Italienische Forschungen von C. F. von Rumohr . Zweyter Theil . Berlin und Stettin , in der Nicolai’schen Buchhandlung. 1827 . In studiis puto, mehercule, melius esse, res ipsas intueri et harum causa loqui. Seneca de tranq. c. l. Vorbericht . In einem Briefe an Bottari ( Lettere pitt. To. III. Lett. 224.) ermuntert Mariette jenen ersten, des- sen damals unternommene neue Ausgabe des Vasari mit den noͤthigen historischen Berichtigungen auszuruͤ- sten. Vasari , meint Mariette , sey nicht vorbereitet gewesen, historische Untersuchungen anzustellen, habe daher truͤgerischen Vorarbeiten und Mittheilungen fol- gen muͤssen. Dieses hat allerdings seine Richtigkeit; indeß war Bottari , nach eigenem Gestaͤndniß, der Aufforderung seines genauen und wahrheitsliebenden Freundes auf keine Weise gewachsen. „Auf den Schriftstellern, bekennt er selbst To. V. Lett. 160., welche uͤber die bildenden Kuͤnste bey den Neueren geschrieben haben, scheint ein Fluch zu ruhen; denn * 2 gewiß vergriffen und vergreifen sie sich saͤmmtlich auf das Unglaublichste. So bekenne ich, daß ich selbst in Dingen, welche ich kannte, wie meinen eigenen Namen, mich oftmals gaͤnzlich versehen habe. Das- selbe ist dem Vasari und Allen begegnet, welche nach ihm geschrieben haben. Habe ich doch bisher von diesem fuͤnften Theile der Malerbriefe zwey Bogen ganz umdrucken muͤssen.“ Indeß erkannte weder Bottari , noch selbst Ma- riette , den ganzen Umfang jener Aufgabe, deren Loͤ- sung sie anzunaͤhern wuͤnschten. Mariette glaubte, man werde schon durch Vergleichung der Denkmale, durch Aufzeichnung ihrer Aufschriften alles Wuͤnschens- werthe erreichen koͤnnen. Das Beduͤrfniß einer ur- kundlichen Begruͤndung der neueren Kunstgeschichte meldete sich erst in der Folge, nachdem die Localfor- scher durch freylich ebenfalls ungenuͤgende Mittheilun- gen aus einzelnen Archiven die historische Glaubwuͤr- digkeit des Vasari durchaus erschuͤttert hatten. Ich schmeichle mir, in den nachstehenden Abhand- lungen ein nuͤtzliches Beyspiel, redlicher, muͤhevoller und, nach den Umstaͤnden, selbst erschoͤpfender For- schung aufzustellen, welches hoffentlich nicht ohne Nach- folge bleiben wird. Vor der Hand schien es mir drin- gender, vereinzelte Archive ganz zu durchgehen, einzelne historische Fragen ganz hindurchzufuͤhren, als der Ver- breitung uͤber Vielfaͤltiges sich hinzugeben, welche leicht Zersplitterung und Oberflaͤchlichkeit haͤtte herbeyfuͤhren koͤnnen, da die Auffassung im Ganzen gruͤndliche Vor- arbeiten voraussetzt, welche bisher noch ersehnt wor- den sind. Nicht selten setzen die Urkunden ein geschichtliches Verhaͤltniß ungleich besser ins Licht, als die gelun- genste Entwickelung; ich habe daher einen kleinen Theil meiner Abschriften und Auszuͤge in die Belege und An- merkungen, in der eilften Abhandlung sogar in den Text aufgenommen, was allerdings gegen den Gebrauch verstoͤßt. Indeß hoffe ich Nachsicht zu finden, weil ich bey Auswahl dieser Beweisstuͤcke meist auf solche getroffen bin, welche, naͤchst dem besonderen, ihre An- fuͤhrung veranlassenden, auch allgemeinere Verhaͤltnisse in ein helleres Licht stellen, wie jenes der Kuͤnstler zu ihren Genossen und Goͤnnern, wie die Geschaͤftsfuͤh- rung bey oͤffentlichen Kunstunternehmungen, die Tech- nik einzelner Kunstarten, die Ansicht, von welcher die Kuͤnstler verschiedener Zeiten ausgegangen sind. Hie- durch wird Vieles uͤber das Ungewisse und Schwan- kende hinaus zu historischer Gewißheit erhoben, und der Phantasie ein gefaͤhrlicher Spielraum entzogen werden. Obwohl ich nun vor Allem beabsichtige, die Ue- berzeugung herbeyzufuͤhren, daß Viele auf meinem Wege sich zu versuchen haben, ehe es moͤglich seyn wird, eine vollstaͤndige, umstaͤndlich genaue Kunstge- schichte neuerer Voͤlker zu entwerfen, so habe ich es doch gewagt, die wichtigsten Schulen des funfzehnten Jahrhundertes in einem Bilde zusammenzufassen. Die- sem Versuche war die Ausbildung ins Einzelne schon in der Anlage versagt; demungeachtet habe ich auch hier oftmals den historischen Boden mir besonders ein- richten muͤssen. Daß auf dem Wege, den ich verfolgt habe, doch endlich dahin zu gelangen sey, der Autoritaͤt fluͤchtiger oder luͤgenhafter Druckschriften sich gaͤnzlich zu ent- schlagen, bezweifle ich um so weniger, als die Liebens- wuͤrdigkeit des italienischen Nationalcharakters, nach meinen Erfahrungen, Forschungen dieser Art im Gan- zen beguͤnstigt. Gelegentlich erwaͤhne ich mit innigem Danke der Befoͤrderungen, welche mir zu Theil ge- worden. Dem gelehrten Bibliothekar der Magliabec- chiana, Herrn Vinz. Follini verdanke ich viele Nach- weisungen; die florentinischen Domherren und andere Behoͤrden haben mir willig die ihnen anvertrauten Schaͤtze geoͤffnet; des Vertrauens, welches ich zu Siena genossen, kann ich nicht ohne Ruͤhrung geden- ken. Moͤchte das Ergebniß meiner Forschungen so vieler Gunst entsprechen koͤnnen! In den Belegen dieses Bandes werden die Leser die zahllosen Barbarismen der lateinischen Protocolle und Urkunden, wo die Glossare nicht ausreichen, durch- hin aus der vulgaͤren italienischen Sprache erklaͤren wollen. Ich stehe fuͤr die Genauigkeit des Abdruckes, den ich selbst corrigirt habe. Doch bemerke ich, daß ich im Archiv der Biccherna zu Siena , Classe B., die einzelnen Baͤnde, zwar der Zahl nach richtig angege- ben, doch bald No. bald To. genannt habe. Nu- mer und Theil faͤllt in dieser Classe in eins zusam- men, mithin wird daraus an Ort und Stelle keine Verwirrung entstehen koͤnnen. Hingegen habe ich, S. 22. Anm. *), unter den fehlenden Numern der genannten Classe dess. Archives No. 98. angefuͤhrt; ich weiß nicht durch welchen Zufall. Allerdings citirt Benvoglienti auch diese Numer; indeß hat man solche an ihrer Stelle gelassen, weil das Citat nicht zutrifft. Dieses freye Bekenntniß wird, denke ich, die Glaub- wuͤrdigkeit alles Uebrigen erhoͤhen muͤssen. Als ich den ersten Band abwesend abziehn ließ, fehlte es mir, Abh. V. S. 246., an einer Form, das lateinische Monogramm in einem Madonnenbilde des neunten oder zehnten Jahrhundertes (zu Rom in der Kappelle di s. Paolo der Kirche s. Prassede, im Felde zu beiden Seiten des Kopfes der Madonna) gehoͤrig auszudruͤcken. Einigen Aufforderungen zu ge- nuͤgen, und die Existenz einer der byzantinischen Ma- nier vorangehenden lateinisch-kirchlichen Kunst zu be- thaͤtigen, habe ich diese Aufschrift nachholen wollen, wie folgt: A/R. C̵. M̶. — lies: Maria Christi Mater . Zur Theorie und Geschichte neuerer Kunstbestrebungen. Verbesserungen . Seite 3 Anm. fuͤr Leo, Ost, lies: Leo Ost. , — 42 Zeile 4 von unten, fuͤr jene von ihm, lies: jene von ihnen . — 47 Anm. Zeile 4 fuͤr riduste, lies: ridusse . — 51 Zeile 2 von unten, fuͤr ( ch’ é’ ) lies: ( ch’ é ). — 55 Zeile 4 von oben, fuͤr verstohlener, lies: verhohlener . — 84 Zeile 8 von oben, fuͤr macehine, lies: macchine . — 387 Anm. Zeile 7 von oben, fuͤr durfte, lies: duͤrfte . — 393 Zeile 9 von unten, fuͤr nebst anderen, lies: nebst An- derem . — 395 Zeile 8 von unten, fuͤr wie er, lies: wie es . — 399 Zeile 8 von oben, fuͤr Anzeigen, lies: Anzeichen . VIII. Duccio di Buoninsegna und Cima- bue . Sieneser und Florentiner . 1250. — 1300. H insichtlich des Ursprunges der bildenden Kuͤnste giebt es verschiedene, einander gaͤnzlich entgegengesetzte Ableitungen. Einige wollen, daß anfaͤnglich eine blinde Zufaͤlligkeit, oder doch nur ein gewisser zielloser Trieb der Nachahmung, den Versuch herbeifuͤhre, den Dingen Aehnlichkeiten abzugewinnen; daß in der Folge aus diesem kindlichen Spiele von Hand zu Hand die Faͤhigkeit sich entwickele, die Formen der Natur zu uͤberschreiten und Solches hervorzubringen, was man Ideale nennt. Andere lehren, daß die Kunst von der Idee ausgehe, nur allgemach sich der Natur zuwende, erst bey erloͤschender Begeisterung dem Wunsche ganz sich hingebe, Aehnlichkeiten und Taͤuschungen hervorzurufen. Cicognara , Sto. To. I. c. IV. , scheint beide Ableitungen vereinigen zu wollen, wo er sagt: pare chè l’Alfa e l’Omega delle arti sia il ritratto etc. — Er verbreitet sich uͤber den letzten Fall und bleibt, wie vorauszusetzen war, fuͤr den ersten den historischen Erweis schuldig. — Man koͤnnte hier wiederholen, was Hirt , (vom Bildniß der Alten, Abh. der Ak. der Wiss. in Berlin , 1814. 15. hist. philol. Klasse S. 8.) gegen Visconti bemerkt: „ Er nimmt die Miene an, den griechischen Mythenerzaͤh- II. 1 Die erste dieser Ableitungen wird — auch abgesehn von der Grundansicht, in welcher sie wurzelt — schon durch den Umstand aufgehoben, daß die nothwendige Unbehuͤlflichkeit der fruͤhesten Kunstversuche die Hoffnung, und daher auch den Wunsch ausschließt, sogleich die schwersten Raͤthsel der kuͤnstle- rischen Technik aufzuloͤsen. „Ein gutes Bildniß setzt eben so gut die hoͤheren Kunst- kenntnisse voraus, wie jedes andere vollendete Werk.“ Hirt a. a. O. S. 5. Doch auch die andere duͤrfte der Einwurf treffen, daß ihr Ausdruck zu allgemein sey und ohne vorangehende Erklaͤrung bedenkliche Mißverstaͤndnisse beguͤn- stige. Da nemlich der kuͤnstlerische Geist, uͤberall und auf jeglicher Stufe, bey jeglicher Richtung und Be- ziehung der Kunst, vorauszusetzen ist, so wird bey die- ser Ableitung der Kunst vornehmlich in Frage kommen: ob eben jener dem Kuͤnstler einwohnende Geist im Anbeginn der Kunstepochen unmittelbar durch den Naturgeist geweckt werde, oder zunaͤchst durch eine der Kunst vorangehende, allge- meinere Geistesentwickelung. Wer aber jenes ausschließt, kann nur dieses im Sinne haben; und sicher ist die Kunst urspruͤng- lich von dem Bestreben ausgegangen, schon vorhandene Be- griffe und Vorstellungen des Geistes, welche meist schon in den aͤltesten Dichtern, oftmals auch in religioͤsen und natio- nellen Ueberlieferungen nachzuweisen sind, entweder wirklich auszudruͤcken, oder, wo dieses nicht gelingen konnte, sie we- nigstens anzudeuten. Indeß ist diese Ableitung, der ich mich aus Ueberzeu- gung anschließe, auf die neuere Kunst nicht durchhin anzuwen- lern Glauben beizumessen, als wenn die Portraͤtbil- dung schon seit Daͤdalus in Gebrauch gewesen sey. “ den, weil deren Entwickelung nothwendig nach ganz anderen Gesetzen erfolgt ist, als die Entstehung der Kunst an sich selbst. Denn obwohl man in den Sitzen der aͤltesten Bil- dung dem Mittelalter in technischen Dingen weit uͤberlegen war, so kannte man doch vor Erfindung eigentlicher Kunst die Darstellung vermoͤge richtig verstandener, gluͤcklich nachge- bildeter Naturformen, nun gar die Moͤglichkeit illusorischer Wirkungen, nicht einmal dem Begriffe nach; wohingegen im Mittelalter, durch muͤndliche Ueberlieferung, durch die Schriftsteller, und selbst durch die Denkmale unausgesetzt eine halbdeutliche Vorstellung von dem eigentlichen Ziele der bil- denden Kuͤnste sich erhalten mußte. Betrachtete man aber auch in den dunkelsten Zeiten die rohen Versuche damaliger Kuͤnstler nicht etwa als Andeutungen, oder vereinbarliche Be- zeichnungen, sondern als Darstellungen wirklichen Seyns und Geschehens; S. Paul Diac , Luitprand , Leo, Ost , und Andere an haͤufig angezogenen Stellen. so war das Aufstreben der neueren Kunst seit der Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts das Werk der Steigerung laͤngst schon wirksamer Kraͤfte, des Wiedererwa- chens vorhandener, nur schlummernder Begriffe. Es wird demnach nicht befremden koͤnnen, wenn wir bereits in ihren fruͤhesten Leistungen die Begeisterung fuͤr die leitenden Be- griffe des Weltalters mit der Empfaͤnglichkeit fuͤr die urspruͤng- liche Bedeutung der organischen Formen gleichen Schritt hal- ten sehn. Bey den aͤlteren Nachahmern der byzantinischen Maler, dem Giunta , Guido und Anderen, mochten Schwierigkeiten in der Aneignung einer ganz neuen Manier die Aufmerksamkeit 1 * getheilt haben; gewiß erreichten sie ihre Vorbilder weder in der Idee, noch in der Ausfuͤhrung. Dagegen durften die spaͤ- teren, denen die griechische Manier durch Schule gelaͤufig war, bereits darauf ausgehn, ihre Vorbilder zu uͤbertreffen. In den Werken der groͤßesten jener Maler in griechischer Manier, des Sienesers Duccio di Buoninsegna , des Florentiners Cimabue , spricht es sich deutlich aus, daß sie mit vollem Bewußtseyn darauf ausgegangen sind: in den Charakteren sittliche Wuͤrde, in Gebehrden und Handlungen Ernst und Feyer auszudruͤcken; daß sie sich bemuͤht haben, das Ueberlie- ferte, mit dem sie’s sichtlich sehr ernstlich nahmen, im eigenen Geiste moͤglichst zu verjuͤngen. Bis auf ihre Zeit hatte, durch mechanische Nachbildung christlich-antiker Kunstgebilde, beson- ders in der neugriechischen Malerey, wie es in vielen der fruͤ- her angefuͤhrten Miniaturen einzusehn ist, manche rohe Andeu- tung urspruͤnglich mit wissenschaftlicher Deutlichkeit aufgefaß- ter Formen sich erhalten; duͤrftige Ueberreste der antiken, per- spectivisch und anatomisch begruͤndeten Zeichnungsart. Duc- cio und Cimabue empfanden den Werth dieser Bezeichnun- gen, welche erst in der Folge, vornehmlich durch Giotto aus der italienischen Malerey verdraͤngt worden sind; doch streb- ten sie, das Grelle ihrer Verknoͤcherung zu mildern, indem sie solche halbverstandene Zuͤge mit dem Leben verglichen, wie wir angesichts ihrer Leistungen vermuthen und annehmen duͤrfen. Indeß genießen diese Kuͤnstler, deren Hauptwerke zugaͤng- lich sind und selten von Reisenden uͤbersehen werden, einer so weit verbreiteten Anerkennung, daß ich meine Aufgabe an die- ser Stelle dahin beschraͤnken darf: einzelne Momente ihrer Geschichte nachzubessern und gelegentlich das wahre Verhaͤltniß der sienesischen Kunstgeschichte des dreyzehnten Jahrhundertes zur florentinischen desselben Zeitraumes in ein helleres Licht zu setzen. Obwohl Vasari in dem Abschnitte, den er das Leben des Duccio genannt, ganz ungewoͤhnlich enthaltsam ist und kaum uͤber die Andeutungen des Ghiberti hinausgeht, S. Vas. vita di Duccio . (Ed. c. p. 204.) wo: in questa ta- vola secondoché scrive Lorenzo di Bartolo Ghiberti etc. so entschluͤpften ihm doch selbst an dieser Stelle einige erweis- lich unbegruͤndete Angaben, welche er entweder von Anderen entlehnt, oder aus eigenen Vermuthungen hervorgesponnen hat. Unter den Versaͤumnissen und Mißgriffen der Geschichts- forscher sind diejenigen, welche nur ein Einzelnes angehn, meist von geringem Belang; wichtig und folgenreich aber nur solche, welche in allgemeinere Verhaͤltnisse eingreifen, die Zeitfolge der groͤßeren Abstufungen im Fortschritte menschlicher Anliegenhei- ten in Verwirrung bringen, und falsche Voraussetzungen ein- fuͤhren. Zu letzteren gehoͤret die von allen Neueren glaͤubig nachgeschriebene Angabe des Vasari : daß Duccio Vas. l. c. — havendo nei pavimenti del Duomo di Siena dato principio ai rimessi di marmo delle figure di chiaro e seuro — und weiter unten: Egli di sua mano imitando le pitture di chiaroscuro ordinò e disegnò i principj di detto pavimento . jene Fußbodenverzierungen aus mehrfarbigem Marmor erfunden habe, welche zu den Merkwuͤrdigkeiten des sienesischen Domes gehoͤren. Aus verschiedenfarbigem Marmor musivische Muster zu- sammenpassen, den Umriß menschlicher oder thierischer Gestal- ten durch dunkleres Gestein auf hellerem Grunde ausfuͤllen, war seit den aͤltesten Zeiten bekannt, und seit dem eilften Jahrhundert, wie Vasari sich erinnern mußte, in Toscana so allgemein in Gebrauch gekommen, daß man die Außenseiten vieler Kirchen, zum Nachtheil ihrer Gesammterscheinung, mit Arbeiten dieser Art uͤberdeckt hatte. Seltener ward diese Arbeit auf Fußboͤden uͤbertragen. Doch besitzen wir in der Kirche s. Miniato a Monte (bey Florenz ) ein beurkundetes Beyspiel aus dem eilsten Jahrhundert. S. die In- schrift bey Richa , oder bey Manni , sigilli etc . — Diese Arbeit ist in ihrer Art elegant. Demnach bezeichnete er hier ohne Zweifel nicht diese rohe und einfache Arbeit, son- dern eben nur jene Nachahmungen des Helldunkels im moder- neren Sinne, welche im sienesischen Dome noch immer vor- handen und diesem Gebaͤude ganz eigenthuͤmlich sind. Hierin folgte er nicht dem Ghiberti , welcher dieser Arbeiten mit kei- ner Sylbe gedenkt, sondern hoͤchst wahrscheinlich einer oͤrtli- chen Meinung, welche, wie ich unten zeigen will, auf einer falsch gedeuteten Urkunde beruhen wird. Es ist schon an sich selbst hoͤchst unwahrscheinlich, daß eine Kunstart, welche Einsichten in die Gesetze der Beleuch- tung und Bekanntschaft mit allen Vortheilen der Schattenge- bung voraussetzt, schon zu Ende des dreyzehnten oder zu An- fang des folgenden Jahrhundertes erfunden sey, in welcher Zeit die Malerey kaum angefangen, durch leichte und hoͤchst verblasene Schattentinten dem Ausdrucke der Formen ein we- nig nachzuhelfen. Ich wuͤrde daher selbst, wenn es mir an anderweitigen Gruͤnden fehlte, doch schon aus der Beschaffen- heit der Sache schließen, daß jene Erfindung mit dem Hell- dunkel ganz gleichen Schritt gehalten, welches letzte bekannt- lich bey den italienischen Malern nicht fruͤher, als um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes Eingang gefunden hat. Obwohl die Kunstnachrichten des Archives der sienest- schen Domverwaltung bis in das dreyzehnte Jahrhundert zu- ruͤckreichen, so faͤllt dennoch die fruͤheste Erwaͤhnung jener histo- risch verzierten Fußboͤden erst in das Jahr 1445. S. die dieser Abhandlung beygegebenen Belege. I . In die- sem und in den folgenden Jahren wurden die Treppen und Zugaͤnge zum Dome und zur Taufkapelle mit verschiedenen Bildern geziert, welche indeß noch keinesweges eigentliche Hell- dunkel waren, vielmehr nur Marmorflaͤchen mit eingehauenen und durch schwarzen Stucko ausgefuͤllten Umrissen. Also war diese Kunstart hundert und funfzig Jahre nach der Lebens- hoͤhe des Duccio , bey allseitig gesteigertem Kunstgeschicke, doch noch immer auf der ersten und niedrigsten Stufe ihrer Entwickelung; und selbst wenn wir annehmen wollten, daß Duccio , wenn auch nicht das wirkliche Helldunkel, doch we- nigstens jenes Marmor-Niello moͤge erfunden haben, so ist es doch nicht dieses, was Vasari uns bezeichnet, und uͤber- haupt auch davon ganz unausgemacht, wie alt dessen Erfin- dung sey, und wo solche zuerst in Anwendung gekommen. Uebrigens scheint man eben damals im Verlaufe wiederholter Unternehmungen dieser Art zuerst den Gedanken gefaßt zu haben, solchen Kunstarbeiten durch Vereinigung mehrfarbigen Marmors eine groͤßere Abwechselung, oder Deutlichkeit zu geben; denn die letzte in jener Gruppe von Bestellungen bezeich- net schwarzen, weißen und roͤthlichen Marmor als die Ma- terialien, deren der Kuͤnstler sich bedienen solle. S. Belege, I . 5. zu Anfang. Dieses Stuͤck ist noch immer vorhanden, doch weit davon entfernt ein eigentliches Helldunkel zu seyn nach Art der glaͤnzenderen Abtheilungen des Fußbodens im Inneren des Domes. Die voͤllige Ausbildung dieser Kunstart faͤllt in einen vorgeruͤckten Abschnitt des sechzehnten Jahrhunderts, wie sie denn in der That jene Gewoͤhnung an starke und massige Contraste vor- aussetzt, welche nicht fruͤher eingetreten, als an der Grenze der Manier. Bey so viel innerer Unhaltbarkeit, bey gaͤnzlicher Abwe- senheit historischer Beweise, haͤtten die angeblichen Geschicht- schreiber neuerer Kunstschulen anstehen muͤssen, dem Vasari , den sie doch sonst nicht ungern und haͤufig ohne hinreichende Gruͤnde verbessern, so unbedenklich zu folgen, als uͤberall ge- schehen ist, wo man veranlaßt war, jener eigenthuͤmlichen Kunstarbeiten zu erwaͤhnen. Gehen doch einige so weit, uns sogar die Gestalt nachzuweisen, an welcher Duccio seine an- gebliche Erfindung in Anwendung gesetzt haben soll, und deren Ausdruck zu bewundern. Gewiß enthaͤlt das Archiv der siene- sischen Domverwaltung, welches ich in kunsthistorischer Bezie- hung ganz durchgesehn, nicht eine Zeile, welche auf diese Figur, noch uͤberhaupt darauf zu deuten waͤre, daß man schon im vierzehnten Jahrhunderte mehrfarbigen Marmor zu histo- rischen Bildern vereinigt habe. Lanzi Storia pitt. scuola Senese . epoca seconda. — „ è di Duc- cio nel coro una verginella, che ginocchione etc .“ — Vielleicht ist die Wahrheit an dieser Stelle von geringem Belang; doch wozu die Luͤge? folgte demnach, als er jene Figur dem Duccio beylegte, entweder seinem eige- nen Kennergefuͤhle, oder doch nur der anmaßlichen Autoritaͤt seines Zeitgenossen Della Valle . Vasari hingegen erwaͤhnet der Erfindung in ganz allge- meinen Ausdruͤcken, ohne seine Quelle, oder nun gar ein Werk anzugeben, welches das Alter und den Urheber dieser Kunstart etwa bezeugen koͤnnte. Wahrscheinlich folgte er einem oͤrtlichen Geruͤchte, welches aus einer mißdeuteten Ur- kunde entstanden seyn duͤrfte, deren Abschriften sowohl im oͤffentlichen, als im Archive der Domverwaltung vorhanden sind, mithin um so leichter in die Augen fallen und bemerkt werden konnten. In dieser Arch. dell’ opera del Duomo di Siena . Pergamene, No. 614. — quod in operando et faciendo et facto opere, seu opus mu- saici, quod est inceptum. Et etiam in laborerio storie et magne tabule beate Marie semper Virginis gloriose, soliciter et cum omni diligentia procedatur . — und gegen das Ende: Et quod in labore- riis omnibus faciendis et super eis conplendis stent et remaneant solum decem magistri de melioribus etc. — quorum decem magistro- rum nomina hacc sunt etc . — Gegeben: In anno Dni M°CCC°X°. Indictione VIII. die XXVIII. Novembr . Urkunde befiehlt der damalige hoͤchste Magistrat (die Herren Neuner), welche unter den lau- fenden Arbeiten am sienesischen Dome beschleunigt werden sollen. Diese bestanden zunaͤchst in einem Musive; dann in der großen Tafel des Domes, welche, wie wir aus anderen Quellen wissen, dem Duccio aufgetragen und eben damals in Arbeit war; endlich wird auch bestimmt, welche Mauerer man vor der Hand anzustellen habe. Obwohl in diesem Befehle nicht angedeutet wird, fuͤr welche Stelle der Kirche das in Arbeit stehende Musaik be- stimmt war, so duͤrfen wir dennoch schließen, daß solches sei- nerzeit uͤber dem Hauptthore und an der Außenseite ange- bracht worden. Denn einmal war es zu jener Zeit sehr in Gebrauch, die Jungfrau und andere Schutzheiligen an den Vorseiten der Kirchen musivisch darzustellen; dann war und ist noch immer auch an der Vorseite des sienesischen Domes eine solche musivische Darstellung vorhanden; endlich wuͤrde es eben so willkuͤhrlich, als gewagt seyn, den Ausdruck, opus musaicum , gegen alle Beyspiele auf Fußbodenarbeit zu bezie- hen, fuͤr welche stratum, lithostratum und andere Worte waͤhrend des Mittelalters gebraͤuchlich gewesen. Demunge- achtet mochte ein unvorbereiteter, fluͤchtiger Forscher spaͤterer Zeiten jenen Ausdruck in weiterem Sinne genommen und auf die Arbeiten bezogen haben, welche den Boden des sienesischen Domes verzieren. Aus dem zufaͤlligen Zusammentreffen dieses Musives mit einer Tafel, welche unstreitig dem Duccio auf- getragen worden, mochte er weiter schließen, daß beide Ar- beiten von demselben Kuͤnstler beschafft, oder doch angeord- net waͤren. Indeß erhellt es, weder aus jenem Befehle, welcher nicht an die Kuͤnstler, sondern an die Domverwaltung gerich- tet ist und verschiedene Arbeiten anordnet, welche den Maler sicher nicht angehn, noch selbst aus anderen Umstaͤnden, daß Duccio damals, oder sonst, an diesem oder an irgend einem anderen Musive gearbeitet habe. Im Gegentheil ergiebt es sich aus dem Umstande, daß weder in der Verstiftungsurkunde seiner Altartafel, noch in seinen auf einander folgenden Quit- tungen jemals von jenem Musive die Rede ist, daß er daran auch nicht den geringsten Antheil genommen habe; wie er denn in der That durch seine große, mit unzaͤhligen, sehr been- digten Figuren bedeckte Tafel unstreitig schon vollauf beschaͤf- tigt war. Daß Vasari uͤberhaupt von den Lebensumstaͤnden, den Werken und Leistungen Das Hauptwerk, die große Tafel des Domes zu Siena , des Duccio nur eine unbestimmte Kunde erlangt hatte, beweist die Kargheit seiner Nachrichten, besonders aber die irrige, sicher auf seiner eigenen, ungefaͤh- ren Vermuthung beruhende Angabe der Zeit, in welcher Duc- cio gebluͤhet habe. Er versetzt ihn in die Mitte des vierzehn- ten Jahrhundertes. Vasari , v. c . zu Ende: furono l’opere sue intorno agli anni di nostra salute 1350 . — Man hatte ihm zu Siena erzaͤhlt, daß Duccio noch im J. 1348. einen Bau angegeben habe, was sich kei- nesweges bestaͤtigt. Neuere Forscher Lettere Senesi , T. 1. p. 277. Lanzi a . s. St. behaupten indeß, daß man ihm schon im Jahre 1282. Kunstarbeiten bezahlt habe, und gewiß reichen andere Andeutungen seiner Wirksam- keit, Arch. della general Biccherna (Abtheilung im Archiv der, Riformagioni , zu Siena ). Classe B. No. 75. Imo. anno. 1285. fo. 394. a tergo: Item — octo solidos — VIII. Octubris Duccio depictori, quos ei dedimus pro pictura, quam fecit in libro ca- merarii et quatuor. B. 75. tertio. 1285. fo. 374. a tergo: Item VIII. solidos die lun. octavo Octubris Duccio pictori, quos ei dedimus pro pictura quam fecit in libro cam. et IV. B. 89. 1290. (1291.): Ian. 26. solidos 10. Duccio pictori pro dip. libri cama̅r̅. B. 345. anno 1291. Spese d’agosto. Sol. 10. Duccio depictori pro pictura quam fecit in libris ca̅m̅. et IV . Diese kleinen Zahlungen verguͤteten die aͤußere Bemalung der Rechnungsbuͤcher der Finanzverwaltung, welche von 1250. bis 1550. die Sitte beybehalten, den Deckel ihrer Buͤcher durch gute Maler verzieren zu lassen. Wichtiger ist die Zahlung, Archiv. cit. B. 190. fo. CCCLVII. IV. Dicembre anno 1302. — Anche — XLVIII. Libre welche ich selbst gesehn, bis zum Jahre 1285. auf- waͤrts. Ueber die Identitaͤt dieses Duccio in den Buͤchern war seinerzeit weggeraͤumt worden; Vasari , v. c. — non ho mai — potuto rinvenirla — etc . Gegenwaͤrtig befinden sich beide Seiten der Tafel auseinandergesaͤgt im Chore des Domes zu Siena , die Staffeln und Giebel an den Waͤnden der Sacristey. der sienesischen Staatsverwaltung mit unserem Duccio di Buo- ninsegna kann durchaus kein Zweifel obwalten. Er nannte sich selbst am Rande seiner großen Tafel rundweg Duccius , Am Sockel der Vorseite, unter der Madonna: MATER SC̅A̅ DEI. SIS (G̣ẠṾỊṢẠ) SENIS REQVIEI SIS DVCIO VITA. TE QVIA PINXIT ITA . und scheint seines Vaters Namen dem seinigen nur an sol- chen Stellen beygefuͤgt zu haben, wo er zur Vollziehung ge- richtlicher Vertraͤge durchaus erforderlich war. Selbst in jenem, die große Altartafel des Domes betref- fenden Vertrage ( Arch. dell’ opera del Duomo di Siena , Pergam. No. 603 .) nennt der Notar den Maler rundhin, Duccius . Doch in der Bescheinigung einer Vorausbezahlung von funfzig Goldgul- den ( Archiv cit. No. 608 .) unterzeichnet er sich: Ego ma̅g̅r Duccius pictor olim boninsegne civis Senensis . Demnach werden wir voraussetzen duͤrfen, daß unter den Malern seiner Zeit und Vaterstadt kein Name vorgekommen, welcher Colli- sionen und Verwechselungen haͤtte veranlassen koͤnnen. War nun Duccio schon im Jahre 1282. gewiß 1285. ein ansaͤssiger Maler, so wird die Zeit seiner Reife in das erste Jahrzehend des vierzehnten Jahrhundertes einfallen, in welchem die oberste Staatsgewalt ihn offenbar beguͤnstigte, da ihm zunaͤchst die Altartafel der Kappelle des Rathhauses, und um wenig spaͤter sogar die große Tafel des Domes aufgetra- gen wurde, welche ihrer Bestimmung nach nothwendig die wichtigste Aufgabe jener Zeit war, und in der That von unse- rem Kuͤnstler mit so vielem Geist, Geschmack und Fleiße be- endigt worden ist, daß ich nicht anstehe, sie allen noch vor- — al maestro Duccio dipegnitore per suo salario d’una tavola, overo Maestà, che feciel et una predella, che si posero nell’ altare ne la chasa de’ nove, la due (dove) si dicie l’ufizio. Ed avemone pulizia da’nove . handenen Denkmalen der byzantinisch-toscanischen Schule vor- anzustellen. Den Vertrag des Kuͤnstlers mit der sienesischen Dom- verwaltung hat Vater Della Valle , obwohl nach einer fehler- haften Abschrift abgedruckt; Lettere Sen. T. 11. p. 75 . — Er stellt diese Urkunde unter: No . 399. Sie findet sich indeß: Archiv. dell’ op. del D. di Siena , Perg. No. 603 . Das Domarchiv ist vor ungefaͤhr Einhundert Jah- ren neu geordnet worden; Benvoglienti , Ugurgieri , Man- cini und andere Localforscher, deren Sammlungen Della Valle benutzt hat, lebten saͤmmtlich vor 1720. bedienten sich mithin in ihren Anziehungen der aͤlteren Numerirung, was DV. unfehl- bar haͤtte wahrnehmen muͤssen, wenn er je das Archiv betreten haͤtte, aus dem er zu schoͤpfen vorgiebt. — Verbessere in s. Ab- drucke folgende wesentlichste Fehler: — Indict. VIII . lies VII.; apparet, l. appareat , gegen die Mitte deutet DV. eine Lagune an, welche nicht vorhanden ist; gegen das Ende ist zuerst ein, sibi , spaͤter ein, in, ausgelassen; fuͤr obligaverunt se ad invicem , setzt DV. , sibi ; und zu Ende loͤset er die Abbreviatur, pign ., durch pig- nori , auf; lies dafuͤr, pignoravit , wie es die Construction und der Sinn erfodert. Unter den Zeugen macht er den bekannten Namen, Tura , zu, Jura; anderer Auslassungen und Verdrehungen nicht zu gedenken. aus dieser Urkunde, wie aus den noch vorhandenen Quittungen des Kuͤnstlers, welche die aͤlteren sienesischen Forscher (die eigentlichen Quellen des Della Valle ) uͤbersehn hatten, Archiv cit. Pergamene No. 608 . erhellt zur Genuͤge, daß Duccio im October des Jahres 1308. sich verpflichtet, jene nach den Um- staͤnden unvergleichbare Tafel zu malen, in den folgenden Jah- ren verschiedene Zahlungen der Domverwaltung bescheinigt und im Jahre 1311. das Werk vollendet abgeliefert hat, wel- ches, da er demselben auch seinen Namen beygegeben, so voll- staͤndig beurkundet ist, als irgend ein Kunstwerk dieser Zeit. Da es mir nun auf keine Weise gelungen ist, in den nach- folgenden und spaͤteren Jahren beurkundete Spuren der Fort- dauer seiner kuͤnstlerischen Wirksamkeit aufzufinden, so bin ich anzunehmen geneigt, daß er die Beendigung seines groͤßesten Werkes nicht lange uͤberlebt habe. Gewiß hatte er damals bereits fast dreißig Jahre auf eigene Rechnung gemalt, viel- leicht schon ungleich laͤnger, da nichts verbuͤrgt, daß jene aͤltesten nur zufaͤllig bekannten Zahlungen der Jahre 1282. 85. uns auch den Anbeginn seiner Laufbahn bezeichnen. Lanzi Stor. pitt. scuola Sen. Epoca I. — „mori circa il 1340 .“ — Er folgte den Lettere Sen. To. II. p. 69 . — Beide suchten fuͤr dasmal der Angabe des Vasari so nahe zu kommen, als nach dem Laufe der Natur moͤglich war. indeß versichert uns, daß er um das Jahr 1340. gestorben sey, was ich dahingestellt lasse, weil ich nicht einsehe, was damit gewonnen werde, den Kuͤnstlern alter Zeit ihr Leben auf’s Ungefaͤhr hin zu verlaͤngern. Ungleich minder beurkundet ist das Daseyn und die Wirksamkeit des Cimabue , dessen Geschichte, seit der ersten Erscheinung der Lebensbeschreibungen des Georg Vasari , durch keine einzige wohlbegruͤndete Thatsache vermehrt worden ist, Nicht einmal durch den fleißigen Dom. Manni , welcher doch in den veglie piacevoli, To. II. pag. 26. s ., dessen Zeitgenossen, den Calandrino der Novellen, urkundlich beleuchtet hat. Aus diesen Untersuchungen des Manni geht hervor, daß Calandrino gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes lebte und malte, woher zu schließen waͤre, daß jener Buffalmacco , welcher den Ca- landrino in den Novellen des Boccaz zum Besten hat, eben- falls ein Zeitgenosse des Cimabue sey, also in byzantinischem Geschmacke gemalt habe, was mit den Gemaͤlden, welche man ihm beylegt, ganz unvereinbar zu seyn scheint. — Doch ist zu befuͤrch- ten, daß jener Buffalmacco uͤberhaupt nur etwa der Dichtung dessen Namen ich bisher in keiner Urkunde begegnet bin, weß- halb ich mich hier darauf einschraͤnken werde, das Verhaͤltniß der florentinischen Schule zur sienesischen wieder einzurichten, welches sowohl durch Vasari , als durch seine Gegner nicht wenig verrenkt worden ist. Sollte man denken, daß die Lebensumstaͤnde, das Zeital- ter, die angeblichen Werke des beruͤhmten Stifters der tosca- nischen, wenigstens der florentinischen Malerey bis dahin nir- angehoͤrt und auf keine Weise der Kunstgeschichte. Als lustiger Charakter mochte er eine gewisse populaͤre Celebritaͤt und jene ste- henden Beynamen, Buffalmacco und Buonamico , erhalten haben, welche Boccaz und Sacchetti ihm beylegen. Als Maler indeß wuͤrden wir ihn in alten Vertraͤgen und Zahlungen aufzusu- chen haben, doch nur unter seinem wahren Tauf- und Vatersna- namen, welcher zweifelhaft ist. — Doch beruhet, was Vasari von diesem Kuͤnstler meldet, auf einer Verschmelzung der Nachrichten des Ghiberti von einem Maler Buonamico mit jenen Novel- len des Boccaz und Sacchetti . Hiezu mochte ihn bestimmt ha- ben, daß Ghiberti nach vielen Lobspruͤchen auf das Talent des Buonamico , von seinem persoͤnlichen Charakter erwaͤhnt: fu huomo molto godente , — was allerdings mit Hinblick auf jene Novellen gesagt seyn mag. — Der Beyname Buffalmacco gehoͤrt dem Boccaz an; Buonamico dem Sacchetti und Ghiberti ; Vasari ist der erste, der beide in seiner angeblichen Lebensbeschrei- bung des Buonamico Buffalmacco verschmolzen hat. — Es wird hier wohl unmoͤglich seyn, das Erdichtete vom Geschichtlichen zu sondern. Um so mehr, da Manni , veglie piac. To. III. Ed. Ven. 1762. p. 3 . behauptet, daß man den Maler Buonamico di Cristofano , den er, vielleicht nur den Novellisten zur Liebe, eben- falls Buffalmacco nennt, erst im Jahre 1351. in die Malerzunft aufgenommen habe. Dieser konnte nicht wohl derselbe seyn, wel- cher zu Ende des dreyzehnten Jahrhundertes den Calandrino ge- neckt und nach Vasari , schon 1304. ein allegorisches Fest angegeben hatte. Also werden hier verschiedene Maler, Thatsachen und Erdichtun- gen durcheinanderwogen. Vgl. Lett. pitt. To. IV. Lett. CXXXI. p. 128. s . gend weder durch Aufschriften seiner Gemaͤlde, noch durch oͤffentliche oder persoͤnliche Urkunden begruͤndet sind; daß Nie- mand bisher versucht hat, im Archiv der florentinischen Staats- verwaltung, welches mir selbst unzugaͤnglich geblieben, nach Bestaͤtigungen, oder Berichtigungen der naiven Erzaͤhlung des Vasari sich umzusehn? Gewiß wuͤrde man, da Vasari nun einmal in so alten Dingen weder Quelle, noch Autoritaͤt ist, selbst das Daseyn des Cimabue in Zweifel rufen koͤnnen, wenn nicht schon Dante seiner erwaͤhnt haͤtte, dessen be- kannte Verse: Credette Cimabue nella pittura Tener lo campo ed ora ha Giotto il grido Sicchè la fama di colui oscura . Purgat. canto XI. 94. s . Die Aufmerksamkeit des Vasari angezogen und hoͤchst wahr- scheinlich ihn bestimmt haben, diesem alten Kuͤnstler in seinen Malerleben den Ehrenplatz einzuraͤumen. Ein alter Commen- tator, Er findet sich in einer HS. des Gedichtes in der Riccar- diana zu Florenz , derselben, welche Vasari benutzte; sie empfiehlt sich durch ihr hohes Alter und durch eine Fuͤlle selten benutzter historischer Erklaͤrungen. welcher nicht lange nach dem Tode des Dichters geschrieben, bemerkt zu obiger Stelle: „daß Cimabue von Flo- renz zur Zeit des Dichters mehr, als Andere, sich auf die Kunst verstanden, — pintore — molto nobile di più che homo sapesse . — wenn die Stelle richtig gelesen ist; wahrscheinlich steht: che più di‘ . — doch so anmaßend und reizbar gewe- sen sey, daß er bey dem geringsten Tadel seine Arbeiten, so kostbar sie seyn mochten, alsobald aufgegeben habe.“ Dieses Zeug- Zeugniß, dem wir nicht uͤbereilt eine zu weite Anwendung werden geben duͤrfen, erhebt allerdings das Daseyn und den Ruf, welchen Cimabue in seiner Vaterstadt erworben, uͤber jeden moͤglichen Zweifel. Doch, wie sein Ruhm schon zu Dante’s Zeit durch die Neuerungen verdunkelt worden, welche Giotto einfuͤhrte, so kam in der Folge sogar sein relatives Verdienst in Vergessenheit. Denn schon Ghiberti , Cod. s. c. fo. 8. welcher doch den Duccio mit Lob uͤberschuͤttet, erwaͤhnet des Cimabue ohne Anfuͤhrung seiner Verdienste und Leistungen, als eines Malers in griechischer Manier, der offenbar fuͤr ihn nur in so fern merkwuͤrdig war, als er ihn fuͤr den Goͤnner und Lehrmeister des Giotto hielt; und Cennino , der bis zu Giotto hinaufsteigt, uͤbergeht jenen durchaus, was mir die Anecdote, welche Vasari im Leben des Giotto dem Ghiberti nacherzaͤh- let, wenn nicht verdaͤchtig, doch minder glaubwuͤrdig macht. Erst nachdem bey den Florentinern der Ehrgeiz erwacht war, in der Kunst nicht bloß die ersten, sondern auch die fruͤ- hesten zu seyn, gewann Cimabue an Interesse, ward sein Name mit groͤßerem Nachdruck und haͤufiger in Erinnerung gebracht. Filippo Villani , der spaͤteste Geschichtschreiber seines Namens, war bereits von jener Richtung des Localpatriotis- mus ergriffen, welche in der Folge, von Florenz aus, allen etwas erheblichen Staͤdten Italiens sich mitgetheilt hat, als er dem Cimabue zuerst die Ehre vindicirte, die Malerey nicht etwa in seiner Vaterstadt, vielmehr in ganz Toscana auf einen bessern Fuß gebracht zu haben. S. Moreni , Can. memorie intorno al risorgimento delle belle arti in Toscana etc. Firenze 1813. p. 5. wo die hingeworfene, Augenscheinlich II. 2 leuchteten auch ihm jene Verse des Dante vor; unter allen Umstaͤnden ist die Aeußerung eines Schriftstellers des funf- zehnten Jahrhundertes an dieser Stelle nur in so fern von Be- lang, als sie die Entstehung des Vorurtheiles erklaͤrt, nach welchem Cimabue nicht bloß, wie man dem Dante zuge- ben darf, in Florenz , vielmehr in der ganzen Ausdehnung von Italien der vorzuͤglichste Maler seiner Zeit und der Stif- ter und Begruͤnder alles foͤrderlichen Strebens soll gewesen seyn. Vielleicht hatte sich diese Meinung waͤhrend des funf- zehnten Jahrhundertes im Dunkelen ausgebreitet und in jene alten Malerbuͤcher eingedraͤngt, deren Vasari erwaͤhnt, ohne sie doch naͤher zu bezeichnen. Vas. vita di Cimabue . Ed. cit. p. 85. — Dicesi ed in certi ricordi di vecchj pittori si legge, che etc. In den vorangehenden Abhandlungen habe ich aus viel- faͤltigen Zeugnissen und hinreichenden Denkmalen erwiesen, daß Cimabue weder fuͤr den fruͤhesten Maler der neueren Italiener, noch selbst fuͤr den aͤltesten Nachahmer neugriechi- scher Vorbilder und Kunstbehelfe zu halten ist, was mich selbst, wie besonders den Leser, der Muͤhe uͤberhebt, diese Un- tersuchung von Neuem aufzunehmen. Hier wird demnach nur so viel in Frage kommen, ob Cimabue den toscanischen Ma- lern seiner Zeit durch Geist und Geschicklichkeit in dem Maße uͤberlegen gewesen, als Vasari angiebt, und unzaͤhlige Andere ihm nachgeschrieben haben; vornehmlich aber, ob er durch Vor- bild und Lehre so entscheidend auf seine Zeitgenossen einge- wirkt habe, daß man berechtigt waͤre, ihn ferner als den Stif- ter jenes allgemeinen Aufschwunges der Kunst zu betrachten, ganz unbegruͤndete Meinung dieses spaͤten Schriftstellers als ein historisches Zeugniß angezogen wird, was nicht wohl zuzugeben ist. den wir oben schon seit dem zwoͤlften Jahrhundert allmaͤhlig haben herannahen sehen. Der Autoritaͤt jener Randbemerkung zum Dante werden wir also zugeben duͤrfen, daß Cimabue , in seinem Kreise, gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes der angesehenste Maler gewesen sey. Doch berechtigt uns ein so allgemeines Zeugniß noch keines- weges, ihn auch fuͤr den besten und groͤßesten Maler seiner Zeit zu halten. Gewiß ist es bedenklich, daß Duccio , obwohl ein Siene- ser, doch dem Ghiberti , der beiden noch so nahe stand, bey wei- tem mehr Achtung eingefloͤßt hatte; Ghib. MS. cit. fo. 9. a. so wie selbst die allge- meineren geschichtlichen Verhaͤltnisse auf die Vermuthung lei- ten, daß Florenz in den fruͤhesten Zeiten, anstatt, wie Vasari lehrt, den bildenden Kuͤnsten die Bahn zu brechen, vielmehr, was diese angeht, den aͤlteren Mittelpuncten der Macht und des Handels um Einiges nachgestanden sey. Vergessen wir nicht, daß die Groͤße von Pisa und Siena , selbst die Bluͤthe von Lucca und Pistoja dem ersten entschiedneren Aufschwunge des Florentinischen Gemeinwesens um ein Jahrhundert und zum Theil um ungleich laͤngere Zeit vorangegangen; daß Flo- renz erst, nachdem die Hohenstaufen mit ihren Anhaͤngern, den Ghibellinen, gesunken waren, zum Mittelpuncte der siegen- den Parthey und durch Macht und Reichthum zur Hauptstadt der ganzen Provinz gediehen ist. Daher entstand zu Pisa , wo schon seit dem eilften Jahrhundert mit so großem Aufwande gebaut worden, wohl ein Menschenalter vor Cimabue , wenn dieser anders der Lehrer des Giotto gewesen, eine bluͤhende Bildnerschule, auf welche ich zuruͤckkommen werde; Siena aber, dessen politische Groͤße das dreyzehnte Jahrhundert durchmißt, 2 * dessen Gebiet schon so fruͤh den ganzen, auch gegenwaͤrtig nicht unerheblichen Umfang erreicht hatte, war eben damals der Mittelpunct einer ungewoͤhnlichen Thaͤtigkeit in kuͤnstleri- schen Unternehmungen aller Art. Waͤhrend zu Florenz nicht fruͤher, als gegen das Jahr 1300. beschlossen wurde, S. Richa , delle chiese di Fir. T. VI. p. 13. wo das Decret, welches auch andere Topographen beruͤhren. Vergl. die Chron. die alte unscheinbare Kirche der heiligen Reparata in eine neue und praͤchtige Domkirche um- zuwandeln, ward zu Siena schon seit den fruͤheren Decennien des dreyzehnten Jahrhundertes an einem neuen und praͤchti- gen Dome gebaut, dessen Geschichte einiger Berichtigungen be- darf, welche ich nachtragen werde. Waͤhrend schon seit dem Jahre 1230., vielleicht schon fruͤher, mit groͤßter Thaͤtigkeit an der letzten Ringmauer von Siena gearbeitet wurde, Einige der Berathungen und Beschluͤsse, welche diesen Ar- beiten vorangegangen, finden sich, Arch. delle riform. di Siena , consilia campanae. T. II. anno 1249. (1250.) (NB. Die gebundenen Buͤcher gehen nicht viel weiter zuruͤck; fruͤher wurden die Protocolle auf einzelne Blaͤtter geschrieben, welche ich nicht alle eingesehn.) Das. fo. 1. — consilium — de omnibus et singulis Burgis extra fossos et carbonarias ex parte civitatis vete- ris affonsandis et muniendis et recisis faciendis, ubi necesse fuerit etc. — Eod. T. fo. 27. a t. — quod CCCCL. libr. expendi debeant in accrescimento civitatis et in — affonsanda etc. — Und To. IV. anno 1254. fo. 2. — et super muratione civitatis etc.; das. fo. 12. und 59. andere Berathungen uͤber diesen Gegenst. T. V. anno 1255. — super actatione et concimine civitatis Senarum , qualiter debeat ac- tari — ad majorem roburem civ. ejusd. To. VII. 1256. fo. 7. und 16. a. t. und fo. 32. To. IX. 1259. (1260.) fo. 11. 76. 84. — Aus- gaben fuͤr die Befestigung finden sich Archiv della Biccherna, Classe B. No. 1. 1230. fo. 45. a. t. — LX. Libr. — operariis positis super faciendis muris ex parte Chamollie (ein Thor der Stadt gegen Flo- renz hin.) Item L. libr. — operariis muri a sco Georgio usque ad scm. ward der dritte Umkreis von Florenz erst im vierzehnten Jahrhun- derte unternommen. S. Archiv dell’ opera del Duomo di Firenze . — Memo- riale di chonpere fatte pellopera per Bonachorso di Gio provedi- tore a di primo di giennojo 1378, wo fo. 1. ff. noch Beytraͤge fuͤr die dritte Ringmauer der Stadt. Vergl. die florentin. Chronisten zu diesem und benachbarten Jahren. Gleichzeitig mit jenen Befestigungen und mit dem praͤchtigen Dombau ward die hochgelegene Stadt Siena mit Cisternen, Wasserleitungen, schoͤn uͤberwoͤlbten, maͤch- tigen Brunnen und Wasserbecken versehen, deren gediegener, gothischer Bau die gegenwaͤrtige Veroͤdung der niederen Theile der Stadt uͤberdauert hat. Bey so viel Eifer, so großem Aufwande fuͤr die Bequem- lichkeit, Sicherheit und Schoͤnheit der Stadt, mußte es auch fuͤr die Maler und Bildner zu thun geben; und in der That ist die sienesische Kunstgeschichte waͤhrend des dreyzehnten Jahr- hundertes unter den toscanischen dieser Zeit die reichste an Namen und werthvollen Leistungen. Jenes aͤlteren Guido habe ich bereits erwaͤhnt; da seine Madonna vom Jahre 1221. fuͤr jene Zeit sehr ausgezeichnet und offenbar kein Jugendversuch ist, so duͤrfte er damals schon eine laͤngere Zeit gemalt haben. Der Musaicist Jacob , dessen Mauritium. fo. 46. C. libr. — operariis de fossis et carbonariis etc. etc. Fernere Zahlungen: fo. 50. a. t. fo. 51. a. t. fo. 53. 55. 59. 64. 65. und ff. B. No. 2. 1238. (1239.) fo. 11. 13. B. No. 14. 1247. (1248.) fo. 30. wo auf einmal 450 Libr. auf der Ruͤckseite 50 Libr. darauf 80 Libr. fuͤr diesen Zweck ausgezahlt worden. Vgl. das. fo. 67. a. t. fo. 68. 72. B. No. 16. 1258. (1259.) fo. 1. a. t. fo. 2. 9. a. t. u. s. f. B. No. 18. 1259. (1260.) fo. 32. und a. Die saͤmmtlichen Ausgaben des Januars 1260. (der gewoͤhnlichen Rechnung) betrugen 20892 Libr. 2. den. Gewiß fuͤr damalige Zeit, bey republicanischer Regierungs- form, ein betraͤchtlicher, meist durch jene Bauten veranlaßter Aufwand. Vgl. No. 28. fo. 41. No. 33. fo. 7. a. t. No. 67. (1281.) fo. 83. ff. Musiv vom Jahre 1225. wir aus der vorangehenden Ab- handlung entsinnen, wird von Einigen ebenfalls der sienesi- schen Schule beygelegt, was moͤglich, doch unausgemacht ist, also nicht hierher gehoͤrt. Andere Maler ergeben sich aus den Ausgabebuͤchern der sienesischen Staatsverwaltung; doch werde ich hier die aͤlteren Auszuͤge, welche schon Della Valle benutzt und bekannt gemacht hat, Die Malernamen, welche Della Valle nach den hand- schriftlichen Auszuͤgen des Benvoglienti und Mancini ange- geben, sind folgende: 1259. Maestro Gilio ; 1261. Dietisalvi ; 1262. Ventura di Gualtieri ; 1271. Rinaldo ; 1274. Salva- nello ; 1278. Guido ; 1281. Romano di Paganello ; 1289. m° Mino ; 1289. Guccio ; 1293. Vigoroso , Rinforzato , Mi- nuccio di Filipuccio . 1298. Vanni di Bono . Die nachgewie- senen, gegenwaͤrtig fehlenden Nummern des Arch. della Biccherna, Classe B. sind folgende: No. 5. 6. 23. 46. 48. 55. 86. 93. 95. 98. 125. Hingegen hatte Benvoglienti drey Maler, Pietro , Buon- amico , Parabuoi aus einem Fragmente ohne Nummer aufge- fuͤhrt, welches schon 1638. von seinem Bande abgetrennt gewesen, und welches ich vor etwa sieben Jahren, als ich mit Verguͤnstigung der Obrigkeit des Ortes, das verlegte Archiv nach seiner alten An- ordnung wieder herstellte, seiner No. 22. wiederum angeheftet habe. Dieses Fragment nemlich hatte, wer immer das Archiv gepluͤndert haben mag, nicht aufzufinden verstanden. von meinen eigenen absondern muͤssen, da ich jene nicht habe vergleichen koͤnnen, indem fast alle in den Lettere Senesi angezogene Nummern im bezeich- neten Archive fehlen und, wie man behauptet, in die oͤffent- liche Bibliothek versetzt sind, in deren handschriftliche Schaͤtze einzudringen, mir eben so schwierig war, als spaͤter dem treff- lichen Bearbeiter der schoͤnsten und besten aller vorhandenen Quellensammlungen, Herrn Dr. Pertz . S. dessen Vorrede zur italien. Reise . In den noch gegenwaͤrtig vorhandenen Baͤnden des be- zeichneten Archives entdeckte ich nur einzelne fruͤheren Forschern entgangene Namen; indessen werden meine Auszuͤge, welche ich in die Anmerkungen verweise, mehr Zuversicht, vornehmlich eine deutlichere Vorstellung erwecken, als jenes nackte Namen- verzeichniß. So zeigte sich in dem noch vorhandenen Quin- tern ohne Nummer des Della Valle , daß Piero , Bonamico , Parabuoi wahrscheinlich nur gemeine Maler gewesen, weil die Arbeit, welche sie liefern, Schilder fuͤr Sinnbilder und Wap- pen, an sich selbst niedrig und handwerksmaͤßig. Archiv della gen. Biccherna di Siena . B. 22. anno 1262. fo. 19. Item. X. Libr. et II. sol. Piero pictori, quos habuit pro pre- tio XV. pavesorum, quos emerunt priores viginti quatuor man- dato dictorum capit. et priorum die dicta (ult. Maji). Item XXXII. Libr. III. sol. VI. den. Bonamico pictori, quos habuit pro pretio XXXIII. pavesorum, quos emerunt dicti priores mandato etc. Item IV. Libr. Parabuoi pictori, quos habuit pro pretio VII. Pavesorum, quos etc. Item XXXIII. sol. Bonamico pictori, quos habuit pro pretio duorum pavesorum etc. Hingegen gewann Dietisalvi an Bestand, welchem hier wiederholt die Bemalung der Buͤcher des Kaͤmmerlings bezahlt wird, eine Arbeit, an welcher sich schon einige Erfindung und Geschick- lichkeit darlegen ließ, obwohl sie dem Umfang und der Be- lohnung nach unbedeutend war. Eines dieser Gemaͤlde befin- det sich in der Gallerie der sienesischen Kunstacademie, Die fruͤheste Zahlung an Dietisalvi findet sich im gen. Archive, B. No. 343. anno 1259. Jun. Darauf folgt: No. 28. 1267. mense Maji fo. 41. a tergo: Item X. Sol. Dietisalvi pictori, qui depingit arma camerarii et quatuor in libris eorum. Und No. 33. 1269. (1270.) fo. 13. Item X. sol. — den. Dietisalvi pictori pro pictura librorum cam. et quatuor. Das Buch, so hier bezahlt wird, ist dasselbe, dessen Deckel die Academie besitzt, wie aus dem Jahre um welche der Abbate der Angelis Verdienste besitzt. Der Kuͤnstler malte auf diesem Deckel, wie die Beyschrift zeigt, das Bildniß des derzeitigen Kaͤmmerlings, Ranerio di Lionardo Pagliaresi , dessen Kopf in der That einige Spur von Bildnißaͤhnlichkeit zeigt, und in Ansehung der Zeit fuͤr lebendig und ausdrucks- voll gelten darf; das Gewand ist nur durch Umrisse und leichte Schraffirungen angedeutet. Drey andere Buͤcherdeckel derselben Sammlung, deren Zahlungspartiten nicht mehr vor- handen, sind dennoch gewiß ebenfalls von seiner Hand, weil er, um diese Zeit und bis zum Jahre 1285. jene Arbeiten ganz uͤbernommen hatte. Arch. cit. B. No. 1270. fo. 4. a t. X. sol. — Dietisalvi pic- tori etc. No. 56. fo. 21. wird der Maler gar nicht genannt; hoͤchst- wahrscheinlich, weil Dietisalvi ein fuͤr allemal diese Arbeit uͤbernommen hatte; denn No. 66. fo. 98. a t. 1281. (1282.) die 22. Januarii: Item VIII. sol. — Dietisalvi pictori librorum ea- mararii et IV. Erinnern wir uns aus der vorigen Anm. des: qui depingit. — No. 72. 1284. (1285.) fo. 5. und No. 74. zahlt man noch immer an Dietisalvi . Spaͤter bemalte Duccio , No. 75. 1 mo und tertio, anno 1285. s. oben. dann ein zweyter Guido , No. 84. 1288. (1289.) 8. Januarii. Sol. 10. Guidoni pic- tori pro pictura libri cam. et IV. — Duccio koͤnnte aus Gui- duccio abgekuͤrzt seyn; doch haben wir unten: Guido Gratiani . endlich jener Vigoroso , No. 92. 1292. Uscita a 12. Luglio. a Vigoroso pittore, che fece la pittura al libro del Camarlengo etc. — B. No. 91. 1291. Lira. quartiere di S. Donato . fl. 21. a Solle sellajo e Vigoroso pictore ‒ a Guidone Gratiani pictore, ‒ a Jacomino pictore. — Und noch einmal, B. No. 91. Uscita — Sol. 9. Vigoroso pictori pro pictura librorum camarlenghi. welcher bereits bekannt ist, die Buͤ- und Magistrat erhellet. — Das Praͤsens in dem vorangehenden Satze zeigt, daß er in dieser Zeit jene Arbeit monopolisirt hatte. cher des Kaͤmmerlings. Dietisalvi aber, welcher vielleicht in der Achtung gestiegen war, oder durch seine standhafte Gefaͤl- ligkeit in jenen kleineren Handleistungen Dank verdient hatte, ward endlich im Jahre 1291., eben als Duccio jene Buͤcher bemalte, auch bey einer groͤßeren Arbeit angestellt, irgend einer Wiederherstellung an dem Frauenbilde im oͤffentlichen Pallaste. Arch. cit. B. No. 89. 1290. (1291.) 27. Junii — Sol. 20. Dietisalvi pictori, quod pinsit de …… majestate S. Marie in pa- latio communis. Zur selben Zeit lebten einige andere Maler, welche Mancini und Benvoglienti uͤbersehen haben: Morsello Cili , und Castel- lino Pieri , Arch. c. B. No. 92. 1292. fo. 32. und fo. 106. a t. — a Guarnieri Gratiano dipintore; und fo. 106. — a Morsello Cili dipintore fl. 13. und das. unten: a Castellino Pieri pictore fl. 4. (Es gilt Abgaben). Guarnieri und Guido Gratiani . Arch. c. B. 91. s. oben. — Damals, oder fruͤher, gab es zu Siena noch einen anderen Maler, von dessen Hand vier Bruch- stuͤcke eines Altares (Madonna, s. Joh. Ev., s. Paul und ein heil. Moͤnch, wohl s. Auton Abbas ), welche in der Gallerie der siene- sischen Academie No. 13. (Katalog No. 10. ) aufgestellt sind. Auf dem Schwerdte s. Pauls stehet: SEGNA ME FECIT. Man haͤlt diesen Maler fuͤr den Meister des Duccio , dem er in der That, zwar technisch nachsteht, doch im Absehen und Wollen verwandt ist. — Ueber den Sieneser Ugolino , welcher ungefaͤhr in diese Zeit einfallen muͤßte, habe ich nichts Sicheres aufgefunden. — Wenn das Andachtsbild in Orsanmichele (zu Florenz ) von seiner Hand ist, wie Vasari behauptet, so gehoͤrt er zu den besten Meistern der Zeitgenossenschaft des Cimabue . In wie weit dieselben uͤber das Handwerksmaͤßige hinausgegangen, ist nicht wohl mehr zu entscheiden, da man in den Urkunden die- ser fruͤhen Zeit auch die Anstreicher und andere Handwerker, welche ihre Arbeiten durch Bemalung verschoͤnten, zu den Ma- lern zaͤhlte, zu deren Zunft sie, politisch angesehen, gehoͤrten. Wenn nun auch die Mehrzahl der fruͤher bekannten und so eben von mir ergaͤnzten Malernamen, mit denen wir in Ermangelung von malerischen Denkmalen keine bestimmte Vorstellung verbinden koͤnnen, das Verdienst des Guido , des Dietisalvi und Duccio nicht erreicht haben sollten, so werden wir doch wenigstens von denen, welche die Buͤcher des Kaͤm- merlings bemalt haben, annehmen muͤssen, daß sie sich auf die Figur verstanden, mithin der Nachfrage nach heiligen Dar- stellungen, welche zu jener Zeit die belebteste war, haben ge- nuͤgen koͤnnen. Die fruͤhe Entwickelung der sienesischen Malerschule ist demnach ganz ausgemacht; und in der That hat dieselbe schon damals gewisse Eigenthuͤmlichkeiten der Technik, wie der gei- stigen Auffassung aus sich entwickelt und dargelegt, welche sie bis auf den Taddeo di Bartolo oder bis gegen 1420. stand- haft beybehalten; weßhalb ich mir nicht erklaͤren kann, daß Vasari ihr Unterscheidendes nicht wahrgenommen und so viel Andere hat verleiten koͤnnen, diese Schule gleich ihm aus der florentinischen abzuleiten. Hatte doch Ghiberti , dem Vasari in vielen Dingen gefolgt ist, das Verhaͤltniß beider Schulen ganz richtig aufgefaßt; besaß er doch als groͤßter Kuͤnstler seiner Zeit, als Florentiner, also unpartheylicher Zeuge, als Kenner der sienesischen Schule, da er wiederholt in Siena gelebt und gearbeitet hatte, endlich selbst, weil er der Zeit, von welcher die Rede, sehr nahe stand, in diesem Falle die mannichfaltigsten Anspruͤche auf historische Glaubwuͤrdigkeit! Die kunstgeschichtlichen Nachrichten des Ghiberti eroͤffnet ein Abschnitt, welcher ganz der florentinischen Schule gewid- met und bis zum Arcagnuolo ( Orgagna ) durchgefuͤhrt ist; nach- dem er von dieser abgebrochen, hebt er ganz von Neuem an: „Es gab in der Stadt Siena vortreffliche und geschickte Meister. Unter diesen war Ambruogio Lorenzetti ein beruͤhm- ter und ausgezeichneter Meister, welcher viele Werke vollbracht hat.“ Nachdem er darauf die Werke dieses und anderer siene- sischen Maler, des Simon , Lippo und Barna aufgezaͤhlt, schließt er, indem er nachholt: „Es gab in Siena noch den Duccio , welcher die griechische Manier beybehalten; und von seiner Hand ist die Tafel des Hauptaltares im Dome zu Siena , auf der Vorseite derselben u. s. f. Viele Maler, er- zaͤhlt er weiter, besaß die Stadt Siena und war fruchtbar an erstaunlichen Talenten, deren Viele wir auslassen, um nicht weitschweifig zu seyn.“ Lor. Ghib. MS. cit. fo. 9. a tergo. Ghiberti also, der, bey dem lebhaftesten und freudigsten Bewußtseyn der Vorzuͤge seiner Vaterstadt, doch von jener patriotischen Grille der Florentiner noch durchaus frey war, kannte und schaͤtzte die sienesische Schule, als eine eigenthuͤm- liche, fuͤr sich bestehende. Die allgemeinen geschichtlichen Ver- haͤltnisse waren, wie wir uns fruͤher erinnert hatten, waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes den Sienesern ungleich guͤnsti- ger, als den Florentinern. Endlich haben wir auch urkund- liche Zeugnisse fuͤr die fruͤhe Entstehung, den Fortgang, die Leistungen der sienesischen Schule, in hinreichender Fuͤlle ge- sammelt. Sehn wir nun, ob die Geschichte der florentinischen reichhaltiger und besser begruͤndet sey, wie doch die Ableitun- gen des Vasari und Baldinucci , wenn sie anders Grund haben sollten, voraussetzen ließen. Allerdings wird es auch zu Florenz , welches seit dem eilften Jahrhunderte, zwar noch fuͤr lange nicht als ein herr- schendes, doch immer schon als ein bluͤhendes und zunehmen- des Gemeinwesen zu betrachten ist, seit den aͤltesten Zeiten Maler gegeben haben, welche ihre Fertigkeiten vom Meister zum Schuͤler fortpflanzten und die genuͤgsamen Anfoderungen ihrer Zeitgenossen befriedigten. Obwohl mir die voraussetzliche Hauptquelle der aͤlteren florentinischen Kunstgeschichte, das Archiv der Riformagioni, nicht zugaͤnglich gewesen, so entdeckte ich doch, im Archive Arch. de’ Canonici del Duomo di Firenze , Pergamene, No. 323. — In Dei nomine amen. Millesimo ducentesimo vigessimo quarto. Idus febr. Indict. tertiadecima feliciter. Certum est, quod dominus Dictifeci, Dei gratia prior et custos ecclesie et canonice ecclesie sce. Marie majoris con cumsensu parabula suorum canoni- corum et non ad dapnitatem prefate ecclesie, set pro solvendo debito Magistro Fidanza dipintori, unde ecclesia gra- vata erat, quod ali̅u̅ desolvi non valebat. Vendidisse et tradidisse jure libellario Bonajuto fil. tedalgardi et ejus heredibus in propri- um unam domum etc. — pretio et pagamento librarum viginti un̅a̅ pisane monete, sicuti continetur et apparet scriptum in instru- mento emptionis domus etc. — Actum in clastro ecclesie et cano- nice sc̅e̅ Marie majoris Flor. — Ego Orlandus judex et not. etc. der florentinischen Domherrn, den Na- men eines Malers, Fidanza , welcher um das Jahr 1224. gelebt haben muß, da die Vorsteher einer florentinischen Kirche sich damals eines Hauses entaͤußerten, um ihn, vermuthlich fuͤr eine Kunstarbeit, zu bezahlen. Dieser Maler ist dem Lanzi entgangen, welcher in dieser Untersuchung sich begnuͤgt, einen Bartolommeo anzufuͤhren, dem man, nach moͤnchischen Traditio- nen, jenes Wunderbild der Verkuͤndigten beymißt, welches noch immer zu Florenz in der Kirche der Serviten bewahrt und verehret wird. S. Lanzi sto. pitt. scuola Fior. Ep. I. Da nun auch Andrea Tafi bis dahin auf keiner umstaͤndlich bekannten Urkunde, vielmehr nur auf sehr allgemeinen Anfuͤhrungen oberflaͤchlicher Forscher beruhet, Richa , delle Chiese di Fir. da, sey es durch Unfleiß der florentinischen Forscher, oder durch Luͤckenhaftigkeit der Archive, sogar Cimabue mit allen ihm von Vasari und Spaͤteren beygemessenen Werken nirgend urkundlich bewaͤhrt ist: so ergiebt sich, daß die florentinische Kunstgeschichte waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes der sienesischen an Begruͤndung und innerem Reichthum um Vie- les nachsteht; daß, selbst wenn die Florentiner in diesem Zeit- raume ihre Nachbaren wirklich im Geiste und im Geschicke der Kunst uͤbertroffen haͤtten, doch immer der Beweis nicht wohl zu fuͤhren waͤre, was uns minder beunruhigen wird, da wir bey dieser Frage durchaus nicht betheiligt sind. Ungeachtet dieser Dunkelheiten, welche zum Theil auch daher zu erklaͤren seyn moͤgen, daß so viele der aͤltesten floren- tinischen Denkmale (s. Piero Scheraggio, sta Reparata, alle aͤltere Pfarrkirchen, mit Ausnahme einiger noch vorhandenen Vorhallen; roͤmischer Alterthuͤmer, des Parlagio u. a. nicht zu gedenken) durch die Baulust und Prachtliebe spaͤterer Zei- ten verdraͤngt worden sind, bin ich fest uͤberzeugt, daß die florentinischen Maler schon im dreyzehnten Jahrhunderte Ta- lent gezeigt und mit ihren Zeitgenossen Schritt gehalten haben. Die Florentiner hatten schon seit dem eilften Jahrhundert in der Baukunst einen damals noch ungewoͤhnlichen Sinn fuͤr Ebenmaß dargelegt; sie hatten in der zweyten Haͤlfte des dreyzehnten bereits einige Schriftsteller hervorgebracht, welche alle Vortheile des toscanischen Idiomes benutzten und im Wortgebrauche, wie in der Construction noch immer fuͤr mu- sterhaft gelten. Da zudem die beiden großen Tafeln, welche Vasari dem Cimabue beygelegt, (die beruͤhmtere in sta Maria novella, die andere, aus sta Trinita , in der Gallerie der flo- rentinischen Kunstschule) sicher florentinische Arbeiten sind, so werden wir nicht anstehen duͤrfen, dieser Schule, bey achtens- werther Steigerung der Geschicklichkeit, auch eine entschiedene Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Geistes einzuraͤumen. Nicht, weil Vasari Solches bestimmt zu wissen vorgiebt, vielmehr aus anderen, allgemeineren Gruͤnden glaube ich, daß jene beiden großen Tafeln in der That von Cimabue gemalt worden. Allerdings konnte Vasari , da er uͤberhaupt nirgend auf den Grund gegangen, da die Malereyen in Klosterkirchen meist Geschenke und daher unbekundet sind, da ihn hier nicht einmal Aufschriften leiteten, durchaus nur durch oͤrtliche Tra- ditionen bestimmt worden seyn, die erwaͤhnten Tafeln dem Cimabue beyzulegen, welche in diesem Falle vielleicht an sich selbst verdaͤchtig sind, weil Cimabue seit Giotto’s Umwaͤlzung der italienischen Kunstmanieren veraltet und fast vergessen war. Erwaͤgen wir indeß, daß beide Tafeln bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes die Hauptaltaͤre zweyer ansehnli- chen, verehrten, stark besuchten Klosterkirchen zierten; daß sie in ungewoͤhnlichen Dimensionen ausgefuͤhrt waren und selbst denen auffallen mußten, welchen die Manier grell und absto- ßend zu seyn schien; daß Cimabue , wie man immer seine Manier gering schaͤtzen mochte, doch durch das vielgelesene Gedicht des Dante im Andenken gebildeter Menschen sich er- halten mußte und, wie Ghiberti’s und Filippo Villani’s Er- waͤhnungen zeigen, wirklich darin fortlebte: so werden wir die Wahrscheinlichkeit zugeben muͤssen, daß man, als Vasari schrieb, noch wissen konnte, vielleicht noch wissen mußte, wer jene auffallenden Tafeln gemalt hatte. Diese treffen zudem mit jener allgemeinen Charakteristik des Kuͤnstlers uͤberein, welche wir dem Ghiberti verdanken; denn sie sind wirklich, die eine streng in griechischer Manier gemalt, die andere we- nigstens voll griechischer Eigenthuͤmlichkeiten. Da jene erste Tafel mit den Propheten und Patriar- chen in Manier und Auffassung den neugriechischen Malereyen noch so nahe steht, so ist sie sicher auch die aͤltere; hingegen die andere, in sta Maria novella, die neuere, weil sie bereits, vornehmlich in der Figur des Kindes und in den Koͤpfen der Engel, nicht so ganz erfolglose Beobachtung des Lebens ver- raͤth; weil namentlich das Fleisch bereits einen helleren Ton annimmt, die Behandlung desselben endlich schon etwas ver- waschener ist. Aus diesen Merkmalen schließe ich, daß Cima- bue in einzelnen Parthieen seiner Gemaͤlde versucht habe, die malerische Technik der neueren Griechen abzuaͤndern. Denn es scheint das zaͤhere Bindemittel der Griechen des Mittelal- ters einen festeren, gestrichelten, oder scharf hingesetzten Auf- trag zu erfordern und jene fluͤssigen Ueberzuͤge auszuschließen, durch welche die Italiener, vornehmlich seit Giotto , ihre Ma- lereyen a tempera zu verschmelzen pflegten. Zu dieser Neue- rung duͤrfte dann, nach obigem Beyspiel, Cimabue den ersten Anstoß gegeben haben und eben hiedurch vielleicht das Ge- ruͤcht veranlaßt worden seyn, daß er seinerzeit der Erneuerer, bald gar der Begruͤnder der neueren Kunst gewesen sey. Ge- wiß waren die Kunstansichten jener alten Italiener, welche wir schwaͤrmerischen Deutschen so gern in die eingebildeten Raͤume versetzen, im Ganzen sehr derb und practisch, weßhalb sie mit groͤßter Dankbarkeit der Erfindung und Anleitung zu Griffen und Vortheilen der Handhabung zu gedenken pflegten, hingegen gar selten sich darauf eingelassen, den Geist großer Kuͤnstler nach seiner Hoͤhe, Tiefe und Breite auszumessen. Wir selbst indeß werden in jenen Tafeln einen edlen, auf Wuͤrdiges und Hohes gerichteten Sinn anerkennen und verehren muͤssen. Allerdings verraͤth Duccio , besonders in dem Madonnenbilde seiner großen Altartafel, mehr Unabhaͤngigkeit von seinen griechischen Vorbildern. Auch wird man dem Sie- neser im Ganzen zugeben muͤssen, daß seine Gestalten einen liebenswuͤrdigen Ausdruck von Guͤte und Milde besitzen, wel- cher anziehender ist, als die herbe und strenge Eigenthuͤmlich- keit des Cimabue , dessen Bildungen ein gewisses einseitiges Streben nach Wuͤrde und Ehrfurcht gebietender Hoheit an den Tag legen. Moͤge er nun immerhin diese Richtung mit un- zulaͤnglichen Kraͤften verfolgt haben, so verdient doch sein Streben, besonders der Muth, sich in groͤßere Dimensionen zu wagen, die Anerkennung und Verehrung der Billigen. Doch, wenn uns Vasari und Spaͤtere versichern, daß Cimabue in der Malerey eine Schule gegruͤndet und ein neues und besseres Bestreben verbreitet habe, so uͤbersehen sie, daß sein Ziel nicht in Neuerung, sondern nur in einer hoͤheren Ausbildung der vorgefundenen Vorstellungen und Handhabun- gen der Kunst bestanden. Uebrigens pflegen dieselben Schrift- steller um wenige Zeilen spaͤter selbst anzunehmen: daß jene durchgehende Erneuerung der italienischen Malerey, welche sie aus Gewoͤhnung schon dem Cimabue beygelegt hatten, um einige Jahrzehende spaͤter eingetreten und von Giotto ausge- gangen sey, welches Letzte ich in nachstehender Untersuchung umstaͤndlicher zu entwickeln und sicherer zu begruͤnden hoffe, als vor mir geschehen ist. Urkund- Urkundliche Belege und Anlagen. I. Archivio dell’ opera del Duomo di Siena . Libro E. 5. Deliberationi. 1) p. 76. sec. — (Giugno 1445.) — deliberarono — che Misser Gio. operaio predetto che lui possa ed abbia piena autorità e commissione di potere fare e facci fare uno pavimento in duomo verso sco Sano, come allui parrà et piacerà e che lui n’abbia piena au- torità e commissione etc. 2) p. 98. sec. Die VI. mensis Augusti (1448.) — che (l’operaio) possi far fare ne la chiesa cathe- drale lo spazo, che é a lato al coro di verso la cappella di s. Bastiano di marmo, con quelli intagli, compassi, figure ed ornamento, che gli parrà. Il Libro E. 4. Memorie. 3) p. 21. (1451.) — Memoria come questo di XI. di magio abiamo allogato a maestro antonio federighi , capo maestro dell’uopera il riempire dinanzi alla porta di mezo di san Giovanni fra’ pilastri di detta porta di marmo e murato a tutte sue spese, cio é, di detto marmo, calcina, rena e magistero, nel quale ripieno de’ fare una storia a trapano Haueisen. rienpita di stu- cho, la quale storia debba essere fatta in questo modo: prima uno prete ed uno chericho, parato come si richi- ede al battesimo, quando si battegia, coruna — con una. — donna II. 3 coruno citolo cito, citolo, sienesisch, fuͤr bambino, putto etc. (in anderen Dialecten: zitello, zitella). in braccio, quattro Donne datorno al fanciullo, cio é, due esmantate, duo amantate con due huomini, paino conpari etc. uno citolo grandicello con la chandela sia a conpangnia di dette donne, e alloro contra giovani da chanto e dispersse da sopradetti nominati, coruno chagnuolo tra loro, paia di loro e sia levato co’ piei dinanzi, lo facci charezze. Del quale lavoro li dobbiamo dare Lire quattro soldi otto a braccio quadro, cio é d’ongni braccio quadro, montasse detto ri- pieno e lavoro etc., già più tempo alogamo detto lavoro. El quale deba essare datorno ricinto, di fregi, come appare per uno disengnio di mano di Stagio dipentore. 4) Ib. p. 21. sec. Memorie come oggi questo di XI. di magio abiamo allogato a bartolomeo ........ detto il mandriano a fare uno ripieno da piè alla porta fra l’una mora e l’altra overo pilastro della porta, viene appiei le schale, vanno suso al Duomo di sco Giovanni, nel quale ripieno de’ fare una storia chavata con trapano rienpita di stucho, con fregi din- torno a detto ripieno, in mezo del quale de’ fare uno parto di donna in uno letto e lettiera, gofani e gradi sotto uno porticho overo logia, a la quale alletto (ha il letto) e guanciale e copertoro di detto letto; a piei del quale sia una altra Donna, sega (segga) in sullo gofano con tende di torno al letto ed a’ piei del detto grado sia uno fanciullo in una pila, overo concha, si lavi per due Donne, con uno changnuolo. Del quale lavoro li dobiamo dare Lire quattro soldi otto del braccio a braccio quadro, a tutti suoi marmi, murata a sua chalcina e rena ed ogni magisterio d’acordo con lui più tempo fa. Eod. libro et anno p. 24. 5) Memoria chome é ss. questo di primo d’aghosto aloghiamo ed aviamo allogato a maestro Chorso di m° Bastiano, maestro di concio di marmo, a rìempire fra la porta del perdono del duomo lo spazo di marmo rosso e nero e biancho chon più figure dentrovi, cioé: dicienove fighure di naturale fatte a trapano, chon uno baldachino a capo a l’inmagine del papa e chon fogliami d’intorno e chon una crocie di- nanzi al papa; le qua’ figure deno essare spartite l’una dall’ altra, se tanto campo vi sarà, e senno (se no) chome capire vi potranno; de le qua’ fighure ed altre cose, chome di sopra apare per uno disengnio fatto di mano di guaspare dipintore nostro maestro, el quale é appresso di detto chorso, del quale dutto lavorio, chome del opera gli dobiamo dare di danari, alluipare, lire quattro soldi dieci del braccio lavorato a trapano bene e diligentemente — el quale tutto lavoro de’ mu- rare, porre e lavorare a tutta sua spesa d’ongni e cia- schuna cosa, ecietto che de’ marmi, che glil’ dobbiamo dare rozi ellui a le sue spese lavorargli de’ qua’ danari gli dobiamo fare prestanza per parte di pagamento f. ducenti dieci larghi; e del resto montare detto lavoro dalglili (darglieli) in due paghe; la prima dalglili a mezzo ottobre, el resto quando arà fatto e posto e mu- rato detto lavorio. 3 * II. Angebliche, aber unbeglaubigte Werke des Duccio und Cimabue . Da Vasari das Hauptwerk des Duccio , seine Tafel im Dome zu Siena , nicht gesehn hatte, weil sie seinerzeit an die Seite geraͤumt worden (s. vita di Duccio ); da ihm auch sonst in der Vaterstadt des Kuͤnstlers kein Bild vorgekommen war, welches dort als dessen Arbeit waͤre bekannt gewesen: so werden wir annehmen koͤnnen, daß er die Merkmale und Eigenthuͤmlichkeiten dieses Kuͤnstlers nicht kannte und ganz unfaͤhig war, uͤber die Aechtheit derjenigen Bilder zu entschei- den, welche er nach eignen oder fremden Vermuthungen zu Florenz , Pisa und anderen Orten fuͤr Werke des Duccio aus- gegeben. Baldinucci glaubte in einem dieser Gemaͤlde, damals in sta Trinita zu Florenz , die Schule des Giotto zu erkennen, womit Lanzi , welcher das Bild (eine Verkuͤndigte) noch vor Augen haben mußte, nicht einverstanden ist, ( sto. pitt. scuola Tosc. Ep. 1.). Diese Verschiedenheiten in der Beurtheilung der Manier jenes Bildes erhoͤhen die Glaubwuͤrdigkeit der Angabe des Vasari keinesweges, welcher in diesem Falle ge- wiß keinen Aufschriften folgte, weil er, nach seiner allgemei- nen Neigung solcher Beglaubigungen zu erwaͤhnen, hier, wo es galt, seine Armuth an sicheren Nachrichten ein wenig auf- zustutzen, gewiß nicht versaͤumt haben wuͤrde, davon Gebrauch zu machen; so wie andererseits vorauszusetzen ist, daß irgendwo in solchen Aufschriften Jahreszahlen wuͤrden vorgekommen seyn, aus denen Vasari seine falsche Zeitbestimmung der Wirk- samkeit unseres Meisters haͤtte berichtigen koͤnnen. — Ohne- hin befindet sich kein einziges dieser angeblichen Werke des Duccio noch an den Stellen, welche Vasari bezeichnet. Hingegen sind in der Kirche, s. Francesco d’Asisi, die Frescomalereyen, welche Vasari ohne alle Begruͤndung durch Urkunden oder Aufschriften dem Cimabue beylegt, nebst anderen, von Neueren nach einem anmaßlichen Kennergefuͤhle dem Giunta beygemessenen, noch immer, obwohl meist in schlechtem Stande vorhanden. Diese Arbeiten muͤssen nach dem Jahre 1220. beschafft wor- den seyn, weil die Kirche vor dieser Zeit nicht vorhanden war; sie koͤnnen nicht wohl uͤber das Jahr 1300. hinausreichen, weil sie in roher Nachahmung der byzantinischen Manier ge- malt sind, welche, wie wir wissen, um das Jahr 1300., theils verbessert, theils gaͤnzlich aus dem Geschmacke und aus der Kunstuͤbung der Italiener verdraͤngt wurde. Wer indeß wei- ter gehen und in Malereyen, welche aus befangener Nachah- mung hochalterthuͤmlicher Typen und Manieren hervorgegan- gen sind, in denen folglich hoͤchstens ein ganz allgemeiner, oͤrt- licher und zeitlicher Charakter vorhanden ist, schon die Eigen- thuͤmlichkeit bestimmter Meister erkennen will, verschwendet seine Anstrengungen, verliert sich in eine fruchtlose und in so fern es von Belang ist, in geschichtlichen Dingen, Vermuthen und Wissen getrennt zu halten, auch nachtheilige Selbsttaͤu- schung. — In dem Kataloge, Gallerie de Mr. Massias etc. Paris 1815. 8. p. 147. pl. 71. wird ein Bildniß im Ge- schmack und in der Bekleidung der spaͤteren Haͤlfte des funf- zehnten Jahrhundertes fuͤr ein Werk unseres Cimabue ausge- geben. L’exécution de ce portrait, versichert der Pariser, remonte au 13me Siècle etc. So keck und frech ist die kunsthistorische Luͤge selbst in diesem großen Mittelpunkte der Kennerschaft und des Kunsthandels! Es ist in der That eben so unmoͤglich, als unwichtig, bey allen noch vorhandenen Malereyen des dreyzehnten Jahr- hundertes den Meister aufzufinden und anzugeben. Wir ken- nen, wiederhole ich, von so vielen Malern die dazumal den taͤglichen Anfoderungen des kirchlichen Herkommens gedient haben, nur einige wenige Namen und koͤnnen nur bey einzelnen unter den erhaltenen Gemaͤlden, den Meister urkundlich, oder durch Gruͤnde erweisen. — Daß man zu jener Zeit auch in Umbrien in griechischer Manier gemalt, ergiebt sich nicht allein aus jenen Mauergemaͤlden und Crucifixen zu Asisi ; auch zu Perugia finden sich einige Tafeln dieser Art, in san Bernar- dino z. B. ein altes Crucifix, worin Christus nach griech. Typus, mit stark ausgesenktem Unterleibe. Die Nebenwerke (am Ausgang der Arme des Kreuzes: Maria, Johannes ; Gott Vater, darunter die Mutter zwischen zwey klagenden Engeln, zu Fuͤßen s. Franz in kleineren Dimensionen) ent- halten vermischte barbarisch-italienische und byzantinische Ty- pen und Manieren. Die Aufschrift dieses Bildes: † anno domini MCCLXXII. tempore Gregorii PP. X. — Woll- ten wir etwa auch dieses Gemaͤlde in Ermangelung eines an- deren Namens dem Cimabue beymessen? Deutet es nicht vielmehr auf minder entschiedene Nachahmung griechischer Vorbilder, als damals im inneren Toscana uͤblich war? Aelter schien mir in derselben Stadt die Altartafel der Kirche s. Egidio (collegio de’ nobili di mercanzia), welche in fuͤnf oben rundgeschlossenen Feldern verschiedene Heiligen enthaͤlt. Andere Alterthuͤmer des dreyzehnten Jahrhundertes finden sich in der Sammlung der Academie zu Perugia . — Die colossale Madonna, maestà delle volte, macht schon den Ueber- gang zur giottesken Manier; die Augen sind schon verlaͤngert, deren Umrisse einander angenaͤhert; die Modellirung uͤbrigens gegenwaͤrtig durch Uebermalung unsichtbar. IX. Ueber Giotto . Ille ego sum per quem pictura extincta revixit. Cui quam recta manus, tam fuit et facilis. Naturae deerat nostrae, quod defuit arti. Plus licuit nulli pingere nec melius . Miraris turrem egregiam sacro aere sonantem. Haec quoque de modulo crevit ad astra meo. Denique sum Jottus. Quid opus fuit illa referre. Hoc nomen longi carminis instar erit . Obiit an. MCCCXXXVI. cives pos. b. m. MCCCCLXXXX. Von einem bekannten Denkmale im florentinischen Dome. Die Denkschrift wird dem Angelus Politianus beygelegt; die Buͤste dem Benedetto da Majano . Diese Denkschrift ist gleichsam das offizielle Manifest einer stehenden Meinung, welche zu Florenz schon seit der Mitte des vierzehnten Jahrhundertes Fuß gefaßt hatte; sie bewaͤhrt die Richtigkeit jener alten Bemerkung, daß, wer in irgend einem Dinge den Ton angegeben, bis dahin unbekannte, oder seit einer laͤngeren Zeit vergessene Kunstgriffe aufgefun- den, in der Regel mehr Nachruhm erwirbt, als wer auf schon betretener Bahn das Ungemeine und Ueberschwengliche leistete. Das Andenken der Neuerungen, welche Giotto in die Male- rey eingefuͤhrt, blieb bey seinen Schuͤlern und Nachahmern wohl ein Jahrhundert lang lebendig; die Verehrung der Ma- ler, denen er den Ton und die Richtung gegeben, traf eben in die schoͤnste Epoche der toscanischen Literatur, deren beste und gelesenste Schriftsteller ihrer Gesinnung die Feder geliehen haben. Je mehr die Zeit die Leistungen des Giotto der Pruͤ- fung entruͤckt und der Phantasie einen freyeren Spielraum gewaͤhrt, die nothwendig sehr allgemeinen Lobspruͤche der Schriftsteller ins Schoͤnere auszubilden, um so mehr wird anch sein Nachruhm wachsen und gedeihen muͤssen. — Indeß moͤchte es noch immer an der Zeit und an sich selbst nicht unersprieß- lich seyn, seine historische Stellung, seine Geistesart und Rich- tung, wie endlich auch die Beschaffenheit seiner kuͤnsilerischen Leistungen historisch zu begruͤnden. Versuchen wir vorerst aus den erhaltenen und zugaͤnglichen Quellen seiner Geschichte solche Zuͤge hervorzuheben, welche uͤber das Allgemeine hinaus und schon mehr in das Bestimmte und Einzelne eingehn. In wiefern Giotto auf die Kunstuͤbung seiner Zeitgenossen eingewirkt, duͤrfen wir vornehmlich aus den Andeutungen jener kuͤnstlerischen Schriftsteller kennen lernen, welche mir schon einmal, bey Entwickelung der Beschaffenheit des byzantini- schen Einflusses, und des Zeitpunktes, in welchem derselbe ein- getreten, nicht unwichtige Dienste geleistet haben. Unter die- sen eroͤffnet Ghiberti seinen Abriß der neueren Kunstgeschichte durch eine Kuͤnstleranecdote, welche Vasari ihm nacherzaͤhlt. Sie scheint mir zu schoͤn um wahr zu seyn; und da es auch aͤußere Gruͤnde giebt, zu bezweifeln, daß Giotto der Schuͤler des Cimabue , Cennino di Drea Cennini , trattato etc., steigt bis zum Giotto hinauf, ohne seines Lehrmeisters zu erwaͤhnen. der Sohn eines Bondone Ghiberti hatte, worauf ich zuruͤckkommen werde, eine gewesen sey, so werde ich diese, mehr anmuthige, als lehrreiche Erzaͤhlung ganz uͤbergehen duͤrfen. Ueberhaupt wird in den Nachrichten, welche Ghiberti vom Leben und Wirken des Giotto ertheilt, das Wesentliche und Allgemeine, nach Abstreifung der Wie- derholungen und Unbehuͤlflichkeiten seines Ausdruckes, in fol- gende Saͤtze zu fassen seyn: „ Giotto bildete sich in der Maler- kunst zu einem großen Meister; er fuͤhrte die neue Kunst laͤngere Zeit zu Siena verweilt, wo er Arbeiten vollbracht, welche, eben wie die betreffenden Verhandlungen und Zahlungen an den Kuͤnstler, noch vorhanden sind. Dort konnte er von einem Giotto , Sohn des Bondone gehoͤrt haben, welcher unserem Kuͤnstler ganz gleichzeitig dem sienesischen Staate als diplomatischer Agent ge- dient hat und sicher kein Maler und kein Florentiner war. — Ar- chiv. della gen. Biccherna di Siena . B. To. 103. fo. 187. anno 1310 (1311.) X. Marzo. CXVIII. Libr. a Giotto Bondoni Ambascia- dore del commune di Siena da fuore di Toscana per lo fatto de- lo’mperadore per suo salario di ciuquanta e nove di del mese di Gien. e Febrajo a ragione di 40 Soldi il Di . Dass. eod. To. fo. 234. di XXI. di magio, und fo. 253. di XXI. di Giugno . Ferner B. To. 126. anno 1321. XXVIII. di Luglio lib. XI. Soldi VI. den. — Anco a Giotto Buondoni — per suo salario di basciata — und der Gegenposten uscita, eod. libr. fo. 5. XXVII. di Luglio. Anco a Giotto buondoni ibasciatore del commune di Siena etc. Zuerst erscheint dieser Giotto in diesem Arch. B. To. 99. anno 1301. fo. 250. a tergo, als: offitiale del commune di Siena ; er wird wegen gewisser, secreta, ausgesandt. Eod. To. fo. 259. — a Giotto buondoni Ugieri ; hiemit haben wir auch den Namen seines Großvaters. B. To. 104. anno 1310. erscheint er ebenfalls auf verschiedenen Seiten. — Da ein so thaͤtiger Diener des Gemeinwesens nach etwa hundert Jahren noch in der Erinne- rung seiner Mitbuͤrger fortleben mußte, mochte Ghiberti von ihm gehoͤrt und ihn mit unserem Kuͤnstler verwechselt haben. — Beide Namen sind so selten, daß ihr gleichzeitiges Zusammentref- fen in zwey verschiedenen Personen, nicht ohne urkundliche Beweise anzunehmen ist. herbey und verließ die rohe Manier der Grie- chen . Lor. Ghib. MS. s. c. fo. 7. a. t. — Fecesi Giotto grande nell’ arte della pittura. Arrechò l’ arte nuova, lasciò la ro- zeza de’ Greci . — — Viele seiner Schuͤler waren kunstgerecht gleich den alten Griechen. Das. — et assai discepoli furono tutti dotti al pari delli antichi Greci . Giotto sah in der Kunst, was An- deren unerreichbar geblieben. Er fuͤhrte die Natuͤrlich- keit und Anmuth herbey , ohne uͤber das Maß hinaus- zugehn.“ Das. Vide Giotto nell’ arte quello, che gli altri non ag- giunsono. Arecò l’arte naturale e la gentileza, con esso non uscendo dalle misure . In Uebereinstimmung mit diesen Angaben und Urtheilen des Ghiberti meldet auch dessen Zeitgenoß, oder naher Vorlaͤufer, Cennino : daß Giotto von den Griechen ab- gewichen sey und die Kunstuͤbung der Italiener durchaus er- neut habe. Cennino di Drea Cennini tratt. (Bibl. Med. Laurent. plut. 78. cod. 23. No. 2. p. 2.) — Il quale Giotto rimutò l’arte del di- pingnere di Grecho in Latino e ridusse al moderno ; ed ebe l’arte più compiuta, che avessi mai più nessuno . Hierin werden diese Schriftsteller glaubwuͤrdi- ger seyn, als einige Neuere zugeben wollen. Denn Cennino hatte bey Agnolo Gaddi , dem Großschuͤler des Giotto , ge- lernt; Ghiberti war kaum funfzig Jahre nach Giotto’s Able- ben geboren; beide hatten ihren Sinn fuͤr kuͤnstlerische Dinge geschaͤrft. Zudem wird, wie ich spaͤter zeigen will, jene von ihm angedeutete Umwaͤlzung, durch alle zuverlaͤssige Denkmale bestaͤtigt. Doch fragt es sich hier, worin denn Giotto von den Byzantinern abgewichen, in wie fern er als Stifter zu betrachten sey. Voͤllig uͤbereinstimmend bezeichnen beide Schrift- steller zunaͤchst eine Erneuerung der Manier, oder der techni- schen Behandlung, und in der That ergiebt es sich aus den sicheren Malereyen des Giotto und seiner florentinischen Zeit- genossen, daß er das zaͤhere Bindemittel der griechischen Ma- ler ganz aufgegeben hat und zu jenem fluͤssigeren und minder verdunkelnden zuruͤckgekehrt ist, dessen die aͤlteren italienischen Maler, ehe sie zur griechischen Manier uͤbergingen, lange Zeit sich bedient hatten. S. oben Abth. VII . Allerdings wußte er aus diesem Bin- demittel, in welchem die geklaͤrte Milch junger Sprossen und gruͤner Fruͤchte des Feigenbaumes den Grundbestand bildet, schon ungleich mehr Vortheil zu ziehn, als jene rohesten Ma- ler des Mittelalters. Doch moͤchte Cennino , der seine ganze Aufmerksamkeit auf die Technik der Malerey gewendet hatte, nur diese Ruͤckkehr zu den heimischen Gewohnheiten im Sinne haben, wo er sagt, daß Giotto die Malerey aus dem Grie- chischen ins eigenthuͤmlich Italienische abgeaͤndert habe. Ghiberti hingegen bezeichnet deutlich genug, daß Giotto auch in der allgemeineren Richtung des Sinnes, in der Wahl und Behandlung seiner Aufgaben, die erfolgreichsten Neuerun- gen eingefuͤhrt hatte. Wie wir uns aus den fruͤheren Unter- suchungen entsinnen, bewahrten die griechischen Maler, obwohl von eigenem Geiste entbloͤßt, die Typen vieler Vorstellungen und Charaktere, welche auf fruͤheren, begluͤckteren Stufen der christlichen Kunst waren ausgebildet worden. Die Wuͤrde und intensive Schoͤnheit dieser Gebilde war, weder dem Ci- mabue , noch vornehmlich dem Duccio so gaͤnzlich entgangen; sie hatten sie mit Freyheit nachgebildet, ihren Motiven nach- gespuͤrt, diese, durch Vergleichung mit dem Wirklichen, neu zu beleben gestrebt; und es war ihnen haͤufig gelungen, die mumienhafte Umhuͤllung davon abzustreifen, mit welcher die mechanischen Nachbildner des Mittelalters sie allgemach um- geben hatten. Giotto hingegen durchbrach die Schranken, welche jene noch anerkannt hatten, und entaͤußerte sich, indem er den Rost veralteter Manieren abwarf, zugleich des hohen, aͤcht christlichen und aͤcht kuͤnstlerischen Geistes, welcher selbst aus jenen so vielfaͤltig verkuͤmmerten Darstellungen noch immer hervorleuchtet. — Die Moͤglichkeit aller Neuerung beruhet auf Kraft; die Gesinnung aber, aus welcher der Neuerer entsteht, ist im Durchschnitt unheilig und frevelhaft. Waͤhrend wir in Giotto das Talent, den Muth, die Geisteskraft bewun- dern muͤssen, welche ihn erfaͤhigten, der Mehrzahl seiner Zeit- genossen eine durchaus neue Bahn vorzuzeichnen, werden wir doch nicht uͤbersehen duͤrfen, daß seine Richtung derjenigen, welche einige Neuere ihm willkuͤhrlich beygelegt haben, durch- aus entgegengesetzt ist. Wenn diese ihm unzweydeutig eine gewisse religioͤse Strenge des Eingehns in die vorwaltenden Kunstaufgaben seiner Zeit beylegen, seinen Werth eben nur in die Tiefe und Begruͤndung seiner Auffassung versetzen: so werden sie sich taͤuschen, wenn anders seinen naͤheren Zeitgenossen eine Stimme gebuͤhrt. Ueberall, wo diese etwas naͤher in den Charakter unseres Malers eingehn, verweisen sie, mit beachtenswerther Uebereinstimmung, auf Leichtigkeit, Neuheit, Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit, sogar, wie ich zeigen werde, auf einen gewissen Grad von Leichtfertigkeit und Nichtachtung der Sinnbilder des Heiligen; ganz wie es bey einem Neuerer vorauszusetzen war. Die Hingebung in eine solche Sinnesart mußte noth- wendig zur Objectivitaͤt fuͤhren; und, obwohl Giotto , nach damaligem hoͤchst niedrigem Stande der malerischen Technik, weder den Anschein der Dinge, noch ihren Charakter vollstaͤn- dig fassen und ausdruͤcken konnte, so wußte er doch seiner Darstellung so viel durchgehende Gleichmaͤßigkeit, den gegen- seitigen Beziehungen der Gestalten so viel Bewegung, Man- nichfaltigkeit und Ausdruck zu geben, als hinreichen mag, seine Richtung auf Beobachtung des ihn umgebenden Lebens zu be- waͤhren und zu erklaͤren, daß die Zeitgenossen, bey der jugend- lichsten Phantasie und in Abwesenheit von Gegenstaͤnden der Vergleichung, in seinen Malereyen einen taͤuschenden Anschein wirklichen Seyns und Geschehens wahrzunehmen glaubten. Eben wie Ghiberti , an einer oben ausgehobenen Stelle, von Giotto geruͤhmt hatte, er habe Natuͤrlichkeit in die Kunst eingefuͤhrt (was hier voraussetzlich nicht die Form, sondern die Handlung angeht), so schrieb auch Johannes Villani : Villani , Gio. Stor. Fior. libr. XI. cap. XII. Giotto unser Mitbuͤrger, welcher in der Malerkunst der groͤ- ßeste Meister war, den es zu seiner Zeit gegeben, und der- jenige, welcher jegliche Figur und Handlung am na- tuͤrlichsten dargestellt . Das. — e quegli, che più trasse ogni figura ed atti al na- turale, — genau genommen: welcher die Erscheinung der Dinge mit der groͤßten Treue und dem gluͤcklichsten Er- folge nachgeahmt hat . In demselben Sinne sagt Boccaz , obwohl nicht ohne rednerische Uebertreibung: daß die Natur nichts hervorbringe, was Giotto nicht bis zur Taͤu- schung nachgeahmt habe. Decamerone, giorn. sesta, Nov. V . Die Erwaͤhnungen des Dante und Petrarca , (der ihm jedoch seinen Simon von Siena gleichstellt) sind, gleich den Lobspruͤchen vieler florentinischen Geschichtschreiber, Z. B. Buoninsegni, Mr. Piero , Hist. Fiorentina. Fior. 1581. 4. Lib. II. p. 273. — si cominciò a fondare il campanile di sta Li- parata — e funne fatto capo maestro Giotto , cittadino Fior. e di- pintore maraviglioso sopra tutti gli altri, il quale mori poi a di 8 di Gennajo 1336 . — Das Lob des Giotto blieb seit Villani ein stehender Artikel der florentinischen Geschichtschreibung. zu allgemein, um ein bestimmteres Kenn- zeichen darzubieten. Hingegen zeigen uns einige Novellen des Boccaz und Sacchetti den Giotto als einen anstelligen Mann, von hellem, nuͤchternem Verstande, dem die Gegenwart klar vor Augen lag. „ Messer Forese da Rabatta, erzaͤhlt Boccaz , besaß, bey kleinem, mißgestaltetem Koͤrper, plattem und huͤndischem Ge- sichte, eine ganz ungemeine Rechtsgelehrsamkeit. Bey gleicher Haͤßlichkeit besaß Giotto einen so ausgezeichneten Geist, daß die Natur nichts hervorbringt, was er nicht mit dem Stifte, oder mit der Feder, oder mit dem Pinsel so aͤhnlich nachzu- bilden gewußt, daß Solches nicht sowohl dem Wirklichen aͤhnlich, als das Wirkliche selbst zu seyn schien. Und haͤufig hat es sich ereignet, daß man bey Wahrnehmung seiner Werke geglaubt, daß solches, so nur gemalt war, wirklich sey. Decam. g. e nov. cit . — Vielleicht erinnerte sich der classisch gebildete Boccaz an dieser Stelle irgend eines antiken Malermaͤhrchens. So lebhaft Giotto die Phantasie seiner Zeit- genossen anregen mochte, so konnte er doch schwerlich sinnliche Taͤu- schungen hervorbringen. Da nun zudem jene Kunst, nachdem sie so viel Jahrhunderte unter den Mißgriffen derer, welche nur zur Befriedigung un- wissender Menschen gemalt hatten, gleich wie begraben gele- gen, Diese Stelle hat offenbar dem Vasari , zu Anfang der von Giotto von Neuem war an das Licht gezogen, worden: so duͤrfen wir ihn mit Recht zu denen zaͤhlen, welche den Florentinern Ruhm gebracht haben; um so mehr, da er bescheiden den Namen eines Meisters Diese Angabe ist, wie schon Della Valle erinnert hat, unvereinbar mit einer Inschrift, welche ich nachtragen werde. abgelehnt, wiewohl er selbst der Meister von Anderen gewesen, welche dieser Be- nennung begierig nachgestrebt haben. Messer Forese und Giotto waren beide im Mugello (einer Landschaft, welche der Weg von Florenz nach Bologna durchschneidet) angesessen. Als nun Messer Forese einmal waͤhrend der Gerichtsfeyer seine Besitzungen besichtigt hatte und zufaͤllig auf einem schlechten Miethpferde zuruͤckritt, be- gegnete er dem Giotto , welcher die seinigen ebenfalls besucht hatte und nach Florenz zuruͤckkehrte. Dieser war, weder besser beritten, noch besser im Zeuge, als jener, so daß sie, langsam reitend, mit einander fortmachten. Zufaͤllig uͤber- raschte sie ein heftiger Sommerregen, welcher sie noͤthigte, bey einem ihnen befreundeten Bauern unterzutreten. Da nun der Regen anhielt und es sie draͤngte, nach Florenz zu kommen, so borgten sie von jenem Bauern ein Paar alte Pilgermaͤn- tel und zwey ganz abgetragene Huͤte, und machten sich damit Lebensbeschreibung des Giotto vorgeleuchtet, wo: — essendo sot- terrati tanti auni — i modi delle buone pitture — egli solo, an- cora che nato fra Artefici inetti, — quella, che era per mala via, risuscitò ed a tale forma riduste, ché si potette chiamar buona etc. — Es wird uns hier nicht entgehn, daß der gelehrtere Boccaz waͤhrend des Mittelalters nicht, gleich dem Ghiberti , eine gaͤnz- liche Unterbrechung, sondern nur einen tiefen Verfall der Kunst- uͤbung angenommen. — Uebrigens werden wir dem Meister des Begriffes nachsehn muͤssen, daß er mit den Bestrebungen, welche dem Giotto vorangegangen, nicht umstaͤndlich bekannt war, nicht selbst gesehn, sondern dem Tone und der Ansicht der Kuͤnstler sei- ner Zeit unbedingt nachgegeben hatte. auf den Weg. Als sie darauf eine Weile geritten und recht durchgeweicht, auch durch die Fußtritte der Pferde reichlich mit Koth bespruͤtzt waren, welches Alles den Leuten kein schoͤneres Ansehn zu geben pflegt, so erhellte sich allgemach der Himmel, was ihnen, nach laͤngerem Schweigen, endlich wiederum die Zunge loͤsete. Und indem Messer Forese dahinritt und dem Giotto zuhoͤrte, welcher sehr gut zu reden wußte, konnte er nicht umhin, ihn von allen Seiten und von Kopf zu Fuß zu betrachten, und, uneingedenk seiner eigenen Persoͤnlichkeit, uͤber dessen uͤbles und unscheinbares Ansehn zu lachen, indem er sagte: o Giotto , wenn uns jetzt ein ganz fremder Mensch be- gegnete, der Dich nie gesehn haͤtte, wuͤrde er glauben koͤnnen, daß Du der erste Maler der Welt bist ? Hierauf erwie- derte Giotto unverzuͤglich: allerdings, Messere , vorausgesetzt, daß er, Euch anblickend, glauben wuͤrde, daß Ihr das A. B. C. wisset. — Messer Forese erkannte sein Versehn und fuͤhlte, daß er mit gleicher Muͤnze bezahlt sey. In dieser Erzaͤhlung, deren Ausgang, wie es mir scheint, ziemlich nahe lag und mehr Geistesgegenwart und gesunden Mutterwitz, als ungewoͤhnlichen Geist bezeugt, erscheint unser Kuͤnstler als ein gewandter und practischer Mann, der von seinen Ersparnissen Guͤter angeschafft, seiner Wirthschaft die noͤthige Aufmerksamkeit zuwendet, mit Leuten aller Art zu leben und sich in Achtung zu erhalten weiß. Dieses Bild werden wir aus den Novellen des Franco Sacchetti ergaͤnzen koͤnnen. „Wer wuͤßte nicht, sagt Sacchetti , Novelle To. 1. Fir. 1724. novella LXIII . wie weit Giotto in der Malerey jeden Anderen uͤbertroffen hat. Nun ereig- nete nete sich’s, daß ein ungebildeter Handwerksmann, welcher wahrscheinlich ein Amt antreten sollte Das. — per andar in Castellaneria . — In dieser Andeu- tung liegt einige Bitterkeit. Sacchetti haßte die Theilnahme an den oͤffentlichen Geschaͤften, welche dazumal in vielen Staͤdten Ita- liens den niederen, minder gebildeten Volksclassen zugefallen war. und auf den Ein- fall gekommen war, sein Wappenschild malen zu lassen, gradezu mit Einem, der ihm das leere Schild nachtrug, in die Werkstaͤtte des Giotto eintrat. Gruͤß Dich Gott, Meister, sagte er zu Giotto , den er angetroffen; ich moͤchte, Du mal- test meine Wappen. Giotto , der sich den Mann und die Manie- ren ansah, antwortete rund: wann soll die Arbeit fertig seyn? und sagte, als er die Zeit erfahren: laß mich nur machen; worauf jener fortging. Giotto dachte nun bey sich selbst: hat man mir den Burschen zugeschickt, um mich zu foppen? in meinem Leben ist mir noch kein Wappenschild zugetragen worden. — Hier- auf bemalt er ihm das Schild mit allerley Wappenstuͤcken, Helm, Kuͤraß, Schwerdt und Lanze, geraͤth daruͤber mit Jenem in Streit und gewinnt, weil er besser bey Worte, den Pro- ceß. Dieser Scherz, der auf dem Doppelsinne des Wortes, arme, beruhet, zeigt uns den Giotto etwas eifersuͤchtiger auf seine Malerehre, als Boccaccio ihn sich dachte; uͤbrigens er- scheint er auch hier, wie dort, gewandt und weltverstaͤndig, des Ausdruckes maͤchtig und schnell im sich Besinnen und Beschließen. Diese Charakterzuͤge steigern sich in einer zwey- ten Novelle bis zum Leichtfertigen und Vermessenen. „Wer in Florenz bekannt ist, erzaͤhlt derselbe Novellist, Nov. LXXV . weiß, daß man den ersten Sonntag jedes Mondes nach san II. 4 Gallo zu gehen pflegt; und Maͤnner und Weiber gehen mehr zur Lust, als des Ablasses willen hinauf. An einem dieser Tage entschloß sich auch Giotto , mit seinen Freunden dorthin zu gehn; und, als er gerade in der Straße del Cocomero ein wenig Halt gemacht, um irgend eine Geschichte zu erzaͤhlen, kamen Schweine daher, deren eines den Giotto so heftig an- lief, daß er zu Boden fiel. Nachdem er nun mit Huͤlfe sei- ner Genossen sich aufgerichtet und abgestaͤubt hatte, hoͤrte man ihn weder den Schweinen fluchen, noch sich beklagen, vielmehr sagte er, zu den Freunden gewendet, mit halbem Lachen: nun, haben Sie denn nicht Recht? Habe ich nicht mit ihren Bor- sten Tausende gewonnen und ihnen doch noch keinen Teller Suppe gereicht? Seine Gefaͤhrten lachten und sagten: was hilft’s, Giotto ist Meister in allen Dingen. Du hast noch keine Geschichte so gut gemalt und dargestellt, als diese hier mit den Schwei- nen. Und so gingen sie nach san Gallo hinauf und betrach- teten sich auf dem Ruͤckwege, wie es Gebrauch ist, zu san Marco und bey den Serviten die Malereyen. Und da sie dort eine Jungfrau sahen mit dem heiligen Joseph zur Seite, sprachen sie: sag mir, Giotto , weßhalb malt man denn die- sen Heiligen jederzeit mit so truͤbseliger Miene? Darauf ant- wortete Giotto : hat er nicht Grund? u. s. f. — Alle wende- ten sich einer zum anderen und versicherten, daß Giotto nicht allein ein großer Maler, sondern auch ein Meister in den freyen Kuͤnsten sey. Diese Anecdoten, deren letzte ungleich mehr Frivolitaͤt, als Verstand, unter allen Umstaͤnden viel Nuͤchternheit des Geistes darlegt, haben zu viel Individualitaͤt und allgemeine Uebereinstimmung, um ganz erdichtet zu seyn; gewiß lehren sie, was seine Zeitgenossen und naͤheren Nachfolger ihm allen- falls zutrauen und beylegen durften. Gluͤcklicher Weise hat er seinen gesunden, unbestochenen und unabhaͤngigen Men- schenverstand auch in der Form einer Canzone ausgesprochen, welche (wahrscheinlich, weil ihre grammatischen und logischen Willkuͤhrlichkeiten keiner Nachbesserung faͤhig sind) vor einigen Jahren noch ungedruckt war, weßhalb ich sie mit allen in die alte Abschrift eingeflossenen, oder urspruͤnglichen Unvoll- kommenheiten hier einruͤcken will. Ich entlehne dieses Stuͤck aus Cod. 47. der Biblioth. Gad- diana (Med. Laurentiana, Plut. 90.) — Unsere Canzone stehet fo. 37. a. t. ss. und gehoͤrt zu den aͤlteren Abschriften des ang. Bandes. Ich habe die alte Orthographie beybehalten und nichts hinzugefuͤgt, als Interpunction und Andeutung von Elisionen. Chançon Giotti pintori di Florentia . Molti son que’, che lodan povertate, E tadicon, Fuͤr: ti dicon. chè fa stato perfetto, S’egli é provato e heletto, Quello osservando, nulla cosa avendo. Acciò inducon certa autoritate, Chè l’osservar sarebbe troppo stretto; E pigliando quel detto, Duro estremo mi par, s’io ben comprendo, E però no’l commendo. Che (ch’ è’) rade volte estremo sanza vitio, E a ben far difitio. 4 * Si vuol si proveder dal fondamento, Chè per crollar divento, Od altra cosa, che si ben si regha, Chè non convegnia poi, si ricorregha. Im fuͤnften und in den drey letzten Versen dieses Eingan- ges ist die Verbindung nicht klar, daher die Interpunction viel- leicht verfehlt, wenn sie uͤberhaupt moͤglich ist. Im Fortgang des Gedichtes ist der Sinn deutlicher. Di quella povertà, ch’é contro a voglia, Non é da dubitar, chè tuttavia Chè di pecchare è via, Facendo spesso a’ giudici far fallo, E d’onor donna e damigella spoglia, E fa far furto, forza e villania, E spesso usar bugia, E ciascun priva d’onorato stallo. E piccolo intervallo, Mancando roba, par chè manchi senno, S’avesse rotto renno O qual vuolsia, chè povertà tel giungha. Però ciascun fa pungha Di non voler, chè ’nanzi gli si faccia, Chè, pur pensando, già si turba in faccia. Di quella povertà, che heletta pare, Si può veder per chiara sperienza, Chè sanza usar fallenza S’osserva, o no, sicchome si conta. E l’osservanzia non é da lodare, Perchè discretion, ne chonioscienza O alcuna valenza Di costumi, o di virtute le s’afronta. Cierto mi par grand’ onta Chiamar virtute quel, che spegne ’l bene; E molto mal s’avene, Cosa bestial preporre a la virtute, Le qua’ donan salute Ad ogni savio intendimento accietta, E, chi più vale, in ciò più si diletta. Tu potresti qui fare un argomento: Il signor nostro molto la commenda. Guarda, chè ben s’intenda; Chè sue parole son molto profonde, E talor’ anno dopio intendimento, E vuol, chè ’l salutifero si prenda. Però ’l tuo viso sbenda, E guarda ’l ver’, che dentro vi s’asconde; Tu vedrai, che risponde Le sue parole alla sua santa vita; Che podestà compita Ebbe di sodisfare a tempo e loco. E però ’l suo aver poco Fu per noi scampar dalla vita. Noi veggiam pur’ col senso molto spesso, Chi più tal vita loda, mancha in pacie, E sempre studia e facie Chome da essa si possa partire. S’onore e grande stato gli é commesso, Forte l’afferma, qual lupo rapacie, E ben si contrafacie, Purch’egli possa suo voler compiere; E sassi sì coprire, Che’l pigior lupo par miglior agnello, Sotto’l falso mantello. Onde per tale ingegnio é quel guastalmondo, Se tosto non va in fondo Questa ipocresia, ch’ alchuna parte Non lascia’l mondo sanza aver su’ arte. Chançon va; e se truovi de’ giurgiuffi Mostrati loro sì, che gli converti; Sepure stesson erti, Sia si gagliarda, che sotto gli attuffi. Dieses Gedicht enthielt hoͤchst wahrscheinlich schon im Originalentwurfe einige ganz unverbesserliche, aus Reim und Sylbenzwang entstandene Sprach- und Constructionsfehler; der Abschreiber mag es noch mehr entstellt haben. Doch ent- haͤlt es zugleich viele lichte und wohl ausgedruͤckte Gedanken, deren Inhalt in verschiedener Beziehung Beachtung verdient. Es zeigt sich darin zunaͤchst jener gesunde durchaus anwend- bare Menschensinn, dem wir in den fruͤher benutzten Andeu- tungen uͤberall begegnet sind; ein Zusammentreffen, welches nicht wohl zufaͤllig seyn kann. Allein besonders bemerkens- werth ist die Wahl des Gegenstandes, die Richtung der Op- position. Giotto hatte viel und lange und manches gar Selt- same und Moͤnchische fuͤr verschiedene Kloͤster des Franzisca- nerordens gearbeitet, mithin hatte es ihm nicht an Gelegen- heit gefehlt, einige Schwaͤchen in den Grundsaͤtzen ihrer Stif- tung zu entdecken, oder die Nachtheile wahrzunehmen, welche sie in der Anwendung entwickeln mochten. Die letzten (Ver- stellung, Unwahrheit, verdeckter Ehrgeiz und verstohlener Welt- sinn) benutzt er, seinen Angriff auf den Grundsatz zu verstaͤr- ken, der ihm so, wie ihn die Eiferer seiner Zeit aufgefaßt hat- ten, der Entwickelung jeder edleren Anlage der menschlichen Seele zu widerstreben schien. — Chiamar virtute quel, che spegne il bene. — Also stand Giotto , weit entfernt den Ansichten und Vor- stellungen seiner Zeitgenossen sich schwaͤrmerisch hinzugeben, denselben vielmehr mit nuͤchternem Bewußtseyn und pruͤfen- dem Scharfblicke gegenuͤber. Kaͤlte des Verstandes, Deutlich- keit des Bewußtseyns, widerstrebt indeß jener enthusiastischen und ruͤckhaltlosen Hingebung, ohne welche es, wenigstens dem dichterischen Kuͤnstler, nicht zu gluͤcken scheint, das Hohe und Wuͤrdige anzuschauen. Daher entstand vielleicht, daß er, auch wo die Gelegenheit sich darbot, es unterlassen, die unstreitig edlere Richtung seiner Vorgaͤnger weiter zu verfolgen und ihre, einer weiteren Ausfuͤhrung so beduͤrftigen Kunstgebilde zu ver- vollkommnen. Doch ist hier nicht zu uͤbersehen, daß eben da- mals die moͤnchische Religiositaͤt die evangelische und alter- thuͤmlich christliche durchaus besiegt hatte, woher die Kuͤnstler jener Zeit uͤberall mehr und mehr davon abgelenkt wurden, die aͤltesten Typen der christlichen Kunst zu wiederholen, oder weiter zu bilden. Die Darstellung der Lebensereignisse, die An- spielungen auf die Stiftung und Wirksamkeit moderner Heili- gen, welche jene aͤlteren Vorstellungen aus der Kunstuͤbung verdraͤngt hatten, nahmen nur um so mehr Feld ein, ver- schlangen nur um so mehr Arbeit, als man aus ihrem Leben noch jedes kleinen Umstandes sich erinnerte und in der An- spielung auf ihre mannichfaltigsten Verdienste in der ersten Waͤrme ganz unerschoͤpflich war. Daher ward Giotto , nach- dem er, sey es durch Lauigkeit, oder durch aͤußeren Zwang, oder auch durch ein zufaͤlliges Zusammentreffen beider Ursa- chen der aͤlteren Richtung entruͤckt worden, fast durchhin auf Handlungen und Allegorieen angewiesen, fuͤr weiche er sicher nicht begeistert war, welche nur in so fern fuͤr ihn Werth ha- ben konnten, als sie menschliche Beziehungen und Handlun- gen einschlossen, denen er in der That, nach Maßgabe der Ausbildung seiner Darstellung, viel Wahrheit und Staͤrke gegeben. Also wird die Umwaͤlzung, welche die Zeitgenossen des Giotto andeuten, von einigen technischen Aenderungen abge- sehn, besonders darauf beruhen, daß Giotto die Richtung sei- ner Vorgaͤnger auf edle Ausbildung heiliger und goͤttlicher Charaktere, wenn auch nicht ganz aufgegeben, doch hintange- setzt, hingegen die italienische Malerey zur Darstellung von Handlungen und Affecten hinuͤbergelenkt hat, in denen, nach dem Wesen des Moͤnchthumes, das Burleske neben dem Pa- thetischen Raum fand. Nicht, um in die uͤblichen Declamationen gegen ein histo- risch denkwuͤrdiges, einflußreiches Institut einzustimmen, nur weil es gilt, dessen Verhaͤltniß zur neueren Malerey richtig aufzufassen, bringe ich hier das Heitere und gutmuͤthig Laͤcherliche in Erinne- rung, welches der weltlichen Unbehuͤlflichkeit aͤchter, einfaͤltig from- mer Moͤnche anhaͤngt; welches die italienische Malerey von jeher vielfaͤltig benutzt hat; der Spanier nicht zu gedenken, deren dra- matische Dichter, obwohl die groͤßesten selbst Moͤnche waren, aus demselben naiv Burlesken haͤufig genug Vortheil gezogen. — Obige Die Natuͤrlichkeit, welche die Zeit- genossen in Giotto’s Werken bewunderten und priesen, ist, in Ansehung der damaligen Kunststufe und einzelner noch vorhan- dener Proben seines Kunstgeschickes, eben nichts Anderes, als jene Lebendigkeit der Bewegung und Handlung, welche zwar den bezeichneten Kunstaufgaben Reiz und Interesse verlieh, doch zugleich den ernsten Sinn der vorangehenden Kunstbestre- bungen verdraͤngte, deren Werth wir freyer beurtheilen koͤn- nen, als jene in der Bewunderung und Nachahmung des Giotto befangenen Alten. Sehen wir nun, ob die Untersuchung seiner Kuͤnstler- werke dasselbe, oder ein ganz anderes Ergebniß gewaͤhre. Lei- der giebt es nur noch ein einziges durch Inschrift beglaubig- tes Gemaͤlde seiner Hand; in Bezug auf die uͤbrigen, welche ihm noch beygemessen werden, muͤssen wir uns, da Vasari und Neuere in so alten Dingen uͤberhaupt ganz unzuverlaͤssig, besonders auf die Angaben des Ghiberti stuͤtzen, obwohl auch diese haͤufig hoͤchst unbestimmt ausgesprochen und nicht ohne reifliche Ueberlegung aufzunehmen sind. Das bezeichnete Bild befindet sich in der Kappelle Ba- roncelli der Kirche sta Croce zu Florenz ; es bestehet in fuͤnf Abtheilungen von italienisch - gothischer Anlage. Diese sind allerdings etwa im funfzehnten Jahrhunderte durch einen neue- ren Rahmen eingefaßt worden; doch greift die Neuerung nicht so weit in den Sockel des Bildes hinuͤber, daß wir deßhalb berechtigt waͤren, das Alter und die Aechtheit der daran be- findlichen (in Ansehung der Schriftzuͤge und deren jedesmali- ger Einfassung sicher aͤlteren) Aufschrift zu bezweifeln, welche, Andeutung ist wenigstens so harmlos, als die ausfuͤhrliche Darstel- lung jener Maler und Dichter. in einzelnen, jedesmal von einem gothischen Sechseck einge- schlossenen Buchstaben die Worte: OPVS MAGISTRI IOCTI. enthaͤlt. Dieses Gemaͤlde, welches die Kroͤnung der Jungfrau darstellt, ist freylich schon vor Alters durch Saͤuren angegriffen und neuerlich stellenweis durch Abblaͤtterungen be- schaͤdigt worden. Doch bewahrt dasselbe, da es weder durch- aus verwaschen, noch ganz uͤbermalt worden, den Aufdruck seiner Eigenthuͤmlichkeit, darf uns mithin fuͤr eine sichere Probe seiner Manieren und Gewoͤhnungen gelten. In dem Mittelstuͤcke sitzen Maria und Christus auf einem, beiden gemeinschaftlichen, hohen Thronstuhle von gothi- scher Anlage. Christus druͤckt der Jungfrau die Krone mit beiden Haͤnden auf, eine Vorstellung, welche in der Folge von Italienern und Deutschen oftmals wiederholt worden ist. Wie diese Vorstellung an sich selbst, so gehoͤrt auch besonders der Charakter und die Bekleidung des Heilands schon ganz der neueren Zeit und wahrscheinlich der Erfindung des Giotto . Der antike, oder christlich roͤmische Typus, den wir noch in den Werken des Duccio und Cimabue angetroffen, ist hier schon durchaus verwischt. Besonders auffallend sind die kur- zen geraͤnderten Oberaͤrmel des Heilandes, das aͤlteste mir be- kannte Beyspiel jener Lust an seltsamen Bekleidungen und muthwilligen Schneider- und Stickerstuͤckchen, an denen manche Maler des vierzehnten und funfzehnten Jahrhundertes in der Folge so viel Behagen gefunden; welche in den neuesten Zei- ten einigen ungelehrten, uͤbrigens wohlmeinenden Kuͤnstlern nicht selten fuͤr typisch gegolten, da sie doch in der That nur voruͤbergehende Malerlaunen sind. Obwohl nun eben diese und aͤhnliche Abweichungen vom Herkommen, dem Kuͤnstler, wie es geschieht, unter seinen Zeit- genossen und Nachfolgern viel Ruhm und Beyfall erworben haben, so wird es doch uns minder Befangenen nicht entge- hen duͤrfen, daß in den Neuerungen des Giotto , wie uͤber- haupt in allen Umwaͤlzungen, nicht Jegliches dem Bestreben nach Besserem angehoͤrt; daß Vieles darin gradehin aus einer nicht zu billigenden Gleichguͤltigkeit gegen die Wuͤrde der Ge- genstaͤnde seiner Darstellung entsprungen ist. Gewiß konnte es ihm nicht entgangen seyn, daß die Bekleidung in der Kunst keinesweges ohne ihre Bedeutung sey, daß sie wirklich den Charakter bezeichne, also nach den Umstaͤnden auch denselben veraͤndern und entstellen koͤnne. Die einfache, ungesucht wuͤr- dige Kleidung, welche man seit den aͤltesten Zeiten dem Hei- land und den Aposteln beyzulegen pflegte, unterstuͤtzte den Ernst, den man in diesen Charakteren wahrzunehmen liebt, und verlieh selbst ihren Handlungen eine gewisse Feyer. Viel- leicht war es diese Ruͤcksicht, welche die Sieneser veranlaßte, die typische Bekleidung wohl um ein Jahrhundert laͤnger, als die Florentiner, beyzubehalten; die umbrischen Maler, und be- sonders den Raphael , sie in ihrer ganzen Reinheit wiederher- zustellen. Mehr in seinem Elemente war Giotto bey Ausfuͤhrung der vier Seitenfelder jenes Bildes, in denen er besonders den lobsingenden Engeln viel Mannichfaltigkeit und Anmuth der Bewegung gegeben. Doch auch in diesen Figuren, denen Vasari ein besonde- res Wohlgefallen abgewonnen, zeigte Giotto wenig Ehrfurcht vor dem Herkommen. Die Engel pflegten bis zu seiner Zeit und seit dem hoͤchsten Alterthume in einer faltigen Tunica mit uͤbergeschla- genem leichten Mantel gekleidet, und hoͤchstens mit einem Stabe in der Hand, gemalt zu werden. Giotto indeß gab ihnen knapp- Dessenungeachtet gewaͤhrt dieses Ge- maͤlde, weder im Ganzen, noch im Einzelnen die Befriedi- gung, welche man von einem Meister erwarten duͤrfte, den seine Nachfolger lange Zeit hindurch einem Taddeo Gaddi , Giottino , Arcagnuolo , Giovanni di Milano und anderen Mei- stern vorgezogen, deren vorhandene Arbeiten noch immer Be- wunderung und Wohlgefallen erwecken. Wir werden daher, selbst wenn wir die Lobspruͤche aͤlterer Schriftsteller, was deren Ausschließlichkeit angeht, zum Theil aus Vorurtheilen erklaͤren wollten, doch annehmen muͤssen, daß Giotto in anderen Wer- ken, deren Aufgabe seinem Talent mehr entsprochen, Groͤßeres und Besseres geleistet habe, als in diesem geschehen ist. Beschraͤnken wir uns daher bey Untersuchung dieses einzig bewaͤhrten Probestuͤckes seiner Manier und technischen Eigenthuͤmlichkeit, eben nur diese im Auge zu behalten und versuchen wir, deren Charakter so scharf, als moͤglich zu begrenzen. Sehn wir auf die Faͤrbung, vielmehr auf die Mischung und Behandlung der faͤrbenden Stoffe, so zeigt sich aus die- sem Bilde, daß Giotto bereits jene Bindemittel aufgegeben hatte, deren Cimabue und Duccio sich bedienten, welche (nach anliegende Kleider und eine große Mannichfaltigkeit von musicali- schen Instrumenten, mit denen sie mehr zu laͤrmen, als zu musici- ren das Ansehn haben. Dieser Gebrauch hat in der modernen Malerey viel Eingang gefunden, giebt indeß etwas Burleskes. Die Moͤglichkeit, durch menschliche Formen uͤbersinnliche Wesen darzu- stellen, beruhet auf dem Ausdrucke des Geistigen in der meist vollen- deten Gestaltung der Natur; an diesem haben jene musicalischen Werkzeuge offenbar nicht den geringsten Antheil und zerstoͤren da- her, wie sehr man sich daran gewoͤhnt haben moͤge, nothwendig einen Theil des Eindruckes, den jene zu bewirken faͤhig sind. den Untersuchungen, die Morrona von pisanischen Chemikern anstellen lassen) in irgend einer Aufloͤsung von Wachs bestan- den. Offenbar bediente Giotto sich eines mehr fluͤssigen und minder zaͤhen Bindemittels; denn es ist dieses Gemaͤlde mit einer leichten und fluͤchtigen Hand gemalt und Manches, z. B. die Ausgaͤnge des Gefaͤltes gegen die Lichtmassen hin, auf eine Weise vertrieben, welche in den aͤlteren scharf und eckig auf- getragenen Malereyen ohne Beyspiel ist. Auch verdunkelte und gelbte sein Bindemittel ungleich weniger, als jenes fruͤher gewoͤhnliche; woher das helle und rosige Ansehn dieses, wie der meisten florentinischen Bilder der naͤchstfolgenden Zeit zu erklaͤren ist. Die sienesischen Maler hingegen haben dem An- sehn nach die aͤltere, urspruͤnglich neugriechische Bindung mit geringen Abaͤnderungen beybehalten; denn es sind ihre Ge- maͤlde ohne Ausnahme in den Schatten bleyfarbig, in den Lichtern gelblicher, als die florentinischen, was ich gelegentlich als einen neuen Beweis fuͤr den unabhaͤngigen Fortschritt bei- der Schulen in Erinnerung bringe, welche selbst in noch spaͤ- teren Zeiten ihre staͤdtischen Eigenthuͤmlichkeiten stets rein und unvermischt bewahrt haben. Gehen wir aber auf die Formen, so verhehle ich nicht, daß mir deren Auffassung in diesem Bilde viel unvollkomme- ner zu seyn scheint, als in den oben erwaͤhnten des Cimabue und Duccio . Die Koͤpfe der Engel und des Christuskindes, einige kleinere in der Randverzierung des Bildes in sta Ma- ria novella zeigen ungleich mehr Feinheiten der inneren Aus- bildung, als man bey einem Maler des dreyzehnten Jahr- hundertes voraussetzt; von Duccio , vornehmlich von seinen kleineren Figuren, gilt wenigstens dasselbe. Hier hingegen treffen wir bey wohl hundert Figuren uͤberall auf denselben allgemeinen Kopf S. Jen. Lit. Zeitg. 1813. Col. 135., wo in einer Rec., welche die Hand eines Kenners verraͤth, dieselbe Bemerkung erschoͤpfender ausgesprochen ist. , der bey groͤßter Verschiedenheit des Al- ters und himmlischen Ranges doch immer wiederkehrt und nicht einmal an sich selbst gefaͤllig ist. Die Augen enthalten keine Spur von Verkuͤrzung und Rundung, sind lang und schmal und durch zwey gleichlaufende und ganz grade Umrisse begrenzt und gegen die Nasenwurzel hin unsaͤglich nahe zu- sammengedraͤngt. Die Nasen sind, obwohl von sehr vollstaͤn- diger Laͤnge, doch im Profile abgestumpft und ohne zureichende Ausladung; die Kinnlade ist schmal und kantig, das Kinn vorgedraͤngt. Die uͤbrigen Formen der menschlichen Gestalt kommen voraussetzlich nicht in Betrachtung; hingegen ist die Gewandung hier, wie uͤberall bey Unterscheidung der aͤltesten Meister, von besonderem Belang. Die aͤlteren Maler waren in der Zeichnung und Model- lirung des Gefaͤltes guten, urspruͤnglich antiken Mustern ge- folgt und hatten ihren Sinn fuͤr die Schoͤnheit und Richtig- keit dieses Theiles ihrer Ausfuͤhrungen hinreichend geschaͤrft, um auch Solches, so sie aus eigner Erfindung hinzugefuͤgt, verstaͤndig und sicher auszubilden. Giotto hingegen, welcher die Nachahmung jener Muster ganz aufgegeben, war auf der anderen Seite in der Auffassung und Nachbildung natuͤrlicher Erscheinungen zu ungeuͤbt, um aus sich selbst dem Gefaͤlte den jedesmal richtigen Lauf und Gang, seinen Ausgaͤngen die gehoͤrige Schaͤrfe zu geben. Doch fuͤhrte ihn ein allgemeiner malerischer Sinn darauf hin, die Durchschneidung der Licht- massen zu meiden. Daher verwischte und verbließ er die Aus- gaͤnge der Falten, deren Richtigkeit und scharfe Andeutung ihn wenig bekuͤmmerte, gegen das Licht hin ins Unbestimmte und Verwaschene. Da nun sogar Taddeo Gaddi , der ihm sonst unter allen Nachfolgern am naͤchsten geblieben, in diesem Stuͤcke von der Manier des Meisters sich entfernt und be- muͤht hat, dem engeren Gefaͤlte mehr Bestimmtheit zu geben, so glaube ich, daß jene Behandlung des Faltenwurfes als eine sichere Eigenthuͤmlichkeit der Manier des Giotto zu be- trachten sey; und, wo diese vereinigt mit dem stumpfen Profil, den verlaͤngerten, fast zusammenstoßenden Augen vorkommt, welche ich oben hervorgehoben, trage ich kein Bedenken, fuͤr aͤcht anzunehmen, was aͤltere Schriftsteller, vornehmlich Ghi- berti , dem Giotto beymessen. Dahin gehoͤrt zunaͤchst jene lange Reihe kleiner Bilder, welche vordem die Sacristey der Minoritenkirche zu Florenz verziert haben, nunmehr aber, theils in der Gallerie der Aca- demie der Kuͤnste aufgestellt, theils in den Handel gekommen und in alle Welt verstreut sind Einige befinden sich in der Koͤnigl. Baierschen Gemaͤlde- sammlung; einige andere besitze ich selbst. Der Gegenstand dieser Darstellungen, deren Behandlung sehr leicht und skizzenhaft ist, besteht in jener vormals den Nachfolgern des heiligen Franz so beliebten, naiven, doch etwas vermessenen Verglei- chung des Lebens dieses Heiligen mit dem Leben des Erloͤ- sers. Ghiberti erwaͤhnt nur im allgemeinen, daß Giotto in sta Croce vier Kappellen und vier Altarbilder gemalt habe, von denen nur das Beschriebene erhalten ist; ich habe demnach keine aͤltere Autoritaͤt fuͤr die Abkunft jener Folge kleiner Bil- der, als eben nur den Vasari . Dessenungeachtet halte ich sie fuͤr aͤcht, weil die angegebenen Eigenthuͤmlichkeiten der Ma- nier darin deutlich zu Tage liegen; weil sie, was die Erfin- dung angeht, geistreich, bewegt und abwechselnd sind, ein Ver- dienst, welches hoͤchst wahrscheinlich, verbunden mit Leichtig- keit der Production und Behandlung, Vieles beygetragen, dem Giotto jene ungemessene Verehrung seiner Zeitgenossen zu er- werben. Im Leben des heiligen Franz neigt er sich hie und da zum Scherzhaften; hingegen hat er im Leben des Heilands verschiedentlich die herkoͤmmliche Anordnung wiederum hervor- gezogen, besonders in der Transfiguration, welche den aͤlteren Darstellungen griechischer Maler nachgebildet ist. — Dieselbe Anordnung gab noch Raphael der oberen Haͤlfte seines be- ruͤhmten Altarbildes; vielleicht entlehnte er sie aus jener Folge, welche ihm bekannt seyn mußte; unter allen Umstaͤn- den zeigte er hier, wie in anderen Faͤllen, daß man aus sei- nen Vorgaͤngern allgemeine Zuͤge entlehnen koͤnne, ohne in das vergebliche und muͤssige Streben zu verfallen, deren persoͤn- liche, oͤrtliche, zeitliche Eigenthuͤmlichkeiten nachzuahmen. Nach dem Ghiberti hat Giotto auch zu Neapel gemalt, und Vasari , der hier, ich weiß nicht auf welchem Grunde bauend, mehr in das Einzelne eingeht, will, daß auch die Mauergemaͤlde der Kirche der Madonna incoronata von Giotto’s Hand seyen. Vor etwa zwanzig Jahren war noch ein Theil dieser Malereyen, theils beschaͤdigt, theils ganz wohl erhalten uͤber dem Chore vorhanden; sie erfuͤllten die Felder eines gothischen Gewoͤlbes und enthielten Darstellungen der sieben Sacramente. Die beiden besterhaltenen, der Kirche zu- gewendeten, genuͤgten mir in der Anordnung, die mir bequem und harmonisch zu seyn schien. In der Priesterweihe singen und und beten einige mit großem Eifer, waͤhrend ein anderer, der vor den Pabst gefuͤhrt wird, so viel Schuͤchternheit zeigt, als sich immer unter gleichen Umstaͤnden voraussetzen laͤßt. In der gegenuͤberstehenden Darstellung des Sacramentes der Ehe ist die Abwechselung bewundernswerth, welche der Kuͤnstler den Gebehrden und Mienen der anwesenden Frauen zu verlei- hen gewußt. Wenn diese Malereyen von Giotto sind, wie ich nicht bezweifle, weil sie alle Eigenthuͤmlichkeiten darlegen, welche ich oben bezeichnet habe; so gereichen sie ihm aller- dings zur Ehre und erklaͤren, worin eigentlich die Natuͤrlich- keit bestand, welche die Zeitgenossen in seinen Darstellungen bewunderten. In so alter Zeit kam weder die illusorische, noch selbst die physiognomische Naturaͤhnlichkeit in Frage; es konnte dazumal nur in der Bewegung und Gebehrde, in den gegenseitigen Beziehungen der Gestalten, Naturaͤhnlichkeit be- gehrt und erreicht werden. Dieser Vorzug zeigt sich denn allerdings sowohl in diesen, als in einigen anderen Male- reyen, welche Giotto in der Kirche des heiligen Franz zu Asisi ausgefuͤhrt hat. Ghiberti sagt, offenbar bloß aus der Erinnerung, „daß Giotto bey den Minoriten zu Asisi fast die ganze Unterkirche ausgemalt habe.“ Cod. cit. — Dipinse nella chiesa d’Asciesi nell’ ordine de’ frati Minori quasi tutta la parte di sotto . — Vasari beschraͤnkte diese Angabe, welche offenbar nicht haltbar war, auf das Kreuzgewoͤlbe uͤber dem Grabe des Heiligen, worin ich ihm, nach schon angegebenen Gruͤnden, beystimme. Hingegen fand er in der Oberkirche, deren Hauptschiff fast ganz von einer Hand ausgemalt wor- den, ein offenes Feld fuͤr Vermuthungen, da der Meister, der II. 5 diese Dinge gemalt, uͤberhaupt unbekannt ist. Er hat solche dem Giotto beygelegt, worin ihm neuere Geschichtschreiber ge- folgt sind; Lanzi und A. — Della Valle bezweifelt die Angabe des Vasari ; doch ohne Gruͤnde anzugeben. vielleicht verleitete ihn die Unhaltbarkeit der An- gabe des Ghiberti , zu vermuthen, daß der Abschreiber die Stelle verdorben habe, daß mithin statt: di sotto, di sopra , zu lesen sey; unter allen Umstaͤnden folgte er ebenfalls ganz unbestimmten Erinnerungen, da er nicht einmal die Zahl der Bilder, welche an beiden Waͤnden des Hauptschiffes unter den Fenstern hinlaufen, ganz richtig angiebt. Denn es sind deren nicht zwey und dreyßig, wie Vasari sagt, sondern nur acht und zwanzig. Mit gleicher Fluͤchtigkeit duͤrfte er denn auch die Darstellungen selbst an der Stelle beobachtet haben. In der That stimmen diese Malereyen der oberen Kirche zu Asisi , in keinem Stuͤcke mit den Eigenthuͤmlichkeiten uͤber- ein, welche ich oben aus dem einzigen ganz sicheren Bilde des Giotto abgezogen habe. Die Proportion, deren Beobachtung Ghiberti zu den Verdiensten des Giotto zaͤhlt, welche in den bisher beruͤhrten Bildern in der That nirgend auffallend uͤber- schritten ist, erreicht in diesen Wandmalereyen ein so ausge- zeichnetes Unmaß, daß viele Figuren wohl dreyzehn Kopflaͤn- gen haben moͤgen und kurze Canguruaͤrmchen, mit denen die wirklich lebendige und pathetische Anordnung einzelner Stuͤcke doch nicht so ganz versoͤhnen kann. Allein auch in den Kunst- manieren (Modellirung, Oeffnung der Augen und a.), so wie in den Gebaͤuden und Kleidungen zeigen sich haͤufige Spuren der Sitten und des Geschmackes der ersten Haͤlfte des funfzehn- ten Jahrhundertes. In dem Bilde, in welchem Christus dem heiligen Franz im Schlafe erscheint, enthaͤlt die Architectur des Palastes neben gothischen Theilen auch Spuren des eben aufkommenden Geschmackes des Brunelleschi . Auch moͤgen einige der dargestellten Legenden zu den spaͤteren gehoͤren, und, wem kuͤnstlerische Gruͤnde nicht genuͤgen, dienen koͤnnen, die Angabe des Vasari als irrig zu erweisen. Was mich selbst betrifft, so genuͤgt mir, daß sie in keinem Stuͤcke mit jenem ersten Bilde des Giotto uͤbereintreffen, hingegen unzweydeutige Spuren neuerer Abkunft enthalten. In einigen, zur Rechten des Einganges, erkenne ich deutlich die Hand des Spinello von Arezzo , und glaube daher, daß die uͤbrigen saͤmmtlich von seinem Sohne oder Schuͤler, dem Parri di Spinello ge- malt sind. Hingegen entsprechen die Malereyen in den Abtheilungen des Kreuzgewoͤlbes uͤber dem Grabe des Heiligen sowohl dem florentinischen Bilde, als jenen Wandmalereyen der Kirche Incoronata zu Neapel ; sie sind von rosiger Faͤrbung, die Figuren gleichmaͤßig in ihren Ausdehnungen, die Profile etwas stumpf, die Anordnung gedraͤngt. Die Allegorie, welche sie einschließen, ist moͤnchisch-kindlich, ward sicher, wie gewoͤhn- lich, Wer jemals veranlaßt war, einige hundert Kuͤnstlervertraͤge des 14ten und 15ten Jahrhundertes durchzulesen, weiß, daß die Aufgabe in den aͤlteren Zeiten meist sehr genau umschrieben wurde — Einige Beyspiele finden sich auch in diesem Bande; das merk- wuͤrdigste in den Nachrichten vom Lor. Ghiberti . von dem Besteller aufgegeben und nicht von Giotto selbst ausgesonnen, dessen Sinn und Richtung sie vielmehr wi- derstreben mußten. Ich darf sie uͤbergehen, da sowohl Vasari sich weitlaͤuftig darauf eingelassen, als neuerdings ein deut- 5 * scher S. Kunstblatt 1821. May und Juni. Reisender, der, wie es scheint, mit rechtem Behagen zugesehen, wie die Engel allerley arme Suͤnder von Moͤnchen am heilbringenden Guͤrtelstricke des heiligen Franz in den Himmel ziehen; ein aͤsthetisches Ergoͤtzen, welches man sich gewaͤhren kann, wenn man den Kopf im Trockenen hat. Uns wird es genuͤgen, jenes Mauergemaͤlde, als fleißig ausgefuͤhrt und wohl erhalten, denen zu empfehlen, welche unbefriedigt von einem leeraufbrausenden Lobe, den Giotto von Angesicht zu sehen wuͤnschen; der ihnen auch in dieser etwas seltsamen Allegorie nicht so durchaus mißfallen wird, weil er darin jede Gelegenheit ergriffen, seinen Sinn fuͤr Anordnung und seinen freyen Blick auf ihn umgebende Dinge nach den Umstaͤnden versteckt, oder offen darzulegen. Dieser mochte denn auch in jenen nach Angabe des Ghiberti und Vasari im Palaste des Podesta zu Florenz gemalten, zu Rimini und Ravenna wie- derholten Anspielungen oder Darstellungen des Unterschleifes oͤffentlicher Gelder durch treulose Staatsdiener, ein offenes Feld gefunden haben. Sie sind gegenwaͤrtig uͤberweißt, oder ganz abgeworfen. Unter den uͤbrigen von Ghiberti erwaͤhnten Arbeiten un- seres Kuͤnstlers, ist nur noch die Malerey der Kapelle am ehmaligen Amphitheater zu Padua , obwohl im traurigsten Zu- stande vorhanden, da sie von ungeschickter Hand gewaschen und mit Leimfarbe neu bemalt worden. Della Valle ver- sichert, daß sie zu den besten Arbeiten des Giotto gehoͤre; vielleicht hat er sie noch unversehrt gesehen. In ihrem gegen- waͤrtigen Zustande gestattet sie kein Urtheil uͤber ihr Verdienst oder Unverdienst. Andere Ueberreste, wie es scheint, Bruch- stuͤcke eines zusammengesetzten Gemaͤldes, Man giebt sie fuͤr Thuͤrfluͤgel und Verzierungen der ehma- ligen confessione, dove é il corpo di s. Pietro . Doch moͤchten sie auch Ueberreste des Altares seyn koͤnnen, den Vasari als sein bestes Tempelgemaͤlde hervorhebt. gegenwaͤrtig in der Sacristey der Peterskirche zu Rom , werden ebenfalls dem Giotto beygemessen. Lanzi a. a. O. nennt sie: graziosissime miniature ed estre- mamente finite — mit einem uneigentlichen Ausdrucke, der seit nicht langer Zeit in die ital. Kunstsprache eingerissen ist. Sie sind aber a tempera gemalt. Zwar giebt es dafuͤr kein altes und zuverlaͤssiges Zeugniß; doch in Ansehung, daß Giotto fuͤr diese Kirche gearbeitet hat, Lor. Ghiberti Cod. cit. — Di sua mano dipinse la tavola di san Pietro in Roma . — Die Gegenstaͤnde obiger Fragmente: Chri- stus , Madonna, Apostelfiguren, Enthauptung des heiligen Paulus . daß diese Bruchstuͤcke, obwohl sie schoͤner sind, der Manier des Giotto , wie wir sie oben ken- nen gelernt, nicht widerstreben, moͤchten sie immerhin von sei- ner Hand seyn. Gewiß sind besonders die Apostel in den Queerleisten gar ausgezeichnet und ungleich geeigneter, dem Meister Achtung zu erwecken, als alles bisher Beruͤhrte. In diesen Arbeiten, wenn sie anders, wie ich glaube, ihm beyzu- messen sind, aber auch in einem flach halbrunden, getheilten Gemaͤlde in der florentinischen Academie, welches ehemals der Sacristey von sta Croce soll angehoͤrt haben, naͤhert sich Giotto , ohne die Eigenthuͤmlichkeiten seiner Manier ganz auf- zugeben, mehr, als an anderen Stellen, dem Bestreben der aͤltesten christlichen Kuͤnstler; vielleicht, weil ihn die Musivge- maͤlde der roͤmischen Basiliken ergriffen hatten. Hingegen scheint er in den Geschichten des Hiob, im Campo santo zu Pisa , welche wenigstens Vasari ihm beylegt, ganz der eige- nen Erfindung und Wahrnehmung aus dem Leben gefolgt zu seyn. Diese Gemaͤlde haben sehr gelitten; doch erkennt man noch immer die Zusammenstellung und Handlung, welche leben- dig und kraͤftig ist und der Richtung und Sinnesart des Giotto angemessen zu seyn scheint. Ich uͤbergehe ein anderes Gemaͤlde, welches Ghiberti un- erwaͤhnt laͤßt, Vasari indeß, sey es nach einer Sage, oder nach eigenem Urtheil dem Giotto beygelegt, jenes Abendmahl, welches Ruscheweyh mit musterhafter Genauigkeit gestochen, Sowohl Ruscheweyh , als Lasinio , haben dieses Abend- mahl unter Giotto’s Namen herausgegeben; beide auf das Wort des Vasari . Doch bin ich fest uͤberzeugt, daß diese Arbeit um Vieles neuer ist. Das Refectorium, in welchem jenes Abendmahl gemalt ist, ward nach Richa ( delle Chiese di Firenze ) erst gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes gebaut; dessenungeachtet befin- det sich unter dem Abendmahle ein anderes Wandgemaͤlde; es ist aber nicht wahrscheinlich, daß man solches augenblicklich durch ein neues uͤberdeckt habe. — Doch koͤnnte es geschehen seyn; aber die Manier, in welcher es gemalt ist, entspricht wohl der Manier der Maler von 1350. — 1400., doch keinesweges der giottesken, minder dreisten und fertigen, weicheren und mehr verwaschenen. — Zudem ist die Erfindung unter allen Umstaͤnden, weder dem Giotto , noch jenem Unbekannten beyzumessen, welcher dieses Bild gemalt hat; denn es findet sich dieselbe Anordnung, die urspruͤng- lich bildnerisch ist, schon in den halberhobenen Arbeiten des 12ten Jahrhundertes. S. oben Abhdl. VI . um zu den Verdiensten uͤberzugehen, welche unser Kuͤnstler als Baukuͤnstler und Bildner erworben. Die Anlage des freystehenden Thurmes am Dome zu Florenz wird von den aͤlteren Chronisten dem Giotto einstim- mig beygemessen und in der That findet sich noch seine Be- stallung zum obersten Meister dieses Bauwerkes, Richa , delle Chiese di Fir. To. VI. p. 62. dem er also in seinen letzten Lebensjahren wirklich vorgestanden. Ob nun die Erfindung, welche sicher lobenswerth und fuͤr ein italienisches Gebaͤude von ziemlich reinem Gothischen ist, ganz ihm selbst angehoͤre, oder in einer der Berathungen, deren Protocolle in den Archiven italienischer Domgebaͤude sich vor- finden, besprochen, abgeaͤndert und umgegossen worden, wage ich um so weniger zu entscheiden, da ich weder die noch un- geordneten Pergamentrollen des florentinischen Domarchives, noch das Archiv der Riformagioni derselben Stadt habe ein- sehn koͤnnen, an welchen Stellen die aͤlteren Quellen der Ge- schichte dieses Gebaͤudes enthalten sind. Doch leuchtet aus dem Bekannten unter allen Umstaͤnden so viel hervor, daß Giotto viele zur Baukunst gehoͤrende Huͤlfskenntnisse besessen, also nicht allein ein geschickter und fruchtbarer, sondern auch ein vielseitiger Kuͤnstler gewesen ist. Wenn wir den Ghiberti hoͤren wollen, so verstand er sich sogar auf die Bildnerkunst. „Die ersten Vorstellungen, sagt Ghiberti , unter denen, welche an seinem Bauwerke, dem Thurme des Domes, angebracht sind, hat er mit eigener Hand gemeißelt und gezeichnet.“ Cod. cit. fo. 8. — „Le prime storie (che) sono nello edi- ficio, il quale fu da lui edificato del campanile di sta Reparata, furono di sua mano scolpite e disegnate . — Das. fo. 9. a. t. von denselben Bildwerken: „ Giotto , si dice , sculpi le prime due storie.“ — Also war Ghiberti hier seiner Sache nicht so ganz gewiß. Doch scheint das nachstehende, gezeichnet, entworfen, eher eine Berichtigung des vorangehenden „gemeißelt“ zu seyn, als ein Zusatz; und es ist zu bezweifeln, daß er sich noch so spaͤt auf eine Arbeit verlegt habe, deren Technik dazumal um so viel groͤßeren Schwierigkeiten unterlag, als ihr Mechanismus noch im Rohen lag. Hingegen wird dem Ghiberti zu glauben seyn, wenn er uns im Verlaufe erzaͤhlt, daß er Zeichnungen und Vorbereitungen Das. — „vidi provedimenti di sua mano di dette storie egregissimamente disegnati .“ zu jenen halberhobenen Arbeiten ge- sehn, welche letzten in der That von geistreichem Entwurfe und gutem Style sind. Ueberhaupt duͤrfte seine Eigenthuͤm- lichkeit in der Bildnerkunst sich glaͤnzender entfaltet haben, als in den Kuͤnsten der Malerey; denn uͤberall, wo man in sei- nen, sey es gewissen, oder nur muthmaßlichen Gemaͤlden auf Schoͤnheiten der Anordnung trifft, ist eben diese haͤufig nur in bildnerischem Sinne und als Relief angesehn gefaͤllig; wo die Anordnung auf gleichem Plane durch die Aufgabe ausge- schlossen ward, ist sie, z. B. in seinen Deckengemaͤlden zu Asisi , gewiß nicht so durchhin lobenswerth. Man hat be- haupten wollen, daß Giotto nach den Bildnern der pisanischen Schule sich gebildet habe. Diese Behauptung stuͤtzt sich, da sie geschichtlich ganz unbegruͤndet ist, wahrscheinlich nur auf fluͤchtige Wahrnehmung seiner bildnerischen Anlagen, welche er indeß nur von Haus aus besitzen konnte, unter allen Umstaͤn- den gewiß nicht einzuaͤffen benoͤthigt war. — Welchen denn unter den pisanischen Bildnern, duͤrfte man hier fragend ein- wenden, haͤtte er eigentlich als Vorbild ins Auge gefaßt? Etwa den antikisirenden Nicolas ? oder den lebendigeren Ar- nolfo ? oder den italienisch-gothischen Johannes ? Wir haben demnach in Giotto einen Kuͤnstler kennen ge- lernt, welcher durch Leichtigkeit, Fruchtbarkeit, Vielseitigkeit und durch jenen frischen und hellen Blick ins Leben, der seinen Bewegungen und Anordnungen eine groͤßere Naturaͤhnlichkeit verlieh, als man vor ihm in den Gemaͤlden wahrzunehmen gewohnt war, den Beyfall und die Bewunderung seiner Zeit- genossen, besonders jedoch der Florentiner erworben und in gewissem Sinne wirklich verdient hatte. Doch da die Entfer- nung einen Ueberblick gewaͤhrt, welcher den nahe stehenden versagt ist, so entdeckten wir, was seinen Zeitgenossen entgehen mußte, daß Giotto , indem er die Kunst wenigstens in seiner Schule zum Lebendigen und Thaͤtigen lenkte, auch jene all- maͤhlich fortschreitende und immer zunehmende Entfremdung von den Ideen des christlichen Alterthumes befoͤrderte, welche bis auf Lionardo und Raphael die florentinische Schule und alle Kuͤnstler, welche sich ihr angeschlossen, etwa mit Aus- nahme des Fiesole und des Masaccio , bezeichnet und unter- scheidet. Er fuͤhrte Affect und Handlung in die Kunst ein und haͤtte vielleicht auch den Charakter hinzugefuͤgt, waͤre es schon an der Zeit gewesen, sich mit physiognomischen Unter- scheidungen abzugeben. Doch, indem er uͤber die mannichfal- tigsten Lebensverhaͤltnisse sich verbreitete, that er, so viel an ihm lag, genug, um seiner Schule die Richtung auf Hand- lung zu geben, welche ihr einige Jahrhunderte hindurch zu eigen geblieben. Unter diesen Umstaͤnden weiß ich nicht, was Einige wol- len, welche sich mit aller Kraft daran gesetzt haben, die Rich- tung und Leistung des Giotto als das Erhabenste der neue- ren Kunst auszupreisen. Meinten sie, daß er ein lebendiger, geistreicher, beobachtender, nachdenkender Kuͤnstler gewesen, so duͤrften wir uͤbereinstimmen. Doch fuͤrchte ich, daß sie waͤh- nen, er habe eben solche Ideen, welche die Seele der christ- lichen Kunstbestrebungen sind, in besonderer Tiefe und Rein- heit aufgefaßt; und hierin duͤrften sie im Irrthum seyn, wenn anders, was ich oben zusammengestellt, mehr Glauben ver- dient, als willkuͤhrliche Einbildungen. „Ganz anders, wie sein Meister, sagt ein Schriftsteller der juͤngsten Zeit, S. Ansichten uͤber die Kunst etc. 1820. 8. S. 37. ff. und als ein gewaltiger Riesen- geist erscheint er nun, umgeben von seinen Genossen und Schuͤlern. Gleich dem groͤßesten italienischen Dichter fuͤr die Poesie seines Landes (?), ist auch Giotto , der mit Dante be- freundet war (?), als der Vater des großen, erha- benen Styles in der Malerey jener Zeiten anzu- sehn. Nie ist er wohl uͤbertroffen worden in der Groͤße und Wahrheit der Idee (?), im ernsten durch- greifenden Zusammenhange einer einzelnen, oder einer Reihe von Darstellungen, u. s. f.“ Koͤnnte der klare, besonnene, werkthaͤtige Meister nur fuͤr einen Augenblick mit anhoͤren, was man nun bald fuͤnfhun- dert Jahre nach seinem Tode mit einer Emphase und Ueber- treibung von ihm gesagt, welche, sowohl ihm selbst, als uͤber- haupt seiner Zeit ganz fremd war; so duͤrfte es ihm dabey nicht recht geheuer werden. Denn Niemand liebt so leicht, sein eigenes Seyn, wenn auch ins Schoͤnere und Groͤßere veraͤndert, im Spiegel eines bloßen Fiebertraumes wahrzu- nehmen. Wie man sich allgemach bis zu dieser Hoͤhe hinaufgestei- gert? — Die Florentiner des vierzehnten Jahrhundertes wa- ren in einer gewissen Abgoͤtterey des Talentes und der Ver- dienste des Giotto befangen, von welcher ich oben verschiedene Beyspiele beygebracht habe. Sie waren, wie verblendet, gegen die Fortschritte der nachfolgenden Kuͤnstler, was hoͤchst wahr- scheinlich beygewirkt, die Kunst im Ganzen angesehn, so lange auf der, immer doch niedrigen, Stufe zu erhalten, welche Giotto erreicht hatte. Nun vergaß schon Vasari angesichts der Lobpreisungen eines Boccaz , Ghiberti und der Uebrigen, daß diese den Giotto aus einem ganz anderen Gesichtspuncte aufgefaßt und gepriesen hatten, als der seinige war und seyn konnte, und stimmte, ohne sein eigenes Urtheil anzustrengen, in den Ton ein, den jene angegeben. Was er in seiner Sprache schon uͤbervoll und reichlich gesagt, ward von Lanzi in neue, glaͤnzendere Formen umgegossen, dem es nun einmal um kuͤhne Vergleichungen und maͤchtige Worte zu thun war. Indeß muß man dem Verfasser oben ausgehobener Stelle zugestehn, daß er beide weit uͤberboten und die Grenze der Steigerung erreicht hat. Nach dem Laufe menschlicher Ereig- nisse stehet zu hoffen, daß man sich nunmehr im Uebermaße erschoͤpft habe und allgemach dem Wahren wieder zuwenden werde. X. Ueber die besseren Maler des vierzehnten Jahr- hundertes. Zur Mehrung und Berichtigung ihrer Geschichte. Wir haben gesehn, daß Giotto , wie verdient er in ande- ren Beziehungen seyn moͤge, doch nicht ohne Zwang als der- jenige zu bezeichnen ist, welcher die leitenden Ideen der mo- dernen Kunst mit besonderem Ernste, oder in nur ihm eigen- thuͤmlicher Tiefe erfaßt, oder seinen Zeitgenossen eine vorherr- schende, oder gar ganz ausschließliche Richtung auf das Er- habene mitgetheilt habe. Ganz im Gegentheil begruͤndete sich das Ansehn, welches er bey seinen Zeitgenossen erworben, auf Durchbrechung der Schranken des Herkommens, auf Hintan- setzung der altchristlichen Typen, in denen doch, wie wir wissen, die herrlichsten Keime enthalten sind. Er leitete die neuere Kunst zuerst auf die vielseitigste Beobachtung menschlicher Ver- haͤltnisse, auf Darstellung nicht bloß des Ernsten und Großar- tigen, auch des Launigen und Gemuͤthlichen, welches die aͤltesten Christen ganz ausschlossen. Haͤtten nun seine Zeitgenossen und Nachfolger diese Richtung mit einiger Consequenz verfolgt, so wuͤrde die neuere Kunst wohl um ein Jahrhundert fruͤher ihre Darstellung bis zum Vollendeten durchgebildet haben. — In- deß verfiel man vornehmlich zu Florenz , eben weil man dort in einer blinden Verehrung des Giotto befangen war, nach einigen nicht aufgemunterten Versuchen, vornehmlich den Koͤp- fen mehr Charakter und innere Ausbildung zu geben, in eine gewisse platte und fertige Nachahmung der giottesken Manier, welche damals fuͤr lange Zeit dem Haufen genuͤgte und der Mittelmaͤßigkeit leicht fiel. Schon Vasari , der im Grunde seines Herzens, wie so viele ihm gelegentlich entschluͤpfende Aeußerungen verrathen, die alten Maler saͤmmtlich gering schaͤtzte und nur vermoͤge seiner regen Phantasie zu Lobpreisungen sich begeisterte, welche nicht selten enthusiastisch zu seyn scheinen und Viele getaͤuscht und verfuͤhrt haben, unterschied unter den Kuͤnstlern des vier- zehnten Jahrhundertes, deren Namen ihm bekannt geworden, deren Lebensbeschreibungen er theils aus abgerissenen, nicht immer wohlbeglaubigten Thatsachen, theils aus eigenen Ein- bildungen zusammenleimte, die ausgezeichnet geistreichen nir- gend mit hinreichender Schaͤrfe von den mittelmaͤßigen und ganz geistlosen. In noch neuerer Zeit hat Lanzi aus allen Winkeln Italiens von bezeichneten Bildern, oder, mit Huͤlfe der Localscribenten, aus urkundlichen Nachrichten eine ganz unermeßliche Menge von Kuͤnstlernamen zusammengelesen, un- ter denen unsaͤglich viele mittelmaͤßige, oder ganz schlechte und der Vergessenheit wuͤrdige in seinem Buche wohl so viel Raum einnehmen, als selbst die groͤßesten und herrlichsten. Da nun die Geschichte Namen und Jahreszahlen einleuchtend nicht ihrer selbst willen aufzeichnet, sondern nur, um vermoͤge der- selben einflußreiche Begebenheiten und große Persoͤnlichkeiten zu unterscheiden und moͤglichen Verwirrungen in der Entwicke- lung des wirklich Wichtigen vorzubeugen: so wird eine solche Vermengung und gaͤnzliche Gleichstellung des Bedeutenden und ganz Unwichtigen der Geschichte, ja selbst der Kunstliebe Nach- theil bringen, indem sie, von stets verderblicher Nachahmung abgesehen, auch Sammlungen veranlaßt, welche, nach voruͤber- gehender Befriedigung der Curiositaͤt, zuletzt ermuͤden und ab- schrecken. Es wird daher noͤthig seyn, diejenigen unter den Nachfolgern des Giotto , welche uͤber dessen beschraͤnkte und conventionelle Darstellung hinausgestrebt und eben hierin ein eigenthuͤmliches Wollen dargelegt haben, jener sie herabwuͤrdi- genden Gleichstellung mit ihren geistloseren Zeitgenossen zu ent- reißen. Indeß bewahrten die großen toscanischen Malerschu- len dieses Zeitalters, die florentinische und sienesische, eine so ausgesprochene Eigenthuͤmlichkeit der Manier und Geistesart, daß wir das Ausgezeichnete der einen und anderen nicht wohl ge- meinschaftlich, sondern jedes fuͤr sich werden betrachten muͤssen. Florentiner . Taddeo di Gaddo . Ghiberti Cod. cit. f. 8 . erwaͤhnt verschiedener Malereyen dieses Kuͤnst- lers, welche nicht mehr vorhanden sind; unter diesen bezeichnet er die ehemalige Altartafel der Servitenkirche zu Florenz als eines der besten Gemaͤlde, welche ihm jemals vorgekommen waren. Auch ein Wunder des heiligen Franz an einer Mauer der Minoritenkirche schien ihm voll Handlung und Leben zu seyn. Also ward dieser Kenner, ungeachtet seines allgemeinen Vorurtheiles fuͤr den Stifter der neuen italienischen Manier, doch wohl einmal von den Fortschritten und Vorzuͤgen des Schuͤlers zur Bewunderung und Anerkennung hingerissen. Unter den Gemaͤlden, welche gegenwaͤrtig dem Taddeo beygelegt werden, sind nur solche ganz zuverlaͤssig, welche Auf- schriften tragen, gleich einigen Hausaltaͤrchen, deren eines in der ehemals dem bekannten Kunstfreunde, Herrn Solly , ge- hoͤrenden, nunmehr koͤniglich preußischen Sammlung, zwar von Lampenrauch geschwaͤrzt, doch wohl erhalten ist. Es hat die Unterschrift: Anno Domini 1334. Mensis Sep- tembris. Thadeus me fecit . In sol- chen Bildern zeigt sich Taddeo dem Giotto um Vieles aͤhnli- cher, als seine uͤbrigen Zeitgenossen; doch bediente er sich in seinen Malereyen a tempera einer zaͤheren Bindung, wie daraus erhellt, daß seine Lichter mehr Koͤrper und einen hoͤhe- ren Glanz haben; auch hatte er, in Vergleichung jener beur- kundeten Tafel des Giotto , sein Profil schon ungleich mehr durchgebildet, die Augen mehr auseinandergeruͤckt, die Nase etwas mehr ausgeladen, den Umriß der Kinnlade erweitert und zierlicher ausgerundet, Verbesserungen, welche in Ansehung seines lebhaften Gefuͤhles fuͤr weibliche Anmuth eben ihm be- sonders nahe lagen. Diesen Charakteren begegnen wir auch in jenen Male- reyen an einer Seitenwand der mehrgedachten Kappelle Ba- roncelli der Kirche sta Croce, welche schon Vasari , es ist un- bekannt, ob aus historischen Gruͤnden, oder nach einem allge- meinen Kennergefuͤhle, unter den wichtigeren Werken des Taddeo di Gaddo aufzaͤhlt. Diese Wand enthaͤlt in fuͤnf Ab- theilungen sechs Handlungen aus jener fabelhaften Madonnen- geschichte, welche, obwohl die Kirche sie verwirft, in aͤlteren Zeiten haͤufig dargestellt wurde. In der oberen Abtheilung, unter dem gothischen Bogen, zeigt sich ein feiner Hirt, wel- cher, waͤhrend seine Schaafe aus einer Quelle trinken, auf seiner Floͤte Griffe zu versuchen scheint; in den unteren Mut- ter Anna, welche ihren zuruͤckkehrenden Gatten mit anmuthi- ger Herzlichkeit umarmt; zur Seite die Geburt der Madonna, wo das Kosen der Weiber mit der Neugeborenen unuͤbertreff- lich ausgedruͤckt ist. Alle diese naive und anmuthvolle Zuͤge vereinigen sich in der freylich sehr beschaͤdigten Trauung der Jungfrau mit Bewegung und groͤßerer Abwechselung der Ge- sichtszuͤge. Vielleicht ist dieses Werk unter den noch erhalte- nen Proben seines Talentes die schoͤnste. Das andere, von diesem in Auffassung und Manier him- melweit abweichende Leben der Jungfrau in der Altarnische der Sacristey, galt dem Vasari , welcher indeß nur den Gegen- stand der gegenuͤberliegenden Wand naͤher bezeichnet, ebenfalls fuͤr eine Arbeit des Taddeo . Sie duͤrfte indeß neuer seyn, weil sie bey weniger Einfachheit des Sinnes mehr Geschick- lichkeit in der Handhabung zeigt. Auf dem Altare ist ein viel neueres Bild mit der Jahreszahl 1378., welches mit jenen Mauergemaͤlden zugleich beschafft seyn duͤrfte. Ueber den spaͤten Bau dieser Sacristey ist Richa , delle chiese di Fir. etc. sta Croce , einzusehn. — Das Chor in s. Francesco zu Pisa , in welchem Vasari die Inschrift: Taddeus Gaddus (?) de Florentia etc . 1342. will gele- sen haben, ist an den Waͤnden uͤberweißt; die noch vorhande- nen Gemaͤlde der Decke sind aber so uͤbel zugerichtet, daß man auch diese als verloren betrachten darf. In den allegorischen Gemaͤlden der linken Seitenwand im Kapitel des Klosters sta Maria novella erkennt man wohl den allgemeinen Entwurf, dessen dessen Bau und Anordnung mich nicht befriedigte, die Ele- mente der Allegorie, welche der damaligen Schulgelehrsamkeit und sicher nicht dem Kuͤnstler angehoͤren; hingegen unterlag das eigentlich Malerische der Ausfuͤhrung den Reinigungen und Wiederherstellungen ungleich mehr, als die gegenuͤberlie- gende Wand, welche Vasari dem Simon Martini beylegt. Dessenungeachtet glaubte ich in jenen halberloschenen Male- reyen, welche fuͤr die Arbeit des Taddeo gelten, mehr gewalt- same Wendungen, mehr Ungleichheiten in den Verhaͤltnissen wahrzunehmen, als in den fruͤher bezeichneten Werken. In der Decke dieses Saales, welche Vasari ebenfalls unserm Flo- rentiner beymißt, mehren sich diese Fluͤchtigkeiten und Verse- hen ins Unendliche; weßhalb ich Bedenken trage, eine Angabe zu unterschreiben, fuͤr welche Vasari der einzige Buͤrge ist. — Hingegen duͤrfte eine schoͤne Federzeichnung in der Sammlung der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz ( cartella degli antichi ), welche dort fuͤr Agnolo Gaddi gilt, in Ansehung ihrer straff angezogenen Falten, ihrer staͤtigen Proportion, wie vornehmlich ihrer schoͤnen, anmuthvollen Koͤpfe, wahrscheinlicher unserem Taddeo angehoͤren. Dieser Kuͤnstler legte sich, wie die meisten Maler seiner Zeit, auch auf die Baukunst; er soll die alte Bruͤcke zu Flo- renz nach der Ueberschwemmung von 1333. wiederhergestellt haben, und ward in der Folge sicher zu den Berathungen der Domverwaltung gerufen. Aus derselben Quelle lernen wir, daß er nicht, wie Vasari mit gewohntem Leichtsinn annimmt, im Jahre 1350. gestorben sey; denn es ward ihm noch im Jahre 1366. Aug. 20. eine Arbeit behuf des Dombaues auf- getragen. Arch. dell’ op. del Duomo di Fir. liber stanziamentorum II. 6 Giottino . Unter den Werken des Tommaso , gemeinhin Giottino , deren Ghiberti erwaͤhnt, erhielt sich die Kappelle Bardi zur aͤußersten Linken des Chores von sta Croce zu Florenz , worin Darstellungen aus der Legende des Silvester und anderer Hei- ligen, bis auf unsere Zeit hinab in sehr gutem Stande. Sie rechtfertigt die Lobspruͤche, welche Ghiberti und Vasari diesem Kuͤnstler ertheilt haben; die Wunderbegebenheiten sind gluͤck- lich ausgedruͤckt; die Heiligen haben Ernst und Wuͤrde genug, um das noͤthige Zutrauen zu erwecken, der Haufen aber zeigt so viel Spannung, Zweifel, Zuversicht, Erstaunen, als irgend bey solchen Ereignissen vorauszusetzen ist. In der Ausfuͤhrung dieser Mauergemaͤlde glaubte ich bey wiederholter Betrachtung wahrzunehmen, daß Giottino sich ernstlich bemuͤht habe, die gleichmaͤßig gedraͤngte und lebendige Anordnung, die breiten, undurchschnittenen Lichtmassen des Giotto nicht allein beyzubehalten, vielmehr sie weiterzubilden. Sichtlich war er bereits tiefer in die Gesetze der Erscheinung eingedrungen, kannte er bereits, wie gluͤckliche Wendungen der Arme und Haͤupter darlegen, die menschliche Gestalt ungleich besser, als Giotto und selbst als Taddeo , der jenen wohl in der Anmuth uͤbertrifft, doch in der Zeichnung, im Charakter, im Ausdruck ernster und feyerlicher Stimmungen, weit hinter ihm zuruͤckgeblieben ist. Diese Mauergemaͤlde moͤchten mehr, als irgend andere unter den noch vorhandenen Denkmalen der Malerey des vier- zehnten Jahrhundertes fuͤr das Vorbild jener ernsten Auf- fassung und gehaltenen Darstellung heiliger Handlungen gel- mei Iohannis not. de 1363. = 1396. fo. 71. — Lanzi sto. pitt. sc. Fior. Ep. 1. verfolgte ihn nur bis 1352. ten duͤrfen, welche Masaccio nach langer Unterbrechung wie- derum in Anregung gebracht und auf einige seiner Nachfolger verpflanzt hat. — Was Giottino , wenn Vasari uns nicht etwa irre leitet, zu Asisi gemalt hat, ist noch immer in ertraͤg- lichem Stande vorhanden; das Chor indeß, in welchem sein Zeitgenoß Stefano gemalt haben soll, ist gaͤnzlich erneut wor- den; wie ich denn uͤberhaupt von letzterem, den Ghiberti und Vasari loben, nichts Sicheres gesehn, daher mich alles Urtheils enthalte. Giovanni da Melano . Dieser bisher nicht genug gewuͤrdigte Kuͤnstler war, wie uns Vasari erzaͤhlt, der Schuͤler, oder Geselle des Taddeo Gaddi , dem er wirklich in der Anmuth der Gebehrde und Schoͤnheit des Charakters verwandt ist. Indeß entwickelte er in seinen ausnehmend vollendeten Bildern eine so weit uͤber andere Leistungen seines Zeitalters hinausgehende An- nehmlichkeit der Manier und Ausbildung der Form, daß nur aus dem Vorurtheile fuͤr Giotto , zum Theil vielleicht selbst aus der gewerbsmaͤßigen Richtung der alten toscanischen Ma- ler zu erklaͤren ist, daß er unter seinen Zeitgenossen keine Nach- folge und selbst, wie das Stillschweigen des Ghiberti anzu- deuten scheint, Er beschließt ( Cod. cit. fo. 8. a. t. ) seinen Bericht von den florentinischen Malern mit den Worten: fu nella nostra città molti altri pittori, che per egregj sarebbon posti; a me non pare porgli fra costoro . nicht einmal die gehoͤrige Anerkennung ge- funden. Vasari nennt ihn an einer Stelle zu Ende des Lebens des Taddeo Gaddi , Giovanni Milanese , und laͤßt ihn spaͤter 6 * nach seiner Vaterstadt Mayland zuruͤckgehn, um dort sein Leben zu beschließen; er deutete demnach den zweyten und ab- haͤngigen Namen nicht, wie es naͤher liegt, auf den Vater, sondern auf die Vaterstadt. Seine Deutung erhaͤlt durch die Inschrift einer kleinen Tafel Wahrscheinlichkeit, welche vor einigen Jahren in der Gallerie der florentinischen Academie, vielmehr im Magazin derselben, im Kloster sta Caterina ( sala delle macehine ) gezeigt wurde. Am Sockel dieses Gemaͤl- des lieset man in zierlich auf rothem Grunde mit Gold ge- zeichneten, gothischen Buchstaben: Jo Giovanni da Melano depinsi questa tavola in MCCCLXV. Das Woͤrtchen da (aus, von-her) laͤßt sich nach der Regel allerdings nur auf das Vaterland des Kuͤnstlers deu- ten; doch ist andererseits zu erwaͤgen, daß Melano und Mi- lano auch persoͤnliche Namen sind, die Kuͤnstler aber, beson- ders zu jener Zeit, die Sprache meist ziemlich willkuͤhrlich be- handelt haben. Waͤre es ausgemacht, daß Giovanni aus Mayland ge- buͤrtig war, so wuͤrde ich geneigt seyn, die Vollendung und Zierlichkeit seiner Manier aus einer moͤglichen Beruͤhrung mit den niederdeutschen Malern des vierzehnten Jahrhundertes ab- zuleiten, welche, da Johannes und Hubert van Eyck aus ihren Schulen hervorgegangen sind, hoͤchst wahrscheinlich schon da- mals die gleichzeitigen Italiener in technischen Vorzuͤgen uͤber- troffen haben. Allerdings sind die Vorgaͤnger jener groͤßesten Maler ihrer Zeit fast unbekannt. Die aͤltesten Denkmale sind durch die leb- hafte Betriebsamkeit der Kuͤnstler des funfzehnten und sechzehnten Jahrhundertes beynahe verdraͤngt worden, oder durch den Bilder- Die Tafel mit der angefuͤhrten Inschrift enthaͤlt einen todten Christus , den Maria und Magdalena unterstuͤtzen, im Grunde Johannes , den der Nimbus der vorderen Figuren fast verdeckt. Die Ausbildung des Nackten der bis an die Kniee sichtbaren Gestalt des Heilandes, wie auch der Koͤpfe in den uͤbrigen Figuren, uͤbertrifft jede billige Erwartung so weit, daß man auf Uebermalung des Bildes durch eine gute Hand des funfzehnten Jahrhundertes schließen duͤrfte, wenn dessen zarte, fein ausgestrichelte Behandlung weniger aus einem Gusse, wenn nicht dieselbe Manier auch einer anderen noch vorhan- sturm und durch den flandrischen Krieg, oder selbst durch die histo- rische Barbarey der beiden letztverflossenen Jahrhunderte. Indeß moͤchten die miniirten Handschriften hier, wie in der byzantini- schen Kunstgeschichte, aushelfen koͤnnen. — In der oͤffentlichen Bibliothek zu Hamburg wird eine solche, wie ich hoͤre, aus dem Nachlasse eines Churfuͤrsten von Coͤlln erstandene Handschrift auf- bewahrt, welche viele gute Miniaturgemaͤlde enthaͤlt, in denen bey einiger Spur der Beachtung byzantinischer Vorbilder und der Fort- pflanzung byzantinischer Handgriffe, doch schon viel eigene Beach- tung des Lebens, viel eigener Geist dargelegt ist. Diese Handschrift duͤrfte, hinsichtlich ihrer schon ausgebildeten, doch regelmaͤßigen und unverzierten gothischen Zuͤge nicht aͤlter, als das Jahr 1250. nicht viel neuer, als das Jahr 1350. seyn koͤnnen. Die naͤhere Untersu- chung und Bekanntmachung dieser kunsthistorischen Merkwuͤrdigkeit wird den gelehrten Aufsehern jener trefflichen Sammlung zukom- men. — Auch auf der koͤniglichen Bibliothek zu Copenhagen wur- den mir verzierte Handschriften gezeigt, welche dienen koͤnnten, die Verbreitung byzantinischer Anregungen in die Rhein- und Schelde- gegenden, von dort aus auch uͤber England hin, in ein besseres Licht zu setzen. — Wahrscheinlich traf diese Begebenheit mit jener (Abhdl. VII. ) in Italien nachgewiesenen Umwandlung der maleri- schen Manieren zusammen und stand, wie jene, mit der fraͤnkischen Pluͤnderung Constantinopels in enger Verbindung. denen Malerey eigenthuͤmlich waͤre, welche Vasari dem Gio- vanni da Milano beymißt und mit verdientem Lobe belegt. Diese, das alte Altargemaͤlde der Klosterkirche Ognisanti (der Observanten), befindet sich gegenwaͤrtig auf einem ver- nachlaͤssigten Seitenaltare des Kreuzschiffes; es ist bey dieser Versetzung offenbar zerstuͤckt und verkleinert worden. Die Oberflaͤche der erhaltenen Stuͤcke blieb indeß unberuͤhrt; sie zeigt uͤberall dieselbe zarte Beendigung durch haͤufige, sich schraͤg durchkreuzende Striche; eine Manier, welche die florentinische Schule seit Giotto mit einer bequemeren, fluͤssigeren vertauscht, doch im funfzehnten Jahrhunderte, vielleicht nicht ohne alle Beruͤcksichtigung der Arbeiten des Giovanni da Milano von Neuem ergriffen hat. Die noch vorhandenen Abtheilungen dieser Tafel enthal- ten von der Linken zur Rechten, die erste, zwey weibliche Hei- lige, deren sehnsuchtsvoller Blick an jene kleineren Figuren des oben bezeichneten Bildes erinnert; sie haben mehr Anmuth, als Schoͤnheit der Form; ihre Gewaͤnder sind wohl gelegt und bis auf die reichen Saͤume mit groͤßtem Fleiße ausge- fuͤhrt. Bewundernswerth sind die beiden Heiligen der zwey- ten Abtheilung, Stephanus und Laurentius , in deren etwas individuellen Koͤpfen eine Ausbildung des Einzelnen, eine Ruhe, Heiterkeit und Einfalt des Ausdruckes, welche sogar den Arcagno weit uͤbertrifft. In den nachfolgenden Figuren, dem Taͤufer und dem Apostel Paulus , erreichen die Koͤpfe, bey gleichem Fleiße der Ausfuͤhrung, doch nicht so ganz den Werth der vorangehenden; obwohl die Hand des Johannes , welche nach dem fehlenden Mittelstuͤcke hindeutet, mehr Beobachtung der Natur und reifere Formenkenntniß verraͤth, als man bey einem so alten Maler vorauszusetzen berechtigt ist; wie denn auch das Gewand und der profilirte Fuß derselben Figur alle billige Erwartungen uͤbertrifft. Ferner enthaͤlt dieses Gemaͤlde s. Petrus , s. Antonius Abbas , eine vortreffliche Figur des hei- ligen Jacob und einen heiligen Pabst, vielleicht s. Silvester . Diese Gestalten, welche saͤmmtlich beynahe zwey Drittheile, oder doch mehr als die Haͤlfte der natuͤrlichen Groͤße errei- chen, ruhen auf einer Altarstaffel, welche die zwoͤlf Apostel und viele andere Heilige in kleineren Ausmessungen, doch nicht minder gluͤcklich und in der zierlichsten Manier vor den Sinn stellen. Indeß ist unter den Werken, welche Vasari dem Gio- vanni beymißt, das erheblichste und ausgedehnteste jenes Leben der Jungfrau an dem Gewoͤlbe des Kreuzschiffes zur Rechten des heiligen Grabes in der unteren Kirche des heiligen Franz zu Asisi . Diese Arbeit nimmt in ihrer Art eine gleich hohe Stellung ein, als jene Tafeln unter den Temperagemaͤlden ihrer Zeit, stimmt zudem zu allen Eigenthuͤmlichkeiten, welche wir eben hervorgehoben haben, weßhalb ich hier kein Beden- ken trage, dem Vasari zu folgen. Die einzelnen Darstellun- gen nehmen, von unten nach oben, folgende Ordnung ein. Die Anbetung der Koͤnige; der schoͤnen Jungfrau stehen zwey Engel zur Seite; der aͤlteste der Koͤnige kuͤßt die Fuͤße des Heilandes; die anderen treten mit wuͤrdevoller Ehrfurcht heran. Dieses Bild hat offenbar der umbrischen Schule und wenigstens mittelbar selbst dem Raphael vorgeleuchtet. Der Priester giebt der Jungfrau das Kind zuruͤck; die Mutter strecket ihm die Arme entgegen, waͤhrend das wieder eingewickelte Kind sie freundlich anblickt. Vergleichen wir das feinsinnige Umgehen des Gegenstandes, der Beschneidung, mit den uͤblichen unmittelbaren Darstellungen desselben, so wird Giovanni im Vortheil stehn. Der Gruß der Elisabeth , fast wie jener des Taddeo Gaddi , doch in den Hauptfiguren mehr Staͤrke des Affectes. Die Geburt Christi , ganz die herkoͤmmliche Zusammen- stellung; doch sind die Hirten hier auf denselben Plan gestellt. Die Flucht nach Aegypten ; in dieser in den aͤltesten Zei- ten sehr seltenen Vorstellung, scheint der Kuͤnstler seinen eige- nen Eingebungen gefolgt zu seyn, die ihn hier sehr gluͤcklich geleitet haben. Der Esel ist uͤberraschend wohl gezeichnet und ausgefuͤhrt, Joseph schoͤn bewegt und gewandet. Der treffli- chen Madonnengestalt folgt eine Magd mit Geraͤth und ein Knecht, der die Hand auf die Gruppe des Esels legt. Der Kindermord; dieser Gegenstand lag offenbar an sich selbst außerhalb der Richtung und Kraft unseres Meisters. Er nutzte dessen Motive zu anmuthigen Bewegungen und Stel- lungen. Christus im Tempel unter den Schriftgelehrten; die Figu- ren sind unter einem hohen gothischen Dome einfach und regelmaͤßig vertheilt. In dem achten, durch eine eingebrochene Seitenthuͤre ver- kleinerten Gemaͤlde scheinen Joseph und Maria mit dem jun- gen Christus aus Jerusalem heimzukehren. Sie haben ihn in der Mitte und Joseph haͤlt ihn bey der Hand, als wenn er fuͤrchtete, ihn von neuem zu verlieren. Das Bild moͤchte durch das Brechen der Mauer gelitten haben und theilweis ergaͤnzt seyn. Ein neuntes zur Haͤlfte von der Orgel verdeck- tes Bild, gehoͤrt zur selben Folge. Man sieht in den unver- deckten Theilen eine herrliche Weibergruppe und einige Priester vor einem zierlichen gothischen Bau; es duͤrfte die Trauung Josephs und der Jungfrau darstellen. Alle diese Gemaͤlde zeigen eine Weichheit der Behand- lung, eine Ausbildung der Form, welche kein anderer Kuͤnst- ler derselben Zeit jemals erreicht hat; weßhalb zu verwundern ist, daß Giovanni bisher von alten und neueren Schriftstellern unter die abhaͤngigen und untergeordneten Meister gestellt wor- den, da ihm doch der Ruhm gebuͤhrt, seiner Zeit vorangeeilt zu seyn. — Wie viel haͤufiger wuͤrde von ihm die Rede seyn, haͤtte Vasari so viel von ihm gewußt, als er bedurfte, um eine Lebensbeschreibung zu machen. Andrea di Cione , genannt l’Arcagnuolo . Wenn Gegenwart und Nachwelt den Verdiensten des Giovanni da Milano bis jetzt nicht ganz die Anerkennung gewaͤhrte, welche sie fodern; so ward dahingegen die Ueberle- genheit des Malers, Bildners und Architecten Arcagnuolo von jeher verehrt und gepriesen, weßhalb ich seine noch vorhande- nen Werke als bekannt voraussetzen und hier nur fluͤchtig be- ruͤhren will. Die großen, schoͤnen, in die Augen fallenden Bauwerke dieses Kuͤnstlers, die, loggia de’ Lanzi , die Kirche und das Magazin Orsanmichele, haben, wie es scheint, sein Andenken zu allen Zeiten wach gehalten. Das reiche Taber- nakel der Jungfrau in Orto san Michele, die schoͤne Tafel eines Seitenaltares der Kirche sta Maria novella, sind beide mit dem Namen des Kùnstlers und dem Jahre der Vollen- dung bezeichnet, befinden sich zudem an besuchten und zu- gaͤnglichen Orten, so daß auf alle Weise fuͤr die ununterbro- chene Fortpflanzung seines Ruhmes gesorgt war. Dieser An- erkennung ungeachtet war man nur selten darauf bedacht, seine Geschichte zu berichtigen, oder zu erweitern. Nicht einmal uͤber seinen Beynamen, den die mehr benutzte Abschrift der Kunstgeschichte des Ghiberti zu Orcagna , Vasari sogar zu Or- gagna verstuͤmmelt hatte, war man seither ins Klare gekom- men. Baldinucci Decen. VI. s. 2. p. 64. verwarf die Schreibart des Vasari , weil er, wenn er anders richtig gesehn, in einem Originalcontracte des Kuͤnstlers und in den Handschriften der Novellen des Sacchetti uͤberall Orcagna gefunden. Allerdings ist dieses richtiger, dessenungeachtet bereits eine Verstuͤmmelung des wah- ren Namens, welche vielleicht schon zur Lebenszeit des Kuͤnst- lers eingerissen war. Unter allen Umstaͤnden sind die Ablei- tungen, welche Baldinucci versucht hat, eben so muͤssig, als sie an sich selbst gezwungen sind. Der wahre Beyname des Kuͤnstlers lautet: l’Arcagnuolo ; dieser ward in Schriften und Urkunden haͤufig zu Ende abgekuͤrzt und bisweilen mit dem Artikel zusammengezogen, und daher entstand, daß man in der Folge die Grundform aus den Augen verloren und nur die Verstuͤmmelung beybehalten hat. Ich will die Protocolle, in welchen unser Arcagnuolo erscheint, theils abgekuͤrzt und theils in ihrer ganzen Laͤnge mittheilen, S. Belege, No. I. sowohl weil sie die damals bey großen Bau- werken uͤbliche Geschaͤftsfuͤhrung versinnlichen, als auch, weil sie ins Licht stellen, wie wenig man bisher bemuͤht gewesen, die neuere Kunsthistorie umstaͤndlich zu begruͤnden. Denn sicher benutzte unter so vielen Gelehrten, welche seit Vasari kunsthistorische Forschungen angestellt haben, kein einziger das bequeme und zugaͤngliche Archiv der florentinischen Domver- waltung, weil man sonst diese breiten Protocolle nicht haͤtte so ganz uͤbersehen koͤnnen, welche die Ableitungen des Baldinucci aufheben und ganz uͤberfluͤssig machen, ihrer, wie bisher in allen Kunstbuͤchern geschehen, Noch in Nicolini ’s Elogio d’ Orgagna , welches vor we- nigen Jahren ausgegeben worden. billigend oder verwerfend zu erwaͤhnen. Wie Della Valle das Domarchiv zu Siena , wel- ches er nie mit eigenen Augen angesehn, so citirte auch Bal- dinucci (in der Folge auch Richa ) hie und da einige der Buͤ- cher des florentinischen, wenn ich nicht irre, an einer Stelle sogar dasselbe, welches ihn, haͤtte er selbst, oder sein Beauf- tragter das Buch nur ganz durchlesen wollen, alles unnuͤtzen Kopfbrechens uͤber den Namen Orcagna wuͤrde uͤberhoben ha- ben. Auf diese Veranlassung bemerke ich, daß bey urkundli- chen Forschungen aller Art ein bloßes Blaͤttern und verstreu- tes Nachsuchen nur etwa dahin fuͤhrt, den Leser zu verblen- den; daß man nach Maßgabe des Gegenstandes der Untersu- chung Classe fuͤr Classe, Blatt fuͤr Blatt, die Feder stets in der Hand durchgehen muß, um sich selbst und Anderen die Zuversicht zu schaffen, daß man alles Vorhandene erschoͤpft habe. Sollte die neuere Kunstgeschichte jemals aus dem No- vellenhaften und Halbwahren, welches ihr Stifter derselben mitgetheilt, zu geschichtlicher Aechtheit und Wuͤrde sich erheben wollen, so duͤrften Viele gemeinschaftlich daran arbeiten und alle erreichbare Archive, deren in Italien unermeßlich viele, Schritt fuͤr Schritt durchgehen und bey diesem Geschaͤfte sich gegenseitig die Hand reichen. Doch wird Solches nicht sobald geschehen, da es leichter, vielleicht auch belohnender ist, den Vasari und andere noch Neuere als Quellen anzusehn und ohne Bedenklichkeiten sie abzuschreiben. Aus der Stoͤrung die ich in dieses behagliche Geschaͤft gebracht, erklaͤre ich mir die verdeckten Angriffe auf Quellenstudien, deren einige Kunstscri- benten mich neuerlich gewuͤrdigt haben. Sieneser . Simone di Martino und Lippo di Memmo . Das Beyspiel des Giotto , wenn nicht wahrscheinlicher ein allgemeiner Hang damaliger Zeitgenossen, lenkte auch die sienesische Schule, wenigstens ihre bekanntesten Meister, von der Nachbildung und Vervollkommnung altchristlicher Typen zur Beschauung und mehrseitigen Auffassung des Lebens hin- uͤber. Die Verehrung des heiligen Franz , seiner beruͤhmteren Genossen und anderer gleich neuer Heiligen fuͤhrte, da ihre Lebensereignisse so frisch und noch umstaͤndlich bekannt waren, nothwendig zur vielseitigsten Auffassung menschlicher Verhaͤlt- nisse, welche selbst die Lebenssitten der Unglaͤubigen nicht aus- schlossen, insofern solche die Macht und Wunderkraft des Glau- bens gelegentlich erprobt hatten. Dieser neuen Richtung brach unter den Sienesern unser Simon die Bahn, wie Giotto unter den Florentinern. Vasari macht ihn indeß zu einem Schuͤler des letzten, was die Sie- neser mit allem Rechte abgelehnt haben. Was ihn auch dazu bestimmen mochte, so war es doch gewiß nicht jene Hand- schrift des Lorenzo Ghiberti , welcher seine Nachrichten von Simons Werken mit folgenden Worten anhebt: „Meister Si- mon war ein sehr ausgezeichneter Maler; die sienesischen Kuͤnstler halten ihn fuͤr den Besten ihrer Schule; mir schien Ambruogio Lorenzetti kunstreicher zu seyn, als alle uͤbrigen.“ Da er nun uͤberhaupt, wie ich bereits erinnert habe, S. Abhdl. VIII. die sienesische und florentinische Schule als voͤllig getrennt und jede fuͤr sich betrachtete, so hielt er den Simon , dessen Meister er nicht nennt, sicher fuͤr einen Sproͤßling der siene- sischen, um so mehr, da er von den Florentinern, Stefano, Maso, Taddeo , jedesmal anzeigt, daß sie bey Giotto gelernt haben. Die Eigenthuͤmlichkeit der sienesischen Schule, welche waͤhrend des vierzehnten Jahrhundertes noch immer sehr Vie- les aus der griechischen Malart beybehalten hat, in welcher bis auf Taddeo di Bartolo und spaͤter die Charaktere und Darstellun- gen der neugriechischen Malerey nie so ganz in Vergessenheit gekommen sind, mußte dem kuͤnstlerischen Scharfblick des Ghi- berti auffallen, zumal da es ihm, der eine laͤngere Zeit in Siena gearbeitet hatte, nicht an Lust, Zeit und Gelegenheit gefehlt, beide Schulen gegenseitig zu vergleichen. Zudem be- hauptete Siena , wiewohl schon im Sinken, doch zu Ghiber- ti’s Zeit noch immer eine selbststaͤndige, Achtung gebietende Stellung, weßhalb es diesem nicht, wie spaͤterhin dem Vasari , in den Sinn kam, die ganze, hoͤchst eigenthuͤmliche und, wie wir gesehn haben, uralte Schule den Florentinern gleichsam unterzustecken. Auch Petrarca betrachtete den Simon als einen selbststaͤndigen Meister, wie theils aus ben beiden Ge- dichten erhellt, deren erstes meisterlich in unsere Sprache uͤber- tragen worden, theils auch aus einem seiner Briefe, Vasari bedient sich in seinem Leben Giotto’s der eige- nen Worte des Petrarca , ohne sie in obiger Beziehung hinrei- chend zu waͤgen. wo er ihn dem Giotto gleichstellt und beide gemeinschaftlich fuͤr die groͤßesten Maler erklaͤrt, welche ihm bekannt gewor- den; was uͤbrigens ihre Zeitgenossen nicht betheiligt, da Pe- trarca durch seine aͤußere Lage verhindert wurde, alle Fort- schritte und Leistungen der toscanischen Kuͤnstler seiner Zeit zu sehn und gegenseitig zu vergleichen. Endlich war Simon kein Nachfolger, sondern ein Zeitgenosse des Giotto ; denn er starb bald nach ihm im Jahre 1344., S. Della Valle , in der sienesischen Ausgabe des Va- sari , To. II. p. 215. Ich habe der Quellen, auf welche er sich bezieht, nicht habhaft werden koͤnnen. Doch fand ich im Archiv der Riformagioni in einem Auszuge des libro nero da 1336. = 1596. , der Sacristey der Kirche s. Domenico zu Siena , desselben, auf welches DV. sich bezieht: 1344. Maestro Simone di Martino pit- tore. 4. Aug. Also wird jene Angabe im Ganzen richtig seyn. und beschloß sein Leben sicher nicht in der ersten Bluͤthe der Jahre, da er zahlreiche und große Werke vollbracht hat, selbst, wenn ein Theil dessen, so Vasari ihm beygemessen, wie ich fuͤrchte, von anderer Hand gemalt seyn sollte. Indeß hatte Vasari das Leben dieses Kuͤnstlers uͤberhaupt mit besonderer Nachlaͤssigkeit vorgearbeitet; nicht einmal sei- nen Namen hatte er recht erkundet, was doch nicht so gar schwierig war, da Simon sich verschiedentlich unter seinen Werken genannt hat und zudem in den sienesischen Archiven nicht selten vorkommt. Vielleicht hatte Vasari irgend eine der Tafeln gesehn, welche Simon mit seinem Gehuͤlfen Lippo di Memmo gemeinschaftlich gemalt und bezeichnet hat, die In- schrift aber nur fluͤchtig gelesen und nicht an der Stelle auf- gezeichnet; oder es verleitete ihn die mehrberuͤhrte Abschrift der Bemerkungen des Ghiberti , welche an dieser Stelle zwei- felhaft ist, Cod. s. c. fo. 9. a tergo. — Lavorò con esso ( Simone ) jene Maler fuͤr Bruͤder, also fuͤr Soͤhne eines Vaters zu halten. Indeß, wie es immer gekommen seyn moͤge, so ist es doch unter allen Umstaͤnden falsch, wenn er uns versichert, daß unter den Tafeln des Simon geschrie- ben stehe: Simonis Memmi Senensis opus. Denn es sind noch immer einige Gemaͤlde mit der Auf- schrift dieses Kuͤnstlers vorhanden, welche bey Della Valle einzusehen, unter denen die Verkuͤndigte, welche Lanzi ihres urkundlichen Werthes willen in die florentinische Gallerie be- foͤrdert hat, besonders geeignet ist, die Frage ganz zu beseiti- gen. Auf dem Sockel dieses Bildes lieset man: Simon. MARTINI. ET. LIPPVS. MEMMI. DE. SENIS. ME. PINCXERVNT. ANNO. DOMINI. MCCCXXXII. oder XXXIII. ; denn diese letzte Ziffer ist verstuͤmmelt. Wenn diese Tafel dieselbe ist, deren DV. in seiner Ausg. des Vasari To. II. p. 205. erwaͤhnt, so wuͤrde er die daran befind- liche Aufschrift nicht aufmerksam genug gelesen haben. Er setzt das Jahr vorauf, und fuͤr pinxerunt, direxerunt; beides ist auf Bildern dieser Epoche zu ungewoͤhnlich, um wahrscheinlich zu seyn. Unter keinem anderen Namen findet er sich in den siene- sischen Archiven, aus denen ich einige theils minder beachtete Stellen, der Bestaͤrkung wegen, unter die Belege dieser Ab- handlung aufnehme. S. Belege, II. In jener Wiederherstellung der Madonna des großen Saales im oͤffentlichen Palaste zu Siena unterscheidet man maestro Filippo . Dicono ch’esso fu suo disce fratello. — Man sieht, daß Ghiberti in der Urschrift zwischen discepolo und fra- tello geschwankt, daß erst der Abschreiber sich fuͤr fratello entschie- den hatte. noch immer die Hand des Simon sowohl von den aͤlteren Theilen, als von noch spaͤteren Ausbesserungen. Am unteren Rande des Gemaͤldes befinden sich Reste von verschiedenen, nicht zusammengehoͤrenden Inschriften. Die erste sagt: Mille trecento quindici vo ..... etc. Die andere, tiefer belegene: S … A MAN DI SYMONE .... Hier, wie in jener Verkuͤndigten der florentinischen Gal- lerie, welche leider vor ihrer Aufstellung mit Ungeschick gerei- nigt und nachgebessert worden, zeigt Simon einen feinen und emsigen Pinsel, welcher a tempera durch viele Lagen sich durchkreuzender Striche, a fresco durch zierlichen Auftrag, sei- nen Formen Beendigung zu geben sucht, also von der fluͤssi- gen, verwaschenden Behandlung des Giotto weit genug ab- weicht. Allein auch in der Auffassung der Formen und Ver- haͤltnisse, wie in der Manier der Anordnung unterscheidet er sich von seinem großen Zeitgenossen. Denn es sind die Ver- haͤltnisse des Simon ungleich willkuͤhrlicher und gehen, vor- nehmlich bey verkuͤrzten Gestalten, gar sehr ins Lange; und die Gesichtsformen unterscheiden sich von den giottesken durch groͤ- ßere Fuͤlle und Rundlichkeit der Backen, bey feinen sehr ver- laͤngerten Nasen und rundlicheren Umrissen der Augenlieder, welche uͤbrigens gleich denen des Giotto meistens beynahe ge- schlossen sind. Diese Merkzeichen fehlen verschiedenen Werken, welche Vasari dem Simon beylegt, namentlich den bekannten Mauer- gemaͤlden der spanischen Kappelle im Kloster sta Maria novella zu Florenz . Lorenzo Ghiberti , welcher die sienesischen Arbeiten des Simon genau betrachtet hatte und ziemlich umstaͤndlich beschreibt, meldet mit keiner Zeile, daß Simon zu Florenz und in in dieser Kappelle gemalt habe, was allerdings befremdend ist. Denn es lag ihm nahe, hier ein so großes, in Hinsicht auf Umfang und Reichhaltigkeit jene sienesischen Gemaͤlde weit uͤbertreffendes Werk anzufuͤhren, wenn er es uͤberall fuͤr die Arbeit unseres Meisters hielt. Da es demnach hoͤchst wahr- scheinlich zu Anfang des funfzehnten Jahrhundertes fuͤr die Arbeit irgend eines anderen, gleich so vielen alten, gegenwaͤrtig unbekannten Wer die Urkunden der Kunstgeschichte des dreyzehnten und vierzehnten Jahrhundertes eingesehn, weiß, welche Fuͤlle von ganz unbekannten Kuͤnstlern daraus herv o rtritt. Wenn wir die beruͤhm- testen ausnehmen, so folgte Vasari bey den uͤbrigen dem bloßen Zufall, der ihm oft die minder bedeutenden entgegenfuͤhrte, bessere verhehlte. Malers galt; da Vasari hier schwerlich urkund- lichen Nachrichten folgte, welche den Klosterkirchen, was ihre Kunstwerke betrifft, zu fehlen pflegen: so duͤrfte seine Angabe auf einer bloßen Vermuthung beruhen, welche das minder flo- rentinische Ansehn jener Malereyen mag hervorgerufen haben. Mir scheint dieser Maler derselbe zu seyn, der in der Kappelle der Sacristey in sta Croce die linke Seitenwand mit einigen Festlichkeiten aus der Legende der Jungfrau bemalt hat, welche Vasari fuͤr Arbeiten des Taddeo ausgiebt. Gewiß sind sie mit einer groͤßeren Fertigkeit und minder emsig al fresco Fiorillo verwirft diesen Ausdruck und will, daß die Form, a fresco, welche von den neueren italienischen Schriftstellern vorgezogen wird, die einzig richtige sey. — Vasari indeß, den man fuͤr einen teste di lingua haͤlt, sagt abwechselnd: al fresco, sul fresco, in fresco, wobey immer, muro, zu suppliren ist. A fresco, hingegen scheint sich nur auf die Handlung des Malens zu beziehn, nicht auf die Beschaffenheit der Mauer, auf welcher gemalt wird, welche doch eigentlich in dieser Manier das Entscheidende ist. Ich fuͤrchte daher, daß die modernen italienischen Schriftsteller hier II. 7 gemalt, als man uͤberhaupt von einem Kuͤnstler voraussetzen darf, welcher seine thaͤtige Laufbahn schon im Jahre 1344. beschlossen hat. Erwaͤgen wir, daß Alles, was Simon fuͤr den Hof zu Avignon gemalt hat, laͤngst untergegangen, oder doch verschol- len ist; daß auch zu Siena der groͤßere Theil der Arbeiten, welche wir aus dem Ghiberti oder aus alten Contracten und Zahlungen kennen, nicht mehr vorhanden oder doch ungemein beschaͤdigt ist: so werden wir uns bescheiden muͤssen, aus eini- gen wenigen beglaubigten Werken seine Manier und Formen- gebung zu beurtheilen, ohne den ganzen Umfang seines Gei- stes ermessen zu wollen. Und ich wuͤrde nicht gewagt haben, ihn nach so geringen Proben seines Talentes, als mir bekannt geworden, zu den Kuͤnstlern zu zaͤhlen, welche, gleich dem Giotto , der Beobachtung und Nachbildung des Lebens sich hin- gegeben, wenn nicht die bekanntesten Sonette des Petrarca be- wiesen, daß er bereits versucht, Bildnisse zu zeichnen oder zu malen, welche wenigstens einem schwaͤrmerischen Verliebten genuͤgen konnten. Petrarca Son. cit. — Della Valle ( lettere Sen. To. II. und sto. del Duomo d’ Orvieto ) hat uͤber Simon und Lippo viel damals noch Unbekanntes, oder minder Beachtetes zusammenge- stellt, was meist die Probe haͤlt. Auch Lanzi ( sto. pitt. scuola Sen. Ep. 1. ) hat einiges Neue, namentlich die Nachweisung einer Miniatur des Simon in einem Codex der Ambrosiana zu May- land , welcher dem Petrarca gehoͤrt haben soll. Aus seiner Schule stammt vielleicht jener treffliche Miniaturmaler, welcher zu Siena entweder in einen Gallicism verfallen sind, oder einen Kunstaus- druck der Manieristen mißverstanden haben, welche wohl einmal ihr keck und frischweg in Oel malen, Frescomalerey und Malerey a fresco genannt haben. Ambruogio und Pietro di Lorenzo oder di Lorenzetto . Diese Kuͤnstler, deren Vater in den Urkunden und Auf- schriften bald Lorenzo, bald wiederum Lorenzetto genannt wird, waren dem Ansehn nach Bruͤder. In einer Aufschrift am Spital zu Siena war vormals nach Pecci , einem achtenswerthen Sammler oͤrtlicher Merkwuͤrdigkei- ten, zu lesen: hoc opus fecit Petrus Laurentii et Ambrosius ejus frater 1330. Vasari hat aus Unkunde der Sitten jener Zeit, in welcher die Geschlechtsnamen noch selten und nur in den groͤßeren Familien uͤblich waren, das im, Arch. delle Riformagioni, das Frontispiz des: Caleffo dell’ assunta, groß Fo., mit einer Aufnahme der Madonna in den Him- mel geziert hat; er zeichnete sich darauf: Nicholaus ser sozi me pinxit. Die Abschriften dieses Buches sind im Jahre 1335. ge- macht, also trifft diese Miniatur mit dem maͤnnlichen Alter Mei- ster Simons zusammen. — Die Madonna in weißem, goldgebluͤm- ten Gewande, eben wie sie in dieser Darstellung auch bey spaͤteren Sienesern vorzukommen pflegt. Die singenden Engel, welche an Lippo Memmi erinnern, sind besonders schoͤn und schwebend; die Koͤpfe ausgebildeter als man erwarten sollte. In diesem Ar- chiv giebt es andere Miniaturen von Werth. — Uebrigens ist dem Lanzi und neueren nicht zuzugeben, daß jene Relief-Bildnisse der Laura im Geschmacke des funfzehnten Jahrhundertes aͤcht seyen, welche bisweilen, ich errathe nicht aus welchem anderen Grunde, als dem des Betruges, mit dem Namen unseres Kuͤnstlers bezeich- net worden sind. Raccolta di lettere sulla pitt. scult. ed Architet- tura, To. V. Lettera LXIII. (Ed. Ro. 1766. p. 141.) erwiedert der Marchese von Mantua dem bekannten Pietro Aretino : Alla parte, che scrivete di Madonna Laura, dicovi ch’ ho fatto vedere, se qui in casa ve n’é alcuno, e finora non se n’é trovato. Se vorrò quello, che avete voi, ve ne darò aviso . — Man- tuae 1. Jun. 1529. Es scheint demnach, daß solche Bildnisse der Laura schon damals in den italienischen Gemaͤldesammlungen eine Rubrik bildeten, welche man ausfuͤllen mußte. 7 * Diminutiv Lorenzetto fuͤr einen Geschlechtsnamen gehalten, den er indeß nur dem Ambruogio beylegt. Fuͤr den Pietro hat er anderweitig gesorgt und ihn Laurati genannt; ein Name, der seine Entstehung wahrscheinlich irgend einer falsch gelesenen Aufschrift verdankt. Indeß ist Alles, was man in dieser Be- ziehung dem Vasari einwenden koͤnnte, laͤngst schon in groͤß- ter Breite eroͤrtert worden. S. Della Valle , P. G. , Lettere Senesi . Lanzi , sto. pitt. scuola Sen. Ep. I. Von den Werken der beiden Lorenzetti haben sich ver- schiedene bis auf unsere Tage in gutem Stande erhalten; doch ist leider eben das Hauptwerk des Ambruogio unterge- gangen, welches dem Ghiberti zu einer laͤngeren Beschreibung Stoff gab, ihn zu groͤßerer Lebhaftigkeit hinriß, als ihm ge- woͤhnlich war. Ich will versuchen diese Stelle, welche Vasari zwar benutzt, doch sehr abgekuͤrzt hat, in ihrer eigenthuͤmlichen Manier zu uͤbertragen, weil sie mehr, als irgend anderes die- net, ins Licht zu setzen, daß die Maler des vierzehnten Jahr- hundertes von ihren Vorgaͤngern vornehmlich eben durch groͤ- ßere Objectivitaͤt sich unterscheiden. „Die Stadt Siena , hebt Ghiberti an Cod. s. cit. fo. 8. a tergo und fo. 9. , besaß hoͤchst ausgezeichnete und kunstreiche Meister, unter diesen den Am- bruogio Lorenzetti , einen vielgeruͤhmten und hoͤchst eigenthuͤm- lichen Maler, welcher, da er der Erfindung sehr maͤchtig war, sehr viele Werke vollendet hat. Unter anderen malte er bey den Minoriten (zu Siena ) eine sehr große, trefflich beendigte historische Darstellung, welche die ganze Wand eines Kloster- hofes einnimmt. Hierin sieht man, wie ein Juͤngling bey sich beschließet, Moͤnch zu werden, und darauf eingekleidet wird. Ferner, wie derselbe, schon in den Orden eingetreten, nebst anderen Bruͤdern desselben mit groͤßter Inbrunst um die Gunst flehet, nach Asien uͤberzugehen, um den Saracenen den christlichen Glauben zu predigen. Ferner, wie sie abreisen und zum Sultan kommen, die christliche Lehre zu verkuͤnden, wor- auf dieser sogleich befiehlt, sie an eine Saͤule zu binden und auszupeitschen. Dort sieht man, wie zwey Schergen sie ge- hauen haben und nun mit den Ruthen in der Hand, nach- dem zwey andere sie abgeloͤset, sich ausruhen. Ihre Huͤte triefen von Schweiß und sie scheinen so ermuͤdet und athem- los zu seyn, daß es ein Wunder ist, zu sehen, wie der Mei- ster Alles so kunstreich habe ausdruͤcken koͤnnen. Umher steht das schaulustige Volk, die Augen fest auf die entkleideten Moͤnche geheftet; der Sultan aber sitzt auf maurische Weise; und wenn man die mannichfaltigen Gebehrden und Bekleidun- gen ansieht, so scheint es einem, als wenn die Figuren wirk- lich lebten. Ferner sieht man, wie der Sultan das Urtheil spricht, sie an einem Baume aufzuknuͤpfen; wie sie an einem Baume aufgehaͤngt werden, und wie das gaffende Volk den aufge- haͤngten Moͤnch ganz offenbar reden und predigen hoͤrt. Dar- auf, wie der Sultan befiehlt, daß man sie enthaupte. Da, wo sie enthauptet werden, sieht man eine große Menge Men- schen zu Fuß und zu Pferd, welche zusehen; den Scharfrichter mit gewaffneter Begleitung und Weiber und Maͤnner umher. Und nachdem die Moͤnche enthauptet sind, erhebt sich ein duͤ- steres Ungewitter mit Donner, Blitz, Hagel und Erdbeben, welches Alles so wohl ausgedruͤckt ist, daß man den Einsturz des Himmels und der Erde befuͤrchten sollte. Alle haben das Ansehn, mit großer Besorgniß sich zu decken; man sieht Wei- ber und Maͤnner sich niederwerfen, und ihre Gewande uͤber den Kopf ziehen, und die Bewaffneten ihre Schilder uͤber den Kopf halten, auf denen der Hagel sich sammelt, welcher mit maͤchtiger Sturmesgewalt auf den Schildern zu prasseln scheint. Auch sieht man die Baͤume sich zur Erde neigen, und einige sich spalten, und Jeden glaubt man fliehen zu sehen. Auch sieht man, wie dem Scharfrichter sein Pferd stuͤrzt und ihn im Fallen erschlaͤgt; und dieser Wunder willen ließ sich vieles Volk taufen. Als eine Malerey betrachtet, „— Per una storia picta mi pare una maravigliosa cosa.“ — Ich denke, daß er ausdruͤcken wollte: fuͤr eine Nachahmung, welche nicht das Wirkliche selbst ist , scheint etc. etc. fuͤgt Ghiberti hinzu, scheint mir diese Darstellung wahrhaft bewundernswerth zu seyn.“ Ein anderes, der Richtung nach, dem beschriebenen nahe verwandtes Mauergemaͤlde an einer Seitenwand der Sala delle balestre, im oͤffentlichen Palaste zu Siena , bestaͤtigt das guͤnstige Urtheil des Ghiberti , indem es auch unseren, in Be- zug auf sinnliche Wahrscheinlichkeit verwoͤhnteren Augen viel Leben und Ausdruck zu besitzen scheint. Der Kuͤnstler hat darin das staͤdtische und laͤndliche Leben schildern wollen; die Haͤlfte des Bildes nimmt eine innere Ansicht der malerischen Stadt Siena ein, in welcher die Gebaͤude gut charakterisirt, die Straßen und Plaͤtze mit lebendigen Figuren erfuͤllt sind. Einige betreiben ihr Gewerbe; doch an einer freyeren Stelle tanzen einige Maͤdchen nach der Handtrommel, in denen der Kuͤnstler sein Bestes versucht und viel Anmuth der Miene und Bewegung ausgedruͤckt hat. Taͤnze auf offener Gasse gehoͤren zu den Sitten jener Zeit; da sie Gedraͤnge und gegenseitige Beleidigungen der Schaulustigen veranlaßten, haben sie ver- schiedentlich zu blutigen Partheykaͤmpfen die Loosung gegeben. Außerhalb des Thores sieht man eine reich angebaute Land- schaft und Ritter und Damen zu Pferde, welche aufs Land, oder auf die Jagd gehn. Obwohl dieser Theil des Gemaͤldes etwas leer und die Landschaft minder gelungen ist, als die Ansicht der Stadt, so verdient sie doch um so mehr Aufmerk- samkeit, als sie zu den fruͤhesten Versuchen gehoͤrt, Feld und Wald und Anbau darzustellen; welche Dinge die meisten Ma- ler dieser Zeit durch uͤbereinkoͤmmliche Zeichen anzudeuten pflegten. Ghiberti ( cod. cit. ) sagt von diesen Malereyen: im oͤffent- lichen Palaste zu Siena malte er den Krieg und den Frieden und das, was zum Frieden gehoͤrt, naͤmlich, wie der Handel mit aller Sicherheit gefuͤhrt wird. Auch ist die gehoͤrige Anstrengung ( stor- sioni ) in den Schlachten. Die letzten sind nicht mehr erkennbar. Die anderen Waͤnde dieses Saales enthalten allegorische Malereyen, deren Gegenstand und Zusammenhang gegenwaͤr- tig nur an der einen, dem Fenster gegenuͤberliegenden, zu erken- nen ist, da die uͤbrigen beynahe zerstoͤrt sind. Allein auch die erhaltene bedurfte, gleich den meisten kuͤnstlerischen Andeutun- gen des Begriffes, der Erklaͤrung durch Wort und Schrift, weßhalb der Kuͤnstler folgende Verse an den Rand des Ge- maͤldes setzte: Questa santa virtù la, dove regge, Induce ad unità li animi molti. Et questi acciò riciolti Un ben comun per lor signor si fanno. Lo qual per governar suo stato elegge, Di non tener giammai gli occhj involti Da lo splendor de’ volti De le virtù, che ’ntorno a lui si stanno. Per questo con triunfo alui si danno Censi, tributi e Signorie di terre; Per questo senza guerre Seguita poi ogni civile eletto, Utile, necessario e di diletto. Die verschiedenen politischen Tugenden sind jedesmal in einer weiblichen Figur personificirt, welche mit einander auf einer langen mit hoher Lehne versehenen Bank vertheilt sind, zu deren Ende ein hoͤherer Sitz sich erhebt, auf welchem eine maͤnnliche Figur in kaiserlichem Ornate, und oberhalb dersel- ben einige fliegende Genien, nach den Beyschriften, Glaube, Liebe, Hoffnung. Die weiblichen Personificationen erklaͤren die Beyschriften: pax, fortitudo, prudentia, magnificentia, tem- perantia, justitia. Zu den Fuͤßen des Fuͤrsten zwey Genien und in einigem Abstande eine große Menge nach dem Throne aufblickender Buͤrger. Die darauf folgende Allegorie ist durch Beschaͤdigung un- deutlich geworden. In der Hoͤhe schwebt eine weibliche Figur mit der Ueberschrift: sapientia; sie haͤlt eine Wage uͤber dem Haupte einer anderen, welche die Haͤnde ausbreitet; im Felde diligite ..... judicatis. Unter diese Figur sitzt eine dritte weibliche Gestalt, deren Gesichtszuͤge schoͤn, deren Haupt sehr anmuthvoll bewegt ist. Ich vermuthe, daß Ambruogio dieselbe aus Buͤchergemaͤlden entlehnt hat, welche im Mittelalter so viel Antikes bis auf sehr neue Zeit hinab fortgepflanzt haben. Auch die uͤbrigen Personificationen, besonders der Friede, (eine bequem hinge- lehnte Figur in weißem, ungeguͤrtetem, faltenreichem Gewande, welche in der rechten einen Kranz und Oelzweig haͤlt) duͤrften urspruͤnglich antik seyn. Hingegen gehoͤrt die etwas unregel- maͤßige Anordnung, die Zeichnung der Geraͤthe, wie endlich auch die Gestalt des Herrschers ganz der Zeit und Erfindung des Kuͤnstlers, welcher am Saume dieses Bildes seinen Na- men angebracht hat, wie folgt: AMBROSIUS LAURENTII DE SENIS HIC PINXIT UTRINQUE. Ich bringe in Erinnerung, daß diese Mauergemaͤlde auf wohlgeglaͤttetem Gypsgrunde a tempera gemalt sind, wie an den Stellen, wo die Farbe durch wiederholtes Herabfegen des Staubes abgeblaͤttert worden, ganz deutlich am Tage liegt. — Vielleicht dient es Einigen zur Beruhigung, zu erfahren, wann diese Gemaͤlde vollbracht und wie sie belohnt worden; hier sind die Zahlungen, welche sich noch vorfinden S. Belege. III . . Obwohl nicht ausdruͤcklich angegeben ist, welche Arbeit jedesmal bezahlt worden; so vermuthe ich doch aus dem Be- laufe der Summe, daß die Posten von zehn Goldgulden, welche dem Kuͤnstler in den Jahren 1337. und 1338. von Zeit zu Zeit bezahlt worden, das oben beschriebene Gemach angehn, als die groͤßeste unter den Arbeiten welche Ambruogio in diesem Palaste beendigt hat. Von den verschiedenen Tafeln unseres Meisters, deren Ghi- berti mit Lob erwaͤhnt, erhielt sich zu Siena , so weit meine Kunde reicht, nur eine einzige sehr verstuͤmmelte, in einem Raume der Armenschule ( scuole regie ). Das Hauptbild enthaͤlt die Vorstellung im Tempel; die Weiber, welche die Jungfrau umgeben, besonders die Prophetin, sind vortrefflich. Die Aufschrift: AMBROSIUS. LAURENTII. DE. SENIS. FE- CIT. HOC. OPUS. ANNO. DOMINI. MCCC. XLII. Eine Altarstaffel mit allegorischer Darstellung des Welt- gerichtes, auf der Treppe desselben Gebaͤudes, ist offenbar ein Bruchstuͤck desselben Bildes Angeblich ist dieses Bild aus san Nieeolo in Sasso dahin versetzt worden. Doch vermuthe ich, daß solches zu den Tafeln im Dome gehoͤrt, deren Ghiberti erwaͤhnt. . Den Bruder des Ambruogio , Pietro di Lorenzo , scheint Ghiberti ganz uͤbersehen und seine Arbeiten mit denen des er- sten vermengt zu haben. Wenigstens duͤrfte die Tafel, welche gegenwaͤrtig in einem Seitengemache der Sacristey des Domes zu Siena ( stanza del pilone ) aufgehaͤngt ist, zu jenen dreyen gehoͤren, welche Ghiberti dem Ambruogio di Lorenzetto beymißt. Indeß lies’t man am Sockel dieses Gemaͤldes: Petrus. LAURENTII. DE. SENIS. ME. PIN- XIT. A. M. CCC. XLII. Dieses Gemaͤlde verdient um so mehr beachtet zu wer- den, weil es das einzige beurkundete Werk dieses Meisters ist, welches so weit meine Kunde reicht, in Toscana sich erhalten hat. Der Gegenstand scheint mir aus dem Leben des Taͤufers entnommen zu seyn; das mittlere Bild enthaͤlt eine Wochen- stube, in welcher eine Menge naiver, aus dem Familienleben jener Zeit aufgegriffener Zuͤge verstreut sind. Die Weiber, der Schnitt ihrer Koͤpfe, selbst die Bekleidung und der Kopfputz erinnert durchhin an jene Malerey des Ambrosius im oͤffentli- chen Palaste; auch unter den beiden zuletzt angefuͤhrten Tafeln bestehet die groͤßte Aehnlichkeit der Auffassung und der Manier. Bey so viel aͤußerer Aehnlichkeit wage ich nicht, mich zu bestimmen, ob der eine, oder der andere, oder vielleicht beide gemeinschaftlich im campo santo zu Pisa jenes große Feld voll Einsiedler gemalt haben, welches Vasari dem Pietro bey- mißt. Ohnehin gehoͤrt die Erfindung, weder dem einen, noch dem anderen, da Alles auf das genaueste der neugriechischen Darstellung dieser Aufgabe nachgebildet ist. Vasari ruͤhmt bey Erwaͤhnung eines, wahrscheinlich ver- schollenen Bildes des Pietro , vielleicht desselben, an welchem er selbst, oder einer seiner Berichtgeber faͤlschlich, Petrus Lau- rati de Senis , gelesen Oder es verleitete ihn die Aufschrift einer huͤbschen Tafel der Madonna mit vier Heiligen und kleineren Nebenwerken in der Pfarrkirche von Arezzo , wo: Petrus LAUREATI HANC PINXIT. DEXTRA SENENSIS. Doch ist diese Zeile, welcher das Jahr, ja selbst der Raum da- fuͤr fehlet, schon deßhalb verdaͤchtig, weil sie wie in einen, nicht vorbedachten, nur zufaͤllig vorhandenen Raum eingezwaͤngt zu seyn scheint und ungleich gezierter ist, als solche Aufschriften gemeinig- lich zu seyn pflegen. Da sie nun zudem mit den Urkunden und Aufschriften des Kuͤnstlers, welche in dessen Vaterstadt sich vorfin- den, ganz unvereinbar ist: so ergiebt sich, daß sie nachgetragen und untergeschoben worden; des Andenkens willen, oder als Ersatz der urspruͤnglichen, welche man mit dem Sockel zugleich entfernt haben moͤchte, da es haͤufig vorkommt, daß alte Bilder neu eingerahmt worden, wie jener Giotto in sta Croce zu Florenz . , im Voruͤbergehen die kleinen Fi- guren auf dessen Staffel, was in neueren Zeiten veranlaßt hat, dem wackeren, naiven, anmuthigen, lieblich beendigenden Kuͤnstler eine Menge haͤßlicher kleiner Tafeln anderer Sieneser, des Lorenzo di Pietro und Giovanni di Paolo beyzulegen; zweyer Maler, welche um die Mitte des funfzehnten Jahrhun- dertes gearbeitet haben. Ich warne daher reisende Kunst- freunde, die Manier und Eigenthuͤmlichkeit des Pietro di Lo- renzetto nicht etwa nach solchen untergeschobenen Probestuͤcken zu beurtheilen, welche zu Siena sogar in die oͤffentliche Gallerie sich eingeschlichen haben, wo eine Altarstaffel mit dem Welt- gerichte faͤlschlich dem Ambruogio beygemessen wird, und rathe, vielmehr zu jenem Gemaͤlde des Domes sich zu wenden, wel- ches sie bald uͤberzeugen wird, daß jene geistlosen, duͤrren und grauenhaften Erzeugnisse, welche zudem den Stempel spaͤterer Zeit tragen, des Pietro voͤllig unwuͤrdig sind. In den noch vorhandenen Buͤchern des Archives der Bic- cherna erscheint der Name des Pietro eben so selten, als jener seines Bruders haͤufig darin wiederholt wird. Ich fand ihn nur in den Einnahmen, wo er ein Geringes fuͤr die Erlaub- niß bezahlt, Waffen zu tragen, oder ein Wappen zu fuͤhren. B. To. 116. anno. 1337. fo. 67. a tergo. Lunedi tre di novenbre. Anco dal maestro petro Lorenzetti per licenza d’arme senza Tavolaccio. I. lib. XI. soldi. IX. den. Hingegen begegnete ich einem Beschlusse der Regierung, den ich auffuͤhren will, weil er das Ansehn unseres Meisters und den Geldwerth seiner Arbeiten in ein sehr guͤnstiges Licht stellt S. Belege. IV . . Barna . Vasari nennt unseren Kuͤnstler Berna , und Lanzi (siene- sische Schule I .) erklaͤrt diesen Namen fuͤr eine Abkuͤrzung aus Bernardo. Indeß halte ich mich, da der sienesische Dialect geneigt ist, das E in das lautere A umzuwandeln, da jener Name wahrscheinlicher aus einem anderen Taufnamen, z. B. aus dem ebenfalls gewoͤhnlichen Barnaba verstuͤmmelt ist, an die Schreibart des Ghiberti Archiv. delle Rif. di Siena . Consilia Campanae, To. CCXIV. fo. 113. a tergo. anno 1421. XIX. mensis Aprilis. Extractio do- minorum priorum. Barna Bartoli domini Laurentii . Also war dieser Name in Siena , aber auch in Florenz gebraͤuchlich. Archiv. dell’ opera del Duomo di Fir. Libro Ricordanze 1354. fo. 9. 1362. — Barna olim Batis provisor etc. operis S. Reparate etc. . Dieser sagt im Verlauf sei- ner Nachrichten von sienesischen Kuͤnstlern: „Es malte zu Flo- renz ein Meister, Namens Barna , welcher vor vielen anderen den Vorzug verdient, zwey Kappellen in s. Agostino , worin viele Geschichten, unter anderen, wie ein junger Mann in Begleitung eines Moͤnches, der ihm zuspricht, zur Richtstaͤtte gefuͤhrt wird; in dieser Figur ist die Todesfurcht vortrefflich ausgedruͤckt. In san Gimignano (einem Staͤdtchen zur Rechten der Straße von Florenz nach Siena ) malte er viele Geschichten aus dem alten Testament; auch zu Cortona giebt es viele Arbeiten von sei- ner Hand.“ — Die Malerey an den Waͤnden der Hauptkirche zu san Gimignano ist noch vorhanden. In dieser Kirche sind, zur Rechten, Begebenheiten aus dem Leben Christi, zur Linken, jene Geschichten des alten Bundes gemalt, welche Ghiberti dem Barna beylegt. Vasari hingegen las Vita di Taddeo di Bartolo . , unter den Geschichten des alten Testamentes die Auf- schrift: A. D. 1356. Bartolus magistri Fredi de Senis me pinxit. welche verwischt seyn muß, da ich sie nirgend habe entdecken koͤnnen. In dem Archive der Kirche welches ich nicht einzu- sehen Gelegenheit gefunden, duͤrften leicht einige diese Gemaͤlde angehende Vereinigungen und Zahlungen vorhanden seyn, aus welchen die Richtigkeit der einen oder der anderen Angabe zu erweisen waͤre. Indeß spricht die Wahrscheinlichkeit und das aͤußere Ansehn dieses Mal fuͤr den Vasari . Die Malereyen zur Linken sind naͤmlich in der Ausfuͤh- rung ungleich unvollkommener, als die gegenuͤberstehenden, und, ohne verwerflich zu seyn, doch so schwach, daß sie nicht wohl einem Meister beyzumessen sind, den Ghiberti hervorhebt. Auch glaubt man in ihrer lobenswerthen Simplicitaͤt, in ihren zum Schoͤnen sich hinneigenden Gesichtsbildungen die Grundzuͤge der Manier und Richtung des Taddeo di Bartolo zu erkennen, welcher doch wohl aus der Schule seines Vaters hervorgegan- gen ist. Hingegen macht sich die Malerey zur Rechten sehr stattlich; die Pharisaͤer, die Handlanger in der Gefangenneh- mung, und andere Nebenfiguren sind lebendig, und besonders in der Bestechung des Judas aͤußerst scharf bezeichnet, was mit dem Beyspiele uͤbereintrifft, durch welches Ghiberti in der angezogenen Stelle unseren Kuͤnstler hat charakterisiren wollen. Es ist daher anzunehmen, daß Ghiberti sich zufaͤllig in der Angabe des Gegenstandes versehen, und eigentlich die Wand zur Rechten habe bezeichnen wollen. Es ist nicht so unwichtig zu wissen, ob Barna die eine, oder die andere Seite dieser Kirche bemalt habe, denn wir sollen seine Eigenthuͤmlichkeit aus dieser Probe kennen lernen, da seine uͤbrigen Werke theils untergegangen, theils verschol- len sind. Moͤgen wir nun das Wahrscheinlichere annehmen und, nach dem Vorgange des Vasari , die Leidensgeschichte, oder die Wand zur Rechten, fuͤr seine Arbeit erklaͤren; oder auch unser Urtheil noch zuruͤckhalten: so ergiebt sich doch unter allen Umstaͤnden aus diesen sicher sienesischen Malereyen, daß die Schule von Siena waͤhrend des ganzen vierzehnten Jahr- hundertes, wie sie immer gleichzeitig der Beobachtung des Le- bens und der Auffassung des Mannichfaltigen sich hingegeben, doch immer noch viele, durch die neueren Griechen uͤberlieferte, typische Charaktere und Zusammenstellungen beybehalten, deren Erfindung und Gestaltung urspruͤnglich den aͤltesten christlichen Kuͤnstlern angehoͤrt. Gewiß zeigte der Kuͤnstler, welcher diese Gemaͤlde beendigte, daß er gleich sehr mit den Verhaͤltnissen und Erscheinungen des Lebens und mit den Typen bekannt war, welche aus der griechischen Malerey in besonderer Fuͤlle in die sienesische Schule uͤbergegangen sind. In dem Abend- mahl, um ein Beyspiel anzufuͤhren, folgte er nicht jener Auf- reihung der Apostel laͤngs eines langen Tisches, welche die florentinische Schule aus alten barbarisch-italienischen Bild- werken entlehnt hat; vielmehr versammelte er, nach ungleich aͤlteren Vorbildern, die Apostel rings um einen Tisch. Aber auch die Maͤngel der neugriechischen Manier, jene uͤbergroße Laͤnge und Gracilitaͤt der Figuren, jene fast gespenstische Fein- heit der Gesichtszuͤge, finden sich hier wieder, obwohl, wie vorauszusetzen, uͤberall mit Solchem vermischt und durchwirkt, was die Zeit hinzugebracht hatte. Mit besonderem Gefuͤhl ergriff der aͤltere Sohn des eben erwaͤhnten Bartolo di Fredo eben nur den Geist und Sinn der uͤberlieferten Kunstgebilde des hoͤchsten christlichen Alter- thumes, ohne sich an das Zufaͤllige der Manier und anderer Aeußerlichkeiten zu binden, welche er auf die hoͤhere Kunst- stufe seiner Zeit zu erheben trachtete. Das Gestirn der neue- ren Malerey leitete ihn, als er die Hoͤhe seines Bestrebens erreicht hatte, nach Perugia , wo er Eindruͤcke bewirkt und zuruͤckgelassen, welche in der umbrischen Schule waͤhrend des funfzehnten Jahrhundertes nachgewirkt und durch das Mittel- glied des Peter von Perugia die Seele Raphaels erreicht und befruchtet haben. Doch werde ich, um die Zeitfolge nicht ganz abzureißen, die bestimmtere Entwickelung dieser Andeu- tung noch aussetzen muͤssen, da ich vor der Hand verschiede- nes, die Geschichte der Baukunst und Bildnerey Betreffende nachzuholen habe, welches, seiner Duͤrre ungeachtet, denen willkommen seyn duͤrfte, welche in dieser Gegend der Kunst- geschichte auf umstaͤndliche und sichere Kunde ausgehn; waͤh- rend andere, die aͤußere Abtheilung dieser Schrift benutzend, ohne Aufenthalt zur dreyzehnten Abhandlung uͤbergehn wollen. Urkund- Urkundliche Belege . I. Archagnuolo . 1. Archiv. dell’ opera del Duomo di Firenze ; aus einem gebundenen Buche, in schmalem Folio; es ist nicht numerirt, doch stehet auf der Vorseite des Pergamentbandes die Bezeichnung: Prestanze. 1355 — 1357. Diese sind die operarii, Bauherrn. Der vierre, Filippo Tolosini , war abwesend. Perche Benci Cioni maestro appone al fondamento ed al partito preso delle colonne della chiesa, ebero preso di: Pregharono il detto Benci Cioni maestro, che per tutto di domani avesse dare loro per iscritto quello che appone all’ impresa fatta della chiesa et per diseg- namento come vuole rimanere. 2. Di V. di Luglio 1357. — Messer frate aghostino Tinacci de’ romitani veschovo di Narni et benedisse e sagrò una pietra II. 8 di marmo scholpitovi su una + et gli anni dn̅i MCCCLVII. di V. di Luglio. Furonci colui suoi frati et chapellani et la sua famiglia et chominciossi nel nome di Dio etc. a fondare la prima cholonna del corpo della chiesa verso il campanile presente: Giovanni di Lapo Ghini maestro Richardo di Franceschino degli Albizi Andrea di Cione archagniolo dipintore . etc. 3. A nome di Dio di XVII. di Luglio Lunedi. Furono gli infrascripti maestri apetiti de’ detti ope- rai per vedere, che lavorio fosse da prendere in fare il concio delle colonne, che far si deono nel corpo della chiessa avendone facto un asempro a gesso An- drea Archagn̅i̅o̅ e Francescho capo maestro un altra. et anche due disegnamenti l’uno nella chapella dove si lavora e l’altro nella corte. Fra Jacopo di san Marcho consigliò di quello ch’é disegnato nella chappella nel frusto della Colonna, etc. Fra Tommaso de ognessanti consigliò quanto al frusto della colonna di quello disegnamento fatto per Andrea Archagn̅o̅ perche gli pare abia più ragione di maestero di colonna che nulla altra. Neri di Fioravante consigliò di quello d’Andrea per più bello e più ispacciativo lavoro sanza darvi al- chuna correctione o d’arrota (non?) sendo dove facesse bisognio. Giovanni di Lapo Ghini consigliò, che non gle ne piaceva niuno de’ predicti disegnamenti e che pro- fera di farne uno egli più bello facto lui. Francescho del coro consigliò etc. Benozzo di Niccholò consigliò di quello dell’ Ar- chagn̅i̅o̅ per più bello e che occuperà meno l’occhio che non farebe Illavorio quadro, e che nellavorio di Francesco del gesso a troppi lavorii. Giovanni Felto (oder Fetto ) consigliò di quello disegnamento del gesso ch’a fatto Andrea arcag̅n̅o perche gli pare chessia di meno vilume et di meno ingombrio della chiesa sanza darvi alchuna arrota o corretione. Ricchardo di Francescho deglalbizi cittadino chon- sigliò di quello dello’rchagnio Aus dieser Zusammenziehung des Artikels mit dem fragli- chen Beynamen erklaͤren sich dessen gewoͤhnliche Verstuͤmmelungen. Der Endvokal des Artikels, lo, nahm den Anfangsbuchstab des Na- mens in sich auf. Als man spaͤterhin den Artikel ganz auswarf, hatte man bereits den Ursprung des Beynamens vergessen, und las daher die Zusammenziehung, anstatt lo ’rchagni̅o̅, vielmehr nach mo- dernerer Orthographie: l’ orchag̅n̅o . Die Abbreviatur der Endung, welche wenigstens in diesen Protocollen uͤberall angedeutet ist, mochte man uͤbersehen haben. per più bello la- vorio e per più presto et di meno costo et più legia- dro etc. etc. 4. Di 19. di Luglio 1357. I detti operai ebero i sopradetti frate e maestri et i detti maestri e frati elessero per quinto Jacopo di 8 * migliore orafo e poi tutti insieme di concordia come detto é questo di presente i detti operai … derono per sentenza che la colonna dell’ archagnielo Hier und in der folgenden Stelle ist der Artikel abgekuͤrzt und das Hauptwort in seiner Integritaͤt verblieben. sopradetta si pigliasse si veramente che e’ se ne doves- sero levare i tabernacoli, che vi sono etc. 5. Detto di III. d’aghosto 1357. I predetti operai ebono a deliberare qual fosse più bella et più forte et più laudabile colonna, o una fatta di nuovo di giesso per Francescho Talenti , o quella che già innanzi si prese dell’ archagnio , o uno modano in uno pezo di mattone dato per Jacopo di Lapo chavacciani. Suche die Fortsetzung dieses Protocolls in der nachfolgen- den Abh. XI. 6. Archivio cit. Liber stanziamentorum mei Johannis scriptoris: de annis 1363 — 1369. fo. 6. MCCCLXIII. Indict. tertia die XXVII. mense Septembris. Exceptis Jacobo Alamanni Vitorj et Gieorgio Chel- lini grandinis eorum sotiis absentibus congregaverunt in domo dicte operis: fratrem Jacobum sci marchi fratrem Benedictum del pagivolo fratrem Tomasum Tedaldi ordinis humiliatorum. Sandrum Maccii magistrum Taddeum Ghaddi pictorem Franciscum sellarium magistrum Benozzum Niccholai et magistrum Johannem Belchari magistrum. Et plures alios magistros de civitate citari fecerunt et ab ipsis istis petierunt consilium de ponendis bec- chatellos per anditum ecclesie quibus dictus anditus debet circumdari etc. etc. Die quarta mensis octobris 1364. Eigentlich: 1363. Das Geschaͤft ist dasselbe, und das Jahr 1363 wird auch auf den folgenden Seiten bis in spaͤtere Monathe fortgefuͤhrt. Hier, wie in den vorangehenden Stellen wird Nie- mand die stetige Anwesenheit des Taddeo Gaddi uͤbersehen haben, den Vasari schon im J. 1350 sterben laͤßt. frater Benedictus delle campora frater Jacobus ordinis sci Marci frater Tomasus ord. humil. Taddeus Ghaddi pictor etc. dederunt consilium dictis operariis pro utilitate dicti operis, quod peduccius volte magne ponatur bassus quantum potest supra cornice, quae ponatur subtus beccatellos quod dicti bechatelli ponantur bassi quan- tum potest supra dicto muro et dicti bechatelli et an- ditus dicte ecclesie cinghi circum circa dictam ecclesiam. Et quod in parietibus murorum, qui present. mu- randi sunt pro hedificando voltas mangnas fiant occhj et non fenestre. An dieser Stelle befindet sich eine Hinweisung an den Rand, wo eingetragen worden: Et dictus Andreas vocatus Archangnolo Perus miglioris Franciscus Salvetti et Johannes Gherardini dederunt consilium quod in parietibus predictis fiant in qualibet facie unus ocu- lus; dicebant tamen quod dicti peduccii ponantur sub- tus anditum et subtus dictos bechatellos. Et sic sequi debet prout supra conscribtum est Vergl. Arch. et lib. cit. fo. 19. a. t. fo. 23. fo. 64. a. t. fo. 65. und fo. 70. a. t. — Ferner Arch. cit. lib. Ricordanze 1358. fo. 34. a. t. und Prestanze 1355. — 57. d. d. XV. et XVIII. di Giugno 1357. . II . Simon Martini . Archivio della generale Biccherna di Siena . 1. B. No. 126. anno 1321. Uscita, fo. 55. Benvoglienti citirt hier B. No. 123 . welche gleich anderen von ihm angefuͤhrten Buͤchern verschwunden ist. Doch findet sich in der noch vorhandenen No. 122. , welche dieselben Puncte enthaͤlt, als die folgende, nichts der Art, weßhalb ich glaube daß er sich versehn habe. XXX. Dicembre. Anco al maestro Simone Martini dipentore e quali doveva avere per se et per li suoi .... Das ausgelassene Wort ist im Original sehr undeutlich, laͤßt aber die Vermuthung zu, daß es, cognati , zu lesen sey. In et per oro e colori per aconciatura la maestà la quale é dipenta ne la sala del palazzo de’ nove. XXVIII. Lib. Das. fo. 57. a tergo. Anco a maestro Simone dipentore in vinti fiòrin doro per suo salario del crucifisso cheffa a chapo all altare de la capella de’ nove e per suoi lavoratori e per più colori et straordenati et oro et altre necessarie cose chessapartengono a quello lavorie et per la detta dipintura. pulizia de nove. LXXVI. Lib. 2. B. No. 145. 1329. fo. XV. a tergo. Anco a Maestro Simone Martini dipegnatore III. lib. V. soldi. Le quali tre lib. e cinque soldi demo per una figura che dipense nel concestoro de’ nove di Marco Regoli et avemmone pulizia da Signiori nove. 3. B. No. 151. anno 1331. fo. 4. Maestro Simone dipegnitore die dare a di XXI. di dicienbre … II. fior. d’oro. e quagli ebe chonti due fior. doro. etc. Eine Erwaͤhnung seines Gehuͤlfen Lippo findet sich da- selbst: B. 221. anno 1351. fo. 144. Benvoglienti bemerkt zu dieser Stelle, welche er richtig ci- tirt: „Madonna con molti ss. con forza e buon disegno.“ Ich habe diese Malerey, welche vielleicht nicht mehr vorhanden ist, vergeblich aufgesucht. XXX. Jun. Item ma̅g̅r̅o Lippo pintori pro pintura quam fecit in biccherna, videlicet coron̅a̅t. nostre domine. — LXXXV. lib. XVI. solidos VIII. den. einem libro di Gabelle del 1323. f. 9 . (welches ich nicht selbst gese- hen), soll seine Frau Giovanna di Memmo di Filipuccio genannt werden. III. Archivio della gen. Biccherna di Siena . 1. B. No. 170. fo. 29. a tergo. XXIX. d’Aprile. (1337.) — Anco a Maestro Ambruogio Lorenzetti dipegni- tore per parte del prezo de la dipentura del palazo de Singniori nove diecie fiorini d’oro. fecie a Benuccio Salimbeni XXXI. lib. XVI. sol. VIII. d. Eod. n. fo. 49. Adi XXX di Giugno — Anco a Maestro Ambruogio Lorenzi dipentore per parte del prezo per la dipentura del palazzo diecie ff. doro; de quali avemo pulicia de singniori nove. Die Verschiedenheit des Goldeurses innerhalb zweyer Mo- nathe ist hier der Beachtung werth. XXXI. lib. VIII. sold. IIII. d. 2. B. No. 179. fo. 19. XVIII. di Febraio (1338.) Anco di Maestro Ambruogio Lorenzetti dipentore per parte del suo salario delle dipenture, che fae nel palazo di singniori nove di sei fiorini doro XVIIII. lib. I. sold. VI. d. 3. B. No. 180. fo. 29. a di XXIV. di Setenbre (1338.) Ancho al Mastro Ambruogio Lorenzetti e quali dicie fiorini doro gli demo per pulizia de nove XXXI. lib. X. sold. Eod. No. fo. 57. di VIIII. di Dicenbre. Ancho al Maestro Anbruogio Lorenzenti e quali diecie fiorini doro furo per dipengitura che fecie nel palazo de nove chome apare per pulizia de nove va- gliono XXX. lib. XV. soldi. 4. B. No. 188. fo. 59. di XX. di Giugio (1339.) Ancho al Mastro Ambruogio Lorenzetti dipentore e quali diecie fiorini furo per suo salario di piue dipi- giture fatte nel palazo del comune chome apare per pulizia de nove XXXI. lib. XVI. sold. VIII. d. 5. B. No. 210. fo. 40. XXII. Novenbre. Item magistro Ambrosio Lorenzi pictori pro qui- busdam figuris pictis et positis in cameris dominorum novem III. lib. apodixa a dominis novem III. lib. IV. Archivio delle Riformagioni di Siena . Consilia Campanae. To. CVIII. fo. 59. a tergo. s. Das Datum, welches fo. 57. zu suchen: M. CCCXVIIII. Jndict. XIII. a die XXVI. mensis Octubris. — Item cum pro exauditione cujusdam petitionis exibite offitio dominorum novem pro parte prioris et totius conventus de Sen. fratrum ordinis s̅c̅e̅ marie de monte Carmeli, lecte et vulgarizate per me nota- rium in presenti consilio. Domini novem gubernatores et defensores communis et populi Senensis . prima die, quae fuit XXIIII. presentis mensis octubris. et postea subsequenti die secunda, quae fuit heri. XXV. dicti mensis. stanziaverunt dicti domini novem et alii ordi- nes civitatis Sen. de pecunia dicti communis possint teneantur et debeant dare et solvere dictis fratribus et conventui. Quinquaginta libras denariorum Senensium . pro auxilio recolligendi quandam tabulam ho- norabilem et valde pulcram, in qua de Beata virgine Maria et beatissimo confessore Ni- cholao , et apostolis et martiribus confesso- ribus et virginibus multa feriosius sunt de- picta per magistrum Petrum Lorenzetti de Senis . quae tabula dicitur esse costi . CL. flo- renorum auri etc. etc. XI. Urkundliche Eroͤrterung: Weßhalb man den neuen Dom zu Siena unvollendet gelassen und sich begnuͤgt hat, den alten schoͤner zu schmuͤcken und zu erweitern. Nebst ande- ren Beytraͤgen zur Geschichte der italieni- schen Bauhuͤtten. Dreyzehntes und vier- zehntes Jahrhundert. Obwohl der sienesische Staat waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes fuͤr die Befestigung des neuen Umkreises der Stadt und wichtiger Puncte des Gebietes, fuͤr die Gruͤndung neuer Cisternen und Wasserleitungen Arehiv. della gen. Biccherna di Siena . B. in einem noch un- bezeichneten To. de anno 1229. fo. bb. a. t. It. IV. libr. Frederico Petronchi et bonajuto Gorlajo pro suo feudo pro facto operis buctini fontis Brande . Arch. cit. B. To. 8. anno 1251. Ex- pense mensis Sept. XL. libr. — posito pro faciendo trocum de fonte de vetrice. it. VIII. fol. VI. den. pro acconciamento fontis Brande. Item CCCC. libr. — operariis vene de Canella et alia- rum venarum , qui mittuntur in fontem Brandum, quos expende- runt in dictis venis ducendis in dictum fontem. fo. 35. (mens. No- vembris) — Strozzavarcha Damesi operario fontis de Vetrice, XXXIV. libr. V. sol. VI. den. quos expendit pro acconciamento tronchi dicte fontis. Vgl. Das. B. To. 1. 1230 (1231.) fo. 62. a. t. Fo. 64. It. IV. sol. magistro Baldo recipienti pro se et aliis tribus magistris pro una die qua laboraverint in buttino fontis Brandes. , wie fuͤr so viel an- dere oͤffentliche Bauwerke S. Abh. VIII. S. 20. , große Summen verwendete, so finden sich doch schon in dem aͤltesten der noch uͤbrigen Buͤ- cher der Verwaltung des oͤffentlichen Schatzes auch einige Bey- traͤge fuͤr den Dombau in Ausgabe gebracht Archiv. della gen. Bicch. di Siena . B. ohne Numer. de anno 1229. (Jul. = Dec.). Die Ausgaben welche unvollstaͤndig sind, beginnen fo. 9. Das. a tergo: Item VIII. libr. XII. den. magistro Riccio , operario opere s̅c̅e̅ Marie et stetit..... XXXIII. diebus de mense Junii. — Item VI. sol. magistro Riccio dicto, quos de- dit Rubeo de Iesa pro acuendis picconibus. — Fo. 49. Item . Diese wie (Hieraus erhellt, daß der gemeine Taglohn damals etwa einen solidus betrug. Um einige Decennien spaͤter erhielt Nicolas von Pisa acht; seine Gesellen sechs und vier. S. unten.) fo. 67. a. t. — XX sol. custodi fontis Follonice . Es mochte noͤthig seyn, Waͤchter dabey anzustellen, der Reinlichkeit willen und um Ver- giftungen vorzubeugen. fo. 71. a. t. werden: custodes fontium Brandes, Follonice , Vetrice bezahlt. fo. 72. — VIII. libr. pro emundatione et evacuatione fontis Brande et troghi et guazzatorii . Vgl. B. To. 3. 1246 (1247.) fo. 9. 18. a. t. wo custodes fontium Brande, Follonice , de Petrice (Vetrice), de Ovile, de Valle montonis, de Pescaja. B. To. 16. 1258 (1259.) fo. 22. a. t. Inprimis X libr. — operariis positis ad faciendum lavatorium et guazzatorium fon- tis follonice. Das. fo. 23. a. t. XXV. libr. fuͤr dass. Werk fo. 26. XX. libr. fuͤr Reinigung fontis Blande und L. libr. operariis posi- tis ad faciendum fieri lavatorium fontis follonice etc. XXV. libr. — ad faciendum derigari et actari fontem de ovile. Vgl. Das. fo. 31. a. t. fo. 32. a. t. fo. 36. a. t. fo. 39. 40. et a. t. wo im Ganzen 105. libr. XL. sold. fuͤr diesen Zweck verwendet werden. B. To. 67. 1281. III libr. pro faciendo actari fontem Malitie . Hieraus erhellt, daß die groͤßeren Wasserleitungen und Brunnenanlagen, deren Siena noch gegenwaͤrtig sich bedient, groͤßtentheils um die Mitte des 13 ten Jahrhundertes beschafft worden sind: uͤbrigens umfassen diese ver- einzelten Posten, da aus dem 13ten Jahrhunderte nur einzelne Frag- mente der damaligen Buchfuͤhrung sich erhalten haben, bey weitem nicht den ganzen Belauf des Aufwandes. andere kirchliche, seiner Verwaltung damals nicht unmittelbar unterworfene Stiftungen pflegte der Staat von Zeit zu Zeit durch Beytraͤge zu unterstuͤtzen, welche, obwohl sie nirgend den ganzen Belauf des jedesmaligen Aufwandes erreichten, doch immer durch außerordentliche Ausgaben der Domverwaltung veranlaßt wurden. Der neue Dombau war im Jahre 1259. schon bis zum Schlusse einiger Gewoͤlbe des noͤrdlichen Seitenschiffes vorge- ruͤckt, mithin schon seit einigen Decennien im Werke, da solche Unternehmungen eben zu jener Zeit durch die Betriebsamkeit der kloͤsterlichen Gemeinden gehemmt und aufgehalten wurden, und uͤberall nur langsam vorschritten. Nehmen wir hinzu, daß der alte Dom schon seit dem zwoͤlften Jahrhunderte be- endigt war, so scheint es unumgaͤnglich, alle jene Unterstuͤtzun- gen, welche man schon seit dem Jahre 1229. der Domver- waltung von Zeit zu Zeit zu bewilligen pflegte S. Archiv. cit. B. To. I. 1230. fo. 52. 58. 64. 77 . der Ope- rarius heißt diesesmal bald Ricardus , bald Ricciardus und hat einen Gehuͤlfen Namens Bencivenne . B. To. I. secundo. 1236. Jul. = Dec. fo. 11. a tergo. — LIII. (libr.) — sol. Bencivenne operaio opere s̅c̅e̅ Marie de pretio magistrorum qui laborant in dicto opere pro communi . — B. To. 3. 1246. (1247.) fo. 20. a. t. XXVIII. libr. IV. sol. magistris communis qui laborant in opere s̅c̅e̅ Marie , durchhin XXXVIII. libr. magistro Riccio operario s̅c̅e̅ Marie pro CCCI. salma marmoris albi pro opere s̅c̅e̅ Marie. — Item VII. libr. et XII. sol. magistro Riccio dicto; pretio magistrorum qui laborant in opere s̅c̅e̅ Marie XXI. die et sunt quatuor magistri. — fo. 62 . stehen andere gleich unerhebliche Ausgaben fuͤr dens. Zweck. — Aehnliche Beytraͤge stehen, Arch. et Classe cit. To. 99. anno 1302. fo. 378 . unter der Rubrik: Limosine, z. B. Item — CCXLIV. libr. IV. sol. a l’uopara di Madonna sta Maria per lo salario di X. Maestri, che lavorano ne la detta uopara etc. — auf den neuen Bau zu beziehen, welcher demnach, ungefaͤhr um 1225. duͤrfte entworfen und auszufuͤhren begonnen seyn. Der ungleiche, durch viele Thalgruͤnde zerrissene Boden, auf welchem Siena gelegen ist, stellte den groͤßeren Bauunter- nehmungen uͤberall schwere Hindernisse entgegen; diese steiger- ten indeß die Kuͤhnheit der Baumeister und den Unterneh- mungsgeist der Bauherrn, welche durch maͤchtige Untermaue- rungen der Ungleichheit des Bodens abhalfen, deren Groͤße und Gediegenheit den Fremden in Erstaunen setzt und den Eingeborenen so sehr zu verwoͤhnen pflegt, daß er den plane- ren Schoͤnheiten gewoͤhnlicher Staͤdte selten Geschmack abge- winnt. Doch setzte die Natur an einigen Stellen dem Geiste der Unternehmung seine Grenzen; namentlich war die alte Domkirche von zween Seiten durch Abgruͤnde umgeben, deren Ausfuͤllung vielleicht unmoͤglich ist, gewiß die Kraͤfte der Sie- neser weit uͤberstieg. Als nun, denke ich, das alte, wohl angelegte, doch be- schraͤnkte Domgebaͤude der Bevoͤlkerung und Groͤße der Stadt nicht mehr zu entsprechen schien, so entschloß man sich, da pro communi etc. (man versicherte sich der Verwendung des bey- getragenen Geldes.) — B. To. 14. 1257. (1258.) fo. 55. a tergo. Ex- pense mensis Maji. (1258.) Item LXXXVII. libr. et X sol. fratri Ver- naccio operario operis s̅c̅e̅ Marie pro operibus magistrorum de men- sibus Ian. Febr. Marsii et Aprilis etc.; a. Ausg. fuͤr dens. Bau fo. 67. (XLVIII. libr. fuͤr May u. Jun.) — B. To. 16. 1258 (1259.) fo. 7. a. t. XXIV. libr. und fo. 16. dens. Beytrag fuͤr den Monath Maͤrz. fo. 21. 26. 61. 65 . fuͤr die folgenden Monathe. B. To. 20. 1261. fo. 82. Item fratri Melano operario s̅c̅e̅ Marie pro expensis magi- strorum et calcine pro dicto opere. CLXVI. libr. X. sol. — Die gleichzeitigen Ausgaben fuͤr die Befestigung belaufen sich monathlich auf viele Tausende. seine Lage verhinderte, dasselbe betraͤchtlich zu erweitern, einen ganz neuen Bau zu unternehmen. Um auf der anderen Seite soviel, als moͤglich, das Vorhandene zu benutzen, und einen Theil des alten Gebaͤudes der neuen Kirche anzuschließen, ward diese laͤngs des nordwestlichen Abhanges hin in einer solchen Richtung angelegt, daß sie das aͤltere Gebaͤude in rech- tem Winkel beruͤhrte und bey gaͤnzlicher Beendigung wuͤrde gestattet haben, dessen rund uͤberwoͤlbtes Chor mit der neuen Kirche zu verbinden. Die Schwierigkeiten, denen eine solche Vereinigung des alten mit dem neuen Dome unterlag, waren dem Ansehn nach anfaͤnglich nicht hinreichend erwogen worden; vielleicht glaubte der Baumeister, man werde sich in der Folge schon entschließen, den alten Bau ganz abzuraͤumen, und ent- hielt sich vor der Hand, die Bauherrn durch eine gaͤnzliche Enthuͤllung seines Planes abzuschrecken. Dieser Plan, dessen Urheber wir leider nicht kennen, war allerdings der Ausfuͤhrung werth; so weit man aus den Ueber- resten der vollendeteren Theile, mit Huͤlfe einiger alten im Ar- chiv der sienesischen Bauhuͤtte bewahrten Grundrisse auf das Absehn des Kuͤnstlers schließen kann, wuͤrde der neue Dom zu Siena alle gleichzeitige Gebaͤude seiner Art sowohl an Um- fang, als an Schoͤnheit der Anlage und Ausfuͤhrung weit uͤbertroffen haben. Der gothische Baugeschmack ist darin gluͤck- licher, als an anderen Stellen, mit antiken Reminiscenzen und italienischen Eigenthuͤmlichkeiten ausgeglichen, die Arbeit durch- hin vortrefflich. Herrlich wuͤrde die Vorseite des Gebaͤudes uͤber die Hauptstraße hervorgeragt haben, von welcher eine breite Scalinata zur Schwelle der Haupt-Thore fuͤhren sollte. Von dieser wuͤrde man einen Theil der tiefer liegenden Stadt und der umliegenden Landschaft uͤbersehen haben; den Eigen- thuͤmern aller die Aussicht beschraͤnkenden Haͤuser jener Straße liegt noch immer, obwohl ohne Gefahr der Vollziehung, die Verbindlichkeit ob, sie auf Verlangen der Domverwaltung ohne Weigerung abzutragen. Wer dieses herrliche Gemaͤuer betrachtet, wird fragen muͤs- sen, weßhalb man jemals einen so schoͤnen, und schon so weit vorgeruͤckten Bau ganz aufgegeben und dem Verfalle uͤberlassen habe. — Da die Fundamente der noͤrdlichen Seitenmauer knapp am Abhange eines schraͤg geschichteten Nagelfluhefelsens ange- legt und in diesem Theile des Gebaͤudes uͤberall, besonders in den Pfeilern bemerklich ist, daß sie nachgegeben und sich ge- senkt haben; so schloß ich auf den ersten Blick auf Fehler in den Grundlagen. Hingegen versichern die sienesischen Alter- thumsforscher, daß der Bau im Jahre 1338. aufgegeben worden, weil die Stadt, durch die Pest entvoͤlkert, nicht laͤnger einer so großen Kathedrale zu beduͤrfen schien. Diese Angabe ist noch in der letzten Auflage der Beschreibung des Domes wiederholt worden, da es mir nicht gelungen, den Freund, welcher sie besorgte, zeitig genug vom Gegentheil zu uͤber- zeugen. Indeß hatte ich nicht sobald in dem Archive der sienesi- schen Domverwaltung Fuß gefaßt, als mir bereits die nach- stehenden Urkunden und Nachrichten in die Haͤnde fielen, welche meine Hypothese bestaͤtigen. 1) Archivio dell’ opera del Duomo di Siena . Pergamene. No. 250. In nomine Domini. Amen. Anno ejusdem Mil- lesimo CC.LX°. Indictione III a die quinto Idus Junii. Omnibus inspecturis appareat evidenter. quod magistri qui laborant et sunt deputati in opera sive fabrica s̅c̅e̅ Ma- Marie de Senis . scilicet Magister Rubeus . magister Lulglius . Ventura. Brunus. Gratia. Ristorus. Ven- tura d̅c̅s̅ Trexsa. Buonasera. Gratia. Ventura de Grocti. Stephanus et Jacobus . una cum magistro Orlando Bonacti et magistro Bencivene Leucchi . qui duo non sunt de numero dictorum magistrorum in dicta opera s̅c̅e̅ Marie. simul convenerunt in ecclesia majori Sen. et in presentia mei notarii et testium subscrip- torum dicunt et consulunt fratri Melano operario dicte opere s̅c̅e̅ Marie pro meliori ejusdem opere: quod ille volte, que ex novo facte sunt, propter illas scisuras que apparent in culmo dictarum vol- tarum dicte volte non sunt dissipande vel dejungende. Quia dicunt dicti magistri, quod alie volte, que fieri debent juxta illas pos- sunt ita bone conjunxi illis, quod de cepte̅to (sic) non apperientur ultra. nec dicte volte in quibus sunt ille scisure propter illas non de- ficient ullo modo . Actum Senis coram etc. etc. Also zeigten sich bereits im Jahre 1260. Risse in den Gewoͤlben, welche Bedenklichkeiten erregten und Berathungen veranlaßten. Wie sehr indeß jene Meister sich geirrt haben, welche diese Risse fuͤr unerheblich gehalten, zeigt sich in einer spaͤteren und ernstlicheren Berathung, welcher, wenn mein Ge- daͤchtniß mich nicht taͤuscht, eine andere vorangegangen, deren Abschrift ich verlegt habe. 2) Archiv. cit. Pergamene. No. 667. In nomine Domini Amen. Nos Laurentius ma- gistri Matani et Nicchola Nuti de Senis . Cinus Fran- II. 9 cisci . Tone Johannis et Vannes Cionis de Florentia magistri provisores et consiliarii electi et adsumpti ab hoperario operis s̅c̅e̅ Marie majoris Sen. Ecclesie et consiliariis operis prelibati de conscientia et voluntate dominorum novem Gubernatorum et defensorum comu- nis et populi civitatis Senarum . Super factis et ne- gotiis novi operis jam incepti ecclesie s̅c̅e̅ Ma- rie prefate ex parte graduum Uebersetze: „laͤngs des steilen Abhanges, welcher schon da- mals durch Treppen zugaͤnglich gemacht war.“ Daß nicht vom Hospitale della scala die Rede, zeigt sich unten. ecclesie me- morate . Visis equidem omnibus et hiis diligenter inspectis, que in dicto novo opere continentur et que nostro Judicio consequentur ex eo. Et habita super hiis inter nos deliberatione solenpni. XPI. no- mine invocato. de nostra comuni concordia nostroque juramento prius prestito. In hiis scriptis consulimus videlicet: In primis consulendo dicimus, quod nobis videtur et patet, quod fundamenta novi operis , que fiunt ad presens, ad augmentum majoris ecclesie antedicte, non sunt sufficientia, eo quod jam incipiunt vallare in aliqua parte sui. Item videtur nobis, quod more mora , Pfeiler. predicti novi operis, sufficientes non sunt, quia non sunt tante gros- situdinis, quod sufficientes sint ad substentandum pon- dus et ire ad tantam altitudinem, quantum opus novum predictum requirit et postulat, eo quod more fac- ciate anterioris dicte ecclesie versus hospi- tale sce Marie de Senis sunt grossiores mo- ris novi operis memorati . Den sienesischen Forschern, welche auf dieses oder andere den neuen, unvollendet gelassenen Dom bezuͤgliche Documente ge- achtet haben, ist es stets undeutlich geblieben, wo darin von dem alten, wo von dem neuen Bau die Rede sey. An dieser Stelle wird der neue, dem alten so entschieden entgegengesetzt, daß kein Zweifel statt finden kann. Et dictum novum opus esse debet majoris altitudinis veteri, ydeo ejus more novi operis predicti esse debent majoris grossitu- dinis, majorisque roboris et laboris, quam more vete- ris operis antedicti. Item nobis videtur et patet, quod fundamenta nova non conveniant cum veteribus, et adjungendo opus no- vum cum veteri, in pilando pilare , abstuͤtzen. obstendent aliquam no- vitatem, cum fundamenta veteris operis jam sint ra- sisa Aus dem vulgaren rassettare , sich setzen (von Grundlagen.). , et novi operis fundamenta rasisa non erunt. Item nobis videtur, quod super dicto opere non procedatur, cum sit necesse dissipare de opere domus veteris a medietate metis metis , Kuppel. supra versus opus in- ceptum jam novum. Item nobis videtur et patet quod in dicto opere non procedatur, quia volendo dissipare opus vetus causa conjungendi cum dicto novo opere, fieri non posset absque magno periculo voltarum veterum. Item nobis videtur quod in dicto opere non pro- cedatur, quia metis predicte Ecclesiae finito novo opere 9 * non remaneret in medio crucis ut rationabiliter rema- nere deberet. Item videtur nobis, quod in dicto opere non pro- cedatur ulterius. Quia, postquam opus foret comple- tum non haberet mensuram ecclesie, in longitudine, amplitudine et in altitudine ut jura Ecclesie postulant. Item nobis videtur, quod in opere non procedatur de Jnceps, cum vetus ecclesia sit adeo bene propor- tionata et ita bene simul conferant partes sue in am- plitudine, longitudine et altitudine, quod si in aliqua parte aliquid jungeretur, oporteret invite, ut dicta ec- clesia destrueretur in totum. Volendo eam reducere rationabiliter ad rectam mensuram ecclesie. Latum datum et pronuptiatum fuit supradictum con- silium per supradictos magistros in hiis scriptis. seden- tes in palatio dicti comunis Sen. in sala ubi consilia campane comunis Senensis fiunt. Cui palatio etc. etc. Sub anno domini Millesimo Trecentesimo vigesimo primo. 1322. der allg. Zeitrechnung. Das sienesische Jahr schloß im Maͤrz. Jndictione Quinta, die decimo septimo men- sis februarii. coram etc. etc. Ego Salvi filius olim Cennis notarius etc. etc. 3) Archiv. cit. Perg. No. 671. In nomine domini amen. Nos Laurentius Magi- stri Matani et Nichola Nuti de Senis . Cinus Francisci Tone Johannis , et Vannes Cionis de Florentia ma- gistri provisores et consiliarii electi et assunpti ab ope- rario operis s̅c̅e̅ Marie majoris ecclesie et consiliariis, prelibati, de conscientia et volentate dominorum novem gubernatorum et Defensorum comunis et populi civi- tatis Senarum . super factis et negotiis novi ope- ris jam incepti ecclesie memorate . Visis equi- dem omnibus et hiis diligenter inspectis que in dicto novo opere continentur et que nostro judicio con- sequentur ex eo. Et habita super hiis inter nos deli- beratione solenpni XP̅I nomine invocato de nostra comuni concordia nostroque juramento prius prestito, et dato super puntis defectionis dicti operis consilio nostro . ut constat de dicto consilio manu mei notarii infrascripti. Nunc vero super hedifi- cando novam ecclesiam in hiis scriptis consilium tale damus. videlicet. quod consulimus. ut ad honorem dei et beate marie virginis matris sue sanctissime. que semper fuit est eritque in futurum capud hujus civita- tis Senarum . Incipiatur et fiat una ecclesia pul- cra magnia et magnifica. que sitbene propor- tionata in longitudine altitudine et amplitu- dine et in omnibus mensuris que ad pulcram ecclesiam pertinent etc. etc. Latum datum et pronuptiatum fuit dictum consi- lium per dictos magistros sedentes in palatio comunis Senarum Ubi fiunt consilia campane dicti comunis. sub anno Millesimo CCC.XXI. (1322.) Indictione V. die XVII. Febr. coram etc. Ego Salvi fil. olim Cennis etc. etc. Aus diesen bisher uͤbersehenen, oder doch mißdeuteten Documenten erhellt, daß man lange vor den Verheerungen der Pest des Jahres 1338. auf Schwierigkeiten gestoßen war, de- ren Beseitigung außerhalb des Moͤglichen lag. Grundlagen, welche gewichen waren; Pfeiler, welche ihrer Last nicht zu ge- nuͤgen schienen; Unvereinbarkeit des neuen mit dem alten Ge- baͤude, welches letzte zu schoͤn und wohlgeordnet war, als daß man so leicht sich entschließen koͤnnen, dasselbe dem neuen, be- reits schadhaften aufzuopfern. Diese und andere Gruͤnde, de- ren Wiederholung muͤssig waͤre, fuͤhrten also den Entschuß her- bey, den neuen Bau ganz aufzugeben. Die Meister, welche befragt worden, wuͤnschten, wie es aus der zweiten Urkunde hervorleuchtet, einen ganz neuen Bau; doch begnuͤgte man sich in der Folge, die alte Kirche zu erweitern. Der Entwurf zu dieser Erweiterung der alten Kirche, welche wirklich zu Stande gekommen, ward im Jahre 1339. im großen Rathe zur Sprache gebracht und, wie nachstehender Auszug zeigt, dessen Ausfuͤh- rung durch Mehrheit der Stimmen beschlossen. Doch wird in der Proposition, welche dem Beschlusse vorangeht, zur Bedin- gung gemacht, daß man das neue schon angefangene Werk demungeachtet fortsetzen solle, ein Ausdruck, welcher nach der Verbindung und nach dem Vorgang der fruͤher an- gezogenen Urkunden nur auf jenen Bau zu beziehen ist, der uns bisher beschaͤftigt hat. Diesen ganz aufzugeben veran- laßte vermuthlich der Einsturz einiger schon aufgerichteten Theile, welcher spaͤter erfolgt seyn mag. Wiewohl ich nicht aufgefun- den, wann dieses Ungluͤck eingetreten sey, so entdeckte ich doch eine spaͤtere Erwaͤhnung desselben: Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena . Libro. E. No. 5. Delib. fo. 119. (durch Versehen des Schreibers 179.) — Die XXVI. Junii 1452. Per simil modo deliberaro che l’operaio predetto faccia passata la festa di s̅c̅a̅ Maria d’agosto sgombrare il Duomo vecchio overo il Duomo caduto d’ogni disutile ingombrime, sichè volendo adoperare quello luogo per predicare si possa. 4) Genehmigung eines Planes, die alte Domkirche zu erweitern. Archivio delle Riformagioni di Siena . Con- silia campanae. To. CXXV. anno. 1339. fo. 18. — XXIII o . mensis Augusti . — Convocato et congregato generali consilio cam- pane communis et populi et quinquaginta per terze- rium etc. etc. Idem dominus potestas etc. — propo- suit in dicto consilio et a consiliariis dicti consilii utile predicto communi consilium sibi petiit exhiberi. Quod cum per operarium et consiliarios operis s̅c̅e̅ Marie, quod fit et fieri intenditur in majori Sen. ec- clesia que de novo Es ist hier , wie aus dem folgenden erhellt, von einer da- mals neu unternommenen Anlage die Rede, welche dem opus no- vum jam inceptum (s. unten) entgegengesetzt wird, an dem man ungeachtet des von neuem zu beginnenden noch vor der Hand fortzuarbeiten beschließt. augeri et magnificari intendi- tur . et etiam per magistros dicti operis et alios etiam magistros doctos et expertos in operibus muramentorum ecclesiarum . volentes ad magnificationes pulcras utilem et proportionalem (modum?) dicte majoris ecclesie sub- tiliter et utiliter providere, adinvecti sint certi modi et ordines magne pulcritudinis et utilitatis et commodi- tatis pro dicto opere videlicet: quod navis dicte eccle- sie de novo fiat, et extendatur longitudo dicte navis per planum s̅c̅e̅ Marie versus plateam Manettorum seu plateam que Manettorum dicitur sicut et quomodo designatum est per dictos magistros et etiam scriptum apparet seu apparere debet per ma- num scriptoris operis prenotati. Dummodo in opere novo dicte ecclesie jam incepto nichilominus sollicite et continue procedatur , tantum quan- tum et prout requiritur ad proportionem operis dicte navis . qui modi et ordines relati diligenter et fideliter fuerunt per dictos operarium et consiliarios ejus coram offitio dominorum novem. Et ipsi domiui novem vo- lentes quod secundum beneplacitum bonorum et sapien- tum civium Senensium examinarentur et exanimati fir- marentur pro bonis et utilibus pro opere prelibato. propterea multorum sapientum civium Senensium con- silium semel et pluries tenuerant . in quorum quolibet consiliorum per ipsos sapientes cives dicti modi et or- dines commendati multum fuerint et subsequenter in magna concordia firmati et approbati. Et firmatum et stabilitum fuerit in ultimo consilio die heri habito et detento per ipsos dominos novem. Quod predicti modi et ordines adinvecti ad generale consilium campane comunis et populi Sen. adducerentur et super ipsis firmandis fieret solenpnis proposita. Si igitur dicto presenti consilio videtur et placet omni auctoritate po- testate et balia jure et modo quibus magis etc. etc. providere ordinare etc. quod ad honorem et reveren- tiam omnipotentis dei et beatissime Matris ejus Marie semper virginis gloriose et ad honorem et augmentum comunis et populi Senen. in opere dicte navis et pre- dictis omnibus et singulis procedatur et ad perfectionem deducatur per presentem operarium et etiam futuros operarios operis supradicti secundum quod superius est narratum. In nomine Domini dicant et consulant. Eod. To. fo. 19. Summa et concordia dicti consilii super dictis con- tentis in dicto primo articulo fuit voluit et firmavit se cum dicto et consilio et secundum dictum et consilium dicti consultoris Der, consultor , raͤth, den Bau unverzuͤglich vorzunehmen. hoc modo, videlicet quod facto su- per eis inter consiliarios diligenti partito et scruptinio ad bussolos et palloctas secundum formam statuti Sen. per consiliarios in dicto consilio existentes et se cum dicto et consilio dicti consultoris ad eadem se concor- dantes, misse fuerunt in bussolum album del si et eodem bussolo reperte CCXII. pallocte. Et per consi- liarios se ab eisdem discordantes misse fuerunt in bus- solum nigrum del non et in eodem reperte CXXXII. pallocte in contrarium predictorum. Et sic fuit et est super eis obtentum, firmatum et reformatum secundum formam statuti Sen. ut supra plenius continetur et patet. Von diesem Beschlusse besaß Vasari Vita d’ Agostino e d’ Agnolo etc. p. 137. — „Essendo poi tornati a Siena l’anno 1338. fu fatta con ordine e disegno loro la chiesa nuova di sta Maria appresso al duomo vecchio verso la piazza Mannetti :“ Aus den uͤbrigens ganz unverstandenen Umstaͤnden dieser Angabe erhellt eine mittelbare Bekanntschaft mit den oben mitgetheilten und der nachfolgenden Urkunde. eine unbestimmte Kunde, welche er wahrscheinlich irgend einem sienesischen Alter- thumsforscher verdankte, der, wie es in den aͤlteren Zeiten haͤufig geschehen, einzelne Urkunden ausgezogen, ohne ihren Sinn zu ermitteln und nach anderen, sie erlaͤuternden Nach- richten sich umzusehn. Die bloße Verlaͤngerung des Schiffes der alten Kirche gestaltete sich ihm zu einem ganz neuen Ge- baͤude; was eine dritte Domkirche abgeben wuͤrde, da durch eine seltene Zufaͤlligkeit bereits neben dem alten Dome ein halbvollendeter neuer vorhanden war. Sein Berichtgeber ward hoͤchst wahrscheinlich durch das zweyte Actenstuͤck ( No. 671.) irre geleitet, wo der Rath ertheilt wird, eine ganz neue Kirche zu erbauen, welcher nie in Ausfuͤhrung gekommen. Eben so wenig hatte derselbe ein anderes Document gehoͤrig ins Auge gefaßt, die Bestallung des Johannes , eines Sohnes des Au- gustinus von Siena , zum Werkmeister jener neuen Bauunter- nehmung. Denn er verleitete den Vasari , den Entwurf dieses neuesten Baues dem Agostino und Agnolo beyzulegen; indeß war es Johannes , Sohn Augustins , welcher als Werkmeister in den Dienst der Domverwaltung eintrat, nachdem es nicht gelungen war, den Meister Lando durch eine Besoldung von zweyhundert Pfund Pfennigen fuͤr diese Stelle zu gewinnen, und uͤberhaupt in Siena zu fesseln. Arch. delle riformag. di Siena . Consil. campanae. T. CXXV. anno 1339. — die veneris tertia mensis Decenbr. — Quod cum no- torium sit et certum in civitate Senarum , quod providus vir magi- ster Landus aurifex est homo legalissimus et non solum in arte sua predicta sed in multis aliis — est homo magnae subtilitatis et ad invenctionis etc. etc. Et ipse magister Landus moram sue habita- tionis contrahat ad presens in civitate Neapolitana etc. etc. Indeß stellte er sich nicht ein, da ihm das beschlossene Jahrgehalt von 200 libr. nicht bezahlt und Johannes etwas spaͤter an seiner Stelle in Sold genommen ward. Uebrigens ist nicht wohl auszumachen, wie viel oder wenig in dieser letzten An- lage der Erfindung des Meisters Johannes Augustini gehoͤre. Denn es erhellt aus den bereits angefuͤhrten, und anderen noch mitzutheilenden Acten und Urkunden, daß die Verwaltun- gen der italienischen Domgebaͤude selten einem einzelnen Mei- ster sich unbedingt hingegeben und im Fortgang des Baues jeden Theil von neuem der Berathung und Abaͤnderung unter- worfen haben. — Hier ist das Wesentliche aus seiner Be- stallung. Archiv. dell’ op. del Duomo di Siena , Pergamene. No. 757. Anno domini Millesimo Trecentesimo trigesimo nono (1340.) Indictione octava. die vigesimo tertio men- sis Martii. Ego magister Johannes filius ma- gistri Augustini civis Senensis faciens hec om- nia in presentia et de voluntate et cum consilio con- sensu et ex autoritate predicti mei patris presentis et consentientis. Loco et concedo tibi Bindoccio quondam Latini de Russis de Senis operario operis majoris ecclesie sancte Marie de Senis conducenti et recipienti vice et nomine dicti operis et per te et tuos in predicto offitio et opere sucessores et in presentia de voluntate deliberatione consilio et consensu tuorum et dicti operis consilii et consiliariorum videlicet Naddi domini Stricche etc. etc. me et personam meam et opera mea in capud magistrum et pro capite magistro omnium magistrorum et totius predicti operis sancte Marie de Sen. a kalendis Aprelis pro- xime venturis ad quinque annos proxime comprehendos pro salario et feudo et mercede cujuslibet annorum predictorum Centum quinquaginta Librarum de- nariorum Senensium . michi solvendo per te et tuos in predicto offitio successores et de pecunia dicti ope- ris quolibet mense predicti temporis et in fine cujusque mensis dicti temporis etc. etc. etc. — Item si quo casu eveniret infra predictum tempus me absentare ab opere et laborerio supradicto seu obmittere et praeterire per aliquid tempus infra quinquennium supradictum non adesse seu non superesse dicto operi et laborerio ope- ris supradicti et perdere mei defectu vel causa aliquod tempus seu spatium temporis. Quod de tali et pro tali tempore et spatio sic obmisso preterito vel perdito per te et successores tuos in dicto offitio dematur et excomputetur de meo salario et feudo supradicto tan- tum quantum pro rata et secundum ratam tetigerit tem- poris et spatii supradicti obmissi etc. — Actum Senis in domo operis s̅c̅e̅ Marie etc. etc. Ego Franciscus notarius vocatus Cecchus fil. olim Ture de Senis etc. Viele Kuͤnstler hatten bis dahin an den Arbeiten Theil genommen, welche der nunmehr aufgegebene Bau des neuen Domes seinerzeit herbeyfuͤhrte. Vasari Vita di Nic. Pis. p. 100. „Si trovò Niccola alla prima fon- dazione del Duomo di Siena e disegnò il tempio di S. Giovanni nella medesima città.“ — Letzteres ist ganz falsch, das erste zu be- richtigen; da der alte Dom damals schon laͤngst vorhanden war, so kann hier nur von dem neuen die Rede seyn. laͤßt den Nicolas von Pisa seiner Gruͤndung beywohnen; es fehlt gegenwaͤrtig an Beweisen fuͤr oder wider diese ganz unerhebliche Thatsache. Ferner meldet er, daß Johannes von Pisa , der Sohn des er- sten, die Vorseite des Domes gezeichnet habe Das. p. 103. — „ma giunto a Siena senza essere lasciato passare più oltre, gli fu fatto fare il modello della facciata del Duomo di quella città e poi con esso fatta la detta facciata ricca e magnifica molto.“ Hier ward vielleicht der Sieneser Johannes Augustini der obigen Urkunde mit dem Joh. von Pisa verwechselt. . Vasari hatte hier die neue Façade des alten Domes im Sinne, welche, wie wir aus obigen Urkunden wissen, erst in dem Jahre 1340. unternommen worden. An dieser neuesten Verschoͤnerung hatte Johannes von Pisa , der damals laͤngst gestorben war, gewiß nicht den geringsten Antheil. Hingegen moͤchte er in dem vor- angegangenen neuen Bau einige der schoͤnen Verzierungen an der Einfassung des großen Fensters gezeichnet, andere vielleicht selbst gemeißelt haben. Denn gewiß erwarb er sich auf irgend eine Weise bey den Sienesern Verdienst und Achtung, wie fol- gendes Ehrendecret bezeugt. Archiv. delle riform. di Siena . Statuta Sen. To. III. de anno 1284. Distributio IV. fo. 183. De immunitate Magistri Johannis quondam ma- gistri Nichole . Item statuerunt et ordinaverunt, quod magister Jo- hannes filius quondam magistri Nicchole , qui fuit de civitate Pisana , pro cive et tanquam civis Senen- sis habeatur et defendatur. Et toto tempore vite sue sit immunis ab omnibus et singulis honeribus comunis Senensis seu Datiis et collectis et exactionibus et fa- ctionibus et exercitibus faciendis et aliis quibuscunque. Dieses Decret findet sich auch To. VII. (1299.) und in anderen Theilen, oder Redactionen der sienesischen Gesetze und Verordnungen. Zu Gunsten eines Anderen, sonst unbekannten Bildners, des Meister Ramus , ward die Verbannung, welche ihn fruͤher betroffen, zuruͤckgenommen, damit er ungehindert fuͤr die Dom- verwaltung arbeiten koͤnne. Die Proposition dieses Decretes war bisher nur durch fehlerhafte Auszuͤge bekannt, weßhalb ich dieselbe, da sie zudem als ein Beweis der Ruͤcksicht, welche man damals dem Talent gewaͤhrte, nicht so ganz unwichtig ist, an dieser Stelle in ihrer ganzen Ausdehnung einruͤcken will. Archiv. delle Rif. di Siena . To. XXV. T. fo. 30. a. t. 1281. die XXa. Novembris. In der Beschreibung des Domes und in andern topogr. Werken wird dieser Anfang auf folgende Weise angefuͤhrt: Magister Ramus quondam Paganelli , qui fuit civis Senensis modo venit de ultra montes et est etc. ete. — So wenig ist solchen Anfuͤhrungen zu trauen. Vielleicht versetzte man die Worte, um den fremden Ursprung dieser Kuͤnstlerfamilie zu verhuͤllen. Item cum magister Ramus filius paga- nelli de partibus ultramontanis qui olim fuit civis Senensis . venerit nunc ad civitatem Sen. pro ser- viendo operi beate Marie de Senis ex eo quod est de bonis Intalliatoribus et sculptoribus subtilioribus de mundo qui inveniri possit. et ad dictum servitium mo- rari non potest. eo quod invenitur exbannitus et con- denpnatus per contumaciam occasione quod debuit ja- cere cum quadam muliere eo existente extra civitatem Senarum . si videtur vobis conveniens quod debeat re- banniri et absolvi de banno et condenpnatione suis ad hoc ut possit libere et secure servire dicto operi ad laudem et honorem Dei et b. Marie V. In Dei no- mine consulate. fo. 31. a tergo — Consilium est in concordia — scil. quod dictus Magister Ramus rebanniatur et ab- solvatur etc. etc. Diese Urkunden rufen mir die italienischen Bildner jener Zeit ins Gedaͤchtniß, deren Geschichte, ungeachtet so viel aͤlte- rer und eines neueren sehr anspruchvollen Werkes, noch immer im Einzelnen, wie im Allgemeinen viele Irrthuͤmer und Dun- kelheiten enthaͤlt, denen, bey einem fortgesetzten und verbreite- ten Quellenstudio doch endlich muͤßte beyzukommen seyn. Der Vater jenes ausgezeichneten, sonst unbekannten Bild- ners Ramo war, wie obiger Auszug meldet, von jenseits der Berge Arch. della gen. Biccherna di Siena To. 16. ann. 1258. (1259.) fo. 15. a. t. Item magistro Rodolfo Tedeschi pro se et buon insegna Nichole ejus socio etc. Sein Vater mochte schlechthin, il Tedesco genannt worden seyn. Dieser Meister er- haͤlt III Libr. fuͤr Steinmetzenarbeit. gekommen und wahrscheinlich ebenfalls ein Bildner und Baumeister gewesen. Auch an anderen Stellen stieß ich, ohne zu suchen, auf die Spur deutscher Bildner, welche im dreyzehnten und vierzehnten Jahrhunderte, eben als man uͤber- all in Italien in der Baukunst und Bildnerey dem deutschen Geschmacke nachahmte, in Italien Anstellung und Beschaͤfti- gung gefunden Archivio dell’ op. del Duomo di Firenze , Libro inscritto: Memoriale delle masserizie ed d’altre chose dell’ opera. fo. 2. (1388.) wird: lo tomaso de la magna unter den Steinmetzen und anderen Arbeitern aufgefuͤhrt, welche in ged. Jahre beym Dombau angestellt worden, und fo. 64. erhaͤlt er eine tavoletta bezahlt, scheint daher ein Bildschnitzer zu seyn. — Arch. cit. Libro: Q di Cassa 1406. a. c. 18 a. t. Maestro Nicholo Tedescho . — Zu Siena fand ich in einem Fragment des Archives der Co. di s. Onofrio (jetzt in den riforma- gioni): (1411.) a maestro arigo tedesco a di 5. di marzo fiorini sette — . Dieser deutsche Geschmack war sogar in die Schule des Nicolas von Pisa eingedrungen, welcher in sei- nen fruͤheren Werken, besonders in der Kanzel der Taufkirche zu Pisa , von spaͤt roͤmischen Vorbildern ausgegangen war, und das Starre der Gesichtsbildungen, das Ausgeladene und Ueber- ladene in der Anordnung halberhobener Arbeiten aus jenen mit bekanntem Erfolge nachgeahmt hatte. Gewiß zeigt sich in seiner anderen, spaͤter begonnenen Kanzel im Dome zu Siena , neben sparsam eingestreuten deutschen, oder, wie man sagt, gothischen Verzierungen, manche, obwohl gemilderte Eigen- thuͤmlichkeit des deutschen Relief und Gewandstyles, aber auch un- Ueberschrift: a le spese de l’aco di s. Onofrio. Es galt wohl eine gothische Thurm-, oder Giebelspitze. — Hierauf bezuͤgliche allgemei- nere Traditionen, wie selbst vereinzelte Namen erscheinen in den Eingaͤngen und fruͤheren Lebensbeschreibungen des Vasari ; auch ge- hoͤrt dahin jener Coͤllnische Bildhauer bei Ghiberti , welcher seit Ci- cognara haͤufig besprochen wird. Unter den italienischen Bildnereyen in deutschem Geschmacke giebt es verschiedene, in denen der Aufdruck deutschen Geistes, deut- scher Manier und Formengebung so auffallend ist, daß ich nicht um- hin kann, sie fuͤr die Arbeit eines Deutschen zu halten, welcher, gleich den genannten, sich in Italien niedergelassen, oder doch als fahren- der Geselle in diesem Lande gearbeitet hat. — Dahin gehoͤren zwey hoͤchst aͤhnliche Madonnenbilder von Marmorstucko, das eine und schoͤnere in der Klosterkirche zu Grottaferrata , in dem Bezirke von Rom , das andere in einer der Tribunen der Kirche san Pietro in Grado in der Naͤhe von Pisa . Aus demselben Materiale besteht eine verwandte, obwohl geringere Darstellung desselben Gegenstan- des zur Linken des vergitterten Einganges zum Chore des Domes von Luͤbeck, einer Stadt, deren damaliger Flor gestattete, auch aus weiter Ferne Kuͤnstler anzuziehn. — Schoͤne, in Helfenbein ausge- fuͤhrte Nachbildungen jener italienischen Madonnen, sah ich im Jahre 1820. in der Kunsthandlung des Juweliers, H. Beccheroni , am Domplatze zu Florenz . ungleich mehr Leben und Charakter in den Koͤpfen und in der Bewegung und Haltung der Gestalten. Diese Abweichungen sind vielleicht, weniger dem Meister selbst, als dessen beruͤhm- testem und gesuchtestem Gesellen, dem Arnolfo di Cambio bey- zumessen. Wie nachstehende Urkunden zeigen, legte die sienesi- sche Domverwaltung ein großes Gewicht auf seine persoͤnliche Anwesenheit und Theilnahme an der Arbeit. 1. Archivio dell’ opera del Duomo di Siena . Per- gamene, No. 287 Das beyliegende Duplicat hat No. 288. Della Valle , ( let- tere Senesi , T. I. Ven. 1782. p. 179. f. ) dessen Abschrift urspruͤng- lich nach diesem letzten gemacht worden, citirt die gegenwaͤrtig un- anwendbare Numer 56. . In nomine domini nostri Jesu Christi , dei eterni, amen. Anno ab incarnatione ejus Millesimo ducente- simo sexagesimo sexto. Indictione non a. tertio Kalendas Octubris secundum cursum Pisanorum. Ex hujus pu- blici instrumenti clareat lectione, quod Nicholus Aus dem italienischen, Niccolò, in die naͤchstverwandte la- teinische Endung uͤbertragen. In den folgenden Verhandlungen steht uͤberall, Nicholas . , magister lapidum, de parochia ecclesie sci Blasii de ponte, olim Petri, convenit et promisit fratri Melano de ordine Cisterciensi, operario opere s̅c̅e̅ Marie, majoris ecclesie Senensis , agenti et stipulanti et recipienti opera- riatus nomine pro ipsa opera predicte ecclesie p. stip̅. personaliter stipulanti. , quod hinc ad kalendas novembris proximi venturi dabit ipsi fratri Melano pro scripta opera scripte ecclesie s̅c̅e̅ Marie majoris de Senis , vel ejus certo misso pro ipsa II. 10 opera, sive ejus successori, aut cui ipse praeceperit, Pi- sis, suis ipsius Magistri Nicholi expensis, infrascriptos Lapides de Marmore de Carrara . Videlicet: colun- pnellos undecim, scilicet quinque ex eis longos palmis septem et medio, et reliquos sex, palmis quinque et di- gitis tribus, fornitos desuper de Aus der lingua volgare; forniti di capitelli . capitellis. Et pe- tras septem ab archettis octo, cum aliis octo lapidibus necessariis inter ipsos archettos. Et tabulas septem lapidum. Et colunpnellos sedecim de marmo Wie vorhin. . Et alios lapides necessarios pro faciendo et forniendo unum pergamum Della Valle , vielmehr die Abschrift, deren er sich bediente, lieset hier, pervium, und so fort durch alle Casus, in denen das Wort vorkommt. Der Abschreiber hatte die Abbreviaturen der Ur- kunde: pmum, pmi, pmo, falsch gelesen, weil das m, der neugothischen Schrift fast eben so aussieht, als das ui. Indeß kann hier kein Zweifel obwalten. Eine Kanzel hieß damals, wie noch immer, uͤberall in Italien , pergamo, in den lateinischen Urkunden, per- gamum . de marmo in scripta ecclesia s̅c̅e̅ Marie, exceptis fundo ipsius pergami faciendi et leonibus et pedestallibus scriptorum pri- morum undecim colunpnellorum . Et etiam ex- ceptis lapidibus necessariis pro scala ipsi pergamo, quod pergamum sit et esse debeat amplum de intus bra- chiis quatuor ad brachium canne pisane, nisi juxto et inevitabili dei et maris remanserit impedimento, quo transacto, quam citius poterit, recuperabit, pro pretio librarum sexaginta quinque denariorum Pisa- norum minoris monetae, de quibus predictus ma- gister Nicholus habuit fidem ipsi fratri Melano pro scripta opera ad infrascriptos terminos; videlicet de me- dietate ex eis hinc ad pasca nativitatis Domini nostri Jesu Christi proximum. Et de reliqua medietate hinc ad kalendas martii proximi. Insuper predictus magi- ster Nicholus convenit et providit scripto fratri Melano agenti et stipulanti et recipienti pro scripta opera s̅c̅e̅ Marie p. sti̅p̅., quod in scriptis kalendis Martii proxime venturi ibit Senas ad standum pro scriptis lapidibus aptandis et ipso pergamo faciendo. Et quod ab ipsis kalendis martii proxime venturi in antea annuatim sta- bit et morabitur Senis pro predictis lapidibus aptandis et pergamo faciendo donec fuerit conpletum. Et se ab ipso opere faciendo de Senis non separabit donec ip- sum opus fuerit expletum sine parabola et voluntate ip- sius fratris Melani operarii. Salvo quod annuatim idem Magister Nicholus pro factis opere ecclesie s̅c̅e̅ Marie majoris Pi̅s̅. et opere sc̅i̅ Johannis bap- tiste de Pisis et etiam pro suis ipsius Magistri Ni- choli factis propriis, non capiendo aliud opus ad fa- ciendum, Pisis redire et venire possit usque in quatuor vicibus, stando et morando diebus quindecim tantum pro qualibet vice, qua de Senis Pisis rediret, ut dictum est, predictis de causis, ut dictum est. non computatis diebus eundi et redeundi in ipsis quindecim diebus. Et etiam, quod in predictis kalendis martii proxime ven- turi pro suis discipulis Uebersetze, nicht Lehrling, sondern Geselle. Weiterhin steht: famuli. secum ducet Senas 10 * Arnolfum et Lapum suos discipulos, quos se- cum pro infrascriptis salariis, ut infrascribi- tur, tenebit usque ad conplementum scripti pergami . Si tantus fuerit terminus, quo cum eo mo- rari et stare tenentur ipsi et quisque eorum. Et hec omnia scripta et singula scriptorum, ut dicta sunt, fa- ciet et observabit sine briga et molestia et reclamatione curie. Si vero ut dictum est, non observaverit, aut si contra predicta vel aliquod eorum fecerit, vel factum fuerit, penam librarum Centum denariorum Pisan . mi- noris monete, et omnes expensas curie et advocatorum alias, quomodo fierent, ei pro stipulatione conponere et et dare promisit. et, pena soluta, contentus in suo ro- bore et vigore consistat. Obligando se suosque here- des et bona sua ei pro scripta opera et ipsi opere scripte ecclesie sce Marie majoris de Senis , suisque successoribus. Et renuntiando omni juri et legibus et constitutionibus et auxiliis et defensionibus, unde se a scripta pena, vel ab aliquo scriptorum tueri vel juvare aut liberare posset. Et quod possit ipsum pro predi- ctis et singulis convenire ubique coram quocunque vel quibuscunque Judice vel Judicibus, ecclesiasticis vel se- cularibus voluerit. Quapropter predictus frater Mela- nus operarius scripte opere scripte ecclesie s̅c̅e̅ Marie majoris de Senis operariatus nomine pro scripta opera scripte ecclesie, et etiam ex bailia et potestate, quam dicit se habere a consilio et communi Senarum de hiis omnibus et singulis promittendis et faciendis, convenit et promisit scripto magistro Nicholo p. sti̅p̅., quod scri- ptas libras sexaginta quinque denariorum Pisanorum pro pretio scriptorum colunpnellorum et tabularum et alia- rum scriptarum petrarum dabit et solvet, vel dari et solvi faciet ipsi magistro Nicholo , vel ejus he- redi, aut suo certo misso pro eo, sive cui ipse preceperit, hinc ad scriptos terminos, videlicet, me- dietatem ex eis hinc ad scriptum pasca nativitatis proximum. Et reliquam medietatem, hinc ad scri- ptas Kalendas Martii proximi, Pisis, in denariis Pisanis. Et convenit et promisit ei p. st̅i̅p̅., quod a scriptis ka- lendis martii proxime venturi in antea ipsum Magi- strum Nicholum cum scriptis duobus suis fa- mulis et etiam uno altro famulo pro predictis operibus faciendis tenebit et stare et morari permictet in civitate senarum, quousque di- ctum pergamum conpletum fuerit . Et quod da- bit et solvet, vel dari et solvi faciet ipsi Nicholo ma- gistro pro suo salario et mercede sui laboris pro sin- gulo die, quo ibi in ipso opere laborabit et faciet la- borari. solidos octo denariorum pisanorum Im, Archivio della Biccherna, (Abtheilung der Riforma- gioni zu Siena ), Classe B. No. 20. Jahr 1261. Julius bis Januar lies’t man p. 29. sec.: Nach diesem Maßstabe ist das stipulirte Taglohn des Meisters und seiner Gesellen nicht so unerheblich. . Et pro scriptis duobus suis discipulis pro eorum sa- lario et mercede solidos sex denariorum pro singulo die, quo in ipso opere laborabunt , in denariis Pisanis solvendos in fine cujusque mensis, si- cut ceperit ad rationem predictam. Et etiam hos- pitium et lectos pro se et scriptis discipulis tribus . Et etiam pro scripto tertio discipulo salarium sive pretium condecente Endung der vulgaͤren Sprache. pro singulo die, quo ibi laborabit. Salvo et intellecto in scripto contractu ex pacto modo inter ipsos contrahentes apposito, quod si idem magister Nicholus aliqua vice seu aliquibus vici- bus de voluntate scripti fratris Melani operarii ivit vel stetit pro factis predicti operis, vel aliis factis ipsius operis vel comunis Senarum . Idem operarius dabit, vel dari faciet ipsi magistro Nicholo pro suo salario et mercede solidos octo denariorum pisanorum et expen- sas equorum et victum singulo die, quo sic iverit vel steterit. Et salvo et intellecto si Johannes fi- lius ipsius magistri Nicholi venerit et de vo- luntate ipsius magistri Nicholi in predicto opere laborare voluerit, quod ipsum ibi stare et laborare permictet et patietur. Et pro singulo die, quo in ipso opere laborabit, da- bit et solvet, vel dari et solvi faciet ipsi ma- gistro Nicholo pro salario et mercede scripti laboris scripti sui filii solidos quatuor de- nariorum pisanorum m̅i̅n̅ . Et quod aliquos alios magistros in dicto opere sine licentia et voluntate scripti magistri Nicholi non mictet, nec faciet laborare. nec aliquos magistros, qui in dicto opere laborabunt, sine licentia et voluntate ipsius magistri Nicholi non extra- het, vel faciet extrahi. Et quod eundem magistrum Nicholum et ejus discipulos liberabit et faciet liberari a communi Senarum durante scripto opere ab omnibus servitiis realibus et personalibus. Et hec omnia scripta et singula scriptorum, qualiter dicta sunt, faciet et fieri faciet sine briga et molestia et reclamatione curie. Si vero, ut dictum, non observaverit, aut si contra pre- dicta vel aliquod eorum fecerit vel factum fuerit, penam scriptam librarum Centum denariorum et etiam penam dupli totius scripti pretii et salarii et omnes expensas curie et advocatorum et alias, quo modo fierent, ei pro stipulatione componere et dare promisit. Et pena so- luta contentus in suo robore et vigore consistat. obli- gando se operariatus nomine pro scripta opera et ip- sam operam et bona scripte opere s̅c̅e̅ Marie majoris Senarum suosque successores ipsi magistro Nicholo et ejus heredibus et renuntiando etc. Et taliter me et Palmerium notarium de Senis quondam Johannis, qui similem cartam rogavit, h. scri- bere rogaverunt. Actum Pisis in ecclesia s̅c̅i̅ Johannis baptiste. Presentibus Rainaldo S̅. paris operario opere ecclesie sce marie majoris P̅i̅s̅. et Bonajuncta operario scripte ecclesie s̅c̅i̅ Johannis. Et etiam presente scripto Palmerio notario de Senis quondam Johannis, qui si- milem cartam rogavit testibus ad hoc rogatis. etenim: Ego Jacobus filius quondam Alberti de Gabbiano Domini Frederici Dei gratia Romanorum Imperatoris notarius predictis omnibus interfui et rogatus scripsi et firmavi et complevi. 2. Daselbst. No. 293. In nomine domini nri Jesu Christi anno ejusdem domini Millesimo CC. LXVII. Indictione VIII. die V. Idus Maji. Omnibus hanc publicam paginam inspectu- ris pateat evidenter, quod in presentia mei hugonis no- tarii et testium subcriptorum ad hec specialiter vocato- rum frater Melanus conversus s̅c̅i̅ Galgani ordinis Ci- sterciensis operarius operis s̅c̅e̅ Marie de Senis requisi- vit magistrum Nicholam Pieri de Apulia , quod ipse faceret et curaret ita, quod Arnolfus dis- cipulus suus statim veniret Senas ad laboran- dum in dicto opere cum ipso magistro Nichola , sicut idem Magister Nichola convenit et promisit eidem fratri Melano operario sub pena C. librarum denariorum, ut constat per instrumentum factum manu Palmerii no- tarii. Alioquin procederet contra dictum magistrum Ni- cholam ad predictam penam. Actum Senis in domo dicti operis coram hugolino quondam Rodulfi notario, fratre Bartholo converso or- dinis Cisterciensis, Gratia Guidonis et Ventura Ranerii testibus presentibus et rogatis. Ego Hugo quondam Marii notarius predicte requi- sitioni interfui eam rogatus scripsi et publicavi. 3. Das. No. 302. Die aͤußere Aufschrift: carta del maestro Niccholo che fece el legio Ein ebenfalls gebraͤuchlicher Ausdruck fuͤr, pergamo, Kanzel. . Dieser Pergamentstreif enthaͤlt eine Reihe von Empfang- bescheinigungen, aus welchen ich nur das Persoͤnliche aushe- ben will. 1) In etc. anno ejusdem Millesimo CCLXVII. In- dicatione X. die XVII. kalendas Augusti. Ego magister Nicholus olim petri lapidum de Pisis populi s̅c̅i̅ Blasii confiteor etc. LXXVIIII. libras bonorum denariorum pisanorum parvorum pro pretio lapidum per- gami, quod fieri debet in ecclesia Senensi et IV. Leo- nonum et VII. basarum . Item confiteor tibi — ha- buisse et recepisse — XXV. libras bonorum denariorum Senensium minutorum pro conpimento salarii Jo- hannis filii mei et Lapi Donati et Arnolfi meo- rum discipulorum . Et a dictis Summis etc. 2) Anno d̅n̅i̅ Millesimo CC. LXXVII. Indictione XI. die VIII. kalendas novenbriarum. Ego magister Nicholus olim petri lapidum de Pisis pro me et filio meo Johanne promittens de rato pro eo confiteor tibi fratri Melano etc. — XLI. libras et XIII. solidos bonorum denariorum Senensium pro pretio et salario meo et dicti Johannis filii mei trium mensium proxime preteritorum, videlicet Julii etc. — 3) Eodem anno et Indictione, die secundo mensis Novenbris. Ego magister Nicholus dictus pro me et filio meo etc. — recepisse XVI. Libras et VIII. soli- dos — pro salario — mensis octubris etc. — 4) Eodem anno et Indictione die XVI. kalendas Januarii. Ego magister Nicholus — XVI. libr. et II. solidos — pro preterito proxime mense novenbris. 5) Eodem anno et Indict. die IV. nonas Januarii. Ego magister Nicholus pro me et filio etc. — XIV. libras et VIII. denarios de mense decembris proxime preteriti. 6) Anno dni. Millesimo CCLXVIII. Indictione XI. die secundo nonas aprilis. Ego magister Nicholus pro me et filio meo dicto etc. — L. libras et VIII. sol. et X. denarios senen. — trium mensium preteritorum pro- ximorum. — 7) Eod. anno et ind. die VIII. Idus junii. Ego magister Nicholus dictus pro me et filio meo — XXVIII. libras XV. solidos et III. den. pro salario — duorum mensium proxime preteritorum, videlicet Aprilis et Maji. — 8) Anno Millesimo CCLXVIII. Indict. XII. die VIII. Idus Novembris. Ego magister Nicholus — pro me et Johanne filio meo et Lapo et Arnolfo discipulis meis promittens — habuisse LXXIV. libras et IV. denarios bonorum denariorum Senensium minutorum pro pretio et salario meo et filii et discipulorum meorum , quos mihi et eis dare de- beas pro quatuor proximis preteritis mensibus videlicet Julio, Augusto, Septenbr. et Ottubr. etc. — Diese Bescheinigung ist die letzte noch vorhandene und beschließt mit einer Formel, welche einer allgemeinen Quittung gleicht und errathen laͤßt, daß die Kanzel damals bereits be- endigt war. — et ab omnibus aliis solutionibus , heißt es, provisionibus, pactis, conventionibus, et obligationibus, quibus michi vel eis tene- reris aliquo modo vel … ab hodie retro libero et absolvo. et pactum, finem et generalem re- futationem tibi facio de ulterius non petendo tibi aut dicto operi aliquid inde sub pena etc. Bemerken wir, daß jene Loͤwen, zwey und drey der mit- getheilten Folge von Urkunden, bey dem Kuͤnstler fertig vor- handen seyn mußten; er verspricht ( No. 1.) sie alsobald mit dem uͤbrigen rohen Materiale zu liefern, und bescheinigt schon in seiner fruͤhesten Quittung den Empfang des dafuͤr ausbe- dungenen Preises von 78 Pfund. Das rohe Material kostete ( No. 1.) 65. also die vier Loͤwen und sieben Basen nur 13 Pfund. Diese unverhaͤltnißmaͤßige Wohlfeilheit erklaͤrt sich eben nur aus der Art ihrer Beschaffung. Der Gebrauch, Loͤwen unter den Kanzeln, wie besonders unter dem Vordache der Kirchthore anzubringen, war dazumal so ausgebreitet S. Sepulcral monuments, Introd. p. CXXIII., wo die Ent- stehung dieses Symboles aus Psalm 91. erklaͤrt wird, wo: concul- cabis Leonem etc. — An der Vorseite des Domes zu Pisa liest man die Worte: de ore Leonis libera me Domine etc. neben einem schwarz auf weißem Marmor eingelegten Maͤnnchen inmitten zweyer Unthiere. Vielleicht war dieses Symbol fuͤr die Geweihten eine Anmahnung an die Streitigkeiten der Kirche mit der weltlichen Ge- walt, welche der Zeit nach mit dessen jaͤher Ausbreitung zusam- mentrifft. , daß man darauf speculiren mochte. Daß Arnolfo nicht, wie Vasari berichtet, seines Mitge- sellen Lapo Sohn war, vielmehr von einem unbekannten Cam- bio abstamme, wissen wir laͤngst durch aͤltere Mittheilungen aus einem gegenwaͤrtig unzugaͤnglichen florentinischen Archive S. Richa delle chiese di Firenze . To. VI. p. 17., wo aus der Bestallung des Arnolfo zum ersten Werkmeister des Dombaues: Arnolfus de Colle fil. quondam Cambii . — In einem Briefe Koͤnig Karls von Anjou dd. 1277. Sept. X. Ind. VI. (Archiv. della Cancel- leria X virale di Perugia A. No. 52. und abgedruckt bei Mariotti , lett. perug. ) heißt er rundweg mag. Arnulfus de Florentia . Man uͤberging in der Fremde die specielle Angabe des Geburtsortes. . Hingegen lernen wir aus der zweiten Urkunde: daß der Vater des Nicolas , Peter , aus Apulien nach Pisa gekommen war. Erwaͤgen wir, daß Peter , nach dem Gebrauche jener Zeit, wahrscheinlich dieselbe Kunst betrieben hat, als sein beruͤhm- terer Sohn, so werden wir weiter vermuthen duͤrfen, daß in jenen aͤlteren Mittelpuncten des levantischen Handels, zu Nea- pel , Gaeta , besonders zu Amalfi auch waͤhrend der meist bar- barischen Jahrhunderte einige Kunstbildung fortbestanden. Wenn ich recht entsinne, so waren auch die Baumeister der schoͤnen Basilica zu Montecassino Amalfitaner. Der Sohn des Nicolas , Johannes , scheint in diesen Ur- kunden (eins und zwey) nur eine untergeordnete Stelle einzu- nehmen. Er wird ( No. 1.) offenbar nicht sowohl gesucht, als den Wuͤnschen des Vaters zugestanden und erhielt nur ein Drittheil des Lohnes seiner Mitgesellen. Unstreitig also erwarb er sich durch spaͤtere Leistungen die Auszeichnung, welche ihm, wie ich oben gezeigt habe, in der Folge zu Theil geworden. Wie seine Kanzel im Dome zu Pisa bezeugt, befolgte Johannes in reiferen Jahren den deutschen Geschmack, den er jedoch durchaus uͤbertrieb und keinesweges gleich dem Arnolfo , verschoͤnte und milderte. Dieser letzte beendete, etwa zwanzig Jahre nach jener Kanzel des sienesischen Domes, die Ver- dachung des Hauptaltares der großen Paulskirche außerhalb der Mauern von Rom , in welcher die Anlage freylich die schon seit laͤngerer Zeit herkoͤmmliche, das Einzelne indeß in deutschem Geschmacke ausgebildet ist. Es befinden sich daran Figuren des Paulus und Petrus , so wie zween anderer Apo- stel, welche, obwohl sie etwas kurz sind, im uͤbrigen doch zu den schoͤnsten Bildnereyen jener Zeit gehoͤren. Der Kuͤnstler hatte den uͤberlieferten Typus zwar ins Auge gefaßt, doch neu belebt und in seine eigenthuͤmliche Manier uͤbertragen, welche das Hochalterthuͤmliche mit dem gothischen Geschmacke ver- schmilzt An diesem Werke, welches wahrscheinlich beym letzten Brande durch Einsturz des Daches zerschmettert worden, ist oder war folgende Aufschrift eingegraben: HOC OPVS FECIT ARNOLFVS = CVM SVO SOCIO PE- TRO. + ANNO MILLENO CENTVM BIS ET OCTVAGENO QVINTO. SVMME D̅S̅ = Q. HIC ABBAS BARTHOLOMEVS = FECIT OPVS FIERI = SIBI TV DIGNARE MERERI. — Welch eine Kluft von den Inschriften dieser Zeit zu den Bil- dern, an denen sie vorkommen! . Schon Vasari Vita di Nicolò Pis . hat dem Meister Nicolas (auf welchen ich noch einmal zuruͤckkomme), wie gewoͤhnlich ohne alle Ge- waͤhr, viele bedeutende Bauwerke beygelegt, und Morrona Morrona , la Pisa ill. T. II. cap. II. §. 3. gegen Ende. , in patriotischem Eifer, die Zahl dieser Werke, nach Vermu- thungen ohne festen Grund So versichert er uns, mit den Worten des Vasari : daß Clemens IV. den Nicolas im J. 1267. nach Viterbo gerufen, und ihm dort Verschiedenes zu bauen aufgetragen habe. — Wir wissen indeß aus den obigen Urkunden, daß unser Meister waͤhrend dieses Jahres durch sein Wort an Siena gebunden war und in der That (Nr. 3.) daselbst ohne laͤngere Unterbrechung gemeißelt hat. , bisweilen auch nach einem bloß eingebildeten Kennergefuͤhle, um einige neue vermehrt. Ich bin weit entfernt, dem wackeren Meister abzusprechen, daß er sich auf die Baukunst verstanden, was, bey damaliger Ver- breitung des Kuͤnstlerberufes, an sich selbst sehr wahrscheinlich ist. Gewiß war er der Rathgeber, oder Gehuͤlfe der Dom- verwaltung zu Pisa , weil er in der ersten der oben mitgetheil- ten Urkunden sich die Freyheit ausbedingt, viermal im Jahre dahin zuruͤckzukehren, um sowohl seine eigenen, als auch die Angelegenheiten des Domes und der nahen Taufkirche seiner Vaterstadt in Acht zu nehmen. Doch waren diese Gebaͤude laͤngst vollendet; man konnte daher nur in Bezug auf Nach- besserungen und Zierden seiner Huͤlfe, oder seines Rathes be- duͤrfen. Wenn Nicolas jemals von Grund auf gebaut hat, so befolgte er wahrscheinlicher die spaͤteren Ausweichungen der roͤmisch-christlichen Bauart, als die gothische, welche, wie schon Morrona vermuthete, nach seiner allgemeinen Hinneigung zum Antiken und Altchristlichen ihn nicht wohl ansprechen konnte. Der Thurm der Kirche s. Nicolas zu Pisa moͤchte daher sein Werk seyn koͤnnen; obwohl, bis Solches erwiesen worden, auch eines Anderen. Ueberhaupt ward in so fruͤher Zeit kein betraͤchtliches Bauwerk so ganz nach einem Plane durch- gefuͤhrt. Schon aus den hier und in der vorangehenden Abhand- lung Abh. X. Belege I. mitgetheilten Actenstuͤcken erhellet es zu Genuͤge, daß in den italienischen Freystaaten des Mittelalters solche Bau- werke, an deren Foͤrderung die hoͤchste Gewalt Theil genom- men, selten, vielleicht nie, so ganz nach dem Plane und unter der Leitung eines einzigen Kuͤnstlers durchgefuͤhrt wurden. Bald ward die Leitung des Geschaͤftes einer einzigen Person, bald wieder einem engeren Ausschuß uͤbergeben; bald nahm der jedesmalige hoͤchste Magistrat das schon halb Geschehene und laͤngst Beschlossene von neuem in Erwaͤgung, unterwarf es der Berathung und Abstimmung der groͤßeren Buͤrgerver- sammlungen, was nicht selten der Anlage eine ganz neue Rich- tung gab. Allerdings moͤgen kleinere Pfarrkirchen und Kloͤ- ster, bey deren Ausfuͤhrung weniger Koͤpfe zu vereinigen wa- ren, auch dazumal bisweilen nach einem Plane und unter derselben Leitung vollendet worden seyn. Die Domkirchen aber unterlagen allen Schwierigkeiten und inneren Hemmun- gen der republicanischen Staatsverwaltung; bey diesen Gebaͤu- den war das Ganze wie das Untergeordnete das Ergebniß fortgehender Berathungen, Abaͤnderungen und Verschmelzungen, in denen das Absehn, die Manier und Eigenthuͤmlichkeit der einzelnen Kuͤnstler nothwendig verloren ging. Wenn uns Va- sari und andere noch Neuere demungeachtet bey vielen Dom- gebaͤuden den Meister angeben, so beruhen diese, wie andere gleich verwegene Versicherungen auf bloßer Unkunde und da- her entstehender Mißdeutung von Nachrichten uͤber die Theil- nahme bestimmter Kuͤnstler an den Berathungen und Arbeiten, welche im Verlaufe der Zeit an diesem, oder jenem anderen Theile bestimmter Gebaͤude vorgenommen worden. Wir ha- ben in der vorangehenden Abhandlung gesehn: daß selbst die Modelle eines Arcagno nicht ohne Abaͤnderungen sind ange- nommen, und bald darauf wiederum verworfen worden; in dieser: wie man einen schon weit vorgeruͤckten Bau, nach wie- derholten Berathungen endlich ganz aufgegeben hat. Vielleicht ist es Sachkundigen nicht unwillkommen, andere Beyspiele der- selben Art einzusehn, welche, wenn auch nicht ausnehmend wich- tig, doch wenigstens bis dahin ungedruckt sind. 1. Archivio dell’ opera del Duomo di Siena . Per- gamene. No. 234. (Neue Einrichtung und Controllirung der Verwaltung.) In nomine domini amen. pateat evidenter omnibus hanc paginam inspecturis, quod consilium comunis et populi Sen. coadunatum more solito in ecclesia sci Chri- stofori ad sonum campane a domino Francisco Trogi- sio dei et domini Regis Cecilie gratia Senarum pote- stati et a domino Roffredo de Isola eadem gratia capi- taneo comunis et populi Sen. fuit in concordia, quod novem Boni homines scilicet tres per terze- rium debeant eligi ad ordinandum et provi- dendum, qualiter procedatur in opere s̅c̅e̅ Ma- rie et quomodo ibi laboretur, et quod ordinaverint et statuerint debeat fieri et observari et sit firmum et ita in dicta opere procedatur et laboretur. Actum Senis in ecclesia dicta coram d̅n̅o̅ Gherardo Judice populi Sen. et Jacob. Castaldo comunis Senarum presentibus. Sub anno d̅n̅i̅ Millesimo CCLIX. Indict. III. die III. Idus Februarii. Das. No. 235. anno 1259. Ind. tertia die XVI. ka- lend. Decenbris, also um einige Monathe fruͤher, (das sie- nesische Jahr reicht bis zum Maͤrz 26.) wird eine außeror- dentliche Commission von neun Maͤnnern, drey fuͤr jede Ab- theilung der Stadt, angeordnet, um dem Operarius: super facto cori, zu rathen. Aus dieser scheint denn obige Orga- nisation sich unmittelbar entwickelt zu haben. 2. Archivio dell’ opera del Duomo di Firenze . Li- bro. Prestanze . 1355. — 57. (Ergaͤnzung des Protocolls vom August 3. 1357. dessen Anfang s. vorangehende Abhandlung, Belege I. Arcagno , 5. — i quali tutti e cinque di concordia nella presen- zia di detti operai presero per partito e deliberarono. la detta nuova colonna fatta per Francescho essere più forte e bella e laudabile, di che i detti operai furono contenti e nel nome di dio comandarono, che quella si mettesse a seguizione. Si veramente: Che Che e’ si faccia uno pilastrollo di mat- toni murato in quella altezza che basti. sul primo pilastro fondato. et che la detta colonna di giesso vi si pongnia su et che iscritto vi sia a’pie’ con lettere grosse, che qualunque persona volesse aporvi alchuno difetto debia fra otto di venire agli operai o ad altri per loro et dirne l’animo suo et sarà udito gra- ziosamente. Et comandano che io filippo mandassi a boecha. il messo dell’ opera a tutti maestri religiosie secolari di Firenze significando loro il detto partito preso della colonna preghandoli che e vegniano a vedere se per loro vi s’aponesse. Et comandano chella detta colonna del giesso si compiesse tutta intorno come ella é dalle due faccie. Et comandano a francescho che in sudetto primo pilastro fondato intagliasse cogli scharpelli il modello della bagia (Basis) della sopradetta colonna. Che nelle sopradette lettere anche stia iscritto che chiunque ne vuole .... vegnia a pattegiarsi. Gewiß brauchte es nicht so viel umstaͤndlicher Vorberei- tungen, um den Meistern und Maͤnnern vom Fach begreiflich zu machen, wie ein oder das andere Modell sich an seiner Stelle, oder im Vollen ausnehmen wuͤrde. Indeß hatte man auch die Stimmen der minder Kunstverstaͤndigen und voͤllig Unkundigen zu gewinnen, welche gelegentlich zur Berathung hinzugezogen wurden, wie nachstehendes Beyspiel zeigt. II. 11 Archiv. et libro cc. XII. Luglio 1357. mercoledi, zu Ende. — Furono richiesti al sopradetto consiglio molti cittadini venirci. Amerigho da Conmara et bartolo biliotti et varj altri e furono qua entro. perche parve ad alchuno che i sopradetti maestri consigliassero per animo . vollono che i sopradetti francescho et Andrea dessero per ischritto ciaschuno due maestri confidenti et vogliono che questi quatro maestri fossero avedere i sopradetti disegnamenti. Elesse Francescho : Ambruogio Lenzi (darunter ausgestrichen: Filippo del frate .) Frate Rinieri di sta Croce Elesse Andrea : Niccholo di Beltramo Francescho di Neri . Archiv. c. Libro, Ricordanze dell anno 1359. Pro- tocoll vom J. 1359. Julii 19. Cittadini che consi- gliarono etc. etc. — Und so fort an anderen Stellen, de- ren Anfuͤhrung ermuͤden wuͤrde. — Vgl. in dieser Beziehung jene allgemeine Berathung, die vierte der schon mitgetheilten, den sienesischen Dombau betreffenden Urkunden. Dieselbe unbehuͤlfliche Voraussicht, welche so vielfaͤltige Versuche, Einreden und Aenderungen veranlaßte, zeigt sich auch in den Anordnungen, welche die Sitten und Gewohn- heiten der Kuͤnstler und Handwerker zum Besten lenken sollen. Ich finde im: libro di richordanze. 1367. — 1376. (Arch. dell’ op. del Duomo di Firenze ) fo. 18. a. t.: Memoria che di IX. di Luglio 1369. Lapo di vani Tomaso di Melglio + di fare, che chapomaestro non vadano a bere choniuno maestro. + di fare, che giovanni, ne niuno checci sia non possa dar parola di mandar niun maestro o manovale a lavorare altrui (altrove). + di fare, che niuno non possa prestare niuna masserizia sanza la parola di III. hoperai. 11 * XII. Von einigen Dunkelheiten und Verwechselun- gen der Kunstgeschichte des vierzehnten und folgenden Jahrhundertes. Alberto di Ar- noldo ; Piero Chelini ; Lorenzo da Viterbo ; Bernardo Rossellini ; Urbano da Cortona ; Antonio di Federigo . Mit dem frischesten Lebensmuthe strebte das wiederauf- bluͤhende Italien seine langezeit veroͤdeten Staͤdte wieder ein- zurichten und zu verschoͤnern; uͤberall ward die Kunst auf das Innigste mit solchen Handwerken verschmolzen, welche ihres Aufdruckes faͤhig sind; auch die groͤßesten Kuͤnstler unterzogen sich jeglicher vorkommenden Arbeit, leisteten (weil sie das Hand- werk zeitig einuͤbten, unausgesetzt betrieben) mit jener Leich- tigkeit, welche allein wohlfeile Bedingungen und leichten Ab- satz des Hervorgebrachten moͤglich macht. Unter so guͤnstigen Umstaͤnden mehrten sich die Kuͤnstler, welche behaglich von ihrem Erwerbe lebten, ins Unendliche. In den Verzeichnissen der Innungen, in den Protocollen oͤffentlicher Berathungen und an so viel anderen Stellen tritt uns uͤberall eine Fuͤlle meist ganz unbekannter Kuͤnstlernamen entgegen. Unter den Zeitgenossen der Lorenzetti und Simons von Siena , finden sich im dortigen Archiv (Biccherna B.) eine Menge fast unbekannter Kuͤnstlernamen. Z. B. B. To. 103. (1310. 1311.) Doch werden nur solche fuͤr uns Bedeutung haben, deren Kunstver- dienst noch zu ermitteln ist. fo. 229. a Tavena dipegnitore. — Das. fo. 255. — a Vitoluccio et a Nicholuccio dipegnitore. (Es werden ihnen Wappen bezahlt.) Das. fo. 282. a. t. — Ancho — 1. Lib. A insegnia dipegnitore pro dipegnitura a livri del camarlengo. (Ob jener Sezna, von dessen Hand das Bild der sien. Gallerie? S. Abh. VIII.) — B. To. 99. anno 1301. 1302. fo. 282. a. t. — Item XV. sol. — a petruccio dietisalvi dipegnatore per dipegnatura uno livro etc. Dems. das. fo. 361. a. t. und 362. fuͤr Wappenschilder. Das. fo. 296. — a Bindo miniatore. B. To. 104. (1310.) fo. 90. — a Cieco Puci dipegnitore. To. 104. fo. 108. — a Nichola Mini dipentore. B. To. 110. anno 1314. a Vitoluccio et a Guido Cini dipegnitori. Das. fo. 192. a. t. a Mino dipegnitore per dipegnitura due ciervi nellivro delle chiavi etc. B. To. 121. anno 1319. die XXIII. octubris — Guidoni pi- ctori — und die V. decembris — Guido Cinacti pro pictura etc. Allerdings bezahlt man diesen Kuͤnstlern meistens nur Wappen und andere Symbole dieser Art. Indeß ward diese Arbeit auch von den groͤßeren Meistern jener Zeit nicht so durchhin verschmaͤht. — Ar- chiv. delle Riform. di Siena , T. libro 78. steht eine serie delle arti esistenti in Siena l’anno 1363. worin neun und dreißig Maler, vier und sechzig Steinmetze verzeichnet werden, deren Namen und Werke groͤßtentheils ganz unbekannt sind. — Ich habe oben (Abh. VIII. Minuccio di Filipuccio unter den sienesischen Malern des 13ten Jahrh. aufgefuͤhrt. Vielleicht ist es Einigen willkommen, auch seinen Vater oder Meister kennen zu lernen. Archiv. della gen. Biccherna di Siena B. To. 98. (1298.) fo 193. bezahlt man jenem Minuccius Filippi (an a. Stellen Filipucci ) pietor, „pro qui- busdam testibus falsis, quos depinxit in patio communis Sena- rum .“ Archiv. cit. B. To. 84. 1288. (1289.). Item CXIII. Lib. III. sol. III. den. p. apodixia dominorum novem Filipuccio aurifici pro una coppa argenti coperchiata que donata fuit dieto Domino Regi cum dictis flo. (Geldgeschenk). Das. B. To. 66. 1282 fo. 127. er- haͤlt ders. Filipuccius aurifex eine Zahlung: pro salario ambassiate. In Florenz findet sich gegen die Mitte des vierzehnten Jahr- hundertes ein gleicher, oder noch groͤßerer Ueberfluß von unbekann- ten Kuͤnstlernamen. Im Archiv, dell’ opera del Duomo di Firenze , Um die Mitte des vierzehnten Jahrhundertes war Al- berto di Arnoldo ein ehrenwerther Bildner, wie jene mehr als lebensgroße Madonna darlegt, welche langezeit fuͤr eines der kuͤhneren Werke des Andreas von Pisa gegolten hat. Wir verdanken die erste Entdeckung und Aufklaͤrung die- ses, von allgemeinen und willkuͤhrlichen Vermuthungen des Vasari ausgehenden, Irrthumes dem Bibliothekar der Ma- gliabecchiana, Herrn Vincenzio Follini . Dieser verdiente Ge- lehrte war gelegentlich seiner Vorarbeiten zu einer neuen Aus- gabe der Novellen des Franco Sacchetti durch eine dieser an- muthigen Erzaͤhlungen, die Novelle 136., veranlaßt worden, den Lebensverhaͤltnissen jenes bis dahin unbekannten Kuͤnstlers Liber stanziamentorum mei Johannis scriptoris 1363. = 1369. fo. 64. a. t. anno 1366. — Perus Miglioris , Bettus Gerii , Simon Gri- maldi , Benincasa Lotti , et Pierus Gherii , aurifices. — Das. con- silium pictorum: Taddeus Gaddus , Andreas Cionis , Nicolaus Tomasi , Johannes Bensi , Andreas Bonajuti , Nerius Monis , Nuccius Montini , Nerius Fioravantis , Risto- rus Cionis , Bernardus Pieri , Bencius Cionis , Ciardi- nus Chuene (fo. 67. heißt er: Ciardinus del Guena ; wohl ein Fremder) Franciscus Salvetti , Francischus Nerii b. Baldi . Da Arcagno und Taddeo jenen meist ganz unbekannten Meistern in Rath und That zur Seite stehn, so koͤnnen auch diese ihrerzeit nicht so ganz bedeutungslos gewesen seyn. Das. fo. 65. Infrascripti sunt pictores deputati — ad faciendum designum seu modellum etc. Unter diesen, naͤchst einigen der fruͤher angefuͤhrten: Dominichus de Forterini , Luchino , Piero Fortini , Jacopo Sanella , Paolo Saldini , Nuccio di Jacopo ; und fo. 67. (eod. anno) — To- masus del Passera , Cecchus Pieri , Jacopo dello Stimolino (oder Sternolino ), Zanobius Pacini , Andreas vocatus Burchiasso , Pacinus Cini , Pierus Giamboni , Franciscus Michelis , Stefanus Metti , Sander Macci , Martinus Doni , Johannes Junte , Andreas Cioffi , Buonus Masi , Cambius Michelis , Pierus Mattei , Ambroxius Vannis , Johannes Jun- tini , Filippus da Campi , Simon daddi , Benintendi Guidi etc. weiter nachzuspuͤren. Sacchetti bezeichnet den Alberto als ei- nen bekannten Bauverstaͤndigen. In der That wird er, wie die unten mitgetheilten Auszuͤge darlegen Arch. dell’ op. del Duomo di Firenze . Ricordanze 1358. fo. 3. a. t. dì 12. di nuembre 1358. — Gio. di Messer Lotto pre- posto etc. richiederono per di 13. Novembre. — Nicholo Biltrami , Giovanni di Flor. , Ambruogio di ...., Alberto Arnoldi etc. — Gegenuͤber: fo. 4. 13. Nov. — Essendo raghunati: frate Jacopo di Lapini etc. — Alberto Arnoldi etc. — fo. 34. a. t. 19. d’Otto- bre: — Chompari primi in dco dì Alberto Arnoldi maestro etc. — Das. in einem anderen Buche, Richordanze dell’ ao 1359. fo. 8. 1358 (1359?) di IIII. di Settenbre. Maestri che chonsiglia- rono detto dì etc. — tutti quatro maestri renderono per chonsiglio etc. — chelle finestre, che chonducie Alberto allato al chan- panile si seguano al modo chominciato etc. — Ferner: franciescho Talenti chapomaestro della detta opera etc. Alberto chapomaestro della detta opera rende per chon- siglio detto dì: che la detta porta nominata di sopra rimangha do- vella é, e murivisisu chom’ anno detto que’ di sopra. fo 14. a. t. beruft sich francescho Talenti auf die Ansicht unseres Alberto; und fo. 14. a. t. XXVII. Sett. 1359. — operai ragunati tutti e quatro nella chasa dell’ opera allogharono ad Alberto Arnoldi chapo maestro della detta opera a guidare et a far fare ed acchon- piere l’archo della porta maggiore della faccia dinanzi di Santa Ri- parata (dem Dome) ed asseguirlo chome (é) chominciato da pie di marmo rosso ischavato, chome quello che v’é fatto. Salvo che il detto Alberto deba avere chonsiglio chon Franciescho Talenti d’ongni lavorio che vi fa, e che chollui insieme facciano il detto la- vorio. Vgl. das. fo. 15. a. t. fo. 16. — , in den Berathun- gen der florentinischen Domverwaltung verschiedentlich als Theil- nehmer, in der Folge selbst als Obermeister dieses großen Wer- kes aufgefuͤhrt. Seine Anstellung bey den Arbeiten, welche der Dombau veranlaßte, faͤllt, nach den angezogenen Buͤchern der Bauver- waltung, in die Jahre 1358. und 1359. Um die Mitte des letzten Jahres uͤbernahm er die Verpflichtung, jene mehr als lebensgroße Madonna mit dem Kinde und zween sie vereh- renden Engeln fuͤr die Bruͤderschaft der Misericordia auszu- fuͤhren, derselben, welche spaͤterhin mit einer anderen Gesell- schaft, dem Bigallo, vereinigt worden. Archiv. del Bigallo Libro segn. 2. dal 1349. al 1412. p. XII. — 1359. die VI. mensis Junii. Item allogharono a fare la ymagine di marmo di nostra donna col fil. in braccio con atto di misericordia, adornata fregiata di fregj d’oro e lustrata come si con- viene e simigliantemente due Angeli la quale figura dee essere d’al- tezza braccia tre o piu. e quella degn’agnoli braccia due e mezzo o piu a Alberto Arnoldi maestro del popolo S. Michele berteldi. Diese Arbeit moͤchte ihn von der Leitung des Dombaues abgezogen, und bis in das Jahr 1364. hinreichend beschaͤftigt haben, in welchem er solche vollendet abliefert, wie aus dem Absolutorio erhellt, welches ich in die Anmerkung verweise. Das. p. LVII. — 1364. — a di XVI. daghosto. — Item deliberarono e absolvettero Alberto Arnoldi maestro e Alessio suo malle vadore dalla promessa fatta per loro di fare le figure di nostra Donna coglagnoli e dichiararono essere fatte secondo la promessa fatta per lo detto Alberto ; e a me comandarono, che la charta e ogni promesso sia cassa annullata e per me cancellata. — Vgl. Cicognara, stor. a. s. St., welcher diese Zeugnisse schon benutzt hat und naͤher auf das bildnerische Verdienst dieser Gruppe einge- gangen ist. In der Folge entschwindet mir seine Spur; vielleicht beschloß er bald darauf sein Leben. In derselben Stiftung erhielt sich das Andenken eines Zeitgenossen des Masaccio , des Piero Chelini . Freylich er- reichte dieser Maler weder die physiognomischen Feinheiten des Fiesole , noch die großartige Anordnung und staͤrkere Schatten- gebung des Masaccio ; doch zeigt sich andrerseits in seinen Umrissen ungleich mehr Gefuͤhl, als den spaͤteren Nachahmern der Manier des Giotto eigen zu seyn pflegt; in seiner Auf- fassung aber ein milder und guͤtiger Sinn. Sicher hatte er bessere Anspruͤche an das Andenken seiner Mitbuͤrger, als Lo- renzo di Bicci und andere Zeitgenossen, denen Vasari in sei- nen Kuͤnstlerleben einen besonderen Abschnitt gewidmet hat. Die aͤlteste Erwaͤhnung unseres Malers findet sich in dem großen Werke des Richa Delle Chiese di Firenze . To. VII. p. 293. Nr. XXI. , dem der Archivar des Bigallo seinerzeit eine Notiz mitgetheilt hatte, deren Nachweisung un- richtig zu seyn scheint, da sie nirgend mit den vorhandenen Buͤchern des Archives zusammentrifft Ders. das. verweist auf lib. X. p. 8. des Arch. der Bruͤder- schaft. Die Anziehung, die ihm mitgetheilt worden, lautet: Item Piero Chellini pro resto totius sue picture facte in Domo habita- tionis capitaneorum in facie exteriori. — Die Buͤcher wurden in- deß, s. unten, in italienischer Sprache gefuͤhrt. . Doch entdeckte ich, indem ich dem angegebenen Jahre nachging, daß man dem Piero , im Julius des Jahres 1444., den Werth der aͤuße- ren Bemalung des im vorangehenden Jahre abgebrann- ten Archiv. della Co. del Bigallo libro 23. Debitori e Credi- tori dell’ anno 1444. fo. 96. — Piero Chellini dipintore de’ avere lib. trentotto — sono per dipinture a fatto nella facciata dinanzi della chasa nostra quando arsa nell’ anno 1443. d’acchordo collui questo di primo di Luglio 1444. — fior. 38. piccoli. Auf der Ruͤck- seite des vorangehenden Blattes steht eine abschlaͤgliche Zahlung, mit Hinweisung auf das libro biancho, a. c. 77. Dieses, gegen- waͤrtig: libro 22., hat fo. 77. — Piero Chelini — posto debitore a libro etc. — fiorini 20. piccoli. und gegenuͤber: Piero Chelini di- pintore de dare a di 24. di marzo 1443. — fio. 20 picc. Die Hauses der Bruͤderschaft wirklich in deren Buͤchern zu gut geschrieben habe. Obwohl nun so viel Gruͤnde vorhanden sind, dieses nicht unbetraͤchtliche Guthaben auf die ganze, nicht sehr ausgedehnte Vorseite des Hauses zu, beziehn, so hat dennoch bey den florentinischen Topographen seit laͤngerer Zeit das Vorurtheil sich festgesetzt, daß die oberen Abtheilungen der Mauer schon ungleich fruͤher gemalt seyn muͤssen. Richa Delle chiese di Fir. To. cit. p. 289. §. XVII. hat diese, in den Zwischenraͤumen der Fenster des oberen Stockes ange- brachten Gemaͤlde, ohne seine Gruͤnde anzugeben, dem Tad- deo di Gaddo beygemessen; er folgt hierin nicht einmal dem Vasari . Andere, besonders Lami, verlegen dieselben Male- reyen in das dreyzehnte Jahrhundert, was schon in Ansehung der Manier, in welcher sie ausgefuͤhrt worden, auf keine Weise einzuraͤumen ist. Die florentinischen Topographen scheinen davon auszu- gehn, daß der Gegenstand jener oberen Wandgemaͤlde des Bi- gallo (Begebenheiten aus der Legende des Hl. Petrus Martyr) nothwendig von der Gesellschaft der Misericordia muͤssen an- geordnet seyn, welche nicht fruͤher, als im Jahre 1425. mit der juͤngeren Gesellschaft des Bigallo sich verschmolzen hat. Doch weßhalb sollte das Andenken der Stiftung jener ersten Gesellschaft fuͤr die spaͤtere, vereinigte, so allen Werth verlo- ren haben, daß man unumgaͤnglich annehmen muͤßte, sie habe nichts anordnen koͤnnen, was auf jene Bezug hat? — Ließ Fortsetzung der Berechnung mit dem Maler in obigem libro 23. fo. cit. und fo. 192. 193. 195. 199. — Bemerken wir, daß der Vaters- name haͤufiger, Chelini , geschrieben wird; wahrscheinlich ist er aus Michelino abgekuͤrzt worden. — Im Archiv della gen. Biccherna di Siena fand ich, B. 121. anno 1319. 31. Dec. Item — Chelino Choletti operario comunis Senarum etc. doch dieselbe Gesellschaft noch um hundert Jahre spaͤter am Sockel des hoͤlzernen Geruͤstes auf dem Altare der Kappelle Einiges aus der Geschichte des Hl. Petrus Martyr durch den Ridolfo Ghirlandajo ausfuͤhren; eine Arbeit, welche zur Zeit des Vasari Vita d’ Andrea Pisano Ed. cit. p. 149. beschafft worden und noch immer an ihrer Stelle vorhanden ist. Die erste der beiden fraglichen Darstellungen aus dem Leben des Hl. Petrus Martyr, die Weihe und Vertheilung der Fahnen zum Religionskriege, ist zum Theil von der aͤuße- ren Wand des Gebaͤudes herabgefallen; doch hat man davon zeitig eine Copie genommen, welche in einem der inneren Ge- maͤcher aufbehalten wird. Die andere, erhaltnere zeigt ein Wunder desselben Heiligen, welcher waͤhrend der Predigt ein fluͤchtiges Pferd, wohl ein daͤmonisches Wesen, beschwichtigt, oder verschwinden macht. Ein dichter Haufen theils sitzen- der, theils stehender Weiber bezeigt in naiven, nicht ungefaͤlli- gen Wendungen ein gewisses augenblickliches Schwanken von unbestimmter Furcht zur Betroffenheit uͤber das Wunder. In dem Heiligen erscheint viel Ruhe und Zuversicht, in seinem juͤngeren Begleiter moͤnchische Demuth; in einer Gruppe ruͤ- stiger Maͤnner Ernst und Festigkeit. Aehnliche Bequemlichkeit in den Bewegungen, Sicherheit in zwangloser Andeutung der Affecte, dieselbe Manier in der Bezeichnung der Formen durch wohlgelegte, einfache Umrisse erblicke ich nun auch in jenem Fragmente, welches man gele- gentlich einer Erweiterung der Hausthuͤre abgesaͤgt und gegen- waͤrtig im Inneren des Gebaͤudes wiederum aufgestellt hat. Der Kuͤnstler versinnlicht darin den practischen Zweck der Ver- bruͤderung des Bigallo, Kindern, welche in der damals sehr volkreichen und belebten Stadt sich verloren hatten, eine vor- uͤbergehende Zuflucht zu gewaͤhren. Er schilderte die Freude von Muͤttern, welche ihre Kinder hier wieder aufgefunden ha- ben; die Betruͤbniß einiger Anderen, welche sie noch vermis- sen; das Behagen von Kindern, welche, auf den Armen ihrer Ammen oder Muͤtter gewiegt, gekoset, beschenkt, bereits ihr vergangenes Leiden und Sehnen verschmerzt haben. Unstreitig ist dieses Fragment schoͤner und belebter, als jene Malereyen der aͤußeren Wand. Indeß war auch der Gegenstand einla- dender, lag die Stelle, an der es gemalt worden, dem Auge naͤher. Uebrigens ist die Manier so ganz dieselbe, daß, wer diese Malereyen ohne vorgefaßte Meinung betrachtet, ihre durch- gehende Uebereinstimmung unbedenklich anerkennen wird. Ge- wiß wuͤrden auch die florentinischen Topographen schon laͤngst von ihrem Vorurtheil zuruͤckgekommen seyn, haͤtten sie nicht uͤbersehn, daß jener Arbeit des Chelini ein Brand vorangegan- gen war, welcher nach der Anlage des Gebaͤudes nur den Dachstuhl verzehrt haben konnte, doch eben daher besonders das obere Gemaͤuer nebst dessen Verzierungen beschaͤdigt haben mußte. Ich halte aber auch eine Tafel in der Sacristey der flo- rentinischen Pfarrkirche s. Remigio (das Volk nennt diese Kirche: s. Romeo), welche Vasari To. I. vita di Tommaso , detto Giottino . Ed. cit. p. 191. als eines der schoͤnsten Werke des Giottino bezeichnet und ausfuͤhrlich und gluͤcklich beschreibt, vielmehr fuͤr eine Arbeit des Piero Chelini . Diese Tafel, eine Ruhe nach der Abnahme vom Kreuze, ist auf Goldgrund gemalt und von einem Rahmen von spaͤ- tester italienisch gothischer Zeichnung umgeben. Das goldene Feld, die gothischen Randverzierungen waren, wie die Altarge- maͤlde des Beato Angelico bezeugen, zur Zeit des Chelini noch in Gebrauch, unterschieden sich jedoch von den fruͤheren, durch Pilaster abgetheilten Altartafeln durch ein weites, eine einzige Handlung umfassendes Mittelfeld. Aus dieser Einrichtung, vornehmlich aber aus einigen kleiner gehaltenen Bildnißfigu- ren, welche nach der Sitte der ersten Haͤlfte des funfzehnten Jahrhundertes bekleidet sind, erhellet unwiderleglich, daß un- sere Tafel um ein Jahrhundert neuer ist, als Giottino , also der Zeit nach mit dem Chelini zusammenfaͤllt. Nun zeigt dieses Werk besonders in den Extremitaͤten die entschiedenste Verwandtschaft mit den eigenthuͤmlichen Zuͤ- gen und Manieren unseres Kuͤnstlers, in der Auffassung des Affectes der Marien, welche den heiligen Leib umgeben, dieselbe anmuthige Weiblichkeit, welche in jenen Mauerge- maͤlden vorwaltet. Zudem fehlt es nicht an einzelnen Ge- stalten, welche mit anderen jener Mauergemaͤlde des Bigallo uͤbereinstimmen; man vergleiche nur die mehr untergeordneten Figuren der Kreuzesabnahme in s. Romeo mit jenen Nonnen- aͤhnlichen Frauen, welche in mehrgedachtem Fragmente zu bei- den Seiten die Gruppe der Weiber und Muͤtter begrenzen und Waͤrterinnen der milden Anstalt zu seyn scheinen. — Gewiß wuͤrde selbst Vasari von dieser mehrseitigen Uebereinstimmung beider Werke sich uͤberzeugt haben, haͤtte er uͤberhaupt den Piero Chelini gekannt und auf ihn Ruͤcksicht nehmen koͤnnen, als er, (sichtlich nach ganz allgemeinen Vermuthungen Vas. vita di Giottino p. c. — Dicesi, che Tommaso fu per- sona malinconica — ma dell’ arte amorevole e studiosissimo, come , je- nem Bilde einen Namen gab. An der Vorseite der Kirche sta Maria Maggiore zu Rom befindet sich, halb verdeckt von dem modernen Vorbau, ein beschaͤdigtes Musiv, auf welchem zu Fuͤßen der Hauptfigur, des Heilands: PHILIPPUS RUSERUTI (Ruggierotti?) FECIT HOC OPUS. Ich habe die roͤmischen Topographen aͤlterer Zeit nicht zur Hand, bezweifle aber, daß sie auf diese Inschrift Ruͤcksicht genommen, da Lanzi , der sie benutzt hat, dieses Namens nicht erwaͤhnt. Meister Philipp scheint um das Jahr 1300 gebluͤht zu haben, also ein Zeitgenosse des Pietro Cavallini zu seyn, wel- cher den Vasari viel beschaͤftigt hat. Das Hauptgemaͤlde ( Christus in Glorie von zween Engeln umgeben, welche Kan- delaber und Rauchfaͤsser halten, zu den Seiten Evangelisten und die Jungfrau im Habitus altroͤmischer Matronen) ist ganz im Sinne der christlich-antiken Darstellungen entworfen, oder wahrscheinlicher bloße Erneuerung eines aͤlteren Musives. Hingegen verraͤth die beygeordnete Darstellung aus der Legende von Erbauung der Kirche, daß unser Kuͤnstler schon von der neueren giottesken Richtung ergriffen war, und die Handlung mehr, als den Charakter, ins Auge faßte. Auch die Bauart in den Hintergruͤnden deutet auf das Hereinbrechen jenes von Giotto ausgehenden ganz neuen Geschmackes und Bestrebens. apertamente si vede in Fiorenza , nella chiesa di S. Romeo, per una tavola lavorata da lui a tempera, con tanta diligenza ed amore, che di suo non si é mai veduto in legno cosa meglio fatta . In questa tavola etc. Wer den Vasari genauer ins Auge gefaßt hat, kennt die Bedeutung solcher ganz allgemeinen Ein- und Uebergaͤnge; wo er bestimmt wußte, sprach er rund heraus. Filippo ergaͤnzt, da er offenbar dem Pietro Cavallini vorange- gangen, die gewiß seit den aͤltesten Zeiten nie unterbrochene Kette roͤmischer Musaicisten. Indeß wird ein anderer und spaͤterer Maler des Gebietes von Rom , Lorenzo von Viterbo , sowohl unter seinen Zeitgenossen, als uͤberhaupt in der Kunst- geschichte eine hoͤhere Stelle einnehmen, daher einer etwas um- staͤndlicheren Erwaͤhnung werth seyn. Diesen Kuͤnstler kenne ich aus einem einzigen, doch ziem- lich umfassenden Werke, den Malereyen an den Waͤnden und an der Decke der Kappelle der Madonna zur Rechten des Schiffes der Servitenkirche sta Maria della Verita zu Viterbo . Diese, auf geglaͤttetem Gypsgrunde a tempera ausgefuͤhrten Gemaͤlde, sind der Richtung und dem Geschmacke gleichzeitiger Florentiner so nahe verwandt, daß wir annehmen duͤrfen, der Kuͤnstler habe sie gekannt und studirt; doch duͤrfte er in der Charakteristik der Koͤpfe, wenn nicht uͤber den Fiesole und Be- nozzo , doch uͤber Fra Filippo und Alessio Baldovinetti , und in der Anlage des Gefaͤltes, in der Stellung und Ausfuͤhrung der ganzen Gestalt uͤber die meisten Zeitgenossen hinausgehn Etwas zu voreilig sagt demnach Lanzi , sto. pitt. sc. Ro. (Pictro Perugino) — „Eccoci in tanto ai primi frutti veramente ma- turi della scuola Romana. — Pietro é il suo Massaccio , il suo Ghir- landajo il suo tutto. . Das Kreuzgewoͤlbe der Decke enthaͤlt einzelne Figuren; Kirchenvaͤter und andere Heilige, welche zur Verherrlichung der Jungfrau geschrieben haben; die Lunetten, oder halbrunden Mauerfuͤllungen, Geschichten aus dem Leben der Madonna. Die Wand zur Rechten hat auf dem oberen Halbrunde die Verkuͤndigung, auf der unteren Abtheilung die Geburt des Hei- lands; das letzte Gemaͤlde enthaͤlt einige Weiber, welche der Woͤchnerin durch Waͤsche aushelfen, oder doch ihr Handrei- chungen leisten; anmuthige Zuͤge nachbarlichen Lebens, denen die Feuchtigkeit der Mauer einen nahen Untergang zu drohen scheint. Die Lunette uͤber dem Altare enthaͤlt die Aufnahme der Jungfrau in den Himmel; diese Darstellung wird durch einen alten, halbgothischen Vorsprung beengt. An der Wand zur linken, befinden sich verschiedene Vorstellungen, an deren unterem Sockel der Kuͤnstler auch das Jahr und sein Mono- gramm angebracht hat, wie folgt: MCCCCLXIX. L. V. Laurentius Viterb. s. Belege I. . In dem oberen Halbrund, die Besteigung der Stufen des Tempels, ein Perspectivbild mit einigen guten Figuren; darun- ter in der ganzen Weite der Mauer die Vermaͤhlung der Maria, unbedenklich das Hauptbild der ganzen Folge. Wie in den uͤbrigen Bildern, so zeigt sich besonders in diesem, daß der Kuͤnstler nicht eigentlich von der Idee seiner Aufgaben er- griffen war, vielmehr sie nur benutzte, um naive und liebliche Zuͤge des buͤrgerlich-haͤuslichen Lebens darin anzubringen. Wie viel er in der Charakteristik, nicht bloß der Koͤpfe, vielmehr selbst der ganzen Gestalt und Bewegung der Figuren zu lei- sten vermochte, zeigt sich besonders an dieser Stelle, wo Lo- renzo Alles, was seinerzeit zu Viterbo sich auszeichnete, in dem Gefolge und unter den Zeugen der Trauung angebracht hat, woruͤber wir einen alten Chronisten, welcher in Person zu ei- ner dieser lebenvollen Figuren Modell gestanden, in seiner ei- genen, alterthuͤmlichen Sprache vernehmen wollen S. Belege I. . Gleich- Gleichwie Vasari diesen und jene anderen Kuͤnstler theils ganz uͤbersah, theils ihre Werke bekannteren Namen zutheilte, so kuͤrzte er auch den vortrefflichen Bernardo Rossellini , wie nachstehende Untersuchung darlegen wird, um den groͤßesten Theil seiner thaͤtigen Laufbahn. Bernardo Rossellini und Francesco di Giorgio . Bauwerke Pius II. zu Pienza und Siena Aus dem Kunstblatte 1882. mit Verbesserungen wieder ab- gedruckt. . Pienza , eine bischoͤfliche Stadt von geringer Groͤße, liegt im Gebiet von Siena , in der Naͤhe von S. Quirico , etwa eine Stunde abwaͤrts von der Straße nach Rom . Vor Zei- ten hieß dieser Ort Corsignano und war dazumal ein Markt- flecken mit eigener Gerichtsbarkeit. Pius II. gab ihm darauf seine gegenwaͤrtige Gestalt. Dieser Pabst war auf dem Land- hause seines Vaters, Silvius Piccoluomini , eben zu Corsignano geboren worden, und behielt unter mancherley Lebensereignissen eine lebhafte Vorliebe fuͤr seinen Geburtsort. Wir finden, daß er als Praͤlat Aus einem Originalbriefe des Aeneas Silvii , vom 17. Oc- tober 1455. sich anschickt, seine Villa in Corsignano zu besuchen, als Aus einem Briefe, d. d. Rom 24. Januar 1457. Beide befinden sich in einer Briefsammlung, welche ich in Siena benutzt habe, die aber kuͤrzlich an Hrn. Rosetti zu Triest verkauft wor- den ist. Cardinal bemuͤht ist, der Gemeine gleichen Namens den Erlaß von Steuern auszuwirken. Endlich, als er Pabst geworden war, erhob er Corsignano zum Bisthum und zur Stadt, gab dieser den Namen Pienza und schmuͤckte II. 12 den Ort mit den stattlichsten Gebaͤuden. Es wird nicht schwer seyn, in Italien Bauwerke zu finden, welche im Einzelnen ta- delloser sind, als diese. Unmoͤglich aber ist es, einen Ort an- zutreffen, wo die einzelnen Gebaͤude in ihrem Verhaͤltnisse zu einander, so wie zur Ausdehnung der Plaͤtze und Straßen gleich sehr den Eindruck eines schoͤnen und reichen Ganzen bewirken. Denn uͤberall, wo die Fuͤrsten spaͤterer Zeiten bey neuangelegten Staͤdten Einheit des Planes bezweckten, verfie- len sie in eine widrige Gleichfoͤrmigkeit. Hier aber hat die Einheit den Unterschied nicht aufgehoben; jedes Gebaͤude traͤgt sein eigenes Gepraͤge; man unterscheidet bequem die verschie- denen Stufen des Gluͤckes der einzelnen Bauherren; die oͤf- fentliche oder haͤusliche Bestimmung jedes Baues legt sich gleich dem ersten Blicke dar. Aus dem Pii II. comment. libro II. ed. Rom . 1584. 4. p. 78. sq. eignen Ausdrucke Pius II. geht hervor, daß er bey seiner Anwesenheit zu Corsignano , im Februar 1459, vorerst nur im Sinne hatte, den Ort mit einer Pfarrkirche zu versehen und mit einem neuen Familien-Palaste der Piccoluo- mini zu zieren. Im April eben dieses Jahres Archiv. delle riformagioni di Siena . consilia campanae. To. CCXXXIII. fo. 104. bewirkte er der Gemeine einen zweyten Steuernachlaß. Den achtzehnten May darauf erlangte Ib. eod. To. fo. 109. tergo. er von der Republik Siena die Erlaubniß zum Bau des Palastes und der Kirche zu Corsig- nano , zugleich freyes Bauholz aus den oͤffentlichen Forsten und andere Beguͤnstigungen. Im Jahre 1460 Pü II. comm. lib. IV. p. 200. war er abermals zu Corsignano gegenwaͤrtig, und hatte seine Lust an dem vorruͤckenden Baue. Den 28. May Archiv. cit. To. cit. fo. 248. eben dieses Jah- res wird zu Gunsten der Gemeine Petrojo gegen die Unord- nungen eines Florentiners, Ceca oder Cera Ob der Ingenieur Cecca des Vasari ? Nach dessen Zeitan- gaben muͤßte es allerdings ein anderer seyn. Indeß sind diese nicht eben die starke Seite des Vasari . , entschieden, der dort einen Kalkofen Behuf des Baues von Corsignano er- richtet hatte. Die Hoͤflinge des Pabstes wollten sich nun ebenfalls in Corsignano anbauen; diesen erleichtert man den Ankauf der Bauplaͤtze durch eine eigene Verordnung Archiv. cit. To. cit. fo. 292. vom 18. October 1460. Spaͤter finde ich in den Verhandlungen des großen Rathes von Siena keine weitere Erwaͤhnung je- nes Baues, ja, was seltsam ist, nicht einmal die Bestaͤtigung des neuen Namens Pienza , so wenig als der staͤdtischen Be- rechtigungen, welche Pius dießmal ganz aus Pii II. comm. lib. VIII. p. 377. eigner Macht- vollkommenheit scheint verliehen zu haben. Indeß erhellt es aus den Commentarien des Pabstes, daß im Herbste 1462 ein großer Theil des Baues vollendet, daß auch die buͤrgerliche und kirchliche Erneuerung bereits vollzogen war. Denn auf Veranlassung seiner Anwesenheit in Pienza in gedachtem Jahr 1462 macht uns Pius Comm. lib. IX. p. 425. sqq. eine weitlaͤuftige, aber genaue und anschauliche Beschreibung der bis dahin vollen- deten Gebaͤude. Der Pabst durchgeht zunaͤchst seinen Palast, der ins Viereck gebaut und neunzig Fuß hoch ist; dessen Ge- baͤlke fuͤnf Fuß weit vorspringt. Der Hof ist mit einem eig- 12 * nen Bogengange umgeben. Gegen den Garten hin, wo man den gefaͤlligen Anblick des vulkanischen Gebirges Amiata und den Ueberblick des regellosen Bettes der Orcia genießt, beklei- det die Mittagsseite des Hauses durch alle Stockwerke ein dreyfacher Saͤulengang. Die unteren Gemaͤcher sind gewoͤlbt; die oberen haben hoͤlzerne Decken, von den schiersten Tannen- staͤmmen gebildet, und durch Vergoldung und Malerey auf das schoͤnste geziert. Fuͤr Wasservorraͤthe, eben wie fuͤr Kuͤche und Keller, war trefflich gesorgt worden. Bey Gruͤndung der Kirche, welche bestimmt war, den Hauptplatz von der Seite des Abhanges zu schließen, fanden sich große Schwierigkeiten in der ungleichen Beschaffenheit des unterliegenden Gesteines. Man hatte daher, von einer Felsen- masse zur anderen, die Fugen und Spalten, welche sie tren- nen, sorgfaͤltig uͤberwoͤlbt und erst auf diesen Woͤlbungen wa- ren die Grundmauern angelegt worden. Trotz dieser Vorsicht war ein bedeutender Riß in der Kirchenmauer entstanden, der noch immer, jedoch ohne weiteren Schaden zu veranlassen, die ganze Hoͤhe des Gebaͤudes durchlaͤuft. Alles Bezeichnete, auch ein Ziehbrunnen auf dem Platze, mit zierlichem Saͤulengestelle, war, bis auf den Kirchenthurm, in dem Zeitraume von drey Jahren voͤllig beendet worden. Man hatte gesucht, den Pabst zu uͤberreden, daß der Baumeister dieser Werke Unterschleif und Baufehler begangen habe. Vorzuͤglich ward ihm Schuld gegeben, daß er den An- schlag, der nur auf acht bis zehntausend Goldgulden ging, bis auf die Summe von funfzigtausenden uͤberschritten habe. „Der Baumeister war ein Florentiner, Namens Bernhard . Pius , nachdem er alles wohl betrachtet hatte, befahl, ihn her- beyzurufen. Diesen, der nach einigen Tagen eintraf, redete der Pabst auf folgende Weise an: Sehr wohl hast du gethan, mein Bernhard , indem du mir den Aufwand verhehlt hast, der mir bevorstand. Haͤttest du die Wahrheit gesagt, so wuͤrde ich mich nie entschlossen haben, eine so große Summe aufzu- wenden, und so wuͤrde dieser edle Palast und Tempel auch nicht entstanden seyn, den gegenwaͤrtig ganz Italien preiset. Also durch deinen Betrug entstanden diese herrlichen Gebaͤude die Alle loben, mit Ausnahme einiger wenigen, welche der Neid verzehrt. Wir danken dir herzlich, und halten dich un- ter allen Baukuͤnstlern unserer Zeit der ersten Stelle werth. Hierauf befahl er, dem Manne allen Lohn, und hundert Gold- stuͤcke daruͤber, auszuzahlen, auch ihm ein Scharlachkleid zu verehren. Ueberdieß setzte er ihn neuen Werken vor . Der Pabst baute ferner zur Linken der Kirche ein Haus, worin der Probst und die Domherren bequem wohnen konnten. Es war dem Palaste gegenuͤber, an der anderen Seite des Platzes ein altes Haus, welches der Magistrat des Ortes inne zu haben pflegte. Dieses kaufte Pius , und uͤbergab es dem Vicekanzler, damit er dort einen bischoͤflichen Palast erbaue und der heil. Jungfrau darbringe. Eben so kaufte er auch andere Gebaͤude, welche der Kirche gegenuͤberstanden, und ließ sie abtragen, um einen dritten Palast mit Bogengang, Hof und Thurm zu erbauen, zum Gebrauch der Obrigkeit und der Gemeine. Er schloß sodann mit den Arbeitern ab und gab ihnen einen großen Theil des Lohnes voraus; denn es war ihm sehr daran gelegen, den Hauptplatz von vier edlen Ge- baͤuden umgeben zu sehen. Es wurden auch andere Haͤuser mit aller Pracht im Orte aufgefuͤhrt. Zunaͤchst dem Vicekanz- ler erbaute der Cardinal von Artois ein hohes und weitlaͤuf- iges Haus; dann der Schatzmeister; nach diesem legte Gre- gorius Lolli den Grund. Der erste von Allen war der Car- dinal von Pavia ; dieser erbaute ein schoͤnes und wohlbelege- nes Haus, welches ein Viereck bildete und von allen Seiten frey war. Der Cardinal von Mantua kaufte einen Bauplatz. Auch Thomas, der paͤbstliche Kaͤmmerer und Bewahrer des bleyernen Siegels, selbst einige Eigenthuͤmer, warfen die alten Haͤuser ab, um neue aufzurichten; so daß allenthalben die vo- rige Gestalt des Ortes verschwand. Darauf, am Feste des heil. Johonnes , weihte der Pabst die Kirche, und versetzte da- hin den Bischof von Chiusi , Johannes Cinughi . Er sicherte die Kirche gegen verstellende Aenderungen durch eine Verord- nung, welche den Bannfluch gegen Alle ausspricht, die ihr ent- gegenhandeln. Sie ist gegen allen Gebrauch bis auf den heu- tigen Tag befolgt worden, eben wie uͤberhaupt alle obener- waͤhnte Gebaͤude, wenigstens an den Außenseiten, noch immer ihre alte Gestalt bewahren. Wir haben gesehen, daß Pius seinen Baumeister einen Bernhard aus Florenz nennt; Niemand konnte in der That wohl besser, als der Bauherr selbst, den Namen und das Vaterland seines Architecten angeben. Vasari Vita di Francesco di Giorgio . hingegen mißt den ganzen Bau dem Francesco di Giorgio bey, einem Maler, Bildner und Baumeister aus Siena , und hierin sind ihm, wie gewoͤhnlich, die meisten, ja vielleicht alle Z. B. Milizia , vite degli Architetti, und Della Valle , lettere Senesi T. III. in der Hauptschrift uͤber Francesco di G. Diese ist jedoch ein unreifes Gemisch von Auszuͤgen und gewagten Urtheilen, aus dem kein einziges Resultat hervorgeht. Aus einigen Nachwei- sungen habe ich indeß Nutzen gezogen. neueren Kunstbuͤcher gefolgt. Waͤre Vasari ein durchgehend zuverlaͤssiger Schriftsteller, so wuͤrde man annehmen muͤssen, daß er dafuͤr Gruͤnde hatte, die gegenwaͤrtig unbekannt sind. Da es aber auch sonst seine Gewohnheit ist, Vermuthungen als Gewißheiten auszusprechen, so haͤlt seine Angabe gegen das Ansehen des Bauherrn selbst nicht Stand. Die zuverlaͤssig be- kannten Lebensumstaͤnde des Francesco machen es vollends unwahrscheinlich, daß ihm uͤberhaupt, und vorzuͤglich in so fruͤher Zeit, eine Bauunternehmung von so großem Umfang sey aufgetragen worden. Denn zunaͤchst scheint Francesco um 1459, als Pius seinen Bau unternahm, erst ein Knabe, oder doch nur ein Juͤngling gewesen zu seyn, weil seine Thaͤtigkeit um mehr als vierzig Jahre spaͤter Archiv. cit. Deliberazioni di Balia. T. XLVII. fo. 48. die XXIV. Julii 1505. et T. XLVIII. fo. 59. die XXIII. Junii 1506. noch in Anspruch genommen wird. Vasari , dem dieser Umstand entgangen war, setzt die Werke des Francesco um 1480; Baldinucci laͤßt diesen Kuͤnstler gar schon um 1470 sterben; gerade um die Zeit, da die zuverlaͤs- sigen Nachrichten von seiner Lebensthaͤtigkeit beginnen. Wenn diese Unkunde auf der einen Seite die Glaubwuͤrdigkeit der Behauptung Vasari’s nicht gerade erhoͤht, so erklaͤrt sie auf der andern deren naive Sicherheit. — Nun geben uns die Sieneser Briefe To. III. p. 77. aus einem Taufregister folgenden Auszug: Francesco Maurizio di Giorgio di Martino pollajuolo, battezato il 23. Settenbre 1439. Ich habe das Taufbuch selbst nicht gesehen; der Auszug aber hat das Ansehen der Aechtheit. Denselben großvaͤterlichen Namen: Martin, fand ich unter den Magistraten, welche den 1. November 1485 Archiv. cit. consilia campanae, de a. 1485. antreten, nemlich: Franciscus Georgii Martini , wo es kei- nem Zweifel unterliegt, daß von unserm Kuͤnstler die Rede ist. Francesco war also 1459, als der Bau von Pienza be- gann, im zwanzigsten Jahre seines Lebens, wo er schwerlich den Grad von Ausbildung erreicht und einen solchen Namen erworben hatte, daß man auf den Gedanken gerathen konnte, ihn einer der groͤßten Unternehmungen jener Zeit vorzusetzen. In der That wird Franz , so viel mir bekannt ist, vor dem Jahre 1468, wo er als Zeuge in einem Diese Notiz verdanke ich Hrn. Ettore Romagnuoli , einem emsigen Sammler sienesischer Denkwuͤrdigkeiten; ich habe sie jedoch nicht selbst vergleichen koͤnnen. Alle uͤbrigen in diesem Auf- satze benutzten urkundlichen Nachrichten, habe ich selbst aufgefunden oder doch nachgeschlagen und aufmerksam verglichen. Contracte er- scheinen soll, in keinem stenesischen Archive genannt; in den naͤchsten Jahren aber, bis 1475, finden sich nur Zahlungen fuͤr Malereyen, woraus hervorzugehen scheint, daß er sich in fruͤheren Jahren vorzugsweise mit der Malerey beschaͤftigt, und erst in der Folge auch andere Kunstzweige ergriffen habe. Er wird in diesen fruͤheren Urkunden standhaft Dipintore ge- nannt, was jedoch auch in spaͤteren Zeiten, vielleicht als Re- miniscenz, bisweilen wiederkehrt. Nach dem Jahre 1475 verschwindet Francesco fuͤr einige Zeit aus den sienesischen Archiven. Er war Ein Originalbrief des Herzogs in der Bibliothek der Sa- pienza zu Siena lettera. i. grado 10. n. l . (abgedruckt bey Reposati della Zecca di Gubbio To. I . und lettere Sen. To. III. p. 77 .) zeigt, daß Franz schon im Jahre 1480. Anspruͤche an die Dankbarkeit die- ses Herrn erworben hatte. schon im Dienste des Herzogs Friedrich von Urbino , welcher ihn nunmehr ganz auf die Befestigungskunst hinuͤberleitete, wie aus den eigenen Worten des Francesco in seiner Schrift uͤber die Baukunst zu entnehmen ist. Den Originalentwurf des genannten Werkes bewahrt die Lettera X. scansia III. n. I . s. einen planlosen Auszug dar- aus in den lettere Sen. T. cit . oͤffentliche Bibliothek von Siena ; eine andere Handschrift besitzt die Classe XVII. palchetto I. n. 31 . Magliabecchiana zu Florenz . Die Letzte ist eine Abschrift, wie die regelmaͤßige Hand und die haͤufigen, sinnlosen Schreibfehler bezeugen; sie empfiehlt sich aber durch groͤßere Vollstaͤndigkeit des Planes und der Ausfuͤhrung. Vasari erwaͤhnt verschiedener Exem- plare dieses Werkes, und scheint gerade das florentinische als das beste zu bezeichnen. Auch L’idea dell’ architett. universale. ed. Venez. 1615. fol. To. I. lib I. cap. VI . Scamozzi besaß davon eine Abschrift, die vielleicht auf der oͤffentlichen Bibliothek von Ve- nedig zu finden waͤre. Das florentinische Exemplar, welches offenbar nach einem zweyten und verbesserten Entwurfe abge- faßt ist, stimmt darin mit dem sienesischen uͤberein, daß die schoͤne Baukunst, an sich selbst der kleinere Theil, fast durch- gehend nach Vitruv , die Befestigungskunst hingegen durchaus nach den eigenen Erfahrungen und Ansichten des Verfassers abgehandelt wird. Eben daher moͤchte ich annehmen, daß Francesco , seit seiner Ankunft in Urbino , die Befestigung als sein Hauptfach, die schoͤne Baukunst aber jederzeit mehr als Kenner und Liebhaber betrieben habe. In der That waͤre es nicht befremdend, einen Kuͤnstler, der sein vielseitiges Talent gern zersplitterte, den wir fruͤhe als Maler, dann, gegen sein Lebensende, als Bildner kennen lernen, auch in der Baukunst gleichsam als Liebhaber auftreten zu sehen. Gewiß bezeichnet Francesco selbst, mit Ausnahme seiner Befestigungen, nur ei- nen Cod. Florent. fo. 15. tergo. — „Dopo questo voglio descri- vere una stalla, la quale io ho ordinato al mio III. Duca d’Urbino : dalla quale si potrà comprendere tutte le parti, che debba avere una stalla completa o perfetta . — Stall zu Urbino als sein eigenes Bauwerk, und be- gleitet diese Angabe mit allen Kennzeichen einer Selbstgefaͤl- ligkeit, die errathen laͤßt, daß er schwerlich wichtigere Leistun- gen verschwiegen haben wuͤrde. So zweckmaͤßig der Marstall des Herzogs von Urbino immer angelegt seyn mochte, so haͤtte es ihm doch ungleich mehr schmeicheln muͤssen, sich den Bau- meister der Palaͤste von Pienza und Urbino nennen zu koͤnnen. Allein er sagt auch nicht ein Wort von diesen Gebaͤuden; ich brauche nicht auszufuͤhren, wie stark dieses Stillschweigen ge- gen Vasari zeugt. Dahingegen sagt uns Cod. Florent. fo. 49. sq. Francesco selbst, daß er die Befestigung als Fach trieb, daß ihn sein Herr und Goͤnner darauf hinleitete, und laͤßt uns zugleich die Bedeutung ahnen, welche er seinen Entdeckungen im Befestigungswesen beymißt. Nachdem er die Schwierigkeit, der Wirkung des Canon’s zu begegnen, vorher ausgefuͤhrt hat, faͤhrt er fort: „ich haͤtte mich nie vermessen, die Mittel der Vertheidigung gegen solche Gewalt aussinnen zu wollen, waͤre es nicht durch Antrieb und mit Huͤlfe meines Herrn Friedrich von Urbino geschehen. Die Weisheit dieses Fuͤrsten benahm mir das Bedenken, welches die Schwierigkeit des Gegenstandes in meiner Seele aufstei- gen machte.“ Der Herzog Friedrich setzte die Entdeckungen unseres Francesco Cod. cit. fo. 68 — 70. in Anwendung, denn er ließ durch ihn verschiedene kleine Festungen erbauen, die Cittadelle von Cagli , Sasso di Montefeltro , Tavoletto , Alaserra , Mondavi und Mondosi . Demnach war Francesco di Giorgio einer der Be- gruͤnder der neueren Befestigungskunst: zunaͤchst, weil er selbst mit großer Unbefangenheit als Resultat seines eigenen Nach- denkens mittheilt, was sein Buch daruͤber enthaͤlt; dann, weil diese Resultate an sich selbst hoͤchst wichtig sind, indem sie bereits die Grundzuͤge der gegenseitigen Vertheidigung vorzeich- nen. Er Cod. cit. fo. 51. tergo . sagt nemlich: man muß die Basteyen, die er noch rund anlegt, an den Winkeln anbringen, welche die Sei- ten des Polygons bilden, damit beide anstoßende Seiten da- von bestrichen werden, und eine Die H. S. hat: torrione , großer, runder, nicht sehr erho- bener Thurm, aus dem spaͤterhin das Bastion mit Faßen und Flan- ken entstanden ist. Ein neueres Werk mißt das ausgebildete Ba- stion dem San-Micheli bey und citirt, als das fruͤheste, ein Ba- stion zu Verona von 1527. In den Randzeichnungen des florenti- nischen Codex kommen schon Bastione mit langen Faßen und zu- ruͤckgezogenen Flanken vor. Ich will nicht behaupten, daß diese Zeichnungen von Francesco di Giorgio selbst herruͤhren; im Gegentheil ich laͤugne es, weil sie nicht mit dem Text uͤbereintref- fen, und halte sie dem Ansehen nach fuͤr Jugendarbeiten des Bal- thasar Peruzzi . Auf jeden Fall aber lehrt die Zeichnungsart, daß sie aͤlter sind, als das Jahr 1527. Bastey die andere verthei- digen koͤnne.“ Nun mußte der Kriegesruhm des Herzogs von Urbino diesen Verbesserungen uͤberall in Italien einen schnellen Eingang verschaffen. Die Geschichtschreiber der Kriegs-Bau- kunst scheinen daher unserem Kuͤnstler lange nicht den Platz einzuraͤumen, der ihm gebuͤhrt. Spaͤterhin als Francesco , nach dem Tode des Herzogs Friedrich , wieder in Siena verweilte, trat er ausdruͤcklich als Ingenieur in die Dienste der Republik. In seiner Archiv. delle riform. di Siena . Deliberazioni di Balia. To. XXXI. fo. 37. tergo . Be- stallung vom 29. December 1485. heißt es unter andern: „in Dienst genommen — fuͤr die Nothdurft der Stadt, so wie der Ortschaften und Festungen derselben.“ Er nennt sich selbst in einer Bittschrift vom Jahre Del. di Balia. To. XXXIII. fo. 51 . 1488: „ Fran- cesco di Giorgio Ingegnere ,“ und so benennt ihn auch das Decret der Bewilligung vom 18. November dess. J. Im Del. di Balia. To. XL. fo. 5. tergo . Es heißt daselbst: pro occurentiis Montis politiani . Jahre 1499 werden ihm die Kosten der Ruͤckreise von Montepulciano nach Siena verguͤtet, ohne genaue An- gabe der Ursache der Reise; doch ist sie, hoͤchst wahrscheinlich, die Sicherung dieser wichtigen Besitzung, weil jeder andere Bau nicht die Regierung von Siena , sondern die Gemeine von Montepulciano anging. Endlich im Jahre 1501. wird er ins Archiv. cit. Decreti di pagamento di Balia. To. 1. fo. 155. tergo . Feld gesandt und erhaͤlt dafuͤr zehn Ducaten Rei- severguͤtung. — Fassen wir nun zusammen, daß Francesco , als Schriftsteller, nur in der Fortification originell, ausfuͤhr- lich und erschoͤpfend ist; daß er als Baumeister des Herzogs von Urbino , sechs Festungen gegen einen einzigen Stall er- baut; daß er spaͤterhin im Dienste der Republik Siena gera- dehin: Ingenieur, benannt wird, und fuͤr die Festungswerke des Staates zu sorgen hat: so muß man wenigstens dieses zugeben, daß die Kriegs-Baukunst einen sehr wichtigen Theil seines Berufes ausmachte. Freylich war die Befestigung in jenen fruͤhen Zeiten durchaus in den Haͤnden der Architecten. Die Beschaͤftigung mit dem Festungsbau schloß daher die schoͤne Architectur nicht aus, in welcher unser Franz , alles Angefuͤhrten ungeachtet, ein großer Meister seyn konnte. Allein wie waͤre es denn erklaͤr- lich, daß wir von keinem einzigen seiner schoͤnen Bauwerke sichere Kenntniß haben, da wir doch seine anderweitige Wirk- samkeit etwa sechs und dreyßig Jahre lang in den Urkunden und in seinen eigenen Schriften verfolgen koͤnnen? — Die sieneser Briefe To. III. p. 101 . geben uns ein langes Verzeichniß seiner Bauwerke, sollte man glauben, daß auch von keinem einzigen erwiesen ist, daß Francesco den Entwurf dazu gemacht habe, daß bey verschiedenen, z. B. bey den Bauwerken Pius II . , das Gegentheil geradezu am Tage liegt? In der That koͤnnen wir nur den mehrerwaͤhnten Marstall zu Urbino , als ein zu- verlaͤssiges Bauwerk des Francesco di Giorgio angeben. Die- ser Stall ist vielleicht noch derselbe, den Baldi Memorie concernenti la città d’ Urbino . In Roma 1724. fo. no. II . in seine Beschreibung des Palastes zu Urbino aufnimmt. Vasari jedoch macht unsern Franz zum Baumeister des Schlosses selbst, welches zu den uͤberlegtesten und wohlausge- fuͤhrtesten Bauwerken jener Zeit gehoͤrt. Herzog Friedrich hatte diesen Bau, nach Reposati Della Zecca di Gubbio. To. I. p. 263 . Diese Angabe beruht auf der Inschrift am Palaste selbst, die auch das oben a. W. mit- theilt. , schon 1447. begonnen. Hin- gegen haben wir oben gesehen, daß Francesco erst nach dem Jahre 1475 in die Dienste dieses Fuͤrsten eingetreten ist. Die- ser letzte aber hinterließ seinen Palast vollendet, als er 1482. das Zeitliche gesegnete. Wenn nun diese Zeitangaben auf der einen Seite sehr wohl zulassen, daß Francesco , wie er selbst angiebt, den Bau durch einen Marstall — nach der Beschrei- bung vielmehr durch eine Caserne fuͤr die Reiterey des Her- zogs — ergaͤnzte, so schließen sie doch die Moͤglichkeit aus, daß er den Palast selbst erbaut habe. Allein selbst von die- sen Gruͤnden abgesehen, fehlt es auch hier, eben wie zu Pienza , nicht an beruͤhmten Kuͤnstlern, welche jenen Bau in Anspruch nehmen, deren Wirksamkeit ungleich genauer mit der Zeit des Baues selbst zusammentrifft. Der eine ist ein gewisser Lu- cian , aus Laurana in Dalmatien , der auch sonst als Ma- ler und Baukuͤnstler Ruhm erworben hat. Baldi A. a. O. behaup- tet das Diplom gesehen zu haben, welches Herzog Friedrich diesem Lucian mit ausdruͤcklicher Beziehung auf den Bau sei- nes Palastes ausgestellt hatte. Der andere ist Baccio Pon- tello , bey Vasari : Pintelli , dessen Grabschrift in der Kirche S. Domenico zu Urbino , wie Baldi behauptet, seiner Mitwirkung zum Baue des herzoglichen Palastes erwaͤhnt. Beide Nachrichten, welche doch nicht wohl ersonnen seyn koͤn- nen, weil sie so speciell sind, und weil hier gar keine Ursache des Betruges ersinnlich ist, lassen sich sehr gut vereinigen. Denn bey so großen Bauunternehmungen ist es nicht unge- woͤhnlich, daß verschiedene Meister einander in der Leitung des Baues nachfolgen; wir haben oben gesehen, daß selbst dem Francesco di Giorgio noch ein Zusatz zum Hauptgebaͤude anzuordnen uͤbrig blieb. Haͤtte Baldi , statt anderer Weitlaͤuf- tigkeiten, das Diplom des Lucian und die Grabschrift des Baccio in ihrer Ausdehnung mitgetheilt, so wuͤrde sich haben entscheiden lassen, welcher dieser beiden Architekten den ersten Entwurf gemacht, und dem andern vorgeleuchtet habe. — Vasari scheint also auch hier einer bloßen Vermuthung gefolgt zu seyn, auf welche ihn vielleicht die Verbindung des Herzogs mit unserem Franz geleitet hatte, welche durch dessen Schrif- ten zu seiner Kenntniß gelangt seyn mußte. Indeß moͤge es nicht scheinen, als solle hier dem Fran- cesco di Giorgio alle Kenntniß und Uebung in der schoͤnen Baukunst abgesprochen werden. Daß er gruͤndliche Baukennt- nisse besaß, geht schon daraus hervor, daß er den Festungs- bau gruͤndlich verstand und mit Erfolg betrieb. Eben diese praktischen Baukenntnisse wurden auch anderweitig in Anspruch genommen. Man setzte ihn zu Siena uͤber den freylich schon vollendeten Arch. delle rif. di Siena . Delib. di Balia. To. 198. fo. 227 . Dom, in welchem er die Verlegung der hoͤlzer- nen Chorsitze angab und leitete. Man zog ihn ferner S. die urkundlichen Nachrichten bey Giulianelli , oder bey denen, die aus ihm geschoͤpft haben. in Mailand zu Rathe, als man die Kuppel der Domkirche er- richtete; auch hier war der gothische Entwurf schon vorhanden, und es galt nur Vortheile der Construction. Man rief ihn auch nach Arch. delle Rif. di Siena . Lettere To. VIII . Die Luche- sische Regierung schreibt an die Sienesische unter dem 13. Aug. 1491. — „Cum Francisci Georgii, civis vestri, cujus in architectura fama percrebuit, consilium et judicium habere cupiamus.“ — Lucca ; es erhellt nicht, zu welchem besonderen Baue. Endlich gewaͤhrt ihm die Republik im Jahre 1493. den Arch. cit. Delib. di Balia. To. XXXV. fo. 66. tergo . Urlaub, um einem Rufe des Herzogs von Calabrien nach Neapel zu folgen, und hier galt es ohne Zweifel nur die Anlage und Verbesserung von Festungswerken. Denn das aragonische Haus ward gerade damals von Karl dem Achten und von dem italienischen Buͤndnisse bedroht, und ruͤstete sich zu einer Gegenwehr, welche, wie immer, vergeblich blieb. Die sieneser To. III. p. 75 . Briefe geben aus dritter Hand den Aus- zug eines Beschlusses aus dem oͤffentlichen Archive zu Cor- tona , der ungenau ist, und auf diese Weise chronologische Unstatthaftigkeiten herbeyfuͤhrt, welche an Ort und Stelle zu berichtigen mir nicht vergoͤnnt war. Indeß sandte mir der verdienstvolle Bibliothekar zu Cortona , Herr Canonicus Man- ciati , eine zuverlaͤssige Abschrift derselben Urkunde, aus wel- cher hervorgeht, daß man im Jahre 1485., bey Gruͤndung der Kirche Sta Maria del Calcinajo, auf ein fruͤher von unserem Franz angefertigtes Modell dieser Kirche Bedacht nahm. Ob dieses Modell in der Folge ausgefuͤhrt worden sey, be- zweifle ich. Manciati fand im oͤffentlichen Archive zu Cor- tona keine Nachrichten uͤber den Fortgang des Baues, und verwies mich auf ein Pinucci, Gius. , memorie ist. della sagra imagine di Maria SS., che si venera alla chiesa del caleinajo . Buch, welches ich nicht habe auffin- den koͤnnen. Die noch vorhandene Kirche schien mir an der Stelle zu neu, um von einem Baukuͤnstler herruͤhren zu koͤn- nen, der nach dem Jahre 1506. aus der Geschichte verschwin- det; daß man noch ungleich spaͤter daran gearbeitet, erhellt aus der Erwaͤhnung des Vasari , daß sein eigener Zeitgenosse, der der juͤngere San Gallo , ebenfalls ein Modell zu dieser Kirche gemacht habe. Unter allen Umstaͤnden gewinnen wir durch obige Nachricht, wenn gleich kein Bauwerk, nach welchem der Baugeschmack unseres Franz bestimmt werden koͤnnte, doch wenigstens die Gewißheit, daß man sein Talent fuͤr schoͤne Baukunst wirklich in Anspruch genommen. Es ist mir nicht gelungen, Anderes uͤber die architectonische Wirksamkeit eines Kuͤnstlers aufzufinden, den seit Vasari alle Kunstbuͤcher unter die groͤßten Baumeister seiner Zeit versetzen. Wenn wir nun auch in Francesco di Giorgio einen vortrefflichen Baukuͤnstler aus der Kunstgeschichte zu verlieren scheinen, so gewinnen wir hingegen in dem Florentiner Bernhard einen der groͤßten Nachfolger des Brunelleschi , der bis jetzt selten zur Sprache kam, weil ein bedeutender Theil seiner Werke seit Vasari auf den ersten uͤbertragen wurde. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes, oder zur Zeit des Baues von Pienza , erwaͤhnt die Kunstgeschichte eines einzigen florentinischen Architecten dieses Namens. Vasari Vita d’ Antonio Rossellini . nennt ihn Bernardo Rossellini ; seine Nachrichten uͤber die Wirksamkeit dieses Baukuͤnstlers entlehnt er aus einer Sie ist handschriftlich vorhanden in der Magliabecchiana, classe XXXVII. Palchetto 4. Cod. 91 . und abgedruckt bey Muratori , rer. Ital. scr. To. III. P. II . Lobschrift auf Nicolaus V . , welche Giannozzo Manetti , ein Florentiner und Hoͤfling desselben Papstes, verfaßt hat. Diese Lobschrift giebt uns von den großartigen, auf das eintraͤglichste aller Jubilaͤen gestuͤtzten Bauunternehmungen Nicolaus V . eine umstaͤndliche Nachricht und beschließt sie mit den Wor- II. 13 ten: Mur. T. et P. cit. col. 907 . „diesem allen war unser Florentiner Bernhard vorgesetzt; der Pabst stand durch ihn allein mit allen uͤbrigen Meistern und Gehuͤlfen in Verbindung.“ Es waͤre schon an sich selbst sehr wahrscheinlich, daß Pius denselben Baukuͤnstler hervorgezogen habe, welcher kurz vorher das Vertrauen seines Vorgaͤngers gerechtfertigt hatte; denn es liegt nur das kurze Pontificat Calixtus III . zwischen Nicolaus V . und Pius II . Nun kommt hinzu, daß kein historischer Grund vorhanden ist, hier zwey gleichzeitige Architecten desselben Namens und Va- terlandes anzunehmen. Jeden Zweifel aber, der etwa noch uͤbrig waͤre, beseitigt zunaͤchst die Analogie der Richtung in den Bauunternehmungen beider Paͤbste, indem sie nicht so- wohl auf die Errichtung einzelner Gebaͤude, als auf die Ueber- einstimmung aller Gebaͤude in ganzen Straßen, Plaͤtzen und staͤdtischen Quartieren ausgingen; dann die Aehnlichkeit der Bauart einiger Theile des besterhaltenen Werkes Nicolaus V . mit den entsprechenden Theilen der Gebaͤude Pius II . , so daß ich in dem Florentiner Bernhard des einen und des andern Pabstes nur einen und denselben Baukuͤnstler sehe und anneh- men kann. Ich bezeichnete oben die inneren Theile, vorzuͤglich die offenen Bogenhallen des großen Hofes der Burg von Spoleto , von der Manetti sagt, daß sie unter Nicolaus V . durchaus vollendet und bewohnbar gemacht wurde. Freylich moͤchte der Marktplatz von Fabbriano , den Nicolaus gaͤnz- lich erneut hat, ungleich mehr geeignet seyn, die Gemeinschaft- lichkeit der Bauart unseres Bernhards unter dem einen, wie dem andern Pabste darzulegen. Allein ich fand bis jetzt nicht Gelegenheit ihn zu sehen, und kann nicht einmal mit Be- stimmtheit angeben, ob er ganz oder doch zum Theil seine erste Gestalt bewahrt habe. Architecten, welche laͤngere Zeit hindurch mit der Vermessung der pientinischen Gebaͤude beschaͤftigt wa- ren, fanden auch zu Viterbo , wo Nicolaus V. hat bauen las- sen, Gebaͤude in dem Geschmacke des Bernardo . Das Schloß von Narni , der Thurm der Engelsburg zu Rom sind groͤß- tentheils noch in dem Zustande, in welchen Nicolaus V. sie gesetzt hat. Allein diese Mauern und Zinnen, obgleich voll Charakter, sind doch in der Anlage und Bestimmung zu ver- schieden von den Bauwerken zu Pienza , als daß man bey ei- ner kuͤnftigen Vergleichung allenthalben auf Aehnlichkeiten rech- nen koͤnnte. In der That aber genuͤgt es, die Bogenstellung der innern Logen der Burg von Spoleto in Beziehung auf Verhaͤltnisse und Zierden mit den Saͤulengaͤngen der Palaͤste zu Pienza zu vergleichen, um einzusehen, daß in den Werken beider Paͤbste eine hinlaͤngliche Verwandtschaft der Bauart vor- handen ist. Mit Sicherheit werden wir ferner aus der Gemeinschaft- lichkeit des Bauherrn und aus der Verwandtschaft der Bauart schließen koͤnnen, daß die Palaͤste und andere Gebaͤude, welche Pius II. in Siena selbst errichten ließ oder doch befoͤrderte, von demselben Baumeister angelegt wurden, dessen Leistungen zu Pienza uͤber alle Hofraͤnke siegten. Wir haben oben gese- hen, daß Pius sagte: der Pabst habe ihn nicht allein be- schenkt und gelobt, sondern auch anderen Werken vor- gesetzt . Dieser Ausdruck wird zunaͤchst auf Pienza selbst zu deuten seyn, wo auch die Hoͤflinge, welche dort aus keinem andern Antriebe, als dem der Gefaͤlligkeit gegen ihren Herrn, sich anbauten, in der Wahl des Baumeisters schwerlich den Ansichten des Pabstes entgegengehandelt haben; dann aber 13 * und um so mehr auf die Palaͤste in Siena , weil hier nur der Pabst selbst, oder seine naͤchsten Verwandten die Bau- herrn waren. Pius II. errichtete zu Siena die Bogenhalle in der Naͤhe der Kirche des Hl. Martin und legte um einige Jahre spaͤter den Grund zu jenem schoͤnen Familienpalaste der Piccoluo- mini, den er seinem Neffen bestimmte. Dieses treffliche Ge- baͤude gilt, in Ansehung seiner Aehnlichkeit mit den pientini- schen Palaͤsten seit Vasari fuͤr ein Werk des Francesco di Giorgio ; S. Grandjean et Famin , Architecture Toscane , wo eine gute Abbildung mit ihren Aufrissen und Durchschnitten. mit dem ersten Irrthume faͤllt auch der zweyte. Allerdings ward der Palast Piccoluomini, jetzt: collegio To- lomei, nicht fruͤher, als einige Jahre nach dem Tode des Pabstes beendigt; denn die Republik bewilligte noch im Jahre 1469. eine Erweiterung des Bauplatzes auf Kosten der oͤffent- lichen Straße. Archiv. cit consil. camp. To. CCXXXVIII. fo. 58. — Es- ponsi per li Offitiali de l’ornato de la città vostra, come — hanno voluto con diligentia esaminare lo palazzo principiato per la sua spectabilità di Misser Jacopo ed Andre Piccolomini lo qualc sara opera maravigliosa e nella città nostra degnissimo orna- mento secondo la intenzione e disegno di loro spectabilità. Et tro- vano decti vostri servitori che a volere che le faccie corrispondino a drictura l’una coll’ altra e lo palazzo venghi in quadro bisogna sopra pigliare dieci braccia de la selice (gepflasterte Straße) del campo etc. — Indeß hatte der Pabst den Bau schon im Jahre 1460 begonnen, wie aus dem Nachlaß der Con- tractsteuer hervorgeht, welchen die Republik ihm gelegentlich des Ankaufs der Bauplaͤtze bewilligt. Archiv. cit. consil. camp. To. CCXXXIII. fo. 291. a. t. anno 1460. Ind. IX, die sabbati XVIII. Octobris. — Dinanzi a voi — Hier einen anderen Architecten anzunehmen, als jenen Bernardo , nun gar den Francesco di Giorgio , dessen Andenken nirgend so weit zu- ruͤckreicht, waͤre, nach dem bereits Beygebrachten, eine straͤf- liche Hartnaͤckigkeit. Ich hoffe daher, daß man den Rossel- lini nunmehr uͤberall in seine Rechte wiedereinsetzen werde; und um so mehr, da ihm der Ruhm zu gebuͤhren scheint, dem Baugeschmacke der Schule des Brunelleschi zuerst Maß und Zierde verliehen zu haben. Allein auch die Beweglichkeit und Vielseitigkeit dieses Kuͤnstlers verdient Anerkennung; keine Vorliebe fuͤr diese, oder jene andere Zierde scheint jemals ihn verleitet zu haben, das Wesentliche seiner jedesmaligen Auf- gabe aus den Augen zu lassen. Moͤchten reisende Architecten kuͤnftighin seinen Arbeiten zu Siena , Pienza , Viterbo , Narni , Spoleto und Fabbriano eine groͤßere Aufmerksamkeit zuwen- den und, ohne vor fremdartigen Profilen zu stutzen, den fei- nen Sinn in der allgemeinen Anlage und vornehmlich in der Zusammenstellung ganzer Gebaͤudegruppen studiren wollen, in welchem Bernardo mir einzig und ganz unvergleichbar zu seyn scheint. Exponsi per li vostri — fidelissimi servidori nove offitiali so- pra l’ornato della città nostra come dinanzi alloro e stato lo spectabile cavaliere. Misser Gio. Saracini cittadino vostro et ha es- posto come la Sanctità del sommo Pontefice Papa Pio II. intende e vuole fare ed edificare ne la città vostra uno nobile e bello casamento avendo le case et butighe e piaze dove tale casamento fare intende da padroni et signori di quelle per pregi giusti et ra- gionevoli. Et che di tali compre cosi per li proveditori come per lo compratore al commune vostro non si paghi alcuna cabella, ne si paghi etiando cabella delle cose si mettessero nella città vostra per fare el detto casamento etc. — Eod. fo. — Approbatum fuit — cum hac limitatione vid. quod omnes vendentes summo pon- tifici vel suis nepotibus — teneantur solvere eorum medietatem cabelle. Wahrscheinlich ward auch die Wohnung, welche der Pabst seiner Schwester, Katharina Piccoluomini , Mutter des Her- zoges von Amalfi , in der Hauptstraße zu Siena einrichten lassen, von unserem Bernhard angegeben. Dieses Haus (ge- genwaͤrtig gehoͤrt es der Familie Nerucci) hat allerdings ein derberes Ansehn, staͤrkere Ausladung der Werkstuͤcke des Unter- geschosses und der verzierenden Glieder. In der allgemeinsten Anlage stimmt es indeß mit jenen schon bezeichneten Bauwer- ken des Bernardo uͤberein; auch faͤllt dieser Bau in eben die Zeit, als Bernardo zu Pienza fuͤr den Pabst beschaͤftigt war, da Katharina schon im December 1459. den Bauplatz erstan- den hatte Archiv. delle Rif. di Siena Deliberazioni di concistoro To. 542. fo. 41. a. t. , dessen von ihr nachgesuchte Erweiterung auf Kosten der oͤffentlichen Straße im October des folgenden Jah- res von der staͤdtischen Regierung bewilligt ward Ib. To. 547. fo. 21. s. 1460. die IX. Ottubris. Magnifici Do- mini etc. — attendentes, qualiter per eorum in offitio praecessores fuit concessa quedam platea cum omnibus rebus in ea existentibus communis Senarum in loco vocato piaza Manetti magnifice Domine Catarine sorori carnali summi pontificis vid. die XVIII. Decenbris preteriti 1459. cum certis conditionibus et inter alia quod via per quam itur ad archiepiscopatum Inter Domus Nannis de Marsiliis et Domum per jam̅ Dominam Chaterinam hedificandam esset latitu- dinis octo brachiorum ad minus De quibus omnibus plene patet manu Ser Dei silvestri tunc notarii consistorii, et attento quod Domina Chaterina secundum designum sui architectoris non potest commode facere ipsam Domum nisi capiat vel occupet de ipsa via unum brachium cum dimidio ad minus. Qua de causa — decreverunt, quod ipsa via remaneat et sit latitudinis brachiorum sex cum dimidio alterius brachii etc. — . Sie hatte ihren eigenen Architecten, welcher, schon weil das ange- zogene Actenstuͤck ihn nicht nennt, hoͤchst wahrscheinlich dem sienesischen Gemeinwesen fremd war. In dieser Stadt hatte der neue florentinische Geschmack bis um die Mitte des funf- zehnten Jahrhundertes den gothischen noch nicht so ganz un- terdruͤcken koͤnnen. In den Bildnerarbeiten des Jacob della Guercia , in den Pfeilern der Loggia di san Paolo und in anderen, nach damaligem Stande des Gemeinwohles, wenig bedeutenden Unternehmungen dieser Zeit mischt sich der neu- aufkommende antike Stoff noch durchhin mit gothischen Re- miniscenzen. Nachdem die Richtung des Brunellesco endlich auch Siena ergriffen hatte, bildeten sich, doch immer um De- cennien spaͤter, als die Bauwerke Pius II. , einige Baumeister in der neueren Manier. Doch blieben auch diese bis auf den Baldassare Peruzzi in den Verhaͤltnissen ungleich willkuͤhrlicher, als die Florentiner. Der Palast Spannocchi in der Haupt- straße, ein kleinerer in der Gegend des roͤmischen Thores, scheinen dem Hause der Katharina Piccoluomini nachgeahmt zu seyn. Hingegen giebt es zu Siena und in dessen Gebiete viele in Backstein ausgefuͤhrte Gebaͤude von einem nur dieser Ge- gend eigenthuͤmlichen Charakter. Dahin gehoͤrt das Haus Bartali in der Hauptstraße, die Kappelle neben dem Palazzo de’ Turchi vor dem florentinischen Thore, das Kloster Monte Uliveto maggiore bey Chiusuri und Anderes. Diese Gebaͤude zeigen in ihren Thuͤr- und Fensteroͤffnungen eine groͤßere Breite und Niedrigkeit der Anlage, als uͤberhaupt lobenswerth ist, und unterscheiden sich hiedurch insbesondere von den florenti- nischen Bauwerken des funfzehnten Jahrhundertes, bei denen schlanke Verhaͤltnisse beliebt waren. Mit Sicherheit kann ich von keinem einzigen dieser eigenthuͤmlich sienesischen Bauwerke den Meister angeben; doch werden sie wahrscheinlich dem Coz- zarello, dem Francesco di Giorgio und anderen Kuͤnstlern die- ser Zeit beyzumessen seyn, von denen wenigstens im Allgemei- nen bekannt ist, daß sie sich auf die Baukunst verstanden ha- ben. Bey so entschiedenem Gegensatze der Bauschulen von Florenz und Siena wird jenes ganz florentinische Haus der Katharina Piccoluomini sicher nicht von einem Sieneser, wenn aber von einem Florentiner, doch wahrscheinlich nur von jenem Bernardo entworfen seyn, den Pius II. vor Anderen wuͤrdigte und beguͤnstigte. Vasari kannte den Francesco di Giorgio aus dessen Schrif- ten um etwas naͤher, als andere Kuͤnstler, welche gleichzeitig oder fruͤher zu Siena gearbeitet haben; daher entstand, daß er demselben einige Arbeiten unterordnete, von denen er nur allgemeine Kunde besaß. Es scheint, daß sein Beyspiel die Spaͤteren angesteckt und sie verfuͤhrt habe, dem Francesco auch einige Bildwerke unterzuschieben, welche in der That an- deren, minder bekannten Kuͤnstlern aufgetragen und bezahlt wor- den sind. Diese Arbeiten sind in der That sehr maͤßig; indeß fodert die Gerechtigkeit, sie ihren Meistern zu retten. An der Vorhalle des Cassino de’ Nobili zu Siena , der ehmaligen loggia di s. Paolo, befinden sich einige Statuen von hinreichender Groͤße, deren zwey, die Figuren der Hl. Petrus und Paulus , von Vasari und Anderen dem Vecchietta beygelegt werden; wahrscheinlich folgte er hierin seinem siene- sischen Berichtgeber, welcher ihn hier, wie gewoͤhnlich irre ge- leitet hat S. Belege III. 3. zu Ende. . In dem Hl. Ansanus und einem anderen ihm gegenuͤberstehenden Heiligen will Della Valle , nach einem an- maßlichen Kennergefuͤhle, die Hand des Francesco di Giorgio erkennen, Andere wiederum, den Jacopo della Quercia . Indeß findet sich in den gebundenen Protocollen der sienesischen Dom- verwaltung, daß man diese Statuen 1451. je zwey dem Ur- bano da Cortona S. Belege II. 1. und drey dem Antonio di Federigo S. Bel. III. 1. verdungen hat; zween Bildhauern, welche fast unbekannt sind, obwohl sie damals in ihrer Vaterstadt eine ganz ansehnliche Stelle eingenommen haben. Urbano hatte im Dome von Siena , zugleich mit seinem Bruder Bartolomeo eine Kappelle verziert S. Bel. II. 2. , deren Ueberreste man spaͤterhin innerhalb der Kirche in die Mauer des Thurmes eingelassen hat. Antonio findet sich verschiedentlich in den Buͤchern der Domverwaltung, welche ihn mit Statuen zur aͤußeren Verzierung der Kirche beschaͤftigt S. Bel. III. 2. 3. . Im Jahre 1457. bezahlt die Domverwaltung ihm eine Statue des Hl. Petrus S. Bel. III. 2. , woraus abzunehmen ist, daß Petrus und Paulus an der mehrgedachten Vorhalle von seiner Hand sind, wie ebenfalls eine dritte gegenuͤberstehende, welche mit jenen eine gewisse Magerkeit der Ausfuͤhrung ge- mein hat. Es blieben dem Urbano da Cortona die beiden mittleren, der Hl. Ansanus und dessen Gegenstuͤck, welche von obigen durch Breite der Formen, Lebendigkeit der Bewegung sich unterscheiden. Belege I. Lorenzo da Viterbo . Nicola della Tuccia , annali di Viterbo . p. 112. (Die Abschrift verdanke ich Herrn Abbate Semmeria .) „— Per far ricordo di me Nicola de Bartolomeo altrimenti detto Nicola della Tuccia Scriptore de questi ricordi fatti insino al dì infrascripto, dico, che tra quali tempi uno spettabile Ceptadino nominato Nardo Maz- zatosta de Viterbo habitante nella contrada de Sancto Simeone in quella Casa a pie de detta contrata, nella quale sta uno capo scale con palco il più bello et ho- norevole, ove sotto la scala sta un porticale in modo di loggia, e case. Il qual Nardo sopradetto de sua propria Pecunia fece fare una honorevole cappella nella Chiesa de Sancta Maria della Verità, ove sta la Im- magine della nostra Donna, e depinta, et ornata per mano de Mastro Lorenzo figliolo di Giacomo de Pie- tro Paulo de Viterbo habitante presso la porticella, la quale va alla Chiesa della Trinità in Piano de Sancto Faostino, nella quale Cappella è ornata, et depinta tra le altre figure la historia della gloriosissima sempre Vergine Maria nostra clementissima Matre, et in quella historia sta alla mano manca, quando entrate in detta Capella, ove appare, chessa Vergine gloriosa lè dato lo anello da Sancto Giuseppe , ove sono molti giovani cavati dal naturale, tra quali da quello lato, ove sta la gloriosa Vergine sono depinte certe donne de più reggioni, et dietro a detto donne sta una vestita de negro in forma de vedova, et dietro a quella detto Mastro Lorenzo volse depingere me, et cavarme dal naturale, et così fece, ove vedrete uno antico homo detà danni 68½ o circa, vestito de paonazzo, et col mantello addosso, et una barretta tonda in testa, et calze negre, et quello e fatto alla similitudine mia, fatta a di 26. aprile 1469., et quelle persone, che vorranno leggere le mie scripture, et cognoscermi, vada a vedere in quello loco, laltre figure sono fatte a similitudine daltri, delle quali al presente non fo memoria.“ — II. Urbano di Pietro da Cortona . 1. Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena . Libro E. 4. memorie. fo. 23. a. t. MCCCCLI. a di 16. di Luglio. Memoria come que- sto di detto maestro Urbano di Pietro da Cortona in- talgliatore si conducie da gli oparari di s̅c̅o̅ Paolo af- fare due figure di marmo da porsi a le colonne overo a tabernacoli de le colonne desso s̅c̅o̅ Pavolo et quelli s̅c̅i̅ che per essi oparari gli sara detto. le quali figure promette davere fatte et poste per fino a quattordici mesi prossimi avenire a tutte sue spese et deba la fare belle intere et schiette et di bellavoro a segno di buon maestro et debba avere dalluopara nostra per mercie et salario de la sua fadiga fiorini ciento quaranta in tutto di lire quattro fiorino et cosi sono le dette parti insieme daccordo etc. — Le quali figure debba lavorare di marmo del nostro contado et debba le fare grandi quanto si richiede a la grandeza de detti tabernacoli. 2. Archiv. et libro citt. fo. 29. Memoria come a di XVIII. dottobre 1451. Misser lopararo predetto per vigore de la remissione in lui facta per li suoi conseglieri allogo a Maestro Urbano di Pietro et Bartholomeo suo fratello schultori da Cor- tona una cappella da farsi per loro in duomo a laltare de la Madonna dele gratie con questi modi et pacti: cioe che essi Maestro Urbano et Bartholomeo sieno tenuti et debbino fare la detta cappella di marmo gen- tilmente lavorata et essa ponere et finire a tutte loro spese di marmi et ongni altri lavori bisognevoli a la fabrica dessa cappella per tenpo di tre anni proximi da cominciare in calende di gennaro proximo, del quale lavoro debbino avere da luopara et suoi cam. fiorini 900. di Lire IV° il fiorino di tempo in tempo come serviranno. Item che la detta cappella sia bene proportionata et conposta in tutte le sue parti et con debite misure di largheza et alteza, et sporti fuore del muro braccia 1. ¼. ne suoi pilastri seguendo lavanzo del lavoro a la debita misura che portano non scemando il detto brac- cio ¼ per largheza. Item che la detta cappella sia conforme al disegno de la cera na (ne ha) fatto il detto Maestro Urbano il quale a il detto opararo, et ad essa forma si debbi fare, ma che pilastri sieno a forma duno dessi sola- mente, cioe di quello che e a storie et non a figure grandi di quelle storie che per detto oparaio li saranno imposte. Item che nel fregio sopra larcitravo in luogo da- quile et vasi che sonel (son nel) disegno debi fare IV. Evangelisti In forma danimali come li figura la chiesa. Item che la base de pilastri sieno belle et vantag- gino il detto disegno a forma di uno disegno fatto con penna in uno suo libretto, dove da capo al disegno e una crocetta, et e scripto, In ponte. Item che le dette base pilastri capitelli arcitravi et fregio predetto sieno tutti di pietre da cierro et le figure de le storie et l’altre di tutto il lavoro sieno di mezo relievo et piu o meno come verranno Intaglio (sic) a le storie, sicche sieno di buona apparenza, et di lavoro gentile et maestrevole. Item che la cornice di sopra che ricigne il frontone sia grossa al pari di quella di sotto che attraversa la cappella et di quello lavoro o megliore. Item etc. (Formeln.) 3. Archiv. cit. Libro E. 6. Deliberazioni. fo. 21. a. t. Die V. Julii 1456. Et decreverunt quod statua marmorea ad Immagi- nem s̅c̅i̅ Bernardini exsistente penes magistrum Urba- num quae statua est opere consignata per donatorem conventu observantie sci Bernardini et quod sumptibus opere finiatur et detur ut supra. fo. 29. 25. Sept. 1456. — Del. quod sit remissum in dominum operarium quod possit facere pretium figure s. Bernardini donate fratribus observantie s̅c̅i Bernardini per magistrum Ur- banum et ponendum ad conputationem dicti magistri Urbani. fo. 60. a. t.die XXIII. Sept. 1459. Insuper decreverunt quod eidem magistro Urbano solva̅tur floreni sex de libris 4 pro quolibet floreno pro ejus mercede eo quod fecit et construcsit figuram sancti Bernardini de Senis positam in ejus cappella in eccle- sia catedrali. Et quod camerarius eidem magistro Ur- bano praedicto solvat sine suo praejudicio etc. — 4. Arch. cit. E. 5. fo. 137 (197.) a. t. VIII. Ja- nuarii 1454 (1455.) — prestare a Maestro Urbano di Pietro da Cortona maestro di pietra di ducati otto da schontarsi o rendarsi come parra alloparaio et conse- glieri. III. Antonio di Federigo Vergl. in Bezug auf diesen Kuͤnstler Abh. VIII . Bel. I . 3. . 1. Archiv. cit. libro E. 4. memorie. fo. 25. a. t. 1451. Richordo come questo di 7. di settenbre Bar- tolomeo di Pavolo di Gabriello Ricevette per maestro Antonio di Federigo scarpellatore di marmo libre tre- ciento si gli dette per parte di tre fighure di marmo si fanno fare in su la logia di sampavolo con questa conditione: promette detto a lo spettabile cavaliere Mis- ser Mariano bargalgli oparaio et alloparari di santo Pavolo che detto maestro Antonio servira in sopradetto lavoro et a quello tempo che e oblighato come e ro- gato ser arduino di Lunardo. Et due non servisse come e detto ristituire dette lire trecento. Et questo appare allibro de le ricordanze segnato b. di detto Bar- tolomeo e Pavolo a fo. 68. 2. Archiv. cit. libro E. 6. fo. 33. a. t. die XXX. Jan. 1456. (1457.) — Decreverunt locare et locaverunt magistro An- tonio Federigi lapicide de Senis ad faciendum qua- tuor statuas marmoreas ponendas apud colum- nas logie mercantie vel alibi Man war damals eben mit der inneren und aͤußeren Be- endigung des Domes beschaͤftigt. S. Arch. cit. libro E. 5. wo fo. 107. a. t. Marmorbekleidung einer Kappelle, fo III. 112. (172.) 117. (177.) drey Kappellen bildnerisch zu verzieren beschlossen werden. prout videbitur dictis Dominis operario et consiliariis cum hoc quod pretium predictarum figurarum fiat per offitium predic- tum et hoc quum fuerit conpleta una figura ut possit videri laborerium suum et si dicto offitio facta dicta figura videbitur tunc et eo casu dictus Magister Anto- nius prosequatur in laborerio sin autem fiat prout per offitium deliberabitur. Dieses Probestuͤck erlangt (eod. To. fo. 42. a. t.) die XXX. Decbris 1457 . die Billigung der Domverwaltung. Das. fo. 43. die XXXI. Dec. 1457 . Dni operarius et consiliarii una cum camerario convocati etc. declaraverunt pretium unius figure seu statue marmoree facte per magistrum Antonium Fede- rigi vid. ad Immaginem s. Petri esse de florenis sessa- ginta octo de Lib. 4. den. pro floreno et quod came- rarius eidem magistro Antonio solvat dictum pretium sine suo prejuditio aut damno etc. — Et visa deliberatione alia facta — die XXX Jan. in presenti libro fo. 33. de locatione 4. figurarum seu sta- tuarum — factarum (?) per magistrum Antonium Fe- derigi decreverunt quod dictus Magister Antonius pro- sequatur In faciendo dictas figuras et quod sit remissum in dominum operarium qui pro tempore erit In faciendo pretium dictarum figurarum In quo possit expendere usque ad floren. 72. de libris 4. pro quoli- bet quas figuras dictus Magister Antonius facere debeat ad modum boni magistri etc. — Eod. To. fo. 46. a. t. XXVIII. Martii 1458. erhaͤlt Antonio eine Vorausbezahlung. 3. Archiv. et To. cit. fo. 47. a. t. die octava Julii 1458. — Et decreverunt quod Donatello schultori detur ad schulpendam et fabricandam statuam et figuram marmoream sancti Bernardini non excedendo summam pretii dicte figure florenos sessaginta otto denariorum Senensium vel ad plus vantagium (vantaggio) opere. Et similiter figuram sci Ansani detur ad fabrican- dam Antonio Federigi eodem modo . Vecchietta detur figuram S. Pauli eodem modo . Wollte man hier, gleich dem Berichtgeber des Vasari , auf jene Statue an der loggia di san Paolo rathen, so kaͤme doch noch ein zweyter Bildner in Betrachtung, dem man um wenig spaͤter ebenfalls eine Statue des Hl. Paulus auf- getragen hat, vielleicht weil man mit dem Vecchietta nicht einig geworden. Archiv. cit. libro E. 7. Deliberazioni fo. XX. 1465. — E possi allogare (l’operajo) a Giovanni di Stefano ad ad fare di marmo la figura di sancto Pavolo come me- glio potra. Indeß finde ich in beiden Faͤllen nicht angemerkt, fuͤr welche Stelle diese Statue bestimmt war. Man verzierte da- mals die Vorspruͤnge der Domkirche und verschiedene Kap- pellen in ihrem Inneren durch Statuen und Bildwerke; so ward die Statue des Hl. Ansanus in der Kappelle s. Giovanni Bapt. eben damals dem gedachten Giovanni di Stefano be- zahlt. Wir werden uns demnach an jene ersten, die, loggia di s. Paolo, sicher angehenden Auftraͤge halten muͤssen; um so mehr, da die vorhandenen fuͤnf Statuen je zwey und drey in derselben Manier gearbeitet sind; da sogar die beiden brei- ter gehaltenen in der Manier mit den schon bezeichneten Frag- menten der Kappelle des Urbano da Cortona im Dome uͤber- einstimmen. II. 14 XIII. Entwurf einer Geschichte der umbrisch toscani- schen Kunstschulen, fuͤr das funfzehnte Jahr- hundert. Stufenweis haben wir uns der Epoche angenaͤhert, in welcher die Kunstgeschichte in eben dem Maße an Sicherheit und Ausfuͤhrlichkeit gewinnt, als ihre Quellen reichlicher zu fließen beginnen; von nun an will ich die Ergaͤnzung und Berichtigung des Einzelnen der Darstellung des Allgemeinen und Durchwaltenden, die vereinzelten Kuͤnstler den Schulen unterordnen, aus welchen sie hervorgegangen sind. Schule, nenne ich die lebendige Fortpflanzung von Stim- mungen, Richtungen, Handhabungen, deren Entstehung aus dem Beyspiel und aus den Einwirkungen maͤchtiger Geister in den meisten Faͤllen umstaͤndlich nachzuweisen ist. Schule in diesem Sinne pflegt auch dem fluͤchtigen Blicke durch Ei- genthuͤmlichkeit der Auffassung sich anzukuͤndigen, entschiedener vielleicht durch Eigenthuͤmlichkeiten der Manier und Formen- gebung. Allerdings nun duͤrfen die Kunstschulen, da sie nothwen- dig irgendwo zu Hause sind, auch wohl einmal nach der Oert- lichkeit, in welcher sie sich entfaltet haben, benannt werden. Indeß geschiehet es nicht selten, daß deren Stifter ihre Hei- math vertauschen und an verschiedenen und weit entlegenen Stellen geistige und technische Anregungen verbreiten. Auch hat es sich wiederholt ereignet, daß in demselben Mittelpuncte verschiedene Stifter gleichzeitig hervorgetreten sind, welche ganz entgegengesetzte Richtungen und Handhabungen auf ihre Schuͤ- ler und spaͤteren Nachfolger fortpflanzten. Wenn nun dieselbe Schule unter Umstaͤnden verschiedene Staͤdte und Landgebiete umfasset; wenn andererseits dieselbe Stadt nicht selten ganz verschiedene Schulen in sich einschließt; so ist es offenbar un- zulaͤssig, die Kunstschulen, wie es bey neueren Schriftstellern uͤblich ist Bey Lanzi und so viel Anderen heißt, roͤmische Schule : die Gesammtheit aller Kuͤnstler, welche im Staatsgebiete des roͤ- mischen Stuhles geboren sind. Nun giebt es in diesem Staate, von den mannichfaltigsten Meisterschulen abgesehn, auch noch die entschiedensten Stammverschiedenheiten: Roͤmer, Toscaner, Umbrer; der Lombarden in den Legationen nicht zu gedenken, welche man aus Inconsequenz abzusondern und den Bolognesern beyzuordnen pflegt. , durchhin nach der Oertlichkeit, in welcher sie Raum gefunden, zu classificiren. In den fruͤheren Abschnitten begegneten wir großer Ein- foͤrmigkeit des Wollens und der Manier; kaum gelang es uns in den aͤltesten Zeiten die groͤßeren nationalen Massen, Neugriechen, Italiener und Deutsche, genuͤgend zu sondern; selbst in der vorgeruͤckten Epoche des Giotto unterschieden wir nur etwa Florentiner und Sieneser. Um so vielfaͤltiger tren- nen, zerspalten, durchkreuzen sich die mittelitalienischen Kunst- schulen seit dem Anbeginn des funfzehnten Jahrhundertes. Die fruͤheste Spaltung in der Richtung italienischer Kuͤnst- ler entstand unmittelbar aus den Neuerungen des Giotto . Diese erhielten sich zu Florenz ein ganzes Jahrhundert lang in Gunst und Gebrauch; hingegen zeigt sich in der sienesischen 14 * Schule noch bis um das Jahr 1500. manche Nachwirkung der Anregungen, welche byzantinische Vorbilder, oder lebendige Anleitung neugriechischer Maler, waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes in ganz Toscana verbreitet hatten. — Als die lebenssinnigen und munteren Lorenzetti im Campo santo zu Pisa malten, befolgten sie, von ihrer allgemeinen Richtung abweichend, in jenen Einsiedlern der Wuͤste genau die Anord- nung der neugriechischen Darstellungen dieses Gegenstandes; Barna hatte in jenen Mauergemaͤlden zu s. Gimignano sogar Manieren und Formen aus seinen Vorbildern beybehalten; Pacchiarotto , ein Zeitgenosse Raphaels , gefiel sich in einem seiner besten Gemaͤlde Es ward meinerzeit zum Verkauf ausgeboten. Der Gegen- stand: die Aufnahme der Madonna in den Himmel, unten die Apo- stel; hoͤher, wie gewoͤhnlich, Glorie von Engeln, welche die aufwaͤrts schwebende Jungfrau umgeben. Unter dem oberen Rande des Bil- des zu den Seiten jene Erzvaͤter von byzant. Ansehn, welche auch in den aͤlteren sienesischen Darstellungen dess. Gegenstandes vorzu- kommen pflegen. die Patriarchen und Propheten der Glorie aus dem griechischen Typus in seine eigene, mehrseitig ausgebildete Manier zu uͤbertragen. Diese Beyspiele deuten, nicht sowohl auf Anhaͤnglichkeit oder Gewoͤhnung an griechische Manieren, welche auch zu Siena sehr fruͤhe nach den gestei- gerten Anfoderungen der Zeitgenossen ins Gefaͤlligere waren abgeaͤndert worden; vielmehr auf fortdauernde Ehrfurcht und Empfaͤnglichkeit fuͤr die sittliche Wuͤrde in den aͤltesten Kunst- gebilden der Christen. — Sie gelten mir fuͤr Beweise eines, auch nach den Neuerungen des Giotto , unter der Asche fort- glimmenden Bestrebens, die sittlichen und religioͤsen Vorstel- lungen des Christenthumes mit alterthuͤmlichem Ernst und in ihrer ganzen Strenge aufzufassen. Wie wir uns erinnern, hatte Giotto unter seinen Zeit- genossen die vielfaͤltigste Auffassung des Lebens beliebt gemacht; der Enthusiasmus fuͤr neuere Heilige, das Interesse an ihren mannichfaltigsten Lebensverhaͤltnissen Ich habe bereits, mit anderen Beyspielen, auch jene gleich- laufenden Darstellungen des Lebens Christi und des Hl. Franz in Erinnerung gebracht (Abh. IX .). — Zu Asisi , im Kloster der Hl. Chiara, zeigt man im Kreuzgewoͤlbe uͤber dem Hauptaltar Malereyen, welche eine Vergleichung des Lebens der Madonna mit jenem der Hl. Chiara zu bezielen scheinen. Diese Arbeit wird dem Giottino bey- gemessen, was seinen Grund haben mag, da sie dessen florentini- schen Arbeiten zu gleichen scheinen. , war jener Wendung seines großen Talentes entgegengekommen, hatte dessen Ent- wickelung und allgemeine Anerkennung entschieden beguͤnstigt. Seinerzeit war die Frage nach typischen Darstellungen der Patriarchen, Propheten, Apostel, oder des Heilands selbst und der bedeutenderen Ereignisse der Evangelien, allgemach in den Hintergrund getreten; hingegen waren alle Haͤnde geschaͤftig, die Uebergaͤnge im Leben moderner Heiligen zu malen: fruͤhere Weltlichkeit, ploͤtzliches Erwachen des Bewußtseyns des Heili- gen, Eintritt ins Leben der Frommen und Abgeschiedenen, Wunder im Leben, wie besonders nach dem Tode, in deren Darstellung, wie es in den aͤußeren Bedingungen der Kunst liegt, der Ausdruck des Affectes der Lebenden die Andeutung der unsichtbaren Wunderkraft uͤberwog. Allein auch die Le- bensbegebenheiten des Erloͤsers wurden zur Traulichkeit des Familienlebens herabgezogen; denn die Geburt und Erziehung, die Mutter mit dem Kinde (Vorstellungen, welche die aͤlte- sten Kuͤnstler aus religioͤsem Bedenken, oder aus anderen Ur- sachen vermieden hatten) wurden nunmehr unter den allgemein christlichen die Lieblingsgegenstaͤnde der Malerey. Wie in die- sen das Naive und Zaͤrtliche, so ward in den Aufgaben aus der Leidensgeschichte nicht mehr das Erhabene und Siegreiche, vielmehr nur das Ruͤhrende hervorgehoben — die unmittelbare Folge jenes schwaͤrmerischen Schwelgens im Mitgefuͤhle der irdischen Schmerzen des Erloͤsers, dem der Hl. Franciscus durch Beyspiel und Lehre eine neue und bis dahin unerhoͤrte Energie verliehen hatte. — Diese modern-christlichen Kunst- aufgaben umfassen allerdings so viel menschlich Wichtiges und Anziehendes, daß wir deren Einfuͤhrung im Ganzen als eine wesentliche Bereicherung betrachten, unter allen Umstaͤnden zu- geben muͤssen, daß sie viele der schoͤnsten Leistungen der neu- eren Kunst veranlaßt haben. Doch sind sie einleuchtend nicht, wie man wohl hinzuwerfen pflegt, aus dem Bestreben ent- standen, den Ideen des Christenthumes ihre ganze Tiefe, ihre ernstere Seite abzugewinnen. Uebrigens fehlte es sowohl jener Hinneigung zum Hoch- alterthuͤmlichen bey den Sienesern, als besonders der Objecti- vitaͤt der Florentiner, an Consequenz, oder an entschiedener Durchfuͤhrung des Wollens. Unausgesetzt verfolgt, mußte die giotteske Richtung auf Mannichfaltiges und Lebensreiches die Florentiner ungleich fruͤ- her, als geschehen ist, mit der Bedeutung der Formen, besonders in den Gesichtsbildungen, bald auch mit den allgemeineren Gesetzen des sich Gestaltens und Erscheinens vertraut machen. Indeß durchkreuzte sie eine gewisse Befangenheit in den Ma- nieren und Formen, in welchen der große Erneuerer ihrer Schule sich ausgedruͤckt hatte; ich moͤchte sagen: die Scheu, jene engen Grenzen zu uͤberschreiten, innerhalb welcher die Darstellung eines so hochverehrten und allgefeyerten Kuͤnstlers sich bewegt hatte. Daher vornehmlich erklaͤre ich mir, daß Arcagno und andere Meister des vierzehnten Jahrhundertes, welche in der Richtung des Giotto weiter gestrebt und beson- ders der menschlichen Gesichtsbildung bis dahin unbenutzte Zuͤge und Zeichen abgewonnen haben, weder die volle Aner- kennung, die ihnen gebuͤhrte S. Franco Sacchetti , nov. 196. , wo auf die Frage: „wer mit Vorbehalt des Giotto (da Giotto in fuori) der groͤßeste Maler gewesen sey,“ dieser den Cimabue , jener den Stefano , der dritte Bernardo , ein anderer den Buffalmacco nennt, wobey es dem Er- zaͤhler offenbar nicht auf Namen ankommt. Darauf sagt Taddeo Gaddi : „gewiß hat es sehr große Kuͤnstler gegeben, welche das Unerreichbare geleistet haben; indeß ist diese Kunst in Abnahme gerathen und noch immer im Sinken (ma questa arte é venuta e viene mancando tutto di). “ Bey so deutlichem Bewußtseyn eines huͤlflosen Ruͤckschreitens zeigen sich nirgend Spuren des Nachdenkens uͤber dessen innere Ur- sachen, oder aͤußere Veranlassungen. Wie es scheint, ließ man sich gehn. Die alten Meister mochten auf ihren Lorbeern ruhn und mit einer gewissen Selbstgefaͤlligkeit auf das Unvermoͤgen ihrer Nachfolger herabsehn, uͤber das Weiterstreben der Besseren verblen- det seyn, wie es sich taͤglich wiederholt. Ich habe oben (IX.) gezeigt, wie jenes Vorurtheil der Trecen- tisten gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes in dem staͤdtischen Patriotismus der Florentiner sich verjuͤngt habe. Doch versaͤumte ich, an ein altes Gedicht zu erinnern, Francesso Lancillotti , Fio- rentino , pitt., trattato della pittura etc. ( Roma 1508. und Lettere pit- toriche To. VI. p. 299. und 347.) in welchem die Malerey spricht. Jo era quasi del Mondo fuggita, Quand’ un, che fu in me più d’altri dotto Pur mi ritenne, e rendemmi la vita. Questi fu Fiorentin , questi fu Giotto , Questo é colui, che m’ha risuscitata, Quest’ ha ’l bel nome mio fra voi ridotto. Ob uͤbrigens dieser Giotto , den seine florentin. Zeitgenossen und Nachkommen langezeit fuͤr unerreichbar gehalten, jemals jener , noch selbst die Nachfolge fan- den, welche sie nach naheliegenden Voraussetzungen haͤtten hervorrufen muͤssen. Arcagno hatte die Profile der Heiligen auf seiner Tafel Die Inschrift in der Mitte des Sockels: Anni domini MCCCLVII. Andreas Cionis de Florentia me pinxit . Zu den Sei- ten die Namen der Hll. in sta Maria novella schon individualisirt und in seinem großen Rilievo an der Ruͤckseite der Madon- nenkappelle in Orsanmichele das aͤlteste Bildniß der italienischen Kunstgeschichte (sein eigenes) mit groͤßtem Erfolge durchge- fuͤhrt; Giovanni da Melano vor allen anderen die Moͤglich- keit und die Vortheile der Modellirung, und in der Auffas- sung und Benutzung der Extremitaͤten, eine bis dahin unbe- kannte Feinheit des Sinnes dargelegt. Demungeachtet zeigt sich bey den florentinischen Malern spaͤterer Zeiten, bis zum Auftreten des Fiesole , keine Spur jener physiognomischen Be- zeichnungen des Arcagno ; bis auf Masaccio , keine Nachwir- kung des Strebens nach Rundung, welches Giovanni da Me- Tiefe des Gefuͤhles, Reinheit der Anordnung, Anmuth der Wen- dung, Zierlichkeit der Ausbildung, gleich gekommen sey, welche sein bescheidener Schuͤler Taddeo in sechs kleinen Bildern der Samm- lung der florentinischen Kunstschule (Galleria de’ quadri piccoli) dargelegt hat; wer wuͤrde daruͤber zu entscheiden wagen, nachdem die meisten und wichtigsten Arbeiten des Giotto untergegangen sind. Indeß erregen die Vorhandenen Zweifel; seine Manier scheint darin durchhin auf Schnelligkeit der Beschaffung angelegt zu seyn. Tad- deo hingegen hatte sich darauf eingerichtet, zierlich und emsig zu beendigen. — In der bezeichneten Folge, welche uͤberall an das Le- ben der Hl. Caͤcilia in santo Stefano erinnert, ist besonders die Geburt des Heilands wohl erhalten und bis in die Nebenwerke schoͤn beendigt. Half ihm darin Giovanni da Melano ? Gewiß, waͤre es ausgemacht, daß er des Taddeo Geselle gewesen, moͤchte ich mir die schoͤnen Thierbildungen dieses kleinen Gemaͤldes eben nur daher erklaͤren. lano vor seinen Zeitgenossen voraus hatte. Freylich mochte es behaglicher seyn, die hergebrachte giotteske Manier mit groͤßter Fertigkeit auszuuͤben, als die Richtung, aus welcher sie hervorgegangen, mit Ernst und Entschiedenheit hindurch- zufuͤhren. Viele, theils namenlose Werke dieser spaͤteren Epoche der (seit Lanzi ) sogenannten giottesken Maler haben sich bis auf unsere Zeit erhalten; sie unterscheiden sich von ihrem aͤltesten Vorbilde durch groͤßere Fertigkeit des Pinsels, durch gewisse faustmaͤßige Keckheiten, besonders in der Andeutung der Bruͤche des Gefaͤltes. In dieser Zeit verlor sich manches große Ta- lent in der Leichtigkeit behender Ausfuͤllung bedeutender Mauer- flaͤchen; auch ein Agnolo Gaddi , welcher in der Chorkappelle der Kirche sta Croce zu Florenz einen ausgezeichneten, obwohl fluͤchtigen Geist gezeigt, dessen reintechnisches Wollen in der Schrift seines Schuͤlers, des Cennini , sich abgespiegelt hat. An diesem, gewiß beachtenswerthen Beyspiele werden wir uns versinnlichen koͤnnen, worin eine aͤchte, auf Empfaͤng- lichkeit fuͤr das geistig-sittliche Wollen der Vorgaͤnger begruͤn- dete Befolgung des Hergebrachten von laͤssiger, zielloser Nach- aͤffung uͤblicher Handhabungen sich unterscheide. Wenn diese sich begnuͤgt, Manieren und zufaͤllige Aeußerlichkeiten sich an- zueignen, solche fertig zu handhaben und eben hiedurch sie nothwendig zu verflaͤchen; so wird aͤchte, tiefbegruͤndete Ehr- furcht vor dem Alterthuͤmlichen dessen einwohnendes Leben in sich aufnehmen; darin verschlossene Keime pflegen und weiter entwickeln; dahin trachten, das Treffliche von seiner, nicht selten unscheinbaren Umhuͤllung zu befreyen, durch groͤßere Deutlichkeit oder Schoͤnheit der Darstellung gleichsam zu ver- juͤngen. In diesem Sinne ergriff der Sieneser Thaddeo Bar- toli um das Jahr 1400. den Faden der Ueberlieferung des Hochalterthuͤmlichen vielleicht aus den Haͤnden seines nahen Vorgaͤngers Barna , welcher, wie wir oben gesehen haben, mit dem Vater des Thaddeo , dem Bartolo di Fredo , an ei- ner Stelle und vielleicht gleichzeitig gemalt hatte. Er band sich weder an die Manier, noch an den aͤußeren Zuschnitt der Formen, ging nur in den Geist seines Vorbildes ein, den er, indem er hie und da wohl einmal dem allgemeinen Zeitge- schmacke huldigte, doch im Ganzen nur mit den schoͤnsten Sei- ten der moderneren Auffassung christlicher Kunstvorstellungen auszusoͤhnen bemuͤht war. Diese verschiedenen Seiten seines Bestrebens vereinigte er in dem Altargemaͤlde der sienesischen Gallerie, dessen beschaͤ- digte Aufschrift: ....... Bartholi de Senis . Pinxit hoc opus. anni domini mille quatrocento nove , allerdings Zweifel zulassen wuͤrde, waͤre nicht Manier und Richtung des Kuͤnstlers aus anderen Werken hinreichend bekannt. In dem Hauptbilde, der Verkuͤndigung, huldigte Thaddeo in der Be- kleidung des Engels durch schwerfaͤlligen Goldstoff dem Ge- schmacke und der Sitte seiner Zeitgenossen S. den Beschluß, die Kappelle des oͤffentlichen Palastes durch unseren Kuͤnstler malen zu lassen, wo (Archiv. delle Rif. di Siena . Delib. di consiglio No. 232. anno 1406. fo. 18.) — die XXV a . Augusti. Et deliberaverunt — quod totum residuum denariorum, qui superaverunt — — convertatur per operarium cam., in ornatum cappelle palatii, quod fiat per manus magistri Thaddeji Bartoli cum illis figuris ornatimentis et auro et modis et formis, de qui- bus eidem videbitur pro ornatimento dce cappelle etc . — Auch in anderen Vertraͤgen dieser Zeit und Art wird das Gold, was die Maler bisweilen gegen den Geschmack ihrer Zeit ersparen mochten, ausdruͤcklich einbedungen. ; in der Gestalt der Jungfrau, deren Haupt, Gewandung und Stellung, in Ansehung der Idee und der Umrisse, zu dem Gelungensten sei- ner Art gehoͤrt, suchte er offenbar der moderneren, zum Zaͤrtli- chen und Schmachtenden sich hinneigenden Auffassungsart ihre guͤnstige Seite abzugewinnen; hingegen uͤberließ er sich in den Giebeln, Leisten und Außenwerken ganz seinem Sinne fuͤr das Ernste und Hohe in den alterthuͤmlichsten Kunstgebilden der Christen. Diese aͤußeren Theile der Altartafel, welche man, ich weiß nicht aus welchem Grunde, davon abgebrochen, entdeckte ich in den Magazine der Akademie, als mir der Magistrat der Stadt gestattete, solches zu besichtigen und mit Zuziehung betheiligter Personen auch zu verzeichnen. Sie wurden auf diese Veranlassung in die zweyte Classe versetzt und mit A . 5. bezeichnet. Andere Bruchstuͤcke von Gipfeln zerbrochener Ta- feln gingen zu Siena von Hand zu Hand; in verschiedenen wiederholte sich die Darstellung des Weltlehrers, dessen ural- ten Typus Thaddeo durch die Griffe und Vortheile seiner schon vorgeruͤckten Kunststufe gehoben und merklich verschoͤnt hatte. In groͤßeren Dimensionen versuchte er sich in der Kap- pelle des oͤffentlichen Palastes zu Siena , deren Aufschrift, uͤber dem Judas Maccabaͤus : Thaddeus Bartholi de Senis pinxit istam cappel- lam. MCCCC. VII. — Cum figuris s̅c̅i̅ XPOfori et cum aliis figuris . 1414. Arch. delle Riform. di Siena . Deliberazioni di Consiglio No. 232. anno 1406. fo. 18. No. 237. anno 1407. fo. 32. a. t . kommt es zuerst zur Sprache, diese Kappelle neu und durch unse- ren Kuͤnstler ausmalen zu lassen. No. 242. anno 1408. fo. 33 . wird die Bezahlung des bis dahin geleisteten decretirt. No. 275. anno . Jene Figur des Hl. Christopher , deren er sich im Nach- satze besonders zu ruͤhmen scheint, war allerdings nach dama- ligem Stande der Huͤlfskenntnisse und Fertigkeiten der Kunst, in Ansehung ihrer Groͤße und ihres Nackten, ein wohlbestan- denes Wagestuͤck. Weniger Lob verdienen die Gestalten der Redner, Staatsmaͤnner und Kriegeshelden des classischen Al- terthumes, welche Thaddeo , vielleicht zur Unterscheidung von dem antiken Habitus seiner christlichen Helden, mit allerley seltsamen, phantastisch haͤßlichen Bekleidungen begabt hat Diese werden den Lanzi , welcher sie ( scuola Sen. Ep. 1 .) irrig fuͤr sienesische Costuͤme haͤlt, von genauerer Besichtigung der Arbeiten des Thaddeo abgeschreckt haben. In der That miß- handelt er dieselben ohne allen Grund, wie denn uͤberhaupt sein Kunsturtheil eben so flach und keck ist, als seine Angabe histori- scher Umstaͤnde. . Hingegen enthalten die inneren Waͤnde der Kappelle Darstel- lungen aus dem Alter und Abscheiden der Jungfrau, welche in Ansehung des Ausdruckes der Affecte, der Liebenswuͤrdig- keit der Charaktere, der Anordnung und emsigen Ausfuͤhrung alle Wuͤnsche befriedigen. Ueber dieses, wie uͤber andere Werke des Thaddeo , hat Vasari mit Lust und Antheil sich verbreitet, nur die kleineren Arbeiten uͤbergangen, welche unser Kuͤnstler mit besonderer Liebe zu beendigen pflegte. Ein kleines anmuthiges Madon- nenbild mit seinem Namen bezeichnet sah ich zu Siena im Besitze des Abbate de Angelis; ein aͤhnliches in der ehemals sollyschen Sammlung. Eine Madonna, welche von koͤstlichen Engeln umgeben jen Himmel steigt, wo typische Propheten und Erzvaͤter sie empfangen, vermehrt seit einigen Jahren den 1413. die Bemalung der aͤußeren Waͤnde und Pfeiler beschlossen. — Daher des gedoppelte Dat. ob. Inschrift. reichen Kunstbesitz des Koͤniges von Bayern. Endlich gab es auch zu Perugia S. Guida di Perugia . Ind . — Bruchstuͤcke der Tafel, welche Vasari , vita di Taddeo di Bartolo , diesem Kuͤnstler in der Pfarr- kirche zu s. Gimignano beylegt, finden sich gegenwaͤrtig daselbst in der Sacristey — Unter dem schoͤnen s. Bartholomeus des Haupt- bildes die Jahreszahl 1401. — Die Behandlung, wie schon Vasari andeutet, noch ganz trecentistisch. einige kleinere, mit dem Namen des Thaddeo und mit dem J. 1403. bezeichnete Gemaͤlde, welche sich indeß nicht mehr aufgefunden haben. Aus diesen Gemaͤlden erhellet, daß Thaddeo di Bartolo fuͤr Perugia gearbeitet, aus anderen Umstaͤnden, daß er auf die Malerschulen der umbrischen Staͤdte eingewirkt habe. Ich halte ihn, wie ich bereits angedeutet habe, fuͤr den Stifter jener eigenthuͤmlichen Vereinigung des Herben und Ernsten der aͤltesten Kunstrichtung mit dem Schmachtenden, Sehnen- den, Schwaͤrmenden der neueren, welche nunmehr in den Malerschulen der umbrischen Staͤdte fuͤr lange heimisch wurde. Ungluͤcklicher Weise habe ich einige Auszuͤge verlegt, oder ein- gebuͤßt, welche, wenn ich recht entsinne, die persoͤnliche Anwe- senheit des Thaddeo die Bartolo zu Perugia und in Umbrien erweisen. Allein, auch von diesem Umstande abgesehn, giebt es in den umbrischen Staͤdten viele Spuren seiner Einwirkung, deren Andeutung spaͤterhin ihre Stelle finden wird. Nur so viel bringe ich hier in Erinnerung, daß auch sein Bruder Do- menico zu Perugia gearbeitet hat. In der Kirche s. Giuliano befindet sich eine Altartafel, deren Aufschrift: Dominicus Bartoli de Senis me pinxit. Hoc opus fecit fieri domina Antonia Francisci de Domo Bycholis . Abbatissa istius monasterii in anno D. M. CCCC. XXXVIII. de. (decimo) mensis maji . durch die Umstaͤndlichkeit ihrer Zeitbestimmung auf persoͤnliche Anwesenheit des Kuͤnstlers hinweiset; wie es denn uͤberhaupt in so fruͤher Zeit uͤberall in Gebrauch war, die Kuͤnstler, de- ren Talent man in Anspruch nahm, an Ort und Stelle ar- beiten zu lassen. Ich habe dieses Umstandes erwaͤhnen wollen, weil er außer Zweifel setzt, daß beide, so benachbarte Staͤdte eben damals in einem gewissen malerischen Verkehr gestanden, uͤbrigens hatte Domenico di Bartolo bereits eine ganz andere Richtung eingeschlagen, als sein groͤßerer, gemuͤthvoller Bru- der, weßhalb ich andere Mittelglieder der Fortpflanzung der Richtung des Letzten werde nachzuweisen haben. Doch wird es noͤthig seyn, ehe wir diesen Andeutungen weiter nachgehn und jene Richtung bis auf den Niccolo Alunno und Fiorenzo di Lorenzo , und weiter bis auf den Peter von Perugia und dessen Schule hinausverfolgen, uns vorher nach dem Fortgang der entgegengesetzten umzusehn, deren Mittel- punct jenerzeit zu Florenz lag. Die florentinische Malerschule war gegen Ende des vier- zehnten Jahrhundertes, bey erweislicher Gleichguͤltigkeit gegen die Fortschritte eines Arcagno und Anderer, in eine gewisse dreiste und fertige Handhabung der giottesken Manier verfal- len. Diese wird von Einigen aus damaligem Vorwalten der Begeisterung fuͤr bestimmte Ideen erklaͤrt, obwohl, wie ich gezeigt habe, die Richtung, welche von Giotto ausgegangen, vielmehr durch Verbreitung und Steigerung des Antheils an dem Geschehenden und Wirklichen sich auszeichnet, so daß je- ner Stillestand im Fortschritte eben nur aus den gefaͤhrlichen und aufdringlichen Untugenden der Traͤgheit, Laͤssigkeit und Gleichguͤltigkeit im Berufe zu erklaͤren ist. Wie fruͤhe man begonnen, ohne Begeisterung fuͤr die Idee der Aufgabe zu malen und eben daher auch ohne den Trieb zu mehrender Deutlichkeit und Schoͤnheit der Darstellung, zeigt eine Tafel, welche ich zu Florenz im Handel gesehn, worin der Gekreu- zigte und die Heiligen der Seitenfelder mit gleichguͤltiger Fertigkeit vorgetragen sind und nur die Bewegungen und die Charakteristik des Gemeinen einiges Verdienst besitzen. Diese Tafel war bezeichnet: ANNO D̅N̅I̅. M. CCC. XLVIII. BERNARDVS . PINXIT. ME. QVEM. FLORENTIE . FINSIT . Diesen Bernhard wird man vielleicht, nach dem Vorgang des Vasari , fuͤr den Bruder des Arcagno halten. Indeß fin- det sich unter den Kuͤnstlern, welche die Domverwaltung zur Zeit des Andrea di Cione in Anspruch nimmt, wohl ein Ber- nardus Pieri , doch kein Bernhard , welcher den Vatersnamen mit dem Arcagno gemein haͤtte; obwohl man auch hier eine Aushuͤlfe gefunden und angenommen hat, daß Benci di Cione , welcher gleichzeitig vorkommt, eben jener Bernardo sey, den Vasari als den Bruder des Arcagno bezeichnet. Arch. dell’ op. del Duomo di Fir. Lib. stanziam. mei Joh. ser. fo. 65. — Ristorus Cionis — Bencius Cionis . — Beide kommen das. nur als Bauverstaͤndige in Betrachtung. — Benci , scheint mir aus Bencivenne abgekuͤrzt. — Aber auch von diesen Kuͤnstlern kann ich keinesweges mit Zuversicht angeben, daß sie Bruͤ- der des Andrea di Cione gewesen; wir wissen nur, daß ihr Vater denselben Namen gefuͤhrt hat, als der Vater jenes anderen. Vgl. XII. die erste Anm. — Eine andere florentinische Tafel in der Kirche s. Lorenzo (am Ende des Seitenschiffes zur Linken) traͤgt die Jahreszahl 1391.; sie entspricht der obigen in Manier und Richtung, wie so viel andere, welche ich uͤbergehe. Indeß war die Begeisterung, auch fuͤr Solches, was eben der florentinischen Kunstrichtung bis dahin und in der Folge von Neuem Stoff und Nahrung gab, um das Jahr 1400. auf die Maler der minder bedeutenden Staͤdte der Nach- barschaft uͤbergegangen, wo das Streben noch frisch, der vor- handene Stoff noch nicht so ganz ausgenutzt war. Das Pa- thetische, welches in einigen Werken des Giotto , des Thaddeo Gaddi und Arcagno so maͤchtig ergreift, vererbte sich um diese Zeit auf einen selten genannten, dem Vasari Seltsam, daß er den Bildner Niccol ò Aretino , zu Anfang seines Lebens, ebenfalls Niccol ò di Pietro nennt. — Auch Lanzi wuͤrdigte unseren Kuͤnstler keiner Erwaͤhnung obwohl Morrona ihn bereits aufgefuͤhrt hatte. unbekannten Maler, den Niccol ò di Pietro , einen Florentiner, welcher al- lem Ansehn nach zu Pisa sich niedergelassen. Hingegen ward die Gabe der Charakteristik, deren Ausbildung Arcagno mit Gluͤck bestrebt hatte, das Erbtheil des Aretiners Spinello . Das Andenken des ersten beruhet vornehmlich auf Ma- lereyen im Kapitelsaale des Klosters san Francesco zu Pisa , wo zur Rechten des Eintretenden in der Hoͤhe die beschaͤdigte Aufschrift: Niccholaus Petri pitor de Frorencia .. pinsit .. M. CCC. L ....; die unvollstaͤndige Jahreszahl, welche Mor- rona seiner Zeit: 1391., andere 1392. gelesen S. Paolo Lasinio , raccolta di Pitture antiche. Pisa 1820. fo ., wo Tab. XII . die angefuͤhrte Inschrift vielleicht nach alten Abschrif- ten ergaͤnzt worden: AN. D. M. CCCLXXXXII. D̅E̅. MAR . — La- sinio nennt unseren Maler willkuͤhrlich einen Schuͤler des Giotto , was schon der Zeit nach unwahrscheinlich und durchaus unbegruͤn- det ist. , wird durch eine zweyte Inschrift ergaͤnzt, worin es, zu Ende der Schen- kung kung einer Grabstaͤtte an Lorenzo Ciampolini , heißt: MCCC. LXXXX. die XX mensis Aprelis. qui. Laurentius . fe- cit. ipsum. capitulum. pictura. et. sedilibus. adornari . — Obwohl nun diese Malereyen in dem veroͤdeten, halbof- fenen Saale manche Schaͤdigung erfahren haben, so erkennt man dennoch darin ein starkes und tiefes Gefuͤhl, Geschmack in der Anordnung und Gewandung der Figuren, Sinn fuͤr Reinheit der Form und Tiefe der Farbe, wie endlich undenk- lich viel mehr Ueberlegung und Nachdenken, als seine floren- tinischen Zeitgenossen zu verrathen pflegen. Die Darstellungen umfassen den bekannten Cyclus der Leidensgeschichte, welcher dem Talente des Niccol ò allerdings den weitesten Spielraum gewaͤhrte. In dem erhaltensten Bilde, der Kreuzschleifung, zeigt sich der volle Werth des Kuͤnstlers in edlen und maͤnn- lich ruͤhrenden Anklaͤngen des Gefuͤhles. — Gewiß sind diese Darstellungen, mehr als andere derselben Art und Zeit, geeig- net, von Kuͤnstlern der Anordnung und der wohlgehaltenen Empfindung willen aufmerksam beachtet zu werden, wie sie denn in der That schon benutzt worden sind In den so eben angefuͤhrten Nachbildungen dieses Werkes ist die Anordnung genuͤgend, hingegen das wesentlichere Verdienst des Meisters, die Ausfuͤhrung, so gut, als gar nicht ausgedruͤckt. . In der Vaterstadt unseres Kuͤnstlers findet sich kein ein- ziges Werk seiner Hand; und, wenn wir hinzunehmen, daß er das helle, rosige Colorit der Giottesken mit den kraͤftigen Localtoͤnen des Aretiners Spinello vertauscht hatte, so draͤngt sich die Vermuthung auf, daß er seine Heimath fruͤhe ver- lassen und in irgend einer der benachbarten Malerschulen sich ausgebildet habe. Den Pisanern verdankte er nun schwerlich II. 15 seine Bildung; sie waren, wie einige Gemaͤlde der pisanischen Akademie verrathen Dort sah ich unter anderen eine kleine Tafel mit sehr ver- laͤngerten Figuren in der verfluͤchtigten giottesken Manier mit der Aufschrift: Gettus. Jacobi. de. Pisis. me. pinxit. MCCCLXXXXI . — Hie und da, wie im Engel der Verkuͤndigung am Giebel, neigt sich dieser Kuͤnstler bereits zum Widrigen, dem wir nun bald auch an anderen Stellen begegnen werden. — Unbedeutender noch eine zweyte Tafel ders. Sammlung, worunter Johannes Nicolai me pinxit a. d. M. C ... — Die Lagune der Jahreszahl wird nach dem Raume und nach dem Ansehn des Bildes zu MCCCC. zu ergaͤnzen seyn. , um das Jahr 1400 auf Abwegen; wahrscheinlicher dem Aretiner Spinello , welcher unter seinen Zeitgenossen, durch Eigenthuͤmlichkeit des Wollens und Ruͤstig- keit der Leistung, eine hohe Stellung einnimmt. Das Hauptwerk des Spinello suche man zu Siena , im oͤffentlichen Palaste; Begebenheiten aus dem Leben Alexan- der III . , welche die Mauern eines ansehnlichen Saales sehr anstaͤndig verzieren, was auffordern mochte, sie, wie es gesche- hen ist, sorgfaͤltig zu unterhalten. Erweislich sind diese Ge- maͤlde von der Hand des Spinello ; denn so ergiebt es sich aus einem Auszuge des Vertrages mit dem Kuͤnstler in den Verhandlungen der sienesischen Staatsverwaltung Archiv. delle Rif. di Siena . Deliberaz. del Concistoro. No. 237. anno 1408. fo. 29. die dni XVIII. Junii. Locatio facta de sala nova ad pingendum. Magister Martinus pictor olim Bartho- lomei conduxit ad pingendum omnes quatuor voltas sale nove pa- latii dnorum Priorum et est usque ad cornices existentes in fine voltarum predictarum bonis et ydoneis coloribus cum simili- bus totidem fighuris et laboreriis modo et forma, quibus picte sunt alie quatuor volte cappelle dicti palatii omnibus expensis de colo- ribus, omnibus aliis ipsius magistri Martini . Excepta calcina et pontibus (also buon fresco) que fieri debeant et solvi expensis comunis Senensis et non dicti magistri Martini et cum conditione , dessen Glaubwuͤrdigkeit unumstoͤßlich ist, obwohl die Zahlungen feh- len, oder mir entgangen sind Archiv. delle rif. di Siena , Biccherna B . fehlt das J. 1408 der gewoͤhnlichen Zeitrechnung und To. 285. Jan. 1408 (1409.) = Jan. 1409. (1410.) kommt keine Zahlung an Spinello vor. Eben so wenig B. To. 286. anno 1409. Jul. — Dec . und To . 287. 288. (1410. 1411.). Indeß ist das Archiv in diesen Jahren luͤckenhaft und es konnte die Summe zudem mittelbar durch die oben genannten Beauftragten ausgezahlt worden seyn. In den Delib. del Concistoro No. 244. (anno 1408.) fo. 11. die VII. Julii. — deliberaverunt, quod magister Spinellus pictor pingat istoriam praelii Venetorum cum Imperatore federicho per mare prout istoria fuit et prout pm (?) in illa carta, quam comodavit Bettus benedicti . — Waͤre diese Arbeit spaͤter ei- . quod non debeat ipse ponere aurum in pannellis, sed loco auri ponere possit stagnum . De quibus omnibus ha- bere debeat a comuni Sen. quinquaginta quatuor flor. auri Senenses . Et promisit totum dictum laborerium fecisse et explevisse hinc ad per totum mensem februarii proxime venturi . — Die Arbeit dieses mittelmaͤßigen Malers bestehet in allegorischen Halb-Figuren. Hin- gegen ward dem Spinello der wichtigere Theil der Arbeit verdun- gen, wie folgt: Ib. eod. fo. — Magister Spinellus Luce pi- ctor de Aritio locavit se et operas suas ad pingendum totum residuum dce sale nove, quam pingere promisit et teneatur illis figuris ..... modo et forma, de quibus eis Imponatur per eos in quibus commissum est vel de novo committeretur. Et ad dictas picturas faciendum promisit esse continue et secum tenere filium suum quousque compleatur ad plenum. Et dictas picturas omnes facere debet omnibus expensis etc. — comunis Senarum . Ita quod non habeant ...... nisi personas suas tantum . Et debeat habere salarium inter ambos quolibet mense quindecim florenos auri et Incipere dictum laborerium ad tardius in ealen- dis Martii proxime venturi et antea non teneatur . Et ultra dictum salarium habere debeant ambo expensas mane et sero pro commodo eorum vite condecenti expensis dicti comunis . Constat latius de condit. et locationibus supradictis manu mei notarii supradicti . 15 * An der groͤßeren Mauerflaͤche, der Fensterseite gegenuͤber, malte Spinello Mauerer mit ihren Gehuͤlfen, welche emsig an einem Gebaͤude arbeiten. Zur Seite knieet vor dem Pabste ein Priester, der aus den Haͤnden eines Cardinales die Mitra empfaͤngt. Ein ruͤckwaͤrts, doch nahestehender Moͤnch scheint mit dem Baumeister zu reden, welcher durch eine lebendige Bewegung gegen den Bau hin den Gegenstand des Gespraͤches andeutet. Ueberall große Lebendigkeit der Bewegung, gluͤckliche Vertheilung im Raume, Derbheit und Wahrheit im Ausdruck der Koͤpfe; auch ist die Art, das Gefaͤlte zu motiviren und auszufuͤhren, im Ganzen loͤblich. Darunter: der Pabst auf einem Throne, vor welchem der Kaiser sich ruͤcklings niedergeworfen; die bekannte und be- strittene Geschichte der Erniedrigung Friedrichs . Vortrefflich ist das Erstaunen in den umstehenden Cardinaͤlen und Geist- lichen ausgedruͤckt, welche die Handlung des Kaisers sichtlich uͤberrascht. Der Eindruck, den solche auf die Ritter und Eh- renmaͤnner außerhalb der Halle bewirkt, ist nach der Indivi- dualitaͤt und Stellung der letzten zweckmaͤßig abgeaͤndert. Auch hier die Anordnung der Koͤpfe in dichter Gruppe gluͤcklich und malerisch, der Charakter maͤnnlich und abwechselnd. Ueber dem Bogen in der Mitte des Gemaches erscheint der Pabst redend zu einer Versammlung von Moͤnchen und anderen, welche vor ihm knieen. Aehnliche Verdienste, als in den vorangehenden. Ein schillerndes Gewand an einem Geist- lichen zur Linken schien mir musterhaft ausgefuͤhrt. — Diese mit den uͤbrigen Darstellungen, deren zusammen vierzehn, um- nem anderen uͤbertragen worden, so wuͤrden sich Widerruf, neue Vertraͤge, Zahlungen u. s. w. anfinden. fassen beynahe das ganze kirchliche, politische, kriegerische Le- ben jener Zeit. Ueber der Thuͤre nimmt die (s. unten) von den Verstiftern angeordnete Seeschlacht der Venezianer und Kaiserischen fast die ganze Breite der Wand ein. Noch hoͤher, zur Linken, eine Zusammenkunft, aus welcher der Kaiser voll Zorn zu scheiden scheint; sein Affect, wie besonders der Un- wille seiner Begleiter und die Bitten der Praͤlaten, die Dinge nicht aufs Aeußerste zu treiben, sind in diesem Bilde meister- lich vergegenwaͤrtigt. Dieses umfassende Werk entging dem Vasari , welcher hier, wie in seinen meisten Zeitbestimmungen, verwegen, oder ungewiß, auch unserem Kuͤnstler, oder doch sei- ner Wirksamkeit schon das Jahr 1400 zur Grenze setzte. Ei- nige andere Gemaͤlde des Spinello , deren Vasari mit Lob erwaͤhnt, sind untergegangen, oder doch so beschaͤdigt, daß sie die Richtung und das Verdienst des Kuͤnstlers nicht mehr so ganz bewaͤhren koͤnnen. Von seiner Tafel bey den Domini- canern des Staͤdtchens s. Miniato de’ Tedeschi sind nur noch beschaͤdigte Ueberreste vorhanden. Was er (nach Vasari ) zu Pisa im campo santo gemalt hat, ist besser im Stande, doch von so viel Reisenden gesehn und durch das Kupferwerk des Lasinio allen Kunstfreunden so zugaͤnglich geworden, daß ich daruͤber hinausgehn darf. Obwohl diese Arbeiten den oben beschriebenen nachstehn, so wird man dennoch auch hier das Bestreben erkennen, schaͤrfer zu charakterisiren, als bis da- hin uͤblich war. Vortrefflich erhalten sind die Wandgemaͤlde der Sacristey im Kloster s. Miniato a Monte bey Florenz , welche Vasari , ich glaube mit Grund, dem Spinello beylegt. Waͤhrend solchergestalt ein Sieneser, ein Aretiner, ein (wie es scheint) ausgewanderter Florentiner, in der Auffassung eigenthuͤmlichen Geist, in der Darstellung Streben nach Bes- serung, Weiterung und Verstaͤrkung zeigten, waͤhrend ihr Ta- lent an allen anderen Stellen mehr Anerkennung und Foͤrde- rung fand, als eben zu Florenz , der reichsten und maͤchtigsten Stadt des damaligen Festlandes von Italien : erwaͤrmte man sich dort hinsichtlich der Malerey an dem Ruhme und an den nachgelassenen Werken der aͤlteren florentinischen Meister. Von jeher hat das Vorurtheil, oder die Meinung, in irgend einer Sache das Beste und erreichbar Hoͤchste erlebt zu haben, augenblickliche Hemmungen hervorgerufen. Auf der einen Seite entkraͤften solche Taͤuschungen einen der wichtigsten He- bel menschlicher Leistungen, den oͤrtlichen oder nationalen Ehr- geiz, indem sie ein falsches und truͤgerisches Selbstgefuͤhl her- vorrufen, edle und wirksame Ruhmbegier durch laͤhmenden, abdumpfenden Stolz verdraͤngen. Andererseits gewaͤhren sie der Traͤgheit des Geistes eine willkommene Ruhe, setzen sie der Schwaͤche scheinbar unuͤbersteigliche Grenzen entgegen und bewirken so, auf alle Weise hemmend, laͤhmend und nieder- schlagend, jene Epochen langweiligen Wiederkaͤuens und Nach- aͤffens, welche in der Literaͤrgeschichte deutlicher wahrgenom- men, oder schonungsloser bezeichnet werden, als in der Kunst- geschichte, worin diese Rubrik bisher noch nicht eroͤffnet wor- den ist. Die Florentiner, obwohl durch ihre Richtung auf Be- obachtung angewiesen, hatten dennoch, wie ich oben gezeigt habe, den Blick laͤngst vom sie umgebenden Leben und Wir- ken abgelenkt, ihren Gesichtskreis ganz auf die Werke ihrer nahen Vorgaͤnger eingeschraͤnkt. Durch Nachahmung schon aufgefundener, an sich selbst nicht eben schwieriger Manieren waren sie um das Jahr 1400 zu jener leeren Leichtigkeit der Handhabung gelangt, welche ihnen Brodt, doch wie es scheint, keine Achtung erwarb, da Ghiberti sein Verzeichniß trefflicher Maler nicht uͤber den Arcagno und Giottino hinausfuͤhrt, sei- nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenossen keine Zeile widmet, und die große Epoche der toscanischen Malerey ganz unzwey- deutig in die Vergangenheit versetzt Cod. cit. wo uͤberall, sowohl in den allgemeinen, als in den besonderen Andeutungen: fu, ebbe etc. . Gewiß war Ghiberti , als Kenner der Malerey betrachtet, hoͤchst befangen in der Bewunderung der alten florentinischen Maler, da er diese den Kuͤnstlern des classischen Alterthumes an die Seite stellte, was doch, aus seinem eigenen, so ganz technischen Standpuncte angesehn, als eine bloße Verblendung erscheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun einmal ganz außerhalb des Malerischen, und es war mithin fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunst ohne allen Belang, ob er selbst, ob seine Handwerksgenossen die Vorurtheile der Ma- ler theilten, oder auch nicht. Aus dieser Unabhaͤngigkeit von beschraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar- stellung erklaͤre ich mir, daß die florentinischen Bildner, inmit- ten der kuͤmmerlichsten Fortuͤbung angelernter malerischer Handhabungen, seit dem Jahre 1400, in der Auffassung der Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, so unermeß- liche Fortschritte gemacht, daß ihre besten Leistungen, wenig- stens das zweyte Thor des Ghiberti , von allen Kennern den groͤßten und unerreichbarsten Werken beygezaͤhlt werden. In diesem Ereignisse sehe ich auf der anderen Seite einen unum- stoͤßlichen Erweis der schon mehrmal hingeworfenen Behaup- tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht aus Abnahme des Talentes und Geistes, noch aus anderen und allgemeineren Ursachen, sondern einzig deßhalb zum Unbe- deutenden herabgesunken war, weil sie aus Befangenheit in herkoͤmmlichen Kunstmanieren aufgehoͤrt hatte, weiter zu streben. Lorenzo di Bartoluccio Ghiberti war mehr zum Maler, als zum Bildner geboren, wie sowohl aus der Anordnung und Ausgestaltung seiner halberhobenen Arbeiten, als beson- ders aus seinen eigenen Bekenntnissen erhellt Lor. Ghib. trattato cit. fo. 10. — Nella mia giovenile età nelli anni 1400. mi partj da Firenze , sì per la coruzion dell’ aria, et pel male stato della nostra patria, con un egregio pittore, el quale l’aveva richiesto il Signore Malatesta da Pesaro, el quale ci fece fare una camera, la quale da noi fu picta con grandissima di- ligenzia. L’animo mio alla pittura era in grande parte volto ; erane cagione l’opere le quali el Signore ci promettea; an- cora la compagnia con chì io ero, sempre mostrandomi l’onore e l’utile, che ci acquisteremo. Nondimeno in questo istante da miei amici mi fu scritto, come i governatori del tempio di S. Giovanni batt. mandano pe’ maestri, che sian docti etc. (Die Geschichte der Coneurrenz um die Arbeit des zweyten ehernen Thores der gen. Kirche, welche den Ghib. bestimmt, sich wiederum der Bildnerey zuzuwenden). . Demunge- achtet haben wir uns Gluͤck zu wuͤnschen, daß er sich fuͤr die Bildnerey entschieden, da er, nach schon angedeuteten Umstaͤn- den, in diesem entgegengesetzten und widerstrebenden Stoffe seinen malerischen Geist bequemer und deutlicher ausdruͤcken koͤnnen, als in der seinerzeit vorwaltenden Manier der Ma- lerey, uͤber welche er, in Ansehung seiner Befangenheit, schwer- lich gar weit wuͤrde hinausgegangen seyn. Wir muͤssen demnach diesen trefflichen Kuͤnstler auch in seinen Bildwerken als einen malerischen Geist auffassen und den Werth seiner Leistungen nicht allzustrenge nach den An- forderungen des Stoffes beurtheilen, in welchem er sich aus- gedruͤckt. Eine, nach dem Umstaͤnden, gluͤckliche Zufaͤlligkeit lenkte ihn im Wendepuncte des maͤnnlichen Lebens zur Bild- nerey zuruͤck, deren Handhabungen Lorenzo in seiner ersten Jugend nothduͤrftig erlernt hatte. Es galt, dem schoͤnen Thore der Johanniskirche zu Florenz , dem Meisterwerke des Andreas von Pisa , entweder gleich zu kommen, oder dasselbe zu uͤbertreffen. Ghiberti verdraͤngte allerdings seine zahlreichen Mitbewerber; er zeigte allerdings schon in diesem fruͤhen Ju- gendwerke Erfindungsgabe und mancherley durch Beobach- tung erworbene Kenntniß; doch scheint dasselbe in mancher Beziehung dem aͤlteren Thore des Andrea von Pisa nachzu- stehn, welches in der sparsamen, haushaͤlterischen Wahl der Mittel der Bezeichnung und des Ausdruckes seiner Aufgaben, wie uͤberhaupt musterhaft, so besonders der zwecklos uͤber- haͤuften und verworrenen Anordnung des Ghiberti weit uͤber- legen ist. Dieser Maͤngel ungeachtet mußte der Charakter, den Ghi- berti seinen Koͤpfen, besonders den groͤßeren in den Außenlei- sten der Thorfluͤgel, verliehen hatte, durch seine Neuheit auf- fallen, Wuͤnsche und Erwartungen hervorrufen, denen der Kuͤnstler in seinen reiferen Jahren durch jenes weltberuͤhmte, dritte und mittlere Thor derselben Kirche vollkommen entspro- chen hat. Als Michelagnuolo von diesem herrlichen Werke sagte, es sey werth, die Pforte des Paradieses zu seyn, so sprach er eben so schoͤn, als wahr. Gewiß sind diese Thore, wie uͤberhaupt in der allgemeinen Auffassung der biblischen Ge- genstaͤnde, in der naiven und herzigen Ausbildung unterge- ordneter Gruppen und Handlungen, in der Behandlung der Form und Bewegung, so besonders darin ganz einzig und durchaus unnachahmlich: daß in ihnen ein malerischer Geist im bildnerischen Stoffe, malerisch vortrefflich, bildnerisch ge- nuͤgend, wenigstens nicht verletzend, sich ausgedruͤckt hat. Fuͤr Gemaͤlde, nicht fuͤr Bildnerarbeit sind sie anzusehn, wenn man anders ihren vollen Werth und Sinn auffassen, sie ungetruͤbt genießen will. Als Gemaͤlde erscheinen sie, wenn man sie an einem hellen Vormittage scharf vom schraͤg einfallenden Sonnenlichte beleuchtet, ungestoͤrt von bildnerischen Stylanfor- derungen, betrachtet; als Gemaͤlde hatte sie der Kuͤnstler selbst Lor. Ghib. tratt. cod. cit. fo. 11. — Cominciai detto lavo- rio in quadri, i quali erano di grandeza d’uno braccio e terzo. Le quali istorie, molto copiose di figure, erano istorie del testamento vecchio: nelle quali mi ingegnai, con ogni misura osser- vare, in essa cercare imitare la natura, quanto a me fosse possibile et con tutti lineamenti, che in essa po- tessi produrre, et con egregij componimenti et dovi- ziosi con moltissime figure . Missi in alcuna istoria circa di figure cento ; in quale istoria meno et in qual più. Condussi detta opera con grandissima diligenzia et con grandissimo amore. Tuttii casamenti colla ragione, che l’occhio gli mi- sura e (i) veri, in modo tale (che) stando rimoti da essi, appariscono rilevati . Hanno pochissimo rilievo, et in su e (i) piani si veggono le figure, che sono propinque apparire maggiori, et le rimote minori . — Es ist merk- wuͤrdig, daß ein Bildner von Beruf damals die malerische Bestre- bungen weiter hinaus verfolgte, als seinerzeit irgend ein Maler von Beruf. sich gedacht, und, was er bestrebte, vornehmlich durch absichtliche Unterordnung der Form, Hervorheben der Linie, oder der Umrisse, so gluͤcklich erreicht, als wir sehn. Indeß ist dieser unerhoͤrte Sieg des Genius uͤber die unerbittlichen Foderungen des Stoffes der erste und einzige. Wer ihn er- neuen wollte, wuͤrde nur die Niederlage so vieler Nachfolger des Ghiberti wiederholen, welche, ohne die Liebenswuͤrdigkeit seiner Seele, ohne die Sicherheit und tiefe Wahrheit seiner Charakteristik, doch Bronzethore und halberhobene Arbeiten aller Art gleich ihm in malerischem Sinne haben entwerfen wollen. Soweit ich entsinne, wird es in den Kunstschriften nirgend hervorgehoben, daß eben dieser kuͤhne Wurf eines uͤberlegenen Geistes, indem er zur Nachahmung reizte, die moderne Bild- nerey gleichsam aus ihren eigenen Angeln gehoben, und sie verleitet hat, malerische Absichten in einem Stoffe geltend zu machen, welcher sie nun einmal ausschließt. Gemeiniglich versetzt man die Entstehung dieser Verirrung in spaͤtere Zeiten, weil es schwer faͤllt, viele aͤltere Bildnereyen, welche durch An- muth, Gemuͤthlichkeit und Charakter anziehn und befriedigen, in Bezug auf Styl, oder richtige Handhabung des derben Stoffes, so unbedingt zu verdammen, als sie es verdienen moͤchten. Vielleicht uͤbersah man bisweilen, daß selbst dem Ghiberti nur jenes eine Mal es gelungen ist, das geruͤgte Mißverhaͤltniß des Stoffes und seiner Verwendung durch in- nere Trefflichkeit und aͤußere Feinheiten gleichsam unsichtbar zu machen; daß seine durchhin malerische Auffassung bildneri- scher Aufgaben in anderen, fruͤheren oder spaͤteren Werken den Sinn mehr und minder fuͤhlbar verletzt; wie endlich, daß sein Beyspiel schon naͤhere Zeitgenossen, besonders den so ungleich weniger begabten Donato , zu malerischer Auffassung der Ge- stalt verleitet hat. Wollten wir, nach dem Vorgang neuerer Kunstschriften, die Bezeichnung eigenthuͤmlichen Seyns, Charakter; hingegen die Bezeichnung irgend eines mehr und weniger entschiedenen Wollens, nach den Umstaͤnden, Bewegung, oder Ausdruck nen- nen: so ergaͤbe sich, daß der bildnerische Stoff den Charakter eben so vollstaͤndig, wenn nicht selbst (der mehrseitigen An- sicht willen), vollkommener darlegen koͤnne, als die Malerey; hingegen Bewegung und Ausdruck nur innerhalb gewisser, hoͤchst beengter Grenzen. Da nun Ghiberti , welcher die Na- tur mit Verehrung und Liebe studirt hatte S. Cod. cit. an jenen schon angezogenen und anderen Stellen. , an Bezeichnun- gen des eigenthuͤmlichen Seyns unendlich reich war, so besaß er Vieles, was auch bildnerisch auszudruͤcken ist; und eben dieses (der Charakter,) verleihet seinen Werken jenen inneren Werth, dem nimmer die allgemeinste Anerkennung gefehlt hat, noch jemals entgehen konnte. Das Irrige und Willkuͤhrliche in seiner Handhabung des bildnerischen Stoffes wird eben daher abgesonderter und reiner in den Arbeiten des Donato aufzufassen seyn, welcher seinen Mangel an Richtigkeit und Fuͤlle der Charakteristik durch Uebertreibungen der Zuͤge einer einzigen Durchschnittsform zu ersetzen suchte. Gilt die Voraussetzung: daß die Kuͤnstler, vermoͤge einer unerklaͤrlichen Verschiedenheit und Sonderung innerhalb dersel- ben Anlage, bald mehr zur Handhabung des bildnerischen Stoffes, bald wiederum des malerischen berufen werden; so war Donato sicher mehr, als sein naher Vorgaͤnger und Zeit- genosse, von Haus aus zum Bildner bestimmt. — Ghiberti ließ nicht selten die Gestalt in malerischer Weichheit gleichsam in sich selbst verfließen, wie bey den schoͤnen und schoͤn ge- wendeten Engeln an der Ruͤckseite des Reliquiensarges des florentinischen Domes La cassa di S. Zanobi, unter dem Altare der Haupttribune. — S. Belege I. 1. , deren Leiber, nach dem Herkom- men damaliger Malerey, in dem langen fliegenden Gewande verschwimmen. Donato hingegen kannte und benutzte das Knochengebaͤude, wie es scheint, in dem Gefuͤhle oder deutli- chen Bewußtseyn: daß eben dieses einzig feste Geruͤste der fleischigen Organisationen seinem Kunststoffe naͤher verwandt sey, wie denn in der That das sichere auf sich selbst Beruhen, welches den Bildwerken unerlaͤßlich ist, eben nur durch ge- wandte und sichere Handhabung des Knochengeruͤstes zu erlan- gen ist. Vielleicht war es eben nur sein richtiger Gebrauch dieses wichtigen Kunstvortheiles, der ihm die Gunst und Be- wunderung des Michelangelo zuwandte. Wie seltsam es erscheinen moͤge, daß M. A. Buonaruota einen so untergeordneten Geist habe verehren koͤnnen: so ist es dennoch gewiß, daß er, durch Jugendeindruͤcke bestochen, so- gar noch weiter gegangen und Vieles, so in den Mienen und Wendungen seiner Statuen besonders auffaͤllt, dem Entwurf nach den Bildwerken des Donatello abgewonnen hat. Dieser Kuͤnstler strebte, wie oben angedeutet worden, die Bezeichnun- gen des eigenthuͤmlichen Seyns, welche ihm fehlten, durch eine starke, uͤbertriebene Andeutung gegenstandlosen Muthes zu ersetzen. Wie das Antlitz durch Runzeln und Vorschieben der haͤutigen Stirnbedeckung, durch Schwellen der Lippen, Auf- blasen der Nuͤstern nach Art traͤumerischer, bewußtlos aufge- regter Menschen; so ward auch die Gestalt von ihm in eine krampfhafte Bewegung versetzt, das eine Bein, gleichsam stampfend, vorwaͤrts geschoben, die entgegengesetzte Achsel, wie unwillkuͤhrlich zuckend, hervorgedraͤngt. In der Schule des Michelagnuolo bildeten sich fuͤr diese Bewegungen gewisse nur den Italienern so ganz verstaͤndliche Kunst- worte: il terribile etc. Besaß nun Michel- agnuolo unlaͤugbar den Vorzug tieferer Formenkenntniß, groͤ- ßerer Gewandtheit und eines feineren Geschmackes in der Aus- bildung des Einzelnen; mußte er mithin sein allgemeines Vor- bild in diesen Dingen nothwendig uͤbertreffen: so duͤrfte doch Donatello vor dem juͤngeren Meister den Vorzug geltend ma- chen, daß er weniger, als jener, von allem Sinn fuͤr die Anfoderungen des Schweren entbloͤßt gewesen. Allerdings neigte sich Donato , nach dem Vorbilde des Ghiberti , zu ma- lerischen Wallungen der Gestalt hinuͤber; doch umgiebt jene zuckende Bewegung, welche seinen Statuen nun einmal ange- hoͤrt, eine gewisse unsichtbare Spirallinie, vor welcher sein Streben nach Ausladung instinctmaͤßig in den jedesmal gege- benen Schwerpunct zuruͤckweicht. Unter allen Umstaͤnden be- sitzt sein Lieblings und Meisterwerk, der beruͤhmte Kahlkopf ( zuccone ) am Thurme des florentinischen Domes, hinsicht- lich der Unterordnung der Bewegung, der Stellung, des allge- meinen Ganges der Gewandung, ein ausgezeichnetes Verdienst; wie sie denn noch immer mit vollem Grunde fuͤr eines der besten Standbilder neuerer Zeiten gehalten wird. Indeß ist dieses Verdienst, genau genommen, nur ein technisches; uͤberhaupt scheint es, daß er besonders durch Ge- wandtheit und Anstelligkeit bey seinen Zeitgenossen in Ansehn gekommen. Vasari , vita di Nanni d’Antonio di Banco (Ed. cit. p. 260) — Rispose Donato ridendo: questo buon huomo non é nell’ arte quello, che sono io, e dura nel lavorare molto più fatica di me. — Ob Donatello wirklich so gesprochen, ist wahrscheinlich nicht wohl mehr auszumachen; doch bezeugt diese Stelle, daß seine Zeit- genossen und naͤheren Nachfolger seine Ueberlegenheit eben in den technischen Dingen aufsuchten. Gewiß war sein Geist eben so arm, als roh, beschraͤnkte sich sein Absehn auf bloße Wirkung, weßhalb seine Werke wohl uͤberraschen, doch keinen tieferen und nachwirken- den Eindruck hervorbringen. Mit Erzguͤssen deren Technik Ghiberti so wunderwuͤrdig gefoͤrdert hatte, wußte er, wie es scheint, nicht umzugehn. Allerdings ist die Judith unter einem Seitenbogen der loggia de’ Lanzi ein sehr wohlgelungener und schoͤn gereinigter Guß. Doch moͤchte er sich hier fremder Huͤlfe bedient haben; denn gewiß gehoͤrt die Kanzel in san Lorenzo, eines seiner spaͤtesten Werke, zu den rohesten Erzguͤssen der Neueren, was einen gewissen Mangel an Einsicht in diese Kunstarbeit zu verrathen scheint, obwohl andere, schon Baccio Bandinelli S. Raccolta di Lettere sulla pittura etc. To. I. p. 49. , die Haͤßlichkeit jenes Werkes aus dem Alter des Kuͤnstlers haben erklaͤren wollen. Zufolge der Aufschrift, welche ich verlegt habe, beendigte er die Kanzel nach 1460. — Aus einem Actenstuͤcke, welches ich in den Belegen IV. 3. mittheilen will, erhellt, daß er der Verpflich- tung, fuͤr den florentinischen Dom eine Thuͤre in Erz zu gießen, nicht nachgekommen war, was Abneigung oder Unbehuͤlflichkeit zu verrathen scheint. Er hatte diese Arbeit schon den 27. Maͤrz 1417. uͤbernommen, in der Zwischenzeit aber zu Siena einige halberho- bene Arbeiten an dem dortigen Taufbecken von Erz gemacht, welche nicht so durchhin gelungen waren. S. Belege II. 1. Vasari ( vita di Donato ) spricht von einer anderen, unausgefuͤhrt verbliebenen Bronzethuͤre fuͤr den Dom zu Siena ; vielleicht mißdeutete sein sien. Berichtgeber die, Sportelli , am Taufbecken (S. Bel. II. 1.) — Im sien. Dome, zur linken des Hauptaltares, erhielt sich im Fußboden ein Erzguß, liegende Figur, flacherhoben, in welcher noch viel Gothisches im Gefaͤlte, wie in den archit. Beywerken. Man lies’t darauf: OPUS. DONATELLI . REVEREN. DNO. D. IOHANNI. PECCIO. SENEN. APOSTOLICO. PROTONOTARIO. EPO. GROSSETANO. OBEVNTI. KL. MARTH. MCCCCXXVI. Hingegen foͤrderte er unlaͤugbar, was irgend zu den Handgriffen des Stein- metzen gehoͤrt. Vasari hat die zahlreichen Werke des Donato verzeichnet. Sie sind durchhin bekannt und zugaͤnglich, weßhalb ich sie uͤbergehe. Mittelbar mochte er denn auch einem gleichzeitigen Bild- ner, dem Nanni d’Antonio di Banco , genuͤtzt haben, den Vasari , in dessen Leben, unter die Schuͤler des Donato ver- setzt, ohne seine Gruͤnde anzugeben. Der Vater, wenn nicht eher der wirkliche Meister des Nanni , war schon im J. 1406. im Dienste der florentinischen Domverwaltung; Archiv. dell’ op. del Duomo di Fir. Q. di Cassa MCCCCVI. fo. 17. a. t. und fo. 18. 21. 22. — Antonio di Banco , und Ant. dicto Banco maestro. und im Fortgang der Erzaͤhlung des Vasari erscheint Donato mehr in der Eigenschaft eines durch Verstand und technische Anstel- ligkeit dem anderen uͤberlegenen Freundes. Zudem verrathen die Statuen des Nanni in den Mauervertiefungen der Kirche Orsanmichele zu Florenz keine Spur des Aufdruckes der Ma- nier und Eigenthuͤmlichkeit des Donato ; vielmehr sind sie an- spruchlose Hervorbringungen eines mehr richtigen, als frucht- baren Geistes. Ihre einfache Auffassung, das schoͤne Gefuͤhl in ihrer emsigen Beendigung, ihr loͤblicher Styl und andere Vorzuͤge sind dem Vasari nicht entgangen, welcher das Leben des Nanni allerdings etwas herabsetzend beginnt, doch bey naͤherem Eingehn in dessen Werke sichtbar zur Anerkennung ihrer Verdienste hingerissen wird. Gleichzeitig entwickelten sich zu Florenz viele andere Bild- ner von geringeren Faͤhigkeiten, oder minder gluͤcklicher Aus- bildung. Verschiedene wurden, nach voruͤbergehenden Jugend- ver- versuchen, der Bildnerey wieder abtruͤnnig, um zur Baukunst uͤberzugehn. In dieser erwarb sowohl Filippo di Ser Bru- nellesco , als Michelozzo di Bartolomeo Vasari nennt ihn Michelozzo Michelozzi ; indeß heißt er in einem Buche des Arch. dell’ op. del Duomo di Fir. , alloghagioni dell’ op . 1438 = 1475. fo. 51. und an a. St. uͤberall: Michelo- zius Bartolomei . S. Belege, III. und IV. unvergeßlichen Ruhm, waͤhrend ihre Bildnerarbeiten weder zahlreich, noch ausgezeichnet sind. Eines der Hauptwerke des Michelozzo , die silberne Statue des Taͤufers an dem Prachtaltare der Joh. Kirche zu Florenz (in der inneren Saeristey, op. del Duomo ) verletzt den Sinn durch nutzlose Uebertreibungen in der Andeutung des Untergeordneten, ohne gerade durch Ausbildung des Charakters zu erfreuen, was der Kuͤnstler viel- leicht bezweckte. — Von Brunelleschi sah ich sein Concurrenzstuͤck zum zweyten Thore der Johanniskirche, mit welchem er bekanntlich durchgefallen ist. Es war langezeit am Altare der alten Sacristey der Kirche s. Lorenzo aufgestellt, und ist, glaube ich, neuerlich in die Gallerie der uffizj versetzt worden. Man giebt in sta Croce ein hoͤl- zernes Crucifix fuͤr seine Arbeit. In der aͤlteren Lebensbeschreibung des Kuͤnstlers (S. Moreni , can. Dom. vita di Fil. di Ser Brunel- lesco , Fir. 1812. 8. p. 289.) ist von einem anderen, und bemalten die Rede. — Sein bildnerisches Absehn wird jedoch aus diesen kargen Proben nicht so ganz deutlich. Gegen die Mitte des Jahrhundertes war Lucca della Robbia im Alleinbesitz des Talentes, wie der Gunst, welche wenigstens in den Gemeinwesen nur selten ganz unverdient ist. Luca di Simone di Marco della Robbia eroͤffnete seine Laufbahn nach dem Vasari , schon in den ersten Jahren des funfzehnten Jahrhundertes und wuͤrde, wenn diese Angabe richtig waͤre, dem Beyspiel des Ghiberti und Donato nur we- nig zu verdanken haben. Doch beruhet jene Angabe des Va- sari (welcher unseren Kuͤnstler schon im Jahre 1405. sein II. 16 schoͤnstes Werk, die Verzierung der Orgel des Domes, und unmittelbar darauf ebendaselbst das eherne Thor der Sacri- stey unternehmen laͤßt) auf falschen Nachrichten, oder gewag- ten Vermuthungen. S. Belege IV. 3. s. Gewiß war Luca schon im Jahre 1439. ein bekannter und geachteter Meister; allein, da er um 1460 und spaͤter noch lebte, so gehoͤrt er nicht in den Anbe- ginn, sondern in die Mitte des Jahrhunderts, wo wir ihn spaͤterhin wiederum aufsuchen wollen. Denn vor der Hand liegt es naͤher, die Bestrebungen der Maler nachzuholen, welche augenscheinlich durch das Beyspiel der Bildner geweckt, Raccolta di lett. sulla pitt. etc. To. V. lett. CXLII. s. sucht Bottari die Zweifel des Zannotti uͤber ein Wort des Michelangelo aufzuheben: — „che la scultura fosse la lanterna della pittura, et che dell’ una all’ altra fosse quella differenza, cheé dal sole alla luna .“ — Bottari’s Auslegung scheint mir sehr ungenuͤgend; Michelangelo mochte sagen wollen, daß die Bildner den Malern den Weg zur Rundung gezeigt haben. nun endlich ebenfalls nach Mehrung und tieferer Begruͤndung ihrer Darstellung zu streben beginnen. Aus fruͤheren Bemerkungen erinnern wir uns, daß die giotteske Manier zu Florenz bis zum Anfang und in ver- einzelten Faͤllen ( Chelini ) bis gegen die Mitte des funfzehn- ten Jahrhundertes ausgeuͤbt worden. Innerhalb dieses Zeit- raumes mochten verschiedene Maler, gleich dem Lorenzo di Bicci sich bemuͤht haben, ihre Bezeichnungen zu schaͤrfen, und gleich diesem ins Fratzenhafte verfallen seyn, wovon haͤufige Spuren vorkommen. Indeß blieb dieses schwaͤchliche Streben ohne Einfluß auf das allgemeine Gedeihen der Kunst; denn jene gaͤnzliche Umwandlung der malerischen Darstellung, welche, etwa um 1430., ihren Anfang genommen, foderte die An- strengungen maͤchtig ringender, in der Tiefe ihres Daseyns aufgeregter Geister. Niemand ist es entgangen, daß die aͤltere, zu uͤberbie- tende Manier der malerischen Darstellung im Ganzen ange- sehn, theils der Rundung, theils auch aller physiognomischen Feinheit und Schaͤrfe entbehrte. Was in derselben klar und erfaßlich und, nach den Umstaͤnden, ergreifend ist, beruhet auf einer gewissen, allerdings sinnreichen Handhabung der Bewe- gung, oder des allgemeinen sich Gehabens der Gestalten; denn von den Gesichtsformen besaßen die Giottesken nur das Nothduͤrftigste, zur ungefaͤhren Andeutung der Affecte Unent- behrlichste. Mehrung der Rundung, tieferes Eingehn in die Austheilung, in den Zusammenhang, in die vielfaͤltigsten Ab- stufungen des Reizes und der Bedeutung menschlicher Ge- sichtsformen, war demnach die naͤchste Voraussetzung alles Fortschreitens in Dingen der malerischen Darstellung. Vielleicht uͤberstieg vereinte Loͤsung beider Aufgaben die Kraͤfte damaliger Kuͤnstler; oder auch gefiel es dem Geiste der Geschichte zwey verschiedenen Kuͤnstlern jedem seine eigene Aufgabe zu ertheilen. Masaccio uͤbernahm die Erforschung des Helldunkels, der Rundung und Auseinandersetzung zusam- mengeordneter Gestalten; Angelico da Fiesole hingegen die Er- gruͤndung des inneren Zusammenhanges, der einwohnenden Bedeutung menschlicher Gesichtszuͤge, deren Fundgruben er zuerst der Malerey eroͤffnet und in hoͤchster Fuͤlle fuͤr seine ihm ganz eigenthuͤmlichen Kunstzwecke benutzt hat. Da fuͤr die Lebensumstaͤnde des Masaccio keine ihm gleich- zeitige Quelle bekannt ist, so muͤssen wir uns, hinsichtlich der Zeit und der Ergebnisse seiner Wirksamkeit auf die stets bedenk- 16 * liche Autoritaͤt des Vasari verlassen. Was dieser uͤber das Leben und den persoͤnlichen Charakter des Kuͤnstlers gemeldet hat, ohne seine Quelle anzufuͤhren, moͤchte allerdings auf muͤndlichen, leichtsinnig aufgefaßten Traditionen beruhen. Um die Zeit, in welcher unser Kuͤnstler, nach dem Vasari , gelebt hat, gab es einen florentinischen Bildner, oder Metallarbeiter, welcher Tomaso di Bartolomeo hieß und vielleicht seines Aeuße- ren willen, den Beynamen: Masaccio , Archiv. dell’ op. del Duomo di Firenze , Alloghagioni. 1438. — 75. fo. 51. (anno 1445. — 1446. Febr. 28.) wird einem, Maso di Bartholomeo , gemeinschaftlich mit anderen das eherne Thor der Sacristey des flor. Domes verstiftet. Dieser Maso war (S. fo. 72.) im J. 1461. (1462.) nicht mehr am Leben, und heißt in den spaͤteren Erwaͤhnungen (das. fo. 73. a. t. und a. a. St.): Maso di Bartholomeo , detto Masaccio . S. Belege IV. 3. ff. erhalten hatte. Verwechselte Vasari unseren Maler mit diesem Bildner? oder hatte dieser Bildner, gleich dem Pollajuolo und Verocchio sich auch in der Malerey versucht und seine bildnerischen Reflectio- nen uͤber die Erscheinungen der Beleuchtung auf die Malerey uͤbertragen wollen? Moͤge indeß dieser Maler derselbe Masac- cio seyn, den wir oben auch als Bildner kennen gelernt, oder auch ein zweyter; moͤge er selbst einen andern Namen gefuͤhrt haben, wie es bey der geringen Gewaͤhr der Angaben des Vasari allerdings nicht ganz undenkbar ist: so bleibt doch so viel gewiß, daß seine Arbeiten ungefaͤhr in die Zeit einfallen, welche Vasari denselben anweiset, und, in der Richtung, welche ich bezeichnet habe, (weil sie noch ungewiß und im Einzelnen mißlungen) nothwendig auch die fruͤhesten Versuche sind. Wenn es nun vor der Hand nicht wohl auszumachen ist, in wiefern, was Vasari von den Lebensumstaͤnden unse- res Kuͤnstlers berichtet, begruͤndet sey, oder auch nicht, so er- giebt sich doch andererseits aus der Vergleichung seiner Anga- ben mit den Gemaͤlden der Kappelle Brancacci, bey den Car- melitern zu Florenz , daß er die letzten mit kuͤnstlerischem Scharfblicke betrachtet hat und was er darin dem Masaccio beygemessen, auf das genaueste sowohl von den Arbeiten eines fruͤheren, als auch von denen eines ungleich spaͤteren Malers, des Filippino , unterschied. Demungeachtet hat man nach dem verbreiteten Wahne, daß es moͤglich sey, den Vasari (dessen Angaben ungepruͤft weder anzunehmen, noch zu verwerfen sind) schon nach dem bloßen Gefuͤhle zu berichtigen, auch hier seine Bestimmungen umwerfen und durch neue, ganz willkuͤhrliche ersetzen wollen. Hiebey versaͤumte man, sowohl die Feststel- lung allgemeinerer Voraussetzungen, als selbst die unumgaͤng- liche Vergleichung der Angaben des Vasari , welche in drey verschiedenen Lebensbeschreibungen verstreut sind. Vita, di Masolino , di Masaccio , di Fil. Lippi. Nach diesem Schriftsteller malte Masolino da Panicale (ein Name, welcher mir bis dahin in aͤlteren Quellen nicht vorgekommen ist) die gegenwaͤrtig erneute Decke der Kappelle; ferner an der Wand hinter dem Altare oben zur Linken die Predigt des Hl. Petrus ; endlich, an der Seitenwand dem Ein- tretenden zur Rechten, die obere Abtheilung. Masolino ist, nach Vasari , ein naher Vorlaͤufer des Masaccio ; und in der That sind die erwaͤhnten Malereyen, wie sie immer durch staͤrkere Bezeichnung der Gesichtszuͤge, durch nicht ungluͤcklich in Perspectiv gebrachte Gebaͤude und Anderes die hereinbre- chende zweyte Erneuerung der malerischen Darstellung ankuͤn- digen moͤgen, doch, was die Schattengebung und daraus her- vorgehende Rundung angeht, sichtlich noch in der Manier der spaͤteren Giottesken ausgefuͤhrt. Hingegen sind die noch uͤbri- gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei- tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer spaͤteren Ergaͤnzung in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derselben Autoritaͤt saͤmmtlich Arbeiten des Masaccio . In der That verkuͤndet sich in letztgenannter Reihe von Darstellungen uͤberall derselbe Geist, dasselbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je- nen drey Geschichten der Altarwand anhebt, die ersten Regun- gen des Bestrebens nach Rundung in den hier noch leichter gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefuͤhrten Abtheilung steigenden Muth, da die Schatten hier schon bisweilen ins Schwaͤrzliche, wie die Lichter ins Kreidige uͤbergehn, aber auch Unsicherheit und den Fehlgriff, die Hoͤhe der Lichter nicht in die Mitte, sondern an den Rand der Formen zu bringen, was diesen durchhin ein gewisses Ansehn von Schiefheit giebt. In der Folge aber scheint der Kuͤnstler bey Ausfuͤhrung der unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derselben Wand einem richtigen Verstaͤndniß des Grundsatzes der Rundung schon naͤher zu kommen und eben daher der Ueberhoͤhung der Lichter, der Schwaͤrze der Schatten nicht mehr in dem Maße, als fruͤherhin, zu beduͤrfen. — Diese fluͤchtig angedeuteten Um- staͤnde gewaͤhren, wie es einleuchten muß, den Angaben des Vasari eine ungewoͤhnliche Glaubwuͤrdigkeit. Nun unterscheiden sich diese Malereyen von denen des Filippino , der etwa um vierzig Jahre spaͤter das noch Feh- lende ergaͤnzt hat, zunaͤchst durch den Aufdruck eines strenge- ren, auf Ernst und sittliche Wuͤrde gerichteten Sinnes; denn der juͤngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und fluͤchtiges Talent, dem es nicht immer mit seiner Aufgabe so ganz ein Ernst war, weßhalb ihm in seinem fruchtbaren Kuͤnstlerleben nicht Alles gleichmaͤßig gelungen ist. Ferner unterscheiden sich die ersten von den spaͤteren durch den Auf- druck der Zeit; denn eben was Masaccio erstrebte, Schatten- gebung und Rundung, eben was er bey unnoͤthiger Uebertrei- bung der Mittel noch nicht so ganz erreichte, war dem Filip- pino bereits ein leichtes Spiel; was Masaccio ganz hintan- setzte, ich moͤchte sagen, nur bildnerisch andeutete, die Land- schaften und Hintergruͤnde, behandelte Filippino , wie uͤberall in seinen Bildern, so auch hier mit Leichtigkeit und Geschmack. Zudem unterscheiden sich beide Meister auch in der Manier oder Handhabung des Technischen der Frescomalerey: Masac- cio trug die Farbe, schon um die bezweckte Rundung besser zu erreichen, sehr pastos und, in gewissem Sinne, modellirend auf; Filippino hingegen duͤnn und fluͤssig, da ihm, was jenem kaum zum Localton genuͤgte, schon zum Lichte dienen konnte. Allein auch das Gewand behandelte jeder auf seine Weise; Masaccio bestrebte Groͤße und Einfachheit der Massen, ver- theilte und rundete die einzelnen Parthieen wie schon die Zeit- genossen Raphaels anerkannten, gewiß hoͤchst musterhaft; Fi- lippino hingegen, welcher die Gewandung spaͤterhin bis zum Geschmacklosen willkuͤhrlich behandelt hat, verraͤth sogar hier, wo er sein Bestes geleistet, die Hinneigung zu kleinlichen und bauschigen Bruͤchen und zu jenem fluͤchtigen, sich schlaͤngelnden Auftrage der Faltenlichter, welche seine spaͤteren Arbeiten nicht wenig entstellen. Endlich dient auch das Costuͤme der Bild- nißfiguren, zu zeigen, was Masaccio in diesen Gemaͤlden durch- aus nicht gemalt haben konnte. Moͤge Vasari der eigenen Wahrnehmung dieser mehrsei- tigen Verschiedenheit beider Meister gefolgt seyn, oder viel- mehr lebendigen Kuͤnstlertraditionen, welche, da die Beendi- gung der Kappelle Brancacci mit der Jugend des Michelan- gelo zusammenfaͤllt, hier schon als Quelle zu betrachten sind; so ist doch so viel gewiß, daß er in dieser Kappelle, was er nicht schon dem Masolino und Masaccio ausdruͤcklich beyge- legt hatte, durchhin fuͤr Arbeit des Filippino hielt. Uebrig war, nach Ausnahme des schon beruͤhrten, zunaͤchst: in der Mitte der linken Seitenwand eine weite Luͤcke von unbestimm- tem Umriß; diese ward, wie Vasari mit deutlichen Anzeichen umstaͤndlicher Kunde berichtet, Vas. vita di Fil. Lippi (ed. cit. p. 493.) — „ Filippo dun- que le diede di sua mano l’ultima perfezione e vi fece il resto d’una storia, che mancava, dove s. Pietro e Paulo risuscitano il Nipote dell’ Imperatore. Nella figura del qual fanciullo ritrasse Francesco Granacci pittore allora giovanetto; e similmente M. Tom- maso Soderini cavaliere, Piero Guicciardini padre di M. Francesco , che ha scritto le storie, Piero del Pugliese , e Luigi Pulci poeta; pa- rimente Antonio Pollajuolo . — von Filippino ausgefuͤllt; man unterscheidet noch immer den roh verbundenen Ansatz des frischen Kalkes an den laͤngst verhaͤrteten der Malerey des Masaccio . Ferner war die untere Abtheilung der Seitenwand zur Rechten noch unbesetzt; an dieser bezeichnet uns Vasari ohne Angabe der Gegenstaͤnde die beiden noch vorhandenen Historien, die eine, indem er anzeigt, daß er daraus das Bild- niß des Filippino entlehnt habe; Ds. das., ohne, der Construction nach, abzusetzen — e se stesso cosi giovane come era, il che non fece altrimenti nel resto della sua vita, onde non si é potuto havere il ritratto di lui d’età migliore. — Allerdings sollte man der aͤußeren Verbindung nach das Bildniß des Filippino in der genannten Gruppe (der Ergaͤn- zung der Luͤcke an der linken Seitenwand) aufsuchen. Indeß hatte die andere, darauf folgende S. die vorang. Anm. durch Benennung der Personen, welche zu ei- ner Gruppe von Nebenfiguren Modell gestanden. Die erste zeigt Petrus und Paulus vor dem Proconsul, dem der Kuͤnst- ler hier die Insignien eines Caesarn und den Charakter des Nero gegeben hat. Diese mittelbare Bezeichnung der beiden historischen Ge- maͤlde des Filippino zur Rechten der Eintretenden war indeß von fluͤchtigen Lesern uͤbersehen worden. Wer nicht erwog, daß alle jene Bildnisse, wie besonders die beiden auf einan- der folgenden historischen Darstellungen doch einen noch offe- nen Raum begehrten, daß eben dieser Raum nach den fruͤheren Angaben des Vasari doch eben nur an den schon bezeichneten Stellen der rechten Seitenwand vorhanden war; wer uͤber- haupt versaͤumte, hinsichtlich dieser Malereyen die beiden fruͤ- heren Lebensbeschreibungen des Masolino und Masaccio mit jener spaͤteren des Filippo Lippi zu vergleichen; mochte glau- ben koͤnnen, daß Vasari den beiden fraglichen Historien uͤber- all keinen Namen gegeben habe, und darin eine Aufforderung sehn, sich in Conjecturen zu versuchen. Die Gruͤnde, von de- nen man bey solchen Vermuthungen ausgegangen, sind nir- gend an den Tag gekommen; wohl aber das Ergebniß. Denn seit etwa vierzig Jahren hat man das Hauptwerk des Filip- Vasari schon die rechte im Sinn, weil er im Fortgang anhebt: e nella storia, che segue, ritrasse Sandro Botticello suo maestro e molti altri amici e grand’ huomini; ed infra gli altri il Raggio sensale etc. — Was nur auf die rechte, unten noch unbesetzte Seitenwand zu beziehen ist. Zudem ist das Bildniß des Filippino bey Vasari aus einer Nebenfigur der ersten Darstellung dieser Wand und nicht aus der ergaͤnzenden Gruppe der anderen entlehnt. pino , Petrus und Paulus vor dem Proconsul, wiederholt als ein Werk des Masaccio in Kupfer gestochen und ausgege- ben S. Thomas Patch etc. to the lovers of the art of painting. Firenze 1770. Innerer Titel: the Life of Masaccio . — ferner: Etruria pittrice ; einzelne Blaͤtter in Biestermanier von Piroli ; endlich in Lasinio’s kunstgeschichtlichen Bilderfolgen ( Firenze appresso Pagni ), die fruͤheren Abzuͤge der Blaͤtter nach den Bildern der Kappelle Brancacci; in den spaͤteren sollten die Unterschriften auf meine Vorstellung abgeaͤndert werden. . Bey meiner Anwesenheit zu Florenz hatte man diese Anliegenheit von neuem in Berathung genommen, die Autori- taͤt des Vasari , welche hier bereits ein Gewicht hat, von neuem bestritten, bis man endlich meinen oben ausgefuͤhrten Gruͤnden nachzugeben geneigt schien. Vasari hat dem Masaccio eine zweyte Arbeit beygelegt: die Malereyen in einer Kappelle der Kirche s. Clemente zu Rom , welche Kuͤnstler und Reisende zu besuchen pflegen. Al- lerdings sind dieselben jenen anderen sehr nahe verwandt; doch aͤltere Arbeiten unseres, oder eines ihm aͤhnlichen Mei- sters, welche nur an einzelnen Stellen, vornehmlich den Koͤpfen der Weltweisen des Hauptbildes zur Linken, uͤber die einfache Manier der spaͤteren Giottesken hinausgehn. Hinge- gen konnten wir dem trefflichen Stifter in seinen florentini- schen Wandgemaͤlden Schritt fuͤr Schritt nachfolgen, ihm gleichsam zusehn, wie er muͤhsam und nicht immer mit Er- folg darnach rang und strebte, die malerische Darstellung durch bis dahin unbekannte Kunstvortheile zu bereichern, in die ein- zelnen Formen Rundung einzufuͤhren, die allgemeine Anord- nung durch massige Schatten und breite Lichter ansichtlicher zu machen. Diese neuen, bisher noch unbenutzten Huͤlfsmittel der Darstellung erstrebte Masaccio nicht etwa, seinen Gemaͤlden mehr aͤußere Annehmlichkeit zu geben, sondern weil sein star- kes, maͤnnliches Gefuͤhl, sein hoher Begriff von der Wuͤrde der Aufgaben, deren Loͤsung ihn beschaͤftigte, in der herkoͤmm- lichen flachen und schattenlosen Manier nicht wohl genuͤgend auszudruͤcken war. Im umgekehrten Verhaͤltniß verkannten seine naͤheren Nachfolger, die florentinischen Maler bis auf den Lionardo hin, den vollen Werth seiner Versuche und Neuerungen, weil sie kein Beduͤrfniß fuͤhlten, sich zu gleicher Großartigkeit und Einheit der Auffassung zu erheben. Um die Mitte und bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes waren alle Haͤnde geschaͤftig, das Einzelne naͤher auszubilden, was die Aufmerksamkeit nothwendig von den Bestrebungen des Masaccio ablenkte. Wenn nun diese, wie der Lauf der Kunstgeschichte zeigt, nicht fruͤher, als um die Zeit des Lio- nardo und Raphael die Aufmerksamkeit der Kuͤnstler angezo- gen, ihren Nacheifer geweckt haben, so fanden dahingegen die Neuerungen des Beato Angelico da Fiesole alsobald Eingang und Nachfolge. Betrachten wir in diesem Kuͤnstler zunaͤchst seine ausge- zeichnete und ganz unvergleichbare Eigenthuͤmlichkeit; sodann auch seine historische Stellung, oder seinen Einfluß durch Bey- spiel und Lehre. Was irgend durch Abgezogenheit von den Lockungen des Lebens zu erlangen ist, Reinheit des Willens, Erhebung des Gemuͤthes, innige Vertraulichkeit mit dem Geiste ungetruͤbter Liebe, solches Alles ward dem frommen Angelico in hoͤchstem Maße zu Theil. „Er haͤtte vermoͤge seiner Kunst, sagt Va- sari , in der Welt mit Gemaͤchlichkeit leben koͤnnen, waͤhlte in- deß die Abgeschiedenheit, welche den Schlimmen zu groͤßerem Verderben, und nur den Guten zum Gluͤcke gereicht.“ „Man sagt, erwaͤhnt er ferner, daß er niemals gemalt habe, ohne vorher mit Innigkeit zu beten; daß er nie die Leiden des Er- loͤsers dargestellt, ohne dabey in Thraͤnen auszubrechen; daß er seine Malereyen nie nachgebessert habe, weil er glaubte, ihr Gelingen beruhe auf unmittelbarer Eingebung. Gewiß, setzt er hinzu, spricht aus den Mienen und Wendungen seiner Gestalten die Gesinnung eines aͤchten und ernstlichen Christen. Ich moͤchte hinzufuͤgen: eines aͤchten und wahren Moͤnches; denn sicher entfaltete Angelico die schoͤnsten Seiten des Moͤnch- thumes, welchem er unstreitig, wenn auch nicht seine Eigen- thuͤmlichkeit, doch deren volle Entwickelung verdankt. Seit den aͤltesten Zeiten war Kalligraphie und Miniaturmalerey in den Kloͤstern einheimisch, diesen durch Stifter und Obere drin- gend empfohlen und in der That besonders bey den Griechen, doch auch bey den Franken der karolingischen Epoche fruͤhe mit vielem Erfolg betrieben worden S. Thl. I . Abhd. V . . Seit dem Jahre 1300 hatten die moͤnchischen Miniatoren in Italien , bey zu- nehmender Kunstbildung allgemach eben jene Richtung einge- schlagen Zu Florenz , in der Kirche sta Trinita, war noch vor wenig Jahren eine schoͤne, von italienisch gothischem Schnitzwerke umge- bene Tafel vorhanden, welche Vasari dem Don Lorenzo, Monaco Camaldolese beymißt. Dieses Bild ist in der Richtung des Ange- lico hervorgebracht; Anordnung, Gewandung, Gehabung der Gestal- ten schien mir vorzuͤglicher; hingegen fand ich die Charaktere min- der ausgebildet, das Gefuͤhl lauer. — Im Februar 1818. ward die- ses Gemaͤlde von seinen Eigenthuͤmern der Kappelle entzogen, welche durch eine baͤuerische Wandmalerey aufgeziert ward. Moͤge es in gute Haͤnde gelangt seyn! , deren Beato Angelico sich in der Folge bemei- sterte. Dieser Kuͤnstler war von der Miniaturmalerey ausge- gangen; seine Arbeiten in Chorbuͤchern der Kloͤster seines Or- dens, san Marco zu Florenz , s. Domenico unterhalb Fiesole , sind leider entweder uͤberall nicht mehr vorhanden, oder doch an andere mir unbekannte Orte versetzt; doch versichert Va- sari , der sie gesehn hatte, daß er fuͤr ihre Schoͤnheit und Aus- bildung keinen Ausdruck habe. Vielleicht wird die Ausfuͤh- rung dieser Arbeiten nach einem Bruchstuͤcke zu beurtheilen seyn, einem Pergamentblatte mit der Himmelfahrt der Jung- frau, welches mir zu Florenz mit der Versicherung verkauft worden, daß solches aus einem jener Choralbuͤcher entnom- men sey. Indeß glaube ich darin, wohl einige Sinnesver- wandtschaft, doch eine andere Hand zu erkennen, und halte dieses unstreitig schoͤne Werk vielmehr fuͤr ein Zeichen dama- liger Verbreitung eben jener Richtung, in welcher Fiesole das Hoͤchste hervorgebracht. Unzaͤhlige Werke seines Pinsels sind uͤber das mittlere Italien verstreut, viele andere bey Aufhebung der Kloͤster in den Handel gekommen. Doch, um die ganze Schoͤnheit seiner Seele, die ganze Zartheit seiner Ausfuͤhrung zu kennen und zu wuͤrdigen, soll man einige seiner kleineren Gemaͤlde a tempera in vollkommenem Stande der Erhaltung gesehn haben. Die- ser verkuͤndet sich in jenem matten Glanze, welcher aus der Verhaͤrtung des Bindestoffes entstehet und bey unberuͤhrten Temperagemaͤlden die ganze Oberflaͤche mit einem frischen und unnachahmlichen Schmelze uͤberzieht. Wo man aus Vorwitz, oder um vorangegangene Beschmutzungen zu entfernen, Reini- gungen vornahm, ward jener Ueberzug aller Vorsicht ungeach- tet mehr und minder verletzt; wo irgend ein fremdartiger Fir- niß ihn verdeckt, ist er, wenn auch vorhanden, doch nicht mehr bemerklich, wie in einigen kleinen Bildern des Fiesole in der florentinischen Gallerie der Uffizj und in einem anderen der dortigen Akademie der Kuͤnste, worin ein juͤngstes Gericht. Schwerer und nicht selten bis auf den Grund beschaͤdigt sind die Malereyen an den ehmaligen Silberschraͤnken der Serviten, wie besonders eine groͤßere Altartafel, beide in der florentini- schen Akademie. Hingegen hatten die Staffeln eines Altares gegenwaͤrtig in der Sacristey der Dominicaner zu Cortona und der Sockel des ehemaligen Altarblattes der Kirche s. Do- menico di Fiesole Diese Gemaͤlde wurden meinerzeit von den Moͤnchen des Klosters verkauft, sind gegenwaͤrtig zu Rom bey dem koͤn. preuß. Consul, Herrn Valentini , aufgestellt. ihren urspruͤnglichen Schmelz noch be- wahrt, als ich sie wiederholt und mit immer neuer Bewun- derung betrachtete. Von dem letzten, auf welchem unzaͤhlige Seelige, versicherte schon Vasari , daß er sich nie habe saͤttigen koͤnnen, es zu betrachten. — Im allgemeinen haben sich die Mauermalereyen des Angelico , welche saͤmmtlich auf trockenem Gypsgrunde gemalt sind, ungleich besser erhalten. In den gelungensten unter seinen kleineren Werken er- schoͤpfte sich dieser Kuͤnstler in den mannichfaltigsten Andeutun- gen einer mehr als irdischen Freudigkeit; hingegen enthalten seine Mauergemaͤlde haͤufig Darstellungen der irdischen Bedraͤngnisse heiliger Personen; obwohl in deren Gebehrden und Mienen die innere Harmonie uͤber aͤußere Stoͤrungen sichtlich vorwal- tet, nichts die Sicherheit ihrer Hoffnungen, die Festigkeit ihres Willens zu erschuͤttern scheint. In dieser Art und Groͤße ist sein Hauptwerk jene Kappelle im vaticanischen Palaste, welche, wie ich vernahm, nach langer Vergessenheit durch die uner- muͤdliche Sorgfalt und Wachsamkeit unseres vielseitigsten Kunst- gelehrten, des Hofrath Hirt , erst seit einigen Jahrzehenden wiederum zugaͤnglich ward Wie alle aͤltere Roͤmer sich erinnern werden; die interessan- ten Umstaͤnde vernahm ich aus dem eigenen Munde dieses aͤchten Kunstfreundes. . Sie wird gegenwaͤrtig, mit anderen zahllosen Kunstschaͤtzen des Vaticanes , mehrmal die Woche auch der Menge geoͤffnet, ist auch durch ein Kupfer- werk in Umrissen und einzelne von Lips gestochene Gruppen bereits in einem weiteren Kreise bekannt, weßhalb ich dem Leser und mir selbst die Andeutung ihrer unvergleichbaren Schoͤnheiten ersparen darf. Genug, daß sie in dem freylich engeren Kreise heiligen Willens und frommer Kindlichkeit eine große Mannichfaltigkeit des Charakters entfaltet. Ein gleiches gilt seine Mauergemaͤlde im Kloster, besonders im Kapitel- saale zu s. Marco in Florenz , welche jener Kappelle der Zeit nach vorangehn moͤgen, da sie durchhin einfacher behandelt und etwas aͤrmlicher angeordnet sind. Indeß ist der Aus- druck in den Koͤpfen, in den Bewegungen der Arme, in den Neigungen des Oberleibes unuͤbertrefflich und, wie man anzu- erkennen scheint, hier staͤrker und leidenschaftlicher, als in an- deren und verwandten Darstellungen desselben Meisters. Nach beliebten und angenommenen Voraussetzungen haͤtte ein so zart geistiges Streben unseren Angelico vom Objectiven abziehn und gleichsam in sich selbst concentriren muͤssen. Doch ganz im Gegentheil war es eben dieser schwaͤrmerisch vom Irdischen abgezogene Geist, welcher unter den Neueren zuerst den menschlichen Gesichtsformen ihre volle Bedeutung abge- wann und deren mannichfaltigste Abstufungen benutzte, seinen Darstellungen eine groͤßere Fuͤlle und Deutlichkeit zu geben. — Freylich verlaͤugnet Angelico nirgend die vorwaltende Stim- mung seiner Seele, neigt sich an keiner Stelle zum Star- ken, Maͤchtigen, Zuͤrnenden, kaum einmal zum tief Schmerz- lichen; doch gefiel er sich, den einen Charakter milder See- lenguͤte durch eine Unermeßlichkeit von Abstufungen hindurch zu fuͤhren. Diese werden wir indeß nur in seinen Gesichtsbil- dungen aufsuchen wollen, deren innerer Zusammenhang unter den modernen Malern ihm zuerst ganz aufgegangen ist. Hin- gegen blieb ihm die Gestalt stets fremd, weßhalb er uͤberall, wo er in der Handhabung des Leibes uͤber den einfachen Zu- schnitt der giottesken Manier hinausging, wohl noch die Be- wegung des Oberleibes beherrschte, doch selten das Unterge- stelle, welches in seinen Gemaͤlden meist sehr unbelebt und hoͤlzern laͤßt. Auch lag es außer seinem Absehn, die maleri- sche Anordnung, gleich dem Masaccio , durch schaͤrfere Beleuch- tung und massige Schattengebung zu unterstuͤtzen; obwohl er den Gang des Gefaͤltes, dessen Antheil an dem Reize maleri- scher Darstellungen groͤßer ist, als ich zu erklaͤren weiß, mit ungemeiner Feinheit fuͤr seine Zwecke zu benutzen wußte. Jene ihm eigenthuͤmliche, an sich selbst seltene und schwer hindurch zu fuͤhrende Seelenstimmung hat Angelico seinen Zeit- genossen und Nachfolgern allerdings nicht mittheilen koͤnnen; hingegen fand seine leichte und farbige Schattengebung mehr Eingang, als die massige Behandlung des Masaccio ; beson- ders aber weckte und schaͤrfte er bey den florentinischen Ma- lern der anderen Haͤlfte des Jahrhundertes den Sinn fuͤr den Reiz und fuͤr die Bedeutung des Mannichfaltigen in der mensch- lichen Gesichtsbildung. In dieser Beziehung hatte er zunaͤchst auf den Benozzo Goz- Gozzoli eingewirkt, den Vasari gewiß nicht ohne Grund als einen Schuͤler des Angelico bezeichnet. Denn in seinen fruͤ- heren Werken, den Malereyen der Kirchen s. Fortunato und s. Francesco zu Montefalco , einem umbrischen Staͤdtchen un- weit Fuligno , blieb Benozzo theils dem aͤußeren Vorbilde, theils auch der Milde des Angelico so nahe, als nur von ei- nem Schuͤler anzunehmen ist. In s. Fortunato erhielt sich an der Seitenwand zur Rechten eine Madonna, welche das auf ihrem Schooße ruhende Kind anbetet; zur Seite ein Engel, welcher eine Handtrommel schlaͤgt. Es ist sehr rasch a buon fresco gemalt, scheint uͤbrigens der Ueberrest eines groͤßeren Wandgemaͤldes zu seyn. In diesem Bilde liest man auf ei- ner Base: BENOZII .. FLORENTIA .. CCCC. L. Die leicht zu ergaͤnzenden Lagunen verdeckt ein Kissen. Hinter dem Hauptaltar stehet, gegen das Chor gewendet, eine voll- staͤndige Altartafel, die Jungfrau, welche dem Hl. Thomas ihren Guͤrtel giebt, an den Pfeilern sechs Heilige und in der Altarstaffel sechs Geschichten aus dem gewohnten malerischen Cyclus des Lebens der Madonna. Diese moͤchte, nebst der Lunette uͤber der Hauptthuͤre der Kirche, jenem Fragmente gleichzeitig seyn, welches letzte unter allen Umstaͤnden unter den bekannten Werken des Benozzo das aͤlteste ist. Um wenig spaͤter malte er in einer Seitenkappelle der Kirche s. Fran- cesco, dem Haupteingang zur Rechten, in welcher viele Re- miniscenzen aus den Gemaͤlden des Fiesole vorkommen; der Hl. Franz in der Lunette ist eine Copie nach jenem im Ka- pitelsaale des Klosters san Marco zu Florenz . In einer Queerleiste unter dieser Lunette befindet sich folgende in den nassen Kalk eingedruͤckte Aufschrift: — opus Benozii de Florenzia ; und in einer anderen: constructa atque depicta II. 17 est hcc cappella ad honorem gloriosi Hyeronimi . M. CCCC. LII. D E P o novenbris . Dieselbe Anhaͤnglichkeit an die Heiligengebilde des Ange- lico zeigt sich in einer nur wenig spaͤteren Tafel, welche viel- leicht Die Gall. der ital. Kunstakademieen sind meist aus Spo- lien aufgehobener Kloͤster erwachsen, weßhalb man den Ursprung ih- rer Schaͤtze bisweilen im Dunkelen zu lassen geneigt ist. aus der genannten Kirche in die Gallerie der peru- ginischen Kunstschule gelangt ist. Im goldenen Felde dieses Gemaͤldes stehet: opus Benotii de Florentia MCCCC. LVI. Auch in der Chorkappelle jener Kirche, einem reichen, Vieles umfassenden Werke, verraͤth sich ein leiser Nachklang der Ge- muͤthsstimmung des Meisters, obwohl Benozzo hier schon an- faͤngt, sich jener schuͤlerhaften Befangenheit zu entschlagen und aus den Anregungen seines Meisters hervorzuheben, was sei- ner Eigenthuͤmlichkeit entsprach. Diese Arbeit ist im Ganzen und mit Ausnahme des gothischen Gewoͤlbes ganz wohl er- halten und enthaͤlt an den Waͤnden, in zwoͤlf Abtheilungen, Lebensereignisse des Hl. Franz , worin die Geschaͤftigkeit der Weiber bey der Geburt des Heiligen, die Leidenschaft des Vaters, wo der Hl. sich von ihm lossagt, der knieende Moͤnch am Sterbebette des Hl., nebst anderen lebenvollen Zuͤgen hoͤchst erfreulich zu sehen sind. Nicht so gar lange darauf arbeitete Benozzo in einem Staͤdtchen des florentinischen Gebietes, s. Gimignano , unweit der Straße von Florenz nach Siena und in der Naͤhe von Volterra . Im Dome dieser Stadt malte er in einer Kap- pelle, welche an der Stelle der vermauerten Hauptthuͤre durch zwey vorspringende Pilaster gebildet wird, den Tod des Hl. Sebastian , ein sehr mittelmaͤßiges Bild, dessen obere Abthei- lung indeß einige treffliche Engel enthaͤlt. Die Unterschrift: ad laudem glor. athlete s. Sebastiani hoc opus con- structum fuit die XVIII. Januarii M. CCCCLXV. Be- nozius Florentinus pinxit . Im Chore derselben Kirche be- findet sich eine Altartafel, welche man angeblich aus einer eingezogenen Kirche dahin versetzt hat; sie stehet, wie alle Staffeleygemaͤlde des Benozzo (der auch hier nicht versaͤumt hat, sein: opus Benotii de Flo . anzubringen) seinen Mauer- gemaͤlden sehr weit nach; obwohl auch hier die Engel, welche oben Blumengewinde emporhalten, sehr anmuthvoll sind. Der Kuͤnstler mochte sich dazumal in dem luftig gelegenen, maleri- schen Staͤdtchen angesiedelt haben. Denn im folgenden Jahre uͤbernahm er die Wiederherstellung der Malerey an den Waͤn- den der Sala de’ Consiglj des Stadthauses, wo neben der alten Aufschrift: Lippus Memmi de Senis me pinsit al tempo di — — MCCCXVII ., etwas zur Rechten im Winkel: Benotius Florentinus restauravit anno d. M. CCCCLXVII . Ein weiteres Feld, und mehr Aufforderung, sein Bestes zu leisten, fand Benozzo um einige Jahre fruͤher in der Au- gustinerkirche desselben Ortes. Hier malte er zunaͤchst an einer Seitenwand des Altares zum Hl. Sebastian , dessen Bild, wie im Siege uͤber den eben bestandenen Todeskampf, umher viele Einwohner des Ortes knieend und ausdrucksvoll zum Hl. auf- schauend, welche Arbeit nach der Aufschrift im Julius 1464. beendigt worden. Hingegen liest man in der Chorkappelle, an der Wand dem Eintretenden zur Rechten: Eloquii sacri Doctor Parisinus et ingens Geminiaci fama decusque soli 17 * Hoc proprio sumptu Dominicus ille sacellum Insignem jussit pingere Benotium . MCCCC.LXV . An der Flaͤche des gothischen Bogens uͤber dem Altare malte Benozzo Brustbilder der Apostel; in den Abtheilungen des Kreuzgewoͤlbes die vier Evangelisten, unter denen Johan- nes auszuzeichnen; an den Waͤnden in vielen Abtheilungen sechzehn Lebensereignisse des Hl. Augustin , unter welchen das eine mit den knabenhaften Unarten und Zuͤchtigungen des kuͤnf- tigen Heiligen besonders launig aufgefaßt ist. Unzaͤhlige Bild- nißfiguren, welche nicht immer an der Handlung Theil neh- men, erfuͤllen jeden zu ermuͤssigenden Raum. Einige dieser belebten und ausdrucksvollen Gesichter hat Benozzo auch an anderen Stellen, besonders in der Kappelle des Palastes Ric- cardi zu Florenz wieder angebracht. Rings an den Waͤnden dieser Kappelle malte Benozzo den Zug der Hl. drey Koͤnige mit einem zahllosen Gefolge von Bildnißfiguren, welche, fuͤr sich betrachtet, vortrefflich und fleißiger beendigt sind, als die Koͤpfe der Nebenfiguren in sei- nem letzten und umfassendsten Werke, den Darstellungen aus dem alten Testament im Campo santo zu Pisa . Hier war Benozzo endlich einmal von seiner Aufgabe ergriffen, bediente er sich seiner vorangegangenen Beobachtungen und Forschun- gen mehr, seinen jedesmaligen Gegenstand auszudruͤcken, als, wie bisher, den Raum behaglich zu fuͤllen. Der Fluch des Noah, die muͤhsam unterdruͤckte Ruͤhrung Josephs, wo seine Bruͤder um Benjamins Befreyung flehen, spricht sich ganz unuͤbertrefflich aus. Doch beruhet auch hier aller Ausdruck auf tiefer Kenntniß des Bezeichnenden in den Zuͤgen des Ant- litzes; denn die Gestalt ist keinesweges besser verstanden, als in jenen fruͤhesten Malereyen zu Montefalco ; das Gewand schlechter aufgefaßt, als dort. Hingegen hat der Kuͤnstler im Campo santo viel Lust an landschaftlichen und architectoni- schen Beywerken dargelegt, was zu den spaͤtesten Beziehungen seines großen Talentes gehoͤren mag. Dieses Werk erwarb ihm seine Grabstaͤtte, deren Inschrift Vasari und Spaͤtere richtig auffuͤhren, wie folgt: hic tumulus est Benotii Florentini , qui proxime has pinxit hystorias. hunc sibi Pi- sanorum donavit humanitas. M. CCCC. LXXVIII . An einer Stelle des Anhanges zur neuen Ausgabe der Werke Winckelmanns wird die Einwirkung der aͤltesten Bil- dung auf die Entwickelung der griechischen Kunst durchhin auf technische Vortheile beschraͤnkt und zur Erlaͤuterung, als eine bereits ausgemachte Thatsache, angefuͤhrt, daß auch die Italiener bey Aneignung der malerischen Technik der Nieder- deutschen sich vor anderweitigen Anregungen bewahrt und frey erhalten haben. Indeß waren die Herausgeber des trefflichen Werkes in der Wahl dieses Beyspieles hoͤchst ungluͤcklich, da die Sache sich ganz anders verhaͤlt, als sie annehmen. Denn schon seit der Mitte des funfzehnten Jahrhundertes strebten viele italienische Maler den Niederlaͤndern eben ihre meister- liche Nachbildung des Mannichfaltigen in der Erscheinung der Dinge abzugewinnen, waͤhrend die Oelmalerey nicht fruͤher, als gegen das Ende desselben Jahrhundertes die hergebrachte, damals freylich hoͤchst ausgebildete Malerey a tempera ver- draͤngte. Allerdings war die Oelmalerey den Florentinern schon ungleich fruͤher historisch bekannt, wie aus dem bekannten Co- dex des Cennino erhellet. Auch erzaͤhlt uns Vasari im Leben des Andrea dal Castagno , dieser Maler habe sich bisweilen des Oeles bedient, dessen Gebrauch sein Freund Domenico von Venedig ihn kennen gelehrt. Indeß kenne ich von diesem letz- ten nur eine einzige, noch wohlerhaltene Tafel in der Kirche sta Lucia jenseit des Arno zu Florenz . In diesem Altarge- maͤlde, worin die Madonna auf dem Throne unter einer Bo- genstellung von gemischter florentinisch-gothischer Anlage, zu den Seiten, sta Lucia , ein Hl. Bischof und gegenuͤber s. Joh. Baptista und s. Franz , lieset man auf der ersten Stufe des Thrones: opus Dominici de Venetiis — Ho Mater Dei mi- sere mei — Datum est. Dieses Bild gehoͤrt zu den fruͤheren Beyspielen dieser in der zweyten Haͤlfte des Jahrhundertes beliebten einfachen und ruhigen Anordnung der Heiligen bestimmter Altaͤre. Das Profil der Hl. Lucia ist des beato Angelico nicht unwuͤrdig, in den uͤbrigen Koͤpfen einige Spur der manierten Charakteri- stik des Andrea dal Castagno . Uebrigens ist dieses Bild sehr trocken a tempera gemalt, was unerklaͤrlich waͤre, wenn Do- menico wirklich, wie Vasari auch im Leben des Antonello von Messina vorgiebt, die Vortheile der Oelmalerey durchaus besessen und solche dem Andrea mitgetheilt haͤtte. Auch in den Arbeiten des Letzten zeigt sich nirgend einige Spur von genauer Bekanntschaft mit den Vortheilen, welche die nieder- deutschen Maler damals schon laͤngst in fast unerreichter Voll- kommenheit aus dieser Bindung entwickelt hatten, wie in dem unvergleichlichen van Eyck der koͤniglich preußischen Samm- lung. Diese Tafeln enthalten die Inschrift. Pictor Hubertus e Eyck , major quo nemo repertus, incepit; pondusque Johannes arte Vielleicht taͤuschte den Vasari die braͤunlich schmuz- zige Faͤrbung der bekannteren Arbeiten des Andrea . Also kam die erste Anregung des Bestrebens, landschaft- liche Hintergruͤnde, ergoͤtzliche Pflanzengebilde und andere Bey- werke um des bloßen Reizes der Erscheinung willen in den historischen Darstellungen anzubringen, den toscanischen Ma- lern aus weiter Ferne. Lange, bevor sie dazu die Hand er- huben, hatten die Bruͤder van Eyck in der Behandlung sol- cher Nebendinge eine selten uͤbertroffene Meisterschaft darge- legt, welche hoͤchst wahrscheinlich auf den Versuchen und Er- fahrungen aͤlterer Maler sich begruͤndete. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gelangten viele Gemaͤlde dieser Schule, Weihgeschenke im Niederlande ansaͤssiger Italiener, nach Toscana und in andere Gegenden des Landes S. Waagen , Ueber Hubert und Johann van Eyck . Bres- lau . 1822. S. 182 ff. und denselben, im Kunstblatt 1824. No. 23 — 27. ; unter diesen ward die schoͤne Tafel von Hugo van der Goes in der Spitalkirche sta Maria nuova von allen florentinischen Ma- lern der anderen Haͤlfte des Jahrhundertes hinsichtlich der Beywerke nachgeahmt. Das Glasgefaͤß mit seinen Blumen, die Teppiche und reichen Zeuge, wie vornehmlich die schoͤnen Hintergruͤnde wurden von nun an und bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes, obwohl mit ungleichem Gelingen, in den meisten historischen Gemaͤlden dieser Schule angebracht. Man hat behaupten wollen, dieses Ergoͤtzen an schoͤnen Bey- werken habe, in Vereinigung mit jener aͤlteren Richtung auf Erforschung und Aneignung physiognomischer Feinheiten, die Florentiner jener Zeit von ernstlicher Durchdringung der Idee vorwaltender Kunstaufgaben abgezogen. secundus suscepit laetus, Judoci Vyd prece fretus. Versu sexta Mai vos collocat acta tueri. Die letzte Zeile enthaͤlt die Jahrszahl 1432. Gewiß ist die Wahrnehmung, daß die Florentiner der bezeichneten Epoche die mystisch, oder ethisch religioͤsen Vor- stellungen damaliger Kunstaufgaben meist ohne lebhaften An- theil, oder nur obenhin behandelt haben, an sich selbst ganz richtig; indeß verwechselt, wer dieses allgemeine Nachlassen der Begeisterung fuͤr Gegenstaͤnde der bezeichneten Art aus je- nem gleichzeitig uͤberhandnehmenden Naturalismus ableitet, das Symptom mit der Veranlassung. Ganz andere und all- gemeinere Veranlassungen liegen zur Hand; die Bewunderung classischer Gediegenheit hatte die Italiener jener Zeit gegen die minder scheinbaren, vielleicht unscheinbar gewordenen Vorzuͤge der christlichen Lebensansicht verblendet, in Vielen Gleichguͤl- tigkeit, in Einigen sogar Haß gegen die sittlich-religioͤse Rich- tung des Christenthumes hervorgerufen, wie Jedem bekannt ist, welcher in der Geschichte und Literatur jener Zeit ein we- nig sich umgesehn. Wie in den neuesten Zeiten, so war auch schon damals ein Theil der Gesinnungen und Ansichten der wissenschaftlich Gebildeten auf Solche uͤbergegangen, welche, gleich den Kuͤnstlern, sich mit jenen beruͤhrten. Daher denn erklaͤrt sich die Abkuͤhlung der Begeisterung fuͤr christliche Kunstaufgaben, welche in der That einer groͤßeren Verbrei- tung des Naturalismus nur etwa Raum gegeben hat, keines- weges diesem letzten gewichen ist. War es doch eben Ange- lico da Fiesole , welcher in physiognomischer Beziehung allen florentinischen Naturalisten vorgeleuchtet hat; fehlte doch die christlich und moͤnchische Begeisterung auch denen, und besonders eben denen, welche aus Traͤgheit, oder Unfaͤhigkeit in der Nach- ahmung des Einzelnen hinter ihren Zeitgenossen zuruͤckgeblie- ben sind! Uebergehen wir hier eine Reihe fruͤher, vielleicht noch un- bewußter Manieristen, denen Vasari eigene Lebensbeschreibun- gen gewidmet hat, den Andrea del Castagno , Dom. Vene- ziano und andere, welche gewisse, durch auswuͤchsiges und uͤberfließendes Einzelne uͤberladene Durchschnittscharaktere sich gebildet hatten; uͤbergehen wir selbst die bessere, obwohl we- nig ausgebildete Anlage eines Paolo Uccello , um unmittelbar zum Cosimo Roselli zu gelangen. Dieser war in seinem frischesten Lebensalter der Bahn nachgegangen, welche Ange- lico gebrochen, hatte selbst aus dem Beyspiele des Masaccio Vortheil gezogen; verließ aber nach einigen glaͤnzenden Pro- ben seiner Faͤhigkeit, den Charakter wirklicher Dinge sich an- zueignen, die eingeleitete Laufbahn, um sich einer unerweckli- chen und haͤßlichen Manier zu uͤberlassen. Sein Hauptwerk ist ein historisches Mauergemaͤlde von nicht unerheblichem Umfang in der Kappelle des s. Miracolo der florentinischen Pfarrkirche s. Ambruogio . Diese Arbeit ist mit den Worten: Cosimo Roselli f. l’an. 1456. bezeich- net; einer Aufschrift, welche ich noch vollstaͤndig gelesen, doch allmaͤhlich erloͤschen gesehn, da bey dem Abkehren des Stau- bes hie und da etwas von der auf trockenem Grunde aufge- tragenen Farbe von der Mauer abließ. Der Gegenstand ge- dachter Darstellung ist die Versetzung eines wunderthaͤtigen Kelches aus der Kirche s. Ambruogio , wo das Wunder sich ereignet hatte, nach dem bischoͤflichen Palaste. Die Aebtissin und Schwestern begleiten das Heiligthum bis an die Pforte vor welcher eine vortreffliche, hoͤchst malerisch aufgefaßte, Ra- phaels nicht unwuͤrdige Gruppe von Priestern und Chorknaben dasselbe knieend aus den Haͤnden des Bischofs empfaͤngt. Den offenen Platz vor der Kirche erfuͤllen Andaͤchtige und Neubegierige, deren einige dem Berichte anderer schon unter- richteter Personen mit sichtbarer Spannung der Aufmerksam- keit zuhorchen S. Richa , delle Chiese di Firenze To. II. p. 244. s., wo das Wunder umstaͤndlich erzaͤhlt und der Moment discutirt wird, den der Maler habe darstellen wollen. . In diesem Gemaͤlde hat Cosimo unstreitig seine saͤmmt- lichen Zeitgenossen im Geschmacke der Anordnung, in der Be- handlung der Gewaͤnder und aller Nebenwerke um Vieles uͤbertroffen, ohne denselben im Charakter und Ausdruck der Koͤpfe und Bewegungen irgend nachzustehn. Auch in einem anderen Gemaͤlde des Cosimo , dem Altare zur Linken des Ein- tretenden in der Kirche sta Maria Maddalena de’ Pazzi, wel- ches man zu Florenz seit dem Richa und laͤnger faͤlschlich dem Fiesole beygemessen, zeigt sich bey verdaͤchtigen Vorzeichen sich annaͤhernder Manier doch noch immer viel Schoͤnes. Die Madonna, deren Kroͤnung diese Tafel vorstellt, hat ein nicht unschoͤnes Profil, ihr Gewand einen loͤblichen Entwurf, einige andere Koͤpfe sind nicht ungluͤcklich individualisirt. In den Engeln hingegen und in den uͤbrigen mehr vernachlaͤssigten Koͤpfen erscheinen hier bereits jene verlaͤngerten, harten und unbelebten Nasen, an denen man die zahlreichen, aber verach- teten Arbeiten der spaͤteren Jahre des Cosimo bequem erken- nen kann. Eine solche findet sich in gedachter Kirche s. Ambruogio uͤber dem dritten Altare zur Linken des Eintretenden. In diesem, Madonna in einer Glorie regelmaͤßig abgetheilter Che- rubim, welche an die spaͤteren Glorien des Domenico Ghir- landajo gemahnen und mich zuerst darauf hingeleitet haben, diesen fuͤr einen Schuͤler des Cosimo zu halten; umher vier große Engel mit Lilienstengeln in den Haͤnden, oben Gott Vater; unten am Grunde s. Augustin und s. Franz , in einer sehr aͤrmlichen Landschaft. Sollte Vasari Vas. vita di Cosimo Rosselli — „nella sua giovinezza fece nella chiesa di Ambruogio etc.“ dieses Bild be- zeichnen, so ist es doch gewiß nicht ein Jugendwerk des Kuͤnst- lers, wie er angiebt. Im Jahre 1456. war derselbe, wie wir oben gesehn, einer der groͤßesten Maler seiner Zeit; also werden seine geringeren und schlechten Arbeiten in den florenti- nischen Kirchen und Sammlungen, deren einige in die ehmals solly’sche Sammlung kunsthistorischer Denkmale gelangt sind, nothwendig in spaͤteren Jahren beschafft worden seyn, wohin auch die zunehmende, obwohl rohe Fertigkeit der Handhabung zu verweisen scheint. Richa Richa , l. c. To. VIII. p. 108. — von der Aufnahme des Hl. Fil. Benizzi in den Orden der Serviten: „questo fatto fu de- lineato 1476. da Cosimo Rosselli pittore acanto alle finestre dell’ oratorio della stessa annunziata, come oggi si vede nel claustro primo.“ Auf einer Stufe der Kappelle, in welcher der Heilige knieet und betet, stehet in gelber Farbe geschrieben: Cosimo Ros- selli ; doch entdeckte ich kein Jahr. versichert, ich hoffe, aus guten kloͤsterlichen Quellen, das Halbrund, welches Cosimo im Vor- hofe der ss. Nunziata gemalt hat, sey im Jahre 1476., also etwa zwanzig Jahre nach der Lunette in s. Ambruogio gemalt worden. Ist diese Angabe richtig, so bestaͤtigt sie die ohnehin unumstoͤßliche Annahme, daß Cosimo mit den Jahren der Manier sich hingegeben und den Anfrischungen seines kuͤnstle- rischen Seyns durch entschlossene Hingebung in den Eindruck natuͤrlicher Erscheinungen und Bildungen mehr und mehr sich entzogen habe. Denn auch hier begegnen wir, etwa mit Aus- nahme der individuelleren Bildung des einen, bey Einkleidung des Heiligen sich buͤckenden Priesters, uͤberall seinen hoͤlzernen Nasen und langweiligen Durchschnittsbildungen. Auch in der sixtinischen Kappelle, wo er sicher sein Bestes versuchte, er- reichte er doch seine fruͤheren Leistungen auf keine Weise. Nach Vasari half ihm Piero di Cosimo bey dieser Arbeit, woher die abstechende Vorzuͤglichkeit manches Einzelnen viel- leicht zu erklaͤren ist. Er malte hier, den Durchzug durch das rothe Meer, die Predigt Christi und das Abendmahl; letztes ist wohl das Beste. Das Beyspiel dieses und anderer minder wichtigen Ma- ler bestaͤtiget, daß nach allgemeinem Erloͤschen der Begeiste- rung fuͤr die vorwaltenden Kunstaufgaben, der florentinischen Malerey, vor der Hand nur ein einziger Weg offen blieb, sich uͤber das Handwerksmaͤßige zu erheben; nehmlich ein froͤhli- ches (freylich nicht ein pedantisches) sich Hingeben in den Reiz der natuͤrlichen Erscheinungen. Gluͤcklicher Weise bot die Gegenwart ein schoͤnes und erfreuliches Volksleben, male- rische Bekleidungen, anziehende Charaktere, ein reizendes Land, eine wohleingerichtete und wohlbelegene Stadt; es ward da- her empfaͤnglichen Menschen nicht schwer, aus einer so guͤn- stigen Umgebung den mannichfaltigsten Gewinn zu ziehn. Dieses konnte dem schwachen Talente des Alessio Baldo- vinetti (den Vasari schon im Jahre 1448. doch sicher viel zu fruͤhe sein Leben beschließen laͤßt) wohl aus Unfaͤhigkeit, aber den schaͤtzbaren Bildnern, doch maͤßigen Malern, Andrea del Verocchio und Antonio del Pollajuolo wohl darum nicht so ganz gelingen: weil sie sichtlich nicht mit Lust und Feuer, sondern mit Bedacht und nur einseitig den Eindruͤcken der sie umgebenden Natur sich hingegeben. Es war den Bildnern, um sich auch malerisch zu entwickeln, noch viel zu viel um damals kaum halbverstandene Formen des Koͤrpers zu thun, wie der Hl. Sebastian des Pollajuolo in der Kappelle Pucci (Vorhof der florentinischen Servitenkirche) an den Tag legt, dessen Vasari mit uͤbertriebenem Lobe erwaͤhnt. Hingegen ge- lang dem Piero del Pollajuolo die Verkuͤndigte der Kappelle s. Jacopo in s. Miniato a Monte, welche nach Angabe des Vasari in Oel gemalt ist, gewiß einen eigenen Ueberzug erhalten hat, da sie einen den Mauergemaͤlden ungewoͤhnlichen, rauchigen Ton angenommen. Die Kappelle ward, nach der Inschrift im Bogen, den eilften October 1466. eingeweiht; wenn ihre Malereyen damals schon vollendet waren, so duͤrfte Piero die meisten Maler seiner Zeit in der Auffassung und Durchbil- dung der Formen uͤbertroffen haben. Uebrigens entbehrte er, gleich seinem Bruder und den uͤbrigen Voranbezeichneten so- wohl jener Mannichfaltigkeit malerischer Wahrnehmungen, welche der Schule des Cosimo anheim fiel, als andererseits auch jener Staͤrke im Ausdruck der Affecte, welche der sinnlich-leidenschaft- liche Fra Filippo auf seinen Schuͤler, den Sandro Botticelli , fortpflanzte. Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gehoͤrte Fra Filippo , den Vasari , obwohl ohne Andeutung seiner Ge- waͤhr, als einen regellos leidenschaftlichen, sinnlich berauschten Menschen schildert, unstreitig zu den bedeutenderen Malern der florentinischen Schule. In seinen Tafeln ist er nicht selten schwach, bisweilen derb und gemein, was nicht immer zur Zartheit seiner Aufgaben stimmt. Doch in seinen groͤßeren Frescomalereyen, wo der Gegenstand haͤufig Handlung und entschlossenes Wirken begehrte, erwachte seine Seele, war seine Derbheit unter allen Umstaͤnden mehr an ihrer Stelle. In der Chorkappelle des Domes zu Spoleto , worin die Geburt des Heilands, die Verkuͤndigung, der Tod und die Himmel- fahrt der Jungfrau, entsprach die Aufgabe nun allerdings sei- ner Sinnesart nicht so gaͤnzlich, weßhalb es weniger zu bekla- gen ist, daß diese ansehnlichen, gewiß sehr ruͤstigen Malereyen großentheils von einer rohen Hand uͤbermalt worden. In besserem Lichte erscheint er, wo die Aufgabe seiner Richtung und Sinnesart angemessen war, z. B. in der Chorkappelle der Pfarrkirche zu Prato , deren Malerey schon Vasari bewunderte. In der That ist in diesem Werke, Darstellungen aus der Ge- schichte des Hl. Stephanus und Johannes Bapt. , eine un- gewoͤhnliche Energie der Handlung und des Affectes; in der Begebenheit, welche Vasari die Disputa (das Verhoͤr?) nennt, begleitet diese Staͤrke eine edle Maͤßigung und schoͤne Anordnung. Demungeachtet werden wir die guͤnstige Stim- mung des Vasari schwerlich so gaͤnzlich theilen koͤnnen, da eben Solches, was er besonders hervorhebt (das sichtbare Streben den Raum mit mindestmoͤglicher Muͤhe auszufuͤllen, die Fertigkeit, welche hie und da an moderne Frechheit grenzt) nach den Erfahrungen der verflossenen Jahrhunderte, eher fuͤr die Vorbedeutung eines kuͤnftigen Verfalles, als einer der Kunst bevorstehenden Hoͤhe der Meisterschaft zu erachten ist. In derselben Kirche wird die Tafel mit dem Tode des Hl. Bernhard in gutem Stande bewahrt, deren wesentlichste Verdienste wiederum auf richtigen Ausdruck starker und maͤnn- licher Affecte begruͤndet sind. Andere schon von Vasari aus- gezeichnete Bilder, der, ceppo di S. Francesco di Marco , die Tafel aus sta Margherita, jetzt in der Wohnung des Kanzlers der Ortschaft, gehen in einzelnen Dingen uͤber seine gewoͤhnliche Leistung hinaus. In jenem, sehr verblichenen Tabernakel uͤbersteigt das Antlitz der Madonna seine uͤbliche nicht eben gefaͤllige Durchschnittsbildung; wahrscheinlich folgte er hier einem aͤlteren Typus. Auch in dem Gradino jener Tafel der Kirche s. Margherita, mit der Anbetung der Koͤ- nige, dem Kindermord, der Vorstellung im Tempel, zeigt sich ungleich mehr Feinheit, als man diesem Kuͤnstler zutrauen sollte, wenn man nur etwa die Staffeleygemaͤlde der florenti- nischen Sammlungen gesehn, deren einige in die mehrgedachte, ehmals solly’sche Sammlung uͤbergegangen sind. Eines sei- ner besten Staffeleygemaͤlde befindet sich zu Pistoja im Hause des Cavaliere Alessandro Bracciolini , dem Erben des Hau- ses und der Kappelle Bellucci, fuͤr welche dieses Bild nach Vasari , gemalt worden. Die Figuren sind naiv und nicht unschoͤn, das Bildniß des Stifters wuͤrde auch einem Zeitge- nossen Raphaels Ehre machen. Seiner Ungleichheiten ungeachtet, war Fra Filippo bis- weilen vortrefflich, unter allen Umstaͤnden seit dem Angelico unter den florentinischen Malern der erste, welcher gewagt, uͤber das sinnlich Vorliegende hinauszugehn und seiner eigen- thuͤmlichen Empfindung ihren Lauf zu lassen. Freylich grenzte diese nicht selten an das Gemeine; doch war es eben da- mals an der Zeit, den florentinischen, meist bey der Charak- teristik des Einzelnen verweilenden Malern, ein wesentliches Element des malerischen Ausdrucks, die Handlung und den Affect, in Erinnerung zu bringen. Indeß wirkte er, wie es geschieht, nicht auf Solche, welche in entgegengesetzter Richtung vorschritten, mithin einer gewissen Beymischung des eben nur ihm Eigenthuͤmlichen be- durft haͤtten, vielmehr einzig auf seine Schuͤler und spaͤteren Nachfolger, woher zu erklaͤren, daß der vorwaltende Natura- lismus der Florentiner sich nunmehr in zwey entgegengesetzte Richtungen ausspaltete. Handlung, Bewegung, Ausdruck hef- tiger und starker Affecte, ward das Erbtheil der Schule des Fra Filippo ; sinnliche Wahrscheinlichkeit und Richtigkeit in der Charakteristik des Einzelnen, das Ziel einer Schule, welche, wie ich glaube, von Cosimo Roselli ausgegangen ist, obwohl sie dessen spaͤtere Leistungen weit uͤbertroffen hat. Nach Angabe des Vasari (welcher in so neuen Dingen der florentinischen Schule voraussetzlich guten Nachrichten, oder doch glaubwuͤrdigen Traditionen gefolgt seyn wird) erlernte Sandro Botticelli die Anfangsgruͤnde der Malerey in der Schule des Fra Filippo . Gewiß verjuͤngte Sandro die Richtung und selbst die Sinnesart seines nahen Vorgaͤn- gers, den er im Leidenschaftlichen erreicht, und bisweilen uͤbertroffen hat. Unter den Mauergemaͤlden der sixtinischen Kappelle zu Rom , den groͤßesten, welche er jemals ausgefuͤhrt hat, ist die Geschichte des Moses, deren wichtigste Ereignisse in einem Bilde vereinigt sind, ein Meisterstuͤck lebendigen Ausdrucks aufwallender Affecte und unbesinnlichen Handelns. Der Gegenstand eines anderen Bildes zur Linken des Ein- tretenden (die Feuerstrafe der abtruͤnnigen Israeliten), auch des dritten (die Versuchung Christi) waren dem Talente, oder der eigenthuͤmlichen Richtung des Kuͤnstlers minder guͤnstig. Doch entwickelte er in den Nebenfiguren des letzten (Juͤng- linge und Maͤdchen, auf einer Bank im Vordergrunde) einen gluͤcklichen Sinn fuͤr Anmuth der Lage und Schoͤnheit des Charakters, welcher sonst nur in seinen seltenen, aber treffli- chen Bildnissen anzutreffen ist. In Florenz befinden sich viele Tafeln dieses Kuͤnstlers, welche das Verdienst der hier bezeichneten Gemaͤlde auf keine Weise erreichen: Madonnen unter Engeln, welche aus laͤssiger Nach- bil- bildung eines einzigen Modelles entstanden seyn moͤchten; auch mythologische Gegenstaͤnde, in denen dieselbe Gesichtsbildung wie- derkehrt. Diese ist weniger fleischig, als die derberen, rohe- ren Durchschnittsformen des Fra Filippo ; widert indeß unge- achtet des schoͤnen Schnittes der Augen, der feineren, nicht ungluͤck- lich angedeuteten Knochenbildung, theils schon durch ihre Wieder- kehrlichkeit, theils aber auch durch eine gewisse Gemeinheit der Form in den Backen und Kiefern. Vasari erzaͤhlt, daß er in spaͤteren Jahren die Kunst vernachlaͤssigt und dem Sectengeiste sich hingegeben habe, woher vielleicht das handwerksmaͤßige Ansehn solcher Arbeiten zu erklaͤren ist. In Ansehung ihrer fluͤchtigen und manierten Ausfuͤhrung halte ich auch die Tafel aus der Compagnia di S. Zanobi, mit zwey Darstellungen aus dem Lebensende des gedachten Heiligen, fuͤr eine spaͤtere Arbeit des Kuͤnstlers. Ich fand vor Jahren Gelegenheit, solche fuͤr einen Freund zu erstehen, aus dessen Hand sie, wie ich vernehme, in den Besitz eines feurigen Freundes und Be- foͤrderers der bildenden Kuͤnste, des Herrn von Quandt zu Dresden , gelangt ist. Dieses Gemaͤlde empfiehlt sich durch Staͤrke des Affectes und Entschiedenheit der Handlung, ist folg- lich besonders geeignet, die Eigenthuͤmlichkeit des Meisters de- nen zu vergegenwaͤrtigen, welche sich bescheiden muͤssen, solche aus einzelnen Probestuͤcken aufzufassen. Dasselbe Loos eines fruͤhen, unaufhaltsamen Ruͤckschrit- tes traf auch den Sohn des Fra Filippo , welcher auf seinen Arbeiten sich Filippinus de Florentia zu nennen pflegt. Die- ser Kuͤnstler hat nach Angabe des Vasari bey Sandro Botti- celli gelernt, wie wir ihm glauben duͤrfen, da Filippino in der Behandlung der Malerey a tempera der hellen und duͤnn- faͤrbigen Manier der Schule des Fra Filippo , nicht jener der- II. 18 beren und kraͤftigeren des Cosimo Roselli und Domenico Ghir- landajo gefolgt ist. Filippino besaß unstreitig mehr Geschmack und ein edle- res Naturell, als seine Vorgaͤnger, Sandro und Fra Filippo . Wo er seiner Fluͤchtigkeit nicht nachgegeben und mit Studium und Nachdenken gemalt hat, uͤbertraf er jeden seiner Zeitge- nossen vornehmlich in der allgemeineren Anordnung und in der Form seiner Koͤpfe. Wie seine schon beruͤhrten Arbeiten in der Kappelle Brancacci darlegen, versuchte er in seinen schoͤneren Jahren, dem Masaccio die Feyer und Einheit seiner Anordnung abzugewinnen; Die kleinen selten beachteten, doch gediegenen und beach- tenswerthen Halbrunde im Inneren des Kirchleins s. Martino, Co. de buonuomini, Darstellungen der Werke der Barmherzigkeit, duͤrf- ten von Filippino und leicht um etwas fruͤher gemalt seyn, als seine Ergaͤnzungen der Arbeit des Masaccio , weil sie, obwohl der Idee nach geringfuͤgiger, doch in der Ausfuͤhrung noch gruͤndlicher durchgebildet sind. — Ich durchsuchte vergebens das Archiv der Stiftung; es enthielt nichts, als die Buchfuͤhrung uͤber Einnahmen und milde Spenden; doch ergiebt sich die Wahrscheinlichkeit der angedeuteten Vermuthung aus der Vergleichung dieser Gemaͤlde mit jenen der Kappelle Brancacci. und in seinen besten Madon- nenkoͤpfen erreichte er eine Schoͤnheit des Profiles, welcher wenige unter den neueren Malern gleichgekommen sind. Ich bezeichne hier das vortreffliche Tabernakel naͤchst sta Marghe- rita zu Prato , dessen wunderbare Schoͤnheit vielen Kuͤnstlern und Kunstfreunden erinnerlich seyn wird, und so viel andere seiner mehr beendigten Madonnen, deren zarteste und lieblichste im Besitze einer der edelsten Goͤnnerinnen der Kunst, der Ge- mahlin des Staatsministers Freyherrn von Humboldt. Hingegen zeigte er in anderen Arbeiten, der Kappelle in der Minerva zu Rom , der Kappelle Strozzi in sta Maria no- vella zu Florenz , welche eines seiner spaͤteren Werke ist; in einigen Tafeln, welche man in der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz aufbewahrt, besonders der Anbetung der Koͤnige in der scuola toscana, welche dort irrig dem Dom. Ghirlan- dajo beygelegt wird; in der Tafel der koͤn. Gallerie zu Co- penhagen und in anderen haͤufigen Werken seines reiferen Al- ters, daß Geist und angeborener Schoͤnheitssinn denjenigen, welcher seiner Fertigkeit ganz sich hingiebt und den erfrischen- den Anregungen der Natur sich entzieht, doch nimmer gegen allmaͤhliche Erlahmung seiner hervorbringenden Kraͤfte, gegen unvermerkt sich eindraͤngende Ungestalt verwahren koͤnne. Denn man vermißt in diesen spaͤteren Bildern eben sowohl das Vermoͤgen einer geistreichen und voͤlligen Auffassung der Auf- gabe, worin eben Filippino in dem Hauptbilde der Kappelle Brancacci ( Peter und Paulus vor Nero ) den Zeitgenossen Raphaels den Weg gewiesen, als andererseits den feinen For- mensinn seiner besseren Madonnen. Das eine hat einem ver- worrenen Anhaͤufen nicht selten muͤssiger Figuren Raum ge- geben; das andere (doch mit Ausnahmen) einer widrigen Durchschnittsbildung, deren kurze Nasen mit aufgeblasenen Nuͤstern vielleicht aus einem spaͤten Wiederaufsteigen der Ein- druͤcke entstanden sind, welche die Gesichter des Sandro auf den Knaben und Juͤngling bewirkt haben moͤgen. In gewissem Sinne beschließt Filippino die Richtung und Schule, aus welcher seine Bildung hervorgegangen. Das Dra- matische in dem Bestreben seines Lehrers war in ihm nur voruͤbergehend fruchtbar geworden; denn fruͤhzeitig hatte er sich, zwar nicht, gleich der entgegengesetzten Schule, zur Auffassung mannichfaltiger Charaktere, doch auf ruhige Be- 18 * schauung des einen Charakters weiblicher und kindlicher An- muth eingeschraͤnkt. Sein Schuͤler Rafaellino del Garbo , welcher nach kurzer Jugendbluͤthe Gluͤck und Talent eingebuͤßt, neigte sich in seinen besten Tagen (z. B. in seinem Hauptbilde, im Kreuzschiffe der Kirche sto Spirito zu Florenz ) zur Auffassungs- art der umbrischen Schule, welche wir nachzuholen haben. Wie Filippino und Sandro , so hatte auch Cosimo Ro- selli , wie wir uns erinnern, eben nur in der Frische seines Kuͤnstlerlebens das Außerordentliche geleistet, hingegen fruͤhe alles ernstliche und freudige Studium aufgegeben und eine ganz handwerksmaͤßige Richtung angenommen. Indeß unter- schied er sich von jenen, wie fruͤher durch Eigenthuͤmlichkeit der Anlage und des Wollens, so in spaͤteren Jahren, theils durch ein entschiedneres Versiegen des Geistes, theils aber auch durch eine ihm ganz eigenthuͤmliche, derbe Behandlung der Malerey a tempera, welche, abgesehn von der Armseeligkeit dessen, welcher sie betrieb, an sich selbst ihre technischen Vor- zuͤge besitzen mochte. Diese verpflanzte er, voraussetzlich durch Schule, auf den Domenico Ghirlandajo , dessen Meister Va- sari nicht kannte, oder doch verschwieg; Vas. vit. d’ Alesso Baldovinetti , erwaͤhnt, daß dieser Kuͤnstler dem Domenico die Handgriffe der Musivmalerey gezeigt habe; was Neueren Veranlassung gegeben, ihn aus der Schule des Alessio abzuleiten. sicher malten Do- menico , seine Bruͤder und sein Schwager Bastiano Mainardi saͤmmtlich in der pastoseren, in den Schatten kraͤftigeren Ma- nier des Cosimo , welche sowohl von der Handhabung der Schule des Fra Filippo , als von der Malart der Schule des Verrocchio sich wesentlich unterscheidet, welche letzte wir gele- gentlich der Bildner dieser Zeit wieder aufnehmen wollen. Aber auch in der Auffassung der Gesichtsformen und in der Behandlung des Gefaͤltes verraͤth sich, besonders in den Ar- beiten der Bruͤder des Domenico , uͤberall, wo sie von ihrem sonst consequenten Naturalismus ein wenig nachlassen, ein ge- wisser Nachklang der Manieren des Cosimo , welcher nur aus der Nachwirkung von Jugendeindruͤcken zu erklaͤren ist. Gleich vielen anderen Maͤnnern von maͤßigem Geiste, doch treuem und ernstlichem Streben, bewaͤhrt auch Domenico Ghirlandajo , daß man durch Festigkeit und Ausdauer des Willens auf die Laͤnge glaͤnzendere Gaben uͤbertreffen und be- siegen koͤnne, wenn solche, wie es eintritt, mit Fluͤchtigkeit, oder Laͤssigkeit des Geistes verbunden sind. Sandro uͤberwog ihn von Haus aus durch Feuer und Lebendigkeit, Filippino durch Geschmack und die Faͤhigkeit, das Allgemeine in seinen Aufgaben aufzufassen. Demungeachtet unterlagen beide nach einer kurzen Jugendbluͤthe den Zerstreuungen, welche vielleicht eben ihre mehrseitige Empfaͤnglichkeit herbeyfuͤhrte. Dome- nico hingegen trat leise und fast schuͤchtern auf, ging in eini- gen unlaͤugbar steifen und wenig belebten Gemaͤlden mehr darauf aus, gute Arbeit zu liefern, als durch glaͤnzende Zuͤge des Genius zu uͤberraschen. Als er nun vielleicht eben durch sein redliches Streben gute Hoffnungen erweckte, und bald zu den groͤßesten Unternehmungen seiner Zeit berufen ward, ging er mit raschen Schritten vorwaͤrts, so daß von ihm gesagt werden kann, was nur selten gilt, daß seine Werke nach Maßgabe seines vorruͤckenden Lebensalters an Werth und Aus- bildung gewinnen. Gewiß gehoͤren seine Arbeiten in der Kirche und in dem Kloster Ognisanti zu den fruͤheren, obwohl schon in Ansehung ihrer hohen technischen Ausbildung schwerlich zu den fruͤhesten, wie Vasari , der etwas aͤlteren in der sixtinischen Kappelle vergessend, anzunehmen scheint. Der Heilige Hieronymus , welcher, als Vasari schrieb von der Wand abgenommen und an die Stelle naͤchst dem Chore versetzt worden, wo er noch immer zu suchen ist, zeigt auf dem Fichtenholze des Schreib- tisches die Jahreszahl MCCCCLXXX. In diesem Ge- maͤlde, welches zu den ausgebildetsten Stillleben gehoͤrt, welche ich je gesehn, strebte Domenico offenbar deutschen Mustern nach, die uͤberhaupt stark auf ihn eingewirkt und ihn ange- reizt haben, jenen vielseitigsten Wetteifer mit der Erscheinung der Dinge zu unternehmen, in welchem ihm das Außeror- dentliche gegluͤckt ist, durch welchen er die Technik besonders der Malerey a fresco zu einer, wie schon Vasari zugab, nie uͤbertroffenen Vollendung gebracht — ein Beyspiel fuͤr den Satz: daß die malerische Technik nicht durch Nachahmung vortrefflicher Kunstwerke, sondern eben nur durch Wetteifer mit der Erscheinung wirklicher Dinge entwickelt werde. — Doch sind in diesem Bilde, seiner Rundung ungeachtet, besonders im Fleische, gewisse kreidige Lichter, welche, wenn sie nicht etwa aus alten Wiederherstellungen zu erklaͤren sind, beweisen duͤrften, daß Ghirlandajo auch in ganz technischen Dingen da- mals noch nicht auf der Hoͤhe seiner Kunst war. Noch un- gleich mehr Unbehuͤlflichkeit verraͤth das Abendmahl im Re- fectorio des genannten Klosters, welches Domenico , wie die Zahl unter der Figur des Judas anzeigt, in demselben Jahre 1480. beendigt hat. Da ein so umfassendes Werk Zeit er- foderte, so wird anzunehmen seyn, daß solches fruͤher, als jener gluͤcklicher beendigte Hieronymus , gemalt und vielleicht schon in dem vorangehenden Jahre begonnen sey. In diesem Gemaͤlde hielt sich Domenico an die alte, aus Bildwerken entlehnte Anordnung der florentinischen Schule; doch rauscht eine leise, durch die bekanntesten Worte Christi veranlaßte Be- wegung uͤber die Versammlung hin, welche ein ganz erfreu- liches Formenspiel hervorruft. In der Mitte des Bildes be- findet sich ein Tragstein, welcher dem Gewoͤlbe der Decke zum Ansatze dient und in halber Hoͤhe zwey Halbrundungen her- vorbringt; diese benutzte der Kuͤnstler, den Hintergrund in zwey einwaͤrts laufende Gewoͤlbe abzutheilen, in deren Grunde zwey Fensteroͤffnungen, durch welche ein heiterer Himmel und trefflich behandelte Stechpalmen und Orangenbaͤume hervor- blicken. Die Charaktere der Apostel sind, obwohl wahr, doch etwas derb, im Judas indeß der Ausdruck der Verlegenheit, das unwillkuͤhrliche Erschlaffen der Zuͤge des Gesichtes ganz unuͤbertrefflich. Den Kopf des Heilands hat der Kuͤnstler ent- weder offengelassen, oder ihn verfehlt; denn der gegenwaͤrtig vorhandene ist von einem neueren Manieristen flach und ver- blasen hineingemalt worden. Obwohl nun die Beywerke hier durchhin mit einer selte- nen Meisterschaft behandelt sind, so blieb doch in wesentliche- ren Dingen dem Kuͤnstler gar Manches nachzuholen, vor- nehmlich in der Handhabung der Gestalt, in der freyen Be- wegung der Figuren, aber auch in der Mischung und in dem Auftrag der Lichter in den Fleischparthieen. Wie rasch unser Meister auch uͤber diese Schwierigkeit hinausgegangen sey, leh- ren seine Frescogemaͤlde in der Kappelle Sassetti der florenti- nischen Kirche sta Trinit à . Unter den Bildnissen der Stifter zu beiden Seiten des Altares liest man auf einer malerisch nachgeahmten Marmorflaͤche: A. D. M. CCCC. LXXXV. = XV. DECEMBRIS. , woraus erhellt, daß diese Arbeit etwa um fuͤnf Jahre neuer sey, als die oben beschriebenen. Die drey Seitenwaͤnde und die Decke der Kappelle sind hier durchaus und in verschiedenen Abtheilungen bemalt; in den Feldern des Kreuzgewoͤlbes Sibyllen, an den Waͤnden Wun- der und Ereignisse aus dem Leben und Hinscheiden des Hl. Franz . Diese letzten verdienen mehr Aufmerksamkeit, als jene laͤssiger behandelte Deckenverzierung. Zur Rechten des Eintretenden begegnet dem Blicke so- gleich der Tod des Hl. Franz , das Meisterstuͤck dieser Kap- pelle und, wenn ich nicht irre, uͤberhaupt das gelungenste hi- storische Bild des Ghirlandajo . Den Hauptentwurf ent- lehnte der Kuͤnstler allerdings aus aͤlteren Darstellungen die- ses Momentes, welcher in der Malerey des neueren Mittel- alters haͤufig wiederkehrt und daher fruͤhe einen bestimmten Aufdruck empfangen hat. Doch in der Ausbildung der leich- ten Andeutungen jener aͤlteren Kunstgebilde zeigte er, wie man es auf vorgeruͤckten Kunststufen mit Solchem zu halten habe, welches in Bezug auf Anordnung und Auffassung wenig, in Bezug auf Ausfuͤhrung Alles zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Denn, obwohl er sich strenge an den herkoͤmmlichen Entwurf hielt, in einzelnen Figuren sogar gewisse Erweiterungen der Mund- winkel beybehielt, welche den aͤlteren Malern behuͤlflich waren, Staͤrke des Affectes auszudruͤcken; so verglich er doch jeden einzelnen Theil mit den Erscheinungen des wirklichen Lebens, ließ keine der Eigenthuͤmlichkeiten des moͤnchischen, keinen der kirchlichen Gebraͤuche unbeachtet, nutzte die naive Unbehuͤlflich- keit jugendlicher Novizen, die Lichtspiele der Kerzen, die In- tension des Ausdruckes in den Koͤpfen aͤlterer Moͤnche, die breiten Faltenmassen der malerischen Bekleidung der Soͤhne des Hl. Franz und Alles, was der Gegenstand nur immer herbeyfuͤhrte, oder zuließ, seine Darstellung so anziehend und befriedigend zu machen, als die Umstaͤnde nur gestatteten. Diese so wohlgelungene und, in Bezug auf ihren Gegenstand, unuͤbertroffene Darstellung ist die einzige, in welcher Domenico die Charakteristik des einzelnen Seyns den Foderungen seiner Aufgabe untergeordnet hat. Selbst in solchen Bildern dersel- ben Kappelle, deren Aufgabe (wie jenes Wunder uͤber dem Altare) die Aufforderung einschloß, die Handlung hervorzuhe- ben, kehrte er zu seiner uͤblichen Ruhe und Stille zuruͤck. Indeß sollte Domenico in der Darstellung wirklichen Seyns, in dem Reize der malerischen Behandlung eine noch hoͤhere Stufe erreichen, wie die Chorkappelle in sta Maria novella, zu Florenz , bezeugt, welche nicht, wie Vasari und nach ihm Baldinucci mit gewohnter Fluͤchtigkeit angiebt, im Jahre 1485., sondern wieder um fuͤnf Jahre spaͤter gemalt worden, als jene andere Kappelle. Denn in einem dieser Ge- maͤlde ist folgende Aufschrift angebracht: A. D. M CCCC LXXXX QVO PVLCHERRIMA CIVITAS OPIBVS VICTORIIS ARTIBVS AEDI- FICIISQVE NOBILIS COPIA SALVBRITATE PACE PERFRVEBATVR. Allerdings ist die vorletzte Ziffer der Jahreszahl etwas ver- letzt; doch liest man sie in der Naͤhe vollkommen, wie man denn auch von unten her wenigstens den ihr zukommenden Raum ganz deutlich wahrnimmt; zudem findet sie sich in einer sehr alten Copie der betreffenden Gemaͤlde in der Sa- cristey der Kirche; obwohl der neueste Commentator des Va- sari in seiner Schlußbemerkung zum Leben des Domenico Ghir- landajo behauptet, daß Vasari’s Angabe nach eben jener Co- pie in: 1480. zu berichtigen sey, was indeß ein Schreib- oder Druckfehler seyn koͤnnte, da er an dieser Stelle sich roͤmischer Ziffern bedient, deren letzte vielleicht nur zufaͤllig ausgelassen worden. Jene Inschrift ist indeß nicht bloß der Zeitbestimmung willen wichtig, vielmehr besonders, weil sie uns jenes Voll- gefuͤhl buͤrgerlicher Groͤße und Wohlfarth beurkundet, welches so wesentlich mitgewuͤrkt, die florentinische Malerey der Epoche, welche uns beschaͤftigt, auf Beobachtung und Nachbildung des Umgebenden und Gegenwaͤrtigen hinzuleiten. Sie lehrt, daß auch der Patriotismus, also nicht einzig jenes, der aufstreben- den Kunst stets eigenthuͤmliche, Verlangen nach allseitiger Durchdringung der Form und Erscheinung, die Maler jener Zeit veranlaßte in ihren umfassenderen Arbeiten die Vorgruͤnde durch Bildnißfiguren, die Hintergruͤnde durch staͤdtische Ansich- ten zu schmuͤcken. Man malte an solchen Stellen die Bild- nisse großer Staatsmaͤnner, Gelehrten, Kuͤnstler, auch anderer Menschen, welche durch Witz, Laune und selbst durch ihre Thorheit zu einer gewissen Gunst gelangt waren; man schil- derte das haͤusliche und buͤrgerliche Leben seiner Zeit, den all- maͤhligen Fortgang der Verschoͤnerungen seiner Stadt und stif- tete gelegentlich einer ziemlich kuͤhlen Abfindung mit den be- stehenden Gebraͤuchen der Kirche, sich selbst ein Gedaͤchtniß ganz neuer und gewiß nicht so ganz verwerflicher Art. — Nachdem nun einmal bey den Florentinern die Religiositaͤt der Gesinnung aus der herrschenden Kirche entflohen war und dem Sectengeiste (Savonarola) sich zugewendet hatte, war es sicher nur ein Gewinn, daß bey den malerischen Unterneh- mungen jener Zeit eine neue Begeisterung (die buͤrgerliche) die eingetretene Luͤcke erfuͤllte. Die Malereyen der Chorkappelle in sta Maria novella erheben den selbststaͤndigen Werth eben dieser Begeisterung, deren Entstehung wir schon bey Benozzo und in den Jugend- werken des Cosimo und Filippino , wahrgenommen haben, uͤber alle vorkommende Zweifel. Freylich werden wir beym Anblick dieser merkwuͤrdigen Arbeiten ausrufen muͤssen: wohl der Zeit, in deren Sitten so viel Unbefangenheit und Guͤte lag; wohl dem Orte, dessen haͤuslichen und staͤdtischen Ein- richtungen so viel Schoͤnheit beywohnte, in welchem Putz, Bekleidung und uͤbliches sich Stellen und Gehaben so viel malerischen Reiz besaß. Doch, wuͤrden die Kuͤnstler sich jemals haben fuͤr eine Gegenwart begeistern koͤnnen, welche nicht, gleich jener, ihre Bildung großentheils den kuͤnstlerischen Be- strebungen der vorangegangenen Zeit verdankte? Und, wenn wir annehmen duͤrften, daß eben jene, dem hoͤheren Mittel- alter fremde Milde und Maͤßigung der Sitte zum Theil durch den taͤglichen Eindruck guter Kunstwerke hervorgebracht wor- den, so wuͤrden wir der Kunst nicht eben vorzuwerfen haben, daß sie die Sitte, welche aus ihren Anregungen sich hervor- gebildet, mit Lust gesehen und wiederabgespiegelt hat. Die Malereyen, welche diese Abschweifung veranlaßten, erfuͤllen drey hohe und raͤumige Mauern, deren jede eine an- dere Geschichte umfasset. An der etwas dunkelen Fensterseite sind Ereignisse aus dem Leben der Hll. Domenico und Pietro Martire angebracht; in der Naͤhe besehen, sind diese Darstel- lungen lebendig und voll Handlung. Zur Rechten in vielen Abtheilungen, die herkoͤmmlichen Darstellungen aus dem Leben Johannes des Taͤufers, zur Linken aber das Leben der Ma- donna. Unter den Abtheilungen der letztbezeichneten Wand bildet die Geburt der Jungfrau ein besonders wohl vereinig- tes Ganze, zugleich eine der anziehendsten Darstellungen des haͤuslichen Lebens damaliger Florentiner. Das Gemach ist ringsum mit wohlvergliedertem Holzwerke bekleidet; dieses giebt bis zum Getaͤfel der Decke einem Friise Raum, welcher den Genien des Donatello unter der einen Orgel des Domes frey nachgebildet ist. Die Woͤchnerin liegt laͤngs der Fensterwand in einem Halbdunkel, da das Licht durch die hochbelegenen klei- nen Fenster uͤber sie hin auf eine Gruppe in das Gemach ein- tretender Weiber faͤllt, welche nach bekannten Schoͤnheiten der Stadt gemalt und gar sittig und wohl geschmuͤckt sind. Die- sem Bilde gegenuͤber, dessen geschlossene Lichtwirkung unuͤber- trefflich gelungen ist, muß man dem Vasari beypflichten, wo er rundhin erklaͤrt, daß Niemand in der Handhabung der Malerey a fresco dem Domenico Ghirlandajo gleichgekom- men sey. Bewundernswuͤrdig modelliren und verschmelzen sich hier die Lichter und Reflexe mit den nahen Halbtoͤnen; un- vergleichlich hielt der Meister hier in den hohen und vollen Lichtern den Localton fest, was diese spaͤteren von seinen fruͤ- heren Arbeiten unterscheidet, in denen, wie wir uns erinnern, die Lichter, obwohl an ihrer Stelle, doch kalt und kreidig an- gedeutet sind. Das bezeichnete Mauergemaͤlde enthaͤlt auch eine urkund- liche Merkwuͤrdigkeit, einige Namen, welche sich auf den Kuͤnst- ler zu beziehen scheinen. Denn in ungleicher Hoͤhe und auf ganz verschiedenen Fuͤllungen jener Wandbekleidung liest man: BIGHORDI. = GRILLANDAI. Der roͤmische Heraus- geber des Vasari , welcher seinerseits so viel beygetragen hat, das schoͤne, nur urkundlicher Berichtigungen beduͤrftige Buch durch Unausgemachtes, Halbwahres und Falsches zu uͤberhaͤu- fen, meldet hingegen, daß man auf diesem Bilde Domenico Bigordi lese, worin er dem Ansehn nach dem Baldinucci ge- folgt ist, welcher unseren Domenico , von Tommaso di Cur- rado di Gordi ableitet; Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena libro E. 8. Delib. p. 12. a. t. und s. p. 13. — Anno Dni MCCCCLXXXXIII. Ind. XI. die XXIV. Aprilis — operarius ecclesie catthedralis civit. Se- narum — — locavit Magistro Davit Thomasi Corradoffi de Florentia magro Mosaici etc. Es ist offenbar von dem Davide die Rede, welcher, nach Vasari , des Domenico Bruder war. was ich dahingestellt seyn lasse, da Baldinucci kein zuverlaͤssiger Zeuge ist. Die vormals zahlreichen Altartafeln unseres Malers sind in den neueren Zeiten durch Vernachlaͤssigung und Verstreuung seltener geworden. Die Vorseite des Hauptaltares der Kirche sta Maria novella ist mit einigen Seitenstuͤcken in die koͤn. Gallerie zu Muͤnchen gelangt; zwey andere Seitenstuͤcke, so wie die Ruͤckseite, letzte, nach Angabe des Vasari , Arbeit seiner minder begabten Bruͤder David und Benedetto , in den Besitz S. M. des Koͤniges von Preußen . Das ehemalige Altarge- maͤlde der abgetragenen Kirche s. Giusto gelangte in die kleine Kirche s. Giovannino detta la Calza, zu Florenz , am roͤmischen Thore. Ein drittes Altargemaͤlde, die Anbetung der Koͤnige, befindet sich noch immer, obwohl stark gereinigt und erneut in der Kirche des Findelhauses, Orbatelli, zu Florenz . Dieses moͤchte vor seiner Wiederherstellung das vorzuͤglichste gewesen seyn, da sein Gegenstand dem Talente des Domenico mehr entspricht, als jene damals fuͤr Altargemaͤlde hergebrachten Heiligenversammlungen. Sein derber und klarer Sinn fuͤr das Wirkliche vermochte nicht, sich der Zartheit der neuchrist- lichen Idee der Madonna so ganz, wie es begehrt wird, an- zuschmiegen; seine Jungfrau, seine Heiligen sind daher, wohl gutartig und freundlich, erreichen indeß was den Ausdruck ihrer Idee betrifft, nicht einmal die Arbeiten seines Zeitgenos- sen Peter von Perugia . Selbst, was im Ghirlandajo Ma- nier ist, eine gewisse Derbheit in den fleischigen und knorpeli- gen Gesichtsformen, widerstrebte jenem Ausdruck, den wir ge- neigt sind, in christlichen Heiligen vorauszusetzen. Doch gelang es einem Maler seiner Schule, dem Ba- stiano Mainardi von san Gimignano , dem er, wie Vasari berichtet, seine Schwester zur Ehe gegeben, die Manier und den Naturalismus des Ghirlandajo mit einer zarteren Auffas- sung des Charakters christlicher Heiligung zu verschmelzen; wenn anders die Malereyen in der Kappelle der beata Fina der Pfarrkirche des Staͤdtchens s. Gimignano von seiner Hand sind Vasari vita di Dom. Ghirlandajo Ed. c. p. 464. Stette seco — a imparare Bastiano Mainardi da s. Gim. il quale in fresco era divenuto molto pratico maestro; — per il che andando con Dome- nico a. s. Gimignano dipinsero in compagnia la cappella di s. Fina, la quale é cosa bella. — , woruͤber das Archiv der Kirche vielleicht einmal Auf- schluß geben wird. Daß Bastiano in diesem Orte zu Hause war, vermehrt die Wahrscheinlichkeit seines Antheils an jener Arbeit, welche unter allen Umstaͤnden die bekannteren Male- reyen des Domenico hinsichtlich der Zierlichkeit ihrer beseelten Gesichtsbildungen weit uͤbertreffen, der Rundung und des Auf- trages ihnen nachstehn. Gegenuͤber, in der Kappelle des Hl. Johannes Baptista , giebt es eine Tafel von geringerem Ver- dienste, doch aͤhnlicher Manier, deren Aufschrift: hoc opus fieri fecit Juliana quondam Martini Cetii de sco Ge- miniano MCCCC.LXXXII.; wahrscheinlich ward jene Kap- pelle um dieselbe Zeit gemalt, was die Vermuthung abschnei- det, daß solche ein zarteres Jugendwerk des Domenico sey, dessen Eigenthuͤmlichkeit, wie wir oben gesehn, schon im Jahre 1480. sich vollstaͤndig ausgesprochen hatte. Herr Johann Metzger zu Florenz , dessen Verdienste als Kupferstecher und ausgezeichneter Kenner und Wiederherstel- ler alter Gemaͤlde bereits erwaͤhnt worden, besaß vor Jahren eine Folge kleiner Gemaͤlde mit Darstellungen aus der Legende der Hll. Erzengel, wahrscheinlich vormals die Staffel des er- waͤhnten Altarbildes der Kirche s. Giovannino detta la Calza, in denen jene Feinheit der Bildung sich wiederholte, welche ich dem Bastiano beyzumessen geneigt bin, ohne deßhalb der Entscheidung vorzugreifen, welche voraussetzlich nach urkundli- chen Gruͤnden geschehen muß. Domenico Ghirlandajo , dessen Schule ich nicht weiter verfolge, da Granaccio und Ridolfo Ghirlandaj bereits von einer neuen und entgegengesetzten Richtung fortgerissen wurden, starb, nach einer Angabe des Vasari , welche hier schon Glau- ben verdient, im Jahre 1493. uͤberlebte also sein groͤßestes Werk nur um wenig Jahre. Indeß haͤtte ich nunmehr, be- vor wir uns nach Perugia und den nahebelegenen umbrischen Staͤdten zuruͤckwenden, eine dritte Verzweigung der florentini- schen Malerschulen nachzuholen, welche mit jenen anderen we- nig zu schaffen hat, da sie unmittelbar aus den Bestrebungen der Bildner hervorgegangen ist. Diese hatten wir gegen die Mitte des Jahrhundertes und an der Stelle verlassen, wo, nach dem Vorgange des Ghiberti und Donato , Luca della Robbia , das entschiedenste Bildnertalent der neueren Kunstgeschichte, seine Laufbahn be- ginnt; dessen treffliche Arbeiten in Marmor und Erz zufaͤllig, meist an dunkelen und ungelegenen Orten aufgestellt und da- her vielleicht im Ganzen weniger gewuͤrdigt worden sind, als sie verdienen. Seine kuͤnstlerische Laufbahn ist mit dem Gange der in- neren Verschoͤnerungen des florentinischen Domes eng verbun- den, daher die Hauptquelle seiner Kuͤnstlergeschichte ein altes Buch des Archives der Domverwaltung, in welchem waͤhrend der Jahre 1438. bis 1475. alle, oder doch alle wichtigeren Auftraͤge und Verbindlichkeiten aufgezeichnet wurden, welche diese Behoͤrde dazumal mit Kuͤnstlern eingegangen ist. Gluͤck- liche Zeiten, in welchen solche Verhaͤltnisse sich in dem Maße haͤuften, daß man ihnen eigene und abgesonderte Buͤcher er- oͤffnen mußte! Eine solche Pflege — entgegenkommendes Vertrauen, unausgesetzte Anfoderungen an das Talent, Nach- sicht mit den Launen des Genius, unerbittliche Hintansetzung unheilbarer Unfaͤhigkeit — mußte die Kunst so rasch und un- aufhaltsam der Hoͤhe entgegenfuͤhren, welche sie zu Anfang des sechzehnten Jahrhundertes erreicht hat Osservat. Fior. VI. p. 86. giebt aus einem Buche des Ar- chivs der, Riform. di Firenze , folgenden oͤffentlichen Beschluß: Sa- pendosi quanto importi, dar cuore a chi operando con industria per mero parto d’intelletto cerca a lasciar di se onoratissimo nome e fama alla patria per mezzo di fatture rare, di vuole, che larga mente se ne ricompensin quelli che già sono stati eletti a far pompa del loro talento e sapere, intorno alle statue d’Orsan- michele. . Eine seiner schoͤnsten Arbeiten fuͤr jenes Gebaͤude, die Fuͤllungen inmitten der Tragsteine unter der Orgel zur Linken der mittleren Hauptkappelle, duͤrfte er vor dem Jahre 1438. uͤbernommen haben, da dieses großen und wichtigen Werkes in gedachtem Buche eben so wenig erwaͤhnt wird, als der Genien Genien des Donatello unter der Orgel zur Rechten. Vasari machte der Arbeit des Luca della Robbia den Vorwurf, daß sie in ihrer hohen Stellung verschwinde, weil sie mit zu gro- ßem Fleiße beendigt sey, lobt hingegen die gegenuͤberstehende des Donatello . Vasari verfiel an dieser Stelle sowohl theo- retisch, als besonders historisch in einen unumgaͤnglich aufzu- klaͤrenden Irrthum. Luca mochte Proben angestellt und wahr- genommen haben, daß seine Arbeit in so großer Hoͤhe dem Blicke verloren gehe. Denn es sind nur die beiden Stuͤcke mit den Saͤngern so zierlich ausgefuͤhrt, als Vasari angiebt; hingegen die Posaunenblaͤser und tanzenden Knaben und Maͤd- chen in den vier breiteren Stuͤcken, zwar in gleichem Ge- schmacke und mit großem Geiste entworfen, doch kaum aus dem Groben hervorgearbeitet. Es lag demnach an der Dun- kelheit des Ortes ihrer Aufstellung, daß sie nicht zu sehen wa- ren. Entfernt stehende Bildnereyen fodern vor Allem scharfe Beleuchtung und diese waͤre dem Hochrelief unseres Luca guͤn- stiger gewesen, als den flachen Verkruͤppelungen des Donato , dessen Behandlung des Rilievo allerdings sehr wunderlich, doch keinesweges so lobenswerth ist, als Vasari glaubte, oder an- zunehmen vorgiebt. In neueren Zeiten hat man von beiden Orgeln einen Theil dieser Fuͤllungen abgenommen und in ei- nem Gemache der Domverwaltung aufgestellt, wo sie aller- dings naͤher vor Augen lagen, doch ebenfalls schlecht beleuch- tet waren; sie befinden sich gegenwaͤrtig mit anderen bildneri- schen Denkmalen desselben Gebaͤudes in der oͤffentlichen Gal- lerie der Uffizj, da vor einiger Zeit zur Sprache gekommen war, die dortige Sammlung bildnerischer Merkwuͤrdigkeiten mittler und neuerer Zeiten zu vervollstaͤndigen. Der unguͤnstigen Beleuchtung ungeachtet fiel das eine II. 19 der gedachten Bildwerke, (Chorsaͤnger in kurzer, aufgeschuͤrzter Tunica mit unbedeckten Fuͤßen) dem trefflichen Kenner grie- chischer Alterthuͤmer, Freyherrn von Stakelberg , als ich ihn vor Jahren an die Stelle begleitete, alsobald als ein Meister- stuͤck in die Augen, dem er nach laͤngerer Betrachtung das Lob ertheilte, in der Behandlung des Hochreliefs (im Style) Alles zu uͤbertreffen, was er im Verlaufe seines der Kunst gewidmeten Lebens an modernen Bildnerarbeiten gesehn. Al- lein, auch von der gluͤcklichen Anordnung und von der kunst- reichen Hoͤhlung der vorstehenden Figuren abgesehn, besitzt die- ses Werk den Vorzug eines unbefangenen, bequemen Gesche- hens, der allerdings den Kunstwerken jener Zeit nur selten zu fehlen pflegt. Uebrigens laͤßt sich einwenden, daß der Kuͤnst- ler die Profile der Koͤpfe etwas scharfkantig gehalten, was wahrscheinlich der Wirkung und groͤßeren Deutlichkeit willen geschehen ist, da seine uͤbrigen Arbeiten darlegen, daß er hie- rin nicht etwa von einer angenommenen Gewoͤhnung sich hin- reißen lassen. Auf diese Arbeit duͤrfte, nach oben ausgefuͤhrten Gruͤn- den, eine kaum zu Haͤlfte vollendete Altarbekleidung von Mar- mor folgen, welche ich in dem Wachsbehaͤltniß des Domes entdeckte, wohin ich dem Sacristan zufaͤllig gefolgt war. Sie wurde bald darauf hervorgezogen und ist gegenwaͤrtig nebst den Ueberresten eines Grabmales von Benedetto da Rovezzano , zu- gleich mit obigen Orgelverzierungen, in die oͤffentliche Gallerie gelangt. Ich erlebte die Befriedigung meines Kennergefuͤhles, die Vermuthung, sie moͤgen unvollendete Arbeiten des Luca seyn, wenige Wochen nach ihrer Entdeckung durch eine Ur- kunde bestaͤtiget zu sehn, welche ich beylege S. Belege, IV. 1. . In dem einen dieser beiden Seitenstuͤcke des beabsichte- ten Antimensii (das Mittelstuͤck fehlt) hat Luca die Befrey- ung Petri aus dem Kerker dargestellt, in zwey Handlungen, deren eine, die Erscheinung des Engels im Kerker, flach ge- halten ist, die andere, Petrus mit dem Engel schon außerhalb des Kerkers und besorglich auf die schlafenden Waͤchter zuruͤck- blickend, stark hervorsteht. Das zweyte enthaͤlt die Kreuzigung Petri , worin der Heilige nach uraltem, etwas steifen Entwurfe dargestellt, das Ganze indeß durch gewandten Gebrauch der Stellungen der Schergen und einiger Soldaten wohlgefaͤllig belebt ist. War es nun Abneigung gegen den Gegenstand, welcher seiner Sinnesart, bey so lebhaftem Gefuͤhl fuͤr jugendliche Anmuth, als er in jenen Saͤngern und Taͤnzerinnen dargelegt hatte, nicht ganz behagen mochte; oder nur Ueberdruß an den technischen Schwierigkeiten des Meißels, denen man erst in den neuesten Zeiten ganz beygekommen; so ist doch so viel gewiß, daß unser Kuͤnstler spaͤterhin sowohl diese Arbeit, aus dem Stillschweigen jenes Buches zu urtheilen, mit Genehmi- gung der Domverwaltung aufgegeben, als auch uͤberhaupt von Ausfuͤhrungen in Marmor sich zuruͤckgezogen hat. Er wen- dete sich schon damals (wenn dem Vasari hier zu trauen ist, des leichteren und schnelleren Gewinnens willen) zu jenen halberhobenen Werken in gebrannter und schoͤn uͤberglaseter Erde, welche dem Ansehn nach von ihm selbst erfunden, oder doch ausgebildet worden. Gewiß entdeckte ich nirgend aͤltere Arbeiten dieser Art; wohingegen eine Verstiftung des mehr- gedachten Buches S. Belege. IV. 2. außer Zweifel setzt, daß er diesen Stoff 19 * schon im October des Jahres 1446. gaͤnzlich bemeisterte. In dieser Urkunde nemlich uͤbernimmt Luca die Ausfuͤhrung ei- nes der ausgedehntesten unter den vorhandenen Werken die- ser Kunstart, der Himmelfahrt Christi uͤber dem Thore der Sacristey des Domes. Indeß war zu Anfang desselben Jahres 1446. Bel. IV. 3. zur Sprache gekommen, daß Donato , welcher, wie wir uns erin- nern mit Guͤssen nicht hinlaͤnglich umzugehn wußte, die seit dem Jahre 1417. uͤbernommene Verpflichtung, die Thore der gedoppelten Sacristey des Domes in Erz zu gießen, bis da- hin nicht erfuͤllt habe; weßhalb man ihm das eine dieser Thore entzog und solches dem Luca della Robbia in Gemein- schaft mit Michelozzo di Bartolomeo und Maso di Bartolom- meo uͤbertrug. Auch diese Arbeit ging nur langsam vorwaͤrts; denn erst im Jahre 1461. ward, mit Genehmigung des Luca und Michelozzo ( Maso war bereits gestorben) die Zusammen- setzung, Reinigung und Nachbesserung der beiden bis dahin vollendeten Seiten einem wenig bekannten Giovanni di Bar- tolommeo uͤbergeben S. Belege IV. 4. . Als darauf im Jahre 1464. Au- gust 20., diese Arbeit bereits beendigt, doch an der inneren Seite der Thorfluͤgel noch gar nichts geschehen, Maso todt und Michelozzo abwesend war, verstiftete die Domverwaltung die noch uͤbrige Arbeit, nemlich die Ruͤckseite, dem Luca al- lein Belege IV. 5. . Aus der schoͤnen Arbeit an dieser Ruͤckseite werden wir auf Solches schließen muͤssen, was an der Vorseite des Tho- res unserem Meister beyzumessen sey, welcher nicht, wie man seit Vasari wiederholt, die ganze Thuͤre, sondern, wie beyge- legte Verhandlungen zeigen, daran nur einzelne Theile ge- macht haben konnte. In der That entsprechen die Koͤpfe, welche abwechselnd, charakteristisch und schoͤn sind, dem Talent und der Manier des Luca bey weitem mehr, als die Figuren in den Fuͤllungen, welche, da sie von besserem Style, aber einfacher behandelt sind, als die Bildnerarbeiten des Miche- lozzo , dem sonst unbekannten Bildner Maso di Bartolommeo zufallen duͤrften. Den Michelozzo , dem man mittlerweile eine andere ganz handwerksmaͤßige Bronzearbeit verstiftete S. Belege III. ! moͤchte man nur des Gusses willen hinzugezogen haben, dessen Luca ge- wiß nicht sehr maͤchtig war, da die Reinigung und Loͤthung des Werkes mit seiner Genehmigung einem dritten, dem Giovanni di Bartolommeo uͤbertragen ward. Diese Umstaͤnde waren dem Vasari saͤmmtlich entgangen, weßhalb er sich fuͤr aufgefordert hielt, die reinliche Beendigung dieses Werkes, deren Verdienst er faͤlschlich dem Luca beymaß, aus dessen angenommener Vor- schule bey einem Goldarbeiter zu erklaͤren Vasari , vita dì Luca d. R. (Ed. c. p. 264.) — E tutto questo lavoro é tanto pulito e netto, che é una maraviglia e fa co- noscere, che molto giovò a Luca essere stato orefice . — Der Goldschmidt, bey dem Luca gelernt haben soll, heißt: Lio- nardo di Ser Giovanni . , welcher vielleicht einmal der Zeit nach mit der Jugend des Luca zusammenfaͤllt, deren wahrer Zeitpunct dem Vasari , wie schon erinnert wor- den, ebenfalls unbekannt war. Da Vasari uͤberhaupt von unserem Kuͤnstler wenig sichere und begruͤndete Kunde besaß, so moͤchte es nicht so ganz aus- gemacht seyn, ob einige halberhobene Arbeiken von maͤßiger Guͤte am Fußgestelle des Thurmes der florentinischen Dom- kirche wirklich dessen Jugendarbeiten sind, wie jener Schrift- steller behauptet. Vielleicht gehoͤren sie dem Maso di Barto- lommeo , da sie in manchen Dingen mehr mit den Fuͤllungen an der Vorseite des Thores der Sacristey, als mit den be- kannteren Arbeiten des della Robbia uͤbereinzustimmen scheinen. Indeß hatte Luca , wie ich schon angedeutet habe, fruͤhe von der Bearbeitung des Marmors und Erzes sich zu jenen eigenthuͤmlichen Arbeiten in Erde gewendet, welche in Tos- cana , wo sie haͤufig vorkommen, den generellen Namen: terre della Robbia, erhalten haben. An den Thuͤrstuͤcken der bei- den Sacristeygemaͤcher des florentinischen Domes besitzen wir Probestuͤcke der Art, wie Luca solche Erden selbst behandelte; indeß duͤrfte es schwer seyn, von dem Charakter dieser beiden nicht ausgezeichneten Arbeiten auf Solches zu schließen, so un- ter den vorkommenden gebrannten und verglaseten Erden das Werk seiner Haͤnde sey, da der Schmelz unumgaͤnglich den Aufdruck der Originalitaͤt verwischen mußte. Der Erfindung nach moͤchten die schoͤnen Runde mit einzelnen allegorischen Figuren im Hofe der Villa der beruͤhmten Saͤngerin Catalani (sonst Panciatici auf dem Wege nach Bologna , etwa eine Miglie von dem florentinischen Thore s. Gallo) unserem Luca angehoͤren, da sie lebhaft an die hocherhobenen Arbeiten un- ter der Orgel erinnern. Andere gebrannte Erden Nach Vasari machte er selbst die Madonna mit einigen Engeln uͤber der Thuͤre von s. Piero Buonconsiglio, am alten Markte zu Florenz . Ich glaube, daß er richtig gesehn, weil Auf- fassung und Behandlung den Arbeiten des Luca und uͤberhaupt der aͤlteren, schlankeren Manier verwandt ist. Im palazzo vecchio, naͤhern sich seiner Weise mehr und minder. Ich erinnere hier, daß man in Florenz dafuͤr haͤlt, daß Luca in solchen Kunstarbei- ten keine buntfarbige Gruͤnde angebracht habe; eine Meinung, welche durch oben beruͤhrte Verstiftung des Thuͤrstuͤckes der zweyten Sacristey des Domes (S. Belege) hinreichend wie- derlegt wird. Die spaͤteren Arbeiten dieser Art, welche bis um das Jahr 1530. nicht selten mit den seinigen wetteifern, unterscheiden sich durch den Aufdruck der fortschreitenden Zeit und bisweilen selbst durch ihre Manier und Auffassung Von Andrea (nach Vasari , der in seiner Kindheit ihn ge- sehn und sprechen gehoͤrt, waͤre er der Neffe des Luca ) sind die huͤbschen Wickelkinder im Porticus des Findelhauses und die Figu- ren der loggia di S. Paolo, beide zu Florenz . Von ihm selbst (wenn er erst im Jahre 1528. gestorben ist) oder von seinem Sohne Luca , welcher nach Vasari ebenfalls in diesen Arbeiten seine Staͤrke besaß, koͤnnten einige Arbeiten beschafft seyn, deren eine, zu Fiesole , in der Kappelle des Seminarii, Madonna, Engel, welche sie kroͤnen vier Hll. mit der Aufschrift: Gulielmus de Folchis eps Fesulanus fieri fecit anno dni MDXX.; die andere zu Florenz , Madonna dell’ assunta, in capo della via dell’ Ariento mit dem . sala de’ Giglj, sind zwey Madonnen, die eine in ganzer Figur die schoͤnere. — In der co. della misericordia, das Altarblatt mit treff- lichem Gtadino; wohl etwas neuer als Luca . — Im Hause Mozzi, Cherubkoͤpfe, wohl Bruchstuͤcke, auch andere neuere gebrannte Er- den — bey Sre Antonio Capacci , drey verschiedene Stuͤcke, welche jedoch einer neueren Epoche anzugehoͤren das Ansehn haben. — In sti Apostoli die Kappelle Acciajuoli, links vom Hauptaltar. — Auch die Arbeiten am Gewoͤlbe der Kappelle s. Jacopo der Kirche s. Miniato a Monte, welche Vasari besonders bewunderte, so wie an- dere in der Kappelle der Pazzi im großen Kreuzgange des Klosters sta Croce sind, wie die uͤbrigen zu Florenz vorhandenen, saͤmmtlich noch in gutem Stande. — In sta Maria nuova, zu Florenz , in der Kappelle s. Ansano auf dem Wege nach Fiesole und an unzaͤhligen Orten finden sich aͤltere und neuere Arbeiten dieser Art. Ein Bildner dieser Zeit, der ohne Angabe des vaͤterlichen Namens auf seinem Hauptwerke, der reich verzierten Vorseite der Bruͤderschaft des Hl. Bernardino zu Perugia , nach den Worten: Augusta Perusia MCCCCLXII. sein Werk mit opus Augustini Florentini lapicidae, bezeichnet hat, gilt neueren Schriftstellern nach der Angabe des Vasari fuͤr einen nachgelassenen Bruder des Luca della Robbia . Indeß lehren die Urkunden, daß Augustin von ganz anderen Personen ab- stammte, als Luca della Robbia . Der Vater des letzten hieß, Simon , der Großvater, Marco ; jener hingegen traͤgt in einem Zahlungsbefehle des oͤffentlichen Archives zu Perugia den Na- men: magister Agustinus Antonii de Florentia S. Belege V. 1. , was Jahre M. D. XXII.; die dritte, in einem Gaͤrtchen hinter dem Chore der Karmeliterkirche zu Flor. mit den Worten: Questa fece fare Agniolo di Bonajuto Dini Co. Ser Agli per rimedio dell’ anim a sua e de la sua donna. anno. MDXXVIII. — In diesen spaͤ- ten Arbeiten erhaͤlt sich noch immer ein gewisser Aufdruck des Ge- schmackes ihres urspruͤnglichen Stifters. Hingegen meldet sich in zween der groͤßten Unternehmungen dieser Art, dem sinnreichen Friise des Porticus der medizeischen Villa Poggio a Cajano und in dem etwas spaͤteren am Spital del Ceppo zu Pistoja ein ganz verschiedener Geschmack und Geist. — Auf dem Wege von Florenz nach Arezzo sieht man zu Monte Varchi , an der Vorseite der Kirche s. Lorenzo, einen langen Friis, die Ankunft der Reliquie des Heiligen, in gebrannter Erde ausge- fuͤhrt. Dieses große Stuͤck ist nur ein Ueberrest; denn vor nicht gar langer Zeit bekleidete die ganze Vorseite der Kirche eine zu- sammenhaͤngende Verflechtung architectonischer und bildnerischer Verzierungen dieser Kunstart. Auch in dem nahen s. Giovanni di Valdarno , der angeblichen Vaterstadt des Masaccio , befindet sich an der Kirche sta Maria delle Grazie unter einem gothischen Bo- gen die raͤumige Darstellung der Aufnahme der Jungfrau in den Himmel. schon Mariotti befremdete Mariotti , Lett. Per. (Ed. 1788. p. 99.) Ungeachtet seiner an dieser St. hingeworfenen Zweifel, nennt er den Augustin p. 96. und an anderen Stellen, doch immer, Della Robbia . . Auf einem Blatte des mehrge- dachten Conceptbuches der Notare der florentinischen Domver- waltung wird auch sein Großvater genannt S. Belege V. 2. ; er hieß nicht Marco, sondern Ducco , wahrscheinlich Duccio . Die florenti- nische Domverwaltung verstiftete ihm im Jahre 1463. einen Coloß, damit irgend einen hochbelegenen Theil der Kirche zu verzieren. Die Identitaͤt der Person dieses Ghostino d’Anto- nio di Ducco und jenes Florentiners Augustinus Antonii , in dem Archive zu Perugia ist durchaus nicht in Zweifel zu ziehn. Einmal waren die geschickteren florentinischen Bild- hauer in jener Zeit nicht so haͤufig, daß man willkuͤhrlich vor- aussetzen koͤnnte, Namen und Vatersnamen haben sich eben damals in zwey verschiedenen Personen wiederholt; ferner ver- schwindet unser Augustin , kurz nach Beendigung der Vorseite des Kirchleins s. Bernardino S. Belege V. 3. fuͤr einige Zeit aus den Kunstverhandlungen der peruginischen Archive, konnte demnach eben damals zu Florenz anwesend seyn; endlich scheint selbst der Coloß, den man ihm zu Florenz aufgetragen, einen ruͤsti- gen, muthvollen Arbeiter vorauszusetzen, gleich jenem Augu- stin , welcher zu Perugia die Vorseite der Kirche s. Bernardino mit unzaͤhligen Figuren uͤberdeckt hatte. Diese letzten stehen uͤbrigens sowohl in der Auffassung, als in der Ausfuͤhrung jenen Meisterstuͤcken des Luca so weit nach, daß wir kaum annehmen koͤnnen, daß Augustin jenen zum Vorbilde gewaͤhlt, oder von ihm gelernt habe. Viel- mehr moͤchte ich aus der flachen Haltung und aus den Ver- schobenheiten dieser Arbeiten schließen, daß er den Donatello , besonders seine Genien an der zweyten Orgel des florentini- schen Domes, hierin zum Muster genommen; obwohl er uͤbri- gens seine Arbeiten zierlicher und anmuthiger beendigt hat, als jener. — In einem kleinen, zur Kappelle eingerichteten Ge- mache der florentinischen Kunstschule, befindet sich ein flacher- hobenes Marmorbild der Madonna mit Engeln, welches je- nen Arbeiten zu Perugia gleicht und wahrscheinlich von dem- selben Meister ist. Damals und um wenige Jahrzehende spaͤter bluͤheten, in Folge der Nachfrage, welche vornehmlich durch Familiendenk- male, seltener durch andere und wichtigere Arbeiten hervorge- rufen ward, zu Florenz viele Bildner von ausgezeichneter Ge- schicklichkeit in der Behandlung des Marmors, denen haͤufig ein naives und lebenvolles Bildniß, oder ein allerliebster Friis von kleineren Figuren, oder Fuͤllungen an Kanzeln und aͤhn- liche Arbeiten, unuͤbertrefflich gelangen, welche indeß im Gan- zen unfaͤhig waren, groͤßere Figuren auszufuͤhren, oder auch nur ihre Denkmale in sich selbst, oder in ihrem Verhaͤltniß zu sie umgebenden Dingen in ein gewisses Gleichmaß zu bringen. Solche Maͤnner von schoͤnem Talent, doch zu handwerksmaͤßi- ger Richtung waren Antonio Rossellini , Mino da Fiesole , von welchem eines der schoͤnsten modernen Bildnisse im Dome gedachter Stadt, Rechts vom Chore, unter dem Sarcophage, welcher auf Consolen angebracht ist, worauf: Leonardus Salutatus etc. — in der Hoͤhe MCCCC. LXVI. die Buͤste dieses Bischofs auf einem eige- Desiderio da Settignano , Giu- liano S. Belege, VI. und Benedetto da Majano , Benedetto da Rovezzano , welcher letzte indeß schon zu den Cinquecentisten zu zaͤhlen ist. Wenden wir uns von ihnen ab und ruͤckwaͤrts zu einigen Zeitge- nossen des Luca della Robbia , welche, ohne diesem im Geschmack und Geiste gleich zu kommen, dennoch durch eine, nur ihnen eigenthuͤmliche Verbreitung des Talentes, besonders durch Ueber- tragung bildnerischer Bestrebungen auf die Malerey, wunder- bar mitgewirkt haben, deren gaͤnzliche Entfaltung zu beschleu- nigen. Unwichtiger ist in dieser Beziehung Antonio del Pollajuolo , ein geschickter Bronzearbeiter, welcher indeß in der Auffassung bildnerischer Aufgaben nirgend das Mittelmaͤßige uͤberschritten hat, in der Auffassung malerischer vielen seinen Zeitgenossen nachsteht. Seine Grabschrift in s. Piero in Vinculis zu Rom meldet, daß er 1498. zwey und siebenzig Jahre alt gestorben sey; ANTONIVS PVLLARIVS etc. — VIX. ANN. LXXII. OBIIT ANNO SAL. MIID. seine Laufbahn beginnt mithin um die Mitte des Jahrhundertes, weßhalb er nicht wohl vom Vater des Lorenzo Ghiberti , welcher letzte schon um das Jahr 1400. ein ausge- bildeter Kuͤnstler war, das Goldschmidhandwerk erlernt haben konnte, wie Vasari , jener ihm bekannten Inschrift uneinge- denk, angegeben hat. V. vita d’ Antonio Pollaj. Ed. c. p. 466. — (il padre) pose Antonio all’ arte dello orefice con Bartoluccio Ghiberti etc. — Noch weniger konnte er dessen Sohn, den Lorenzo Ghiberti , bey seinem groͤßesten Werke, der mittleren Thuͤre der Taufkirche unterstuͤtzt haben, Vas. vite, di Lor. Ghib. p. 284; d’ Antonio Poll. p. 466. wenn nen Tragsteine, auf welchem: OPUS MINI.; eben wie gegenuͤber an dem sehenswerthen Altarstuͤcke dess. Bildners. diese Angabe des Vasari nicht etwa auf die Nachhuͤlfe zu be- ziehen ist, welche Bonachorso , der Sohn oder Enkel des Lo- renzo , den Blattverzierungen der Einfassung Id. v. di Lor. Ghib. p. 285. Hebbe Lorenzo un figliuolo; chiamato Bonacorso , il quale finì di sua mano il fregio, e quell’ ornamento rimaso imperfetto, con grandissima diligenza; quell’ or- namento, dico, il quale é la più rara e maravigliosa cosa, che si possa veder di bronzo. — Ein Buch, welches diesem Bonacorso gehoͤrt hat und Zeichnungen und abgerissene Familien und Kunstnotizen ent- haͤlt, schenkte dessen Sohn, Vettorio , dem Matteo Bartoli ; es fin- det sich gegenwaͤrtig: Magliabecch. Cl. XVII. palch. 7. Cod. 2. soll gegeben haben. Dieser moͤchte dann, wenn wir annehmen wollten, Vasari stuͤtze sich nicht auf Vermuthungen, sondern auf un- deutliche Erinnerungen, der wirkliche Meister des Antonio ge- wesen seyn, oder doch gewesen seyn koͤnnen, wenn jene Wach- tel an der Einfassung der mittleren Thuͤre der florentinischen Taufkirche, deren Schoͤnheit seit Vasari in den Kunstbuͤchern ein stehender Artikel ist, wirklich des Pollajuolo Arbeit waͤre, was voraussetzlich nicht so leicht zu erweisen ist und nur auf populaͤren Traditionen beruhen kann. Ueberhaupt folgte Vasari in Bezug auf diesen Kuͤnstler verschiedentlich falschen Angaben oder irrigen Vermuthungen. Denn gleich zu Anfang des Verzeichnisses seiner Werke ertheilt er ihm die Statue des Hl. Johannes Baptista am silbernen Altare desselben Heiligen im Schatze der florentinischen Tauf- kirche, welche, wie schon Gori nach eigener Ansicht des betref- fenden Archives berichtigte, Gori , mon. basil. Baptist. Florent. p. 8 (durch Druckfeh- ler, 12.) „— in argentea tribuna — locatum est signum argenteum inauratum s. Joh. Bapt. altum fere ulnas duas. — Hoc simulacrum — perfecit postremus omnium artifex anno 1452. Mi- des Michelozzo die Bartholo- meo und eben diejenige Arbeit ist, durch welche im Jahre 1452. die gedachte Altarbekleidung durchaus beendigt worden. Wenn wir dem Richa (das ist seinem Berichtgeber in Din- gen dieses Archives, dem Senator Carlo Strozzi ) folgen, Richa , Delle chiese die Fir. To. V. p. XXX. s. der Intro- duz. — avvegnachè ne’ libri dell’ arte io (?) vi trovi, che nel 1477. si paga a Bernardo di Bart. Cenni , ad Andrea del Verocchio ed ad Antonio di Jacopo del Pollajuolo per aver fatto le storie ne’ quadri di rilievo al Dossale . — Diese Kuͤnstler hatten nach Gori in der That andere Kostbarkeiten fuͤr denselben Kirchenschatz gearbeitet, deren Bezahlung R. oder sein Berichtgeber mit den Re- liefs am Altare verwechseln mochte. — Diejenigen welche Vasari dem Pollajuolo beylegt, das Gastmahl des Herodes, machten nach Gori : Antonio Salvi , und Francesco beide Soͤhne eines Giovanni , vielleicht desselben Gio., welcher (s. Belege IV. 5.) die Reinigung jener Thore der Sacristey im florent. Dome uͤbernahm. so ertheilte man freylich noch im Jahre 1477. sowohl dem Antonio del Pollajuolo , als dem Andrea del Verocchio den Auftrag, einige halberhobene Arbeiten nachzuliefern; doch duͤrf- ten sich diese Data auf andere Kunstarbeiten beziehen und un- ter allen Umstaͤnden scheint Gori an dieser Stelle mehr Glau- ben zu verdienen, als die ungenauen, nicht selten falsch ver- standenen Mittheilungen, mit welchen Richa sich zu begnuͤ- gen pflegte. Hingegen sind die Denkmale der Paͤbste Innocenz VIII. und Sixtus IV. , gegenwaͤrtig im Seitengange der Peterskirche zu Rom uͤber einander aufgestellt, ganz ausgemachte Werke des Antonio , da seine, schon aufgefuͤhrte Grabschrift solche chelozzus Bartholomei filius. — Errat Vasarius , qui hujusce sim. argentei — auctorem facit Ant. del Pollajuolo , quum revera ex re- gestis expensarum artis mercatorum constet, laudatum Michelozzum opificem nullo socio aut adjutore perfecisse.“ als den Stolz seines Lebens erwaͤhnt. Gewiß sind sie gelun- gene Erzguͤsse von nicht gemeinem Umfang, welche, der An- lage nach, aͤhnlichen Denkmalen dieser Zeit, sowohl im Archi- tectonischen, als in der Allegorie, wie endlich in der naiven Behandlung ihrer Bildnisse im Ganzen gleichstehen. Indeß sind diese Arbeiten, obwohl seine gelungeneren, doch nicht eigentlich, was diesem Bildner eine allgemeinere Bedeutung giebt, welche wir in seinen an sich selbst ganz mit- telmaͤßigen Malereyen, besonders jenem schon erwaͤhnten Hl. Sebastian der Kappelle Pucci, am Vorhofe der Servitenkirche zu Florenz , aufsuchen muͤssen. Denn, indem er sein bildne- risches Streben nach durchgehendem Verstaͤndniß der organi- schen Formen auf seine Versuche in der Malerey uͤbertrug, regte er, wie die Arbeiten seines Bruders in s. Miniato a Monte darlegen, in solchen Malern, die ihm aus irgend ei- nem Grunde naͤher waren, das Verlangen an, auch in der Malerey zu mehrseitiger und gruͤndlicher Kenntniß der orga- nischen Formen zu gelangen, welches seine Kupferstiche, gegen- waͤrtig große Seltenheiten, auch uͤber seine unmittelbare Ge- genwart hinaus verbreitet haben moͤgen. Bey groͤßerem Erfolge hatte die Lebensthaͤtigkeit eines gleichzeitigen Bildners, des Andrea del Verocchio , oder, wie er in jenem Buche der Domverwaltung heißt: detto (ge- nannt) Verocchio (wahres, richtiges Auge?), eine ganz gleiche Richtung genommen. Dieser Kuͤnstler, dessen Talent Vasari , nach seinem Vorurtheile fuͤr Leichtigkeit der Manier, viel zu tief setzt, hat allerdings nur in einzelnen Werken sei- nen Stoff ganz bemeistert, hingegen in solchen gelungeneren Arbeiten gezeigt, daß in ihm ein ganz ungemeiner Geist lebte, daß er nur daher nach eben jener strengeren und tieferen Be- gruͤndung seiner Darstellung strebte, welche seinen Leistungen nicht selten ein kleinliches Ansehn giebt. Am meisten verun- gluͤckt ist wohl seine Arbeit an dem Grabmal des Cardinal Forteguerra in einer Kirche zu Pistoja ; nemlich jenes haͤßliche Hochrelief in der Mitte von spaͤteren Ergaͤnzungen dieses Denk- males. Lobenswerther ist die Gruppe des unglaͤubigen Apo- stels Thomas, welcher die Wunde des Heilands betastet, in einer der Nischen, welche die florentinische Kirche Orsanmichele umgeben; doch auch hier entschwindet der Charakter dem Kuͤnst- ler unter dem Bestreben ihn ganz zu erschoͤpfen. In beiden Werken ist das Gewand sehr geschmacklos behandelt; vielleicht verleitete ihn sein Streben nach Gruͤndlichkeit zu dem Ge- brauche, seine Falten in nasser Leinwand und mit den Fin- gern vorzubereiten, deren Eindruͤcke sie noch zu verrathen das Ansehn haben. Indeß gelang es ihm wenigstens in einem seiner Werke, dem Brunnen im Hofe des alten Palastes zu Florenz , das Vortreffliche zu leisten. Diese Brunnenverzierung, welche urspruͤnglich fuͤr die medizeische Villa zu Careggi beschafft worden, bestehet aus ei- nem allerliebsten gefluͤgelten Knaben, welcher einen jungen und kraͤftig-zappelnden Delphin unter dem Arme haͤlt und an sich druͤckt, aus dessen Nuͤstern Wasser springt. Nichts kann hei- terer und lebendiger seyn, als der Ausdruck der Mienen und der Bewegung dieses Kindes; und nirgend unter den moder- nen Erzguͤssen begegnet man einer so schoͤnen Behandlung des Stoffes, einem so musterhaften Style. Bey taͤuschendem An- schein halb fliegender, halb rennender Bewegung, ruhet den- noch die vielfach ausgeladene Gruppe durchhin sichtlich in ih- rem Schwerpuncte; nach einem gluͤcklichen Gefuͤhle gab der Kuͤnstler dem Kinde rundliche Fuͤlle, dem Fische und den Fluͤ- geln (den meist ausgeladenen Theilen) eine gewisse kantige Schaͤrfe. Dieses musterhafte Werk hat man vor einigen Jah- ren bey Reinigung der Brunnenroͤhren leider der schoͤnen Pa- tina beraubt, mit welcher die Zeit dasselbe uͤberzogen hatte, wodurch Haͤrten entstanden sind, welche kuͤnftige Beschauer nicht dem Kuͤnstler, sondern der kuͤnstlerischen Barbarey unse- rer Tage beymessen wollen. Vasari giebt in dem Leben des Andrea umstaͤndliche Nachricht von den mancherley Huͤlfswegen, welche dieser Kuͤnst- ler eingeschlagen hat, um den Bildungsgesetzen der Natur auf die Spur zu kommen. Er habe, meldet er, zuerst versucht Theile von lebenden Menschen und Leichnamen in Gyps abzu- formen, und diese Model auszugießen; da das Andenken des Verocchio vermoͤge seiner Schuͤler Lorenzo di Credi und Lio- nardo da Vinci zu Anfang des sechzehnten Jahrhundertes noch lebendig seyn mußte; da ferner seine Werke uͤberall den Aufdruck einer aͤngstlichen, unfreyen Beruͤcksichtigung des sinn- lich Vorliegenden zu tragen scheinen; so wird jenem Schriftstel- ler hierin zu trauen seyn. Denselben Sinn trug er aber auch in seine malerischen Versuche hinuͤber, deren einer, die Taufe Christi, gegenwaͤrtig in der Gallerie der florentinischen Akade- mie zu sehn ist; ein duͤrftiges Bild, welches jenen Engel ent- haͤlt, den, nach Vasari , Lionardo als Knabe gemalt und hie- durch, da solcher fuͤr sein junges Alter wohlgelungen war, den Meister von ferneren Versuchen in dieser Kunstart abge- schreckt hat. Dieser große Schuͤler giebt dem Andrea eine allgemeinere Wichtigkeit, als seine eigenen, obwohl durchhin beachtenswer- then, bisweilen herrlichen Arbeiten. Einem geringeren, zu be- schraͤnkten Talente, dem Maler Lorenzo di Credi , hatte Andrea eben- ebenfalls ein gewisses bildnerisches Bestreben eingefloͤßt, wel- ches ihn fruͤhe zu einer eignen Mischung seines Bindemittels anleitete, vermoͤge deren es ihm gelang, auch in seinen Ge- maͤlden a Tempera eine Modellirung hervorzubringen, welche seinen huͤbschen, traͤumerisch-sanften Christuskindern ein run- des und gefaͤlliges Ansehn giebt. Doch trieben die Anregun- gen des Bildners in dem Gemuͤthe des Lionardo tiefere Wur- zeln; und wenn Lorenzo ein langes Leben hindurch den engen Kreis bescheiden einfaͤltiger Madonnen, lieblicher, allein zu gleichguͤltiger Christuskinder und Engelein nie uͤberschritten hat, deren einzelne Ausgaben zu Florenz haͤufig vorhanden, doch von alten Copien und Nachahmungen zu unterscheiden sind: so leitete hingegen den Lionardo die forschende, gruͤbelnde, nachdenkliche Richtung seines Meisters fruͤhe zu gruͤndlicher Erforschung der Gesetze der Gestaltung und vermoͤge dieser in seinem Gebrauche der organischen Formen zu einer bis dahin unbekannten Sicherheit der Handhabung, Feinheit der Aus- bildung, Tiefe der Bedeutung. Lionardo erwarb sich unstreitig schon bey seinen Zeitgenos- sen Verehrung und Ansehn, und gewiß hat man nie aufgehoͤrt seine Werke hochzuschaͤtzen. Doch hat man ihm bisher in der neueren Kunstgeschichte die Stelle versagt, welche ihm zukommt; die Stelle nemlich des Begruͤnders eines bestimmteren anato- mischen Wissens, eines deutlicheren Bewußtseyns der Gesetze der Rundung und Verschiebung. Vielleicht traͤgt Vasari die Schuld, dem es nicht klar geworden, wie eben die gruͤbelnde, minder praktische Richtung des Lionardo nothwendig war, um die Nebel, welche die malerische Darstellung noch immer umga- ben, durchaus zu zerstreuen. Leider uͤberging dieser Schriftstel- ler die fruͤheren Leistungen des Lionardo , entweder, weil sie II. 20 ihm unbekannt geblieben, oder auch, weil er sie nicht nach Ver- dienst zu wuͤrdigen wußte; gewiß war er nicht vorbereitet, den unumgaͤnglich hoͤchst lehrreichen Entwickelungsgang des Lio- nardo mit wuͤnschenswerther Umstaͤndlichkeit anzugeben. Allerdings schildert uns Vasari den jugendlichen Lionardo ganz, wie wir ihn voraussetzen muͤßten, als einen von der Auffassung des Mannichfaltigen, von der Nachbildung des Einzelnen unablaͤssig zum Nachdenken uͤber das Allgemeine und Durchwaltende hinuͤbergezogenen, bald leidenschaftlich hin- gegebenen, bald tiefsinnig in sich versunkenen Juͤngling. Doch waͤre es auch wichtig an Beyspielen zu sehen, wie er allge- mach in der Darstellung und vielseitigsten Herrschaft uͤber sei- nen Stoff jene hohe Stufe erreichte, welche er einnahm, als er innerhalb des letzten Jahrzehndes des funfzehnten Jahr- hundertes, verschiedene Jahre vor den Jugendversuchen Ra- phaels und vor den ersten namhaften Werken des Buona- ruota , das beruͤhmte Abendmahl im Refectorio des Klosters alle grazie zu Mayland vollbrachte. Moͤge man immerhin in diesem Werke die Jugendlichkeit vermissen, welche seinem damaligen Lebensalter nicht mehr angemessen war; moͤge man immerhin in den Stellungen und Bewegungen zu viel Be- daͤchtlichkeit und Wahl, zu wenig Unbefangenheit wahrzuneh- men glauben, so bleibt doch so viel gewiß, daß Lionardo , in harmonischer Vertheilung und Anordnung des Einzelnen, in sicherer Angabe der Linien und Formen organischer Koͤrper, in deren Zeichnung und Modellirung, seinen Zeitgenossen weit vorangeeilt war und ihnen zuerst gewiesen hat, bis wohin der Maler in der Herrschaft uͤber die Vermittler seiner Darstel- lung gelangen koͤnne. Unter den wenigen Jugendwerken des Lionardo , welche Vasari beruͤhrt, ist der Carton mit den ersten Menschen im Paradiese verschollen; eben so die beiden Medusenhaͤupter; denn jener, den man in der Gallerie der Uffizj zu Florenz zeigt, ist sicher eine Arbeit der Mitte des sechzehnten Jahrhun- dertes. Indeß besitzen wir noch das kleine Halbrund im obe- ren Kreuzgange des Klosters s. Onofrio zu Rom , in welchem die Madonna mit dem Kinde und das Brustbild des damali- gen Vorstehers der kloͤsterlichen Gemeinde; eine Arbeit, welche ihrer groͤßeren Sicherheit ungeachtet, noch an die uͤbrigen Flo- rentiner der spaͤteren Decennien des funfzehnten Jahrhunder- tes und besonders eben an seinen Mitschuͤler Lorenzo di Credi , erinnert. Und allerdings mußten seine fruͤhere Arbeiten in die Zeit und Schule sehen, von welcher seine Bestrebungen ausge- gangen waren; nicht in jene spaͤtere, welche seine unermuͤdli- chen Forschungen in der Folge hervorgerufen. Auch die kleine Madonna im Hause Buonvist zu Lucca , welche dort, ich glaube mit vollem Grunde, fuͤr eine Jugendarbeit des Lionardo gilt, vereinigt den Aufdruck seines eigenthuͤmlichen Strebens mit einigen Foͤrmlichkeiten und Beschraͤnktheiten der florentinischen Maler der Zeit des Domenico Ghirlandajo ; und die koͤstliche, leider verschollene Carit à , ehmals die groͤßte Zierde der chur- fuͤrstlichen Gemaͤldesammlung zu Cassel , zeugte, bey hoher Aus- bildung der Koͤpfe und fast bildnerischem Style der Anordnung, doch in der Ausfuͤhrung des Nackten fuͤr die Vermuthung: daß Lionardo eine laͤngere Zeit hindurch gemalt habe, bevor er zu jener Gruͤndlichkeit des Wissens, zu jener Sicherheit der Zeichnung gelangte, welche wir ihn um das Jahr 1490. in seinen maylaͤndischen Arbeiten darlegen sehn. Eine Ueber- gangsepoche moͤchte die schoͤne Hl. Katharina der koͤn. Gallerie zu Copenhagen andeuten, auf dieses Bild wiederum die geist- 20 * reichen Untermalungen folgen, deren eine, die Anbetung der Koͤnige, in der scuola Toscana der Gallerie der Uffizj zu Florenz , eine andere, ein Hl. Hieronymus von untergeordnetem Werthe, gegenwaͤrtig in der Sammlung des Cardinal Fesch aufzusuchen ist. Mehr ins Einzelne werden diese Uebergaͤnge in den zahlreichen Handzeichnungen des Lionardo sich verfol- gen lassen S. Lett. pitt. To. II. Lett. 84 . . Indeß sind diese theils sehr verstreut, theils nicht einmal durchhin unter seinem Namen bekannt, da man ge- woͤhnlich eben nur den reifen Lionardo , den maylaͤndischen und franzoͤsischen, beachtet, und solche Zeichnungen, welche fruͤheren Epochen seines Lebens angehoͤren, irgend einem aͤlteren Flo- rentiner beyzulegen pflegt. Geuͤbte Kenner werden indeß, vor- nehmlich in Bildnissen und in anderen Studien nach dem Le- ben, die Hand des Lionardo an einem tieferen Eingehn in die Form, an einer gefuͤhlteren Ausbildung derselben von aͤhnlichen Studien seiner befangeneren, mehr handwerksmaͤßigen Zeitge- nossen unterscheiden koͤnnen. Uebrigens wurden die Zeichnun- gen der aͤlteren Maler, welche man lange Zeit hindurch unge- buͤhrlich gehaßt und verachtet hat, großentheils das Opfer der Geschmacklosigkeit und des rohen Uebermuthes der kuͤnstleri- schen Tendenzen der letztverflossenen Jahrhunderte und sind da- her durchhin von großer Seltenheit. Doch ist es nicht meine Aufgabe die Werke des Lionardo zu verzeichnen, oder gar die vielen ihm untergeschobenen Co- pien und Nachahmungen anzumerken, welche sich uͤberall ver- breitet haben und meist in gutem Ansehn stehn; vielmehr wollte ich nur so viel in Erinnerung bringen, als genuͤgen mag, ins Licht zu setzen, daß eben jener vom Pollajuolo und Verochio ausgehenden, gemischt bildnerisch-malerischen Rich- tung es vorbehalten war, der nun schon mehrseitig ausgebil- deten Malerey der Florentiner zu verleihen, was selbst jenen Meisterwerken des Ghirlandajo noch fehlte: Gruͤndlichkeit und Feinheit in der Auffassung der Form, Sicherheit und Zartheit in ihrer Anwendung auf malerische Darstellungen. Dieses, schon an sich selbst unermeßliche Verdienst, um die Vollendung und tiefere Begruͤndung der malerischen Tech- nik, erhoͤhete Lionardo durch eine reinere, ernstlicher gemeinte Auffassung der obwaltenden kirchlichen Kunstaufgaben, als waͤhrend der zweyten Haͤlfte des funfzehnten Jahrhundertes bey den florentinischen Malern vorzukommen pflegt. Aller- dings erfaßte die Schule des Fra Filippo Aufgaben, welche ihrem Sinne fuͤr Bewegung und Handlung entsprachen, im Allgemeinen richtig, nicht selten hoͤchst gluͤcklich; allerdings er- freute die Schule des Cosimo Roselli durch Schaͤrfe und Deut- lichkeit der Charakteristik. Doch wenn es den Ausdruck rei- nen Gemuͤthes und religioͤser Stimmungen galt, verfehlten sie durchhin die innere Bedeutung ihrer Aufgaben. Besonders mißgluͤckte ihnen die Madonna, deren leicht verletzliche Idee von den Giottesken ungleich reiner aufgefaßt worden; obwohl hier Taͤuschungen moͤglich sind, da deren allgemeine und leichte Andeutung der Phantasie des Beschauenden einen weiten Spiel- raum gewaͤhrt, waͤhrend die bestimmtere Darstellung der spaͤ- teren Florentiner uͤber allen Zweifel erhebt: daß die Madonnen des Fra Filippo meist gemein sind, des Cosimo Roselli ab- scheulich, des Sandro und Domenico Ghirlandajo ehrliche Buͤrgerfrauen, des Filippino liebliche Dirnen. Dahingegen gelang es dem Lionardo , schon seinen aͤlteren Madonnen (in s. Onofrio, im Hause Buonvisi) einen geheimen Zauber zu verleihen, den mittleren aber bey hinreißender Schoͤnheit der Form und Anmuth der Gebehrde, doch eine gewisse Ehrfurcht gebietende Miene und Haltung zu geben. Waͤre es ausgemacht, daß Peter von Perugia , wie Va- sari angiebt, beym Andrea del Verocchio gelernt, oder doch, wie es wahrscheinlicher ist, unter dessen Leitung sich vervoll- kommnet habe: so duͤrfte es nahe liegen, jene zartere, inni- gere Auffassung modern christlicher Aufgaben, welche die Ge- maͤlde des Lionardo guͤnstig von denen seiner florentinischen Zeitgenossen unterscheidet, aus Anregungen abzuleiten, welche Peter aus der umbrischen, in die Schule des Verocchio ver- pflanzt haben koͤnnte. Gewiß verlebte Perugino einen Theil seiner frischesten Jahre zu Florenz ; gewiß bemuͤhte er sich eben damals die Objectivitaͤt der Florentiner mit den entge- gengesetzten Eigenthuͤmlichkeiten der umbrischen Malerschulen zu verschmelzen. Diese letzten hatten seit der Mitte des funfzehnten Jahr- hundertes, vielleicht schon ungleich fruͤher, durch Tiefe und Zartheit des Gefuͤhles, durch eine wunderbare Vereinigung halbdeutlicher Reminiscenzen aus den Kunstbestrebungen der aͤltesten Christen mit den milderen Vorstellungen der neueren, uͤber ihre toscanischen, lombardischen und venezianischen Zeit- genossen, ungeachtet vieler technischen Unvollkommenheiten, ei- nen geheimen Reiz voraus, dem, wie ich wahrzunehmen glaube, jedes Herz sich oͤffnet; obwohl ihre, an sich selbst schoͤne und lobenswerthe Stimmung auf die Laͤnge durch Einfoͤrmigkeit zu ermuͤden pflegt. Woher eben diesem engen Bezirke Italiens eine so ganz eigenthuͤmliche Richtung gekommen sey, habe ich oben, dort freylich noch ohne zulaͤngliche Beweise, aus der Einwirkung des Sienesers Taddeo Bartoli auf den Bezirk von Perugia zu erklaͤren versucht; eines Malers, welcher unter al- len Umstaͤnden jene Richtung zuerst eingeschlagen hat. Indeß duͤrfte hier auch die Lage jener kleinen Ortschaf- ten in Betrachtung kommen, welche den Huͤgel von Asisi , die geweihete Staͤtte des Hl. Franz, umkraͤnzen und in so gro- ßer Naͤhe des Mittelpunctes seiner Stiftung bereitwilliger seyn mußten, sich den Ansichten und der Stimmung hinzuge- ben, welche diesen Orden beherrschen und unlaͤugbar mitge- wirkt haben, die neuere Malerey ihrer Hoͤhe entgegenzufuͤhren. Es zeigte sich jene Richtung zunaͤchst, nicht zu Perugia , wo um die Mitte des Jahrhundertes ein aͤußerst mittelmaͤßiger Charaktermaler, Benedetto Buonfiglio , im Besitze der Gunst war Sein Hauptwerk, die ehmalige Kappelle des oͤffentlichen Palastes, jetzt Vorsaal des Delegaten, mit Geschichten der Hll. Ludovicus und Herkulanus, ward ihm 1454. verdungen, woruͤber Belege, IV. 1 . einzusehn, denen ich dort, zur Beleuchtung damali- ger Kuͤnstlerverhaͤltrnisse, den schiedsrichterlichen Spruch des Fra Filippo beyfuͤgen will. — Lanzi findet diese Arbeiten anderen dieser Zeit an Verdienst gleich und Fra Filippo erklaͤrte sie, wohl aus Zunftgeist, fuͤr genuͤgend. Mir schienen sie indeß, mit Ausnahme einiger Bildnisse, sehr unbedeutend, und im Ganzen so ungleich, als haͤtten verschiedene Haͤnde daran gemalt. — In Bezug auf die Verkuͤndigte in der Kirche der Orfanelli, welche Lanzi ebenfalls lobt, will ich, obwohl ich sie noch an der Stelle und jenem ande- ren Werke aͤhnlich gefunden, doch nichts entscheiden, weil hier die noͤthigen Beweise fehlen. , sondern in den kleineren Fuligno , in den Arbeiten des Niccol ò Alunno . Spuren der Einwirkung des Thaddeo di Bartolo auf den Bezirk von Perugia , zeigen sich daselbst in einigen sehr beach- tenswerthen Miniaturgemaͤlden einer Handschrift der Dom- bibliothek Bibl. de’ Canonici del Duomo di Perugia , No. 43. , welche sichtlich noch in der ersten Haͤlfte des funfzehnten Jahrhundertes beendet sind. Das zweyte Blatt dieses Buches enthaͤlt ein juͤngstes Gericht von guter und ei- genthuͤmlicher Erfindung und feiner, gefuͤhlvoller Beendigung der Koͤpfe. Die Darstellung des Kindermordes, auf der Ruͤck- seite des Blattes 101., ist ebenfalls beachtenswerth; ein einzi- ger Scherge schlachtet die Unschuldigen, welche vor ihm aufge- haͤuft liegen; Soldaten im Hintergrunde, Weibergruppen zu beiden Seiten. Der Kuͤnstler war hier, wie auf der Ruͤck- seite des Blattes 123., wo eine sehr einfach geordnete Anbe- tung der Koͤnige, auf Oekonomie des Raumes angewiesen. Entschiedener meldet sich der Einfluß jenes ausgezeichne- ten Sienesers zu Asisi , wo an der aͤußeren Wand des Hos- pitales ss. Giacomo ed Antonio Abbate, anders, s. Giovan- nino di Via superba, ein Madonnenbild, daneben s. Jacob und s. Anton, unterhalb welcher Figuren vier Pilger in kleineren Ausmessungen die Jungfrau knieend verehren. Im Schnitte der Gesichtsformen, im braͤunlichen Haupttone und anderen Dingen erinnert dieses Gemaͤlde lebhaft an das Eigenthuͤm- liche des Thaddeo di Bartolo . Die verstuͤmmelte Aufschrift am Sockel enthielt noch im Jahre 1819. folgende lesbare Worte: .... opus factum fuit M. CCCC. XXII. tp. .......... die XXVI. mensis .... Gegenuͤber und scheinbar von derselben Hand gemalt ein engli- scher Gruß, der Engel halb weggebrochen; daneben wiederum s. Jacob. Unter diesem zweyten Bilde las ich: dcs. (dictus) Martinellus M. CCCC. XXII. die XXVI. mensis octubris. Das gleiche Dat, die Aehnlichkeit der Manier, besonders der Ausdruck, dictus , geben zu errathen, daß gegenuͤber der Name des Kuͤnstlers schon ein Mal und ausfuͤhrlicher angegeben war. Wir haben hier einen sonst unbekannten Maler, welcher un- mittelbar nach Thaddeo dessen Richtung verfolgte, dessen Ma- nier ausuͤbte und allem Ansehn nach der Gegend angehoͤrte, in welcher sein Andenken sich zufaͤllig erhalten hat. Die umbrischen und die sienesische Schule mochten auch in der Folge sich unausgesetzt beruͤhrt und vermischt haben. Gewiß stimmen die Arbeiten des Matteo di Gualdo , inner- halb der obenbezeichneten Kirche s. Antonino, di Via superba zu den Malereyen des Sano di Pietro , eines der besseren Kuͤnstler der eben damals nach dem Ableben der Soͤhne des Bartolo tief gesunkenen Schule von Siena Ich uͤbergehe hier die Sieneser, welche von 1430 — 1500. gemalt haben, theils weil sie durch den Vater Della Valle und, nach diesem, von Lanzi sehr vollstaͤndig verzeichnet werden sind, be- sonders aber weil ich mich an dieser Stelle mit der Entwickelung des kuͤnstlerischen Geistes und keinesweges mit dessen Krankheiten beschaͤftige. Aus demselben Grunde habe ich oben die geistlosen florentinischen Maler des Ablaufes des vierzehnten, des Anbeginns des funfzehnten Jahrhundertes nur im Allgemeinen beruͤhrt. Die Sieneser erwachten nicht fruͤher, als um das Jahr 1500 aus ihrem langen Schlummer; auch damals vornehmlich durch Anregungen, welche theils von den umbrischen, theils auch von den florentini- schen Schulen ausgegangen sind. . Hingegen er- giebt sich die weitere Fortpflanzung der Anregungen des Thaddeo di Bartolo aus den Werken eines andern Malers dieser Zeit und Gegend, des Pietro Antonio di Fuligno . Dieser Maler, vielleicht derselbe, welcher auf einem Bilde, dessen Erwaͤhnung bey Lanzi S. die naͤchstfolgende Anm. , Pietro di Mazzaforte heißt, zierte in der gedachten Kirche s. Antonino di Via superba drey Lunetten, welche Matteo di Gualdo offen gelassen, durch sehr beachtenswerthe Malereyen. Die Beglaubigung dieses Bildes, die Aufschrift: PETRVS ANTONIVS DE FVLGINEO stehet auf dem Tafelbuche der Lunette zur Rechten. S. Ja- cob, sagt die Legende, erhielt einen Knaben am Leben, wel- chen ein gewaltsamer Richter dessen nach Compostella pilgern- den Eltern entrissen und aufhaͤngen lassen. Nach ihrer Ruͤck- kehr vom Grabe des Apostels begehrten die Eltern und An- gehoͤrigen des Knaben dessen Befreyung. Der Richter, welcher, wie es vorauszusetzen war, nicht an Wunder glaubt, spricht darauf: ehe wuͤrden meine gebratenen Huͤhner hier am Tische lebendig. Doch nimmt ihn der Heilige beym Worte, was denn der Sache den Ausschlag giebt. Ein kleiner Page im vorderen Grunde des Gemaͤldes, hat an dem unerwarteten Aufkraͤhen der Gebratenen seine kindliche Freude; die Gaͤste hingegen uͤberlaͤuft sichtbar ein frommes Entsetzen. Das Un- mittelbare des Herganges zu versinnlichen, scheint der Richter noch mit den Pilgern zu reden, vielleicht eben jene bedenkli- chen Worte auszusprechen und das geschehende Wunder nicht unmittelbar wahrzunehmen. In der zweyten Abtheilung der- selben Wand sieht man den aufgehaͤngten Juͤngling, welchen s. Jacob unterstuͤtzt, und seine Freunde, unter denen ein abge- hender, geharnischter Mann, vielleicht der Vater, mit dem Ausdrucke tiefer Betruͤbniß auf den Hingerichteten zuruͤckblickt. In der Lunette zur Rechten seegnet s. Anton Kameele und vertheilt in der zweyten Abtheilung Almosen unter Beduͤrftige, deren Gier sehr lebhaft ausgedruͤckt ist. Ueber der Thuͤre ein Salvator, welchen der Kuͤnstler hier nach den aͤltesten Bey- spielen in unbaͤrtiger Jugend dargestellt und mit Engeln um- geben hat; dieses Bild ist unstreitig das schwaͤchste der gan- zen Folge. Uebrigens darf ich nicht verhehlen, daß in den genannten Bildern, besonders in den Kirchenvaͤtern der vier Abtheilungen des Kreuzgewoͤlbes, uͤberall neben jenen aͤlteren Anregungen auch Eindruͤcke aus den Werken des Benozzo Gozzoli wahrzunehmen sind, welcher eben damals schon in dem nahen Montefalco malen und durch den Umfang seines Talentes, die Neuheit seiner Leistungen auf die juͤngeren Maler jenes Bezirkes einwirken mochte. Da bis dahin die aͤlteren Malerschulen des Bezirkes von Asisi und Perugia nur hoͤchst nothduͤrftig bekannt sind, so duͤr- fen wir hoffen, die Ableitung ihrer Richtung, welche ich ver- sucht habe, in der Folge umstaͤndlicher begruͤndet zu sehn. Indeß werden die angezogenen Beyspiele die Wahrscheinlichkeit meiner Ableitung uͤber alle Einreden erheben und vor der Hand genuͤgen, die auffallende Uebereinstimmung der Bestre- bungen des Niccol ò von Fuligno mit jenen des Thaddeo di Bartolo bequem und faßlich zu erklaͤren. In einer urkundlichen Nachricht, welche ein Localscribent hervorgezogen S. Lanzi sto. pitt. scuola Romana, Ep. I . — Bemerke, daß er nicht die Worte der Urkunde anfuͤhrt, welche man selbst einsehn muͤßte. , werden: Pietro di Mazzaforte und Nic- colò Deliberatore Folignate im Jahre 1461. gemeinschaft- lich fuͤr eine schoͤne Altartafel der Franciscanerkirche zu Cagli bezahlt. Lanzi glaubte hinsichtlich dieser Urkunde annehmen zu muͤssen, daß eben damals zu Fuligno zwey verschiedene Maler desselben Namens gebluͤht haben: Niccol ò Deliberatore, und Niccol ò Alunno . Wie immer dieser Zweifel sich aufloͤsen moͤge, so sind doch alle mir mit der Aufschrift: Nicolai Fulginatis opus , vorgekommene Tafeln saͤmmtlich auffallend von dersel- ben Hand gemalt; und da Mariotti an einer dieser Tafeln, deren Aufschrift nicht mehr vorhanden ist: Nicolaus Alum- nus gelesen Lettere Perugine, Lett. V. p. 130. s . Anm. 5. , so werde ich berechtigt seyn, im Verlaufe nachstehender Nachrichten den, seit Vasari , bekannten und uͤb- lichen Zunamen beyzubehalten. Vasari erwaͤhnt einer Bruͤderschaftsfahne Es sey mir vergoͤnnt, eine Erinnerung einzuschalten, welche, zwar nicht der Zeit, doch gewiß der Beziehung nach hieher gehoͤrt. Seit sehr alter Zeit malte man Bruͤderschaftsfahnen und Bal- dachine fuͤr den Umzug des Hochwuͤrdigen auf Linnen oder baum- wollene Zeuge. Von diesem Stoffe erhielten die kirchlichen, gleich den militaͤrischen Fahnen, in den romanischen Sprachen die Na- men, drappelloni, drappelli, drapeaux etc . Im Domarchiv zu Siena , libro E. 9. Deliberazioni, p. 8. die XXIV. Sebtembris M. D. VI. Audito Jacobo bartolomei chiamato pacchiarotto pictore — exponente, qualiter ipse pinsit XXVIII. drappellones pro baldachino corporis XPI. ecclesie cathedralis, unum alium drappel- lonem aliarum figurarum ad unam Trabaccham dicti baldachini etc . In der Folge malte Pacchiarotto in der Abtey unweit des mehrge- dachten Staͤdtchens s. Gimignano verschiedene Bilder a tempera auf Leinwand, welche Altargemaͤlde und keinesweges Bruͤderschaftsfah- nen zu seyn scheinen. Hingegen duͤrfte die beruͤhmte Madonna di S. Sisto in der Koͤn. Saͤchsischen Gallerie zu Dresden , welche zur Verwunderung vieler Kunstfreunde auf Leinwand gemalt ist, urspruͤnglich als Kirchen- fahne gedient haben. Allerdings versichert uns Vasari , dieses Bild sey fuͤr den Hauptaltar in s. Sisto zu Piacenza gemalt worden; indeß stehet der Hauptaltar dort frey in der Mitte der Kirche, ist von einem unumgaͤnglich erforderlichen architectonischen Geruͤste , welche Alunno zu Asisi gemalt habe; vielleicht meinte er die gegen- waͤrtig uͤbermalte und verdorbene Mater Misericordiae der Compagnia di S. Crispino. Eine andere Bruͤderschaftsfahne, welche auf feiner Leinwand sehr wohl a tempera gemalt ist, befindet sich zu Perugia in der Kirche sta Maria nuova und traͤgt die Aufschrift: societas annuntiate fecit fieri hoc opus. M. CCCC. LXVI. In der Hoͤhe sieht man Gott den Vater in einer Glorie und unten, in kleineren Dimensio- nen die Bruͤderschaft von zween Heiligen der Madonna vor- keine Spur vorhanden, haͤngt die Copie gegenwaͤrtig im Grunde des Chores an der Wand, wie fruͤher vielleicht auch das Original. Diese allgemeinen Zweifel waͤren nun allerdings noch zu besei- tigen. Erwaͤgen wir aber das ungewoͤhnliche Verhaͤltniß der Hoͤhe zur Breite, die Handlung der beiden Nebenheiligen (welche nach Art der Bruͤderschaftsfahnen der eine die Gemeine der Madonna, die andere dem Volke die Andacht zur Madonna empfiehlt); er- waͤgen wir ferner, daß die Vorstellung hier, wie in jener anderen Bruͤderschaftsfahne, dem Guido der Muͤnchner Gallerie, in einer bloßen Lufterscheinung besteht, welcher, gegen den Gebrauch und die Schicklichkeit in den Altargemaͤlden, aller Boden fehlt: so wird sich ergeben, daß Raphael die Leinwand hier nicht so ganz zufaͤllig und gleichsam des Versuches willen gewaͤhlt hatte. Aus dieser Be- stimmung erklaͤrt sich denn auch die geistig fluͤchtige Behandlung, welche Einigen Gelegenheit gegeben, an der Aechtheit des Bildes zu zweifeln. Die Gruͤnde dieser Kritiker sind mir nicht umstaͤnd- lich bekannt; doch werden sie unhaltbar seyn, da sicher unter den spaͤtesten historischen Gemaͤlden Raphaels Keines mehr und haͤufi- ger von seinen eigenen Haͤnden beruͤhrt worden ist, als eben dieses. Die Hand der Gesellen und Schuͤler ist nothwendig aͤngstlicher und abhaͤngiger, als jene des Meisters; daher wuͤrde sie sich auch hier durch eine minder verstandvolle Emsigkeit verrathen, sicher nicht durch geistreiche Fluͤchtigkeit, begeisterte Raschheit. Offenbar ist das Dresdener Bild nicht umstaͤndlich vorbereitet worden, sondern aus einem Gusse entstanden, was nur dem Meister gelingen konnte. gestellt. In den architectonischen Beywerken ein gemischter, go- thisch-brunelleschischer Geschmack. In dem Kopfe der Jungfrau eine ganz ungemeine Schoͤnheit und Reinheit des Charakters. Nach wiederholter Vergleichung halte ich diese Malerey mit großer Zuversicht fuͤr eine Jugendarbeit des Alunno . Nach einer Inschrift, welche Mariotti S. Lettere Perugine, Lett. V. p. 128. Tavola con molte figure nella chiesa de’ padri conv di Deruta — apiè della quale si legge: Nicolaus de Fulgineo pinx. MCCCC. LVIII. die… noch gesehn, malte er schon seit 1458. In der Pfarrkirche des Fleckens La Bastia , am Wege von Asisi nach Perugia , sah ich eine Tafel, deren gothische Abtheilungen ebenfalls durch brunelleschische Verzierungen ver- bunden sind, was an die Beywerke jener Fahne erinnert. Am Fuße dieser Tafel las ich: Hopus Nicolai Fulginatis . 1499. Im Hauptfelde, die Madonna zwischen Engeln unter einem gothischen Giebel und auf goldnem Grunde; in den Abtheilungen zur Seite, der Hl. Sebastian und Michael der Erzengel. Innerhalb der gothischen Giebel verschiedene Halb- figuren, darunter Gott Vater. Auf der Staffel ein todter Christus , den Kopf im Schooße der Mutter, von weinenden Engeln umgeben, welche von denen, die Vasari im Dom zu Asisi gesehn und fuͤr unuͤbertrefflich erklaͤrte, eine guͤnstige Vorstellung erwecken. Dieses wie alle uͤbrigen mir bekannten Fragmente und Bilder des Niccol ò unterscheiden sich durch ei- nen dunkeln und kraͤftigen Hauptton von den hellen und far- bigen Malereyen des Benozzo und seiner Nachahmer. Zu Asisi , im Dome, fand ich noch Ueberreste der Tafel, in welcher Vasari jene weinenden Engel bewunderte; sie sind gegenwaͤrtig hie und da in ein neueres Altargeruͤste eingelas- sen, doch unter dem Werthe der uͤbrigen Arbeiten unseres Malers, der schon erwaͤhnten, wie besonders der Tafel des Seitenaltares der Augustinerkirche s. Niccol ò zu Fuligno , welche von Antwerpen , wohin die Franzosen sie versetzt hatten, unter dem vorigen Pabste in ihre Heimath zuruͤckgelangt ist. Indeß haben die Franzosen den Gradino und das Feld, auf dem die Aufschrift stehet Mariotti , 1. c. giebt die Aufschrift mit dem Jahre 1492. , dieses wahrscheinlich zu besserer Beglaubi- gung ihres Antheils, zuruͤckbehalten. In dem hier vorhande- nen ist die Farbe tief, das Gefuͤhl energisch. Der Heilige Nicolas blickt aus seinem, nach der Weise dieses Malers, eigenen Gehaͤuse mit dem lebhaftesten Gefallen auf das Christuskind herab, auf welches s. Joseph ihn auf- merksam zu machen scheint. Dieser Zug erinnert lebhaft an die Sieneser Duccio und Thaddeo , wie immer die Ausbildung der Charaktere, die Rundung der einzelnen Figuren und An- deres uͤber diese Kuͤnstler hinausgehn moͤge. Lanzi behauptet, daß die Gemaͤlde des Alunno bis uͤber das Jahr 1500 hinausreichen. Vielleicht gehoͤrt die schoͤne Tafel in der Seiten-Kappelle zur Rechten des Chores derselben Kirche zu diesen spaͤtesten Werken seiner Hand; gewiß ist darin jene alterthuͤmliche Eintheilung in viele Felder schon aufgegeben und uͤberhaupt das Bestreben sichtbar, den technischen Fort- schritten der Zeitgenossen sich anzupassen, so weit es seine Kraͤfte gestatteten. In einer Glorie wird die Madonna ge- kroͤnt; s. Anton Abbas legt im Heraufblicken die Hand vor die Augen, als wenn ihn der himmlische Glanz verblende. Im Gradino drey Runde, darin das Ecce homo, die Ma- donna und Johannes. Niccol ò di Fuligno war demnach den beruͤhmteren Ma- lern der umbrischen Schule eben in jenem nur ihnen eigen- thuͤmlichen Ausdrucke fleckenloser Seelenreinheit, zum Hoͤchsten aufsteigender Sehnsucht und gaͤnzlicher Hingebung in suͤß schmerzliche und schwaͤrmerisch zaͤrtliche Gefuͤhle um Jahrze- hende vorangegangen, hatte bey einer langen Lebensdauer un- streitig durch Beyspiel und Lehre auf einen großen Theil jener Maler einwirken koͤnnen, welche man meist, obwohl nicht im- mer mit ausreichenden Gruͤnden, der Schule des Peter von Perugio unterordnet. Hingegen hatte der kuͤhlere Fiorenzo di Lorenzo , welcher in Ansehung seiner hellen Faͤrbung, seiner feinausgeschaͤrften Mundwinkel und anderer Eigenthuͤmlichkei- ten bey Benozzo gelernt haben moͤchte, von diesem letzten die schaͤrfere Bezeichnung des Einzelnen, und manche Vortheile der malerischen Anordnung angenommen, welche dem Niccol ò fremd geblieben sind. Aus einer gewissen Verschmelzung der Anregungen und Lehren, welche von diesen Kuͤnstlern ausgehen mußten, werden nebst anderen Zeitgenossen, sowohl Peter von Castello della Pieve , als Bernardino Pinturicchio sich hervor- gebildet haben; obwohl diese weitgereiseten und lange unstaͤt umherschweifenden Meister, in der Folge mit vielen anderen Schulen in Beruͤhrung gekommen sind, und sich bemuͤht ha- ben moͤgen, was ihnen jedesmal vortrefflich schien, nach Kraͤf- ten sich anzueignen. Es ist mir nicht gelungen, die Wirksamkeit des Fiorenzo weiter ruͤckwaͤrts zu verfolgen, als Mariotti , welcher ihn be- reits im Jahre 1472. den hoͤchsten Magistrat seiner Stadt bekleiden sieht Mariotti bezieht sich offenbar auf die Worte ( Archiv. pubbl. di Perugia Annali Xvirali 1472. p. 156.): Florentius Rentii Cecchi . Nehmen wir an, daß Fiorenzo schon im Jahre Jahre 1472. Decemvir (Mitglied der hoͤchsten Staatsbehoͤrde) gewesen, so war er damals gewiß schon zu reifen Jahren ge- langt, was allerdings mit dem alterthuͤmlichen Ansehn seiner Tafeln uͤbereinstimmt und durch einen Contract bey Mariotti , den ich nicht selbst gesehn, doch nach der Umstaͤndlichkeit der Angaben fuͤr aͤcht halten muß, uͤber allen Zweifel erhoben wird. In diesem verpflichtet sich Fiorenzo di Lorenzo , in demselben Jahre 1472., gegen den Unterprior des Klosters sta Maria nuova, der Kirche desselben ein Altarblatt mit der Himmelfarth der Jungfrau und vielen Heiligen zu malen, welches schon zu Mariotti’s Zeit nicht mehr vorhanden, doch, als Crispolti schrieb, wahrscheinlich noch an seiner Stelle war Mariotti op. c. p. 81. Anm. 1. — Fiorenzo di Lorenzo di Porta sca Susanna cittadino e pittor Perugino — verpflichtet sich in diesem Contracte — rogato da Francesco di Ser Giacomo No- tario Perugino — ne’ suoi Protocolli sotto il detto anno 1472. a carta 331. — fuͤr 225 Ducati (?) auf dieser Tafel bestimmte von Mar. angefuͤhrte Heilige zu malen. . Also mußte Fiorenzo bereits innerhalb des vorange- henden Jahrzehendes sich ausgebildet haben, wenn es nicht schon damals geschehen ist, als Benozzo , von welchem er so Vieles angenommen hat, zu Montefalco malte. Nach spaͤteren Angaben des Mariotti Ib. Lett. VIII. p. 210. Wo Anm. 2. ein Gutachten, in wel- chem ein Florentius Laurentii de Perusio , P. S. P. (porta S. Petri) mit dem Tiberio d’Asisi Maj 5. 1521. die Malerey eines Dritten abschaͤtzt. — Waͤre dieser unser Fiorenzo , dessen malerische Wirk- , welche ich nicht habe vergleichen pro arte sce Suxanne. — Indeß wird dieser, Fiorenzo , nicht naͤ- her charakterisirt, und es kommt hier darauf an, ob der großvaͤ- terliche oder Geschlechtsname, Cecchi, in Urkunden vorkomme, welche sich gewiß auf unseren Maler beziehn. II. 21 koͤnnen, soll Fiorenzo noch im Jahre 1521. gelebt haben. Wenn Mariotti hier richtig gelesen haͤtte, wenn es ausge- macht waͤre, daß in dieser Urkunde wirklich von unserem Fio- renzo die Rede sey, so muͤßte er ein sehr hohes Alter erreicht und seine Kuͤnstlerlaufbahn lange vor seinem Ableben beschlos- sen haben. Das meist beglaubigte Bild des Fiorenzo befindet sich gegenwaͤrtig in der Sacristey der Kirche s. Francesco zu Pe- rugia . Dieses schoͤne Gemaͤlde ist wahrscheinlich aus der Kirche dahin versetzt, und auf diese Veranlassung zertrennt und umgeordnet worden. In dem Halbrunde des Gipfels bildete der Kuͤnstler in halben Figuren die Madonna mit dem Kinde in einer Glorie von Cherubkoͤpfen und von zween anbetenden Engeln umgeben. In der Naͤhe betrachtet, erinnert in die- sem Bilde die Modellirung der Cherubkoͤpfe entfernt an Domenico Ghirlandajo ; Anderes, die Lage der Finger, vor- nehmlich das Antlitz der Madonna, an die Jugendwerke des Perugino . Im Gradino, in drey kleinen Rundungen, vier artige Halbfiguͤrchen, unter denen die Koͤpfe, besonders jene der beiden Bischoͤfe sehr anziehend und liebenswerth sind. Ich wage nicht uͤber den Ursprung der Thuͤren abzusprechen, auf welchen Engel mit den Leidenswerkzeugen, wie mir scheint, von anderer Hand gemalt sind. Hingegen befinden sich in derselben Sacristey zwey frey haͤngende Bilder, welche, wie ihre Groͤße und Manier schließen laͤßt, urspruͤnglich unter jene Madonna gehoͤrten, auf deren einem, nemlich auf dem Ge- wande des Hl. Petrus , FLORENTIVS LAVRENT — samkeit ungleich fruͤher geendet zu haben scheint, so muͤßte er da- mals in den achtzigen gewesen seyn. — auf dem andern am Saume des Mantels des Hl. Paulus , — II + P + PINSIT. M. CCCC. LXXXVII. Die Malereyen unseres Meisters, von welchem Vasari keine Kunde erlangt zu haben scheint, gehoͤren zu den groͤßten kunstgeschichtlichen Seltenheiten. Auch zu Perugia , wo er ge- lebt, findet sich von seiner Hand kein zweytes bezeichnetes Bild; obwohl ich ein Thuͤrstuͤck im oͤffentlichen Palaste (uͤber dem Eingang in das catasto nuovo ), worin die Madonna mit seegnendem Kinde, Cherubkoͤpfe und schoͤne Engel umher, in Ansehung seiner vielseitigsten Uebereinstimmung mit dem oben beschriebenen Bilde ebenfalls fuͤr seine Arbeit halte, wo- rin mir einige damals zu Perugia anwesende Kuͤnstler, welche ich vor Jahren zur Vergleichung aufforderte, einstimmig bey- fielen. Ob ein Gradino der oͤffentlichen Gallerie dieser Stadt, ob ferner die Malerey auf dem Altare der Sacristey der Bruͤ- derschaftskirche s. Bernardino von seiner Hand sey, wage ich nicht mit Zuversicht auszusprechen. Indeß genuͤgt es vor der Hand, in jenen beiden Ma- donnen gewisse Eigenthuͤmlichkeiten der Lage und Wendung der Gestalt, gewisse Feinheiten in der Auffassung der Formen ent- deckt zu haben, welche in den fruͤheren Arbeiten des Perugino wiederkehren, daher die Vermuthung anregen, es moͤge dieser Kuͤnstler dem Fiorenzo einen Theil seiner Kunstbildung zu ver- danken haben. Daß er nach Florenz gekommen sey, nicht um die Kunst von Grund aus zu erlernen, sondern um sich in diesem Mittelpuncte damaliger Kunstbestrebungen zu vervoll- kommnen, raͤumet selbst Vasari ein, welcher den Pietro die Anfangsgruͤnde seiner Kunst von einem geringfuͤgigen Meister erlernen laͤßt, dessen Namen er verschweigt, wie seine Un- kunde in Dingen dieser Gegend erwarten ließ. Wenn indeß 21 * Neuere Mariotti ; f. Lanzi , l. c. scuola Ro. Pietro Per. , wo, zu An- fang, die verschiedenen, gleich luftigen Vermuthungen der Neueren zusammengestellt sind. die Luͤcke durch den Benedetto Buonfiglio haben ausfuͤllen wollen, so entgegne ich, daß Fiorenzo ebenfalls zur Hand ist und, bey gaͤnzlicher Abwesenheit urkundlicher Gruͤnde, die Analogie fuͤr sich hat. Vom Benedetto hat Pietro sicher, weder in der allgemeineren Richtung seines Sinnes, noch in der Handhabung der Form und Farbe, wenn auch nur das Geringste angenommen. Hingegen folgte er dem Fiorenzo in Vielem, in Anderem dem Niccol ò di Fuligno , den Mariotti Lettere Perug. Lett. V. p. 128 — non é niente improba- bile, che il nostro pittore prendesse qualche lume dal pittor Fu- lignate — badando altresi allo stile delle sue pitture, quale rasso- miglia assai al primo stile di Pietro . — Vgl., Orsini, Lett. X. p. 107. , nachdem er eine Weile von einer Meinung zur anderen hinuͤber- geschwankt, am Ende doch geneigt ist, in Ansehung einer zu Fuligno festgehaltenen Ueberlieferung, fuͤr den eigentlichen Leh- rer des Pietro Perugino zu halten. Auch unter den Malern, welche Vasari aus der Schule des Perugino ableitet, duͤrften einige vielmehr der Schule des Niccol ò Alunno angehoͤren, namentlich Andrea di Luigi detto l’ Ingegno und Bernardino Pinturicchio . Vasari erzaͤhlt: daß Ingegno bey Pietro Perugino seine Kunst erlernt, in dessen Schule mit Raphael gewetteifert, sei- nem angeblichen Meister im Sitzungssaale des Wechselgerich- tes zu Perugia geholfen und darin einige schoͤne Gestalten ge- malt habe, welche er uͤbrigens nicht umstaͤndlich bezeichnet. Obgleich es nun schwer seyn moͤchte, diese Figuren wieder aufzufinden, uͤber welche vielleicht nicht einmal Vasari selbst genau berichtet war, so haben doch moderne Kenner fuͤr die Sibyllen und Propheten entschieden, weil sie die schoͤnsten Ge- stalten des ganzen Werkes sind. Vasari behauptet ferner, daß Ingegno dem Perugino auch in dessen Arbeiten zu Asisi bey- gestanden sey; vielleicht bezeichnet er hier die Malereyen an der Außenseite der Kappelle des Hl. Franz, mitten in der Kirche sta Maria degli Angeli. Dann kommt er endlich auf die sixtinische Kappelle, wo er unseren Kuͤnstler ebenfalls hel- fen laͤßt, und sagt bald darauf: „die großen Hoffnungen, welche Ingegno erweckt habe, seyen durch sein ploͤtzliches Er- blinden vereitelt worden. Papst Sixtus — es kann hier nur von Sixtus IV. die Rede seyn — habe ihm darauf zu Asisi ein Jahrgehalt angewiesen, welches er bis in sein sechs und achtzigstes Jahr genossen.“ Sixtus IV. starb im Jahre 1484. Raphael kam erst gegen 1500 in die Schule des Perugino , und das Wechselge- richt zu Perugia wurde im Jahre 1500 zu malen begonnen. Demnach beging Vasari einen groben Verstoß gegen die Zeit- rechnung, da Ingegno unmoͤglich zwanzig Jahre fruͤher erblin- den konnte, als er gemalt und mit Raphael gewetteifert ha- ben soll. Mariotti — lettere Perugine p. 161. f. — und Orsini — guida di Perugia — halten daher fuͤr unmoͤglich, daß Ingegno an den Malereyen im Cambio geholfen habe, eben weil sie in Beziehung auf sein fruͤheres Erblinden dem Vasari glauben wollen. Allein sie haͤtten viel eher auf die Vermuthung gerathen koͤnnen, daß Vasari von jenem Vorfalle uͤberhaupt nicht genau unterrichtet gewesen sey. In der ersten Ausgabe des Vasari — 1550. 8. — kommt noch kein Wort vom Ingegno vor; er wird erst in der zweyten vermehrten — Florenz . Giunti. 1568. 4. — erwaͤhnt, und es waͤre daher nicht ganz unmoͤglich, daß in dieser letztern: papa Sisto, ein Schreib- oder Druckfehler waͤre fuͤr: Papa Giulio II. ; denn unter diesem letzten hat Ingegno , wie wir sehen werden, aller- dings ein paͤpstliches Amt erhalten. Doch mag Vasari an dieser Stelle nach seiner gewoͤhnlichen Art durch bloße Anrei- hung von Erinnerungen auf den Namen Sixtus verfallen seyn, den ihm die voranerwaͤhnte, gegen die Ordnung der Zeit spaͤter als das Cambio zu Perugia angefuͤhrte sixtinische Kappelle ge- rade ins Gedaͤchtniß rufen mußte. Von dieser Frage abgesehn, ist es an sich selbst voͤllig erweislich, daß Andreas , wenn uͤberhaupt, wenigstens doch nicht so fruͤhe erblindet war. Denn der Ritter Frondini zu Asisi , ein fleißiger und redlicher Sammler vaterlaͤndischer Al- terthuͤmer, bewahrt ein Buch, welches ich selbst eingesehn habe, worin Andreas fuͤr seinen Bruder, welcher Canonicus des Domes von Asisi gewesen, in verschiedenen Jahren ge- wisse Hebungen quittiret. Er schreibt sich dort: Ingegnio di Maestro Alivisse , auch: Allovisii, Allevisi, und Aloisi. Die letzte Quittung lautet: Ingegno di maestro Allovisi , die mercurii, quinta decembris 1509. Wenn er diese ganz fest und von derselben Hand geschriebenen Quittungen durch Andere haͤtte schreiben lassen, so wuͤrde Solches nach dem Rechtsgebrauche aller Zeiten doch ausdruͤcklich bemerkt und bezeugt worden seyn. Aber es scheint auch, daß der Beyname: Ingegno , wenn er uͤberhaupt, was in Italien nicht immer der Fall ist, eine aͤußere Veranlassung hatte, nicht bloß von seinem Talente fuͤr die Malerey, vielmehr von einer vielseitigen Faͤhigkeit des Geistes abzuleiten waͤre, die Andreas spaͤterhin auch in der Behandlung buͤrgerlicher Geschaͤfte darlegte. Frondini theilte mir mehrere urkundliche Nachrichten mit, in denen unser In- gegno als Procurator Archiv. delle riformag. d’Asisi. ao. 1505. 7. Febr. a. c. 48. , Schiedsrichter Gutachten, rogato da Ser Giampietro Benzi , not. pub. dd. 6. Sept. 1507. , Gehuͤlfe der Obrigkeit Riform., ultimo Aprilis 1510. „ Magister Andreas , ma- gistri Aloysii , sindicator Potestatis .“ , und endlich gar als paͤpstlicher Cassierer Archiv. della Segreteria d’Asisi. Ein Brief vom 7. April 1511. mit der Aufschrift: „Alphanus de Alphanis, Perusii vicethe- saurarius, spectabili viro, magistro Andrea , dicto Ingegno , camera- rio Apostolico in civitate Assisii . erscheint; Geschaͤfte, die, naͤchst dem Gebrauche des Gesichtes, auch praktischen Verstand erfordern. Die gedachte Ernennung zum Einnehmer der allgemeinen Landesregierung moͤchte obi- ger, den Umstaͤnden nach irrigen Angabe des Vasari zum Grunde liegen. Andreas scheint diese Staatsbedienung nicht vor dem Jahre 1511 angetreten zu haben, weil er im voran- gehenden Jahre ein anderes staͤdtisches Amt bekleidet hatte. Auf jeden Fall verwechselt Vasari hier ein Amt mit einem Ruhegehalte, und wie schon oben bemerkt worden, Julius II. mit Sixtus IV. Nun haͤtte Ingegno auch wegen bloßer Schwach- sichtigkeit die Malerey vernachlaͤssigt haben koͤnnen, was doch wohl geschehen seyn mag, weil wir sonst von seiner kuͤnstlerischen Wirksamkeit eine bestimmtere Kenntniß haben wuͤrden. Allein es liegt wohl eben so nahe, anzunehmen, daß sein Geschaͤfts- geist, von dem wir sichere Nachrichten besitzen, ihn von der Kunst abgezogen habe, als seine Blindheit oder Bloͤdsichtigkeit, uͤber welche Vasari selbst offenbar keine umstaͤndliche Gewißheit erlangt hatte. Ich habe mich nie lange genug in dem merkwuͤrdigen Asisi aufgehalten, um die dortigen Archive in Beziehung auf die Malereyen des Ingegno aufmerksam durchgehen zu koͤn- nen. Frondini konnte mir nur von einer einzigen unbedeuten- den Arbeit des Ingegno Nachricht ertheilen, von einigen am Rathhause im Jahr 1484 gemalten Bollettario, in segreteria del publico. „ao. 1484. 29. Octo- bris. Magister Andreas Aloysii habuit bullectam (die An- weisung) pro armis pictis in platea et ad portas civitatis … flor. 5. solid. 26. Wappen. Es geht je- doch aus dieser Nachricht hervor, daß Ingegno im Jahr 1484 schon Maler und Meister war, und hieraus wird wie- derum wahrscheinlich, daß er nicht , wie Vasari will, des Perugino , sondern viel eher des Niccol ò Alunno Schuͤ- ler gewesen sey. Dieser hatte schon um 1460 in dem be- nachbarten Fuligno eine feste Werkstaͤtte angelegt, waͤhrend Peter bis nach 1490, bald in Florenz , bald in Rom Beschaͤf- tigung fand, und erst gegen Ende des Jahrhunderts zu Pe- rugia seine Schule gruͤndete. Demungeachtet konnte Meister Andreas , wie damals geschah, dem Perugino in verdungenen Arbeiten geholfen und bey gemeinschaftlichem Wirken Manches von dessen Art sich angeeignet haben. Indeß fehlt es durchaus an hinreichend beglaubigten Proben seines Talentes; ein einziges fruͤher, im Kunstblatte 1821. N. 73., von mir angezeigtes Gemaͤlde, damals im Besitze des Kupferstechers und Kunsthaͤndlers Johann Metzger zu Florenz , trug die Anfangsbuchstaben A. A. P., welche ich gedeutet: Andreas Aloysii pinxit, indem ich zugleich auf die Abweichungen hingewiesen, welche diesen Maler vom Perugino unterscheiden werden. Diese (kraͤftige Schatten, braͤunlicher Hauptton, groͤßere Fuͤlle und Derbheit der Form, als bey den umbrischen Malern gewoͤhnlich ist) glaubte ich in der Madonna unter dem Bogen eines Seitenthores zu Asisi ober- halb s. Franz ( porta S. Giacomo ) wieder aufzufinden, wie selbst an zween anderen, das eine in via superba unweit s. Franz, an einem Privathause; das andere in einer engen Gasse der oberen Stadt. Indeß ist es bedenklich, hierin moͤglichen spaͤteren Entdeckungen vorzugreifen, weßhalb ich jene Vermuthungen jederzeit nur mit Zuruͤckhaltung ausge- sprochen habe. Andere Schriftsteller haben mit jener unbegreiflichen Keck- heit, welche den Bearbeitungen neuerer Kunstgeschichten anzu- haͤngen pflegt, von diesem bis jetzt unbekannten, vielleicht selbst unbedeutenden Meister, gleich wie von einem alten Be- kannten geredet, und Werke ohne alle urkundliche Gruͤnde als die seinigen bezeichnet, welche nach ihrem Zeitcharakter weder dem Andrea , noch uͤberhaupt einem Maler angehoͤren koͤnnen, welcher schon 1484. ein ansaͤssiger Meister war. Wenn es dem Vasari zu verzeihen ist, daß er mit jener ihm eigenthuͤmlichen Nichtbeachtung der Zeitfolge erzaͤhlt: daß Andrea Luigi von Asisi der beste Schuͤler des Perugino gewe- sen, welcher in seiner ersten Jugend mit Raphael ge- wetteifert und seinem Meister ( etwa fuͤnfundzwanzig Jahre fruͤher ) bey dessen Arbeiten in der sixtinischen Kap- pelle geholfen habe, und (wiederum 25. Jahr spaͤter) bey de- nen im Cambio zu Perugia , und doch wiederum so viel fruͤ- her erblindet sey; so haͤtten doch so grobe Unvereinbarkeiten spaͤteren Forschern die Augen oͤffnen und ihnen zeigen sollen, daß jene, dem Vasari erst spaͤt, nach seiner ersten Ausgabe, zugeflossene Kunde nur hoͤchst unbestimmt und verworren war. Vornehmlich haͤtten sie davon abstehn muͤssen, diesem Maler, dessen Werke selbst der bereitwillige Vasari mit Stillschweigen uͤbergeht, willkuͤhrlich Arbeiten unterzuschieben, welche er sicher nie beruͤhrt hat. Es mag eine Schwaͤche seyn, doch kann ich nie ohne inneren Verdruß die Stelle ansehn, wo Lanzi , dem kein einziges sicheres Werk des Ingegno bekannt war, in seiner bequemen Manier erzaͤhlt: „man darf ihn als den er- sten bezeichnen, welcher in jener Schule die Manier vergroͤ- ßert und das Colorit verlieblicht hat, wie einige (?) sei- ner Werke darlegen, besonders die Sibyllen und Propheten, welche er zu Asisi a fresco gemalt; wenn sie (setzt er hinzu) von seiner Hand sind, wie man glaubt.“ Diese Sibyllen sind mit der uͤbrigen Kappelle von einem Zeitgenossen des Vasari , dem Adone Doni gemalt, welcher noch um 1580. im Geschmacke der spaͤteren Nachfolger des Buonaruota arbeitete. Contract und Zahlungen sind noch vorhanden; so daß ich nicht begreife, wie man selbst in Asisi noch immer an jener unbegruͤndeten und widerstrebenden Meinung haften koͤnne. — Fiorillo endlich hat, die Verwirrung zu vollenden, diese Si- byllen mit jenen aͤlteren im Cambio zu Perugia verwechselt und dieses letzte nach Asisi verlegt, wo keine solche Anstalt vorhanden ist. Nach dieser unverhaͤltnißmaͤßig langen, doch unumgaͤng- lichen Abschweifung, wenden wir uns zum Pinturicchio zuruͤck, welcher, eben weil sein Leben, seine Wirksamkeit, wie deren Richtung umstaͤndlich bekannt sind, uns weniger aufhalten wird. Dieser Kuͤnstler ist seit Vasari nicht selten mit Ungerech- tigkeit behandelt worden, was darin seinen Grund zu haben scheint, daß man die Leistungen seines fruͤheren und frischeren Lebens nicht genug von den spaͤteren unterschieden hat, in de- nen leere Fertigkeit und einseitiges Absehn auf Gewinn vor- waltet; in welchen vielleicht eben das Schlechtere von hand- werksmaͤßigen Gehuͤlfen beschafft seyn mag. Seine fruͤhesten Arbeiten sind mir unbekannt; hingegen sah ich ein Werk sei- ner mittleren Jahre, das Gemaͤlde, welches zu Perugia im Jahre 1819. noch den Hauptaltar der Kirche s. Anna schmuͤckte, seitdem aber in die Sammlung der Akademie ge- langt ist. Diese Tafel enthaͤlt nach Art des Niccol ò di Fu- ligno , naͤchst dem Hauptbilde, der Madonna auf dem Throne, zu den Seiten s. Augustin und Hieronymus , eine in zwey Bilder vertheilte Verkuͤndigung, in dem Giebel ein Ecce homo, in den Postamenten der abtheilenden Pilaster vier kleine koͤstliche Halbfiguren, und ward dem Pinturicchio im Jahre 1495. den 14. Februar mit umstaͤndlicher Angabe der oben verzeichneten Theile verdungen. Bis auf die Altar- staffel, deren Heilige ebenfalls aufgegeben worden, enthielt das Bild, als ich dasselbe untersuchte, alle in jener Verstif- tungsurkunde vorausbestimmte Abtheilungen. In keinem Bilde der umbrischen Schulen, nicht einmal in den besten und frischesten Arbeiten des Pietro , fand ich das eigenthuͤmlich tiefe und reine Gefuͤhl des Niccol ò so gluͤcklich mit besserer Formenkenntniß und schoͤnerer Manier verschmolzen, als in den einzelnen Stuͤcken dieser mehrfaͤltig zusammengesetzten Tafel. Der Kopf der Madonna ist unge- achtet der Aufmalung einer spaͤteren Hand noch immer schoͤn, das Christuskind lieblich; die Hll. zu den Seiten lobenswerth, die Landschaft im Hintergrunde trefflich. In der Verkuͤndi- gung uͤbertrifft die Madonna sowohl den Engel, als ihr Ebenbild im Mittelstuͤcke; der Kuͤnstler laͤßt sie von einem geheimen Schauer uͤberraschen, welcher meisterlich ausgedruͤckt ist. Die Engel in der Piet à des Gipfels sind so ausdrucks- voll, daß sie unwillkuͤhrlich an jene gegenwaͤrtig verlorenen des Niccol ò erinnern, deren schmerzlichen Ausdruck Vasari fuͤr unuͤbertrefflich hielt. Die Ausfuͤhrung ist beendigt, doch ohne Haͤrte und Trockenheit; der Hauptton, dem die Zeit moͤchte nachgeholfen haben, faͤllt in das Braͤunliche Die Urkunde der Bestellung dieses Bildes findet sich bey Mariotti , Lettere Perug. Lett. IX. p. 220. s. Anm. 1. — Dieser redliche Forscher, vereinigt in diesem Briefe viele umstaͤndliche und urkundliche Nachrichten uͤber das Leben, die Leistungen, die Be- guͤnstigungen des Pinturicchio , welche der Beachtung werth sind. . Um so weit zu kommen, mußte Bernardino schon eine laͤngere Zeit gearbeitet haben, ob in Gesellschaft des Perugino , oder fuͤr eigene Rechnung, ist nicht wohl zu entscheiden, so lange das erste bloß auf einer Angabe des Vasari beruhet, fuͤr das andere aber keine Beyspiele bekannt sind. Vielleicht arbeitete er in seiner Jugend fuͤr die kleineren Ortschaften des Landes, wo noch so Vieles zu entdecken ist; vielleicht traf seine fruͤheren Arbeiten eben jenes Mißgeschick, welches die Leistungen des Fiorenzo bis auf wenige Proben seines Talen- tes vernichtet hat. Gewiß kenne ich unter den zahlreichen Werken des Pinturicchio nur ein Einziges, seiner aͤußeren Verschiedenheit ungeachtet, dem Werthe jenes Bildes der Aka- demie zu Perugia sich annaͤherndes: die Mauergemaͤlde der Kappelle des Hl. Bernhardin in der Kirche ara coeli zu Rom , am kapitolinischen Huͤgel. Vielleicht trifft diese Arbeit der Vorwurf einer ungleichen, bald uͤberfuͤllten, bald zu lufti- gen Austheilung des Raumes. Die Charakterkoͤpfe sind in- deß voll Leben, die jugendlichen anziehend, durch eben jenen sehnsuchtsvoll-schwaͤrmerischen Ausdruck, welcher die umbrischen Gemaͤlde dieser Zeit von denen anderer Schulen unterscheidet. Aber auch die Halbkuppel der Kirche sta Croce in Gerusa- lemme zu Rom , welche der Abbate Titi dem Pinturicchio bey- gelegt hat, duͤrfte zu dessen fruͤheren Arbeiten gehoͤren, viel- mehr zu seinen fruͤheren Unternehmungen, denn, wie es scheint, reichte ihm ein derberes Talent, vielleicht Luca Signorelli , bey dieser Arbeit die Hand. Dieser treffliche Kuͤnstler, dessen Arbeiten allgemein be- kannt Seine Mauergemaͤlde im Dome zu Orvieto , durch das Kupferwerk des Della Valle . Seine trefflichen Arbeiten im Kloster Monte Uliveto maggiore werde ich spaͤterhin beruͤhren. Viele sei- ner Staffeleygemaͤlde vereinigt das Chor des Domes zu Cortona , einige andere eine ihm gegenuͤberliegende Bruͤderschaft. Schoͤner, als diese, meist spaͤtesten Arbeiten des Kuͤnstlers, sind einige Ge- maͤlde der Sacristey zu Volterra ; schaͤtzenswerth einige andere in der Gallerie der Uffizj zu Florenz , besonders die schoͤnen Seiten- fluͤgel mit stehenden Heiligen in der ehmals solly’schen, gegenwaͤr- tig Koͤn. preußischen Sammlung zu Berlin . und geschaͤtzt sind, welcher daher keiner umstaͤndlichen Beleuchtung zu beduͤrfen scheint, erwarb hoͤchst wahrscheinlich in dem, seiner Vaterstadt Cortona benachbarten Perugia die noͤthigste Anweisung. In seiner Behandlung der Malerey a tempera, wie vornehmlich in seiner Formengebung, blieb er langezeit den Peruginern, besonders dem Fiorenzo di Lorenzo , so aͤhnlich, daß ich nicht bezweifle, daß er dem letzten seine Jugendbildung verdanke. Um so naͤher liegt die Vermuthung, daß er in sta Croce zu Rom dem Pinturicchio geholfen habe. Zur mittleren Lebensstufe dieses Kuͤnstlers gehoͤren denn auch dessen Arbeiten in einigen Kappellen der Kirche sta Ma- ria del Popolo zu Rom ; hingegen gehen die Verzierungen der Sala Borgia den Malereyen der Libreria des sienesischen Do- mes unmittelbar voran. In beiden zeigte sich Bernardino als ein gewandter Unternehmer verdungener Arbeiten, welcher alle Umstaͤnde, z. B. die groͤßere Erfindungsgabe des jungen Ra- phael , fuͤr sich zu benutzen wußte Eine dieser ausfuͤhrlichen Zeichnungen Raphaels befindet sich, obwohl etwas nachgebessert, zu Perugia im Hause Baldeschi, eine zweyte zu Florenz in der Gallerie der Uffizj, disegni, cartella di Rafaello. Beide sind unendlich schoͤner und geistvoller, als die nach ihnen ins Große ausgefuͤhrten, doch in den landschaftlichen Beywerken, Bildnissen und Anderem abgeaͤnderten Wandgemaͤlde. — Allein an einer anderen nicht beachteten Stelle, duͤrfte Pintu- ricchio nicht allein der Erfindungsgabe, auch der Hand und des Pinsels des jungen Raphael sich bedient haben; ich bezeichne die Tafel des Hauptaltares der Kirche s. Girolamo zu Perugia , welche dort, ich entsinne mich nicht, ob nach urkundlichen Gruͤnden fuͤr eine Arbeit des Pinturicchio gilt. Auf einem hohen Throne, welcher in leichten Verzierungen von angenehmer Zeichnung endigt und oben, gleich jenem der Ma- donna von Pescia im Palast Pitti zu Florenz , durch einen Balda- chin gedeckt ist, sitzt in der Mitte des Bildes die Jungfrau mit dem Kinde. Neben dem Baldachin schweben zwey ausnehmend schoͤne, ins Raphaelische gehende Engel. In der Hoͤhe Cherub- koͤpfe. Unten am Boden stehen zu beiden Seiten des Thrones et- was ruͤckwaͤrts s. Franz und Anton von Padua , vor diesen s. Joh. Baptista und Hieronymus . Im Grunde eine Landschaft von treff- lichen Linien. Leider ist dieses herrliche Gemaͤlde sehr verwaschen, einzelne Koͤpfe, besonders s. Franz , bis zur Untermalung. Doch erleichtern diese Beschaͤdigungen den Blick in die Manier der Ausfuͤhrung, welche an den meisten Stellen an jene Mittelstufe erinnert, auf welcher Raphael unmittelbar vor seiner Berufung nach Rom ei- nige Jahre verweilt zu seyn scheint. Ich bezeichne hier die Zeit, als er die Lunette im Kloster s. Severo zu Perugia begann (1505) . Indeß werden wir, weder, mit Einigen, das schoͤne Talent des Pinturicchio nach solchen Lohnarbeiten abmessen und verdammen, noch, mit An- deren, solche fabrikartig beschaffte Verzierungen fuͤr Geist und Gemuͤth-volle Dinge erklaͤren wollen. Denn, was Pinturic- chio als Kuͤnstler bestrebt und vermocht, liegt nur in seinen frischeren Werken zu Tage; aus jenen spaͤteren aber erhellet nur etwa so viel, daß auch das schoͤnste Talent dem Erwerbs- und Handelsgeiste unterliegen koͤnne, welcher uͤbrigens, als untergeordnetes Element der buͤrgerlichen und haͤuslichen Be- gruͤndung des Kuͤnstlerlebens freylich ganz unentbehrlich ist. — Daß Pinturicchio in dieser Richtung unwiderbringlich unterge- gangen war, bewaͤhrt eine seiner spaͤtesten Arbeiten, das Altar- gemaͤlde in einer Kappelle der Kirche s. Andrea zu Spello , ei- nem Landstaͤdtchen an der Straße von Fuligno nach Spoleti , auf welchem der Maler einen Brief d. d. XXIIII. April. MCCCCC. VIII., angebracht, ich denke zur Bezeichnung des Jahres, in welchem er diese Arbeit beendigte. Im Dome desselben Staͤdtchens malte er eine Kappelle in welcher sein Bildniß und darunter in besonderen Abtheilungen: Bernardi- nus Pictoricius Perusinus ; M° CCCCC°I°. Lanzi haͤlt diese Wandgemaͤlde, welche Pinelli in Umrissen ausgegeben das große, ebenfalls unbeendigte Gemaͤlde fuͤr Pescia und Anderes, so weniger zur Hand liegt. Er strebte damals uͤber die Abhaͤngig- keit von einzelnen Modellen hinauszukommen, ohne jene feste Be- gruͤndung zu besitzen, welche er bald darauf erreichte; und gewiß gren- zen die bezeichneten Gemaͤlde hie und da an das Leichtfertige und Manierte. In dieser Epoche durfte er, wenn das eben beschriebene Gemaͤlde wirklich dem Pinturicchio verdungen worden, diesem die Arbeit in Ruͤckverdingung gemacht haben. — Ein Blick auf den von Lazur entbloͤßten Kopf des Hl. Hieronymus , duͤrfte Kennern meine Vermuthung mehr, als wahrscheinlich machen. hat, fuͤr die besten Arbeiten unseres Malers. Gewiß sind sie nicht eben die schlechtesten. Ein lachender, baͤurisch derber Hirt in der Geburt des Heilands, das Bildniß des Kuͤnstlers, so wie einiges Andere aus der Gegenwart gegriffene, ist wirklich trefflich. Uebrigens verraͤth sich schon hier, obwohl noch nicht in dem Maße, als in jenem Altargemaͤlde der Minoriten zu s. Andrea, fortschreitende Abnahme des Antheils an der Idee seiner Aufgaben; Unvermoͤgen, die Umrisse der großgehaltenen Figuren ganz auszufuͤllen. Ich uͤbergehe hier den Piero della Francesca , den Einige unter die Lehrer des Perugino versetzen, obwohl Keiner der italienischen Geschichtschreiber und Topographen recht eigentlich anzugeben weiß, welche Richtung dieser Kuͤnstler verfolgt, in welcher Manier er gemalt habe Vasari ertheilt ihm jene noch immer vorhandenen Male- reyen an den Waͤnden der Chorkappelle in s. Francesco zu Arezzo , worin ich ihm nicht zu folgen wage, da anderweitige Zeugnisse noch ersehnt werden. Diese Gemaͤlde sind mit Fertigkeit gemalt, doch sehr maniert. Der schwaͤchliche Geist, welcher darin sich aus- spricht, kann weder auf den Perugino , noch uͤberhaupt auf die da- malige Kunstentwickelung eingewirkt haben. Im Kunsthandel sah ich verschiedentlich unbedeutende, meist sienesische Bilder, welche speculirende Unternehmer, die Neigung zum Seltenen benutzend, willkuͤhrlich zu Arbeiten des Piero della Francesca gestempelt hatten. ; um zu dem Kuͤnstler zu- ruͤckzukehren, dessen Ableitung so viele Abschweifungen und Vorbereitungen unumgaͤnglich machte. Pietro di Christofano , nach seinem Geburtsorte, Castello della Pieve , spaͤterhin von Perugia genannt, wo er gegen das Jahr 1500 sich niedergelassen, den man daher gemeinhin den Pietro Pietro Perugino nennt, erlangte und bewaͤhrte seinen Ruhm hauptsaͤchlich durch seine Einwirkung auf die Entwickelung des fleckenlosesten Malers neuerer Zeiten, des Raphael von Ur- bino . Hingegen ist sein persoͤnliches Verdienst selten zu Ge- nuͤge gewuͤrdigt worden, was er durch eine Fluth mittelmaͤßi- ger und schlechter Werke unlaͤugbar vielfach verschuldet hat. Um zu wuͤrdigen, was er als Kuͤnstler geleistet, muß man die Gewerbsarbeiten, welche er in spaͤteren Jahren mit Huͤlfe zahl- loser, theils sehr mittelmaͤßiger Gesellen beschaffte, von den kuͤnstlerischen Hervorbringungen seiner fruͤheren und mittleren Jahre unterscheiden, welche in gewisser Beziehung zu den schoͤnsten und besten Leistungen ihrer Zeit gehoͤren. Die fruͤhesten Umstaͤnde seines Lebens und Proben seines Talentes sind nicht mit genuͤgender Sicherheit anzugeben. Vasari laͤßt ihn, von einem ungenannten peruginischen Meister nothduͤrftig unterrichtet, nach Florenz gehn und dem Andrea del Verocchio sich anschließen. Unstreitig verdankte er seinen naͤ- heren Vorgaͤngern, Fiorenzo und Niccol ò Alunno , einen wich- tigen Theil seiner Bildung. Ob er nun auch beym Verocchio als Schuͤler, oder Geselle eingetreten, ist bis dahin unerwie- sen, wird sogar aus dem Grunde bestritten, daß er nirgend, wie Lorenzo di Credi , oder Lionardo , an die Manieren und Absichten des Verocchio erinnere. Doch eben weil Vasari hier keinen Vermuthungen zu folgen scheint und etwas an sich selbst ganz Unwahrscheinliches behauptet, duͤrfte er hier irgend einer unbestimmten Kuͤnstlersage gefolgt seyn. Ueberhaupt ver- mischt Vasari die Begriffe Geselle, Schuͤler, sich hingebender Freund eines aͤlteren Kuͤnstlers; und vornehmlich in den letz- ten Beziehungen mochte Perugino , der sicher als fahrender Ge- selle fruͤhe nach Florenz gekommen war, dem Verocchio sich II. 22 angenaͤhert haben. Dieser forschende, tiefer, als seine mei- sten Zeitgenossen, in die wissenschaftlichen Grundlagen der Kunst eindringende Meister, eignete sich offenbar sowohl zum Rath- geber, als zum Lehrer; er hatte das maͤßige Talent des Lo- renzo di Credi so weit, als moͤglich, ausgebildet, und den Genius des Lionardo da Vinci so gluͤcklich geleitet, als wir wissen. Zu Florenz sah ich, sowohl bey den Nonnen zu s. Ja- copo di Ripoli, als auch im Kunsthandel, z. B. bey Hrn. J. Metzger , kleine, wie zur haͤuslichen Andacht eingerichtete Bilder, Madonnen auf einem Throne mit verschiedenen Hei- ligen umher, auch Halbbilder der Madonna, welche in einer hellfaͤrbigen, aber festen Manier a tempera gemalt und, ob- wohl von etwas aͤlterem Ansehn, doch unserem Perugino so nahe verwandt sind, daß wir solche entweder fuͤr seine Vor- bilder oder fuͤr seine Jugendarbeiten erklaͤren muͤssen. Nach- dem ich lange vergebens dem Meister dieser einsam stehenden kleinen Gemaͤlde nachgespuͤrt, habe ich mich endlich fuͤr das Letzte entschieden, was denn allerdings auch an sich selbst das wahrscheinlichste ist, da Pietro , wie ich oben gezeigt habe, seine Richtung, also auch eine gewisse technische Bildung aus der Heimath nach Florenz mitgebracht hatte, deren aͤußeres Ansehn, wie es in jenen kleinen Bildern eintritt, nicht floren- tinisch, sondern nur umbrisch seyn konnte. Da nun Perugino im Jahre 1475. bereits in florentinischer Manier malte und damals sicher schon Meister war Annali Xvirali di Perugia , ad a. 1475. p. 83. a. t. Die XXI. dicti mensis Julii — Mandamus vobis Gabrieli etc. — detis et sol- vetis Magro Petro .... de Castro Plebis pictori libr. quinque de- nariorum per nos Eidem magistro Petro largit. pro expensis faciendis , oder auf eigene Rech- nung arbeitete, so werden jene kleinen Bilder um das Jahr 1470. oder fruͤher entstanden seyn. Schwieriger indeß ist die Bestimmung der Folge in den Arbeiten unseres Meisters von diesem J. 1475. bis zum J. 1495., der Zeit seiner besten Leistungen. Waͤhrend der oben begrenzten zwanzig Jahre seines besten und frischesten Lebens befolgte Pietro , wenn auch dasselbe Wol- len, doch nicht so durchhin dieselbe Manier. In einem Theile seiner damals beendigten Werke ließ er das Studium vorwal- ten; in einem anderen, wie man sagt, die Idee; es fragt sich nun, ob unter den Malereyen dieser Epoche des Kuͤnstlers die- jenigen, in denen das Studium vorwaltet, die aͤlteren, oder die neueren sind. Zu Perugia gilt die Anbetung der Koͤnige, welche aus Paris dahin zuruͤckgekehrt und gegenwaͤrtig in einer wuͤsten Kappelle des Klosters sta Maria nuova aufgestellt ist, fuͤr eines der aͤlteren Werke des Pietro . Dieses Bild hat keine andere Beglaubigung, als das Bildniß des Kuͤnstlers selbst zur Linken unter dem Gefolge der Koͤnige, weßhalb Solche, welche den Perugino eben nur nach seinen spaͤteren Arbeiten aufgefaßt haben, hier keine Spur seiner Hand erkennen wol- len. Doch ist es ausgemacht, daß Perugino in seinen fruͤhe- ren Jahren und waͤhrend seines langen und wiederholten Aufenthaltes zu Florenz , dem damaligen Sitze des Naturalis- mus, sich abwechselnd, oder auch in einem bestimmten Ab- schnitte dieser Epoche der Nachahmung des sinnlich Vorliegen- ex causis certarum picturarum in nostro palatio in sala magnia su- periori construendarum et depitendarum per dictum magrm Petrum etc. — ex palatio nostro die XXI. Julii 1475. 22 * den unbedingt hingegeben hat. Wenn daher dieses Bild, in welchem, ungeachtet der groͤßeren Strenge in der Begruͤndung und Ausbildung des Einzelnen, das Absehn und die Richtung des Perugino voͤllig zu Tage liegt, sehr wohl seine Arbeit seyn kann und sicher nicht, wie Einige wahrnehmen wollen, florentinisch ist: so wird uns das Bildniß des Malers dienen koͤnnen, die Zeit, da er sich dem sinnlich Vorliegenden so ent- schlossen hingegeben, naͤher zu bestimmen. Dieses Bildniß ist nun allerdings viel jugendlicher, als jenes andere im Cambio, welches einen wohlbeleibten Mann von etwa funfzig Jahren darstellt; doch nicht so schlank und frisch, daß man ihm nicht schon die Reife des Mannes ansaͤhe. Ward nun Perugino im Jahre 1446. geboren, wie man behauptet; so duͤrfte die- ses Bild um 1475. gemalt seyn, im welchem Jahre der Kuͤnst- ler schon in maͤnnlichem Alter und, wie wir oben gesehn, in Perugia anwesend war, wo er von den hoͤchsten Staatsbehoͤr- den ehrenvoll beschaͤftigt ward. Hierin bestaͤrkt mich die Uebereinstimmung dieses Werkes mit den Mauergemaͤlden des Perugino in jener Kappelle des Vaticanischen Palastes, welche Sixtus um das Jahr 1480. erbauen und ausmalen lassen. Ein Theil derselben, die Him- melfahrt der Madonna, die Geburt und Verklaͤrung Christi sind nicht mehr vorhanden, da man sie, dem juͤngsten Ge- richte des Buonarota Raum zu geben, unter Paul III . abge- worfen hat. Hingegen haben andere sich erhalten, deren ei- nes, zur Linken des juͤngsten Gerichtes, welches Ereignisse der Kindheit des Moses darstellt, in seiner Ausfuͤhrung, wie in den Charakteren, lebhaft an jenes Bild im Kloster sta Maria nuova zu Perugia erinnert. Auch in dem gegenuͤberstehenden, der Taufe Christi , gemahnen die zahlreichen Bildnißfiguren an das Gefolge der Koͤnige in mehrgedachtem Altarbilde, indem sie uns zugleich auf die Zeit hinfuͤhren, in welcher Perugino der Beobachtung und Nachbildung natuͤrlicher Erscheinungen sich freudig hingegeben. Hingegen verraͤth sein besterhaltenes Gemaͤlde dieser Kappelle, die Verleihung der Himmelsschluͤssel, daß er schon waͤhrend dieser Arbeit seinen Standpunct veraͤn- dert habe und, bey laͤssigerem Naturstudium, zu einer stren- geren Auffassung der Idee seiner Kunstaufgaben, doch leider auch zu einer gewissen Hingebung in zunehmende Fertigkeit uͤbergegangen sey; wenn dieser Vorwurf nicht vielmehr den Bartolommeo della Gatta trifft, einen mir unbekannten Ma- ler, welcher, wenn Vasari nicht irrte, dem Perugino bey Aus- fuͤhrung dieses Gemaͤldes Huͤlfe geleistet hat. Wie dem auch seyn moͤge, so lehrt doch ein anderes, mit Namen und Jahr bezeichnetes Gemaͤlde, welches gegenwaͤrtig zu Rom im Palast Albani gezeigt wird, daß Perugino schon um das Jahr 1480. also im Verlaufe jener groͤßeren Arbeit, angefangen habe, allmaͤhlich vom Naturalismus der Floren- tiner abzuweichen. Das Hauptfeld dieses Bildes zeigt das Christuskind auf dem Boden liegend, vor welchem die Ma- donna und einige Engel knieen; im Grunde die Erzengel, s. Johannes Bapt. und den Hl. Hieronymus . Auf den vier Pfeilern dieses Stuͤckes vertheilt, die Aufschrift: PETRVS DE PERVSIA — PINXIT — M. CCCC. VIII. PRIMO.; lies octuagesimo primo. Oben, nach Art des Niccol ò di Fuligno , ein Halbrund mit dem Kreuze, zu dessen Fuͤßen Maria Magdalena, zu den Seiten Maria und s. Johannes der Evangelist. Wahrscheinlich waren andere Nebentheile vor- handen, welche sich verloren haben. In diesem Bilde, welches, obwohl verwaschen, doch noch immer durch Anmuth der Stellungen, Feinheit der Gesichts- bildungen und Reinheit des Ausdruckes anzieht, besitzen wir eine schaͤtzbare Urkunde seiner Kuͤnstlergeschichte, auf welche um so mehr Gewicht zu legen, als Pietro in seinen fruͤheren Werken haͤufig versaͤumt hat, das Jahr der Beendigung an- zugeben. Erwaͤgen wir, daß in diesem Werke keine einzige Bildnißfigur vorkommt, daß die Absicht, seine Aufgabe ihrer Idee und dem Herkommen gemaͤß darzustellen darin vorherrscht, so werden wir annehmen muͤssen, daß er schon um das Jahr 1481. zu der Richtung seiner Landesgenossen sich zuruͤckgewen- det und die Manier damaliger Florentiner aufgegeben habe. Hieraus wuͤrden wir weiter schließen muͤssen, daß seine a fresco Malereyen in einem schon zu Vasari’s Zeit abgetra- genen Kloster vor dem Thore a Pinti zu Florenz , in denen ebenfalls viele Bildnisse vorgekommen Vas. vita di Pietro Perug. (Ed. cit. To. 1. P. II. p. 511.) — un Priore del medesimo convento degli Ingesuati — gli fece fare in un muro del primo chiostro una Natività co i Magi di mi- nuta (?) maniera, che fu da lui con vaghezza e pulitezza grande a perfetto fine condotta; dove era un numero infinito di teste va- riate; e ritratti di naturale non pochi ; fra i quali la testa d’ Andrea del Verocchio suo maestro. Nel medesimo cortile fece un fregio sopra gl’archi delle colonne con teste quanto il vivo delle quali era una quella del detto priore tanto viva e di buona maniera lavorata etc. — , auch jene noch im- mer vorhandenen drey Altartafeln derselben Kirche, bereits be- endigt waren, als Pietro nach Rom ging, um mit anderen Zeitgenossen die sixtinische Kappelle auszuzieren. Eine der be- zeichneten Altartafeln, das Kreuz von verschiedenen Heiligen umgeben, ist noch im gutem Stande in der Kirche s. Giovan- nino, detto la calza, am roͤmischen Thore, vorhanden, des- sen Gegenstand Vasari richtig angegeben, dessen kraͤftige und derbe Charakteristik an Luca Signorelli erinnert. Ein anderes, der Leichnam Christi , Maria, Johannes und Maria Magda- lena, befindet sich seit einem Jahrhundert in der reichen Ge- maͤldesammlung des Palast Pitti zu Florenz und hat, wenn ich nicht irre, die Reise nach Paris und zuruͤck gemacht; ist jedoch in so schlechtem Stande, daß es nicht mehr in Be- tracht kommt. Das dritte besitzt gegenwaͤrtig die florentinische Kunstschule. Das herrlichste Werk seiner Hand, ein Mauergemaͤlde im Kapitelsaale des Klosters sta Maria Maddelena de’ Pazzi zu Florenz , welches, als Vasari schrieb, noch den Cisterziensern gehoͤrte, duͤrfte demnach spaͤter, als die sixtinische Kappelle ge- malt seyn, und der Zeit angehoͤren, da Pietro die Naturform, deren Studium ihn in einem fruͤheren Abschnitte seines Lebens gaͤnzlich hingerissen hatte, schon hinreichend bemeisterte, um sie mit Freyheit seinen Aufgaben anzupassen. Die, nicht eben zahlreich vorhandenen Werke dieser Kunststufe des Meisters vereinigen strenges Studium mit einer, eben damals ganz un- gewoͤhnlichen Klarheit der Anschauung seines ideellen Gegen- standes. Wenn schon seine fruͤhesten Arbeiten die vorherr- schende Stimmung seines Gemuͤthes und Richtung seines Geistes darlegen, in den nachfolgenden das Studium vorzu- walten scheint, so wird derjenige Abschnitt seines Kuͤnstlerle- bens, in welchem er zu seinen urspruͤnglichen Bestrebungen zuruͤckkehrend, diese mit einer Kraft und Klarheit der Dar- stellung hindurchfuͤhrte, welche er vorangehenden Studien ver- dankte, nothwendig die groͤßte undschoͤnste Epoche des Kuͤnst- lers seyn. Was er in dieser bestrebt, vorbereitet und geleistet, mußte auf jeden nicht gaͤnzlich im Handwerksmaͤßigen versun- kenen Kuͤnstler einwirken, also auch den Lionardo anregen, wie ich oben angedeutet habe. Jenes Wandgemaͤlde des Kapitelsaales der Cisterzienser, jetzt der Schmerzenkappelle der Nonnen zur Hl. Maria Mag- dalena de’ Pazzi, war im Jahre 1818, als ich dasselbe mit Verguͤnstigung des Erzbischofs besichtigte, noch immer in gu- tem Stande; die Nachhuͤlfen auf der trockenen Mauer, welche besonders die Landschaft betroffen haben, sind keinesweges, wie es fluͤchtigen Beobachtern erscheinen koͤnnte, von einer fremden Hand, sondern vom Meister selbst aufgetragen. Die wenigen Figuren, welche die Aufgabe erheischte, sind im Gegensatze zu den damals zu Florenz uͤblichen Ueberfuͤllungen mit großer Gewandtheit in den sehr ausgedehnten Raum vertheilt. Eine huͤbsche Bogenstellung, welche mit der Architectur des Saales uͤbereinstimmt, gewaͤhrt einen dreyfachen Durchblick auf die schoͤne, einfach und massig gehaltene, wohl zusammenhaͤn- gende Landschaft. Innerhalb des mittleren Bogens der Ge- kreuzigte, zu dessen Fuͤßen Maria Magdalena, zur Rechten die schmerzhafte Mutter, die schoͤnste, welche mir vorgekommen; die uͤbrigen Figuren: Johannes , s. Benedict und Bernhard ; uͤberall in Mienen, Gebehrden, Stellungen eine Ruhe, wie sie dem Schmerze edler Seelen geziemt. In diesem Gemaͤlde zeigte Pietro , wie man in einem weiten Raume mit wenigen Figuren auskommen koͤnne; in einem anderen, dem Sinne nach jenem verwandten Bilde, dem todten Christus der Kirche sta Chiara, gegenwaͤrtig der florentinischen Kunstschule ( No. 44.), wie man viele Figuren in einen engeren Raum einordnen koͤnne, ohne denselben zu uͤberfuͤllen. Schon unmittelbar nach ihrer Beendigung galt diese Tafel, wenn wir Vasari hoͤren, mit Recht fuͤr eines sei- ner besten Werke; wie viel Fleiß er daran aufgewendet, zei- gen die trefflichen, ausfuͤhrlichen Naturstudien in der Zeich- nungssammlung der Gallerie der Uffizj zu Florenz Gall. degli Uffizj, disegni, cartella di Pietro Perugino . No. 1. 7. 8. — Diese Studien sind in schwarzer und rother Kreide, mit etwas Tusche, Zinnober und Deckweiß mit groͤßtem Fleiße ausgefuͤhrt. — Die Hand, welche das Leichentuch anzieht, in groͤ- ßerem Maßstabe mit vielem Gefuͤhle nach dem Leben. — Daselbst, No. 5. die schmerzhafte Mutter, Studium zu jenem Wandgemaͤlde in sta Maria Maddalena de’ Pazzi. — No. 4. Bildniß, zuruͤckge- worfener jugendlicher Kopf, welcher an Peters eigene Zuͤge er- innert. . Sie traͤgt die Inschrift: PETRVS. PERVSINVS. PINXIT. A. D. M. CCCC. LXXXXV. faͤllt demnach in die Zeit der maͤnnlichen Reife des Kuͤnstlers, in dessen Leben sie einen Wendepunct zu bezeichnen scheint, da Pietro bald darauf sich in Perugia niedergelassen und aufge- hoͤrt hat, mit Ernst und Strenge dem Vortrefflichen nachzu- streben. Wie so viele seiner Zeitgenossen ward endlich auch dieser große Kuͤnstler vom Handwerke hingerissen. Allerdings herrscht schon in seinen fruͤheren Arbeiten eine gewisse Gleichfoͤrmigkeit; doch ist solche dort noch keinesweges Folge einer angenomme- nen Manier, vielmehr nur seiner durchhin edlen Auffassung ihm dargebotener Aufgaben, seiner durchhin reinen Gemuͤths- stimmung. Erst in der Folge, etwa um das Jahr 1500. ergab er sich der Fertigkeit und einem zu weit getriebenen Erwerbsgeiste. Die Bilder, welche er von dieser Zeit an voll- bracht hat, sind, obwohl von groͤßter Einfoͤrmigkeit des Ent- wurfes, doch in der Ausfuͤhrung ungleich In der Gallerie der Ak. der Kuͤnste zu Florenz haͤngen ne- ben dem erwaͤhnten Christus aus sta Chiara, einige andere Altar- gemaͤlde des Perugino , No. 39. ein Kreuz, zu dessen Fuͤßen die Madonna und s. Hieronymus ; ich halte dieses fuͤr aͤlter als jenes andere, weil es ihm zwar im Sinne gleicht, doch in der Ausfuͤh- rung, besonders in den Haͤnden nachsteht. No. 42. Ein großes Al- tarblatt aus der Zeit und im Geschmacke der Malereyen im Wech- selgerichte zu Perugia : PETRVS PERVSINVS PINXIT. A. D. MCCCCC. Dieses Gemaͤlde, in welchem allerdings die Nachwirkung vor- angegangener ernstlicher Bestrebungen noch nicht so ganz sich ver- laͤugnen konnte, duͤrfte schon großentheils von Gehuͤlfen ausgefuͤhrt seyn, welche, wohl in die Manier, doch nicht so ganz in den Sinn ihres Meisters eingegangen sind. Es ertraͤgt daher, obwohl der Zeit nach selbst ein Raphael darin die Hand angelegt haben koͤnnte, doch nur muͤhsam die Naͤhe jener anderen Gemaͤlde, zu denen noch das Gebet am Oelberge aus der Kirche la Calza kommt. — Ein gro- ßer deutscher Fuͤrst, dessen Antheil an allem rein Menschlichen sich vielfach bewaͤhrt hat, dessen Scharfblick in Dingen der Kunst ich haͤufig habe bewundern muͤssen, wollte dieser Gruppe von Gemaͤl- den gegenuͤber, nicht einraͤumen, daß solche saͤmmtlich von dersel- ben Hand ausgefuͤhrt seyn koͤnnen. — Unbestochen durch aͤußere Aehnlichkeiten der Manier und des Entwurfes, entdeckte dieser Herr tiefer liegende Verschiedenheiten, deren Grund ich bereits erklaͤrt habe. , weil sie zwar nach seinen Erfindungen, doch von verschiedenen Gehuͤlfen ge- malt worden; die spaͤtesten, wiederum von ihm selbst ausge- fuͤhrten von einer betruͤbenden Schwaͤche. Kurz vor seinem Ableben ergaͤnzte er das Wandgemaͤlde, welches Raphael in einer Kappelle des Klosters s. Severo zu Perugia begonnen und unvollendet hinterlassen hatte. Raphael malte die Glo- rie, deren Anordnung an die Disputa erinnert, nach einer spaͤ- ter hinzugefuͤgten Aufschrift, im Jahre 1505. Unter den Er- gaͤnzungen seines Lehrers lieset man: PETRVS DE CASTRO PLEBIS PERVSINVS — SANCTOS SANCTASQVE PINXIT. A. D. M. D. XXI. Aehnliche Schwaͤche der Auffassung, gleich matte Verbla- senheit zeigt das Altargemaͤlde in der Servitenkirche zu Flo- renz , welches, nach Angabe des Vasari S. vita di Pietro Perug. , alsobald mit Hohn aufgenommen worden. Gewiß erlebte ich, daß einige davon abgenommene Fluͤgel des Bildes eine laͤngere Zeit hindurch fuͤr den billigen Preis von dreißig Zecchinen vergeblich ausge- boten wurden. Die bekannten Mauergemaͤlde im Wechselgerichte zu Peru- gia fallen, da sie nach der Aufschrift am Pfeiler im Jahre 1500 begonnen, oder beendigt worden Mariotti , lett. Perug. lett. VI. p. 258. Anm. 1. erwaͤhnt ei- ner Empfangsbescheinigung der Bezahlung dieser Gemaͤlde vom J. 1507. Doch muͤßte man solche selbst sehn, um ihren Sinn er- mitteln zu koͤnnen, und den Widerspruch auszugleichen, in welchem sie mit der Aufschrift jener Malereyen zu stehen scheint. , bereits in die Epoche der Abnahme seines Strebens, des Ueberganges zu seiner spaͤteren, ganz handwerksmaͤßigen Richtung. Beyspiele dieser letzten ge- waͤhren jene unzaͤhligen Tafeln und Wandgemaͤlde, mit denen er selbst, oder seine Gehuͤlfen und Schuͤler die Kirchen von Perugia nd anderer Ortschaften des Bezirkes erfuͤllt haben. Allerdings sind diese Arbeiten nicht durchhin schlecht, oder mittelmaͤßig; indeß duͤrfte bey diesen spaͤteren Leistungen das Gute, was sie enthalten, haͤufiger seinen besseren Schuͤlern, dem Raphael , Spagna und Anderen angehoͤren, als dem Meister selbst, des- sen frische und belebte Hervorbringungen sicher nicht uͤber das Jahr 1500 hinausgehn. Wie wenig es ihm spaͤterhin um die Kunst ein Ernst gewesen, wie handwerksmaͤßig er sein Geschaͤft betrieben, zeigt eine Tafel mit seinem Namen und der Jahreszahl 1518. in der Gallerie Rinuccini zu Florenz . Die mit dem Pinsel gezeichnete Aufschrift dieses Altargemaͤl- des ist schwerlich verfaͤlscht, da sie augenscheinlich so alt ist, als das Bild selbst. Andererseits ist die Manier der Ausfuͤh- rung nicht peruginisch, sondern altlombardisch, woraus zu schlie- ßen, daß Pietro eben damals einen reisenden Norditaliener als Gesellen in seiner Werkstatt angestellt habe, dem es unmoͤglich gefallen seiner angelernten Manier zu entsagen und jener des Perugino in dem Maße sich anzuschmiegen, als dessen Lehr- linge und Schuͤler. Demnach hatte Pietro die schoͤnste und wuͤrdigste Stelle seiner Kuͤnstlerlaufbahn bereits uͤberschritten, als Raphael sein Lehrling ward; doch mußte der Grundsatz, nach welchem der Meister in seinen besten Tagen das Vortreffliche hervorge- bracht hatte, in dessen Lehren nachklingen. Allerdings war Pietro , gleich so viel anderen Meistern, geneigt, den Lehr- lingen seine Eigenthuͤmlichkeit einzupraͤgen, deren Aufdruck man- cher mittelmaͤßige Geselle, z. B. Tiberio d’Asisi Zu Montefalco malte Tiberio fast in allen Kirchen des Staͤdtchens und seiner umliegenden Kloͤster, meist mit Beyfuͤgung seines Namens und des Jahres. Zu Asisi und Perugia an verschie- denen Stellen. Er ist daran kenntlich, daß er in seinen Koͤpfen das Ovale des Pietro noch ungleich mehr beschnitten und eckiger gehalten, als dieser in seinen besseren Tagen sich gewoͤhnt hatte. , sein Le- ben lang bewahrt hat. Hingegen erriethen die faͤhigen, ein Spagna Sein Hauptbild stehet gut erhalten in der Kappelle des , und besonders Raphael , aus den Studienbuͤ- chern, oder aus hingeworfenen Aeußerungen des Meisters, daß eben dessen groͤßeste und gelungenste Leistungen aus einer zwie- fachen Begeisterung hervorgegangen waren: jener, welche vom Begriffe ausgeht, und jener anderen, unabhaͤngigen, welche die Anschauung der Natur in ihren mannichfaltig schoͤnen und vielbedeutenden Formen, doch nur den empfaͤnglichen, wahrhaft kuͤnstlerischen Seelen gewaͤhret. Gewiß war Raphael schon vor seiner ersten florentini- schen Reise in dieses Geheimniß eingeweiht; denn er zeigte in der Vermaͤhlung der Jungfrau zu Mayland , in der Himmel- fahrt der vaticanischen Gallerie, in dem Gekreuzigten der Gal- lerie des Cardinal Fesch Dieses Bild traͤgt die Aufschrift: RAPHAEL VRRINAS P. , wie uͤberall in seinen uͤbrigen, im Schulgeschmacke des Pietro gefertigten Gemaͤlden bereits viel sorgliche und liebevolle Beobachtung des Lebens. Doch jenes tiefere Eingehn in die Gesetze der Gestaltung, jenes bedacht- lose sich Hingeben in den Reiz der natuͤrlichen Erscheinungen, welches ihn nun bald zum vollendeten Meister bilden sollte, wagte er erst, nachdem er die Fesseln der Schule ganz abge- worfen und ohne Vorbehalt die Richtung damaliger Florenti- ner eingeschlagen hatte. Also werden wir im Ganzen anneh- men koͤnnen, daß er den reinen, keuschen Sinn, die Achtung fuͤr das Herkoͤmmliche, die religioͤse Strenge in der Auffassung seiner ideellen Aufgaben, vornehmlich dem Beyspiele, den Leh- Hl. Stephanus der Unterkirche des Hl. Franz zu Asisi . Madonna auf dem Throne von einigen Heiligen umgeben; am Sockel: A. D. M. CCCCC. XVI. XV. IVLII. Seine a fresco Malerey in der Celle des Hl. Franz in s. Maria degli Angeli ist gleichfalls ausge- zeichnet. Minder das Bild im Rathhause zu Spoleti . Schoͤne Gemaͤlde dss. zu Trevi und sonst. ren und Einwirkungen seines Meisters verdanke; hingegen die gruͤndliche Durchbildung seiner Darstellung, jenem offenen, hei- teren, allseitigen Natursinn, den er im Wetteifer mit seinen florentinischen Zeitgenossen, wenn nicht erwarb, doch weiter ausbildete. Der Gang seiner Entwickelung war im Ganzen jenem gleich, den sein Lehrer um etwa dreißig Jahre fruͤher eingeschlagen hatte. Indeß hatten die Umstaͤnde sich veraͤn- dert. Als Raphael nach Florenz kam, war bereits durch Lio- nardo , bald auch durch Michelangelo einem bestimmteren ana- tomischen Wissen die Bahn gebrochen, hatte man eben begon- nen im Einzelnen auch das Allgemeine aufzufinden, und vom Allgemeinen ausgehend, auch wiederum das Einzelne behender, sicherer, gruͤndlicher aufzufassen. Von dem an war es zuerst moͤglich geworden, inmitten der mannichfaltigsten Beobachtun- gen und Studien die Idee der Aufgabe, die vorwaltende Stimmung des eigenen Gemuͤthes ungestoͤrt festzuhalten, strenge Beachtung des Herkoͤmmlichen, tiefes Eingehn in die Idee der Aufgabe, Eigenthuͤmlichkeit des Gefuͤhles und Sinnes mit ei- ner, bis dahin unbekannten Klarheit und Umstaͤndlichkeit der Darstellung zu vereinigen. Der schoͤnste, der wahre Genius der neueren Kunst begann demnach seine Laufbahn unter den gluͤcklichsten Umstaͤnden; durch seinen Meister zu strenger Auf- fassung seiner Aufgaben angeleitet, durch seine uͤbrigen Zeitge- nossen zu tieferem Eindringen in die Gesetze des sich Gestal- tens und Erscheinens angespornt, als jenem jemals gelingen konnte, mußte er, da die Natur mit seltener Freygebigkeit das Uebrige ihm verliehen hatte, dahinkommen, der gesammten Malerey neuerer Zeiten als ein allgemeines Muster vorzuschwe- ben. Haͤtte man nur, anstatt sein nothwendig unerreichbares Eigenthuͤmliche nachzuahmen, vielmehr seine Bahn einschlagen wollen, so duͤrfte die Geschichte der Kunstbestrebungen der letz- ten Jahrhunderte minder unerfreulich und troͤstlicher seyn, als nun der Fall ist. Denn gewiß gehoͤren die Vorzuͤge der ra- phaelischen Leistungen nicht einzig der uͤbrigens unbestreitbaren Groͤße und Schoͤnheit seiner Eigenthuͤmlichkeit, vielmehr guten- theils auch dem Gluͤcke an, welches ihn zeitig auf die einzig rechte Bahn geleitet hat. Wie wuͤrde man sonst sich erklaͤren koͤnnen, daß so viele seine Zeitgenossen, bey groͤßter Verschie- denheit des eigenthuͤmlichen Seyns und Trachtens, doch ihm so nahe gekommen sind, als Alle wissen, denen der Werth und die Bedeutung der Benennung, Cinquecentisten, ganz ge- laͤufig ist. Indeß enthalten die Leistungen dieser großen Zeit- genossenschaft die vielseitigste Entfaltung der hoͤheren Kunstbe- strebungen neuerer Zeiten, werden daher aus einem ganz an- deren Standpuncte zu betrachten seyn, als die Bestrebungen, welche wir so eben im Ganzen uͤbersehen haben. Vielleicht vermissen Einige in der Ableitung welche ich hier beschließe, eine Erwaͤhnung des Francesco Francia und anderer, dem Alunno und Pietro nahe verwandter Kuͤnstler. Indeß habe ich absichtlich vermieden, uͤber die Grenze dessen hinauszugehn, was mir ansichtlich und umstaͤndlich bekannt ist, und uͤberlasse Anderen auszumachen, ob diese Verwandtschaft aus Mittheilung und gegenseitiger Anregung, oder vielmehr aus allgemeineren Ursachen zu erklaͤren sey. Eben so wenig fand ich die Stelle, wo des Piero di Cosimo erwaͤhnt werden konnte, dem Vasari eine eigene Le- bensbeschreibung gewidmet hat. Dieser abweichende Kuͤnstler gehoͤrt der florentinischen Schule wohl nicht in dem Maße an, als gemeinhin angenommen wird. Sein Bestreben, dem Ton und Auftrag der Farbe, selbst auf Unkosten des Gegenstandes und besonders der Form, jene rein sinnliche Schoͤnheit zu ge- ben, welche die Venezianer schon seit den letzten Decennien des funfzehnten Jahrhundertes, besonders in den naͤchsten des fol- genden erstrebten, verweiset auf eine fruͤhe Beruͤhrung mit den lombardischen Malern, welche historisch nicht nachzuweisen ist. Vielleicht hat er eine Weile dem Cosimo Rosselli als Geselle ge- dient, und daher seinen zweyten Namen erhalten; da er indeß von diesem Kuͤnstler weder die Manier, noch die Richtung an- genommen, so wird er im eigentlichen Sinne schwerlich dessen Schuͤler seyn. Die wichtigsten Werke des Piero di Cosimo be- finden sich, das eine hinter dem Hauptaltare der Francisca- nerkirche zu Fiesole , mit der Aufschrift Pier di Cosimo 1480.; das andere in dem Quartier des Commissares des florentini- schen Findelhauses ( Innocenti ). Das letzte, eine Madonna auf dem Throne von Heiligen und Engeln umgeben, ist durch seine groͤßere Ausfuͤhrung und bessere Erhaltung, jenes durch die Inschrift wichtig, in welcher die Auswerfung des Endvo- cales im Taufnamen ebenfalls auf lombardische Gewoͤhnungen hinzudeuten scheint. Ich benutze den offenen Raum dieses Blattes, um, zur Jugend des Pietro Perugino zuruͤckkehrend, eines Rundgemaͤl- des der Koͤn. Preuß., ehmals Solly’schen Sammlung zu er- waͤhnen, welches mir eine der aͤltesten Arbeiten des gedachten Meisters zu seyn scheint, weil es, zwar ganz in der Manier des Fiorenzo di Lorenzo , doch minder fertig gemalt ist, zugleich der Eigenthuͤmlichkeit des Ersten bey weitem mehr entspricht, als jener des Anderen. Dieselbe Sammlung besitzt auch ein Jugendwerk Raphaels , die Jungfrau mit dem Kinde in einer herrlichen Landschaft. Be- Belege I. Zur Kuͤnstlergeschichte des Lorenzo di Bartolo Ghiberti . 1) Archiv. dell’ opera del Duomo di Firenze . scaffale IV. N o . XXV. Libro: Alloghagioni delopera di sca Maria del Fiore al tempo di ser Nicolajo di . . . . . di Nicholajo di Diedi. cominciato anno M. CCCCXXXVIII. fo. 5. Locatio casse s. Zenobii Laurentio Barto- luccii pro ipsius perfection. In Dei nomine amen anno domini 1439. — die XVIII. mensis aprilis. — — Guiltriottus olim Zanobi de riccalbanis de Fl̅o̅r̅. provisor opere s. marie del Fiore etc. — lochavit: Laurentio bartoli aurifici presenti et conducenti vid. ad perficiendum et perfectionem dandum capse bronzi jam prius incepte Ueber die vorangegangenen Verhandlungen S. Richa delle chiese di Fir. , Duomo., a. s. St. pro corpore S. Zenobii hoc modo et forma vid. quod in dicta cassa sint et esse debeant in parte anteriori ipsius tres storias miraculorum do- mini s̅c̅i̅ Zanobii vid. — factorum per dictum sanctum. in testis erunt storias (sic) jam incept. In alia facie dicte capse ubi erit ssanctus debent apponi et esse cer- tas licteras et ephytaphium prout condi volunt per dictum Leonardum aretinum florent. cancella- rium. Etenim istis pactis. vid. Quod opera predicta teneatur et dare debeat dicto Laurentio denarios pro solvendo discipulis et factoribus , qui unacum II. 23 dicto Laurentio ........ super dicta capsa et si- militer sibi pro suis necessitatibus, quam capsam sic perfectam dare debeat dicte opere hinc ad proxsimum mensem Januarium prox. fut. MCCCCXXXVIIII.° (1440.). Lionardo Bruni von Arezzo ward auch bey anderen Kunst- arbeiten zu Rathe gezogen; er schrieb dem Ausschuß, welcher die Anfertigung der mittleren Thuͤre der florentinischen Tauf- kirche leitete: Jo considero che le 10. storie della nuova porta, che avete deliberato, che siano del vec- chio testamento , vogliono avere due cose, e prin- cipalmente l’una, che siano illustri ; l’altra, che siano significanti . Illustri chiamo quelle, che pos- sono ben pascer l’occhio con varietà di di- segno ; significanti quelle, che abbiano importanza degna di memoria . Presupponendo queste due cose, ho eletto secondo il giudizio mio 10 istorie, quali vi mando notate in carta . Bisognerà, che colui, che le ha a disegnare , sia ben istrutto di ciascuna Hi- storia, sicchè possa ben mettere e le persone e gli atti occurrenti et che abbia del gentile, sicchè gli sappia ben ornare . Oltre alle dieci Historie ho notato otto Profeti, come vedrete nella carta . Non dubito punto, che questa opera, come io ve l’ho disegnata , riuscirà eccellentissima. Ma ben vorrei essere presso a chi l’avrà a disegnare, per fargli prendere ogni sig- nificato, che la storia importa . etc. (aus Richa delle chiese de Fir. T. II. p. XXI. Von einer richtigen Andeutung seiner eigenen Gedanken erwartete Bruni die begehrenswerthe Bedeutung des vorhaben- den Kunstwerkes; vom Kuͤnstler hingegen bloß eine gewisse sinnliche Annehmlichkeit der Manier ( pascer l’occhio ). Haͤtte er die Kunst nach ihrem Wesen gekannt, so wuͤrde er haben fuͤrchten muͤssen, daß seine aͤrmlichen dogmatischen Beziehun- gen in dem vollen Ergusse jenes ihm noch unbekannten kuͤnst- lerischen Geistes, dem er den seinigen einzuhauchen hoffte, durchaus verschwinden werden, wie es geschehn ist. Uebrigens erhellt aus diesem an sich selbst zu billigenden Gebrauche uͤber Solches, was in Kunstwerken dem Begriffe ganz angehoͤret, die Meinung und Ansicht der Gelehrten einzuholen, daß in den Kunstwerken des Mittelalters die Wahl und Beziehung des Gegenstandes, auf welche neuere Kenner nicht selten alles Gewicht legen wollen, selten, ja vielleicht nirgend dem Kuͤnst- ler selbst angehoͤrt. 2) Ghiberti stand schon seit dem Jahre 1406. mit der Domverwaltung in Berechnung. Archiv. cit. scaffale LXVIII. Quinterno di Cassa. a di primo di Gennajo MCCCCV. (1406.) fo. 3. a. t. MCCCCV. Lorenzo di Bartoluccio .. orafo de dare a di XII. di giennajo fior. tre den. per lui a Nofri del Forese cam. passato a suo conto a c. 8. — fior. III. den. und gegenuͤber fo. 4. Lorenzo di Bartoluccio orafo de avere fior. III. den. posto de dare innanzi a c. 44. etc. Vgl. das. fo. 44. 45. 3) Archiv. cit. libro Alloghagioni s. cit. fo. 4. 6. und a. t. 7. 8. a. t. fo. 14. a. t. 15. und a. t. 18. 18. a. t. fo. 32. 36. 39. wird der groͤßte Theil der Fenster des Do- mes an verschiedene Glasmusaicisten verdungen. 23 * Diese Musaicisten (man war damals wenigstens in Ita- lien noch weit davon entfernt, auf Glas zu malen ) heißen: Guido Nicolai , plebanus s. . . . . . Pelagii et cap- pellanus in ecclesia s. Petri majoris. Bernardus Fran- cisci magister vetrorum. Dominichus pieri de pi- sis, prior sci Sisti de Pisis. Carulus Francisci Zeti , civis Flor. magister fenestrarum vetri. Ange- lus Lippi magister fac. fenestras vitri. Laurentius Antonii cappellanus s. Petri majoris. Die naͤheren Umstaͤnde zeigen sich besonders fo. 32. 1442. XII. Martii — locaverunt — Bernardo Francisci , qui facit fene- stras de vetro ad faciendum et fieri faciendum et laborandum Duos oculos coloritos de illis de tribuna magna, illi vid. qui erunt declarati per operarium et cum illis designis et storiis sibi dandis per dictos operarios . und fo. 36. die secunda Maji (1443.) — lochaverunt — Bernardo Francisci , qui facit fenestras de vetro — Duos oculos de vetro in tribuna magna — vid. Unum ex latere destro vid. versus tribunam cor- poris Christi in quo debet esse resuressio d̅n̅i̅ n̅r̅i̅ Jhs. XPI. secundum designum sibi dandum et debet fieri justa illud incoronatio. Alium vero oculum … alia tribuna et justa dcm oculum in quo debet esse quum dominus no. oravit in orto et cum designo sibi dando . quos debet bene lavorare arbitrio dnorum operariorum et boni ma- gistri et debet abere pro suo magisterio vitreo tagliatur . Ich wage nicht, diese Abbreviatur aufzuloͤsen. Tagliare, heißt schneiden, zuschneiden. Gewiß also wollte der Notar sagen: fuͤr seine Arbeit, nemlich das Zuschneiden des Glases und Anderes . et aliis librar. undecim et soldi de- cem, picc. Operarii predicti promictunt solvere designum, pictorem et ferramenta , facere pontes et alia oc- currentia. Aus diesem Protocoll erhellt, wie es zu deuten sey, wenn Ghiberti ( cod. cit. ) erzaͤhlt, daß er Fenstermalereyen gezeich- net, das ist, deren Vorzeichnung entworfen habe. Obige Ci- tate betreffen zum Theil eben jene Augen und Fenster, deren Ghiberti erwaͤhnt. 4) Im Jahre 1417. uͤbernahm Ghiberti die Anferti- gung zweyer Felder des reich verzierten Beckens von Erz in der Taufkirche der Sieneser. Sie sind gut ausgefallen, moͤgen indeß dem Kuͤnstler selbst minder genuͤgt haben, weil er sie in seiner Schrift nicht einzeln hervorhebt. Das Duplicat des Vertrages findet sich Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena , Pergamene, N o . 1437. 1438. Nachstehenden Aus- zug entnehme ich aus Nummer 1438., weil solche besser im Stande ist. Anno domini 1417. Indict. predicta (decima) die vero XXI. mensis Maji. Actum in opera seu domo opere s̅c̅e̅ Marie de Senis etc. — Egregii et hon. viri D. Katherinus Corsini miles et operarius ecclesie ca- thedralis etc. — magistro Laurentio Bartholi aurifici de Florentia . — Item quod magister Laurentius teneatur et debeat, conplevisse unam de dictis tabulis et ystoriis in decem menses proxime venturos cum omni perfectione ipsius et figurarum, quam sic factam et conpletam ostendere debeat dictis operario et consiliariis suis antequam ipsam tabulam deauret et postea cum auro , ut possint ipsam videre et examinare si placeat eis et si habeat omnem perfectionem suam et super ipsam ha- bere Illam Informationem de qua eis placuerit et sic visis et examinatis omnibus habeant et teneantur decla- rare pretium et salarium debitum et debendum eidem magistro Laurentio tam pro ipsa prima tabula quam pro alia, scilicet que per eos fuerit declarata, poni de- beat ad exequtionem. Et quod ipse magister Lauren- tius teneatur cum deaurabit eas, ipsas deaurare ad nuotum a nuoto, S. die Woͤrterb. , et non cum pannellis. Item quod dictus magister Laurentius teneatur et debeat postquam dicta prima tabula fuerit facta et visa et pretium declaratum ut supra in decem menses tunc proxime sequturos fare illam tabulam seu Ystoriam cum figuris et forma sibi per predictos datis et traditis de bono Actone Ottone, Erz. et bonis figuris ad similitudinem prime et melius si fieri potest ut bene stet sicut prima et melius. Item quod dictus Dominus Catherinus et consili- arii prefati non possint nec debeant antequam fiat et videatur dicta prima tabula et storia et declaretur pre- tium ut supra locare alicui sex figuris (das Duplicat hat: figuras) que fieri debent in dicto fonte baptismi. etc. Lorenzo erhaͤlt eine Vorausbezahlung von hundert Gold- gulden. Der Notar: Jacobus olim Nuccini . Die uͤbrigen Felder arbeitete in der Folge Jacob della Quercia (S. Arch. cit. Perg. N o . 1439. 1450. 1473.) und Donatello . II. Donatello . Archivio dell’ opera del Duomo di Siena . Libro E. 5. Deliberazioni. principiato a̅o̅. 1433. due d’Agosto. fo. 3. et a. t. A di XVIII. di Agosto. E (J) prefati Misser lo operajo et Conseglieri, absente Andrea ragunati etc. Conciosiacosache a loro si sia presantato Pagno di Lapo , garzone di Donato di Nicolò da Fiorenza et abbi domandato per parte d’esso Donato , che si saldi certa ragione di denari, che ’l detto Donato a avuti da la detta opera, et di lavorii per esso Donato facti per la opera predetta, el quale saldo di ragione é ragione- vole et debito; et veduto che ’l detto Donato a avuto in prestanza da la detta opera libre settecento trenta otto et soldi undici, come appare al libro giallo della detta opera a fo. 90. Et veduto che ’l detto Donato a servito la detta opera et fatto certe figure d’ottone aurate per lo baptesimo, che é nella chiesa di sancto Giovanni, le quali più chiaramente et per partito sa- ranno specificate al libro del camarlengho, per le quali figure debba avere libre settecento vinti di den. etc. di concordia deliberarono, che ’l camarlengho della detta opera senza suo pregiudizio o danno accenda creditore esso donato ne’ libri de la detta opara de le dette li- bre settecento vinti di denari, et dapoi essa quantità aconci et ponga a la detta posta del detto Donato dove é scripto debitore. Et perchè Donato detto, fatto el detto sconto, resta a pagare de la detta quantità Lib. diciotto e soldi undici, Et considerato, che esso Donato fece uno sportello per lo detto bapte- simo pur d’ottone aurato, et quale non é rie- scito per modo, che piaccia a essi operaio et conseglieri , Et volenti usare discrezione al detto Donato , et che lui non patischa tutto il danno , che pare alquanto ragionevole e giusto, accioche lui non abbi perduto in tutto el tempo et la fadigha, de- liberarono solennemente, che ’l detto camarlengho senza suo pregiudicio et danno de denari dessa opera dia et paghi a Donato predetto libre trenta otto e soldi un- dici di Den., nela qual somma conti e sconti le dette libre 18. et soldi undici dovute dal detto Donato alla opera predetta per resto della somma predetta. Et che ’l detto sportello sia libero del detto Do- ato . El quale sportello el detto misser Bartolom- meo oparajo dè diede. et consegnò al detto Pagno di Lapo ricevente per lo detto Donato in presentia di me no- tajo e testimonj Infrascripti etc. Darauf in weitlaͤuftigen Formeln die Quittung des Beauftragten des Donato . Von diesen Mißhelligkeiten hatte Vasari , dem, wie ich verschiedentlich bemerkt habe, in sienesischen Dingen ein fluͤch- tiger oͤrtlicher Forscher berichtet haben muß, eine freylich hoͤchst unbestimmte Kunde erlangt, welche er, im Leben des Donato , auf folgende Weise ins Kleine ausmalte. „Auf dem Wege von Rom nach Florenz (wie gewoͤhnlich, so weiß Vasari auch hier die zufaͤlligen Nebenumstaͤnde viel besser anzugeben, als die Hauptsache) uͤbernahm Donato den Guß eines Thores von Erz fuͤr die Taufkirche zu Siena . Als nun Alles zum Gusse vorbereitet war, verließ er auf Zureden eines durchreisenden Freundes (?) diese Arbeit unvollendet, ja kaum begonnen, um nach Florenz zuruͤckzukehren. Das ein- zige Stuͤck, welches er in der Bauhuͤtte gedachter Stadt zu- ruͤckgelassen, ist eine Figur des Hl. Johannes des Taͤufers von Erz, welcher der rechte Arm fehlt. Man sagt, daß Do- nato ihn herabgeschlagen habe, weil die Domverwaltung ihm seinen vollen Lohn nicht ausbezahlen wollen.“ Diese Angaben enthalten zunaͤchst innere Widerspruͤche; denn, wie konnte Donato auf Lohn Anspruch machen, wenn er die Arbeit, welche er uͤbernommen, so muthwillig, als Va- sari berichtet, verlassen haͤtte. Sie widersprechen ferner der urkundlich begruͤndeten Thatsache, daß Donatello der Domver- waltung einige Reliefstuͤcke gearbeitet und wohlbeendigt abge- liefert hat, welche noch am Taufbecken vorhanden sind. Uebri- gens ist es klar, daß jenem Maͤhrchen des Vasari eine unbe- stimmte Kunde von jenem Sportello zum Grunde liegt, wel- ches die sienesische Domverwaltung dem Donatello zuruͤckstellte, weil die Arbeit nicht nach Wunsch ausgefallen war. Spor- telli sind indeß kleinere Thuͤren, wie man sie an Schraͤnken, Altarschreinen und Vergitterungen anzubringen pflegte; nicht porte , Thore, oder gar, wie man hier annehmen muͤßte, Kirchenthore. Ob man wohl jemals dahin gelangen wird, in den Schriften des Vasari den einsichtsvollen Kunstkenner, den an- genehmen Schriftsteller, vom Compilator ohne Urtheil und Gewissenhaftigkeit, vom dichterischen Historiker zu unterschei- den? — III . Michelozzo di Bartolomeo . Archiv. dell’ op. del Duomo di Firenze . Libro Alloghagioni etc. s. cit. fo. 57. MCCCCXLVII. die 28. Februarii. Nobiles viri etc. locaverunt: Michelozzo Bartolomei intagliatori etc. Gli operai aluoghano a Michelozzo di Bartolomeo intagliatore una gratichola di bronzo per l’altare, che al presente si fa nella capella di s. Stefano, la quale gratichola ricigne tutte quatro le faccie di detto altare. In questo modo. Chella detta gratichola sia composta nelle due fac- cie maggiori di ventuno compassi cioé tre filari, sette per lo lungo di detto altare et tre per l’alteza come mostra uno disegnio fatto nel muro nella loggietta dell’ opera di mano del detto Michelozo , et nelle due teste minori solo un filare de’ detti conpassi per alteza, ri- cinti intorno i decti conpassi. E y detti conpassi deb- bano essere conposti et ornati di transfori.............. ornamenti, come nostra uno modello fatto per detto Michelozo per detti compassi, il quale debba stare apresso i detti operai. E promette detto Michelozo quello lavorare bene e diligentemente a uso di buon maestro etc. Et gli operai detti gli debbino dare tutta la materia et, per insino avra, se ne gli da libre cin- quecento cinquantasei, che avanzò dal gietto delle porte della sagrestia . Et più debbe detto Miche- lozzo avere per suo maestero quello e quanto sarà di- chiarato per gl’ operai, che per gli tempi saranno. Dieser Auftrag einer an sich selbst handwerksmaͤßigen Arbeit zeigt, daß Michelozzo die Gußarbeit als Gewerbe be- trieb. In Bezug auf seine Vorrichtungen und auf seine Fer- tigkeit in solchen Arbeiten ward er, wie ich vermuthe, als Gehuͤlfe des Luca della Robbia auch bey dem Gusse der Thore der Sacristey angestellt, deren obige Verhandlung erwaͤhnt. Vgl. Belege, IV . IV . Luca della Robbia . 1) Archiv. et Libro citt. fo. 5. a. t. Eodem anno (1438.) die vigesima mensis Aprilis etc. — Lochaverunt: Lucae olim Simonis marci della robbia Intagliatori (also nicht aurifici ) et civi Flor̅e̅n̅. presenti et conducenti ad faciendum et construendum: Duo altaria pro duabus capellis s. Marie del fiore in- tellecto modo etiam intellecto designo. vid. In capella titulata et sub titulo santi petri apostoli in dicta Eccle- sia unum altare marmoris longitudinis et largitudinis secundum modellum lignaminis vid. in largitudine brach. trium cum septem octavis alt. brachii vel circha etiam illis mensuris sibi dandis et cum tribus compassis . in facie anteriori uno vid. in qualibet testa, in quibus sint storie santi Petri predicti prout dabuntur et designa- buntur ei. Et in parte posteriori prout alias delibe- rabitur. Secundum vero altare sit in capella titolata sub vocabulo S. Pauli apostoli illius largitudinis et longitu- dinis prout s̅u̅p̅ datur de alio superiori et secundum modellum ....... quod factum fuit de cera per do- natum Nicholai Becti Bardi Hier haben wir die ganze Genealogie des Donatello . quod est in dicta opera . vid. super quatuor colu̅n̅is et in part. intus cum forma ovale cum storiis et figuris marmi arche santi Pauli predicti. Que altaria facere debeat ad usum boni magistri ita et taliter, quod sint prout requiritur in dicta ecclesia. Et debeat habere pro sua mercede pro dictis laboreriis pro pretio alias declarando et or- dinando per operarium predictum et debeat et obliga- tus sit primum altare dare perfectum hinc ad quinde- cim menses et alium post alios quindecim menses et propterea obligavit dictis operariis bona sua presentia et futura etc. 2) Archiv. et libro cit. fo. 54. a. t. Die XI. mensis ottobris (anno 1446. v. fo. 53.) Operarii antedicti — — locaverunt et concesserunt etc. Luce Simonis della robbia scultori presenti et condu- centi ad faciendum: Unam storiam terre cocte Invetriate illius mate- rie qua est illa posita in arcu sacrestie que storia debet esse vid. Ascensio dni nri Y̅h̅u XPI, cum duodecim figuris apostolorum et matris ejus virginis marie et quod mons sit sui coloris arbores etiam sui coloris et secundum designum factum in quodam mo- dello parvo, qui stare debet in opera usque ad perfe- ctionem dicti laborerii et melius, si melius fieri potest. Quam storiam debet perfecisse hinc a decto menses proximos futuros Beachte diese kurze Frist. Das Modelliren mochte dem er- findungsreichen Kuͤnstler schnell von der Hand gehn. Anders ver- hielt es sich mit Ausfuͤhrungen in Marmor und Erz. et posuisse super archum secunde sacrestie et pro qua storia et Magisterio debet abere et pro suo magisterio labore et industria illud quod de- claratum erit per offitium operariorum venturorum in offitio existentium etc. 3) Arch. et libro citt. fo. 51. ss. Anno domini ab ejus incarnatione MCCCCXL quinto Ind. octava die vigesima ottava mensis februarii. Actum in audientia operariorum interiori presentibus testibus etc. Nobiles prudentes viri Anfejone Laurentii Pieri Lenzi et Matheus Antonii de Albertis operarii opere chathedralis ecclesie sante Marie del Fiore civitatis Florentiae simul in audientia et locho eorum solite con- gregationis pro ipsorum offitio exercendo. Intellect. qualiter Consules artis Lane ...... Die Abkuͤrzungen in dieser Lagune sind mir unverstaͤndlich. Die erste Verschlingung scheint p t. (pro tempore ? oder, preteriti ?) die nachfolgende moͤchte bloß anzeigen, daß der Notar den Satz fallen gelassen. Intellect. locat. facte Donato Nicolai die XXVII. martii 1417. de dua- bus portis pro duabus sacrestiis majoris Ecclesie Flo- rentine et intellect. qualiter dictus Donatus di- ctas portas non fecit et justis de causis ........ unam de dictis portis removerunt a dicto Do- nato et concesserunt licentiam prefatis operariis dictam portam prime sacrestie locande eis et quibus et pro eo pretio prout sibi videbitur. Quiquidem operaii visa predicta licentia omni modo locaverunt et concesserunt. Ad faciendum unam portam bronzi pro prima sa- crestia prout dic. Michelozio Bartolomei populi sci Marci . Luce Simonis Marci della robbia et Maso Bartolomei Sociis intagliatoribus dictam portam modo et forma in- ferius descripta prout apparet per scriptum factum manu dicti Michelozi cujus tenor de verbo ad verbum talis est. vid. Gli operai aluoghano et danno affare spetta et richiede alla forma gia data alla detta sagre- stia. E di quella forma modo et ornamenti che mostra uno Modello al presente é apresso al detto Michelozo et conpagni di questa forma. Et quale modello debba stare nella udientia di detti operai. La detta porta di due pezzi. Et in ciaschuno pezo cinque quadri . vid. ornati di Cornici doppie Infralle- quali cornici debbano i detti Maestri fare fregj piani lavorati alla damaschina doro et dariento solo come parrà a detti operai. Et Inciaschedunchanto di detti quadri uno conpassino entrovi una testa di pro- feta delle quali teste ne va dodici in ciaschun lato. Et Inciaschuno de detti quadri tre fighure, cioé nel mezo di ciaschuno quadro uno tabernacolo di mezo rilievo lavorato alla damaschina come i detti fregj. Entrovvi una figura assedere di mezo rilievo nominata, Chosi, Chenne (che ne’) primi due quadri di sopra, E nel primo da man ritta la figura di nostra donna col figli- uolo in braccio, nell’ altro la figura di santo Giovanni batista. Et Inciaschuno degli altri quadri, che restano otto la fighura de vangelisti e dottori della chiesa. E ciaschuno con due angioletti ritti dallato fatti di mezo rilievo. E nerovescio (nel rovescio) di detta porta i medesimi quadri che daritto Ricinti di cornici come di sopra et come mostra detto Modello senza alcuna figura o altri ornamenti. Et promettono detti Michelozo Lucha et Maso tutte le dette cose fare et perfettamente conduciere a uso di buoni huomini infral tenpo et termine di tre anni. Et J detti operai debbano prestare al detto Mi- chelozo , Lucha et Maso per supplimento del detto la- vorio Inanzi fior. dugento cinquanta. Et dipoi per aumento dessa ciaschuno mese fior. venticinque. Prout apparet in dicta scritta. Et dicti operai dare debeant dictis pro eorum magisterio et labore floren. auri Mille Centum. Et quia in dicto Modello sunt ad- dita certa ornamenta alla damaschina seminat. circha conpassus et in tabernaculis dictarum figurarum que res non sunt conprese in superius pro qua aggiunta abere debent illud plus quod declarabitur per offitiales ope- rariorum pro tempore existentium. Et tenentur dicti operarii dare dictis Michelozo Luche et Maso pro faciendo predicta Materiam oppor- tunam vid. bronzum, Argentum et Aurum pertinent. dict. port. etc. 4) Der rohe Guß der Vorseite jenes Thores war im Februar 1447. (48.) bereits vollendet, weil man (S. Be- lege III .) dem Michelozzo das uͤbrig gebliebene Erz, Behuf einer anderen Arbeit uͤberweiset. Indeß waren diese Theile im I. 1461. weder geloͤthet, noch gereinigt und nachgeputzt, wie aus nachstehendem Notar. Protocoll erhellet. Archivio e libro citt. fo. 72. In dei nomine Amen Anno domini ab ejus salu- tifera Incarnatione Millesimo quadringentesimo sexa- gesimo primo Ind. nona mensis Aprilis etc. una allogagione alloro facta pegli operai di S. Maria del Fiore insieme con Maso di bartolomeo an- cora intagliatore oggi morto insino al anno 1445. et del mese di febrajo. Una porta della prima sagrestia cioe di due lati con piu ornamenti et lavorii come nella allogagione ro- gata per mano di me notaio infrascritto chiaramente apparisce. Onde oggi questo di detto. Michelozo et Lucha sopradetti con protestatione nel principio mezo et fine del presente contracto ap- posto cheglino non intendono per questo atto et con- tracto essere piu o meno oblighati che Erano Inanzi al pre- presente contracto sono contenti et di consentimento et volonta et in presentia de nobili huomini. a tutte le infrascripte cose consentienti aluoghano a Giovanni di Bartolomeo Intagliatore presente et conducente per se et con quella conpagnia allui pia- cesse a Nettare detti Telai cioe detti due lati già gittati et commettere e battitoi di detta porta. Et ristorare se alcuno manchamento fusse a detti telai et que lavorare In tutte le loro parti dallato Ritto et dallato rovescio e da tutte le sue parti bene e diligentemente a uso di buono maestro. E tutte predette chose fare Intorno a detti telai che di Nicista sara Intorno a quelli si et in tal modo che niuna chosa manchi se non Rizarli alla detta sagrestia. Et sono dacordo detto Giovanni abbia per sua faticha et Maestero et Intero pagamento dogni chosa delle sopradette fiorini dugento correnti. E quali glo- perai anno a pagare a detto Giovanni o a chi lui di- cesse tempo per tempo chome lavorra (lavorerà). E annosi a porre al conto della condotta tolta delle dette porte per detti Michelozo et Lu- cha et Maso . E piu sia addare per lopera a detto Giovanni à spesa dopera quella quantita di bronzo manchasse per avergli a ristorare in alcuna parte. E simile ara (avrà) se bisogno navesse. E debbe in vece detto Giovanni per potere met- II. 24 tersi Inpunto di Masserizie a tale lavorio appartenenti et opportune fior. dieci. E debbe detto Giovanni lavorare o fare lavorare dette porte nell’ opera. E lopera adattarlo di luogho ydoneo. E Detto Giovanni dar forniti detti telai come detto per di qui a Mesi sedici e quali sedici mesi cominciano adi primo di maggio futuro MCCCCLXI. E decti operai parendo loro possino prolungare per insino a Mesi quattro in una volta oppiu. Actum in opera dicta dicta die persentibus testibus Laurentio Lapi Johannis Nicholini , Johannis Francisci domini Johannis de Zatis , Bernardo Mathei del borra capudmagister cupole et Maso Jacobi Su- chieli capudmagistro opere. Darunter von etwas abweichender Hand: accettarono dette porte sotto di 17. dicenbre 1463. per bene fatte. 5) Arch. et libro citt. fo. 73. a. t. findet sich eine neue Vereinbarung mit unserem Luca della Robbia , d. d. die IV. mensis Aghusti MCCCCLXXIV. (verschrieben fuͤr 1464.) welche um einige Tage spaͤter, fo. 79., wiederholt wird. Ich folge dieser letzten: — Anno — Millesimo quatringentesimo sexage- simo quarto . . decimo Aghusti: Nobiles etc. — — avere inteso che l’anno 1444. fu alloghato per loro Anticessori a Michelozzo di Bar- tholom̅eo Intagliatore et a Lucha di Simone della rob- bia et a Maso di Bartholom̅eo Intagliatore detto Masaccio una porta di due pezzi e con piu orna- menti et pacti et modi come nella alloghatione si con- tiene per pregio et nome di pregio di fiorini 1100 doro come apare al presente libro indietro a carta 51 Et inteso, che dette porte essere circha d’anni venti che niente non vi si lavoro Et dipoi inteso che nel anno 1461. . . di 9. daplile di detto anno fu alloghato per gli operai con licentia et consentimento di detto Lu- cha a Giovanni di bartholomeo Intagliatore fratello di detto Maso a netare et raconciare detti telai et porte per pregio o nome di pregio di fiorini 200 doro come apare a detto libro alloghazione a carta 72 Et inteso detti telai et porte essere nette et bone et in perfetione raconci per conto l’Alloghagione allui fatta Et inteso che dipoi dopo la detta alloghagione dette porte sono poste dalato et dentro non vi si fare nulla Et inteso detto Maso di bartholomeo essere morto piu anni sono Et inteso detto Miche- lozzo essere absentato et non essere in queste parti et non ci avere a essere di questo .... ne a questi tempi et nonne essere a Firenze se nonne detto Lucha Et inteso che In quel tempo che detti telai e porte fu- rono alloghate a detto Lucha michelozzo et maso loro avere auti anche di fiorini quatrocento o piu Et queli glebbono Michelozzo et Maso et detto Lucha nonne avere avuto nulla come apare .. libri di proveditori di detta opera et fior. 200 dati a detto Giovanni di Bar- tholom̅e̅o per detta nettatura Et volendo detti operai che dette porte et telai abbino qualche volta Effetto et conciateli a perfetione et inteso la volonta di detto Lucha et vedendo detto Maso morto et detto Miche- 24 * lozzo absintato non veggendo alchuno modo che sia migliore piu benefico della detta opera et volendo che dette porte et telai abbino efetto che lusingna uscire della alloghagione presente che altrimenti si potrebbe far nulla et starebbe sanza alchuno efetto et in danno et verghongna della detta opera. Et vedendo et con- siderando quello che fu etc. — — — Allogorono a detto Lucha presenti et conducenti et in suo nome proprio a finire et conpiere dette porte che sieno In quella forma et modo come nella allo- ghagione prima apare. Et questo fecono (feciono) per pregio di fiorini septecento de quali si debba fare e paghamenti a detto Lucha ......... et in quel modo et forma parra agli operai che in tenpi saranno con questo che la materia che bisonera per netare In der vorangegangenen Vereinbarung fo. 73. a. t . heißt es zu Ende: a fare conpiere et storiare dette porte et ongni altra et qualunque cosa come nella prima alloghagione si contiene che labbino piena perfetione per pregio etc. — Da der Guß der Vorseite (S. IV . 4. und III .) beendigt war, so wird die noch zu foͤrdernde Arbeit nothwendig auf die Ruͤckseite zu beziehen seyn, welche in der That einige koͤstliche Figuren ent- haͤlt, welche dem Geschmacke und der Kunst unseres Luca bey wei- tem mehr entsprechen, als die Arbeiten an der Vorseite. … dette porte gli sia dato. Et ongni altra cosa di suo propio. Et il quale Lucha presente conducente et con- sentiente alla presente alloghagione Ratificho et obli- gosi sotto etc. V . Agostino d’Antonio . 1) Archiv. publico di Perugia . Annali decemvi- rali. 1462. fo. 38 . Die XXIII. Maji . Priores artium civitatis Perusii mandamus vobis heredibus Vici Baldi merchatoribus de perusio deposi- tariis pecuniae nostri communis ...... presenti no- stro bullect. sive mandato: detis et solvatis et dare et solvere debeatis possitis et tenemini Magistro Augu- stino Antonii de Florentia scultori et con- structori capelle santi Bernardini de Perusio pro parte satisfactionis et mercedis sibi debite pro con- structione ipsius capelle florenos centum ad rationem XL. bol. pro quolibet floreno . absque ulla reteptione alicujus gabelle de quibuscunque. Am Rande: Bull. Magistri Agostini Antonii de Florentia floren. C . Mariotti (Lett. Perugine p. 98. s . Anm. 4.) giebt einen Vertrag von 1459. den ich nicht im Originale gesehen habe, worin: chome io Achostino d’Antonio schulptor Fiorentino abitatore in Perugia e fabrichatore dela fazata di sto Bernardino della detta Città etc. — Er uͤbernimmt darin die Auszierung der Kappelle s. Lo- renzo in der Kirche s. Domenico zu Parugia . — In den uͤbrigen schon von Mariotti richtig gelesenen Verhandlungen ( Archiv. Xvirale . ad a. 1462. fo. 10 . und das. ad a. 1473. fo. 48. ) heißt er rundweg Magister Augustinus de Florentia . 2) Archiv. dell’ op. del Duomo di Firenze , Libro Alloghagioni s. cit. fo. 78. a. t . Anno — Millesimo quadringentesimo sexagesimo tertio Indict. XI. die XVI. mensis Aprilis . Nobili homini — Dominicho di Giovanni Giungni Ruggieri di Tommaso Minerbetti — alloghorono A Ghostino d’Antonio di Ducco ( Duccio . S. VI . 1. wo, bracco , fuͤr: braccio, Guliano , fuͤr: Giuliano und an- dre Auslassungen des eingeschobenen: J.) di Fior. scultore in suo nome propio a fare uno gughante overo Er- chole per porre in sollo edifitio et chiesa di sancta Maria del Fiore di quella grandezza et altezza et che chorrisponda a quella che é sopra alla porta di dettà chiesa che va a ’servi — —. Et questo s’é convenuto per pregio et nome di pregio di lib. trecento trent una. E detto aghostino promesse dare fatto detto gughante per tutto el mese d’aghosto 1463. sotto la pena etc . 3) Archiv. p. di Perugia . annali X virali. ad a. 1462. (1463.) fo. 10. die veneris XII. Febr . Venientes et existentes coram prefatis M. D. P. magister Benedictus Bonfiglj de Perusio etc. — et mag. Angelus magistri Baldassaris de Perusio etc. — picto- res et magistri ut dictum electi ad videndum exstiman- dum declarandum et arbimentrandum anteriorem pa- rietem sive frontem anteriorem capelle gloriosi confes- soris sci Bernardini justa ecclesiam sci Francisci de Perusio — — constitutum fabricatum et fulcitum per Magistrum Augustinum sculptorem de Florentia si di- ctus paries et flons (sic) dce capelle fuit et est bene conglue et legaliter fabricatus et fulcitus secundum for- mam cedule et contractus celebrati et celebrate inter tunc M. D. priores et camerarios civitatis Perusii ex ana parte et dem magistrum Augustinum ex alia manu Ser Jacobi rentii de Perusio publici notarii sub anno dni Millesimo IIII c LVII . et ad referendum qui pictores et magistri ut supra electi ut dictum retulerunt prefatis M. Dnis prioribus, dictam parietem et flon- tem dce capelle fuisse et esse bene fabricatam et fulcitam per dictum magistrum Augusti- num justa et secundum formam dicte cedule et con- tractus celebrate manu dicti Ser Jacobi de volunptate presentia et consensu spectabilis viri Lamberti berardi de cornio et francisci Bienencasa civium provisorum etc. — War nun diese Arbeit im Februar des Jahres 1463. (gewoͤhnl. Rechnung) beendigt, so konnte Augustin im August desselben Jahres zu Florenz anwesend seyn und dort ein neues Werk unternehmen. Spaͤter wendete er sich wiederum nach Perugia . Ann. X vir. Perug. 1473. fo. 46. die quarta mensis Junii , ist von einem Greifen die Rede, den Augustin in Holz schnitzen und vergolden sollte; zu Ende gelobt er: quod in casu quo dictum griffonem — non placeret dictis Magnif. Dom. Prioribus restituere dictos quinque ducatos et pro se retinere dictum griffonem . Um diese Zeit unternahm er zu Perugia die porta di s. Pietro , s. Mariotti Lett. Per. p. 96 . f. und Guida di Perugia . VI . Giuliano di Nardo da Majano . 1) Archiv. dell’ op. del Duomo di Firenze . Li- bro, alloghagioni, s. cit. fo. 80 . MCCCCLX...... die XVIIII. aprilis . In Folge einer alten Randbemerkung des Buches: 1465. Nobiles viri etc. — alloghano. a Guliano (Giuliano) di Nardo da Majano lengnajuolo presente et conducente et in suo nome proprio le due facce della sagrestia che l’una faccia e di sopra alla quarta laltra di sopra allo armadio le quali dette facce di ...... in una la storia quando nostro singnore fu presentato nel tenpio .. con Simeon . Et nell altra la nasciuta di nostro Singnore. Et in quel modo et forma che si dimostra pel modello dato per detto Guliano . El quale modello E apresso adegli operaj collavorio che ....... et abbasene asieme a dichiarazione degli operai che pe tempi saranno per pregio e nome di pre- gio di fior. cinque per ongni bracco (braccio) quadro. El quale develo avere fatto per tutto ottobre 1465. sotto pene dello ...... di detti o piu. El quale guliano pre- sente et consentiente a quella etc. — dicta die — alloghorono a detto Guliano presente et con- ducente et in suo nome proprio a fare la ghirlanda la quale a stare sopra agli armadi della sagrestia — et quel modo e forma che si dimostra pel modello dato per detto Guliano . Et quale lavoro debbe aver fatto per tempo et termine di mesi sei proximi che ve- ranno etc. — Diese, sehr loͤbliche Arbeit ist noch vorhanden. 2) Arch. et lib. citt. fo. 87. Anno Millesimo quadringentesimo septuagesimo primo. Ind. quarta et die vigesima mensis Septenbris videlicet vigesima se- cunda . Eine vorlaͤufige Vereinbarung betreff der hoͤlzernen Einfassung des Chores unter der Kuppel des florentinischen Domes; derselben, welche Pollajuolo auf der Ruͤckseite seiner Medaille ( conjuratio Pactiana ) angedeutet hat, welche indeß spaͤterhin einer Einfassung von Marmor mit Arbeiten des Bac- cio Bandinelli und anderer hat weichen muͤssen. (S. Vasari , und raccolta di Lettere sulla pittura etc. ) In dieser heißen: Francesco di Giovanni di Francesco Guliano di Nardo da Majano Francesco di Domenico detto Moncatto tutti leg- najuoli — und in der Folge: maestri peritissimi . Sie ver- pflichten sich nur im allgemeinen jeder fuͤr den dritten Theil der ganzen Arbeit und werden vorlaͤufig aufgefordert, ihre Ent- wuͤrfe zu machen und einzugeben. VII . Nachtrag zu I. 3 . Wir haben oben gesehn, daß die Glasmalerey zu Florenz bis um das Jahr 1440. in nichts Anderem bestand, als in der musivischen Zusammensetzung farbiger Glaͤser; indeß muß die Kunst auf Glas zu malen und die aufgetragenen Farben einzubrennen schon um diese Zeit, oder unmittelbar darauf auch in Toskana eingedrungen seyn, wie nachstehende, fuͤr die Ge- schichte dieser Kunstart wichtige Vereinbarung beweiset, welche ich ihrer Reichhaltigkeit willen nicht abkuͤrze. Archiv. dell’ op. del Duomo di Siena . E. 5. Delib. fo. 56. ss. Adi XXIII. di Aprile 1440. benche qui sia scripto dapoi a di 30. di Dicembre 1442. perchè il con- tratto é in suruno foglio apresso di me francesco notaio. Misser lo operaio, conseglieri, et camarlengo so- pradetti, a vice et nome de la detta opera, allogarono a Ser Guasparre di Giovanni prete da Volterra , a fare di vetro l’ochio de la chiesa catthedrale di Siena , che é nela faccia che viene verso lo spedale di sca Maria de la scala et la piaza desso, sopra la porta di mezo de la detta chiesa, per prezo et con modi pacti et con- ditioni Infrascripti, cioé . In prima chel detto Ser Guasparre sia tenuto et debbi fare el detto occhio secondo el disegno, che gli sarà dato per li detti operaio et suoi conseg- lieri presenti, o loro successori. Item chel detto ser Guasparre debba mettare di suo proprio et ale sue spese tutto el vetro piombo stagno et saldature, che entrasse et fusse bisognevole al detto lavorio bene dipento, bene cotto et bene legato et saldato et dare el detto lavorio posto al detto occhio a le sue proprie spese et mettare di suo pro- prio tutte le legature di filo di rame che entrassero et fussero bisognevoli al detto lavorio. Item sia tenuto et obligato el detto Ser Guasparre andare per lo vetro piombo stagno et filo di rame che bisognasse al detto lavorio a Venegia , o ad An- cona , o in altro luogo dove bisognasse et conduciare le dette mercantie et cose in Siena a tutte sue proprie spese et pericolo. Item chel detto Ser Guasparre sia tenuto et debbi tessare et fare la rete di filo di Rame, con questo che la detta opara gli debbi dare l’armadura del ferro facta et el filo del Rame che entrasse ne la detta rete per lo detto occhio. Item chel disegno che si dara al detto Ser Guasp. debbi essare disegnato colorito et aombrato, et farsi a tutte spese desso Guasparre , excepto che la opara gli debba dare el panno lino et carte bi- sognevoli et l’armadura del legname et fiorini diciotto di lire 4. l’uno . Item che la detta opara sia tenuta far fare a sue spese proprie tutti e ferramenti bisognevoli al detto la- vorio et darli lavorati al detto Ser Guasparre quando sara el tempo che bisognaranno operare . Item che la detta opara debba fare et far fare a sue proprie spese tutti e ponti bisognevoli per ponare el detto lavorio . Item che quando el detto lavorio si porra la detta opara sia tenuta prestare al detto Ser Guasparre due maestri e quali autino a esso Ser Guasparre a fare le stampe per esso lavorio a pericolo proprio desso Ser Guasp. et pagando l’opara e detti maestri, et oltre a questo darli dieci opere di manovali . Item chel detto Ser Guasp. abbi et avere debba della detta opara per le detto lavorio fiorini quattro- cento di Liro quattro l’uno. Et piu quello che parra a Misser lo operaio et conseglieri che in quello tempo saranno et quegli che sono al presente, non passando fiorini quattrocento cinquanta . Item chel detto Ser Guasp. sia tenuto et debbi avere fornito et posto el detto lavorio in tempo et termine di quattro anni prossimi da seguire dal di che sara con- dotto el vetro ne la città di Siena salvo sempre giusto impedimento . Item chel detto Ser Guasparre non possa fare ne allogarsi ne lavorare per alcuno modo alcuno altro la- vorio per infino che avra finito el lavorio soprascripto del detto occhio, a la pena di fiorini dieci per cias- cuno braccio di finestre che lavorasse, e quali debba pagare a la detta opara . Item chel detto Ser Guasp. sia tenuto tenere con- tinuamente tre o quattro compagni o garzoni, e quali lavorino con lui el detto lavorio per infino che sara fornito . Item chel detto Ser Guasp. sia tenuto et debbi fare el detto lavorio di buono vetro et buoni colori a si- militudine dell’ altro occhio de la detta chiesa et degli occhi et finestre dellabbadia dis̅c̅o̅ Gal- gano . Item chel detto Ser Guasp. debbi fare el detto la- vorio bene commesso etc . Item che la detta opara sia tenuta et debbi prestare al presente al detto Ser Guasparre fiorini dugento di Lire 4. l’uno etc . Item chel detto Ser Guasp. sia tenuto fare el detto lavorio buono et a perfettione a detto dogni buon maestro . Item che tutte le cose soprascripte sintendino a huona fede et senza alcuna malitia et fraude. Et del detto contratto et allogagione appare piu distesamente — — per mano di me Francesco di Stefano di Van- nino notocio di Siena etc. — Dieser Contract ward indeß, in dems. Buche fo. 59. a. t. und 60., auf Antrieb der neugewaͤhlten Rathgeber des Ope- rajo als nachtheilig widerrufen und aufgehoben; worauf, das. fo. 61., die Insinuation des Widerrufs und der Protest des Kuͤnstlers eingetragen wurde. In dems. Archiv, Pergamene, No . 1503., findet sich dieser Beschluß ausfuͤhrlicher. Viel- leicht widersetzten sich die Rathgeber des Operajo eben nur der Einfuͤhrung einer damals in Italien noch ganz neuen Erfin- dung. Gewiß geschah jener Widerruf nicht etwa, weil der Glasmaler selbst verwerflich war, da die sienesische Domver- waltung spaͤterhin im Jahre 1465., ( Archiv. cit. E. 7. fo. XIII. ) denselben Ser Guasparre di Giovanni da Volterra Maestro di finestre di vetro per uno anno fermo et uno altro a beneplacito , fuͤr den Lohn von, fiorini 36. di libre IV ., ohne naͤhere Bestimmung der Arbeit in Sold nahm. Die Erfindung der eingebrannten Malerey auf Glas wird dem Jan van Eyck beygemessen; die Epoche der Verbreitung dieser Kunstart uͤber Toscana ist mit dieser Angabe uͤberaus vereinbar. Nachtrag zu den Belegen der Abhandlung VIII . Folgendes Actenstuͤck schließt sich in Ansehung der Kunst- art den Belegen I . 1 — 5. der ersten Abhandlung dieses Ban- des an. Indeß hatte ich dasselbige damals verlegt und finde erst hier eine Stelle, sie einzuordnen. Archiv. dell’ op. del Duomo di Siena , E. 4. Me- morie fo. 10. a. t. Memoria de le spese de la sepoltura de la buona memoria de Rev. Padre misser Karlo d’Agniolino ve- schovo stato di Siena , il quale passo di questa vita a di XI. di Settembre MCCCCXLIIII. cioé le spese de la lapida del marmo col fregio dintorno posta sopra a la sua sepoltura in duomo al altare de la cappella di S. Crescenzio . Et prima, per la pietra grande etc. — Et piu per lo marmo del fregio dintorno etc. — Et piu a Maestro Giugliano da Como per quaran- tacinque di a lavorato in sulla pietra grande a spia- nare et chavare e tabernacoli et la fighura a trapano et scharpelli sottigli — Lire XLV . A maestro Antonio di federigho per vinticinque di a lavorato in su la detta sepoltura a cavare a trapano et scarpelli sottigli per tutto — lib. XV . A Lorenzo d’Andrea per tredici di a lavorato in su fregj cioé a chavare per lo fogliame del fregio ch’é intorno a la decta sepoltura da di 12. genajo in- sino a di 27. 1445. et impeciare — lib. V. soldi XVII . A Francescho di Stefano per tredici di a lavorato in su fregj et impeciare (auspichen, mit schwarzem Stucko ausfuͤllen) com’é detto di sopra a Lorenzo . — lib. V. soldi IV . A Maestro Giovanni Sabategli per nove di a la- vorato in su fregi dessa sepoltura — lib. VII. sol. IIII . A Maestro Castorio di Nanni per sette di a lavo- rato in su fregi de la sepoltura del mese di Gienaio lib. V. soldi V . A Pietro da Como per tre di d’aito a ’npeciare et radere e fregj — lib. I. soldi VIII . A Maestro Pietro del Minella capo Maestro del uopara per piu tempo a dato in su la detta sepoltura in piu volte in disegniare et ordinare et inpeciare la detta sepoltura et fregio di torno uno mese et mezo lib. XXXVIII. soldi VIII. Hieraus lernen wir die Mischung des schwarzen Stucko, mit welchem die ausgehauenen Umrisse ausgefuͤllt wurden; auch ist die Vertheilung dieser Arbeit unter so viel Einzelne ganz merkwuͤrdig, da sie die Oekonomie der bildnerischen Un- ternehmungen jener Zeit sehr gluͤcklich ins Licht setzt. XIV. Die unumgaͤngliche Vielseitigkeit in den Be- ziehungen, die Hindernisse der Entwicke- lung, die Ursachen des vorzeitigen Verfal- les der neueren Kunst. Ueber die Bestrebungen und Leistungen der Zeitgenossen Raphaels ist unter den Kunstfreunden und den Gebildeten uͤberhaupt viel umstaͤndliche Kunde verbreitet. Freylich wur- den die erreichbaren urkundlichen Nachrichten bisher bey wei- tem nicht erschoͤpft; freylich wird Vasari auch in dieser Ge- gend der Geschichte noch immer als Hauptquelle betrachtet und ausgenutzt. Indeß ist dieser Schriftsteller, dem man den vielseitigsten Kunstsinn und die feinste Beobachtungsgabe nicht absprechen kann, bey gehoͤriger Beruͤcksichtigung seiner persoͤn- lichen Schwaͤchen und Befangenheiten fuͤr so neue Zeit schon als Zeuge anzusehn, weßhalb die Bestaͤtigung oder Berichti- gung und Mehrung seiner spaͤtesten Malerleben mir selbst vor der Hand mehr wuͤnschenswerth, als dringend zu seyn schien. Wuͤnschenswerth waͤre besonders die Ehrenrettung solcher Arbeiten, welche, durch Verunglimpfungen des Vasari bisher nicht nach dem vollen Maße ihres Kunstwerthes anerkannt und eben daher nur selten besucht werden. Zu diesen gehoͤ- ren jene herrlichen Mauergemaͤlde des großen Hofes im Klo- ster Monte Uliveto maggiore, welches auf dem Wege von Siena nach Rom nur sechs Miglien von der Station Buon- con- convento entlegen ist. Von dort aus, wo man ohnehin anzu- halten pflegt, fuͤhrt ein gebahnter Weg nach dem wohlbelege- nen, schoͤn gebauten Kloster hinauf, wo die gastlichen Ordens- geistlichen den Ankommenden Erfrischungen zu reichen bereit sind, das erdenklich beste Brodt, den reinsten und reifesten Wein, des koͤstlichen, balsamischen Oeles nicht zu gedenken. Wie waͤre es moͤglich, so mannichfaltigen Lockungen zu widerstehen? Indeß uͤberlassen die meisten Reisenden die Eintheilung ihres Weges den Anordnungen der Lohnkutscher, was sie allerdings der Muͤhe uͤberhebt, zu uͤberlegen und sich selbst zu bestimmen. Der große Hof dieses Klosters enthaͤlt sechsunddreißig bemalte Mauerflaͤchen, Lunetten, wie die Italiener solche halb- rund beschlossene Bilder zu nennen pflegen. Den groͤßesten Theil dieser Arbeit beschaffte ein sienesischer Maler, Giovann Antonio Razzi , dessen Talent meist nach seinen spaͤteren, fluͤch- tigeren Arbeiten zu Rom und Siena abgemessen wird, denen allerdings der Reiz und Formensinn nicht abzusprechen ist, wohl aber Gediegenheit der Ausbildung, Styl und begeistertes Eingehn in das Wesen seiner jedesmaligen Aufgabe. Da nun auch Vasari gegen diesen Kuͤnstler, dem er einen uͤblen Na- men gemacht hat, ich weiß nicht aus welchem Grunde gereizt war Vasari , vita di Gio. Ant. detto il Soddoma . Er behauptet darin: Razzi sey nur bey dem Poͤbel seiner Vaterstadt in Ansehn gestanden; er habe die Arbeit in Monte Uliveto erbettelt; die Moͤnche daselbst haben ihn den: Mattaccio genannt. Von seinen Arbeiten im Vatican sagt er: ma perchè questo animale , atten- dendo alle sue bestivole et alle baje, non tirava il lavoro innanzi etc. — In diesem einzigen Leben ist Vasari unwuͤrdig. Er selbst, oder nur sein Berichtgeber, mochte persoͤnliche Veranlassung haben, den Razzi zu hassen. , so vereinigte sich Vieles, ihm in den Augen unserer II. 25 Zeitgenossen zu schaden. Indeß war Razzi zu Anfang des sechzehnten Jahrhundertes einer der groͤßesten Maler. Seine Abnahme vom Kreuze bey den Franciscanern zu Siena ist so schoͤn geordnet, als irgend ein Werk dieser Zeit, obwohl in den Formen minder ausgebildet, als gewisse Fragmente eines auf feinstem Nesseltuche a tempera gemalten Bildes, dessen leider unvereinbare Bruchstuͤcke in meinen Haͤnden sind. Diese enthalten eine Darstellung der Metamorphose des Cephalus; Lage, Stellung und Ausdruck der Hauptfiguren erschoͤpfen alle Wuͤnsche; die Ausbildung der Formen deutet auf bildneri- sche Absichten, und wirklich koͤnnen die Handgriffe der Bild- nerkunst dem Razzi nicht fremd gewesen seyn, da man ihm in seinen besten Jahren einen Erzguß uͤbertrug Archiv. dell’ op. del Duomo di Siena . Libro E. 9. Delib. fo. 28. a. t. die XXII. Junii M. DXV. — operarii et commiss. etc — deliberaverunt locare et locaverunt Magistro Johanni Antonio alias Sodoma pictori ad faciendum unam figuram unius apostoli brunzii in ecclesia catthedrali in illis modis et pactis et conditioni- bus, prout fuit locatio Jacobo Cozzarello . Item lochaverunt ei aliam figuram et hoc ad beneplacitum ope- rariorum si ipsis videbitur . Aus dem Nachfolgenden: Et quod ipse Jo. Antonius … … … … (die fehlenden vier Worte habe ich nicht gelesen) dce opere gratis et sine ullo pretio ad pingen- dum . wuͤrde man schließen koͤnnen, daß in den vorangehenden eben nur von malerischer Nachahmung der Bronze die Rede sey. Indeß lehrt der Contract mit Jac. Cozzarello , auf welchen dort hinge- deutet wird, daß man dem Razzi einen wirklichen Erzguß verdungen habe. S. Archiv. delle riform. di Siena . Deliber. di Balia, To. XLVII. anno 1505. fo. 75. a. t. die XI. Oct . Sp. viri tres de collegio Balie super opera ecclesie cathedralis electi et deputati vigore eorum auctoritatis de qua supra sub die 24 Julii locaverunt magistro Jacobo Cozzarello ad fabricandum Apostolos eneos per ..... in ecclesia cathedrali secundum , was die sienesischen Topographen, wenn ich recht entsinne, bisher uͤber- sehen haben. Kraͤftiger freylich und vielseitiger zeigt sich Giovann Antonio in jener Reihe von Darstellungen aus dem Leben des Hl. Be- nedict im Kloster Monte Uliveto maggiore. Neun dieser großen Gemaͤlde beendigte Luca Signorelli aus Cortona ; sie gehoͤren zu seinen spaͤtesten, aber auch zu seinen reifesten und uͤberleg- testen Werken, in welchen Razzi offenbar an einzelnen Stellen ausgeholfen hat, vornehmlich bey jenem schoͤnen Juͤngling in buntgeflammter Bekleidung, welcher uͤber den Formengeschmack des Signorelli hinauszugehen scheint. Uebrigens hatte Luca vor jenem eine groͤßere Sicherheit in der Handhabung der Malerey al fresco voraus, besonders eine gewisse Energie der Handlung und Staͤrke des Charakters. Vielleicht waͤhlte er eben deßhalb die spaͤteren, ernsteren Lebensereignisse des Hei- ligen, wie denn uͤberhaupt beide Kuͤnstler gemeinschaftlich und designum unius fabricati per Franciscum Georgii pro pretio flor. octingentorum de Libris 4. pro quolibet floreno (pro) apostolo quolibet, et de pretio basis et positionis et locationis in columnis sit plene remissum in dictos tres et de basamentis . Presente dicto magistro Jacobo et acceptanti. Actum etc. Die Eroͤrterung dieses Umstandes ist nicht so unwesentlich, als man glauben duͤrfte, Giovann Antonio Razzi erreichte in seinen besten Arbeiten eine Schoͤnheit und Ausbildung der Form, welche in der modernen Malerey unuͤbertroffen blieb. Diesen Vorzug mochte er seinen bildnerischen Vorarbeiten verdanken, was uns von Neuem an den Einfluß der bildnerischen Bestrebungen auf die Entwickelung der Malerey erinnert, den ich in der vorangehenden Abhandlung verschiedentlich hervorgehoben. Einige Bekanntschaft mit den Handgriffen des Modellirens in nassem Thon, einige Ver- suche, die Form als Form, nicht einzig dem Scheine nach, aufzu- fassen, duͤrften mithin der hoͤheren Ausbildung malerischer Anlagen im Ganzen foͤrderlich seyn. 25 * in gutem Einverstaͤndniß moͤgen gearbeitet, und die darzustel- lenden Begebenheiten nach Lust und Gelegenheit unter sich vertheilt haben. Die uͤbrigen siebenundzwanzig Darstellungen vollbrachte Razzi allein und zeigte darin einen Umfang der Beobachtung, eine Schaͤrfe des Sinnes fuͤr die Bedeutung des Charakters und der Bewegung menschlicher Formen, welche in seinen spaͤteren Gemaͤlden einer sehr allgemeinen Vorstel- lung von sinnlicher Anmuth Raum gegeben hat. Haͤufig be- nutzte er in diesen Zusammenstellungen jene heftige Bewegung, jene starke, beynahe uͤberladene Charakteristik, welche in den Ar- beiten des Sandro Botticelli anzieht und uͤber deren Willkuͤhr- lichkeiten hinaussehn macht. Wie nur der Sieneser zu diesen Reminiscenzen gelangt seyn mag? Vielleicht hatte er bey Fi- lippino gelernt, oder demselben als Geselle gedient. Es hat seine Durchschnittsvorstellung von schoͤner weiblicher Bildung eine gewisse Verwandtschaft mit den anmuthigen Weiberkoͤpfen der Kappelle Strozzi in sta Maria novella. Indeß fehlt es mir, diese Wahrscheinlichkeiten zur Gewißheit zu erheben, bis jetzt an urkundlichen Zeugnissen. Giovann Antonio war auch in der Folge bisweilen kraͤf- tig und ausdrucksvoll, z. B. in den Malereyen der Kappelle der Hl. Katharina in s. Domenico zu Siena ; haͤufiger reizend und lieblich, wie besonders in dem bekannten Gemache der Farnesina zu Rom ; doch unterlag er, im Ganzen angesehn, dem gemeinsamen Schicksal aller großen Talente, welche das Todesjahr Raphaels uͤberlebten. Dieser große Kuͤnstler, den man auch in den dunkelsten Epochen stets als das vorleuch- tende Gestirn der neueren Kunst betrachtet, dem man indeß, statt im Thun und Lassen seinem Beyspiel zu folgen, nur eben in seiner unerreichbaren Eigenthuͤmlichkeit nachgeahmet hat, durchmaß zuerst den ganzen Umfang der neueren Malerey. In der Auffassung christlicher Motive und Aufgaben hielt er sich, nach dem Beyspiele der umbrischen Schule an jene gluͤck- liche Mischung altchristlicher Strenge und moderner Weichheit der Empfindung, deren Entstehung und Fortpflanzung uns in der vorangehenden Abhandlung beschaͤftigt hat. Die moͤnchi- sche, theils burlesk pathetische, theils schwaͤrmerisch religioͤse Richtung blieb ihm fremd; vielleicht uͤberhob ihn seine fruͤhe Versetzung an den paͤpstlichen Hof der Aufloͤsung von Aufga- ben dieser Art. Hingegen zeigte Raphael , wie der poetische Stoff der antiken Kunst mit den Bestrebungen und Moͤglich- keiten der neueren vortheilhaft auszugleichen sey. Dieser Stoff, welcher bald Mythus, Fabel und Poesie Bey den Italienern des sechzehnten Jahrhundertes, dem Pietro Aretino und A. , bald Symbolik und wie immer sonst benannt wird, umschließt verschiedene einander entgegengesetzte Elemente. Aus einer mehr und minder gebundenen Begriffsbezeichnung hatte er sich her- vorgebildet; spaͤter einem phantasiereichen Formenspiele sich hingegeben; endlich gestrebt, von neuem gleichsam sein Be- wußtseyn zu sammeln, seine urspruͤngliche Bedeutung durch Forschung und Nachdenken wieder aufzufinden. Doch eben diese unendliche Verwickelung des anschaulich und des abstract Aufgefaßten, des Gebundenen und Willkuͤhrlichen, welche den Historiker verwirrt und ihn, gleich Irrlichtern, bald auf unzugaͤng- liche Hoͤhen, bald in niedrige Suͤmpfe verlockt, stempelt den sym- bolischen Kunststoff des classischen Alterthumes zum allegorischen Elemente der Malerey aller Zeiten. Was schon im Alterthume bald zu luftigem Reize sich verfluͤchtigen, bald eine tiefe, bald wiederum eine leichtere Bedeutung einschließen durfte, gestattet, nachdem alles religioͤse Bedenken unabsehlich weit zuruͤckgewichen ist, die leichtsinnigste, froͤhlichste Auffassung und, hinsichtlich der hineingelegten Bedeutung, die willkuͤhrlichste Abweichung von allen den mannichfaltigen Deutungen des Alterthumes, uͤber welche wir einige Kunde besitzen. Als Raphael diesen Kunst- stoff zuerst in groͤßerer Fuͤlle benutzte, und in sein eigenthuͤm- liches Gebiet hinuͤberzog, fuͤhlte und bediente er sich dieser Freyheit. Er selbst, (wie auch Giulio und andere, welche hierin seinem Vorbilde gefolgt sind) stuͤtzte sich seines eigenen Standpunctes eingedenk, besonders auf die spaͤteste und will- kuͤhrlichste Auffassung mythischer Dinge, den Apulejus , den Ovid und aͤhnliche Schriftsteller. Erst in den neueren, gelehr- teren Zeiten ist man auf die Grille verfallen, solche Aufgaben mit religioͤser Beachtung des Typischen und Symbolischen auf- zuloͤsen, darin eine muͤssige und meist sehr bedenkliche Gelehr- samkeit auszulegen, welche der Darlegung des eigentlich Kuͤnst- lerischen entgegenzuwirken scheint, gewiß dem Geschmacke unse- rer Zeitgenossen nicht durchhin genuͤgt und hie und da ein ent- schiedenes Vorurtheil gegen moderne Behandlungen mytholo- gischer Gegenstaͤnde hervorgerufen hat. An und fuͤr sich soll der Kuͤnstler, in so fern er Hand- werker ist und buͤrgerlich und haͤuslich zu bestehen hat, gesinnt und moͤglichst geruͤstet seyn, jeder ehrlichen Anforderung seiner Zeitgenossen zu genuͤgen; und gewiß wuͤrde man die Frage: ob neuere Kuͤnstler nur christliche und moderne, oder im Ge- gentheil nur antike Aufgaben behandeln sollen, nicht, ohne ver- lacht zu werden, aufwerfen koͤnnen, wenn es nicht bey den mannichfaltigsten Anstalten, Kuͤnstler zu erziehen und auszu- statten, in unseren Tagen doch uͤberall an dem Entschlusse, vielleicht selbst an einem inneren Beduͤrfnisse fehlte, die kuͤnst- lich und absichtlich Erzogenen in der Folge auch zu beschaͤfti- gen. Derselbe Geist der Theorie, welcher die Errichtung und Weiterung der Lehranstalten wichtiger erscheinen laͤßt, als die Entwickelung, Foͤrderung, entschlossene Benutzung der Jugend- kraft großer Talente, verleitet uns auch, uͤber den Werth oder Unwerth von Kunstaufgaben zu streiten, deren Aufloͤsung wir kuͤnftigen Zeiten uͤberlassen. Gewiß duͤrfte, wer in die Wirk- samkeit seiner Zeitgenossen einzugreifen wuͤnscht, auf naͤherem Wege sein Ziel erreichen, indem er begehrte, was ihn erfreut, und auf diese Weise ein Recht erwuͤrbe, mit Kuͤnstlern zu ha- dern, welche ihm Versprochenes und Wohlbelohntes nicht so ganz, wie sie sollten, gearbeitet haben. Indeß werden wir, von den Neigungen und Beduͤrfnissen der Kuͤnstler absehend, in Betrachtung ziehen koͤnnen, ob die Wuͤnsche und Foderun- gen unserer Zeitgenossen, besonders der Kunstfreunde, durch einseitige Auffassung von Gegenstaͤnden der einen, oder der anderen Art durchaus befriedigt werden koͤnnen. Es ist wohl ausgemacht, daß unter allen sich darbieten- den Gegenstaͤnden der Kunst die christlichen der allgemeineren Volksbildung besonders nahe stehn, daher der Menge verstaͤnd- licher sind, als Solches, so schon eine gewisse Hoͤhe der Bil- dung voraussetzt. Waͤre nun die Kunst unter allen Formen der geistigen Mittheilung die zugaͤnglichste, weil ihre Darstel- lung nicht auf willkuͤhrlichen Zeichen beruht, sondern auf ur- spruͤnglichen, von Haus aus jedem offenen Sinne verstaͤndli- chen; so waͤre sie auch durch ihren Beruf darauf angewiesen, durch ihren Vortheil aufgefordert, einen wichtigen Theil ihrer Kraͤfte und Anstrengungen der Darstellung populaͤrer, also christlicher Aufgaben zu widmen. Aus fruͤheren Untersuchun- gen entsinnen wir uns, daß hiedurch nicht einmal die begeh- renswerthe Schoͤnheit gefaͤhrdet werde, indem eben diese in Kunstwerken nicht sowohl aus dem Gegenstande an sich selbst, als vielmehr, theils aus der Faͤhigkeit des Kuͤnstlers, sich fuͤr denselben zu begeistern, theils aus der Moͤglichkeit entsteht, ihn kuͤnstlerisch aufzufassen und darzustellen. Nach so viel treffli- chen, schoͤnen und erhebenden Leistungen, als in den begluͤckte- sten Epochen der neueren Kunst aus der Begeisterung fuͤr christliche Begriffe und Vorstellungen hervorgegangen sind, wer- den wir mit Ueberzeugung, weder das Eine, noch das Andere laͤugnen koͤnnen, noch, wie es geschehen ist, durch Sophismen den bezeichneten Gegenstaͤnden ihren eigenthuͤmlichen Kunstwerth entziehen wollen. Doch eben, weil die Auffassung von Gegenstaͤnden, welche mit dem religioͤsen und politischen Leben unserer Tage noch im- mer eng verflochten sind, nothwendig ernst, streng und gebun- den, also einseitig ist, wird das Launige, Phantasiereiche, sinn- lich Reizende, besonders aber, was einige Maler unserer Zeit zu verkennen scheinen, jede willkuͤhrliche Beziehung und Deu- tung gaͤnzlich davon ausgeschlossen seyn. Freylich hat die mo- derne Malerey der Italiener und anderer ihnen nachahmender Nationen, vielleicht eben nur aus dem unbefriedigten Beduͤrf- niß einer mehrseitigen Evolvirung der allgemeinen Kunstan- lage, jene Elemente und Beziehungen auch in die kirchliche Malerey hinuͤbergenommen. Indeß wird durch diese Vermen- gung des Widerstrebenden auf der einen Seite die begehrens- werthe Strenge der kirchlichen Kunst zerstoͤrt, auf der anderen dem unbefangenen Sinne nicht einmal jener Genuß gewaͤhrt, den man bezweckt, da es an sich selbst widrig ist, in den Kirchenge- maͤlden verweichlichte Greise, und Juͤnglinge und Frauen zu sehn, welche ihre Reize unter religioͤsen Verzuckungen zur Schau le- gen. Also duͤrfte, hoͤherer Forderungen nicht zu gedenken S. die vielleicht zu weit getriebenen Bedenklichkeiten des alten Ammanati , in seinem Briefe an die florentinischen Akade- miker, Raccolta di lett. sulla pitt. etc. To. III. Lett. 223. p. 364 . , schon der gute Geschmack innerhalb des Gebietes der kuͤnstle- rischen Beziehungen eine Absonderung begehren, jener aͤhnlich, welche in der Poesie und Musik laͤngst eingetreten ist, oder doch angenommen wird. Allein nur um so mehr werden wir dem Reize, dem phantasiereichen Muthwillen, der Allegorie, ihr eigenthuͤmliches Feld zu sichern haben. Schon die fruͤhesten Kuͤnstler der neuen und christlichen Welt fuͤhlten den allgemeinen Werth der Symbole und Per- sonificationen des classischen Alterthumes, deren sie gar Manche in die neue Kunst hinuͤbernahmen. Auch waͤhrend des dunk- leren Mittelalters erhielt sich ein Theil dieser Sinngebilde vornehmlich in den Malereyen der Byzantiner, doch auch in barbarisch italienischen und fraͤnkischen Denkmalen S. Thl. I. Abh. III. ff. . Giotto scheint sie nebst anderen aus dem hoͤchsten Alterthume uͤber- lieferten, aus der florentinischen Schule verdraͤngt zu haben; hingegen entdeckten wir in den Personificationen des Ambruo- gio Lorenzetti im oͤffentlichen Palaste zu Siena einige Zeichen der Bekanntschaft mit den antiken Kunstgestaltungen S. Thl. II. Abh. X. . Diese uͤber das ganze Mittelalter verbreitete Hinneigung, ge- dieh freylich erst um die Mitte des funfzehnten Jahrhunder- tes zur entschiedenen, ihrer selbst deutlich sich bewußten Be- strebung. Die Schule des Squarcione ging hierin, so weit meine Kunde reicht, allen anderen und selbst den florentinischen Ma- lern voran. Die Paduaner beschraͤnkten sich indeß auf die Nachahmung des Habituellen antiker Denkmale, welche Squar- cione, wenn wir dem Vasari trauen duͤrfen, gesammelt, unter allen Umstaͤnden beachtet und copirt hatte Ein Gemaͤlde in der wichtigen Folge venezianisch-lombar- discher Bilder der ehmals Solly , jetzt Koͤn. Preuß. Sammlung mit der Aufschrift: S. MCCCCLIII. zeigt deutliche Spuren der Bekannt- schaft mit antiken Denkmalen. , wie nach ihm seine Schule, besonders Zoan Andrea und Mantegna . Bey den Florentinern hingegen entstand die Hinneigung zur Fabel aus einem gewissen Beduͤrfniß der Allegorie. Bey den Pa- duanern ging die Nachahmung von halberhobenen antiken Ar- beiten bis zur Verletzung der Stylgesetze der Malerey; denn ihr zerknittertes Gefaͤlte, ihre schroffe Andeutung der Formen kommt aus der Nachahmung von Bildwerken und nicht, wie noch neuerlich ein Kunstfreund behauptet hat, aus einer ge- wissen Befangenheit in der Nachbildung des ganz anders er- scheinenden Wirklichen. Die Florentiner hingegen, besonders Sandro Botticelli , uͤbergingen in ihren mythologischen Dar- stellungen das Habituelle der antiken Kunstwerke und begnuͤg- ten sich, durch die bekanntesten Symbole und Personificatio- nen des Alterthumes anzudeuten, was ihnen jedesmal der An- regung werth schien. In beiden Schulen ward diese Richtung durch das eben damals eintretende Beduͤrfniß, dem Weltsinne unbefangener und gebildeter Menschen zu genuͤgen, wenn nicht hervorgerufen, doch sicher befoͤrdert und aufgemuntert. Bis zur anderen Haͤlfte des funfzehnten Jahrhundertes war die Kirche fast ungetheilt im Besitze der besten Kraͤfte damaliger Kuͤnstler. Auch die Anfoderungen der Einzelnen be- schraͤnkten sich, wie zahllose kleine Madonnen und Heiligenbil- der bewaͤhren, im Ganzen auf Gegenstaͤnde der haͤuslichen Andacht, und selbst bey Verzierung der Saͤle, in welchen die buͤrgerlichen Obrigkeiten sich versammelten, mischte man kirch- liche Gegenstaͤnde unter die politischen Allegorieen, wie aus den wohlerhaltenen Malereyen des oͤffentlichen Palastes zu Siena , aus dem haͤufigen Durchblicken des Nimbus an den uͤberweißten Waͤnden des Palastes del Podesta zu Florenz , oder aus anderen Beyspielen abzunehmen ist. Zu Siena ward allerdings schon in den ersten Decennien des funfzehnten Jahr- hundertes dem Taddeo di Bartolo die Darstellung großer Hel- den und Staatsmaͤnner des Alterthumes aufgetragen; doch entsinnen wir uns, daß ihm diese Helden mißgluͤckt waren und keinesweges mit den Heiligen Darstellungen zu vergleichen sind, welche ihnen zur Seite stehn. Nachdem aber das bis dahin unbeachtete, oder doch untergeordnete Beduͤrfniß erwacht war, das haͤusliche Leben vertheilhafter einzurichten und in der Verzierung der Wohnungen dem Lebenssinne die noͤthige Befriedigung zuzuwenden, mehrte sich, wie er voraus zu setzen war, die Frage nach mythisch-allegorischen Bildern. In Loͤsung dieser neuen Anfoderungen an das Talent, sind die Bildner den Malern vorangegangen. Schon Ghi- berti , welcher seine Verehrung des classischen Alterthumes in seiner Schrift sehr entschieden ausgesprochen S. Cod. cit. den ersten die antike Kunstgeschichte umfassen- den Abschnitt und manche, zum Theil schon angefuͤhrte Andeutun- gen in seiner neueren Kunstgeschichte. , zeigte auch in seinen Kunstarbeiten Bekanntschaft mit vielen eigenthuͤmlichen Zuͤgen der antiken Bildnerey, in welche Luca della Robbia , wie jene Taͤnzerinnen der Orgelverzierung bezeugen, noch ungleich tiefer eingedrungen war. Lorenzo Medici, der alte , fand demnach, als er den Porticus seiner Villa zu Poggio a Cajano durch einen Friis von gebrannter Erde verzieren ließ, welcher die Geheimnisse der Urwelt nach griechischem Mythus andeutet, die Bildner bereits darauf vorbereitet seinen Wuͤn- schen zu genuͤgen; weniger die Maler, deren einige, besonders Botticelli , von demselben Goͤnner angeregt S. Vasari , vita di Sandro Botticelli , — In casa Medici a Lorenzo vecchio lavorò molte cose e massimamente una Pallade su una impresa di bronconi, che buttavano fuoco. — Vergl. dens. zu Ende dieses Lebens. Seine calunnia d’Apelle, ist nicht mehr vorhan- den, wohl aber andere Gemaͤlde dieser Art, deren Vasari hier nicht erwaͤhnt. , nun ebenfalls begannen, in freyen Allegorieen, oder gegebenen mythologi- schen Vorstellungen sich zu versuchen. Demnach entstand jene Erweiterung des Gebietes der neueren Kunst gewissermaßen nur aus der Steigerung eines Verlangens, welches selbst in den unvollkommneren Arbeiten des Mittelalters uͤberall aufleuchtet, gegen Ende des funfzehn- ten Jahrhundertes entschieden, und mit dem deutlichsten Be- wußtseyn des eigenen Wollens hervorgetreten war; und Ra- phael ist daher nicht sowohl der erste, welcher sein Talent auf Gegenstaͤnde der Mythologie bezogen, als vielmehr derjenige, welcher den Anfoderungen mehrseitig gebildeter Maͤnner seiner Zeit, durch seine gleichmaͤßig ergoͤtzliche und bedeutsame Be- handlung mythischer Aufgaben zuerst durchaus genuͤgt hat. In dieser Beziehung ist er allerdings als Stifter anzusehn. Denn er lehrte durch sein Beyspiel, daß solche Aufgaben nicht, gleich den kirchlichen, mit religioͤser und historischer Strenge, sondern mit poetischer Freyheit und Willkuͤhr aufzufassen sind; er zeigte, wie bildnerische Vorbilder, wo solche fuͤr Bekleidung, Waffnung, Charakter und anderes Historische genutzt werden sollen, nach malerischen Stylfoderungen umzugießen sind; wie man Zuͤge des gegenwaͤrtigen Lebens, deren der Maler nun einmal nim- mer entbehren kann, den antiken Aufgaben aneignen solle. Ich uͤberlasse dem Leser, zu entscheiden, ob es neueren Malern bes- ser gelungen sey, antike Eigenthuͤmlichkeiten und moderne Mo- delle zu einem Gusse zu verschmelzen. Obwohl es nun, wie ich angedeutet habe, an sich selbst wuͤnschenswerth ist, daß beide Beziehungen der Kunst, die kirch- liche und die poetische, wie in ihrer Absicht und Richtung, so auch in ihrer aͤußeren Erscheinung, in der Manier und Be- handlung, einen gewissen Gegensatz bilden; so fodert dennoch, sowohl die Wuͤrde ihres Gegenstandes, als besonders ihre Be- stimmung, der Architectur sich anzuschließen, von beiden eine gewisse Strenge und Gediegenheit des Styles; uͤber welchen Begriff wir uns fruͤher verstaͤndigt haben. Dahingegen ent- stand in den vergaͤnglichen und beengten Wohnungen der noͤrd- lichen Laͤnder das Beduͤrfniß von der Baukunst unabhaͤngiger, beweglicher Gemaͤlde, welche nicht so ganz denselben Anfode- rungen unterliegen, als die Hervorbringungen jener anderen, hoͤher hinaus strebenden Richtungen. Es war schon den Alten aufgefallen, wie die Erscheinung der Dinge, auch abgesehn von der Bedeutung und Schoͤnheit ihrer Form, an und fuͤr sich einen sinnlichen Reiz besitze, wel- cher auf leisen Undulationen des Lichtes und lieblichen Ueber- gaͤngen des Tones beruht. Daher ihre Rhyparographen, welche man zwar in jenen Zeiten unumwundener Rede nach ihren Beziehungen und Gegenstaͤnden benannte, doch nichts desto weniger liebte und theuer bezahlte. Im neueren Weltalter, besonders im Verlaufe des siebzehnten Jahrhundertes, leiste- ten die Hollaͤnder in dieser Schwelgerey des Auges das Un- nachahmliche. Und, was man auch sagen moͤge, so verdanken wir doch ihren besten, (den originellen, nicht Kunstwerke und Manieren nachahmenden) Malern die Kunst, auch den minder schoͤnen und fast unbedeutenden Dingen ihren Reiz abzugewin- nen. Ihr genuͤgsamer, aber tief eindringender Blick auf Land und Meer, auf frische Weiden und frohe Erndten, auf die Blumenfuͤlle des Fruͤhlings und Aehnliches hat sicher schon manche truͤbe Winterstunde erheitert. Demnach duͤrfte es we- der befremden, noch an sich selbst zu beklagen seyn, wenn auch in unseren Tagen schoͤne Talente eine aͤhnliche Richtung ein- schlagen und oftmals entschiedener aufgemuntert werden, als solche, welche mit unzulaͤnglichen Kraͤften einem hoͤheren Ziele nachstreben. Leben wir doch am Ende aller Zeiten; ist es doch fuͤr uns beynahe unumgaͤnglich, die verschiedensten Rich- tungen, da wir nun einmal mit allen historisch bekannt sind, dem gegenwaͤrtigen Beduͤrfniß anzupassen. Bewahren wir uns nur vor der Vermischung des Unvereinbaren, sey es uns nur jedesmal ganz ein Ernst, so wird sich ergeben, daß alle, auf uns uͤbergegangene Kunstrichtungen, jene des griechischen und des christlichen Alterthumes mit dieser dritten gemeinschaftlich, obwohl jede fuͤr sich, bestehen und fortwirken koͤnnen, ohne einander, wie man bisweilen zu befuͤrchten scheint, hemmend, oder aufhebend entgegenzuwirken. Ueberhaupt beruhen die Hindernisse, welche in den aͤlte- ren Zeiten von Giotto bis auf Raphael von Urbino , die Ent- wickelung der Kunst aufgehalten haben, die Ursachen des fruͤ- hen und, in Ansehung des allgemeinen Standes der Bildung, ganz vorzeitigen Verfalles der Kunst, welcher fast unmittelbar nach dem Tode Raphaels eingetreten ist, auf ganz Anderem, als auf der Wahl des Gegenstandes, auf der Richtung der Beziehungen. Wir wollen beide Ereignisse fuͤr sich betrachten und versuchen, aus ihrer Erklaͤrung fuͤr die Pflege und Foͤr- derung der Kunst Vortheil zu ziehn. Unlaͤugbar ging die neuere Kunst nach Maßgabe der An- zeigen, welche ihr erstes Aufbluͤhn begleiteten, dem Ziele, wel- ches sie erreichen sollte, nur langsam und mit vielen Unter- brechungen entgegen. Die großen Meister des dreyzehnten Jahrhundertes, Nicolas von Pisa mit seinen Gehuͤlfen, Cima- bue , Duccio , vielleicht selbst Ugolino , wenn die Madonna in Orsanmichele sein Werk ist, erreichten, auch abgesehn von der Wuͤrde und Herrlichkeit ihres Absehns, in der Ausbildung des Einzelnen, im Ausdruck und in der Bezeichnung, verglichen mit ihren Vorgaͤngern eine sehr hohe Stufe. Weit entfernt, diese Kuͤnstler zu uͤberbieten, blieb Giotto und wer ihm folgte, was die Charakteristik sittlichen Seyns und Wollens angeht, weit hinter seinen Vorgaͤngern zuruͤck; wir erinnern uns, daß sein Ruhm theils auf Abaͤnderung der Manier, oder der ma- lerischen Handhabung, theils auch auf der Einfuͤhrung einer neuen Richtung auf Handlung und Bewegung und freyere Er- findung sich gruͤndete, wodurch das Gebiet der kuͤnstlerischen Beziehungen allerdings erweitert, doch der Sinn seiner Zeit- genossen auf lange Zeit von der unumgaͤnglichen Begruͤndung des Charakters abgelenkt ward. Nach Giotto blieb die Ma- lerey besonders zu Florenz wohl ein Jahrhundert lang, bey wenigen, theils schon von mir hervorgehobenen Ausnahmen, hinsichtlich der Manier auf der Stufe, auf welche jener Stif- ter sie erhoben hatte, hinsichtlich des Geistes, wie es uͤberall bey Nachahmern sich wiederholt, tief unter ihrem Vorbilde. Als darauf, gegen die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes, Masaccio und Fiesole , unbestreitbar aus einem inneren Be- duͤrfniß, die malerische Darstellung durch die wichtigsten Vor- theile bereichert hatten, ward ihr Bestreben nicht alsobald sei- nem Ziele weiter entgegengefuͤhrt, vielmehr entstand von neuem eine Luͤcke von einigen fuͤr den Fortschritt der Kunst verlore- nen Decennien. In den folgenden und bis auf Lionardo und Raphael hatten wir endlich die befremdliche Erscheinung wahr- genommen, daß viele Kuͤnstler, Cosimo Roselli , Filippo Lippi , Pietro Perugino , Pinturicchio und andere, ihre Laufbahn auf das herrlichste begannen, hingegen in spaͤteren Jahren in eine unerfreuliche, geist- und geschmacklose Manier verfielen. Diese Erscheinungen, welche eine zu befangene Vorliebe fuͤr die Alterthuͤmer der neueren Kunst nicht selten uͤbersehen macht, entstehen, wenn ich mich nicht taͤusche, großentheils aus einem zu entschiedenen Zunftgeiste, in welchen die Kunst, gleich anderen Gewerben, verfallen war, indem sie den buͤr- gerlichen Einrichtungen der italienischen Gemeinwesen des Mit- telalters sich fuͤgte, denen sie andrerseits unstreitig mannichfal- tige Foͤrderungen verdankt. Der Ursprung dieser Verhaͤltnisse ist, wie so viel Anderes uͤber das dreyzehnte Jahrhundert zu- ruͤckreichende, aus Mangel an schriftlichen Denkmalen dunkel. Die Nachrichten und Auszuͤge von den Statuten der Maler- zunft verschiedener italienischer Staͤdte Der sienesischen, S. Della Valle , lett. Senesi To. I. lett. XVI.; der genuesischen, S. Raccolta di Lett. sulla pitt. etc. To. VI. Lett. XLV. s. To. VII. Lett. XV.; der venezianischen, das. Tom. V. Lett. CLXXIV. und an anderen Stellen. Ueber die florentinische S. Baldinucci , wenn ihm zu trauen ist; denn das Original hat sich verloren. , welche wir besitzen, rei- reichen nirgend bis in sehr alte Zeit hinauf und sind wahr- scheinlich durchhin spaͤtere, immer mehr ausgestaltete Redactio- nen, welche die Aufbewahrung der aͤlteren uͤberfluͤssig zu ma- chen schienen. Aus diesem Verhaͤltniß entstand zunaͤchst eine, dem demokratischen Sinne der italienischen Staaten allerdings angemessene, doch den Kuͤnsten gefaͤhrliche Gleichstellung von Meistern, deren einige nur Handwerker, andere zwar ebenfalls, wie sich’s gehoͤrt, Handwerker waren, doch zugleich Maͤnner von Geist und Streben. Wir entsinnen uns aus fruͤher S. Abh. X. und XI. mitgetheilten Auszuͤgen, daß die Stimme großer Kuͤnstler, des Arcagno , Taddeo und anderer, in den Berathungen der flo- rentinischen Domverwaltung einer unendlichen Zahl voͤllig un- bekannter Namen gleichgestellt worden, welche, wenn wir der Kunstgeschichte nicht alle Gerechtigkeit absprechen wollen, schwer- lich das hohe Verdienst jener ersten erreicht haben. Eine ganz andere Stellung mochten die Kuͤnstler vor gaͤnzlicher Ausbil- dung der Zuͤnfte, vor gaͤnzlicher Verdraͤngung aristokratischer Prinzipien, in den Gemeinwesen eingenommen haben; denn gewiß ward die Persoͤnlichkeit großer Kuͤnstler noch im drey- zehnten Jahrhundert auf eine Weise geehrt S. Abh. XI. S. 141. f. 145. 152. , welche nach dem Ableben des Giotto fuͤr einige Zeit aus der Geschichte verschwindet. Ferner fuͤhrten die durchgebildeten Zunfteinrichtungen un- laͤugbar eine mehr, als zu billigende, schaͤdliche Abhaͤngigkeit des Lehrlings herbey, welcher durchhin auf zu lange Zeit und allzu fest an den Meister gekettet S. Cennino di Drea Cennini , Cod. s. cit. wo von zwoͤlfjaͤh- rigem Lehrlings- und Gesellenverhaͤltniß die Rede. Dieses mochte und eben daher in dessen II. 26 Manier und Eigenthuͤmlichkeit bis zur gaͤnzlichen Abstumpfung seiner Faͤhigkeiten und eigenen Bestrebungen befangen ward. Vielleicht werden einige unserer Zeitgenossen, uneingedenk ihrer Abneigung, sich selbst, wenn auch unter den billigsten Bedin- gungen irgend einem Meister anzuschließen, jene uͤbergroße Ab- haͤngigkeit als einen der maͤchtigsten Hebel der neueren Kunst auspreisen wollen, da es nun einmal beliebt ist, geschichtliche Verhaͤltnisse nach Laune darzustellen und Grundsaͤtze aufzustel- len, denen man keinesweges zu folgen beabsichtet. Indeß duͤrfte es zu ihrem eigenen Besten ausschlagen, wenn sie kuͤnf- tighin, einerseits eine gehoͤrig bedingte Unterordnung unter den Meister sich gefallen ließen, andererseits der begruͤndeten Ge- rechtlich mit großer Strenge abgeschlossen seyn; es wurden foͤrm- liche Vertraͤge des Meister mit den Vormuͤndern des Lehrlings ab- gefaßt, wie unter andern, Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena , Pergamene No. 616. eine Vollmacht bezeugt, vermoͤge welcher der Bildhauer oder Steinmetz Ciolus , einen dritten ermaͤchtigt, in sei- nem Namen und fuͤr ihn einen gewissen Terius als Lehrling anzu- nehmen — ad recipiendum pro eo et ejus nomine Terium ..... Baldini de castro Florentino nunc commorantem Senis In disci- pulum et pro discipulo scripti Cioli , Et ad promictendum ipsi Terio vel alie persone pro eo, quod ipse Ciolus magister tene- bit eundem Terium in suum et pro suo discipulo ad terminum et terminos statuendum et statuendos a dicto Ciolo et quod eum dictam suam artem docebit et ad statuendum et pro- mictendum salarium etc. — In den Statuten der genuesischen Malerzunft, welche zur Zeit der Streitigkeiten mit dem Maler Paggi wiederum hervorgezogen wurden, befand sich (S. Raccolta di Lettere sulla pittura etc. To. VI. Lett. XLV. ) die Verordnung, daß Niemand zu Genua die Malerey ausuͤben koͤnne, ohne vorher sieben Jahre demselben Meister als Lehrling gedient zu haben. — Ob wohl unter denen, welche in unseren Tagen dem Mittelalter schwaͤr- merisch anhaͤngen, so fuͤgsame und geduldige Zoͤglinge aufzufinden waͤren? — schichte zugeben wollten, daß schon jenes Vorurtheil fuͤr Gi- otto , welches die Kunst so langezeit auf derselben Stufe fest- gehalten, besonders aber jene bedenkliche Erscheinung, daß bis auf Raphael die großen Meister meist nur aus den Schulen der geringen, hingegen aus den Schulen der großen Meister haͤufig gar schwache und maͤßige Kuͤnstler hervorgegangen sind, durchhin nur aus der Uebermacht des Meisters, aus der Ge- walt seiner Einwirkungen auf die Seele des Lehrlings ent- sprungen sey. Allein auch jener uͤbertriebene Gewerbsgeist, welcher nicht selten, wie im Zeitalter der sogenannten Giottesken, die leich- tere, behendere Manier der emsigeren und gruͤndlicheren vor- ziehn machte, vortreffliche Talente fruͤhe von der Bahn ernst- lichen Strebens nach innerer Vollendung abzog, mochte eben nur daher entstanden seyn, daß man die Kunst, welche ihre buͤrgerliche Bestimmung zu einseitig verfolgt und ausgestaltet hatte, nunmehr auch ganz einseitig als ein Gewerbe in An- spruch nahm Es wird in den vorangehenden Abhandlungen aufmerksamen Lesern laͤngst aufgefallen seyn, daß die meisten der mitgetheilten Vertraͤge ganz handwerksmaͤßige Verhaͤltnisse voraussetzen. , was allerdings seine gute, aber auch seine mißliche Seite hat. Moͤchte man die gute, einen ermaͤßigten Antheil jenes innerhalb gewisser Grenzen durchaus erforderli- chen Gewerbsgeistes, wirklich in Anwendung bringen, ohne in die bedenkliche und schlimme zu verfallen, welche hier bloß in der Uebertreibung liegt. Freylich sind wir vor der Hand gleich weit davon entfernt, uns hinsichtlich des kuͤnstlerischen Er- werbsgeistes dem Maße, oder dem Unmaße hinzugeben; und es ist sicher denen, welche die Einrichtungen des Mittelalters 26 * auch in dieser Beziehung fuͤr unverbesserlich und wuͤnschens- werth halten wollen, doch keinesweges um deren Wiederher- stellung zu thun. Wie wuͤrde auch so Vieles, welches in den Kunstbestrebungen unserer Tage bey scheinbar entschiedenem Gegensatze doch gleichmaͤßig krankhaft und erfolglos ist, wie wuͤrde die vorwaltende Neigung einseitigen Begriffen nachzu- gruͤbeln und subjectiven Stimmungen sich hinzugeben, mit je- ner praktischen Ruͤstigkeit der mittelalterlichen Malerbuden botteghe ; S. Vasari , die Novellisten und A. zu vereinigen seyn? Diese aͤußeren Verhaͤltnisse hemmten den Fortschritt der Kuͤnstler zu mehrseitiger Geistesbildung, besonders zu jener voll- staͤndigen Durchdringung und Aneignung der Gesetze des sich Gestaltens und Erscheinens, welche die vollendete Darstellung, genau genommen selbst die durchgebildete, deutliche Anschau- ung ihrer Gegenstaͤnde, unumgaͤnglich erheischt. Hingegen ward die, nicht minder wuͤnschenswerthe Entwickelung des Stylge- fuͤhles bey den Malern, wie besonders bey den Bildnern durch Abwesenheit sicherer architectonischer Grundlagen, wenn nicht durchaus gehemmt, doch verkuͤmmert und aufgehalten. Diejenige Eigenschaft vortrefflicher Kunstwerke, welche ich Styl nenne, und in den einleitenden Untersuchungen sowohl vom Gegenstande, als von dessen Darstellung (sogar vom aͤußerlichst Technischen) abgesondert und fuͤr sich betrachtet habe, beruhet, wie wir uns entsinnen, theils auf einem fein gebil- deten Gefuͤhle fuͤr die Schoͤnheit raͤumlicher Verhaͤltnisse, des- sen Anwendung nicht unmittelbar vom Gegenstande geboten wird, also meist in der Willkuͤhr des Kuͤnstlers liegt; theils aber auch auf Kenntniß und Beruͤcksichtigung der Foderungen des jedesmaligen derben Kunststoffes. In beiden Beziehungen zeigt den uͤbrigen Kuͤnsten die Baukunst den Weg, sowohl, weil sie durch ihren Beruf auf abgesonderte Auffassung und hoͤhere Ausbildung der Schoͤnheit der Verhaͤltnisse, zugleich auf besondere Beruͤcksichtigung des derben Materiales angewiesen ist, als auch, weil sie nothwendig den uͤbrigen Kuͤnsten vor- angeht. Die Entstehung des Stylsinnes laͤßt sich, wie schon erinnert worden, bis in das aegyptische und indische Das Koͤn. Museum zu Berlin besitzt in einem bildnerischen Fragmente ein Probestuͤck des indischen Stylsinnes, von welchem Gypsabguͤsse zu haben sind. Al- terthum, also aufwaͤrts bis zu jenen Zeiten hin verfolgen, welche der Entstehung, oder Erfindung eigentlicher Kunst um ein Weltalter vorangehn. Indeß nahm die neuere Kunst, wie man immer das Gegentheil wuͤnschen und behaupten moͤge, einen ganz anderen Lauf, als die urspruͤngliche und aͤlteste. Diese erhob sich uͤber wohlgesicherten Grundlagen, welche bereits die Bedingungen, ich moͤchte sagen, die Nothwendigkeit ihrer kuͤnftigen Entwicke- lung enthielten. Hingegen entstand die neuere, wenn wir sie rein als Kunst und abgesondert von begeisternden Einwirkun- gen betrachten, aus einer allmaͤhlichen Entwirrung halbdeut- licher Reminiscenzen von den kuͤnstlerischen Absichten und Lei- stungen der classischen Vorwelt. Daher zeigte sie sich auf ih- ren ersten Stufen nicht, wie im hoͤchsten Alterthume, in gro- ßen Massen und einfachen Eintheilungen, denen eben nur noch die Ausbildung ins Einzelne fehlet, sondern zunaͤchst uͤberhaͤuft und verworren, voll einzelner Anregungen, welche ihre Stelle, ihr rechtes Maß noch nicht gefunden hatten. Dieser Vorwurf betrifft zuvoͤrderst die italienische Architec- tur, welche waͤhrend des zwoͤlften Jahrhundertes, bey oft loͤb- licher Anlage des Ganzen, doch in ihren Zierden nichts ist, als eine voͤllige Verwirrung antiker Reminiscenzen; im dreyzehnten aber ohne innere Gruͤnde und aus bloßer Neigung zum Wech- sel dem gothischen, oder deutschen Baugeschmacke sich anschließt. Die Einfuͤhrung einer Bauart, welche, in so fern sie Lob ver- dient, nur im mittleren und aͤußersten Norden zu Hause ist, hingegen im Suͤden uͤberall gegen die climatischen Foderungen verstoͤßt, ist unlaͤugbar, was Italien angeht, ein bloßes Symptom der Schwaͤche und Unsicherheit S. Thl. II. Abh. XI. . Gewiß fuͤhlte man von Anbeginn, daß jene Bauart der stumpfwinkligen Anlage suͤdlicher Daͤcher, dem Beduͤrfniß schattiger Hallen und Anderem durchaus widerstrebe, da man in Italien sich stets begnuͤgt hat, bloß ihr Unwesentliches, mehr der Zierde, als der allgemeineren Anlage Gehoͤrendes nachzuahmen. Die Vor- seiten der Kirchen, selbst jene bessere der Oberkirche des Hl. Franz zu Asisi , versah man mit falschen uͤber das Dach hin- ausragenden Giebeln; den Fenstern, welche man nicht so weit oͤffnen wollte, als im Norden beliebt war, suchte man durch eine Verwickelung uͤberhaͤufter Zierden den Anschein groͤßerer Raͤumigkeit zu geben. Gewiß wird selbst der entschiedenste Verehrer der Architectur des deutschen Mittelalters deren ita- lienische Nachahmungen nicht wohl billigen koͤnnen. Schon in jener aͤlteren, noch auf einem Gegebenen ru- henden Bauart des hoͤheren Mittelalters war den bildenden Kuͤnsten nicht uͤberall in dem Maße ihre Stelle gesichert wor- den, als im classischen Alterthume; doch gab es darin noch immer Flaͤchen und Abtheilungen, welche zu geordneten, ar- chitectonisch zusammenhaͤngenden Werken einluden. Jene schon beruͤhrten Wandgemaͤlde in byzantinischer Manier, welche das Mittelschiff der alten Basilica s. Pietro in Grado unweit Pisa verzieren, sind, abgesehn von ihrem malerischen Verdienste, noch immer als wohlgeordnete Arbeiten zu betrachten. In der Folge aber, waͤhrend der Herrschaft eines verstuͤmmelten deut- schen Baugeschmackes, ward es die schwierigste Aufgabe, die so haͤufig durchbrochenen und in die seltsamsten Figuren durch- schnittenen Raͤume bildnerisch oder malerisch auszuzieren. Daher ein fortdauernder Kampf des Stylsinnes damaliger Kuͤnstler, welche in dieser Beziehung dem classischen Alterthume verwandt und von dem moderneren absichtlichen Ausgehn auf Verwir- rung noch sehr weit entfernt waren; ein Kampf, in welchem bisweilen das Talent, oͤfter die aͤußeren Verhaͤltnisse siegten. Ich erinnere hier an die ungeordnete malerische Verzierung der Rathhaͤuser zu Siena und s. Gimignano und anderer Gebaͤude dieser Zeit; oder an jene verworrene Abtheilung der italie- nischen Altartafeln des vierzehnten Jahrhundertes, welche die Kuͤnstler noͤthigte, wider Willen allen ihnen gelaͤufigen Vor- theilen der Zusammenstellung zu entsagen, ohne sie durch ent- schiednere Absonderungen zu statuarischer Ausbildung der ein- zelnen Gestalten zu berechtigen und aufzufordern. Indeß kann der Maler auch da, wo er unvermeidlich das Stylgefuͤhl ver- letzet, viel andere Vorzuͤge geltend machen, welche ihn uͤber jenen Mißstand hinausheben; der Bildner hingegen dessen Stoff nie aufhoͤrt, sich dem Gefuͤhle aufzudraͤngen, mithin die Abstraction von den raͤumlichen Verhaͤltnissen ganz ausschließt, mußte jene architectonischen Ungemaͤchlichkeiten entweder ver- draͤngen, oder ihnen ganz unterliegen. Wer haͤtte nicht irgend ein Mal jene bekannteste Antithese vernommen: daß die Malerey den neueren und christlichen Zeiten, die Bildnerey hingegen der antiken Bildung angehoͤre. Indeß beruhet dieser Satz, in so fern er aus der Erfahrung abgezogen worden, auf seichter und wenig gruͤndlicher Beobach- tung; in so fern derselbe aus der sicher hoͤchst abweichenden Richtung und Gesinnung antiker und neuerer Zeiten erklaͤret wird, auf einer gaͤnzlichen Verwechselung des Geistes mit den Formen seiner Thaͤtigkeit und Aeußerung. Historisch falsch ist er, weil die Alten unzweifelhaft auch in der Malerey das Ueberschwengliche geleistet, die neueren Bildner aber bis gegen das Ende des funfzehnten Jahrhun- dertes die Leistungen der gleichzeitigen Maler durchhin uͤber- troffen haben und nicht fruͤher, als nach dem Jahre 1500 in Abweichungen verfallen sind, deren Ursprung einer nachzu- holenden Betrachtung angehoͤrt. In sich selbst ist er falsch, weil die Bildnerey der Malerkunst keinesweges so entschie- den entgegensteht, daß man annehmen duͤrfte, bestimmte Richtungen des Geistes werden bald nur in der einen, bald wiederum nur in der anderen sich ausdruͤcken koͤnnen. In beiden Kuͤnsten beruhet die Darstellung an und fuͤr sich auf derselben Bedingung einer inneren, gegebenen, nothwendigen Bedeutsamkeit von Formen, deren Beziehung zur menschlichen Seele durch die koͤrperliche Nachbildung der einen, durch die scheinbare der anderen nicht wesentlich veraͤndert wird; denn jene Verbreitung uͤber den Reiz des Erscheinens an sich selbst, welche der Malerey gewaͤhrt ist, jenes vielseitige, erschoͤpfende Eingehn in die mannichfaltigsten Verschmelzungen und Thei- lungen der Form, welches die Bildnerey zulaͤßt, gehoͤret, wie es einleuchten muͤßte, durchhin zu den untergeordneten Evolu- tionen dieser einzelnen Kunstarten. Es wird daher jedes Gei- stige, so uͤberall durch Formen auszudruͤcken ist, eben sowohl in diesen Formen selbst, als durch deren Anschein, also eben sowohl malerisch, als bildnerisch auszudruͤcken seyn, mithin auch eine antike Malerey, eine moderne Bildnerey geben, wenn anders die classische und die moderne Zeit, oder eine von bei- den, jemals fuͤr die bildende Kunst ernstlichen Beruf und aͤchte Anlage gezeigt haben. In ganz Anderem lag es demnach, wenn die Bildnerey neuerer Zeiten nicht so ganz die Hoͤhe der antiken erreicht hat. Wir erinnern uns, daß bis gegen das Ende des funfzehnten Jahrhundertes die Bildner ungeachtet der Hindernisse, welche die obwaltende Bauart ihnen entgegenstellte, doch den Malern stets uͤberlegen geblieben; daß bis dahin kein historischer Grund vorhanden ist, die bildnerische Bestimmung der Neueren in Zweifel zu ziehn. Also werde ich mich hier darauf einschraͤn- ken duͤrfen, zu untersuchen, aus welchem Grunde die Malerey seit dem Jahre 1500 ein entschiedenes Uebergewicht erlangt habe; weßhalb die Bildnerey um einige Decennien spaͤter un- wiederbringlich in die bedenklichsten Abirrungen verfallen sey. Verschiedenes vereinigte sich, die malerische Darstellung im Zeitalter Raphaels weit uͤber die bildnerische hinauszuhe- ben. Die erste hatte eben damals in technischen Dingen eine schwindelnde Hoͤhe erreicht, waͤhrend die Bildnerey noch immer der wichtigsten mechanischen Handgriffe entbehrte. Gewiß wa- ren die Bildner des funfzehnten Jahrhundertes, eben weil sie der geometrischen und mechanischen Huͤlfsmittel entbehrten, in der Fuͤhrung und Handhabung der Eisen zu großer, vielleicht von den Spaͤteren unerreichter Geschicklichkeit gelangt. Sie mochten das Beduͤrfniß abstracter Huͤlfswege noch nicht fuͤh- len, weil ihre Arbeiten meist in kleinen und mittleren Dimen- sionen ausgefuͤhrt wurden. Doch nachdem man, vornehmlich auf Anregung des Michelagnuolo , zum Colossalen uͤbergegan- gen war, genuͤgte das Augenmaß und die technische Sicherheit nicht einmal dem groͤßesten Meister in dieser neuen Richtung, welcher nach dem hier gewiß glaubwuͤrdigen Berichte des Va- sari Vita di Michelagnuolo Buonaruota . sich nicht selten so verhauen hat, daß er schon vorge- ruͤckte Werke aufgeben muͤssen, deren verschiedene noch vorhan- den sind. Die gaͤnzliche Ausbildung des Mechanismus der Bildnerey und daher entstehende Abgemessenheit ihrer Werke faͤllt, wie es aus Mittheilungen Winckelmanns bekannt ist, in einen sehr vorgeruͤckten Abschnitt des achtzehnten Jahrhun- dertes; ein Umstand, welchen die Schriftsteller uͤber Dinge der Kunst nicht genug beruͤcksichtigen. Allein auch in anderer, architectonischer Beziehung waren die aͤußeren Verhaͤltnisse um das Jahr 1500 den Malern guͤn- stiger, als den Bildnern. Die Bauart nemlich, deren erste Anregung dem Brunellesco beygemessen wird, welche sicher seit der Mitte des funfzehnten Jahrhundertes eine hohe Aus- bildung erreicht hatte und allgemein in Gebrauch gekommen war, beschaͤftigte sich theils mit der Errichtung von Kirchen, theils mit der Anlage von Wohnungen der Reichen und Maͤch- tigen, welche beide, nach damaligen Verhaͤltnissen, aͤußerlich Staͤrke und Groͤße darlegen sollten und alle Anmuth und Zierde dem Inneren vorbehielten. Das Innere der Wohnungen galt schon im Alterthume fuͤr das eigenthuͤmliche Feld der Male- rey; die Beguͤnstigung dieser Kunstart erfolgte demnach nicht sowohl aus jener angenommenen Nothwendigkeit oder Vor- liebe, sondern ergab sich eben nur aus dem Umstande, daß in jener neuen Bauart dem Maler ein weiterer Spielraum vorbereitet war, als dem Bildner, dessen Hervorbringungen darin nur selten eine guͤnstige Stelle fanden. Als darauf, vornehmlich durch den Einfluß des Michel- agnuolo Michelagnuolo war von fruͤhester Jugend auf fuͤr die Schoͤn- heit des Maßes unempfaͤnglich, wie die Abtheilungen und Einfas- sungen der Deckengemaͤlde in der sixtinischen Kappelle, die wunder- lichen Sarcophage und kleinlichen Eintheilungen in den medizei- schen Denkmalen der Kirche s. Lorenzo zu Florenz darlegen, welche ganz seiner eigenen Laune und Erfindung angehoͤren, da in jener begluͤckten Zeit fuͤr solche Unformen uͤberall noch kein Beyspiel vor- handen war. Allerdings zeigte er, als ihn maͤchtige Goͤnner in sei- nen spaͤtesten Jahren auf die wirkliche Baukunst hinuͤberlenkten, auch in dieser Kunst Anstelligkeit und Verstand, ohne jedoch jene ihm eigenthuͤmliche Rohigkeit des Sinnes jemals ganz zu verlaͤug- nen. Die Vergoͤtterung seiner großen und edlen Persoͤnlichkeit ver- leitete die Zeitgenossen seinem Beyspiele, wie besonders dem ver- derblichen Grundsatze zu folgen: daß ein großer Geist auch in der Baukunst durch Neuheit der Erfindung uͤberraschen muͤsse. In ei- ner Lobschrift auf Michelangelo (wiederabgedruckt bei Richa delle chiese di Firenze ), welche bald nach dessen Tode abgefaßt worden, wird gezeigt, daß Buonarota in der Baukunst sich groͤßer gezeigt habe, als in den uͤbrigen Kuͤnsten, eben weil er darin ganz von der gewohnten Bahn abgewichen und durchhin neu sey. In diesem Irr- thume liegt der Ursprung aller jener architectonischen Undinge ver- borgen, welche seit drey Jahrhunderten allmaͤhlich diesen Welttheil und selbst die Hauptstaͤdte der neuen Welt uͤberdeckt haben. Die Erfindung der Bauverzierungen bewegt sich innerhalb sehr enger, wohlzubeachtender Grenzen, was kaum zu beklagen ist, da die Durchdringung der Aufgabe und alles Gegebenen, welches sie beglei- tet, an sich selbst, auch wo man das Herkoͤmmliche festhaͤlt, stets neue Schwierigkeiten herbeyfuͤhrt, deren Beseitigung das Nachden- , die Baukunst gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhundertes die Bahn des Zweckmaͤßigen, technisch Begruͤn- deten und nothwendig Schoͤnen verließ, um dem Auffallenden, Seltsamen, Luftigen nachzugehn, nahm sie allerdings die bil- denden Kuͤnste auf alle Weise in Anspruch, ward denselben jedoch nur um so verderblicher, indem sie Bildner, wie Maler mehr und mehr an Verwirrung und Regellosigkeit ge- woͤhnte. Es wuͤrde zu weit fuͤhren, wenn wir hier an Bey- spielen nachweisen wollten, wie die Styllosigkeit der modernsten Zeiten unmittelbar und nothwendig aus den Mißverhaͤltnissen und Seltsamkeiten der sie begleitenden Bauart hervorgegangen sind. Wird es doch jedem unterrichteten Kunstfreunde erin- nerlich seyn, wie diese Verirrung vornehmlich in solchen Kunst- werken hervortritt, welche unmittelbar an modern barbarische Bauwerke geknuͤpft sind, gleich den malerischen Kuppelverzie- rungen, gleich den Statuen an den Vorseiten neuerer Kirchen und Aehnlichem; wie andererseits alle das Stylgefuͤhl minder verletzende Kunstwerke derselben Zeit entweder in sich selbst abgeschlossen und von umgebenden Dingen unabhaͤngig sind, oder den Eintheilungen aͤlterer und gediegener Bauwerke nach- gehn, welche sichtlich das Stylgefuͤhl der Kuͤnstler voruͤberge- hend wieder angeregt haben. Doch nur in dieser einen Beziehung unterliegt die aͤußere Entwickelung der bildenden Kuͤnste dem Einflusse der Baukunst; aus anderen Ursachen werden wir demnach jene um die Mitte ken und den Erfindungsgeist der Kuͤnstler ganz in Anspruch nimmt. Daher ist die Nachahmung des Vortrefflichen in der Baukunst Pflicht; ich moͤchte hinzufuͤgen: in der Bildnerkunst moͤglich und bisweilen wuͤnschenswerth; in der Malerey unmoͤglich und ver- derblich. des sechzehnten Jahrhundertes uͤberhandnehmende Vernachlaͤs- sigung in der Aneignung der darstellenden Formen zu erklaͤren haben; aus anderen wiederum die zugleich eingetretene Ver- wilderung der Manier, oder Handhabung der Werkzeuge. Jene bald nach dem Ableben Raphaels sich meldende Verschlossenheit des Sinnes fuͤr die unendliche Schoͤnheit, fuͤr die tiefe Bedeutung der Gestalten, welche die Natur in ihrer unerschoͤpflichen Verjuͤngung aus sich selbst hervorbringt, fuͤr den unbeschreiblichen Reiz, welcher deren Erscheinung begleitet, ist sicher keine urspruͤnglich kuͤnstlerische Krankheit, da eine ge- steigerte Empfaͤnglichkeit fuͤr diese Schoͤnheiten eben dasjenige ist, was den Kuͤnstler zum Kuͤnstler macht und seine Geistes- anlage von anderen gleich ehrenwerthen, doch entgegengesetzten unterscheidet. Der Kuͤnstler ist von Haus aus geneigt, mit Entzuͤcken zu sehen und durch sinnliche Anschauung von Formen, deren Ver- staͤndniß ihm naͤher liegt, als der Menge, sich hoͤchlich zu be- geistern. Hingegen gelangt man auf dem entgegengesetzten Geisteswege gar leicht dahin, die Abstracta: Sinnliches, Ma- terielles und aͤhnliche, auf die wirkliche, lebendige Welt zu uͤbertragen und die letzte, gleichsam als die hassenswerthe Stellvertreterin jener negativen, jeglichem Leben entgegenge- setzten Begriffe mit Geringschaͤtzung anzusehn. Diese Verblen- dung hatte den Kuͤnstlern von Außen her sich aufgedraͤngt, ihrer Traͤgheit und Eitelkeit sich eingeschmeichelt, wie es aus vielfaͤltigen Zeichen erhellt, welche ich uͤbergehe, da ich schon in der ersten Abhandlung darauf hingedeutet habe. Doch kann ich nicht wohl umhin, in Erinnerung zu bringen, daß ich dort dem Raphael wahrscheinlich zu nahe getreten bin, da mir bey wiederholter Durchlesung seines Briefes immer mehr einleuchtet, daß neuere Schriftsteller seine gelegentlichen und bloß den Hoͤflichkeiten des Castiglione ausweichenden Worte bey weitem zu systematisch und ernstlich aufgenommen haben. So duͤrfte denn auch jene oft wiederholte Aeußerung: daß der Kuͤnstler die Dinge nicht bilden muͤsse, wie sie sind, sondern wie die Natur sie bilden solle, (wodurch offenbar die ganz un- kuͤnstlerische Reflection beguͤnstigt wuͤrde) dem Raphael auch mit Ungrund aufgebuͤrdet worden seyn. Raphael wußte besser, als irgend ein Neuerer, daß jegliche, auch die geringste sinnliche Er- scheinung, sey es als Anregung, oder auch als Gegenstand der Forschung betrachtet, fuͤr den Kuͤnstler nothwendig irgend ei- nen Werth besitze; daß, wo es die Darstellung einer bestimm- ten Aufgabe angeht, nicht die schoͤnste, sondern eben nur die paßlichste Form die beste sey. Zudem wird uns jene, ihm untergeschobene Sentenz eben nur durch den spaͤten Paggi S. Raccolta di Lett. pitt. To. VI. Lett. XVII. dd. Firenze 1590 — Lanzi , sto. pitt. laͤßt den Federico Zuccaro fuͤr obigen Spruch Gewaͤhr leisten, in dessen L’Idea de’ pittori, scultori ed Architetti (Raccolta, To. cit. No. XIII.) mir nichts der Art begeg- net ist, wie denn dieser philosophirende, doch geistlose Maler uͤber- haupt keiner solchen Autoritaͤt bedurfte, da er jegliche Handlung und Leistung der Kunst unmittelbar auf die verborgensten Tiefen des Daseyns zuruͤckfuͤhrt. Ich glaube nicht, daß die genannte Schrift jemals viele Leser gefunden habe, noch kuͤnftig finden werde. In- deß empfehle ich die Kapitel XII. und XVII. des ersten Buches de- nen, welche die Begriffsverwirrung halbgelehrter Kuͤnstler jener Zeit recht umstaͤndlich kennen zu lernen geneigt sind. Zuccaro verspricht sich zu Ende seines zweyten Buches, die Rinde der Kunst durchbro- chen und ihre Seele in ihrem urspruͤnglichen Glanze dargestellt zu haben. — Das spaͤterhin beliebte Beywort: ideale, findet sich das. lib. II. cap. XIV. p. 183. verbuͤrgt, welcher hier um so weniger als Zeuge zu betrachten ist, als er offenbar nach einer Autoritaͤt haschte. Paggi hegte, obwohl er als Kuͤnstler gar wenig bedeutet, doch eine hohe Meinung von der geistigen Vornehmheit des Kuͤnstlerberufes, welche er seinen beschraͤnkteren Zunftgenossen mitzutheilen suchte. Indeß hatte auch die aͤußere Stellung der Kuͤnstler seit dem Anbeginn des funfzehnten Jahrhundertes eine gaͤnzliche Umwandlung erfahren, auf welche dieser Kuͤnst- ler in seinen Briefen verschiedentlich anspielt S. Racc. di Lett. sulla pitt. etc. To. VI. Lett. XVI. XVII. XLV. XLVI. . Aus duͤrren Zunftgenossen waren die bildenden Kuͤnstler durch unmerkliche Uebergaͤnge zu Guͤnstlingen großer Fuͤrsten, Hof und Welt- leuten Racc. cit. To. V. Lett. LXV., schreibt Fra Sebastiano del Piombo an Pietro Ar. „— E dite al Sansovino, che a Roma si pescan offizj, piombi, cappelli etc. — ma a Venezia si pesca an- guille e menole e masenette; —“ gediehen. Die Achtung, deren Lionardo , Michelag- nuolo , Lionardo , Tizian und andere Maler und Bildner ihrer Zeit sich erfreueten, beruhete vornehmlich auf der Groͤße ihres Talentes, auf der Wuͤrde ihrer Persoͤnlichkeit. Wie ehrenvoll sie gestellt waren, erhellet z. B. aus den Briefen Tizians an Karl V. und Philipp II. Raccolta cit. To. II. Lett. VI. VII. ; wie viel Ruͤcksicht dem Talent gewaͤhret wurde, aus dem bekannten Briefe Julius II. an die Behoͤrden der florentinischen Republik To. cit. Lett. CXCV. — Der Papst schreibt: Michael Ang. sculptor qui a nobis leviter et inconsulte discessit, redire, ut acce- pimus, ad nos timet; cui nos non succensemus: novimus hu- jusmodi hominum ingenium . . Dieses noch per- soͤnliche Verhaͤltniß großer Kuͤnstler zu geistvollen Fuͤrsten ging indeß sehr fruͤhe auf alle Berufsgenossen uͤber. Ihre Zuͤnfte gestalteten sich allgemach zu freyen Genossenschaften, zu Aka- demieen, in welchen die Gebildetsten ihre Erfahrungen und Reflectionen den Uebrigen vortrugen. Diese freyen Vereine sicherten ihren Mitgliedern eine gewisse Auszeichnung, beson- ders, wo sie vom Fuͤrsten ausgingen, wie die florentinische Akademie, welche 1563 von Großherzog Cosmus I. gegruͤn- det worden. Wer wuͤßte nicht, daß aus diesen Akademieen zunaͤchst oͤffentliche Studiensaͤle, dann von Hand zu Hand die offiziellen Kunstschulen unserer Tage entstanden sind; die Win- terhaͤuser der Kunst, welche der naͤchste Fruͤhlingstag entbehr- lich machen wird. Unstreitig verdanken Lionardo , Raphael und Michelag- nuolo , die volle Entwickelung ihrer hohen, uͤber alles gewoͤhn- liche Maß hinausgehenden Anlagen dem Gluͤcke, welches sie zeitig an die Hoͤfe geistreicher Fuͤrsten versetzte, deren Unter- nehmungen schon an sich selbst großartig, deren Anforderungen an das Talent unersaͤttlich waren. Indeß erhoben sich jene großen Kuͤnstler von buͤrgerlichen und handwerksmaͤßigen Grund- lagen, welche ihrem freyen, genialen Treiben einen sicheren Bo- den gewaͤhrten. Ihre Schuͤler hingegen lernten schon in den Windeln den verwickelten Zuͤgen der Hofgunst nachzuspaͤhn, sich den Launen der Großen anzupassen, ihnen das Geheimniß der einzigen Befriedigung abzulauschen, welche ein vielfach beweg- tes, schnell dahin rauschendes Leben zu verstatten scheint: be- hender Erfuͤllung nemlich schnell aufsteigender Wuͤnsche S. Lettere sulla pitt. etc. To. III. LXXIII. wo Pietro Are- tino dem Enea Vico schreibt: „— se meglio é il viversi libero in primo grado tra gl’intagliatori degli altrui disegni in carte (man ging damals noch nicht darauf aus, in den Kupferstichen malerische Wir- kungen nachzuahmen und begnuͤgte sich, Zeichnungen nachzubilden) . Eben Eben wie dort durch eine falsche Steigerung des Bewußtseyns der hohen Bestimmung der Kunst jene unbewußte Tugend und Schoͤnheit, welche wir in den Einquecentisten und deren Vor- gaͤngern lieben, in leeren Anspruch uͤbergegangen war, so ent- stand aus dieser aͤußeren Vornehmheit der neuen kuͤnstlerischen Verhaͤltnisse eine gaͤnzliche Umkehrung in dem Aeußerlichsten der Kunst, den Manieren, oder Handhabungen der Werkzeuge. Georg Vasari , der ausgezeichnetste und gediegenste Schnell- arbeiter seiner Zeit, giebt uns die vollstaͤndigste Auskunft uͤber die Veranlassung, die Absicht und Foͤrderung seiner Richtung auf eine an Frechheit grenzende technische Gewandtheit. Als Karl V. in Florenz einziehn sollte, ward eine Menge alle- gorisch verzierter Triumphboͤgen in groͤßter Eile aufgerichtet; Vasari , zu seinem Entzuͤcken, vom Herzog Alexander durch einen Kuß auf seine Stirne geehrt, weil er nach unermeßli- cher Arbeit schon am fruͤhen Morgen des Einzuges mit dem seinigen zu Ende gekommen war S. Racc. cit. To. II. Lett. XII. s. . Diese Zuruͤstungen ver- mehrten sich in der Folge ins Unendliche S. Racc. To. cit. die Briefe des Borghini und Caro . ; ihre behende Beschaffung verwoͤhnte aber die Fuͤrsten, welche nun bald auch das Dauernde mit aͤhnlicher Schnelligkeit beendigt sehen woll- ten. Vasari wußte ihnen auch hierin zu genuͤgen; er ruͤhmte sich selbst in einer Inschrift im Friise des Saales der Can- celleria zu Rom , das ungeheuere Gemach in hundert Tagen beendigt zu haben, und erzaͤhlt in seinem Leben, in wie kur- zer Zeit ihm gegluͤckt war, den alten Palast in Florenz zur che di morirsi degl’ ultimi, che stentano l’acquistar d’un pane sotto la strana imperiosità de i Principi.“ II. 27 herzoglichen Wohnung einzurichten, deren großen Saal und daran stoßendes Gemach bekanntlich ganz mit Figuren und Historien bedeckt ist. Die Gunst, welche eben damals die Zuccari, spaͤter Arpino erfahren, die Zuruͤcksetzung der ehrwuͤrdigen Bestrebun- gen der Caracci, des liebevollen Fleißes des Domenichino , sind durch Fiorillo’s treffliche Bearbeitung dieses Abschnittes der neueren Kunsthistorie uͤberall bekannt. Indeß waren jene aͤlteren Schnellmaler zum Theil von einer gruͤndlichen Vor- schule ausgegangen; ungleich abschreckender sind daher solche, welche unmittelbar von dem Bestreben auf Leichtigkeit ausge- gangen sind, Frechheit und Dreistigkeit der Manier von An- beginn als einen wesentlichen Vorzug angesehn und absichtlich erstrebt haben. Um das Jahr 1700. war die kuͤnstlerische Aesthetik auf diese Verirrungen voͤllig eingerichtet, wie in dem Briefwechsel damaliger Kuͤnstler und Goͤnner einzusehen ist S. Racc. cit. To. VI. . Indeß erhob sich dagegen um die Mitte des achtzehnten Jahr- hundertes hie und da eine Stimme. So schrieb der ehrwuͤr- dige Zannotti , welcher von Carlo Cignani bis auf den Battoni unzaͤhlige Kuͤnstler untergehen gesehen: „es giebt nur zu viele der schlimmen Manieren, welche den falschen Kennern gefal- len und von denselben aufgemuntert werden. Zunaͤchst muͤßte man dieses Wucherkraut ausreuten; wenn es verschwunden waͤre, wuͤrden die Kuͤnstler kein anderes Vorbild mehr zu be- folgen haben, als die Natur, welche sie schon auf den rechten Weg zuruͤckleiten wuͤrde.“ Freylich kaͤme hier noch viel Anderes in Betrachtung: Geistesanlage, sittliche Richtung, Begruͤndung des Handwerkes, Styl; besonders aber eine gaͤnzliche Entfreyung von nur halb- wahren, oder doch falsch angewendeten Theorieen. Der bekannteste Scheinsatz des Federico Zuccaro , „daß die Kunst der Natur gleichkomme, weil der menschliche Geist in der Kunst auf aͤhnliche Weise, nach denselben Gesetzen wirke, als die Natur,“ hat uͤberall sich eingedraͤngt, nur zu oft den Kuͤnstler mit einer truͤgerischen Zuversicht erfuͤllt, obwohl es am Tage liegt, daß die Productionskraft des einzelnen Men- schen, wie selbst des ganzen Geschlechtes, weil sie Erkenntniß und Willen voraussetzt, nach ganz anderen Gesetzen sich bewege, als die Natur, deren Erzeugungen nothwendig sind. Endlos verwechselt man ferner die Offenbarung irgend eines Urspruͤng- lichen und Hoͤheren, welches man in Kunstwerken wahrgenom- men, oder nur wahrzunehmen geglaubt, mit den Formen, in welchen der Kuͤnstler eben dieses Hoͤhere ausdruͤckt. Glaubt man ehrlich, daß Formen, an welchen wir nur mit Entsetzen selbst die untergeordneten Organe des thierischen Lebens vermissen duͤrf- ten, wirklich jenen hoͤheren Regionen angehoͤren, denen wir durch Erinnerung, Ahndung und Sehnsucht verknuͤpft sind? Liegt es nicht naͤher zur Hand, den Ausdruck jenes Hohen und Guͤti- gen, welchem ein gebildeter und richtiger Sinn in Kunstwer- ken zu begegnen wuͤnscht, aus der inneren Bedeutsamkeit be- stimmter natuͤrlichen Gestaltungen abzuleiten, deren Formen der Kuͤnstler entlehnt? Doch wirkte unter so vielen Gemein- plaͤtzen der neueren Kunstlehren keiner so nachtheilig auf die Kunst zuruͤck, als jene anspruchvolle Erklaͤrung ihres Begriffes, nach welcher die Kunst uͤberhaupt nur da vorhanden waͤre wo sie dem Gegenstand nach ihr Hoͤchstes hervorbringt. Wir haben uns im Anbeginn dieser Untersuchungen da- 27 * hin verstaͤndigt, daß die Kunst, wo ihr Begriff in hinreichender Schaͤrfe und Allgemeinheit aufzufassen ist, ganz abgesondert von ihren vielfaͤltigsten Beziehungen und Leistungen, an sich selbst, in ihrer Kraft und Thaͤtigkeit betrachtet werden muͤsse. Jene Erklaͤrung, welche erweislich nicht primitiv, sondern aus einzelnen theils noch streitigen, kunsthistorischen Erfahrungen abgezogen ist, wird daher schon an sich selbst unstatthaft seyn. Unter allen Umstaͤnden fuͤhrte sie in der Anwendung zu viel- faͤltigen Ueberhebungen und Aufgeschrobenheiten, deren naͤhere Andeutung gehaͤssig seyn duͤrfte; vornehmlich aber zu jener unter den Neueren verbreiteten, heillosen Geringschaͤtzung rein technischer Vorzuͤge, welche nun einmal, so weit die Kunstge- schichte reicht, haͤufig eben von untergeordneten Geistern gefoͤr- dert worden sind, was seinen inneren Grund hat. Seit Les- sing ermuͤdet man nicht der reinen Geschicklichkeit und den bescheidenen Beziehungen stiller Talente den Frieden aufzukuͤn- digen; obwohl man laͤngst durch Erfahrungen sich haͤtte be- lehren koͤnnen, daß jene einseitig hohen Anforderungen an die Kunst, denen es doch bisweilen an Bestimmtheit und Klarheit fehlen moͤchte, entschieden mitgewirkt haben, auch bey den Kuͤnst- lern jene Geringschaͤtzung und Nichtachtung der Geschicklichkei- ten und Huͤlfskenntnisse zu verbreiten, welche dem Standpuncte der Letzten ganz unangemessen ist und ihrem unlaͤugbar edlen und hoffnungsvollen Aufstreben merklich entgegenwirkt. Gedruckt bei A. W. Schade , alte Gruͤnstr. No. 18.