Gedichte der Bruͤder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. herausgegeben von Heinrich Christian Boie. mit Kupfern. Ceu duo nubigenae quum vertice montis ab alto Descendunt Centauri. Virg. Aen. VII. 674. Leipzig , in der Weygandschen Buchhandlung . 1779 . Jnhalt. Der Jrwisch 1772. Fr. L. S. 3 Die Ruhe. 1772. Fr. L. 5 Der Harz. 1772. Fr. L. 8 An Buͤrger. 1773. Chr. 11 An den Abendftern. 1773. Fr. L. 14 Der Genius. 1773. Fr. L. 16 An Kurt, Freiherrn v. Haugwiz. Elegie 26 Jul. 1773. Chr. 18. Die Natur 1773. Fr. L. 23 An meine sterbende Schwester Sophia Magdalena. 1773. Chr. 26 An meine Schwester Sophia Magdalena, in ihrer Todes- krankheit, 1773. Fr. L. 28 An Lais. 1773. Fr. L. 30 Frauenlob. 1773. Fr. L. 32 An meine Schwester Auguste Luise. 1773. Chr. 36 Der Wegweiser. 1773. Fr. L. 37 An den Mond. 1773. Fr. L. 38 An die Weende bei Goͤttingen. 1773. Fr. L. 39 Das Eine Groͤßte. 1773. Fr. L. 40 Selbstverleugnung. 1773. Fr. L. 41 Die Blicke. An Dora. 1774. Chr. 42 Der Abend. An J. M. Miller. 1774. Fr. L. 45 Lied eines deutschen Knaben. 1774. Fr. L. 47 Lied eines alten schwaͤbischen Ritters an seinen Sohn. 1774. Fr. L. 49 An Roͤschen 1774. Fr. L. 52 Kain am Ufer des Meeres. 1774. Fr. L. 53 An meine Geschwister. 1774. Fr. L. 56 Anakreons zwoͤlfte Ode. 1774. Chr. 58 Anakreons vier und dreißigste Ode 1774. Chr. 59 Mein Vaterland. An Klopstock. 1774. Fr. L. 60 Romanze. 1774. Fr. L. 64 Die Traͤume. 1774. Fr. L. 69 * 2 Jnhalt. Elise von Mansfeld. Eine Ballade aus dem zehnten Jahrhundert. 1775. Chr. S. 71 Lied eines deutschen Soldaten in der Ferne. 1775. Fr. L. 85 Stimme der Liebe. 1775. Fr. L. 90 Lieben und Liebeln. 1775. Fr. L. 91 An die Unbekante. 1775. Chr. 92 Die Begeisterung. An Voß. 1775. Fr. L. 94 Daphne am Bach. 1775. Fr. L. 97 Freimaͤurerlied bei der Aufnahme eines neuen Bruders. 1775. Fr. L. 99 Freiheitsgefang aus dem zwanzigsten Jahrhundert 1775. Fr. L. 102 Bei Wilhelm Tells Geburtsstaͤtte im Kanton Uri. 1775. Fr. L. 114 Das Ruͤsthaus in Bern. 1775. Fr. L. 116 Die Truͤmmer. 1775. Fr. L. 119 Bei einer Schweizerhochzeit, 1775. Fr. L. 121 Der Felsenstrom. 1775. Fr. L. 124 An Lavater. 1775. Fr. L. 128 Der Mond. An meinen Bruder. 1775. Fr. L. 130 Lied an einen Freimaͤurer bei seiner Aufnahme. 1775. Chr. 131 Das Wiedersehn. An meine Schwester H. F. Graͤfin von Bernstorf. 1775 Fr. L. 135 Rundgesang. 1775. Fr. L. 137 Homer. An Vater Bodmer. 1775. Fr. L. 140 Die Maͤdchen. An einen Juͤngling. 1775. Fr. L. 143 Lied in der Abwesenheit. 1775. Fr. L. 146 An die Grazien. 1776. Fr. L. 147 Die Schoͤnheit. 1776. Fr. L. 150 Lied eines Freigeistes. 1776. Fr. L. 154 Anakreons eilfte Ode. 1776. Chr. 156 — — drei und dreißigste Ode. 1776 Chr. 157 — — fuͤnf und vierzigste Ode. 1776. Chr. 159 Hellebeck, eine seelaͤndische Gegend. 1776. Fr. L. 161 Jnhalt. An Juͤnglinge. 1776. Fr. L. S. 175 Die Thraͤnen der Liebe. 1776. Fr. L. 178 Bei Homers Bild. 1776. Fr. L. 180 Winterlied. 1776. Fr. L. 182 Buͤrger an Fr. Leopold, Grafen zu Stolberg. 184 Antwort an Buͤrger. 1776 Fr. L. 186 Badelied zu singen im Sunde. 1777. Fr. L. 190 Die Buͤssende, Ballade. 1777. Fr. L. 192 An das Meer. 1777. Fr. L. 208 Theokrits achte Jdylle. 1777. Chr. 211 — — neunte Jdylle. 1777. Chr. 222 Die Meere. 1777. Fr. L. 226 Die spaͤten Herbstblumen. 1777. Fr. L. 231 An den Verfasser von Stillings Jugend. 1778. Fr. L. 232 Orpheus und Eurydice. 1778. Fr. L. 234 Der wahre Traum, eine Ballade. 1778. Chr. 244 Hymne an die Sonne. 1778. Fr. L. 255 Schoͤnborn an Fr. L. Grafen zu Stolberg. 1778. 259 Der Gesang. An Schoͤnborn. 1778. Fr. L. 262 Hymne an die Erde. 1778. Fr. L. 267 Vor dem Schlummer. 1778. Fr. L. 285 Elegie an meinen Bruder. 1778. Fr. L. 286 Der siebende November. An meinen Bruder. 1778. Chr. 291 Die Foier der Erde. 1778. Fr. L. 299 Morgenlied eines Juͤnglings. 1779. Fr. L. 305 Abendlied eines Maͤdchens. 1779. Fr. L. 306 Nachruf des Juͤnglings. 1779. Fr. L. 309 An Lyde. 1779. Fr. L. 310 Der Tod. 1779. Fr. L. 312 An meinen Bruder. 1779. Chr. 315 Die Entfernung der Dichter und des Herausgebers von dem Druckorte werden einige Verschiedenheiten der Rechtschrei- bung, Unrichtigkeiten der Jnterpunktion, und andre kleine Fehler verzeihlich machen, von welchen die vornehmsten hier angezeigt werden. Seite 23. Zeile 5. nach Weib muß das, weg. 29. 13 nach Fruͤhlingsregen ein, 25. 6. Harmonieen. 37. 7. nach Auge ein. 45. 14. nach Wonne ein, 46. 3. nach Busches das, weg. 54. 5. nach Schlund ein! 57. 6. nach schliessen ein! 60. 11. nach nicht ein! 65. 2. nach Stab ein; 72. 2. nach mir ein. Z. 4 nach wahrlich ein! 75. 2. nach mein ein; 79. 2. nach hin ein; Z. 10 nach Mitternacht ein! 94. 12. nach Himmelsluͤfte ein, 99. 12. Pfaden. 103. 13. nach Wellen ein; Z. 14 und S. 104 Z. 4. Felsenwaͤlzenden. 108 14 er- schalle. 120. 16. nach fielen ein; 121. 11. Maͤgdlein. 122. 11. lieben. 124. 4 nach Felsenkluft ein. 128. 5. Seees. 135. 11 bittrer. 140. 16. Harmonieen. 141. 9. Simois. 148. 16. nach Deutschlands ein, 151. 11. Me- lodieen. 156. 3. nach Weiber ein: Z. 12 nach scherzen ein, 166. 19. nach Schnee ein, 167. 6. nach Morven ein. 168. 19. nach Silbergestaͤube ein; 169. 12. nach nicht ein; 173. 15. nach vollen ein, 180. 10. nach Stralenhand ein; 187. 21. Nachtigallen. 190. 13. Nym- phen. 218. 5. nach Jupiter ein. 231. 9. klopfendem. 232. 8. nach belebt ein; 233. 7. nach Pfaff das, weg. 236. 14. Kocytus. 241. 13. nach Neste ein; 243. 21. vocabat. 263. 6. nach Augen ein. 265. 20. nach Seele ein! 280. 13 nach Eilands ein. Ausserdem ist oft wenn gedruckt, wo wann sein solte, und nach einem Ausrufungszeichen steht nicht allemal ein grosser Buchstab da, wo die Deklamation einen erfordert. Die lez- ten Zeilen jeder Strophe in den Oden S. 60 69. 128 und 135 sind auch, durch ein Versehen, nicht eingeruͤckt. Gedichte der Bruͤder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. Der Jrrwisch. S piele nur immer, gaukelnder Betruͤger! Spiele nur immer deine losen Taͤnze, Fluͤchtiges Dunstkind, das des Wandrers Fuͤsse Bruͤnstig heranlockt; Sproͤde dann fliehet, endlich ins Verderben Reizet! Jch kenne diese Maͤdchenraͤnke, Lernte sie all’, aus deinen blauen Augen, Flatternde Nais! Die Ruhe. O b siege Machmud, oder ob Nikolas Rußlands Schuzheiliger. Den Popen hoͤre; ob sich der Bischof Roms Despotisch aufblaͤh, oder knechtisch Lecke die Ferse den Burboniden; Ob dort ein schlauer junger Oktavius Ein Volk bejoche, welchem noch Freiheit galt; Ob hier, nach spaͤt gefundnen Rechten, Koͤnige Habe des andern theilen; Soll mich nicht kuͤmmern. Eine der Mensch- lichkeit Geweinte Thraͤne floß, da der Korse juͤngst Den edlen Nacken bog, als seine Schaaren ihm sandte der Vielgeliebte. Louis le bien-aimé. Seitdem entsagt’ ich aller Mitwissenschaft Um ferne Schlachten und den erzwungenen Vertrag, der oft mit feuchtem Oelzweig Schlummernde Gluten verbarg, nicht loͤschte. Komm, holde Ruhe, suͤsse Gespielin du Der frohen Unschuld! Leite mit deiner Hand Den Juͤngling, der sein ganzes Leben Dir und der laͤchelnden Weisheit heiligt; Und fruͤhen Weihrauch deinen Altaͤren streut, Den Hafen segnend, weil noch der Ozean Jhm laͤchelt, eh die schwarze Woge Prediget Rettung zugleich und Weisheit. Dem spaͤten Opfrer oͤfnet ihr Heiligthum Die Ruhe selten; Schlummer und Ekel taͤuscht Den muͤden Weltmann, stets von neuen Wuͤnschen und geisselnder Furcht gepeinigt. Jn stille Thale wird sie mich leiten, wenn Der Sturmwind raset, mir, wenn der Mittag zuͤrnt, Am Schattenufer kuͤhler Quellen, Sitze bereiten im Duft der Rose. Jn heitrer Mondnacht wird sie Gesaͤnge mich Voll Einfalt lehren, reich an Empfindungen, Bis Philomel’ aus schwanken Aesten Lauschendes Schweigen umher verbreitet. Des Baches Silber, welches vom sanften Hang Des Huͤgels murmelnd zwischen Violen rinnt, Gleicht dann mein Leben, eine Welle Folget der andern, ein Tag dem andern. Voll Freuden jeder! jeder dem duͤstern Pful Zwar naͤher; aber sieh! es entstroͤmt dem Pful Ein hellerer Kristall, als jener, Welcher die Blume der Wiese traͤnkte. Der Harz. H erzlich sey mir gegruͤst, werthes Cheruskaland! Land des nervigen Arms und der gefuͤrchteten Kuͤhnheit, freieres Geistes, Denn das blache Gefild umher! Dir gab Mutter Natur, aus der vergeudenden Urne, maͤnnlichen Schmuck, Einfalt und Wuͤrde dir! Wolkenhoͤhnende Gipfel, Donnerhallende Stroͤme dir! Jm antwortenden Thal wallet die goldene Flut des Segens, und stroͤmt in den genuͤgsamen Schooß des laͤchelnden Fleisses, Der nicht kaͤrglich die Garben zaͤhlt. Schaase weiden die Trift; auf der gewaͤsserten Aue bruͤllet der Stier, stampft das gesaͤttigte Roß; die baͤrtige Ziege Klimmt den zackigen Fels hinan. Wie der schirmende Forst deinem erhabenen Nacken schattet! er naͤhrt stolzes Geweihe dir! Dir den schnaubenden Keuler, Der entgegen der Wunde rennt! Dein wohlthaͤtiger Schooß, selten mit goldenem Fluche schwanger, verleiht nuͤtzendes Eisen uns, Das den Acker durchschneidet Und das Erbe der Vaͤter schuͤzt. Dir gibt reinere Luft, und die teutonische Keuschheit, Jugend von Stal; moosigen Eichen gleich, Achten silberne Greise Nicht der eilenden Jahre Flug. Dort im wehenden Hain wohnt die Begeisterung; Felsen jauchzten zuruͤck, wenn sich der Barden Sang Unter bebenden Wipfeln Durch das hallende Thal ergoß. Und dein Hermann vernahm’s! Sturm war sein Arm! sein Schwert Wetterflamme! betaͤubt stuͤrzten die trotzigen Roͤmeradler, und Freiheit Stralte wieder im Lande Teuts! Doch des Heldengeschlechts Enkel verhuͤlleten Hermanns Namen in Nacht, bis ihn (auch er dein Sohn!) Klopstocks maͤchtige Harfe Sang der horchenden Ewigkeit. Heil, Cheruskia, dir! furchtbar und ewig steht, Gleich dem Brocken, dein Ruhm! Donnernd verkuͤnden dich Freiheitsschlachten! und donnernd Dich unsterblicher Lieder Klang! An Buͤrger. D ir mich weihen? ich dir? stygische Furie, Afterthemis, ich dir? die du mit Schlangenlist Unser goͤttliches Recht, welches Natur uns gab, Raubtest, und mit Tigers Klau? Ha! wie schallts am Altar! Bosheit und Ha- dersucht, Aemsig spaͤhend den Zwist, haͤmische Rachbegier, Groll und gieriger Geiz, Vater des feilen Spruchs: Ha, wie tobet die Hoͤllenbrut! Und dein Nattergezisch, schlaue Chikane, du Misgeschoͤpfe des arglistigen Fremdlinges, Ungenant von dem Volk, welches die Zunge spricht, Die Thuiskon und Mana sprach! Weß der aͤchzende Laut? — — Ach der be- kuͤmmerten Unschuld Seufzer! Sie naht weinend der Goͤttin sich, Fleht Erbarmen; umsonst! Jhre verruchte Schaar Schreckt mit grimmigem Hohn sie weg! O des goldenen Tags, da bei dem Volke Teuts Noch Gerechtigkeit galt, noch, von der heiligen Eiche Schauer umrauscht, sie in dem richtenden Kreis ehrwuͤrdiger Vaͤter saß! Da vom albernen Wahn lauter der hellere Geist, und lauter vom Schwall wirrender Sazun- gen, Da noch Tugend, und du, Erbe Germaniens, Treue, lehrtet den Biederspruch! Ach, entflohn ist, entflohn laͤngst die Gerechtigkeit Vom entarteten Stamm! Wenigen Lieblingen Laͤchelt Weihe nur noch, segnend, vom naͤchtlichen Pol herab, die Geflohene. Weihe laͤchelte sie, edler Cheruskasohn, Dir, o Buͤrger, der du heiligen Druden gleich, Richtertugenden uͤbst, heiligen Barden gleich, Braga’s Kranz um die Locke schlingst. An den Abendstern. E hmals winktest du mir, Fuͤhrer des schweigen- den Abends, Freuden herab, kurz, wie sie Sterblichen Laͤcheln, farbigen Blasen Aehnlich, hauchender Weste Spiel! Zwar mir waren sie werth! werth, wie dem lechzenden Waizenhalme der Thau! aber sie schwanden bald! Selten blicket dein Auge Nun, und truͤber auf mich herab! Huͤllen Schleyer dich ein? oder entquellen dir Thraͤnen? Bist du, wie ich, nagender Traurigkeit Raub? Ein Erbe des Jammers? Deine stralende Bruͤder auch? Jst das blaue Gewand leuchtender Sonnen voll, Und mit Monden besaͤ’t, nur ein Gewebe von Elend? Toͤnen die Sphaͤren Einer ewigen Klage Ton? Oder bin ich allein elend? Du schweigest mir! Unerbittlich auch du! dennoch ein Retter einst, Wenn du bringest den Abend, Welchem folget kein Morgenroth! Der Genius. D en schwachen Fluͤgel reizet der Aether nicht! Jm Felsenneste fuͤhlt sich der Adler schon Voll seiner Urkraft! hebt den Fittig, Senkt sich, und hebt sich, und trinkt die Sonne! Du gabst, Natur, ihm Flug und den Sonnendurst! Mir gabst du Feuer! Durst nach Unsterblichkeit! Dies Toben in der Brust! Dies Staunen, Welches durch jegliche Nerve zittert, Wenn schon die Seelen werdender Lieder mir Das Haupt umschweben, eh das nachahmende Gewand der Sprache sie umfliesset, Ohne den geistigen Flug zu hemmen! Du gabst mir Schwingen hoher Begeisterung! Gefuͤhl des Wahren, Liebe des Schoͤnen, du! Du lehrst mich neue Hoͤhen finden, Welche das Auge der Kunst nicht spaͤhet! Von dir geleitet wird mir die Sternenbahn Nicht hech, und tief sein nicht der Oceanus! Die Mitternacht nicht dunkel! Blendend Nicht des vertrauten Olymps Umstra- lung! Stolb. B An Curt Freyherrn von Haugwitz. Elegie. S uͤsser duftet die Flur, und kuͤhler hauchet der Abend; Nur ein welkendes Roth weilt am azurenen West. Stille thauet herab, und Ruh’, und sanfte Be- geistrung Auf den einsamen Pfad, welchen der Waller betrit. Hesperus schaut auf ihn mit freundlichen Blicken hernieder, Lispelt segnend ihm zu: Geh’ in Frieden dahin! Jch auch wander’ umher, und such auf einsamen Pfaden Ruh’ und lindernden Trost fuͤr mein sinkendes Herz. Ach vergebens! — O du der besten Juͤnglinge Bester, Den ich liebe, so sehr, als ich zu lieben ver- mag; Dem die milde Natur der Gaben schoͤnste, die selten Sie verleiht, ein Herz zarter Empfindung, verlieh; Den sie der Freundschaft schuf, der Lieb’, und stilleren Freuden; Sanfte Melancholie, deine Feindinnen nicht! Ach du windest dich los aus deines Freundes Um- armung; Scheidest zoͤgernd von ihm — ach! auf ewig vielleicht! — — Also sind sie dahin, der Freundschaft heilige Jahre, Deren jeglicher Tag fester und fester uns band? Also sind sie verbluͤht, die Veilchen, welche mir oftmal Deine gefaͤllige Hand streut’ in den muͤhsamen Weg? Nein! sie sind nicht verbluͤht! Jn jeder heiteren Stunde Kehrt mir laͤchelnd zuruͤck jede genossene Lust. O dann sollen mich oft Phantome der Abend’ um- schweben, Die, uns jeglichesmal taͤuschend, zu fluͤchtig ent- flohn! Jezo wanderten wir, mit Fruͤhlingsruhe ge- segnet, Arm geschlungen in Arm, bluͤhende Thaͤler hinab; Lagerten jezo uns hin am moosigen Ufer des Baches, Und dem suͤssen Geschwaͤz horchte vertrau- lich der Mond. O, wie schmolz uns dann das Herz in sanfter Empfindung! O, wie schmeckten wir dich, himmlische Freund- schaft, so suͤß! Einstens pfluͤckt’ ich zwo junge Vergißmeinnicht, und streute, Wo am klaͤrsten er floß, sie in den kraͤuselnden Bach. Eine riß er hinweg; die andere weilt’ am Ufer! Und du starrtest mich an; Thraͤnen bewoͤlkten den Blick! Jch verstand dich! Auch mich ergrif der baͤngste Gedanke: Ach! wenn einst das Geschick uns wie die Blumen verstreut! So schlich Wehmut oft in unsere Freuden; so sprosset Jn dem Myrtengebuͤsch’ eine Zypresse mit auf. Oftmal standen wir still am schroffen Hange des Felsen, Muͤden Pilgern gleich, uͤber die Staͤbe gelehnt; Und umhuͤllte mich dann der Nebel der schwarzen Schwermut, O so schuͤttet’ ich, Freund, dir in das deine mein Herz! Seufzend hoͤrtest du mich, und jede Sorge, die theilend Du mir nahmest, erhob meine beklommene Brust! Phantasie, wo gaukelst du hin? — O Bester, nun leichterst Du nicht wieder die Last meiner beklommenen Brust! Ach nun fliehst du! Verweil! daß in der lezten Umarmung Eine Thraͤne nur noch misch’ in die meinige sich. Segen geleite dich, Freund! O sei der Liebling des Gluͤckes, Jenes reineren Gluͤcks, welches der Weise nur kent; Sei deß Liebling, wie du der menschenfreundlichen Tugend Und der Weisheit es bist! Segen geleite dich, Freund! Die Natur. E r sey mein Freund nicht, welcher die goͤttliche Natur nicht liebet! Engelgefuͤhle sind Jhm nicht bekant! Er kan mit Jnbrunst Freunde nicht, Kinder nicht, Weib, nicht lieben! Jhm bebte nie von trunkner Begeisterung Die stumme Lippe! Schauer begegneten, Jn hoher Wallung, seiner Seele Nie mit der steigenden Morgensonne! Jn deinen Wonnebecher, Allguͤtiger! Entfielen niemal Thraͤnen des Dankes ihm! Sein Erb’ ist Taumel, oder Schlafsucht! Wehmut und Wonne des Weisen Erbe! Er ist kein Sohn der Freiheit! das Vaterland Jst Spreu dem Feigen! Sklave! Dich freite nicht Die Roͤmerschlacht! zu meinen Fuͤssen Kruͤmme dich, Raupe, daß dein ich spot- te! — Jch seiner spotten? — weh mir! o zuͤrne nicht, Du Vater Aller! Wirbel und Stolz ergrif Den Mann von Staub, daß er des Staubes Spottete, den er beweinen solte! O sey gesegnet, Thraͤne der Reue, mir! Des Mitleids Thraͤne, mehr noch gesegnet, du! Nun werden, wie nach Fruͤhlingsregen Traulich die Blumen der Au mir laͤcheln! Nur reinen Herzen duftet der Abendthau Der bunten Lenzflur! Heilig nur ihnen sind Der Eiche Schatten! Deine Segen, Einsamkeit, koͤnnen nur sie ertragen! Woll’st oft, o sanfte Mutter der Weisheit, mich Auf ernste Pfade leiten, im Mondenschein! Wo nur der Denker tiefe Wahrheit Schoͤpfet, und gluͤhender Stirne wallet! Dann werden oft sich ernste Betrachtungen Jn Harmonien wandeln; Begeisterung Wird mich erfuͤllen, daß die Thale Hallen mein Lied und die Felsengaͤnge! Wenn du mich fuͤrder leitest, Natur, so soll Mein Lied dir jauchzen, weil ich ein Juͤngling bin! Es soll dich feiern, wenn mit Silber Kuͤrzere Locke die Scheitel schmuͤcket! An meine sterbende Schwester Sophie Mag dalene. R osenknospe! so schoͤn bluͤhete keine noch Von den Toͤchtern des Mais, welchen der Mor- genthau Jn den duftenden Busen Schimmer traͤufelt und Lenzgeruch. Und nun neigst du herab, Rose, dein lechzendes, Ach, dein welkendes Haupt! — Wenige Son- nen nur Und du bluͤhest, o Schoͤnste, Schoͤner wieder in Eden auf! Labung thauen auf dich, kuͤhlende Labung dann Lebensbaͤume hinab; Luͤfte der Sommernacht Weht die Palme des Sieges Dann entgegen der Dulderin! Deiner Leiden entkeimt jedem ein bluͤhender Zweig zum Kranze des Lohns, der dich umflech- ten soll! Wie so heiter, o Beste? Zeigt dein Engel den Kranz dir schon? Weinend naht’ ich, und sank sprachlos an deine Brust, Laͤchelnd kuͤßtest du mich, aber nur bitterer Floß die Wehmut, und nezte Deine Wange, Geliebteste! An meine Schwester Sophie Magdalene in ihrer Todeskrankheit. B lutige Thraͤnen haͤtt’ ich dir geweinet, Ach! und Thraͤnen der Seele, wenn mein Auge Starrte, gleich dem Grame, den nie des Trostes Kuͤhlung umwehte; Haͤtte nicht Hofnung lange mich gehoben, Wuͤrdest wieder genesen! Ach sie sinket! Meine Seele sinket mit ihr! o laͤchle, Erbin des Himmels, Laͤchle mir Trost aus deiner Ruhen Fuͤlle! Trost mit Wehmut vermischt! denn deine Freuden Kan ich, noch im daͤmmernden Thale wal- lend, Schwach nur empfinden! Hoͤhere Pfade wallest du und schauest Schon am festlichen Himmel Gold und Pur- pur! Freuest dich der nahenden Sonne! trinkest Schon ihre Stralen! An Lais. W eil noch leicht, wie ein Nektartraum, Dir das Leben verfliegt; weil noch der laͤchelnden Hebe Pinsel, in Lebenskraft Eingetauchet, den Mund aͤhnlich dem Morgenroth, Rosenwallend die Wange malt; Weil noch taͤglich dein Blick, hell, wie der Abend- stern, Aber treffend, wie Sirius, Die hintaumelnde Schaar deiner Gefangnen mehrt; Darum trozest du, thoͤrige Lais, kuͤnftiger Zeit, welche die fliegenden Stunden bringen, Unkundige! Wird dir ewig die Glut schmachtender Juͤnglinge, Dir die Blaͤsse der Eifersucht Ewig froͤhnen? Auch dich werden die Grazien Einst verlassen! der siegenden Kuͤnste jede! Dein Lenz schwindet auf neidender Weste Fittig! bald hauchen sie Deine Bluͤthen herab! dann wird die bulende Lais seufzen: ihr rosigen Tage, kommet zuruͤck! aber die rosigen Tage flohen! Verhuͤlle dich, Lais! daß der Triumph deiner Gespielen dich, Die Moral der Matrone dich Nicht verfolge! der Hohn deiner Entfesselten Dich nicht treffe! denn eisern war Deine Herrschaft! dein Stolz freute der Thraͤ- nen sich, Und der blassen Verzweifelung! Nun sind Thraͤnen der Schmuck dieser verwel- kenden Wangen! Seufzer erheben nun Ungeheissen die Brust! jeden erloͤschenden Schimmer deiner gefeierten Augen ruͤstet die Wuth! Lais, verhuͤlle dich! Dein ist Schande! Denn eisern war Deine Herrschaft! Dein Stolz freute der Thraͤ- nen sich Und der blassen Verzweifelung! Frauen Lob. T raun, der Mann ist Neides werth, Dem sein Gott ein Weib bescheert, Schoͤn und klug und tugendreich, Sonder Falsch, den Taͤublein gleich! Seiner Wonne Maaß ist groß! Seine Ruhe wechsellos! Denn kein Kummer nagt den Mann, Den solch Weiblein troͤsten kan! Gleich des Mondes Silberblick, Laͤchelt sie den Gram zuruͤck; Kuͤßt des Mannes Thraͤnen auf, Streut mit Blumen seinen Lauf. Wenn ihn jaͤher Mut empoͤrt, Er nicht mehr des Freundes hoͤrt, Wenn von Zorn die Brust ihm gluͤht, Und sein Auge Feuer spruͤht; O! dann schleicht sie weinend nach, Saͤnftigt ihn mit einem Ach! Also kuͤhlt der Abendthau Die versengte Blumenau! Keine Muͤhe wird ihm schwer! Keine Stunde freudenleer! Denn nach jeder Arbeit Last Harret sein die suͤsse Rast! Engel foͤrdern ihre Ruh, Druͤcken beider Augen zu! Jhrer keuschen Ehe Band Knuͤpfte Gottes Vaterhand! Stolb C Gott schenkt ihren Soͤhnen Mut, Fuͤr die Tugend reges Blut! Staͤrket ihren jungen Arm, Macht ihr Herz fuͤr Freiheit warm! Mit verschaͤmten Reizen bluͤhn Jhres Bettes Toͤchter! gluͤhn Mit der Mutter Unschuld, rein Wie ein Quell im Sonnenschein! Drob erfreut der Vater sich, Drob die Mutter inniglich; Jhr vereintes Dankgebet Preist den Geber fruͤh und spaͤt! Gold hat keinen noch begluͤckt; Falscher Ehre Lorbeer druͤckt; Wer nach Wuͤrden hascht, greift Sand; Wissenschaft ist oft ein Tand: Aber Weiber giebt uns Gott! Ohne sie ist Leben Tod! Weiber leichtern jedes Joch! Lieben uns im Himmel noch! An meine Schwester Augusta Luise. B este, du klagst nicht: doch entschleicht, ich weis es, Mancher sehnende Seufzer deinem Busen, Truͤbt dein blaues schmachtendes Aug’ ein Schleier Schweigender Wehmut. Dir, die so zaͤrtlich meine Seele liebet, Dir, ach zuͤrne nicht! schwieg ich seit dem bangen Abschiedskusse! Sage mir, bestes Maͤdchen, Sage, wie kont’ ich? Der Wegweiser. F reundlicher Greis, wie du den Weg mich lehr- test, Also leite dich Gott zu jenen Huͤtten, Deren Weg der kluͤgelnde Weise spaͤt und Selten erforschet! Einfalt und Liebe sprach dein sanftes Auge, Einfalt fuͤhret auch dorthin! Bruderliebe Suͤhnt des Schwachen Jrrungen! sei- nen Fehlen Donnert kein Richter! An den Mond. S chied dir ein Freund, o Mond? Du blickst so traurig Durch die hangenden Maien! oder truͤbt dir Mitleid deine Wange, weil diese Thraͤne Fliessen du sahest? O so erhelle meines Haugwitz Pfade, Der dich schmachtend beschaut! und fluͤstr’ ihm freundlich: An der Leine Kruͤmmungen weint dein Stolberg Thraͤnen der Sehnsucht! An die Weende bey Goͤttingen. Q uelle, du bist mir werther, denn des lauten, Felsenstuͤrzenden Stroms erzuͤrnte Woge! Deinem leisen Lispel entschluͤpfen suͤsse Freuden der Seele! Freuden der Seele fliehn der Welt Getoͤse, Sind der Ruhe Gespielen! lieben deine Blumenthale, lieben, wie du, die Kuͤhle Duftender Erlen! Das eine Groͤste. L aͤndliche Ruhe Freundschaft, Liebe kraͤnzen Uns mit Blumen der Freude! Freiheit gibt uns Mannsinn! aber goͤttlich zu leben ist das Einige Groͤste! Selbstverleugnung. T hraͤnen der Sehnsucht truͤben Daphnes Augen; Jhren seufzenden Busen hebt die Treue! Sturm und Woge fernen von ihren Kuͤssen, Welchen sie liebet! Wehende Weste, bringet ihn den Kuͤssen Seines Maͤdchens entgegen! Hofnungs- loser Liebe Schmerzen quaͤlen mich dann; doch bringt ihn, Wehende Weste! Die Blicke. An Dora. R oͤthliche, goldbesaͤumte Wolken huͤllen Jhre Stralen nicht mehr! Sie komt, die Sonne! Blickt allguͤtig laͤchelnde Freud’ und junges Leben hernieder! Schimmernder bluͤhn die thaubenezten Fluren; Jedes zitternde Bluͤmchen athmet Freude, Stralt in Regenbogen die Sonnenblicke Lieblicher um sich. Himmlischer aber laͤchelt mir das Auge, Ach! das Grazienauge meines Maͤdchens! Blicket mild ins Herz mir noch ungefuͤhlte, Selige Freuden! Wallendes Leben bebt durch jede Nerve, Klopft in jeglichem Pulse; frohe Schauer Stroͤmen in die trunkene Seele namen- Loses Entzuͤcken! Aber ach! Wehmut blickt mir oft ihr blaues Auge! Wehmut und Truͤbsinn! dann entquellen Sehnsuchtsseufzer, thaut mir der Liebe Zaͤhre Ueber die Wange! Duftige Nebel locket so die Sonne Aus dem Blumengefild am Sommerabend; Truͤbe steigt der wolkige Schleier, traͤufelt Labende Kuͤhlung. — — Blicke mir, meine Dora, blicke Wehmut Mir ins liebende Herz! Auch sie gewaͤhret Suͤsses namenloses Gefuͤhl, der Liebe Traute Gesellin! Bis du mir einstens (Ahndung lispelt’s leise, Ahndung, ach! die zur Hofnung noch nicht reifte!) Bis du Lieb’ im schmachtenden Auge, Liebe, Liebe mir laͤchelst! Der Abend. An Johann Martin Miller. W enn der Abend den See roͤthet, sich han- gende Buchen spiegeln im See, und das bewegte Schilf, Und der einsame Nachen Und das trinkende Wollenvieh; Ruhe senket herab dann sich auf thauenden Luͤften, kuͤhlet den Wald, traͤnket die Blu- menau, Stimmt den singenden Landmann, Und der floͤtenden Nachtigall Liebe weinendes Lied; Wonne der thraͤnenden Wehmut Schwester, und du, suͤsse Vergessen- heit Jedes rauschenden Taumels Ueberfliessen die Seele mir! Wankend irr’ ich umher unter den Duͤften der Erle; jeglichen Busch, jeden Bewohner des Busches, gruͤsset des frohen Auges schwimmende Zaͤrtlichkeit! Auch das Bluͤmchen, der Wurm, welcher das Bluͤmchen beugt, Jst mir inniglich werth! Gab ihm mein Va- ter doch Seine goldenen Schimmer, Duͤfte jenem und Farbenglanz. Lieblich laͤchelt der Mond! lieblich der Abendstern! Freund, sie laͤchelten uns weiland am Ufer der Leine, uns in der Laube, Uns im Thale beym Silberquell! Miller! truͤbt sich dein Blick? Miller, mein rinnendes Auge truͤbt sich in Nacht, welche kein freund- licher Mond mit Silber durchschimmert, Kein sanftlaͤchelnder Abendstern! Lied eines deutschen Knaben. M ein Arm wird stark und groß mein Mut, Gieb, Vater, mir ein Schwert! Verachte nicht mein junges Blut; Jch bin der Vaͤter werth! Jch finde fuͤrder keine Ruh Jm weichen Knabenstand! Jch stuͤrb’, o Vater, stolz, wie du, Den Tod fuͤrs Vaterland! Schon fruͤh in meiner Kindheit war Mein taͤglich Spiel der Krieg! Jm Bette traͤumt’ ich nur Gefahr Und Wunden nur und Sieg. Mein Feldgeschrei erweckte mich Aus mancher Tuͤrkenschlacht; Noch juͤngst ein Faustschlag, welchen ich Dem Bassa zugedacht! Da neulich unsrer Krieger Schaar Auf dieser Strasse zog, Und, wie ein Vogel, der Husar Das Haus voruͤberflog, Da gaffte starr, und freute sich Der Knaben froher Schwarm: Jch aber, Vater, haͤrmte mich, Und pruͤfte meinen Arm! Mein Arm ist stark und groß mein Mut! Gieb, Vater, mir ein Schwert! Verachte nicht mein junges Blut; Jch bin der Vaͤter werth! Lied eines alten schwaͤbischen Ritters an seinen Sohn, aus dem zwoͤlften Jahrhundert. S ohn, da hast du meinen Speer; Meinem Arm wird er zu schwer! Nimm den Schild und dies Geschoß; Tummle du forthin mein Roß! Siehe, dies nun weisse Haar Deckt der Helm schon funfzig Jahr; Jedes Jahr hat eine Schlacht, Schwert und Streitaxt stumpf gemacht! Herzog Rudolf hat dies Schwert, Axt und Kolbe mir verehrt, Denn ich blieb dem Herzog hold Und verschmaͤhte Heinrichs Sold! Stolb. D Fuͤr die Freiheit floß das Blut Seiner Rechten! Rudolfs Mut That mit seiner linken Hand Noch dem Franken Widerstand! Nimm die Wehr und wapne dich! Kaiser Konrad ruͤstet sich! Sohn, entlaste mich des Harms Ob der Schwaͤche meines Arms! Zuͤcke nie umsonst dies Schwert Fuͤr der Vaͤter freyen Herd! Sey behutsam auf der Wacht! Sey ein Wetter in der Schlacht! Jmmer sey zum Kampf bereit! Suche stets den waͤrmsten Streit! Schone deß, der wehrlos fleht! Haue den, der widersteht! Wenn dein Haufe wankend steht, Jhm umsonst das Faͤhnlein weht, Trotze dann, ein fester Thurm, Der vereinten Feinde Sturm! Deine Bruͤder fraß das Schwert, Sieben Knaben, Deutschlands werth! Deine Mutter haͤrmte sich Stumm und starrend, und verblich. Einsam bin ich nun und schwach; Aber, Knabe, deine Schmach Waͤr mir herber siebenmal, Denn der sieben andern Fall. Drum so scheue nicht den Tod, Und vertraue deinem Gott! So du kaͤmpfest ritterlich, Freut dein alter Vater sich! An Roͤschen. T rautes Roͤschen, sieh, wie hell Unter Geißblatt dieser Quell Durch Vergißmeinnichtchen fliesset! Reissender rauscht dort sein Fall, Wo er mit des Donners Schall Und des Thales Wiederhall Ueber Felsen sich ergiesset! Aber suͤsser ist er mir, Mein herzliebstes Roͤschen, hier, Denn er gleichet unserm Leben! Seh’ ich ihn so sanft und rein Gleiten in des Mondes Schein, Roͤschen, dann gedenk’ ich dein, Und der Freude Thraͤnen beben! Kain am Ufer des Meers. W eh, o wehe mir! wohin Treibt mich mein geschlagner Sinn? Gottes Stroͤme brausen her Abels Blut! es ist das Meer! Bis zur Erde leztem Rand Hat die Rache mich gebannt! Wo kein Jammer noch geklagt, Hat mich Abels Blut gejagt! Wehe mir! des Bruders Blut Donnert in der wilden Flut! Jn des Felsenufers Schall! Jn der Grotten Wiederhall! Wie den Stein das Meer umfleust, So umstuͤrmen meinen Geist Seelenangst und Qual und Wut, Gottes Schrecken, Abels Blut! Oefnet, Wogen, euren Schlund, Denn der Muttererde Mund Trank sein Blut, da ich ihn schlug, Und vernahm des Raͤchers Fluch! Oefnet, Wogen, euren Schlund Und enthuͤllet euren Grund! Ach umsonst! die Rache wacht Auch im Schooß der alten Nacht! Jn der tiefsten Tiefe Graun Wuͤrd’ ich Abels Schatten schaun, Wuͤrd’ ihn schauen, ob ich floͤh Auf des hoͤchsten Berges Hoͤh. Wuͤrde dieses Leibes Staub Aller Wirbelstuͤrme Raub; O so scheute Kain doch Gottes Feuereifer noch! Ohne Maaß und ohne Zahl Wuͤtet meiner Seele Qual, Sonder Grenzen ferner Zeit, Waͤhret in die Ewigkeit. Denn mich traf des Raͤchers Fluch, Als ich meinen Bruder schlug, Wehe! wehe! wehe mir! Schrecken Gottes folgen mir! An meine Geschwister. W ir wollen unser Lebenlang Uns suͤssen Freuden weihen! Der Wiese Duft, der Waldgesang Soll immer uns erfreuen! Uns gruͤnen Saaten, Trift und Hain, Uns rauschen Wasserfaͤlle, Uns mahlt des Himmels Wiederschein Roth, weiß und blau die Quelle. Aus Blumenkelchen laͤchelt uns Der suͤsse Blick der Freude! Wir sehen ihn, und freuen uns Wie Laͤmmer auf der Weide! Es danket unser frohe Blick Dem Gott, der uns ins Leben Gerufen, und so manches Gluͤck Aus Vaterhuld gegeben! So wallen wir auf sanfter Bahn Der Freude stets entgegen! Uns laͤchelt mancher guter Mann, Und giebt uns seinen Segen! Auch ist der Freunde Zahl nicht klein, Die gern sich an uns schliessen, Wie selig ist’s, ein Mensch zu seyn Und Freundschaft zu geniessen! O daß wir alle Hand in Hand Durchs Leben koͤnten gehen, Und unser liebes Vaterland Mit Thraͤnen wiedersehen! Und an dem Ziele noch zugleich (So wolle Gott es lenken!) Mit Ruhe, reifen Fruͤchten gleich, Das Haupt zur Erde senken! An die Schwalbe. Anakreons zwoͤlfte Ode. Τισοι ϑέλεις ποιήσω. W ie soll ich dich bestrafen, Du plauderhafte Schwalbe? Soll ich die leichten Schwingen Dir kuͤrzen? oder soll ich, Wie Tereus that, die Zunge Dir aus dem Schnabel reissen? Aus meinen schoͤnen Traͤumen, Mit deiner fruͤhen Stimme, Mein Maͤdchen mir zu rauben! Anakreons vier und dreissigste Ode. Μημε Φύγης, ὁρῶσα. An mein Maͤdchen. A ch flieh mich nicht, erblickend Des Scheitels weisse Locken! Und ach, weil dir die Blume Der frischen Jugend bluͤhet, Verschmaͤh nicht meine Liebe! Du siehst ja, wie in Kraͤnzen, Geflochten unter Rosen, Die weissen Liljen prangen! Mein Vaterland, an Klopstock. D as Herz gebeut mir! siehe, schon schwebt, Voll Vaterlandes, stolz mein Gesang! Stuͤrmender schwingen sich Adler Nicht, und Schwaͤne nicht toͤnender! An fernem Ufer rauschet sein Flug! Deß staunt der Belt und zuͤrnet und hebt Donnernde, schaͤumende Wogen; Denn ich singe mein Vaterland! Jch achte nicht der scheltenden Flut, Der tiefen nicht, der thuͤrmenden nicht, Mitten im kreisenden Strudel Saͤnge Stolberg sein Vaterland! O Land der alten Treue! voll Muts Sind deine Maͤnner! sanft und gerecht! Rosig die Maͤdchen und sittsam! Blitze Gottes die Juͤnglinge! Jn deinen Huͤtten sichert die Zucht Den Bund der Ehe; rein ist das Bett Zaͤrtlicher Gatten, und fruchtbar Jhre keuschen Umarmungen. Vom Segen Gottes triefet dein Thal, Und Freude reift am Rebengebirg; Singenden Schnittern entgegen Rauscht die wankende Halmensaat. Kolumbia, du weintest, gehuͤllt Jn Trauerschleyer, uͤber den Fluch Welchen der lachende Moͤrder Oeden Fluren zum Erbe ließ; Da sandte Deutschland Segen und Volk: Der Schooß der Jammererde gebar, Staunte der schwellenden Aehren, Und der schaffenden Fremdlinge! Nach fernem Golde duͤrstete nie Der Deutsche; Sklaven fesselt’ er nicht! Jmmer der Schild des Verfolgten Und des Draͤngenden Untergang! Jch bin ein Deutscher! (Stuͤrzet herab Der Freude Thraͤnen, daß ich es bin!) Fuͤhlte die erbliche Tugend Jn den Jahren des Kindes schon. Von dir entfernet weih’ ich mich dir, Mit jedem Wunsche, heiliges Land! Gruͤsse den suͤdlichen Himmel Ost, und seufze der Heimat zu! Auch greifet oft mein nerviger Arm Zur linken Huͤfte; manches Phantom Blutiger Schlachten umflattert Dann die Seele des Sehnenden. Jch hoͤre schon der Reisigen Huf, Und Kriegsdrommete! sehe mich schon, Liegend im blutigen Staube, Ruͤhmlich sterben fuͤr’s Vaterland! Romanze. J n der Vaͤter Hallen ruhte Ritter Rudolfs Heldenarm, Rudolfs, den die Schlacht erfreute, Rudolfs, welchen Frankreich scheute Und der Sarazenen Schwarm. Er, der lezte seines Stammes, Weinte seiner Soͤhne Fall: Zwischen Moosbewachsnen Mauern Toͤnte seiner Klage Trauern Jn der Zellen Wiederhall. Agnes mit den goldnen Locken War des Greisen Trost und Stab, Sanft wie Tauben, weiß wie Schwaͤne, Kuͤßte sie des Vaters Thraͤne Von den grauen Wimpern ab. Ach! sie weinte selbst im Stillen, Wenn der Mond ins Fenster schien. Albrecht mit der offnen Stirne Brante fuͤr die edle Dirne, Und die Dirne liebte ihn! Aber Horst, der hundert Krieger Unterhielt in eignem Sold, Ruͤhmte seines Stammes Ahnen, Prangte mit erfochtnen Fahnen, Und der Vater war ihm hold. Stolb. E Einst beim freien Mahle kuͤßte Albrecht ihre weiche Hand, Jhre sanften Augen strebten Jhn zu strafen, ach! da bebten Thraͤnen auf das Busenband. Horst entbrante, blickte seitwaͤrts Auf sein schweres Mordgewehr; Auf des Ritters Wange gluͤhte Zorn und Liebe; Feuer spruͤhte Aus den Augen wild umher. Drohend warf er seinen Handschuh Jn der Agnes keuschen Schooß; „Albrecht nim! Zu dieser Stunde Harr’ ich dein im Muͤhlengrunde!„ Kaum gesagt, schon flog sein Roß. Albrecht nahm das Fehdezeichen Ruhig, und bestieg sein Roß; Freute sich des Maͤdchens Zaͤhre, Die, der Lieb’ und ihm zur Ehre, Aus dem blauen Auge floß. Roͤthlich schimmerte die Ruͤstung Jn der Abendsonne Stral; Von den Hufen ihrer Pferde Toͤnte weit umher die Erde Und die Hirsche flohn ins Thal. Auf des Soͤllers Gitter lehnte Die betaͤubte Agnes sich, Sah die blanken Speere blinken, Sah — den edlen Albrecht sinken, Sank, wie Albrecht, und erblich. Bang’ von leiser Ahndung spornet Horst sein schaumbedecktes Pferd; Hoͤret nun des Hauses Jammer, Eilet in des Fraͤuleins Kammer, Starrt und stuͤrzt sich in sein Schwert. Rudolf nahm die kalte Tochter Jn den vaͤterlichen Arm, Hielt sie so zwei lange Tage, Thraͤnenlos und ohne Klage, Und verschied im stummen Harm. Die Traͤume. A us suͤssem Schlummer weckte mich heut Des jungen Tages roͤthender Stral; Siehe, noch flatterten Traͤume Um die Scheitel des Wachenden. Jch will euch taͤuschen! dacht’ ich, und schloß Die Augenlieder, streckte den Arm, Athmete tiefer und lauschte Jhren leisen Bewegungen. Da schlich mir einer zwischen das Haar Der halbgeschloßnen Wimper, und schnell Malte der laͤchelnde Bube Vor dem Auge Dorinde mir. Ein andrer schluͤpft’ ins horchende Ohr, So schluͤpft die Schwalbenmutter ins Nest, Fluͤsterte fuͤsse Gespraͤche Mit der Stimme Dorindens mir. O weh! nun ward der Taͤuscher getaͤuscht, Und traͤumte Liebetrunkner als je, Bis die Fantome verschwanden, Und die Thraͤne der Sehnsucht rann! Elise von Mannsfeld. Eine Ballade aus dem zehnten Jahrhundert. „ W ie viele sehnten sich nach dir, Du kuͤhle, stille Nacht! Nun hast du ihnen Labung, Ruh Und sanften Schlaf gebracht. Auch mir komst du erwuͤnscht; izt kan Jch frei und einsam sein, Durch manchen tiefen Seufzer nun Mir lindern meine Pein. Ach Gott! was hab’ ich denn gethan, Daß sie so grausam sind? Mein Vater nante mich ja stets Sein liebes gutes Kind; Und ihren besten Segen gab Die Mutter sterbend mir, Der wird im Himmel einst erfuͤllt; Doch wahrlich nicht auch hier. Daß dieser Segen sich nur nicht Jn Fluch verkehr fuͤr die, Die so mich kraͤnken! Gott verzeih’ Es ihnen! Beßre sie! Ach, alles truͤg’ ich mit Geduld, Wenn, Liebe, du nicht waͤrst, Die du durch hofnungslose Qual Mein krankes Herz verzehrst! Kan ichs nicht dulden, nun wolan So hab’ ich Einen Trost: Dann brichst du, armes Herz! Drum sei Bis daß du brichst, getrost„ — So eben kehrt’ ein Rittersmann Von seinem Ritt zuruͤck, Und komt, gefuͤhrt von seinem Pfad, Hart an des Schlosses Bruͤck. Da dringt des Fraͤuleins Klageton Jhm tief ins Herz hinein: Er waͤhnt, um Huͤlfe fleh’ sie ihn, Und will ihr Retter seyn. Voll Ungeduld und voll Begier Umher sein Auge gluͤht, Bis endlich hoch am Fenster er Das Fraͤulein stehen sieht. „Ach Fraͤulein! sprich, was jammerst du? Vertraue mir dein Leid: Dies Schwert, der Arm, dies Leben sei Zu deinem Dienst geweiht.„ — „Ach, edler Ritter, Schwert und Arm Jst nicht, was mir gebricht; Nur Trost fuͤr mein beklomnes Herz: Und ach, den hast du nicht!„ — „Entdecke mir dein kraͤnkend Weh, Das wird dir Lindrung sein, Und meine Mitleidsthraͤne wird Dir einen Trost verleihn.„ — „Du guter Juͤngling, hoͤre denn: Jch eine Waise bin, Und mit den lieben Eltern starb Mir Ruh und Freude hin; Ein Ohm und eine Muhme jezt An Eltern Statt mir sind, Die quaͤlen mich, daß Gott erbarm! Und toͤdten schier ihr Kind. Mein Vater war ein reicher Graf, Nun ist das Erbe mein, O waͤr’ ich arm! dies schnoͤde Gut Jst Ursach meiner Pein. Mein Oheim duͤrstet Tag und Nacht Nach meinem Hab’ und Gut, Drum sperrt in diesen Thurm mich ein Des harten Mannes Wut. Hier bleib’ ich, droh’t er, wo ich nicht Erwaͤhl’ am dritten Tag, Ob ich den Sohn zum Ehemann, Ob ich ins Kloster mag. Wie eilig waͤr’ die Wahl geschehn, Jch thaͤt den Schleier an, Ach, liebte nicht mein junges Herz Den besten, schoͤnsten Mann. Juͤngst beim Turniere sah’ ich ihn, Jch sah’ und liebt’ ihn gleich, Wie frei, wie edel und wie kuͤhn! Nicht Einer war ihm gleich.„ — „Sei, edles Fraͤulein, gutes Muts, Jns Kloster solt du nicht, Noch minder solt du sein die Schnur Vom alten Boͤsewicht. Jch kan’s, ich will’s, ich rette dich, Das ist mein fester Sinn, Bring dich in deines Juͤnglings Arm, So wahr ich Stolberg bin.„ — „Du? Stolberg? o mein Leid ist hin! Mein Engel fuͤhrte dich; Du bist mein trauter Juͤngling, du! Nach dem ich sehnte mich. Jezt sag’ ich frei und offen dir, Was schon mein Blick gestand, Als ich um deine Lanze juͤngst Den Eichenkranz dir wand.„ — „O Gott! du? mein geliebtes Kind, Elise Mannsfeld? O! Dich liebt’ auch ich beim ersten Blick; Noch keiner liebte so! An meiner Lanze sieh den Kranz, Den sie nun ewig traͤgt. Ach, koͤntest du dein Bild auch sehn, So tief hier eingepraͤgt! Jedoch was saͤumen wir? ich bring Dich heim vor Sonnenschein, Und unsrer keuschen Liebe soll Nichts mehr im Wege sein.„ — „Von ganzer Seele lieb’ ich dich O Juͤngling! aber doch Straͤubt sich mein jungfraͤulich Gefuͤhl Beim raschen Vorsaz noch. Du kennst die arge Welt; du weist Wie im Triumphe sie Mir Stand, und Ehr’, und Tugend nimt, Wenn ich mit dir entflieh.„ — „O Maͤdchen, was ist uns die Welt? Laß immerhin sie schrein; Dein Beifall nur, mein Beifall nur Soll unser Richter sein! Und keiner deines Stammes soll Vernehmen deine That, Bis uns des Priesters Segenshand Zur Eh’ geweihet hat. Auch fuͤhr’ als Gattin ich dich erst Jn meine Burg hinein; Nun geht’s zu meiner Schwester hin, Da soll die Trauung sein. Wie wird mein liebes Gustchen sich Der lieben Schwester freu’n, Wie wird des lieben Bruders Gluͤck Jhr eigne Wonne sein! Elise, laß uns eilen; kom, Gleich ist es Mitternacht, Der Mond, der jezt so hell uns scheint, Hat bald den Lauf vollbracht.„ — Nun schlich das Fraͤulein leisen Tritts Hinab den Windelsteig, Bis unten sie zum Fenster kam, Da ward sie todtenbleich; Doch schnell ergreift sie wieder Herz Und oͤfnet es behend, Und wagt’s und springt dem Ritter zu, Der ihr entgegenrent. Sein Maͤdchen druͤckt’ er sprachlos jezt Fest an sein klopfend Herz, Fuͤr ungefuͤhlter reiner Lust Vergaß sie allen Schmerz. Dann hob er freudig sie auf’s Roß, Und vor ihr sezt’ er sich, Sie schlang die weissen Arm um ihn; Fort ging’s nun ritterlich. Vom Roß und freudigem Gebell Des treuen Greifs erweckt, Lief schnell die Zof’ ans Fenster hin, Jhr Fraͤulein sie erblickt. z. S. 81. I. Sie tobt mit wildem Angstgeschrei Klagt allen ihre Noth; Der Alte schaͤumt, und flucht und schwoͤrt Der Nichre Schmach und Tod. Er fodert seine Sassen auf, Und eh’ der Tag begann, Verliessen ruͤstig sie das Schloß; Er fuͤhrte selbst sie an. Jndessen war das Ritterpaar Durch Anger, Wiese, Feld, Weit uͤber Berg und Thal und Forst; Vom guͤnst’gen Mond erhellt. Mit lautem Schaumgetoͤse stuͤrzt Die Bude vor sie hin: „Es geht, mein Kind, erzittre nicht! Des Stroms ich kundig bin.„ — Stolb. F Der Rappe stuzt und hebt den Fuß Und pruft den Fluß gemach, Drauf strebt er wiehernd durch, als waͤr’s Nur ein Forellenbach. Nun kommen sie zum Schloß gesprengt, Jn Himmelswonn’ entzuͤckt: Beschreib’s, wer eine Freude je Wie diese war, erblickt. Nun sassen sie beim frohen Mahl, Der Becher gieng umher; Ein Knappe kam: „Auf, edler Graf, Der Mannsfeld ruͤcket her!„ — Und Braut und Schwester jammerten, Zerrauften sich das Haar; Jndeß der Graf zu Pferde schon Jn vollem Harnisch war. Dem Zug’ er schnell entgegen kam, Und rief dem Mannsfeld laut: „Umsonst ist deine Muͤh; sie ist Als Weib mir angetraut! Und bin ich nicht aus edlem Stamm, Deß Ruhm erschallet weit, Der Fuͤrsten unserm Volke gab Schon zu der Heiden Zeit.„ Das Geschlecht der Stolberge gehoͤrte unter die 12 Edlen Haͤuser der Vierfuͤrsten des saͤchsischen Reichs, aus welchen zu Kriegszeiten Herzoͤge und Koͤnige er- waͤhlt wurden, ehe Karl der Grosse Sachsen er- oberte. — Mit eingelegter Lanze sprengt Der Alte gegen ihn, Sein Haufe folgt; erwartend bleibt Der Ritter kalt und kuͤhn. Und zieht sein Schwert: Als Mannsfeld naht, Verhaut er ihm den Stoß Und haut, und haut den Schedel durch, Daß er zur Erden schoß. Die Reisigen zerstreuen sich, Und Stolberg eilt nach Haus, Und ruht die lange suͤsse Nacht Jn Lieschens Armen aus. Lied eines deutschen Soldaten in der Fremde. A us ferne Ufer hingebannt Thut mir’s von Herzen weh, Daß ich mein liebes Vaterland Nicht mehr mit Augen seh. Jch sehne taͤglich mich zuruͤck, Das laͤßt mir keine Ruh; Jch werfe manchen nassen Blick Dem wilden Meere zu. Das war zuvor nicht meine Art, Jzt wein’ ich, wie ein Kind, Daß oft am schwarzen Knebelbart Die helle Thraͤne rint. O wehe dem, der mich mit Trug Jn dieses Land gebracht; Mein Leid verwandle sich in Fluch, Und quaͤl ihn Tag und Nacht! Er trank mir zu auf Josephs Wohl Jn altem Rheinschen Wein, Goß bis zum Rand die Glaͤser voll Und schenkte weidlich ein, Bis daß ich taumelte; da las Der Bube Formeln her; Jch sang den Schwur beim vollen Glas, Und trank und bat um mehr. Da gab er mir sein schnoͤdes Gold, Und zahlte meine Zech. Nun war ich in des Koͤnigs Sold, Und muste mit ihm weg. Die lieben Eltern kuͤmmern mich; Der Vater haͤrmt sich ab, Die Mutter weinet bitterlich Und wuͤnschet sich ins Grab. Und du, mein suͤsses Hanchen, weinst Die blauen Augen roth; Sie troͤsten dich, du aber meinst Dein Nikolas sey todt. All was du siehst, das mahnet dich An deinen Nikolas: Die Linde, unter welcher ich Mit dir im Schatten saß, Der Weinstock, welchen meine Hand Fuͤr Hanchen auferzog, Und fruͤh die zarten Reben band, Und dir zur Laube bog. Dort warfst du mir mit loser Hand Die Beeren in den Mund; Dort war es, wo wir Hand in Hand Beschwuren unsern Bund. Wie war den Abend uns so wohl! Jch fuͤhrte dich nach Haus; So manche stille Thraͤne quoll Auf deinen Blumenstrauß. So freundlich lachte Wald und Thal Jn meinem Leben nicht! Der Abendsonne rother Stral Erhellte dein Gesicht! Wie Turteltaͤubchen liebten wir, Und theilten Freud’ und Noth; Wir sagten oft: uns wuͤrde hier Nichts trennen als der Tod. Nun seufz’ ich spat und seufze fruͤh: Erbarm dich, lieber Gott! Und rette mich, und rette sie, Durch einen sanften Tod! Stimme der Liebe. M eine Selinde! denn mit Engelstimme Singt die Liebe mir zu: sie wird die Deine! Wird die Meine! Himmel und Erde schwinden! Meine Selinde! Thraͤnen der Sehnsucht, die auf blassen Wangen Bebten, fallen herab als Freudenthraͤnen! Denn mir toͤnt die himlische Stimme: deine Wird sie! die Deine! Lieben und Liebeln. S o manche Blondine, so manche Bruͤnette, Weis noch nicht, ich wette, Was lieben sei, Was liebeln sei, Oder haͤlt beides fuͤr einerlei; Und gleichwol ist der Unterschied, Wenn man das Ding bei Licht besieht, So groß, wie zwischen der chansonnette, Und dem herzlichen deutschen Lied! An die Unbekante. A n’s Maͤgdlein sei dies Lied gericht’t, Die mich nicht kent, und ich sie nicht, Nicht weis, in welchem Land sie lebt, Da doch mein Geist sie stets umschwebt. Wenn ich aus dem Getuͤmmel bin, Erfuͤllt sie immer meinen Sinn; Und wenn ich irre uͤber Land, Geht sie mit mir an meiner Hand. Wenns wohl mir wird in Wies’ und Wald; Der Mond durch lichte Wolken wallt, Erhoͤht den seligen Genuß Mein Maͤdchen mir durch manchen Kuß. Oftmal, mir selber unbekant, Druͤckt meine Hand dann ihre Hand; Jch fuͤhl’s, und seufze, daß ihr Bild Den heissen Wunsch so schwach erfuͤllt. So sehnlich sucht’ ich, und so lang’! Nun wird’s im Herzen truͤb und bang, Daß ich das liebe gute Kind, Das fuͤr mich da ist, nimmer find. Wenn, Beste, du dies Liedchen siehst, Und dir vom Aug’ ein Thraͤnlein fließt, Und seufzest leis: der gute Mann, Wie ich ihm nachempfinden kan! So glaub, daß du mein Maͤdchen bist, Das nur fuͤr mich geboren ist, Und liebe mich, und sag es mir, So eil ich, Beste, froh zu Dir! Die Begeisterung. An Voß. S ie ist da! die Begeistrung, da! Heil mir, und reden kan die trunkne Lippe! Von schneeigen Alpen Schwebt, auf der Abendroͤthe Fluͤgel, sie zu mir herab, Weilet nicht, fleugt auf, Athmet, ihr blendendes Gewand Geguͤrtet mit Regenbogen, Umwunden ihr Haar mit gestirntem Diadem, Athmet freiere Luͤfte, Himmelsluͤste Zeucht mich ihr nach, Traͤnket mit Thau des naͤheren Himmels mich! Heil mir, daß ich kenne Die Stralende! Heil mir, daß sie wuͤrdiget Jhres Fluges mich! Goͤttin, so du mich fuͤhrst, Flieget, nichtiges Gestaͤub, Unter dem Fluͤgelschlag meiner Phantasei, Sonne dahin und Stern! Milchstrasse dahin! Heil mir, daß ich kenne Die Flammende! Daß kuͤhn ihr folget der Fluͤgelschlag meiner Phantasei Durch die Nacht durch und der Erde Bauch! So die Goͤttin gebeut, Oefnet ihr sich der schwarze Schooß Ewiger Finsterniß; Es umrauschet ihre Glieder das Gewand der Nacht! Flammenathmend erhellst du Abgruͤnde vor mir her; Deine wehende Fackel zeiget und gebeut mir Flug! Ha! wie den Fremdling staunet an Der Unterirdischen schuͤchternes Geschlecht! So staunet an der Maulwurf das gezeigte Licht, So staunet an der Poͤbel, Poͤbel in Purpur und gehuͤllt in Schulstaub, Den Erdehoͤhnenden Gesang Der Begeistrung, und des Dichters, den nur sie gebar! Freimaͤurerlied bei der Aufnahme eines neuen Bruders. W ackre Bruͤder, stimmet an, Auf! begruͤßt den braven Mann, Der in unsern freien Orden Eben aufgenommen worden; Der nicht weis, wie ihm geschah, Ob der Wunder, die er sah! Lieber Bruder, freue dich! Wir auch freun uns inniglich. So du als ein Maurer handelst, Auf der Weisheit Pfade wandelst, Huͤllet mit der Zeiten Lauf Neue Wahrheit dir sich auf! Senke, Bruder, nicht den Blick Jn die Finsterniß zuruͤck; Forsche tiefer in die Wahrheit; Von der Daͤmrung geh zur Klarheit; Wandle sicher; strauchle nicht, Bis du fleugst, von Licht zu Licht! Sei getrost und achte nicht, Was der Thor und Heuchler spricht; Sie, die uns im Finstern richten, Luͤgen an die Wahrheit dichten, Was gehn einen braven Mann Alle Splitterrichter an? Merke, was die Weisheit spricht: „Thue recht, und zittre nicht!„ Ob ihm tausend Feinde draͤuen, Wird der Redliche nichts scheuen, Weichet weder links noch rechts, Fuͤhlt sich goͤttlichen Geschlechts. Bruder, gieb uns deine Hand, Unsrer Freundschaft Unterpfand! Unser Buͤndniß zu erneuen Soll sich unser Bruder freuen, Maurer, schenkt die Glaͤser voll! Trinkt auf unsers Bruders Wohl! Freiheitsgesang aus dem zwanzigsten Jahrhundert. S onne, du saͤumst! Sonne, du saͤumst! Weilen dich kuͤhlende Wogen des Meeres? Sonne, du saͤumst! Kom herauf zu uns! Es harret Dein ein freies Volk! Wende deine Feuerblicke Von den Sklavenvoͤlkern ab! Kom herauf zu uns! Es harret Dein ein freies Volk! Siehe sie koͤmt! Siehe sie koͤmt! Sie verguͤldet die Berge, Sie roͤthet den Hain, Und silbern rauschet der Strom in das finstre Thal! Wir sahen dich einst, Rauschender Strom, Mitten im fliegenden Laufe gehemt! Bebend und bleich, Wehend das Haar, Stuͤrzte der Tirannen Flucht Sich in deine wilden Wellen, Jn die Felsenwaͤlzende Wellen Stuͤrzten sich die Freien nach; Sanfter wallten deine Wellen! Der Tirannen Rosse Blut, Der Tirannen Knechte Blut, Der Tirannen Blut! Der Tirannen Blut! Der Tirannen Blut, Faͤrbte deine blauen Wellen, Deine Felsenwaͤlzende Wellen! Das Schilfblat trof Und die Weide von der Erschlagnen Blut! Um den krausen Dornstrauch wickelte sich das Gewand Der Todten, wirrte sich in ihm der Todten Haar! An dem Hange des Felsen lag Der Voͤlkerdraͤnger Karl mit starrendem Arm; Neben ihm schimmerte, zersplittert, sein Schwert, Und uͤber ihm waͤlzte sich schwer sein verwunde- tes Roß! Es erstickte der Laͤsterung Wort, und des Befehls, Jn der bangen Brust; Halbverloͤschend, noch wild, drehte sich sein Aug’ und bat Jedes zuͤckende Schwert, jeden gehobnen Arm um den Tod! Aber versagt ward ihm des Schwerts und der Tod des Arms! Der Soͤhne Deutschlands erbarmte nicht einer sich sein! Zeichnete seine Stirne nicht Gottes Fluch? Schwebte nicht, wie uͤber das Aas der Ad- ler schwebt, Schwebte nicht so, sichtbar, uͤber ihm die Ra- che des Herrn? Drei Tage lag er blutig, und drei Naͤchte so, Umflattert von der Raben Heer! Die Zuckungen seiner Qualen scheuchten der Ra- ben Heer; Noch lebend ward er endlich naͤchtlicher Woͤlfe Raub! Es fiel, ach! es fiel, Heinrich fiel, Juͤngling und Held! Es weinte die Mutter, Weinten die Schwestern; Jm Grame starb sein junges Weib! Ach, in ihrem keuschen Schoosse Starb mit ihr ein Heldenkind! Oede trauren um die Sprosse Seines edlen Heldenstammes Remlings anmutsvolle Thale Und das alternde Kastell! Die Mutter des Dichters war eine Graͤfin zu Ca- stell-Remlingen. Nicht einer entrann Von der Sklaven Heer! Wie der Sturm mit herbstlichem Laube Quellen des Thales bedeckt, So bedeckte lang und breit den Strom Des Sklavenheeres Leichnam! Die Heerde sloh Und duͤrstend das Roß vom blutigen Strom. Kein Sohn des Waldes nahte sich ihm; Nur der Rabe trank und der Adler und der Wolf! Auf Bergen erscholl der Sieger Gesang, Und rollte freudige Donner ins Thal, Gesaͤnge der Jungfrauen toͤnten darein: So floͤten Nachtigallen Beim Felsenquell. Hoch schwingt, tief schwingt, wild sich umher Der Adler des Gesangs! Jn Blutgefilden weilen Geier unter ihm, denn wir siegten oft. Er eilet, er eilet, er schwebt Ueber der lezten Schlacht mit steifem Fittig! Es gluͤhte der Mittag; es rann Heldenschweiß auf zertretnes Gras; Kuͤhlung des Waldes umwehete nur den Feind. Drei Stunden wankte zwischen uns und ih- nen der Sieg, Wie roͤthlich die Saat wanket auf Huͤgeln hin und her. Da brachen hervor neue Schaaren aus des Waldes Hoͤh, Mit Waffengetoͤs und lautem Geschrei! Langsam, wie des Ozeanes Ebbe, Wich der Freien linkes Heer! Da sprengten hervor, Auf schaͤumenden Rossen, Wie zuͤckende Blize, Zween Juͤnglinge, Stolberg ihr Name, Reisige hinter ihnen her! Wie der Rhein von jaͤhen Felsen herab Seine Donner stuͤrzet und ewigen Schaum, Mit des Adlers Eile, des Meeres Schall, So die Heldenschaar auf den staunenden Feind! Stolberg fochten und sanken dahin Den schoͤnen Tod, Den blutigen Tod, Den Freiheitstod! Keine feige Klag’ erschall Bei der Helden fruͤhem Fall! Einer ihrer Vaͤter wuͤnschte Mit der heissen Juͤnglingsthraͤne Sich schoͤnen, blutigen Freiheitstod! Zitternd flossen ins Silbergewebe Der Harfe die Thraͤnen der Sehnsucht hinab! Siehe, da sah er, Jn heiliger Stunde, Jenseit Jahrhunderten, Schlachten der Freiheit! Sah die Heldenenkel fallen; O wie schlug sein Herz fuͤr Wonne! Seine heisse Thraͤne stuͤrzte Jn der Harfe Silbersturm! Die Sonne war gesunken; der Abend Kuͤhlte mit roͤthenden Fluͤgeln Den alten Rhein; Noch donnerte laut, noch blizte die Schlacht! Von Zinnen des Himmels Schauten, durch purpurne Wolken, Hermann freudig, und Tell, Luther und Klopstock freudig herab auf un- ser Heer! Athmeten uns zu Festen Entschluß, Staͤrke der Goͤtter und deutschen Mut! Die Feinde sahn auf Mit lechzenden Blicken Zur saͤumenden Daͤmrung! Die Daͤmmerung kam; Sie wankten, sie wichen, Sie gossen sich aus uͤber’s Gefild in zerstreu- ter Flucht! Wir gossen uns nach Mit triefendem Schwert! Sie hoften, es wuͤrde sie huͤllen Jm faltigen Mantel Die schwarze Nacht; Siehe da gieng ihnen auf uͤbers Tannengebirg Der zuͤrnende Mond Blutig und voll! Verderbende Nacht! Heilig und hehr Dem freien Volke! Mehr jedem Deutschen, denn die Stunde der Geburt! Heilig und hehr, Wie in den Armen der erroͤtheten Braut die suͤsse Nacht! Auf Bergen erscholl der Siegergesang! Der Helden Gesang, der Freien Gesang! Und rollte freudige Donner ins Thal! Gesaͤnge der Jungfrauen toͤnten darein: So rauschen Wasserfaͤlle Zum Donner des Meeres am Felsengestad! Du bist frei! du bist frei! Deutschland, frei! Stolz stehest du da unter den Nationen um dich her! Wie der Brocken stolz, wenn der Morgenroͤ- the Licht Seine Scheitel roͤthet, noch finster unter ihm Liegen die Thale, und nur daͤmmern die Gipfel um ihn her! Willkommen, Jahrhundert der Freiheit! Grosses Jahrhundert, willkommen! Du schoͤnste Tochter der spaͤtgebaͤrenden Zeit! Sie gebar dich mit Schmerzen, und sprang staunend auf, Da geboren war das maͤchtige Kind! Zitternd nahm sie dich in den muͤtterlichen Arm; Freudige Schauer rauschten ihre Glieder hinab auf ihr Gewand; Feierlich kuͤßte sie deine Stirn, Und Prophezeiung entquoll ihren Lippen, wie ein Strom: „Tochter, du nimst hinweg deiner Mutter Schmach! Raͤchst deiner Schwestern weinenden Gram! Unwillig kruͤmte jede sich hinab ins Grab; Denn in Locken der Jugend hofte jede zu fuͤhren dein Schwert, Zu halten deine Wage, Vergelterin! Schon laͤchelst du stolz an deiner Mutter Brust, Schon flamt dein blauer rollender Blick, Schon greifest du mich stark an mit der zarten Hand; Bald toͤnen um deine Wiege herum Wassengetoͤs und der Sieger Gesang! Du waͤchsest schnell auf! ich sehe dich schon Jn schoͤner weiblichen Riesengestalt, Mit zuͤckenden Wettern im vertilgenden Aug, Mit wild hinstroͤmendem goldenen Haar! Donner entrollen deinem Fußtritt, und es stuͤr- zen dahin Die Throne, in die goldne Truͤmmer Tirannen dahin! Du giessest aus mit blutiger Hand der Freiheit Strom! Er ergeußt sich uͤber Deutschland; Segen bluͤht An seinen Ufern, wie Blumen an der Wiese Quell.„ Stolb. H Bei Wilhelm Tells Geburtsstaͤtte im Kanton Uri. S eht diese heilige Kapell! Hier ward geboren Wilhelm Tell! Hier, wo der Altar Gottes steht, Stand seiner Eltern Ehebett! Mit Mutterfreuden freute sich Die liebe Mutter inniglich, Gedachte nicht an ihren Schmerz, Und hielt das Knaͤblein an ihr Herz! Sie flehte Gott: er sei dein Knecht; Sei stark und muthig und gerecht! Gott aber dachte: ich thu’ mehr Durch ihn, als durch ein ganzes Heer! Er gab dem Knaben warmes Blut, Des Rosses Kraft, des Adlers Mut, Jm Felsennacken freien Sinn, Des Falken Aug’ und Feuer drin! Dem Worte sein und der Natur Vertraute Gott das Knaͤblein nur; Wo sich der Felsenstrom ergeußt Erhub sich fruͤh des Helden Geist. Das Ruder und die Gemsenjagd Hat seine Glieder stark gemacht; Er scherzte fruͤh mit der Gefahr, Und wußte nicht, wie groß er war! Er wußte nicht, daß seine Hand, Durch Gott gestaͤrkt, sein Vaterland Erretten wuͤrde von der Schmach Der Knechtschaft, deren Joch er brach! Das Ruͤsthaus in Bern. D as Herz im Leibe thut mir weh, Wenn ich der Vaͤter Ruͤstung seh; Jch seh zugleich mit nassem Blick Jn unsrer Vaͤter Zeit zuruͤck! Jch greife gleich nach Schwert und Speer; Doch Speer und Schwert sind mir zu schwer; Jch lege traurig ungespant Den Bogen aus der schwachen Hand. Des Panzers und des Helmes Wucht, Der Schild mit tiefgewoͤlbter Bucht, Des scharfen Beiles langer Schaft Zeugt von der Vaͤter Riesenkraft! Geschwenkt von eines Helden Arm Hat dieser Panner manchen Schwarm Der stolzen Feind’ in mancher Schlacht, Wie scheues Wildpret, weggejagt! Sie flohn und warfen aus der Faust Die Fahnen, vom Gewuͤhl zerzaust; Die sammelte des Kriegers Hand Und hieng sie auf an diese Wand! Viel andre Beute zeuget noch Vom blutig abgeworfnen Joch, Von der Burgunder Heeres Macht Und Uebermut und eitler Pracht! Mit diesen Stricken wollten sie Der Schweizer Haͤnde binden fruͤh, Und eh’ die Sonne sank ins Thal Beschien sie noch der Stolzen Fall! So, Schweizer! focht der Vaͤter Mut! Es floß fuͤr euch ihr theures Blut! Sie sind des Enkeldankes werth! Wohl dem, der sie durch Thaten ehrt! Die Truͤmmer. H ier siehst du eines Zwingherrn Zwingherren hiessen in der Schweiz die Oesterrei- chischen Landvoͤgte. Haus Gestuͤrzt in Moder und in Graus; Der Uhu hauset drinnen. Auf dieser Staͤtte ruht sein Fluch; Hier that er manchen feilen Spruch, Ließ Blut und Thraͤnen rinnen. Er hat in mancher Taumelnacht Den Raub des Tages durchgebracht, Geschwelget, bis es tagte. Des Abends stand einmal allhier Vor seines Schlosses stolzer Thuͤr Ein armes Weib, und klagte. Der Herr ist Gott! der Herr ist Gott! Er hoͤrt des stolzen Frevlers Spott Und einer Witwe Klage; Gott wog den Draͤnger und das Land; Die Himmel sahn in Gottes Hand Die fuͤrchterliche Wage. Ein Gottgesandter Schauer schleicht, Da seine leichte Schale steigt, Jn des Tirannen Seele; Jhm faͤllt der Becher aus der Faust; Vor seinen bangen Ohren saußt Das Hohngezisch der Hoͤlle. Die Huͤlfe Gottes eilet schnell, Sie ruͤstete den wackern Tell, Das Vaterland zu retten; Die Draͤnger fielen, dieses Schloß, Versenkt in Schutt, bedeckt mit Moos, Zeugt von zerbrochnen Ketten! Bei einer Schweizerhochzeit. D es ganzen Dorfes frohe Schaar Fuͤhrt dort vom heiligen Altar Ein neuvermaͤhltes Ehepaar. Seht, wie die Freude feierlich Des Mannes Haupt erhoͤhet, Seht, wie verschaͤmt und jungfraͤulich Die junge Gattin gehet! Der Greise Blick verjuͤnget sich, Die Knaben huͤpfen freudiglich, Die Maͤdlein fluͤstern unter sich; Die Eltern halten nicht zuruͤck Die Freude dieser Stunde, Sie stroͤmt aus ihrem nassen Blick, Sie toͤnt von ihrem Munde. So manches Weib, das ihrem Mann Von ganzem Herzen zugethan, Sieht ihn mit hellen Thraͤnen an; Sie mahnt ihn an den ersten Tag, Der ihren Bund geschlossen; Sie sinnt mit ihm den Freuden nach, Die diesem Tag entflossen. Jhr liebe Beide, freuet euch! Es sei kein Gluͤck dem euren gleich; An wackern Kindern werdet reich, An Soͤhnen bieder und voll Mut Nach alter Schweizersitte, An Toͤchtern sanft und keusch und gut, Die Zierde eurer Huͤtte! Du seliges und theures Paar, Du sollst im spaͤten Jubeljahr, Bedeckt mit silbergrauem Haar, Noch vielen Enkeln Muster sein Von keuscher Ehe Segen; Sie werden einst, wie ihr, sich freun, Und gehn auf euren Wegen! Der Felsenstrom. U nsterblicher Juͤngling! Du stroͤmest hervor Aus der Felsenkluft Kein Sterblicher sah Die Wiege des Starken; Es hoͤrte kein Ohr Das Lallen des Edlen im sprudelnden Quell! Wie bist du so schoͤn Jn silbernen Locken! Wie bist du so furchtbar Jm Donner der hallenden Felsen umher! Dir zittert die Tanne. Du stuͤrzest die Tanne Mit Wurzel und Haupt! Dich fliehen die Felsen. Du haschest die Felsen, Und waͤlzest sie spottend, wie Kiesel, dahin! Dich kleidet die Sonne Jn Stralen des Ruhmes! Sie malet mit Farben des himlischen Bogens Die schwebenden Wolken der staͤubenden Flut! Was eilst du hinab Zum gruͤnlichen See? Jst dir nicht wohl beim naͤheren Himmel? Nicht wohl im hallenden Felsen? Nicht wohl im hangenden Eichengebuͤsch? O eile nicht so Zum gruͤnlichen See! Juͤngling, du bist noch stark, wie ein Gott! Frei, wie ein Gott! Zwar laͤchelt dir unten die ruhende Stille, Die wallende Bebung des schweigenden Sees, Bald silbern vom schwimmenden Monde, Bald golden und roth im westlichen Stral. O Juͤngling, was ist die seidene Ruhe, Was ist das Laͤcheln des freundlichen Mondes, Der Abendsonne Purpur und Gold, Dem, der in Banden der Knechtschaft sich fuͤhlt? Noch stroͤmest du wild, Wie dein Herz gebeut! Dort unten herschen oft aͤndernde Winde, Oft Stille des Todes im dienstbaren See! O eile nicht so Zum gruͤnlichen See! Juͤngling, noch bist du stark, wie ein Gott! Frei, wie ein Gott! An Lavater. J m Rosenschleier laͤchelt die Sonne noch Von Schneegebirgen freundlich ins Quellenthal, Und kuͤhler Abendwinde Fittig Kraͤuselt die Flaͤche des stillen Sees; Nur deinen Pilgern laͤchelt die Sonne nicht, Nur uns erfreut kein wehender Abendhauch. Wir sehn uns schweigend an, und senken Wieder zur Erde die nassen Blicke. Noch lange wird die Stunde des Abschieds mich Umschweben, welche, Bester, von dir mich riß! Wie ungleich ihren aͤltern Schwestern! Aber auch sie mir auf ewig theuer! Nun sinkt die Sonne. Saͤume nicht, trauter Mond! O! kaͤm’ er sanft und heiter, wie Pfennin- ger, So wollt’ ich hier, mit meinem Bruder Nur, und mit Haugwitz, im Stillen weinen. Stolb. J Der Mond. An meinen Bruder. D er Mond, der uns so freundlich scheint, War unsrer lieben Mutter Freund; Er sieht uns an mit sanftem Blick, Und denkt wol auch an sie zuruͤck. Er koͤmt zu uns von Alpen her, Scheint unsern Schwestern uͤbers Meer Und sieht von seiner hohen Bahn Mit Einem Blick uns alle an. So sieht uns unsrer Mutter Blick; Sie fleht zu Gott fuͤr unser Gluͤck, Und stralt in stiller Naͤchte Ruh Uns ihren theuren Segen zu! Lied an einen Freimaurer bei seiner Aufnahme. M it Beben, wie die Freude bebet, Und dankbar segnend dein Geschick, Von kuͤhner Ahndung neu belebet, Voll Bruderliebe Herz und Blick; So, Bruder, trit in unsre Mitte, So schwoͤr den schauervollen Eid, Und jeder ist, nach Maurersitte, Dein Herzensfreund zu sein bereit; Und willig, Habe, Blut und Leben, Nim diesen Bruderkuß zum Pfand! Fuͤr dich, und jeden hinzugeben, Der sich, wie du, mit uns verband. Auch dir sei Habe, Blut und Leben Zu theur fuͤr deine Bruͤder nicht, Mit Freud’ und Demut es zu geben, Das, Bruder, ist des Maurers Pflicht! Ach! rauh und steil sind unsre Pfade, Und harte Kaͤmpfe kaͤmpfen wir; Fliehst du den Kampf fliehst du die Pfade, Dann wehe! wehe! wehe! dir. Getrost! du fliehst sie nicht. Beginne Mit Mut und Vorsicht deine Bahn, Und dringe zu des Gipfels Zinne, Zu der nur Hochgeweihte nahn. Die Staͤrke stuͤtze deine Rechte, Wenn machtlos sie im Streite ficht; Des Jrrsals und des Zweifels Naͤchte Erhelle dir der Weisheit Licht. Schon sank die Huͤlle! Sieh, es winket Dir fern Aurorens junger Schein, Doch grauer Nebel wallt und sinket Und huͤllt in Daͤmmerung dich ein! So wallte Nebel einst, und deckte Des Tempels Heiligthum; es bebt Der Soͤhne Levi Schaar; Sie schreckte Gott, dessen Schauer sie umschwebt. Da schwiegen Psalter, schwiegen Lieder; Da flehte Salomon; da goß Ein Strom des Lichtes sich hernieder, Der in des Weisen Seele floß. So quill’ auch dir des Lichtes Quelle, Ergieß’ im vollen Strome sich, Verscheuche Nebel, und erhelle Und kraͤftig’ und belebe dich! Wohl dir, in unsrer Bruͤder Kreise! Wohl uns! wir feiern diesen Tag! Jhm folge, nach der Vaͤter Weise, Ein froh bekraͤnzter Abend nach. Bei unserm Freudenmahl’ erneue Der volle Becher unser Band; Die Freud’ erschein’ uns! Wahrheit, Treue, Und Sittsamkeit an ihrer Hand! Dann schallen festlich unsre Lieder, Wir trinken ferner Bruͤder Gluͤck, Und blicken auf bedraͤngte Bruͤder, Und lindern freudig ihr Geschick. Das Wiedersehen. An meine Schwester, H. F. Graͤfin von Bernstorf. D u bist mir immer nah, und du fehlest mir Doch immer, Beste, schwebest im Seelenflug Um meine Seele, wenn ich wache, Oder erscheinst mir im suͤssen Traume. Dein sanftes Auge blicket dem Meere zu, Das deine Bruͤder deinen Umarmungen Entriß, ach! deine treue Thraͤne Fiel in die meine beim Abschiedskusse. Jn bitrer Trennung labt der Gedanke mich, Daß du mich liebest! ruͤhrt der Gedanke dich, Daß ich dich liebe, wie nur selten Schwestern und Bruͤder einander liebten! Dich freut der Flug des eilenden Jahres, dich Des falben Ahorns fleckige Blaͤtter, dich Der Liederleere Busch mit seltnem Rasselnden Laube, vom Sturm durchsauset. So freute nie der nahende Fruͤhling dich Von jungen Bluͤthen duftend und Thaugeruch, Nicht so das helle Laub der Aeste, Schwankend von wiegenden Nachtigallen. O Wiedersehen! Lieblich, wie Sonnenschein Nach Regen, schoͤn und freundlich, wie Abendroth, Erwuͤnscht, wie Morgensonnen, Vorschmack Ewiger Freuden nach lezter Trennung! Rundgesang. F roͤhlich toͤnt der Becher Klang Jm vertrauten Kreise; Lieblich schallt ein Rundgesang Nach der Vaͤter Weise! Freunde, freut euch alle! Freunde, trinket alle! Singt mit lautem Schalle: Traute Bruͤder, schenket ein! Stosset an und trinkt den Wein! Winde schwanke Reben mir Um das Haar; ich winde Epheu um den Becher dir, Laͤchelnde Belinde! Laß den Becher rauschen, Wenn die Maͤgdlein lauschen, Ob wir Kuͤsse tauschen. Traute Bruͤder, schenket ein! Stosset an und trinkt den Wein! Du dort, schenke maͤssig ein! Denn Erfahrung lehret, Scherz und Freude scheucht der Wein, Wenn er uns bethoͤret. Ach, sie fliehn erschrocken Aus zerstoͤrten Locken Von geworfnen Brocken! Traute Bruͤder, schenket ein! Stosset an und trinkt den Wein! Wer mit Gegenliebe liebt Freue sich von Herzen; Wen sein Maͤdchen noch betruͤbt, Hoffe Trost nach Schmerzen; Freund, beim Rosenbecher Leert vielleicht dein Raͤcher, Amor, seinen Koͤcher! Traute Bruͤder, schenket ein! Stosset an und trinkt den Wein! Neue Freuden gehn mir auf, Glatter wird die Stirne, Leicht wird meines Blutes Lauf, Leichter mein Gehirne! Seht, die Glaͤser blinken! Selbst die Maͤdchen winken Noch einmal zu trinken. Traute Bruͤder, schenket ein! Stosset an und trinkt den Wein! Homer. An Vater Bodmer. Τῃ νυν, και σοι τουτο, γερον, κειμηλιον εςω· Hom. II. XXIII. H eil dir, Homer! Freudiger, entflamter, weinender Dank Bebt auf der Lippe, Schimmert im Auge, Traͤufelt, wie Thau, Hinab in deines Gesanges heiligen Strom! Jhn goß von Jda’s geweihtem Gipfel Mutter Natur! Freute sich der stroͤmenden Flut, Die voll Gottheit, Wie der Sonnenbesaͤte Guͤrtel der Nacht, Toͤnend mit himlischen Harmonien, Waͤlzet ihre Wogen hinab in das hallende Thal! Es freute sich die Natur, Rief ihre Goldgelockten Toͤchter; Wahrheit und Schoͤnheit beugten sich uͤber den Strom, Und erkanten in jeder Welle staunend ihr Bild! Es liebte dich fruͤh Die heilige Natur! Da deine Mutter im Thale dich gebar, Wo Simonis in den Skamandros sich er- geußt, Und ermattet dich ließ fallen in der Blumen Thau, Blicktest du schon mit Dichtergefuͤhl Der sinkenden Sonne, Die vom Thrazischen Schneegebuͤrg, Ueber purpurne Wallungen des Hellaͤspon- tos, Dich begruͤßte, in ihr flammendes Gesicht! Und es strebten sie zu greifen Deine zarten Haͤnde, Von ihrem Glanze roͤthlich, in die Luft empor! Da laͤchelte die Natur, Weihte dich, und saͤugte dich an ihrer Brust! Bildete, wie sie bildete die Himmel, Wie sie bildete die Rose, Und den Thau, der vom Himmel in die Rose traͤuft, Bildete sorgsam den Knaben und den Juͤng- ling so! Gab dir der Erfindung Flammenden Blick! Gab, was nur ihren Schoͤßlingen sie giebt, Thraͤnen jegliches Gefuͤhls! Die stuͤrzende, welche gluͤhende Wangen nezt, Und die sanftere, die von zitternder Wimper Rint aufs erbleichte Gesicht! Gab deiner Seele Einfalt der Tauben und des Adlers Kraft! Gleich deinem Liede, Sanft nun, wie Quellen in des Mondes Schein, Donnernd und stark nun, wie der Katarakte Sturz! Die Maͤdchen, an einen Juͤngling. J ch sehe mit Schmerzen, Du kennest die Kerzen Kupidens noch nicht! Du hoffest, mit Herzen Der Maͤdchen zu scherzen; Es reizet die Rose dich, ehe sie sticht! Zu spielen mit Rosen, Zu kuͤssen und kosen Jst lieblich und fein; Du trauest den Losen, Sie lachen und stossen Ganz freundlich den Dolch in das Herz uns hinein! O Juͤngling, dann muͤssen Mit Thraͤnen wir buͤssen, Mit innigem Schmerz! Es fliehen die Suͤssen Zu andern, und kuͤssen Auch ihnen Verzweiflung ins wehrlose Herz. Sie koͤnnen mit Blicken Die Herzen bestricken, Und scheinen so gut! Kaum kehrst du den Ruͤcken, So winken und nicken Die Falschen, und freun sich der wachsen- den Glut. Wenn endlich dich eine Von Tuͤcken noch reine Mit Zaͤrtlichkeit liebt; So wisse, der kleine Kupido hat seine Geheimeren Raͤnke, wodurch er betruͤbt. Oft spinnet er Faͤdchen Am goldenen Raͤdchen, Wie Haare so fein. Kaum glaubst du dein Maͤdchen Zu halten am Draͤtchen, So reißt es und laͤßt dich Bethoͤrten allein! Viel hab ich gelitten, Hab dreimal gestritten Fuͤr Thraͤnen zum Sold; Bei doͤrflichen Sitten, Jn moosigen Huͤtten, Da wohnet die Liebe noch lauter, wie Gold! Stolb. K Lied in der Abwesenheit. A ch, mir ist das Herz so schwer! Traurig irr’ ich hin und her, Suche Ruh und finde keine, Geh aus Fenster hin, und weine! Saͤssest du auf meinem Schooß, Wuͤrd’ ich aller Sorgen los, Und aus deinen blauen Augen Wuͤrd ich Lieb’ und Wonne saugen! Koͤnt’ ich doch, du suͤsses Kind, Fliegen hin zu dir geschwind! Koͤnt ich ewig dich umfangen, Und an deinen Lippen hangen! An die Grazien. L eicht, wie Hauche des Abendwinds, Schwebe leicht, mein Gesang! sanft, wie des Liebenden Kuß von Lippe zu Lippe schwebt! Wehe Duͤfte des Lobs, suͤsser denn Weihrauchs Duft, Zum Altare der Grazien, Junger Blumen Geruch, welche die Muse mir Jm geheimeren Thale las! Laͤchelt immer mir zu, stimmet mein Saiten- spiel, Allbelebende Goͤttinnen! Lehret meinen Gesang senken vom Himmel sich, Jn die Quelle der Schoͤnheit sich Tauchen, glaͤnzender dann steigen dem Himmel zu! Ach, die Blume des Liedes welkt Jn dem Kranze des Ruhms, wenn sie ein Sterb- licher Mit unheiligen Haͤnden pfluͤckt! Pfluͤcket ihr sie fuͤr mich, daß nicht der silberne Sonnenstralende Morgenthau Jhr enttraͤufle, sie nicht hangend gekraͤuselte Blaͤtter senke der Erde zu! Euch soll kuͤnftig ein Hain bluͤhender Stauden, euch Meine Quelle geweihet sein, Euch mein moosiges Dach, und die Bewohner der Stillen Huͤtte geweihet sein! Suchet ihr mir, und bald, unter den freundlichen Toͤchtern Deutschlands ein Maͤdchen aus, Blau die Augen, ihr Haar golden, und schlank ihr Wuchs, Sanft die Seele, den Augen gleich, Daß sie Priesterin sei eurem Altare, fruͤh, Wenn ihr roͤthend die Sonne winkt, Jhr im leichten Gewand flattert die Morgenluft, Und im wallenden Schleierflor! Daß sie Priesterin sei eurem Altare, spaͤt, Wenn ihr winket der Abendstern, Und der Nachtigall Lied um den Altar ertoͤnt! Wenn ein Kind ihr am Busen haͤngt, Wird sie weihen das Kind euren Altaͤren; einst Wird die Tochter, die Enkelin Euch noch singen mein Lied; dann werd’ ich freudiger Greis mit zitternden Thraͤnen noch Mich am waͤrmenden Stral sonnen, mit zit- ternder Hand noch ruͤhren mein Saitenspiel, Bis mit Laͤcheln mein Haupt sanft in die Gru- be sinkt! Die Schoͤnheit. W ie freudig die Lerche Schwebet entgegen Dem roͤthenden Morgen, So schwebet in melodischem Fluge des Gesangs, Lieblichste Tochter der Natur, Schoͤnheit, meine duͤrstende Seele dir nach! Deine heimische Laube Bluͤhet unter den Sternen nicht; Aber auf Stralen des Himmels Schwebest oft zu Sterblichen du hinab! Laͤcheltest mir oft, Von purpurnen Wangen des Morgens, Oft vom Schimmer des Mondes, Und vom Spiegel des Sees, den der Hain umkraͤnzt, Sanfte Ruh in die Seele, Ahndungen und Himmelsgefuͤhl! Ach, auf Wangen des Maͤdchens Sah ich dich himlischer noch! Jn sanftrollender Unschuld Jhrer schmelzenden Augen Sah ich dich himlischer noch! Hoͤrte dich in den bebenden Melodien Jhrer schwebenden Stimme! Hoͤrte dich! sah dich! fuͤhlte dich! Und in Flammen der Liebs ...... Wehe mir! wehe! Was bebt meine Seele Ploͤzlich in die Ebbe des Gesangs zuruͤck! Selinde! Selinde! Versiegt bei deinem Bilde mein Gesang? ... Stolberg sei ein Mann! Stroͤme wieder, Gesang! Stroͤm’, ich beschwoͤre dich bei deiner Kraft! Denn die heimische Laube Der seligen Goͤttin Bluͤhet unter den Sternen nicht! Himlische Urschoͤnheit! Oder wie nennen die Unsterblichen dich, Welche besser noch dich kennen, als Homer, Plato, Klopstock und Ossian? Bist du der olympischen Tugend Schwester? oder sie selbst? Selige Bewohner des Lichts, Welche sich sonnen in deinem Stral, Und mit schwellendem Segel Schiffen auf der Wahrheit unendlichem Oceanus! Weise der Erde Stehn am sandigen Ufer, Freun sich, wie Kinder, Wenn die kleine Kentniß Zappelt an der Angel schwankendem Rohr! Laͤcheln, wie Kinder, Ueber den weissen Schaum Und die bunte Blase, Ehe sie am Gestade zerplazt! Lieber wall’ ich am Ufer, Ruhig und Gedankenvoll! So hoͤrt doch mein Ohr Der ernsten Wogen rauschenden Fall! Es spaͤhet mein Blick Die Argo, die einst Zum reineren Golde mich fuͤhrt! Schweig indessen, Gesang! Bis du einst der Goͤttin, Wie die Donau der Sonne, Von ihrem Glanze golden und roth, Freudig und donnernd entgegen stroͤmst. Lied eines Freigeistes. W enn auf der Verzweiflung Wogen ich bin, Treibt rund mich umher mein wilder Sinn, Er treibet mich kreuz, er treibet mich quer Durch Klippen und Sandbaͤnke hin und her; Und trieben nur vorwaͤrts die Stuͤrme mich weiter, So wuͤrde mein Nachen mit Ehre zur Scheiter! Zum Sturme ruf’ ich: Sei mein Genoß! Zum Strudel: Nim du mich in deinen Schooß! Doch Sturm und Strudel hoͤren mich nicht, Kein Wetterstral sendet mir leuchtendes Licht, Rund um mich schwimt alles in Mitternacht, Die mich unthaͤtig und rasend macht! Es draͤngen sich Welten in meiner Brust, Entslamtes Verlangen, verderbende Lust Zu kneten die Elemente zusammen, Meer und Erde zu peitschen mit Flammen. O waͤr’ ich entfernt von Erd und See, Hoch uͤber Arkturs und Orions Hoͤh! Und saͤhe den Strom der Vernichtungen fliessen, Gleich Baͤchen die Himmel hinein sich ergiessen, Und saͤh’ und hoͤrte all uͤberall Geschleuderte Truͤmmer und donnernden Fall Und in den Himmelverschlingenden Wellen Scheitern die Erden, die Sonnen zerschellen, Und blieb’ hohnlachend noch uͤbrig allein Und stuͤrzte mich dann in die Wogen hinein, Es deckte mich Mitternacht, Truͤmmer und Graus Und feierlich spielt’ ich mein Possenspiel aus! Anakreons eilfte Ode. λεγουσιν ἁι γυναῖκες. E s sagen mir die Weiber Anakreon, du greisest; Kom, nim den Spiegel, siehe, Dein Haar ist dir entfallen, Und kahl ist deine Stirne! Mein Haar, ob ich’s behalte, Mein Haar, ob’s mir entfalle, Das weis ich nicht! das weis ich, Daß einem Greisen mehr noch Gezieme froh zu scherzen Je naͤher ihm die Parze. Anakreons drei und dreissigste Ode. Συ μὲν φίλη χελιδων. An die Schwalbe. D u liebe kleine Schwalbe, Du kehrest jaͤhrlich wieder, Und baust dein Nest im Sommer. Wenn dann der Winter nahet, So fliehst du zu dem Nile; Doch Amor bauet immer Sein Nest in meinem Herzen. Ein Amor ist schon fluͤcke, Das Ei verbirgt noch jenen, Und diesem birst die Schale. Ohn’ Ende schallt die Stimme Der Nestlinge, die pipen. Die groͤssern Amorn aͤtzen Die kleinen Amoretten, Und die Geaͤzten hecken Geschwinde wieder Junge. Was soll ich wol ersinnen? So viele Liebesgoͤtter Vermag ich nicht zu hausen! Amors Pfeile. Anakreons fuͤnf und vierzigste Ode. Ὁ ἀνὴρ ὁ τῆς Κυϑ ρης. D er Gatte Cythereens Nahm Stal in Lemnos Esse, Und schmiedet’ Amors Pfeile. Die Spizen tauchte Cypris Jn Honigseim; doch Amor That in den Honig Galle. Juͤngst kehrte Mars vom Treffen, Schwang seine hohe Lanze, Und spottel’ Amors Pfeile. Sieh, der ist schwer! sprach Amor; Du kanst ihn selbst versuchen! Mars nimt das kleine Pfeilchen Und lose laͤchelt Cypris: Doch keuchend rief der Kriegsgott: Schwer ist er! Nim ihn wieder! Doch Amor sprach: Behalt ihn! Hellebek, eine seelaͤndische Gegend. An Ernst Grafen von Schimmelmann und Emilie Graͤfin von Schimmelmann, geborne Graͤfin von Ranzau. D ie mich oft auf wehenden Fluͤgeln des ro- sigen Morgens, Oft in thauenden Duͤsten der Abendkuͤhle be- suchte, Die mir begegnet’ auf hangenden Pfaden der heiligen Alpen, Und auf gruͤnlichen Wellen des Sees im tanzen- den Nachen Mich ergriff, daß ich dem Sohne der Felsenkluft zurief: Stolb. L „Warum stuͤrzest du, Juͤngling, herab die don- nernden Fluten Jn den stilleren See? noch bist du frei, wie die Goͤtter! Wie die Goͤtter, noch stark! dort unten harret der Knechlschaft Ruhe dein! Enteile nicht, Juͤngling, dem naͤhe- ren Himmel!„ O Begeistrung, wo warst du, da ich, mit flehen- der Stimme Dich in mitternaͤchtlicher Stunde, vom Monde beschienen, Einsam wallend am Ufer des Wogenrauschenden Meeres, Jn der Fluten Geraͤusch, im Schimmer der Sterne dich suchte? Sanft umsaͤuselten mich und hehr die naͤchtlichen Schauer; Sinkendes Abendroth weilte noch uͤber Schwe- dens Gebirge, Und es tanzten die roͤthlichen Gipfel auf Wogen des Nordmeers. Heller stralte der Sund, vom steigenden Monde beschienen; Lieblich glitten auf beiden Meeren, mit schwel- lendem Segel, Schiffe, geruͤstet mit ruhenden Blizen, und huͤpfende Nachen, Hier im Mondschein, dort im sterbenden Schim- mer des Abends Ueber mich wehten, auf hohem Gestade, die heiligen Buchen, Deren kein nordischer Sturm, kein Sturm von Osten geschonet. Blizzerschmetterten Wipfeln entsauset festliches Rauschen, Das mit Erinrung und Ahndung den ernsten Waller erfuͤllet. Ach, mir lispelte freundlich die Stimme der jun- gen Erinrung; Denn hier sah ich vor wenigen Stunden, mit euch, ihr Geliebten, Sinken die Sonn’ in Wogen des unermeßlichen Meeres. Siehe hier den Stein, an welchen Emilia hinsank, Stillerroͤthend vom Schimmer des Abends und sanften Gefuͤhlen. Und wir sanken zu ihren Fuͤssen. Von Se- ligkeit trunken Jrrte dein Blick, o Freund! von ihren Augen zur Sonne, Von der Sonne zu ihren Augen! Dir stralte sie minder Schoͤn in Wogen des Meers, als in Emiliens Thraͤnen! Ach! beim Anblick der Liebenden wandte mein Bruder sich, wischte Eine Thraͤn’, und blickte nun wieder hinab auf die Wellen. Siehe, nun war die Sonne gesunken! Nun sausten die Wipfel Lauter, und lauter rauschten ans User die pur- purnen Wogen. Nun umschwebten uns Bilder der Vorzeit; die Leier von Selma Toͤnet’ um uns, um uns die liebliche Stimme von Kona. z. S. 164. II. Da erhuben wir uns auf Lochlins hohem Gestade Siehe im Ossian, das dritte Buch von Fingal. Sahen jenseit des Meers, am Fusse des Felsen- gebirges, Starno’s unwirtbaren Wohnplaz; dort lande- te Fingal; dort sah er Agandecka; dort liebten sich Fingal und Agan- decka. Ach! gleich einem Sterne, der finstre Wolken durchschimmert, Sah er das Fraͤulein zuerst; in ihrem wallen- den Busen Stieg das Bild des Helden empor wie die stei- gende Sonne. Starno laurte mit Raͤnken auf ihn; da bebte des Fraͤuleins Heimliche Thraͤne, da schlich sie zu ihm in schwei- gender Stunde: „Sohn des hallenden Selma, dich will mein Vater ermorden! Fleuch! Dein harren im Walde versteckt die Soͤhne des Todes; Fleuch, und rette mich, Held, aus der Hand des zuͤrnenden Vaters!„ Unbekuͤmmert gieng er zur Jagd, die Soͤhne des Todes Fielen durch ihn, und Gormal erscholl von der fallenden Ruͤstung. Starno blickte finster umher: „Auf! rufet das Maͤgdlein, Daß ihr reiche die blutige Hand der Koͤnig von Morven!„ Bleich erschien, mit fliegendem Haar, das liebli- che Maͤgdlein; Seufzend hub sich ihr Busen, wie Schaum des stroͤmenden Lubar; Stille Thraͤnen entstuͤrzten den niederblickenden Augen. Starno wandte sein Haupt, und durchstach sie — Agandecka Fiel, wie rollender Schnee der Ronans Felsen entgleitet; Schweigend lauschen die Haine der Stimme des hallenden Thales. Fingal blickt’ auf die Helden umher. Da flohen und sanken Lochlins Krieger. Er brachte das Fraͤulein mit sinkenden Locken Auf sein Schiff, und suchte die gruͤnende Kuͤste von Morven, Dort erhebt sich ihr Grab auf einem einsamen Huͤgel; Agandecka’s Wohnung umrauschen die Wogen des Weltmeers. Oft umtoͤnte den Huͤgel die liebliche Stimme von Kona, Ossians Leyer, mit ihr die Stimme der sanften Malvina! So umwallten uns manche Gesichte der grauenden Vorzeit. Sie entschwebten dem Wogengeraͤusch des heili- gen Meeres, Dem Gesaͤusel der Buchen, dem rothen und thauenden Himmel. Lange wallten wir noch am hohen Ufer, und sahen Unter uns drei ruhige Huͤtten, ans steile Gestade Angelehnt, und freundlich genezt von der schmei- chelnden Welle. Laͤmmer weideten zwischen den Huͤtten im wan- kenden Grase, Und am kuͤhlenden Born mit sprudelndem Sil- bergestaͤnbe, Weiden und bluͤhende Flieder umschatten die mit- telste Huͤtte. Laͤchelnd weilte beim lieblichen Anblick Emiliens Auge. „Fromm sind deine Bewohner, du moosige Huͤt- te!„ sie sprach es, Und es suchet’ ihr Blick den Pfad zur moosigen Huͤtte. Suͤsse Schauer ergriffen dich, Freundin! o laß dir erzaͤhlen, Welche Schauer es waren, und wer die Schauer dir sandte! Fromme Seelen, das wustest du nicht! um- schwebten dich leise, Wehten dir Empfindungen zu und lispelten freundlich. Diese Baͤume waren noch nicht; auf eben der Staͤtte Waren Huͤtten gebaut, und waren Huͤtten ge- sunken, Und in aͤhnlicher Wohnung, von aͤhnlichen Baͤu- men umschattet, Lebte Sveno hier mit seinem Weibe Gotilde, Seinen mutigen Soͤhnen und zart aufbluͤhenden Toͤchtern. Aecker hatten sie nicht, sie lebten von Fruͤchten des Gartens, Von der einzigen Kuh, dem Netze, der schwan- kenden Angel. Oftmal sassen sie hier, gekuͤhlt von thauenden Luͤften, Wenn die Abendsonne das flutende Weltmeer erhellte, Bis sich uͤber den Sund die oͤstlichen Schimmer des Mondes Zitternd erhuben, und heimzukehren die Gluͤckli- chen lockten. Kummer kannten sie nicht, nur Sorgen der zaͤrtlichsten Liebe; Einfalt deckte den frohen Tisch, ihn wuͤrzte die Freiheit, Und es sorgte kein Tag fuͤr seine juͤngere Bruͤder. Vater! es bauet der Mensch sein Haus; es nistet die Schwalbe Jm Gesimse; du naͤhrest die Schwalbe; du naͤhrest den Menschen! Fruͤhe fuhr taͤglich Sveno ins Meer mit taͤu- schendem Netze, Oft die Soͤhne mit ihm, oft Weib und Toͤchter und Soͤhne. Also fuhren sie einst zusammen, und freuten sich herzlich Ueber den Mond und den Morgenstern und den kommenden Morgen. „Sveno, wie gleitet der Nachen so sanft!„ — „So fuͤhrt uns, Gotilde, Gott durchs Leben, hinuͤber ins Land der ewigen Ruhe!„ — Freudig sagt’ es der Mann, und thraͤnend erwie- dert Gotilde: „Wer von uns wird zuerst, o Sveno, den an- dern verlassen? Wer von uns zulezt die Kinder als Waisen ver- lassen?„ — „Wie Gott will! — Nun so rudert, ihr Kna- ben! Es schwellen die Fluten.„ Vater und Knaben ruderten rasch; es laͤchelte weinend, Auf die Augen verbergende Hand gestuͤtzet, Gotilde. Gott sah ihre Thraͤnen und rief dem Winde, Schon rauschte Hoͤher die Flut; schon brauste der Sturm; schon tobte die Windsbraut, Daß das Segel zerriß, eh’ sie’s zu senken ver- mogten. Vater und Knaben ruderten rasch; nun weinte die Mutter Laut empor; es weinten, wie sie, die zagenden Toͤchter, Bis die Welle sich thuͤrmender hub, den Nachen an Felsen Warf, und Vater und Mutter und Kinder auf einmal hinabschlang. Engel schwebten uͤber der Flut: so schwebet der Bogen Gottes uͤber der staͤubenden Flut des stuͤrzenden Stromes! Ach! nun schweben mit ihnen die Seelen in stralendem Fluge Alle zugleich hinuͤber ins Land der ewigen Ruhe. Jhre Leichen trennte das Meer nicht, und wiegte sie sorgsam Ans Gestad, und weinend begrub sie, unter den Buchen, Auf dem Huͤgel, der Nachbar, wo uns, im Hau- che des Abends, Heitre Gedanken des Tods und der Auferstehung umschwebten. Sonne, du steigst, und sinkest, um wieder zu steigen! Einst wirst du Sinken in ewige Nacht! Dann fragen sich wundernd die Sterne: „Warum saͤumt die leuchtende Schwester im pur- purnen Lager? Weilt sie im kuͤhlenden Bade des Meers?„ — Jm Bade des Meeres Weilt sie nicht, und nicht in ihrem purpurnen Lager; Sterne, sie starb! Einst sterbt ihr, wie sie, ihr Soͤhne des Lichtes! Ach! die goldene Saat von Sonnen und Ster- nen und Monden Rauschet entgegen der Sichel des Todes, und neue Gefilde Keimen empor, dereinst mit neuen Saaten gekroͤnet, Bis auch diese das rollende Jahr des Himmels gereifet! — Laß sie rollen die Jahre des Himmels! mit Saaten der Schoͤpfung Und mit Erndten der Schoͤpfung ein jedes berei- chert; wir werden Saͤen sehn und erndten, geschmuͤckt mit ewiger Jugend! Solche Gedanken fuͤhrten uns heim; wir freuten uns innig Unsers unsterblichen Lebens und unsrer ewigen Freundschaft! Freunde! die Goͤttin verlaͤßt mich, sonst saͤng’ ich die lieblichen Haine, Sie mit Baͤchen gewaͤssert, geschmuͤckt mit Huͤ- geln und Thalen, Und die zwanzig Seeen mit Eichen und Buchen umkraͤnzet. Saͤnge Waldemars Huͤgel, wo, unter rauschen- den Eschen, Mancher Schauer der Vorzeit den sinnenden En- kel erhaschet. Ach Begeistrung! melodisch erscholl der Flug deiner Ankunft; Nun enteilest du mir im schwebenden Saiten- gelispel; Kehre wieder, und bald, aus deiner toͤnenden Halle! An Juͤnglinge. J hr froͤhlichen Juͤnglinge, hoͤret Den froͤhlichen Juͤngling! Er lehret Euch gluͤcklich und weise zu sein. Heut ist mir’s im Herzen so helle! Jch schoͤpfe die Freud’ aus der Quelle Jn altem Hungarischen Wein! Auf wackre Gesellen, und traͤnket Mit Freude die Seelen! Es kraͤnket Den hoͤllischen Drachen das Gluͤck. Doch huͤtet euch, Bruͤder! Er lauschet, Und wo sich ein Juͤngling berauschet, Da grinzt er mit schielendem Blick! Oft fuͤhrt er bei naͤchtlichen Fackeln Die Reigen der Thoren; sie wackeln Frohlockend, und traͤumen nicht Harm. Er fuͤhrt sie im Taumel des Tanzes; Noch duften die Blumen des Kranzes, Schon haͤlt sie die Lais im Arm. Jch warne dich, flatternde Jugend: Oft grenzet die Freude der Tugend An giftiger Laster Genuß. So schleichet, im freundlichen Schatten Der Pappel, auf bluͤhenden Matten, Die Natter, und sticht dich in Fuß. Drum merke dir, was ich dich lehre: Auf daß dich der Feind nicht bethoͤre, So suche dir heut noch ein Weib! Statt laͤnger zu flattern, erwaͤhle Ein Maͤdchen mit lieblicher Seele, Und eben so lieblichem Leib! Es halte sich jeder zur Schande, Zu fliehn die holdseligen Bande, Womit uns ein Weibchen umschlingt! Sie fuͤhrt uns am rosigen Baͤndchen, Mit samtnen liebkosenden Haͤndchen, Bis sie in den Himmel uns bringt! O Wonne, sein Weibchen zu wiegen Jn Armen der Liebe, zu liegen Beim Weibchen in suͤssem Genuß! Jch achte, mit neidenden Blicken Und schmachtendem Geisterentzuͤcken, Umschweben die Engel den Kuß. Jch haͤtt’ euch noch vieles gelehret; Das Maͤdchen hier hat mich gestoͤret; Sie weckte den Trunknen dort auf. Wart, Braune! Gleich wirst du ihm buͤssen! Er straͤft dich mit duftenden Kuͤssen. Und hascht dich im wankenden Lauf! Stolb. M Die Thraͤnen der Liebe. T raͤufle, mein suͤsses Maͤdchen, diese Thraͤne Auf die silberne Leier deines Stolberg! Siz auf meinen Knien, und laß die Thraͤne Ueber die Wange Deines Geliebten rinnen auf die Saiten, Daß sie beben, wie deine Busenbaͤnder, Und daß meine Thraͤne mit deiner Thraͤne Toͤnend sich mische. Thraͤne der Liebe, ach! der stummen Wonne Thraͤne! koͤnt’ ich sie fassen und verwahren! Und mit ihr den ersten der Kuͤsse, da du Schuͤchtern dich umsahst, Dann um den Hals mir fielst, und sanft erroͤthend Deine Lippen auf meine Lippen druͤcktest! Unsre Seelen huben sich auf der Liebe Seufzer, und schwebten, Wonneberauschet, auf des Kusses Fluͤgeln, Wie, auf Hauchen des Westes, suͤsse Duͤfte Um die Wangen roͤthlicher, Thaubenezter Bluͤthen des Apfels! Bey Homers Bild. D u guter, alter, blinder Mann, Wie ist mein Herz dir zugethan! Nim dieses Herzens heissen Dank Fuͤr deinen goͤttlichen Gesang! O haͤtt’ ich deiner Lieder Macht, Jch rief dir durch der Graͤber Nacht! Du kaͤmst in Morgenroth gehuͤllt, So hehr und freundlich, wie dein Bild, Und reichtest mir die Stralenhand, Jch aber kuͤßte dein Gewand, Doch bald ermannte mich dein Gruß Zu Handschlag und zu Lippenkuß. Auch spraͤch ich: was ich hab’, ist dein! Trink, alter Halbgott, diesen Wein! Er roͤthet sich in Morgenland, Am allerfernsten Mohrenstrand! Nun traͤnkst du des Oluͤmpos Lust Mit langen Zuͤgen in die Brust, Jch laͤs’ auf deinem Angesicht: Den neuen Nektar kannt’ ich nicht! Winterlied. W enn ich einmal der Stadt entrinn, Wird’s mir so wohl in meinem Sinn; Jch gruͤsse Himmel, Meer und Feld Jn meiner lieben Gottes Welt! Jch sehe froh und frisch hinein, So gluͤcklich, wie ein Voͤgelein, Das aus dem engen Kerker fleugt, Und singend in die Luͤste steigt. Auch sieht mich alles freundlich an Jm Schmuck des Winters angethan, Das Meer, gepanzert, weiß und hart, Der krause Wald, der blinkend starrt. Der lieben Saͤnger buntes Heer Huͤpft auf den Aesten hin und her, Und sonnet sich im jungen Licht, Das durch die braunen Zweige bricht. Hier keimt die junge Saat empor, Und gucket aus dem Schnee hervor; Dort lockt des Thales weiches Moos Das junge Reh auf seinen Schoos. Natur, du wirst mir nimmer alt Jn deiner wechselnden Gestalt! Natur, so hehr! so wunderbar! Und doch so traut! und doch so wahr! Auf, Atalante, renne frisch! Jch wittre schon den frohen Tisch! Der goldne Haber harret dein! Und mein der goldne deutsche Wein! An F. L. Grafen zu Stolberg von Gottfried August Buͤrger. F riz! Friz! bei den Unsterblichen, die hold Auch meinem Leben sind! — Sie zeugen mir! — Sieh, Angesichts der Ritter unsers Volks Und ihrer losen Knappen, schreitest du Zu Truz, mit Wehr und Waffen in mein Feld, Und wirfst den Fehdehandschuh vor mich hin! Ha! schauerte nun auch die Menschlichkeit, Wie Hektorn vor dem Ajax und Achill, Vor dir mich an; huͤb ich ihn doch empor! Bei Gott! bei Gott! Du Troziger, ich muß! — So gelt es denn! Sieg gelt’ es, oder Tod! — Denn wisse! keinem Knaben sprichst du Hohn, Der seine ersten Waffen schwankend pruͤft. Straff sind die Sehnen meiner Jugendkraft; Jch bin gewandt zu ringen; meinem Arm Jst Phoͤbus guͤldnes Schwert ein Halmenspiel; Den Silberbogen des Ferntreffenden Weis ich zu spannen; treffe scharf das Ziel; Mein Koͤcher rasselt goldner Pfeile voll — Wer mag einher in meiner Ruͤstung gehn? — Es gelte, Friz! Sieg gelt’ es, oder Tod! — Du! huldigt dir Gesang und Sprach’ allein? Und waltet nicht des Maͤoniden Geist Auch uͤber meinem Haupt? Jch rang mit ihm, Wie Herkuls Kraft mit Anteus Zauber rang. Bezwang ich ihn nicht oben in der Luft? — Jch komm’! ich komme dir! denn ehren mag Ein solcher Widersacher das Gefecht. Wie wird des Sieges Blume meinen Kranz Verherlichen! — Und gaͤbe mich der Rath Der Himmelsherscher dir auch unterthan, So koͤnt’ ich doch von keiner edlern Hand, Als deiner, sterben, edler, starker Held! Auf! ruͤste dich! Sieg gilt es, oder Tod! Antwort an Gottfried August Buͤrger. Η μεν εμαρναϑην εριδος περι ϑυμοςοροιο, Ηδ αυτ εν φιλοτητι διετμαγεν αρϑμησαντε. Diese Helden kaͤmpften aus heisser Begierde des Ruhmes, Und dann schieden sie wieder mit Freundschaft aus einander. Homer. Jlias 7. F ried’ und Freude dem Saͤnger zuvor, und traulichen Handschlag! Sieh, ich habe dein Zuͤrnen vernommen am fer- nen Gestade, Hoͤrte den Fluͤgelschlag deines Gesangs; melodi- sche Stuͤrme Deiner Leier erhuben ihn hoch; ein Riesenadler Steht er vor mir, mit draͤuender Klaue, mit ruͤstigem Fittig; Und schon zuͤrnt’ ich entgegen. Da saßte mich Pallas Athaͤnaͤ Bei den goldnen Locken; ich wandte mich straͤu- bend; mein Auge Staunte zuruͤck, vom Blize der goͤttlichen Augen getroffen. Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furcht- baren Goͤttin. Sie verschwand; da war mir, als athmet’ ich liebliche Duͤfte, Laͤg’ am blumigen Hange des Helikon, unter der Kuͤhlung Wehender Schatten, an Aganippens Silberge- saͤusel. Nun erwacht’ ich, und zuͤrnte nun wieder, und grif zu der Leier. Aber es hatte die juͤngste der Musen die Leier umstimmet, Daß sie nicht toͤnte wie sonst, wie Donner, wie Stimmen der Meere, Sondern wie Lispel des wankenden Schilfes, wie zaͤrtliche Klagen Junger Nachtigalln auf bluͤhenden Zweigen der Myrten. Und mir kehrte die Weisheit zuruͤck; sie pfluͤckte den Oelzweig Den ich dir reiche; sie redet durch mich; ver- nim und sei weise! Siehe, zwar kraͤnzen uns Locken der Ju- gend, doch rauschet der Lorbeer Ueber den Locken; es kuͤhlet die Palme den Schweiß an der Stirne. Fruͤh betraten wir beide den Pfad des ewigen Ruhmes, Fruͤh erreichten wir beide das Ziel. Auf trozen- den Felsen Stehn wir, und laͤcheln entgegen dem Strome der kommenden Zeiten. Hier besuchen uns oft Kronions liebliche Toͤchter, Lehren uns oft die eigne Leier beseelen, und brin- gen Ost herab vom Olymp die Harfe des Maͤoniden. Laß uns beide das heilige Lied des goͤttlichen Greisen Unserm Volke singen; wir lieben den Goͤttlichen Beide! Freund, gehabe dich wohl! ich kenne die rufen- de Stimme, Hoͤre wiehern die feurigen Ross’ am flammenden Wagen; Siehe, mir winket die Mus’; ich folge der win- kenden Goͤttin! Badelied zu singen im Sunde. E s lockten mich nimmer Die milderen Schimmer Der Sonne so sehr! Die Abendluft hauchet; Auf, Juͤnglinge, tauchet Die Glieder ins Meer! Hier, wo sich zwei Meere Begegnen wie Heere, Stuͤrz’ ich mich hinab! Mich Sterblichen gruͤssen Die Nympfen; sie kuͤssen Die Hize mir ab! Seht Titan, er sinket Jns Weltmeer, und winket Noch flammend uns her! Schamroͤthend erhebet Sich Luna, und bebet Auf oͤstlichem Meer! O ruͤhmliche Wonne, Mit Mond und mit Sonne Zu baden im Meer! Die wallenden Gluten Der purpurnen Fluten So rund um uns her! Die Buͤssende. Ballade. H oͤrt, ihr lieben deutschen Frauen, Die ihr in der Bluͤthe seid, Eine Maͤhr’ aus alter Zeit, Die ich selbst nicht ohne Grauen Euren Ohren kan vertrauen; Denn mit Schrecken sollt ihr schauen, Wie ein Ritter sonder Glimpf Raͤchte seines Bettes Schimpf. Jn den alten Biederzeiten, Da noch Keuschheit Sitte war, Und ein Weib nicht um ein Haar Durft’ aus ihrem Wege gleiten, Kam ein Rittersmann von weiten, Der zum Kaiser solte reiten, Von Navarra’s Fuͤrst gesandt Jn das heil’ge deutsche Land. Einst da Strom und Nachtwind brauste, Und sein Roß ermuͤdet war, Ward er eine Burg gewahr, Wo ein deutscher Ritter hauste, Dessen Hof der Sturm durchsauste, Und der Ulmen Haupt zerzauste; Freudig leitet’ er sein Roß An das hochgethuͤrmte Schloß. Laut klopft er ans Thor; es klappen Jhm die Zaͤhn’, er war erstarrt; Denn des Winters Frost war hart. Bald erschienen edle Knappen, Forschten nach des Fremdlings Wappen, Hielten seinen treuen Rappen, Fuͤhrten dann bei Fackelschein Jhn in den Palast hinein. Stolb. N Herzlich, nach der Deutschen Weise, Ging auf ihn der Deutsche zu: „Kom, geneuß bei mir der Ruh Nach der schweren Winterreise, Und erquicke dich mit Speise! Sieh, es glaͤnzt von Reif und Eise Dir das Haupthaar und der Bart; Auch ist deine Hand erstarrt.„ — Bei der krummen Hoͤrner Schalle Fuͤhrt’ er den erfrornen Mann, Einen Windelsteig hinan, Jn die kerzenvolle Halle. Seine Vaͤter standen alle, Aus gegossenem Metalle, Schoͤn gewapnet, ohne Zahl Jn dem ungeheuren Saal. Hier heißt er das Mahl bereiten, Und schon sizen sie am Tisch. Unsre Helden trinken frisch, Aus Pokalen und aus breiten Tumlern, nach dem Brauch der Zeiten; Rheinwein und Tokayer gleiten Jn die Kehlen glatt hinein, Welscher und Burgunder Wein. Aber mitten in der Freude Oefnet eine Thuͤre sich; Stum und langsam feierlich, Komt ein Weib in schwarzem Kleide, Ohne Gold, Geschmuck und Seide, Abgehaͤrmt von bitterm Leide, Mit geschornem Haupte, schoͤn Wie der blasse Mond zu sehn. Grauen uͤberfiel und Beben Den Navarrer; er ward blaß; Jhm entsank ein Doppelglaß, Und er zweifelte, ob Leben Waͤr’ im Weibe, ob sie schweben, Senken, oder sich erheben Wuͤrde, ein Gespenst der Nacht, Das in grausen Stunden wacht. Aber naͤher kam sie ihnen, Sezte nun sich an den Tisch, Aß zween Bissen Brod und Fisch, Und sie schellte; da erschienen, Mit des Mitleids truͤben Mienen, Knappen, ihrer Frau zu dienen; Einem winkt sie; er versteht Jhren Jammerblick, und geht. Und schon haͤlt er in der Linken Einen Schaͤdel, spuͤlt ihn rein, Giesset Wasser dann hinein, Haͤlt’s ihr schweigend dar zu trinken; Ach! sie laͤßt die Augen sinken, Sieht den nassen Schaͤdel blinken, Starret vor sich, trinkt ihn aus, Sezt ihn hin, und wankt hinaus. „Jch beschwoͤre dich, zu sagen,„ Hub der fremde Ritter an: „Was hat dir dies Weib gethan? Wie kanst du mit diesen Plagen So sie martern? wie ertragen Jhrer Thraͤnen stumme Klagen? Sie ist schoͤn, wie Engel sind, Und geduldig, wie ein Kind.„ — „Fremdling, sie ist schoͤn! Jch baute Auf die Schoͤnheit all mein Gluͤck; Labte mich an ihrem Blick, Wann sie bei der sanften Laute From und liebend auf mich schaute! Ach! mein ganzes Herz vertraute Sonder Zweifeln ich ihr an, War ein hochbegluͤckter Mann! Jhre schoͤnen Augen logen! Wer ergruͤndet Weibessinn? Jhre Liebe war dahin, Einem Buben zugeflogen, Den ich in der Burg erzogen! Lange hat sie mich betrogen; Meines Herzens Lieb und Treu Blieb sich immer gleich und neu! Als ich einst von frohen Siegen Unvermutet kam zuruͤck, Ach! da sah mein erster Blick, Der sie fand nach langen Kriegen, Sie in meinem Bette liegen Mit dem Ehebrecher! Schmiegen Thaͤt er wie ein Lindwurm sich, Doch ihn traf der Todesstich! Aber sie fiel mir zu Fuͤssen, Flehend: „Herr, erbarme dich Meiner, und erwuͤrge mich! Laß mich mein Verbrechen buͤssen! Sieh, das Eisen moͤgt’ ich kuͤssen, Das da soll mein Blut vergiessen, Und mich bald in jener Welt Meinem Trauten zugesellt!„ — Jn dem Augenblick gedachte Jch in meinem Zorne doch Jhrer armen Seelen noch, Und das Bild der Hoͤlle brachte Schrecken in mein Herz; doch wachte Meine Rache noch, und fachte Meines Zornes Glut; ich sprach: „Buͤssen sollst du meine Schmach! Aber nicht mit deinem Leben! — Denn was haͤtt’ ich deß Gewinn, So du fuͤhrst zum Teufel hin? Nein, mit Thraͤnen, Flehn und Beben, Magst du nach dem Heile streben, Ob dir wolle Gott vergeben; Aber Jammer, Angst und Noth Geb ich dir bis an den Tod!„ Da thaͤt ich ihr Haupt bescheeren, Nahm ihr Gold und Edelstein, Huͤllte sie in Trauer ein, Ungeruͤhrt von ihren Zaͤhren. Welche Schmerzen sie verzehren, Magst du von ihr selber hoͤren. Fasse dich, und folge mir Hier durch diese Seitenthuͤr!„ — Und er fuͤhrt’ ihn eine lange, Steile, dunkle Trepp’ hinab. „Ach! du fuͤhrst mich in ein Grab!„ — Rief der Ritter, und ward bange. „Graut dir schon vor diesem Gange? Aber horch dem leisen Klange Einer Laute! Bei dem Klang Singt sie ihren Bußgesang.„ — „Halt! nun sind wir an der Schwelle!„ — Rief der Deutsche, stieß ans Schloß; Rasselnd sprang die Feder los, Und sie sahn sie in der Zelle. Von den Augen stuͤrzt die helle, Gottgeweihte Thraͤnenquelle, Fliesset, aus zerknirschtem Sinn, Auf das ofne Psalmbuch hin. „Ach! wie ist ihr Schicksal bitter!„ Ruft der Gast, und geht hinein. Stracks fuͤhrt’ ihn an einen Schrein Der gestrenge Deutsche Ritter. Wie getroffen vom Gewitter Sieht er, hinter einem Gitter, O, wer haͤtte das geglaubt? Ein Gerippe sonder Haupt. z. S. 202. III. Als der Fremdling sich ermannte, Sprach der Deutsche: „Sieh den Mann, Der dies Weib hier liebgewann, Erst fuͤr sie im stillen brannte, Dann sein Feuer ihr bekannte; Den sie ihren Trauten nannte, Der mit seiner Frevelthat Mir mein Bett beschimpfet hat! Das ist nun ihr groͤßtes Leiden, Daß sie ihren Ehemann, Der solch Leid ihr angethan, Muß bestaͤndig um sich leiden! Jenes Anblick gab ihr Freuden Sonst, nun moͤgt’ sie gern ihn meiden, Doch sie sieht ihn, und beim Mahl Jst sein Schaͤdel ihr Pokal.„ — Ehe sie das Weib verlassen, Wuͤnscht der Fremdling ihr Geduld, Und Erlassung ihrer Schuld. Sie antwortete gelassen Mit gesenktem Blick, und blassen Lippen: „Ritter, nicht zu fassen Jst mit Worten mein Vergehn! Deiner Magd ist recht geschehn!„ — Freundlich wuͤnschte sie den Rittern Gute Nacht! Sie gehen fort Aus dem jammervollen Ort. Bilder ihrer Angst erschuͤttern Den Navarrer; sie verbittern Jhm den dunkeln Weg; es zittern Seine Kniee; banger Schweiß Ueberlaͤuft ihn, kalt wie Eis. Endlich koͤmt er in sein Zimmer. Bang’ und kummervoll durchwacht Er die lange Winternacht. Ach! er sah ihr Bildniß immer, Wie sie bei der Lampe Schimmer Spielte, sang und weinte. Nimmer Ward wol je ein Weib gesehn, Das so elend war und schoͤn. Bei der goldnen Morgenroͤthe Thaͤt er seine Ruͤstung an, Gieng hinein zum deutschen Mann, Nahm ihn bei der Hand und flehte, Daß er, eh der Gram sie toͤdte, Aus dem Jammer sie errette; Sprach es, schwang sich auf sein Roß, Und verließ das alte Schloß. Jahre waͤhrten ihre Leiden; Jhre helle Thraͤne sank Taͤglich in den bittern Trank, Abgestorben allen Freuden, Thaͤt sie jedes Labsal meiden, Thaͤt an ihrem Gram sich weiden, Sang den frommen Bußgesang Taͤglich bei der Laute Klang. Endlich ruͤhrt’ ihr leises Stoͤhnen, Und ihr demutvoller Schmerz Des gestrengen Mannes Herz. Wer vermag sich zu den Toͤnen Leiser Klage zu gewoͤhnen? Ruͤhrender bewegen Thraͤnen Einer stummen Dulderin Jeden felsenharten Sinn. Sieh, er ließ sein rasches Draͤuen, Jhr die ganze Lebenszeit Anzufuͤgen solches Leid, Sich aus Herzensgrunde reuen; Nahm sie in sein Bett von neuen, Thaͤt sich weidlich mit ihr freuen; Zeugte Soͤhne, stark von Art, Toͤchter, wie die Mutter zart. Unsre Frauen zu belehren Hab ich solches kund gemacht, Und in saubre Reimlein bracht; Auch die Herrchen zu bekehren, Die der Weiblein Herz bethoͤren, Und sich taͤglich bei uns mehren. Tausend Schaͤdel, die wir sehn, Solten auf dem Schenktisch stehn. An das Meer. D u heiliges und weites Meer, Wie ist dein Anblick mir so hehr! Sei mir im fruͤhen Stral gegruͤßt, Der zitternd deine Lippen kuͤßt! Wohl mir, daß ich, mit dir vertraut, Viel tausendmal dich angeschaut! Es kehrte jedesmal mein Blick Mit innigem Gefuͤhl zuruͤck. Jch lausche dir mit trunknem Ohr, Es steigt mein Geist mit dir empor, Und senket sich mit dir hinab Jn der Natur geheimes Grab. Wann sich zu dir die Sonne neigt, Erroͤthend in dein Lager steigt, Dann toͤnet deiner Wogen Klang Der muͤden Erde Wiegensang. Es lauschet dir der Abendstern, Und winket freundlich dir von fern; Dir laͤchelt Luna, wann ihr Licht Sich millionenfaͤltig bricht. Oft eil’ ich, aus der Haine Ruh, Mit Wonne deinen Wogen zu, Und senke mich hinab in dich, Und kuͤhle, labe, staͤrke mich. Der Geist des Herrn den Dichter zeugt, Die Erde muͤtterlich ihn saͤugt, Auf deiner Wogen blauem Schooß Wiegt seine Phantasei sich groß. Stolb. O Der blinde Saͤnger stand am Meer; Die Wogen rauschten um ihn her, Und Riesenthaten goldner Zeit Umrauschten ihn im Feierkleid. Es kam zu ihm auf Schwanenschwung Melodisch die Begeisterung, Und Jlias und Oduͤssee Entstiegen mit Gesang der See. Haͤtt’ er gesehn, waͤr um ihn her Verschwunden Himmel, Erd’ und Meer; Sie sangen vor des Blinden Blick Den Himmel, Erd’ und Meer zuruͤck. Theokrits achte Jdylle. Daphnis , Menalkas und der Ziegenhirt . E inst im Gebirge begegneten sich, so sagen die Hirten, Daphnis weidend die Heerde der Kuͤhe, der Schafe Menalkas, Beide mit goldenen Locken, und beid’ in der Bluͤte der Jugend; Beide des Hirtengesanges erfahren, beide der Floͤte. Als er Daphnis erblickte, begann zufoͤrderst Me- nalkas: Daphnis, Hirt der bruͤllenden Kuͤhe, wollen wir singen? Dich besieg’ ich, das mein’ ich, im Singen, nach eignem Behagen. Daphnis erwiederte schnell, der schoͤne Daphnis, und sagte: Schaͤfer der wolligen Heerd’, o Floͤtenspieler Menalkas, Nimmer besiegest du mich, und wenn du erstick- test im Singen. Willst du, daß wir uns pruͤfen und sezen die Preise der Wette? Gut! wir wollen uns pruͤfen und sezen die Prei- se der Wette. Aber was sezen wir, sprich, das wuͤrdig unserer waͤre? Jch eine Starke, du sezest ein Lamm, so groß wie die Mutter. Nein! ich seze, wahrlich, kein Lamm! der Vater ist strenge, Strenge die Mutter, sie zaͤhlen, und jeglichen Abend, die Heerde. Aber, was sezen wir denn? was sei die Beute des Siegers? Jch eine schoͤne, sie macht’ ich mir selbst, neun- stimmige Floͤte; Weisses Wachs verkleibet die Oefnung unten und oben; Diese sez’ ich zum Preis, und nicht die Habe des Vaters. Auch ich hab’ eine Floͤte, Menalkas, mit neun Stimmen; Weisses Wachs verkleibet die Oefnung unten und oben; Juͤngst vereint’ ich die Fugen der Glieder; noch schmerzet der Finger, Dieser Finger, welchen das Rohr, sich spaltend, verlezte. Aber wer soll entscheiden, und wer die Singen- den hoͤren? Jenen Hirten der Ziegen, o Daphnis, laß ihn uns rufen, Dessen weißlicher Hund dort bellt bei den huͤpfen- den Kizlein. Und es riefen die Knaben, es kam sie zu hoͤren der Hirte; Und es sangen die Knaben, entscheiden wolte der Hirte. Erst begann, so fiel ihm das Loos, der Saͤnger Menalkas, Dann erwiederte Daphnis im Wechselgesange der Hirten, Singend ein laͤndliches Lied. Nun scholl die Stimme Menalkas: Thaͤler und Stroͤme, Goͤttergeschlecht! wenn je- mal Menalkas, Floͤtenkundig, ein Lied sang, ein liebliches Lied; O so weidet nach ihrem Geluͤsten die Laͤmmlein, und treibet Daphnis die Kaͤlber herzu, find’ er die Fuͤlle, wie ich! Quellen und Kraͤuter, suͤsse Gewaͤchse! wenn aͤhnlich dem Liede, Welches die Nachtigal singt, toͤnet Daphnis Gesang; Meine Farren, o maͤstet sie mir! und fuͤhret Menalkas Seine Laͤmmer euch zu, lach’ ihm die uͤp- pige Flur! Alles ist Lenz, und alles ist Trift! Es schwellen die Euter, Alle schwellen von Milch, welche die Saͤug- linge naͤhrt. Da, wo die schoͤne Phillis erscheint, und wo sie verschwindet, Ach! da schmachten alsbald Schaͤfer und Pflanze zugleich. Zwillinge saͤugen die Schaf’ und die Ziegen, es fuͤllen die Bienen Honig in Koͤrben, es traͤuft Honig die Ei- chen herab, Da, wo wandelt die schoͤne Likoris; wenn sie entweichet, Ach, dann schwinden hinweg, Hirt und Rin- der hinweg! Gatte der weissen Ziegen, o Geisbock! hin zu des Waldes Dichtem Schatten! und ihr Kizlein, erei- let den Quell! Dort ist meine Likoris! ach eilt und sagt ihr: Die Goͤttin Habe den Hirten geliebt! Venus Adonis geliebt! Pelops Reiche begehr’ ich nicht, und nicht Ata- lanta’s Goldnen Apfel, und nicht Winde verhoͤhen- den Lauf; Aber singend, am Fusse des Felsen, in deiner Umarmung, Unsre Schafe, vereint, weiden am Meere zu sehn! Stuͤrme sind furchtbar den Baͤumen, und Duͤr- ren furchtbar den Saaten, Schlingen dem Vogel, und dir Neze, du freies Gewild, Zarter Maͤdchen Liebe dem Juͤngling, o Jupiter, Vater! Sage, lieb ich allein? liebst du die Maͤdchen nicht auch? Also erscholl die Stimme der Knaben in Wechsel- gesaͤngen, Und es begann das lezte der Lieder von neuem Menalkas: Schone der saͤugenden Ziegen, o Wolf, und schone der Kizlein; Ach und meiner! des kleinen Begleiters der maͤch- tigen Heerde; Fix! dich haͤlt ein toͤdtlicher Schlaf, erwache! gefesselt, Ziemt es dem Hunde des Hirten auf seiner Wache zu schnarchen? Saͤttiget, sonder Scham, mit zartem Gras euch, ihr Schafe! Saͤttiget, saͤttiget euch, wolan! und fuͤllet die Euter Fuͤr das saugende Lamm und fuͤr den schaͤumen- den Eimer. Also sang er: Daphnis begann mit lieblicher Stimme: Gestern trieb ich die Rinder bei ihrer Grotte voruͤber; „Schoͤner Daphnis!„ rief, „o Schoͤner!„ das spottende Maͤdchen; Doch, ich schwieg, und erwiederte nichts der beissenden Rede, Sondern verfolgte den Pfad mit niedergeschlage- nen Augen. Lieblich ist die Stimme der Ferse, lieblich ihr Odem; Lieblich bruͤllet das Kalb, und lieblich die Mutter des Kalbes; Lieblich ist es im Sommer zu ruhen am fliessen- den Wasser; Eiche, du prangst mit der Eichel! der Apfelbaum mit dem Apfel, Mit dem Kalbe die Kuh, mit seinen Kuͤhen der der Hirte. Also sangen die Knaben; es sprach der Hirte der Ziegen: Suͤß sind deine Lippen, o Daphnis, lieblich die Stimme; Lieblicher ist es dich singen zu hoͤren, als Honig zu saugen. Nim die Floͤten, du Sieger im Liede; du hast sie gewonnen! Ach, und wenn du, weidend mit mir, mich leh- ren es woltest; Diese Ziege bekaͤmest du dann mit verstuͤmmelten Hoͤrnern, Welche bestaͤndig bis uͤber den Rand den Eimer fuͤllet. Das erfreute den siegenden Knaben; er klatscht’ in die Haͤnde; Wie zu der Mutter huͤpfet das Reh, so huͤpfte der Knabe. Jenem aber verzehrte der quaͤlende Harm die Seele. Ach, er traurte! so trauert die Braut, die Neu- vermaͤhlte. Nun war Daphnis unter den Hirten der erste geworden, Und es vermaͤhlte sich fruͤh mit der Nymphe Nais der Juͤngling. Theokrits neunte Jdylle. Daphnis. Menalkas. Der Hirt. S inge, nach Hirtengebrauch; o Daphnis! Es toͤne zufoͤrderst, Dein Gesang ertoͤne zufoͤrderst; ihm folge Me- nalkas! Gebet den Kuͤhen die Kaͤlber, und gebet die Fer- sen den Stieren, Daß sie weiden zusammen, und irren im Laube der Buͤsche, Grasend um uns herum! Kom, deine laͤndli- che Weise Singe du hier, und es halle von dort die Stim- me Menalkas. Lieblich schallet die Stimme der Kuh, und lieb- lich des Kalbes Lieblich der Floͤte, lieblich des Hirten, und mei- ne lieblich! Nah ist am klaren Bache mein Lager; da lie- gen verbreitet Weisser Kuͤhe glaͤnzende Haͤute, welche mir alle Ach die Weidenden! stuͤrzte vom Felsengipfel der Sturmwind. Und ich achte nicht mehr den sengenden Sommer, als achtet Ein Verliebter die Rede des Vaters, die Rede der Mutter. So sang Daphnis, und also erwiederte singend Menalkas: Aetna, meine Mutter! ich wohn’ in deinen Gewoͤlben; Schoͤn ist meine Behausung, und alles, welches in Traͤumen Uns erscheinet, ist mein! so Schaf’ als Ziegen die Fuͤlle, Deren Felle mir liegen zu Haͤupten, und liegen zu Fuͤssen! Flammen der Eiche fieden mein Mahl; es flam- men im Froste Duͤrre Buchen am Heerd; ich achte so wenig den Winter, Als ein Zahnloser achtet die Nuͤsse, wenn Brey ist vorhanden. Diese belohnt’ ich alsbald mit lautem Beifall, und Gaben, Einen Stab, mir erzeugt im Erbe der Vaͤter, an Daphnis, Sonder Wandel gewachsen, und ungetadelt vom Kuͤnstler; Eine Muschel an jenen, ein koͤstliches Schnecken- gehaͤuse, Deren Fleisch ich gekostet, sie findend im Kiesel des Meeres; Fuͤnfen spendet ich’s aus. Er blies in die toͤ- nende Muschel. Laͤndliche Musen, seid mir gegruͤsset! fluͤstert, o Musen, Mir das Lied, das ich juͤngst den Hirten sang; auf der Weide, Dichtet’ und sang es ich selber den Hirten! oder es sprosse Mir an der Zungen Spize, die Luͤge zu strafen, ein Blaͤschen! Hold ist die Grille der Grill’, und hold die Bie- ne der Biene, Hold der Sperber dem Sperber; und mir der Gesang und die Muse. Daß sie mir immer die Huͤtte besuchten! denn es ist suͤsser Nicht der erwachende Lenz, und der Schlummer, suͤsser der Biene Nicht die Bluͤthen, als theuer die Musen mir! Denen sie Freuden Laͤchelnd blicken, die trozen dem Zauberbecher der Circe. Stolb. P Die Meere. D u schmeichelst mein Ohr, Jch kenne dein Rauschen, Deiner Wogen Sirenengesang! Ostsee, du nahmst mich Oft mit schmeichelnden Armen Jn den kuͤhlenden Schooß! Du bist schoͤn! Nymphe, schoͤn! Vertraute des waldigen Ufers, Oft entschluͤpfet der West den Wipfeln des Hains, Und schwebet uͤber dir hin mit gleitendem Flug! Du bist schoͤn! Nymphe, schoͤn! Aber die Goͤttin Schoͤner als du! Lauter, als du, Donnert die Nordsee; Steigend erhebt sich und weiß und Gestaderschuͤt- ternd ihr Fuß! Staͤrker und freier, als du, Tanzet sie eignen Tanz, Lauschet nicht dienstbar der Stimme Herschender Winde; Steiget und sinkt, Wann, mit Wolken umschleiert, Jn geheimer Halle schlummert des Sturmes Haupt! Jch sah die Kiele Blizgewasneter Schiffe Eilen uͤber ihr hin, Wann die Flagge fank, Und der zuͤngelnde Wimpel sank Und das Saͤuseln in Hellebeks Buchen schwieg. Wie nennet dich mein Gesang! Nordmeer, Weltmeer, Goͤttin, Unend- liche, Erdumguͤrtende, Wiege der Allerleuchtenden Sonne, des Himmelwandelnden Mondes und zahlloser Sterne, die in melodischem Tanze sich spiegeln, wann steiget die Well’ und hinab sich senkt. Auf deinen Wassern Schwebete Gottes Geist, Als noch die Erde Lag in trauernder Stille, Mutterfreuden kante noch nicht! Ueber dir wehet, Hehr und geheimnißvoll, Flutend und ebbend, Sichtbar noch des Allmaͤchtigen Hauch! Auf hoher Entzuͤckung Steigendem Fluͤgel Flog dir entgegen mein Geist! Goͤttin, ich flehte: Nim mich, o Goͤttin, Nim mich in deinen maͤchtigen Schooß! Aber du eiltest Stolz mir und donnernd vorbei! Da spaut’ ich die Fluͤgel Des Wogendurchwallers, Und schwebte zum ferneren Ufer hin, Du donnertest lauter Am Felsengestade; Jch eilte hinan Das Felsengestade, Und eilte hinab; Da saßt’ ich dich, Goͤttin, Mit nervigem Arm Jn der Felsenhalle! Ueber mir hiengen Draͤuende Gipfel; Strudelnde Fluten Draͤngten durch Kluͤfte der Felsen sich durch! Und wohl mir ward Jn der Goͤttin Schooß, An der Unsterblichen Wallendem Busen! Heil dir, Heil, Goͤttin, und Dank Fuͤr den seligen Genuß Jn der Felsenhalle! Die spaͤten Herbstblumen. L iebliche Bluͤmchen, die am kalten Busen Noch das sterbende Jahr mit Liebe hegte, Die Novembers rauschender, starrer Fittig Schonend vorbeiflog; Seid mir gesegnet, Bluͤmchen! Jch verstehe Euren winkenden Wunsch; ich will euch pfluͤ- cken! An der Unschuld klopfenden Herzen, Bluͤm- chen, Solt ihr verbluͤhen! Duftet indessen suͤß, und lispelt freundlich Diesen klopfenden Herzen sanfter Unschuld, Daß der Freundschaft zaͤrtliche Hand euch heute Sorgsam gepfluͤckt hat! An den Verfasser von Stillings Jugend. D em Buͤchlein dein bin ich gar hold; Jst’s doch so rein, wie lauter Gold, Voll Unschuld, liebevoll und wahr, Und wie der Morgenthau so klar, Der an dem jungen Bluͤmchen bebt, Das junge Bluͤmchen neu belebt; Jm Troͤpflein schimmert hell und mild Der Morgensonne Flammenbild. So spiegelt auch dein Buͤchlein klein Der hohen Weisheit Himmelschein, Und traͤnket freundlich unser Herz Mit ernster Freud’ und suͤssem Schmerz. Jch lebte gern im stillen Thal Mit deinen Menschen allzumal; Jch saͤnge Wald und Strom und Au, Und naͤhm ein Dortchen mir zur Frau, Dein frommer weiser Nikolas Sah nicht durch ein getruͤbtes Glas, Wie mancher Pfaff, den Sonnenschein Erhellt mit der Laterne sein. Der Einfalt und der Liebe Sinn Sei unser Kleinod und Gewinn! Sie reichen uns den Wanderstab, Und fuͤhren laͤchelnd uns ins Grab. Orpheus und Eurydice. Virg. Georg. IV. 464 — 572. O rpheus troͤstete mit der gewoͤlbten Leier sein Sehnen, Dich, du suͤsses Weib! dich sang er am einsamen Ufer, Dich mit dem kommenden, dich mit dem nieder; sinkenden Tage! Durch die Taͤnarischen Schluͤnde, durch die Pfor- ten des Pluton, Ipse cava solans aegrum testudine amorem, Te, dulcis conjux, te solo in littore secum, Te, veniente die, te decedente canebat! Taenarias etiam fauces, alta ostia Ditis, Durch den duͤstern Hain, den schwarzes Grauen umhuͤllet, Ging er, hin zu den Manen, hin zum schrecklichen Koͤnig, Herzen nimmer vordem durch menschliche Bitten erweichet. Sich, es erregte sein Lied des Erebus nich- tige Schatten, Daß sich von ihren Sizen die dunkeln Gestalten erhuben, Zahllos, wie der Voͤgel Tausende, welche der Abend, Et caligantem nigrâ formidine lucum Ingressus, Manesque adiit, Regemque tremen- dum, Nesciaque humanis precibus mansuescere corda. At cantu commotae Erebi de sedibus imis Umbrae ibant tenues, simulacraque luce caren- tum, Quam multa in foliis avium se millia condunt. Oder ein Ungewitter, von Bergen in Buͤsche verscheuchet. Weiber und Maͤnner erschienen, und abgeschie- dene Leichen Edler Helden, noch unverlobter Jungfraun und Knaben, Und der Juͤnglinge, die dereinst vor den Augen der Eltern Auf dem Scheiterhaufen die Flamme hatte ver- zehret, Welche nun alle schwarzer Schlamm und scheus- liches Schilfrohr Und der menschenfeindliche traͤge Pful des Ko- cythus Vesper, ubi aut hibernus agit de montibus im- ber; Matres atque viri, defunctaque corpora vitâ Magnanimûm heroum, pueri, innuptaeque puellae, Impositique rogis juvenes ante ora parentum; Quos circum limus niger et deformis arundo Cocyti, tardâque palus inamabilis undâ Einschleußt, und der Styx neunmal umherge- gossen. Ja, es staunte selber die Burg, es staunten des Todes Tiefste Schatten, die Schlangenumwundenen Eumeniden, Cerbers drei zum Bellen geoͤfnete Rachen ver- stumten, Und Jxions Rad blieb stehn bei seinem Gesange. Siehe, schon ging zuruͤck, den Gefahren entron- nen, schon nahte Alligat, et novies styx interfusa coërcet. Quin ipsae stupuere domus, atque intima Lethi Tartara, caeruleosque implexae crinibus angues Eumenides, tenuitque inhians tria Cerberus ora, Atque Ixionii cantu rota constitit orbis. Iamque pedem referens casus evaserat omnes, Eurydice, wiedergeschenkt den oberen Luͤften, Orpheus folgend, so hatte Proserpina selber ge- boten, Als unachtsame Thorheit ergriff den liebenden Juͤngling, Zwar so leicht zu verzeihn, wofern die Manen verziehen! Stehen blieb er, nun schon dem Lichte naͤher, und wandte, Ach! uneingedenk des Befehls und liebebe- zwungen, Sich nach seiner Geliebten um — des harten Tirannen Redditaque Eurydice superas veniebat ad auras, Pone sequens, namque hanc dederat Proserpina legem, Quum subita incautum dementia cepit aman- tem, Ignoscenda quidem, scirent si ignoscere manes. Restitit, Eurydicenque suam, jam luce sub ipsa; Immemor, heu, victusque animi respexit — ibi omnis Effusus labor, atque immitis rupta tyranni Buͤndniß war gebrochen, und Orpheus Muͤhe verschuͤttet! Dreimal ward ein Getoͤse gehoͤrt im Avernischen Sumpfe. Ach, rief sie, durch wen, mein Orpheus! sind wir verloren? Wessen Wut ergreift mich! es ruft das grausame Schicksal Mich zuruͤck, und Schlummer umhuͤllt die schwimmenden Augen! Lebe wohl! schon werd’ ich, in Nacht verhuͤllet, ergriffen, Meine schwachen Haͤnde, nicht mehr die Deine! dir reichend. Foedera, terque fragor stagnis auditus avernis. Illa, quis et me, inquit, miseram, et te per- didit, Orpheu? Quis tantus furor? en iterum crudelia retro Fata vocant, conditque natantia lumina somnus! Iamque vale! seror ingenti circumdata nocte, Invalidasque tibi tendens, heu, non tua! palmas. Sprach’s, und verschwand, wie ein nichtiger Rauch in die Luͤfte sich mischet, Seinen Augen, und sah ihn nicht mehr; vergebens umarmt er Leere Schatten; er wolte noch viel, und konte nicht reden; Wieder den Pful zu durchschiffen verbot der Faͤhr- mann des Orkus. Ach, was solt’ er thun? zum zweiten mal war sie entrissen! Welche Thraͤnen konten die Manen und Goͤtter erweichen? Sieh, erkaltet schiffte sie schon im stygischen Nachen! Dixit; et ex oculis subito, ceu fumus in auras Commistus tenues, fugit diversa, neque illum Prensantem nequidquam umbras, et multa volen- tem Dicere, praeterea vidit, nec portitor Orci Amplius ob jectam passus transire paludem. Quid faceret? quo se, rapta bis conjuge, ferret? Quo fletu manes, qua Numina voce moveret? Illa quidem Stygia nabat jam frigida cymba. Sieben nach einander gereihte Monden durch- weint’ er Unter einem Felsen, an Strymons oͤdem Ge- waͤsser; Sein Gesang erscholl in Schauerbringenden Hallen, Daß er zaͤhmte den Tiger, und ihm die Eiche sich neigte! Wie im Pappelschatten die klagende Philo- mele Jhre verlornen Kinder beweint, die ein grausa- mer Landmann Sah’ und federlos entriß dem Neste, die Mutter Septem illum totos perhibent ex ordine menses Rupe sub aëria deserti ad Strymonis undam Flevisse, et gelidis haec evolvisse sub antris Mulcentem tigres, et agentem carmine quercus. Qualis populca moerens Philomela sub umbra, Amissos queritur foetus, quos durus arator Observans nido implumes detraxit, at illa Stolb. Q Jammert, die ganze Nacht ihr weinendes Lied erneuend, Und erfuͤllt die Gegend umher mit trauernder Klage. Venus beugte nicht mehr sein Herz, und nicht Hymenaͤus; Einsam ging er umher an Tanais schneeigem Ufer, Auf Rhipaͤischen Feldern, die immer starren vom Reife, Eurydice beweinend, beweinend des grausamen Pluton Flet noctem, ramoque sedens miserabile carmen Integrat, et moestis late loca questibus implet. Nulla Venus, non ulli animum flexere Hy- menaei, Solus Hyperboreas glacies, Tanaïnque nivalem, Arvaque Rhipaeis nunquam viduata pruïnis Lustrabat, raptam Euridicen atque irrita Ditis Eitle Gunst. Deß zuͤrnten verachtet Cikoniens Weiber; Bei den Festen der Goͤtter, in naͤchtlicher Feier des Bacchus, Streuten sie uͤbers Gefilde, zerrissen, die Glieder des Juͤnglings. Da noch hat sein Haupt, vom Marmornacken gerissen, Als im mittelsten Strudel der flutende Hebrus es waͤlzte, Ausgerufen mit kalter Zunge: Eurydice! Ach, mit fliehender Seele, Eurydice! gerufen, Eurydice! schollen des ganzen Stromes Gestade! Dona querens: spretae Ciconum quó munere matres, Inter sacra Deum, nocturnique orgia Bacchi, Discerptum latos juvenem sparsere per agros. Tum quoque marmorea caput a cervice revolsum, Gurgite cum medio portans Oeagrius Hebrus Volveret, Eurydicen vox ipsa et frigida lingua Ah miseram Eurydicen anima fugiente volabat, Eurydicen toto referebant flumine ripae. Der wahre Traum. Eine Ballade. W undersam, durch Dunkelheiten, Geht, allheilige Natur, Deines Zaubertrittes Spur; Ahndend folgen die Geweihten; Aber sieh, es irren, gleiten Kluͤglinge, die selbst sich leiten, Die des Duͤnkels Jrwischschein Zieht in Sumpf und Pful hinein. Wohl mir, Goͤttin, daß zu deiner Hochbegluͤckten Juͤnger Schaar, Als die Mutter mich gebar, Du mich lasest, von gemeiner Bahn mich fuͤhrtest, zu geheimer Weisheit Psad, wo heller, reiner Jeder Wahrheit Urborn quillt, Und des Forschers Schmachten stillt. Bald, als Feuersaͤul’, erhebet Sich dein Haupt gen Himmel; wir, Voll Begeist’rung, folgen dir Jn die Himmel, neu belebet: Bald, als Wolkensaͤul’, umschwebet Heilig Dunkel uns; dann bebet Ahndungsschauer, der uns mild Lockt in Edens Duftgefild. Oft, um muͤtterlich zu walten, Lehr’ und Warnung zu verleihn, Wenn Gefaͤhrlichkeiten draͤun, Mut und Glaub’ in uns erkalten, Bei der Rechten uns zu halten, Huͤllst du dich in Traumgestalten, Lispelst, in des Schlummers Ruh, Offenbarungen uns zu. So noch gestern. — Freunde, hoͤren Sollt ihr staunend, was geschah, Welches Traumgesicht ich sah; Eu’r Vertrauen zu vermehren, Soll euch dieser Handschlag schwoͤren, Daß ich euch nicht will bethoͤren, Wahrlich dieser Traum nicht sei Ein Gespinst der Phantasei. Als ich sanft und schlummernd ruhte, Alles Kummers unbewußt, Wol auf meines Weibes Brust, Horcht, da kam mit hohem Mute, Wie entsproßt aus edlem Blute, Zu der Eich’, an der ich ruhte, Schoͤn gewappnet, angethan Nach der Ritter Brauch, ein Mann; Reichte traulich mir die Rechte, Traulich schlug ich drein, alsdann Seine Red’ er so begann: „Muͤssig ruhst du hier? Jch daͤchte, Lieber, kaͤmst mit mir; ich moͤchte Wetten schier, wohin ich braͤchte Dich, da soltest du gestehn, Daß du nie so was gesehn.„ Sonder Saͤumen thaͤt ich wallen Mit dem Ritter, der mich bald, Wo am dunkelsten der Wald Schattete, bald, nach Gefallen, Leitete durch Felsenhallen, Bald durch Truͤmmer wild verfallen, Dann der schroffen Kluft entlang, Dann bedroht vom Klippenhang. Endlich langten wir zur Stelle, Zu des Ritters Fehdeschloß, Das ein Zwinger rund umschloß; Bruͤcken, Warten, Zinnen, Waͤlle, Pforten, Stein so Pfost’ als Schwelle, Sicherten fuͤr Uberfaͤlle Diese Burg; als wir davor, Schloß von selbst sich auf das Thor. Aus dem Thore schlich zur Linken, Unterirdisch, wuͤst’ und bang, Ein gewoͤlbter Niedergang; Unterm Fuß, so thaͤt’s mir duͤnken, Sah ich Leichensteine blinken; Aengstlich folgt’ ich, sahe sinken Eine Fallthuͤr; Leichenduft Athmete die grause Gruft. z. S. 249. IV. Saͤrge standen hier die Fuͤlle. Einer schoͤn von Marmelstein Hatt’ ein eigen Kaͤmmerlein. „Hier in dieses Grabes Stille,„ Sprach der Ritter, „ist mein Wille, Daß du sehest, Freund, die Huͤlle Des Gebeins, einst weich und warm, Ach! des Weibs in meinem Arm!„ — Auf des Todtenmahles Mitte War, von Silber, glatt und schoͤn, Ein gediegner Kelch zu sehn. „Sage, Ritter, sag’, ich bitte„ — — Zuͤrnend blickt’ er, winkt’ und litte Nicht zu enden, stieg drei Tritte, Gab den Kelch mir, sah mich an: „Zittre nicht! Du bist ein Mann!„ Kaum hatt’ er den Kelch gegeben, Als es in dem Wunderding Brausend an zu gaͤhren sing Und mit Macht herauszustreben, Gleich als ob der Traube Leben Perlte drinnen; sich erheben Thaͤt alsbald der weisse Schaum Hoͤher denn des Kelches Saum. Aus dem Schaumgesprudel stiegen Holder Bluͤmlein drei heraus, Wanden sich in einen Strauß; Schaum und Gaͤhrung sanken, schwiegen. Schwebend sich im Kelche wiegen Sah’ ich Ros’ und Veilchen, schmiegen Sich um beide, unschuldweiß, Das geliebte Kind des Mais. Hold und lieblich duftend, bluͤhten Meine Bluͤmlein; ploͤzlich gohr Schaumgezisch im Kelch empor; Sausend stieg’s, verschlang mit Wuͤten Meine Bluͤmlein; drauf verspruͤhten Gischt und Blasen, aͤngstlich muͤhten, Ach! nicht lieblich, wie zuvor, Meine Bluͤmlein sich hervor. Aschenfarb und welk, verblichen Jede Schoͤne, suͤsser Duft Nun verkehrt in Grabesluft! Todesschweiß und Schauer schlichen, Ob dem bangen, fuͤrchterlichen Anblick, uͤber mich; entwichen Waͤr ich schier. Der Rittersmann Sah’s und hub zu reden an: „Einst hatt’ ich ein Weib! Besingen Thaͤt kein Dichter je ein Weib, Schoͤn, wie sie, an Seel und Leib; Keinem Maler (hundert gingen Stolz zum Werke!) thaͤt’s gelingen, Sie auf Leinewand zu bringen; Sie nur malte fein und glatt Einst sich auf ein Rosenblat. Einst hatt’ ich ein Weib!„ (Es bebten, Als er’s seufzte, perlenklar, Thraͤnen an der Wimper Haar.) „Lieb’ und Gegenliebe lebten Jn uns; Ruh und Wonn’ umschwebten Uns, und Heiterkeit; die webten Jn des Lebens Ungemach Suͤsse Freuden, Nacht und Tag. Dennoch, ach! — der Weiber Herzen Sind ein Raͤzel allzumal! — Fand sie Freude manchesmal, Jhren trauten Mann zu schmerzen, Kalt zu kuͤssen, kalt zu herzen, Und der Liebe sein zu scherzen. Meiner Liebe! warm und treu, Jmmer alt und immer neu!„ Jmmer thaͤt das Wunder waͤhren Jn dem Kelch; es saußte, stieg, Bluͤhte, welkte, braußte, schwieg. „Was dies Straͤuslein sei, dies Gaͤhren, Sollst du,„ sprach er, „staunend hoͤren. Dieser Kelch faßt meine Zaͤhren, Die der Liebe Freudendrang, Und auch Gram, vom Ange zwang!„ — Da erwacht’ ich bebend. Sehen Thaͤt ich, statt des Traumes Bild, Nur mein Weiblein suͤß und mild. Jhres Odems leises Wehen, Jhres Busens sanftes Blaͤhen Hieß mein Beben schnell vergehen. Deine Warnung, Nachtgesicht, Dank der Liebe! schreckt mich nicht! Hymne, an die Sonne. S onne, dir jauchzet, bei deinem Erwachen, der Erdkreis entgegen, Dir das Wogengeraͤusch des Erdumguͤrtenden Meeres! Fliehend rollet der Wagen der Nacht, in nichti- ge Wolken Eingehuͤllt, und schwindet hinab in die schauern- de Tiefe. Segnend stralst du herauf, und braͤutlich kraͤnzet die Erde Dir die flammenden Schlaͤfen mit thauendem Pur- purgewoͤlke. Alles freuet sich dein! in schimmernde Feierge- wande Kleidest du den Himmel, die Erd’ und die Flu- ten des Meeres! Siehe, du leitest am rosigen Gaͤngelban- de den jungen Freundlichen Tag; er huͤllt sich in deine Saff- rangewande, Aber, wie wachsen so schnell die Kraͤfte des himlischen Juͤnglings! Feuriger blickt er, er greift nach deinem stralen- den Koͤcher, Und schon schnellt er vom goldenen Bogen flam- mende Pfeile! Zuͤrne, Himlischer, nicht! und soll dein Bogen ertoͤnen, O, so richte dein furchtbar Geschoß auf des Ozeans Fluten, Auf der schneeigen Alpen herunter schmelzende Gipfel, Und auf sandige Wuͤsten, die Loͤwen und Tiger durchirren! Zuͤrne, Himlischer nicht! Dir flehen der Voͤgel Gesaͤnge; Dir der saͤuselnde Wald; und dir die duftende Blume. Wollest nicht des wehenden Zephyrs Fluͤgel ver- sengen! Wollest nicht austrinken das Labsal kuͤhlender Quellen! Wollest vom zarten Graͤschen den kruͤmmenden Tropfen nicht nehmen! Sonne, laͤchle der Erd’, und geuß aus stra- lender Urne Leben auf die Natur! Du hast die Fuͤlle des Lebens! Schoͤpfest, naͤher dem Himmel, aus himlischen Quellen, und duͤrstest Selber nimmer! Als Gott, mit seiner Allmacht umguͤrtet, Wie mit guͤrtendem Schlauch ein Saͤmann, Son- nen dahinwarf, Stolb. R Millionen auf einmal, jede mit Erden umkraͤnzet, Rief er, Sonnen, euch zu: verbreitet Leben und Waͤrme Auf die duͤrftigen Erden! Erbarmt euch der Duͤr- stenden, daß ich Mich am grossen Abend des Himmels euer er- barme! Also rief er. Gedenke deß, o Stralende! Fruͤher, Oder spaͤter komt der grosse Abend des Himmels, Da ihr alle, zahlloses Heer von maͤchtigen Sonnen, Werdet, wie Muͤcken am Sommerabend in Tei- che sich stuͤrzen, Mit erbleichenden Stralen herunterfallen vom Himmel! Euer harren Gottes Gerichte! Gottes Erbarmung! Waͤhne nicht zu vergehn! Der grosse Geber des Le- bens Wird gefallne Muͤcken, gefallne Sonnen, in neues Leben rufen! Wie du auf schwaͤrmende Muͤcken herabschaust, Schaut er ewig herab auf alle kreisende Himmel! An F. L. Grafen zu Stolberg, von Schoͤnborn. D er himlische Adler, der Genius heisset, Weht aus einander mit toͤnenden Fluͤgeln Vor mir die Gewoͤlke, die liegen um den Hinblick Jn die heiligen Fernen dort! Siehe, hebt auf Sein heliwerdendes Haupt aus der herabstroͤ- menden Daͤmmerung, Seinem Geliebten entgegen! Hin in die Myriaden Tage! Der Vergangenheit und der Zukunft Tage! Die, zusammengebunden im goldnen Aether- bande, Glaͤnzend kommen und stuͤrmend ihm vor das Antliz, Wie der Sternenleib der himlischen Jungfrau Jn der Sonnenbahn, wo er wandelt! „Ha, an mein Herz sei gedruͤckt!„ ruft er aus, Und brauset auf sein duftend Gefieder, Wie ein bluͤhender Fruchtgarten im Fruͤhlings- winde! „An mein Herz, Geliebter du! Ja du bist es, an Gothlands Ufern dort! Siehst, wie der Fruͤhling den warmen Rosenleib Jns schmelzende Meer legt! Wie er losschleußt die Baͤche, Die vom Schlummer im welkenden Schilf Aufheben ihr triefendes Haupt, Und forttragen zwischen gruͤnenden Ufern Auf ihren Schultern die zerbrochnen Glieder Der Felsenketten, mit denen der Winter sie anschloß! Siehe! in diesen aufgruͤnenden Fluren da! Unter den werdenden Knospen des Haines dort! Und der Gebuͤsche hier! wandelst im aufwachen- den Weltleben, Jn singenden Stauden und toͤnendem Him- mel du! Trinkst frischen Rosenaͤther Aus der Morgenroͤthe Purpurbrunnen! Trinkst aus jeder Blum’ im Thal, Aus jeder Knosp’ am sprossenden Haupte des Hains, Heiligen Nektar des Gesangs! Und druͤckst, wie eine Braut, die holde Natur Mit Entzuͤcken ans Herz! Fleugst auf aus ihrem Wonneschooß! Und o! wie toͤnt dir der Fluͤgelschlag, indem du daherschwebst! Und mit dir des Maͤoniden goͤttliches Heldenlied Zu Thuiskons horchenden Enkeln!„ Der Gesang. An Schoͤnborn. W ie dem erwachenden Juͤnglinge schnell im braͤutlichen Bette Seine gaukelnden Traͤum’ auf nichtigen Fluͤgeln entschwinden; Sonst umirrten sie, langsam schwebend, weilend im Fluge, Noch sein Haupt, wenn schon der Rosenwangi- gen Stunde, Und dem erbleichenden Stern der Liebe sein Auge sich aufschloß; Nun verschwinden sie schnell; denn neben sich sieht der Begluͤckte, Sein sanftathmendes Weib, in schlummernden Reizen der Jugend, Lieblich wie den thauenden Abend im blumigen Thale. Ach! sie erwacht! und oͤfnet Liebeschmachtende Augen, Wonnetrunken begruͤßt sie der Blick des feutigen Juͤnglings, Wie den erroͤthenden Mond die flammende Son- ne begruͤsset! Wie dem Juͤnglinge dann die Traumgestalten entflattern, So enteilen auch mir die bunten Traͤume des Tages, Und wie Zephyr der hangenden Spinne Gewebe zerwehet, So entschwindet auch mir das Gewebe geschaͤfti- ger Stunden, Wenn der Entzuͤckung Sohn, der Gesang, in goldenen Locken, Toͤnend, von Harmonien umsaͤuselt, melodisch einherschwebt! Und oft schwebt er vom Himmel herab! den nahenden fuͤhl’ ich, Meine Seel’ erhebet sich dann in steigender Wal- lung, Wie das Meer sich erhebt in der Kuͤhle des pur- purnen Abends. Neue Bilder schweben um ihn und junge Gedanken, Wie mit zahllosen Blumen der Lenz die Erde besuchet, Und mit taufend Saͤngern des Hains in bluͤhen- den Stauden! Hohe Gedanken schweben um ihn, wie rund um den Himmel Flammende Sonnen mit gruͤngelockten Erden umkraͤnzet, Und mit Silberwangigen Monden! Mondschein- aͤhnlich Leuchtet er manchmal sanft und entlocket zaͤrtliche Thraͤnen; Und dann eilt er mit Flammen umguͤrtet, gleich dem Kometen, Wann er von Himmel zu Himmel im feurigen Wagen daherrollt! Sei mir gegruͤsset, Gesang! so oft du vom hohen Olympos Zu mir koͤmst! willkommen in jeder wechselnden Schoͤnheit! Wenn du auf leise bebenden Wallungen sanfter Gedanken Meine gleitende Seel’ in vertrauten Stroͤmen einherfuͤhrst, Wo mir Freuden bluͤhen am Ufer, und Ruhe mir schattet, Oder, wenn du, maͤchtig mich fuͤhrend, in stuͤr- mender Eile, Ueber Meere starker Gefuͤhle, sonder Gestade, Meinen staunenden Geist den kreisenden Strudeln entreissest, Jzt mit flammenden Blizen die uͤberhangende Draͤuung Naͤchtlicher Wogen, und izt des Abgrunds Tie- fen erhellend, Sei mir immer gegruͤßt mit uͤberwallender Seele, Heil dir, Goͤttlicher, Heil! Dir dank’ ich die bessern Minuten, Wenn mein ewiger Geist, in seinen Kraͤften sich wiegend, Schaffend winket, und schnell die neuen Schoͤp- fungen toͤnen! Heil dir, Goͤttlicher, Heil! Du fuͤhrtest stra- lenden Fluges, Und auf Silbertoͤnenden Schwanenfluͤgeln, die Seele Meines trauten Schoͤnborn zu mir von der hor- chenden Themse! Heil dir, Goͤttlicher, Heil! Du fuͤhrest, stra- lenden Fluges, Und auf Silbertoͤnenden Schwanenfluͤgeln, die Seele Seines trauten Stolberg zu ihm vom Gestade des Nordmeers! Hymne, an die Erde. E rde, du Mutter zahlloser Kinder, Mutter und Amme! Sei mir gegruͤßt! sei mir gesegnet im Feierge- fange! Sieh, o Mutter, hier lieg’ ich an deinen schwel- lenden Bruͤsten, Lieg’, o Gruͤngelockte, von deinem wallenden Haupthaar Sanft umsaͤuselt, und sanft gekuͤhlt von thauen- den Luͤften! Ach, du faͤuselst Wonne mir zu, und thauest mir Wehmut Jn das Herz, daß Wehmut und Wonn’, aus schmelzender Seele, Sich in Thraͤnen und Dank und heiligen Liedern ergiessen! Erde, du Mutter zahlloser Kinder, Mutter und Amme! Schwester der allfreuenden Sonne, des freund- lichen Mondes, Und der stralenden Stern’ und der flammenbe- schweiften Kometen, Eine der juͤngsten Toͤchter der allgebaͤrenden Schoͤpfung, Jmmer bluͤhendes Weib des Segen traͤufelnden Himmels! — Sprich, o Erde, wie war dir, als du am er- sten der Tage Deinen heiligen Schooß dem bulenden Himmel enthuͤlltest? Dein Erroͤthen war die erste der Morgenroͤthen, Als er, im blendenden Bette von weichen schwel- lenden Wolken, Deine guͤrtende Binde mit siegender Staͤrke dir loͤßte! Schauer durchbebten die stille Natur, und tausend mal tausend Leben keimten empor aus der maͤchtigen Liebes- umarmung. Freudig begruͤßten die Fluten des Meeres neuer Bewohner Mannigfaltige Schaaren; es staunte der wer- dende Wallfisch Ueber die steigenden Stroͤme, die seiner Nasen entbraußten; Junges Leben durchbruͤllte die Auen, die Waͤlder, die Berge, Jrrte bloͤckend im Thal, und sang in bluͤhenden Stauden, Wiegte sich spiegelnd am Quell, auf wankenden Bluͤmchen, und girrte Auf den Gipfeln der Ulme, die liebende Reben umschlangen; Denn der edle Wiehrer nicht nur und der maͤch- tige Loͤwe, Nicht nur die Voͤgel des Hains, und summende goldene Fliegen, Tranken aus der Quelle des Lebens; Libanons Zedern Tranken auch; es tranken die Haine, die Blu- men und Graͤschen, Jedes nach seinem Maasse, vom Lebentrunkne- ren Menschen Bis zum Graͤschen im Thal und bebenden Sproͤs- ling des Berges. Alle sterben und werden gefuͤhrt von Stufe zu Stufe, Durch unendliche Reihen bestimter Aeonen, sie schleichen Oder sie fliegen, von Kraft zu Kraft! von Schoͤ- ne zu Schoͤne! Erde, dich liebt die Sonne, dich lieben die heiligen Sterne; Dich der himmelwandelnde Mond! So bald du vom Schlummer Dich erhebst, und Thau aus duftenden Locken dir traͤufelt, Sendet die Sonne dir Purpur und Gold und glaͤnzenden Safrau. Daß du braͤutlich geschmuͤckt erscheinst im Mor- gengewande. O wie schimmerst du dann im rosigen Schleier! mit tausend Jungen Blumen umkraͤnzt, von silbernen Trop- fen umtraͤufelt, Und mit glaͤnzender Binde des blauen Meeres umguͤrtet! Aber, wenn dein Haupt zum suͤssen Schlummer sich neiget, Und in schattender Halle die Nacht die Glieder dir kuͤhlet, Siehe, dann laͤchelt der Mond, von seinem ein- samen Pfade, Sanfte Freuden dir zu, gesaͤugt am Busen der Stille, Und dann singen die Sterne dir zu. Jn heili- ger Stunde Hoͤrt’ ich gestern ihr Lied im Wehen woͤlbender Buchen. Einigen deiner Kinder, o Mutter! will ich erzaͤhlen, Was im goldnen Reihentanze die Sterne dir sangen; Also sangen sie, lauscht ihr Lieblingskinder der Mutter! „Schlumre sanft, o Schwester, im kuͤhlen duftenden Bette! Schlumre, Geliebte, sanft, auf daß du rosig erwa- chest! Wilde Stuͤrme muͤssen dir nicht die Locken zerwehen, Muͤssen deine Stroͤme nicht uͤber die Ufer em- poͤren, Nicht den Wiegengesang des rauschenden Meeres verstimmen! Hekla muͤsse dich nicht, dich muͤsse der Aetna nicht wecken, Ruhen muͤsse der Bliz in schwarzen Guͤrteln der Alpen, Keine Wolke verbergen vor uns dein liebliches Antliz, Muͤsse dir keine den Blick des freundlichen Mon- des umschleiern! Leichtes Fusses muͤssen vorbei die Stunden dir tanzen, Bis mit rosigem Finger die Morgenroͤthe dich wecket. Deine Kinder muͤssen dich nicht im Schlummer bekuͤmmern, Denn sie schlummern mit dir. Die wenigen, welche der Kummer Von der Ruhe Lager verscheuchte, troͤstet mit milden Blicken der sanfte Mond, der mit den Weinenden weinet, Sich mit Freuenden freut, und liebend Lieben- den laͤchelt! Deine Kinder, welche das Meer auf Schiffen um- tanzen, Wollen wir waͤhrend der Nacht am stralenden Gaͤngelband leiten, Daß die Gleitenden nicht ein kreisender Strudel erhasche! Daß kein tuͤckischer Fels die eilenden Kiele verleze! Schlumre sanft, o Schwester, im kuͤhlen duf- tenden Bette! Schlumre, Geliebte, sanft, auf daß du rosig er- wachest!„ Also sangen die Stern’ und schimmerten freund- lich; die Luͤfte Bebten, wie mitertoͤnende Saiten der ruhenden Leier, Wenn ein preisendes Chor den gewoͤlbten Tempel durchhallet! Stolb. S Erde, wie bist du schoͤn, mit Gottes Stroͤ- men gewaͤssert! Wer vermag sie zu singen? Die Zwillingshel- den, den Ganges Und den Jndus? Wer die rauschenden Wasser des Euphrats? Wer den segnenden Nil, der aus ungesehener Urne Seine schwellende Fluten durch sieben Muͤndun- gen ausstroͤmt? Wer die herschende Tiber? Den heldenberuͤhm- ten Eurotas, Welcher fruͤh die nervige Jugend Lakoniens staͤlte? Ach, wer bringt mich hinuͤber auf Adlers Fluͤgeln, zu deinen Rollenden Meeren, du maͤchtigster Orellana! Orellana, der Amazonenfluß. du Riese Unter den Fluͤssen! dir staunen die heiligen Flu- ten des Weltmeers, Wenn du, stark wie ein Gott, in den Ozean dich ergiessest! Aber vor allen seid mir gegruͤßt im feiern- den Liede, Vaterlaͤndische Stroͤme! Du edle Donau! dem Morgen Stroͤmst du erroͤthend entgegen, und gruͤssest die kommende Sonne, Wenn sie flammend ihr Haupt aus purpurnen Wogen erhebet. Wankende Saaten umrauschen dich jaͤhrlich, und freudiges Landvolk Tanzet, mit blauen Blumen umwunden, an dei- nem Gestade, Wenn der Abend auf dir mit falben Fittigen ru- het, Und die glaͤnzenden Sicheln dem winkenden Abend- stern weichen! Dir gebuͤhrt ein eigner Gesang, o Rhein- strom! vor allen Fluͤssen Deutschlands bist du mir werth! Dich sah ich als Knabe, Wo, mit umwoͤlkter Hand, die Natur, am gaͤn- gelnden Bande, Ueber Nebel und stuͤrmenden Winden und zuͤcken- den Blizen, Deinen wankenden Tritt auf zackiger Felsenbahn leitet! Mutiger rauschet der Juͤngling einher, und seiner Umarmung Stuͤrzet die bruͤnstige Reuß mit schaͤumenden Wogen entgegen; Zuͤchtig folgt ihm die Aar in langsam schlaͤngeln- der Kruͤmmung. O wie stuͤrzt er donnernd herab beim hallenden Laufen! Unter dir beben die Felsen; die gruͤnlichen Wogen verhuͤllen Sich in glaͤnzenden Schaum; der staunende Wal- ler vernimt nicht Seiner eignen Bewundrung Geschrei, und hei- lige Schauer Fassen ihn, wie sie die Felsen und zitternden Ei- chen ergreifen. Ernst, mit maͤnnlicher Kraft, theilst du die Kost- nizer Fluten, Eilest Staͤdten vorbei, und traͤgst auf maͤchtigem Ruͤcken Schwimmenden Reichthum, schuͤzest die Grenzen des heiligen Reiches, Und beschenkst die Ufer mit hangenden goldenen Trauben! O wie glaͤnzet die Freud’ in Hochheims Bechern! sie wandelt Sich zum Lied’ im Munde des Dichters! brin- get mir, Freunde, Schnell des goldenen Weins, auf daß ich wuͤrdig euch singe, Wie die Nymphe des Mains den goͤttlichen Bu- len umarmet! Siehe, sie fleußt ihm entgegen in sanfter Wal- lung, und bringt ihm Edle Geschenke, den Reichthum der fruchtbaren Fraͤnkischen Fluren, Bringt ihm silberne Tropfen des allbezaͤhmenden Steinweins, Den an Wuͤrzburgs Felsen die heissere Sonne ge- reift hat. Solche Gaben bringt ihm die Nymphe mit be- bender Liebe; Aber er faßt sie mit maͤchtigem Arm, und fuͤhrt sie hinunter, Durch kristallne Hallen, in seine stille Behau- sung; Glaͤnzender rollen die feiernden Wogen; die schoͤ- nen Gestade Hallen weit umher vom Brautgesange der Fluten! Erde, wie bist du schoͤn, mit wechselnden Ber- gen und Thaͤlern, Mit sanftrieselnden Quellen geschmuͤckt und ru- henden Seen, Mit gethuͤrmten Gebirgen, wo uͤberhangenden Felsen Hohe Tannen entwachsen und Stroͤme reissend entstuͤrzen, Mit geweihten Einsiedleien, wo, unter dem Schatten Freundlicher Buchen und dichtrischer Eichen, die hohe Begeistrung Schwebet und weht im Saͤuseln und Brausen des heiligen Haines, Oder im Wogengeraͤusch des Geisterhebenden Weltmeers! Sanfte Ruhe wandelt in deinen friedsamen Tha- len; Steile Gebirge sind reich an kuͤhnen Thaten und Freiheit. Sie, des Weisen Wunsch, der Spott des kluͤ- gelnden Sklaven, Waͤhlte die schneeigen Alpen, um Mut und Ein- falt zu segnen. Heiliges Land, dich gruͤß’ ich aus uͤberwal- lender Fuͤlle Meines schwellenden Herzens! Wie ward mir auf deinen Gebirgen, Wie in deinen Thalen so wohl! Ach werd’ ich dich nimmer Wiedersehn? nicht mehr in deinen Seen mich ba- den? Noch im schmelzenden Schnee an der Wiege maͤch- tiger Fluͤsse? Gotthard, seh ich nimmer dich wieder? Dein fel- siger Ruͤcken Trieft von hundert Stroͤmen, die deiner Scheitel entstuͤrzen; Auf dir hauset Entsezen und Graun in Wolken gehuͤllet, Deine Pfade besucht der bleiche starrende Schwindel! Sanfter bist du, Natur, in Seelands bluͤhen- den Fluren, Goldne Saaten kroͤnen das Haupt des laͤchelnden Eilands, Seeland, ich liebe dich auch! in deiner Waͤlder Umschattung Wohnet freundliche Ruh; sie wohnt in gruͤnenden Auen, Und in spiegelnden Seen von hangenden Buchen umkraͤnzet, Dich umfleußt das heilige Meer, und waldige Huͤgel Draͤngen kuͤhn sich hervor von schaͤumenden Wo- gen umrauschet! Zahllos sind, o Erd’, und edel deine Ge- schenke! Deinen Kindern geben sie Kraft und Nahrung und Freude! Laͤchelnd bluͤht die Verheissung des jungen Jahres am Zweige, Und der sinkende Ast erfuͤllt sie mit schwellenden Fruͤchten. Siehe, bald lockt mich am Gipfel des Baums die glaͤnzende Kirsche, Und bald ladet mich ein die Labsal duftende Erd- beer. O, wie schmuͤckt der Sommer dein Haupt mit farbigen Blumen, Deren Balsam die Luft mir mit leisen Fittigen zuweht! Gleich der Erdbeer, verbirgt sich bescheiden das Veilchen; ein sanftes Maͤdchen suchet es auf und wiegt es am wallen- den Busen. O, wer nennet sie alle, die duftenden, farbigen Freuden, Die dem gewaͤsserten Thal’ und umwoͤlkten Ber- gen entbluͤhen? Sprich, Natur, wo tauchtest du ein den schaffen- den Pinsel, Als du den Teppich der Alpen mit Enzianen be- maltest, Deren glaͤnzendes Haupt mit dem Blau des Him- mels sich kleidet? Wen entzuͤckt nicht die Lilie? o wie selig verweil ich Unter den lieblichen Schaaren der tausendfaltigen Nelken! Siehe, dort koset mit mir das duftende hangen- de Geißblat, Und es winket mir hier die kaum geoͤfnete Rose! Rose, wer dich nicht liebt, dem ward im Leibe der Mutter Schon sein Urtheil gesprochen, der sanftesten Freu- den zu mangeln! Jhn wird Philomelens Gesang zur Quelle nicht locken, Jhn kein liebender Blick des suͤssen Maͤdchens entzuͤcken! Rose, dein Leben ist kurz! Ach, klagt im wei- nenden Liede, Maͤdchen, klaget den Tod der schnell verbluͤhen- den Rose! Sieh, ich hoff’ es zu dem, aus dessen seg- nendem Fußtritt Sonnenstralen und Rosen bluͤhn: erloͤschenden Sonnen Und hinwelkenden Rosen verleiht er ewige Ju- gend, Wenn dereinst die Stroͤme des Lebens dem him- lischen Urborn Werden entfliessen, in Fluͤss’ und Baͤch’ und Quel- len vertheilet, Und die ganze Schoͤpfung, verklaͤrt, Ein Himmel, ihm laͤchelt! Erde, harre ruhig der Stunde des besseren Lebens! Saml’ indessen in deinem Schoosse die harren- den Kinder! Siehe, noch werden dich oft die wechselnden Stunden umtanzen, Dich mit blendendem Schnee und bluͤhendem Gra- se noch kleiden! Nimmer wirst du veralten! Jm laͤchelnden Rei- ze der Jugend Werden ploͤzlich erbleichen die Sonnen, die Mon- de, die Erden; Wenn die Sichel der Zeit in der Rechten des Ewi- gen schimmern Und hinsinken wird, in Einem rauschenden Schwun- ge, Diese Garbe der Schoͤpfungen Gottes, die Woͤl- bung des Himmels Den wir sehn, mit tausend mal tausend leuchten- den Sternen! Vor dem Schlummer. T raͤufle mir, suͤsser Schlummer, in des Lebens Bluͤte himlisches Thaues helle Tropfen! Wehet, Luͤfte tagender Ahndung, wehet Freundlich und leise, Bis mir, im Stralenglanz, der Zukunft Sonne Meine wogenden Seelenfluten roͤthe, Und die leichten, fliegenden Traumgewoͤlke Male mit Purpur! Elegie an meinen Bruder den 15. Okt. 1778. F reudiger wuͤrde mein Geist, in treuer, suͤsser Umarmung, Bester, eilen zu dir, wie zur Quelle das Reh, Wuͤrde, bebend und sprachlos, von meiner Lippe zur deinen, Bester, eilen zu dir, auf gefluͤgeltem Kuß. Zaͤrtlicher bebte der Freundschaft Bund auf Jo- nathans Lippe Nicht, im heimlichen Thal, wo er dem Lie- benden schwur; Zaͤrtlicher zitterte nicht an Benjamins Auge die Thraͤne, Als sein Joseph ihm lag an der klopfenden Brust! Aber, trennen uns nicht die ausgedehnten Ge- filde? Trennen Fluten uns nicht, rauschend im herbst- lichen Sturm? Sieh, ich eile zu dir auf toͤnenden Fluͤgeln des Liedes, An dem Tage, der dich deinen Liebenden gab; Dich dem zaͤrtlichen Vater, der Freude weinen- den Mutter, Deinen Schwestern und mir, deiner Luise dich gab! Zwar es wiegte mich da auf ihrem blumigen Schoosse Mutter Erde noch nicht, Sonnen stralten mir nicht, Als in den jauchzenden Hallen des frohen Hauses die Stimme Scholl: „ein Knaͤblein ist da! freut euch! ein Knaͤblein ist da!„ Als der beste der Vaͤter dich, gluͤhend im heissen Gebete, Hub zum Himmel empor, mit froh bebendem Arm, Als in laͤchelnder Ohnmacht, schon sinkend, die Mutter dich ansah, Und erwachend dich sand an der wallenden Brust. Als, schon zaͤrtlich, die lallende Schwester, mit huͤpfenden Fuͤssen Dein sich freute, schon da in die Arme dich schloß! Oft mit kindisch sorgsamer Hand die wankende Wiege Faßte, und von dir summende Fliegen vertrieb! Spaͤter ward ich, und spaͤter die juͤngern Schwe- stern geboren, Und wir wuchsen empor freudig, wie Stauden am Bach, Kanten fruͤh die suͤssesten Freuden des Lebens, und pfluͤckten Jeden kleinen Genuß, der sich im Schatten verbirgt. Ungesondert lebt’ ich mit dir die Tage der Jugend; Wenn ein Morgen uns schied, schied uns der Abend nicht mehr. Wie, aus Einem Born, von Einem Schatten gekuͤhlet, Zwillingsstroͤme sich hell stuͤrzen vom Felsen herab, Mit vereinter Kraft bald Tannen waͤlzen und Felsen, Bald mit spiegelnder Flut schlaͤngeln im ruhi- gen Thal; Also flossen auch uns vereint der Kindheit und Ju- gend Tage; jegliche Lust theilten wir, jeglichen Schmerz! Jeden werdenden Wunsch, und jede heimliche Sorge, Jedes Sehnen, das kein Fluͤgel der Hofnung noch hub, Jeden ahndenden Trieb, eh Selbstbewustsein ihn wiegte, Fuͤhlten beide zugleich in der innersten Brust! Ach, nun sind wir getrent! Zwar bringt der Fruͤh- ling dich wieder; Aber im sausigen Baum rauschet noch herbst- liches Laub, Wankend schuͤttelt ihr Haupt mit falben Locken die Esche, Halb entkleidet vom Sturm, zittert erroͤthend der Hain. Eile, rollende Zeit, die Bahn des Jahres hin- unter! Steige, rollende Zeit, mit dem Fruͤhling em- por! Stolb. T Fruͤhling, saͤusle mir nicht im zarten Laube der Buchen, Ehe du bringest zuruͤck meinen Geliebten zu mir! Ehe die liebenden Schwestern mit ihm, und seine Luise Kommen zur Schwester zuruͤck! kommen zum Bruder zuruͤck! Siehe, schon wuͤnschen euch her die rosigen Neffen und Nichten, Wenn ihr suͤsses Geschwaͤz Freuden der Zukunft entlockt! Eile, Winter, vorbei auf Schwanenfluͤgeln des Schnees, Komme, blumiger Lenz, saͤusle die Lieben zuruͤck! Der Siebente November. An meinen Bruder. A uf! mit des Adlers Schwingen, fleuch, Hin zu ihm, mein Gesang, und mit dir Mein frolockender Morgengruß! Hin zu ihm, der mir ist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Roͤthliche Schimmer erwachen schon; Sie verkuͤndigen den Tag, Ach! den entzuͤckenden, Der dich, Lieber, ins Leben rief! Seht, wie er pranget im herbstlichen Schmuck! Feiernd naht er, und stolz, umtanzt Von der Stunden Reigen, und begruͤßt Von der Sonne, dem Mond und dem weilenden Stern! Eile, der du mir schwebst Auf der lechzenden Lippe, Bruderkuß! Schnell gleit’ auf dem ersten Stral, Feuervoll, und erquickend, wie er, Hin zu ihm, der mir ist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Lagre behend auf seine Lippe dich, Scheuche nicht den Morgentraum, Der mit duftenden Kraͤnzen, Der mit windenden Epheuranken Fesselt den Schlummernden! Traͤufle deinen Honig, und laß das Bild, Ach! mein Bild! Vor seiner ahndenden Seele schweben, und mit ihm Schmachtende Sehnsucht, ach! nach mir! Dann erweck ihn ungestuͤm, mit dem Fittigschlag Der Lieb, und ruf’ es laut Mit Flammenwort ihm zu: Daß er mir sei, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Mein Bruder! Siehe, wie sie bebt Der Freude Zaͤhre, Daß Du’s bist, und daß Du Mehr denn Bruder und Freund, Daß du bist Meines Herzens Vertrautester! Sage, keimte dir je, Sproßte mir je ein Gedank, Dessen Huͤlle nicht Du Hobest, nicht ich? Wie, durch der heiligen Natur Tief verborgne Wunderkraft, Der unberuͤhrten Leier Saite bebt, Wenn des Saͤngers Stimme den Ton Der Bebenden hallt; O! so stimte Mutter Natur Unsrer Zwillingsseelen Jmmer toͤnende Harmonie! Toͤnend, wenn das Feuerblut Lodert in der Juͤnglinge Brust, Toͤnend, wenn der Ruͤhrung Zaͤhre sanft Ueber die blaͤssere Wange rinnt. Ach! Du, der du mir bist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! An der Begeistrung und der Muse Hand, Deiner Vertrauten, zu denen du sprichst: „Du bist meine Schwester! und du Bist meine Braut!„ — Oft besucht ihr in stiller Nacht Du, den Bruder, und du, Jn der einsamen Halle, Deinen Wonneberauschten, Deinen Buhlen, o Goͤttliche! — Ha! ich kenne sie auch! Schwester, und Braut! An ihrer Hand Schweb’ ich zu dir, Ueber Laͤnder und Meere, zu dir! Schuͤtte dir aus Mein uͤberstroͤmendes Herz. Bruder! uns ist gefallen das Loos Lieblich, unser Erb’ ist schoͤn! Ach! aber warum traͤuft Jn des Jubels Becher die Thraͤne? Ach! warum sind wir getrent? Heute getrent? Wie nach dem Thau das Sommergefild, Wie die Sonne lechzet nach des Meeres Schoos, Wie der Weinstock nach der beschattenden Ulme strebet; O! so streb’ ich, so lechz’ ich nach dir, Der du mir bist, Was kein Sterblicher je Sterblichen war! Kehre wieder, du der Freude Tag, Segenschwanger, und triefend Deine Tritte von Milch, Von Honig, Und von der Rebe Blut! Jmmer kom, die Schlaͤfe bekraͤnzt Mit herbstlichem Schmuck! Ach bald nahet auch uns Unser Herbst! Auch er komme, die Schlaͤfe bekraͤnzt Mit herbstlichem Schmuck! Und mit Fruͤchten, o! mit Fruͤchten, Mit unvergaͤnglichen Reich beschwert! Nimmer find’ uns dann, schoͤner Tag, Wie heute getrent! O! Erfuͤllung, Erfuͤllung, Des sehnlichsten Wunsches Erfuͤllung! Hell blickt mein Aug Jn der Zukunft Fern’, es spaͤht Goldne Tag’ am Ende der Bahn! Endlich komt der Winter einher, Ein sanfter freundlicher Greis, Beut uns beiden die Hand, und fuͤhrt, O der Wonn’! uns ungetrent Dorthin, wo, unter Lebensbaͤumen, Wo, in Lauben der Himlischen, Ach! unter eurem Fruchtbelasteten, Ruhe gewaͤhrenden Feigenbaume, Dorthin, ach! wo, unter eurem Freud’ und Schatten Bietenden Weinstock, Bester Vater! und du, Die mich gebar, die mich saͤugte, Beste Mutter! Wechsellos bluͤhet Ewiger Lenz. Die Feier der Erde. A lles unter dem Monde, Unter der Himmelwandelnden Sonne, kennet und kante Alles die Muse; Unter den Tiefen der Erde Schwebet ihr Fittig, Und willkommen ist die kuͤhne Fremdling auch oft Unter den Reigen der Himlischen. Dennoch erscheinet sie Oft dem sterblichen Dichter; Eilet dem rufenden Zuͤrnend vorbei, Aber besuchet, Ungerufen und laͤchelnd, Oft im bebenden Mondenschein, Oft auf gluͤhendem Sonnenstral, Deine ruhenden Saͤuglinge, Mutter Natur! Staunend sah ich und froh, Wogenumdonnertes Hellebeck, Wie der Winter und der Sommer zugleich Schmuͤckten dein rauschendes Haupt. Staunend und froh Weilten voruͤberwallende Geister, die aus Orions Fluren zu den Jnseln der Pleias Schwebten, und erkanten kaum Der Erde Antliz, das sie oft schon sahn, Forschten nach des rollenden Jahres Alter, denn sie sahn Auf der grauen schneeigen Scheitel, Goldene, saͤuselnde Locken des Hains! Mir vertraute, sie vertraute mir, Die kundige Muse Das Geheimniß der Natur! Es feiert die Erde Heute den Tag ihrer Geburt, Den sie nach tausend Rollenden Jahren Jmmer feiert! Denn an diesem Tage Stieg sie zuerst, Aus der heimlichen Halle der alten Nacht, An der stralenden Hand des ersten der Morgen, Laͤchelnd und erroͤthend, den Himmel hinan! Es feiert die Erde Diesen Tag! Sie berief zur Feier Die Soͤhne des Jahrs! Es erhub sich im nordischen Thal Der Winter nach kurzem Schlaf; Schuͤttelte sein Haupt, da ward bedeckt Der Boden mit Schnee; Gieng mit eilendem Riesenschritt, Sezte den starrenden Stralenfuß Auf die thuͤrmenden Gipfel Des hohen Schwedischen Felsengebirgs; Schritt uͤber’s Meer, Trat auf’s Gestade, Wo sein Bruder, der Herbst, Waltete im falben Hain, Wo sein Bruder, der Sommer, Weilte in der Eiche gruͤnem Laub. Es schmuͤckten die Bruͤder mit vereinter Hand Die Feier der Erde; Zartes Eis bedeckte die Flaͤche Schimmernder Landseen, Und es kraͤuselte sich auf ihm der Buche goldnes Haar! Spiegelten sich in ihm Ellern, noch bekleidet mit des Fruͤhlings Schmuck, Und rothe, Nickende Beeren; Duftender Feldrosen Juͤngere Schwestern, Glaͤnzten vom Reife durch den gruͤnen Busch. Aus brausenden Tiefen Erhub sein Haupt Das heilige Nordmeer, Staunend uͤber Seelands neuen Schmuck; Aber zagend wich Zuruͤck vom Gestade die Ostsee, Fuͤrchtend, daß schon izt Wuͤrde binden der Winter Mit kristallner Fessel ihren blauen Arm, Wuͤrde stuͤrmend zerschellen Schiffe, die sich ihr Vertrauten, und zahllos Jhre weissen Fluͤgel oͤfneten dem Hauch des Windes. Neuen Mut Gab ihr die steigende Sonne, Deren goldener Stral Traͤufeln ließ, wie Thau, Von gruͤnen Eichen den geschmolznen Schnee Jn der wankenden Blume glaͤnzenden Kelch! Freudig sangen und feirten Voͤgel des Hains, Freudig singet und feiert mein Gesang, Den ich fruͤh der heiligen Natur Weihte, die Leier und Gesang mir gab! Morgenlied eines Juͤnglings. W ann Aurora fruͤh mich gruͤßt, Mich mit Rosenlippen kuͤßt, Scheuchet oft ihr Stralensaum, Von des Bettes weichem Pflaum, Einen kleinen suͤssen Traum. Find’ ich dann mein Bettchen leer, Ach! dann wird mein Herz so schwer, Und ich gaͤb’ Aurorens Gruß, Gaͤbe jeglichen Genuß Gern fuͤr eines Weibchens Kuß. Stolb. U Abendlied eines Maͤdchens. W ann des Abends Rosenfluͤgel Kuͤhlend, uͤber Thal und Huͤgel, Ueber Wald und Wiese, schwebt; Wann der Thau die Baͤume traͤnket, Sich in bunte Blumen senket, Und an jungen Aehren bebt; Wann im Schalle heller Glocken Heimwaͤrts sich die Schafe locken, Und im Gehn das Laͤmchen saugt; Wann das Geißblatt suͤsse Duͤfte Jn dem Wehen leiser Luͤfte Labend mir entgegen haucht; Wann die schweren Kuͤhe bruͤllen, Gern die blanken Eimer fuͤllen, Und die Dirne melkend singt, Dann, auf ihrem bunten Kranze, Leicht, als schwebte sie im Tanze, Suͤsse Milch nach Hause bringt; Wann die Erlen duftend saͤuseln; Wann die Muͤcken Teiche kraͤuseln; Wann der Frosch sich, quackend, blaͤht; Wann der Fisch im Wasser huͤpfet, Aus der kalten Tiefe schluͤpfet, Und der Schwan zum Neste geht; Wann, im Nachtigallenthale, Hesper mit verliebtem Strale Heimlich meine Quelle kuͤßt; Wann, wie eine Braut erroͤthend, Luna freundlich komt, und floͤtend Philomele sie begruͤßt: Dann umschweben suͤsse Freuden, Hand in Hand mit stillen Leiden, Meinen Geist; mein Auge weint. Wann die Thraͤn’ in Luna’s Schimmer Bebet, weis ich selbst nicht immer, Was die stille Thraͤne meint. Manche nannt’ ich Freudenthraͤnen, Die vielleicht geheimes Sehnen Dem getaͤuschten Auge stahl; Mancher leise Wunsch entbebte Seufzend meiner Brust, und schwebte Ungesehn im Mondenstral. Jch beschwoͤr’ euch, Abendluͤfte! Jch beschwoͤr’ euch, kuͤhle Duͤfte! Hesper! Luna! Nachtigall! Sagt, beschleichet dieses Sehnen Mich allein mit solchen Thraͤnen Jm geheimen Mondenstral? Nachruf des Juͤnglings. M aͤdchen, frage nicht die Luͤfte, Nicht die kuͤhlen Abendduͤfte! Hesper, Luna, Nachtigall Fuͤhlen nicht dein leises Sehnen, Koͤnnen deuten keine Thraͤnen Jm geheimen Mondenstral. Jch nur kan’s! ich kan’s, du Suͤsse! Maͤdchen, eil’ in meine Kuͤsse! Sauge Lieb’ um Liebe ein! Wer da einsam will geniessen, Wird mit bittern Thraͤnen buͤssen. Laß mich dein auf ewig sein! An Lyde. S ieh mich an und laͤchle, Suͤsse! Gieb mir deine Hand, und kuͤsse Deinen Trauten! Roth und blaß Wallet zaͤrtliches Verlangen Zitternd uͤber meine Wangen, Und die Wimpern sind mir naß. Meine heissen Lippen beben; Athme, Lyde, neues Leben, Kuͤsse Wonne mir hinein! Lechzend sinken meine Augen; Laß aus deinem Blick sie saugen Honig, Milch und Labewein! Der Tod. T aͤusch’ ich mich selber? oder toͤnt mir lieblich, Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name? Wird mir auch sein rauschender naher Fittig Schwanenflug toͤnen? Trank ich nicht suͤssen Nektar aus der Jugend Freudeduftendem Becher, den die Freundschaft Mir mit Blumen, den die Natur mit Blu- men Laͤchelnd umwanden? Freunde, den trank ich, und ihr freutet mein euch! Wenn ich leere den Kelch des Todes, wollt ihr Dann euch nicht der hoͤheren Freuden eures Freundes erfreuen? Freunde, wenn eure Thraͤne nur des Todes Kelch nicht bitter, das Herz, wenn’s bricht, nicht weich macht, Krankheit mag mit zischenden Schlangen, Schmerz mit Dornen ihn kraͤnzen! Zuͤrnt ihr, Geliebte? Hab ich denn dem Tode, Daß er komme, gerufen? schlingt, wie Wein- laub, Nicht um meiner nervigen Jugend Glieder Sich die Gesundheit? Dennoch, wofern ich mich nicht taͤusche, toͤnt mir, Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name! Wird mir auch sein rauschender naher Fittig Schwanenflug toͤnen? An meinen Bruder. T oͤnet Dir, toͤnt dir ohne Taͤuschung, lieblich Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name, Und wird Dir sein rauschender naher Fittig Schwanenflug toͤnen? Blumen umkraͤnzen, wie sie Dir nur bluͤhen, Deine wallenden Locken, und den Becher, Den mit Goͤtterwein die Natur dir immer Schaͤumender anfuͤllt: Blumen des Bachs, der Wiese pfluͤckt die Freund- schaft Dir, den stolzeren Lorbeer dir die Muse, Bald auch wird (schon roͤthelt ihr Rosen- knoͤspchen!) Liebe dich kraͤnzen. Aber, o waͤhnst du, daß der Liebe Rose, Selbst der suͤssesten Liebe, wenn nun endlich, Athemlos, mit schmachtendem, feuchtem Auge, Bebenden Lippen, Die sich zu matten, halbgekuͤßten Kuͤssen Kaum zu schliessen vermoͤgen! ach! an deinem Trunknen Busen, sie, die du liebest, die dich Liebet, dahin sinkt; Waͤhnst du, sie dufte, diese Rose, staͤrker Als das Rankengewebe, das, mit tausend Armen, uns, und kraͤuselnden Sprossen, fester Stets uns umschlinget? Aufgang der Sonne flammet Dir des Todes Fackel? Sie, die der Ranken keiner schonen Und austrocknen wuͤrde die Borne meines Lechzenden Lebens? Daß, den du wuͤnschest, ich nicht fuͤrchte, weist du! Kantest lange den Durst in meinem Herzen, Heldentod einst in der gerechten Feldschlacht Blutig zu sterben! Siehe, schon schwebt er! — Ha! ich kenne deines Fittigs Todesgesang! mich schreckt nicht, Droher, Deine Rechte! Trennung von meinen Lieben, Droher, die schreckt mich! Leben, o leben will ich! wenn gleich oftmal Schwarze Wolken mich huͤllen. Schwestern, Freunde, Leben! mein braunlockiges Weib, mein Bruder, Leben, o leben! Aber wenn, doch der Menschheit Loos verbeut es! Wenn zugleich dem vertrauten Haͤuflein winkte Er, der Ruhegeber; ich saͤh’ ihn, laͤchelnd: „Bruder, er schreckt nicht!„