Ueber Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom fuͤr Liebhaber des Schoͤnen in der Kunst von Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr, Koͤnigl. Großbritannischen und Churfuͤrstlich-Braunschweig-Luͤne- burgischen Beisitzer des Hofgerichts in Hannover, und Ritterschafts-Deputirten der Grafschaft Hoya. Erster Theil . Leipzig, bei Weidmanns Erben und Reich. 1787. An Seine Majestaͤt den Koͤnig von Grosbritannien, Meinem allergnaͤdigsten Herrn! Allergnaͤdigster Herr, Z u den Fuͤßen Ewr. Koͤniglichen Maje- staͤt lege ich diesen Versuch zur Befoͤrde- rung des Geschmacks an edleren Vergnuͤgungen mit einer ehrfurchtsvollen Zuversicht. Dero allerhoͤchsten Huld und aufgeklaͤrtem Schutze verdanken Ihre Unterthanen jeden Genuß der Ruhe und des Wohlstandes; die Kuͤnste ihr schoͤnstes Leben; und ich die allergnaͤdigste Er- laubniß, die mir vor ein Paar Jahren wurde, mitten unter den Schaͤtzen des alten und neuen 3 Roms, Roms, die gluͤcklichsten Erinnerungen fuͤr die Zukunft einzusammeln. Dankbarkeit und tiefe Ehrfurcht scheinen mir ein Opfer zur Pflicht zu machen: Das einzige was ich darbringen kann, wird durch die fromme Absicht des Gebers einigen Werth gewinnen. So hoffe ich, und bin in tiefster Devotion Ewr, Koͤniglichen Majestaͤt allerunterthaͤnigster von Ramdohr. Inhalt. Inhalt . Einleitung. S. 1 bis S. 6 Bestimmung der Absicht dieses Werks. Erklaͤ- rung des Worts Liebhaber des Schoͤnen in der Kunst. Ueber die Lehrart, die fuͤr den Liebhaber die passendste ist. Rechtfertigung des Verfassers, daß er dieses Buch zu schreiben wagte. Seine Erwartungen: Die Art wie er schreiben zu koͤnnen wuͤnschet. Allgemeine Anmerkung uͤber die Sammlungen von schoͤnen Kunstwerken der Mahlerei und Bildhauerarbeit in den Pallaͤsten und Kirchen von Rom. S. 7 Man muß die Sammlungen in Pallaͤsten zu- erst sehen. 4 Pallast Inhalt . Pallast Farnese. S. 8 bis S. 37 Unter den Pallaͤsten muß man den groͤßeren Farnesischen zuerst sehen. Der Farnesische Hercules. Charakter des Hercules uͤberhaupt. Die Farnesi- sche Flora. Willkuͤhrliche Bestimmung der Nah- men weiblicher bekleideter Figuren uͤberhaupt. Gal- lerie der Carracci. Stil der Carracci, vorzuͤglich des Annibale. Noͤthige Erklaͤrung des Worts: Erfindung in der Mahlerei, um darnach das Ver- dienst des Annibale in Ansehung dieses Theils der Kunst zu beurtheilen. Was mahlerische, was dichterische Erfindung in der Kunstsprache sey. Stil des Ludovico Carraccio und des Agostino Carraccio. Grund warum der Autor auch in der Folge den Stil der vorzuͤglichsten Kuͤnstler bei schick- licher Gelegenheit aus einander setzen wird. Be- urtheilung der Gemaͤhlde in dieser Gallerie. Sta- tuen. Charakter des Mercurs. Caracalla. Farnesische Vase. Stil der Nachahmer Raphaels, des Michael Angelo und Tizians. Der Farnesische Stier. Sehr gehaͤufte Figuren sind einem jeden Werke der Kunst schaͤdlich. Gar zu besorgte Ne- benwerke schaden dem Eindruck des Ganzen und vorzuͤglich der Hauptfiguren. Der Bildhauer- kunst ist die Ueberladung eines Werks mit uͤber- fluͤßigen Figuren viel nachtheiliger als der Mahlerei. Ueberhaupt sind weitlaͤuftige Compositionen dem Bildhauer nicht anzurathen: Ueber der mahleri- schen Gruppirung geht die Schoͤnheit einzelner Fi- guren verlohren: Vielleicht ist er nicht einmahl im Stande die Wuͤrkung einer mahlerischen Gruppe vollstaͤndig zu erreichen. Der Inhalt . Der Vaticanische Pallast. S. 38 bis S. 199 Grund warum dieser Pallast in Ruͤcksicht auf den Zweck dieses Buchs, in der Ordnung der zweite ist. Museum Clementinum. Eine Anmerkung uͤber den vortheilhaftesten Ort zur Aufstellung der Statuen. Bestimmung des sogenannten Etruscischen Stils, sowohl des ur- spruͤnglichen als des nachgeahmten. Der Liebha- ber vermengt den Begriff des Etruscischen und des Altgriechischen Stils aus guten Gruͤnden. Cha- rakter der Flußgoͤtter. Gruͤnde, warum sich der Autor berechtiget haͤlt ein vollstaͤndiges Verzeichniß der Kunstwerke, die in dieser Sammlung befind- lich sind, in den Noten, am Ende der Beschrei- bung eines jeden Zimmers zu liefern, ob es gleich sonst nicht seine Absicht ist, Nomenclaturen zu geben; (in der Note.) Allgemeine Anmerkung uͤber den Werth antiker Basreliefs. Ueber den aͤchten Aegyptischen Stil: Die Kennzeichen dessel- ben werden angefuͤhrt, um den Autor zu rechtfer- tigen, wenn er die Werke, die ihn an sich tragen, der Aufmerksamkeit des Liebhabers unwerth haͤlt. Charakter des Bacchus. Hof mit einem Porticus, sonst auch Hof des Belvedere genannt. Nachtheil der Aufstellung der Statuen an diesem Orte fuͤr die Wahrnehmung ihrer Schoͤnheit im Einzelnen; Vortheil derselben fuͤr den Eindruck so vieler ver- einigten Schoͤnheiten im Ganzen. Apollo im Bel- vedere. Wahrscheinlicher Charakter des Apollo als Phoͤbus, verschieden von demjenigen, worin 5 er Inhalt . er als Beschuͤtzer der Wissenschaften und Kuͤnste vorgestellet wird. Antinous. Noͤthige Erinne- rung uͤber voreilige Bestimmung moderner Zusaͤtze zu antiken Statuen. Laocoon. Bescheidene Zweifel uͤber die Wahl des Suͤjets, als Vorwurf der Bild- hauerkunst; Die Bewegung des Koͤrpers scheint fuͤr den Marmor zu heftig; der schwerfaͤllige Stoff macht sie unwahrscheinlich, und die Anstrengung der Muskeln schadet der Harmonie der schoͤnen For- men: Hauptvorzug der Bildhauerkunst! Das Verdienst einer schoͤnen Gruppirung wird diesem Werke gleichfalls bezweifelt; Gruppiren, in der Mahlersprache setzt unter andern auch eine Masse von angenehmer Form zum Voraus, und diese fehlt; was der Form des Ganzen abgeht, ge- winnt der Eindruck der Hauptfigur. Torso di Belvedere. In welcher Ruͤcksicht Wecke aus der spaͤteren Zeit, bei deutlichen Spuhren des Verfalls der Kunst, dennoch interessant bleiben koͤnnen. Charakter eines Meleagers. Ueber den Begriff von Ehrwuͤrdigkeit, den die Alten mit den Locken verbunden zu haben scheinen, die sich an der Wur- zel in die Hoͤhe heben, und deren Spitzen herab- sinken. Besondere Vorstellungsart einer Diana von Ephesus. Sammlung von Thieren. Apollo und die Musen. Herrlicher Kopf der tragischen Muse. Charakter des Apollo Musagetes. Vor- laͤufige Bemerkung uͤber Buͤsten mit angeblich an- tiken Nahmen. Ganymedes und dessen Charakter. Genius. Unzuverlaͤßige Benennung der Nym- phen: Was man fuͤr einen Begriff mit derselben verbindet. Charakter einer Amazone. Herrliche Buͤste Inhalt . Buͤste des Ajax. Sogenannte Gruppe des Cato, und der Porcia. Bedeutung der Goͤttin Nemesis. Jupiter und dessen Charakter. Cleopatra. Zwei weibliche Termen mit colossalischen Koͤpfen, bekannt unter dem Nahmen der Comoͤdie, und Tragoͤdie. Jupiter Serapis, dessen Charakter und Bedeu- tung. Juno und deren Charakter. Theil des Vaticanischen Pallasts, in dem sich die Mahlereien befinden. Mahlereien Raphaels. Stil dieses Kuͤnstlers. Naͤhere Bestimmung des Worts: Ausdruck in der Mahlerei, in so fern man dadurch das Haupt- verdienst unsers Kuͤnstlers bezeichnet. Von den Beiwoͤrtern schoͤn, richtig, bestimmt, fein ꝛc. in der Zeichnung, und welches derselben von Ra- phaels Zeichnung gelten koͤnne. Mit welcher Vor- sicht Raphael Bildnisse lebender Personen in seinen historischen Gemaͤhlden anbrachte, und wie er die Antiken nutzte. Bestimmtheit und Richtigkeit der Zeichnung. Raphaels Gewaͤnder. Was zu einem gut geworfenen Gewande, und zu einem wohlgeordneten Faltenschlage erfordert wird. Zier- lichkeit der Zeichnung. Raphaels Colorit. Be- leuchtung, Helldunkles in dieses Meisters Gemaͤhl- den. Beilaͤufige Erklaͤrung des Worts: acci- dens de lumiere. Raphaels Loggie. Ueber Arabesken. Raphaels Bibel. Plafonds scheinen kein schicklicher Ort zu seyn, um daran interessante Gemaͤhlde anzubrin- gen: Soll man die Figuren in horizontaler oder verticaler Inhalt . verticaler Richtung in einem Plafond-Gemaͤhlde stellen? Der Autor entscheidet fuͤr die verticale. Raphaels Stanze. Schlacht Constantins. Ueber den Ausdruck in Gemaͤhlden welche einzelne Figu- ren vorstellen, besonders allegorische. Heliodor. Attila. Die Messe zu Bolsena. Der heil. Petrus im Gefaͤngnisse. Der Streit uͤber das Sacra- ment des heil. Abendmahls. Die Schule von Athen. Incendio del Borgo. Sixtinische Capelle. Michael Angelo Buonarotti. Dessen juͤngstes Ge- richt, und Gemaͤhlde am Plafond. Camera de’ Papiri. Anton Raphael Mengs. Unterschied zwi- schen Genie und Talent in dem bildenden Kuͤnstler in Ruͤcksicht auf Erfindsamkeit, Einbildungskraft, Empfindung und Geschmack. Plafond des Mengs. Vorlaͤufige Bestimmung der Eigenschaften einer guten allegorischen Zusammensetzung fuͤr die schoͤne Kunst. Fortschritt zur Beurtheilung des mittel- sten Gemaͤhldes am Plafond. Herrliche Genii und Kinder des Mengs. Saal des Consistoriums, Plafond von Guido Reni. Das Capitol. S. 200 bis S. 267 Ritterstatue Marc Aurels. Museum Capitolinum. Marforio. Charakter eines Pan. Charakter der Diana. Kriegerstatuen: Schwierigkeit, die unbekleideten von Heldenstatuen zu unterscheiden. Zimmer mit Aegyptischen Kunstwerken. Griechi- sche Bearbeitung Aegyptischer Ideen: entweder mit Beibehaltung der Aegyptischen Vorstellungsart, oder mit Erfindung einer neuen, der Schoͤnheit mehr Inhalt . mehr angemessenen. Capitolinische Vase, mit der Ara als Fußgestell. Capitolinischer Antinous. Schoͤnes Kind. Jupiter placidus, terminalis, sonst auch Plato genannt. Ueber Hermen und Termen uͤberhaupt. Die Bildhauerkunst folgt in der Wahl der Gewaͤnder andern Grundsaͤtzen als die Mahlerei. Der Ludovisische Fechter. Warum der Autor es nur selten wagt, die Epoche anzuge- ben, in der ein altes Kunstwerk verfertiget ist. Warnung vor dem Vorurtheil, daß der beigesetzte Nahme des Kuͤnstlers ein Beweis der Vortrefflich- keit des Werks sey. Eine gewagte Erklaͤrung der sogenannten Ptolomaͤer, als Ringerstatuen, und Muthmaaßung uͤber ihr Wiedererkennungszeichen; (in der Note.) Griechische Isis. Charakter der Faunen. Juno aus dem Pallast Cesi. Bedeu- tung des Harpocrates, fruͤhere und spaͤtere Bil- dung desselben. Ueber Statuen die man fuͤr Ue- berbleibsel ehemaliger Gruppen der Familie der Niobe haͤlt. Zeno. Wie Buͤsten, als Bildnisse bestimmter Personen, interessiren koͤnnen, wenn wir gleich von den wenigsten den Nahmen mit Ge- wißheit anzugeben im Stande sind: Gruͤnde die- ser Ungewißheit: Selbst von Alters her eingegra- bene Nahmen entscheiden nichts fuͤr die Treue der Nachbildung. Perseus und Andromeda, ein Ge- maͤhlde von Mengs; (in der Note.) Capitolini- sche Flora, Capitolinische Venus. Diana Luci- fera. Kopf Alexanders des Großen. Tauben, die aus einem Gefaͤße trinken; ein beruͤhmtes antikes Mosaik. Hecate. Schoͤnes Gefaͤß aus Bronze. Kopf der Ariadne. Pallast Inhalt . Pallast de’ Conservatori. Begraͤbnißurne der Agrippina. Ueber die Gat- tung von Pferden, welche die Mahler vorzuͤglich gern in ihren Gemaͤhlden anbringen. Beruͤhmte Woͤlfin aus Bronze. Spinarius. Camillus. Hercules aus Bronze. Gemaͤhldesammlung. Giorgione, Tintoretto, Paolo Veronese. Be- urtheilung der einzelnen Gemaͤhlde. Die Persische Sybille. Eine heilige Caͤcilia von Romanelli. Pietro Testa; (in einer Note.) Giovanni Bellino; (in einer Note.) Fortuna des Guido Reni. Pallast Borghese. S. 268 bis S. 310 Wichtigkeit und Groͤße der Gemaͤhlde. Samm- lung in diesem Pallaste. Tizian und sein Stil. Tizians Kinder. Gelegentliche Nachricht von zwei antiken Basreliefs mit Amorinen in Venedig; (in einer Note.) Tizians Colorit: Von den Er- fordernissen eines guten Colorits uͤberhaupt. Local- farbe. Modification der Localfarbe vom hoͤchsten Lichte an, bis zum staͤrksten Schatten: Farben- mischung, Faͤrbung im eigentlichsten Verstande. Fra. Seb. del Piombo; (in einer Note.) Andrea del Sarto. Carita Romana. Der Schulmeister. Meisterstuͤck des Garofalo. Stil des Tibaldi. Diana mit ihren Nymphen von Domenichino. Fra. Sebastiano und der Cardinal Hyppolitus di Medices, gemeiniglich Borgia und Machiavell genannt. Gerhard Honthorst; (in der Note.) Gemaͤhl- Inhalt . Gemaͤhlde Raphaels aus seiner ersten Manier. Raphaels Kreuzabnehmung aus seiner zweiten. Die Versuchung des heil. Antonius, von Annibale Carraccio. Verloͤbniß der heil. Catharina, von Parmeggianino; Stil dieses Meisters. Heilige Caͤcilia, von Domenichino. Aeneas und Anchises, von Baroccio; Stil dieses Meisters. Zwei heili- ge Familien, von Tizian. Bildniß einer Blon- dine, von demselben. Zeichnung von Raphael. Die goͤttliche und die irrdische Liebe, von Tizian. Liegender Hermaphrodit, Statue. Venus ver- bindet dem Amor die Augen mit Beistand eines seiner Bruͤder und der Grazien, von Tizian. David, von Giorgione. Ueber Giacomo Bassano und seine Schuͤler, Leandro und Francesco. Gemaͤhldesammlung des Prinzen Aldo- brandini. Eins der besten Gemaͤhlde des Baroccio. Christ zwischen den Pharisaͤern, von Leonardo da Vinci. Christ der dem heil. Petrus erscheint, von Annibale Carraccio. Heilige Familie, von Raphael aus seiner mittleren Zeit. Villa Borghese. S. 311 bis S. 340 Basreliefs an den aͤußern Mauern der Pallaͤfte angebracht: Diese Art der Verzierung ist nicht vortheilhaft. Ueber verschiedene Beinahmen, die man der Venus gibt, und uͤber die Abweichungen in der Art sie vorzustellen. Charakter der Venus. Bedeutung dieser Goͤttin in der Mythologie. Bor- ghesischer Floͤtenspieler. Lucius Verus, schoͤne Buͤste. Apollo Inhalt . Apollo und Daphne, von Bernini. Die Bild- hauerkunst, deren Werke die vollkommenste Illu- sion in Ruͤcksicht auf Gestalt geben, scheint eine vorzuͤgliche Verbindlichkeit auf sich zu haben, nichts Widriges darzustellen. Vermeinter Seneca. Fi- gur eines Sclaven. Borghesische Vase. Bezeich- nung eines Apollo Sauroctonon. Der Borghe- sische Faun oder Silen. Charakter eines Silens. Centaur vom Amor gebaͤndigt. Juno mit einem Gewande von Porphyr. Der Borghesische Fech- ter. Ueber Fechterstatuen uͤberhaupt; (in der Note.) Worauf der Bildhauer bei der Wahl seiner Suͤjets vorzuͤglich Ruͤcksicht nimmt; (gleich- falls in der Note.) Der Borghesische Herma- phrodit. Charakter der Hermaphroditen. Einlei- Einleitung . D er Titel des Buchs scheint dessen Zweck anzuzei- gen, und es durch diesen von andern Buͤchern abzusondern, die bisher von Werken der Mahlerei und Bildhauerkunst in Rom gehandelt haben. Den Liebhaber uͤber die wahre Absicht der Kuͤnste Bestimmung der Absicht dieses Werks. zu verstaͤndigen; ihn das Wesentliche zu seinem Ver- gnuͤgen von dem Zufaͤlligen ausscheiden zu lehren; die Forderungen, welche er an Marmor und Flaͤche, an Pinsel und Meißel, und zwar an jeden insbesondere zu machen berechtiget ist, gehoͤrig zu beschraͤnken; fuͤr die Vorzuͤge eines großen Kuͤnstlers Verehrung, ge- gen dessen Fehler Billigkeit einzufloͤßen; Lob und Tadel nach bestimmteren Begriffen uͤber die verschiede- nen Erfordernisse zur Vollkommenheit genauer abzu- waͤgen; fuͤr Wahrheit und Schoͤnheit Sinn zu erwecken; gegen den Zauber des blendenden Witzes Herz und Auge zu verhaͤrten; kurz! zu zeigen, wie und auf was man bei einem Kunstwerke sehen soll, um wahren dauerhaften Genuß davon erwarten zu koͤnnen: das ist die Absicht, die der Verfasser bei Verfertigung seines Werkes sich vor Augen ge- setzt hat. Erster Theil. A Der Einleitung. Erklaͤrung des Worts: Liebhaber des Schoͤnen in der Kunst. Der Liebhaber ist der Mann, den Wohlstand, Faͤhigkeiten und Kenntnisse, wie sie allen wohlerzoge- nen Menschen gemein sind, zu dem Genuß der Kuͤnste berechtigen; der Kuͤnste, die dem Herzen und der Einbildungskraft Nahrung, dem Verstande eine geschaͤfftlose aber nicht entehrende Unterhaltung geben. Dieser steht zwischen dem Gelehrten und dem Kuͤnstler in der Mitte. Nicht Critiker genung, seine Gefuͤhle in metaphysische Vernunftschluͤsse aufzuloͤsen, nicht Antiquar genung, jede Abweichung von dem Wuͤrk- lichgeschehenen in der Art, wie es als moͤglich dar- gestellt ist, auszuspaͤhen, endlich nicht Handwerker genung, jeden Kunstgriff der Behandlung zu entraͤth- seln; vermag er den gegenwaͤrtigen Eindruck dennoch auf fruͤhere Empfindungen zuruͤckzufuͤhren, die oft wiederholte Erfahrungen als wesentliche Begleiter des Schoͤnen bestaͤtiget haben; kennt Geschichte und Fabel hinreichend, um den Grund der bildenden Zu- sammensetzung zu begreifen; und weiß von der mecha- nischen Ausfuͤhrung so viel, als noͤthig ist, das Ver- dienst uͤberwundener Schwierigkeiten zu schaͤtzen. Der Liebhaber sucht zuerst Vergnuͤgen an dem stummen Anblick schoͤner Kunstwerke. Aber dies Vergnuͤgen wird oft Gegenstand des Gespraͤchs. Man sucht sich mitzutheilen, man lobt, man tadelt. Wie selten geschieht dies, ohne sich vor den Augen des Kuͤnstlers oder des Gelehrten laͤcherlich zu machen! Man laͤßt arbeiten, man sammlet Statuen und Gemaͤhlde, und wird, ein anderer Midas, bald Beschuͤtzer der Mittelmaͤßigkeit, bald Verfolger des Talents, bald Spiel der Gewinnsucht eines Bro- canteurs. Der Einleitung. Der Liebhaber bedarf also einiger Vorbereitung, Ueber die Lehrart, die fuͤr den Lieb- haber die passendste ist. um wahren dauerhaften Genuß von den Kuͤnsten zu erlangen: Er muß Grundsaͤtze, er muß Kenntnisse haben. Aber kalte Buchgelehrsamkeit, die sich nur mit todten Zeichen ins Gehirn druͤckt, ist fuͤr den Mann, der nur zu seiner Unterhaltung liest, nicht brauchbar. Dieser sucht Beschaͤfftigung, aber keine qualvolle Anstrengung. Er weiß und lernt nur ge- rade so viel, als er zum Genuße des Augenblicks, zum Stoff der Unterredung in den gemischten Cirkeln gesel- liger Muͤssiggaͤnger noͤthig zu haben glaubt. Kein System von historischen Datis, keine Aufloͤsung des Gewebes unserer Empfindungen, keine Enthuͤllung der Geheimnisse der Behandlung, kein Winkelmann, kein Hemsterhuis, kein Laireße werden die Kenntnisse, ohne welche man sich der Betrachtung eines Kunst- werks nicht nahen sollte, je in wahren Umlauf brin- gen. Nur eine praktische Anweisung, die in einem allgemein verstaͤndlichen Vortrage den Leser, der wenig an anhaltende Aufmerksamkeit gewoͤhnt ist, bei jeder Lehre auf ein vorliegendes Beispiel, zu wiederholten Mahlen auf das schon Gesagte zuruͤckfuͤhrt, scheint zur Ausbreitung jeder Wahrheit unter dem groͤßeren Haufen geschickt zu seyn. So erinnert man sich stets: Wie? Wo? Warum? man etwas gelernt habe; und um mit den Worten eines großen Kunstrichters und eines eben so großen Menschenkenners fortzu- fahren: Lessing im Nathan. So haͤngt sich Alles besser an: So lernt mit eins die ganze Seele: A 2 Diese Einleitung. Diese Lehrart habe ich in diesem Werke gewaͤhlt, und Rom als den groͤßten Sammelplatz von Meister- stuͤcken der Mahlerei und Bildhauerkunst, als den Ort, in dem ich die bequemste Veranlassung zu meinen Leh- ren finden wuͤrde. Ich schraͤnke mich blos auf Ge- maͤhlde, Statuen, und Basreliefs ein: uͤberzeugt, daß mit der Einleitung in ihre Kenntniß, die Kennt- niß aller uͤbrigen Werke der Bildnerei in Ruͤcksicht auf Schoͤnheit erleichtert werde. Aber auch von den Werken dieser Gattung habe ich eine vollstaͤndige Beschreibung, eine Nomenclatur, keinesweges liefern wollen. Nur dann wird mich der Vorwurf der Unvollstaͤndigkeit treffen, wenn ich ein Stuͤck uͤbergangen haben sollte, das den Sinn fuͤr das Schoͤne auf eine betraͤchtliche Art aufzuschließen im Stande waͤre, oder zu beschaͤfftigen verdiente. Das Schoͤne kann ich nicht erklaͤren. Nur um einem Mißverstaͤndnisse vorzubeugen, bemerke ich, daß ich unter Schoͤnheit nicht blos das Wohlgefaͤllige der Formen, sondern uͤberhaupt jede sichtbare Voll- kommenheit in den bildenden Kuͤnsten verstehe. Man wird Unrichtigkeiten in diesem Werke fin- den: in den Nachrichten, in den Urtheilen. Beides kann seyn, ich bin nicht anmaaßend genung, es zu leugnen. Ich habe inzwischen keine Muͤhe gespart, so viel an mir war, richtige Erkundigungen einzuziehen; und meine Urtheile sind mit Gruͤnden unterstuͤtzt. Jeder, der eigene Augen und eigenes Gefuͤhl hat, kann diese pruͤfen. Rechtferti- gung des Ich muß hier Einiges von mir anfuͤhren, nicht um mir ein Ansehen zu geben, sondern um mich zu recht- Einleitung. rechtfertigen, daß ich, Liebhaber, andern Liebhabern Verfassers, daß er dieses Buch zu schreiben wagte: Sei- ne Erwar- tungen: Die Art, wie er schreiben zu koͤnnen wuͤn- schet. meine Erfahrungen und meine Urtheile mitzutheilen gewagt habe. Meine Hand hat sich von Jugend auf im Zeich- nen und Mahlen geuͤbt, und wenn sie gleich zu unge- horsam geblieben ist, etwas betraͤchtliches hervorzu- bringen, so haben doch diese Versuche, unterstuͤtzt von dem Unterricht guter Kuͤnstler, mein Auge an Rich- tigkeit der Zeichnung gewoͤhnt, und mich alle Hinder- nisse kennen lehren, die Stoff und Mittel der sichtba- ren Ausfuͤhrung eines Gedankens entgegen setzen. Der Herr Hofrath Heyne ist mein Lehrer in der Archaͤologie gewesen. Ein Mann, von dem ich es nicht erst sagen will, daß er den feinsten Geschmack mit der aufgeklaͤrtesten Critik, und der ausgebreitesten Gelehrsamkeit verbindet. Was ich von ihm sagen moͤchte, ist mir hier verwehrt: Wie er mir Freund und Fuͤhrer war, und ist! wie ich ihm mehr als bloße Bildung des Geschmacks in den Kuͤnsten, wie ich ihm die ganze Bildung meines Herzens verdanke! Ich habe nachher die betraͤchtlichsten Gallerien in Frankreich, Deutschland und Italien gesehen, und mit Rom habe ich geendiget. Sechs Monathe lang Im Jahre 1784. habe ich hier taͤglich bald allein, bald mit Kuͤnstlern, bald mit Antiquaren, bald mit Liebha- bern die Meisterstuͤcke der Kunst kennen zu lernen ge- sucht. Endlich hat der Herr Hofrath Reifenstein noch die Gefaͤlligkeit gehabt, mich durch die betraͤcht- lichsten Pallaͤste und Kirchen von Rom zu fuͤhren. Dieser Mann, den Charakter und Kenntnisse gleich schaͤtzbar machen, besitzt das ausgezeichnete Ta- A 3 lent, Einleitung. lent, seine Anleitung zur Kenntniß der Kunst nach den Faͤhigkeiten und dem Geschmack eines jeden Betrach- ters besonders einzurichten. Von ihm habe ich vor- zuͤglich die Art zu lernen gesucht, wie man die Lehren der Kunst dem Liebhaber faßlich und willkommen ma- chen soll. Haͤtten wir Hoffnung, daß er jemals sei- nen Unterricht durch den Druck allgemeiner ausbreiten, und auf die Nachwelt bringen wuͤrde; so haͤtte ich das gegenwaͤrtige Werk nicht unternommen. Aber diese Hoffnung haben wir nicht, und so kann dieser Versuch wenigstens bis dahin, daß wir etwas Besseres erhalten, von Nutzen seyn. Er ist eigentlich fuͤr diejenigen bestimmt, die ihn an Ort und Stelle mit Werken, von denen er handelt, ver- gleichen wollen. Inzwischen hoffe ich zu gleicher Zeit, daß dieses Buch denen, die von Rom zuruͤckgekehret sind, manche angenehme Erinnerung, denen, welche die Reise dahin noch anzutreten denken, keine ganz unnuͤtze Vorbereitung gewaͤhren werde. Ich will nichts schreiben, was ich nicht gesehen und gefuͤhlt habe. Daß ich so daruͤber schreiben koͤnnte, wie ich es gesehen, wie ich es gefuͤhlet habe! Daß jenes sanfte Feuer, das bei dem Anblick der Schoͤnheit in meinen Adern wallte, jetzt in meine Fe- der fließe! Daß aber auch jene heitere Ruhe, die ihrem Gefuͤhle so zutraͤglich ist, meine Seele fuͤlle! Daß ich uͤber die Werke, welche die Grazien und die Musen erzeugten, rede, wie ihre Lieblinge, die Kuͤnstler, sie dachten: mit Adel, mit Anmuth, ohne Kaͤlte und ohne Schwaͤrmerei! Allgemeine Allgemeine Anmerkung Ueber die Sammlungen von schoͤnen Kunst- werken der Mahlerei, und Bildhauerarbeit in den Pallaͤsten und Kirchen von Rom. M an sieht die Gemaͤhlde und Statuen, die in Man muß die Samm- lung n in Pall sten zuerst sehen. den Pallaͤsten von Rom aufbewahrt werden, mit mehrerer Bequemlichkeit, als diejenigen, die in den Kirchen befindlich sind. Denn hier werden sie nicht allein oft in duͤstern Capellen des Tageslichts beraubt, sondern leiden noch uͤberher von dem Dampfe der Wachskerzen. Auch trifft man in diesen Kirchen nur wenige Antiken an, und diese wenigen sind noch dazu unbetraͤchtlich. Inzwischen muß der Liebhaber vorzuͤglich durch den Anblick der Kunstwerke der Alten das richtige Maaß der Schoͤnheit zu erhalten hoffen. Ich fuͤhre den Liebhaber des Schoͤnen zuerst in die Pallaͤste. A 4 Pallast Pallast Farnese . Unter den Pallaͤsten muß man den groͤßeren Farnesischen zuerst sehen. D ie Werke der Caracci, die man nirgends haͤu- figer als in dem Pallaste Farnese antrifft, gewoͤhnen das Auge an Richtigkeit, und an den großen Stil der Zeichnung, die man als Grundlagen der Schoͤnheit ansehen muß. Sie dienen zur Vorberei- tung, um diejenigen Werke, wo das Wahre und Nothwendige unter dem Reitzenden versteckt ist, besser zu fuͤhlen. Bei dem Verzeichnisse der Kunstwerke, die dieser Pallast enthaͤlt, sind beinahe alle Reisebeschreibun- gen unrichtig. Verschiedene Stuͤcke, die in dem kleineren Farnesischen Pallaste, der sogenannten Farnesina, stehen, geben sie, als in diesem groͤßeren befindlich, an. Es sey daß die Nahmen verwechselt worden, oder daß die Stuͤcke erst in der Folge der Zeit versetzet sind. Im Hofe . † Diejenigen Kunstwerke, die mir einer fleißigern Betrachtung und haͤufigern Ruͤckerinnerung beson- ders wuͤrdig geschienen haben, habe ich mit einem † bezeichnet. Der Farnesische Hercules. Der Farne- sische Hercu- les. Eine colossalische Statue, die aus dem letzten Bogen des Porticus, vom Eingange ab, betrachtet werden muß. Die erste Sorge des Beobachters geht Pallast Farnese. geht auf die Wahl des Standortes, aus dem er uͤber Schoͤnheit und Wahrheit der Formen urtheilen kann. Dann sucht er die Idee des Kuͤnstlers, das was sein Kunstwerk ausdruͤcken soll, zu erforschen. Die Helden und Goͤtter, die bei den Alten einen Vorwurf bildlicher Darstellung ausmachten, scheinen einen gewissen allgemein anerkannten Charakter ge- habt zu haben, dessen Hauptzuͤge sich gemeiniglich in jeder Vorstellung wieder finden. Aber dieser Charakter ward nach Verschiedenheit des Alters und der Handlung, in der ihn das Auge erblickt, man- nigfaltig modificirt. Hercules zeigt uͤberall einen Koͤrper, dessen ur- Charakter des Hercules uͤberhaupt. spruͤnglich fester Bau durch viele Thaten ausgebildet worden, der aber nicht abgehaͤrtet zu werden brauchte. Hercules ist geschmeidig aber nicht behende; er schlaͤgt nieder, und uͤberschnellet nicht. Der Kuͤnstler scheint auf dessen Bildung durch die Betrachtung des Stiers geleitet zu seyn. Wie an diesem ist der Kopf klein, der Nacken stark, die Brust erhoben und vordringend. Kraus sind seine Haare, breit seine Schultern, die Stirne hebt sich mit maͤchtiger Woͤlbung. Vielen hat diese Vergleichung eines Stiers mit dem Gott Hercules zu niedrig geschienen. Allein sie wird es demjenigen nicht bleiben, der die edle Ge- stalt dieses Thiers in den suͤdlichen Theilen von Eu- ropa gesehen hat. Diesen allgemeinen Charakter hat nun auch unser Farnesische Hercules; aber er hat auch noch den besondern: er ruht nach eben vollbrachter Helden- that. Daher die Bewegung des Bluts, von der A 5 wir Pallast Farnese. wir noch seine Adern angeschwellt sehen; daher die angestrengten Muskeln, die noch nicht wieder abge- spannt sind. Die goldenen Aepfel die er in der Hand traͤgt, die auf den Ruͤcken gelegt ist, duͤrfte vielleicht nur ein allgemeines Attribut des Siegers seyn. Die Muskeln sind aͤußerst bestimmt in ihrer Form, in ihrer Lage, dabei sehr deutlich angegeben, und ohne Haͤrte, wenn man sie in der gehoͤrigen Ent- fernung betrachtet. Der Marmor ist weiß, von der kleinkoͤrnigten Art, den man durch den Nahmen: der Parische, von dem groskoͤrnigten unterscheidet, der Salino genannt wird, weil er aus Lagen von Salzkoͤrnern zu bestehen scheinet. Die Beine sind neu, und von Guglielmo della Porta gut Mengs ist anderer Meinung: Der Bildhauer, sagt er, hat an diesen angesetzten Beinen die Muskeln so hart, und so gespannt gebildet, daß sie Stricken aͤhnlich sehen. Opere di A. R. Mengs ed. di Parma 1780. T. I. p. 204. Ich gestehe daß mir dieses nicht aufgefallen ist. ergaͤnzt. Der alte Meister hieß Glycon. Er war aus Athen, sein Nahme und sein Vaterland stehen am Tronk Der Hof von Neapel hat schon lange gewuͤnscht, diese Statue nach Caserta abfuͤhren zu koͤnnen. Aber man behauptet in Rom, sie sey ein Eigen- thum des roͤmischen Senats, welcher sie dem Pabst Paul dem Dritten nur zur Verzierung seines Fami- lien-Pallasts in Rom geliehen habe. . † Die Pallast Farnese. † Die Farnesische Flora. Aus der Arcade nach dem Hofe zu gesehen, Die Farnest- sche Flora. scheint diese colossalische Figur mit aͤußerster Leichtig- keit fort zu schweben. Es ist eine weibliche Figur, be- kleidet, und in jugendlichem Alter. Mehr kann man von ihrer Bedeutung mit Zuverlaͤssigkeit nicht sagen. Nur der Sturz ist alt. Kopf, Haͤnde und Fuͤße sind von Guglielmo della Porta ergaͤnzt. Die will- kuͤhrliche Benennung nach dem neuen Kranze dient nur zur Wiedererkennung. Der groͤßte Theil weiblicher Figuren, die beklei- Willkuͤhrli- che Bestim- mung der Nahmen weiblicher bekleideter Figuren uͤberhaupt. det sind, haben sich ohne ihre Attribute erhalten. Selten zeigt der Ausdruck des Gesichts, oder das Ge- wand die symbolische Vorstellung an. Der Ergaͤn- zer nimmt seine Zuflucht zu dem Antiquar, der selten aufrichtig genung ist, seine Unwissenheit zu bekennen; gemeiniglich heftet er dem Kuͤnstler eine willkuͤhrliche oder gar ungereimte Behauptung auf. Man faͤngt jetzt in Rom an den Irrthum einzusehen, und belegt im Allgemeinen jede bekleidete weibliche Figur, fuͤr die man keinen Nahmen mit Gewißheit anzugeben weiß, mit dem Nahmen: Muse. Die unsrige wird eine tanzende Muse genannt. Dieser Meinung ist auch Winkelmann Geschichte der Kunst. Wiener Edition. S. 309. Allein ehe man die gewoͤhnliche Benennung nicht mit einer sicherern aus- tauscht, so lange, glaube ich, darf man sich an die- jenige halten, bei der sich alle verstehen. Das Swelte der Umrisse, die Leichtigkeit der Stellung und des vortrefflich geworfenen Gewandes, Vorzuͤge, Pallast Farnese. Vorzuͤge, welche die Groͤße der Statue noch erhebt, geben ihr einen vorzuͤglichen Rang unter den schoͤnen Ueberresten des Alterthums. Dem Farnesischen Hercules gegenuͤber ein ande- rer Hercules. Die Idee ist dieselbe wie bei dem vorigen: die Ausfuͤhrung scheint keine Copie zu seyn. Sie ist aber von geringem Werthe. Eine wohlbekleidete Nymphe. Ein junger Held: nur aus dem Groben ge- hauen, aber von gutem Stile. Eine Figur im maͤnnlichen Alter, die einen todten Juͤngling auf der Schulter traͤgt; mit- telmaͤßig. Auf der Treppe . Zwei colossalische Statuen von Flußgoͤt- tern. Zwischen beiden ein kleiner Meergott, der vom Schwanze eines Delphins umschlungen wird. Jupiter, Castor, Pollux, Buͤsten. Der Kopf eines Mannes mit Blumen be- kraͤnzt, von großem Charakter. Zwei gefangene Koͤnige, von vortrefflichem Stile, deren Gewaͤnder dem Polydoro da Carra- vaggio oft zum Studio gedienet haben. Gallerie der Carracci . Gallerie der Carracci. Beide Bruͤder Annibale und Agostino nebst ihrem Oncle Ludovico haben an dieser Gallerie gearbeitet. Allein Annibale mehr als die beiden andern. Alle Pallast Farnese. Alle drei Carracci waren Stifter einer Schule zu Stil der Carracci vorzuͤglich des Anniba- le. Bologna, in der sie den guten Geschmack, der zu ihrer Zeit schon verlohren gegangen war, wieder her- stellten: in der sie den Grundsatz lehrten, durch den sie, und viele ihrer Schuͤler nach ihnen groß geworden sind: ahmet die Natur nach, verbessert sie durch das Studium der Antike, und der besten unter den neuern Meistern. Von diesen waren Pellegrini il Tibaldo, Paolo Veronese, und vorzuͤglich Correggio ihre Lieb- lingsmuster. Die Carracci waren unter den Mahlern, was die Eclectiker unter den Philosophen. Sie suchten die Vorzuͤge der verschiedenen Schulen, alle diejeni- gen Vollkommenheiten in sich zu vereinigen, die man vielleicht nur in dem Ideale des Mahlers vereinigt denken kann. Ich kenne dies und jenes Bild des Annibale, das in keinem Theile der Kunst etwas zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Allein in demjenigen, den man in der Kunst- sprache unter dem Nahmen, dichterische Erfindung kennt, ist er sich selbst zu ungleich, als daß man ihm einen gegruͤndeten Anspruch darauf einraͤumen koͤnnte. Die Erfindsamkeit des Mahlers geht nicht auf Noͤthige Er- klaͤrung des Worts: Er- findung, in der Mahle- rei, um dar- nach das Verdienst des Annibale in Ansehung dieses Theils Neuheit des Vorwurfs; er bleibt gern in dem Be- zirke weniger ihm und dem Publico gelaͤufig geworde- ner Ideen. Wenn man von Erfindung in der Mah- lerei spricht, so denket man nie an Hervorbringung eines neuen dem Zuschauer unbekannten Vorwurfs, sondern an Erfindung einzelner Theile, wodurch ein bekannter Gegenstand auf eine neue Art zusammen ge- setzt wird. Inzwischen braucht der Gegenstand nicht schon die bildenden Kuͤnste beschaͤfftiget zu haben um bekannt Pallast Farnese. der Kunst zu beurtheilen. bekannt zu seyn. Genung wenn das Publicum, fuͤr welches das Kunstwerk bestimmt ist, den dargestellten Gegenstand nicht erst aus der Darstellung ken- nen lernt. Was mahle- rische, was dichterische Erfindung in der Kunst- sprache sey? Die Figuren eines Gemaͤhldes so stellen, daß sie durch Mannigfaltigkeit und Einheit dem Auge ange- nehme Formen, von Stellungen und Gruppen, und zugleich eine leichte Uebersicht des Ganzen darbieten; solche Koͤrper auswaͤhlen, die zur Faͤrbung und Be- leuchtung besonders geschickt sind; heißt in der Kunst- sprache: mahlerisch erfinden, oder auch: anordnen. Hingegen zeigt der Kuͤnstler nach eben dieser Sprache eine dichterische Erfindung, wenn er bei genauer Kenntniß der Graͤnzen seiner Kunst solche Gegenstaͤnde zur Darstellung waͤhlt, die Kopf und Herzen Nah- rung geben, und diese durch Mittel, die in dem Ge- biete eben dieser Kunst liegen, dem Verstaͤndnisse des Zuschauers moͤglichst nahe zu bringen sucht. Hieher gehoͤren Ausdruck, Allegorie, Hinstellung der Figu- ren an dem Orte, welchen ihnen der Grad von Auf- merksamkeit anweiset, den ihr Antheil an der Haupt- handlung verdient. Ja, es gehoͤren hieher alle Mit- tel deren sich die mahlerische Erfindung bedient, nur daß bei ihrer Anwendung das Interesse der Bedeu- tung die erste Ruͤcksicht ist. Beide muͤssen mit einander gehen, aber die mah- lerische Erfindung muß der dichterischen untergeordnet seyn. Ist sie das nicht, so wird zur natuͤrlichen Folge, daß man nicht die Figuren so stellt, wie sie die Handlung am deutlichsten machen, sondern, wie sie am besten ins Auge fallen, die mehreste Abwechselung in die Stellungen bringen, und die Gruppen am schick- Pallast Farnese. schicklichsten mit einander verbinden; daß man dem wahren Ausdruck, welchen die Handlung erfordert, einen andern unterschiebt, den der Contrast verlangt; daß man bei der Wahl der handelnden Personen, nicht auf dasjenige sieht, was zur Handlung nothwendig ist, sondern auf dasjenige, was die Flaͤche ausfuͤllt. Von diesen Fehlern ist Annibale selten frei. Sein Ausdruck ist nicht immer wahr, selten edel, und bei- nahe nimmer lieblich. Er hatte wenig Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit, mehr fuͤr Staͤrke: Seine Weiber sind zu maͤnnlich, seine jugendlichen Figuren zu schwerfaͤllig, seine Alten ohne Majestaͤt. Sein Colorit ist ohne Lieblichkeit und ohne Har- monie. In Oelgemaͤhlden grau, im al Fresco zie- gelroth. Das Helldunkle ist in den mehresten seiner Gemaͤhlde mit Einsicht angedeutet, aber selten thut es die Wuͤrkung, die sich der Meister davon verspro- chen zu haben scheint. Das Hauptverdienst dieses Kuͤnstlers ist die mah- lerische Anordnung, die Richtigkeit, und der große Stil seiner Zeichnung. Wenn das Ueberfluͤßige zur Verstaͤrkung des Nothwendigen weggelassen ist, wenn kleinere Partien dem Ganzen so untergeordnet sind, daß die Aufmerksamkeit dadurch nicht zerstreuet wird, so nennt man dies: Groͤße in den Formen; und die Fertigkeit in der Beobachtung dieser Regel: den großen Stil. Dieser zeigt sich auch in den Gewaͤndern des An- nibale, die in große Falten geworfen das Nackende sehr gut andeuten, aber jenes Reitzes entbehren, des- sen Verstaͤndniß kein Studium nach dem Gliedermann aufschließt. So blickt allerwaͤrts der Mann hervor, der Pallast Farnese. der durch Nachdenken und lange Uebung groß gewor- den ist. Der Professor, und zwar der Professor in den Theilen der Kunst, die mehr zur mahlerischen Erfindung und zur Ausfuͤhrung, als zur dichterischen Erfindung gehoͤren. Die Natur hatte ihm viel me- chanisches Talent bei vielem Scharfsinn gegeben. Haͤtte er Gefuͤhl des Schoͤnen und diejenige Einbil- dungskraft besessen, die mit dem Herzen in genaue- rem Verbande steht, er waͤre der Groͤßte der Kuͤnst- ler geworden. So leicht es ist, die drei Carracci von andern Meistern zu unterscheiden, so schwer wird die Unter- scheidung des Stils dieser drei Kuͤnstler unter einander fuͤr ein ungeuͤbtes Auge. Stil des Lu- dovico Car- raccio, Ludovico wird inzwischen an seiner dunkeln hefen- artigen Farbe, an dem Mangel an Ausdruck und an der schwerfaͤlligen oft unrichtigen Zeichnung wieder er- kannt. Er drappierte seine Figuren besser als sein Vetter, und stellte sie wenigstens eben so gut, in Ruͤcksicht auf die mahlerische Wuͤrkung. Er mahlte gern kleine Figuren auf Schiefer. und des Ago- stino Carrac- cio. Agostino war mehr Poet, und Kupferstecher, als Mahler. Aber er hatte erhabenere Ideen als sein Bruder und Oncle, und brachte mehr Ausdruck in seine Gesichtsbildungen. In der Ausfuͤhrung ist er unter beiden. Grund war- um der Au- tor auch in der Folge den Stil der vorzuͤglich- Ich hoffe leicht Entschuldigung dafuͤr zu erhalten, daß ich den Stil der vorzuͤglichsten Kuͤnstler bei Gele- genheit ihrer hauptsaͤchlichsten Werke kurz auseinander setze. Mit dem Nahmen des Meisters weiß man alsdann, auf welche Vorzuͤge man in seinen Wer- ken zu achten, welche Fehler man zu uͤbersehen hat. Doch Pallast Farnese. Doch bitte ich bei der Pruͤfung meiner Urtheile sich sten Kuͤnstler bei schickli- cher Gele- genheit aus- einander se- tzen wird. stets zu erinnern, daß ich bei Bestimmung wesent- licher, charakteristischer Zuͤge nur auf dasjenige Ruͤck- sicht nehmen konnte, was sich gemeiniglich wieder finden laͤßt, nicht aber auf Ausnahmen. Ich gehe nun zu der Beschreibung der Gallerie selbst uͤber. Der Triumph des Bacchus und der Ariadne. Keine einzige Figur hat den Ausdruck, den der Beurthei- lung der Ge- maͤhlde in dieser Galle- rie. Charakter und die Handlung erfordern. Bacchus hat den Anstand eines schlechten Schauspielers, der repraͤsentiret, und Ariadne, seine neuvermaͤhlte Gat- tin, kehrt ihm den Ruͤcken zu, um den Mahler eine schoͤne academische Figur im Contrapost darzu- bieten. Die Nymphen haben den gemeinen Fehler aller weiblichen Figuren dieses Meisters, sie sind zu maͤnnlich. Silen ist ein ekelhaft berauschter Alter. Hingegen ist die mahlerische Erfindung vortrefflich, die Gruppen greifen wohl in einander, und die ein- zelnen Figuren haben sehr abwechselnde Stellungen. Schoͤnheit und Reitz darf man beim Annibale nicht suchen. Das Colorit faͤllt ins Ziegelrothe, und ist ohne Harmonie. Mercur bringt dem Paris den Apfel. Die Verkuͤrzung des Mercurs ist unvergleichlich, nur ist der Koͤrper nicht schlank genung. Der Kopf des Paris ist schoͤn, aber der Koͤrper stimmt damit nicht ganz uͤberein. Die Schienbeinroͤhren sind zu ausgebogen; ein Fehler, der mehreren Figuren dieses Meisters eigen ist, und von der zu getreuen Nachah- mung einer gemeinen Natur herruͤhret. Erster Theil. B Apollo Pallast Farnese. Apollo entfuͤhrt den Hyacinth. Die Stellung des letztern ist sehr gefaͤllig. Polyphem spielt vor der Galathea, um- geben von ihren Nymphen. Der Koͤrper des Polyphems ist eine vortreffliche academische Figur. Kuͤnstler koͤnnen die Verkuͤrzung des einen Knies nicht genung bewundern. Annibale hat sich alle Muͤhe gegeben, das Widrige des einen Auges in der Mitte der Stirn zu verbergen; inzwi- schen wird doch ein Polyphem, wie ihn der Dichter mahlt, nie ein schicklicher Gegenstand fuͤr den Mahler werden. Wenigstens hat der Kuͤnstler dafuͤr gesorgt, daß die Schoͤnheit der Nymphen den Contrast nicht zu auffallend machte; diese sind nichts weniger als schoͤn. Andromeda und Perseus. Die Zusammensetzung dieses Bildes ist selbst in Ruͤcksicht auf mahlerische Anordnung fehlerhaft. Der Koͤrper der Andromeda, der an sich schon zu maͤnnlich ist, wird riesenmaͤßig, wenn man ihn mit den Figu- ren der Aeltern auf dem zweyten Plane vergleicht. Das fliegende Gewand der Mutter ist zu steif. Ge- waͤnder dieser Art scheinen uͤberhaupt dem Annibale nicht gegluͤckt zu seyn. Pan opfert Dianen Wolle. Pan ist unedel, und die Stellung der Diane zu affectirt. Entfuͤhrung des Ganymedes. Ein reitzendes Bild. Der Kopf des Ganymedes hat etwas Correggianisches. Die Stellung ist ange- nehm, und der Halbschatten, in dem der Mahler den Koͤrper gehalten hat, thut eine vortreffliche Wuͤrkung. Man Pallast Farnese. Man verkennt nicht in dem Adler den Ausdruck der Zaͤrtlichkeit. Polyphem schleudert Felsen auf Acis und Galathea. Polyphem ist eine vortreffliche Academie; das Bein in der Verkuͤrzung kann zum Muster einer so schweren Stellung dienen. Perseus verwandelt den Phineus und seine Gefaͤhrten in Felsen. Die Zusammensetzung ist gut gedacht und gut geordnet. Bei der Ausfuͤhrung scheint der Kuͤnstler wider seine Gewohnheit die Natur nicht genung zu Rathe gezogen zu haben. Die Figur des Perseus ist zu kurz und unedel. Juno koͤmmt mit dem Guͤrtel der Venus zum Jupiter. Gedanke und Ausdruck sind gleich vortrefflich. Schamhaftigkeit die der Begierde weicht, ist der Charakter der Juno. Inzwischen hat der Mahle r mit dem entlehnten Guͤrtel ihr nicht zugleich die Reitze der Venus zu geben gewußt. Die Gewaͤnder sind gut geworfen, aber zu trocken ausgefuͤhrt. Galathea von Nymphen, Tritonen und Amorinen umgeben, von Agostino Carraccio. Man erkennt die Verschiedenheit des Stils in den Weibern und Kindern, die ohnstreitig die schoͤnsten jugendlichen Figuren in dieser Gallerie sind. Daß der Kuͤnstler die schoͤne Nereide aus der Galathea des Raphaels in der Farnesina zum Vorbilde gehabt habe, sieht man, wie mich duͤnkt, ziemlich deutlich. Der Triton der die Nereide umfaßt, ist zwar von gemei- nem aber aͤußerst wahrem Charakter. B 2 Diane Pallast Farnese. Diane und Endymion, von Annibale Car- raccio. Der Gedanke uͤbertrifft bei weitem die Aus- fuͤhrung. Hercules und Jole. Eins der schoͤnsten Ge- maͤhlde dieser Gallerie. Der Mahler hat hier sogar seine gewoͤhnlichen Fehler vermieden. Der Koͤrper der Jole ist reitzend, und die Faͤrbung ist gut. Die Zufaͤlle des Lichts und Schattens hat der Kuͤnstler sehr gut zu benutzen gewußt. Hercules hat den Charakter der Antike. Aurora entfuͤhrt den Cephalus. Argens- ville legt dieses Stuͤck dem Agostino bei. Aurora ist wieder zu maͤnnlich; Gesicht und Stellung haben einen unedlen Ausdruck. Ihr Gewand aber ist vor- trefflich. Cephalus und Tithon, der auf dem Vor- grunde schlaͤft, sind vortrefflich gezeichnet. Venus und Anchises. Anchises zieht der Ve- nus den Schuh aus, und darunter stehen die Worte: Genus unde latinum. Sulzer Allgemeine Theorie der schoͤnen Kuͤnste, Artikel: Allegorie. rechnet die Anbringung dieser Schrift unter die schicklichen Mittel den Mangel guter symbolischer Zeichen zu ersetzen. Ich will es dem Gefuͤhl eines jeden uͤberlassen, ob man mehr dabei gewinnt, den bestimmten Liebhaber der Venus durch diese Worte zu erfahren, als man dabei verliert, durch eine Verdollmetschung die der Kunst fremd ist, an die Armuth ihrer Sprache fuͤr gewisse Dinge erinnert zu werden. Der Anchises ist sehr schoͤn, der Venus fehlt es aber wieder an weibli- chem Reitze. Verschie- Pallast Farnese. Verschiedene Medaillons aus einer Farbe, die Domenichino und Lanfranco nach den Zeichnungen ihres Meisters ausgefuͤhret haben. Sie stellen die Entfuͤhrung der Europa, Eurydice die zur Hoͤlle zuruͤckkehrt, die Entfuͤhrung der Ori- thyia, die Marter des Marsyas, Amor der einen Faun bindet, Salmacis und Herma- phrodit, die Verwandlung der Syrinx, und die Fabel des Leanders und der Hero vor. Diese Medaillons sind ohnstreitig verschwendet; sie werden zum Theil halb von den groͤßern Gemaͤhlden bedeckt. In den vier Ecken des Saals zusammen grup- pirte Genii. Stellung und Gruppirung sind schoͤn, sie haben nur nicht ganz den gehoͤrigen Charakter der Kindheit. Ueber den Nischen, in denen die antiken Statuen stehen, sind folgende mythologische Suͤjets im Kleinen ausgefuͤhrt: Arion vom Delphin getragen, Apollo em- pfaͤngt die Leier vom Mercur, Prometheus gibt dem geformten Thone das Leben, Hercu- les befreiet den Prometheus, der Fall des Jcarus (nicht des Phaetons, wie Volkmann schreibt) Hercules der den Drachen der Hesperiden toͤd- tet, Callisto im Bade, die Verwandlung der Callisto. Die Charitas, oder die christliche Liebe, die Maͤßigkeit, die Standhaftigkeit, die Gerech- tigkeit, scheinen von den Schuͤlern des Annibale nach dessen Zeichnungen verfertigt zu seyn. B 3 Ein Pallast Farnese. Ein junges Maͤdgen, das ein Einhorn liebkoset, in einer Landschaft. Eins der fruͤhe- sten Gemaͤhlde des Domenichino. Es zeigt schon den Ausdruck naiver Grazie und Sittsamkeit, der diesem Kuͤnstler so sehr eigen ist. Mehrere academische Figuren mehrentheils als Caryatiden rund umher vertheilt, sind viel- leicht die nackten maͤnnlichen Koͤrper, die seit Wieder- herstellung der Kuͤnste am richtigsten gezeichnet sind. Einige derselben sind von blaͤsserem Colorit. Man haͤlt sie fuͤr Arbeiten des Agostino Carraccio. Die Figur, die das Medaillon des Pans und der Syrinx haͤlt, ist von Ludovico Carraccio. Hin und wieder sind auch einige Masken von vor- trefflichem Ausdruck angebracht. Sollte ich im Allgemeinen ein Urtheil uͤber diese Gallerie faͤllen; so wuͤrde ich sagen: es ist eine Sammlung richtig, und im großen Stile gezeich- neter academischer Figuren, die nach ungefaͤhren Verhaͤltnissen der Fabel vereinigt, in schoͤne Grup- pen vertheilt, die Flaͤche vortrefflich ausfuͤllen. Statuen in dieser Gallerie . Statuen. Ganymed. Kopf und Arme modern, so wie der Kopf des Adlers. Eine weibliche bekleidete Figur. Der Kopf scheint ein Portrait. Eine andere weibliche bekleidete Figur restaurirt als Ceres. † Ein Pallast Farnese. † Ein gefluͤgelter Genius restaurirt als Apollo. Die Haare auf der Stirn zusammen ge- bunden, und der Koͤcher am Stamm haben zu diesem Irrthume Gelegenheit gegeben. Beide Arme sind modern. Der Charakter ist vortrefflich. Man sieht deutlich, daß diese Figur ehemals einen Theil einer Gruppe ausgemacht hat. Ein junger Faun, der ein Kind auf seinen Armen haͤlt. Die Statue hat durch die Ergaͤn- zung viel gelitten. Ein Torso eines jungen Mannes, der durch einen modernen Kopf, moderne Arme und Beine als Antinous restauriret ist. Das was alt an der Sta- tue ist, ist schoͤn. Apollo aus schwarzem Marmor den einen Arm auf dem Kopfe, den andern auf der Leier; uͤber Lebensgroͤße. Winkelmann G. d. K. Wiener Edit. S. 517. † Mercur. Die Haͤlfte des Caducaͤus ist an- tik, daher uͤber die Idee des Kuͤnstlers kein Zweifel seyn kann. Allein, ob die Idee des Kuͤnstlers durch den Charakter erreicht sey, den er seinem Werke gege- ben hat? dies ist eine andere Frage. Mercur, Bote Charakter des Mer- curs. der Goͤtter, Vorsteher der Palaͤstra, Sinnbild der Kriegslist, muß einen geschmeidigen, behenden und gewandten Koͤrper haben, und von allen diesen zeigt unsere Figur gerade das Gegentheil. Die große Aehnlichkeit derselben mit dem sogenannten Antinous im Belvedere hat viele bewogen, diese letzte nach der Farnesischen zu erklaͤren. Allein, kann es nicht moͤg- lich seyn, daß der Kuͤnstler, der einen Mercur zu bil- B 4 den Pallast Farnese. den hatte, hingerissen von der Schoͤnheit jener Statue im Belvedere, sie zum Vorbilde seiner Vorstellung genommen habe? Dieses scheint mir mit vielen andern sicherer als bei der auffallenden Schwerfaͤlligkeit der Statue im Belvedere, ihr einen Nahmen beizulegen, der dem allgemein beobachteten Charakter des Mer- curs so schnurstracks widerspricht. Es ist zu bemer- ken, daß unsere Figur, wider die gewoͤhnliche Vor- stellungsart bei Goͤttern, Haare uͤber der Schaam traͤgt. Bacchus. Kopf und Koͤrper scheinen allein alt. † Ein Faun, der einen jungen Bacchus traͤgt; eine sehr swelte Figur. Drei Koͤpfe des Domitians. So wenig Zuverlaͤßigkeit die Benennungen der Buͤsten uͤber- haupt haben, so wenig haben es besonders diejenigen, die mit dem Nahmen dieses Kaisers belegt sind. Man weiß, daß beinahe alle Bildnisse desselben nach seinem Tode zerschlagen wurden. Zwei Caͤsars, Buͤsten. Marc Aurel, Buͤste. Hadrian, Buͤste. Caracalla. † Caracalla aus Marmor. Einer der schoͤn- sten Koͤpfe des Alterthums. Der Ausdruck trotziger Grausamkeit ist vortrefflich. Farnesische Vase. † Eine Vase mit Figuren von der Art der- jenigen, die man Etruscisch nennt. Ueber den sogenannten Etruscischen Stil sehe man die Beschreibung des Vaticanischen Pallasts nach. Sie scheinen ein Opfer des Bacchus vorzustellen. Form und Aus- arbeitung sind gleich vortrefflich. Zwei- Pallast Farnese. Zweites Zimmer. Statuen . Zwei Hunde. Ein schlafender Amor. Ein sehr freies Bacchanal an einem Sar- cophag. Die Ausfuͤhrung ziemlich mittelmaͤßig. Marc Antonio hat es nach einer Zeichnung Raphaels gestochen, und in dieser sind viele Fehler verbessert. † Ein schoͤner Kopf eines Alten mit Wein- reben bekraͤnzt. Man nennt ihn gewoͤhnlich: Mi- thridates. Ein Mercur aus Bronze uͤber den Mercur in der Großherzoglichen Gallerie zu Florenz abge- gossen. Winkelmann G. d. K. S. 323. † Figur eines bekleideten Juͤnglings aus Bronze von großer Schoͤnheit. Zwei Koͤpfe des Pabstes Paul III. aus Marmor. Der eine ist von Michael Angelo, der andere, dessen Gewand mit Stickerei gezieret ist, von della Porta. Ein anderes Basrelief mit einem Bac- chanale. Eine verwundete Amazone, die vom Pferde faͤllt, des Costums wegen merkwuͤrdig. Sie traͤgt einen breiten Guͤrtel unter der Brust. Ein Kleiner Meleager von rothem Marmor. B 5 Ein Pallast Farnese. Ein Saal mit Gemaͤhlden von Vasari, Salviati und Zuccari. Dieser Saal kann auf eine bequeme Art dazu dienen, den Liebhaber auf die Verdienste aufmerksam zu machen, welche die Carracci um die Wiederher- stellung des guten Geschmacks gehabt haben. Die Stil der Nachahmer Raphaels, des Michael Angelo, und Tizians. spaͤteren Schuͤler der großen Meister, Raphael, Mi- chael Angelo, Tizian, begnuͤgten sich ihre Werke zu bestehlen, ohne die Natur zu Rathe zu ziehen, ohne uͤber ihre Kunst zu denken. Sie bedeckten handwerks- maͤßig die Waͤnde mit einer Menge entlehnter Figu- ren, und um neu zu scheinen, gaben sie ihnen gezwun- gene Stellungen, verzerrte Gebaͤhrden, und Gesich- ter ohne Ausdruck. Wollten sie Reitz anbringen, so ward er zur Affektation. Die wesentlichen Zuͤge der Wahrheit wurden der Genauigkeit in Nebendingen aufgeopfert. Kurz! Alles in diesen Meistern zeigt die Nachahmer an, die durch Uebertreibung Originale zu werden hoffen. Großer Saal mit Statuen. Gruppe des Alexander Farnese gekroͤnt von den Haͤnden des Sieges, zu seinen Fuͤßen die gefesselte Schelde und das kniende Flan- dern. Guasparo Celio hat sie gezeichnet; die Aus- fuͤhrung ist von Simone Massino. Das ganze Werk ist mittelmaͤßig, aber merkwuͤrdig, weil diese unge- heure Masse aus einem einzigen Marmorblocke ge- hauen ist, der von dem Sturze einer Saͤule aus dem Friedenstempel genommen seyn soll. Hier Pallast Farnese. Hier stehen auch die beiden Figuren der Chari- tas und des Ueberflusses von della Porta, welche fuͤr das Grabmal Pauls III. in der Peterskirche be- stimmt waren, von Michael Angelo aber verworfen wurden. Ich glaube mit Recht. Unter den uͤbrigen Statuen bemerkt man einen sitzenden Apollo und vier Figuren, welche fuͤr Ringer Ueber den Charakter der Ringer sehe man die Be- schreibung des Capitols nach, imgleichen Villa Borghese. gehalten werden. Zwei derselben haben die Haare reihenweise in laͤnglichte und geringelte Lo- cken gelegt. Winkelmann Geschichte der Kunst. Wiener Edit. S. 659. rechnet sie unter die schoͤnsten Statuen von Rom; daran aber, duͤnkt mich, thut er der Sache zu viel. Unter den Buͤsten in diesem Saale ist wenig Merkwuͤrdiges. In einem Cabinette . † Mahlereien von Agostino und Annibale Carraccio. Sie dienten dem Cardinal Farnese, der seinen Pallast mit Mahlereien zieren lassen wollte, zur Probe der Geschicklichkeit dieser Kuͤnstler. Am Plafond Hercules zwischen Tugend und Laster in Oel, eine Copie des Originalgemaͤhldes, das nach Neapel gegangen ist. Die uͤbrigen Gemaͤhlde sind al Fresco. Hercules haͤlt die Himmelskugel, waͤhrend, daß die Astronomie und die Mathematik, un- ter Pallast Farnese. ter der Gestalt zweier alten Philosophen, be- schaͤfftiget sind sie auszumessen. Perseus haut der Medusa den Kopf ab, unter dem Beistande der Minerva und des Mercurs. Anapias und Amphinomus retten ihre Ael- tern aus den Flammen. Ulysses entgeht den Nachstellungen der Sirenen. Eine Composition, die von einem ge- schnittenen Steine genommen ist. Ulysses, dem Circe den Zauberbecher dar- reichet. Hercules, den ein edler Muth ergreift, da er Waffen und Ungeheuer um sich sieht. Alle diese Gemaͤhlde haben die Vorzuͤge, die die- sen Meistern eigen sind. Schoͤne mahlerische Anord- nung, Wahrheit und Bestimmtheit der Zeichnung, Groͤße in den Formen. Rund umher sind † grau in grau gemahlte Verzierungen nach Art der Stuccaturarbeit. Man kann den Betrug nicht hoͤher treiben. In dem Porticus des Hofes nach dem Garten zu. † Eine bekleidete weibliche Figur colossa- lisch. Sie ist derjenigen aͤhnlich, die im Museo Clementino stehet, und von großem und vortrefflichem Charakter. Sie traͤgt einen breiten Guͤrtel. Die hohen Sohlen scheinen eine tragische Muse anzudeuten. Es soll eine Urania seyn. Siehe Fea’s Italieni- sche In Pallast Farnese. In einem Verschlage von Brettern auf dem Hofe. † Der sogenannte Farnesische Stier. Unter diesem Nahmen ist eine Gruppe aus Mar- Der Farne- sische Stier. mor, von ungeheurem Umfange bekannt. Sie stellt folgende Fabel vor: Zethus und Amphion, Soͤhne der Antiope und des Jupiter, der sie unter der Ge- stalt eines Satyrs hintergangen hatte, waren am Fuße des Cithaͤron in Boͤotien ausgesetzt, und unter den Hirten erzogen worden. Lycus Koͤnig von The- ben hatte die Antiope, auf Anreitzen seiner Gemahlin der Dirce, sehr uͤbel behandelt; sie entfloh; der Zu- fall fuͤhrte sie zu ihren Soͤhnen auf dem Cithaͤron, die sie fuͤr ihre Mutter erkannten, und ihre erlittenen Kraͤnkungen an der Dirce auf eine grausame Weise taͤchten; Sie banden sie an einen wilden Ochsen, und ließen sie schleifen. Das Werk, das wir hier vor uns haben, stellt beide Bruͤder vor, im Begriff die grausame Strafe an der Dirce zu vollziehen. Außer diesen Personen finden sich noch dabei eine weibliche Figur, ein Juͤng- ling, und eine Menge Nebenfiguren auf einem Fel- senberge. Dieses Ganze macht weder eine schoͤne Gruppe, noch eine verstaͤndliche Zusammensetzung aus. Es finden sich einzelne Theile daran, die schoͤn sind, aber als Werk betrachtet, das heißt, als ein vernuͤnftig gedachtes Ganze, kann es fuͤr den Liebhaber keinen Werth haben. Es fehlt durchaus an Ausdruck und Zusam- sche Uebersetzung der Winkelmannischen Gesch. d. Kunst, T. I. p. 322. n. A. Pallast Farnese. Zusammenhang. Man kann es als eine Sammlung von schoͤnen Bruchstuͤcken ansehen. Winkelmann Gesch. d. K. W. Edit. S. 717. giebt die Stuͤcke an, die an dieser Gruppe der gemeinen Meinung zuwider neu seyn sollen, und nennt den Battista Bianchi einen Mai- laͤnder als den Ergaͤnzer. Es scheint, daß Winkel- mann bei dieser Angabe zu keck verfahren sey, und der Herr Hofrath Heyne Sammlung antiquarischer Aufsaͤtze 2r Theil S. 182 und folgende. hat bereits den Irrthum in Ansehung des Nahmens des Ergaͤnzers geruͤgt. Da die Gruppe als Kunstwerk ganz außer mei- nem Plane liegt, so habe ich mich nicht dabei aufhal- ten wollen, die Wahrheit der Winkelmannischen Nachricht im Detail zu pruͤfen. Wer mehr von dieser Gruppe wissen, und zu glei- cher Zeit das Beispiel einer scharfsinnigen Erlaͤute- rung eines alten Kunstwerks lesen will, der sehe den Aufsatz des Herrn Hofraths Heyne uͤber den Farne- sischen Stier in seiner Sammlung antiquarischer Aufsaͤtze nach, im 2ten Theile S. 182. Dies ist das Resultat seiner Untersuchung: Die Fabel ist nach einem Trauerspiel des Euripi- des gearbeitet. Nach diesem ward die Strafe waͤh- rend der Orgien des Bacchus auf dem Berge Cithaͤ- ron vollzogen, und Dirce erschien dabey als Bac- chante. Dies erklaͤrt verschiedene Nebenwerke. Allein das jetzige Werk hat nicht mehr die Aussicht des alten, dessen Plinius erwehnt, von Apollonius und Tauriscus verfertiget, und von Rhodus nach Rom in die Gebaͤude des Asinius Pollio versetzt. Es Wichti- Pallast Farnese. Wichtiger wird es mir hier ein Paar Anmerkun- gen einzuschieben, wozu mir die Fehler dieses Werks Anlaß geben: Die Ueberladung desselben mit Figuren, die zum Theil nur in entferntem Verhaͤltnisse mit der Haupthandlung stehen, und der Fleiß, der auf die Nebenfiguren gewandt ist. Sehr gehaͤufte Figuren sind jedem Werke der Sehr ge- haͤufte Fi- guren sind einem jeden Werke der Kunst schaͤd- lich. Kunst schaͤdlich. Sie machen selten die Absicht des dargestellten Werks deutlicher; gemeiniglich dienen sie nur dazu, den Begriff, den sich der Zuschauer von der Handlung machen soll, zu verwirren. Zum Vergnuͤgen wird Beschaͤfftigung der Seele erfordert, nicht qualvolle Anstrengung. Je deutli- cher die Beziehung einer jeden Figur wird, die der Kuͤnstler in die Composition seines Werks gebracht hat, um desto groͤßer ist die Wuͤrkung. Sollen wir erst muͤhsam nachsinnen, warum wir diese oder jene Figur hier sehen, so faͤllt die Ruͤhrung weg, die gemeiniglich von dem ersten Blick abhaͤngt. Es ist daher jedem Kuͤnstler anzurathen, daß er nur so viel Figuren in seinen Werken anbringe, als zum Verstaͤndniß der Handlung nothwendig sind. Bedarf Es ist nicht nur in Ergaͤnzung der Figuren selbst, sondern auch in Beifuͤgung anderer Figuren und durch Ueberhaͤufung von Nebenfiguren geaͤndert. Diese Aenderung ist wahrscheinlicher Weise zu mehr als einer Zeit, erst bei Aufstellung in den Baͤdern des Caracalla, worinn es gefunden wurde, dann nach der Wiederentdeckung, einmal, da man es fuͤr einen Hercules mit dem Marathonischen Stier hielt, und nachher, da man es zur Fabel der Dirce umarbeitete, vorgegangen. Pallast Farnese. Bedarf er einiger Nebenfiguren, theils zum Grup- piren, theils dem Auge einen angenehmen Ruhepunkt Gar zu be- sorgte Ne- benwerke schaden dem Eindruck des Ganzen und vorzuͤglich der Haupt- figuren. darzubieten, so waͤhle er sie mit moͤglichster Sparsam- keit, und behandle sie nicht mit einem Fleiße, der die Aufmerksamkeit von den Hauptfiguren abzieht. Ich werde noch oft Gelegenheit finden, zu bemerken, mit welcher Weisheit die großen Kuͤnstler des Alterthums, die Nebenfiguren mit anscheinender Nachlaͤßigkeit den Hauptfiguren in ihren Werken aufgeopfert haben. Ein anderer Grund, warum der Kuͤnstler sich der Ueberladung seiner Werke mit uͤberfluͤßigen Nebenfi- guren so viel moͤglich enthalten muß, ist dieser: Die gleichzeitige Beaͤugung aller Theile eines Kunstwerks gibt dem Auge allein jenen deutlichen Begriff des sichtbar Geordneten und Uebereinstimmenden, der, noch weiß man nicht, aus welcher Ursach, der Seele so angenehm ist. Selten bringt eine sehr weitlaͤuftige Composition, an deren Theilen die Axe des Auges sich langsam hinbewegen muß, diesen Eindruck hervor. Der Bild- hauerkunst ist die Ueber- ladung eines Werks mit uͤberfluͤßigen Figuren viel nachtheiliger als der Mah- lerei. Der Mahler hat hier freiere Haͤnde als der Bild- hauer. Koͤrper, die an sich flach sind aber rund er- scheinen, koͤnnen in einem kleinen Raume hinter ein- ander nach den Regeln der Gruppirung oft nur mit halben Koͤrper hervorstehend zusammengebracht wer- den. Die Bildhauerarbeit liefert runde Koͤrper. Wollte man diese, wie in einem Gemaͤhlde hinter ein- ander stellen, so wuͤrde der Zuschauer entweder die Muͤhe bedauern, die an die Ausarbeitung nicht zum Vorschein kommender Theile verschwendet ist, oder er wuͤrde wohl gar dasjenige, was er nicht sehen kann, und doch zu sehen wuͤnscht, fuͤr eine Entbehrung hal- ten, die den Genuß vermindert. Ferner: Pallast Farnese. Ferner: um ein solches weitlaͤuftiges Ganze als Ueberhaupt sind weit- laͤuftige Compositio- nen dem Bildhauer nicht anzu- rathen: Ue- ber die mah- lerische Gruppirung geht die Schoͤnheit einzelner Fi- guren ver- lohren: Vielleicht ist er nicht ein- mahl im Stande die Wuͤrkung ei- ner mahleri- schen Gruppe vollstaͤndig zu erreichen. eine mahlerische Gruppe zu uͤbersehen, muß man sich nothwendig so weit davon entfernen, daß die Schoͤn- heit des Details dem Auge entgeht. Soll man hinzu- gehen, die Schoͤnheit der einzelnen Formen zu bewun- dern, oder fern bleiben, und sich den Eindruck der Form der Gruppe im Ganzen genuͤgen lassen? Dieser Streit hat nichts Angenehmes. Die Wahl des Standorts, aus dem man ein Gemaͤhlde betrachtet, haͤngt von ganz andern Regeln ab, als die Wahl desjenigen, den man bei Betrach- tung eines Bildhauerwerks annehmen muß. Es ist eine allgemeine Verabredung daruͤber, daß man die Handlung, die auf einem Gemaͤhlde vorgestellet wird, sich denkt, als werde sie aus einem Fenster oder durch eine andere Oeffnung gesehen. Der Rahmen schneidet den Ort, wo die Handlung vor sich geht, von dem Standorte ab, und wir denken nicht so genau an die Maaße der Entfernung. Bei einer Gruppe von Bildsaͤulen ist eine solche willkuͤhrliche Verabredung nicht wohl moͤglich. Mit ihr sehen wir zugleich Gar- ten, Zimmer u. s. w. und wir machen uns keine Illusion daruͤber, daß dasjenige, was nur wenige Schritte von uns entfernt ist, es um einige hundert seyn koͤnne. Nicht das allein: Was macht die Schoͤnheit einer Gruppe? Der Zusammenhang, das Ineinan- dergreifen der verschiedenen Figuren, deren Umrisse das Auge verfolgt, und unmerklich von einer auf die andere endlich zum Ganzen geleitet wird. Der Zipfel des Gewandes einer Figur fuͤhret zunaͤchst auf die Hand einer andern u. s. w. In der Mahlerei sind Erster Theil. C sie Pallast Farnese. sie an einander geheftet, die Absaͤtze sind bedeckt, man denkt sie, man sieht sie nicht. Hingegen in der ganz runden Bildnerei haͤngt Alles von der Wahl des Standortes des Zuschauers ab, ob die verschiedenen Figuren in einander greifen: er darf sich nur ein we- nig anders stellen, so ist ein Absatz da, so haͤngt die Gruppe nicht mehr zusammen. Die Bildhauerkunst liefert den vollstaͤndigsten Be- griff schoͤner Formen, in so weit diese aus Umrissen, das heißt, aus Erhoͤhungen und Vertiefungen bestehen. Wenn wir uns so weit entfernen, daß diese verlohren gehen, so opfern wir den ersten Anspruch auf, den wir an diese Kunst machen duͤrfen. In der That, die Aufstellung mehrerer Statuen in mahlerische Gruppen scheint die gewuͤnschte Wuͤr- kung nicht hervorzubringen. Das Bad des Apollo vom Girardon zu Ver- sailles bestaͤtiget diesen Grundsatz. Es thut, so wie es da steht, als ein fuͤr sich bestehendes Kunstwerk keine Wuͤrkung, und ich zweifle, daß man Recht habe, sich daruͤber zu beklagen, daß die Gruppe der Niobe zu Florenz nicht nach mahlerischen Regeln neben- einander aufgestellt sey. Zuweilen werden weitlaͤuftige Compositionen von Bildhauerarbeit an Gebaͤuden angebracht, und thun Wuͤrkung. Allein nicht wie schoͤne Darstellungen interessanter Handlungen, oder als Ideale schoͤner menschlicher Formen, sondern als architektonische Zierrathen. Die Bildhauerkunst verlangt unter den bildenden Kuͤnsten die langsamste mechanische Behandlung. Sollte wohl waͤhrend einer Ausarbeitung, die mehrere Jahre Pallast Farnese. Jahre erfordert, jene Idee von Schoͤnheit sich in ihrer goͤttlichen Lebhaftigkeit erhalten koͤnnen, die gleich ei- nem Strahle des Lichts den Kuͤnstler nur in Stunden der Begeisterung erleuchtet? Weitlaͤuftige Compositionen liegen, wie ich glau- be, ganz außer den Graͤnzen der runden Bildnerei in Stein. † Ein schoͤnes Basrelief. Bacchus lehnt sich auf einen Faun, ein anderer traͤgt eine Vase, eine Nymphe spielt auf Floͤten, und eine andere schlaͤgt Becken zusammen. Es hat gelitten, aber es bleibt dem ohngeachtet sowohl in Ansehung der schoͤnen Um- risse, als der besorgten Ausarbeitung eines der schoͤn- sten Basreliefs, die sich aus dem Alterthum auf uns erhalten haben. † Ein anderes gleichfalls beschaͤdigt, aber gleichfalls schoͤn, stellt einen jungen Menschen vor, der eine Leier haͤlt, und sich auf eine junge weibliche Figur stuͤtzt, waͤhrend daß zwei andere auf einem Bette sitzen. Auf einem dritten, Amorinen, die ein Wett- rennen mit Wagen halten; einer stuͤrzt. In Anse- hung der Ausfuͤhrung weniger bedeutend. Auf einem vierten sieht man eine Gesellschaft mit Schauspielern; man nennt es: Trimalcion, der zu seinen Gaͤsten kommt. Ein Schwelger, der mei- nen Lesern aus dem Petronius bekannt seyn wird. Die Benennung ist aber ohne allen Grund. Es stellt ein Gastmahl vor, das vielleicht mit den Bacchischen Orgien in Verbindung gestanden hat. C 2 In Pallast Farnese. In diesem Verschlage stehen noch mehrere Bruch- stuͤcke von Statuen, die sehr schoͤn sind, einige große Fuͤße und viele kleine Koͤpfe. In dem Gartengebaͤude hinter dem Pallaste. Am Plafond des Porticus: Venus findet den Adonis todt, vom Domenichino. In einem Nebenzimmer: Apollo und Hya- cinth, von eben dem Meister. In einem Zimmer gegenuͤber soll noch ein Pla- fond vom Domenichino seyn; ich habe es nicht gesehen. Was ich gesehen habe, war sehr beschaͤdigt, und schien nicht aus des Mahlers bester Zeit zu seyn. In dem Garten . Mercur, der die Herse umarmt, eine an- tike Gruppe. Mercur ist unproportionirlich groß ge- gen die Herse. Der Kopf und das eine Bein sind neu, Rumpf und Haͤnde schoͤn, letztere vorzuͤglich be- ruͤhmt. An der Herse ist der Kopf mit der Haͤlfte der Brust neu, das uͤbrige alt und schoͤn. Die Haͤnde ver- dienen alle das Gute, was Winkelmann davon sagt. Winkelmann G. d. K. S. 282. Pan lehrt einen Faun auf der Floͤte spielen. Eine Bacchantinn. Kopf und Arme von weißem Marmor scheinen neu; das Gewand von schwarzem und umguͤrtet, zeigt das Nackte vortreff- lich an. Eine Pallast Farnese. Eine Nymphe. Das Gewand gleichfalls von schwarzem Marmor, uͤber den Huͤften geguͤrtet. Kopf und beide Arme scheinen neu, das uͤbrige ist von außer- ordentlicher Leichtigkeit und schoͤner Execution Winkelmann bemerkt S. 396. Wiener Edition, einen schoͤnen Hermaphrodit, der aber hier nicht stehet, sondern wahrscheinlich nach Neapel gegan- gen ist. In dem Garten soll nach ihm S. 431 eine Venus mit einem Kopfe der Marciana, des Trajans Schwester Tochter (oder wie Fea in seiner Ueber- setzung T. I. p. 435. n. c sagt: der Matidia des Trajans Schwester) mit einem Schmuck wie eine Feder auf dem Kopfe vorgestellet seyn. Ich habe sie bei dem Sculpteur Carlo Albicini restauriren sehen. Sie ist nach Neapel gegangen. Zwei Sta- tuen der Venus in Lebensgroͤße, deren er Seite 502. erwaͤhnt, sind gleichfalls nach Neapel gegan- gen. Der Umstand, den er angiebt, die eine habe ihren eigenen Kopf, ist falsch, wie ich beim Albi- cini gesehen habe, der sie restaurirte. Eben dies bemerkt auch Fea in seiner Uebersetzung T. II. p. 135. n. B. So wie er sagt: ist auch der Kopf an der anderen aufgesetzt. . C 3 Der Der Vaticanische Pallast . Grund war- um dieser Pallast in Ruͤcksicht auf den Zweck dieses Buchs in der Ordnung der zweite ist. D er Liebhaber, der zu mehreren Mahlen den Far- nesischen Pallast besucht hat, wird sein Auge an Groͤße des Stils und an Richtigkeit der Zeichnung gewoͤhnt haben. Jetzt ist es Zeit, ihn in den Vati- canischen Pallast zu begleiten, um das Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit in ihm zu entwickeln. Nicht ohne heilige Ehrfurcht nahe ich mich selbst in der Erinnerung dem Orte, wo meine Seele die heitersten und unvermischtesten Freuden genossen hat! Museum Clementi-num. Sammlung der antiken Statuen, die Clemens der XIV. angelegt und Pius der VI. vermehrt hat, gemeiniglich das Museum Clementinum genannt. Eine Anmer- kung uͤber den Ort, der zur Aufstel- lung der Statuen der vortheilhaf- teste seyn duͤrfte. Man hat viel Pracht an das Behaͤltniß ver- schwendet, um den Liebhaber um den vollstaͤndigen Genuß des Aufbehaltenen zu bringen. Man hat die Statuen rund umher an die Waͤnde von Saͤlen aufgestellt, in denen sie zum Theil gegen das Licht gesehen werden; in Rotunden, deren Fenster sie von allen Seiten beleuchten. Wenn man jetzt von der wahren Wuͤrkung der Statuen urtheilen will, so muß man sie bei Fackeln sehen, und in Gesellschaft eines aufgeklaͤrten Fuͤhrers, der die Beleuchtung dirigirt. Warum Der Vaticanische Pallast. Warum ist man nicht dem Beispiel der Alten in Aufstellung ihrer Statuen gefolgt? Sie hatten lange Gallerien; an der einen Wand waren Nischen, darin standen die Statuen; an der andern gegen uͤber waren Fenster in der Hoͤhe, dadurch fiel ein sehr vortheilhaf- tes Licht herab. Man haͤtte diesen Vortheil mit so wenig Muͤhe haben koͤnnen! Ein langer Gang fuͤhrt zu dem gegen- waͤrtigen Behaͤltniß der Statuen, nur an der einen Seite sind Fenster. Haͤtte man doch hieher die be- traͤchtlichsten Kunstwerke zum Anschauen gestellt! Die gelehrten Innschriften, die in die Waͤnde incrustirt sind, haͤtte man ja anderswo eben so gut lesen koͤnnen. Erstes Zimmer . † Zwei Leuchter aus dem Hause Barberini. Sie stehen auf einem dreieckigten Fußgestelle, mit Figuren in Basrelief. Minerva Salutifera, oder Hygea, eine Isis nach der Lotusblume zu urtheilen, die sie in der Hand haͤlt, und Mars. Diese stehen auf dem einen: Auf dem andern Jupiter, Juno und Mercur. Beide Leuchter sind in doppelter Ruͤcksicht unserer Aufmerksamkeit werth. Sie sind von schoͤnster Form: Sowohl im Gan- zen, als in den einzelnen Zierrathen, die mit aͤußerster Liebe besorgt, leicht und fließend gezeichnet, und weich behandelt sind. Der Stil der Zeichnung in den Figuren contra- Bestimmung des soge- nannten stirt mit dieser Leichtigkeit, mit diesem Fließenden der C 4 Zeichnung Der Vaticanische Pallast. Etruscischen Stils, so- wohl des ur- spruͤngli- chen, als des nachgeahm- ten. Zeichnung in den Zierrathen. Er ist hart und eckigt, dieser Stil, wie wir ihn den Zeiten zutrauen koͤnnen, in denen man noch nicht bis zu dem Begriff der Schoͤnheit vorgeruͤckt war, sondern sich genau an bestimmte Wahrheit hielt. Diese Vermischung fuͤhrt auf die Vermuthung, daß der Kuͤnstler sich in einen Stil hineindachte, der dem ausgebildeten Zeitalter, in dem er lebte, nicht eigen war, den er aber beibehalten mußte, wenn er Tempelwerke arbeitete, wo Religion die Hauptabsicht war, wo, so zu sagen, der Geschmack der Religion nicht geaͤndert werden konnte. Der groͤßte Theil religioͤser Vorstellungen der Al- ten stammt aus Zeiten her, in denen sie von der Schoͤnheit noch keinen Begriff hatten. Bei zuneh- mender Cultur haben sie dieselben groͤßtentheils nach jenem Begriffe umgeschaffen; zuweilen aber haben sie, vielleicht um den Eindruck feierlicher zu machen, die aͤltere Form in so fern beibehalten, als sie dem Begriffe von Schoͤnheit nicht gerade zu widersprach. Man bezeichnet die Figuren des mythischen Cir- kels der Alten, deren Vorstellungsart in den Attribu- ten, in der Darstellung gewisser Handlungen von den bekanntern Begriffen der Fabel abweichen, deren Stil (vielleicht besser, deren Manier) Bestimmtheit, Ebenmaaß, Richtigkeit, aber auch Haͤrte, Trocken- heit, scharfe eckigte Umrisse zeigt; Gewaͤnder, die an das Nackte kleben; mit dem Nahmen Etruscischer Werke, oder: Werke im Etruscischen Stile. Diese Benennung dient blos zur Unterscheidung der Werke dieser Art von solchen, an denen wir verfeinerte Begriffe von Schoͤnheit und symbolischer Bedeu- Der Vaticanische Pallast. Bedeutung bemerken, und daher den Griechen und ihren Nachfolgern den Roͤmern, als Voͤlkern bei denen die Cultur aufs Hoͤchste gestiegen ist, eher zutrauen duͤrfen. Abkoͤmmlinge aͤlterer Griechen haben sich fruͤh mit den aͤltern Bewohnern Etruriens vermischt, und ihnen ihre religioͤse Vorstellungsarten mitgetheilt. Ein Der Liebha- ber vermengt den Begriff des Etrusci- schen und Alt- griechischen Stils aus guten Gruͤn- den. ausgebreiteter Handel, die Nachbarschaft von Groß- griechenland, haben nachher die Verwandtschaft unter den Ideen beider Voͤlker unterhalten, und wahrschein- lich haben sie sich bei ihrer gemeinschaftlichen Ausbil- dung die Hand geboten. Allein zu einer Zeit als die Griechen noch nicht bis zur hoͤchsten Idee von Schoͤn- heit fortgeruͤckt waren, verlohr die foͤderative Repu- blik der Etruscer Freiheit, oder wenigstens Ruhe und Wohlstand. Mit ihnen ging die Unbefangenheit und Hoheit des Geistes verlohren, durch die sich dieser al- lein zur Vollkommenheit in den Kuͤnsten hebt. Die aufgeklaͤrtesten Kenner des Alterthums geste- hen, daß sowohl in Ansehung der Erfindung als der Ausfuͤhrung der Unterschied zwischen den Werken Etruscischer Kuͤnstler und Altgriechischer sich nur sehr unzuverlaͤßig angeben laͤßt, wenn nicht Etruscische Schrift oder der Ort der Findung die Bestimmung erleichtert. Wir Liebhaber begnuͤgen uns unter dem allgemeinen Nahmen: Etruscischer Werke, sowohl die Werke dieses Volks als die Werke der aͤlteren Griechen zu begreifen. Die Figuren an unsern Leuchtern sind im Stile Etruscischer Werke gearbeitet, aber wie man selbst aus C 5 der Der Vaticanische Pallast. der Behandlung sieht, in Zeiten, wo dieser Stil nicht der herrschende war. † Ein dritter Leuchter vom Cardinal Zelada hieher geschenkt. Auf dem dreieckigten Fußgestelle Fi- guren: Jupiter, Hercules der den Apollo verfolgt, Apollo der mit dem gestohlnen Dreifuß flieht. Der letzte ist besonders schoͤn. Vorstellungsart und Stil der Ausfuͤhrung an den Figuren sind Etruscisch. Der Leuchter selbst steht weder an Schoͤnheit der Idee, noch besorgter Ausfuͤhrung, dem vorigen nach. † Ein vierter Leuchter vom Piranese gekauft. Die Form ist simpler als an dem vorigen. Die Fi- guren rund umher stellen Bacchantinnen vor. Der Stil, Etruscisch. Charakter der Flußgoͤt- ter. Ein Flußgott. Der Charakter der Flußgoͤtter ist im Ganzen rauhes Alter, aber ohne Graͤmelei, ohne abgemergelten Koͤrper. An unserer Statue sind Kopf und Arme von Michael Angelo ergaͤnzt. Es ist sonderbar! Michael Angelo hatte die groͤßte Ehrfurcht fuͤr die Antiken; er hat sie oft copirt, er hat sie ergaͤnzt; Man sollte denken, er muͤßte sich selbst wider seinen Willen in ihren Stil hinein gedacht haben. Aber nein! Sein Geschmack an dem Auf- fallenden und Wilden, die Sucht, seine Kenntniß des Muskeln- und Knochenbaues zu zeigen, haben ihn sogar verfuͤhrt, wider die Gesetze der nothwendigen Uebereinstimmung der Theile unter einander zu han- deln. Der antike Rumpf dieses Flußgottes zeigt, der Bestimmtheit unbeschadet, ein sanftes fließendes Muskelnspiel. Aber der Kopf, den der neuere Kuͤnst- ler Der Vaticanische Pallast. ler aufsetzte, gehoͤrt einem aufgetrockneten Alten, oder vielmehr einem skelettirten Studio der Anatomie. So viel ich weiß, ist noch nirgends ein vollstaͤndi- Gruͤnde war- um sich der Autor be- rechtigt haͤlt ein vollstaͤn- diges Ver- zeichniß der Kunstwerke, die in dieser Sammlung befindlich sind, in den Noten am Ende der Be- schreibung eines jeden Zimmers zu liefern: ob es gleich sonst nicht seine Absicht ist, Nomen- claturen zu geben. ges Verzeichniß der Kunstwerke gedruckt worden, die sich in dieser Sammlung befinden. So wenig es sonst meine Absicht ist, eine bloße Nomenclatur zu liefern, und so sehr ich es mir zum Gesetz ge- macht habe, dem Liebhaber nur dasjenige anzuzei- gen, was ich seiner Aufmerksamkeit werth halke; so glaube ich doch hier eine Ausnahme machen, und in den Noten am Ende eines jeden Zimmers dasje- nige hinzusetzen zu duͤrfen, was zur Vollstaͤndigkeit eines bloßen Verzeichnisses in dem Texte mangelt. Vielleicht ist irgend einem, der aus anderer Ruͤck- sicht, als des Schoͤnen sieht, damit gedient; Viel- leicht habe ich in manchem hieher gereiheten Kunst- werke das Schoͤne uͤbersehen; Oft habe ich nur, um die Aufmerksamkeit des Lesers nicht zu ermuͤden, im Texte nicht weitlaͤuftiger seyn duͤrfen; und end- lich wird die große Menge der hier in kurzer Zeit versammleten Bildhauerarbeit dankbare Freude uͤber die Schaͤtze des Alterthums die sich auf uns erhalten haben, und ein staunendes Nachdenken uͤber den unermeßlichen Reichthum des ehemaligen Roms gewaͤhren. Die uͤbrigen Kunstwerke in diesem Zimmer sind: Ein Sarcopbag oder eine groͤßere Begraͤbniß- urne, auf dessen Deckel eine Nymphe ruht. Zwei Sphynxe von rothem Granit. Zweites Zimmer . Ein Basrelief. Pluto, Proserpine, Isis, Amor. So sagt man. Ich Der Vaticanische Pallast. Allgemeine Anmerkung uͤber den Werth anti- ker Basre- liefs. Ich fuͤhre dieses Basrelief, das an sich schlecht ist, nur darum an, um uͤber diese Art von Kunst- werken im Allgemeinen eine Anmerkung zu machen. Die mehresten Basreliefs, die sich aus dem Al- terthume auf uns erhalten haben, und in den Samm- lungen von Antiken angetroffen werden, sind von Sarcophagen, oder viereckt laͤnglichen Begraͤbnißur- nen, abgesaͤgt. Von diesen Begraͤbnißurnen haben wir nur wenige aus dem Flore der Kunst. Sie wur- den in spaͤterer Zeit auf den Kauf und zwar von mit- telmaͤßigen Kuͤnstlern verfertigt. Dies ist der Grund, warum sie nur selten des Liebhabers Anspruͤche auf Schoͤnheit befriedigen. Inzwischen werde ich in der Folge einige anzeigen, welche Aufmerksamkeit verdie- nen, und zu gleicher Zeit, durch welche Vorzuͤge sie dieselbe verdienen. † Zwei Leuchter. Sie standen ehemals in der Kirche Santa Costanza fuor delle Mure. Von schoͤnster Arbeit, allein, vielleicht ein wenig mit willkuͤhrlichem Blaͤtterwerk uͤberladen. Vier maͤnnliche aegyptische Gottheiten von schwarzem Granit, der dem Basalt gleich koͤmmt. Alle unter einander aͤhnlich, bis auf die Lotusblu- me, die zwei derselben auf dem Kopfe tragen. Sie stehen auf Fußgestellen von griechischer Arbeit. Ei- nes derselben ist mit Figuren gezieret, aber diese sind unbedeutend. Ueber den aͤchten Ae- gyptischen Stil. Die Kennzeichen Man kann an diesen Statuen den aͤchten Aegypti- schen Stil kennen lernen. Dieser reine Aegyptische Stil ist von demjenigen verschieden, in welchem die Griechen die Vorstellungs- arten religioͤser Ideen der Aegyptier in die ihnen eigene schoͤne Der Vaticanische Pallast. schoͤne Natur verwandelt haben. Von den Werken desselben werden an- gefuͤhrt, um den Autor zu rechtferti- gen, wenn er die Werke, die ihn an sich tragen, der Aufmerk- samkeit des Liebhabers unwerth haͤlt. dieser Art werde ich bei der Sammlung der Statuen auf dem Capitol reden. Die hoͤchste Stufe des Aegyptischen Originalstils ist Ueberwindung der Schwierigkeiten in Behandlung der haͤrteren Marmorarten. Man bewundert in den Urhebern der Werke dieser Art den Handwerker, nicht den Kuͤnstler. Von Schoͤnheit zeigt sich keine Ver- muthung, und Wahrheit haben sie kaum in einzelnen Theilen beobachtet. Werke in diesem Stile sind kein Gegenstand der Aufmerksamkeit des Liebhabers; inzwischen will ich, um die Absonderung zu erleichtern, einige Kennzeichen derselben angeben. Die Gegenstaͤnde, die wir in diesem Stile behan- delt sehen, scheinen alle mit der Verehrung der Gott- heiten dieses Volks in genauem Verhaͤltnisse gestanden zu haben. Es sind sonderbahre Gestalten, allegorische Ungeheuer, oder Nachahmungen einer individuellen Menschenart in einem Costume, das sich mit unsern Begriffen von Schoͤnheit nicht vertraͤgt. In der Ausfuͤhrung haben sie einiges mit dem rohen Stile der Kindheit der Kunst bei jedem Volke gemein. Das Steife, das Gezwungene der Stel- lungen, die Unrichtigkeit der Zeichnung in den Extre- mitaͤten, das schlechte Verhaͤltniß der Gliedmaaßen unter einander, und die Sorgfalt, die wir auf die mechanische Behandlung gewandt sehen. Allein dadurch unterscheiden sie sich von den un- vollkommenen Werken der Griechen, daß diese aus uͤbertriebenem Geschmack am Ebenmaaß, stets mit dem Senkblei und dem Winkelmaaße in der Hand die Natur Der Vaticanische Pallast. Natur nachgeahmt zu haben scheinen, und daher eher das Geordnete und Regelmaͤßige als das Wahre in ihre Figuren brachten. Hingegen die Aegyptier schei- nen die Natur nach dem Augenmaaße nachgeahmt zu haben, theilweise, ohne oͤrtliches Verhaͤltniß, ohne Uebereinstimmung; etwa wie Kinder, die bei ihren rohen Versuchen die einzelnen Theile, die sie treffen, in ein wahres Ganze nicht zu vereinigen wissen. Da- her das Scharfe, Eckigte, Gradlinigte in den aͤlteren Griechischen Werken; daher das Rundliche, Unbe- stimmte, Wellenfoͤrmige in den Aegyptischen. Die ersten erscheinen wie Geschoͤpfe der Einbil- dungskraft, wie Wesen, deren Art wir nicht kennen: Die andern wie mißrathene Nachahmungen wuͤrklicher und bekannter Geschoͤpfe. Man findet außerdem an den Aegyptischen Figu- ren eine gezogene Physiognomie, laͤnglichte in den Winkeln hinauf gezerrte Augenlieder nach Art derjeni- gen, die wir auf Chinesischen Gemaͤhlden sehen, hohe Backenknochen, platte zuweilen eingebogene Nasen, einen zuruͤckweichenden kleinlichen Kinn, hochliegende durch den Schleier gepreßte Ohren, große Bruͤste, schlauchartige Arme, schmaale Lenden, platte Fuͤße mit langen Zehen. Diese sonderbaren Formen sind zum Theil dem individuellen Charakter der Vorbilder ihrer Nachah- mung, zum Theil aber auch der Art, wie sie nach- ahmten, zuzuschreiben. Die Bekleidung ist zuweilen durch bloße Ringe um die Knoͤchel der Gelenke an Fuͤßen und Haͤnden, und auf den Bruͤsten durch eingeschnittene Strahlen wie Speichen der Raͤder angegeben; zuweilen, (und vielleicht Der Vaticanische Pallast. vielleicht zeigt dies die Epoche einer hoͤheren Ausbil- dung an) durch strippenartige Falten. So viel uͤber die Werke von Aegyptischem Origi- nalstil. Ich wende nun mein Auge von ihnen auf immer. Drittes Zimmer . Bacchus lehnt sich auf einen Faun; zu sei- nen Fuͤßen ein Panther. Eine Gruppe, die mit einer andern zu Florenz Aehnlichkeit hat. Der Comte Giraud fand die unsrige zu Morena. Die Ergaͤn- zungen sind ziemlich unbetraͤchtlich. Vielleicht ist die Hand neu, die Bacchus dem Faun uͤber den Hals fallen laͤßt, und einer der Fuͤße des Fauns. Der allgemeine Charakter eines Bacchus ist Charakter des Bac- chus. weichliche Schoͤnheit maͤnnlicher Jugend, ein Koͤrper, wie Winkelmann spricht, unter Rosen gepflegt, und beseelt von heiterer Froͤlichkeit. Die Umrisse sind sanft, und verlieren sich in einer maͤßigen Voͤlligkeit. Der rundliche aber nicht vorgestreckte Bauch und die ausgeschweiften Huͤften, wie sie bei Weibern zu seyn pflegen, sind Hauptunterscheidungszeichen dieses Gottes. Gemeiniglich wird er in dem Uebergange aus dem Knabenalter in die Juͤnglingsjahre gebildet, der un- srige ist aber schon ausgewachsener Juͤngling. Er legt den Arm auf den Kopf, eine Stellung, die lie- genden Personen im Schlafe gewoͤhnlich ist. Man hat sie auf Stehende transferirt, als Symbol der Ruhe. Er traͤgt ein Diadem, Attribut der Koͤnige des Der Vaticanische Pallast. des Orients, woher die Griechen die Idee dieser Gott- heit nahmen. Ob man diese Statue gleich nicht als ein Ideal von Schoͤnheit betrachten kann, so ist das Spiel der Muskeln doch vortrefflich. Der Faun scheint dem Eindruck, den die Hauptfigur machen sollte, aufge- opfert zu seyn. Ganymed, bei ihm ein Adler. Die beiden Arme und ein Fuß des Knabens, wie auch der Kopf des Adlers sind wahrscheinlich neu. Der Kopf scheint ein Portrait zu seyn, und koͤmmt dem Koͤrper an Lieb- lichkeit nicht bei. Von dem allgemeinen Charakter der Bildnisse dieses schoͤnen Knabens rede ich weiter unten bei der weit beruͤhmtern Statue desselben in die- ser Sammlung. Zwei Leuchter, gleichfalls aus der Kirche Santa Costanza. Sie sind hoͤher, als die vori- gen. Die Form scheint weniger schoͤn, aber die Zier- rathen sind simpler und von besserm Geschmack. † Ein anderer Leuchter von ganz besonde- rer Form. Ein Pilaster auf dem oben ein Capital befindlich ist. Unten ruhet er auf einem Sockel. Auf der einen platten langen Seite ist ein anderer Leuchter erhoben gearbeitet, und hinten ist eine Friese; alles im schoͤnsten Geschmacke. Hof mit ei- nem Porti- cus, sonst auch Hof des Belvederegenannt. Hof des Belvedere nebst dem Porticus der ihn umgibt. In der Mitte dieses Hofes steht ein großes Was- serbehaͤltniß von Porphyr, in dessen Mitte eine Fon- taine springt. Ein Porticus mit Arcaden geht rund umher Der Vaticanische Pallast. umher. Hier sind Statuen aufgestellt: die groͤßeren in den Nischen der hinteren Wand; die kleineren in den Nischen der starken Pfeiler, die die Arcaden bil- den. Man sahe hier außerdem zu meiner Zeit eine Menge von Vasen, Sarcophagen, und Bruchstuͤ- cken laͤngs den Waͤnden ohne besondere Ordnung. Viele dieser Stuͤcke erwarteten eine weitere Bestimmung. Da mir diese unbekannt ist, so habe ich sie an dem Orte anzeigen muͤssen, wo ich sie gefunden habe. Sollte damit eine Veraͤnderung vorgegangen seyn, so wird sich meine Anzeige leicht berichtigen lassen. Das Licht faͤllt durch die Mitte des oben offenen Nachtheil der Aufstel- lung der Sta- tuen an die- sem Orte fuͤr die Wahr- nehmung ih- rer Schoͤn- heit im Ein- zelnen; Vor- theil dersel- ben fuͤr den Eindruck so vieler verei- nigten Schoͤnheiten im Ganzen. Hofes auf die rund umherstehenden Statuen. Diese Beleuchtung, die nicht jeder Statue auf gleiche Art anpassend seyn kann, ist im Einzelnen nicht zu billi- gen. Allein fuͤr den Eindruck des Ganzen, ist diese Absonderung der erhabensten Werke der Kunst der Menschen von allen wuͤrklichen Gegenstaͤnden in der Natur, nicht ohne Vortheil. Man sieht neben sich die Formen der hoͤchsten idealischen Schoͤnheit, und uͤber sich den Himmel. Die Einbildungskraft steigt auf der bequemsten Leiter bald von den Umstehenden zu den obern Regionen hinauf, bald von diesen zu ihren wahrscheinlichen Bewohnern herab; und das einfoͤrmige Getoͤne des stets steigenden, stets herabfal- lenden Wassers der Fontaine unterhaͤlt die Seele in der feierlichen Stimmung, die dem Genuß des Schoͤnen so zutraͤglich ist. Der Eintritt in diesen Porticus oͤff- net das Thor zu einer neuen Schoͤpfung. Wir lassen draußen Alles was wir vorher empfunden haben; quaͤ- lende Erinnerungen, eitle Wuͤnsche; stille Groͤße, ruhi- ger unvermischter Genuß fuͤllt unsere ganze Seele aus. Erster Theil. D † Apollo. Der Vaticanische Pallast. Apollo im Belvedere. † Apollo. So wie ich zum ersten Mahle in meinem Leben an Genuas Kuͤsten die Sonne sich aus dem Meere heben sah, so schwebte mir im Belvedere die Statue des Apollo entgegen. Es ergriff mich das Gefuͤhl uͤbermenschlicher Majestaͤt, und ich ward bil- lig gegen die Sterblichen, die bei andern Lehrbegriffen sich vor dem Bilde eines hoͤheren Wesens zur Anbe- tung niederwerfen koͤnnen. Der Eindruck, den das erhabenste Schauspiel in der Natur und die Darstellung des erhabensten Gei- stes durch menschliche Formen auf aͤhnliche Art in mir hervorgebracht haben; fuͤhrt mich auf die Vermu- thung: Das Kunstwerk ist die symbolische Vorstel- lung eines Gegenstandes in der Natur, den die Kunst durch wuͤrkliche Nachahmung nur mangelhaft erreicht: Phoͤbus, der Beherrscher des Himmels, der seine ersten Strahlen auf die Erde schießt. So dachte sich schon der Psalmist die aufgehende Sonne: Sie koͤmmt hervor, wie ein Braͤutigam aus seiner Kammer, Und freuet sich wie ein Held zu laufen den Weg. Sicher! Kein Gleichniß ist dieses wuͤrksamsten und praͤchtigsten Gegenstandes in der Natur wuͤrdiger als der Mann, das Vollkommenste unter den leben- den Creaturen, an dessen ausgewachsenem Koͤrper die Kindheit nichts Mangelhaftes uͤbrig laͤßt, und dessen edle Seele, angefuͤllt mit großen Planen, Majestaͤt uͤber jede seiner Bewegungen verbreitet. Hoheit der Seele ist der Ausdruck unsers Apollo. Aber Ausdruck der Hoheit, die an Stolz graͤnzt, wie des Der Vaticanische Pallast. des erstgebohrnen Sohnes des Koͤnigs, der aufgehen- den Hoffnung des Volks, nicht seines Vaters; ohne jene Mischung von Guͤte, welche die Groͤße zu gleicher Zeit so ehrwuͤrdig und so liebenswuͤrdig macht. — Mit Ruͤcksicht auf diesen Ausdruck hat der Kuͤnstler den Meißel bis in die kleinsten Zuͤge gefuͤhrt, und einer der groͤßten Vorzuͤge dieses schoͤnen Werks ist die voll- kommene Harmonie, dieser Geist des Ganzen, der uͤber jeden seiner Theile ausgegossen ist. Den Hohn, den Unmuth, den Winkelmann S. 814. der G. d. K. W. E. auf dem Gesichte des Gottes bemerkt, habe ich nie darauf finden koͤnnen. Ich glaube daher die Idee eines zuͤrnenden Siegers verwerfen zu duͤrfen, die ohnehin bei mir die Empfindung eines goͤttlich hohen Geistes um Etwas vermindert. Ich halte die Deutung, die ich dieser Statue gegeben habe, fuͤr nichts weniger als zuverlaͤßig, ob ich gleich finde, daß schon Hogarth Zergliederung der Schoͤnheit c. II. gegen das Ende. Imgleichen Sulzer allgem. Theorie der schoͤnen Wissensch. und Kuͤnste, Art. Allegorie. und Sulzer mit mir auf aͤhnliche Art daruͤber gedacht haben. Nur so viel glaube ich zu meiner Rechtfertigung sa- gen zu koͤnnen: Wenn mit dem ersten Eindruck, den ein Kunstwerk auf unser Herz macht, unser Verstand zu gleicher Zeit einen befriedigenden Aufschluß uͤber dessen Bestimmung erhaͤlt, so sind wir wenigstens bei der Erklaͤrung vor den Vorwurf eines unnoͤthigen Aufwandes von Scharfsinn und eitler Witzelei ge- sichert. D 2 Darf Der Vaticanische Pallast. Wahrschein- licher Cha- rakter des Apollo als Phoͤbus, ver- schieden von demjenigen worinn er als Beschuͤ- tzer der Wis- senschaften und Kuͤnste vorgestellt wird. Darf ich eine Vermuthung wagen, uͤber den strengen Ernst, den wir in der Mine dieser Statue bemerken? Apollo ist als Phoͤbus Sinnbild der Sonne. Ihre Strahlen verbreiten Wachsthum und Leben uͤber die Natur, aber in heißeren Gegenden er- zeugen sie auch Seuchen, die der erzuͤrnte Gott gleich Pfeilen auf die lose Brut des Prometheus herab- schießt. Die Seltenheit der Statuen des Apollo in die- sem Charakter scheint die Andeutung einer besonderen Natur zu bestaͤtigen. Gemeiniglich finden wir ihn im Fruͤhlinge der Jugend mit dem Ausdruck unver- mischter Heiterkeit dargestellet. Dann aͤhnelt er dem Bacchus, und stellt, wie ich glaube, den Geber je- ner Freuden vor, die Ruhe erzeugt, und zu deren Genuß wir der Ruhe und gutherzigen Frohsinns be- duͤrfen: Den Beschuͤtzer der Kuͤnste und Wissen- schaften. Doch! Sey was es sey, der Ausdruck eines goͤtt- lich hohen Geistes, in Formen ausgewachsener Jugend, macht die unverkennbare Absicht dieses Werks aus. Aus ihr muß man sich erklaͤren, warum der Kuͤnstler jene schlaͤngelnden Muskeln, jene unzaͤhligen Aus- schweifungen des Umrisses, die dem Marmor zwar den Charakter des wahren Fleisches geben, allein durch die vielen kleinen Parthien, die sie bilden, auch dem Charakter der Groͤße leicht gefaͤhrlich werden, nicht deutlich angegeben hat. Der Unterleib vorzuͤg- lich scheint gleichsam abgerundet, ohne jene muͤrbe Weichheit, welche die Italiener morbidezza nennen. Dem Der Vaticanische Pallast. Dem angehenden Kuͤnstler, der hauptsaͤchlich nach Wahrheit streben muß, ist nicht anzurathen, mit dem Copiren nach dieser Statue den Anfang zu machen. Aber er schaue sie oft an, um den Begriff hoher Schoͤnheit in seiner Seele zu gruͤnden, und um zu lernen, daß das Genie, wenn es seine Ideen ver- koͤrpert, mehr an das Gesetz der Natur, an ihre Ver- fahrungsart im Allgemeinen, als an die Treue der Nachahmung ihrer einzelnen Productionen gebunden ist; daß die Disharmonie der einzelnen Theile allein die Unwahrscheinlichkeit fuͤhlbar macht, und daß der große Kuͤnstler durch die einfache belebende Idee, die er seinem Werke im Ganzen einhaucht, auch das nicht getreu Nachgeahmte als wahr darstellen koͤnne. Das Bein, mit welchem Apollo vortritt, ist um 9 Minuten laͤnger als das hintere. So machte der Kuͤnstler die Verkuͤrzung fuͤhlbarer, ohne Nachtheil der Verhaͤltnisse. Daß aber das eine Knie etwas eingebogen ist, liegt wahrscheinlich nicht an dem Kuͤnstler des Werks, sondern an dem Handwerker, den man dazu brauchte, die abgebrochenen Beine wieder anzusetzen. Neu sind: die linke Hand, und die Finger der Rechten. † Antinous. So nennen wir die Statue eines Antinous. jungen Mannes im Belvedere, von deren wahren Bedeutung wir nichts wissen. Antinous ein schoͤner Juͤngling aus Bythinien war der Liebling des Kaisers Hadrian. Er ertrank im Nil, und zur Linderung des Schmerzens seines Freundes, vergoͤtterte ihn die Kunst, die Hadrian beschuͤtzte, D 3 Dem Der Vaticanische Pallast. Dem Ohngefaͤhr in seiner Stellung uͤberlassen, voll sorgloser Unbefangenheit, nur mit dem Genuße einer heitern Unthaͤtigkeit beschaͤfftigt, kurz! ohne allen Anspruch hat dieser schoͤne Juͤngling einen desto sichern, uns zu gefallen. Die Natur ist in mehreren Theilen dieser Figur zum Ideal gehoben; aber die genaue Andeutung des Muskelnspiels, und das weiche Fleisch, das sie be- deckt, lassen ihr alle Reitze einer Natur, die wir kennen: Selbst die Unvollkommenheiten, die wir an andern Theilen bemerken, scheinen sie mit demjenigen, was wir taͤglich um uns sehen, auszugleichen. Ein Gefuͤhl, das vermoͤge des Ruͤckblicks des Zuschauers auf sich selbst, nicht wenig zur Liebenswuͤrdigkeit eines Gegenstandes beitraͤgt, den er durch einzelne Vorzuͤge seiner Aufmerksamkeit werth haͤlt. Der beschuͤtzte, auf vielfache Weise. Allein der Kopf unserer Statue hat mit einem Antinous nicht die geringste Aehnlichkeit, und der Kopf, den man in Deutschland unter diesem Nahmen in Gyps ver- kauft, gehoͤrt nicht dieser Statue, sondern der an- dern dieses Nahmens auf dem Capitol. Viele halten sie fuͤr einen Mercur, bewogen durch die Aehnlichkeit mit einer Statue im Pallast Farnese. Ich habe schon dort die Gruͤnde ausge- fuͤhrt, warum ich eine untersetzte Figur wie diese, die sogar dem Vorwurf des Schwerfaͤlligen nicht ganz entgeht, dem Charakter dieses Gottes nicht anpassend halte. Winkelmann Gesch. der Kunst, S. 844. Wien. Edit. haͤlt sie fuͤr einen Meleager. Sie scheint mir zu viel Sanftes fuͤr diesen Jaͤger zu haben. Der Vaticanische Pallast. Der Kopf, die Brust, die Schultern und Huͤf- ten sind schoͤn und treu. Dieser Zusatz von Treue hat einen Mengs und andere Kenner bewogen, dem jun- gen Kuͤnstler das Studium unsers Antinous in An- sehung der angezeigten Theile vorzuͤglich vor dem Stu- dio des Apollo zu empfehlen. Der Bauch und die Beine sind nicht allein nicht ideal, sie sind auch ge- mein, unbestimmt und schwerfaͤllig. Die Arme fehlen. Die Beine sind angesetzt. Davon zeigen sich Spuren. Es ist ein Unterschied zwischen dem Angesetzten Noͤthige Er- innerung uͤber voreili- ge Bestim- mung mo- derner Zusaͤ- tze zu antiken Statuen. und dem Neuen. Oft haben sich die alten Stuͤcke abgebrochen bei der Statue gefunden. Der Bruch ist folglich kein sicheres Zeichen, daß die angesetzten Theile neu sind. Selbst die aͤußerlich anscheinende Verschiedenheit des Marmors ist kein zuverlaͤßiges Merkmahl der Ergaͤnzung; wenigstens nicht der Er- gaͤnzung in neueren Zeiten. Schon vor dem Ver- fall der Kuͤnste sind einige Stuͤcke an verschiedenen Fi- guren ergaͤnzt worden. Dazu koͤmmt, daß man, um mit Gewißheit uͤber die Verschiedenheit des Mar- mors zu urtheilen, denselben ungeglaͤttet und im Pro- fil sehen muß. Das sicherste Unterscheidungszeichen des Alten von dem Neuen ist die Verschiedenheit des Stils. Aber um diese wahrzunehmen, wird eine vertraute Bekanntschaft mit dem Geist der Alten erfordert, hin- reichend, um ihn selbst in den einzelnen Theilen unver- daͤchtig wieder zu erkennen. D 4 † Lao- Der Vaticanische Pallast. Laocoon. † Laocoon. Ich habe gleich zu Anfang dieses Buchs erklaͤrt, daß meine Absicht dahin geht, den Liebhaber auf die Spur des Schoͤnen der hauptsaͤchlichsten Kunst- werke in Rom zu fuͤhren. Die Schicksale unserer Statue, die Untersuchung der Frage: ob der Kuͤnst- ler den Dichter, oder der Dichter den Kuͤnstler nach- geahmet habe, kurz! Alles dasjenige, was man nicht zu wissen braucht, um unsere Gruppe schoͤn zu fin- den, gehoͤrt nicht hieher. Wer hieruͤber das Vor- trefflichste lesen will, und zu gleicher Zeit eine Ent- wickelung des Gedankens dieses Kunstwerks, die der Geist des Urhebers eingegeben zu haben scheint, der lese des Herrn Hofraths Heyne Pruͤfung einiger Nachrichten und Behauptungen vom Lacoon im Belvedere. Sammlung antiquarischer Aufsaͤtze, II tes Stuͤck n. 1. Eine Gruppe. Darstellung hoͤchster Bewegung der Seele und des Koͤrpers, mit moͤglichster Bewahrung der Schoͤn- heit, scheint, nebst dem Eindruck des Mitleidens, der davon abhaͤngt, die Absicht gewesen zu seyn, welche der Kuͤnstler bei Bearbeitung der Geschichte des Lao- coon sich vor Augen gesetzt hat. Laocoon hat den Zorn der Goͤtter auf sich gela- den: — Nach dem Virgil, — weil er mit ver- wegener Hand den Speer in die Seite des Pferdes geschleudert hatte, welches von den Griechen vor Troja zuruͤckgelassen, von dem groͤßten Theil der Einwohner dieser Stadt zu einem geheiligten Geschenke fuͤr den Tempel der Minerva bestimmt wurde. Eben bringt er dem Neptun ein Opfer, und seine beiden Soͤhne leisten ihm dabei Dienste der Opferknaben, als zwei Schlan- Der Vaticanische Pallast. Schlangen von ungewoͤhnlicher Groͤße, den Vater mit seinen Kindern umschlingen, und sie mit schmerz- haften Bissen anfallen. Dies ist der Zeitpunkt, den der Kuͤnstler aus der Geschichte zur Darstellung ge- waͤhlt hat. Er konnte nicht gluͤcklicher waͤhlen. Der Vater war mit den Soͤhnen bei einer Handlung beschaͤfftigt: Sie opferten zusammen: Die gemeinschaftliche Ge- fahr, die Banden des Bluts, der Schutz, den das schwaͤchere Alter von dem staͤrkeren erwartet, verei- nigte bei einem gleichzeitigen Anfall alle drei Figuren zu einer, und eben dadurch verstaͤrkten, Vorstellung des Leidens: aber die verschiedenen Grade dieses Lei- dens, die Verschiedenheit des Alters und der Empfin- dungen die davon abhaͤngen, boten zu gleicher Zeit dem Genie des Kuͤnstlers die groͤßte Abwechselung in Formen, Stellungen und Ausdruck dar. Der Vater, der jetzt den ersten Biß der Schlange fuͤhlt, dessen Beine bis jetzt allein umschlungen sind, besitzt noch den groͤßten Theil seiner Kraͤfte. Inzwi- schen unfaͤhig im Stehen das Gleichgewicht zu behal- ten, staͤmmt er sich sitzend gegen den Wuͤrfel der Ara, und sucht nun mit ausgespreiteten Armen die Schlan- gen von sich abzuhalten, mit von einander gerissenen Beinen sich aus ihren Windungen loszuarbeiten. Aber zu gleicher Zeit fuͤhlt er den Biß des feindlichen Thiers, sein Koͤrper beugt sich ruͤckwaͤrts ab, sein Auge kehrt sich zum Himmel, und halb flehend, halb anklagend, ruft er mit gepreßter Stimme um Ret- tung und Gnade. Wir haben eine vorteffliche Beschreibung des Lao- coon D 5 Der Der Vaticanische Pallast. Der juͤngere Sohn ist von der einen Schlange ganz umklemmt, und das toͤdtliche Gift ihres Bisses unter der Brust scheint bereits seine Adern zu durch- wuͤhlen. Sein Alter ist das hinfaͤlligste; Ermattet sinkt er zusammen, oder kruͤmmt sich vor Schmerz, und wehrt nur mit schwacher Hand den Kopf der Schlange ab. Der coon von Winkelmann, G. d. K. W. Edit. S. 844. Allein in seiner Begeisterung sahe er mehr als das Werk zeigt. Der einfache Grundsatz, daß der Aus- druck der Schoͤnheit nicht nachtheilig seyn duͤrfe, hat den Kuͤnstler sehr natuͤrlich abgehalten, einen Men- schen darzustellen, den der Schmerz zur Raserei treibt. Er braucht dabei an keinen idealischen, lei- denden, erhabenen Helden gedacht zu haben. Der Begriff von großer gesetzter Seele folgt von selbst. Ganz vortrefflich setzt dies der Herr Hofrath Heyne, Samml. Ant. Aufs. II. St. n. 1. S. 22. u. f. aus- einander. Ich fuͤge noch hinzu: Laocoon reißt die Augenlieder, und die Muskeln um die Augenbrau- nen herum, in die Hoͤhe, die Unterlippe haͤngt schlaff herab. Dies ist dem Ausdruck des Zuruͤckhaltens, des Verbeißens ganz zuwider. Hingegen moͤchte ich dem Herrn Hofrath Heyne einen Zweifel daruͤber machen, daß, wie er sagt: Das ganze Angstgefuͤhl des Vaters, der seine Kin- der Todesqualen leiden sieht, den einen sterbend roͤcheln, den andern um Huͤlfe schreien hoͤrt, sich am Laocoon ausdruͤcke. Es ist moͤglich, und in einer fortschreitenden Vorstellung moͤchte dies ein sehr gluͤcklicher, und auch von der Bildhauerkunst in einem andern Werke gluͤcklich auszudruͤckender Gedanke Der Vaticanische Pallast. Der aͤltere hingegen ist blos um das linke Bein und den rechten Arm von den Schlangen umwunden. Zwar unaufloͤslich, aber doch so, daß er noch nicht durch wuͤrklichen Schmerz, durch heftige Beklem- mung leidet: desto mehr von Schrecken und Angst. Er schreiet, — und er kann vielleicht allein schreien — er streckt Arme und Augen zum Vater, und flehet, dessen Gedanke seyn. Allein bei dem gegenwaͤrtigen koͤn- nen wir uns dies blos denken: Wir sehen es nicht. Laocoon ist mit seinem eigenen Leiden beschaͤfftigt. Sein Blick ist nicht auf die Kinder, er ist gen Him- mel gerichtet, von dort erflehet er Huͤlfe fuͤr sie alle. Diese Wendung des ruͤckwaͤrts in die Hoͤhe gewand- ten Obertheils des Koͤrpers war dem Kuͤnstler zu vortheilhaft, um ihr eine herabgebogene auf die Kinder, wie sie doch wohl, um jene Idee deutlich zu machen, seyn muͤßte, nicht aufzuopfern. Einen aͤhnlichen Ausdruck finden wir an den schoͤnsten Toͤchtern der Niobe. Auch dort ist koͤrperlicher Schmerz: auch dort Gefuͤhl eines unvermeidlichen Schicksals: auch dort wenden sich die Augen gen Himmel mit ruͤckwaͤrts uͤbergebogenem Haupte und der geoͤffnete Mund stoͤßt Flehen und Klagen aus. Beim Virgil schreiet der Vater laut auf. Der Herr Hofrath Heyne hat den Grund, warum hier der Kuͤnstler von dem Dichter abgeht, auch ohne Ruͤcksicht auf das Gesetz der Schoͤnheit, blos nach der Verschiedenheit des Eindrucks, den sie hervor- bringen wollten, vortrefflich aus einander gesetzt. Die Stelle, die ein ganzes Buch unnuͤtz machen koͤnnte, steht S. 51, am angefuͤhrten Orte. „In „der Gruppe,“ sagt er, „ist Laocoon ein Leidender „mit Der Vaticanische Pallast. dessen Angstgefuͤhl zu vermehren, den Huͤlfsbeduͤrfti- gen um Beistand an. So der Gedanke: Er ist fein, er ist reich, er ist groß: Die Ausfuͤhrung steht ihm nicht nach. Die Hauptfigur stellt einen Mann vor uͤber die Mitte des gewoͤhnlichen Menschenalters. Laocoon graͤnzt an die Jahre des Greises, und diese Stufe des Alters gibt seinem edlen Koͤrper ganz das ehrwuͤrdige Ansehen „mit einem schoͤnen edlen Ausdrucke, der Mitleiden „erregen soll; aber beim Dichter ist er ein Mann, „der Schrecken und Entsetzen verursachen soll. Es „wird hier die Fabel in ganz anderer Absicht erzaͤhlt „und beigebracht. Ein Portentum, ein Schreck- „wunder sollte da die Begebenheit seyn, welches auf „die Gemuͤther der Trojaner wuͤrkte: diejenigen, „welche abriethen, das Pferd in die Stadt zu brin- „gen, und es der Minerva als ein geheiligtes Ge- „schenk fuͤr die vermeinte Befreiung von der Bela- „gerung in ihrem Tempel aufzustellen, sollten durch „das Schicksal des Laocoon abgeschreckt werden; „das Schicksal mußte also recht schrecklich beschrie- „ben seyn; und zum Schrecken wuͤrkt wohl ein groß „Geschrei mehr als Seufzen.“ Ich moͤchte sogar behaupten, der Laocoon, den wir sehen, habe schreien koͤnnen, den Augenblick vor, oder den Au- genblick nach demjenigen, in dem wir ihn vorgestellt sehen. Hier ruft er die Unsterblichen um Huͤlfe an, und diese Handlung ist von derjenigen, da uns koͤr- perlicher Schmerz zum Geschrei zwingt, der Zeit- folge nach verschieden. Der eine Sohn schreiet wuͤrklich, und schreiet zum Vater. Er fuͤhlt noch nicht, wie wenig ihm Sterbliche helfen koͤnnen. Der Vaticanische Pallast. Ansehen, das ihr eigen ist; aber ohne Spur einer Abnahme von Kraͤften. Seine Soͤhne sind, den Verhaͤltnissen ihrer Koͤrper nach, Juͤnglinge, deren juͤngster aber kaum die Jahre der Pubertaͤt erreicht hat. So scheinen das herannahende Alter des Greises, das Alter unter dem ausgewachsenen jungen Manne, das Gefuͤhl des Schicksals, das diese Ungluͤckliche be- trifft, zu erhoͤhen. In dem einen durch einen groͤs- seren Grad von Empfindbarkeit, durch Anhaͤnglichkeit an lang geknuͤpfte Verhaͤltnisse: in dem andern durch harmlose Unbekanntschaft mit Leiden, durch mindere Staͤrke ihnen Spitze zu bieten. Man denke sich drei Figuren von Schlangen um- wickelt; wer wird sich, ohne das Werk gesehen zu haben, nicht die widrigste Vorstellung von dessen Wuͤrkung machen? Schlangen in Marmor? Stri- cke! unfoͤrmliche Massen! Um menschliche Koͤrper ge- wunden? Hindernisse, die Schoͤnheit der Umrisse, die Zierlichkeit der Formen wahrzunehmen! Mit welcher Weisheit hat der Kuͤnstler diese Windungen der Schlangen zu benutzen gewußt! Kein Theil des Koͤrpers, den das Auge zu sehen wuͤnscht, wird ihm dadurch entzogen, und dem Ganzen dienen sie zur bequemsten und natuͤrlichsten Verbindung. Die Figuren unter einander, jede Figur fuͤr sich, bieten in Stellung und Lage der Glieder diejenige Ab- wechselung dar, die vor Ueberdruß der Einfoͤrmigkeit sichert. Die so oft mißverstandene Regel des Con- traposts — im Grunde keine andere als der Man- nichfaltigkeit in Einheit — ist hier mit gehoͤriger Maͤs- sigung beobachtet. Der Koͤrper des Vaters, dessen Ober- Der Vaticanische Pallast. Obertheil sich hinten uͤberbeugt, erhaͤlt durch diese Wendung die groͤßte Schoͤnheit. Aber uͤber Alles ist der Ausdruck zu bewundern. Das abwehrende Streben, die Spannung des Schmerzes zeigt sich in der Hauptfigur von der zusam- mengepreßten Stirn an, bis in die gestaͤmmte Zehe mit gleicher Wahrheit in jeder auch der kleinsten Mus- kel. Ewig wird dies Stuͤck dem Kuͤnstler ein Stu- dium des Knochenbaues, des Muskelnspiels und der Richtigkeit der Zeichnung bleiben. Wie muß der Gedanke: daß der Urheber dieses Werks nach keinem lebenden Modelle, das ihm in einer so gewaltsamen Anstrengung haͤtte sitzen koͤnnen, gearbeitet hat, uns zur staunenden Bewunderung seiner Geschicklichkeit heben! Die Seite, in welche die Schlange den Biß thut, wird fuͤr den schoͤnsten Theil gehalten. Sollten wir bei so viel Schoͤnheiten, die der nackte Koͤrper darbietet, dem Kuͤnstler, der einen opfernden Priester vorzustellen hatte, aus diesem nackten Koͤrper ein Verbrechen machen? Ihm eine Verletzung des Costume, eine Unschicklichkeit vorwerfen? Doch! ein neuer scharfsichtiger Kunstrichter Hr. Hofr. Heyne am angef. Orte. S. 29. Die Kopf- binde, die er an den Gypsabguͤssen bemerkt zu ha- ben glaubt, habe ich am Originale nicht gefunden. glaubt, daß es nicht einst der Entschuldigung eines Mangels der Kleidung beduͤrfe. Die Gewaͤnder sind wuͤrklich da. Sie liegen theils auf dem Wuͤrfel der Ara, theils flattern sie auf den Schultern der Soͤhne, und es laͤßt sich sehr natuͤrlich annehmen, daß sie bei einer so gewalt- Der Vaticanische Pallast. gewaltsamen Bewegung, als das Straͤuben und das Abwehren der Schlangen voraussetzt, abgefallen sind. Der rechte ausgedehnte Arm ist angesetzt, und von gebrannter Erde. Der Herr Hofrath Heyne a. a. O. S. 16. hat gezeigt, daß Fra. Giov. Agnolo den rechten Arm des Laocoon einmahl ergaͤnzt habe. Allein sollte nicht der Arm, der dazumahl angesetzt wurde, entweder aus ge- brannter Erde verfertigt, und gegen die Zeiten des Bernini abgaͤngig geworden, oder der Arm, den man noch jetzt aus dem Groben in Marmor gehauen sieht, von diesem Kuͤnstler verfertigt seyn? Der Nahme des Ergaͤnzers ist zu zweifelhaft, als daß ich wagen duͤrfte ihn anzugeben. Nach der Weich- heit der Behandlung zu urtheilen, ist der gegenwaͤr- tige Arm nicht aus so fruͤhen Zeiten, als Giov. Agnolo, und Bandinelli voraussetzen. Mir scheint er alle Kennzeichen der Berninischen Schule an sich zu tragen. Er ist wuͤrklich gut. Was Richardson von der widrigen Farbe sagt, hat seinen Grund darin, daß die braͤunliche gebrannte Erde (creta) gegen den weißen Marmor absticht. Die Nachricht, die Winkelmann von dem nicht angesetzten Arme gibt, daß derselbe so gearbeitet sey, daß er sich oben uͤber den Kopf heruͤberzubeu- gen scheine, ist wohl nicht ganz richtig; so wie es mir schien, hat er mit dem jetzigen beinahe einerlei Lage und Biegung. An den Kindern sind neu: ein Arm und eine Hand, auch verschiedene Stuͤcke an den Schlangen. Nach Der Vaticanische Pallast. Nach einem Urtheil unsers Mengs Opere di Mengs. Memorie concernenti la sua Vita. p. LI. ist das rechte Bein des einen Knaben zu lang. Dies Ur- theil trifft den aͤlteren. Einige be- scheidene Zweifel uͤber die Wahl des Suͤjets, als Vorwurf der Bildhauer- kunst. Mit derjenigen Bescheidenheit, die jedes Urtheil uͤber ein vorzuͤgliches Werk der Kunst begleiten sollte, das laͤngst im Besitz allgemeiner Bewunderung ist, aber auch mit derjenigen Freimuͤthigkeit, zu der eine oft wiederholte Pruͤfung, und eine genaue Aufmerk- samkeit auf meine Empfindungen mich berechtigen duͤrfen, gestehe ich meinen Lesern, daß diese Gruppe aller ihrer nicht zu bezweifelnden Vorzuͤge ungeachtet, den angenehmen Eindruck, den ich bei der Schoͤnheit anderer Statuen erfahren habe, in mir nicht hervor- gebracht hat. Wenn ich in den Porticus trat, wo so viele er- habene Werke der Kunst um den Vorrang zu wettei- fern scheinen, so zog mich mein Gefuͤhl zuerst zum Apollo, zum Antinous hin; und bei ihnen vergaß ich mich Stundenlang in dem entzuͤckenden Gefuͤhle der Schoͤnheit. Endlich verließ ich sie, um vor den Lao- coon zu treten, wie man ein Lieblingsgeschaͤfft um einer ernsten Berufsarbeit willen verlaͤßt, bewogen durch die Idee des Nutzens, den das Studium eines so kuͤnstlichen Werks fuͤr meine Kenntnisse in der Kunst haben muͤßte. Bei der Bewunderung, die ich dem Laocoon zollte, lag nicht selten die Erinnerung an die Schwierigkeiten zum Grunde, die der Meißel bei dessen Verfertigung uͤberwunden hatte. Vielleicht Der Vaticanische Pallast. Vielleicht muͤßte ich hier stehen bleiben; und wer wuͤrde mich so dann tadeln, ein Gefuͤhl zu aͤußern, das ohnehin mehrere mit mir getheilt haben? Unter andern Hemsterhuis lettre sur la Sculptu- re. Edit. d’ Amst. 1769. p. 24. Al- lein ich kann es nicht uͤber mich gewinnen, eine Ver- muthung uͤber die Gruͤnde dieser Empfindung zuruͤck- zuhalten, von der ich glaube, daß sie andere zu einer Berichtigung auffordern wird. Marmor ist ein harter, schwerfaͤlliger, unbeweg- Die Bewe- gung des Koͤrpers scheint fuͤr den Marmor zu heftig. Der schwer- faͤllige Stoff macht sie un- wahrschein- lich; und die Anstrengung der Muskeln schadet der Harmonie der schoͤnen Formen: Hauptvor- zug der Bildhauer- kunst! licher Stoff. Ich werde dies nie ganz vergessen, die Behandlung mag ihm noch so viel Leben geben; ja! es scheint, ich wuͤrde um so leichter daran erinnert, je gewaltsamer die Bewegung ist, zu deren Darstellung ihn der Kuͤnstler anwendet. Die Kunst, die sich mit diesem Marmor beschaͤff- tigt, entzieht mir ganz denjenigen Theil der menschli- chen Gestalt, in dem der Ausdruck des Affekts haupt- saͤchlich liegt, das Auge: sie entzieht mir auch eine Eigenschaft, die ihn sehr verstaͤrkt, die Farbe. Ja! das feinere Muskelnspiel, jene beinahe unmerklichen Erhoͤhungen und Vertiefungen der Haut gehen fuͤr den Meißel, der den Standort des Zuschauers immer et- was entfernter annehmen muß als der Pinsel, beinahe ganz verlohren. S. hieruͤber Hemsterhuis am angez. Orte p. 10. la magie de l’ expression ne sauroit atteindre à une grande distance. An einer andern Stelle sagt er: p. 9. Je veux bien croire que toute passion exprimée dans une figure quelconque doit di- minuer un peu de cette qualité deliée du con- tour, Um Erster Theil. E Der Vaticanische Pallast. Um also dem Ausdruck gewaltsamer Anstrengung der Seele die gehoͤrige Deutlichkeit zu geben, treibt der Bildhauer die Muskeln auf, laͤßt die Adern an- schwellen, und hoͤhlt die Seiten aus. Dies geschieht nicht ohne eine merkliche Menge von Erhoͤhungen und Vertiefungen hervorzubringen, die das Licht auffan- gen, und viele kleine Abtheilungen bald hell bald dun- kel bilden. Was ist aber hiervon die Folge? Daß diese auf dem weißen Marmor grell gegen einander abstechenden Flecken, eine Haͤrte hervorbringen, die dem Auge keinesweges gefaͤllig ist. Die Bildhauer- kunst entbehrt jenen Zauber der Faͤrbung und des Hell- dunkeln, durch den in der Mahlerei, mehrere ange- schwollene Muskeln in eine lichte Masse zusammen ver- einigt werden, und durch welche Vertiefung nebst Er- hoͤhung selbst im Hellen sichtbar werden. Sollte wohl der Bildhauer bei der Wahl der Geschichte des Laocoon die Graͤnzen uͤberschritten haben, die ihm die Materie, die er bearbeitete, vorschrieb? Derselbe p. 24. le Laocoon appartient beaucoup plus à la Peinture qu’ à la Sculpture. Seine Gruͤnde sind metaphysischer gedacht und ausgedruͤckt. Ich citire ihn blos um die Uebereinstimmung der Empfindung zu beweisen. Sollte nicht jede Leidenschaft deren Aeußerungen schnell entstehen, und schnell verschwinden, unsere Betrach- tung tour, qui le rend si facile à parcourir aux yeux. und ich moͤchte hinzusetzen: die uns in der Bild- hauerkunst, deren Hauptvorzug Harmonie der Schoͤnheit ist, wichtiger seyn muß, als Ausdruck einer Leidenschaft. Der Vaticanische Pallast. tung von der Schoͤnheit koͤrperlicher Formen abziehen? Sollte wohl Schoͤnheit mit dem Ausdruck einer Seele in Ruhe, oder wenigstens einer Seele in solcher Bewegung, die nicht von einer besondern Situation abhaͤngt, die einen dauernden Eindruck auf Mine und Stellung hervorbringt, das was man eigentlich Phy- siognomie nennt, wahrer Zweck der Bildhauerkunst seyn? Sollte endlich der Ausspruch unsers Mengs: Man setze den Kopf des Laocoon in ruhige Fassung, so weicht er dem Apollo wenig an Schoͤnheit, nicht zu gleicher Zeit das Lob der Ausfuͤhrung und den Tadel des gewaͤhlten Suͤjets enthalten? Noch eins! Bei den vielen Verdiensten, die der Das Ver- dienst einer schoͤnen Gruppirung wird diesem Werke gleich- falls bezwei- felt. Gruppiren in der Mah- lersprache, setzt unter andern auch eine Masse von ange- nehmer Form zum Voraus: und diese fehlt. Was der Form des Kuͤnstler um die Anordnung der Figuren dieser Gruppe hat, darf ich eines anfechten, welches man ihm wahr- scheinlich nach Kupferstichen, die das Maaß der Kin- der im Verhaͤltniß zu dem Vater zu hoch angeben, in Ansehung der Gruppirung beigelegt hat. Gruppiren heißt in der Mahlersprache unter andern auch so viel, als mehrere Figuren so neben einander stellen, daß sie nicht allein bequem uͤbersehen werden koͤnnen, sondern auch zusammen eine Masse von angenehmer Form aus- machen, an deren aͤußeren Umrissen die Axe des Au- ges mit Leichtigkeit sich auf und niederwaͤlzt. In die- ser Ruͤcksicht sind die Figuren unsers Werks nicht gut gruppirt. Denn da die Kinder gegen den Vater sehr klein sind, so fuͤhlt das Auge auch sehr merklich den Absprung von einer Figur auf die andere. Aber eben dies hebt die Hauptfigur so sehr heraus, und der ver- staͤrkte Eindruck desjenigen Theiles des Werks, wel- cher unserer Aufmerksamkeit am meisten werth ist, haͤlt uns fuͤr den Abgang der schoͤneren Form des Gan- E 2 zen, Der Vaticanische Pallast. Ganzen ab- geht, ge- winnt der Eindruck der Haupt- figur. zen, die doch hauptsaͤchlich nur bei dem ersten Anblick auffaͤllt, hinreichend schadlos. Das Werk ist blos mit dem Meißel geendigt, und nicht polirt. Auch dies traͤgt das Seinige zur Haͤrte bei, wenn es gleich den Ausdruck unterstuͤtzt. Man glaubt die Aufstellung muͤsse hoͤher seyn, ein Piedestal ohngefehr von Mannshoͤhe sey fuͤr eine Figur von Lebensgroͤße zu niedrig. So scheint auch der Herr Hofrath Heyne zu ur- theilen. Sammlung antiquar. Aufsaͤtze. II tes Stuͤck. S. 29. Allein ich fuͤrchte, dann ginge ein großer Theil des Ausdrucks verlohren, und ich glaube nicht, daß dasjenige was bliebe, uns dafuͤr wuͤrde schadlos halten koͤnnen. Torso di Bel-vedere. † Torso oder Sturz einer maͤnnlichen Natur von reifern Jahren. Man haͤlt dieses Bruchstuͤck einer sitzenden nackten Bildsaͤule fuͤr das vollkommenste, was sich aus dem Alterthume auf uns erhalten hat, und es scheint allein hinreichend, Gewaͤhr fuͤr die Hoͤhe zu leisten, auf der die Kuͤnste ehemals standen, und zu der sie von uns noch nicht wieder gehoben sind. Von der Bedeutung dieses Werks laͤßt sich nichts mit Gewißheit sagen. Kopf, Arme, Beine fehlen. Inzwischen ist der Charakter eines Hercules in den Formen unverkennbar, und die Stellung des nach- laͤßig zusammen gefallenen Leibes, die gleichfam abge- spannten Muskeln fuͤhren sehr natuͤrlich auf den Be- griff von Ruhe. Mengs Opere di Mengs. T. I. p. 203. und Winkelmann G. d. K. W. E. S. 742. haben Der Vaticanische Pallast. haben den vergoͤtterten, den verklaͤrten Hercules in diesem Bruchstuͤcke gesehen. Diese edle Bestimmung scheint der Vortrefflichkeit der Arbeit wuͤrdig; und wer wuͤrde dann noch weiter zweifeln, daß sie die ur- spruͤngliche gewesen sey? Es ist bekannt, daß die Formen des menschlichen Koͤrpers aus einer unzaͤhlichen Menge von Erhoͤhun- gen und Vertiefungen bestehen, die den Gliedmaaßen, den Muskeln, der Haut das Wellenfoͤrmige, das Ausgeschweifte, das in einander Fließende geben, von denen in der Bildhauerarbeit Leben und Wahrheit abzuhaͤngen scheinen: Kein Werk des Meißels koͤmmt hierin unserm Bruchstuͤck bei. Von keiner Muskel sieht man den Anfang oder das Ende, und dennoch zeichnet sich eine jede mit der aͤußersten Bestimmtheit dem Auge vor. Der Ruͤcken und die Schenkel haben mir die schoͤnsten Theile geschienen. Wenn man die Probe machen will, bei zugeschlossenen Augen langsam mit der Hand uͤber die angezeigten Theile herzufahren, wird man wahres Fleisch zu fuͤhlen glauben. Mehr will ich uͤber die Schoͤnheit dieses Werks nicht hinzu- setzen. Man muß sehen, und schon viel gesehen haben, um den ganzen Werth dieses Rumpfes zu fuͤh- len. Aber denjenigen, der ihn fuͤhlt, muß ich dar- auf zuruͤckfuͤhren, daß es nicht Wichtigkeit der Be- deutung, nicht Interesse des Ausdrucks ist, die seinen Blick an dieses Bruchstuͤck ohne Kopf, ohne Arme, ohne Beine fesseln. Es ist das Wohlgefaͤllige der Gestalt, die koͤrperliche Schoͤnheit, verbunden mit der Betrachtung der Geschicklichkeit des Kuͤnstlers, die uns diesen Rumpf fuͤr unser Vergnuͤgen so werth ma- E 3 chen. Der Vaticanische Pallast. chen. Sollte er wohl im Gemaͤhlde, wenn er auch in eben dem Grade der Vollkommenheit gemahlt waͤre als er gehauen ist, einen gleichen Anspruch auf unser Vergnuͤgen, auf unsere Bewunderung haben? Gewiß nicht! Dergleichen Bemerkungen werden uns unver- merkt auf den vollstaͤndigen Begriff des wesentlichen Unterschiedes zwischen Mahlerei und Sculptur leiten koͤnnen. Nach den Eisen zu urtheilen, die man in dem Gesaͤße bemerkt, ist dieser Ueberrest schon in aͤlte- ren Zeiten restaurirt gewesen. So urtheilet auch Mengs. Opere. T. I. p. 203. Sehr scharfsinnig bemerkt eben dieser Autor, daß der Schluß von der Vortrefflichkeit des- jenigen, was sich auf uns erhalten hat, auf die Vor- trefflichkeit desjenigen, was verlohren gegangen ist, nicht mit Sicherheit gelten koͤnne. Wie viele Statuen kennt man nicht, die einzelne vortreffliche Partien haben, und im Uebrigen mittelmaͤßig sind? Eine alte Innschrift zeigt einen Apollonius den Sohn eines Nestor als den Meister an. Venus. Sie traͤgt ein Diadem, die Flechten der Haare fallen uͤber die Schultern. Der Kopf scheint ein Portrait zu seyn. Sie haͤlt ihr Gewand, das zu fallen scheint, halb uͤber den Unterleib zusam- men, und bedeckt mit der andern die Brust. Neben ihr ein Amor. Die Innschrift gibt ihr den Nahmen einer Veneris felicis, und nennt eine Sallustia und einen Helpidius als Personen, welche die Statue der Goͤttin geweihet haben. Die Der Vaticanische Pallast. Die linke Hand und die Arme des Amors sind unergaͤnzt geblieben. Das Werk ist ziemlich mittel- maͤßig. Der Herr Hofrath Heyne haͤlt diese Figur fuͤr eine Venus aus dem Bade. Samml. Antiq. Aufsaͤtze. I. Stuͤck. S. 158. Ueber die Bedeutung des Beinahmen felix, und anderer die man der Ve- nus beigelegt hat, sehe man die Beschreibung der Villa Borghese nach. In Rom sieht man in den Figuren der Venus, die das Gewand auf den halben Unterleib herabfallend zusammen halten, die Stellung der Goͤttin, wie sie sich vor dem Paris entkleidete. Die Idee ist sinnreich und fein, wenn sie sich auch nicht critisch rechtfertigen lassen sollte. Richardson S. 520. Volkmann S. 141. erwaͤhnen einer Venus, die nackt mit der einen Hand die Na- tur bedeckt, und mit der linken das Gewand, das auf einer Vase ruhet, aufhebt. Herr Hofrath Heyne. Samml. antiq. Aufsaͤtze I. Stuͤck, S. 144. glaubt, sie komme in der Stellung der Cnidischen am naͤch- sten. Auch Fea in seiner Italienischen Uebersetzung spricht davon mit uͤbertriebenen Lobeserhebungen. Daß sie in diesem Hofe nicht steht, weiß ich gewiß. In den folgenden Zimmern kommen noch einige Statuen der Venus vor. Allein, vielleicht sollte ich mich schaͤmen es zu gestehen; ein Werk von aus- serordentlicher Schoͤnheit erinnere ich mich nicht darunter gefunden zu haben. † Commodus. So wird die Statue eines Mannes im reiferen Alter genannt, der auf seinem Arme einen Knaben traͤgt. Ein gewisser individueller E 4 Charakter Der Vaticanische Pallast. Charakter von Froͤhlichkeit und der Lorbeer lassen auf ein Portrait schließen. Ob aber des Commodus? Daran ist zu zweifeln. Der Grund zu dieser Be- nennung liegt in dem Charakter eines Hercules, den diese Statue an sich traͤgt. Wir wissen, daß sich Commodus gern als Hercules vorstellen ließ, und eine Nachricht, die wir haben, sagt: Daß ein kleiner Lieb- ling des Commodus die Liste derer, die sein Herr zum Tode verdammt hatte, zum Fenster hinaus geworfen, und dadurch Veranlassung zu dessen Ermordung gege- ben habe. Andere halten diese Statue fuͤr einen Hercules, der den Ajax segnet; andere nennen den Knaben Hy- las; andere Telephus; Visconti soll dieser Meinung gewesen seyn. Feas ital. Uebers. d. G. d. K. T. II. p. 400. n. 1. andere schlechthin Amor. Die Statue hat gute Verhaͤltnisse, und dienet daher den Kuͤnstlern als Studium der Maaßen des reiferen maͤnnlichen Alters. Uebrigens ist sie ziemlich mittelmaͤßig; Muskeln und Junkturen sind sehr hart angedeutet. † Lucius Verus. Man schaͤtzt diese Statue wegen der besorgten Ausfuͤhrung in den Beiwerken. Diese Statuen stehen in den Nischen der Wand des hintern Porticus. Zu meiner Zeit standen noch folgende Kunstwerke, die Aufmerksamkeit ver- dienten, laͤngs der Wand hin. Eine Nische, deren ehemalige Bestimmung nicht wohl abzusehen ist, es waͤre denn, daß sie zum Behaͤlt- Der Vaticanische Pallast. Behaͤltniß einer Begraͤbnißurne gedient haͤtte. Sie ist rund umher mit Figuren von halberhobener Arbeit geziert, und diese Arbeit ist vortrefflich. Es sind Stoͤrche, die neben Vasen und Baͤumen stehen, und Schlangen verzehren. Ein Sarcophag. Das Basrelief stellt einen Imperator vor, den eine Victorie kroͤnt. Zu seinen Fuͤßen ein gefangener Barbar: Ein anderer bringt ihm ein Kind, andere liegen in Fesseln; uͤberher Wa- gen mit Beute beladen, Trophaͤen u. s. w. Die Ar- beit scheint aus spaͤterer Zeit zu seyn, aber aus einer solchen, in der der gute Stil noch nicht verlohren gegangen war. Um dieses Stils willen koͤnnen Werke, die uͤbri- In welcher Ruͤcksicht Werke aus der spaͤtern Zeit, bei deutlichen Spuren des Verfalls der Kunst, den- noch interes- sant bleiben koͤnnen? gens in der Ausfuͤhrung mittelmaͤßig sind, dem Lieb- haber merkwuͤrdig werden. Er macht sich mit der Denkungsart der alten Kuͤnstler mit ihrer Vorstel- lungsart bekannt, und gewoͤhnt sein Auge an richtige Verhaͤltnisse, leicht in einander laufender Junkturen, Simplicitaͤt der Stellungen, und guten Wurf der Gewaͤnder. † Ein Sarcophag mit einem Bacchanal von vortrefflichem Stile, und zum Erstaunen fleißiger Ausfuͤhrung. Schade! daß dieser Fleiß an Trocken- heit graͤnzt, und daß die Zeichnung mehrere Unrich- tigkeiten hat. Er ist außerdem stark ergaͤnzt. † Eine Vase von schwarzem Basalt, der wie angelaufene Bronze aussieht. Sie ist mit Masken geziert, und von schoͤnster Arbeit und Form. Ob sie gleich in mehrere Stuͤcke zerbrochen gefunden wurde, so hat man sie doch sehr gut wieder zusammen- gesetzt. E 5 Zwei Der Vaticanische Pallast. Zwei große laͤnglichte Urnen, oder viel- mehr Badewannen, von rothem orientalischem Granit. † Torso eines gefangenen Barbaren aus dem Pallast Pichini, dessen vortreffliches Gewand dem Raphael oft zum Studio gedient hat. In den Nischen der Pfeiler, die den Porticus stuͤtzen. Eine sitzende Venus oder vielmehr Nymphe mit einer großen Muschel auf dem Schooße. Ich fuͤhre sie an, weil eine Copie dieser Idee zu einem schoͤnen Wasserbehaͤlter in einem Zimmer dienen koͤnnte. Ein Hercules mit einem antiken Fuͤllhorn, mit diesem Attribute bezeichnet, nennt man den Her- cules gemeiniglich Placidus. † Zwei Molossen, oder große Hunde von vortrefflicher Arbeit, die ehemals im Pallast Pichini befindlich waren, stehen jetzt am Eingange des Saa- les der Thiere. Folgende Kunstwerke standen zu meiner Zeit außer den angezeigten in diesem Hofe. Ein Sarcophag mit dem Kampfe der Amazo- nen wider die Griechen. Ein anderer ohne Figuren. Ein anderer mit der Fabel der Niobe. Ein anderer mit Geniis die ein Bacchanal feiern. Ein anderer mit Figuren zweier Eheleute. Der Mann in roͤmischer Kleidung reicht dem be- schleier- Saal Der Vaticanische Pallast. schleierten Weibe die Hand. Eine aͤhnliche Vor- stellung aber ganz rund gearbeiteter Figuren steht im Pallast Giustiniani. Auf unserm Basrelief sieht man außerdem einen Amor mit der Fackel, und zu beiden Seiten stehen zwei Genii, die die Arme uͤber den Kopf kreuzweis zusammen legen. Ein anderer mit der Fabel des Endymion. Ein anderer mit den vier Jahrszeiten. Eine Wanne von schwarzem Basalt. Eine andere von gruͤnem Basalt. Eine sitzende Muse. Der Sturz einer Consular-Statue mit einem vortrefflichen Gewande. In den Nischen der Pfeiler, die den Por- ticus stuͤtzen. Eine fortschreitende Minerva. Eine stebende Minerva. Auf dem antiken Schilde ein Medusenkopf. Priap. Ein wohl conservirter Alter mit einem Kranze von Weinreben, einem Knebelbarte, und einem andern Barte, der in Locken herab faͤllt. Den langen Rock hat er aufgenommen, um in dem Schooße Weinbeeren zu tragen. Er zeigt auf solche Art sein charakteristisches Glied, und dies dient ihm zu gleicher Zeit die Last zu tragen. An den Beinen ist er mit Halbstiefeln bekleidet. Ich glaube, die Figur koͤnnte zur Bestimmung des Costume eines ehemaligen italienischen Bauers dienen. Die Figur einer Stadt. In der antiken Hand ein Anker, in der restaurirten ein Ruder. Im Innern des Sofes uͤber den Arcaden Basreliefs. Triumph des Bacchus und der Ariadne. Hector reißt sich aus den Armen seines Weibes und seines Sohnes los. Paris haͤlt die Leier. Nenn Der Vaticanische Pallast. Saal der Thiere . Die groͤßte Anzahl der hier befindlichen Bild- hauerarbeit stellt Thiere vor. Aber unter ihnen ste- hen auch einige menschliche Figuren; diese will ich zu- erst anzeigen. † Meleager. Den wilden Schweinskopf an der einen, den Hund an der andern Seite. Der Pabst kaufte ihn Anno 1772 fuͤr 6000 Scudi aus dem Pallast Pichini, wo er ehemals stand. Charakter eines Melea- gers. Meleager hat den Charakter eines jungen Helden aus den roheren Zeiten, in denen Verachtung der Ge- fahren, Staͤrke, und Geschicklichkeit in Leibesuͤbungen Anspruch auf diesen Nahmen gaben. Biederer gra- der Sinn, Feuer und Herzlichkeit zeichnen ihn aus. Aber dabei ist er auch rauh und trotzig. Er verfolgt das Wild, wenn er mit Maͤnnern nicht kaͤmpfen kann, und hat dabei sein Maͤdchen lieber als Mutter und sich selbst. Unsere Statue verdient durch eine gut gedachte Stellung und durch Richtigkeit der Zeichnung eine Stelle unter den guten Antiken. Aber zu den besten gehoͤrt sie nicht. Man wirft der Ausfuͤhrung mit Recht eine gewisse Haͤrte vor; der Kopf wird durch eine zu starke Nase entstellt; man sagt, diese Nase sey neu. Der linke Arm fehlt. Mit Neun Musen, Minerva, Apollo. Ein Bacchanal mit Masken. Die Thaten des Hercules. Mehrere Larven. Der Vaticanische Pallast. Mit Zuverlaͤßigkeit kann man uͤber diese Sta- tue nicht urtheilen, weil man sie nicht im rechten Lichte sieht. † Der Nil. Ein liegender Flußgott, um den 16 Kinder herum spielen. Eine Andeutung der El- lenzahl derjenigen Hoͤhe, auf welcher der Fluß bei sei- nen Ueberschwemmungen die groͤßte Fruchtbarkeit ver- breitet. Auch sieht man noch andere Beiwerke, als Crocodilen, Schiffe u. s. w. an der Basts. Der Flußgott selbst ruhet auf einem Sphynx von großer Schoͤnheit. Die Kinder sind unverhaͤltnißmaͤßig klein gegen die colossalische Hauptfigur, und zum Theil ergaͤnzt. Ungeachtet der colossalischen Gestalt dieser Statue ist das Spiel der Muskeln vortrefflich, und das Fleisch von aͤußerster Weichheit. Der Kopf hat einen vortrefflichen Ausdruck von guͤtiger Groͤße. Tiber. Er dient dem Nil zum Gegenstuͤck, oder vielmehr, wenn ich das franzoͤsische Compagnon so uͤbersetzen darf, zum Gefaͤhrten. Aber er ist von Ueber den Begriff von Ehrwuͤrdig- keit, den die Alten mit den Locken ver- bunden zu haben schei- nen, die sich an der Wur- zel in die Hoͤ- he heben und deren Spi- tzen herab- sinken. einer andern Hand und unter jenem an Schoͤnheit. Seine Haare an der Stirn heben sich in die Hoͤhe, und fallen dann wieder herab. Die Alten scheinen einen Begriff von Ehrwuͤrdigkeit mit dieser Art des Haarwuchses verbunden zu haben, den sie, wie man behauptet, von den Maͤhnen des Loͤwen entlehnten. † Ein kleines Basrelief. Bacchus mit sei- nem Gefolge. Genii tragen theils dessen Attribute, theils fuͤhren sie dieselben auf Waͤgen, die mit Thieren verschiedener Gattung bespannt sind. Eine sogenannte Janusterme mit zwei Koͤ- pfen, deren einer einen Homer vorstellt. Pan Der Vaticanische Pallast. Pan zieht einem Faun einen Dorn aus dem Fuße. Der Ausdruck vortrefflich. Dies Stuͤck ist aus Villa Mattei hieher gebracht. Besondere Vorstel- lungsart ei- ner Diana von Ephe- sus. Diana von Ephesus, Sinnbild der Natur, besonders der Fruchtbarkeit und Festigkeit der Erde. Der Leib bestehet aus Weiberbruͤsten, und einer Art von Windeln, aus denen zum Theil unerklaͤrbare Thiere, und andere Formen hervorragen. Bei einer solchen Vorstellungsart koͤnnen nur Kopf und Extre- mitaͤten ein Gegenstand der schoͤnen Zeichnung seyn, das Uebrige wird hoͤchstens der besorgten Ausfuͤhrung wegen merkwuͤrdig. In Ruͤcksicht beider verdient diese Statue Aufmerksamkeit. Ein Sarcophag mit Nereiden und Tri- tonen. Sammlung von Thieren. Die Menge von Thieren, die man hier versam- melt sieht, fuͤhrt auf sonderbare Betrachtungen. Selbst die unbetraͤchtlichsten haben hier ein Bild. Wie groß muß der Luxus der Alten gewesen seyn, ihr Reichthum, die Menge ihrer Kuͤnstler, ihre Lieb- haberei! Ich will nur die vorzuͤglichsten dem Liebhaber anzeigen. Die Note enthaͤlt das vollstaͤndige Ver- zeichniß. † Ein kleiner Loͤwe von Breccia. Die Farbe des Marmors ist vortrefflich genutzt, und die Arbeit aͤußerst fein. Man sollte das Werkchen fuͤr eine Camee halten. Ein großer Adler im Begriff aufzufliegen aus Villa Mattei. † Eine Ziege. Ein treffliches Stuͤck, das ehemals einen Theil einer Gruppe ausgemacht zu haben Der Vaticanische Pallast. haben scheint. Man bemerkt am Barte die Hand eines Kindes. Ein Hahn aus Villa Mattei. † Ein wuͤthender Stier. So schoͤn, daß Kuͤnstler ihn den Apollo unter den Thieren nennen. Der Ausdruck ist vortrefflich. Das Werk ist nur klein, aber mit aͤußerster Bestimmtheit gearbeitet. Ich pflege mich auf die Schoͤnheit der Gestalt dieses Thieres gegen diejenigen zu berufen, die jene Be- hauptung: die Gestalt des Hercules sey von einem Stiere entlehnt, unter der Wuͤrde dieses Got- tes halten. Ein Hirt traͤnkt eine Kuh, waͤhrend daß ein Kalb saugt; schoͤnes Basrelief. Ein Hirsch, den zwei Hunde anfallen. Vor- trefflich von Ausdruck und Arbeit. † Zwei Windhunde, die mit einander spielen. Ein Tigerkopf von Alabaster. Ein Storch, der eine Schlange frißt. Kopf einer Ziege. Maͤuse beim Grabe des Nero gefunden. Ein Kaninchen. Ein Tiger von Breccia Granito aus dem Pallast Colonna. Eine Windhuͤndin. Ein todtes Lamm auf einem Altare aus Villa Mattei. Ein Esel von grauem Marmor. Das Weinlaub, mit dem der Kopf umkraͤnzt ist, scheint den Esel des Silen zu bezeichnen. Ein Storch von rothem Marmor. † Eine Der Vaticanische Pallast. † Eine Sau mit Ferken von vortrefflicher Arbeit. Eine Gans in einer Schaale, die wahrschein- lich zur Fontaine diente. † Der Fußboden von Mosaik besteht aus drei Stuͤcken. Zwei derselben stellen in natuͤrlichen Farben Thiere und Fruͤchte vor. Das mittelste aber ist aus schwarzen und weißen Steinen zusammengesetzt, und zeigt einen Adler, der einen Hasen frißt, einen Leoparden, und eine Woͤlfin. Dieser Fußboden ist vortrefflich. Uebrige Kunstwerke in diesem Zimmer: Ein Gefaͤß von schwarzem africanischen Mar- mor. Zwei Raben zu jeder Seite dienen zu Hand- griffen. Ein Sarcopbag mit dem Raube der Tochter des Leucippus durch Castor und Pollux. Ein Aegyptisches Idol. Ein Raubvogel von schwarzem Basalt. Ein Reh von Alabastro fiorito. Der Leib al- lein antik. Ein Triton, der eine Nymphe geraubt hat, stark restaurirt. Arme und Beine gewiß neu. Ein Sarcophag mit dem Tode des Agamemnon. Zwei Pfauen. Ein Vogel Ibis. Minotaur, Buͤste. Eine andere Diana von Ephesus von der im Texte angezeigten verschieden. Die letzte steht auf einem Altare, an dem ein Aegyptisches Opfer im Griechischen Stile gearbeitet ist. Hercules Zimmer Der Vaticanische Pallast. Hercules, der den Diomedes umbringt. Bas- relief. Eine Saͤule mit Verzierungen auf einer Basis mit einem Aegyptischen Opfer im griechischen Stile. Hercules, der den Geryon toͤdtet. Basrelief. Ein Knabe, der einen Vogel traͤgt. Eine Senne. Sie steht auf einem Sarcophag. Ein Gefaͤß. Ammonskoͤpfe dienen statt der Griffe. Ein anderes mit Blaͤttern. Eine wilde Taube. Ein Hyppogryph von Alabastro fiorito. Ein liegender Stier. Ein Crocodill von schwarzem Marmor. Amor im Wagen von zwei wilden Schwei- nen gezogen. Basrelief. Eine Vase mit Ammonskoͤpfen statt der Griffe. Ein verwundeter Krieger, der sich im Fallen vertheidiget; er traͤgt eine phrygische Muͤtze. Ein Elephant. Basrelief. Ein Ziegenkopf. Zwei Sarcophagen. Eine Kroͤte von Rosso antico. Ein Schaafskopf. Ein Kameel. Eine Kub von Marmo bigio. Ein Loͤwe von derselben Materie. Ein Knabe der ein Crocodil haͤlt. Ein colossalischer Kameelskopf, der wahrschein- lich zu einer Fontaine diente. Ein Sarcophag, gefunden bei dem Grabe des Nero. Das Basrelief stellt einen Wolf, oder wahrscheinlicher einen Fuchs vor, der einer Katze ein geraubtes Huhn abnimmt. Ein Erster Theil. F Der Vaticanische Pallast. Ein Tiger, der sich hinter die Ohren kratzt. Eine wilde Taube auf einem Dattelbaum. Ein Stachelschwein . Basrelief. Ein Sarcophag mit dem Raube des Gany- medes. Ein indianisches Schwein. Kopf eines Rhinoceros. Hercules, der den Dreifuß des Apollo geraubt hat. Basrelief. Ein Tiger. Hercules, der den Cerberus fesselt. Basrelief. Ein Loͤwe aus dem Pallast Mattei. Eine Katze. Ein Gefaͤß mit verschiedenen Thieren in Bas- relief. Centaur der einen Sasen haͤlt, auf seinem Ruͤ- cken ein Amor. Nur der Torso des Centauren ist alt. Ein Aschenkrug, dem Enten zu Griffen die- nen. Gut. Ein Sarcopbag. Charon fuͤhrt einige Schat- ten zur Unterwelt, in der man verschiedene Hoͤllen- strafen vorgestellt sieht. Rehkopf von Rosso antico. Eine abgebrochene Saͤule von Breccia d’ Egitto auf welche man eine moderne Vase aus dem alten seltenen Porphyr, der gruͤn und mit goldenen Adern durchschlaͤngelt ist, gearbeitet, gesetzt hat. Ein Basrelief mit einer weiblichen Figur auf halben Leib, die bekleidet ist, und opfert. Unten steht die Innschrift: Laberia Felicia Sacerdos Maxima Matris Deum. Kopf Der Vaticanische Pallast. Zimmer der Musen . Man hat die Statuen aller Neun Musen bei Apollo und die Musen. einander haben wollen. Einige derselben sind zu Ti- voli in der Villa des Hadrian auch wuͤrklich bei einan- der nebst dem Apollo Musagetes gefunden. Ob sie alle von einer Hand verfertigt; ob sie nicht schon bei Anlegung der Villa selbst zusammen gelesen worden; ob sie in alten Zeiten in einer Gruppe vereinigt gestan- den haben? sind Fragen, die ich unbeantwortet lasse. Inzwischen meine Meinung uͤber dergleichen weitlaͤuf- tige Compositionen in der Bildhauerkunst habe ich be- reits geaͤußert. Oben beim Pallast Farnese. Der Kuͤnstler, der die wahren Graͤnzen seiner Kunst, das Maaß menschlicher Kraͤfte genung kennt, wird sich schwerlich an die Zusammen- setzung vieler Figuren wagen, und als mahlerische Gruppe aufgestellt, das glaube ich mit mehrerer Dreistigkeit behaupten zu koͤnnen, thun sie keine Wuͤrkung. Genung! Man hat in der Villa des Hadrian nur einige Figuren der Musen zusammen gefunden. Die fehlenden hat man von allen Seiten herbei geschafft. Die Benennungen sind eben so willkuͤhrlich als der groͤßte Theil der Attribute, die sie bezeichnen. F 2 † Mel- Kopf und Arme sind neu. Inzwischen sieht man auf der Schulter die Spuren des Schleiers, den ihr der moderne Kuͤnstler uͤber den Kopf gezogen hat; und ein antikes Stuͤck des Blumenkranzes, den sie in der Hand traͤgt. Der Vaticanische Pallast. † Melpomene. Den Kopf mit Weinlaub be- kraͤnzt, haͤlt sie in der rechten Hand eine scheußliche Maske. Diese Hand ist neu, aber die Haͤlfte der Maske ist alt. Den Fuß mit dem Cothurn bekleidet, setzt sie auf den Stamm eines Baums, und lehnt den Arm mit vorgebeugtem Koͤrper auf das Knie. Die- ser Arm ist neu, nebst der Hand, in welcher sie den Dolch traͤgt. Herrlicher Kopf der tragischen Muse. Der Kopf dieser Statue ist wo nicht der schoͤnste, gewiß der gefaͤlligste von allen weiblichen, die sich aus dem Alterthume auf uns erhalten haben. An vielen derselben bemerken wir eine Ruhe, die an Ernst graͤnzt. Die Uebereinstimmung der Zuͤge, das Ver- haͤltniß der Theile zu einander, kurz! die eigentliche ruhige Schoͤnheit, oder die Schoͤnheit ohne Reitz ist es, die uns Bewunderung abpreßt. Aber der Kopf unserer Muse hat den Reitz uͤberher, und fesselt da- durch gleich beim ersten Anblicke unaufloͤslich. Wir sehen sie in dem Alter, in welchem unser begeisterte Winkelmann die Maͤdchen mit Rosen vergleicht, die nach einer schoͤnen Morgenroͤthe beim Aufgang der Sonne aufbrechen. Ihr Ausdruck ist dem einer rei- nen unbefangenen Seele aͤhnlich, die unter muntern Gesaͤngen Blumen gelesen hat, und durch die Ankunft eines schoͤnen Juͤnglings unterbrochen wird. Ihr Auge scheint ihn zum ersten Mahle zu erblicken und die Ahndung der Empfindbarkeit, die durch ihre un- befangene heitere Mine durchstrahlt, ist vielleicht dasjenige, wodurch sie unser Herz am sichersten gewinnt. Aber wie paßt dieser Charakter zu dem Charak- ter einer tragischen Muse? Dies bleibt mir Raͤthsel. Der Der Vaticanische Pallast. Der Rest der Figur ist mittelmaͤßig, und in der Ausfuͤhrung vernachlaͤßiget. Auch dieser Abstand des Kopfs zum Rumpf bleibt mir Raͤthsel. Thalia. Hier ist der Rumpf das Vorzuͤg- lichste. Denn der Kopf hat durch die Ergaͤnzung stark gelitten. Der Putz desselben besteht aus Wein- trauben und Epheu. Die Drapperie ist eben so schoͤn gedacht, als gearbeitet. Beide Arme sind neu; folglich mit ihnen die Klappertrommel, (tambour de basque). Aber der gekruͤmmte Stab oder Li- tuus in der andern wird durch die antike Haͤlfte, die sich am Tronk erhalten hat, gerechtfertigt. Bei ihr liegt eine Maske. Die Beine sind ins Kreutz uͤber einander geschlagen. † Urania. Der Kopf, eine schoͤne Natur, zeigt beinahe den Wunsch gefallen zu wollen. Aber wir bemerken ihn gern diesen Ausdruck der Zuvorkom- mung so weit entfernt von aller Andringlichkeit. Die Haare sind wie an der Venus hinten in einen Schopf zusammen gebunden. Diese Figur ist eine der schoͤnst bekleideten die wir haben. Durch den leichten Faltenschlag wird dem Auge nichts von der Eleganz der Formen des reitzend gestellten Koͤrpers entzogen. Die beiden Arme sind nebst den Attributen der Weltkugel und des Griffels neu. Der Kopf ist alt, aber aufgesetzt. Calliope. Der Kopf ist sehr ergaͤnzt. Die Arme mit dem Buche und der Trompete sind neu. Polyhymnia. Der Kopf mit Blumen be- kraͤnzt ist schoͤn. Sie hat sich in einen Mantel ge- wickelt; dieser ist gut gedacht, aber trocken ausgefuͤhrt. F 3 † Mel- Der Vaticanische Pallast. † Melpomene aus dem Hause Mattei. Sie war daselbst unter dem Nahmen Livia bekannt. Winkelmann nennt sie Melpomene. Fea Ediz. della Storia delle arti del disegno presso gli an- tichi di Giov. Winkelmann, T. II. p. 329. n. A. nennt sie Pudicizia und gibt ihr einen neuen Kopf. Der Kopf ist aufgesetzt, und hat einen Ausdruck von moderner Grazie, etwas Fremdes, das mir bald den Verdacht erwecken sollte, daß er nicht alt sey. Ich will inzwischen nicht daruͤber entscheiden. Die Hand mit der sie den Schleier haͤlt, ist augenscheinlich neu. Das Gewand ist vortrefflich. Erato mit dem Diadem. Die Drapperie ein wenig schwerfaͤllig. Der Kopf soll aufgesetzt seyn. Euterpe sitzend. Der Kopfputz ist von Lor- beern. In den Haͤnden der modernen Arme haͤlt sie eine Rolle, die durch den antiken Theil, der sich mit dem Gewande erhalten hat, gerechtfertiget wird. Terpsichore sitzend. Der Kopf soll aufgesetzt seyn. Die Arme groͤßtentheils neu. Clio. Aus dem Pallast Lancelotti. Raphael scheint sie bei einigen seiner Figuren zum Vorbilde ge- nommen zu haben. Das Gewand liegt ein wenig zu fest an, und hat die Ansicht eines feinen Leinens. Der Schuh von besonderer Form. Charakter des Apollo Musagetes. † Apollo Musagetes Anfuͤhrer der Musen. Sein Charakter ist der eines wolluͤstigen Genießers der Kuͤnste, die Friede und Muse erzeugen, und die um genossen zu werden, eben so viel Ruhe von Qua- len eigennuͤtziger Leidenschaften, als Abgezogenheit von lebhafter Thaͤtigkeit, gewaltsamer Anstrengung, und Der Vaticanische Pallast. und peinigenden Sorgen erfordern. Eine selige Stille, eine Genuͤgsamkeit, wie sie das Anschauen himmlischer Vollkommenheit, und Fuͤllung der Ein- bildungskraft allein zu gewaͤhren im Stande sind, und eine gutherzige Heiterkeit aͤußern sich in der suͤßen Entzuͤckung seines Blicks, und in der ruhigen Lage seiner Gesichtszuͤge. Aber eine gewisse Weichlichkeit, wie sie dem Geschlechte eigen gehoͤrt, das vorzuͤglich vor dem unsrigen auf die Ausbildung angenehmer Ta- lente berechtiget scheint, oder wie wir sie uns an den Bewohnern der Laͤnder unter heißeren Himmelsstrichen denken, zeigt sich zu gleicher Zeit in Formen und Kleidung. Sein langer Rock wird mit einem Guͤrtel gerade unter der Brust zusammengefaßt. Ein langer Mantel auf den Schultern befestigt, flattert weit umher, und sein aufgebundenes Haar ist mit einer Lorbeerkrone umgeben. Er schreitet fort, und diese Stellung hat einen eben so natuͤrlichen als edeln Aus- druck. Das Gewand ist gut gedacht, aber nicht eben so gut ausgefuͤhrt. Wenn mich meine Vermuthung nicht truͤgt, so ist dies Werk die Copie nach einem viel schoͤnern, das verlohren gegangen ist, aber schon die Seltenheit der Vorstellungsart macht es unserer ganzen Aufmerk- samkeit werth. Eine aͤhnliche Statue ist mit den neun Musen nach Stockholm gegangen, die Volpato zu meiner Zeit an den Koͤnig von Schweden verkaufte. Die Arme sind bis auf die Haͤlfte neu. Aber die Leier wird durch das Band gerechtfertigt, mit dem sie um seine Schultern haͤngt. F 4 † Zu Der Vaticanische Pallast. † Zu den Fuͤßen dieses Apollo ein herrli- cher Dreifuß mit allen Attributen des Gottes. Er ist von Piranese gekauft. Das Gefaͤß von Gra- nit, das darauf steht, ist schoͤn, aber neu. Aspasia, Terme mit zusammengesetzten Fuͤßen, und dem griechischen Nahmen. Auf dem Kopfe, der nicht besonders schoͤn ist, traͤgt sie einen Schleier. Pericles. Schoͤne Terme mit dem griechischen Nahmen. Vorlaͤufige Bemerkung uͤber Buͤsten mit angeb- lich antiken Nahmen. So sehr man sich im Allgemeinen huͤten muß, dergleichen Nahmen fuͤr alt anzunehmen, so haben mich doch glaubwuͤrdige Maͤnner versichert, daß einige der Buͤsten, die hier mit Nahmen bezeichnet sind, wuͤrklich bei dem Ausgraben in der Villa des Hadrian zu Tivoli mit der antiken Innschrift gefunden sind. Von dem Betruge, der sonst in diesen Faͤllen gewoͤhnlich ist, ein Mehreres weiter unten, um nicht Alles auf einmahl zu sagen. † Adonis. Eine der guten Statuen, die in neueren Zeiten gesunden sind. In der Mine liegt ein Zug erhabener Melancholie, und diese zeigt sich auch in der nachlaͤßigen, beinahe hinfaͤlligen Stellung, die einen Geist andeutet, der ganz mit seinem Kum- mer beschaͤfftiget, auf aͤußere Dinge nicht achtet. Der Kopf ist das schoͤnste an diesem Werke, und mit einer Hauptbinde umgeben. Der Koͤrper geht nicht uͤber die schoͤne Natur hinaus. Der Arbeit daran kann man einige Haͤrte vorwerfen. Man bemerkt viele Ergaͤnzungen, unter denen beide Arme, ein Bein mit der Huͤfte und ein Fuß die hauptsaͤchlich- sten sind. † Gany- Der Vaticanische Pallast. † Ganymedes vom Volpato gefunden. Man Ganymedes und dessen Charakter. kann diese Statue dreist unter die schoͤnsten des Alter- thums setzen. Ganymedes ist das Ideal eines Knabens der Freuden, uͤber deren Rechtmaͤßigkeit die Alten von den unsrigen verschiedene Begriffe hatten. Was der bekannte Geschmack einer Glycera Sie gab Juͤnglingen die kaum zur Pubertaͤt ge- langt sind, in den Spielen der Liebe den Vorzug. zu dem Charak- ter eines Lieblings verlangen koͤnnte, mit dem die Stunden unter Kosen und neckenden Scherzen ver- fließen, das liegt, der Mine nach, in dem Charakter des schoͤnen Knabens. Ich nenne ihn Knaben: Aber er hat schon die Anspruͤche des Juͤnglings. Ein gewisser schalkhafter Zug um seine Lippen herum, das lichtvollere Auge verkuͤndigen, daß er die Rechte ent- deckt, die ihm zunehmende Staͤrke auf hoͤhere Freu- den gibt. Er ist in dem Uebergange von sorgen- loser Gleichmuͤthigkeit zu dem Zustande, in dem man mit dem gegenwaͤrtigen Genusse das Bewußtseyn sei- nes Gluͤcks verbindet. Seine Dankbarkeit fuͤr das Vergnuͤgen das er theilet, wird das Vergnuͤgen, das er gibt, erhoͤhen; und seine muthwilligen Versagun- gen werden nie zur eigensinnigen Weigerung ausarten. Sein Koͤrper vereinigt die schoͤnen Verhaͤltnisse der Juͤnglingsjahre mit der Zartheit der Umrisse des Knabenalters. Den Knochenbau hat er vom Juͤng- ling, sogar die staͤrkeren Muskeln, die dem Fleische Festigkeit, Elasticitaͤt und Woͤlbung geben. Aber das rundliche voͤllige Fleisch, das zum Kneipen einla- det, die fettliche Haut, die die Hand zum Strei- cheln anzieht, hat er vom Kinde. F 5 So Der Vaticanische Pallast. So zeigt sich unser Ganymed. Der Kopf mit der phrygischen Muͤtze so schoͤn er noch ist, hat doch schon durch die Ergaͤnzungen gelitten. Das Be- wundernswerthe aber ist der Koͤrper, an dem sich die Kunst des Meißels erschoͤpft hat. Das Spiel seiner Muskeln ist so gelehrt, so bestimmt, und dennoch un- ter der weichen geschmeidigen Haut so natuͤrlich, so fließend, daß ich unter allen antiken Statuen ihm in dieser Ruͤcksicht nur den beruͤhmten Torso des Belve- dere an die Seite setzen kann. Der rechte Arm ist modern. Die Beine sind zu- sammengestuͤckt. Der Adler der bei ihm steht, hat sich bis auf den Schnabel und den linken Fluͤgel un- versehrt erhalten. Der Ausdruck in dem Thiere ist gut. Eine weibliche Figur aus dem Pallast Bar- berini, bekannt unter dem Nahmen des Spartanischen Maͤdchens. Diese Benennung gruͤndet sich auf die Stellung, die einen Antritt zum Laufen anzeigt, und auf die maͤnnlichen Fuͤße. Allein dieser Ausdruck liegt wohl hauptsaͤchlich in den modernen Armen, die sich wie beim Ansetzen zum Rennen zuruͤckstemmen. Der breite Guͤrtel und die uͤbrige Kleidung fuͤhrt mich auf die Vermuthung, daß dies eine Amazone sey. Die Falten sind etwas gradlinigt, und verrathen einen alten Stil. Aratus, schoͤner und vortrefflich gearbeiteter Kopf. Sabina; Aus dem Gewande, das wahrschein- lich nur ein feines Leinen vorstellen soll, aber fest an die Haut klebt, glaubt man schließen zu koͤnnen, daß diese Figur aus dem Bade komme. Der Koͤrper ist schoͤn; die Ausfuͤhrung fein. Die Arme sind neu. Perian- Der Vaticanische Pallast. Periander, schoͤne Terme, mit der antiken Inn- schrift, und zusammengeschlossenen Beinen. Ein junger Hercules, schoͤne Terme. Der Kopf ist mit Weinlaub und Trauben bekraͤnzt. Viel- leicht ein Hercules bibar. Die Enden der Haupt- binde fallen auf die Schultern herab. In der Mitte der Terme sind die Zeugungsglieder angedeutet. Der unterste Theil fehlt: Wahrscheinlich waren Fuͤße daran. Einige allgemeine Bemerkungen uͤber Termen werde ich anderswo geben. Schoͤner Kopf des Mercurius. Euripides. Die Nase hat sich an diesem Kopfe unversehrt erhalten. Er ist schoͤn. Diogenes und ein dabei stehender unbe- kannter Kopf: gut. Zwei Basreliefs in diesem Zimmer stellen so- genannte Kriegertaͤnze vor. Es sind nackte Figuren, die Schilde auf den Armen, und Helme mit großen Federbuͤschen auf dem Haupte tragen. Uebrigens sind sie nackt, und scheinen einen Reihetanz zu tanzen. Domitia als Diana. Der Kopf voller Wahrheit und Ausdruck. Die Drapperie etwas trocken. Was man auf dergleichen Benennung zu geben hat, an einem andern Orte. Terme des Bacchus mit Hoͤrnern. Schoͤ- ner Kopf voller Charakter. Sonderbar ist das eine Ohr, welches mehr als das andere ausgearbei- tet ist. Ein Genius, der im Stehen schlaͤft. Der Ausdruck vortrefflich. Jupiter placidus oder terminalis. Von dem Begriffe, den man mit Vorstellungen dieser Art verbin- Der Vaticanische Pallast. verbinden muß, weiter unten. Der unsrige traͤgt eine auslaͤndische Muͤtze auf dem Kopfe. Uebrige Kunstwerke in diesem Zimmer. Zwei Termen unbekannter Philosophen. Terme des Hesiodus. Venus Victrix, von dem Custode der Gallerie Pallas Victrix genannt. Fuͤr die Kunst unbedeu- tend. Zum Besten gelehrter Ausleger bemerke ich, daß der Kopf einer Venus gehoͤrt, und daß die Arme mit den Attributen modern sind. Im Musco Clementino T. II. folgt auf diese Venus Victrix so gleich die Pallas, die nach der folgenden Figur des Apollo von mir angezeigt ist. Sie stehen aber nicht dicht bei einander. Ich habe dies anzeigen muͤssen, damit man nicht glaube, ich haͤtte beide zusammen geschmolzen. Apollo mit der Eidexe, Sauroctonon. Arme und Beine neu, uͤbrigens mittelmaͤßig. Pallas, mit modernen Armen. Zeno, mit der Innschrift. Ein paar unbekannte Koͤpfe. Homer. Bias, mit dem griechischen Nahmen. Drei unbekannte Koͤpfe. Hesiodus. Aeschines mit dem griechischen Nahmen. Demosthenes. Antistenes mit dem griechischen Nahmen. Alcibiades mit dem griechischen Nahmen. Sophocles mit dem griechischen Nahmen, klein und mittelmaͤßig. Das Meiste von diesen Kunstwerken ist in der Villa des Hadrians gefunden. Große Der Vaticanische Pallast. Große Seitengallerie. Neptun mit dem Trident und dem Del- phin. Arme und Fuͤße neu. Die Haare scheinen von Naͤsse zu triefen. † Genius. Eine Figur auf halben Leib, ohne Genius. Arme, in einem Alter von ungefaͤhr 12 Jahren. Auf dieses herrliche Bruchstuͤck wuͤrde die Beschrei- bung passen, die Winkelmann von dem Genius in der Villa Borghese macht, und der sie weniger verdient. Von ihm wuͤrde man sagen koͤnnen: Daß sich der Leser dies herrliche Bild in der Gestalt eines Engels denken muͤsse, der ihm im Schlafe erscheint, wenn seine Einbildungskraft mit dem einzelnen Schoͤnen in der Natur angefuͤllt, sich mit langer Betrachtung der von Gott ausfliessenden, und zu Gott fuͤhrenden Schoͤn- heit beschaͤfftiget hat. Von ihm koͤnnte man sagen: Die Natur habe diese Schoͤnheit mit Genehmhaltung Gottes nach der Schoͤnheit der Engel gebildet — Aber es ist besser, daß man nichts sage. Hier muß man sehen, um zu fuͤhlen. Ein Silen. Ueber diese Vorstellungsart siehe weiter unten Villa Borghese. Der Leib ist mit Haaren be- wachsen. Arme und Beine sind modern. Von ge- meinem aber wahrem Charakter. Triton, oder Meerungeheuer. So nenne ich eine Statue auf halben Leib ohne Arme, die ehe- mals eine ganze ausgemacht hat. Ob sich gleich die Benennung nicht ganz vertheidigen laͤßt, so zweifele ich Der Vaticanische Pallast. ich doch, daß sich eine mehr befriedigende geben lasse. Die melancholisch in die Hoͤhe gezogenen Augenbrau- nen, und die Locken an der Stirne, die nach einer maͤßigen Hebung wieder herabsinken, geben dem Kopfe eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Kopfe des Alexan- der zu Florenz. Der unsrige aber traͤgt Faunusohren, die nur zur Haͤlfte neu sind, und eine Haut um den Leib gebunden, die mit Floßfedern und Schuppen bedeckt ist. Die Arbeit ist schoͤn, die Formen aber sind nicht uͤber die gewoͤhnliche Natur erhaben. Eine weibliche Statue als Danaide restau- rirt. Nackt auf halben Leib. Auf dem Gesichte herrscht der Ausdruck der Melancholie. Paris aus dem Hause Mattei. Beide Arme sind neu. Demjenigen mit der Hand, worin er den Apfel haͤlt, hat man eine Stellung gegeben, die ver- schieden von der alten ist, welche weit natuͤrlicher war. Man sieht noch die Fugen des alten auf dem Knie. Diese Statue steht ihren Ruhm keinesweges. Der Kopf hat Ausdruck, aber er ist verzeichnet. Das Gewand ist hart und trocken gearbeitet. Die Beine sind schlecht angesetzt. Eine weibliche Figur mit Weinlaub bekraͤnzt, und mit einem Rocke von gestreiftem Zeuge bekleidet. Das Gewand ist vortrefflich gearbeitet. Der Kopf, den man ihr aufgesetzt hat, gehoͤrt ihr nicht. Unzuverlaͤßi- ge Benen- nung der Nymphen. Was man fuͤr einen Man nennt diese Statue eine Nymphe. Ein Nahme, mit dem man ziemlich freigebig gegen weib- liche Figuren ist, die keinen Charakter einer bestimm- ten Gottheit haben, und dennoch vermoͤge ihrer weni- ger edlen, weniger sanften Natur, nicht fuͤr Musen gelten koͤnnen. Ein Der Vaticanische Pallast. Ein Badeknecht aus weißem Marmor dem Begriff mit derselben verbindet. Borghesischen sogenannten Seneca aͤhnlich. Er haͤlt einen Eimer, welcher antik ist, und stand ehemals in der Villa Pamfili. Eine kleine Cybele. Sie steht auf der Figur eines Mannes, der sie aus dem Wasser hebt. Die Stellung ist reizend. Sardanapal. So bezeichnet diese Statue der Nahme der auf dem Rande des Gewandes einge- graben ist. Winkelmann G. d. K. S. 467. behauptet: der beruͤchtigte Koͤnig von Assyrien koͤnne es nicht seyn, weil dieser sich alle Tage den Bart habe abnehmen lassen, unsere Figur aber einen Bart trage. Ein Grund, der viel Bekanntschaft mit der fruͤheren Ge- schichte in dem griechischen Kuͤnstler voraussetzt. Er gibt zur Person, die sie abbildet, einen fruͤheren Koͤnig dieses Nahmens in Assyrien, welcher ein weiser Mann war, an. Man koͤnnte immer noch fragen: ist der Nahme von dem Kuͤnstler eingegra- ben, der das Werk verfertigte, mithin eine sichere Angabe der Bedeutung, die er damit verbinden wollte? Zu entscheiden, welcher Sardanapal hier vorgestellet sey? Dies gehoͤrt nicht vor mein Forum. Der Kopf, der viel Guͤte und Adel hat, traͤgt einen Bart, und eine Kopfbinde, welche die Haare zur Haͤlfte zusammenfaßt, die andere Haͤlfte faͤllt auf die Schultern in gekraͤuselten Locken herab. Der Kopf hat uͤberhaupt Aehnlichkeit mit den Koͤpfen der Termen, die man Jupiter terminalis, Jupiter placi- dus, Der Vaticanische Pallast. dus, auch wohl, irrig, Plato nennt. Das Ge- wand, welches aus einem Unterkleide von feinem Lei- nen, und einem daruͤber geschlagenen Mantel besteht, ist von der schoͤnsten Wahl und Ausfuͤhrung. Der Arm, der vom Gewande nicht bedeckt wird, ist neu. Eine Bacchantin und Pan. Der Ge- danke ist reitzend obgleich etwas frei. Diese Gruppe ist aus dem Pallast Caraffa von Neapel hieher ge- kommen. Charakter einer Ama- zone. † Amazone aus dem Pallast Mattei. Der allgemeine Charakter dieser Figuren ist der einer Hel- din in den rohen Zeiten, in denen persoͤnlicher Muth ein so allgemein geschaͤtzter Vorzug war, daß auch dasjenige Geschlecht darauf Anspruch machte, welches in gebildetern Zeiten selbst von uͤbertriebener Schuͤch- ternheit neue Reitze zu entlehnen glaubt. Die Be- kanntschaft mit Gefahren des Krieges geben ihrer Mine eine gewisse ernste Festigkeit, und die steten Lei- besuͤbungen den Gliedmaaßen etwas maͤnnliches, wel- ches man vorzuͤglich an den Junkturen der Knie, und an den breiten Fuͤßen bemerkt. Die Koͤpfe unter- scheiden sich besonders durch eine Art von Kante oder Einfassung, welche die Augenbraunen und Lippen um- gibt. Die eine Brust ist unbedeckt, inzwischen zeigt sich die andere deutlich unter dem Gewande. Das Gesetz der Schoͤnheit verhinderte den Kuͤnstler, der Fabel, nach welcher sich die Amazonen die eine Brust wegsengeten, zu folgen. Das Unterkleid, welches sie ohne Mantel tragen, ist aufgeschuͤrzt, und gemei- niglich mit einem breiten Guͤrtel unter der Brust zu- sammen gebunden. Ihre Waffen sind, eine Streit- art, und diese fuͤhren sie gemeiniglich auf Basreliefs, ein Der Vaticanische Pallast. ein Schild in Form eines halben Mondes, Bogen, Pfeil und Koͤcher. Unsere Statue, welche die beste dieser Art in Rom ist, stimmt mit dem angegebenen Charakter voͤllig uͤberein. Von ihrer Stellung laͤßt sich der wahre Grund nicht angeben, vorzuͤglich, weil beide Arme neu sind. Das Gewand ist vortrefflich. Sie traͤgt einen Koͤcher an der Seite: Zu ihren Fuͤßen liegt ein Helm: Schild und Axt haͤngen am Stamm, der ihr zum Halt dient. Fuͤr die Aechtheit der Innschrift: translata de schola medicorum, kann ich nicht einstehen, so wenig als fuͤr das Alter der Beine, welche ich beinahe fuͤr neu halten moͤchte. Trunkener Faun. Er ist liegend vorgestellt. Der Koͤrper schoͤn; Arme und Fuͤße neu. Er stand ehemals im Pallast Mattei. † Ein Held in einem kurzen griechischen Mantel, oder Chlamys, der vorn und hinten her- abhaͤngt. Der Faltenschlag ist im großen Geschmack, und schoͤn ausgefuͤhrt. Die Beine sind modern. Einige behaupten auch, der Kopf, der einen Bart traͤgt, sey aufgesetzt, und der Rumpf gehoͤre, nach aͤhnlichen Vorstellungen auf geschnittenen Stei- nen und Basreliefs zu urtheilen, einem Mercur. † Pyrrhus, oder wahrscheinlicher Ajax, Herrliche Buͤste des Ajax. Buͤste; und eine der schoͤnsten des Alterthums. Er dreht den Kopf zur Seite, und wendet die Augen zum Himmel, mit einem Ausdruck, als wollte er den Goͤttern Hohn sprechen. Die Mine ist aͤußerst edel. Die Muskeln, die sehr bestimmt angegeben sind, wer- den von der weichsten Haut bedeckt. Auch in den Erster Theil. G Beiwer- Der Vaticanische Pallast. Beiwerken zeigt sich ein schoͤner Geschmack, und die sorgsamste Ausfuͤhrung. Die Haare scheinen ein Spiel der Winde zu seyn, und auf dem Helme sind die Thaten des Hercules erhoben gearbeitet. † Ein lachender Faun, Buͤste. Schoͤner Ausdruck naiver Froͤhlichkeit. Nie hat ein Kummer diese glatte Stirn gerunzelt. Euclides, Aristophanes, Antistenes, Buͤ- sten, die mit ihren griechischen Nahmen in der Villa des Hadrians zu Tivoli vom Conte Fede gefunden sind. Lysimachus. Kopf eines jungen Helden, an dessen Stirne man die Spuren der Ammonshoͤrner sieht, die ehemals daran befindlich waren. Balbinus aus Bronze. Der Seltenheit we- gen zu merken, wenn die Angabe ihre Richtigkeit hat. Juba Koͤnig von Numidien, Buͤste mit vielem Ausdruck der Verschlagenheit. Kopf eines jungen Nero als Apollo. Der Kopf ist schoͤn. Die Benennung ohne Grund. Colossalischer Weiberkopf. Man nennt ihn Julia, Tochter des Titus. Allein der gewoͤhnliche Haaraufsatz, der unserm modernen Lockenbau so nahe koͤmmt, fehlt. † Ceres. Eine beruͤhmte Statue aus dem Pallast Mattei. Sie ist nicht groß. Der Kopf hat einen reitzenden Charakter, und ist, so wie die Fuͤße sehr weich und fein gearbeitet. Das Gewand klebt zu sehr am Koͤrper, und die Fal- ten sind zu kuͤnstlich gelegt. Aber die Arbeit daran ist so vortrefflich, daß man den Guͤrtel, der das Un- terkleid zusammen haͤlt, durch den Mantel durch be- merkt. Die Der Vaticanische Pallast. Die Benennung ist sehr willkuͤhrlich, denn die Hand, in der sie die Mohnstengel und die Aehren haͤlt, ist neu. Eine kleine gefluͤgelte Victoria bey einer Trophaͤe. Sie setzt den Fuß auf ein Rostrum. Die Figur ist vortrefflich gedacht, und aͤußerst reitzend gestellt. Ein Basrelief aus der Schule des M. Angelo Buonarotti. Cosmus der erste hilft der Stadt Pisa auf. Die Gruppen sind schoͤn componirt, und die Ausfuͤhrung ist sehr besorgt. Allein Alles ist in einer gewaltsamen Bewegung, von der man den Grund nicht absieht. Der Arm, den die Stadt Pisa gegen den Cosmus ausstreckt, ist voͤllig ausgesetzt, und der- jenige, den Cosmus ihr reicht, hat Muskeln, die durch die heftigste Anstrengung angeschwollen scheinen. Die Mine in dieser letztern Figur ist fuͤrchterlich. Man sieht nicht ab, warum? Die aͤltern Koͤpfe haben den einfoͤrmigsten Ausdruck muͤrrischer Flußgoͤt- ter, die juͤngeren gezogener Unbedeutung: die Ex- tremitaͤten sind alle convulsivisch verdreht. Die Vergleichung dieser Figuren mit den uͤbrigen um sie herum, die so einfach, und doch so groß, so reitzend, so wahr sind, kann fuͤr die Bildung des Ge- schmacks nicht gleichguͤltig seyn. Ein Held, Gladiator genannt, und der viel- leicht ein Perseus seyn koͤnnte. † Kopf einer Isis unvorgleichlich gearbeitet, und schoͤn erhalten. Die Haare sind in Form einer Lotusblume auf der Scheitel zusammengebunden. Ei- nige aͤußerst fein behandelte Locken fallen auf die Schul- tern herab. G 2 Sonder- Der Vaticanische Pallast. Sonderbahrer Kopf einer Schauspielerin. Sie traͤgt eine Maske vor dem Gesichte, die mit einem falschen Haaraufsatze, worauf wieder eine Muͤtze haͤngt, verbunden ist. Unter dieser Mummerei be- merkt man das Gesicht und die natuͤrlichen Haare. Ein dem vorigen aͤhnlicher Kopf von minde- rem Werthe. Ein schoͤner runder Tisch von weißem Mar- mor, wohl erhalten. Er steht auf Loͤwenfuͤßen, an denen Koͤpfe des Hercules, gleich Termen, befind- lich sind. Carricatur des Kopfs eines Pan als Bockskopf. Voller Ausdruck und ein deutlicher Be- weis der Entstehungsart dieser sonderbaren Natur. August, Buͤste. In dem Alter worin man ihn gemeiniglich auf Muͤnzen abgebildet findet. Dieser Kopf steht auf einem Leuchter. Ein schoͤner Fuß. Bruchstuͤck. Sogenannte Gruppe des Cato und der Porcia. † Zwei Figuren eines Mannes und eines Weibes auf halben Leib. Wahrscheinlich Bildnisse zweier Eheleute, der Kleidung nach Roͤmer, und von einem Sarcophag genommen. Man nennt sie ohne allen Beweis Cato und Porcia. Der Mann um ein merkliches bejahrter, obgleich beide im Mit- telalter sind, haͤlt mit der Rechten die eine Hand sei- nes Weibes, und sie lehnt sich mit der andern auf seine Schulter. Es herrscht ein trefflicher Ausdruck in dieser Gruppe, des liebevollesten Zutrauens, der sichersten Erwartung eines wechselseitigen Beistandes durchs Leben: sanfter Hingebung auf der einen, billi- ger Festigkeit auf der andern Seite, Auch die Aus- arbeitung ist gut. Ein Der Vaticanische Pallast. Ein Faun aus Rosso antico. Er lehnt sich an einen Baum, blickt eine Traube an, die er in der Hand haͤlt, und traͤgt Fruͤchte in dem Schooße des Fells, das ihn umgiebt. Ueberhaupt scheint dieser Faun eine Wiederholung desjenigen zu seyn, der auf dem Capitol steht. Die eingesetzten Augen von Chri- stal sind modern, so wie der Arm, den er in die Hoͤhe hebt. Die Fuͤße sind stark restaurirt. An den uͤbri- gen Theilen der Figur duͤrften die Muskeln etwas zu stark angegeben seyn, kaum scheint sie eine Haut zu bedecken. Caligula. Statue fuͤr deren Benennung ich nicht einstehe. Der Koͤrper ist unbekleidet, gut, aber stark ergaͤnzt. Der linke Arm ist neu. † Narcissus, oder vielmehr ein Adonis, nach der Wunde in der Lende zu urtheilen. Vielleicht hat ihm der uͤbergebeugte Koͤrper allein den Nahmen Nar- cissus zu Wege gebracht. Er stand ehemals im Pal- last Barberini, und war die erste Statue, die zur Formirung des Musei angekauft wurde. Der eine Arm ganz, der andere zur Haͤlfte, und beide Beine sind gewiß neu. Der Kopf ist zweifelhaft. Der Rumpf ist schoͤn. † Eine Muse, die Erato genannt wird. Der Kopf, der alt aber ergaͤnzt ist, hat einen angenehmen Charakter, und ist mit einem Lorbeerkranz umgeben. Die Haare fallen auf die Schultern herab. Beide Arme sind nebst der Leier neu. Sie ist vorzuͤglich des Gewandes wegen merkwuͤrdig, welches eben so schoͤn gedacht, als fleißig ausgefuͤhrt ist. Man sieht Frangen an dem Mantel, und Stickerei auf dem Unterkleide. Den Mantel, der aus zwei Theilen besteht, von G 3 denen Der Vaticanische Pallast. denen der eine von vorn, der andere von hinten den Koͤrper hat bedecken sollen, und auf den Schultern zusammengeknuͤpft wurde, haͤngt uͤber den einen Arm herab. Visconti im Museo Clementino haͤlt diese Fi- gur fuͤr einen Apollo Musagetes. T. I. tav. 23. Ich war auf diese Vermuthung gekommen, ehe ich die Meinung dieses Autors wußte, und halte sie daher nicht fuͤr unwahrscheinlich. Diese Figur stand ehemals im Garten des Pallasts Quirinale. Winkelmann G. d. K. W. Edit. S. 487. erwaͤhnt ihrer mit Ruhme, des reitzenden Kopfes wegen. Mich duͤnkt er hat Recht. Fea in seiner Ueberse- tzung T. II. S. 118. not. B. sagt: sie verdiene das Lob nicht ganz, aber man sehe ihr an, daß sie nach einem guten Originale gearbeitet sey. Ein sitzender Trajan aus Villa Mattei. Der Kopf scheint nicht aͤcht zu seyn, und ist sehr beschaͤdigt. † August. Eine schoͤne edle Figur deren Ober- leib nackt ist. Um die Lenden ist ein Mantel geschla- gen. Man behauptet, diese Figur sey unversehrt; aber die Beine sind unstreitig neu. † Eine kleine sitzende Muse, Urania ge- nannt. Sie traͤgt Federn auf dem Kopfe, ein Zei- chen des Sieges, den die Musen uͤber die Sirenen davon trugen. Des reitzenden Charakters, und des Gewandes wegen zu bemerken. Commodus zu Pferde, unter Lebensgroͤße, aus dem Pallast Mattei. Mittelmaͤßig. Ich zeige sie an, weil Bernini die Idee des Pferdes seines Constantins davon entlehnt haben soll. Eine Hand- werkeranekdote! Diese Der Vaticanische Pallast. Diese Statue stand zu meiner Zeit † auf einem Sarcophag mit Basreliefs von sehr artiger Erfindung. Unter andern erinnere ich mich der Vorstellung zweier Amorinen, die ihre Fackeln an einen zwischen ihnen beiden stehenden Altar gelehnt hat- ten, an jeder Seite eine, so daß die Flammen zusam- menschlugen. Auf diesem Feuer verbrannten oder erwaͤrmten sie einen Schmetterling, von dessen aus- gespreiteten Fluͤgeln jeder einen hielt. Eine artige Idee, und in der Ausfuͤhrung so gefaͤllig geordnet! Annius Verus. Ein schoͤner Kindeskopf. Ein schoͤn gearbeiteter Kopf eines Weibes, in Jahren, die sich dem Alter naͤhern, mit wahrem Ausdruck der Gutherzigkeit. Vielleicht ist dies die Ursach, warum man ihn der Mutter des Titus beilegt. Zwei sitzende Schauspieler aus Villa Mattei. Kleine Figuren. Sie tragen Masken, Roͤcke mit langen Ermeln und Maͤntel. An den Fuͤßen sind sie mit hohen Schuhen und mit Halbstiefeln von Filz nach Art der heutigen Italienischen Bauern be- kleidet. Nemesis. Der Seltenheit wegen zu bemerken. Sie hebt den einen Zipfel ihres Gewandes uͤber der Brust nach dem Kopfe zu. Eine Stellung, in der sie auf geschnittenen Steinen haͤufiger vorkoͤmmt. Nemesis ist wahrscheinlich, strafende Gerechtigkeit. Bedeutung der Goͤttinn Nemesis. Allein die Handlung des Spuckens in den Schooß, gehoͤrt unter die Allegorien, die keinen deutlichen Be- griff geben, weil der Gebrauch des Zeichens nicht zu gleicher Zeit mit dem Sinn desselben auf uns gekom- men ist. Einige finden darin eine Art: von Gott G 4 sey Der Vaticanische Pallast. sey bei uns, von Verwahrung gegen Zauberei; an- dere einen Ausdruck des Verabscheuens des Lasters; wieder andere, in dem gebogenen Ellenbogen, ein Maaß der Suͤnden. † Eine Vase von durchsichtigem Orientalischen Alabaster. Wenn man ein Licht hinein setzt, das uͤbrige Zimmer aber dunkel laͤßt, so verbreitet dies eine angenehme sanfte Klarheit durch den Alabaster. Die Farbe desselben ist sehr schoͤn, gelb mit braͤunli- chen Cirkeln, die sich bis zu einem Punkte in der Mitte verkleinern. Die Form ist nicht sehr schoͤn. Sie ward zu St. Carlo al Corso gefunden, woselbst ehemals das Grabmahl des Augusts befindlich war, und es duͤrfte vielleicht nicht unwahrscheinlich seyn, daß die Asche einer der Personen seiner Familie darin aufgehoben gewesen waͤre. Ein Kind mit einem geraubten Beutel. Die Formen sehr reitzend, und der Ausdruck von Schalkheit unvergleichlich. August, eine Figur, die opfert. Das Ge- wand ist schoͤn. Ob aber der aufgesetzte Kopf dan Rumpfe gehoͤrt, bleibt wenigstens zweifelhaft. Jupiter und dessen Cha- rakter. † Jupiter aus dem Hause Verospi. Groͤße und Guͤte, wie man sie sich bei einem Manne in Verbindung denken darf, dem das reife Alter und lange Erfahrung Herrschaft uͤber seine Lei- denschaften, wahres Gefuͤhl von der Bestimmung sei- ner Vorzuͤge, und Billigkeit gegen die Schwaͤchen anderer gegeben haben, machen den Charakter des Vaters der Goͤtter und der Menschen aus. Sein Wink erschuͤttert das Weltall, aber sein Wink beschirmt auch den geringsten seiner Bewohner, und Der Vaticanische Pallast. und dieser naht sich ihm mit Ehrfurcht und Ver- trauen. Unsere Statue gibt diesen Begriff mehr als jede andere dieses Gottes; aber sie laͤßt doch die Vermu- thung uͤbrig, daß sie Wiederholung einer weit vor- zuͤglicheren sey, die verlohren gegangen ist. Sie ist sitzend vorgestellt. Kopf und Leib sind die schoͤnsten Theile. Die Falten des Gewandes, das um die Huͤften geworfen ist, mit einem Faltenschlage in gros- sem Stile, zeigt das Nackte sehr gut an. Wahrscheinlich hat dies Stuͤck ehemals eine hoͤhere Ausstellung gehabt, wodurch die Beine von unten gesehen dem Auge entzogen gewesen sind. Sie find vernachlaͤßigt; die Arme aber neu. Die Statue steht dem Zuschauer an dem gegen- waͤrtigen Orte zu nah, und in einem wenig vortheil- haften Lichte. Um sie recht zu beurtheilen, muß man sie bei Fackeln sehen. † Cleopatra. Unter diesem Nahmen ist eine Cleopatra. liegende weibliche Figur bekannt, die am Arme eine Schlange traͤgt. Diese Schlange ist ein bloßes Arm- band, denn ich habe in Florenz und Portici zwar nicht Armbaͤnder, aber doch Ringe von aͤhnlicher Form gesehen. Wie kaͤme auch die Schlange an den Arm? Daß folglich diese Figur eine Cleopatra nicht vor- stelle, bleibt bei mir gewiß; was sie aber dagegen wuͤrklich vorstelle, getraue ich mir nicht zu ent- scheiden. Winkelmann G. d. K. S. 785. aͤußert die Vermu- thung, daß diese Figur entweder eine schlafende Nymphe G 5 Fuͤr Der Vaticanische Pallast. Fuͤr uns ist es genung, in dieser Figur den Aus- druck sanfter Ruhe zu sehen: Eine schlafende Frauens- person. Das Gewand ist vortrefflich, die swelten Umrisse des Koͤrpers zeichnen sich sehr deutlich dadurch hin, und der Wurf desselben, die Ordnung und Be- handlung der Falten machen es der Aufmerksamkeit des Liebhabers besonders werth. Die Stellung ist sehr reitzend. Winkel- Nymphe oder eine Venus vorstellen koͤnne. Lens sur le Costume des peuples de l’ antiquité, edit. de Dresde. 1785. S. 27. will von der gewoͤhnlichen Erklaͤrungsart nicht abgehen. 1) Weil die Schlange in ihren Windungen zu irregulaͤr sey, um ein Arm- band vorzustellen. 2) Weil das Gewand, welches zwar fuͤr jede andere Koͤnigin als Cleopatra nicht anstaͤndig genung seyn moͤchte, dennoch fuͤr eine Nymphe zu viel die Majestaͤt bezeichnendes habe. Den letzten Grund will ich auf seinen Werth und Un- werth beruhen lassen, nur in Ansehung des ersten merke ich an, daß er auf eine falsche Behauptung gebauet sey. Der Kopf der Schlange richtet sich in die Hoͤhe, der Leib bildet zwei egale Windungen wie Cirkel um den Arm herum, und der Schwanz faͤllt unten in einer etwas sich schlaͤngelnden Rich- tung herab. Eben so sind die Ringe gestaltet, die ich gesehen habe. Fea ital. Uebers. der Winkelm. G. d. K. T. II. S. 330. n. B. und C. fuͤhrt noch mehrere Widerlegungsgruͤnde an, aus denen ich den durchschlagendsten heraushebe. Der Leib der Schlange im Armbande ist platt: Sollte er einer wuͤrklichen Schlange gehoͤren; so muͤßte er rund seyn. Der Vaticanische Pallast. Winkelmann S. 782. G. d. K. wirft dem Kopfe vor: er sey verzeichnet. Der Fehler liegt an der Nase und dem Munde, welche ergaͤnzt sind. Sie liegt jetzt auf einem Sarcophage mit einem mittelmaͤßigen Basrelief, den Streit der Titanen mit den Goͤttern vorstellend. Sturz einer Saͤule von vielfaͤrbigem Porphyr. Sie ist merkwuͤrdig wegen der Seltenheit der Materie, und wegen ihrer ehemaligen Bestimmung. Sie diente lange zum Pfeiler, eine Faͤhre, die uͤber die Tiber fuͤhrt, daran zu binden, bis ein Zufall auf die Entdeckung ihres Werths fuͤhrte. Eine Diane, im Laufe vorgestellt. Eine ge- woͤhnliche Idee, die aber hier vorzuͤglich gut ausge- fuͤhrt ist. Aesculap und Hygea. Gruppe. Der Ge- danke besser als die Ausfuͤhrung. Der Kopf der Hy- gea aufgesetzt. Mehrere schoͤne Gefaͤße. Uebrige Kunstwerke in diesem Zimmer. Ein Krieger als Gladiator restaurirt. Beide Arme neu. Er setzt den Fuß auf einen Helm. Fragment einer Aegyptischen Gottheit, aus schwarzem Granit. Anubis Aegyptisches Idol mit einem Hundskopfe, von schwarzem Basalt. Ein sogenannter Discobolus Mythras. S. die Villa Negroni. Eine Rotunde Der Vaticanische Pallast. Eine sitzende Juno, die einen Knaben saͤugt. Der Kopf ist nicht ganz schlecht, aber das Uebrige sehr mittelmaͤßig. Ehemals im Pallast Quirinale. Winkelmann G. d. K. Wiener Edit. S. 274. glaubte, der Knabe stelle einen Hercules vor. Visconti in der Beschreibung des Musei Clementini haͤlt den Knaben fuͤr einen Mars. T. I. tav. 4. S. 4. 5. Koͤnnte die Gruppe wohl eine Venus Genitrix vorstellen, in dem Verstande wie sie, zu Ehren der Kaiserinnen als Kindbetterinnen, mit dem neugebohrnen Kinde vorgestellt wird? S. Hr. Hofrath Heyne Antiquar. Aufs. I. Stuͤck. nr. 2. S. 160. Julia Mammaͤa, Mutter des Kaisers Alexan- der Severus. Buͤste. Maximiana Fausta, Gemahlin Constantins. Buͤste. Saloninus, Valerianus. Buͤsten. Ein unbekannter Kopf. Julia, Tochter des Titus, August mit Aehren bekraͤnzt, Caͤsar, Marcus Agrippa, Clodius Al- binus, Marcia Otacilia Severa, Kaisers Philipp Severus Gemahlin, Pertinax, Crispina, zwei un- bekannte Koͤpfe, lauter Buͤsten, fuͤr deren Benen- nung ich inzwischen nicht Gewaͤhr leiste. Noch, Cicero, Mamea, Titus, Heliogaba- lus, Domitia, Septimius Severus, unbekannter Kopf. Ein Aegyptisches Idol, Victoria, noch eine Aegyptische Gottheit von schwarzem Basalt. Kopf des Scipio Africanus. Die Arbeit ist schoͤn. Der Ausdruck gemein. Er steht auf einem Leuchter. Agrippina, Mutter des Nero als Ceres. Statue. Ein Basrelief, auf dem ein zweirudriges Schiff vorgestellt ist. Ein Der Vaticanische Pallast. Ein Hirt mit einem Schaafe. Eine antike Copie im Kleinen des obenangefuͤhr- ten Kriegers mit der Chlamys. Die Statue eines jungen Roͤmers in der Toga. Ohne Beweis Nero genannt. Julius Caͤsar, Buͤste, ganz verstuͤmmelt. Antinous, Buͤste, die ehemals Theil einer gan- zen Statue ausgemacht zu haben scheint. Eine Vase auf einem Cippus, an dem mehrere Handlungen sowohl aus der griechischen Mytholo- gie, als der roͤmischen Geschichte vorgestellet sind. Fuͤr die Kunst unbedeutend. Kopf eines griechischen Helden. Kopf der Sabina, Gemahlin des Hadrian. Unbekannter Kopf. Eine Urne aus Alabaster. Kopf mit einem Helm, worauf die Spitze be- findlich ist, an der man einen Flamen wieder erken- nen will. Mebrere unbekannte Koͤpfe. Kopf eines Silen. Eine kleine antike Copie der liegenden Nymphe, die unter dem Nahmen der Cleopatra bekannt ist. Fragment der Statue einer Meergoͤttin. Wahr- scheinlich stand sie auf einer Fontaine. Gut. Caracalla. Buͤste. Pertinax, zwei unbekannte weibliche Koͤpfe. Fragment einer sitzenden Frau mit guter Drap- perie. Eine weibliche bekleidete Figur beim Grabe des Nero gefunden, mit einem kuͤnstlichen Kopfputz. Eine sitzende Nympbe. Ein liegender Bacchus. Ein kleiner stehender Bacchus. Eine Venus. Eine Juno. Frag- Der Vaticanische Pallast. Fragment eines Apollo. Eine Juno mit einem modernen Kopfe. Eine Meergoͤrtin, vielmehr eine Venus. Der Haaraufsatz und das Individuelle der Gesichtsbil- dung lassen auf ein Portrait schließen. Eine Consularstatue, die man Seneca nennt. Der Kopf modern. Ein Faun in der gewoͤhnlichen Stellung mit der Hand in der Seite. Einige unbekannte Koͤpfe. Ulysses, Plotina des Trajans Gemahlin, Clau- dius, Mammaͤa, Buͤsten. Ein altes Weib, aus dem Pallast Colonna hieher geschenkt. Wahrscheinlich aus der Schule des Michael Angelo. Commodus, aus dem Pallast Doria. Ein unbekannter Kopf. Messalina, noch ein unbekannter Kopf. Ein Apollino aus Bronze. Hadrian, Tiber, Buͤsten. Eine weibliche Figur mit einem Schleier. Auf dem Haupte sieht man Schlangenkoͤpfe, welche ein bloßer Zierrath zu seyn scheinen. Inzwischen hat man ihr daher den Nahmen Isis beigelegt. Ein Canopus aus Alabaster. Ein Apollo mit der Leier, sitzend. Der Kopf scheint ein Portrait zu seyn. Ob aber des Nero? wie behauptet wird, ist wenigstens zweifelhaft. Tribonianus Gallus, aus Bronze. Selten, aber schlecht. Schauspieler mit der Maske. Nur der Rumpf ist alt. Ein Badesclave. Junius Brutus. Ein Kopf voller Ausdruck, der aber den Nahmen ohne allen Beweis fuͤhret. Perti- Der Vaticanische Pallast. Rotunde . Dieser Saal hat eine Kuppel mit Fenstern, durch die das Licht von allen Seiten auf die Statuen faͤllt. Die Bauart ist, wie mich duͤnkt, zu einer richtigen Beleuchtung von Statuen, auf die das Licht nur von einer Seite, und noch dazu nicht aus einer so uͤbermaͤßigen Hoͤhe fallen darf, wenig zweckmaͤßig. Uebrigens ist die Hoͤhe des Zimmers der Groͤße der colossalischen Figuren angemessen. † Zwei Termen mit weiblichen Koͤpfen. Zwei weibli- che Termen mit collossa- lischen Koͤ- pfen, bekannt unter dem Nahmen der Tragoͤdie und der Co- moͤdie. Colossal. Sie haben unter einander so viel Aehnlich- keit, daß man annehmen duͤrfte, sie waͤren nach einer Idee gearbeitet, oder zu Gefaͤhrten urspruͤnglich be- stimmt gewesen. Nur in dem Grade der Guͤte gehen sie von einander ab, und in dem Kranze von Wein- laub und Trauben, den der beste unter diesen beiden Koͤpfen allein zum Haarschmuck traͤgt. Die Kenner sind sich uͤber die Bedeutung dieser Koͤpfe nicht einig. Einige finden in ihnen idealisirte Portraits Pertinax. Ein ausdrucksvoller Kopf. Faustina als Venus Victrix; mittelmaͤßig. Ein liegender Knabe mit einer Gans. Die Haͤnde sollen alt seyn. S. Fea’s Uebers. d. G. d. K. T.I. S. 382. n. A. Eine Roma. Ein Knabe der Flaschen in der Hand traͤgt. Eine Ariadne. Eine unbekannte Statue, der man Scepter und Schild in die Hand gegeben hat. Zwei Saͤulen von Verde antico. Ein Tisch von eben diesem Marmor. Der Vaticanische Pallast. Portraits einer Person aus der Familie des Ha- drians — denn in dessen Villa zu Tivoli sind sie gefunden, — andere nennen den Kopf mit dem Kranze die Muse der Tragoͤdie, den Kopf ohne Kranz aber die Muse der Comoͤdie. Sey was es sey, der Kopf mit Weinlaub be- kraͤnzt, gehoͤrt unter die schoͤnsten, die sich aus dem Alterthume auf uns erhalten haben, sowohl in Ruͤck- sicht auf Schoͤnheit der Formen, als Wahrheit des Charakters, und Zartheit der Ausfuͤhrung. Der bewundernswuͤrdigste Fleiß zeigt sich in den Beiwer- ken, ohne daß das Ganze dadurch trocken geworden waͤre. Der Lockenbau ist sonderbar, und laͤßt sich nicht gut entwickeln, wenn man nicht einen Aufsatz von fremden Haaren annimmt. Uebrigens hat sich dieser Kopf bis auf die Spitze der Nase, welche allein ergaͤnzt ist, unversehrt erhalten. Die Augenbrau- nen sind genau angedeutet. Der andere Kopf, wie bereits bemerket ist, hat minderen Werth, aber fuͤr sich betrachtet, allen An- spruch auf unsere Aufmerksamkeit. † Neptun oder Ocean, eine Terme, mit einem colossalischen Kopfe. Er traͤgt Hoͤrner und einen Kranz von Weinreben und Trauben. Seine Haare heben sich bei der Wurzel etwas in die Hoͤhe, und die Spitzen sinken herab. Floßfedern bilden seine Augenbraunen, und gehen um die Backen herum. Im Barte sieht man kleine Fische. Der Ausdruck von Adel und Groͤße leidet wohl nicht, diesen Kopf auf einen Triton oder einen andern Meergott einer geringeren Classe zu deuten. Wenig- stens haben die aͤhnlichen Vorstellungen in der Villa Albani Der Vaticanische Pallast. Albani, die Winkelmann S. 294. G. d. K. mit diesem Nahmen belegt, einen viel gemeineren Charakter. † Melpomene aus dem Hofe des Pallasts der Cancellaria hieher gebracht. Eine edle majestaͤtische Figur von colossalischer Hoͤhe und großem Charakter. Die Haͤnde sind neu. Ihr schoͤnes Gewand besteht aus einem Rocke mit langen Ermeln, der von einem sehr breiten Guͤrtel unter der Brust umschuͤrzt ist. Ein Mantel haͤngt auf der Schulter. Colossalischer Kopf eines Jupiter aus weißem Marmor. Sehr gut. Ein colossalischer Kopf aus schwarzem Basalt aus Villa Mattei hieher gebracht und † Ein anderer aus weißem Marmor, wel- Jupiter Se- rapis. che beide einen Jupiter Serapis vorstellen. Der letzte traͤgt eine Hauptbinde, an der man Loͤcher be- merkt, in denen ehemals Radii oder Strahlen aus Bronze eingefugt gewesen sind. Ich nehme diese beiden Koͤpfe zusammen, weil sie beide in einer Vorstellungsart zusammen kommen; obgleich der letzte den ersten an Schoͤnheit weit uͤber- trifft, und vorzuͤglich in Ansehung der schoͤnen Ar- beit unter die besten des Alterthums gerechnet wer- den kann. Ein Jupiter Serapis unterscheidet sich von einem Bedeutung und Charak- ter eines Ju- piter Sera- pis. andern Jupiter durch den Scheffel ( modius ) auf dem Haupte, und durch einen strengen ernsten Blick. Wahrscheinlich liegt bei dieser Vorstellungsart eine Aegyptische Idee zum Grunde, die die Griechen ver- fei- Erster Theil. H Der Vaticanische Pallast. feinert haben. Vielleicht Beschuͤtzer des Getraides, das durch Kraͤfte aus dem Schooße der Erde, und durch den Einfluß des Himmels Wachsthum und Gedeihen erhaͤlt. Winkelmann G. d. K. S. 289. nimmt ihn mit dem Pluto fuͤr eine und eben dieselbe Gottheit an. Eine sitzende Figur colossalisch. Man gibt ihr den Nahmen Nerva. Ich glaube ohne Grund. Sie ist vom Cavaceppi ergaͤnzt, und, wie man sagt, in der Mitte aus Bruchstuͤcken zweier verschiedenen Statuen zusammengesetzt. Beide Arme und die Drapperie, die daruͤber geworfen ist, sind unstrei- tig neu. Ich habe große Zweifel gegen das Alter des gan- zen Werks. Der Kopf sieht dem Dante aͤhnlich. Stellung und Form des Koͤrpers haben viel vom Stil des M. Angelo. Juno. † Juno colossalische Statue aus dem Pallaste Barberini, und die schoͤnste, die wir von dieser Goͤt- tin haben. Winkelmann S. 302. G. d. K. Charakter der Juno. Der allgemeine Charakter einer Juno ist Hoheit und Wuͤrde ohne Lieblichkeit. Sie praͤgt Ehrfurcht ein, aber sie zieht nicht an. Ihre Zuͤge setzen uns durch Regelmaͤßigkeit in Bewunderung, aber sie sind ohne gefaͤlligen Reitz. Ihre Augen liegen mit der Stirn in gleicher Erhoͤhung und sind hoch gewoͤlbt. Um den Mund herum herrscht etwas gebietrisches. Der voͤllige Busen zeigt das reifere Alter an. Außer- dem bezeichnet sie ein Diadem in Form eines laͤnglich- ten Der Vaticanische Pallast. ten Dreiecks, dessen kuͤrzeste und zugeruͤndete Spitze wie ein Gipfel in die Hoͤhe gerichtet ist. Unsere Statue wird staͤrker gefallen, je oͤfterer und laͤnger man sie ansieht. Kopf und Gewand sind gleich schoͤn. Beide Arme sind modern. Diese Statue ward zu meiner Zeit an einigen Stellen ausgebessert. Ich hatte Gelegenheit, auf das Geruͤste zu steigen, und bemerkte bei dieser Ge- legenheit, daß Kopf und Hals schon in aͤlteren Zeiten in den Rumpf eingefuͤget waren. Claudius. Ein colossalischer Kopf, weich und sein gearbeitet. Dir Nase hat sich erhalten; aber der Hinterkopf und ein Theil des Lorbeerkranzes sind neu. Juno Lanuvina, von Lanuvium, welcher Ort ihr besonders heilig war. Sie ist mit einer Ziegen- haut umgeben, deren Kopf uͤber den ihrigen in Form eines Helms gezogen ist. Die Ziegenfuͤße sind auf der Brust zusammengebunden. Arme und Beine sind neu. Man hat bei der Ergaͤnzung und der Be- nennung eine Muͤnze und ein Basrelief in der Villa Pamfili vor Augen gehabt. Die Schuhe hat der nunmehro verstorbene Aufseher des Musei, Abbate Visconti nach dem Bruchstuͤcke eines Fußes von Por- phyr, welchen er besaß, ergaͤnzen lassen. Im Ganzen ist diese Figur mehr der Seltenheit als der Schoͤnheit wegen merkwuͤrdig. Sie stand ehemals im Pallast Paganica. † Faustina eine colossalische Buͤste. Es fehlt ihr zum Leben nur die Sprache. † In dieser Rotunde wird man nunmehro einen Fußboden von Mosaik sehen, der zu Utricoli ge- funden ist. In der Mitte desselben ein Medusenkopf- H 2 und Der Vaticanische Pallast. und rund herum in verschiedenen Abtheilungen der Streit der Centauren und Lapithen, die Reisen des Ulysses, einige Nereiden und Tritonen. Ein schoͤnes Werk! Noch stehen in diesen Zimmern: Plotina. Buͤste. Eine Terme, die man fuͤr eine Ariadne ausgibt. Ein junger Mensch mit einer Bulle am Halse, Commodus genannt. Vorplatz. Auf dem Vorplatze der zur Treppe nach der Bibliothek und den Zimmern des Cardinals Zelada fuͤhrt. † Zwei Aegyptische Idolen im griechischen Stile gearbeitet, aus rothem Granit. Sie sind von schoͤnem Charakter, colossalisch, und dienen der Ar- chitrave uͤber der Thuͤr zu Caryatiden, wozu sie, der eckigten Saͤule an die sie gestellet sind, dem Korbe auf dem Haupte, und dem festen stemmigten Stande nach, auch von Anfang an bestimmt gewesen zu seyn scheinen. Sie standen ehemals zu Tivoli. Winkel- mann, S. 92. G. d. K. der uͤberhaupt eine weitlaͤuftige Beschrei- bung derselben gibt, findet in dem Gesichte eine dem Antinous aͤhnliche Bildung. Ein Priester welcher opfert. Der ver- schleierte Kopf scheint modern zu seyn. Man schaͤtzt das Der Vaticanische Pallast. das Gewand. Diese Figur stand ehemals zu Vene- dig im Pallast Gustiniani. Hier stehen noch: Eine Consularstatue. Ein Lucius Verus. Ein August mit der Toga. Eine Muse. Eine Priesterin, Figur mit dem Schleier, die man Juno nennt. Ueber der Thuͤr ist ein großes Basrelief befind- lich: Kampf zweier Maͤnner mit einem Loͤwen und einem Tiger. In der Ital. Ubers. der Winkelm. G. d. K. von Fea, finde ich einige Nachrichten uͤber diese Samm- lung, von denen ich gestehe, daß ich nicht weiß, wel- che von den angezeigten Stuͤcken sie betreffen; oder ob sie sich auf Stuͤcke beziehen, die zu meiner Zeit noch nicht aufgestellet waren. 1) T. I. S. 319. n. A. erwaͤhnt Fea einer Diana im langen Kleide aus Villa Pamfili. 2) T. II. S. 422. n. A. Einer Cybele aus den Gaͤrten des Vaticans. Winkelmann nennt sie Ne- mesis. 3) T. II. S. 122. n. B. Eines Basreliefs. Ein kindlicher Faun, dessen Winkelmann als in der Villa Albani befindlich gedenkt, aus einer Schaale trin- kend. Siehe Villa Albani. 4) Endlich T. I. S. 316. n. c. zweier Statuen der Venus in der Stellung der Cnidischen. H 3 Theil Der Vaticanische Pallast. Theil des Vaticanischen Pallasts, in dem sich die Mahlereien befinden. Mahlereiendes Raphael. Mahlereien des Raphael . Die weitlaͤuftigsten Compositionen, die mehresten wichtigen Werke Raphaels finden sich in diesem Pallaste. Raphael und sein Stil. Ich muß meine Leser mit den Vorzuͤgen dieses großen Kuͤnstlers, mit seinem Geiste in seinen Wer- ken bekannt zu machen suchen. Leonardo da Vinci, Michael Angelo Buonarotti waren ihm vorausgegangen. Leonardo hatte seinen Figuren Ebenmaaß und Ausdruck zu geben gewußt: Michael Angelo hatte einen groͤßern Stil eingefuͤhrt, und dem Fleiße des Kuͤnstlers die wahre Richtung ge- geben: Es blieb unserm Raphael uͤbrig, jene verschie- denen Vorzuͤge in einem erhoͤheten Grade in seiner Person zu vereinigen, und Schoͤnheit der Formen, Weisheit der Erfindung neu hinzuzusetzen. Rafaele Sanzio da Urbino, dessen ruhmvoller Nahme auch bei uns das Buͤrgerrecht erhalten hat, Raphael ward zu Urbino im Jahre 1583 an einem Charfreitage mit allen den Anlagen gebohren, die ei- nen großen Kuͤnstler ausmachen koͤnnen. Er besaß nicht blos jenes wilde Feuer, jene Reitz- barkeit zu ungebaͤndigten Leidenschaften, die mit einer brennenden Einbildungskraft und fruchtbarem Witze verbunden, so oft mit Genie verwechselt werden, oft auch dafuͤr gelten koͤnnen, ohne den bildenden Kuͤnsten wahren Der Vaticanische Pallast. wahren Vortheil zu bringen: Nein! Sein Herz scheint dauernder Waͤrme, ruhiger Fuͤlle faͤhig gewesen zu seyn, und seine Einbildungskraft, die einmahl er- waͤrmt ihre Bilder lange behielt, in dem richtigsten Verhaͤltnisse mit Scharfsichtigkeit und gesunder Be- urtheilung gestanden zu haben. Dieses seltenen Verbandes von Genie und Ge- schmack ungeachtet wuͤrde Raphael, ohne jene Ge- schicklichkeit, die Bilder, die in seiner Seele aufstie- gen, mit dem groͤßten Theile der Wahrheit und Treue andern vor Augen zu stellen, womit sie vor den seini- gen schwebten, doch nur ein sehr mittelmaͤßiger Mah- ler geblieben seyn. Jene Richtigkeit des Auges, jene geschmeidige Festigkeit der Hand, die in den bildenden Kuͤnsten den schwerern Theil, und die nothwendige Grundlage der kuͤnftigen Groͤße des Kuͤnstlers aus- machen; zur Haͤlfte von natuͤrlicher Anlage, groͤße- stentheils aber von langjaͤhriger Uebung abhangen; diesen mechanischen Vorzug verdankte Raphael dem sorgfaͤltigen Unterrichte seines Vaters, und seines ersten Lehrmeisters Pietro Perugino. Dieser letzte hatte das Verdienst, die Natur getreu, einfach und mit ge- nauer Beobachtung des Ebenmaaßes in einzelnen Thei- len — denn im Ganzen sind seine Verhaͤltnisse oft unrichtig, — nachzuahmen. Simplicitaͤt, Treue und Ebenmaaß sind Grundlagen der Schoͤnheit. Sollten sie auch Anfangs sich mit trockener Haͤrte zei- gen; sie ist fuͤr den Lehrling besser als das Ausschwei- fen in ungewisse Formen der Schoͤnheit, und unge- treuen Reitz! Raphael hielt sich eine Zeitlang an die Manier seines Lehrers. Doch zeigt sich schon dazumahl der H 4 Zusatz Der Vaticanische Pallast. Zusatz von Ausdruck, den er in seine Figuren legte; Zu jeder Zeit der unterscheidende Vorzug unsers Kuͤnstlers! Uebrigens entging er durch gar zu große Bestimmtheit, und durch den Fleiß, den er an Ne- bensachen verschwendete, weder der Trockenheit noch der Haͤrte und der kleinen Manier seiner Schule. Der Anblick der Werke des Leonardo da Vinci, des Michael Angelo, des Fra Bartholomeo und der Umgang mit einigen schoͤnen Genies seiner Zeit, er- hoͤheten seine Begriffe von der wahren Bestimmung seiner Kunst. Er lernte das Ueberfluͤssige von dem Nothwendigen absondern, sein Stil wurde groͤßer. Die Fertigkeit seiner Hand machte es ihm leicht, nach demjenigen, was er in den Werken seiner Vorgaͤnger als gut erkannte, die seinigen umzuschaffen. Mit diesen Vorzuͤgen ausgeruͤstet, bot sich ihm die gluͤckliche Gelegenheit dar, die Saͤle des Vati- cans mit seinen Arbeiten zu zieren. Nichts erhebt ein Genie, angefuͤllt mit großen Ideen, so sehr, als ein Feld sich zu zeigen, und die Gelegenheit, die Frucht seiner Meditationen in Anwendung zu bringen. Des Vertrauens seiner Zeitgenossen gewiß, streitet es dann nur mit sich selbst und mit der Vergaͤnglichkeit eines gegenwaͤrtigen Rufs. Inzwischen die Ausbildung macht keinen Sprung. Leichtigkeit und Zuverlaͤßigkeit, welche allein Grazie zeugen, lassen sich nur durch lange Uebung erhalten. Man sieht den ersten Werken Raphaels im Vatican die aͤngstliche Sorgsamkeit an, die uͤber neu zu erlan- gende Vorzuͤge, alte mindere, aber bewaͤhrte, auf- zuopfern fuͤrchtet. So entstand seine zweite Ma- nier Der Vaticanische Pallast. nier, die im Grunde nur eine Verbesserung der er- sten ist. Ausdruck bleibt auch hier der charakteristische Vorzug unsers Meisters. Die dichterische Erfindung zeigt schon die Kenntniß des Grundsatzes, daß alle Figuren in einem Gemaͤhlde einen ungetrennten An- theil an der Handlung nehmen muͤssen: daß sie fuͤr sich, nicht fuͤr den Zuschauer handeln. Allein die mahlerische Anordnung ist zu symme- trisch. Die Zeichnung ist richtig, ist fein, aber zu hart, zu bestimmt, im kleinlichen Stile. Die Ge- waͤnder sind noch in zu viele Partien getheilt; die Ausfuͤhrung ist noch zu trocken, der Fleiß zu sehr auf Nebensachen verschwendet. Ja! ein gewisser gothi- scher Schmuck, z. E. goldener Schein um die Koͤpfe der Heiligen, goldene Stickerei auf den Gewaͤndern, ist noch nicht abgelegt. Aber der Begriff von Vollkommenheit war zu sehr in Raphaels Seele gegruͤndet, als daß er lange auf dieser Stufe haͤtte stehen bleiben sollen. Wir fin- den ihn beschaͤfftigt, ihr auf verschiedenen Wegen nachzustreben. Bald zieht das Colorit alle seine Auf- merksamkeit an sich, wie in dem Gemaͤhlde der Messe zu Bolsena: Bald strebt er dem Helldunkeln nach, wie in dem Gemaͤhlde der Befreiung des heiligen Pe- trus: Bald aber zwingt ihn uͤberhaͤufte Arbeit, sei- nen Schuͤlern die Ausfuͤhrung seiner Ideen zu uͤber- lassen, und da er die Concurrenz des Michael Angelo in der Zeichnung fuͤrchtet, so verwendet er seine ver- doppelten Kraͤfte an diesen wichtigsten Theil seiner Kunst. Hier aber steht er in Gefahr, den Anschein H 5 von Der Vaticanische Pallast. von Groͤße in den Werken seines Nebenbuhlers, das Riesenmaͤßige, das Uebertriebene, mit der einfachen Groͤße der Antiken zu vertauschen. So sieht man ihn in der Figur der Gerechtigkeit im Sale Constan- tins, so sieht man ihn in einigen Figuren im Ge- maͤhlde des Incendio del Borgo. Aber bald ent- deckt er den Abweg, er kehrt zu sich selbst zuruͤck, und bereichert mit Schoͤnheiten, die er selbst seinen Irrun- gen zu verdanken hat, zeigt er sich in aller seiner Groͤße in dem beruͤhmten Gemaͤhlde der Transfigu- ration, und geht zu den Unsterblichen uͤber. Diese haͤufige Abwechselung, dieses unablaͤßige Streben nach Vollkommenheit, die er auf unzaͤhligen Stufen zu erreichen suchte, macht die Bestimmung seiner Manier in der letzten Epoche seines Alters ziem- lich ungewiß. Jedes Bild aus dieser Zeit hat seine eigene Manier, oder vielmehr, Raphael hat gar keine, er hat die Verfahrungs-Art der Natur. Sie stellt jeden Gegenstand so vor, wie es der Zweck seiner Bestimmung erfordert. Inzwischen lassen sich einige Grundsaͤtze angeben, die Raphael mit Haltsamkeit befolgt zu haben scheint, einige Vorzuͤge, einige Feh- ler, an denen man ihn in den besten seiner Gemaͤhlde stets wieder erkennen wird. Die poetische Erfindung und der Ausdruck sind die Hauptvorzuͤge Raphaels. Ich habe schon oben gesagt, Pallast Farnese. was poetische Erfindung ist. Die Wahl der Gegenstaͤnde, die Raphael darzustellen hatte, hing selten von ihm ab. Um Der Vaticanische Pallast. Um so mehr ist die Art, wie er sie uns interessant zu machen gewußt hat, zu bewundern. Er waͤhlte im- mer den Zeitpunkt einer Handlung heraus, in wel- chem sie der Zuschauer am liebsten zu sehen wuͤnscht. Dann aber ließ er nicht mehr Personen auftreten, als zur Verstaͤndlichkeit des Suͤjets noͤthig waren, und diese verband er durch den natuͤrlichsten und ungetrenn- testen Antheil an der Haupthandlung. Die Haupt- figuren ziehen allemahl zuerst unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die mahlerische Erfindung oder eigentliche An- ordnung war weniger das Verdienst Raphaels. Es zeigt sich keine Spur in seinen Werken von einer uͤber- legten Zusammenstellung der Figuren, um dem Auge Gruppen von angenehmer Form, oder solche Gruppen darzubieten, die eines vortheilhaften Eindrucks von Licht und Schatten vorzuͤglich faͤhig waͤren. Ausdruck, im weitlaͤuftigen Verstande: Dar- Naͤhere Be- stimmung des Worts Ausdruck in der Mahle- rei, in so fern man da- durch das Hauptver- dienst unsers Kuͤnstlers be- zeichnet. stellung des Gedankens, den der Kuͤnstler in sein Bild zu legen gesucht hat; und im engeren: Darstellung der Fassung der Seele, der Gesinnung, womit jede einzelne Person handelt, ist derjenige Theil der Kunst, worin keiner der uns bekannten Kuͤnstler Raphaeln gleich koͤmmt. Ohne Anmaaßung sich dem Zu- schauer verstaͤndlich zu machen, sagt jede Figur genau und deutlich das was sie fuͤr die Handlung und den Ort der Scene sagen soll. Nie uͤberschreitet er die feine Graͤnzlinie zwischen dem zu Viel, und dem zu Wenig, und nie opfert er die Schoͤnheit dem Aus- drucke ganz auf. Man Der Vaticanische Pallast. In wie fern man der Zeichnung die Beiwoͤr- ter, schoͤn, bestimmt, richtig, fein, beilegt, und welche dersel- ben von Ra- phaels Zeich- nung gelten koͤnnen. Man sagt oft von der Zeichnung des Kuͤnstlers, sie sey schoͤn: man sagt aber auch von ihr, sie sey be- stimmt, richtig, fein, zierlich, im großen Stile, Diese Beiwoͤrter, die oft mit einander verwechselt werden, haben jedoch jedes fuͤr sich, eine von einander sehr abweichende Bedeutung. Schoͤnheit der Zeichnung geht eigentlich auf die Wahl der Formen. Raphael hat nie das Sublime der Antiken noch das Gefaͤllige des Correggio erreicht. Er waͤhlte seine Weiber aus der Natur, und er brachte, wie es scheint, keine große Abwechselung in diese Wahl. Sie haben beinahe alle den Charakter eines sanften Ernstes, aber selten setzen sie uns durch die majestaͤtische Uebereinstimmung ihrer Zuͤge in Be- wunderung, oder ziehen uns durch holdselige Lieblich- keit an. Seine Kinder sind von gemeiner Natur, seine Juͤnglinge schoͤn, aber ohne die Erhabenheit der Formen, unter denen wir, berechtigt durch die Sta- tuen des Alterthums, uns eine Heldenseele denken. Das reifere Alter des Mannes, und Greise gelangen ihm in der Darstellung am besten. Mit welcher Vorsicht Ra- phael Bild- nisse lebender Personen in seinen histo- rischen Ge- maͤhlden an- brachte: Raphael brachte oft Abbildungen lebender Perso- nen in seinen Gemaͤhlden an. Aber sie blieben keine kalte Portraits; nein! er bildete sie nach seinen Be- griffen von Schoͤnheit um, und wußte sie durch den passendsten Ausdruck mit der Handlung zu verbinden: Bei dieser Vorsicht ein vortreffliches Mittel, Leben und Wahrheit uͤber ein Gemaͤhlde zu verbreiten! Ja! oft erkennt man auf ihnen sogar Bildsaͤulen der Alten wieder, und hauptsaͤchlich Figuren, die von antiken Basreliefs genommen sind. Raphael, Der Vaticanische Pallast. Raphael, ein anderer Deucalion, hatte das und wie er die Antiken nutzte. Vorrecht, Steine zu beleben. Er hatte lange die Natur studirt, und er verließ sie nicht, als er die An- tike zu Rathe zog. Die erste lieferte ihm Erfahrun- gen, die ihm das Ideal der letzteren bis zum Gefuͤhl der Wahrheit und des Lebens nahe bringen konnten. Seine Einbildungskraft zeigte ihm den leblosen Mar- mor mit alle den Veraͤnderungen, die die Seele, die er ihm einbließ, oder besser, die Fassung in die er ihn versetzte, auf einen organisirten Koͤrper mit aͤhnli- chen Formen haͤtte hervorbringen koͤnnen. Wenn er folglich dem Scheine nach copirte, so erhob er sich im Grunde nur von der Natur zum Ideal. Er verbes- serte sie durch einander, und sein Scharfsinn zeigte ihm genau den Punkt, wo beide zusammentrafen. Vielleicht ist hierin die Ursach zu suchen, warum wir in den Gemaͤhlden Raphaels selten die schoͤnsten der antiken Statuen nachgeahmt finden: Warum er bei- nahe nie uͤber das Gute hinaus ging. Er verzwei- felte daran, in der Natur seines Landes etwas zu fin- den, das ihm den Begriff der hoͤchsten Schoͤnheit bis zur belebenden Nachahmung haͤtte nahe bringen koͤn- nen; und um ihr nicht Wahrheit und Ausdruck auf- zuopfern, enthielt er sich lieber derselben ganz. Moͤchten doch junge Kuͤnstler unserer Zeiten diese Grundsaͤtze des groͤßten ihrer Vorgaͤnger beherzigen! Sie, die sich oft verfuͤhren lassen, durch einen colorir- ten Apollo oder Antinous ohne passenden Ausdruck eine unertraͤgliche Kaͤlte in ihre Gemaͤhlde zu bringen; ohne den Abfall zu ersetzen, den jede Nachbildung selbst an Schoͤnheit der aͤußeren Form leidet! Wahr- heit Der Vaticanische Pallast. heit ist das erste Gesetz der nachbildenden Kuͤnste, Schoͤnheit das zweite, Ausdruck unzertrennlicher Zweck von beiden. Bestimmt- heit und Richtigkeit der Zeich- nung. Bestimmt, fein, — denn dies ist nur ein hoͤhe- rer Grad des Bestimmten, — pflegt man eine Zeich- nung in Ruͤcksicht auf Wahrheit der Umrisse einzelner Theile zu nennen: Richtig, in Ruͤcksicht auf das ge- naue Verhaͤltniß der Theile unter einander. Beide Vorzuͤge der Bestimmtheit und der Richtigkeit besaß Raphael, so weit der Liebhaber sieht, Kenner werfen ihm vor, daß die Muskeln nicht allemahl die Form und Lage haben, die das Ge- schlecht, das Alter, und die Arbeit, wozu sie ge- braucht werden, erfordern. Daß seine Haͤnde nicht schoͤn, und die Muskeln an den jugendlichen Koͤr- pern zu hart angedeutet sind, bemerken auch un- geuͤbte Augen. in einem hohen Grade. Er hatte die Verhaͤltnisse des menschlichen Koͤr- pers nach den antiken Basreliefs studirt. Von die- sen hatte er auch die gute Art, die Glieder in einander zu fuͤgen, und den guten Geschmack, seine Gewaͤnder zu werfen, gelernt. Raphaels Gewaͤnder. Was zu ei- nem gut ge- worfenen Gewande und zu ei- nem wohl- geordneten Faltenschla- ge erfordert wird. Diese Gewaͤnder sind vortrefflich, und wahr- scheinlich die schoͤnsten, die seit Wiederherstellung der Kuͤnste gemahlt sind. Die fliegenden sind vorzuͤglich zu bemerken. Das Hauptverdienst eines gut gewor- fenen Gewandes beruht darin, daß das Nackte be- deckt, aber dem Auge nicht entzogen werde; daß man große Partien von Flaͤchen und Erhoͤhungen bilde, aber Der Vaticanische Pallast. aber keine unfoͤrmliche Massen von Felsen und Thaͤ- lern, die blos dazu bestimmt scheinen, das Licht auf- zufangen; daß diese Partien naͤtuͤrlich in ihren For- men abwechseln; daß der Faltenschlag nie willkuͤhrlich sey, nie ohne hinreichenden Grund; und bei dem Al- lem die Ausfuͤhrung nichts Gradlinigtes, Steifes, oder gar kuͤnstlich Zusammengelegtes zeige. Das Zierliche einer Zeichnung laͤßt sich nicht gut Zierlichkeit der Zeich- nung. beschreiben, aber ein jeder fuͤhlt, was man damit sagen will. Raphael ist darin den Antiken nachge- kommen, erreicht hat er sie nicht. Die lange Gewohnheit al fresco zu mahlen, hat Raphaels Colorit. Raphaels Oehlmahlerei verdorben. Die meisten sei- ner Gemaͤhlde sind nach seinen Zeichnungen von seinen Schuͤlern ausgefuͤhrt, und von ihm retouchirt. Aber dieser letzte Auftrag ist in der Folge der Zeit ausgewit- tert. Man kann daher uͤber seine Staͤrke im Colorit nicht mit Gewißheit urtheilen. Einige seiner Ge- maͤhlde zeigen Strahlen dieses Theils der Kunst. Aber im Ganzen hat er seine Farben nicht hinreichend mit Mitteltinten gebrochen; sein Licht faͤllt ins Rothe, und seine Schatten fallen zu sehr ins Schwarze. Raphael hat bei der Beleuchtung seiner Figuren Beleuch- tung, Hel l dunkles in Raphaels Gemaͤhlden. mehr auf Ruͤndung jeder Figur im Einzelnen, als auf die Wuͤrkung des Lichts und Schattens im Gan- zen gesehen. Er ging dabei sehr einfach zu Werke, legte auf die hoͤchsten Partien weiß auf, und brach dasselbe mit schwarz bis in den Schlagschatten: Von Reflexen wußte er nichts. Wenn er mehrere Figuren zusammen stellte, so kamen die hellesten vorn hin, und die dunkelsten hinten, und auf solche Art schwaͤchte Der Vaticanische Pallast. schwaͤchte er die Lichter ab. Von den Repoussoirs, oder den dunkeln Figuren auf dem Vorgrunde, die das hintere Licht heraus heben, zeigt sich keine Idee in seinen Werken; so wenig, als von dem ausgespar- Beilaͤufige Erklaͤrung des Aus- drucks, accidens de lumiere. ten Fall des Lichts und Schattens, (dem sogenannten accidens ) jener weisen Austheilung des Hellen und Dunkeln, wodurch gewisse Theile mehr als andere, gleichsam von Ohngefaͤhr hervorstechend oder zuruͤck- weichend sich zeigen: es sey daß der Kuͤnstler uͤber- haupt fuͤr das Auge des Zuschauers hier und da eine kleine Ruhe noͤthig haͤlt, oder daß er dasselbe auf ge- wisse vorzuͤgliche Partien besonders aufmerksam ma- chen moͤchte. Darin liegt eine der Hauptursachen, warum seine Gemaͤhlde so wenig auf den ersten Blick anziehen. Er scheint inzwischen nach kleinen Modellen von Wachs oder Thon gearbeitet zu haben, die er der Perspective und der Anordnung wegen zusammen- stellte. Wenn diese von Ohngefaͤhr eine gluͤckliche Abwechselung von Licht und Schatten hervorbrachten, so trug er sie getreu in seine Gemaͤhlde uͤber. Aber im Ganzen trifft man diesen Vorzug zu selten in seinen Gemaͤhlden an, um ihm ein entschiedenes Verdienst daraus zu machen. Raphael war nicht blos ein großer Kuͤnstler, er war auch groß als Mensch. Aber dies gehoͤrt nicht in meinen Plan. Er genoß waͤhrend seines Lebens der Vorzuͤge des Ruhms, den die Nachwelt als den des groͤßten Mahlers neuerer Zeiten bestimmt hat. Er starb in der Bluͤthe seiner Kunst, und seines Alters. Cosa bella mortal passa e non dura. Rapha- Der Vaticanische Pallast. Raphaels Logen oder vielmehr Loggie di Rafaele. Diese Loggie, die auf deutsch sehr uneigentlich Raphaels Logen. durch Logen uͤbersetzt werden, sind weiter nichts, als ein offener Corridor, eine Gallerie mit Arcaden nach dem innern Hofe zu. Richardson ( Description des fameux tableaux, T. III. p. 324.) verwechselt sie mit denen Stanze oder Sales de Raphael. Sie sind sehr haͤufig in Italien, und dienen zur Communication der verschie- denen Zimmer und Etagen eines Gebaͤudes. Diejenige Gallerie nun, die zu den Stanze di Rafaele, zu den Zimmern fuͤhret, in denen die Hauptwerke Raphaels im Vaticanischen Pallaste be- findlich sind, ist von eben diesem Meister und seinen Schuͤlern mit Mahlereien und andern Verzierungen bekleidet, die fuͤr den Ort viel zu gut und nicht passend sind: Zu gut, weil sie bei offenen Arcaden dem Un- gemach des Wetters zu sehr ausgesetzt sind; nicht pas- send, aus Gruͤnden, die ich gleich weiter ausfuͤhren werde. Die Bekleidung besteht aus Arabesken, oder Grotesken, untermischt mit gemahlten Figuren, Bas- reliefs aus Stuckaturarbeit, und Gemaͤhlden am Pla- fond, deren Suͤjets heilige Geschichten vorstellen, und deren Folge die Bibel Raphaels genannt wird. Arabesken scheinen fuͤr einen so großen Ort als Ueber Ara- besken. diesen keine schickliche Mahlerei zu seyn. So viel Achtung Erster Theil. J Der Vaticanische Pallast. Achtung auch Raphaels Geschmack an dieser Art von Verzierung verdient; ich kann doch nicht umhin, mich auf die Seite des Vitruvius zu stellen, und so wie dieser uͤber den herrschenden Geschmack seiner Zeiten an diesen seltsamen Vorstellungen seine Unzufriedenheit bezeugte, uͤber ein aͤhnliches Verderbniß zu der mei- nigen Klage zu erheben. Wie einfoͤrmig ist nicht ungeachtet aller Abwech- selung, die man in die Formen zu bringen sucht, diese Art, die Waͤnde zu bedecken? Was sagt sie unserm Geiste? Ich billige, daß man Landhaͤuser, Cabinets, Boudoirs damit ausziere; sie schicken sich hieher ihrer leichten Zierlichkeit wegen; aber wenn man die Waͤnde, die Plafonds großer Pallaͤste, den einzigen Ort, wo der Kuͤnstler noch ein Feld zu Ausfuͤhrung großer Compositionen findet, an Handwerker, an Decora- tionsmahler verschwendet, das geht mir nahe. In unsern noͤrdlichen Gegenden findet dieses eine Ausnahme. Hier sind sie Nothbehelf. Denn wenn hier auch zuweilen ein Reicher im Stande ist, das Talent zu lohnen, so ist das Talent selten, das den Lohn verdient. Freilich sind Arabesken, wie sie Raphael mahlte, nur in Vergleichung mit seinen uͤbrigen Werken Ar- beiten des Handwerkers. Ob er gleich die Veranlas- sung zu dieser Art von Zierrathen in den Baͤdern des Titus fand, so bereicherte er sie doch mit so vielen neuen Geschoͤpfen seiner Einbildungskraft, daß schon diese allein ihm deu Nahmen eines Genies sichern koͤnnten. Sein Schuͤler Giovanni Nanni da Udina fuͤhrte seine Ideen aus, und er war gluͤcklich genung, in ihm zu gleicher Der Vaticanische Pallast. gleicher Zeit die Leichtigkeit der Hand, und die fleißige Besorgung zu finden, die Werken dieser Art den groͤßten Reitz geben. Die Erfindung dieser Mahlerei hat ihre eigenen Grundsaͤtze. Die Schoͤnheit der Formen, sowohl in den einzelnen Zierrathen, als in den Gruppen, die sie bilden; Simplicitaͤt, Symmetrie bei Mannichfaltig- keit und anscheinender Unordnung; sehr abwechselnde und doch nicht kreischende Farben, scheinen Haupt- erfordernisse dabei zu seyn. Im Grunde haͤngen Compositionen dieser Art blos von der willkuͤhrlichen Schoͤpfung des Kuͤnstlers ab; inzwischen verlangt der Zuschauer dennoch eine gewisse Art von Wahrschein- lichkeit, deren Vernachlaͤßigung seine Augen beleidiget. Wir bemerken dies, wenn der Kuͤnstler Wesen, die wir uns als schwerfaͤllig denken, auf solche setzt, die ihrer schwankenden Eigenschaft nach jenen nicht zum Halt dienen koͤnnten; z. E. Gebaͤude auf Blumen- ranken. So glaube ich auch, daß man sich huͤten muß, das Wahre mit dem blos Conventionellen in eine ungeschickte Verbindung zu setzen. Saͤulen in einem Zimmer, dessen Waͤnde mit Laubwerk bedeckt sind, oder ein Plafond, das eine historische Handlung durch Personen in Lebensgroͤße vorstellet, uͤber Waͤnden, an denen sich Arabesken hinauf schlaͤngeln, bringen alle- mahl einen beleidigenden Uebelstand hervor. Unsere neueren Handwerker haben das Laubwerk, die eigentlichen Zierrathen der Raphaelischen Arabesken schon lange als eine Schule genutzt, als einen Vor- rath, aus dem sie die Verzierungen ihrer Meublen entlehnt haben: In den Figuren, die hin und wieder J 2 ange- Der Vaticanische Pallast. angebracht sind, findet der Kuͤnstler Stoff, seine Ideen zu bereichern, und seinen Geschmack durch Be- trachtung der reitzenden Formen zu verfeinern. Selbst als poetische Erfindung kann manches Suͤjet, das in diese Arabesken eingewebt ist, seiner Aufmerksamkeit werth werden. Wie schoͤn sind zum Beispiel die drei Parzen gedacht! Die juͤngste sitzt auf einem Blumen- topfe, und dreht den Rocken, von dem die mittlere Schwester, die auf einem Korbe mit Fruͤchten ruht, den Faden des Lebens abspinnt, bis endlich die aͤlteste, die aus einem Portale heraustritt, welches den Sitzen der uͤbrigen zur Stuͤtze dient, sich bereit macht, ihn abzuschneiden. Hin und wieder sind, wie ich bereits angemerkt habe, Cameen und Basreliefs angebracht; im Gan- zen wohl nicht mit gehoͤriger Sparsamkeit und schick- licher Verbindung, aber im Detail fuͤr den Liebhaber um so interessanter, da ein Theil wuͤrklich antik aus alten Gebaͤuden ausgehoben und hieher versetzt, ein anderer im Geist der Alten von Raphael erfunden ist. Eine reiche Erndte schoͤner Ideen fuͤr den Kuͤnstler! Gemaͤhlde am Plafond, Raphaels Bibel. Raphaels Bibel. Eine Nomenclatur dieser Gemaͤhlde scheint mir uͤberfluͤßig, denn da sie die bekanntesten Suͤjets aus der heiligen Geschichte enthalten, so erklaͤrt sie der bloße Anblick. Auch werde ich mich nicht auf eine detaillirte Beschreibung und Beurtheilung einlassen, sondern nur hie und da einige Bemerkungen uͤber das Ganze und uͤber einzelne Vorstellungen herausheben. Ist Der Vaticanische Pallast. Ist ein Plafond uͤberhaupt ein schicklicher Ort zur Plafonds scheinen kein schicklicher Ort zu seyn, um daran interessante Gemaͤhlde anzubrin- gen. Aufbewahrung solcher Gemaͤhlde, welche die Aufmerk- samkeit lange fesseln, und durch das Interesse, das sie erwecken, die Augen anheften? Ich glaube nicht. Zuerst ist die Stellung, die man annehmen muß, um eine Sache zu betrachten, die uͤber unserer Scheitel schwebt, an sich schon zwangvoll, und auf die Laͤnge quaͤlend. Ein Gemaͤhlde am Plafond muß den Blick fuͤllen, wenn man ihn hinaufschlaͤgt, aber man muß ihn auch wieder abziehen koͤnnen, ohne zu bedauren, daß man ihn nicht laͤnger dort ruhen lassen kann. Eine andere Unbequemlichkeit ist die Schwierig- keit bei der Wahl des Gesichtspunktes, aus dem der Zuschauer ein Gemaͤhlde an der Decke wahrscheinlich finden soll. Einige Kuͤnstler stellen ihre Figuren so, wie sie der unten stehende Zuschauer sehen wuͤrde, wenn sie in offener Luft uͤber ihm schwebten. Man sieht sie alsdann in der Verkuͤrzung. Andere hinge- gen mahlen das Gemaͤhlde, als wenn es eigentlich be- stimmt gewesen waͤre, dem Zuschauer gegen uͤber auf- gestellet zu werden, und als haͤtte man es entweder als Tafel oder als Decke an den Boden angeheftet. So mahlte Raphael seinen Plafond, so hat Meng s einige der seinigen verfertiget. Die Meinungen sind getheilet uͤber den Vorzug, Soll man die Figuren in horizon- taler oder verticaler den jede dieser Vorstellungsarten verdient. Die An- haͤnger der letzten sagen: Die Verpflichtung, nur solche Suͤjets an die Decke zu mahlen, die wuͤrklich in offener Luft vorgehen koͤnnen, beschraͤnke zu sehr J 3 das Der Vaticanische Pallast. Richtung in einem Pla- fond Ge- maͤhlde stel- len? Der Autor ent- scheidet fuͤr die verticale. das Genie des Kuͤnstlers, welches bei unserer neueren Methode, die Waͤnde mit Tapeten zu behaͤngen, bei- nahe kein ander Feld als Decken zu weitlaͤuftigen Compositionen uͤbrig sehe: Eine Menge der interes- santesten Handlungen, die auf der Erde vorgegangen waͤren, wuͤrden dadurch von der Darstellung ausge- schlossen: Um verkuͤrzten Figuren Wahrheit zu geben, duͤrfe man sie nur von einer Stelle ab betrachten, und von dieser Stelle ab werde zwar eine einzelne Figur, nie aber eine weitlaͤuftige Composition den wahren Gesichtspunkt erhalten: Es sey also unmoͤglich, eine gaͤnzliche Illusion hervorzubringen: Koͤnnte dieses aber auch der Fall seyn, so wuͤrde doch die Voraus- setzung, daß man einen offenen Himmel sehe, sich sehr schlecht in ein vermauertes Zimmer passen: Jene andere, daß man bemahlte oder gewuͤrkte Decken an den Boden anschlage, habe wenigstens das Ver- dienst einer groͤßeren Offenherzigkeit fuͤr sich, und einer geringern Anmaaßung auf Betrug. Diese Gruͤnde haben allerdings viel Anscheinendes, inzwischen zieht mich meine Empfindung doch immer zu denjenigen Deckenstuͤcken hin, die Figuren in Ver- kuͤrzung darstellen, und es fehlt mir auch nicht an Gruͤnden, meinen Geschmack zu rechtfertigen. Freilich kann nur aus einem einzigen Stand- punkte, naͤmlich der Mitte des Zimmers, die wahre Wuͤrkung einer weitlaͤuftigen Composition dieser Art beurtheilt werden, und selbst von dort ab erhalten die entfernten Figuren ihren wahren Augenpunkt nicht: Allein diesem Hindernisse laͤßt sich leicht dadurch be- gegnen, daß man die Decke in mehrere Felder theile, die Der Vaticanische Pallast. die alsdann, jedes fuͤr sich, ihren eigenen Augenpunkt erhalten. Wenn auch das Genie des Kuͤnstlers durch die Nothwendigkeit solche Suͤjets zu waͤhlen, die in freier Luft vorgehen, beschraͤnkt werden sollte, so wuͤrde er eben dadurch vor der Versuchung bewahrt, sehr interes- sante Suͤjets an einen Ort zu bringen, wo ich so viele Muͤhe habe, sein Werk zu betrachten. Allerdings paßt sich fuͤr den Boden eines vermauerten Zimmers ein aufgehangener Teppich besser als ein offener Him- mel; aber dieser Teppich sey nur nicht von dem Wer- the, daß ich sagen muß: Schade, daß er dort haͤngt! Dagegen koͤmmt vielmehr in Betracht, daß Fi- guren, die urspruͤnglich gemahlet sind, um auf einer Horizontalflaͤche gesehen zu werden, wenn sie nachher in verticaler Richtung angeheftet werden, die unna- tuͤrlichste Wuͤrkung hervorbringen. Sie schweben nicht, sie scheinen zu fallen. Ja! da das Auge nach den bekanntesten Regeln der Optik die Figuren, die es in der Entfernung uͤber sich siehet, verkuͤrzt, so darf sie der Mahler, wenn er ihnen nicht ein schwer- faͤlliges Ansehen geben will, nicht in ihrer natuͤrlichen Lage lassen: Er muß von den innerlichen Verhaͤlt- nissen des darzustellenden Koͤrpers abweichen, um sich nach den Verhaͤltnissen, worin das Auge außer ihm siehet, zu richten. Ich wiederhole also meine Meinung uͤber die Be- kleidung der Plafonds dahin, daß mir ein Plafond uͤberall kein schicklicher Ort fuͤr ein Gemaͤhlde scheinet, J 4 das Der Vaticanische Pallast. das eine interessante Handlung darstellt. Geschmack- volle Zierrathen aus Stuck, oder Grau in Grau ge- mahlt, die das Auge anziehen, ohne es zu fesseln, scheinen mir hier an ihrer wahren Stelle zu stehen. Will man aber durchaus historische Figuren an Decken- stuͤcken sehen, so wuͤnsche ich, daß man sie schwebend vorstellen moͤge. Die Bibel Raphaels enthaͤlt Gemaͤhlde, die eigentlich von dem stehenden Zuschauer in horizontaler Richtung gesehen werden sollen. Die Figuren haben ohngefaͤhr eine Hoͤhe von zwei Fuß, welche der Ent- fernung, worin sie das Auge sieht, nicht angemessen ist. Die Feinheit des Ausdrucks in den Minen, Raphaels Hauptvorzug, geht beinahe ganz ver- lohren. Zu allen diesen Stuͤcken hat Raphael Zeichnungen hergegeben, aber nur wenige hat er mit eigener Hand ausgefuͤhret. Diejenigen Schuͤler, die am meisten Antheil daran hatten, sind Perino del Vaga, Giulio Romano, Giovanni Francesco Penni, und Pelle- grino da Modena. Dieser letzte Kuͤnstler heißt eigentlich Pellegrinus Munari da Modena, unter welchem Nahmen man ihn in Fueßlis Kuͤnstlerlexicon suchen muß. Den ersten Stuͤcken, die die Schoͤpfungsge- schichte vorstellen, sieht man deutlich an, daß sich Raphael in die Ideen Michael Angelo’s hinein gedacht hat; wenn man ihm daruͤber einen Vorwurf machen will, so verdient er ihn weniger in Ruͤcksicht der Nach- ahmung, als vielmehr der Wahl des Vorbildes. Der Der Vaticanische Pallast. Der Schoͤpfer hat bestaͤndig den Ausdruck eines graͤm- lichen Alten, und seine Stellung hat oft etwas con- vulsivisch Gedrehtes. In dem Gemaͤhlde, welches das Ordnen des Chaos vorstellt, hat Raphael dem Schoͤpfer den Ausdruck eines ruͤstigen Alten gegeben, der mit ge- waltsamer Anstrengung und ausgespreiteten Armen und Beinen die Elemente aus einander treibt. Wie sehr verliert diese Vorstellung, wenn man sie mit der Idee vergleicht, welche die Worte: „Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht!“ hervorbringen. Das Erhabene dieser Begebenheit beruht auf dem Ge- fuͤhl des geringen Aufwandes von Kraͤften, wodurch eine so große Wuͤrkung hervorgebracht ist, und ich halte es fuͤr unmoͤglich, daß die Kunst dies jemahls durch sichtbare Darstellung errege. Mit eben so wenigem Gluͤcke hat uns Raphael die Begebenheit der Schoͤpfung der Thiere sinn- lich machen wollen. Hier breitet der Schoͤpfer die Haͤnde uͤber eine Menge von Thieren verschiedener Gattung aus, und gleichet einem Hausvater, der seine Menagerie besieht. Um inzwischen die Idee des Werdens, des Entstehens einiger Maaßen zu versinn- lichen, laͤßt er verschiedene Thiere zur Haͤlfte aus der Erde hervorragen, mit der voͤlligen Ansicht, als waͤ- ren sie halb vergraben. Die Mahlerei hat keine zulaͤngliche Mittel, Be- gebenheiten, die sich ohne unaufhaltsame Progression nicht denken lassen, dem Auge deutlich zu machen. J 5 Aus Der Vaticanische Pallast. Aus der Geschichte der Schoͤpfung des Wei- bes hat Raphael nicht den gluͤcklichsten Zeitpunkt her- ausgehoben. Er hat den Augenblick gewaͤhlt, in dem Adam sagt: Das ist Fleisch von meinem Fleische. Wer Miltons Darstellung von dem ersten Zusam- mentreffen des ersten Mannes, des ersten Weibes kennt, der wird sich eine interessantere Situation denken, die den Mahler haͤtte beschaͤfftigen koͤnnen. Obgleich Richardson Traité de la peinture et de la sculpture ou Description des statues, tableaux et desseins en Italie T. III. p. 473. edit. d’Amsterdam 1728. behauptet, daß die Figur der Eva von Raphael selbst gemahlt sey, und daß die Zierlichkeit ihrer Umrisse der Antike nichts nach- gebe; so fuͤllt sie doch keinesweges die Idee von Schoͤn- heit aus, die Miltons Beschreibung in unserer Seele zuruͤckgelassen hat. Um so zufriedener bin ich mit folgenden Compo- sitionen: † Die ersten Eltern nach dem Falle. Eva wird in ihrer Arbeit durch den Streit ihrer Kinder gestoͤrt, die sie zur Schiedsrichterin uͤber einen Apfel zu machen scheinen, den der eine dem andern geraubt hat. Diese Idee zeigt hinreichend den Fall aus je- nem goldnen Zeitalter an, in dem Unschuld und Ueberfluß kein streitiges Eigenthum und keine Schieds- richter zuließ; das Unangenehme des Gedankens, daß nunmehro eigennuͤtzige Leidenschaften den Men- schen beherrschen, wird zwar auf der einen Seite durch ihre Aeußerung in dem zarten Alter der Kind- heit erhoͤhet; aber auch auf der andern Seite durch die Der Vaticanische Pallast. die Nachsicht, die wir gegen dieses Alter und seine noch unschaͤdlichen Fehler haben, um so mehr gemil- dert, da sie zu den reitzendsten Stellungen und der angenehmsten Gruppe die Veranlassung gegeben haben. † Noah mit seiner Familie verlaͤßt die Arche. Abgerissen von allen Freunden ihrer Ju- gend, vielleicht die einzigen im eigentlichsten Ver- stande des Worts, stehen Noah und seine Frau in Kummer versunken, uͤber den wuͤsten Anblick der Erde, an der ihr einsames Alter nur noch durch die Erinnerung haͤngt: Hingegen Hoffnung emporstre- bender Jugend hebt den Busen seines Sohnes, der eine neue Schoͤpfung vor sich sieht, deren Herr er seyn wird; und das Weib dieses letzten — o Ra- phael! wie fein! wie zaͤrtlich! das Weib schlingt ih- ren Arm um den Hals des geliebten Gatten, sieht nur auf ihn, und achtet’s nicht: ob außer ihnen die Welt zu Truͤmmern wird. In allen Gemaͤhlden erkennt man Raphaels Geist, seinen Ausdruck, seine Anordnung, seine Stellungen, seine Gewaͤnder. Folgende aber haben mir die merkwuͤrdigsten geschienen: Die Engel kommen zu Abraham, Loth wandert aus So- dom, Isaac erhaͤlt Befehl, nicht nach Aegyp- ten zu gehen, Jacob trifft Rahel und Lea am Brunnen, Joseph erzaͤhlt seinen Bruͤdern den Traum, den er gehabt hat, Joseph erklaͤrt dem Pharao einen Traum, Ein Bild das Pous- sin sehr geschaͤtzt haben soll: die Findung Moses, die Anbetung des guͤldenen Kalbes, Moses zeigt Der Vaticanische Pallast. zeigt den Kindern Israel die Gesetztafeln, Jo- sua gebietet der Sonne und dem Monde, Eleasar und Josua vertheilen den Kindern Israel das gelobte Land, der Triumph Da- vids, die Koͤnigin von Saba, die Taufe Christi und das heilige Abendmahl. Raphaels Stanze . Raphaels Stanze. Unter diesem Nahmen sind vier Zimmer bekannt, deren Waͤnde Gemaͤhlde von der Hand dieses Mei- sters enthalten, und die, wenn nicht die schoͤnsten, doch gewiß die weitlaͤuftigsten Compositionen sind, die wir von der Hand dieses Meisters kennen. Es ist schwer bei der Beschreibung dieser Ge- maͤhlde kurz zu seyn. Kein Kuͤnstler gibt durch man- nichfaltige Bedeutung und Vorzuͤge, die sich in jedem seiner Bilder mit Abwechselung zeigen, so vielfachen Anlaß zu haͤufigen Bemerkungen. Ich will mich bemuͤhen, aus den vorzuͤglichsten Stuͤcken nur dasje- nige auszuheben, was zu ihrer oft mißverstandenen Erlaͤuterung, und zur Kenntniß des Schoͤnen dienen kann, das diesem Meister eigenthuͤmlich war. Erster Saal. Saal Constantins . Schlacht Constantins. † Schlacht Constantins wider Maxenz, von Raphael erfunden und gezeichnet, von seinem Schuͤler Giulio Romano Von diesem Meister werde ich an einem andern Orte sprechen. ausgefuͤhrt. Rechter Der Vaticanische Pallast. Rechter Hand entscheidet sich der Streit zum Siege fuͤr Constantin. Das maͤchtige Roß des Ueberwinders stampft mit seinen Hufen die Feinde zu Boden. Er selbst auf der Stelle, wo ihn das Auge frei erblickt, hebt den Speer, ihn auf seinen Neben- buhler zu schleudern. Aber sicherer kaͤmpfen fuͤr ihn hoͤhere Geister, die uͤber seinem Haupte schweben. Maxenz hat durch die Tiber mit seinem Pferde gesetzt, und wie dies sich eben auf das gegenseitige Ufer heben will, erschrickt es vor dem obern Glanz, und stuͤrzt ruͤcklings in die Fluthen zuruͤck. Sein Reuter umklemmt noch mit wuͤthender Todesangst sei- nen Nacken, als schon Constantins Soldaten auf ihren Anfuͤhrer zusprengen, und fuͤr die abgehauenen Koͤpfe, die sie ihm entgegen halten, den Preis zu er- langen hoffen, der auf das Haupt des feindlichen Im- perators gesetzt war. Aber ein Dritter, neidisch auf diesen Vorzug, zeigt dem Constantin den wahren Maxenz, im Begriff, ein Opfer der Wellen zu werden. Weiterhin suchen sich Maxenzens Anhaͤnger auf der Flucht in Schiffen uͤber die Tiber zu retten. In ihrer Angst vergessen sie, daß sie Genossen hatten, die mit ihnen denselben Fahnen folgten. Sie stoßen un- barmherzig diejenigen zuruͤck, die sich mit ihnen retten wollen. Im Hintergrunde zieht die siegreiche Armee schon uͤber die Bruͤcke Ponte Molle. Auf der andern Seite sieht man noch das ganze Gewuͤhl der unentschiedenen Schlacht. Der Reuter streitet gegen den Reuter, der Reisig gegen den Rei- sigen. Der Vaticanische Pallast. sigen. Maͤnner zu Pferde zermalmen Maͤnner zu Fuße, und diese kaͤmpfen wieder gegen jene an. Ueber- wundene wehren den letzten Todesstreich ab, und um das Gemaͤhlde zu vollenden, hebt an der aͤußersten Seite ein trostloser Vater den Leichnam des erschlage- nen Sohnes auf. Dies ist der Gedanke des Bildes, die poetische Erfindung. Die mahlerische Erfindung, die eigentliche An- ordnung, in Ruͤcksicht auf Form und Beleuchtung der Gruppen, scheint vorzuͤglich im hintern Theile des Bildes Tadel zu verdienen; die Figuren sind zu unor- dentlich auf einander gehaͤuft. Es ist wahr, die Na- tur des Gegenstandes scheint dies zu erfordern, aber ein geschickter Anordner weiß Mittel zu treffen, durch welche das Auge bei anscheinender Unordnung dennoch gewisse Gruppen absondert, und sich Ruhepunkte waͤhlt, welche die einzelnen Partien zwar nicht von dem Ganzen trennen duͤrfen, aber diese doch weniger als andere hervorstechend machen. Der Ausdruck ist unvergleichlich. Jede Figur verlangt in dieser Ruͤcksicht ein eigenes Studium, aber vorzuͤglich mache ich aufmerksam: auf den Maxenz, auf die Gruppe der Krieger im Schiffe, auf den Reu- ter, der sein niedergestoßenes Pferd beschreitet, und sich dennoch in dieser unvortheilhaften Stellung wehrt, auf jenen andern, der dem Constantin den stuͤrzenden Maxenz zeigt, dann auf den, der seinen Gegner vom Pferde stoͤßt, auf den zu Boden geworfenen Krieger, der mit grimmigem Blicke dem Streich zu trotzen scheint, Der Vaticanische Pallast. scheint, der ihn durchbohren soll, und endlich auf die herrliche Gruppe des Vaters mit seinem Sohne. Der Reichthum in der Wahl der Koͤpfe und der Stellungen ist unendlich; er zeigt auch Raphaels ge- naue Bekanntschaft mit der Antike. Hie und da er- kennt man deutlich ganze Figuren wieder, die er offen- bar von ihr entlehnet hat. Von dieser Art ist das Pferd, das von dem Stoß der Lanze, deren abgebro- chenen Schaft es noch in der Brust traͤgt, niederge- sunken, den Kopf voll huͤlflosen Schmerzes zum Reu- ter kehrt. Eine gluͤckliche Anwendung des Pferdes auf dem Capitol, das von einem Loͤwen zerrissen wird. Auch der Gedanke des Constantins der den Speer schleudert, und der Krieger, die ihm meh- rere abgehauene Koͤpfe der Feinde zeigen, scheint von einem Basrelief das jetzt am Triumpfbogen des Constantins befindlich ist, entlehnt zu seyn. Bei der Vergleichung wird man finden wie gluͤcklich ihn Raphael verbessert hat. Die Zeichnung in unserm Bilde ist sehr bestimmt; Inzwischen werfen ihr Kenner einige Unrichtigkeit in der Lage der Muskeln, und einige Haͤrte in den Um- rissen vor. Das Colorit faͤllt zu sehr ins Schwarze, und die Haltung, welche eine weise Austheilung der Lichter auf gewisse vorzuͤgliche Partien, Harmonie und Luft- perspektive voraussetzt, fehlt gaͤnzlich. † An- Der Vaticanische Pallast. † Anrede des Constantin an seine Solda- ten, gleichfalls von Raphael gezeichnet, und von Giulio Romano, wahrscheinlich mit einigen Zusaͤtzen eigener Erfindung, ausgefuͤhrt. Es ist der Augenblick gewaͤhlt, in welchem der Kaiser zuerst das Kreuz in der Luft erblickt, und seine Soldaten darauf aufmerksam macht. Nimmt man diesen Zeitpunkt nicht an, so wird man in vielen Figuren auf diesem Bilde den Ausdruck des Erstaunens vermissen, den die Erscheinung noth- wendig auf sie hervorbringen mußte. Es laͤßt sich einiges gegen die mahlerische Anord- nung dieses Bildes erinnern. Raphael, oder sein Schuͤler, denn diesem will Richardson die meisten Feh- ler dieses Gemaͤhldes zur Last legen, hat antike Bas- reliefs dabei vor Augen gehabt; aber ein Basrelief ist kein Gemaͤhlde. Ein Basrelief ist ungeschickt, die Wuͤrkungen der Harmonie der Farben, und des eigentlichen Helldun- keln hervorzubringen. Es ist nur einer sehr einge- schraͤnkten Luft- und Linien-Perspektive faͤhig, und die eigentliche Zusammengruppirung thut nur sehr selten die gewuͤnschte Wuͤrkung. Es stellet daher die Fi- guren meistens isolirt und neben einander dar. War- um aber soll das Gemaͤhlde dasjenige als Vorzug nachahmen, was Unvollkommenheit in dem ver- schwisterten Kunstwerke ist? Der possierliche Zwerg am Rande dieses Bildes pflegt den Zuschauern am ersten aufzufallen. Freilich steht er in dieser ernsthaften Composition nicht an sei- ner Stelle. Allein ich weiß nicht, ob derjenige, der fuͤr Der Vaticanische Pallast. fuͤr Verdruß uͤber die haͤßliche Figur gegen die uͤbrigen Vorzuͤge des Bildes blind wird, oder fuͤr Vergnuͤgen uͤber den schnakischen Kerl nur ihn sieht, nicht beide auf gleiche Art fuͤr Waͤhrung des Schoͤnen in der Kunst verdorben sind. Die Figur Constantins ist nicht edel genung, die Zeichnung der uͤbrigen Figuren ist so zu sagen, uͤber antike Basreliefs geformt; sie hat die Bestimmtheit und die guten Verhaͤltnisse des Vorbildes erhalten, aber sie ist auch seiner Haͤrte nicht entgangen. Das Colorit faͤllt, wie in allen Gemaͤhlden des Giulio Romano, in unharmonische Schwaͤrze. Die Haltung ist wie die Haltung eines Basre- liefs. Jede Figur ist fuͤr sich beleuchtet. Die Taufe Constantins, die Schenkung Constantins; von dem Fattore nach Raphaels Zeichnungen ausgefuͤhrt. Sie sind urspruͤnglich schwach gewesen, und haben seitdem sehr gelitten. Die Gerechtigkeit und die Billigkeit oder Milde, zwei in Oehl gemahlte allegorische Figuren. Raphael hat sie wenigstens selbst angelegt; vielleicht sind sie ausgefuͤhrt von seinen Schuͤlern. Man wirft diesen Figuren, vorzuͤglich der Ge- rechtigkeit, zu gedrehte Stellungen vor; Eine An- strengung, von der man den Grund nicht absieht. Man schiebt diesen Fehler auf Rechnung des Florenti- nischen Geschmacks, den Raphael damahls seinen Zeit- genossen zu Gefallen annehmen mußte. Der Fehler mag liegen, woran er will, er fuͤhrt auf folgende Be- trachtungen: Erster Theil. K Mich Der Vaticanische Pallast. Ueber den Ausdruck in Gemaͤhlden, welche einzel- ne Figuren vorstellen, besonders allegorische Mich duͤnkt, wir wuͤnschen bei jeder Figur, die wir mit einer heftigen strebenden Gebaͤhrde vorgestellt sehen, auch den Grund der Fassung der Seele zu wis- sen, die sie hervorbringt. Bei isolirten Figuren ist dies nur alsdann moͤglich, wenn die gegenwaͤrtige Handlung entweder durch ein allgemeines Gefuͤhl von Situationen, die aͤhnliche Aeußerungen bei allen Zu- schauern hervorgebracht haben, oder durch eine allge- meine vorauszusetzende Kenntniß einer individuellen Lage irgend einer beruͤhmten Person aus der Geschichte gerechtfertiget wird. Die Aeußerung des Zorns, der Andacht, der Reue, wird jedem Menschen an und fuͤr sich begreif- lich: es gibt der Veranlassungen zu dieser leidenschaft- lichen Thaͤtigkeit in dem menschlichen Leben so viele, daß er nach der besondern im gegenwaͤrtigen Falle nicht zu fragen braucht. Es ist schlechtweg ein Zorni- ger, ein Andaͤchtiger, ein Reuiger, und daran ha- ben wir genung. Auch wird sich unter solchen, die durch eine gebildetere Erziehung und Wohlstand vorzuͤg- lich auf den Genuß der Kuͤnste berechtigt sind, nicht leicht einer finden, der eine Judith nicht verstehen sollte, die ihre Augen voll Dankbarkeit uͤber die Ret- tung ihres Vaterlandes und ihrer Unschuld, die ihr durch ihren Arm verliehen ist, zum Himmel auf- schlaͤgt. Ganz anders verhaͤlt es sich mit allegorischen Bil- dern abstrakter Begriffe, die wir uns abgezogen von wuͤrksamer Thaͤtigkeit denken koͤnnen. Sie muͤssen Ausdruck haben. Aber dieser Ausdruck darf nicht weiter gehen, als auf Darstellung des Charakters uͤber- Der Vaticanische Pallast. uͤberhaupt. Auf die Darstellung der Fassung der Seele, in der die Eigenschaft, die der abstrakte Be- griff voraussetzt, zu jeder Zeit und in jeder Lage, den unterscheidenden, hervorstechenden Zug ausmacht, und durch diesen auf die sichtbaren Formen des Koͤr- pers eine dauernde Wuͤrkung hervorbringt. Eine Person, deren Seele vom Gefuͤhle der Ge- rechtigkeit durchdrungen ist, wird sich durch eine pruͤ- fende ernste Mine, und durch die Stellung eines ruhigen Nachdenkens unterscheiden; eine Person, in deren Charakter Milde den Hauptzug ausmacht, durch gefaͤllige, Zutrauen erweckende Freundlichkeit. So weit koͤnnen wir sie begreifen, in so weit wird uns der Ausdruck deutlich. Finden wir aber einen solchen Charakter in einer lebhafteren Wuͤrksamkeit in einem Affekte, auf den die Eigenschaft, die der abstrakte Begriff voraussetzt, nicht nothwendig zuruͤckfuͤhrt, so verlangen wir die zufaͤllig einwuͤrkende Ursach zu wis- sen, und finden wir sie nicht, wie dies denn gemei- niglich der Fall bei isolirten Figuren ist, so koͤmmt uns die lebhafte Gebaͤhrde und Stellung gezwungen oder affektirt vor. Noch schlimmer aber ist es, wenn Ruhe eine un- zertrennliche Eigenschaft des abstrakten Begriffs zu seyn scheint, und lebhafte Thaͤtigkeit des allegorischen Bildes damit im Widerspruche steht. Dies scheint der Fall bei der Gerechtigkeit sowohl als der Milde zu seyn. Die Figur der Gerechtigkeit hat einen Strauß neben sich stehen, der wegen der gleichen Laͤnge seiner Federn, auf die gleiche Austheilung des Rechts deuten K 2 soll. Der Vaticanische Pallast. soll. Dieses Hieroglyphische Zeichen scheint nicht gluͤcklich gewaͤhlt zu seyn, weil die Bedeutung weni- gen verstaͤndlich seyn wird. Saal des Heliodorus . Raphael bekam den Auftrag, dieses Zimmer fuͤr Julius II. , den kecken Vertheidiger der Kirche, zu mahlen, und darin mehrere Begebenheiten vorzu- stellen, in denen der Himmel den besondern Schutz, den er der Kirche und ihren Vorstehern angedeihen laͤßt, deutlich an den Tag gelegt hat. Heliodor. † Die Vertreibung Heliodors aus dem Tempel den er pluͤndern wollte, ist das erste un- ter den Gemaͤhlden, womit die Waͤnde dieses Zim- mers bedeckt sind. Der Gedanke dieses Bildes ist folgender: Auf eifriges Gebet des Hohenpriesters Onias laͤßt sich Pabst Julius der Zweite in den Tempel zu Jeru- salem tragen. Engel, Diener seines Zorns, gehēn vor ihm voraus: Einer derselben zu Pferde sprengt den Kirchenraͤuber Heliodor nieder, und zerstreuet seine Begleiter. Zwei andere schweben herzu, die Entehrer der Gottheit mit Ruthen zu zuͤchtigen. Un- terdessen fluͤchten erschrockene Weiber zum Pabste, und einige Zuschauer suchen hoͤhere Plaͤtze, ihre Neu- gier zu befriedigen. Es wuͤrde eine schaale Critik seyn, dem Kuͤnstler einen Anachronismus vorzuwerfen, den zu vermeiden, nicht in seiner Gewalt stand. Was Der Vaticanische Pallast. Was die Anordnung anbetrifft, so scheint mir die große Leere des Tempels, die schlechthin dem Hohen- priester, und noch dazu in der Entfernung aufgeopfert ist, keine gute Wuͤrkung hervorzubringen. Die Gruppen werden dadurch so sehr auseinander getrennt, daß das Auge Muͤhe hat, das Ganze auf einmahl zu fassen. Die Composition wird dadurch unzusam- menhaͤngend. Die Form der einzelnen Gruppen unter sich scheint mir hingegen als ein wahres Muster aufgestellt werden zu koͤnnen, und die Gruppe des Heliodorus, den die Engel niederwerfen, wird besonders von Kennern be- wundert. Nur darf man nicht vergessen, was ich schon oben erinnert habe: Daß dieser Vorzug in Ra- phaels Gemaͤhlden zu selten vorkoͤmmt, um ihm ein eigenthuͤmliches Verdienst daraus zu machen. Der Ausdruck in diesem Gemaͤhlde ist unver- gleichlich. Der himmlische Reuter nimmt sein Pferd zusammen, treibt ihm die Hacken in die Seite, und holt mit vorgebeugtem Koͤrper einen neuen Stoß wi- der den liegenden Feind aus. Ihm zur Seite schwe- ben seine Begleiter mit aller der Leichtigkeit, die wir ihren aͤtherischen Koͤrpern zutrauen duͤrfen. Ihre Koͤpfe haben den edelsten und wahresten Ausdruck des raͤchenden Zorns. Der eiskalte Schrecken, die schmerzhafte Betaͤu- bung Heliodors unterscheidet sich durch groͤßern An- stand von der Angst seiner Gefaͤhrten. Sie schreien; sie stieben auseinander; sie verlieren ihren Raub. Einem von ihnen gleitet im Fliehen der Koffer vom Ruͤcken: Wie er ruͤckwaͤrts darnach greift, wie gern K 3 er Der Vaticanische Pallast. er ihn behielte! Aber sein Gesicht gegen die furchtbaren Geister umzuwenden, das wagt er nicht. Auf der andern Seite fluͤchten die erschrockenen Weiber mit ihren Kindern zum Pabste. Erstaunen, Schrecken, der mit Neugier kaͤmpft, bildet sich auf ihren Gesichtern, und dies mit der groͤßten Abwechse- lung in Minen und Stellungen. Viele darunter sind aͤußerst reitzend. Man uͤbersehe nicht die beiden zu- sammengruppirten Figuren, deren eine, um besser zu sehen, sich um eine Saͤule schlingt, waͤhrend, daß die andere sich auf das Postamenut zu schwingen sucht. Und wie in alle dem Gewuͤhle der Pabst mit majestaͤ- tischer Ruhe thront! Allein die uͤbrigen Begleiter des Pabstes belei- digen durch den wenigen Antheil, den sie an der Handlung nehmen. Die Schweizer, die ihn tragen, der Secretair, der voran geht, sind bloße Bildnisse damahls lebender Personen, denen man keine Art des Ausdrucks beilegen kann. Ich weiß wohl, daß man den Raphael lobt, durch diese Gleichguͤltigkeit das unbedingte Vertrauen aus- gedruͤckt zu haben, welches diese Maͤnner auf die Gewalt ihres Herrn setzen. Allein diese ingenieuse Idee contrastirt zu sehr mit dem Ausdrucke der thaͤti- gen Theilnehmung in den uͤbrigen Figuren, um an dieser Stelle nicht zur Carrikatur zu werden. Die Behandlung dieses Gemaͤhldes zeigt uͤbri- gens schon die fertige Hand, die durch lange Uebung Sicherheit erhalten hat. Raphael scheint es selbst ausgefuͤhrt zu haben. † Atti- Der Vaticanische Pallast. † Attila, der Zerstoͤhrer der Welt, die Attila. Geißel Gottes, wie er sich nannte, kehrt um vor den Mauren Roms, geruͤhrt durch die Ehrfurcht, die ihm der Statthalter Gottes einfloͤßt. Man bedenke es wohl, hier ist keine gewalt- same Zuruͤcktreibung, es ist Wuͤrkung eines heiligen Schauders, der den Barbaren bei dem Gefuͤhl uͤber- natuͤrlicher Groͤße ergreift, und die auf seine Armee mit panischem Schrecken zuruͤck wuͤrkt. Der Pabst Leo der Heilige, traͤgt auf seiner Figur die Wuͤrde ei- nes Heiligen, der sich des unmittelbaren Schutzes des Himmels bewußt ist. Er durchschneidet, wie die Stellung der Hand es schließen laͤßt, die Luft mit dem allmaͤchtigen Zeichen des Kreuzes. Ihm zur Seite stehen seine Begleiter mit dem Gefuͤhle der Un- verletzlichkeit unter dem Schutze des Oberhaupts der Kirche. Auch verlaͤßt der Himmel seinen Diener nicht; die Apostel Petrus und Paulus schweben uͤber seinem Haupte, und befehlen dem Barbaren zu wei- chen; nicht mit dem Ausdrucke eines gewaltsamen Zorns, aber mit dem Ernste, dem man nicht wider- steht, und ausgeruͤstet mit Waffen, im Fall der Widerspenstigkeit zu strafen. Den Barbaren ergreift das Gefuͤhl der uͤber- menschlichen Staͤrke, gegen die er nicht anzukaͤmpfen wagt. Die Augen gegen die himmlische Erscheinung gerichtet, beugt er den Koͤrper zuruͤck, und gibt mit wegweisenden Haͤnden seiner Armee das Zeichen zuruͤck zu kehren. Er allein sieht die Erscheinung der hoͤhe- ren Wesen, aber seine Begleiter fuͤhlen den Schauer, K 4 der Der Vaticanische Pallast. der sie umringt; das Heilige, das Hehre, das man sich von der Gegenwart der Unsterblichen stets unge- trennt denkt. Der Himmel ist heiter uͤber der Gruppe des Pabstes, aber er schwaͤrzt sich uͤber den Haͤuptern der feindlichen Armee; ein Sturmwind rollt die Wol- ken auf vor den Aposteln her; kaum vermoͤgen die Traͤger ihre Fahnen zu halten; die Pferde werden scheu; man stoͤßt mit zuruͤckgewandtem Gesichte in die Trommeten zum Abmarsch; man flieht; man geraͤth in Unordnung; man weiß nicht wie, noch warum. Dies ist der Gedanke dieses Gemaͤhldes, uͤber den man so viele und so uͤble Critiken gemacht hat. In Ansehung der Anordnung wirft man der Fi- gur des Attila vor, daß sie sich nicht genung heraus hebe. Dieser Fehler liegt in dem Mangel der Hal- tung, nicht an dem Orte, wohin sie gestellet ist; denn sie ist frei genung, um gesehen zu werden. Da aber Raphael den Grundsatz hatte, seine entfernten Figu- ren dadurch zuruͤckweichend zu machen, daß er helle Massen auf den Vorgrund stellte, so zieht der vor- derste Reuter auf dem weißem Pferde die Augen zu sehr an sich, um nicht den Eindruck der Figur des Koͤnigs, den man im Halbschatten auf einem brau- nen Pferde sieht, zu schwaͤchen. Raphael bediente sich selten des Mittels, durch dunkle Massen auf dem Vorgrunde des Gemaͤhldes lichtere Gegenstaͤnde ent- fernter erscheinen zu lassen. Er kannte nicht die soge- nannten Repoussoirs. Der Ausdruck ist wieder unvergleichlich, die ru- hige Zuversicht in der Gruppe des Pabstes und seiner Beglei- Der Vaticanische Pallast. Begleiter, contrastirt sehr gluͤcklich mit dem wilden Schrecken unter den Barbaren. Raphael hat auch hier wieder mehrere Koͤpfe sei- ner Zeitgenossen angebracht; und auch hier thut es die gewuͤnschte Wuͤrkung: Es verbreitet Leben und Wahrheit. Bei den Figuren der Apostel, die in einer an- sehnlichen Hoͤhe uͤber die untern Figuren schweben sol- len, scheint Raphael die Regel der Perspektiv, nach welcher sich das Entfernte verkleinert, nicht beobachtet zu haben. Er that es vielleicht, um das Ueber- menschliche fuͤhlbarer zu machen; allein das Auge schmiegt sich nicht so leicht in das Resultat der Ueberle- gung; die Figuren scheinen ungeheuer und schwerfaͤl- lig, so schoͤn sie gezeichnet sind, so natuͤrlich sie schwe- ben. Dies bestaͤtigt Lessings scharfsinnige Bemer- kung, S. Laocoon, zwoͤlfter Abschnitt. daß eine anschauliche Unwahrscheinlichkeit durch eine kalte Ueberlegung nicht gehoben wird. Hingegen duͤrfte ich aus eben diesem Bilde einen Ein- wurf hernehmen gegen jene Behauptung, die er an eben dieser Stelle wagt: Die Mahlerei sey ungeschickt, uns zu verstehen zu geben, daß in ihren Compositio- nen dies oder jenes als unsichtbar betrachtet werden muͤsse. Es gibt dazu ein sichereres Mittel, als die duͤnne Wolke, so er angibt, naͤmlich der Ausdruck desjenigen, der nicht sieht, da er sehen koͤnnte und sollte, weil andere neben ihm sehen. Mich duͤnkt, Raphael hat durch den verschiedenen Ausdruck in den Figuren des Attila und seiner Begleiter es anschaulich K 5 genung Der Vaticanische Pallast. genung gemacht, daß die Apostel ihm und nicht seinen Begleitern sichtbar sind. Auch dieses Bild zeigt Raphaels geuͤbtere Hand. † Wunder der Messe zu Bolsena. Die Messe zu Bolsena. Ein Priester, der an der Gegenwart Christi beim heiligen Abendmahl zweifelt, sieht bei Consecri- rung der Hostie das Kelchtuch mit Blut gefaͤrbt. Dies geschieht in Gegenwart mehrerer Personen, worunter Pabst Julius der Zweite mit seinem Ge- folge ist. Das Colorit in diesem Gemaͤhlde ist sowohl an und fuͤr sich selbst, als in Vergleichung mit den uͤbri- gen Werken Raphaels der Aufmerksamkeit des Lieb- habers besonders werth. Dieser Vorzug ist dem Gemaͤhlde eigenthuͤmlich: Es theilt aber uͤberher denjenigen, den man in allen uͤbrigen dieses Meisters antrifft, Wahrheit und Ab- wechselung im Ausdruck. Der Pabst ist in ruhiger Fassung, und mit Recht darf man glauben, daß Ueberlegung dem Kuͤnstler dabei zur Seite gestanden hat: Das Oberhaupt der Kirche darf das Wunder, welches eine so feststehende Wahrheit als die Trans- substantiation bestaͤtigt, nur als eine natuͤrliche Folge, hoͤchstens als eine seltene Aeußerung eines taͤglich wie- derkehrenden Wunders ansehen. Hingegen zeigt sich Beschaͤmung und Schrecken auf dem Gesichte und in der Stellung des Priesters. Dieser Ausdruck con- trastirt sehr gluͤcklich mit dem materiellen Anstaunen der Soldaten von der Schweizergarde. Die Neugier unter den uͤbrigen Zuschauern hat dem Kuͤnstler Ge- legenheit Der Vaticanische Pallast. legenheit zu der Handlung einer schoͤnen weiblichen Fi- gur gegeben, welche die Koͤpfe derer, die vor ihr ste- hen, zur Seite biegt, um sich Licht zu machen. Auch verdient die Weisheit unsere Aufmerksam- keit, mit welcher der Kuͤnstler den Ort des Gemaͤhl- des, der durch ein Fenster getheilt wird, bei der An- ordnung ohne Nachtheil der Einheit zu nutzen wußte. Dies Gemaͤhlde hat Raphael gleichfalls selbst ausgefuͤhrt. † Die Befreiung des heiligen Petrus aus Der heilige Petrus im Gefaͤngnisse. dem Gefaͤngniß. Dieses Gemaͤhlde muß in drei Unterabtheilungen abgesondert werden, welche man als drei verschiedene Scenen eines Schauspiels ansehen kann: Drei auf einander folgende Auftritte einer Haupthandlung. Der Engel weckt den heiligen Petrus im Gefaͤngnisse auf, der fuͤhrt ihn an der einen Seite dieses Gefaͤng- nisses ab, und an der andern Seite desselben werden die Waͤchter seine Flucht gewahr. Man kann sich diese verschiedenen Zeitpunkte als auf einander folgende fortschreitende Handlungen einer Begebenheit denken, und so machen sie ein dichterisches Ganze aus: Aber da man sie nicht als neben einander existirend anneh- men darf; da sie an verschiedenen Orten und zu ver- schiedenen Zeiten vorgehen, so sind es auch drei ganz von einander verschiedene Gemaͤhlde. So faͤllt denn auch der Vorwurf einer doppelten Handlung weg, der darin gefunden wird, daß man den heiligen Petrus einmahl vom Engel geweckt, das andere mahl von ihm fortgefuͤhrt zu gleicher Zeit er- blickt. Der Vaticanische Pallast. blickt. Man erblickt sie nur darum zu gleicher Zeit, weil die Gemaͤhlde an einer Wand, ohne Absonde- rung durch Rahmen, zusammengestellet sind. Dies Gemaͤhlde bestaͤtiget wieder eine Bemer- kung, die ich oft gemacht habe, daß ungelehrte Au- gen durch Lichter, die stark vom Schatten abstechen, am lebhaftesten geruͤhrt werden. Welch Aufhebens macht man nicht von diesem Gemaͤhlde! Es hat Verdienst, es ist nicht zu leugnen, aber den wort- reichen Enthusiasmus, den es so vielen Critikern ein- floͤßt, rechtfertiget es doch sicherlich nicht. Das mittelste Gemaͤhlde zeigt den heiligen Pe- trus, der vom Engel aus dem Schlafe geweckt wird. Der Engel ist von einer Glorie umgeben, die das Gemaͤhlde erleuchtet, und um die Wuͤrkung dieses Lichts zu erhoͤhen, laͤßt der Kuͤnstler mit großer Weis- heit seine Figuren durch ein Gitter sehen, welches das Innere des Gefaͤngnisses, als den Ort der Scene dem Auge aufschließt. Dies verdient Lob; Allein so weit als Richard- son Description des statues, tableaux etc. T. III. p. 399. darf man nicht gehen, und nun das Anzie- hende dieser Anordnung mit dem Zauber der Beleuch- tung vergleichen, den Correggio in seine beruͤhmte Nacht gelegt hat. Der Christ des Correggio ist ein erleuchtendes Wesen, von dem das Licht ausgeht, und dessen lichter Koͤrper blos durch unzaͤhlige Degradatio- nen von Licht die Ruͤndung bekommt, die das Auge fuͤhlt, und der Verstand kaum begreift. Hier aber umgibt Der Vaticanische Pallast. umgibt den Engel eine Glorie, die ihn erleuchtet, und ihn des Eindrucks von Licht und Schatten, den man auch ganz deutlich angegeben sieht, faͤhig macht. Die pikante Wuͤrkung liegt also in der Anordnung des Lichts, nicht aber in der magischen Behandlung der Darstellung. Auch weiß ich nicht, ob man mit eben diesem Schriftsteller dem Raphael ein Verdienst daraus ma- chen kann, daß er mehrere Lichter so neben einander gestellet hat, daß sich das mittelste, als das Haupt- licht vor den uͤbrigen heraus hebt. Alles ist hier Nacht, sagt Richardson, Alles ist erleuchtet, aber die Lichter sind sich einander so untergeordnet, daß das eine dem andern keinen Schaden thut. Ich moͤchte dies ablaͤugnen. Mich duͤnkt, es thut dem Haupt- lichte allerdings Schaden, daß die Nebengemaͤhlde so erleuchtet sind; und ist es nicht unnatuͤrlich, daß der Engel, der in dem mittelsten Gemaͤhlde so hell beleuchtet wird, auf der Seite mit eben der Glorie im schwaͤchern Lichte erscheint? Der Ausdruck in dem erwachenden Petrus ist wahr. Aber sowohl diese Figur als die Figur des Engels sind nicht sehr edel. Das zweite Gemaͤhlde zur Seite, oder die zweite Abtheilung stellt den heiligen Petrus vor, den der Engel aus dem Gefaͤngnisse fuͤhrt. Der Engel ist von wahrer himmlischer Anmuth. Diese Handlung wird allein von der Glorie erleuchtet, in der der En- gel einhergeht; und auch hier erscheint er nicht als er- leuchtender, sondern als erleuchteter Koͤrper. Die Der Vaticanische Pallast. Die dritte Abtheilung stellt die Waͤchter vor, die durch einen ihrer Cameraden, der die Flucht gemerkt hat, aus dem Schlafe geweckt werden. Der Aus- druck dieser Schlaftrunkenen, vorzuͤglich desjenigen, der sich die Augen bedeckt, weil er den Schein des Lichts nicht vertragen kann, ist unvergleichlich. Hier hat der Mahler ein doppeltes Licht auf sehr gute Art benutzt, denn der weckende Waͤchter, der die Fackel traͤgt, erleuchtet die Koͤrper von vorn, und hinten hebt der Mond, der etwas mit Wolken bedeckt ist, durch die Strahlen, welche durchbrechen, die Figuren von dem dunkeln Grunde ab. In Vergleichung mit den uͤbrigen Gemaͤhlden Raphaels liegt das eigenthuͤmliche Hauptverdienst des gegenwaͤrtigen in der Behandlung des Helldunkeln. An der Decke dieses Zimmers hat Raphael noch vier Suͤjets gemahlt: Noah, der nach uͤber- standner Suͤndfluth dem Himmel dankt, Isaacs Opfer, Moses vor dem brennenden Busche, und Jacobs Traum. Drittes Zimmer. Camera di Segnatura . Als Raphael den Auftrag erhielt, das Zimmer di Segnatura zu mahlen, so wurden ihm zu gleicher Zeit die Gegenstaͤnde angezeigt, die er behandeln sollte. Man gab ihm auf, die vier vornehmsten Wissenschaften seines Jahrhunderts darzustellen, die Theologie, die Philosophie, die Dichtkunst und die Jurisprudenz. Er Der Vaticanische Pallast. Er begnuͤgte sich nicht, sie durch bloße allegori- sche Figuren zu bezeichnen, er stellte die beruͤhmtesten Maͤnner auf, die sich in einer jeden von diesen hervor- gethan haben, und brachte sie in Handlung. † Der Streit uͤber das heilige Sacrament Der Streit uͤber das Sacrament des h. Abend- mahls. des Abendmahls. Man sollte glauben, das Suͤjet dieses Gemaͤhl- des koͤnnte dem Mahler nur wenig Gelegenheit darge- boten haben, seine Staͤrke in demjenigen Theile seiner Kunst zu zeigen, in dem er alle diejenigen, die seit Wiederherstellung der Mahlerei den Pinsel gefuͤhrt ha- ben, so weit uͤbertroffen hat: ich rede von der Darstel- lung der Seele auf der Oberflaͤche des Koͤrpers, von dem Ausdrucke. Heilige Maͤnner, wie wir sie hier vor uns sehen, sollen ihre Leidenschaften zu sehr in ih- rer Gewalt haben, um sie durch ihre aͤußern Hand- lungen andern fuͤhlbar zu machen; und doch sind es gerade diese, die dem Zuschauer am interessantesten zu sehen, und dem Kuͤnstler am leichtesten darzustellen werden. Inzwischen, Raphaels Pinsel wußte diese Schwie- rigkeiten zu uͤberwinden: Der Ausdruck der feinsten Bewegungen der Seele macht wieder den Hauptvor- zug des gegenwaͤrtigen Gemaͤhldes aus. Es ist in zwei Theile getheilt, dessen oberer mit dem untern blos durch die Association der Ideen, nicht aber durch eine gemeinschaftliche Handlung zu- sammenhaͤngt. Der obere stellt die Personen der Gottheit mit den Patriarchen und den Heiligen in den Wohnungen der Der Vaticanische Pallast. der Seligen vor; Engel und Seraphims umschwe- ben sie. Ich will die Anordnung nicht als Beispiel em- pfehlen. Die neben einander gereiheten Personen sehen einem Cirkel in einer roͤmischen Conversazione nicht unaͤhnlich. Wenn man aber die Figuren einzeln betrachtet, so wird man große Schoͤnheiten finden. Der untere Theil ist viel besser angeordnet. In der Mitte sieht man den Altar, auf dem der Kelch und die Hostie ausgestellt stehen, die die Veranlassung zu dem Streite unter den rund herum versammleten Kir- chenvaͤtern geben, und sogleich auf das Verstaͤndniß des Ganzen fuͤhren. Linker Hand sieht man den heil. Hieronymus und den heiligen Gregorius, Koͤpfe voller Charakter, Das Pfaͤffchen hart am Altare, das mit gefalteten Haͤnden nachbetet, ist von unvergleichlichem Aus- drucke. Hinter diesen kommen zwei sehr schoͤn geordnete Gruppen, in deren letzterer man den Bramante sieht, der aus einem Buche, welches er haͤlt, die Aufloͤsung des ganzen Geheimnisses gefunden zu haben scheint. Man uͤbergehe nicht die Figur, die dem Ansehen nach den Streit nur auf einen Augenblick verlassen hat, eiligst die vom Bramante aufgeschlagene Stelle ein- sieht, und nun mit Fingern, die schon zur Demon- stration aufgehoben sind, mit neuen Gruͤnden bewaff- net, wieder forteilet. Der Juͤngling neben dem Bramante ist eine der schoͤnsten Figuren des Bildes. Linker Der Vaticanische Pallast. Linker Hand dem Altare sitzen Scotus und Am- brosius. Wahreres laͤßt sich nichts denken, als den heiligen Augustin, der diktirt, und die eilende Sorg- falt, mit der sein Schreiber nachschreibt. St. Tho- mas, Pabst Anaclet, Bonaventura, Pabst Inno- cenz der Dritte, Dante, Savanarola, sind die be- kanntesten Koͤpfe unter den uͤbrigen. Man bewundert mit Recht die Mannichfaltigkeit und die Wahrheit des Charakters in diesen Koͤpfen. Sie sind aber mit einem Fleiße ausgefuͤhrt, der an Trockenheit graͤnzt. Diese Trockenheit allein kann uns auf die Epoche schließen lassen, in der dies Ge- maͤhlde von Raphael verfertigt wurde. Es ist das erste von seiner Hand in diesem Pallaste, folglich aus einer Zeit, in der er wider den Geschmack des Pietro Perugino ankaͤmpfte, aber den Einfluß der fruͤhern Erziehung noch nicht ganz uͤberwinden konnte. Da- her auch das natuͤrliche Gold in den Glorien! Hinge- gen sieht man auch die Bekanntschaft mit den Floren- tinern, das Bestreben ihre Vorzuͤge sich zu eigen zu machen, in dem Stile der Gewaͤnder, in den For- men und Stellungen der jugendlichen Figuren, und in dem Colorit. Es ist aͤußerst interessant zu bemerken, wie Ra- phael selbst waͤhrend der Arbeit an diesem Gemaͤhlde in der Kunst zugenommen hat. Er fing mit der rechten Seite an, und seine furchtsame und ungewisse Hand wollte dem Kopfe noch nicht die rechte Folge lei- sten. Aber auf der linken Seite merkt man ihm schon mehr Freiheit mehr Festigkeit an. Erster Theil. L Raphael Der Vaticanische Pallast. Raphael hat dies Bild sehr ungleich colorirt. Einige Koͤpfe z. E. das Pfaͤffchen am Altare sind sehr treu und wahr behandelt. An andern Figuren ver- mißt man die Abwechselung in den Tinten, die die Schoͤnheit des Colorits ausmachen. Haltung und Beobachtung der Regeln des Helldunkeln darf man gleichfalls hier nicht suchen. Die Schulevon Athen. † Die Schule von Athen. Nichts scheint weniger ein Gegenstand der mah- lerischen Darstellung zu seyn, als der Ausdruck des Nachdenkens, und des Antheils, den die Seele an dem Erkenntnisse abstrakter Wahrheiten nimmt. In der That jede Untersuchung, die sich auf Aneinander- reihung von Ideen gruͤndet, setzt ruhige Kaͤlte, Ab- gezogenheit von allen Dingen außer uns, und Unem- pfindlichkeit gegen die Eindruͤcke zum Voraus, die sie auf uns machen koͤnnen. Wenn sich also auch eine solche Lage des Gemuͤths auf unsere Gesichtszuͤge zeich- net, durch unsere Gebaͤhrden aͤußert, so wird man sich doch diesen Ausdruck entweder nur als unmerklich, oder als aͤußerst einfoͤrmig denken. Raphael, der seine Suͤjets nicht selbst waͤhlte, bekam, als man von seiner Hand die beruͤhmtesten Philosophen des Alterthums in einem Gemaͤhlde ver- sammelt sehen wollte, einen desto schwerern Auftrag, als er eben mit einem Gemaͤhlde in dem naͤmlichen Zimmer fertig geworden war, wobei er keine von de- nen Situationen ungenutzt gelassen zu haben schien, die der Eifer der Sectirer, der Starrsinn der Halbklugen, das Anstaunen der Schwachen, und der Zweifel des Weisen der Einbildungskraft darbieten koͤnnen. Aber Der Vaticanische Pallast. Aber einem so fruchtbaren und scharfsichtigen Kopfe wie Raphael, kam es zu, eben durch die Darstellung des Streits uͤber das Sacrament sich auf die Behand- lung eines aͤhnlichen Gegenstandes vorzubereiten, und indem seine Hand an Festigkeit, sein Geist an Deut- lichkeit und Klarheit der Ideen gewann, zu gleicher Zeit eine Menge neuer Erfahrungen zu sammeln, durch deren Anwendung die Schule von Athen, in Ruͤcksicht auf Mannichfaltigkeit und Wahrheit, ein Meisterstuͤck des Ausdrucks wurde. Der Cardinal Bembo hat wahrscheinlich Ra- phaeln den Gedanken dieses Gemaͤhldes an die Hand gegeben. Dies benimmt dem Kuͤnstler nichts von seinem Verdienste. Er hat dies mit einem Sha- kespear und mit vielen andern großen Genies gemein, daß sie zuweilen den Stoff zu ihren Werken entlehn- ten. Er ward darum nicht weniger ihr Eigenthum durch die Art wie sie ihn bearbeiteten. Der Grund dieses Gemaͤhldes, der Ort, an dem die Handlung vorgeht, ist ein Gebaͤude von simpler aber edler Architektur; die Statuen des Apollo und der Minerva bezeichnen ihn als den Ort, wo Weis- heit und Wissenschaft gelehrt wird. Die Nahmen der Personen, die ihn anfuͤllen, beruhen zwar nur auf ungewissen Traditionen. In- zwischen will ich mich hier derselben bedienen, weil sie genauer bezeichnen. Oben an gegen die Oeffnung des Haupteingan- ges zu, so daß ihre Figuren durch den blauen Hori- zont gehoben werden, stehen Plato und Aristoteles L 2 als Der Vaticanische Pallast. als Personen, die unsere Aufmerksamkeit sogleich auf sich ziehen sollen. Der liebenswuͤrdige Dichter der Philosophie, dessen Vernunft so gern auf der Leiter der Einbildungskraft dieser Welt entklimmte, zeigt mit aufgehobener Hand jene obern Regionen, in denen er sich dem Wesen zu naͤhern suchte, von dem er sich als einen Ausfluß ansah. Aristoteles scheint ihm diese troͤstende, aber freilich gefaͤhrliche, Schwaͤrmerei, zu verweisen, er streckt die Hand gegen die Erde aus, und sucht ihn auf die Welt, die ihn umgiebt, zuruͤck- zufuͤhren. Unter den Umstehenden ist der Ausdruck der Be- wunderung und der Aufmerksamkeit unverkennbar. Der vordere schoͤne Alte linker Hand wird fuͤr den Cardinal Bembo gehalten. Mir hat auch der Juͤng- ling linker Hand sehr gefallen, dessen Blick und uͤber- einandergeschlagene Arme einen aufwiegenden Denker anzeigen, dem man nicht leicht eine Idee aufdringt. Der Mahler soll durch ihn den Alexander haben vor- stellen wollen. Die beiden Personen, deren eine der andern die beiden Lehrer bekannt macht, sind der Na- tur abgestohlen. Linker Hand die Gruppe des Socrates. Dieser Philosoph, der sich eben so sehr durch die Gemein- nuͤtzigkeit seiner Lehren, als durch die Gabe, sich ver- staͤndlich zu machen, auszeichnete, zaͤhlt seine Lehr- saͤtze an den Fingern ab; ein Zeichen, welches nach einem beinahe jedem Volke eigenen Sprachgebrauche auf Klarheit und Ordnung in den Gedanken, und auf Deutlichkeit im Ausdruck zuruͤckfuͤhrt. Unter den Zuhoͤrern dieses Weisen charakterisirt die nachlaͤßige und Der Vaticanische Pallast. und doch edle Stellung des jungen Helden im Helme, den Alcibiades, den Liebling der Natur, an den sie ihre Gaben verschwendet hatte. Man braucht kein besonderer Bemerker zu seyn, um in jenem andern Kopfe mit der Muͤtze den halb- aufgeklaͤrten Duͤnkel zu erkennen, der sich gern den Anstrich der Weisheit geben moͤchte, und nur hoͤrt, um Einwuͤrfe zu machen. Die hinterste Figur verbindet diese Gruppe mit den Personen, die durch einen Seiteneingang in das Gebaͤude eilen. Sie winket sie zum Socrates herzu. Der Juͤngling, der dem Winke folgt, und beinahe nackt seine Schrift-Rollen unter dem Arme traͤgt, ist ein Bild der rohen Natur, die vor Begierde brennt, sich zu unterrichten. Der wohlgemaͤstete Wolluͤstling mit Weinlaub bekraͤnzt, — nicht Eichenlaub, wie Bellori traͤumt — scheint Epicur zu seyn, nach der falschen Vorstellungs- art, die man sich dazumahl von seinen Lehrbegriffen machte. Der Alte, der mit dem Kinde auf den Armen bei ihm steht, gilt einigen fuͤr den Epichar- mus, anderen, fuͤr einen Vater, der sein Kind fruͤh in die Schule der Weisen bringt. Ich glaube, bei- des wird ohne hinlaͤnglichen Grund behauptet: es ist vielmehr zu glauben, der Kuͤnstler habe damit sagen wollen, die Philosophie des Epicur sey eine Philoso- phie fuͤr schwache Koͤpfe, und selbstische Herzen der Kinder und der Greise. Pythagoras ist der Philosoph, der die Folge einer langen Reihe von Ideen in ein Buch schreibt, L 3 welches Der Vaticanische Pallast. welches er auf das Knie stuͤtzt. Neben ihm kniet ein schoͤner Juͤngling, der die Tafel der musicalischen Nummern des Pythagoras einem Manne in mor- genlaͤndischer Tracht zeigt. Dieser hat ganz den Aus- druck ablauernder Mystik und Charlatanerie; Er geht unter dem Nahmen des Averrons. Personificirte Lehrbegierde zeigt sich in der Figur des sogenannten Empidocles, der mit aͤngstlicher Sorg- falt sich vorbeugt, um dasjenige abzuschreiben, was sein Lehrer aufzeichnet. Der Weiberkopf soll Aspasia seyn. In dem Knaben will man den Archytas sehen, wahrscheinlich weil die Geschichte sagt, daß dieser Philosoph Kinder mit physicalischen Experimenten von schaͤdlichen Be- lustigungen zuruͤckgehalten habe. Der junge Mann neben ihm soll Francesco Maria delle Rovere Duca d’Urbino seyn. Ich weiß nicht, ob die Schoͤnheit der Figur, und die Liebe dieses Herrn zu den Wissenschaften und Kuͤnsten den Ra- phael entschuldigen kann, dies Portrait in eine Stel- lung gesetzt zu haben, wodurch es der ganzen uͤbrigen Handlung fremd bleibt. Die mahlerisch schoͤn gestellte Figur, die den Py- thagoras auf eine Stelle in einem Buche aufmerksam zu machen sucht, mit der Mine, als sagte er: was du suchst, hier steht es! wird fuͤr den Terpander aus- gegeben, der schon vor dem Pythagoras sich durch seine Kenntnisse in der Musik ausgezeichnet hatte. Epictet sitzt zunaͤchst als ein Mann, der im Nachdenken versunken, und in sich selbst zuruͤck gezo- gen, Der Vaticanische Pallast. gen, unempfindlich gegen allen aͤußern Eindruck zu seyn scheint. Der Cyniker Diogenes streckt sich mit anmaaßen- der Indifferenz auf die Treppe, und uͤberschauet mit trotzender Selbstgenuͤgsamkeit die Tafel, die er be- schrieben hat. Ort und Stellung scheinen mir beide im Charakter. Hart an dem Diogenes steht ein Juͤngling, der Lust zu haben scheint, der Secte des Diogenes zu fol- gen; aber ein aͤlterer Philosoph zeigt ihm den Aristo- teles an. Der Ausdruck dieser beiden Figuren ist unvergleichlich. Ich komme nun auf die beruͤhmte Gruppe des Archimedes, die die bedeutendsten Figuren enthaͤlt, welche nach meiner Einsicht je in der Mahlerei hervor- gebracht sind. Bramante unter der Figur des Ar- chimedes erklaͤrt seinen Schuͤlern eine mathematische Figur. Einer von ihnen, auf dessen Stirne man die Unfaͤhigkeit des Geistes liest, der darin wohnt, ohne daß jedoch der Mahler sie mit einer Carricatur von Stupiditaͤt gebrandmarkt haͤtte, strengt alle die wenigen Seelenkraͤfte an, die ihm die Natur verlie- hen hat, um die Worte seines Lehrers zu verstehen. Er zaͤhlt sie an den Fingern nach, und huckt nieder, um dem Ausmessen des Cirkels desto besser nachzu- staunen. Derjenige, der bei ihm steht, ist gerade in dem Augenblicke ergriffen, wo es anfaͤngt, hell in seiner Seele zu werden: Auch er hat, um besser zu sehen, auf den Knien gelegen, aber nun hebt er sich in die Hoͤhe, und die freudig geoͤffneten Lippen und L 4 der Der Vaticanische Pallast. der Zeigefinger, der von der Nase herabsinkt, lassen die Worte hoͤren: Ja, nun habe ich’s verstanden! Ein dritter Schuͤler hat die Aufgabe sich schon ganz zu eigen gemacht, er kehrt sich gegen den vierten, ihm die Erklaͤrung mitzutheilen, und dieser zeigt in Stellung und Minen die freudige Bewunderung, die ihm die Aufloͤsung dieses gelehrten Raͤthsels erweckt. In dem letzten will man den Herzog von Mantua, Friederich Gonzaga finden. Hinter dieser Gruppe stehen noch einige Maͤnner, in denen man den Raphael, den Pietro Perugino, neben dem Zoroaster und Giovanni della Casa erken- nen will. Unter den Figuren, die den Hintergrund fuͤllen, zeichne ich nur den Juͤngling aus, der mit Eifer das- jenige nachschreibt, was ihm ein aͤlterer Philosoph dictirt. Dies waͤre ungefaͤhr das Hauptsaͤchlichste, was sich uͤber den Gedanken und den Ausdruck dieses Ge- maͤhldes sagen ließe. Die Anordnung ist simpel, voller Ordnung und Weisheit. Die Zeichnung ist fein, und vorzuͤglich in den Koͤpfen und Gewaͤndern zu bewundern. Kenner wollen hie und da einige nicht ganz gluͤckliche Verkuͤrzungen bemerken. Das Colorit und das Helldunkle sind nicht Hauptvorzuͤge dieses Gemaͤhldes, das sehr von der Zeit und andern Unfaͤllen gelitten hat. Jedoch sieht man der Ausfuͤhrung diejenige Trockenheit nicht mehr an, die man dem Gemaͤhlde des Streits uͤber das Sacrament vorwirft. Dem Schatten hat Raphael zuweilen durch Schraffirungen nach Zeichnungs-Art nachgeholfen. Poesie Der Vaticanische Pallast. Poesie oder der Parnaß . Es stellt dies Ge- maͤhlde den Apollo mit den neun Musen und mehrere Poeten vor. Es ist unter denen, die Raphael selbst gemahlt hat, eines der schwaͤchsten. Apollo sitzt zwischen den Musen auf dem Parnaß. Zu beiden Seiten stehen verschiedene Dichter, die un- ter Gespraͤchen den Berg auf und abgehen. Ich halte mich bei der Nomenclatur der Perso- nen, die hier einer ungewissen Tradition nach vorge- stellt seyn sollen, nicht weitlaͤuftig auf. Man findet in der Gruppe zunaͤchst dem Apollo Homer, Virgil, Dante und Raphael. Unten rechter Hand Pindar und Horaz, und linker Hand erkennt man Sappho an der Rolle, auf der ihr Nahme geschrieben ist. Die Geige auf der Apollo spielt, hat schon oft den Tadel der Critiker auf sich gezogen. Sie ver- dient ihn, des beleidigten Costums wegen, aber noch mehr wegen der Stellung, die der Spieler bei diesem Instrumente annehmen muß, und die der Schoͤnheit und dem Reitz der Stellung sehr zuwider ist. Das Streichen des Bogens gibt dem Arme eine winklichte eckige Biegung. Ueberhaupt hat diese Figur, welche sitzend vorgestellet ist, nicht das Edle, welches man von der Hauptfigur in diesem Gemaͤhlde erwar- ten sollte. Es scheint auch, als wenn die beiden sitzenden Musen zu seiner Seite zu symmetrisch diesen Platz ein- nehmen. Sonst gibt es wohl zusammengestellte Gruppen auf diesem Bilde. L 5 Der Der Vaticanische Pallast. Der Ausdruck, die Wahl der Stellungen der Koͤpfe und der Formen, haben die diesem Meister ge- woͤhnlichen Vorzuͤge. Das vierte Gemaͤhlde stellet einige zur Aus- uͤbung der Gerechtigkeit erforderliche Eigenschaften personificirt vor. Die Klugheit nach der gewoͤhnlichen Vorstellungs- art, die jedoch der weise Mahler so wenig unange- nehm als moͤglich gemacht hat, mit zwei Gesichtern. Die Figur ist sehr swelt, und vortrefflich drappirt. Ein Genius haͤlt ihr einen Spiegel vor. Zur Seite die Maͤßigkeit oder Maͤßigung mit dem Zaume in der Hand, und zur andern die Standhaftigkeit, die eine Eiche beugt, deren Zweige ein Genius um ihre Stirn windet. Ein Paar Genii. Die Zusammensetzung hat nichts besonders. Inzwischen sind die einzelnen Figuren unver- gleichlich. Unter diesen Figuren zu beiden Seiten der Fenster sieht man auf der einen den Kaiser Justinian, der die Pandecten aus den Haͤnden des Tribo- nians empfaͤngt . Auf der andern den Pabst Gregorius den Neunten, der einer Magistrats- person die Decretalen uͤberreicht . Um ihn stehen Leo der Zehnte, der Cardinal del Monte, und der Cardinal Alexander aus dem Hause Farnese. Diese Koͤpfe haben viel Wahrheit, wenn sie gleich sehr ge- litten haben. Die Magistratsperson, welche die De- cretalen empfaͤngt, traͤgt das Gepraͤge unerschuͤtterli- cher Anhaͤnglichkeit an geschriebenes Recht an sich, und treuer Sorgsamkeit bei der Behandlung der lang- weilig- Der Vaticanische Pallast. weiligsten Geschaͤffte, denen sich je der Mensch fuͤr das Beste seiner Mitbuͤrger aufgeopfert hat. Man sieht an dem Plafond dieses Zimmers einige allegorische Figuren der Wissenschaften, die an den Waͤnden behandelt sind. Ich uͤbergehe die Gemaͤhlde, die Polidoro da Caravaggio grau in grau als Basreliefs in diesem und den vorigen Zimmern groͤßtentheils unter jenen groͤßeren Gemaͤhlden ausgefuͤhrt hat. Sie sind so oft retouchirt, daß sie das Meiste von ihrem ersten Werthe verlohren haben. Letztes Zimmer . † L’ Incendio del Borgo . Das Haupt- gemaͤhlde in dem letzten Saale. Leo IV. soll durch seinen Segen einen Incendio del Borgo. Brand in der Gegend Roms Borgo di St. Spi- rito genannt, geloͤschet haben . Diese Handlung ist der Gegenstand dieses Gemaͤhldes. Raphael waͤhlte bei der Darstellung desselben dasjenige aus, was dem denkenden und gefuͤhlvollen Zuschauer am interessantesten seyn mußte, den Aus- druck der Bewegungen, die ein so unerwartetes und so schnell um sich greifendes Uebel hervorbringen kann. Den Pabst setzte er mit seinem Wunder in den Hinter- grund. Um aber doch den Zuschauer darauf auf- merksam zu machen, hat er einige Figuren auf den Vorgrund hingestellt, die den Pabst um Beistand an- flehen, aͤhnliche Figuren in aͤhnlichen Stellungen hat er Der Vaticanische Pallast. er auf dem Mittelgrunde wiederholt, und so fuͤhrt er das Auge unvermerkt auf den Pabst, der den Segen ertheilt, zuruͤck. Man kann aufs neue in diesem Gemaͤhlde Ra- phaels Gabe bewundern, womit er sein Suͤjet moͤg- lichst benutzt, um eine große Menge interessanter Si- tuationen herauszuziehen, und doch nicht mehr hinein- zulegen, als jeder Zuschauer bei einer solchen Scene zu sehen erwarten wird. Seine Compositionen sind immer vollstaͤndig, nie uͤberladen. Es ist Nacht. Die Flammen aber verbreiten ein Licht, das der Helle des Tages gleich koͤmmt. Ein heftiger Sturmwind treibt sie umher, und ver- mehrt das Schreckenvolle der Gefahr durch die Schnelligkeit, mit der sie sich ausbreitet. Auf der einen Seite hat das Feuer erst eben ei- nen Pallast ergriffen, und hier ist man mit Loͤschen, mit Wassertragen beschaͤfftigt; Man schreiet nach Huͤlfe, nach Arbeitern. Ein Weib, deren abglei- tender unordentlicher Anzug anzeigt, daß sie der Schrecken eben aus dem Schlafe geweckt hat, treibt blindlings ihre Kinder vor sich her, aber — so sehr hat ihr die Bestuͤrzung alle Besinnungskraft geraubt — sie sucht der Flamme an dem einen Orte zu entgehen, und eilt gerade auf die Flamme an dem andern zu. Ihre Tochter, das aͤlteste Kind, scheint die Verwir- rung zu bemerken, sie sieht sich um, und fragt aͤngst- lich, wo sie hin soll. Der weibliche Kopfputz zeigt das Geschlecht an, sonst ist dieses Kind nackt, und zitternd sucht es mit uͤber der Brust zusammengeschla- genen Armen einigen Schutz wider die Kaͤlte der Nacht. Das Der Vaticanische Pallast. Das juͤngste, ein Sohn schreiet: Sein Alter scheint kein anderes Gefuͤhl des gegenwaͤrtigen Uebels zu ken- nen, als das, im Schlafe gestoͤrt zu seyn. Auf der andern Seite zeigt sich muͤtterliche Liebe in aller ihrer Staͤrke. Ein Weib reicht von der Mauer eines Hauses, dessen Inneres schon die Flam- men verzehrt haben, ihr Kind in Windeln dem unten stehenden Vater herab. Mit welcher Behutsamkeit; wie scheint sie nur zu fuͤrchten, daß der Vater es nicht gehoͤrig auffange! Fuͤr sich fuͤrchtet sie nicht die Flam- men, die begleitet von dickem Rauch, schon uͤber ih- ren Kopf hinausschlagen. Die uͤbrigen Bewohner dieses Hauses haben es verlassen. Ein starker nervig- ter Mann in der Bluͤthe der Jahre traͤgt den er- schlafften, erstarrten Vater weg, der kaum noch Kraͤfte genung hat, seinen Traͤger zu umklammern. Ein muntrer Knabe, unbekuͤmmert uͤber seinen kuͤnf- tigen Wohnort, — ihm ist die ganze Welt offen — geht rasch neben ihnen her. Aber das alte Weib mit dem Korbe, in den sie einige Habseligkeiten in der Eile gepackt hat, sieht traurend nach dem Orte zu- ruͤck, in dem sie ungern das Uebrige hat zuruͤcklassen muͤssen. Endlich laͤßt sich ein Juͤngling, dessen Koͤr- per Behendigkeit zeigt, von der Mauer herab. Diese Handlung bewegt eine unten sitzende Mutter mit uͤber- gebeugtem Koͤrper ihr Kind zu bedecken, damit der herabspringende Mann beim Fallen dies einzige ihr uͤbrig gebliebene Kleinod nicht beschaͤdige. In der Mitte des Bildes spreitet eine weibliche Figur ihre Haͤnde kniend gegen den Pabst aus. Aber das huͤlflose Alter des Kindes ist eher berechtigt Erbar- men Der Vaticanische Pallast. men zu erwecken; eine andere Frauensperson druͤckt ihr Kind zur Erden nieder, und hebt dessen gefaltete Haͤnde zu ihrem Beschuͤtzer empor. Dies ist ungefaͤhr der Gedanke dieses Gemaͤhldes. Die Anordnung als Theil der poetischen Erfin- dung ist sehr gut. Die Figuren, die am meisten des Ausdrucks und der Schoͤnheit der Stellung faͤhig wa- ren, sind vor dem minder Interessanten herausgeho- ben; Man uͤbersieht ohne Unordnung das Ganze, und verweilt bei dem Detail ohne Ermuͤdung. Jede Figur hat ihren ihr eigenen und der Situa- tion angemessenen Ausdruck, sowohl in Mine als Stellung. In der Zeichnung scheint Raphael sich zu sehr an den Stil des Michael Angelo gehalten zn haben. Die Muskeln sind zu stark angedeutet, als daß sie nicht eine gewisse Haͤrte in die Formen haͤtte bringen sollen. Dem ohngeachtet werden die Frau, die den Eimer traͤgt, die Gruppe des Sohns, der den Va- ter auf den Schultern fortbringt, die Frau, die mit ausgespreiteten Armen die Huͤlfe des Pabstes anfleht u. s. w. als Muster schoͤn gezeichneter ganz im Stil der Antike gedachter Figuren angesehen werden koͤnnen. Die Gewaͤnder, vorzuͤglich die fliegenden, sind vortreffllich. Das Bild, und folglich auch die Zeich- nung, haben gelitten. Die Farbe ist zu ziegelroth. Das Helldunkle ist nicht beobachtet, und die Luftperspektive ist ganz ver- fehlt. In Der Vaticanische Pallast. In diesem naͤmlichen Saale sind noch folgende Gemaͤhlde nach Raphaels Zeichnungen verfertiget. Der Sieg des Pabstes Leo IV. uͤber die Saracenen bei Ostia . Die Kroͤnung Carls des Großen durch Leo IV. Leo IV. der zum Beweise seiner Unschuld aufs Evangelium schwoͤrt . Man wird bei einer genauen Untersuchung den Geist Raphaels in diesen Stuͤcken nicht verkennen. Da sie aber sehr beschaͤdigt und oft retouchirt sind, so wird der Liebhaber sich gern bei unverdaͤchtigern Be- weisen der Kunst dieses großen Meisters aufhalten wollen. Die Decke ist von Pietro Perugino. Michael Angelo Sixtinische Capelle. Sixtinische Capelle. So wie der Reisende, dessen Auge sich lange am Spiegel des Genfer Sees, an der Fuͤlle seiner frucht- baren Ufer und an den roͤthenden Schneebergen, die ihn von ferne umkraͤnzen, geweidet hat, nun sich in den Gebuͤrgen Savoyens eingeschlossen sieht, wo nackte Felsen mit uͤberhaͤngendem Haupte seiner Schei- tel drohen, und rauschende Waldstroͤme zu seinen Fuͤs- sen in Abgruͤnde stuͤrzen; so tritt der Liebhaber aus den Saͤlen der Antiken und Raphaels in die Sixtini- sche Capelle. Die Der Vaticanische Pallast. Die Neuheit der Gegenstaͤnde, das Hebende des Außerordentlichen, das Schaurige der rohen Wild- heit ergreifen seinen Geist mit Erstaunen: aber bald wird ihm diese Empfindung gewoͤhnlich, der Zauber verfliegt, und er wuͤnscht sanftern Reitz zuruͤck, der sein Herz zu fuͤllen im Stande sey. Diesen Gang glaube ich, werden die Ideen des Liebhabers nehmen, wenn er seinen Geschmack durch die Schoͤnheit der Antiken, und durch die Wahrheit des Ausdrucks in den Gemaͤhlden Raphaels gebildet hat. Sollte er aber mit dem Studio der Gemaͤhlde des Michael Angelo den Anfang machen, so fuͤrchte ich, er duͤrfte das Uebernatuͤrliche, das immer auf unsere rohe Einbildungskraft am staͤrksten wuͤrkt, der Simplicitaͤt; das Uebertriebene, wofuͤr der ungebil- dete Geist immer empfaͤnglichen Sinn hat, dem Na- tuͤrlichen vorziehen; und so vielleicht auf immer des Gefuͤhls des Schoͤnen unfaͤhig werden. Michael An- gelo Buona- rotti. Michael Angelo Buonarotti lebte von 1474 bis 1564 — Er besaß bei einer brennenden Einbil- dungskraft und einem schnellen durchdringenden Witze ein Herz, dem Begriffe von Schoͤnheit und sanfter Grazie fremd waren. Seine Bilder steigen vor ihm auf wie magische Erscheinungen, und die Natur bil- dete sich auf der Netzhaut seines Auges wie in einer Camera obscura. Der Eindruck, den die Gegen- staͤnde auf ihn machten, war heftig; er bemeisterte sich ihrer auffallendsten Unterscheidungszeichen, und setzte diese vor den Anblick der Zuschauer mit eben der Staͤrke hin, womit er sie empfunden hatte. Allein wenn er nun die feineren Zuͤge hinzuthun wollte, die in Der Vaticanische Pallast. in Verbindung mit den staͤrkern einem Gegenstand aus- ser der Deutlichkeit auch Wahrheit geben, so war das Bild verschwunden, und was stehen blieb, war nur das Gerippe eines Bildes, das sein sinnreicher Ver- stand willkuͤhrlich auszufuͤllen suchte. Michael Angelo hatte um die Kunst fuͤr die Epoche, worin er lebte, große Verdienste. Er war der erste, der große Flaͤchen mit Figuren auszufuͤllen wagte, die mit dem Platze, fuͤr den sie bestimmt wa- ren, im Verhaͤltnisse standen. Er lehrte zuerst das Ueberfluͤßige von dem Nothwendigen unterscheiden, und das Auge durch große Massen in der Zeichnung anzuziehen. Er brachte die Lehre von Verhaͤltnissen auf richtige Grundsaͤtze, und lehrte den Zusammen- hang des Knochen- und Muskelnbaues in ganzen Fi- guren. Kurz! Er war der Mann von Genie, der die Kunst aus ihrer kleinlichen Schuͤchternheit empor hob, und selbst durch seine Fehler einen gegruͤndeten An- spruch auf unsere Dankbarkeit hat, weil sie einen Ra- phael in der Gleise der Wahrheit erhielten. Fuͤr den Kuͤnstler ist in den Werken des M. An- gelo eine reichere Erndte als fuͤr den Liebhaber. Die- sen muß man vielleicht mehr auf die Fehler unsers Kuͤnstlers als auf seine Vorzuͤge aufmerksam machen, damit das Anziehende, was jene begleitet, ihn nicht verfuͤhre, sie mit diesen zu verwechseln. Die Gegenstaͤnde, die den Pinsel des M. An- gelo beschaͤfstigten, waren selten angenehm, und wenn sie es waren, so wurden sie unangenehm durch die Art, wie er sie behandelte. Erster Theil. M Sei- Der Vaticanische Pallast. Seine Gedanken sind oft ungeheuer, und dies wird zuweilen mit Groͤße verwechselt. Seine Haupt- absicht ging immer dahin, Erstaunen zu erwecken. Unsere Seele wird bei dem Anblick seiner Werke er- schuͤttert, unsere Einbildungskraft beschaͤfftigt, aber unser Herz bleibt ungeruͤhrt. Eine Menge von Figuren in schweren Stellungen neben einander zu vereinigen, scheint das Grundgesetz seiner Anordnung gewesen zu seyn. Seine Personen so zu stellen, wie es der vorzuͤgliche Antheil, den sie an der Handlung nehmen, oder die Regeln der Grup- pirung erfordern, daran scheint er nicht gedacht zu haben. Die Aeußerung eines denkenden Wesens in dem feinern Spiele der Minen entging ihm. Er legte den Ausdruck in die Stellung der Glieder, und aus Furcht, nicht deutlich zu werden, hat er ihn beinahe immer uͤbertrieben; oft ist er nicht schicklich, oft nicht einst passend. Er nahm den Trotz fuͤr Heldenmuth, das Zuruͤckscheuchende fuͤr Majestaͤt, und das Gezogene fuͤr Anmuth. Seine Formen sind nicht einst aus der schoͤnen Natur gewaͤhlt. Seine Weiber sind zu maͤnnlich, seine Juͤnglinge zu schwerfaͤllig, seine Al- ten zu abgemergelt. Er hatte eine genaue Kenntniß von der Form und der Lage der Knochen und Muskeln in Ruhe. Aber er kannte sie nur, wie man sie durch die Zergliederung der Leichnahme kennen lernt: nicht mit den Abwechse- lungen, die die Bewegungen des lebenden Koͤrpers hervorbringen, entbloͤßt von der weichen Haut, die sie bedeckt. Seine Der Vaticanische Pallast. Seine Extremitaͤten sind ohne Noth verdreht, und convulsivisch verzerrt; die Gewaͤnder willkuͤhrlich geworfen, und die Falten zu aͤngstlich gelegt. In seinem Colorit im Helldunkeln scheint er sich gefaͤrbte Wachsbilder zum Vorbilde genommen zu haben, die ein Ungefaͤhr vereinigt hat. Diese Theile sind ohne Wahrheit, ohne Abwechselung, ohne Wahl in seinen Gemaͤhlden. Ob Michael Angelo je in Oehl gemahlt hat? ist zweifelhaft. Die Staffeleigemaͤhlde, die man fuͤr seine Arbeit ausgibt, sind wahrscheinlicher von seinen Schuͤlern. Sein weitlaͤuftigstes Werk ist die Sixti- nische Capelle, daraus laͤßt sich am sichersten sein Verdienst als Mahler bestimmen. Ich will nun das Urtheil, das ich im Allgemei- nen daruͤber gefaͤllet habe, durch eine detaillirtere Pruͤfung zu rechtfertigen suchen. † Das juͤngste Gericht. Das juͤngste Gericht. Wenn meine Einbildungskraft sich dieses Suͤjet mahlerisch darstellt, welches Bild steigt in meiner Seele auf? Finsterniß, wie man sie sich nach der Zerruͤttung aller Elemente denkt, umhuͤllet die Erde: Aber die Glorie, in der der Weltrichter in Begleitung der Aus- erwaͤhlten vom Himmel herabsteigt, erleuchtet hinrei- chend den Vorgrund mit der Handlung die darauf vorgehet. Welche Situationen! Welche Charaktere! Welcher Ausdruck! Welche Stellungen! M 2 Hier Der Vaticanische Pallast. Hier steigt der Gerechte mit ruhiger Zuversicht aus der Gruft hervor; dort betet ein anderer dankbar an. Geliebte, Eltern und Kinder, Bruͤder und Freunde erkennen sich wieder, eilen aufeinander zu, und vergessen sich in ihren Umarmungen. Engel tra- gen Gruppen von Seligen empor; der Weltrichter reicht ihnen mit dem Ausdrucke der Guͤte die Hand und schleudert mit zuruͤckgewandter Rechte den Don- ner auf die Verdammten, die man im Hintergrunde erblickt. Dort erleuchten die leckenden Flammen des feurigen Pfuhls die Scene des Grauses und des Schreckens, hinreichend um sie zu erkennen, aber nicht stark genung, um dem vordern Lichte zu schaden. Ungluͤckliche, die sich nun auf immer von demjeni- gen getrennt sehen, was ihnen auf Erden das liebste war, huͤlflos ihre Arme darnach ausstrecken; Andere, die den Himmel verzweifelnd anklagen; Andere, die mit neidischem Blicke auf die Seligen sich foltern, stehen auf dem zweiten Plane, und leiten das Auge in Verbindung mit dem Ganzen auf den Hintergrund, wo der Donner des Allmaͤchtigen die Frevler in den feurigen Abgrund stuͤrzt. — Aber was findet man von diesen und andern Ideen, wodurch dies Suͤjet so reich an interessanten Eindruͤcken werden koͤnnte, in diesem Gemaͤhlde? Nichts! Es gleicht einer Beschreibung, wodurch eine feurige und fruchtbare Einbildungskraft, die we- der von Gefuͤhl noch Geschmack geleitet wird, bei lan- gen Winterabenden, horchenden Kindern und Wei- bern, ein Grausen wuͤrde abjagen wollen. Oben Der Vaticanische Pallast. Oben in einer Glorie ist Gott der Vater, unter ihm der heilige Geist als Taube, zu beiden Seiten stehen zwei Gruppen von Engeln, deren eine das Kreuz, die andere die Saͤule halten, woran Christus gegeißelt wurde. Unter dem heiligen Geiste sitzt der Sohn, neben ihm seine Mutter, die Apostel, die Patriarchen, und rund herum Maͤrtirer, und an- dere Heilige die ihm die Instrumente ihrer Marter zeigen. Hier theilt sich das Gemaͤhlde ungefaͤhr in der Mitte ab, und wird mit dem untern Theile durch isolirte Figuren einiger Engel verbunden, die Selige in den Himmel heben, und Verdammte zuruͤck stoßen. Unten ist Erde und Wasser. Todte steigen aus den Graͤbern, Engel streiten gegen Teufel, und nehmen diesen schon entwandte Seelen ab. Einige Ver- dammte werden bereits gemartert. In dem obern Theile ist die Anordnung symme- trisch, unten aber so unordentlich, daß der Blick sich immer darin verwirrt. Der Ausdruck ist allenthal- ben uͤbertrieben und oft gemein; viele Gedanken sind sogar ekelhaft. Dahin gehoͤrt der heilige Bartholo- maͤus, der dem Christ seine abgestreifte Haut zeigt, der Wolluͤstige, dem eine Schlange in die Schaam beißt ꝛc. Nichts ist dem Kuͤnstler besser gerathen, als der Ausdruck der Verworfenheit in den Teufeln. Einzelne Schoͤnheiten, vorzuͤglich in Ruͤcksicht auf Zeichnung und Verstaͤndniß der Anatomie, wird Niemand verkennen. Aber das Ganze? — Des Mangels an Haltung, an Colorit nicht einst zu ge- denken. Dies Gemaͤhlde nimmt eine große Wand dem Eingange gegen uͤber ein. M 3 Am Der Vaticanische Pallast. Gemaͤhlde am Plafond. Am Plafond sind einige Begebenheiten aus dem ersten Buch Moses in verschiedenen Abtheilungen vor- gestellt. Man lobt darin die Figuren Gottes. Allein mir scheinen sie durchaus den zuruͤckstoßenden Ernst zu haben, der sich mehr fuͤr einen Zauberer als den Weltregierer paßt. In dem Bilde, wo der Schoͤ- pfer die beiden großen Lichter ans Firmament setzt , hat er den Anstand eines schlechten Schauspie- lers. Der Engel der sich in eben diesem Bilde in dem Schooße des Schoͤpfers aus Furcht vor dem Monde verkriecht, ist eine laͤcherliche Idee. † In dem Bilde von der Erschaffung Adams hat der Kuͤnstler den Gedanken ausdruͤcken wollen: und er blies ihm einen lebendigen Odem ein. Der Schoͤpfer steht vor dem halbaufgerichteten Adam, und ruͤhrt ihn mit dem Finger an, gleichsam als wuͤrde er von der elektrischen Kraft, die aus ihm herausgeht, belebt, oder vielmehr aus dem Schlafe geweckt. Allein fuͤr einen Zuschauer, der nicht jene Worte in Gedanken hat, bleibt Adam immer ein Mensch, der sich in die Hoͤhe richtet, und der Schoͤpfer immer ein Alter, der ihn mit dem Finger anruͤhrt. Die Figur Adams ist sonst einer der richtigst gezeichneten nackten Koͤrper neuerer Kunst. † Auch der Fall der ersten Eltern wird der Zeichnung des Nackenden wegen geschaͤtzt. † In dem Gemaͤhlde von der Erschaffung der Eva hat Michael Angelo zuerst Gott den Vater von einer Gruppe von Engeln tragen lassen. Eine gluͤckliche Idee, die hernach oft wiederholt ist. † Rund Der Vaticanische Pallast. † Rund um den Plafond herum sieht man meh- rere Sybillen und Propheten in academischen Stellungen. Sie zeichnen sich durch eine repraͤsenti- rende Anmaaßung, durch eine Anstrengung von Kraͤften aus, deren Grund man nicht absieht, die uͤber die Graͤnze der Wahrheit verstaͤrkt ist. Man sieht wohl ein, daß ein Mensch in einer aͤhnlichen Lage sich so stellen koͤnnte, daß er sich aber gewiß nicht so stellen wuͤrde, wenn es ihm nicht dar- auf ankaͤme, recht bedeutungsvoll auszusehen. Der Ausdruck in den Figuren des Michael An- gelo verhaͤlt sich zu dem Ausdrucke in den Figuren des Raphael, wie die Bewegung eines vorexercirenden Fluͤgelmanns zu den Bewegungen eines Soldaten in Reihe und Glieder. Camera de’ Papiri mit einem Plafond Camera de- Papiri. von Anton Raphael Mengs. Anton Raphael Mengs erhielt mit Raphael Anton Ra- phael Mengs. Sanzio da Urbino beinahe dieselbe fruͤhere Bildung. Auch er wurde jung an Treue der Nachahmung und sorgfaͤltige Beobachtung der Verhaͤltnisse gewoͤhnt, auch er besaß beinahe von seiner Kindheit an, ein Auge das richtig sahe, und eine Hand die willig folgte; die fruͤhere Bekanntschaft mit den Meisterstuͤ- cken der alten und der neueren Kunst hatte er vielleicht zum Voraus; er ward ein großer Mahler, ein brauchbarer Schriftsteller in seinem Fache; — und ward kein Sanzio. M 4 Es Der Vaticanische Pallast. Es ist wahr! Niemand kannte besser als unser Landsmann die Maaße und den Umfang der Forde- rungen, die man an einen Kuͤnstler in Ruͤcksicht auf das Talent der Ausfuͤhrung zu machen berechtigt ist. Man darf auch dreist sagen, daß er sie in diesem oder jenem seiner Bilder in einer Vereinigung befriediget hat, die uns bis dahin unbekannt geblieben war. Allein dies gilt nur von Werken von einfacher Zusam- mensetzung, von einzelnen Figuren, deren wohlgefaͤl- lige Gestalten sich unter dem Charakter stiller Einge- zogenheit, heiterer Ruhe, und des kindlichen Reitzes zeigen. In groͤßeren Zusammensetzungen, deren In- teresse auf dem Ausdruck nach außen gerichteter Affek- ten, vollstaͤndig sichtbar motivirter Handlungen, hoher Bedeutung, und voͤlliger Uebereinstimmung jedes ein- zelnen Theiles zum Ganzen beruhet, zeigen sich alle die Maͤngel die das Talent von dem Genie unter- scheiden. Unterschied zwischen Ge- nie und Ta- lent in dem bildenden Kuͤnstler: in Ruͤcksicht auf Erfindsam- keit, Einbil- dungskraft, Empfindung und Ge- schmack. Mengs erfand mit Muͤhe: er hatte keinen Reich- thum an Ideen, keine Erfindsamkeit, und was schlimmer war, er besaß keine Einbildungskraft. Ich rede von der Einbildungskraft, die eigentlich den Mahler macht: von der Gabe in unserer Seele ein Geschoͤpf zu bruͤten, zu dem vielleicht unzaͤhlige Er- fahrungen im Einzelnen den Stoff gegeben haben, das aber wie ein Ganzes auf einmahl, mit allen den ergreifenden Details der Wahrheit aufsteigt, womit wir im Leben zum ersten Mahle einen Gegenstand er- blicken; von der Gabe das Bild von mehreren zu einem Auftritt vereinigten Figuren jede mit ihrem eigenthuͤmlichen Ausdruck, Form, Farbe, Beleuch- tung, und dann wieder in ihrer Einheit, in ihrer Ueber- einstim- Der Vaticanische Pallast. einstimmung die ganze Zeit der langwierigen mechani- schen Behandlung hindurch unverruͤckt festzuhalten, dazu zu setzen, davon abzunehmen, ohne daß die erste urspruͤngliche Idee eine wesentliche Veraͤnderung leiden koͤnnte. Diese goͤttliche Gabe, mit der vielleicht nie ein Mensch jenseits der Alpen gebohren worden ist, scheint mir nicht der Antheil des Raphael Mengs gewesen zu seyn. Sanzio schuf in seinem Kopfe und verbesserte nach den Antiken und den Werken seiner Vorgaͤnger: Mengs las das Beste aus den Antiken und den Neue- ren zusammen, und schuf auf dem Plane des Bildes. Die Werke des ersten gleichen dem Guß eines Spie- gels, den ein Hauch uͤber die Flaͤche geblasen hat, die Werke des letzten eingelegter Arbeit, die durch den Fleiß des Florentiners aus kostbaren Ueberbleibseln des Alterthums zusammengefuget worden. Ich rede von weitlaͤuftigen Compositionen. Das Gefuͤhl sittlicher Schoͤnheit, und die Em- pfindung des sinnlich Schoͤnen haͤngen vielleicht in dem Geiste des Menschen von einer und derselben Faͤ- higkeit ab. Die verschiedene Richtung, welche ihr aͤußere Verhaͤltnisse und begleitende Seelenkraͤfte in der Anwendung geben, bringt vielleicht ihren Pro- ductionen bald den Nahmen eines schoͤnen Kunstwerks zu Wege, bald den Nahmen einer schoͤnen That. Um in den stillen Scenen des Mittelstandes, um im engen Cirkel haͤuslicher Verbindungen, als Weiser, Freude und Heiterkeit um sich her zu verbreiten, be- darf es nur eines sanften Charakters, gemaͤßigter Affekten, und einer ruhigen Achtsamkeit auf das was M 5 andere Der Vaticanische Pallast. andere um uns liebenswerth macht. Aber um als Held in den verwickelsten Lagen eines Staats dessen Stuͤtze mit Aufopferung der theuersten Verhaͤltnisse zu werden, muͤssen wir die Tugend mit Leidenschaft lie- ben, wir muͤssen sie verkoͤrpert sehen, ihr Glanz muß in uns das Ideal einer Vollkommenheit wecken, das nur unsern Verhaͤltnissen, unsern Kraͤften, mit einem Worte: uns gehoͤrt. So wie der Ton eines musi- calischen Instruments den Geist eines Compositeurs in eine Schwingung setzt, in der er ungehoͤrte Toͤne aus sich selbst hervorruft, so koͤnnen große Beispiele im Einzelnen zwar die Stimmung zur Groͤße nicht aber ihre voͤllige Harmonie hervorbringen. Der Geist des Alexanders belebte einen Caͤsar, durch Nachahmung seiner Thaten entstand nur ein Carl der Zwoͤlfte. Mengs sah das Schoͤne in den Werken der Alten ein, er begriff es, und lieferte hier und dort gluͤckliche Nachbildungen schoͤner Gestalten: Raphael ward durch ihren Anblick begeistert, er zuͤndete, dem Pro- metheus gleich, seine Fackel an dem himmlischen Feuer an, und ihr Abglanz warf nicht Schatten von Goͤttern hin, ihre Waͤrme belebte Menschen, seine eigenen Geschoͤpfe. Wahrnehmung des Guten und Schoͤnen heißt im Allgemeinen Geschmack. Aber in der Art der An- wendung ist dessen Wesen sehr verschieden. Der eine Mensch hat ihn durchs Gefuͤhl, der andere hat ihn durch Nachdenken: Der eine weiß die Gruͤnde seines Urtheils trefflich auseinander zu setzen, der andere schafft statt aller Antwort. Es scheint daß bei dem ersten die Vernunft im genaueren Verbande mit dem Scharf- Der Vaticanische Pallast. Scharfsinn steht, bei dem andern der Scharfsinn mit dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bilden- den Kuͤnstler ist die letzte Art zu wuͤnschen, dem Be- schauer des Gebildeten kann die erste genuͤgen. Mengs hat viel uͤber den Geschmack geschrieben; wir vermissen ihn oft in seinen Gemaͤhlden. Diese Betrachtungen koͤnnen dem Urtheil uͤber das Verdienst unsers Mengs, als Mahler, zur Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit dem Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht und ausgefuͤhrt. Dies erstreckt sich jedoch bei weib- lichen und maͤnnlichen selten weiter als auf das Alter dem jene Eigenschaften vorzuͤglich eigen sind: des Kindes, des Juͤnglings, und des Maͤdchens, beide an den Graͤnzen der Pubertaͤt. Menschen, die bei wachsender Geistesstaͤrke Formen von hoher Bedeu- tung, den Ausdruck heftiger Affekten zeigen, sind ihm selten gegluͤckt. Seine groͤßeren Compositionen sind nicht haͤufig mit wahrer Ruͤcksicht auf den Zweck und die Wuͤrkung der Kunst erfunden und angeordnet, und es fehlt beinahe durchaus an jener Harmonie aller Theile zum Ganzen, die eine Arbeit zu einem Werke macht. Mengs hatte eine harte Erziehung genossen, er hatte lange in Miniatur gemahlt. Seine Behand- lung ist immer aͤngstlich geblieben. Der Plafond in diesem Zimmer ist das schoͤnste Plafond des Mengs. Werk, das wir von ihm kennen. Man urtheilt so verschieden daruͤber in Rom, einige erheben, andere erniedrigen es so sehr, daß schon dies allein die Vermuthung erweckt, man unter- scheide Der Vaticanische Pallast. scheide bei dessen Beurtheilung nicht genungsam die verschiedenen Theile der Kunst, deren Vereinigung Vollkommenheit ausmacht. Der Gedanke des mittelsten Gemaͤhldes ist fol- gender: Die Geschichte ist im Begriff, dasjenige auf- zuzeichnen, was Janus ihr dictirt. Wahrscheinlich soll Janus, der Mann mit dem gedoppelten Antlitz, hier die Scharfsichtigkeit und das Gedaͤchtniß vorstel- len. Die Zeit, ein ruͤstiger Alter, liegt gekruͤmmt vor der Geschichte, die ihr Buch auf seinen Ruͤcken stuͤtzt. Ein Genius bringt Documente herzu. Eine Reno- mee, eine Fama, stoͤßt in die Trompete, indem sie auf das Museum Clementinum zeigt, welches man im Hintergrunde sieht. Diese Erfindung scheint mir nicht gluͤcklich. Hier sind meine Gruͤnde. Vorlaͤufige Bestimmung der Eigen- schaften einer guten allego- rischen Zu- sammense- tzung fuͤr die schoͤnen Kuͤn- ste. Es ist, wie mich duͤnkt, den schoͤnen Kuͤnsten bis jetzt sehr nachtheilig gewesen, daß man das eigent- liche Symbol von dem schoͤnen Kunstwerke nicht be- stimmt genung unterschieden hat. Das Symbol will belehren. Es will durch an- schauliche Erkenntniß den nicht sinnlichen Begriff schneller, lebhafter und mit mehr umfassender Bedeu- tung in die Seele bringen, mithin mehr und besser sagen, als durch bloße Worte; darum nimmt es Form und Koͤrper zu Huͤlfe. Aber das schoͤne Kunstwerk besorgt mein Vergnuͤ- gen. Es gibt meinem Herzen, meiner Einbildungs- kraft Nahrung, es unterhaͤlt meinen Verstand, aber leicht, und immer, entweder mittelbar durch die Be- schaͤfftigung, die es jenen Geisteskraͤften gibt, oder wenig- Der Vaticanische Pallast. wenigstens in deren Begleitung; Belehrung liegt gaͤnz- lich außer dessen Zweck. Wenn also die schoͤne Kunst ihren Werken eine allegorische Bedeutung unterlegt, so geschieht es um dasjenige, was durch den sichtba- ren Ausdruck schon interessant seyn wuͤrde, durch Ver- knuͤpfung mit einer geheimen Bedeutung noch interes- santer zu machen. Sucht sie abstrakte Ideen zu ih- ren sinnlichen Bildern, so sucht sie diese nur um jene zu schmuͤcken, nicht um ihnen Wesen und Gehalt zu geben. Alle bildende Kunst hat endlich Nutzen zum End- zweck. Aber die schoͤne Kunst nutzt im Allgemeinen, indem sie durch den Genuß edlerer Vergnuͤgungen den Keim fuͤr alles Gute und Schoͤne in dem Menschen entwickelt und erhaͤlt. Eine bestimmtere Absicht in ihren einzelnen Werken aufzusuchen leiden ihre wesent- licheren Vorzuͤge nicht. Doch, dies weiter auszu- fuͤhren, behalte ich mir an einem andern Orte vor. Weil man meine Gruͤnde dort pruͤfen kann, so setze ich hier die Sache als ausgemacht fest, und fol- gere daraus einen wichtigen Unterschied zwischen der bildenden Kunst, die fuͤr den Verstand, fuͤr Wissen- schaft arbeitet, und derjenigen, die fuͤr den Sinn des Schoͤnen schafft. So wie bei den Alten das Bild, das Zeichen einer religioͤsen Verehrung, nach ganz andern Grundsaͤtzen verfertigt wurde, als das Werk, das durchs Beschauen genossen werden sollte: So wie ihnen eine Diana von Ephesus ganz etwas anders war, als ein Antinous; so ist auch noch jetzt ein Symbol von einer schoͤnen allegorischen Vorstellung wesentlich verschieden. Auf Der Vaticanische Pallast. Auf Muͤnzen, auf Denkmaͤhlern, auf allen Werken, die wissenschaftliche Bedeutung, Belehrung, Aufbewahrung des Geschehenen zur Absicht haben, laufen Nutzen und Vergnuͤgen in einander, und der Unterschied zwischen Symbol, Zeichen, und allegori- scher Vorstellung, schoͤnem Bilde, wird, dem Zweck und der Verfahrungsart des Verfertigers nach, we- niger fuͤhlbar. Hier tritt schriftliche und muͤnd- liche Ueberlieferung dem Ausdruck des Bildes zur Seite: Die Entraͤthselung der Absicht macht keine Schwierigkeit, und sollte sie welche machen, so belohnt dafuͤr der Vortheil der Belehrung, die Be- schaͤfftigung des Witzes in Aufspuͤhrung feiner Ver- haͤltnisse zwischen Bild und Gedanken. Geht dar- uͤber der Eindruck der Schoͤnheit verlohren, wohl! wir halten uns an den Gewinn von Ideen, die neu in unserm Kopfe aufsteigen. Aber das Werk einer Kunst, welches den Sinn des Auges durch Schoͤnheit der Gestalt vergnuͤgen, das Herz durch den Ausdruck interessanter Affekten zur Mitempfindung einladen, und die Einbildungskraft durch Darstellung dessen, was sie sich als Bild zu denken gewohnt gewesen ist, ausfuͤllen, nicht spannen will; das Werk einer solchen Kunst, sage ich, muß auf den ersten Blick verstanden werden. Findet der Beschauer nicht in seiner eigenen Erfahrung den Schluͤssel zu dessen Verstaͤndigung, soll er erst einen gelehrten Ausleger herbeirufen, uͤber die Bedeutung nachsinnen und rathen, so geht seine Begierde, von der sichtbaren Vollkommenheit geruͤhrt zu werden, verlohren, und das, was uͤbrig bleibt, ist nicht Ver- gnuͤgen seines Auges und seines Herzens, nicht Aus- fuͤllung Der Vaticanische Pallast. fuͤllung seiner Einbildungskraft; es ist kalte Beschaͤff- tigung seines Witzes. Wie unsicher ist die Rechnung, die der Kuͤnstler auf das Maaß von Kenntnissen macht, die der Lieb- haber zu dem Anblick seines Werkes herzubringt! Wie abhaͤngig von unzaͤhligen Nebenumstaͤnden und Ver- haͤltnissen der Erziehung, des Nationalcharakters, der Neigungen, der Beschaͤfftigungen! In der That die allegorische Schrift, in so fern sie fuͤr sich steht, ist die eingeschraͤnkteste von der Welt, kaum einigen Per- sonen aus einer Classe unter einem Volke verstaͤndlich! Schon diese Betrachtung allein sollte dem Kuͤnst- ler die Verbindlichkeit auflegen, jenes Interesse, das von der Kenntniß der geheimen Bedeutung abhaͤngt, und nur von wenigen empfunden wird, demjenigen unterzuordnen, das dem Wesen der Kunst angemesse- ner, von jedem wohlerzogenen Menschen getheilt wird. Ich rede von dem Ausdruck der Affekten, die jedem Menschen mit einem Herzen gemein sind, der sichtbare Handlung motivirt, und von dieser wieder motivirt wird. Bei einzelnen Figuren faͤllt die Nothwendigkeit weniger auf. Ist es nicht die Gerechtigkeit, die wir sehen, so ist es eine schoͤne Frau; die Waage in der Hand, selbst der unverstaͤndliche Strauß zu ihrer Seite, wird den Eindruck ihrer schoͤnen Gestalt nicht stoͤren. Es ist die koͤrperliche Form, auf die wir bei einzelnen Figuren unsere erste und hauptsaͤchlichste Ruͤcksicht nehmen. Aber ganz anders verhaͤlt es sich mit weitlaͤufti- geren Zusammensetzungen, mit den sogenannten histo- rischen Der Vaticanische Pallast. rischen Compositionen, mit Werken, auf denen wir mehrere Personen neben einander handeln sehen. Ein solches Bild ist fuͤr uns ein wahrer pantomimischer Auftritt, nur mit dem Unterschiede, daß die Akteurs in einem gewissen Momente, wie vom Anblick des Me- dusenkopfs geruͤhrt, angeheftet stehen bleiben, und durch Stellung, Mine und Blick die Gedanken, Lage, und Empfindungen anzeigen, in der sie sich in dem Augenblicke befanden, in dem sie auf immer fortzu- handeln aufhoͤrten. Die ersten Fragen, die nun der Zuschauer an diese bezauberten Figuren thut, sind diese: Was ist eure Bestimmung? Wie kommt ihr hieher? Was habt ihr mit einander gemein, daß ich euch hier zusammen sehe? Und die Antwort der Zauberin, der Mah- lerei: Sie sind von der Huͤlfe der Rede entbloͤßt; aber seht auf ihre Gebaͤhrden; Der Ausdruck des einen Mimikers enthaͤlt immer den vollstaͤndigsten Grund des Ausdrucks in dem andern: so haͤngen sie zusam- men, und dieser Zusammenhang erklaͤrt die Hand- lung, an der sie gemeinschaftlich Theil nehmen, als ihre fernere Bewegung gehemmet wurde! Nun wird der Zuschauer uͤber den Zweck des Ganzen mit Leichtigkeit verstaͤndiget seyn, nun wird er ohne Schwierigkeit den Ausdruck in jeder einzelnen Figur pruͤfen, und beurtheilen. Er fuͤhlt die Einheit in der Mannichfaltigkeit, dieses wichtige Bestandtheil der Schoͤnheit, welches es allein entschuldigen kann, daß der Kuͤnstler mehrere Figuren an einen Ort zu- sammendraͤngt, wo sie dem Ausdruck immer schaden, wenn sie ihm nicht helfen, und wo die Schoͤnheit der Gestalt Der Vaticanische Pallast. Gestalt immer durch die Vereinigung mit mehreren Schoͤnheiten verlieret. Eine Darstellung nach diesen Grundsaͤtzen ist im- mer als die Staffel der Kunst und des Vergnuͤgens angesehen worden, und derjenige, der eine Menge personificirter Ideen von Symbolen nur darum an ei- nen Ort vereiniget, weil sie sich als Begriffe in seinem Kopfe unter einen allgemeinen Satz bringen lassen, scheint sich ansehnlich von derselben zu entfernen. Denn bleiben diese Zeichen von Ideen in unthaͤti- ger Ruhe, so wird die Scene fuͤr lebende, aber stumme eingewurzelte Personen zu einer Gallerie ihrer steiner- nen Nachbildungen: und erhaͤlt jedes Symbol fuͤr sich den Ausdruck der Wuͤrkung aus der wir uns dessen Kraft abstrahirt haben; so wird aus dem ernsthaften Auftritt ein Narrenhaus, in dem jeder sich nicht ohne Nachtheil fuͤr den andern herumtummelt, und wo der Witz, als ein besonders dazu angesetzter Custode, uns erst mit den Schicksalen und der Bestimmung eines jeden bekannt machen muß. Mein Rath ist also dieser: Wo der Mahler eine allegorische Bedeutung in ein Gemaͤhlde legt, das aus mehreren Figuren zusammengesetzt ist, da ordne er sie immer der Darstellung einer Begebenheit, eines Vorfalls unter, der uns als Bild, wiewohl mit Ab- wesenheit derjenigen zufaͤlligen Bestimmungen, welche die Allegorie bezeichnen, aus der Erfahrung des ge- meinen Lebens bekannt ist, oder doch aus wuͤrklich gesehenen Gegenstaͤnden leicht als ein sichtbares Bild von dem Beschauer zusammengesetzt wird. Um recht deutlich zu werden, will ich einige Beispiele alle- Erster Theil. N gorischer Der Vaticanische Pallast. gorischer Gemaͤhlde anfuͤhren, welche diese Forde- rung zu befriedigen scheinen. Ein Kind reutet auf einem gezaͤumten Loͤwen. Wie der schalkhafte Knabe laͤchelt, wie er sich seines Spieles freuet! Wie sich das gutmuͤthige Thier sei- ner Staͤrke gegen den neckischen Knaben entaͤußert! Wie angenehm die Lieblichkeit des Kindes mit der Majestaͤt des Loͤwen contrastirt! Aber was seh’ ich? Das Kind hat Fluͤgel, es traͤgt Koͤcher und Bogen. Ha! es ist Amor, und die geheime Bedeutung: Liebe zaͤhmt Staͤrke. Zwei verworfene Menschen sind im Begriff eine huͤlflose Schoͤne in einen Abgrund zu stuͤrzen. Sie ist entbloͤßt, der Raub ihres kostbaren Schmucks ist wahrscheinlich die Veranlassung zu dieser Grausamkeit. Die Spuhr des begangenen Verbrechens soll durch ein schaͤndlicheres bedeckt werden. Ich zittre, daß die Vorsehung es zugibt, aber ich zittre umsonst: Ein nervigter Alter eilt zu ihrer Rettung herzu, und ent- reißt sie dem Verderben. Wozu traͤgt dieser Alte Sense und Stundenglas, warum sind die schaͤndlichen Verfolger der nackten Schoͤnen mit zugespitzten Ohren gezeichnet? Es sind Mißgunst und Neid, welche die Wahrheit im Ab- grunde der Vergessenheit zu begraben dachten, aber die Zeit zieht sie hervor. Mit der ganzen Staͤrke, mit aller Lebhaftigkeit einer sinnlichen Erkenntniß uͤberseh’ ich auf einmahl alle schrecklichen Folgen des Krieges auf einem Bilde des Rubens in dem Pallast Pitti zu Florenz. Mars wird Der Vaticanische Pallast. wird durch die Goͤttin der Rache, die flammende Blicke und brennende Fackel verkuͤndigen, gewaltsam fortgerissen. Umsonst wirft sich Venus in Thraͤnen in die Arme des Geliebten, umsonst umschlingen Amo- rinen seine Knie; er zertritt mit seinen Fuͤßen halbzer- rissene Buͤcher, vor seinem Anblick stuͤrzen Kuͤnste und Wissenschaften zu Boden. Verzweiflungsvoll ver- birgt ein Weib ihr Kind in ihren Busen, auf der Schwelle des geoͤffneten Janustempels sitzt die trost- lose Erde, und im Hintergrunde laͤßt die Flamme brennender Doͤrfer ein verheertes Land und Gruppen von Kriegern sehen. Jedem ist die Allegorie begreiflich; aber gesetzt, sie waͤre es nicht! Werden wir darum das ganze Bild nicht erklaͤrbar finden, weil einige Nebenfiguren, Nebendinge, uns ohne die geheime Bedeutung nicht verstaͤndlich sind? Liefert die Hauptgruppe nicht einen Ausdruck von Empfindungen, der durch den bloßen Anblick hinreichend motivirt, durch die Vergleichung mit den gemeinsten Erfahrungen uͤberfluͤßig gerecht- fertigt wird? Hat der erzuͤrnte Held, der sich aus den Armen seiner Familie reißt, nur denn ein Anrecht auf unsere Theilnehmung, wenn er der Gott des Krie- ges, seine Gattin die Goͤttin der Liebe, und seine Kin- der Amorinen sind? Ist es die Verknuͤpfung der Ideen, die uns dieses Bild so schaͤtzbar macht, oder ist es die Situation, welche zum Ausdruck interessan- ter Affecte die Veranlassung gibt? Genung! Jede zusammengesetzte allegorische Vor- stellung, die ein Gegenstand der schoͤnen Kunst seyn soll, liefere uns die Darstellung eines Vorfalls, einer N 2 Bege- Der Vaticanische Pallast. Begebenheit, einer Situation, die an sich eines zu- sammenhaͤngenden, und fuͤr Herz und Einbildungs- kraft interessanten Ausdrucks faͤhig ist. Die geheime Bedeutung verstaͤrke den Antheil, den wir an dem Sichtbaren nehmen, nie aber sey sie einziger Schluͤs- sel, einziges Motiv, einziger Grund der Vereinigung mehrerer unthaͤtigen oder handelnden Wesen. So wird der Verstand nicht auf Kosten des Herzens Unterhaltung finden, so wird das Bild durch den Gedanken, der Gedanke durch das Bild ge- winnen. Und nun zur Beurtheilung des Gemaͤhldes, das wir vor uns haben. Fortschritt zur Beurthei- lung des mittleren Ge- maͤhldes an diesem Pla- fond. Ist der Gedanke der hier zum Grunde liegt, uͤber- haupt einer Verkoͤrperung faͤhig? Nein! er ist zu complicirt, um je in einer sinnlichen coexistirenden Vorstellung zusammengefaßt zu werden. Die Ge- schichte schreibt die Thaten auf, die Gedaͤchtniß und Scharfsichtigkeit ihr darbieten; Sie bedient sich dazu auch der Urkunden; so fixirt, so heftet sie die Zeit an, und die Renommee breitet den Ruf der Anstalten aus, die zum Besten der Geschichte gemacht sind. Dies sind eine Menge progressiver Handlungen, die sich nicht einst in den Begriff von dem Vor- theile aufbewahrter Urkunden zusammen zwaͤngen lassen, viel weniger in ein coexistirendes, mit einem Blick zu uͤbersehendes, Ganze vereiniget werden moͤgen. Waͤre aber auch die Versinnlichung moͤglich, so sind doch die Mittel, die Mengs dazu gebraucht hat, fehlerhaft gewaͤhlt. Es ist unnatuͤrlich, die Befesti- gung Der Vaticanische Pallast. gung, das Anheften der Zeit durch die Stellung eines ruͤstigen Alten sinnlich zu machen, den ein Foliant zu Boden druͤckt. Diese Last steht in keinem Verhaͤlt- nisse mit der Schnellkraft seines Ruͤckens. Nun aber denke man vollends nicht an die Alle- gorie. Wie kommen die Figuren zusammen, an welcher sichtbar gemeinschaftlichen Handlung nehmen sie Theil? Die Renommee, die auf das Museum Clementinum zeigt, kann, dem Verstaͤndnisse des Ganzen unbeschadet, ganz aus dem Gemaͤhlde weg- genommen werden: So der Genius, der die Urkun- den herzutraͤgt ꝛc. Weiter! Zu welchem interessanten Ausdrucke ge- ben die Beschaͤfftigungen des Schreibens, des Dic- tirens, des Zusammentragens, ja! selbst des kalten Forschens Veranlassung? Ich glaube, zu einem sehr geringen; und was das schlimmste ist, auch die- ser ist verfehlt. Die Geschichte zeigt in Minen und Stellung eine Begeisterung, die nicht der kalten Forscherin, viel- mehr der Odendichtkunst zukommen wuͤrde. Der Genius, der die Urkunden herzutraͤgt, sieht die Zu- schauer an, nicht auf den Ort, auf den er zugeht. Janus, der mit der Geschichte redet, wendet beide Koͤpfe ab, und dreht ihr das Ohr zu, so, daß wenn man seiner Handlung Wahrheit beilegen wollte, man durchaus annehmen muͤßte: er besitze die seltene Kunst, durch den Bauch zu reden. So viel uͤber die Erfindung. Auch die Anordnung ist nicht zu loben. Die Fi- guren stehen zu isolirt, sie gruppiren nicht zusammen. N 3 So- Der Vaticanische Pallast. Sobald man sich aber zu dem Einzelnen wendet, so erscheint Mengs in aller seiner Groͤße. Den Koͤrper der Zeit allein ausgenommen — denn dieser ist fuͤr das Uebrige zu unedel, — zeigt sich die schoͤnste Wahl in Koͤpfen und Formen. Die Zeichnung ist aͤußerst correct. Das Colorit, sowohl an und fuͤr sich selbst als in Ruͤcksicht auf die Schwie- rigkeiten der Fresco, Mahlerei erweckt durch Wahrheit, Kraft und Lieblichkeit Bewunderung, und eben dies kann man von der Haltung sagen. Als ausgezeichnet schoͤne Theile bemerke ich die Brust der Geschichte, den Kopf des Genius, die Leichtigkeit des Flugs der Renommee. Ueber der einen Thuͤr St. Petrus sitzend . Ich finde ihn nicht sehr edel, aber sehr wahr. Herrliche Ge- nii und Kin- der von Mengs Zu beiden Seiten desselben † zwei Genii , de- ren Koͤrper zu den schoͤnsten gehoͤren, vielleicht die schoͤnsten sind, die die neuere Mahlerei aufzuweisen hat. Die Koͤpfe wuͤrden noch reitzender seyn, wenn nicht in dem Untertheile derselben eine zu kleinliche Suͤßlichkeit herrschte. Uebrigens sind sie mit dem Griffel der Antike gezeichnet, mit Tizians Pinsel colo- rirt, und mit Correggios Zauberfackel beleuchtet. Gegen uͤber Moses . Man sagt, der Kopf sey ein Portrait des Pabstes Lambertini. Gewiß ist es, daß er nicht den Charakter der Groͤße an sich traͤgt, die man von einem Gesetzgeber erwartet. Die ver- kuͤrzte Hand ist unvergleichlich, das Gewand ist ein wenig schwerfaͤllig, und die Falten sind zu muͤhsam gelegt ; ein Fehler, in den dieser Kuͤnstler oͤfterer verfiel. An Der Vaticanische Pallast. An den Seiten dieser Figur stehen wieder † zwei herrliche Genii , und an den beiden Seitenwaͤnden † vier sehr schoͤne Kinder . Das ganze Zimmer ist unter der Aufsicht des Raphael Mengs mit vielem Geschmack decoriret, und ich kenne keines, in dem ich gleich beim ersten Eintritte so gern gewesen waͤre, als in diesem. Kleiner Saal des Consistoriums mit Saal des Consisto- riums, Pla- fond des Guido Reni. einem Plafond vom Guido Reni. Das mittelste Gemaͤhlde stellet die Ausgießung des heiligen Geistes vor. Es ist schoͤn angeordnet, auch sieht man gute Koͤpfe voller Ausdruck und eine kraͤftige Faͤrbung darin. Die Verklaͤrung und die Himmelfahrt Christi zu beiden Seiten. Von geringerm Werthe. Ich uͤbergehe eine Menge von Gemaͤhlden, die sich in diesem Pallaste finden, und die von Herrn Volkmann, Historisch kritische Nachrichten uͤber Italien. Leipzig Ed. von 1777. S. 102 u. f. wiewohl in schlechter Ordnung, ange- zeigt sind. Nach alle dem Schoͤnen, was der Lieb- haber gesehen hat, kann man billig den Vers des Dante auf sie anwenden: Non raggionam’ di lor’, ma guarda e passa. Inzwischen wird es gut seyn, zu bemerken, daß die 25 Cartons vom Domenichino, deren Volkmann erwaͤhnt, und die die Aufmerksamkeit des Liebhabers reitzen koͤnnten, hier nicht mehr angetroffen werden. N 4 Das Das Capitol . Hrn. Volkmanns Beschreibung dieses Pallasts wim- melt von Fehlern. Diejenigen, denen daran liegt, ein genaues Verzeichniß all und jeder Kunstwerke in diesem Pallaste zu haben, verweise ich auf die Descrizione delle Statue, Bassirilievi, Busti etc. che si custodiscono ne’ Palazzi di Campidoglio. Ich habe die letzte und dritte Auflage vor mir, sie ist von 1775. Freilich blos Nomenclatur und noch dazu sehr unrichtige. Allein ihre Verbesserung ge- hoͤrt nicht in meinen Plan. B eym Aufgange der Treppe, die auf den Berg fuͤhret auf dem der Pallast steht, † Zwei Loͤwen aus Basalt , von großem Charakter. Winkelmann G. d. K. S. 68. haͤlt sie fuͤr aͤgy- ptisch. Zur Seite an der Treppe, die nach Santa Maria della Scala fuͤhrt, eine Statue von Porphyr ohne Kopf . Man haͤlt sie fuͤr eine Roma, das Gewand ist vortrefflich. Auf der Baluͤstrade, die den obern Hof einfaßt, zwei Colossal-Statuen, Juͤnglinge, deren je- der ein Pferd haͤlt . Man nennt sie Castor und Pollux. Auf der Stelle, wo sie stehen, thun sie Wuͤrkung. Mehr kann der Liebhaber nicht davon sagen, denn sie sind durch viele Ergaͤnzungen zu sehr entstellt, Das Capitol. entstellt, als daß man uͤber ihre urspruͤngliche Schoͤn- heit ein Urtheil faͤllen koͤnnte. Winkelmann G. d. K. S. 640. haͤlt diese Statuen fuͤr Werke aus der aͤltesten Zeit, und laͤßt die Ver- muthung blicken, als ob sie dieselben waͤren, die ehemals vor dem Tempel des Jupiter Tonans stan- den, und vom Hegesias gearbeitet waren. Wenig- stens, sagt er, waͤren sie an diesem Orte gefunden. Visconti Mus. Clem. T. I. tav. 37. p. 73. hat diese Vermuthung als ungegruͤndet verworfen. † Zwei schoͤne Trophaͤen . Vortrefflich gedacht und ausgefuͤhrt. Sie werden gemeiniglich Trophaͤen des Marius genannt. Winkelmann schreibt sie dem Domitian zu. G. d. K. S. 821. Zwei Soͤhne Constantins , die Winkelmann vielmehr fuͤr Bildnisse ihres Vaters haͤlt. G. d. K. S. 866. Ein antiker und ein moderner Meilenzei- ger . In der Mitte des Hofes . † Marc Aurel zu Pferde, aus Bronze . Ritterstatue Marc Au- rels. Er streckt die Hand aus, gleich als wollte er uͤber die Welt Gluͤck und Frieden austheilen. Dies scheint der Gedanke dieses Werks zu seyn. Die Masse des Ganzen und besonders Marc Aurel ist es, der die Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll; nicht das Pferd. Wenn dies doch diejenigen N 5 bedaͤch- Das Capitol. bedaͤchten, die so viel an diesem Pferde auszusetzen wissen! Ueber die Figur Marc Aurels ist stille Ruhe und Majestaͤt ausgegossen, sie herrscht auf seiner Mine, sie liegt in seinem festen natuͤrlichen Sitze. Diese stille Groͤße contrastirt unvergleichlich mit dem Muthe, mit dem Leben, die sich in jeder Muskel des Pferdes zeigen. Zu diesem Ausdrucke traͤgt vielleicht selbst die sonderbare Stellung desselben etwas bei. Es hebt naͤmlich beide Fuͤße auf eine Art, die so selten und so transitorisch ist, daß man nothwendig eine Idee von Unruhe und Schnelligkeit damit verbinden muß. Uebrigens ist dies Pferd nicht schoͤn, nicht groß. Aber das durfte es auch wohl nicht seyn, wenn es der Wuͤr- kung des Ganzen und der Hauptfigur nicht schaden sollte. Man sehe daruͤber, was bei dem Basrelief mit dem Brustbilde des Antinous in der Villa Albani erinnert ist. Ohnedem scheint dies Pferd ein Por- trait, und der kurze Schweif desselben damahls so gewoͤhnlich gewesen zu seyn, wie jetzt unsere Stumpf- schwaͤnze. Das Mittelgebaͤude dienet dem Senatore di Roma zur Wohnung. An demselben, uͤber einer Fontaine, eine kleine sitzende Roma mit einem Gewande von Porphyr zwischen zwei colossalischen Fluß- goͤttern . Linker Das Capitol. Linker Fluͤgel enthaͤlt die Sammlung von Antiken, die unter Museum Ca- pitolinum. dem Nahmen des Musei Capitolini be- kannt ist . In dem Hofraume, dem Eingange gegen Marforio. uͤber, † die collossalische Statue eines Fluß- gottes oder des Ocean . Sie ist unter dem Nah- men Marforio bekannt, Diese Statue stand ehemals auf einem Platze, den man fuͤr das forum martis hielt, daher die cor- rumpirte Benennung Marsorio. und scheint wahrschein- lich fuͤr eine Fontaine bestimmt gewesen zu seyn. Der Charakter ist: ehrwuͤrdiges Alter, und dieser ist un- vergleichlich ausgedruͤckt. Ungeachtet der collossalen Groͤße sind die Muskeln sehr weich und fließend an- gegeben. Der rechte Arm und die linke Hand scheinen von einem großen Meister restaurirt zu seyn. Neu sind ferner: die Nase, und ein Theil des Fußes. Zwei Panes, mit Fruchtkoͤrben auf den Koͤpfen, als Caryatiden . Sie haben Ver- dienst. Pan ist eine Figur mit Ziegenfuͤßen, mit einer Charakter eines Pan. rauheren, wildern Gesichtsbildung als man gemeini- glich bei den Faunen oder Satyren antrifft, mit Hoͤr- nern, starken zugespitzten Ohren, straͤubigten Baͤrten, krummen Nasen. Man hat lange solche Gestalten Satyren genannt: Allein Satyr ist der griechische Nahme der roͤmischen Gottheit, Faun, und von die- sem an Gestalt nicht verschieden. Der Herr Hofrath Heyne Das Capitol. Heyne S. seine Sammlung antiquarischer Aufsaͤtze, II. St. S. 69 u. f. Es war der Pan, sagt er daselbst, ein altes philosophisches Symbol, bald fuͤr die Na- tur uͤberhaupt, bald fuͤr die Zeugungskraft. Erst spaͤt wurden sie in die Bacchischen Religionsideen aufgenommen. hat zuerst, so viel ich weiß, diesen Irr- thum aufgedeckt. In dem Porticus der zur Treppe fuͤhrt. Mehrere Aegyptische Statuen aus Granit und Basalt . Ein Sturz eines barbarischen Koͤnigs aus Pavonazetto . Er soll ehemals auf dem Triumph- bogen des Kaisers Constantin des Großen gestanden haben. † Eine große antike Begraͤbnißurne, oder ein Sarcophag, auf dem Deckel, liegende Fi- guren zweier Eheleute in Lebensgroͤße . Man hat lange darin den Kaiser Alexander Severus mit seiner Mutter Julia Mammaͤa erkennen wollen. Allein Winkelmann Gesch. d. K. S. 861. hat mit Recht bemerkt, daß die maͤnnliche Figur in einem Alter von mehr als funf- zig Jahren abgebildet sey, und daß daher die Benen- nung jenes Kaisers, der bereits im dreißigsten Jahre seines Alters starb, auf diese Vorstellung nicht passe. Die Basreliefs haben eben so schiefe Auslegungen er- litten. Alle Figuren auf denselben sind zwar nicht zu erklaͤren; Das Capitol. erklaͤren; allein daß die Suͤjets aus dem Homer ge- nommen sind, leidet keinen Zweifel. Wahrscheinlich stellt die vordere Seite den Agamemnon vor, der die Briseis von dem zuͤrnenden Achill fordert, waͤhrend, daß diesen seine Mutter Thetis zu besaͤnftigen sucht. Auf der rechten Seite Chryseis, die zu ihrem Vater wiederkehrt. Auf der linken Patroclus, der den Achill troͤstet. Hinten Priamus, der fußfaͤllig den Leichnahm seines Sohns vom Achill erflehet. Der Stil dieses Basreliefs ist gut, die Ausfuͤh- rung aber mittelmaͤßig, und die Figuren am hintern Theile sind uͤberhaupt viel schlechter, als die an den uͤbrigen. Ueber das glaͤserne Aschengefaͤß, welches in diesem Sarcophag gefunden, (Winkelmann Gesch. d. K. S. 38.) sehe man die Beschreibung des Pallastes Barberini nach. Der Herzog von Marlborough hat es aus dem Museo der verstorbenen Herzogin von Portland erstanden. Sturz eines Apollo , wird gelobt, steht aber so, daß man ihn nicht beurtheilen kann. † Ein schoͤner Altar . Die Basreliefs stellen die Geburt und Erziehung Jupiters vor. Die Ar- beit ist vortrefflich, und kann unter die besten dieser Art gerechnet werden. † Maske eines weiblichen Kopfs . Beides, Gedanke und Ausfuͤhrung, gut. Jupiter . Die beste Vorstellung dieses Gottes in dieser Sammlung. † Eine Das Capitol. † Eine colossalische Statue der Minerva mit einer schoͤnen Drapperie und einem majestaͤtischen Cha- rakter. † Eine Vase auf drei Fuͤßen, die zur Fon- taine dient, mit Laubwerk von erhobener Ar- beit . Vortrefflich. Eine Diana , in leichtem aufgeschuͤrztem Ge- wande fortschreitend: Voller Leben und Ausdruck. Das Gewand ist vortrefflich. Aber alt scheint daran blos der Koͤrper. Der Kopf ist wenigstens aufgesetzt, denn der Hals ist modern. Eine andere Diana . Ihr langes simples Ge- wand reicht ihr bis auf die Fuͤße. Dies Gewand ist im uralten Stile, aber schoͤn ausgefuͤhrt. Kopf und Arme modern, daher die Benennung zweifelhaft. Charakter der Diana. Es haben sich keine Statuen von dieser Goͤttin auf uns erhalten, die zu Hauptwerken gehoͤren koͤnnten. Die urspruͤngliche Idee der Diana war Luna, de- ren Strahlen durch Pfeile ausgedruͤckt wurden. In ihren Hainen wurden geweihete Hirsche erhalten, die vielleicht ein symbolisches Attribut waren. So kam man in der Folge der Zeit auf den Begriff einer Jaͤge- rin, einer Waldgoͤttin. Der Kuͤnstler fand die Na- tur einer weiblichen Schoͤnheit, die sich durch Eigen- schaften auszeichnet, welche die Beschaͤfftigung der Jagd voraussetzet und ausbildet, Schnelligkeit und Abhaͤrtung, eines Ideals faͤhig. Gemeiniglich be- zeichnete er sie durch den halben Mond als Haupt- schmuck, durch den aufgeschuͤrzten Rock zum beque- meren Laufe, durch Pfeil, Koͤcher, Bogen und Jagdhund. † Pyrr- Das Capitol. † Pyrrhus , Zu dieser Benennung haben die Elephantenkoͤpfe Anlaß gegeben, die man an den Zierrathen des Har- nisches wahrnimmt. nach Winkelmann, Winkelm. G. d. K. S. 722. Die Aehnlichkeit, die Winkelmann zwischen der Figur Agamemnons auf dem obenbeschriebenen sogenannten Sarcophag des Alexander Severus und der unsrigen fand, duͤrfte die Benennung nicht allein rechtfertigen. Viel- leicht paßt der Nahme irgend eines andern Kriegs- helden eben so gut darauf. Aga- memnon, und vielleicht uͤberhaupt nur Kriegsheld mit Brustharnisch und griechischem Kriegsgewand. Der Koͤrper eines Kriegers zeichnet sich immer Kriegersta- tuen. Schwierig- keit die unbe- kleideten von Heldensta- tuen zu un- terscheiden. durch ausgearbeitete Festigkeit aus. Aber da man immer die gemeine Natur selbst in Portraitstatuen ins Heldenideal hineinarbeitete, Vortrefflich nennt der Hr. Hofrath Heyne, S. An- tiquar. Aufs. II. St. S. 241. kriegerische Tugend die sinnlichste von allen Tugenden, die durch eine Menge von Nebenvorstellungen maͤchtig auf die Einbildungskraft wuͤrkte. Bewunderung des Al- terthums, Dichterbegeisterung, Anhaͤnglichkeit an Nationalvorurtheile, Ahnenstolz, Sitte der Vor- fahren. Was Wunder also, daß der groͤßte Theil der Denkmaͤhler eben dieser Tugend geweihet war! so wird es schwer, ei- nen gewoͤhnlichen Krieger von einem Helden bei nack- ten Statuen zu unterscheiden. Leichter wird die Bestimmung bei solchen Krieger- statuen, die in ihrer Ruͤstung vorgestellet sind. Denn Vorstellungen aus einer idealischen Welt, sagt der scharf- Das Capitol. scharfsinnige Autor, den ich in der Note angefuͤhrt habe, wird man wohl nicht anders als ohne Beklei- dung finden. Man will die roͤmischen Krieger von den griechischen an der verschiedenen Laͤnge des Man- tels unterscheiden: denn dieser soll bei den Griechen laͤnger als bei den Roͤmern gewesen seyn. S. Winkelmann G. d. K. S. 439. Ganz richtig duͤrfte dies Unterscheidungszeichen wohl nicht seyn. Die Roͤmer nannten den ihrigen Paludamentum. Unsere Statue hat viel Adel und Wuͤrde, und ist selbst in Nebenwerken sehr fleißig gearbeitet. Die Beine sind unstreitig modern, und eben dies Ur- theil scheint auch von den Armen zu gelten. Damit die Neugier nicht irr gefuͤhret werde, zeige ich eine abgebrochene Saͤule an, worauf verschie- denes Handwerkszeug eines Maurers abgebil- det stehet . Es ist weiter nichts als der Sturz eines cippi sepulchralis, womit das Grabmahl eines gewoͤhnlichen Maurers geziert war. Man findet ih- rer mehrere mit den Werkszeugen anderer Handwer- ker. So findet man z. E. gleich hier das Grabmahl eines Mahlers, Aper genannt, mit einem wilden Schweine und einigen Mahlerwerkzeugen; und oben auf der Treppe ein anderes von einem Schmie- de, mit dessen Handwerkszeuge. Zimmer mit Aegyptischen Kunstwer-ken. Zimmer mit Aegyptischen Kunstwerken. In der Tiburtinischen Villa des Kaiser Hadria- nus stand ein Tempel, welchen er Canopus nannte, und Das Capitol. und mit Statuen Aegyptischer Gottheiten besetzte. Die Figuren, die in diesem Zimmer stehen, sind von dort hergeholt. An einigen finden wir eine genaue Nachah- mung des aͤltesten Aegyptischen Stils, und diese ge- hoͤren aus Gruͤnden, die ich bereits bei der Beschrei- bung der Vaticanischen Statuen angefuͤhrt habe, nicht vor unser Forum: An andern legte die griechische Kunst Griechische Bearbeitung Aegyptischer Ideen: Ent- weder mit Beibehal- tung der Ae- gyptischen Vorstel- lungsart, oder mit Er- findung einer neuen, der Schoͤnheit mehr ange- messenen. nur Objekte religioͤser Verehrung der Aegyptier zum Grunde, und verfeinerte sie nach denen ihr eigenthuͤm- lichen Ideen von Schoͤnheit. Aber auch unter Werken dieser Art findet sich ein merklicher Unterschied. Entweder haben sich die grie- chischen Kuͤnstler mehr oder minder in die hieroglyphi- sche Allegorie zu schicken gesucht, oder sie haben diese Fesseln ganz abgeworfen. Von dieser letzten Art zu verfahren werde ich weiter hin durch die griechische Isis und den griechischen Harpocrates auffallende Bei- spiele geben. Die erste finden wir an verschiedenen Statuen in diesem Zimmer beobachtet. Die Idee deutet Barbarei an, die Ausfuͤhrung Cultur: Das Steife der Stellung, das Unbedeutende der Mine und Gebaͤhrde, die hieroglyphische Zusam- mensetzung von Thier und Mensch, oder gar von leb- losen Gegenstaͤnden mit dem Menschen, widersprechen der Regelmaͤßigkeit in der Zeichnung, dem Reitz in den Formen, und der Weichheit in der Behand- lung. † Canopus, ein Kopf mit zwei Angesichtern, auf einer laͤnglicht runden Vase. Das eine Angesicht stellt eine Isis vor mit einer Lotusblume als Haupt- schmuck, das andere einen Ochsenkopf. Dieses sehr Erster Theil. O fleißig Das Capitol. fleißig und artig gearbeitete Werk ist aus schwarzem Marmor. † Ein Aegyptischer Altar. Man sieht dar- auf den Anubis mit einem Hundskopfe, der einen Palmzweig und einen Caducaͤus haͤlt, und an den Fuͤs- sen Fluͤgel traͤgt. Auf einer andern Seite Harpocra- tes, oder Orus. Auf der dritten ein Korb, um des- sen Deckel sich eine Schlange geschlungen hat, und auf der vierten die Innschrift: Isidi Sacr: Auf der Treppe und dem Vorplatze vor den obern Zimmern. Zwei Basreliefs. Figuren beinahe in Lebens- groͤße. Es sind Ueberreste der Zierrathen an dem ehemaligen Triumphbogen Marc Aurels. Der Stil ist gut, der Zeichnung aber fehlt es an Richtigkeit, und die Figuren scheinen zu kurz. Das Schoͤnste dar- an ist die Gruppe der Faustina, die ein Genius zum Himmel traͤgt. Sie haben sehr gelitten. Ein altes Mosaik. Hercules spinnend und einige Liebesgoͤtter, die einen Loͤwen baͤndigen. In Ansehung des Gedankens merkwuͤrdig. Einige Fragmente colossalischer Statuen, aus weißem Marmor, sind der aͤußerst delicaten Be- handlung wegen merkwuͤrdig. Ein Fuß aus Bronze von ungeheurer Groͤße, soll, wie die meisten behaupten, zu der Statue des Cajus Cestius, die bei seinem Grabmahle angebracht war, gehoͤret haben. Erstes Das Capitol. Erstes Zimmer . Zimmer der Vase genannt. Basreliefs . † In der Mitte eins der schoͤnsten Gefaͤße Capitolini- sche Vase, mit der Ara als Fußge- stell. von denen, die sich aus dem Alterthume erhalten ha- ben, sowohl in Ansehung der Form, als der Arbeit in den Zierrathen. Es stehet auf einem Altare mit Figuren von erhobener Arbeit. Winkelmann G. d. K. S. 161. sagt, das Werk sey urspruͤnglich eine Brunnenruͤndung gewesen. Dieser ist rund, und stellt zwoͤlf Gottheiten aus der aͤlteren My- thologie vor, in dem Stile, den wir unter dem Nah- men des Etruscischen kennen. † Ein Sarcophag. Auf dem Deckel ein Bacchanal, an den Ecken Masten, auf der Urne selbst die neun Musen. Sie haben sehr reitzende und unter einander abwechselnde Gesichtszuͤge und Stellungen. Die Gewaͤnder sind besser gedacht; als ausgefuͤhrt. Mengs hat dieses Basrelief bei dem Plafond in der Villa Albani sehr genutzt, und sich vorzuͤglich in Ansehung des Costume darnach gerichtet. An den beiden Seiten stehen Homer und Socra- tes. Wahrscheinlich ein neuerer Zusatz, wie die Ver- schiedenheit des Stils es anzuzeigen scheint. Ein Sarcophag mit der Fabel des Endy- mions. In der Mitte des Basreliefs steht ein weib- licher Genius mit Fluͤgeln, der auf gewisse Weise das Ganze in zwei gleiche Haͤlften theilt. Auf der einen steigt Diana von ihrem Wagen, und naͤhert sich von O 2 Liebes- Das Capitol. Liebesgoͤttern gefuͤhrt, dem Endymion, der in den Armen des Morpheus ruht. Auf der andern senkt sich Diana wieder ins Meer. Auf dem Deckel Pluto, Proserpina und Mercur. Es verlohnt sich nicht der Muͤhe, sich lange bei der Erklaͤrung jeder einzelnen Figur aufzuhalten, da die Zusammensetzung schwer- lich als Muster angepriesen werden duͤrfte. Einzelner Schoͤnheiten hat es viele. Die Gewaͤnder sind gut gedacht, die Stellungen reitzend, und jede Figur, selbst die Pferde, haben Handlung und Leben. † Ein Sarcophag mit eben dieser Fabel. Diese Vorstellung hat in Ansehung des Gedankens Vorzuͤge vor jener. Die Zusammensetzung ist simpler und gefaͤlliger. Endymion ruht wieder in Morpheus Armen. Ein Amor zieht Dianen herbei, seine Bruͤ- der halten ihren Wagen. † Ein Sarcophag mit dem Streite der Amazonen wider die Griechen. Ein Basrelief von eben so trefflicher Arbeit als Zusammensetzung und unstreitig eins der schoͤnsten, die ich kenne. An den Ecken zwei schoͤne Masken. Statuen . † Eine schoͤne Figur eines jungen Man- nes, der mit dem Arme auf dem Knie des Bei- nes ruht, das er auf einen Stein setzt. Man nennt ihn ohne allen Grund einen Pancratiasten. Winkelm. G. d. K. S. 370. Er hat nicht einst die geschwollenen Ohren. Andere halten ihn des Man- tels wegen, den er umgeworfen hat, fuͤr einen Redner, Sophisten ꝛc. Das Das Capitol. Das gekruͤmmte Bein, auf welches er sich stuͤtzt, ist nebst der Nase neu, und der Koͤrper in der Mitte aus zweien Stuͤcken zusammengesetzt. Der Kopf ist schoͤn. † Amor spannt den Bogen. Kopf, Leib und Schenkel sind allein antik und schoͤn. Vorzuͤglich die letzten. Arm, Beine, Tronk, ein Theil der Fluͤgel und Bogen sind modern. Man sieht aus den Spuhren, wo der alte Bogen gesessen hat, daß die Art, denselben zu spannen, ganz von derjenigen ver- schieden gewesen sey, die der moderne Kuͤnstler ange- nommen hat. Denn jetzt legt er den Bogen vor die Beine, und nach der ehemaligen Stellung muͤßte er ihn zwischen den Beinen gehalten haben. † Maske eines Satyrs von gutem Charakter. Zweites Zimmer oder Zimmer des Hercules. † Statue eines jungen Mannes, den man Capitolini- scher Anti- nous. gemeiniglich Antinous nennt, und dessen Kopf unter dieser Benennung in Deutschland vielfaͤltig in Gipsabdruͤcken verkauft wird. Man hat bereits lange den Ungrund dieser Benennung eingesehen, indem nicht die geringste Aehnlichkeit zwischen diesem und andern als solchen anerkannten Koͤpfen sich findet. Der Ort, wo die Statue gefunden worden, naͤmlich die Villa Hadrians zu Tivoli, kann das Gegentheil allein nicht darthun, fuͤhrt aber auf eine andere Ver- muthung, die viel mehr Wahrscheinlichkeit zu haben O 3 scheint. Das Capitol. scheint. Man glaubt naͤmlich den Kopf des Kaisers Hadrian als Juͤngling darin zu sehen. Ich vermag daruͤber nicht zu entscheiden. So viel scheint mir ge- wiß, daß der Kopf das idealisirte Portrait eines jun- gen Mannes vorstellt. Die Augenbraunen sind so wie die Augaͤpfel angedeutet. Der Kopf ist augen- scheinlich aufgesetzt, er ist aber darum nicht weniger antik, und wahrscheinlich ist er fuͤr die Statue selbst urspruͤnglich bestimmt gewesen. Die ganze Stellung zeigt einen Menschen an, der von aller Anmaaßung zu gefallen entfernt ist, und diese Nachlaͤßigkeit ist voller Reitz. Die Umrisse sind aͤußerst fließend. Der Marmor ist schoͤn, und die Arbeit vor- trefflich. Das eine Bein, beide Fuͤße, ein Arm, und die beiden ersten Finger der rechten Hand sind neu. Man kann von dieser Statue nicht sagen, daß ihre Schoͤnheit an das hohe Ideal reiche, aber sie zieht dem ohngeachtet sehr an, und vielleicht eben dar- um, weil sie uns nicht zu sehr uͤber das gewoͤhnliche Maaß menschlicher Schoͤnheit hinaus ruͤckt. Was man am meisten daran lobt, sind die gu- ten Verhaͤltnisse: Darum haben Fiammingo und Poussin auch viel nach ihr studirt. Sonst wirft man der Lage und der Form der Muskeln mit Recht einige Unbestimmtheit vor. Ein colossalischer Apollo. Er lehnt den ei- nen Arm auf den Kopf, mit der Hand des andern haͤlt er eine Leier; zu seinen Fuͤßen steht ein Greif. Es koͤmmt mir vor, als sey die Stellung unedel, und als contrastire Das Capitol. contrastire die Weichheit der Form mit der Groͤße der Figur. Die Brust ist nicht genung erhoben. Die ganze Figur hat sehr gelitten. Ein Hercules als Knabe, der die Schlan- gen erdruͤckt. Der Kopf, der ein Portrait zu seyn scheint, hat viel Charakter, aber der Koͤrper, etwas schlauchartig, koͤmmt ihm an Schoͤnheit nicht bei. Der rechte Arm ist modern. Ein altes Weib mit einer Flasche, aus dem Pallast Verospi. Der Kopf ist mit Weinlaub be- kraͤnzt. Es hat wenig Verdienst in Ansehung der Kunst, auch scheinen mir sowohl der Kopf als die eine Hand und der eine Fuß modern zu seyn. Ein Kind, das sich mit der Maske bedeckt. Ein sehr schoͤnes Werk, woran die Beine modern sind. Hercules, der die Hydra toͤdtet, und zwar so, daß er die Koͤpfe der Schlangen mit einer Fackel verbrennet. Sie stand ehemals im Pallast Verospi. Kopf und Rumpf sind allein antik, und nicht außer- ordentlich. Der antike untere Theil dieser Statue findet sich in dem Porticus des Hofes dieses Pallastes. Der moderne ist vom Algardi. † Das schoͤnste Kind, was sich aus dem Schoͤnes Kind. Alterthume erhalten hat, mit einem Schwane spielend. Winkelmann, S. 489. G. d. K. Man hat Recht, sich auf dasselbe ge- gen das gemeine Vorurtheil zu berufen, als haͤtten die Alten keine schoͤnen Kinder gebildet. An dem unsrigen ist der Ausdruck vortrefflich, und das Fleisch von großer Wahrheit. O 4 † Psyche Das Capitol. † Psyche mit Papillons-Fluͤgeln. In dem Augenblick, wo sie dem fliehenden Amor nachsieht. Der Ausdruck ist eben so schoͤn als die Stellung. Man sieht eine Wiederholung dieser Statue in Flo- renz, unter der Sammlung der Statuen, die zur Gruppe der Niobe gehoͤren, aber sie koͤmmt dieser an Schoͤnheit nicht bei. Der linke Arm, und die rechte Hand, die auf die Brust gelegt ist, sind modern, und moderne Unwissenheit war es, durch die man bei der Restauration eine starke Warze in die Brust fuͤgte, die sich mit dem zarten Alter der Schwester und de r Gespielin der Grazien nicht raͤumen laͤßt. Venus und Mars. Beide Koͤpfe sind Pa- traits. Der Kopf der Venus gleicht der Faustina, welches auch das Diadem anzudeuten scheinet. Der Kopf des Mars ist von gemeiner Natur, und traͤgt einen Knebelbart. Wahrscheinlich sind beide Figuren ohne Koͤpfe gefunden worden. Man hat sie fuͤr eine Faustina mit dem Gladiator gehalten, und ihnen in Gemaͤßheit dieser Idee zwei fuͤr sie nicht passende Koͤpfe aufgesetzt. Die Italienische Beschreibung nennt diese Gruppe Coriolan mit der Mutter, ohne allen Grund. Winkelmann, Vorrede zur Gesch. d. K. S. XII. sagt: weil man sie fuͤr ein roͤmisches Werk ansah, hielt man es fuͤr schlechter als es ist. Herr Hofrath Heyne, Samml. Antiq. Aufs. I. Stuͤck. S. 162. bemerkt die Laͤcherlichkeit der Idee: die unartige Lei- denschaft der Kaiserin durch Statuen dem Volke zur Schau ausgesetzt anzunehmen. Er haͤlt es fuͤr glaublicher, daß auf Faustina und Marc Antonin ange- Die Hand, womit Mars die Lanze haͤlt, Das Capitol. haͤlt, ist neu. Die Figur der Venus ist dadurch noch merkwuͤrdiger geworden, daß Winkelmann G. d. K. S. 404. Der Herr Hofrath Heyne hat diese gewagte Erklaͤrung widerlegt. Samml. Ant. Aufsaͤtze, St. I. S. 148. in der Note. Er haͤlt es fuͤr unerwiesen, daß der untere Guͤrtel der Venus allein eigen sey, und κεςος heiße. in dem untersten der beiden Guͤrtel, von denen die weibliche Figur einen hart unter den Bruͤsten, den zweiten uͤber den Huͤften traͤgt, den beruͤhmten Cestus der Venus zu finden glaubte. Colossalische Statue eines Jaͤgers, der an einen Baum gelehnt, einen Hasen in die Hoͤhe haͤlt. Sie muß aus einem Basrelief in der Villa Albani erklaͤrt werden. Dort ist ein Hund hin- zugefuͤgt, der nach dem Hasen springt. Hier aber ist der Hund verlohren gegangen. Doch findet man auf der Base noch die Spuhr, wo derselbe gestanden hat. Die Figur des Mannes, an der sich keine Hauptergaͤnzungen finden, ist von schoͤner, jedoch nicht uͤber die Natur gehobener Form. † Amor und Psyche. Amor druͤckt Kuͤsse auf Psychens Lippen. Eine bekannte Gruppe, an der Gedanke und Ausdruck mehr als die Ausfuͤhrung O 5 zu angespielt sey. Man habe, sagt er, ein Paar be- kannte Muͤnzen von der Faustina, worauf diese Gruppe vorkomme; auf der einen stehe veneri vi- ctrici. S. C. etc. Wahrscheinlich stellten die Statuen eine Venus Victrix vor, die den Mars liebkoset. S. Villa Borghese. Das Capitol. zu loben sind. Andere nennen diese Figuren Kaunus und Biblis: Ohne hinreichenden Grund. Eine andere schoͤnere Gruppe vom le Gros als Biblis und Kaunus restaurirt, ist nach England gegangen. Ein Dreifuß mit drei Greiffen. † Eine schoͤne Buͤste, der man den Nah- men Miltiades beilegt, und die vielmehr ein Hercu- les zu seyn scheinet. † Eine schoͤne Herme eines sogenannten Plato, oder vielmehr eines Jupiter placidus. Jupiter pla- cidus, ter- minalis, sonst auch Plato ge- nannt. Ueber Her- men und Termen uͤberhaupt. Daß diese Koͤpfe nicht den Plato vorstellen, hat Winkelmann G. d. K. S. 466. ausgefuͤhrt. Es sind Hermen mit dem Kopfe irgend eines Gottes, entweder des Jupi- ters, oder auch des indischen Bacchus. Hermen sind urspruͤnglich Pfaͤhle in Gestalt eines Cubus, und in Athen Sinnbilder des Mercurs gewe- sen. Bei der Verfeinerung der Kunst hat man diesen Pfaͤhlen Koͤpfe gegeben, und da man nachher fand, daß dieses eine bequeme Art sey, einen Kopf aufzustel- len, so schraͤnkte man sich nicht blos auf den Mercur ein, man gab auch den Koͤpfen anderer Goͤtter, ja der Helden und beruͤhmter Leute uͤberhaupt, solche Un- tergestelle. Sie wurden vorzuͤglich in Gymnasien und Bibliotheken sehr gebraͤuchlich. Die Roͤmer be- nutzten nachher diese Vorstellungsart bei der Bildung ihrer Termen, ihrer Graͤnzsteine: Termen, beruhen auf religioͤsen Ideen, sind selten Gegenstand der schoͤ- nen Kunst, und den Griechen nicht bekannt gewesen. Wer Das Capitol. Wer also mit Bestimmtheit sprechen will, wird Herme und Terme nicht verwechseln. Allein dem Liebhaber, der sich nach dem gemeinen Sprachge- brauch richtet, gelten beide Nahmen fuͤr einen Kopf auf einem viereckigten Pfeiler, der sich nach unten zu- spitzt, und mit dem er zusammenhaͤngt. Diejenigen, welche unter dem Nahmen Plato bekannt sind, werden durch einen guͤtigen offenen Blick voll Adel, durch einen geraden und zugespitzten Bart, und durch lange vorn auf die Brust theils hinten her- abhaͤngende Locken, die sich an den Tronk anschließen, bezeichnet. Man kennt sie auch unter dem Nahmen eines Jupiter terminalis. Zwei junge Faunen als Floͤtenspieler. Wie- derholung des beruͤhmten Floͤtenspielers in der Villa Borghese. Der Kopf des einen, zu dessen Fuͤßen ein Ochse ruhet, ist modern. Ein schoͤner weiblicher Kopf, Sappho ge- nannt, als Herme. Die Haare haͤngen theils hin- ten lang herunter, theils in zwei gekraͤuselten Locken auf die Brust. Ich halte diesen Kopf fuͤr ein Ne- benstuͤck des Jupiter terminalis. † Eine weibliche sitzende und drappirte Fi- gur, die unter dem Nahmen Agrippina bekannt ist. Die Stellung hat Wahrheit, und die Wahl in dem Wurfe der Gewaͤnder und in der Faltenordnung wei- sen ihr einen vorzuͤglichen Platz in der Sammlung die- ser Statuen an. Die Idee, den Arm in der um den Stuhl geschlagenen Drapperie ruhen zu lassen, ist sehr gluͤcklich. Großer Das Capitol. Großer Saal . Die beiden Paͤbste Innocenz X. und Cle- mens XII. aus Bronze. Die Statue Innocenz des X. ist vom Algardi, und hat den Vorzug einer sehr weisen und wohlverstandenen Composition. Sie ist auch sehr richtig gezeichnet. Inzwischen scheinet ein Mantel von reichem Stoffe nie ein schicklicher Ge- genstand fuͤr den Meissel zu seyn. Er gibt große haͤß- liche Massen von Falten, die eher Felsen als Gewaͤn- dern gleichen. Die Bild- hauerkunst folgt in der Wahl der Gewaͤnder andern Ge- setzen als die Mahlerei. Die Bemerkung, daß in der Mahlerei diese gros- sen Flaͤchen sehr geschickt sind, das Licht oder den Schatten zusammen zu halten, hat die Bildhauer, welche die Graͤnzen ihrer Kunst verkannten, zur Nach- ahmung dieser Behandlung der Gewaͤnder verfuͤhrt. Allein sie haben dadurch nicht allein dem Auge dasje- nige entzogen, was es in der Bildhauerei am liebsten zu sehen wuͤnscht, die Formen nackter Koͤrper, son- dern sie haben auch die Wahrheit in Darstellung der Stoffe verfehlt, welche in der Mahlerei durch Farben sinnlich gemacht werden, in der Bildhauerei aber durch die Schlaffheit, womit sie sich den Formen fester Koͤrper anschmiegen. Der Ludo- visische Fech- ter. † Der sterbende Fechter, sonst auch der Lu- dovisische genannt, weil er ehemals in der Villa Ludo- visi stand. In Ansehung der historischen Bedeutung dieser Statue beziehe ich mich auf die Note. Ich gestehe, daß ich mich an die Benennung des Fechters halte, weil ich keine schicklichere weiß. Der Grund, Dem Das Capitol. Dem Liebhaber der Kunst stellt sie einen sterben- den Menschen vor, der niedergefallen, noch einmahl alle seine Kraͤfte zusammenrafft, um sich wieder em- por zu heben, aber unter Schwaͤche erliegt. Dieser Aus- Grund, den Winkelmann Gesch. d. K. S. 661. zur Widerlegung dieser Meinung angibt, thut mir kein Genuͤge, so wenig als seine neue Erklaͤrung. Denn daß gerade diese Statue aus den bluͤhendsten Zeiten der Kunst unter den Griechen seyn muͤsse, in denen keine Fechter- spiele bekannt waren, laͤßt sich so wenig von dieser als von den meisten andern Statuen mit Zuverlaͤs- sigkeit behaupten. Daß Ctesilas, unter dessen Sta- tuen ein vulneratus deficiens beruͤhmt war, keinen Fechter gebildet habe, will ich gern glauben. Aber daraus folgt noch nicht, daß unsere Statue nicht von einer andern Hand nach einem Fechter gebildet seyn koͤnnte. Was seine Erklaͤrung anbetrifft, daß naͤmlich diese Figur nach dem Stricke um den Hals und dem Horne zu urtheilen, ein Herold sey, und zwar ein bestimmter Herold aus der Geschichte: So hat der Herr Hofrath Heyne Antiquar. Abhandl. H. St. S. 233 das Gewagte dieser Muthmaßung hinreichend gezeigt. Da der Herr Hofrath Heyne an gedachter Stelle wuͤnscht, daß Reisende genau darauf achten moͤchten, was an dieser Statue alt oder neu sey; so will ich diejenigen Bemerkungen hersetzen, die ich daruͤber zu machen Gelegenheit gefunden habe. Die Hauptschwierigkeit bei dieser Figur macht der Kopf, dessen Knebelbart die Antiquarier so wenig als den Strick um den Hals zu erklaͤren wissen. Daß Das Capitol. Ausdruck ist unvergleichlich, und kann der Natur nicht naͤher kommen. Ein Rest von Wuth zwaͤngt seine Augenbraunen zusammen, sonst liest man in jeder Muskel das Ohnmaͤchtige der letzten Spannung. Man muß vorzuͤglich die Kunst bewundern, mit der der Kuͤnstler das Schlaffe desjenigen Theils des Koͤr- pers ausgedruͤckt hat, den er beim Heben nicht beson- ders anstrengt. Die Zeichnung ist sehr richtig, und das Spiel der Muskeln vortrefflich. Wenn Winkel- mann Daß dieser Kopf gerade unter dem Stricke von dem Rumpfe einst abgesondert gewesen sey, erkennt man an den nicht ganz verdeckten Fugen. Man bemerkt sogar an diesem Halse Spuhren von einem Stuͤcke abgebrochenen Marmors, womit der Kopf leicht mit etwas anderm zusammen gehaͤngt haben koͤnnte. Inzwischen laͤßt sich darum gar nicht behaupten, der Kopf gehoͤre nicht zu dem Koͤrper. Denn auf der andern Seite spricht wieder die Uebereinstimmung, die sich sowohl was Stil als Marmor anbetrifft, zwischen dem Kopfe und dem Rumpfe findet, fuͤr ihre urspruͤngliche Bestimmung fuͤr einander. Ja, was diese Meinung außer Zweifel setzt: Es haben sich auf dem Rumpfe ausgesprungene Stuͤcke von dem Stricke erhalten, die bei der Restauration in denjenigen Theil des Stricks, der an dem Kopfe sitzen geblieben war, wieder eingepasset sind. Der Kopf gehoͤrt also, wie ich glaube, der Statue an. Der rechte Arm ist modern, und so sind die Zehen beider Fuͤße, wie auch der aͤußere Rand der Base, worauf er liegt, nebst einem Stuͤcke des Degens und des Schildes. Der groͤßte Theil des Horns ist unstreitig alt. Das Capitol. mann Siehe dessen Annotazioni sopra le Statue di Ro- ma, hinter seinen Briefen an einen Freund in Lief- land. Coburg 1784. S. 40. Ich bemerke uͤbrigens, daß diese blos hingeworfenen Blaͤtter, die nie zum Druck bestimmt waren, billig demselben nicht haͤt- ten uͤberliefert werden sollen. sagt, daß dieses Werk nicht aus der besten Zeit der Kunst sey, so hat er in diesem Urtheile auf den Mangel des Adels im Ausdrucke und auf den Mangel des Ideals der Schoͤnheit Ruͤcksicht genom- men. Diese beiden Stuͤcke fehlen freilich. Der ganze Koͤrper ist von gemeiner Natur, und vorzuͤglich der Kopf mit dem Knebelbarte. Aber in Ansehung der aͤußerst wahren Nachahmung der Natur, die vielleicht in die- sem Stuͤcke so hoch als je in einem andern getrieben ist, wird es ein merkwuͤrdiges Denkmahl jenes Zeitalters bleiben, in dem die Kuͤnste bluͤheten. Man wird vielleicht die Frage aufwerfen: War- Warum der Autor es nur selten wagt, die Epoche anzugeben, in der ein al- tes Kunst- werk verfer- tiget ist. um ich nicht bei den Werken des Alterthums, mehr Ruͤcksicht auf die Bestimmung der Epochen nehme, in denen sie verfertigt worden; auf Feststellung von Stilen nach verschiedenen Zeitaltern. Es scheint, daß nach dem was Winkelmann darunter vorgearbei- tet hat, die Sache an sich leicht, und ohne besondere Schwierigkeit seyn duͤrfte. Allein man darf nur den vortrefflichen Aufsatz des Herrn Hofraths Heyne Antiquarische Aufsaͤtze I. Stuͤck, dritte Nummer. uͤber die Kuͤnstlerepochen beim Plinius lesen, um meine Behutsamkeit in diesem Stuͤcke zu billigen. Nach diesem Aufsatze leidet es keinen Zweifel mehr, daß Das Capitol. daß der ganze historische Theil im Winkelmannischen Werke so gut wie unbrauchbar ist. Es ist keine Sache fuͤr den Liebhaber, die Pruͤ- fung der Quellen, und darnach eine bestimmte Zeit- ordnung der Kuͤnstler, von deren Werken noch Nach- richten vorhanden sind, vorzunehmen. Den rohen Anfang der Kunst koͤnnen wir allerdings von ihrer Ausbildung, und diese wieder von ihrem gaͤnzlichen Verfall unterscheiden: und Werke, welche diese Ab- stufung anzeigen, sind auch mit diesem charakteristi- schen Unterscheidungszeichen, da wo sie vorkommen, angezeigt. Aber die feinern Nuͤancen, die Grade der Vollkommenheit und des Abfalls in ununterbroche- ner Folge zu bestimmen, leidet die Absicht dieses Werks nicht: theils der Unsicherheit, theils des weni- gen Nutzens wegen, den es fuͤr die Kenntniß des Schoͤnen haben duͤrfte. Ein anderer Gladiator, an dem Kopf, Arm und Beine neu und von Monot ergaͤnzt sind. Der Ergaͤnzung nach, hat er die Stellung eines Menschen, der im Liegen sich gegen einen Angriff, der von oben koͤmmt, vertheidigt. Der Stil hat in dem was alt ist, etwas aͤhnliches mit demjenigen, den wir in eini- gen Soͤhnen der Niobe bemerken, daher man ihn zu der Classe dieser Statuen rechnet. Andere halten ihn, der Aehnlichkeit wegen mit der Statue im Pal- last Massimi, urspruͤnglich fuͤr einen Discobolus. Die beiden Centauren des Furietti aus schwarzem Marmor. Der Stil ist etwas trocken, und beide Figuren haben sehr gelitten. Sie stellen einen alten und einen jungen Centauren vor. Der juͤngere Das Capitol. juͤngere schlaͤgt einen Schnipper mit den Fingern, dem aͤltern sind die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden. Winkelmann, S. 841. d. G. d. K. haͤlt ihn des Hirtenstabes wegen fuͤr einen Chiron. Der juͤngere hat ganz den Charakter eines Fauns und sogar kleine Hoͤrner auf der Stirne. Man sieht an beiden Spuhren, daß ein Amor auf ihrem Ruͤcken ge- sessen hat. Man fand sie mit hohlen Augen, und setzte ihnen Augaͤpfel von Christall ein. Sie sind an Schoͤnheit beide weit unter dem Centauren in der Villa Borghese. An dem Sockel steht der griechische Nahme des Meisters. Ich fuͤhre dies nur an, um fuͤr das Vor- Warnung fuͤr das Vor- urtheil: daß der beige- fuͤgte Nah- me des Kuͤnstlers ein Beweis der Vortreff- lichkeit des Werks sey. urtheil zu warnen, daß der beigefuͤgte Nahme des Kuͤnstlers immer auf einen besondern Grad der Vor- trefflichkeit eines Kunstwerks schließen lasse. † Eine colossalische Statue eines jungen Mannes im Aegyptisch-griechischen Stile. Viele nennen dieselbe einen Aegyptischen Priester; andere einen Antinous. Sie hat einen außerordentlichen Ausdruck von Staͤrke, den der Kuͤnstler herausge- bracht hat, indem er das Aegyptische Idol das er wahrscheinlich zum entfernten Vorbilde hatte, veredelte, und das Unbehuͤlfliche an jenem hier in staͤmmige Statur, die steife Stellung in festen Antritt umschuf. Ueberhaupt sieht man an dieser Figur die deutliche Vermischung des Aegyptischen und griechischen Stils. Sie traͤgt einen Schurz und einen Aegyptischen Kopf- putz. Wahrscheinlich diente sie zur Caryatide, wel- ches die Aehnlichkeit mit den beiden Statuen aus ro- them Erster Theil. P Das Capitol. them Granit, die ehemals zu Tivoli standen, und jetzt im Museo Vaticano aufgehoben werden, noch mehr bestaͤtigt. Die unsrige soll aus zwei Stuͤcken in der Mitte zusammengesetzt seyn. Siehe Winkelmann Gesch. d. K. S. 93. und 97. Eine Muse mit drei Federn auf dem Kopfe zum Zeichen des uͤber die Syrenen erhaltenen Sieges. Die Drapperie ist unvergleichlich. Die Haͤnde sind restauriret mit Attributen einer Ceres. Hygea. Die Haͤnde sind modern, so wie die Attribute. Drapperie und Kopfputz schoͤn. Der Kopf scheint ein Portrait. Die beruͤhmte Praefica. Ein ekelhaftes altes Weib. Die Ausfuͤhrung ist so schlecht als die Idee. Winkelmann G. d. K. S. 419. haͤlt diese Figur fuͤr eine Hecuba, die ihr Haupt in die Hoͤhe gerichtet hat, als wenn sie ihren Enkel Astianax von Trojas Mauren herunterstuͤrzen saͤhe. Marc Aurel. Der Torso schoͤn. Ein junger Mann mit einer Hauptbinde. Arm und Beine modern. Man nennt ihn: Ptolo- maͤus. Ich halte ihn fuͤr die Siegerstatue eines jun- gen Athleten. Denn dies bezeuget nicht nur die große Aehnlichkeit zwischen dieser Statue und den andern, die im Pallast Farnese als Ringer anerkannt werden, sondern selbst die Hauptbinde. Die Kopfbinden bezeichneten den Sieg der Ringer. Polyclets Diadumeni waren wahrscheinlich junge Ringer, die sich die Kopfbinde umbanden. S. Herrn Hofraths Heynen Antiq. Aufsaͤtze. S. 257. II. Stuͤck. Die Haate sind in laͤnglich- Das Capitol. laͤnglichte Locken reihenweise neben einander gelegt, und unten geringelt. Der Stil hat ein wenig Haͤrte. Ich wuͤnschte sehr, daß ich einige Antiquaren Eine gewag- te Erklaͤrung der soge- nannten Ptolomaͤer, als Ringer- statuen, und Muthmaas- sung uͤber deren Wie- dererken- nungszei- chen. darauf aufmerksam machen moͤchte, ob nicht die Kopfbinde und die reihenweis neben einander ge- legten Locken, nach welchen Kennzeichen man ge- meiniglich die Koͤpfe Ptolomaͤer tauft, Ringersta- tuen anzeigen. Diese Lage der Haare findet sich nicht nur an den vier Statuen im Pallast Farnese, und einigen andern in der Villa Borghese, sondern auch an dem Genius oder sogenannten, deus praestes, in Florenz, den der Herr Hofrath Heyne mit so vielem Rechte unter die Classe der Ringer zaͤhlt. Th. II. Antiq. Aufs. S. 255. Imgleichen an einem Kopfe in dem Zimmer der Miscellanien, gleichfalls mit der Kopfbinde; und an einer Statue, an die wir gleich kommen werden, mit eben diesem Haupt- schmuck. † Die beruͤhmte griechische Isis. Die Griechen verfeinerten die Idee der Aegyptier. Man erkennt sie hauptsaͤchlich an der Kleidung, die ich daher in dem Texte genau beschrieben habe. Die Griechische Isis. Haͤnde mit einem Theile des Armes sind neu. Sie ist vorzuͤglich wegen des Eigenthuͤmlichen der Kleidung merkwuͤrdig. Sie traͤgt einen Schleier auf dem Kopfe, der mit Frangen gezieret ist, und oben dar- auf eine Lotusblume. Unter diesem Schleier hervor fallen zwei Locken auf die Schultern. Sie traͤgt ein Unterkleid von feiner Leinewand, dessen Ermeln wahr- scheinlich an den Knoͤcheln eng zugegangen sind. Der Mantel ist auf eine der Isis ganz eigenthuͤmliche Art P 2 umge- Das Capitol. umgeworfen, und hat wahrscheinlich vier Zipfel ge- habt. Zwei davon sind uͤber die Schultern geschla- gen, und in der Mitte der Brust in einen Knoten zu- sammen geschuͤrzt. Diese Statue ist ein Beispiel einer nach griechi- schen Begriffen umgeformten Vorstellungsart einer ur- spruͤnglich Aegyptischen religioͤsen Idee. Ein Apollo der die Leier anschlaͤgt, und den Blick gen Himmel kehrt. Der Kopf hat einen schoͤ- nen Ausdruck. Der Kopfputz ist zu bemerken, denn die Haare sind hinten zusammen und aufgebunden, wie es sonst bei den Statuen der Grazien und der Venus gewoͤhnlich ist. Zu den Fuͤßen dieser Statue ein Schwan. Der Charakter des Apollo aͤhnelt hier dem Bacchus. Winkelm. Gesch. d. K. S. 285. Eine bekleidete Muse, deren Gewand schoͤn geworfen ist. Sie ist als Ceres, den modernen Haͤnden nach, restauriret. Der Kopf ist aufgesetzt, und scheint eine Lucilla, Gemahlin des Lucius Ve- rus, zu seyn. Ein junger unbekleideter Mann, dem man den Kopf eines Augustus aufgesetzt hat. In den mo- dernen Haͤnden haͤlt er eine Weltkugel und einen Scepter. Eine stehende bekleidete maͤnnliche Figur, Consular-Statue. Man hat ihr einen sehr aus- drucksvollen Kopf aufgesetzt, und ihr deswegen ohne weitern Grund den Nahmen Marius beigelegt. Winkelm. G. d. K. S. 780. † Ein Das Capitol. † Ein Faun, der sich auf einen Stamm lehnt, die linke Hand in die Seite stuͤtzt, und in der rechten eine Floͤte haͤlt. Ich habe keine betraͤchtliche Ergaͤn- zungen daran bemerkt. Unter den vielen Wiederho- lungen aͤhnlicher Vorstellungen, die man in Rom siehet, ist diese unstreitig die schoͤnste. Das Gesicht hat etwas sehr gefaͤlliges, und nichts von dem baͤuri- schen Laͤcheln, das man gemeiniglich in andern Sta- tuen von Faunen sieht. Es ist vielmehr die Darstel- lung einer schoͤnen aber unverfeinerten Natur. Ich habe bereits oben den ungegruͤndeten Unter- Charakter der Faunen. schied bemerkt, den man gemeiniglich zwischen Fau- nen und Satyren macht. Der Herr Hofrath Heyne In dem II. Stuͤck seiner Antiquar. Aufsaͤtze. hat, wie mich duͤnkt, unwiderlegbar dar- gethan: daß Faun der roͤmische Nahme des griechi- schen Satyrs sey. Der allgemeine Charakter der Faunen oder Satyren uͤberhaupt ist laͤndliche Einfalt, unverfeinerte Natur: Die auffallendsten Bestim- mungszeichen sind spitze Ohren und Geisschwanz, im- gleichen Warzen unter dem Kinn, (letztere sind jedoch an den edleren Figuren selten,) die sie wahrscheinlich der Bekleidung roher Menschen mit Thierhaͤuten zu verdanken haben. Allein es ist mir keine Vorstellungsart unter den Antiken bekannt, die die alten Kuͤnstler von der rohen baͤurischen Ausgelassenheit an, bis zur Grazie laͤndli- cher Unbefangenheit auf so mannichfaltige Art modifi- ciret haͤtten. Der Faun in Florenz und der Faun im Capitol scheinen kaum Wesen einer Art zu seyn. P 3 Dieser Das Capitol. Dieser letzte, (Mus. Cap. nr. 32.) ist aber der- jenige, dessen Charakter und Stellung am haͤufigsten wiederholt sind, und von ihm und seinen Gesellen gilt, was Winkelmann G. d. K. S. 275. sagt: Da sich in Rom uͤber dreißig Statuen junger Satyre oder Faunen befinden, die sich aͤhnlich im Stande und Gebaͤhrden sind, so ist glaublich, daß das Original dieser Figuren der be- ruͤhmte Satyr des Praxiteles gewesen sey. Der Herr Hofrath Heyne am angef. Orte. aͤußert die Ver- muthung, daß die Faunen dieser Art Copeien nach dem Gemaͤhlde des Protogenes, eines an einer Saͤule ruhenden Satyrs mit einer Floͤte in der Hand, des Anapavomenos, seyn koͤnne. Auf unsern Satyr paßt ferner jenes andere Zeugniß Winkelmanns, daß sich unter den jungen Faunen so schoͤne finden, daß sie mit dem Bacchus verwechselt werden koͤnnen. Juno aus dem Pallast Cesi. † Juno, ehemals im Pallast Cesi. Die eine Brust, beide Arme und der eine Fuß sind modern. Sie wird fuͤr eine der schoͤnsten Statuen in dieser Sammlung gehalten. Die ganze Figur praͤgt Ehr- furcht ein, ohne etwas zuruͤckstoßendes zu haben. Es ist die Schoͤnheit des reiferen Alters. Das Gewand ist vorzuͤglich schoͤn, doch scheint es ein wenig zu ge- kuͤnstelt. † Eine weibliche bekleidete Figur, die in den Haͤnden, um die sie den Mantel gewickelt hat, ein Gefaͤß traͤgt. Man nennt sie des Schleiers wegen, Vestalin, und gibt ihr sogar, ohne allen Grund, den Das Capitol. den bestimmten Nahmen Tuscia. Winkelmann glaubt, es sey Psyche mit dem Gefaͤße voll Wassers aus dem unterirrdischen Flusse Cocytus. S. Annotazioni sopra le Statue di Roma. p. 41. Der Gedanke ist reitzend, und das Gewand sehr schoͤn. Der Kopf der sehr gefaͤllig ist, scheint ein Portrait zu seyn. Die Arme sind in Proportion mit der uͤbrigen Figur zu kurz. † Eine Amazone. Unten stehet die Innschrift: ϹΩϹΙΚΛΗ. Die Mine hat etwas melancholisches. Sie blickt auf eine Wunde, die sie auf der Brust hat, und diese Wendung ist reitzend. Die descrizzione gibt dieser Statue einen Koͤcher auf der linken Seite, Schild und Helm zu den Fuͤßen und eine Streitaxt am Tronk. Diese Attri- bute finden sich nicht bei dieser Statue, sondern bei der Statue im Museo Clementino. Winkelmann, S. 313. behauptet: der Kopf gehoͤre nicht zu dem Rumpfe. Ein junger Mann mit einer Hauptbinde. Einige Haare fallen in laͤnglichten reihenweise neben einander gelegten und unten geringelten Locken auf die Schultern. Der Kopf und Koͤrper beide schoͤn, ha- ben doch eine gewisse Haͤrte, die auf einen aͤltern Stil schließen laͤßt. Die Haare uͤber der Schaam sind angegeben. Ich halte diese Figur wieder fuͤr einen Ringer. Sie ist als Apollo restaurirt, und wird gemeiniglich: Ptolomaͤus genannt. Venus in der Stellung der Mediceischen, aber sehr viel groͤßer. Der Torso ist schoͤn. Kopf P 4 und Das Capitol. und Arme koͤnnen modern seyn. Sie stand ehemals in der Villa Este. Eine colossalische weibliche Statue mit ei- nem schoͤnen Gewande. Man nennt sie Clemen- tia. In dem Museo Capit. wird sie Juno genannt. Die Arme sind modern. † Harpocrates. Unter der Figur eines zwoͤlf- jaͤhrigen Knabens. Auf dem Kopfe traͤgt er eine Lo- tusblume, und seine Haare haͤngen lang herab. Er ist ein wenig zu feist, zu wohl genaͤhrt: Die Mus- keln sind zu ungewiß angegeben. Die Behandlung des Marmors ist vortrefflich. Die Figur hat sich beinahe un- beschaͤdigt auf uns erhalten. Auch hier ist die gaͤnzliche Umschaffung einer urspruͤnglich religioͤsen Idee der Ae- gyptier nach griechischen Schoͤnheitsbegriffen auffallend. Bedeutung des Harpo- crates, fruͤ- here und spaͤ- tere Bildung desselben. Harpocrates war das Sinnbild der Sonne, die sich nach dem kuͤrzesten Tage dem Aequinoctio naͤhert: Orus aber Sinnbild der Sonne, die sich nach dem laͤngsten Tage dem Aequinoctio naͤhert. Urspruͤnglich saß er mit krummen Beinen den Finger am Munde auf einer Lotusblume. Er hatte einen kahlen Kopf, eine Locke auf der rechten Seite und krumme Beine. Die Griechen verfeinerten die Vorstellung, und leg- ten ihr die fremde Bedeutung des Stillschweigens bei. Zimmer der Philosophen . Man sieht hier einige sehr schoͤne Basreliefs, die aus einem Tempel des Neptuns genommen sind, und allerhand Opfergeraͤthe vorstellen, imgleichen Schiffsschnabel, Anker und dergleichen. Sie sind gut gearbeitet. An Das Capitol. An Statuen finden sich in diesem Zimmer: Ein Sohn und eine Tochter der Niobe. Ueber die Statuen die man fuͤr Ue- berbleibsel ehemaliger Gruppen der Familie der Niobe haͤlt. So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen, die ihrer Stellung nach zu jener Fabel passen, und in dem Stile, der etwas hart und trocken ist, den Figu- ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das ungluͤckliche Schicksal der Kinder der Niobe ein oft wiederholter Gegenstand der alten Kunst gewesen sey, leidet keinen Zweifel. Darum moͤchte ich aber die Gewaͤhr nicht uͤbernehmen, daß alle die Figuren, die man fuͤr zerstreute Ueberbleibsel solcher Vorstellungen ausgibt, es wuͤrklich sind. Die maͤnnlichen wer- den gewiß oft mit Ringern verwechselt, und die weiblichen haben schon oft fuͤr Psyche u. s. w. gelten muͤssen. Sonderbar sind hier die angedeuteten Haare uͤber der Schaam des Juͤnglings. † Eine stehende bekleidete Figur eines al- Zeno. ten Mannes, wahrscheinlich eines Philosophen, be- kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller Wahrheit. Die Zeichnung ist sehr richtig, und das Gewand vortrefflich. Als Vorstellung des ernsten, nicht uͤber die gemeine Natur erhabenen, Alters, kann man dieses Werk classisch nennen. Der Nahme ist ihm ohne Grund beigelegt. Buͤsten . Unter der großen Menge von denen, die hier stehen, und die groͤßestentheils Dichter, Philosophen und griechische Helden abzubilden scheinen, bemerke P 5 ich: Das Capitol. ich: Epicur und Metrodor, eine Herme mit zwei Koͤpfen, Diogenes, Mithridates, und den letz- ten unter den vier Koͤpfen Homers, als die vor- zuͤglichsten. Wie Buͤsten, als Bildnisse bestimmter Personen, in- teressiren koͤnnen, wenn wir gleich von den wenig- sten den Nah- men mit Ge- wißheit an- zugeben im Stande sind: Gruͤnde die- ser Ungewiß- heit. Inzwischen verdienen die meisten eine besondere Aufmerksamkeit. Ich kenne nichts Interessanteres, als in Gesichtsbildungen aus so entfernten und das Ge- fuͤhl der inneren Wuͤrde des Menschen so hebenden Zei- ten, Seelen aufzuspuͤhren, die wir nach unserer durch Erfahrung unterstuͤtzten Einbildungskraft passend fuͤr sie halten. Das Vergnuͤgen wuͤrde unstreitig um ein großes lebhafter seyn, wenn wir mit einiger Gewißheit den Charakter, den jede Figur in ihrem Leben behauptet, die Rolle, die jede in der Geschichte gespielet hat, an- zugeben wuͤßten. Allein darauf muͤssen wir gemeini- glich Verzicht thun, und uns den Genuß genuͤgen las- sen, den der Anblick einer edeln aber unbekannten Ge- sichtsbildung denen gewaͤhrt, die Sinn fuͤr das aͤußere Gepraͤge der Seelengroͤße haben. Wir folgen bei der Bezeichnung einer Buͤste mit einem gewissen Nahmen immer nur sehr unsichern Selbst die von Alters her eingegra- benen Nah- men entschei- den nichts fuͤr die Treue der Nachbil- dung. Wegweisern. Die Nahmen, die sich auf der Base der Buͤsten eingegraben finden, sind selten alt, und wenn sie es sind, so gehoͤren oft Kopf und Base nicht zusammen. Ja! schon in alten Zeiten waren die Bildnisse großer Maͤnner oft verlohren gegangen, und die Begierde, ihr Andenken lebhaft zu erhalten, ver- fuͤhrte zuweilen die Liebhaber großen Nahmen eine Bil- dung andichten zu lassen, mit der man sich ungefaͤhr ihren bekannten Charakter zusammen denken konnte. Eine Das Capitol. Eine andere Erklaͤrungsart nimmt man von den Bildnissen auf Muͤnzen, die mit den Buͤsten, die man erklaͤren will, einige Aehnlichkeit haben. Allein, wie verschieden ist das Gefuͤhl fuͤr Aehnlichkeit bei der verschiedenen Art zu sehen der meisten Menschen. Die kleine Form der Bildnisse auf Muͤnzen, ihre zum Theil unbestimmte Zeichnung macht die Wiedererken- nung sehr unzuverlaͤßig. Sie sind selbst unter einan- der in der Bildung einer und eben der Person verschie- den. Oft bringt das Alter allein diese Verschiedenheit hervor. Oft die Erhoͤhung der gemeinen Natur zum Ideal. Selbst die Uebereinstimmung in der Klei- dung, in dem Kopfputze mehrerer Personen desselben Zeitalters muß zu Verwechselungen und folglich auch zu Irrungen verfuͤhren. Zu geschweigen, daß sich von beruͤhmten Maͤnnern nur wenige ungekroͤnte auf Muͤnzen finden. Bei Erklaͤrungen, die man von geschnittenen Steinen hernimmt, wird die Schwierigkeit der richti- gen Bestimmung noch durch die Besorgniß vor Be- trug in dem Urbilde, das man zum Grunde legt, vermehrt. Das Zimmer der Kaiser. Unter den Basreliefs sind zwei mit Figuren wenig unter Lebensgroͤße merkwuͤrdig. Das eine stellet Perseus und Andromeda vor. Perseus hilft der befreieten Andromeda von dem Fel- sen herabsteigen. Das Ungeheuer liegt todt zu seinen Fuͤßen. Das Capitol. Fuͤßen. Dieses Basrelief hat unserm Mengs zum Suͤjet eines Gemaͤhldes gedienet. Perseus und Andromeda: Gemaͤhlde von Mengs. Mengs ging inzwischen, — wie man mir sagt, denn gesehen habe ich das Bild nicht, — von dem Basrelief, selbst in Ruͤcksicht des Gedankens ab. Er ließ den Perseus der Andromeda zwar die Hand reichen, das Gesicht, und den Blick aber von der Schoͤnen abwenden. Eine Heldenseele wie Perseus, angefuͤllt mit griechischen Ideen von Anstand, wird es nicht gewagt haben, seinen Blick auf Andromeda zu werfen; er wird ihr die Verwirrung haben er- spahren wollen, sich nackt vor ihrem Beschuͤtzer sehen zu lassen; er wird sie auch auf die entfernteste Art nicht an die Rechte haben erinnern wollen, welche die empfangene Wohlthat ihm uͤber die errettete Schoͤne gab. So dachte Mengs. Aber dachte er recht? Ich zweifle. Wenn auch keine Kaͤlte auf dem Bilde geherrscht hat, wie doch alle versichern die es gese- hen haben, wenn es auch wuͤrklich wahr ist, daß die Griechen so gotisch edel gehandelt haben; durfte der Kuͤnstler durch den Ausdruck einer sittlichen Schoͤn- heit, die in den stummen Kuͤnsten zur Unempfind- lichkeit wird, seinen Zeitgenossen, welche die Wahr- heit des Affects in der dargestellten Person nach dem- jenigen beurtheilen, der sie selbst bei einem aͤhnlichen Vorfall in Bewegung gesetzt haben wuͤrde, die sich schlechterdings in dem Acteur wieder finden wollen; durfte Mengs, frage ich, diesen unverstaͤndlich wer- den? Laͤßt sich denn der Eindruck den die Schoͤn- heit auf uns macht, an dem der sie empfindet, nicht anders ausdruͤcken, als durch thierische Begierde, oder durch prahlenden Uebermuth? † Der Das Capitol. † Der schlafende Endymion. Sein treuer Hund scheint gegen die sich naͤhernde Luna anzubellen, und seinen Herrn vertheidigen zu wollen. Diese Fi- gur hat viel Ausdruck, und die Stellung ist schoͤn. Schade, daß der Kopf mit dem Rumpfe nicht recht zusammenhaͤngt. Eine wilde Schweins-Jagd von guter An- ordnung und gutem Ausdruck. Alles hat Leben. Statuen . † Eine drappirte Muse, dem Kopfe und den Capitolini- sche Flora. Haͤnden nach als Flora restaurirt. Denn man be- hauptet, daß diese beiden Theile entweder ganz mo- dern oder doch angesetzet sind. Andere wollen hinge- gen, nur die linke Hand sey modern. So Winkelmann, welcher behauptet, die Hand mit dem Blumenstrauß sey modern. Den Kopf mit dem Blumenkranze scheint er fuͤr antik, aber nicht von idealischer Schoͤnheit, sondern fuͤr ein Portrait einer schoͤnen Person zu halten. G. d. K. Wiener Edit. S. 309. Fea in der italienischen Uebersetzung, T. I. p. 323. haͤlt sie mit dem Abbate Visconti fuͤr eine Polymnia. Warum? So viel ist gewiß, die rechte Hand ist schoͤn. Das Gewand ist im kleinlichen Geschmacke gedacht, aber in der Ausfuͤhrung ein Beispiel von Gedult. Ein junger Hercules von gruͤnem Basalt. Die linke Hand, in der er die Aepfel haͤlt, und der rechte Arm sind modern. In Ansehung der Schoͤn- heit von geringem Werthe. † Ve- Das Capitol. Capitolini- sche Venus. † Venus in der Stellung der Mediceischen, das ist, eines entkleideten Weibes, die sich uͤberrascht sieht, und im Gefuͤhl der Schaamhaftigkeit, ohne welches der Liebreitz sich nicht denken laͤßt, die Brust und die Natur bedeckt. Neben ihr eine Vase, auf die ihr Gewand gefallen ist, und daher deutlich zeigt, daß sie aus dem Bade koͤmmt, oder im Begriff ist, ins Bad zu steigen. Der Herr Hofrath Heyne Sammlung Antiquari- scher Aufsaͤtze II. Stuͤck S. 118 und 145 glaubt an- nehmen zu duͤrfen, daß alle Vorstellungen der Ve- nus auf diese der unsrigen aͤhnliche Art, die Venus aus dem Bade kommend bezeichnen. Er verwirft die Erklaͤrung der Mediceischen Venus zu Florenz, als einer solchen, die aus der See hervorkoͤmmt, ganz, weil sie ein so schoͤn geflochtenes Haar hat. Ich gestehe es gern, daß dieser Grund mir jene Idee des Emporsteigens aus dem Meere nicht ganz benehmen koͤnne. Der Herr Hofrath Heyne wird schwerlich eine Statue von Werthe anzeigen koͤnnen, an der das triefende Haar einer Venus Anadyo- mene, das doch auf Muͤnzen, geschnittenen Stei- nen und Basreliefs vorkoͤmmt, ausgedruͤckt waͤre. Die Ursache liegt offenbar darin, weil ein solches Haar in Strippen herabfallend in ganz runden Bildhauerwerken einen Uebelstand machen wuͤrde. Sollte der Kuͤnstler diesem Uebelstande nicht einen Fehler wider das Costume aufgeopfert haben? Vor- zuͤglich hier, wo er ein Portrait bildete? Vielleicht duͤrfte man auch dann, wann man ins Bad geht, die Haare nicht so kuͤnstlich flechten. Wozu der Delphin? Der Herr Hofrath Heyne sagt: es ist ein Es ist nichts daran neu, als zwei Das Capitol. zwei Finger der linken Hand, und vier Finger der rechten. Fea in der neusten Uebersetzung der Winkelman- nischen G. d. K. L. V. c. II. T. I. p. 315. Note A. behauptet, die Nase sey angesetzt, und zwar schlecht, so daß ihr dies viel von ihrer urspruͤnglichen Schoͤn- heit nehme. Die Groͤße dieser Figur schadet ihrer Schoͤnheit, und der Kopf, der zu wenig weiblichen Reitz hat, scheint ein nicht einst idealisirtes Portrait zu seyn. Dem ohngeachtet verdient diese Figur in denjenigen Theilen, die an der Mediceischen theils ergaͤnzt, theils uͤbel angesetzt sind, z. E. Arme und Schenkel, den Vorzug vor ihrer Nebenbuhlerin. Der Marmor der unsrigen ist bei weitem nicht so schoͤn, als an jener. Buͤsten . Im Ganzen kann man sich auf die Nahmen, die sie fuͤhren, mehr als auf diejenigen der Buͤsten in dem vorigen Zimmer verlassen. Allein hin und wieder ist auch hier große Ungewißheit. Z. E. Eine der Lucil- len ist wahrscheinlicher eine Sabina; Einer der Ha- drianen ein Commodus; und die Buͤste des Nerva, was ein allgemeines Attribut der Venus. Recht wohl! aber woher ist es anders entlehnt, als von ihrer Herkunft aus dem Meere? Und dann! konnte der Kuͤnstler nicht eben so gut, als andere vor, oder nach ihm an aͤhnlichen Statuen gethan haben, eine Vase neben ihr stellen, die ihr statt Tronks diente? Worin liegt der Grund der Abweichung? Das Capitol. was auch immer Winkelmann G. d. K. S. 825. davon sagen mag, ein neueres Werk des Algardi. Die vorzuͤglichste Aufmerksamkeit verdienen: † Ein junger Marc Aurel. † Die juͤngere Faustina. † Commodus. † Caligula aus Basalt. † Messalina. † Nero, Drusus und Germanicus. Winkelm. G. der K. S. 787. erwaͤhnt eines Kopfs des M. Agrippa. Er sey schoͤn, sagt er, und gebe das deutlichste Bild des groͤßten Mannes seiner Zeit. Ich erinnere mich nicht, ihn hier bemerkt zu haben. Die Gallerie . Unter den Statuen, Buͤsten und Basreliefs sind wenige außerordentlich. Ich will einige davon be- merken. Eine Muse, die einen jungen Nero auf dem Schooße haͤlt. Eine wuͤrdige Erzieherin eines jungen Prinzen! Vielleicht stellt aber auch die Figur eine Venus Ge- nitrix vor, in dem Verstande, da sie zu Ehren der Kaiserinnen, als Kindbetterinnen mit ihren neu- gebohrnen Kindern auf dem Schooße vorgestellt wird. Man vergleiche Hrn. Hofraths Heyne An- tiquar. Aufsaͤtze. l. Stuͤck. nr. 2. S. 160. Eine Das Capitol. Eine Marciana, wie andere wollen, eine Ju- lia, Tochter des Titus, oder vielmehr richtiger eine Venus, der man einen fremden Kopf aufgese- tzet hat. † Eine schoͤne Buͤste einer Muse mit durch- bohrten Ohren zu Ohrgehaͤngen. Ein Jupiter und ein Aesculap, beide aus schwarzem Marmor. Noch eine Muse mit durchbohrten Ohren. Eine Diana Lucifera. Sie traͤgt in der rech- Diana Luci- fera. ten Hand eine Fackel, und mit der linken ein Gewand, das uͤber dem Kopfe zirkelfoͤrmig flattert. Der Vor- stellungsart wegen merkwuͤrdig, die eine individuelle Bestimmung anzuzeigen scheint. Vielleicht hat das Gewand die Nacht, die Fackel das Mondenlicht an- zeigen sollen. Eine unbekannte weibliche Buͤste, von schoͤ- nem Charakter. Ein sogenannter Scipio Africanus, Buͤste. Nereiden. Basrelief von guter Zeichnung und Arbeit. Zimmer der Miscellaneen. † Ein Faun aus rothem Marmor, der eine Traube in die Hoͤhe haͤlt; zu seinen Fuͤßen ein Korb nebst einem Bocke. Im Museo Clementino ist ein aͤhnlicher. Der Stamm des Baums, ein Arm, beide Beine, jedoch ohne Fuͤße, sind modern, und Erster Theil. Q von Das Capitol. von Cavaceppi sehr gut restaurirt. Andere sagen von Bracci. Er ist vorzuͤg- lich der Marmorart wegen merkwuͤrdig. Er stehet auf einem Altare mit einem Bas- relief von gutem Stile. † Ein schoͤner Kopf einer Bacchantin mit hohlen Augen. Kopf Alexan- ders des Großen. † Ein sehr schoͤner Kopf Alexanders des Großen, im Charakter des Jupiter Serapis. Der Haarwuchs ist nicht nur der den Koͤpfen dieses Gottes gewoͤhnliche, sondern man sieht noch Spuhren, wo der modius und die Radii gesessen haben. In der Mine viel Melancholisches. Tauben die aus einem Gefaͤße trin- ken: ein be- ruͤhmtes an- tikes Mosaik. † Ein antikes beruͤhmtes Mosaik. Tau- ben, die aus einem Gefaͤße trinken. Das Hauptverdienst dieses Werks bestehet in der feinen Zu- sammenfuͤgung der harten natuͤrlichen Steine. Denn uͤbrigens kommt es an Wahrheit der Schattirung, und an Mannichfaltigkeit in einander fließender Tin- ten, unsern modernen Mosaiken aus verglaseter Com- position nicht bei. Hecate. Diana triformis oder Hecate, aus Bronze. Es sind drei kleine Statuen, die durch den Ruͤcken zusammenhaͤngen. Die eine mit einer Lotusblume auf dem Kopfe haͤlt zwei Fackeln in der Hand; die andere haͤlt einen Schluͤssel und eine Schlinge, und die dritte, deren Kopf mit einer Art von Phrygischer Muͤtze bedeckt ist, an welcher Strahlen befindlich sind, ein Schwerdt und eine Art von Bohrer, den einige fuͤr eine Schlange halten. Dieses sonderbare Denk- mahl ist auch in Ansehung der Kunst nicht ohne Werth. † Ein Das Capitol. † Ein sehr schoͤnes Gefaͤß von Bronze. Mi- Schoͤnes Ge- faͤß aus Bronze. thridates schenkte es, der Innschrift nach, einem Gym- nasio, welches er gestiftet hatte. Auf dem Rande stehen auf Griechisch die Worte: Halte es rein. Die Handgriffe und der Fuß sind modern. Ein Basrelief mit mehreren Vorstellungen aus der Iliade, verdienet in Ansehung der Kunst keine Aufmerksamkeit. Ich komme nun zu den Buͤsten, die rund im Zimmer herum stehen. Ich will aber nur die vor- zuͤglichsten herausheben. Ein Kopf eines Mercurs. Ein unbekannter Kopf, mit einer Art von Peruͤcke. Ein Kopf, der viel vom Charakter einer der Toͤchter der Niobe hat. Ein sogenannter Marcus Brutus. Ein Pompejus der Große. Eine schoͤne Bacchantin. Ein Faun. † Ein Paris mit der Phrygischen Muͤtze; Schoͤn, und voller Charakter. Ein schoͤner Jupiter Hammon. Am Fenster auf dem zweiten Absatze. † Ein unbekannter Kopf von vortrefflichem Charakter. Eine Matidia. † Der darauf folgende unbekannte Kopf ist vortrefflich. † Zwei schoͤne Koͤpfe von Amazonen. Ich habe bereits bei dem Museo Clementino bemerkt, daß Q 2 Koͤpfe Das Capitol. Koͤpfe dieser Art sich außer der Vermischung des maͤnnlichen Charakters mit dem weiblichen auch noch besonders durch eine Art von Kante oder Einfassung um Augenlieder und Lippen unterscheiden. Ein sogenannter Cecrops, der aber vielmehr ein Kopf aus der Familie Hadrians ist. Ein lachender Faun. Ein Apollo, dessen Haare auf dem Kopfe zu- sammen gebunden sind. Kopf eines Ringers mit einer Hauptbinde. Wahrscheinlich Zeichen des Siegers. Kopf der Ariadne. Zuletzt bemerke ich † den herrlichen Kopf der Ariadne mit herabhaͤngenden geringelten Locken voll hoher Schoͤnheit, der oft copirt und in Gips geformt in und außer Italien zu sehen ist. Zwischen den Buͤsten stehen noch ein Paar klei- ne Statuen. Ein Kind das mit einer Taube scherzet, und zwei Ephesische Dianen, deren eine, Kopf, Haͤnde und Fuͤße von Bronze hat. Die andere, und von beiden die schoͤnste, steht auf einem Altare, wor- auf ein Basrelief mit einem Opfer befindlich ist. Rechter Fluͤgel . Pallast de’ Conserva- tori. Pallast de’ Conservatori . In dem Porticus . Caͤsar und ein August, an beiden vielleicht nichts als der Torso alt. Letzterer hat ein Steuer- ruder Das Capitol. ruder zu seinen Fuͤßen, als eine Deutung auf die Schlacht bei Actium. Winkelm. G. d. K. S. 784. In dem Hofe . Mehrere colossalische Haͤnde und Fuͤße, der Weichheit der Behandlung wegen merkwuͤrdig. Winkelm. G. d. K. S. 498. Ein antiker Loͤwe, der ein Pferd anfaͤllt. Der Loͤwe ist voller Ausdruck, aber das ganze Hinter- theil desselben, Kopf und Beine des Pferdes sind neu. Eine sitzende Roma, woran Kopf und Haͤnde neu sind. Auf der Base sitzt eine schoͤne uͤberwundene Provinz bei einer Trophaͤe. Sie ist oft und vorzuͤg- lich auf geschnittenen Steinen copirt. Der Ausdruck und der Gedanke sind schoͤn. Kopf und Hand neu. Zwei gefangene Koͤnige, von schwarzem Marmor. Zwei Aegyptische Statuen. Ein großer colossalischer Kopf von Bronze. Man legt ihn ohne Grund dem Kaiser Commodus bei. Winkelm. G. d. K. S. 541. Vor der Begraͤbnißurne der Agrippina, des Begraͤbniß- urne der Agrippina. großen Weibes des Germanicus, wird niemand un- geruͤhrt vorbei gehen, ob sie gleich in Ansehung der Kunst ohne besondern Werth ist. Q 3 Ein Das Capitol. Ein colossalischer Kopf, den man fuͤr einen Domitian haͤlt, und darunter wieder eine Provinz, von der es jedoch glaublicher ist, daß sie nur einen jungen Mann vorstelle, dessen Bruͤste ein wenig stark angegeben sind. Mehrere schoͤne Fragmente von Colossal- Statuen in Marmor und Bronze. Beim Hinaufsteigen auf die Treppe trifft man eine Columna Rostrata an. Ferner, vier schoͤne Basreliefs mit Figuren in Lebensgroͤße. Sie sind von dem Triumphbogen Marc Aurels genommen. Das erste stellt diesen Kaiser vor, dem Rom die Weltkugel uͤberreicht. Im zweiten reitet er neben einer andern Figur, die man fuͤr den Antoninus Pius haͤlt. Zwei gefan- gene Koͤnige liegen zu seinen Fuͤßen, und mehrere Soldaten sind um ihn. In dem dritten wird Marc Aurel in einem mit vier Pferden bespannten Triumph- wagen gezogen, eine Victoria kroͤnt ihn. Die sitzende Roma zwischen dem Neptun und ei- ner Minerva, sind als Basrelief auf diesem Wagen ausgedruͤckt. Volkmann begeht einen laͤcherlichen Fehler, diese Figuren als den Triumphwagen be- gleitend anzufuͤhren. Auf dem vierten opfert Marc Aurel den Goͤttern. Dies letzte ist das schoͤnste. Man wird darauf einen Fla- men bemerken, dessen Muͤtze oder Helm, wie man behauptet, zu der Form der heutigen Bischoffsmuͤtzen die Veranlassung gegeben haben soll. Alle diese Basre- Das Capitol. Basreliefs sind gut zusammengesetzt, und wegen der schoͤnen Koͤpfe, der guten Drapperien und vorzuͤg- lich des Costums wegen aͤußerst merkwuͤrdig. In- zwischen wird man finden, daß die Figuren hin und wieder zu kurz und in einzelnen Theilen verzeichnet sind. Man siehet hier auch ein ziemlich mittelmaͤßiges Basrelief, welches einen Curtius vorstellen soll. In dem großen Saale hat Giuseppe d’Arpino verschiedene roͤmische Geschichten gemahlt. Man sieht diesen Gemaͤhlden an, daß der Meister Raphaeln und die Florentiner studirt hat, und da, wo er sich einer von ihnen vorgezeichneten Parthie erinnerte, hat er zu- weilen einen gluͤcklichen Zug angebracht. Aber im Ganzen sind diese Gemaͤhlde recht Handwerksmaͤßig gemahlt, und der Kuͤnstler ist hin und wieder bis zum Tapetenanstreicher erniedrigt. Nirgends ist Wahrheit anzutreffen. Inzwischen sind die Schlachten das Beste darunter. Sie sind mit einem Feuer entwor- fen, das nur durch Correktion und Studium in den wahren Schranken haͤtte gehalten werden muͤssen. Man trifft gute Pferde darin an, die der Kuͤnstler vorzuͤglich gern mahlte. Man wird selten finden, daß die Mahler, welche Ueber die Gattung von Pferden, welche die Mahler vor- zuͤglich gern in ihren Ge- Pferde in ihren Gemaͤhlden angebracht haben, in ih- rer Wahl auf eine feine Race gefallen sind. Gemei- niglich sind sie von starkem Schlage, breiten Koͤpfen, zottigen Maͤhnen, behangenen Beinen, und krausen Schweifen. Im Ganzen scheinen Pferde dieser Natur Q 4 mahle- Das Capitol. maͤhlden an- bringen. mahlerischer zu seyn, als jene glatten, feinen, die we- niger Abwechselung in Formen, und Licht und Schat- ten zulassen. Ein anderer Grund aber liegt darin, daß zu der Zeit, als die Kuͤnste in Italien und den Niederlanden bluͤheten, Friesische Pferde, welche von starkem schwerfaͤlligem Schlage sind, sowohl zu Zug- pferden, als ihrer besondern Dauerhaftigkeit und Staͤrke wegen im Kriege sehr geschaͤtzt wurden. Die Thuͤren sind in Holz nach Zeichnungen des Fiamingo geschnitzt, und haben viel vom Stil alter Basreliefs. Man findet hier vier Statuen einiger Paͤbste. Die beste darunter ist Urban der Achte vom Cava- liere Bernini. Folgendes Zimmer . Die Mahlereien, die sehr schlecht sind, sind von Tomaso Laureti. Die Buͤsten und Statuen, von denen Volkmann sowohl als die Descrizzione reden, stehen hier nicht mehr; es ist nichts darin befindlich, als zwei Saͤu- len von Verde Antico, auf welchen zwei Koͤpfe, deren einer einen Septimius Severus vorstellet, stehen, und vom Cardinal Albani hieher geschenket sind. Folgendes Zimmer . Daniel da Volterra hat in den Friesen den Triumph des Marius vorgestellet. Der Stil ist gut, Das Capitol. gut, inzwischen sind sie manierirt, und die Zeichnung ist nicht correkt. † Hier stehet jetzt die beruͤhmte Woͤlfin Beruͤhmte Woͤlfin aus Bronze. aus Bronze, welche den Romulus und Remus saͤu- get. Sie ist am linken Hinterfuße beschaͤdiget, daher man sie fuͤr dieselbige haͤlt, welche am Tage des Todes Caͤsars vom Blitz getroffen worden. Diese Vermuthung hat wenig Wahrscheinlichkeit fuͤr sich. S. Fea’s Uebersetzung der Gesch. d. Kunst. 1783. T. l. L. III. c. III. p. 202. nota* So inte- ressant dieses Stuͤck in Ansehung der Geschichte seyn kann, so wenig ist es in Ansehung der Kunst von Be- deutung. † Die beruͤhmte Statue des sitzenden Kna- Spinarius. ben, den man fuͤr einen jungen Hirten haͤlt, und der sich einen Dorn aus dem Fuße zieht. Er wird deswegen Spinarius genannt. Er ist in dem Alter der Pubertaͤt, und in natuͤrlicher Groͤße. Seine Augen sind ausgehoͤhlt. Der Ausdruck ist vor- trefflich. Die Umrisse und das Spiel der Muskeln sind mit einer Zartheit behandelt, von der man in Bronze wenig Beispiele findet. Winkelmann G. d. K. S. 541. Richardsons Urtheil Traité de la peinture etc. p. 180. wodurch diesem Werke eine gewisse Haͤrte vorgeworfen wird, die man als eine Folge der Kind- heit der Kunst ansehen koͤnne, worin sie verfertigt sey, ist ungerecht. Die Formen sind nicht bis zum Ideal erhoben, aber auch keinesweges hart und steif. Q 5 Hecate Das Capitol. Hecate triformis aus Marmor. Beinahe eine Wiederholung der aͤhnlichen Vorstellung in Bronze im andern Pallaste. Doch findet sich einige Verschieden- heit in dem Kopfputze. Camillus. † Ein sogenannter Camillus oder Opfer- knabe von Bronze. Eine Figur mit einem auf- geschuͤrzten Unterkleide; von angenehmer Form, und wohl behandeltem Gewande. Winkelmann, G. d. K. S. 541. Sie steht auf einem Leuchter von gutem Stile aber mittelmaͤßiger Ausfuͤh- rung. † Ein schoͤner Kopf aus Bronze, welcher den Lucius Junius Brutus vorstellen soll. Mit Au- gen von verglaseter Composition. Die Benennung mag wohl ziemlich zweifelhaft seyn. Winkelmann G. d. K. S. 541. sagt: Ein Brustbild unter dem Nahmen Brutus. Richardson Traité de la peinture. p. 177. beruft sich auf die Aehnlichkeit mit einer Medaille, die Marcus auf die- sen seinen Ahnherrn soll haben schlagen lassen. Wer weiß, wie viel Aehnlichkeit schon jenes Bildniß mit dem wahren Urbilde gehabt haben mag? In dem Audienzzimmer . Eine moderne aber gute Buͤste einer Me- duse. Der Kopf des Michael Angelo von Bronze. Eine Das Capitol. Eine Buͤste eines jungen Hercules aus ro- them Marmor. Zwei Gaͤnse, vielmehr Enten, aus vergol- deter Bronze; sehr schoͤn. Ein Isiskopf als Vase mit Ohrgehaͤngen. Gleichfalls aus Bronze. Die heilige Familie, welche man fuͤr die Ar- beit des Giulio Romano ausgibt, scheint nicht einst nach diesem Meister copirt zu seyn. In dem Zimmer der Tapeten werden Friesen gezeiget, welche die Thaten des Scipio vorstellen, von Annibale Caraccio, wie man sagt: Wenigstens ist es nicht seine beste Arbeit. Unter den vier Buͤsten, die in diesem Zimmer stehen, ist der Kopf der sogenannten Ariadne die beste. Herr Volkmann macht hier einen laͤcherlichen Feh- ler. Die italienische Beschreibung setzt zur Erklaͤ- rung dieses Kopfes hinzu: Ariadne, welche einst dem Theseus den Faden gab, ( diede ) und fuͤhrt sie ausdruͤcklich als eine Buͤste auf. Herr Volkmann der dieses uͤbersetzt, macht eine Statue daraus: Ariadne, die dem Theseus den Faden gibt. Ueber- haupt ist Herr Volkmann bei dieser ganzen Beschrei- bung voller Unrichtigkeiten. Zimmer des Hercules . Hier sieht man Mahlereien, die fuͤr die Arbeit des Pietro Perrugino ausgegeben wer- den. Sie sind sehr schlecht. Ferner Das Capitol. Ferner eine gute Buͤste Hadrians. Hercules aus Bronze. † Hercules aus vergoldeter Bronze, uͤber Lebensgroͤße. Er haͤlt Aepfel in der linken, und die Keule in der rechten Hand. Mehr des Metalls als der Schoͤnheit wegen merkwuͤrdig. Der eine Arm wuͤrde weniger steif scheinen, wenn man die Keule, so wie sie ehemals war, (denn sie scheint wenigstens angesetzt) auf einem Piedestal haͤtte ruhen lassen. Der Kopf, sagt Winkelmann, S. 745. der G. d. K. ist verhaͤltnißmaͤßig kleiner als am Farnesi- schen Hercules. Drei sitzende Statuen, die man, das Still- schweigen, Cybele, und Ceres nennet, sind sehr mit- telmaͤßig und sehr restaurirt. Eben dieses gilt auch von den beiden Consular- Statuen. Wir gehen nun endlich zu demjenigen Theile des Capitols uͤber, in dem Gemaͤhlde-sammlung. Die Gemaͤhldesammlung befindlich ist. Diese Sammlung von Staffeleigemaͤhlden ge- hoͤrt im Ganzen nicht unter die vorzuͤglichsten von Rom, und wenn man erwaͤgt, daß sie die einzige oͤffentliche daselbst ist, so muß man sie gar unbetraͤchtlich nennen. Inzwischen hat diese Sammlung doch den Vor- zug, einige der besten Gemaͤhlde des Giorgione, Tin- toretto, und Paolo Veronese zu enthalten, die wir von diesen Venetianischen Meistern in Rom haben. Sie sind Das Capitol. sind freilich weder außerordentlich in Vergleichung mit andern außerhalb Roms, noch hinreichend, den Geist, den Charakter ihrer Urheber kennen zu lernen. Aber sie geben mir die Veranlassung, meinen Lesern dasje- nige mitzutheilen, was ich uͤber die Vorzuͤge und die Fehler der genannten Meister an andern Orten bemer- ket habe. Die Absicht dieses Werks umgreift aller- dings auch die Vorbereitung des Liebhabers auf die Kenntniß des Vorzuͤglichen in der Kunst in dem uͤbri- gen Italien. Giorgio Barbarelli da Castel Franco, Giorgione. gemeiniglich Giorgione genannt, lebte von 1478 bis 1512. Seine aͤchten Werke und vorzuͤglich groͤße- ren Compositionen sind selten. Das Wenige, was ich davon gesehen habe, scheint nicht viel Talent dafuͤr zu verrathen. Sie haben weder das Verdienst einer guten An- ordnung, noch eines wahren Ausdrucks. Giorgione zeichnete schwerfaͤllige Figuren, und noch dazu un- richtig. Aber er war der erste, der in Venedig einen wohlgenaͤhrten Pinsel mit Freiheit fuͤhren lehrte. Er nahm den Umrissen der Figuren die Haͤrte, die sie bis dahin gehabt hatten, er ruͤndete sie, hielt Licht und Schatten in groͤßern Massen zusammen, und brachte vorher unbekannte Drucker, Blicke, Halbtin- ten an: Kurz! den Dienst, den Michael Angelo der Zeichnung leistete, den leistete Giorgione dem Co- lorit: er fuͤhrte einen groͤßeren Stil ein. Man legt ihm auch die Erfindung des Contraposto und der Re- poussoirs bei, allein sie gehoͤrt eher dem Correggio. Inzwi- Das Capitol. Inzwischen ist der Stil des Giorgione doch nur Manier, Schein von Wahrheit, nicht die Wahrheit selbst. Seine Faͤrbung faͤllt im Lichte zu sehr in brennende Roͤthe, und im Dunkeln zu sehr ins Schwarze. Man wird in seinen Gemaͤhlden oft Federbuͤsche und Panzer finden. Es ist zuweilen gut, sich der- gleichen Wiedererkennungszeichen zu merken. Tintoretto. Giacomo Robusti, il Tintoretto, genannt, lebte von 1512 bis 1592 und war ein gebohrner Venetianer. Er lernte die Kunst unter Tizian: Aber bald verfiel er darauf, die Vorzuͤge mehrerer Meister mit einander vereinigen zu wollen. Er war einer der er- sten Eclectiker in der Mahlerei. Er folgte dem Cor- reggio in der Zusammensetzung und im Helldunkeln, dem Michael Angelo in der Zeichnung, dem Tizian, und vielleicht noch mehr dem Giorgione, im Colorit. Was folgte daraus? Daß er den Schein ihrer Vor- zuͤge: Das Auffallende ihrer Werke in die seinigen uͤbertrug, und im Ganzen mittelmaͤßig blieb. Tintoretto hatte einen großen Reichthum an Ideen, und einen großen Mangel an Gefuͤhl, und Bildern. Er verstand vortrefflich die Zuͤge, durch die sich jede Sache unserer Erinnerung einpraͤgt, aus- zuwaͤhlen, und sie nach den Begriffen, welche die groͤßten Mahler unter seinen Vorgaͤngern daruͤber ge- habt hatten, zu reproduciren. Durch haͤufiges Stu- dium hatte er sich ein Alphabet von Formen, von co- lorirten Parthien, und erleuchteten Massen gebildet, mit dem er seine Gedanken sehr deutlich aufschrieb. Wir Das Capitol. Wir verstehen sie, ohne uͤberzeugt zu werden. Sein ungebaͤndigter Witz wirft die Figuren zusammen, die den Platz, nicht aber die Vorstellung ausfuͤllen, die wir uns von der Begebenheit machen, an der sie Theil nehmen. Seine Formen sind ohne Wahl: Seine Koͤpfe haben Leben, Charakter, aber selten passenden Ausdruck, und seine Stellungen sind uͤbertrieben. Seine Zeichnung ist oft incorrekt, nie aber bestimmt oder fein: Der Faltenschlag im kleinlichen Stile, ohne Zusammenhang, ohne Deutlichkeit. Sein Co- lorit hat einen Schein von Wahrheit, faͤllt aber ge- meiniglich ins Gelbe und ins Schwarze; oft ist es schmutzig. Sein Helldunkles ist conventionell, aber es thut Effect. Er liebte die Verkuͤrzungen, wie man sie bei einem hoch angenommenen Horizont an- trifft. Er stellt den Zuschauer zu nahe an seine Fi- guren; auf dem Vorgrunde gleichen sie Riesen, auf dem Hintergrunde Zwergen, und hier findet man gemeiniglich die interessantesten. Fertigkeit in Be- handlung des Pinsels ist das Hauptverdienst dieses Meisters. Mit einem Worte: Tintoret war ein sehr erfin- drischer Handwerker, dessen broßirte Skizzen von weitem frappiren: Man naͤhert sich und der Zauber verschwindet. Inzwischen ist er sich selbst sehr un- gleich in seinen Werken, von denen die groͤßeren bei weitem die bessern sind. Paolo Caliari, von seiner Vaterstadt Veronese Paolo Vero- nese. genannt, lebte von 1532 bis 1588. Er ist in der Kunst das, was die Sophisten in der Philosophie wa- ren. Er hatte die Lieblingsschwaͤchen des groͤßern Hau- fens Das Capitol. fens studirt: Er wußte, daß wer diesen schmeichelt, fuͤr beleidigte Wahrheit leicht Nachsicht erhaͤlt. Er suchte die Phantasie des Poͤbels unter den Zuschauern zu entflammen, er suchte zu verblenden, und es ist ihm nur zu oft, und zu lange gegluͤckt. Nichts zieht Menschen von ungebildetem Gefuͤhle so sehr an, als Pracht und Reichthum. Dies war Hauptzweck der Zusammensetzungen unsers Meisters. Die Gelegenheit, Pomp und Aufzuͤge anzubringen, leiteten ihn in der Wahl seiner Gegenstaͤnde. Gemei- niglich stellte er Gastmaͤhler vor, wo reich bekleidete Fi- guren in großer Menge an wohlbesetzten Tafeln in Saͤlen von schimmernder Architektur sitzen. Sie ziehen durch dieselbe Empfindung an, die den Poͤbel zu den oͤffent- lichen Tafeln der Großen ruft. Selbst dann, wann ihm irgend eine interessante Begebenheit zur Behand- lung in die Haͤnde fiel, so scheint Spectakel, Pomp, stets sein Hauptaugenmerk gewesen zu seyn. Die poetische Erfindung ist selten gluͤcklich in seinen Gemaͤhlden. Ein gemeinschaftlicher Antheil an einer Handlung vereinigt nie die Figuren, mit denen er sie ausstaffirte. Selten stellte er sie dahin, wo sie des mehreren oder minderen Interesse wegen, welches der denkende Zuschauer an ihnen nehmen kann, stehen soll- ten. Die mahlerische Anordnung in so fern sie sich damit beschaͤfftigt, die Gruppen eines Bildes zu einem Ganzen aneinander zu haͤngen, durch Abwechselung der Groͤßen einzelner Figuren und der Lage ihrer Glied- maaßen angenehme Formen einzelner Parthien zu bil- der, verstand er desto besser. In Das Capitol. In diesem Theile der Mahlerei kann Paolo Ve- ronese zum Muster dienen. Er war darin Schuͤler des Correggio, und ward Meister der Carracci. Den Ausdruck suchte er in der Stellung. Denn dadurch wird er dem unaufmerksamen Zuschauer am auffallendsten. Was wahr ist, darum bekuͤmmerte er sich nicht, was wahr scheint, was Wuͤrkung thut, war der Gegenstand seiner Sorge. Ein gefaͤhrlicher Betruͤger! Seine Koͤpfe haben Charakter: Aber es ist der Charakter eines fuͤr sich bestehenden Bildnisses: Nicht der, den die Handlung erfordert. Darin unter- schied sich seine Verfahrungsart von der eines Ra- phaels. Beide brachten oft Bildnisse in ihren Ge- maͤhlden an, aber der eine modificirte ihre Zuͤge nach den Verhaͤltnissen, in die er sie setzte, der andere be- gnuͤgte sich gemeiniglich sie so hinzustellen, wie er sie sahe. Dieses Mittel gibt inzwischen seinen Figuren einen Charakter individueller Wahrheit: So viel Koͤpfe, so viel Portraits. Idealisirte Formen duͤrfen wir nicht suchen, aber der ungebildete Zuschauer will diese auch nicht finden. Natur! Natur! ruft er: die ist mir lieber, als eure colorirten Statuen. Er hat Recht, wenn die Darstellung der Antike ohne Aus- druck, wenn das Ideal blos Copei bleibt: Allein auch die Natur ohne den Ausdruck, den die Handlung erfordert, verliert den Vorzug der Wahrheit: und Copei fuͤr Copei, ist die eine dem aufmerksamen Beob- achter so viel werth als die andere. Aber freilich, das sind die wenigsten, und dies sichert bei dem großen Haufen der ersteren den Vorzug vor der letzten. Erster Theil. R Die Das Capitol. Die Zeichnung des Paolo Veronese ist ohne Be- stimmtheit, und oft incorrekt. Allein auch hier sind wieder die Fehler fuͤr ein ungeuͤbtes Auge nicht so auf- fallend, den Eindruck des Ganzen zu zerstoͤhren. Er liebte Koͤpfe in einer niedergebuͤckten Stellung zu mahlen, und uͤberhaupt Verkuͤrzungen, wie man sie von einem hohen Standorte ab an Figuren auf ei- nem niedrigem Horizonte erblickt. Sie setzen am meisten in Verwunderung, und ungeuͤbte Zeichner koͤnnen hier der Richtigkeit der Formen und der Ver- haͤltnisse am wenigsten nachspuͤhren. Allenthalben Blendwerk! Seine Gewaͤnder sind schlecht geworfen: Sie entziehen dem Auge beinahe immer die Umrisse des Nackten: Dabei schlagen sie sich in kleinliche Falten. Aber er mahlte schoͤne reiche Stoffe: Auch das verblendet. Sein Colorit ist mehr glaͤnzend als wahr. Es faͤllt zu sehr ins Rothe in den Lichtern, und zu sehr ins Violette in den Schatten. Seine Halbschatten aber zeichnen sich durch schoͤne perlgraue und durchsich- tige Tinten aus. Das Helldunkle ist conventionell, aber oft thut es Wuͤrkung. Zuweilen zerstoͤhren die gar zu glaͤnzen- den Farben die Harmonie. Das Costume ist auf das groͤbste in allen seinen Gemaͤhlden beleidigt. Gemeiniglich trifft man Hunde darauf an. Ich fuͤhre beides an, mehr als Wieder- erkennungszeichen, als in der Absicht ihm einen Vor- wurf daruͤber zu machen. Ein Das Capitol. Ein Hauptvorzug unsers Meisters ist die vortreff- liche Behandlung des Pinsels. Er arbeitete aͤußerst geschwind, und mit großer Zuverlaͤßigkeit. Wahr- scheinlich legte er seine Gemaͤhlde, und vorzuͤglich die Gewaͤnder mit gewissen breiten Massen von Mittel- farben an, auf die er hernach mit der festen Hand eines Schreibmeisters die Pinselzuͤge, die dem Bilde Leben und Ruͤndung geben sollten, aufsetzte. Durch diese einfache Verfahrungsart erhielten seine Farben das frische reinliche Ansehen, das selten mit oft wie- derholter Bearbeitung geht. Erstes Zimmer . Venus fuͤhrt den Bacchus zur verlaßnen Beurthei- lung der Ge- maͤhlde. Ariadne. Ein Gemaͤhlde des Guido. Dies Bild ist so schwach von Farbe, daß es nur angelegt zu seyn scheint. Um so mehr fallen die Fehler der Zusammen- setzung auf. Viele Figuren koͤnnen nach ihrer Be- stimmung keinen Antheil an der Handlung haben, und die ihn haben koͤnnten, druͤcken ihn nicht aus. Es gibt aber einige sehr schoͤne Frauenskoͤpfe auf diesem Bilde, die uns mit dem Uebrigen aussoͤhnen. † Die Persische Sybille, vom Guercino. Die Persische Sybille. Es ist ein huͤbsches kleines Gesicht voller Physiogno- mie, das wahrscheinlich nach der Natur gemahlt ist. Das Gefaͤllige der Mine, und das gute Colorit hat dieses Bild vorzuͤglich Liebhabern sehr angenehm ge- macht, so daß es mit zu den beruͤhmten Bildern ge- hoͤret, deren Copien in und außer Italien so aͤußerst haͤufig sind. Ich bitte diejenigen, welche die Kaͤlte beleidigen koͤnnte, mit der ich von diesem Kopfe R 2 spreche, Das Capitol. spreche, um Verzeihung: aber eine einzelne Figur auf einem Bilde, und nun gar ein Bruststuͤck, kann nur durch Hoheit des Ausdrucks, oder idealische Schoͤnheit meinen Enthusiasmus rege machen. Man vergleiche mit dieser Sybille eine Magdalena von Guido, oder eine der vorzuͤglichen antiken Buͤsten, und ich stehe gewiß gerechtfertigt. † Die heilige Helena, von Paolo Veronese. Es ist das beste Gemaͤhlde, was man von diesem Meister in Rom kennt. Der Schein von Wahrheit, der in diesem Bilde herrscht, die schoͤnen Stoffe und die meisterhafte Behandlung geben ihm vorzuͤglich bei Kuͤnstlern einen großen Werth. Der heilige Hieronymus, aus der ersten Manier des Guido. Eine heilige Magdalena vom Albano, halbe Figur, Lebensgroͤße. Eine heilige Familie vom Garofalo. Verloͤbniß der heiligen Catharina, von dem- selben. † Ein schoͤnes Brustbild eines Mannes der mit seinem Hunde spielt, von Ludovico Carraccio. † Eine heilige Magdalena, halbe Figur, vom Tintoretto. Adel des Ausdrucks muß man hier nicht suchen, aber es ist unbegreiflich, wie der Kuͤnstler mit so wenigen Pinselstrichen den niedrigen, den es hat, andeuten, und so viel Leben in das Ganze habe legen koͤnnen. Eine heilige Caͤcilia von Romanelli. † Eine heilige Caͤcilia von Romanelli. Man sieht nicht gleich das ganze Verdienst dieses Kopfes Das Capitol. Kopfes ein. Aber man wird es voll Seele und Aus- druck finden, wenn man es laͤnger betrachtet, und dieser Vorzug hat um so mehr Anrecht auf unsere Be- wunderung, da er selten in andern Gemaͤhlden dieses Meisters angetroffen wird. Das Gewand ist schlecht. Taufe Christi, vom Tizian. Ein kleines Gemaͤhlde, vom Augustino Carraccio. Es stellt die Communion des heiligen Hieronymus vor, und ist deswegen merkwuͤrdig, weil man behauptet, Domenichino habe die Idee zu seinem Gemaͤhlde, welches eben dieses Suͤjet vorstellet, von diesem Gemaͤhlde entlehnet. Ich will mich weiter daruͤber erklaͤren, wenn ich an das beruͤhmte Gemaͤhlde des Domenichino komme. Zwei halbe Figuren, deren eine auf der Floͤte spielt. Wahrscheinlich Portraits aus der Venetianischen Schule, und schoͤn. Eine heilige Magdalena, Skizze des Guido. Ein Sabinen-Raub, von Pietro da Cor- tona. Die Zusammensetzung und die Anordnung sind vortrefflich, auch ist die Faͤrbung harmonisch; aber uͤbrigens sind Zeichnung, Ausdruck, Colorit und das Helldunkle gleich conventionell. Hochzeit der Rahel und Jacobs, vom Ciroferri. Kopf eines Juͤnglings, aus der Venetiani- schen Schule. Romulus und Remus mit der Woͤlfin. Schule des Rubens. R 3 Die Das Capitol. Die Darstellung im Tempel, von Gio- vanni Bellino, wie man behauptet. Sonderbar ist der heilige Rochus, der hinter dem heiligen Simeon stehet, und zu dessen Fuͤßen nicht allein sein Hund, sondern auch ein Crucifix lieget. In wie fern derglei- chen Fehler wider die Zeitrechnung dem Kuͤnstler an- gerechnet werden koͤnnen, in wie fern sie das Verdienst eines Gemaͤhldes bestimmen, daruͤber werde ich mich bei dem Pallast Boccapadouli erklaͤren. Die Entfuͤhrung der Europa, von Guido. Zwei schoͤne Koͤpfe von Ludovico Car- raccio. Eine heilige Caͤcilia von demselben. Eine angenehme Figur, obgleich die Zeichnung etwas tro- cken und die Faͤrbung zu grau ist. Der Triumph der Flora, von Poussin. Schoͤn gedacht und angeordnet. Ein Genius. Skizze von Guido. Eine heilige Familie mit vielen Heiligen. Man gibt sie fuͤr ein Werk des Paolo Veronese aus, sie ist aber wahrscheinlich nur eine Copie. Hagar und Ismael. Ahasverus und Esther. Zwei mittelmaͤßige Gemaͤhlde von Mola. † Die Madonna, die den Christ das Lesen lehrt. Ein großes Gemaͤhlde vom Giorgione. Es wird von Kuͤnstlern sehr geschaͤtzt. Zwei Landschaften, von Annibale Car- raccio. In der einen ist eine heilige Magdalena. Joseph Das Capitol. Joseph wird von seinen Bruͤdern ver- kauft, von Testa. Pietro Testa, gebohren zu Lucca 1611. gestorben zu Pietro Testa. Rom 1648. Anfangs Schuͤler des Domenichino, nachher des Pietro von Cortona. Er uͤbertrieb den Ausdruck bis zur Carricatur; sein wildes Feuer ver- fuͤhrte ihn zu abentheuerlichen Gedanken und Un- richtigkeiten in der Zeichnung, und es fehlte ihm durchaus an Wahrheit und Lieblichkeit des Colo- rits, und an Haltung. Der Triumph des Bacchus, von Pietro da Cortona. Flora, Lucretia, Cleopatra, drei halbe Fi- guren von Guido, aber nur angelegt. Das Opfer der Polyxena, von Pietro da Cortona. Es hat sehr gelitten, und es fehlt an Ausdruck. † Magdalena im Hause des Pharisaͤers, von der Frau des Subleyras, hat als Miniaturge- maͤhlde Verdienst. Kopf eines Frauenzimmers, von Bron- zino. † Eine liegende Frauensperson mit Kron und Scepter zu ihren Fuͤßen. Oben liest man: Omnia vanitas. Es wird fuͤr Tizians Arbeit ge- halten, verdient aber nicht von diesem Meister zu seyn. Einige Aussichten, von Vanvitelli. Guaspro Vanvitelli, genannt degli Ochiali, lebte um das Jahr 1700. Ein guter Architekturmahler. R 4 † Die Das Capitol. † Die Providenz von Ludovico Carraccio. Hamilton hat es in der Scola Italiana stechen lassen. † Eine heilige Familie mit St. Catharina und dem heiligen Antonius von Padua, von Annibale Carraccio, aus der Zeit als er die Vene- tianischen Meister studirte. Man erkennt ihn nur in dem Kopfe des heiligen Antonius wieder. Die Com- position ist schoͤn. Der Christ und die heilige Catha- rina sind von lieblichem Charakter. Der Kopf der Madonna ist des Meisters nicht wuͤrdig. Ein seltenes Bild eines Apostels, Grau in Grau, von Polidoro da Caravaggio. Zweiter Saal . † Die Entfuͤhrung der Europa. Ein großes Gemaͤhlde von Paolo Veronese. Die Zu- sammensetzung ist mittelmaͤßig, so wie die Zeichnung. Die Gefaͤhrtinnen der Europa sind voller Affectation. Aber die Wuͤrkung dieses Bildes und die vortreffliche Behandlung der Farben und des Pinsels, machen es ungemein schaͤtzbar. Die Schlacht des Darius und des Alexan- ders, von Pietro da Cortona. Eine Menge auf einander gehaͤufter Figuren, denen zusammengezogene Augenbraunen, aufgesperrte Maͤuler, geschwollene Augen statt Ausdrucks dienen. Die heilige Maria aus Aegypten, die sich geißelt, aus der Schule des Guercino. † Der Das Capitol. † Der heilige Sebastian und ein Patri- arch. Zwei Bilder, Figuren beinahe in Lebensgroͤße von Giovanni Bellino. Giovanni Bellino lebte bis 1514. Er that was Giovanni Bellino. wenige thun, er verbesserte seine Manier in seinem Alter, und zwar nach seinen Schuͤlern, dem Gior- gione und Tizian. Die erste war trocken und hart, und hatte viel von der Manier der alten deutschen Schule. In der letzten bekam seine Faͤrbung, mehr Saftiges, Frisches, Kraͤftiges. Diese Gemaͤhlde ver- dienen eine desto groͤßere Aufmerksamkeit, da sie von kraͤftiger Farbe sind, und so frisch, als ob sie eben aus der Hand des Mahlers gekommen waͤren. Die Geißelung und die Dornenkroͤnung, beide vom Tintoret. Eine Wiederholung der Caͤcilia des Dome- nichino im Pallast Borghese. Viele halten sie fuͤr ein Original. Eine Landschaft von Pietro da Cortona. Ein Portrait des Giovanni Bellino mit seinem Nahmen, von ihm selbst gemahlt. Eine Madonna mit dem Kinde: Ein En- gel fuͤhrt den heiligen Franciscus herbei. Ein schoͤn componirtes Bild von Annibale Carraccio. Cleopatra zu den Fuͤßen Caͤsars vom Gu- ercino, in seiner rothen Manier. † Johannes der Taͤufer mit einem Bock, von Caravaggio. Eine Wiederholung desjenigen Bildes, welches im Pallast Doria unter dem Nah- men der Wollust und der Unschuld bekannt ist. Schoͤn. R 5 Einige Das Capitol. Einige Skizzen zu Plafonds, von Paolo Veronese. Der Christ und der heilige Johannes als Kinder, Skizze des Guido. Erminia mit dem Hirten von Lamfranco. Ein sitzender Soldat und eine Zauberin. Beide vom Salvator Rosa. Amor in der Schmiede Vulkans, schoͤner Bassan. Galathee nach Raphael von Pietro da Cortona. Der heilige Matthaͤus mit dem Engel, vom Guercino. David, der den Saul verlaͤßt, um in den Streit gegen Goliath zu eilen, und der Triumph Davids nach dem Siege; zwei Ge- maͤhlde aus der Schule des Pietro da Cortona. Zwei gute Koͤpfe voller Charakter, aus der deutschen Schule. Eine heilige Familie von Schiavone. Der Teich zu Bethesda, Skizze vom Do- menichino. Ein heiliger Sebastian aus der Schule der Carracci. Noch ein heiliger Sebastian, wahrscheinlich aus derselben Schule. Eine heilige Magdalena. Manier des Paolo Veronese. Ein Bildniß des Michael Angelo, schoͤn gezeichnet und voller Charakter. Man sagt, es sey von ihm selbst, aber da es sehr zweifelhaft ist, ob er je in Das Capitol. in Oehl gemahlt habe, so geht man sicherer, wenn man es fuͤr ein Werk aus seiner Schule haͤlt. † Zwei allerliebste Landschaften des Do- menichino. Ein heiliger Johannes vom Salviati. Das schoͤnste Bild in diesem Pallaste ist † die Fortuna des Guido Reni. beruͤhmte Fortuna des Guido Reni. Sie fliegt um den Erdball herum, und Amor sucht sie bei den Haaren und bei dem Schleier festzuhalten. Der Ge- danke ist vortrefflich, nur Schade, daß der Mahler die Haͤlfte ihrer Beine hinter die Weltkugel versteckt hat, denn dadurch sehen sie wie in der Mitte abge- schnitten aus. Der Kopf der Fortuna ist nicht beson- ders schoͤn, aber die Stellung ist sehr reitzend, und die Umrisse sind sehr swelt. Der Amor ist aͤußerst lieblich. Die Zeichnung ist mehr fein als correkt, aber die Faͤrbung ist frischer und kraͤftiger als in den meisten Bildern dieses Meisters. Das unsrige ist aus seiner hellen Manier. Die Figuren haben viele Ruͤndung. Judith im Dankgebeth fuͤr die Rettung ih- res Vaterlandes und ihrer Unschuld, die ihr durch ihre Hand verliehen ist, eine Copie von Carlo Maratti nach dem beruͤhmten Gemaͤhlde des Guido Reni im Pallast Spada. Pallast Pallast Borghese . Wichtigkeit und Groͤße der Gemaͤhl- desammlung in diesem Pallaste. K eine Gemaͤhldesammlung in Rom koͤmmt derjeni- gen, die sich in diesem Pallaste befindet, an Groͤße und Wichtigkeit bei, und man haͤlt sie mit Recht fuͤr eine der ersten in Europa. Man wird nicht leicht einen großen Meister aus irgend einer Schule Italiens nennen koͤnnen, den ein- zigen Correggio ausgenommen, von dem hier nicht vorzuͤgliche Werke anzutreffen waͤren. Allein die Menge der Tizianschen Gemaͤhlde, die man hier haͤufiger als in andern Gallerien Roms antrifft, gibt mir besonders Gelegenheit, eine Anleitung zur Kennt- niß dieses großen Mahlers vorauszuschicken. Tizian Ve- celli; Unter- scheidungs- zeichen seines Stils. Tiziano Vecelli da Cadore, dessen Nahme Tizian, mit dem Begriffe eines unendlichen Werthes in der Mahlerei, in unsere Sprache aufgenommen ist, lebte von 1477 — 1576. Giovanni Bellini, nicht Gentile Bellini, wie d’ Argensville irrig schreibt, war der erste Meister unsers Kuͤnstlers. Sein trocke- ner, kleinlicher Stil zeigt sich in den Umrissen der er- sten Werke des Schuͤlers, so wie die uͤbertriebene Kraft in der Faͤrbung, die er vom Giorgione entlehnte. Doch sind Werke dieser Art außerhalb Venedig aͤus- serst selten. In der Folge ward die Natur seine einzige Fuͤhre- rin, und da diese sich unter unendlichen Abwechselun- gen zeigt, keine einseitige Art die Gegenstaͤnde zu sehen und darzustellen zulaͤßt; so darf man auch eine gewisse bestimmte Pallast Borghese. bestimmte Manier in den Gemaͤhlden aus der zwei- ten Epoche nicht suchen. Im Alter verließ er sich zu sehr auf seine erlangte Fertigkeit, vernachlaͤßigte die treue Nachfolge der Na- tur, und ward unbestimmt. Ohngeachtet dieser Abwechselung in der Verfah- rungsart unsers Meisters, lassen sich doch gewisse Kennzeichen angeben, an denen man seine Werke wie- der erkennt. Nur erinnere ich hier wieder an den Un- terschied, den man zwischen Vorzuͤgen und Fehlern machen muß, die von der Wahl des Kuͤnstlers ab- haͤngen, und solchen, die blos Werk des Zufalls sind. Ich habe einige vortrefflich gedachte Gemaͤhlde Tizians gesehen, aber noch viel mehr, die von Seiten der poetischen Erfindung keinen Werth hatten. Einen vortrefflichen Compositeur darf man ihn nicht nennen. In der mahlerischen Anordnung folgte er blos dem Grundsatze, solche Gegenstaͤnde zusammen zu stellen, die sich durch ihre Localfarben wechselseitig hervorheben. Dieser Grundsatz ist zu eingeschraͤnkt, vielen andern, die bei diesem Theile der Kunst in Betrachtung kom- men, zu untergeordnet, als daß man auch hier einen Hauptvorzug Tizians aufsuchen koͤnnte. Ich habe es schon oͤfterer bemerkt, es gibt einen doppelten Ausdruck: Den Ausdruck der Seele in Ruhe, den Ausdruck der Seele in der Thaͤtigkeit, welche die Handlung erfordert, bei der sie interessirt ist. Der erste ist der Charakter, den jeder Portraitmahler sei- nen Figuren geben sollte: Der letzte, der Affect, nach welchem jeder Historienmahler den Charakter in Darstel- lung der Begebenheit, wobei die aufgestellte Person eine Pallast Borghese. eine Rolle spielt, modificiren sollte. Der Ausdruck eines denkenden Wesens in Ruhe ist dem Tizian besser und oͤfterer gegluͤckt, als der Ausdruck einer bestimm- ten Thaͤtigkeit. Er mahlte viel Bildnisse, und stellte den Menschen dar, wie er sich am bequemsten beob- achten laͤßt. In der Wahl seiner Formen folgte er der schoͤnen Natur seines Landes. Er mahlte seine Weiber mit den Reitzen, die auf die groͤbern Sinne Eindruck ma- chen: nicht mit solchen, die den Geist entflammen. Ein gewisser Nationalcharakter, den man in allen sei- nen Koͤpfen wieder findet, macht diese ziemlich unter einander aͤhnlich. Die Koͤrper sind fleischigt, die Arme stark, und die Finger etwas zu laͤnglicht. Tizians Kin- der. Tizians Kinder haben von jeher den groͤßten Kuͤnstlern zu Modellen gedient, und, wie man be- hauptet, hatte er den Begriff der Schoͤnheit dieses Alters von ein Paar antiken Basreliefs in der Kirche Sta. Maria de’ Miracoli in Venedig entlehnt. Nachricht von zwei an- tiken Basre- liefs mit Amorinen in Venedig. Da, so viel mir bekannt ist, noch keine genaue Nachricht uͤber diese beiden Basreliefs gedruckt ist, so will ich kurz die Bemerkungen, die ich daruͤber bei meiner Durchreise durch Venedig zu machen Gelegenheit gefunden habe, hieher setzen. Sie stehen im Chor der Kirche St. Maria de’ Miracoli, und stellen beide Amorinen vor, auf jeglichem zwei, die mit den Waffen des Mars be- laden sind. Dasjenige, auf welchem Amorinen den Koͤcher des Gottes wegtragen, hat einen großen Vorzug vor demjenigen, wo sie mit dem Wegschlep- pen seines Schwerdtes beschaͤfftigt sind. Die Koͤpfe sind Maͤnner Pallast Borghese. Maͤnner reiferen Alters haben auf seinen Gemaͤhl- den zuweilen viel Edles. Aber ich erinnere mich nicht einen schoͤnen Juͤngling von ihm gemahlt gesehen zu haben; es muͤßte denn auf Bildnissen seyn. Tizian zeichnete mit dem Pinsel, und folgte haupt- saͤchlich seinem Augenmaaße. Da dieses ziemlich rich- tig war, und da er sorgfaͤltig schwere Stellungen ver- mied, so fallen die Incorrektionen seiner Zeichnung nicht so sehr auf. Unbestimmt ist sie inzwischen immer, wozu auch der Umstand vieles beitrug, daß er die Um- risse sehr in den Grund zu vertreiben suchte. Die Haare und Nebenwerke vernachlaͤßigte er. Seine Gewaͤnder sind schlecht geworfen, und die Falten ohne Deutlichkeit angegeben. Aber die Behandlung der Stoffe ist aͤußerst wahr. Tizians groͤßtes Verdienst besteht in der Vortreff- lichkeit seines Colorits. Es wird schwer, etwas Befriedigendes uͤber die Tizians Co- lorit. Von den Erfor- dernissen ei- nes guten Colorits uͤberhaupt. Grundsaͤtze zu sagen, die er dabei befolgt hat. Die groͤßten Meister haben Muͤhe, ihm mit dem Pinsel zu folgen: Wie waͤre es moͤglich, mit Worten seine Verfah- sind sehr beschaͤdigt, und wenn ich mich nicht irre, so ist sogar ein Kopf an dem einen der Amorinen bei dem Koͤcher ganz neu. Die Natur und die Ver- haͤltnisse des Alters sind so gut beobachtet, als in irgend einer Vorstellung desselben unter den Neueren. Das Fleisch ist weich ohne schlaff zu seyn, und die Arbeit leicht und doch besorgt. Sie verdienen das Lob unter die vorzuͤglichsten antiken Abbildungen des kindlichen Alters zu gehoͤren. Pallast Borghese. Verfahrungsart zu entziffern? Inzwischen, da es hier nur darauf ankoͤmmt, dem Liebhaber die Verdienste unsers Kuͤnstlers um diesen Theil der Kunst zu entwi- ckeln, und ihm zugleich eine Richtschnur zu geben, wor- nach er die Verdienste aͤhnlicher Art bei andern Mei- stern pruͤfen kann; so will ich kurz die einfachsten Er- fordernisse eines guten Colorits in Erinnerung bringen, um so mehr, da wir uns ohne vorlaͤufige Bestim- mung der Schwierigkeiten, schwerlich uͤber das Lob, sie uͤberwunden zu haben, verstehen wuͤrden. Colorit ist die Bekleidung eines Gegenstandes mit den Farben, die ihn in der Natur von andern sichtba- ren Gegenstaͤnden unterscheiden. Jeder Gegenstand hat seine ihm eigenthuͤmliche Farbe, aber das unaufmerksame Auge uͤbergeht die Nuͤancen und theilt sie nach einigen Hauptfarben ein, als schwarz, weiß, gelb, roth u. s. w. Zur Wie- dererkennung ist dies genung, aber nicht zum Gefuͤhl der Wahrheit. Es gibt unzaͤhlige Nuͤancen einer Hauptfarbe, und nirgends aͤußert sich diese Verschie- denheit auffallender und staͤrker als in der Carnation. Jedes Glied des menschlichen Koͤrpers, jedes Alter, jede Constitution, jede Leidenschaft haben ihre eigen- thuͤmliche Farbe, die wir alle unter dem allgemeinen Nahmen: Fleischfarbe begreifen. Diese eigenthuͤmliche Farbe nun findet sich selten rein auf der Palette: sie muß gemeiniglich gemischt wer- den: und wenn wir von Localfarben reden, so ist dies nicht in der Maaße zu verstehen, daß man eine Farbe, so wie sie eines der Reiche der Natur liefert, wie sie der Mahler auf die Palette bringt, gerade zu auf die Flaͤche Pallast Borghese. Flaͤche des Gemaͤhldes aufsetzen koͤnnten: sondern sie wird nur in Verhaͤltniß mit andern mehr gemischten Farben im hoͤchsten Lichte, im Halbschatten, im gan- zen Schatten: Localfarbe genannt. Die Localfarbe wird auf der Palette gemischt: Die vollstaͤndige Mischung der Farben, wie sie zu ei- nem guten Colorit erfordert wird, geschieht halb auf der Palette, halb auf der Flaͤche des Gemaͤhldes, und hier hauptsaͤchlich. Localfarbe ist also die Farbe, die wir in groͤßeren Parthien auf der Localfarbe. Flaͤche des Gegenstandes antreffen, die weder durch eine merkliche Erhoͤhung oder Vertiefung eine Veraͤn- derung von Licht und Schatten erfordert; von der wir annehmen, daß jeder Theil unter denselben Gesichts- punkt gebracht, ihr aͤhnlich seyn wuͤrde; und die mit- hin den Ton des Ganzen bestimmt. Es ist schon eine große Kunst, die jedem Objekte eigenthuͤmliche Localfarbe zu waͤhlen, oder zu mischen: und darin war Tizian Meister. Allein, das ist noch bei weitem das Geringste von Modiflca- tion der Lo- calfarbe vom hoͤch- sten Lichte an bis zum staͤrksten Schatten: Farbenmi- schung, Faͤr- bung, im eigentlich- sten Verstan- de. dem, was zu einem guten Coloristen erfordert wird. Der Mahler, der ein Objekt auf einer Flaͤche vor- stellt, muß mir dasselbe rund erscheinen lassen; das heißt, er muß durch die Modification von Licht und Schatten mir alle Umrisse der Profile zeigen, die der runde Gegenstand haben wuͤrde, wenn sich das Auge oder der Gegenstand darnach drehete. Er muß Er- hoͤhungen und Vertiefungen zeigen, die dann noth- wendig eine Veraͤnderung in der Localfarbe hervorbrin- gen, ohne daß ich sie aller dieser Veraͤnderungen ohn- geach- Erster Theil. S Pallast Borghese. geachtet je vermissen darf. Mit einem Worte, im hoͤchsten Lichte und im tiefsten Schatten muß ich die Localfarbe immer deutlich wieder erkennen. Die Art, wie die Roͤmische und Florentinische Schule darunter zu Werke ging, widersprach der Na- tur. Sie mahlten jeden Gegenstand, als wenn die Brechung der Lichtstrahlen auf jede Farbe nur einerlei Veraͤnderung hervorbraͤchte: sie hoͤheten alles mit Weiß, verdunkelten alles mit Schwarz. Dies ist falsch. Jede Localfarbe, auch des einfachsten Ge- wandes erfordert im Schatten und im Lichte einen Zu- satz fremder, zuweilen, dem ersten Anschein nach, ganz heterogener Farben. Allein hier sind die Neueren wieder ausgeschweift. Um Abwechselung hervorzu- bringen, sind sie oft bunt geworden, so daß ihre Lich- ter und ihre Schatten wie aufgeheftete Lappen kostba- rer Stoffe aussehen, waͤhrend daß Raphaels und Michael Angelos Gemaͤhlde wenigstens den Vorzug wohlgetuschter Zeichnungen haben. Beides muß ver- mieden werden. Blicke, Localfarbe, Halbschatten, Drucker, Alles muß ein harmonisches Ganze ausma- chen, das mir die Ueberzeugung gibt, es liege blos an meiner Stellung, daß ich gewisse Stellen dunkler, andere heller an Farbe sehe. Aber eben diese Blicke, diese Halbschatten, diese Localfarben, diese Drucker muͤssen auch so abwechselnd unter einander seyn, daß ich die Verschiedenheit der Farbe eines Gegenstandes von der Farbe eines andern, in jeder Modification des Lichts und des Schattens, fuͤr sich betrachtet, wieder erkenne. Vielleicht ist kein Mahler in der Welt dem Tizian hierin gleich gekommen. Die Pallast Borghese. Die große Kenntniß, die unser Kuͤnstler von dem Effect jeder auch der feinsten Nuͤance der Farben hatte, in wie fern sie durch sich selbst, ohne Zusatz von Weiß und Schwarz hervorsticht, oder zuruͤckweicht, je nach- dem man sie nur bei einer andern hellern oder dunklern hinstellt, zeigt sich am auffallendsten in der Wahl sei- ner Gewaͤnder. Wie oft hat er das Blut in den Adern hervorscheinen lassen, blos durch das weiße Ge- wand, womit er nackte Koͤrper bekleidete! Allein bei einer genaueren Pruͤfung wird man die ganze Wuͤr- kung seiner Carnation beinahe auf keinen andern Grund- satz als den eines feinen Contrasts verschiedener Nuͤan- cen gebauet finden. Da sind eine Menge heller Tin- ten neben einander gestellt, die man, einzeln betrachtet, wenig verschieden von einander findet. Aber zusam- men gestellt heben sie sich wechselseitig und mit bewun- dernswuͤrdigem Effect hervor. Durch dies Geheimniß unterstuͤtzt, konnte nun Tizian die starken breiten Schatten zur Ruͤndung bei- nahe ganz entbehren. Selbst die perlgrauen Halb- schatten hat er nur selten gebraucht. Alles scheint Licht, und doch ist alles rund. So sieht man die Gegenstaͤnde in der Natur bei Tage, wo ein starker Schatten selten, und der Schoͤnheit gewiß nicht vor- theilhaft ist. Auch ließ Tizian dies Licht von oben herabfallen, und stellte seine Figuren ganz hinein. Daher die schoͤnen breiten und hellen Parthien, die ein froͤhliches Ansehen geben: Man verfolgt sie unmerklich in die roͤthlichen Halbschatten, die bis hart an den Umriß fortlaufen, und sich dort in den braͤunlichen schmalen S 2 Haupt- Pallast Borghese. Hauptschatten verlieren, der wieder den Uebergang in den Grund macht. Doch ist er sich hierin nicht gleich; einige seiner Bilder sind in einem helleren, andere in einem dunkleren Tone gemahlt. Seine Behandlung war vortrefflich: Wahrschein- lich legte er seine Gemaͤhlde sehr hell an, und arbei- tete sie zu mehreren Mahlen uͤber. Er wandte eine unglaubliche Sorgfalt darauf. Inzwischen bemerkt man sie nicht. Alles scheint auf den ersten Strich, mit einer Lage, fertig gemacht zu seyn: Kaum daß das grobe Tuch, auf dem er oͤfters mahlte, mit Farbe bedeckt zu seyn scheint. Daß Tizian seine Figuren fuͤr sich zu runden wußte, haben wir gesehen; aber das eigentliche Ge- heimniß des Helldunkeln besaß er nicht. Man findet in seinen Werken wenig Spuhren von Reflexen. Tizian ist der groͤßte Portraitmahler gewesen, der je gelebt hat. Er war aber auch, bis auf die Luftperspektiv, die er wenig beobachtete, ein guter Landschaftsmahler. Paul Brill, Breughel, Ru- bens und die Carracci haben diese Art von Mahlerei in seinen Werken studirt. Ein Wiedererkennungs- zeichen seines Stils in der Landschaftsmahlerei ist die unverhaͤltnißmaͤßige Groͤße der Blaͤtter gegen den Stamm der Baͤume. Man vergleiche mit dieser Beurtheilung Tizians, das, was Zanetti, della Pittura Veneziana e delle opere pubbliche de’ Veneziani Maestri in Venezia 1771. p. 95. uͤber diesen Meister gesagt hat. Erstes Pallast Borghese. Erstes Zimmer . Petrus und der Engel von Mola. Pietro Francesco Mola, ward zu Coldre’ im Mai- laͤndischen 1621. gebohren, und starb zu Rom 1666. Er war ein Schuͤler des Albani und des Guercino. Sonderbare Anordnung, gemeine Natur, schwer- faͤllige Zeichnung ohne auffallende Fehler, und dunkle Faͤrbung zeichnen diesen Meister aus. Es ist eins der besten Bilder dieses Meisters in Rom. Der Engel steigt auf einer Wolke herunter, und bei seiner Annaͤherung zerspringen die Fesseln des Petrus. Man sieht beide Figuren uͤber einander in der Verkuͤr- zung. Sie ist dem Mahler zwar wohl gelungen, aber sie gibt der Gruppe keine angenehme Form. Die Farbe ist uͤbertrieben, die Schatten haben nach- geschwaͤrzt. Tizian mit seinem Weibe. Ob die Farbe gleich gelitten hat, so erkennt man doch die Manier wieder. Der Kopf des Mannes ist schoͤn. † Judith und ihre Magd, von demselben, ein schoͤnes Gemaͤhlde. Der Kopf der Judith ist ein Portrait voller Charakter, und gut gezeichnet. Die Faͤrbung faͤllt etwas ins Gelbe; die Schatten sind sehr durchsichtig; der Ruͤcken des Weibes tritt unge- mein vor. Die Heimsuchung Mariaͤ von Sebastiano del Piombo. Fra (Frate) Sebastiano del Piombo, geb. 1485. zu Fra Seb. del Piombo. Venedig, gest. 1547. zu Rom. Anfangs Zoͤgling der Venetianischen Schule. Nachher Schuͤler des Michael So geben es die Kenner an. S 3 Die Pallast Borghese. Die Anordnung ist ziemlich gut, aber der Ausdruck fehlt; die Zeichnung ist hart und steif, und die Faͤr- bung aͤußerst schwach. Die Himmelfahrt Mariaͤ von Palma dem aͤltern: Giacomo Palma il Vechio geb. 1540. zu Serinalto im Gebiet Bergamo, gest. zu Venedig 1588. Schuͤ- ler Tizians, dem er in seinen besten Werken so nahe koͤmmt, daß man sie mit des Meisters gewoͤhnli- chen verwechselt. ist aͤußerst zweifelhaft. Eine heilige Familie, wird ohne Grund dem Andrea del Sarto zugeschrieben. Wir haben von diesem Meister in Rom kaum ein einziges Werk, das man mit Zuverlaͤßigkeit fuͤr das seinige ausgeben kann, vielweniger eines seiner vor- zuͤglichen. Man muß ihn nach demjenigen beurthei- len, was man von seiner Hand in Florenz sieht. Andrea Michael Angelo Buonarotti. Dieser Mahler bewei- set, wie schwer es ist, in mehreren Theilen der Mah- lerei zu gleicher Zeit groß zu seyn. Als er Venedig verließ, hatte er die ganze Staͤrke der Venetiani- schen Faͤrbung. Er wollte es dem Michael Angelo in der Zeichnung gleich thun, und durch die Verei- nigung dieser beiden Vorzuͤge hoffte er dem Raphael den Preiß abzugewinnen. Raphael sagte: Poca lode sarebbe a me, di vincere uno che non sa disegnare. Fra Sebastiano erreichte nie seinen Zweck in der Zeichnung, und verlohr sein kraͤftiges Colorit. Seine Zusammensetzung ist gemeiniglich steif, sein Ausdruck kalt. In Bildnissen war er gluͤcklicher. Man nannte ihn Fra del Piombo von der Stelle, die ihm der Pabst anvertrauete. Pallast Borghese. Andrea del Sarto ward gebohren 1488. Er Andrea del Sarto. bildete sich hauptsaͤchlich nach Leonardo da Vinci, aber er nutzte auch die Werke des M. Angelo, des Fra Bartholomeo und Raphaels. Die meisten seiner Gemaͤhlde waren bestellte Werke, die Assembleen von Heiligen, ohne Verbindung durch eine gemeinschaft- liche Handlung, vorstellen. Dabei konnte er keine Staͤrke in der Composition zeigen. Seine Anordnung ist zu symmetrisch. In sei- nen Koͤpfen herrscht zu wenig Abwechselung. Der Charakter ist kleinlich, und kraͤnklich furchtsam. Man bemerkt, wenn ich so sprechen darf, einen Leonardisch suͤßlichen Zug darin. Als auffallende Kennzeichen kann man die knoͤrp- lichten, eckigen Nasen, die hagern Wangen, und die hoch liegenden Augenknochen ansehen. Er zeichnete mit vieler Feinheit, aber nicht ganz richtig. Seine Extremitaͤten sind zu knoͤchern. Die Gewaͤnder haben viel vom Geschmack des Fra Bar- tholomeo, aber sie sind viel studirter und weniger wahr. Seine Faͤrbung ist sehr angenehm, frisch, durchsich- tig und harmonisch. Aber in den Schatten faͤllt der Ton zu sehr ins graͤulich blaue. Wenige Mahler ha- ben ihre Farben so in einander zu vertreiben gewußt, und so frische durchsichtige Halbschatten gemahlt; diese sind inzwischen zu blaͤulich. Andrea del Sarto war sich selbst sehr ungleich in seinen Werken. Man hat Figuren von ihm, die Nichts zu wuͤnschen uͤbrig lassen, in denen sogar eine Niederlaͤndische Ruͤndung herrscht: Andere wieder sind verzeichnet, hart in den Umrissen, ohne Harmonie, S 4 und Pallast Borghese. und abgestanden in der Faͤrbung. Er starb 1530. Seine besten Gemaͤhlde sind zu Florenz. Tobias mit dem Engel, vom Rafaelino da Reggio. Rafaele Motta, gemeiniglich Rafaelino da Reggio genannt geb. 1552. gest. 1580. Schuͤler der Zucheri und ihrer Zeitgenossen. Stil der Nachahmer Ra- phaels und der Florentiner in der Zeichnung; des Baroccio im Colorit. Ich zeige dieses Bild an, weil es Augustino Caraccio in Kupfer gestochen hat. Carita Ro- mana, vom Guercino. Das schoͤnste Bild in diesem Zimmer ist † ein alter Greis in Fesseln geschlagen, der den Kopf um- drehet, waͤhrend daß eine junge Frauensperson durch das Gitter des Fensters des Gefaͤngnis- ses guckt. Dies Bild ist vom Guercino. Man nennt es gemeiniglich eine Carita Romana. Carita Romana nennt man die Vorstellung der zaͤrtlichen Tochter, die ihren Vater, der verurtheilt war, im Gefaͤngnisse Hungers zu verschmachten, mit ihrer Milch ernaͤhrte. Da die Bedeutung zweifelhaft ist, so mag ich nicht uͤber die Richtigkeit des Ausdrucks urtheilen. Jeder Kopf fuͤr sich betrachtet, ist voll Charakter und Wahrheit. Die Muskeln fließen vortrefflich in einander, und sind mit der schoͤnsten Haut bedeckt. Die Faͤrbung ist aus des Meisters besten Zeit; vorzuͤglich aber muß man das Helldunkle und die Behandlung bewundern. Ich werde Gelegenheit finden, von diesem Meister noch anderswo zu reden. Zwei- Pallast Borghese. Zweites Zimmer . † Der sogenannte Schulmeister. So nennt Ein schoͤnes Portrait, be- kannt unter dem Nah- men: der Schulmei- ster. man das Bildniß eines Mannes, welcher sitzend ein Buch haͤlt. Viele nehmen es fuͤr ein Werk Tizians an, aber von diesem Meister ist es gewiß nicht. An- dere legen es dem Moroni Giovanni Battista Moroni, gebohren zu Albino im Gebiet Bergamo — gest. 1578. aus der Vene- tianischen Schule. In Bildnissen vorzuͤglich be- ruͤhmt. Man kennt seine Werke unter Tizians Werken vielleicht nur an der schwaͤchern Faͤrbung aus. Mir sind wenige zu Gesicht gekommen, die man ihm mit Zuverlaͤßigkeit haͤtte beilegen koͤnnen. Niuno si accostò più a Tiziano nei rittratti del celebre Giam battista Morone d’ Albino. Zanetti della Pittura Veneziana. p. 99. bei. Endlich hat Mengs es fuͤr ein Werk des Guido erkannt, und diesem trete ich, der Behandlung des Pinsels wegen, bei. Das Verdienst dieses Gemaͤhldes rechtfertigt die Sorgfalt, mit der man den Nahmen des Meisters aufsucht. Stellung und Gesichtszuͤge kuͤndigen den Pedanten an. Dieser Kopf ist sehr bestimmt gezeichnet, und von schoͤner Faͤrbung. Man sollte glauben das Werk sey von einem Niederlaͤnder, so weise ist das Helldunkle behandelt, mit so vieler Liebe sind die Beiwerke aus- gefuͤhrt. † Ein anderes Bildniß eines dicken Man- nes, der in einem Brevier lieset. Eine Inn- schrift nennt wahrscheinlich den Meister des Bildes, S 5 der Pallast Borghese. der sich selbst gemahlt hat, J. P. Licinio anno ae- tatis 55. Man hat also Recht, dieses Bild einem der Pordenone beizulegen. Es fraͤgt sich nur, wel- chem? In der Note Es gibt zwei Kuͤnstler, die man von dem gemein- schaftlichen Geschlechtsnahmen, Licinio, von der ge- meinschaftlichen Vaterstadt im Friaul, Pordenone nennt. Der beruͤhmteste von beiden, und Lehr- meister des andern, hieß Giovanni Antonio Licinio. Dieser soll nachher seinen Nahmen, aus Haß gegen seinen Bruder, in Regillo verwandelt haben. An- dere nennen ihn auch, Cucitello, ja noch andere, Sachi. Er lebte von 1480—1540. und naͤherte sich in seiner Manier seinem Lehrmeister Giorgione. Von diesem aber kann das oben angezeigte Bild schwerlich seyu; denn 1) treffen die Anfangsbuch- staben J. P. nicht mit den Vornahmen Giovanni Antonio zusammen, 2) scheint es nicht glaublich, daß Regillo, der nur 56. Jahr alt geworden ist, wenn er seinen Nahmen veraͤndern wollte, ihn noch bis auf das Jahr vor seinem Tode beibehalten ha- ben wuͤrde. Ich rathe daher eher auf seinen Vetter Giulio Licinio; denn hier trifft der eine Vornahme zu, und wenn die uͤbrigen uns zwar so wenig als sein Geburtsjahr bekannt sind, (er starb 1561.) so treffen wir wenigstens in seiner Lebensgeschichte keine Umstaͤnde an, die der Angabe des Bildes widerspre- chen. wage ich daruͤber eine Muthmaaßung. Die Zeichnung ist gut, und der Ausdruck vortrefflich. Die Faͤrbung faͤllt ins- Rothe. Eine heilige Familie. Der Christ schlaͤft, eine Heilige haͤlt ihn, die Madonna betet ihn an, Pallast Borghese. an, und der kleine Johannes kuͤßt ihm die Fuͤße. Kenner halten dies Bild fuͤr ein Werk Ti- zians, gestehen aber, daß es keins seiner schoͤn- sten sey. † Eine andere heilige Familie, wo die Mutter gleichfalls den Christ anbetet. Die uͤbrigen Figuren sind, ein kleiner heiliger Johannes, eine heilige Catharina, und ein heiliger Augustin. Dies Bild ist ungezweifelt vom Tizian, und eins sei- ner schoͤnsten aus der dunklern Manier. Die Koͤpfe des heiligen Augustins und der heiligen Catharina sind schoͤn und wahr. Es ist viel Harmonie in diesem Bilde, und die Schatten sind sehr durchsichtig. Der Christ auf einem weißen Kuͤssen, ohne alle dunkle Schatten, hebt sich durch die unerklaͤrbare Gradation der Tinten. Der Christ auf einem Throne, ein Buch in der Hand. Auf der einen Seite die Apostel, auf der andern eine Frau auf den Knien, ein Mann im reifen Alter, der die Hand auf die Brust legt, und ein Juͤngling. Wahrscheinlich aus der Venetianischen Schule. Viele halten es fuͤr ein Werk Tizians, und es ist seiner nicht unwerth. Die Figur des Mannes, der die Hand auf die Brust legt, ist edel und wahr. Christ am Kreutze zwischen der Jungfrau und dem heiligen Johannes, angeblich vom Giulio Romano. Ich halte es fuͤr ein Werk der Florentinischen Schule. Der Ausdruck fehlt ganz und gar. Eine Hirten-Anbetung, eins der schoͤnsten Bil- der des Bassano. Man muß die leichte Behand- lung Pallast Borghese. lung des Pinsels, die Kraft und den Auftrag der Far- ben bewundern. Außerdem herrscht eine gewisse nie- drige Wahrheit darin, die das Verdienst einer ge- treuen Nachahmung hat. Der Christ scheint in der Naͤhe ein Fleck hingeworfener ungemischter Farbe, der zu unserm Erstaunen Wahrheit und Leben in der Ferne erhaͤlt. Ein junger Hirt, und der Kopf des Josephs, sind gleichfalls nicht aus der Acht zu lassen. Ich werde weiter unten von diesem Meister reden. Meisterstuͤck des Garo- falo. † Ein todter Christ mit der Mutter und mehreren Heiligen. Ein Meisterstuͤck des Garo- falo. Benvenuto Garofalo genannt Tisio, ward zu Fer- rara 1481. gebohren und starb 1559. Ob die Nelke, die er so gern in seinen Gemaͤhlden anbrachte, ein Anagram seines Nahmens oder Grund seines Beinah- mens gewesen sey? ist zweifelhaft. Er hat unstreitig den groͤßten Theil seiner Ausbildung dem fleißigen Studio nach den Werken Raphaels und zwar aus des- sen fruͤheren Manier zu verdanken. Ein Verdienst, welches alle seine Bilder haben, ist die reine, dauer- hafte Localfarbe der Gewaͤnder, vorzuͤglich der rothen und der gruͤnen. Sie haben sich bis auf diese Stunde so frisch erhalten, als ob sie eben gemahlt waͤren. Man trifft auch zuweilen einen schoͤnen Kopf, selbst eine schoͤne Figur in seinen Gemaͤhlden an. Nur das Ganze ist selten zu loben. Die Ausfuͤhrung ist ge- meiniglich trocken. Erfindung und Anordnung sind zwar nicht zu loben; auch ist die Luftperspektiv nicht beobachtet, und die Zeichnung trocken und steif. Allein das Bild hat doch viele einzelne Schoͤnheiten. Die Stellung der Magdalena ist sehr reitzend, und der Ausdruck zutreffend. Der heilige Hieronymus hat einen schoͤ- nen Pallast Borghese. nen Kopf, und bei dem heiligen Johannes scheint der Mahler sehr gluͤcklich einen der Soͤhne des Laocoon zum Vorbilde genommen zu haben. Die frischen Localfarben, welche immer das charakteristische Ver- dienst unsers Meisters ausmachen, sind auch in die- sem Bilde unserer Aufmerksamkeit werth. Moses, der Wasser aus einem Felsen schlaͤgt; (auf Seide) Wahrscheinlich von Lucas von Leiden, Lucas von Leiden in Italien Luca d’ Ollanda ge- nannt, geb. 1494. gest. 1533. aus der aͤltern Nie- derlaͤndischen Schule. Nichts ist gewoͤhnlicher, als daß man in den Gallerien Roms jedes aͤltere Nie- derlaͤndische Werk, dessen Nahmen die Custodes nicht wissen, dem Luca d’ Ollanda beilegen hoͤrt. Allein die wenigsten koͤnnen ihm mit Gewißheit zugeschrie- ben werden. denn es ist sein Stil, und man sieht einen L. mit der Jahrzahl 1527 darauf. Die Kin- der Israel sind alle in Spanischer Tracht vorgestellt. Die Anbetung der Hirten von Bronzino. Die Zeichnung ist trocken, und ohne Ausdruck, die Engel, die uͤber dem Christ fliegen, sind besser ge- dacht als ausgefuͤhrt. Der Christ vom Engel gestaͤrkt, vom Paolo Veronese. † Alle Welt betet den Herrn an, von Pe- regrino Tibaldi, wie folgende Aufschrift lehret: Pe- regrinus Tibaldi Bonon. faciebat Anno aeta- tis suae 22. MDXLVIII. Vorn sitzt eine Sybille, die auf den Christ zeigt, zu ihren Fuͤßen liegt ein Zet- tel mit lateinischen Versen, welche anzeigen, daß der Herr Pallast Borghese. Herr bei seiner Ankunft auf Erden, Glaͤubige und Unglaͤubige richten werde. Die Bilder dieses Mei- sters sind sehr rar, vorzuͤglich in Rom. Dieses hier enthaͤlt eine Menge Academischer Figuren, die so sehr im Stile des Michael Angelo gezeichnet sind, daß man sie beinahe diesem Meister zuschreiben sollte. Stil des Tibaldi. Wenn Tibaldi der Manier des M. Angelo gefolgt ist; so muß man doch gestehen, daß er mehr im Geiste seines Lehrers gedacht, als ihn sclavisch nachgeahmt hat. Daher nannten ihn auch die Carracci: il M. Angelo riformato. Durch ihn erhielt sich der große Stil in Bologna. Diana mit ihren Nym- phen von Domenichi- no. † Diana die ihren Nymphen, die nach einem Ziele schießen, Preise austheilt. Da dies Gemaͤhlde unter die vorzuͤglichsten Werke des Dome- nichino gerechnet wird, so glaube ich berechtiget zu seyn, es etwas genauer zu beurtheilen. Das Suͤjet ist gut gewaͤhlt. Es bietet dem Kuͤnstler ein weites Feld dar, den Ausdruck der Ge- schicklichkeit, der Aufmerksamkeit, des Frohsinns bei einem unterhaltenden Spiele, und schoͤne weibliche Koͤrper in reitzenden Stellungen zu zeigen. Wir wis- sen aber schon, daß die Wahl des Vorwurfs der ge- ringste Theil bei der dichterischen Erfindung des Mah- lers ist; es koͤmmt bei ihm hauptsaͤchlich auf die Er- findung der einzelnen Theile an, wodurch er den Vor- wurf sinnlich macht: und hier wollen wir unsern Kuͤnst- ler zuerst verfolgen. Er wollte uns auf Dianen, als Goͤttin, als diejenige, welche die Preise austheilt, auf die Haupt- person in dem Bilde vorzuͤglich aufmerksam machen. Er Pallast Borghese. Er hatte den Gedanken des Dichters vor Augen: Hoch ragt Diana uͤber ihre Nymphen empor. Und wie druͤckte er ihn aus? Er stellte die Goͤttin auf den dritten Plan seines Gemaͤhldes, und gab ihr eine Hoͤhe, mit der sie die Baͤume ausgleicht, und die Nymphen, die sie umgeben, zu Zwerginnen verklei- nert. Unstreitig uͤberschritt hier Domenichino die Graͤnzen seiner Kunst. Denn eine Figur, die an dem Orte, wo sie steht, nach den Regeln der Perspektiv ungeheuer wird, zerstoͤhrt den Sinnebetrug, und alle Wuͤrkung, die wir von einer wohlgeordneten Gruppe erwarten. Mehr Adel, mehr Wuͤrde in Mine und Bildung wuͤrde die Goͤttin hinreichend von den um- stehenden Nymphen unterschieden haben. Allein ge- rade daran fehlt es unserer Diana. Ihr Kopf ist ohne Ausdruck, die Figur wird vorzuͤglich durch das sonder- bar geworfene Gewand schwerfaͤllig; die Stellung ist gezwungen, und die Haͤnde sind incorrekt gezeichnet. Unter den umstehenden Nymphen gibt es herrliche Koͤpfe, und der Ausdruck des freudigen Erstaunens, mit welchem die eine die Geschicklichkeit ihrer Gespie- lin bewundert, ist unvergleichlich. Etwas weiter zur Linken auf dem zweiten Plane sieht man die Gruppe der Nymphen, die wuͤrklich mit Schießen beschaͤfftigt sind, oder doch naͤheren An- theil daran nehmen. Sie hat ganz meinen Beifall. Es herrscht in Minen und Stellungen die groͤßte Wahrheit und Mannichfaltigkeit des Ausdrucks. Die eine Nymphe hat gerade den Pfeil abgedruͤckt, der den aufgesteckten Vogel getroffen hat: Ihr Arm liegt noch in der Stellung des Abschnellens. Eine andere macht ihr freudig den gluͤcklichen Schuß bemerklich. Eine Pallast Borghese. Eine dritte, die mit ihr geschossen hat, scheint ihr das Verdienst des Treffens abzustreiten. Eine vierte zieht einen Pfeil aus dem Koͤcher, und eine fuͤnfte betrach- tet mit besorglichem Interesse den Flug des Pfeils. Vielleicht ruͤckte der Mahler bei der Darstellung dieser letzten Figur die Handlung um einige Augenblicke zu- ruͤck, und vergaß, daß die Mahlerei sich mit Darstel- lung einer sichtbar stehenden Handlung begnuͤgen muß. Die Nymphe sieht, daß der Vogel getroffen ist, wie kann sie noch besorgen, daß er nicht getroffen werden moͤge? Hinter dieser Gruppe zwei Figuren, die beifaͤl- lig zusehen. Auf dem Vorgrunde eine dritte Gruppe. Von zwei Nymphen, die sich baden, sucht die eine die an- dere auf den gluͤcklichen Schuß aufmerksam zu machen. Diese beiden Figuren scheinen mir vorzuͤglich schoͤn. Der Schlagschatten, der von den Baͤumen auf sie faͤllt, thut eine sehr gute Wuͤrkung. Vielleicht aber sind die Koͤpfe zu groß. Eine dritte Nymphe, die den Schuh anlegt, und die man von hinten zu sieht, ist im Halbschatten gehalten, und zeigt bei den reitzend- sten Formen eine Menge der zartesten Tinten. Zwei Schaͤfer, die im Buschwerk versteckt sind, belauschen die Badenden, und die Faͤrbung ihrer Koͤpfe ist aͤus- serst kraͤftig. Ein Hund, der auf sie zuspringen will, wird mit aller Staͤrke von einer Nymphe aufgehalten. Form und Ausdruck dieser Figur sind vortrefflich. So viel von der poetischen Erfindung dieses Bil- des, wobei ich beilaͤufig schon einige Fehler gegen an- dere Theile der Kunst geruͤgt, und einige Vorzuͤge in Ansehung eben dieser Theile herausgehoben habe. Die Pallast Borghese. Die mahlerische Anordnung ist im Ganzen keinesweges zu billigen. Die Gruppen haben nicht die Verbindung mit einander, die das Ge- maͤhlde als ein Ganzes beim ersten Anblicke darstellen sollte. Auch sind zu viel Figuren auf dem Bilde: im Hintergrunde ist Gewuͤhl. Aber einzelne Grup- pen sind vortrefflich componirt. Von dem Ausdruck habe ich bereits geredet; er ist vortrefflich. Man findet Koͤpfe von großer Schoͤn- heit. Die Zeichnung ist fein, aber nicht ganz ohne Incorrektionen. Die Gewaͤnder sind schlecht. Das Colorit ist angenehm, aber nicht immer wahr; die Beleuchtung hin und wieder gluͤcklich geleitet: Allein im Ganzen mangelt es doch an Harmonie, und eben dies kann man noch dem Colorit vorwerfen. Auch die Luftperspektiv ist vernachlaͤßigt. Drittes Zimmer . † Zwei Portraits auf einem Bilde, halbe Fra Seba stiano und der Cardinal Hippolytus di Medices, gemeiniglich Borgia und Machiavell genannt. Figuren. Die eine Figur mit dem Siegel in der Hand scheint den Fra Sebastiano del Piombo vorzu- stellen, die andere aber den Cardinal Hippolytus di Medices. Man hat dies Bild, seiner Vortrefflichkeit we- gen, oft dem Raphael zugeschrieben. Allein es ist wahrscheinlicher vom Fra Sebastiano del Piombo. Das Siegel in der Hand zeigt sein Amt und seinen Beinahmen an. Hippolytus, dessen Nahme auf dem Bilde steht, war des Sebastiano Goͤnner. Wir wis- sen, daß dieser ihn gemahlt hat, und daß er in Bild- Erster Theil. T nissen Pallast Borghese. nissen seine groͤßte Staͤrke besaß. Fuͤr einen Raphael ist die Zeichnung vorzuͤglich an den Haͤnden nicht be- stimmt genung: die Faͤrbung hingegen fuͤr ihn zu kraͤftig. Man nennt die Personen auf diesem Bilde auch Machiavell und Borgia, aber ohne Grund. † Das heilige Abendmahl von Schia- vone. Andrea Schiavone (geb. 1522. zu Sebenigo in Dalmatien, gest. zu Venedig 1582.) Die beruͤhm- testen Meister der Venetianischen Schule waren seine Lebrer. Kraͤftige Faͤrbung war sein Hauptverdienst, dabei ahmte er die Natur so genau nach, als es seine geringe Fertigkeit in der Zeichnung zuließ. Gemeiniglich mahlte er nur kleine Figuren 1 oder 2 Fuß hoch, und die unbestimmt gezeichneten Ex- tremitaͤten bei der kraͤftigen Faͤrbung koͤnnen den Meister nachweisen. Ein Bild, welches von Tizian zu seyn verdiente: So schoͤn sind die Koͤpfe, so wahr und mannichfaltig die Charaktere, obgleich von gemeiner Natur, so kraͤftig ist die Faͤrbung. † Ein schoͤner Moseskopf von Guido Reni, aus seiner dunkeln Manier. † Lucine und Norandin welche, in Schaafs- fellen gehuͤllet, unter der Heerde des Riesen aus seiner Hoͤhle zu entfliehen suchen. Eins der besten Gemaͤhlde des Lanfranco in Oehl. Die Figur des Riesen ist gut, die andern haben Ausdruck. Vielleicht haͤtte dies Suͤjet, welches aus dem 17ten Buche des Ariosts entlehnt ist, nicht gemahlt werden sollen. Simson, eine Academie, die man dem Tizian zuschreibt. Der Nahme des Meisters ist zweifelhaft. Joseph Pallast Borghese. Joseph und Potiphars Frau von Lanfranco. Loth zwischen seinen Toͤchtern von Hont- horst. Gerhard Honthorst, in Italien Gherardo della Gerhard Honthorst. Notte genannt, geb. zu Utrecht 1592. gest. nach 1662. Ein Schuͤler des Caravaggio, dem er in der niedrigen Wahl der Gegenstaͤnde, des Ausdrucks und der Formen, auch in dem Grundsatze folgte, durch pikante Wuͤrkung des Lichts und Schattens zu gefallen. Er mahlte hauptsaͤchlich Nachtstuͤcke; daher der Beinahme. Sein Colorit faͤllt zu sehr ins Gelbe und Rothe, und ist, mit allem Scheine von Wahrheit, doch conventionell. Schalken hat unendlich mehr Wahrheit. Ein Lamm, das von einem Schaafe ge- saͤuget wird, von Paolo Veronese. Cleopatra und ein Ecce Homo, zwei Ge- maͤhlde vom Tizian. Der Nahme ist zweifelhaft. † Eine junge Nonne, die man gleichfalls dem Tizian zuschreibt. Faͤrbung und Haͤnde beweisen den Ungrund dieser Angabe. Sie ist wahrscheinlicher von Vanni da Siena. Francesco Vanni da Siena, geb. 1563. gest. 1609. Schuͤler des Salimbene und vorzuͤglich des Baro- zio, dessen Colorit er jedoch milderte, und mit einer correkteren Zeichnung verband. Es ist eine sehr angenehme Fi- gur, die sich ihrer Reitze nicht bewußt zu seyn scheint. † Der Leichnam Christi zwischen zwei En- geln, auf Kupfer, von Guercino. Ein Gemaͤhlde aus seiner guten Zeit. † Eine heilige Familie in einem ovalen Rah- men. Man haͤlt sie fuͤr Raphaels Werk, aber die T 2 Zeich- Pallast Borghese. Zeichnung ist nicht correkt genung, um es fuͤr etwas mehreres, als fuͤr ein Werk aus seiner Schule zu hal- ten. Einige Kenner behaupten, es sey ein hoͤchst sel- tenes Oehlgemaͤhlde vom Polydoro da Caravaggio. Der Kopf der Madonna ist gut. Viertes Zimmer . Gemaͤhlde Raphaels aus seiner ersten Ma- nier. † Ein bewaffneter Ritter, der in einer Landschaft schlaͤft, und von zwei Heiligen be- wacht wird. Dies kleine Gemaͤhlde ist sehr interes- sant, weil es aus der ersten Manier Raphaels ist, wahrscheinlich als er noch unter seinem Meister Peru- gino arbeitete. Es hat viel aͤhnliches in der Behand- lung mit dem heiligen Georg, der den Lindwurm toͤd- tet, in der koͤnigl. Sammlung zu Paris. Man er- kennt schon das Ausdrucksvolle, das Bedeutende in den Minen, das unsern Kuͤnstler immer ausgezeich- net hat. Uebrigens ist der Geschmack der Zeichnung kleinlich, trocken und steif. Zu beiden Seiten hat Il Fattore zwei andere Figuren gemahlt, die zwar in einem großen Stil ge- zeichnet sind, aber lange nicht den Ausdruck und die Bestimmtheit der Vorigen haben. Eine Madonna mit dem Christ, dem sie einen Vogel schenkt. Anmuthiger Gedanke. Aber das Licht ist zu grell, und die Schatten sind zuschwarz. Wahrscheinlich von Guercino. † Der heilige Johannes der Taͤufer, angeb- lich von Raphael. Es ist der, den man so oft sieht, und fuͤr dessen Originalitaͤt man allerwaͤrts mit glei- chem Pallast Borghese. chem Eifer kaͤmpft. Inzwischen duͤrfte dieser hier doch schwerlich der aͤchte seyn. Eine Madonna mit dem Kinde, von Ser- monetta. Die Stellung ist uͤbertrieben, und die Farbe faͤllt ins Rothe. † Eine Kreutzabnehmung, von Raphael. Raphaels Kreutzabneh- mung aus seiner zwei- ten Manier. So sagt es die Innschrift und die Jahrzahl 1508. Vasari meldet, er habe das Bild fuͤr den großen Al- tar von Perugia gemacht, nachdem er von Florenz zuruͤckgekehrt war. Der Kuͤnstler stand noch nicht auf der Hoͤhe der Vollkommenheit, die er nachher er- reicht hat, als er dieses Bild verfertigte, aber er hatte schon den gothischen Geschmack der Schule des Per- rugino verlassen. Man findet kein natuͤrliches Gold mehr, weder in den Glorien um die Koͤpfe der Heili- gen, noch in den Stickereien auf den Kleidern. Die Hand ist noch etwas furchtsam, demohngeachtet aber der Ausdruck unvergleichlich. Die Koͤpfe sind schoͤn, die Zeichnung ist fein und correkt, die Faͤrbung, ohne kraͤftig zu seyn, frisch und durchsichtig; die Behand- lung geleckt, und bis zur Kaͤlte sorgsam in den gering- sten Beiwerken. Hieran, und an dem Stile in den Gewaͤndern, erkennt man die Bekanntschaft des Mei- sters mit den Werken des Leonardo da Vinci, und des Fra Bartholomeo. Die Luftperspektive und das Helldunkle fehlen ganz. Die Umrisse sind etwas hart und nicht genung verschmolzen. † Die heilige Catharina, von demselben. Derselbe Stil, ja sogar dieselben Blumen auf der Erde. Der Kopf voller Ausdruck hat viel von sei- ner Galathee im kleinen Pallast Farnese, der sogenann- ten Farnesina. T 3 † Die Pallast Borghese. Die Versu- chung des h. Antonius. † Die Versuchung des heiligen Antonius, von Annibale Carraccio. Eins der schoͤnsten Ge- maͤhlde der Gallerie. Mengs hatte Recht zu sagen, daß Zusammensetzung und Zeichnung italienisch waͤren, der Pinsel aber niederlaͤndisch sey. Der Kopf des hei- ligen Antonius, der viel Edles hat, zeigt eine muthige Ergebung in den goͤttlichen Willen. Die Teufel sind mit wahrhaft poetischer Einbildungskraft geschaffen, in jeder Muskel sieht man ihre Staͤrke, in jeder Mine ihre Bosheit. Weniger ist dem Kuͤnstler der Aus- druck majestaͤtischer Guͤte in der Figur Gottes des Vaters gegluͤckt. Seine Mine ist zu suͤßlich. Eine heilige Magdalena, von demselben. Man sieht, daß er den Correggio hat nachahmen wol- len, aber er hat ihn nicht erreicht. Eine andere Magdalena mit dem Engel, von demselben, oder wie andere wollen, von Ludo- vico Carraccio. An Faͤrbung und Haltung unter der Vorigen. Man zeigt hier einige Michael Angelo’s, die man allerwaͤrts zeigt, und die wahrscheinlich hier so wenig als dort Originale sind. Ich habe schon erinnert, daß es aͤußerst zweifel- haft sey, ob M. Angelo je in Oehl gemahlt habe. Eine heilige Familie mit der Magdalena, von Tizian, und wahrscheinlich Original. † Mann und Weib die sich umarmen. Dieses Bild geht in der Scuola Italiana von Ha- milton unter dem Nahmen des Giorgione. Er selbst ist aber jetzt uͤberzeugt, daß es nicht von ihm sey. Inzwi- Pallast Borghese. Inzwischen es sey von wem es wolle, so bleibt es ein schoͤnes Gemaͤhlde, dessen Farbe nur etwas gelitten hat. † Schoͤne Landschaft, von Domenichino, mit Welbern die Voͤgel fangen. † Verloͤbniß der heiligen Catharina, von Verloͤbniß der heil. Ca- tharina von Parmeggia- nino. Parmeggianino. Dies Gemaͤhlde ist voller Reitz, das Helldunkle schoͤn gewaͤhlt, nur sind die Figuren etwas lang, und die Faͤrbung faͤllt ins Graue. Der Kopf des heiligen Hieronymus unten auf dem Bilde, der aus der Erde hervorzuragen scheint, steht sehr am unrechten Orte. Strange hat es schlecht ge- stochen. Francesco Mazzuoli ward 1504. zu Parma ge- Stil des Parmeggia- nino. bohren, und wird daher auch Parmeggianino ge- nannt. Er suchte die Zeichnung des Raphael, mit den Vorzuͤgen des Correggio zu vereinigen. Er hatte weder Begriffe von Zusammensetzung noch von An- ordnung und Ausdruck. Aber er wußte seinen Figu- ren einen gewissen falschen Reitz zu geben, der sehr anzieht. Seine Umrisse sind sehr fein und sehr swelt; seine Koͤpfe haben viel Gefaͤlliges. Aber bei einer ge- naueren Untersuchung wird man finden, daß Alles in- correkt und manierirt ist. Seine Figuren sind zu lang, die Finger an den Haͤnden sind spindelmaͤßig. Ge- waͤnder, und besonders der Kopfputz haben etwas rei- tzend Phantastisches. Seine Faͤrbung faͤllt ins Graue und ist ohne Harmonie. Man kann Liebhaber nicht genung vor den verfuͤhrerischen Reitzen dieses Meisters warnen. Er starb 1540. Die Auferweckung des Lazarus von Ludo- vico Carraccio, auf Schiefer. Sehr correkt ge- T 4 zeichnet, Pallast Borghese. zeichnet, und schoͤn angeordnet, aber es fehlt an Aus- druck, und die Farbe faͤllt ins Schwarze. † Eine Charitas, schoͤnes Gemaͤhlde von Guercino auf Kupfer, sehr lieblich und aus seiner letzten hellen Manier. Ein Kopf, angeblich vom Tizian. Christ treibt die Kaͤufer aus, ferner die Grablegung Christi, zwei der besten Werke des Venusto. Marcello Venusto von Mantua war einer der ge- treusten Nachahmer des Michael Angelo. Die mei- sten kleineren Werke in Oehl, die man dem letztern beilegt, sind vom Venusto. Heilige Catharina, die in einem Buche lie- set, halbe Figur, aus der Bolognesischen Schule. Ein todter Christ zwischen den Weibern und seinen Schuͤlern, von Passignano. Heilige Caͤci- lia von Do- menichino. † Eine heilige Caͤcilia von Domenichino, halbe Figur. Eins der beruͤhmtesten Gemaͤhlde die- ser Gallerie. Der Mahler hatte die Idee, den naiven Ausdruck eines schuͤchternen Aufhorchens auf den Klang der himmlischen Harmonie darzustellen. Ich fuͤrchte, er hat den Ausdruck des stumpfen Stau- nens ein wenig gestreift. Dieser Vorwurf macht mich nicht blind gegen die regelmaͤßigen, und doch ange- nehmen Zuͤge dieses schoͤnen Kopfes. Daran muß man sich aber auch allein halten. Die Hand, die das Papier mit Noten haͤlt, ist vielleicht ein wenig verzeichnet, der Kopfputz zu unbehuͤlflich, und der Faltenschlag zu unbestimmt. Die Faͤrbung ist zu kreide- Pallast Borghese. kreideweiß im Lichte, und zu gruͤn in den Schatten. Ueberhaupt fehlt es diesem Bilde an Waͤrme und Harmonie. Es ist bekannt, daß Raphael eine große Com- position von diesem Suͤjet gemahlt hat, welche in Bo- logna haͤngt. Es ist interessant, die Verschiedenheit des Charakters beider Meister aufzuspuͤhren, in der verschiedenen Art, wie sie sich den Charakter der Hei- ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen- blicke, wie sie die himmlische Musik hoͤrt, gedacht haben. Raphael mahlte das Entzuͤcken eines Gei- stes, der zu uͤberirrdischen Empfindungen hingerissen wird; Domenichino den sinnlichen Eindruck des furcht- samen Aufhorchens. So zeigt sich der eine als Mann von hoher Einbildungskraft, und großen Gefuͤhlen, der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un- gewoͤhnlicher Empfindungen. Man koͤnnte sagen, beide waͤren nur in der Wahl des Augenblicks verschie- den, denn man denke sich sehr wohl die Regung, die Domenichino darstellte als den Anfang des Eindrucks, der sich nachher beim Raphael bis zum kuͤhneren En- thusiasmus verstaͤrkte. Allein die Physiognomie einer Caͤcilia des Domenichino wuͤrde sich zu dem Ausdruck der Caͤcilia eines Raphaels nie passen, und die Wahl des Augenblicks allein bestaͤtigt die angezeigte Verschie- denheit des Charakters beider Meister. Fuͤnftes Zimmer . † Aeneas, der seinen Vater traͤgt, von Aeneas und Anchises von Baroccio. Barozio oder Baroccio wie andere schreiben. Der T 5 Mahler Pallast Borghese. Mahler hat dieses Bild fuͤr sein Meisterstuͤck gehalten, und seinen Nahmen mit goldenen Buchstaben darauf gesetzt. Dem ohngeachtet bleibt es ein buntscheckiges Fechtelgemaͤhlde, an dem Ausdruck, Zeichnung und Colorit gleich unwahr sind. Augustino Carraccio stach es in Kupfer, und verbesserte die Fehler in der Zeichnung. Allein Baroccio wußte ihm wenig Dank fuͤr diese angemaaßte Fuͤrsorge. Baroccio. Federico Baroccio lebte von 1528 bis 1612. Er fuͤhrte zu seiner Zeit einen ihm eigenen Geschmack ein, aber es war der falscheste, der sich denken laͤßt. Es ist nichts Wahres darin, weder in Ansehung des Ausdrucks, der Zeichnung, noch des Colorits. Seine Grazie ist Affectation. Das Fließende seiner Umrisse wird zur Unbestimmtheit, und der bunte Glanz seiner gelben Lichter und blauen Schatten, ge- ben seinem Colorit das voͤllige Ansehen der modernen franzoͤsischen Fechtelmahlerei. Inzwischen hat er einiges Verdienst im Helldunklen, und er scheint darin, wie uͤberhaupt in der Grazie, den Correggio zum Vorbilde gewaͤhlt zu haben. Venus und Cupido, der seinen Bogen spannt, von Paolo Veronese. Christ als Kind von zwei Engeln gehalten, von Salimbene. † Eine heilige Caͤcilia voller Ausdruck. In Ansehung des Helldunklen hat dies Bild viel von der Manier des Guercino. Es ist vom Cavaliere Massini. Vier runde Gemaͤhlde vom Albano. Sie haben gelitten, und sind nicht von seinen besten Wer- ken, Pallast Borghese. ken, was die Ausfuͤhrung betrifft, aber die Zusam- mensetzung ist reitzend. † Zwei heilige Familien von Tizian. Auf Zwei heilige Familien von Tizian. der einen betet ein Hirte den Christ an, auf dem an- dern bietet ihm eine Heilige einen Korb mit Blumen dar. Beide sind aus seiner dunklen Manier, und beide sehr schoͤn. Vorzuͤglicher scheint das Bild mit dem Hirten zu seyn. Hier hat jedes Alter, jedes Ge- schlecht seinen ihm eigenthuͤmlichen Ton der Faͤrbung. Das Kind ist in einem angenehmen Halbschatten ge- halten; auch ist der Hirte sehr wahr und gut gestellet. In dem zweiten verdient vorzuͤglich der Arm des Christs, der Kopf und die Stellung der Heiligen Auf- merksamkeit. † Die Schuͤler zu Emmaus von Caravag- gio. Ein sehr pikantes Gemaͤhlde. Ungeachtet der schlechten Wahl der aufgefuͤhrten Personen, denn man trifft auch sogar den Koch darauf an; ungeachtet der gemeinen Charaktere und der uͤbertriebenen Schatten, kann man diesem Gemaͤhlde dennoch das Zeugniß nicht versagen, daß man die Nachahmung niedriger Wahr- heit, vorzuͤglich durch den Zauber der Ruͤndung, nicht hoͤher treiben koͤnne. Die Auferweckung des Lazarus von Ludo- vico Carraccio. Vielleicht herrscht in diesem Ge- maͤhlde mehr Ausdruck, als in dem vorigen, auf dem derselbe Meister dasselbe Suͤjet vorgestellet hat. Sechstes Zimmer oder Saal . Es ist ganz mit Spiegeln bekleidet, die mit Fi- guren und Blumen bemahlt sind. Die Figuren sind von Pallast Borghese. von Ciroferri, die Blumen aber von Morell, wie man behauptet. Siebendes Zimmer . Die drei Grazien von Vanni. Venus und der Liebesgott von Cambiasi. Amor von demselben. Ein nacktes Weib bis auf den halben Leib von Salviati. Man schreibt es dem Giulio Ro- mano zu. Meernymphen mit vielen Muscheln von Lavinia Fontana. Andromeda vom Cavaliere d’Arpino. Das Uebrige besteht groͤßtentheils aus Copien. In diesem Zimmer † ist auch eine Venus, in dem Augenblicke dargestellt, worin sie ihr Gewand so weit fallen laͤßt, daß sie nur den Ort noch bedeckt, den die Schaamhaftigkeit dem Auge zu entziehen be- fielt. Ich habe schon an einem andern Orte bemerkt, daß diese Vorstellungsart in Rom durch den Nahmen: Venus Victrix, bezeichnet wird. Der Koͤrper ist schoͤn; Nase, Arm und ein Theil der Drapperie sind modern. Das Piedestal, auf dem sie stehet, ist mit einem Bacchanale gezieret. Ein kleines Zimmer mit lauter Cabinetstuͤcken. Schoͤne Zeichnung † Eine kleine Zeichnung Raphaels, die ein erster Gedanke zu seyn scheint. Sie stellet einen tod- ten Pallast Borghese. ten Christ unter den Weibern und Juͤngern vor. Ge- von Ra- phael. danke, Ausdruck und Zeichnung sind vortrefflich. Jeder Federzug gibt Leben und Seele. Eine heilige Familie, die man dem Andrea del Sarto zuschreibt. Die drei Grazien aus der Schule Raphaels. Zu unrichtig gezeichnet, um von ihm selbst zu seyn. Der heilige Petrus, von Ludovico Carraccio. † Ein kleiner Kopf von Tizian, welcher eine Bildniß ei- ner Blondine von Tizian. schoͤne Blondine vorstellet. Er ist sehr hell gehalten, und das blonde Haar umgibt ihn von allen Seiten. Dem ohngeachtet hebt er sich ungemein hervor. Kopf einer Nonne von Vanni. Heilige Familie von Albano. Sehr schoͤn gedacht. Die Madonna, die ihr Kind stillt, von demselben. Ein Weib, das einen Vogel fliegen laͤßt, von Domenichino. Drei Grazien mit Blumen umwunden, von demselben. Nessus, der Dejaniren raubt, von dem- selben. Eine Flucht nach Aegypten. Zusammen- setzung im Geschmack des Correggio, von Ludovico Carraccio. In dem letzten Zimmer mit der durchge- brochenen Aussicht auf die Tiber. Zwei antike drappirte Figuren, die Ver- dienst haben. Beim Pallast Borghese. Beim Zuruͤckgehen durch den Spiegelsaal trifft man auf der linken Seite noch drei Zimmer mit Ge- maͤhlden an. In dem Ersten . Die goͤttliche und die irr- dische Liebe von Tizian. † Zwei Weiber bei einem Brunnen, der mit Basreliefs geziert ist. Ein Amor tunkt die Hand in den Brunnen. Dies ist eins der schoͤnsten Gemaͤhlde vom Tizian, und dem angehen- den Kuͤnstler um so schaͤtzbarer, weil es gut conservirt, und aus derjenigen Zeit ist, in der er das Geheimniß seiner Faͤrbung noch nicht unter dem Scheine einer gar zu großen Leichtigkeit versteckte. Man kann die Idee dieses Gemaͤhldes nicht ganz begreifen. Die eine Fi- gur ist bekleidet, die andere nicht. Dies mag viel- leicht Gelegenheit zu der Benennung der goͤttlichen und profanen Liebe gegeben haben. Die Faͤrbung ist das Hauptverdienst dieses Gemaͤhldes. Eine heilige Familie aus der Schule des An- drea del Sarto. Kopf eines Cardinals, vom Andrea del Sarto selbst. Julius der Zweite aus Raphaels Schule. Carrikatur eines Menschen, der auf einem Esel reitet, vom Annibale Carraccio. Der heilige Johannes von Simone da Pe- saro. Einige Zeichnungen von Giulio Romano. Eine sehr geschaͤtzte Copie von der Transfi- guration Raphaels. † Ein Pallast Borghese. † Ein liegender Hermaphrodit auf einem Liegender Hermaphro- dit, eine Statue. Gewande, welches von Leinen zu seyn scheinet. Diese schoͤne Statue ist mehr beschaͤdigt, als jene dieser aͤhn- liche in der Villa Borghese, von der sie uͤberhaupt eine antike Wiederholung seyn koͤnnte. Zweites Zimmer . Venus verbindet dem Amor die Augen. Venus ver- bindet dem Amor die Au- gen mit Bei- stand eines seiner Bruͤ- der und der Grazien. Ein anderer Amor scheint ihr dazu zu rathen. Die Grazien bemaͤchtigen sich seiner Waffen. Figuren bis auf halben Leib vom Tizian. Dieses Gemaͤhlde aus seiner besten Zeit hat zwar gelitten, bleibt aber doch noch in manchen Parthien ein Meister- stuͤck seines Pinsels. Man sieht hier wahres Fleisch, dessen Tinten so in einander getrieben sind, daß die Sinne ihre Wahrheit fuͤhlen, aber der Verstand sie nicht entraͤthselt. Die Gewaͤnder sind dem Anschein nach mit der ersten Arbeit fertig geworden. Der heilige Johannes in der Wuͤsten von Paolo Veronese. Keins der besten Gemaͤhlde dieses Meisters, obgleich die Koͤpfe schoͤn sind. Der heilige Antonius predigt den Fischen von demselben. Die Jungfrau zerdruͤckt der Schlange den Kopf, indem der Christ seinen Fuß auf den ih- rigen setzt, von Caravaggio. † David im reiferen Alter mit dem Kopfe David vom Giorgione. Goliaths und seinem Schildtraͤger. Ridolfi sprach von diesem Gemaͤhlde des Giorgione, und sagte, daß Pallast Borghese. daß es in dem Pallast Borghese befindlich sey. Es war dem ohngeachtet verlohren gegangen. Hamilton fand es auf, ließ es reinigen, und stellte eins der be- sten und wohlerhaltendsten Gemaͤhlde dieses Meisters wieder her. Die Figuren sind sehr kraͤftig gemahlt, und treten ungemein vor. David traͤgt einen Panzer. † Kopf einer alten Frau vom aͤltern Bas- sano, ein Bildniß voller Wahrheit. Der Charakter zeigt viele Gutmuͤthigkeit. † Ein Bildniß eines jungen Maͤdchens von Leandro Bassano. Man kann nichts reitzenderes, nichts wahreres, nichts ausdruckvolleres sehen. Ueber Gia- como Bassa- no, und sei- ne Schuͤler Leandro und Francesco. Giacomo da Ponte aus Bassano im Venetiani- schen, gemeiniglich Bassano der aͤltere genannt, ward 1510 gebohren. Er studirte nach Tizian, und nach der Natur. Wahrheit ohne Wahl, niedrige Wahrheit war der einzige Grundsatz, nach dem er ar- beitete. Er erreichte sie bis zu einer gewissen Stufe, und damit hoͤrte er auf. Seine unzaͤhlichen Werke haben alle nur einen Charakter, und sind daher auf den ersten Blick zu kennen. Niedrige Gedanken, ohne Ordnung zusammengeworfene Figuren, incor- rekte Zeichnung trifft man in allen an. Er konnte keine Extremitaͤten zeichnen, darum versteckte er bei- nahe immer die Fuͤße seiner Figuren. Sein Haupt- vorzug ist der vortreffliche Auftrag der Farben, ein großer Schein von Wahrheit in dem Fleische. Die Localfarbe in seinen Carnationen ist vortrefflich, frisch, rein und kraͤftig. Er starb im Jahre 1592. Fran- cesco und Leandro Bassano seine Soͤhne und Schuͤler haben sich genau an die Manier ihres Vaters gehalten. Man Pallast Borghese. Man unterscheidet ihre Werke nur durch ein weniger kraͤftiges Colorit, dessen Schatten ins Graue fallen. Judith mit dem Kopfe des Holofernes von Muziano. Girolano Muziano (geb. in dem Gebiet Brescia 1528. gest. 1590. zu Rom.) Dieser Meister ver- einigte eine correkte Zeichnung mit dem Stile der Venetianischen Faͤrbung. Schade, daß letztere in allen seinen Gemaͤhlden verblichen ist, und daß der Ton zu sehr ins Gruͤnlichte faͤllt. Seine alten Koͤpfe waͤhlte er sehr gut, und gab ihnen viel Ausdruck. Zwei heilige Familien von Pintoricchio. † Zwei Statuen antiker Kinder. Das eine, welches einen Vogel neckt, ist von großer Schoͤn- heit, aber Haͤnde und Fuͤße sind modern. Letztes Zimmer . † Eine Madonna mit dem Kinde von Giu- lio Romano. Man findet im Palais Royal zu Paris eine Wiederholung dieses Gemaͤhldes, und legt es dem Raphael bei. Die Extremitaͤten sind ein we- nig hart und incorrekt; die Faͤrbung faͤllt ins Graue. Dem ohngeachtet macht die reitzende und edle Gestalt der Madonna und die Schoͤnheit der Gruppe dieses Bild aͤußerst pikant. Eine heilige Familie von Vasari. Eine heilige Familie von Luini. Ein heiliger Johannes von Bronzino. Ein heiliger Franciscus mit einer Glorie von Annibale Carraccio. Weiber Erster Theil. U Pallast Borghese. Weiber weinen uͤber den todten Christ. Ein Bild, das seines Autors wegen merkwuͤrdig ist. Man findet den Nahmen Lazari Bramante darauf, welches den Nahmen des beruͤhmten Architekten anzuzeigen scheint. Bildniß eines andern Architekten des Vi- gnola von ihm selbst gemahlt. Eine kleine antike weibliche Figur mit einem schoͤnen Gewande, Statue. In dem nahe liegenden Garten . Einige Basreliefs vom guten Stil. Baccha- nalen, Opfer und einige Gegenstaͤnde aus dem Homer. Unter den Statuen ist außer einer Terpsichore nicht viel Gutes. Oben in dem Zimmer der Prinzessin sind einige Landschaften von Vernet, die Aufmerksam- keit verdienen. Die Faͤrbung ist darinnen viel besser, als in seinen spaͤtern Werken, die ich in Paris gesehen habe. Winkelmann spricht von einer colossalischen Buͤste eines Kaisers, die sich in den obern Zimmern des Pal- lasts finden soll. Ich habe sie nicht gesehen. Theil des Pallasts der von dem Prinzen Al- dobrandini In diesem Pallaste bewohnet nun auch der Prinz Aldobrandini, Oncle des Prinzen Borghese, einige Zimmer, in denen sich noch eine Auswahl von Gemaͤhlden findet, die dem Lieb- Pallast Borghese. Liebhaber um so interessanter seyn muͤssen, da bewohnt wird. es sogenannte Cabinetsstuͤcke von der Hand der groͤßten Meister sind. † Eine Flucht nach Aegypten von Baroccio. Eins der be- sten Gemaͤhl- de des Ba- roccio. Man kennt zwei Wiederholungen dieses Gemaͤhldes. Die eine, die schoͤner als die gegenwaͤrtige seyn soll, ist nach England gegangen, eine andere von minderem Werth findet sich in dem Pallast Quirinale. Die Zu- sammensetzung ist sehr reitzend. Die Madonna schoͤpft Wasser; Joseph reicht dem Kinde Kirschen. Die Figuren haben, wider die Gewohnheit des Meisters, vielen Reitz ohne Affectation. Die Faͤrbung ist lieb- lich, und doch ziemlich wahr. † Christ zwischen den Pharisaͤern von Leo- Christ zwi- schen den Pharisaͤern, von Leonar- do da Vinci. nardo da Vinci, halbe Figur. Der Kopf des Christs hat den Charakter von Sanftmuth, die ihm die Schrift vor andern Tugenden vorzuͤglich beilegt, und die Formen sind schoͤn, ohne sich jedoch uͤber die Graͤnzen der Menschheit zu erheben. Die Haͤnde sind sehr schoͤn. Außer dem Christ, sind auch die uͤbrigen Koͤpfe voller Ausdruck, vielleicht aber ein wenig zur Carrikatur gehoben. Die Zeichnung ist sehr correkt, die Faͤrbung weniger braun als gewoͤhnlich, und die Ausfuͤhrung so besorgt, daß sie beinahe ins Trockene faͤllt. Ich verspare die Auseinandersetzung des Stils dieses Kuͤnstlers auf einen andern Ort. Der heilige Petrus von Guido. Die Heimsuchung Mariaͤ von Bonvin- cino. Alessandro Bonvincino, genannt Morello, geb. zu Die Koͤpfe haben einen gewissen Ausdruck U 2 von Pallast Borghese. von Traurigkeit, der dem Suͤjet nicht angemes- sen ist. Die Himmelfahrt Mariaͤ, von Annibale Carraccio. Nach der Idee des Correggio in Parma im Großen. Was es an Richtigkeit der Zeichnung gewonnen hat, das hat es an der Faͤrbung verlohren. In einer Reihe von Zimmern uͤber diesen, die der Prinz be- wohnt . Christ der dem Petrus erscheint von Annibale Carraccio. † Christus erscheint dem Petrus beim Ponte Molle, und befiehlt ihm, nach Rom zuruͤck zu kehren, von Annibale Carraccio. Der Gedanke ist gut, der Ausdruck des heiligen Petrus scheint mir uͤbertrieben. Die Zeichnung ist vortrefflich, die Figur Christi ist Alles, was man Schoͤnes sehen kann. Jede Muskel ist angezeigt, und dennoch mit dem schoͤnsten Fleische bedeckt. Die Verkuͤrzung des Arms ist unvergleichlich. Die Drapperie des heiligen Petrus scheint mir zu hart und eckig. Die Faͤrbung ist kraͤftig und angenehm, auch fehlt es den Figuren nicht an Ruͤndung, und der Fall des Schattens auf den Leib Christi, den der aufgehobene Arm verursacht, thut eine vortreffliche Wuͤrkung. † Eine Anbetung der Hirten von Guido Reni. Ein kleines allerliebstes Gemaͤhlde aus seiner dunklen Manier mit sehr edlen Koͤpfen. Christi zu Brescia 1514. gest. — Schuͤler Tizians. Er un- terscheidet sich von diesem durch eine Faͤrbung, die ins Violette, ins Weinhefenartige, faͤllt. Pallast Borghese. Christi Leichnam unter den Weibern. Ein Gemaͤhlde al Fresco aus einer Mauer gebrochen, von Annibale Carraccio. Zusammensetzung und Zeich- nung sind vortrefflich. Der Ausdruck der Madonna ist eben so edel als wahr. Eine sehr schoͤne Landschaft von Domeni- chino. Ein Kopf von Perugino, trocken aber wahr. Eine heilige Familie von Garofalo. Ein Kopf des heiligen Johannes des Taͤu- fers vom Rumpfe getrennt auf einer Schuͤssel von Giovanni Bellino. Zwei Kinder, die sich umarmen, von Giu- lio Romano, wahrscheinlicher von Luini. † Zwei Aussichten von Pannkni. Die eine stellt den Platz von Monte Cavalla, die andre den Platz von Sanct Peter vor. Sie gehoͤren unter seine besten Werke, und sind mit Figuren voller Geist und Leben ausstaffiret. † Eine heilige Familie von Raphael. Ein Eine heilige Familie von Raphael, aus seiner mittleren Zeit. aͤußerst kostbares kleines Gemaͤhlde aus seiner mittleren Zeit. Die Zusammensetzung ist sehr gut. Der Christ ist schoͤn, und der heilige Johannes wahr, nur der Kopf der Madonna mit den andern verglichen, weniger schoͤn. Die Zeichnung ist aͤußerst fein. Der Faͤrbung merkt man an, daß der Meister in der Zeit viel al Fresco gemahlt hatte. Die Tinten sind nicht sehr vertrieben. Von einigen Landschaften des Orizonte Julius Franciscus von Bloemen, gebohren zu Ant- rede ich nicht. U 3 Die Pallast Borghese. Die Frescogemaͤhlde in diesen Zimmern sind von einem neuern Mahler, der sich Stiern nennet. Der Prinz hat die Beschreibung derselben auf Franzoͤsisch drucken lassen. Der Mahler hat sich einen Gegen- stand von nicht geringem Umfange gewaͤhlet. Alle diese Mahlereien, sagt die Beschreibung, haben nur einen Gegenstand, naͤmlich das große Weltall ( L’uni- vers. ) In dem Hofe des Pallastes stehen einige Statuen, denen aber fremde Koͤpfe aufgesetzt sind, die mit dem Rumpfe in gar keiner Proportion stehen. Antwerpen 1656. starb zu Rom 1748. Wahrschein- lich bildete er sich nach Guaspre Duͤghet oder Pous- sin. Er componirte seine Landschaften in dessen Manier, aber nicht mit dessen Geist. Man erkennt ihn hauptsaͤchlich an dem hochrothen Horizont, wo- von er den Nahmen erhielt. Seine Werke sind Mittelgut, man sieht sie uͤberall. Villa Villa Borghese . Hr. Dr. Volkmanns Beschreibung in seinen histo- risch- kritischen Nachrichten von Italien, 2ter Band, S. 861. ist durch die neueren Einrichtungen, die mit dieser Villa vorgenommen sind, beinahe un- brauchbar geworden. Hauptgebaͤude . A n den aͤußern Mauern rund umher sind Basreliefs Basreliefs an den aͤus- sern Mauern der Pallaͤste angebracht. Diese Art der Verzierung ist nicht zu billigen. angebracht, die aber theils in Ansehung der Kunst zu wenig Aufmerksamkeit verdienen, theils auch zu unvortheilhaft gesehen werden, um mich bei einer Anzeige und Beurtheilung derselben zu verweilen. Der Geschmack der vorigen Jahrhunderte, Basre- liefs an die aͤußeren Mauern eines Pallasts anzubrin- gen, schadete dem Zierrathe und der Sache, die er zieren sollte, auf gleiche Weise. Eins hebe ich inzwischen heraus, vortrefflich dem Gedanken nach, und wie es scheint, nicht unter dem Gedanken in der Ausfuͤhrung: Priamus, der vom Achill den Leichnam Hektors, seines Sohns, erbittet. Er liegt flehend zu seinen Fuͤßen, Achill uͤberlaͤßt ihm seine Hand, aber wendet sein Gesicht von ihm ab. Man findet ziemlich haͤufige Wiederholungen von die- sem Suͤjet, aber hier hat es mir am besten ausge- fuͤhrt geschienen. Unter den Statuen, die vor dem Hause stehen: zwei gefangene Koͤnige von Porphyr. U 4 Ich Villa Borghese. Ich uͤbergehe die ziemlich mittelmaͤßigen Statuen und Basreliefs in dem Porticus beim Eintritt in den Pallast. Das Innere des Hauses an der Erde be- stehet aus zweien Saͤlen und aus drei Kammern an jeder Seite dieser Saͤle. Der erste Saal . Plafond mit der Geschichte des Camillus von Mariano Rossi, einem neuern Sicilianer. Es herrscht ein wildes Feuer in der Composition, deren Weisheit und Wahrheit, in Plan und Ausfuͤhrung, gerade die Probe eines Blicks aushaͤlt. Wir wissen schon, daß man von einem Plafond nichts mehr zu fordern berechtiget ist. Inzwischen kann dieser Blick den ersten Begriff von demjenigen geben, was die Italie- ner Spirito, nennen: ihnen ein gepriesener Vorzug, und dem aufgeklaͤrten Liebhaber ein schimmernder Feh- ler, den wir Deutschen vielleicht durch blendenden Witz uͤbersetzen koͤnnten. Ich rede davon an einem andern Orte weiter. Auf eine sehr unschickliche Art contrastiren mit diesem Plafond die Arabesken, womit die Waͤnde ge- ziert sind. Sie sind gut an sich, aber sie gehoͤren nicht hieher, theils weil diese conventionelle Mahlerei zu der wuͤrklichen Darstellung an der Decke keineswe- ges paßt; theils weil der Saal durch die edlen Werke der Kunst, die darin aufgestellt sind, außerdem schon hinreichend geschmuͤckt ist. Statuen. Villa Borghese. Statuen . † Mercur. Es ist diejenige Vorstellung dieses Gottes, von der Winkelmann G. d. K. S. 283. sagt, es sey die einzige, welche sich aus dem Alterthume mit dem Beutel in der Hand auf uns erhalten habe. Aber mir bleibt es zweifelhaft, ob nicht ein neuer Kuͤnstler diesen aus dem Aste des Baums, der ihm zur Stuͤtze dient, verfertiget habe. Mars. Wird auch Achill genannt, weil er am Fuß eine Art von Verband traͤgt. Ich vermuthe daß dies der Mars sey, den Win- kelmann (Versuch einer Allegorie fuͤr die Kunst, Dresden 1766. S. 42.) als in dem Pallast Bor- ghese befindlich anfuͤhrt. Er erklaͤrt die Binde fuͤr Fesseln, Schelleisen, womit Mars, nach der Fabel, von den gewaltigen Riesen, den Soͤhnen des Aloni, gebunden worden. Keine der vor- zuͤglichsten Statuen. Marc Aurel nackt als Held. Die Benennung ist zweifelhaft. Eine Muse mit dem Cothurn. † Eine andere Muse mit einer sehr schoͤnen Drapperie. Ein Paar Gladiatoren. Basreliefs . Ein Opfer. Einige Meergottheiten. † Nymphen, die einen Tempel mit Blu- men bekraͤnzen. Sehr schoͤn gedacht und ausge- fuͤhrt. U 5 Curtius Villa Borghese. Curtius, der sich in den Abgrund stuͤrzt. Ein großes und sehr erhobenes Basrelief. In An- sehung der Kunst von geringem Werthe. Priamus, der seinen Sohn vom Achill fordert. † Die tanzenden Horen. Trefflich gedacht. Der vernachlaͤßigten Ausfuͤhrung nach zu urtheilen, nur eine Copie nach einem bessern Werke. Die Fabel der Niobe, von der Winkelmann G. d. K. S. 658. redet. Apollo und Diana fehlen, sind aber vielleicht, da sie an den Ecken standen, davon abgekommen. In den Nischen umher stehen einige Buͤsten. Zweiter Saal . Auch dieser Saal, so wie die angraͤnzenden Zim- mer haben Plafonds, die von neueren Mahlern ver- fertiget sind. Allein sie sind nicht von dem Werthe, daß sie unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen koͤnnten. Statuen . † Unter vier Statuen der Venus die schoͤnste, in Ansehung des Gedankens und vorzuͤglich des schoͤ- nen Kopfs, diejenige, die sich mit dem Schwerdte guͤrtet; bei ihr ein Amor, der den Helm des Mars aufsetzt. Eine Vorstellung der Venus Victrix. Ueber ver- schiedene Beinahmen Unter dem Nahmen einer Venus Victrix gehen, wie der Herr Hofrath Heyne sehr scharfsichtig bemerkt, Sammlung antiquar. Aufsaͤtze I. St. nr. 2. S. 156. verschiedene Antiken, die diesen Nahmen nur dem Apfel Villa Borghese. Apfel zu verdanken haben, den ihnen der neuere Kuͤnst- die man der Venus bei- legt, und uͤber die Ab- weichungen in der Art sie vorzustellen. ler in die Hand gab. Die Benennung einer siegenden Venus, sagt eben dieser Kunstrichter an einem andern Orte, Ebendaselbst. S. 129 u. folg. gibt man mehr als einer Art der Vorstellung. Einmahl benennt man so die Venus, die den goldenen Apfel durch den Ausspruch des Paris erhalten hat: Zwei- tens ist es die Venus mit Helm und Spieß, und hier wird es wahrscheinlich, daß der Kuͤnstler auf den ent- waffneten Mars gedacht hat: Drittens: hat man die Vorstellung einer siegen- den Venus in Beziehung und Ruͤcksicht auf gewisse Zeitumstaͤnde gebraucht: vorzuͤglich auf Muͤnzen, um die Siege der Caͤsaren zu bezeichnen, da alsdann auch andere Attribute hinzu kommen: Endlich belegt man in Rom, wie ich schon oben bei dem Pallast des Vaticans bemerkt habe, die Statuen der Venus, die ihr Gewand fallen zu lassen scheinen, mit dem Nah- men einer Venus Victrix. Wahrscheinlich sind die Beinahmen einer Venus Victrix, Felix, Genitrix, oft verwechselt worden. Venus ward fuͤr die Stammmutter des Geschlechts des Julius Caͤsar gehalten, und seine Nachfolger machten auf eben diese Ehre Anspruch. Sie hat die- ser Eigenschaft ungeachtet doch bewaffnet vorgestellet seyn koͤnnen. Sie war es, die ihren Abkoͤmmlingen Sieg uͤber ihre Feinde gab, und so ward sie auch Ge- berin des Gluͤcks, die man oft mit der Siegesgoͤttin auf der Hand, oft mit dem Apfel, vermittelst einer allegorischen Uebertragung ihres eigenen davon getra- genen Villa Borghese. genen Sieges, auf alle die folgenden die sie gewaͤhrte, bezeichnete. Wahrscheinlich hat auch die Geschlechtsableitung der Caͤsaren von der Venus die haͤufigen Statuen die- ser Goͤttin, von denen sich auch jetzt noch so viele fin- den, veranlaßt. Inzwischen kann man auch mit eben so vieler Wahrscheinlichkeit annehmen, daß ein großer Theil dieser Figuren bloße Tronke weiblicher Koͤrper ohne alle Bestimmung, vielleicht Portraitstatuen schoͤner Frauen gewesen sind, die der neuere Kuͤnstler zu Bil- dern der Venus umgeschaffen hat. Am wenigsten darf man sich an die verschiedenen Beinahmen kehren, die man den neuergaͤnzten Sta- tuen hat geben, und darnach besondere Vorstellungs- arten der Venus bestimmen wollen. Es ist von den wenigsten dieser Benennungen erwiesen, daß sie in al- ten Zeiten durch besondere Abweichungen in der Dar- stellung unterschieden sind. Charakter der Venus. Dem Kuͤnstler war die Venus, das Ideal der weiblichen Schoͤnheit mit Reitz. Dieses suchte er in mannichfaltiger Stellung, Handlung, und Ausdruck dem Auge darzustellen. Wir Liebhaber uͤbergehen also alle die Benennungen der Urania, Cnidia, Pon- tia, Marina, Anadyomene, Genitrix u. s. w. Nur dann, wenn wir durch die Attribute auf eine von andern Vorstellungsarten abweichende Idee des Kuͤnst- Bedeutung der Venus in der My- thologie. lers gefuͤhret werden, bedienen wir uns eines besondern Nahmens als Wiedererkennungszeichens. Als Sym- bol der Natur, des Werdens der Erde nachdem sich die fluͤssigen Theile des Chaos von den solideren ge- trennt Villa Borghese. trennt hatten, kam Venus, von den Phoͤniciern Astarte genannt, aus dem Orient zu den Griechen, deren aͤl- tere Philosophen den Ocean als den Vater des Welt- alls annahmen. Die handelnde Schiffahrt der Phoͤ- nicier brachte die Idee und die Verehrung der Venus zuerst nach Cypern. Die Einbildungskraft der Grie- chen, die alles verschoͤnerte, machte daraus ein Maͤd- chen voll Reitz, welches die Zephyrs uͤbers Meer ge- schwemmt haͤtten. Der groͤberen Einfalt war sie aus dem Meere entstanden. Ein Mars. Ein Jupiter. Ein junger Roͤmer mit der Bulle am Halse. Man nennet ihn einen jungen Nero. Sehr gut. Ein anderer von minderem Werth. † Ein Faun, der auf der Floͤte spielt, von Borghesi- scher Floͤten- spieler. hoͤchster Schoͤnheit, und unter dem Nahmen des Borghesischen Floͤtenspielers als ein classisches Werk bekannt. An Buͤsten . † Ein colossalischer Kopf des Lucius Ve- Lucius Ve- rus, schoͤne Buͤste. rus, von aͤußerster Schoͤnheit. Charakter und Aus- fuͤhrung sind gleich vortrefflich. Man bewundert die Behandlung der Haare. Vier antike Copien nach diesem Kopfe, von denen eine schoͤn ist. † Ein schoͤner colossalischer Kopf Marc Aurels. Ein sehr schoͤner Kopf Alexanders. Ein Kopf einer Roma, von großem Charak- ter. Die Nase ist restaurirt. Apollo. Villa Borghese. Apollo. Sein Haupthaar ist, wie an Wei- bern hinten auf dem Hintertheile des Kopfs zusam- men gebunden. Eine Berenice. Ein schoͤner Weiberkopf, der viel aͤhnliches mit den Koͤpfen der Toͤchter der Niobe hat. Es sind in diesem Zimmer auch einige moderne Basreliefs aus Stucco angebracht. Erstes Zimmer zur Rechten . Statuen . Ein Held, das Haupt mit Strahlen umge- ben. Einige nennen ihn Apollo radiatus. Andere Castor. Mehr seiner Seltenheit als seiner Schoͤnheit wegen merkwuͤrdig. Ein liegender Bacchus. Am Piedestal ein Basrelief mit dem Tode Meleagers. Winkel- mann Winkelm. G. d. K. S. 499. redet davon als von einem der schoͤnsten aus dem Alterthume. Der Stil ist gut, die Ausfuͤhrung aber mittelmaͤßig. † Der gefluͤgelte Genius, von dem Winkel- mann eine herrliche Beschreibung macht. Winkelm. G. d. K. S. 279. Ich habe sie bei Ge- legenheit des schoͤnen Genius im Vatikan angefuͤhrt. In den annotazioni sopra le Statue di Roma. S. 51. sagt Winkelmann: la testa e vergine in tutte le sue parti. Das heißt unversehrt, nicht jungfraͤulich, wie es uͤbersetzt ist. Der Kopf ver- Villa Borghese. verdienet seine Lobeserhebungen. So schoͤn der Koͤrper ist, er koͤmmt dem Kopfe nicht bei, und die Stellung ist gezwungen. † Apollo und Daphne von Bernini. Daphne Apollo und Daphne von Bernini. ist in dem Augenblicke der angehenden Verwandlung vorgestellet. Ihre Finger werden zu belaubten Aesten, ihre Zehen wurzeln ein, die Baumrinde faͤngt schon an ihren Leib zu umschließen. Diese Vorstellung scheint mir vorzuͤglich in Marmor eine schlechte Wuͤr- kung zu thun. Die Extremitaͤten, die sich in Aeste und Wurzeln zuspitzen, erwecken eine widerliche Em- pfindung. Ich weiß nicht, ob ich Recht habe: Aber Die Bild- hauerkunst, deren Werke die vollkom- menste Illu- sion in Ruͤck- sicht auf Ge- stalt geben, scheint eine vorzuͤgliche Verbindlich- keit auf sich zu haben, nichts Wi- driges dar- zustellen. Vermeinter Seneca, Fi- gur eines Sclaven. es scheint mir, als ob der hoͤhere Anspruch, den die Bildhauerei auf Illusion hat, die angenehmen und unangenehmen Sensationen, die die Kunst hervorzu- bringen im Stande ist, auf gleiche Art verstaͤrke. Es fehlt uͤbrigens den Figuren an Ausdruck. Die Behandlung des Marmors ist, handwerksmaͤßig be- trachtet, schoͤn, aber das Fleisch gleicht mehr dem Porcellain, als einem weichen Koͤrper, unter dessen Haut Muskeln von verschiedener Form liegen. † Der sogenannte sterbende Seneca. Es leidet wohl keinen Zweifel, daß diese Figur einen Sclaven vorstelle. Ob aber gerade einen Sclaven, der im Bade aufwartet, wie Winkelmann G. d. K. S. 810. glaubt, lasse ich dahin gestellet seyn. Figuren aͤhnlicher Art finden sich in dem Clementinischen Museo. Diese Figur ist aus schwarzem Marmor, und in Ansehung der Arbeit keine der vorzuͤglichsten. Der ganze untere Theil ist modern. Aeneas, Villa Borghese. Aeneas, der seinen Vater Anchises traͤgt, von dem Vater des Bernini. An Buͤsten . † Eine schoͤne Juno, die aber vielmehr eine Venus zu seyn scheinet. Das Diadem hat zu der Benennung, Juno, ver- fuͤhrt. Wahrscheinlich ist der Kopf ein Portrait einer Kaiserin im Charakter der Venus. Winkelmann (Versuch einer Allegorie S. 52.) haͤlt ihn fuͤr den Kopf einer himmlischen Venus, welche sich durch das Diadem von der Venus Aphrodite unterscheide. Diese Behauptung wird ihre Waͤhrung durch das- jenige erhalten, was im Allgemeinen uͤber die Bei- nahmen der Venus gesagt ist. Das was unsern Kopf als Venus charakterisirt, ist der anziehende Reitz. † Eine Livia gleichfalls schoͤn, mit Diadem und Schleier. Im Charakter einer Juno. Scipio, die Benennung ist zweifelhaft. Er ist den uͤbrigen Koͤpfen, die unter diesem Nahmen gehen, nicht aͤhnlich. Ein Lucius Verus, ein Marc Aurel und einige andere Unbekannte. In der Mitte dieses Zimmers † Eine Vase, schoͤn an Form und Zierrathen, worunter auch Mas- ken befindlich sind. Sie steht auf einem schoͤnen sechs- eckigen Piedestal, welches antik ist. Zweites Zimmer zur Rechten . Borghesische Vase. In der Mitte dieses Zimmers † Eine vor- treffliche Vase, deren Fuß aber modern und zu groß Villa Borghese. groß ist. Die Figuren an der Vase gehoͤren zu den schoͤnsten, die man in erhobener Arbeit hat. Sie stellen einen Bacchus vor, der sich auf Ariadnen lehnt, waͤhrend daß diese auf der Leier spielt; dann einen tan- zenden Faun; einen trunkenen Silen, den wieder ein Faun haͤlt; eine Nymphe, die Becken schlaͤgt; noch einen Faun, der auf zwei Floͤten blaͤst; eine Nymphe, die eine Leier unter dem Arme haͤlt, und der ein vier- ter Faun den Schleier rauben will; und endlich eine Nymphe die tanzend auf der Klappertrommel ( Tam- bour de basque, oder dem gespannten Trommel- fell mit Schellen) spielt. Diese Figuren sind an Form, Stellung und Ausdruck gleich wahr, gleich schoͤn. Rund herum geht ein schoͤn gearbeiteter Kranz von Weinreben. Statuen . † Apollo Sauroctonon. So nennt man Bezeichnung eines Apollo Saurocto- non. die Vorstellung dieses Gottes, wenn man ihn neben einer Eidexe sieht. Ein Attribut, welches ein Sym- bolum der Weissagung seyn soll, weil man glaubte, diese Thiere koͤnnten die Veraͤnderungen des Wetters zum Voraus anzeigen. Winkelmann G. d. K. S. 679. glaubt: Apollo sey hier in seinem Hirtenstande vorgestellet, als er dem Koͤnige Admet in Thessalien diente. Unsere Statue ist in einem Alter auf der Graͤnze der Pubertaͤt. Der nicht sehr schoͤne Kopf ist dem Rumpfe aufgesetzt. Der Koͤrper ist desto schoͤner, und uͤbertrifft weit die aͤhnliche Vorstellung aus Bronze in Erster Theil. X Villa Borghese. in der Villa Albani. Winkelmann G. d. K. S. 375. rechnet die Beine dieses Apollo unter die schoͤnsten, die sich aus dem Alterthume auf uns erhalten haben. Die beiden Haͤnde sind modern. Ein Faun, als Narciß ergaͤnzt. Man sieht deutlich, daß er nach dem beruͤhmten Faun zu Florenz copirt ist. Er traͤgt sogar die Crotalen Ein Instrument in Form einer Klapper, welches wahrscheinlich dazu diente, den Takt anzugeben. unter dem Fuße. Der Kopf scheint modern. Bacchus. Ein Arm, eine Hand und ein Bein modern. Der Koͤrper von großer Schoͤnheit. Die Vermischung der weiblichen und maͤnnlichen Natur, die den Charakter dieses Gottes ausmacht, wird vor- zuͤglich an dieser Statue sichtbar. David von Bernini. Der Meister soll bei Verfertigung dieser Statue keine geringere Anmaaßung gehabt haben, als den beruͤhmten Gladiator zu uͤber- treffen. Allein er hat nichts weiter als einen niedrigen Lasttraͤger hervorgebracht. Schon der Stellung fehlt es an Gleichgewicht. Der Ausdruck ist Verzerrung, die Muskeln sind willkuͤhrliche Geschwuͤlste. Ein junger Faun, dessen Kopf beschaͤdigt ist. Arme und Fuͤße sind modern. Zwei Figuren, deren Gewand antik und von Bronze ist. Die Koͤpfe und die uͤbrigen Extremitaͤ- ten sind von Alabaster, modern aber gut. In die Waͤnde sind mehrere Basreliefs einge- mauert. Die Villa Borghese. Die untern sechs sind antik, und unter diesen eins von vorzuͤglichem Werthe. Es stellet † eine Nymphe vor, die ein Reh haͤlt; Stellung und Form aͤußerst swelt, Gewand leicht und vortrefflich geworfen. Es war ehemals an der aͤußern Seite des Pallastes befindlich. Die sechs obern Basreliefs sind modern. Einige moderne Vasen, unter denen eine von Rosso Antico, sehr schoͤn ist. Folge von Zimmern linker Hand . Erstes Zimmer . In der Mitte stehet † Der sogenannte Bor- Der Borghe- sische Faun, oder Silen. ghesische Faun mit dem Kinde. Man nennt ihn auch wohl Saturn, der seine Kinder frißt. Aber wahr- scheinlicher ist es ein Silen mit dem kleinen Bacchus. Starkes und munteres Alter macht den Charakter dieser Figur aus. Welch ein Mann in seiner Jugend! In dem Kopfe ein Ausdruck von vaͤterlicher Guͤte und Froͤhlichkeit. Die Stellung sehr natuͤrlich und wahr. Diese Statue, so wie die meisten andern in dieser Villa, steht in keinem vortheilhaften Lichte. Silen war in der Bacchischen Fabel der Erzieher Charakter eines Si- lens. und Begleiter des Bacchus. Urspruͤnglich war nur einer, nachher nahm man ihrer mehrere an, und nun wurden alle alte Faunen oder Satyri, Silenen ge- nannt. Inzwischen scheint doch immer ein Silen, den man Vater Silen nennen kann, an der Spitze des Chors der Satyri oder Faunen gestanden zu haben. Der kurze dicke Koͤrper ist nur bei Vorstellungen X 2 bemerk- Villa Borghese. bemerklich, die auf dem Esel reitend in den sogenann- ten Bacchanalien vorkommen. S. Hr. Hofrath Heynens Abhandlung von dem vorgeblichen und wahren Unterschiede zwischen Fau- nen, Satyren, Silenen und Panen. Antiquar. Aufsaͤtze, II. Stuͤck. Imgleichen Winkelmann G. d. K. Wiener Ausg. S. 277. Eine sehr schoͤn drappirte Muse. Eine Ceres mit einem Kopfe, der ihr nicht zu gehoͤren scheint. Eine Venus Victrix. Kopf und Haͤnde modern. Noch eine Ceres mit aufgesetztem Kopfe, wel- cher ein Portrait zu seyn scheinet. Haͤnde modern. Centaur vom Amor gebaͤn- digt. † Centaur vom Amor gebaͤndigt. Hat große Vorzuͤge vor der aͤhnlichen Voestellung auf dem Capitol. Die Muskeln greifen vortrefflich in einan- der. Das Fleisch ist sehr weich, und der Uebergang der beiden Naturen in einander unvergleichlich. Winkelmann in den oft angefuͤhrten Annotazio- ni sopra le Statue. S. 52. sagt: sie sey blos mit dem Meißel geendigt. Die Basreliefs in diesem Zimmer sind modern. Zweites Zimmer . In der Mitte ein großes Gefaͤß von Por- phyr auf vier Crocodilen von Bronze, welche mo- dern sind. Juno mit einem Ge- wande von Porphyr. Das merkwuͤrdigste Denkmahl der Kunst in die- sem Zimmer ist † Die sogenannte Juno. Sie traͤgt Villa Borghese. traͤgt auf ihrem Haupte ein Diadem; ihr Gewand ist von Porphyr. Winkelmann sagt, daß dies Ge- wand ein Wunderwerk der Kunst sey. Dieses ist vor- zuͤglich wahr in Ansehung der Materie; denn die Haͤrte des Porphyrs erhoͤht die Schwierigkeiten der Bearbei- tung. Eine drappirte weibliche Figur von weißem Marmor. Kopf und Haͤnde sind von Bernini aus Bronze restaurirt. Die Drapperie ist gut. Winkelmann S. 73. G. d. K. spricht von einem Gott Anu- bis mit dem Kopfe einer Katze, er hat aber nicht be- merkt, daß diese Statue der großen Bruͤste wegen eine weibliche Figur vorstellen muß. Sie stellet eine Bu- bastis vor. Bubastis, eine Figur mit einem Katzenkopfe. Symbol des Mondes. Weil Katzen bei Nacht sehen. Eine kleine Diana von Alabaster. Kopf Haͤnde und Fuͤße sind von Bronze und neu. Das Gewand ist gut. Winkelmann, S. 519. Die sogenannte Egiziaca oder Zigeunerin. Eine Figur mit einem antiken Gewande von schwarzem Marmor. Man hat ihr ein weißes Hemd mit golde- nen Frangen, und einen vergoldeten Kopfputz in neue- ren Zeiten gegeben. Kopf, Haͤnde und Fuͤße von Bronze sind gleichfalls modern. Winkelm. Vorrede zur G. d. K. S. VI. X 3 Drittes Villa Borghese. Drittes Zimmer . Man findet hier vier Landschaften von einem fran- zoͤsischen Mahler, der sich Tiers nennet. In der Mitte steht Der Borghe- sische Fech- ter. † Der beruͤhmte Borghesische Fechter. Ich nenne diese Figur bei dem gewoͤhnlichen Nahmen, weil ich nicht Gruͤnde genung vor mir sehe, ihn als un- passend zu verwerfen. Ueber Fech- terstatuen uͤberhaupt. Da ich von der beruͤhmtesten unter den Fechter- statuen rede, so wird zugleich die Bestimmung der Ideen uͤber Figuren dieser Art hier am bequemsten einzuschalten seyn. Fechterspiele waren Roͤmischen und Etruscischen Ursprungs, und nicht im Geschmack der Griechen. Erst von der Zeit an, da die Grie- chen Fechterspiele von den Roͤmern anstellen sahen, und da griechische Kuͤnstler in Rom lebten, ist es nicht unwahrscheinlich, daß selbst griechische Kuͤnst- ler diese Vorstellungsarten gewaͤhlt haben. Allein es laͤßt sich vielleicht von keiner einzigen unter denen, die uns als solche gezeigt werden, mit Gewißheit behaupten, daß sie wuͤrkliche Fechter sind. Es fehlt dazu an hinreichenden Bestimmungszeichen. Die meisten Attribute, die sie uns jetzt bezeichnen, sind neu, und der starke, untersetzte staͤmmige Koͤrper, der vielleicht am meisten die Kuͤnstler auf die Idee von Gladiatoren bei der Ergaͤnzung geleitet hat, ist wahrscheinlich den Kriegern, und vielen unter den Athleten mit ihnen, eigen gewesen. Die Benennung unserer Statue als Fechter be- ruhet auf keinen gewisseren Gruͤnden, als diejenigen sind Die Villa Borghese. Die Stellung zeigt einen Mann an, der im Aus- fall mit vorgestrecktem Koͤrper von unten auf einen Streich ausholt, waͤhrend daß er mit vorgeworfenem X 4 Schilde sind, die fuͤr die Benennung so vieler andern ange- geben werden. Der Herr Hofrath Heyne, Samm- lung Antiq. Aufs. II. Stuͤck. S. 229. nennt sie gar: unschicklich. Er sagt: „Diese edle, schoͤne Figur „eines so vortrefflich athletisch ausgearbeiteten Koͤr- „pers eines jungen Kriegers, im hoͤchsten Grad der „Spannung aller Muskeln, und doch ohne Ueber- „treibung; wie konnte man sich einfallen lassen, ei- „nen elenden Gladiator daraus zu machen? Wahr- „scheinlicher Weise machte er eine Gruppe mit an- „dern Figuren aus, und vor ihm stand eine Figur „zu Pferde, gegen die er sich vertheidigte. Ohn- „geachtet ich uͤber die Ergaͤnzung des Stuͤcks nichts „Genaues weiß, und es von der andern Seite ein „Wunder waͤre, wenn eine Figur von so ausgestreck- „ten Theilen, als hier Beine und Haͤnde sind, un- „versehrt erhalten worden seyn sollte: so lehrt doch „die Richtung des Kopfes, daß er sich gegen einen „Angriff von oben her verwahret, und daß er eine „Wunde von unten auf, wie in des Pferdes Bauch „oder Brust anbringen will. Daß es ein histori- „sches Stuͤck ist, ist mir sehr wahrscheinlich. Win- „kelmann sagt auch: sein Gesicht sey offenbar nach „der Aehnlichkeit einer bekannten Person gebildet.“ Ich habe im Ganzen Nichts gegen die Moͤglich- keit dieser Erklaͤrung. Aber ich gestehe zugleich, daß ich die groͤßere Wahrscheinlichkeit nicht fuͤhle. Das ausgezeichnet Edle habe ich der angestellten Unter- suchung ohngeachtet so wenig finden koͤnnen, als daß der Arm mit dem Schilde neu sey, wie der Herr Villa Borghese. Schilde einen Streich von oben aufzufangen sucht, an den sein Blick geheftet ist. Dieser Herr Hofrath Heyne in der Note eben daselbst ver- muthet. Es scheint mir nicht nothwendig, daß der Streich von oben, den unsere Figur abzuwen- den scheint, von einer Figur zu Pferde komme. Es konnte sehr wohl ein Hieb seyn, den der Gegner mit aufgehobenem Arme ausholte. Selbst der aufwaͤrts gerichtete Blick scheint das Gegentheil nicht anzu- zeigen. Denn die Richtung des Auges folgt eher dem Schwerdte, als der Mine des Gegners. Warum soll schlechterdings diese swelte Figur mit dem Begriffe contrastiren, den wir uns von einem Fechter zu machen berechtiget sind? Verlangt denn ihr Talent weniger Geschmeidigkeit, als die des Ringers, des Kriegers? Weniger schlanken Wuchs, weniger ausgearbeitete Glieder? Der Herr Hofrath Heyne gesteht selbst ein, daß ihre Koͤrper zum Aus- druck, zumahl in Marmor, sehr geschickt gewesen seyn muͤßten. Aber warum blos zum Ausdruck? Das ist wie mich duͤnkt, erst die zweite Ruͤcksicht des Kuͤnstlers. Die erste ist ihm die Stellung, die die Formen des Koͤrpers in ihrer groͤßten Schoͤnheit und Abwechselung zeigt. Warum soll nun eben dieses Stuͤck ein histori- sches Stuͤck seyn? Weil der Kopf Aehnlichkeit mit einer bestimmten Person zu haben scheint? Wie leicht kann nicht ein schoͤner Fechter Gelegenheit zu dieser Nachbildung gegeben haben, den entweder das Volk, oder der Kaiser gerade in dieser Stel- lung bewunderte! Worauf der Bildhauer Aber es sey mir erlaubt, hier etwas anzufuͤhren, was ich an einem andern Orte noch weiter auszu- fuͤhren Villa Borghese. Dieser Mann hat einen voͤllig ausgewachsenen Koͤrper, der durch Ausarbeitung schlank und fest ge- worden ist. Ins Ideal ist er nicht gehoben, aber X 5 die fuͤhren Gelegenheit finden werde: Des Bildhauers bei der Wahl eines Suͤjets vorzuͤglich Ruͤcksicht nimmt. erste Ruͤcksicht kann nicht auf Bedeutung, auf Aus- druck, in Beziehung auf ein gewisses bestimmtes Suͤjet aus der Geschichte gehen. Sie geht viel- mehr auf die Wahl solcher Gegenstaͤnde, die ihm Gelegenheit geben, seine Ideen von Schoͤnheit sinn- lich darzustellen, oder seine Kunst in der Nachbil- dung des menschlichen Koͤrperbaues — fuͤr ihn ein hohes Verdienst! — zu zeigen. Wenn wir dies gehoͤrig in Erwaͤgung ziehen, so fuͤhlen wir, daß der Kuͤnstler eben so gern einen Gladiator habe darstellen koͤnnen, daß man sogar in den Zeiten des Enthusiasmus fuͤr die Fechterspiele, einen Gladiator, den das Volk oft vor seinen Augen hatte siegen sehen, eben so gern habe sehen wollen, als irgend einen Helden, der sich in der Schlacht auf eben die Art wie ein Gladiator, zum Angriff oder zur Vertheidigung stellen mußte. Wenn man nun ferner die groͤßere Bequemlich- keit hinzu nimmt, die der Kuͤnstler fand, im Circo eine Idee zu einer ausgezeichneten Stellung zu samm- len, als in der Schlacht; so gleicht man die Wahr- scheinlichkeit der Benennung eines Fechters, mit der eines Kriegers, bis zur Moͤglichkeit auf beiden Sei- ten aus. Und wenn es nun gar ein Nero, eine Faustina gewesen waͤren, die dieses Werkzeug ihrer Unterhal- tung haͤtten nachbilden lassen wollen? Ich hoffe, man versteht mich nicht unrecht, wenn ich sage: es ist moͤglich, daß unsere Statue einen Fechter Villa Borghese. die Natur ist gewaͤhlt. Der Kopf hat den Ausdruck des kalten Muths, und viele wollen sogar eine indivi- duelle Gesichtsbildung darin bemerken. Was diese Statue der Aufmerksamkeit des Lieb- habers vorzuͤglich werth macht, ist die Bestimmtheit der Umrisse, die Richtigkeit der Lage und der Form der Muskeln, und vorzuͤglich ihr Spiel, ihr Inein- andergreifen, wenn ich so sagen darf, unter der wei- chen Bekleidung des Fleisches. Weichheit und Ela- sticitaͤt: die wahre Graͤnze zwischen Haͤrte und Unbe- stimmtheit. Der Kuͤnstler bringt bei Bestimmung der Vor- zuͤge dieses Werks auch besonders die schwere Stellung mit in Anschlag. Es ist unmoͤglich, daß der Urhe- ber ein lebendiges Modell in dieser Lage lange vor sich habe stehen lassen koͤnnen. Die Figur ist so sehr ge- streckt, daß sie bei einer weiteren Spannung unfehlbar aus dem Gleichgewicht kommen muͤßte. Er hat folglich nur durch Huͤlfe des Gedaͤchtnisses den Augen- blick anheften koͤnnen, in dem er etwa einmahl ein Vor- bild in dieser voruͤbergehenden Stellung sahe. Man wirft der Lage des Ruͤckgrades vor, daß sie mit der Lage des vordern Leibes nicht uͤbereinstimme. Bei der Untersuchung, die Kenner angestellt haben, hat sich erge- Fechter vorstellen koͤnne. Ich will damit nichts an- deuten, als: Man kann nichts Gewisses uͤber ihre Bedeutung bestimmen. Aber daß sie keinen Disco- bolus vorstelle, wie der Baron von Stosch meinte, noch einen Chabrias, wie Lessing eine Zeitlang glaubte, dies scheint die Stellung hinreichend anzu- zeigen. Villa Borghese. ergeben, daß diese Lage moͤglich sey, und daher nichts Unnatuͤrliches enthalte. Selten ist sie, das ist wahr, und daher duͤrfte sie vielleicht nicht ohne allen Grund gezwungen scheinen. Eine Innschrift nennt den Agasias, Sohn des Dositheus aus Ephesus, als den Verfertiger dieses Werks. So viel ich habe bemerken koͤnnen, ist nur der rechte Arm mit dem Stuͤck Lanze ganz neu. Doch finden sich noch einige geringere Ergaͤnzungen und Aus- besserungen. Man hat sie mit wenigem Geschmack auf ein Pie- destal gestellt, woran verschiedene Basreliefs von sehr mittelmaͤßiger moderner Hand angebracht sind; sie stellen verschiedene Arten von Fechterspielen vor. Uebri- gens ist auch die Aufstellung in der Mitte eines Zim- mers, in welches das Licht von mehreren Seiten hin- einfaͤllt, wenig vortheilhaft. † Eine Muse in einer vortrefflichen Stellung. Sie stuͤtzt den Kopf auf den Arm, dessen Ellbogen sich auf das Knie des Fußes lehnt, den sie auf einen Stamm setzt. Nur der untere Theil der Figur ist alt, der obere ist neu und von Penna restaurirt. Ein Tischblatt von Probierstein auf einen Sarcophag gelegt, dessen Basrelief den Tod des Ak- taͤon vorstellt, nebst vielen Zierrathen. Winkel- mann G. d. K. S. 499. rechnet es unter die schoͤnsten des Alter- thums: Allein es bleibt demohngeachtet, als schoͤnes Werk der Kunst betrachtet, nur mittelmaͤßig. Der Villa Borghese. Der Schlaf aus schwarzem Marmor, von Algardi. Er ist mit Mohnhaͤuptern bekroͤnt, und bei ihm liegt eine Fledermaus. Dies Thier ist ein Symbol des Schlafs, weil es den ganzen Winter hindurch schlafen soll. Winkelm. Versuch einer Allegorie. S. 138. Ein Discobolus. Discobolus. Discobolus. Eine Figur, die mit dem Disco, oder einer Scheibe von Metall wirft. Obgleich beide Arme neu sind, so rechtfertigt sich doch die Benennung durch ein Stuͤck des Discus, der sich an dem Stamm erhalten hatte. Ein Pancratiast. Pancratiast. Pancratiasten sind Faustkaͤmpfer, deren Haͤnde mit Schlagriemen oder dem Caͤstus umwunden wa- ren, womit sie vorzuͤglich den Kopf ihres Gegners zu treffen suchten. Die Ohren litten dabei am meisten. Winkelmann gab daher die gequetschten und ge- schwollenen Ohren, die man an verschiedenen Fi- guren findet, als Wiedererkennungszeichen solcher Personen an, die dieses Spiel ausuͤbten. Allein der Herr Hofrath Heyne, S. Samml. Antiquar. Aufsaͤtze II. St. S. 253. erinnert mit Recht, daß uͤberhaupt an starken Koͤrpern die Ohren etwas staͤr- ker und wie geschwollen aussehen duͤrften. Solche Ohren finden sich vorzuͤglich auch an Koͤpfen des Hercules, und mich duͤnkt, ich haͤtte uͤberhaupt an den Einwohnern der mittaͤglichen Gegenden bemerkt, daß die knorpelichten Theile des Ohrs staͤrker und hervorragender sind, als bei noͤrdlichen Voͤlkern. Arme und Fuͤße neu. Ein Villa Borghese. Ein Ringer, Ueber den Charakter der Ringer, s. die Beschrei- bung des Capitols. der sich mit Oehle salbt. Wenn die Arme alt sind, so sind sie wenigstens ange- setzt. Ein anderer Ringer, der eine Krone und einen Palmzweig haͤlt. Kopf und Leib sind alt und sehr schoͤn. Arme und Fuͤße sind aber neu. Eine Woͤlfin von Rosso Antico. Sie saͤugt den Romulus und Remus. Vielleicht ein modernes Werk. Ein antikes wildes Schwein. Eine sogenannte Ceres. Die Drapperie ist schoͤn, die Arme sind modern. Zu ihren beiden Sei- ten sind zwei Fuͤllhoͤrner, die antik sind. An dem Piedestal sieht man eine Venus, die aus dem Bade steigt, bei ihr ein Amor, ein Basrelief aus der Florentinischen Schule. Herr Volkmann in seinen Nachrichten uͤber Italien, S. 866. des 2ten Bandes sagt: Dies Basrelief werde seiner Vortrefflichkeit wegen fuͤr ein Werk des Praxiteles gehalten. Es hat nicht den geringsten Anspruch auf diese ehrbringende Vermuthung. † Eine sehr schoͤne Buͤste, Faustina die aͤltere. Viertes Zimmer . Man sieht hier vier Landschaften von Wutky, ei- nem neueren deutschen Kuͤnstler aus dem Oesterrei- chischen. An Villa Borghese. An Statuen . † Eine Gruppe des Pylades und Orests. Man nennt sie auch Castor und Pollux. Sehr gut. Eine Muse, als Flora restaurirt. Noch eine Muse. Ein kleiner Priester der Cybele. Amor der den Bogen spannt. † Venus die den Mars liebkoset. Die Koͤpfe sind Portraits. Diese Gruppe wird sonst auch Coriolan mit der Mutter genannt, oder auch Faustine mit dem Fechter. Aber ohne allen Grund. Winkelmann, Vorrede zur G. d. K. S. V. sagt: man habe die Gruppe der falschen Benennung we- gen fuͤr roͤmisch und schlechter gehalten, als sie wuͤrk- lich sey. Inzwischen scheint mir die Arbeit doch nicht besonders schoͤn. Die Idee ist artig: und der Herr Hofrath Heyne, Antiq. Aufsaͤtze I. St. nr. 1. S. 161. hat eine vortreffliche Aufloͤsung ihrer Ent- stehungsart gegeben. Die Venus, die den Mars liebkoset, ist keine andere, als eine Abaͤnderung der Idee einer sie- genden Venus. An diesem Beispiel laͤßt sich recht deutlich machen, wie eine urspruͤnglich ganz phi- losophische Idee symbolisch ausgedruͤckt, endlich ein Suͤjet fuͤr die Kunst werden kann. In den alten Cosmogonien ward der vorausgesetzte Streit der Elemente, und ihre nachherige Vereinigung zur Schoͤpfung oder Bildung der Welt, auf viel- fache Weise vorgestellt. Dahin gehoͤrt Mars und Venus vereinigt, und als Aeltern der Har- monie. Die Dichter zogen nachher, und zwar schon fruͤh, die Fabel von der Liebe des Mars und Ein Villa Borghese. Ein stehender Hermaphrodit, der gemeini- glich verschlossen, und mehr der unzuͤchtigen Stellung als seiner Schoͤnheit wegen merkwuͤrdig ist. Der beruͤhmte Borghesische Hermaphro- Der Borghe- sische Herma- phrodit. dit. Er liegt auf dem Ruͤcken, jedoch mit dem Kopfe zur Seite gekehrt, so daß man das Gesicht im Pro- fil sieht. Die Stellung ist aͤußerst reitzend an sich selbst, und auch darum wohl gewaͤhlt, weil sie die Zeichen verschiedener Geschlechter, die leicht durch den Mißstand beleidigen koͤnnten, dem Auge entzieht. Man kann die Weichheit des Fleisches, den sanften Guß und der Venus daraus; die Kuͤnstler verwandel- ten es in eine angenehme Idee zwei schoͤner Ideal- figuren, einer maͤnnlichen und einer weiblichen, mit verschiedenem Ausdrucke. Unser Kunstrichter verwirft nachher aus Gruͤnden, die ich schon bei der aͤhnlichen Vorstellung im Ca- pitol angezeigt habe, die Erklaͤrung einer Faustine mit dem Fechter. Eher, faͤhrt er fort: Ehrr ließ sich noch denken, daß auf Faustine und Marc Antonin angespielt sey. Man hat ein Paar bekannte Muͤnzen von der Faustine, wor- auf diese Gruppe vorkoͤmmt: auf der einen steht dabei Veneri Victrici. S. C. Es kann seyn, daß sie bei einem Aufbruch des Kaisers in den Krieg, oder bei einer andern Gelegenheit, mit Ruͤcksicht darauf gepraͤgt worden. Allein es fol- get nicht, daß fuͤr die Muͤnze die Idee zuerst er- funden, und nachher an Statuen copirt ist. Eben so wohl und wahrscheinlicher, wie aus mehreren Beispielen erhellet, war die Statue fruͤher vorhanden, und ward auf Muͤnzen copirt. Villa Borghese. Guß der Muskeln, die dadurch von ihrer Bestimmt- heit Nichts verlohren haben, nicht genung bewundern. Er scheint zu schlummern, und durch einen suͤßen Traum entzuͤckt zu werden. Hauptergaͤnzungen habe ich nicht bemerkt. Inzwischen gibt man Guillaume Berthelot, einen Franzosen, als den Ergaͤnzer an. Bernini verfertigte die Matrazze, die von eini- gen als ein Wunderwerk einer getreuen Nachah- mung der Natur gepriesen wird, andern aber, der gar zu hart angegebenen Durchnaͤhung wegen, mit Steinen angefuͤllt scheint. Auf jeden Fall thut der Fleiß, der an dieses Beiwerk verschwendet ist, der Hauptfigur Schaden. Charakter der Herma- phroditen. Der Charakter der Hermaphroditen ist Vermi- schung maͤnnlicher und weiblicher Schoͤnheit. Die Zuͤge des Gesichts, das Gewaͤchs und die Brust sind weiblich. Die maͤnnlichen Zeugungsglieder scheinen sie hauptsaͤchlich von den weiblichen Figuren zu unter- scheiden. Ein antikes Mosaik auf dem Fußboden. Als ich Rom verließ, arbeitete man noch an ei- nem neuen Zimmer, fuͤr welches mehrere Buͤsten be- stimmt waren, imgleichen an Statuen: ein Jupiter, und ein vermeinter Belisar mit hohler Hand, von dem Winkelmann G. d. K. S. 876. glaubt, sie koͤnne einen August vorstellen, der zur Versoͤhnung der Nemesis alle Jahr einen Tag uͤber bettelte. Allein ich kann dieser Er- klaͤrung meinen Beifall nicht geben. Es stellet diese Statue Villa Borghese. Statue einen gebrechlichen Alten vor, dessen Fleisch aͤußerst schlaff und haͤngend ist. Die hohle Hand ist wahrscheinlich modern. Man trifft im Vatican, und zwar in der Gallerie, die zur Bibliothek fuͤhret, eine dieser aͤhnliche Sta- tue an. Außerdem ist fuͤr dieses Zimmer bestimmt eine Vase mit einigen Bacchantinnen in Basrelief, ein kleiner Sphynx aus Basalt u. s. w. In dem obern Stockwerk und zwar In dem ersten Saale Neun Landschaften von Hackert. Der Plafond, der eine Goͤtterversammlung vorstellet, war zuerst von Lanfranco gemahlt, und ist nachher von Corvi uͤbermahlet worden. In dem zweiten Zimmer findet man einen Plafond von Domenigo Corvi. Mehrere Familienportraits aus der Fa- milie Borghese. Drei moderne Buͤsten von Bernini. Zwei derselben stellen den Pabst Paul den Fuͤnften, die dritte den Cardinal Scipio Borghese vor. In Erster Theil. Y Villa Borghese. In einem andern Zimmer hat Hamilton die Geschichte des Paris in mehreren Abtheilungen am Plafond gemahlet. Die beiden Statuen des Paris und der He- lena sind von Penna. In dem darauf folgenden Zimmer stellt der Plafond die Geschichte der Psyche vor, von Novello, einem Venetianer. Rund herum findet man Landschaften von Orizonte in großer Menge. Man geht alsdann uͤber eine Terrasse, auf wel- cher man einige gute Statuen und zwei sehr mit- telmaͤßige Basreliefs antrifft. Dann in ein Zimmer, an dessen Plafond Un- terberger, ein deutscher noch lebender Kuͤnstler in Rom, die Thaten des Hercules vorgestellet hat. Man trifft hier auch einige schaͤtzbare Gemaͤhl- de an: † Der Cardinal Scipio Borghese nimmt die Republik Marino in Schutz, eins der besten Werke des Battoni. Die Koͤpfe vorzuͤglich der weib- lichen Figur, welche die Republik vorstellt, brav. Einige Thierstuͤcke, von Peters, einem deut- schen Mahler. Eine Villa Borghese. Eine Flucht nach Aegypten, von Luca Giordano. Christ vor dem Pilatus, Christ vor dem Hohenpriester, zwei Bilder von demselben Meister, in der Manier des Paolo Veronese. Einige sehr schoͤne Niederlaͤnder. † Eine Venus, von Tizian, die in Ansehung der Stellung viele Aehnlichkeit mit der von Florenz hat. In dem Grunde findet man auch die Weiber wieder, die in einem Koffer suchen. Einige andere Figuren, die musiciren, scheinen von einer fremden Hand hinzugefuͤgt zu seyn. Der Kopf der Haupt- figur ist verschieden von dem in Florenz. Dies Bild, welches urspruͤnglich sehr schoͤn gewesen ist, scheint hin und wieder stark retouchirt zu seyn. In dem letzten Zimmer findet man einen Pla- fond von Maron; er stellet den Tod der Dido vor. Im Garten findet man mehrere Statuen, die einzelne gute Parthien haben. Auch sieht man hier zwei Sphynxe, Winkelmann. S. 68. von denen der eine aus Basalt sehr groß ist. Y 2 Wenn Villa Borghese. Wenn man aus dem Garten heraus geht, nach der Porta Pinciana zu, so trifft man uͤber dem Thore zwei Basreliefs an, das eine stellt die Ver- goͤtterung eines Kaisers, das andere ein Opfer vor. Man war zu meiner Zeit mit Aufstellung und Anordnung der Kunstwerke in diesem Pallaste noch nicht ganz fertig. Es ist daher leicht moͤglich, daß ich Einiges, was der Aufmerksamkeit des Liebhabers werth seyn koͤnnte, nicht gesehen habe. Inzwischen hoffe ich, daß das Wichtigste von mir nicht uͤbergan- gen ist. Ende des ersten Theils.