Theorie der Gartenkunst. Von C. C. L. Hirschfeld , Koͤnigl. Daͤnischem wuͤrklichen Justizrath und ordentlichem Professor der Philosophie und der schoͤnen Wissenschaften auf der Universitaͤt zu Kiel. Erster Band. Leipzig , bey M. G. Weidmanns Erben und Reich . 1779 . Sr. Koͤnigl. Hoheit dem Durchlauchtigsten Fuͤrsten und Herrn Herrn Friederich, Erbprinzen zu Daͤnnemark und Norwegen, Herzogen zu Schleswig, Holstein, Stormarn und der Dithmarschen, wie auch zu Oldenburg und Delmenhorst ꝛc. ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigsten Erbprinzen und Herrn. Durchlauchtigster Erbprinz und Herr, Gnaͤdigster Erbprinz und Herr, E w. Koͤnigl. Hoheit habe ich die Ehre hier in tiefster Un- terthaͤnigkeit den Anfang einer ausfuͤhrlichen Theorie der Gartenkunst zu uͤberreichen. Mit den lebhaftesten Empfin- dungen der Ehrerbietung und der Dankbarkeit weihe ich Ew. Koͤnigl. Hoheit eine Kunst, welche die anstaͤndigste Ergoͤtzung a 3 der der Fuͤrsten ist, die edel genug empfinden, um unter dem Ge- toͤse des Hofes noch einen Geschmack an den unschuldigen Freu- den der Natur zu erhalten, und nach Tagen, die unter wohl- thaͤtigen Geschaͤften fuͤr die Menschheit vollbracht wurden, sich mit dem Schatten einer Laube zu begnuͤgen. Noch erwartet diese Tochter der neuern Zeit, diese juͤngste der liebenswuͤrdi- gen Kuͤnste, in den Academien ihrer aͤltern Geschwister eine Stelle. Eben so edel, wie irgend eine ihrer Schwestern, mehr, wie irgend eine, reich und sich verbreitend in dem Ausguß ihrer Ergoͤtzungen, eilet sie, die ihre bessere Bildung nicht in Grie- chen- chenland, nicht in Italien fand, dem Beschuͤtzer der Kuͤnste in Norden entgegen, und freuet sich, von Seiner milden Hand geleitet, die Gefilde zu verschoͤnern, wo unter Seinen Augen ein ewiger Friede wandelt. Ja in diesen immer ruhigen Ge- filden, wo der Landmann in sorgloser Einfalt seine Tage in eben der Huͤtte verlebt, die seine Urvaͤter bewohnten, und von den Obstbaͤumen bricht, die sie fuͤr ihn pflanzten, wo keine Kriegsrosse seine goldne Aerndte zertreten, wo fischreiche Seen zwischen fruchtbaren Saatfeldern glaͤnzen, und der Schatten frischer Waͤlder sich lieblich verbreitet, in diesen von Ew. Koͤnigl. Koͤnigl. Hoheit weisen Vorsorge noch mehr begluͤckten Gegen- den wird die Gartenkunst neue Fortschritte fuͤr ihren Ruhm zu wagen berechtigt seyn. Ich verharre in der tiefsten Ehrfurcht Ew. Koͤnigl. Hoheit meines gnaͤdigsten Erbprinzen und Herrn Kiel, den 1sten Febr. 1779. unterthaͤnigster treugehorsamster Christian Cay Laurenz Hirschfeld. Vor- Vorbericht. D ie Freunde der Gartenkunst empfangen hier den Anfang eines Werks, das bereits vor einiger Zeit angekuͤndigt worden, und worauf ich vor mehrern Jahren durch zwo kleinere Schriften (Anmerkungen uͤber die Landhaͤuser und die Gartenkunst. 8. Leipzig, 1773. Theorie der Garten- kunst. 8. Ebendas. 1775.) vorbereitet habe. In der ersten war meine vor- nehmste Absicht, zuvoͤrderst die mancherley Vorurtheile und Ausschwei- fungen, die in Ansehung der Gaͤrten unter uns herrschen, aufzudecken, und dem falschen Geschmack einige Grundsaͤtze entgegen zu stellen. Was nach diesem Versuch uͤbrig blieb, naͤmlich eine genauere Entwickelung der Regeln, nach welchen man bey Bildung schoͤner Gaͤrten uͤberhaupt zu ver- fahren hat, war ich bemuͤhet in der andern Schrift vorzulegen. Diese beyden kleinern Schriften, die wegen ihrer Beziehung auf einander als zwey Theile eines Ganzen anzusehen sind, koͤnnen als fuͤr sich bestehende Handbuͤcher dem Gartenfreunde, der nur die nothduͤrftigsten Kenntnisse sucht, noch immer nuͤtzlich seyn. Der Beyfall, den das Publikum diesen Versuchen gegeben, die Aufmunterung einiger beruͤhmten Maͤnner unsrer Nation, das Beduͤrfniß einer noch neuen Wissenschaft, die nur erst durch wiederholte Bearbeitung einige Vollkommenheit erhalten kann, und der anziehende Reiz, der Ge- genstaͤnden dieser Art eigen ist, mußten mich leicht bewegen, jetzt dieses aus- fuͤhrliche Werk uͤber die Gartenkunst folgen zu lassen. Es ist nicht ge- schrieben, um eine ploͤtzliche Veraͤnderung mit unsern Gaͤrten zu bewirken, wiewohl die meisten einer Veraͤnderung beduͤrftig scheinen, sondern um ein nicht unangenehmes Nachdenken uͤber diese Gegenstaͤnde zu veranlassen, den wißbegierigen Liebhaber in die Verfassung zu setzen, mit Richtigkeit b davon Vorbericht. davon zu urtheilen, und mit einiger Theilnehmung des guten Geschmacks sich selbst, wenn er Gelegenheit hat, einen Garten zu schaffen. Noch ist die Gartenkunst fast ganz von unsern Schriftstellern vernachlaͤßigt, noch an so vielen Orten von bloßer Mode und vom Vorurtheil beherrscht. Man legt indessen noch so oft neue Gaͤrten an, wobey man freye Wahl hat; man zieht dabey so oft gemeine Gaͤrtner zu Rathe. Sollte ein Guts- besitzer oder ein andrer Eigenthuͤmer, der einen Garten bauet, denn nicht auch einmal nachfragen, was dieser oder jener Mann, dem er doch etwas mehr Kenntniß und Geschmack, als einem bloßen Pflanzer, zutrauen muß, uͤber die Einrichtung eines Gartens geschrieben hat? Waͤre ein Werk vorhanden, das nach dem hoͤhern mir vorschwe- benden Ideal den Erfordernissen der Gartenkunst vollkommen Genuͤge lei- stete, so wuͤrde die Muͤhe und der Aufwand, der hier aufgeopfert worden, sehr uͤberfluͤßig seyn. Bey den wenigen auslaͤndischen Schriften hat man nicht immer auf unsre einheimischen Beduͤrfnisse, auf die Vortheile unsers Klima, auf die Eigenthuͤmlichkeiten unsers Landes Ruͤcksicht nehmen koͤn- nen. Man ist oft zu einseitig nach dem Geschmack seiner Nation gewe- sen. Man hat die mannigfaltigen Arten von Gaͤrten, die in dem ver- schiedenen Genie des Klima, der Lagen des Bodens, der Jahreszeiten ge- gruͤndet sind, die einzelne Personen sich nach ihren Launen oder wahren Beduͤrfnissen entwerfen, Gaͤrten, die wirklich seyn koͤnnen, und deren naͤ- here Bestimmung in der Folge dieses Werks vorkommen wird, nicht ge- nau unterschieden, oder sie vielmehr ganz uͤbersehen. Dieser Band enthaͤlt nur noch wenig mehr, als die ersten und all- gemeinen Grundsaͤtze der Gartenkunst, die, so wenig man bisher darauf gerechnet zu haben scheint, doch eine genaue Entwickelung erforderten. Der Plan des Ganzen wird sich in der Folge von selbst darlegen. In- zwischen muß ich hier die Erinnerung vorausgehen lassen, daß man die Gartenkunst von botanischer und oͤkonomischer Gaͤrtnerey zu unterscheiden hat, Vorbericht. hat, und daß alles, was dieses Werk uͤber jene vortragen wird, sich auf das Schoͤne und den Geschmack bezieht. Was zur Erziehung und War- tung der Baͤume und Pflanzen gehoͤrt, ist schon in tausend Schriften ge- lehrt, und liegt außer meinem Bezirk. Eine ganz vollkommene Theorie der Gartenkunst ist nicht das Werk eines einzelnen Schriftstellers. Sie erfordert die Unterstuͤtzung der Fuͤr- sten und anderer Großen, wenn sie zu der Vollkommenheit steigen soll, der sie faͤhig ist. Ich habe mich bey der oͤffentlichen Ankuͤndigung darauf ein- geschraͤnkt, daß ich um Mittheilung interessanter Beschreibungen von wirk- lich vorhandenen schoͤnen Gaͤrten, ohne welche eine Theorie dieser Kunst nicht vollstaͤndig und lehrreich genug seyn kann, gebeten habe. Ich wie- derhole diese Bitte mit dem ganzen Eifer, den ich dieser Kunst geheiligt habe. Ich wuͤnsche nicht blos Beschreibungen von Gaͤrten, sondern auch Zeichnungen von Landhaͤusern und allen Arten von Gartengebaͤuden, Tem- peln, Pavillons, Cabinetten, Einsiedeleyen u. s. w. zu erhalten, die, als wirklich ausgefuͤhrte Werke oder als Erfindungen, einen reinen und vor- zuͤglichen Geschmack der Architektur beweisen. Durch eine solche gefaͤlli- ge Mittheilung wuͤrden neue Nationalerfindungen und manche schaͤtzbare Denkmaͤler der Gartenkunst, die oft hie und da verborgen bleiben, zu ihrem Ruhm und zur Nacheiferung mehr bekannt werden. Ich gelobe einen guten Gebrauch, wo sich ein Gebrauch machen laͤßt, und auf alle Faͤlle jede Art von Dankbarkeit. Sollte ich bey diesem Unternehmen, welches noch das erste unter uns ist, und welches das Vergnuͤgen der Fuͤr- sten und des Adels so unmittelbar betrifft, eine Fehlbitte zu thun fuͤrchten? Was indessen in der Folge fuͤr dieses Werk sowohl gethan wird, als auch was nicht gethan ist, soll bey Ueberlieferung des letzten Bandes getreu angezeigt werden. Dieser Band liefert schon eine Beschreibung, die ich von einem Lust- ort meines Vaterlandes entworfen habe. Von verschiedenen andern ein- b 2 heimi- Vorbericht. heimischen Gaͤrten werde ich in der Fortsetzung theils eigene, theils mitge- theilte Schilderungen vorzulegen suchen. Noch fehlt es uns, bis etwa auf ein paar Ausnahmen, an gedruckten Nachrichten von deutschen Gaͤr- ten ganz. In jedem der folgenden Baͤnde soll fuͤr solche Beschreibungen von Gaͤrten, die fuͤr sich ein gewisses Ganzes ausmachen, oder die bey den Regeln selbst nicht bequem als Beyspiele und Erlaͤuterungen zum Grunde gelegt werden koͤnnen, ein besonderer Platz offen gelassen werden. Unter den Kupferverzierungen trifft man hier zuvoͤrderst nuͤtzliche Nachbildungen auslaͤndischer, zum Theil von den beruͤhmtesten Baumei- stern errichteter Landhaͤuser und Gartengebaͤude an, die aus verschiede- nen kostbaren und oft seltenen Werken ausgewaͤhlt sind und dazu dienen, den reinern Geschmack in diesem Theil der Architektur zu zeigen. Bey solchen Gebaͤuden kommt es vornehmlich darauf an, die Schoͤnheit der Form und des aͤußern Ansehens bey der Verschiedenheit ihrer Groͤße und ihres Charakters kennen zu lernen, da die innere Einrichtung sich nach der Bequemlichkeit, dem Gutduͤnken und den mancherley Absichten der Be- wohner richtet, und das, was eigentlich Baukunst ist, hier nicht gelehrt wird. Andre von diesen Landhaͤusern und Gartengebaͤuden sind Erfin- dungen geschickter Architekten, die eine Ausfuͤhrung erwarten. Was an Gebaͤuden von dieser Classe bey verschiedenen Nationen, die im Besitz des guten Geschmacks sind, hie und da ausgefuͤhrt oder vorgezeichnet ist, da- von wird man hier jetzt und in der Fortsetzung das, was der Nachahmung oder doch der Bemerkung werth scheint, wie in einer kleinen Gallerie, ge- sammelt und nachgebildet finden. Die groͤssern landschaftlichen Vorstellungen, die einzelne Natursce- nen oder charakteristische Gegenden betreffen, bin ich fast alle dem edel- muͤthigen Eifer eines Mannes schuldig, der gleich bey der ersten Ankuͤndi- gung dieses Werks sich mir freundschaftlich zugesellet hat. Mit den Ta- lenten eines Landschafters geboren, folgte er dem Rufe der Natur schon in Vorbericht. in seiner Jugend; allein die reichere Naͤhrerinn der Kuͤnstler, die Bild- nißmalerey entzog abermals der Landschaftmalerey ein Genie, das fuͤr sie erschaffen schien. Indessen kehrt er in heitern Stunden zur Landschaft- malerey, der vertrautesten Schwester der Gartenkunst, zuruͤck. Er hat so viel brauchbare Kenntniß von ihr und so viel Geschmack, daß ich es fuͤr einen Vortheil der Gartenkunst ansehen muͤßte, wenn ihm zur Anwen- dung seiner Talente Gelegenheit gegeben wuͤrde. Ich werde kuͤnstig voll- kommnere Gegenden und Gartenscenen von ihm mittheilen, die, wie ich hoffe, unter dem Grabstichel weniger, als die gegenwaͤrtigen, verlieren werden, und die den vorgetragenen Grundsaͤtzen naͤher kommen. Ich habe verschiedene Gartenstuͤcke, als eigene Erfindungen von ihm, in Haͤn- den, die den besten englaͤndischen Blaͤttern von Windsor, von Kew und andern gleich sind, und unter ihnen einige, worin die Gegenstaͤnde mit ihren Farben so vortrefflich belebt sind, daß man die Natur selbst zu sehen glaubt, und den Mangel eines Mittels beklagt, sie fuͤr die Besitzer dieses Werks allgemeiner zu machen. Der Kuͤnstler, dem ich hier blos Gerechtigkeit widerfahren lasse, ist Herr Johann Heinrich Brandt in Hannover. Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupferstiche bey landschaft- lichen Vorstellungen uͤberhaupt schon bemerkt. S. 188. Indessen liefern sie in Werken dieser Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern die Idee, die man durch Worte zu erwecken sucht; zugleich geben sie der Phantasie eine nicht unangenehme Beschaͤftigung. Man hat in den aͤl- tern Architekturwerken eine Menge von Kupferstichen verschwendet, um die falsche symmetrische Manier in den Gaͤrten noch mehr zu unterstuͤtzen. Sollte die Kupferstecherkunst sich nicht auch fuͤr die freyen und edlen Na- turscenen in den Gaͤrten beschaͤftigen? Ich wuͤnsche von wirklich vorhandenen Gaͤrten lieber Zeichnungen einzelner schoͤner Partien, als bloße Grundrisse des Ganzen zu erhalten. b 3 In Vorbericht. In Gaͤrten von einer gluͤcklichen Lage und geschmackvollen Einrichtung werden doch immer einige sich auszeichnende Gegenden oder Theile von Gegenden seyn, die mehr als andre der Beobachtung werth sind. Eine Sammlung von solchen charakteristischen Partien ist weit mehr unterrich- tend und aufheiternd, als todte Grundrisse, worin die Verhaͤltnisse der Theile gegen einander, die gegenseitigen Beziehungen der Massen und Formen, der Tiefen und Erhoͤhungen, die Mannigfaltigkeit der Ansich- ten und ihrer Wirkungen, und tausend andre wichtige Umstaͤnde doch nicht sichtbar werden. Eine franzoͤsische Uebersetzung dieser Theorie, die jedesmal mit der deutschen Ausgabe erscheint, liefert Herr Friedrich de Castillon, Pro- fessor der Mathematik bey der koͤnigl. neuen Ritteracademie zu Berlin. Ich kann diese Anzeige nicht geben, ohne ihm hier oͤffentlich meine lebhafte Verbindlichkeit zu bezeugen, und ohne zugleich unserm Sulzer , dessen Verehrung eine meiner aͤltesten und angenehmsten Empfindungen ist, den waͤrmsten Dank fuͤr seinen gefaͤlligen Antheil an der Befoͤrderung meines Unternehmens zu sagen. Ihm, dem die Gartenkunst in Deutschland zuerst ihre ehrenvolle Stelle unter den schoͤnen Kuͤnsten dankt, die er mit so vieler Wuͤrde erzog, ihm weihe ich die ersten Blumen dieses Fruͤhlings, die ich zum Opfer fuͤr seine Erhaltung unter frommen Wuͤnschen dem Gott der Gesundheit auf den Altar streue. Vorlaͤufige Vorlaͤufige Betrachtungen. I Band. A Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen. Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst, als schoͤne Kunst betrachtet. Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung und Wuͤrde der Gaͤrten. Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten der Alten und der Neuen. I. Ursprung der Gaͤrten. D ie Natur hatte den Menschen gebildet, die Freuden der schoͤnen Jahrszeiten zu genießen, und die Vortheile des Landlebens mußten sich ihm bald zum fruͤhen Genuß ankuͤndigen. Aber die Spuren der Gartenkunst sind nur erst in den Zeiten des Lichts, der Ruhe und der gemilderten Sitten aufzusuchen. Was kann man hoffen, davon bey Voͤlkern zu finden, die noch in dem Stande der ersten Wildheit leben, deren ganze Thaͤtigkeit auf die Befriedigung ihrer vielen natuͤrlichen Beduͤrf- nisse eingeschraͤnkt ist, die von der Noth zur Jagd und zum unstaͤten Leben hingerissen werden? Eben so wenig koͤnnen Gaͤrten bey einem Volke empor kommen, das be- staͤndig in den Waffen steht, Unruhe sucht, wenn es sie nicht hat, und mehr Ver- gnuͤgen in Anfaͤllen und Herumschweifungen sindet, als in der Vertheidigung und dem Anbau einer Gegend. Auch alsdann, wenn der Mensch sich der rauhen Lebens- art entwoͤhnet, wenn er Sicherheit und Gemaͤchlichkeit zu lieben anfaͤngt, wenn er unter dem Schatten des Friedens sein Eigenthum bebauen und sich daran ergoͤtzen lernt, gehoͤrt doch noch eine gewisse Verfeinerung seiner Sinne und seiner Gefuͤhle dazu, ehe er Lustgaͤrten von einiger Bedeutung anzulegen faͤhig seyn wird. Der Geist muß sich erst an die Scenen der Ruhe und der natuͤrlichen Schoͤnheit gewoͤhnet haben, das Auge zur Wahrnehmung landschaftlicher Reize geuͤbt seyn, und das Herz sich leicht und gerne milden Eindruͤcken eroͤffnen. Ja, die Erfahrung lehrt, daß, wenn Zeitalter schon zu einem feinen Geschmacke gelangten, sie weit eher schoͤne Ge- baͤude zu errichten und vortreffliche Gemaͤlde auszufuͤhren wußten, als Gaͤrten wohl anzulegen; als wenn die Gartenkunst, die doch so nahe mit der Natur verwandt ist, A 2 mehr Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten mehr Schwierigkeiten unterworfen waͤre. Das Klima, das die Heiterkeit und Froͤh- lichkeit des Menschen, so wie die Annehmlichkeit eines Landes, befoͤrdert, kann dem Anbau der Gaͤrten guͤnstig seyn, ob es gleich nicht allezeit so gewesen ist. Der Wohl- stand und der Ueberfluß koͤnnen zur Bildung der Gaͤrten behuͤlflich seyn, ob sie gleich oft zur unnuͤtzen Pracht und zum Ekel an wahrer Schoͤnheit verleitet haben. Bey einer gewissen Milde der Sitten und Veredelung des Geschmacks wird sich vornehm- lich die Liebe der Gaͤrten zu ihrer schoͤnern Ausbildung beeifern. Ohne Zweifel waren die ersten Gaͤrten oder vielmehr die ersten Plaͤtze, die man zu Gaͤrten zu bebauen anfieng, blos dem Nuͤtzlichen gewidmet. Der Mensch samm- lete die Baͤume und Pflanzen, bey welchen er Nahrung und einen angenehmen Ge- schmack fand, um seine Wohnung her, und schenkte ihnen seine vorzuͤgliche Pflege. Nothdurft sowohl als natuͤrlicher Hang zur Erfrischung lehrten ihn Schatten und Wasser suchen. Die Natur ließ vor seinen Augen in den Thaͤlern und auf den Huͤ- geln eine große Mannigfaltigkeit von farbigen Blumen aufsprießen, die ihn ergoͤtzten, die er nahe um sich her verpflanzte, und durch eine sorgfaͤltige Wartung zur groͤßern Schoͤnheit erzog. Tausendfaͤltige Beobachtungen, die er einsammlete, vermehrten seine Kenntniß und reizten seinen Geschmack. Und indem er reichlicher seine Beduͤrf- nisse befriedigte, so erkannte er leicht, wie viele und mannigfaltige Beziehungen die Gegenstaͤnde der Natur auch auf die Belustigung seiner Sinne und seiner Einbil- dungskraft haͤtten. Die Liebe zur Einsamkeit, der Ekel an den Unruhen und Be- schwerlichkeiten der groͤßern Gesellschaft, die Aussicht auf eine bequemere Art der Er- haltung unterstuͤtzten den Trieb zum laͤndlichen Vergnuͤgen. Durch Muße und Nach- denken, mit der taͤglichen Erfahrung befruchtet, lernte er allmaͤhlig der Natur ihre maͤchtigen Zaubereyen ab, und suchte sie zum laͤngern Genuß auf dem Platze, den er liebte, zu vereinigen und festzuhalten. Dies war ohngefaͤhr der erste Ursprung der Lustgaͤrten, wovon die warme Phantasie der Dichter mehr, als die kalte Muthma- ßung, anzugeben faͤhig ist. Denn da, wo die Geschichte schweigt, uͤber deren An- fang sich die erste Entwickelung der Gaͤrten hinaushebt, ist es doch nur der Laut der Muthmaßung, der gehoͤrt werden kann. Freylich sehr roh mußten die ersten Gaͤrten seyn, noch weit von der richtigen Anordnung entfernt, die erst Zeit, Geschmack und Ueberlegung ihnen nach und nach mittheilen konnten. Man weiß nicht, wornach man fragt, wenn man die Beschaf- fenheit der aͤltesten Gaͤrten wissen will. Allgemein ließe sich wohl ihre vermuthliche Gestalt angeben. Will man aber naͤher unterrichtet seyn, so beliebe man zuvoͤrderst eine zuverlaͤßige Antwort auf die Frage zu geben: wie sah eigentlich das erste Gemaͤlde aus, womit die Kunst anfieng? Man der Alten und der Neuen. Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunst bey den Alten keine so merkliche Vollkommenheit gewonnen hat, als die andern schoͤnen Kuͤnste. Es ist wahr, das griechische und italienische Klima erheiterte mit der Landschaft den Geist; es erzeugte eine Menge natuͤrlicher Schoͤnheiten, und schaͤrfte die Faͤhigkeit, sie mit einer Art von Wollust zu genießen. Allein es fehlten der Gartenkunst die maͤchtigen Triebfedern, die fuͤr einige andere der schoͤnen Kuͤnste so wirksam waren. Diese er- hoben sich mit den großen republikanischen Bestrebungen des Geistes, mit dem Kampf nach Freyheit, nach Herrschaft, nach Ruhm und Unsterblichkeit, mit den sichern so- gleich gegenwaͤrtigen Belohnungen des Vaterlandes. So stieg vornehmlich die Be- redtsamkeit, die Poesie und die Bildhauerkunst. Die Anlage der Gaͤrten aber er- forderte eine Denkungsart, die der heroischen entgegen war, die Ruhe der Leiden- schaften, die Liebe der Stille und des laͤndlichen Vergnuͤgens. Wenn damals auch gleich zuweilen der verjagte, oder sich selbst entfernende Weise das Getuͤmmel der staͤd- tischen Geschaͤfte mit dem Frieden eines verborgenen Landhauses verwechselte: so war doch weder sein Geist noch sein Geschmack immer aufgelegt genug, sich mit einer vor- zuͤglichen Verschoͤnerung eines zum Garten geschickten Platzes zu befassen. Je mehr sich die heroischen Zeiten verloren, desto mehr breitete sich wirklich der Geschmack an den Gaͤrten aus. Die Roͤmer waren, als sie die Menge ihrer Villen und Gaͤrten anlegten, nicht mehr die Zeitgenossen des Fabricius, sondern des Lucullus. Es war nicht mehr die nuͤtzliche Beschaͤftigung, nicht mehr die sanfte einfaͤltige Freude, sondern es war die verfeinerte Wollust des Landlebens, wornach sie duͤrsteten. Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gaͤrten zum Vergnuͤgen angelegt haben sollte. Die Reizungen der schoͤnen Natur haben eine fast allgemeine Wirkung. Religion und Nationalmeynungen schraͤnken sie nicht ein. Der roͤmische Moͤnch belustigt sich in dem Garten seines Klosters so gerne, als der Muselmann seinen Landhaͤusern am Meere zueilt, um da die frische Luft zu genießen, die ihm Constantinopel versagt. Die Anlegung der Gaͤrten ist lange schon ein Gegenstand des oͤffentlichen Auf- wandes nicht blos der Fuͤrsten, sondern auch der beguͤterten Glieder der Nationen ge- worden. Die Nothdurft erforderte um volkreiche Staͤdte einen fleißigern Anbau der Gewaͤchse, die der Mensch zu seiner Nahrung braucht; und neben diesen Plaͤtzen er- hoben sich auch bald Gaͤrten, die dem Genuß der Freyheit, der frischen Luft und des Vergnuͤgens gewidmet wurden. Man sieht noch gemeiniglich Gaͤrten um groͤßere Staͤdte, wo der Handel Wohlstand, oder der Reichthum einen gewissen Luxus er- zeugt hat. A 3 Die Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Die Gaͤrten, die zu den oͤffentlichen Denkmaͤlern der Nationen gehoͤren, lassen sich aus so mancherley erheblichen Gesichtspunkten betrachten, daß die gaͤnzliche Un- achtsamkeit oder Gleichguͤltigkeit mancher Reisebeschreiber von dieser Seite nicht an- ders als tadelhaft angesehen werden kann. Sie sind Gegenstaͤnde nicht blos der Cultur und des Wohlstandes, sondern auch des Geschmacks eines Landes; sie koͤn- nen, wenn sie nicht blos nachgeahmet, sondern mit eigener Wahl angelegt sind, zum Theil einen Beweis von dem Nationalcharakter abgeben, der sich in ihnen sichtbar macht. Die neuesten brittischen Parks kuͤndigen dem Reisenden eine Nation an, deren Geist hoͤhern Schoͤnheiten entgegenstrebt, das Große und Edle ergreift, und sich gern mit kuͤhnen Unternehmungen befaßt. Der Hang zu dem Zierlichen und Witzigen, so wie ein gewisser Geist der Kleinigkeit, womit jener Hang sich leicht ver- mischt, war in den aͤltern franzoͤsischen Gaͤrten ausgepraͤgt. II. Gaͤrten der Alten und der Neuen. II. Gaͤrten des Alterthums. U nter allen Nationen des Alterthums sind die Roͤmer am meisten wegen ihrer Landhaͤuser und Gaͤrten beruͤhmt gewesen. Gleichwohl geschiehet schon lange vor ihnen bey aͤltern Voͤlkern Erwaͤhnung von Gaͤrten, die damals nach dem Ge- schmack der Zeit ihren Werth moͤgen gehabt haben, die aber von einigen neuern Schriftstellern uͤbermaͤßig erhoben worden, weil sie, anstatt sie naͤher zu untersuchen, den uͤbertriebenen Lobspruͤchen anderer nachzulallen bequemer fanden. 1. Schwebende Gaͤrten der Babylonier. Man hat der Babylonischen Gaͤrten nicht gedenken koͤnnen, ohne in eine Art von Erstaunen zu fallen, ohne dabey zu wissen, woruͤber man erstaunte. Selbst der beruͤhmte Temple trug kein Bedenken zu behaupten, es waͤren die praͤchtigsten Gaͤrten gewesen, die jemals die Welt gesehen haͤtte. Bey einer naͤhern Betrachtung dieser schwebenden Gaͤrten aber verliert sich ein großer Theil von ihrer wunderbaren Pracht. Man nehme auf einige Augenblicke an, daß die Beschreibungen des Dio- dor, Lib. 2. cap. 4. Strabo Lib. 15. und Curtius Lib. 5. cap. 1. ihre historische Richtigkeit haben. Nach diesen Schriftstellern waren es kuͤnstliche Erhoͤhungen, die unten auf Pfeilern ruheten, oben in dem aufgetragenen Erdreich mit Baͤumen bepflanzt, in verschiedene Absaͤtze vertheilt, und durch eine gewisse Wasserkunst befruchtet waren. Ich sehe hier nichts anders, als ein Werk eines kuͤhnen Geistes, der etwas seltsames unternehmen wollte, ohne sich von einer richtigen Beurtheilung leiten zu lassen. Es war ein Werk, das der Natur Trotz bieten sollte, ein einzelnes gewagtes Werk, das nicht wohl einer Nachahmung faͤhig war. Noch weniger laͤßt sich begreifen, wie es den Namen eines Garten anders, als in einem sehr ungewoͤhnlichen Verstande, verdienen koͤnnen. Aber wenn es nun auch mit der Glaubwuͤrdigkeit dieser Schriftsteller nicht gar zu sicher stuͤnde? Nur der einzige verdaͤchtige Berosus, der gar zu gern die Selten- heiten seines Landes auf Kosten der Wahrheit erhebt, redet von den Gaͤrten aus sei- nem eigenen Zeugnisse; die andern berichten blos nach andern; und selbst Curtius scheint an ihrer Wirklichkeit zu zweifeln, da er sie vulgatum Graecorum fabulis mi- raculum Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten raculum nennt. Vermuthlich befand sich zu Babylon ein Huͤgel, der in verschie- dene Absaͤtze getheilt und mit hohen Baͤumen bekleidet war. Das Ungewoͤhnliche eines solchen Gegenstandes in einem ebenen Lande erschien einer erhitzten Phantasie wunder- bar, und die Sage machte daraus ein Wunder in der besten Form. Was dieser Vermuthung einen Grad der Wahrscheinlichkeit mehr giebt, ist das Stillschweigen des Herodot. Er hatte Babylon sorgfaͤltig besucht, er beschreibt alle Seltenheiten ausfuͤhrlich; von den schwebenden oder hangenden Gaͤrten aber schweigt er ganz. Und nur Schriftsteller reden davon, die viel juͤnger sind als er. 2. Gaͤrten der Perser. Die Gaͤrten der alten Perser, die nicht wenig im Alterthum ihr Lob hatten, verdienen allerdings diesen Namen mehr, als die zu Babylon. Es scheint aber, daß sie mehr natuͤrlich angenehme Plaͤtze, mehr Gegenden voll freywillig wachsender schoͤner Fruchtbaͤume, Pflanzen und Blumen, als Gaͤrten gewesen, die nach einer bestimmten Absicht angelegt worden. Das Klima und das Erdreich beguͤnstigten vorzuͤglich die herrlichen Gewaͤchse und Fruͤchte, die diesem Lande eigenthuͤmlich sind. Der Fremde, der sie auf seiner vaͤterlichen Flur nicht gesehen hatte, ward von ihnen desto mehr bezaubert, je mehr neu und reizend er sie sowohl fuͤr das Auge, als auch fuͤr den Geschmack fand. Und bald war der Ruhm der persischen Gaͤrten verbreitet. Die der Alten und der Neuen. Die Beschreibungen, die von ihnen auf uns gekommen sind, haben mit andern aus dem Alterthum, die von den Gaͤrten handeln, das Mangelhafte, daß sie sich blos auf eine kurze Anzeige der Gegenstaͤnde einschraͤnken, die Anordnung derselben aber fast ganz unberuͤhrt lassen. Selbst Xenophon erwaͤhnt nur im Allgemeinen lustiger Plaͤtze oder Gaͤrten, die er fruchtbar und schoͤn nennt, und wobey er nur der Frucht- baͤume und Waͤsserung gedenket, woraus Carlencas und andere Scribenten seiner Art Lustsaͤle und praͤchtige Fontainen nach franzoͤsischem Geschmack machen wollen. Die einzige Spur von einem Anfang der Kunst, die sich beym Xenophon Im Oecon. sindet, ist der Garten des juͤngern Cyrus zu Sarden in Lydien, worin Lysander die Schoͤnheit und Ordnung der Baͤume, die in einen Quincunx gestellt waren, bewun- derte, weil er vermuthlich so etwas in Sparta, das seinen Feldbau von Sklaven be- sorgen ließ, noch nicht gesehen hatte. Bey aller Vergleichung der vorhandenen Stellen der alten Schriftsteller laͤßt sich nichts anders mit Gewißheit erkennen, als daß die so geruͤhmten Gaͤrten oder Paradiese der Perser Fruchtgaͤrten gewesen, die ihren Ruhm blos der natuͤrlichen Annehmlichkeit der Lage und der Schoͤnheit der Ge- waͤchse zu danken hatten. I Band. B 3. Gaͤrten Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten 3. Gaͤrten der Griechen. Die Griechen bewohnten zum Theil Gegenden, die zum Anbau der Gaͤrten sehr geschickt und einladend waren. Die Lebhaftigkeit ihres Geistes, ihre besondere Empfindlichkeit gegen angenehme Eindruͤcke, ihr Hang zum Vergnuͤgen und zur Ab- wechselung, mußte sie nicht weniger zur Liebe der Gaͤrten reizen. Sie waren auch dagegen eben so wenig gleichguͤltig, als gegen die großen Schoͤnheiten der Natur selbst, wovon ihre Dichter uns Nachbildungen hinterlassen haben. Allein bey allem diesen scheint es doch, daß sie in den ersten Zeiten zu sehr mit harten Beduͤrfnissen beladen, in der Folge zu sehr mit den Geschaͤften der Staatseinrichtungen und des Krieges uͤberhaͤuft, endlich fuͤr andere Kuͤnste und vornehmlich fuͤr Ergoͤtzungen von einer staͤrkern Art zu lebhaft eingenommen gewesen, als daß sie Zeit und Ruhe genug finden koͤnnen, fuͤr den sanftern Reiz der Gaͤrten recht thaͤtig zu werden. Die Men- ge von Statuen, Tempeln, Theatern und andern Gebaͤuden, die in Griechenland nicht blos die Staͤdte, sondern auch zum Theil die Landstraßen, die Haine und die Gefilde erfuͤllten, gaben dem Auge, das Verschoͤnerung suchte, schon Unterhaltung genug. So viele Wunder der Kunst schienen zu laͤndlichen Scenen voll Einfalt und stiller Anmuth nicht Raum mehr zu lassen. Die Gaͤrten der Griechen haben daher auch nie das Ansehen erreicht, zu welchem sonst die schoͤnen Kuͤnste bey dieser Nation gestiegen sind. Homer Odyss. Lib. 7. beschreibt die Gaͤrten des Alcinous, die man oft eben so unmaͤßig, als die babylonischen, erhoben hat, da doch selbst die aͤltern Schriftsteller keinem als dem Homer folgen konnten. Ihre Schoͤnheit bestand in Granaten-Feigen- und Oelbaͤumen und andern Arten von Baͤumen; in einer gewissen Abtheilung, nach welcher den Fruchtbaͤumen, den Weinstoͤcken und den sogenannten Kuͤchengewaͤchsen besondere Plaͤtze angewiesen waren; in dem Wasser, das zur Befruchtung hin und wieder geleitet war. Es scheint auch, daß die Baͤume und uͤbrigen Gewaͤchse in einer gewissen Ordnung und Symmetrie gepflanzt gewesen, womit die Kunst fast uͤberall ihren Anfang nahm und nehmen konnte, doch ohne daß sie nachher auf diesem Punkt haͤtte stille stehen sollen. Man sieht in dieser Beschreibung die erste Entwicke- lung eines Gartens in der Auswahl der Baͤume und Gewaͤchse, in der Sorgfalt fuͤr ihre Befruchtung und in ihrer Stellung nach einer gewissen Ordnung, wodurch man sich von der Wildheit der Natur zu entfernen suchte. Aber noch giebt diese Be- schreibung, so wie sie da ist, keinen großen Begriff von einem koͤniglichen Lustgarten. Man der Alten und der Neuen. Man erblickt nichts mehr, als einen nuͤtzlichen Fruchtgarten in einem dazu besonders abgetheilten Strich Landes. Dieses Beyspiel der Nutzbarkeit und der Einfalt in den Gaͤrten mußte den spaͤ- tern Griechen, die immer noch in dem Homer ihren Lehrer erkannten, bestaͤndig vor Augen schweben und ihnen zur Regel werden, von welcher abzuweichen sie sich nach aller Vermuthung nicht erlaubten. Hohe Platanen, die Schatten warfen, und fließendes Wasser, das Kuͤhlung gab, waren mit einigen Statuen fast die ein- zigen Schoͤnheiten in den Gaͤrten der Philosophen zu Athen. In den Romanen des Heliodor, Achilles Tatius und Eustathius aus den letzten Zeiten der Grie- chen, beweisen die eingestreuten Beschreibungen der Gaͤrten, daß sie damals noch ganz ohne eine sorgfaͤltige Anlage, ohne Abwechselung und Zierde gewesen. In dem zweyten Bande der Pitture antiche d’Ercolano kommt auf der 20sten Tafel ein bey Portici entdecktes Gemaͤlde vor, das nicht eigentlich einen griechischen Garten, wie man vorgegeben, sondern blos ein Gartenstuͤck vorstellt, wie auch die neuern Maler oft geliefert haben. Es sind vier Lauben symmetrisch angelegt und durch ein mit Vasen geziertes Gitterwerk mit einander verbunden. Die beyden Lauben am Ende stimmen, so wie die bey- den in der Mitte, in Form und Verhaͤlt- niß uͤberein. In jeder der beyden mittel- sten sprudelt ein Springbrunnen. Weil auf den Lauben in der Mitte Voͤgel sitzen, so hat man sie fuͤr Vogelhaͤuser angesehen, welchem aber ihre Einrichtung widerspricht. Hinter dem Gitterwerk lassen sich Pflanzen und Blumen sehen. — Wahrscheinlich ist dieses Gemaͤlde in spaͤtern Zeiten verfertigt, und eine bloße Phantasie des Kuͤnstlers. — Dieses gilt auch von der Vorstellung auf der 49sten Tafel, die fast im gleichen Ge- schmack ist. B 2 4. Villen Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten 4. Villen und Gaͤrten der Roͤmer. Wenn die Griechen sich mehr an der natuͤrlichen Schoͤnheit und Einfalt der Gaͤrten ergoͤtzten: so glaubten die Roͤmer sich nur durch die Kunst, die Pracht und den Ueberfluß der Villen befriedigen zu koͤnnen. Bey ihnen laͤßt sich erst ein Stand- ort nehmen, von welchem man einen sichern Blick in die Lustplaͤtze des Alterthums werfen kann. In den Zeiten der Wildheit konnte die sanftere Empfindlichkeit fuͤr das Schoͤ- ne, die von staͤrkern Leidenschaften und Thaͤtigkeiten uͤbertaͤubt ward, noch nicht laut genug durchdringen. Erst mußte die Begierde zur Gewaltthaͤtigkeit und zum Raube uͤberwaͤltigt, die Liebe zur Ruhe befestigt werden; und Plutarch bemerkt ausdruͤck- lich in dem Leben des Numa, daß dieses bey den aͤltesten Roͤmern durch nichts ge- schwinder bewirkt worden, als durch die Cultur des Ackerbaues und die Gewoͤhnung zum Landleben. Bey solchen Beschaͤftigungen und bey den Annehmlichkeiten des Friedens konnten die feinern Gefuͤhle, die zur Bemerkung und zum wahren Genuß der Schoͤnheit erfordert werden, den Anfang ihrer Entwickelung nehmen. Einige Bequemlichkeit der Landhuͤtten folgte ohne Zweifel bald nach der Befriedigung der ersten Beduͤrfnisse, und mit jener blieb lange eine kunstlose Einfalt vereinigt. Dies war auch der Charakter der Landwohnungen der aͤltesten Roͤmer, ehe sie mit dem Ueberfluß und den Kuͤnsten bekannter wurden, da sie in der villa rustica noch nicht daran dachten, was eine vrbana seyn wuͤrde. Varro Lib. 1. cap. 13. Auch konnte es nicht anders seyn, da sie nur fuͤr die Beschaͤftigung mit ihren Aeckern und Heerden auf dem Lande wohn- ten, und fast kein anderes Vergnuͤgen kannten, als was eine strenge Arbeitsamkeit gewaͤhrt. Mit der allmaͤhligen Ausbildung ihres Geistes, mit dem Wachsthum des Reichthums und der Liebe zur Baukunst verfeinerte sich erst ihre Neigung zu Land- haͤusern. Aber nachher und am meisten gegen das Ende der Republik fielen sie, durch die eroberten Schaͤtze und die Weichlichkeit fremder Sitten verleitet, auf eine Pracht und Ueppigkeit, die, wenn auch die Politik sie nicht misbilligte, doch schon ein ge- sunder Geschmack verwirft. Die Liebe zum Landleben artete in eine Ausschweifung aus. Der ruhige und edle Genuß der Annehmlichkeiten der Natur ward von dem Luxus unterbrochen. Und die Menge und der Umfang der Landpalaͤste raubten nicht selten einen weiten nutzbaren Raum, der dem Pfluge gehoͤrte. Varro l. c. und Lib. 3. cap. 2. Horat. Lib. 2. od. 15. Sehr der Alten und der Neuen. Sehr fluͤchtig muͤßte der die Schristen der Roͤmer gelesen haben, der nicht diesen ihren Enthusiasmus fuͤr den Aufenthalt auf dem Lande kennen sollte. Nicht nur die Buͤrger im geringern Verstande, die besonders durch die Vortheile der Cul- tur ihrer Laͤndereyen an diese Lebensart gefesselt wurden, sondern auch die vornehmen Familien suchten die Luft des Landes als etwas, das unentbehrlich schien. Man hielt die Zeit der Ruhe und des Vergnuͤgens auf dem Lande fuͤr so wichtig, daß man nach ihrer Dauer die eigentliche Laͤnge des Lebens zu messen anfieng. Der Consul M. Plautius rechnete die Jahre seiner ansehnlichen Bedienungen im Staat, seiner Feldzuͤge, seiner Triumphe von seinem wahren Leben ab, das er, nach der Aufschrift seines noch bis jezt erhaltenen Grabmals ohnweit Tivoli, nur auf neun Jahre ge- bracht hatte, die er naͤmlich auf seinem Landhause genossen. Und mit andern edlen Buͤrgern dachte selbst der Kaiser Diokletian auf eine aͤhnliche Art. Die besten Schriftsteller, und vornehmlich die Dichter, wetteiferten, die schoͤne Natur, die sie liebten, zu erheben, und die Phantasie ihrer Mitbuͤrger durch malerische Beschreibun- gen zu reizen. Das Gewuͤhl der volkreichen Stadt Rom ermuͤdete, wie die Staats- angelegenheiten, die nicht blos den Senat, sondern auch die andern Buͤrger beschaͤf- tigten; und die Sehnsucht nach Ruhe und Freyheit, die schon dem Menschen so na- tuͤrlich ist, mußte dadurch noch heftiger werden. Mit allem diesen vereinigten das Klima und die natuͤrliche Schoͤnheit Italiens ihre maͤchtigen Einfluͤsse. Wie vie- len Reiz mußten nicht besonders damals die Gegenden haben, nach deren Aussichten selbst noch die groͤßten neuern Landschaftmaler, ein Poussin, Breenberg, Schwa- nevelt und andere, fleißig studirten! Wenn Baja und andere Lustplaͤtze den ankommenden Gast nur zur Wollust hinrissen, so theilte hingegen der weisere Roͤmer an andern Orten seine Zeit auf dem Lande zwischen der Sorge fuͤr den Feldbau, der Philosophie und dem maͤßigen Be- cher. Das Landhaus war ihm am liebsten, das er, wie Cicero, seine Akademie nennen konnte. Er las, schrieb, unterredete sich, betrachtete fleißig die schoͤne Na- tur, und unterrichtete die vornehme Jugend, die ihn oft nach seinem Landsitze zu be- gleiten pflegte. Bald beschaͤftigte ihn seine Bibliothek, die selten dem Landhause fehlte, bald die Sorge fuͤr das Vaterland, die ihn oft von der stillen Flur in die Unruhen des Senats zuruͤckrief. Muͤde von der ernsthaften Philosophie schoͤpfte er bey der Poesie und Musik neue Erfrischungen. Zuweilen ergoͤtzte ihn das Fischen oder die Jagd, oder das Bad, die ihre Einfluͤsse, die sie zunaͤchst auf den Koͤrper haben, auch uͤber den Geist ausbreiteten. Oft erheiterte ihn der Besuch eines be- nachbarten Freundes und der Abendschmaus in einer froͤlichen Gesellschaft; und selbst Cato war nach dem Bericht des Plutarch fuͤr diese Art des Vergnuͤgens noch em- B 3 pfindlich Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten pfindlich genug. Man lobte an der Tafel vortreffliche Maͤnner, vergaß unter ihrem Lobe alles, was die Welt verdruͤßliches hat, und glaubte des Landlebens nicht wuͤr- diger zu seyn, als sich mit so erheblichen Gedanken und Gespraͤchen, wie einst M. Varro, zu beschaͤftigen. Cicero Orat. Phil. II. Die Lebensart des Plinius Lib. 1. epist. 9. lib. 9. epist. 36. conf. Martial. lib. 4. epigr. 90. auf seinem Landhause, die er uns genau genug beschrieben, enthaͤlt das Muster eines weisen und gluͤcklichen Landlebens, das damals so mancher edle Roͤmer genoß. a. Von den Villen. Die Villen entstanden in den fruͤhern Zeiten, als unter den Roͤmern Laͤnde- reyen zum Anbau vertheilet wurden. Sie brachten ihre Feldfruͤchte dahin. Mit der Einfalt war noch eine gewisse Duͤrftigkeit vereiniget. Keine Pracht, keine Aus- zierung; uͤberall nur Huͤtten fuͤr den Hirten und Saͤemann. Sie pflanzten umher noch nichts zur Ergoͤtzung des Auges oder des Geruchs, sondern nur allein, was un- mittelbaren Vortheil gab. Nachher aber erweiterten sie ihre Villen nicht blos zur Bequemlichkeit, sondern auch zur Groͤße und Pracht. Die schoͤnsten Gegenden wurden ausgewaͤhlt, und mit einer unzaͤhligen Menge von Landhaͤusern der vornehmen roͤmischen Familien bebauet. Setien liebten die Roͤmer der Fruchtbarkeit der Felder, der Jagd, des Fischfangs und des guten Weins wegen. Nicht weniger empfahl sich Albanien durch die Milde des Him- mels und durch den Reiz der Landschaft. Tiburs gesunde, heitre und mit den treff- lichsten Weintrauben bereicherte Huͤgel sind von Dichtern, Geschichtschreibern und Rednern der Alten und der Neuen. Rednern um die Wette gepriesen. Horaz wuͤnschte da seine Tage zu beschließen; Properz, Quintilian, Catull und andere feine Geister waͤhlten hier ihre Land- sitze; und man hielt die Luft fuͤr so gesund, daß Martial sich wunderte, wie Cu- riaz daselbst sterben koͤnnen. Von dem Geraͤusch der Staͤdte entfernt, lag die Ge- gend von Praͤneste in einer angenehmen Kuͤhlung auf ihren Anhoͤhen. Schoͤne Quellen und Wasserleitungen, Kuͤhle und Anmuth, ein Ueberfluß von Fruͤchten und Rosen von der edelsten Art, deren Gebuͤsche uͤberall Wohlgeruͤche aushauchten, cha- rakterisirten diese Landschaft; zur Rechten eine unermeßliche Plaͤne, vorne große Stre- cken von Bergen, die zur Linken mit den Thaͤlern, die sie bildeten, einen reizenden Contrast machten. Wie entzuͤckend war nicht die Lage von Tusculanum. Sanfte Huͤgel und allmaͤhlige Vertiefungen in bestaͤndiger Abwechselung; Ueberfluß aller Fruͤchte in den niedern Gefilden und auf den Anhoͤhen; ein gesunder, milder und im- mer heitrer Himmel; gegen Abend die Aussicht nach Rom, und das tuscische und mittellaͤndische Meer; gegen Morgen die albanischen Berge, die labicanischen und algidensischen Waͤlder; gegen Mitternacht die anmuthigen tiburtinischen und sabinischen Gefilde, und die Anhoͤhen von Praͤneste. Laͤndlicher Reiz und Pracht der Gebaͤude von allen Arten von Marmor waren vereinigt, diese Gegend, besonders in den fruchtbaren Anpflanzungen nach Rom hin, zu verschoͤnern; und die koͤnigli- chen Villen, die uͤberall hervorglaͤnzten, haben ihr, wie die Thaten der Roͤmer ihren Namen, in den alten Schriftstellern eine Ewigkeit des Ruhms erworben. Alle diese Landschaften, so viele anmuthige Anhoͤhen, Vorgebirge, Ufer und Meerbusen wurden mit Landhaͤusern gleichsam besaͤet, daß das engere Land kaum ihre Menge fassen konnte. Sehr viele vornehme Roͤmer hatten mehr als eine Ville; eine groͤ- ßere Anzahl gehoͤrte, so wie die Pracht einer jeden, zu dem oͤffentlichen Ansehen, das man sich geben konnte. — Noch jezt reizt uns das zauberische Bild aller dieser herr- lichen Lustplaͤtze, die ehemals das roͤmische Italien belebten. „Siehe,“ so malt es uns Thomson In dem Gedicht uͤber die Freyheit. wieder vor, „siehe, wie die Villen Froͤlichkeit uͤber die Gefilde aus- breiten und sich in lebendiger Aussicht erheben, hier an dem versteckten Falle von Baͤ- chen, die jezt verloren, und von Stroͤmen, die durch Gesaͤnge beruͤhmt sind; dort im umschlossenen Thale Umbriens, oder auf der Hoͤhe seiner warmen Huͤgel, welche die suͤßduftige Luft athmen; hier an der rebenvollen Kuͤste von Baja, wo ruhige Seen, von sanften Westwinden gefaͤchelt, unaufhoͤrlich das Ufer kuͤssen, und unbe- woͤlkte Sonnen durch die reinste Luft scheinen; dort in der weiten Nachbarschaft von Rom; wie sie weit hinaufglaͤnzen bis an die sabinischen Huͤgel, bis an den brausen- den Anio und Tiburs Olivenschatten; bis hin wo Praͤneste seine Stirne in die Luft hebt; Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten hebt; und wie sie hinabwaͤrts sich bis an das sonnigte Ufer ausbreiten, bis dahin, wo Alba Kuͤhlung aus dem Meere schoͤpft.“ Sowohl aus den Beschreibungen der alten Schriftsteller, als auch aus den neuern Entdeckungen erhellet, daß die Roͤmer wetteiferten, die angenehmsten Lagen fuͤr ihre Villen aufzusuchen. Vornehmlich sind es die Gemaͤlde des Plinius Lib. 2. epist. 17. lib. 5. epist. 6. von seinem Laurentin und Tusci, die fast alles uͤbertreffen, was das Alterthum von dieser Seite ruͤhmt. Die immer abwechselnden Aussichten des ersten bald nach dem Meere, bald nach Waͤldern und fernen Bergen, bald nach anmuthigen Villen um den Strand her, bald nach Wiesen und Heerden hin, machten diesen Sitz zu einem Elysien; und zum Gluͤck ward er von einem Geist bewohnt, der seine Annehmlichkei- ten zu fuͤhlen faͤhig war. Die Zimmer waren mit einer gleichen Aufmerksamkeit fuͤr die Unterhaltung des Auges und des Geistes angelegt. In einigen konnte man sich uͤber den Anblick und das Getoͤse des Meeres ergoͤtzen; in andern, die mehr nach der Mitte der Gaͤrten hin lagen, vernahm man dieses Geraͤusch aus der Ferne, wie ein gelindes Gemurmel; und in noch andern ward man ganz einer tiefen Stille uͤberge- ben. Nicht weniger reizend war die Lage der andern beruͤhmten Ville des Plinius, in der Naͤhe des apeninischen Gebirges. „Man stelle sich,“ schreibt er, „ein Am- phitheater von einer unermeßlichen Ausdehnung vor, dergleichen nur allein die Natur zu bilden vermag. Eine breite und weit ausgestreckte Ebene wird von Bergen um- guͤrtet, deren Gipfel hohe und bejahrte Waͤlder traͤgt. Da kann man bestaͤndig eine mannigfaltige Jagd anstellen; von da senken sich mit dem Abhange des Berges ein- gehauene Hoͤlzungen herab; zwischen ihnen liegen fette erdreiche Huͤgel, die auch den ebensten Feldern nichts an Fruchtbarkeit nachgeben, und worauf eine segenvolle Aerndte zwar spaͤt, aber nichts destoweniger ihre ganze Reife gewinnet. Tiefer unter ihnen herab erscheinen auf allen Seiten Weinberge. Die Wiesen schimmern von den Far- ben der Blumen, und sind voll von Klee und andern zarten Kraͤutern, die von rie- selnden Baͤchen gewaͤssert immer ein frisches Ansehen behalten. Mitten durch die Landschaft ergießt sich die Tiber, die auf ihren Schiffen die Fruͤchte des Landes Rom zufuͤhrt. Aber eine noch groͤßere Wollust gewaͤhrt der Anblick dieser Gegend, wenn man sie von einem Berge betrachtet. Alsdann glaubt man, nicht blos eine natuͤr- liche, sondern eine nach dem hoͤchsten Ideal der Schoͤnheit nachgebildete Landschaft vor sich zu sehen; von einer solchen Mannigfaltigkeit, von einer solchen Anordnung wird das Auge, wohin es sich nur wendet, entzuͤckt. Das Landhaus hat auf dem Abhange eines Huͤgels eine Aussicht, als wenn es auf dem Gipfel laͤge. Die An- hoͤhe erhebt sich so allmaͤhlig und unvermerkt, daß sie beym Hinaufgehen auf eine ange- der Alten und der Neuen. angenehme Art uͤberrascht, indem man, wenn man noch nicht einmal zu steigen glaubt, sie schon erstiegen hat. Hinter sich hat das Landhaus das apeninische Ge- birge, wiewohl noch in einer ziemlichen Entfernung. Von daher koͤmmt an heitern und stillen Tagen eine frische Luft; aber der Wind ist nicht scharf, noch gar zu stark, weil er von der Entfernung des Orts, woher er weht, geschwaͤcht wird.“ Noch weiter malt Plinius die Anmuth dieses Landsitzes aus. Der Kuͤhlung sowohl als der Aussicht wegen baueten die Roͤmer zum Theil ihre Villen nicht blos an den Ufern, sondern oft selbst in das Meer hinein. Nicht des praͤchtigen, aber spaͤtern Landhauses des Diokletian zu Spalatro in Dalma- tien Von den Ruinen dieses Gebaͤudes ist folgendes ein wichtiges Werk: The Ruins of the Palace of the Emperor Diocletian at Spalatro in Dalmatia by R. Adam, fol. London 1764. zu gedenken, so waren die Lusthaͤuser der verschuͤtteten Staͤdte, die nicht auf einer Hoͤhe, wie die zu Pompeji lagen, der Gesundheit und des Vergnuͤgens wegen ins Meer hineingefuͤhrt. Die Ville des Cicero bey Astura Ad Atticum lib. 12. epist. 20. lag im Meer; auch Lucullus Plutarch. in vita Luculli. bauete bey Baja Wohnungen von seinem Landhause bis ins Meer hinein. Dieß ist die Gewohnheit, deren Horaz Lib. 3. od. 1. erwaͤhnt, und die dem Statius Lib. 2. sylv. Veranlassung gab, eine liebliche landschaftliche Abendscene zu malen. Quum iam fessa dies, et in aequora montis opaci Vmbra cadit, vitreoque natant praetoria ponto. Andere vornehme Roͤmer, als Lucullus, Marius, Pompejus, Caͤsar baueten um Baja Villen auf den hoͤchsten Spitzen der Berge, vielleicht aus Stolz, vielleicht der weitern Aussicht wegen, vielleicht um sich dadurch den Vortheil kriegerischer Wachthaͤuser zu verschaffen. Seneca epist. 51. Dieses scheint, als Pracht und Groͤße stiegen, mehr gewoͤhnlich geworden zu seyn. Der weiße Marmor, der besonders in den letzten Zeiten der Republik zu den roͤmischen Landhaͤusern gebraucht ward, mußte ihnen ein sehr lebhaftes Ansehen ge- ben, und in der Ferne von einer schoͤnen Wirkung seyn. Man begnuͤgte sich zuletzt nicht mehr mit den einheimischen Marmorarten; man holte sie aus Griechenland und andern entlegenen Gegenden, und suchte dadurch selbst die Schoͤnheit der Tempel zu uͤbertreffen. Iuvenal. Sat. 14. Wenn I Band. C Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Wenn die Haͤuser in der Stadt gewoͤhnlich nur von zwey Stockwerken waren, so hatten insgemein die Villen nur eine Etage, wiewohl sich bey den neuern Entde- ckungen Ausnahmen gefunden. Winkelmanns Anmerk. uͤber die Bau- kunst der Alten S. 34. Einige neuerlich entdeckte Villen beschreibt er im Sendschrei- ben von den Herkulanischen Entdeckungen S. 27-29. und in den Nachrichten von den Herkulanischen Entdeckungen S. 24. 25. Andere Ruinen von roͤmischen Villen werden in Volkmanns Nachrichten von Italien an ihrem Ort haͤufig angezeigt. Nach dem Bericht des Valerius Maximus Lib. 8. cap. 1. ward indessen M. Aemilius Porcina zu einer Geldstrafe verurtheilt, weil er ein Landhaus in der Nachbarschaft von Rom zu hoch gebauet hatte. Der Kuͤhlung sowohl als der Zierde wegen wurden die innern Waͤnde mit Marmor von mancherley Farben ausgelegt. Selbst in die Zimmer ward springen- des Wasser geleitet. An picturata lucentia marmora vena Mirer? an emissas per cuncta cubilia lymphas? Statius in Tiburt. Manl. Vopis. Die Wohnzimmer waren nach den Jahrszeiten verschieden eingerichtet; und die Speisesaͤle lagen gemeiniglich da, wo man waͤhrend der Tafel die angenehmste Aus- sicht haben konnte. Durch viele Fenster verschaffte man nicht allein den innern Thei- len Heiterkeit und Glanz, sondern lockte auch Waͤrme oder Kuͤhlung herein. Die innern Verzierungen mit Marmor, mosaischer Arbeit, Elfenbein, Gold, Gemaͤlden und Statuen (die aber doch zum Theil Bildnisse beruͤhmter Vorfahren und anderer großen Maͤnner vorstellten, deren Andenken Nacheiferer erwecken konnte,) wurden zu- letzt so haͤufig, daß sie nicht mehr Gegenstaͤnde des Geschmacks und der Anmuth, son- dern einer gesuchten Ueppigkeit waren. Senec. Epist. 86. Stat. 1. 3. sylv. Nahe umher Hallen mit schoͤnen Saͤulen, deren Schoͤnheit von der Laͤnge ver- mehrt ward, und worunter sie bey Regen und Hitze einen bequemen Spaziergang fanden; andere Gaͤnge, einige offen, einige bedeckt, von Baͤumen und Gebuͤsch schattigt. In dem naͤhern und entferntern Bezirk umher Baͤder, Vogelhaͤuser, Thiergaͤrten, Fischteiche und große Wasserbehaͤltnisse, Weinberge, Schattengaͤnge Gaͤrten. — Zuweilen ward selbst die Natur gezwungen, sich dem Geschmack oder Eigensinn zu unterwerfen. Mons erat hic, vbi plana vides; haec lustra fuerunt, Quae nunc tecta subis; vbi nunc nemora ardua cernis, Hic der Alten und der Neuen. Hic nec terra fuit. Domuit possessor et illum Formantem rupes, expugnantemque secuta Gaudet humus. Stat. 2. 2. de Pollii villa. Eine der praͤchtigsten und beruͤhmtesten Villen in den spaͤtern Zeiten war die Ville des Hadrian, die er nach seiner Zuruͤckkunft von seinen weitlaͤuftigen Reisen zu Tibur erbauete, und worin er alles aufstellte, was er an schoͤnen Kunstwerken in Asien und Griechenland aufgefunden hatte. Man erstaunt noch uͤber den Umfang der Ruinen von Gebaͤuden, die mehr eine kleine Stadt als einen Landpalast anzukuͤn- digen scheinen. Indessen zeugen sie noch von dem reinen Geschmack der Architektur, und lassen erkennen, daß die groͤßten Baumeister hier beschaͤftigt gewesen. Theater, weitlaͤuftige Saͤle, Hoͤfe, Baͤder, Wasserdehaͤltnisse, Statuen, Colonaden, Tem- pel — und sodann eine Nachahmung der beruͤhmtesten Oerter Griechenlandes Aelius Spartianus in vita Hadria- ni: Tiburtinam villam mire exaedifica- vit, ita vt in ea et Prouinciarum et lo- corum celeberrima nomina inscriberet: velut Lyceum, Academiam, Prytaneum, Canopum, Poecilen et Tempe vocaret, et vt nihil praetermitteret, etiam inferos finxit. — Der beruͤhmte italiaͤnische Ar- chitekt Ligorio hat davon eine Beschreibung und einen Riß herausgegeben, der sehr fehlerhaft und zu willkuͤhrlich ist. Nach ihm haben verschiedene italiaͤnische Anti- quare und unter ihnen auch der Pater Kir- cher uͤber diese Ville geschrieben, der letzte in seinem Latium, wo zugleich der Plan des Ligorio beygefuͤgt ist. Er hat groͤß- tentheils des Ligorio Beschreibung wieder- holt, weil sie zu seiner Zeit noch nicht be- kannt gemacht war, sondern in dem Ar- chiv des Cardinal Franciscus Barberini aufbewahrt ward. Uebrigens sind alle Abbildungen alter Villen in des P. Kircher Latium fuͤr nichts mehr als fuͤr Werke sei- ner Phantasie zu halten. Haverkamp hat nachher die italiaͤnische Beschreibung des Ligorio mit einer lateinischen Uebersetzung herausgegeben, die sich in Graevii The- sauro Antiqu. et Histor. Ital. Tom. 8. Part. 4. befindet. Ebendaselbst ist auch die Beschreibung dieser Ville von Anto- nius del Ré in Antiqu. Tiburtinis, die hin und wieder den Ligorio zu ergaͤnzen und zu berichtigen sucht, anzutreffen. Der franzoͤs. Architekt Peyre hat ebenfalls einen Plan von dieser Ville aufgenom- men. — Alles ist aber so sehr verfallen, daß es aͤußerst schwer ist, den Zusammen- hang des Ganzen in den Ruinen zu er- kennen. Ueber die Villen der Alten haben uͤbri- gens Antiquare und Architekten schon so oft geschrieben, daß mir, um der Wieder- holung auszubeugen, nur eine kleine Nach- lese und eine Vorstellung aus einem etwas verschiedenen Gesichtspunkte uͤbrig geblie- ben. Die meisten Schriftsteller haben in- dessen diesen Gegenstand blos als Alter- thums- C 2 wett- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten wetteiferten, die Pracht dieser Ville zu erheben, die indessen kaum achtzig Jahre stand, von den folgenden Kaisern ausgepluͤndert und oͤde gelassen ward, bis zuletzt die Gothen die Zerstoͤrung dieses herrlichen Gebaͤudes vollendeten. b. Von thumsforscher untersucht, und sich mehr mit Namen und Lagen beschaͤftigt, als mit dem, was zur Kunst und zum Geschmack gehoͤrt. Ich will von den hieher gehoͤri- gen Werken diejenigen, die ich vor mir liegen habe, anzeigen, und sie in eine ge- wisse Ordnung bringen, nachdem sie bald mehr zur antiquarischen Gelehrsamkeit, bald mehr zur Kunst gehoͤren. Zu der ersten Classe. Corradini vetus Latium 4. Rom. 1705. Tom. 2. lib. 2. cap. 18. 19. lib. 3. cap. 7. von den Villen in dem alten Setien und Circeje. — Vul- pii vetus Latium Tom. 6. Patavii 1734. lib. 10. cap. 3. u. 4. besonders von der Lage des Laurentin des Plinius Tom. 7. Patavii 1736. lib. 12. cap. 6. von den Villen in Albanien. Tom. 8. Rom. 1742. lib. 14. cap. 3. 4. 5. von den Tusculanischen Vil- len, und im 4ten Kap. besonders von den Villen des Lucullus. Tom. 9. Rom. 1743. lib. 16. cap. 9. von den Villen zu Praͤneste. Tom. 10. Rom. 1745. Pars 1. lib. 18. cap. 7. 8. 9. 10. von den Villen zu Tibur. — Antonii del Ré Antiqu. Tiburtinae in Graevii Thes. Antiqu. et Histor. Ital. Tom. 8. Part. 4. Ebendaselbst Matthaei memoriae Historiae Antiqui Tusculi, quod nunc dicitur Frascati. Ebendaselbst Josephi Mariae Suaresii Praeneste antiqu. lib. I. cap. XI. u. XII. Loffredi et Maz- zellae Situs et Antiquitas Puteolorum etc. in Graevii Thes. Tom. 9. Part. 4. Camilli Peregrinii dissertationes de Campania fe- lice in Graevii Thes. Tom. 9. Part. 2. — Georg Greenii de Rusticatione Romano- rum et de villarum antiqu. structura apud eosdem comment. Lips. 1667. Diese Ab- handlung ist in dem 1sten Th. des novi Thesauri Antiqu. Roman. cong. ab A. H. de Sallengre, Hagae Com. 1716. wieder abgedruckt. — Découverte de la Maison de Campagne d’Horace etc. par M. l’Ab- bé Capmartin de Chaupy. 8. Rome 3 Tom. 1767. der Alten und der Neuen. b. Von den Gaͤrten. Von den Villen muß man die Gaͤrten, die oft mit einander verwechselt wer- den, unterscheiden, so wie in spaͤtern Zeiten die Roͤmer selbst zwischen beyden den C 3 Unter- 1767. u. 1769. Nicht blos uͤber die Ville des Horaz, sondern auch uͤber die Lage an- derer Landhaͤuser und Oerter in dem alten Italien und ihre jetzigen Ruinen, werden hier mit vielem Fleiß und antiquarischer Gelehrsamkeit Untersuchungen angestellt, die hin und wieder Berichtigungen anderer Antiquare betreffen. Nur ist der Verfasser zu weitschweifig und zu voll von Neben- dingen. Er behauptet, daß Horaz nur eine Ville gehabt. — Dissertazione so- pra la villa di Orazio Flacco dell’ Abb. Domen. de Sanctis. Rom. 1761. betrifft die Lage. — Dissertazioni due d’una antica villa scoperta sul dosso del Tuscolo, 4. Venez. 1746. Der V. Zuggeri handelt von der Lage des ciceronischen Tusculan, die er gegen Kircher und Vulpi auf einen Berg setzt. — Giusepe Rocco Volpi dis- sertazione intorno alla villa Tiburtina di Manlio Vopisco. (V. nelle Dissertazioni dell’ Acad. Etrusca di Cortona 4. Tom. II. pag. 163-192. Rom. 1738.) — Eben- desselben Commentario della Villa di Man- lio Vopisco in Tivoli. (V. nella Raccolta d’Opuscoli scientif. e filolog. Tom. XXVI. pag. 1-114. Venez. 1742. 12.) — Trinck- husii dissertatio de hortis et villis Cice- ronis 4. Gerae 1673. — Io. Fried. Chri- stii Villaticum 8. Lips. 1746. handelt gele- gentlich von den Villen des Statius. — Auf gewisse Weise kann hieher ein Werk gerechnet werden, das ich vornehm- lich anzeige, weil alle Verzeichnisse seltener Buͤcher es unter den uͤberaus raren anfuͤh- ren, das viele Gelehrte auch nur zu sehen sich vergebens bemuͤhet haͤtten. Hortorum libri triginta. Autore Benedicto Curtio, Symphoriano equite in ecclesia Lugdu- nensi. Lugduni fol. 1560. 683 Seiten. Der Verfasser gesteht selbst, daß er zwar manches aus seiner eigenen Erfahrung ge- sammelt, das Meiste aber aus den Schrift- stellern des Alterthums und seiner Zeit zu- sammengetragen habe. In der That be- steht fast das ganze Werk aus einer bloßen Compilation. Mit vielem Fleiß und Be- lesenheit sind die Stellen der griechischen und roͤmischen Schriftsteller aufgesucht, aber ohne Auswahl, Ordnung und Ver- bindung der Materien hingeworfen. Ei- genes Urtheil findet man selten; auch fehlt fast uͤberall eine bestimmte Anzeige der Quellen. Die physikalischen und oͤkono- mischen Kenntnisse des Verf. gehen nicht viel uͤber die Graͤnzen dieser Wissenschaften bey den Alten. Außerdem ist das Fabel- hafte mit dem Wahren, das Gemeine mit dem Wichtigen, das Unnuͤtze mit dem Nuͤtz- lichen vermischt. Uebrigens ein zusam- sammengetragener Haufe von Wahrheiten, Meynungen und Erfahrungen der Alten uͤber den Landbau, besonders die Baum- zucht, und die verschiedenen Gattungen der Baͤume, Pflanzen, u. s. w. Was in eini- gen Kapiteln von den Gaͤrten der Alten bey- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Unterschied bemerkten, der sich wirklich zwischen ihnen befindet. Columella lib. 2. cap. 3. Plin. Nat. Histor. lib. 19. c. 20. Weil man die Villen aus den Beschreibungen der alten Schriftsteller genauer kennt, als die Gaͤrten, und jene auch mehr als diese auf gewisse bestimmte Regeln gebracht zu seyn schienen: so hat man zuweilen den eigenthuͤmlichen Ruhm der Villen zugleich den Gaͤrten zuge- theilt, und diesen eben so vielen Werth beygelegt. Wenn man die Gaͤrten der Roͤ- mer gelobt hat, so ist es fast immer der Villen wegen geschehen, zu welchen sie ein gewisses Zubehoͤr abgaben. Und es scheint, daß man sie deswegen weniger unter- sucht hat, um sie desto allgemeiner ruͤhmen zu koͤnnen. Aus beygebracht wird, ist blos eine Sammlung von dahin gehoͤrigen Stellen ohne Beur- theilung. — Zur zwoten Classe. Unter den Wer- ken, worin die Villen der Alten mehr von der Seite der Architektur und des Ge- schmacks betrachtet werden, zeichnen sich diese vornehmlich aus. Scamozzi in sei- ner Idea dell’ Architettura universale hat im 12ten Kapitel des 3ten Buchs eine Ab- bildung des plinischen Laurentin gegeben; allein er ist sehr von der Beschreibung des Roͤmers abgewichen, und hat zu sichtbar den Geschmack seines Landes in der Archi- tektur untergeschoben. — Les plans et les descriptions de deux maisons de cam- pagne de Pline. Paris 1699. Londres 1707. 8. In diesem Werk ist Felibien etwas ge- nauer, als Scamozzi, doch ebenfalls von dem Plinius abweichend und noch zu sehr nach dem neuern franzoͤsischen Geschmack abgemessen. — The Villas of the An- cients illustrated by Robert Castell. Lon- don 1728. gr. Fol. Dieses praͤchtig ge- druckte und verzierte Werk enthaͤlt in 3 Abtheilungen eine Uebersetzung der Be- schreibung des Plinius von seinen beyden Villen, Anmerkungen uͤber die Theile und Einrichtungen derselben, Plane und Auf- risse von beyden, und vermischte Betrach- tungen uͤber die Landhaͤuser der Roͤmer uͤberhaupt; aber auch dieser Schriftsteller hat sich in vielen Stuͤcken nicht genau ge- nug an den Roͤmer gehalten, welches schon der beruͤhmte Ioh. Matth. Gesner (Acta Eruditorum Lips. an. 1731. p. 111.) gezeigt hat. — Délices des Maisons de Campagne appellées le Laurentin et la Maison de Toscane. 8. Amsterdam 1736. Es ist das oben angefuͤhrte Werk des Fe- libien; man findet darin die scamozzische Beschreibung mit einer Kritik, Risse und einige aus dem Plinius uͤbersetzte Nach- richten. — Crubsacius wahrscheinlicher Entwurf von des juͤngern Plinius Land- hause und Garten, Laurentin. 8. Leipzig 1760. Dieser Schriftsteller, Oberland- baumeister und Professor zu Dresden, hat sich genau an die Beschreibung des Pli- nius gehalten und seinen Entwurf der Wahrscheinlichkeit am naͤchsten gebracht. Nach einer Uebersetzung der plinischen Be- schreibung erlaͤutert er die verschiedenen Theile der Ville in gruͤndlichen Anmerkun- gen, die hie und da den Felibien widerle- gen und berichtigen. der Alten und der Neuen. Aus der verschiedenen Art, wie die alten Schriftsteller der Villen, und wie sie der Gaͤrten gedenken, laͤßt sich vielleicht ein Beweis fuͤr die groͤßere oder geringere Vollkommenheit derselben annehmen. Es werden nicht allein weit mehr Villen als Gaͤrten, sondern jene auch ausfuͤhrlicher beschrieben, da diese gewoͤhnlich nur eine kurze Anzeige, oder ein nur allgemeines Lob ihrer Fruchtbarkeit oder ihrer Annehmlichkeit er- halten. Wahrscheinlicher Weise hatten, doch wenigstens in den spaͤtern Zeiten, wie Plinius Plin. Nat. Histor. lib. 19. c. 20. und andere nicht undeutlich zu erkennen geben, die meisten Villen ihre Gaͤrten. Es scheint also die Vermuthung, die ich hier wage, sich zu ergeben, daß selbst nach dem Begriff der Roͤmer ihre Gaͤrten verhaͤltnißmaͤßig eine weit geringere Vollkommenheit hatten, als ihre Landhaͤuser. Ohne Zweifel wuͤrden die roͤmischen Schriftsteller, die sonst jede Art des Ruhms und jedes Verdienst ihrer Zeiten und die schoͤnen Kuͤnste so sorg- faͤltig bemerkten, uͤber diesen Punkt mehr gesagt haben, wenn sie davon viel erhebli- ches mehr haͤtten sagen koͤnnen. Und von der Vollkommenheit der einen Kunst bey einer Nation auf die Vollkommenheit der andern zu schließen ist eine Uebereilung, die, nachdem sie schon in Ansehung der Musik der Alten begangen ist, bey der Gar- tenkunst nicht noch einmal begangen werden muß. Die Roͤmer scheinen uͤberhaupt mehr auf das gesehen zu haben, was einen Eindruck der Groͤße und Pracht geben konnte; daher ihre Liebe zu Gebaͤuden, Baͤ- dern, Rennbahnen, Saͤulengaͤngen, Statuen, Wasserbehaͤltnissen, und andern Ge- genstaͤnden, die mehr ins Auge fielen. Und dieser Geschmack konnte sich leichter und geschwinder befriedigen, als der durch ihn schon etwas unterdruͤckte Geschmack an An- pflanzungen, die mehr Zeit und Geduld verlangen. Lucull Varro: Hortos Luculli, cuius vil- la erat in Tusculano, non floribus fru- ctibusque, sed tabulis fuisse insignes. sahe mehr auf die Auszierung durch Gemaͤlde, als auf Blumen und Fruͤchte; und es ist nicht unbe- kannt, wie viele Nachahmung er auch von dieser Seite fand. Man glaubte viel- leicht, sich mit der Fruchtbarkeit des Bodens und mit dem Reiz der Aussichten, wel- che besonders die Villen auf den Anhoͤhen und an den Meerufern hatten, begnuͤgen zu koͤnnen, und der Verschoͤnerung der Gaͤrten weniger Sorge schuldig zu seyn. Und als nachher die Menge der Landhaͤuser uͤberall den Erdboden zu verengen anfieng, mußte es wenigstens in vielen Gegenden an Raum zu ausgedehnten Gaͤrten fehlen. In den Tagen des August waren schon die herrlichsten Villen vorhanden; gleichwohl waren die Gaͤrten noch weit entfernt, einen sichern Anspruch auf Lustgaͤrten zu machen. Virgil Georg. lib. 4. v. 121. nennt blos Endivien, Gurken, Epheu, Baͤrenklau, Myrthen, Narcissen und Rosenstoͤcke als die Gegenstaͤnde in einem Garten. Colu- mella Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten mella merkt ausdruͤcklich an, Praefat. ad carmen de cultu hort. daß der Gartenbau von den aͤltern Roͤmern sehr vernachlaͤßiget worden, und daß er erst zu seiner Zeit in einige Aufnahme gekommen. Er betrat daher eine Bahn, die ihm Virgil offen gelassen; allein die Vorschriften, die er in seinem kleinen Lehrgedicht vortraͤgt, so nuͤtzlich sie sonst seyn moͤgen, betreffen doch nur den oͤkonomischen Gartenbau. Indessen gedenkt er Lib. 10. verschiedener Blu- men, die zur Schoͤnheit der Gaͤrten gerechnet werden, der Violen, Rosen, Lilien, Hyacinthen, Levkojen. Weiter aber sagt Columella von irgend einer Anlage und Einrichtung eines Gartens zur Ergoͤtzung eben so wenig etwas, als andere roͤmische Schriftsteller, die von dem Landbau und von den Villen handeln. Nur allmaͤhlig erst ward Italien mit den edlern Baͤumen, die von da in an- dere Laͤnder von Europa weiter verpflanzt sind, bereichert. Denn aus groͤßtentheils entfernten Gegenden mußten die Roͤmer sie suchen: aus Syrien die Feigen, aus Meden die Citronen, aus Persien die Pfirsiche, aus Africa die Granaten, aus Cypern die Lorbeern, aus Griechenland die Myrthen, aus Epirus die Apricosen und allerley Arten von Aepfeln und Birnen, aus Armenien die Pflaumen, aus Pontus die Kirschen u. s. w. Die Seltenheit sowohl als die natuͤrliche Schoͤnheit dieser Baͤume, mit dem angenehmen Geschmack ihrer Fruͤchte, mußten besonders in der ersten Neuheit die Roͤmer bezaubern und ihnen die Gaͤrten reizend machen, die mit solchen Pflanzungen, und außerdem mit den neuen Blumenarten allmaͤhlig erwei- tert wurden, die sie aus Griechenland, Asien und Africa holten. Indessen sind alle die Anzeigen, die uns von den roͤmischen Gaͤrten uͤbrig ge- blieben sind, so allgemein und unvollstaͤndig, daß wir zwar verschiedene Gegenstaͤnde, nicht aber, worauf es vornehmlich ankoͤmmt, die Kunst ihrer Anordnung, daraus kennen lernen. Noch weniger wuͤrden wir uns einen Begriff von ihnen zu machen im Stande seyn, wenn uns nicht der juͤngere Plinius eine naͤhere Beschreibung von seinen Gaͤrten, obgleich nicht so ausfuͤhrlich als von seinen Landhaͤusern, hinterlassen haͤtte. Epist. 17. lib. 2. Epist. 6. lib. 5. Sein Garten zu Laurentin war mit einem Baumgang eingeschlossen, der hier mit Buchsbaum, dort mit Rosmarin eingefaßt war. An dem innern Umfang des Baumganges lag ein junger und schattigter Weingarten, der einen weichen und zum Gehen bequemen Boden hatte. Den Garten zierten viele Feigen- und Maul- beerbaͤume, weil das Erdreich ihnen mehr, als andern Arten, guͤnstig war. Im Garten lag ein Speisesaal, aus welchem man, wiewohl entfernt von dem Prospect nach dem Meere, nicht weniger eine schoͤne Aussicht genoß. In der weitern Be- schreibung, der Alten und der Neuen. schreibung, worin Plinius vornehmlich der Gebaͤude im Garten und um die Haupt- wohnung her gedenkt, wird noch eines Gartenaltans oder einer Erderhoͤhung erwaͤh- net, die mit wohlriechenden Veilchen bepflanzt war. Etwas genauer hat er den Garten zu Tuscum geschildert, ohne Zweifel, weil er durch die eigene Anlegung des Besitzers, wie ausdruͤcklich bemerkt wird, mehr An- nehmlichkeit fuͤr ihn erhalten zu haben schien. Zu den mancherley Theilen dieses Gartens gehoͤrte ein offener, freyer Platz oder erhabener Gang, der in vielerley Absaͤtze und Gestalten getheilt und mit Buchsbaum umfaßt war. Etwas weiter davon ein sanft abhaͤngender Rasenteppich, auf welchem verschiedene einander entgegengesetzte Figuren von Thieren (der Anfang der Gartentaͤndeley) mit Buchsbaum vorgestellt wurden; der Boden dazwischen war mit schoͤnem Baͤrenklau gezieret. Rings um- her lief ein Spaziergang, von dicken und auf verschiedene Weise beschnittenen gruͤnen Baͤumen eingesaßt. Nach diesem folgte ein Baumgang nach Art eines Rennplatzes, der Buchsbaum von mancherley Form und niedrige geschorne Baͤumchen in sich schloß. Alle diese Scenen waren von einer Mauer umgeben, die mit Buchsbaum bedeckt den Augen entzogen war. In dem Verfolg der Schilderung koͤmmt Plinius bald auf die Gebaͤude, bald auf die uͤbrigen Stuͤcke, die zu dem Gartenplatz gerechnet werden koͤnnen. Zu den ersten gehoͤren vornehmlich die Reitbahn, die Baͤder, der Speise- saal, das Schlafzimmer, wohin weder Sonnenhitze noch Geraͤusch dringen konnte. Von außen schlaͤngelten sich die Ranken des Weinstocks an den Fenstern hinauf, und inwendig war Auszierung von Marmor und Malerey von Voͤgeln, die auf Zweigen saßen, unter welchen eine Quelle rauschte; eine gluͤckliche Ausschmuͤckung eines Gar- tengebaͤudes. In dem uͤbrigen Theil des Gartenplatzes erschienen bald Marmor- baͤnke, die sich zum Ausruhen darboten, bey welchen anmuthige Quellen umher rie- selten, die hie und da hingeleitet das Gruͤne durch Waͤsserung belebten; bald sprin- gendes Wasser oder Fontainen, (oft faͤlschlich fuͤr eine Erfindung der Neuern ausgege- ben,) die sich in marmorne Becken gossen; bald Gaͤnge, die von Buchsbaum durch- schnitten und eingefaßt waren. Außer den Prospecten, die das Innere des Gartens selbst verschaffte, hatte man Aussichten auf Weinberge, Felder, Wiesen, Berge, Waͤlder voll natuͤrlicher Schoͤnheit; Aussichten, die den Aufenthalt im Garten er- goͤtzender machen mußten, ohne daß eben dadurch seine Einrichtung selbst zu einem Muster erhoben werden koͤnnte, wie man unbedaͤchtig vorgegeben hat. Wer selbst untersucht hat, der wird noch immer eingestehen, daß es sehr schwer ist, sich von der Anlage und Verbindung aller Gegenstaͤnde dieses Gartens einen ganz bestimmten Begriff zu machen; wenn man nicht etwa, wie Felibien, nach dem I Band. D Modell, Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Modell, das man sich einmal von einem Garten in den Kopf gesetzt hat, einen roͤ- mischen Garten beurtheilen, und Gestalt und Stelle der Sachen nach Willkuͤhr aͤndern will. III. Gaͤrten der Neuern. A ber dahin ist alle die Herrlichkeit der Villen, die ehemals das roͤmische Italien zierten. Die Zeit, das Erdbeben, das Meer, die Verwuͤstungen der Vulca- nen und der Barbaren haben davon nichts als einige Ruinen uͤbrig gelassen; und von der unzaͤhligen Menge der Landhaͤuser ist nicht ein einziges ganz verschont geblieben. Oede, menschenleer und von einer boͤsen Luft angesteckt, trauren jetzt so viele Gegen- den, wo praͤchtige Villen umher die angenehmsten und fruchtbarsten Landschaften be- schatteten. Wo Lustwaͤlder dufteten, da rauchen jetzt Vulcane; und an eben den Stellen, wo die Luculle in Palaͤsten voll Marmor und Gold die Einkuͤnfte von Pro- vinzen an einem Abend verschmaußten, schmachtet jetzt ein armes Volk in elenden Huͤtten. Mit Empfindungen vermischt von Ehrfurcht, die das Alterthum einfloͤßt, und von Wehmuth, die der Anblick der Zerstoͤrung schoͤner Werke erregt, betrachtet der Reisende die Ueberbleibsel, die hie und da dem Auge begegnen, und zum Theil von den Haͤnden der Unwissenheit verworfen, verbauet und dadurch noch unkenntlicher gemacht sind. Ein Verlust, den alle uͤbriggebliebene Beschreibungen, so verstaͤnd- lich sie ehemals moͤgen gewesen seyn, und selbst so manche nur wahrscheinliche Abbil- dungen nicht ersetzen koͤnnen. Die der Alten und der Neuen. Die Zeiten, die nach dem Ende der roͤmischen Republik folgten, die Gewalt- thaͤtigkeiten verschiedener Kaiser, die Einfaͤlle barbarischer Voͤlker, und die mit un- zaͤhligen Unruhen wieder einreißende Wildheit, unterdruͤckten den Geschmack an dem Landleben, je mehr jetzt die schoͤne Natur und die vormals so angenehmen Landsitze verheert wurden. So viele Verwuͤstungen, die schnell hinter einander in Italien einstuͤrmten, mußten auch diesen reizenden Scenen, wie vielen andern, bald einen voͤlligen Untergang zuziehen. Der Barbar siegte uͤber den Menschen, wie uͤber die Kuͤnste. Die Waffen wurden wieder die vornehmste Beschaͤftigung. Und die Ver- mischung der aberglaͤubischen Gesinnung mit der kriegerischen mußte bald einen Geist ausbreiten, der von der edeln Einfalt und von den reinen Freuden der Natur abfuͤhrte. Die Vermengung so vieler verschiedener Voͤlkerschaften half nicht weniger einen ver- dorbenen Geschmack ausbreiten. Das unbeschuͤtzte Eigenthum ward geraubt und verwuͤstet; und wenn der Feldbau noch einige Cultur empfieng, so war es blos Noth- durft, die dazu trieb. Man fieng an die Gegenden fuͤr die schoͤnsten zu halten, wo ein Kloster sich neben dem andern erhob. Die Baukunst schien sich ein Verdienst der Heiligkeit daraus zu machen, blos Capellen und Kirchen zu errichten. Und wenn sie sich mit andern Gebaͤuden befaßte, so waren es gothische Klumpen von Schloͤssern, mehr zur Vertheidigung, als zur Anmuth, mehr schrecklich als schoͤn, auf steilen Felsen in wilden Gegenden aufgethuͤrmt. Indessen waren bis ins zwoͤlfte Jahrhundert die Moͤnche fast die einzigen, die sich des verlassenen Landbaues annahmen. Ihr Eifer trieb sie zum Theil in einsame Wuͤsten und ungesunde Gegenden, in Waldungen und Gebirge, um der Verfuͤhrung der Zeit auszuweichen und die Sinnlichkeit zu bekaͤmpfen. Hier bebaueten sie so manche Wildniß mit eigenen Haͤnden. Die Fuͤrsten schenkten ihrem Fleiße Laͤnde- reyen, Wohnungen und Knechte. Dieses Verdienst, das Land durch Anbau aus seiner alten Unfruchtbarkeit, worin es unter den Einfaͤllen barbarischer Voͤlker ver- sunken war, heraus zu reißen, erwarben sich besonders die Basilianer und Bene- dictiner in Italien. Auch in Frankreich, in England und Schottland waren die Moͤnche die ersten Verbesserer des Landes. Ohne ihre nuͤtzliche Beschaͤftigung waͤren viele Gegenden, die jetzt tausend Menschen ernaͤhren, Einoͤden, Moraͤste und ein Aufenthalt wilder Thiere geblieben. Allein die Barbarey der Zeit war noch zu maͤchtig, als daß bey dieser Liebe zum Landbau sich zugleich schon ein guter Geschmack an Lustgaͤrten haͤtte erheben koͤn- nen. Diesem naͤherten sich am meisten die spaͤter errichteten Moͤnchsorden, die in D 2 der Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten der Absicht, sich die Wissenschaften zum bequemen Geschaͤft zu machen, die ruhig- sten, heitersten und anmuthigsten Gegenden zum Aufenthalt auswaͤhlten. Mit der allmaͤhligen Wiederherstellung des Friedens, der Vernunft und der Kuͤnste kehrte hin und wieder der Mensch zu sich selbst zuruͤck, und naͤherte sich wieder den unschuldigen Freuden des Landlebens. Die schoͤne Baukunst, die mit der Zu- ruͤckkehr der uͤbrigen Kuͤnste in Italien aus den alten Ruinen gleichsam von neuem geboren ward, fieng nach und nach an sich auch uͤber die Landhaͤuser auszubreiten. Das Land ward wieder mit froher Empfindung bewohnt, und heitrer gieng die Sonne uͤber die Landschaften auf, wo der Mensch sich von neuem gluͤcklich fuͤhlte. 1. Gaͤrten in Italien. Nach so mannichfaltigen Umwaͤlzungen und Verheerungen, wodurch Italien viele Jahrhunderte hindurch entkraͤftet und von seiner alten Schoͤnheit herabgesetzt worden, fieng es endlich wieder an die Erquickungen des Friedens zu genießen. Die Freyheit, zu welcher sich verschiedene Staͤdte wieder erhoben, der Reichthum, den der Handel verschaffte, die Kenntniß und der Edelmuth einiger Paͤbste und Fuͤrsten erweckte allmaͤhlig die Liebe der schoͤnen Kuͤnste, und breitete in den Geistern mehr Heiterkeit, in den Empfindungen mehr Verfeinerung aus. Die schoͤnen Kuͤnste schritten bald einer Vollkommenheit nach der andern entgegen, nachdem sie sich nur erst einmal aus der alten Nacht hervorgearbeitet hatten. Nur blieb bey dieser fast allge- der Alten und der Neuen. allgemeinen Wiedererweckung des Gefuͤhls fuͤr das Schoͤne die Gartenkunst noch lange vergessen. So leicht es, dem Anscheine nach, haͤtte seyn sollen, auf die Spur der wahren Schoͤnheit in den Gaͤrten zu kommen, so lange dauerte es doch, ehe man sie finden konnte. Das Anstaͤndige, Harmonische, Schoͤne war schon in hundert Werken der Malerkunst aufgestellt; und eben die Nationen, die diese Werke geliefert hatten, wußten noch nicht, was sie mit den Gaͤrten anfangen sollten, und uͤberließen sie den albernen Einfaͤllen der Unwissenheit oder einer ungluͤcklichen Verkuͤnstelung. Ja, was diese Bemerkung noch auffallender macht, so waren die vortrefflichsten Landschaft- gemaͤlde vorhanden; viele Kuͤnstler in Italien, den Niederlanden und Frankreich hatten darin das Reizende der Natur, die sie nach ihren schoͤnsten Seiten studirten, in dem ganzen Umfang nachgebildet, den nur die Graͤnzen der Kunst verstatten. Und noch immer dachte man nicht daran, daß der Garten eine Landschaft im Kleinen seyn sollte, abgesondert von der großen Masse einer Provinz, und durch den gefaͤlligen Beystand der Kunst in natuͤrlicher Schoͤnheit erhoben. Addison Anmerkungen uͤber Italien. glaubte, daß die Franzosen die erste Einrichtung ihrer Gaͤrten von den Italienern genommen haͤtten; eine Meynung, fuͤr welche er die Beweise schuldig geblieben ist. Vielmehr koͤnnte man behaupten, daß die Franzosen ihren Geschmack den Italienern zugebracht haben; wenigstens ist so viel gewiß, daß le Note nach Italien gieng, daß er da verschiedene Gaͤrten anlegte, und daß sein Ge- schmack noch jetzt in manchen Gegenden dieses Landes sichtbar ist. Unlaͤugbar ist es inzwischen, daß die Italiener schon vor den Zeiten des le Notre ihre Lustgaͤrten hatten. Der beruͤhmte Montaigne, der gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts in Italien reisete, hat uns eine Nachricht von eini- gen Gaͤrten hinterlassen, die hinlaͤnglich beweiset, wie fehlerhaft sie noch zu einer Zeit waren, wo die groͤßten Genies an der Wiederherstellung der uͤbrigen schoͤnen Kuͤnste arbeiteten. Und diese Gaͤrten fand nicht allein der gute Montaigne sehr schoͤn, son- dern sie waren auch zu der Zeit so beruͤhmt, daß man Schriften und Abbildungen von ihnen hatte. Von diesen Gaͤrten lag einer zu Ba- gnaja, der andere bey Tivoli; der erste gehoͤrte dem Cardinal Gambara, der an- dere dem Cardinal von Ferrare. Ich will nur einige Stellen in der alten drolligen Sprache des Montaigne, die sich hier treff- lich zu dem Gegenstande schickt, anfuͤhren. La musique des orgues, qui est une vraie musique \& d’orgues naturelles, sonans tousiours toutefois une mesme chose, se faict par le moien de l’eau qui tumbe aveq grand D 3 Volkmann Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Volkmann, Nachrichten von Italien, 1ster Band. dessen Urtheil Glauben verdienet, versichert von den jetzigen Gaͤrten der Italiener, daß sie nicht das bedeuten, was sie sich davon einbilden. Die Anlage, sagt er, ist simpler, als die von den franzoͤsischen; man findet aber auch keine solche praͤchtige Alleen, solche hohe Hecken, so viele kleine Cabinette und Abwechselungen darin. Inzwischen gefallen sie vielleicht den meisten Reisenden aus noͤrdlichen Gegenden, besonders wegen der Neuheit der Gewaͤchse, welche man bey uns vergebens sucht; dahin gehoͤren die verschiedenen immer gruͤnenden Baͤume. Die Wasserwerke sind in der That meistens bloße Spielwerke, wenn die Italiener, die nichts bessers kennen, sie gleich fuͤr unverbesserlich halten. Sie bestehen groͤßten- theils aus Fontainen, mit einem niedrigen duͤnnen Strahl, der auf allerley Art ver- aͤndert werden kann, aus kleinen mit wenigem Wasser versehenen Cascaden und der- gleichen Stuͤcken. Gleichwohl zeichnen sich nach der Beschreibung eben dieses Schriftstellers ver- schiedene groͤßere Gaͤrten aus: um Turin die bey den Luftschloͤssern Venerie, Stu- pinigi und Vigne de la Reine; zu Florenz Boboli; zu Rom die Vaticani- schen Gaͤrten, der ausgedehnte Ludovisische Garten, und die bey den Villen Cor- sini und Medicis — die ihre Schoͤnheiten haben von der angenehmen Lage, den abwech- grand violance dans unè cave ronde, voutée, \& agite l’air qui y est, \& le con- treint de gaigner, pour sortir, les tuyaus des orgues \& lui fournit de vent. Un’ autre eau poussant une roue à tout cer- teines dents, faict batre par certein or- dre le clavier des orgues; on y oit aussi le son de Trompetes contrefaict. Ailleurs on oit le chant des oiseaus, qui sont des petites flutes de bronse qu’on voit aus regales, \& randent le son pareil à ce petits pots de terre pleins d’eau que les petits enfants souflent par le bec, cela par artifice pareil aus orgues, \& puis par autres ressorts on faict rémuer un hibou, qui, se presentant sur le haut de la roche, faict soudein cesser cete harmonie, les oiseaus étant effraïés de sa presance, \& puis leur faict encore place. Ailleurs il sort come un bruit de coups de canon; ailleurs un bruit pluis dru \& menu, come des harquebu- sades: cela se faict par une chute d’eau soudeine dans des canaux, \& l’air se tra- vaillant en mesme tamps d’en sortir, enjandre ce bruit. — On voit une py- ramide fort élevée qui jette de l’eau de plusieurs manieres differentes. Autour de la pyramide sont quatre petits lacs; au milieu de chacun est une gondole de pierre, montée par deux arquebusiers, qui, après avoir pompé l’eau, la lancent avec leurs arbalêtes contre la pyramide, \& par un Trompette qui tire aussi de l’eau \&c. Journal du Voyage en Italie. Rome, 1774. 12. Tom. 2. pag. 207. \&c. Tom. 3. pag. 347. u. s. w. der Alten und der Neuen. abwechselnden Durchschnitten, malerischen Prospecten, Alleen, kleinen Lustwaͤldern, Blumenparterren, Rasenstuͤcken, Grotten, Statuen — die zum Theil die Nachah- mung des aͤltern franzoͤsischen Geschmacks verrathen, aber mit noch mehr kleinen Spielwerken angefuͤllt sind. Italien ist indessen voll sowohl von edlen Landhaͤusern, als auch von Vignen, oder kleinen Lusthaͤusern, worin man außer der Stadt freye Luft schoͤpft, und die mit anmuthigen Weingaͤrten umzogen sind. Durch den Geist der beruͤhmtesten Architek- ten, besonders eines Palladio, Scamozzi, haben sich um Turin, Mayland, Vi- cenz, Padua, Florenz, Venedig und Rom Landhaͤuser Abbildungen verschiedener schoͤner Landhaͤuser des venetianischen Adels von Palladio aufgefuͤhrt s. in seiner Architet- tura, und in Sandrats Palatiorum Roman. Pars II. cui accesserunt Andreae Palladii praedia aedesque hortenses in statu Ve- neto exstructae. Fol. Nuͤrnberg 1694. — Plans und Aufrisse von den durch Sca- mozzi theils angelegten, theils verbesserten Villen um Vicenz, Padua und Venedig s. in seiner Idea dell’ Architettura univer- sale. — Die Landhaͤuser der Venetianer an der Brenta sind von dem Architekten und Maler Costa in Kupfer gebracht in dem Werke: Delizie del siume di Brenta, cioè vedute de’ Palazzi e casini, che si vedono lungo la Brenta sino a Padua, disegnate ed incise da Gianfr. Costa etc. fol. Ven. 1750-1756. 2 Theile. — Noch hat man von den toscanischen Villen ein eigenes Werk: Vedute delle Ville e d’al- tri luoghi della Toscana. Fol. Florenz 1757. 50 Blaͤtter. Nur wenige von den hier abgebildeten toscanischen Villen sind in einem reinen Geschmack; die meisten von einer sonderbaren Architektur, mit allerley Verzierungen uͤberladen; einige blos alt- gothische unfoͤrmliche Klumpen. Der Stich ist von verschiedenen Kuͤnstlern und von ungleichem Werth. erhoben, die sich durch die schoͤne Architektur empfehlen, und an die roͤmischen Villen eine angenehme Zu- ruͤckerinnerung erwecken. Die Ufer der Brenta sind uͤberall mit Villen bepflanzt. Nahe vor Florenz bringen die schoͤnen Landhaͤuser, die sehr zahlreich, sehr weiß und hin und wieder unter den angebauten Huͤgeln und gruͤnen Plaͤtzen zerstreuet sind, eine aͤußerst angenehme Wirkung fuͤr das Auge hervor. In vielen Gegenden von Tosca- na prangen uͤberall die Huͤgel mit Villen, die zuweilen mit Lustschloͤssern abwechseln; von den mit Wein, Oel- und Obstbaͤumen bepflanzten Hoͤhen genießen sie sehr reizende Aussichten, und eine reine gesunde Luft. Bey Genua sind die beyden Ufer des Meeres mit praͤchtigen Lusthaͤufern bedeckt. Nicht weniger sind die romantischen Landschaften des Meerbusens von Neapel bis Portici, und selbst verschiedene Striche in Sicilien, mit Villen und Lustgaͤrten verschoͤnert. — Noch einen Blick, ehe wir dieses Land verlassen, muͤssen wir auf den Garten auf der Isola Bella, der beruͤhmtesten unter den Borromaͤischen Inseln werfen, einen Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten einen Garten, dessen Anlage auf einem vormals ganz unfruchtbaren Felsen fast eben so einzig in ihrer Art ist, als die von den babylonischen Gaͤrten. Der Garten Volkmanns Nachrichten von Ita- lien, 1ster B. Eine Abbildung dieser In- sel ist in Keyßlers Reisen, 1ster Theil. Marcus Antonius del Ré, ein meylaͤndi- scher Kupferstecher, hat von der Isola Bella einen großen Kupferstich, und von beyden Inseln acht andere kleinere heraus- gegeben. zeigt sich vom weiten als eine Pyramide, weil er aus zehn Terrassen besteht, die im- mer abnehmen oder spitzer zusammenlaufen. Auf der obersten, die sechzig Ellen uͤber dem Meer erhaben und fuͤnf und vierzig Schritte lang ist, hat man eine herrliche Aussicht. Sie ist mit Quadersteinen gepflastert, auf welchen das Regenwasser in den unten verborgenen Cisternen gesammelt und durch Roͤhren zu den Wasserwerken geleitet wird. An den vier Ecken der obersten und untern Terrassen stehen große steinerne Statuen. Jede der neun untern Terrassen hat einen breiten, mit Citronen, Pomeranzen und andern dergleichen Baͤumen besetzten Spaziergang, woran man das ganze Jahr hindurch Bluͤthen und Fruͤchte sieht. Die Myrthen-Lorbeer- und Pfirschenbaͤume bleiben im Winter frey stehen. Der ganze Garten liegt gegen Mittag. Zu beyden Seiten sind zwey schoͤne Gartenhaͤuser in der Form von Thuͤr- men angebracht, deren untere Zimmer mit dem See in gleicher Linie liegen, und mit schoͤnem rothen und schwarzen Marmor verziert sind. Linker Hand des Gartens be- merkt man einen bedeckten auf steinernen Saͤulen ruhenden Gang, der mit Citronen- baͤumen besetzt ist. Auf der andern Seite koͤmmt man in eine Allee mit fuͤnffach stehenden großen Pomeranzenbaͤumen. Das Wohngebaͤude ist weitlaͤuftig, von guter Architektur und mit vielen Gemaͤlden geziert. Das Angenehmste darin sind die untern Zimmer, woran bestaͤndig die Wellen des Sees spuͤlen. Sie sind als Grotten mit allerley Muschel- und Marmorwerke verziert; in den heißen Tagen des Sommers kann man sich keinen angenehmern Ort gedenken. Aus einer Grotte von baͤurischem Werk steigt man mittelst einer gedoppelten Treppe auf die vorgedachte hohe Terrasse. Hier genießt man eine Aussicht, dergleichen wenig gefunden wird. Auf einer Seite liegen die Alpen, welche sich in dreyfachen Absaͤtzen oder Bergen erheben. Unten sind sie sehr fleißig angebaut, etwas hoͤher mit Waldung besetzt, und oben mit Eiß und Schnee bedeckt. Insonderheit ist der Anblick des Mor- gens, wenn die ersten Stralen von den Eisspitzen zuruͤckprallen, vortrefflich. Auf der andern Seite sieht man uͤber die große Flaͤche des Sees bis an das oͤstliche Ufer, und gegen Norden ein fruchtbares Ufer, das mit Weinbergen, Flecken und kleinen Staͤdten besaͤet ist. Der Anblick des Sees selbst ist nicht weniger schoͤn; außer dem der Alten und der Neuen. dem hellen Wasser und einer Menge von Wasservoͤgeln sieht man den ganzen Tag viele Fischerboͤte und kleine Schiffe, welche die Waaren zwischen der Schweiz und Italien hin und herfuͤhren, darauf herumsegeln. 2. Gaͤrten in der Schweiz. Die Verbindung der Alpen fuͤhrt uns nach der Schweiz. Wenn die Na- tur ein Land gebildet hat, das mit einer erstaunlichen Groͤße und Mannigfaltigkeit heroischer Gegenstaͤnde eine vorzuͤgliche Annehmlichkeit der Aussichten vereinigt, so ist es die Schweiz. Es scheint, daß die Natur hier gleichsam ganz Original seyn wollen, so kuͤhn, so seltsam und auffallend ist ihre malerische Manier; und auswaͤr- tige Landschaftmaler, die diese Gegenden nachbilden wollten, fuͤhlten es bald zum Er- staunen, wie weit der Charakter dieser landschaftlichen Prospecte sich uͤber andere er- hebt. Ich rede nicht von den wilden Gegenden, wo die Natur nichts als ihre Schrecknisse und Schauer gehaͤuft hat, sondern von den milden Strichen, die sich durch eine Sammlung aller landschaftlichen Reize auszeichnen, die von dem Anblick jener fuͤrchterlichen Gebirge entweder entlegen sind, oder nur in der Ferne ihren schim- mernden Gipfel sich erheben und vom aͤußersten Horizont her eine gewisse feyerliche Majestaͤt verbreiten sehen. Die bestaͤndige Abwechselung von Erhoͤhungen und Ver- tiefungen; die Huͤgel, die Berge, die Gebirge, mit ihren Waldungen und Weiden, I Band. E mit Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten mit ihren grauen felsigten Hoͤhen, gebrochenen Absaͤtzen und Wasserfaͤllen, mit ihren Doͤrfern und bebaueten Plaͤtzen; die Seen und Fluͤsse in den Ebenen; die Viehtrif- ten; die einzeln zerstreuten Huͤtten der Freyheit; die groͤßtentheils kuͤhnen Lagen der Staͤdte und alter Schloͤsser; die reizenden Fluren voll Obstbaͤume und Weingaͤrten — alles dieses vereinigt sich, eine so unendliche Mannigfaltigkeit von schoͤnen Prospecten zu bilden, deren sich nur wenige Weltgegenden ruͤhmen koͤnnen. Der Freund des Landlebens hat hier also einen wesentlichen Theil seines Vergnuͤgens, eine Menge zau- berischer Aussichten, die er aus seinem Garten genießen kann, und deren froher Ge- nuß mich ehemals zu einigen Schilderungen derselben belebte. Das Landleben. Vierte Aufl. 8. Leipzig 1776. und Briefe, die Schweiz betreffend. Neue Ausgabe, 8. Leipzig, 1776. Die sanften Ab- haͤnge der Berge bieten ihm die schoͤnsten Lagen fuͤr Landhaͤuser an, und von den Hoͤhen herab eilt ihm das reinste Wasser freywillig entgegen. Weil die Natur sich so mild gegen die Schweizer beweiset, so folgen sie auch ihrem Wink. Ihre Gaͤrten sind fast durchgehends Schauplaͤtze wahrer natuͤrlicher Schoͤnheiten, entfernt von leeren Zierrathen und kleinen Kuͤnsteleyen. Ausgedehnte Aussichten, die schoͤnsten Wiesen in der Naͤhe rings umher, viel springendes Gewaͤsser, Fruchtbaͤume, Weinreben, zuweilen ein Blumenbeet, erhoͤhete Rasensitze, von wel- chen das Auge frey in die umherliegende Gegend schweifen kann, einige schattigte Lauben, nur sehr selten eine Statue. — Indem Natur und Fleiß die Landschaft umher zu verschoͤnern wetteifern, so begnuͤgt man sich mit dem Genuß dieser Reizun- gen, und verachtet die eiteln Bemuͤhungen, den Gartenplatz mit Taͤndeleyen zu fuͤllen. In ihren Landhaͤusern ist keine Pracht, nur Bequemlichkeit; sie empfehlen sich mehr durch die gesunde und herrliche Lage, als durch die Architektur. Und wie viele reizende Gegenden dieses Landes sind nicht mit Landhaͤusern und Gaͤrten bebauet! Die beyden Ufer des Zuͤrcher Sees, dessen Schoͤnheit nur ein Geßner in der Idylle, nur ein Aberli im Gemaͤlde nachbilden kann, sind zwischen einer Menge reicher Doͤrfer mit Landguͤtern und Lustgaͤrten bepflanzt. Hinter ihnen erhebt sich ein langes Gebirge voll der fruchtbarsten Weinstoͤcke; noch hoͤher erscheinen Felder und Wiesen in der anmuthigsten Abwechselung, und Tannenwaͤlder schließen den dunklern Gesichtskreis. Nicht weniger ist die Gegend um den Genfersee mit Landhaͤusern besaͤet, die sich unter so mancherley schoͤnen Aussichten mit einem male- rischen Reiz heben, und in der Ferne auf das Auge des Reisenden eine bezaubernde Wirkung thun. Wohin sich der Blick wendet, wird er durch die Aussicht entzuͤcket, bald nach dem praͤchtigen See hin und den Segeln, die ihn beleben, bald nach den Lustgefilden, Weinbergen, Wiesen, Waͤldchen, Hirtenhuͤtten, die seine Ufer um- zingeln, der Alten und der Neuen. zingeln, bald nach dem Amphitheater grauer Gebirge, die an der einen Seite sich mit den Wolken vergesellschaften. Ich uͤbergehe die Gegend von Murten bis Lau- sanne, den Strich von Biel, die Ufer des Neufchateler Sees — die voll von Landhaͤusern sind mitten unter den sanften Reizungen, womit der Himmel je eine Landschaft beseligte. Auch verstehen sich die Schweizer in diesen zauberischen Gefilden sehr gut auf die Vortheile des Landlebens. Im Sommer sind fast alle Staͤdte leer. Wer auch nur ein mittelmaͤßiges Vermoͤgen hat, wendet es auf den Ankauf eines Landgutes oder Sommerhauses, und bringt da mit seiner Familie die schoͤnen Monate des Jah- res zu, bis die Weinlese mit den ihr eigenen Lustbarkeiten geendigt ist. 3. Gaͤrten in Frankreich. Der Nationalgeschmack der Franzosen, der nach Taͤndeley und Schimmer hascht, hat die Neigung zum Landleben fast ganz bey der Nation vertilgt. Auch giebt die elende Bebauung der Felder fast in allen Provinzen, und die Unterdruͤckung, die Armuth, der Schmuz, worin der Landmann lebt, wenig Anlockung. Die Ge- winnsucht versammelt die Menschen in den Staͤdten; Galanterie und Vergnuͤgen der Gesellschaft beschaͤftigen die vornehmern Familien; und die von der ersten Classe sind im bestaͤndigen Gedraͤnge, um an den Hof zu kommen, und da die Eitelkeiten der Ehrsucht zu befriedigen. Der Schimmer des Hofes ist fuͤr das Auge der Nation so blendend, daß ein Minister fast kein groͤßeres Ungluͤck zu kennen scheint, als wenn E 2 ihm Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten ihm die Veraͤnderlichkeit des Cabinets Gelegenheit giebt, auf sein vaͤterliches Land- gut zuruͤckzukehren. Die Franzosen haben daher in Vergleichung mit den Nationen, die auf eben der Stufe der Cultur stehen, nicht gar viel erhebliche Landhaͤuser und Gaͤrten. Denn die beruͤhmten Gaͤrten zu Versailles, Marly, Fontainebleau u. s. w. sind Gaͤrten des Koͤnigs, nicht der Nation. Die Beschreibungen dieser Gaͤrten sind mit den Abbildungen so haͤufig geworden, daß man es nicht mehr wagen darf, noch eine da- von zu wiederholen. Einige der vornehmsten sind diese. Description de Paris, de Versailles, de Marly, de Meudon, de St. Cloud, de Fontainebleau \&c. par Piganiol de la For- ce. Paris 1736. 1742. 8 Vol. in 12. — Les Délices de Versailles, de Trianon \& de Marly par Edelinck. Paris 1713. in 12. 1751. in 8. 2 Vol. — Nouvelle Description de Versailles \& de Marly in 8. Paris 1738. — Man hat außerdem von Versailles eine Beschreibung mit Kupf. von Monicart in 2 Th. 4. Paris 1720. und viele Plane und perspectivische Aus- sichten von lè Potre, Perelle, Menaut, La- monce, Sallé, Girard u. s. w. — Die Statuen, Fontainen, Grotten u. s. w. sind einzeln ebenfalls oft beschrieben, wohin unter andern gehoͤrt: Recueil des Figures, Groupes, Termes, Fontaines, Vases, Sta- tues \& autres ornemens de Versailles, gravé par Sim. Thomassin. IV Tom. Am- sterd. 4. 1695. mit 218 Kupf. — Archi- tecture des Jardins, kl. Fol. Paris 1762. mit 70 Blaͤttern. — Auch findet man Ab- bildungen von franzoͤstschen Lustschloͤssern und Gaͤrten in großer Anzahl in Mallets Geometrie practique, gr. 8. 4 Tom. Paris 1702. vornehmlich im ersten Theil. Ehe Ludwig der Vierzehnte erschien, waren freylich die Gaͤrten in Frank- reich ein bloßer Sammelplatz von Baͤumen, Blumen, Rasen und Wasser, mit so wenig Geschmack und Absicht, daß nach der Aussage der Franzosen nichts wilder und nachlaͤßiger war. Und doch waren wohl diese Gaͤrten, worin vielleicht nur der Geist der Anordnung fehlte, mehr der Natur gemaͤß, als die, welche nachher mit so ungeheuern Kosten und unter einem so rauschenden Beyfall angelegt wurden. Man sah in den koͤniglichen Gaͤrten zu Versailles, Marly, St. Germain, Chantilly, Meudon und andern zierlich gezirkelte Blumenbeete, Terrassen, Fontainen, große Wasserkuͤnste, hohe Hecken, Gitterwerke, Labyrinthe, Grotten, Statuen, geschnitz- te Arbeit; alle diese Scenen sah man entstehen, und unter ihrem Pomp und Ueber- fluß zugleich die Natur verschwinden. Es mochten Schoͤnheiten fuͤr den fluͤchtigen Begaffer seyn: aber nach den Grundsaͤtzen einer aͤchten Gartenkunst waren es uͤber- triebene, und zum Theil uͤbel angebrachte Kuͤnsteleyen; es mochte Empfindung darin seyn, aber eine falsche; Genie, aber ein solches, das aus Mangel einer gluͤcklichern Richtung der Alten und der Neuen. Richtung seine Kraft verschwendete. Nicht die Weitlaͤuftigkeit und die Pracht, die in diesen Gaͤrten herrscht, auch nicht die haͤufigen Geldversprechungen, die der ent- zuͤckte Ludwig mit jedem Augenblicke wiederholte, worin er die Entwuͤrse des le Notre naͤher faßte, beweisen, daß die Kunst hier ein Vorrecht hatte, das Natuͤrliche zu verdraͤngen. Die Bemerkung, die Home Grundsaͤtze der Kritik, 2ter Th. daruͤber macht, ist fast beschaͤmend. „Man sollte glauben,“ sagt er, „die Natur waͤre zu geringe gehalten worden, in den Werken eines großen Monarchen nachgeahmt zu werden, und daß man daher unna- tuͤrlichen Dingen den Vorzug gegeben, die man vermuthlich fuͤr wunderbar angesehen hat.“ Der groͤßte Misbrauch, den man von der Kunst gemacht, war gewiß der, da sie Gegenstaͤnde der Natur unter gewisse Regeln zwingen wollte, die sich am we- nigsten auf sie anwenden lassen. Selbst Schriftsteller, Aus Hunderten nur z. B. Pluche im Spectacle de la nature, das so allge- mein gelesen worden; die Verfasser der Ar- tikel in der Encyclopédie, welche die Gar- tenkunst betreffen; d’Argenville in seiner Theorie \& la practique du Jardinage, où l’on traite à fond des beaux jardins \&c. 4. 3me Edit. à la Haye 1739. mit vielen Kupfern. Die Vorschriften des d’Argen- ville sind etwas mehr uͤberlegt und hin und wieder durch Lectuͤre mehr aufgeklaͤrt, als man sie bey andern Schriftstellern fin- det, aber fast durchgehends von den fran- zoͤsischen Gaͤrten, die er fuͤr Muster hielt, abgezogen. Wer den aͤltern franzoͤsischen Gartengeschmack unter gewisse Regeln ge- bracht sehen will, der kann hier befriedigt werden. Auch gehoͤren hieher fast alle aͤl- tern Architekturlehrer, und unter ihnen selbst der so sehr gepriesene Blondel in seinem Werk: de la Distribution des Maisons de Plaisance \&c. 4. 2 Tom. Paris 1737-1738. in den Kapiteln, wo von der Auszierung der Gaͤrten die Rede ist. durch Gewohnheit und Vorurtheil verleitet, vergaßen sich so weit, daß sie diesen Geschmack oͤffentlich zu em- pfehlen und ihn zu einem allgemeinen Gesetz zu erheben suchten. Andere erroͤtheten nicht vor nicht gar langer Zeit, es noch als einen Ruhm anzufuͤhren, daß diese ge- zierte Gartenkunst vor allen schoͤnen Kuͤnsten in ihrem Vaterlande das besondere Gluͤck gehabt, daß sie bisher noch nicht ausgeartet sey, das ist, sich nicht verbessert habe. Man hat bey der Anlage einiger Gaͤrten des Koͤnigs von Frankreich allerdings Wunder gethan, aber solche, die bey den freywilligen Wirkungen der Natur in an- dern Gegenden uͤberfluͤßig waren, und deren Absicht auf einem ganz andern Wege haͤtte wirklich erreicht werden koͤnnen. Erstaunen und Bewunderung im Anfang, bald darauf Langeweile, und dann Ekel, dies ist die Wirkung, die selbst die beruͤhm- ten Gaͤrten von Versailles haben, denen uͤbrigens schon mehr als ein Vorwurf ge- macht worden ist. E 3 Indessen Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Indessen hatte das Ansehen dieser Gaͤrten, verstaͤrkt durch den allgemeinen Ruhm des franzoͤsischen Witzes, den Erfolg, daß dieser Geschmack in der Garten- kunst sich weiter ausbreitete, oder sich doch bey einigen Nationen mehr befestigte. Das Vorurtheil, daß nichts schoͤner sey, als was unter dem vergoͤtterten Ludwig ausge- fuͤhret worden, fesselte nicht blos den Franzosen, es band auch den Auslaͤnder. Die Regelmaͤßigkeit ward uͤberall Mode, aber zugleich desto ekelhafter, je mehr sie von Groͤße und Pracht verlassen ward, die man vergebens mit hundert neuen kleinen Kuͤnsteleyen zu ersetzen suchte. Haͤtte man sich fruͤher bemuͤhet, mehr eine Untersuchung des Charakters solcher Gaͤrten anzustellen, als uͤbertriebene Lobspruͤche zu verschwenden; waͤre man dabey be- dachtsam genug gewesen, nicht jede Kuͤnsteley fuͤr Schoͤnheit auszugeben: so wuͤrden sie vielleicht, zwar nicht als allgemeine Muster, aber als eine besondere Gattung sym- metrischer und ausgezierter Gaͤrten, sich in einiger Achtung erhalten haben. Allein das uͤbermaͤßige Geschrey blinder Bewunderer, die Dinge fuͤr die einzigen und wah- ren Gartenschoͤnheiten ansahen, die es nicht waren, mußte um so mehr den Wider- spruch der Kenner rege machen, je mehr der natuͤrliche Geschmack der Britten sich auszubreiten anfieng. Es ist kein leerer Tadel, was schon Laugier Essai sur l’Architecture. Paris 1753. S. 276. seq. und andere Maͤnner gesagt haben; sondern es sind gegruͤndete Einwuͤrfe, die jeder machen mußte, der von solchen Dingen zu urtheilen faͤhig war. In unsern Tagen scheint die Aufklaͤrung uͤber die Gartenkunst sich aus Eng- land nach Frankreich verbreitet zu haben. Man hat einsehen gelernt, daß diese Kunst, wenn sie zu ihrer wahren Wuͤrde erhoben werden sollte, so wenig als irgend eine der andern schoͤnen Kuͤnste, das Unschickliche, das Einfoͤrmige, das Gezierte vertrage, und daß sie von einem sichern Gefuͤhl des Schoͤnen und von einer gesunden Urtheilskraft geleitet werden muͤsse. Man hat gesehen, wie Beobachtungen der Em- pfindung und die Kritik des Schoͤnen auch auf diese Kunst sich anwenden ließen; und man mußte dabey leicht wahrnehmen, daß eine nachlaͤßigere Einrichtung weit mehr gefaͤllt, als eine aͤngstlich ausstudirte Genauigkeit, daß aus dem Mangel der Freyheit und Mannigfaltigkeit Ekel und Ermuͤdung entsteht, daß unverschlossene und anmu- thige Aussichten, Abwechselung der Scenen und selbst eine gewisse Wildniß den sorg- faͤltigsten Abmessungen und der puͤnktlichsten Regelmaͤßigkeit unendlich weit vorzuzie- hen sind, kurz, daß das durch die bescheidene Kunst verschoͤnerte Natuͤrliche allein das Vorrecht behaͤlt, einen wahren angenehmen Eindruck zu machen, und selbst den Ver- stand zu ergoͤtzen. Die der Alten und der Neuen. Die witzigen Scribenten der Nation fangen an, uͤber die alte symmetrische Ma- nier zu spotten; die Enthusiasten erheben bis zur Ausschweifung den eingebildeten Ge- schmack der Chineser; die Kenner suchen auf dem Wege des Britten und der Na- tur die wahren Grundsaͤtze auf, denen die Bildung schoͤnerer Gaͤrten, als ihre Vor- fahren hatten, folgen muß. Man beschaͤftigt sich jetzt, neue Gaͤrten in einem rei- nern Geschmack anzulegen, oder die alten zu verbessern. Ein Vertrauter der schoͤnen Kuͤnste, ein Mann, der mit dem Geschmack und der Philosophie, womit er schreibt, auch seine Tage zu verschoͤnern weiß, hat uns eine so angenehme Beschreibung seines Gartens gegeben, daß der Liebhaber sich ohne Zweifel freuen wird, sie hier wieder zu finden. Er ist fuͤr die Nation ein Muster eines bescheidenen und laͤndlichrei- zenden Gartens. Und hier wuͤrde der Genuß eines schoͤnen Fruͤhlingstages in dem Umgang seines Besitzers mich mehr befriedigen, als alle Herrlichkeit und Feste von Versailles. Garten des Herrn Watelet bey Paris. Essai sur les Jardins par M. Watelet. Paris 8. 1774. S. 138. u. s. w. An einen Freund. Eine Stunde von der Stadt gegen Abend bewaͤssert der Fluß angenehme Wie- sen; und indem er sich in mehrere Arme theilt, bildet er eine Menge Inseln, die von dichten Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten dichten Weiden und hohen Pappeln beschattet werden. Die Ufer dieser sich schlaͤn- gelnden Canaͤle sind uͤberall schattigt, und das frische Wasser erhaͤlt sie bestaͤndig gruͤn. Malerische Ansichten, Landschaften, mit Doͤrfern und Schloͤssern geziert, schmeicheln von allen Seiten dem Auge. Auf einem Platze von nicht großem Um- fange bringen die Mannigfaltigkeit und Unregelmaͤßigkeit des Grundes, die Kruͤm- mungen der Baͤche, die unabgemessene Stellung der Baͤume, Abhaͤnge, Inseln, dahin fuͤhrende Daͤmme eine so angenehme Abwechselung hervor, daß man aus dem kleinen Bezirke, worin man sich befindet, nicht herauszutreten wuͤnscht, und man sie- het sich durch eine Hecke von Weißdorn und durch die Ufer verschiedener Canaͤle mehr zuruͤckgehalten, als eingeschlossen. Diese ungemeine Gegend war lange vernachlaͤßigt worden. Die Schoͤnhei- ten, deren sie faͤhig war, waren nur in der Moͤglichkeit, sie wirklich zu machen, vor- handen, als ich vor ungefaͤhr zwanzig Jahren an einem Fruͤhlingstage diese reizende Lage entdeckte. Ich ließ mich uͤber den Fluß setzen, um in die Stadt zuruͤckzukeh- ren; ich war auf der Faͤhre ohne Bewegung, beschaͤftigt mit meinen Freunden und mit den Kuͤnsten; zwey Gedanken, die mir so suͤß sind, daß ich ihnen, wie Sie wissen, das Recht zugestanden habe, uͤber alle andere zu herrschen. Ich ließ meine Blicke umherschweifen. Das Gebuͤsche, das ich eben jetzt zu schildern versucht habe, zog sie auf sich. Es bot mir auf eine halbe Viertelmeile weit eine zu angenehme Ansicht dar, als daß ich nicht haͤtte verlangen sollen, sie vollkommener zu genießen. Eine Wiese, Wasser, schattigte Buͤsche! Hier, sagte ich zu mir selbst, hier sollte man, fern von dem ermuͤdenden und unfruchtbaren Getuͤmmel der großen Gesellschaften, fern von der so kindischen und so traurigen Unruhe der Menschen, die vergebens das Gluͤck suchen, von dem sie sich entfernen, hier sollte man in Ruhe sowohl die An- nehmlichkeiten der Wissenschaften genießen, als auch die Schoͤnheiten der Natur. Ich widerstand diesem Eindrucke nicht. Kaum war ich ans Land, als ich meine Schritte nach einem Orte richtete, der durch die Wirkung einer geheimen Sym- pathie mich zu sich lockte. Ich gieng auf einem kleinen Wege uͤber eine blumenreiche Wiese an den Ufern des Flusses hin, die nicht jaͤhe, sondern bis an die Oberflaͤche des Wassers sanft abhaͤngig sind. Ich kam auf einen mit Linden besetzten Weg. Inseln, von alten Weiden beschattet, stellten sich meinem Anblicke dar; eine kleine laͤndliche Wohnung brachte vor meinen Augen die Ideen, die ich mir gebildet hatte, zur Wirklichkeit. Diese Wohnung, die sich an der Seite der Wiese erhob, hatte so viel Simplicitaͤt, daß sie einem Pfarrhause glich. Nahe am Hause bildet ein Quincunx von großen Pappeln und Linden eine Decke, welche die Sonne mit ihren heißesten Stralen nicht durchdringen kann. Dieser schattigte Aufenthalt erstreckt sich der Alten und der Neuen. sich bis an das Ufer eines natuͤrlichen Canals, der von Inseln und kleinen halb durch- gerissenen Daͤmmen gebildet wird, wo der Lauf des Wassers, das sich bricht und im Entfliehen aufbrauset, den Landschaftern interessante Zufaͤlligkeiten darstellet. Am Hause gegen die bunte Wiese zu, auf welcher es wie auf einem praͤchtigen Teppiche steht, war ein kleiner Fruchtgarten, und auf der Seite des Flusses stellten vier Reihen Linden, die sonst vernachlaͤßigt wurden, aber vielen Schatten gaben, eine Art von zierlichem Zugang vor, wovon bisher kein Gebrauch gemacht war. Zwischen Mit- tag und Abend oͤffneten sich meinem Auge die weitesten und schoͤnsten Aussichten. Der Fluß geht an der Wiese, die er bewaͤssert, zwo oder drey Meilen fort, und verliert sich zuletzt nach den fruchtbaren Huͤgeln zu, die den Horizont schließen. Nicht weit von dem andern Ufer liegt ein Dorf, das durch eine hin- und wie- der gehende Faͤhre belebt ist; weiter hin verschoͤnern noch andere Doͤrfer und kleine Marktflecken die Scene; und diese abwechselnde Gegenstaͤnde fuͤhren das Auge bis zu den entferntesten Bergen, uͤber welche eine Wasserleitung geht. Auf der Mit- tagsseite bringen sehr betraͤchtliche Flecken andere Abwechselungen hervor, und die ganze weite Gegend, die sich umher zeigt, ist durch alle Arten von Cultur und durch Fruchtbaͤume verschoͤnert. Ueber diese Ebene erhebt sich in der Entfernung ein kleiner einzeln stehender Berg, der die Einfoͤrmigkeit des Auftritts unterbricht. Wenn man, das Haus im Gesicht, nach Morgen seine Blicke wendet, so sieht man uͤber das Thal hin einen kleinen mit Wein bepflanzten Huͤgel, der ein nicht un- angenehmes Amphitheater darstellt. Auf diesem Huͤgel liegt ein Dorf, das einige wohlgebauete Haͤuser mit abhaͤngigen Gaͤrten hat, die sich ins Thal herunterziehen und den Blick laͤngst der Wiese hinleiten. Die Aussicht wird durch entfernte An- hoͤhen begraͤnzt, uͤber welche noch hoͤhere Berge hervorragen und den Horizont schließen. Auf der andern Seite des Canals erregten verschiedene Inseln, die damals unbe- bauet und von dieser kleinen Laͤnderey unabhaͤngig waren, das Verlangen, noch weiter spazieren zu gehen und Ansichten zu suchen, die den beschriebenen gleich waͤren. Gegen Mitternacht liegt eine von Bergen eingeschlossene und mit Kirschbaͤumen und Feigenbaͤumen umgebene kleine Stadt, welche mit der weit ausgedehnten Flaͤche des Wassers und den artigen mit Baͤumen bekraͤnzten Wohnungen eine der schoͤnsten Ansichten dieser reizenden Einoͤde bildet. Eine so gluͤckliche Entdeckung blieb nicht ungenuͤtzt. Davon entzuͤckt zu wer- den, der Entschluß, den Genuß davon mit Freunden zu theilen, sie dahin zu fuͤhren, ihnen die empfangenen Eindruͤcke mitzutheilen, mit ihnen davon Besitzer und Bewoh- ner zu werden: alles dieses war das Werk einer kurzen Zeit. I Band. F Bald Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Bald wußten die angenehmsten Kuͤnste der Wohnung einige ihr mangelnde Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten zu geben, ohne der Simplicitaͤt, die sich so- wohl mit der Natur vertraͤgt, Eintrag zu thun. Sie schmuͤckten ohne Pracht das Auswendige und Inwendige. Ein Kuͤnstler, der durch die groͤßten Unternehmun- gen in der Malerey beruͤhmt ist, ward ein Architekt aus Freundschaft, wie die Liebe ehemals einen Maler bildete. Mit einem Worte, die Talente, deren Anwendung den Werth der natuͤrlichen Schoͤnheiten sowohl kennen lehrt, und die Empfindungen, die den Genuß davon so angenehm machen, vereinigten sich unser Werk zu vollenden. Konnte wohl die Natur Bemuͤhungen, die sie ehren, widerstreben? Ohne Zweifel nicht. Auch sind die schattichten Gebuͤsche und Straͤuche hoͤher gewachsen, und haben sich bis zum Beneiden vervielfaͤltigt. Auf den vortheilhaftesten Seiten haben sich Aussichten entwickelt; es sind Bruͤcken angelegt, wovon einige, auf den am Ufer befindlichen Baͤumen erhoͤhet, uͤber die Inseln und an den Canaͤlen zu weiten Spaziergaͤngen fuͤhren. Andere, die tiefer gerade uͤber dem Wasser auf kleinen Fahr- zeugen liegen, werden mit Blumen aller Jahrszeiten ausgeschmuͤckt. Gaͤnge, die von Pappeln beschattet werden, kruͤmmen sich an den Ufern dahin, und bilden, in- dem sie sich mit den Bruͤcken, den Daͤmmen und kleinern Wegen vereinigen, die Einfassung dieses angenehmen Aufenthalts. Mit Wahl angebrachte Cabinets die- nen zu noͤthigen Bedeckungen, und bieten Gemaͤlde dar, welche die Blicke aufhalten und fesseln; und am Wasser sind auf allen Seiten Sitze und hervorspringende Lauben angebracht, um die Kuͤhlung besser zu genießen. Ein Kaffeesaal hat seinen Platz im Schatten alter Baͤume gefunden, die an das Haus stoßen. Hier findet man in dem Stamm desjenigen, der seinen Gipfel am hoͤchsten in die Luft ausstreckt, folgende Worte eingegraben, die zum Theil aus einem der liebenswuͤrdigsten Dichter ent- lehnt sind. Antiques peupliers, l’honneur de nos bocages, Ne portez point envie aux cedres orgueilleux. Leur sort est d’embellir les lambris des faux sages; Le vôtre est d’ombrager l’asyle des heureux. Eine Menagerie in der Nachbarschaft des Kaffeesaals verbindet mit dem Nutzbaren Mannigfaltigkeit, und theilt dem Hauptgemaͤlde Bewegung mit. Auf einer mit dem frischesten Rasen geschmuͤckten Halbinsel befinden sich Schafe, welche die Land- schaft beleben; und in einem Lustgange von großen Linden, den ein Bach begraͤnzet, liefert ein wohlversehener Stall dem benachbarten reinlichen Milchhause einen Theil der Schaͤtze und der suͤßen Kost des Landes. Es der Alten und der Neuen. Es waͤre noch uͤbrig, Ihnen einige besondere Theile unserer Spaziergaͤnge be- kannt zu machen und einige Aufschriften mitzutheilen, die sich an malerischen Plaͤtzen befinden, wo man am gewoͤhnlichsten verweilt. Aber muß ich nicht befuͤrchten, daß die Strenge Ihres Geschmacks nicht zuletzt uͤber die Nachsicht Ihrer Freundschaft die Oberhand behalten werde? Einige Worte sind hier auf die Gegend eingerichtet, wie man gefallenden Melodien Worte unterzulegen pflegt. Ohne die Gegend verlieren die erstern, wie die letztern ohne die Melodie. Indessen, wenn die Freundschaft sich an einzelnen Beschreibungen ergoͤtzt, und wenn die Einbildungskraft, die in Ihrem Geiste alles, was ein Recht auf Ihr Herz hat, zur Wirklichkeit bringt, Sie an diesen Ort versetzet hat, wo wir Sie zu besitzen wuͤnschen: so darf ich es wagen, Sie in einige von den Plaͤtzen zu fuͤhren, wo wir uns mit unsern Hamadryaden unterhalten. Hier stehet eine alte Weide mitten auf einem schattigten Wege, der an dem sich schlaͤngelnden Canale hingeht. Dieser Baum hat das Ansehen, daß er mehr als eine Veraͤnderung der Bewohner dieses Ufers erlebt hat. Sein knotigter Stamm ist noch mit Zweigen und Laub gekroͤnt. In der Hoͤhe, nach welcher sich natuͤrlicher Weise die Blicke richten, ruft eine Art von Mund die Idee der Orakel zuruͤck, die sich ehemals hoͤren ließen, ohne Zweifel um den Menschen den Rath zu ertheilen, den sie so oft noͤthig haben. Sie reden zu unserer Zeit nicht mehr: aber an diesem Ort schreiben sie noch; und hier sind die Worte, welche die Hamadryade an diejeni- gen, die vor ihrer Wohnung voruͤbergehen, zu richten scheint. Vivez pour peu d’amis; occupez peu d’espace; Faites du bien surtout; formez peu de projets. Vos jours seront heureux; \& si ce bonheur passe, Il ne vous laissera ni remords, ni regrets. In einiger Entfernung von dieser alten Weide befindet sich eine Art eines Ca- binets, das von dem Ufer uͤber das Wasser hervorspringt; es ruhet auf einem darun- ter befindlichen Baume, dessen ausgebreitete Zweige Anlaß gegeben haben, einen bequemen Sitz daraus zu bilden. Man ist da mit Aesten umgeben, die den Baum bekraͤnzen, von allen Seiten zum Gelaͤnder diener, und nichts frey lassen, als den zum Sitzen noͤthigen Raum. Nichts ist so sehr fuͤr das Nachdenken eingerichtet, als dieser Aufenthalt, wo das gleichsam verhuͤllte Gesicht dennoch durch das Laub dringt, wo man die Bewegung der Gewaͤsser erblickt, und wo ihr Geraͤusch hoͤrbar genug ist, um zum stillen Nachdenken einzuladen. Auf beyden Seiten des Sitzes scheinen die Zweige sich einander zu naͤhern, damit man das lesen moͤge, was auf ihrer F 2 Rinde Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Rinde gegraben ist. Einer davon druͤckt sich in der Ungewißheit uͤber die Verfassung, worin sich der, zu welchem geredet wird, befinden kann, also aus: De ce riant séjour, de ce paisible ombrage Eprouvez les charmes secrets. Infortunés, retrouvez — y la paix; Heureux, soyez — le davantage! Ein anderer nimmt mehr den Ton der Ueberlegung an: Consacrer dans l’obscurité Ses loisirs à l’étude, à l’amitié sa vie, Voilà des jours dignes d’envie. Etre chéri, vaut mieux qu’être vanté. Wenn Sie voll Nachdenken uͤber diese Maxime, wovon das Herz besser urtheilt, als der Verstand, auf diesem Wege umherzuschweifen fortfahren, so werden Sie bald eine von den Bruͤcken, wovon ich geredet habe, gewahr werden. Zwoͤlf kleine Fahrzeuge halten einige Zolle uͤber der Oberflaͤche des Wassers einen Fußboden, hundert Fuß lang, und breit genug, daß zwo Personen darauf Platz haben. Auf beyden Seiten stehen Kasten mit Blumen. Die Zwischenraͤume sind mit rautenfoͤrmigem Gitterwerke erfuͤllt, durch welches die Blicke das Wasser gewahr werden. Die Bruͤcke, die weiß gemalt und mit Blumen geschmuͤckt ist, ladet Sie ein, hinab- zusteigen. Die Ansichten sind bey jedem Schritte verschieden, und in der Mitte, wo sich der Raum erweitert, stehen Sitze. Man verweilt sich, um das laͤndliche Gemaͤlde zu betrachten, das man auf allen Seiten erblickt. Man genießt den Duft der Blumen mit der Kuͤhlung des Wassers, das man unter dem Fußboden, auf welchem man sitzt, hinwegfließen sieht. Hier bringen Ihre Freunde einige angenehme Abende zu, indem sie sich von ihren Beschaͤftigungen, von den Gegenstaͤnden ihres Geschmacks, von ihren Reisen unterhalten; und einer von ihnen hat da diese Verse hingeschrieben. Des jours heureux, voici l’image. Les Dieux sur nous versent-ils leurs faveurs? Ils offrent sur notre passage Quelques afpects riants du repos \& des Fleurs. Aber wir wollen zu unserm Spaziergang zuruͤckkehren und uns an das aͤußerste Ende der groͤßten Insel begeben, davon wir schon einige Theile durchgewandelt haben. Man geht mitten durch einen Wald von Weiden, und gelangt auf gewundenen und schattigten Gaͤngen zu dem Orte, wo der Fluß zween Canaͤle bildet, die diesen Platz einfassen, ehe sie wieder in den Fluß zuruͤckfallen. An der Alten und der Neuen. An dieser Spitze stellt sich eine wilde Ansicht dar. Eine oͤde Insel erhebt sich in einiger Entfernung, und haͤlt die Blicke auf; ein durchgerissener Damm giebt dem Wasser Bewegung, indem er dem Strom widersteht, der ihn ganz zu zerstoͤren sich bestrebt; und wenn der Fluß hoͤher ist, so bildet er hier einen Wasserfall, der diesem einsiedlerischen Orte sehr angemessen ist. Die benachbarte Insel ist mit keinen Baͤu- men besetzt, welche die Blicke einschraͤnken. Man sieht uͤber dieselbe hinweg, und erblickt Gebaͤude, die einen Theil einer nicht entfernten kleinen Stadt ausmachen. Unter diesen Gebaͤuden ist eins, das uͤber die andern hervorragt, und am ersten in die Augen faͤllt; ein Gegenstand, der an sich wenig interessant ist; aber es ward bewohnt von Heloisen. Wer wuͤrde bey diesem Namen nicht stille stehen, um es zu betrach- ten? Wer wuͤrde nicht einen Augenblick von dieser zaͤrtlichen und ungluͤcklichen Lieb- haberinn reden? Nach ihrem traurigen Schicksal begab sie sich in ein Kloster, dessen Vorsteher der gelehrte, der unruhvolle, der viel verlangende, der eifersuͤchtige Abaͤ- lard war; und dieses ist das Kloster, das Sie hier sehen. Wenn bey dieser Erzaͤhlung einige junge Personen gegenwaͤrtig sind, so darf man sich vorstellen, daß sie in ihrem Bufen Bewegungen fuͤhlen, die schneller als die gewoͤhnlichen sind; ihr Blick wird ungewiß und verlegen; sie wenden die Augen hin- weg, und finden alsdenn diese Worte, die ohne Zweifel, wenn es das Klima ver- stattete, in eine Myrthe gegraben waͤren. Ces toits élevés dans les airs Couvrent l’asyle où vecut Héloise. Coeurs tendres, soupirez \& retenez mes vers. Elle honora l’Amour, \& l’Amour l’immortalise. Will man diese angenehme Stellung verlassen, so kann man unter mehrern Gaͤngen waͤhlen, die aus dem Weidenhain nach dem großen Bette des Flusses fuͤhren. Hier sind die Ansichten fuͤr das Nachsinnen und fuͤr die Dichtkunst zu entbloͤßt. Die Seele, die mit den Blicken umherschweist, genießt in der That, aber auf eine ungewisse Art, die Schoͤnheiten, die sie gleichsam von sich selbst zu weit wegfuͤh- ren. Sie muß mit naͤhern Gegenstaͤnden umgeben seyn, wenn sie begeistert werden soll; sie muß, weniger zerstreut, in einem suͤßen Tiefsinne Empfindungen fuͤhlen, wo- von sie sich mit Vergnuͤgen Rechenschaft giebt. Ich werde Sie also mit schnellern Schritten uͤber einen terrassirten ungemein langen Weg hinwegeilen lassen, der an dem Aeußersten der Insel auf der Seite, wo der Canal schiffbar wird, hingeht. Die Fahrzeuge, die bestaͤndig aus den an die See graͤnzenden Provinzen kommen, beleben diese praͤchtige Scene; aber sie floͤßt nur Bewunderung ein; auch verlaͤßt F 3 man Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten man sie gern, um wieder in das Innere der Canaͤle und der Spaziergaͤnge zuruͤckzu- gehen, durch welche eine hoͤlzerne Bruͤcke von betraͤchtlicher Laͤnge hindurchgeht. Durch die Lage der drey Inseln, die niedriger sind, als der uͤbrige Boden, wird diese Bruͤcke bis zu der Hoͤhe des Wipfels der Baͤume erhoben, und die Gestraͤuche, die sie umkraͤnzen, werfen einen Sch a tten, der diesen Uebergang in eine bedeckte Allee verwandelt. Man kann hier spazieren gehen, ohne sich vor der Sommerhitze fuͤrch- ten zu duͤrfen; und man trifft hier von einer Stelle zur andern, je nachdem die ver- schiedenen Canaͤle ihre Richtung nehmen, Aussichten an, die diese seltene Situation unendlich malerisch machten. Auch erweitert sich nach und nach uͤber den Canaͤlen die Bruͤcke, so daß Platz zu Sitzen vorhanden ist, um auszuruhen, die Kuͤhlung zu ge- nießen, und sich an reizenden Aussichten zu weiden. Von hier aus entdeckt man besonders die angenehmen Kruͤmmungen, die das Wasser in seinem freyen Laufe macht, und die so reizenden und getreuen Vorstellun- gen, die der Widerschein der darin sich malenden Gegenstaͤnde hervorbringt. Es war natuͤrlich, von diesen schoͤnen Wirkungen mit denen, welchen sie ge- fallen koͤnnen, einen Augenblick zu reden. Hier ist das, was man zu ihnen sagt: Ici l’onde, avec liberté, Serpente \& réfléchit l’objet qui l’environne. De sa franchise elle tient sa beauté; Son crystal plait, \& ne flatte personne. Eine Muͤhle zeigt sich an einem der aͤußersten Enden dieser Bruͤcke. Ihr An- blick zieht allemal diejenlgen an sich, die selten solche Maschinen in der Naͤhe beob- achtet haben. Man tritt hinzu, und man findet sich hoͤher als das Rad; das Ge- raͤusch, das es erregt, die abgemessenen Schlaͤge und die sich immer gleiche Bewe- gung laden einige Augenblicke zum Nachdenken ein. Man betrachtet mit einer theil- nehmenden Aufmerksamkeit die Radschaufeln, deren eine nach der andern aus dem Wasser hervorgeht, nach und nach bis zur hoͤchsten Stufe ihres Umkreises sich erhebt, um wieder herabzusteigen, unterzusinken und zu verschwinden. Dieser Gegenstand kann in der That zu Betrachtungen veranlassen; aber solche, deren Schattirungen zu dunkel waͤren, wuͤrden dem Colorit des Gemaͤldes minder angemessen seyn, als diese: Ah! connoissez le prix du tems, Tandis que l’onde s’écoule, Que la roue obéit à ses prompts mouvemens. De vos beaux jours le fuseau roule. Jouissez, jouissez, ne perdez pas d’instans. Sie der Alten und der Neuen. Sie wuͤrden auch in Versuchung gerathen, auf kleine Inseln herunterzusteigen, die dem Wasser gleich liegen, und verschiedene Theile der Bruͤcke unterstuͤtzen; man gelangt auf Treppen dahin. Man findet da Schatten, Baͤnke, angenehme Spa- ziergaͤnge, aber sie werden zuweilen von dem Flusse uͤberdeckt, und die alten Pappeln, die sie beschatten, tragen an ihrer Rinde die Kennzeichen verschiedener Ueberschwem- mungen, die sie nicht gehindert haben, ihren Wipfel in die Luͤfte empor zu heben. Indessen druͤckt eine davon, die bey solchen Zufaͤllen empfindlicher als die andern ist, sich also aus: Dans ces climats plus d’un orage A troublé le Ciel \& les coeurs. L’onde, franchissant son rivage A submergé nos vergers \& nos fleurs. Dieux bienfaisans, reparez ces malheurs! Et que les habitans d’une modeste bocage Par vos faveurs trouvent sous nos rameaux Quelqu’abri pour un doux repos. A qui tient peu de place, il faut si peu d’ombrage. Ich wuͤrde die Rechte der Freundschaft misbrauchen, wenn ich Sie uͤberall hin- fuͤhren wollte, wo sich noch artige Aussichten und einige schlechte Verse finden. Gluͤck- liche Stunden der Muse haben diese hervorgebracht, wie der milde Fruͤhling auf un- sern Wiesen die Blumen aussaͤet; aber Sie wissen, daß sie nicht stolz werden, wenn man sie betrachtet, und daß sie sich nicht beleidigt finden, wenn man sie nicht bemerkt. 4. Gaͤrten Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten 4. Gaͤrten in Spanien. Der Spanier liebt das Landleben nicht; zwar nicht aus Leichtsinn oder einem verwoͤhnten Geschmack, sondern vielmehr aus einer eigenen Art von Traͤgheit, die man am nachdruͤcklichsten die spanische nennt, die theils in einer sonderbaren Mi- schung des Temperaments, theils in Nationalvorurtheilen ihren Grund zu haben scheint. So fuͤhllos ist der Spanier gegen die Reizungen der Natur, daß er nichts als die Ergoͤtzungen seiner Hauptstadt kennt, nichts von angenehmen Landsitzen weiß, nichts von Anpflanzungen der Baͤume, nicht einmal von laͤndlichen Lustoͤrtern und Schatten in der Nachbarschaft der Staͤdte. Eine Sorglosigkeit, die desto unbe- greiflicher ist, je mehr natuͤrliche Annehmlichkeiten das Land in seinem Schooß verei- nigt. Alles liegt unbebauet und oͤde; in vielen Gegenden erscheint nach meilenlangen Reisen kein Baum, der eine erquickende Kuͤhlung gaͤbe. Sogar um Madrid sieht man keine Lusthaͤuser, keine Gaͤrten; und erst vor einigen Jahren hat man nach dem Bericht des Puente Reise durch Spanien, 2ter Th. 1ster Band. den Anfang zur Verbesserung der Wege um die Hauptstadt und zur Verschoͤnerung durch Baumpflanzungen gemacht. Die Gaͤrten des Koͤnigs sind also hier nur diejenigen, die einige Aufmerksam- keit verdienen. Man ruͤhmt die Gaͤrten des Escurials, der anmuthigen Lage, der großen Terrassen, der vielen bestaͤndig laufenden Springbrunnen und des geraͤumigen Parks wegen, der daran graͤnzt, und mit vielen seltenen Fruchtbaͤumen erfuͤllt ist. Mehr erhebt sich der Garten bey dem Lustschloß Ildefonso. Des P. Caimo Lettere d’un Vago Italiano. — Man sagt, daß dieser Gar- ten 4,000,000 Piaster gekostet hat; auf die einzige Wasserkunst, das Bad der Dia- na, sind allein 300000 Piaster verschwen- det. Nur einen kleinen Theil dieser unge- heuern Summe auf einen brittischen Park verwendet, welch ein ganz anderes Werk! Natur und Kunst, sagt Caimo, haben sich wetteifernd bemuͤhet, da uͤberall Schoͤnheiten zu verbreiten, und den Garten zugleich praͤchtig und angenehm zu machen. Man findet in dem- selben Springbrunnen, schoͤne Wasserfaͤlle, Canaͤle, Sitze, bedeckte Gaͤnge, Lauben, Grotten, Labyrinthe, Parterren und Hecken von Myrthen und Lorbeerbaͤumen; alles ist aufs schoͤnste vertheilt und thut die angenehmste Wirkung. Das Wasser koͤmmt von dem naͤchsten Gebirge, welches rings umher liegt, und macht, wo es zusammen- fließt, eine Art von Strom, der in ein großes Behaͤltniß faͤllt. Viele Wasserwerke beleben diesen Garten. Die Alleen sind sehr lang; einige bis auf drey Viertelmeilen, und fast alle sind mit Hecken besetzt, die durch ihre Hoͤhe und Dicke einen angenehmen Schatten der Alten und der Neuen. Schatten machen, und mit verschiedenen Statuen der neuen Bildhauerey, als den Musen, den Jahreszeiten u. s. w. geziert sind. Nichts aber scheint in Spanien, nach der Beschreibung des Baretti, Reise durch England, Portugal, Spanien und Frankreich, 1ster Theil. rei- zender zu seyn, als der Garten oder Park von Aranjuez. Ein Dichter, so druͤckt er sich aus, wuͤrde sagen, daß Venus und der Gott der Liebe sich hier mit dem Ca- tull oder Petrarch berathschlagen, um der Psyche, Lesbia, Laura, oder einer spanischen Infantinn einen Landsitz zu bauen. Stellen Sie sich einen Park vor, der viele Meilen im Umfange haͤlt, und von Alleen, die zwo bis drey Meilen lang sind, an verschiedenen Orten durchschnitten wird. Jede dieser Alleen besteht aus zwo gedoppelten Reihen von Ulmen. Sie sind so breit, daß vier Wagen neben einander fahren koͤnnen; und zwischen einer jeden gedoppelten Reihe fließt ein kleiner Canal, daher es ihnen niemals an Feuchtigkeit und frischem Wachsthum fehlt. Zwischen diesen Ulmen sind die großen Plaͤtze mit allerley Baͤumen besetzt, darin sich viele tau- send Hirsche, Hasen, Caninchen, Fasanen, Rebhuͤner und andere Voͤgel aufhalten. Der Park ist mit keiner Mauer umgeben; das Wild geraͤth indessen nicht in Versu- chung, ihn zu verlassen, weil die ganze Gegend umher weder Schatten noch Weide hat. Der Tagus theilt diesen Ort in zween ungleiche Theile. Das Schloß liegt im Mittelpunkt des Parks, und ist zum Theil mit einem Garten umgeben. Am Haupteingange des Gartens liegt ein aus vielen Abtheilungen bestehendes Parterre, das mit Buchsbaum und Myrthen eingefaßt und mit allerley Arten europaͤischer und americanischer Blumen reichlich besetzt ist. In dem Parterre sind fuͤnf Wasser- stuͤcke angebracht. Rechter Hand des Parterre liegt eine Cascade, von der das Wasser des Tagus uͤber kuͤnstlich gelegte Felsen herabfaͤllt, und durch ein angenehmes Geraͤusch das Ohr ergoͤtzt. Andere Gegenden sind mit Fontainen geziert. Von einer sieht man vier Obstgaͤrten, die so voll von Pomeranzen und Citronen haͤngen, daß die Hesperiden selbst daruͤber neidisch werden koͤnnten. Man geht vermittelst so schattigter Gaͤnge dahin, daß man von keinen Sonnenstralen getroffen wird. Wenn die Hitze im ganzen Garten groß ist, so befindet man sich hier im Kuͤhlen. Von diesen Obstgaͤrten kommt man in das so genannte Bad der Venus. Diese Goͤttinn ist vorgestellt, als kaͤme sie aus dem Bade; das Wasser troͤpfelt von ihren Haaren in ein Gefaͤß von Marmor, das die Liebesgoͤtter halten. Bey den Fontainen sieht man viele Statuen und andere Werke der Bildhauerkunst. Nicht weit von der Fontaine des Neptun liegt ein ansehnlicher runder Rasenplatz, in dessen Mitte vier große Baͤume stehen, und der mit einer hohen dicken Hecke umgeben ist, die ihn kuͤhl und I Band. G Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten und angenehm macht. Rechter Hand dieses Platzes fuͤhrt eine schoͤne Bruͤcke von fuͤnf Bogen uͤber den Tagus, und jenseits liegt wieder ein großer Obstgarten. Von einer andern Bruͤcke, die uͤber einen kleinen Arm des Tagus geht, hat man auf der linken Seite des Flusses einen angenehmen Prospect in einen nach der Natur wild wachsenden Wald. Vor der Bruͤcke steht ein Pavillon, der durch die wild gepflanz- ten Baͤume auf beyden Ufern und durch den Fluß, der hier mit starkem Geraͤusch an dem Felsen vorbeyeilet, uͤberaus reizend gemacht wird. Von dem Pavillon geht man in eine große Laube von Linden. Bey einem andern Platz, der mit unzaͤhligen auslaͤndischen Blumen besetzt ist, liegt das artige Gaͤrtnerhaus, daran eine angeneh- me Wiese stoͤßt, die mit hohen und dicken Baͤumen beschattet ist. Nicht weit von dem Gaͤrtnerhause trifft man eine andere Cascade vom Wasser des Tagus an, dessen helle Fluth das Auge, und dessen Geraͤusch, das bald schwach, bald stark ist, das Ohr ergoͤtzt. Bey derselben liegt ein anderer Pavillon, dessen Lage dem ersten wenig nachgiebt; hinter sich hat man die Cascade, und vor sich die Fontaine des Herkules, die groͤßte im Garten. Baretti, der so viel gesehen, versichert, daß er keinen ange- nehmern Aufenthalt kenne. 5. Gaͤrten in den Niederlanden. Die Aussichten in den Niederlanden sind wenig abwechselnd und meistens durch Baͤume eingeschraͤnkt. Sie umfassen einen kleinen Gesichtskreis und gar keine Berge; weswegen verschiedene beruͤhmte Landschaftmaler die Gegenden um Luͤttich, Mastricht der Alten und der Neuen. Mastricht und an den Ufern des Rheins suchten, die mehr malerische Prospecte lie- fern. Indessen beleben die vielen Wiesen, die Weiden, die unzaͤhligen Canaͤle, die darauf hin und her segelnden Fahrzeuge, die Muͤhlen, der Handel und die außeror- dentliche Geschaͤftigkeit uͤberall das Land, und bieten dem Auge mancherley angeneh- me Auftritte an. In der That kann nichts anmuthiger seyn, schrieb die Lady Montague, Briefe waͤhrend ihrer Reisen in Europa, Asia, u. s. w. als in Holland zu reisen. Das ganze Land scheint ein ausgebreiteter Garten. Die Landstraßen sind wohl gepflastert, auf jeder Seite mit Reihen von Baͤumen beschattet, und von breiten Canaͤlen eingeschlossen, auf welchen es von hin und herfahrenden Boo- ten wimmelt. Alle zwanzig Schritte geben die Aussicht auf irgend ein Landhaus, und alle vier Stunden auf irgend eine feine Stadt, von einer so unerwarteten Net- tigkeit, daß man davon ganz bezaubert wird. Eben diese Anmuth der Landschaft bemerkte ein neuer Reisender Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und Holland, 3ter Theil. 1775. auf der Fahrt von Amsterdam nach Utrecht auf dem Vechtflusse. Die Landhaͤuser und Gaͤrten, sagt er, die auf beyden Seiten liegen, machen eine Reise auf dem Flusse durch diese Gegend zur angenehmsten, die sich die menschliche Einbildungskraft schaffen kann. Alle Augenblicke veraͤndert sich die Aussicht auf einen Garten mit Labyrin- then, dann auf einé in tausendfache Formen kuͤnstlich geschnittene Hecke aus Linden, Ulmen oder Iben, dann in lange Alleen von Lindenbaͤumen und Kastanien. Zu- weilen geht ein Canal dazwischen durch, ein andermal trennt eine kleine Wiese zween Gaͤrten. Wieder ein anderer Garten hat die angenehmsten und dicht zugezogenen Lauben und lange bedeckte Gaͤnge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein schoͤnes Land- haus aus Backsteinen, ein andermal sind die Gaͤrten mit eisernem Gitterwerk einge- faßt. Man sieht in Gaͤrten und Gaͤnge, die mit Bildsaͤulen besetzt sind, und an dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herr- liche Einfassung ausmachten. Diese erfrischenden Aussichten, die ein junges Gruͤn verschoͤnerte, dauerten uͤber eine Stunde bis Breukeln so ununterbrochen fort, daß immer ein Lustgarten an den andern anschloß. Weiterhin fiengen die Gaͤrten und dichterischen Gegenden von neuem an; und wenn sie auch einmal mit Canaͤlen, gro- ßen Wiesen und einigen Ackerfeldern abwechselten, so erschienen sie doch bald wieder, und belustigten die Fahrt auf drey Stunden lang. Sie fallen hauptsaͤchlich deswegen so angenehm ins Auge, weil der schnell voruͤberfahrende Reisende, uͤber die Abwech- G 2 selung Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten selung und Folge so vieler, die in jedem herrschende Einfoͤrmigkeit und ermuͤdende Regelmaͤßigkeit nicht bemerken kann. Vorzuͤglich zeichnen sich auch die Gegenden von Harlem nach Amsterdam, und von Catwic nach Woerden durch schoͤne Landhaͤuser aus. — Diese Gebaͤude, die oft in die Canaͤle hineingefuͤhrt zu seyn scheinen, sind zierlich, ohne praͤchtig zu seyn. Die reichsten Besitzer leben darin mit einem Anstande, der vom Uebermaaß entfernt ist, und sich mit der Bequemlichkeit begnuͤgt. Die Gaͤrten der Hollaͤnder sind uͤbrigens im alten franzoͤsischen Geschmack, mit geraden Linien und einem Ueberfluß von Ordnung und Regelmaͤßigkeit. Denn ob man gleich zuweilen einen eigenen hollaͤndischen Gartengeschmack hat annehmen wollen, so lassen sich doch wohl die Graͤnzlinien, wo er von dem franzoͤsischen sich unterscheiden sollte, nicht leicht entdecken. Symmetrie und Ueberfluß der Verzierung ist beyden eigen, oder machen vielmehr aus beyden nur eins. Wenn indessen noch irgend ein Unterschied bemerkbar seyn sollte, so moͤchte er in der engern Zusammen- ziehung, in der Menge kleiner Spielwerke von Zierrathen, und in dem tiefen, stehen- den oder dahin schleichenden Wasser liegen, welches alles man mehr in den hollaͤn- dischen Gaͤrten wahrnimmt. — Sonst sind selbst die beruͤhmten Gaͤrten bey den Lustschloͤssern zu Ryswik, Houslaerdick, Sorguliet voll von zierlichen Abmessun- gen und gekuͤnstelten Anlagen. Ein sonderbarer Geschmack der Hollaͤnder ist es, daß sie ihre Gartenplaͤtze so gerne mit Canaͤlen und Graben durchschneiden, worin das stehende Wasser, das tief, dunkel und ohne alle Schoͤnheit ist, aus Mangel der Bewegung und des Abflusses noch dazu ungesunde Duͤnste verbreitet. Dieser Geschmack, den die Gothen nicht schlechter haͤtten einfuͤhren koͤnnen, scheint aus der Natur ihres Landes entstanden, und durch die Gewohnheit ihnen ehrwuͤrdig geworden zu seyn, so sehr er auch gegen alle Vernunft ist. Selbst nach Ostindien haben sie ihn ausgebreitet. Auf der Landseite um Batavia her sind die Gegenden wohl auf einige Meilen weit voll Land- haͤuser und Gaͤrten. Allein auch hier haben sie alles mit Canaͤlen durchwaͤssert, um die boͤse Luft noch giftiger zu machen; jeder Garten, jedes Stuͤck Feld ist mit einem besondern Graben durchschnitten, der die unreinen Pfuͤtzen und Moraͤste vermehren hilft. Man hat sogar oft Kosten verschwendet, um ein Lusthaus oder einen Garten selbst auf einer Anhoͤhe mit einem Graben einzufassen. Man weiß uͤbrigens, daß lange Zeit die vortrefflichen Blumenarten den hollaͤndischen Gaͤrten einen eigenen Vorzug gaben. Ihre Besitzer glaubten sie nicht der Alten und der Neuen. nicht anders schoͤn finden zu koͤnnen, als wenn sie Blumen zeigten, die unter einem fremden Himmel geboren waren und viel gekostet hatten. Die Blumenzucht ward eine sehr eintraͤgliche Kunst, und dieser Geschmack breitete sich auch in Deutschland, besonders in den Seestaͤdten und benachbarten Gegenden aus. Jetzt scheint er sehr gefallen zu seyn, vielleicht weil ihn eine unsinnige Liebhaberey zu kostbar machte, als daß er lange stehen konnte. Die Stadtregister von Alkmaar be- zeugen, daß man im Jahr 1637 hundert und zwanzig Tulpen mit ihrer Brut zum Nutzen des Waisenhauses oͤffentlich fuͤr neunzigtausend Gulden verkaufte. Eine einzige, der Vicekoͤnig, ward um viertau- send zweyhundert und drey Gulden ver- kauft; eine andere, der Admiral von Enk- huysen, um fuͤnftausend zweyhundert Gulden. 6. Gaͤrten in England. Der gesunde Geschmack der Englaͤnder macht ihnen das Landleben schaͤtzbar, auf dessen Veredelung sie das verwenden, was andere Nationen in ihren Hauptstaͤdten durchbringen. Der Reichthum, die Pracht und der Geschmack der brittischen Lords ist nicht in London, sondern auf ihren Landsitzen in den Provinzen sichtbar. Das gelinde Klima, die natuͤrliche Fruchtbarkeit und Schoͤnheit ihres Landes, der Wohlstand der Felder, die gluͤckliche Freyheit sind nicht geringe Reizungen fuͤr diese Nation, wovon ein großer Theil so sehr, als der Schweizer, das Landleben liebt. G 3 Die Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Die Gebirge, Berge, Thaͤler, Fluͤsse, Wasserfaͤlle, besonders die herrlichen Wal- dungen und Wiesen, die Pflanzungen, Meyerhoͤfe, Doͤrfer machen nach ihren Lagen und Abwechselungen viele Gegenden zu Urbildern der schoͤnsten Landschaftgemaͤlde. Und welche Annehmlichkeit hat nicht in unsern Zeiten die Cultur uͤber dieses Reich ausgebreitet. Ueberall liegen adeliche Sitze und Landhaͤuser zerstreut, die besonders nach dem Anfange dieses Jahrhunderts eine edle Architektur Die Architektur der neuern englaͤn- dischen Landhaͤuser kann man aus den Blaͤttern des Canot, Miller, Newton, Vivares, White, Roberts, Pastorini, Zucchi und anderer kennen lernen. — Ferner The Works in Architecture of Robert and James Adam, Esquires. Num- ber I. II. III. London, fol. 1773. 1774. 1775. Dieses praͤchtige Werk stellt in vielen vortrefflichen Blaͤttern die Grund- risse und Ausfuͤhrung der neuern Land- haͤuser der brittischen Lords, mit beygefuͤg- ten kurzen Beschreibungen in engl. und franz. Sprache, dar. Die drey ersten Hefte betreffen die Ville des Herzogs von Northumberland zu Sion in der Graf- schaft Middlesex, die Ville des Lord Mans- field zu Kenwood in eben der Grafschaft, und die Ville des Grafen von Bute zu Lu- ton in der Grafschaft Bedford. Die IIII. Numb. die 1777 herausgekommen, ent- haͤlt keine Landhaͤuser, sondern oͤffentli- che Gebaͤnde zu London und Edin- burg. im griechischen Ge- schmack erhalten haben. Und um diese Landhaͤuser verbreiten sich meilenlang die herr- lichsten Parks, die alles in sich vereinigen, wodurch die Natur, von der bescheidenen Kunst unterstuͤtzt, einnehmen und bezaubern kann. Keine andere Nation kann Parks in einer solchen Menge aufweisen, als die Englaͤnder besitzen und noch taͤg- lich anlegen. Das Natuͤrliche und das Große macht den Hauptcharakter der brittischen Gaͤrten oder Parks; denn Parks und Gaͤrten im wahren Geschmack stehen ungefaͤhr in eben dem Verhaͤltnisse gegen einander, wie das groͤßere Landschaftgemaͤlde gegen das kleinere. Der Britte verlangt einen groͤßern Raum, auf welchem er sich frey der Wirksamkeit seines Genies uͤberlassen kann. Wenn er die verschiedenen Kraͤfte untersucht hat, welche Wasser, Felsen, Berge, Huͤgel, Waldungen, Gebaͤude auf die Seele beweisen; so uͤberlegt er, wie den Wirkungen dieser Kraͤfte mehr Richtung, Staͤrke und besonders eine gluͤckliche Harmonie durch die Kunst gegeben werden koͤnne. Er merkt, wie der Landschaftmaler, auf das ganze Gemisch der Wirkungen, welche die Lage, die Groͤße, die Entfernung, die Abwechselungen des Lichts und des Schat- tens, und die verschiedenen Zeiten des Tages hervorbringen; und selbst die kleinern Umstaͤnde, die sich mit Vortheil in das Ganze einflechten lassen, entgehen seiner Auf- merksamkeit nicht. — Am besten wird man den Charakter der brittischen Garten- kunst der Alten und der Neuen. kunst uͤberhaupt aus den Beschreibungen einiger von den schoͤnsten Parks erkennen, die zugleich der Phantasie eine angenehme Erfrischung anbieten. Uns Deutschen sind bisher die eng- laͤndischen Gaͤrten zu Kew und zu Stowe noch immer am meisten bekannt, und gleich- wohl giebt es ungemein viele andere, die in Ansehung ihrer genauern Verwandt- schaft mit der Natur den Vorzug verdie- nen. Der Park zu Kew ist durch schoͤne Monumente und Tempel ausgeschmuͤckt, aber, wenn man die einzige Pagode aus- nimmt, ganz und gar ohne freye Aussich- ten in die gluͤcklichsten Landschaften Bri- tanniens, durch welche die Themse sich win- det. Die Aussichten sind insgesammt auf den innern Bezirk des Gartens verengt, und fuͤhren das Auge immer von einem Tempel auf den andern. Es enthaͤlt aber dieser Park alle auslaͤndische, unter dem brittischen Himmelsstrich treibende Holz- arten, die, wie der schoͤnste Rasen daselbst, uͤberaus gut und reinlich unterhalten sind; und in diesem Betracht verdient er gesehen zu werden. — Der Park zu Stowe ist weit groͤßer, hat praͤchtige Gebaͤude und an kostbaren Tempeln und Monumenten einen Ueberfluß; es sind auch herrliche Par- tien darin, von welchen die elisaͤischen Fel- der einen ganz besondern Eindruck machen; die Aussichten gehen verschiedentlich uͤber den Bezirk des Gartens hinaus. Aber man sieht ihm doch noch an, daß große franzoͤsische Anlagen mit vieler Kunst in englaͤndische umgeschaffen sind. a. Der Park zu Wentworth. In Yorkshire. S. Arthur Youngs Reise durch die noͤrdlichen Provinzen von England u. s. w. 1772. 1ster Theil, 5ter B. Der Park und die Gegend um Wentworth sind uͤberaus reizend. Von wel- cher Seite man sich auch demselben naͤhert, findet man praͤchtige Waldungen, aus- gebrei- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten gebreitete Wasserstuͤcke und zierliche Tempel. Die Prospecte sind so abwechselnd, daß es fast unmoͤglich ist, eine Beschreibung davon zu machen, ohne undeutlich zu werden. Viele Gegenstaͤnde sieht man am besten bey der Haupteinfahrt von Rother- ham. Gleich zu Anfang ist der Anblick reizend; man sieht eine praͤchtige Reihe von Huͤgem, Thaͤlern, Seen und Waͤldern vor sich, und im Mittelpunkt liegt das Wohn- gebaͤude. Das Auge blickt natuͤrlicher Weise in das vor ihm liegende Thal hinab, und folgt dem sich durch dasselbe kruͤmmenden Wasser. Gegenuͤber fuͤhrt eine weit ausgebreitete und mit einzelnen Baͤumen besetzte Anhoͤhe zu dem Wohngebaͤude hinan, das ganz abgesondert und edel da steht, und die Aussicht uͤber alle rings umher lie- gende Gegenden hat. Der Wald verbreitet sich hier gegen alle Seiten auf eine un- beschreiblich praͤchtige Weise. Auf der linken Seite erhebt sich mitten im Walde eine Pyramide, und von hier fuͤhrt der Weg nach einem abhaͤngenden Huͤgel, der uͤber hundert Acker Waldes in sich faßt, und das schoͤnste Amphitheater darstellt. An einem Orte steht ein Tempel von baͤurischem Werke auf einem wellenfoͤrmig aufsteigenden Huͤgel, und auf einem andern ein jonischer von leichter Architektur, der den umliegenden Hainen eine Zierde giebt. Von hier zeigt sich das Wohngebaͤude am vortheilhaftesten; denn von andern benachbarten Plaͤtzen scheint es zu niedrig zu liegen. Aus diesem Gesichtspunkte zeigt sich das Gegentheil; denn vor sich hat man einen allmaͤhlig steigenden Huͤgel, auf dessen Haͤlfte das Gebaͤude steht; von hier hat man noch eine steile Anhoͤhe vor sich. Laͤge es ganz oben, so verloͤre man den Pro- spect aller schoͤnen Pflanzungen jenseit des Hauses. Wenn man von hier in den Wald hinabgeht, durch welchen der Weg fuͤhrt, so faͤllt ein artiger Prospect in die Augen. Erst kruͤmmt sich das Wasser sehr ange- nehm durch das Thal, und auf der andern Seite erhebt sich eine Anhoͤhe bis zu ge- dachtem baͤurischen Tempel, an welchen hinterwaͤrts ein finsterer Wald stoͤßt. Auf der rechten Seite ist eine Anhoͤhe mit allerley Gebuͤschen besetzt; oben steht eine Py- ramide, die ihre Spitze aus einem dicken Klumpen von Baͤumen erhebt; alles zu- sammen thut eine große Wirkung. Im Mittelpunkte des Prospects sieht man zwi- schen Huͤgeln hindurch das Wohngebaͤude liegen. Etwas mehr linker Hand bilden eine Menge Eichen, die aus andern Gesichtspunkten besondere Klumpen ausmachen, einen ansehnlichen Wald, der sich von der Spitze des Wassers gegen die Anhoͤhe auf der linken Seite des Hauses erhebt, und zuletzt wird man den jonischen Tempel an einem reizenden Orte gewahr, wodurch die ganze Landschaft verschoͤnert wird. Der Weg fuͤhrt darauf durch den oben gedachten Wald, durch welchen viele Gaͤnge mit der groͤßten Abwechselung gehauen sind. In einem Theile desselben liegt auf der Alten und der Neuen. auf einem kurz geschornen Rasenplatze ein Haus, worin man bey heißem Wetter speiset. Von hier fuͤhrt der Weg zu dem Vogelhause, welches artig und im chine- sischen Geschmack angelegt ist. Man trifft viele Canarienvoͤgel und andere Arten von Voͤgeln darin an. An einem andern Orte des Waldes erblicket man auf einem kleinen freyen Platze einen achteckigten Tempel, und von hier fuͤhrt der Weg auf eine steinerne Bruͤcke, die uͤber ein schmales mit dickem Buschwerke umgebenes Wasser geschlagen ist. Kommt man aus dem Gehoͤlze, so stellt sich dem Auge auf einmal eine Menge neuer Prospecte dar. Die Baͤume sind nach verschiedenen Gegenden gepflanzt, be- halten aber ihr edles Ansehen. Vor sich erblickt man einen schoͤnen Strich Waldes, den jonischen Tempel, der hier von den Haͤnden der Grazien an einen Platz gestellt zu seyn scheint, der nicht besser ausgewaͤhlt werden kann. Der Weg fuͤhrt abermals uͤber den Huͤgel, und geht schief hinunter zu dem achteckigten Tempel. Dies artige Gebaͤude liegt sehr reizend im Thale, und hat den Prospect uͤber das Wasser zwischen verschiedenen Hainen und den Baͤumen, womit die benachbarten Huͤgel besetzt sind. Bey der untern Einfahrt von der Seite von Rotherham faͤllt der Park nicht weniger trefflich in die Augen. Rechter Hand zeigt sich die große Pyramide, gegen- uͤber ragt der baͤurische Tempel oben uͤber das Gebuͤsche auf eine sehr malerische Weise hervor. Linker Hand erstreckt sich der See mit solchen Buchten durch das Thal, als die Kunst nachmacht, um die schoͤne Natur zu schildern. Die Aussicht wird hin und wieder durch Klumpen von Baͤumen unterbrochen, die bis ans Ufer vorgehen. Zweyhundert Ellen hinter dem Ufer faͤllt der achteckigte Tempel in die Augen. Auf der andern Seite uͤbersieht man einen großen Theil des Parks, der theils mit einzel- nen Baͤumen, theils mit ganzen Klumpen besetzt ist. Auf allen Seiten zeigen sich in der Entfernung die schoͤnsten Prospecte von angebaueten Huͤgeln. Dieser Weg fuͤhrt zu einem kleinen Lusthause. Aus den Fenstern sieht man jenseits des Wassers steile Huͤgel vom Ufer an sich erheben, die oben mit einem Walde gekroͤnt sind. Darauf laͤuft der Weg um den Huͤgel, auf welchem der baͤurische Tempel steht, und man befindet sich auf einmal bey dem Wohngebaͤude, welches einen artigen Contrast mit den andern Zugaͤngen, die das Haus alle von weitem zeigen, verursacht. Einen andern herrlichen Gesichtspunkt hat man gegen Suͤden von einem Huͤ- gel. Hier zeigt sich in einem Thale Rotherham mit der ganzen umliegenden Ge- gend, die mit Doͤrfern besaͤet ist, und zu beyden Seiten erheben sich die Huͤgel gegen die Wolken. Das Wohnhaus ragt zwischen neun bis zehn andern Huͤgeln und I Band. H Waͤldern Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Waͤldern hervor, welches ein majestaͤtischer Anblick ist. Die Pyramide und die hin und wieder stehenden Tempel geben der Scene eine Abwechselung, die bey dem großen Umfange noͤthig war. Dies ist vielleicht der schoͤnste Prospect in Yorkshire; denn das Gebaͤude bildet mit dem Park und den Waͤldern eine in der Runde zusammen- haͤngende Landschaft, die schoͤn und groß ist, und die umliegende Gegend zeigt eine unabsehliche Weite angebaueter Laͤndereyen und arcadischer Scenen. Wenn man sich von diesem Platz linker Hand wendet, so wechselt die Landschaft bestaͤndig ab, und gefaͤllt jedesmal aufs neue. Man geht durch ein mit Wasser ver- sehenes Thal nach der westlichen Ecke des Parks, wo man abermals eine Aussicht hat, die den uͤbrigen nichts nachgiebt. Man sieht uͤber eine Anhoͤhe weg, und wird das an verschiedenen Stellen durch die Baͤume scheinende Wasser, und am Ufer dessel- ben den achteckigten Tempel gewahr, welches mit den uͤbrigen hoch liegenden Gebaͤu- den einen artigen Contrast macht. Auf der linken Seite erhebt sich der Wald und vereinigt sich mit dem bey dem Wohngebaͤude. Gegenuͤber liegt der baͤurische Tem- pel und hinter demselben ein duͤsterer Wald; noch hoͤher in einem duͤnneren Walde steht die Pyramide, welches zusammen eine praͤchtige Wirkung thut. Rechter Hand erblickt man eine Menge angebaueter Huͤgel. Die oft angefuͤhrte Pyramide verdient noch eine naͤhere Beschreibung. Sie besteht aus einem dreyeckigten Thurme, der ohngefaͤhr zweyhundert Fuß hoch auf ei- nem Huͤgel angelegt ist; man steigt vermittelst einer Wendeltreppe hinauf, und hat oben eine erstaunliche Aussicht, die das Auge uͤberrascht. Man uͤbersieht das Haus, alle umliegende Huͤgel, Waͤlder, Wasser, Tempel u. s. w. mit einem Blicke, und in einer mehrern Entfernung einen unermeßlichen Strich angebaueter und eingezaͤu- neter Felder. Nicht weit von der Pyramide ist eine Arcade aufgefuͤhrt, die dem jonischen Tempel zum Prospecte dient. Man sieht von diesem zierlichen Gebaͤude eine reizende Landschaft; in dem tieferliegenden Thale faͤllt das Wasser an manchen Stellen in die Augen; auf der einen Seite zeigen sich die verschiedenen bisher beschriebenen Lust- waͤlder, bis an den großen Wald von hundert Ackern. Bey gedachtem Tempel liegt die Menagerie, dem Gewaͤchshause gegenuͤber; man trifft in derselben eine erstaun- liche Menge goldfarbener Fasanen, Kakadus und andere seltene Voͤgel an. Von hier geht man eine Terrasse hinab, und waͤhrend der Zeit wird das Auge durch die Abwechselung von Huͤgeln, Thaͤlern, schlaͤngelndem Wasser, Waͤldern und Tempeln ergoͤtzt. Mit einem Worte, Wentworth ist in allen Betrachtungen einer der schoͤnsten Plaͤtze des Koͤnigreichs. Bey andern Landsitzen bewundert man bald das Haus mit seinen der Alten und der Neuen. seinen Merkwuͤrdigkeiten, bald den Park; bey manchen ruͤhmt man die zur Zierde in dem Park aufgefuͤhrten Gebaͤude, oder auch die schoͤnen Prospecte uͤberhaupt. Hier ist alles vereinigt. Das Gebaͤude ist eins der groͤßten in England . Der Park hat alle Schoͤnheiten der Natur und Kunst, die man sich nur gedenken kann; die praͤchtigen Waͤlder uͤbertreffen alle Beschreibung. Die Tempel haben eine schoͤne Architektur und eine so wohl gewaͤhlte Lage, daß sie den Reiz eines jeden Platzes auf- serordentlich erheben. Dazu kommt die Schoͤnheit der umliegenden Landschaft, die aus angebaueten Huͤgeln, Doͤrfern und Staͤdten besteht. b. Duncombe-Park. In Yorkshire. S. Young am ang. Ort, 7ter B. Duncombe-Park gehoͤrt unter die schoͤnsten in England . Der am Hause liegende Garten hat eine Terrasse, von der man die umliegenden Landschaften besser uͤbersieht, als man sie mit Worten beschreiben kann. An einem Ende steht ein jo- nischer Tempel, von dem man einen herrlichen Prospect hat; man sieht auf der lin- ken Seite hohe Baͤume bey dem Tempel, etwas mehr rechter Hand einen weiten Um- fang von einer Landschaft. In der Tiefe kruͤmmt sich ein Thal um einen Wald, der am Huͤgel ein Amphitheater bildet. An der andern Seite der Terrasse liegt ein toscanischer Tempel mit einer Colonnade. Der gegenuͤber liegende Wald verbreitet sich uͤber einen ansehnlichen Huͤgel, und stoͤßt an das Ufer eines schoͤnen Flusses, der sich durch das Thal kruͤmmt, und in der Mitte desselben einen großen Wasserfall hat, uͤber welchen die Baͤume wild heruͤberhaͤngen. Das Thal ist durch Hecken in ver- schiedene Wiesen abgetheilt. Die Kruͤmmungen des Stroms sind schoͤn, und wer- den durch einzeln stehende Baͤume unterbrochen. H 2 Diesen Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Diesen Anblick, der alles darbietet, was man nur in einer abwechselnden Land- schaft wuͤnschen kann, behaͤlt man laͤngst der ganzen Terrasse, bis zu dem toscani- schen Tempel. Er stehet gleichsam auf der Spitze eines hohen Vorgebirges, von dem sich die Aussicht noch mehr erweitert; man entdeckt eine neue Terrasse, und uͤber- sieht viele abwechselnde Scenen, die des besten Pinsels wuͤrdig sind. Auf der linken Seite faͤllt das gedachte Thal noch vortheilhafter in die Augen, weil man eine weit groͤßere Strecke des von dem Huͤgel herabstehenden Waldes uͤbersieht. Das Thal mit allen Einzaͤunungen, der Fluß mit der Cascade liegen so tief, daß man gleichsam von oben darauf sieht. Das mit Holz besetzte Ufer macht eine Kruͤmmung gegen den Garten. Vor sich hin sieht man zwischen Huͤgeln uͤber ein sich erweiterndes Thal hin, und entdeckt in der Entfernung einen alten Thurm und die Kirchspitze von Helmsley . Mehr zur Rechten fuͤhrt das verlaͤngerte Thal das Auge gleichsam in einen von andern Huͤgeln umgebenen Kessel, welches der ganzen Scene ein etwas fuͤrchterliches und zugleich majestaͤtisches Ansehen giebt. Der dunkle Schatten des herabhaͤngenden Waldes macht mit dem schoͤnen Strom einen merklichen Contrast. Er ist hier viel breiter, und die Cascade, welche man vor sich hat, ergoͤtzt das Auge und das Ohr. Der Prospect dieses Tempels besteht also vornehmlich in zwey Thaͤlern zur Rechten und zur Linken, die nur blos aus diesem Gesichtspunkte, von dem ersten Tempel aber gar nicht, gesehen werden koͤnnen. Die gegenuͤber liegende Waldung, die aus jedem Thale ein Amphitheater macht, wird durch einen dem Tempel gegen- uͤber stehenden Huͤgel getheilt, welcher mit Farnkraut und allerley Gestraͤuche bewach- sen ist, und sich dadurch von allen andern desto mehr unterscheidet. Dieser Tempel besteht inwendig aus einem runden Saale mit einer Kuppel, der mit eingelegter Ar- beit und vier Statuen in Nischen verziert ist. Dies sind nicht die einzigen Schoͤnheiten dieses Parks, sondern zwo englische Meilen davon trifft man einen eben so bezaubernden Ort an, der von einer alten ver- fallenen Abtey Ryewalls-Abtey heißt, und auch dazu gehoͤrt. Man sieht hier eine in edlen Kruͤmmungen fortlaufende Terrasse am Rande eines ausgebreiteten Huͤgels; auf der einen Seite liegt ein tiefes Thal, und auf der andern eine dicke Anpflanzung, die mit allerley Gestraͤuchen eingefaßt ist. An dem einen Ende steht ein runder Tempel mit einer toscanischen Colonnade, und am andern ein jonischer Tempel mit einer Halle. Von jenem Tempel ist die Aussicht sehr an- genehm; vorwaͤrts liegt ein in verschiedenen Kruͤmmungen fortlaufendes, mit einzel- nen Baͤumen und Wasser versehenes Thal; jenseits desselben verbreitet sich ein weit- laͤuftiger Wald uͤber viele Huͤgel, die eine Abwechselung von steilen Anhoͤhen, Tiefen und der Alten und der Neuen. und hohlen Stellen geben. Hin und wieder wird die Waldung durch angebauete Einzaͤunungen unterbrochen. Am Ende des Thales und am Fuße des Waldes liegt eine kleine Huͤtte, die dem ganzen Gemaͤlde eine reizende Abwechselung giebt. Die entfernteren Huͤgel, die man daruͤber hervorragen sieht, sind meistens unfruchtbar und mit wilden Gestraͤuchen bewachsen. Sie schließen gleichsam dieses kleine Para- dies ein, und heben den Anblick desselben durch ihren Contrast. Wendet man sich etwas zur Rechten, so sieht man auf ein anderes herrliches Thal hinab, das viele Kruͤmmungen hat; und der jenseits liegende Huͤgel ist von unten bis auf die oberste Spitze mit Waldung besetzt. Das Thal besteht aus lauter Wiesen, die durch gruͤne Hecken von einander abgesondert, und mit einzelnen hohen Baͤumen besetzt sind. Dies Thal verliert sich zuletzt zwischen Huͤgeln, die theils mit Hoͤlzung bewachsen sind, theils unangebauet, theils wuͤste liegen. So wie man laͤngst der Terrasse hingeht, wechseln die Aussichten ab. Nichts ist reizender, als das Thal, wodurch sich der von uͤberhaͤngenden Baͤumen beschattete Fluß schlaͤngelt. Die Baͤume verbreiten sich vom Ufer uͤber eine Reihe von Huͤgeln, die durch eingezaͤunte Wiesen abwechseln. Indem man den Weg fortsetzt, erweitert sich die Landschaft, und zeigt dem Auge noch mehr Schoͤnheiten. Das Thal wird hier breit; die Einzaͤunungen haͤu- fen sich; das schoͤne Gruͤn der Wiesen, einzeln stehende Baͤume, und ein schneller Strom liefern den schoͤnsten Anblick; ein unter hohen Baͤumen liegendes Pachter- haus macht ihn noch abwechselnder. Noch weiter auf der Terrasse zeigt sich ein Prospect, der alle bisherige uͤbertrifft. Man sieht durch eine Oeffnung in einem dicken Gebuͤsche, welches am Rande eines Abgrundes waͤchset, auf die Ruinen einer alten Abtey hinab, die mitten in einem kleinen schoͤnen Thale liegt; zwischen den Ruinen wachsen hin und wieder ein- zelne Baͤume; dies giebt einen malerischen Prospect, den man nicht beschreiben kann. Darauf macht die Terrasse eine Kruͤmmung, von der sich die Aussichten aus einem ganz andern Gesichtspunkte darstellen. Hier uͤbersieht man die Ruinen der Abtey, welche zerstreut liegen, voͤllig; man hat das schoͤne breite Thal vor sich, wel- ches sich theils zwischen den Huͤgeln verliert, theils gegen andere Huͤgel erhebt, die mit Waldung bewachsen sind. Gegenuͤber zeigt sich der Wald in seiner ganzen Schoͤnheit, und die Abtey hat mit den einzeln liegenden Haͤusern einen sehr maleri- schen Anblick. Die Einzaͤunungen des Thales, die einzeln stehenden Baͤume, die Hecken machen eine reizende Landschaft aus, die sich mit zween weit entlegenen Huͤ- geln endigt. H 3 Etwas Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Etwas weiter hin sieht man von einer jaͤhen Anhoͤhe gleichsam gerade in die Ruinen hinein. Ueber diesen Weg entdeckt man das Thal, und etwas hinter sich eine Bruͤcke mit drey Bogen uͤber den Fluß. Das jenseitige Ufer ist mit Waldung besetzt, uͤber welche nackende Huͤgel hervorragen. Der Prospect von dem jonischen Tempel ist schoͤn, und von den bisherigen ganz verschieden. Eine Kluft geht von diesem hinab, und hebt sich nach der Rich- tung der Terrasse gegen den jenseitigen toscanischen Tempel, der auf dem Gipfel der Anhoͤhe steht. Die Abtey zeigt sich aus einem neuen Gesichtspunkte, und die Bruͤcke scheint mit uͤberhangenden Baͤumen umgeben. Der Tempel selbst hat eine Halle und einen Saal, der mit Gemaͤlden, Bildhauerwerk und Vergoldung, alles im guten Geschmack, geziert ist. c. Park zu Hagley. Bey Stourbridge in Worcestershire. S. Betrachtungen uͤber das heutige Gar- tenwesen. Aus dem Engl. 1771. S. 239. u. s. w. Man hat uͤber diesen Park auch ein schoͤnes malerisches Gedicht von Mau- rice: Hagley. A Descriptive Poem. 4. London 1776. Ferner eine neue Beschrei- bung: Letters on the beauties of Hag- ley \&c. by Joseph Heely. 8. 2 Vol. 1777. Hagley liegt mitten in einer fruchtbaren und angenehmen Gegend, zwischen den Gebirgen von Clent und Witchberry. Die letztern von diesen Bergen sind in drey schoͤne Anhoͤhen vertheilt. Die eine unter denselben ist mit Waldung be- deckt; die andere ist eine offene Schaftrift, mit einem Obelisken auf ihrer obersten Spitze; der Alten und der Neuen. Spitze; auf der dritten zeigt sich der bedeckte Gang vom Tempel des Theseus, voll- kommen nach dem Muster des atheniensischen, giebt diesem auch an Groͤße wenig nach. Er steht kuͤhn auf dem Gipfel des Berges, und hat mit dem dunkeln Hinter- grunde eines Tannenwaldes und uͤber den vorne und an den Seiten befindlichen Ab- haͤngen ein recht majestaͤtisches Ansehen. Das Haus bekoͤmmt von diesen Anhoͤhen ein sehr vortheilhaftes Ansehen; und man kann aus einem jeden Standorte derselben einige schoͤne Aussichten entdecken. Stourbridge, eine sehr belebte Stadt, liegt gleich am Fuße derselben; die Ruinen vom Dudleyschlosse zeigen sich in keiner gro- ßen Entfernung; das Land ist mit Einwohnern und den Spuren ihres Fleißes ange- fuͤllt; und ein kleines Stuͤck, das sich von der Gegend, wo die in der Nachbarschaft verarbeiteten Mineralien gegraben werden, bis uͤber den Horizont heruͤber verbreitet, ist ein Beweis des Reichthums, ohne der Schoͤnheit der Landschaft einigen Abbruch zu thun. Von den Clenter Bergen sind die Aussichten noch groͤßer. Sie erstrecken sich auf der einen Seite bis zu den schwarzen Gebirgen in Wallis, welche sich, in einer langen Linie in einer Entfernung von sechzig (engl.) Meilen, durch die Oeffnung zwi- schen den rauhen und ungeheuern Malverngebirgen und zwischen der einsamen Spitze vom Wrekinberge zeigen, die beyde von hier dreyßig Meilen entfernt sind und eben so weit von einander abstehen. Das Land bestehet aus einer Mischung von Bergen und Thaͤlern, und ist sehr geschlossen; ausgenommen in einer einzigen Gegend, wo eine Hayde, die von Erhoͤhungen, Teichen und verschiedenen andern Gegenstaͤnden eine angenehme Abwechselung erhaͤlt, mit einem bearbeiteten Felde, das von jener umgeben wird, einen vortrefflichen Contrast macht. Von der andern Seite der Clenter Berge verbreitet sich der Prospect nicht so weit. Der Boden aber ist weit rauher und unebener. Dennoch ist er an vielen Orten mit großen und schoͤnen Waͤl- dern bedeckt; und die Aussicht erhaͤlt von den vielen Landsitzen des Adels und anderer Standespersonen einen ansehnlichen Vortheil. Weil uͤberdieß die Berge selbst sehr irregulaͤr sind, so unterbrechen oft große weit vorstehende Vorgebirge die Beschaͤfti- gung der Augen, indem sie zugleich die Scene veraͤndern. An andern Orten zeigen tiefe Thaͤler, die sich nach und nach in der Landgegend verlieren, die da befindlichen Gegenstaͤnde in einem abwechselnden Lichte. In einer von diesen Tiefen ist ein arti- ges Bauerhaus unter einem hohen Abhange aufgebauet, welches uͤberdieß auf den Seiten und im Ruͤcken mit Waldung umringt ist, und die Vorstellung einer Einsie- deley mitten in einer so offenen und freyen Gegend erregt. Von den daruͤber befind- lichen Hoͤhen faͤllt der ganze Auftritt in die Augen, welcher vorher von den Witch- berry -Bergen uͤbersehen werden konnte, sich aber hier uͤber den Park zu Hagley zeigt, Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten zeigt, der einen vortrefflichen Vorgrund abgiebt, an sich selbst schoͤn ist, und die Land- schaft ausfuͤllet. Obgleich das Wohnhaus im Park niedrig ist, so ist es doch uͤber die umliegende Landschaft erhaben, die man aus demselben bis zu einem ziemlich entfernten Horizont uͤbersehen kann. Es wird von einer Wildbahn eingeschlossen, die aus einem artigen unebenen Boden besteht, und mit ansehnlichen Klumpen, kleinen Gruppen und ein- zelnen Baͤumen wechselsweise besetzt ist. Von vorne hat es eine offene Aussicht, auf der einen Seite aber wird es von den Witchberry -Bergen, und auf der andern, wie auch im Ruͤcken, von den Anhoͤhen des Parks umringt, die hoch, steil und alle mit erhabenen abhaͤngigen Waͤldern bedeckt sind. Die Wildbahn, welche bald an dem Fuße dieser Berge hinlaͤuft, bald die Anhoͤhen hinaufsteigt, oder sich auch bisweilen laͤngst den Bloͤßen in die Tiefe des Waldes hineinwindet, beschreibet einen schoͤnen Umzug von einer waldigten Scene, die ohnedies, in Ansehung des dichten Laubwerks und des praͤchtigen Wuchses, schon reich genug ist. Allein obgleich der Wald zusammenhaͤngend zu seyn scheint, so oͤffnet er sich doch wirklich oft in Wildbahnen, die einen großen Theil seines innern Raums einnehmen. In der Menge, in der Abwechselung und Schoͤnheit dieser Wildbahnen, in den Schatten der Gebuͤsche, wodurch jene von einander abgesondert werden, wie nicht weniger in ihren eigenen Schoͤnheiten und Abwechselungen, besteht der Ruhm von Hagley. Nicht zwo Oeffnungen sind in ihrem Maaße, in ihrer Figur oder in ih- rem Charakter einander gleich. Einige strecken sich in sehr lange Wege aus; andere erweitern sich nach allen Seiten. Auch unterscheiden sie sich durch Gebaͤude, durch Aussichten, und oft blos durch den Charakter der Gehoͤlze, von denen sie eingefaßt sind. Bey der einen machen etliche nachlaͤßige Linien von Baͤumen, und bey einer andern viele sehr verschiedene und gaͤnzlich irregulaͤre Theile die Graͤnze aus. Der Boden ist nirgends eben; sondern bald stuͤrzet er von steilen Abhaͤngen herab, bald macht er nur allmaͤhlige Erhoͤhungen, bald schlaͤngelt er sich um mittelmaͤßige Anhoͤ- hen herum, bald bekommt er mit einer unendlichen Abwechselung eine unterbrochene und wellenfoͤrmige Gestalt. Ein achteckigtes Sommerhaus, welches dem Andenken des beruͤhmten Thom- sons gewidmet, und in der Gegend, die er am liebsten besuchte, aufgebauet ist, ste- het auf dem Gipfel einer steilen Hoͤhe. Eine Wiese windet sich durch das unten be- findliche Thal, bis sie sich auf beyden Seiten hinter einigen Baͤumen verliert. Die- sem Hause gegenuͤber kroͤnet ein ansehnlicher Wald den Gipfel eines großen, laͤnglich runden und erhabenen Berges, und senket sich an den Seiten bis an den Fuß dessel- ben herab. So wie er an der einen Seite herabsteigt, so zeigt sich die entfernte Landschaft der Alten und der Neuen. Landschaft mehr oder weniger, und hinter dem Abhange an der andern Seite erschei- nen die Clenter Berge. Gleich am Fuße derselben, da wo sich der Wald endigt, stehet ein dunkler antiker Thurm. In der Mitte des Waldes aber siehet man einen bedeckten Gang nach dorischer Bauart, nebst einem Theile von der Wildbahn vor demselben. Die Scene ist sehr einfach; die Hauptvorstellungen sind groß; sie fallen weit mehr in die Augen, als alle uͤbrigen, und sind aufs genaueste mit einander verbunden. Die naͤchstfolgende Oeffnung ist klein, und umzirkelt eine auf einem Huͤgel auf- gerichtete Rotunda. Die Baͤume, von welchen sie eingeschlossen ist, sind groß, aber ihr Laubwerk ist nicht sonderlich dichte; und weil ihre Staͤmme unter den Aesten, ihre Zweige aber durch dieselben erscheinen, so machen sie in einem so kleinen Platze sehr wichtige und angenehme Umstaͤnde aus. Sie hat eine ganz einsame Lage, kei- nen Prospect, und nur einen einzigen sichtbaren Ausgang; und dieser ist kurz und enge, bis zu einer mit einem bedeckten Gange gezierten Bruͤcke, die uͤber das Ende eines Stuͤckes von einem Flusse angelegt ist. Der Hain hinter der Rotunda sondert diese von einer großen, freyen und wal- digten Oeffnung ab, die uͤberdieß von einem duͤnnen Gehoͤlze eingefaßt, nachlaͤßig gezieret, und mit vielem Farnkraut uͤberwachsen ist. Diese Wildniß ist mitten in so vieler Schoͤnheit und Zierde, welche in den benachbarten Wildnissen hervorleuchtet, eine wohlangebrachte Schattirung. Uebrigens ist der Ort an sich selbst angenehm und nirgends eingeschraͤnkt; man hat am Ende desselben aus einem gothischen Ge- baͤude eine perspectivische Aussicht auf den Wald und Thurm, die sich vorhin beyde zugleich mit den Witchberry -Bergen und mit einem großen Striche der Landgegend von vorne zeigten. Der Thurm, welcher im Prospecte allezeit mit Waldung verbunden ist, stehet gleichwohl nur auf einem Stuͤcke von einer Ebene, die laͤngst auf der breiten Hoͤhe eines Berges hinlaͤuft, und sich auf beyden Seiten in einer kleinen Strecke herab- lenket. Dichte Haine verstecken die Abhaͤnge. Zur Rechten verliert sich die herab- neigende Wildbahn gar bald unter den Baͤumen; der Absturz zur Linken aber ist steiler und kuͤrzer, so daß ihn das Auge bis in die Tiefe verfolgen kann. Der Thurm hat eine Aussicht uͤber das Ganze. Er selbst scheint das Ueberbleibsel eines, theils ganzen, theils eingefallenen und theils mit Gebuͤschen uͤberwachsenen Schlosses zu seyn. Man kann sich keine schoͤnere Lage fuͤr dasselbe vorstellen. Es stehet an ei- nem freyen, aber einsamen Orte; es hat einen sehr weit ausgedehnten Prospect, und ist uͤberall ein wichtiger Gegenstand. Am Ende des unter demselben befindlichen Thals ist in einem finstern und aller Aussicht beraubten Winkel eine aus Wurzeln und Moos zusammengesetzte Einsiedler- I Band. J wohnung Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten wohnung. Hohe Seiten und ein dichtes von Roßkastanien verdunkeltes Gebuͤsche schließen diesen abgesonderten Ort ein. Ein schmaler Bach rieselt durch denselben hindurch; und zwey kleine Gewaͤsser sammeln sich in der Tiefe. Auf der einen Seite erscheinen sie durch die Gruppen der Baͤume; die andere Seite aber ist offen, jedoch mit Farnkraut uͤberwachsen. Dieses Thal macht das Ende des Parks aus; und unmit- telbar uͤber demselben erheben sich die Clenter Berge in aller ihrer Unregelmaͤßigkeit. Auf der andern Seite von dem Schlosse ist ein langer Abhang, der wie das uͤbrige mit vortrefflichen Waldungen bedeckt ist, welche gleichfalls schoͤne, aber von allen vorigen unterschiedene, Wildbahnen umschließen. In der einen ist der Boden sehr rauh, die Graͤnze ist stark unterbrochen, und blos durch die Staͤmme der Baͤu- me bezeichnet, die sehr hoch aufschießen, ehe die Aeste anfangen. Die folgende ist weit einfacher; der Boden faͤllt von einer ebenen Hoͤhe in eine große Tiefe herab, die sich schief nach dem Thale zu lenket, wo sie sich in die Waldung verliert. Diese haͤngt vermittelst eines kurzen Weges durch zwo Haine mit einer andern zusammen, welche die Tinianische Wildbahn heißt, wegen der Aehnlichkeit, die sie mit den Wildbahnen dieser beruͤhmten Insel haben soll. Sie ist mit den praͤchtigsten Baͤu- men eingefaßt, die alle frisch, lebhaft und so voll Blaͤtter sind, daß kein Stamm, kein Ast erscheint, sondern große Flaͤchen von Laubwerk einen wellenfoͤrmigen Umzug bezeichnen. Dennoch aber wird diese Wirkung nicht von den bis auf den Boden herabhangenden Aesten erzeuget; dem Ansehen nach schießen sie einige Fuß hoch uͤber der Erde wagrecht aus ihren Staͤmmen in eine erstaunende Weite hervor, und wer- fen einen Schatten unter sich, worin man in allen Stunden des Tages einen unmit- telbaren Zufluchtsort finden kann. Der gruͤne Rasen ist hier so anmuthig, als in der offenen Gegend. In beyden kruͤmmet sich der Boden uͤber allmaͤhlige Anhoͤhen und kleine Vertiefungen, wodurch er der Oberflaͤche eine richtige Abwechselung giebt, ohne sie zu zertheilen. Nirgends sind starke Linien gezogen. Keine erstaunenswuͤr- dige Gegenstaͤnde finden hier statt; sondern alles ist in einer mittlern Beschaffenheit; alles ist sanft, ruhig und heiter, in der angenehmsten Zeit des Tages blos munter und unterhaltend, und in den stillesten Stunden der Nacht nicht traurig. Indessen aber ist der Auftritt wirklich ganz besonders der Ruhe der letztern angemessen, wenn das Licht des Mondes auf dem dichten Laubwerk des Hains zu ruhen scheint, und zugleich den Schatten eines jeden Zweiges deutlich bezeichnet. Alsdann ist es ein reizender Zeitvertreib, hier herum zu spazieren; das Gras und das darin geflochtene Gewebe der Feldspinnen vom Thau glaͤnzen zu sehen; zu horchen, und doch nichts zu hoͤren, das sich ruͤhrte, es muͤßte denn ein verwelktes Blatt seyn, das ganz langsam durch die Aeste eines Baums herabfaͤllt; und die frische Abendluft zu schoͤpfen, ohne die der Alten und der Neuen. die Beschwerlichkeit der Kaͤlte zu empfinden. Eine einsame ehemals von Pope fuͤr diesen Ort bestimmte und nunmehr seinem Andenken in einer Inschrift gewidmete Urne unterhaͤlt, wenn sie sich vermittelst des Mondlichts durch die Baͤume zeigt, das Nachdenken und die Verfassung, in welche die Seele ganz unmerklich durch die uͤbri- gen Umstaͤnde dieser reizenden Scene versetzt wird. Der dorische bedeckte Gang, welcher gleichfalls den Namen des Dichters fuͤhrt, ist auch in der Naͤhe, ob er gleich nicht in die Augen faͤllt. Er stehet auf dem Abhange eines Berges; und Thomsons Haus mit seinen Hainen ist ein angenehmer Gegenstand in dem Prospecte von jenem. In dem unten liegenden Thale ist eine Bank angebracht, die verschiedene kurze Aussichten vor sich hat. Die eine ist an der Anhoͤhe hinauf bis zu dem bedeckten Gange; und andere erstrecken sich durch die Oeffnungen im Walde bis zu der Bruͤcke und zu der Rotunda. Die naͤchste Wildbahn ist groß. Der Boden ist uneben und hoͤckerich, hat aber dennoch einerley Richtung, indem sich die Erhoͤhungen von allen Seiten nach einem allgemeinen Abhange neigen. Der Umzug bekoͤmmt seine Abwechselung von verschiedenen auf den Huͤgeln gepflanzten Gruppen von Baͤumen; und durch die Oeffnungen zwischen denselben zeiget sich sehr oft ein perspectivischer Anblick der Land- gegend. Auf der obersten Hoͤhe ist ein Haus, welches die praͤchtigste Lage in ganz Hagley hat. Von demselben hat man eine Aussicht an dem kuͤhnen Hange der Wildbahn hinunter und uͤber ein ganzes Thal, welches bis zu den hinter demselben befindlichen Bergen mit den vortrefflichsten Baͤumen angefuͤllt ist. Der eine von diesen Bergen ist mit einem abhaͤngigen Walde bedeckt, der nur darum eine Oeffnung hat, um Thomsons Haus nebst den darum liegenden Hainen und Anhoͤhen zu zei- gen. Die uͤbrigen sind die Witchberry -Berge, die sich vorwaͤrts in die Landschaft hereinzudraͤngen scheinen. Und indem die dichten Wipfel der Baͤume im Thal sich in eine fortlaufende Oberflaͤche verwandeln, so geben sie dem Tempel des Theseus eine sehr breite Grundflaͤche, verbergen die Hoͤhe, auf welcher er gebauet ist, und pressen sich bis uͤber den Grund desselben. Weiter zuruͤck stehet der Obelisk; vor demselben ist die Schaftrift, und hinter ihm der Wald von Witchberry; hinter dem Tempel aber sind die Tannen. Diese beyden Gehoͤlze hangen mit jener großen waldigten Scene zusammen, die sich uͤber den andern Berg und uͤber das ganze da- zwischen liegende Thal verbreitet. Eine solche Ausdehnung von Waldung, eine sol- che Abwechselung in der Anlage derselben; Gegenstaͤnde, die an sich selbst so vortrefflich sind, und durch ihre Lagen noch mehr veredelt werden, die einen Contrast unter ein- ander machen, alle deutlich von einander unterschieden, alle gluͤcklich verbunden sind; so schoͤne Theile eines so großen Ganzen, die von einer reizenden Flur uͤbersehen, und J 2 von Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten von einer anmuthigen Landgegend umringt werden: dieses alles macht zusammen wirklich einen Auftritt von Pracht und Groͤße aus. Die verschiedenen Wildbahnen werden durch die schoͤnsten Baͤume von einander abgesondert, welche bisweilen in weitschichtige, von Lichtstrahlen durchkreuzte und von einem jeden Luͤftchen durchdrungene Haine aufwachsen, noch weit oͤfterer aber vermit- telst ihrer zusammenstoßenden in einander geflochtenen Zweige einen tiefen undurch- dringlichen Schatten verbreiten. Große weit ausgestreckte und tief herabhaͤngende Aeste versperren oft die Aussicht. Bisweilen ist ein leerer Raum mit lebendigem Gehoͤlze, mit Haselstraͤuchen, Dorngebuͤschen und Hagebuchen angefuͤllt, deren bu- schigte Haͤupter sich mit dem Laubwerk der Baͤume vermischen, und deren schwache Reiser in unzaͤhlbarer Menge sich um ihre Staͤmme herum versammeln, und auf diese Art die Waldung verdicken und verfinstern. Hier und da bestehet die Abtheilung blos aus solchem lebendigen Gehoͤlze, welches, weil es nicht so gepreßt und erstickt wird, weit staͤrker aufschießet, sich viel weiter ausbreitet, und oben in ein niedrig ge- woͤlbtes Gebuͤsche zusammenlaͤuft. An andern Orten verdunkelt sich der Schatten unter den hohen Schwibboͤgen der laͤngsten Eschen, oder dehnet sich unter den Aesten der ehrwuͤrdigsten Eichen in der Breite; diese zeigen sich in allen moͤglichen Gestalten, in welchen Baͤume nur wachsen koͤnnen. Der Boden unter denselben ist bisweilen beynahe voͤllig eben, bisweilen ein wenig erhaben, insgemein aber sehr irregulaͤr und ganz ungleich. An verschiedenen Orten laufen große Hoͤhlungen an den Seiten der Berge herab, die seit Jahrhunderten in den stuͤrmischen Monaten von dem herab- schießenden Wasser ausgewaschen sind; denn sehr bejahrte, mitten in diesen Canaͤlen stehende Eichen beweisen ihr Alterthum. Einige unter denselben erhalten sich die meiste Zeit des Jahres hindurch ganz trocken; in andern aber fallen kleine Gewaͤsser den ganzen Sommer hindurch herab. Sie sind sowohl tief als breit; die Seiten sind gemeiniglich steil, und oft senkrecht abgebrochen oder ausgehoͤhlt; und die auf den Ufern stehenden Baͤume verlaͤngern nicht selten ihre gaͤnzlich bemoosten Wurzeln uͤber diese Wassergraben, bis in den jenseitigen Boden hinuͤber. Tief unten in einem von diesen Schluften ist unter einem dicken Schatten von wilden Kastanienbaͤumen eine platte Bank, in der Mitte verschiedener kleiner Stroͤme und Wasserfaͤlle, die zwischen großen frey liegenden Steinen und den Kloͤtzern abgestorbener Baͤume, welche den Boden unterbrechen, dahin rauschen. Auf dem Rande eines andern Canals, der sich durch eine zahlreiche Dolenhecke unterscheidet, befindet sich in einer noch wildern Lage, neben einem tiefern Abgrunde, und in einer noch dichtern Finsterniß, eine Huͤtte. Die Wasserfaͤlle sind hier beynahe senkrecht; die Wurzeln verschiedener von den herumstehenden Baͤumen sind, nachdem die Erde ganz weggespuͤlt worden, mei- stentheils der Alten und der Neuen. stentheils bloß; große Aeste von andern sinken unter dem Drucke ihrer eigenen Last herab, und haben das Ansehen, als ob sie alle Augenblicke von ihren Staͤmmen los- brechen wollten; und die schoͤnsten, noch in ihrem Wachsthum stehenden Eschen lehnen sich schief uͤber den Graben heruͤber, der die Luft um sich herum kuͤhl macht. Ueber diese Tiefen, durch die Waͤlder, Haine und dichtere Gebuͤsche, wie auch laͤngst an den Seiten der Wildbahnen, sind kiesigte Gaͤnge, und zwar so angelegt, daß sie die Gemeinschaft allezeit unterhalten und zu den Hauptscenen fuͤhren, ob sie gleich insgemein vor den Augen versteckt sind. Die Schoͤnheit so vieler Spazier- wege, die Vielheit und der Charakter der Gebaͤude und die gute Verfassung, worin der ganze Ort erhalten wird, dieses alles giebt dem Park ein vortreffliches Ansehen. Von mehrern brittischen Parks kann man Beschreibungen in den beyden ange- fuͤhrten Schriften finden; so auch in eben des Youngs Reise durch die oͤstlichen Pro- vinzen von England, als eine Fortsetzung der ersten Reise. Aus dem Engl. 8. 3ter und 4ter Theil 1775. — Man hat ge- fragt, warum die Englaͤnder, wenn ihre Parks so schoͤn waͤren, sie nicht in Kupfer- stichen zeigten? — Ich antworte: Von Canot und Mason hat man einige Seiten von dem Park des Grafen von Westmore- land. Der große Park zu Windsor ist nach seiner letzten Verschoͤnerung in 8 Aus- sichten von Sandby, Mason, Vivarez, Canot, Roocker und Austin in Kupfer ab- gebildet. Von dem alten und von dem neuen Stowe kenne ich zwey Werke: A General Plan of the Woods Park and Gardens of Stowe, by Bridgemann, fol. 1739. Stowe: a Description of the ma- gnificent House and Gardens \&c. a new edition. 8. London 1766. Das erste stellt den Garten in seiner alten Regelmaͤßigkeit, das andere in seiner neuen Verschoͤnerung vor, und enthaͤlt Abbildungen der Tempel, Saͤulen, J 3 Auch Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Auch in Schottland kennt der edlere Theil der Bewohner die Reize des Landle- bens. Zwar ist ihnen das Klima sehr nachtheilig; von den Fruchtarten bringt die Natur nur eine geringe Anzahl zur Reife. Viele Gegenden liegen so oͤde, daß das Gesicht durch nichts ergoͤtzt, die Scene durch nichts veraͤndert wird, als etwa durch eine Heerde Schafe, oder durch den duͤstern Eingang in eine Kohlengrube, oder durch den Gipfel eines großen nackten Berges in der Ferne. Die Abwechselung von Sonnenschein und Schatten ist, wie Johnson klagt, Reise nach den westlichen Inseln bey Schottland. da eine aͤußerst unbekannte Sache; das Land dehnt sich in einfoͤrmiger Nacktheit aus, auf viele Meilen ganz entbloͤßt von Gebuͤsch und Baͤumen, deren Anpflanzung noch durch eine unbegreifliche Nachlaͤßigkeit versaͤumt wird. Inzwischen zeichnen sich verschiedene Gegenden durch einen Charakter von Groͤße und Majestaͤt aus, der ihnen eigenthuͤmlich zu seyn scheint. Man Saͤulen, Monumente, die Inschriften, die Beschreibung des Hauses, der Gemaͤlde u. s. w. Die Kupferstiche sind aber sehr mittelmaͤßig und zu klein. Von Kew ha- ben wir außer vier großen Blaͤttern von Mason, Elliot und Canot nach Woolletts Zeichnung, die verschiedene Partien von dem Park vorstellen, noch: Plans, Eleva- tions, Sections and Perspective Views of the Gardens and Buildings at Kew in Surry, by William Chambers, fol. London 1763. Dieses Werk enthaͤlt Risse und Ab- bildungen der Tempel und uͤbrigen Gebaͤu- de, und 8 schoͤne Partien von dem Park, gestochen von Woollet Major, Sandby, Grignion und Roocker. Auch findet man einige schoͤne Naturscenen in Parks, be- sonders Wasserfaͤlle, in der engl. Origi- nalausgabe von Arthur Youngs Reise: The six months Tour through the North of England. Second Edit. 1771. 4 Vol. welche in der deutschen Uebersetzung fehlen. Außerdem gehoͤrt noch hieher: Detail des nouveaux Jardins à la mode, fol. Paris 1775. Diese Sammlung ist schon auf ei- nige Hefte, die viele Blaͤtter enthalten, angewachsen, und wird noch fortgesetzt; sie stellt zugleich sowohl einzelne Partien, als auch Gebaͤude aus verschiedenen schoͤ- nen Parks der Britten vor; uͤberhaupt aber ist zu wuͤnschen, daß dabey mehr Aus- wahl der Gaͤrten und mehr Sorgfalt des Grabstichels beobachtet seyn moͤchte. — Viele von den besten englaͤndischen Parks sind noch zu neu, und werden noch jaͤhr- lich verschoͤnert. Mehr Schwierigkeiten ist naͤchstdem die Abbildung eines Parks, als eines symmetrischen Lustgartens unter- worfen; von diesen konnte man leicht eine so unzaͤhlige Menge von Zeichnungen haͤu- fen, zumal da sie sich fast alle so aͤhnlich sahen. Endlich befinden sich die Kuͤnstler in der Hauptstadt, und die schoͤnsten Parks in den entlegenen Provinzen. — In Ab- sicht auf Grundrisse zu Gartengebaͤuden ist, außer den Werken der Architekten William und John Halfpenny, besonders des Ro- bert Morris Architecture improved in a Collection of Designs from Lodges and other Decorations in Parks, Gardens \&c. 8. London 1757. zu bemerken. der Alten und der Neuen. Man sieht sehr viele Landhaͤuser, die gut gebauet und wohl unterhalten sind. Besonders haben, wie Topham bemerkte, Briefe von Edinburg in den Jahren 1774 und 1775 geschrieben. 28ter Br. die Landhaͤuser in der Naͤhe von Edin- burg wegen der romantischen und abwechselnden Beschaffenheit des Landes ein male- risches und schoͤnes Ansehen. Ihre Besitzer, setzt er hinzu, verdienen wegen ihres bey der Anlage gezeigten Geschmacks und Verstandes alles Lob. Der aufruͤhrerische Geist und die ungluͤcklichen Zerruͤttungen verhinderten in vorigen Zeiten die Aufmerk- samkeit auf die laͤndlichen Vergnuͤgungen und die Verschoͤnerung der Gestalt des Lan- des. Jetzt wird diese nuͤtzliche Belustigung befoͤrdert. Allein die Lustgaͤrten sind hier nicht so gut angelegt, noch zu sehr nach steifen Linien, und nicht mit der edeln Freyheit und großen Mannigfaltigkeit laͤndlicher Ge- genstaͤnde, wodurch die Parks in England so beruͤhmt geworden sind. Selbst in Irrland liegen, wie Twiß Reise durch Irrland im Jahr 1775. erwaͤhnet, verschiedene anmuthige Landhaͤuser und Gaͤrten; diese sind groͤßtentheils in dem neuen Geschmack der Eng- laͤnder angelegt. 7. Gaͤrten Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten 7. Gaͤrten in Deutschland. Die Gaͤrten in Deutschland sind lange durchgaͤngig der symmetrischen Ma- nier unterworfen gewesen, und man glaubte bey uns, so wie in andern Laͤndern, daß nur diese die richtige sey. Unsre Architekturlehrer, welche ebenfalls die Anlage der Gaͤrten unter ihr Gebiet zogen, verbreiteten dieses Vorurtheil, indem sie ihr die Re- gelmaͤßigkeit vorzeichneten. Noch mehr wirkte die Gallomanie, eine sonderbare Krankheit bey unserer Nation, die einen großen Theil derselben von den Fuͤrsten an bis zu den Kraͤmern beherrschte, und gegen welche weder der Spott der Patrioten, noch die Denkmaͤler, die unsre eigene Kraft und Wuͤrde beweisen, maͤchtig genug schienen. „So machts der Franzose, so hab ichs in Frankreich gesehen.“ Dies war genug, um den erfindsamen Deutschen zum Nachahmer herabzuwuͤrdigen. Wir bekamen franzoͤsische Gaͤrten, so wie wir franzoͤsische Moden hatten. Und um die Nachahmung desto geschwinder und allgemeiner zu machen, so geruheten un- sre Großen das erste Beyspiel zu geben, und bald ein klein Versailles, bald ein klein Marly, bald ein klein Trianon, alles aber in bescheidener Miniatur, anlegen zu lassen. Bald pfropften wir unsere Gaͤrten, anstatt edler Baͤume, mit elenden Klum- pen von todtem Holz und Stein voll, die mit dem Namen von Statuen beehrt wur- den; bald ahmten wir dem verschwenderischen Pomp hollaͤndischer Blumenflu- ren nach. Vernunft und Geschmack fangen indessen jetzt an, wenigstens als eine schoͤne Morgenroͤthe, uͤber unsre Gaͤrten aufzugehen. Bey einer Nation, die vielleicht mehr als eine andere gegen die Schoͤnheiten der Natur empfindlich ist, mehr als eine an- dere die malerische Idylle liebt, konnte es nur die Verblendung der Nachahmung seyn, die sie auf eine Zeit taͤuschte. Ein Selbstbetrug, der so wahren und so maͤch- tigen Gefuͤhlen entgegen war, konnte nicht lange dauern; und die Nachahmung mußte wenigstens einen Stillstand haben, nachdem man es einmal empfand, wie weit sie irre fuͤhrte. Die Nachrichten von der englaͤndischen Gartenverbesserung haben, die Wahr- heit zu gestehen, wohl die erste Aufheiterung uͤber diesen Gegenstand in Deutschland vorbereitet. Wir duͤrfen noch uͤber keine ploͤtzliche Revolution, keine sehr verbreitete Nachahmung klagen. Es scheint, daß eigene Ueberlegung wirksam wird, die im- mer einen langsamern Gang haͤlt, als bloße Nachahmung. Es mag hie und da wohl einzelne unuͤberlegte Copien der englaͤndischen Manier, selbst einige Nachaͤffun- gen chinesischer Seltsamkeiten geben. Aber im Ganzen scheint doch die angenehme Erwar- der Alten und der Neuen. Erwartung durch, daß jetzt der Geist der Nation sich auch hier einer eigenen Ueber- legung und Thaͤtigkeit uͤberlassen will, und daß wir Gaͤrten gewinnen werden, die mit dem Gepraͤge des deutschen Genies bezeichnet sind. Wir haben nicht blos Anfaͤnge, wir haben selbst schon einige gluͤckliche Aus- fuͤhrungen, die deutsch sind, ob man sie gleich, um sie von der alten Manier zu un- terscheiden, unter dem Namen englaͤndischer Gaͤrten versteckt. Warum geben wir ihnen nicht ihren eigenen Namen, den Namen des Landes, der Erfinder? Die hollaͤndische, die franzoͤsische, die englaͤndische Manier ist bestimmt; man denket sich bey dem Namen einer jeden schon ihren charakteristischen Unterschied. Und was kann uns bereden, Nationalanlagen mit einem fremden Namen zu belegen, der sie fuͤr bloße Nachahmungen ausgiebt? Ist es etwa mehr Empfehlung, wenn der deutsche Fuͤrst einen englaͤndischen, als wenn er einen deutschen Garten hat? Laͤßt sich nicht eine Manier gedenken und einfuͤhren, die deutsch genug ist, um diesen Na- men anzunehmen? So viel ist gewiß, daß wir schon wirklich einige Gaͤrten haben, die zwar in gewissen Theilen dem englaͤndischen Geschmack zugehoͤren, vielleicht selbst Nachahmungen davon sind, im Ganzen aber das Gepraͤge eines eigenen von jenem abweichenden Geistes haben. Einige edle Deutsche, selbst einige vortreffliche Fuͤr- sten, haben sich mit einer seltenen Feinheit des Geschmacks dieses Verdienst zu erwerben gewuͤrdigt. Und warum duͤrfte ich hier nicht besonders die jetzt regierenden Fuͤrsten zu Gotha, Dessau und Carlsruhe mit der waͤrmsten Verehrung nennen, die eben den wohlthaͤtigen Geist, womit sie ihre Voͤlker begluͤcken, auch auf die Verschoͤnerung der leblosen Natur rings um sich her verbreiten, und gleichsam mit eigenen Haͤnden die ehrwuͤrdigen Schattenlauben woͤlben, unter welchen sie nur ausruhen, um sich zu neuen Geschaͤften fuͤr den Ruhm der Menschheit zu erfrischen? Deutschland, das die Ehre der Gaͤrten selbst durch die Mitwirkung solcher er- habenen Kenner sich ausbreiten sieht, koͤnnte sehr leicht eine Menge der schoͤnsten Lust- plaͤtze gewinnen. Wie viele reizende Gegenden von den Gebirgen in Sachsen bis zu den Gestaden der Nordsee herunter, in den meisten Provinzen auf allen Seiten, und besonders an den Ufern der Elbe, des Rheins, des Mayns, Gegenden, wel- che die herrlichsten Anlagen der Natur enthalten! Nicht weniger ist besonders dieses mein geliebtes Vaterland, Holstein, mit Schoͤnheiten geschmuͤckt, die den Fremden einnehmen und den oft umwoͤlkten Augen des Einwohners unbekannt voruͤbergehen. Keine steilen Felsgeruͤste, keine Gebirge, keine Gegenstaͤnde, die Erstaunen einfloͤßen, außer den beyden Meeren, welche die friedfertigen Ufer dieser Provinz bespuͤlen, und, indem ihre Wellen, durch manches dahinfliegende Schiff belebt, an den blauen Horizont hinschlagen, Aussichten in das I Band. K Uner- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Unermeßliche eroͤffnen. Aber dagegen eine Menge laͤndlicher Reize uͤber den frucht- barsten Boden verbreitet; sanfte Erhoͤhungen und Vertiefungen, ein anmuthiges Ge- misch von Kornfeldern, von Wiesen, von Viehtriften, von Gebuͤschen, von Wal- dungen, von meilenlangen Seen, deren heller Spiegel das Bild der frischgruͤnenden Landschaft zuruͤckwirft; keine Weinberge, aber Huͤgel voll fetter Heerden, die im fro- hen Ueberfluß umherirren; und wenn auch der Fruͤhling und der Sommer ihre schoͤ- nen Tage daherfuͤhren, so ist es doch besonders der milde Herbst, der mit einer stillen einnehmenden Heiterkeit laͤchelt und spaͤt den Genuß der Landfreuden verlaͤngert. Und in diesen Gefilden ein Adel, der das Erbtheil seiner Vaͤter lange in ungestoͤrter Ruhe genießt, der seine weiten Laͤndereyen beherrscht, und dem, was der Geschmack entwer- fen wuͤrde, der Reichthum ausfuͤhren helfen koͤnnte. In der That faͤngt auch hier der Geist der Verschoͤnerung an, seine Wirksamkeit auszubreiten. Die Gehoͤlze oͤff- nen sich zu freyen labyrinthischen Spaziergaͤngen, zu kuͤhlen Laubsitzen, zu frischen Ra- senplaͤtzen; man eilt heitern Aussichten und Scenen der Natur entgegen; und bald entsteht hie und da ein Ganzes von einer Verschoͤnerung, die bisher unbekannt war. Beschrei- der Alten und der Neuen. Beschreibung von Aschberg. Unter den anmuthigsten Plaͤtzen in Holftein nimmt Aschberg eine der ersten Stellen ein. Der Ploͤnersee, an welchem dieser Ort liegt, giebt ihm so viele zau- berische Schoͤnheiten, als in wenig Gegenden vereinigt erscheinen. Dieser See ge- hoͤrt unstreitig zu den schoͤnsten Gewaͤssern, welche unsre Erdflaͤche zieren; sein Anblick erhebt und erfreut schon in der Ferne; und der Landschaftmaler trifft in den Prospecten seiner Ufer und Inseln Gemaͤlde der Natur an, bey welchen die Einbildungskraft nichts mehr zu verschoͤnern hat. Der See bildet eine uͤberaus lange und breite Wasserflaͤche, die indessen nicht so ausgedehnt ist, daß seine Ufer nicht von allen Seiten uͤberschauet werden koͤnnten; und gerade durch dieses Uebersehbare seines Bezirks gewinnt er mehr an vortheilhafter Wirkung. Nichts ist reizender an Gestalt und abwechselnder als seine Ufer. Bald graͤnzen sie an ein Dorf, bald an eine Wiese, bald an einen Meyerhof, bald an einen Wald, bald an einen Huͤgel hin; nur selten erscheint eine merkliche Erhoͤ- hung; an den meisten Seiten ist die Graͤnze niedrig, und das Wasser verliert sich anmuthig in die gruͤnende Landschaft umher. Die Einbuchten sind mannigfaltig, und schmiegen sich in sanft gebogene Linien. Hin und wieder laufen einige Striche des Sees durch kleine Eingaͤnge tief in das Land hinein, und bilden eine Menge von neuen Prospecten, die durch die Einfassung der umherstehenden Baͤume, Gebuͤsche und Haine noch mehr verschoͤnert werden. Auf einer andern Seite ziehen sich wie- der schmale Landflaͤchen gruͤnend, mit Gebuͤsch oder einzelnen Baͤumen bekleidet, ins Wasser, worin sie zu schwimmen scheinen. Verschiedene kleine Inseln, die zerstreut umherliegen, geben dem See eine uͤberaus anmuthige Verzierung. Sie reizen nicht blos durch ihr schoͤnes Gruͤn, das sich hier lange in seiner Lebhaftigkeit erhaͤlt, sondern auch durch Gebuͤsch und einzelne Baͤume, die gegen das helle Wasser einen sehr ma- lerischen Prospect geben. Sie sind so klein und so eben, daß man sie ganz uͤbersieht; so unmerklich erhoͤhet, daß sie mit dem Wasser eine gleiche Linie zu halten, mit ihm sich zu bewegen scheinen. Diese herrliche Wasserflaͤche, die mit allen Schoͤnheiten der Natur bereichert ist, wird durch hin und wieder rudernde Fischerboͤte und Seevoͤ- gel, die kreischend sich in der Luft umherwaͤlzen, belebt. Einige Huͤgel umher, die Buschwerk und kleine eingezaͤunte Felder tragen, die Waldungen und die Inseln ge- ben dem lichtvollen Gewaͤsser eine liebliche Schattirung; und die Wolken und die Ufer bilden mit ihren abwechselnden Gestalten und Farben eine Menge von Wiederscheinen, die in einer unnachahmlichen Schoͤnheit umherschweben. An einigen Einbuchten des Sees erblickt man uͤberaus anmuthige Scenen von Waldung und Wasser in K 2 Ver- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Verbindung, wo hohe Buchen mit Eichen untermischt in einer dichten Woͤlbung von Laubwerk sich eine kleine Anhoͤhe hinaufziehen, von da auf das Wasser des Ufers einen dunkeln Schatten zuruͤckwerfen, indessen die benachbarte Flaͤche im Sonnenlicht erheitert dahinspielt. Doch alle diese Annehmlichkeiten wurden noch durch eine zu- faͤllige Abendscene erhoͤhet, die uns uͤberraschte, indem wir nach dem Untergang der Sonne an einer kleinen zirkelfoͤrmigen Ecke des Sees standen, deren gegenseitiges Ufer von einem dicken Gebuͤsch begraͤnzt war. Ein breiter hochrother Abendstral er- schien hinter der Daͤmmerung des Gebuͤsches; wo seine kurze Beschattung aufhoͤrte, da glaͤnzte das Wasser in eben der Farbe, die am Himmel leuchtete; und das Ufer spiegelte seine dunkle Gestalt in der brennenden Fluth; das Feuer und die Finsterniß konnten in keinen mehr romantischen Contrast kommen; der uͤbrige Strich des Wassers naͤher nach uns hin zeigte eine wunderbare Mischung von Weiß, Dunkel, Roͤthlich, Blaͤulich, Gelb, nachdem die von der Abendroͤthe gefaͤrbten Wolken darin abglaͤnzten; eine tiefe Stille herrschte umher; nur dann und wann ließ sich ein leises Gequaͤcksel von einem Frosch hoͤren; aus einer finstern Ecke fuhr ein rudernder Kahn heraus, ward in dem Bezirk des Glanzes sichtbar, verlor sich wieder schnell in den Schatten, und ließ nichts zuruͤck, als eine zitternde Bewegung des Wassers und eine zweifelhafte Erinnerung an die taͤuschende Erscheinung. — Doch eine so seltene und so zauberische Scene verschwindet in jeder Beschreibung, wie sie nach einigen Minuten vor unsern Augen verschwand. Um diesen See lacht eine frische, fruchtbare, uͤberall angebauete Landschaft mit allen Reizen der Abwechselung. Sie besteht groͤßtentheils aus Ebenen, die mit Huͤ- geln, kleinen Erhoͤhungen, Gebuͤschen, Waldungen, Wiesen, eingezaͤunten Korn- feldern, einigen Doͤrfern und Meyerhoͤfen unterbrochen ist; umher weidende Rinder und Schaftriften vermehren ihre Anmuth, wie der Gesang mannigfaltiger Voͤgel, die uͤberall die Luft und die Buͤsche fuͤllen. Von Ploͤn laͤuft der Weg nach Aschberg eine kleine Meile fast immer an dem Rande des Sees hin, von welchem er zuweilen etwas entfernt uͤber kleine Anhoͤhen und neben schattigten Gebuͤschen hin sich verliert. Eine unendliche Abwechselung von reizenden Durchsichten und Prospecten sowohl der Ufer, ihrer Einbiegungen und ver- schiedenen Einfassungen, als auch der weiten Landgegend bezaubert das Auge. Hun- dert Lerchen wirbelten ihr Lied uͤber uns in den Wolken; in den Gebuͤschen, durch welche zuweilen unser Wagen lief, wetteiferte die Nachtigall mit minder melodischen Saͤngern; und dann ward das Ohr durch das Rieseln kleiner Baͤche belustigt, die in den See eilten, und durch das staͤrkere Geraͤusch des Wassers, das sich an den Aus- fluͤssen um die Fischkisten zusammendraͤngt. Ein der Alten und der Neuen. Ein ansehnlicher mit Waldung bekleideter Berg, der sich in der ganzen vorlie- genden Gegend auszeichnet, fesselt schon in der Ferne die Aufmerksamkeit; und dieser Berg ist eigentlich der paradisische von vielen Fremden jaͤhrlich besuchte Lustplatz, von dem ich hier einen Schattenriß mittheile. Man besteigt den Berg aus einem nahe an dem Wohngebaͤude des Besitzers von dem adelichen Gute Aschberg liegenden Garten, der noch in der alten Manier angelegt ist, Symmetrie, kurze Hecken, viel sumpfigtes Wasser in Canaͤlen nach hollaͤndischem Geschmack, in der Mitte einen guten Salon und verschiedene kleine Lusthaͤuser hat. Die beste Partie im Garten ist am Hause eine Seitenallee von vier Gaͤngen von hohen und schattenreichen Linden, unter welchen man die Aussicht nach dem Berge und auf den See vor sich und zur Seite hat; an der andern Seite der Gebaͤude liegt ein schoͤnes Gehoͤlz in Verbindung mit Wasser. Man vergißt bald diesen kleinen Kunstgarten, um auf dem Berge die freyen und hoͤhern Ergoͤtzungen der Natur zu genießen. Der Berg ist nicht steil, aber rund und breit, und uͤberall mit einer schattenvollen Waldung bedeckt; zwischen Buchen, Eichen und Eschen sind Tannen, Kastanienbaͤume, Kirschbaͤume und andere Anpflan- zungen verstreut; zuweilen laͤuft eine Art von wilden Baͤumen ohne Vermischung eine Strecke fort. Indem man die Erhoͤhung zu besteigen anfaͤngt, tritt man gleich in den Schatten hoher und schoͤner Baͤume, die mit niedrigem Buschwerk untermischt sind. Doch ist der Boden an einigen Stellen zu sehr verwildert, mit Nesseln und anderm kriechenden Gestraͤuch bedeckt. Die Holztaube, der Kuckuk, die Nachtigall, der Buchfinke, die Weindrossel und andere Arten von singenden und floͤtenden Voͤ- geln empfiengen uns mit einem Concerte von mannigfaltigen Stimmen. Der Hauptweg, der den Berg hinauffuͤhrt, ist eben, bequem und schlaͤngelnd; uͤberhaupt sind die Gaͤnge mit einem guten Geschmack angelegt; sie richten sich immer nach der Beschaffenheit des Bodens, und laufen in abwechselnden edlen Kruͤmmungen, ohne Ziererey, fort. Die Aussicht nach dem See ist gleich verschlossen. Indem man fortsteigt, steigt auch die Erwartung der Eroͤffnung eines Prospects, und diese Er- wartung wird nicht befriedigt. Der Weg laͤuft in der Runde um den Berg in einer allmaͤhligen Erhoͤhung. Von den hohen und dichten Baͤumen fallen Schatten herab, die alles erfuͤllen; nur hie und da brechen einige schwache Blicke der Sonne durch. Man sieht auf der linken Seite in die Tiefe herunter, wo zwey schattigte Gaͤnge neben einander laufen; weiter hin begegnen sich in der Tiefe mehr Wege. Die Baͤume werden etwas duͤnner, doch erblickt man blos einigen Schimmer von Wasser oder Ufer. Noch immer hebt sich die Erwartung der Anhoͤhe und der Aussicht auf den K 3 See. Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten See. Der Weg leitet rund um den Berg von dem See weg nach der andern Seite hin, wo einige Prospecte von der schoͤnen Landgegend durchschimmern. In diesem Bezirk fast auf der Hoͤhe trifft man eine mit Stroh uͤberzogene Huͤtte an. Sie ist pyramidenfoͤrmig und durchgehends von sehr einfacher Architektur, in- wendig mit Baumrinden ausgeschlagen. Zwey Ruhebaͤnke machen ihre ganze Aus- zierung. Die etwas eingeschraͤnkte Aussicht geht nach der Landgegend; man erblickt ein Dorf und einige eingezaͤunte Felder. Nahe vor dem Eingange ist eine jaͤhe tiefe Niedrigung des Berges, mit jungen Eichen und kleinem Buschwerk besetzt, ein ge- liebter Aufenthalt der Voͤgel. Diese Huͤtte liegt offen, gerade am Wege, und scheint diese Stelle einzunehmen, um den muͤden Wanderer hereinzurufen, und ihm einen bequemen Ruheplatz anzubieten. Bald nachdem man die Huͤtte verlassen, erreicht man den Gipfel des Berges. Buchen, Eichen, Tannen, Hagebuchen und Eschen umkraͤnzen hier einen ebenen, runden Platz, der etwan sechzig Schritte im Umkreis begreift, von den umherstehen- den Baͤumen Beschattung, und zur Bequemlichkeit blos einige Baͤnke, uͤbrigens keine Verzierungen hat. Von dieser Hoͤhe genießt man blos eine einzige ganz offene Aus- sicht, die herrlich und ausgedehnt ist, aber eine groͤßere Wirkung thun muͤßte, wenn die Oeffnung mehr erweitert wuͤrde. Im Vorgrunde hat man einen tiefen dunkeln Theil des Waldes. Die Aussicht faßt einen ausgebreiteten Bezirk des Sees, und am Horizont erscheint ein Theil der Stadt Ploͤn mit dem Schloß, das groß und in einer kuͤhnen Lage auf einer Anhoͤhe uͤber alle andere Gegenstaͤnde, die das Auge um- her entdeckt, hervorragt. Der Anblick dieses Schlosses, das außer dem, was es von der Lage erhaͤlt, aus großen und starken Massen von Mauerwerk mit Thuͤrmen besteht, und ein aͤlterndes Ansehen gewinnt, ist in einer so heitern und offenen Land- schaft von einer trefflichen Wirkung. Indem man, das Gesicht nach dem Schlosse gerichtet, steht, hat man meistens ruͤckwaͤrts eine halbe Oeffnung nach der Landgegend hin, wo eine auf einer Hoͤhe liegende Muͤhle viel zur Belebung beytraͤgt. Die Haupt- oͤffnung nach dem See und dem Schloß ist ein uͤberaus interessanter Prospect, und diese Hoͤhe ungemein reizend, obgleich die Lage fuͤr die Aussichten noch nicht genug benutzt ist. Wenn es, wie man sagt, im Vorschlag gewesen, auf diesem Gipfel des Berges einen Tempel anzulegen: so waͤre die Lage dazu ungemein guͤnstig. Ich wuͤrde rathen, diesen Tempel einer erhabenen Gottheit zu widmen, etwan der Sonne, deren Tempel in einem beruͤhmten koͤniglichen Park, wider die Erwartung des richtigen Ge- schmacks, auf eine unansehnliche Ebene hingestellt ist. Sollte der Tempel in der Fer- ne eine lebhafte Wirkung haben, so muͤßte seine Architektur etwas kolossalisch, und der obere Theil der Waldung weggehauen werden. Doch wenn nur seine Kuppel uͤber das der Alten und der Neuen. das Gehoͤlz hervorragen sollte, so wuͤrde er die Schoͤnheit der Proportion beybehalten koͤnnen, und in der Ferne umher noch immer einen reizenden Anblick gewaͤhren; man duͤrfte ihm dabey nur ein Treppenwerk geben, das ihn erhoͤhete; die benachbarten Baͤume duͤrften nur etwas abgestutzt werden; und es wuͤrde ein Werk entstehen, das noch bis jetzt das einzige in diesem Lande waͤre. Nahe an der beschriebenen Hauptoͤffnung laͤuft nach der andern Seite des Ber- ges ein anderer Weg bequem und sich kruͤmmend hinab. Weiter hin gehen zwey andere Wege zuruͤck. Man verfolgt den seitwaͤrts sich hinabwindenden Weg unter bestaͤndigen Waldgesaͤngen, und hat nun zur rechten Hand tiefe schattigte Niedrigun- gen des Berges, zur linken Buschwerk und dazwischen emporragende Baͤume. Noch immer ist die Aussicht umher gesperrt. Diese Verschließung der Aussichten giebt diesem Lustort einen unterscheidenden Charakter, sie mag vom Zufall herruͤhren oder ein Werk der Ueberlegung seyn, wie sie es in der That zu seyn scheint. Denn ein gemeiner Kopf wuͤrde nichts emsiger fuͤr seine Pflicht gehalten haben, als uͤberall Durchschnitte durchzuhauen. Nun un- terscheidet sich dieser Ort mit seinem natuͤrlichen Charakter, den keine freche Kunst verderbt hat, von der umherliegenden Gegend; er bleibt ein schoͤnes Ganzes, das ab- gesondert fuͤr sich in seiner eigenen Schoͤnheit ruhet. Ueberall ist die Landschaft umher frey, offen, heiter; der Berg aber ist von seiner Waldung verschlossen, und mit einer lieblichen Daͤmmerung und Kuͤhle umgeben. Man wandelt hier in der Einsamkeit, da umher die Gegend von arbeitenden Landleuten und Heerden belebt ist; man ruht oder geht immer in einem tiefen Schatten, da man indessen weiß, daß außerhalb des Schattens ringsumher die hellesten Prospecte lachen. Verfolgt man seinen Weg, so trifft man eine offene Stelle an, wo eine Bank einladet, eine große weite Aussicht zu genießen, die auf einmal zur Rechten hervor- bricht. Man sieht das Ploͤner Schloß wieder, die große Wasserflaͤche mit den kleinen Erhoͤhungen und Waͤldern am Ufer, mit einigen gruͤnenden Inseln; tief zur Linken im Vorgrunde erscheint das Wohnhaus des Besitzers, halb mit Buschwerk und Baͤumen versteckt; nur die rothe Dachspitze ragt hervor, und hinter ihr schim- mert eine Bucht des Sees dem Auge entgegen. Diese Lage ist ungemein malerisch, und der mit seinem Gebuͤsche, worunter die Spitzen einiger Tannen hervorsteigen, sich tief herabsenkende Vorgrund bildet eine treffliche waldigte Scene. Von hier zieht sich der Weg mit einer sanften Erhebung in den buschigten Vorgrund. Die Aussicht auf den See und seine Inseln wird reizender; ein Theil der unten am Wohnhause liegenden Seitenallee scheint im Wasser zu schwimmen. Sieht man bey dem Fortgehen sich um, so erweitert sich immer die Wasserscene. Dies Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Dies ist die schoͤnste und groͤßte Flaͤche des Sees, die auf dieser Seite in die Augen faͤllt. Sie ist mit der Aussicht auf der Hoͤhe die einzige; und diese beyden Oeffnungen der Waldung auf den See hin, besonders diese letzte, geben eine ange- nehme Erfrischung, ohne den Charakter des Ganzen zu veraͤndern, und reizen die Erwartung, die nicht wieder befriedigt werden soll. Aus dieser offenen Stelle muß man, anstatt den an dem Oberrande des Vor- grundes hinlaufenden Weg zu nehmen, in einen schmalen von jungen Eichen beschat- teten Gang einschlagen. Man ist wieder in einer waldigten und buschigten Gegend; die Aussicht ist verschlossen; alles umher in einer sanften Daͤmmerung. Einige an- dere Wege laufen zur linken Seite nach der Landgegend ab. Hier tritt man, ohne Gefahr sich zu verirren, in einen zauberischen Irrgarten, den die bluͤhende Phantasie eines Geßners in der Stunde, da ihn die laͤndliche Muse einweihete, nicht einladen- der schildern kann. Er wird von jungem, dichtem, niederm Gehoͤlz gebildet; die abwechselnden Baumarten geben liebliche Schattirungen des Gruͤns, und sanfte Blicke des Lichts spielen hin und wieder auf den Woͤlbungen des zarten Laubes; der Boden ist ganz rein; man sieht jedes schoͤne Baͤumchen aus dem Schooß der Erde empor- wachsen; eine Menge von allen Arten von Voͤgeln, die hier in ungestoͤrter Ruhe hecken, flattert mit suͤßem Locken und Gesaͤngen in den Gebuͤschen und uͤber den Weg. In eine so unerwartete bezaubernde Scene versetzt, bey einer so stillen Einsamkeit, die hier herrscht, nimmt man sogleich an der Freude und Zaͤrtlichkeit dieser kleinen Geschoͤpfe Theil; man fuͤhlt es, daß man in der Schoͤpfung der Liebe wandelt, und die suͤßesten Empfindungen der gluͤcklichen Menschheit, welche die Welt immer weg- draͤngt, kehren hier ungehindert in das Herz ein. — Lange leitet der Weg, in einer allmaͤhligen Rundung sich windend, in diesem entzuͤckenden Revier, wo die Liebe von jedem Zweige athmet, umher. Die verschiedenen Arten von angepflanzten Baͤum- chen wechseln in der Folge mit einem Hain von Eichen ab. Nach dem Genuß so feiner laͤndlicher Suͤßigkeiten empfindet man kaum die Anmuth der folgenden Plaͤtze. Hoͤhere Eichen, die den Schein des Himmels durchlassen, indessen Buschwerk den Prospect auf der Seite verschließt, umgeben eine Zeit lang den Weg, der darauf zwischen schoͤnen jungen Buchen von einem edeln Wuchs und zwischen uͤberwoͤlbenden Gebuͤschen den Berg hinabfuͤhrt. Zur rechten Hand hat man ein schoͤnes Gehoͤlz, das hier ganz in dichter Ueberschattung daͤmmert, dort von durchbrechenden Lichtstralen erheitert wird, mit angenehmen Senkungen des Berges. Nahe am Ausgange zur Rechten windet sich ein rauher Gang nach einer Huͤtte zu, die tief im Schatten liegt, und sich dem Auge des Voruͤberwandelnden bescheiden zu entziehen scheint; sie enthaͤlt blos Gartengeraͤthschaft, und verdiente wegen ihrer Lage, wenn sie oben durch die Staͤmme der Alten und der Neuen. Staͤmme der Baͤume erblickt wird, eine edlere Bestimmung. Der Ausgang laͤust wieder in den Kunstgarten hinein, aus dem man den Berg besteigt. — 8. Gaͤrten in China. Unter allen Gaͤrten, welche die uͤbrigen Welttheile besitzen moͤgen, haben keine in den neuern Zeiten ein solches Ansehen erhalten, als die chinesischen, oder das, was man unter diesem Namen reizend genug geschildert hat. Sie sind nicht blos ein Gegenstand der Bewunderung, sondern auch der Nachahmung geworden. Wenn auch gleich schon Nachdenken und Genie, ohne Unterstuͤtzung eines besondern Bey- spiels, auf die Erfindung der neuen Manier leiten konnten, die man in England auf- genommen und die sich von da weiter zu verbreiten angefangen hat; so ist es doch wahrscheinlich, daß die Nachrichten von den Gaͤrten in China viel dazu beygetragen haben. So viel ist wenigstens gewiß, daß der Englaͤnder von einem großen Vor- urtheil fuͤr die Gaͤrten in China bezaubert ist, und daß der Franzose und mit ihm I Band. L der Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten der Deutsche sich diesem Vorurtheil zu uͤberlassen anfaͤngt. Man verlangt jetzt nicht etwa Gaͤrten, die mit eigener Ueberlegung, mit besserm Geschmack, als die alten, angelegt waͤren; man verlangt chinesische oder chinesischenglaͤndische Gaͤrten. Wie aber, wenn diese Raserey einen unsichern Grund haͤtte, wie so manche an- dere Raserey der Mode? wenn die chinesischen Gaͤrten, wovon man so entzuͤckt ist, die man so hitzig nachzuahmen strebt, nicht vorhanden waͤren, wenigstens nicht so vor- handen waͤren, wie man sie sich einbildet? — Das waͤre doch sonderbar. Freylich waͤre es so, und nicht weniger laͤcherlich, etwas haben nachahmen wollen, wovon man uͤberfuͤhrt wird, daß es nicht da ist. Verschiedene neuere Schriftsteller haben die chinesischen Gaͤrten mit einem un- begraͤnzten und gar zu partheyischen Lobe erhoben. Man hat Beschreibungen von Beschreibungen copirt, und sie nicht selten mit Zusaͤtzen einer guͤnstigen Phantasie uͤberladen. Indessen ist es Chambers, Architekt des Koͤnigs von England, dem man die erste verfuͤhrerische Beschreibung der chinesischen Gaͤrten und die allgemeine Verbreitung ihres Ruhms verdankt. Dieser Mann, der Wissenschaft, Geschmack und Genie vereinigt, ragt unter allen Reisebeschreibern von China als der Lobredner der Gaͤrten dieses Reichs hervor. Seine Beschreibung ist als die allgemeine Quelle anzusehen, woraus alle uͤbrigen Schilderungen mit mehr oder weniger Abaͤnderung und Zusaͤtzen geschoͤpft sind. Die erste Nachricht gab er in seinem groͤßern Werke Designs of Chinese Buildings \&c. by Mr. Chambers. London fol. 1757. S. 14-19. Eine franzoͤsische Uebersetzung die- ses Werks ist 1776 zu Paris in kl. Fol. unter dem Titel: Traité des Edifices \&c. compris une description de leurs Tem- ples, Maisons, Jardins \&c. herausgekom- men. zwar nur beylaͤufig, indem er sich vornehmlich mit den Gebaͤuden, Maschinen und Hausgeraͤthen der Chineser beschaͤftigt. Man lobte, man bewunderte den Geschmack in der Gartenkunst, den Chambers den Chinesern beylegte; man fieng an, diesen Geschmack nachzuahmen. Ohne Zweifel war dieser Beyfall, den seine Beschreibung fand, eine Veranlassung mehr, daß er den ersten kurzen Entwurf in einer besondern Schrift Dissertation on oriental Garde- ning. London 4. 1772. Eine deutsche Uebersetzung davon erschien zu Gotha 1775. 8. weiter ausfuͤhrte, und darin Genie und Geschmack aufbot, um ein Ge- maͤlde zu liefern, das durch Schoͤnheit und Mannigfaltigkeit nicht weniger, als durch Neuheit, reizte. Die fast allgemeine Meynung von der Schoͤnheit der chinesischen Gaͤrten so- wohl, als auch die seltsame Nachahmung, die man hin und wieder von ihnen machen will, scheinen eine naͤhere und umstaͤndliche Untersuchung dieser Sache zu rechtfertigen. Ich der Alten und der Neuen. Ich will die Beschreibungen des Chambers, die erste, weil sie kurz ist, ganz, die andere, weil sie ausfuͤhrlicher und unter uns bekannter ist, nur nach ihren vornehm- sten Theilen, als die Originalnachrichten von den chinesischen Gaͤrten, anfuͤhren; und sodann die Zweifel und Gruͤnde vortragen, die ich glaube dieser Beschreibung ent- gegen stellen zu duͤrfen. 1.) Chambers Beschreibung der chinesischen Gaͤrten. Die Natur ist das Muster der Chineser, und ihre Absicht, sie in allen ihren schoͤnen Regellosigkeiten nachzuahmen. Zuvoͤrderst untersuchen sie die Form des Platzes, ob er eben oder abhangend ist, Huͤgel oder Berge hat, ausgedehnt oder ge- sperrt, trocken oder feucht ist, ob er Baͤche und Quellen oder Mangel an Wasser hat. Auf alle diese verschiedenen Umstaͤnde sind sie sehr aufmerksam, und waͤhlen solche Anordnungen, die sich am besten fuͤr die Beschaffenheit des Bodens schicken, am we- nigsten kosten, die Fehler des Platzes verbergen, und seine Vortheile in das schoͤnste Licht stellen. Da die Chineser nicht die Spaziergaͤnge lieben, so findet man bey ihnen selten solche Zugaͤnge und breite Alleen, wie in den Gaͤrten in Europa. Der ganze Platz ist in mannigfaltige Scenen abgetheilt; und krumme Gaͤnge, die mitten durch Ge- buͤsche eroͤffnet sind, fuͤhren zu verschiedenen Aussichten, wovon jede auf eine unter- scheidende Art durch eine Bank, durch ein Gebaͤude, oder durch einen andern Gegen- stand das Auge anlocket. Die Vollkommenheit ihrer Gaͤrten besteht in der Menge, Schoͤnheit und Man- nigfaltigkeit solcher Scenen. Die chinesischen Gartenkuͤnstler waͤhlen, wie die eu- ropaͤischen Maler, die angenehmsten Gegenstaͤnde einzeln in der Natur aus, und suchen sie auf eine solche Art zu verbinden, daß sie nicht nur schon fuͤr sich hervorglaͤn- zender erscheinen, sondern auch in ihrer Vereinigung ein bezauberndes Ganzes aus- machen. Ihre Kuͤnstler unterscheiden drey verschiedene Arten von Scenen, lachende, fuͤrchterliche und zauberische. Die letzte Art ist die, welche bey uns die romantische ist; und die Chineser bedienen sich mancherley Kunstgriffe, um dadurch Ueberraschung zu bewirken. Zuweilen lassen sie unter der Erde einen Bach oder einen reißenden Strom laufen, der durch sein schreckliches Geraͤusch das Ohr des Neugierigen be- taͤubt, der nicht weiß, woher dieses kommt. Ein andermal geben sie Felsen, Ge- L 2 baͤuden Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten baͤuden und andern Gegenstaͤnden, die zur Zusammensetzung der Scene gehoͤren, eine solche Stellung, daß der Wind, indem er durch die fuͤr diese Wirkung bestimmten Zwischenraͤume und Aushoͤhlung streicht, fremde und seltsame Toͤne bildet. In die- sen Partien stellen sie ganz seltene Arten von Baͤumen, Pflanzen und Blumen auf; sie bringen darin durch die Kunst verschiedene verlaͤngerte Echos an, und unterhalten da allerhand Voͤgel und seltene Thiere. Die fuͤrchterlichen Scenen stellen uͤberhangende Felsen, dunkle Grotten und wilde Wasserfaͤlle vor, die sich auf allen Seiten von Anhoͤhen herabstuͤrzen. Die Baͤume sind ungestaltet, und scheinen von der Gewalt des Sturms zerrissen zu seyn. Hier sieht man einige umgestuͤrzt liegen, die den Lauf der Baͤche unterbrechen, und von der Wut des Wassers dahin geschwemmt scheinen; dort erscheinen sie, wie vom Blitz verbrannt und zersplittert. Einige Gebaͤude liegen in Ruinen; andere sind halb vom Feuer zerstoͤrt; und etliche hin und wieder auf den Anhoͤhen zerstreute schlechte Huͤtten scheinen zugleich das Daseyn elender Bewohner anzukuͤndigen. Auf diese Scenen folgen gemeiniglich lachende. Die chinesischen Kuͤnstler wissen, wel- chen Eindruck der Contrast auf die menschliche Seele macht, und sie unterlassen nicht, ploͤtzliche Uebergaͤnge und auffallende Gegenstellungen in den Formen, in den Farben, in dem Hellen und Dunkeln anzubringen. So geht man aus eingesperrten Revieren zu ausgebreiteten Aussichten, von fuͤrchterlichen Gegenstaͤnden zu angenehmen Sce- nen, von Seen und Fluͤssen zu Ebenen, Huͤgeln und Gehoͤlz uͤber. Dunkeln und traurigen Farben stellen sie glaͤnzende, einfachen Formen zusammengesetzte entgegen. Sie wissen mit einer klugen Anordnung die verschiedenen Massen von Licht und Schat- ten so anzulegen, daß die Zusammensetzung nach ihren Theilen deutlich in die Augen faͤllt, und im Ganzen eine starke Wirkung thut. Wenn der Platz von einem gewissen Umfang ist, der eine Mannigfaltigkeit von Scenen zulaͤßt, so ist jede gemeiniglich fuͤr einen einzigen besondern Gesichtspunkt eingerichtet. Ist er aber zu eingeschraͤnkt, als daß er mancherley Auftritte fassen koͤnnte, so sucht man diesem Mangel durch eine solche Anordnung der Gegenstaͤnde abzuhelfen, daß sie nach verschiedenen Ansichten immer in einer andern Gestalt er- scheinen. Zuweilen weiß man dieses Kunstwerk so weit zu treiben, daß die Ansichten nicht die geringste Aehnlichkeit unter einander haben. In groͤßern Gaͤrten bringen die Chineser verschiedene Scenen fuͤr den Mor- gen, Mittag und Abend an; sie richten an schicklichen Stellen Gebaͤude auf, die mit den Ergoͤtzungen harmoniren, die einer jeden Tageszeit eigen sind. Die kleinen Gaͤr- ten, worin, wie bereits bemerkt ist, eine einfache Anordnung nach mehrern Ansichten mannigfaltig erscheint, stellen eben so in verschiedenen Gesichtspunkten Gebaͤude dar, die der Alten und der Neuen. die durch den ihnen eigenen Gebrauch gerade die Tageszeit ankuͤndigen, worin man die Scene ganz genießen soll. Weil das Klima in China uͤberaus heiß ist, so bringt man viel Wasser in die Gaͤrten. In kleinern Gaͤrten, wo es die Lage verstattet, setzt man oft das ganze Revier unter Wasser, daß nur sehr wenige Inseln und Felsen hervorragen. In ge- raͤumigen Gaͤrten legt man große Seen, Fluͤsse und Canaͤle an. Nach dem Bey- spiel der Natur erhalten die Ufer der Fluͤsse und Seen eine verschiedene Bildung. Bald sind sie sandig und steinig, bald bis tief zum Wasser herab mit Buschwerk be- deckt; an einigen Stellen niedrig, mit Gestraͤuch und Blumen geziert, an andern abwechfelnd mit abhaͤngigen Felsen, die Hoͤhlen bilden, worin ein Theil des Wassers mit Ungestuͤm raufcht. Zuweilen erblickt man Weiden voll Vieh oder Reißfelder, die sich in die Seen hinein erstrecken, zwischen welchen man in Kaͤhnen herumfahren kann; zuweilen Busch- werk an verschiedeuen Stellen von Baͤchen durchschnitten, die kleine Nachen tragen. Die Ufer sind mit Baͤumen bekroͤnt, deren Zweige sich ausbreiten, sich verbinden und an einigen Stellen Lauben bilden, unter welchen die Fahrzeuge hinsegeln. Eine solche Fahrt fuͤhrt immer zu einem interessanten Gegenstande, bald zu einem praͤchti- gen Gebaͤude auf dem Gipfel eines in Absaͤtze verarbeiteten Huͤgels, bald zu einer Huͤtte, die mitten in einem See liegt, bald zu einer Cascade, bald zu einer Grotte, einem kuͤnstlichen Felsen oder einem andern aͤhnlichen Gebaͤude. Die Baͤche in den Gaͤrten haben selten einen geraden Lauf; sie winden sich in Kruͤmmungen und find verschiedenen Abaͤnderungen unterworfen. Bald sind sie schmal, brausend, fortreißend; bald breit, langsam und tief. Schilf und andere Wasserpflanzen spiegeln sich in den Baͤchen und Seen. Die Chineser bauen zuwei- len darauf Muͤhlen und andere hydraulische Maschinen, deren Bewegung die Scene beleben hilft. Auch halten sie eine große Menge Fahrzeuge von verschiedener Gestalt und Groͤße. Ihre Seen sind mit Inseln besaͤet; einige davon sind unfruchtbar mit Fels und Klippen umgeben, andere mit allem bereichert, was Natur und Kunst zur Verschoͤnerung geben koͤnnen. Sie legen da auch kuͤnstliche Felsen an, und uͤber- treffen in dieser Art von Bauwerk alle andere Nationen. Der Stein, dessen sie sich dazu bedienen, und den sie aus den mittaͤgigen Gegenden des Reichs holen, ist blaͤulich und von der Bewegung des Wafsers in regellose Gestalten geformt. Man verbindet durch blaͤulichen Moͤrtel große Stuͤcke, daß sie Felsen von betraͤchtlichem Um- fang bilden. Alsdenn werden darin Hoͤhlen und Grotten mit Oeffnungen ausgegra- ben, durch welche man den fernen Hintergrund in der Landschaft erblickt. Man sieht bey diesen Felsengebaͤuden an verschiedenen Stellen Baͤume, Gebuͤsch, Dorngestraͤuch L 3 und Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten und Moos; und auf dem Gipfel sind kleine Tempel errichtet, wohin man auf rauhen und ungleichen Stufen steigt, die in den Fels gehauen sind. Wenn sich Wasser genug findet, und der Platz dazu geschickt ist, so unterlassen die Chineser nicht, Wasserfaͤlle in ihren Gaͤrten anzulegen. Sie vermeiden dabey alles Regelmaͤßige, und ahmen die Natur nach, wie sie in gebirgigen Gegenden ver- faͤhrt. Das Wasser springt aus Hoͤhlen und Felsenritzen hervor. Hier erscheint ein großer und ungestuͤmer Wasserfall; dort erblickt man eine Menge von kleinen Guͤssen. Zuweilen wird der Anblick der Cascade von Baͤumen unterbrochen, deren Blaͤtter und Zweige nur hie und da in Zwischenraͤumen das Wasser durchschimmern lassen, das laͤngst den Seiten des Berges herabfaͤllt. Zuweilen sind uͤber den schnell- sten Theil des Wasserfalls, von einem Felsen zum andern, hoͤlzerne Bruͤcken von gro- ber Arbeit geworfen; und oft wird der Lauf des Wassers von Baͤumen und großen Steinen, welche die Gewalt des Stroms dahin getrieben zu haben scheint, aufge- halten. In dem Buschwerk der Chineser wechseln die Formen und Farben der Baͤume bestaͤndig ab. Sie wissen mit einer gewissen Kunst Baͤume von großen und dickbe- laubten Zweigen mit pyramidenfoͤrmigen, dunkles Laubwerk mit heiterm zu verbin- den; sie mischen darunter Baͤume, die Bluͤthen tragen, von welchen sie Arten haben, die den groͤßten Theil des Jahres hindurch bluͤhen. Die Chineser haben in ihren Gaͤrten sogar Staͤmme von Baͤumen, bald stehend, bald auf den Boden hingestuͤrzt; und sie treiben es in Ansehung ihrer Formen, der Farbe ihrer Rinde, und selbst ihres Mooses sehr weit. Nichts kann mannigfaltiger seyn, als die Mittel, wodurch sie Ueberraschung hervorbringen. So fuͤhren sie oft mitten durch Hoͤhlen und finstre Alleen, an deren Ausgang man sich ploͤtzlich von dem Anblick einer reizenden Landschaft entzuͤckt fuͤhlt, die mit allem, was die Natur Schoͤnes hat, ausgeschmuͤckt ist. Ein andermal lei- ten sie durch gerade Zugaͤnge und Alleen, die immer abnehmen und allmaͤhlig verwil- dern; der Durchgang ist endlich ganz gesperrt; Gestraͤuch, Schilf und Steine ma- chen ihn undurchdringlich. Auf einmal eroͤffnet sich dem Auge eine lachende und ausgebreitete Aussicht, die desto mehr gefaͤllt, je weniger man sie erwartet hatte. Ein anderes Kunstwerk der Chineser bestehet darin, daß sie einen Theil der Anordnung durch Baͤume und andere dazwischen tretende Gegenstaͤnde zu verbergen wissen. Dieses erregt die Neubegierde des Zuschauers; er will in der Naͤhe sehen, und bey der Annaͤherung findet er sich von einer unerwarteten Scene sehr angenehm uͤberrascht, oder von einer Ansicht, die dem, was er suchte, ganz entgegen gesetzt ist. Das Ende der Scene ist immer versteckt, um der Einbildungskraft etwas zu uͤber- lassen, der Alten und der Neuen. lassen, und eben diese Regel beobachtet man, so viel moͤglich, in allen uͤbrigen An- ordnungen. Obgleich die Chineser nicht sehr geschickt in der Optik sind, so hat die Erfah- rung sie doch gelehrt, daß die scheinbare Groͤße der Gegenstaͤnde abnimmt, und daß die Farben schwaͤcher werden, in dem Maaße, worin sie sich von dem Auge des An- schauers entfernen. Diese Beobachtungen haben Anlaß zu einem Kunststuͤcke gege- ben, das sie bisweilen anbringen. Sie legen naͤmlich perspectivische Aussichten an, durch Baͤume, Schiffe und andere Gegenstaͤnde, die nach dem Verhaͤltniß ihrer Ent- fernung von dem Gesichtspunkt immer kleiner werden. Um die Taͤuschung noch auf- fallender zu machen, geben sie den entfernten Theilen der Zusammensetzung graͤuliche Tinten, und bepflanzen den Hintergrund mit Baͤumen von einer weniger lebhaften Farbe und einer geringern Hoͤhe, als die voranstehenden haben. Auf diese Weise wird das, was an sich eingeschraͤnkt und wenig erheblich ist, dem Anscheine nach groß und ausgebreitet. Gemeiniglich vermeiden die Chineser die geraden Linien; aber sie verwerfen nicht immer ihren Gebrauch. Sie machen oft gerade Zugaͤnge, wenn sie einen in- teressanten Gegenstand sehen lassen wollen. Die Wege sind alsdenn bestaͤndig in ei- ner geraden Linie angelegt, wenn nicht die Ungleichheit des Bodens oder ein anderes Hinderniß wenigstens einen gewissen Vorwand anbietet, davon abzugehen. Ist der Boden durchgaͤngig eben, so wuͤrden sie es fuͤr abgeschmackt halten, einen geschlaͤngel- ten Weg anzulegen. In einem oder dem andern Fall laͤßt sich natuͤrlicher Weise nicht voraussetzen, daß man die krumme Linie waͤhlen wuͤrde, wenn man geradezu gehen kann. Was die Englaͤnder Klumps nennen, Gruppen von Baͤumen, ist den Chi- nesern nicht unbekannt; aber sie bringen sie nicht so oft an. Niemals duͤrfen sie den ganzen Platz einnehmen; ihre Gaͤrtner betrachten einen Garten, wie unsere Maler ein Gemaͤlde: die ersten gruppiren ihre Baͤume auf eben die Art, wie die letztern ihre Figuren; beyde haben ihre Hauptmassen und ihre untergeordneten Massen. So weit Chambers in der ersten Beschreibung. Die andere enthaͤlt theils eine Erweiterung mit Wiederholungen, theils verschiedene neue Zusaͤtze, von welchen letztern wir uns hier nur auf die wichtigern einschraͤnken. Die Chineser, faͤhrt Chambers fort, waͤhlen zwar die Natur zum Muster, allein sie binden sich doch nicht so genau an dieselbe, daß sie allen Schein von Kunst vermeiden sollten. Die Kunst muß die Unzulaͤnglichkeit der Natur ersetzen, und nicht allein angewendet werden, Mannigfaltigkeit hervorzubringen, sondern auch Neu- heit und Ruͤhrung; denn einfache Anordnungen der Natur trifft man auf allen Fel- dern Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten dern in einem gewissen Grad der Vollkommenheit an, und sind also zu bekannt, als daß sie starke Empfindungen in dem Gemuͤthe des Anschauers erregen koͤnnten. Ihre regulairen Gebaͤude umgeben sie gemeiniglich mit kuͤnstlichen Terrassen, Abhaͤngen und vielen Treppen; die Winkel derselben sind mit ausgehauenen Gruppen und Vasen geziert, untermischt mit allerhand kuͤnstlichen Wasserwerken, die vereinigt mit der Architektur ihnen ein Ansehen von Wichtigkeit zu geben und den Glanz und das Geraͤusch mit der Wonne der Scene zu verbinden dienen. Rund um die Hauptwohnung ist der Boden mit großer Regelmaͤßigkeit frey gelassen, und wird sehr sorgfaͤltig gehalten. Man leidet keine Gewaͤchse, die der Aussicht des Gebaͤudes hinderlich seyn koͤnnen. Sind die Gebaͤude laͤndlich, so ist die Scene, die sie umgiebt, wild; sind jene erhaben, so ist diese melancholisch; sind jene von einem heitern anmuthigen Ansehen, so ist diese schwelgerisch; kurz die Chi- neser sind darin sehr eigen, immer einerley Charakter durch alle Theile der Compo- sition herrschen zu lassen. Von den Gegenstaͤnden außer ihrem Bezirk ziehen sie allen Vortheil. Sie suchen zwischen dem Garten und den entfernten Gehoͤlzen, Feldern und Fluͤssen eine scheinbare Vereinigung zu bewirken; und wo Staͤdte, Schloͤsser, Thuͤrme und andere betraͤchtliche Gegenstaͤnde vor ihrem Gesicht liegen, da wissen sie sich ihrer so kuͤnstlich zu bedienen, daß man sie aus allen Gesichtspunkten und in allen moͤglichen Richtun- gen sehen kann. So machen sie es auch mit schiffbaren Fluͤssen, Landstraßen, Fuß- wegen, Muͤhlen und andern beweglichen Gegenstaͤnden, die der Landschaft Leben und Mannigfaltigkeit geben. Sie haben Scenen fuͤr jede Jahrszeit. Die Fruͤhlingsscenen sind mit Im- mergruͤn, Linden, Lerchbaͤumen, Dornen mit gefuͤllter Bluͤthe, Mandel- und Pfirsich- baͤumen, wohlriechenden wilden und fruͤhzeitigen Rosen und Geisblatt besetzt. Der Boden und der Rand der Lustwaͤlder und Gebuͤsche sind mit wilden Hyacinthen, gel- ben Veilchen, Nareissen, Violen, Schluͤsselblumen, Tuberosen, Krokus, Schnee- glocken und verschiedenen Schwerdtlilienarten, mit noch mehreren Blumen, die in den Monaten Maͤrz und April kommen, geziert. Da auch diese Scenen an natuͤr- lichen Producten arm sind, so legt man zwischen den angebaueten Plaͤtzen Thiergaͤrten von allen Gattungen zahmer und wilder Thiere und Raubvoͤgel an; Vogelhecken und andere Plaͤtze, die zur Ausbruͤtung haͤuslicher Gefluͤgel besonders eingerichtet sind; ferner schoͤne Milchgewoͤlbe und Gebaͤude zur Uebung im Ringen, Faustkampf, Fech- ten, und andern in China bekannten Spielen. Sie bringen auch im Gehoͤlze breite, offene, entlegene Plaͤtze zu militairischen Lustbarkeiten, als Reiten, Voltigiren, Fech- ten, Bogenschießen und Wettrennen an. Zu der Alten und der Neuen. Zu ihren Sommerscenen nehmen sie die reichsten und am besten ausgearbeiteten Theile ihrer Gaͤrten. Sie sind voll von allerhand Erfindungen an Teichen, Fluͤssen und Wasserkuͤnsten; voll von Schiffen mancherley Bauart, die zum Segeln, Ru- dern, Fischen, Vogelfang und zu Gefechten gemacht sind. Das Gehoͤlze besteht aus Eichen, Buchen, wilden Kastanien, Ulmen, Eschen, Platanen, aus verschie- denen Ahorn- und Pappelarten. Die Gebuͤsche sind aus allerley schoͤnen im Winter die Blaͤtter abwerfenden Gewaͤchsen, die dieser Erdstrich hervorbringt, und aus allen Blumen und Stauden, die in den Sommermonaten bluͤhen, zusammengesetzt; alle zu- sammen machen das schoͤnste Gruͤn und die praͤchtigste harmonische Farbenmischung, die nur zu erdenken ist. Die Gebaͤude darin sind geraͤumig, glaͤnzend und zahlreich. In jeder Scene sind deren eins oder mehrere. Einige dienen zu Gastmalen, Baͤllen, Concerten, gelehrten Unterredungen, Spielen, Seiltaͤnzen und zu allerhand Leibesuͤbun- gen; andere wieder zum Baden, Schwimmen, Reiten, Schlafen oder zur Be- trachtung. Im Mittelpunkt dieser Sommeranpflanzungen ist gemeiniglich zum Genuß der geheimen Vergnuͤgungen ein großer Strich Landes abgesondert, der mit einer Menge verborgener, in viele verwickelte Kruͤmmen gedrehter Gaͤnge, Colonnaden und Durch- gaͤnge durchgeschnitten ist, wo sich die Spaziergehenden leicht verirren koͤnnen. Sie sind zuweilen durch Gebuͤsche und kleine Gehoͤlze, untermischt mit ausgebreiteten Baͤumen, zuweilen durch hoͤhere Anpflanzungen oder ganze Haufen von Rosenstoͤcken und andern hochaufbluͤhenden Stauden unterschieden. Das Ganze ist eine Wildniß von Suͤßigkeiten, mit allen Gattungen duftender und schoͤnfarbiger Producte aus- geschmuͤckt. Fasanen, Pfaue, Rebhuͤner, Perlhuͤner, Wachteln und alle Gattun- gen von Gefluͤgel wimmeln in den Waͤldern; Tauben, Nachtigallen und tausend andere melodische Voͤgel sitzen auf den Aesten; Hirsche, Antelopen, scheckige Buͤffel, Schafe und tatarische Pferde springen auf den Ebenen. Jeder Spaziergang fuͤhrt zu einem angenehmen Gegenstande, zu Orangen- und Myrthenhainen; zu Baͤchen, deren Ufer mit Rosen, Waldreben und Jesmin bekleidet sind; zu murmelden Quel- len mit Bildsaͤulen schlafender Nymphen und Wassergoͤtter; zu Laubhuͤtten mit Bet- ten von aromatischen Kraͤutern und Blumen; zu Felsengrotten, die mit Corallenmu- scheln, Erzen, Edelsteinen und Crystallen ganz ausgelegt, von kleinen Quellchen wohlriechender Wasser erfrischt, und durch kuͤnstlich wehende suͤsduftende Luͤftchen gekuͤhlt werden. Unter den Pavillons und andern schoͤnen Gartengebaͤuden zeichnen sich die Mondhallen vorzuͤglich aus. Sie bestehen aus einem einzigen gewoͤlbten, wie eine Halbkugel gestalteten Saale. Die innere Hoͤhlung desselben ist mit großer Kunst, I Band. M wie Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten wie der naͤchtliche Himmel, gemalt, und mit einer unzaͤhligen Menge kleiner Fenster- chen durchbrochen, die von buntem Glas und so gemacht sind, daß sie Mond und Sterne vorstellen, und gerade das Maaß von Licht hindurchlassen, welches noͤthig ist, um uͤber den ganzen inwendigen Bau die angenehme Dunkelheit einer schoͤnen Som- mernacht zu verbreiten. Der Fußboden dieser Gartensaͤle ist zuweilen wie ein Blu- menparterre mit Blumen ausgelegt; hin und wieder sind darauf laͤndliche Sitze von fein gearbeiteten und roth lackirten Aesten, die Corallen vorstellen, angebracht. Meistentheils aber quillt ein hellrinnendes Wasser aus ihrem Boden hervor, und fließt aus den Seiten eines Felsen nach dem Mittelpunkte zu. Kleine Inseln schwim- men auf der Oberflaͤche, und wenden und drehen sich, wie sie der Strom treibt. Einige derselben sind mit Tafeln zu Gastmalen besetzt, andere mit Sitzen fuͤr Ton- kuͤnstler, und andere mit Baͤumen, unter welchen Ruhebetten, Sophas, Rasenbaͤnke und andere Bequemlichkeiten zu mancherley Gebrauch stehen. Die Anpflanzung der herbstlichen Scenen bestehet in verschiedenen Arten von Eichen, Buchen und andern die Blaͤtter abwerfenden Baͤumen, die aber ihr Laub lange behalten, und durch das allmaͤhlige Verfaͤrben ein sehr oft veraͤndertes Colorit gewaͤhren. Unter diese mischen sie einige Immergruͤne oder Fruchtbaͤume, und die wenigen Gebuͤsche und Blumen, die spaͤt im Jahre bluͤhen; ferner abgestorbene be- schaͤdigte Baͤume und todte Staͤmme von malerischer Form, mit Moos und Epheu bedeckt. Die Gebaͤude, womit diese herbstlichen Scenen geziert sind, zeigen gemeinig- lich den Verfall an, und sind dem Voruͤbergehenden eine Erinnerung der Sterblich- keit. Einige davon sind Einsiedeleyen und Almosenhaͤuser, wo die alten treuen Die- ner des Hauses den Rest ihres Lebens unter den Graͤbern ihrer Vorfahren, die rund um sie her begraben liegen, in Ruhe zubringen. Andere sind Ruinen von Schloͤssern, Palaͤsten, Tempeln und oͤden Bethaͤusern; oder halbverschuͤttete Triumphboͤgen und praͤchtige Grabmaͤler, mit verstuͤmmelten Inschristen, die ehedem dem Gedaͤchtniß alter Helden gewidmet waren; oder es sind Begraͤbnisse ihrer Ahnen, Graͤber und Grabstaͤtte ihrer haͤuslichen Lieblingsthiere, oder was sonst noch zum Zeichen der Hin- faͤlligkeit, Widerwaͤrtigkeit und Aufloͤsung des Irdischen dienen kann. Alles dieses fuͤllet, mit Huͤlfe des schauervollen Anblicks der herbstlichen Natur und der rauhen Luft, die Seele mit Melancholie, und erhebt sie zu ernsten Betrachtungen. Die verschiedenen Scenen und andere Theile der chinesischen Gaͤrten werden durch Gaͤnge, Landstraßen, Fußwege, schiffbare Fluͤsse, Seen und Canaͤle vereinigt. Bey allen diesen Dingen bringen ihre Kuͤnstler die moͤglichste Mannigfaltigkeit nicht allein in Ansehung der Figuren und Ausmessungen, sondern auch in ihrer Verzierung an, der Alten und der Neuen. an, und vermeiden nichts destoweniger alle Ungereimtheiten, von welchen unsre alte europaͤische Gartenkunst so voll ist. Sowohl die geraden als die gewundenen Wege der Chineser halten sich an manchen Plaͤtzen in betraͤchtlicher Entfernung von einander, und sind durch dichtge- pflanztes Buschwerk getrennt, um alle auswendige Gegenstaͤnde zu verstecken, damit dem Wanderer nicht allein die Aussicht ins Weite benommen, sondern auch in ihm jene duͤstre Empfindung erweckt werde, die sich ganz natuͤrlich der Seele bemeistert, wenn man durch das Labyrinth eines einsamen Haines wandelt. An andern Plaͤtzen naͤhern sich die Gaͤnge einander wieder; das Gebuͤsche waͤchst allmaͤhlig niedriger und duͤnner; das Ohr vernimmt die Stimme derer, die auf den gegenuͤberliegenden We- gen gehen; und das Auge belustigt sich mit dem verwirrten Anschauen der Personen, die zwischen den Staͤmmen und Zweigen der Baͤume durchscheinen. Auf einmal werden die Anpflanzungen wieder dichter und breiter; die Gegenstaͤnde verschwinden, und die Stimmen verlieren sich in ein verwirrtes Gemurmel. Dann wenden sich die beyden Gaͤnge unverhofft wieder nach einerley freyen Plaͤtzen, und die verschiedenen Gesellschaften werden sehr angenehm uͤberrascht, sich einander an einem Orte zu be- gegnen, wo sie sich alle sehen und ihre Neubegierde ohne Hinderniß befriedigen koͤn- nen. — Der Boden des Weges ist entweder von Rasen oder von Kies; keines von beyden bleibt in den Schranken des Weges, sondern laͤuft vielmehr streckenlang auf beyden Seiten ins Gehoͤlze, in den Hain oder ins Buschwerk hinein, um die Natur genauer nachzuahmen, und jenes unangenehme Regelmaͤßige und Steife zu verban- nen, welches ein gegenseitiges Verfahren in unsern Anpflanzungen hervorbringt. In den ausgedehnten Gaͤrten hat jedes Thal seinen Bach oder sein Fluͤßchen, das sich um den Fuß der Huͤgel windet und in groͤßere Fluͤsse oder Seen hineinfaͤllt. Die Chineser behaupten, daß keine Gaͤrten, besonders die weitlaͤuftigen, ohne dieses in so mancherley Gestalten umzubildende Element vollkommen seyn koͤnnen. Es ist, sagen sie, in den Jahrszeiten, wo die laͤndlichen Scenen am meisten besucht werden, erquickend und reizvoll fuͤr die Sinne, und eine Hauptquelle der Mannigfaltigkeit, wegen der verschiedenen Formen und Verwandlungen, deren es faͤhig ist, und weil es auf allerley Art mit andern Gegenstaͤnden verbunden werden kann. Seine Ein- druͤcke auf das menschliche Herz sind mannigfaltig und ungemein stark; und weil es auf vielfache Weise geleitet werden kann, so setzt es den Kuͤnstler in den Stand, den Charakter einer jeden Anlage zu verstaͤrken, die Stille einer ruhigen Scene zu heben, einer melancholischen das Truͤbe, einer anmuthigen Freude, einer erhabenen Majestaͤt, und einer erschrecklichen Grausen zu geben. M 2 Sie Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Sie merken an, daß die verschiedenen Wasserspiele, als Rudern, Segeln, Schwimmen, Fischen und Jagen eine unerschoͤpfliche Quelle des Zeitvertreibes sind; daß die Bewohner des Wassers eine edle Unterhaltung, besonders fuͤr den Naturfor- scher, abgeben; und daß Barken und Schiffe, die auf seinem Busen dahin schwim- men, und bald von Sturmwinden wuͤtend fortgefuͤhret werden, bald wieder sanft auf der Oberflaͤche dahin gleiten, durch ihre Vereinigung tausend von Augenblick zu Au- genblick veraͤnderte Gemaͤlde bilden, die jede Aussicht beseelen und verschoͤnern. Sie vergleichen einen hellen See an einem ruhigen sonnigen Tage mit einem reichen Ge- maͤlde, das auf alle Gegenstaͤnde, mit welchen es umgeben ist, die hoͤchste Vollkom- menheit verbreitet; mit einer Oeffnung in der Welt, wodurch man eine andere Welt, eine andere Sonne und einen andern Himmel erblickt. Ihre Seen machen sie so groß, als es der Boden nur verstattet; oft einige Meilen im Umfange. Sie werden so angelegt, daß aus keinem einzigen Gesichts- punkte ihr Ufer uͤbersehen werden, und der Anschauer auf diese Weise nicht erfahren kann, wie weit sich ihr Umfang erstrecke. Hin und wieder lassen sie Inseln empor- steigen, um der Form einen groͤßern Schein von Verwickelung zu geben, die Graͤn- zen zu verstecken und die Scene zu bereichern. Einige sind klein, andere groß. Die letztern sind erhaben, angebauet, und mit gruͤnen Ebenen, Straͤuchern, Gebuͤ- schen und Gebaͤuden versehen; oder sie sind uneben, bergig, mit Felsen und Sand- baͤnken umgeben, mit Farrenkraut, hohem Grase, und hin und wieder weit ausschwei- fenden, in Thaͤlern stehenden Baͤumen bedeckt. Es giebt noch andere Inseln, die in einer Reihe von Terrassen bis zu einer betraͤchtlichen Hoͤhe emporsteigen, und mit- telst verschiedener praͤchtigen Treppen an einander haͤngen. In den Winkeln dieser Terrassen und auf beyden Seiten dieser Treppen stehen viele eherne Dreyfuͤsse, aus welchen Weihrauch empordampft; auf der hoͤchsten Terrasse aber sind gemeiniglich hohe Thuͤrme zu astronomischen Beobachtungen, ein schoͤner Tempel mit Goͤtzenbil- dern, die kolossalische Statue eines Gottes oder sonst ein anderes betraͤchtliches Kunst- werk errichtet, das zugleich zur Zierde des Gartens und dem ganzen Lande zu einem Gegenstand der Betrachtung dient. Die Chineser fuͤhren auch in ihren Seen hohe kuͤnstliche Felsen von außerordentlich fein colorirten Steinen auf, die mit vielem Ge- schmack geordnet werden. Sie haben viele Oeffnungen, wodurch man entfernte Aus- sichten hat. Auf de r Oberflaͤche dieser Felsen lassen sie alle Arten von Gras, krie- chenden Gewaͤchsen und Straͤuchen wachsen, die auf Felsen fortkommen. Auf die Gipfel dieser Felsen setzen sie Einsiedeleyen und Goͤtzentempel, zu welchen man durch unebene gewundene Treppen, die in den Fels gehauen sind, steigen kann. In der Alten und der Neuen. In der Anlage der Gebaͤude aͤußern die chinesischen Kuͤnstler eine solche Beur- theilungskraft, daß sie dadurch die einzelnen Prospecte bereichern und verschoͤnern, und gleichwohl dabey dem allgemeinen Anblick des Ganzen, aus welchem beynahe durchgehends die Natur hervorsticht, nichts benehmen. Denn ungeachtet ihre Gaͤr- ten voll von Gebaͤuden und andern Kunstwerken sind, so kann man sie doch aus vielen Gesichtspunkten nicht wahrnehmen, oder man sieht davon nicht mehr, als hoͤchstens zwey oder drey; so kuͤnstlich werden sie in Thaͤlern, hinter Felsen und Bergen, oder zwischen Gehoͤlze und dickem Gestraͤuche versteckt. Aber nichts destoweniger giebt es in den meisten chinesischen Gaͤrten der Ab- wechselung wegen gewisse Plaͤtze, die den Scenen einer außerordentlichen Natur ge- widmet sind; wo man alle, oder doch den groͤßten Theil der Gebaͤude mit einem Blick uͤbersehen kann, indem sie in amphitheatralischer Ordnung hintereinander hervorragen, sich eine ziemliche Strecke weit ausdehnen, und durch ihre seltsamen Verbindungen die praͤchtigste Unordnung machen, die man sich nur denken kann. Unter die interessantischen Theile der chinesischen Anpflanzungen gehoͤren ihre mit schattigen Baͤumen besetzte offene Plaͤtze. Man sucht ihnen die angenehmste Lage zu geben, und sie mit allen Arten natuͤrlicher Schoͤnheiten auszuschmuͤcken. Der Boden, worauf diese Lustwaͤldchen gepflanzt sind, ist gemeiniglich uneben, aber nicht rauh: entweder auf einer Ebene, wo viele Huͤgel sanft aufschwellen, an dem gelinden Abhange eines Berges, der uͤber reiche Aussichten herrscht; oder in Thaͤlern, die mit Waͤldern umgeben, und von Quellen und Baͤchen durchwaͤssert werden. Die, wel- che frey liegen, sind gemeiniglich mit blumigen Wiesen, weiten Kornfeldern oder Seen umgeben. Die chinesischen Kuͤnstler glauben, daß das Glaͤnzende und Muntere dieser Gegenstaͤnde einen angenehmen Contrast mit dem Dunkeln des Hai- nes mache; und wenn sie mit Heckengebuͤschen oder sparsam gepflanzten Gehoͤlzen umgeben sind, so ist die Anpflanzung so angelegt, daß von jedem Zugange ein Theil des Lustwaͤldchens versteckt bleibt, der sodann, wenn er sich dem Auge des Kommen- den nach und nach oͤffnet, seine Neubegierde stufenweise befriedigt. Die Baͤume, mit bluͤhenden Gestraͤuchen untermischt, stehen nicht gedraͤngt aneinander, sondern es ist zwischen ihnen so viel Raum gelassen, daß man sich auf den Rasen bequem nieder- setzen oder spazieren gehen kann. Der Rasen bleibt wegen seiner schattenreichen Lage bestaͤndig gruͤn, und ist im Fruͤhling mit einer Menge allerley fruͤhzeitiger Blumen, als Veilchen, Krokus, Tuberosen, Schluͤsselblumen, Hyacinthen, Aurikeln, Schnee- gloͤckchen und Narcissen geschmuͤckt. Zuweilen pflanzen sie auch diese offenen Haine von Limonen, Orangen, Citronen, Myrthenbaͤumen; zuweilen von allerhand Gat- tungen wohlgebildeter Fruchtbaͤume, die, wenn sie Bluͤthen tragen, und ihre Fruͤchte M 3 reifen, Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten reifen, außerordentlich schoͤn sind. Um das Schwelgerische dieser Scenen noch mehr zu erhoͤhen, pflanzen sie neben den Baͤumen verschiedene Weinstoͤcke mit Trau- ben von allerley Farben, deren Reben die Staͤmme hinauf kriechen, und von einem Baume zum andern in Festons herabhaͤngen. In alle ihre offene Haine setzen sie junge Brut von Fasanen, Rebhuͤnern, Pfauen, welschen Huͤnern und allen Arten schoͤner zahmer Gefluͤgel, die zu gewissen Zeiten des Tages zusammenkommen, um gefuͤttert zu werden. — 2.) Gruͤnde gegen die Wirklichkeit der chinesischen Gaͤrten, wie sie Chambers beschreibt. Als ich zuerst diese Beschreibung der chinesischen Gaͤrten las, gieng es mir, wie vermuthlich manchem andern Leser mehr. Ich fand darin wahre und hohe Schoͤnheiten der Natur, nur das davon abgerechnet, was zu den Ausschweifungen des morgenlaͤndischen Geschmacks gehoͤrt, das Uebertriebene und Spitzfuͤndige, wovon der Alten und der Neuen. wovon ich den groͤßten Theil in der angefuͤhrten Beschreibung weggelassen habe. Ich ward von so vielen reizenden Scenen entzuͤckt, und vergaß bey dieser Bewegung nachzudenken, ob sich auch alles wirklich so verhalten moͤchte. Ein wiederholtes Lesen ließ mir mit einer gelassenen Behagung mehr Ruhe, zu uͤberlegen. Ich fieng an gegen die Wirklichkeit solcher Gaͤrten hie und da einen Zweifel zu finden, und konnte mich schon vor einiger Zeit nicht enthalten, einige davon zu aͤußern. Bey einer naͤ- hern Vergleichung verschiedener einsichtsvollen Schriftsteller, die von China handeln, habe ich Gruͤnde entdeckt, die mich noch mehr an dem Daseyn solcher Gaͤrten zweifeln machen, wie Chambers die chinesischen beschreibt. Ich theile sie hier zur weitern Beurtheilung mit. China ist, nach zuverlaͤßigen Zeugnissen der Reisenden, bey weitem nicht so sehr angebauet, als man oft vorgegeben hat. Sogar nahe um Peking giebt es noch einige meilenlange Wuͤsten und Moraͤste. Die entlegenen Provinzen liegen fast alle ganz wuͤste, zum Theil so wuͤste, daß Tiger und andere wilde Thiere in Menge um- herschwaͤrmen. Der Handel versammlet die Einwohner um die Hauptstadt und s choͤnen Fluͤsse her, wodurch ein so starker Zusammenfluß von Menschen entsteht, daß die oft einreißende Hungersnoth die schrecklichsten Verwuͤstungen angerichtet hat. In diesen Gegenden, wo sich die Thaͤtigkeit der Nation am meisten aͤußert, muͤßte man die so sehr geruͤhmten Gaͤrten suchen, wenn anders die nothwendige Sorge, durch Ackerbau den harten Beduͤrfnissen abzuhelfen, noch Zeit und Ruhe zur Anle- gung laͤndlicher Lustplaͤtze verstattete. Je weiter man in die Provinzen hineinkoͤmmt, desto weniger trifft man bebauete Laͤnder an; nicht die Haͤlfte des Erdreichs ist genutzt; nur selten erscheint ein Dorf. Auch weiß man, daß die Chineser wenig Liebe zum Landbau besitzen, die uͤberdieß mit dem heißen Wuchergeist, einer fast allgemeinen Seuche der Nation, nicht vereinbar ist. Comte, du Halde und andere glaubwuͤrdige Zeugen ruͤhmen zwar den Anbau der Kuͤchengewaͤchse in China, wovon die Gaͤrten nie leer sind, weil sich besonders der gemeine Mann davon ernaͤhrt. Allein sie bemerken zugleich, daß an der Menge und Mannigfaltigkeit der Gewaͤchse und Fruͤchte mehr der gute Erdboden, als die Geschicklichkeit der Einwohner Antheil hat. Die meisten Fruͤchte, setzen sie hinzu, kommen den unsrigen nicht gleich, weil die Chineser nicht die Kunst verstehen, oder sich nicht die Muͤhe nehmen, die Baumfruͤchte zu verbessern, und ihnen einen mehr anziehenden Geschmack zu geben. Alle ihre Sorgfalt von dieser Seite schraͤnkt sich auf den Kornbau und Reisbau ein. Von der Botanik wissen sie fast nichts. Es Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Es ist ausgemacht, daß keine der schoͤnen Kuͤnste bey den Chinesern zur Vollkommenheit emporgestiegen ist. Recherches philosophiques sur les Egyptiens \& les Chinois, par Mr. de P. 1773. Tom. I. Sect. IV. Von der Perspectiv haben sie nicht den ge- ringsten Begriff. In der Malerey klecken sie Landschaften, worin weder Sehepunkt noch Ferne ist. Die dem Gesicht sich entfernenden Linien sind ihnen eben so unbekannt, als der Punkt, worin sie sich vereinigen muͤssen, indem sie nicht die geringste Kennt- niß von den Regeln haben, denen die Wirkungen des Lichts unterworfen sind. Mit den Gegenstellungen oder den großen Massen von Schatten sind sie, wie man leicht hinzudenken kann, ebenfalls ganz unbekannt. Sie wissen nichts von der Kunst, die Farben zu brechen und zu versetzen. Sie muͤßten also sehr verlegen seyn, wenn sie den Prospect eines Gartens vorstellen sollten. Ihre Zeichnung ist, wie man weiß, sehr schlecht. Nicht einmal den Blumen, die doch so haͤufig gemalt werden, verste- hen sie die Richtigkeit der Zeichnung zu geben. Ihre wilde Einbildungskraft zieht sie von dem Studium der Natur ab, die eine ruhige und bedaͤchtige Betrachtung er- fordert, wozu die Chineser so wenig, als andere morgenlaͤndische Voͤlker, aufge- legt sind. Schon aus diesen allgemeinen Bemerkungen wird man eben keine große Er- wartung schoͤpfen, daß die schoͤne Gartenkunst von den Chinesern geliebt und mit Gluͤck getrieben werde, vielweniger daß sie Gaͤrten von so vorzuͤglichen Schoͤnheiten besitzen, wie man uns uͤberreden will. China ist kein Reich, das erst seit einigen Jahren von den Europaͤern besucht wurde, oder wohin nur Leute ohne Einsicht, ohne Beobachtungsgeist, ohne Geschmack gekommen waͤren. Woher koͤmmt es, daß so viele Reisebeschreiber so vieles und seit einer so langen Zeit von China berichten, ohne der so herrlichen Gaͤrten der Nation zu erwaͤhnen, und daß man erst in der letzten Haͤlfte des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts angefangen hat, sie mit einer Art von Begeisterung zu ruͤhmen? Vielleicht waren sie in den aͤltern Zeiten noch nicht vorhanden, nicht einmal hie und da in einem vor- bereitenden Anfange vorhanden. Allein in diesem Jahrhunderte mußten sie doch da seyn. Es sollen ja Gaͤrten seyn, die bey der Nation gewoͤhnlich, die nicht blos die- sem oder jenem Großen eigen sind, Gaͤrten, welche die Nation ohne Beyhuͤlfe, ohne Beyspiel, durch ihr eigenes Genie hervorgebracht hat. Es laͤßt sich nicht wohl den- ken, daß solche Gaͤrten so ganz neu seyn oder so verborgen liegen sollten, daß sie nur erst vor etwa dreyßig Jahren von einem Reisenden haͤtten bemerkt werden koͤnnen. Wenigstens schon hie und da haͤtten sie laͤngst vorhanden seyn muͤssen. Die chinesi- sche Nation ist unstreitig keine solche, die auf einmal ploͤtzliche Fortg aͤ nge in einer Wissen- der Alten und der Neuen. Wissenschaft oder Kunst gemacht haͤtte; ihr Genie hat immer nur einen schleichenden Gang genommen, nie einen gluͤcklichen Sprung gewagt; das Vorurtheil fuͤr alles, was bey ihr alt geworden, unterstuͤtzt ihre natuͤrliche Traͤgheit. Die paradisischen Gaͤrten haͤtten also schon lange bluͤhen muͤssen, in einer so auffallenden Schoͤnheit, mit so eigenen hervorstechenden Reizen, daß jedes fremde Auge sie mit Bewunderung haͤtte wahrnehmen muͤssen. Und doch ein so tiefes Stillschweigen von so vielen Rei- senden, die sie sehen konnten und sehen mußten! Vielleicht waren diese Reisende nicht alle Kenner. Der groͤßte Theil der nach China reisenden Gelehrten bestand aus franzoͤsischen Jesuiten, die vielleicht entweder keine Einsicht in die Gartenkunst haben, oder voll Vorurtheil fuͤr die Manier ihres Vaterlandes seyn konnten. Es mag seyn. Aber so haͤtten sie doch wenigstens das Eigenthuͤmliche und das Abwei- chende in dem chinesischen Geschmack bemerken koͤnnen. Außerdem waren verschie- dene von diesen Missionarien geschickte Architekten und Maler. Die hohen Schoͤn- heiten der Natur, welche die chinesischen Gaͤrten darstellen sollen, sind jedem Auge bemerkbar. Und der franzoͤsische Jesuit haͤtte hier immer eine Ausnahme seyn sollen? Man weiß, wie sorgfaͤltig diese Missionarien gewesen, alles merkwuͤrdige in China aufzuzeichnen und ihrem Hofe zu berichten; man weiß, wie beredt sie zum Theil erzaͤhlen, wie gerne sie ausschmuͤcken. Sie beschreiben sehr ausfuͤhrlich die Beschaffenheit des Erdreichs, des Ackerbaues, der Gartengewaͤchse und aller Fruͤchte. Und doch bey den naͤchsten Veranlassungen, von den Lustgaͤrten zu reden, schweigen sie entweder ganz, Ich muß hier wohl die seltsame Be- schreibung ausnehmen, die der gute Pater Attiret von den Gaͤrten des Kaisers zu Peking bekannt gemacht hat, ( Lettres édi- fiantes, Recueil XXVII, publié en 1749. ) die mehr seine blinde Bewunderung eines fast mit nichts als Gebaͤuden und Canaͤ- len angefuͤllten Platzes, als Geschmack und richtige Einsicht in die Gartenkunst entdecken. oder geben uns nur einige fluͤchtige Anzeigen, die nichts weni- ger als den stolzen Begriff erregen, den man von den Wundern der chinesischen Gaͤrten hat. Chambers ist es indessen, der nach seiner Zuruͤckkunft aus China diese Gaͤr- ten in Ruf brachte. Man ist sehr geneigt, einen Reisenden, der aus einem entfern- ten Welttheil koͤmmt, wohin ohnedies nur noch wenig Englaͤnder gedrungen waren, erzaͤhlen zu hoͤren. Man hoͤrt ihn desto aufmerksamer, je mehr er durch das Neue und Unerwartete sich der Verwunderung zu bemeistern weiß; man hoͤrt ihn mit Zu- trauen, wenn er als ein Mann von Verstand, und mit Vergnuͤgen, wenn er als ein Mann von Geschmack erzaͤhlt. Chambers mußte Eingang finden, wenn er gleich weniger I Band. N Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten weniger die Wahrheit, als das Anziehende seiner Erzaͤhlung, auf seiner Seite hatte. Ich kann es mir vorstellen, wie ein Mann von weniger Talenten und Beob- achtung, als Chambers, in einigen Gegenden von China verleitet werden kann, da Gaͤrten zu sehen, wo keine sind. Nach dem Bericht des Comte Nouveaux Mémoires sur l’Etat présent de China, Tom. I. sind einige fruchtbare Provinzen mit anmuthigen Huͤgeln und Canaͤlen erfuͤllt. Die Huͤgel sind in verschiedene Absaͤtze und Stufen vom Fuße bis zum Gipfel bearbeitet, aber blos in der Absicht, damit das Regenwasser sich uͤberall vertheilen und das besaͤete Erd- reich mit seinen Pflanzen nicht so leicht hinabreißen koͤnne. Indessen giebt diese Ge- stalt, worin die Huͤgel gebildet werden, zumal wenn mehrere in einem Bezirk um- herliegen, einen reizenden Anblick. Die Canaͤle, welche die Plaͤnen durchschneiden, sind von einer ungemeinen Schoͤnheit, sowohl des klaren und sanft dahin fließenden Wassers, als auch der Einfassungen und Bruͤcken wegen, womit sie bekleidet sind. Sie laufen gemeiniglich zwischen kleinen Erhoͤhungen auf beyden Seiten, die mit Steinen oder groben Marmorstuͤcken eingefaßt sind. Die uͤber diese Canaͤle gefuͤhrten Bruͤcken, die zunaͤchst zur Verbindung der Laͤndereyen dienen, sind von drey bis sie- ben Bogen, wovon der mittelste oder Hauptbogen sehr hoch ist, damit die Fahrzeuge darunter bequem hinwegfahren koͤnnen. Die Gewoͤlbe sind von großen Stuͤcken von Steinen erbauet, die Pfeiler aber so schmal, daß man in der Ferne glaubt, die Bo- gen schweben in der Luft. Man sieht solche Bruͤcken von einer Strecke zur andern; und wenn, wie gewoͤhnlich, der Canal gerade ist, so macht diese lange Reihe von Bruͤcken eine Art von Allee, die ein praͤchtiges Ansehen hat. Der Hauptcanal der Provinz theilt sich zur Rechten und Linken in verschiedene kleinere, die sich wieder in eine Menge von Baͤchen zerschneiden, die an Staͤdte und Doͤrfer hinlaufen, zuweilen Teiche und Seen bilden, wovon die angraͤnzenden Laͤndereyen befruchtet werden. Dieses klare Wasser, hin und wieder in den Plaͤnen vertheilt, mit Bruͤcken verschoͤ- nert, mit Fahrzeugen belebt, mit Doͤrfern untermischt, durch welche die Baͤche bald hellschimmernd bald dunkel beschattet ihren Lauf verfolgen, macht unstreitig eins der heitersten Gemaͤlde von Landschaft. Was wuͤrde noch werden, sagt Comte, Lettre IV. wenn die Kunst, die oft in Frankreich die wildesten Gegenden durch die Pracht der Palaͤste, durch Gaͤrten und Lusthaine verschoͤnert, in diesen reichen Gefilden wirksam wuͤrde, wo die Natur nichts gespart hat? — Eine solche Landschaft ist zwar kein Garten; wie leicht kann sie aber nicht von einem Reisenden, der sich ganz den Ent- zuͤckungen des Auges uͤberlaͤßt, dafuͤr angenommen werden? Indessen der Alten und der Neuen. Indessen ist dies eben nicht der Fall, worin sich Chambers befindet. Er versichert, daß er sich bey den Chinesern sorgfaͤltig nach den Grundsaͤtzen erkundigt habe, denen sie bey der Anlage ihrer Gaͤrten folgen. Er nennt besonders einen chi- nesischen Maler Lepqua, aus dessen Erzaͤhlung er geschoͤpft. Wenn wir nicht glau- ben, daß er sich von falschen Nachrichten der Chineser hat blenden lassen, die so gern uͤbertreiben, so gern alles, was ihre Nation betrifft, vergroͤßern; so laͤßt sich ein an- derer Ausweg zur Erklaͤrung dieser Sache entdecken. Chambers hatte in seinem Vaterlande bemerkt, daß man theils noch zu sehr der alten Manier anhieng, theils bey den neuen Versuchen in Duͤrftigkeit an Erfin- dung und in manche Ausschweifungen verfiel. Er sah es mit Verdruß, daß, da jede andere der schoͤnen Kuͤnste so viele Lehrer haͤtte, die Gartenkunst allein verwaiset zuruͤckblieb, daß kein Mann fuͤr sie aufstand, der sie in ihre Rechte einsetzte. Er fand in seinem Verstande und in seiner Einbildungskraft Ideen, die er der Natur und Bestimmung der Gaͤrten eigenthuͤmlicher hielt, als die gewoͤhnlichen sind, denen man taͤglich folgte. Er glaubte, daß diese Ideen mehr Aufmerksamkeit erregen, mehr Aufnahme finden muͤßten, wenn sie einer entfernten Nation untergeschoben wuͤr- den, die schon eine wirkliche Anwendung davon gemacht haͤtte. Er hatte Klugheit genug, unter diese Ideen Zusaͤtze zu mischen, die dem Nationalgeist der Chineser eigen sind. Kurz, er pflanzte brittische Ideen auf chinesischen Boden, um ihnen ein mehr auffallendes Ansehen zu geben, und sie eindringender zu machen. Diese Vermuthung wird weniger gewagt scheinen, wenn man außer allem dem, was oben von den Chinesern angefuͤhrt worden, und woraus man keine vortheilhafte Begriffe von ihren Gaͤrten zu ziehen veranlaßt wird, noch die Beschreibung des Chambers selbst etwas naͤher betrachtet. Er sagt nicht, wo die herrlichen Gaͤrten, die er schildert, liegen; auch sagt er nicht, daß es Gaͤrten des Kaisers oder dieser und jener Großen sind. Er nennt sie ganz allgemein chinesische Gaͤrten, und scheint uns uͤberreden zu wollen, daß es Gaͤrten der Nation waͤren, Gaͤrten, die eben so gewoͤhnlich in China angetroffen wuͤrden, als die franzoͤsischen in Europa. Ja, er gesteht selbst in seinem ersten Berichte, daß die Gaͤrten, die er in China gesehen, nur sehr klein gewesen; und doch paßt die ganze Beschreibung blos auf große Gaͤrten. Demnaͤchst erklaͤrt er sich ausdruͤcklich, daß er weder mit der kuͤnstlichen, noch mit der simpeln Manier in der Gartenkunst zufrieden sey. Jene weiche zu ausschwei- fend von der Natur ab, diese hingegen sey eine zu gewissenhafte Anhaͤngerinn derselben. Eine mit Beurtheilung unternommene Vereinigung beyder Manieren wuͤrde eine dritte N 2 hervor- Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten hervorbringen, die gewiß vollkommener waͤre, als eine von diesen beyden. — Und diese Vereinigung hat er offenbar in der letzten ausfuͤhrlichen Schrift von den chine- sischen Gaͤrten zur Absicht. Wenn jemand, sagt er ferner, kuͤhn genug waͤre, einen Versuch zu dieser Ver- einigung zu machen, so wuͤrde er sich dem Tadel beyder Partheyen aussetzen, ohne eine oder die andere zu bessern, und sich dadurch selbst nachtheilig werden, ohne der Kunst einen Dienst zu leisten. Dem ohngeachtet aber koͤnne es doch nicht undienlich seyn, das System eines fremden Volks bekannt zu machen. Er koͤnne es mitthei- len, ohne seine eigene Gefahr, und wie er hoffe, ohne sonst jemand zu beleidigen. — Diese Wendung, die Chambers nimmt, giebt seine Lage und Absicht nicht undeut- lich zu erkennen. Ein groͤßerer Beweis ist die ganze Schrift selbst. Wenn man nicht annaͤh- me, daß Chambers seine Philosophie, seine Einsichten in die Kuͤnste und in das menschliche Herz, seine bluͤhende Einbildungskraft den Chinesern geliehen haͤtte; so wuͤrde man das, was er von ihren Gaͤrten ruͤhmt, mit so vielen zuverlaͤßigen Nach- richten, die wir von diesem Reich und von dem Geist dieser Nation haben, unmoͤglich vereinigen koͤnnen. Er ist freygebig mit Lobspruͤchen, worauf sie auf keine Weise Anspruch machen koͤnnen. Wenn er gleich im Anfang sagt, daß ihre Gaͤrtner nicht allein Botanisten, sondern auch Maler und Philosophen sind, daß sie eine vollkom- mene Kenntniß des menschlichen Herzens und der Kuͤnste besitzen, durch welche die staͤrksten Empfindungen erregt werden koͤnnen, daß die schoͤne Gartenkunst ein Ge- genstand der Aufmerksamkeit des Gesetzgebers ist; so ist dies eine so ungeheure Be- hauptung, als sie nur gefunden werden kann. Seine Beschreibung hat hie und da die sinnreichsten Gemaͤlde der Phantasie und die wunderbarsten Feenbezauberungen, die nicht von dem Wirklichen abgezogen sind, und wovon ich die seltsamsten nicht ein- mal angefuͤhret habe; sie laͤßt hie und da Verwirrungen der Einbildungskraft mit bedaͤchtiger Wahl und richtigem Gefuͤhl abwechseln; und ihr ganzer Inhalt ist Be- weis genug, daß Chambers, indem er die Grundsaͤtze der chinesischen Gartenkunst zu erheben bemuͤhet scheint, mehr bemuͤhet ist, seine eigene vorzutragen. Wenn demnach seiner Schrift die historische Wahrheit abgeht, so soll dadurch ihr Werth nicht ganz herabgewuͤrdigt werden. Sie bleibt immer als das Werk eines Mannes von viel Kenntniß, Geschmack und Genie schaͤtzbar, und in einzelnen Stellen fuͤr die Gartenkunst sehr nuͤtzlich; immer eine angenehme Beschreibung eines nicht vorhandenen Gegenstandes; ein schoͤnes Ideal, dem nichts weiter fehlt, als daß es vielleicht nie Wirklichkeit haben wird. Es der Alten und der Neuen. Es wuͤrde ein seltsames Mißverstaͤndniß seyn, wenn man glaubte, daß ich durch das, was bisher gesagt ist, das Daseyn chinesischer Gaͤrten uͤberhaupt zweifel- haft machen wollte. In der That koͤnnte nichts seltsamer seyn. Meine Absicht ist blos zu beweisen, daß China nicht solche Gaͤrten hat, als Chambers beschreibt, als ein allgemeines Vorurtheil ruͤhmt, und eine getaͤuschte Nachahmungssucht nach- zubilden versucht. So weit noch die Nachahmung gekommen ist, so weit ist sie auch mehr dem Ideal eines Britten, als dem Muster eines Chinesers nachgegangen. Die Gaͤrten in China koͤnnen so wenig von dem Geist und dem Geschmack der Nation abweichend seyn, als irgend anderswo, oder als irgend ein anderer Zweig der schoͤnen Kuͤnste. Comte Lettre VI. giebt eine Nachricht von den chinesischen Gaͤrten, die mit dem, was wir sonst von der Nation wissen, mehr uͤbereinstimmt, und der Wahrheit naͤher zu treten scheint. Die Chineser, sagt er, sind noch nachlaͤßiger in ihren Gaͤrten als in ihren Wohnungen; sie haben in diesem Punkt Begriffe, die von den unsrigen sehr verschieden sind. Regelm aͤß ige Plaͤtze anzulegen, Blumen zu pflanzen, Alleen und Hecken zu ziehen, wuͤrden sie fuͤr widersinnig halten. Das oͤffentliche Wohl erfordert, daß alles besaͤet sey; und ihr Privatinteresse, das mehr als die gemeine Wohlfahrt sie ruͤhrt, erlaubt ihnen nicht, das Angenehme dem Nuͤtz- lichen vorzuziehen. Ihre Blumen ziehen sie so schlecht, daß man Muͤhe hat sie wie- der zu kennen. Man erblickt zwar in einigen Gegenden Baͤume, die eine große Zierde in den Gaͤrten geben wuͤrden; allein sie verstehen nicht die Kunst, sie geschickt zu stellen. Anstatt der Fruͤchte sind diese Baͤume fast das ganze Jahr hindurch mit Bluͤthen von lebhaftem Roth und Incarnat bedeckt; pflanzte man davon Alleen, mit Pomeranzenbaͤumen untermischt, wie sehr leicht geschehen koͤnnte, so wuͤrde dies den schoͤnsten Anblick von der Welt geben. Aber weil die Chineser nur selten spa- zieren gehen, so sind Alleen nicht nach ihrem Geschmack. Ob sie gleich von der An- ordnung und von der Kunst, wahre Verschoͤnerungen anzubringen, nichts verstehen, so machen sie doch in ihren Gaͤrten Aufwand. Sie bauen Grotten, sie fuͤhren kleine kuͤnstliche Huͤgel auf, sie bringen ganze Felsstuͤcke dahin, die sie uͤber einander auf- haͤufen, ohne eine andere Absicht, als blos die Natur nachzuahmen. Wenn sie dem- naͤchst soviel Wasser finden, als noͤthig ist, um ihren Kohl und ihre uͤbrigen Kuͤchen- gewaͤchse zu begießen, so glauben sie, daß sie nichts mehr zu thun uͤbrig haben. Der Kaiser hat Wasserkuͤnste Hier muß ich doch einer sonderba- ren Anekdote von dem Pater Benoit, ei- nem Schuͤler des beruͤhmten de la Caille, erwaͤhnen. Als er als Astronom nach Peking gekommen war, schenkte er dem Kaiser von der Erfindung der Europaͤer ; Privatpersonen N 3 aber Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten aber begnuͤgen sich mit ihren Teichen und Brunnen. — Fast eben diesen Begriff von den chinesischen Gaͤrten geben zwey gelehrte Schweden, Olof Toreen In dem Anhang zu Osbeks Reise nach Ostindien und China. Aus dem Schwedischen. 8. 1765. und Eckeberg, Ebendaselbst. von welchem die Akademie zu Stockholm eine besondere Ab- handlung von der Landwirthschaft der Chineser bekannt gemacht hat. In ihren Gaͤrten, sagt der erste, sieht man weder kuͤnstlich gezogene Baͤume, noch Alleen oder figurirte Blumenstuͤcke, sondern es ist darin alles in einer natuͤrlichen Verwirrung. Anstatt der Grotten werfen sie Haufen von einer Steinart zusammen, die Bergen und Klippen aͤhnlich sind. — Sie bekuͤmmern sich, erzaͤhlt der Capitain Eckeberg, sehr wenig um Luststuͤcke, Hecken, bedeckte Gaͤnge und Symmetrie; ihnen gefaͤllt ein nackter Platz mit Steinen von verschiedener Farbe und Groͤße in Figuren von Dra- chen und Blumen belegt besser, als wenn die Zwischenraͤume mit Kraͤutern oder Gras gezierer waͤren. Ihre Gaͤnge muͤssen auch nicht offen, sondern mehrentheils an den Seiten mit Mauern versehen seyn, an welche Wein oder andere kletternde Gewaͤchse gesetzt sind, die man an Stangen von einer Mauer zur andern zieht, und dadurch den Gang bedeckt. Die Ruhebaͤnke sind in Gaͤngen ohne Mauern an den Seiten angebracht, und durch verschiedene Setzung der Steine mit vielen Hoͤhlen versehen, in welche Gefaͤße mit verschiedenen Blumen gestellt werden. Die Gaͤnge bilden viele Kruͤmmungen; bisweilen gehen sie uͤber einen kleinen ebenen, mit Stei- nen belegten Platz, vor ein offenes Lusthaus, auf welchem Blumentoͤpfe stehen, bis- weilen durch Bogengaͤnge, die von duͤnnem Bamby doppelt, aber in ungleicher Form geflochten sind, und worunter eine Art buschigtes Immergruͤn gepflanzt ist, das sich durch dieselben schlaͤgt, und sie einer gruͤnen mit einem großen Loche versehenen Wand aͤhnlich macht. Was Eckeberg sonst noch anfuͤhrt, das des Beyfalls nicht ganz unwuͤrdig seyn moͤchte, ist doch so tief unter Chambers System, daß dieses daher keine Unterstuͤtzung erwarten kann. — Die Pracht und der Aufwand, womit die Großen in China umgeben sind, sobald sie oͤffentlich erscheinen, glaͤnzt gar nicht auf ihr haͤusliches Leben und ihre Lustgaͤrten zuruͤck, worin nichts von den zauberischen Schoͤn- Kaiser einen Kupferstich, der springende Wasser vorstellte. Der Kaiser verlangte von ihm eine Erklaͤrung der Figuren. Benoit gab sie; aber dem Kaiser schien es ein Wunderwerk, dessen Ausfuͤhrung alle Kraͤfte der menschlichen Kunst uͤberstiege. Als Benoit sich dazu geschickt erklaͤrte, ward ihm aufgetragen, die Gaͤrten des Kaisers mit Springbrunnen und Wasser- faͤllen zu zieren. Der erste Springbrun- nen versetzte ihn in eine Art von Entzuͤ- ckung; er ließ den Pater bewachen, und zwang ihn, seine Sternwarte mit dem Amt eines Brunnenmeisters zu verwechseln. der Alten und der Neuen. Schoͤnheiten, wovon man traͤumt, aber viel Duͤrftigkeit und geschmacklose Einfalt herrscht, und die naͤher betrachtet weder etwas zu bewundern, noch zu verwundern geben. 9. Verschiedene Gaͤrten und Lustplaͤtze in andern entfernten Weltgegenden. Die Gaͤrten der Tuͤrken scheinen nicht zu verdienen, daß wir sie ganz uͤberse- hen, so wenig Anspruͤche sie auch auf den Ruhm einer besondern Schoͤnheit haben. Die Annehmlichkeiten des Canals bey Constantinopel sind den Muselmaͤnnern so reizend, daß sie alle ihre Lusthaͤuser an seinen Ufern bauen, und also zugleich die schoͤn- sten Aussichten in Europa und Asien haben. Einige Meilen von Adrianopel be- steht das ganze Land aus Gaͤrten, und die Ufer der Fluͤsse sind mit Reihen von Frucht- baͤumen besetzt, unter welchen die angesehensten Tuͤrken sich jeden Abend belustigen; zwar nicht mit Spazieren, das sie nicht lieben; sondern kleine Gesellschaften waͤhlen sich Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten sich einen gruͤnen beschatteten Platz, uͤber den sie einen Teppich ausbreiten, trinken da Kaffee und haben gewoͤhnlich einen Sklaven bey sich, der eine feine Stimme singt oder auf einem Instrumente spielt. Briefe der Lady Montague. Die Harams oder Frauenzimmerwohnungen der Tuͤrken, die von dem oͤffentlichen Anblick entfernt liegen, sind gemeiniglich mit Gaͤrten umgeben, in welche die Damen aus ihren Zimmern die Aussicht haben. Diese Gaͤrten, die mit hohen Mauern umschlossen sind, haben nichts von Parterren, sondern sind mit hohen Baͤumen bepflanzt, die einen anmuthigen Schatten und einen reizenden Anblick geben. In der Mitte des Gartens ist der Chiosk, ein großes Zimmer, das gemeiniglich mit einem schoͤnen Brunnen in der Mitte prangt. Es ist neun bis zehn Stufen hoch, und mit vergoldetem Gitterwerk bezaͤunet, um welches sich Weinreben, Jesminen und Geisblatt winden, und eine Art von gruͤner Mauer machen. Rund um diesen Ort sind breite Baͤume gepflanzt; er ist die Scene ihrer Ergoͤtzungen, und die Damen bringen da ihre meisten Stunden mit Musik und Stickwerk zu. An den Gaͤrten um Smyrna, bemerkte Hasselquist, Reise nach Palaͤstina in den Jahren 1749-1752. Aus dem Schwedischen. 1762. S. 31. hat die Kunst kaum die Hand angelegt, außer zur Pflanzung der Pomeranzenbaͤume, die hier nicht wild wachsen, aber doch in großer Menge gefunden werden. Die Natur ist hier schoͤn und milde. Wenn man ihr einige Huͤlfe leistete, so wuͤrde man hier weit schoͤnere Gaͤrten zu Stande bringen, als diejenigen sind, die unser nordliches Europa zieren. Man findet hier in den Gaͤrten eine Menge Pomeranzenbaͤume; Feigen-, Oliven- und Granatbaͤume stehen hie und da ohne Ordnung unter einander; Pappelbaͤume sind ganz gewoͤhnlich. Cypressen wachsen hin und wieder, und steigen, wie die schoͤnsten Pyramiden, bis in die Wolken. Dieses ist wohl der groͤßte Schmuck, den die Na- tur diesen Gegenden geschenkt hat. — Nicht weniger ruͤhmt Chandler Reisen in klein Asien. Aus dem Englischen. 1776. S. 112. den natuͤrlichen Reiz der Gegend um Smyrna. Das Gruͤn war im December so schoͤn, als er es jemals gesehen hatte. Ringelblumen und Anemonen schossen von selbst und in großer Menge zwischen den Rasen unter Oelbaͤumen auf. Ganze Ge- buͤsche von Myrthen in der Bluͤte schmuͤckten das unangebauete Land, und in den Gaͤrten schimmerte die goldene Frucht zwischen den tiefgruͤnen Blaͤttern der Orangen- baͤume hervor. Man sahe eine Menge Narcissen und Hyacinthen. Fruͤh im Fe- bruar bluͤheten die Mandelbaͤume; Rosen und Nelken waren gemein und wurden in den Straͤußen verkauft. Chandler hatte, wenige Tage ausgenommen, einen blauen Himmel, der Alten und der Neuen. Himmel, und eine ungemeine nicht zu beschreibende Milde der Luft. Von der Schoͤnheit der Gaͤrten sagt er uͤbrigens kein Wort. Die Ebene von Scio (das beruͤhmte Chios der Griechen) nordwaͤrts der Stadt bestehet nach Pokoks Erzaͤhlung Beschreibung des Morgenlandes. Aus dem Engl. 1755. 3ter Th. S. 5. aus lauter Gaͤrten mit Lusthaͤusern. Sie sind groͤßtentheils kleine Waͤlder von Orangen- und Limonienbaͤumen. Die schoͤnsten haben sowohl in der Mitte, als auch auf der rechten und linken Seite einen Spazier- gang. An demselben stehen zu beyden Seiten viereckige Saͤulen, zwischen welchen Sitze von Quadersteinen sind. Einige haben in ihren Gaͤrten Capellen und darunter ein Familienbegraͤbniß. Hieher begeben sich fast alle Einwohner zur Sommerszeit aus der Stadt, wohin sie im Winter wieder zuruͤckkehren. — Auch Chandler Reisen in klein Asien. Aus dem Engl. 1776. S. 66. giebt von dieser Insel ein kleines angenehmes Gemaͤlde. Haine von regelmaͤßig ge- pflanzten Limonien, Pomeranzen- und Citronenbaͤumen durchwuͤrzen die Luft mit dem Dufte ihrer Bluͤthen, und entzuͤcken mit ihren goldenen Fruͤchten zugleich das Auge. Myrthen und Jesminen sind unter sie gemischt, nebst Oelbaͤumen, und Palmen und Cypressen. Pokok 2ter Th. 1754. S. 180. erwaͤhnt auch der Gaͤrten, wodurch Damascus beruͤhmt ist. Alles, was an ihnen schoͤn ist, koͤmmt von dem vielen Wasser her, wovon man hier Herr ist; sie sind mit vielen und mannigfaltigen Arten von Baͤumen angefuͤllt, und gehoͤren zu den besten in jenen Gegenden. Die morgenlaͤndischen Gaͤrten, setzt er hinzu, sind in der That nur Baumgaͤrten oder Waldungen fruchtbarer Baͤume, die nicht regelmaͤßig, sondern nur in schmale Reihen gesetzt sind. Durch manche Gaͤr- ten sind kleine Baͤche geleitet; andere sind mit offenen Wasserbehaͤltnissen, oder mit springendem Wasser und allerley kleinen Wasserkuͤnsten geziert. In diesen und in den angenehmen Sommerhaͤusern besteht vornehmlich ihre Schoͤnheit. Das Volk bringt oft den ganzen Tag in diesen Gaͤrten zu, und deswegen sind stets einige verpach- tet, in welchen die Gaͤste von den Fruͤchten frey essen koͤnnen, was ihnen gefaͤllt. Diejenigen, welche Haͤuser in ihren Gaͤrten haben, begeben sich im Sommer sehr oft auf einige Tage dahin. — Es ist uͤbrigens leicht zu gedenken, daß unter allen Him- melsstrichen, die so sehr der Wut der Sonnenstralen ausgesetzt sind, der Einwohner von seinen Gartenplaͤtzen nichts mehr als Schatten der Baͤume, Kuͤhlung des Wassers und Erfrischung der Fruͤchte fordert, und sich gerne begnuͤgt, wenn er diese Vortheile hat. I Band. O Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten hat. Auch geben Thevenot, Tournefort und andere Reisebeschreiber keinen gro- ßen Begriff von Kunst oder Schoͤnheit in den morgenlaͤndischen Gaͤrten. Von den Gaͤrten der heutigen Perser geben uns Thevenot Suite du Voyage an Levant, II Part. S. 285. Paris 1689. 8. und Bruin Reizen over Moscovie door Persie \&c. fol. Amsterdam 1711. S. 131 u. 323. keine so vollkommene Nachricht, als Chardin. Voyage en Perse \&c. 4. Amsterdam 1735. Tom. 3. S. 27. 28. Nach dem Bericht des The- venot bestand der koͤnigliche Garten bey Ispahan blos in einer Menge junger Frucht- baͤume und großer Ahornbaͤume, die, alle nach der Linie gepflanzt, die ganze Verzierung ausmachten. Alle Gaͤrten sind in Einem Geschmack. Ihre Schoͤnheit bestehet blos in großen geraden Alleen, in einer Menge von Ahorn, Rosenstoͤcken und Frucht- baͤumen; und vornehmlich ist es zur Zeit der Fruͤchte ein Vergnuͤgen, sie zu besu- chen. — Bruin schraͤnkt sich auf die koͤniglichen Gaͤrten zu Casian und zu Perse- polis ein; lobt darin Blumen, Canaͤle, Fontainen, Gebaͤude, Cypressen, Granat- baͤume; sagt, daß alles groß und schoͤn angelegt sey; und doch giebt seine Beschrei- bung von diesen Anlagen keinen hinlaͤnglichen Begriff. — Nach Chardins Erzaͤh- lung bestehen die Gaͤrten der Perser gewoͤhnlicher Weise in einer großen Allee, die den Garten theilt, die nach der Linie gezogen und von Ahorn gesetzt ist; mit einem Wasserbehaͤltnisse in der Mitte, von einer dem Garten angemessenen Groͤße; auf den Seiten zwey kleinere Baßins. Der Raum zwischen beyden ist mit allerhand Blu- men besaͤet, mit Fruchtbaͤumen und Rosenstraͤuchen bepflanzt; und hierin besteht die ganze Verzierung. Man weiß nichts von Parterren, gruͤnen Lauben, Labyrinthen und Terrassen, und von den uͤbrigen Zierden der europaͤischen Gaͤrten. Dieses kommt besonders daher, daß die Perser nicht, wie wir, in ihren Gaͤrten spazieren, sondern sich begnuͤgen, darin die Aussicht und die frische Luft zu genießen; sie setzen sich daher bey ihrer Ankunft in den Garten an einem Orte nieder, und halten sich da so lange auf, bis sie wieder weggehen. — Nach dem Zeugniß eben dieses beobach- tenden Reisenden ist die Gegend von Hyrkanien, die nach Morgen liegt, der schoͤnste Sammelplatz von Blumen, und eine immer bluͤhende Flur, vornehmlich vom September bis zu Ende des April. Das ganze Land ist alsdenn mit Blumen be- deckt, und diese Zeit ist auch die beste in Ansehung der Fruͤchte; denn in den andern Monaten wuͤtet eine außerordentliche Hitze und eine boͤse Luft. Nach Medien und Arabien zu bringen die Felder von selbst Tulpen, Anemonen, Ranunkeln von dem schoͤnsten Roth und Kaiserkronen hervor. In andern Gegenden, als um Ispahan, wachsen die Jonquillen und Hyacinthen von selbst; und man hat da Blumen waͤh- rend des ganzen Winters, viele Arten von Narcissen, Lilien, Violen von allen Far- ben, der Alten und der Neuen. ben, Nelken und Jesmin von einer Schoͤnheit und einem Geruch, die alles uͤber- treffen, was wir davon in Europa haben. Nichts faͤllt unter diesen Gegenstaͤnden schoͤner in die Augen, als die Pfirsichbaͤume; die Bluͤthe bedeckt sie oft so sehr, daß das Auge keinen Durchgang finden kann. In der That ist Persien das Vaterland der herrlichsten Blumen. Nach dem, setzt Chardin hinzu, was von der Anzahl und Schoͤnheit der Blumen gesagt ist, sollte man leicht denken, daß es auch da die schoͤnsten Gaͤrten von der Welt gebe. Allein nach einer Erfahrung, die man sehr allgemein findet, ist da, wo die Natur fruchtbar und gefaͤllig ist, die Kunst roher und unbekannter, wie in diesem Fall mit den Gaͤrten. Wo die Natur Gaͤrten so vortrefflich bildet, da hat die Kunst fast nichts mehr zu thun. So ist auch in Japan die Einrichtung der Gaͤrten, nach Kaͤmpfers bekann- ter Beschreibung, ohne merklichen Geschmack. Indessen ist die Schoͤnheit und Mannigfaltigkeit der Blumen, womit alle Huͤgel, Felder und Waldungen prangen, so groß, daß Japan in diesem Punkt mit Persien um den Vorzug streiten kann. Die schoͤnsten versetzt man in die Gaͤrten, und erhebt sie durch Kunst und fleißige Pflege zu einer großen Vollkommenheit. Der Vorzug der Blumen besteht am mei- sten in der schoͤnen Farbe, und diese Blumen machen die vornehmsten Gegenstaͤnde in den japanischen Gaͤrten aus. Außer ihnen aber giebt es hier noch Kastanien- baͤume, Limonien, Pomeranzen, die haͤufig und von verschiedener Art wachsen, Ci- tronen und Pfirsiche. Kriekenbaͤume werden nur ihrer schoͤnen Bluͤthe wegen unter- halten, die durch die Cultur die Groͤße einer doppelten Rose gewinnen, und in sol- cher Menge hervorbrechen, daß sie den ganzen Baum wie ein blutiger Schnee be- decken; diese Baͤume geben allen Tempelgaͤrten die beste Zierde, und blos zu diesem Zweck werden auch oft Apricosen und andere Pflaumbaͤume unterhalten. Tannen und Cypressen, welche die gemeinsten Baͤume der Waͤlder sind, pflanzt man in langen Reihen auf die Spitzen der Berge, und auf beyde Seiten der Landstraßen; man sucht damit sogar alle sandigen und wuͤsten Oerter etwas auszuzieren. Eine ruͤhmliche Sorgfalt ist es, daß sogar von diesen Baͤumen keiner gefaͤllt werden darf, ohne Er- laubniß der Obrigkeit des Orts, und ohne zugleich einen jungen Baum wieder an seinen Platz zu setzen. Schaw Voyages \&c. 4. à la Haye 1743. Tom. l. p. 92 u. 295. ruͤhmt die Huͤgel und Thaͤler in den umliegenden Gegenden von Al- gier, die voll von Landhaͤusern und Gaͤrten sind, wohin die reichen Einwohner der Stadt sich waͤhrend des Sommers begeben. Diese Landhaͤuser von einer weißen schimmernden Farbe, und mit Fruchtbaͤumen bedeckt, haben eine sehr angenehme Wirkung auf das Auge, wenn man sie vom Meer erblickt. Die Gaͤrten bringen O 2 eine Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten eine große Menge von Fruͤchten und Kraͤutern hervor, und sind von Quellen und Baͤchen durchwaͤssert, welches in einem so heißen Lande von großem Vortheil ist. Sie sind aber nicht weniger als regelmaͤßig, ohne Plan und Anordnung; eine Ver- mischung von Fruchtbaͤumen, von Gartengewaͤchsen und von Getreide durcheinander; man weiß hier nichts von Parterren, Blumenbeeten, Alleen. Auf den heitern canarischen Inseln bluͤhen anmuthige Gaͤrten. Die Stade Laguna auf Teneriffa ist nicht blos uͤberaus reizend in Ansehung ihrer Lage, ihrer weiten Aussicht, ihrer Ebenen und Felder umher, ihrer Wasserleitungen und erfri- schenden Luͤfte, sondern auch wegen ihrer Gaͤrten mit Orangen, Limonien und andern Fruchtbaͤumen. — Die Insel Canaria verdient wegen des gesunden und milden Klima, des Ueberflusses von gutem Wasser, von Baͤumen, Kraͤutern und Fruͤchten, mit Recht den Namen der gluͤckseligen Insel. Der Himmel ist selten mit Wolken uͤberzogen, und fast immer heiter und frey von Gewittern und Stuͤrmen. Fast alles, was gepflanzt wird, gedeihet. Die Fichte, wilde Olive, Lorbeer, Pappel, Ro- senholz, die indianische Feige, wachsen von selbst und ohne Wartung. Alle ameri- canische und europaͤische Baumfruͤchte reifen hier. Der fruchtbarste Theil der Insel ist der Berg Doramas, nicht weit von der Stadt Palmas. Er ist mit Hainen von verschiedenen Arten wohlriechender Baͤume bedecket, deren hohe Zweige so dicht ineinander verflochten sind, daß kein Sonnenstral hindurchdringt. Die Baͤche, die diese schattigen Haine bewaͤssern, das Gefluͤster der sanften Winde zwi- schen den Baͤumen, und der melodische Gesang der Canarienvoͤgel machen ein bezau- berndes Lustrevier. Glas Beschreibung der canarischen Inseln. Aus dem Engl. 1777. S. 243. u. f. — Hinter der Stadt Funchal auf der Insel Madera erhebt sich der Grund nach und nach gegen die Berge, die sich in Gestalt eines halben Zirkels auf verschiedene Meilen ausbreiten; hier ist alles voll Weinberge, Landhaͤuser und Gaͤrten, welche durch die von den Anhoͤhen herabfallenden Baͤche gewaͤssert werden, und ein sehr an- genehmes Ansehen haben. Diese Insel gehoͤrt zu den gluͤcklichsten Wohnplaͤtzen auf dieser Erde, und man darf sich nicht wundern, daß die Alten sie fuͤr den Sitz der ely- sischen Felder hielten. Der Britte, Ovington, Reise nach Surat in der allgemeinen Historie der Reisen, 2ter B. S. 51. giebt uns eine kleine ange- nehme Schilderung von den Vergnuͤgungen des Landlebens, die er hier bey seinen Landsleuten genoß, wenn sie der Stadt uͤberdruͤßig waren. Hier unterredeten sie sich unter den ausgebreiteten Orangen- und Limonienbaͤumen, die von Wasserquellen er- frischt wurden. Die Natur stellte hier die angenehmste Aussicht von der Welt vor. Die Huͤgel waren alle mit Weinstoͤcken bedeckt, und die Thaͤler mit reifen Trauben, die der Alten und der Neuen. die einen starken Geruch von sich gaben. Die Gebuͤsche und Waͤlder waren alle frisch und anmuthig; nichts schien verwelkt und abfallend, sondern alles lachte. Die Lust war heiter und ertoͤnte vom Gesang der Voͤgel. Die Schiffe und das Meer waren in einer mittelmaͤßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten sich uͤberall neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenstaͤnden, die diesen Aufenthalt reizender machten, als je das beruͤhmte Tempe der Alten gewe- sen ist. Bernier, der als ein feiner Beobachter so viele weite Reisen gethan, behaup- tet, Allgemeine Historie der Reisen u. s. w. II ter B. S. 115-117. es gaͤbe kein Land in der Welt, das in einem so kleinen Umfang so viel Schoͤn- heiten vereinigte, als das Koͤnigreich Kachimir, das am aͤußersten Ende von Ind- ostan liegt, von den Bergen des Caucasus, und zwischen den Gebirgen von groß und klein Thibet und Raja-Gamon eingeschlossen. Es ist eine sehr schoͤne Land- schaft voll kleiner Huͤgel, die nicht weniger als dreyßig Meilen Laͤnge und zehn oder zwoͤlf Meilen Breite hat. Die ersten Berge, die Kachimir begraͤnzen, das ist, die an die Ebene reichen, sind von mittelmaͤßiger Hoͤhe, mit Baͤumen und Viehwei- den bedeckt, wo man Kuͤhe, Schafe, Ziegen und Pferde findet. Unter verschiede- nen Arten von Wildprete, als Rebhuͤner, Hasen, Gazellen, sieht man auch viele Bienen. Aber, welches in Indien sehr selten ist, man findet da nie Schlangen, Tiger, Baͤren oder Loͤwen. Bernier sagt daher, man koͤnne sie die unschuldigen Berge nennen, auf welchen Milch und Honig fließt, wie im gelobten Lande. Ueber diese erheben sich andere hoͤhere, deren Gipfel allezeit mit Schnee bedeckt ist, und stets, uͤber die Gegend der Wolken erhoben, ruhig und helle scheint. Von allen die- sen Bergen fallen uͤberall unzaͤhlige Quellen und Baͤche herab, welche die Einwohner in ihre Reißfelder, und vermittelst großer Erddaͤmme selbst auf ihre Huͤgel zu leiten wissen. Nachdem diese schoͤnen Gewaͤsser viele Wasserfaͤlle und Baͤche gemacht ha- ben, so vereinigen sie sich endlich, einen Fluß von der Groͤße der Seine zu bilden, der langsam das Koͤnigreich umfließt, durch die Hauptstadt geht, und seinen Aus- gang zu Baramoule zwischen zween steilen Felsen findet, von da er sich in verschie- dene Abstuͤrze zertheilt, eine Menge kleiner Fluͤsse, die von den Bergen herabkom- men, fortnimmt und endlich in den Indus faͤllt. So viel Baͤche, die von allen Bergen herabfließen, machen die Felder und Huͤgel ungemein fruchtbar; man sollte alles fuͤr einen großen Garten ansehen, in welchem sich Flecken und Doͤrfer befinden, wovon man eine Menge zwischen den Baͤumen entdeckt. Zur Abwechselung erblickt man Wiesen, Reißfelder, Fluren voll Getraide, Safran und allerley Huͤlsenfruͤchte, unter welchen Canaͤle in mannigfaltigen Gestalten sich durchschlingen. Ein Euro- O 3 paͤer Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten paͤer erkennt da uͤberall unsere Pflanzen, Blumen und Baͤume, Apfelbaͤume, Birn- baͤume, Pflaumen, Apricosen, Nuͤsse und Weinstoͤcke mit ihren Fruͤchten beladen. In der Hauptstadt, die den Namen des Koͤnigreichs fuͤhrt, hat jedes Haus seinen anmuthigen Garten, die alle an dem Ufer eines ausgedehnten Sees liegen. Die Schoͤnheit des Sees wird durch eine Menge kleiner Inseln vermehrt, die gleichsam so viele allezeit gruͤnende Gaͤrten vorstellen, weil sie voll Obstbaͤume und mit großblaͤt- terigen Espen von einer erstaunlichen Hoͤhe eingefaßt sind. Ueber dem See auf den Abhaͤngen der Berge entdeckt man nichts als Lusthaͤuser und Gaͤrten. Die Natur scheint so schoͤne Oerter nur zu diesem Gebrauche bestimmt zu haben. Sie sind voll Quellen und Baͤche. Die Luft ist da allezeit rein. Von allen Seiten hat man die Aussicht auf den See, die Inseln und die Stadt. Der schoͤnste dieser Gaͤrten ist der koͤnigliche. Man geht in denselben vermittelst eines großen mit Rasen eingefaßten Canals, der sich fuͤnfhundert Schritte weit zwischen zwo schoͤnen Alleen von Pappel- baͤumen streckt. Er fuͤhret an den Fuß eines großen Lusthauses, das sich in der Mitte des Gartens befindet, und da faͤngt ein anderer viel praͤchtigerer Canal an, der bis an das Aeußere der Einfassung geht. Dieser zweyte Canal ist mit großen Bruchsteinen gepflastert. Seine Ufer von eben dem Stein erheben sich schief; und in der Mitte sieht man von funfzehn zu funfzehn Schritten eine lange Reihe von Wasserkuͤnsten, ohne viele andere mitzurechnen, die hie und da in verschiedenen run- den Wasserbehaͤltnissen, womit er eingefaßt ist, springen. Er endigt sich am Fuße eines andern, jenem sehr aͤhnlichen Lusthauses. Diese Lusthaͤuser sind wie runde Thuͤrmchen bedeckt, und auf dem Wasser selbst zwischen den beyden großen Alleen von Pappelbaͤumen erbauet. Sie haben eine Gallerie, die rings um sie geht, und vier einander gegenuͤber stehende Thuͤren. Zwo derselben gehen nach den Alleen, wohin man uͤber Bruͤcken koͤmmt; zwo andere auf die gegenuͤber liegenden Canaͤle. Jedes Lusthaus besteht aus einem großen Saale in der Mitte von vier Cabinettern, welche die vier Ecken ausmachen. Alles ist inwendig gemalt und vergoldet, und mit Spruͤchen von großen persischen Buchstaben gezieret. Bernier fuͤgt zu dieser Be- schreibung hinzu, daß die Mogolen mit Recht Kachimir das irdische Paradies in Indien nennten, und daß alle witzige Koͤpfe unter ihnen sogleich nach ihrer An- kunft sich bestrebten, die Reize dieses Landes in verschiedenen schoͤnen Gedichten zu preisen. Wie manche Gegenden, wo die Natur ohne den Beystand der Kunst eine Menge ihrer zauberischen Schoͤnheiten verschwendet hat, liegen nicht hie und da in einem Winkel oder auf entfernten Inseln versteckt und unbewundert! Jahrhunderte vergehen oft, ehe ein empfindsamer Beobachter sie bemerkt, unterdessen sie nicht auf- hoͤren, der Alten und der Neuen. hoͤren, von einem Fruͤhling zum andern in ihrem Reiz aufzubluͤhen. Wie wenige haben z. B. vor und nach dem beruͤhmten Anson die bezaubernden Annehmlichkeiten empfunden, die der Insel Juan Fernandez Historischer Bericht der von den Englaͤndern geschehenen Reisen um die Welt ꝛc. Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f. eigen sind! Und wie sehr fand sich nicht dieser Britte und seine Gesellschaft von ihr entzuͤckt! Die Waͤlder, welche die meisten der steilsten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebuͤsch und Ge- straͤuch, und an allen Orten zugaͤnglich. Die Unregelmaͤßigkeit der Berge und Ab- gruͤnde bildete in der nordlichen Gegend der Insel durch eine mannigfaltige Zusam- mensetzung viele Thaͤler von einer romantischen Lage; durch die meisten floß ein sehr lauterer Strom, dessen Faͤlle zuweilen von einem Felsen zum andern herabstuͤrzten. In diesen Thaͤlern gab es besondere Plaͤtze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher Waͤlder, die Hoͤhe uͤberhaͤngender Felsen, der haͤufige Fall und die Durchsichtigkeit benachbarter Stroͤme, Schauplaͤtze von einer solchen Zierlichkeit und Wuͤrde darstell- ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die bloßen Werke der von allem Beystand entbloͤßten Natur schienen hier alle Beschrei- bung der lebhaftesten Einbildungskraft zu uͤbertreffen. Der Platz, worauf Anson sein Zelt aufschlagen ließ, zelchnete sich vor den uͤbrigen durch seine Schoͤnheit aus. Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemaͤchlichen Abhange, ohnge- faͤhr eine halbe englische Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang durch die Waͤlder nach der Seeseite zu gehauen, der sanft nach dem Wasser hin ab- waͤrts gieng, und die Aussicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er- oͤffnete. Hinter sich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald, der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald stand, gieng viel steiler aufwaͤrts, als der Grasplatz selbst, jedoch nicht so hoch, daß nicht noch die landeinwaͤrts gelegenen Felsen und Berge sich weit uͤber der Baͤume Gipfel aufge- thuͤrmt und die Groͤße des Anblicks vermehrt haͤtten. Ohngefaͤhr hundert Ellen weit an der rechten und linken Seite des Zelts flossen, durch Baͤume beschattet, zwey Stroͤme mit krystallenem Wasser, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das sanfte Gemurmel entfernter Baͤche, der Gesang der zwischen Myrthen sitzenden Voͤ- gel, der liebliche Geruch der Gewuͤrzbaͤume, der uͤberall die Luft erfuͤllte, alles dieses vermehrte die Anmuth dieser gluͤcklichen Insel. Auch Peru hat nach dem neuesten Berichte des ehrlichen Bayers Reise nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137. nicht blos fruchtbare Felder, vortreffliche Arten von Obstbaͤumen und Blumen, sondern auch Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten auch schoͤne Meyerhoͤfe und Landhaͤuser, die hin und her zerstreut liegen. Einen vor- zuͤglich reizenden Aufenthalt giebt die Lage und ganze Gegend der peruanischen Kuͤ- ste. Das maͤßige und gesunde Klima und die angenehme Witterung machen hier ein Paradies. Da weder scharfe Kaͤlte noch starkbrennende Hitze einfaͤllt, so ist hier ein ewiger Fruͤhling, der keiner Veraͤnderung der Zeit unterworfen ist. Es giebt niemals finstre oder truͤbe Wolken; und wenn die Sonnenstralen zuweilen be- deckt werden, so wird dieses von einem angenehmen und etwas frischen Nebel verur- sacht, der die Einwohner zum Spaziergang einladet. Von Donner und Blitz, auch von starken Platzregen weiß man in diesen Gegenden nichts. Das ganze Jahr hindurch sind Tag und Nacht einander gleich. Die Erde wird von einem Morgen- thaue und unzaͤhlbaren Baͤchen befeuchtet, die mit lieblichem Rauschen durch Felder und Wiesen zwischen Baͤumen und Gaͤrten herumfließen. Daher bringen diese den Einwohnern zu jeder Jahreszeit eine große Menge der besten Blumen und Fruͤchte. In den brittischen Colonien in Nordamerica, das an natuͤrlichen Schoͤn- heiten, Bergen, Waldungen, klaren Fluͤssen und praͤchtigen Wasserfaͤllen reich ist, finden sich uͤberall, besonders an den Ufern der Stroͤme, die anmuthigsten Landhaͤu- ser. In den fruchtbaren Gegenden Virginiens an dem Ufer des romantischschoͤnen Shenando leben die Einwohner, wie Burnaby Reise durch die mittlern Colonien der Englaͤnder in Nordamerika ꝛc. Aus dem Engl. 1776. S. 68. erzaͤhlt, in einer uͤberaus gluͤck- lichen Lage. Fern vom Geraͤusche der Welt wohnen sie unter dem angenehmsten Kli- ma und in dem fruchtbarsten Lande, das nur zu erdenken ist. Allenthalben mit rei- zenden Aussichten und schattigen Scenen umgeben; mit hohen Bergen, durchsich- tigen Fluͤssen, Wasserfaͤllen, reichen Thaͤlern und majestaͤtischen Waͤldern; alles un- termischt mit einer unendlichen Mannigfaltigkeit bluͤhender Gestraͤuche: dies ist die Landschaft, die sie umringt. Sie sind wenigen Krankheiten unterworfen, meisten- theils stark und wohlgewachsen, und leben in der vollkommensten Freyheit. Sie wissen von keinem Mangel, und es giebt nur wenige Laster unter ihnen. Ihre Un- bekanntschaft mit den Ueppigkeiten unsers Lebens macht, daß sie den Mangel der Mittel, sie zu genießen, nicht bedauern; allein sie besitzen etwas, wofuͤr manche Fuͤr- sten gern die Haͤlfte ihrer Laͤnder hingaͤben — Gesundheit, Zufriedenheit und Ruhe der Seele. Auch der Alten und der Neuen. Auch die gluͤcklichen Kinder der Natur, die Einwohner der beruͤhmten Insel Otaheite in der Suͤdsee, hatten, als Wallis, Geschichte der Seereisen und Entde- ckungen im Suͤdmeer, herausgegeben von Hawkesworth. Aus dem Engl. 1774. 4. 1ster B. S. 248. u. f. Bougainville Reise um die Welt. Aus dem Franz. 8. 1772. S. 175. und Cook Geschichte der Seereisen, 2ter B. S. 192. sie vor einigen Jahren nach einander besuchten, ihr schoͤnes Paradies. Die Berge umher liefern auf jedem Schritte abwechselnde Prospecte. Die Landschaften sind von der Natur reichlich mit allen Schaͤtzen versorgt, und zeigen uͤberall eine angenehme Unordnung, welche die Kunst nicht nachzuahmen vermag. Von den Bergen rieseln in Menge kleine Baͤche herab, die dem Lande die groͤßte Fruchtbarkeit mittheilen und seine Zierde vermehren. Das platte Land vom Ufer bis an die Berge ist ganz mit Fruchtbaͤumen besetzt, worunter die Insulaner wohnen. Man glaubt, in die elysi- schen Felder versetzt zu seyn. Ihre Wohnungen liegen einzeln zerstreut umher in Hainen, unter kleinen Pflanzungen von Platanen oder Moosbaͤumen. Aus dem Hause tritt der Bewohner sogleich in den Schatten, der unter diesen dickbelaubten Baͤumen uͤberaus angenehm und kuͤhl ist. Die Haine sind von allen Gestraͤuchen gaͤnzlich frey; uͤberall streicht die reine Luft durch, und auf allen Seiten sieht man Pfade, die sich von einem Hause zu dem andern hinschlaͤngeln. Nichts kann ange- nehmer seyn, als diese Schatten in einem so warmen Himmelsstrich, und nichts an- muthiger, als diese Gaͤnge. Das Erdreich ist in gewissen Abtheilungen ordentlich umzaͤunt, und dieses macht die Aussicht ungemein reizend. Die Brodtfruchtbaͤume und die Aepfelbaͤume sind an den abhaͤngigen Seiten der Berge in schoͤnen Reihen, die Cocos- und Platanenbaͤume hingegen, weil sie mehr Feuchtigkeit erfordern, in die Ebene gepflanzt. Freywillig bringt die Erde viele vortreffliche Fruͤchte hervor. Unter den Baͤumen so wohl auf den Bergen als in den Thaͤlern waͤchst sehr gutes Gras, aber kein wildes Gebuͤsch. Ueberall ist in die Gaͤrten und Haine von Frucht- baͤumen durch ordentliche Graͤben fließendes Wasser geleitet. Alle bepflanzte und angebauete Striche sind sogar mitten in den Gegenden, die von weitem her wuͤste aus- sehen, sehr bluͤhend und fruchtbar. Eine andere noch merkwuͤrdigere Erscheinung sind die Anpflanzungen, die Cook auf seiner neuesten Reise bey uncultivirten Nationen entdeckte, und die der eng- laͤndischen Manier, wovon diese Insulaner nie etwas gehoͤrt hatten, gleichwohl in einigen Theilen nahe kamen. Besonders fand sich dieses auf der Insel Middelburg. Voyage round the World, in H. Brit. Maj. Sloop Resolution command. by Capt. Cook \&c. by Geor. Forster. 4. Lon- don 1777. Vol. 1. B. 2. Ch. 1. Man I Band. P Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten Man sah Haͤuser von einem netten Ansehen, deren Seiten mit schattigen Baͤu- men bepflanzt waren, wovon die Bluͤthe liebliche Geruͤche verbreitete. Die Huͤgel waren mit kleinen hie und da zerstreuten Gruppen von Baͤumen sehr angenehm ausgeziert, und der zwischen ihnen liegende Boden war mit Gras so eben und von ei- nem so schoͤnen Gruͤn bedeckt, wie in manchen Theilen von England. Die Ebenen hatten auf beyden Seiten einen Zaun von Rohr, der kreuzweise in einem zierlichen Geschmack geflochten war. „Wir zerstreuten uns,“ erzaͤhlt Forster, „in der Absicht, dieses schoͤne Land zu untersuchen, und hatten bey jedem Schritte Ursache, mit unsern Entdeckungen sehr zufrieden zu seyn. Wir kamen durch eine Thuͤr von artiger Er- findung, die auf jeder Seite in Pflanzungen fuͤhrte. Die Zaͤune waren mit Epheu, insonderheit mit Winde uͤberzogen, die Blumen von einem schoͤnen Himmelblau hat- te. Die Aussicht veraͤnderte sich jetzt in einen weitlaͤuftigen Garten, wo wir eine große Menge von Schaddokbaͤumen, hohen Cocosbaͤumen, vielen Bananas, und einige Brodtfruchtbaͤume sahen. In der Mitte dieser Stelle fuͤhrte uns der Fußsteig zu einer Wohnung, die mit einer großen Mannigfaltigkeit von bluͤhenden Gestraͤuchen umgeben war, deren Wohlgeruch die Luft erfuͤllte. Wir giengen durch mehr als zehn anliegende Pflanzungen oder Gaͤrten, die durch Zaͤune abgesondert waren, und trafen in jedem mehrentheils ein Haus an. Ein andrer Weg fuͤhrte uns zu einer angenehmen und weitlaͤuftigen Ebene, die mit reichem Grase bedeckt war. Nachdem wir diese durchgegangen waren, kamen wir in eine uͤberaus anmuthige Allee eine Meile lang, die aus Cocosbaͤumen bestand, und sich in einen andern Weg, zwischen sehr regelmaͤßigen Pflanzungen und mit Schaddoks und andern Baͤumen umgeben, endigte. Dieser brachte uns durch ein bebauetes Thal zu einer Stelle, wo verschie- dene Fußsteige einander durchkreuzten oder zusammenstießen. Hier sahen wir eine schoͤne Ebene, mit einem zarten gruͤnen Rasen bedeckt, und von allen Seiten mit großen schattigen Baͤumen umgeben. Wir ruheten hier und athmeten die ange- nehmste Luft von der Welt, die mit Geruͤchen beladen war, die einem Sterbenden haͤtten das Leben wiedergeben koͤnnen. Eine kuͤhle Luft aus der See spielte mit unsern Haaren, und faͤchelte uns Kuͤhlung zu. Eine Menge kleiner Voͤgel zwitscherte auf allen Seiten, und viele wilde Tauben girrten zaͤrtlich in dem tiefsten Schatten des Baums, worunter wir saßen. Dieser abgesonderte Ort, der an den besten Pro- ducten der Natur so reich war, wo wir so einsam, ohne ein menschliches Wesen, als unsere beyden Fuͤhrer, saßen, brachte bey uns die Vorstellung eines bezauberten Landes hervor, die als das Geschoͤpf unserer eigenen Einbildungskraft gemeiniglich mit allen moͤglichen Schoͤnheiten zugleich ausgeziert ist. In der That koͤnnte es keine erwuͤnsch- tere Gegend geben, sein Leben in der Stille zuzubringen, wenn sie nur mit einer kry- stallenen Quelle oder einem kleinen murmelnden Bache versehen waͤre. Allein Wasser ist der Alten und der Neuen. ist ungluͤcklicher Weise der einzige Segen, der dieser kleinen bezaubernden Insel ver- sagt ist. Auf der linken Seite dieser Gegend entdeckten wir eine schattige Allee, die uns zu einer andern Ebene fuͤhrte, an deren Ende wir einen kleinen aus Corallen- klippen zusammengesetzten und anmuthig bepflanzten Huͤgel wahrnahmen, auf dessen Spitze zwey Huͤtten standen. Von da giengen wir etwas weiter, und fanden immer dieselben reizenden Pflanzungen und in ihrer Mitte eben solche Haͤuser, wie vorher.“ — Nicht weniger merkwuͤrdig ist die Beschreibung dieses Reisenden von der Rotterdam- Insel. Voyag e round the World \&c. Vol. 2. B. 2. Ch. 8. Eine ansehnliche Verschiedenheit von Pflanzen bedeckte den Boden in wilder Verschwendung, und die große Menge Pflanzungen aller Arten machte, daß die ganze Insel wie ein schoͤner Garten aussah. Der Boden erhob sich in verschiedene kleine Huͤgel, die mit Hecken und Buͤschen bedeckt waren und die angenehmste Aus- sicht hervorbrachten. Der Fußsteig gieng zuweilen unter langen Reihen von hohen Baͤumen fort, die in betraͤchtlichen Entfernungen von einander gepflanzt waren, und auf einem Boden standen, der mit dem reichsten Gruͤn bedeckt war. Bisweilen schlug eine dicke und undurchdringliche Laube von wohlriechenden Gebuͤschen ein Ge- woͤlbe daruͤber, und verbarg diesen gruͤnen Boden gaͤnzlich vor der Sonne; an bey- den Seiten sah man bald bepflanzte, bald wilde Stellen. Der Reichthum an Wasser und die Fruchtbarkeit des Bodens schienen die Ursache zu seyn, daß die Brodtfrucht- und Schaddokbaͤume hier sehr haͤufig und alle Gewaͤchse im großen Ueberfluß waren. Die langen Alleen von Fruchtbaͤumen und unter ihnen der angenehme gruͤne Rasen waren den schoͤnsten Plaͤtzen auf Middelburg-Insel gleich. Die buschigen Lau- ben, welche die Fußsteige bewoͤlbten, waren mit schoͤnen Blumen von allerley Arten behangen, wovon viele die Luft mit Wohlgeruch erfuͤllten. Eine Mannigfaltigkeit von Scenen, die verschiedene kleine Huͤgel und Gruppen von Haͤusern und Baͤumen hervorbrachten, zierte diese Insel. Es wuͤrde leicht seyn, noch manchen entlegenen Erdwinkel, noch manche ferne Insel zu durchirren, um den Menschen mit dem Anbau seiner Gaͤrten beschaͤftigt an- zutreffen. Allein, nachdem wir schon in die vornehmsten Gegenden des Erdbodens, die durch Gaͤrten merkwuͤrdig sind, einen Blick geworfen haben, so wuͤrden wir wohl nicht viel mehr als Gleichfoͤrmigkeit oder Duͤrftigkeit vorfinden. Denn auch in den Gaͤrten zeigt es sich, wie gerne der Mensch die Bequemlichkeit der Nachahmung nuͤtzt. — In manchen Winkel der andern Welttheile hat der Europaͤer seinen Ge- schmack hinuͤbergetragen. Indien hat in seinen schoͤnsten Gegenden Gaͤrten, die mit den unsrigen voͤllig uͤbereinstimmen, die Baͤume und Gewaͤchse ausgenommen. Unter andern Himmelsstrichen winkt noch die Natur dem bloͤdsinnigen Menschen vergebens. Sie laͤßt aus einem fruchtbaren Boden Blumen, wohlriechende Ge- P 2 waͤchse, Erster Abschnitt. Aussicht in die Gaͤrten ꝛc. waͤchse, anmuthige Baͤume vor seinen Augen emporwachsen; sie laͤßt Quellen zu sei- nen Fuͤßen hinrieseln und Schatten sich zu seinem Haupte hinneigen, ohne daß er ihre freundliche Einladung verstehen lernt. Believe the Muse, thro’ this terrestrial vast The seeds of grace are sown, profusely sown, E’vn where we least may hope: the desert hills Will hear the call of art; the vallies dank Obey her just behests, and smile with charms Congenial to the soil, and all its own. For tell me, where ’s the desert? there alone Where man resides not; or, if chance resides, He is not there the man his maker form’d, Industrious man, by heav’n’s first law ordain’d To earn his food by labour. In the waste Place thou that man with his primaeval arms, His plough-share, and his spade; nor shalt thou long Impatient wait a change: the waste shall smile With yellow harvest; what was barren heath Shall soon be verdant mead. — mason . Zweyter Zweyter Abschnitt . Untersuchung des alten und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. A uch ohne scharfsinnige Beobachtung faͤllt es gleich bey der ersten Betrachtung der meisten heutigen europaͤischen Gaͤrten in die Augen, daß der Geschmack oder die Manier in denselben sich uͤbereinstimmig auf Einen Punkt zusammengezogen hat. Eine große Einschraͤnkung und Einfoͤrmigkeit, eine genaue und zierliche Ab- messung aller natuͤrlichen und kuͤnstlichen Gegenstaͤnde, eine symmetrische Anordnung derselben, ein Ueberfluß von willkuͤhrlichen Verzierungen — dies ist der wesentliche Theil von dem Charakter der Gaͤrten, wie man sie bisher von einem Ende Europens bis zu dem andern gesehen hat. Die mancherley kleinen Spielwerke und aͤngstlichen Verunstaltungen sind mehr zufaͤllig; wenigstens werden sie nicht uͤberall so haͤufig angetroffen. I. Ursprung des alten Geschmacks. M an hat behaupten wollen, daß diese Einschraͤnkung, Einfoͤrmigkeit, Regel- maͤßigkeit und Symmetrie, die in den Gaͤrten herrschend geworden sind, und die man unter dem Namen des aͤltern oder des symmetrischen, oder des fran- zoͤsischen Gartengeschmacks zusammenfaßt, wirklich eine Nachahmung der Gaͤr- ten der Alten sey, und daher ohne allen Tadel seyn muͤsse; zwey Irrthuͤmer in Einer Behauptung. So nachlaͤßig auch die Schriftsteller der mittlern Zeiten in Aufbewahrung der Nachrichten gewesen, welche die Gartenkunst betreffen; so weiß man doch, daß dieser Geschmack vor dem Zeitalter des le Notre nicht viel sichtbar geworden. Die vor- hergehenden Jahrhunderte waren der Anlegung der Lustgaͤrten wenig guͤnstig. Diese, wenn sie den Namen schon haͤtten verdienen koͤnnen, zeigten noch uͤberall Spuren einer Wildniß, die weit entfernt war, sich abgemessenen Regeln zu unterwerfen. Man schraͤnkte sich auf den Anbau nuͤtzlicher Gewaͤchse, auf Wasser und Schatten und die nothwendige Reinlichkeit ein. Wie haͤtte man denn eben damals die Gaͤrten der P 3 Alten Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Alten zum Muster nehmen koͤnnen, die wir noch itzt nach so mancherley daruͤber an- gestellten Untersuchungen und Aufklaͤrungen nicht einmal so genau kennen gelernt ha- ben, daß wir einen ganz zuverlaͤßigen Begriff davon angeben koͤnnten? — Und wenn der heutige Geschmack der Gaͤrten nach dem roͤmischen sich wirklich haͤtte bilden koͤn- nen, waͤre denn dieses schon Beweis genug, daß er richtig und unverbesserlich sey? In wie manchen Faͤchern der schoͤnen Kuͤnste sind wir nicht von den Alten unterschie- den; haben wir uns nicht freywillig von ihnen entfernt und sie sogar uͤbertroffen? Der juͤngere Plinins Das unertraͤgliche Beyspiel davon ist dieses: Alibi ipsa buxus interuenit in for- mas mille descripta, litteris interdum, quae modo nomen domini dicunt, modo artificis. Lib. 5. epist. 6. hat zwar schon einige Spielwerke mit dem Buchsbaum in seinen Gaͤrten angebracht; aber wer wird ihn deswegen loben? Ein sehr seltsames Vorurtheil ist es, das mit dem heraufgeforderten Schatten des Alterthums unsre Gar- tenanlagen feyerlich machen will. Man braucht nicht zu falschen Muthmaßungen und zu unnatuͤrlichen Umwegen seine Zuflucht zu nehmen, wo man die Wahrheit in der Naͤhe finden und auf dem geraden Pfad zu ihr kommen kann. Wenn sich sogleich mit dem Zeitalter des le Notre eine fast allgemeine Veraͤnderung mit den Gaͤrten ereignete, so darf man wohl die Ursachen davon nicht erst in der Ferne suchen. Dieser Mann trat zu einer Zeit auf, wo die Wissenschaften und Kuͤnste, gleich- sam durch eine allgewaltige Erschuͤtterung der Genies erweckt, ihrer Wiederherstellung entgegeneilten. Er arbeitete fuͤr einen Monarchen, auf welchen ganz Europa auf- merksam war. Er legte Gaͤrten mit einer Regelmaͤßigkeit und mit einer Pracht an, wovon man weder die eine noch die andere in irgend einem Lande bisher gesehen hatte. Er bepflanzte mehr als eine Gegend mit solchen Gaͤrten, wobey er nicht selten den Eigensinn der Natur mit ungeheuern Kosten uͤberwaͤltigte. Er uͤbte beynahe die ganze letzte Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts hindurch seine Kunst nicht allein in Frankreich, sondern auch in Italien. Der allgemeine Ruf des franzoͤsischen Geistes trug dazu bey, um den Ruhm dieser Gaͤrten zu vermehren. Man kannte schon damals nichts schoͤners, als was Frankreich erfunden hatte. Man nahm von da Witz, Wissenschaften und Sitten in dem groͤßten Theil von Europa an. Man sahe diese Gaͤrten und erstaunte, weil man solche Anlagen noch nirgends angetroffen hatte. Die zuruͤckkehrenden Reisenden unterstuͤtzten durch muͤndliche Erzaͤhlungen die Nachrichten, welche die geschaͤftigen Schriftsteller der Nation davon uͤberall ver- breiteten. So ward der franzoͤsische Geschmack herrschend; und wer wird sich daruͤber verwundern? Man trifft ihn uͤberall in Italien, in Holland, in Spanien, in und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. in Deutschland, in Norden, selbst in den aͤltern Zeiten in England an. Délices de la Grand-Bretagne \&c. par Beeverell. Leide 1707. Tom. V. wo eine Menge von Rissen und Abbildun- gen der aͤltern englaͤndischen Gaͤrten vor- koͤmmt. Der Vitruvius Britannicus, fol. 1731. Tom. 3. enthaͤlt ebenfalls viele Gartenrisse in der alten Manier. Fast uͤberall hat er aus den Gaͤrten Laubstaͤdte, aus den Fußwegen Straßen, aus den Ge- buͤschen Mauern mit Pfeilern, Woͤlbungen, Schwibboͤgen und Fenstern, Cabinette, Speisesaͤle, Tanzsaͤle, Theater, aus einzelnen Baͤumen Pyramiden, Obelisken oder andere seltsame Figuren geformt; fast uͤberall das genaueste Ebenmaaß und die sorg- faͤltigste Regelmaͤßigkeit eingefuͤhrt, wo eine Laube der andern, eine Statue der an- dern, ein Blumenstuͤck dem andern, eine Wasserkunst der andern zuwinkt, wo Frey- heit, Mannigfaltigkeit und schoͤne Unordnung von der Genauigkeit ganz verschlungen sind. Ein regelmaͤßiges Viereck, eine ganz gerade Ebene, oft durch muͤhsame Weg- schaffung der natuͤrlichen Erhoͤhungen erzwungen, ein breiter Hauptweg in der Mitte, zu den Seiten eine gerade Hecke oder Allee, zuweilen in possirliche Figuren geschoren, an den Ecken ein roth angestrichenes Lusthaͤuschen, Fluren mit bunten Steinchen und Glas belegt, dann ein mit Buchsbaum oder Porcellainstuͤcken gezogenes Wapen des hochadelichen Besitzers, Landungeheuer, die Wasser spieen, Waldmaͤnner, die es aus ihren Bruͤsten spritzten, eine ganze Voͤlkerschaft von Puppen vom blitzschleudern- den Zevs bis auf den bockfuͤßigen Satyr — dies war ungefaͤhr der niedliche Ge- schmack in einer langen Reihe der neuern Zeiten, der die Natur gerade da verdraͤngte, wo sie vorzuͤglich ihren reizenden Wohnsitz haben sollte, und der durch die unertraͤg- lichste Art von Symmetrie und alberner Kuͤnsteley ermuͤdete. Und wenn diese kleinen Spielwerke, die man so haͤufig in die Gaͤrten aufnahm, auch nicht eben zum franzoͤ- sischen Geschmack gehoͤrten, so waren sie doch durch ihn veranlaßt und eine natuͤrliche Folge von ihm. Fast die meisten Gaͤrten konnten nicht leicht eine Ueberschrift am Eingange finden, die fuͤr ihren Charakter treffender gewesen waͤre, als diese: Der Garten ist sehr schoͤn geschmuͤckt! Hier Statuen und dort Cascaden; Die ganze Goͤtterzunft, hier Faunen, dort Najaden, Und schoͤne Nymphen, die sich baden; Und Gold vom Ganges hergeschickt, Und Muschelwerk und guͤldne Vasen, Und Porcellan auf ausgeschnittnen Rasen, Und buntes Gitterwerk, und — eines such ich nur — Ists moͤglich, daß was fehlt? Nichts weiter — die Natur. Weiße. Die Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Die Ursachen, die zur Ausbreitung dieses Geschmacks beygetragen hatten, tru- gen auch allerdings dazu bey, daß er sich so lange in seinem Ansehen erhielt. Allein mit ihnen vereinigten sich noch einige andere. Die kleinern Eigenthuͤmer glaubten dem Beyspiel der Fuͤrsten folgen zu duͤrfen; die Nachahmung vervielfaͤltigte die Co- pien; und man fieng bald an sich zu uͤberreden, daß das, was man so allgemein sich ausbreiten sah, keiner Verbesserung mehr beduͤrftig sey. Man nahm, wiewohl sehr unrichtig, als eine Grundregel an, daß ein Garten, wegen der nahen Verbindung mit dem Gebaͤude, den Vorschriften der Baukunst unterworfen seyn, und in demsel- ben nicht weniger Ebenmaaß, Symmetrie und Genauigkeit herrschen muͤsse. Die Lehrer der Baukunst in Italien, Frankreich und Deutschland, welche die Gartenkunst mit in den Bezirk ihrer Regeln hineinzogen, verbreiteten eben dieses Vorurtheil, und dieses war desto nachtheiliger, da sie fast die einzigen Schriftsteller waren, die von der Anlage der Gaͤrten handelten. Die Gartenkunst war unter ihren Haͤnden nichts anders, als Architektur auf die Erdflaͤche angewandt. Die Land- schaftmaler wagten es nicht, sich diesem Geschmack entgegen zu setzen; vielmehr nah- men sie auch noch da, wo ihnen freye Wahl uͤberlassen war, ihre Ideen von den Gartenstuͤcken, die ihnen vor Augen lagen, und vergaßen in diesem Theil der Nach- ahmung auf das Vorbild, die Natur, achtsam zu seyn. II. Ent- und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. II. Entstehung des neuen Geschmacks . 1. E ndlich erhob sich ein neuer Geschmack in den Gaͤrten, der englaͤndische, der dem franzoͤsischen fast ganz entgegengesetzt ist. Merkwuͤrdig ist es, daß diese Revolution gerade aus einem Lande ausgehen mußte, worin, selbst nach dem Ge- staͤndnisse der Nation, die uͤbrigen schoͤnen Kuͤnste, die Kupferstecherkunst etwa aus- genommen, noch wenig Ausbildung gewonnen hatten. „Die schoͤnen Kuͤnste,“ versi- chert Home, Versuche uͤber die Geschichte des Menschen, 1stes B. 5ter Versuch, 2ter Abschnitt. „sind unter uns noch sehr von der Vollkommenheit entfernt; sie sind zwar in einem Fortgang zu ihrer Reife; aber außer der Gartenkunst gehen sie noch mit langsamen Schritten fort.“ „Der einzige Beweis,“ sagt Gray, Gedichte oder vielmehr Briefe von Mason herausgegeben. „daß wir in Absicht auf die Vergnuͤgungen Originaltalente haben, ist unsre Geschicklichkeit, Gaͤr- ten oder vielmehr Lustgegenden anzulegen. Aber dieses ist,“ setzt er hinzu, „auch keine geringe Ehre fuͤr uns, weil weder Italien noch Frankreich jemals den geringsten Begriff davon gehabt hat, und weil sie es nicht einmal verstehen, wenn sie es auch sehen. Es ist voͤllig gewiß, daß wir blos die Natur zu unserm Vorbilde hatten. Diese Kunst ist unter uns geboren; und es war nichts ihr aͤhnliches in Europa, so wie uns damals von chinesischen Gaͤrten gar nichts bekannt war.“ Nicht gar lange ist es, daß in eben den Gegenden, in welchen sich dieser Ge- schmack auszubreiten angefangen, die Gaͤrten selbst noch ganz der alten Art von An- lage anhaͤngig waren. Addison Zuschauer 414 St. klagte noch uͤber die zu große Zaͤrtlichkeit und Zierlichkeit der brittischen Gaͤrten, uͤber die Baͤume, die als Kugeln, Kegel und Py- ramiden geschnitten waren, uͤber die an allen Buͤschen und Pflanzen gar zu sichtbaren Merkmale der Scheere. Indessen da die Schriftsteller der andern Nationen entweder ganz schwiegen, oder gelegentlich in Werken, die von der Baukunst handelten, die alte Manier em- pfohlen, so fiengen die Britten an, nach und nach in Schriften das Wesen der Gar- tenkunst aufzuklaͤren. Die Morgenroͤthe gieng auch hier vor dem Tage her. Franz Bacon, Sermones fideles, ethici, politici \&c. Lugd. Bat. 1644. dieses allgemeine Genie, das in dem Reiche der Wissenschaften Licht werden I Band. Q Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten werden hieß, war der erste, der uͤber die Gaͤrten eine Erleuchtung verbreitete, die aber noch von der alten Finsterniß eingeschraͤnkt ward. Er forderte zu einem guten Garten dreyßig Morgen, und zerlegte ihn in drey Theile, in einen Platz voll Gras beym Eingange, in einen Platz voll Gebuͤsche oder die Wildniß beym Ausgange, und in den eigentlichen Garten in der Mitte, außer den Spaziergaͤngen auf beyden Seiten. Fuͤr den ersten Platz bestimmte er vier, fuͤr den zweyten sechs, fuͤr jeden Gang an den Seiten vier, und fuͤr den eigentlichen Garten zwoͤlf Morgen. Auf beyden Seiten des grasigten Platzes verlangte er bedeckte Gaͤnge, unter welchen man bestaͤndig im Schatten bis an den Garten gehen koͤnnte. Die Verzierungen und Figuren von verschiedener Farbe auf der Erde nahe an den Fenstern des Gebaͤudes erklaͤrte er fuͤr bloße Spielwerke, die man auch auf den Torten finde. Eben dieses Urtheil faͤllte er von den in allerley Gestalten verschnittenen Baͤumen. Anstatt einer vollkommenen Ebene wuͤnschte er mitten im Garten einen kleinen Berg, der angenehm in die Augen fiele, mit einem zierlichen Sommerhause errichtet zu sehen, zu welchem drey Reihen Stufen hinauffuͤhrten. Stehende Teiche und Fischbehaͤltnisse verbannte er; das Wasser sollte bestaͤndig fließend seyn. Die sonderbaren Erfindungen, das Wasser in Bogen springen zu lassen, und andere Kuͤnsteleyen truͤgen weder zur reinen und gesunden Luft im Garten, noch zur Anmuth bey. Der aus Gebuͤschen bestehende Platz, der den dritten Theil des Gartens ausmachte, muͤßte einer natuͤrlichen Wild- niß sehr aͤhnlich seyn. Hin und wieder koͤnnten Gebuͤsche von wohlriechenden Brom- beeren, Geisblaͤttern und wildem Wein angelegt werden. Der Boden aber muͤsse allenthalben mit Violen, besonders mit Erdbeeren und Schluͤsselblumen besaͤet seyn, weil diese Pflanzen einen angenehmen Geruch ausduften und im Schatten gut vor- kommen. Die Gebuͤsche duͤrften nach keiner genauen Ordnung angelegt seyn. Klei- ne Erderhoͤhungen waͤren umher mit mannigfaltigen Blumen und duftenden Gestraͤu- chen zu besaͤen. Besondere trockene Gaͤnge, die in jeder Stunde des Tages Schatten gaͤben, muͤßten um diesen Platz umherlaufen; in den meisten waͤren fruchttragende Baͤume von allerley Art anzupflanzen. Zu Ende beyder Seiten des Gartens koͤnnte man kleine Berge anlegen, die eine freye Aussicht auf das Feld gewaͤhrten. In dem eigentlichen Garten muͤßten die Gaͤnge breit und mit Fruchtbaͤumen besetzt seyn; man koͤnne auch einige Pflanzschulen von fruchttragenden Baͤumen, imgleichen kuͤnstliche und niedliche Lauben mit Sitzen, die nach einem guten Geschmack geordnet waͤren, anbringen. Allein dieses duͤrfe gar nicht allzudichte beysammen seyn; der eigentliche Garten muͤsse offen und frey gelassen werden, daß die Luft durchstreichen koͤnne. In den Seitengaͤngen muͤsse man Schatten suchen; jener sey fuͤr die gemaͤßigten Jahrs- zeiten, den Fruͤhling und Herbst, und im Sommer fuͤr den Morgen und Abend. Angenehm und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Angenehm waͤren Spaziergaͤnge auf Huͤgeln und verschiedenen Anhoͤhen, wenn die Natur sie verschaffte. So viele zur Pracht gehoͤrige Dinge, welche die Prinzen nach dem Rath ihrer Gaͤrtner mit so großen Kosten und geringer Beurtheilung zu- sammensetzten, truͤgen nichts zu einem aͤchten Vergnuͤgen und zur Anmuth der Gaͤr- ten bey. — So aufgeklaͤrt diess Bemerkungen und so richtig diese Vorschlaͤge des Bacon sind, so waren sie doch mit andern vermischt, die dem reinern Geschmack der Gartenkunst ganz entgegen stehen; so maͤchtig ist die Tyranney der Mode, daß selbst ein solcher Mann von ihr uͤberwaͤltigt wird. Er billigte die viereckige Figur der Gaͤrten; hoͤlzerne Bogen mit Thuͤrmchen, worin Voͤgel eingekerkert sind, mit ver- goldeten Bildern, die kleine Streifen von gemaltem Glase haben; Saͤulen und hohe Pyramiden von Holz, die hin und wieder angebracht und mit Einfassungen versehen sind; viereckige Wasserbehaͤltnisse von dreyßig oder vierzig Schuhen mit Statuen be- setzt. Und da er ein gewisses bestimmtes Modell zum Grunde legte, so gab er zu einer Einschraͤnkung Anlaß, die sich so wenig mit der Mannigfaltigkeit der natuͤrlichen An- lagen, als mit der Fruchtbarkeit des schaffenden Genies vertraͤgt. Indessen war Bacon hier doch mehr als Prophet einer ungebornen Wissenschaft, wie ihn Mason nennt; er that mehr, als ankuͤndigen; er fieng an zu schaffen. Eben die natuͤrliche landschaftliche Schoͤnheit, die das bestaͤndige Eigenthum der Gaͤrten seyn sollte, zeigte nachher Milton Verlornes Paradies, 4ter Ges. nach Zachariaͤs Uebersetzung. in der meisterhaften Beschreibung des Paradieses oder Gartens von Eden. Blumen, welche die Kunst auf keinen Beeten hervorbringt, Sondern allein die guͤt’ge Natur, im verwilderten Haine; Auf den Ebenen im Thal, und auf dem fruchtbaren Huͤgel, Wo die Sonne zuerst die offenen Felder des Morgens Sanft erwaͤrmet; und da, wo undurchdringliche Schatten Kuͤhle mittaͤgliche Lauben geschwaͤrzt. So schien hier die Gegend Wie ein Landsitz, umringt mit mancher lachenden Aussicht. Waͤlder, in denen die koͤstlichen Baͤume wohlriechendes Gummi Oder auch Balsam weinten; von andern hiengen die Fruͤchte Glaͤnzend herab, mit goldenen Schalen; hier wurden die Fabeln Von den Gaͤrten Hesperiens wahr; hier oder sonst nirgend. Fruͤchte vom schoͤnsten Geschmack. Es lagen zwischen den Waͤldern Blumige Wiesen und Auen, bedeckt mit grasenden Heerden. Oder Huͤgel voll Palmen, und manche gewaͤsserte Thaͤler Schlossen den Blumenschoos auf, und zeigten die duftenden Schaͤtze, Farbige Blumen, und Rosen mit keinen Dornen bewaffnet. Q 2 Auch Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Auch entdeckte der Blick von Baͤumen umschattete Hoͤhlen; Grotten mit kuͤhlen Gemaͤchern, woruͤber der fruchtbare Weinstock Purpurne Trauben gelegt, und angenehm schlaͤngelnd sich fortbog, Murmelnd fallen indeß von Klippen silberne Quellen, Die mit rieselndem Lauf sich in die Auen vertheilen, Oder in einem stehenden See die Fluthen versammeln, Welcher dem Ufer, mit Myrthen gekroͤnt, den crystallenen Spiegel Vorhaͤlt; lieblich erschallt hiezu die Stimme der Voͤgel; Und die suͤßesten Luͤfte, die reinsten Fruͤhlingsluͤfte, Welche den holden Geruch der Fluren und Waͤlder verhauchen, Stimmen dazu mit sanftem Geraͤusch die zitternden Blaͤtter. Allein die Stimme dieses Herolds des guten Geschmacks konnte noch nicht durch die harten Vorurtheile seiner Zeit durchdringen. Lord Temple Der Garten des Epikur, in seinen miscellanies. erschien, mehr wie Vertheidiger der alten Manier, als daß er auf der vorgezeichneten Bahn des Dich- ters haͤtte vorruͤcken sollen. Er versicherte, daß man in England nie eine so große Neigung zu Lustgaͤrten gehabt, als zu seiner Zeit, daß sie nie besser unterhalten wor- den, daß sie nirgends schoͤner seyn koͤnnten, als in seinem Vaterlande. So viel Gu- tes er auch von der Anlage der Fruchtgaͤrten, von der Ziehung der Obstbaͤume, die in England fortkommen, vortraͤgt; so sehr stechen dagegen seine Vorschriften ab, wo es auf Geschmack ankoͤmmt. Er verlangt vier Stuͤck zu einem Garten, Fruͤchte, Blumen, Schatten, Wasser. Zunaͤchst am Hause muͤsse ein Rasen liegen, auf allen Seiten mit Blumen eingefaßt; der Mangel an Blumen bringe eine gewisse Leere hervor, die mit einigen Springbrunnen und Statuen gehoben werden koͤnnte. Der naͤchste Platz um das Wohnhaus muͤsse ganz offen seyn; keine andern Baͤume, als die an kleinen Gelaͤndern gezogen sind. Wenn dieses die eine Haͤlfte des Garten- platzes wegnaͤhme, so koͤnne man die andern mit Fruchtbaͤumen erfuͤllen, wenn man nicht etwa des Schattens wegen in dem Zwischenraum ein kleines Gehoͤlz anlegen wolle. So weit nicht ganz unrecht, wenigstens ertraͤglich genug nach dem Geschmack seiner Zeit. Aber weiter fordert der Lord ein vollkommenes Viereck, als die ange- nehmste Form des Gartens; außerdem muͤsse er ganz eben oder doch nur wenig ab- haͤngig seyn. Sein Muster war der Park zu Moore, nach seiner Meynung der schoͤnste, den er in England und in andern Laͤndern gesehen. Mitten auf einer von Sand bedeckten und mit Lorbeerbaͤumen eingefaßten Terrasse lag ein großes Cabinet; von der Terrasse stieg man in ein geraͤumiges Parterre herab auf drey steinernen Trep- pen, wovon eine in der Mitte, die andern aber auf beyden Enden lagen. Fontainen, Statuen, und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Statuen, steinerne Arkaden, die an Pavillons stoßen, Grotten mit Springwasser und Muschelwerk fehlten hier nicht. Nach solchem Muster muͤsse man Gaͤrten bauen; je regelmaͤßiger, desto schoͤner. — Doch die Finsterniß dieser Vorurtheile ward von einer schwachen Daͤmmerung erhellt. Es kann Gaͤrten geben, sagte Tem- ple, die nichts von Regelmaͤßigkeit haben, und dennoch angenehmer und schoͤner aus- fallen; dazu wird eine vortheilhafte Lage und sodann Kunst und Fleiß erfordert, um das Unregelmaͤßige so zu bearbeiten, daß es eine Gestalt erhaͤlt, die immer sehr an- genehm ist. Er verwarf dabey die nackten Mauern, womit eine alte Gewohnheit die Gaͤrten einsperrte; sie muͤßten, um die haͤßliche Wirkung zu verlieren, bekleidet wer- den. So weit Temple und weiter nicht. Aber Addison 414 St. des Zuschauers. folgte, und fuͤhrte das, was Pope 173 Blatt des Aufsehers, und in seinem Briefe uͤber den falschen Geschmack an den Grafen von Burlington. fast zu eben der Zeit durch feinen Spott zu bewirken suchte, durch seine maͤnnliche Beurtheilung und seinen classischen Geschmack der Vollendung naͤher entgegen. Von dieser Zeit an erhob sich eine merkliche Revolution in der Gartenkunst. Addison zeigte zuvoͤrderst, worin die wahren Vergnuͤgungen der Einbildungskraft bestehen; und daraus leitete er rich- tige Anmerkungen uͤber die falsche Manier, die damals noch uͤberall herrschte. Die Werke der Kunst, behauptete er, sind in Vergleichung mit den Werken der Natur sehr mangelhaft; sie koͤnnen nichts von der Weite und Unermeßlichkeit haben, die dem Geiste des Zuschauers ein so großes Vergnuͤgen verschaffen. Man trifft in den rauhen sorglosen Zuͤgen der Natur weit mehr Kuͤhnes und Meisterhaftes an, als in den niedlichen Strichen und Verzierungen der Kunst. Die Schoͤnheiten des statt- lichsten Gartens oder Palasts liegen in einem engen Bezirke; die Einbildungskraft laͤuft sogleich daruͤber hin und verlangt noch etwas zu ihrer Befriedigung. Aber in den weiten Gefilden der Natur streift das Auge hin und wieder ohne Graͤnzen, und wird von einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Bildern, ohne ein gewisses Maaß oder eine Zahl, gesaͤttigt. Wir koͤnnen versichert seyn, daß selbst kuͤnstliche Werke einen großen Vortheil von der Gleichheit erhalten, die sie mit Werken der Natur haben, weil hier nicht allein die Gleichheit ergoͤtzend, sondern auch das Muster sehr vollkommen ist. Ueberhaupt befindet sich in der Natur etwas Groͤßeres und Herrli- cheres, als in den Seltenheiten der Kunst; sehen wir nur einige gluͤckliche Nachah- mung davon, so giebt uns der Anblick eine edlere Art des Vergnuͤgens, als wir von den feinen und genauern Werken der Kunst erhalten. Ein weitgestreckter Boden mit einer anmuthigen Vermischung von Garten und Wald bedeckt, der uͤberall eine kuͤnstliche Rauhigkeit vorstellet, reizt mehr, als die gewoͤhnliche Zierlichkeit in den Q 3 Lust- Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Lustgaͤrten. Warum sollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von Garten durch haͤu- figes Baumsetzen verwandelt werden, das dem Eigenthuͤmer zu eben so vielem Nutzen als Vergnuͤgen gereichen kann? Ein mit Weiden uͤberwachsenes Land, oder ein mit Eichen beschattetes Gebirge sind nicht allein schoͤner, sondern auch nuͤtzlicher, als wenn sie wuͤste und ungeschmuͤckt laͤgen. Kornfelder machen eine angenehme Aussicht, und wenn fuͤr die dazwischen laufenden Gaͤnge ein wenig gesorgt, dem natuͤrlichen Stick- werke der Wiesen durch einige kleine Zusaͤtze der Kunst geholfen wird, und die ver- schiedenen Reihen der Hecken mit Baͤumen und Blumen abwechseln; so laͤßt sich schon aus einem Gute eine artige Landschaft bilden. — Um diese gesunden Grund- saͤtze noch mehr zu unterstuͤtzen, gab Addison 477stes St. nachher eine kleine artige Schilde- rung von einem der Natur gemaͤßen Garten. Hier ist sie: „Ich habe verschiedene Morgen Land um mein Haus herum, welche ich mei- nen Garten nenne, und von welchen ein erfahrner Gaͤrtner nicht wissen wuͤrde, wie er sie nennen sollte. Es ist eine Verwirrung von einem Kuͤchengarten und Grasplatze, Baumgarten und Blumengarten, die so vermischt unter einander liegen, daß ein Fremder ihn als eine natuͤrliche Wildniß ansehen wuͤrde. Meine Blumen wachsen an verschiedenen Theilen des Gartens in der groͤßten Geilheit und Menge auf. Ich bin in keine einzige besonders, wegen ihrer Sel- tenheit, verliebt; und treffe ich eine im Felde an, die mir gefaͤllt, so gebe ich ihr einen Platz in meinem Garten. Verschiedene große Flecken Landes sind mit tausend abwechselnden Farben bedeckt. Die einzige Ordnung, die ich in die- sem Stuͤcke beobachte, besteht darin, daß ich die Geburten von einerley Jahrs- zeit in einem Platze zusammensetze, damit sie zugleich erscheinen und ein Ge- maͤlde von der groͤßten Mannigfaltigkeit ausmachen moͤgen. Eben die Unre- gelmaͤßigkeit findet sich unter meinen Pflanzen, die in eine so große Wildheit aufschießen, als ihre Natur erlaubt. Ergoͤtzend ist es, wenn ich in einem Labyrinth von meiner eigenen Zucht spaziere, und nicht weiß, ob der naͤchste Baum, den ich antreffen werde, ein Apfelbaum, oder eine Eiche, eine Ulme oder ein Birnbaum ist. Mein Kuͤchengarten hat gleichfalls seine besondern angewiesenen Abtheilungen; denn ich bin der Meynung, daß ein Kuͤchengar- ten angenehmer aussieht, als die feinste Orangerie oder das kuͤnstlichste Ge- waͤchshaus. Ich sehe gern eine jede Sache in ihrer Vollkommenheit, und es vergnuͤgt mich weit mehr, meine Gaͤnge von Kohlkraͤutern und Stauden, nebst tausend ungenannten Kuͤchenkraͤutern, in ihrem vollen Geruche und Gruͤnen aufwachsen zu sehen, als die zarten Pflanzen fremder Landschaften, die nur eine kuͤnstliche und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. kuͤnstliche Waͤrme erhaͤlt, oder die in einer fuͤr sie unguͤnstigen Luft vertrocknen. In dem obersten Theile meines Gartens entspringt ein Brunn, der einen kleinen sich herumschlingenden Bach macht; er ist so geleitet, daß er die meisten Pflan- zen besucht; er fließt wie in einem offenen Felde, durch Ufer von Violen und Schluͤsselblumen, durch Weiden und Pflanzen, die von selbst hervorgesprossen zu seyn scheinen. Weil mein Garten alle Voͤgel des Landes zu sich einladet, indem er ihnen die Bequemlichkeit der Brunnen und Schatten, der Einsamkeit und der Beschirmung anbietet; so leide ich nicht, daß jemand im Fruͤhling ihre Nester zerstoͤrt, oder sie von den Orten verjagt, wo sie sich der reifen Fruͤchte wegen gerne verweilen. Ich schaͤtze meinen Garten hoͤher, wenn er voll Amseln, als wenn er voll Kirschen ist, und ich gebe ihnen gerne die Frucht fuͤr ihren Gesang. Daher habe ich bestaͤndig die Musik der Jahreszeit in ih- rer Vollkommenheit, und es vergnuͤgt mich ungemein, wenn ich die Aelster oder die Drossel in meinen Spaziergaͤngen herumhuͤpfen, und vor meinen Au- gen die verschiedenen kleinen Durchschnitte und Alleen, durch welche ich lust- wandle, hin und wieder durchstreichen sehe. Alle meine Arbeiten laufen in die schoͤne Wildniß der Natur, ohne nach der feinern Zierlichkeit der Kunst zu streben.“ Solche Aufklaͤrungen, wie hier Addison uͤber die Einrichtung eines Gartens giebt, mußten nicht allein den Beyfall des lesenden Publikums finden, sondern auch den un- ternehmenden Theil wirksam machen. Man fieng an, diesen Ideen Wirklichkeit zu geben. Kent, ein Mann von großem Genie und von feinem Geschmack, dessen Name unter uns noch wenig bekannt zu seyn scheint, brach bald nach dem Anfang dieses Jahrhunderts zuerst als Kuͤnstler die Bahn. Er verließ die gemeine Regel- maͤßigkeit, weil er einsah, wie sehr sie ermuͤdete und zuletzt gar Ekel erregte. Er bemerkte, daß die Natur die Symmetrie nur in kleinen Koͤrpern, nicht aber in großen Stuͤcken Landes liebt, daß sie in ihren angenehmsten Werken Mannigfaltigkeit und eine schoͤne Unordnung herrschen laͤßt. Er fuͤhlte die unwiderstehlichen Eindruͤcke, welche große und angenehme Gegenstaͤnde der Natur in einer freyen und kuͤhnen An- ordnung auf die Seele beweisen, und daß diese Eindruͤcke weit ruͤhrender und unterhal- tender sind, als alle diejenigen, welche kleine zierliche Anlagen hervorbringen. Er waͤhlte fuͤr die Abwechselung die gebogene Linie, gab den Baͤchen und Wassern einen kruͤmmenden Lauf, bepflanzte die Anhoͤhen, ohne sie zu ebenen, verschoͤnerte natuͤrliche Buschwerke, ohne sie zu zerstoͤren, zog gruͤnende Rasen einem sandigen Platze vor, eroͤffnete dem Auge eine Menge reizender Aussichten, veredelte einen anmuthigen Hain mit Gebaͤuden; kurz, Kent fand den Garten, wo er ihn suchte, in der Natur. Seine Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Seine neuen Zeichnungen und Anlagen wurden von dem Nationalgeschmack seiner Landsleute mit einer Art von enthusiastischem Beyfall aufgenommen; und der britti- schen Gartenkunst konnte ein schneller Fortgang und eine immer bessere Ausbildung nicht fehlen, nachdem sie einmal auf den rechten Weg gebracht war. Ihm folgten mehr Kuͤnstler, die auf der eroͤffneten Bahn weiter fortschritten. Nun entstanden nach und nach mehr scharfsinnige und ausfuͤhrliche Untersuchun- gen, die der Gartenkunst besonders gewidmet wurden. Außer den schon oben angefuͤhrten Schriften des Chambers und außer dem, was Home in seinen Grundsaͤtzen der Kritik beybringt, gehoͤren hieher folgende Werke. The Works of Schenstone, Esqu. 8. Edin- burgh, 2ter Th. 1768. S. 74-88. — The Rise and Progreß of the present Taste in Planting Parks, Pleasure- Grounds, Gardens \&c. in a poetic Epist- le \&c. 4. 1767. — Essay on Design in Gardening. 8. 1768. — Observations on modern Gardening, illustrated by descri- ptions. The fourth Edition. London. 8. 1777. Von diesem Werke des Hrn. Wha- tely ist außer der deutschen Uebersetzung (Leipzig 8. 1771.) auch eine franzoͤsische: L’art de former les Jardins modernes ou l’art des Jardins Anglois, Paris 8. 1771. vorhanden, wozu der Uebersetzer noch ei- nen kurzen Vorbericht uͤber den Ursprung der Kunst, und eine Beschreibung des Parks zu Stowe gefuͤgt hat. — An Essay on the different natural Situations of Gardens. 4. London 1774. — Letters on the beauties of Hagley, Envill and the Leasowes: with critical remarks and observations on the modern Taste in Gardening, by Joseph Heely, Esq. 8. 2 Vol. 1777. — Der malenden Gedichte uͤber einzelne Parks hier nicht zu gedenken, hat Mason ein schoͤnes Lehrgedicht, das noch das einzige uͤber die Gartenkunst ist, angefangen: The English Garden, Lon- don 4. 1772. 2te Aufl. wovon 1773 zu Leipzig eine deutsche Uebersetzung her- ausgekommen. Das zweyte Buch die- ses Gedichts ist 1777 zu London er- schienen. Unter den Schriftstellern, die sich fuͤr sie beschaͤftigten, war Home in seinen Grundsaͤtzen der Kritik und Wha- tely in seinen Bemerkungen uͤber die neuere Gartenkunst am meisten merkwuͤrdig. Was jener indessen von den Gaͤrten beybrachte, war eine bloße Excursion, um einige Anwendung von seinen vorgetragenen Grundsaͤtzen zu machen; er gestand selbst, daß er nichts weniger als diese Materie erschoͤpfen wollte. Obgleich in einzelnen Vorschlaͤ- gen neu und scharfsinnig, so war doch manches wieder zu eigensinnig nach seinen allge- meinen Grundsaͤtzen abgemessen, als daß man auf seinen Boden, wie einige vorgeben wollen, so ganz sicher bauen koͤnnte. — Whately betrachtete die Gartenkunst in einem weiten Gesichtspunkt, als eine Verschoͤnerinn ganzer Landschaften. Vor ihm hat keiner unter seinen Landsleuten diesen Gegenstand mit einem so eindringenden Scharf- sinn und einer so kuͤhnen Ausdehnung behandelt. Seine Kritik uͤber die natuͤrliche Schoͤnheit und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Schoͤnheit ist tiefsinnig, seine Grundsaͤtze sind zusammengedraͤngt und in einer ge- nauen Verbindung vorgetragen. Man koͤnnte sie eine Metaphysik der Parks nennen. Aber bloße Metaphysik ist oft der Empfindung nachtheilig, und in der That scheint es, daß Whately zu wenig auf sie gerechnet habe. Außerdem ist er nicht allein oft dunkel, welches zum Theil von dem zu haͤufigen Gebrauch der Kunstwoͤrter herruͤhrt, sondern auch zu einseitig, indem er allein sein Augenmerk auf die weitlaͤuftigen vater- laͤndischen Parks richtet, aus ihnen schoͤpft und auf sie zuruͤckfließen laͤßt. Und da die einzelnen Vorschriften, die in seinem Werk verborgen liegen, aus dem Raisonne- ment nicht genug herausgewickelt sind, so wird der Kuͤnstler, der sich zur Arbeit an- schickt, nicht die praktische Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet. — 2. Unter den franzoͤsischen Schriststellern erhob sich der beruͤhmte Buͤrger von Genf zuerst gegen den falschen Geschmack in den Gaͤrten. Das Elysium oder der Baumgarten seiner Julie, den er schilderte, Julie ou nouvelle Heloise, Part. IV. Lett. XI. war laͤndlich, gleichsam vernachlaͤßi- get und doch reizend. Und seine Anmerkungen, die er dabey uͤber die gewoͤhnlichen Gartenanlagen einstreuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des Geschmacks, daß sie schon damals die Aufmerksamkeit haͤtten rege machen sollen, die erst I Band. R Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten erst spaͤter der Ruf der englaͤndischen Gaͤrten in Frankreich ganz geweckt zu ha- ben scheint. Hier sind einige der schoͤnsten Stellen aus seiner Schilderung dieses Gartens. „Mit Entzuͤcken durchlief ich diesen Baumgarten, und sah ich gleich keine aus- laͤndischen Gewaͤchse, keine indischen Pflanzen, so fand ich doch die einheimi- schen so geordnet und vereinigt, daß sie eine bessere und angenehmere Wirkung thaten. Der gruͤnende, dichte, aber kurze Rasen war mit Quendel, Thy- mian, Krausemuͤnze, Majoran und andern wohlriechenden Kraͤutern vermischt. Man sah darunter tausend Feldblumen schimmern, unter welchen das Auge mit Verwunderung Gartenblumen entdeckte, die mit den andern natuͤrlich zu wachsen schienen. Von Zeit zu Zeit fand ich dunkle Gebuͤsche, gleich dem dichtesten Walde den Sonnenstralen undurchdringlich. Sie bestanden aus Baͤumen von dem geschmeidigsten Holze; man hatte die Zweige bis zur Erde niedergebogen und durch eine Kunst Wurzel fassen lassen, die dem natuͤrlichen Wachsthum der Manglebaͤume in America aͤhnlich war. An den offenen Orten sah ich hier und da, ohne Ordnung und Symmetrie, Gestraͤuche von Rosen, Himbeeren, Johannisbeeren, spanischem Flieder, Haselstraͤuchen, Hollunder, Pfriemenkraut, Kleeblatt, welche die Erde schmuͤckten und ihr das Ansehen gaben, als laͤge sie brach. Ich folgte unregelmaͤßig geschlungenen Lustgaͤngen, die mit diesen bluͤhenden Buͤschen besetzt und mit tausend Kraͤnzen von Hopfen, weißer Winde, Waldreben und andern Pflanzen dieser Art bedeckt waren, mit welchen sich auch Geisblatt und Jesmin zu vermengen sich herab- ließen. Diese Kraͤnze schienen nachlaͤßig von einem Baum auf den andern hingeworfen, wie ich ehedem in den Gehoͤlzen bemerkt hatte, und bildeten uͤber uns eine Art von Decke, die uns vor der Sonne beschuͤtzte, da wir unterdessen unter unsern Fuͤßen einen angenehmen, trockenen, bequemen Gang auf seinem Moos ohne Sand, Gras und rauhen Reisern hatten. Nur hier entdeckte ich erst nicht ohne Verwunderung, daß diese gruͤnen, dichten Gebuͤsche, die mir in der Ferne groß geschienen hatten, blos aus solchen kriechenden, umschlingenden Pflanzen bestanden, die an den Baͤumen hinangewunden waren, und ihre Gi- pfel mit dem dichtesten Laube umgaben, ihre Staͤmme aber beschatteten und er- frischten. Alle diese kleinen Spaziergaͤnge waren von einem lautern, hellen Gewaͤsser umgeben und durchschnitten, das sich bald in fast unmerklichen Canaͤ- len durch das Gras und die Blumen verlor, bald in breitern Baͤchen uͤber rei- nen gesprenkelten Kies floß, der es noch glaͤnzender machte. Man sah Quellen aus der Erde entspringen und aufwallen; zuweilen aber auch tiefere Canaͤle, wo und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. wo das stille, sanftfließende Wasser dem Auge die Gegenstaͤnde zuruͤckwarf. „Woher,“ sagte ich zu Julien, „koͤmmt jenes Wasser, das ich auf allen Seiten sehe?“ Dorther,“ antwortete sie, und zeigte nach der Gegend, wo die Terrasse in ihrem Garten war. „Es ist der naͤmliche Strom, der im Blu- mengarten mit großen Kosten eine Wasserkunst bildet, um die sich niemand mehr bekuͤmmert. Aus Ehrerbietung fuͤr meinen Vater, der sie angelegt hat, will Herr von Wolmar sie nicht eingehen lassen; mit welchem Vergnuͤgen aber sehen wir taͤglich im Baumgarten dieses Wasser fließen, dem wir im Garten nicht zu nahe kommen! Die Wasserkunst springt fuͤr die Fremden; der Bach hier fließt fuͤr uns.“ — Hier sah ich, daß man bedacht gewesen, das Wasser durch gehoͤrige Vertheilung und Wiedervereinigung nach den Regeln der Spar- samkeit sich schlaͤngeln zu lassen, daß man den Abhang des Bodens, so viel moͤglich, verschont hatte, um seinen Umlauf zu verlaͤngern und sich das Mur- meln einiger kleinen Wasserfaͤlle zu verschaffen. Eine Schicht von Thon, ei- nen Zoll hoch mit Kies aus dem See bestreut, und mit Muschelwerke durch- saͤet, machte das Bette dieser Baͤche aus. Eben diese schossen zuweilen unter einigen breiten, mit Erdreich und Rasen bedeckten Ziegeln hinweg, und bil- deten bey ihrem Ausgange eben so viele kuͤnstliche Quellen. An unebenen Or- ten wurden duͤnne Canaͤle durch Heber in die Hoͤhe getrieben, und fielen spru- delnd nieder. Das so genetzte und erfrischte Erdreich trieb stets neue Blumen hervor, und erhielt ohne Unterlaß das Gras gruͤnend und schoͤn. — Alles ist gruͤn, frisch, lebhaft, und die Hand des Gaͤrtners zeigt sich nirgends. Man laͤßt an allen bearbeiteten Orten Gras saͤen, und bald verdeckt es durch sein Wachsthum die Spuren der Bearbeitung. Duͤrre und kahle Plaͤtze laͤßt man im Winter mit Duͤnger bedecken; dieser zehrt das Moos hinweg, belebt von neuem Gras und Pflanzen; die Baͤume selbst befinden sich dabey nicht schlech- ter, und im Sommer ist nichts mehr zu sehen. Diese beyden Seiten waren mit Mauern eingeschlossen; die Waͤnde aber sind uͤberkleidet worden, nicht durch Spaliere, sondern durch dichte Straͤucher, welche machen, daß man die Graͤnzen des Orts fuͤr den Anfang eines Gebuͤsches ansieht. Um die beyden andern Seiten ziehen sich starke, lebendige Hecken, mit Ahorn, Weißdorn, Stechpalmen, Reinweide und andern vermischten Gestraͤuchen stark besetzt, die ihnen das Ansehen von Hecken benehmen und die Gestalt eines jungen ge- hauenen Gehoͤlzes geben. Man sieht nichts gekuͤnstelt, nichts nach der Schnur gezogen; niemals kam die Schnur an diesen Ort; die Natur pflanzt nichts nach der Schnur. Die Kruͤmmungen mit ihrer versteckten Unregelmaͤßigkeit R 2 sind Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten sind mit Kunst angebracht, um den Spaziergang zu verlaͤngern, das Ufer der Insel zu verbergen, ihren scheinbaren Umfang zu erweitern, ohne daß man je- doch unbequeme und allzuhaͤufige Umwege nehmen muͤßte.“ — Nach dieser Beschreibung machte Rousseau eine kleine Ausschweifung zu der alt- franzoͤsischen Gartenmanier, bestrafte mit einem bittern Spott die gewoͤhnlichen Ver- unstaltungen der Baͤume, die symmetrischen Kuͤnsteleyen und ekelhaften Verzierun- gen. „Man sollte glauben,“ fuhr er fort, „die Natur sey in Frankreich anders, als in der ganzen uͤbrigen Welt beschaffen; so sehr sorgt man dort dafuͤr, sie zu ent- stellen. Die Parks sind nur aus langen Stangen gepflanzt; es sind Waͤlder von Mastbaͤumen; und man spazieret dort mitten in Gehoͤlzen, ohne Schatten zu finden. Man bauet Plaͤtze, an die niemand gehen, und die man stets ungeduldig verlassen wird, um auf das Feld zu kommen; eine traurige Gegend, wo man nicht spazieren, sondern durchgehen wird, einen Spaziergang aufzusuchen. Der Irrthum gewisser Leute, die Geschmack vorgeben, ist, daß sie uͤberall Kunst fordern, und nur dann zu- frieden sind, wenn sie hervorsticht; da hingegen wahrer Geschmack darin besteht, die Kunst zu verbergen, zumal wenn von Naturwerken die Rede ist. Ein Mann von Geschmack aber, der da lebt, um zu leben, der seiner selbst zu genießen weiß, wird seinen Garten so bequem und anmuthig einrichten, daß es ihm zu allen Stunden des Tages da gefallen koͤnne; zugleich aber so einfaͤltig und natuͤrlich, daß er nichts ge- than zu haben scheine. Er wird Gruͤn, Wasser, Schatten und Kuͤhle vereinigen; denn das alles vereiniget auch die Natur. Er wird nirgends Ebenmaaß anbringen; dieses ist ein Feind der Natur und der Mannigfaltigkeit. — Dieses Beyspiels und dieser Erinnerungen ungeachtet schien der reinere Ge- schmack, den ein so angesehener Schriftsteller empfahl, doch noch keinen merklichen Fortgang zu gewinnen. Was spaͤter hin, wie eine ploͤtzliche Revolution, blos durch Nachahmungssucht erfolgte, schien durch eigene Ueberlegung nicht bewirkt werden zu koͤnnen. Selbst einige Schriftsteller, die den bessern Weg suchten, traten noch hin und wieder auf eine falsche Spur. Cessierres wagte selbst ein Lehrgedicht. Les Jardins d’ornemens, ou les Géorgiques françoises. Nouveau Poëme en quatre chants, Paris 1758. par M. Gouge de Cessierres. 8. Lange vor ihm hatten Rapin Horti. und Vaniere Praedium rusticum. etwas aͤhnliches versucht; allein sie waren blos bey dem Nutzbaren, bey oͤkonomischer Gaͤrtnerey und Landwirthschaft ste- hen geblieben, ohne sich uͤber die Anlegung schoͤner Lustplaͤtze zu verbreiten, ohne sich in einigen wenigen Stellen, die dahin einschlugen, uͤber den Geschmack ihrer Zeit zu erheben. Cessierres wollte den angenehmern Theil, den ihm seine Vorgaͤnger uͤbrig gelassen, und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. gelassen, bearbeiten. Mit einem guten Geschmack, aber nicht mit der kuͤhnen und feurigen Einbildungskraft eines Mason, vielleicht auch mit einer zu furchtsamen Be- scheidenheit betrat er seine Bahn. Hin und wieder war er auf dem rechten Wege; hin und wieder eiferte er mit Vernunft gegen den seltsamen Geschmack, den er vor sich sah. Und doch haben seine Scenen eine gewisse Duͤrftigkeit, weil er sein Ideal von den Gaͤrten seines Vaterlandes abzog; gewoͤhnliche Anlagen, und besonders Blu- menstuͤcke gefielen am meisten seiner Muse, die nicht Muth genug zu haben schien, zu den hoͤhern landschaftlichen Schoͤnheiten empor zu schweben. Allein erst vor wenig Jahren, da die Nachrichten und Beschreibungen von den neuen brittischen Parks sich mehr verbreiteten, und Whately’s bekannte Schrift uͤber diese Kunst unter den Franzosen uͤbersetzt ward, haben sie selbst angefangen, dem bessern Geschmack in Gaͤrten eigene Untersuchungen zu widmen. Diese Auf- merksamkeit der Schriftsteller verdiente Beyfall. Denn kaum ward ein großer Theil der Nation mit der neuen Manier bekannt, als er schon auf der andern Seite wieder auszuschweifen und sich einer blinden und uneingeschraͤnkten Nachahmung der englaͤn- dischen Gaͤrten so sehr zu uͤberlassen anfieng, daß man uͤber diese Anglomanie, wie man diese Uebertreibung nannte, laute Klagen fuͤhrte. Watelet, Essai fur les Jardins par M. Wate- let \&c. 8. Paris 1774. Eine deutsche Ue- bersetzung davon ist 1776 in 8 zu Leipzig herausgekommen. ein Kuͤnstler und Dichter vom Range, ist der erste Schriftsteller seiner Nation, der in einer eige- nen Schrift die Gaͤrten den Regeln der Vernunft und des Geschmacks unterwarf. Seine Grundsaͤtze sind das Resultat einer bedaͤchtigen Ueberlegung, die aber auch von den Verschoͤnerungen einer bluͤhenden Einbildungskraft nicht entbloͤßt ist. Vertraut mit den Maximen und Wirkungen der Malerey wandte er die Regeln dieser Kunst, so weit sie in dieser Anwendung reichen, auf die Gartenkunst mit einem viel gluͤckli- chern Erfolg an, als ehemals die Lehrer der Architektur, die sehr unrichtig die Sym- metrie in die Gartenanlagen uͤbertrugen. Die Anordnung seiner Grundsaͤtze ist zwar nicht genau zusammenhaͤngend, aber doch natuͤrlich genug. Er fand es vielleicht be- quemer, bey einer Kunst, die er noch nicht wissenschaftlich behandelt vor sich sah, ja die kaum noch reif genug scheint, in die Form einer Wissenschaft hinuͤber zu gehen, einzelne Grundregeln mit ihren Erlaͤuterungen uͤber diese und jene zu ihr gehoͤrige Zweige auszustreuen, und sowohl den Verstand, als auch die Empfindungskraft seiner Landsleute auf sie aufmerksam zu machen. Das Verdienst seiner Schrift wird durch die lebhafte Empfindung, womit er seine Gegenstaͤnde betrachtet, und durch die feine und malerische Schreibart nicht wenig erhoͤhet. R 3 Watelet Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Watelet folgten bald zwey andere Schriftsteller, Théorie des Jardins. 8. Paris 1776. De la Composition des Paysages, ou des Moyens d’embellir la Nature autour des Habitations, en joignant l’agréable à l’utile. Par M. L. Gerardin \&c. 8. Paris 1777. die mit vieler Beobach- tung, Kenntniß und Anmuth uͤber die Gaͤrten schrieben. Ihre Schriften, die, im Ganzen gerechnet, das Gepraͤge der Wahrheit und des Geschmacks an sich tragen, wenn man gleich nicht allen ihren Urtheilen und Forderungen beytreten wird, zeichnen sich vor denen, die vielleicht noch neben ihnen entstanden sind und nach ihnen entstehen werden, so vorzuͤglich aus, daß sie mit ihrem eigenen Ruhm ihren Platz einneh- men. — Diese drey Werke sind allein hinreichend, den Genius der Gaͤrten wegen der Beleidigungen der vorigen Zeit, die er in Frankreich empfieng, wieder auszu- soͤhnen, den Geschmack der Nation zu berichtigen, und den Verehrern des alten Vor- urtheils, die hier und da noch im Winkel sich regen, Stillschweigen zu gebieten. 3. Unterdessen daß auch in Deutschland die Lehrer der Baukunst die eingefuͤhrte Symmetrie in den Gaͤrten noch immer beguͤnstigten, dachte keiner von unsern feinen Schriftstellern, die sich hie und da fuͤr die andern schoͤnen Kuͤnste zu beeifern anfiengen, an die Gartenkunst; ja man besann sich noch kaum so weit, um dieser eine Stelle unter ihren Geschwistern einzuraͤumen. Von so vielen unsrer besten Dichter, die so gern und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. gern und so oft die Schoͤnheiten der Natur besangen, erinnerte sich kaum einer, eben diese Schoͤnheiten in die Gaͤrten zuruͤckzurufen. Geßner S. seine Idyllen: Menalkas und Aeschines; der Wunsch. war fast der einzige, der einen lehrreichen Wink gab. Sein Jaͤger Aeschines, der dankbar den jungen Hirten Menalkas in die Stadt zu kommen bittet, will ihm unter andern die Gaͤrten empfehlen. „Dort hat man auch,“ sagt er, „Baͤume und Blumen; dort hat sie die Kunst in gerade Gaͤnge gepflanzet, und in schoͤn geordnete Beeten gesammelt; dort hat man auch Quellen; Maͤnner und Nymphen von Marmor gießen sie in große marmorne Becken.“ Allein Menalk, ein Freund der unverstellten Natur, antwortet: „Schoͤner ist der ungekuͤnftelte schattige Hain mit seinen gekruͤmmten Gaͤngen; schoͤner sind die Wiesen mit tausendfaͤltigen Blumen geschmuͤckt; ich hab auch Blumen um die Huͤtte gepflanzet, Majoran und Lilien und Rosen; und o! wie schoͤn sind die Quellen, wenn sie aus Klippen sprudeln, oder aus dem Ge- buͤsche von Huͤgeln fallen, und dann durch blumige Wiesen sich schlaͤngeln!“ — Nicht weniger getreu der Natur schilderte der Dichter den laͤndlichen Garten, der mit zu dem Plan der Gluͤckseligkeit gehoͤrte, die seine Muse wuͤnschte: „Hinten am Hause sey mein geraumer Garten, wo einfaͤltige Kunst den ange- nehmen Phantasien der Natur mit gehorsamer Huͤlfe beysteht, nicht aufruͤh- risch sie zum dienstbaren Stoff sich macht, in groteske Bilder sie zu schaffen. Waͤnde von Nußstrauch umzaͤunen ihn, und in jeder Ecke steht eine gruͤne Huͤtte von wilden Rosinen; dahin wuͤrd ich oft den Stralen der Sonn entwei- chen, oder sehen, wie der braune Gaͤrtner die Beeten umgraͤbt, um schmackhafte Gartengewaͤchse zu saͤen; oder ich huͤlf ihm die flatternden Gewaͤchse an Staͤben aufbinden, oder der Rosenstauden warten, und der zerstreuten Nelken und Li- lien. Außen am Garten muͤßt ein klarer Bach meine grasreiche Wiese durch- schlaͤngeln; er schlaͤngelte sich dann durch den schattigen Hain fruchtbarer Baͤu- me, von jungen zarten Staͤmmen durchmischet. Ich wuͤrd ihn in der Mitte zu einem kleinen Teich sich sammeln lassen, und in des Teiches Mitte baute ich eine Laube auf eine kleine aufgeworfene Insel; zoͤge sich dann noch ein kleiner Rebberg an der Seite in die offene Gegend hinaus, und ein kleines Feld mit winkenden Aehren, waͤre der reichste Koͤnig dann gegen mich beneidenswerth? — Was entzuͤcket mehr als die schoͤne Natur, wenn sie in harmonischer Unord- nung ihre unendlich mannigfaltigen Schoͤnheiten verwindet? Zu kuͤhner Mensch, was unterwindest du dich, die Natur durch weither nachahmende Kuͤnste zu schmuͤcken? Baue Labyrinthe von gruͤnen Waͤnden, und laß den gespitzten Ta- xus in abgemessener Weite emporstehen; die Gaͤnge seyn reiner Sand, daß kein Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten kein Gestraͤuchchen den wandelnden Fußtritt verwirre. Mir gefaͤllt die laͤndli- che Wiese und der verwilderte Hain; ihre Mannigfaltigkeit und Verwirrung hat die Natur nach geheimern Regeln der Harmonie und der Schoͤnheit geord- net, die unsre Seele voll sanften Entzuͤckens empfindet.“ Inzwischen blieb doch die schoͤne Gartenkunst noch immer von unsern Schriftstellern verlassen. Etwa hie und da ein kleiner Seitenblick oder eine Klage uͤber den falschen Geschmack war alles, was man fuͤr sie that, bis Sulzer Allgemeine Theorie der schoͤnen Kuͤn- ste. Artikel: Gartenkunst. sie unter uns zuerst in der Reihe der andern schoͤnen Kuͤnste auffuͤhrte. Er schenkte ihr zwar nur wenige, groͤßtentheils nur allgemeine, aber sehr richtige und fruchtbare Bemerkungen. Einer Kunst, die noch so jung, so unbekannt war, mußte die Aufmerksamkeit von dem wei- sen Pflegevater der deutschen Kuͤnste schon eine wichtige Empfehlung seyn. — So- wohl durch eine herrschende Lieblingsneigung, als auch durch das Beduͤrfniß der Gar- tenkunst selbst bewogen, wagte ich darauf zu ihrer Erweiterung einige vorlaͤufige Ver- suche. Anmerkungen uͤber die Landhaͤuser und die Gartenkunst. 8. Leipzig 1773. Theorie der Gartenkunst. 8. Leipzig 1775. Noch bis jetzt scheint man außer England, Frankreich und Deutschland diese angenehmste der edlen Kuͤnste nicht genug zu schaͤtzen; in so ferne man aus dem tiefen Stillschweigen schließen darf, das in Ansehung ihrer die Schriftsteller der uͤbri- gen aufgeklaͤrten Nationen beobachten. III. Anmer- und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. III. Anmerkungen uͤber den alten und den neuen Geschmack. 1. W ir werden weiterhin zuweilen auf die Unschicklichkeit des alten und auf die Aus- schweifungen des neuen Geschmacks stoßen; ehe wir dahin kommen, scheinen einige allgemeine Bemerkungen uͤber beyde hier einen Platz zu fordern. Wenn wir das Wesen der alten Manier in der Symmetrie setzen, so wird man wohl schon so weit aufgeklaͤrt seyn, um uͤberhaupt zu wissen, daß herrschende Sym- metrie in Gaͤrten gegen die Anweisung der Natur und gegen das Gesetz der Mannig- faltigkeit ist. Und wenn wir auch nicht laͤugnen, daß der Mensch ein Wohlgefallen an Ebenmaaß hat, so ist es doch nicht in den Gaͤrten, wo er diese Art des Vergnuͤ- gens genießen soll. Weil die ersten und meisten Gaͤrten neben Gebaͤuden angelegt wurden, so war der Irrthum leicht geboren, daß ein Garten nach eben den Regeln, wie ein Gebaͤude, einzurichten waͤre. Daß der Irrthum entstand, daruͤber darf man sich nicht ver- wundern; aber wohl daruͤber, daß er sich so weit ausbreitete und so lange erhielt. Die Symmetrie durfte nur in einigen Gaͤrten, die einen Ruf gewannen, eingefuͤhrt, sie durfte nur von einigen angesehenen Lehrern der Baukunst, welche die Gartenkunst bald mit unter ihre Herrschaft zwangen, vorgezeichnet werden; so ward sie leicht von der Gewohnheit beguͤnstigt und von dem Vorurtheil beschuͤtzt. Bey der Leichtigkeit der symmetrischen Anlagen fand der nachahmende Geist seine Bequemlichkeit. Man durfte nur das eine oder das andere Vorbild vor Augen haben, um es bald ohne Muͤ- he nachzubilden. Und alles, was man an Veraͤnderungen der alten steifen Manier anbringen wollte, blieb so klein, so unbedeutend, daß Gaͤrten und Gartenrisse, von einem Ende Europens bis zu dem andern, sich fast immer so aͤhnlich sahen, als wenn sie in Einer Schule und nach Einem Modell gemacht waͤren. Wenn sich der Geschmack an der unveraͤnderlichen Regelmaͤßigkeit noch laͤnger erhalten sollte, so ist unstreitig eine Ursache mehr davon diese, weil er das, was der mit der Natur uͤber- einstimmende Geschmack erfordert, Beurtheilungskraft, Gefuͤhl und Genie, sehr be- quem entbehren kann. Nur selten weiß der menschliche Geist auf der rechten Graͤnze stehen zu bleiben. Man bemerkte, daß dem zunaͤchst um ein Wohngebaͤude liegenden Platz mehr Ord- nung und Regelmaͤßigkeit, als den entferntern, zukomme; man vergaß aber zu be- merken, daß, wenn sich eben dieser Platz weiter ausdehnte und zu einem Garten be- I Band. S bauet Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten bauet werden sollte, er nicht mehr den Regeln der Symmetrie unterworfen seyn koͤnn- te. Ganz anders ist es doch mit freyen offenen Plaͤtzen in der Nachbarschaft der Ge- baͤude; ganz anders mit Plaͤtzen, die zu Gaͤrten bestimmt werden. Jene muͤssen als freye Plaͤtze, und wegen ihrer Verbindung mit dem Werke der Architektur, wovon sie gleichsam als fortlaufende oder doch zusammenhaͤngende Theile anzusehen sind, sym- metrisch abgetheilt und eingerichtet werden; sie moͤgen außerdem so viel Verzierung und Pomp annehmen, als der Charakter und die Bestimmung des Gebaͤudes nur immer verstattet. Allein Plaͤtze, die zu Gaͤrten bebauet werden, muͤssen bey dieser Bestimmung sogleich die Regeln der Architektur verlassen, und sich der freyern Anord- nung der Natur naͤhern. Um noch deutlicher einzusehen, wie weit der Gartenkuͤnstler von dem Architekten entfernt sey, wie wenig beyde nach einerley Gesetzen arbeiten koͤnnen, darf man nur bemerken, daß jener mit der Verschoͤnerung einer Horizontalflaͤche, dieser mit der Ver- schoͤnerung einer Verticalflaͤche sich beschaͤftigt. Aus dieser offenbaren Verschiedenheit der Flaͤchen, die jeder von diesen Kuͤnstlern bearbeitet, entspringt auch eine Verschie- denheit ihrer Absichten und Entwuͤrfe. Der Architekt will auf einmal das Auge be- friedigen, es auf einmal die ganze harmonische Einrichtung seines Werks umfassen lassen; der Gartenkuͤnstler will nach und nach mit einer allmaͤhligen Fortschreitung unterhalten. Jener muß seinen Plan so einfach anlegen, daß er ohne Verwirrung, ohne Muͤhe sich uͤbersehen laͤßt; er muß den Theilen gleiche regelmaͤßige Formen und Verhaͤltnisse geben, wodurch ihre Zusammenstimmung zu dem Ganzen bald wahrge- nommen wird. Der Gartenkuͤnstler hingegen, der einer andern Absicht auch einen andern Entwurf unterordnet, muß seinen Plan zu verbergen suchen, eine gewisse an- muthige Verwickelung in seine Anlagen bringen, Ungleichheiten und regellose Zu- faͤlligkeiten liegen lassen, kurz, so verfahren, daß der Zuschauer nicht auf einmal be- friedigt, sondern nach und nach beschaͤftigt und lange unterhalten werde. Durch Re- gelmaͤßigkeit und Symmetrie erhaͤlt der Architekt die Wirkung, die er suchen soll; aber auf eben diesem Wege verfehlt der Gartenkuͤnstler diejenige, wornach er streben soll. Bey der Verschiedenheit der Wirkungen muͤssen beyde auch von einem verschie- denen Punkt ausgehen. Der Gartenkuͤnstler arbeitet am gluͤcklichsten, wenn er fast uͤberall das Gegentheil von dem thut, was der Baumeister beobachtet. Auch hat er ein ganz anderes Vorbild, als der Architekt, das Vorbild der Natur in ihren schoͤnsten Gegenden, das ihm zur Anleitung dient. Die Natur ord- net alle Gegenstaͤnde in der Landschaft mit Freyheit und Ungezwungenheit an. Keine symmetrische Gleichheit, keine kuͤnstliche Abzirkelung, keine Einfoͤrmigkeit im Um- fang, in Gestalt und Bildung der Tiefen, Anhoͤhen und Ebenen, der Pflanzen, Blumen, und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Blumen, Stauden und Waͤlder, der Baͤche, Fluͤsse und Seen. Alles erscheint in einer ganz freyen Anordnung, mit der groͤßten Abwechselung, mit einer Art von an- genehmer Nachlaͤßigkeit und Zerstreuung, die mehr werth ist, als die sorgfaͤltigste Genauigkeit. Dieses Vorbild stellt die Natur dem Gartenkuͤnstler zur Nachahmung vor Augen. Da er durch eben die Gegenstaͤnde, wodurch sie ergoͤtzt, ergoͤtzen soll, so muß er diese Gegenstaͤnde auch in einer aͤhnlichen Anordnung, als er bey ihr wahr- nimmt, erscheinen lassen. Sie ist Muster und Regel. Der Gartenkuͤnstler kann nur gluͤcklich arbeiten, in so fern er ihr getreu bleibt. Ein schoͤner Garten ist kein anderer, als der nach der schoͤnen Natur mit Geschmack und Beurtheilung ange- legt ist. Noch eine widrige Wirkung der Symmetrie ist die Einfoͤrmigkeit und Lange- weile, die von ihr unzertrennlich ist, und die der Bestimmung der Gaͤrten gerade ent- gegen steht. Alles, natuͤrliche und kuͤnstliche Gegenstaͤnde, alles sieht sich so gleich; keine Mannigfaltigkeit, keine angenehme Unterbrechung; alles ist auf einmal uͤber- schaut, auf einmal begriffen. Wir fuͤhlen es, daß die Eindruͤcke bald ermatten, alle Kraft verlieren; wir wollen beschaͤftigt seyn, und finden nichts, das uns mehr ruͤhrt; wir entwinden uns der Langeweile, indem wir uͤber den engen gesperrten Be- zirk des Gartens hinaus in die freyen Gefilde wandeln, wo die Natur uns wieder mit der ihr eigenen Mannigfaltigkeit reizender Scenen ergoͤtzt. So augenscheinlich diese Bemerkungen den Unterschied zwischen der Kunst des Gaͤrtners und der Kunst des Architekten machen; so ist doch fast ein Jahrhundert verflossen, ehe man es einsehen lernte, ehe man sich von dem Irrthum, der den Gaͤr- ten Symmetrie zutheilte, erholen konnte. Noch jetzt, nachdem schon so manches Licht uͤber die Gartenkunst aufgegangen ist, nachdem man in mehr als einem Lande das alte Vorurtheil zu stuͤrzen sich gluͤcklich bemuͤhet hat, giebt es hie und da manche sonst aufgeklaͤrte Koͤpfe, die, vom langen Wahn verwoͤhnt, die Unrichtigkeit der symmetrischen Gartenanlagen nicht einsehen wollen. Man hat selbst ihre Vertheidi- gung gewagt; aber mit Gruͤnden, die keine Pruͤfung aushalten. Man sehe unter andern: Sur la Formation des Jardins. 8. Paris 1775. Indessen giebt es doch einige Faͤlle, worin symmetrische Gartenanlagen eine zulaͤßige Ausnahme sind; und will man solche Plaͤtze nicht mehr mit dem Namen von Gaͤrten beehren, so mag man ihnen einen andern ausfinden. Symmetrie ist also verstattet in Gaͤrten neben oder hinter Haͤusern in Staͤdten und Vorstaͤdten, in Plaͤ- tzen um Palaͤste, in Spaziergaͤngen des Volks. S 2 Man Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten Man liebt fast in allen Staͤdten einen freyen Austritt hinter den Wohnhaͤusern, um den Genuß der frischen Luft und eines bequemen Spazierganges zu haben; daher die alte und noch herrschende Gewohnheit, da kleine Gaͤrten oder Lustplaͤtze anzulegen. Diese Gewohnheit ist weniger anstoͤßig, als jene, die das Land in die Stadt traͤgt, indem sie die Vorderseiten der Haͤuser auf den Gassen mit Baͤumen bepflanzt, die zwar den Vortheil des Schattens geben, aber dem freyern Durchzug der Luft weh- ren, den Gebaͤuden durch ihre Feuchtigkeit schaden, und ihrem Ansehen nicht wenig entziehen. Diese Gaͤrten hinter den Haͤusern haben fast keine andere Bestimmung, als darin frische Luft zu athmen, einen Spaziergang oder einen Sitz im Schatten zu finden, den Anblick des Gruͤns und des offenen Himmels zu genießen; und in dem zufriednen Genuß dieser Vortheile ist ihre Bestimmung erfuͤllt. Der enge Raum verstattet darin keinen Reichthum, noch Mannigfaltigkeit der Scenen. Die Nach- barschaft der Gebaͤude mag hier ihre Symmetrie ausdehnen; das Ebenmaaß in Gaͤn- gen, Beeten und Baumpflanzungen dient hier zur Bequemlichkeit, und laͤßt den Besitzer sein kleines Eigenthum desto freyer uͤbersehen. Eine dicke Mauer mag sei- nen Gewaͤchsen mehr Schutz und Waͤrme mittheilen; eine Laube auf dieser Ecke mag einer andern auf jener zuwinken, wenns auch nur waͤre, um den Platz nicht leer zu lassen; ein kuͤnstlicher Springbrunnen spiele und plaͤtschere einem andern entgegen, weil kein fließender Bach da ist, um ihn zu verdraͤngen. Auf einem so eingeschraͤnk- ten Platz wird man mehr fuͤr Beduͤrfniß und Bequemlichkeit, als fuͤr Ergoͤtzung der Phantasie zu sorgen haben. Die Natur giebt hier die Rechte auf, die sie in ausge- dehnten Gegenden behauptet, und der Geschmack ist schon befriedigt, wenn er nur nicht beleidigt wird. Eben dieses gilt von Gaͤrten, die nahe um die Staͤdte herum, zuweilen in einer Reihe neben einander, in sehr kleinen Bezirken liegen. Freye Plaͤtze um Gebaͤude, besonders um Palaͤste, erfordern, wie schon oben bemerkt ist, eine symmetrische Einrichtung und Verzierung, wegen ihrer genauen Verbindung mit dem Werke der Architektur, dem sie zugehoͤren. Selbst ihr ebener Boden hat sie schon dazu vorbereitet. Außerdem wuͤrde ihre freyere Bepflanzung dem Licht und dem edlern Ansehen der Gebaͤude schaden, deren Anblick sie schon in der Ferne verschoͤnern zu helfen bestimmt sind. Die Wichtigkeit oder der Adel eines Ge- baͤudes muß sich durch alle Theile seiner Nachbarschaft ankuͤndigen. Sie fuͤhren den Namen von Gaͤrten in einer sehr uneigentlichen Bedeutung; man sollte sie nennen, was sie sind, gezierte Plaͤtze, Vorplaͤtze, offene Vorhoͤfe oder wie man anders will. Alle andere Plaͤtze, die mitten in Staͤdten liegen, verlangen eben so Symmetrie in der Bepflanzung und Auszierung. Von und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Von oͤffentlichen Gaͤrten fuͤr das Volk werden wir in der Folge zu reden Gele- genheit haben. Nur jetzt begnuͤgen wir uns zu bemerken, daß solche Spaziergaͤnge, die dem gemeinen Gebrauch offen stehen, nicht weniger eine symmetrische Einrichtung zulassen. Man hat nicht eben die Absicht, die angenehmen Schauspiele der Natur zu genießen; man versammelt sich, dem Koͤrper Bewegung zu geben, und auf be- quemen Spaziergaͤngen das Vergnuͤgen der Gesellschaft und der Unterredung zu su- chen. Man will sich sehen und sich finden; ebene, offene, gerade und breite Gaͤnge und Alleen befoͤrdern diese Absicht, und noch eine andere, die Verhuͤtung aller Unord- nung unter der vermischten Menge. Alle uͤbrige Gaͤrten, ich wiederhole es, vertragen nicht die Symmetrie, die ih- rer Bestimmung und der Natur ganz entgegen ist. Da sie in dem Schooße des Landes liegen, so sollen sie hier, wo wir den Zwang und Stolz der Staͤdte fliehen, uns durch laͤndliche Freyheit entzuͤcken und durch alle die großen und mannigfaltigen Scenen, die nur je die schoͤne Natur, von der bescheidenen Hand der Kunst geleitet, den Sinnen und der Einbildungskraft vorzuzaubern vermag. S 3 2. Was Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten 2. Was uͤber den englaͤndischen Geschmack bey der Erzaͤhlung von seiner Einfuͤh- rung gesagt ist, lehrt schon, daß er, uͤberhaupt genommen, der Geschmack der Natur und der Vernunft ist, gerade den Kuͤnsteleyen und dem falschen Witz der alten Ma- nier entgegengestellt. Indessen ist dieser Geschmack, bey der Auswahl der schoͤnen Gemaͤlde der Natur, die mit Wahrheit und Simplicitaͤt zur Seele reden, bey den freyen, anmuthigen und edlen Scenen und Anordnungen, die er sich eigen gemacht hat, nicht ganz von Eigensinn und Ausschweifung frey. Hier sind nur einige Be- merkungen; andere wird man an andern Stellen finden. Man koͤnnte fast sagen, daß in dem englaͤndischen Geschmack das Natuͤrliche, so wie in den franzoͤsischen Gaͤrten das Kuͤnstliche, uͤbertrieben wird. Die gar zu besorgte Liebe des Natuͤrlichen wird nicht allein Verschoͤnerungen der Kunst, die noch immer zulaͤßig sind, sondern sogar manchen Gegenstaͤnden der Natur selbst feindselig. Man zieht wilde Staͤmme schoͤnen Fruchtbaͤumen, auslaͤndische Gewaͤchse einhei- mischem Baumwerk zu parteyisch vor. Man sucht alles zu sehr in die Wildniß uͤbergehen zu lassen, und die Gaͤrten sind oft von gemeinen Feldern wenig unter- schieden. Man verwirft aus eben dieser gar zu aͤngstlichen Nachahmung der Natur alles, was die nachhelfende Hand des Menschen verrathen koͤnnte; man will nichts anders, als in einer gebogenen Linie sehen, keine gerade Gaͤnge, Alleen, Blumenbeete, die bey der gehoͤrigen Anlage und Einschraͤnkung doch nichts haben, das wider das Na- tuͤrliche streitet. Man uͤbertreibt dabey auf einer andern Seite wieder das Kuͤnstliche. Alle Arten von Gebaͤuden alter und neuer Zeiten werden ohne Unterschied in die brittischen Parks aufgenommen; und man erblickt nicht felten einen aͤgyptischen Obelisk, eine griechische Rotunde, ein roͤmisches Grabmal, eine gothische Kirche, eine tuͤrki- sche Moschee und einen chinesischen Tempel, aus einem einzigen Gesichtspunkt. Man vergißt, bey der Vermengung so mancherley auslaͤndischer Bauarten, die Un- schicklichkeit und den Widerspruch der Bewegungen, die dadurch in der Seele erregt werden. Man vergißt, daß Gebaͤude nicht blos zur Anfuͤllung eines Platzes, nicht blos zur Bezeichnung und Verschoͤnerung der Prospecte, welches in der That eine noch zu unerhebliche Bestimmung seyn wuͤrde, dienen, daß sie nicht bloße Gegenstaͤn- de, sondern Gegenstaͤnde von einer Bedeutung und einem Charakter seyn sollen, der mit dem Charakter des Landes und des Orts besonders harmonirt. Die und des neuen Geschmacks in den Gaͤrten. Die gar zu zaͤrtliche Anhaͤngigkeit an der neuen Manier hat noch eine sehr ver- derbliche Wirkung: sie verleitet zu Verwuͤstungen. Indem sie ganz nach ihrem Ei- gensinn alles in das Gleis der Natur zu bringen vorgiebt, zerstoͤrt sie nicht selten die Natur selbst oder doch Anpflanzungen, welche die Natur mit Vergnuͤgen gedeihen ließ. „Die Axt,“ klagt Chambers, „hat oft in einem Tage den Wuchs einiger Jahrhunderte verheeret, und tausend ehrwuͤrdige Pflanzen, ganze Waͤlder davon sind weggehauen worden, um schlechtem Gras und wenigem amerikanischen Un- kraut Platz zu machen. Unsere Kuͤnstler haben von Landsend an bis an den Twend kaum einen Acker Schatten, kaum drey Baͤume in einer Linie gelassen; und wenn ihre Verwuͤstungslaune noch laͤnger zu rasen fortfaͤhrt, so wird im ganzen Koͤnigreich kein Waldbaum mehr stehen bleiben.“ Ohne Zweifel ist diese Klage etwas uͤber- trieben. Aber gewiß bleibt es immer, daß die Ausbreitung des englaͤndischen Ge- schmacks hie und da, und besonders in Frankreich, zu mancher blinden Verheerung schoͤner Anpflanzungen verfuͤhrt hat. Man hat selbst angefangen, die Alleen in den Gaͤrten zu Versailles niederzureißen, die doch, weil sie einmal da waren, als Gaͤr- ten fuͤr oͤffentliche Spaziergaͤnge, als Muster der symmetrischen Gattung, haͤtten verschonet werden sollen. So wenig weiß man, wenn einmal die Nachahmungs- sucht treibt, sich auf dem rechten Punkt stillstehend zu erhalten. Man wird diese Vorwuͤrfe nicht beschuldigen, daß sie uͤbertrieben sind. Ich verehre den Geist der Britten auch in ihren Parks; ich opfere den großen Verdien- sten, die sie um die Verbesserung der Gartenkunst besitzen; und ich bin nichts weniger als geneigt, den unmaͤßigen und ungegruͤndeten Tadel zu billigen, den einige par- teyische Verfechter der alten Manier sich noch immer zu erlauben fortfahren. Es sey mir indessen vergoͤnnt, mit einer Anmerkung zu schließen, die fuͤr meine Lands- leute gehoͤrt. Dem Deutschen ist es nicht anstaͤndig, in seinen Gaͤrten bloßer Nachahmer zu seyn, ihm, der andere Nationen in so mancher Wissenschaft und Kunst uͤbertrifft. Es ist also sehr weit von mir entfernt, blinde Nachahmung anzurathen, da er Geist und Erfindung genug hat, um sich seinen eigenen Weg zu waͤhlen. Alles ohne ei- gene Pruͤfung, ohne eigene Ueberzeugung, daß es wahr und schoͤn sey, nachmachen, weil man es bey andern sieht, das ist sklavische Nachfolge. Aber von andern Na- tionen dieses oder jenes aufnehmen, was man selbst nach angestellter Ueberlegung fuͤr wahr und schoͤn erkennen und billigen muß, was man selbst bey seinem Klima, bey seinen Landeinrichtungen, bey seinen Beduͤrfnissen anwendbar findet, das ist vernuͤnf- tiger Gebrauch der Kenntnisse. Auf solche Weise laͤßt sich in der Gartenkunst auch manches Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten ꝛc. manches nuͤtzen, was wir bey andern Nationen vorfinden. Also nicht bloße Nach- ahmung so wenig des englaͤndischen, als des franzoͤsischen Gartengeschmacks, ob- gleich, wenn es doch nicht ohne Nachahmung seyn koͤnnte, der erste allein der Nach- ahmung werth waͤre. Es wird sich in der Folge zwischen beyden Arten des herrschen- den Geschmacks ein Mittelweg ergeben, der, indem er die alte Manier verlaͤßt, sich nicht ganz in die neue verliert, sondern zwar zuweilen in ihren gebahnten Pfad ein- biegt, aber noch oͤfter seine eigene Richtung verfolgt. Dritter Dritter Abschnitt . Von der Gartenkunst, als schoͤne Kunst betrachtet. S chon lange waren Gaͤrten, ehe man an eine Gartenkunst dachte; so wie man einige Jahrhunderte hindurch Gebaͤude hatte, ohne noch mit der schoͤnen Baukunst bekannt zu seyn. Auch laͤßt es sich nicht anders denken, als daß die Gaͤr- ten anfaͤnglich blos dem Nuͤtzlichen gewidmet gewesen; und diese ihre erste Bestimmung dauert noch in den Kuͤchengaͤrten und Fruchtgaͤrten fort. Aber da durch allmaͤhlige Ausschmuͤckungen und Verfeinerungen, die neben dem Nuͤtzlichen eingefuͤhrt wurden, die Gaͤrten in das Gebiet des Schoͤnen uͤbergiengen, und dadurch zwischen einem ge- meinen Garten und zwischen einem Lustgarten ein wesentlicher Unterschied entstand; so ist nunmehr die Gartenkunst theils den allgemeinen Regeln des guten Geschmacks, und theils den besondern unterworfen, die aus der Bestimmung der Gaͤrten herge- leitet werden. Ich muß hier zuvoͤrderst durch eine Anmerkung, die man in diesem ganzen Werke nicht aus dem Gesichte verlieren darf, einem Irrthum vorbeugen, den der Ausdruck Gartenkunst leicht veranlassen koͤnnte. Man darf darunter kein Bestreben verstehen, ohne Ruͤcksicht auf die Anleitung der Natur zu verschoͤnern, sie uͤbertreffen zu wollen, sie kuͤnstlichen Formen und Anlagen zu unterwerfen, von ihr Wirkungen zu verlangen, die sie nicht kennt, u. s. w. Kunst bedeutet hier, dasjenige, was die Natur Angenehmes und Interessantes hat, auf eben die Art, durch eben die Mittel, deren sie sich bedient, vereinigen, und die Schoͤnheiten, die sie in ihren Landschaften verstreuet, auf Einen Platz sammlen zu wissen; ein neues Ganzes, dem weder Har- monie noch Einheit fehlt, hervorzubringen; durch Verbindung und Anordnung zu schaffen, und doch nicht von der Natur abzuweichen; durch Bepflanzung, durch Ausbildung, durch Stellung, durch Contrast die Charaktere natuͤrlicher Gegenden zu verstaͤrken und die Wirkungen zu vervielfaͤltigen; durch harmonische Vereinigung mit Gegenstaͤnden, die der Kunst gehoͤren, die Eindruͤcke der Natur zu erhoͤhen. Der Ausdruck Gartenkunst ist freylich nicht ganz bequem; allein die Ausdruͤcke Gar- tenbau, Gartenbaumeister koͤnnen noch weit eher zum Misverstande verleiten. Da wir uns in der Folge mit einer genauern Entwickelung der Grundsaͤtze dieser Kunst beschaͤftigen werden, so bleiben wir hier blos noch bey der Betrachtung der Gar- tenkunst stehen, in so fern sie eine Stelle neben den uͤbrigen schoͤnen Kuͤnsten ein- nimmt. I Band. T Mit Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst, Mit keiner von ihnen steht sie in einer so nahen Verwandtschaft, als mit der Malerey. Gleichwohl hat man, durch Vorurtheil verblendet, diese so genaue und natuͤrliche Verbindung lange verkennen koͤnnen, indem man die Baukunst als ihre naͤchste Verwandtinn unterschob. Wenn es indessen, wie oben gezeiget worden, nicht die Baukunst ist, deren Gesetzen die Gartenkunst unterworfen seyn kann; wenn beyde Kuͤnste in ihrer Natur und Bestimmung zu weit von einander entfernt liegen, als daß sie sich zur Befolgung einerley Regeln und Maximen vereinigen koͤnnten: so ist unter allen uͤbrigen schoͤnen Kuͤnsten unstreitig keine mehr mit der Gartenkunst ver- wandt, als die Malerey, und besonders die Landschaftmalerey. Zwar haben beyde sowohl ihre bestimmten Graͤnzlinien, wo ihre wesentliche Abweichung von einander anhebt, als auch ihre einzelne Stellen, wo die eine mit dem Vorzug einer groͤßern Leichtigkeit oder hoͤhern Kraft hervortritt, die andere einge- schraͤnkter zuruͤcksteht. So entgehen der Kunst des Gaͤrtners die Schoͤnheiten der Woͤlken und des Regenbogens, die lieblichen Erscheinungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne, die Wirkungen des Lichts zwischen Felsen und Bergen, die Anmuth zufaͤlliger Beleuchtungen und Verdunkelungen, der sanfte Reiz duftiger Ent- fernungen, u. s. w. die er nicht, wie der Maler, zur Darstellung anhalten kann, die er blos als Geschenke der freygebigen Natur zur Verschoͤnerung seines Werks abwar- ten muß. — Handlungen sind das Eigenthum des Malers, nicht des Gartenkuͤnst- lers. So viel Kraft jener seinen Werken durch die Schilderung interessanter Hand- lungen einpraͤgen kann, so viel geht fuͤr diesen verloren. In der Malerey scheint die Landschaft nur wegen der darin vorgestellten Handlung da zu seyn; in der Gartenkunst ist die Landschaft ohne Handlung und blos ihrer selbst wegen da. Um ihr mehr Leben und Interesse mitzutheilen, schlaͤgt Watelet vor, bey Tempeln, Altaͤren, Triumph- boͤgen Pantomimen erscheinen zu lassen, die, nach dem Costume gekleidet, Ceremonien nachahmten, opferten, tanzten. Wenn diese Idee vielleicht zu spitzfindig und von der Bestimmung eines Gartens zu entfernt scheint; so moͤchte dagegen die Anstellung arkadischer Beschaͤftigungen und Feste mehr gartenmaͤßig seyn. Allein solche Auf- tritte von Handlungen, so sehr sie auch beleben, lassen sich doch nur zu gewissen Zeiten hervorbringen; sie sind zufaͤllige Erscheinungen, nicht ein bestaͤndiges Zugehoͤr. — Die Leinwand nimmt willig alle Arten von Zusammensetzungen an, die nur immer die Phantasie des Malers entwerfen mag. Der Gartenkuͤnstler ist oft durch die Wider- spenstigkeit des Bodens, den Eigensinn der Lagen und Formen in der Gegend, worin er bauet, eingeschraͤnkt. Er kann nicht uͤberall bezwingen. Er kann nicht mit der Freyheit, nicht mit der Leichtigkeit eines Landschaftmalers schaffen. Er muß oft der Natur blos nachgehen, und sich von ihren eigenen Bildungen leiten lassen. Aber als schoͤne Kunst betrachtet. Aber an mehr als an einem Platz kommen doch der Landschaftmaler und der Gartenkuͤnstler wieder zusammen. Beyden enthuͤllt die Natur in ihren Landschaften eine unendliche Mannigfaltigkeit von Lagen, Gegenstaͤnden und Charakteren; beyde sollen zuvoͤrderst beobachten und auswaͤhlen. Alle große Landschaftmaler hielten das Studium der schoͤnen Natur fuͤr ihre erste Pflicht. Lucas von Uden eilte ins Feld, der Morgenroͤthe entgegen, um die ge- schwinden Abwechselungen beym Anbruch des Tages zu beobachten. Claude Gille’e brachte oft ganze Tage und Naͤchte auf dem Lande zu, immer aufmerksam auf die verschiedenen Erscheinungen der Natur, beym Aufgang und Untergang der Sonne, bey Regen und Gewittern; er zeichnete nur im freyen Felde, und dann eilte er zuruͤck, um das Merkwuͤrdigste in einem Gemaͤlde auszufuͤhren. Kaum hatte das Morgen- licht die Gegenden sichtbar gemacht, so war Bernhard Graat schon auf dem Felde, oder im Walde, oder an den Baͤchen, um seinem betrachtenden Geist die Natur mit ihren Reizungen einzupraͤgen; und so bald er zuruͤckgekehrt war, schilderte er sie auf der Leinwand ab. Mit eben dem Geist der Beobachtung bestiegen Peter Breugel und Felix Meyer, jener die Berge von Tyrol, dieser die Alpen, um die schoͤnsten Wasserfaͤlle, die Hoͤhe und Rauhigkeit der Gebirge, die in den Wolken verborgenen Gipfel, die Umhuͤllungen des Nebels, der Natur abzulauren. Beym Jagen und Fischen schaueten Metelli und Bianchi auf die mannigfaltigen Auftritte der Natur, fuͤr welche sie ihr Zeichnungsbuch bestaͤndig bey sich trugen. Um mehr Gelegenheit zu haben, die Natur in ihren Bildungen zu belauschen, miethete Poussin vier Woh- nungen auf einmal, zwo in den hoͤchsten Gegenden von Rom, die dritte zu Tivoli, die vierte zu Frascati. Auf dem angenehmen Schlosse Bentheim in der Nachbar- schaft von Haag, wo Berghem einen Theil seines Lebens zubrachte, unterrichtete er sich in dem Reiz perspectivischer Aussichten und arkadischer Viehtriften. Kurz, alle beruͤhmte Landschaftmaler studirten sorgfaͤltig die Natur, die sie nachahmen soll- ten. Sie malten nur, wenn sie mit Empfindung gesehen und mit Ueberlegung beob- achtet hatten; und man konnte erwarten, daß sie gluͤcklich malten. Nicht weniger soll der Gartenkuͤnstler zuerst sein Auge und seinen Geist in dem Schoͤnen der Natur unterrichten. Es ist ganz etwas anders, die Scenen der Land- schaft mit sinnlichem Wohlgefallen ansehen, ganz etwas anders, sie mit kritischem Auge betrachten. Der Gartenkuͤnstler, der gluͤcklich arbeiten will, muß einen Reich- thum von laͤndlichen Ideen besitzen; und diese erlangt er nur durch eine genaue und anhaltende Beobachtung der Natur. Er muß nicht blos eine ausgebreitete Kennt- niß der verschiedenen Lagen, Gegenstaͤnde und Charaktere in der Landschaft haben, sondern auch mit allen den Wirkungen vertraut seyn, welche diese Lagen, Gegenstaͤnde T 2 und Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst, und Charaktere sowohl einzeln, als auch in den unendlich mannigfaltigen Zusammen- setzungen, worin sie geordnet werden koͤnnen, auf die menschliche Seele haben. Dies ist das wahre Studium der Natur, ein Studium, das nicht das Werk einiger Tage, sondern mehrerer Jahre ist; das nicht in einigen duͤrftigen und gleichfoͤrmigen Gegen- den, sondern in den heitersten, mit Mannigfaltigkeit und Contrast bereicherten Land- schaften, vollendet wird. Es erfordert ein scharfes und feines Auge, eine schnelle Empfindungskraft, einen Geist, der ein wohlgeordnetes Ganzes in allen seinen Thei- len leicht zu fassen faͤhig ist. Die Gesellschaft eines Landschaftmalers, indem er mit den angegebenen Talenten nach den schoͤnsten Aussichten zeichnet, ist fuͤr den jungen Gartenkuͤnstler sehr lehrreich. Nicht genug kann man diesen auf die sorgfaͤltige Beobachtung der Natur hinweisen. Wie will er Erhoͤhung und Vertiefung einrich- ten, Pflanzen, Stauden und Baͤume anordnen, Wasser vertheilen und leiten, Wild- nisse bearbeiten, wenn er nicht mit den Kraͤften und Wirkungen dieser Gegenstaͤnde, sie moͤgen einzeln oder zusammengesetzt seyn, genau bekannt ist? Nur in den symme- trischen Gaͤrten der Architekten moͤchte die Aufmerksamkeit auf die schoͤne Natur ent- behrlich seyn; man fand es wenigstens fuͤr gut, fast ganz daruͤber hinwegzusehen. Verlangt man Gaͤrten, die wegen der verschoͤnerten Natur, welche sie darstellen, diesen Namen verdienen; so muß der Kuͤnstler, ehe er sich ans Werk wagt, mit dem Auge des Landschafters viel beobachtet, viel seine Phantasie mit laͤndlichen Bildern bereichert haben. Ohne diese Vortheile wird er oft verlegen, oder doch duͤrftig seyn; er wird ungluͤckliche Copien von einer Nachahmung machen, wo er eine schoͤne Nach- ahmung selbst machen koͤnnte; und bey einer jeden neuen Arbeit wird sein immer mehr entartetes Werk seinen erschoͤpften Geist ankuͤndigen. Kent erzaͤhlte oft, daß er sei- nen Geschmack in der Anlage der Gaͤrten dem fleißigen Lesen der malerischen Beschrei- bungen des Spenser zu danken habe. Wie viel leichter und lebhafter muß nicht die malende Natur selbst unterrichten. Der Beobachtung folgt die Auswahl fuͤr den Maler sowohl als fuͤr den Gar- tenkuͤnstler. Naturam pinxisse parum est, nisi picta venuste Rideat et laetos ostendat splendida vultus. marsy. Alles, wie es das Auge vorfindet, nachschildern, waͤre so viel, als nicht beobachtet haben. Der vollkommene Landschafter erhebt sich uͤber den bloßen Copiisten der Na- tur; er arbeitet als Kuͤnstler, als ein Mann von Ueberlegung und Geschmack. Er malt daher nur die gewaͤhlte Natur. Er sondert das Gemeine, das Unbedeutende, das als schoͤne Kunst betrachtet. das die Natur bey dem hoͤhern, mehr auf Vollkommenheit als Schoͤnheit gerichteten Plan ihrer Anordnungen liegen lassen konnte, bey den Vorwuͤrfen ab, womit er sich beschaͤftigt. Er sucht die schoͤnsten, anmuthigsten, pikantesten Theile aus den wei- ten Massen der Landschaft hervor, um daraus ein neues Ganzes zu bilden, das nicht mehr die gewoͤhnliche Natur ist, ohne deswegen aufzuhoͤren, natuͤrlich zu seyn. Er verbessert Anlagen und Gegenstaͤnde, ohne ihren Charakter umzuschaffen; veraͤndert sie, ohne sie unkenntlich zu machen. Er erweitert und verengt, setzt hinzu und wirft weg, ohne in Entstellung oder Disharmonie zu fallen. Sein Werk ist vollendet, und eine neue Natur liegt dem Auge enthuͤllt; alles ist Wahrheit, und doch ist das Urbild nirgends ganz anzutreffen; alles stellt eine schoͤnere Schoͤpfung dar, so sehr hat Beobachtung und Genie die einzelnen Theile aufgesucht und gewaͤhlt. So auch und nicht minder der Gartenkuͤnstler. Die Composition giebt einen neuen Standpunkt an, wo er neben dem Land- schaftmaler hintritt. Sie verstattet zuvoͤrderst beyden eine vollkommene Freyheit in ihren Zusammensetzungen, in der Ausdehnung der Flaͤchen und Fernen, in der Mi- schung und Bildung der Baͤume, der Rasen, des Wassers, in der Bepflanzung und Verzierung, in offenen oder eingeschraͤnkten, huͤgelichen oder ebenen, heitern oder oͤden Lagen — der unendlichen Mannigfaltigkeit zu folgen, wodurch die Natur mit einer unerschoͤpflichen Kunst Ergoͤtzung wirkt. Aber sie verlangt auch von beyden eine gleiche Fertigkeit, die Verhaͤltnisse wahrzunehmen, die Lagen und Gegenstaͤnde mit ihren Beziehungen und Entgegenstellungen, mit ihren allmaͤhligen Fortschreitun- gen und Abweichungen zu bestimmen; Kenntniß der Gesetze der Perspectiv, um die Vorwuͤrfe so zu ordnen, daß sie sowohl durch Gestalt als Farbe in verhaͤltnißmaͤßigen Erscheinungen eine vortheilhafte Wirkung auf das Auge thun; eine weise Anordnung, die sowohl der Ermuͤdung als der Zerstreuung des Auges vorbeugt, die es stufenweise zu den schoͤnsten Partien leitet, unterdessen daß es hier durch eine Versperrung von Huͤgeln, Gehoͤlz oder Gebaͤuden vor dem Ausschweifen in leere unbefriedigende Aus- sichten oder vor der Verwirrung fremder Gegenstaͤnde bewahret wird, dort an unbe- pflanzten Plaͤtzen von dem Genuß ausruhet; endlich Zusammenstimmung aller Theile zu einem harmonischen Ganzen, bey aller Mannigfaltigkeit, bey allen Ungleichheiten und Zufaͤlligkeiten. Die Zusammensetzung laͤndlicher Vorwuͤrfe reizt nie mehr, als wenn sie zu- gleich durch Bewegung belebt wird. Zum Theil gewinnt der Landschafter sowohl als der Gartenkuͤnstler diese Wirkung durch die Wellenlinie, die beyde der Natur ab- lernen sollten. Wenn man gleich vielleicht Grund gehabt, die Hogarthsche Schoͤn- heitslinie nicht als einen allgemeinen Grundsatz in der Malerey gelten zu lassen; so ist T 3 es Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst, es doch außer Zweifel, daß der Landschafter, in so fern er Gegenstaͤnde der natuͤrlichen Landschaft schildert, diese Regel der Schoͤnheit nicht aus der Acht lassen darf. Sie liegt ihm in den Formen und Umrissen der Landschaft zu hell vor Augen, als daß er sie verkennen koͤnnte; sie wird also von der Natur gelehrt. Sie ist der Beweglich- keit eigen, so wie die gerade Linie der Unbeweglichkeit zugehoͤrt. Sie ist endlich von einer Wirkung, die der Gartenkuͤnstler so wenig, als der Landschaftmaler, verlieren darf. — Allein auch durch andere mehr in die Augen fallende Mittel ertheilt der Landschafter seinen Werken den Schein der Bewegung und des Lebens, durch die Ausstaffirung mit Figuren, mit Viehtriften, mit Brunnen, Gebaͤuden und Rui- nen; durch alles, was die Gegenwart des Menschen ankuͤndigt, oder zu errathen giebt; durch die Wirkung des Windes in Baͤumen und Gewaͤssern, durch schaͤumen- de Wasserfaͤlle. Fast durch eben diese Mittel kann der Gartenkuͤnstler Bewegung, die Seele der Natur, in sein Werk bringen, mit dem wichtigen Vorzug, daß alles bey ihm zur Wirklichkeit uͤbergeht. Einige dieser Mittel, den Garten zu beleben, liegen mehr in der Natur, andere mehr in der Kunst. Die Bewegung des Laubes, so wie die Bewegung der Wolken, die der Gartenkuͤnstler allein dem Eigensinn der Natur uͤberlassen muß, ist zufaͤllig, und trifft nicht immer in dem Augenblicke ein, wo sie bey Mitwirkung anderer Gegenstaͤnde eine lebhaftere oder verstaͤrkte Empfin- dung hervorbringen koͤnnte. Mehr aber ist in seiner Gewalt die Bewegung des Wassers, mit den mannigfaltigen Modificationen, deren sie faͤhig ist. Endlich vereinigen sich die Landschaftmalerey und die Gartenkunst beym Colo- rit. Nicht durch das Einfaͤrbige und Matte zu ermuͤden, sondern durch das Man- nigfaltige und Lebhafte zu erfrischen, ist das erste Gesetz der schoͤnen Natur. Wenn einerley Gruͤn in einem Landschaftstuͤck oder in einem Garten herrscht, wie in den Ge- maͤlden des Bourdoe, wie in den alten Thierparks oder in den heutigen Gaͤrten der Tuͤrken, oder selbst in den Gaͤrten zu Versailles; so giebt eine solche Einfaͤrbigkeit ein trauriges Ansehen, und bewoͤlkt die Seele bald mit Ueberdruß. Die Gegenstaͤn- de der Natur zeigen niemals einen groͤßern Reichthum und mehr Abwechselung der Farben, als im Fruͤhling und Sommer. Sogar in kleinen Strichen der Landschaft ist das Gruͤn durch unendliche Schattirungen vervielfaͤltigt. Dies ist das Mittel, wodurch die Natur das Auge so gefaͤllig reizt, so unterhaltend ergoͤtzt. Sie winkt dem Landschafter und dem Gartenkuͤnstler, auf ihre Vorbildungen aufmerksam zu seyn. Allein, so wenig beyde das nachahmen sollen, was das Ungefaͤhr vorstellt, so wenig duͤrfen sie auch alle Farben ohne Unterschied nachbilden, die sich ihnen darbieten; sie muͤssen nur solche waͤhlen, die ihren Absichten gemaͤß, sowohl fuͤr das Ganze, als auch in jedem einzelnen Theil, von der vortheilhaftesten Wirkung sind. Das Mun- tere als schoͤne Kunst betrachtet. tere und Heitere muß die Hauptfarbe seyn; einzelne Partien aber, z. B. Grotten und Ruinen, koͤnnen Baͤume und Buschwerk von einer dunklern Farbe erfordern. Au- ßer der Abwechselung, die sich schon in jeder Gattung von Baͤumen findet, zeigt sich bey ihnen noch eine große Verschiedenheit, die sich durch die mannigfaltigen Richtun- gen der Zweige, durch die staͤrkere oder geringere Belaubung, durch die Dichtigkeit oder Duͤnnigkeit der Blaͤtter, durch das Gruͤne, Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche des Laubes, und die tausendfachen Schattirungen desselben aͤußert. Nicht weniger sind in allen Geschlechtern der Pflanzen diese Abaͤnderungen und Mischungen der Far- ben sichtbar. Die Anordnung der Baͤume und Pflanzen nach der Zusammenstim- mung oder Abweichung ihrer Farben ist in der Macht des Gartenkuͤnstlers. Er kann durch ihre Anpflanzung und Verbindung eine so vollkommene Malerey, wie nur irgend der Landschafter, fuͤr das Auge hervorbringen; eine Malerey, die in ihrer Wirkung schneller und bezaubernder, wenn gleich weniger bestaͤndig ist. Er kann durch die sanftesten Gradationen von Verminderung und Erhoͤhung, von Schatten und Licht, durch die pikantesten Mischungen und Verschmelzungen der Farben, der schoͤpferischen Natur Gemaͤlde vorzeigen, die sie selbst vielleicht nur hie und da in einer gluͤcklichen Laune bildete. Und er soll hier, was er kann. Wenn sich der Boden seinen Arbeiten nicht widerspenstig bezeigt, so findet er fast mehr Leichtigkeit, als der Landschaftmaler; die Farben werden ihm schon mit den Gegenstaͤnden uͤberliefert, er darf nur auswaͤhlen und zusammenfuͤgen. Weil aber durch die immer fortschreiten- den Veraͤnderungen im Pflanzenreich auch seine Farben der Veraͤnderung unterworfen sind; so hat er viel Ueberlegung anzuwenden, um die Schoͤnheit und Harmonie in seinen Malereyen wenigstens fuͤr einige Monate zu erhalten. Er muß also nicht blos wahrnehmen, was jetzt ist, sondern auch vorhersehen, was in einem laͤngern oder kuͤr- zern Zeitraum der angenehmen Jahreszeit, fuͤr den er beschaͤftigt ist, sich ereignen wird. — „Was wuͤrde einnehmender seyn, als wenn die Tinten des Gruͤns, wel- ches verschiedene Baͤume uns geben, auf eine verstaͤndige Weise so verbunden wuͤrden, daß das Helldunkele dabey eben so genau beobachtet waͤre, eben so bezauberte, als in einem schoͤnen Gemaͤlde? Der Gartenkuͤnstler sollte ein vortrefflicher Maler, oder we- nigstens vorzuͤglich mit dem Theil der Malerey vertraut seyn, der in der Kenntniß der Sympathie der verschiedenen Farben und des verschiedenen Tons einer jeden besteht; alsdann wuͤrde er das Gruͤn mit einander auf eine Art verbinden, die uns ein außer- ordentliches Vergnuͤgen empfinden ließe.“ Dies ist das Urtheil eines angesehenen Architekturlehrers, Essai sur l’Architecture (par M. Laugier) 8. Paris 1753. S. 287. der in seinen Digressionen zur Gartenkunst verstaͤndig genug war, sie nach ihren eigenen Grundsaͤtzen zu richten, und ihre naͤhere Verwandtschaft mit der Malerey anzuerkennen. Auch Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst, Auch nicht immer sind Malerey und Gartenkunst so getrennt gewesen, daß nicht schon zuweilen beruͤhmte Maler mit gluͤcklichem Erfolg Gaͤrten angelegt haͤtten. Domenichino bauete nicht allein fuͤr den Cardinal Aldobrandini seine Ville zu Frascati, sondern er ordnete auch die Spaziergaͤnge, die Brunnen, die Aussichten im Garten auf eine malerische Art mit vielem Geschmack an. Auf eine aͤhnliche Art beschaͤftigte sich Peter von Cortona fuͤr den Cardinal Sachetti. Viele angeneh- me Gaͤrten um Florenz und Mantua sind von Malern in einem so guten Geschmack angelegt, als es ihre Zeiten, wo die Gartenkunst noch wenig ausgebildet war, nur immer erlaubten. Man trifft darin das Malerische und Laͤndlichreizende mehr an, als in vielen andern Gaͤrten. Und vielleicht wuͤrden Gartengebaͤude und Lusthaͤuser, deren Hauptcharakter Simplicitaͤt und Anmuth ist, gluͤcklicher von Malern angelegt werden, oder von Architekten, die mit ihrer Kunst die Talente des Landschaftmalers vereinigten. Nach diesen Vergleichungen beyder Kuͤnste wird man dennoch leicht wahrneh- men, daß im Grunde die Gartenkunst die Landschaftmalerey so weit uͤbertrifft, als die Natur die Copie. Keine der nachahmenden Kuͤnste ist in die Natur selbst mehr verwebt, oder gleichsam mehr Natur, als die Kunst der Gaͤrten. Alles geht hier in eine wirkliche Darstellung uͤber. Die Beweglichkeit der Gegenstaͤnde wird nicht als blos angedeutet wahrgenommen, sondern als wirklich empfunden. Das Wasser, das im Landschaftgemaͤlde nur durch den Widerschein lebendig wird, giebt durch sein Ansehen und Geraͤusch den Genuß seiner Gegenwart. Die Farben gluͤhen oder schimmern dem Auge mit einem Glanz, mit einer Heiterkeit, mit einer Waͤrme entgegen, wel- che die Zaubermacht der Titiane vergebens zu erreichen strebt. Die allmaͤhlige Dar- stellung der Gartenscenen giebt einen weit laͤngern, unterhaltendern Genuß, als das schoͤnste und ausfuͤhrlichste Landschaftgemaͤlde, welches das Auge bald umfaßt; fort- schreitende Bewegungen sind mehr die Wirkung der Gaͤrten, als der Malerey. Au- ßer allem diesem gewinnt der Gartenkuͤnstler unendlich durch die Ausdehnung, da hin- gegen auf der Leinwand nicht fuͤr jede Art der Abwechselung Raum ist, und die klei- nern Schattirungen, die oft von der anmuthigsten Wirkung sind, nicht ausgedruͤckt werden koͤnnen. Vieles, das in der Natur schoͤn ist, verliert in der Nachahmung, selbst unter den Haͤnden des verstaͤndigsten und aufmerksamsten Landschafters. Vie- les, das er in einen engen Bezirk bringen muß, verirrt sich leicht in einen unordentli- chen Haufen, selbst bey allem Fleiß, die Regeln der Perspectiv zu beobachten. End- lich bleibt die Zusammensetzung des Landschaftgemaͤldes immer dieselbe, man mag sie von einer Seite betrachten, von welcher man will; der Kuͤnstler kann so wenig, als der Beobachter, die Anordnung aͤndern, die einmal gemacht ist; die Wirkung der Anord- als schoͤne Kunst betrachtet. Anordnung ist daher auch eben so unveraͤnderlich. Allein der Gartenkuͤnstler kann seine Zusammensetzung durch die Gesichtspunkte, aus welchen er sie betrachten laͤßt, gleichsam vervielfaͤltigen. Er kann durch die Richtung der Gaͤnge mehr Stand- punkte vorzeichnen, wo der Beobachter stille stehen, wo er seine Anordnung von einer neuen Seite wahrnehmen soll. Er kann also durch die Abwechselung und Mannig- faltigkeit der Ansichten, die er nach seinen Absichten bestimmt, eine Reihe von Be- wegungen hervorbringen, die sich durch ihre eigene Kraft unter einander heben und der Seele einen Genuß gewaͤhren, den sie selbst von den Meisterwerken eines Sach- leven oder Elzheimers vergebens erwartet. I Band. U Vierter Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung Vierter Abschnitt . Von der Bestimmung und Wuͤrde der Gaͤrten. G aͤrten sind die Plaͤtze, auf welchen der Mensch alle Vortheile des Landlebens, alle Annehmlichkeiten der Jahreszeiten mit Bequemlichkeit, mit Ruhe genie- ßen kann. So viel Vortheile und Ergoͤtzungen die Natur ihrem empfindsamen Freunde aufbewahret, so viel kann er in dem Umfang eines ausgebreiteten, wohl an- gelegten Gartens finden. Ja, diese Vortheile und Ergoͤtzungen erhoͤhen und ver- vielfaͤltigen sich hier in eben dem Grade, in welchem Vernunft und Geschmack bemuͤ- het sind, einen Garten durch die Reize der Cultur uͤber eine sich selbst uͤberlassene Ge- gend zu erheben. Wer kennt nicht diese von den Dichtern aller Jahrhunderte besungenen, von den Philosophen oft gepriesenen, oft sich selbst gewuͤnschten Freuden, diese von dem zum Genuß seines Daseyns noch nicht verstimmten Menschen so gern empfundenen Freuden des Landes? Freuden, die selbst Bacon fuͤr die reinsten aller menschlichen Ergoͤtzungen hielt; die Addison so wuͤrdig fand, daß er den Geschmack an ihnen fuͤr eine tugendhafte Gewohnheit des Gemuͤths erklaͤrte. Man wuͤrde beschreiben, was mehr empfunden werden kann, empfehlen wollen, was jeder gerne liebt, wenn man es wagte, noch einmal von ihnen ein ausfuͤhrliches Gemaͤlde aufzustellen. Von die- sem suͤßen Genuß der Freyheit, der Aussichten, der Spaziergaͤnge, der Luft, der Kuͤhlung, des Wohlgeruchs mit ihren Vortheilen fuͤr den Geist und fuͤr die Gesund- heit; von diesen frohen Umherirrungen und Zerstreuungen, diesen Belustigungen aller Sinne, dieser ruhigen Behagung des Herzens an den laͤndlichen Scenen der Natur, diesem angenehmen Vergessen aller Sorgen und Unruhen der Welt, diesen stillen Betrachtungen des Geistes zu seinem und aller Wesen Urheber hinauf; von diesem zaubervollen Dahinschwaͤrmen der Phantasie uͤber Schoͤnheit, Groͤße, Man- nigfaltigkeit, uͤber Leben, Bewegung und Wonne der Schoͤpfung — und alles dieses mit einer unverstellten Wahrheit der Empfindung, mit einer Unschuld, worauf selbst der Vater der Natur mit Wohlgefallen herablaͤchelt. In der That ist ein Garten nicht blos bestimmt, ein Aufenthalt des Vergnuͤgens zu seyn, obgleich die Gartenkunst zuerst von diesem Vergnuͤgen ausgeht. Er soll die Wohnung der Er- quickung nach dem Kummer, der Ruhe aller Leidenschaften, der Erholung von der Muͤhe, der heitersten Beschaͤftigung des Menschen seyn. Er soll die Lieblingsscene der Betrachtung der Natur seyn, der Zufluchtsort der Philosophie, der Tempel der Anbetung der hoͤchsten Weisheit. Die und Wuͤrde der Gaͤrten. Die allgemeine Bestimmung der Gaͤrten ist uͤberhaupt in den Kraͤften der schoͤnen Scenen der laͤndlichen Natur gegruͤndet. Der Garten soll vermittelst der Kraͤste seiner Gegenstaͤnde recht fuͤhlbare Eindruͤcke auf die Sinne und die Einbildungs- kraft machen, und dadurch eine Reihe lebhafter angenehmer Empfindungen erregen. Wenn der Eindruck des Angenehmen als die Hauptempfindung, fuͤr welche die Gartenkunst beschaͤftigt ist, hier angenommen wird, so ist damit nicht gesagt, daß er nicht durch verwandte Gattungen eine gewisse Mischung, Milderung oder gar merk- liche Abaͤnderung vertragen sollte. So wie uͤberhaupt einerley Art der Empfindung ermuͤdet, wenn sie, sich immer gleich, fortdauert; so entschlummern wir selbst in dem Genuß der suͤßesten Wollust, die uns zu lange bezaubert. Die Abwechselung oder der allmaͤhlige Zufluß anderer Eindruͤcke von einer aͤhnlichen oder verwandten Art er- halten die Empfindung in ihrem wahren Leben und in ihrer Schmackhaftigkeit. Die Modificationen unserer Empfindung, die von den Einwirkungen der aͤußerlichen Dinge abhaͤngen, scheinen selbst der Seele so unentbehrlich, daß ihre Abwesenheit eine zu be- klagende Einschraͤnkung unserer Natur seyn wuͤrde. Es wird also die Erregung an- genehmer Empfindungen die allgemeine Bestimmung der Gartenkunst seyn; aber diese kann die Empfindungen hinzufuͤgen, die einsiedlerische, melancholische, finstere, ro- mantische, feyerliche und andere Gegenden erwecken. Es ist der Beruf der Garten- kunst, durch eine harmonische Folge verschiedener Bewegungen, durch die Bewegun- gen des Großen, des Mannigfaltigen, des Neuen, des Schoͤnen, des Wilden, des Melancholischen u. s. w. zu ergoͤtzen. Die Gegenstaͤnde der Gaͤrten sind zunaͤchst keine andere, als Gegenstaͤnde der schoͤnen laͤndlichen Natur selbst. Der Gartenkuͤnstler muß daher zuvoͤrderst solche Gegenstaͤnde der schoͤnen Natur sammeln und auswaͤhlen, die eine vorzuͤgliche Einwir- kung auf das Empfindungsvermoͤgen und die Einbildungskraft haben; er muß diesen Gegenstaͤnden eine solche Ausbildung geben, und sie in eine solche Verbindung und Anordnung bringen, daß dadurch ihr Eindruck verstaͤrkt werde. Dadurch veraͤndert ein Platz die Natur einer blos sich selbst uͤberlassenen Gegend, und faͤngt schon an, in einen Garten uͤberzugehen. Dies ist das erste allgemeine Gesetz der Gartenkunst. Weil aber der Garten, als ein Werk des Fleißes und des Genies, die Phan- tasie und die Empfindung staͤrker bewegen soll, als eine blos natuͤrliche Gegend; so soll der Kuͤnstler den Eindruck der Gegenstaͤnde der Natur, die er mit Ueberlegung und Geschmack gesammelt, ausgebildet und mit einander verbunden hat, dadurch zu heben suchen, daß er uͤbereinstimmende Gegenstaͤnde der Kunst darunter mische und mit dem Ganzen verknuͤpfe. Dies ist das zweyte allgemeine Gesetz der Gartenkunst. Beyde Hauptgesetze entspringen, wie zwey Baͤche, aus einer einzigen Quelle, und laufen neben einander fort. Diese Quelle ist der Grundsatz: Bewege durch den U 2 Garten Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung Garten stark die Einbildungskraft und die Empfindung, staͤrker als eine blos natuͤrlich schoͤne Gegend bewegen kann. Rufe daher natuͤrliche Schoͤnheit der Landschaft herbey; rufe aber auch die Kunst, damit sie jene durch ihre Einwirkung mehr erhoͤhe. So viel verschiedene Gattungen von Gaͤrten es giebt, so viel besondere Bestim- mungen lassen sich gedenken, die eine Quelle der Regeln fuͤr ihre Einrichtung werden. Man kann bey Gartenanlagen mannigfaltige Absichten haben, mehrere von ihnen ver- binden; aber uͤberall muß doch Bildung im Geschmack der Natur herrschen, uͤberall Plan zur Ergoͤtzung und Unterhaltung des Menschen seyn. Diese hoͤhere Bestimmung der Gaͤrten erweitert und veredelt den Gesichtspunkt, aus welchem sie betrachtet werden koͤnnen, erhebt sie in die Classe wuͤrdiger Kunstwerke und unterwirft sie daher den Regeln des Geschmacks und der Schoͤnheit, denen sie nicht unterworfen waren, so lange sie unter den Haͤnden gemeiner Gaͤrtner blieben. Es erhellet leicht bey dem ersten Anblick dieser Wendung, daß Gaͤrten, die die- sen Namen verdienen sollen, der Mode und dem bloßen Willkuͤhr entrissen werden. Es ist nicht mehr die Frage, was sie gewesen sind oder noch sind, sondern was sie seyn muͤssen, wenn sie ganz die gluͤckliche Wirkung thun sollen, deren sie bey einer verstaͤn- digen Anlage faͤhig sind. Man spiele mit den kleinen Kunstgaͤrten in Staͤdten und Vorstaͤdten, so lange man will. Aber Gaͤrten in der wahren Bedeutung erheben sich uͤber blinden Einfall und phantastische Kuͤnsteley, und folgen nur dem Zuruf der Vernunft und des Geschmacks. In dieser Richtung wird die Gartenkunst Philosophie uͤber die mannigfaltigen Gegenstaͤnde der Natur, ihre Kraͤfte und Einwirkungen auf den Menschen, uͤber die Verstaͤrkung der Eindruͤcke, die er davon empfangen soll; nicht bloße Belustigung des aͤußern Sinnes, sondern innere wahre Aufheiterung der Seele, Bereicherung der Phantasie, Verfeinerung der Gefuͤhle; Erweiterung des Bezirks fuͤr Geschmack und Kunst; Beschaͤftigung des menschlichen Schoͤpfungsgeistes auf einem Platze, worauf er noch wenig wirksam war; Veredelung der Werke der Natur und Verschoͤnerung einer Erde, die auf eine Zeit unsere Wohnung ist. Wenigstens reicht so weit ihr Umfang, so weit die hohe Bestimmung, wornach sie streben soll. In gewisser Absicht kann die Gartenkunst sich mit Recht eines merklichen Vor- zugs vor den uͤbrigen schoͤnen Kuͤnsten ruͤhmen. Sie ist Kunst, und doch ist keine ihrer Geschwister gleichsam mehr in die Natur selbst eingeflochten, als eben sie. Sie giebt das mannigfaltige und große Vergnuͤgen laͤndlicher Scenen ganz, was die Land- schaftmalerey nur theilweise gewaͤhrt; sie giebt es auf einmal, was die schildernde Poe- sie nur durch eine fortschreitende Folge ihrer Bilder nach und nach erweckt. Sie ruͤhrt nicht und Wuͤrde der Gaͤrten. nicht durch eine entfernte Nachahmung; sie ergreift unmittelbar die Sinne, schlaͤgt ge- radezu an die Organe unserer Empfindung, durch die Gegenwart wirklicher Gegen- staͤnde, ohne sie erst durch Huͤlfe der Wiedererinnerungskraft und der Imagination wahrnehmen oder fuͤhlen zu lassen. Sie giebt selbst ein laͤngeres und dauerhafteres Vergnuͤgen, als Statuen, Gemaͤlde und Gebaͤude; denn ein Garten erhaͤlt durch den Fortgang des Wachsthums, durch die Veraͤnderungen der Jahreszeiten und der Wit- terung, durch die Bewegungen der Wolken und des Wassers, durch die Dazwischen- kunft der Voͤgel und Insekten, durch tausend kleine Zufaͤlligkeiten bey Gegenden und Aussichten — immer eine Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, die weder an Belu- stigung leer werden, noch ermuͤden. Der Geschmack der Menschen an der Bildhaue- rey, Malerkunst und Architektur ist meistens sehr eingeschraͤnkt; man muß gelernet haben, ehe man hier bewundern kann; und das Vergnuͤgen an den Werken dieser Kuͤnste wird erst durch ein gewisses Maaß von Zeit und Untersuchung interessant, die man ihnen aufgeopfert hat. Allein die Reize eines wohl angelegten Gartens sind, ohne Unterricht und Erklaͤrung, den Kundigen und Unkundigen gleich empfindbar. Die Einwirkung der Gartenkunst ist zutreffend, ihre Herrschaft allgemein. Wir alle freuen uns uͤber die reizenden Scenen des Sommers; wir alle trauren bey dem Anblick der Gefilde, die von ihm verlassen leer und oͤde da liegen. Cultur und Anmuth des Landes streuen jedem Auge Vergnuͤgen entgegen, da Rauhigkeit und Unfruchtbarkeit Verdruß uͤber die Haͤrte der Natur oder Unwillen uͤber die Unthaͤtigkeit des Menschen erwecken. Landhaͤuser und Gaͤrten sind Zeugen des oͤffentlichen Geschmacks, die niemals der Politik gleichguͤltig seyn sollten, nicht so wohl, weil von ihrer Beschaffenheit ein Theil der Achtung oder des Tadels fuͤr eine Nation abhaͤngt, als vielmehr, weil auch diese Gegenstaͤnde eine sittliche Gewalt uͤber die Gemuͤther der Buͤrger haben. Wie ein- nehmend und mit welcher Empfehlung des Staats und seiner Bewohner faͤllt nicht eine mit schoͤnen Landhaͤusern und Gaͤrten bereicherte Provinz in die Augen! Ja, bey dem taͤglichen Anschauen helfen sie die Empfindungen und Begriffe des Reinlichen, Harmo- nischen, Anstaͤndigen, Schoͤnen und Angenehmen, die fuͤr die Cultur des Geistes und Herzens so wichtig sind, verbreiten. „Man hat in Schottland beobachtet,“ ver- sichert Home, Grundsaͤtze der Kritik. „daß sogar ein neu geebneter Landweg einen gewissen Einfluß von dieser Art auf das gemeine Volk in der Nachbarschaft des ebenen Weges gehabt. Sie bekamen einen Geschmack fuͤr Regelmaͤßigkeit und Reinlichkeit, den sie zuerst auf ihre Vorhoͤfe und Gaͤrten, und zunaͤchst auch auf ihre Zimmer ausbreiteten. Der Geschmack fuͤr Regelmaͤßigkeit und Reinlichkeit, der auf diese Weise eine gewisse Staͤrke gewann, erstreckte sich allmaͤhlig auch auf die Kleidung, und endlich selbst auch auf das Betragen und die Sitten.“ U 3 Die Vierter Abschnitt. Von der Bestimmung ꝛc. Die Gartenkunst ahmet nicht nur die Natur nach, indem sie den Wohnplatz des Menschen verschoͤnert; sie erhoͤht auch sein Gefuͤhl von der Guͤte der Gottheit, sie be- foͤrdert die Froͤhlichkeit und Anmuthigkeit seines Geistes, und selbst das Wohlwollen gegen seine Nebengeschoͤpfe, so wie die Bewohner schoͤner Laͤnder davon mehr haben, als die, welche das Schicksal in elenden Gegenden verkerkert haͤlt. Die oͤden Wuͤsten Laplands und Sibiriens ermuͤden und schrecken nicht nur den Reisenden; sie ver- graben auch den Geist und die Empfindungskraft des Einwohners, indem sie Unthaͤtig- keit, Misvergnuͤgen, ein muͤrrisches und niedergeschlagenes Wesen einfloͤßen. In Ge- genden, die wohl bebauet und mit anmuthigen Gaͤrten bepflanzt sind, wird man den Menschen sich viel eher an die anstaͤndigen und stillern Ergoͤtzungen der Natur gewoͤh- nen sehen, die ihn allmaͤhlig die groben und kostbaren Arten von Zeitvertreiben ver- schmaͤhen lehren. Sein Geist wird unter so vielen reizenden Gegenstaͤnden Heiterkeit und ein aufgewecktes Wesen, seine Gefuͤhle werden mehr Milde, mehr Verfeinerung annehmen. Er wird seine ganze Natur belebter fuͤhlen, sich in allen ihren schoͤnen Faͤ- higkeiten geschwinder und gluͤcklicher zu entwickeln. Gewiß wichtiger, als dem gemei- nen Verstande begreiflich ist, sind die Einwirkungen der schoͤnen Auftritte des Landes und der Gaͤrten auf die Einbildungskraft und die Empfindsamkeit des Menschen. Die Phantasie, die sich aus ihnen erweitert und bereichert, wird nicht mit den unbe- lebten Gegenstaͤnden in der Tiefe bleiben; sie wird mit einem erleichterten Flug von ei- ner Reihe neuer Bilder zu der andern sich erheben lernen, bis sie uͤber die bekannten veranlassenden Vorwuͤrfe hinaus, durch eine geiftige Betrachtung der urspruͤnglichen Schoͤnheit und Groͤße, in Entzuͤckungen dahinschwebt, die uͤber die gewoͤhnlichen Ein- druͤcke der Natur auf die Organe der Empfindung unendlich erhaben sind. Theorie Theorie der Gartenkunst . Erster Theil. Erster Abschnitt . Von den Gegenstaͤnden der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Zweyter Abschnitt . Von den verschiedenen Charakteren der Landschaft und ihren Wirkungen. Erster Abschnitt . Von den Gegenstaͤnden der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. W eil die Gartenkunst so genau mit der Natur verbunden ist, daß sie selbst nichts anders als die Natur in einer etwas abgeaͤnderten Gestalt zu seyn scheint; so ist ihr erster und vornehmster Beruf, sich mit den Gegenstaͤnden der schoͤnen Natur zu beschaͤftigen. Diese sind von verschiedener Art und von verschiedenen Kraͤften. Sie haben also auch verschiedene Einwirkungen auf den Menschen, wovon uns Beob- achtung und Empfindung uͤberzeugen, und wozu der Urheber der Natur ihnen die noͤ- thige Richtung zu geben nach dem Plan der vollkommensten Weisheit nicht uͤbersehen konnte. Die Gegenstaͤnde der schoͤnen Natur liegen vor dem Menschen ausgebreitet; die Werkzeuge seiner Sinne sind dazu harmonisch gebildet, ihre Eindruͤcke aufzufan- gen, durch eine weitere Fortpflanzung derselben die Einbildungskraft in Bewegung zu setzen, und durch die Erscheinung angenehmer Bilder die Empfindung zu beleben. Die Gegenstaͤnde der laͤndlichen Natur haben mehr als einen Weg, auf wel- chem sie die Wirkungen ihrer Eigenschaften zur Seele bringen und ihre Empfindsam- keit reizen. Der vornehmste Weg ist das Gesicht, der vollkommenste und ergoͤtzlich- ste unter allen Sinnen. Durch das Auge nehmen wir die Lage der Gegenstaͤnde, ihre Gestalt oder Form, ihre Farben und ihre Beweglichkeit wahr; so viel be- sondere sinnliche Schoͤnheiten in allen diesen enthalten seyn koͤnnen, so viel koͤnnen von dem Auge aufgefaßt werden. Unter den uͤbrigen Sinnen, die fuͤr die Annehmlich- keiten der Natur gebildet sind, tritt das Gehoͤr am naͤchsten hervor, das die harmo- nischen Toͤne empfaͤngt. Der Geruch, der die suͤßen Ausathmungen der Pflan- zen und Gewaͤchse aufnimmt, scheint der letzte zu seyn, wenn man ihm nicht noch allenfalls den groͤbern Sinn des Gefuͤhls, der die Erfrischungen der Luft genießt, bey- gesellen will. Durch alle diese Zugaͤnge stroͤmen die laͤndlichen Schoͤnheiten und An- nehmlichkeiten der Natur mehr oder weniger in die Seele ein. Der Eindruck, den die Gegenstaͤnde auf einen Sinn machen, kann, durch die Mitbewegung noch eines andern oder mehrerer Sinne zugleich, verstaͤrket werden. Die Begriffe mehrerer Sinne, die uͤbereinstimmen, preisen den Gegenstand staͤrker an. Ein Hain voll jun- gen Laubes und heitrer Aussichten ergoͤtzt mehr, wenn wir darin zugleich das Lied der I Band. X Nach- Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden Nachtigall, das Gemurmel eines Wasserfalls hoͤren, wenn zugleich ein frischer Veil- chenduft uns entgegenwallt. Es ist in der Macht des Gartenkuͤnstlers, durch das Auge, durch das Ohr und durch den Geruch zu ergoͤtzen. Allein weil die Ergoͤtzung aller dieser Sinne in gleichem Grade theils nicht ganz von ihm abhaͤngt, theils auch wegen der Verschie- denheit der innern Vollkommenheit der Sinne selbst nicht so gesucht werden soll; so ist es sein Beruf, ohne gaͤnzliche Zuruͤcksetzung des Geruchs, fuͤr das Auge und das Ohr, am meisten aber fuͤr das Auge zu sorgen. Er soll demnach vornehmlich sichtbare Schoͤnheiten der laͤndlichen Natur aufzustellen sich bemuͤhen. I. Von der Groͤße und Mannigfaltigkeit. U nter den gartenmaͤßigen Eigenschaften der natuͤrlichen Gegenstaͤnde, die jetzt naͤher zu bestimmen sind, fordert die Groͤße zuerst unsre Betrachtung. Wir hassen Einschraͤnkung, und lieben Ausdehnung und Freyheit: eine unlaͤug- bare urspruͤngliche Stimmung der Seele, fuͤr welche die Erfahrung stark genug redet. Das Anschauen kleiner Vorwuͤrfe auf einem abgezirkelten Platz, wie bald saͤttigt es nicht und erregt Ekel! Wie erquickend ist dagegen nicht der Anblick einer ganzen Landschaft, der Berge, Felsen, breiten Gewaͤsser, Waldungen! Wie sehr erweitert sich nicht die ganze Seele, spannet alle ihre Kraͤfte an, arbeitet, um alles zu um- fassen, wenn sich die Aussicht auf den Ocean voraus eroͤffnet, oder wenn in einer hellen Winternacht die graͤnzenlose Schoͤpfung voll leuchtender Planeten und brennender Fix- sterne sich unserm Auge zu entwickeln scheint! Die Liebe des Menschen zum Großen, die seine hoͤhere Bestimmung anzukuͤndigen scheint, wirkt so stark und sichtbar, daß an ihrer Wahrheit nicht mehr gezweifelt werden kann. Der Genuß der Groͤße giebt der Einbildungskraft und dem Geist eine Nahrung, die eine Art von Allgenuͤgsamkeit mit sich fuͤhrt; man erhebt sich von dem gewoͤhnlichen niedrigen Standort hinauf zu einer hoͤhern Sphaͤre der Bilder und der Empfindung; man fuͤhlt es, daß man nicht mehr der alltaͤgliche Mensch, sondern ein Wesen von einer Kraft und Bestimmung ist, die weit uͤber den Punkt, auf welchem wir stehen, hinausragt. Die Landschaft ist, mehr als ein Garten, von der Natur bestimmt, um uns die Ergoͤtzungen, die aus Groͤße entspringen, zu gewaͤhren. Allein auch dieser soll uns diese Ergoͤtzungen um so mehr zu verschaffen suchen, je mehr er eine besondere Verbindlichkeit hat, den Menschen auf eine seiner Wuͤrde gemaͤße Art zu beschaͤftigen. Er der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Er ist freylich eingeschraͤnkter, als die freye Landschaft; aber noch immer kann er, zum Theil wenigstens, durch die hoͤhern Empfindungen der Groͤße einnehmen. Groͤße im landschaftlichen Verstande schließt Ausdehnung der natuͤrlichen Ge- genstaͤnde, also auch Ausdehnung des Raums in sich, worin sie sich befinden. Noch ließe sich eine andere Art, naͤmlich intensive Groͤße (Wuͤrde) unterscheiden; so wuͤrde ein Eichenhain durch den Vorzug seiner Staͤmme groß seyn, ein Weidengebuͤsch aber klein, wenn gleich dieses sich in einem weitern Umfange, als jenes, ausbreitete. Mit Groͤße ist Mannigfaltigkeit verwandt. Wenn jene Ausdehnung der Theile hat, so hat diese Verschiedenheit und Abaͤnderung der Theile. Durch harmo- nische Verbindung von Groͤße und Mannigfaltigkeit entsteht das vollkommenste Werk in der Landschaft und auf dem Gartenplatz. Mannigfaltigkeit scheint fast noch unentbehrlicher fuͤr das Beduͤrfniß des Gei- stes, als Groͤße. Einerley Gegenstaͤnde, die immer unveraͤndert vor den Augen da liegen, eine ewige Stellung, eine ewige Monotonie, eine ewige Einfaͤrbigkeit, sind nicht blos ermuͤdend, sie fuͤhren eine Art von geheimer Marter bey sich. Man laufe wischen einfoͤrmigen Hecken hinauf und wieder herunter, dann noch einmal vorwaͤrts, noch einmal zuruͤck; uͤberdruͤßig des bestaͤndigen Zuruͤckwanderns nimmt man, auch wenn noch kein Schwindel da ist, gern die erste beste Bank in Besitz: Weil die verschiedenen und abaͤndernden Theile, woraus Mannigfaltigkeit ent- steht, zugleich gewisse Grade der Ausdehnung haben koͤnnen, so kann auch eine naͤhere Vermischung der Groͤße und Mannigfaltigkeit entspringen. Indessen sind beyde noch so wesentlich unterschieden, daß sie keiner Vermengung ausgesetzt sind. Zwey Gemaͤlde eines großen Dichters scheinen die Sache auf einmal in ihr Licht zu setzen; ich stelle sie auf, ohne auf die charakteristischen Zuͤge, die jedes gesunde Auge selbst sehen kann, einen besondern Wink zu geben. Ein Gemaͤlde der Groͤße: Ein angenehm Gemisch von Bergen, Fels und Seen Faͤllt nach und nach erbleicht, doch deutlich ins Gesicht; Die blaue Ferne schließt ein Kranz beglaͤnzter Hoͤhen, Worauf ein schwarzer Wald die letzten Stralen bricht. Bald zeigt ein nah Gebirg die sanft erhobnen Huͤgel, Wovon ein laut Gebloͤk im Thale widerhallt; Bald scheint ein breiter See ein meilenlanger Spiegel, Auf dessen glatter Flut ein zitternd Feuer wallt; X 2 Bald Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden Bald aber oͤffnet sich ein Strich von gruͤnen Thaͤlern, Die, hin und her gekruͤmmt, sich im Entfernen schmaͤlern. Ein Gemaͤlde der Mannigfaltigkeit, das auf einem benachbarten Berge bey Bern, der Vaterstadt des Dichters, gemacht zu seyn scheint, weil es die Aussicht getreu nach der Natur trifft, ist dieses: Die Huͤgel decken gruͤne Waͤlder, Wodurch der falbe Schein der Felder Mit angenehmem Glanze bricht; Dort schlaͤngelt sich durchs Land, in unterbrochnen Stellen, Der reinen Aare wallend Licht; Hier lieget Nuͤchtlands Haupt (Bern) in Fried und Zuversicht In seinen nie erstiegnen Waͤllen. So weit das Auge reicht, herrscht Ruh und Ueberfluß; Selbst unterm braunen Stroh bemooster Bauernhuͤtten Wird Freyheit hier gelitten, Und nach der Muͤh Genuß. Mit Schafen wimmelt dort die Erde, Davon der bunte Schwarm in Eile frißt und bloͤkt; Wann dort der Rinder satte Heerde Sich auf den weichen Rasen streckt, Und den gehluͤmten Klee im Kauen doppelt schmeckt. Dort springt ein freyes Pferd mit sorgenlosem Sinn Durch neubewachsne Felder hin, Woran es oft gepfluͤget. Und jener Wald, wen laͤßt er unvergnuͤget? Wo dort im rothen Glanz halb nackte Buchen gluͤhn, Und hier der Tannen fettes Gruͤn Das bleiche Moos beschattet; Wo mancher helle Strahl auf seine Dunkelheit Ein zitternd Licht durch rege Stellen streut, Und in verschiedner Dichtigkeit Sich gruͤne Nacht mit guͤldnem Tage gattet. Wie der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Wie angenehm ist doch der Buͤsche Stille, Wie angenehm ihr Widerhall! Wenn sich ein Heer gluͤckseliger Geschoͤpfe, In Ruh und unbesorgter Fuͤlle, Vereint in einen Freudenschall. Und jenes Baches Fall, Der schlaͤngelnd durch den gruͤnen Rasen Die schwachen Wellen murmelnd treibt, Und, ploͤtzlich aufgeloͤst in Schnee- und Perlenblasen, Durch jaͤhe Felsen rauschend staͤubt. von Haller. Uebrigens ist Mannigfaltigkeit nicht blos auf die Gegenst aͤnde allein einge- schraͤnkt, sondern erstrecket sich auch auf die verschiedenen Seiten und Gesichtspunkte, woraus die Gegenstaͤnde erblickt werden. Ein einzelnes Gebaͤude, eine einzelne Grup- pe, oft sogar ein einzelner Baum, kann in der Ansicht gleichsam vervielfaͤltigt werden. Schon nach dem Gesetze der Mannigfaltigkeit ist zum Gartenbau ein Platz ge- schickter, der Anhoͤhen, Absaͤtze, Vertiefungen hat, welche die Gegenstaͤnde aus ver- schiedenen Gesichtspunkten zeigen und eine Abwechselung der Prospecte geben. Das Offene soll mit dem Verschlossenen, das Helle mit dem Dunkeln, das Reizende mit dem Melancholischen, das Sanfte mit dem Erhabenen, das Wilde und Romantische mit dem Zierlichen abwechseln; die leeren Stellen sind zu bepflanzen, die Anhoͤhen mit Buschwerk, Wasserfaͤllen und Gebaͤuden zu beleben; und selbst mehrere Gegen- staͤnde von einer Art muͤssen durch ihren Charakter, durch ihre Form, durch ihre Lage von einander unterschieden erscheinen. X 3 II. Von Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden II. Von der Schoͤnheit . V on Schoͤnheit erhalten Groͤße und Mannigfaltigkeit ihre letzte Vollkommenheit. Der Gartenkuͤnstler soll also nach dem Beyspiel der Natur bedacht seyn, den ausgedehnten und abaͤndernden Theilen so viel Schoͤnheit zu geben, als sie faͤhig sind. Wenn Schoͤnheit nach der Meynung einiger Kunstrichter in den Eigenschaften der Gegenstaͤnde besteht, wodurch sie sinnliches Wohlgefallen erwecken; so wuͤrde schon in Groͤße und Mannigfaltigkeit ein Theil der Schoͤnheit liegen. Allein Schoͤnheit kann noch fuͤr sich, abgesondert von Groͤße und Mannigfal- tigkeit, betrachtet werden; und hier wollen wir einen eigenen Weg versuchen, und landschaftliche Schoͤnheit, die zugleich gartenmaͤßige Schoͤnheit ist, von allen uͤbri- gen Gattungen unterscheiden, die man noch etwa von Schoͤnheit angeben moͤchte. Es scheint, daß landschaftliche Schoͤnheit sich auf zween wesentliche Punkte, auf Farbe und Bewegung, vereinigen laͤßt. In der Proportion kann uͤberhaupt gerechnet allerdings Schoͤnheit seyn; nur scheint das Schoͤne des Pflanzenreichs nicht nothwendig durch Proportion bestimmt zu werden. Indem ein beruͤhmter englaͤndischer Kunstrichter wider die erste Be- hauptung streitet, so giebt er daneben der andern eine so große Wahrscheinlichkeit, daß sein Urtheil hier eine Stelle verdient. „Im Pflanzenreich,“ sagt er, Burkes philosoph. Untersuchungen uͤber den Ursprung unsrer Begriffe vom Erha- benen und Schoͤnen. Nach der 5ten engl. Ausg. 8. 1773. S. 148. „finden wir nichts, das so schoͤn sey, als die Blumen. Aber Blumen giebt es fast von jeder Gestalt und von jeder Anordnung der Theile. Die Mannigfaltigkeit der Formen, worin sie von der Natur ausgebildet werden, ist unendlich. Was ist es denn fuͤr eine Proportion, die wir zwischen dem Staͤngel der Blumen und ihren Blaͤttern, oder zwischen den Blaͤttern und den Staubfaͤden gewahr werden? Wie schickt sich der schlanke Stiel der Rose zu dem dicken Kopfe, unter welchem er sich beuget? Aber die Rose ist doch eine schoͤne Blume. Und getrauen wir uns wohl zu sagen, daß sie nicht einen Theil ihrer Schoͤnheit eben diesem Mangel an Proportion zu danken haben koͤnne? Die Rose ist eine große Blume, und waͤchst doch auf einem kleinen Strauche. Die Aepselbluͤte ist sehr klein, und waͤchst auf einem großen Baume. Doch sind beyde, die Rose und die Aepfelbluͤte, schoͤn; und die Pflanzen, worauf sie wachsen, erhalten, dieser Disproportion ungeachtet, durch sie ihren einnehmendsten Schmuck. Welcher Baum kann, der allgemeinen Empfindung nach, schoͤner seyn, als ein Oran- genbaum, der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. genbaum, wenn Blaͤtter, Bluͤten und Fruͤchte zugleich an ihm prangen? Aber um- sonst suchen wir bey ihm ein bestimmtes Maaß der Hoͤhe, Breite und jeder andern Dimension des Ganzen, oder ein bestimmtes Verhaͤltniß der Theile unter einander. Ich gebe zu, daß es Blumen giebt, bey denen man eine regelmaͤßige Figur und eine kuͤnstliche Stellung und Anordnung der Blaͤtter findet. Eine solche Figur und eine solche Anordnung der Blumenblaͤtter hat z. B. die Rose; aber wenn man sie von der Seite ansieht, so geht diese Regelmaͤßigkeit der Figur groͤßtentheils verloren; die Ordnung der Blaͤtter verwirrt sich, und doch bleibt die Rose noch schoͤn. Die Rose ist sogar schoͤner, bevor sie voͤllig aufgebluͤhet ist; und die Knospe ist schoͤner, ehe sie diese regelmaͤßige Figur bekommen hat.“ Dieser Ausnahme im Pflanzenreich ungeachtet kann doch noch aus der Form, die in den bildenden Kuͤnsten einen so wesentlichen Theil der Schoͤnheit bestimmt, auch landschaftliche Schoͤnheit, wiewohl in einer abgeaͤnderten Wendung, entspringen. Zwar genau abgemessene Verhaͤltnisse aller einzelnen Theile zu einem Ganzen hat die Natur in dem menschlichen Koͤrper, dem wichtigsten Gegenstande fuͤr den bildenden Kuͤnstler, beobachtet und zur Nachahmung vorgeschrieben. Allein in den Anlagen reizender Landschaften, wo sie sich in den weiten Massen auch mehr Freyheit, als in einzelnen Werken, die sie vollkommen ausarbeiten wollte, uͤberlassen konnte, hat sie die Genauigkeit der Verhaͤltnisse nicht so sorgfaͤltig beobachtet. Wer kann sagen, daß in den Bekleidungen eines Felsen, die hier aus hohen Tannen, dort aus niederm Gestraͤuch, und da wieder aus Moos bestehen, genaue Beobachtung der Verhaͤltnisse, oder daß in den Staͤmmen eines Waldes, in den Auslagen und Verbreitungen seiner Zweige, in den Farben seines Laubes eine solche Uebereinstimmung herrsche, nach welcher uͤberall die Gruͤnde angegeben werden koͤnnten, warum diese Lage, diese Aus- bildung nur diese und nicht eine andere seyn duͤrfe? Es scheint ohne Widerspruch wahr zu seyn, daß bey der Anordnung der Landschaften die Natur im Allgemeinen eben nicht darauf gerechnet hat, durch eine bestimmte Form der Gegenstaͤnde Schoͤnheit zu geben, weil Gegenstaͤnde einer Art unter so sehr verschiedenen und entgegengesetzten Formen noch immer einer unverfaͤlschten Empfindung als schoͤn erscheinen. Wir fin- den einen Hain schoͤn, der schlanke hohe Baͤume hat, einen andern nicht weniger, der mit niedrigen Staͤmmen versehen ist; er woͤlbe sich zu dichten Schatten, oder er lasse durch geraͤumige Oeffnungen das Spiel des Sonnenlichts durchfallen, er wird uns immer einen frohen Anblick abfordern. Ein Fluß verbreite sich in einem aus- gedehnten Beete durch das Thal hin, oder er falle in verschiedenen Abtheilungen seines Wassers vom Huͤgel herab; er wird in beyden Faͤllen seinen Anspruch auf Schoͤnheit behaupten. Wenn Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden Wenn also in landschaftlichen Gegenstaͤnden durch die Form Schoͤnheit erhalten werden soll, so scheint es, daß dieses nur durch gebogene oder gekruͤmmte Linien geschehen kann. Die gerade Linie ist in der Landschaft nicht schlechterdings und ganz ohne Schoͤnheit. Allein gewiß ist es, daß gebogene Linien eine empfindbare Schoͤn- heit enthalten, einen laͤnger beschaͤftigenden Eindruck machen. Ein Wald, der uͤber einige Huͤgel und Thaͤler fortlaͤuft, und zu den Seiten bald hie bald da einen Arm ausbreitet, ist unstreitig schoͤner, als ein anderer, der gleichsam nach der Schnur ab- gemessen in einer Ebene ruhet. Man koͤnnte sagen, hier ist es Abwechselung, wor- aus Schoͤnheit entsteht; allein die gebogene Linie ist es ja eben, die Abwechselung hervorbringt. Sichtbarer ist es, daß Farbe und Bewegung, als wesentliche Theile, land- schaftliche Schoͤnheit ausmachen. 1. Farbe . Die Natur wollte, daß der Mensch ihre Werke nicht mit Kaltsinnigkeit anse- hen sollte. Sie gab daher den Oberflaͤchen der Koͤrper mittelst des Lichts und der Farben einen solchen Reiz, wodurch sie Vergnuͤgen und Wohlgefallen erwecken und zur oͤftern Betrachtung einladen. Waͤre alles in der Natur einfaͤrbig, wie bald wuͤrde nicht das Auge in dem Anschauen ermuͤden und der Geist Ekel und Ueberdruß em- pfinden; eben diesen Erfolg wuͤrde der Mangel der Lebhaftigkeit und Munterkeit der Farben haben. Die Farben ruͤhren den Menschen uͤberhaupt betrachtet mehr, als die Formen; fuͤr jene braucht er nur das Auge zu oͤffnen, fuͤr diese reicht der bloße Anblick noch nicht zu, wenn er nicht zugleich von Vergleichung und Beurtheilung, also von einem Geschaͤfte des Geistes, begleitet wird. Die Farbe ist gleichsam eine Art von Sprache, womit die leblosen Gegenstaͤnde der Natur zu dem Auge reden, eine Sprache, die uͤberall und in jedem Winkel des Erdbodens verstaͤndig ist. Durch die Farbe erhalten die Gegenstaͤnde eine große Gewalt uͤber die Empfindung; sie erre- gen dadurch das Gefuͤhl der Freude, der Liebe, der Ruhe und andre Bewegungen so maͤchtig, daß man leicht wahrnimmt, daß die Gartenkunst eben so wohl vortheilhafte Wirkungen von den Farben gewinnen kann, als die Natur selbst sie zu dieser Absicht gebraucht. Es ist wahr, die Natur hat eine erstaunliche Mannigfaltigkeit von Farben, die durch Erhoͤhung und Maͤßigung, durch Feuer und sanftere Helle, durch Mischungen und der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. und Verschmelzungen, durch abwechselnde und unerwartete Einfaͤlle des Lichts, durch Spiel und Widerschein ein Schauspiel vorstellen, welches das Auge in der weiten Schoͤpfung nicht praͤchtiger oder schoͤner finden kann. Und diesen Schauplatz der Farbenergoͤtzung eroͤffnet die Natur nicht blos dem Landschaftmaler, sondern auch sei- nem Nebenbuhler, dem Gartenkuͤnstler. Man werfe das Auge auf eine reiche Blumenflur, besonders wenn das koͤnigli- che Geschlecht der Tulpen bluͤhet. Was fuͤr eine wunderbare Mannigfaltigkeit und Herrlichkeit der Farben! Es ist kaum zu begreifen, wie der Britte sein sonst so empfindliches Auge diesen Schoͤnheiten weniger zu goͤnnen scheint, da indessen der Hollaͤnder sie als den hoͤchsten Reiz der Gaͤrten ansieht. Wenn gleich ein Garten oder Park ohne Blumen schoͤn seyn kann, und ein Platz mit den herrlichsten Blumen erfuͤllt noch kein Garten ist; so bietet doch die Natur allein schon durch die Farben der Blumen, wenn wir auch nicht auf ihre balsamischen Ausduftungen achten wollen, so viel Ergoͤtzung an, daß man, ohne ungerecht zu seyn, sie im Garten nicht ganz vernachlaͤßigen kann. So groß auch die Farbenpracht im Blumenreiche ist, so wird sie doch von einem andern Schauspiel noch uͤbertroffen. Dieses Schauspiel, das erhabenste und schoͤnste der uns sichtbaren Natur, auch in Ansehung der Farben, ist die Morgenroͤthe und die untergehende Sonne, mit den unendlich abwechselnden Erscheinungen, die sie beglei- ten: ein Schauspiel, das die groͤßten Dichter zu den trefflichsten Beschreibungen ent- zuͤckte, das einen Lukas van Uden und einen Claude Gille’e, und neben ihnen so viele malerische Genies zu Nachbildungen begeisterte, so weit sie nur der Kunst er- reichbar waren; aber auch ein Schauspiel, das selbst groͤbern Werkzeugen des Auges seine Schoͤnheit empfindbar eindruͤckt. Immer habe ich manche Landhaͤuser und Gaͤrten mit einem geheimen Mitleiden angesehen, die durch umzingelnde Gebaͤude, Mauern oder hohe Baͤume der freyen Aussicht auf dieses hoͤchfte Schauspiel der Na- tur beraubt sind. Moͤchte doch nie der Baumeister und der Gartenkuͤnstler vergessen, dem Auge die Oeffnung zu lassen, wodurch es den Genuß des herrlichsten Anblicks in der Schoͤpfung gewinnen kann! Aber außer der kurzen Pracht der Farben im Blumenreich und beym Aufgange und Untergange der Sonne, hat die Natur fuͤr eine zwar weniger herrliche, allein dauerhaftere, Schoͤnheit der Farben in der allgemeinen Bekleidung der Landschaft ge- sorgt. Das Gruͤne, wohlthaͤtig staͤrkend und erquickend fuͤr das Auge, ist die Haupt- farbe der schoͤnen Landschaft. Aber welche unendliche Abwechselung dieser Farbe durch Erhoͤhung, Verminderung und Verschmelzung, schon in einer einzigen Gegend, und zwar nicht blos durch die Wirkung der allmaͤhlig entweichenden und duftigen Ferne, I Band. Y sondern Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden sondern durch die Wirkung des gegenwaͤrtigen Lichts in den nahen und naͤchsten Gegen- staͤnden, in niedrigen Kraͤutern, in hoͤhern Pflanzen, in Gebuͤschen und Baͤumen! Und hier uͤberlaͤßt die Natur nicht allein dem Gartenkuͤnstler, durch eben die Mannig- faltigkeit und Abwechselung des Gruͤns zu reizen, wodurch sie in der Landschaft reizt; sie verstattet ihm sogar, durch eine sorgfaͤltigere Mischung der Farben sie in dem nachlaͤßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu uͤbertreffen, und durch eine neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleichsam ein Gemaͤlde von hoͤherer Vollkommenheit darstellt. Zur besondern Schoͤnheit der Farben gehoͤrt Helle und Lebhaftigkeit; das Ge- maͤßigte, wie sanftes Blau, Rosenroth, Violet, helles Gruͤn; Abwechselung, mit unmerklichen Abaͤnderungen und sanftfortschreitenden Verbindungen. Wenn das Feuer der Farben dem Gartenkuͤnstler nur in der Pflanzung einiger Blumenarten erreichbar scheint, so kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig- keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gemaͤßigte in den Farben giebt Erquickung und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Froͤhlichkeit, wie das lichtere Blau und Rosenroth. Abwechselung gewaͤhrt durch das fortschreitende Vergnuͤgen Unterhaltung, und beschuͤtzt den Genuß vor Ermuͤdung. Aus diesen Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenkuͤnstler bey seinen Arbeiten leiten muͤssen, entspringen einige allgemeine Hauptgesetze, die er in Absicht auf die Farbengebung zu beobachten hat. 1) Er vermeide Einfaͤrbigkeit, und wisse, daß er gerade der Anweisung der Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Gruͤn waͤhlt. 2) Er denke nie, daß es gleichguͤltig sey, die Farben seiner Pflanzen, Stau- den und Baͤume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fuͤgt, sondern daß Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittelst der Farben eine gluͤckliche Wirkung auf das Auge hervorbringen will. 3) Er sorge vornehmlich fuͤr Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit zu erwecken. Diese Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzuͤglich die naͤchststehenden Gegenstaͤnde beleben, sondern auch die herrschende, die Hauptfarbe seines laͤndlichen Gemaͤldes feyn. 4) Er unterscheide diejenigen Partien seines Platzes, die entweder nach der natuͤrlichen Lage und Beschaffenheit, oder nach der Bestimmung und nach dem Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hinstellung der Gebaͤude u. s. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der abseitige Weg ins Gebuͤsch mag sich mit weniger munterm Gruͤn beschatten. Dunkles und ernsthaftes Laub verlangt die Grotte und die Einsiedeley zu ihrer Umhuͤllung. 5) Er der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. 5) Er studire die Sympathie der Farben, und suche unter verwandten Gat- tungen eine solche Mischung und Verbindung hervorzubringen, daß eine vollstaͤn- dige Harmonie daraus entstehe. Er merke nicht blos, welche Wirkung die Ver- bindung der Farben in der Naͤhe und in dem gegenwaͤrtigen Zeitpunkt thut, son- dern auch, welche sie in einer gewissen Entfernung, in dem Fortlauf der Jahres- zeiten, und selbst nach einigen Jahren haben werde. 6) Er gebe, so viel als moͤglich, seinen Gegenstaͤnden, den natuͤrlichen sowohl als den kuͤnstlichen, einen solchen Ort, eine solche Stellung, daß sie entweder durch die geradezu gehende Erleuchtung, oder durch die gebrochenen Einfaͤlle des Son- nenlichts, wie es Lage und Absicht zulassen und erfordern, sich in einer groͤßern Schoͤnheit erheben. Eine Regel von Wichtigkeit, wogegen aber fast taͤglich ge- suͤndigt wird. Er stelle die vom Thau befeuchtete Blumenflur dem Morgenlichte entgegen, und lasse das Bad im Gebuͤsche von den sanften Blicken der entweichen- den Sonne verguͤlden. Das Sonnenlicht bietet eine Menge von unerkannten Schoͤnheiten fuͤr die Gar- tengegenstaͤnde an. Man begnuͤgt sich zu wissen, daß man ihm wehren kann, um Schutz vor den heißen Stralen zu erhalten; man denkt mit einer gemeinen instinct- maͤßigen Sorge, die auch der Bewohner des Waldes besitzt, auf Bequemlichkeit. Allein man vergißt, wie man das gemaͤßigte Licht zur Verschoͤnerung der Gegenstaͤnde herbeylocken und vertheilen kann; eine Kunst, die der Gartenkuͤnstler dem Landschaft- maler nicht allein uͤberlassen sollte. 2. Bewegung . In Bewegung kann uͤberhaupt schon Schoͤnheit seyn, weil darin Mannigfal- tigkeit und Abwechselung statt findet. In landschaftlichen Gegenstaͤnden ist die Be- wegung unentbehrlich, wenn sie einen dauerhaften Eindruck machen sollen. Die herrlichste Aussicht in eine reizende Gegend wird bald anfangen, uns schwaͤcher zu be- schaͤftigen, wenn sie lauter ruhende und unbewegliche Gegenstaͤnde enthaͤlt, wenn nichts erscheint, das die einfoͤrmige Stille unterbricht und irgend ein Leben verkuͤndigt. Diese Bemerkung haben die groͤßten Landschaftmaler verstanden, die doch in Anse- hung der hervorzubringenden Bewegung dem Gartenkuͤnstler weit nachstehen muͤssen, die Bewegung blos andeuten, nicht aber vor die Empfindung bringen koͤnnen. Sie beleben daher ihre Landschaften bald mit Hirten, bald mit Reisenden, bald mit einer umherirrenden Heerde, bald mit dem Flug der Voͤgel; sie lassen den Wind in dem Laube wehen, den Wasserfall stuͤrzen, und aus den Huͤtten Rauch emporwallen; Y 2 kurz, Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden kurz, sie vergessen nichts, was in ihren nachgebildeten Landschaften den Begriff der Bewegung und des Lebens erzeugen kann. Weit mehr soll der Gartenkuͤnstler auf seinen Platz wirkliche Bewegung zu bringen suchen, weil das Vorbild der Natur und das Beduͤrfniß seines Werks, zur Gewinnung einer hoͤhern Kraft, ihn dazu auffor- dert. Man findet gemeiniglich auch in den kleinsten Gaͤrten springendes Wasser, nicht, wie ich glaube, um allemal in diesem Stuͤck die groͤßern Gaͤrten nachzuahmen, sondern weil man es wirklich fuͤhlt, wie viel Leben und Anmuth die Bewegung giebt. In der That erfrischt nichts mehr, als Bewegung in landschaftlichen Gegenstaͤnden; der schoͤnste Baum gewinnt noch einen neuen Reiz, wenn ein sanfter Wind in seinen Blaͤttern spielt. Wenn der Gartenkuͤnstler das Vergnuͤgen der Bewegung erhalten will, so scheint es, daß er auf diese Punkte seine Aufmerksamkeit richten muß. 1) So viel von seiner Wahl abhaͤngt, finde er zu seinem Garten einen Platz aus, bey welchem die umliegende Gegend bewegliche Aussichten ( vues mou- vantes ) gewaͤhrt, Aussichten auf Doͤrfer, Huͤgel, Felder und Wiesen, wo Heer- den weiden und der Landmann arbeitet, auf Seen und Fluͤsse, die von segelnden Fahrzeugen und Fischern belebt werden, auf Landstraßen in der Ferne, die mit hin und her wandelnden Figuren bedeckt sind u. s. w. 2) Will er im Garten selbst Bewegung anbringen, so suche er sie in Gegen- staͤnden, die ihrer Natur nach einer Bewegung faͤhig sind. Er vermeide also die gewoͤhnlichen Kinderspiele und Kuͤnsteleyen, wodurch man unbewegliche Gegen- staͤnde in Bewegung zu setzen sucht, in der falschen Meynung, dadurch eine gar- tenmaͤßige Verzierung hervorzubringen. 3) Weil zu viel oder zu starke Bewegung zerstreut oder betaͤubt, so bemuͤhe er sich um eine gemaͤßigte Bewegung. Ein brausender Wasserfall, der durch den ganzen Garten stark vernommen wird, stoͤrt die Empfindung der sanftern Schoͤn- heiten, welche die uͤbrigen Gegenstaͤnde einfloͤßen. Die tobenden Wasserkuͤnste sind oft eine Art von Ungeheuern in den Gaͤrten geworden. Ein gelinder Wasser- fall hingegen erfrischt das Auge und das Ohr durch seine Bewegung. 4) Er uͤberlege, durch welche Mittel er Bewegung und Leben hervorbringen kann. Nicht alles hat ihm die Natur uͤberlassen; nicht alles ist auch gleichschick- lich, was er liefern kann. Die Bewegung der Luft und der Wolken, wodurch die Natur die Schoͤpfung allmaͤchtig belebt, behielt sie sich vor; aber sie verstattet ihm, seinen Platz durch andere Mittel zu beleben. Er kann das Wasser bald staͤrker, bald gelinder fließen, es von Absaͤtzen sich hinunterwaͤlzen oder von jaͤhen Anhoͤhen herabstuͤrzen lassen; er kann es leiten und vertheilen, wo er will. Er kann seine schlanken Baͤume und Gebuͤsche dem Winde freystellen. Er kann durch seine der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. seine Blumen Schaaren von buntgeschmuͤckten Insekten, durch seine Schatten ganze Geschlechter von Voͤgeln locken, die durch Umherfliegen und Gesang den Garten beleben. Es giebt eine Art der Bewegung fuͤr das Auge, eine andere fuͤr das Ohr; und beyde nicht blos zu erhalten, sondern sie auch in Einem Zeitraum mit einander zu verbinden, ist in der Macht des Gartenkuͤnstlers. Vornehmlich sind es die Geschlechter der Thiere, womit die Natur ihre schoͤ- nen Landschaften belebt; der Gartenkuͤnstler versaͤume nicht, ihr darin nachzufolgen. Er locke am meisten wildes Gefluͤgel in seine Reviere, durch Schatten, durch Wasser, durch Verhinderung der gewoͤhnlichen Nachstellungen. Gerne wird die Nachtigall, die Wachtel, die Lerche und so mancher andere einheimische Vogel in unsern Gaͤrten, unter dem Schutze des Gastrechts, seine Wohnung nehmen, seine junge Brut ver- pflegen, und bald sich in zahlreiche Familien ausbreiten. Und welche anmuthige Ge- sellschaft und Aufheiterung, sich uͤberall von froh herumfliegenden melodiereichen Voͤ- geln oder doch von solchen Geschlechtern, die durch ihre Gestalt und Farben ergoͤtzen, umgeben zu sehen! Wer die gefiederten Saͤnger aus seinem Garten verbannt, oder ihnen doch nicht Anlockung und sichern Aufenthalt genug verschafft, der muß gar kei- nen Begriff von der Wollust der Bewegung und des Lebens haben, die er ihm da- durch raubt. Es ist nicht blos Vergnuͤgen, es ist auch Ruhm fuͤr den Gartenbesitzer, das furchtsame Gefluͤgel durch freundliche Begegnung zu einem Grad der Zahmheit zu gewoͤhnen. Y 3 III. Von Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden III. Von der Anmuthigkeit und Lieblichkeit . D ie Wirkung der Schoͤnheit, sie mag aus Farbe oder Bewegung entspringen, ist diese, daß sie mit dem Augenblick, worin sie sich in die Einbildungskraft ergießt, lebhaftes Vergnuͤgen erweckt. Allein es giebt an den Gegenstaͤnden in ihrer Lage und Verbindung noch Eigen- schaften, wodurch sie weniger lebhaft vergnuͤgen, wodurch sie nicht bezaubern, sondern nur einnehmen. Diese Eigenschaften sind Anmuthigkeit und Lieblichkeit. Sie sind mit Schoͤnheit so nahe verwandt, daß es schwer ist, die Familienzuͤge so genau zu entwickeln, um jede Person fuͤr sich durch bestimmte Merkmale unterschieden darzu- stellen. Gleichwohl ist Schoͤnheit nicht Anmuthigkeit oder Lieblichkeit, und letztere sind nicht Schoͤnheit; welches die Empfindung schneller, und, wie es scheint, auch sicherer entscheidet, als das Raisonnement. Der Unterschied der Wirkungen auf das Gefuͤhl scheint am besten die Kennzeichen des Schoͤnen und des Anmuthigen fuͤhlbar zu machen. Zwischen Anmuthigkeit und Lieblichkeit ist der Zwischenraum so unmerklich, daß er sich kaum bezeichnen laͤßt; die Empfindung schluͤpft hier so schnell in einander, daß die Muͤhe ganz vergeblich scheint, sie zur Pruͤfung anzuhalten, um zu erfahren, wo die Graͤnze sey, wo das Anmuthige aufhoͤre und das Liebliche anfange. In- dessen scheint uns eine geheime Stimme des feinern Gefuͤhls zu verstehen zu geben, daß Lieblichkeit ein hoͤherer Grad von Anmuthigkeit sey, und tiefer, als diese, in den innern Sinn eindringe, daß das Anmuthige mehr die Phantasie, das Liebliche aber mehr die Empfindungskraft beruͤhre. Da sich hier kein deutlicher Unterschied ent- wickeln laͤßt, so wollen wir unter Anmuthigkeit und Lieblichkeit einerley Sache be- greifen. Die Wirkung der Annehmlichkeit ist von der Wirkung der Schoͤnheit unter- schieden. Wenn diese lebhaftes, starkes, auch wohl begeisterndes Vergnuͤgen giebt, so gewaͤhrt jene eine sanftere Bewegung der Seele, eine stille Zuneigung des Gemuͤths zu dem Gegenstande, ein gelassenes und verweilendes Behagen uͤber seine Betrach- tung. Das Anmuthige ist also von dem Großen, Erhabenen, Praͤchtigen und Schoͤnen unterschieden. Seine Eindruͤcke sind viel schwaͤcher; aber sanft und erhei- ternd. Es staͤrkt zwar nicht, wie eine nahrhafte Speise; aber es giebt eine Erfri- schung, wie auf einer wohlbesetzten Tafel ein Aufsatz von milden Fruͤchten. Es ist nur Seelen empfindbar, die von einer ruhigen Denkungsart und von einer besondern Feinheit der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Feinheit des Gefuͤhls sind; bey andern, deren Empfindung gleichsam mit einer har- ten Schale umgeben ist, dringt es nicht durch. Die Schoͤnheit gebietet; die An- muthigkeit schmeichelt sich ein. Bey dem Anmuthigen liegt also eine gewisse Maͤßigung zum Grunde; Maͤßi- gung in Licht und Farbe, Maͤßigung in der Bewegung, es sey Bewegung fuͤr das Auge oder fuͤr das Ohr. Der Regenbogen in dem vollen Glanz seiner Farben ist schoͤn; er ist anmuthig in der allmaͤhligen Verloͤschung seines Schimmers. Die freyen Stralen der Morgensonne sind schoͤn; anmuthig, wenn sie gebrochen durch die gruͤnen Blaͤtter einer Laube fallen. Das gluͤhende Gold der Abendsonne am west- lichen Himmel ist schoͤn; anmuthig der Widerschein, das Spiel des Lichts, der da- zwischen aufsteigende Duft, womit sie die Landschaft uͤberstreut. Die farbenreiche Tulpe ist schoͤn, die bescheidene Viole anmuthig; der Wasserfall ist schoͤn, die mur- melnde Quelle anmuthig; der frohe Schlag der Nachtigall ist schoͤn, ihr Seufzer in der Abenddaͤmmerung anmuthig. Ich weiß nicht, ob das Gefuͤhl anderer mit dem meinigen in diesem Punkte zusammentrifft; indessen moͤchte ich fast mit Gewißheit annehmen, daß der Unterschied in den angegebenen Verhaͤltnissen wirklich der ist, wie ihn das Gefuͤhl bestimmt, wenigstens fuͤr uns so lange bestimmt, bis ein deutlicher Begriff uns eines andern uͤberfuͤhren wuͤrde. Um der Gartenkunst naͤher zu kommen, wird eine Beobachtung zu bemerken seyn, die in Ansehung des Anmuthigen einen allgemeinen Grundsatz anbietet. Wir finden, daß die Natur aus dem Anmuthigen und Lieblichen selten allein ein ganzes Gemaͤlde entwirft; vielmehr finden wir, daß sie es unter dem Großen, Mannigfalti- gen und Schoͤnen vermischt. Wir sehen auch, daß diejenigen Dichter, die man im engern Verstande malende Dichter zu nennen pflegt, die uns die Jahreszeiten und laͤndliche Scenen schildern, sich bey den Auftritten der Natur nicht auf das Anmuthi- ge allein einschraͤnken, sondern es in dem Ganzen stellenweise vertheilen. Die Natur ist hier Lehrerinn. Sie vernachlaͤßigt nicht das Anmuthige, weil es seine Wirkung hat; allein sie waͤhlt es auch nicht allein, weil sodann seine Wirkung zu schwach seyn wuͤrde; sie verbindet es vielmehr mit Gegenstaͤnden von hoͤhern Kraͤften, um durch die Mischung einen desto mannigfaltigern und angenehmern Eindruck zu machen. Nach dieser Anweisung suche der Gartenkuͤnstler anmuthige und liebliche Gegenstaͤnde in der Natur fuͤr seinen Platz aus, sehe sie nicht als ein Ganzes, sondern nur als Theile an, und vereinige sie als solche mit dem uͤbrigen wichtigern Vorrath, woraus er sein Werk bilden will. Weil Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden Weil sich vortreffliche Dichter, die aus der Natur malen, nach ihren Vorbil- dungen richten; so ist es schwer, aus ihnen Stellen auszuzeichnen, wo das Anmuthige nicht zugleich mit dem Schoͤnen vermischt waͤre, wenn gleich einige, wie Thomson, mehr das Schoͤne, andere, wie Geßner, mehr das Anmuthige hervorstechen lassen. Indessen betrachte man von dem letztern ein Gemaͤlde des laͤndlich Anmuthigen. Idylle: der Wunsch. „Im gruͤnen Schatten woͤlbender Nußbaͤume stuͤnde mein einsames Haus, vor dessen Fenstern kuͤhle Winde und Schatten und sanfte Ruhe unter dem gruͤnen Gewoͤlbe der Baͤume wohnen; vor dem friedlichen Eingang einen klei- nen Platz eingezaͤunt, in dem eine kuͤhle Brunnquelle unter dem Traubengelaͤn- der rauschet, an deren abfließendem Wasser die Ente mit ihren Jungen spielte, oder die sanften Tauben vom beschatteten Dach herunterfloͤgen und nickend im Grase wandelten, indeß daß der majestaͤtische Hahn seine gluchzenden Hennen im Hof umherfuͤhrt; sie wuͤrden dann auf mein bekanntes Locken herbeyflattern ans Fenster, und mit schmeichelndem Gewimmel Speise von ihrem Herrn for- dern; auf den nahen schattenreichen Baͤumen wuͤrden die Voͤgel in ungestoͤrter Freyheit wohnen, und von einem Baum zum andern nachbarlich sich zurufen und singen.“ IV. Von der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. IV. Von der Neuheit und dem Unerwarteten . N euheit giebt eine der lebhaftesten Bewegungen, und fast mehr als Schoͤnheit und Groͤße. Sie kann theils in dem Gegenstande selbst, theils aber auch in der Art der Erscheinung eines Gegenstandes liegen. Landschaftliche Gegenstaͤnde koͤnnen fuͤr einen Menschen von gewissen Jahren selten lauter Neues mehr haben; es scheint also, daß Neuheit hier mehr in der Lage und Verbindung zu suchen ist, wodurch ein Gegenstand einen Grad von dem Reiz gewinnt, als wenn er selbst fuͤr uns neu waͤre. Weil aber die Bewegung der Neuheit von einer kurzen Dauer ist, so muͤssen die Ge- genstaͤnde zugleich entweder durch Groͤße oder durch Schoͤnheit ruͤhren. Indem diese, durch ihre eigenen Eindruͤcke, die sie zu der Bewegung der Neuheit hinzufuͤgen, sie erhoͤhen, so setzen sie auch ihre Einwirkungen noch fort, wenn jene Bewegung der Neuheit anfaͤngt schwaͤcher zu werden, oder allmaͤhlig verschwindet. Unterscheidet man Neuheit des Ganzen, und Neuheit in den Theilen und zu- faͤlligen Veraͤnderungen; so sieht man leicht, daß in einem weitern Verstande und mit groͤßerm Recht landschaftliche Gegenstaͤnde durch Neuheit bewegen koͤnnen. Freylich ruͤhrt uns ein Gegenstand mehr, der ganz neu fuͤr uns ist, als ein anderer, bey dem wir blos in den Theilen und Veraͤnderungen Neuheit antreffen. Allein doch bringt diese ihre Bewegung hervor. Ein Wald ist kein neuer Gegenstand fuͤr uns; allein mit dem jungen Laube, womit er sich im Fruͤhling bekleidet, nimmt er fuͤr uns den Reiz des Neuen an. Eine Rose ist nichts Neues fuͤr uns; allein wie ergoͤtzt uns nicht die erste aufgebrochene Knospe, die wir am Rosenstock finden. Die Natur laͤßt an den Gegenstaͤnden, die wir taͤglich vor Augen haben, auch taͤglich Veraͤnde- rungen erscheinen, durch deren Neuheit die Gegenstaͤnde eine anziehende Kraft behal- ten. Welche Menge von neuen Erscheinungen im ganzen Pflanzenreiche, und selbst an einer einzigen Blume! Solche Gegenstaͤnde soll also der Gartenkuͤnstler suchen, in welchen die Natur selbst durch eine ununterbrochene Fortwirkung immer neue Ver- aͤnderungen hervorbringt. Sind sie nicht weit uͤber die todten Kunstwerke erhoͤht, zu welchen man gemeiniglich seine Zuflucht nimmt, wenn man einen Garten durch etwas Neues angenehm machen will? Allein weil Neuheit auch auf gewisse Weise durch den Gesichtspunkt erhalten werden kann, aus welchem man einen Gegenstand erblickt, und weil die Natur auch auf diesem Wege Neuheit verschafft; so darf auch der Gartenkuͤnstler dieses Mittel der Ergoͤtzung nicht mit Gleichguͤltigkeit ansehen. Von wie vielen Seiten ist nicht einerley Gegenstand eines Anblicks faͤhig, wobey er jedesmal anders erscheint! Bald I Band. Z in Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden in der Naͤhe, bald in der Entfernung, bald frey, bald halb verdeckt, bald in dieser, bald in jener Stellung und Verbindung erblickt, kann er wenigstens auf einige Au- genblicke eine solche taͤuschende Wirkung gewinnen, als wenn an seiner Stelle immer ein ganz neuer Gegenstand hervortraͤte. In der Wissenschaft, durch neue Gesichts- punkte den Sachen selbst eine Art von Neuheit zu verschaffen, liegt einer der groͤßten Vortheile fuͤr den Gartenkuͤnstler. — Daß auch in Abwechselung und in Bewegung Neuheit seyn kann, darf nur angezeigt und nicht erst entwickelt werden. Mit dem Neuen ist das Unerwartete zwar nicht einerley, aber doch nahe ver- wandt. Die Wirkung des Neuen bey angenehmen Gegenstaͤnden ist Verwunderung, die belustigt; die Wirkung des Unerwa rteten bey eben einer solchen Art von Gegen- staͤnden ist Ueberraschung, ein lebhafteres Gefuͤhl, das in einem hoͤhern Grade belu- stigt. Es ist sichtbar, daß der Gegenstand, der angenehm uͤberraschen soll, auch die dazu erforderlichen Eigenschaften haben muß; und dabey wird man auch leicht eingestehen, daß keine andere als solche Gegenstaͤnde sich fuͤr die Bestimmung des Gartens schicken, indem widrige, ekelhafte und fuͤrchterliche Ueberraschungen nicht damit uͤbereinstimmen. Da Ueberraschung aus der unerwarteten oder ploͤtzlichen Erscheinung eines Gegenstandes entsteht, und indem sie auf einmal die gewoͤhnliche Folge unsrer Ideen unterbricht, sich durch eine starke Bewegung aͤußert; so ist sie als ein treffliches Mittel anzusehen, die Eindruͤcke eines Gartenplatzes, der dazu frey- lich Ausdehnung und viel natuͤrliche Anlage haben muß, zu erhoͤhen. Weil das oͤftere Wiedersehen einerley Gegenstaͤnde und die laͤngere Bekannt- schaft mit ihnen, auch in den angenehmsten Gegenden, allmaͤhlig den Geschmack an denselben schwaͤcht, eine gewoͤhnliche Wirkung, die nicht in den Dingen, sondern in der Einrichtung unsrer Natur ihren Grund hat; so soll das Unerwartete dem Ge- schmack wieder eine Staͤrke geben. Die Beobachtung dieses Gesetzes ist nicht ohne Schwierigkeit; und selbst das, was das erstemal unerwartet war und als unerwartet uͤberraschte, ist es das zweyte und drittemal nicht mehr, wenigstens nicht in dem Grade, wie vorher. Die ganze Fuͤlle der Ueberraschung gewaͤhrt die wunderbar bil- dende Natur mehr dem Reisenden in groͤßern Landschaften, besonders in denen, die viele Huͤgel und Berge haben, wie die Schweiz. Allein weil doch der Gartenkuͤnst- ler daran arbeiten soll, daß die Gegenstaͤnde nicht blos unterhaltend bleiben, sondern auch lange und stark beschaͤftigen; so soll er keine Gelegenheit versaͤumen, wo er ange- nehm uͤberraschen kann. Hiezu kommt noch die Betrachtung, daß, wenn auch die erste Bewegung sich wieder verliert, doch immer eine angenehme Wiedererinnerung zuruͤckkehrt, so oft wir an den Ort kommen, wo die Ueberraschung geschah, oder den Gegenstand sehen, der diese Wirkung auf uns hatte. Und wenn alljaͤhrlich ein ge- wisser Aufwand fuͤr einen Garten gemacht werden kann, so wird es leicht seyn, durch manche der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. manche Veraͤnderungen die Wirkung der Ueberraschung zu erhalten, ohne dem eigen- thuͤmlichen Charakter des Gartens Eintrag zu thun. Aus diesen Bemerkungen entspringen die allgemeinen Regeln fuͤr den Gartenkuͤnstler. 1) Er mache nie seine Anlagen so, daß bey dem ersten Anblick der Plan des Ganzen auf einmal in die Augen faͤllt. Er lasse nicht uͤbersehen, noch rathen, welche Scene jedesmal folgen werde. Je mehr er verbergen kann, desto lebhafter wird die ploͤtzliche Erscheinung bewegen. Wo man am wenigsten vermuthete, da ist die Ueberraschung am angenehmsten. 2) Er sehe auf die Gegenstaͤnde, Lagen, Aussichten u. s. w. wodurch er uͤber- raschen will. Es ist nicht genug, daß sie angenehm und uͤberhaupt faͤhig sind, gartenmaͤßige Empfindungen zu erwecken; sie muͤssen auch erheblich, ausgewaͤhlt, hervorstechend seyn. Das Gemeine, wenn es auch noch so ploͤtzlich erscheint, bringt nur eine geringe Wirkung hervor. 3) So wird auch ohne Mannigfaltigkeit und Abwechselung die Wirkung nur schwach seyn. Wenn nach einem Gegenstande, der uͤberraschte, eben derselbe oder ein aͤhnlicher wieder erscheint; so hat er schon den groͤßten Theil seiner Kraft fuͤr uns bewiesen, und wir wandeln weniger bewegt oder gar gleichguͤltig voruͤber. Viele und sehr verschiedene Gegenstaͤnde, alle in einer unerwarteten Erscheinung, erzeugen eine an einander hangende Reihe der angenehmsten Bewegungen, die unsre Seele weit uͤber ihren alltaͤglichen Empfindungskreis hinausheben. 4) Aber sorgfaͤltig huͤten soll sich der Gartenkuͤnstler, daß er aus Liebe zur Ue- berraschung nicht auf spitzfindige Erkuͤnstelungen, auf Spielwerke und Dinge falle, die unter der Wuͤrde eines Gartens sind, in welchem nicht weniger, wie in jedem andern Werk der Kunst, gesunde Vernunft und reiner Geschmack herrschen soll. Z 2 V. Vom Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden V. Vom Contrast . C ontrast, eine Art von Abwechselung, die aus der Vergleichung eines Gegenstan- des mit einem andern ihm unaͤhnlichen entspringt, ist ein Mittel, sehr lebhafte Bewegungen hervorzubringen, und den Einwirkungen der Gegenstaͤnde staͤrkern Nachdruck zu geben. Die Natur bedient sich desselben in ihren herrlichsten Landschaf- ten; und verstaͤndige Maler haben in ausgedehnten Stuͤcken mit Vo r theil ihre Vor- bildung genutzt. Man wird nicht leicht eine trefflichere Schilderung von einer aus- gebreiteten Landschaft finden, worin die Gegenstaͤnde stark contrastiren, als die ist, welche Brydone von der Gegend um Neapel giebt. Reise durch Sicilien und Malta ꝛc. Aus dem Engl. 1ster Th. 2ter Br. 8. 1774. „Wir befanden uns bald, mitten in dem Meerbusen von Neapel, von den schoͤnsten Aussichten und Schauplaͤtzen von der Welt umgeben. Der ganze Raum des Meerbusens, der mit allen seinen Kruͤmmungen und Ungleichheiten einen weiten Umfang hat, erhaͤlt durch alle die Reichthuͤmer der Kunst und der Natur eine so wun- derbare Mannigfaltigkeit, daß fast nichts fehlt, um das Schauspiel ganz vollkommen zu machen; und es ist schwer zu sagen, ob die Aussicht wegen der Sonderbarkeit vie- ler dieser Gegenstaͤnde, oder wegen der unglaublichen Mannigfaltigkeit des Ganzen angenehmer sey. Eine bewundernswuͤrdige Vermischung von Altem und Neuem, von Dingen, wovon einige sich emporheben und beruͤhmt werden, und andere zu Grunde gehen; Palaͤste, die sich uͤber den Spitzen anderer Palaͤste erheben, und alte Pracht und Herrlichkeit, die von neuerer Thorheit unter die Fuͤße getreten wird; we- gen ihrer Fruchtbarkeit ehemals beruͤhmte Berge und Inseln, die in kahle unfrucht- bare Wuͤsteneyen, und unfruchtbare Wuͤsteneyen, die in fruchtbare Felder und reiche Weinberge verwandelt sind; Berge, die zu Ebenen herabgesunken, und Ebenen, die zu Bergen aufgeschwollen; Seen, die von Vulcanen ausgetrocknet, und ausgeloͤschte Vulcane, die zu Seen geworden sind. Die Natur scheint diese Kuͤste in ihrer son- derbarsten Laune gebildet zu haben; jeder Gegenstand, den man hier erblickt, ist ein Spiel der Natur. Sie scheint nirgends ernsthaft zu Werke gegangen zu seyn, son- dern diesen ganzen Fleck der unumschraͤnktesten Aeußerung ihres Eigensinnes und ihrer Lustigkeit gewidmet zu haben. Ein wenig nach Westen liegen die Inseln Ischia, Procita und Nisida; das beruͤhmte misenische Vorgebirge; die Gefilde von Baja, Cuma und Puzzoli; die so malerisch gelegene Stadt Puzzoli mit dem uͤber ihr rauchenden Solfatara; das schoͤne Vorgebirge Pansilipo, welches das angenehmste Schau- der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Schauspiel darbietet, das man sich nur vorstellen kann; die große und reiche Stadt Neapel mit ihren drey Castellen, ihrem mit Schiffen von allen Nationen angefuͤllten Hafen, ihren Palaͤsten, Kirchen und unzaͤhligen Kloͤstern; der praͤchtige Landstrich von hier nach Portici, der mit schoͤnen Landhaͤusern und Gaͤrten bedeckt ist, und nichts anders, als eine Fortsetzung der Stadt, zu seyn scheint; der Palast des Koͤ- nigs mit vielen andern, die ihn umgeben, alle uͤber den Daͤchern der vormaligen Pa- laͤste von Herkulaneum erbauet, die durch die Ausbruͤche des Vesuvs beynahe hundert Fuß tief begraben worden; die schwarzen Felder von Lava, mit Gaͤrten, Weinbergen und Baumgaͤrten untermischt; der Vesuv selbst in dem hintern Grunde des Schauplatzes, der Buͤndel von Feuer und Rauch auswirft, die in der Luft uͤber unsern Haͤuptern breite Striche machen, welche sich, ohne gebrochen oder zerstreut zu werden, bis an den aͤußersten Rand des Horizonts erstrecken; eine Menge von schoͤnen Staͤdten und Doͤrfern rund um den Fuß des Berges, unbekuͤmmert wegen des uͤber ihnen haͤngenden Verderbens, unter ihnen zum Theil die geheiligten Woh- nungen der alten Roͤmer. An den Berg stoͤßt die ausgedehnte und romantische Kuͤ- ste von Castello Mare, Sorrentum und Mola, wo sich alle malerische Gegen- staͤnde der Natur in der groͤßten Mannigfaltigkeit zeigen.“ — Man stelle sich diese Aussichten vor, wie sie Brydone genoß, aus der Mitte des Meerbusens, bey einer Windstille, an einem heitern Nachmittage des Maymonats, in Stunden, wo die Sonne sich allmaͤhlig ihrem Untergange naͤhert und allen Scenen ein schoͤneres Licht zuwirft; diese Aussichten in eine solche ausgebreitete und mit dem groͤßten Contrast so vieler Gegenstaͤnde erfuͤllte Landschaft — und man fasse, so weit es die Phantasie vermag, den ganzen Genuß der Bewegungen, die sie hervorbringen mußten. Die Natur zeigt wenig Landschaften, in welchen der Contrast so hervorstechend ist, als in der eben angezeigten. Allein dem ohngeachtet ergoͤtzt sie in allen Revieren von einigem Umfang durch gewisse Grade des Contrastes; und so wie der Landschaftmaler dieser Anleitung folgt, so soll auch der Gartenkuͤnstler sie nicht aus der Acht lassen. Zuvoͤrderst sind in Ansehung der Hervorbringung des Contrastes diese allgemei- nen Bemerkungen wahrzunehmen. 1) Nur in groͤßern Landschaften, und nicht in einer abgezirkelten laͤndlichen Gegend, ergoͤtzt eigentlich die Natur durch den Contrast der Gegenstaͤnde. Der Garten, worin Bewegungen dieser Art hervorgebracht werden sollen, muß daher von einem nicht geringen Umfang seyn, wobey entweder schon die Natur vorgear- beitet hat, oder doch die noͤthigen Anlagen sich mit Bequemlichkeit machen lassen. Auf einem kleinen Platz Contrast suchen, wuͤrde Ueberladung und also Verwirrung werden. Z 3 2) Man Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden 2) Man suche nicht zu aͤngstlich und nicht uͤberall Gegenstellung in den Gaͤr- ten anzubringen. Die Beobachtung der Natur lehrt uns, daß sie sich einer ge- wissen bedaͤchtigen Nachlaͤßigkeit uͤberlaͤßt, wenn sie Gegenstaͤnde mit einander in einen Contrast setzt, und daß sie nicht an allen Stellen Ungleichheit und auffal- lende Abstechung hinzulegen bemuͤhet ist, sondern vielmehr oft eine Reihe von aͤhn- lichen Scenen folgen laͤßt. Das Widerspiel wuͤrde nur zu dem Seltsamen und Gezwungenen verleiten. 3) Der Contrast kann statt haben entweder bey Gegenstaͤnden, die von einer ganz entgegengesetzten Art und Beschaffenheit sind, oder bey Gegenstaͤnden von einer Art, die nur in Ansehung ihrer Eigenschaften unaͤhnlich sind. Die erste Art des Contrastes wirkt freylich staͤrker; allein sie ist mit vieler Vorsicht auf einem Gartenplatz anzubringen, weil der Gartenkuͤnstler sich leicht verirren kann, Ge- genstaͤnde aufzustellen, die nicht mit dem Ganzen harmoniren, und wohl gar die Hauptbewegung stoͤren. Dieser Contrast herrscht vornehmlich in Landschaften, und kann auch in ausgedehnten Parks sehr leicht seine Stelle erhalten. Die an- dere Art des Contrastes ist gewoͤhnlicher in eingeschraͤnktern Gaͤrten, aber von einer schwaͤchern Wirkung. Man suche, so viel es der Raum und die Bestimmung des Gartens, die man nie aus dem Gesichte verlieren soll, verstatten, beyde Arten des Contrastes geschickt mit einander zu vereinigen. 4) Weil man oft der ersten Art des Contrastes gar zu anhaͤngig war, so sind dadurch die sonderbarsten Uebertreibungen entstanden. Man wollte gewisse ro- mantische Scenen der Natur nachahmen, die sie nur hie und da als Spiele ihrer Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeschmackte; zumal da man an- fieng, aus dem, was bey der Natur nur seltene Erscheinung ist, ein eigenes Haupt- werk zu machen. Dieser Tadel trifft nicht unsre gewoͤhnlichen Gaͤrten, die noch weit davon entfernt sind, sondern einige Parks der Englaͤnder und am meisten die Gaͤrten der Chineser, wie man sie uns wenigstens beschreibt. Daß diese die Gegeneinandersetzung nach der Zuͤgellosigkeit des orientalischen Geschmacks uͤber- treiben moͤgen, daruͤber darf man sich nicht wundern; aber wohl daruͤber, daß Chambers diese Ausschweifung billigt. „Den angenehmen Scenen,“ sagt er, „setzen die Chineser die fuͤrchterlichen entgegen. Diese sind eine Zusammensetzung duͤsterer Gehoͤlze, tiefer, der Sonne un- zugaͤnglicher Thaͤler, uͤberhangender unfruchtbarer Felsen, dunkler Hoͤhlen und unge- stuͤmer Wasserfaͤlle, die sich von allen Seiten von den Bergen herabstuͤrzen. Die Baͤume sind uͤbel gestaltet, aus ihrem natuͤrlichen Wachsthum herausgezwungen, und dem Anscheine nach von der Gewalt der Gewitter zerrissen. Einige sind ausge- rissen der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. rissen und hemmen den Lauf der Stroͤme; andere sind wie vom Blitz verbrannt und zerschmettert. Die Gebaͤude sind Ruinen, oder halb vom Feuer verzehrt, oder durch die Wut der Gewaͤsser weggespuͤlt.“ — So weit moͤchte alles dieses noch leidlich seyn, und so weit hat man auch zum Theil die Nachahmung schon getrieben. Aber nun! „Fledermaͤuse, Eulen, Geyer und alle Raubvoͤgel flattern in den Gehoͤlzen umher; Woͤlfe und Tiger heulen in den Waͤldern; halb verhungerte Thiere schleichen uͤber die Haiden; Galgen, Kreuze, Raͤder und alle Torturwerkzeuge kann man von den Landstraßen her sehen. In dem schrecklichen Innern der Waͤlder, wo die Wege uneben und mit Unkraut bewachsen sind, stehen dem Gott der Rache geweihete Tem- pel. Neben allem diesen sieht man steinerne Pfeiler mit Beschreibungen tragischer Begebenheiten und allerhand schrecklichen Handlungen der Grausamkeit. Dazu kommen abgelegene Oerter, die mit kolossalischen Figuren von Drachen, hoͤllischen Furien und andern graͤßlichen Gestalten angefuͤllet sind.“ — Was Chambers mehr davon erzaͤhlt, zeugt, wie dieses, von einer Ausschweifung, die vielleicht nicht weiter getrieben werden kann. Das Seltsamste ist, daß diese Scenen des Schreckens des- wegen angelegt werden, um die Wirkungen der angenehmen Auftritte durch den Con- trast zu heben. Wenn alles sich wirklich so verhielte, wer haͤtte noch Lust oder Muth in diese scheußlichen Gegenden zu treten? Und welchem Menschen von gesundem Ge- fuͤhl koͤnnten solche Verunstaltungen der schoͤnen Erde Gottes gefallen? Wenn es gleich nicht zu vermuthen ist, daß unsere traͤge oder maͤßigere Ein- bildungskraft jemals zu einer Art solcher Ausschweifungen sich verirren sollte; so ver- dient doch hier bemerkt zu werden, daß alle Gegenstaͤnde von der fuͤrchterlichen Gat- tung sich nicht mit der Bestimmung der Gaͤrten vertragen, man mag sie aus blos zufaͤlligen Grillen ergreifen, oder aus Liebe der Neuheit und des Contrastes waͤhlen. Auch die, welche nur einen geringen Grad des Fuͤrchterlichen enthalten, lassen sich selbst auf groͤßern Plaͤtzen so schwer in eine gluͤckliche Verbindung mit dem Ganzen bringen, daß man sie eher abrathen als zulassen muß. Wir haben in den meisten Gaͤrten Verzierungen, die zwar nicht zu dem Fuͤrch- terlichen, doch zu dem Widrigen gehoͤren: die Nachbildungen von Ungeheuern des Landes und des Wassers, von Riesen, Herkulessen, Drachen und Loͤwen, die Wasser speyen, Wallfischen u. s. w. Als man sie einfuͤhrte, war man weit entfernt, irgend eine Art des Contrastes dadurch hervorbringen zu wollen; man ergriff sie, weil man zur Zeit nichts bessers bey der Hand hatte, oder weil man glaubte, daß bey einem Bassin auch nothwendig ein Wallfisch abgebildet seyn muͤsse. Indessen war es ein Schritt naͤher nicht blos zum Widersinnigen, sondern auch die edlere Einwirkung eines anmuthigen Platzes zu verderben. Doch Erster Abschnitt. Von den Gegenstaͤnden Doch ich komme wieder zu dem wahren Contrast in gartenmaͤßigen Gegenstaͤn- den. Weil indessen schon vor mir Home Grundsaͤtze der Kritik. daruͤber eine richtige Vorschrift gegeben, die das enthaͤlt, was ich allenfalls daruͤber sagen moͤchte, so darf ich sie hier nur an- fuͤhren. „Die Bewegungen,“ sagt er, „welche durch die Gartenkunst erregt wer- den, sind aufs Beste so schwach, daß man sich jedes Vortheils bedienen sollte, um sie zu ihrer aͤußersten Staͤrke zu bringen. Man kann ein Stuͤck Landes zu großen, lieblichen, muntern, zierlichen, wilden, melancholischen Scenen anlegen. Wenn diese verschiedenen Scenen in einem Fortgang gesehen werden, so muß man die gro- ßen mit den lieblichen, die regelmaͤßigen mit den wilden, die muntern mit den melan- cholischen contrastiren, so daß immer eine Bewegung auf die entgegengesetzte folge. Ja man erhoͤht das Vergnuͤgen noch, wenn man den Fortgang durch rauhe unange- bauete Striche sowohl, als durch weite unbeschraͤnkte Prospecte unterbricht, die an sich selbst unangenehm sind, aber in dem Fortgange das Vergnuͤgen fuͤr die angeneh- men Gegenstaͤnde erhoͤhen. Wir haben hierin die Natur zur Fuͤhrerinn, die oft ihre schoͤnsten Landschaften mit rauhen Felsen, kothigen Suͤmpfen, duͤrren und steinigen Haiden untermengt.“ So weit hat Home Recht. Aber bald nachher verfuͤhrt ihn seine Theorie zu Vorschlaͤgen, die uͤbertrieben sind. Gaͤrten bey großen Staͤdten naͤmlich sollten einen Schein von Einsamkeit ha- ben. Dagegen muͤsse ein Garten in einem oͤden Lande mit der Einsamkeit der Ge- gend in Contrast gebracht werden; keine Tempel, keine dunkeln Gaͤnge, sondern sprin- gende Wasser, Cascaden, lebhafte, muntre, schimmernde Gegenstaͤnde. Ja man sollte sogar in einem solchen Garten die Nachahmung der Natur vermeiden, und ihm das Ansehen einer außerordentlichen Kunst und Regelmaͤßigkeit geben, um die ge- schaͤftige Hand des Menschen sehen zu lassen. — Dies ist eine von den blendenden willkuͤhrlichen Forderungen, die Home macht, um die Anwendbarkeit seiner sonst so tiefsinnigen Theorie durchzusetzen. Hier ist aber nicht allein Widerspruch mit seinen uͤbrigen Grundsaͤtzen von der Gartenkunst, sondern auch eine Behauptung, der bey aller anscheinenden Wahrheit noch immer andre Gruͤnde sich entgegensetzen. So we- nig als irgend ein fuͤr sich bestehendes Werk der Kunst deswegen von seiner ihm eigen- thuͤmlichen Einrichtung ganz abweichen darf, um den Regeln eines andern Werks, womit es in einer zufaͤlligen Verbindung steht, anhaͤngig zu werden; so wenig darf die Nachbarschaft einer Stadt oder die Beschaffenheit einer Gegend eine solche Veraͤn- derung in dem Charakter eines Gartens verursachen. Wuͤrden Gaͤrten blos zur Aus- schmuͤckung einer Gegend oder einer Landschaft, blos fuͤr die Ergoͤtzung der Reisenden angelegt, und zwar mit einer solchen Ausdehnung, daß allein nur die Eindruͤcke einer Gegend der schoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. Gegend durch einen Garten gehoben werden sollten; so wuͤrde jener Vorschlag seine Richtigkeit haben. Aber dann waͤr ein solcher Garten nur als ein Mittel, die Land- schaft zu verschoͤnern, nicht aber als ein Werk, das fuͤr sich besteht, anzusehen. Soll ein Garten seinen eigenen Grundsaͤtzen unterwuͤrfig seyn, so kann er nicht von den Eigenschaften eines ihm benachbarten Gegenstandes eine Veranlassung nehmen, seine innere Einrichtung darnach umzuaͤndern. Wo sollte man die wahren Regeln der Kunst suchen, wenn sie erst dem Willkuͤhr uͤberlassen werden? Ein Garten ist nicht blos wegen der Gegend da; bey der gehoͤrigen Anlage ist er ein Werk, das seinen ei- genen Umkreis beschreibt, und darin seinen eigenen Charakter und seinen eigenen Werth enthaͤlt. I Band. A a Zweyter Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren Zweyter Abschnitt . Von den verschiedenen Charakteren der Landschaft und ihren Wirkungen. D ie Natur, die in allen ihren Werken eine schoͤne Mannigfaltigkeit und Abaͤnde- rung herrschen laͤßt, hat auch uͤber die Oberflaͤche der Erde diesen Reiz ausge- breitet. Sie hat den Landschaften eine so unendliche Verschiedenheit von Lage und Bildung eingepraͤgt, daß zwo ganz gleichfoͤrmige Gegenden eine eben so seltene Er- scheinung seyn wuͤrden, als eine vollkommene Uebereinstimmung von zwey Menschen- gesichtern in Umriß und Zuͤgen. Nicht so allgemein, als die bloße Wahrnehmung dieser Mannigfaltigkeit, ist bey den Menschen die Empfindung der Eindruͤcke, welche die verschiedenen Lagen in der Landschaft auf die Seele machen. Diese Empfindung kann bey Rohigkeit oder Unachtsamkeit nicht empordringen. Sie setzt, wenn sie sich aͤußern soll, einen Grad von Schaͤrfe und Aufmerksamkeit des aͤußern Sinnes, eine gewisse Leichtigkeit, die Bilder aufzufangen und sie zur Beruͤhrung oder Erschuͤtterung der Phantasie, zur Erzeugung der innern Bewegung festzuhalten, eine gewisse Behaglichkeit der Seele an sanftern Gefuͤhlen der Natur voraus. So merke man bey einer nicht zu sehr eingeschraͤnkten Reise in den heitern Mo- naten des Jahres auf sich selbst; man sey ohne Zerstreuung, geneigt, sich den Ein- druͤcken der Gegenden, die nach und nach erscheinen, zu eroͤffnen. Man wird durch die innere Empfindung von den verschiedenen Kraͤften der Gegenstaͤnde und Lagen der Landschaft eben so zuverlaͤßig versichert werden, als das Auge die Abwechselung der Formen und Farben wahrnimmt. Jedes ruhige und aufmerksame Umherwandeln unter abwechselnden Scenen des Landes wird diese Erfahrung wiederholen. Der Mensch steht also in einem so nahen Verhaͤltniß mit der Natur, daß er ihre Einwirkungen auf seine Seele nicht verlaͤugnen kann. Er wird von dem Schoͤ- nen, Lieblichen, Neuen, Großen und Wunderbaren, das sie ihm aufstellt, zu man- nigfaltigen Bewegungen hingerissen. Sie hat Gegenden, die bald zur lebhaften Freude, bald zur ruhigen Ergoͤtzung, bald zur sanften Melancholie, bald zur Ehr- furcht, Bewunderung und einer feyerlichen Erhebung der Seele, die nahe an die Andacht graͤnzt, einladen; aber auch Gegenden, die ein niederschlagendes Gefuͤhl unsrer Beduͤrfnisse und Schwaͤche, Traurigkeit, Furcht, Schauder und Entsetzen einfloͤßen. der Landschaft und ihren Wirkungen. einfloͤßen. Ich ward in den Alpen von Empfindungen ergriffen, die ich nie ge- kannt, denen ich nie eine so außerordentliche Erhebung des menschlichen Herzens zu- getraut haͤtte; ich wuͤnschte so oft den kleinen Haufen meiner entfernten Freunde her- bey, um sie neben mir von diesen neuen, den Geist ausdehnenden, erhoͤhenden, er- schuͤtternden Gefuͤhlen erfuͤllt zu sehen, die durch keine Beschreibung, sondern nur durch den eigenen Genuß begreiflich sind. Und nach dem Herabsteigen von jenen Gebirgen, deren mit ewigem Eise und Schnee beladene Spitzen dem Feuer der Sonne trotzen, in die stillen Thaͤler herab, die tief unter ihnen in der Fuͤlle der Fruchtbarkeit ruhen, welche ganz andre Empfindungen! Es kostet nicht viel, sich zu uͤberzeugen, daß jede Art des Gefuͤhls durch Scenen der leblosen Natur erweckt werden kann. Wenn diese schon in den Nachbildungen der Kunst, in den Landschaftgemaͤlden eines Poussin, Salvator Rosa und anderer großen Meister ihre Wirkungen beweisen: wie viel weniger koͤnnen wir an ihrer Kraft zweifeln! Der Gartenkuͤnstler soll alle Wirkungen der natuͤrlichen Lagen der Landschaft kennen, um solche auszuwaͤhlen, die der Bestimmung eines Gartens gemaͤße Bewe- gungen hervorbringen, und ihnen eine solche Verbindung und Anordnung zu geben, daß diese Bewegungen in einer harmonischen Beziehung auf einander folgen. Hierin liegt eins der wichtigsten Stuͤcke der Gartenkunst, und gerade ein solches, das noch eine genaue Untersuchung erwartet. Zwar zeigen sich bey Untersuchungen dieser Art Schwierigkeiten, die nicht so leicht zu uͤberwinden sind. Man soll von der Verschiedenheit der Lagen in der Land- schaft einen Begriff durch Woͤrter und Beschreibungen geben. Gleichwohl ist die Kunst, die Natur vorzustellen, noch zu neu, als daß die Sprache schon einen hin- laͤnglichen Vorrath von Ausdruͤcken haͤtte, um jeden einzelnen Gegenstand, jeden Ort, jede Stellung, die unendlich kleinen Verschiedenheiten und Abweichungen in Lage und Form zu bezeichnen. Man wage es, eine Ebene, ein Thal zu beschreiben. Wenn man ihre Laͤnge oder Breite, ihre Erhoͤhung oder Vertiefung, ihre Bekleidung oder die Nachbarschaft der angraͤnzenden Gegenstaͤnde angeben soll: wird es moͤglich seyn, durch Worte eine so genaue, so feste Idee zu erwecken, daß man gerade diese Ebene, gerade dieses Thal besonders erkenne, so wie es ist, ohne Verwechselung mit einem aͤhnlichen, das man gesehen, oder mit einem andern, das die Phantasie unterschiebt? Man beschreibt einen Huͤgel; sein Fuß, seine Seiten, sein Gipfel sind seine vornehm- sten Theile. Allein wird diese Zergliederung hinreichen? Welche Mannigfaltigkeit liegt nicht in den zugerundeten, verlaͤngerten, verengten, niedergedruͤckten, ausschwei- fenden, zusammengepreßten, wieder ausgewickelten Formen! Und wo sind alle die Woͤrter, die zur bestimmten Bezeichnung dieser Formen erfordert wuͤrden? So lassen A a 2 sich Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren sich die Hoͤhe oder Groͤße einer Pflanze oder Blume, ihre Blaͤtter, ihre Wurzel an- geben; wie soll man aber ihre Stellung, die besondere Mischung ihrer Farben, das Zierliche ihrer Blaͤtter, ihre Rauhigkeit oder Anmuth beschreiben? Und doch haͤngt die Aehnlichkeit eines Gegenstandes von der Harmonie seiner saͤmmtlichen Theile ab. Gesetzt, es waͤren auch in der Sprache Ausdruͤcke genug da; so wird man doch aus ihnen von der Verbindung aller Theile sich nur ein unvollkommenes Bild machen. Wie leicht wird man sich nicht unter der Menge der einzelnen Theile, die nach und nach durch Worte bezeichnet werden, verirren, oder aus ihnen ein ganz andres Ganze zusammensetzen, als der Beschreiber vor Augen hat? Umschreibungen, zu welchen man seine Zuflucht zu nehmen sucht, sind mehr geschickt, hier neue Schwierigkeiten zu erregen, als die alten zu heben. — Die Malerey und die Kupferstecherkunst bieten ihren Beystand an, indem sie nicht allein die Lagen und Stellungen aller neben ein- ander befindlichen Theile, sondern auch hundert Nuͤancen und Zufaͤlligkeiten dar- stellen, die selbst der malerischen Sprache des Dichters nicht erreichbar scheinen. Dennoch haben Vorstellungen landschaftlicher Scenen von der Hand dieser Kuͤnste ihr Unbequemes und Mangelhaftes. Die schoͤnsten Aussichten in der Natur sind fast immer im Gemaͤlde am wenigsten interessant. Die Mannigfaltigkeit von rei- zenden Ansichten, die oft einer einzigen Scene eigen ist, laͤßt sich nicht in eine Nach- bildung einsperren; der enge Raum, worin die Vorstellungen sich einschraͤnken muͤssen, vermindert sehr die Wirkung, welche die freye und ausgebreitete Natur selbst hat; Muͤhe und Kosten werden hier ohne einen erheblichen Gewinn verschwendet. Das Locale verliert uͤberdies fast allezeit in der Nachbildung; und bey den besten Arbeiten muß man sich begnuͤgen, eine Scene zu sehen, die mit der, welche sie vorstellen soll, blos einige Aehnlichkeit hat. Das Herrlichste in der Landschaft sind die Malerey der Farben, die Wirkungen des Lichts und des Schattens, und tausend kleine Zu- faͤlligkeiten, die kein Kupferstich erreicht. — Dieser angefuͤhrten Unbequemlichkeiten ungeachtet wollen wir sehen, wie weit uns dieser Versuch fuͤhren kann. Wenn man von den unermeßlichen Flaͤchen des Erdbodens zuvoͤrderst groͤßere Stuͤcke, die fuͤr sich ein Ganzes ausmachen koͤnnen, absondert, so bekommen wir Landschaften; und wenn diese Landschaften wieder in kleinere Theile zerschnitten wer- den, so geben sie eben so viele Gegenden. Nach diesem Begriff besteht die Land- schaft aus verschiedenen Gegenden, die mehr oder weniger Ausdehnung, Mannig- faltigkeit und Schoͤnheit haben, und mit einander verbunden sind. Jede Gegend, die als ein Theil der Landschaft zu betrachten ist, hat wieder ihre einzelnen Theile, durch deren Beschaffenheit und Verbindung sie eines eigenen Charakters faͤhig ist. Der Charakter einer ganzen Landschaft wird durch die groͤßere oder geringere Vollkom- menheit der Landschaft und ihren Wirkungen. menheit und Harmonie der verschiedenen Charaktere der einzelnen Gegenden bestimmt. Die Landschaft ist also ihre Schoͤnheit und die Kraft ihres Eindrucks den verschiede- nen Revieren schuldig, die sich zu ihrer Bildung vereinigen; und dabey wird nicht allein der besondere Charakter einer jeden einzelnen Scene fuͤr sich, sondern auch die Verbindung aller dieser Scenen unter einander zur Wirkung den Ausschlag geben. I. Von den einzelnen Theilen einer Gegend. Z uerst Lage oder Gestalt des Bodens, Ebene, Anhoͤhe, Vertiefung; sodann Ausbildung und Belebung desselben durch Felsen, Huͤgel, Gebirge, Gehoͤlz, Wasser, Wiesen, Aussichten; endlich Zufaͤlligkeiten. 1. Ebene . Die Ebenen, Anhoͤhen, Vertiefungen schraͤnken bald die Ansichten der Gegenstaͤnde ein, erweitern sie bald, vervielfaͤltigen und erheben sie. Alle diese Arten von Lagen koͤnnen dem Gartenkuͤnstler so wenig gleichguͤltig seyn, als sie es dem Land- schaftmaler und der Natur selbst sind. Die Ebene ist zwar wenig Abaͤnderung faͤhig; allein die Natur bedient sich ihrer, und in den Gaͤrten kann sie hin und wieder einen angenehmen Theil ausmachen, A a 3 nie Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren nie aber soll sie ein Ganzes seyn. Sie giebt den Begriff der Bequemlichkeit, der Freyheit und des Ungezwungenen; sie verstattet ein ruhiges, verweilendes Ueber- schauen der Scenen, die sie enthaͤlt. Allein eine Ebene, die gefallen soll, muß theils nach allen Seiten eine gewisse Ausdehnung haben, theils keine leere unbelebte Flaͤche vorstellen. Ein langer schma- ler Strich hat an sich selbst nichts einnehmendes. Verliert sich die Ausdehnung der Ebene ohne irgend eine Unterbrechung zu weit, daß das Auge nicht mehr die Graͤnze faßt, so wird der Anblick bald ermuͤdend werden. Das Auge muß auf ihr Beschaͤf- tigung und Unterhaltung finden; ist sie leer oder ganz einfaͤrbig, so wird sie Ueber- druß und Langeweile erregen. Selbst eine weite Flaͤche mit wallendem Getraide, die keinen andern Gegenstand zeigt, unterhaͤlt nur wenig. Wie erfreuend aber ist eine Ebene, die von eingezaͤunten Feldern und Kuͤchengaͤrten, die eine Abwechselung der Auftritte und der Farben geben, unterbrochen ist! Noch mehr Leben empfaͤngt die Ebene durch Wasser, das bald von Sonnen- glanz blinket, bald das Antlitz des blauen Himmels und die abwechselnden Malereyen der Wolken zuruͤckstralt. Da die Ebene an sich selbst wenig interessant ist, so kann sie noch von der Graͤnze und Nachbarschaft viel an Eindruck gewinnen. Sie wird schon angenehmer, wenn sie zwischen Gruppen von Baͤumen in einen Hain sich verirrt, oder in ein buschigtes Gehuͤgel aufschwillt, als wenn sie in die leere Ferne verschwindet; noch viel angeneh- mer, wenn sich ihr zur Seite ein Gebirge aufthuͤrmt, oder ein hoher Wald, ein stark bewohntes Dorf, oder irgend ein anderer wichtiger Gegenstand ihre Graͤnze mit einer lieblichen Daͤmmerung bezeichnet. 2. Anhoͤhe . Die Anhoͤhe hat mehr Freyheit, Heiterkeit und Anmuth als die Ebene; das Offene und Lustige ist ihr Eigenthum. Sie begraͤnzt Aussichten, und eroͤffnet zugleich neue; sie unterhaͤlt durch Vervielfaͤltigung der Ansichten bey dem Hinaufsteigen, uͤber- rascht auf ihrem Gipfel und gewaͤhrt der Seele ein angenehmes Gefuͤhl der Erhebung, worin sie gleichsam uͤber Sorgen und unwuͤrdige Beschaͤftigungen hinausragt, und ih- rer edlern Bestimmung naͤher entgegenruͤckt. Sie theilt Gebaͤuden auf ihrer Spitze mehr Wuͤrde und Majestaͤt mit, und bietet ihnen auf ihren Abhaͤngen freyere, sanf- tere und anmuthigere Lagen an. Die der Landschaft und ihren Wirkungen. Die Schoͤnheit der Anhoͤhe beruhet am meisten in der Figur. Alles Eckige, Scharfabgeschnittene, Ausgehoͤhlte, Zugespitzte beleidigt das Auge. Sanft ge- kruͤmmte Linien hingegen, allmaͤhlige Abfaͤlle, Mannigfaltigkeit in den Biegungen der Absaͤtze, eine liebliche Rundung des Gipfels, die oben in eine Flaͤche uͤbergeht, geben der Anhoͤhe die angenehmste Form. Eine nackte Anhoͤhe gefaͤllt schon, wenn sie uͤbrigens nur die Empfehlung der Figur hat. Allein die Bekleidung theilt ihr einen neuen Reiz zu. Frisches Gruͤn, das uͤberall die Erhoͤhung bedeckt, heiteres Laubwerk und bluͤhendes Gebuͤsch, hie und da ohne Regelmaͤßigkeit auf den Abhaͤngen verstreut, kleine Gruppen, Baͤume von einer edeln Form, die an den Seiten emporragen, oder einen Theil des Gipfels uͤber- schatten, eine herumkletternde Heerde, ein Landhaus von angenehmer Architektur — sind die schoͤnsten Verzierungen der Anhoͤhe. 3. Vertiefung . Die Vertiefung ist die Wohnung der Einsamkeit und der Ruhe; sie ist melan- cholischen Anlagen und Scenen guͤnstig, und nimmt willig alles an, was eine Ver- schließung und Beschattung heißt. Der Einsiedler, der Freund stiller Betrachtun- gen, des Gefuͤhls seiner selbst, findet hier einen bequemern Ruheplatz. Gebuͤsche voll vom Gesang ungestoͤrter Voͤgel, die sich lieben und anbauen, sanft dahinschleichendes oder doch leise murmelndes Gewaͤsser, das Geschwaͤtz eines ungesehenen Baches, zuweilen ein lauter Wasserfall, von Laubwerk uͤberwoͤlbte Gaͤn- ge, scheinen die natuͤrlichste und anmuthigste Belebung dieser Lage zu seyn. Die Vertiefung mitten in einer Ebene ist weniger angenehm, als nahe an ei- nem Gehoͤlze, und wo die Natur sie am meisten zu zeugen pflegt, an der Seite eines Berges. Jaͤhe steilabgestuͤrzte Tiefen sind uͤberraschend, zuweilen zuruͤckschreckend; aber anmuthig einladend sind allmaͤhlig sich dahinsenkende Niedrigungen. Die schoͤne Vertiefung fliehet die Regelmaͤßigkeit und jede abgezirkelte Form in der Natur, und nicht weniger so in der Anlage von der Hand des weisen Gartenkuͤnstlers. Durch die Mischung der Ebenen, Anhoͤhen und Vertiefungen bewirkt die Na- tur eine reizende Mannigfaltigkeit in der Landschaft; der Gartenkuͤnftler soll hier ih- rem Beyspiel folgen, und keine von diesen Hauptbeschaffenheiten des Erdbodens ver- nachlaͤßigen. Es war ein sicherer Beweis, daß man die Natur verfehlte, als man nach dem Geschmack des le Notre alles in eine schnurgerade Ebene umschuf, jede natuͤr- Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren natuͤrliche Anhoͤhe heruntergrub, und, wo noch eine Erhoͤhung von einigen Stufen geduldet ward, blos steinerne Terrassen aufstellte. Die Ebenen, Anhoͤhen und Vertiefungen koͤnnen theils durch ihre Ausdehnung und Groͤße, theils durch ihre gegenseitigen Verhaͤltnisse, theils durch ihre Verbin- dungen unter einander sehr verschieden und abwechselnd seyn. Die Bestimmung der Verhaͤltnisse und die Ausfuͤhrung der Verbindung erfordert in Gaͤrten unstreitig die groͤßte Kunst, weil hier fast alles darauf ankoͤmmt, die Kunst zu verbergen. Wenn die Anlagen nicht schon von der Natur zubereitet sind, sondern erst gemacht werden sollen; so ist nichts leichter, als daß sie ein kuͤnstliches Ansehen annehmen, und nichts schwerer, als dieses verhindern. Die Theilungslinien muͤssen bedeckt, die Abwech- selung der Stuͤcke, ungeachtet des engern Raums, worin ein Garten vor der Land- schaft eingeschlossen ist, beobachtet werden, und zwar auf einem Boden, wo erst die Laͤnge der Zeit die Spuren von den Bestrebungen der Kunst ausloͤschen kann. In- dessen wird das aufmerksame Nachdenken und Vergleichen bey der Bearbeitung eines bestimmten Platzes, womit sich der Gartenkuͤnstler beschaͤftigt, ihm mehr nuͤtzliche Anleitungen herbeyfuͤhren, als allgemeine Vorschriften bewirken koͤnnen. 4. Felsen . Felsen, die roh und unbekleidet sind, haben an sich etwas unangenehmes, in- dem sie den natuͤrlichen Charakter der Wildheit und der Wuͤste an sich tragen, und sind wenig interessant. In der Landschaft koͤnnen sie indessen durch ihre Hoͤhe, Aus- dehnung und Rauhigkeit besondere Scenen bilden, die, wenn man auch nicht auf ihren Contrast mit den angraͤnzenden und benachbarten Theilen sehen will, vorzuͤglich faͤhig sind, Erstaunen, Ehrfurcht, Schrecken und Schauder einzufloͤßen. Wenn die Natur Felsen in einen ausgebreiteten Gartenplatz gelegt hat, so muß man sie fuͤr das Ganze zu nutzen suchen, so viel nur geschehen kann. Allein kuͤnstlich angelegte Felsen sind groͤßtentheils eine schwache Nachahmung ohne Interesse, verra- then fast immer die Hand und die Muͤhe des Menschen, und außerdem vertragen sie sich, als solche, selten mit den uͤbrigen Theilen, womit sie in Verbindung gebracht werden sollen. In ausgedehnten Revieren sind Felsen oft Hauptgegenstaͤnde, indem sie den Eindruck von Staͤrke und Wuͤrde ausbreiten, und der Landschaft einen heroischen Charakter mittheilen. Am meisten aber, zumal in kleinern Bezirken der Parks, koͤnnen sie selten fuͤr etwas mehr als Nebendinge angesehen werden. Doch sind sie immer der Landschaft und ihren Wirkungen. immer noch nuͤtzliche Nebendinge. Sie dienen zur Unterbrechung, zur Schattirung Sie sind zu einsiedlerischen, oͤden, melancholischen Lagen wichtig. Sie sind die na- tuͤrliche Heimat sowohl der Grotten, als der Baͤche und Wasserfaͤlle, denen sie zu einer noͤthigen Unterlage dienen. Eben diese Wasserfaͤlle tragen dazu bey, diese Fel- sen zu beleben, und ihnen etwas von dem Oeden und Wuͤsten, das ihnen eigen ist, zu benehmen. Nicht weniger wird durch gruͤnes Gestraͤuch ihre natuͤrliche Wildniß gemindert. Am meisten scheint dies durch eine Huͤtte oder eine andere Spur von menschlicher Bewohnung bewirkt zu werden. Die rauheste Einoͤde heitert sich vor unsern Augen auf, sobald sich irgend eine Entdeckung von der Gegenwart menschlicher Wesen angiebt; wenigstens wird der Eindruck der Einsamkeit, durch den sich der Eindruck der Wildniß vermehrt, schon sehr gemildert. In romantischen Gegenden sind Felsen von einer vorzuͤglichen Wirkung, und diese haͤngt von ihrer Lage und ihren Gestalten ab. Je abwechselnder, kuͤhner, ver- wickelter, seltsamer und abentheuerlicher ihre Gestalten und ihre Zusammensetzungen sind, je auffallender sie gegen die benachbarten Theile abstechen, desto treffender sind sie zu jener Wirkung. Selbst Formen, die sonst bey einer Anhoͤhe, bey einem Huͤgel beleidigen, die gegen allen Begriff von Schoͤnheit anspringen, sind fuͤr die Bewir- kung des Romantischen von der gluͤcklichsten Kraft. Das Gespitzte, Abspringende, Hoͤckerige, Verzogene, Verkettete in der Bildung der Felsen; alles, was von der Regelmaͤßigkeit der Linien, von der gewoͤhnlichen Beschaffenheit der Formen abweicht; alles, was die Einbildungskraft aus ihrer alltaͤglichen Sphaͤre heraus in eine Reihe neuer Bilder versetzt, sie in die Feenwelt, in die Zeiten der seltsamsten Bezauberung hinuͤberschweifen laͤßt — das ist hier an seinem Platze. 5. Huͤgel . In so fern Huͤgel zu den Anhoͤhen gehoͤren, haben sie mit diesen die oben ange- fuͤhrten Eigenschaften gemein. Sie machen fast immer eine der anmuthigsten Bil- dungen des Erdbodens aus. Eine Kette von mehrern Huͤgeln empfiehlt sich durch die Verschiedenheit ihrer Hoͤhen und Zwischenraͤume, durch die Schoͤnheit der Linie, die sie in ihrem Fortlauf halten, und durch die Mannigfaltigkeit ihrer Abhaͤnge und ihrer Bekleidung. Sie werden durch Viehtriften, durch Landhuͤtten, durch Fußsteige und andere Spuren der Cultur und der Bewohnung angenehm belebt. Sie liefern durch die Wirkungen des I Band. B b Lichts Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren Lichts und des Schattens bey dem Aufgang und Untergang der Sonne die schoͤnsten Schauspiele, die der Aufmerksamkeit kluger Landschaftmaler allezeit wuͤrdig waren. 6. Gebirge . Von den Gebirgen gelten uͤberhaupt die Anmerkungen, die von den Anhoͤhen und Huͤgeln gemacht sind. Der Charakter der Gebirge ist Erhabenheit und feyerliche Majestaͤt, wovon sie den Einfluß uͤber die Landschaft, worin sie ruhen, nach ihrer Hoͤhe und Ausdehnung verbreiten. Sie sind schon an sich so uͤberaus wichtige Gegenstaͤnde der Landschaft, daß sie allein diese zu einer heroischen erheben koͤnnen. Alles, was uͤberhaupt in sol- chen großen, hohen und ausgebreiteten Massen Kuͤhnes und Majestaͤtisches seyn kann, bestimmt ihren Charakter. Selbst die Rauhigkeit und Wildniß, die auf ihnen zu herrschen pflegt, die Schneelasten auf ihren Spitzen, die gespaltenen Absaͤtze, die drohenden Abstuͤrze, die aufgerissenen weiten Zwischenraͤume mit ihren Kluͤften und Abgruͤnden, helfen ihren Eindruck verstaͤrken. Sie fordern sogleich jedes Auge zur Aufmerksamkeit auf; sie ruͤhren, erheben und fuͤllen die Seele des Anschauers; sie praͤgen Ehrfurcht, Bewunderung und Er- staunen ein; ja ihre Wirkung ist oft eine Bewegung, die, wenn sie nicht Schrecken oder Schauder ist, doch mit ihnen in einer genauen Verwandtschaft steht. Gebirge sind die Heimat der Quellen und Fluͤsse; sie enthalten Mineralien und Pflanzen, und naͤhren tausend Insekten und Voͤgel, die auf den Ebenen weniger be- kannt sind; sie bieten die Wollust der ruhigen Eingezogenheit und der laͤndlichen Un- schuld an, die auf ihnen laͤnger in einer voͤlligen Sicherheit wohnt: alles dieses erhoͤhet den Genuß ihrer Anmuth. Die erhabensten und maͤchtigsten Bewegungen gewaͤhren die Gebirge auf ih- rem Gipfel. Dies sind die Bewegungen, die aus der Weite und Unermeßlichkeit der Aussichten, aus den Schauspielen des Sonnenlichts und der Wolken zwischen den Tiefen und an den Spitzen, aus der unendlichen Mannigfaltigkeit und Mischung der Gegenstaͤnde entspringen, worin sich das Auge und die Einbildungskraft verlieren. Der Anblick des Himmels nahe uͤber dem Haupte, der Wolken und der Blitze unter den Fuͤßen, der Tiefen und der entferntesten Ausdehnungen einer halben Welt, die verkleinert wie in ein Thal dahingesunken und von einer sanften Daͤmmerung begraͤnzt ist — das Gefuͤhl der Groͤße und Neuheit, verstaͤrkt durch die Einsamkeit und Stille, womit man umgeben ist — die Freyheit und Leichtigkeit, womit die Seele in der Landschaft und ihren Wirkungen. in diesen Revieren wirket, wo sie gleichsam die Reinigkeit des Aethers, worin sie ver- setzt ist, anzunehmen scheint — ihre Erhebung uͤber den gewoͤhnlichen Kreis ihrer Gedanken und Beschaͤftigungen, ihrer Sorgen und Unruhen, die sie in der Tiefe zu- ruͤckgelassen hat — eine Art von Allgenuͤgsamkeit, die sie erweitert und fuͤllet — Welche Empfindungen vereinigen sich hier zu einem Genuß, der nicht groͤßer seyn kann! „In der That,“ bezeugt der beruͤhmte Philosoph von Genf, „ist es ein all- gemeiner Eindruck, daß man auf hohen Vergen mehr Heiterkeit des Geistes spuͤrt; das Vergnuͤgen ist da minder feurig, die Leidenschaften sind sanfter. Die Gedanken haben da, ich weiß nicht, was fuͤr eine ruhige Wollust, die nichts heftiges und nichts sinnliches bey sich fuͤhrt. Man ist da ernsthaft ohne Schwermuth, ruhig ohne Un- empfindlichkeit, zufrieden, daß man ist und denct; alle zu lebhafte Begierden ermat- ten, verlieren jene Schaͤrfe, die sie schmerzhaft macht, lassen im Innersten des Her- zens nur noch eine leichte, sanfte Aufwallung uͤbrig; und so macht eine gluͤckliche Him- melsgegend die Leidenschaften, sonst des Menschen Peiniger, zu Werkzeugen seines Gluͤcks. — Alle Schoͤnheit von tausend erstaunenswuͤrdigen Schauspielen wird auf den Bergen noch durch die Duͤnne der Luft vermehrt. Diese macht die Farben leb- hafter, die Zuͤge kenntlicher, und bringt alle Gesichtspunkte naͤher; die Entfernungen scheinen kleiner, als auf den Flaͤchen, wo die Dicke der Luft den Erdboden in einen Schleyer huͤllt; der Horizont zeigt den Augen mehr Gegenstaͤnde, als er fassen zu koͤnnen scheint; kurz, das Schauspiel hat etwas zauberisches, uͤbernatuͤrliches, das Geist und Sinne entzuͤckt; man vergißt alles, vergißt sich selbst, und weiß nicht mehr, wo man ist.“ Nouvelle Heloise, Part. I. Lett. XXIII. Mit gleicher Wahrheit des Gefuͤhls hat ein anderer Buͤrger von Genf, ein philosophischer Beobachter der Natur, den Zustand der Seele auf den Bergen be- lauscht, und theils aͤhnliche, theils neue Empfindungen bemerkt. Ich kann mich nicht enthalten, so wohl der Beobachtung, als auch des anmuthigen Gemaͤldes we- gen, die Erzaͤhlung hier wieder zu geben, die er von seiner Reise auf den Berg Chaumont, nahe bey Neufchatel, macht. Luͤcs physisch-moralische Briefe uͤber die Berge ꝛc. 8. 1778. 13ter Br. „Wir fuhren,“ sagt er, „schlangenweise den Abhang des Berges hinan, der mit Holz bewachsen war, und wo zuweilen unser Weg sich in finstern Einoͤden zu ver- lieren schien; alsdann kam er wieder ans Licht hervor, und wir fanden uns allmaͤhlig uͤber den Neufchatellersee hinaufgewunden, der ganz zu unsern Fuͤßen schien. In diesem Augenblicke hatten unsre Augen ein sonderbares Schauspiel. Die Oberflaͤche B b 2 des Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren des Sees, sehr wenig in Bewegung, warf so vollkommen das Blau des Himmels zuruͤck, daß sie der Himmel selbst zu seyn schien. Die Baͤume, die unterhalb des Weges an dem Abhange standen, streckten ihr Laub fuͤr unsre Augen uͤber den Hori- zont hervor, und versteckten uns dadurch das Land an jener Seite des Sees und selbst die Berge; aber zwischen den Staͤmmen der Baͤume durch sahen wir den See, in- dem wir uͤber ihren Zweigen den Himmel erblickten; und die Farbe des einen und des andern war so vollkommen gleich, daß es uns schien, ohne daß die Illusion durch irgend etwas waͤre gestoͤrt worden, als ob wir im unermeßlichen Raum auf einem kleinen Trabanten herumschwebten. — Durch solche unsre Aufmerksamkeit beschaͤfti- gende Wege kamen wir, ohne es einmal gewahr zu werden, auf den Gipfel des Ber- ges. Alsdann vergroͤßerte sich der Anblick nach allen Seiten. Nach Morgen zu hatten wir die Seen von Neufchatel, Murten und Biel, in einen gemeinschaftli- chen Kessel eingeschlossen, davon die Alpen beynahe die Haͤlfte umgaben. Nach Westen lagen uns die Thaͤler, die durch ihre fruchtbare gruͤne Farbe und durch ihre starke Bevoͤlkerung immer schoͤn sind. Nach Norden und Suͤden dehnt sich die durch gruͤne Rasen und Felsen angenehm unterbrochene Kette des Jura aus. Mit einem Worte, hier war im eigentlichen Verstande eine wahre Verschwendung von praͤchtigen Aussichten, die rund umher den Horizont bedeckten. — Wir bewunderten eine Zeit lang das eine und das andere; aber nach und nach aͤußerte sich bey Made- moiselle S. dasjenige, was ich von ihrer Empfindlichkeit erwartet hatte, und was meine Erwartung uͤbertraf: sie war fast außer sich, und sahe weiter nichts; sie zog von Zeit zu Zeit ihren Athem mit einer Begierde ein, wie eine durstige Person, die sich den Durst loͤscht; alsdann schloß sie beynahe die Augen und war stille. Ich beobachtete sie, und schwieg ebenfalls; man ist nicht in Versuchung auszudruͤcken, was man empfindet, denn man wuͤrde keine Worte zu finden wissen. Wie ist mir so wohl! wuͤrde alles sagen, wenn dieser Ausdruck genug verstanden wuͤrde. Ma- demoiselle S. hatte einen andern, der mich ruͤhrte, ohne mich in Erstaunen zu setzen. In dieser sanften Traͤumerey brachen Thraͤnen durch ihre halbgeschloͤssenen Augen- lieder hervor, und ein Laͤcheln war sogleich auf ihren Lippen, um jene zu rechtfertigen. „Was ist das?“ sagte sie darauf mit Verwunderung. „Gewiß sind diese Thraͤnen „vor großem Wohlseyn vergossen. Bin ich denn auf einmal in die vorigen Zeiten „meines Lebens zuruͤckgekehrt? Niemals empfand ich, ohne sichtbare Ursache, irgend „etwas dem Zustande aͤhnliches, worin ich itzt bin, außer in den heitersten Tagen „meiner ersten Jugend.“ — Wir waren zu Fuße, und giengen langsam auf einem ziemlich großen Rasen hin, als wir anfiengen, diese angenehme Art des Daseyns zu schmecken. Wir naͤherten uns einigen kleinen Felsen, die an einem unmerklichen Abhange der Landschaft und ihren Wirkungen. Abhange sich uͤber den Rasen erhoben, und hie und da bequeme Sitze darboten. Wir setzten uns hin, und brachten beynahe zwey Stunden daselbst zu, ohne es zu be- merken, und fast in ununterbrochenem Stillschweigen. Mademoiselle S. fuͤhlte sich wie im Himmel, und waͤre gern niemals wieder auf die Erde hinabgestiegen, als eine kuͤhle Luft zu wehen anfieng, und, so wie die Sonne sich neigte, staͤrker wurde. „Es „faͤngt an kalt zu werden,“ sagte sie, „lassen Sie uns gehen.“ Und so verließen wir das Paradies, oder vielmehr das Paradies verließ uns. Die Ruhe, die vollkom- mene Stille aller Organen war es, was sie auf dem Berge so gluͤcklich machte. Seit langer Zeit war die Luft nicht mit solcher Leichtigkeit durch ihre Lunge gegangen, wie es hier geschah; und eben so lange war sie nicht in einem solchen Zustande gewesen, worin sie weder Hunger, noch Durst, noch Ekel, noch Kaͤlte, noch Hitze, noch Schwaͤche, noch Beduͤrfniß zu ruhen oder sich zu bewegen, noch Furcht oder Verlangen, außer dem, nie aus diesem Zustande versetzt zu werden, empfand, ein Verlangen, das sie auch nur fuͤhlte, da ihr Zustand anfieng, sich zu veraͤndern. — Ich kann wahrlich das auf keine Weise begreifen, was ich so oft auf den freystehenden Gipfeln der Berge gefunden habe, wenn die Luft ruhig und heiter ist. Ich weiß keinen Zu- stand, an den ich mit so viel Lust zuruͤckdaͤchte. Mein Landsmann Rousseau hat genau eben so, wie ich, empfunden; und ich habe einmal mit ihm zugleich dieses Gluͤck genossen. Noch immer versetzt er mich gleich auf die Berge, sobald ich die zauberkraͤftigen Worte hoͤre: „Man ist da zufrieden, daß man ist und denkt!“ Wie schallen diese Worte immer in meiner Seele wieder! wie ruͤhrten sie mich, als ich sie zum erstenmale las! Wirklich hatte ich mir immer auf die naͤmliche Art meinen Zu- stand gedacht; alle meine Organen sind dann in einem gaͤnzlichen Zustande der Ruhe, so vollkommen, daß sie fuͤr mein Gefuͤhl verschwinden, daß ich sie gar nicht weiter bemerke. Ich bin ich, ein Wesen, das sich nicht begreift, aber das sein Daseyn fuͤhlt, und das durch dieses Daseyn allein sich gluͤcklich findet. Ich bin der Mann, der gluͤcklich dadurch ist, daß er lebt, und der dazu keiner weitern Wuͤrze bedarf. Ich bin — aber darf ich es wagen, diesen Vorgenuß der Freyheit meiner Seele aus- druͤcken zu wollen, die von den Fesseln befreyet, die sie banden, in hoͤhere Regionen sich hinaufschwingt, und im voraus den angenehmen Theil des Todes kostet? — Ich bin gestorben, und ich fuͤhle, daß der Tod ein Gluͤck ist; daß ich auf der Erde nichts verlasse, was mir Sehnsucht zuruͤck macht; daß meine Seele nichts verlangt, als die Fortdauer dieses Zustandes, um unablaͤßig ihrem Urheber fuͤr ihr Daseyn zu danken. „Ich bin, und ich preise dich, mein Gott! Ich breche wirklich durch die „koͤrperliche Huͤlle hin! Ich bedarf weiter nichts, um den Zustand einer vollkommenen „Gluͤckseligkeit zu begreifen.“ — Solche sind die Entzuͤckungen, worin ich oft auf B b 3 den Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren den Bergen gerathe, und wo ich mehr Gruͤnde fuͤr die geistige Natur der Seele und fuͤr ihre Unsterblichkeit sammle, als in allen Schriften der Weltweisen.“ 7. Gehoͤlz . Ohne Gehoͤlz und Wasser wuͤrde den schoͤnsten Formen der Oberflaͤche des Erd- bodens Leben und Interesse fehlen. Gehoͤlze gefallen und reizen auf eine mannigfal- tige Art. Ihre Groͤße und Ausdehnung, ihr Umzug, ihre Stellung, ihre groͤßere oder geringere Dichtigkeit, die verschiedenen Grade in dem Dunkeln oder Hellen ihrer Belaubung, sind reiche Quellen der Abwechselung und der Ergoͤtzung. Sie sind schon in der Ferne sehr anmuthige Gegenstaͤnde, ertheilen der Landschaft Schattirung, und erfreuen durch den Genuß der Kuͤhlung und Erfrischung, durch die Vorstellung des Aufenthalts, den sie dem Wild und Gefluͤgel verstatten, durch den Gesang ihrer befiederten Bewohner, durch die Schauspiele des Lichts und des Schattens, durch den Wohlgeruch der Blumen und Pflanzen. Ein Wald kann in der Landschaft ein sehr heroischer Gegenstand seyn, durch Breite und Laͤnge, und besonders die Hoͤhe, die er einnimmt. Besteht er dabey aus bejahrten an die Wolken ragenden Baͤumen, und aus einem dichten und sehr dunkeln Laubwerk, so wird sein Charakter Ernst und eine gewisse feyerliche Wuͤrde seyn, der Landschaft und ihren Wirkungen. seyn, die eine Art von Ehrfurcht einfloͤßt. Gefuͤhle der Ruhe durchschauern die Seele, und lassen sie, ohne eine vorsetzliche Entschließung, in ein gelassenes Nachsinnen, in ein holdes Staunen dahinschweben. Nur selten wird seine Ausdehnung und Dun- kelheit so groß oder ungewoͤhnlich seyn, daß er, außer der Zufaͤlligkeit eines heftigen Sturms, Erstaunen oder Bewunderung erregt; ein hohes Gefuͤhl von Wonne ist ge- meiniglich seine Wirkung. Lebhaftigkeit, Heiterkeit und Froͤlichkeit ist das Eigenthum des kleinern und duͤnnern Waldes oder des Hains, der edle, schlanke, nicht hoch aber zierlich gewach- sene Baͤume, ein frisches helles Laubwerk, durchsichtige Zwischenraͤume, einen ebenen von Unterholz und Gestraͤuch freyen Boden hat. Die Wallungen des Laubes, das der leichter durchstreifende Wind in Bewegung setzt, das auf den Blaͤttern und auf dem Boden umherhuͤpfende Spiel des Lichts und des Schattens, die durchbrechende Vergoldung der aufgehenden und niedersinkenden Sonne, der sanft durch die Gipfel herabschleichende Schimmer des Monds sind die schoͤnsten Zufaͤlligkeiten zur Verzie- rung eines Hains. Die Natur bedient sich uͤbrigens der Gehoͤlze als eines wichtigen Mittels, Scenen von verschiedenen Charakteren zu bilden, als ruhige, einsame, oͤde, melan- cholische, finstre, muntre, liebliche, heitere — nach der verschiedenen Beschaffenheit, Anordnung und Verbindung der Staͤmme, des Wuchses, des Gruͤns und des Laub- werks, wie wir in der Folge an einem andern Orte sehen werden. 8. Wasser. Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren 8. Wasser . Das Wasser ist in der Landschaft, was die Spiegel in einem Gebaͤude sind, was das Auge an dem menschlichen Koͤrper ist. Es ist, die Vergnuͤgungen der Fahrt und des Fischfangs nicht einmal gerechnet, so belebend, so erfrischend und frucht- bar an Einwirkungen, daß seine Gegenwart uͤberall gefaͤllt, und seine Abwesenheit auch in den schoͤnsten Gegenden mit Bedauren empfunden wird. Schon in der Ferne reizt ein Gewaͤsser; und nach seiner Groͤße, Gestalt und Bewegung ist es nicht allein mannigfaltiger Eindruͤcke voll, fondern es nimmt auch verschiedene vortheilhafte Ver- bindungen mit andern Gegenstaͤnden an. Die Ausdehnung und Tiefe des Gewaͤssers ist eine Quelle sehr erhabener Em- pfindungen. Ein ploͤtzlicher Anblick weiter Massen von Wasser, als des Meeres, wirket eine starke Ueberraschung; und bey der allmaͤhligen Ueberraschung dieser unge- heuern Scene verliert sich die Einbildungskraft in die Vorstellung der Unendlichkeit. Allein so stark auch die Bewegungen sind, die durch das Anschauen des Meeres ent- springen, so ermatten sie doch bald wieder durch das Einfoͤrmige, wenn die Einbil- dungskraft nicht durch Schiffe und Fahrzeuge, deren Umhersegeln die Scene belebt, erfrischt wird. Am laͤngsten unterhalten ausgebreitete Gewaͤsser, wenn sie nicht auf einmal und in ihrer ganzen Strecke, sondern nach und nach, theilweise und in immer abwechselnden Gesichtspunkten und Durchschnitten erblickt werden; eine Bemerkung, wovon fuͤr unsre Gaͤrten an der Ostsee noch wenig Gebrauch gemacht ist. Auch kleine zerstreute Inseln von verschiedener Form unterbrechen die Einfoͤrmigkeit breiter Wasser- flaͤchen auf eine angenehme Art; wenn sie in merklichen Entfernungen von einander liegen, geben sie einem See ein groͤßeres Ansehen. Hohe Kuͤsten, Felsspitzen, Vor- gebirge, die auf irgend einer Seite in nicht zu weiter Ferne gesehen werden, sind eine sehr anmuthige Begraͤnzung. — Bey groͤßerm Gewaͤsser ist es angenehmer, wenn sein Ursprung und seine Graͤnze versteckt ist, wenn es an einen Wald oder in ein Ge- buͤsch hinlaͤuft, oder sich um einen Huͤgel herumschlaͤngelt; die scheinbare Groͤße, die es dadurch gewinnt, giebt der Einbildungskraft noch immer Beschaͤftigung, wenn auch das Auge nichts mehr siehet. Die Klarheit des Wassers macht seine vorzuͤgliche Schoͤnheit aus, und theilet allen Gegenstaͤnden umher Munterkeit und Freude mit. Der Widerschein der Wol- ken, der Baͤume, der Gestraͤuche, der Huͤgel und der Gebaͤude macht eine der lieblich- sten Stellen im Gemaͤlde der Landschaft aus. Die Dunkelheit hingegen, die auf Teichen und andern stillstehenden Gewaͤssern ruhet, verbreitet Melancholie und Trau- rigkeit. der Landschaft und ihren Wirkungen. rigkeit. Ein tiefes schweigendes, von Schilf und uͤberhangendem Gestraͤuch verbun- keltes Wasser, das selbst das Licht der Sonne nicht erhellt, schickt sich sehr wohl fuͤr Sitze, die diesen Empfindungen gewidmet sind, fuͤr Einsie d eleyen, fuͤr Urnen und Denkmaͤler, welche die Freundschaft abgeschiedenen Geistern heiligt. Die Bewegung des Wassers hat einen noch groͤßern Reichthum von Wirkun- gen. Verbreitet es sich still in einer weiten und offenen Flaͤche, so kuͤndigt es eine Scene an, die der Ruhe gewidmet ist. Schleicht es unter einer Ueberschattung langsam dahin, so hat es das Ansehen des Ernstes und des Truͤbsinns. Tiefdum- pfes verschlossenes Gemurmel ist der Ton der Schwermuth und Trauer. Sanftes Geraͤusch ladet zum Nachdenken ein, und schickt sich fuͤr Scenen der Einsamkeit. Helles Rieseln und spielendes Gekraͤusel verbreiten Munterkeit; schneller Lauf und huͤ- pfende Faͤlle Freude. Reißende Geschwindigkeit und schaͤumendes Fortjagen erregen den Begriff von Staͤrke. Stroͤme, die in tiefe dunkle Abgruͤnde hinabbrausen, oder sich von Felsen und Gebirgen aus dem Gebiete der Wolken herabstuͤrzen, geben uͤber- aus praͤchtige Auftritte, die nahe mit dem Erhabenen verwandt sind. Die Gewalt, das Getoͤse, das wilde Gebruͤll großer Fluͤsse und Wasserfaͤlle, die sich umherwaͤlzen- den schaͤumenden Wellen, die getruͤbte Luft umher, der Wiederhall von den Felsen, vereinigen sich, erhabne Empfindungen zu erwecken, die zuweilen an das Schreckhafte graͤnzen. In der Verbindung mit andern Gegenstaͤnden ist das Wasser nicht weniger von einer mannigfaltigen gluͤcklichen Wirkung. Es heitert den Schatten auf, und verwandelt die Einoͤde in ein Lustrevier. Es kann die Wildniß rauher Felsen und Gebirge vermehren, aber auch Heiterkeit und Reiz uͤber sie ausgießen. Tiefe ste- hende Teiche machen einen Wald dunkler und trauriger; aber klare Baͤche, die hin und her rieseln und sich kraͤuselnd verfolgen, beleben und erheitern ihn. Welch eine liebliche Malerey in der Landschaft, wenn an den Kruͤmmungen eines großen und hellen Baches kleine Baumgruppen, bald dichter, bald duͤnner, sich erheben, mit einzelnen Baͤumen aufhoͤren, und wieder mit neuen Klumpen anfangen, wo Schatten und Stille herrscht; wenn dann das Wasser hier unter den gruͤnen Woͤlbungen des Laubwerks oder zwischen den Staͤmmen durchschimmert, dort in der Klarheit einer breiten Masse scheint, bald sich hinter einem Gebuͤsch oder einem kleinen Huͤgel ver- liert, bald lachender wieder hervorbricht! Und welche Anmuthigkeit gewinnt nicht noch ein sanfterhobener Huͤgel, bekraͤnzt mit Gebuͤsch oder einigen wohlgewachsenen Baͤumen, die ihr neues Laub in die blaͤuliche Luft erheben, wenn an seinem Abhange herab ein kleiner Wasserfall bald sichtbar, bald vom Gestraͤuch versteckt, bald weniger, bald mehr geschwaͤtzig, herunterhuͤpft, dann zwischen Kieselsteinen ruhiger, dann I Band. C c schneller Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren schneller nach Feldbluͤmchen in die nahe Wiese eilt, und da erreicht vom Stral der Abendsonne verschoͤnert dahinschimmert! Den schoͤnsten Anblick gewaͤhrt das Wasser von einer Anhoͤhe betrachtet, wenn es bald in lieblichen Kruͤmmungen um ein Gehuͤ- gel, ein Gehoͤlz, ein Gebuͤsch oder kleine Inseln, oder Dorfschaften und Meyerhoͤfe seinen silbernen Strom schlaͤngelt, bald von den Seiten eines herabhangenden Ber- ges, von schattenwollen Gruppen von Baͤumen, oder von einem Hain verdeckt hier in einer dunkeln Tiefe schleicht, dort durch unerwartete Oeffnungen der Waldung blen- dend hervorstralt: eine solche Scene in ihrer reichen Mannigfaltigkeit, mit allen Spielen der Wiederscheine, mit allen Schoͤnheiten der Beleuchtung und der Beschat- tung, von einer Anhoͤhe genossen, giebt Empfindungen, die alle Beschreibung uͤbersteigen. Es ist fast keine Scene, deren Eindruck nicht durch Wasser erhoͤhet oder ge- mildert, keine Bewegung, die nicht dadurch erweckt, oder unterdruͤckt, oder besaͤnf- tigt werden sollte; so allgemein ist die Kraft dieses Elements. 9. Wiesen . Wiesen, die zum Theil zu den Ebenen gehoͤren, sind, selbst bey einer betraͤcht- lichen Laͤnge und Ausbreitung, keines erhabenen Charakters faͤhig; sie bleiben in dem Bezirk einer mittlern Beschaffenheit und maͤßiger Bewegungen. Indessen sind sie uͤberaus sanfte, ruhige und einnehmende Auftritte der Natur, deren Charakter in dem Freyen und Laͤndlichen besteht; sie rufen die lieblichen Bilder der arkadischen Hirten- welt zuruͤck, und scheinen auf eine vorzuͤgliche Art der Empfindung der Ruhe und der stillen Ergoͤtzung des Landlebens gewidmet zu seyn. Die Schoͤnheit der Wiesen besteht zuvoͤrderst in den sanftgekruͤmmten Linien, die ihren Umkreis bezeichnen. Alles Regelmaͤßige, Eckige, Scharfe muß von ihrer Figur ausgeschlossen seyn; aber kleine Rundungen und maͤßige Einbiegungen helfen der Einfoͤrmigkeit mit dem Genuß der Abwechselung ab. Demnaͤchst wird ihre Schoͤnheit durch das Lebhafte und Frische ihres Gruͤns, durch Unterbrechungen und Schattirungen mit einzelnen Baͤumen, und durch ihre Einfassung und Verbindung mit Huͤgeln, Felsen und Gehoͤlz bestimmt. Bey ausgebreiteten Wiesen fallen kleine Unterbrechungen, die schon an sich den Ueberdruß des Einfoͤrmigen und Leeren hem- men, sehr angenehm ins Auge; sie muͤssen aber kein niedriges Gestraͤuch und Busch- werk seyn, sondern wenige, edel gewachsene, nicht zu nah zusammengedraͤngte Baͤu- me mit einem Laub, das gegen die Farbe der Wiese absticht. Nackte, rauhe, vor- uͤber- der Landschaft und ihren Wirkungen. uͤberhangende Felsen an der Seite einer mit allen Reizen ausgeschmuͤckten Wiese bil- den durch Contrast und Sonderbarkeit einen Theil von romantischer Gegend. Ge- hoͤlze, die gewoͤhnlichsten Einfassungen der Wiesen, erhoͤhen durch ihre Schatten noch mehr die Empfindung der Einsamkeit und Ruhe. Ein klarer Bach oder Fluß, der sich allmaͤhlig dahinwaͤlzt, verbreitet Licht und Erfrischung, und wandelt die ruhige Behagung der Seele in eine lebhaftere Bewegung, in die Bewegung der Freude. 10. Aussichten . Die Aussichten geben dem Auge den Genuß der verschiedenen Gegenstaͤnde in der Landschaft. Es koͤmmt dabey theils auf die Beschaffenheit dieser Gegenstaͤnde, theils auf ihre Lage und Verbindung mit einander, theils auf die Gesichtspunkte an, woraus sie betrachtet werden. Die Gegenstaͤnde koͤnnen durch ihre eigene Wichtig- keit, durch ihre Annehmlichkeit und Schoͤnheit, durch ihre Groͤße, durch ihre Neu- heit, einer Aussicht einen eigenthuͤmlichen Charakter mittheilen. Allein es giebt auch andere, die ohne allen Eindruck, ohne alle Bedeutung sind, welche die fuͤr die hoͤhere Vollkommenheit des Ganzen wirksame Natur in ihren weiten Massen zwar mit un- terlaufen laͤßt, die aber der sorgfaͤltig auswaͤhlende Gartenkuͤnstler nicht aufnimmt. Fast noch mehr Kraft erhalten die Gegenstaͤnde durch ihre Lage und Verbindung mit einander, als durch die eigenthuͤmliche Beschaffenheit eines jeden einzeln fuͤr sich be- trachtet. Die Lagen erhellen und verdunkeln, verstaͤrken und vermindern, modisi- ciren mit einer unendlichen Abwechselung die Wirkungen der Formen und Farben, der Groͤße und Bewegung. So koͤnnen endlich nicht blos die Gegenstaͤnde an sich, sondern auch ihre Stellungen, Lagen und Verbindungen in der Ansicht uͤberaus man- nigfaltig und abaͤndernd erscheinen, nachdem die Gesichtspunkte, woraus sie sich be- trachten lassen, angelegt sind. Alle diese Umstaͤnde kommen mehr oder weniger bey den Aussichten in Betrachtung. Obgleich die Aussichten in der Natur sowohl, als auch in kuͤnstlichen Anlagen und Ausbildungen von einer unendlichen Abaͤnderung seyn koͤnnen, so lassen sich doch einige Hauptcharaktere auszeichnen. Groͤße und Erhabenheit ist der erste; er faßt außer der Wuͤrde und Majestaͤt der Gegenstaͤnde sowohl Weite, als Menge der Theile in sich. Nicht leicht wird man eine so große und erhabene Aussicht und zugleich auf eine so edle Art beschrieben finden, als welche Brydone Reise durch Sicilien und Malta, 1ster Theil, 10ter Brief. von dem Gipfel des Aetna giebt. „Keine menschliche Ein- C c 2 bildungs- Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren bildungskraft,“ sagt er, „hat es wohl je gewagt, sich ein Bild von einer so herrli- chen und praͤchtigen Scene zu denken, noch giebt es auf der Oberflaͤche unsers Erd- balls einen Punkt, der so viele erhabene Gegenstaͤnde vereinigte. Diese erstaunliche Hoͤhe uͤber der Flaͤche der Erde, die sich hier gleichsam in einen einzigen Punkt zu- sammenzieht, ohne einen andern benachbarten Berg, auf welchem Auge und Ein- bildungskraft auf ihrer Reise in die Welt hinunter haͤtten ausruhen und sich von ih- rem Erstaunen erholen koͤnnen; diese Spitze, die sich am Rande eines bodenlosen Schlundes erhebt, der so alt als die Welt ist, und oft Feuerstroͤme und brennende Fel- sen, mit einem die ganze Insel erschuͤtternden Donner, auswirft; und endlich von dieser Spitze die unumschraͤnkteste Aussicht auf die verschiedensten und schoͤnsten Sce- nen in der Natur; sammt der aufgehenden Sonne, die nach Osten eilet, um diesen wunderbaren Schauplatz zu erleuchten: welche Gegenstaͤnde! — Die ganze Atmo- sphaͤre entzuͤndete sich nach und nach, und zeigte uns, doch nur noch schwach, die graͤnzenlose Aussicht um uns her. See und Land sahen noch finster und verworren aus, als ob sie erst aus ihrem urspruͤnglichen Chaos hervorkaͤmen; Licht und Finster- niß schienen noch nicht geschieden, bis endlich der Morgen anbrach und die große Scheidung vollbrachte. Die Sterne verloschen, die Schatten verschwanden. Die Waͤlder, die uns zuvor tiefe finstre Abgruͤnde geschienen hatten, von welchen kein Stral zuruͤckkam, um uns ihre Gestalt und Farbe zu zeigen, stellten sich uns als eine neue Schoͤpfung dar, die von einem Augenblicke zum andern immer lebendiger und schoͤner ward. Die Scene erweiterte sich immer, der Horizont dehnte sich von allen Seiten aus, bis die Sonne, gleich dem großen Schoͤpfer, in Osten erschien, und mit ihren belebenden Stralen das erhabene Schauspiel vollendete. Alles schien ein Zauber zu seyn, und wir konnten kaum glauben, daß wir noch auf Erden waͤren. Zwischen uns und der Sonne, die aus dem Meere zu steigen schien, lagen unermeß- liche Flaͤchen See und Land; die liparischen, panarischen, alicudischen Inseln, und Strombolo und Volcano lagen mit ihren rauchenden Gipfeln unter unsern Fuͤßen; auf ganz Sicilien sahen wir wie auf eine Landcharte herab, sahen alle ihre Staͤdte und Berge, und konnten jeden Fluß in allen seinen Kruͤmmungen, von seiner Quelle an bis zur Muͤndung, verfolgen. Die zahlreichen rundherum liegenden In- seln schienen, durch eine Art von magischer Taͤuschung, ganz hart an dem Grunde des Aetna zu liegen, und ihn gleichsam einzufassen, so daß ihre Entfernung nicht zu bemerken ist. Bey dem Aufgange der Sonne erstreckte sich der Schatten des Ber- ges durch ganz Sicilien, und machte sogar in dem See und in der Luft einen sicht- baren breiten Strich. — Die Gedanken werden so, wie die Gegenstaͤnde, die uns umgeben, immer groͤßer und erhabener; und welcher Geist kann da unthaͤtig bleiben, wo der Landschaft und ihren Wirkungen. wo ihn die ganze Natur zur Bewunderung auffordert? Es schien, als blieben nach dem Grade, nach welchem wir uͤber die Wohnungen der Menschen erhoben waren, alle niedere und gemeine Empfindungen zuruͤck; als legte die Seele, da sie sich den aͤtherischen Gegenden naͤherte, ihre irdischen Neigungen und Leidenschaften ab, und naͤhme schon etwas von ihrer unveraͤnderlichen Reinigkeit an. Hier, wo man unter einem heitern Himmel steht, und mit gleicher Heiterkeit das Ungewitter und den Sturm unter seinen Fuͤßen entstehen, den Blitz von Wolke zu Wolke fahren, und ihn nebst dem um den Berg herumrollenden Donner den armen Sterblichen unter sich den Untergang drohen sieht: hier betrachtet der Geist die kleinen Stuͤrme und Unge- witter der menschlichen Leidenschaften als Dinge, die seine Aufmerksamkeit nicht ver- dienen. Gewiß schon diese Lage allein ist hinlaͤnglich, Philosophie einzufloͤßen; und Empedokles hatte guten Grund sie zur Wohnung zu waͤhlen.“ So weit Bry- done. Ich erinnere mich hiebey eines schimmernden Paradoxon des beruͤhmten Rousseau. Nouvelle Heloise, Partie IV. Lettre XI. „Die Lust an entfernten Aussichten,“ behauptet er, „entstehe aus der Neigung der meisten Menschen, sich nur den Ort wohlgefallen zu lassen, wo sie nicht sind.“ Allein diese Lust hat doch noch wohl, glaube ich, eine bessere Quelle; sie scheint aus der urspruͤnglichen Bestimmung unserer Seele zur Erweiterung zu ent- springen; ausgebreitete Prospecte schaffen allezeit der Einbildungskraft die angenehm- ste Beschaͤftigung; und alles, was ihr freyen Lauf giebt, erweckt Vorstellungen und naͤhrt den Geist. Mannigfaltigkeit der Gegenstaͤnde giebt der Aussicht einen eigenen Reiz. Young Reise durch die noͤrdlichen Provinzen von England, 2ter Theil, 17ter Brief. schildert uns eine der trefflichsten Aussichten von diesem Charakter, die Aussicht von dem beruͤhmten Winandersee, dem groͤßten von allen inlaͤndischen Seen in England. „Er hat artige Kruͤmmungen, so daß es scheint, er bestuͤnde aus verschiedenen Stuͤcken, zumal da hin und wieder darin auch Inseln liegen. Das Ufer ist abwechselnd: bald sieht man Felsen und Wald, bald eingezaͤunte Felder und Doͤrfer, auch einen Marktflecken. Es wird von einem Orte zum andern Handel ge- trieben, daher es nichts seltenes ist, eine segelnde Barke zu sehen. Den herrlichsten Prospect, in welchem man alle schoͤne Stellen an diesem See uͤberschaut, genießt man von einem Huͤgel an der oͤstlichen Seite. Man blickt zuerst auf ein nach ver- schiedenen Kruͤmmungen ausgestrecktes Thal, ohngefaͤhr zwoͤlf (engl.) Meilen lang, das durchaus eingezaͤunt ist, und sich auf verschiedene Weise hebt. Hier dient es Bergen zum Fuße, dort hat es eine Felsenwand, an jenem Ort stoͤßt es an einen fin- stern Wald, an einem andern streckt es sich in weiten Ausgaͤngen fort, die alles, C c 3 was Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren was eine Landschaft belebt, in einer angenehmen Unordnung darstellen, einzelne Baͤu- me, Waldung, Doͤrfer, Pachthoͤfe. An dieses Thal stoͤßt der See, der sich zur Rechten und Linken in einer unregelmaͤßig begraͤnzten Flaͤche ausbreitet. Einen edlern Anblick kann man nicht sehen. Die Linie der Kuͤste hat mehr Veraͤnderungen, als man sich nur in seiner Einbildungskraft vorstellen kann. Bald verengt sie den See, daß er einem Flusse aͤhnlich wird, bald zieht sich das Ufer zuruͤck und formirt Bayen, als wenn große Schiffe darin ankern sollten; hier schieben sich Vorgebuͤrge in den See, die zum Theil aus Wald, zum Theil aus eingezaͤunten Feldern bestehen; dort erheben fuͤrchterliche Landspitzen ihr Felsenhaupt aus dem See empor. Was aber dieser Scene eine unbeschreibliche Anmuth giebt, sind die zehn kleinen Inseln, die das Auge alle uͤbersieht. Die groͤßte stellt eine wellenfoͤrmige Linie vor, die sich in artigen Ungleichheiten uͤber dem Wasser erhebt. An einigen Stellen ist das Land hoch, an andern niedrig; hier stehen die Baͤume einzeln, dort in einem Klumpen beysammen. Am Ufer liegt eine Pachterwohnung, und hinter ihr ein kleiner Wald. Verschiedene der andern Inseln ragen aus dem Wasser, wie kleine mit Waldung be- setzte Huͤgel, hervor; auf andern stehen einzelne Baͤume; alle sind mit dem herrlich- sten Rasenteppiche uͤberzogen.“ Nichts aber giebt einer Aussicht mehr Aufheiterung und Leben, als die Be- weglichkeit der Gegenstaͤnde, wodurch sie einen eigenthuͤmlichen noch von Groͤße und Mannigfaltigkeit unterschiedenen Charakter erhaͤlt. Unter allen beweglichen Gegen- staͤnden in der Landschaft zeichnen sich von Fahrzeugen belebte Gewaͤsser vorzuͤglich aus; und eine reizende Aussicht dieser Art hat auf der Insel Weight, an einer Anhoͤhe unweit der See, ein angenehmer Landsitz, den Young 4ter Theil, 24ster Brief. in seiner Reise durch die oͤstlichen Provinzen von England beschreibt. „Man genießt aus dem Gebaͤude die schoͤnste Aussicht uͤber den Canal von Portmouth bis nach Lymington, und uͤber die Muͤndung des Flusses Southampton; man sieht den hohen Theil von Sussex, die Huͤgel von Hampshire und die waldige Kuͤste von New-Forest: dies zusammen macht vielleicht die schoͤnste Gegend mit einem Fluß aus, die man sich nur denken kann. Man uͤbersieht einen Fluß, der drey bis sieben Meilen (engl.) breit, und fuͤnf und zwanzig bis dreyßig Meilen lang ist. Diese praͤchtige Flaͤche Wasser ist be- staͤndig mit einer großen Menge Fahrzeuge bedeckt, von den groͤßten Kriegsschiffen an bis zu etlichen hundert Fischerboͤten. Alle Augenblick veraͤndert sich der Prospect, nach den verschiedenen Stellungen der Schiffe. Dieser Anblick uͤbertrifft den schoͤnsten Seeprospect weit. Ein graͤnzenloses Meer faͤllt bey der ersten Ansicht auf, und er- regt der Landschaft und ihren Wirkungen. regt erhabene Gedanken; sieht man es aber lange, so verliert es vieles von seinen Rei- zungen. Hier hingegen ermuͤdet das Auge niemals.“ Allein man muß so wenig in den Gaͤrten, als in der Natur, uͤberall freye Aus- sichten haben wollen. Prospecte, die immer von allen Seiten vor den Augen offen liegen, zerstreuen oder ermuͤden doch zuletzt; so wie eine ewige Klarheit des Himmels, von keinem sanften Gewoͤlke gemildert. Das Auge verlangt, wie der Geist, Ruhe- punkte, gesperrte Plaͤtze, wo es auf nahen Rasen, unter kuͤhlen Schatten oder dem Geplaͤtscher eines Bachs sich wieder erfrischt. Der Genuß einer kleinen sanften Sce- ne, die in einer angenehmen Daͤmmerung oder Verschließung ruht, ist nie beleben- der, als nach der Wonne heller und ausgedehnter Prospecte. Verschiedene Arten von Anlagen, als eine Einsiedeley, ein Bad, verlangen durchaus eine gesperrte Ge- gend; und zuweilen ist es noͤthig, einen Theil der Aussicht zu verschließen, um der Zerstreuung des Auges vorzubeugen, oder einige Partien in einem schoͤnern Lichte er- scheinen zu lassen. Die Natur sperret in ihren Landschaften die Aussicht durch An- hoͤhen und Gehoͤlze; der Gartenkuͤnstler hat außer diesen Mitteln noch Gebaͤude. Fuͤr Gegenden, die gar keine erfreuliche Aussichten liefern, als kahle Felder, duͤrre Sandebenen, unfruchtbare Haiden, sumpfige Torfthaͤler, truͤbe Teiche mit Weiden bepflanzt, uͤberhaupt fuͤr Gegenden, die durch das Leere und Einfoͤrmige miß- fallen, verlangt das Auge eine wohlthaͤtige Verschließung. Außerdem kann das Weitschweifige und Unbestimmte in den Aussichten durch kluge Unterbrechungen mit Baͤumen und Gruppen vortheilhaft veraͤndert werden. Eine Landschaft, deren verschiedene Theile von einander getrennt und gleichsam ver- streut umherliegen, wird eine desto schlechtere Wirkung thun, je ausgedehnter sie ist. Hier kann die gefaͤllige Kunst ihren Beystand leisten. Durch einzelne Baͤume und kleine Gruppen, die sie hinpflanzt, koͤnnen die Theile mehr verbunden, mehr zu einem bestimmten Ganzen charakterisirt werden; dadurch gewinnt die Landschaft an Man- nigfaltigkeit, und die Aussichten werden nicht allein vervielfaͤltigt, sondern auch reizender. 11. Zufaͤlligkeiten . Die Natur hat eine Menge von zufaͤlligen Erscheinungen, womit sie in ver- schiedenen Jahreszeiten und in verschiedenen Tagesstunden ihre Landschaften verschoͤ- nert. Die mannigfaltigen Veraͤnderungen bey dem Aufgang und Untergang der Sonne; die verschiedenen Stellungen, Bewegungen und Malereyen der Wolken, zumal Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren zumal bey Gewittern und in den Abendstunden; die durchstreifenden Sonnenblicke; ploͤtzlich einfallende Beleuchtungen und Beschattungen; der Schimmer des Mondes im voruͤberwandelnden Gewoͤlk; die Erheiterungen und Verduͤsterungen der Ferne, die sich nach der Beschaffenheit des Himmels richtet, der seine Gestalten und Lichter mit ihr verwechselt; der sanfte blaͤuliche Duft, der uͤber entfernte Aussichten schwebt; die Spielungen der Farben im Regenbogen; die zwischen dem Gruͤn der Wiese schim- mernden Sternchen des Morgenthaues; die romantischen Figuren im umherziehenden Nebel; die spielenden Bewegungen des Laubes und Wassers; die lieblichen Wider- scheine, die milder und anlockender sind, als der Stral des urspruͤnglichen Lichts — Alle diese Veraͤnderungen in der Natur, die wir hier unter dem Namen der Zufaͤllig- keiten begreifen, scheinen neue Lagen, oft neue Gegenstaͤnde selbst zu bilden. Sie erfrischen durch eine bestaͤndige Abwechselung in der Beleuchtung und Beschattung der Scene, in den Spielungen des Lichts und der Farben; und sind fuͤr die Man- nigfaltigkeit und das Leben in der Landschaft ungemein fruchtbar. Sie uͤberraschen das erstaunte Auge oft mit Erscheinungen, die sich keine Phantasie blendender, zau- berischer und voruͤbereilender bilden kann. Der Landschaftmaler belauscht die Natur auf ihren geheimsten Wegen, um diese Zufaͤlligkeiten, die ihr eigen sind, nachzubilden, so weit es der schwachen Kunst gelingen mag. In der Macht des Gartenkuͤnstlers ist nichts von diesem Zauber; er muß ihn blos von der Natur erwarten, wenn es ihr gefaͤllt, seine Reviere damit zu verschoͤnern. II. Cha- der Landschaft und ihren Wirkungen. II. Charakteristik verschiedener Gegenden . 1. E s giebt in den weiten Landschaften einige Gegenden, die man gemein, unbedeu- tend, ohne Charakter nennen kann, die keinen Reiz fuͤr den Geist und das Auge haben, oder gar auf eine merkliche Art misfallen, und die demnach auch nicht in den Bezirk der Gaͤrten kommen duͤrfen. Ganz leere und einfoͤrmige Flaͤchen haben kein Interesse; und bey einem laͤn- gern Anblick ermuͤden sie zuletzt. Haiden und Torffelder, wie in Niederdeutschland, misfallen durch ihre trau- rige Unfruchtbarkeit. Arabiens und Peru’s weite Sandebenen schrecken außerdem noch durch die Vorstellung der Beschwerlichkeit und Gefahr, denen der Reisende in ihnen ausgesetzt ist. Ausgedehnte, wildverwachsene, mit Moraͤsten und Suͤmpfen, mit Finsterniß erfuͤllte Wuͤsteneyen, wie in America, oder lauter Strecken von rauhen Klippen und oͤden Felsen, wie in einigen Gegenden von Island und Groͤnland, erregen Un- muth, Furcht, Schauder. Ihnen sind die Vorstellungen von Mangel, von Elend und von Gefahr eigen; der Gedanke der Einsamkeit geht hier in das Schreckhafte uͤber, und ein niederdruͤckendes Gefuͤhl seiner Schwaͤche bemaͤchtigt sich des Menschen. Die Anrufung eines unsrer groͤßten Dichter: von Haller. Ihr Waͤlder, wo kein Licht durch finstre Tannen stralt, Und sich in jedem Busch die Nacht des Grabes malt; Ihr hohlen Felsen dort, wo im Gestraͤuch verirret Ein trauriges Geschwaͤrm einsamer Voͤgel schwirret; Ihr Baͤche, die ihr matt in duͤrren Angern fließt, Und den verlornen Strom in oͤde Suͤmpfe gießt; Erstorbenes Gefild, und grausenvolle Gruͤnde: O! daß ich doch bey euch des Todes Farben fuͤnde! O! naͤhrt mit kaltem Schaur und schwarzem Gram mein Leid! I Band. D d diese Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren diese erhabene Anrufung, indem er die Ewigkeit beschreiben will, gruͤndet sich auf eine richtige Empfindung, die eine Folge von den natuͤrlichen Eindruͤcken dieser Sce- nen ist. Indessen kann in einer schoͤnen Landschaft ein schrecklicher und fuͤrchterlicher Ge- genstand erscheinen, ohne daß ihre angenehme Wirkung dadurch gestoͤrt wird; ja sie kann selbst durch den Einfluß des Contrastes gewinnen. Dieses beweisen manche Ketten von lieblichen Thaͤlern in der Schweiz, uͤber welche benachbarte mit Eis und Schnee belastete Alpen herabdrohen; dieses beweiset der rauchende Vulcan auf der romantischen Insel Sicilien. Doch wird der Gartenkuͤnstler, der einen viel engern Raum hat, als die Natur, es nicht leicht wagen duͤrfen, hier nachzuahmen. 2. Die Gegenden, die sich fuͤr Gaͤrten schicken, sind zuerst die angenehmen, die muntern, und die heitern; die letztern koͤnnen auch den Namen der lachenden oder reizenden fuͤhren. Sie bestehen uͤberhaupt aus Abwechselungen von kleinen Vertie- fungen und Anhoͤhen, aus unmerklichen Kruͤmmungen und mancherley Ungleichheiten des Bodens, aus leichten, freyen und anmuthigen Zusammensetzungen von Wiesen, Buschwerk und Hainen, Blumen, Wasser und niedrigen Huͤgeln. Felsen, Ge- birge und starke Wasserfaͤlle sind hier ausgeschlossen. Je mannigfaltiger und ver- wickelter die Zusammensetzungen sind, desto mehr Amnuth. Das Frische und Leb- hafte des Gruͤns auf den Rasen und an den Baͤumen, die Klarheit des Wassers, sein stiller heller Spiegel, oder sein rieselnder Lauf, sein huͤpfendes Geplaͤtscher, eine Menge spielender Baͤche und kleiner Wasserguͤsse, Blumen von glaͤnzenden Farben, sanfte Erhebung der Huͤgel mit Gebuͤsch und bluͤhenden Gestraͤuchen, liebliche Erhei- terung des Schattens, umherschwebende Wiederscheine, Aussichten auf Scenen voll Leben und Bewegung — bestimmen den Charakter solcher Gegenden in verschiedenen Graden, die von dem blos Angenehmen zum Muntern, und von dem Muntern zum Heitern hinauffteigen. Die Natur bildet Gegenden von dieser Gattung in einer unbeschreiblichen Ab- wechselung, und in einer verschwenderischen Verschiedenheit der Groͤße, der Formen, der Farben, der Stellungen und der Verbindungen. Sie kommen, weil die Natur sie in einer so reichen Mannigfaltigkeit liefert, in tausend Nachbildungen der Dichter und der Landschaftmaler wieder vor. Ihr Eindruck ist gemaͤßigt. Eine ruhige Behaglichkeit, eine erwaͤrmende Aufwallung von Ergoͤtzung, ein sanftes Dahinschweben der Seele in Empfindungen und der Landschaft und ihren Wirkungen. und Phantasien, die ihr bekannt scheinen, und sie doch mit so neuem Reiz beleben — dies sind fuͤr das unverderbte Gefuͤhl die Wirkungen der angenehmen, der muntern und der heitern Gegend. 3. Seltener sind in der Natur sanftmelancholische, romantische und feyerliche Gegenden; aber auch kraͤftiger ist ihre Einwirkung. Die angenehmen Gegenden schwinden mit einer leichten Beruͤhrung vor der Seele voruͤber; diese aber ergreifen sie, halten sie an. Sie sind anziehend, bezaubernd, erschuͤtternd und erhebend; Eindruͤcke, die fuͤr Leute von Geschmack und feiner Empfindung weit interessanter sind, als tausend Belustigungen von dem gemeinen Schlag. Eine sanftmelancholische Gegend bildet sich durch Versperrung aller Aus- sicht; durch Tiefen und Niedrigungen; durch dickes Gebuͤsch und Gehoͤlz, oft schon durch bloße Gruppen von hohen starkbelaubten nahe an einander gedraͤngten Baͤumen, in deren Gipfel ein hohles Geraͤusch schwebt; durch stillstehendes oder dumpfmurmeln- des Gewaͤsser, dessen Anblick versteckt ist; durch Laubwerk von einem dunkeln oder schwaͤrzlichen Gruͤn, durch tiefherabhaͤngende Blaͤtter und uͤberall verbreitete Schatten; D d 2 durch Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren durch die Abwesenheit alles dessen, was Leben und Wirksamkeit ankuͤndigen kann. In einer solchen Gegend fallen sparsame Lichter nur durch, um den Einfluß der Dun- kelheit vor dem Traurigen oder Fuͤrchterlichen zu beschuͤtzen. Die Stille und die Ein- samkeit haben hier ihre Heimath. Ein Vogel, der ungesellig umherflattert, ein un- verstaͤndliches Geschwirre unbekannter Geschoͤpfe, eine Holztaube, die in dem hohlen Gipfel einer entlaubten Eiche girrt, oder eine verirrte Nachtigall, die ihre Leiden der Einoͤde klagt — ist zur Ausstaffirung der Scene schon hinreichend. Eine Gegend von dieser Art, Wo alles ruht, wo Blaͤtter nur sich regen, Und jener Bach, der oͤde Wiesen traͤnkt — — Wo schwaches Laub, belebt vom Westenwinde, Die matte Seel in sanfte Wehmuth bringt, Und in dem Frost noch nie bestralter Gruͤnde Kein Leid mehr bleibt, das nicht die Stille zwingt; von Haller. hat nichts, das eine widrige Empfindung erwecken koͤnnte; sie ist vielmehr fuͤr gewisse Beduͤrfnisse des Herzens und des Geistes uͤberaus erwuͤnscht. Sie giebt den suͤßen Genuß der Ruhe und der Einsamkeit; eine schmeichelhafte Vorstellung von Selbstge- nuͤgsamkeit, ein gelassenes Vergessen der Dinge, die unsern Frieden unterbrachen. Sie lockt und labt die Seele, die, aus den Sorgen und Geschaͤften der Welt zuruͤck- gekehrt, sich einmal selbst genießen will. Sie, die Vertraute der Liebe, unterhaͤlt die geheime Zaͤrtlichkeit des Herzens, und schmeichelt dem Kummer, bis er stumm wird. Der Geist uͤbergiebt sich freyer Betrachtungen, die seiner wuͤrdig sind; alle seine Kraͤfte sammeln sich und werden wirksamer. Und die Phantasie erhebt sich zu einem ungewoͤhnlichen Flug in eine neue Sphaͤre von Bildern, unter welchen sie mit einem geheimen Entzuͤcken umherirrt. Wer sollte so wenig Philosoph oder Freund von sich selbst seyn, der nicht in seinem ausgedehnten und heitern Garten eine sanft- melancholische Gegend fuͤr sich erbauete? Wem koͤnnen ihre Eindruͤcke ganz fremd seyn, so fremd, daß er sie nie in der Natur wahrgenommen haͤtte, oder sie bey ihrem Dichter nicht wieder fuͤhlen sollte? Dort, wo waldigte Hoͤhen den blauen Ruͤcken verbreiten, Und ein frischerer West von ihrem Gipfel herabhaucht, Dorthin lenke den Schritt. Folg immer dem kuͤhleren Thale Tief in der Berge beschatteten Schoos; bis laubigte Kruͤmmen Dich zu der wilden Natur einsamem Theater geleitet. Hier, der Landschaft und ihren Wirkungen. Hier, wo uͤber dem Fels der Esche silberne Blaͤtter Lieblicher lispeln ins Thal, und malerisch hangende Straͤuche Von dem Fuße des Bergs in spiegelnde Fluthen sich neigen; Hier beut dir vom bluͤhenden Moos die Wildniß den Sitz dar, Und eroͤffnet vor dir die ernste ruhige Scene. — — — — — — Die dunkeln thauigten Wiesen Kleidet ein tieferes Gruͤn; sie hauchen dir staͤrkre Geruͤche. Ueber den Teichen schwebet kein Wind; wie truͤbere Spiegel Liegen sie, ruhig und still, weit in die Felder verbreitet. Ernst steht in des Alterthums Pracht das einsame Kloster In der Waͤlder verborgenem Schoos; und Birken und Linden Lassen es fern vom Geraͤusch in ihren Umarmungen ruhen. Und mich duͤnkt, es winket dir zu. Ein heiliger Schauer, Welcher mich maͤchtig ergreift, fuͤhrt mich mit zaubernder Kraft fort In den geweihten Bezirk. — Zachariaͤ. D d 3 4. Das Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren 4. Das Romantische oder Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen, der Gegenstellungen und der Ver- bindungen. Man findet es am meisten in gebirgigen und felsigen Gegenden, in versperrten Wildnissen, wohin die geschaͤftige Hand des Menschen noch nicht gedrun- gen ist. Zur Bildung dieses Charakters tragen Felsen, wie schon oben angefuͤhrt ist, nicht weniger Wasserfaͤlle, vorzuͤglich bey. Aber außer dem, was hier die Form bewirkt, wird auch durch starke und auffallende Entgegenstellungen und kuͤhne uͤber- raschende Zusammensetzungen das Romantische erzeugt. Die Aussichten sind, weil die Einbildungskraft sich mit nahen Gegenstaͤnden beschaͤftigen soll, hier mehrentheils verschlossen; sie breiten sich selten vorwaͤrts aus, sondern erheben sich oͤfter aus der Tiefe in die Hoͤhe, oder senken sich von der Hoͤhe in die Tiefe herab. Wo die rauhe finstre Wildniß sich mit einem kleinen stillen Thale voll glaͤnzender Blumen paart, wo ein Waldstrom am Felsen durch bluͤhende Gestraͤuche herabschaͤumt, und das blin- kende Wasser zwischen den gruͤnen Blaͤttern umherirrt, wo kahle weiße Felsspitzen mitten uͤber die Oberflaͤche einer schoͤnen Waldung hervorragen — da ist ein An- fang von diesem Charakter. Die Natur scheint ihn in einer gluͤcklichen Laune mehr hinzuwerfen, als sorg- faͤltig auszubilden; es sind kuͤhne, seltsame, abspringende Nebenzuͤge, die sich ihre Hand in der Malerey der Landschaft entwischen laͤßt. Die Wirkungen des Roman- tischen sind Verwunderung, Ueberraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst. Eine Beschreibung einer uͤberaus romantischen Gegend von einem trefflichen Kenner Observations on modern Gardening, 4e Edition. S. 111. u. f. wird diesen Charakter noch deutlicher machen. Diese Gegend ist das be- ruͤhmte Thal Dowedale in Derbyshire in England. „Das Thal ist zwo Meilen (engl.) lang, tief und schmal; beyde Seiten bestehen aus Felsen; und die Dowe, die zwischen ihnen durchfließt, veraͤndert bestaͤndig ihren Lauf, ihre Bewegung, ihr Ansehen. Sie ist nirgends kleiner als dreyßig, und nirgends bis sechzig Fuß breit; gemeiniglich aber ohngefaͤhr vier Fuß tief; dabey aber durchsichtig bis auf den Bo- den, ausgenommen wo sie unterhalb den Wasserfaͤllen, die vollkommen helle sind, mit Schaum von dem reinsten Weiß bedeckt ist. Diese Wasserfaͤlle sind sehr zahl- reich, aber auch sehr verschieden. An einigen Orten gehen sie gerade, an andern aber schief uͤber den Fluß; und wieder an andern nehmen sie nur einen Theil von ihm ein. Das Wasser schlaͤgt entweder gegen die Steine und springt uͤber sie hinweg; oder der Landschaft und ihren Wirkungen. oder ergießt sich von einem Abhange hinab und prallt von den unten befindlichen Stei- nen zuruͤck; bald schießt es zwischen ihnen durch die verschiedenen Oeffnungen hindurch; bald laͤuft es ganz stille fort; und bald wird es von aufstoßenden Hindernissen zuruͤck- getrieben und genoͤthigt, wider den Strom zu gehen. An einem besondern Orte kom- men die Seiten des Thals beynahe zusammen, so daß kaum ein Durchgang fuͤr den Fluß uͤbrig bleibt, welcher eingeschlofsen und sich einen Weg durchkaͤmpfend tobt, brauset und schaͤumt, bis er sich aus seinem Kerker durchgewunden hat. An andern Orten ist der Strom, obgleich niemals traͤg, dennoch nicht selten ruhig. Er um- fasset eine kleine, wuͤste Insel, schleichet durch Schilfgebuͤsche hindurch, zertheilt sich zwischen hervorragenden Flecken von Rasen oder Moos, kraͤuselt sich um einige aus dem Wasser aufsteigende Staͤmme herum, oder spielet mit den schwachen Staͤngeln der auf der Oberflaͤche schwimmenden Wasserpflanzen. Die Felsen veraͤndern durch das ganze Thal hindurch so oft ihre Gestalt, als der Fluß seinen Lauf. An einem Orte verliert sich eine breite Flaͤche nach und nach fast in eine Spitze; an einem an- dern haͤngt ein schwerer Gipfel weit heruͤber, und uͤberschattet alle unter ihm befind- liche Gegenstaͤnde; bald siehet man verschiedene Figuren unordentlich unter einander geworfen; bald sind sie in schwache und duͤnne gerade aufwaͤrtssteigende Spitzen, bisweilen zwey oder drey zusammen, bisweilen in einer weit groͤßern Anzahl, zer- rissen. Auf der einen Seite des Thals find sie gaͤnzlich kahl; auf der andern stehet hin und wieder Gehoͤlze; und die unermeßliche Hoͤhe von beyden Seiten, nebst dem engen Raume zwischen ihnen, vermehret die Mannigfaltigkeit. Denn so oft die Sonne hinter der einen scheinet, so bildet sich ihre Gestalt deutlich und vollkommen auf der andern; die rauhe Flaͤche, worauf sie faͤllt, veraͤndert die Schattirung, und ein starkes gebrochenes Licht stralet oft am Rande des dunkelsten Schattens; die Fel- fen behalten niemals lange eben dieselbe Figur und Lage, und sind sehr weit von einan- der abgesondert. Bald machen sie die Seiten des Thals durch steile Anhoͤhen, durch Klippen, durch Absaͤtze; bald scheinen sie aus dem Boden heraufzusteigen, und sich ruͤckwaͤrts an den Berg zu lehnen; und bald stehen sie ganz im Freyen hervor, indem sie sich in ungeheure Pfeiler aufthuͤrmen, oder in kegelfoͤrmigen auf die hundert Fuß hohen Figuren aufschießen. Einige sind durchaus feste und dichte; andere sind ge- spalten; noch andere zerschmettert und untergraben, und diese werden auf eine wun- derbare Art von abgebrochenen Stuͤcken unterstuͤtzt, die, dem Augenscheine nach, der Last, die sie tragen, nicht angemefsen sind. Manche stehen vor, manche uͤber einander; und manche fuͤllen hinten in einiger Entfernung einen leeren Raum zwi- schen zween andern aus. Die Veraͤnderungen ihrer Stellung sind unendlich; bey jedem Schritte zeigt sich eine neue Verbindung; sie durchkreuzen einander, ruͤcken vor, Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren vor, ziehen sich zuruͤck. Die Breite des Thals ist nirgends dreyßig Schritte lang die naͤmliche. Bey dem engen Passe, dessen wir gedacht haben, stoßen die Gipfel der Felsen beynahe oben zusammen, und man siehet den Himmel zwischen ihnen nur, wie durch eine kleine Spalte. Gleich neben diesem finstern Abgrunde ist eine breitere Oeffnung, mehr Licht, mehr Gruͤnes, mehr Freundlichkeit, als irgendwo anders im Thal. Die Figuren und Stellungen der Felsen aber machen nicht allein ihre ganze Abwechselung aus. In vielen sind große natuͤrliche Oeffnungen ausgehoͤhlt, so daß man durch einige den Himmel sehen kann; andre endigen sich in eine finstre Tiefe; und durch andre zeigen sich verschiedene noch seltsamere Schwibboͤgen und unbearbei- tete Pfeiler, die alle von einander abgesondert sind, und sich einer hinter dem andern mit dem zwischen ihnen hineinscheinenden Lichte verstecken, bis ein weit hinter ihnen stehender Fels die Aussicht versperrt. Das Getoͤse der Wasserfaͤlle im Flusse wird durch das Echo zwischen den Felsen verdoppelt; man hoͤrt oft das Wasser zu einer Zeit in der Naͤhe rauschen und in der Ferne brausen; kein anderer Ton aber stoͤret die tiefe Stille der Gegend. Die einzige Spur von Menschen ist ein versteckter Fuß- steig, der aber nur wenig ausgetreten ist; wie er denn auch nur selten, und zwar nur von denen besucht wird, welche die Neugierde reizt, die Wunder zu sehen, die sie von Dowedale haben erzaͤhlen hoͤren. Es scheint in der That mehr ein Aufenthalt fuͤr eingebildete Wesen zu seyn; das Ganze hat das Ansehen einer bezauberten Gegend. Die bestaͤndige Abwechselung der Auftritte; die kurzen Verbindungen; die allgemei- nen Veraͤnderungen; die Figuren, die sich von allen Seiten zeigen, die so seltsam sind, als sie ein Zufall entwerfen, so wild, als sie die Natur erzeugen, und so man- nigfaltig, als sie die Einbildungskraft erfinden kann; die Kraͤfte, welche angewandt zu seyn scheinen, um einige Felsen dahin zu setzen, wo sie nunmehr unbeweglich fest stehen; die Zauberkunst, wodurch andre das Ansehen haben, noch zu keiner besondern Absicht bestimmt zu seyn; die finstern Hoͤhlen, die erleuchteten Winkel, die flatternden Schatten und der Glanz des an den Seiten fackelnden oder auf dem Strome zitternden Lichts; die Einsamkeit und Stille des Orts: indem dieses alles auf einmal die Seele erfuͤllt, so werden die Bilder, die natuͤrlicher Weise in ihr bey dem Anblicke dieser seltsamen und romanhaften Gegend entstehen, beynahe in wirkliche Wesen verwandelt.“ Eine andere nicht weniger durch das Romantische merkwuͤrdige Gegend ist das Thal Lauterbrunn mit seinem beruͤhmten Wasserfall, dem Staubbach, in den Alpen des Canton Bern. Hier ist die neueste Beschreibung derselben von einem feinen Beobachter der Gebirge, Luͤc, Physicalisch-moralische Briefe uͤber die Berge ꝛc. 5ter und 7ter Brief. worin ich mich aller der Wunderscenen wie- der erinnere, die ich ehemals selbst zu sehen das Vergnuͤgen gehabt. „Der der Landschaft und ihren Wirkungen. „Der Weg in den Gebirgen nach Lauterbrunn hat etwas unbeschreibliches, naͤmlich, wenn man die Empfindung ausdruͤcken wollte, welche die Anordnung der Gegenstaͤnde, die man von demselben sieht, erregen muß. Es war Morgen; die Sonne war noch nirgends, als an den Gipfeln der Berge sichtbar, die beynahe uͤber unsern Koͤpfen hiengen. Die Felsen waren dicht um uns her geschlossen; wir gien- gen in der Tiefe eines Thals fort, das sich zwischen den Bergen oͤffnete, wo wir kurz zuvor noch keine Spur von einem Wege sahen. An einigen Orten waren die Berge durch andere Thaͤler eingeschnitten; Stroͤme von Licht schienen sich hier selbst Tag zu machen, und theilten die Berge von oben bis unten in den Grund: so deutlich zeich- neten die Sonnenstralen, indem sie die leichten Duͤnste erhelleten, ihre Bahn zwischen den Felsen in der Luft. An andern Orten hingegen sahen wir noch den Nachtrab der Nacht; hier konnte man noch nichts erkennen. Ein dicker Schatten, der unsern Augen um so viel dunkler ward, je groͤßere Helligkeit die hoͤher liegenden Gegenstaͤnde schon verbreiteten, bedeckte alles mit einem undurchdringlichen Schleyer. Diese Thaͤler sind hin und wieder von unermeßlichen Felsen umgeben, die sich steil in die Hoͤhe erheben, die dem Reisenden den Himmel zum Grunde zu haben scheinen, und ihm ganze Berge zu seyn duͤnken, da sie doch in der That nur kleine Theile davon sind. Wenn man sich von den ersten untersten Felsen entfernen kann, so sieht man nach und nach neue Felsen, Waͤlder und Viehweiden; auch sehr oft erblickt man be- bauete Laͤndereyen, bey denen Doͤrfer umherliegen, die sich wie Amphitheater in die Hoͤhe erstrecken, bis an andre nackte hoͤhere Felsen hinauf, die oben mit Eis bedeckt sind und die wahren Gipfel der Gebirge ausmachen. Von diesen Felsen, welche die Wolken in ihrem Zuge aufhalten, und von den darunter gelegenen Gegenden, kommen allenthalben Baͤche herunter, die sich nach und nach vereinigen, und die endlich ge- woͤhnlich in die großen Thaͤler durch die Einschnitte gelangen, die sich in den Felsen finden. Hiedurch ist in diesen mannigfaltigen Amphitheatern alles mit Cascaden besaͤet; welches etwas dazu beytraͤgt, ihnen einen aͤußerst malerischen Anblick zu geben. Diese Wasserfaͤlle sind gleichsam Baͤche von Staub; wenn sie von der Hoͤhe hinab- kommen, so sind sie fast nichts als ein feiner Regen, dessen Tropfen sich, je tiefer sie fallen, desto mehr zerstreuen, und die der geringste Wind sehr weit in die Runde um- herfuͤhrt. Dieses hat zu der Benennung des Staubbachs Anlaß gegeben. Als sich der Vorhang wegzog, der uns das Thal verdeckte, worin er sich hinabstuͤrzt, waren wir wirklich aͤußerst betroffen durch den hoͤchstmalerischen Anblick, der sich uns darstellte. Steile Felsen von ungeheurer Hoͤhe, die sich zur Rechten ohne Vertiefung aufthuͤrmten und da eine Wand machten, waren zur Linken durch abhaͤngige Oerter unterbrochen, die mit Viehweiden und mit Gehoͤlz bedeckt wurden; und uͤber diese I Band. E e glitten Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren glitten die Augen am Ende des Thals uͤber unermeßliche sehr nahe Eisfelder hin, die sich in einem Amphitheater herum erstreckten. Zwanzig Baͤche, die von der Hoͤhe der Berge herabkamen, stuͤrzten sich von dem Rande der Felsen in Regen an dieser Seite in das Thal herunter; der beruͤhmte Staubbach insonderheit, den die Sonne schon zu bescheinen anfieng, fiel durch sein helles Weiß zwischen den noch dunkeln Felsen sehr in die Augen.“ — Dies ist eben der Wasserfall, den der Dichter der Alpen geschildert. Hier zeigt ein steiler Berg die mauergleichen Spitzen, Ein Waldstrom eilt hindurch und stuͤrzet Fall auf Fall. Der dickbeschaͤumte Fluß dringt durch der Felsen Ritzen, Und schießt mit jaͤher Kraft weit uͤber ihren Wall. Das duͤnne Wasser theilt des tiefen Falles Eile, In der verdickten Luft schwebt ein bewegtes Grau; Ein Regenbogen stralt durch die zerstaͤnbten Theile, Und das entfernte Thal trinkt ein bestaͤndig Thau. Ein Wandrer sieht erstaunt im Himmel Stroͤme fließen, Die aus den Wolken fliehn, und sich in Wolken gießen. Durch der Landschaft und ihren Wirkungen. Durch Empfindungen fuͤr das Herz mehr belebt ist dieses Gemaͤlde einer roman- tischen Scene von einer sanftern Art. „Mitten durch die schwarzen Schatten der Tannen und ein Amphitheater von Felsen stuͤrzt ein klarer Fluß von Fall auf Fall, bis in ein ruhiges Thal herunter. Hier scheint er sich mit Vergnuͤgen zu verbreiten, um einen See zwischen der Kette majestaͤtischer Felsen zu bilden, deren Zwischenraͤume in der Ferne diese ehrwuͤrdigen Gebirge sehen lassen, deren mit Eis und ewigem Schnee bedeckte Gipfel aus diesem Gesichtspunkte wie ungeheure Massen von Agath und Alabaster erscheinen, die alle Farben des Lichts zuruͤckstralen. Das Wasser des Sees ist von einer himmelblauen Farbe, wie das Azur des schoͤnsten Tages, und durchsichtig, wie der reinste Crystall; das Auge kann die Spiele der Forelle bis auf den Grund verfolgen, aus welchem Marmorstuͤckchen von allen Farben heraufschimmern. Mitten auf dem Wasser er- hebt sich eine Insel, um sich gleichsam den laͤndlichen Vergnuͤgungen zum Schauplatz anzubieten. Diese reizende Insel ist mit Weinstoͤcken und Wiesen unterbrochen, und die dazwischen liegenden angenehmen Gebuͤsche bilden von einer Strecke zur andern abwechselnde Schatten. Die Kuh weidet sich hier von Erdbeeren, die den Rasen roͤthen; gluͤckliche Gatten, die kein Eigennutz vereinigte, sitzen auf dem zarten Grase, von ihren Kindern umgeben; hier genießen sie ein koͤstliches Abendmahl von fetter Milch, welche die Suͤßigkeit der Erdbeere und die zarte Weiße der Rose hat. Wei- terhin plaͤtschert, beym Silberlicht des Mondes, das Wasser des Sees unter einem leichten Kahn, der die jungen Maͤdchen des benachbarten Darfs bringt. Ein weis- ses Leibchen erhebt ihren zierlichen Wuchs; ein langes geflochtenes Band flattert uͤber ihre Schultern herab; und ein artiger Strohhut, mit den schoͤnsten Blumen der Jah- reszeit geziert, ist der einzige Schmuck eines reizenden Gesichts, worin die Farbe der Gesundheit bluͤhet und die Heiterkeit der Unschuld laͤchelt. Ihre melodischen Stim- men hatten keinen andern Lehrmeister, als die Voͤgel und die Consonanz der natuͤrli- chen Harmonie; und das Echo dieser Gegenden, die noch nie das Gelaͤrm der kuͤnst- lichen Musik gehoͤrt, hallt blos von den Gesaͤngen der Natur und der Froͤhlichkeit, und von den einfachen Toͤnen der Schalmey wieder. — Indem der Fluß aus dem See wieder ablaͤuft, vergraͤbt er sich in ein verschlossenes und tiefes Thal; hohe Berge und stolze Felsen scheinen diesen Zufluchtsort von der uͤbrigen Welt abzusondern. Die Gipfel sind mit Tannen bekroͤnt, wohin nie die Axt kam. Ueber Rasen von Thymian und Quendel hin springen weiße Ziegen von Fels zu Fels lustig hinauf. Ihre Sicherheit an einem so wuͤsten Orte befreyt von der Furcht vor wilden Thieren, und verbannet den Gedanken einer gaͤnzlichen Verlassung, indem sie die Nachbarschaft einer ruhigen Wohnung ankuͤndigt. Der Fluß findet nach einigen Wasserfaͤllen, E e 2 jaͤhling Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren jaͤhling heruͤberstuͤrzend uͤber die Versperrung von Felsen, die sich seinem Lauf entge- gensetzen, endlich in diesem engen Thale einen kleinen Raum, wo sein schaͤumendes und zusammengedraͤngtes Wasser einen Augenblick der Ruhe genießen kann. Ein Gehoͤlz von alten gruͤnen Eichen ragt uͤber den sanften Abhang des Ufers heruͤber; unter ihrem geheimnißvollen Schatten liegt ein Teppich von feinem Moos. Das helle und wenig tiefe Wasser vermischt sich mit den krummen Staͤmmen, und seine Wellen, die uͤber den vielfarbigen Kiesel spielen, laden ein, sich darin abzukuͤhlen; Blumen von einfachem gewuͤrzhaften Geruch, heilsame Kraͤuter, und das Harz wohl- riechender Fichten, erfuͤllen die Luft mit balsamischen Duͤften. An dem Ausgange des Eichenwaldes erblickt man mitten durch einen Baumgarten, dessen Baͤume mit Weinranken umschlungen und mit allen Arten von Fruͤchten belastet sind, eine Huͤtte; ihr strohernes Dach bedeckt und beherbergt alles Geraͤth der laͤndlichen Wirthschaft. Die Huͤtte ist aus Tannenbretern von der Hand des Bewohners zusammengefuͤgt; anstatt der Ordnungen der Architektur bildet blos ein Weingelaͤnder einen bedeckten Gang; allein das Inwendige ist netter, als der Palast des Fuͤrsten. Wenn die Speisen hier nicht mit dem Gift aus Indien zubereitet sind, so sind sie doch ausge- sucht, von einem reinen und gesunden Geschmack. Dieser ruhige Aufenthalt ward von der Liebe aufgefunden, und wird von dem Gluͤcke bewohnt.“ De la Composition des Paysages \&c. S. 129-133. Dies sind die romantischen Scenen, welche die Natur nur selten und in den ab- gelegenen Winkeln, wo sie dem Menschen eine Zuflucht zur Freyheit und zur Ruhe aufbewahrt, zu bilden pflegt, Scenen, die in der Natur selbst betrachtet werden muͤssen, weil sie auch in der besten Beschreibung verlieren, und selbst den Nachbil- dungen der Kunst ausweichen. 5. Groͤße und Dunkelheit bilden die feyerliche (ernsthafte, erhabene, majestaͤ- tische) Gegend. Daß die erste Eigenschaft zur Bestimmung dieses Charakters un- entbehrlich ist, kann keinem Zweifel unterworfen seyn; allein auch die Dunkelheit ver- staͤrkt seinen Eindruck, wie schon die Griechen in ihren Tempeln, wie schon die Drui- den in ihren Eichenwaͤldern empfanden. Die Stille, die einen erhabenen Gegen- stand umschwebt, vermehrt das Feyerliche. Allein weil ein starkes Getoͤse, der Sturm im Walde und auf dem Meere, das Toben der Wasserfaͤlle, erhabene Em- pfindungen erwecken, so gehoͤren sie eben so, wie tiefe Stille, zum Ausdruck dieses Charakters. Gebirge, Felsen, zumal wenn sie kahl oder dunkel und schwarz da liegen, hohe der Landschaft und ihren Wirkungen. hohe Waldungen und Baumgruppen, reißende Stroͤme, stuͤrmende Wasserfaͤlle, Aus- sichten auf das Weltmeer, auf Schneeberge, auf Vulcane, in unermeßliche Abgruͤn- de hinab — Dunkelheit der Belaubung, starke Beschattungen, Finsterniß der Nacht uͤberall ausgebreitet, oder durch sparsame Blicke des hinter wandelnden Wolken her- vorschimmernden Mondes beleuchtet — tiefe Stille und Einsamkeit umher, die der Seele Freyheit schenkt, die Eindruͤcke dieser Gegenstaͤnde aufzufangen, und sich den Gedanken und Phantasien, die sie veranlassen, ganz zu uͤbergeben — dies alles mehr oder weniger macht die feyerliche Gegend. Ihre Wirkungen sind Bewunderung, Ehrfurcht, Erhebung der Seele, die nicht geringer, als die Andacht ist. Bewegungen von dieser Art, und besonders die so maͤchtigen Gefuͤhle von der Groͤße und Allgegenwart des Vaters der Natur, muͤssen jedem Geist willkommen seyn, der seine Wuͤrde zu schaͤtzen unter dem Getuͤmmel der Welt noch nicht vergessen hat. Vorzuͤgliche Gegenden von diesem Charakter liefert die Natur sparsam, und zwar um Vorgebirge an den Gestaden des Meeres, in den Alpen, Pyrenaͤen, und andern hohen verketteten Gebirgen, in bejahrten Waldungen, in Wildnissen, wo reißende Waldstroͤme oder Vulcane herrschen. Nicht leicht wird man in der Natur E e 3 oder Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren oder in den Beschreibungen eine Gegend, die so stark diesen Charakter hat, antreffen, als der Berg Monserrat in Catalonien, wie ihn Thiknesses Reise durch Frankreich und einen Theil von Catalonien. Aus dem Engl. 8. 1778. 20 bis 25ster Brief. schildert. „Dieser Berg steht auf einer weiten Ebene, sieben Meilen von Barcelona, recht in der Mitte des Fuͤrstenthums Catalonien. Er besteht aus einer unendlichen Anzahl kegelfoͤrmiger Spitzen, die in einer weiten Entfernung das Ansehen haben, als ob sie von Menschenhaͤnden gemacht waͤren; kommt man aber naͤher, so sieht man augenscheinlich, daß sie allein von dem verfertigt sind, dem kein Ding unmoͤglich ist. Der Berg sieht in der That als die erste rohe Skize von einem Werke Gottes aus; aber der Entwurf ist groß und die Ausfuͤhrung so beschaffen, daß sie jedermann, der sich ihm naͤhert, bewegt, Haͤnde und Augen gen Himmel zu erheben und auszurusen: O! Gott! wie wunderbar sind alle deine Werke! Es ist daher kein Wunder, daß ein solcher Ort von andaͤchtigen Maͤnnern zu ihrer Wohnung erwaͤhlt worden; denn auf der ganzen bewohnbaren Erdkugel ist gewiß kein Fleck, der zur Einsamkeit und zum Nachdenken so geschickt waͤre. Er ist seit vielen Jahrhunderten nur von Moͤnchen und Einsiedlern bewohnt worden, die zuerst das Geluͤbde thun, ihn nie zu verlassen, ein Geluͤbde, das ich ohne Reue thun koͤnnte, ohne Moͤnch oder Einsiedler zu seyn. — Wie ich den Berg zuerst erblickte, hatte er das Ansehen einer unendlichen Menge von Felsen, die in kegelfoͤrmigen Gestalten gehauen und bis zu einer erstaunlichen Hoͤhe uͤber einander gethuͤrmt waren. Bey einer naͤhern Beschauung schien jeder Kegel ein Berg fuͤr sich zu seyn, und das Ganze macht eine ungeheure Masse aus, die vier- zehn (engl.) Meilen im Umfange hat. So wie er keinem andern Berge aͤhnlich ist, so steht er auch von allen andern ganz abgesondert. Das majestaͤtische Kloster, zu welchem Pilgrimme von den entferntesten Enden Europens wallen, eroͤffnete uns den Anblick seiner ehrwuͤrdigen Mauern; einige Einsiedlerzellen guckten noch hoͤher uͤber die zackigen Abgruͤnde hervor. Voll von Erstaunen, von Bewunderung und Freude schwindelnd sahen wir zu dem Gott hinauf, der diese Steinhaufen errichtete, und zu den heiligen Maͤnnern, die zwischen ihnen wohnen. Nachdem wir noch drit- tehalb Stunden in die Hoͤhe gestiegen, langten wir auf einer Flaͤche auf der Seite des Berges und ungefaͤhr in der Mitte desselben an, wo das Kloster erbauet ist; aber diese Flaͤche war durch Kunst mit unsaͤglichen Kosten gemacht worden. Hier war Raum genug, uns sicher herum zu sehen; und, großer Gott! welch ein weites Feld von Erde, Luft und Meer eroͤffne te sich hier! — Obgleich das Zimmer, das man uns im Kloster einraͤumte, in einem tiefen Winkel der Felsen lag, so hatten wir doch vor uns eine sehr weitlaͤuftige Aussicht auf die Unterwelt und die noch entferntere mittel- der Landschaft und ihren Wirkungen. mittellaͤndische See. Es war Mondenschein, und der Kaͤlte ungeachtet war es doch unmoͤglich, nicht einen Blick auf das bezaubernde Licht zu werfen, das seine Silberstralen auf die rauhen Felsen uͤber und unter uns und auf allen Seiten ver- breitete. Alles um uns her war stille, wie der Tod, bis die toͤnende Klosterglocke die Moͤnche zum mitternaͤchtlichen Gebet rief. — Ungeduldig verlangte mich nach der Zuruͤckkunft des Tages, um noch hoͤher zu steigen; wir setzten nach dem Fruͤh- stuͤck unsre Fuͤße begierig auf die erste Stufe der Einsiedlerleiter; sie war freylich von Steinen, aber an allen Orten erschrecklich steil. Nachdem wir eine weite Spalte in dem Felsen, die jedoch voll von Baͤumen und Gestraͤuchen war, von etwa tausend Schritten hinangestiegen waren, und sehr ermuͤdet nach einem sichern Ruheplatz uns sehnten, gelangten wir zu einer kleinen Hoͤhle in dem Felsen, durch welche wir mit Freuden krochen. Nach einer zweyten Kletterung, die nicht voͤllig so fuͤrchterlich als die erste, aber weit laͤnger war, kamen wir in einige blumige und schlangenweise lau- fende Gaͤnge, die zu zwey oder drey der naͤchsten, uns nun sichtbaren und nicht weit entfernten Einsiedeleyen fuͤhrten; eine derselben hieng uͤber einem so erschrecklichen Abgrund, daß sie fuͤrchterlich malerisch aussah. Inzwischen waren wir nun nach meinem Duͤnken gewiß in dem Garten Eden. Davon bin ich uͤberzeugt, daß Eden nicht schoͤner geziert seyn konnte; denn Gott ist hier ebenfalls der Gaͤrtner, und folg- lich kam alles um uns her gut fort, was das Gesicht, den Geruch und die Einbil- dungskraft befriedigen konnte. Denn die Myrthe, die Hagebutte, der Jesmin und alle kleinere Arten von aromatischen Stauden und Blumen bluͤheten auf allen Seiten dick und von selbst um uns her, und unsre Fuͤße dufteten von dem Geruch des Laven- del, Rosmarin und Thymian, bis wir an die erste friedsame Einsiedeley von St. Jacob gelangten. Wir besahen den kleinen Garten des heiligen Einwohners, und wurden von der Nettigkeit und demuͤthigen Einfalt, die ihn in allen Stuͤcken charak- terisirte, bezaubert. Seine kleine Kapelle, sein Brunn, seine Weinlaube, seine hohe Cypresse und die Mauern seiner Zelle, die von allen Seiten mit Immergruͤn bewachsen und mit Blumen geziert waren, machten den Ort, wenn man auch die Lage abrechnet, bewundernswuͤrdig angenehm. Seine Thuͤr war zugemacht, und inwendig war alles todtstille; wie ich aber anklopfte, ward sie von dem ehrwuͤrdigen Bewohner geoͤffnet. Er trug ein braunes tuchnes Kleid; sein Bart war sehr lang, sein Gesicht blaß, seine Manieren hoͤflich, aber er war mit der Betrachtung der Din- ge der zukuͤnftigen Welt zu sehr beschaͤftigt, als daß er mit solchen Dingen, wie wir, viel Zeit verlieren sollen. Wir thaten daher nur einen Blick in sein Gemach, und empfiengen seinen Segen. Hierauf gieng er von uns und hinterließ uns alles, was er in der Welt besaß, außer seinem Strohbette, Buͤchern und Rosenkranz. Seine Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren Seine Einsiedeley ist von zween Felsenspitzen eingeschlossen, und hat sehr enge Graͤn- zen; sie ist aber sehr kuͤnstlich angelegt, und hat am Mittag gegen Osten und Norden die bezauberndste Aussicht. Ob sie gleich auf zweytausend dreyhundert Schritte von dem Kloster entfernt ist, so haͤngt sie doch so gerade uͤber demselben, daß die Felsen nicht nur den Schall der Orgel und die Stimmen der im Chor singenden Moͤnche herauftragen, sondern man auch hoͤren kann, wenn unten auf dem Platze gesprochen wird. — Die zweyte Einsiedeley ist die von St. Catharinen, die in einem tiefen und einsamen Thale liegt; dennoch hat sie am hellen Mittag einen sehr weiten und angenehmen Prospect nach Osten und Westen. Das Gebaͤude, der Garten u. s. f. sind sehr enge eingeschraͤnkt, und liegen in einem hoͤchst malerischen und sichern Winkel unter dem Fuß einer der hohen Spitzen. Wenn in diesem einsamsten und entfern- testen Aufenthalt der Einsiedler nicht sehr gewohnt ist, menschliche Stimmen zu hoͤ- ren, so wird es ihm durch die lieblichen Toͤne der Voͤgel wieder reichlich ersetzt; denn kein Theil des Berges wird von ihnen mehr bewohnt, als diese anmuthige Seite. Hier wohnen die Nachtigall, der Haͤnfling, die Amsel und unzaͤhlige kleine Saͤnger in der freundschaftlichsten Vertraulichkeit mit ihrem Beschuͤtzer. Er hat sie so furchtlos und zahm gemacht, daß auf sein Rufen die ganze musikalische Gesellschaft ihre Zweige verlaͤßt und die Person ihres taͤglichen Wohlthaͤters umgiebt. Einige setzen sich auf seinen Kopf, andere verwickeln ihre Fuͤße in seinen Bart und nehmen ihm das Brodt aus dem Munde; ihr Zutrauen ist so groß, daß auch ein Fremder an ihren Liebkosungen Theil hat. Wenn er gleich sparsame Mahlzeiten haͤlt: so hat er doch bey Tische Musik und wird von der Nachtigall in Schlaf gesungen. Wenn wir dabey bedenken, daß er nur wenig Tage im ganzen Jahre hat, die schlechter sind, als unsre besten im May und Junius, so kann man sich vorstellen, daß ein Mann, der eine so reine Luft einhaucht, der so leichte Speise genießt, dessen Blut durch maͤ- ßige Bewegung im freyen Umlauf erhalten, dessen Gemuͤth durch weltliche Angele- genheiten nie beunruhigt wird, dessen kurzer Schlaf suͤß und erfrischend ist, und der in der Zuversicht lebt, im Tode eine Wohnung im Himmel zu finden, ein Leben fuͤhrt, das kein Mitleiden, wohl aber Neid erwecken kann. Da die Einsiedler nie- mals Fleisch essen, so konnte ich nicht umhin, die Anmerkung zu machen, welch ein gluͤcklicher Umstand dieses fuͤr die Sicherheit seiner kleinen befiederten Freunde sey, und daß es weder Knaben gaͤbe, die die Jungen ausnaͤhmen, noch Jaͤger, die die Alten toͤdteten. Das verhuͤte Gott, sagte er, daß keines von ihnen falle, außer durch die Hand dessen, der ihnen das Leben gab. Geben Sie mir Ihre Hand, sprach ich, und segnen mich. Er that es, aber es verkuͤrzte meinen Besuch; ich gieng in seine Grotte, legte heimlich ein Pfund Chocolate auf seinen steinernen Tisch, und der Landschaft und ihren Wirkungen. und schlich davon. Wenn es einen gluͤcklichen Menschen auf der Welt giebt, so habe ich diesen außerordentlichen Menschen gesehen, und hier wohnt er; alle seine Mienen und Handlungen zeugen davon; und doch hatte er nicht einen einzigen Ma- ravedi in der Tasche; Geld ist ihm so unnuͤtz, als einer seiner Amseln. — Vierhun- dert Schritte von dieser Einsiedeley liegt die Zelle von St. Johann, an deren Ost- seite man den fuͤrchterlichsten Abgrund hinabschauet. Um den Mittag hat sie nach Osten eine schoͤne Aussicht, und man kommt durch bequeme Stufen hinzu. Nicht weit davon an der Seite des Weges ist eine kleine Kapelle, die den Namen St. Michael fuͤhrt, und so alt als das Kloster ist. Alle Einsiedeleyen, auch die kleinste, haben ihre Kapellen, ihre Wasserbehaͤlter, und die meisten einen kleinen Garten. Das Gebaͤude besteht aus einer oder zwey kleinen Kammern, einem kleinen Speise- saal und einer Kuͤche; viele aber haben von außen und innen alle Bequemlichkeiten, die ein einzelner Mensch wuͤnschen kann; es waͤre denn, daß er solche Dinge wuͤnschte, denen er entsagen muͤssen, als er sie in Besitz nahm. Von da wird man durch einen Weg, der mehr bewundernswuͤrdig, als sicher oder anmuthig ist, uͤber eine Reihe von Bergen zu der hohen Zelle von St. Onophrius gefuͤhrt. Sie steht in einer Spalte der einen Spitze, sechs und dreyßig Fuß uͤber den Grund. Ihr Ansehen ist in der That zum Erstaunen, denn es scheint, als hienge sie in der Luft. Man steigt auf einer Leiter von sechzig Stufen hinan, die außerordentlich beschwerlich ist, und alsdann muß man noch uͤber eine hoͤlzerne Bruͤcke, die von einem Felsen zu dem an- dern geht, unter welcher ein so fuͤrchterlicher Abgrund ist, daß man mit Muͤhe die Standhaftigkeit behaͤlt, die zur Erhaltung noͤthig ist. Diese Einsiedeley besitzt kei- nen groͤßern Raum, als ihr Dach bedeckt, und hat keine andere Aussicht als gegen Suͤden. Der Bewohner sagte, er saͤhe oft die Inseln Majorca, Minorca, Ivica, die Koͤnigreiche Valencia und Murcia. — Nachdem wir eine Leiter auf eben der Spitze, wo St. Onophrius liegt, hundert und funfzig Schritte hinangestiegen waren, kamen wir zu der fuͤnften Einsiedeley der Magdalena. Sie steht zwischen zweyen hohen Spitzen, auf einigen erhabenen Felsen, und hat um die Mittagszeit eine schoͤne Aussicht gegen Morgen und Abend; und nahe bey derselben, auf einer noch hoͤhern Spitze, ist die Kapelle, von da man — fuͤrchterlicher Anblick — einen rauhen Abgrund und jaͤhe Huͤgel hinab, auf das Kloster sieht, das zwey (engl.) Meilen entfernt ist. — Nun erhebt sich der Weg zu dem hoͤchsten Theil des Ber- ges. Er fuͤhrt dreytausend fuͤnfhundert Schritte von der letzten Zelle uͤber eine hoͤcke- rige Straße zu der Einsiedeley von St. Hieronymus hinauf. Von ihren beyden Thuͤrmchen eroͤffnet sich ein unermeßlicher Schauplatz, der fuͤr einen Menschen aus I Band. F f dem Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren dem flachen Lande zu stark ist. Denn man sieht nicht nur einen großen Theil des Berges unten, sondern auch die Reiche Arragonien, Valencia, das mittellaͤndi- sche Meer und die Inseln, und gleichsam den halben Erdkreis. Diese Einsiedeley sieht auf einen Wald herab, der uͤber eine spanische Meile im Umkreis hat, worin ehemals einige Einsiedler wohnten, jetzt aber das dem Kloster gehoͤrige Vieh wei- det. — Die siebente Einsiedeley, die den Namen von St. Anton, dem Vater der Anachoreten, hat, steht unter einer der hoͤchsten Spitzen. Die Aussicht gegen Osten und Norden ist sehr schoͤn, aber man sieht auch uͤber hundert und achtzig Toi- sen senkrecht auf den fuͤrchterlichsten Abgrund und auf den Fluß Lobregat hinab. Keiner, der nicht durch die Gewohnheit mit einem so schaudervollen Anblick bekannt geworden, kann diesen Ort ohne Schrecken und Erstaunen ansehen. — Ungefaͤhr einen Flintenschuß davon erhebt sich die hoͤchste Spitze des Berges, die achtzig Toi- sen hoͤher als irgend eine der andern, und dreytausend dreyhundert Schritte von dem Kloster unten entfernt ist. Wenn man an der Seite dieses Huͤgels bleibt, so kommt man zu der Einsiedeley St. Salvator, achthundert Schritte von St. Anton. Diese Einsiedeley hat zwo Kapellen, deren eine in dem Herzen der Felsspitze einge- hauen ist, und also eine natuͤrliche und schoͤne Kuppel hat. Der Zugang zu dieser Zelle ist sehr beschwerlich; nach Suͤden und Osten ist die Aussicht schoͤn. — Sechs bis siebenhundert Schritte herunter kommt man zu der neunten Einsiedeley St. Be- nedict; die Lage ist sehr angenehm, der Zugang leicht, und die Aussicht unbeschreib- lich schoͤn. — Wenn man von St. Benedict uͤber einen Bach kommt, der mitten von dem Berge herabfließt, so findet man sechshundert Schritte davon die Einsie- deley St. Anna, die eine geraͤumige Lage hat, und weit groͤßer, als eine der andern ist. Sie ist mit großen Baͤumen vortrefflich geziert; hier zeigt sich die immer gruͤ- nende Eiche, der Korkbaum, die Cypresse, der sich weit ausbreitende Feigenbaum, und eine Menge anderer. — Achthundert und funfzig Schritte davon steht die Zelle zur heil. Dreyeinigkeit in einem einsamen und dicken Walde. Alle Theile des Gebaͤudes sind nett, und die Einfalt des Ganzen leuchtet uͤberall hervor. Hier sieht man einen schattigen, einen Flintenschuß langen Spaziergang, den fast nichts an Schoͤnheit uͤbertrifft; er bildet eine dichte Laube, die aus großen Baͤumen besteht, und sich mit einer Aussicht auf eine ansehnliche Reihe von Felsenspitzen endigt, die regelmaͤßig neben einander stehen, durch das Zuruͤckprallen der Sonnenstralen gelbe verbrannte Seiten haben, und von der Hand der Zeit so polirt sind, daß sie wie Or- gelpfeifen aussehen. — In einer Entfernung von hundert und sechzig Schritten steht St. Cruz; sie ist unter dem Fuß einer der kleinen Spitzen und die naͤchste bey dem Kloster. der Landschaft und ihren Wirkungen. Kloster. — Die letzte und wichtigste, wo nicht die schoͤnste von allen Einsiedlerwoh- nungen ist die zu St. Dimas. Sie ist auf allen Seiten von steilen und fuͤrchter- lichen Abgruͤnden umgeben; man kann nur von Osten durch eine Zugbruͤcke hinzu- kommen; und ist diese aufgezogen, so wird aller Zugang unmoͤglich. Sie haͤngt fast uͤber dem Gebaͤude des Klosters, und hat eine sehr weitlaͤuftige und praͤchtige Aussicht gegen Suͤden und Norden. — Der viele Regen, der von diesem Berge seit seiner Schoͤpfung herabgefallen ist, hat rund um den ganzen Fuß einen erstau- nend weiten und tiefen Einschnitt gemacht, der dem Bette eines großen ausgetrock- neten Flusses gleichet. In diesem Graben liegen unzaͤhlige ungeheure Stuͤcke des Berges, die von einem Jahrhundert zum andern heruntergestuͤrzt sind; daher ist der ganze untere Umfang des Berges so voll von so außerordentlichen Spitzen, als der obere; außerdem sind viele kleine Plaͤtze unten an den Seiten des Berges mit hohen Baͤumen und natuͤrlichen Brunnen so geziert, daß man nicht weiß, welcher Theil der bezauberten Gegend der schoͤnste ist. Eine Woche ist nicht einmal hinreichend, die Haͤlfte der kleinern Schoͤnheiten zu besehen, die dieser große und bewundernswuͤr- dige Berg an allen Seiten von der obersten Spitze bis an die untersten Grundsteine darbietet.“ Diese ungeheuren Massen von Felsspitzen und Abgruͤnden, diese kuͤhnen Lagen und ausgebreiteten Aussichten, diese Untermischung mit so mannigfaltigen Einsiede- leyen bilden hier eine Gegend, die vielleicht auf der ganzen Erdflaͤche nicht feyerlicher und erhabener gefunden wird. 6. Wir sehen, wie die Natur Gegenden von verschiedenen Charakteren und Ein- wirkungen bildet. Allein diese natuͤrlichen Charaktere koͤnnen noch auf eine man- nigfaltige Weise durch die Hand des Menschen verstaͤrkt werden. So kann eine muntre Gegend durch eine Schaͤferhuͤtte oder ein Landhaus, eine melancholische durch ein Kloster oder eine Urne, eine romantische durch gothische Ruinen, eine feyerliche durch Tempel, oder wie wir bey Montserrat gesehen, durch eine Menge von Ein- siedeleyen, sehr viel an Einwirkung gewinnen. Wenn diese Gebaͤude und Monu- mente mit den Gegenden, fuͤr welche sie sich ihrer Natur nach schicken, in Verbin- F f 2 dung Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren dung gebracht werden: so theilen Gebaͤude und Gegenden einander ihre Kraͤfte mit, ihre Charaktere werden deutlicher, und es entsteht eine Vereinigung von Begriffen und Bildern, die mit einem voͤllig bestimmten und maͤchtigen Eindruck auf die Seele wirken. Nicht weniger kann der natuͤrliche Charakter einer Gegend ganz veraͤndert und in einen andern umgeformt werden. Eine melancholische Gegend z. B. kann in eine heitre uͤbergehen. Die Aussicht darf nur Eroͤffnung, das Gehoͤlz helle Durchschnitte, das Wasser Fortlauf und springendes Geraͤusch, der Schatten Auf- hellung empfangen; die Stille darf nur durch das Gebloͤk einer nahe umhergrasenden Heerde, oder durch den Gesang einiger Voͤgel verdraͤngt werden — sogleich hoͤrt mit dieser Abaͤnderung die melancholische Scene auf, um der heitern Platz zu machen. Eben so laͤßt sich eine unbedeutende Gegend in eine andere von einem bestimm- ten Charakter verwandeln. Man nehme ein flaches Stuͤck ohne Form und Schoͤn- heit, ja selbst ohne Fruchtbarkeit. Man erhoͤhe es zu einem Huͤgel, man bekleide diesen mit Rasen, mit Buschwerk oder einzelnen Baͤumen; und man wird bald ei- nen Theil von einer muntern Gegend gewinnen. — Wir sehen so oft auf einem Felde hie und da duͤrftige, unfoͤrmliche, von Zeit und Wetter gekruͤmmte, am Gi- pfel schon gestorbene Eichen stehen, die einen traurigen Anblick geben. Man denke sich an der Stelle dieser einzeln zerstreuten Eichen kleine Gruppen von jungen, schoͤn- gewachsenen, gruͤnenden Baͤumen, und das Feld wird sogleich bey dieser Vorstellung ein lachendes Ansehen gewinnen. In so ferne die Landschaft eine Mischung verschiedener Gegenden ist, gewinnt sie an Mannigfaltigkeit. Demnach wird ein Garten, der aus mehrern Gegenden von einem bestimmten Charakter zusammengesetzt ist, auch mehr Wirkungen in sich vereinigen. Allein alsdann kommt unendlich viel auf die Folge und Verbindung dieser Wirkungen an. Man muß zuvoͤrderst auf die einfache Wirkung merken, die jeder natuͤrliche Gegenstand und jede besondere Lage und Beschaffenheit desselben schon fuͤr sich hervorbringt. Man muß sodann auf die Verhaͤltnisse der Wirkun- gen einzelner Gegenstaͤnde gegen einander sehen, auf ihre groͤßere oder geringere Zusammenstimmung, auf die Graͤnzen, wo die Harmonie gleichartiger oder ver- wandter der Landschaft und ihren Wirkungen. wandter Bewegungen anfaͤngt, und wo eine Abweichung anhebt. Eine wichtige Regel, die aber, nicht ohne Schwierigkeit, nach einem ganz zuverlaͤßigen Gefuͤhl oder nach einer untruͤglichen Beurtheilung in Ausuͤbung gebracht wird. — Wo Gegenstaͤnde von verschiedenen Einwirkungskraͤften auf einmal wahrgenommen wer- den, da entsteht auch eine zusammengesetzte Bewegung. Diese Bewegung hervor- zubringen kann leichter, als eine einfache, mislingen, aber sie ist auch, wenn sie gluͤcklich zutrifft, weit staͤrker. Der Gartenkuͤnstler, der Gegenstaͤnde von vielen und mannigfaltigen Kraͤften aufstellt, muß nicht weniger, wie andre Kuͤnstler, ver- staͤrkte Bewegung zu erreichen suchen. Er muß daher in der Wahl seiner Gegen- staͤnde darauf sehen, daß sie, sie moͤgen auf einmal oder im Fortgang erscheinen, von einer solchen Beschaffenheit sind, daß sie sich nicht zerstoͤren, nicht sich selbst wi- dersprechen, sondern vielmehr durch die Verwandtschaft ihrer Eindruͤcke sich freund- schaftlich unter einander verbinden. Jeder Gegenstand und jede Richtung desselben sey so, daß bey aller Gegenwart und Mannigfaltigkeit anderer Gegenstaͤnde, die zu- gleich wahrgenommen werden, doch immer die Eindruͤcke aller gleichsam in einer ununterbrochenen Linie auf Einen Punkt zusammenlaufen, wo sie sich durch ihre Mischung erheben und verstaͤrken. Die besondern Absichten dieser Harmonie koͤn- nen in einem Garten fast eben so verschieden seyn, wie in einer schoͤnen natuͤrlichen Landschaft selbst. Aber ohne die Sorgfalt, die verschiedenen Eindruͤcke zu einem Ganzen zu sammeln und zu verbinden, wuͤrde ein Garten nie die Vollkommenheit gewinnen, die er als ein Werk des verstaͤndigern Geschmacks haben soll, naͤmlich Einheit, ohne welche alle Mannigfaltigkeit uͤberladend und unbedeutend wird. Noch eine Bemerkung, die mir wichtig scheint, um die verschiedenen Arten von Gaͤrten, die sich wirklich anlegen lassen, mehr zu unterscheiden. Wenn gleich ein ausgedehnter Garten aus verschiedenen Gegenden zusammengesetzt werden kann: so laͤßt sich auch sehr wohl ein schoͤner Garten gedenken, der aus einer einzelnen Ge- gend von einfachem bestimmten Charakter und Wirkung besteht. Man kann daher einen heitern Garten, der nichts mehr als dieses ist, einen sanftmelancholischen Garten, einen romantischen Garten, einen feyerlichen Garten annehmen, nach der verschiedenen Beschaffenheit einer jeden Gegend, worin er sich befindet, und die seinen Charakter bestimmt. Dieser Unterschied wird noch wichtiger durch den Gebrauch, der sich von solchen Gaͤrten machen laͤßt. Ein kleines Landhaus, wo man die ersten Monate des Sommers zu genießen pflegt, eine Akademie, wuͤrde einen heitern Garten fordern; ein Kloster, eine Einsiedlerwohnung, eine Kapelle oder ein F f 3 Begraͤb- Zweyter Abschn. Von den verschiedenen Charakteren ꝛc. Begraͤbnißort einen sanftmelancholischen; ein altes Schloß einen romantischen. Ein jeder dieser Gaͤrten koͤnnte einen betraͤchtlichen Umfang einnehmen, und wuͤrde dennoch, wenn nur die Gegend sich gleich bliebe, nichts von der Einfachheit seines Charakters verlieren. Ver- Verzeichniß der Kupferverzierungen. Nr. 1. 4. 5. 6. Erfindungen von Pavillons; Seite 6. 11. 14. 20. Nr. 2. 3. von Cabinetten; Seite 8. 9. Nr. 7. 8. 11. von Rotunden; Seite 26. 28. 39. Nr. 9. 10. von Gartenhaͤusern: aus Morris Architecture. Seite 33. 35. Nr. 12. 13. 14. franzoͤsische Landhaͤuser; Erfindungen von Briseux in Art de bâtir des Maisons de Campagne. Seite 47. 50. 53. Nr. 15. Ville zu Stowe nach der Seite des Park; nach einer neuern Zeichnung. Seite 55. Nr. 16. Ville zu Luton von der Abendseite; Seite 59. Nr. 17. Eben dieselbe von der Morgenseite; Seite 62. Nr. 18. Vorderseite der Ville zu Kenwood: diese drey letztern aus der beyden Adams Works in Architecture. Seite 69. Nr. 19. 20. Cabinette; Seite 71. 74. Nr. 21. 22. 23. Pavillons: Erfindungen aus dem Détail des nouveaux Jardins. Seite 81. 94. 103. Nr. 24. Eine Gegend von Brandts Erfindung. Seite 116. Nr. 25. 26. 27. 28. 29. Groͤßere und kleinere Villen von Palladio im Venetiani- schen. Seite 120. 129. 134. 136. 141. Nr. 30. Franzoͤsisches Landhaus von Blondel; aus dessen Distribution des Mai- sons de Plaisance. Seite 144. Nr. 31. Eine Gegend von Brandt. Seite 153. Nr. 32. 33. 34. 35. 36. Italiaͤnische Villen von Scamozzi erbauet. Seite 158. 165. 173. 176. 179. Nr. 37. Eine Gegend von Brandt. Seite 185. Nr. 38. Rotunde zu Stowe. Seite 189. Nr. 39. 40. Gegenden von Brandt. Seite 198. 199. Nr. 41. Tempel der alten Tugend zu Stowe. Seite 208. Nr. 42. 43. Gegenden von Brandt. Seite 211. 213. Nr. 44. Der Staubbach zu Lauterbrunn, von Aberli nach der Natur. Seite 218. Nr. 45. 46. Gegenden von Brandt. Seite 221. 230. Druck- Druckfehler. Seite 22 in der Note lies Krubsacius fuͤr Crubsacius. Seite 23 Zeile 11 lies Verdienst ihrer Zeiten um fuͤr und. Seite 48 in der Note lies Brief fuͤr Band. Seite 65 Zeile 18 lies Wildbahnen fuͤr Wildnissen. Seite 150 Zeile 25 lies Bourdon fuͤr Bourdoe. Seite 162 Zeile 19 lies vor uns fuͤr voraus. Seite 190 Zeile 26 lies Luftige fuͤr Lustige. Seite 191 Zeile 16 lies heischt fuͤr heißt. Seite 200 Zeile 12 lies Ueberschauung fuͤr Ueberraschung.