Grundsaͤtze des Natur- und Voͤlckerrechts , worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem bestaͤndigen Zusammenhange hergeleitet werden. Herausgegeben von Christian Freyherrn von Wolff, Koͤnigl. Preußl. Geheimden Rath, der Hallischen Universitaͤt Cantzler und Senior. Auf Verlangen aus dem Lateinischen ins Teutsche uͤbersetzt. Halle im Magdeburgischen , zu finden in der Rengerischen Buchhandlung. 1754. Sr. Koͤnigl. Hoheit Dem Durchlauchtigsten Fuͤrsten und Herrn HERRN August Wilhelm Printzen in Preußen u. s. w. Seinem gnaͤdigsten Herrn. Durchlauchtigster Fuͤrst und Herr, W ahrheit und Gerechtigkeit sind die Stuͤtzen des ge- meinen Wesens: fehlen jene, so faͤllet dieses uͤber den Haufen. Die Wahr- heit kann von der Gerechtigkeit nicht getren- getrennet werden, wenn anders nicht die Sitten, welche die gemeine Mey- nung gut heisset, den betriegerischen Schein derselben annehmen sollen. Es bestehet aber die Gerechtigkeit in ei- nem bestaͤndigen und unwandelbaren Willen einem jeden sein Recht wieder- fahren zu lassen, und folglich niemand zu beleidigen, oder ein Unrecht zu- zufuͤgen. Was unter dem Recht ver- standen werde, kann man nicht voͤllig einsehen, wenn man nicht zugleich er- kennet, was gut, billig und richtig sey. Demnach thut ein Gerechter nichts ohne eine Empfindung von sei- )( 3 ner ner Pflicht, und ohne ein Bestreben recht zu handeln; und auf solche Art erwirbt er sich einen gegruͤndeten und wahrhaften Ruhm, welchen keine aus Neid erwachsene Verleumdung zu schande machen kann. Die Guͤte, Bil- ligkeit und Richtigkeit der menschli- chen Handlungen bewircket nicht die Meynung der Menschen, als welche weder bestaͤndig ist, noch auch mit sich in allen uͤbereinstimmet; sondern es stammet selbst von der Natur der Menschen her, und hat in dem Wesen und Natur der Dinge den hinreichen- den Grund, daß sie gut, billig und recht recht sind. Derowegen unterscheidet sich die Wahrheit von der Meynung, als welche ihre ewige Dauer selbst von dem unveraͤnderlichen Wesen und Na- tur, wie der Menschen, also auch der uͤbrigen Dinge, herleitet. Es brin- get auch die Meynung, indem sie nie- mahls einen festen und unbeweglichen Beyfall gewaͤhren kann, keinen be- staͤndigen und unwandelbaren Willen mit sich; sondern es ist das Gemuͤth nicht selten in einer Sache von der aͤussersten Wichtigkeit zweifelhaft, und kommt an Klippen. Die Wahrheit allein, als welche nur eine einige und )( 4 unver- unveraͤnderlich ist, nie aber jemand hinter das Licht fuͤhret, verdienet ei- ne Mutter der Bestaͤndigkeit und des immerwaͤhrenden genennet zu werden. Dieses hat mich bewogen, das keusche und heilige Recht, welches die Natur selbst unter eintzelnen Menschen und Voͤlckern gestiftet hat, daß es der Grund, den man nie erschuͤttern kann, von der Gluͤckseligkeit des gantzen menschlichen Geschlechts seyn sollte, aus der eignen Natur des Menschen in einem ununterbrochenen Zusam- menhange, wiewol in einer abgepas- seten Kuͤrtze, damit ich mehreren nuͤtzlich nuͤtzlich seyn koͤnte, in ein kleines, doch aͤchtes Lehrgebaͤude zu bringen, wobey ich aber gesorget habe, daß die Kuͤrtze der Deutlichkeit keinen Nach- theil erwecken moͤchte. Dieweil ich nun sattsam uͤberzeuget bin, daß Ew. Koͤnigl. Hoheit, als welche Wahrheit und Gerechtigkeit lieben, die Arbeit, welche ich zu stande ge- bracht, nicht misfallen werde: so un- terstehe ich mich Hoͤchst Denensel- ben dieses den Blaͤttern nach kleine, in Absicht aber auf den Nutzen gros- se, und des Reichthums der Sachen halber wichtige Buch in tiefster Un- )( 5 terthaͤ- terthaͤnigkeit zu uͤberreichen, und mich zugleich Dero Gnade zu empfehlen, nebst dem innbruͤnstigen Wunsch, daß GOtt Dieselben im Hoͤchsten Wohl- seyn erhalten wolle. Jch ersterbe Ew. Koͤnigl. Hoheit unterthaͤnigster und Ehrfurchts- vollester Diener Christian Freyherr von Wolff. Vorrede. N achdem ich das wichtige Werck des Natur- und Voͤlckerrechts gaͤntzlich zum Ende gebracht ha- be; so faße ich nunmeh- ro, damit ich vieler Nu- tzen befoͤrdern moͤchte, dasjenige, was in jenem weitlaͤuftig abgehandelt worden, in einer fuͤglichen Kuͤrtze zusammen, und stel- le es unter dem Titel der Grundsaͤtze des Natur- Vorrede. Natur- und Voͤlckerrechts an das Licht. Doch muß ich von diesem Vorhaben Re- chenschaft geben. Da mir die Liebe zur Wahrheit gleichsam von Natur eingepflan- tzet ist, und ich deßwegen schon oft erinnert habe, daß ich mich aus keiner andern Ab- sicht auf die Erlernung der Mathesis be- flißen, als die Ursach von der so grossen Ge- wißheit in der Geometrie auf das genaueste zu erkennen; so hat mir, als ich diese er- kant hatte, nichts so sehr am Hertzen gele- gen, als daß ich die Wahrheit offenbar machte, und ihr nicht aus einer Ueberre- dung sondern aus Ueberzeugung meinen Beyfall ertheilete. Mit eben diesem Ge- muͤthe bin ich zu der Auswicklung der Rech- te geschritten, und habe die Quelle alles Rechts in der menschlichen Natur gefun- den, welches von den alten schon lange ein- geschaͤrfet, von den neuern wiederholet, keinesweges aber erwiesen worden; ich aber habe mich nicht durch Meynungen uͤberre- det, sondern vielmehr bis zur Wahrheit uͤberzeuget. Auf solche Weise ist mir nicht nur die Art, nach welcher uns die Natur selbst zur Ausuͤbung und Unterlaßung ge- wisser Handlungen verbindet; sondern auch der Vorrede. der gantze weitlaͤuftige Umfang des Rechts der Natur, nach welchem es sich auf alle menschliche Handlungen, welche es auch im- mer sind, erstrecket, bekant worden; und ich habe endlich verstanden, wie die positi- ven Rechte aus dem Rechte der Natur ent- stehen muͤßen, damit sie frey von allem Ta- del vor dem Richterstuhle der Vernunft nicht besorgen duͤrfen, daß man wider sie sprechen moͤchte. Daraus folgt nun gleich- sam von sich selbst, daß nicht weniger bey allem positiven Rechte, als bey dem na- tuͤrlichen, Wahrheit sey, und diese durch den Weg des Beweises eingesehen, und mithin was fuͤr Recht gehalten wird, oder gehalten werden soll, von dem, was es wircklich ist, gewiß und genau unterschie- den werde. Denn gleichwie das Natur- recht den Willen aller Menschen in eintzel- nen Handlungen lencket; also lencket es auch den Willen des Gesetzgebers, dessen natuͤr- liche Freyheit eben so wenig, als bey ein- tzelnen Menschen, die Verbindlichkeit auf- hebet. Alles dieses nun konte auf keine an- dere Weise ans Licht kommen, als wenn man den Fußtapfen des Euclidis, wel- cher die Gesetze einer wahren Vernunftleh- re Vorrede. re gar strenge in Obacht genommen, folgte, und demnach alle Woͤrter mit einer voll- staͤndigen Erklaͤrung belegte, alle und jede Saͤtze genugsam bestimmte, und beydes die Erklaͤrungen als auch die Saͤtze dergestalt ordnete, daß sich die folgenden aus den vor- hergehenden gaͤntzlich verstehen ließen, und die Wahrheit der letztern aus den voraus- gesetzten erhellen muste. Damit ich diese mir vorgesteckte Absicht erhalten moͤchte, so habe ich in dem weitlaͤuftigen Wercke das Natur- und Voͤlckerrecht zu beweisen unter- nommen, und es vor nicht gar zu langer Zeit zum Ende gebracht; ich zweifle auch keinesweges, ohne mich einer Ruhmraͤthig- keit schuldig zu machen, daß ich dadurch der gantzen Rechtsgelehrsamkeit ein Licht an- gezuͤndet habe, und es nun endlich klar sey, was Cicero sehr geschicklich gesagt, daß die Rechtswissenschaft nicht aus den zwoͤlf Ta- feln, noch aus den Befehlen der Praͤtoren, sondern allerdings aus dem innersten der Philosophie herzuholen sey. Denn ich ha- be nicht nur die Naturgesetze, welche sich sowol auf alle privat-, als auch oͤffentliche und Voͤlckerrechte erstrecken, in eine Ueber- einstimmung gebracht; sondern es ist auch von Vorrede. von mir gewiesen worden, daß, wenn man die positiven Gesetze, in den Faͤllen, worinn sie von den natuͤrlichen abweichen, nach der Richtschnur der natuͤrlichen, vermoͤge der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen, oder positivischen Gesetze, welches gewiß auch keinen geringen Theil des Rechts der Na- tur ausmacht, ob er gleich bisher gaͤntzlich verlassen und unbearbeitet geblieben ist, pruͤfet, sich zwischen der natuͤrlichen und buͤrgerlichen Rechtsgelehrsamkeit die schoͤn- ste Uebereinstimmung erzeuge, und mithin in allen eine bestaͤndige Eintracht und Ue- bereinkommen sey. Diejenigen, welche sich auf die Rechte legen, sind gemeiniglich der- jenigen Methode, welche allein zur Wis- senschaft fuͤhret, unkundig, und uͤbersehen das weite Feld des Rechts der Natur nicht. Derowegen scheinet es wol nicht, daß mein Werck nach ihrem Geschmack seyn werde; noch vielweniger aber reimet sich es zu der Faͤhigkeit der Anfaͤnger, als welchen auch die Weitlaͤuftigkeit im Wege stehet. Da mir nun das Amt das Natur- und Voͤl- ckerrecht zu lehren aufgetragen ist; so mu- ste ich mich bemuͤhen, daß ich die zur Er- kentniß der Gesetze begierige Jugend zu ei- ner Vorrede. ner gruͤndlichen und gewissen Wissenschaft des Rechts anfuͤhrete, und den wahrhaf- ten Priestern der Gerechtigkeit einen gebah- neten Weg zu dem innern des Rechts ver- schafte, damit ihnen die Reise nicht mehr zu langwierig zu seyn deuchtete, wie ich sie in dem Wercke des Natur- und Voͤlcker- rechts angetreten hatte. Auf daß ich nun diese mir vorgesetzte Absicht erreichen moͤch- te, so habe ich in diesen Grundsaͤtzen alle Erklaͤrungen und Saͤtze, welche in dem groͤssern Werck enthalten sind, wenige aus- genommen, die sich durch jene leicht verste- hen lassen, zusammen gefasset, damit nicht das geringste vermisset wuͤrde, was zu dem gantzen privat, allgemeinen oͤffentlichen, und eigentlichen Voͤlckerrecht gehoͤret. Ue- berdem, welches das vornehmste ist, habe ich besonders gesorget, daß man die Gruͤn- de aller Saͤtze einsehen koͤnte, und in den Erklaͤrungen nichts annehmen duͤrfte, was noch einige Dunckelheit in dem Gemuͤthe zuruͤcke ließe, daß man es nicht voͤllig ver- stehen koͤnte. Und darum habe ich alles in eine solche Ordnung gebracht, daß das fol- gende mit dem vorhergehenden bestaͤndig zusammen haͤngt, und dieses vermittelst je- nes Vorrede. nes ein durchgaͤngiges Licht gewaͤhret. Es ist zwar nicht moͤglich gewesen, in der Aus- wickelung der Gruͤnde, so wie es die Stren- ge des Beweises erfordert, und wie ich es in dem groͤssern Wercke geleistet habe, aus- fuͤhrliche Beweise zu geben, als welche mein gegenwaͤrtiges Vorhaben nicht ver- stattet hat; allein dies hindert nicht, daß man nicht von allen und jeden die aͤchten Gruͤnde, welche fuͤr die hinlaͤnglich sind, deren Augen das helleste Licht noch nicht vertragen koͤnnen, zu erkennen im Stande waͤre. Denn es ist nicht allen, ja gar kei- nem gleich vom ersten Anfang an gegeben, das Sonnenlicht nach Adler Art anzuse- hen; sondern vorerst tappet ein jeder bey dem hellen Mittage im Dunckeln. Nach und nach aber, wenn das Licht der Seele zunimmt, wie es also die Gewohnheit der Natur mit sich bringt, verlangen diejeni- gen noch ein groͤßres, welche vorher mey- neten gaͤntzlich im Hellen zu wandeln, und so geschieht es endlich, daß sie sich nach dem, wovor ihnen vorhin eckelte, nun be- gierig sehnen, und ihnen nichts anders Ge- nuͤge thut als Beweise, welche Nachah- mungen der Euclideischen sind. Daraus )( )( wird Vorrede. wird aber am Ende vollstaͤndig erhellen, daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des Natur- und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um- schweife gesucht, sondern auf keinem kuͤr- tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen. Jm uͤbrigen damit ich es gleichsam auf einmahl vorstelle, wie alle Verbindlich- keiten und alle Rechte der Menschen aus der menschlichen Natur selbst, als aus ihrer Qvelle, fließen; so muß ich noch eines und das andere melden. Der Mensch besteht aus Seele und Leib; und wie dieser aus verschiedenen Werckzeugen zusammengesetzt ist, deren Verrichtungen zusammengenommen auf einen gemeinsa- men Endzweck losgehen, z. E. wie die Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch das Leben bestehet, auf die Erhaltung des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens und dessen Gesundheit abzwecken; so wohnen auch der Seele verschiedene Ver- moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge- brauch der einer Vernunft theilhaftige Mensch, welche ihn eben von den uͤbri- gen Thieren unterscheidet, geschickt ge- macht wird ein der Vernunft gemaͤßes Leben zu fuͤhren. Diese Geschicklichkeit der Vorrede. der Werckzeuge ihre Verrichtungen abzu- warten, und der Vermoͤgen zu ihrem Gebrauch, welchen sie bey der Betrei- bung des Lebens eines Menschen haben, machen die wesentliche Vollkommenheit eines Menschen aus. Da die Natur, welche niemahls ein Haar breit von dem Pfade der Wahrheit abweichet, nicht den geringsten Widerspruch, als der ein bestaͤndiger Hauptfeind der Wahrheit ist, leidet; so kommt derselben keine andere Lenckung der menschlichen Handlungen zu, als daß sie durch eben dieselben Endur- sachen bestimmet werden, wodurch sie die natuͤrlichen Handlungen bestimmet, und sie folglich mit den natuͤrlichen zu einer- ley Ziel eilen. Und die Geschicklichkeit die freyen Handlungen so und nicht an- ders zu bestimmen, macht eben die zu- faͤllige Vollkommenheit des Menschen aus. Kommt diese nun zu der wesentlichen Vollkommenheit, so stellet sie die gantze Vollkommenheit des Menschen dar. Da- her aber ruͤhret es, daß die freyen Hand- lungen der Menschen sich durch eine in- nere Guͤte und Schaͤndlichkeit unterschei- den laßen. Da aber der Mensch ver- )( )( 2 moͤge Vorrede. moͤge der Natur uͤberhaupt bestimmet ist das Gute zu begehren und das Boͤse zu verabscheuen; so ist die innere Guͤte ein Bewegungsgrund gewisse Handlungen auszuuͤben, und die innerliche Haͤßlichkeit ein Bewegungsgrund gewisse Handlun- gen zu unterlaßen. Daraus erzeuget sich nun die natuͤrliche Verbindlichkeit; und die Lenckung der Handlungen, wovon ich geredet habe, nimmt die Gestalt eines Gesetzes an, so von der Natur selbst ge- geben worden. Damit aber dieser Ver- bindlichkeit Genuͤge geschehen moͤge, so muß auch den Menschen ein Vermoͤgen beygeleget seyn dasjenige zu thun, ohne welches kein Genuͤge geleistet werden kann; und also entsteht aus jener, als aus einer Quelle, ein Recht so wol zum Gebrauch der Sachen, als auch zu gewissen Handlungen. Es befinden sich aber die Menschen von der Natur, daß sie bloß mit vereinigten Kraͤften und mit einer wechselsweise einander geleisteten Huͤlfe auf diese Vollkommenheit los ge- hen koͤnnen, welches die eintzige Quelle der Gluͤckseeligkeit ist. Und derowegen hat die Natur selbst die Pflichten gegen uns Vorrede. uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundschaftliches Liebesband ver- knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth- wendige und an sich unveraͤnderliche Ver- bindlichkeit ist. Unterdessen da die Kraͤf- te des Menschen nicht unerschoͤpflich sind, und deswegen nicht ohne Grund verschwen- det werden muͤßen; so ist man andern keine Pflichten mit der Hintansetzung sei- ner selbst, und uͤberdem nicht mehr als in unserer Gewalt stehet, endlich auch nicht denen, welche selbst in ihrer Ge- walt haben, was sie von andern verlan- gen, schuldig. Weil aber keinem Men- schen von Natur ein Recht uͤber die Hand- lungen eines andern zukommt; so muß man, wie dem um seines Mangels wil- len bittenden, also auch dem, der es lei- sten soll, uͤber die Verabsaͤumung seiner selbst, und von dem, was in seiner Ge- walt ist, das Urtheil laßen. Es ist aber nicht selten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf- tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß sey. Derowegen kommt ihm selbst von Natur ein Recht zu, sich andere zu gewis- sen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen, )( )( 3 so Vorrede. so daß dieselben, wo sie nicht wollen, zur Ausrichtung ihrer Schuldigkeit koͤnnen ge- zwungen werden. Daraus erwaͤchset in Absicht auf die Dinge, wozu man an- dern verpflichtet ist, ein Unterschied zwi- schen der vollkommenen und unvollkom- menen Verbindlichkeit; und eben daher entsteht zu dem, was uns andere ent- richten sollen, entweder ein vollkommes, oder ein unvollkommnes Recht. Es ver- schwindet aber der Grund dieses Unter- schiedes bey denenjenigen Dingen, welche verbothen werden, daß man sie andern nicht thun solle, dieweil es allezeit gewiß ist, daß man solche unterlassen muͤße. De- rowegen ist in Absicht auf die verneinen- den Handlungen die natuͤrliche Verbind- lichkeit vollkommen, so, daß der andere ein vollkommenenes Recht hat nicht zu leiden, daß dies und jenes geschehe, und denjenigen, welcher etwas thut, zu zwin- gen, daß er es nicht thue, oder ins kuͤnf- tige auf das neue zu thun sich nicht unter- fange. Weil endlich keinem von Natur ein eigenthuͤmliches Recht zu einer Sache im eintzelnen betrachtet zusteht; so sind von Natur alle Sachen, was ihren nothwen- digen Vorrede. digen Gebrauch anlanget, gemein. Aus dem, was bisher gesagt worden, erhellet, welches denn der natuͤrliche, und zwar urspruͤngliche, Zustand der Menschen, welchen sie von Natur haben, sey. Al- lein es war nicht etwa nur ein einiger Grund, welcher die Menschen noͤthigte, daß sie, welches auch das Naturgesetz gar wohl leiden kann, ja selbst erfordert, von der urspruͤnglichen Gemeinschaft abwi- chen, und die vorher gemein gewesenen Dinge einem eigenthuͤmlichen Recht un- terwurfen. Und daher ist das Eigenthum entstanden, welches das Recht sich ande- re zu gewissen Leistungen verbindlich zu machen noch weiter ausgedehnet, die Ar- beiten denen eigenthuͤmlichen Sachen gleich geschaͤtzet, und die Verbindlichkeit Sa- chen und Arbeiten einander mitzutheilen noch den Pflichten hinzugesetzet hat. Dar- aus fließen alle Rechte der Sachen, so wol in, als zu einer Sache, sie moͤgen Nahmen haben wie sie wollen, von freyen Stuͤcken, und das Vertheidigungsrecht erhaͤlt auch noch weitere Graͤntzen. Die Verbindlichlichkeit das menschliche Ge- schlecht fortzupflantzen verknuͤpft mit der )( )( 4 Zeu- Vorrede. Zeugung die Auferziehung auf das aller- genaueste, und leget deswegen den Eltern ein gewisses Recht uͤber die Handlungen der Kinder bey. Und weil die Ehen die- ses Endzwecks halber vollzogen werden, so erlangt ein Ehegatte vermoͤge der Ein- willigung ein gewisses Recht uͤber die Handlungen des andern. Weil auch die Leistung bestaͤndiger Arbeiten fuͤr einen bestaͤndigen Unterhalt, worinn natuͤrli- cher weise die Knechtschaft bestehet, mit dem Recht der Natur uͤbereinstimmt; so tritt aus der Unterwerfung ein Recht des Herrn uͤber die Handlungen des Knechts hervor. Derowegen weil das Recht uͤber die Handlungen des andern die Herrschaft heißt; so erhellet nunmeh- ro der Ursprung der Privatherrschaft, worinn das Recht uͤber die Personen, wie man es gemeiniglich nennet, enthalten ist. Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht genug vertheidigen, auch dieselben von andern, die dazu keine Lust bezeigen wuͤr- den, ohne Gewalt und sehr zweifelhaf- ten Ausgange nicht erhalten, und nicht fuͤglich fuͤr dasjenige sorgen konten, was zum hinlaͤnglichen Unterhalt des Lebens gehoͤ- Vorrede. gehoͤret, und zur Gluͤckseeligkeit dienet; so sind die buͤrgerlichen Gesellschaften dem Gesetz der Natur gemaͤß zuwege gebracht worden, und so ist aus der Unterwer- fung die buͤrgerliche oder oͤffentliche Herr- schaft, aus welcher alles oͤffentliche oder allgemeine Staatsrecht hergeleitet wird, entstanden. Endlich da die Staaten nun- mehro als eintzelne Personen, welche im natuͤrlichen Zustande leben, angesehen werden muͤßen; so treffen sie alle Ver- bindlichkeiten und Rechte, welche alle und jede, die im natuͤrlichen Zustande leben, angehen. Weil nun unter diese Rechte auch das Recht sich einen andern zu ge- wissen Leistungen zu verbinden gerechnet wird; so fliessen daraus die Rechte der Buͤndnisse und anderer Vertraͤge der Voͤlcker. Und weil dadurch, daß sich eintzelne Personen in buͤrgerliche Gesell- schaften begeben haben, die Verbindlich- keit das gemeinsame Wohl mit vereinigten Kraͤften zu befoͤrdern nicht aufgehoben werden koͤnnen; so hat, gleichwie selbst die Natur alle und jede Menschen ver- moͤge derselben in eine Gesellschaft ver- setzet hat, auch eben diese Natur unter )( )( 5 den Vorrede. den Voͤlckern eine Gesellschaft gestiftet, aus deren Beobachtung nach Anleitung der natuͤrlichen Theorie der buͤrgerlichen Gesetze ein gewisses Recht, so mit dem buͤrgerlichen verwandt ist, und welches, daß ich mit dem Ulpiano rede, weder gantz von dem natuͤrlichen abweichet, noch auch sich aller Orten nach demsel- ben richtet, hergeleitet wird. Aus dem, was nur kuͤrtzlich gesagt worden, kann, wie ich meyne, nicht undeutlich erhellen, daß alle Rechte, als welche unter einan- der in bestaͤndigen Zusammenhange sind, aus der menschlichen Natur selbst herge- leitet werden, und daß hiermit klar sey, was die Alten gesagt haben, daß das Recht selbst durch die Natur aufgerichtet worden sey. Man wird diesen Zusam- menhang vollstaͤndiger einsehen, wenn man diese Grundsaͤtze selbst mit aufmerk- samen Gemuͤth durchzulesen beliebet. Jm uͤbrigen werde ich kein eitler Prophet seyn, wenn ich vorhersage, daß, wenn sich iemand diese Grundsaͤtze fein bekant gemacht hat, er eine gruͤndliche und wah- re Vorrede. re Rechtswissenschaft erhalten werde, da er denn das vollstaͤndigste Licht, so bald es seine Schaͤrfe des Gesichtes nicht mehr verletzet, aus dem groͤssern Werck erwar- ten muß; und wenn er sich auf das buͤr- gerliche Recht befleißiget, so wird er sich fast ohne Muͤhe eine Erkaͤntniß desselben zuwege bringen. Eines ist noch zuruͤck, was ich zu erinnern fuͤr noͤthig erachtet habe, daß ich nehmlich in diesen Grund- saͤtzen nichts angenommen, was man an- derswo herholen muͤße, gleichwie hinge- gen das Natur- und Voͤlckerrecht in dem groͤssern Werck mit den uͤbrigen Theilen der Weltweisheit zusammen gehaͤnget ist; damit man ohne Anstoß in denselben fort- gehen koͤnne, wenn auch gleich ein Leser in meinen philosophischen Wercken nicht sollte bewandert, oder auch so gar in der Weltweisheit noch im hoͤchsten Grade ein Fremdling und Ankoͤmmling seyn. Denn wenn einige Begriffe anderswoher zu ent- lehnen waren, so habe ich dieselben zu- gleich erklaͤret. Gleichwie ich aber hier- mit dem mir aufgetragenen Amte ein Ge- nuͤgen Vorrede. nuͤgen geleistet habe; so wuͤnsche ich nichts mehr, als daß alle, welche das Vertrauen haben, daß ihnen meine Arbeit zu statten kommen koͤnne, diejenigen Fruͤchte, wel- che ich verheiße, daraus geniessen moͤgen. Es gebe GOtt, welcher selbst der Urhe- ber alles Rechtes, welches ich erklaͤret habe, ist, daß Recht und Gerechtigkeit auf der gantzen Erde bluͤhen moͤgen! Halle, den 4. September, im Jahr 1749. Vorrede des Uebersetzers. Geehrter Leser. E s ist natuͤrlich, daß ich geglaubt haben muß, wir Deutschen haͤt- ten in unserer Sprache zu we- nig gute Compendia des Rechts der Natur drucken laßen, denn sonst haͤtte ich nicht daran gedacht, die Arbeit des vor- treflichen Herrn Barons von Wolf zu uͤbersetzen. Mein Gedanke ist vielleicht un- recht. Deutschland ist zu fruchtbar an pa- triotischen Schriftstellern. Sie muͤssen die- sen Vorrede des Uebersetzers. sen Mangel laͤngst vollkommen ersetzt ha- ben. Vielleicht bin ich nur so unbekant mit den Maͤnnern, die gute Rechte der Natur deutsch geschrieben haben. Jst dieses, so waͤre es nicht unmoͤglich, daß ich bloß aus Mangel dieser Erkenntnis bewogen wor- den waͤre das Recht der Natur ins Deut- sche zu uͤbersetzen. Es bewog mich aber vornaͤmlich eine andere Ursach. Ein Goͤn- ner und Freund der Gelehrten, der bey seinen wichtigen Geschaͤften, die Er dem Staate und den Kriegsdiensten unsers grossen Koͤnigs widmet, auch die philoso- phischen Wissenschaften als ein Kenner liebt, verlangte es von mir. Unsere Universitaͤt ehrt diesen vortreflichen Herrn so sehr, daß ich nicht das geringste unterlaßen konte, was Jhn von meiner besondern Ergeben- heit uͤberzeugte. Jch entschloß mich zur Uebersetzung, um Jhm die besondere grosse Hochachtung zu entdecken; mit welcher ich den erhabnen Character dieses edlen Geistes so Vorrede des Uebersetzers. so gleich verehrte, als ich das Gluͤck hatte ihn naͤher kennen zu lernen. Der Herr Baron von Wolff billigte meinen Vorsatz. Er entdeckte mir die Art, nach welcher Er wuͤnschte, daß die Uebersetzung eingerichtet werden moͤchte, damit die Uebereinstim- mung mit seinen andern deutschen Werken erhalten wuͤrde. Jch folgte diesem Plan mehr als meinen eigenen Gedanken, von der Schreibart einer guten Uebersetzung. Es ist mir mehr daran gelegen, daß ich von dem Herrn Cantzler selbst versichert wor- den, daß die Gedancken der Uebersetzung voͤllig mit den seinigen uͤbereinstimmten, und nach seinem Sinn ausgedruckt waͤren; als wenn ich mit einem etwas veraͤnderten Ausdruck mehr meinem Genie gefolgt waͤre. Der Herr Cantzler hat sich so gar die Muͤ- he genommen, die letzte Revision der ge- druckten Bogen zu uͤbernehmen, da der Abdruck nicht hier sondern in Halle gesche- hen konte. Er hat auch in derselben einige Aus- Vorrede des Uebersetzers. Ausdruͤcke geaͤndert, von welchen er glaub- te, daß sie seinen Sinn besser anzeigen. Jch habe mich besonders bemuͤht nie von dem Redegebrauch abzuweichen, der in den Ci- vilrechten eingefuͤhrt ist. Die Uebersetzung hat die Absicht erfuͤllt, die ich mir bey der- selben vorgesetzt hatte. Sie hat den Beyfall des Herrn Cantzlers, unter dessen Augen sie bis auf den Anfang des Regi- sters gedruckt worden ist. Jch wuͤnsche nichts mehr, als daß sie vielen vortheil- haft seyn moͤge. Franckfurt an der Oder, den 15. April 1754. Gottlob Samuel Nicolai. Grund- Grundsaͤtze des Natur- und Voͤlcker- Rechts. Der erste Theil. Von dem Recht der Natur uͤberhaupt, von den Pflichten gegen sich selbst, gegen andere und gegen GOtt. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Unterschied der menschlichen Handlungen und ihrer Zurechnung. §. 1. J nnere Handlungen nennt Die in- nere Hand- lungen man diejenigen, welche allein durch die Kraft der Seele Nat. u. Voͤlckerrecht. A wuͤrck- I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. und aͤus- sere, freye und noth- wendige. wuͤrcklich werden; aͤußete Handlungen aber sind diejenigen, welche durch die Be- wegung der Theile unsers Koͤrpers die Wuͤrck- lichkeit erhalten. Es sind aber dieselben entweder freye Handlungen, welche auf einige Weise von dem freyen Willen ab- haͤngen; oder natuͤrliche (nothwendige), welche von demselben nicht abhaͤngen, sondern durch das Wesen und die Natur der Seele und des Koͤrpers bestimmt werden. Daher ist klar, daß es keine aͤußere freye Handlungen giebt, ohne daß innere dabey sind, mit welchen sie zusam- menhaͤngen. §. 2. Eine po- sitive oder be- gangene und pri- vative oder un- terlassene Hand- lung. Es ist uͤberdem eine Handlung entwe- der positiv, eine auszuuͤbende (actio positi- va), wenn sie in der That ausgeuͤbet wird; oder privativ, eine zu unterlaßende (actio privativa), welche in der Unterlaßung einer Handlung besteht, welche gethan werden konnte. Eine positive freye Handlung heist eine Begehungs-That (factum com- missionis) . Eine privative, oder verneinen- de freye Handlung, heist eine Unterlas- sungs-That (factum omissionis) . Diese pflegt man auch schlechtweg die That (fa- ctum), jene die Unterlassung (non fa- ctum) zu nennen. Oft versteht man auch, nach Beschaffenheit der Sache, von und ihrer Zurechnung. von welcher man redet, unter der That die Unterlaßung zugleich mit. §. 3. Wenn ein Mensch etwas frey ausuͤbt, Die Zu- rechnung. oder unterlaͤßt; so nennt man ihn eine freye Ursache der Handlung, eben wie er auch die freye Ursache von allem demje- nigen genannt wird, was aus derselben Handlung folgt. Das Urtheil, wodurch man erklaͤrt, die freye Ursache sey entweder die handlende Person von der Handlung selbst, oder desjenigen, was aus derselben erfolgt, es sey gut, oder boͤse, wird die Zu- rechnung genannt. Daher koͤnnen kei- ne andere Handlungen zugerechner werden, als die freyen, in so weit, als sie frey sind; folglich auch diejenigen, welche, wenn man sie an und vor sich selbst betrachtet, zwar natuͤrliche Handlungen sind, aber dennoch von einer vorhergehenden freyen Hand- lung abhaͤngen. §. 4. Wer so handelt, daß er von einem andern Eine ge- zwunge- ne Hand- lung. durch eine aͤußere Gewalt angetrieben wird, und bey der Handlung sich wie ein Werck- zeug (instrumentum) verhaͤlt, der handelt gezwungen. Aber gezwungen leidet derjenige, welcher die Kraͤfte nicht hat, der Handlung eines andern zu wieberstehen. Jn diesem Falle ist der Mangel des Wie- A 2 derste- I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. derstehens eine privative, (verneinende), gezwungene Handlung (actio priva- tiva coacta) . Weil eine gezwungene Handlung keine freye Handlung ist; so kann sie niemanden, als dem, der sie er- zwinget, zugerechnet werden: Wenn man sie aber nachher billiget; so wird die Billigung zugerechnet. §. 5. Eine Hand- lung wie- der Wil- len, mit Willen, oder freywil- lige. Von einer gezwungenen Handlung ist diejenige unterschieden, welche man eine Handlung wieder Willen nennet (actio- nem invitam), wenn jemand das thut, was er lieber unterlassen, und das unterlaͤßt, was er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel, welches aus der entgegen gesetzten Hand- lung entstehet, vermeiden koͤnte. Dieser wird die freywillige Handlung mit Wil- len (actio voluntaria) entgegen gesetzet, welche weder gezwungen ist, noch wieder den freyen Willen desjenigen, der handelt, ausgeuͤbet wird. Eine Handlung wie- der Willen wird also vollbracht, wenn jemand entweder durch Furcht, oder Gewalt von einem andern bewogen wird, etwas zu thun, oder zu unter- laßen. Eine Handlung wieder sei- nen Willen wird dennoch zugerechnet, obgleich weniger, als eine freywillige Handlung (§. 3.); weil derjenige, der nicht und ihrer Zurechnung. nicht freywillig (ungern) eine Handlung ausuͤbt, einige Entschuldigung hat. §. 6. Es sind aber die freyen Handlungen Die uͤ- berlegte Hand- lung, die unuͤber- legte, die Ueberle- gung. entweder uͤberlegte, welche nicht eher, als nach geschehener Ueberlegung (consultatio- ne), ausgeuͤbet werden; oder unuͤberlegte, wenn jemand, ohne daß er vorher die Sache uͤberleget, die Handlung ausuͤbt. Es be- stehet aber die Ueberlegung in der Wuͤrckung des Verstandes, durch welche man unter- sucht, ob eine Handlung auszuuͤben sey, oder nicht, und auf was vor Art dieselbe auszu- uͤben sey. Da nun eine uͤberlegte Hand- lung mehr eine freye Handlung ist, als ei- ne unuͤberlegte (§. 1.); so wird eine uͤ- berlegte Handlung mehr zugerech- net, als eine unuͤberlegte; und je mehr die Handlung uͤberlegt worden ist, desto mehr wird sie zugerechnet. §. 7. Alles Vermoͤgen (facultates) der Seele Die Be- stim̃ung der Hand- lungen. ist an und vor sich selbst zu gewissen Hand- lungen, und alle Glieder des Koͤrpers sind zu gewissen Verrichtungen geschickt; folg- lich sind so wohl diese, als jene zu einem ge- wissen Zweck bestimmt, auf welchen die na- tuͤrlichen Handlungen, oder die Handlun- gen der Natur abzielen (§. 1.). Es ist aber aus der Erfahrung klar, daß die freyen Handlungen, entweder durch eben A 3 die- I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. dieselben Endursachen (rationes fina- les) bestimmt werden koͤnnen, durch welche die natuͤrlichen Handlungen bestimmt werden; oder daß es durch verschiedene geschehen koͤnne. §. 8. Der in- nere Zu- stand und der aͤus- sere. Der Zustand uͤberhaupt bestehet darinn, wenn veraͤnderliche Bestimmungen (Dinge), d. i. diejenigen die auch anders beschaffen seyn koͤnnen, mit einerley bestaͤndigen Be- stimmungen (Dingen), die nicht anders be- schaffen seyn koͤnnen, zugleich wuͤrcklich sind. Dieser Zustand ist der innere, in so weit als diese veraͤnderliche Bestimmungen in eben demselben Subject sich befinden; oder der aͤussere, in so weit sie sich neben dem Subject befinden, oder von aussen zu dem- selben gerechnet werden. §. 9. Die Vollkom- menheit. Die Vollkommenheit einer Sache uͤberhaupt bestehet in der Uebereinstimmung des Mannigfaltigen in einem, oder des Vie- len, was von einander unterschieden in ei- ner Sache enthalten ist. Die Ueberein- stimmung aber nennt man die Bestim- mung, wodurch alles, etwas gewisses zu er- halten, zusammen geschickt ist. Also beste- het die Vollkommenheit einer Uhr darinne, daß sie durch ihre Einrichtung die Stun- de und ihre Theile genau anzeigen kann. §. 10. und ihrer Zurechnung. §. 10. Jm Gegentheil bestehet die Unvoll- Die Un- vollkom- menheit. kommenheit in dem Mangel der Ueber- einstimmung (dissensu) des Mannigfaltigen, oder des Vielen, so von einander unterschie- den ist in einer Sache. Es bestehet aber der Mangel der Uebereinstimmung (dissensus), wenn in derselben nicht alles so beschaffen ist, wie es seyn sollte, um da- durch zusammen etwas gewisses zu erhalten. Also ist ein unvollkommenes Auge, wenn einige Dinge in der Einrichtung desselben vorkommen, welche verhindern, daß eine Sache, die man siehet, nicht klar und deutlich in demselben abgebildet werden kann. §. 11. Es ist aber die wesentliche Vollkom- Die we- sentliche und acci- dentelle Vollkom- menheit; Hand- lungen, welche dahin ab- zielen. menheit (perfectio essentialis) diejenige, welche in der Uebereinstimmung der wesent- lichen Bestimmungen enthalten ist; durch welche man sich naͤmlich eine Sache, als ei- ne Sache von dieser Art, oder Gattung vor- stellet. Die accidentelle (accidentalis) Vollkommenheit aber ist diejenige, wel- che in der Uebereinstimmung der accidentel- len Bestimmungen mit den wesentlichen be- stehet; als z. E. wenn die Fertigkeit erhal- ten wird, die Kraͤfte der Seele, oder die be- wegenden Glieder des Koͤrpers zu gebrau- chen. Die accidentelle Vollkommen- A 4 heit I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. heit muß also eben denselben Bestim- mungsgrund haben, den die wesent- liche Vollkommenheit hat (§. 9.); daher haben die freyen Handlungen, welche mit den natuͤrlichen durch ei- nerley Endzwecke (rationes finales) be- stimmt werden, die Absicht, die Voll- kommenheit des Menschen, oder sei- nes Zustandes zu befoͤrdern (§. 8. 9.); und derowegen befoͤrdern diejenigen die Unvollkommenheit, welche durch verschiedene Endzwecke bestimmt werden. §. 12. Die gu- ten und boͤsen Hand- lungen. Da man alles dasjenige gut nennet, was den Menschen und seinen Zustand voll- kommener macht; boͤse oder uͤbel aber, was denselben unvollkommener macht; so sind diejenigen freyen Handlungen gut, die zur Vollkommenheit des Men- schen und seines Zustandes behuͤlflich sind; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen, durch einerley Endzwe- cke bestimmt worden sind. Boͤse aber sind diejenigen, welche auf die Un- vollkommenheit des Menschen und seines Zustandes abzielen; und folglich mit den natuͤrlichen Handlungen nicht durch einerley Endzwecke, son- dern durch verschiedene bestimmt werden. §. 13. und ihrer Zurechnung. §. 13. Eine Handlung ist an und vor sich Eine Hand- lung die an und vor sich selbst gut, an und vor sich selbst boͤ- se, an und vor sich selbst gleich- guͤltig ist. selbst gut (actio in se bona), welche durch ihre wesentliche Bestimmungen, das ist durch diejenigen, welche machen, daß man sie sich als eine solche Handlung vorstellt, gut ist. Auf eben die Art erkennet man, was eine an und vor sich selbst boͤse Handlung sey (actio in se mala) . Die Handlung aber, welche in sich betrachtet we- der gut, noch boͤse ist, wird eine an und vor sich gleichguͤltige Handlung (actio per se indifferens) genannt. Jn so fern sie aber wegen der zufaͤlligen (acciden- tales) Bestimmungen, die dazu kom- men, entweder zu unserer, oder un- seres Zustandes Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit gereichet, wird sie entweder gut, oder boͤse. §. 14. Derowegen haben die Handlungen Die in- nere Guͤ- te und das inne- re Uebel (Schaͤd- lichkeit) der Hand- lungen. eine innere Guͤte, oder ein inneres Uebel; in so fern sie an und vor sich selbst gut, oder boͤse sind, oder wegen der hinzu- kommenden Bestimmungen (accidentales determinationes) gut, oder boͤse werden; daß es also nicht noͤthig ist, daß sie erst durch einen Befehl gute, oder durch ein Verboth boͤse Handlungen werden. A 5 §. 15. I. Th. 1. H. Unterschiede menschl. Handl. §. 15. Hand- lungen, welche ei- nen Be- wegungs- grund in sich ent- halten, und an und vor sich selbst begeh- rens-odeꝛ verab- scheu- ungswuͤꝛ- dig sind. Weil die Natur des Menschen so be- schaffen ist, daß er das Gute begehret, das Boͤse aber verabscheuet; so sind die in sich guten, oder boͤsen Handlungen an und vor sich selbst begehrens- oder verabscheuungswuͤrdig (actiones in- trinsecae bonae, vel malae per se appeti- biles, vel aversabiles sunt) . Denn die Handlungen, bey welchen ein inne- res Gute, oder ein inneres Boͤse be- findlich ist, (actiones bonitatem, vel ma- litiam intrinsecam habentes) sind an und vor sich selbst gut, oder boͤse, oder werden wegen der dazu kommenden Bestimmungen (propter determinationes accidentales ac- cedentes) gut, oder boͤse (§. 14.); folglich enthalten sie einen Bewegungsgrund in sich, sie zu wollen, oder nicht zu wollen (motivum volitionis \& nolitionis in se continent); so daß, wenn man sie deutlich erkennet, man sie entweder will, oder nicht will. Daher aber erhellet fer- ner, 1) daß die Handlungen, welche die Volkommenheit des Menschen, oder seines Zustandes befoͤrdern, ei- nen Bewegungsgrund in sich ent- halten, sie zu wollen, und also an und vor sich selbst begehrungsfaͤhig sind, oder so beschaffen, daß man sie will; 2) daß aber die Handlungen, welche die und ihrer Zurechnung. die Unvollkommenheit des Menschen, oder seines Zustandes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund in sich enthalten, sie nicht zu wollen, und also an und vor sich selbst verabscheuungsfaͤhig sind, oder so beschaffen, daß man sie nicht will. §. 16. Die Richtigkeit einer Handlung Die Richtig- keit einer Hand- lung. (rectitudo actionis) ist die Uebereinstim- mung derselben mit allen wesentlichen Be- stimmungen des Menschen, so daß also die Handlung den hinreichenden Grund in ih- nen allen zusammen genommen habe; und folglich durch dieselben deutlich eingesehen werden koͤnne, warum sie so und nicht an- ders beschaffen seyn muͤße. Eine richti- ge Handlung erfordert also den uͤber- einstimmenden Gebrauch aller Kraͤfte der Seele, wie auch der bewegenden Kraft (fa- cultatis loco motivæ) . §. 17. Derowegen, wenn bey einer freyen Der Mangel der Hand- lung, die Schuld, die Boß- heit. Handlung entweder von Seiten des Verstandes, oder des Willens, oder der bewegenden Kraft etwas fehlt; so entsteht ein Mangel der Richtig- keit. Man nennt aber den Mangel der Richtigkeit einer Handlung, welchen man durch den Gebrauch des Verstandes haͤtte vermeiden koͤnnen (vincibilem), ein Verse- hen I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. hen (culpam) . Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor- setzlichkeit (dolum) . Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateinischen culpam zu nen- nen. Ueberwindlich ist (vincibile), was durch den Gebrauch seiner Kraͤfte ver- mieden werden konte. Daher ist klar, daß so wohl die Handlungen, die aus Versehen, als mit Vorsatz geschehen, einem zugerechnet werden koͤnnen (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich (invincibile), was durch den Gebrauch unserer Kraͤste gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen blossen Zufall geschehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden koͤnnen; so koͤnnen sie uns auch nicht zu- gerechnet werden (§. cit. ); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederschlaͤgt, oder eine Ueberschwemmung ein Haus ein- reisset. §. 18. Was mit Vorsatz und aus Versehen geschie- het. Weil es unmoͤglich ist, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn- ten; und also der Wille und das Nichtwol- len von dem Verstande, oder der Erkentniß- kraft abhaͤngen; so thut derjenige, der vorsetzlich eine boͤse Handlung voll- bringet, solches mit Wissen und Wil- len; und ihrer Zurechnung. len: Wenn er aber aus Versehen et- was thut; so geschiehet es ohne sein Wissen und Willen. §. 19. Das Versehen und die Boßheit bestehen Ursprung des Ver- sehens und der Bosheit. in einem Mangel der Richtigkeit der Hand- lung, den man haͤtte vermeiden koͤnnen (§. 17.). Der Mangel, den man vermeiden kan, entstehet aus Unterlassung des Ge- brauchs unserer verliehenen Kraͤfte (§. cit. ). Also kommet das Versehen und die Boßheit von dem Mangel des Gebrauchs unserer Kraͤfte. §. 20. Von dem Mangel des Gebrauchs muß Das Un- vermoͤ- gen zu handeln. man das Unvermoͤgen zu handeln (impotentiam agendi) unterscheiden. Es bestehet dasselbe darinnen, daß der Gebrauch der Seelen- und Leibes-Kraͤfte nicht von un- serem Willen abhaͤnget; und also derselbe uns unmoͤglich wird. Was von diesem Unvermoͤgen herruͤhret, kan nicht vermieden (§. 17.), und folglich auch nicht zugerechnet werden, wofern wir uns dasselbe nicht durch unsere Schuld zugezogen haben (§. cit. ). §. 21. Es giebt viele Wuͤrckungen, welche zur Die Ar- ten des Verse- hens. Erkentnißkraft gehoͤren; und bey freyen Handlungen, zu den Wuͤrckungen der bewe- genden Kraft vorausgesetzt werden muͤssen. Nach I. Th. 1. H. Unterschiede menschl. Handl. Nach ihrer Verschiedenheit, giebt es daher auch verschiedene Arten des Versehens. Al- so ist der Mangel der Aufmerksamkeit bey unsern Handlungen die Unachtsamkeit (incogitantia); wenn man unterlaͤßt, das- jenige zu bedencken, wodurch man erkennen koͤnnte, was aus seiner Handlung unter den gegenwaͤrtigen Umstaͤnden Gutes oder Boͤses erfolgen koͤnte, die Unbedachtsam- keit (inconsiderantia); wenn man nicht acht hat auf das Schlimme, was in gegen- waͤrtigem Falle erfolgen kan, und man haͤt- te voraussehen koͤnnen, die Unvorsich- tigkeit (improvidentia); wenn man alle Ueberlegung, die zur Richtigkeit einer Handlung erfordert wird, bey Seite setzet, die Uebereilung (præcipitantia in agendo); der Mangel der Beurtheilung, was zu thun rathsamer sey, nach Beschaffenheit der ge- genwaͤrtigen Umstaͤnde, die Unklugheit (imprudentia); die Abwesenheit aller Sorgfalt wegen der Richtigkeit der Hand- lung, die Sorglosigkeit (incuria); die Unterlassung alles dessen, was in gewisser Absicht geschehen sollte, welche von dem Mangel des Gebrauchs der Erkentnißkraͤf- te herruͤhret, die Nachlaͤßigkeit (ne- gligentia) . Daher ist klar, weswegen man gemeiniglich alle Arten des Versehens un- ter dem Namen der Nachlaͤßigkeit zu be- greifen pflegt; und daß der Fleiß (dili- gentia), und ihrer Zurechnung. gentia), welcher ihr entgegen gesetzet wird, darinnen bestehet, daß man alles dasjenige thut, was in einer gewissen Absicht gesche- hen muß. §. 22. Man hat auch einen Mangel der Rich- Das mittlere, oder vor- setzliche Verse- hen. tigkeit der Handlung, welcher in dem Falle entstehet, da gewisse Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen, und die Ausnah- me nicht recht gemacht wird. Diese wol- len wir das mitlere Versehen, oder das Mitlere zwischen Versehen und Boß- heit (culpam mediam) nennen, andere nennen sie ein vorsetzliches Vorsehen (culpam propositi); als z. E. wenn je- mand, aus Mitleiden, dem Knecht des an- dern, der gefesselt ist, die Ketten loß macht, damit er davon laufen kan. Was also durch eine mitlere Handlung zwi- schen Versehen und Boßheit ge- schieht, das weiß einer zwar, aber er will es doch nicht vor und an sich selbst (directe) . Dieses Mitlere zwi- schen Versehen und Boßheit wird unten, bey der Abhandlung von den Pflichten, die nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (collisio- ne officiorum), klaͤrer werden. §. 23. Die Intention (intentio agentis) ist das Die In- tention, sowohl die ei- Wollen desjenigen (volitio ejus), warum man etwas thut; als z. E. wenn man ein fal- I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. gentliche, als die entfernte. falsches Zeugniß ableget, damit ein Unschul- diger verdammt werden soll. Diese Inten- tion ist die eigentliche (directa), wodurch eben dasjenige hervor gebracht werden soll, warum man etwas thut; als in dem gege- benen Exempel ist die eigentliche Intention, daß der Unschuldige soll verdammet werden. Die entfernte Intention (indirecta) ist, da man eben dasjenige an und vor sich selbst nicht will, was aus seiner Handlung erfolgt, welches doch aber eben so wohl, als das, was man will, aus derselben er- folgen kann. Gleicherweise ist die Absicht theils unmittelbar (immediata), da man auf eine Sache, um ihrer selbst willen, ei- ne Absicht hat; theils mittelbar (mediata), da man auf eine Sache wegen einer andern die Absicht hat, in so ferne wir naͤmlich durch dieselbe das erhalten, worauf man die Absicht hat. §. 24. Eine gu- te List und eine schlimme. Die Alten nenneten eine gute List (dolum bonum) , die Verstellung seiner wahren Willensmeinung, wegen einer nicht unerlaubten Absicht. Daher wird, im Ge- gensatz gegen dieselbe, das eine schlimme List (dolus malus) genennet, wovon wir vorhin geredet und welche wir die Boßheit genannt haben (§. 17.). §. 25. und ihrer Zurechnung. §. 25. Die schlimme List, oder Boßheit, wird Eine vor- setzliche Boßheit, und eine zum Theil unvorsetz- liche Boß- heit. eingetheilt 1) in die vorsetzliche Boß- heit (dolum ex proposito), da man das Uebel, was aus einer Handlung entspringet, entweder eigentlich, oder entfernter Weise zur Absicht hat. 2) Jn die zum Theil unvorsetzliche Boßheit (dolum ex re), da man das Uebel zwar nicht zur Absicht hat, aber nachdem man es nach geschehe- ner That erkannt, doch will, daß derjenige, den es betroffen, den Schaden tragen soll. Jn dem ersten Fall wird ein unaͤchter Edel- stein wissentlich fuͤr einen wahren verkauft; in dem letzten, von einem der es zwar nicht weiß, aber doch nach diesem, was bezahlt worden ist, nicht wieder herausgeben will. §. 26. Die Menschen pflegen auch oft an Die Theil- nehmung an der Hand- lung ei- nes an- dern. den Handlungen eines andern Theil zu nehmen (concurrunt ad actionem), in so weit sie naͤmlich durch eine von ihren Handlungen zur Wuͤrcklichkeit der Handlun- gen des andern etwas beytragen, entweder durch ihren Verstand, da sie den Begriff ei- ner Handlung einem beybringen, der nichts davon weiß, die Umstaͤnde, die in gewis- sen Faͤllen vorfallen, bekannt machen, rath- geben, Bewegungsgruͤnde etwas zu thun, oder zu unterlassen beybringen; oder durch ih- ren Willen, als durch befehlen, bitten, ver- Nat. u. Voͤlckerrecht. B biethen, I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. biethen, anmahnen, abmahnen, bedrohen, anlocken, anhalten oder noͤthigen, anrathen oder abrathen; indem wir auf diese Weise, was wir wollen, oder nicht wollen, dem an- dern zu verstehen geben; oder endlich durch eine Wuͤrckung der bewegenden Kraft, als wenn wir andern helfen, benoͤthigten Werk- zeuge hergeben, in der Absicht Exempel ge- ben, den andern anzureitzen, eben das zu thun. Es ist daher leicht klar, daß die Menschen, durch Theilnehmung an einer Handlung, auch derselben theil- haftig werden; und daß uns folglich die Handlung des andern, an welcher wir theilnehmen, in so weit zuge- rechnet werde, als diese Theilneh- mung von unserem freyen Willen ab- haͤngt (§. 3.); daß aber eines andern Handlung, an der wir auf keine Weise theilnehmen, uns auch nicht koͤnne zugerechnet werden. Die ver- schiedenen Arten, durch welche man an der Handlung des andern theilnehmen kann, be- zeugen es hinlaͤnglich, daß bey der Theil- nehmung so wohl ein Versehen (cul- pa), als Boßheit (dolus) stat fin- den kann, und daß uns also eines an- dern Handlung bald mehr, bald we- niger zugerechnet werden koͤnne. §. 27. Die Einwilli- Zu den inneren Handlungen gehoͤrt die Ein- und ihrer Zurechnung. Einwilligung (consensus), welche darinnen gung und wie vie- lerley dieselbe ist. bestehet, daß wir wollen, es solle eben das- jenige geschehen, oder unterlassen werden, was der andere thun, oder unterlassen will. Wenn man mit ausdruͤcklichen Worten, oder durch ein anderes gleichguͤltiges Zeichen er- klaͤret, daß man eben das wolle, was der andere will, so heißt dieses die ausdruͤck- liche Einwilligung (consensus expres- sus); wenn dieselbe aber anderswoher, als z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen derselben geschlossen wird, so nennt man sie die stillschweigende Einwilligung (ta- citum consensum); und eben dieselbe wird die vermuthete Einwilligung (con- sensus præsumtus) genannt, wenn sie nur wahrscheinlicher Weise geschlossen wird. Denn die Vermuthung (præsumtio) be- stehet darinnen, daß man, aus wahrschein- lichen Gruͤnden, eine zweifelhafte Sache, in einem vorkommenden Falle, vor gewiß an- nimmet. Da die Art und Weise, wie man seine Willens-Meinung in Absicht einer ge- wissen Handlung anzeigt, die Handlung selbst nicht veraͤndert; so ist die still- schweigende Einwilligung nicht we- niger eine wahre Einwilligung, als die ausdruͤckliche. §. 28. Der Einwilligung wird der wiedrige Der Wieder- wille. Wille (dissensus) entgegen gesetzet, da man B 2 will, I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. will, das solle geschehen, was der andere nicht will, daß es geschehen soll, oder daß das nicht geschehe, was der will, daß es geschehen soll. Es ist aber, eben auf die Art, wie vorher (§. 27.), klar, daß der wiedrige Wille ent- weder der stillschweigende, oder der ausdruͤckliche sey; wie auch, welcher der vermuthete (præsumtus) genanut wird; und daß der stilschweigende nicht we- niger, als der ausdruͤckliche, ein wah- ter Wiederwille sey. §. 29. Die Ge- nehm- haltung. Die Anzeige der Einwilligung, sie mag ausdruͤcklich, oder stillschweigend geschehen, wenn sie nachgehends (ex postfacto) dazu koͤmt, wird die Genehmhaltung (rati- habitio) genant. Derowegen giebt der- jenige, der eine Handlung genehm- haͤlt, zu erkennen, daß er in dieselbe gewilliget habe; daß es also eben so viel ist, als ob sie mit seiner Einwilligung ge- schehen waͤre. §. 30. Warum man die vermu- thete Einwil- ligung keine wahre nennen koͤnne. Uebrigens sagt man, in eben der Bedeu- tung, daß wir etwas ausdruͤcklich wol- len, oder nicht wollen (expresse velle, vel nolle); wie auch, daß Wollen und nicht Wollen vermuthet werde. Wahrscheinliche Dinge koͤnnen falsch seyn, und es ist nicht gantz gewiß, ob sie wahr sind, oder nicht. Daher kann auch die ver- und ihrer Zurechnung. vermuthete Einwilligung, oder das vermuthete Wollen und nicht Wol- len falsch seyn (truͤgen); und folglich kann sie nicht wahr genannt werden; aber sie wird, wie alles wahrschein- liche, so lange vor wahr gehalten, bis man das Gegentheil beweiset. Wenn also das Gegentheil bewiesen wird, so daß gewiß ist, dasjenige sey falsch, was man fuͤr wahr hielt; so uͤberwindet die Wahrheit die Vermuthung, so daß diese denn aufhoͤret. §. 31. Die stillschweigende Genehmhal- Die Ei- genschaff- ten der Genehm- haltung. tung erfordert die Kentnis der Hand- lung, die genehmgehalten wird; weil derjenige, welcher eine Handlung des an- dern genehmhaͤlt, seine Einwilligung nach- her anzeigt (§. 29.): und weil die still- schweigende Einwilligung aus dem, was man gethan, oder unterlassen, geschlossen wird; so erfordert die stillschweigende Genehmhaltung, daß die genehmhal- tende Person etwas thut, oder unter- laͤßt, welches sie nicht haͤtte thun, oder unterlassen koͤnnen, wenn man dasje- nige nicht voraus setzet, was genehm- gehalten werden soll. §. 32. Die Unwissenheit (ignorantiam) nennt Die Un- wissen- heit. man den Mangel eines Begriffes von einer Sache an sich, oder von einem Ur- B 3 theile, I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl. theile, welches sich auf die Sache beziehet. Die Unwissenheit laͤßt also keine still- schweigende Genehmhaltung zu (§. 31.), und wenn dieselbe nicht vermie- den werden konte, so entschuldiget sie; aber nicht alsdenn, wenn sie haͤt- te koͤnnen vermieden werden (§. 17.); und diese hat einen Einfluß in das Versehen. §. 33. Die zu- sammen- gesetzte Unwis- senheit, oder der Jrthum. Die Scholasticker nennen diese Unwissen- heit die einfache (simplicem); den Jr- thum (errorem) nennen sie die zusam- mengesetzte Unwissenheit (ignorantiam compositam), da man Begriffe verbindet, welche nicht verbunden werden koͤnnen. Denn der irret, der einen wahren Satz fuͤr einen falschen haͤlt, und folglich dem Sub- ject entweder eine bejahende, oder verneinen- de Eigenschafft zueignet, welche demselben nicht zukommen kann. Daher nennet man den Jrthum, den Mangel der Uebereinstim- mung des Begriffs mit der Sache; und es ist klar, daß ein Jrthum, der vermie- den werden kann, einen Einfluß in das Versehen hat und einen nicht entschul- diget (§. 17.). §. 34. Von der Zurech- nung der Gleicherweise ist offenbahr, daß so wohl die Unwissenheit (§. 32.), oder der Jrthum (§. 33.), wenn beyde haͤt- ten und ihrer Zurechnung. ten koͤnnen vermieden werden, mit Unwis- senheit u. des Jr- thums. recht zugerechnet werden (§. 3. 17.). Jm Gegentheil aber ist klar, daß die Un- wissenheit und der Jrthum, wenn sie nicht vermieden werden koͤnnen, auch nicht zugerechnet werden koͤnnen. Eben dieses muß man von den Handlun- gen behaupten, die aus Unwissenheit und Jrthum geschehen. Das zweyte Hauptstuͤck. Von der Verbindlichkeit, dem Rechte und Gesetze, und dem Grundsatze des Rechts der Natur. §. 35. D ie Verbindlichkeit, wenn man sie Die thaͤ- tige Ver- bindlich- keit. wie eine Handlung betrachtet, die wir die thaͤtige (obligationem activam) nennen wollen, ist die Verbin- dung eines Bewegungsgrundes mit einer Handlung, es mag dieselbe eine auszuuͤbende, oder zu unterlassende seyn. Es bestehet aber ein Bewegungsgrund (motivum) in der Vorstellung des Guten, welches aus der auszuuͤbenden Handlung, und des Boͤsen, welches aus der zu unterlassenden Handlung fließt. Da wir nichts anders wollen, als was wir uns als gut vorstellen, und nichts anders nicht wollen, als was wir uns als boͤse B 4 oder I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, oder schlimm vorstellen; so erhellet aus der Natur des Willens und des Nichtwollens, daß der Mensch nicht anders ver- bunden werden kann, als durch ei- nen Bewegungsgrund, der mit der Handlung verknuͤpft wird. §. 36. Daß es eine na- tuͤrliche Verbind- lichkeit giebt. Selbst durch die Natur wird der Mensch verbunden, die Handlungen zubegehen, welche seine und seines Zu- standes Vollkommenheit befoͤrdern. Denn, weil die Handlungen, welche die Voll- kommenheit des Menschen und seines Zu- standes befoͤrdern, einen Bewegungsgrund des Willens, diejenigen aber, welche die Un- vollkommenheit befoͤrdern, einen Bewe- gungsgrund des Nichtwollens in sich ent- halten; so sind jene an und vor sich selbst begehrunswuͤrdig, diese verabscheuungswuͤr- dig (§. 15.). Folglich wird der Mensch auch durch die Natur zu denjeni- gen Handlungen verbunden, welche, wie die natuͤrlichen, durch eben dieselbe Endursachen (rationes finales), nicht aber durch verschiedene bestimt werden (§. 11). §. 37. Sittlich moͤglich, unmoͤg- lich und nothwen- dig. Die Weil es unmoͤglich ist, daß etwas zu- gleich seyn und nicht seyn kann; so ist es noth- wendig, daß ein Mensch, der ein mensch- liches Leben, oder ein Leben, das seiner Na- tur dem Rechte und Gesetze ꝛc. tur gemaͤß ist, fuͤhren will, so und nicht an- leidende Verbind- lichkeit. ders seine Handlungen bestimme. Daher nennet man das sittlich unmoͤglich (mo- raliter impossibile), was der Natur des Menschen, als eines vernuͤnftig handelnden Wesens, wiederspricht; sittlich moͤg- lich (moraliter possibile) aber ist, was derselben nicht wiederspricht, oder mit derselben uͤbereinkoͤmt, das ist, wel- ches einen hinreichenden Grund in der- selben hat. Und sittlich nothwen- dig (moraliter necessarium) ist dasjenige, dessen Gegentheil (moralisch) sittlich unmoͤg- lich ist. Die sittliche Nothwendigkeit zu handeln selbst ist die Verbindlichkeit (obligatio), welche wir die leidende (obligationem passivam), in Gegensatze ge- gen die thaͤtige (§. 36.), nennen. Gemei- niglich nennt man sie schlechtweg die Ver- bindlichkeit (die Obligation ), und giebt auf die thaͤtige Verbindlichkeit nicht Achtung. Daß niemand dazu verbunden wer- den koͤnne, was entweder an und vor sich selbst, oder ihm unmoͤglich ist; darf nicht bewiesen werden. §. 38. Wie die natuͤrli- che Ver- bindlich- keit be- schaf- fen sey. Diese Verbindlichkeit aber so wohl die thaͤtige, als leidende: welche selbst aus der Natur koͤmt, wird die natuͤrliche (natu- ralis) genant. Daß also die natuͤrli- B 5 che I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, che Verbindlichkeit diejenige ist, wel- che ihren hinreichenden Grund selbst in dem Wesen und der Natur des Menschen und der uͤbrigen Dinge hat. Da nun diese unveraͤnderlich und nothwendig ist; so ist die natuͤrliche Verbindlichkeit auch unveraͤnderlich und nothwendig; weil dieselbe also bald da ist, als man das Wesen und die Natur des Men- schen und der uͤbrigen Dinge annimt. §. 39. Ein na- tuͤrliches, wilkuͤhr- liches, ein goͤttliches u. mensch- liches Ge- setz. Ein Gesetz nennt man die Vorschrift, nach welcher wir unsere Handlungen einzu- richten verbunden sind. Man nennt dasje- nige ein natuͤrliches Gesetz, welches sei- nen hinreichenden Grund selbst in der Na- tur des Menschen und der Dinge hat. Aber ein wilkuͤhrliches (lex positiva) ist das- jenige, dessen Verbindlichkeit von dem Willen eines vernuͤnftigen Wesens abhaͤn- get; und besonders ist es ein goͤttliches Gesetz, wenn es von dem Willen Gottes, ein menschliches (weltliches) aber, wenn es von dem Willen eines Menschen abhaͤn- get. Das Gesetz der Natur, wird gemei- niglich auch das Recht der Natur genannt. §. 40. Die Un- veraͤn- derlich- keit des Das Gesetz der Natur ist unveraͤn- derlich und nothwendig. Denn weil das Gesetz der Natur den hinreichen- den dem Rechte und Gesetze ꝛc. den Grund in der Natur des Menschen Gesetzes der Na- tur. und der Dinge selbst hat (§. 39.); und also eine natuͤrliche Verbindlichkeit in sich fasset (§. 38.), diese aber unver- aͤnderlich und nothwendig ist; so muß es auch das Gesetz der Natur seyn (§. cit. ). §. 41. Da das Wesen und die Natur des Men- Der Ur- heber des Gesetzes der Na- tur. schen und der Dinge von GOtt ihren Ur- sprung haben, und man, bey deren Anneh- mung, sogleich das Gesetz der Natur (§. 40.) und desselben Verbindlichkeit (§. 38.) an- nehmen muß; so ist der Urheber des Gesetzes der Natur GOtt selbst, der den Menschen verbindet, seine Hand- lungen demselben gemaͤß einzurich- ten; und also ist die natuͤrliche Ver- bindlichkeit auch eine goͤttliche; und das natuͤrliche Gesetz ist auch ein goͤttliches (§. 39.). §. 42. Auf gleiche weise beweisen wir, daß das Die All- gemein- heit des Gesetzes der Na- tur. Gesetz der Natur alle Menschen ver- binde; und daß von der natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Meusch befreyt werden koͤnne; weil naͤmlich das natuͤr- liche Gesetz den hinreichenden Grund in der Natur des Menschen und der Dinge selbst hat (§. 39.), und die Verbindlichkeit, welche dasselbe in sich begreift (§. 40.), al- so bald statt findet, wenn man die Natur und das I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, das Wesen der Menschen und der uͤbrigen Dinge annimt (§. 38.). §. 43. Der al- gemeine Grund- satz des Rechts der Na- tur. Aus eben demselben Grunde, verbin- det uns das Gesetz der Natur, die Handlungen auszuuͤben, welche die Vollkommenheit des Menschen und seines Zustandes befoͤrdern; und die- jenigen zu unterlassen, welche seine und seines Zustandes Unvollkommen- heit befoͤrdern; folglich, die freyen Handlungen mit den natuͤrlichen, durch eben dieselben Endursachen, nicht aber durch verschiedene zu be- stimmen (§. 36. 39.); und gleichfals alle Gefahr von uns und unserm Zu- stande abzuwenden. Dieser Grundsatz des Rechts der Natur (principium juris naturæ) ist gantz allgemein. Aus demsel- ben werden, durch eine bestaͤndige Ver- bindung von Schluͤssen, alle Wahrheiten hergeleitet, welche zum Rechte der Natur gehoͤren; wie aus dem folgenden, hinlaͤng- lich klar werden wird. Diejenigen, wel- che aus dem Willen GOttes das Recht der Natur herleiten wollen, muͤssen diesen Grundsatz zulaßen, weil GOtt die Men- schen verbindet, ihre Handlungen dem Gesetz der Natur gemaͤß einzurichten (§. 41.). §. 44. Daß und wie die Unter den Menschen treffen wir die Be- duͤrfnis dem Rechte und Gesetze ꝛc. duͤrfnis an, daß niemand sich und seinen Men- schen un- ter ein- ander ei- ner gegen den an- dern ver- bunden ist. Zustand allein vollkommen machen kann; sondern ein jeder anderer Huͤlfe noͤthig hat. Da nun das Gesetz der Natur die Menschen verbindet, sich und ihren Zustand vollkom- mener zu machen, und die Unvollkommen- heit abzuwenden (§. 43.); so verbindet das Recht der Natur die Menschen, 1) sich und ihren Zustand mit verei- nigten Kraͤften vollkommener zu ma- chen; und ein jeder ist verbunden, zur Vollkommenheit des andern so viel beyzutragen, als er kann; folglich so viel ohne Schaden der Verbindlichkeit gegen sich selbst (§ 42.), in den Faͤl- len, in welchen einer des andern Huͤlfe noͤthig hat, geschehen kann; weil es keinem frey stehet, daß er die Ver- bindlichkeit, die er sich selbst schuldig ist, ver- absaͤume (§. cit.): 2) auch alle Hand- lungen zu unterlaßen, wodurch der andere, oder sein Zustand unvollkom- mener gemacht wird. §. 45. Weil ein jeder schuldig ist, seiner Verbind- Von demjeni- gen, was noͤthig ist, damit der Ver- bindlich- keit ein Genuͤge geschehe. lichkeit ein Genuͤge zu leisten (§. 42.); so stehet einem jeden frey, das zu thun, ohne welchem er seiner Verbindlich- keit kein Genuͤge leisten, oder diesel- be nicht erfuͤllen kann. Wie weit sich diese Freyheit erstrecket, muß man aus der Noth- I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, Nothwendigkeit derjenigen Dinge beurthei- len, die zur Erfuͤllung der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit erfordert werden. §. 46. Was das Recht ist u. der Ur- sprung dessel- ben. Die Faͤhigkeit, oder das moralische Ver- moͤgen etwas zu thun, oder zu unterlassen, wird das Recht genannt. Daher erhel- let, daß das Recht aus der leidenden Verbindlichkeit entstehe; und daß kein Recht seyn wuͤrde, wenn keine Verbindlichkeit da waͤre; wie auch, daß uns durch das natuͤrliche Gesetze ein Recht zu allen denjenigen Hand- lungen gegeben werde, ohne welche wir die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht erfuͤllen koͤnnen (§. 45.). Also hat man ein Recht zum Gebrauch der Spei- sen; weil wir verbunden sind unseren Leib zu erhalten, und dieses bestehet in der Faͤ- higkeit, die Speisen dieser Verbindlich- keit gemaͤß einzurichten. Wenn uns al- so das Gesetze der Natur zu einem Zweck verbindet, so giebt es uns auch ein Recht zu den Mitteln; folg- lich, wenn nur ein eintziges Mittel da ist, so bedienen wir uns auch dessel- ben mit Recht. Denn es ist ohnmoͤg- lich, daß man einen Zweck erhalten kann, oh- ne sich der Mittel zu bedienen. §. 47. Ein ge- biethen- Das Gesetz der Natur nennt man ein Geboth, dem Rechte und Gesetze ꝛc. Geboth, oder gebiethendes Gesetz des, ver- biethen- des, er- lauben- des Ge- setz. (præceptiva), welches uns verbindet, Hand- lungen auszuuͤben; ein (Verboth), oder verbiethendes Gesetz (lex prohibitiva), welches uns verbindet, Handlungen zu unter- lassen; eine Erlaubniß, oder ein erlau- bendes Gesetz (permissiva), welches uns das Recht giebt, etwas zu thun, oder zu un- terlassen. Eben diese Eintheilung findet auch bey den wilkuͤhrlichen Gesetzen (legibus positivis) stat. §. 48. Die Natur des Me u schen ist so beschaf- Ein voll- kommen- machen- des Gesetz der Na- tur. fen, daß er dasjenige dem andern vorzieht, von welchem er erkennet, daß es besser sey, als das andere. Es ist aber die natuͤrliche Verbindlichkeit da, so bald die Natur und das Wesen des Menschen und der Dinge da ist (§. 38.), und das Gesetz der Natur enthaͤlt die natuͤrliche Verbindlichkeit in sich (§. 40.); daher verbindet uns auch das Gesetz der Natur, dasjenige, was bes- ser ist, dem andern vorzuziehen; und in so weit, als es uns hierzu verbindet, wird es ein volkommenmachendes Gesetz (lex perfectiva) genennet. §. 49. Das, was wir auszuuͤben verbunden sind, Was schuldig, was er- laubt u. uner- laubt ist. ist unsere Schuldigkeit (debitum); das was mir verbunden sind, nicht auszuuͤben oder zu unterlassen, ist unerlaubt (illici- tum); I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, tum); das, zu dessen Ausuͤbung wir nur das Recht haben, ist erlaubt (licitum) . Die natuͤrliche Schuldigkeit koͤmt also von einem natuͤrlichen Geboth; das Unerlaubte von einem Verboth; das Erlaubte von einer Zulassung (§. 47.). Ehrbahr oder Ehrlich (hone- stum) nennt man alles dasjenige, was mit dem Gesetze der Natur uͤbereinstimmet, daß also derjenige ein ehrlicher Mann (ho- nestus) genennet wird, der alle seine Handlungen nach der Richtschnur des Gese- tzes der Natur einrichtet; in so weit er naͤmlich nichts vornehmen will, als nur das, was er, ohne Nachtheil seiner Verbindlich- keit, und Vermoͤge seines Rechtes vorneh- men kann. Daher ist ferner klar, was das heisse: als ein ehrlicher Man leben, oder einen Ehrbahren Wandel fuͤh- ren (honeste vivere) . §. 50. Daß der Gebꝛauch des Rechts nicht verhin- dert wer- den muͤße. Wenn andere das Recht haͤtten, den Ge- brauch des Rechts zu verhindern; so wuͤr- den wir gar keinen haben. Ja das Gesetz der Natur wuͤrde sich selbst zuwieder seyn, wenn es dem einen ein Recht gaͤbe, etwas vorzunehmen; und dem andern das Recht zugestuͤnde, den Gebrauch dieses Rechts nach seinem Gefallen zu verhindern: da dieses nun offenbahr wiedersprechend ist; so verbin- det das Gesetz der Natur, indem es dem Rechte und Gesetze ꝛc. es uns ein Recht giebt, auch die uͤbri- gen den Gebrauch dieses Rechts nicht zu verhindern, und daher erwaͤchst uns das Recht nicht zu leiden, daß wir ver- hindert werden; folglich dem zu wie- derstehen, der sich bemuͤhet uns zu hin- dern. Es ist also klar, daß die Erlaubniß, nach der Erklaͤrung eines Gesetzes uͤberhaupt, ein Gesetz genennet werde (§. 39. 47.). §. 51. Ein Geboth ist zugleich ein Ver- Ein Ge- both ist ein Ver- both des Gegen- theils. both des Gegentheils. Denn weil die Ver- bindlichkeit in der moralischen Nothwendigkeit zu handeln bestehet (§. 37.), die natuͤrliche Verbindlichkeit aber gantz unveraͤnderlich ist (§. 38.); so verbindet eben zugleich das Gesetz der Natur das Gegentheil zu unterlassen, iudem es uns etwas zu thun verbindet. §. 52. Das Gesetz der Natur verbinder Die Ver- bindlich- keit recht zu han- deln. Was richtig ist. uns, uns vollkommener zu machen (§. 43.), folglich auch einen uͤbereinstimmenden Gebrauch aller Kraͤffte bey den Hand- lungen zu erhalten (§. 9.). Da nun die Richtigkeit der Handlungen von dem uͤberein- stimmenden Gebrauch aller Kraͤfte abhaͤngt (§. 16.); so verbindet es uns recht zu han- deln. Und recht (rectum) ist dasjenige, in welchem von Seiten keiner Kraft etwas mehr erfordert werden kann. §. 53. Weil bey einer richtigen Handlung, von Sei- Was zur Richtig- Nat. u. Voͤlckerrecht. C ten I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, keit der Hand- lung er- fordert wird. ten keiner Kraft, etwas fehlen darf (§. 52.); so wird zu einer richtigen Handlung erfordert von Seiten des Verstandes 1) ein hinlaͤnglich bestimmter Begriff der Handlung, und ein wahres Urtheil von ihrer Guͤte oder Schaͤdlichkeit, oder von dem Rechte das uns zukoͤmt; 2) von Seiten des Willens und Nicht- wollens daß der Wille bestimmet wird, durch die innre Guͤte, oder das Recht das uns zukoͤmt, das Nichtwollen aber durch das innere Uebel, oder durch den Mangel des Rechts; 3) endlich von Sei- ten der bewegenden Kraft eine Bewe- gung der Theile des Koͤrpers, die mit den inneren Handlungen uͤbereinstimmet (§. 16. 14. 43. 46.). Dieses erstreckt sich weiter, als es dem ersten Ansehen nach scheinet, weil die Rich- tigkeit auf alle Arten der Handlungen, sie moͤ- gen beschaffen seyn, wie sie wollen, sich erstreckt. §. 54. Das wohlan- staͤndige und un- anstaͤndi- ge. Man sagt dasjenige stehe einen wohl an (hominem decet) , welches einigen Grund in denen Eigenschafften hat, die in demselben befindlich sind, oder von welchem man sich vorstellet, daß sie sich in ihm, oder in seinem Zustand befinden, warum er so vielmehr, als anders handeln muß. Das aber ist unan- staͤndig (dedecet), was mit einer von denen Eigenschafften, die in ihm sind, oder von welchen man sich vorstellet, daß sie sich in ihm befinden, oder mit seinem Zustande nicht uͤbereinstimmt, oder demselben wiederspricht. Dasjenige, was dem dem Rechte und Gesetze ꝛc. dem Menschen wohl anstehet, wird der Wohl- stand, und was ihm unanstaͤndig ist der Uebel- stand genennet. §. 55. Das na- tuͤrliche Gesetz des wohlan- staͤndi- gen. Da das Gesetz der Natur auf die Vol- kommenheit des Menschen dringet (§. 43.), und folglich keinen Wiederspruch der aͤusse- ren Handlungen leidet (§. 9. 10.); so ver- bindet es auch die wohlanstaͤndigen Handlungen auszuuͤben, und die un- anstaͤndigen zu unterlassen. Man hat also ein natuͤrliches Gesetz des Wohl- anstaͤndigen. Dieses natuͤrliche Wohlan- staͤndige, auf welches das Gesetz der Natur dringet, muß nicht mit dem willkuͤhrlichen (arbitrario) verwechselt werden, welches nur bloß nach den Meinungen der Menschen fuͤr wohlanstaͤndig angesehen wird Aus dem, was bis hieher gesagt worden, erhellet von was vor einem weiten Umfang das Recht der Natur sey. §. 56. Das Recht der Natur hat einen hinrei- Von dem Unter- scheide des Rechts der Na- tur in so weit es in her Natur des Men- schen ge- gruͤndet. chenden Grund in der Natur und dem We- sen der Menschen (§. 39.). Wenn es also denselben in der Natur und Wesen hat, wel- che den Menschen und den Thieren gemein ist, so heist es das Menschen und Thiere ge- meine Recht der Natur (jus naturae hominum \& brutorum commune); die Roͤ- mischen Rechtsgelehrten nennen es das Recht der Natur im eingeschraͤnckteren Verstande. Wenn es aber in der Natur und C 2 dem I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, dem Wesen, welche den Menschen eigen- thuͤmlich ist, oder in demjenigen, worinn der Mensch von den Thieren unterschieden ist, seinen hinreichenden Grund hat; so heist es das den Menschen eigene Recht (ius hominum proprium); bey den Roͤmischen Rechtsgelehrten das Voͤlcker-Recht (jus gentium.) . Wenn es endlich in demjenigen seinen hinreichenden Grund hat, welches in einigen einzelnen Menschen, oder in einem be- findlich, so nennt man es, einiger Men- schen, oder eines einigen, eigenes Recht (jus qvorundam, aut unius proprium) . Daher erhellet zugleich, welche Verbindlich- keiten allen Menschen gemein (obliga- tiones omnium hominum communes), und welche einigen oder einem allein ei- gen sind (qvorundam, vel unius propriae) . Eben dieses muß man auch von den Rechten annehmen, die aus diesen Verbindlichkeiten fliessen (§. 46.). Und daher sind einige Menschen zu mehreren Dingen ver- bunden, als die uͤbrigen; wie an seinem Orte deutlicher gelehret wird. §. 57. Erklaͤ- rung und Einthei- lung der Pflicht. Eine Handlung, die nach dem Gesetz be- stimmt ist, in so weit als wir verbunden sind die- selbe also zu bestimmen, wird die Pflicht (officium) genennet; und besonders die Pflicht gegen sich selbst, welche der Mensch sich selbst schuldig ist; die Pflicht gegen andere, welche er andern schuldig ist, dem Rechte und Gesetze ꝛc. ist; und endlich die Pflicht gegen GOtt, welche wir GOtt schuldig sind. Daß es Pflichten gebe, die allen Menschen ge- mein sind, und Pflichten, die nur ei- nige oder einen betreffen, ist aus dem, was eben erst (§. 56.) gesagt worden, klar. §. 58. Eine Handlung, die dem Gesetz der Natur Was Suͤnde, Ueber- tretung und Beob- achtung des Gese- tzes sey. zuwieder ist, nennt man eine Suͤnde, und sie ist eine Begehungssuͤnde (peccatum commissionis), wenn sie in einer vollbrachten Handlung bestehet; eine Unterlassungs- suͤnde (peccatum omissionis) aber, wenn sie in einer unterlassenen Handlung bestehet, wenn naͤmlich dasjenige nicht geschiehet, was wir zu thun verbunden waren. Gleich- wie man aber sagt, daß derjenige ein Ge- setz halte, (beobachte, servare legem), der das thut, was das Gesetz zu thun verbindet, und das unterlaͤßt, was es verbiethet; also uͤbertrit der das Gesetz (legem transgredi- tur), welcher das Gegentheil thut, oder suͤn- diget. Daher erhellet, was die Uebertre- tung des Gesetzes (transgressio legis) sey; der die Beobachtung des Gesetzes (cu- stodia legis) entgegen gesetzet wird, welches die Bemuͤhung ist, das Gesetz zu halten. §. 59. Wenn man Pflichten gegen andere abschla- gen kann. Man ist andern keine Pflichten schuldig, als in so fern derjenige, der sie leisten soll, das Vermoͤgen dazu hat, und der andere nicht im Stande ist, das, was er verlangt, selst zu C 3 thun, I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, thun, oder sich zu verschaffen (§. 44. 57.). Wenn derowegen nicht in unserm Vermoͤgen ist dem andern eine Pflicht zu leisten, oder der andere kan sich selbst rathen; so kann man sein Begehren mit Recht abschla- gen (§. 46.). Daher ist zugleich klar, wenn man unrechtmaͤßiger weise einem eine Pflicht versaget, und wenn man solglich durch die- ses Abschlagen suͤndiget (§. 58). §. 60. Was in unserm Vermoͤ- gen ste- het, und was nicht in unsern Vermoͤ- gen ste- het. Es ist also nothwendig, daß man gehoͤriger massen erwege, was in unserm Vermoͤgen, und was nicht in demselben stehet. Es ste- het naͤmlich in unserem Vermoͤgen (in po- testate nostra est), was wir durch den Gebrauch unserer Kraͤfte, so wohl des Leibes als der See- len, Dinge die uns zugehoͤren, und durch an- derer Huͤlffe und Beystand erhalten, oder vermeiden koͤnnen. Es stehet aber nicht in unsern Vermoͤgen, was wir durch den Gebrauch unserer Kraͤfte des Leibes und der Seele, und der Dinge die uns zugehoͤren, wie auch durch anderer Beystand und Huͤlfe zu erhalten, oder zu vermeiden nicht im Stan- de sind. Es ist uns aber allein zuzu- rechnen, daß etwas nicht in unserm Vermoͤgen stehet, wenn wir selbst Ur- sache sind, warum es nicht in unserm Vermoͤgen ist (§. 3.). Es hat diese Be- trachtung nicht allein ihren Nutzen, wenn wir andern unsere Pflichten erweisen; sondern auch bey anderen Arten der Handlungen. Al- so dem Rechte und Gesetze ꝛc. so erstreckt sich keine Verbindlichkeit uͤber unser Vermoͤgen (§. 37.). §. 61. Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei- Liebes- Dienste und der- selben Versa- gung. stung ein Mensch dem andern natuͤrlicher Weise verbunden ist, werden gemeiniglich Liebes-Dienste (officia humanitatis), Hoͤf- lichkeits-Pflichten genennt. Dieselben ver- sagt man andern also mit Recht, wenn es nicht in unserm Vermoͤgen ist, sie zu erweisen, oder der andere unsere Huͤlffe nicht braucht (§. 59.). Folglich wenn die Person, von der etwas be- gehret wird, es nicht thun kan, oder darf (§. 60.); oder wenn dasjenige, was geschehen soll, an sich, oder ver- moͤge des Gesetzes unmoͤglich ist; 2) oder die Person, welcher der Dienst ge- leistet werden soll, nicht so beduͤrftig ist, daß sie sich selbst nicht zu helffen weiß (§. 17.). §. 62. Uebrigens ist diejenige Verbindlichkeit eine Eine ur- spruͤngli- che und eine her- geleitete Verbind- lichkeit. urspruͤngliche (obligatio primitiva), die ihren naͤchsten Grund in dem Wesen und in der Natur des Menschen hat; hingegen eine hergeleitete (obligatio derivativa), welche ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit, oder in andern Verbindlichkeiten und Rech- ten zugleich hat. Eben dieses gilt von den Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver- bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46), C 4 auch I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, auch von den Rechten. Denn es ist eine be- staͤndige Verbindung zwischen allen Verbind- lichkeiten und Rechten, daß eines aus dem andern durch eine ununterbrochene Reihe von Schluͤssen hergeleitet werden kann; und also alle einen Jnbegriff verbundener Wahr- heiten ausmachen, welches ein System ge- nennet wird, und von uns ein wahres Sy- stem (systema veri nominis); weil diese vortrefliche Benennung, wie es auch bey an- dern zu geschehen pflegt, gar zu sehr gemiß- brauchet wird. §. 63. Der Streit der Gese- tze und die Aus- nahme. Es traͤgt sich bey vorkommenden Faͤllen oͤff- ters zu, daß man mehrere Gesetze der Natur, die man zugleich beobachten solte, nicht zu- gleich beobachten kann; so sagt man, daß die Gesetze gegen einander streiten (leges inter se collidunt) . Weil man nun eines dem andern vorziehen muß, so geschieht eine Ausnahme (exceptio), und das Gesetz wird vorgezogen (vincit), welchem man ein Genuͤge leistet; dasjenige aber wird nach- gesetzet (cedit), welchem man kein Genuͤ- ge leisten kann. §. 64. Von der Collision, oder dem Streit der Ge- setze. Also ist klar, daß bey der Collision der Gebothe von den Pflichten gegen sich selbst und gegen andere, in dem Fall der Collision, der Pflichten gegen sich selbst und gegen andere, die Pflichten gegen sich selbst vorgezogen werden; weil dem Rechte und Gesetze ꝛc. weil das Geboth von den Pflichten gegen an- dere die Ausnahme wuͤrcklich in sich begreift (§. 44. 59.). Und weil ein Geboth etwas auszuuͤben, ein Verboth etwas zu unterlaßen, verbindet (§. 47.); eine Erlaubniß aber nur ein Recht giebt, etwas auszuuͤben (§. cit. ), folglich die Handlung nur zu einer erlaubten Handlung machet; so muß bey der Colli- sion eines Geboths oder Verboths mit einer Erlaubniß, das Geboth oder Verboth vorgezogen werden (§. 37.). Weil das Verboth das, was das Geboth for- dert, in dem Falle moralisch unmoͤglich macht (§. 37. 47.); so muß das Verboth dem Geboth vorgezogen werden (§. 37.). Eben auf die Weise wird bey der Collision von Gebothen das, was uns zu groͤsserer Vollkommenheit verbin- det, vorgezogen (§. 48.). Andere Faͤlle werden wir am gehoͤrigen Ort vortragen. Denn wie es das System uͤberhaupt nicht anders zulaͤßt; also gehet es auch bey demje- nigen nicht anders an, was eine Nachahmung desselben seyn soll. Eben dieses nehmen wir auch in andern Faͤllen in acht. §. 65. Es kann geschehen, daß wir zu demjeni- Von der Collision einerley Pflichten. gen noch aus einer andern Ursach verbunden sind, wozu wir schon uͤberhaupt einem jeden, weil er ein Mensch ist, verbunden sind; und daß also die Verbindlichkeit, die aus einer zwiefachen Ursache, oder aus mehrern ent- C 5 steht, I. Th. 2. H. Von der Verbindlichkeit, steht, staͤrcker wird. Daher wenn einer- ley Liebes-Dienst mehrern geleistet werden soll; so wird, im Fall eine Col- lision entstehet, die staͤrckere Verbind- lichkeit vorgezogen; oder derjenige muß vorgezogen werden, dem wir mehr verbunden sind. §. 66. Von dem Gebꝛauch des Rechts. Der Gebrauch des Rechts (exercitium iuris) begreift alle Handlungen in sich, die vermoͤge desselben demjenigen erlaubt sind, dem das Recht zukoͤmmt. Denn das Recht selbst bestehet in der blossen Moͤglichkeit zu handeln (§. 46.). Und derjenige bedient sich seines Rechts (jure suo utitur), der dasjenige wuͤrcklich thut, was er vermoͤge seines Rech- tes thun kann. Derowegen muß niemand in dem Gebrauch seines Rechts verhin- dert werden (§. 50.). Da uns nun des- wegen ein Recht gegeben wird, damit wir der Verbindlichkeit ein Genuͤgen leisten koͤn- nen (§. 46.); so ist das der rechte Ge- brauch des Rechts, welchen die Pflich- ten erfordern (§. 57.). Jm Gegentheil be- steht der Mißbrauch. §. 67. Von der Bekant- machung des Ge- setzes. Die Bekanntmachung des Gesetzes (legis promulgatio) ist die Handlung, wo- durch denjenigen das Gesetze kund gemacht wird, die es verbinden soll. Da nun das Gesetz der Natur seinen hinreichenden Grund in der Natur und dem Wesen! des Men- dem Rechte und Gesetze ꝛc. Menschen und der Dinge hat (§. 39.); so wird durch dieselbe erkannt, wozu es uns verbindet und ein Recht giebt; folglich, da wir dieses durch den Gebrauch unseres Ver- standes erkennen koͤnnen, so ist keine Be- kantmachung bey demselben noͤthig. Da aber die willkuͤhrlichen Gesetze von dem Willen eines andern herkommen (§. 39.), den man nicht weiß, wenn er nicht bekannt gemacht wird; so muͤssen sie bekannt ge- macht werden, und koͤnnen auch nicht eher verbinden, als nachdem sie oͤf- fentlich bekannt gemacht worden sind. Da nun die Verbindlichkeit von dem Willen des Gesetzgebers koͤmmt (§. cit. ); so verbin- den sie entweder von der Zeit an, da sie bekannt gemacht worden sind, oder von der bestimten Zeit (termino), wel- che in dem Gesetz angezeigt worden. Wem aber das Recht zukomme, Gesetze zu ge- ben, wird am gehoͤrigen Orte vorgetragen werden. Das dritte Hauptstuͤck. Von der allgemeinen Verbindlich- keit und dem allgemeinen Recht der Menschen uͤberhaupt. §. 68. D ie allgemeine Verbindlichkeit (ob- Die all- gemeine Verbind- lichkeit. ligatio universalis) ist diejenige, die jeden Menschen verbindet, in so fern er I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. Das all- gemeine Recht. er ein Mensch ist. Und das allgemeine Recht (jus universale), was aus derselben entstehet (§. 46.), ist dasjenige, was einem je- den Menschen zukoͤmmt, in so fern als er ein Mensch ist. §. 69. Daß es allgemei- ne Ver- bindlich- keiten u. Rechte gebe, und welche dieselben sind. Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit selbst in der Natur und dem Wesen des Menschen ihren hinreichenden Grund hat, und mit der- selben zugleich da ist (§. 38.), und weil die Natur und das Wesen uͤberhaupt bey allen Menschen einerley ist; so ist die Verbind- lichkeit, die der Mensch als ein Mensch erfuͤllen muß, bey allen Menschen ei- nerley; und folglich sind auch die Rech- te, die dem Menschen zukommen, in so- fern als er ein Mensch ist, bey jedem Menschen einerley. Also ist klar, daß es allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte gebe. Ja, da in dem Rechte der Natur diejenigen vornaͤmlich vor- getragen werden, welche aus der Natur und dem Wesen, so allen Menschen gemein, her- geleitet werden; so werden auch in demselben vorzuͤglich allgemeine Verbindlichkeiten und allgemeine Rechte erklaͤret. §. 70. Die na- tuͤrliche Gleich- heit der Men- schen. Jm moralischen Verstande sind die Men- schen einander gleich (homines æquales), deren Rechte und Verbindlichkeiten einerley sind; aber ungleich (inæquales) diejenigen, deren Verbindlichkeiten und Rechte nicht ei- nerley und dem allgem. Recht der Menschen. nerley sind. Die Menschen sind also als Menschen von Natur einander gleich (§. 69.). §. 71. Da ein Vorrecht (prærogativa) dasjeni- Es giebt kein na- tuͤrliches Vorrecht ge ist, welches einem vor dem andern, mit dem er sonst gleiches Recht hat, zukoͤmmt; so hat kein Mensch von Natur als ein Mensch ein Vorrecht; und daher giebt es auch kein natuͤrliches Vor- recht (§. 70.). §. 72. Ja, weil jeder Mensch von Natur mit dem Von dem was er- laubt und uner- laubt, u. was man schuldig ist. andern einerley Rechte und einerley Verbind- lichkeiten hat (§. 69.); so ist dasjenige, was natuͤrlicher Weise dem einen, in so weit als er ein Mensch ist, erlaubt ist, auch dem andern erlaubt; ja, was einer dem andern schuldig ist, das ist der andere ihm auch schuldig (§. 49.). §. 73. Daher ist ferner klar, das, was man Was der andere thun und nicht thun soll; und die Be- staͤndig- keit der Pflichten gegen an- dere. rechtmaͤßiger Weise nicht will, daß es uns von andern geschehe, das muß man einem andern auch nicht thun; und was man rechtmaͤßiger Weise will, daß es geschehen soll, das muß man auch gegen andere ausuͤben. Die- jenigen, welche anders handeln, streben nach einem Vorrecht, und dergleichen findet von Natur unter den Menschen nicht statt (§. 71.); sie heben auch die natuͤrliche Gleichheit auf (§. 69.), I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. (§. 69.), welche in Ansehung der allgemeinen Verbindlichkeiten und Rechte so lange beste- het, als der Mensch ein Mensch ist, folglich so lange er lebet. Wenn also auch Un- gleichheiten unter den Menschen ein- gefuͤhrt werden; denn daß dieses gesche- hen koͤnne, wird am gehoͤrigen Ort bewiesen; so bleibet man ihnen doch das schul- dig, was ein Mensch dem andern zu leisten schuldig ist, oder die Liebes- Dienste (§. 61.). §. 74. Vom an- gebohr- neu Rechte. Das angebohrne Recht (jus connatum) nennt man dasjenige, welches aus einer an- gebohrnen Verbindlichkeit entstehet. Es ist aber eine angebohrne Verbindlichkeit (obligatio connata) diejenige, welche aus der Natur und dem Wesen des Menschen noth- wendig erfolget, und davon nicht getren- net werden mag. Da nun diese wegen der Unveraͤnderlichkeit des Wesens und der Natur unveraͤnderlich ist, davon sie gar nicht getrennet werden kann; so ist auch das angebohrne Recht so genau mit dem Menschen verbunden, daß es ihm nicht genommen werden kann; denn er hat dasselbe um seiner Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leisten (§. 46.). §. 75. Vom Range. Der Rang (præcedentia) ist das Recht des Vorzugs in der Ordnung, die von meh- reren zugleich zu beobachten ist. Weil unter Perso- und dem allgem. Recht der Menschen. Personen, die gleich sind, kein Rang statt fin- det (§. 70.), so koͤmmt auch keinen Men- schen von Natur ein Rang zu. §. 76. Von Natur haben alle Menschen einerley Von dem Recht uͤber die Hand- lungen eines an- dern. Rechte (§. 69.). Wenn wir also ein Recht uͤber die Handlungen des andern haben solten, so, daß er seine Handlungen nach unserm Wil- len einrichten muͤste, und das nicht thun koͤn- te, was ihm gefiele; so wuͤrde er wieder ein Recht uͤber unsere Handlungen haben: da nun dieses offenbahr wiedersprechend ist, in- dem es ohne Unterschied, von allen Menschen gelten muͤste; so hat niemand von Natur ein Recht uͤber die Handlungen (in actiones) eines andern. Jn dem Wesen und in der Natur des Menschen, worinn das Gesetz der Natur, und also eine jede Ver- bindlichkeit und jedes Recht, das aus derselben entstehet, seinen hinreichenden Grund hat, ist kein Grund enthalten, warum diesem oder jenem Menschen ein Recht uͤber dieses oder eines andeꝛn Menschen Handlungen zukommen sollte. §. 77. Es sind also von Natur die Hand- Von der natuͤr- lichen Freyheit lungen des Menschen gar nicht dem Willen eines andern, er sey wer er wolle, unterworffen; und er darf in sei- nen Handlungen niemanden als sich selbst folgen. Und diese Unabhaͤnglichkeit bey den Handlungen von dem Willen eines andern, oder die Einrichtung (dependen- tia) I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. tia) seiner Handlungen, nach seinen eigenen Wil- len wird die Freyheit (libertas) genannt. Von Natur sind also alle Menschen frey. Da aber die natuͤrliche Verbindlichkeit unver- aͤnderlich ist (§. 38.), so hebt die Frey- heit die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf, noch veraͤndert etwas in derselben. §. 78. Was da- her von Seiten der an- dern vor eine Ver- bindlich- keit statt findet. Da vermoͤge der natuͤrlichen Frey- heit, der Mensch in seinen Handlungen sich bloß nach seinem Willen, nicht aber eines an- dern richten darf (§. 77.); so ist eben daher ihm zu erlauben, daß er bey der Be- stimmung seiner Handlungen seinem Urtheil folge, und daß er nicht gehal- ten ist einem Menschen Rechenschaft zu geben, warum er dieses thue, oder nicht thue; wenn er nur nicht gegen jemand anders etwas unternimmt, welches er zu unterlassen vollkommen (perfecte) verbunden ist (§. 80.). §. 79. Beobach- tung der Liebes- Dienste. Daher erhellet ferner, daß man es in Beobachtung der Liebes-Dienste dem Urtheil desjenigen, der sie leistet, uͤber- lassen muͤsse, ob es in seinem Vermoͤ- gen stehe, sie zu leisten, oder nicht; eben wie demjenigen, der dieselben ver- langet, das Urtheil von seiner Beduͤrf- nis uͤberlassen wird; folglich wenn einer dem andern einen Liebes-Dienst ab- schlaͤgt, und dem allgem. Recht der Menschen. schlaͤgt; so muß es derjenige, der ihn begehrt, damit zufrieden seyn, und der andere kann von ihm nicht ge- zwungen werden, daß er ihn leisten muß. Aber dem ohngeachtet, suͤndiget der, welcher ihn ohne Recht abschlaͤgt (§. 58.). §. 80. Und daher erhellet, in welchem Verstande Von der vollkom- menen u. unvoll- komme- nen Ver- bindlich- keit, von dem voll- komme- nen und unvoll- komme- nen Rech- te. die Verbindlichkeit zu den Liebes-Diensten unvollkommen genannt wird, und in welcher Ab- sicht dieselben unvollkommen schuldige Pflich- ten genannt werden; sie werden naͤmlich nicht so genannt, als ob die natuͤrliche Verbindlich- keit unvolkommen waͤre, so daß etwas unse- rer Freyheit uͤberlassen waͤre, ob wir derselben ein Genuͤge leisten wolten, oder nicht, als welches der natuͤrlichen Freyheit wiederspre- chen wuͤrde (§. 77.), sondern weil derjeni- ge, der um dieselben bittet den andern nicht zwingen kann, daß er sie leiste (§. 79.). Da- her heist die Verbindlichkeit eine unvoll- kommene Verbindlichkeit (obligatio im- perfecta), zu deren Erfuͤllung niemand gezwun- gen worden kann; so wie im Gegentheil dieje- nige eine vollkommene (perfecta) genannt wird, zu deren Erfuͤllung der andere gezwun- gen werden kann. Und deswegen heist fer- ner ein vollkommenes Recht (jus perfe- ctum) dasjenige, welches mit dem Recht verbunden ist, den andern zu zwingen, daß er der Verbindlichkeit ein Genuͤge leiste, wenn Nat. u. Voͤlckerrecht. D er I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. er dieselbe nicht erfuͤllen wolte; ein unvoll- kommenes Recht (jus imperfectum) aber, welches das Recht den andern zu zwingen nicht in sich fasset. Das vollkommene Recht wird auch allein das Recht, sonderlich im buͤrgerlichen Gesetzen genannt, wo man nur auf das vollkommene Recht siehet; das un- vollkommene wird vom Grotius die Faͤ- higkeit (aptitudo), vom Aristoteles aber die Wuͤrdigkeit (meritum) genannt; in so weit als derjenige, dem etwas geleistet wer- den soll, desselben werth ist. Die Wuͤrdig- keit also desjenigen, der um einen Lie- bes-Dienst bittet, ist die Beduͤrfniß. §. 81. Wie das Recht be- schaffen ist, das erfordert wird, der natuͤrli- chen Ob- ligation ein Ge- nuͤge zu leisten. Das Recht, welches uns das Gese- tze der Natur giebt, damit wir unse- rer Verbindlichkeit ein Gnuͤge thun koͤnnen, da diese nothwendig und unveraͤn- derlich ist (§. 38.), und wir folglich nicht leiden doͤrffen, daß wir in dem Gebrauch unsers Rechtes von einem andern gehindert werden, ist ein vollkommenes Recht; denn es entstehet aus der vollkommenen Ver- bindlichkeit, niemanden in dem Gebrauch des- selben zu hindern (§. 66.), mit dieser ist das Recht verbunden, nicht zu leiden, daß wir in dem Gebrauch unsers Rechtes verhindert werden. Da nun dieses ein vollkommenes ist (§. 80.); so muß auch dasjenige Recht, von dem es seinen Ursprung hat, ein voll- kommenes Recht seyn. Es ist also ein je- des und dem allgem. Recht der Menschen. des angebohrnes Recht ein vollkom- menes Recht (§. 74.). §. 82. Und daher erhellet, weil ich verbunden Von dem Rechte Liebes- Dieuste zu bit- ten. bin, anderer Huͤlfe in denen Faͤllen zu suchen, in welchen ich mir selbst nicht hinlaͤnglich hel- fen kann (§. 44.); so ist das Recht, Lie- bes-Dienste zu bitten, ein vollkomme- nes Recht, obgleich das Recht zu den Lie- bes-Diensten, die hier und jetzt von die- sem geleistet werden, ein unvollkomme- nes Recht ist (jus imperfectum est) (§. 79. 80.). Da niemand den andern in dem Gebrauch seines Rechts verhindern darf (§. 66.); so muß man auch niemand verhindern, um ei- nen Liebes-Dienst zu bitten; und wenn er bittet, so muß man es mit gelaße- nem Gemuͤthe anhoͤren. Weil wir bloß verbunden sind Liebes-Dienste dem Beduͤrfti- gen zu leisten; so ist nothwendig, daß sie erbe- then werden muͤßen. §. 83. Ungerecht (injustum) ist dasjenige, was Vom ge- rechten und un- gerech- ten, billi- gen und unbilli- gen. dem vollkommenen Rechte des andern zuwie- der geschieht; unbillig (iniquum), was dem unvollkommenen Rechte des andern zuwieder geschieht. Es geschieht aber etwas dem Recht des andern zuwieder (fit contra jus alterius), wodurch dasselbe entweder ihm benommen, oder vermindert, oder der Ge- brauch desselben, es sey auf was vor Art und Weise es wolle, verhindert wird; so wie im D 2 Gegen- I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. Gegentheil etwas dem Recht des andern gemaͤß (secundum jus alterius) geschieht, wenn nichts wieder dasselbe unternommen wird, noch unterlassen, was vermoͤge dessel- ben (eodem stante) geschehen muß. Ge- recht (justum) nennt man dasjenige, was dem vollkommenen Rechte des andern gemaͤß geschieht: Billig (æquum) aber dasjenige, was dem unvollkommenen Recht des andern gemaͤß geschieht. Weil die buͤrgerlichen Gese- tze einige Dinge dulden, welche natuͤrlich un- gerecht sind, wie wir am gehoͤrigen Orte zei- gen werden; so ist das buͤrgerlich gerech- te (civiliter justum) enger eingeschraͤnckt, als das natuͤrlich gerechte: und, im Gegensatz ge- gen dieses, nennt man billig, was gantz al- lein mit dem natuͤrlichen Gesetz uͤbereinkoͤmmt, oder demselben gemaͤß ist. §. 84. Von der Frech- heit oder unge- zaͤhmten Freyheit. Mit der Freyheit muß die Frechheit (Licentz, licentia ) nicht verwechselt werden, welche, der natuͤrlichen Verbindlichkeit und dem natuͤrlichen Recht zuwieder, auf alles sich erstreckt, was einem gefaͤllt; und ist also ei- ne ungezaͤhmte Begierde, alles dasjenige zu thun, was einem gefaͤllt. Weil sie mit der natuͤrlichen Verbindlichkeit, von welcher kein Mensch befreyet werden kann (§. 42.), strei- tet; so kann keinem Menschen eine Frechheit, oder ungezaͤhmte Freyheit zukommen. §. 85. und dem allgem. Recht der Menschen. §. 85. Gleichwie aber die Tugend uͤberhaupt Von der Gerech- tigkeit und Un- gerech- tigkeit. die Fertigkeit ist, seine Handlungen nach dem Gesetz der Natur einzurichten, und das La- ster, welches ihr entgegen gesetzet wird, die Fertigkeit, seine Handlungen auf die entgegen gesetzte Weise einzurichten, als sie im Gesetz der Natur vorgeschrieben ist; also wird be- sonders die Gerechtigkeit (justitia), diejenige Tugend genannt, durch welche man einem jeden sein vollkommenes Recht gewehret, oder ungekraͤncket laͤßt, daß man naͤmlich nichts thut, was demselben zuwieder ist, sondern dasjenige thut, was nach demselben geschehen muß (§. 83.); und im Gegentheil ist die Ungerech- tigkeit (injustitia) das Laster, da man dem andern sein Recht nicht gewehret, da man naͤmlich das thut, was demselben zuwieder ist, und das unterlaͤßt, was nach demselben geschehen muß. Wenn man die Gerechtig- keit auf alles Recht, so wohl auf das voll- kommene, als auf das unvollkommene erstreckt, und in jeder Handlung in Erwegung ziehet, in so fern sie sich auf andere beziehet, oder be- ziehen kann, ob sie gleich hauptsaͤchlich uns selbst angehet, so wird sie die allgemeine Gerechtigkeit (justitia universalis) genannt; und wenn sie alsdenn in eingeschraͤnckterer Bedeutung genommen wird, so nennt man sie die besondere Gerechtigkeit (justitiam particularem) . Jm uͤbrigen ist die natuͤr- liche Gerechtigkeit von weiterem Um- D 3 fange I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. fange als die buͤrgerliche (§. 83.), und die ungezaͤhmte Freyheit ist die Mut- ter der Ungerechtigkeit (§. 84.). §. 86. Daß Ge- rechtig- keit und Billig- keit gebo- then, das Gegen- theil aber verbo- then ist. Weil man niemand in dem Gebrauch sei- nes Rechts verhindern darf (§. 50.), und ihm dasselbe auch nicht benommen werden kann (§. 74.); so darf niemand etwas thun, was dem Recht des andern zu- wieder ist; sondern ein jeder muß viel- mehr das thun, was nach demselben geschehen soll (§. 83.). Derowegen muͤs- sen wir einem jeden sein Recht geweh- ren, und keinem sein Recht verletzen, und folglich muͤssen wir gerecht, nicht aber ungerecht seyn (§. 85.). Und weil das unvollkommene Recht eben so, wie das vollkommene aus der natuͤrlichen an sich voll- kommenen, Verbindlichkeit entstehet; also, daß derjenige suͤndiget, der demselben zuwieder handelt (§. 79. 80.); so muͤssen wir uns gegen jedermann billig, und gegen nie- mand unbillig erweisen (§. 87.). §. 87. Was das Unrecht uͤber- haupt ist, und daß es verbo- then ist. Die Verletzung des vollkommenen Rechts eines andern wird das Unrecht (injuria) ge- nannt. Daher erhellet, daß das Unrecht verbothen (§. 86.) und natuͤrlich un- erlaubt sey (§. 49.). Ob wir aber gleich bis itzt nichts anders als das angebohrne Recht fest gesetzt haben; so werden wir doch am ge- hoͤrigen Orte zeigen, daß dasjenige, was wir hier und dem allgem. Recht der Menschen. hier von der Gerechtigkeit und von dem Un- rechte sagen, auch auf die erworbenen Rech- te angewendet werden muͤsse. Jm uͤbrigen, gleich wie die ungezaͤhmte Freyheit die Mutter der Ungerechtigkeit ist (§. 85.); also ist sie auch, die dem Unrecht Thuͤr und Angel oͤffnet (§. 54.). §. 88. Man sagt, daß derjenige den andern be- Von der Beleidi- gung. leidige (alterum lædit), wer sein vollkom- menes Recht verletzet, oder ihm unrecht thut; und also ist bey jeder Beleidigung das Unrecht. Weil wir niemand unrecht thun duͤrfen (§. 87.); so muß auch nie- mand beleidiget werden. Ob aber gleich die Beleidigung und das Unrecht in eben der- selben Handlung bestehen; so sieht man doch datin den Unterschied, daß die Beleidigung sich auf die Person, deren Recht verletzet wird, als eine Handlung beziehet, die sie nicht dulden darf; das Unrecht aber wird als eine Verletzung des Rechts an und vor sich selbst angesehen, ohne auf die Person zu sehen, die dadurch beleidiget wird, naͤmlich als eine Handlung, die an sich unerlaubt, oder man sieht nur auf das Recht selbst, welches ver- letzet wird. Wie aber die natuͤrliche Gerech- tigkeit von weiterem Umfange ist, als die buͤr- gerliche (§. 85.); also sind auch die natuͤrli- chen Beleidigungen von weiterm Umfange, als sie im buͤrgerlichen Rechte bestimmt werden. Noch deutlicher wird dieses aus der bald fol- genden und kuͤnftigen Abhandlung werden. D 4 §. 89. I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. §. 89. Von der Sicher- heit und dem Um- fange der natuͤrli- chen Be- leidi- gung. Die Verbindlichkeit zu dem, was durch das Gesetz der Natur verbothen wird, da es in ei- ner Unterlaßung bestehet (§. 47.), ist jederzeit gewiß. Derowegen erwaͤchst aus der Verbindlichkeit, die durch ein Ver- both entstehet, ein vollkommenes Recht, nicht zu leiden, daß der andere etwas thue, zu dessen Unterlassung er uns verbunden ist (§. 46.). Da nun niemand beleidiget werden darf (§. 88.), so hat ein jeder Mensch von Natur das Recht, nicht zu leiden, daß er von ei- nem andern beleidiget werde; und die- ses Recht, das von Natur einem jeden, er sey wer er wolle, zukoͤmmt, wird das Recht der Sicherheit (jus securitatis) genannt; welche Sicherheit in der Befreyung von der Furcht beleidiget zu werden bestehet. Daher ist ferner klar, daß natuͤrlicher Weise die Beleidigung auf jede Handlung sich erstreckt, die im Gesetz der Natur in Ansehung anderer verbothen ist; und daß folglich die Beleidigung eine jede Handlung sey, dadurch der andere, oder sein Zustand unvollkommener wird (§. 44.); daß aber die Verweige- rung eines Liebes-Dienstes keine Be- leidigung sey (§. 79.). §. 90. Von dem Rechte sich zu Weil wir nicht schuldig sind zu leiden, daß ein anderer uns beleidige (§. 89.); so ist es erlaubt, und dem allgem. Recht der Menschen. erlaubt, demjenigen zu wiederstehen, wehren, oder zu verthei- digen. der es versucht (intentanti) uns zu be- leidigen. Da nun die Handlung, wodurch man demjenigen wiederstehet, der es versucht, oder unternimmet uns zu beleidigen, die Ge- genwehre, oder die Vertheidigung ist; so hat der Mensch von Natur ein Recht sich zu wehren, oder zu verthei- digen (jus defensionis); folglich sind ihm alle Handlungen erlaubt, ohne welchen er die Beleidigung von sich nicht ab- wenden kann (§. 46.); und diese muͤs- sen aus den vorkommenden Umstaͤnden bestimt werden. §. 91. Auf gleiche Weise folgt, daß, weil wir nicht Von der Verhuͤ- tung der Beleidi- gungen. schuldig sind zu leiden, daß der andere uns beleidige (§. 89.); so ist es uns erlaubt Be- leidigungen zu verhuͤten (læsiones præ- cavere); folglich andere zu verbinden, daß sie uns nicht beleidigen. §. 92. Da wir einen andern nicht verbinden koͤn- nen, etwas zu unterlassen, wenn wir nicht mit Wie wir sie ver- huͤten. der Handlung einen Bewegungsgrund verbin- den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht- wollen aber in der Vorstellung eines Uebels be- stehet; so ist es erlaubt, denjenigen ein na- tuͤrliches Uebel zuzufuͤgen, welcher uns in der That beleidiget hat (§. 91.), damit er uns nicht selbst von neuem, oder ande- re die seinen Exempel folgen, uns belei- D 5 di- I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. digen, oder auch er, oder andere nach sei- nem Exempel, andere beleidiget. §. 93. Von der Strafe und dem Recht zu strafen. Ein natuͤrliches uͤbel (malum physi- cum), welches einem wegen eines sittlichen Uebels von dem zugefuͤgt wird, der das Recht einen zu verbinden hat, nennt man die Strafe (pœnam) . Dem Menschen koͤmmt also von Natur das Recht zu denjenigen zu strafen, welcher ihn be- leidiget hat. Und in so weit die Strafe die Absicht hat, das Gemuͤthe der beleidigenden Person zu aͤndern, wird sie eine bessernde Strafe (pœna emendatrix) genennet; in so fern sie aber andere von Beleidigungen ab- schrecken soll, heist sie eine exemplarische (exemplaris) . Da nun die Besserung des Gemuͤths desjenigen, der einen andern beleidi- get, und die Furcht bey denen zu erwecken, welche der Muthwille zu Beleidigungen rei- tzen koͤnnte, die Absicht des Strafenden sind; die Strafe aber als ein Mittel anzusehen ist, wodurch man diese Absicht erhaͤlt; so muß man die Groͤsse der Strafe aus den vorkommenden Umstaͤnden bestimmen (§. 46.). §. 94. Vom un- endlichen Rechte. Ein unendliches Recht (jus infinitum) nennet man dasjenige, dem man uͤberhaupt keine Grentzen setzen kann; sondern dieselben erst aus den Umstaͤnden in einem vorkommen- den Falle bestimmen muß. Es ist also so wohl und dem allgem. Recht der Menschen. wohl das Recht sich zu wehren, oder zu vertheidigen, als das Recht zu strafen unendlich (§. 90. 93.). §. 95. Aus dem, was wir bisher vorgetragen ha- Welches die ange- bohrnen Rechte sind. ben, erhellet, welche Rechte dem Menschen an- gebohren sind, naͤmlich das Recht zu demje- nigen, ohne welches man der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit kein Genuͤge leisten kann (§. 46.), worunter auch das Recht um Liebes-Dienste zu bitten (§. 82.), und den andern dazu voll- kommen zu verbinden, enthalten ist (§. 97.), die natuͤrliche Gleichheit (§. 70.), die Frey- heit (§. 77.), das Recht der Sicherheit (§. 89.), und das daher entspringende Recht sich zu wehren, oder zu vertheidigen (§. 90.), und das Recht zu strafen (§. 93.). Wie aber hieraus andere Rechte eutspringen, und wie dem Gesetz der Natur gemaͤß andere Ver- bindlichkeiten gemacht, und andere Rechte er- langt werden, wollen wir am gehoͤrigen Orte zeigen. §. 96. Der Mensch ist eine sittliche Person Eine sitt- liche Per- son, und der na- tuͤrliche sittliche Zustand. (persona moralis), in so weit als er als das Subject von gewissen Verbindlichkeiten und von gewissen Rechten angesehen wird. Und daher wird sein sittlicher Zustand (status moralis) derjenige genannt, welcher durch Rechte und Verbindlichkeiten bestimmt wird; und er heist der natuͤrliche, in so fern als die Verbindlichkeiten und Rechte, durch welche er I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. er bestimmt wird, natuͤrlich sind, oder nach dem Gesetz der Natur ihm zukommen; und derowegen werden die Menschen im na- tuͤrlichen Zustande allein durch das Recht der Natur regiert. §. 97. Von der Art sich einen an- dern vollkom- men ver- bindlich zu ma- chen, und ein voll- komme- nes Recht zu erwer- ben. Weil aber der Mensch, wenn er seiner Ver- bindlichkeit ein Genuͤge leisten will, sehr oft anderer Huͤlfe noͤthig hat; weil es ihm aber auch daran gelegen ist, daß er von derselben Huͤlfe gewiß sey; so hat er auch ein Recht zu denjenigen Handlungen, ohne welche er seiner natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Genuͤge lei- sten kann (§. 46.); und also hat er das Recht, sich andere zu gewissen Hand- lungen, oder Dienstleistungen verbind- lich zu machen. Auf diese Weise erlangt er ein vollkommenes Recht zu denselben, so daß, da er vorher erdulden muste, daß sie ab- geschlagen worden, er nun dieselben erzwin- gen, oder den andern dazu noͤthigen kann (§. 79, 80.), und solchergestalt das, was vor- her willkuͤhrlich war, nun nothwen- dig ist, und er durch die Unterlassung beleidiget wird, und ihm Unrecht ge- schieht (§. 88.). §. 98. Vom Recht zu kriegen. Das Streiten mit Gewalt (certa- tio per vim) nennt man die Gewaltsame Behauptung seines Rechtes, dadurch man ent- weder eine zuzufuͤgende Beleidigung, oder ein Unrecht abwenden; oder diejenigen, die uns belei- und dem allgem. Recht der Menschen. beleidiget, oder uns Unrecht gethan haben, verbinden will, uns in Zu- kunft nicht mehr zu beleidigen; oder auch die- jenigen, welche wir uns etwas zu leisten ver- bunden haben, mit Gewalt dazu anzuhalten suchet, in so weit sie sich nicht gutwillig dazu bequemen wollen. Den Zustand derje- nigen die mit Gewalt streiten, nennt man den Krieg. Und daher erhellet, daß dem Menschen das Recht zum Kriege zukomme, und daß keine andere recht- rechtmaͤßige Ursache zu demselben seyn koͤnne, als das Unrecht, das einem geschehen ist, oder geschehen soll (§. 87. 83.); daß aber das Abschlagen eines Liebes-Dienstes keine rechtmaͤßige Ur- sache des Krieges sey (§. 79.). §. 99. Der Friede wird dem Krieg entgegen ge- Vom Frieden. setzt, und man nennt ihn also denjenigen Zu- stand, in welchem kein Krieg ist. Weil man niemanden beleidigen darf, und also alles Un- recht unterlassen soll; so sind die Men- schen verbunden den Frieden zu su- chen. Also ist der Friede der Natur gemaͤß, der Krieg aber wieder dieselbe (§. 38.). Es ist auch nicht die Natur, son- dern die Boßheit der Menschen, die ihrer Pflicht kein Genuͤgen leisten wollen, oder das Unrecht schuld an dem Kriege (§. 98.). §. 100. Aus dem, was wir vorher gesaget haben, Von der Verbind- erhel- I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. lichkeit, die einer sich zuzie- het, und dem er- woꝛbenen Rechte. erhellet, daß ausser den angebohrnen Ver- bindlichkeiten und Rechten, noch andere ange- troffen werden, da die Verbindlichkeiten durch eine dazu kommende Handlung der Menschen entstehen, und die Rechte durch dieselben er- langt werden (§. 95.), jene nennt man Ver- bindlichkeiten, die einer sich zuzieht (ob- ligationes contractas) , die daraus entsprin- gende Rechte aber, werden erworbene Rechte (jura acquisita) genannt. Es ist klar, daß niemand sich selbst von der Verbindlichkeit, die er sich zugezogen hat, befreyen koͤnne (§. 97.); und daß also daß erworbene Recht, das aus der- selben entstanden ist, niemanden wieder seinen Willen genommen werden koͤn- ne: welches wir auch oben von der ange- bohrnen Verbindlichkeit und von dem ange- bohrnen Rechte erwiesen (§. 42. 74.). Weil also die Verbindlichkeiten entweder angeboh- ren, oder zugezogen werden, und die Rech- te entweder angebohrne, oder erworbene Rech- te sind; so ist uͤberhaupt klar, daß nie- mand sich von seiner Verbindlichkeit befreyen, noch das Recht jemanden wieder seinen Willen genommen wer- den kan. §. 101. Vom all- gemeinen und eige- nen Rech- te. Es giebt so wohl Rechte, welche allen oh- ne Unterschied zukommen, als auch Rechte, die einem allein, oder mehreren zusammen genommen, im Gegensatz gegen alle, zukommen; und und dem allgem. Recht der Menschen. und gleicherweise giebt es Verbindlichkeiten, welche auf eben die Art allen, mehreren zu- sammen, oder einem allein gehoͤren, welches da- her erhellet, weil die natuͤrliche Verbindlich- keiten alle Menschen angehen (§. 74.), die zugezogenen aber, nur denjenigen, welchen wir, uns insbesondere etwas zu leisten, verbun- den haben (§. 100.); und eben so kommen die angebohrnen Rechte allen Menschen zu, das erworbene Recht aber nur dem, welcher sich einen andern, was gewisses zu leisten, verbun- den hat (§§. cit. ). Daher nennen wir das gemeine Recht (jus commune), was al- len ohne Unterschied zukoͤmmt; das eigene (besondere) Recht aber (jus proprium), was nur einem, oder mehreren, im Gegen- satz gegen alle, zukoͤmmt. Auf gleiche Weise versteht man, was eine allgemeine, und was eine besondere, oder eigene Verbindlich- keit sey. Es ist aber klar: daß das eigene Recht, alle andere ausschließt, und wenn mehreren zusammen genommen ein besonderes (eigenes) Recht zu- koͤmt; so ist unter denselben ein ge- meinschaftliches Recht. §. 102. Der natuͤrliche Zustand der Menschen ist Vom ur- spruͤng- lichen u. entstande- nen Zu- stande. entweder der urspringliche (originarius), in so weit derselbe gantz allein durch ange- bohrene Rechte und Verbindlichkeiten bestimt wird; oder der entstandene (adventitius), in so weit derselbe durch die zugezogene Ver- bindlich- I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. ꝛc. bindlichkeiten, und durch erworbene Rechte, aber allein nach dem Gesetze der Natur be- stimt wird. Den urspringlichen Zustand hat also der Mensch von der Natur allein, den entstandenen aber nur durch eine dazu gekommene menschliche Handlung. Es ist auch leicht erweißlich, daß der Friede zum urspruͤnglichen Zustande gehoͤre (§. 99.), der Krieg aber zu dem dazu gekommen (§. 96.), und weil die Absicht bey dem Kriege ist, ein Unrecht, als welches die Ursache desselben, zu vermeiden, oder zu wenden (§. 98.); so ist der Krieg natuͤrlicher weise des Friedens wegen erlaubt (§. 99.); folg- lich muß man den Krieg nicht fuͤhren, als des Friedens wegen. Denn Krieg fuͤhren ist nichts anders, als durch Gewalt streiten. Damit man aber nicht in der Unter- scheidung des urspruͤnglichen Zustandes von dem entstandenen zuweilen zweifle; so muß man mercken, daß der Mensch im urspruͤng- lichen Zustande an und vor sich selbst ein Recht haben koͤnne, dessen Ausuͤbung aber nicht anders, als in dem entstandenen statt fin- det, in so weit naͤmlich die Handlung eines andern macht, daß es statt finden kann. Ein Exempel finden wir in dem Rechte uns zu wehren, oder zu vertheidigen, und dem Rech- te zu strafen, wenn wir den Ursprung von bey- den genauer untersuchen. Das Das vierte Hauptstuͤck. Von den Pflichten des Menschen gegen sich selbst, und den Rechten, die damit verbunden sind. §. 103. D er Mensch muß, so viel er kann (§. 37.), Von der Verschie- denheit und der Verbin- dung der Pflichten. so wohl sich, folglich theils seine See- le, theils seinen Leib, als auch seinen Zustand verbessern (§. 43.). Man hat also Pflichten gegen die Seele, gegen den Leib, und in Absicht auf den aͤus- sern Zustand (§ 57.), und dieselben sind zu verbinden; man muß sich nicht einer also befleißigen, daß die uͤbrigen verab- saͤumet werden; und derjenige, der mehr Vermoͤgen hat, und mehr an- wenden kann, wie auch mehrere Huͤlfe von andern zu erwarten hat, ist auch ein mehreres zu leisten verbunden. §. 104. Die Guͤter der Seele (bona animi) sind Von der Bemuͤ- hung, das Gute zu erhal- ten. diejenigen, welche die Seele; des Leibes, welche den Leib; des Gluͤcks, welche den aͤus- seren Zustand vollkommener machen. Dem- nach muß sich einjeder bemuͤhen, daß er von den Guͤtern der Seele, des Lei- bes und des Gluͤcks so viel erhaͤlt, als in seinem Vermoͤgen stehet (§. 103. 60.); folglich muß er sich vor allem Uebel oder Schaden des Leibes, der Seele und des Gluͤcks in acht nehmen. Nat. u. Voͤlckerrecht. E §. 105. I. Th. 4. H. Von den Pflichten §. 105. Von der Erkent- nis sein selbst und andrer. Es ist also nothwendig, daß der Mensch sich selbst, so wohl der Seele und dem Leibe nach, als auch seinen Zustand kennen lerne; und weil die Er- kentnis unser selbst durch die Erkentnis anderer befoͤrdert wird, in so weit als daraus erhellet, was vor Vollkommen- heiten und Unvollkommenheiten der Mensch und sein Zustand haben koͤnne, durch was vor einen Gebrauch der Kraͤfte jene erhalten werden, und durch was vor eine Un- terlassung des Gebrauchs und Misbrauch der Kraͤffte man in diese verfaͤllt; so muß der Mensch auch andere kennen lernen, und in dieser Absicht auf andere fleis- sig und sorgfaͤltig acht geben. §. 106. Von der Vollkom- menheit der See- le. Der Gebrauch der Kraͤfte der Seele besteht in ihren Wuͤrkungen. Jn der Uebereinstim- mung des Gebrauchs aller Kraͤfte der See- len, so wohl der obern, als der untern, besteht die Vollkommenheit der Seele (§. 9.). Da nun der Mensch verbunden ist, sich im- mer mehr und mehr vollkommen zu machen; so muß er sich nicht allein bemuͤhen, daß er zu einem jeden Gebrauch der Kraͤfte seiner Seele geschickt werde, sondern es auch dahin bringe, daß der Gebrauch aller Kraͤfte bey einer jeden Handlung uͤbereinstimme, wie wir die- ses des Menschen gegen sich selbst. ses schon oben (§. 52.) gelehrt haben; folg- lich muß so wohl die Unterlassung des Gebrauchs einiger Kraͤfte bey den Hand- lungen, als auch der Mangel der Ueber- einstimmung vermieden werden (§. 51.). Da die Geschwindigkeit etwas zu thun die Fertigkeit ist; so ist der Mensch ver- bunden, die Fertigkeit zu erlangen sei- ne Kraͤfte zu gebrauchen, und diesen Gebrauch zur Uebereinstimmung zu bringen. §. 107. Deswegen koͤmt einem Menschen das Von dem Rechte, das ihm in dieser Absicht zukoͤmmt. Recht zu demjenigen zu, ohne welches er den Gebrauch seiner Kraͤfte nicht er- langen, noch den Gebrauch derselben zur Uebereinstimmung bringen kan (§. 46.). §. 108. Da der Verstand die Faͤhigkeit ist, sich Daß der Verstand vollkom- men ge- macht werden muͤsse. die Sachen deutlich vorzustellen; folglich nicht allein von einander zu unterscheiden, was in einer Sache befindlich ist, sondern auch bestimmte Urtheile zu faͤllen, daß naͤm- lich, vermoͤge dessen, was von einer Sache angenommen wird, ihr etwas anderes ent- weder zukomme, oder nicht zukommen koͤn- ne, wie auch recht zu schliessen; so muͤssen wir uns befleissen eine Fertigkeit zu erlangen, in einer jeden Sache, die uns zu erkennen vorkoͤmmt, was in ihr enthalten, zu unterscheiden, be- E 2 stimmte I. Th. 4. H. Von den Pflichten stimmte Urtheile zu faͤllen, und recht zu schliessen. Weil aber dieses nicht ge- schehen kann, wenn wir nicht im Stande sind, die Aufmercksamkeit zu erhalten, d. i. zu machen, daß wir uns derjenigen Sache, von welcher wir gedencken, mehr bewust sind, als anderer Dinge, die uns beyfallen, oder beyfallen koͤnnen; und uͤber dieselben nach- zudencken, d. i. unsere Aufmercksamkeit von einem zum andern besonders zu wenden, was in derselben befindlich ist; so muͤssen wir auch sorgfaͤltig bemuͤher seyn, daß wir einen so starcken Grad der Auf- mercksamkeit, als uns moͤglich ist, nebst der Fertigkeit nachzudencken erhalten. §. 109. Daß man das Vermoͤ- gen zu begehren und zu verab- scheuen vollkom- men ma- chen muͤße. Des Menschen Vermoͤgen zu begehren ist uͤberhaupt bestimmt, das Gute zu begehren; und das Vermoͤgen zu verabscheuen das Boͤse zu ver- abscheuen. Die Vollkommenheit des Ver- moͤgens zu begehren besteht in der Moͤglich- keit, nicht anders als durch ein wahres Gut, des Vermoͤgens zu verabscheuen aber in der Moͤglichkeit, nicht anders als durch ein wah- res Uebel bestimmet zu werden. Jm Gegen- theil bestehet die Unvollkommenheit von jenem in der Moͤglichkeit, durch ein Schein- gut, welches man nach einem gegenwaͤrtigen Vergnuͤgen, das aber schaͤdlich ist, schaͤtzet, und die Unvollkommenheit von diesem in der Moͤglichkeit, durch ein Scheinuͤbel be- stimmt zu werden, welches nach einem ge- genwaͤr- des Menschen gegen sich selbst. genwaͤrtigen Mißvergnuͤgen, das aber nicht schaͤdlich ist, geschaͤtzet wird. Wir muͤssen uns also bemuͤhen, daß unser Vermoͤ- gen zu begehren niemahls auf etwas anders, als ein wahres Gut, und un- ser Vermoͤgen zu verabscheuen auf nichts, als ein wahres Uebel gerichtet wird; folglich muͤssen wir uns befleißi- gen, das wahre Gute und das wahre Uebel, von dem Scheinguten und von dem Scheinuͤbel bestaͤndig zu unter- scheiden. Weil der Gebrauch aller Kraͤfte uͤbereinstimmen muß (§. 106.); so muͤßen wir uns vornaͤhmlich Muͤhe geben, daß wir die sinnlichen Begierden zur Ueber- einstimmung mit dem Willen, und die sinnlichen Verabscheuungen zur Uebereinstimmung mit dem Nichtwol- len bringen; folglich, weil der Wille und das Nichtwollen von dem Verstande, die sinliche Begierde und der Abscheu von den Sinnen und der Einbildungskraft herruͤhren; so muͤssen wir den Verstand bey den Vorstellungen des Guten und Boͤsen zur Uebereinstimmung mit den Sinnen und der Einbildungskrafft bringen. §. 110. Zur sinnlichen Begierde und dem Abscheue Von der Regie- rung, Zaͤh- mung u. Stillung werden die Gemuͤthsbewegungen ge- rechnet, welche in heftigen Begierden und Verabscheuungen bestehen. Daraus schlies- sen wir ferner, daß wir uns bemuͤhen E 3 muͤs- I. Th. 4. H. Von den Pflichten der Ge- muͤths- bewegun- gen. muͤssen, sie dem Gesetz der Natur ge- maͤß einzurichten, d. i. sie zu regieren; daß wir ihnen wiederstehen muͤssen, damit sie nicht in aͤussere Handlungen, dazu sie uns verleiten, die dem Gesetz der Natur zuwieder sind, ausbrechen, d. i. daß wir sie zaͤhmen (§. 109.); und wenn es sich zutraͤgt, daß sie uns bey den Hand- lungen hindern, und wenn wir die Regie- rung derselben noch nicht in unserer Gewalt haben, wir sie unterdruͤcken, indem sie ploͤtzlich entstehen, das ist, sie stillen. Daher erhellet, daß man Fertigkeiten er- halten muͤße, in vorkommendem Falle den Willen und das Nichtwollen dem Gesetze der Natur gemaͤß zu be- stimmen. §. 111. Von welchen Dingen man Wis- senschafft erlangen muͤsse. Es ist auch klar, daß der Mensch ver- bunden sey, die Wissenschaft von den- jenigen Dingen zu erhalten, was, so wohl das wahre Gute und Uebel von dem, so den blossen Schein hat, zu un- terscheiden (§. 109.), als auch recht zu handeln, zu wissen noͤthig ist (§. 52. 53.). §. 112. Daß der Leib er- halten u. vollkom- men ge- macht werden muͤsse. Unser Leib bestehet 1) aus Gliedern, die zum Leben gehoͤren (organis vitalibus), welche bestimmt sind, das Leben zu erhalten und sein Geschlecht fortzupflantzen; 2) aus Glie- dern der Sinnen (organis sensoriis), wel- che zu den Empfindungen und der davon ab- haͤngen- des Menschen gegen sich selbst. haͤngenden Einbildungskraft nebst dem Ge- daͤchtnisse dienen, und entweder aͤussere sind, welche von aussen am Leibe sich zeigen, oder innerliche, die in demselben verborgen lie- gen; 3) aus bewegenden Gliedern (mo- toriis), welche zur Bewegung des Koͤrpers und seiner aͤussern Glieder von einem Ort zum an- dern gewiedmet. Die Vollkommenheit des Leibes, in so weit derselbe ein Leben hat, besteht in der Geschicklichkeit, sich zu erhalten und sein Geschlecht fortzupflantzen; in so weit derselbe empfindet, in der Geschick- lichkeit, die materielle Jdeen der Sachen, die empfunden werden koͤnnen, hervorzubringen; und endlich in so weit als derselbe sich be- wegt, in der Geschicklichkeit, die den Begier- den und Verabscheuungen gemaͤße Bewegun- gen hervorzubringen, und die Lage so wohl des gantzen Koͤrpers, als auch seiner aͤusseren Glieder insbesondere zu bestimmen (§. 9.). Aus diesen zusammen genommen entstehet die Geschicklichkeit, die Uebereinstimmung zwischen Seele und Koͤrper zu erhalten; als worinn eigentlich die Vollkommenheit des gan- tzen Koͤrpers bestehet. Wenn zu derselben die Vollkommenheit der Seele koͤmmt, welche selbst diese Uebereinstimmung erfordert; so entstehet die Vollkommenheit des Men- schen; und weil aus der natuͤrlichen Gottes- gelahrhet erhellet, daß der Mensch, so wohl in Absicht der Seele, als des Leibes, Gott vor- stellet, so besteht dieselbe in der Geschicklich- E 4 keit I. Th. 4. H. Von den Pflichten keit Gott vorzustellen, daß gleichsam in dem Menschen ein Ebenbild Gottes zu sehen ist. Also kann ein Atheist die Vollkommen- heit des Menschen nicht voͤllig einse- hen. Die Vollkommenheit des Leibes, in so weit derselbe ein menschlicher ist, setzet die Vollstaͤndigkeit aller Glieder voraus; und aus der Erfahrung erhellet, daß man ver- schiedene Fertigkeiten der bewegenden Kraft erhalten koͤnne. Derowegen ist der Mensch allerdings verbunden, die Vollstaͤndig- keit aller Glieder des Leibes zu erhal- ten, und die Fertigkeiten seiner bewe- genden Kraft zu erlangen, die er, um recht zu handeln, noͤthig hat (§. 106. 52.); folglich muß ihre Verschlimme- rung und Verlust vermieden werden. Und also muß der Mensch seinen Leib und sein Leben zu erhalten trachten; folgends ist der Selbstmord, oder die Av- tochirie unerlaubt (§. 51.). §. 113. Von der Erhal- tung der Gesund- heit, von der Wie- dererlan- gung der- selben u. von der Abwen- dung der Derjenige Zustand des Leibes, in welchem alle Theile desselben ihre Verrichtungen gehoͤ- rig ausuͤben, wird die Gesundheit ge- nannt; der entgegengesetzte Zustand, in wel- chem einer oder mehrere zu demjenigen Ge- brauch, dazu sie gewiedmet, nicht geschickt sind, die Kranckheit. Man versiehet die- ses auch von den fluͤßigen Theilen, und im gemeinen Reden wird die Kranckheit vornaͤm- lich von denjenigen Theilen genommen, die zum des Menschen gegen sich selbst. zum Leben gehoͤren. Galenus nennt die Kranck- heiten. Verhinderung der Handlung eines Theils im Leibe, zu dessen Hervorbringung es an und vor sich selbst geschickt ist, einen aͤusseren Jr- thum (errorem externum) . Da alle Thei- le des Leibes in dem Zustande sollen erhalten werden, daß sie zu ihrem Gebrauch geschickt sind (§. 112.); so ist der Mensch verbun- den die Gesundheit zu erhalten, und sich vor Kranckheiten zu huͤten; damit er naͤmlich nicht durch seine Schuld in diesel- be verfalle. Wenn es sich aber zutra- gen sollte, daß er kranck wuͤrde; so muß er sich bemuͤhen, daß er wieder gesund werde. §. 114. Der Mensch hat also ein Recht zu Von dem Rechte zu Spei- se, Trauck u. Artz- ney. denjenigen Dingen, die zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit, und zur Wiederherstellung der Gesundheit dienen; folglich weil die Gesundheit ohne Speise uud Tranck nicht erhalten, noch auch immer ohne Artzney wiedererlangt werden kann; so hat er ein Recht zu denen Sa- chen, die zur Speise und zum Tranck, und zur Wiederherstellung der Ge- sundheit dienen, welche letztere man Artz- neyen zu nennen pfleget (§. 46.). Weil wir aber dieses Recht der Gesundheit wegen ha- ben; so muß man Speise und Tranck der Gesundheit halber, und nicht bloß zur Lust zu sich nehmen; folglich muß E 5 man I. Th. 4. H. Von den Pflichten man sich von ungesunder Speise und Tranck, und von uͤbermaͤßigem Essen und Trincken enthalten. Die Trun- ckenheit ist der Zustand, da von uͤbermaͤßi- gem Trincken die Verrichtungen des Gehirns in Unordnung gebracht werden; und folglich der Mensch zuerst des Gebrauchs des Ver- standes, sodann der Einbildungskraft, hier- auf der Sinnen, und endlich gar der Kraft sich zu bewegen beraubt wird. Ein Mensch ist also schuldig die Trunckenheit zu fliehen. §. 115. Von dem Rechte zur Klei- dung. Gleichfalls ist klar, daß man den Leib, der Gesundheit wegen, gegen die Anfaͤlle des Wetters mit Kleidern verwahren muß (§. 113.); und daher hat der Mensch ein Recht zu den Dingen, welche zu Verfertigung der Kleider, die zu die- sem Zweck noͤthig sind, dienen; wie auch zu denen Verrichtungen, oder der Arbeit, wodurch sie verfertiget werden; ingleichen denjenigen Sachen, die dazu noͤthig sind (§. 46.). Es muß aber auch dabey die natuͤrliche Wohlan- staͤndigkeit beobachtet werden (§. 55.). §. 116. Von dem Recht zur Erbau- ung der Haͤuser. Wir wissen aus der Erfahrung, daß die Menschen Haͤuser noͤthig haben, damit sie vor dem Wetter sicher, ihre Arbeiten und Ge- schaͤffte verrichten, Speisen zubereiten, den ermuͤdeten Leib durch den Schlaf erquicken, und des Menschen gegen sich selbst. und die Sachen, die sie noͤthig haben, auf- behalten und verwahren koͤnnen. Daher er- hellet auch leicht, daß die Menschen be- queme Haͤuser erbauen muͤssen; und ihnen von Natur ein Recht zu allem demjenigen zukomme, was zu der Er- bauung derselben noͤthig ist, wie auch zu den Verrichtungen, die zu der Er- bauung erfordert werden. Es muß aber auch hier die natuͤrliche Wohlan- staͤndigkeit beobachtet werden (§. 55.). §. 117. Die natuͤrliche Schoͤnheit nennt man Von der natuͤrli- chen und kuͤnstli- chen Schoͤn- heit und von den Zierra- then des Leibes. diejenige, welche in dem Leibe des Menschen von Natur befindlich ist. Wie aus der Er- fahrung erhellet, so bestehet dieselbe in der Symmetrie, d. i. in der geschickten Ver- haͤltniß der aͤusseren Theile gegen einander und gegen den gantzen Koͤrper; in der Euryth- mie, das ist, in der Aehnlichkeit der Theile, welche zu beyden Seiten sind, und denen mittlern Theilen unaͤhnlich sind; und in der ge- schickten Figur und Farbe derselben. Es wird hingegen die kuͤnstliche genannt, welche dem Leibe durch Menschen-Haͤnde zuwege gebracht wird. Dasjenige ist schoͤn, was uns gefaͤllt; folglich kann die natuͤrliche Schoͤnheit keine andere Absicht haben, als daß man andern gefalle; die kuͤnstliche aber muß den Mangel der natuͤrlichen ersetzen und dieselbe vermeh- ren. Wir sollen deswegen die natuͤr- liche Schoͤnheit erhalten (§. 43.), und wenig- I. Th. 4. H. Von den Pflichten wenigstens ist die kuͤnstliche des Wohl- standes halber nicht unerlaubt (§. 54.). Aus dieser Ursache haben wir von Natur ein Recht zu den Dingen, welche die- nen, dem Koͤrper eine kuͤnstliche Schoͤn- heit zu verschaffen. Man nennt dieselbe Zierrathen (ornamenta); folglich hat der Mensch ein Recht zu den Zierrathen, und zu alle dem, was dazu dienet, Zierrathen zu verfertigen, auch den Verrichtungen, die sie zu verfertigen und zu gebrauchen erfordert werden. §. 118. Von der Gluͤcksee- ligkeit und Un- gluͤcksee- ligkeit. Die Gluͤckseeligkeit (felicitas) ist der Zustand eines dauernden Vergnuͤgens und einer dauernden Freude, welche naͤmlich kein Misvergnuͤgen verursacht, noch darein ver- kehret wird, oder welche unschaͤdlich ist. Die Ungluͤckseeligkeit (infelicitas) aber ist der Zustand des Misvergnuͤgens und der Trau- rigkeit. Die Begierde des Menschen ist von Natur bestimmt, dasjenige zu begehren, wor- an er Vergnuͤgen empfindet; folglich nach der Gluͤckseeligkeit zu streben. Er verabscheuet aber von Natur dasjenige, woraus man Mis- vergnuͤgen empfindet; folglich die Ungluͤcksee- ligkeit. Der Mensch muß also besorgt seyn, daß er gluͤckseelig wird, nicht aber ungluͤckseelig (§. 36.); folglich hat er ein Recht zu demjenigen, was et- was zu seiner Gluͤckseeligkeit beytragen kann (§. 46.). Es erhellet aber selbst aus der des Menschen gegen sich selbst. der Erklaͤrung der Gluͤckseeligkeit, daß man die wahre Gluͤckseeligkeit von der fal- schen, die nur den Schein derselben hat, un- terscheiden muͤße; damit wir nicht, wenn wir begehren gluͤckseelig zu seyn, uns selbst ungluͤckseelig machen. Ferner ist klar, daß man alles Misvergnuͤgen, ob es gleich klein ist, verabscheuen muͤße; weil dassel- be der Gluͤckseeligkeit entgegen. §. 119. Wir leben bequemlich (vitam commo- Vom be- quemli- chen und vergnuͤg- ten Leben. de transigimus), wenn wir dasjenige, was wir zu thun haben, ohne alles Mißvergnuͤgen verrichten koͤnnen, oder dasselbe alles Miß- vergnuͤgen von uns entfernt. Wenn wir aber dasjenige thun, woraus wir ein unschuldiges Vergnuͤgen empfinden, so leben wir ver- gnuͤgt (jucunde vivimus) . Der Mensch muß demnach besorgt seyn, daß er be- quemlich und vergnuͤgt leben moͤge (§. 118.); folglich hat er ein Recht zu allen denjenigen Dingen, die zur Bequem- lichkeit und zum Vergnuͤgen des Le- bens etwas beytragen (§. 46.). §. 120. Das vergaͤngliche Vergnuͤgen (vo- Von der vergaͤng- lichen Lust. luptas transitoria) ist dasjenige, welches nur eine kleine Zeit dauert, und niemahls wieder- koͤmmt; dergleichen ist alles, was die Sin- nen ergoͤtzet. Wenn es unschaͤdlich ist, so traͤgt es zur Gluͤckseeligkeit des Menschen et- was bey; wenn es aber schaͤdlich ist, so be- foͤrdert I. Th. 4. H. Von den Pflichten foͤrdert es die Ungluͤckseeligkeit (§. 118.). Das vergaͤngliche Vergnuͤgen, oder die vergaͤngliche Lust ist also erlaubt, wenn es unschaͤdlich ist; aber uner- laubt, wenn es schaͤdlich ist (§. cit. ). §. 121. Von den Sachen und de- ren Ein- thei- lung. Eine Sache (res) nennen wir ein jedes Ding (ens omne), welches uns nuͤtzlich seyn kann; naͤmlich um das Leben zu erhalten, und vergnuͤgt und bequemlich zu leben; entweder die Vollkommenheit des Leibes und der Seele auf alle Art und Weise zu befoͤrdern, oder die Unvollkommenheit abzuwenden Es ist eine Sache aber entweder koͤrperlich (corpora- lis), welche durch die Sinnen empfunden werden kann, oder unkoͤrperlich (incorpo- ralis), welche durch die Sinnen nicht em- pfunden werden kann, sondern durch den Verstand allein begriffen wird; dergleichen sind die Rechte und die Fertigkeiten der See- le. Es sind dieselben entweder nothwen- dige Sachen (res necessariæ), welche zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit, und um die Seele vollkommen zu machen er- fordert werden; oder nuͤtzliche (res utiles), welche etwas dazu beytragen, daß man be- quem leben und das seine verrichten kann, oder vergnuͤgende (res voluptuariæ), welche nur allein das Vergnuͤgen befoͤrdern, oder zur Lust dienen. Ferner sind einige Sachen blos natuͤrliche (res pure naturales), welche die Natur von sich selbst hervorbringt; andere durch des Menschen gegen sich selbst. durch Fleiß gezogene (res industriales), welche die Natur nicht anders, als durch da- bey angewandten menschlichen Fleiß hervor- bringt; noch andere kuͤnstliche (res artificia- les), welche durch die menschliche Kunst her- vorgebracht werden. §. 122. Es ist leicht begreiflich, daß die noth- Welche Sachen andern vorzu- ziehen sind. wendigen Sachen den nuͤtzlichen und vergnuͤgenden vorzuziehen sind (§. 121.); weil sie von der Haupt-Verbindlich- keit erfordert werden (§. 36.). Die nuͤtzli- chen aber sind den vergnuͤgenden vor- zuziehen; weil die vergnuͤgenden nur die Sinnen ergoͤtzen (§. 121. 129.); und also ihr Gebrauch behutsam angestellet werden muß (§. 120.). §. 123. Die Menschen koͤnnen der nothwendigen Von der hinlaͤng- lichen Anzahl der Sa- chen. Sachen nicht entbehren (§. 121.). Wenn also die Natur dieselben nicht vor sich in einer solchen Menge hervorbringt, als fuͤr alle hinlaͤnglich ist; so muͤßen die Menschen durch ihre Arbeit dieselben vermehren, oder diejenigen, welche die Natur nicht hervorbringt, durch die Kunst verfertigen. Daher fließt die Verbindlichkeit zum Acker- und Garten-Bau, der Wilden Baum- und der Vleh-Zucht ꝛc. Ja, da auch der Gebrauch der nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen erlaubt ist (§. 119. 121.); so muͤssen sich auch die Men- schen I. Th. 4. H. Von den Pflichten schen bemuͤhen, daß es nicht an einer hinlaͤnglichen Anzahl von nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen fehle, wel- che aus dem Vorzuge der nuͤtzlichen beyder- seits zu bestimmen (§. 122.). §. 124. Von der Arbeit. Die Arbeit ist die Muͤhe, welche man auf die Hervorbringung von koͤrperlicher und un- koͤrperlicher Sachen, und zur Befoͤrderung der Bequemlichkeit, des Vergnuͤgens und des Wohlstandes anwendet: der Mißigang bestehet in Unterlaßung der Arbeit. Men- schen sind verbunden so wohl koͤrperliche (§. 123.), als unkoͤrperlicher Sachen hervorzu- bringen (§. 108. 110. 121.); derowegen muß jeder Mensch arbeiten, und keiner darf muͤßig gehen; in so fern aber man auf die Gesundheit zu sehen hat (§. 113.), muß man zu viele Arbeit, daß ist, die mit Schaden der Gesundheit vorgenommen wird, und zu schwere Arbeit, zu welcher unsere Kraͤfte kaum zu reichen, vermeiden; und in so fern man in allen seinem Thun und Lassen recht verfahren muß (§. 52.), seine Arbeit recht verrichten; folglich davor sorgen, daß den kuͤnstlichen Sachen nicht die gehoͤrige Vollkommenheit fehle (§. 11. 16.); auch zu dem Ende, al- len noͤthigen Gebrauch der Kraͤfte zu erlangen, trachten. Und weil gar vieler- ley Arbeit ist, dazu eines einigen Menschen Kraͤfte nicht zureichen, die Menschen aber verbun- des Menschen gegen sich selbst. verbunden sind mit vereinigten Kraͤften sich und ihren Zustand zu verbessern (§. 44.); so muß ein jeder die Arbeit erwaͤhlen, wozu er seine Kraͤfte hinreichend be- findet, folgends die Lebensart, wozu er geschickt ist, das ist, denjenigen Stand, darinnen er seine Zeit mit Arbeit zubringt, welche recht zu verrichten er den noͤthigen Ge- brauch der Kraͤfte vermoͤge seiner natuͤrlichen Faͤhigkeiten und Neigungen, zu erlangen im Stande ist. §. 125. Anderer Personen Urtheil von unserer Voll- Von der Hochach- tung, dem Lobe und der Ehre. kommenheit wird die Hochachtung (existi- matio) genannt. Entdeckt man dieselbe mit Worten, so heist es das Lob; giebt man sie durch andere aͤusserliche Handlungen zu verstehen, die Ehre. Daher erhellet, daß Lob und Ehre nicht in unserer Ge- walt sey (§. 60.), und daß einen nie- mand von sich selbst loben und ehren koͤnne, als der von sich selbst ein wah- res Urtheil von des andern Vollkom- menheit faͤllen kann. Jedoch weil wir verbunden sind uns und unseren Zustand voll- kommener zu machen (§. 43.); so muͤssen wir uns bemuͤhen, daß wir der Hoch- achtung, folglich des Lobes und der Ehre wuͤrdig seyn. Und weil die Voll- kommenheit der Seele in der Fertigkeit des Verstandes und Willens, so wir dem Gesetze der Natur gemaͤß zu erlangen uns bemuͤhen Nat. u. Voͤlckerrecht. F sollen I. Th. 4. H. Von den Pflichten sollen (§. 106.), bestehet, wovon jene die Tugen- den des Verstandes (virtutes intellectuales), diese die sittliche Tugenden (virtutes mo- rales), oder auch, ohne Zusatz, die Tugen- den genannt werden; so bringet nichts als die Tugenden des Verstandes und die sittliche Tugenden, welche durch un- sere Wercke und Worte angezeiget werden, folglich das Gute der Seele (§. 104.), ei- ne wahre Hochachtung, Lob und Eh- re zuwege; das Gute des Leibes und die Guͤter des Gluͤcks aber bringen die- selben nicht zuwege, als nur in so weit, als dieselbe durch die Tugenden erlan- get worden. Und demnach sind sie nur ei- ne Gelegenheit zur Hochachtung, Lob und Ehre. §. 126. Vom Ruf. Der Ruf (fama) ist die gemeine Rede der Menschen von der Vollkommenheit, oder Unvollkommenheit eines Menschen; folglich von den Worten und Wercken, welche die- selben anzeigen. Also ist der Ruf entweder gut oder boͤse. Weil der Mensch sich im- mer vollkommener machen soll (§. 43.), und in allem seinem Thun recht verfahren (§. 52.); so muß er sich bemuͤhen einen guten Nahmen, oder Ruf zu haben, und zwar mit Recht, auch denselben be- staͤndig zu erhalten suchen, das ist, sich sorgfaͤltig in Acht nehmen, daß er denselben nicht beflecke, damit nicht der gute Ruf in einen des Menschen gegen sich selbst. einen schlimmen verwandelt werde; folglich wenn er etwas gethan hat, das dem guten Ruf zuwieder ist; so muß er durch das Gegentheil denselben wieder zu erlangen suchen. §. 127. Das uͤbereinstimmende Lob rechtschaffener Von dem Ruhme. und verstaͤndiger Maͤnner, oder derer die richtig urtheilen, heist der Ruhm (gloria). Was wir also von dem Lobe gesagt haben, gilt auch von dem Ruhme. §. 128. Da Lob und Ehre nicht in unserer Gewalt Daß man Lob und Ehre nicht be- gehren muͤsse. stehen (§. 125.), wir aber nach Absichten handeln sollen; so muͤssen wir Lob und Ehre nicht zu einer Absicht bey unsern Handlungen machen; sondern es an- dern uͤberlassen, ob sie uns loben und ehren wollen (§. 78.); folglich muͤs- sen wir nach Lob und Ehre nicht streben, vielweniger uns selbst lo- ben. §. 129. Da der Mensch sich selbst, seiner Seele, sei- Wie das Urtheil von nns und un- serm Zu- stand be- schaffen seyn muß. nem Leibe und seinem Zustande nach, erkennen soll (§. 105.); so muß das Urtheil von den Guͤtern seiner Seele, seines Leibes und des Gluͤcks wahr seyn: er muß auch bey denselben nicht seinem Fleiß und seinen Bemuͤhungen zuschreiben, was der Natur, dem Gluͤck und an- dern zugeeignet werden muß, und er F 2 ist I. Th. 4. H. Von den Pflichten ist nicht weniger schuldig, seine Un- vollkommenheit, als seine Vollkom- menheit zu erkennen; weil er sonst seiner Verbindlichkeit kein Genuͤge leisten kann (§. 43.). Weil aber selbst durch die Natur des Menschen, aus der Empfindung der Voll- kommenheit das Vergnuͤgen entstehet; so ist das Vergnuͤgen, welches aus seiner und seines Zustandes Vollkommenheit entstehet, nicht unerlaubt (§. 49. 37.). §. 130. Von den Pflichten des Men- schen in Absicht auf das Gluͤck. Das Gluͤck (fortuna) ist der Jnbegriff aller Ursachen, die zusammenkommen, und eine vor uns gute oder schlimme Wuͤrckung hervorbringen, die man nicht voraus sehen koͤnnen. Es ist also das Gluͤck entweder das gute Gluͤck (secunda), oder das wiedri- ge (adversa) . Jenes nennen wir im Deut- schen schlechterdinges das Gluͤck, dieses aber das Ungluͤck. Da wir nun das Gluͤck nicht in unserer Gewalt haben (§. 60.), und die Er- fahrung uns lehret, daß es sehr veraͤnderlich ist; so muͤssen wir dem Gluͤck, wenn es uns guͤnstig ist, nicht zu viel trauen, und im Ungluͤcke nicht am besseren Gluͤcke zweifeln; folgends sind wir ver- bunden das Ungluͤck mit gelaßnem Gemuͤth zu ertragen; damit wir nicht durch unsere Schuld ungluͤckseelig werden (§. 118. 17.). Damit also nicht die wiedrigen Zufaͤlle, die uns wieder Vermuthen begegnen, das Gemuͤthe beunruhigen; so muͤssen wir die des Menschen gegen sich selbst. die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in unserer Gewalt stehen, als Dinge an- sehen, die geschehen und von uns nicht vermieden werden koͤnnen. Und hierin bestehet die Zubereitung auf die zukuͤnf- tigen Faͤlle. §. 131. Da die natuͤrliche Verbindlichkeit so noth- Von der Vermei- dung der Gefahr. wendig ist (§. 38.), daß kein Mensch von derselben befreyt werden kann (§. 42.); so muß sich kein Mensch durch die Furcht eines Uebels abschrecken lassen, das zu thun, was dem Gesetze der Natur gemaͤß ist; sich auch nichts zu thun be- wegen lassen, was dem Gesetze der Natur zuwieder ist. Weil wir aber auch alle Gefahr von uns und unserem Zustande abwenden sollen (§. 43.); so muß auch nie- mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit dazu antreibt, sich in Gefahr begeben, z. E. das Leben oder gesunde Gliedmassen zu verliehren, oder seinen Zustand unvollkom- mener zu machen. Was man in einem be- sondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah- me, die man machen muß, wenn Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.). §. 132. Die Selbstliebe (amor proprius) ist die Von der Selbst- liebe und ihrer Be- weisung. Beschaffenheit des Gemuͤths, aus seiner eige- nen Gluͤckseeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin- den. Die Ausuͤbung derselben (dilectio sui) ist ein bestaͤndiger und dauernder Wille, F 3 mit I. Th. 5. H. Von den Pflichten mit allem Fleiß sich dahin zu bestreben, daß wir gluͤckseelig seyn moͤgen; und folglich sich in acht zu nehmen, daß wir nicht ungluͤcksee- lig werden. Da der Mensch sorgfaͤltig seyn sol, daß er gluͤckseelig und nicht ungluͤckseelig werde (§. 118.); so muß er sich selbst lieben. Die Begierde des Menschen ist uͤberhaupt zur Gluͤckseeligkeit bestimmt; auch das Gemuͤth des Menschen ist natuͤrlicher Weise geneigt, ein Vergnuͤgen aus seiner ei- genen Gluͤckseeligkeit zu empfinden (§. cit. ); also ist die Selbstliebe nicht unerlaubt (§. 49. 37). Es muß dieselbe aber doch durch die Vernunft regiert werden, daß man nicht die scheinbahre Gluͤck- seeligkeit mit der wahren verwechselt (§. 43. 118.). Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von den Pflichten des Menschen gegen andere, und den Rechten, die mit denselben verbunden sind. §. 133. Von der Ueber- einstim- mung der Pflichten gegen sich selbst und gegen andere. D a der Mensch verbunden ist, nicht al- lein sich und seinen Zustand vollkom- mener zu machen, und die Unvollkom- menheit abzuwenden (§. 43.); sondern auch zur Vollkommenheit des andern und seines Zustandes, wenn der andere seiner Huͤlfe noͤ- thig hat, so viel als ihm moͤglich, beyzutragen, und des Menschen gegen andere. und alles dasjenige zu unterlassen, wodurch der andere und sein Zustand unvollkommener gemacht wird (§. 44.); so ist jeder Mensch einem jeden, er sey wer er wolle, eben das schuldig, was er sich selbst schul- dig ist; doch in so fern es nicht schon in des andern Vermoͤgen allein stehet, und er es, ohne die Pflichten gegen sich selbst zu verabsaͤumen, dem andern leisten kann. Folglich sind die Pflichten des Menschen gegen andere mit den Pflichten gegen sich selbst einerley (§. 57.). Es muͤssen also dieselben auch bey an- dern angewandt werden. §. 134. Ein jeder Mensch muß also dem an- Wir muͤssen andern behuͤlflich seyn Gu- tes zu er- langen. dern, so viel in seinem Vermoͤgen ste- het, helfen, daß er, was ihm an Seele und Leibe gut, und zu seinem Gluͤcke dienet, erlange (§. 104.); und folglich verhuͤten, daß andere nicht in Uebel an Seele und Leib, oder in Ungluͤck verfallen (§. 51.). Und weil das Gesetz der Natur die Huͤlfe nicht auf gewisse Guͤter einschrencket; so muͤssen wir dem andern unsere Huͤlfe nicht versagen, auch mehr Gutes zu erlangen, als wir selbst ha- ben. Da nun dieses nicht geschehen kann, wenn wir den andern wegen des Guten be- neiden; so muͤssen wir auch niemanden das misgoͤnnen, was wir nicht ha- F 4 ben. I. Th. 5. H. Von den Pflichten ben. Es streitet der Neid, oder die Mis- gunst, selbst mit der Natur des Menschen (§. 39. 44.). §. 135. Ob die natuͤrli- che Ver- bindlich- keit durch andere gegensei- tige Hand- lungen aufgeho- ben wird. Die natuͤrliche Verbindlichkeit ist gaͤntzlich unveraͤnderlich (§. 38.). Wenn also ein anderer der natuͤrlichen Verbindlichkeit kein Genuͤgen leistet, so ist es uns des- wegen nicht erlaubt ihr auch kein Ge- nuͤgen zu leisten; folglich ist es nicht er- laubt, die Uebertretung des Rechts der Natur durch das Exempel ande- rer zu bescheinigen; und es hoͤrt des- wegen die Verbindlichkeit, gegen je- mand anders eine Pflicht auszuuͤben, nicht auf, wenn er seine Pflicht gegen uns nicht erfuͤllet. Weil dieses auch von denjenigen Pflichten zu verstehen ist, welche durch das Gesetze verbothen sind; so sind wir auch Liebesdienste denen zu er- weisen schuldig, die uns beleidigen (§. 88.). §. 136. Von der Liebe und Bewei- sung der- selben ge- gen an- dere. Die Pflichten des Menschen gegen andere sind mit den Pflichten gegen sich selbst einer- ley (§. 133.). Derowegen muß ein jeder einen bestaͤndigen und dauernden Wil- len haben, die Vollkommenheit und Gluͤckseeligkeit eines jeden andern Men- schen, er sey wer er wolle, zu befoͤrdern (§. 43. 118.); folgends, da in diesem Willen die Beweisung der Liebe gegen andere (dile- des Menschen gegen andere. (dilectio) bestehet, in der Beschaffenheit des Gemuͤths aber aus des andern Gluͤckseeligkeit Vergnuͤgen zu schoͤpffen, die Liebe (amor), soll ein jeder den andern als sich selbst lieben, und ihm dieselbe auf alle Art und Weise beweisen (§. 132.), nieman- den aber hassen (§. 51.). §. 137. Wer uns liebt, heist unser Freund; wer Wer Freund, wer Feind, u. von der Liebe der Feinde. uns hasset, der Feind. Wir muͤssen also jedermanns Freund, und niemanden feind seyn (§. 136.). Und weil die Pflich- ten gegen andere dadurch nicht aufgehoben werden, weil sie dieselbe gegen uns unterlas- sen (§. 135.); so muͤssen wir auch unse- re Feinde lieben, wie uns selbst, und ih- nen keinen Liebesdienst versagen (§. 136.), vielweniger sie gar hassen. §. 138. Weil alle Menschen gegen einander Freun- Von der Bemuͤ- hung Freund- schafft zu halten. de seyn sollen (§. 137.); so muß sich auch ein jeder bemuͤhen, daß er sich andre nicht zu Feinden mache, sondern daß er anderer Freundschafft erlange und behalte. Jedoch da niemand von der natuͤr- lichen Verbindlichkeit befreyt werden kann (§. 42.); so doͤrffen wir aus Freundschafft nichts thun, was dem Gesetze der Na- tur zuwieder ist. §. 139. Die Vollkommenheit der Seele besteht in Daß man an- dern ein den Tugenden, die ihren Sitz so wohl im Ver- F 5 stande, I. Th. 5. H. Von den Pflichten Exempel geben muß. stande, als im Willen haben (§. 106. 125.). Wir muͤssen also fleißig seyn, dieselben bey anderen fortzupflantzen, andere durch unser Exempel die Tugenden lehren, wie auch sie zur Ausuͤbung der- selben aufmuntern (§. 136.), folglich an- dern gute Exempel geben, wodurch naͤmlich wir andere die Tugenden lehren, und sie zu fleis- siger Ausuͤbung derselben aufmuntern; aber boͤse Exempel, wodurch wir andere die La- ster lehren, und sie zur Ausuͤbung derselben anreitzen, unterlaßen (§. 51.), nieman- den zu Lastern verfuͤhren (§. cit. ). §. 140. Daß man die Voll- kommen- heit an- derer nicht ver- hindern solle. Weil wir die Handlungen unterlassen sol- len, wodurch ein anderer oder sein Zustand unvollkommener gemacht wird, wie auch zu seiner Vollkommenheit so viel beytragen, als wir koͤnnen (§. 44.); so muß niemand ver- hindern, daß der andere eine Vollkom- menheit erhalte; man muß auch nicht eine dritte Person verhindern, ihm zu derselben zu verhelfen. Dieses ist von allen und jeden Guͤtern der Seele, des Lei- bes und des Gluͤcks zu verstehen (§. 134.). Es ist auch klar, daß niemand die Ab- wendung des Uebels an Seele und Leib und des Ungluͤcks von andern, oder Befreyung davon, verhindern soll; vielweniger entweder selbst, oder durch andere ihn eines Guten berau- ben (§. cit. ). §. 141. des Menschen gegen andere. §. 141. Weil die Pflichten des Menschen gegen Von der Sorge fuͤr des andern Leib. andere mit den Pflichten gegen sich einerley sind (§. 133.); so muß niemand die Glied- massen eines andern auf einige Weise verletzen, oder ihn eines Gliedes be- rauben, oder dasselbe unbrauchbar ma- chen, noch auch der Gesundheit des andern auf einige Weise schaden; son- dern sein Leben und seinen Leib, so viel an ihm ist, erhalten, nicht weni- ger, wenn er kranck ist, sorgen, daß er wieder gesund werde (§. 112.); folg- lich muß er niemanden des Lebens berau- ben, oder ihn toͤdten (§. 51.), daß solcher- gestalt ein jeder Todtschlag, der vorsetzli- cher Weise, oder aus Versehen begangen wird (§. 17.), wovon jener ein vorsetzlicher, dieser ein unvorsetzlicher genannt wird, von Natur unerlaubt ist (§. 49). Und weil niemand das Recht hat, sich selbst des Lebens zu berauben (§. 112.); so ist es auch nicht er- laubt, einen andern, wenn er es auch haben will, zu toͤdten. §. 142. Aus eben dem Grunde erhellet, daß wir Wie man vor den guten Na- men eines andern sorgen soll. auch vor den guten Nahmen eines an- dern Sorge tragen sollen (§. 126. 133.). Da nun ein guter Ruf in der gemeinen Rede der Menschen von der Vollkommenheit ande- rer, und folglich ihrem Thun und Lassen be- stehet (§. 126.); so muͤssen wir nicht al- lein I. Th. 5. H. Von den Pflichten lein einen jeden so hoch achten, als er es verdient; sondern ihm auch die ge- buͤhrende Ehre und das verdiente Lob geben (§. 125.); folglich muͤssen wir nie- manden seinen ehrlichen Nahmen kraͤn- cken, noch jemanden die gebuͤhrende Hochachtung und Ehre, noch das ver- diente Lob versagen, d. i. noch vermindern (§. 51.); vielweniger mit Vorsatz falsche Sachen von andern zu Kraͤnckung seiner Eh- re ausbreiten und bekannt machen, das ist, andere verlaͤumden. §. 143. Von der Jnjurie im enge- ren Ver- stande. Die Verletzung oder Kraͤnckung der Ehre oder des guten Nahmens eines andern, sie mag geschehen, auf was Art und Weise sie will, neñt man eine Jnjurie, oder einen Schimpf (injuria specialiter dicta) . Sie heist eine Real-Jnjurie (realis), wenn sie durch eine Handlung; eine Verbal-Jnjurie (verba- lis), wenn sie mit Worten geschieht. Es darf also niemand den andern injurii- ren oder schimpfen (§. 142.). §. 144. Vom Recht, welches wir wie- der die Personen haben, die uns schim- pfen. Daher haben wir das Recht, daß man geschimpft wird, nicht zu leiden (§. 89.); welches uns also von Natur zukoͤmmt. Wir schliessen also auf eben die Weise, wie vorher (§. 90. 92. und 93.), daß wir das Recht haben, unsere Ehre und guten Nahmen zu vertheidigen, und den, welcher uns schimpft, zu stra- fen; des Menschen gegen andere. fen; folglich diejenige Handlungen er- laubt sind, ohne welche der gute Nah- me nicht vertheidiget, und die Absicht der Strafe nicht erhalten werden kann. Es besteht aber diese Absicht darinn, daß wir den Sinn desjenigen, welcher uns schimpft, aͤndern, und zugleich andern eine Furcht ein- jagen wollen, welchen die Lust ankommen koͤnte uns zu schimpfen (§. 92). §. 145. Der Hochachtung wird die Schande ent- Von der Schande. gegen gesetzet, welche in einem Urtheile an- derer von unserer Unvollkommenheit bestehet; folglich koͤmmt die wahre Schande nicht anders, als von den Lastern her, und also aus den Handlungen, welche die- selbe verrathen, wie auch aus dem Mangel der Tugenden des Verstandes (§. 125.), in so fern wir Schuld daran haben (§. 17.). Und dieses gilt auch von den Gebrechen des Leibes und den Kranckheiten, und dem Ungluͤcke. Ja die Gluͤcksguͤter gereichen uns zur Schande, in so ferne wir durch La- ster dazu gelanget. §. 146. Die Verachtung (contemtus) nennt Von der Verach- tung, der Beschim- pfung, den Laͤ- sterun- man eine jede aͤussere Handlung, durch welche man anzeigt, daß der andere des Lobes und der Ehre unwuͤrdig sey. Die Beschimpfung (contumelia) ist eine aͤussere Handlung, wo- durch wir dem andern seine Unvollkommenhei- ten, I. Th. 5. H. Von den Pflichten gen, dem Tadeln. ten, mit dem Vorsatz ihn zu beschimpfen (ani- mo ignominia afficiendi), vorwerffen und verweisen. Der Tadel (vituperium) ist ei- ne Rede, wodurch wir andern den Mangel einer Vollkommenheit schuld geben. Es er- hellet leicht, daß man niemand verach- ten soll, und daß alle Beschimpfungen und Laͤsterungen, auch alles Tadeln ein Schimpf, folglich natuͤrlich uner- laubt sey (§. 143.). §. 147. Welchem Recht die uͤblen Ur- theile von an- dern zu- wieder sind. Weil, nach der natuͤrlichen Freyheit, man einem jeden erlauben muß, daß er in der Be- stimmung seiner Handlungen seinem Urtheile folge, und er nicht schuldig ist, jemand anders Rechenschafft von denselben zu geben, so lan- ge er nicht thut, was dem Rechte des andern zuwieder ist (§. 78.); so sind die uͤbeln Ur- theile von anderer Handlungen, man mag sie durch Worte, oder Wercke zu erkennen geben, so lange nichts, was unserm Recht zuwieder ist, geschieht, der natuͤrlichen Freyheit zuwieder; folglich schließt die natuͤrliche Freyheit das Recht in sich, andere dazu anzu- halten, daß sie nicht uͤbel von uns re- den, das Urtheil mag wahr, oder falsch seyn. §. 148. Von dem Verlust seines ehrlichen Namens. Der Verlust des ehrlichen Nahmens (infamia) ist die allgemeine Meinung der Menschen von eines andern Lastern, die wir oben des Menschen gegen andere. oben den uͤbeln Ruf genannt haben (§. 126.). Da wir nun darauf zu sehen haben, daß wir einen guten Ruf oder guten Nahmen haben (§. cit. ); so muͤssen wir uns vor dem Verlust eines ehrlichen Nahmens huͤ- ren: und weil wir auch fuͤr den guten Nah- men eines andern Sorge tragen sollen (§. 142.); so muͤssen wir niemanden seinen ehrli- chen Nahmen beflecken (infamiam ad- spergere) . Daraus ist ferner klar, daß nur die Handlungen, welche von den La- stern kommen, unserm ehrlichen Nah- men schaden (infamare), und uns dar- um bringen. §. 149. Ein Pasquill, Schmaͤhschrift (libel- Von Pasquil- len. lus famosus) nennt man eine Schrifft, durch welche andern ehrenruͤhrige Handlungen schuld gegeben werden. Da der Urheber derselben, er mag verborgen seyn, oder seinen Nahmen gemeldet haben, den andern um seinen ehrli- chen Nahmen bringet; so sind Pasquille von Natur unerlaubt (§. 148.). §. 150. Weil wir fuͤr den guten Nahmen an- Von der Beschuͤ- tzung des ehrlichen Namens anderer. derer besorgt seyn sollen (§. 142.); so muͤs- sen wir denselben wieder Verlaͤumder und Laͤsterer vertheidigen, so viel in unserer Gewalt stehet. Es sind aber die Verlaͤumder von den Laͤsterern unterschieden. Die Verlaͤumder (calumniatores) streuen falsche Dinge aus, mit dem Vorsatz, den an- dern I. Th. 5. H. Von den Pflichten dern um seinen ehrlichen Nahmen zu brin- gen. Die Laͤsterer (obtrectatores) streuen Dinge aus, die dem Lobe des andern zuwie- der sind. §. 151. Von dem Recht andere zu verthei- digen, u. ihnen bey der Be- strafung zu helfen. Der Mensch hat das Recht, nicht zu dul- den, daß ihn jemand beleidige (§. 89.), und also sich gegen die Beleidigung, die man ihm zufuͤgen will, zu wehren (§. 90.), und denje- nigen, welcher ihn wuͤrcklich beleidiget hat, zu strafen (§. 93.). Da wir nun andern eben dasjenige schuldig sind, was wir uns selbst schuldig sind (§. 133.), und die Rechte uns von Natur gegeben sind, um der Verbind- lichkeit ein Genuͤge zu leisten (§. 46.); so haben wir auch das Recht nicht zu lei- den, daß einer von andern beleidiget werde; ihn gegen eine Beleidigung, die man ihm zufuͤgen will, zu verthei- digen, und den Beleidiger zu strafen, wenn der andere unserer Huͤlfe dazu noͤthig hat. §. 152. Von der Huͤlfe im Kriege. Der Krieg bestehet (§. 98.) in der Ver- theidigung seiner, oder daß man sich gegen Gewalt wehret, in der Bestrafung anderer, und in der gewaltsamen Behauptung seines Rechts, um dasjenige zu erhalten, wozu uns der andere vollkommen verbunden ist, und es uns nicht gewehren will; welche letztere der Ver- theidigung aͤhnlich ist (§. 90. 88.). Es ist also von Natur erlaubt, einem andern, der das des Menschen gegen andere. das Recht zum Kriege auf seiner Sei- te hat, im Kriege zu helfen, wenn er unserer Huͤlfe bedarf. §. 153. Uns koͤmmt das Recht zu, denjenigen zu Von der Schuld der Stea- fe und dem Ver- dienten in der- selben. strafen, der uns wuͤrcklich beleidiget hat (§. 93.), und dieser ist verbunden die Strafe zu erdulden. Jn dieser Verbind- lichkeit bestehet die Schuld der Strafe (reatus), von der, wenn man genauer die Sache ansehen will, man das Verdiente in der Strafe (meritum pœnæ s. demeritum) unterscheiden muß, daß man es vor die Be- schaffenheit einer Handlung nimmet, aus wel- cher der Beleidigte das Recht erhaͤlt, den Be- leidiger zu strafen, dem von Seiten des Be- leidigers entgegen gesetzt ist die Verbindlich- keit, die Strafe zu erdulden; oder welche ihn der Strafe wuͤrdig macht. Gewoͤhnlicher weise wird die Schuld der Strafe von dem Verdienten in der Strafe nicht unterschieden. §. 154. Eine Handlung, wodurch man ge- Von Hand- lungen, dadurch man ge- kraͤncket wird. kraͤncket wird, oder Kraͤnckung (offen- sa), ist entweder eine begangene, oder unter- lassene Handlung, woraus der andere einen Verdruß mit Recht empfindet. Da dieselbe der Gluͤckseeligkeit zuwieder ist, die wir auch bey andern zu befoͤrdern schuldig sind (§. 136.); so doͤrfen wir niemanden kraͤncken, oder ihm etwas zuwieder thun. Weil nun niemand von der natuͤrlichen Verbindlichkeit Nat. u. Voͤlckerrecht. G befreyt I. Th. 5. H. Von den Pflichten befreyt werden kann (§. 100.), und man ei- nem jeden erlauben muß sich seines Rechts zu bedienen (§. 66.); so ist es keine Kraͤn- ckung, sondern wird faͤlschlich davor angenommen, wenn einer das thut, wozu er verbunden ist, oder was er mit Recht thun kann. §. 155. Võn der Rache. Weil wir niemanden hassen sollen (§. 136.), der Haß (odium) aber in der Gemuͤths- Verfassung bestehet, aus des andern Ungluͤck- seeligkeit, oder Verdruß und Traurigkeit (§. 118.) ein Vergnuͤgen zu empfinden; so darf auch niemand dem andern Ver- druß verursachen: und da diese Verbind- lichkeit durch eines andern gegenseitige Hand- lung nicht aufgehoben wird (§. 135.); so duͤrfen wir auch niemanden Verdruß erwecken wollen, weil er uns gekraͤn- cket; folglich muͤßen wir dem andern nichts Boͤses thun, der uns etwas Boͤ- ses gethan hat, oder Boͤses mit Boͤsem vergelten. Die Rache (vindicta) nennt man alle Handlungen, durch welche man Boͤ- ses mit Boͤsem vergilt, und die Rachgier (cupiditas vindictæ) die Begierde dem an- dern Verdruß zu verursachen, der uns gekraͤn- cket hat. Daher ist klar, daß die Rache unerlaubt sey, und daß wir ein von al- ler Rachgier befreytes Gemuͤthe ha- ben muͤssen; folglich daß dasselbe auch bey der Ausuͤbung des uns zukommen- den des Menschen gegen andere. den Rechts zu strafen und sich gegen Gewalt zu wehren, nicht statt finden duͤrfe (§. 90. 93.). Derowegen haben wir bey den Strafen und Vertheidigun- gen nicht zur Absicht, dem andern Ue- bels zuzufuͤgen; sondern in dem ersten Fall, die kuͤnftige Sicherheit; in dem andern Fall, die Vertreibung einer her- annahenden Beleidigung (§. 90. 91. seqq. ). §. 156. Die Wiedervergeltung (talio) heist Von der Wieder- vergel- tung. die gleiche Rache, da einer naͤmlich ein so großes Uebel leidet, als er dem andern angethan hat. Da alle Rache unerlaubt ist (§. 155.), so ist auch die Wiedervergeltung unerlaubt; folglich giebt es von Natur kein Wieder- vergeltungs-Recht (jus talionis) (§. 49.); und daher muß man bey den Strafen nicht auf die Wiedervergeltung sehen; folgends muß der, welcher einen andern getoͤdtet hat, nach dem natuͤrlichen Rechte, eben nicht am Leben gestrafer werden. §. 157. Der verzeihet oder vergiebt eine Von der Verzei- bung der Kraͤn- ckungen und Er- lassung der Stra- se. Kraͤnckung (offensam condonat), welcher alle Begierde zur Rache fahren laͤßt. Da nun das Gemuͤth von aller Rache entfernt seyn soll (§. 155.); so muͤssen wir zum Verzeihen willig und bereir seyn. Al- lein weil man ohne Rachgier strafen kan und G 2 soll I. Th. 5. H. Von den Pflichten soll (§. cit. ); so enthaͤlt die Verzeihung der Kraͤnckung, oder dessen, was man ei- nem zuwieder gethan, nicht den Erlaß der Strafe, oder die Unterlaßung des Ge- brauchs seines Rechts zu strafen. Aber aus eben der Ursache muß man zu keiner haͤr- teren Strafe schreiten, wo man die Absicht derselben durch eine gelindere erhalten kann: ja man muß die Strafe erlassen, wenn ohne dieselbe die Ab- sicht erreicht werden kann. §. 158. Von der Maͤßi- gung sich zu weh- ren. Da auf eine gleiche Weise, wenn man sich wehret, man zur Absicht hat, eine vorhabende Beleidigung abzuwenden, aber nicht dem andern Schaden zuzufuͤgen (§. 155.), und man aus den vorkommenden Umstaͤnden diejenigen Handlungen, welche erlaubt sind, um die Beleidigung abzuwenden, bestimmen muß (§. 90.); so muß man, wenn die Beleidigung durch gelindere Mittel abgewandt werden kan, nicht haͤrtere gebrauchen. §. 159. Von dem, was im Krie- ge er- laubt. Und weil der Krieg gefuͤhrt wird, unser Recht zu beschuͤtzen und zu erhalten (§. 98.); so ist im Kriege so viel Gewalt erlaubt, als noͤthig ist, unser Recht zu erhal- ten, und den Wiederstand zu uͤberwin- den, den man wieder eine gerechte Ge- walt des Menschen gegen andere. walt anwendet. Auf diese Weise wird, was im Kriege erlaubt ist, von dem unterschie- den, was nicht erlaubt ist. Das sechste Hauptstuͤck. Von den Pflichten gegen GOtt. §. 160. E s ist gewiß, daß nicht allein die natuͤr- Von den freyen Hand- lungen, die durch Bewe- gungs- gruͤnde, die von den goͤtt- lichen Ei- genschaf- ten her- genom- men sind, bestimmt werden sollen. lichen Handlungen des Menschen, son- dern auch alle uͤbrigen Dinge in der Welt also bestimmt werden, daß man daraus schliessen kann, was vor Eigenschafften GOtt zukommen. Da nun die freyen Handlungen auf eben diese Weise, wie die natuͤrlichen, be- stimmt werden sollen (§. 43.), und diese Hand- lungen von dem Willen des Menschen herruͤh- ren, der durch Bewegungsgruͤnde bestimmt werden muß (§. 1. \& cit. ); so muß auch der Mensch alle seine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den Eigenschaften GOttes hergenom- men werden, bestimmen. Und daraus verstehet man, wie die Vollkommenheit des Menschen darinnen bestehet, daß er geschickt ist GOtt vorzustellen, als ein Spiegel der goͤtt- lichen Vollkommenheiten (§. 112.); folglich enthaͤlt die natuͤrliche Verbindlichkeit, unsere freye Handlungen dergestalt einzurichten, daß unsere Vollkommen- heit dadurch befoͤrdert wird, zugleich G 3 die I. Th. 6. H. Von den Pflichten die Verbindlichkeit in sich, sie durch Bewegungsgruͤnde zu bestimmen, die von den goͤttlichen Eigenschaften her- genommen sind (§. 43.). §. 161. Von der Befoͤr- derung der Ehre Gottes. Wer seine freyen Handlungen durch Be- wegungsgruͤnde bestimmt, die von den goͤtt- lichen Eigenschaften hergenommen sind, der richtet sie zur Ehre Gottes ein (§. 127. 125.). Derowegen da man diese Einrichtung seiner Handlungen zur Ehre Gottes die Befoͤrde- rung der Ehre Gottes (illustrationem gloriæ divinæ) nennet; so ist der Mensch verbunden, die Ehre Gottes zu befoͤr- dern (§. 160.). §. 162. Von der Einrich- tung der Hand- lungen zur Voll- kommen- heit der Welt. Und weil man auf eben diese Weise verste- het, daß die Vollkommenheit dieser ganzen Welt darinnen bestehet, daß sie geschickt ist, Gott vorzustellen, oder ein Spiegel der goͤtt- lichen Vollkommenheit zu werden; folgends daraus klar ist, daß wer seine Handlungen zur Ehre Gottes einrichtet, dieselben auch zur Vollkommenheit der ganzen Welt einrichtet (§. 160. 161.); so ist der Mensch von Natur verbunden, seine Handlungen zur Vollkommenheit der gantzen Welt einzurichten. Und daher erhellet, daß die Handlungen, die dem Gesetz der Natur zuwieder sind, oder die Suͤnden, die Welt, das Werck Gottes, verstellen. §. 163. gegen Gott. §. 163. Weil der Mensch verbunden ist, seine Von der Erkennt- nis Got- tes. Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den goͤttlichen Eigenschaften hergenom- men sind, zu bestimmen (§. 160.); so ist er verbunden, Gott zu erkennen; folglich, da von uns die Eigenschaften Gottes, durch die Betrachtung der Welt und desjenigen, was in derselben ist und darinnen geschiehet, er- kannt werden; so muͤssen wir so wohl die Welt und dasjenige, was in derselben ist und geschieht, als auch uns selbst und unsere natuͤrliche Handlungen be- trachten, und von denselben muß sich das Gemuͤth zu Gott erheben. Des- wegen aber hat der Mensch ein Recht zu allen Handlungen, durch welche die Erkenntnis der natuͤrlichen Dinge befoͤrdert wird, wie auch zu dem Ge- brauch aller Dinge, die dazu dienen. Da wir eben andern das schuldig sind, was wir uns selbst schuldig sind (§. 133.); so muͤssen wir auch andere zur Erkennt- nis Gottes bringen, so viel in unserem Vermoͤgen stehet. §. 164. Gott will, daß wir unsere Handlungen Von der allgemei- nen Be- stimmung des Wil- lens und Nicht- Wollens. nach dem Gesetz der Natur einrichten sollen (§. 41.). Derowegen muͤssen wir sie nach demselben einrichten; weil Gott will, daß die- ses geschehe (§. 160.). Derowegen muß der Wille des Menschen uͤberhaupt be- G 4 stimmt I. Th. 6. H. Von den Pflichten stimmt werden, das zu thun, was Gott haben will; und das Nicht-Wollen, dasjenige zu unterlassen, was Gott nicht haben will, und solchergestalt muß so wohl der Wille, als das Nicht- Wollen bestaͤndig und dauernd seyn, das ist, in einem jeden vorkommenden Falle, unbeweglich und in allen immer einerley. §. 165. Von der Verdun- ckelung Ehre Gottes. Die Verdunckelung der Ehre Got- tes (obscuratio gloriæ divinæ) ist eine An- zeige, die entweder durch Worte oder durch Wercke geschieht, daß man Gott fuͤr ein Wesen haͤlt, das Unvollkommenheit an sich hat, welche seiner hoͤchsten Vollkommenheit zuwieder sind. Derowegen da wir die Ehre Gottes verherrlichen sollen, und so wohl durch Worte als durch Wercke zu verstehen geben, daß wir Gott fuͤr ein solches Wesen halten, als es wuͤrcklich ist, naͤmlich fuͤr das allervoll- kommenste (§. 161.); so ist die Verdun- ckelung der Ehre Gottes durch das Gesetze der Natur verbothen (§. 51.). §. 166. Von der Gottes- laͤsterung. Die Gotteslaͤsterung (blasphemia) nennt man eine jede Rede, oder Handlung, welche zur Verachtung, oder Beschimpfung Gottes gereicht. Derowegen, da die Ehre Gottes durch dieselbe am allermeisten verdun- ckelt wird (§. 165.); so sind alle Gottes- laͤsterungen durch das Recht der Natur auf das schaͤrfste verbothen (§. cit. ). Weil gegen Gott. Weil aber der Mensch so lange kein Recht zu dem hat, was ein anderer thut, als der an- dere nichts wieder sein vollkommenes Recht unternimmet (§. 76. 78.), folglich kein Recht einen zu strafen, als bloß denjenigen, wel- cher ihn beleidiget hat (§. 93.); so hat auch der Mensch von Natur kein Recht, die Verdunckelung der Ehre Gottes und die Gotteslaͤsterung zu strafen: in so fern er aber doch besorgt seyn muß, daß er andere zur Erkenntnis Gottes anfuͤhret, so viel an ihm ist (§. 163.); so hat er ein Recht zu denjenigen Handlungen, wo- durch er denjenigen, der die Ehre Got- tes verdunckelt, oder Gott gar laͤstert, von seiner Suͤnde uͤberfuͤhren kan. §. 167. Die Gottseeligkeit nennt man die Tugend, Von der Gottsee- ligkeit, Gottlo- sigkeit und Heu- cheley. seine Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, die von den goͤttlichen Eigenschaften herge- nommen sind, zu bestimmen, oder die Ehre Gottes zu befoͤrdern. Wir sollen also gottseelig seyn (§. 160. 161.). Jm Ge- gentheil ist die Gottlosigkeit das Laster, da einer seine Handlungen nicht nach dem Willen Gottes einrichten will. Die Gott- losigkeit ist also durch das natuͤrliche Gesetze verbothen (§. 164. 51.). Die Heucheley ist eine verstellte Gottseeligkeit, wenn naͤmlich bloß die aͤusseren Handlungen, als da sind die Worte, Stimme, Minen und Gebehrden, den Schein der Gottseeligkeit G 5 haben, I. Th. 6. H. Von den Pflichten haben, wovon doch die innern Handlungen weit entfernt sind. Da nun das Gesetz der Natur eine Uebereinstimmung der innern und aͤussern Handlungen erfordert (§. 52.); so ist die Heucheley durch das Gesetz der Natur verbothen (§. 51.). §. 168. Vom Ge- horsam, den man Gott zu leisten schuldig. Der Gehorsam (obedientia) ist die Be- reitwilligkeit, das zu thun, was der andere will, und das zu unterlassen, was er nicht will. Weil nun unser Wille uͤberhaupt bestimmt werden soll, das zu thun, was Gott will, und das zu unterlassen, was er nicht will (§. 164.); so sind wir verbunden, Gott zu gehor- chen; folglich ist der Ungehorsam, wel- cher dem Gehorsam entgegengesetzet wird, durch das Gesetze der Natur verbothen (§. 51.). §. 169. Von der Liebe Gottes. Gott ist der Vollkommenste. Da nun aus der Erfahrung bekannt, daß das Gemuͤth mit Freude und Vergnuͤgen erfuͤllt wird, wenn wir uns einer Vollkommenheit bewust sind; so muß die groͤste Vollkommenheit Gottes, wenn sie erkannt wird, auch das Gemuͤth mit dem groͤsten Vergnuͤgen erfuͤllen. Die Neigung des Gemuͤths, aus der groͤsten Voll- kommenheit Gottes das groͤste Vergnuͤgen zu empfinden, wird die Liebe zu Gott genannt, und unter der Liebe des Wohlgefallens (amor complacentiæ) verstehet man diejenige, welche gantz allein in der Empfindung des Ver- gegen Gott. Vergnuͤgens aus des andern Vollkommenheit bestehet, und sich auf nichts weiters erstreckt. Da wir nun verbundeu sind, Gott zu erken- nen (§. 163.), zu seiner groͤsten Vollkommen- heit aber nicht das Geringste beytragen, denn sonst waͤre sie nicht die groͤste; so sollen wir auch Gott uͤber alle Dinge lieben, und die Liebe Gottes ist eine Liebe des Wohlgefallens. §. 170. Gott ist der Allerguͤtigste, und was wir Daß wir Gott lie- ben sol- len, weil er guͤtig gegen uns ist. gutes entweder von Natur haben, oder auf andere Weise erhalten haben, muͤssen wir Gott zuschreiben. Da sich nun Gott guͤtig gegen uns beweiset, aus der Erkenntnis aber des Guten, was wir empfangen, oder der Wohl- thaten, die Liebe gegen den Wohlthaͤter ent- springet; so muß man Gott auch des- wegen lieben, weil er so guͤtig gegen uns ist. Da die Guͤte Gottes, welche in der Mittheilung der Wohlthaten bestehet, zu der groͤsten Vollkommenheit Gottes mit ge- hoͤret; so ist Gott zu lieben, weil er guͤtig gegen uns ist, nichts anders, als sich an seiner Guͤte, oder seinen Wohl- thaten ergoͤtzen; folglich ist die Liebe, welche aus der Betrachtung der goͤtt- lichen Guͤte entstehet, unter der Liebe des Wohlgefallens enthalten (§. 169.). §. 171. Wer den andern liebet, thut nichts, was Von der Furcht Gottes. ihm mißfaͤllt, sondern befleißiget sich das zu thun, I. Th. 6. H. Von den Pflichten thun, was ihm gefaͤllt; folglich thut er nichts, was seinem Willen zuwieder ist. Aus der Liebe entstehet demnach die Sorgfalt nichts zu thun, was dem Willen des andern entge- gen ist, welche Furcht die kindliche (timor filialis), im Gegentheil die knechtische (ser- vilis) genannt wird, wenn man aus Furcht vor der Strafe thut, was der andere will, oder unterlaͤßt, was er nicht will. Da wir Gott uͤber alles lieben sollen (§. 169.); so sollen wir ihn auch uͤber alles fuͤrchten, naͤm- lich mit einer kindlichen Furcht. §. 172. Von der Ehr- furcht ge- gen Gott und dem goͤttli- chen Lobe. Der Mensch ist schuldig, die groͤste Guͤte Gottes zu erkennen, und andere, so viel an ihm ist, zu derselben Erkenntnis zu bringen (§. 163.); ingleichen durch dieselbe, als einen Bewegungsgrund, seine freye Handlungen zu bestimmen (§. 160.). Da nun die aͤussern Handlungen mit den innern uͤbereinstimmen sollen (§. 52.), wir auch andere nicht anders, als durch aͤussere Handlungen, zur Erkenntnis der groͤsten Vollkommenheit Gottes bringen koͤnnen; so muß der Mensch durch Wor- te und Wercke zu verstehen geben, daß er die groͤste Vollkommenheit Gottes erkennet, und daher ihn hoͤher, als alles andere achtet: da nun dergleichen Bezei- gen die Ehrfurcht (reverentia) genannt wird; so sind wir also zur Ehrfurcht ge- gen Gott verbunden. Da in diesen Handlungen Lob und Ehre bestehet (§. 125.); so gegen Gott. so muͤssen wir auch Gott die Ehre und das Lob, so ihm gebuͤhret, geben. §. 173. Aus der natuͤrlichen Gottesgelahrheit ist Von dem Vertrau- en auf Gott und der Be- ruhigung in der goͤttli- chen Vor- sicht. bekannt, daß Gott uns so viel Gutes erwei- set, und so viel Boͤses von uns abwendet, als es nach seiner Weißheit angehet; und wenn uns etwas Boͤses begegnet, dasselbe zum Guten wendet. Wer von dieser Wahrheit uͤberzeugt ist, der uͤbergiebt sich und alles, was er hat, gantz und gar der goͤttlichen Vorsicht, und uͤberlaͤßt derselben, wie es kuͤnftig ergehen werde, und was wir nicht voraus sehen koͤn- nen, er aͤngstiget sich nicht, wegen des Kuͤnf- tigen; er wirft also alle Sorge auf Gott, und aͤngstiget sich nicht daruͤber, was die Sachen vor einen Ausgang gewinnen werden. Da nun der Mensch verbunden ist, Gott zu erken- nen (§. 163.), und die Tugend, da man sich und seine Umstaͤnde der goͤttlichen Vorsicht gantz uͤberlaͤßt, das Vertrauen auf Gott (fiducia), die Tugend aber, da man durch die Gewißheit, daß Gott in allem recht han- delt, was er in der Regierung der Welt thut, oder unterlaͤßt, seine Begierde und seine Ver- abscheuung maͤßiget, die Beruhigung in der goͤttlichen Vorsicht genannt wird, (acqviescentia in providentia divina); so soll der Mensch sein Vertrauen auf Gott setzen, oder ihm vertrauen, und sich in der goͤttlichen Vorsicht beruhigen; folglich gegen Gott kein Mistrauen hegen, I. Th. 6. H. Von den Pflichten hegen, mit seinem Schicksaal zufrie- den seyn, und das Uebel, welches ihm begegnet, mit gelassenem Gemuͤthe er- tragen. §. 174. Von dem Preis des goͤttli- chen Nah- mens. Das Lob, welches man Gott giebet, wird der Preis des goͤttlichen Nahmens (celebratio nominis divini) genannt. Dero- wegen sind wir verbunden, den Nahmen Gottes zu preisen (§. 172.); folglich die Eigenschaften, Wercke und Wohltha- ten Gottes zu erzaͤhlen, welche er uns und andern, durch Zuwendung des Guten und Abwendung des Boͤsen, oder auch durch die Wendung zum Guten, erwiesen hat (§. 12.), wie hoch wir diese Wohlthaten halten, zu be- zeigen (§. 172.). Weil nun der Preis des Nahmens Gottes, wegen der Wohlthaten, die er uns und andern erwiesen hat, zugleich mit der Anzeige der Begierde, ihm davor die schuldige Pflichten zu leisten, besonders die Dancksagung (gratiarum actio) genannt wird, wir auch Gott wegen der erwiesenen Wohlthaten lieben sollen (§. 170.), und des- wegen bereit und willig seyn, ihm die schul- digen Pflichten zu leisten (§. 171. 57. 41.); so sollen wir auch Gott dancksagen. §. 175. Vom Ge- bete. Es ist gewiß, daß Gott der Geber alles Guten ist, und daß wir es seiner Vorsicht zu- schreiben muͤssen, daß das gegenwaͤrtige Gute behal- gegen Gott. behalten wird, das kuͤnftige koͤmmt, und das Uebel abgewendet, oder, wenn dieses nicht ge- schieht, wie wir schon vorher gesagt, dennoch zum Guten gewandt wird (§. 170. 173.). Da wir nun schuldig sind, dieses zu erkennen (§. 163.), und durch daher genommene Bewe- gungsgruͤnde unsere Handlungen zu bestimmen (§. 160.); so sollen wir auch von Gott bitten, daß er das Gute, was er uns gegeben hat, erhalte, und uns in Zu- kunft auch Gutes zuwende; das Uebel aber abwende, oder, wenn es koͤmmt, zu unserm Besten wende. Weil nun diese Erklaͤrung unsers Willens die Anru- fung Gottes (invocatio numinis) heisset, und zwar, wie einige dazu setzen, in dem inne- ren Grunde unsers Hertzens (mentalis); so sind wir Gott anzurufen schuldig. Und da die aͤussern Handlungen mit den innern uͤbereinstimmen muͤssen, und jene nicht ohne diesen seyn (§. 52.); man aber das Gebet (orationem) nennt, die Rede, durch welche wir mit dem Munde aussprechen, was wir gedencken, indem wir Gott anruffen und ihm dancksagen; so ist das Gebet in dem na- tuͤrlichen Gesetze geboten. Es ist aber klar, daß es vier Arten des Gebets giebt, da die erste, die Erhaltung und Zuwendung des Guten; die andere, die Abwendung des Boͤsen, oder die Wendung desselben zum Guten; die dritte die Dancksagung; die vierte die Vorbitte fuͤr andere begreift. Der Apo- stel I. Th. 6. H. Von den Pflichten stel Paulus unterscheidet diese Arten 1 Tim. II, 2. da er das Beten, in Bitte, Gebet Dancksagung und Fuͤrbitte eintheilet. §. 176. Von den Liedern oder Ge- saͤngen. Weil ein Lied, oder Gesang (hymnus) ein Gedicht ist, welches zum Lobe Gottes auf- gesetzt ist, ein jedes Gebet aber ein Lob Gottes in fich enthaͤlt (§. 175. 125.); folglich Beten und Singen einerley Materie hat; uͤber die- ses bekannt ist, daß Gedichte nicht allein an und vor sich geschickter sind, die Aufmerck- samkeit zu erwecken und zu erhalten, die Ge- muͤthsbewegungen zu erregen, und dasjenige, wovon sie handeln, in das Gedaͤchtniß leichter und fester zu fassen; sondern auch, wenn der Gesang dazu koͤmmt, alles dieses so wohl bey andern, als auch bey uns selbst leichter erhal- ten wird; so sind wir von Natur ver- bunden zum Lobe Gottes Lieder zu machen und sie zu singen. §. 177. Wie man die Pflich- ten gegen Gott ausuͤben soll. Eine jede richtge Handlung erfordert den uͤbereinstimmenden Gebrauch aller Kraͤfte (§. 16.). Da wir nun verbunden sind recht zu handeln (§. 52.); so muͤssen wir auch die Pflichten gegen Gott mit einem uͤber- einstimmenden Gebrauch aller Kraͤfte ausuͤben; folglich muͤssen jederzeit die aͤussern und innern Handlungen mit einander verbunden werden. §. 178. gegen Gott. §. 178. Da der Gottesdienst (cultus divinus) Vom Gottes- dienste. der Jnbegriff aller Handlungen ist, die Got- tes wegen vorgenommen werden; folglich der- selbe in der Ausuͤbung der Pflichten gegen Gott bestehet (§. 57.); dazu aber wir verbunden sind, wie aus dem, was wir bis hierher bewiesen, zur Gnuͤge erhellet; so sind wir verbunden Gott zu dienen. Man nennt aber den inneren Gottesdienst, welcher durch in- nere Handlungen, den aͤusseren aber, wel- cher durch aͤussere Handlungen verrichtet wird. Weil nun bey der Ausuͤbung der Pflichten gegen Gott die aͤussern Handlungen und die innern nicht von einander abzusondern sind (§. 177.); so muß auch der innere Got- tesdienst mit dem aͤussern verbunden werden. §. 179. Weil wir darauf zu sehen haben, daß auch Von den Zusam- menkuͤnf- ten, die des Got- tesdien- stes we- gen anzu- stellen sind. andere Menschen zur Erkenntniß Gottes (§. 163.), zur Tugend (§. 139.), und also auch zur Gottseeligkeit gefuͤhrt werden (§. 167.), auch durch unser Exempel andern nuͤtzen sol- len (§. 139.); so sind die Menschen ver- bunden wegen des Gottesdienstes zu- sammen zu kommen; folglich haben sie das Recht dasjenige anzuordnen, was zur rechten Einrichtung dieser Zusam- menkuͤnfte erfordert wird (§. 46. 52.). Hierzu gehoͤret die Bestimmung der Zeit, des Orts und der Art und Weise diese Versamm- Nat. u. Voͤlckerrecht. H lungen I. Th. 6. H. Von den Pflichten lungen anzustellen. Was man in denselben vorzunehmen hat, ist aus ihrer Absicht klar. Man muß naͤmlich lehren, was von Gott, von Ausuͤbung der Tugend, insonderheit der Gottseeligkeit, und von Vermeidung der Laster zu wissen noͤthig ist, man muß beten und singen. §. 180. Von den Ceremo- nien, die zum Got- tesdienst gehoͤren. Die Ceremonien sind Zeichen von denje- nigen Dingen, derer wir uns bey der Aus- fuͤhrung eines Vorhabens erinnern sollen. Wenn dieselbe zugleich einen Einfluß in die Bestimmung der Handlung ha- ben, die ausgeuͤbt werden soll; so sind sie den uͤbrigen vorzuziehen (§. 48.). Da die Menschen das Recht haben dasjenige zu bestimmen, was zur rechten Einrichtung der Zusammenkuͤnfte, des Gottesdienstes wegen, erfordert wird (§. 179.); so haben sie auch das Recht die Ceremonien anzuordnen, welche dem Gottesdienste gemaͤß sind. §. 181. Von der Abgoͤtte- rey. Die Abgoͤtterey (idololatria) nennt man allen Gottesdienst, den man denen erweiset, welche nicht Gott sind. Derjenige bege- het also eine Abgoͤtterey, der die Pflich- ten, die er GOtt schuldig ist, denenje- nigen leistet, die nicht Gott sind, als den erdichteten Goͤttern, oder einem Wesen, von welchem er nicht einmahl davor haͤlt, daß es Gott sey (§. 178.). Derowegen da wir GOtt gegen Gott. GOtt dienen (§. cit. ), alle unsere Handlun- gen aber recht seyn sollen (§. 52.), und zur Richtigkeit einer Handlung ein wahres Ur- theil von derselben Richtigkeit gehoͤret (§. 53.); so ist alle Abgoͤtterey durch das Gese- tze der Natur verbothen. §. 182. Aberglaube werden genannt alle Hand- Vom Aber- glauben, und dem abgoͤtti- schen und aber- glaͤubi- schen Gottes- dienste. lungen, welche durch irrige Meinungen von GOtt und der goͤttlichen Vorsicht, in Anse- hung derjenigen Dinge, welche dem Men- schen gut oder boͤse sind, bestimmt werden. Weil wir verbunden sind, unsere Handlungen durch Bewegungsgruͤnde zu bestimmen, wel- che von den goͤttlichen Eigenschafften herge- nommen werden (§. 160.); so ist aus dem Begriffe der Richtigkeit der Handlungen, wie vorher (§. 181.), klar, daß der Aber- glaube durch das natuͤrliche Gesetze verbothen sey. Aus dem Begriff der Ab- goͤtterey und des Aberglaubens erkennet man, welcher Gottesdienst abgoͤttisch und aber- glaͤubisch sey. Und weil so wohl die Abgoͤt- terey, als der Aberglaube verbothen sind; so ist auch der abgoͤttische Gottesdienst eben so wohl, als der aberglaͤubische, durch das Gesetze der Natur verbothen. H 2 Der II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. Der andere Theil. Von dem Eigenthume und den Rechten und Verbindlich- keiten, die daher ent- springen. Das erste Hauptstuͤck. Von der Gemeinschaft der ersten Zeit, und wie das Eigenthum entstanden. §. 183. Vom Rechte zum nothwen- digen Ge- brauch der Sa- chen. M an nennt den nothwendigen Ge- brauch der Sachen denjenigen, der dazu erfordert wird, daß wir unserer natuͤrlichen Verbindlichkeit ein Genuͤ- gen leisten. Weil nun das Recht der Natur uns ein Recht zu demjenigen Gebrauch giebt, ohne welchen wir unserer natuͤrlichen Ver- bindlichkeit kein Genuͤgen leisten koͤnnen (§. 46.); so haben uͤberhaupt alle Men- schen ein Recht zum nothwendigen Gebrauch aller Sachen, es moͤgen seyn, was vor welche es wollen, naͤmlich so wohl zu der nothwendigen, als auch der nuͤtzlichen und vergnuͤgenden (§. 114. und folg. §. 119. 121.); folglich ist der- selbe erlaubt (§. 49.). §. 184. und dem Anfange des Eigenthums. §. 184. Wenn also Dinge durch den Ge- Von dem Recht die Sachen zu ver- derben. brauch verbraucht werden (usu consu- muntur); so ist es erlaubt sie zu ver- derben. Als z. E. Thiere zu schlachten, oder zu toͤdten, deren Fleisch wir essen, und deren Haut wir zur Kleidung brauchen. §. 185. Weil der Mensch von Natur das Recht Von den Sachen, die zum kuͤnftigen Gebꝛauch anfbe- halten werden. zum nothwendigen Gebrauch der Sachen hat (§. 183.); wenn man eine Sache nicht zu aller Zeit haben kann; oder auch zu der Zeit, wenn man ihrer be- darf, nicht so bequem; so ist er- laubt, sie zum kuͤnftigen Gebrauch zu sammlen und aufzubehalten. Und weil niemand diesen Gebrauch verhindern darf (§. 50. 183.); so darf auch niemand dem andern die Sachen, die er zum nothwendigen Gebrauch gesammlet und aufbehaͤlt, wegnehmen; und hier- innen, was nemlich der andere vors kuͤnfti- ge noͤthig hat, muß er es bey dem Ur- theil desjenigen bewenden lassen, der die Sachen vor sich aufbehaͤlt (§ 78.). §. 186. Weil die Menschen von Natur gleich sind, Von der Gemein- schaft der ersten Zeit. und daher einerley Rechte haben (§. 70.); so kommt auch allen Menschen einerley Recht zum nothwendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen zu (§. 183.). Weil nun ein gemeinschaftliches (com- H 3 mune, II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. mune, gemeine) Recht dasjenige ist, das zu- gleich mehrere auf einerley Weise haben (§. 101.), und also eine gemeinschaftliche Sache (res communis), zu der mehrere ei- nerley Recht zugleich haben; so haben die Menschen von Natur ein gemein- schaftliches Recht zum nothwendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen; und alle Sachen sind von Natur ge- meinschaftlich. Das gemeinschaftliche Recht zum nothwendigen Gebrauch aller und jeder natuͤrlichen Dinge, wird die Gemein- schaft der ersten Zeit (communio primæva, die erste G.) genannt, gleichwie uͤberhaupt die Gemeinschaft, oder die Gemeinschaft der Sachen (communio rerum), das Recht, das zu einerley Sachen mehrere zugleich ha- ben. Aus dem, was wir gesagt, erhellet, daß die Gemeinschaft der ersten Zeit nach dem Rechte der Natur statt fin- det, und daß man sie nicht ohne Grund er- dichtet. §. 187. Von dem Rechte zu einer Sa- che, die durch den Ge- brauch nicht ver- braucht wird. Weil in der Gemeinschaft der ersten Zeit alle Menschen einerley Recht zum noth- wendigen Gebrauch der natuͤrlichen Sachen haben (§. 186.); so kann ein jeder ande- rer, wenn die Sache durch den Ge- brauch nicht verbraucht wird, nach geendigtem Gebrauch, sich derselben bedienen; und derjenige, welcher sie vorher gebraucht, kann es nicht ver- weh- und dem Anfange des Eigenthums. wehren (§. 50.). Aus eben demselben Grunde ist gewiß, daß, wenn mehrere an dem Gebrauch einer Sache Theil neh- men koͤnnen, diese Theilnehmung oh- ne Unterschied allen, die es wollen, er- laubet sey. §. 188. Die Menschen sollen sich bemuͤhen, daß es Von de- nen durch den Fleiß hervor- gebrach- ten und den kuͤnst- lichen Dingen, in der er- sten Ge- mein- schaft. nicht an einer hinlaͤnglichen Menge von noth- wendigen, nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sa- chen, die so wohl durch Fleiß, als durch Kunst hervorgebracht werden, fehle (§. 121. 123.), und soll, zu dem Ende, ein jeder die Arbeit er- waͤhlen, wozu er sich geschickt befindet (§. 124.); von Natur aber sind alle verbunden, sich und ihren Zustand mit vereinigten Kraͤfften voll- kom̃ener zu machen (§. 44.). Jn der Gemein- schaft der ersten Zeit kann man also bey Vervielfaͤltigung der Sachen, die durch Fleiß und Kunst hervorgebracht werden, keine andere Absicht haben, als den gemeinschaftlichen Gebrauch von allen zu befoͤrdern; und folglich muͤßen die durch Fleiß und Kunst her- vorgebrachten Sachen nicht weniger, als die natuͤrlichen, gemeinschaftlich seyn (§. 186.). Wenn aber jemand dennoch einige Sachen durch Fleiß und Kunst zu seinem Gebrauch zubereitet hat; so kann sich ein anderer derselben nicht anmassen, als in so fern jener die Sache, die durch den Gebrauch H 4 nicht II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. nicht verbraucht wird, zu derselben Zeit nicht braucht, oder in so ferne er an dem Gebrauch derselben zugleich mit Theil nehmen kann (§. 187.). §. 189. Das ge- mein- schaftli- che Recht zu den Hand- lungen. Weil in der ersten Gemeinschaft ein jeder das Recht hat zum nothwendigen Ge- brauch der Sachen (§. 183.); so hat auch jeder Mensch das Recht zu allen Hand- lungen, ohne welche der nothwendige Gebrauch nicht erhalten werden kann; als z. E. das Recht Wild, Fische, Voͤ- gel zu fangen, Fruͤchte abzubrechen, Holtz zu faͤllen u. s. f. §. 190. Das Recht, sich an ei- nem Orte aufzu- halten, zu woh- nen, und durchzu- reisen. Da ein jeder Mensch von Natur einerley Recht zum nothwendigen Gebrauche der na- tuͤrlichen Sachen hat (§. 186.); so stehet in der ersten Gemeinschaft einem jeden Menschen frey, sich an einem jeden Orte aufzuhalten und zu wohnen, wo und wie lange es ihm gefaͤllt; an al- len Orten durchzureisen, wie er es vor noͤthig befindet, auch daher Sa- chen zu hohlen, deren er bedarf. Ja da auch die durch Kunst hervorgebrachte Sa- chen gemeinschaftlich sind (§. 188.); so hat ein jeder das Recht, wenn er unbe- wohnte Haͤuser antreffen solte, oder solche, in welchen mehrere wohnen koͤnnen, in denselben so lange zu woh- nen, als es ihm gefaͤllt. §. 191. und dem Anfange des Eigenthums. §. 191. Dem gemeinschaftlichen Rechte wird das Vom ei- genen Recht u. der ver- neinen- den Ge- mein- schaft. eigene Recht (jus proprium) entgegen ge- setzet, welches einer allein, oder mehrere zu- sammengenommen, mit Ausschliessung der uͤbrigen haben (§. 101.). Da von Natur alle Sachen gemeinschaftlich sind (§. 186.); so hat von Natur niemand ein eigenes Recht zu einer Sache. Sachen, dazu jemand ein eigenes Recht hat, nennt man eigene Sachen (res singulares, vel singulorum), worauf aber niemand ein besonderes Recht hat, heissen keinem zugehoͤrige Sachen (res nullius) . Es erhellet also, daß es von Natur keine eigene Sachen giebt. Naͤmlich in der Natur des Menschen ist kein Grund befindlich, warum diese Sache einem vielmehr, als dem andern zugehoͤren solte. Man nennt aber dieses eine verneinende Gemeinschaft (communionem negativam), in welcher die gemeinschaftlichen Sachen kei- nem zugehoͤren; und dergleichen ist die Gemeinschaft der ersten Zeit (§. 186.). §. 192. Weil niemand dem andern, was er zum Vom ei- genen Gebꝛauch einer Sache. nothwendigen Gebrauch zu sich genommen hat, oder auch zum kuͤnftigen aufbehaͤlt, wegneh- men darf (§. 185.); derjenige aber, der sie an sich nimt, oder den Gebrauch derselben sich verschaft, sich seines Rechts bedienet (§. 183.); so wird dadurch der Gebrauch einer Sache, welcher vorher allen frey stand, H 5 ein II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. ein eigener Gebrauch vor denjenigen, der sie, mit dem Vorsatz sich derselben zu bedienen, an sich nimmet, oder sie in den Zustand setzt, in welchem er sich dersel- ben bedienen kann. Eben das gilt von einer Sache, die durch den Gebrauch nicht ver- braucht wird, so lange als der Gebrauch dauert (§. 187.). Und hierdurch sind die Menschen zuerst auf den Begriff eines eigenen Rechts in einer Sache gefallen. §. 193. Vom Stoͤhrer der Ge- mein- schaft der ersten Zeit. Einen Stoͤhrer der Gemeinschaft der ersten Zeit (turbatorem communionis primævæ) nennt man denjenigen, der entwe- der selbst, oder durch andere mit Gewalt zu ver- hindern sich bemuͤhet, daß jemand sich der Sa- chen nicht bedienen kann, wie er es noͤthig hat. Weil nun der Stoͤhrer den Gebrauch des Rechts verhindert, welches einem andern zu- koͤmmt (§. 183.); so hat dieser das Recht ihm zu wiederstehen (§. 30); und folg- lich koͤmmt einem jeden das Recht zu, sich und den Gebrauch einer Sache wieder einen solchen Stoͤhrer zu ver- theidigen (§. 90.). Und da das gemein- schaftliche Recht zum Gebrauch einer Sache ein vollkommenes Recht ist (§. 183. 81.), und die Verletzung desselben ein Unrecht (§. 87.); so ist in der Gemeinschaft der ersten Zeit eine rechtmaͤßige Ursache des Krie- ges, wenn jemand den andern von dem Gebrauch einer Sache mit Gewalt ab- halten, und dem Anfange des Eigenthums. halten, oder wenn er ihn zu sich ge- nommen, oder ergriffen, wegnehmen will (§. 98.). §. 194. Nachdem sich das menschliche Geschlechte Von der Aufhe- bung der Gemein- schaft der ersten Zeit. vermehrt, und die einfaͤltige Lebensart geaͤn- dert worden, bey welcher man nur fuͤr die aͤuserste Nothdurft sorgte, und fast gar nicht an Bequemlichkeit und Vergnuͤgen gedachte; so hat man Sachen noͤthig, die man nicht anders, als durch Fleiß und Kunst haben kann (§. 121.). Weil nun hierzu Arbeit erfordert wird (§. 124.), und gleichwohl in der Ge- meinschaft der ersten Zeit die Sachen allen zugehoͤren sollen (§. 188.); so siehet man leicht, daß die Gemeinschaft nicht bestehen kann, wenn die Menschen nicht die Pflichten gegen sich selbst und andere auf das genaueste erfuͤllen; vermoͤge dessen, was von ihnen erwiesen wor- den. Weil wohl aber niemand in Abrede seyn wird, daß dieses von allen Menschen insge- samt nicht zu hoffen sey; hingegen, wenn man von der Gemeinschaft abgehet, das, was keinem zugehoͤret, einzelen eigen werden muß (§. 191.); und das Recht der Natur uns verbindet, das- jenige, was besser ist, dem andern vorzuziehen (§. 48.); so ist, ohne dem Rechte der Natur zu nahe zu treten, die Gemein- schaft aufgehoben, und das, was gemein war, eintzelen eigen, oder einem eige- nen Rechte unterworfen worden. §. 195. II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. §. 195. Von dem Eigen- thum u. dessen Wuͤr- ckungen. Weil der, so ein eigenes Recht hat, durch dasselbe alle uͤbrige ausschleußt (§. 191.); nach der natuͤrlichen Freyheit aber einem jeden zu erlauben, daß er bey seinen Handlungen sich nach seinem Gutduͤncken richte, so lange er nichts thut, zu dessen Unterlassung er uns voll- kommen verbunden ist (§. 78.); so erhaͤlt ein jeder, wenn die Sachen einem ei- genen Rechte unterworffen werden, ein Recht mit allen dem, was seinem Rechte unterworfen ist, anzufangen, was er will. Und dieses eigene Recht mit einer Sache vorzunehmen, was man will oder nach seinem Gutduͤncken, wird das Eigen- thum (dominium) genannt; derjenige aber, welcher das Eigenthum in einer Sache hat, heist der Herr oder Eigenthuͤmer, inglei- chen der Eigenthums-Herr (dominus). Daher erhellet, daß ein Herr, oder Ei- genthuͤmer, von allem Rechte, welches ihm vermoͤge des Eigenthums zu- kommt, alle andere ausschliesse, und daß das Eigenthum ohne seinen Wil- len auf niemand anders kommen koͤn- ne (§. 100.) folglich ihm das Recht zu- komme, einem jeden alles zu untersa- gen, was er mit der Sache thun kann; und daß er es nicht leiden duͤrfe, wenn einer sich wieder seinen Willen das ge- ringste davon anmassen wolte. Daraus folgt ferner, daß alle Handlungen, die dem und dem Anfange des Eigenthums. dem Eigenthum eines andern entge- gen stehen, nicht erlaubt sind (§. 49.). Wie man aber uͤberhaupt das Seinige (suum) dasjenige nennt, wozu man ein ei- genes Recht hat; also erhellet daher, daß diejenigen Sachen die seinigen (res suæ) genannt werden, in denen uns das Eigen- thum zukommt. §. 196. Wenn einer ungetheilten Sache, zweyen, Von der positiven Gemein- schaft. oder mehreren zusammen das Eigenthum zu- kommt, so daß ein jeder seinen gewissen An- theil daran hat, so wird dieses die positive Gemeinschaft (communio positiva) ge- nannt. Weil nun ein Eigenthums-Herr eine sittliche Person ist (§. 195. 96.); so wer- den in der positiven Gemeinschaft meh- rer zusammengenommen wie eine Per- son betrachtet, und von ihnen zusam- mengenommen gilt das, was dem Ei- genthums-Herrn zukommt. §. 197. Man hat auch eine vermischte Gemein- Von der vermisch- ten Ge- mein- schaft. schaft (communionem mixtam), welche aus der verneinenden und positiven zusam- men gesetzt ist, bey welcher die Sachen ein Eigenthum von einer gantzen Gemeine (universitatis) sind; das ist, einer Menge von Menschen, die in gewisser Absicht in eine Gesellschaft zusammen getreten, da aber allen nichts, als der Gebrauch von den Sachen, oh- ne Unterschied zukommt, nachdem es einer noͤthig II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. noͤthig hat; dergleichen ist z. E. die Gemein- schaft der Moͤnche. Diejenigen also, wel- che in einer vermischten Gemeinschaft leben, schliessen alle diejenigen, welche zu ihnen nicht gehoͤren, von dem Ei- genthume aus; hingegen in Ansehung derjenigen Personen, welche zu der Gemeine gehoͤren, sind die Sachen an- zusehen, als die niemanden zugehoͤren, in Ansehung des Gebrauchs aber sind sie ihnen allen gemein. Man saget aber hier, daß in eine Gesellschaft treten (con- sociari), wenn mehrere mit einander eines werden, einen gewissen Zweck mit einander zusammen zu erreichen. §. 198. Von den Rechten, die in dem Ei- genthum enthalten sind, und was die Fruͤchte einer Sache sind. Weil dem Eigenthumsherrn erlaubt ist mit seiner Sache vorzunehmen, was ihm ge- faͤllt (§. 195.), dieses aber geschehen kann nicht allein mit der Sache selbst, oder ihrer Substantz; sondern auch mit dem Gebrauch und den Fruͤchten derselben; so begreift das Eigenthum ein dreyfaches Recht in sich; naͤm- lich das Recht 1) mit der Sache selbst, 2) mit ihrem Gebrauch, und 3) mit den Fruͤch- ten derselben vorzunehmen, was ihm gefaͤllig ist. Das erste heist die Proprietaͤt (pro- prietas), das andere das Recht die Sache zu brauchen (jus utendi), das dritte das Recht zu den Fruͤchten (jus fruendi). Die letzten beyde, zusammen genommen, heis- sen das Recht des Nießgebrauchs (jus uten- und dem Anfange des Eigenthums. utendifruendi). Wenn das Eigenthum um keines dieser Rechte verkuͤrtzt worden ist, heist es das voͤllige Eigenthum (dominium plenum); wenn es aber um eines, oder das andere verkuͤrtzt worden, ein nicht voͤlliges Eigenthum (dominium minus plenum). Wer die Proprietaͤt hat, ist eigentlich der Eigenthuͤmer (proprietarius), weil die Sache doch sein eigen bleibt, wenn ein ande- rer gleich den Gebrauch, oder die Fruͤchte da- von zu geniessen hat, und wird deswegen auch noch der Herr von der Sache (domi- nus) genannt. Die Frucht (fructum) heist man das, was aus einer andern Sache her- vorkommt, als da sind die Fruͤchte eines Baums, die Milch und Kaͤlber der Kuͤhe. §. 199. Man nennet eine fremde Sache (res Von fremden Sachen. aliena) welche nicht uns, sondern andern eigenthuͤmlich zugehoͤret. Es kann also niemand mit einer fremden Sache selbst, oder ihrem Gebrauch und ihren Fruͤchten nach seinem Gefallen vor- nehmen, was er will (§. 195. 198.). Da es aber einerley ist, ob wir etwas selbst, oder durch andere verrichten wollen; so kann man, mit Genehmhaltung des Herrn, mit einer fremden Sache vornehmen, was man will (§. 195.). Weil der Herr, nach seinem Gefallen, mit seiner Sache vornehmen kann, was er will (§. cit. ); so kann er das zu II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. zu thun andern erlauben, was zum Gebrauch seines Rechtes gehoͤret. §. 200. Von dem Besitz. Der Besitz (possessio) bestehet darinnen, wenn einer eine Sache, als die seinige, bey sich behaͤlt, es mag seyn, daß er vermeint, die Sache sey wuͤrcklich die seinige, oder nur will, daß sie seine seyn soll und andere sie da- vor halten sollen. Den Besitzer (posses- sor) nennt man denjenigen, welcher eine Sa- che, mit diesem Vorsatz, bey sich behaͤlt. Weil nun eine Sache in unserer Gewalt ist (in potestate nostra est), wenn wir im Stan- de sind, mit derselben vorzunehmen, was wir wollen; so wird durch den Besitz eine Sache in unsere Gewalt gebracht; und folglich kann man ohne den Besitz das Eigenthum nicht ausuͤben (§. 195.), oder sein Recht gebrauchen. Daher ist fer- ner klar, daß dem Eigenthumsherrn das Recht zukomme, die Sache zu be- sitzen. Es erhellet auch selbst aus der Er- klaͤrung, daß der eine Sache nicht be- sitzt, welcher sie als eine fremde Sa- che, oder als eine Sache, welche keinem zugehoͤret, bey sich hat. §. 201. Vom ge- wissen- haften und un- gewis- senhaften Besitzer. Wenn ein Besitzer glaubt, daß die Sache sein sey; so heist er ein gewissenhafter Be- sitzer (possessor bonæ fidei); folglich, wenn derselbe eine fremde Sache besitzet, so weis er nicht, daß sie einem andern zuge- und dem Anfange des Eigenthums. zugehoͤre. Wenn er weiß, daß die Sache einem andern zugehoͤre, und daß er also nicht der Eigenthumsherr sey (§. 199.), davor er will gehalten seyn; so nennt man ihn einen ungewissenhaften Besitzer (possessorem malæ fidei). Daher erhellet, daß ein ge- wissenhafter Besitzer alsobald zum un- gewissenhaften Besitzer wird, wenn er erfaͤhret, daß die Sache, die er besitzet, einem andern zugehoͤre. Und weil das Recht zum Besitz allein dem Eigenthums- herrn zukommt (§. 200.), so haben beyde Besitzer kein Recht zum Besitz; und da keiner von beyden mit der Sache vornehmen darf, was er will (§. 199.), so ist alles Vornehmen, so zur Ausuͤbung des Ei- genthumsrechts gehoͤret, unerlaubt (§. 195.), und was er thut, das geschie- het mit Unrecht (§. 87.); jedoch kan dem gewissenhaften Besitzer das Un- recht nicht zugerechnet werden, weil seine Unwissenheit unuͤberwindlich ist (§. 34.). §. 202. Der rechtmaͤßige Gebrauch des Rechts ist Vom Ge- brauch u. Miß- brauch des Ei- gen- thums. derjenige, welchen die Pflichten erfordern; derjenige aber, der demselben entgegen gese- tzet, ist der Mißbrauch (§. 66.). Es soll derowegen der Eigenthumsherr das Sei- nige nicht anders gebrauchen, als wie es seine Pflichten erfordern. Der Miß- brauch ist natuͤrlich unerlaubt, doch Nat. u. Voͤlckerrecht. J darf II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. darf niemand denselben hindern; son- dern man muß ihn dem andern ver- statten, so lange er nichts unternim- met, was unserem Rechte zuwieder ist (§. 78.). §. 203. Von der Verlas- sung ei- ner Sa- che. Man sagt, es werde eine Sache ver- lassen (res derelinqui), wenn der Eigen- thumsherr weiter nichts will, als daß sie nicht mehr seine seyn soll. Daher erhellet, daß derjenige, welcher eine Sache ver- laͤßt, aufhoͤrt der Eigenthumsherr zu seyn (§. 195. 198.); und daß folglich die verlassene Sache keinem zugehoͤre (§. 191.); so lange aber als der Eigen- thumsherr nicht den Entschluß hat, seine Sache zu verlassen, verbleibt er der Eigenthumsherr. §. 204. Vom Wegweꝛ- fen einer Sache. Man sagt hingegen, es werfe einer et- was weg (rem suam jactare), wenn er, oh- ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit von ihm erfordert, und ohne daß er einigen Nutzen davon hat, nicht will, daß es seine seyn soll. Weil es gewiß ist, daß ein Mensch, wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft verlohren hat, das Seine liebet, und nicht ohne dringende Ursache will, es solle, was seine ist, eines andern seyn; so kann man in zweifelhaften Faͤllen nicht vermu- then, daß einer das Seinige wegge- worfen habe. §. 205. und dem Anfange des Eigenthums. §. 205. Da durch den Verlust des Besitzes eine Vom Verlust des Be- sitzes. Sache nur der Gewalt des Eigenthumsherrn entzogen wird, so daß er sein Eigenthum nicht gebrauchen kann (§. 200.), deswegen aber er nicht will, die Sache solle nicht mehr seine seyn; so wird durch den Verlust des Besitzes das Eigenthum nicht ver- lohren; sondern bloß durch seinen Wil- len behalten (§. 203.); folglich wird auch das Recht zum Besitz behalten (§. 200.). §. 206. Weil wir nicht weniger mit unkoͤrperlichen Vom Ei- genthum der un- koͤrperli- chen Sa- chen. Sachen, als z. E. dem Rechte zu jagen, Voͤ- gel zu fangen und allen andern verfahren koͤn- nen, wie wir wollen; so koͤnnen auch un- koͤrperliche Sachen eigenthuͤmlich seyn, und dem Eigenthume unterworfen werden (§. 195.). Aus dieser Ursach wer- den sie, eben wie die koͤrperlichen, unsere ge- nannt, und es gilt von ihnen eben das, was vermoͤge des Eigenthums bey den koͤrperlichen statt findet. §. 207. Wenn man alles, was uns eigenthuͤmlich Von den Guͤtern und dem Vermoͤ- gen. ist, ohne einigen Unterscheid zu machen, uͤber- haupt betrachtet; so werden es Guͤter (bo- na) genannt. Daher werden die unkoͤr- perlichen Sachen, oder unsere Rechte (§. 206.), und dasjenige, was uns an- dere schuldig sind, zu unsern Guͤtern gerechnet; keinesweges aber fremde J 2 Sachen, II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch. Sachen, welche unter unsern sich be- finden, oder das, was wir andern schuldig sind; und daher kann man nicht sagen, ob und wieviel einer habe, bis die Schulden abgezogen sind. Alle Guͤ- ter zusammen genommen, oder alle dasjeni- ge, was unser ist, heist man das Vermoͤ- gen (patrimonium), und dieses ist entweder groß (amplum), oder geringe (tenue), nachdem es viele, oder wenige Guͤter in sich begreift. §. 208. Von der Sorge fuͤr sein Vermoͤ- gen. Das Vermoͤgen eines Menschen gehoͤrt zu seinem aͤusserlichen Zustande (§. 8. 207.). Derowegen da wir schuldig sind unsern aͤusse- ren Zustand so vollkommen zu machen, als in unserer Gewalt stehet (§. 43.); so sind wir verbunden unser Vermoͤgen zu erhal- ten und, so viel an uns ist, zu vermeh- ren. Derowegen da derjenige, welcher sein Hab und Gut durch Mißbrauch vermindert, sein Vermoͤgen verschwendet; so soll folgends niemand das Seine verschwen- den (§. 207.). Ja man schließt auch daher, daß derjenige, welcher ein grosses Ver- moͤgen besitzet, deswegen nicht muͤßig seyn duͤrfe. Denn auch derselbe stehet un- ter der natuͤrlichen Verbindlichkeit, welche allen die Nothwendigkeit zu arbeiten aufer- legt, und niemanden muͤßig zu gehen erlaubt (§. 124.); welches auch daraus erhellet, daß diese Verbindlichkeit unveraͤnderlich ist (§. 38. 42.). und dem Anfange des Eigenthums. 42.). Weil der Erhaltung des Vermoͤgens so wohl die Verlassung (§. 203.), als auch die Wegwerfung des Seinen entgegen stehet (§. 204.); so ist so wohl die Wegwer- fung, als die ohne dringende Noth geschehene Verlassung des Seinigen dem Gesetze der Natur zuwieder. Das andere Hauptstuͤck. Von der urspruͤnglichen Art das Eigenthum zu erhalten. §. 209. E in jeder hat von Natur das Recht zum Von dem Recht, von Sa- chen, die keinem zugehoͤ- ren, das Eigen- thum zu erhalten. nothwendigen Gebrauch der Sachen (§. 186. 188.), und der Gebrauch derselben, welcher vorher gemein war, wird demjenigen eigen, welcher mit dem Vorsatz, sie zu gebrauchen, sie in den Stand bringet, da er sie gebrauchen kann (§. 192.). Wenn also die Gemeinschaft der ersten Zeit aufgehoben wird (§. 194.); so entstehet aus dem Rechte, blos den Gebrauch der Sachen sich zuzueig- nen, das Recht, dieselben sich eigenthuͤmlich zu machen; und also ist einer von Natur berechtiget, eine Sache, die keinem zu- gehoͤret, wenn er derselben bedarf, sich eigenthuͤmlich zu machen; folglich, da man das Urtheil von der Beduͤrfnis bloß dem- jenigen uͤberlassen muß, der eine Sache sich zueignet (§. 78.); so ist jeder, wer kann J 3 und II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung und will, berechtiget, sich eine Sache, die noch keinem gehoͤret, zuzueignen. §. 210. Von dem Zueignen und der urspꝛuͤng- lichen Art das Eigen- thum zu erlangen. Das Zueignen (occupatio) ist die Hand- lung, durch welche einer erklaͤrt, daß eine Sache, die keinem zugehoͤrt, seine seyn soll, und sie in den Zustand bringt, daß sie seine seyn kann. Daher erhellet, daß das Zu- eignungsrecht von Natur einem je- den ohne Unterschied zukomme, oder ein allen Menschen gemeines Recht sey (§. 209.). Und weil man die urspruͤngli- che Art das Eigenthum zu erhalten (modum acqvirendi originarium) diejenige nennet, dadurch man Sachen, die keinem zugehoͤren, eigenthuͤmlich erhaͤlt; so ist die Zueignung die urspruͤngliche Art das Eigenthum zu erhalten. §. 211. Von den bewegli- chen, sich bewegen- den und unbeweg- lichen Sachen. Man nennt die koͤrperlichen Sachen be- wegliche (mobiles), welche ohne ihre Be- schaͤdigung von einem Ort zum andern bewegt werden koͤnnen; und besonders heissen sich bewegende (se moventes), welche sich selbst von einem Ort zum andern bewegen koͤnnen, als das Vieh; aber unbewegliche (immo- biles), welche ohne Schaden der Sache, oder auch gar nicht von einem Ort zum andern be- wegt werden koͤnnen; als alle liegende Gruͤn- de, ingleichen Haͤuser. §. 212. des Eigenthums. §. 212. Wenn jemand, nachdem man angefan- Von der Zueig- nung be- weglicher Sachen. gen hat das Eigenthum einzufuͤhren, eine bewegliche Sache ergreift, und sie nicht wieder wegwirft, oder an ihren Ort und Stelle legt; ingleichen wenn er sie in den Stand bringt, in welchem er sie ergreifen kann; so eignet er sich dieselbe zu (§ 210.); folglich erhaͤlt er das Eigenthum (§. cit. ). §. 213. Auf gleiche Weise ist gewiß, daß einer, Von der Zueig- nung der unbe- weglichen Sachen. der einem liegenden Grunde Graͤntzen setzet; oder ihn zu einem gewissen Ge- brauch bestimmt, der nicht wieder auf- hoͤret; oder, wenn er auf einem Grun- de stehet, der seine gewisse Graͤntzen hat, und muͤndlich in Gegenwart an- derer bezeugt, er wolle, daß derselbe sein seyn solle, denselben sich zueigne (§. 210.). §. 214. Da der Eigenthumsherr von seinem Rech- Von der Zueig- nung un- koͤrperli- cher Sa- chen. te alle uͤbrigen ausschleust (§. 195.); so wer- den die unkoͤrperlichen Sachen, welche auch eigenthuͤmlich werden koͤnnen (§. 206.), sich zugeeignet, wenn einer sich dersel- ben wuͤrcklich bedient, und nicht leidet, daß ein anderer sich derselben bediene. Derowegen da das Recht eine Sache, die kei- nem zugehoͤret, sich zuzueignen, eine unkoͤr- perliche ist (§. 121.); so kann auch, nach- J 4 dem II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung dem das Eigenthum eingefuͤhrt wor- den ist, das Recht sich zuzueignen, was niemanden gehoͤret, von einem sich zu- geeignet werden, als z. E. das Recht in einer gewissen Gegend zu jagen, Voͤgel zu fangen, zu fischen. §. 215. Wem ei- ne Sache zugehoͤ- ret, wenn einer die- selbe er- greift, der das Recht dieselbe sich zuzu- eignen nicht hat. Weil das Recht eine Sache sich zuzueig- nen, demjenigen zugehoͤret, der es sich mit Recht zugeignet hat (§. 210.); folglich nie- mand sich desselben wieder seinen Willen be- dienen kann (§. 195.); so gehoͤret, wenn jemand an dem Orte, an welchem das Zueignungsrecht eigenthuͤmlich ist, eine Sache, die keinem zugehoͤret, er- greift, z. E. wenn er in dem Theile eines Flusses fischet, in welchem das Recht zu fischen schon jemanden eigen ist, die Sache nicht ihm zu, sondern demjenigen, dem das Recht sich dieselbe zuzueignen, zukom- met; und da er demselben Eingrif in sein Recht thut, so thut er ihm unrecht (§. 87.). §. 216. Wenn dieses ohne Un- recht ge- schieht. Da aber kein Zufall jemanden zugerechnet werden kann (§. 3.); so wird zwar das Eigenthum dessen, was einer, der sich seines Rechts bedient, durch einen Zu- fall bekommt, vor denjenigen erlan- get, der das Zueignungsrecht hat, je- doch thut er ihm kein Unrecht. §. 217. des Eigenthums. §. 217. Weil man eine Sache sich zugeignet hat, Von Zu- eignung der wil- den Thie- re. so bald man sie in den Stand gebracht, daß man sie ergreifen kann (§. 212.); so hat man ein wildes Thier sich zugeeignet, folgends ist es seine; wenn man Netze ausgestellet an dem Orte, wo man das Zueignungsrecht hat, und dasselbe sich verstrickt, daß es nicht davon kom- men kann; oder wenn es durch Werck- zeuge, die beschaffen seyn moͤgen, wie sie wollen, dergestalt fest gehalten wird, daß es nicht entfliehen kann; oder wenn man es durch einen Schuß ge- faͤllet, oder also verwundet, oder er- muͤdet hat, daß es nicht entfliehen kann. Eben dieses gilt auch von dem Wil- de, welches in einem umzaͤunten Walde ein- geschlossen ist. §. 218. Weil das Eigenthum bloß durch seinen Von sich selbst be- wegen- den Sa- chen, wenn sie aus der Veꝛwah- rung ge- laufen. Willen behalten wird, wenn man gleich den Besitz verlohren (§. 205.); so verbleibet eine sich bewegende Sache unser, wenn sie gleich aus unser Verwahrung kommt, oder ein Thier, oder Vieh weglaͤuft; folglich bleibt auch in diesem Falle ein wildes Thier unser, so lan- ge als man dasselbe unterscheiden kann. Wenn man es aber, nachdem es weg- gelaufen, auf keine Weise mehr un- terscheiden kann, und also nicht gewiß er- J 5 weisen II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung weisen kann, daß es unser sey; so hoͤrt es auf unser zu seyn, und kann, wie eine andere Sache, die keinem zugehoͤrt, sich zu- geeignet werden (§. 210.). §. 219. Von der Erlan- gung des Eigen- thums einer ver- lassenen Sache. Weil eine verlassene Sache niemanden zugehoͤret (§. 203.); so gehoͤrt sie natuͤrli- cher Weise dem zu, der sie sich zueig- net (§. 210.): Wenn aber das Zueig- nungsrecht jemanden zukommet; so kann sie niemanden eigenthuͤmlich wer- den, als demjenigen, dem das Recht gehoͤret (§. 215.). §. 220. Von ei- ner ver- lohrnen Sache. Man sagt, eine Sache wird verloh- ren (res amitti), welche demjenigen, der sie hat, unvermerckt auf die Erde faͤllt, und, wenn er weggeht, daselbst gelassen wird. Man rechnet zu den verlohrenen Sa- chen diejenigen, welche von einer Kut- sche im Fahren fallen, ohne daß man es gewahr wird; oder von einem Last- wagen, ohne daß es der Fuhrmann merckt. Da aus dem blossen Wegfallen nicht folgt, daß der Eigenthumsherr die ver- lohrene Sache nicht mehr haben wolle; so behaͤlt man das Eigenthum der ver- lohrnen Sachen (§. 205.); folglich ge- hoͤrt die Sache nicht demjenigen, der sie findet (§. 210.). Wenn derjenige, der sie findet, weiß, wer dieselbe ver- lohren hat, oder wenn er im Nach- forschen, des Eigenthums. forschen, wem sie zugehoͤret, nachlaͤs- sig gewesen ist, so besitzt er sie nicht mit einem guten Gewissen (§. 201.). Al- lein weil, da alle Hoffnung verschwindet sie wieder zu bekommen, man von Seiten des Eigenthumsherrn den Entschluß sie zu ver- lassen vermuthet (§. 203.); wenn der Ei- genthumsherr nicht herausgebracht werden kann, so bleibet sie dessen, der sie findet. §. 221. Auf gleiche Weise folgt, daß wenn man Von aus- geworfe- nen Sa- chen. ein Schiff zu lichten, z. E. bey einem Sturm, oder wenn es auf Sandbaͤncke ge- trieben worden, Sachen ins Meer wirft, so verbleiben sie derjenigen, welchen sie zugehoͤren; da man hieraus nicht ihren Willen sie zu verlassen schliessen kann (§. 203.); folglich, wenn sie ans Ufer getrieben, oder im Meere aufgefangen werden, so gehoͤren sie dem nicht zu, der sie auf- faͤngt. Was von den verlohrnen Sachen gilt, gilt auch von den ausgeworfenen (§. 220.). §. 222. Weil die Guͤter der Personen, die Von de- nen im Schiff- bruche verlohre- nen Sa- chen. Schiffbruch leiden, als die ins Meer fal- len, und durch die Wellen dem Gesichte der- jenigen, welche im Schiffe sind, entzogen werden, den verlohrenen Sachen gleich zu achten (§. 220.); so haben sie eben das Recht, was verlohrne Sachen haben. §. 223. II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung §. 223. Vom Schatze. Der Schatz (thesaurus) sind alle beweg- liche, sonderlich kostbare Sachen, oder Geld, die im Verborgenen liegen, und von welchen man nicht weiß, wem sie zugehoͤren. Weil nun unmoͤglich heraus zu bringen ist, wer die Sachen an einem verborgenen Orte hingelegt hat, (wie voraus gesetzet wird); so ist der Schatz als eine Sache anzusehen, die niemanden zugehoͤret; folglich gehoͤrt er natuͤrlicher Weise dem, der ihn fin- det; oder wenn das Zueignungsrecht je- manden eigen ist, demjenigen, der das Zueignungsrecht hat (§. 210. 215.). §. 224. Von der Einthei- lung der Fruͤchte. Diejenigen Fruͤchte (fructus) nennt man die natuͤrlichen, welche die Natur vor sich, ohne unser Zuthun, hervorbringt; die durch Fleiß hervorgebrachten (industriales) die- jenigen, welche die Natur nicht anders, als vermittelst unseres Fleißes und unserer Sorg- falt hervorbringt. Man nennt eben diesel- ben noch hangende (fructus pendentes), welche von der Sache, aus welcher sie hervor- kommen, noch nicht abgesondert sind; erhal- tene (fructus percepti), welche von dersel- ben gaͤntzlich abgesondert und voͤllig einge- bracht sind; zuerhaltende (fructus perci- piendi) aber, welche einer haͤtte haben koͤnnen, wenn er nur mehreren Fleiß haͤtte anwenden wollen, folglich nicht nachlaͤßig gewesen waͤ- re. Wofern, die Fruͤchte zu erhalten, verschie- dene des Eigenthums. dene Handlungen oder Verrichtungen erfor- dert werden, als wie die Feldfruͤchte muͤßen gehauen, oder geschnitten, in Garben gebun- den, in die Scheune gefahren, und daselbst gedroschen werden; so heist das eine ange- fangene Erhaltung (perceptio inchoata), da man nur bis zu einer oder der andern Ver- richtung kommen ist; die voͤllige aber (per- ceptio consummata), da alle dabey vorzu- nehmende Verrichtung zu Ende gebracht ist. Die erhaltene Fruͤchte werden noch verhan- dene (extantes) genannt, welche der Besi- tzer der Sache, aus welcher sie hervorgekom- men, noch hat; verzehrte (consumti) hin- gegen, welche er nicht mehr hat. §. 225. Weil die freyen Handlungen des Warunt unsere Hand- lungen Sachen gleich zu achten. Menschen, in so fern sie entweder ihm selbst, oder andern nuͤtzlich sind, eben so wohl, als die Sachen sich schaͤtzen lassen; und, nach- dem das Eigenthum eingefuͤhrt wor- den ist, geschaͤtzt werden muͤssen, wie aus demjenigen, was wir unten beweisen werden, noch klaͤrer erhellen wird; so werden diesel- ben Sachen, die unser eigen sind, gleich geschaͤtzet; folglich geschieht dieses auch mit der Arbeit, ingleichen der Wartung und Besorgung der eigenthuͤmlichen Sachen. §. 226. Daher folgt ferner, daß, was aus un- Von den Fruͤchten deꝛselben. serer Arbeit, Wartung und Besorgung kom- II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung kommet, als eine Frucht derselben an- zusehen ist (§. 198.). Daher sind die Fruͤchte, die ohne unsern Fleiß von der Natur nicht hervorgebracht werden, theils Fruͤchte der Sache, theils Fruͤch- te des Fleisses, oder der Arbeit, der War- tung und Besorgung (§. 224.). Es gehoͤret aber auch zu der Erhaltung der Fruͤchte (perceptionem) die Bestim- mung zu einem gewissen Gebrauch, z. E. wenn man die Eicheln, die vor sich her- unter fallen, den Schweinen die dahin ge- trieben worden, zu fressen uͤberlaͤßt; oder das Graß dem Viehe, so auf die Weide getrie- ben wird. §. 227. Von der Specisi- cation. Man nennet eine Speciem ein einzelnes Ding von einer gewissen Art. Daher nennt man die Specification die Verrichtung, wo- durch aus einer gewissen Materie ein Ding von einer andern Art gemacht wird; und die Gestalt (forma), welche die Sache be- kommt, ist anzusehen als eine Frucht der Bemuͤhung desjenigen, der es zu einem Dinge von einer andern Art macht (§. 226.). Woraus erhellet, in wie- ferne kuͤnstliche Sachen als Fruͤchte an- zusehen sind, die demjenigen gehoͤren, der sie macht (§. 221.), naͤmlich das Ei- genthum kuͤnstlicher Sachen wird durch die Specification erhalten. Weil die Koͤrner in den Aehren, aus welchen sie ge- droschen des Eigenthums. droschen werden, schon wuͤrcklich da sind; so ist das Ausdreschen der Koͤrner aus den Aehren keine Specification. §. 228. Eine fruchtbare Sache (res fructuo- Von den frucht- baren u. unfrucht- baren Sachen, und wem die Fꝛuͤch- te gehoͤ- ren. sa) ist diejenige, von welcher man eine Frucht erhalten kann; eine unfruchtbare aber (in- fructuosa), aus welcher keine Frucht kom- men kann. Man sagt auch zuweilen, sie sey von Natur unfruchtbar. Weil man frucht- bare Sachen wegen der Fruͤchte zu eigenen macht, welches vor sich klar ist, und eben des- wegen das Eigenthum auch das Recht, die Fruͤchte zu geniessen, in sich begreift (§. 198.); so gehoͤren die Fruͤchte demjenigen, wel- chem die Sache gehoͤret, oder dem Ei- genthumsherrn der Sache; folglich, da der Eigenthumsherr von seinem Rechte alle uͤbrigen ausschleußt (§. 195.), so gehoͤrt das Recht die Fruͤchte zu erhalten nie- manden, als dem Eigenthumsherrn. §. 229. Daher ist ferner klar, daß der Besitzer Ob der Besitzer einer fremden Sache Theil an den Fruͤch- ten hat. einer fremden Sache, er mag dieselbe mit gutem Gewissen besitzen, oder nicht, kein Recht hat die Fruͤchte zu erhalten; folglich daß die natuͤrlichen Fruͤchte, sie moͤgen noch hangende (pendentes), oder schon erhaltene (percepti) seyn, dem Ei- genthumsherrn zugehoͤren (§. 224.). Weil aber die durch Fleiß erhaltene theils Fruͤchte der Sache, theils des Fleisses sind (§. 226.); II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung (§. 226.); so sind sie dem Eigenthums- herrn und dem Besitzer, nach Propor- tion der Sache und des angewandten Fleisses, gemein; z. E. wenn einer ein fremdes Grundstuͤcke besitzet, so gehoͤrt so viel von den Fruͤchten dem Eigenthumsherrn, als der Gebrauch des Grundstuͤcks werth ist; dem Besitzer aber so viel, als seine Arbeit und an- gewandter Fleiß. §. 230. Von dem Unter- schied ei- nes ge- wissen- hasten u. ungewis- senhaften Besitzers. Weil die Erhaltung der Fruͤchte zum Ge- brauch des Eigenthums gehoͤret (§. 228.); so thut ein ungewissenhafter Besitzer, indem er die Fruͤchte sich zueig- net, dem Eigenthumsherrn Unrecht (§. 201.); folglich hat dieser das Recht ihn zu bestrafen, daß er dieselbe ihm genommen hat (§. 93.); hingegen ein gewissenhafter Besitzer, dem, was er thut, nicht zugerechnet werden kann (§. 202.), kann deswegen nicht bestraft werden. Wenn aber die Fruͤchte verzehrt wor- den, so haben beyde eine fremde Sa- che verzehrt (§. 229.). §. 231. Von dem Rechte in der Spe- cifica- tion. Wenn einer aus einer fremden Ma- terie eine gewisse Sache gemacht hat (speciem fecit), da die Materie dem Eigen- thumsherrn der Materie gehoͤret, die Gestalt, die sie erhalten hat, als eine Frucht der Arbeit dessen, der sie gemacht hat, anzusehen (§. 227. 228.); des Eigenthums. 228.); so ist die Sache dem Herrn der Marerie und demjenigen, der daraus die Sache gemacht, gemein, nach Pro- portion des Werths der Materie und der Arbeit. Daher kann man leicht erken- nen, was einer vor ein Recht hat, der theils aus seiner eigenen, theils aus einer fremden Materie etwas macht, oder aus einer frem- den Materie vor einen andern; massen es ei- nerley ist, ob einer etwas selbst thut, oder durch einen andern. Es ist aber klar, daß einer, der etwas mit Vorbewust aus einer fremden Materie macht, dem Ei- genthumsherrn der Materie unrecht thut (§. 201.), und daher straffaͤl- lig wird (§. 93. 153.). §. 232. Weil das Ausdreschen nicht zu der Speci- Vom Ausdre- schen. fication, oder Verfertigung einer Sache aus einer fremden Materie gehoͤret (§. 227.), son- dern die Koͤrner schon ein Theil der Aehren sind; so sind, wenn einer fremde Aeh- ren ausdrischet, so wohl die Koͤrner, als das Stroh des Eigenthumsherrn der Aehren. Was vom Unrecht zu mer- cken ist, kann man aus dem vorigen §. wie- derhohlen. §. 233. Die Jungen (fœtus) sind eine Frucht Von dem jungen Viehe. der Thiere, als die Kaͤlber der Kuͤhe, die Laͤmmer der Schafe (§. 198.). Deswegen gehoͤren sie dem zu, dem die Thiere Nat. u. Voͤlckerrecht. K gehoͤ- II. Th. 2. H. Vom urspruͤngl. Erlangung gehoͤren, als die Kaͤlber dem Eigenthums- herrn der Kuͤhe, die Laͤmmer dem Eigen- thumsherrn der Schafe. Eben dieses gilt von den Eyern des Federviehes, und von den Kuͤchelchen, die ausgebruͤtet worden. Und es hindert nichts, daß von meinem Viehe dei- nes traͤchtig worden. §. 234. Wie die erhal- tenen Fruͤchte zu be- trachten sind. Da erhaltene, oder gehobene Fruͤch- te nicht mehr ein Theil der Sache sind, aus welcher sie hervorgekommen, als die von ihr nun abgesondert sind (§. 224.), und dem Ei- genthumsherrn einen besondern Nutzen ver- schaffen; so werden sie alsdann vor sich als eigenthuͤmliche Sachen angesehen. §. 235. Von der Vermi- schung u. Vermen- gung. Wenn zweyen, oder mehreren Eigenthums- herren zugehoͤrige, fluͤßige oder eingeschmoltzene Materien mit einander vermischt werden, daß dadurch eine vermischte Maße wird, so nennt man es eine Vermischung (confu- sionem). Eine Vermengung (commix- tio) aber heist, wenn trockene und feste Koͤr- per also unter einander gemengt werden, daß, was dem einen zugehoͤrt, zwar von dem un- terschieden verbleibet, was dem andern zuge- hoͤrt, jedoch alles zusammen nur ein Gantzes ausmachet. Da man niemanden wieder sei- nen Willen das Eigenthum von einer Sache nehmen kann (§. 195.); so ist, wenn das mit einander Vermischte, oder un- tereinander Vermengte nicht von ein- ander des Eigenthums. ander wieder abgesondert werden kann, oder wenigstens solches nicht ohne Schaden geschehen kann, das Ver- mischte und unter einander Ge- mengte, nach Proportion dessen, was einem jeden zugehoͤrete, gemein. Jm entgegen gesetzten Falle bekommt ein jeder das Seinige. §. 236. Eben dieses gilt, aus eben dem Grunde, von Von der An- schweis- sung und Anloͤ- tung. der Anschweissung (ferruminatione) so wohl roher, als verarbeiteter Metalle von ei- ner Art; und von der Anloͤtung (adplum- batura), da zwey Sachen, von verschiedner Art, durch eine von ihnen unterschiedene Ma- terie zusammen gefuͤgt werden. §. 237. Grund und Boden (solum) nennt Vom Bauen u. Boden. man einen Theil des Erdbodens, in so ferne er Menschen oder andere Sachen traͤget. Auf Grund und Boden befindliches (super- ficies) heißt dasjenige, was mit demselben zusammenhaͤngt und uͤber denselben hervor- ragt; als da sind Baͤume, Weinstoͤcke, Pflan- tzen, Haͤuser. Die Aufrichtung eines Ge- baͤudes ist das Bauen (ædificatio), und in so fern etwas auf einem Grunde erbauet wird, nennt man es das Erbauen (inædificatio- nem). Es ist auf eben die Art, wie vorher, klar (§. 235.), daß, wenn jemand auf seinem Grund und Boden aus einer fremden Materie, oder auf einem K 2 frem- II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung fremden Grunde und Boden aus sei- ner Materie bauet, das Gebaͤude den Eigenthumsherren der Materie und des Grundes und Bodens, nach Pro- portion, gemein sey; woferne das Ge- baͤude nicht beweglich ist, daß es naͤmlich weggenommen werden kann. §. 238. Vom Pflantzen u. Saͤen. Eben dieses gilt auch vom Pflantzen (plantatione), wodurch eine Pflantze in einen Grund gesetzt wird, daß sie daselbst Wurtzeln schlaͤgt und daraus ihre Nahrung hat; wie auch vom Saͤen (satione), wenn der Same in die Erde gebracht wird, daß er daselbst keimet und aufgehet. Man muß aber hierbey nur dieses mercken: Daß, wenn ein einem jeden zukommender Theil in der Gemeinschaft be- stimmt werden soll, man darauf zu sehen habe, wie viel die Pflantze, wenn sie gesetzt wird, oder der Saamen, wenn er ausgesaͤet wird, und der Gebrauch des Grundes nebst der Arbeit und Wartung gilt (§. 225.). §. 239. Von der Schrift und dem Gemaͤhl- de. Auf eine gleiche Weise ist, aus eben dem Grunde, wenn jemand auf unserem Pa- pier, oder Pergament, ein Gedicht, eine Geschichte, oder eine Rede geschrieben, oder auf unsere Tafel ein Bild gemahlt haͤtte, der gantze Koͤrper, nach Pro- portion dessen, was einem jeden gehoͤ- ret, gemein. Es ist naͤmlich bey der Ge- meinschaft gar nichts ungereimtes, wenn sich das des Eigenthums. das Eigenthum auf den tausendsten, ja auf einen Milliontheil erstreckt. Was aber Rech- tens ist, wenn das Gemeinschaftliche getheilt werden soll, die Sache aber sich nicht theilen laͤßt, noch die Gemeinschaft bestehen kann, das wird sich am gehoͤrigen Orte weisen. §. 240. Die Auslaͤufer (stolones), welche aus Von den Auslaͤu- fern und auslau- fenden Kraͤutern (herbis emissa- riis). den Wurtzeln eines Baums, der dem Nachbar gehoͤrt, auf unserem Grun- de und Boden hervorwachsen, und die Kraͤuter, welche aus den in der Er- de getriebenen Wurtzeln eines fremden Baumes, oder auch uͤber der Erde auslaufenden Stengelchen von einer fremden Pflantze hervorwachsen, sind unser; weil sie als eine Frucht unsers Grun- des und Bodens anzusehen, indem sie die Na- tur daselbst hervorbringt (§. 198.). §. 241. Weil alle Sachen, sie moͤgen Nahmen ha- Vom Recht auf des Nach- bars Baum. ben, wie sie wollen, des Gebrauchs wegen dem Eigenthum unterworfen werden (§. 121. 195.); so wird mit Grund und Boden auch der Luftraum, welcher in senck- rechter Linie daruͤber ist, dem Eigen- thume unterworfen, so weit er, von dem Grunde an gerechnet, genutzt wer- den kann. Der Kuͤrtze wegen wollen wir ihn den Luftraum (spatium atmosphæri- cum) nennen. Da nun die Aeste, welche vom Baume des Nachbars durch un- K 3 sern II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung sern Luftraum ausgebreitet werden, mit den auslaufenden Kraͤutern zu verglei- chen sind (§. 240.); so gehoͤren dieselben auch uns zu; folglich auch die Fruͤchte auf denselben (§. 228.). Und wenn die Aeste hindern, daß wir unsern Grund und Boden nicht so nutzen koͤnnen, wie wir wollen, so haben wir das Recht, dieselben zu behauen; eben so, wie der Naͤchbar das Recht hat, den Baum umzuhauen; als dem das Recht zukommt, mit dem Baume vorzunehmen, was er will, so ihm wieder seinen Willen nicht kann ge- nommen werden (§. 195.). §. 242. Vom Dazu- kommen, dem na- tuͤꝛlichen, kuͤnstli- chen und vermisch- ten. Das Dazukommen (accessio) wird ge- nannt, wenn zu einer gewissen Sache, wel- che schon eine gewisse Gestalt hat, noch etwas anders kommt, das mit ihr, es sey auch auf was vor Art und Weise es wolle, zusammen haͤngt, oder mit ihr vereiniget wird. Das- jenige, was auf diese Weise dazukommt, heist das Dazukommende (accessorium); dieje- nige Sache aber, zu welcher es dazukommt, nennt man die Hauptsache (rem principa- lem). Man nennt aber dieses Dazukom- men das natuͤrliche, oder das Ansetzen, welches von der Natur dazu gebracht wird; das kuͤnstliche, welches die Menschen ma- chen; und das vermischte, wozu Menschen und Natur etwas beytragen. Wenn eine fremde Sache zu der unseren kommt, und des Eigenthums. und sie kann ohne Schaden abgeson- dert werden, als z. E. wenn ein Edel- stein, der unser ist, in eines andern Ring gefaßt worden; so verbleibt der Stein unser: im Gegentheile ist die Haupt- sache mit dem Dazukommenden gemein (§. 195.). Wenn eine Sache, die kei- nem zugehoͤrt, dazu kommt; so bleibt sie eine Sache, die keinem zugehoͤrt, so lange, als sie nicht dem Eigenthume unterworfen wird (§. 210.). Bey der kuͤnstlichen Art muß man vornaͤmlich daraus beurtheilen, was die Hauptsache und was das Dazukommende sey, wozu die Sache gewied- met ist. §. 243. Man sagt, eine Sache gehe unter oder Von dem Unter- gange oder dem Verge- hen einer Sache. vergehe (interit), wenn dieselbe aufhoͤrt wuͤrcklich zu seyn. Die Art aber vergeht (species interit), wenn die Gestalt der Sa- che zernichtet wird, die Materie aber bleibt. Da niemand ein Recht uͤber eine Sache hat, als der Eigenthumsherr (§. 195.); so ist der Schade des Eigenthumsherrn, wenn die Sache untergehet, oder vergehet (res interit suo domino), und er verliehrt sein Recht, was er in derselben hatte: aber wenn die Art vernichtet wird, so bleibt noch die Materie seine. §. 244. Hieraus ist klar, daß, wenn durch die Von ei- nem lie- genden Gewalt eines Flußes unvermerckt Er- K 4 de II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung Grunde, der durch die Ge- walt ei- nes Flus- ses ver- mindert worden ist. de weggeschwemmet wird, so daß mit der Zeit unser liegender Grund merck- lich abnimt; oder wenn auch durch die Gewalt des Wassers merckliche Thei- le weggerissen und weggeschwemmet werden, wir das Eigenthum an dem Theil verliehren, der uns entrissen worden. §. 245. Von dem Recht des Ab- reissens. Wenn aber die Gewalt eines Flusses von deinem liegenden Grunde einen Theil weggerissen, und gantz an des Nachbars liegenden Grund angesetzt hat, so bleibt derselbe deine, so lange du ihn nicht verlassen wilst (§. 203.); indem er nicht untergehet (§. 243.), und dir wieder deinen Willen das Eigenthum nicht genommen und einem andern gegeben werden kann (§. 195.). Man nennt aber dergleichen gewaltsame Wuͤrckung der Natur, es mag durch das Wasser, oder einen andern Zufall geschehen, das Abreissen (avulsionem). §. 246. Wenn der Fluß seinen Graben verlaͤßt. Wenn der Fluß seinen natuͤrlichen Graben auf einmahl gaͤntzlich verlaͤßt, und einen andern Weg nimmt; so ver- bleibet der Graben dessen, dem der Fluß zugehoͤrte; indem der Graben desje- nigen ist, dessen der Fluß ist, und nicht un- tergehet, wenn gleich der Fluß ausreißt (§. 243. 245.). Derowegen wenn der Fluß keinem zugehoͤrte, so gehoͤret auch der ver- des Eigenthums. verlassene Graben keinem zu; folglich kann er von demjenigen eigenthuͤmlich gemacht werden, der das Recht hat, dergleichen Sachen sich eigenthuͤmlich zu machen (§. 210. 215.). §. 247. Auf gleiche Weise ist klar, daß, wenn Von ei- ner Jn- sel, die aus ei- nem Acker ge- macht worden. ein Fluß aus unserem Acker eine Jnsel macht, dieselbe Jnsel unser sey; wenn aber der Acker gemeinschaftlich gewe- sen, auch die Jnsel, nach Proportion, gemeinschaftlich sey. §. 248. Wenn ein Fluß sich einen neuen Vom Graben des Flus- ses der aus un- serem Acker ge- macht worden ist. Graben auf unserem Acker gemacht hat; so behalten wir unser Recht auf dem Grunde; weil man den neuen Gra- ben, als eine von uns verlohrene Sache ansiehet, welche man wieder zu bekommen noch Hofnung hat, in so fern naͤmlich der Fluß zu seinem vori- gen Graben zuruͤckkehren, oder nach einer an- dern Gegend seinen Weg nehmen kann (§. 220.); folglich gehoͤrt der Acker, wenn er wie- der in den vorigen Stand gesetzet ist, uns, und so auch ein jeder Theil, der wieder in den vorigen Stand gesetzet wird. §. 249. Wenn also auch unser Acker gantz uͤber- Vom Recht der Uebeꝛ- schwem- mung. schwem̃t wird, unerachtet die Ueber- schwemmung viele Jahre dauren sollte; so bleibt er unser (§. 195.), so lange wir ihn nicht verlassen (§. 203.). K 5 § 250. II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung §. 250. Von ei- ner Jn- sel, die im Mee- re oder in ei- nem Flusse entstehet. Wenn durch einen Zufall im Meere, oder auf einem Fluß eine Jnsel entste- het, z. E durch ein Erdbeben, oder weil der Fluß durch Zusammenschwemmen nach und nach einen erhabenen Ort uͤber dem Fluß gemacht, und durch Anspuͤhlen vergroͤssert hat; so gehoͤret dieselbe nie- manden, indem sie als eine Sache anzusehen, die in der Natur noch nicht dagewesen (§. 191.); folglich kann sie von demjenigen eigen- thuͤmlich gemacht werden, der das Recht hat, sich eigenthuͤmlich zu machen, was niemanden gehoͤret (§. 210. 215.). Wenn aber eine Jnsel in einem Flusse entstehet, weil der Fluß einen Theil, der sonst zum Graben des Flusses gehoͤrte, trocken ver- laͤßt und um denselben zu fliessen be- ginnet; da in solchem Falle nur ein Theil des Grabens verlassen wird, so ist die Jnsul des- sen, dem der Fluß zugehoͤret; folgends weñ der Fluß niemanden zugehoͤret, so ge- hoͤret auch die Jnsel niemanden (§. 246.). §. 251. Von dem Recht der An- spuͤh- lung. Die Anspuͤhlung (alluvio) nennt man den natuͤrlichen Zuwachs, da durch die Gewalt eines Flusses an einen daran liegenden Grund unvermerkt immer mehr angesetzt wird, so daß er mit der Zeit merklich vergroͤssert wird. Da nun, was hierdurch zu unserm Grun- de kommt, als eine Sache anzusehen ist, die vorher in der Natur nicht gewesen; so des Eigenthums. so erhellet, wie vorhin (§. 250.), es gehoͤre das- selbe niemanden zu; folglich koͤnne es von demjenigen eigenthuͤmlich gemacht werden, welcher das Recht hat, sich niemanden zu gehoͤrige Sachen eigen- thuͤmlich zumachen. §. 252. Es sind aber die Aecker entweder ausge- Dieses wird ge- nauer er- wogen. messene Aecker (agri assignati), welche mit ei- nem gewissen Maasse gemessen worden; oder es sind umgraͤntzte (limitati), welchen man ohne Ausmessung gewisse Graͤnzen gesetzt; oder endlich von der Natur umgraͤntzte (agri arcifinii), welche natuͤrliche Graͤntzen haben, als Fluͤsse, Berge, Waͤlder. Das Recht sich zuzueignen, was das Wasser an- spuͤhlet, kommet dem zu, dessen Acker natuͤrliche Graͤntzen hat, nicht aber dem, dessen Acker ausgemessen ist, oder dem auch seine Graͤntzen gesetzt worden sind. Denn derjenige, welcher wolte, daß der Acker seine natuͤrliche Graͤntzen haben sollte, hat mit demselben das Recht der Anspuͤhlung sich zugleich eigenthuͤmlich gemacht: welches aber nicht von demjenigen kann verstanden wer- den, der einen ausgemessenen, oder umschraͤnck- ten Acker hat (§. 251.). Da nun die- ser kein von der Natur umschraͤnckter Acker ist, wenn zwischen dem Acker und dem Flusse ein oͤffentlicher Weg, oder eine Landstrasse gehet, so nicht zum Acker, als ein Theil desselben, gehoͤret; so kann der Eigen- II. Th. 2. H. Von urspruͤngl. Erlangung Eigenthumsherr des Ackers kein Recht der Anspuͤhlung haben. §. 253. Ob der- gleichen Recht im stillste- henden Wasser statt findet. Da stillstehende Wasser ihre gesetzte Graͤn- zen haben, so daß, wenn sie wachsen, oder fallen, den benachbarten liegenden Gruͤnden nichts zuwaͤchst, oder abgehet; sondern ein jeder in dem, was ihm gehoͤret, sein Recht be- halten kann; so findet das Anspuͤhlungs- recht bey stillstehenden Wassern nicht statt (§. 251.). Man nennt aber im La- teinischen ein stillstehendes Wasser, das nicht austrocknet, lacum; wenn es aber austrock- net, stagnum. Es hat aber nichts zu sagen, daß unterweilen durch einem Zufall auch ein lacus austrocknen kan. §. 254. Was vor eine Ge- mein- schaft durch das, was im vor- herge- henden abgehan- delt wor- den, ein- gefuͤhrt wird. Weil eine positive Gemeinschafft darinn be- stehet, daß zweyen, oder mehreren zusam- men eine Sache, die nicht getheilt werden kann, nach Proportion eigenthuͤmlich ist, (§. 196.); so ist die Gemeinschafft, wel- che durch die Specification, oder Verfer- tigung einer Sache aus einer fremden Mate- rie (§. 231.), durch das Mischen und Mengen (§. 235.), durch die Anschweis- sung und Anloͤtung (§. 236.), durch das Bauen (§. 237.), durch das Pflan- zen und Saͤen (§. 238.), durch die Schrift und Mahlerey (§. 239.) und durch das Dazukom̃en eingefuͤhrt wird §. 242.), eine positive Gemeinschafft: Das des Eigenthums. Das Eigenthum aber wird in derselben, genau zu reden, nicht urspruͤnglich er- halten; in so fern aber die gemeinschaft- liche Sache vorher in der Natur noch nicht befindlich war, so wird die Er- haltung des Eigenthums der urspruͤng- lichen Erhaltung gleich geachtet. (§. 210.). Das dritte Hauptstuͤck. Von den Verbindlichkeiten und Rechten, welche aus dem Eigen- thum entstehen. §. 255. W eil der Eigenthumsherr schuldig Ob das Eigen- thum das Recht in sich schließt eine Sa- che zu verder- ben. ist, sich seiner Sache nicht anders zu bedienen, als seine Pflichten erfor- dern (§. 202.); so darf er auch, wenn es keine natuͤrliche Verbindlichkeit von ihm fordert, seine Sachen nicht zernichten, verderben, oder verschlim- mern; folglich schließt das Eigen- thumsrecht nicht das Recht in sich, seine Sache zu verderben, oder zu ver- schlimmern (§. 49.). Es fließt das Recht, welches der Eigenthumsherr hat, mit sei- ner eigenem Sache nach seinem Gefallen vor- zunehmen, was man wil, aus der natuͤrli- chen Freyheit (§. 195.), und diese hebt die na- tuͤrliche Verbindlichkeit nicht auf (§. 77.). §. 256. II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. §. 256. Von dem Recht ei- ne Sa- che, die unser ist, zu veraͤn- dern und etwas daraus zu ma- chen. Einer verfaͤhret mit der Sache selbst nach seinem Gefallen, wenn er einen liegenden Grund, oder das, was darauf stehet, oder auch eine andere Sache veraͤndert, ingleichen wenn er aus seiner Materie etwas macht; wel- ches an und vor sich selbst klar ist. Weil nun der Eigenthumsherr das Recht hat, seine Sachen nach seiner Willkuͤhr einzu- richten, wie er will, oder die Proprietaͤt, (proprietatem) (§. 198.); so hat er auch das Recht einen liegenden Grund, oder was auf demselben stehet, oder auch eine andere Sache zu veraͤndern, und aus ei- ner Materie zu machen, was ihm ge- faͤllt; Wem das Eigenthum nicht zu- koͤmmt, dem ist es nicht erlaubt eine Ver- aͤnderung vorzunehmen, oder etwas aus einer Materie zu machen, die nicht sein ist (§. 195.). §. 257. Vom Recht zu veraͤus- sern. Aus eben dem Grunde hat der Eigen- thumsherr, vermoͤge der Proprietaͤt, das Recht, sein Eigenthum auf einen andern zu bringen; folgends, da dieses die Veraͤusserung einer Sache (alienatio rei) genannt wird, in so fern naͤmlich itzund ein anderer Eigenthumsherr wird, als der es vorher war, hat er das Recht eine Sache zu veraͤussern (jus alienandi); demjeni- gen aber, der nicht der Eigenthumsherr ist, ist keine Veraͤusserung einer fremden Sache wegen des Eigenthums. Sache er laubet (§. 199.). Daher folgt ferner, daß wenn einer eine Sache be- kommt, von einem, der nicht der Ei- genthumsherr ist; so gehoͤrt dieselbe nicht dem zu, der sie bekommen hat, sondern sie bleibt dessen, dem sie gehoͤ- ret (§. 205.). Weil die unkoͤrperlichen Sachen, als die Rechte (§. 121.), auch im Eigenthume sind (§. 206.); so kann der Ei- genthumsherr auch die Recht veraͤus- sern; als das Recht zu fischen, zu jagen. §. 258. Wenn man das Eigenthum auf einen an- Von dem Recht eine Sache zu geben. dern bringet, ohne dabey darauf zu sehen, ob sie seine ist, oder nicht, so heisset dieses das Geben (datio); dergestalt daß geben (dare) nichts anders ist, als sein Eigenthum auf einen andern bringen. Daher ist eben- falls klar, daß niemand, als der Eigen- thumsherr einem andern eine Sache geben kann; und folglich niemand eine fremde Sache dem andern geben koͤnne (§. 199.). §. 259. Wenn ein Eigenthumsherr sein Eigen- Von dem Recht ei- nem zu einer Hand- lung ein Recht zu erthei- len, die in Ab- thum veraͤussert, so uͤbergiebt er sein Eigen- thum einem andern (§. 257.); folglich auch das Recht zu allen Handlungen, welche ver- moͤge des Eigenthums einem erlaubt sind. Derowegen kan auch das Recht zu einer jeden Handlung, die Vermoͤge des Ei- gen- II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. sicht des Eigen- thums erlaubt ist. genthums erlaubt ist, einem andern eingeraͤumet, das Eigenthum aber selbst vor sich behalten werden. Je- doch ist klar, daß das Eigenthum in die- sem Fall vermindert wird; weil das Recht, welches der andere erhalten, sein eigen ist, welches ihm wieder seinen Willen nicht wieder genommen werden kann (§. 100.). §. 260. Von dem Rechte, welches man ei- nem an- dern in seiner Sache einraͤu- met. Gleichergestalt, weil der Eigenthums- herr mit einem jeden Nutzen seiner Sache, nach seinem Gefallen verfahren kann (§. 195. 198.); so kann er auch einem andern ein Recht in seiner Sache einraͤumen, es habe einen Nahmen, wie es wolle; allein wer nicht Eigenthumsherr ist, kann dieses nicht thun. Dergleichen ist das Recht Wasser aus unserem Brunnen zu schoͤpfen, das Recht uͤber unsern Grund zu dem seinen zu gehen. §. 261. Vom Wieder- geben ei- ner Sache, die einem andern gehoͤrt. Weil der Eigenthumsherr in einer Sache das Eigenthum behaͤlt, die, es sey auf was vor Weise es wolle, in unsere Gewalt koͤmmt, daß wir dieselbe besitzen koͤnnen (§. 200. 205.); und eine jede Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigenthums gehoͤrt, uns unerlaubt ist (§. 195.), wir aber verhuͤten sollen, daß ein anderer nicht in Schaden (§. 134.), folglich um das Seine kommt (§. 207.); so muͤssen wir davor sorgen, daß, wenn eines andern Sache, es sey auf was vor Weise wegen des Eigenthums. Weise es wolle, in unsere Gewalt koͤmmt, sie wiederum in die Gewalt ihres Eigenthumsherrn komme; folg- lich wenn man weiß, wer derselbe sey, so muß man ihm seine Sache wieder geben; weis man es aber nicht, so muß man nachforschen, wer er sey. Zum Exem- pel wollen wir eine Sache nehmen, die ver- lohren worden, und wir gefunden haben, oder wenn ein fremdes Vieh auf unsern Hof kommt. §. 262. Weil derjenige, welcher unsere Sache hat, Von der Vindica- tion eineꝛ Sache, oder dem Wieder- zueig- nungs- recht. verbunden ist, uns dieselbe wieder zu geben (§. 261.); so haben wir, als Eigen- thumsherren, das Recht ihn dazu an- zuhalten, daß er uns dieselbe wieder- geben muß (§. 46.), und wenn er nicht wolte, ihn mit Gewalt dazu anzuhal- ten (§. 80.). Das Recht eine uns zugehoͤ- rige Sache von jedem Besitzer oder Jnhaber mit Gewalt zu erhalten, wird die Wiederzu- eignung oder Vindication einer Sache (vindicatio rei), oder auch das Recht eine uns zugehoͤrige Sache uns wieder zu- zueignen genannt. Der Eigenthums- herr hat also das Recht, sich seine Sache von jedem Besitzer, oder Jnhaber wieder zuzueignen. Weil aber die Sache bloß ihrem Eigenthumsherrn wieder gegeben werden muß (§. 261.); so sind wir verbun- den erst zu beweisen, daß eine Sache unser sey; und ehe wir dasselbe nicht Nat. u. Voͤlckerrecht. L bewie- II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. bewiesen haben, koͤnnen wir auch den andern nicht mit Gewalt anhalten, uns die Sache wieder zu geben. Da nun die gewaltsame Behauptung seines Rech- tes ein Krieg ist (§. 98.); so ist die Wie- derzueignung einer uns zugehoͤrigen Sache ein Krieg. §. 263. Vom Dieb- stahl, vom Raub u. der Jn- vasion. Ein boßhaftes Wegnehmen einer Sache, die einem andern zugehoͤret, wieder sein Wis- sen und Willen, mit dem Vorsatze, sich diesel- be zuzueignen, wird ein Diebstahl (furtum) genannt. Nimmet man einem das Seine auf oͤffentlicher Strasse mit Gewalt, so heist es ein Raub (rapina). Wer einen Dieb- stahl begeht, wird ein Dieb; wer einen Raub begeht, ein Raͤuber (prædo) genannt. Es ist aber ein offenbahrer Diebstahl (fur- tum manifestum), wenn der Dieb selbst bey dem Stehlen ertappt wird, da er die gestohl- nen Sachen noch nicht anders wohin gebracht hat: hingegen kein offenbahrer Dieb- stahl, oder ein heimlicher (furtum nec manifestum) im entgegengesetzten Falle. Wenn jemand wieder Wissen und Willen des Eigenthumsherrn, nach seinem eigenen Gefal- len, sich des Gebrauchs einer Sache anmasset, als wenn sie seine waͤre, so nennet man es einen Diebstahl des Gebrauchs (furtum usus). Wenn jemand einen wieder seinen Willen um den Besitz seiner unbeweglichen Sache bringet, als, wenn er dem Glaͤubiger das wegen des Eigenthums. das Unterpfand nimmet; so nennt man es ei- nen Diebstahl des Besitzes (furtum pos- sessionis). Eine Jnvasion (invasio) aber wird genannt, da einer, der kein Recht zum Besitz hat, einen andern mit Gewalt aus dem Besitze seiner unbeweglichen Sache wirft. Wer dieses thut, wird in Rechten Invasor ge- nannt. §. 264. Weil der Eigenthumsherr von seinem Was von dem Dieb- stahle u. Raube Rechtens ist, und von Wie- dererse- tzung ei- ner ge- stohlenen und ge- raubten Sache. Rechte, welches er in einer Sache hat, alle uͤbrige ausschleußt (§. 195.), ihm auch das- selbe nicht wieder seinen Willen genommen werden kann (§. 100.); so ist Stehlen und Rauben nicht erlaubt. Und weil ohne Willen des Eigenthumsherrn niemand anders das Eigenthum erlangen kann (§. 195.); so verbleibt eine gestohlene und ge- raubte Sache des Eigenthumsherrn; folglich kann er sich dieselbe von ei- nem Diebe, Raͤuber, oder einem jeden andern Besitzer wieder zueignen (§. 262.); und nicht allein der Dieb, oder Raͤuber, sondern auch ein jeder ande- rer, in dessen Gewalt die Sache ge- kommen, ist verbunden sie dem Eigen- thumsherrn wieder zu geben (§. 261.). Und weil alles, was man mit einer fremden Sache vor sich vornimmet, unerlaubt ist (§. 195.); so ist auch der Diebstahl des Gebrauchs unerlaubt (§. 198. 263.). L 2 §. 265. II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. §. 265. Von dem, was Rechtens bey der Jnva- sion, und gegen denjeni- gen, der sie unter- nimmt. Der Eigenthumsherr hat das Recht des Besitzes (§. 200.), welches man ihm wieder seinen Willen nicht nehmen kann (§. 100.). Deswegen ist auch die Jnvasion natuͤr- lich unerlaubt; und der, welcher die- selbe unternimmt, ist dem andern den Besitz wieder abzutreten schuldig. Und da der Eigenthumsherr nicht leiden darf, daß jemand anders wieder seinen Willen sich etwas anmasset, was ihm vermoͤge des Ei- genthums erlaubt ist (§. 195.); so hat er das Recht, den andern aus dem un- rechtmaͤßigen Besitze wiederum her- auszuwerfen, woferne er ihm nicht gutwillig denselben wieder einraͤumen will; folglich komt ihm das Recht zum Kriege wieder ihn zu (§. 98.). §. 266. Ob ein Eigen- thums- herr ei- nen Dieb- stahl, Naub u. Jnvasion begehen koͤnne. Es ist selbst aus den Begriffen klar, daß, wenn der Eigenthumsherr seine Sa- che dem andern heimlich oder mit Ge- walt wegnimmt, er kein Dieb oder Raͤuber sey; oder, wenn er den andern mit Gewalt aus dem Besitze der ihm zugehoͤrigen unbeweglichen Sache wirft, kein Jnvasor (§. 263.). Denn seine eigene Sache kann niemand stehlen oder rauben, sondern lediglich eine fremde. Es kann auch niemand ein Jnvasor seyn, als der nicht der Eigenthumsherr ist. Aber aus eben dem Grunde, aus welchem es bey der Wie- derzu- wegen des Eigenthums. derzueignung geschehen muß (§. 262.), erhel- let, daß einer beweisen muͤsse, es sey die Sache seine, damit er nicht vor ei- nen Dieb, oder Raͤuber, oder Jnvasor gehalten werde. §. 267. Der Dieb, Raͤuber und Jnvasor verletzen Von dem Recht, einen Dieb, Raͤuber und Jn- vasor zu strafen. das Recht des Eigenthumsherrn (§. 195. 263.); folglich beleidigen sie ihn (§. 88.). Derowegen hat der Eigenthumsherr das Recht, den Dieb, den Raͤuber und den Jnvasor zu strafen (§. 93.). §. 268. Weil wir das Recht der Vertheidigung Von dem Recht die uns zugehoͤri- ge Sa- chen zu verthei- digen. wieder denjenigen haben, der uns zu beleidi- gen sucht (§. 90.); so ist erlaubt, seine Sachen wieder einen offenbahren Dieb, einen Raͤuber und Jnvasor, oder ei- nen, der uns um den Besitz des unsri- gen bringen will, zu vertheidigen (§. 49.), und dieses ist ein uneingeschraͤnck- tes Recht (§. 94.). Weil aber der Dieb, der Raͤuber, und der uns um den Besitz brin- get, indem er der Vertheidigung wiederste- het, und auf unsere Person mit Gewalt loß gehet, uns anfaͤllt (aggressor est); so ist die Vertheidigung unserer Sachen in der Vertheidigung unserer Person enthal- ten. Und daher ist klar, daß die Verthei- digung unserer Sachen wieder einen offenbahren Dieb, einen Raͤuber, und L 3 einen, II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. einen, der uns um unsern Besitz bringr, ein Krieg sey (§. 98.). §. 269. Von dem Schaden. Man sagt, daß derjenige um das Sei- nige komme (jacturam sui facere), dem wieder seinen Willen das Seine dergestalt entzogen wird, daß er es niemahls wieder be- kommen kann. Der Verlust des Seinigen wird der Schaden (damnum) genannt; und in Schaden bringen (damnum dare), heisset so viel, als durch das, was man thut, oder unterlaͤßt, Ursache seyn an dem Verlust des Unsrigen. Jns- besondere nennt man einen vorsetzlichen Schaden (damnum voluntarium s. dolo- sum), welchen einer dem andern zuzufuͤgen getrachtet, oder der aus dem, was er Vor- habens war, erfolget (intentione directa, sive indirecta); einen unvorsetzlichen Scha- den (damnum culposum), welcher aus Ver- sehen geschehen; und endlich einen zufaͤlligen Schaden (damnum casuale), welcher durch einen nicht vorhergesehenen Zufall, den man nicht vermeiden koͤnnen, verursacht wird. Weil wir unser Vermoͤgen, folglich alle un- sere Sachen erhalten sollen (§. 208.); so soll auch ein jeder, so viel er kann, allen Schaden von sich abwenden, auch nie- manden in Schaden bringen, sondern vielmehr, so viel an ihm ist, auch von dem andern allen Schaden abwenden (§. 133.); folglich darf niemand dem an- dern wegen des Eigenthums. dern etwas wieder seinen Willen von seinen Sachen wegnehmen, oder ver- derben, es mag geschehen aus was vor Absicht es immer will. Uebrigens erhel- let hieraus, daß, wenn der Eigen- thumsherr die gestohlene oder geraub- te Sache nicht wiederbekommt, der Dieb und Raͤuber ihn in Schaden bringet. §. 270. Da niemand den andern in Schaden setzen Von der Ersetzung des Scha- dens, den einer ver- ursacht hat. soll (§. 269.), der Schaden aber in dem Ver- lust des Seinigen bestehet (§. cit. ), und da- her derjenige, der in Schaden gesetzet wird, weniger hat, als er vorher hatte; so darf niemand verursachen, daß der andere weniger habe, als er haben solte. Weil nun einer nicht weniger hat, als er haben solte, wenn ihm eben so viel wieder zugestel- let wird, als die Sache werth ist, die er ein- gebuͤsset hat, das ist, wenn der Schaden ersetzet wird (damnum resarcitur), wel- ches an und vor sich selbst klar ist; so muß ein jeder vorsetzlicher und unvor- setzlicher Schaden wieder ersetzet wer- den, und wir haben das Recht den andern dazu zu bringen, daß uns der Schade ersetzet werde. §. 271. Einer ist bereichert worden (locuple- Daß man sich nicht tior factus est), der mehr hat, als er vorher hatte. Daher wird er durch eines andern L 4 Sache II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. durch oder aus eines an- dern Sa- che berei- chern muͤsse. Sache bereichert (re alterius l. f.), wenn das, was er mehr hat, eine einem andern zu- gehoͤrige Sache ist; und aus eines andern Sache wird einer bereichert (ex re alte- rius l. f.), wenn dasjenige, was er mehr hat, von eines andern Sache, oder an deren Stelle kommt. Weil wir niemand weder mit Vor- satz, noch aus Versehen in Schaden bringen sollen (§. 269.), der Schaden aber in dem Verlust des Seinigen bestehet (§. cit. ); so darf auch niemand mit des andern Schaden sich bereichern, noch mit der Sache, oder aus der Sache eines an- dern; folglich, da der verursachte Schaden ersetzet werden muß (§. 270.), so ist jeder, der durch oder aus meiner Sache, die aber nicht mehr vorhanden ist, reicher worden, mir so viel zu ersetzen schul- dig, als er reicher worden ist. Dieser Hauptsatz hat einen sehr weitlaͤuftigen Nutzen im Rechte. §. 272. Was der gewissen- hafte und nicht ge- wissen- hafte Be- sitzer dem Eigen- thums- herrn schuldig ist. Keine Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigenthums gehoͤrt, kann einem gewissenhaf- ten Besitzer zugerechnet werden (§ 201.); folglich auch nicht was er unterlassen (§. 2.). Derowegen hat der Eigenthumsherr an dem gewissenhaften Besitzer wegen dessen, was er gethan, oder unterlas- sen, keine Forderung, sondern nur we- gen der Sache, in so fern er naͤmlich die- selbe ohne einiges Recht besitzet (§. 201.). Allein wegen des Eigenthums. Allein da dem ungewissenhaften Besitzer eine jede Handlung, die zur Ausuͤbung des Eigen- thumsrechts gehoͤret, zugerechnet werden kann (§. 201. 3.); so hat an dem ungewissen- haften Besitzer der Eigenthumsherr so wohl wegen der Sache, als auch wegen alles dessen, so er gethan, oder unterlassen, seine Forderung. §. 273. Weil an dem gewissenhaften Besitzer der Wovor der ge- wissen- hafte Be- sitzer dem Eigen- thums- herrn nicht ste- hen darf. Eigenthumsherr wegen dessen, was er ge- than, oder unterlassen, keine Forderung hat (§. 272.); so ist er auch, wenn die Sa- che durch einen Zufall untergehet, ob- gleich dieses nicht geschehen waͤre, wenn sie der Eigenthumsherr gehabt haͤtte, demselben nichts wieder zu er- statten schuldig; er ist auch nicht schul- dig den Schaden zu ersetzen, wenn die Sache durch sein Versehen unterge- gangen, oder weggekommen, noch auch die zu erwartenden Fruͤchte wieder zu erstatten, wenn er mehreren Fleiß an- gewandt haͤtte. §. 274. Allein, da ein ungewissenhafter Besi- Was ein ungewis- senhaf- ter Besi- tzer, in so fern er ein sol- cher ist, tzer dem Eigenthumsherrn davor stehen muß, was er gethan und unterlassen (§. 272.); so ist er dem Eigenthumsherrn den Scha- den zu ersetzen schuldig, wenn die Sa- che durch sein Versehen zu nichte wor- den, oder sonst weggekom̃en, oder auch L 5 durch II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. schuldig ist. durch einen Zufall solches geschehen, durch welchen es dem Eigenthums- herrn nicht begegnet waͤre, wenn er sie gehabt haͤtte: waͤre aber durch die- sen Zufall auch bey ihm eben dieses ge- schehen, so ist er auch nichts zu ersetzen schuldig; sintemahl alsdenn der Schade weder dem, was der Besitzer gethan, zuzu- schreiben, noch daher kommet, daß er dem Ei- genthumsherrn die Sache nicht wiedergegeben (§. 261.). Und da an den zu erhaltenden Fruͤchten der Fleiß des Besitzers seinen An- theil hat (§. 224.); so ist er auch schul- dig den Theil der Fruͤchte, die haͤtten koͤnnen erhalten werden, so dem Ei- genthumsherrn gehoͤrten, zu ersetzen (§. 229. 270.); §. 275. Von den Fruͤch- ten, die noch da sind. Weil die Fruͤchte einer Sache dem Eigen- thumsherrn gehoͤren (§. 228.), die Fruͤchte aber, die ohne angewandten Fleiß nicht erhal- ten werden, nach Proportion, dem Eigen- thumsherrn und dem Besitzer gemein sind (§. 229.), niemand aber sich durch eines an- dern Sache bereichern darf (§. 271.); so ist so wohl der gewissenhafte, als unge- wissenhafte Besitzer schuldig, die na- tuͤrlichen Fruͤchte, die noch vorhanden sind, und den Antheil derer, wozu Fleiß angewandt worden, herauszu- geben. §. 276. wegen des Eigenthums. §. 276. Weil ein gewissenhafter Besitzer dem Von den verzehr- ten Fruͤch- ten. Eigenthumsherrn nicht davor stehen darf, was er gethan, folglich auch nicht wegen der verzehrten Fruͤchte (§. 272.); jedoch aber auch nicht aus eines andern Sache sich berei- chern darf (§. 271.); so muß er dem Ei- genthumsherrn nur in so weit davor stehen, als er aus den verzehrten na- tuͤrlichen Fruͤchten und dem Antheil derer, worauf er seinen Fleiß gewandt, reicher worden ist; folglich, da man nicht sagen kann, daß der von dem, was einem andern zugehoͤret, gelebt habe, welcher von dem Seinigen leben konte; so ist er schul- dig eben so viel wieder zu erstatten, wenn er eben so viel im Vermoͤgen hat; hingegen weniger, wenn er we- niger im Vermoͤgen, aber nichts, wenn er nichts im Vermoͤgen hat. Hingegen, da ein ungewissenhafter Besitzer dem Eigenthumsherrn so wohl in Ansehung der Sache, als dessen, was er gethan, in allem stehen muß (§. 272.), folglich auch deswegen, daß er eine einem andern zugehoͤrige Sache ver- zehrt hat (§. 230.); so ist er auch schul- dig den Werth der natuͤrlichen Fruͤchte, die er verzehrt hat, und des verzehrten Antheils des Eigenthumsherrn an de- nen, worauf er Fleiß gewandt, zu er- statten. Man fragt hier aber, was wieder erstattet werden soll, nicht was wieder erstattet werden kann. §. 277. II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. §. 277. Wovor man zu stehen hat, wenn man eine fremde Sache ver- schlim- mert, oder ver- dorben. Es ist an und vor sich selbst klar, daß eine verschlimmerte oder verdorbene Sache weni- ger werth ist, als sie vorher war. Derowe- gen da dadurch der Eigenthumsherr in Scha- den kommet (§. 269.), niemand aber den an- dern in Schaden bringen soll (§. cit. ), und aller so wohl mit Vorsatz, als aus Versehen verursachter Schade ersetzt werden muß (§. 270); so ist derjenige, welcher einem andern seine Sache entweder vorsaͤtz- lich, oder auch aus Versehen verschlim- mert oder verderbet, dem Eigen- thumsherrn so viel zu ersetzen schul- dig, als die verschlimmerte oder ver- dorbene Sache weniger werth ist. §. 278. Wovor ein Besi- tzer einer fremden Sache stehen muß. Weil nun ein gewissenhafter Besitzer da- vor nicht stehen darf, was er gethan, aber wohl ein ungewissenhafter (§. 272.); so ist auch der gewissenhafte Besitzer der Verschlimmerung wegen keine Erstat- tung schuldig; der ungewissenhafte aber muß in so weit davor stehen, als die verschlimmerte Sache weniger werth ist. Von einer Verschlimme- rung aber, die durch einen Zufall ge- schehen, muß eben das bemerckt wer- den, was von einem zufaͤlligen Unter- gange gesagt worden (§. 273.). §. 279. wegen des Eigenthums. §. 279. Die Unkosten (impensæ) sind die Aus- Was und wie vie- lerley die Unkosten sind. gaben, die wir an eine Sache wenden, entwe- der um sie zu erhalten, oder zu gebrauchen, oder Fruͤchte von ihr zu ziehen. Es werden nothwendige Unkosten (necessariæ) ge- nannt, welche angewandt werden, um eine Sache zu erhalten; nuͤtzliche Unkosten (utiles), durch welche eine Sache nuͤtzlicher und fruchtbarer gemacht wird; Unkosten zur Lust (voluptuariæ), welche bloß, um Vergnuͤgen daher zu empfinden, angewandt werden. Wenn nuͤtzliche Unkosten angewen- det werden, so sagt man, die Sache wird verbessert (res meliorari). Man nennt die Unkosten aber vermischte, wenn die Unkosten zur Lust in den nothwendigen und nuͤtzlichen enthalten sind; und die Unkosten zur Lust sind die vornehmsten (volu- ptuariæ prædominantur), wenn man mehr auf die Lust, als auf das Nothwendige und Nutzbahre siehet. §. 280. Weil wir verbunden sind unser Vermoͤ- Die Ver- bindlich- keit und das Recht Unkosten anzuwen- den. gen (patrimonium) zu erhalten, und so viel, als wir koͤnnen, zu vermehren (§. 208.); so ist also jeder Eigenthumsherr von Na- tur verbunden, so viel an ihm ist, noth- wendige und nuͤtzliche Unkosten anzu- wenden. Und weil wir auch darauf zu se- hen haben, daß wir unser Leben vergnuͤgt hin- bringen (§. 119.); so sind auch die Unko- sten II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. sten zur Lust nicht unerlaubt, wenn sie nicht zu einem schaͤdlichen Vergnuͤ- gen angewandt werden (§. 120.). §. 281. Von der Wieder- erstat- tung der noth- wendigen und nuͤtz- lichen Unkosten. Zur Anwendung der nothwendigen und nuͤtzlichen Unkosten sind wir verbunden (§. 281.). Wenn also der Besitzer einer einem andern zugehoͤrigen Sache dieselbe anwendet; so thut er nichts, als was der Eigenthums- herr selbst zu thun verbunden gewesen waͤre, wenn nur die nuͤtzlichen dem Eigenthumsherrn eben so nutzbahr sind, als dem Besitzer. Man muß also so wohl dem gewissenhaften als ungewissenhaften Besitzer die noth- wendigen und nuͤtzlichen Unkosten wie- der erstatten, durch welche die Sache nutzbahrer worden ist. Jedoch da der gewissenhafte Besitzer dem Eigenthumsherrn nicht davor stehen darf, was er gethan, wohl aber der ungewissenhafte (§. 272.); so muͤs- sen dem gewissenhaften Besitzer die Un- kosten erstattet werden, durch welche die Sache nutzbahrer worden ist; dem ungewissenhaften aber bloß in dem Falle, wenn sie dem Eigenthums- herrn eben so nutzbahr sind, oder die Sache nunmehto mehr werth ist; da- mit naͤmlich der Eigenthuͤmer nicht mit Scha- den des Besitzers bereichert werde (§. 271.), noch auch er dadurch Schaden leide, indem er die Unkosten ersetzet, welche er selbst nicht aufgewandt haͤtte (§. 269.), indem er sie ohne wegen des Eigenthums. ohne seinen Nutzen wuͤrde haben aufwenden muͤssen. §. 282. Man sagt, daß derjenige die Unkosten Von dem Wegneh- men der Unkosten. wegnimmt (impensas tollit), welcher das- jenige wegnimmt, was in eines andern Sa- che auf seine Unkosten gemacht worden ist. Es wird aber etwas ohne Schaden der Sa- che weggenommen, wenn durch dasjeni- ge, was weggenommen wird, die Sache an und vor sich selbst nicht verdorben wird. Weil nun niemand mit des andern Schaden sich bereichern darf (271.); so darf ein Besi- tzer, wenn er dem andern seine Sache wiedergiebt, die Unkosten wegneh- men, die ohne Schaden der Sache weggenommen werden koͤnnen. §. 283. Weil der gewissenhafte Besitzer dem Eigen- Von der Erstat- tung der Unkosten zur Lust, und von der Col- lision der Schaͤ- den. thumsherrn davor nicht stehen darf, was er gethan (§. 272.); so muͤssen ihm alle Un- kosten zur Lust, die entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Schaden der Sache weggenommen werden koͤnnen, so hoch, als sich dieselbe zur Zeit der Wiedererstattung belaufen, wieder erstattet werden (§. 271.). Allein da der ungewissenhafte Besitzer vor alles stehen muß, was er gethan (§. 272.); so kommet in dem Falle, da er Unkosten zur Lust angewandt hat, die der Eigenthumsherr nicht wuͤrde angewandt haben, und von welchen er wuste, daß sie ent- II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Scha- den der Sache weggenommen werden koͤnn- ten, durch seine Schuld die Sache in den Stand, daß, wenn sie wieder gege- ben werden soll, entweder der Besitzer, oder der Eigenthumsherr den Schaden tragen muß (§. 17.). Da nun dieses nicht dem Eigen- thumsherrn, sondern dem Besitzer zuzurech- nen ist (§. 3.); so duͤrfen die Unkosten zur Lust, die entweder gar nicht, oder doch nicht ohne Schaden der Sache weg- genommen werden koͤnnen, und wel- che der Eigenthumsherr selbst nicht wuͤrde angewandt haben, einem unge- wissenhaften Besitzer nicht wieder er- stattet werden: ein anders ist es, wenn sie der Eigenthumsherr selbst wuͤrde angewandt haben. Beylaͤufig bemerken wir, daß aus demjenigen, was wir erwiesen haben, uͤberhaupt klar sey, daß wenn der Schaden desjenigen, durch dessen Schuld er sich erreignet, mit dem Schaden eines andern collidirt, der gar keine Schuld daran hat, derjenige den Schaden tragen muß, der Schuld daran ist; woraus ferner folget, daß, wenn beyde nicht ausser aller Schuld sind, der Schade, nach Proportion der Schuld, von einem jeden zu tragen ist. §. 284. Von dem Recht die Unkosten Man sagt, der Besitzer zieht die Unko- sten ab, (impensas deducere), wenn er um so wegen des Eigenthums. so viel weniger wiedererstattet, als die Unko- abzuzie- hen. sten zur Zeit der Wiedererstattung werth sind, z. E. wenn er nur 30 wiedergiebt, da er we- gen der verzehrten Fruͤchte 150 wiedergeben solte, indem die Unkosten 120 geschaͤtzet werden. Weil nun, indem die Unkosten von demjenigen abgezogen werden, was dem Eigenthumsherrn wieder zu erstatten war, so wohl der Besitzer, als der Eigenthumsherr erhaͤlt, was ihm ge- hoͤret, man aber einem jeden das Seine ge- ben muß (§. 86.); so hat der Besitzer das Recht, die Unkosten, die ihm vom Ei- genthumsherrn erstattet werden muͤs- sen, abzuziehen; welches naͤmlich aus der beyderseitigen Verbindlichkeit, dasjenige, was einem jeden gehoͤret, dem andern wieder zu erstatten, entspringt (§. 46.). §. 285. Die Belohnung dessen, der etwas Von der Beloh- nung dessen, der et- was sin- det. findet (præmium inventionis), nennt man dasjenige, was man dem, der eine verlohrene Sache gefunden hat, giebt, weil er sie wie- dergiebt. Weil nun der, welcher etwas fin- det, verbunden ist, es dem Eigenthumsherrn wieder zu geben (§. 220. 261.); so ist man nach dem Recht der Natur nicht schul- dig, dem, der eine Sache findet, eine Belohnung zu geben; und daher hat er kein Recht, eine Belohnung von dem Eigenthumsherrn zu fordern. Was man von den Unkosten, die darauf verwandt worden, damit der Eigenthumsherr seine Nat. u. Voͤlckerrecht. M ver- II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. verlohrne Sache hat wieder bekommen koͤn- nen, zu bemerken hat, ist daraus klar, was wir erst von dem Besitzer einer einem andern zugehoͤrigen Sache bewiesen haben; denn die Ersetzung der Unkosten gruͤndet sich dar- auf, was einer auf eines andern Sache ge- wandt hat. §. 286. Vom Betrug sowohl dem vor- saͤtzlichen, als dem ohne Vorwis- sen ge- schehe- nen. Man sagt einer betriege den andern (alterum defraudare) wer mit Wissen und Willen entweder mit der That oder mit Wor- ten, den andern um das Seine bringet, oder was er ihm schuldig ist. Der Betrug ist also eine Handlung, durch welche man dem andern, mit dem wir zu thun haben, ohne daß er es weiß, im Schaden bringet. Wenn dieses mit Wissen und Willen geschieht, so ist es ein vorbedachter, oder vorsaͤtzli- cher Betrug (fraus consilii): geschiehet es aber unwissende, als wenn einer einen un- echten Edelstein, anstatt eines echten, oh- ne daß er es weiß, verkauft, so ist es ein un- wissender, oder unvorsetzlicher Betrug (fraus eventus). Da man niemanden weder vorsetzlicher, noch unvorsetzlicher Weise in Schaden bringen soll (§. 269.); so darf man auch niemanden betriegen, und ist ein- jeder vorbedachter Betrug unerlaubt. Weil aber auch der Schade, in welchen man einen bringet, ersetzet werden muß (§. 270.); so muß nicht nur dasjenige, warum der andere betrogen ist, wieder gege- ben, wegen des Eigenthums. ben, oder der Werth wieder ersetzet werden (æstimatio præstanda); sondern es muß auch derjenige schadloß gehal- ten werden, welchem ein unwissender Betrug schaden wuͤrde. §. 287. Das Recht des Besitzes (jus possessio- Vom Recht des Be- sitzes. nis), wird dasjenige genannt, welches einem Besitzer, vermoͤge des Besitzes, zukoͤmmt. Es ist also von dem Recht zu besitzen (jus possidendi) unterschieden, welches dem Eigen- thumsherrn, vermoͤge seines Eigenthums, zu- koͤmmt (§. 200.). Daß es aber ein Recht des Besitzes gebe, erhellet aus dem, was folgt. §. 288. Weil dem Eigenthumsherrn allein das Vom verbo- thenen eigen- maͤchti- gen Weg- nehmen, und daß das ei- genmaͤch- tig Weg- genom- mene wieder erstattet werden muͤsse. Recht zu besitzen zukommt (§. 200.), er auch den Besitzer nicht mit Gewalt zur Wiederer- stattung zwingen kann, wenn er nicht sein Eigenthum bewiesen hat (§. 262.); so kan von einem, der nicht der Eigenthums- herr ist, oder auch vom Eigenthums- herrn, wenn er sein Eigenthum noch nicht bewiesen hat, noch von einem Besitzer, der seinen rechtmaͤßigen Besitz noch nicht erwiesen hat, kein Besitzer, er sey wer er wolle, aus dem Besitze geworfen werden; folglich, wenn er herausgeworfen worden ist, so muß er wieder in den Besitz gesetzet werden. Derowegen weil man eine Sache besitzet, um sein Eigenthum zu gebrauchen (§. 200.); so M 2 muß II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. muß auch, so lange unerlaubt ist, dem Be- sitzer den Besitz zu nehmen, ihm der Ge- brauch des Eigenthums verstattet werden. Das gewaltsame Verfahren, wo- durch einer aus dem Besitze geworfen, oder des Besitzes beraubet wird, heißt im canoni- schen Recht spolium, oder eine eigene Be- maͤchtigung. Und daher folgt, daß, was eigenmaͤchtig weggenommen ist, wie- der gegeben, oder eingeraͤumet werden muͤsse. §. 289. Von der Verthei- digung und Wie- dererhal- tung des Besitzes. Weil der Besitzer nicht schuldig ist zu leiden, daß er von dem, der nicht Eigenthumsherr ist, oder auch sein Eigenthum noch nicht bewiesen hat, aus dem Besitze mit Gewalt herausge- worfen werde (§. 288. 46.); so kommt ihm auch das Recht zu, seinen Besitz zu vertheidigen (§. 90.), wie auch das Recht zu demjenigen, ohne welches er den verlohrnen Besitz nicht wieder er- halten kann. Naͤmlich der Besitzer fuͤhret sich so lange, als er in dem Besitz ist, als Eigenthumsherr auf, und das muß man ihm auch verstatten (§. 288.). §. 290. Vom ge- waltsa- men und heimli- chen Be- sitz. Durch Gewalt (gewaltsam, vi possidet ) besitzet derjenige etwas, der dadurch den Besitz erhalten, weil er den vorigen Besitzer mit einer unrechtmaͤßigen Gewalt aus seinem Besitze geworfen hat; heimlich aber, oder ver- wegen des Eigenthums. verstohlner weise besitzt einer etwas (clam possidet), welcher, dem Besitzer unwissende, den Besitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne Recht eingenommen hat, und wer dieses thut, von dem sagt man, er kommt verstohlner weise in den Besitz (possessionem furtive ingredi), und der auf solche Weise erhaltene Besitz wird der heimliche oder verstoh- lene Besitz (possessio clandestina) genannt. Denn man achtet einen solchen Besitz einer ge- stohlnen Sache gleich. Es ist aber eben, wie vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt sey, eine Sache verstohlner weise zu besitzen, es mag der Besitzer entweder nicht der Eigenthumsherr seyn, oder, wenn er es ist, doch sein Eigenthum noch nicht bewiesen habe; und daß in sol- chem Falle der Besitz dem vorigen Be- sitzer wieder einzuraͤumen sey; folglich dieser das Recht habe, nicht zu leiden, daß der andere etwas, was er besessen, verstohlener weise besitze; folglich, wenn er ihm den Besitz nicht wieder ein- raͤumen will, er ihn mit Gewalt her- auswerfen koͤnne. §. 291. Weil die Sache, die einer besitzet, in seiner Wie der Besitz er- langet, behalten und ver- lohren werde. Gewalt seyn muß, so daß es moͤglich ist, nach seinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen, was er will (§. 200.); folglich des Eigen- thums sich zu gebrauchen (§. 195.); so wird der Besitz erlanget (acquiritur), wenn M 3 die II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. die Sache in den Stand gebracht wird, da es moͤglich ist, nach Art des Eigen- thumsherrn, mit derselben vorzuneh- men, was man will; und er wird so lange behalten, als man sich des Eigen- thums, entweder selbst, oder durch an- dere bedienen kann; er wird aber ver- lohren, wenn die Sache in den Stand kommt, in welchem dieses nicht weiter geschehen kann. §. 292. Ob man abwesend etwas be- sitzen koͤnne. Weil man eine Sache im Besitz hat, wenn man auch das Eigenthum durch einen andern ausuͤbet (§. 291.); so kann einer auch ab- wesend eine Sache besitzen. §. 293. Von dem Besitz der unbeweg- lichen u. unkoͤr- perlichen Dinge. Und weil der Besitz auf dem Vermoͤgen, das Eigenthum zu gebrauchen, beruhet (§. 291.); so ist eine bewegliche Sache so lange in unserm Besitz, als sie in un- serer Verwahrung ist; und weil man un- koͤrperliche Dinge nicht anders aufbehal- ten kann, als in so fern wir dieselben wuͤrck- lich brauchen (§. 121.); so besitzet man dieselbe durch den Gebrauch und durch das Vermoͤgen sie zu gebrauchen, und zu verbiethen, daß es kein anderer thue. §. 294. Von der uꝛspeuͤng- lichen Art, den Da durch die Zueignung die Sachen, die keinem zugehoͤren, in den Stand gebracht werden, daß man mit denselben nach seinem Gefal- wegen des Eigenthums. Gefallen vornehmen kann, was man will Besitz zu erhal- ten. (§. 210. 195.), durch die Zueignung aber auch das Eigenthum urspruͤnglich erhalten wird (§. 210.); so wird der Besitz von Sachen, die keinem zugehoͤren, mit dem Eigenthume zugleich erhalten; und diese Art den Besitz zu erhalten ist die urspruͤngliche Art, wodurch naͤmlich der Besitz davon erhalten wird, was noch von keinem besessen worden. §. 295. Ein Besitz mit einem Titel (possessio Vom Besitze mit ei- nem Ti- tel, und was ein Titel sey. titulata) ist derjenige, der einen Titel hat. Der Titel (titulus) aber ist der Grund des Gesetzes, aus welchem erhellet, daß eine ge- wisse That ein gewisses Recht hervorbringen koͤnne. Die That aber selbst, wodurch wir eines Rechtes theilhaftig werden, ist die Art etwas zu erhalten (modus acqvirendi). Daher erhellet, daß der Besitz der Sa- che, die keinem zugehoͤret, welcher durch die Zueignung erhalten worden, einen Titel hat; massen nach dem Gesetz der Natur, durch die Zueignung, mit dem Eigenthume der Besitz erhalten wird (§. 294.). §. 296. Weil der Besitz verlohren wird, wenn eine Von dem verlohr- nen Be- sitz einer unbeweg- lichen u. unkoͤr- Sache in den Stand kommt, daß man das Eigenthum nicht gebrauchen kann (§. 291.); so hat man den Besitz verlohren, wenn jemand unsere unbewegliche Sache, oder ein Recht das uns zukommt, als M 4 haͤtte II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. perlichen Sache. haͤtte er das Eigenthum davon, ge- braucht, und nicht zugiebt, daß wir unser Recht gebrauchen. Da aber der Besitz so lange behalten wird, als wir das Eigenthum gebrauchen koͤnnen (§. 291.); folglich so lange wir nicht leiden, daß ein an- derer, wieder unseren Willen, dasselbe ge- brauche; und kein anderer verhindern kann, daß wir uns unseres Rechtes bedienen, wenn wir wollen; so wird durch den blossen Mangel des Gebrauchs der Besitz nicht verlohren. §. 297. Von der Stoͤh- rung des Besitzes. Der Besitz wird gestoͤhrt (possessio turbatur), wenn der Besitzer in dem Ge- brauch seines Eigenthums, in Absicht einer und der andern Handlung, die ihm frey ste- het, es sey auf was vor Weise es wolle, ver- hindert; derselbe aber ihm doch nicht gaͤntzlich genommen wird. Man nennt aber eine Stoͤhrung durch Worte (turbatio ver- balis), die in Worten; eine Stoͤhrung in der That (realis), die in einer gewissen Handlung bestehet. Die Gewalt, durch welche der Besitz gestoͤhret wird, nennt man die stoͤhrende (vis turbativa), eben wie die austreibende Gewalt (vis expulsiva), durch welche einer aus dem Besitz geworfen wird; und die antreibende Gewalt (vis compulsiva), durch welche einer zur Ueber- laßung des Besitzes gezwungen wird. Weil dem Besitzer der Gebrauch des Eigenthums frey wegen des Eigenthums. frey gelassen werden muß (§. 288.); so ist die Stoͤhrung des Besitzes mit Wor- ten und in der That unerlaubt. §. 298. Man sagt von den unkoͤrperlichen Sachen, Vom aͤhnli- chen Be- sitz. daß sie gleichsam besessen werden (quasi possideri), in so weit man den Besitz dersel- ben nach der Aehnlichkeit (analogia) des Besitzes der koͤrperlichen Dinge dichtet; als dessen Grund die Moͤglichkeit der Handlun- gen ist, welche vorzunehmen der Eigenthums- herr vermoͤge seines Eigenthums berechti- get ist. §. 299. Da das Recht des Besitzes aus dem Be- Vom verlohre- nen Rech- te des Besitzes. sitz entstehet (§. 287.); so wird, nachdem der Besitz verlohren worden, auch das Recht des Besitzes verlohren; folglich werden die Rechte des Besitzes so lan- ge behalten, als der Besitz behalten wird. Das vierte Hauptstuͤck. Von dem Recht, das von der Gemeinschaft der ersten Zeit noch uͤbrig ist. §. 300. D as aus der Gemeinschaft der er- Was das Recht ist, welches aus der Gemein- schaft der sten Zeit noch uͤbrige Recht (jus ex communione primæva residuum) nennt man dasjenige, welches wir noch zu M 5 denje- II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht ersten Zeit noch uͤbrig ist. denjenigen Dingen, die andern eigenthuͤmlich zugehoͤren, haben, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden ist. Es wird also dassel- be von der Gemeinschaft der ersten Zeit un- terschieden; welche noch in Ansehung gewis- ser Dinge, die noch nicht dem Eigenthum unterworfen sind, oder nicht unterworfen werden koͤnnen, bestehet. §. 301. Jn wel- chen Din- gen die Gem ein- schaft der ersten Zeit noch uͤbrig ist. Weil die Gemeinschaft der ersten Zeit durch die urspruͤngliche Erhaltung des Eigenthums (§. 194. 210.), folglich durch die Zueignung aufgehoben worden (§. 210.); so sind die- jenigen Sachen, welche sich entweder niemand zueignen kann, oder darf, noch in der Gemeinschaft der ersten Zeit; oder es sind Sachen, die allen Menschen gemein sind; oder, welches gleich viel ist, in Ansehung dieser Sa- chen ist die Gemeinschaft der ersten Zeit noch uͤbrig. §. 302. Von den Sachen, deren Gebꝛauch nicht er- schoͤpft wird. Man nennt Sachen, deren Gebrauch nicht erschoͤpft wird (res usus inexhau- sti) diejenigen, deren Gebrauch fuͤr alle Men- schen hinreichend ist, und den sie haben koͤn- nen, so oft sie desselben beduͤrfen. Weil der Eigenthumsherr von dem Gebrauch seiner Sa- che alle uͤbrigen ausschleußt (§. 195.), der Ge- brauch aber einer Sache, den ein jeder haben kann, wenn er will, ohne Abbruch der an- dern, von einem den uͤbrigen allen nicht hat koͤnnen aus der ersten Gemeinschaft. koͤnnen genommen werden (§. 74.); so ist auch keinem erlaubt gewesen, die Sa- chen, deren Gebrauch nicht erschoͤpft wird, sich zuzueignen (§. 210.); folg- lich ist in denselben noch die Gemein- schaft der ersten Zeit uͤbrig. Ob also gleich das Eigenthum eingefuͤhrt worden ist: so bleibt doch die Luft, das vorbey- fliessende Wasser und das Sonnenlicht allen Menschen gemein. §. 303. Gleichergestalt, weil durch das Eigen- Warum dasjeni- ge, was nicht einge- schraͤnckt und ver- theidiget werden kann, ge- mein- schaftlich geblieben sey, z. E. das offne Meer. thum alle uͤbrigen von dem Gebrauch einer eigenthuͤmlichen Sache ausgeschlossen werden (§. 195.); so muß dasjenige, was eigen- thuͤmlich werden soll, seine bestimmte Graͤntzen haben: was aber keine ha- ben kann, kann auch nicht eigenthuͤm- lich gemacht werden. Und weil der Ei- genthumsherr das Recht hat zu verbiethen, daß niemand, wieder seinen Willen, sich sei- ner Sache auf einige Art und Weise anmas- sen kann (§. cit. ); so ist noͤthig daß er sein Eigenthum behaupten kann. Was also so beschaffen ist, daß man sein Eigen- thum daruͤber nicht behaupten kann, das kann auch demselben nicht unter- worfen werden. Und daher erhellet, daß die offenbahre See in der Gemein- schaft der ersten Zeit geblieben sey, ob- gleich einige Theile, welche an dem festen II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht festen Lande liegen, haben eigenthuͤm- lich gemacht werden koͤnnen (§. 302.). §. 304. Mit was vor einer vor sich verstaͤnd- lichen Ausnah- me das Eigen- thum eingefuͤh- ret wor- den sey. Weil das Recht zum Gebrauch der natuͤrli- chen Sachen einem jeden Menschen von Na- tur zukommt (§. 186.), und das Gesetz der Natur uns auch ein Recht zum nothwendigen Gebrauch der durch Fleiß und Kunst erhalte- nen giebt (§. 188.), welches niemand genom- men werden kann (§. 74.); so hat auch durch die Einfuͤhrung des Eigen- thums niemanden der nothwendige Ge- brauch der Sachen gaͤntzlich benommen werden koͤnnen; folglich hat das Eigen- thum nicht anders eingefuͤhrt werden koͤnnen, als mit dieser Einschraͤnckung, die sich vor sich verstehet (stillschweigen- den, tacita ); daß, wenn es sich in ei- nem vorkommenden Falle zutruͤge, daß einem gaͤntzlich der Gebrauch der noth- wendigen Sachen genommen wuͤrde, er ein Recht zu denen eigenthuͤmlichen habe. Naͤmlich das Eigenthum ist nicht deswegen eingefuͤhrt worden, daß jemanden gaͤntzlich der nothwendige Gebrauch der Sa- chen sollte benommen werden; sondern daß alle sich desto besser des Vortheils von demsel- ben zu erfreuen haben moͤchten (§. 194.). §. 305. Von den nothwen- digen Sachen, Wenn also jemanden gantz und gar die nothwendigen Sachen zu seinem Gebrauch fehlen, und es nicht in sei- nem aus der ersten Gemeinschaft nem Vermoͤgen stehet, daß er sich die- die man in der aͤusser- sten Noth dem Ei- gen- thums- herrn wegnim̃t. selben fuͤr einen billigen Preis anschaf- fen, oder durch geleistete Arbeit er- werben, noch auch dieselben durch Bitten von andern erhalten kann; so kann er im natuͤrlichen Stande sie dem andern, welcher sie wohl entbehren kann, wieder sein Wissen und Willen, ja gar mit Gewalt wegnehmen (§. 304.). Weil man also dieses mit Recht thut, welches aus der Gemeinschaft der ersten Zeit uͤbrig ist (§. 300.); so begeht man keinen Raub oder Diebstahl. Denn die aͤusserste Noth- wendigkeit verwandelt das Recht zu bitten in das Recht zu zwingen, daß man es uns gebe. §. 306. Weil dieses Recht, welches nur bey der Von der natuͤrli- chen Ver- bindlich- keit, die daher ent- springt. aͤussersten Nothwendigkeit statt hat, nicht wei- ter gehet, als bis auf den nothwendigen Ge- brauch, um dessen willen es gegeben worden ist (§. 304.); so muß eine Sache, wel- che durch den Gebrauch nicht verzehrt wird, nach geendigtem Gebrauch wie- dergegeben werden; wenn sie aber durch den Gebrauch verzehrt worden ist, und die Nothwendigkeit auf hoͤ- ret, und man so viel von eben der Art, oder etwas, das eben so viel werth ist, wiedergeben, oder den Werth bezah- len kann; so muß dieses geschehen. §. 307. II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht §. 307. Die Ge- walt der Noth- wendig- keit in Sachen, die man sich von andern anschaf- fen muß. Daher erhellet leicht ferner, daß die aͤus- serste Noth einem das Recht gebe ei- nen andern zu zwingen, daß er fuͤr ei- nen billigen Preis, oder fuͤr eine Sa- che, die eben so viel werth ist, uns eine Sache uͤberlasse. Also koͤnnen z. E. bey einer Theuerung diejenigen, welche Ge- treyde im Ueberfluß haben, zum Verkaufen gezwungen werden; und wer Theuerung ver- ursacht, kann gezwungen werden, das Ge- treyde um einen billigen Preis zu verkaufen. §. 308. Das Recht der Noth- wendig- keit. Das Recht, welches allein die Nothwen- digkeit zu gewissen Handlungen, die sonst nicht erlaubt sind, uns giebt, weil ohne die- selben einer Verbindlichkeit, von welcher man sich nicht befreyen kann, kein Genuͤgen ge- schehen koͤnnte, wird das Recht der Noth- wendigkeit (jus necessitatis) genannt. Und daher erhellet, daß diejenige Handlung, zu welcher uns die Nothwendigkeit das Recht giebt, das einige Mittel seyn muͤsse einer Verbindlichkeit, von welcher man sich nicht befreyen kann, ein Genuͤgen zu leisten; und es ist nicht weniger klar, daß das Recht der Noth- wendigkeit selbst durch das Gesetz der Natur uns gegeben werde (§. 46.). Es kann daher gar nicht wiedersprechend scheinen, daß noch ein Recht der Nothwendigkeit, in Ansehung des nothwendigen Gebrauchs der Sachen, aus der ersten Gemeinschaft. Sachen, uͤbrig geblieben, nachdem das Ei- genthum eingefuͤhret worden; als welches durch die Einfuͤhrung des Eigenthums nicht hat koͤnnen verletzet werden (§. 74.). §. 309. Hierdurch werden viele besondere Fragen Besonde- re Exem- pel von diesem Rechte. aufgeloͤset, dergleichen man in dem von uns herausgegebenen Recht der Natur im 6. Ca- pitel des 6. Theils antrift. Z. E. Wenn bey einer Schiffahrt oder Belagerung der Vor- rath mangelt; so muß ein jeder das, was er hat, zum Gemeinschaftlichen hergeben. Wenn man sich wieder einen, der uns anfaͤllt, ver- theidigen muß, und kein Gewehre hat; so kann man einem andern seines nehmen, ohne den Eigenthumsherrn zu fragen, ja selbst wenn er dagegen ist. Eben dieses gilt von des andern seinen Gefaͤssen und anderem Werckzeuge, um einen Brand zu loͤschen; von der Verderbung der Sachen, die einem, der uns anfaͤllt, zugehoͤren, um eine ungerechte Gewalt zu vertreiben; und von der Verder- bung einer fremden Sache, wegen einer ge- meinschaftlichen Gefahr, die nicht anders ab- gewendet werden kann. §. 310. Gleicher gestalt, weil in der Gemeinschaft Von der zweyten (stille- schwei- genden) vor sich verstaͤnd- lichen der ersten Zeit die gemeinschaftliche Theilneh- mung einem jeden, der es will, zu erlauben, wenn mehrere an dem Gebrauch einer Sache zugleich Theil nehmen koͤnnen (§. 187.), durch die Einfuͤhrung des Eigenthums aber das ge- mein- II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht Ausnah- me, mit welcher das Ei- genthum eingefuͤh- ret wor- den. meinschaftliche Recht nicht anders hat koͤnnen aufgehoben und eingeschraͤnckt werden, als es noͤthig gewesen ist (§. 71.); so hat also das Eigenthum nicht anders eingefuͤhrt werden koͤnnen, als mit dieser Bedin- gung, die sich vor sich selbst verstehet, daß dem andern der unschaͤdliche Ge- brauch einer eigenthuͤmlichen Sache erlaubt werde. Vermoͤge der natuͤr- lichen Freyheit aber ist dem Eigen- thumsherrn das Urtheil zu uͤberlassen, ob der einem andern zu erlaubende Ge- brauch ihm unschaͤdlich sey, oder nicht (§. 78.), das ist, ob er, ohne seinen Schaden und Beschwerde, ihn erlauben koͤnne. §. 311. Das Recht des unfchaͤd- lichen Nutzens. Das Recht, welches uns zum unschaͤdli- chen Gebrauch der Sachen, die einem andern eigenthuͤmlich zugehoͤren, zukommt, wird das Recht des unschaͤdlichen Nutzens (jus innoxiæ utilitatis) genannt. Es erhellet al- so, daß das Recht des unschaͤdlichen Nutzens ein Recht sey, welches aus der Gemeinschaft der ersten Zeit noch uͤbrig ist (§. 310. 300.), und zwar ein unvollkommenes (§. 80.). §. 312. Besonde- re Rechte des un- schaͤdli- chen Nu- tzens. Dergleichen Rechte eines unschaͤdli- chen Nutzens sind: die Reise, aus rechtmaͤßigen Ursachen, zu Lande und zu Wasser, wenn die Laͤnder und Fluͤsse eigenthuͤmlich sind, welches auch aus der ersten Gemeinschaft. auch von der Durchfahrt der Waa- ren zu verstehen; das Recht, rechtmaͤs- siger Ursachen wegen sich daselbst zu verweilen, als des Studierens, oder der Gesundheit wegen; daß man denen, die vertrieben werden, und anderswo ih- ren Aufenthalt suchen, sich in unseren Landen niederzulassen verstattet, wo- ferne nicht besondere Ursachen es hin- dern. Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von der abstammenden Art et- was zu erhalten. §. 313. D ie abstammende Art etwas zu er- Die ab- stammen- de Art etwas zu erhalten. halten (modus acqvirendi deriva- tivus) ist diejenige, wodurch man das Eigenthum einer Sache erhaͤlt, die schon ei- genthuͤmlich ist. Weil dem Eigenthumsherrn das Recht zukommt, sein Eigenthum auf ei- nen andern zu bringen (§. 257.), wie auch einem andern ein Recht in seiner Sache ein- zuraͤumen (§. 260); so giebt es eine ab- stammende Art etwas eigenthuͤmlich zu erhalten. §. 314. Weil der Eigenthumsherr das Recht hat Von der Art auf einen an- dern sein mit seiner Sache nach seinem Gefallen anzu- fangen, was er will (§. 195.); so beruhet Nat. u. Voͤlckerrecht. N es II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art Eigen- thum zu bringen. es bloß auf seinem Willen, an wen und auf was Art er sein Eigenthum, oder ein ihm zugehoͤriges Recht brin- gen will, ob mit seiner, oder ohne seine Ausschliessung; ob wiederruflich (re- vocabiliter), daß er naͤmlich den andern von dem eingeraͤumten Rechte wieder ausschliessen koͤnne, wenn er es vor gut befinden wuͤrde; oder unwiederruflich (irrevocabiliter); ob unmittelbar auf die Person, oder auf eine fremde Sache, naͤmlich derge- stalt, daß es vermittelst der Sache einem jeden Besitzer zukomme, er sey wer er wolle; ob an eine gewisse oder ungewisse Person, daß naͤmlich das Recht derjenige erhalte, wer will und kann, wie es bey ausgeworfenen Muͤntzen geschieht; ob ohne alle Bedin- gung, oder unter einer ihm gefaͤlligen Bedingung; ob auf immer, oder auf eine gewisse Zeit; ob umsonst, oder ob dagegen etwas gegeben oder gethan werden soll. §. 315. Von dem Unter- scheide der Be- dingun- gen. Es ist aber eine zufaͤllige Bedingung (conditio casualis), welche von einem Zu- fall, oder Gluͤck, oder vom Willkuͤhr eines Menschen, der unserm Recht nicht unter- worfen ist, gaͤntzlich abhaͤngt; eine zuerfuͤl- lende (potestativa), welche von dem Will- kuͤhr desjenigen abhaͤngt, auf den das Eigen- thum, oder ein Recht gebracht werden soll; eine vermischte (mixta), welche theils zu- faͤllig, etwas zu erhalten. faͤllig, theils zu erfuͤllen ist. Ueberdieses ist die Bedingung entweder eine aufschiebende (suspensiva), welche die Vollziehung der Handlung so lange aufschiebt, bis es gewiß ist, daß die Bedingung vorhanden sey; oder eine aufloͤsende (resolutiva), welche die Dauer einer schon vollzogenen Handlung auf die Zeit erstreckt, da es gewiß ist, daß die Bedingung vorhanden. Es wird aber eine verneinende Bedingung (conditio nega- tiva) genannt, welche voraus setzet, daß et- was nicht sey, oder nicht gewesen sey, oder nicht seyn werde. Es ist also die vernei- nende Bedingung vorhanden, wenn das nicht ist, oder nicht gewesen ist, oder nicht erfolget, was gesetzt wird. Es ist auch ein Unterscheid unter einer unerlaubten Be- dingung (conditio turpis), welche voraus setzet etwas zu thun, was in einem Gesetz verbothen ist, und einer erlaubten (hone- sta), welche voraussetzt, etwas zu thun, was im Gesetz nicht verbothen wird, oder welche in einer rechtmaͤßigen Handlung bestehet. §. 316. Weil vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit ei- Von der Anneh- mung. nem jeden gelassen werden muß, daß er sich nach seinem Urtheil in seinen Handlungen richtet (§. 78.); so beruhet es bloß auf eines jeden Willen, wenn man das Ei- genthum, oder ein Recht auf ihn brin- gen will, ob er es haben will, oder nicht. Weil man nun sagt, derienige neh- N 2 me II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art me etwas an (accipere, acceptare), der durch Worte, oder eine That hinlaͤnglich zu verstehen giebt, er wolle daß ihm dasjenige gegeben werde, oder geschehe, was der an- dere sagt, daß er geben, oder thun wolle; so wird also zur Uebergebung des Eigen- thums, oder eines Rechtes das Anneh- men (acceptatio) erfordert. §. 317. Was na- tuͤrlicher Weise dazu er- fordert wird, daß man das Eigen- thum auf einen an- dern bringet. Aus dem, was bis jetzt gesagt worden, ver- steht man, daß nach dem Recht der Na- tur (naturaliter) das Eigenthum, oder ein Recht auf denjenigen, der es an- nimmt, gebracht werde, wenn er bloß seinen Willen hinlaͤnglich erklaͤret, daß er es haben will (§. 314. 316.). Weil es nun auf dem Willen desjenigen, der es auf einen andern bringen will, beruhet, auf was vor Weise er es bringen will (§. 314.); so kann durch das Annehmen nicht mehr Recht erhalten werden, als der- jenige, der es auf ihn bringet, ihm hat einraͤumen wollen. §. 318. Was man von dem Wil- len des andern vor ge- wiß an- nehmen muß. Da wir demnach von eines andern Willen nicht gewiß seyn koͤnnen, als in so fern er denselben hinlaͤnglich zu erkennen giebt; so wird wieder ihn vor wahr gehalten, was er mit Worten, oder auf eine an- dere Art, es mag seyn, auf was vor eine es nur wolle, hinlaͤnglich zu ver- stehen giebt. §. 319. etwas zu erhalten. §. 319. Das Annehmen aber geht vorher, Wenn die An- nehmung vorher- gehet. wenn jemand verlangt, daß der ande- re ihm etwas gebe, oder etwas thue, und er es ihm bewilliget; denn es wuͤr- de uͤberfluͤßig seyn, das Annehmen zu wieder- hohlen, wenn der andere bewilliget, was man verlangt. §. 320. Weil dem Eigenthumsherrn das Recht Von der Art den Besitz zu erhalten. zum Besitz zukommt (§. 200.); so wird mit dem Eigenthum einer Sache das Recht zu besitzen zugleich erlangt; folglich, da ohne Besitz das Eigenthum nicht gebraucht werden kann (§. 200. 195.), so ist derjeni- ge, der das Eigenthum auf einen an- dern gebracht, auch verbunden den Besitz einzuraͤumen. Weil nun die Hand- lung, durch welche der Besitz eingeraͤumet wird, die Uebergabe (traditio); die Hand- lung aber, durch welche der Besitz erhalten wird, die Ergreifung heißt (apprehen- sio); so muß, nach Abtretung des Ei- genthums, die Sache auch uͤbergeben und ergriffen werden. Und daher erhel- let, daß nach dem natuͤrlichen Recht zu Abtretung des Eigenthums die Ue- bergabe nicht erfordert wird. §. 321. Weil durch die Uebergabe der Besitz einge- Worin die Ue- bergabe bestehet. raͤumet wird (§. 320.); so besteht dieselbe in jeder Handlung, wodurch die Sache N 3 in II. Th. 5 H. Von der abstammenden Art in den Stand gebracht wird, daß der- jenige, welcher sie erhalten hat, da- mit nach seinem Gefallen vornehmen kann, was er will, oder daß er sein Eigenthum in der That gebrauchen kann (§. 200.). §. 322. Verschie- dene Ar- ten eine Sache zu uͤberge- ben. Es ist also klar, daß eine bewegliche Sache uͤbergeben wird, wenn derjeni- ge, welcher das Eigenthum auf den andern bringt, sie mit der Hand dar- reicht, und der, welcher es annimmt, sie mit der Hand ergreift; ingleichen wenn jener es uns wegnehmen heißt; eine unbewegliche Sache aber, wenn er uns dieselbe besitzen heißt, und ge- schehen laͤßt, daß wir in derselben uns des Eigenthums gebrauchen; oder, wenn er sie von ferne zeigt, daß wir sie ergreifen koͤnnen, oder geschehen laͤßt, daß eine Sache in unserer Ge- walt bleibe, welche, es sey aus was vor Ursach es wolle, in unserer Ge- walt ist; oder durch einen schriftli- chen Aufsatz sich erklaͤret, daß er uns den Besitz einraͤumen und leiden wolle, daß wir es als unser Eigenthum ge- brauchen, oder wenn er uns, um das- selbe zu gebrauchen, in eine unbeweg- liche Sache fuͤhrt; welche Handlung ei- gentlich das Einsetzen in den Besitz (im- missio in possessionem) genannt wird; oder endlich etwas zu erhalten. endlich eine unkoͤrperliche Sache, oder ein Recht, wenn er leidet, daß wir das- selbe gebrauchen (§. 321.). Hieraus ver- stehet man leicht ferner, daß die beweglichen und unbeweglichen und unkoͤrperlichen Sa- chen auf verschiedene Weise ergriffen werden. Denn die Ergreifung besteht in der Hand- lung, wodurch wir in den Stand gesetzt wer- den, das Eigenthum bey einer koͤrperlichen Sache, oder ein auf uns gebrachtes Recht zu gebrauchen. §. 323. Man sagt, eine Sache sey in der Kuͤr- Von der Ueberga- be in der Kuͤrtze. tze uͤbergeben worden (brevi manu tra- di), wenn die Uebergabe zugleich in einer an- dern Handlung mit begriffen wird, wodurch etwas anders geschiehet, was zum Gebrauch des Eigenthums gehoͤret; als wenn derjeni- ge, der das Eigenthum auf einen andern bringet, die Sache bey einem andern als sei- ne ihm eigene laͤßt, die er aus einer andern Ursache, es mag seyn was vor eine es will, schon hat. Was aber derjenige, der das Ei- genthum auf den andern bringt, in der Kuͤr- tze uͤbergiebt, das ergreift derjenige, der es annimmt, in der Kuͤrtze (brevi manu ap- prehenditur). §. 324. Jm Gegentheil sagt man, eine Sache Von der entfern- ten Ue- bergabe. sey entfernt uͤbergeben worden (longa manu tradi), wenn die Sache, die uͤberge- ben werden soll, uns deswegen gezeigt wird, N 4 daß II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art daß wir dieselbe ergreifen, und folglich in Be- sitz nehmen sollen. Und man sagt, dasjenige sey entfernt ergriffen worden (longa ma- nu apprehendi), was entfernt uͤbergeben wird, z. E. wenn einer, der das Eigenthum einer gewissen Sache auf uns bringt, die- selbe, da er sie uͤbergeben soll, von ferne zeigt. §. 325. Von ei- ner ge- wissen Sache u. von einer gewissen Person. Man nennt aber eine gewisse Sache (rem certam), welche hinlaͤnglich, es sey auf was vor Art und Weise es wolle, ange- zeigt wird, so daß sie von andern, die ihr aͤhnlich sind, unterschieden werden kann. Und in eben demselben Verstande wird eine Per- son auch eine gewisse Person (persona cer- ta) genannt. §. 326. Von der symboli- schen Ue- bergabe. Man nennt eine symbolische Ueberga- be, welche durch gewisse Zeichen (symbo- la) geschieht, wenn naͤmlich anstatt der Sa- che, die uͤbergeben werden soll, eine andere Sache uͤbergeben wird, welche dieselbe bedeu- tet; als, wenn die Schluͤssel uͤbergeben wer- den, mit welchen der Kasten aufgeschlossen werden kann, worinnen die zu uͤbergebenden Sachen liegen. Es ist aber klar, daß, da die Zeichen willkuͤhrlich sind, die symbolische Ue- bergabe durch eine jede Sache geschehen kann. Da die Zeichen keine Wuͤrckung haben, als nur nach dem Willen desjenigen, der das Eigenthum auf einen andern bringt, und dessen, etwas zu erhalten. dessen, der es annimmt; so scheint die sym- bolische Uebergabe nach dem Recht der Natur uͤberfluͤßig, ausser in so fern unsere Willensmeinung durch das Zei- chen gewisser wird; weil naͤmlich durch dasselbe mehr gewiß ist, was vorgenommen worden. §. 327. Die Mittheilung der Arbeit (opera- Von der Mitthei- lung der Arbeit. rum communicationem) nennt man die Ver- richtung derselben zu anderer Nutzen. Weil die freyen Handlungen der Menschen, die an- dern nuͤtzlich sind, nach der Einfuͤhrung des Eigenthums, eigenthuͤmlichen Sachen gleich geachtet werden, folglich auch die Arbeit, die zu anderer Nutzen verrichtet wird (§. 225.); so wird die Mittheilung der Arbeit der Ueberlassung eines Eigenthums, folg- lich auch dem Geben gleich geschaͤtzet (§. 258.); und nachdem das Eigen- thum eingefuͤhrt worden, so ist thun und geben einerley; in so fern naͤmlich die Arbeit, wie andere eigenthuͤmliche Sa- chen, nach einem gewissen Preis geschaͤtzt werden. §. 328. Etwas leisten (præstare), zeigt, in der Was lei- sten an- zeigt. allgemeinen Bedeutung, eben das an, als et- was geben und etwas thun zusammen. Man sagt also, daß sowohl Sachen, als Thaten ge- leistet werden. N 5 §. 329. II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art §. 329. Die bey- derseitige Verbind- lichkeit etwas zu geben u. etwas zu thun. Aus der Erfahrung ist hinlaͤnglich klar, daß einer, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, nicht vor sich selbst alles haben koͤn- ne, was zur Nothwendigkeit, Bequemlichkeit und Vergnuͤgen des Lebens, ja zur Erlan- gung der Vollkommenheit der Seele erfor- dert wird, und daß ein jeder nicht allein an- derer Arbeit, sondern auch Sachen, die an- dern zugehoͤren, beduͤrfe; daß aber diese Be- duͤrfniß um so viel groͤsser sey, je mehr man von der schlechten Lebensart abweicht. Da nun Menschen verbunden sind, mit vereinig- ten Kraͤften sich und ihren Zustand vollkom- mener zu machen (§. 44); so sind die Menschen, nachdem das Eigenthum eingefuͤhrt worden, auch verbunden, das Eigenthum ihrer Sachen auf ein- ander zu bringen, und zur Arbeit fuͤr einander, oder einander zu geben und zu thun, nachdem einer des andern Sache, oder Arbeit bedarf. Weil aber, wenn die Pflichten gegen einander laufen, die Pflicht gegen uns selbst der Pflicht gegen an- dere vorzuziehen (§. 64.); so darf niemand dem andern eine Sache geben, der er selbst bedarf; er ist auch nicht verbun- den etwas zu thun, wenn er nicht Zeit dazu hat. §. 330. Von der Veraͤns- serung Weil in einer positiven Gemeinschaft alle zusammengenommen der Herr einer un- getheil- etwas zu erhalten. getheilten Sache sind (§. 196.); so kann einer ge- mein- schaftl. Sache. das Eigenthum nicht verwaltet wer- den, als mit aller derer Einwilligung, welche in der Gemeinschaft sind (§. 195); folglich kann auch eine gemein- schaftliche Sache nicht veraͤussert wer- den, als mit aller Einwilligung (§. 257.). Jedoch da das Recht, was ein jeder nach sei- nem Antheil an einer ungetheilten Sache hat, eines jeden eigenes Recht ist, welches wie ei- ne unkoͤrperliche Sache, die eigenthuͤmlich ist, anzusehen (§. 206.); so kann ein jeder mit seinem Recht, was er nach seinem Antheil in der ungetheilten Sache hat, nach seinem Gefallen vornehmen, was er will; in so fern es der Gemeinschaft unbeschaͤdiget (salva communione), oder ohne Nachtheil der Uebrigen geschehen kann (§. 269.). Er kann deswegen sein Recht, welches er nach seinem Antheil an einer ungetheilten Sache hat, auf einen andern bringen, oder veraͤussern (§. 257.); nicht aber in einem nach Pro- portion ihm zukommenden abgesonder- tem Theile; denn an einem abgesonderten Theile hat er kein Recht. §. 331. Weil dadurch, daß derjenige, welcher das Ob einer das, was er gege- ben hat, wieder- fordern kann. Eigenthum auf den andern bringt, und der es annimmt, ihre Willensmeinung einander hinlaͤnglich erklaͤren, dieser erhaͤlt, was der andere giebt (§. 317.); ein einmahl erlang- tes II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art tes Recht aber niemanden wieder seinen Wil- len genommen werden kann (§. 100.); so kann auch, was einmahl gegeben wor- den, nicht wiedergefordert werden; und dem, der es gegeben, stehet nicht frey, es zu bereuen. Woferne mit einem gewissen Gesetz etwas gegeben worden; so muß auch, da derjenige, der etwas annimmt, nicht mehr Recht erlangen kann, als der an- dere ihm einraͤumen wollen (§. 317.), das Gesetz, welches bey dem Geben hinzu- gefuͤgt worden, gehalten werden. §. 332. Von dem Geben auf eine gewisse Zeit und unter ei- ner ge- wissen Bedin- gung. Wenn demnach etwas auf eine ge- wisse Zeit (in diem) gegeben wird; so muß es, wenn die Zeit erschienen, wie- dererstattet werden; und, wenn es un- ter einer gewissen aufschiebenden (su- spensiva) Bedingung gegeben worden, so wird die Sache nicht eher eigen- thuͤmlich, wenn gleich die Sache uͤber- geben worden, als bis die Bedingung wuͤrcklich vorhanden; folglich, wenn dieselbe zu erfuͤllen (potestativa) gewe- sen, so muß sie erfuͤllet werden; wenn die Bedingung aber nicht wuͤrcklich wird, so muß dasjenige, was gegeben worden, wiedererstattet werden (§. 316.), welches auch geschehen muß, wenn die Bedingung aufloͤsend ist (§. cit. ). Denn man setzt voraus, daß derjenige, der es an- nimt, sich zur Wiedererstattung verbindlich gemacht etwas zu erhalten. gemacht hat, und daß derjenige, der etwas uͤbergiebt, sich das Recht dazu vorbehalten hat (§. 97.). §. 333. Ein Recht, welches man einem andern der- Von dem, was wan bitt- weise hat. gestalt eingeraͤumet, daß man es nach seinem Gefallen wiederrufen kann, wird genannt ein Recht, so man nur bittweise hat (pre- carium). Es ist also das nicht ein Recht, welches man nur bittweise hat, wenn eine gewisse Zeit dazu gesetzet wird, wehrender welcher man es nicht wie- derruffen darf; indem man es alsdenn bis auf eine gewisse Zeit giebt, und vor dersel- ben nicht wiederfordern darf (§. 332.). Hin- gegen ein Recht, welches man nur bitt- weise hat, kann in jedem Augenblick wiederruffen werden (§. 318.); und man setzt dabey fest, daß derjenige, dem es verwilliget wird, dem andern, der es ihm giebt, sich verbindlich gemacht habe, ihm die Sache gleich wieder zu geben, so bald er sie nach seinem Ge- fallen wiederfordert (§. cit. und §. 97.). §. 334. Das Recht in einer Sache (jus in re) Von dem Recht in einer Sache. nennt man dasjenige, was wir in der Sache selbst haben: folglich, da das Recht ein sittli- ches Vermoͤgen zu handeln ist (§. 46.), so bestehet dasselbe in dem sittlichen Ver- moͤgen, nach seinem Gefallen mit der Sache selbst, oder einem Gebrauch, oder II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art oder einer Nutzung derselben, die man von ihr haben kann, oder in allen Stuͤcken zugleich anzufangen, was man will. Es ist derowegen das Eigenthum und das Recht, welches eine jede Hand- lung des Gebrauchs desselben betrift, ein Recht in einer Sache (§. 195.). Es ist auch klar, daß die Gemeinschaft der ersten Zeit ein Recht in der Sache ge- wesen sey (§. 186.), und daß das Recht, welches einem in einer einem andern zugehoͤrigen Sache eingeraͤumet wor- den (jus in aliena re constitutum) (§. 260), und das Recht des Besitzes ein Recht in einer Sache sey. §. 335. Vom Recht zu einer Sache. Ein Recht zu einer Sache (jus ad rem) nennt man dasjenige, was wir zu dem- jenigen haben, das uns der andere zu leisten verbunden ist. Weil wir das Recht haben uns einen andern zu gewissen Leistungen ver- bindlich zu machen, und wir dadurch ein voll- kommenes Recht dazu erhalten (§. 97.); wir auch uͤberdieses schon im vorhergehenden hin und wieder gesehen haben, daß die Menschen dadurch, daß sie dieses oder jenes gethan, zu gewissen Leistungen verbunden werden; so giebt es auch ein Recht zu einer Sache, und ist dieses ein vollkommenes Recht. Und weil man in dem Rechte der Natur auch auf die Liebesdienste sehen muß (§. 61.), wozu wir eine unvollkommene Verbindlichkeit ha- ben etwas zu erhalten. ben (§. 80.); so giebt es auch ein un- vollkommenes Recht zu einer Sache, welches naͤmlich der Mensch zu demjenigen hat, wozu ihm der andere auf eine unvoll- kommene Weise verbunden ist. §. 336. Wer vollkommen verbunden ist uns etwas Ein Schuld- ner u. die Schuld. zu leisten, wird der Schuldner (debitor) genannt; dasjenige aber, zu dessen Leistung er verbunden ist, die Schuld (debitum). Ob man aber gleich auch dasjenige eine Schul- digkeit (imperfecte debitum) nennet, wozu uns der andere unvollkommen verbunden ist; so pflegt man doch denjenigen, der auf eine un- vollkommene Weise verbunden ist, nicht einen Schuldner zu nennen. §. 337. Wir erlassen das Recht zu einer Sa- Von der Erlas- sung des Rechts. che (jus ad rem remittimus), wenn wir hin- laͤnglich anzeigen, daß wir nicht wollen, daß der andere uns etwas leiste, wozu er uns ver- bunden ist. Jn eben dem Verstande sagt man auch, es werde die Schuld erlassen (debitum ipsum remitti). Durch die Er- lassung des Rechts wird also der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreyet; und das Recht verloͤscht (jus extingvitur), aber niemand erhaͤlt da- durch ein Recht. Es ist vor sich klar: daß man auch einen Theil des Rechts erlassen koͤnne, wenn man das, was man II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art man schuldig ist, in Theile zertheilen kann. §. 338. Von der Abtre- tung ei- nes Rechts. Wenn man sein Recht zu einer Sache auf einen andern bringt, so heißt dieses die Abtretung des Rechts (cessio). Derjeni- ge der es auf den andern bringt, wird der Abtretende (cedens) genannt; von demje- nigen aber auf den es gebracht wird, sagt man, er sey derjenige, dem es abgetreten wor- den (cessionarius). Es geschieht also die Abtretung, wenn der Abtretende und derjenige, dem etwas abgetreten wird, ihre Einwilligung beyderseits hinlaͤng- lich erklaͤren (§. 317.). Da das Recht zu einer Sache eine unkoͤrperliche Sache ist, wel- che dem Abtredenden eigenthuͤmlich zugehoͤ- ret (§. 206.); so kann die Abtretung wieder Wissen und Willen des Schuld- ners geschehen, da insonderheit dadurch, daß ein anderer in die Stelle des Ab- tretenden kommt, in der Verbindlich- keit des Schuldners selbst nichts geaͤn- dert wird. §. 339. Von Verwer- fung des Rechts. Derjenige verwirft ein Recht (jus re- pudiat), welcher sich hinlaͤnglich erklaͤret, daß er ein Recht, welches ihm zufaͤllet, nicht ha- ben wolle. Man sagt aber, daß uns ein Recht zufalle (jus tibi deferri), wenn es in unserem Gefallen stehet, ob wir es anneh- men wollen, oder nicht. Das Recht, wel- ches etwas zu erhalten. ches einer verwirft, wird von ihm nicht auf einen andern gebracht. §. 340. Auf sein Recht thut derjenige Ver- Vom Verzicht thun. zicht (juri suo renunciat), welcher sich hin- laͤnglich erklaͤret, daß er, einem andern zum Vortheil, ein erlangtes Recht nicht haben wolle. Man nennt aber dasjenige ein er- langtes Recht (jus qvæsitum), welches uns wuͤrcklich zukommt. Der nun, welcher Verzicht thut, verbindet sich gegen den andern, dem zu gefallen er Verzicht thut, daß er sich seines Rechts gegen ihn nicht gebrauchen wolle; und die- ser erhaͤlt dadurch das Recht nicht zu leiden, daß er sich desselben gebrauche (§. 46.). Wer aber auf sein Recht Verzicht thut, der bringt, oder uͤber- traͤgt deswegen nicht sein Recht auf einen andern. §. 341. Einer begiebt sich seines Rechts (ju- Vom Be- geben des Rechts. ri suo se abdicat), oder entsaget demselben, wenn einer freywillig sich erklaͤret, daß er ein Recht, welches er auf einen andern nicht bringen kann, laͤnger nicht haben wolle: als wenn einer sein obrigkeitliches Amt eher, als es Zeit ist, niederleget. §. 342. Weil ein jeder mit seinem Rechte, als einer Ob die Erlas- sung des Rechts uncoͤrperlichen Sache (§. 121.), welche ihm ei- genthuͤmlich zugehoͤret (§. 206.), nach seinem Nat. u. Voͤlckerrecht. O Gefal- II. Th. 5. H. Von der abstammenden Art und das Abtreten desselben u. s. w. erlaubt sind. Gefallen anfangen kann, was er will (§. 195.); so stehet es in eines jeden Willen, ob er sein Recht erlassen, einem andern ab- treten, es verwerfen, sich desselben begeben, oder darauf jemanden zu ge- fallen Verzicht thun will, oder nicht, wenn nur nichts vorgenommen wird, welches wieder das Recht eines drit- ten ist (§. 86.); als wie wenn man eine Schuld erlaͤßt, um die Glaͤubiger zu betruͤgen. §. 343. Von dem Eigen- thume, welches aus der Theilung gemein- schaftli- cher Sa- chen ent- stehet. Wenn eine gemeinschaftliche Sache getheilt wird, weil durch Aufhebung der Gemeinschaft ein jeder einen abgesonderten Theil eigenthuͤmlich, folglich ein absonderli- ches Eigenthum erhaͤlt; so entstehen so viel besondere Eigenthuͤmer, als Personen sind; und die abgesonderten Theile sind nicht mehr als Theile einer Sache an- zusehen. Was vorher mehrern gemein ge- wesen war, wird durch die Theilung eines je- den eigen. §. 344. Von der Theilung einer Sache, welche nicht ge- theilt werden kann. Wenn eine gemeinschaftliche Sache getheilt werden soll, und nicht getheilt werden kann; ein jeder aber der in der Gemeinschaft ist, sie gantz haben will; so kann nach dem natuͤrlichen Rechte die Sache keinen Ausgang gewinnen; indem keiner verbunden ist das Eigenthum in seinem Antheile dem andern abzutreten (§. 342.). Soll sie nun einen Ausgang gewin- nen; etwas zu erhalten. nen; so ists noͤthig, daß mit Einwilli- gung aller derer, welche in der Ge- meinschaft sind, eine Art und Weise zu bestimmen ausgemacht wird, wem dieselbe zuzueignen sey; z. E. daß es durch das Loos entschieden werde, wer die Sache haben soll. §. 345. Weil in einer Gemeinschaft mit einer ge- Ob je- mand ge- zwungen werden kann, in einer Ge- mein- schaft zu verblei- ben. meinschaftlichen Sache nichts vorgenommen werden kann, als mit aller Bewilligung (§. 330.), und damit das Vorhaben einen Aus- gang gewinnet, der Wille der meisten oder des groͤssern Theils vor den Willen aller gehalten werden muß; so ist also leicht zu erachten, daß in einer Gemeinschaft nicht ein jeder mit seinem Antheile vornehmen kann, was er will. Da nun der natuͤrlichen Freyheit, von welcher in dem Eigenthume die Freyheit mit dem Sei- nen vorzunehmen, was man will, herruͤhret (§. 195.), gar sehr zuwieder ist, daß jemand wieder seinen Willen in der Gemeinschaft bleiben soll; so kan auch niemand ge- zwungen werden, wieder seinen Wil- len in der Gemeinschaft zu verbleiben, wenn nicht das gemeinschaftliche Recht mit der Bedingung erlangt worden, daß es gemeinschaftlich bleiben soll (§. 317.). O 2 Das II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung Das sechste Hauptstuͤck. Von der Eroͤfnung seiner Ge- dancken gegen andere. §. 346. Von dem gemeinen Gebꝛauch zu reden. W ir eroͤfnen andern unsere Gedancken entweder durch Worte, oder durch andere gleichguͤltige Zeichen, oder durch Thaten, d. i. durch aͤussere Handlung. Wer also von andern verstanden wer- den will, der muß die Worte in dem Verstande gebrauchen, wie es die Ge- wohnheit zu reden mit sich bringet; folglich wer dazu verbunden ist einem andern seine Meinung zu sagen, der muß die Woͤrter in der Bedeutung nehmen, welche mit der Gewohnheit zu reden uͤbereinkommt. §. 347. Von der morali- schen Wahr- heit und dem Wahr- reden. Die Uebereinstimmung der Worte mit un- sern Gedancken nennt man die moralische Wahrheit (veritatem moralem), und der redet moralisch wahr, der dasjenige denckt, was er sagt, daß er es dencke. Eine moralisch wahre Rede aber wird Wahrre- den genannt (veriloqvium). Sie ist also von der logischen Wahrheit unterschie- den, welche in der Uebereinstimmung unserer Gedancken mit der Sache, die wir gedencken, besteht, so daß das logicalisch wahr ist, wenn wir dencken, daß etwas sey, oder nicht sey, dasselbige auch in der That ist, oder nicht ist. seiner Gedancken. ist. Derowegen da die moralische Wahrheit die logicalische nicht voraus setzt; so kann die logicalische Wahrheit dadurch nicht erwiesen werden, daß man wahr ge- redet; und wenn wir sagen, was wir zu seyn vermeinen, da es doch nicht ist, oder im Gegentheil nicht zu seyn ver- meinen, da es doch ist, so reden wir zwar moralisch wahr, ob es gleich logica- lisch oder an sich falsch ist. §. 348. Jm Gegentheil ist moralisch falsch (mo- Vom moralisch Falschen. raliter falsum), wenn wir anders dencken, als was wir sagen, oder unsere Worte und Gedancken nicht mit einander uͤbereinstimmen. Eine moralisch falsche Rede wird eine Un- wahrheit (falsiloqvium) genannt. Sie ist also vom logicalisch Falschen (falsitate lo- gica) unterschieden, welche darinnen bestehet, daß unsere Gedancken mit der Sache nicht uͤbereinkommen. Weil nun die Unwahrheit nicht voraus setzt, daß etwas logicalisch, das ist, in der That wahr sey; so daß wir den- cken, daß es sey, und es ist doch nicht, oder daß es nicht sey, und es ist doch in der That; so reden wir moralisch falsch, wenn wir dencken, daß etwas nicht sey, und sa- gen daß es sey, und es sich auch in der That also befindet; oder wenn wir den- cken, daß etwas sey, und wir sagen, daß es nicht sey, und es sich auch in der That also befindet. O 3 §. 349. II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung §. 349. Eine auf- richtige Hand- lung, die Verstel- lung die Verhee- lung, der Vor- wand. Eine aͤusserlich aufrichtige Hand- lung (actio externa sincera) nennt man die- jenige, welche mit der innern uͤbereinstimmt; wenn aber die aͤussere Handlung der inneren zuwieder ist, so heißt es eine Verstellung (simulatio). Die Verbergung so wohl der aͤussern, als innern Handlungen, sie mag ent- weder in einer That oder Unterlassung dersel- ben bestehen, auf was Art und Weise sie auch geschiehet, heißt die Verheelung (dissimu- latio). Die Verstellung der Jntention, wenn wir nemlich eine andere, als die wahre, wel- che wir haben, vorgeben, heisset der Vor- wand (prætextus), welche von einigen ein Blendwerck (obtentus) genannt wird. §. 350. Welche Rede Wahrre- den, wel- che Rede Unwahr- heit ist. Es erhellet also, daß Wahrreden eine aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit im Reden eine verstellte Rede sey (§. 347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer- ner, daß der Vorwand eine Art der Unwahrheit sey, wie die Unterlaßung der Rede, die zu dem Ende geschiehet, daß unsere Gedancken dem andern nicht bekannt werden sollen, zur Verheelung zu rechnen ist (§. 349.). §. 351. Vom Luͤ- gen und Ver- schwei- gen. Der luͤgt (mentitur), welcher moralisch falsch redet, wenn er wahr zu reden verbun- den ist, oder wenn er verbunden ist dem an- dern seine Gedancken zu entdecken. Eine Luͤ- gen seiner Gedancken. gen (mendacium) ist also eine Unwahrheit im Reden, welche unserer Verbindlichkeit zu- wieder ist, vermoͤge welcher wir dem andern unsere Gedancken eroͤfnen sollen; folgends wodurch des andern Recht, welches aus die- ser Verbindlichkeit entspringt, verletzt wird (§. 46.). Das Verschweigen (reticentia) hingegen das Stillschweigen von dem, das wir zu sagen verbunden sind. Es ist also das Verschweigen dem Recht eines andern zuwieder. §. 352. Da sich niemand von der natuͤrlichen Ver- Von der Sittlich- keit des Wahrre- dens, der Luͤgen u. des Ver- schwei- gens. bindlichkeit so wohl (§. 42.), als von der er- langten befreyen kann (§. 100.); so sind wir verbunden, woferne wir einer Pflicht (§. 57.), oder einer erlangten Verbindlichkeit kein Genuͤge leisten koͤnnen, wofern wir nicht dem andern unsere Gedancken eroͤfnen, moralisch wahrzureden, folglich zum Wahrreden verbunden (§. 347.); und daher ist so wohl die Unwahrheit (§. 348.), als das Ver- schweigen unerlaubt (§. 351.). Wor- aus ferner erhellet, daß eine jede Luͤgen unerlaubt sey (§. cit. ). Jm Gegentheil aber, da uns das Gesetz der Natur ein Recht dazu giebt, ohne welches wir unserer Ver- bindlichkeit kein Genuͤge leisten koͤnnen (§. 46.), ist beydes erlaubt, wenn wir einer Pflicht oder einer zugezogenen Ver- bindlichkeit kein Genuͤge leisten koͤn- O 4 nen, II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung nen, wofern wir nicht unsere Gedan- cken verbergen, oder moralisch falsch re- den (§. 49.); und alsdann ist die Un- wahrheit keine Luͤgen (§. 351.). Und weil nach der natuͤrlichen Freyheit niemanden verwehret werden kann, in der Bestimmung seiner Handlungen sich nach seinem Urtheile zu richten, wenn er nur nichts thut, zu dessen Unterlassung er uns verbunden ist (§. 78.), die natuͤrliche Freyheit aber die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht aufhebt (§. 77.); so ist auch erlaubt, wenn wir nicht verbun- den sind dem andern unsere Gedancken zu sagen, noch auch eine Pflicht gegen uns selbst oder gegen andere solches er- fordert, die Wahrheit zu verheelen. §. 353. Von der Zwey- deutig- keit im Reden. Zweydeutig redet derjenige (ambigue loqvitur), welcher sich solcher Worte bedie- net, so nach dem gemeinen Gebrauch im Re- den mehr als eine Bedeutung haben koͤnnen. Dieses ist wieder die Klugheit, wenn wir einem andern unsere Gedancken eroͤfnen wollen (§. 21.), und folglich zu vermeiden. Wenn wir aber voraus sehen, es werde ein anderer, dem wir unsere Gedancken zu eroͤfnen verbun- den sind, sie in einer Bedeutung neh- men, die von unserer Meinung unter- schieden ist, und wir dieses vorsaͤtzlich zur Absicht haben (§. 17.), so ist die Zweydeutigkeit im Reden einer Luͤgen gleich seiner Gedancken. gleich zu achten (§. 351.), folglich uner- laubt (§. 352.). Es erhellet aber ferner, daß die Zweydeutigkeit im Reden in dem Falle erlaubt sey, in welchen die Unwahrheit erlaubt ist (§. 352.). § 354. Die Allegorie ist eine Rede, welche aus Von den Raͤtzeln. Worten besteht, die in einer andern, als ih- rer eigentlichen Bedeutung genommen wer- den, um eine andere Sache anzudeuten, mit der sie eine Aehnlichkeit hat. Eine dunckele Allegorie, in welcher die uneigentliche Be- deutung der Woͤrter zweydeutig ist, nennt man ein Raͤtzel (ænigma). Es dienen also die Raͤtzel den Witz zu uͤben, wel- cher in der Leichtigkeit die Aehnlichkeiten der Dinge zu bemercken besteht. Wenn dem- nach die Zweydeutigkeit im Reden er- laubt, oder unerlaubt ist (§. 353.), so ist eine raͤtzelhafte Redensart auch er- laubt oder unerlaubt. §. 355. Offenbahre Worte (verba aperta) nen- Von der Vorbe- b altung im Sin- ne. nen wir diejenigen, welche ausgesprochen, oder geschrieben werden, daß sie von andern ver- standen werden koͤnnen: verschwiegene Worte aber (tacita) die, welche in Ge- dancken zuruͤck behalten werden, daß sie nie- mand als wir wissen koͤnnen, indem wir nicht fuͤr andere, sondern fuͤr uns reden. Eine moralische wahre Rede, welche zum Theil aus offenbahren Worten, zum Theil aus ver- O 5 schwie- II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung schwiegenen besteht; so daß jene dem, welcher sie hoͤrt, eine falsche Meinung beybringen, diese aber den Verstand derselben in den wah- ren verkehren, welcher dem vorhergehenden zuwieder ist, wird eine Vorbehaltung im Sinne (reservatio mentalis) genannt. Es sind also die Vorbehaltungen im Sinn bloß in Ansehung dessen, welcher re- det, Wahrheit (§. 347.); aber Un- wahrheit in Ansehung des andern, an den die Rede gerichtet wird (§. 348.); folglich sind sie den Luͤgen gleich zu ach- ten, wenn wir verbunden sind dem andern unsere Gedancken zu sagen (§. 351.); in anderen Faͤllen, da die Un- wahrheit erlaubt ist (§. 352.), sind sie unnuͤtze. Uebrigens ist leicht zu ersehen, daß man zu der Vorbehaltung im Sin- ne eine Rede nicht rechnen kann, in welcher Worte ausgelassen werden, die der andere, an den sie gerichtet wird, aus den offenbahren Worten, oder aus der Sache, davon die Rede ist, leicht schlieffen kann. §. 356. Was Be- trug sey. Man sagt, daß derjenige den andern betruͤge (fallere alterum), welcher ihn mit Worten oder Thaten dahin bringet, daß er et- was vor wahr halte, was doch nicht wahr ist. Daher koͤnte man die Verstellung erklaͤren, daß sie eine That sey; die Unwahrheit aber, seiner Gedancken. aber, daß sie eine Rede sey, wodurch wir den andern betruͤgen wollen. §. 357. Weil von der natuͤrlichen Verbindlichkeit Ob die Furcht vor Ge- fahr die Unwahr- heit er- laubt machen kann. niemand befreyet werden kann (§. 42.); so ist uns auch nicht erlaubt, wenn wir die Wahrheit zu sagen verbunden sind (§ 352.), aus Furcht vor einer uns, oder andern obschwebenden Gefahr moralisch falsch, oder zweydeutig, oder raͤtzelhaft zu antworten; es ist aber erlaubt, wenn wir einem andern die Wahrheit zu sagen nicht verbunden sind (§. 269.). §. 358. Ein Geheimniß (arcanum) nennt man Von den Geheim- nissen, die den an- dern ver- traut werden, und vom Verra- then der- selben. dasjenige, welches wir wollen, daß es andere nicht wissen sollen, oder es auch zu wollen ver- bunden sind. Derjenige vertraut einem andern sein Geheimniß (arcana sua alteri committit), welcher es ihm saget, in Hoff- nung oder im Vertrauen der Verschwiegen- heit, das ist, entweder unter dieser stillschwei- genden, oder ausdruͤcklichen Bedingung, daß er es keinem andern sagen solle. Derjenige aber verraͤth das Geheimniß eines an- dern (arcana alterius prodit), der, was ihm vertrauet worden, andern saget. Wenn uns keine Noth dazu dringt, daß wir unsere Geheimnisse einem andern ver- trauen, als z. E. wenn wir den Rath oder die Huͤlfe eines andern noͤthig haben, dasje- nige II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung nige auszufuͤhren, was wir beschlossen haben; so sollen wir es auch nicht thun. Denn es ist sicherer sie nicht zu vertrauen, als zu vertrauen, damit man nicht in Gefahr stehe, sie moͤchten verrathen werden. Geheimnis- se aber, die einem vertrauet sind, doͤr- fen niemahls verrathen werden (§. 269.), besonders wenn wir uns ver- bunden haben, sie nicht zu verrathen (§. 97. 100.). §. 359. Von der Sittlich- keit der Verstel- lung, der Verhe- lung und des Vor- wandes. Da wir durch verstellen und moralisch falsch reden einerley intendiren, naͤmlich, daß der andere von unsern Gedancken eine entgegengesetzte Meinung fassen moͤge (§. 348. 349.); so ist auch, wenn die Unwahr- heit erlaubt, oder unerlaubt ist, die Verstellung erlaubt, oder unerlaubt. Eben so, da durch die Verbergung unserer Gedancken und die Verheelung einerley ge- sucht wird, daß unsere Meinung einem an- dern nicht bekannt werden solle (§. 349.); so ist auch, wenn es erlaubt ist, seine Ge- dancken zu verbergen, die Verheelung erlaubt. Weil nun der Vorwand eine Art der Unwahrheit ist (§. 350.); so gilt von der Sittlichkeit des Vorwands eben dasjenige, was von der Sittlichkeit der Unwahrheit erwiesen worden. §. 360. Von un- nuͤtzen Worten Unnuͤtze Worte (verba temeraria) sind diejenigen, welche ohne eine Absicht gespro- chen; seiner Gedancken. chen; unnuͤtze Handlungen aber (facta u. Hand- lungen. temeraria), die ohne eine Absicht vorgenom- men werden. Es geschieht aber etwas ohne Absicht (nullo fine fit), wenn man bey demselben weder auf unsern, noch auf anderer Nutzen bedacht ist, den man nehm- lich als seine Absicht dadurch zu erhalten ge- sucht. Weil die Menschen verbunden sind ihre Handlungen zu ihrer und anderer Voll- kommenheit und zu der Vollkommenheit so wohl ihres eigenen, als des andern seines Zu- standes einzurichten, und dieselben mit gemein- schaftlichen Kraͤften zu befoͤrdern (§. 43. 44.); die Rede aber das Mittel ist, wodurch sie ihre Gedancken zu dem Ende eroͤfnen sollen, welches vor sich klar ist; so muß man so wohl im Reden, als bey einer jeden Handlung auf einigen Nutzen sehen, er betreffe entweder uns selbst oder andere, und denselben aus die- ser Vollkommenheit, als der letzten Absicht, bestimmen. Daraus laͤßet sich leicht schlies- sen, daß unnuͤtze Worte und Hand- lungen mit dem Gesetz der Natur we- nig uͤbereinkommen; und man folglich weder unnuͤtze Reden fuͤhren, noch auch etwas unnuͤtzes thun muͤße. Es ist auch ebendasselbe, vornaͤmlich von den Wor- ten, aus der Verbindlichkeit klar, daß wir die freyen Handlungen durch ebendieselben Absichten bestimmen muͤssen, durch welche die natuͤrlichen bestimmt werden (§. 43.). §. 361. II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung §. 361. Was ei- ne Be- theurung und was ein Eyd sey. Wenn jemand zweifelt, ob man die Wahrheit rede, und es entweder durch die Sache, von welcher man redet, oder auf eine andere Weise, z. E. durch Zeugen, nicht gewiß werden kann; so kann man es nicht anders be- weisen, als durch das Gewissen, oder daß man GOtt zum Zeugen anruft : indem niemand unsere Gedancken weiß, als wir selbst, die wir uns derselben bewust sind, und Gott. Den Beweis der Wahrheit des- sen, was wir sagen, durch das Zeugniß des Gewissens, indem wir naͤmlich uns auf das Gewissen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt man eine Betheurung (asseverationem); den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes, indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der Wahrheit desjenigen, was wir sagen, und als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney- des anrufen, einen Eyd oder Eydschwur (juramentum, jusjurandum). Was der Meineyd sey, werden wir unten erklaͤren. §. 362. Wer nicht schwoͤren kann. Weil derjenige, welcher schwoͤrt, gewiß seyn muß, daß ein Gott sey, der die Ge- dancken der Menschen kennt, und die Luͤgen und den Meineyd bestraft (§. 361.); so kann der, welcher leugnet, daß ein Gott sey, oder daß er die Gedancken der Men- schen kenne, oder daß er sich wenig um seiner Gedancken: um die menschlichen Dinge bekuͤmmere, nicht schwoͤren. §. 363. Wenn nun jemand falsche Goͤtter Ob man bey fal- schen Goͤttern schwoͤren koͤnne. vor den wahren Gott haͤlt, und ihnen dasjenige zueignet, was einer, der da schwoͤrt, von dem wahren Gott vor gewiß halten muß, der kann bey fal- schen Goͤttern schwoͤren; weil es in An- sehung seiner eben so viel ist, als wenn er bey dem wahren Gott schwuͤre. §. 364. Weil die Worte Zeichen sind, welche das- Von den Eides- formeln. jenige bedeuten, was wir durch dieselbe wol- len zu verstehen geben; so kann man mit allen Worten schwoͤren, welchen man die Bedeutung beylegt, so nach der Er- klaͤrung einem Eide zukommen muß. Daher erhellet zugleich, daß man bey je- der Sache, sie mag seyn, was vor eine es will, schwoͤren koͤnne. Aber bey der- gleichen Dingen schwoͤret einer nicht, sondern er betheuret nur etwas, wel- cher sagt, er rede so gewiß die Wahrheit, oder wolle sie sagen, als es gewiß ist, daß eine Sache wuͤrcklich sey, oder of- fenbar ihm die liebste. Es koͤnnen einer- ley Worte die Kraft eines Eides, oder einer Betheurung haben, nachdem entweder der andere einen Eid von uns fordert, oder wir freywillig dieselbe vorbringen. Also wenn einer schwoͤren soll und sagt: Gott ist II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung ist mein Zeuge, so schwoͤrt er; wenn er eben dieses ungeheissen sagt, so ist es eine Betheurung. Denn in dem er- sten Fall zeigen die Worte auch die Anru- fung Gottes als eines Raͤchers der Luͤgen und des Meineydes an, in den andern aber nicht (§. 361.). §. 365. Wenn ei- ner nicht schwoͤ- ret, ob er gleich Worte, die einen Schwur bedeuten, vor- bringt. Wenn jemand unbedachtsam Wor- te, die einen Schwur bedeuten, d. i. welchen man die Bedeutung eines Eides zu- zuschreiben pflegt, ohne Vorsatz zu schwoͤ- ren vorbringt, so schwoͤrt er nicht; sondern man muß dieselbe zu den un- nuͤtzen Worten rechnen (§. 360.). Weil aber diese zu vermeiden sind (§. cit. ), so sun- diget er nichts desto weniger. Eben das muß man von den Worten verstehen, wel- chen man sonst die Bedeutung einer Betheu- rung beylegt. §. 366. Wenn einer schwoͤrt. Weil aber im Gegentheil wieder denjeni- gen, welcher die Wahrheit zu sagen verbun- den ist, das vor wahr zu halten ist, was er sagt (§. 318.); so nimmt man mit Recht an, es habe einer geschworen, der schwoͤren soll, oder das Ansehen haben will, als schwoͤre er, wenn er die Wor- te eines Eides hersagt. Denn sonst muͤ- ste man einraͤumen, es koͤnne einer vor sich Worte im Sinne zuruͤcke behalten, welches unerlaubt ist (§. 355.). §. 367. seiner Gedancken. §. 367. Weil Eidschwuͤre und Betheurungen un- Daß man un- nuͤtze Be- theurun- gen und Eid- schwuͤre vermei- den muͤsse. nuͤtze sind, wenn derjenige, mit dem man re- det, nicht zweifelt, daß wir moralisch wahr reden, oder auch weder ihm, noch uns dran gelegen ist, ob er glaubt, daß wir die Wahr- heit sagen, oder nicht (§. 360. 361.); unnuͤ- tze Worte aber unerlaubt sind, und insbeson- dere ein unnuͤtzer Eid sich mit der Gott schul- digen Ehrfurcht nicht reimet (§. 172.); so sind auch, wenn der, zu dem man re- det, nicht zweifelt, daß wir die Wahr- heit sagen, oder wenn weder ihm noch uns dran gelegen ist, ob er dieses glaubt, oder nicht, die Betheurungen und Eide unerlaubt. Daher laͤßet sich ferner leicht schliessen, daß man nicht schwoͤren muͤsse, wenn einer Betheu- rung geglaubt wird, oder wenn eine Betheurung dazu hinreichend ist. §. 368. Weil wir das Recht haben, uns, einem Wozu sich der- jenige, der schwoͤrt, verbin- det. andern die Wahrheit zu sagen, zu verbinden, wenn uns oder dem andern daran gelegen ist, daß er glaubt, wir reden wahr (§. 97.), die Anrufung Gottes aber als eines Raͤchers der Luͤgen und des Meineides, ein Bewegungs- grund ist, die Wahrheit zu sagen, welche wir mit dem Eidschwur bestetigen (§. 361.); so verbinden wir uns, indem wir schwoͤ- ren, dem andern, ihm die Wahrheit zu sagen (§. 35.); folglich darf man Nat. u. Voͤlckerrecht. P eine II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung eine sonst erlaubte Unwahrheit mit kei- nem Eide bekraͤftigen. §. 369. Die Wuͤr- ckung des Eides. Weil wir uns, indem wir schwoͤren, dem andern verbinden, ihm die Wahrheit zu sagen (§. 368.); und also wieder uns vor wahr zu halten, was wir hinlaͤnglich anzeigen (§. 318.); folglich man keine andere Meinung von un- sern Gedancken haben kann, als die wir durch die Worte anzeigen; so leidet der Eid keine stillschweigende Ausnahmen und Bedingungen, und es kann auch bey demselben nichts vor sich im Sinne zuruͤcke behalten werden (§. 355.). §. 370. Jn was vor ei- nem Ver- stande man die Worte, die einen Eid an- zeigen, nehmen muͤsse. Aus eben diesem Grunde ist klar, daß der, welcher schwoͤrt, die Worte in eben dem Verstande nehmen muͤsse, welche derjenige ihnen zueignet, dem ge- schworen wird; und daß man folglich dieselbe nicht der offenbahren Bedeu- tung zuwieder in eine andere verdre- hen duͤrfe, damit man beweisen koͤn- ne: ob man gleich nach der Meinung desjenigen, dem geschworen wird, un- wahr geredet, so habe man doch nach seiner eigenen Meinung wahr geredet. §. 371. Vom fal- schen Ei- de und Meinei- de. Ein falscher Eid (pejeratio) wird ge- nannt derjenige, welchen einer schwoͤrt, daß er die Wahrheit sage, indem er die Unwahr- heit sagt. Der Meineid (perjurium) aber ist seiner Gedancken. ist die Verletzung des Eides, wenn einer das nicht haͤlt, was er nach seiner eigenen Mei- nung zu thun oder nicht zu thun geschworen hat. Derowegen weil derjenige, welcher schwoͤrt, sich verbindet die Wahrheit zu sagen (§. 368.), und wenn er schwoͤrt etwas zu thun oder nicht zu thun, durch den Eid be- weisen will, daß er sich dieses zu thun, oder zu unterlassen verbinde (§. 97. 361.); so ist nicht erlaubt falsch zu schwoͤren, noch der Meineid erlaubt (§. 100.). §. 372. Da es aber einerley ist, ob die Worte Vom ge- schriebe- nen Eid. ausgesprochen, oder geschrieben werden; so ist ein geschriebener Eid guͤltig; folg- lich kann ein Abwesender einem Abwe- senden im Briefe schwoͤren. §. 373. Man sagt: einer schwoͤre in die See- Von dem Eid, der in die Seele ei- nes an- dern ge- schiehet. le eines andern (in animam alterius jura- re), wenn er im Nahmen und aus Vollmacht eines Abwesenden schwoͤrt. Da es einerley ist, ob einer etwas selbst, oder durch einen andern verrichtet; so kann man auch in die Seele eines andern schwoͤren. §. 374. Die Beschwoͤrung (obtestatio) nennt Von der Beschwoͤ- rung. man eine Handlung, da man jemand bey Gott, dem Zeugen der Wahrheit desjenigen, was man sagt, und dem Raͤcher der Luͤgen und je- der unerlaubten That, oder bey einer Sache die dem andern am liebsten ist, oder worauf P 2 er II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung er am meisten zu sehen hat, bittet, daß er die Wahrheit sage, oder entweder etwas thue, oder unterlasse. Da man nun durch die Be- schwoͤrung einen andern ernstlich zu bewegen sucht, die Wahrheit zu sagen, oder etwas zu thun, oder nicht zu thun; so ist auch, wenn uns, oder einem andern viel daran ge- legen, daß einer die Wahrheit sage, oder etwas entweder thue, oder un- terlasse, der etwas zu thun, oder zu unterlassen verbunden ist, die Beschwoͤ- rung erlaubt. Eben dieses ist in demjeni- gen Fall klar, in welchem man einen andern anmahnen muß, etwas zu thun oder zu un- terlassen. §. 375. Von der hoͤchsten Betheu- rung. Die Betheurung bey dem Zeugnisse Got- tes oder bey einer Sache, welche uns die lieb- ste, oder von grosser Wichtigkeit ist, wird die hoͤchste Betheuerung genannt (contesta- tio). Es gehoͤrt also dieselbe zu denjenigen Betheurungsformeln, welche dem Eide am naͤchsten kommen (§. 361.). §. 376. Wenn ei- ner, der falsch schwoͤrt, nicht meinei- dig wird. Weil der falsch schwoͤret, welcher schwoͤrt, er wolle das thun, wozu er sich verbindlich macht, ob er gleich nicht den Vorsatz hat es zu thun; hingegen aber nicht meineidig ist, wenn er seinen Vorsatz aͤndert und es thut (§. 371.); so ist auch der nicht meineidig, der zwar falsch geschworen, aber sich solches seiner Gedancken. solches gereuen laͤst, und thut, was er zu thun geschworen hat. Das siebente Hauptstuͤck. Von der Art und Weise sich ei- nem andern verbindlich zu machen, oder von dem Versprechen und Vertraͤgen uͤberhaupt. §. 377. W eil nach eingefuͤhrtem Eigenthum der Wozu wir uns einem an- dern ver- bindlich machen koͤnnen. Mensch nichts hat, was ihm zuge- hoͤrt, als die koͤrperlichen und un- koͤrperlichen Sachen, welche sein eigen sind (§. 195. 206.); und die Handlungen, welche andern nuͤtzlich sind, eigenthuͤmlichen Sachen gleich geschaͤtzt werden (§. 225.); so kann niemand sich dem andern verbindlich machen, als nur ihm etwas zu geben, oder etwas zu thun, und seinetwegen zu unterlassen, folglich etwas zu leisten (§. 258. 328.). §. 378. Weil keine Verbindlichkeit noͤthig, wenn et- Was vor ein Recht auf einen andern gebracht wird, wenn ei- ner sich dem an- was gleich geleistet wird; die Verbindlichkeit aber darauf gehet, was geschehen soll, und wozu der andere ein vollkommenes Recht er- haͤlt (§. 97.); so ist klar, daß, wenn sich einer dem andern etwas zu geben, oder zu thun verbindet, er auf ihn ein Recht P 3 brin- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen dern ver- bindlich macht. bringet die Leistung mit Gewalt zu fordern. §. 379. Was das Verspre- chen ist. Diese Erklaͤrung seines Willens von dem, was man einem andern leisten will, und wo- durch man auf den andern das Recht bringt uns mit Gewalt dazu anzuhalten, nennt man das Versprechen (promissio), derjenige der etwas verspricht heist der Versprechen- de (promissor), derjenige, dem etwas ver- sprochen wird, wird der Versprechens-An- nehmer (promissarius) genannt. §. 380. Von der Art sich einem an- dern ver- bindlich zu ma- chen. Der Versprechende verbindet sich also dem, welchem er etwas verspricht, vollkommen (§. 80. 379.). Und da wir den Willen eines andern nicht anders wissen koͤnnen, als wenn uns derselbe von ihm hin- laͤnglich erklaͤret wird, noch auch von ihm ein Recht erlangen, ohne seinen Willen (§. 314.); so kann sich niemand dem andern an- ders vollkommen verbindlich machen, als nur durchs Versprechen. §. 381. Von der Noth- wendig- keit des Anneh- mens ei- nes Ver- spre- chens. Weil durch das Versprechen auf den an- dern das Recht gebracht wird, die Leistung des Versprochenen mit Gewalt von ihm zu for- dern (§. 379.), zu Erlangung desselben aber erfordert wird, daß es der andere annimmet (§. 316.); so ist kein Versprechen ohne Annehmung desselben guͤltig, und der, dem und den Vertraͤgen uͤberhaupt. dem etwas versprochen wird, erhaͤlt ohne dieselbe kein Recht dazu. §. 382. Vom Versprechen unterscheidet Grotius Von der blossen Zusage. mit Recht eine blosse Zusage (pollicitatio- nem), wodurch wir hinlaͤnglich dem andern unsern Willen erklaͤren ihm etwas zu leisten, wie auch bey diesem Vorsatze zu verharren, aber ihm kein Recht, es mit Gewalt von uns zu fordern, einraͤumen wollen. Es erhaͤlt also durch die blosse Zusage derjenige, dem sie geschieht, kein Recht, das, was man zugesagt, mit Gewalt zu fordern (§. 314.). §. 383. Von derselben unterscheiden wir mit dem Von der blossen Erklaͤ- rung, was man zu thun gesonnen. Grotius die blosse Erklaͤrung, was man zu thun gesonnen (nudam assertionem), dadurch wir dem andern hinlaͤnglich erklaͤren, was wir jetzt Willens sind ihm zu leisten, doch unbeschadet der Freyheit diesen Vorsatz zu aͤndern; folglich erhaͤlt durch derglei- chen blosse Erklaͤrung, was wir zu thun gesonnen, der andere kein Recht, die- ses mit Gewalt zu fordern (§. 314.). §. 384. Weil durch die blosse Zusage (§. 382.) und Ob hier- innen ei- ne An- neh- mung statt fin- det. eine blosse Erklaͤrung, was wir zu thun geson- nen, der andere kein Recht dazu erhaͤlt, wo- von geredet wird (§. 383.); so wird zu ei- ner blossen Zusage und einer blossen Erklaͤrung, was wir zu thun geson- P 4 nen, II. Th. 7. H. Von dem Versprechen nen, keine Annehmung erfordert; ja sie koͤmmt zu beyden unnuͤtze hinzu (§. 316.). §. 385. Was das Verspre- chen, die blosse Zu sage und die blosse Erklaͤ- rung des- sen, was man zu thun ge- sonnen, vor Hand- lungen sind. Weil es lediglich auf unserm Willen beruhet, ob wir auf einen andern ein Recht bringen wollen, oder nicht (§. 314.); folglich das Recht uns mit Gewalt zu einer gewissen Lei- stung anzuhalten, d. i. das Recht zu einer Sache (§. 335.); so steht es auch allein bey uns, ob wir einem andern etwas versprechen, oder blos zusagen, oder ihm blos erklaͤren wollen, was wir zu thun gesonnen (§. 379. 382. 383.); folg- lich sind das Versprechen, die blosse Zu- sage und die blosse Erklaͤrung dessen, was wir zu thun gesonnen, Handlun- gen, die allein auf unserem Willen be- ruhen; und derowegen hat niemand das Recht, uns zu einem Versprechen zu noͤthigen. Da dieses der natuͤrlichen Frey- heit wiederspricht (§. 77.); so thut derjeni- ge, der den andern zum Versprechen zwingt, ihm unrecht (§. 87.); und ist dieses durchs natuͤrliche Gesetz verbo- then (§. 86.). §. 386. Vom uͤberleg- ten Vor- satz. Ein uͤberlegter Vorsatz (animus deli- beratus) wird genannt, wenn man dasjeni- ge, so man will, wohl erwogen hat, naͤmlich ob man es lieber thun, als unterlassen soll, und wie man es anzufangen hat, ehe man die Hand- und den Vertraͤgen uͤberhaupt. Handlung selbst vornimmt, damit nichts ge- schehe was den Pflichten gegen sich, oder ge- gen andere zuwieder ist. Jm Gegentheil nennt man einen unuͤberlegten Vorsatz (animum indeliberatum), wenn man dasje- nige, was man will, nicht gnug erwogen hat. Derowegen da sich von der natuͤrlichen Verbindlichkeit, die wir zu allen Pflichten haben (§. 57.), niemand befreyen kann (§. 42.), insonderheit auch ein jeder allen Scha- den von sich abwenden soll (§. 269.); so muß niemand etwas thun, noch auch etwas versprechen, ohne es zuvor wohl uͤber- legt zu haben. Uebrigens ist aus der Na- tur des Versprechens leicht klar, daß der Versprechende wohl erwegen muͤsse, ob er die Sache, welche er zu geben ver- spricht, selbst noͤthig habe; und wenn er etwas zu thun verspricht, ob er Zeit dazu habe; wie auch ob er dadurch, daß er einem etwas zu geben oder zu thun verspricht, einer Pflicht entwe- der gegen sich selbst, oder gegen ande- re zuwieder handelt. Ja aus dem eben angefuͤhrten Grunde, warum man nichts ohne Ueberlegung thun soll, erhellet, daß man auch kein Versprechen ohne Ue- berlegung annehmen soll. Und man ver- stehet leicht, daß der, dem etwas ver- sprochen wird, erwegen muͤsse, ob er das was ihm versprochen wird, noͤthig habe, und ob nicht der andere dasselbe P 5 noͤthi- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen noͤthiger hat; wie auch ob der Ver- sprechende dasselbe nicht anders als mit seinem Nachtheil leisten kann; und end- lich ob man dadurch, daß man es an- nimmet, nicht etwan einer Pflicht ge- gen sich oder gegen andere zuwieder handelt. §. 387. Welche nicht ver- sprechen koͤnnen. Weil die Rasenden in der Raserey, Unsin- nigen, Kinder, Aberwitzige und sehr Betrun- ckene keinen uͤberlegten Vorsatz fassen koͤnnen, auch nicht diejenigen, deren Urtheilskraft, ih- res Alters wegen, zu schwach ist (§. 386.); so ist klar, daß alle diese nichts guͤltig ver- sprechen koͤnnen (§. cit. ). §. 388. Daß man das Verspre- chen hal- ten muͤße. Derjenige haͤlt das Versprechen (pro- missum servat), welcher giebt oder thut, was er zu geben oder zu thun versprochen hat. Weil nun der Versprechende sich dem, welchem er et- was verspricht, vollkommen verbindet (§. 380.), und der, welchem etwas versprochen worden, dadurch ein vollkommenes Recht zu dem, was ihm versprochen wird, erhaͤlt (§. 97.); wel- ches ihm wieder seinen Willen nicht genom- men werden kann (§. 100.); so muß das Versprechen gehalten werden. §. 389. Von Treue u. Glauben. Die Treue (fidem) nennt man die Be- staͤndigkeit des Willens, welchen man einem andern von dem, was man geben oder thun will, durch Worte erklaͤret hat. Die Treue setzt und den Vertraͤgen uͤberhaupt. setzt also voraus, daß man die Wahr- heit rede, oder wenn man ja die Un- wahrheit geredet, sie doch, nach ver- aͤndertem Vorsatze, in die Wahrheit verwandelt. Daher sagt man, es ver- sichere uns einer bey seiner Treue und Glauben (fidem dat), wenn er bekraͤfti- get, daß er gewis leisten werde, was er sagt, daß er es leisten wolle; folglich dem andern sagt, er koͤnne sich darauf gewis verlassen, daß er seinen gegenwaͤrtigen Willen nicht aͤn- dern werde. Hieraus folget, daß der, wel- cher einem etwas bloß zusaget, dem andern seiner Treue und seines Glau- bens versichert (§. 382.). Der haͤlt sein Wort nicht (fidem fallit), oder handelt wieder Treue und Glauben, welcher das nicht leistet, was er gesagt hat, daß er es leisten werde. Derjenige versichert sich der Treue und des Glaubens eines an- dern (fidem alterius adstringit), welcher sich dem andern verbindlich macht sein Wort zu halten. Und daher ist klar, daß man sein Wort halten muͤsse; folglich nicht wie- der Treue und Glauben handeln; und daß der, welcher etwas bloß zusagt, wieder Treue und Glauben handelt, wenn er dasjenige nicht leistet, was er zugesagt. Es ist ferner klar, daß der, welcher sein Versprechen haͤlt, auch sein Wort haͤlt, wer es aber nicht haͤlt, wieder Treue und Glauben handelt; und II. Th. 7. H. Von dem Versprechen und daß der, dem etwas versprochen wird, durch das Annehmen sich der Treue und des Glaubens des Verspre- chenden versichert (§. 378. 379.). End- lich ist gleichfalls nicht weniger offenbar, daß derjenige welcher blos sagt, daß er et- was zu leisten Willens sey, den andern bey seiner Treue und Glauben noch nicht versichert; folglich auch nicht wie- der Treue und Glauben handelt, wenn er das nicht leistet, was er gesagt, daß er es leisten wolle. §. 390. Von der Untreue. Untreu (perfidum) nennt man denjeni- gen, welcher das Gegentheil von dem thut, wozu er sich bey seiner Treue und Glauben verbindlich gemacht hat. Wenn also der Versprechende das Gegentheil desjeni- gen thut, was er zu thun versprochen hat, z. E. wenn er das thut, was er gesagt, daß er es unterlassen wolte, so ist er untreu. Aber wer etwas blos zugesagt hat, ist in eben demselben Falle nicht untreu. §. 391. Vom Verspre- chen un- ter einer schaͤndli- chen Be- dingung. Weil von der natuͤrlichen Verbindlichkeit niemand befreyet werden kan (§. 42.); so ist nicht erlaubt etwas unter einer uner- laubten (turpi) Bedingung zu verspre- chen (§. 315.). Da demnach ein solches Versprechen nicht guͤltig ist, auch daraus der- jenige, dem etwas versprochen worden, kein Recht erhaͤlt; so darf man auch, was un- ter und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ter einer unerlaubten Bedingung ver- sprochen worden, nicht leisten, wenn gleich die Bedingung erfuͤllt worden. §. 392. Es ist vor sich selbst klar, daß eine unmoͤg- Vom Verspre- chen un- ter einer unmoͤgli- chen Be- dingung. liche Bedingung nicht wuͤrcklich werden kann; also sind die Versprechen unter einer unmoͤglichen Bedingung vergeblich, und kommen mit dem Recht der Na- tur nicht uͤberein (§. 360.). §. 393. Allein, da durch das Versprechen ein Recht Vom be- dingten Verspre- chen vom Verspre- chen auf eine ge- wisse Zeit und vom unbe- dingten. auf den andern gebracht wird, dem etwas versprochen wird (§. 379.); so kann ein Versprechender versprechen, auf was vor Art und Weise er will, und kann das Versprechen unter einer jeden er- laubten Bedingung, auch auf eine ge- wisse Zeit, nicht allein ohne alle Be- dingung und ohne eine gesetzte Zeit geschehen (§. 314). Ein bedingtes Ver- sprechen (promissio conditionata) ist dasje- nige, welches unter einer hinzugesetzten Be- dingung geschiehet. Wenn das, was verspro- chen wird, zu einer gewissen Zeit geleistet werden muß; so heißt es ein Versprechen auf eine gewisse Zeit (promissio in diem). Das Versprechen, welches ohne alle hinzuge- setzte Bedingung, oder auch einige Zeit ge- schiehet, heißt ein unbedingtes Ver- sprechen (promissio pura). §. 394. II. Th. 7. H. Von dem Versprechen §. 394. Vom Verspre- chen un- ter der Bedin- gung ei- ner schaͤndli- chen That eines dritten. Weil die schaͤndliche That eines dritten so wohl in Absicht des Versprechenden, als des- jenigen, dem etwas versprochen wird, eine blos zufaͤllige Bedingung ist, als welche nicht im geringsten auf beyder Willen beruhet; so ist ein Versprechen, welches unter der Bedingung einer schaͤndlichen That ei- nes dritten geschieht, nicht unerlaubt; als die vor sich keinen Fehler hat. §. 395. Von der Wuͤr- ckung ei- nes Ver- sprechens auf eine gewisse Zeit. Weil derjenige, dem etwas versprochen wird, nicht mehr Recht durch das Verspre- chen erhalten kann, als der Versprechende auf ihn bringen will (§. 317.); so ist man, was auf eine gewisse Zeit versprochen wird, zwar gleich schuldig, es kann aber nicht eher gefordert werden, als bis die Zeit erschienen ist. Es erhellet aber, daß, da die Beding n ng, von welcher wir wissen, daß sie gewiß kommen wird, eine Zeit anzeigt, in welcher etwas geschehen soll; so ist das Ver- sprechen, welches unter einer Bedin- gung, die gewiß wuͤrcklich werden wird, geschehen, dem Versprechen auf eine gewisse Zeit gleich (§. 393.). Weil es aber eben so viel ist, als wenn ein Tag kom- men waͤre, von dem man meinte, daß er kom- men wuͤrde, der aber nicht kommen wird; z. E. wenn etwas auf den 31. April verspro- chen wird, so ist klar, daß, da der Jrthum keinen Grund zum Versprechen in sich enthaͤlt, was und den Vertraͤgen uͤberhaupt. was auf eine Zeit versprochen wird, von welcher man meint, sie wuͤrde kommen, welche doch aber nicht kommt, geleistet werden muͤsse, wenn die Zeit verflossen ist, welche der Versprechen- de durch die falsch angegebene ver- meint zu haben scheint. Denn wir setzen voraus, daß man im Ernste von der Sache handelt, und nicht schertzet. §. 396. Allein weil derjenige, welcher unter einer Von der Wuͤr- ckung ei- ner Ver- spre- chung, die unter einer aufschie- benden Bedin- gung ge- schehen. aufschiebenden Bedingung etwas verspricht, dem andern, dem er es verspricht, nicht ver- bunden seyn will, als bis die Bedingung wuͤrcklich ist (§. 315.); so erhellet aus eben dem Grunde (§. 317.), daß man das, was unter einer aufschiebenden Bedingung versprochen worden, nicht eher schul- dig ist, als bis die Bedingung wuͤrck- lich wird: wenn sie aber nicht wuͤrck- lich wird, das Versprechen so viel als nichts ist. Weil demnach derjenige, dem etwas versprochen wird, nicht eher ein Recht zu dem, was ihm versprochen worden, erhaͤlt, als bis die Bedingung wuͤrcklich wird; so be- kommt aus einem bedingten Verspre- chen der, dem etwas versprochen wird, bloß eine Hoffnung, daß man ihm wer- de etwas schuldig werden: welche als- denn ein Recht erwecket, wenn es sich zutraͤgt, daß die Bedingung wuͤrcklich wird. Da es nun aber bloß in Ansehung unserer II. Th. 7. H. Von dem Versprechen unserer ungewiß ist, ob die Hoffnung ein Recht erwecken wird, oder nicht; so kann auch dieselbe, eben so wenig, als ein erlang- tes Recht (§. 100.), niemanden wieder seinen Willen benommen werden. Eben dieses erhellet auch daher, weil der Ver- sprechende sich verbindlich gemacht das Recht zu erkennen, welches diese Hoffnung erwecken doͤrfte; von welcher Verbindlichkeit er sich selbst nicht befreyen kann (§. cit. ). Weil ei- ne zuerfuͤllende Bedingung eine Art der auf- haltenden ist, und wuͤrcklich wird, wenn sie er- fuͤllt wird (§. 315.); so ist man dasjenige, was unter einer zuerfuͤllenden Bedin- gung versprochen wird, nicht eher schuldig, als bis die Bedingung erfuͤllt worden. §. 397. Die Wuͤr- ckung ei- nes Ver- spoꝛechens, welches unter ei- ner aufloͤ- senden Bedin- gung ge- schehen. Gleichergestalt weil derjenige, welcher un- ter einer aufloͤsenden Bedingung etwas ver- spricht, dem andern, dem es versprochen wird, nicht laͤnger dazu verbunden seyn will, als bis die Bedingung vorhanden (§. 315.); folglich durch diese Bedingung die Zeit be- stimmt wird, wehrender welcher das Recht dessen, dem etwas versprochen worden, dau- ren soll (§. 97.); so bleibet man, was un- ter einer aufloͤsenden Bedingung ver- sprochen worden, nicht mehr schuldig, so bald die Bedingung wuͤrcklich vor- handen, und das Recht desjenigen, dem etwas versprochen worden, hoͤret auf. §. 398. und den Vertraͤgen uͤberhaupt. §. 398. Was unbedingt versprochen wird, Die Wuͤr- ckung ei- nes unbe- dingten Verspre- chens, und wie ein be- dingtes und auf eine ge- wisse Zeit geschehe- nes ein unbe- dingtes wird. das ist man gleich schuldig, und kann gleich gefordert werden. Dieses erhel- let selbst aus dem Begriff eines unbedingten Versprechens (§. 393.). Weil nun, wenn die Zeit kommt, zwischen einem unbedingten Versprechen und zwischen einem auf eine ge- wisse Zeit, und wenn die Bedingung wuͤrck- lich ist, zwischen eben demselben, und zwi- schen dem bedingten weiter kein Unterschied ist (§. cit. ); so wird, wenn die Zeit kommt, ein auf eine Zeit geschehenes Versprechen, und wenn die Bedin- gung kommt, ein bedingtes Verspre- chen zu einem unbedingten. §. 399. Wenn mehrere Bedingungen ver- Wenn mehr als eine Be- dingung einem Verspre- chen bey- gefuͤgt werden. bindungsweise oder zusammen (copula- tive) einem Versprechen angehaͤngt sind, und also der Versprecher nicht eher verbunden seyn will, als bis alle zugleich wuͤrcklich worden sind; so ist man, was versprochen worden, nicht eher schul- dig, als bis es gewis ist, daß alle wuͤrcklich worden sind (§. 317.): wenn aber unter einer, oder der andern Bedingung (disjunctive) etwas ver- sprochen wird, und also der Versprechen- de dem andern verbunden seyn will, es mag von denselben eine, welche es auch seyn moͤch- te, wuͤrcklich werden; so ist man, was ver- Nat. u. Voͤlckerrecht. Q spro- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen sprochen worden, schuldig, wenn nur eine von den angegebenen Bedingun- gen vorhanden, ob gleich die uͤbrigen niemahls wuͤrcklich werden solten. §. 400. Vom persoͤnli- chen Ver- sprechen und dem persoͤnli- chen Rechte. Ein persoͤnliches Versprechen (pro- missio personalis) ist, welches auf die Per- son dessen, dem etwas versprochen wird, dergestalt eingeschraͤnckt wird, daß der Ver- sprechende keinem andern, als dem er es ver- sprochen, verbunden seyn will. Es wird aber ein Versprechen auf die Person dessen, dem etwas versprochen worden, entweder ausdruͤck- lich gerichtet, oder stillschweigend, wenn man es naͤmlich aus der Sache, die versprochen worden, und aus andern Umstaͤnden schliessen kann. Ein persoͤnliches Recht (jus per- sonale) nennt man, welches auf die Person, der es zu kommt, dergestalt eingeschraͤnckt ist, daß es von ihr auf keine andere kommen kann; gleichwie man persoͤnlich (personale) uͤber- haupt dasjenige nennt, was sich bey einer Person dergestalt befindet, daß es von dersel- ben auf keine andere auf einige Weise ge- bracht werden kann. Daher erhellet, daß der, dem etwas versprochen worden, aus einem persoͤnlichen Versprechen weiter nichts, als ein persoͤnliches Recht er- haͤlt, und daß ein persoͤnliches Recht mit der Person auf hoͤret; wie auch daß ein bedingtes Versprechen nichts sey, wenn der, dem etwas versprochen wor- den, und den Vertraͤgen uͤberhaupt. den, eher stirbt, als die Bedingung wuͤrcklich worden (§. 396.). Es ist auch klar, daß wenn eine zuerfuͤllende Be- dingung persoͤnlich ist, dieselbe nicht anders, als von der Person selbst, der etwas versprochen worden, erfuͤllt werden koͤnne. §. 401. Ein auf die Sache gerichtetes Ver- Von dem auf die Sache gerichte- ten Ver- sprechen. sprechen (promissio realis) ist, welches kein persoͤnliches Versprechen ist, da man naͤmlich bey dem Versprechen mehr auf die Sache, als auf die Person siehet. Derowegen erhaͤlt durch ein bloß auf die Sache gerich- tetes Versprechen derjenige, dem et- was versprochen worden, kein persoͤnli- ches Recht, sondern ein Recht, welches auch auf einen andern kommen kann (§. 400.); gleicher gestalt kann die Hoff- nung, welche aus einem bedingten Versprechen, so auf die Sache gerich- tet ist, erwaͤchßt (§. 396.), auf einen andern kommen. §. 402. Jn eben demselben Verstande, in welchem Von der persoͤnli- chen und der ding- lichen Verbind- lichkeit. man das persoͤnliche Recht und das Recht, so auf eine Sache gerichtet ist, von einander un- terscheidet, sind auch einige Verbindlichkei- ten persoͤnliche Verbindlichkeiten (obli- gationes personales), andere Verbindlichkei- ten in Ansehung einer Sache (reales). Die peꝛsoͤnlichen Veꝛbindlichkeiten kom- Q 2 men II. Th. 7. H. Von dem Versprechen men ausser der Person keiner andern zu, und hoͤren mit derselben auf; die Verbindlichkeiten in Ansehung einer Sache aber nicht. Dieser Unterschied muß auch bey den Versprechen bemerckt wer- den, nachdem dieselbe entweder persoͤnliche Versprechen sind, oder nur auf die Sache ge- sehen wird, welche man verspricht. §. 403. Ob man einem Abwesen- den et- was ver- sprechen kann. Ein Versprechen erhaͤlt dadurch seine Rich- tigkeit, wenn so wohl derjenige, der etwas verspricht, als der andere, dem es verspro- chen wird, seinen Willen hinlaͤnglich erklaͤret (§. 397. 381.). Da man nun dem andern seinen Willen nicht blos durch Worte, son- dern auch schriftlich, ja durch einen andern erklaͤren kann; so kann ein Versprechen auch durch einen Brief, oder durch ei- nen andern, in beyden Faͤllen, einem Ab- wesenden geschehen; und es kan auch von dem, der abwesend ist, durch ei- nen Brief, oder durch einen andern angenommen werden. §. 404. Von ei- nem Ver- sprechen zu einer Absicht. Man kann einem andern zu einer gewissen Absicht etwas versprechen, daß naͤmlich von ihm etwas geschehe, oder geleistet werde, und denn nennt man dieses Versprechen ein Ver- sprechen zu einer Absicht (promissio sub modo facta, promissio modalis). Und weil man sagt, die Absicht wird erfuͤllt (mo- dus impletur), wenn dasjenige geschiehet, um und den Vertraͤgen uͤberhaupt. um dessen willen etwas geleistet wird; und das eher geleistet werden muß, was verspro- chen wird, als man thut, was man thun soll; und durch die Annehmung man sich blos er- klaͤret, dasselbe zu thun, wenn der Verspre- chende das, was er versprochen, wird gelei- stet haben; so darf der, dem etwas ver- sprochen ist, die Absicht nicht eher er- fuͤllen, als bis das Versprochene gelei- stet worden; wenn aber dieses gesche- hen, so ist er die Absicht zu erfuͤllen verbunden, und wenn er dieses nicht thut, so muß er, was er durchs Ver- sprechen erhalten hat, wieder ersetzen. Es erhellet auch, daß dieses gleichfalls geschehen muͤße, wenn der, welchem etwas versprochen worden, eher stirbt, als er die Absicht erfuͤllt hat, unter welcher ihm etwas gegeben wor- den ist. §. 405. Es ist etwas Ursach an einem Ver- Vom Verspre- chen ei- nes Jr- renden. sprechen (causam promisso dat), wenn es der einige Grund ist, warum etwas verspro- chen wird, welches sonst nicht waͤre verspro- chen worden. Weil in dem Falle, da der Jrrthum die Ursache am Versprechen ist, man annimmt, es sey unter der Bedingung ge- schehen, woferne dasjenige wahr ist, welches man durch einen Jrrthum vor wahr annimmt; folglich die Bedingung, unter welcher das Versprechen geschehen, nicht wuͤrcklich vor- Q 3 handen; II. Th. 7. H. Von dem Versprechen handen; so ist ein Versprechen, woran ein Jrrthum schuld gewesen, nicht guͤltig (§. 396.). Wenn aber der Ver- sprechende nachlaͤßig gewesen ist die Wahrheit zu erforschen, oder seine Gedancken recht auszudrucken, und der, dem etwas versprochen worden, dadurch in Schaden gebracht worden, so ist derselbe zu ersetzen (§. 270.); weil er den Schaden durch seine Schuld erlitten hat (§. 21.). Aus eben demselben Grunde erhellet daß, wenn der, dem etwas versprochen wird, die Ursach zu einem Jrrthum giebt, aber nicht zu dem Ver- sprechen, und der Versprecher aus die- sem Jrrthum einigen Schaden leidet, der, dem etwas versprochen worden, den Schaden ersetzen muß, unerach- tet das Versprechen guͤltig ist. §. 406. Vom Verspre- chen, das mit Ge- walt, oder durch Furcht erzwun- gen wor- den. Weil der dem andern Unrecht thut, wel- cher ihn mit Gewalt, oder durch Furcht, die er ihm eingejagt, zum Versprechen noͤthiget (§. 385.); so ist das Versprechen, wel- ches durch Furcht, oder Gewalt er- zwungen worden, durch das Gesetze der Natur verbothen (§. 87.), und folg- lich unguͤltig. Gleichwie eine Sache, die mit Gewalt oder durch eingejagte Furcht von einem Raͤuber weggenommen worden, dem Eigenthumsherrn wiedergegeben werden muß (§. 264.); also darf auch ein Versprechen, das und den Vertraͤgen uͤberhaupt. das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun- gen worden, nicht geleistet werden. Wenn jemand aus Furcht, die ihm ein ande- rer eingejagt hat, bewogen, einem, der nichts davon weiß, etwas ver- spricht, so ist das Versprechen guͤltig; denn weil der, dem etwas versprochen wird, nicht davon urtheilen darf, warum man ihm etwas verspricht (§. 78.); so ist kein Grund vorhanden, warum dasjenige, was zwischen diesen beyden gehandelt worden, nicht beste- hen sollte (§. 378. 389.). Allein weil der, welcher die Furcht eingejagt hat, schuld daran ist, warum man versprochen hat, was man sonst nicht wuͤrde versprochen haben, folglich den Versprecher vorsaͤtzlich in Schaden gebracht (§. 17.); so ist er ver- bunden demselben den Schaden zu er- setzen (§. 270.). Wofern aber jemand uns durch einen andern eine Furcht einjagt, daß wir ihm etwas verspre- chen; da es solcher gestalt eben so viel ist, als ob er das Versprechen selbst mit Gewalt er- zwungen haͤtte; so ist das Versprechen unguͤltig. Und weil der, welchem et- was versprochen wird, weiß, daß der Versprecher aus Furcht, die ihm von dem andern eingejagt worden, es ver- spricht; so soll er das Versprechen nicht annehmen; indem das Annehmen der Verbindlichkeit wiederspricht, den Scha- den von andern abzuwenden (§. 269.); folg- Q 4 lich II. Th. 7. H. Von dem Versprechen lich ist das Versprechen unguͤltig. Hier- zu kommt, daß derjenige, dem etwas verspro- chen wird, indem er vor genehm haͤlt, daß dem Versprecher eine Furcht eingejagt wor- den, selbst will, daß das Versprechen mit Gewalt erzwungen werde; und deswegen nicht weit von dem entfernt ist, der eine Furcht einem andern einjagt, damit ihm etwas ver- sprochen werde. §. 407. Ob man bey dem Verspre- chen die Ursache desselben ausdruͤ- cken muͤsse. Weil es einig und allein auf den Willen des Versprechers ankommt, ob er etwas ver- sprechen will, oder nicht (§. 245.); und ver- moͤge der natuͤrlichen Freyheit er keinem Men- schen Rechenschaft geben darf, warum er et- was thue (§. 78.); so darf nach dem na- tuͤrlichen Rechte in einem Versprechen die Ursache desselben nicht ausgedruͤckt werden, warum man naͤmlich etwas ver- spricht. §. 408. Von dem Verspre- chen we- gen ei- ner Sa- che, die man schon vorher schuldig war. Aus eben demselben Grunde ist das Ver- sprechen wegen einer Sache, die man schon vorher schuldig war, guͤltig. Man sagt nemlich, es werde etwas we- gen einer schon vorher schuldigen Sa- che versprochen (promittitur ob causam ante debitam), wenn man einem deswegen, was er zu leisten schuldig ist, etwas verspricht, z. E. einem Boten ausser seinem Lohne noch ein kleines Trinckgeld. Und weil das, was wegen einer Sache, die einer schon vorher schul- und den Vertraͤgen uͤberhaupt. schuldig war, versprochen wird, ein Bewe- gungsgrund ist, mit mehrerem Fleiße zu lei- sten, was geleistet werden soll, und daher den andern zu desto groͤsserem Fleisse verbin- det (§. 35. 21.); so ist ein Versprechen wegen einer Sache, die der andere schon vorher schuldig war, nichts un- nuͤtzes (§. 360.). §. 409. Gleichergestalt, weil man sagt, der Ver- Von dem Verspre- chen, das beschwe- ret wird. sprecher beschwere das Versprechen (onus promissioni adiicere), wenn er unter der Bedingung, oder in der Absicht etwas verspricht, daß der, welchem etwas verspro- chen wird, ihm oder einem andern etwas da- gegen leisten soll; es aber lediglich auf dem Willen des Versprechers beruhet, unter was vor Bedingung und in was vor einer Absicht er etwas versprechen will (§. 393. 404.); so kan der Versprecher nach seinem Ge- fallen das Versprechen beschweren, entweder unter einer Bedingung, oder einer zuerreichenden Absicht. §. 410. Hingegen sagt man, es werde etwas bey Von dem Verspre- chen bey Strafe. Strafe versprochen (poena adiicitur pro- misso), wenn der Versprecher saget, er wolle etwas geben, oder thun, wofern er sein Versprechen nicht haͤlt. Und alsdann heißt es ein Versprechen bey einer Strafe (promissio poenalis). Das aber, was bey einer Strafe versprochen wird, das zur Q 5 Strafe II. Th. 7. H. Von dem Versprechen Strafe Versprochene (promissum poe- nale). Es ist aber eben wie vorher klar, daß man bey Strafe etwas versprechen koͤnne; weil es nemlich lediglich auf dem freyen Willen des Versprechers und desjeni- gen, dem etwas versprochen wird, beruhet (§. 393. 381.). Es kan aber eine Strafe auf eine dreyfache Weise angehaͤngt werden, entweder daß es der Wahl desjenigen, dem etwas versprochen wird, uͤberlassen wird, ob er die Strafe haben will, oder den Verspre- cher das Versprochene zu gewehren anhalten; oder daß das Versprechen aufhoͤre, wenn die Strafe geleistet worden; oder daß dessen un- geachtet der Versprecher dennoch das Ver- sprochene zu gewehren verbunden bleibet. §. 411. Von dem Verspre- chen, was unsere Kraͤfte uͤberstei- get. Vom Verspre- chen ei- ner Sa- che, die einem andern zugehoͤrt. Es ist unmoͤglich, daß wir etwas thun, was unsere Kraͤfte uͤbersteigt. Derowegen ist das Versprechen unguͤltig, welches zu hal- ten unsere Kraͤfte uͤbersteiget (§. 380. 37.). §. 412. Und weil niemand eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, jemanden geben kann (§. 258.), das Versprechen aber uns verbindet das zu geben, was wir versprechen (§. 388.); so kann niemand eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, versprechen. Wenn aber jemand etwas verspricht, was sei- ne werden kann, oder was er glaubt, daß es seine werden koͤnne, weil es seine und den Vertraͤgen uͤberhaupt. seine werden kann, oder er dieses ver- meinet, da er in dem ersten Fall hinlaͤng- lich sich erklaͤret, davor zu sorgen, daß es sei- ne werde, in dem andern aber die Unkosten dran zu wenden, um es zu erhalten; so ist er im ersten Fall verbunden sich zu bemuͤ- hen, daß es seine werde, in dem an- dern aber so viel zu geben, als er haͤt- te anwenden muͤssen, um es zu bekom- men, woferne er es nicht eigenthuͤm- lich erhalten kann (§. 318.). Es ist aber vor sich klar, daß das Versprechen be- dingt sey, wenn wir dem andern ver- sprechen, er solle eine Sache haben, wo- ferne wir sie bekommen werden, von welcher wir glauben, daß sie unser werden kan (§. 393.); folglich wir dem- jenigen, dem etwas versprochen wor- den, zu nichts verbunden sind, wenn wir uns bemuͤht haben, dieselbe eigen- thuͤmlich zu erhalten, aber vetgebens (§. 396.). §. 413. Weil man sein Versprechen halten muß Von der Veraͤus- serung ei- ner ver- sproche- nen Sa- che. (§. 388.), dieses aber nicht geschehen kann, wenn die versprochene Sache veraͤussert wird (§. cit. und 257.); so ist der Versprecher natuͤrlicher Weise verbunden die ver- sprochene Sache nicht zu veraͤussern. Jedoch da durch das Versprechen das Eigen- thum derselben auf den andern nicht gebracht wird, sondern nur ein Recht zu derselben (§. 335.); II. Th. 7. H. Von dem Versprechen 335.); so ist die Veraͤusserung, die vom Versprecher geschehen, guͤltig (§. 257.): Weil aber derselbe uns nicht wieder unsern Willen ein erlangtes Recht benehmen kann (§. 100.); so kommt uns das Recht zu die Veraͤusserung zu verhindern, wenn wir wissen, daß der Versprecher die versprochene Sache veraͤussern will. Jm Gegentheil aber ist klar, daß die Ver- aͤusserung unguͤltig ist, wenn der Ver- sprecher sich erklaͤrt hat, daß er des Rechts zu veraͤussern sich begebe; weil er alsdenn dasselbe nicht mehr hat. §. 414. Vom Gewinn. Der Gewinn (lucrum) wird die Sache genannt, welche zu unsern Guͤtern hinzu- kommt, ohne daß sie dadurch vermindert wer- den, oder wodurch wir reicher werden. Man nennt Verlust des Gewinns (cessare lucrum), wenn wir gehindert werden den Gewinn zu erhalten, den wir haͤtten erhalten koͤnnen. Ein gewisser Gewinn (lucrum certum) ist, wenn wir genug versichert sind, daß wir ihn erhalten koͤnnen, oder er- halten werden: hingegen ein ungewisser, wenn wir diese Versicherung nicht haben. Es kann aber die Groͤsse eines gewissen Ge- winns noch ungewiß seyn. Es ist also klar, daß ein gewisser Gewinn eine Sache sey, die uns eigenthuͤmlich werden wird; folglich, wer uns um einen ge- wissen Gewinn bringet, der verhin- dert und den Vertraͤgen uͤberhaupt. dert daß eine Sache unser wird, wel- che es sonst haͤtte werden koͤnnen; folg- lich setzt er uns in Schaden (§. 269.); und ist deswegen verbunden denselben zu ersetzen (§. 270.). §. 415. Ein sich ereignender Schade und der Ver- Von demjeni- gen, wor- an dem andern gelegen ist. lust des Gewinns zusammengenommen, wer- den dasjenige genannt, woran dem an- dern gelegen ist, oder sein Jnteresse (id, quod interest). Weil wir so wohl den Scha- den (§. 270.) als den Verlust des Gewinns, den wir dem andern durch unser Versehen, oder vorsetzlicher Weise verursacht haben, zu ersetzen schuldig sind (§. 414.); so sind wir, wenn durch unsere Schuld, es mag aus Versehen, oder vorsetzlich geschehen seyn, jemand in Schaden, oder um sei- nen Gewinn gebracht wird, dem an- dern davor zu stehen schuldig. Jndem wir ihm sein Jnteresse leisten, so wird er in den Stand gesetzet, als wenn er das gethan haͤt- te, was er nicht gethan hat, oder gegeben, was er nicht gegeben hat, oder der andere sonst an seinem Jnteresse nicht waͤre gehindert worden. Weil niemand daran Ursache seyn soll, daß der andere weniger hat, als er ha- ben solte (§. 270.); so sind wir, wenn je- mand deswegen weniger hat, als er haben solte, oder haͤtte haben koͤnnen, weil wir unserer Verbindlichkeit kein Genuͤ- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen Genuͤge gethan haben, ihm davor zu stehen schuldig. §. 416. Wenn der Ver- sprecher davor ste- hen muß, woran dem an- dern ge- legen war. Wenn demnach dadurch, daß wir un- ser Versprechen nicht gehalten, der an- dere, dem etwas versprochen worden, Schaden oder Verlust seines Gewinns hat, z. E. wenn die versprochene Sache mit unserm Willen, oder Versehen eines andern worden, so sind wir schuldig ihm davor zu stehen. §. 417. Vom Verzuge. Der Verzug (mora) ist der Aufschub des- sen, was geschehen solte, uͤber die Zeit, in welcher es geschehen solte. Daher sagt man einer sey saumselig, oder sey Schuld an dem Verzuge (in mora est), wenn er das, was er in einer gewissen Zeit thun konte und sollte, nicht thut. §. 418. Von der Zurech- nung des Verzugs und Rei- nigung von dem- selben. Eine unvermeidliche Verhinderung (impedimentum inevitabile) wird genannt, wenn man nicht Ursache daran ist, daß sich ei- ne Verhinderung ereignet, oder wenn man auf keine Weise machen koͤnnen, daß sie sich nicht ereignete. Man nennet die Verhin- derung unuͤberwindlich (impedimentum insuperabile), die, wenn sie sich ereignet, von uns nicht gehoben werden kann. Wenn der Verzug von einem unvermeidli- chen, oder unuͤberwindlichen Hinder- nisse herruͤhret, so kann sie uns nicht zuge- und den Vertraͤgen uͤberhaupt. zugerechnet werden: aber wohl, wenn eine dergleichen Verhinderung nicht vorhanden (§. 3.). Derowegen da man saget, es reinige sich einer vom Verzu- ge (de mora se purgat), wenn er erweiset, daß er an demselben nicht Schuld sey; so muß der, welcher sich vom Verzuge reini- gen will, erweisen, daß er wegen einer unvermeidlichen und unuͤberwindli- chen Verhinderung nicht thun koͤnnen, was er thun sollte. §. 419. Weil derjenige, der etwas gleich zu leisten Von dem Verzugs- Jnter- esse. verbunden ist, kein Recht hat solches aufzu- schieben; welches aus der Natur der Verbind- lichkeit klar ist (§. 37.); so darf niemand am Verzuge schuld seyn, oder das ver- zoͤgern, was er thun, oder geben soll; folglich wenn derjenige, dem wir etwas leisten sollen, durch den Verzug Scha- den, oder Verlust seines Gewinns hat; so muͤssen wir ihm davor stehen (§. 415.). §. 420. Wofern eine versprochene Sache Von der verspro- chenen Sache, welche unterge- het. durch einen Zufall, an dem wir keine Schuld haben, untergeht, da uns das Verderben nicht zugerechnet werden kann (§. 17.); so sind wir dem, welchem wir et- was versprochen, vor nichts zu stehen schuldig, und das Versprechen wird zu nichte. Wenn aber die Sache durch unser II. Th. 7. H. Von dem Versprechen unser Versehen oder vorsaͤtzlicher Wei- se verdirbt, oder untergehet, so sind wir, da uns dieses zugerechnet werden kann (§. 17.), dem, welchem wir etwas ver- sprochen, davor zu stehen schuldig (§. 415.). Derowegen, wenn uns etwas ver- sprochen wird, so noch nicht wuͤrck- lich ist, sondern erst wuͤrcklich werden soll, als die Fruͤchte des zukuͤnftigen Som- mers, und es sich durch einen Zufall zutragen sollte, daß keine wuͤrden, so ist man auch nichts schuldig. Es erhel- let auch daher, daß bey dem Versprechen kuͤnftiger Sachen die Bedingung vorausge- setzt wird, wenn einige wuͤrcklich seyn wer- den, oder welches einerley ist, diese still- schweigende Ausnahme, woferne nicht gar keine seyn werden. §. 421. Von ei- ner Sa- che, die zwey- mahl ver- sprochen worden. Wenn einer eine Sache, welche er uns versprochen hat, von neuem ei- nem andern verspricht; so gilt, da er uns das Recht, welches wir durchs Verspre- chen erhalten haben, nicht nehmen kann (§. 379. 100.), das letzte Versprechen nicht, sondern das erste. Da nichts im Wege stehet, warum wir nicht etwas zwey- mahl versprechen koͤnten, wenn wir es zwey- mahl gewehren koͤnnen; so gilt in diesem Falle das doppelte Versprechen. §. 422. und den Vertraͤgen uͤberhaupt. §. 422. Man sagt, derjenige hafte fuͤr das Was das sey, fuͤr das Gan- tze haf- ten. Gantze (in solidum tenetur), welcher dasje- nige, was mehreren geleistet werden sollte, einem allein gantz zu leisten schuldig ist, oder das, was von mehreren zu leisten ist, gantz al- lein leisten muß. Dieses kann sich zutragen, wenn etwas mehreren zusammen versprochen wird, oder wenn mehrere zusammen einer Per- son eben dasselbe versprechen. §. 423. Weil es auf den Willen des Versprechers Von ei- ner Sa- che, die mehre- ren zu- sammen verspro- chen wor- den. ankommt, auf was Art und Weise er etwas versprechen will (§. 393.); so stehet es in seinem Belieben, wenn er etwas meh- rern zusammen zugleich verspricht, ob er einem jeden fuͤr das Gantze haften will, oder nicht; folglich muß er, indem er es verspricht, hinlaͤnglich zu verste- hen geben, was er will (§. 318.): Wo- ferne er keins von beyden hinlaͤnglich zu verstehen giebt; so hat er sich vor- behalten zu thun, wie es ihm gefaͤllig seyn wird (§. 78.). Allein wenn einer, der eine Sache mehreren zusammen verspricht, einem jeden vor das Gantze haftet; so ist er, da das Versprochene nicht mehr als einmahl gegeben werden darf, wenn er es einem gegeben hat, den uͤbrigen nichts weiter schuldig: Je- doch da dasselbe allen zusammen gehoͤret; so ist derjenige, der es gantz bekommen Nat. u. Voͤlckerrecht. R hat, II. Th. 7. H. Von dem Versprechen hat, den uͤbrigen ihren Antheil zu ge- ben schuldig. Und weil er verbunden ist, es einem gantz zu geben; so kann ein jeder von denjenigen, welchen es zusammen versprochen worden, das Versproche- ne ohne Vorwissen der andern, ja auch wieder ihren Willen eintreiben. §. 424. Von zweyen oder mehrern Schul- digen. Wenn zwey oder mehrere mit einander ei- nem oder mehrern zusammen eine Sache ver- sprechen, so daß ein jeder fuͤr das Gantze haften will, so werden sie Mitschuldige des Versprechens (correi promittendi); und in so weit sie einem oder mehreren zu- sammen vor das Versprochene gantz haften muͤssen, Mitschuldige der Schuld (cor- rei debendi) genannt. Gleichergestalt, wenn mehreren zusammen eine Sache versprochen wird, so daß der Versprecher einem jeden fuͤr das Gantze hasten will, so nennt man die, wel- che also stipuliret haben, oder von dem an- dern verlangt, daß ihnen etwas auf diese Art versprochen werde, die Mitschuldigen des Stipulirens (correos stipulandi); oder wenn auf diese Weise mehrern zusammen von freyen Stuͤcken eben dieselbe Sache verspro- chen worden, oder man ihnen dieselbige aus einer andern Ursache schuldig ist, so werden sie mitschuldige Glaͤubiger (correi cre- dendi) genannt. Da man eine versprochene Sache nur einmahl zu geben schuldig ist; so werden dadurch, daß einer von den Mit- und den Vertraͤgen uͤberhaupt. Mitschuldigen das Versprechen erfuͤllt, oder die Schuld abtraͤgt, alle Mit- schuldigen von ihrer Verbindlichkeit befreyet. Eben aus dieser Ursache wird der Versprecher, oder ein jeder von denen, der etwas mit den andern zusammen vielen zusammen versprochen hat, von seiner Ver- bindlichkeit frey, wenn einer von diesen das Versprochene gantz erhalten hat, nemlich auf den Fall, da sie Mitschuldige des Stipuli- rens sind. Ja weil ein jeder von den Mit- schuldigen die Sache, die nur einmahl gege- ben werden darf, gantz zu geben verbunden ist (§. 422.); so kan man von einem je- den der Mitschuldigen nach seinem Ge- fallen die versprochene Sache gantz fordern, wodurch, wie wir schon gesehen haben, die uͤbrigen insgesamt befreyet werden. Weil aber alle zusammen die Sa- che, welche nur einmahl gegeben werden darf, schuldig sind; so kann man, wenn diesel- be von einem nicht gantz zu erhalten stehet, den uͤbrigen Theil von den an- dern fordern; indem derselbe nicht eher von der Schuld befreyet ist, als bis, was verspro- chen worden, gantz gegeben worden; wie wir schon vorher erwiesen haben. §. 425. Der Versprechende kann versprechen, auf Ob das Anneh- men dem Verspre- chenden was fuͤr Art und Weise er will (§. 393.), und mehr Recht, als er will, kann der an- dere, dem etwas versprochen wird, nicht er- R 2 halten II. Th. 7. H. Von dem Versprechen bekannt werden muß, da- mit das Verspre- chen guͤl- tig sey. halten (§. 317.). Wenn also der, wel- cher einem Abwesenden etwas ver- spricht, will, daß das Versprechen al- sobald guͤltig sey, wenn es angenom- men wird; so ist es alsobald guͤltig, als es angenommen worden, obgleich die Annehmung desselben dem Versprecher noch nicht bekannt worden: Wenn er aber nicht will, daß das Versprechen gelten soll, als nur wenn ihm die An- nehmung desselben bekannt worden; so gilt es nicht eher, als bis ihm die Annehmung bekannt ist. Wenn also der Versprecher stirbt, ehe die Anneh- mung geschehen ist; so ist im ersten Fal- le das Versprechen guͤltig, im andern aber nicht. Aus eben demselben Grunde kann die Annehmung auch nach dem Tode des Versprechers geschehen, wenn er will daß das Versprechen, oder das, was gegeben wird, auch nach seinem Tode angenommen werden kann (§. 314.). Man fraget aber, was in einem zwei- felhaften Falle zu vermuthen sey, wenn der Versprecher seinen Willen nicht hinlaͤnglich erklaͤret hat? Da durch das Annehmen ein Versprechen guͤltig wird (§. 381.); so ist kein Grund da, warum er wollen sollte, daß das Versprechen alsdann erst guͤltig seyn solle, wenn er die Annehmung desselben erfahren, wofern er dieselbige leicht vermuthen kann. Es ist aber ein Grund da, warum er es so will, und den Vertraͤgen uͤberbaupt. will, wenn er nicht ohne Grund an der An- nehmung zweifelt. Wenn also der Verspre- cher die Annehmung vermuthet; so nimmt man an, er habe gewollt, sie solle guͤltig seyn, wofern sie angenom- men wird: im entgegen gesetzten Falle aber, wenn er erfahren, daß sie ange- nommen worden. Deswegen nimmt man ein Versprechen, welches bloß von der Freygebigkeit herruͤhret, nach der er- sten Entscheidung an; nach der letzten aber dasjenige, welches beschweret ist. Man nennet es aber ein Versprechen, welches von der Freygebigkeit herruͤh- ret (promissionem mere liberalem), wenn derjenige, dem etwas versprochen worden, nichts wieder leisten darf: Jm entgegen ge- setzten Falle wird es ein beschwertes Ver- sprechen (promissio onerosa) genannt. §. 426. Eine Mittels-Person (minister) wird Von Mittels- personen im Ver- sprechen und im Anneh- men. derjenige genannt, durch den wir unsern Willen einem andern zu verstehen geben. Da- her nennet man eine Mittels-Person im Versprechen (ministrum promittendi) den- jenigen, durch welchen wir einem andern et- was versprechen, oder ein von uns geschehe- nes Versprechen anzeigen lassen. Ueberhaupt heißt eine Mittels-Person im verbind- lich machen (minister obligationis contra- hendæ) derjenige, durch welchen wir entwe- der auf unserer, oder auf des andern Seite R 3 eine II. Th. 7. H. Von dem Versprechen eine Verbindlichkeit zuwege bringen wollen, oder auch eine getroffene Verbindlichkeit an- gezeiget wird; und endlich eine Mittels- Person im Annehmen (minister acceptan- di) derjenige, der in unserm Nahmen das Versprechen annehmen, oder die von uns ge- schehene Annehmung anzeigen soll. Weil eine Mittels-Person nicht in ihrem eigenen Nah- men, oder vermoͤge ihres Rechts handelt, son- dern vermoͤge des Rechts desjenigen, der ihn dazu auserlesen; so beruhet es auf dem Willen desjenigen, welcher sich seines Dienstes bedienet, wieviel Recht er ihm einraͤumen will (§. 314.). §. 427. Von Wieder- rufung des Ver- spre- chens. Weil ohne Annehmung kein Versprechen guͤltig ist (§. 381.); so kann es wiederru- fen werden, so lange es nicht ange- nommen worden. Es wird aber das Versprechen wiederrufen (promissio re- vocatur), wenn der Versprecher sich erklaͤret, daß er aus dem Versprechen nichts schuldig feyn wolle. Daraus erhellet, daß einen, ehe das Annehmen geschehen, das Ver- sprechen gereuen koͤnne. Es ist ferner klar, daß das Versprechen wiederrufen werden koͤnne, ehe der Brief zu dem- jenigen, dem etwas darinnen verspro- chen worden, uͤberbracht ist. Ja wenn das Versprechen mit dem Vorsatz ge- schehen, daß es nicht gelten soll, als wenn man erfaͤhret, daß es angenom- men und den Vertraͤgen uͤberhaupt. men worden (§. 425.); so kann es so lange wiederrufen werden, als das An- nehmen desselben noch nicht bekannt worden. §. 428. Weil ein Versprecher sich der Huͤlfe eines Von dem Boten, welcher einen Brief, darinnen etwas verspro- chen wird, uͤberbrin- gen soll. Boten in keiner andern Absicht bedienet, als daß der Brief an den, dem etwas verspro- chen wird, uͤberbracht wird; und daher es einerley ist, ob der Bote selbst, oder ein an- drer denselben uͤberbringt; so wird das Ver- sprechen, wenn der Bote stirbt, und ein andrer den Brief, in welchem das Versprechen enthalten, uͤberbringt, guͤltig angenommen: Jedoch kann es so lange wiederrufen werden, als der Brief von einem andern demjenigen, dem etwas versprochen wird, nicht abgegeben worden. Weil dem Verspre- cher das Recht sein Versprechen zu wiederru- fen wuͤrde benommen werden, welches doch nicht geschehen kann (§. 74.), woferne das An- nehmen sollte guͤltig seyn, wenn der Brief, darinnen der Versprecher dem andern etwas verspricht, noch nicht abgegeben worden, son- dern dieser bloß den Jnhalt desselben von je- manden erfahren; so kann die Anneh- mung nicht geschehen, so lange der Brief noch nicht uͤberbracht worden, wenn man gleich den Jnnhalt dessel- ben von jemanden erfahren hat. De- rowegen wenn der Brief verlohren R 4 gien- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen gienge, so ist das Versprechen nichts; folglich wenn der Versprecher den Vor- satz behaͤlt, etwas zu versprechen, muß er das Versprechen auf eine andere ihm gefaͤllige Weise erneuren. §. 429. Von der Mittels- Person, die ein Verspre- chen hin- terbꝛingt. Die Mittels-Person, welche ein Verspre- chen hinterbringt, vertritt die Stelle eines Briefes. Wenn also dieselbe stirbt, ehe sie das Versprechen hinterbracht; so ist das Versprechen nichts. Und weil das Versprechen wiederrufen werden kann, ehe der Brief abgegeben worden; folglich die Annehmung nicht geschehen kann, wenn gleich derselbe nach der Wiederrufung abgegeben wuͤrde; so kann auch ohne Vorwissen der Mittels-Person, die ein Verspre- chen hinterbringen soll, dasselbe wie- derrufen werden (§. 428.). §. 430. Von der Mittels- Person, welche im Nahmen eines an- dern et- was ver- spricht. Wenn aber eine Mittels-Person in unserm Nahmen etwas versprechen soll, weil das Recht zu versprechen, welches wir ihr gegeben haben, und vermoͤge welchem sie verspricht, so lange dauret, als dasselbi- ge von uns nicht wiederrufen worden ist; so kann das Versprechen nicht ohne ihr Vorwissen wiederrufen werden; folg- lich bleibt dasselbe guͤltig, wenn es gleich geschehen, nachdem es wieder- rufen worden, dieses aber derselben nicht bekannt worden. Da aber eine solche und den Vertraͤgen uͤberhaupt. solche Person in unserm Nahmen nichts ver- sprechen kann, wenn sie stirbt; so ist das Versprechen nichts, wenn sie stirbt. Und weil wir nur so lange durch einen andern etwas thun koͤnnen, als wir es selbst zu thun im Stande sind; so ist ein Versprechen, welches nach unserm Tode von einer Mittels-Person geschehen, nicht guͤl- tig; als welches mit keinem Rechte gesche- hen ist. §. 431. Weil das Versprechen nach dem Tode des Vom Tode des Verspre- chers, ehe das Ver- sprechen binter- bracht worden. Versprechers nicht angenommen werden kann, woferne er nicht ausdruͤcklich gewolt, daß es auch nach seinem Tode angenommen werden koͤnne (§. 425. 318.); so kann das Ver- sprechen, wenn der Versprecher eher stirbt, als der Brief abgegeben, oder das Versprechen durch die Mittels- Person hinterbracht wird, nicht ange- nommen, folglich nicht guͤltig werden (§. 381.). §. 432. Weil es einerley ist, ob wir etwas selbst, Von der Anneh- mung, die vor dem Verspre- chen in Briefen oder durch ei- ne Mit- tels-Per- oder durch einen andern thun; so kann das Annehmen durch eine Mittels-Person geschehen. Und da es auch einerley ist, wie wir es dem andern zu verstehen geben, daß wir das Versprechen annehmen; so kann so wohl durch einen Brief, als durch ei- ne Mittels-Person die Annehmung be- kannt gemacht werden. Weil auch die R 5 Anneh- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen son ge- schieht. Annehmung vor dem Versprechen vorher ge- hen kann (§. 319.); so ist das Verspre- chen, wenn jemand von uns verlangt ihm etwas zu versprechen, und wir in der Antwort in einem Briefe darein willigen, das Versprechen gleich guͤl- tig; folglich besteht dasselbe, wenn gleich der Brief erst nach unserm Tode dem andern uͤberbracht wird. Allein da das Annehmen nicht eher geschehen kann, als bis das Versprechen geschehen ist, daß aber das Versprechen geschehen sey, der andere nicht eher weiß, als bis er den Brief erhalten; so kan auch das Versprechen, so lange als der andere den Brief noch nicht bekom- men hat, wiederrufen werden. Nemlich wenn der Brief geschrieben worden, so kann das Versprechen noch wiederrufen werden; durch den Tod des Versprechers aber wird es unwiederruflich. Es ist leicht klar, daß eben dieses gilt von der Mittels-Person ein Versprechen anzunehmen, als welche die Stelle eines Briefes vertritt. §. 433. Von dem uns ge- thanen Verspre- chen, daß einem andern etwas geleistet werden solle. Wenn jemand mir verspricht, daß er einem andern etwas leisten wolle, und ich nehme es an, der raͤumet mir das Recht ein ihn dazu anzuhalten, daß er es leiste, wenn der andere es an- nimmt (§. 361.). Weil aber der andere dadurch, daß ich es annehme, kein Recht er- halten hat (§. 381.); das Recht aber, welches ich und den Vertraͤgen uͤberhaupt. ich erhalten habe, mir nicht genommen wer- den kann (§. 100.), ich aber wohl desselben mich begeben (§. 342.); so kann das Ver- sprechen, ehe der andere es angenom- men, zwar nicht wiederrufen werden, ich aber kann mich desselben begeben. Und weil ich will, daß das Versprechen gel- ten soll, wenn ich es dem andern be- kannt mache; so verspreche ich ihm wenig- stens stillschweigend, wenn er es annimmt, davor zu sorgen, daß das Versprechen gehal- ten werde; folglich werde ich durch des andern Annehmen demselben verbun- den, davor zu sorgen, daß das Ver- sprechen gehalten werde (§. 380.), oder mein Recht, den Versprecher dazu an- zuhalten, dem andern abzutreten (§. 338. 342.). §. 434. Wer nicht zu einer Mittels-Person auser- Von der Anneh- mung die fuͤr einen dritten ge s che- hen. lesen worden das Versprechen anzunehmen, der kann auch, weil er kein Recht dazu hat, im Nahmen eines andern nichts annehmen. Wenn ich demnach in des andern Ge- genwart dem dritten etwas verspreche, und er ist nicht als eine Mittels-Per- son erwaͤhlet worden das Versprechen anzunehmen; so gilt sein Annehmen nichts, und ich bin aus dem Verspre- chen dem dritten nichts schuldig (§. 381.). Wenn ich will daß der ande- re im Nahmen des dritten es anneh- men II. Th. 7. H. Von dem Versprechen men soll; so erklaͤre ich mich eben dadurch, daß ich das Annehmen des andern fuͤr die An- nehmung des dritten, woferne er will, halten wolle; folglich kann das Versprechen von mir nicht wiederrufen werden. Weil aber die Guͤltigkeit des Versprechens nicht auf dem Willen des andern, sondern des dritten beruhet, dem etwas versprochen wird; so kann der andere dasselbe wehrender Zeit nicht erlassen; weil er durch das Ver- sprechen kein Recht erhalten, welches er er- lassen koͤnnte. §. 435. Wenn dasjeni- ge, womit das Ver- sprechen zum Vor- theil ei- nes drit- ten be- schweret worden, wieder- rufen werden kann. Wenn ein Versprechen zum Vor- theil eines dritten beschweret wird, kann dasselbe, womit es beschweret worden, wiederrufen werden, ehe er es angenommen. Denn der dritte hat kein Recht, ehe er dasselbe angenommen hat (§. 316.), und das Versprechen wird beschwe- ret entweder als unter einer Bedingung, oder als in einer gewissen Absicht; folglich so lan- ge es von dem dritten nicht angenommen wor- den, steht es bey uns, ob wir das Verspre- chen von der Beschwerde befreyen wollen (§. 342.), und das Versprechen in ein anderes verwandeln, dabey keine Bedingung, oder damit verknuͤpfte Absicht vorhanden (§. 393.); folglich kann die Beschwerde erlassen werden (ist wiederruflich, onus revocabile est ), so lange die Annehmung von dem dritten noch nicht geschehen. §. 436. und den Vertraͤgen uͤberhaupt. §. 436. Wenn ein Versprechen unguͤltig ist, Wenn der Ver- sprecher ein un- guͤltiges Verspre- chen hal- ten will. und der Versprecher will dasselbe den- noch halten; da es hier lediglich bey ihm steht, ob er etwas dem andern leisten will, oder nicht (§. 314. 328.), oder etwas ver- sprechen (§. 385.); so muß er entweder dasjenige leisten, was versprochen wor- den, oder es ist ein neues Versprechen noͤthig, welches, eben weil es neu ist, auf eine jede von der vorigen unterschiede- ne Art und Weise geschehen kann (§. 393.). §. 437. Ein blosses Abreden (conventio) ist eine Von dem, was man mit einander abredet. Handlung, durch welche zwey oder mehrere etwas beschliessen, oder etwas zu thun, oder zu unterlassen mit einander eines werden. De- rowegen da niemand sich dem andern anders als durch Versprechen verbindlich machen kann (§. 380.); so kann dadurch, daß man mit einander etwas abgeredet, also durch die Conventionen, keine Ver- bindlichkeit entstehen, sondern bloß in dem Falle, wenn ein Versprechen dazu kommt. §. 438. Wennn zwey oder mehrere zusammen in Von den Vertraͤ- gen. ein Versprechen oder in mehrere einwilligen, heißt es ein Vertrag (pactum oder pactio). Da die Versprechen gehalten werden muͤssen (§. 388.); so muͤssen auch die Vertraͤge gehal- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen gehalten werden. Weil also die Ver- traͤge alle Kraft zu verbinden von den Ver- sprechen haben (§. 380.); so muß dasjeni- ge, was wir vom Versprechen bewie- sen haben, auch von den Vertraͤgen verstanden werden. §. 439. Vom ausdruͤck- lichen Vertrage und vom still- schwei- genden. Einen ausdruͤcklichen Vertrag (pa- ctum expressum) nennet man denjenigen, welcher durch eine ausdruͤckliche Einwilligung gemacht wird; einen stillschweigenden aber (tacitum), der auf einer stillschweigenden Ein- willigung beruhet. Jn den ausdruͤckli- chen Vertraͤgen ist stillschweigend ent- halten, was aus dem, so ausdruͤcklich gesaget wird, durch eine nothwendige Folge fliesset (§. 27.). Man sagt aber, eine Bedingung sey an und vor sich selbst in einem Vertrage oder in einem Versprechen enthalten (conditio per se inesse), wenn ohne dieselbe die Lei- stung desjenigen, was versprochen worden, nicht moͤglich ist; als wenn ich sage: ich will dir die Kosten zur Erlangung der Doctor- Wuͤrde geben; und die Bedingung, wel- che an und vor sich selbst in einem Ver- trage, oder Versprechen enthalten ist, wird fuͤr eine ausdruͤcklich hinzugesetz- te gehalten. §. 440. Vom Vertrag Einen Vertrag auf eine zeitlang (pactum temporarium) nennet man denjeni- gen, und den Vertraͤgen uͤberhaupt. gen, dessen Dauer auf eine gewisse Zeit ein- der auf eine zeit- lang und auf ewig geschlos- sen wor- den. geschraͤncket wird. Ein ewiger Vertrag (pactum æternum) ist derjenige, dessen Dauer niemahls aufhoͤren soll, das ist, so lange Per- sonen vorhanden sind, welche durch denselben ein gewisses Recht erlangt. Weil es wieder- sprechend ist, sowohl die Vertraͤge auf ei- ne zeitlang, als die ewigen auf die Per- sonen, die den Vertrag machen, einzuschraͤn- cken; so sind beyde nicht persoͤnliche Vertraͤge, sondern Vertraͤge, welche die Sache angehen (§. 401.). Die auf eine zeitlang gemachte Vertraͤge aber verbinden nicht mehr, wenn die Zeit verflossen, auf welche sie gemacht worden (§. 317.). §. 441. Ein Vertrag wird erneuret (pactum Von der Erneu- rung ei- nes Ver- trages. renovatur), wenn die, so ihn gemacht, mit einander eines werden, daß er uͤber die Zeit, auf welche er gemacht worden, noch bis auf eine gewisse Zeit fortdauren solle. Wenn also ein Vertrag, der auf eine zeitlang gemachet worden, nicht aufhoͤren soll, so bald die Zeit geendiget (§. 440.); so muß er erneuret werden. Weil aber nicht mehr der vorige Vertrag verbleibet, wenn etwas in dem, was geleistet werden soll, veraͤndert wird, sondern man einen neuen macht; so muß in der Erneurung eines Vertrages nichts geaͤndert werden in dem, was geleistet werden soll. Es er- hellet II. Th. 7. H. Von dem Versprechen hellet aber leicht, daß es lediglich auf den Willen dererjenigen, die einen Vertrag gemacht, beruhe, ob sie denselben er- neuren, oder einen neuen machen wol- len (§. 393.). Da diejenigen, die den Ver- trag gemacht, bey der Erneuerung in die Fort- setzung desselben einwilligen muͤssen (§. 437.); derjenige aber stillschweigend einwilliget, wel- cher leidet, daß nach Endigung eines auf ei- ne zeitlang gemachten Vertrags etwas von dem andern Theile geschiehet, welches doch nicht anders als vermoͤge des Vertrags ge- schehen kann (§. 27.); so wird ein Ver- trag stillschweigend erneuret, wenn mit Vorwissen des andern und ohne daß er widerspricht, der eine nach En- digung des Vertrags etwas thut, wel- ches nicht anders als vermoͤge des Ver- trags geschehen konnte, oder auch wenn der andere dergleichen vor ge- nehm haͤlt; z. E. wenn er etwas an- nimmt, welches nicht anders als ver- moͤge des Vertrags gegeben werden konnte. Weil aber in einer stillschweigen- den Erneurung die Zeit nicht ausdruͤcklich angezeiget wird, auf welche er erneuret wer- den soll; so verstehet sichs, daß er auf so lange Zeit erneuret worden, als in dem gemachten Vertrage ausdruͤcklich beniemet worden. Wenn man aber gleich im Anfang mit einander eines wird, daß der Vertrag laͤnger als bis auf und den Vertraͤgen uͤberhaupt. auf die gesetzte Zeit dauren soll, wo- fern nicht in einer bestimten Zeit der eine Theil dem andern den Vertrag aufsaget; so verbleibet derselbe nach dem, was anfangs abgeredet worden, so lange, bis er aufgehoben wird (§. 438.); folglich wird er nicht erneuret (§. 441.). §. 442. Man sagt, es gehe der vom Vertra- Wenn es erlaubet ist von einem Vertrage abzuge- hen. ge ab (a pactu discedit), welcher das nicht leisten will, wozu er vermoͤge des Vertrags verbunden ist. Derowegen da man Gegen- leistungen nennet (præstationes mutuae), wann einer dem andern etwas leistet, und der andere im Gegentheil ihm wieder etwas leisten muß; folglich bey Gegenleistungen die Leistung des einen die Leistung des andern als eine zuerfuͤllende Bedin- gung voraussetzet (§. 315.); so ist auch, wenn der eine Theil nicht leisten will, was er zu leisten schuldig ist, oder vom Vertrag abgehet, da der andere Theil solchergestalt auch nicht verbunden ist das zu leisten, was er schuldig war (§. 396.), dem- selben erlaubt von dem Vertrage ab- zugehen. Jedoch da der andere verbunden ist den Vertrag zu halten (§. 438.), und wir daher das Recht haben ihn dazu anzuhalten (§. 379.), welches uns wider unsern Willen nicht benommen werden kann (§. 100.); so stehet uns noch frey, wofern wir vom Nat. u. Voͤlckerrecht. S Ver- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen Vertrage abgehen wollen, den andern dazu anzuhalten, was er vermoͤge des Vertrags zu leisten schuldig ist. Da wir nun aber, vermoͤge dessen, was erwiesen worden, das Recht haben vom Vertrage ab- zugehen; so handeln wir nicht wider Treue und Glauben, wenn wir des- wegen vom Vertrage abgehen, weil der andere zuerst davon abgegangen (§. 389.). Und weil es solchergestalt alsdenn bey uns stehet, ob wir den Vertrag wollen gelten lassen, oder nicht; so sind wir nicht gehalten, wenn es den andern gereuet, der zuerst abgegangen, und er will den- selben gelten lassen, dieses anzuneh- men. Weil der Grund, warum es erlaubt ist von einem Vertrage abzugehen, nicht vor- handen, wenn einer wider Treue und Glauben in einem andern Vertrage vorher gehandelt; so ist auch deswe- gen von einem andern Vertrage, als jenem, abzugehen nicht erlaubt. §. 443. Wenn je- mand von ei- nem Ver- trag als- dann ab- gehet, wenn vermoͤge desselben schon et- Wenn ein anderer alsdenn vom Ver- trag abgehet, wenn wir ihm schon et- was geleistet haben; wir aber dadurch vorsaͤtzlich in Schaden gesetzt wuͤrden, wenn wir verbunden waͤren den Verlust desselben uͤber uns zu nehmen (§. 17. 269.); so muß er uns, wenn wir gleichfalls abgehen, was gegeben worden, wiedergeben, oder der Werth desselben ersetzet werden und den Vertraͤgen uͤberhaupt. werden (§. 270.). Jm Gegentheil wenn der was ge- leistet worden. andere schon uns etwas geleistet hat, in- dem er vom Vertrage abgehet; da er durch seine eigene Schuld Schaden leidet, und ich mich ihm nicht verbunden etwas zu leisten, als nur dann, wenn das, was er versprochen hat, gantz geleistet worden; so bin ich nicht schuldig ihm etwas wie- der zu ersetzen. Er leidet die Strafe sei- ner Untreue (§. 390.). Wenn ich aber dasjenige gantz geleistet habe, was ich nach dem Vertrage zu leisten schuldig war; da von meiner Seite der Vertrag er- fuͤllet worden, und ich nicht mehr von dem- selben abgehen kann (§. 442.); so ist noth- wendig, daß ich den andern auch zu Erfuͤllung des Vertrags anhalte, wann ich nicht mein Recht erlassen (§. 337. 342.) und damit zufrieden seyn will, daß dasjenige, was geleistet wor- den, wieder ersetzet werde. Wenn endlich von beyden Seiten gleich viel geleistet worden, da man alsdann nicht sagen kann, daß der andere mit unserm Schaden vom Vertrage abgehet, und also uns etwas zu ersetzen schuldig sey (§. 270.); so ist er auch uns, wenn wir abgehen, nichts schuldig. §. 444. Man sagt, ein Vertrag werde aufge- Wenn der Ver- trag auf- gehoben wird. hoben (pactum dissolvitur), wenn diejeni- gen, die ihn gemacht haben, von der Ver- S 2 bindlich- II. Th. 7. H. Von dem Versprechen bindlichkeit, die daraus erwachsen, entlediget werden. Wenn demnach der Vertrag aufgehoben wird, ehe noch vermoͤge desselben etwas geleistet worden; so ist es eben so viel, als ob er niemals ge- macht worden waͤre. Weil ein jeder sich seines Rechtes begeben kann (§. 342.); folg- lich den andern von seiner Verbindlichkeit be- freyen (§ 337.); so koͤnnen Vertraͤge mit beyderseitiger Einwilligung wieder aufgehoben werden. Und weil der vo- rige Vertrag nicht bestehen kann, wenn ein neuer, der demselben entgegen ist, gemacht wird; so wird durch einen neuen Ver- trag, der dem vorigen entgegen ist, der vorhergehende aufgehoben: nem- lich die beyderseitige Einwilligung, durch wel- che der vorhergehende Vertrag aufgehoben wird, ist schon an sich in der beyderseitigen Einwilligung in den neuen enthalten (§. 438.). §. 445. Von dem geschrie- benen Vertra- ge. Weil die Vertraͤge durch beyderseitige Ein- willigung gemacht werden (§. 438.); so ist der Vertrag gleich guͤltig, so bald bey- de Theile ihre Einwilligung gegeben; folglich gilt er natuͤrlicher Weise, ehe er aufgeschrieben wird. Nemlich ein Ver- trag wird nicht der Guͤltigkeit, sondern des Beweises wegen aufgeschrieben, damit man dasjenige beweisen kann, was in demselben versprochen worden, oder woruͤber man mit einander uͤbereinkommen. Allein da es auf den und den Vertraͤgen uͤberhaupt. den Willen derjenigen ankommt, die den Ver- trag machen, wenn ihre Einwilligung vor un- veraͤnderlich gehalten werden soll; so koͤnnen sie mit einander ausmachen, daß der Vertrag nicht eher gelten soll, als bis er aufgeschrieben und unterschrieben, oder auch gesiegelt worden. §. 446. Da wir uns durch den Eyd verbinden die Von dem beschwo- renen Vertra- ge. Wahrheit zu sagen (§. 368.); so ist klar, daß, wenn wir etwas eydlich versprechen, wir durch den Eyd bloß beweisen, daß wir den Vorsatz haben, das zu leisten, was wir versprechen, und in diesem Vorsatze verharren wollen; folglich bringt der Eyd keine neue Verbind- lichkeit etwas zu leisten hervor, und wenn er also zu einer Handlung, die nichr verbindlich ist, hinzukommt, so kann er sie nicht verbindlich machen. Jedoch in so fern wir den andern unserer Treue nachdruͤcklicher versichern (§. 389. 368.); so wird es fuͤr schaͤndlicher gehalten wieder Treue und Glauben, so man beschworen hat, zu handeln, als wenn man nicht geschworen hat. §. 447. Weil wir durch den Vertrag das Recht Von dem Recht des Krie- ges, wel- ches aus dem Ver- erlangen, den andern, der ihn nicht halten will, mit Gewalt dazu anzuhalten, daß er das leiste, woruͤber man mit einander eines worden (§. 438. 379.); die gewaltsame Be- S 3 hauptung II. Th. 8. H. Von der Ersitzung trage er- waͤchßt. hauptung seines Rechts aber der Krieg ist (§. 98.); so hat der Mensch ein Recht zum Kriege wider denjenigen, der den Vertrag nicht halten will. Wenn je- mand den Vertrag bricht; und folglich das Gegentheil davon thut, woruͤber man im Vertrage mit einander eines worden; so han- delt er wider das vollkommene Recht des an- dern, welches er durch den Vertrag erhalten hatte (§. 97.), und thut deswegen ihm un- recht (§. 87.). Weil nun das Unrecht, das einem angethan worden, eine rechtmaͤßige Ur- sache des Krieges ist (§. 98.); so ist die Verletzung der Vertraͤge eine recht- maͤßige Ursache des Krieges. Das achte Hauptstuͤck. Von Erlangung des Eigenthums einer bloß besessenen Sache und von der Verjaͤhrung. §. 448. Wenn eine Sa- che, die einem andern zugehoͤ- ret, des- jenigen wird, der sie besi- tzet. W er eines andern Sache besitzt, der hat sich dieselbe zugeeignet (§. 200.). Derowegen wenn der Ei- genthumsherr dieselbe verlaͤßt, so ge- hoͤret sie demjenigen gleich zu, der sie besitzet (§. 219.); folglich kann sie von dem alten Eigenthumsherrn, der auf- gehoͤret hat Eigenthumsherr zu seyn (§. 203.), von dem Besitzer sich nicht wieder zu- geeignet und der Verjaͤhrung. geeignet werden (§. 262.). Hieraus er- hellet, daß in diesem Falle das Eigenthum nicht durch den Besitz erhalten wird, sondern durch die urspruͤngliche Art etwas eigenthuͤm- lich zu erhalten, nemlich durch die Zueignung einer Sache, die niemanden zugehoͤret (§. 210.). §. 449. Weil die menschlichen Geschaͤfte einen Aus- Von der Noth- wendig- keit der Vermu- thung in mensch- lichen Geschaͤf- ten. gang gewinnen muͤssen, und dem menschlichen Geschlechte daran gelegen ist, daß die erlang- ten Rechte und zugezogene Verbindlichkeiten gewiß sind; so wird dasjenige, was in ei- nem zweifelhaften Falle, wo keine Ge- wißheit zu haben, vermuthet wird, in den menschlichen Geschaͤften wider denjenigen vor wahr gehalten, wider den die Vermuthung geschiehet. Und gewiß wenn man dasjenige vor wahr haͤlt, wovor sich einer hinlaͤnglich erklaͤret (§. 318.), unerachtet es geschehen koͤnte, daß er luͤgt (§. 351.), vermuthet man alsdann nicht, daß er die Wahrheit sage? Ja wenn man ei- nem, der geschworen hat, glaubet, ob es gleich geschehen koͤnte, daß er falsch schwoͤre (§. 371.), vermuthet man nicht, er habe nicht falsch geschworen? Daher vermuthet man die Wahrheit dessen, was gesagt worden, in dem Versprechen, und folg- lich in den Vertraͤgen (§. 438.), ohne welcher nichts guͤltig versprochen wer- den konnte. S 4 §. 450. II. Th. 8. H. Von der Ersitzung §. 450. Von der Erlan- gung ei- nes Ei- gen- thums aus einer vermu- theten Verlas- sung. Daher folget nun, daß, woferne man nicht gewiß ausmachen kann, wenn daran gelegen ist, daß man gewiß wis- se, ob der Eigenthumsherr das ihm zugehoͤrige verlassen habe, dennoch aber die Verlassung vermuthet wird, man vor wahr anzunehmen habe, daß er sie verlassen (§. 449.); und folglich die Sache dem Besitzer gehoͤre (§. 448.); nemlich nicht deswegen, weil er sie besitzet, sondern weil die Sache, die er besitzet, fuͤr eine keinem andern zugehoͤrige gehalten wird (§. 203.), und er sich dieselbe zugeeignet hat (§. 448.). §. 451. Was die Ersitzung oder die Erlan- gung ei- ner bloß besesse- nen Sa- che sey, und wie dieselbe geschie- het. Die Erlangung des Eigenthums aus der Vermuthung, daß sie von dem Eigenthums- herrn sey verlassen worden, nennet man die Erlangung des Eigenthums einer bloß besessenen Sache, oder mit einem Worte die Ersitzung (usucapio). Wenn man aber in den buͤrgerlichen Rechten saget, daß eine Sache durch den Besitz unser eigen werde, wenn er bis auf eine in den Gesetzen bestimmte Zeit in einem fortgedauret hat; so wird durch das buͤrgerliche Gesetze nichts anders als die Art und Weise bestimmet, die Verlaßung einer Sache zu vermuthen, und diese ist bloß buͤrgerlichen Rechtes. Gewiß, da niemand zweifeln kann, daß durch den blossen Besitz kein Eigenthum erhalten wer- den und der Verjaͤhrung. den kann (§. 200.), noch auch die Zeit die Kraft hat, einen Besitz zu Erlangung des Eigenthums faͤhig zu machen; so kann durch einen Besitz, wenn er auch noch so lange gedauret hat, natuͤrlicher Weise kein Eigenthum erlangt werden. Da uͤbrigens auch unkoͤrperliche Sachen eigen- thuͤmlich werden koͤnnen (§. 206.); so koͤn- nen eben so wohl unkoͤrperliche, folg- lich auch das Recht zu einer Sache (§. 121. 335.), als koͤrperliche Sachen, die man bloß im Besitz hat, des Besitzers eigen, oder ersessen werden. §. 452. Die Verjaͤhrung (præscriptio) ist der Von der Verjaͤh- rung. Verlust eines eigenen Rechts, wegen einer vermutheten Einwilligung. Weil demnach derjenige, von welchem man vermuthet, er habe eine Sache verlassen, die Vermuthung wieder sich erreget, daß er das Eigenthum (§. 203.), und folglich das Recht sich die Sache wieder zuzueignen verlohren habe (§. 262.); so wird, wenn eine bloß besesse- ne Sache eigenthuͤmlich oder ersessen wird, sowohl das Eigenthum als auch das Recht die Sache sich wieder zuzu- eignen, dem Eigenthumsherrn ver- jaͤhret. Man pflegt zwar heute zu Tage so wohl die Verjaͤhrung, als die Ersitzung eine Verjaͤhrung zu nennen: es ist aber rathsamer, daß dieselben in dem Rechte der Natur von einander unterschieden werden; vornaͤmlich da S 5 dieser II. Th. 8. H. Von der Ersitzung dieser Unterschied auch etwas dazu beytraͤgt das Roͤmische Recht genauer zu verstehen. Daß aber die Verjaͤhrung natuͤrlichen Rechtes sey, erhellet aus eben dem Grun- de, aus welchem wir die Ersitzung erwiesen haben (§. 449. u. f.). Und es ist nicht weni- ger offenbahr, daß derjenige von seiner Verbindlichkeit befreyet werde, wel- cher einem andern sein Recht zu dem verjaͤhret, was er ihm zu leisten schul- dig war. §. 453. Von der Vermu- thung. Es ist aber hier zu mercken, daß, da die Vermuthung darinnen bestehet, daß man aus wahrscheinlichen Gruͤnden eine zweifelhafte Sache in einem einzelnen Fall vor gewiß an- nimmet (§. 27.), und daher dasjenige, was vermuthet wird, falsch seyn kann, das Vermuthete so lange vor wahr gehal- ten wird, bis das Gegentheil bewie- sen worden. Und weil jeder vor wahr- scheinlich annimmt, daß vielmehr dasjenige geschehen werde, was mehrentheils geschiehet, als was seltener vorfaͤllt, wofern nicht beson- dere Ursachen das Gegentheil anzunehmen vorhanden; so wird dasjenige vermu- thet, was gewoͤhnlicher Weise zu ge- schehen pfleget, nicht aber was selte- ner geschieht, wofern keine besondere Gruͤnde das Gegeentheil anzunehmen da sind. Man theilet die Vermuthung in eine bedingte und in eine unbedingte ein. Die unbe- und der Verjaͤhrung. unbedingte Vermuthung (præsumtio absoluta) ist diejenige, da das Gesetz befiehlt, dasjenige vor wahr zu halten, was vermu- thet wird; die bedingte aber (conditiona- lis) ist diejenige, nach welcher das, was ver- muthet wird, so lange vor wahr zu halten ist, bis das Gegentheil bewiesen worden. Die un- bedingte Vermuthung kommt mit derjenigen uͤberein, welche von den Auslegern des buͤr- gerlichen Rechts die rechtliche Vermu- thung, oder die Vermuthung von Rechtswegen (præsumtio juris \& de ju- re) genennet wird: die bedingte aber mit der- jenigen, welche von denselben die Vermu- thung des Rechts (præsumtio juris) ge- nennet wird. Es fuͤgen zwar einige noch die dritte Art hinzu, welche sie die Vermu- thung eines Menschen nennen (præsum- tionem hominis), welche von einem Men- schen, z. E. von einem Richter geschiehet, wenn das Gesetz es nicht gewiß machet, daß so etwas vermuthet werden solte. Weil aber in dem Rechte der Natur alle Vermu- thungen, die der Vernunft gemaͤß sind, auch genehm gehalten werden; so ist die Vermu- thung des Rechts von der Vermu- thung eines Menschen nicht verschie- den. Jm Rechte der Natur aber ist der Unterschied der Vermuthung des Rechts und der Vermuthung von Rechtswegen gegruͤn- det; nemlich daß etwas, was vermuthet wird, entweder so lange vor wahr gehalten werde, II. Th. 8. H. Von der Ersitzung werde, bis das Gegentheil bewiesen ist, oder schlechterdinges vor wahr gehalten werde; dergleichen die Vermuthung der Wahrheit desjenigen ist, was der sagt, welcher in den Versprechungen die Wahrheit zu sagen ver- bunden ist (§. 449.). §. 454. Von der Einthei- lung des Tituls. Ein rechmaͤßiger Titul (titulus justus) ist derjenige, wodurch ein Recht zu erlangen bloß moͤglich ist, zum Exempel das Eigen- thum: nicht aber wuͤrcklich erlangt wird, als wenn jemand eine Sache kauft; weil er sie auch von einem der nicht der Eigenthumsherr ist, haͤtte kaufen koͤnnen. Daher sagt man, es habe einer einen rechtmaͤßigen Titul (titulum justum habere), wenn der Be- sitzer den Besitz durch eine solche Handlung erhalten hat, durch welche, nach der Bestim- mung des Gesetzes, das Eigenthum von einem Eigenthumsherrn auf einen andern gebracht werden kann. Wenn diese Handlung ihre Richtigkeit hat; heisset es ein wahrer Titul (titulus verus). Wenn jemand glaubt, die Handlung habe ihre Richtigkeit, da es doch nicht ist, als wenn einer glaubt, eine Sache sey ihm geschenckt, da es doch nicht so ist; so heißt es ein vermeinter Titul (titulus pu- tativus). Wenn aber die Handlung zwar ih- re Richtigkeit hat, einer irret sich aber darin- nen, daß er vermeint, es koͤnne durch eine solche Handlung ein dergleichen Recht erhal- ten werden, als zum Exempel, durch das Fin- den und der Verjaͤhrung. den einer verlohrenen Sache, das Eigen- thum; so heißt es ein falscher Titul (titu- lus falsus). Daher erhellet, daß ein recht- maͤßiger Titul eine mittlere Art sey zwischen einem wahren und falschen. Denn er hat ei- nen Theil von einem wahren Titul, in so weit die Handlung zwar ihre Richtigkeit hat, zum Exempel, daß man die Sache gekauft habe, dennoch aber nicht gewiß ist, ob das uͤbrige erforderliche, das Eigenthum auf einen andern zu bringen, vorhanden; zum Exempel, daß man es vom Eigenthumsherrn gekauft habe. Uebrigens wird der Titul auch in einen vor- theilhaften und beschwerlichen (lucra- tivum \& onerosum) eingetheilet, in so fern als das Gesetz, welches anzeiget, daß wir durch unsere Handlung einiges Recht erhal- ten, uns entweder zu nichts oder zu etwas dargegen verbindet. §. 455. Da man das, was gewoͤhnlich ist, vermu- Wie ein gewissen- hafter Besitz er- halten wird. thet (§. 453.); so vermuthet man, daß jeder Besitzer der Eigenthumsherr sey, woferne nicht wahrscheinliche Gruͤn- de zum Gegentheil vorhanden, und diese Vermuthung ist um so viel groͤs- ser, wenn es gewiß ist, daß er einen rechtmaͤßigen Titul des Besitzes hat (§. 454.). Hieraus erhellet ferner, daß der- jenige, der eine Sache von einem ver- muthlichen Eigenthumsherrn, folglich von einem jeden Besitzer, bey welchem man II. Th. 8. H. Von der Ersitzung man keine wahrscheinliche Gruͤnde an- bringen kann, warum sein Eigenthum verdaͤchtig seyn solte, durch einen rechtmaͤßigen Titul erhalten hat, dieselbe mit gutem Gewissen besitze (§. 201.). §. 456. Vom rechtmaͤs- sigen und unrecht- maͤßigen Besitz. Man nennet aber einen rechtmaͤßigen Besitz (possessionem justam), bey welchem man einen rechtmaͤßigen Titul und ein gutes Gewissen antrift: wenn aber eines von bey- den fehlet, so ist der Besitz unrechtmaͤs- sig (possessio injusta). Ein Beyspiel im letz- ten Falle ist dieses: Wenn einer weiß, daß er eine Sache nicht von dem Eigenthums- herrn gekauft habe: im ersten Falle aber, wenn einer glaubt, er habe sie von dem Ei- genthumsherrn gekauft, oder geschenckt be- kommen. §. 457. Von der Befoͤrde- rung der Gewiß- heit des Eigen- thums. Weil wir einen jeden Schaden sowohl von uns, als von andern abwenden sollen (§. 269.); so muß keiner nachlaͤßig, folglich jeder fleißig seyn (§. 21.) nachzuforschen, ob etwan von dem, was ihm gehoͤret, etwas in eines andern Gtwalt kom- men sey, wie auch nach den Rechten, die ihm zukommen, und sich in acht nehmen, daß unter den Sachen, wel- che er besitzet, keine angetroffen wer- de, die einem andern zugehoͤret; folg- lich sich bemuͤhen, daß er von dem Ei- genthu- und der Verjaͤhrung. genthume dessen, was er besitzet, Ge- wißheit habe, und das Eigenthum andern nicht ungewiß bleibe. Dero- wegen giebt das Gesetze der Natur dem Menschen auch das Recht dazu, ohne welches die Gewißheit des Eigen- thums nicht erhalten werden kann (§. 46.). Es erhellet aber hieraus zugleich, daß, wenn einer weiß, eine ihm zugehoͤrige Sache habe ein anderer im Besitze, und er will dieselbe nicht verlassen, er nicht schweigen muͤsse. §. 458. Weil derjenige, welcher weiß, daß Von der Vermu- thung ei- ner Ver- lassung aus ei- ner wuͤrckli- chen Hand- lung. die Sache ihm zugehoͤre, und doch et- was thut, was er nicht thun koͤnnte, wenn er wolte, daß sie seine seyn soll- te; als wenn er mit dem Besitzer einen Ver- trag macht, eben als wenn die Sache dem andern zugehoͤrete; indem man daraus nicht anders schliessen kann, als daß er die Sache nicht vor seine halten wolle, sondern vor des andern seine erkenne; so vermuthet man daraus, daß er sie verlassen habe (§. 27. 203.). §. 459. Wenn jemand schweigt, wenn er Von der aus dem Still- schweigen vermu- theten Einwilli- gung. reden koͤnnte und sollte; da er dieses aus keiner andern Absicht zu thun scheinet, als weil er eben das, was der andere will, oder was die andern wollen, die ihre Mei- nung gesagt; so vermuthet man, er habe darein II. Th. 8. H. Von der Ersitzung darein gewilliget (§. 27.). Und daher ist klar, daß, wenn aus einem Still- schweigen eine Einwilligung vermu- thet werden soll, einer mit Wissen und Willen stillschweigen muß. §. 460. Von der aus ei- nem Still- schweigen vermu- theten Verlas- sung. Da nun derjenige nicht schweigen soll, wel- cher weiß, daß eine ihm zugehoͤrige Sache ein anderer im Besitz, er aber nicht die Absicht hat sie zu verlassen (§. 457.); so vermuthet man es habe einer die Sache, so ihm zugehoͤret, verlassen, wenn er weiß, daß sie ein anderer im Besitz hat, und er in langer Zeit nicht widerspricht, woferne kein offenbahrer Grund vor- handen, warum er schweigen sollte (§. 459.). §. 461. Eben die- ses wird weiter erwogen. Weil ein jeder in der Untersuchung der ihm zugehoͤrigen Sachen, welche vielleicht in eines andern Gewalt moͤchten kommen seyn, fleißig seyn soll (§. 457.), und es gewiß ist, daß die Menschen das Jhrige lieben; so ver- muthet man, daß es der Eigenthums- herr wisse, es habe ein anderer eine ihm zugehoͤrige Sache im Besitze, wo- ferne er dieselbe eine lange Zeit beses- sen hat; es sey denn daß offenbahre Ur- sachen dargegen vorhanden, oder daß er, wenn die Sache beweglich ist, vor unmoͤglich ansiehet, es zu erfahren, wer sie besitzet; folglich vermuthet man aus und der Verjaͤhrung. aus einem langwierigen Stillschwei- gen die Verlaßung einer Sache; wo- fern nicht offenbahre Ursachen herge- gen vorhanden sind (§. 460.). §. 462. Weil das Eigenthum bestaͤndig ungewiß Von was vor einer Art diese Vermu- thung sey. bleiben wuͤrde, wofern man diese Vermu- thung nicht annehmen wolte, welches aus dem vorhergehenden klar genug ist; so ist diese Vermuthung gegen einen, der nach- laͤßig ist nach demjenigen zu forschen, was ihm zugehoͤret, eine unbedingte Vermuthung, oder eine Vermuthung von Rechtswegen (§. 453.). §. 463. Hieraus folget ferner, daß die Ersi- Zu was voꝛ einem Rechte die Ersi- tzung und Verjaͤh- rung ge- hoͤre. tzung und Verjaͤhrung zu dem Rechte der Natur gehoͤre (§. 451. 452.); zum buͤrgerlichen Rechte gehoͤret nur, daß die Ver- muthung der Verlaßung auf eine gewisse Zeit gesetzt wird. §. 464. Weil aber derjenige, welcher mit keinem Daß ein gutes Ge- wissen zur Ver- jaͤhrung erfordert wird. guten Gewissen eine Sache besitzet, dieselbe dem Eigenthumsherrn wieder zu erstatten schuldig ist (§. 201. 261.); folglich, wenn er sie wiedergeben will, wissen kann, ob sie der Eigenthumsherr haben will, oder nicht, und also hier die Vermuthung einer Verlaßung gar nicht statt findet (§. 203. 27.); so ist der Besitz mit keinem guten Gewissen der Nat. u. Voͤlckerrecht. T Ersi- II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. Ersitzung und Verjaͤhrung allezeit zu- wider; folglich wird zur Ersitzung und Verjaͤhrung die gantze Zeit des Besi- tzes uͤber ein gutes Gewissen erfor- dert. Das neunte Hauptstuͤck. Von den bloß wohlthaͤtigen Handlungen, die in einem zu Ende gebracht werden. §. 465. Von der einfachen und zu- sammen- gesetzten Hand- lung. E s ist vor sich klar, daß alle Handlungen, die andern nuͤtzlich sind, entweder dar- in bestehen, daß etwas gegeben, oder daß etwas gethan wird. Man nennet aber einfache Handlungen (actus simplices), welche nicht in mehrere zergliedert werden koͤnnen, so daß eine ohne die andere, oder oh- ne die uͤbrigen seyn kann. Zusammenge- setzte Handlungen (actus compositi) wer- den diejenigen genannt, welche sich in meh- rere zergliedern lassen, von denen eine ohne die andere bestehen kann. §. 466. Was ei- ne wohl- thaͤtige Hand- lung und wie viel- fach die- selbe sey. Man nennet eine wohlthaͤtige Hand- lung (actum beneficum) diejenige, durch welche nur einer einen Vortheil hat, der an- dere aber nichts dagegen erhaͤlt. Dieselbe ist eine bloß wohlthaͤtige Handlung (actus mere beneficus), wenn damit keine vollkom- mene Verbindlichkeit verknuͤpft ist: Hinge- gen die so gleich vollbracht werden. gen eine verbindliche (obligatorius), mit der vollkommene Verbindlichkeit verknuͤpft ist. §. 467. Eine Tauschhandlung (actus permu- Was Tausch- handlun- gen und wie viel- fach die- selben sind. tatorius) ist, wodurch ein jeder Theil etwas zu geben, oder zu thun verbunden wird. Jn den Tauschhandlungen werden also Sachen und gewisses Thun mit einan- der vertauschet, naͤmlich Sachen mit Sa- chen, Sachen mit Thun, und Thun mit Thun. Es ist aber eine Tauschhandlung entweder eine aus einander setzende (actus diremto- rius), da ein jeder Theil seinen besondern Vor- theil hat, der durch besondere Leistungen erhal- ten wird, nach deren Vollziehung dieje- nigen, welche den Vertrag machten, nichts weiter mit einander zu schaffen haben: oder eine gemeinschaftliche (communicatorius), da man durch gemein- schaftliche Leistungen gemeinschaftlichen Nu- tzen zur Absicht hat. §. 468. Da man in den Tauschhandlungen, folg- Vom Unter- schied der aus ein- ander se- tzenden Tausch- hand- lungen. lich auch in denen, welche die Partheyen aus einander setzen, entweder eine Sache mit ei- ner Sache, oder eine Sache mit Thun, oder Thun mit Thun vertauschet, und in diesen besonders auf den Nutzen eines jeden Theils gesehen wird (§. 467.); so giebt man ent- weder etwas, daß der andere wieder etwas gebe (do ut des), oder ich gebe etwas, daß der andere etwas thue (do T 2 ut II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. ut facias), oder ich thue etwas, daß der andere etwas thue (facio ut facias); denn es macht das, daß ich etwas thue, damit der andere etwas gebe (facio ut des), an sich keinen Unterschied von der Handlung, da ich gebe, daß der andere etwas thue (do ut fa- cias). Weil man aber so wohl koͤrperliche, als unkoͤrperliche Sachen geben kann; so kann man auch sowohl den blossen Gebrauch, als auch den Gebrauch zugleich mit den Fruͤchten geben. Und da das Geld, wie wir an gehoͤri- gem Orte beweisen werden, die Stelle aller Sachen vertritt; so gilt dieses auch vom Gelde. §. 469. Vom Unter- schiede der ge- mein- schaftli- chen Tausch- handlun- gen. Weil man saget, daß Sachen und Thun unter einander gemeinschaftlich ge- macht werden (facta \& res inter se com- municantur), wenn dieselben zum gemein- schaftlichen Nutzen beygetragen werden; so werden in den gemeinschaftlichen Handlungen entweder Sachen, oder Thun, oder auch Geld gemeinschaft- lich gemacht, oder es geschiehet der Beytrag von einem Theile an Sa- chen, oder Gelde, von dem andern durch Thun. §. 470. Die Wohl- that, der Wohl- thaͤter Eine bloß wohlthaͤtige Handlung, welche gleich in einem zu Ende gebracht wird, oder wo ich jemand gleich etwas gebe oder thue, wird eine Wohlthat (beneficium) genannt; aber die so gleich vollbracht werden. aber diejenige, welche auf das zukuͤnftige ge- und der, dem gu- tes ge- schiehet. het, oder da ich mich dem andern etwas zu ge- ben oder zu thun verbindlich mache, ist ein freygebiges Versprechen (§. 425.), oder ein Versprechen einer Wohlthat. Da man sagt einer thue etwas oder gebe etwas umsonst (gratis dare vel facere), der fuͤr das, was er giebt oder thut, von dem andern nichts wieder erhaͤlt; so werden Wohl- thaten umsonst gegeben. Und weil man dasjenige umsonst geschehen (gratuitum) nennet, was einer umsonst leistet; so sind die bloß wohlthaͤtigen Handlungen umsonst geschehene Handlungen. Wer eine Wohlthat giebt, ist der Wohlthaͤter (benefactor), wer sie empfaͤngt, wird der Em- pfaͤnger der Wohlthat (beneficiarius) genannt. §. 471. Unsere Handlungen koͤnnen andern nicht Womit man Wohl- thaten erweiset. nuͤtzlich seyn, als in so fern sie zu einem Gute der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks et- was beytragen, oder ein Uebel der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks abwenden. Es ist derowegen eine jede Handlung, wo- durch wir zu einem Gute der Seele, des Leibes, oder des Gluͤcks umsonst etwas beytragen, oder einiges Uebel abwenden, oder den andern davon be- freyen, eine Wohlthat (§. 470.). §. 472. Weil ein jeder Mensch einem jeden andern, Wer Wohl- T 3 der II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. thaten zu geben schuldig ist, und wer sie verdie- net. der seiner Huͤlfe bedarf, er sey wer er wolle, zu helfen schuldig ist, so viel in seinem Ver- moͤgen stehet, daß er die Guͤter der Seele, des Leibes und des Gluͤcks erlange, und ver- huͤten soll, daß andere nicht in entgegen ge- setztes Uebel verfallen (§. 134.); so sind die Menschen nach dem Recht der Natur verbunden, einander Gutes zu thun, so viel in ihrem Vermoͤgen stehet; und diejenigen verdienen Wohlthaten, wel- che derselben beduͤrfen, oder welche selbsten das nicht erwerben oder thun koͤnnen, was der Wohlthaͤter giebt, oder thut (§. 471.). §. 473. Wenn Wohl- thaten nicht doͤr- sen gege- ben wer- den. Da nach der Einfuͤhrung des Eigen- thums die Menschen verbunden sind einan- der zu geben oder zu thun, nachdem ein jeder eines andern Sache oder Huͤlfe bedarf (§. 329.); folglich so genau wir dem andern verbunden sind, so genau uns auch der an- dere verbunden ist; so ist niemand schul- dig dem andern etwas umsonst zu ge- ben, oder zu thun, wenn der andere dagegen wiederum etwas geben oder thun kann. Und weil es auf den Willen des Eigenthumsherrn ankommt, ob und wie er etwas geben (§. 314.) oder thun will (§. 225.); so kommt es auf den Willen des Wohlthaͤters an, ob er eine Wohl- that geben will (§. 470.), und es kann niemand eine Wohlthat zu geben ge- noͤthi- die so gleich vollbracht werden. noͤthiget werden. Wenn jemand etwas nicht umsonst giebet oder thut, so muß es des- wegen gegeben werden, daß der andere etwas gebe, oder thue; oder es muß etwas gethan werden, daß der andere etwas thue. Und daher erhellet, daß die aus einander se- tzende Tauschhandlungen nach dem Rechte der Natur erlaubt sind (§. 467. 468.). Wofern aber nichts umsonst gege- ben werden soll; so muß in den aus ein- ander setzenden Tauschhandlungen der eine dem andern so viel leisten, als der andere ihm geleistet hat. §. 474. Weil die Menschen einander Gutes zu thun Vom Danck und Un- danck. verbunden sind (§. 472.), und die Wohlthat, die einer vom andern empfangen hat, ein Be- wegungsgrund ist, ihm wieder Gutes zu erwei- sen (§. 73.); so ist der, dem Guts ge- schehen, verbunden, seinem Wohlthaͤ- ter, weil er ihm Gutes gethan hat, wie- derum Gutes zu erzeigen (§. 35.); folg- lich wenn er dieses in der That zu thun nicht vermoͤgend ist, so muß er wenig- stens den Willen haben ihm Gutes zu erweisen (§. 37.). Weil man sagt, eine Wohlthat wird vergolten (beneficium redditur), wenn einer dem andern deswegen Gutes thut, weil er von ihm Gutes empfan- gen hat; ein danckbares Gemuͤthe aber (gratus animus) dasjenige ist, welches geneigt ist das Gute mit Gutem zu vergelten, und T 4 hierin- II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. hierinnen der Danck bestehet; so muß der, welcher Wohlthaten empfangen hat, ein danckbares Gemuͤth gegen den Wohlthaͤter haben, oder danckbar seyn. Und weil man sagt, daß derjenige danck- sage (gratias agere), der sein danckbares Ge- muth mit Worten oder Wercken bezeigt; so muß er demselben auch dancksagen. Allein weil derjenige undanckbar ist, der kein danckbares Gemuͤth hat, folglich weder mit Worten, noch weniger mit Wercken das- selbe an den Tag leget, ja gar das Gegen- theil thut, worinnen der Undanck bestehet; so ist die Undanckbarkeit durch das na- tuͤrliche Gesetze verboten (§. 57.). §. 475. Von Schen- ckungen. Das Geben, welches umsonst (dario gratui- ta) geschieht, nennt man eine Schenckung (donationem): dasjenige aber, welches ohne Entgelt (gratis) gegeben wird, heist das Geschenck (donum, munus). Wer das Ge- schenck giebt, heist der Schenckende (do- nans, donator), der, welcher es empfaͤngt, der Beschenckte (donatarius). Da man in der Schenckung das Eigenthum desjeni- gen, was gegeben wird, auf einen andern bringt (§. 258.); so wird zur Schen- ckung eine Annehmung erfordert (§. 316.), und es beruhet auf dem Wil- len des Schenckenden, ob und auf was vor Art und Weise er etwas verschen- cken will (§. 314.); und ist also nicht noͤthig, die so gleich vollbracht werden: noͤthig, daß bey einer Schenckung die Ursache, warum sie geschiehet, aus- druͤcklich angefuͤhrt werden darf (§. 78.). Es erhellet aber, daß, was vom Ge- ben erwiesen worden, auch von der Schen- ckung gilt, folglich auch was vom Verspre- chen bewiesen worden. §. 476. Da die Schenckung eine Wohlthat ist Von der Danck- barkeit des Be- schenck- ten. (§. 470. 475.); so ist der Beschenckte schuldig dem Schenckenden Danck zu sagen und ein danckbares Gemuͤthe gegen ihn zu haben (§. 474.). Weil aber dieses nur pflichtmaͤßig ist, indem der Schen- ckende sich dem Beschenckten nicht dazu vollkom- men verbindlich gemacht (§. 380.); so kann ein Geschenck des Undancks halber nicht wiederrufen werden. §. 477. Weil der Eigenthumsherr mit dem Seini- Von dem innern Rechte etwas zu schencken. gen nicht anders umgehen soll, als es seine Pflichten erfordern (§. 202.); so muß auch das Recht zu schencken den Pflichten gemaͤß gebraucht werden: worauf doch aber bey der Guͤltigkeit des Geschencks nicht darf gesehen werden (§. 475.). §. 478. Da der Schenckende nach seinem Gutbe- Von Ver- traͤgen, die zu Schen- ckungen kommen. finden, auf was Art und Weise er nur will, die Schenckung einrichten kann (§. 475.); so kann er auch zu der Schenckung einen jeden erlaubten Vertrag hinzusetzen, T 5 als II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. als daß die geschenckte Sache nicht soll veraͤussert werden, daß er die Schen- ckung wiederrufen kann, daß er den Beschenckten oder seine Erben zu einer gewissen Leistung anhalten kann. Und diese Vertraͤge, welche einer Schen- ckung anhaͤngig sind, muͤssen von dem Beschenckten gehalten werden (§. 438.). Uebrigens ist daher auch klar, daß die Schenckung auch mit Vorbehalt der Fruchtnießung, oder des Gebrauchs und der Nutzung geschehen koͤnne; folglich daß alsdenn die geschenckte Sa- che in der Gewalt des Schenckenden verbleiben muß (§. 200.). §. 479. Von der Schen- ckung, die um Ster- bens wil- len ge- schehen ist. Wenn der Schenckende etwas deswegen schenckt, weil er einmahl sterben wird, folg- lich entweder mit der ausdruͤcklichen, oder doch stillschweigenden Vorbehaltung, die Schenckung vor seinem Tode zu wiederrufen, so wird dieses eine Schenckung um ster- bens willen genannt (donatio mortis causa). Da es gewiß ist, daß wir einmahl sterben muͤssen, obgleich der Tag des Todes ungewiß ist; so kann nicht allein ein kraͤncklicher und derjenige, dem der Tod schon vor Augen schwebet, sondern auch ein gesunder etwas um sterbens willen einem schencken. Es erhellet aber, daß die Schenckung um sterbens willen erst durch den Tod unwieder- ruflich die so gleich vollbracht werden. ruflich wird; und wenn etwas von dem Verschenckten veraͤussert wird, die Schenckung desselben in der That wiederrufen wird. §. 480. Der Schenckung um sterbens willen wird Von der Schen- ckung un- ter Le- bendi- gen. die Schenckung unter Lebendigen (do- natio inter vivos) entgegen gesetzt, welche auch schlechtweg eine Schenckung genennt wird, wodurch etwas unwiederruflich ge- schenckt wird. §. 481. Weil die Schenckung unter Lebendigen Wenn der Be- schenckte eher stirbt, als der Schen- ckende. gleich guͤltig ist (§. 480.), die Schenckung aber um Sterbens willen vor dem Tode des Schenckenden wiederruflich ist, und also erst nach seinem Tode kraͤftig wird (§. 479.); so bestehet die Schenckung um Ster- bens willen nicht, wenn der Beschenck- te vor dem Schenckenden stirbt; hinge- gen eine Schenckung unter Lebendi- gen behaͤlt ihre Guͤltigkeit, wenn gleich die Sache noch nicht wuͤrcklich uͤbergeben worden. §. 482. Eine Vergeltungs-Schenckung (do- Von der Vergel- tungs- Schen- ckung. natio remuneratoria) nennet man, wel- che wegen der Verdienste gegen den Schen- ckenden geschieht, oder wegen der Wohltha- ten, die der Schenckende von dem andern em- pfangen. Man sagt aber, einer habe sich wohl verdient um den andern gemacht (bene II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. (bene mereri de aliqvo), wenn er sich be- muͤht, dem andern, es sey auf was Art und und Weise es wolle, nuͤtzlich zu erzeigen, oder wenn er thut, was zum Nutzen und Ver- gnuͤgen des andern gereichet. Wenn Ver- geltungs-Schenckungen in unserem Vermoͤgen stehen, so sind wir dazu natuͤrlicher Weise verbunden; massen sie aus einem danckbaren Gemuͤth geschehen (§. 477.); insonderheit aber wenn sie um Sterbens willen geschehen (§. 479.), und diese soll man nicht wiederrufen, als wenn man die geschenckte Sache selbst noͤthig hat, entweder zu seiner oder der Seinigen Nothdurft, unerachtet der andere in diesem Stuͤcke sich muß gefallen lassen, was wir thun (§. 479.). §. 483. Von Ge- genschen- ckungen. Eine Gegenschenckung (donatio reciproca) nennt man, welche unter der Bedin- gung geschieht, daß uns der andere wieder etwas schenckt. Es kommt also dieselbe mit einer beschwerten Schenckung uͤ- berein (§. 409.). Weil aber beyde Schen- ckungen umsonst geschehen (§. 475.); so sie- het man in Gegenschenckungen nicht auf den Werth der beyderseits ge- schenckten Sachen. §. 484. Von dem, was man we- gen eines Man sagt, daß man wegen eines To- desfalls etwas bekommt (mortis causa capionem), wenn man von jemanden eine Sache die so gleich vollbracht werden. Sache in Ansehung des Todes eines andern, Todes- falls be- kommt. aber nicht von den Guͤtern des Verstorbenen erhaͤlt: Es sey an dem, daß der Rechtsge- lehrte Julianus dieses Wort in einem weit- laͤuftigeren Verstande nimmet, daß es auch die Schenckung um Sterbens willen unter sich begreift. Man bekommt etwas we- gen eines Todesfalls, wenn einem et- was in Ansehung des Todes eines an- dern geschenckt wird; als wenn ich einem 10. Ducaten gebe, weil er mir den Tod mei- nes Verwandten meldet, der mich zum Er- ben eingesetzt hat, oder meines Feindes, wel- cher mir schaden konnte. Jngleichen wenn ich einem eine Sache aus einer Erb- schaft, die ich bekommen habe, ver- spreche; massen alsdann, wenn ich die Erb- schaft angetreten habe, das was dem Verstor- benen zugehoͤrte, nun mein ist; so bekommt er die Sache wegen eines Todesfalls. §. 485. Ueberfluͤßig (superfluum) nennt man Was uͤ- berfluͤßig ist. uͤberhaupt genommen, ohne welches man sei- ne vorhabende Absicht, dazu man es anwen- det, erhalten kann; und also in Ansehung der Sachen, die wir haben uͤber diejenigen, welche wir zur Nothdurft, zur Beqvemlichkeit, zum Vergnuͤgen und des Wohlstandes wegen gebrauchen. §. 486. Das Vermoͤgen, was wir uͤberfluͤßig ha- Von dem Reich- thume. ben, bekommt den Nahmen des Reichthums (divi- II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. (divitiæ). Nachdem viel, oder we- nig uͤberfluͤßig ist, so ist der Grad des Reichthums groͤsser, oder kleiner, und das Reichthum muß man nach dem Stande der Person beurtheilen. Da- her nennt man denjenigen reich (divitem), dessen Vermoͤgen uͤberfluͤßiges enthaͤlt: Sehr reich (opulentum) aber, der einen grossen Reichthum hat, oder der einen grossen Ue- berfluß an allen Sachen hat. Der Reiche hat also mehr, als er beqvem, vergnuͤgt und wohlanstaͤndig zu leben braucht (§. 485.). Vor dasjenige Vermoͤgen, was nicht mehr in sich begreift, als das, was zur Noth- durft und Beqvemlichkeit, zum Vergnuͤgen und Wohlstande hinreichend ist, findet man in der lateinischen Sprache, uͤber deren Armuth sich der Lucretius 1. Buch 31. V. und Plinius 4. Buch 17. Brief beklagen, kein beqvemes Wort, um den mittlern Zustand zwischen Reichthum und Armuth an- zuzeigen. Jm Deutschen nennen wir es das Auskommen. Und in so fern als es ver- schiedene Grade der Bequemlichkeit, des Ver- gnuͤgens und des Wohlstandes giebt, unter- scheiden wir ein noͤthiges Auskommen und ein gutes und reichliches Auskom- men von einander. §. 487. Von der Armuth, der Duͤꝛf- tigkeit Jm Gegentheil nennen wir einen arm (pauperem), dessen Vermoͤgen weiter nichts als das nothwendigste enthaͤlt; duͤrftig aber oder die so gleich vollbracht werden. oder gar sehr arm (egenum) denjenigen, und Bet- telstande. dem es auch an dem nothwendigen fehlet. Wenn jemand so duͤrftig ist, daß ihm auch das- jenige fehlt, was zur aͤusersten Nothdurft des Lebens gehoͤrt; so ist er ein Bettler, oder bettelarm (mendicus). Wenn diese Armuth nur auf eine zeitlang dauert, als so lange einer kranck ist, oder ihm die Gelegen- heit fehlet, durch seine Arbeit etwas zu ver- dienen, so ist es eine Bettelarmuth auf eine zeitlang (mendicitas temporanea). §. 488. Was man einem giebt zu seiner aͤusersten Vom All- mosen. Nothdurft, wird ein Allmosen (eleemo- syna) genannt; und derjenige bettelt (men- dicat), der um ein Allmosen bittet. Man muß also denenjenigen Allmosen geben, die bettelarm sind (§. 487.). Und weil wir einem andern das nicht zu leisten verbun- den sind, worin er unserer Huͤlfe nicht bedarf (§. 44.); so ist keinem erlaubt zu bet- teln, als nur denen, welche mit ihrer Arbeit nicht so viel erwerben koͤnnen, als zur Lebens-Nothdurft hinreicht; es sey, daß dieses aus Mangel der Kraͤfte, oder aus Mangel der Gele- genheit zu arbeiten, komme; und diesen soll man Allmosen geben. Damit man aber keinem das Allmosen versage, der es be- darf; so muß man in zweifelhaften Faͤl- len das Urtheil von der dringenden Noth dem Bettelnden uͤberlassen. §. 489. II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. §. 489. Wie viel einem zu betteln erlaubt ist, und wie man die All- mosen anzuwen- den hat. Weil die Allmosen bloß zur aͤusersten Noth- durft gegeben werden, und es nicht erlaubt ist Allmosen, als zu dem Ende zu begehren (§. 488.); so ist nicht erlaubt mehr zu betteln, als zur hoͤchsten Nothdurft hinreichend ist; und es mißbraucht die Allmosen, der sie zur Beqvemlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens an- wendet. Weil derjenige, welcher ei- nem Bettler mehr giebt, als die Noth- durft erfordert, ihm etwas schencket (§. 475.); es aber auf den Willen eines j den ankommt, ob er einem etwas schencken will (§. cit. ); so ist kein Zweifel, daß es dem Bettler erlaubt sey es anzunehmen. Und weil die Allmosen, die man gegeben, dem Bettler eigenthuͤmlich zugehoͤren (§. 258.); so muß es seinem Gewissen uͤberlassen werden, wenn er die Allmosen miß- braucht (§. 202.). §. 490. Vom Ge- ben der Allmo- sen. Weil durch Einfuͤhrung des Eigenthums niemanden der nothwendige Gebrauch der Sa- chen hat benommen werden koͤnnen (§. 304.); so sind nach ihrem Vermoͤgen Allmo- sen zu geben verbunden, die sie geben koͤnnen. Derowegen sind nicht bloß die Reichen, und die ein grosses Vermoͤ- gen haben, mehreren Personen und reich- lichere Allmosen zu geben verbunden (§. 486.), sondern auch Arme, die nicht ei- nen die so gleich vollbracht werden. nen so grossen Mangel an dem noth- wendigen haben, daß sie sich nichts ohne Verletzung der Pflichten gegen sich selbst und die Jhrigen entziehen koͤnnen, sind maͤßige Allmosen zu ge- ben schuldig. Ja wenn ein Bettler mehr durch sein Betteln bekommt, als zur gegenwaͤrtigen Nothdurft erfor- dert wird, und er sieht einen andern darben; so ist er schuldig ihm einiges Allmosen zu geben. Da nach der Ein- fuͤhrung des Eigenthums den Allmosen gleich zu achten, was einer ohne Entgeld thut, um dem andern die aͤuserste Nothdurft zu erleich- tern (§. 327. 488.); so muͤssen auch die Armen und Duͤrftigen, ja selbst die Bettler, was sie zur Erleichterung der aͤusersten Nothdurft anderer thun koͤnnen, umsonst thun. Wer aber selbst nichts hat, als was zur aͤusersten Nothdurft erfordert wird, der ist nicht verbunden Allmosen zu geben (§. 133.). Und weil das Allmosen eine Wohlthat ist (§. 470. 488.), niemand aber eine Wohlthat zu geben mit Gewalt angehalten werden kann (§. 473.); so kann auch ein Bettler kei- nen mit Gewalt anhalten ihm Allmo- sen zu geben; folglich wenn er bittet, ja mit Bitten anhaͤlt, und es wird ihm abgeschlagen; so muß er es erdulden und andere um ein Allmosen bitten. Nat. u. Voͤlckerrecht. U §. 491. II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl. ꝛc. §. 491. Von den Allmo- sen, die man vor andere sammlet. Da wir denen, welche unsere Huͤlfe be- duͤrfen, aushelfen sollen, so viel wir koͤnnen (§. 44.), und das Gesetze der Natur uns das Recht giebt zu den Handlungen, ohne welche wir unserer Verbindlichkeit kein Ge- nuͤge leisten koͤnnen (§. 46.); so ist auch erlaubt Allmosen zu sammlen vor an- dere, die sie bedoͤrfen. Dem aber ohn- erachtet wird der, welcher Allmosen fuͤr andere sammlet, nicht von der Ver- bindlichkeit, Allmosen von seinem eige- nen zu geben, befreyet (§. 42.). §. 492. Von der Barm- hertzig- keit. Elende (miserum) nennt man denjeni- gen, welcher viel und grosses Uebel, beson- ders am Leibe, und vieles und grosses Ungluͤck empfindet. Die Duͤrftigen also und Bett- ler sind elende (§. 487.). Barmhertzig (misericordem) nennt man denjenigen, dem das Elend des andern ein Bewegungsgrund ist, ihn von dem Uebel umsonst zu befreyen, oder wenigstens ihm dasselbige, so viel an ihm ist, ertraͤglicher zu machen. Derowegen da wir, so viel wir koͤnnen, verhuͤten sollen, daß andere nicht Schaden an ihrer Seele, oder an ihrem Leibe, oder an ihrem Gluͤcke leiden (§. 134.), folglich auch davor besorgt seyn, daß sie von ihrem Uebel befreyet werden, oder ihnen dasselbe wenigstens ertraͤglicher gemacht werde; so sollen wir barmhertzig seyn. Das Das zehente Hauptstuͤck. Von dem Werth der Sachen und dem Gelde. §. 493. W enn ich dem andern eine Sache, z. E. Was der Werth der Sa- chen und der Ar- beit sey, und die Noth- wendig- keit des- selben. A. gebe, und der andere mir eben so viel z. E. B. geben muß; so ists nothwendig, daß die Groͤße von B. durch die von A, ohne ein drittes gleichartiges anzu- nehmen, bestimmet werde. Diese Bewand- niß der Sache A. in Ansehung B. wird von den Mathematickverstaͤndigen eine Verhaͤlt- niß (ratio) genannt. Wenn man also nichts umsonst geben, oder thun darf; so ists nothwendig, daß man so wohl der koͤrperlichen, als unkoͤrperlichen Sachen, der Arbeiten zu einander und der Sachen zu den Arbeiten ihre Ver- haͤltniß bestimme. Da sie nun, als Din- ge von verschiedener Art, deren eines mehr- mahl genommen dem andern nicht gleich, oder groͤsser als dasselbe werden kann, dergleichen Verhaͤltniß von Natur nicht haben; so muß diese Verhaͤltniß durch den Willkuͤhr der Menschen bestimmt werden. Da- mit nun dieses geschehen koͤnne; so muß man den Dingen einige Groͤsse beyle- gen, vermoͤge welcher eine mir der an- dern verglichen werden kann. Diese erdichtete Groͤsse, welche Pufendorff die U 2 mora- II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen moralische, im Gegensatz gegen die physische (physicam), nennt, so die Dinge wuͤrcklich haben, oder die man annimmt, als wenn sie in der Arbeit befindlich waͤre, und welche den Sachen und der Arbeit nach dem Willkuͤhr der Menschen beygeleget wird, damit ihr Verhaͤltniß gegen einander bestimmet werden koͤnne, wird der Werth der Sachen und der Arbeit (pretium rerum \& operarum) mit dem Zusatz der gemeine (vulgare) ge- nannt. §. 494. Was das Geld sey und der Gebꝛauch desselben. Allein nachdem sich die Zahl der verschiede- nen Sachen und Arbeiten vermehret, und besonders in den Tauschhandlungen nicht ein jeder Sachen, die dem andern zugehoͤrten, oder seine Arbeit noͤthig hatte, die er ihm also vor seine geben oder leisten konnte; so war noͤthig, daß man eine gewisse bestimmte physische Groͤs- se einer koͤrperlichen Sache annahm, damit man die den Sachen angedichtete Groͤsse desto besser zum gemeinen Nutzen messen koͤnnte. Und diese koͤrperliche Sache, wovon man ei- ne bestimmte Groͤsse fuͤr das gemeine Maaß aller koͤrperlichen und unkoͤrperlichen Sachen, wie auch der Arbeiten annimmet, nennt man das Geld (pecuniam), welches man daher auch erklaͤren kann, daß es das allgemeine Maaß der Sachen und der Arbeit sey. Da- her ist der Werth der Sachen und der Arbeit dem Gelde proportionirt, also daß eine doppelte Geldsumma den dop- pelten und dem Gelde. pelten Werth der Sache und der Arbeit bestimmt u. s. f. Und derowegen kann man das Geld fuͤr eine jede Sa- che und Arbeit geben, und vor Geld kann man eine jede Sache und Arbeit von dem andern sich verschaffen. Und solchergestalt vertritt das Geld in den Tauschhandlungen die Stelle der Sa- chen und einer jeden Arbeit. §. 495. Der Werth einer Sache, oder einer Ar- Vom Preiße. beit, welcher durch das Geld bestimmt wird, nennt man den Preiß, oder den Werth am Gelde (pretium eminens). Da nun der Preiß die Stelle des gemeinen Werths vertritt (§ 493. 494.); so verhaͤlt sich der gemeine Werth der Sachen, wie der Preiß, oder Werth am Gelde, und der Preiß, oder Werth am Gelde, wie der gemeine Werth der Sachen; als wenn ein Scheffel Haber 8. gl. gilt, und ein Scheffel Gerste 12. gl., so ist das Verhaͤlt- niß des Preißes wie 8 zu 12, oder wie 2 zu 3. Eben dieses Verhaͤltniß bleibt bey dem gemei- nen Werthe der Sachen; weil in der Vertau- schung des Habers und der Gerste ein Scheffel Haber ⅔ Scheffel Gerste gleich geachtet wird. Es ist auch hieraus klar, daß so wohl der gemeine Werth als auch der Preiß der Sachen und der Arbeit von einer Art ihrer physischen Groͤsse proportionir- lich sind. U 3 §. 496. II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen §. 496. Von der physi- schen Groͤsse. Es lehret die gemeine Erfahrung, daß die physische Groͤsse nach der Verschiedenheit der koͤrperlichen Sachen durch ein gewisses Maaß bestimmet wird; die Groͤsse der unkoͤrperli- chen Sachen aber nach dem Nutzen, den wir davon haben; als das Recht in einer gewis- sen Gegend Voͤgel zu fangen, nach der An- zahl der Voͤgel, welche man in einem Jahre fangen kann, wenn man den Lohn der Arbeit nebst den uͤbrigen Unkosten davon abzieht. Den Werth der Arbeit schaͤtzt man entweder nach der Zeit, die man damit zubringet, oder nach der Groͤsse dessen, was dadurch verfer- tiget, oder zu Stande gebracht wird. §. 497. Vom urspꝛuͤng- lichen u. hergelei- teten Werthe. Wir unterscheiden aber den urspruͤnglichen und den hergeleiteten Werth von einander: Den urspruͤnglichen Werth (pretium pri- mitivum) nennen wir den Werth der nach einem gewissen Maaße bestimmten Groͤsse ei- ner Sache, oder Arbeit, in einer gewissen Summe Geldes, welchen man als das Maaß in seiner Art annimmt. Den hergeleite- ten Werth (pretium derivativum) aber nennen wir denjenigen, welcher nach Propor- tion entweder einer groͤsseren, oder geringern Qvantitaͤt von eben der Sache zukommt. §. 498. Von der Bestim- mung des Weil niemand verbunden ist dem andern etwas umsonst zu geben, wenn er ihm hin- wiederum etwas geben oder thun kann (§. 473.), und und dem Gelde. und man fuͤrs Geld alle Sachen und Arbeit er- Werths der Din- ge. halten kann (§. 494.); so muß man den urspruͤnglichen Werth der Dinge und Arbeit also bestimmen, damit niemand, der arbeiten will, an nothwendigen Sachen Mangel leidet (§. 121.). De- rowegen muß der Werth der nothwen- digen Sachen also gesetzt werden, daß man sie um eine geringe Arbeit erhal- ten kann, und je groͤsser der Vorrath derselben ist, desto kleiner muß ihr Werth seyn. Allein da wir die nuͤtzlichen und vergnuͤgenden Sachen nicht so noͤthig ha- ben, wie die nothwendigen (§. cit. ); so kann man, wenn auf den Gebrauch dersel- ben allein gesehen wird, den nuͤtzlichen Sachen einen hoͤheren Werth, als den nothwendigen, und denen, die bloß zum Vergnuͤgen dienen, einen hoͤhern Werth, als den nuͤtzlichen beylegen. Weil aber kein Mensch gezwungen werden kann, sich Sachen von einem andern um ei- nen gewissen Preiß anzuschaffen; indem er mit seinem Gelde nach seinem Gefallen schalten und walten kann, wie er will (§. 195.); so muß man den Werth der nuͤtzlichen und besonders der vergnuͤgenden Sa- chen also bestimmen, daß der andere sich dieselben auch um solchen Preiß anschaffen will. Und aus eben dieser Ur- sache kann der Werth der Sachen im natuͤrlichen Stande nicht anders, als U 4 durch II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen durch beyderseits Einwilligung be- stimmt werden. §. 499. Vom bil- ligen und unbilli- gen Pꝛeiß. Ein billiger Preiß (pretium æqvum) ist derjenige, welcher dem Rechte der Natur ge- maͤß bestimmt worden, dergestalt, daß nichts begangen wird, welches wider die Pflichten und die daher entspringenden Rechte ist: Ein unbilliger Preiß (pretium iniqvum) ist derjenige, welcher diesem entgegen ist. Weil man sich aber hierin nach der gemeinen Ein- willigung der Menschen in der Vertauschung der Sache und der Arbeit richten muß (§. 498.); so haͤlt man vor einen billigen Preiß, welcher nach der gemeinen Ein- willigung der Menschen an einem Or- te eingefuͤhret worden. Weil aber, nach- dem sich die Umstaͤnde aͤndern, auch der Preiß der Sachen und der Arbeit aͤndern muß, wel- ches wir der Weitlaͤuftigkeit wegen hier nicht weitlaͤustiger ausfuͤhren koͤnnen; so kann ein Preiß, der zu einer Zeit billig ist, zu ei- ner andern unbillig seyn. §. 500. Von dem Lohn. Den Preiß der Arbeit nennt man mit ei- nem besondern Nahmen den Lohn (merce- dem); und alsdann behaͤlt der Werth der Sachen am Gelde bloß den Nahmen des Preißes. §. 501. Von der Materie u. Forme Da man das Geld fuͤr seine jede Sache und Arbeit giebt (§. 494.); folglich dasselbige dazu ange- und dem Gelde. angenommen wird, daß man es wieder einem des Gel- des. andern geben kann, und solchergestalt stets aus einer Hand in die andere kommt; so muß es aus einer dauerhaften Materie be- stehen, die naͤmlich durch den Gebrauch nicht leicht abgenutzt, noch, indem es aufgehoben wird, verderben kann. Und da es beqvem ist, wenn man einer klei- nen Groͤsse von der Materie, aus welcher das Geld besteht, einen solchen Werth beyle- gen kann, der dem Werthe anderer Sachen einer ansehnlichen Groͤsse gleich kommt; so muß es aus einer solchen Materie ge- macht werden, welche zu den kuͤnstli- chen Sachen, die man haͤufig und un- umgaͤnglich noͤthig hat, nicht erfor- dert wird, und die nicht in solcher Menge, wie andere zu haben. Dahero laͤßet sich leicht schliessen, daß Gold und Silber sich zum Gelde am besten schi- cke. Weil doch aber ein jeder von dem Wer- the Gewißheit haben, und dabey gesichert seyn muß, daß die Materie nicht verfaͤlscht sey; so muß man auf das Geld das Verhaͤlt- niß ausdrucken, welches es zu demjenigen hat, was man im zaͤhlen fuͤr Eins annimmt, und ein Zeichen der innern Guͤte darauf drucken, das ist, das Geld muß gepraͤgt wer- den. §. 502. Das Geld, welches in gewisse Theile ge- Von der Muͤntze. theilt und gepraͤgt ist, wird die Muͤntze (mo- U 5 neta) II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen neta) genannt; und daher erhellet, daß man die Muͤntze einfuͤhren muͤße (§. 501.); obgleich einige Voͤlcker unlegirtes, das ist, mit keinem andern Metall vermischtes und ungepraͤgtes Gold und Silber anstat des Gel- des gebraucht. §. 503. Wie die Groͤsse des Ver- moͤgens zu schaͤ- tzen. Da der Werth aller Sachen durch Geld be- stimmt wird (§. 494.); so wird die Groͤs- se des Vermoͤgens auch nach Gelde ge- schaͤtzt, und das Geld, was einer wuͤrck- lich besitzt, dazu gezaͤhlt (§. 207.). Man nennt aber baares Geld (pecuniam nume- ratam), welches einer wuͤrcklich hat. Und weil es gute oder sichere Schulden (de- bita exigibilia) sind, wenn der Schuldner geben kann, was er zu geben schuldig ist, oder wenn er bezahlen kann: Boͤse oder ver- lohrne Schulden (debita inexigibilia) aber, wenn der Schuldner nicht bezahlen kann; so werden die guten Schulden bey Schaͤtzung der Groͤsse des Vermoͤ- gens dem baaren Gelde gleich geach- tet, die sich aber nicht eintreiben lassen, kommen nicht mit in Anschlag. §. 504. Wie der Reich- thum, die Armuth, die Duͤrf- tigkeit und die Weil derjenige reich ist, dessen Vermoͤgen uͤberfluͤßiges enthaͤlt (§. 486.); so wird der Reichthum nach der Groͤsse des uͤber- fluͤßigen Geldes geschaͤtzt (§. 503.). Und derjenige ist arm, welcher nicht mehr Geld mit seiner Arbeit erwerben kann, als und dem Gelde. als er das nothwendige anzuschaffen Bettel- armuth geschaͤtzt werden. braucht; wer nicht einmahl so viel er- werben kann, ist duͤrftig, und wer nicht einmahl so viel erwerben kann, als er zu seiner aͤusersten Nothdurft braucht, ist ein Bettler (§. 487.). §. 505. Einkuͤnfte (reditus) nennt man dasjeni- Die Ein- kuͤnfte und ihr Unter- schied. ge, was wir aus unseren Sachen, oder durch unsere Arbeit erwerben. Jaͤhrliche Ein- kuͤnfte (reditus annui) sind diejenigen, wel- che in einer Zeit von einem Jahr einkommen, und dieselbe sind gewisse oder stete (stati), welche alle Jahr einerley sind; veraͤnderli- che oder unstete aber, welche ab- und zu- nehmend sind. §. 506. Ausgaben (expensas) nennt man das Die Aus- gaben u. ihr Un- terschied. Geld, wovor man sich Sachen anschafft, welche entweder durch den Gebrauch verzehrt, oder verschlimmert werden, oder die man an- dern umsonst giebt. Daher erhellet, daß die Unkosten zu den Ausgaben gehoͤren (§. 279.). Es sind aber ordentliche Ausga- ben (expensæ ordinariæ) diejenigen, welche bestaͤndig geschehen, oder zu einer gewissen Zeit wiederkommen: Ausserordentliche aber (extraordinariæ), welche nur bey einem gewissen Vorfall erfordert werden. Nach der Verschiedenheit der Sachen oder der Un- kosten sind sie entweder nothwendige, oder nuͤtzliche, oder zur Lust gemachte Aus- gaben II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen gaben (§. 121. 279.). Ueberdieß sind we- niger nothwendige Ausgaben (minus necessariæ), welche auf Sachen verwendet werden, die wir entbehren koͤnnten, und un- nuͤtze (inutiles), welche um Sachen anzu- schaffen geschehen, die uns gar nichts nutzen. §. 507. Von Er- werbung des Gel- des. Da wir besorgt seyn sollen, daß wir beqvem, vergnuͤgt (§. 119.) und unserem Stande ge- maͤß (§. 55.) leben; so muͤssen wir uns so viel moͤglich Muͤhe geben, so viel Geld zu erwerben, als beqvem, ver- gnuͤgt und unserem Stande gemaͤß zu leben hinreicht. Es ist aber vor sich klar, daß diese nicht weiter gehet, als es uns moͤg- lich ist (§. 37.). §. 508. Vom Ausge- ben des Geldes. Weil niemand seine Sachen anders ge- brauchen darf, als es die Pflichten erfordern (§. 202.); so soll man das Geld nicht anders ausgeben, als wenn es die Pflich- ten erfordern. Derowegen soll man un- nuͤtze Ausgaben gaͤntzlich unterlassen (§. 506.). Es erhellet auch ferner, daß die nothwendigen Ausgaben den nuͤtzli- chen, und beyde den bloß zur Lust die- nenden vorzuziehen sind (§. 122. 506.); und wer ein geringes Vermoͤgen hat, die weniger nothwendigen Ausgaben vermeiden muͤße (§. 208. 506.); Rei- chen und steinreichen aber zum besten anderer, die des Geldes hoͤchst beduͤr- fen, und dem Gelde. fen, unnuͤtze und weniger nothwen- dige Ausgaben erlaubet seyn (§. 486. 140. 506.). Weil viel Faͤlle vorkommen koͤnnen, da ausserordentliche Ausgaben erfor- dert werden, und da wir entweder nichts, oder doch nicht so viel erwerben koͤnnen, als zu unvermeidlichen Ausgaben erfordert wird; so soll man nicht weniger bey dem Er- werb des Geldes, als auch bey der Ausgabe, so viel als moͤglich ist, auf die kuͤnftige Nothdurft sehen. Da wir endlich, so viel in unserer Gewalt steht, un- ser Vermoͤgen zu erhalten und zu vermehren verbunden sind (§. 208.); so sollen wir darauf bedacht seyn, daß die Ausga- ben die jaͤhrlichen Einkuͤnfte nicht uͤ- berschreiten, sondern vielmehr gerin- ger als diese sind (§. 505. 506.). §. 509. Da man Pracht (luxum) nennt, die uͤber- Von dem Pracht und der Ver- schwen- dung. maͤßige Ausgabe des Geldes, bloß um sich se- hen zu laßen; man aber beym Ausgeben des Geldes nichts thun soll, was den Pflichten entgegen ist (§. 508.); so ist aller Pracht durch das natuͤrliche Gesetze verboten. Es ist aber derselbe von der Verschwen- dung (prodigalitate) unterschieden, da man mehrere und groͤssere Ausgaben macht, nach seinem Vermoͤgen, als es die Pflichten gegen sich selbst, oder gegen andere erfodern. Da- her erhellet, wie vorhin, daß die Ver- schwen- II. Th. 10. H. Von dem Werth der Sachen schwendung durchs Gesetze der Natur verboten sey (§. 508.). §. 510. Was man in Anse- hung der zeitlichen Guͤter der goͤtt- lichen Vorsicht uͤberlas- sen muß. Weil wir bey Erwerbung und Erhaltung des erworbenen Geldes keine groͤssere Muͤhe, noch groͤsseren Fleiß anwenden koͤnnen, als in unseren Kraͤften stehet (§. 60.), wir auch zu mehrerem nicht verbunden sind (§. cit. ); so folget, daß, wenn wir bey Erwer- bung und Erhaltung des erworbenen Geldes so viel Muͤhe und Fleiß ange- wandt, als wir koͤnnen, wir das uͤbri- ge der goͤttlichen Vorsicht uͤberlassen und mit unserm Schicksal zufrieden seyn sollen (§. 173.); folglich uns deswe- gen nicht graͤmen, daß wir nicht so viel erwerben koͤnnen, als erfordert wird, beqvem zu leben und an sich zwar unschuldiger Lust zu geniessen, vielweniger im Stande sind, auf et- wan kuͤnftige Nothfaͤlle etwas aufzu- heben. §. 511. Wie viel Bemuͤ- hung man bey der Er- werbung des Gel- des an- wenden muß. Wie weit man Geld Da die natuͤrliche Verbindlichkeit noth- wendig und unveraͤnderlich ist (§. 38.); so soll man bey Erwerbung des Geldes nicht mehr Muͤhe anwenden, als ohne Verletzung der uͤbrigen natuͤrlichen Verbindlichkeit geschehen kann. §. 512. Weil die Menschen von Natur ein Recht haben zum Gebrauch aller Dinge, in so ferne ohne und dem Gelde. ohne dieselben der natuͤrlichen Verbindlichkeit u. Reich- thuͤmer begehren koͤnne. kein Genuͤge geschehen kann (§. 183.), und, nachdem durch Einfuͤhrung des Eigenthums dieses gemeinschaftliche Recht ein eigenes wor- den ist (§. 194.), auch das Thun der Men- schen und ihre Arbeit eigenthuͤmlich worden (§. 225.), das Geld erfunden worden, um Sachen und Arbeit anderer, die wir noͤthig haben, uns anzuschaffen (§. 494.); so soll man auch nach Geld, folglich nach Reich- thume (§. 486.) nicht deswegen stre- ben, daß man es bloß hat, sondern da- mit wir uns dadurch Sachen und Ar- beit anderer anschaffen koͤnnen, die wir zur Erfuͤllung unserer natuͤrlichen Pflicht noͤthig haben, und davon dem Duͤrftigen etwas geben koͤnnen (§. 488.). §. 513. Da niemand daran zweifelt, daß Armuth, Von Vermei- dung der Armuth, Duͤrftig- keit und dem Bet- teln. Duͤrftigkeit und Betteln ein Uebel oder ein Ungluͤck sey, wir uns aber auch vor diesem Uebel in acht nehmen sollen (§. 104.); so muͤssen wir uns, so viel an uns ist, huͤten, daß wir nicht in Armuth und Duͤrf- tigkeit, oder an den Bettelstab gerathen (§. 17.). Und eben diese Vorsorge sollen wir auch vor andere haben (§. 134.). Das II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen Das eilfte Hauptstuͤck. Von wohlthaͤtigen verbindlichen Handlungen, oder von wohlthaͤ- tigen Contracten. §. 514. Der Con- tract. D ie Handlungen, welche eine vollkom- mene Verbindlichkeit hervorbringen, werden Contracte (contractus) ge- nannt. Es sind also Vertraͤge und Contracte nach dem Naturrechte nicht unterschieden (§. 438. 380.). §. 515. Das Lei- hen und Wieder- erstat- tung eben derselben Sache, oder in einerley Art. Ein wohlthaͤtiger Contract, durch welchen man einen gewissen Gebrauch einer Sache, die nicht verbraucht wird, einem andern um- sonst vergoͤnnet, wird das Leihen (com- modatum) genannt. Wer den Gebrauch vergoͤnnet, heisset der Leihende (commo- dans): Der, welchem er vergoͤnnet wird, ist der, dem etwas geliehen worden (com- modatarius). Daher folgt, daß der, dem etwas geliehen worden, die Sache nach geendigtem Gebrauche wiedergeben muß, und zwar eben dieselbe (§. 317.). Man sagt naͤmlich, es gebe einer eben die- selbige Sache wieder (rem in specie re- stituere), wenn er die wiedergiebt, welche er empfangen hat, und nicht eine andere von eben der Art: Hingegen giebt er eine Sache in einerley Art wieder (rem in genere re- stituit), Contracten. restituit), wenn er nicht eben dieselbe wieder- giebt, welche er empfangen hat, sondern nur eben so viel von der Art und Guͤte. Uebri- gens wird im Leihen der Gebrauch ei- ner Sache, welche nicht verbraucht wird, umsonst gegeben. §. 516. Weil in der urspruͤnglichen Gemeinschaft Von der natuͤrli- chen Ver- bindlich- keit zum Leihen. ein anderer eine Sache nach geendigtem Ge- brauche gebrauchen kann, wenn sie durch den Gebrauch nicht verzehrt worden (§. 187.); so sind wir verbunden den unschaͤdlichen Gebrauch einer Sache, die wir entra- then koͤnnen, wenn wir gewiß sind, daß wir sie wiederbekommen werden (§. 269.), demjenigen umsonst zu erlau- ben, welcher sich dieselbe nicht selbst anschaffen, oder den Gebrauch vor Geld von einem andern erhalten kann (§. 473.). §. 517. Da aber niemand sich des Gebrauchs einer Wer et- was ver- leihen kann. Sache anmassen kann, als der Eigenthums- herr (§. 198.); so kann auch niemand ei- nem andern eine Sache leihen, als der Eigenthumsherr; folglich koͤnnen wir eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, und uns geliehen worden, ohne Ein- willigung des Eigenthumsherrn nicht wieder verleihen. Und eben deswegen beruhet es auf dem Willen des Lei- henden, wie lange und zu was Ende, Nat. u. Voͤlckerrecht. X und II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen und auf was Art und Weise er etwas leihen will (§. 195.); und daraus muß man das Recht und die Verbindlich- keit dessen, dem etwas geliehen wor- den, ermessen (§. 317.). §. 518. Von Ue- berge- bung der Sache zum Ge- brauch. Da die geliehene Sache in den Haͤnden desjenigen seyn muß, dem sie geliehen wor- den, wenn er sie gebrauchen soll (§. 200. 514.); so wird zum Leihen eine Hand- lung erfordert, wodurch die Sache in die Haͤnde desjenigen, dem man sie lei- het, gebracht wird, und diese nennet man die Uebergabe zum Gebrauch (traditio ad certum usum) in einem allgemeineren Verstande (§. 320.). §. 519. Von der Ver- schlim- merung und Ver- derbung der gelie- benen Sache. Weil der Leihende dem andern den Gebrauch der Sache verwilliget (§. 515.); so willigt er in die Verschlimmerung der Sache ein, ohne welche der Gebrauch nicht bestehen kann. Da aber sonst kein ande- rer Gebrauch als der unschaͤdliche erlaubt ist (§. 516.); so muß derjenige, dem etwas geliehen worden, sich in acht nehmen, daß die geliehene Sache durch seine Schuld nicht verschlimmert, oder gantz verdorben wird (§. 517.); folglich in Verwahrung und im Gebrauch der- selben allen Fleiß anwenden (§. 21.), ja noch mehr und groͤssern, als bey seinen eigenen Sachen. §. 520. Contracten. §. 520. Weil man einen Schaden, der durch un- Vor was vor Schaden derjeni- ge, dem etwas ge- liehen worden, stehen muß. sere Schuld oder vorsaͤtzlich geschehen, ersetzen muß (§. 270.); so muß auch, wenn die geliehene Sache vorsaͤtzlich oder durch Schuld dessen, dem sie geliehen wor- den, verschlimmert oder gantz verdor- ben wird, der Schaden dem Leihenden ersetzet werden. Weil die geliehene Sa- che, welche durch einen Zufall verdorben wird, nicht waͤre verdorben worden, wenn sie der Leihende in seinen Haͤnden gehabt haͤtte, durch die Schuld dessen, dem sie geliehen worden, verdorben worden, wenn er verzoͤgert sie wie- derzugeben (§. 21. 417.); so muß der, dem die Sache geliehen worden, wegen des Verzugs vor den Schaden stehen, den die gelichene Sache bey dem Leihen- den nicht wuͤrde erlitten haben; ja da man von dem Leihenden, indem er den un- schaͤdlichen Gebrauch seiner Sache in der Mey- nung dem andern erlaubt, daß sie ihm nach geendigtem Gebrauch wiedergegeben werde (§. 515.), nicht vermuthen kann, daß er in Ge- fahr stehen wolle, die Sache entweder zu ver- liehren, oder sie verschlimmern zu lassen; so ist beym Leihen natuͤrlicher Weise die- se stillschweigende Bedingung, daß der- jenige, dem etwas geliehen worden, vor einen Zufall stehen muͤsse, wo- durch die geliehene Sache bey dem Lei- henden nicht waͤre verdorben oder ver- X 2 schlim- II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen schlimmert worden. Da nun aber der, welchem etwas geliehen worden, entweder eben dieselbe Sache, welche er bekommen, wie- dergeben (§. 515.), oder ihren Werth zu er- setzen verbunden ist (§. præs. ); so darf der Leihende es nicht annehmen, wenn der andere eine Sache von eben der Art wiedergeben will. §. 521. Wenn bloß zum Vortheil des Lei- henden eine Sa- che gelie- hen wird. Wenn jemand bloß seines Vortheils wegen einem andern etwas leihet, so ist es eigentlich zu reden kein Leihen (§. 515.), indem der andere nicht umsonst den Gebrauch der Sache zu seinem eigenen Nu- tzen verwilliget erhaͤlt, sondern vielmehr er zum Vortheile des Leihenden etwas thut, wo- zu der Gebrauch seiner Sache noͤthig ist, so daß es eben so viel ist, als wenn der Leihen- de die Sache selbst gebraucht haͤtte. Derowe- gen ist der andere nicht schuldig vor den Zufall zu stehen, wodurch die Sa- che bey dem Leihenden nicht waͤre ver- dorben oder verschlimmert worden; ob er gleich verbunden ist fuͤr dasjenige zu stehen, was aus Versehen oder vor- saͤtzlich geschehen (§. 270.). Weil es sich aber verstehet, daß die Sache durch des Lei- henden Schuld verdorben, oder verschlimmert worden, wenn er sie mit Wissen einem Menschen geliehen hat, der sehr nach- laͤßig ist, obgleich bloß zu seinem Nu- tzen (§. 21.); so darf derjenige dem et- was Contracten. was geliehen worden, vor ein Verse- hen nicht stehn. §. 522. Wenn derjenige, dem etwas gelie- Wenn derjeni- ge, dem etwas ge- liehen worden, einen Dieb- stahl des Ge- brauchs begehet. hen worden, die Sache anders ge- braucht, als wozu sie ihm geliehen worden; so begeht er einen Diebstahl des Gebrauchs (furtum usus) (§. 264.); folglich, da dieses wider das Recht des Leihen- den geschiehet, indem der andere sich ein Recht anmasset, das ihm nicht zukommt (§. 198. 83.), thut er dem Leihenden Un- recht (§. 87.). §. 523. Wenn diejenige Sache, welche durch Jn wie- fern die- jenigen Sachen, welche durch den Gebꝛauch ver- braucht werden, geliehen werden. den Gebrauch verbraucht wird, noch einen andern Gebrauch haben kann, wodurch sie nicht verbraucht wird, da man sie in dieser Absicht einer Sache gleich achten kann, welche durch den Gebrauch nicht verbraucht wird; so kann sie in Ansehung dieses Gebrauchs geliehen werden (§. 515.); z. E. wenn man jemanden Geld leihet um sich damit sehen zu lassen, aber eben das- selbe wiedergeben muß (§. 515.), oder ei- ne Weintraube von ungewoͤhnlicher Groͤsse, daß man dieselbe einem andern zeige. §. 524. Da man im Leihen den Gebrauch der Sa- Vom Lohn, den man vor den Ge- brauch zahlt. che umsonst giebt (§. 514.); so wird etwas nicht geliehen, wenn man vor den Gebrauch der Sache einen Lohn zahlt, X 3 sondern II. Th. 11. H. Von woblthaͤtigen sondern es ist eine Art eines Contracts (§. 467.), wovon wir in dem folgenden han- deln werden, nemlich ich gebe Geld, da- mit der andere mir einen Gebrauch ei- ner Sache gebe, oder ich gebe eine gewisse Sache, oder auch den Gebrauch einer andern Sache davor. §. 525. Vom ho- norario oder ei- ner Er- kaͤntlich- keit. Eine Erkaͤntlichkeit (honorarium) nennt man ein Geschencke an Gelde, welches man in der Meinung dem andern giebt, um das, was er uns umsonst zu Gefallen gethan, oder was nach Geld nicht geschaͤtzt werden mag, zu vergelten. Weil das, so uns umsonst zu Ge- fallen geschehen, nur ein Bewegungsgrund der Erkaͤntlichkeit ist, um sein danckbares Ge- muͤthe dadurch zu erkennen zu geben (§. 475. 482.), man aber auf die Bewegungsgruͤnde bey den Contracten nicht sieht (§. 78.); so aͤndert ein wohlthaͤtiger Contract seine Natur nicht, wenn eine Erkaͤntlich- keit dazu kommt, als das Geliehene bleibt etwas Geliehenes (§. 515.). Die Groͤsse der Erkaͤntlichkeit wird von dem, der sie giebt, nach seinem Gefallen bestimmt (§. 316.), und deswegen kann sie den Werth dessen uͤbertreffen, was gelei- stet worden; jedoch wenn etwas zur Erkaͤntlichkeit versprochen und an- genommen worden, so ist es eine voll- kommene Schuld (§. 380. 381.). Allein wofern der andere, was er ohne Ent- gelt Contracten. gelt leisten sollte, nicht anders als un- ter der Bedingung einer gewissen Er- kaͤntlichkeit leisten will, da man solcher gestalt mit einander eines wird, was man dem, der uns etwas gewaͤhret, hinwiederum dagegen leisten soll, und dieses fuͤr dasjenige gegeben wird, was einem gewaͤhret worden; so wird die Erkaͤntlichkeit in einen Lohn verwandelt (§. 500.). §. 526. Weil der Leihende sich allein verbindet, den Von den Unkosten, die auf den Ge- brauch der Sa- che und auf die Sache selbst ver- wendet werden. Gebrauch der Sache zu erlauben, nicht aber Unkosten anzuwenden, damit einer die Sa- chen gebrauchen kann (§. 515.); so muß derjenige, dem die Sache geliehen wor- den, die Unkosten aufwenden, wenn der Gebrauch der Sache dergleichen erfordert, z. E. wenn ich ein Pferd, oder einen Bedienten auf einige Tage einem an- dern leihe. Da aber ein jeder sein Recht er- lassen kann (§. 342.); so kommt zu dem Leihen ein Geschenck, wenn der Lei- hende die Unkosten tragen will; folglich wird es eine zusammengesetzte Hand- lung (§. 465.). Gleichergestalt, weil der, dem etwas geliehen wird, nur zu verhuͤten verbunden ist, daß die Sache nicht durch sei- ne Schuld verschlimmert, oder verdorben wird (§. 519.); so muß der Leihende die Unkosten ersetzen, woferne ausser dem Gebrauch auf die Sache ausser- ordentlich etwas zu verwenden, z. E. X 4 zur II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen zur Erhaltung derselben, insonderheit wenn sie groͤsser sind, als der Werth des Ge- brauchs, z. E. wenn das Dach von gelehn- ten Haͤusern auszubessern ist, damit der Re- gen keinen Schaden thue. §. 527. Von den gleich- guͤltigen Sachen. Eine gleichguͤltige Sache (res fungi- bilis) wird genannt, welche die Stelle einer andern von eben derselben Gattung vertritt. Es kann also eine an die Stelle der an- dern angenommen werden; folglich sind es solche Sachen, deren Werth der Zahl, oder dem Maaß und Gewicht proportionirlich ist; und sie muͤssen von einerley Gattung, Groͤsse und Guͤte seyn. Daher erhellet ferner, daß die gleichguͤltigen Sachen in der Art (in genere) wiedergegeben werden koͤn- nen, dem, der sie gegeben, ohne seinen Schaden (§. 269.). Und weil das Geld die Stelle aller Sachen und Arbeit vertritt (§. 494.); so ists am allermeisten eine gleichguͤltige Sache. §. 528. Was das Borgen sey, und was in demsel- ben wie- dergege- ben wer- den muß. Ein wohlthaͤtiger Contract, durch welchen man dem andern den Gebrauch einer Sache, die durch den Gebrauch verzehrt, oder die verbraucht wird, verstattet, nennt man das Borgen (mutuum). Derjenige, der etwas borgt, wird der Glaͤubiger (creditor, mu- tuans) genannt; der das Geborgte empfaͤngt, oder der, dem man etwas borget, der Schuld- ner Contracten. ner (debitor, mutuatarius). Weil man ei- ne Sache nicht verzehren darf, wenn sie nicht unser (§. 195.); so muß der Glaͤubiger dem Schuldner das Eigenthum abtre- ten. Weil er aber die Sache nicht schenckt (§. 475.), sondern bloß den Gebrauch dersel- ben erlaubt (vermoͤge der Erklaͤrung); folg- lich will, daß ihm dieselbe wiedergegeben wer- de, hingegen eben dieselbe Sache, da sie ver- zehret worden, nicht wiedergegeben werden kann (§. 515.); so muß eine Sache von eben der Art wiedergegeben werden; folglich muͤssen diejenigen Dinge, welche geborgt werden, gleichguͤltige Sachen seyn (§. 527.), und was wiedergege- ben wird, muß von eben der Gattung, Groͤsse und Guͤte seyn, als was geborgt worden. §. 529. Weil bey dem Borgen das Eigenthum ab- Wer bor- gen kann, und von einer ei- nem an- dern zu- gehoͤri- gen Sa- che, die geborgt worden. getreten wird; so kann niemand eine Sa- che verborgen, als der Eigenthums- herr (§. 257.). Wenn demnach eines andern Sache geborgt wird, so ist der Contract an und vor sich selbst nich- tig; folglich wenn die Sache noch nicht verzehrt worden ist, so kann der Ei- genthumsherr sich dieselbe wieder zu- eignen (§. 262.); wenn sie aber ver- zehrt worden, so ist der Schuldner gehalten den Werth zu ersetzen (§. 271.); denn er ist demselben nicht aus dem Contracte X 5 verbun- II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen verbunden, daß er die Sache in eben der Art wiedergeben muͤste (§. 528.). Wenn der Eigenthumsherr das Borgen gut heißt, da es alsdann eben so viel ist, als wenn es mit seiner Einwilligung geschehen waͤre; so bestehet der Contract. §. 530. Wenn man eine fremde, geliehene oder ge- borgte Sache wieder- geben muͤße. Weil der, so etwas geliehen bekommen, sich verbunden hat, eben dieselbe dem, welcher sie ihm geliehen, wieder zu geben (§. 515.), der Schuldner aber das geborgte dem Glaͤubiger in eben der Art (§. 528.); so muß, der et- was geliehen bekommen, dem Leihen- den, und der Schuldner dem Glaͤubi- ger die Sache wieder geben, wenn der Eigenthumsherr nicht widerspricht (§. 261.), und sein Eigenthum erweiset (§. 262.). Und wenn der Eigenthums- herr will, so kann der Glaͤubiger ihm sein Recht abtreten (§. 342.). §. 531. Von der Zeit des Wieder- gebens. Weil die geborgte Sache in eben der Art wieder zu geben ist (§. 528.); so muß man bey dem Borgen ausmachen, zu wel- cher Zeit das Geborgte wieder gege- ben werden soll. Und da man die Ver- traͤge halten muß (§. 438.); so kann der Glaͤubiger vor Verfließung der Zeit das Geborgte nicht wieder fordern. Und weil man das Eigenthum desselben an den Schuldner abtritt (§. 528.); so kann er, was geborgt worden, wenn es gleich noch Contracten. noch nicht verzehrt worden, nicht wieder fordern, unerachtet er es zu seinem eigenen Gebrauche noͤthig hat (§. 195.). §. 532. Weil man eine geborgte Sache deswegen Wenn man die geborgte Sache selbst und vor der Zeit wie- dergeben kann. nur in eben der Art wiedergeben muß, weil man, nachdem sie verzehret worden, eben die- selbe nicht wiedergeben kann (§. 528.); so kann der Schuldner eben dieselbe wie- dergeben, wenn er sie nicht noͤthig hat. Und weil man die Zeit des Wiedergebens deswegen bestimmt, damit der Schuldner, der die Sache wieder geben soll, nicht saum- seelig ist; so kann er das Geborgte, wo- fern nicht ausdruͤcklich es anders ausgemacht worden, vor der Zeit wieder geben (§. 438.). §. 533. Weil das Geld zu denen Sachen gerechnet Ob man Geld borgen kann. wird, welche durch den Gebrauch verzehrt werden; so kann auch dasselbe geborgt werden (§. 528.); aber es wird nicht geborgt, wofern es nicht umsonst ge- schiehet (§. cit. ). §. 534. Die innere Guͤte des Geldes oder Von der Guͤte der Muͤntze. der Muͤntze (bonitas intrinseca pecuniæ sive monetæ) ist diejenige, welche man nach der Materie und dem Gewichte schaͤtzt: die aͤussere (extrinseca) aber der Werth, wel- cher demselben nach Willkuͤhr der Menschen beyge- II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen beygeleget ist. Jm Deutschen nennt man die Materie Korn, oder Gehalt, das Ge- wichte Schrot, den beygelegten Werth die Wuͤrdigung oder Valvation der Muͤntz- sorten. Daher nennt man gute Muͤntzen, oder gutes Geld (monetam probam), deren aͤussere Guͤte durch die innere bestim̃t wird, oder wenn der beygelegte Werth dem innern, wel- chen es von der Materie und dem Gewicht hat, gleich kommt; schlechte Muͤntzen (monetam reprobam), deren innere Guͤte der aͤussern nicht gleich kommt. §. 535. Auf wie viel Ar- ten Geld geborgt wird. Eine Summe Geld wird geborgt, wenn das Geld zugezaͤhlt wird, und man die innere und aͤussere Guͤte voraus setzt, z. E. wenn hundert Thaler an einer Muͤntze, die aus reinem Golde besteht, geborgt werden, und ihr der Werth beygelegt wird, welchen sie zu der Zeit hat, da die Schuld gemacht wird. Eine Art von Gelde wird geborgt (ge- nus mutuo datur), wenn die Stuͤcken zuge- zaͤhlt werden, ohne auf den beygelegten Werth zu sehen, den sie zu der Zeit haben; z. E. wenn man 100. Ducaten borget. Der Werth des Geldes wird geborgt (æsti- matio nummorum mutuo datur), wenn ei- ne gewisse Summe Geldes uͤberhaupt genom- men, oder in einer guten gangbaren Muͤntze dem Werthe nach geborgt wird; z. E. 100. Thlr., ohne auf die Muͤntzsorten zu sehen. §. 536. Contracten. §. 536. Weil man bey dem Borgen eben so viel in Was nach die- ser Ver- schieden- heit wie- dergege- ben wer- den muß. eben der Art wiedergeben muß, als man be- kommen (§. 528.), und uͤber dieses halten, was man ausgemacht hat (§. 438.); so muß man, wofern die Summe des Geldes mit ausdruͤcklicher Benennung der Muͤntz- sorten geborget worden, eben dieselbi- ge Summe, in eben dergleichen Muͤntz- sorten nach der innern und aͤussern Guͤ- te wiedergeben, welche sie zur Zeit des Contracts hatte; wenn aber die Muͤntzsorten nicht benannt worden, so kann man in einer andern gleich gu- ten Muͤntzsorte die Summe wiederge- ben, nach der aͤussern Guͤte, die sie zur Zeit des Contracts gehabt. Wenn ei- ne Art von Gelde geborgt wird; so muß man eben so viel Stuͤcke von eben der Art und inneren Guͤte wiederge- ben. Wenn endlich der Werth vom Gelde geborgt worden; so darf man nur eben dieselbe Geldsumme in einer guten und gangbaren Muͤntze wieder- geben, es sey was vor eine es wolle. Naͤmlich weil der Glaͤubiger bey den Borgen nichts missen will, als den Gebrauch seiner Sache, die er dem andern giebt (§. 528.); so muß, nachdem das Geborgte wie- dergegeben worden, es eben so viel seyn, als ob es nicht waͤre geborgt worden. Und daher muß man bestimmen, was II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen was bey dem Wiedergeben zu thun sey, wenn der Werth der geborgten Summe, es mag der aͤussere, oder innere seyn, unter der Zeit veraͤndert wird, damit der Glaͤubiger eben die Summe Geldes, entweder in eben dersel- ben Muͤntzsorte, oder in einer andern von gleicher Guͤte behaͤlt. Es scheint aber nicht rathsam zu seyn, jetzt hiervon weitlaͤuftiger zu handeln. §. 537. Wenn die ge- borgte Sache, ehe sie ge- braucht, verdirbt. Weil die geborgte Sache dessen eigenthuͤm- lich ist, dem sie geborgt worden (§. 528.); so ist es der Schade des Schuldners, wenn sie umkommt, oder verlohren gehet, ehe er sie hat brauchen koͤnnen (§. 243.); folglich muß er dem ohnge- achtet das Geborgte in eben der Art wiedergeben (§. 528.). §. 538. Ob et- was an- ders, als man geborget, u. wenn der Werth der Sa- chen bloß wiederzu- geben. Weil bey dem Borgen das, was man be- kommt, in eben der Art wiedergegeben wer- den muß, nicht aber etwas anders (§. 528.); so ist es kein Borgen, wenn man mit einander eins wird, daß etwas anders, oder der Werth der Sache wiederge- geben werden soll. Dergleichen Contracte haben ihr besonderes Recht. §. 539. Contracten. §. 539. Ein wohlthaͤtiger Contract, wodurch eine Was in Verwah- rung ge- ben oder Nieder- legen sey. gewisse Sache einem uͤbergeben wird, daß er sie umsonst in seine Verwahrung nehmen soll, und von diesem angenommen wird, heißt in Verwahrung oder aufzuheben geben, ingleichen Niederlegen (depositum). Derjenige, welcher eine Sache der Verwah- rung uͤbergiebt, heißt der Niederlegende (deponens), der, welcher die Verwah- rung uͤbernimmt, der Verwahrer (de- positarius). Da in diesem Contract das Ei- genthum der in Verwahrung gegebenen Sa- che nicht dem Verwahrer abgetreten wird; so bleibt, der sie in Verwahrung giebt, Ei- genthumsherr davon. Und da der andere nur die Verwahrung uͤbernommen; so kann er sie nicht gebrauchen; folglich, wenn er sie gebraucht, begeht er einen Dieb- stahl des Gebrauchs (§. 264.). Wenn aber der Niederlegende den Gebrauch der niedergelegten Sache erlaubt; so wird mit dem Niederlegen das Leihen vermischt (§. 515.), oder wenn es Geld ist, das Borgen (§. 528.). §. 540. Weil der Verwahrer die Sache ohne Ent- Wenn vor die Verwah- rung et- was ge- geben wird. gelt zu verwahren uͤbernimmt (§. 539.); so ist ein Contract, bey welchem man eins wird, daß vor die Verwahrung ein ge- wisser Lohn gegeben werden soll, kein Niederlegen. Aber eine Erkaͤntlich- keit, II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen keit, welche entweder versprochen wor- den, oder freywillig gegeben wird, aͤn- dert die Natur des Contracts nicht (§. 525.). §. 541. Von der Veꝛbind- lichkeit desjeni- gen, bey dem et- was nie- derge- legt wor- den. Da der, bey dem etwas niedergelegt wor- den, die niedergelegte Sache zu verwahren verbunden ist (§. 539.), und davon allen Schaden abzuwenden, nach dem Recht der Natur (§. 269.), aber dieselbe nicht gebrau- chen darf (§. 539.); so ist er verbunden, die Sache mit allem Fleiße zu verwah- ren (§. 21.), und demjenigen, der sie niedergelegt hat, wenn er sie wieder fordert, in Natur wieder zu geben: Jedoch darf er sie nicht laͤnger, als die Abrede genommen worden, in seiner Verwahrung behalten (§. 438.). Wo- fern durch sein Versehn oder vorsaͤtz- lich die Sache verschlimmert wird; so muß er den Schaden ersetzen (§. 270.). Weil aber die Sache desjenigen halber, der sie in Verwahrung gegeben, bey dem andern ist, und dieser keinen Vortheil davon hat (§. 539.); so ist er auch nicht verbunden vor einen Zufall zu stehen. Es erhellet aber leicht, daß, wenn er keinen groͤssern Fleiß in der Verwahrung verspricht, als bey seinen eigenen Sachen, er auch nach dem aͤusserlichen Rechte zu keiner groͤssern Sorgfalt verbunden ist (§. 377. 378.). Da man sich auf die Verwahrung dessen, Contracten. dessen, dem man die Sache uͤbergiebt, ver- laͤßt; so muß er uns vor das Versehn, oder den vorsaͤtzlichen Schaden des an- dern stehen, dem er wider unser Wis- sen die Sache in Verwahrung gege- ben, dieser aber muß ihm davor stehn; massen dieser ihm, als wie er uns, nach dem Contracte dazu verbunden ist. Es kann aber uns der andere, wenn wir wol- len, sein Recht abtreten (§. 338.). Weil er an dem Verzuge schuld ist, wenn er die Sache nicht bald wiedergiebt, wenn sie ge- fordert wird (§. 417.); so muß er uns nicht allein vor den Zufall stehn, durch welchen die Sache bey uns nicht um- kommen waͤre, oder verschlimmert worden, weil der Schaden durch sein Ver- sehn geschieht (§. 270.), sondern er muß auch davor stehen, was uns daran ge- legen, daß die Sache nicht gleich wie- dergegeben worden (§. 419.). §. 542. Weil derjenige, bey dem etwas nieder- Von der Verbind- lichkeit desjeni- gen, der etwas nieder- legt. gelegt worden, die Sache ohne Entgelt zu verwahren uͤbernimmt (§. 539.), und doch sor- gen muß, daß sie nicht durch seine Schuld verdorben, oder verschlimmert wird (§. 541.); so ist, woferne er Unkosten auf die Sache anwenden muß, damit sie un- versehrt erhalten wird, der andere sie ihm zu ersetzen schuldig (§. 271.). Weil es in unserer Gewalt nicht stehet, einem an- Nat. u. Voͤlckerrecht. Y dern II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen dern zu leisten, was wir ohne Verabsaͤu- mung einer Pflicht gegen uns selbst nicht lei- sten koͤnnen, und unsere Verbindlichkeit sich nicht weiter erstreckt (§. 60.); so darf in einer gemeinschaftlichen Gefahr, wel- che nicht durch die Schuld desjenigen, bey dem etwas niedergelegt worden, entsteht, derselbe die niedergelegten Sachen den seinigen nicht vorziehen, wenn beyde zugleich koͤnnen gerettet werden; wofern er sie aber doch vor- ziehen wollen, weil sie viel kostbarer sind, so muß der andere, dem die ge- rettete Sachen gehoͤren, den Verlust ersetzen (§. 271.). Gleichfalls muß der, welcher etwas niedergelegt hat, dem andern den Schaden ersetzen, welcher ihn durch die niedergelegten Sachen, entweder aus Versehen, oder mit Wis- sen desjenigen, der sie in Verwahrung gegeben, betrift, z. E. wenn einer ein Pferd, das gern ausschlaͤgt, in Verwahrung giebt, und uns nicht gewarnet, so muß er den Schaden, der uns betrift, wieder er- setzen (§. 270.). §. 543. Wenn man eine einem an- dern zu- gehoͤrige Sache in Verwah- rung giebt. Wenn eine einem andern zugehoͤri- ge Sache in Verwahrung gegeben wird, und wir wissen, wer der Ei- genthumsherr ist; so muͤssen wir sie ihm wiedergeben (§. 261.). Man setzt naͤmlich voraus, daß sie ohne Vorwissen des Eigen- Contracten. Eigenthumsherrn bey uns niedergelegt wor- den, und er das nicht gut geheissen; denn sonst ist es eben so viel, als ob er selbst die Sache durch einen andern uns in Verwahrung ge- geben haͤtte, oder als ob ein anderer mit sei- ner Einwilligung den Contract mit uns ge- macht haͤtte. §. 544. Da in einer gemeinschaftlichen Sache, die Wenn ei- ne ge- mein- schaftli- che Sache niederge- legt wor- den. nicht getheilt worden, mehreren das Eigen- thum zukommt, folglich wenn sie nieder- gelegt wird, alle zusammen genommen die Person desjenigen, der etwas niedergelegt, oder in Verwahrung giebt, vorstellen; so darf man sie nicht einem, sondern man muß sie allen zusammen wiedergeben; folglich muß derjenige, welcher sie ei- nem wiedergiebt, den uͤbrigen noch vor ihren Antheil stehen. Weil aber auch derjenige, welcher eine Sache gantz empfaͤngt, einem jeden, vermoͤge der Ge- meinschaft (§. 196.), vor seinen Antheil stehen muß, daß er ihnen naͤmlich dasjeni- ge wiedergeben muß, was das ihrige ist (§. 261.); so ist so wohl der, welcher die Sache wiedergegeben, als der sie em- pfangen, den uͤbrigen verbunden. Da sie aber nur von einem erhalten koͤnnen, was ihnen gebuͤhret; so wird, wenn sie ihren Antheil von einem bekommen, der an- dere von seiner Verbindlichkeit zugleich befreyet. Wenn demnach die niederge- Y 2 legte II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen legte Sache getheilt werden kann, und bey dem Theilen keine besondere Wahl statt findet; folglich wenn Sachen nie- dergelegt worden, deren Stelle eine andere von eben der Art vertreten kann, als von welchen man annimmt, daß sie in der That getheilt sind (§. 527.); so kann einem jeden sein Antheil beson- ders wiedergegeben werden; folglich wenn die uͤbrigen Theile untergehen sollten, so ist der, welcher seinen An- theil bekommen, den uͤbrigen vor nichts zu stehen schuldig. Wenn aber gemeinschaftliche Dinge von verschie- dener Art (species plures) niedergelegt werden, als ein silberner Becher, goldene Ringe mit eingefaßten Edelgesteinen, Klei- der, leinen Zeug, so hat ein jeder an einer jeden Sache als einer solchen, die nicht ge- theilt werden kann, seinen Antheil (§. 196.); und also koͤnnen sie nicht einem wie- dergegeben werden. §. 545. Wenn ei- ne Sache bey vie- len nie- dergelegt worden. Weil vor sich klar ist, daß eine niederge- legte Sache nur einmahl wiedergegeben wer- den kann, und daß man, nachdem sie wieder- gegeben worden, vermoͤge des Contracts weiter zu nichts verbunden (§. 539.); so kann eine vielen in Verwahrung gegebene Sache, von einem allein, ohne Vorwissen der andern, wiedergegeben werden; ja er muß es thun, wenn sie von ihm ge- fordert Contracten. fordert wird. Weil aber der, welcher sie nicht wiedergeben will, alsobald am Verzuge schuld ist (§. 417.); so muß er dem, welcher sie in Verwahrung ge- geben, allein vor alles stehen, was ihm vor Nachtheil daraus erwaͤchßt, daß sie nicht gleich wiedergegeben worden (§. 419.). §. 546. Wer den Scha- den, der aus Ver- sehn, oder mit Vor- satz ge- schieht, ersetzen muß, wenn vie- le die Sache in Verwah- rung ha- ben. Da derjenige, der den andern aus Ver- sehn oder vorsaͤtzlich in Schaden bringt, ihn ersetzen muß (§. 270.); so muß, wenn ei- ne Sache bey vielen niedergelegt wor- den, ein jeder vor das stehen, was er versehen, oder vorsaͤtzlich gethan; was aber gemeinschaftlich geschehen, davor haftet ein jeder, nachdem er Theil dar- an hat, woferne man es nicht anders ausgemacht hat, z. E. so, daß ein jeder fuͤr alle gehalten seyn soll (§. 438. 422.). §. 547. Weil der, welcher eine Sache in Ver- Von der Gefahr bey der Zuruͤck- sendung einer nie- dergeleg- ten Sa- che, wie auch von der Zu- ruͤckfen- dung ei- ner gelie- wahrung hat, weiter zu nichts, als zur Ver- wahrung (§. 539.) und zur Wiedergabe, wenn sie gefordert wird, nach dem Contracte ver- bunden ist (§. 541.); so muß der, der die Sache niedergelegt hat, bestimmen, durch wen sie zuruͤcke geschickt werden soll, und dieses muß auf seine Kosten geschehn. Wenn man aber, ohne ihn zu fragen, sie nach seinem Gefallen wiederschickt; da die Sache nicht eher wie- Y 3 derge- II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen henen Sache. dergegeben worden, als bis der, der sie in Verwahrung gegeben, oder dem er sie hat heis- sen wiedergeben, sie empfangen hat; so ist die Gefahr dessen, der sie uͤberschickt. Eben dieses gilt von einer geliehenen Sache, wenn sie wiedergeschickt wird; obgleich der, welchem man die Sache geliehen, weil sie nur zu seinem Vortheil geliehen worden, sie auf seine Kosten, wenn welche noͤ- thig sind, wieder zuruͤcke zu schicken verbunden ist. §. 548. Vom Seqve- striren. Die Verwahrung einer streitigen Sache heißt das Seqvestriren (sequestrum), und derjenige, der sie in Verwahrung hat, heißt der Seqvester. Man nennt aber eine streitige Sache (rem litigiosam), an welche zwey oder mehrere eine Anforderung machen, oder uͤber deren Eigenthum man streitet. Man streitet aber uͤber das Eigenthum (de dominio controvertitur), wenn zwey oder mehrere behaupten, daß ihnen die Sa- che zugehoͤre. Und daher erhellet, daß der Seqvester die Verwahrung einer strei- tigen Sache ohne Entgelt uͤbernimmt; und daß die Seqvestration bey einer dritten Person mit Einwilligung aller derjenigen, die daruͤber streiten, gesche- hen muͤße. Jm buͤrgerlichen Rechte heißt dieses ein freywilliges Seqvestriren (se- questrum voluntarium), hingegen das noth- wendige (necessarium), welches vom Rich- ter Conttracten. ter geschieht. Dieser Unterschied findet im Rechte der Natur nicht statt, als welches im natuͤrlichen Zustande gilt, in welchem die streitenden Parteheyen keinen Richter haben. §. 549. Weil alle Streitende zusammen genommen Von der Wieder- gabe ei- ner se- qvestrir- ten Sa- che. die Person ausmachen, welche die Sache in Verwahrung gegeben (§. 548.); so muß der Seqvester die seqvestrirte Sache denen streitenden Partheyen wieder- geben, wenn sie dieselbe einmuͤthig wiederfordern (§. 541.); nach geendig- ten Streite aber dem, der das Recht dazu erhalten; jedoch auf die Art und Weise, wie die streitende Partheyen es unter einander ausgemacht haben; als wenn der, welcher die Sache bekommt, etwas leisten soll, ehe er den Besitz erhaͤlt, so wird sie ihm nicht eher wiedergegeben, als bis solches geschehen. §. 550. Weil sich weder derjenige, welcher die Sache Was bey der Wie- dergabe einer in Verwah- rung ge- habten Sache zu beobach- ten. in Verwahrung gehabt, dadurch bereichern, noch der andere, der sie in Verwahrung ge- geben, ob gleich der andere dieselbe umsonst uͤbernommen (§. 271.), seinen Schaden ver- langen kann; so muͤssen, wenn eine fruchtbahre Sache in Verwahrung gegeben, folglich auch wenn sie seqve- striret worden (§. 548.), auch die Fruͤch- te wiedergegeben werden, oder im Se- qvestrirungs-Falle demjenigen, der Y 4 Recht II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen Recht behalten (§. 549.): Der andere aber, der sie in Verwahrung gehabt, zieht die darauf gewandte Kosten und den Lohn vor die Arbeit und seine Bemuͤhung ab, ohne welchen die Fruͤchte nicht haͤtten koͤnnen erhalten werden. Und da es rathsam ist, um Streitigkeit zu vermeiden, daß man wegen des Lohnes eins wird, wenn man die Sache in Verwahrung giebt; so ist die Conven- tion wegen des Lohns, der Arbeit und Bemuͤhung ein Vertrag, welcher dem Seqvestriren beygefuͤgt wird (§. 438.). §. 551. Von der Voll- macht. Die Vollmacht (mandatum) nennt man den wohlthaͤtigen Contract, in welchem man einem andern etwas in unserm Nahmen zu thun auftraͤgt, und er solches zu verrichten ohne Entgelt uͤbernimmt. Wer einem an- dern etwas auftraͤgt wird der Bevollmaͤch- tigende (mandans); der andere aber, dem es aufgetragen wird, der Bevollmaͤchtig- te (mandatarius, procurator) genannt. Auftragen (committere) aber ist nichts an- ders, als sich den andern, etwas in seinem Nahmen zu thun, vollkommen verbindlich machen. Es ist also dasselbe vom empfeh- len (commendare) unterschieden, wenn wir dem andern anzeigen, es werde uns ange- nehm seyn, wenn er thun will, was wir ha- ben wollen; wie auch vom bitten (rogare), wenn wir nehmlich hinlaͤnglich dem andern zu verste- Contracten. verstehen geben, wie sehr gerne wir wollen, daß der andere etwas thun und es nicht ab- schlagen moͤge. Da der, welcher etwas em- pfiehlt, oder bittet, keinen Contract mit uns macht; so verbinden wir uns dem an- dern weder durchs Empfehlen, noch durchs Bitten vollkommen, und wir werden ihm auch nicht verbunden. Jm Gegentheil aber verbindet sich der Bevollmaͤchtigte dem, welcher ihm die Vollmacht ertheilet, was ihm auf- getragen worden, mit allem Fleiße auszurichten. Und da er nicht in seinem, sondern im Nahmen des andern, von dem er Vollmacht hat, handelt; folgends sein Recht also nicht nach seinem eigenen Willen, son- dern nach dem Willen dessen, der ihm Voll- macht giebt, zu bestimmen ist; so darf er nichts thun, als wozu er Vollmacht hat; und der ihm die Vollmacht er- theilet, verbindet sich hinwiederum, das gutzuheißen, was nach dem Jn- halt der Vollmacht geschehen. §. 552. Eine besondere Vollmacht (manda- Vom Un- terschied der Voll- machten. tum speciale) nennt man, wenn einem ein nahmhaftes Geschaͤfte aufgetragen wird; als ein Haus, oder Pferde zu kaufen: Eine allgemeine Vollmacht (mandatum ge- nerale) aber, wenn einem gewisse Geschaͤfte uͤberhaupt aufgetragen werden. Beydes ge- schieht entweder mit freyer Hand (manda- Y 5 tum II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen tum cum libera), wann nur uͤberhaupt be- stimmt wird, was der Bevollmaͤchtigte thun soll, uud das uͤbrige seinem Gutbefinden uͤber- lassen; oder ohne freye Hand (mandatum sine libera), wenn naͤmlich alles, was der Bevollmaͤchtigte thun soll, so genau bestimmt wird, daß nichts dem Gutbefinden des Be- vollmaͤchtigten uͤberlassen wird. Man theilet die Vollmacht auch ein in eine offenbahre (mandatum manifestum), wenn dieselbe dem, mit welchem der Bevollmaͤchtigte zu thun hat, kund gemacht wird; und in eine geheime (arcanum), welche der Bevoll- maͤchtigte bloß vor sich behaͤlt. Der Bevoll- maͤchtigte muß also nach der gehei- men verfahren, sie aber dem nicht be- kannt machen, mit welchem er zu thun hat (§. 551.); und man siehet auf die geheime Vollmacht nur in der Ver- bindlichkeit, welche der Bevollmaͤch- tigte und der die Vollmacht ertheilet, unter einander haben. Gleichfalls erhel- let, daß wenn eine Vollmacht ohne freye Hand ertheilet worden, der Be- vollmaͤchtigte nichts thun darf, als was ausdruͤcklich bestimmt worden; im entgegengesetzten Falle ihm zu thun erlaubet sey, was ihm gut oder besser zu seyn duͤncket, und der Billigkeit nicht zuwider ist, oder wie man gemei- niglich zu sagen pflegt: Er muß das, was ihm aufgetragen worden, nach bestem Wissen Contracten. Wissen und Gewissen erfuͤllen (man- datum ex bono \& æquo adimplere). §. 553. Weil der Bevollmaͤchtigte in unserm Was vor Verbind- lichkeiten sich der Bevoll- maͤchtig- te zu- zieht. Nahmen handelt (§. 551.); so ist, was er nach der gehabten Vollmacht thut, eben so anzusehen, als ob wir es selbst gethan haͤtten. Und da ein anderer von unserm Willen nichts wissen kann, als was in der offenbahren Vollmacht enthalten (§. 552); so nimmt er auch mit Recht an, als von uns geschehen, was der Be- vollmaͤchtigte nach dem Jnhalt der of- fenbahren Vollmacht thut (§. 318.); de- rowegen, wenn er etwas verspricht, macht er uns dem andern durch sein Versprechen verbindlich, und den an- dern uns durch Annehmung dessen, was er verspricht (§. 380. 381.). Es erhellet also, daß der Gevollmaͤchtigte eine Mittelsperson ist Verbindlichkei- ten zu machen (§. 426.), und daß eine offenbahre Vollmacht erfordert wird, wenn er mit einem andern in unserm Nahmen guͤltig contrahiren soll. Wenn also einer nach der geheimen Vollmacht handelt, da solchergestalt der andere nicht weiß, daß er in einem fremden Nahmen mit ihm handelt (§. 552.); so ist er ihm in seinem eigenen Nahmen ver- bunden, er kann aber sein Recht dem, von welchem er Vollmacht hat, auch wider II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen wider den Willen des andern abtreten (§. 338. 342.); ja, da er vermoͤge der gehei- men Vollmacht dem, der sie ihm ertheilet, verbunden ist (§. 551.); so ist er es auch zu thun schuldig. Und da der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten gleichfalls verbunden ist; so muß er ge- nehm halten, was dieser nach der ge- heimen Vollmacht gethan hat (§. 551.). Aus dem, was gesagt worden, folget fer- ner, daß, wenn die geheime Vollmacht anders lautet, als die offenbahre, und es nicht erlaubt ist die geheime bekannt zu machen, man entweder unter der Hoffnung, daß es werde genehm ge- halten werden, oder gleichsam in sei- nem eigenen Nahmen, nach dem Jn- halt der geheimen Vollmacht, mit dem andern handeln muß. §. 554. Wenn das, wo- zu man Voll- macht hat, ent- weder gar nicht, oder nicht zu gehoͤri- ger Zeit, ausge- richtet worden. Weil der Gevollmaͤchtigte sich dem ver- bindet, der ihm Vollmacht ertheilet, was ihm aufgetragen wird, auszurichten (§. 551.); so ist er, wenn er, was ihm aufgetragen worden, nicht ausrichtet, dem, wel- cher ihm die Vollmacht ertheilet, da- vor zu stehen schuldig, daß er es nicht ausgerichtet (§. 415.); er darf auch zum Vortheil eines dritten dieses zu thun nicht unterlassen. Weil er gleich- wohl nichts thun darf, als wozu er Voll- macht hat (§. 551.); so kann er in seinem eige- Contracten. eigenen Nahmen und zu seinem Vor- theil mit dem andern handeln, wenn er innerhalb den Schrancken der Voll- macht nichts ausrichten kann. Da er aber am Verzuge schuld ist, wenn er, was ihm aufgetragen worden, nicht zu ge- hoͤriger Zeit thut (§. 417.); so ist er dem- jenigen, der ihm Vollmacht gegeben, davor zu stehen schuldig, was ihm dar- an gelegen, daß er, was ihm aufge- tragen worden, nicht zu rechter Zeit ausgerichtet (§. 551. 419.). §. 555. Weil der Gevollmaͤchtigte, was ihm auf- Von dem, was in der Voll- macht still- schwei- gens ent- halten ist. getragen worden, ausrichten muß (§. 551.); so muß man auch annehmen, daß ihm aufgetragen worden sey, ohne welches er das ihm aufgetragene nicht ausrich- ten kann; z. E. eine Reise, wenn er ohne Reise das aufgetragene nicht ausrichten kann. Weil sich auch von selbst versteht, daß der, welcher einem andern Vollmacht giebt, das wolle, was mit dem, was er ausdruͤcklich sagt, nothwendig verbunden ist, als daß die gekauften Waaren ihm auch uͤberbracht wer- den muͤssen; so nimmt man an, man habe auch dazu Vollmacht, was mit dem, was einem aufgetragen, verbun- den ist; als zu Ueberbringung der gekauften Waaren. §. 556. Da der Gevollmaͤchtigte das Geschaͤfte des- Von dem, was sen, II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen bey Ge- legenheit der Voll- macht der Ge- vollmaͤch- tigte er- haͤlt, oder ihm ge- schenckt wird. sen, der ihm die Vollmacht ertheilet, verwal- tet, und in desselben, nicht aber in seinem eignen Nahmen und zu seinem Vortheil (§. 551.); so muß er dem, von welchem er die Vollmacht hat, geben, was er bey Gelegenheit derselben erhaͤlt, obgleich er in Ansehung dessen ohne Vollmacht gehandelt; als wenn er einen liegenden Grund, nach dem Jnhalt der Vollmacht ge- kauft und die Fruͤchte mit dazu bekommen, oder wenn er Pferde kauft und ein Fuͤllen mit einhandelt. Wenn aber nach vollbrach- tem Geschaͤfte dem Gevollmaͤchtigten etwas geschenckt wird, so darf er es dem, von welchem er die Vollmacht hat, nicht geben; weil die Schenckung eine Handlung ist, welche zu dem ausgerichte- ten Geschaͤfte nicht gehoͤret, als welches ohne dieselbe, auf die Art, wie es abgehandelt worden, bestehet. §. 557. Von der Schad- loshal- tung des Gevoll- maͤchtig- ten. Weil im Gegentheil der Gevollmaͤchtigte im Nahmen dessen, von dem er die Vollmacht hat, und zu seinem Nutzen, und zwar um- sonst, was ihm aufgetragen worden, verrich- tet (§. 551.); und er folglich in dem gantzen Geschaͤfte die Person desjenigen vorstellet, der ihm Vollmacht dazu gegeben; so muß der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten die angewandte Kosten wieder ersetzen, ohne welche er das Geschaͤfte nicht hat ausrichten koͤn- Contracten. koͤnnen; ingleichen den Schaden erse- tzen, in welchen er bey dieser Gelegen- heit gerathen; da er sonst davon befreyet gewesen waͤre. Weil aber der, welcher die Vollmacht ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten weiter nicht, als aus der Vollmacht verbun- den ist; so darf er auch dem Gevollmaͤch- tigten, indem er das ihm aufgetragene Geschaͤfte vollfuͤhret, wenn ihm ein Zufall begegnet, der ihm auch wuͤrde begegnet seyn, wenn er die Vollmacht nicht angenommen haͤtte, vor den Schaden nicht stehen. Gleichergestalt da der Gevollmaͤchtigte nicht mehr in unserm Nahmen handelt, wenn er die Grentzen der Vollmacht uͤberschreitet, oder etwas thut, was ihm nicht befohlen ist (§. 553.), und folg- lich der Grund von der Schadloshaltung weg- faͤllt; so ist, der die Vollmacht er- theilet, dem Gevollmaͤchtigten nicht verbunden den Schaden zu ersetzen, in welchen er bey Gelegenheit der Ueber- schreitung der Vollmacht, oder desje- nigen, was ihm nicht aufgetragen wor- den, verfaͤllt, er darf ihm auch die da- bey gehabte Unkosten nicht ersetzen. Weil aber gleichwohl der Gevollmaͤchtig- te dabey das, was ihm aufgetragen worden, ausgerichtet hat, und der es ihm aufgetragen hat verbunden ist genehm zu halten, was er nach dem Jnhalt der Vollmacht gethan (§. 551.); so verbleibet er ihm, in so weit er die Voll- II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen Vollmacht nicht uͤberschritten, ver- bunden. Und da er sich nicht mit dem Schaden des Bevollmaͤchtigten bereichern kann (§. 271.); so folget, daß, wenn der Be- vollmaͤchtigte die Vollmacht uͤber- schritten, als wenn er Pferde vor 170. Thlr. gekauft, ihm aber nur Pferde vor 150. Thlr. zu kaufen aufgetragen worden, und der ihm die Vollmacht ertheilet, nichts weiter, als dieselbe gehet, genehm hal- ten will, indem er zu mehrerem nicht ver- bunden (§. 551.), jener aber lieber in seinem Nahmen gehandelt haben will, wofern dieser, was er gethan, nicht gantz genehm halten will, es eben so viel ist, als wenn er nicht verrichtet haͤtte, wozu ihm Vollmacht ertheilet worden; folglich ist der Bevollmaͤchtig- te gehalten davor zu stehen, was dem andern daran gelegen ist, daß nach der ihm ertheilten Vollmacht nicht ver- fahren worden, in so weit nach Jnhalt derselben haͤtte verfahren werden koͤn- nen (§. 554.). Und weil der Bevollmaͤchtig- te zu nichts mehr verbunden werden kann, als ihm moͤglich ist (§. 37.); so muß derjenige welcher ihm die Vollmacht ertheilet, nichts destoweniger ihn schadlos halten, wenn er ohne seine Schuld das Ge- schaͤfte nicht hat zu Ende bringen koͤn- nen, oder dasselbe einen widrigen Aus- gang gehabt. Jm Gegentheil aber muß der Contracten. der Gevollmaͤchtigte den Schaden er- setzen, wenn er einigen durch sein Ver- sehn, oder mit Vorsatz verursacht hat (§. 270.). §. 558. Wenn vielen zusammen genommen Wenn zu einem Geschaͤf- te vielen zusam- men Voll- macht er- theilet wird. zu einem Geschaͤfte Vollmacht gege- ben wird. Da alle zusammen genommen ei- ne Person vorstellen, folglich man annimmet, daß alle gethan, was einer ohne Widerspruch der andern gethan hat; so wird den uͤbri- gen das zugerechnet, was aus Nach- laͤßigkeit des einen geschieht, welche die uͤbrigen verhuͤten konten, und daher auch sollten (§. 551.). Weil aber die Ur- sache der Zurechnung wegfaͤllt, wenn etwas vorgenommen werden muste, welches die uͤbrigen einem auftragen musten, und diese bey dem Auftragen allen Fleiß angewendet, folglich ihrer Verbind- lichkeit von ihrer Seite ein Genuͤge gethan (§. cit. ); so nehmen sie keinen Theil an dem Versehen, welches bey der Ausfuͤhrung begangen worden. Nemlich ein jeder steht vor das, was er mit Vorsatz oder aus Versehen gethan, daran die an- dern keinen Theil haben; vor das aber, was gemeinschaftlich geschehen, stehen alle zusammen genommen, und also ein jeder vor seinen Antheil, wenn man nicht ausdruͤcklich ausgemacht hat, daß ein jeder fuͤr alle gehalten seyn Nat. u. Voͤlckerrecht. Z soll II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen soll (§. 438.). Allein wenn ein Geschaͤf- te vielen dergestalt aufgetragen wird, daß ein jeder einen gewissen Theil des- selben auszurichten hat, da in der That so viele verschiedene Vollmachten ertheilet worden, als bevollmaͤchtigte Personen sind, und ein jeder von ihnen nicht weiter verbun- den ist, als seine Vollmacht gehet (§. 551.); so muß ein jeder vor sein Versehen ste- hen. §. 559. Von der Rechen- schaft, die einer we- gen eines gefuͤhrten Geschaͤf- tes zu ge- ben schul- dig. Man sagt, daß derjenige Rechen- schaft von einem gefuͤhrten Geschaͤfte giebt (rationem negotii gesti reddere), welcher deutlich anzeigt, wie er jedes, was zu Verwaltung des Geschaͤftes erfordert wird, ausgerichtet hat. Daher erhellet, daß wer eines andern Geschaͤfte verwaltet, dem andern Rechenschaft geben muͤsse, wie er es verwaltet. Derowegen weil der Ge- vollmaͤchtigte ein Geschaͤfte dessen verwal- tet, der ihm Vollmacht dazu giebet (§. 551.); so muß er auch demjenigen, der ihm die Vollmacht gegeben hat, von sei- nen Verrichtungen Rechenschaft ge- ben. §. 560. Was man das nuͤtzliche in den Contra- cten nen- net. Nuͤtzlich in den Contracten (utile in contractu) nennt man nichts anders, als was entweder im Gelde bestehet, oder Geldes werth ist. Deswegen siehet man in den Contracten auf keinen andern Ge- winn, Contracten. winn, oder Schaden, oder Jnteresse, wovor man zu stehen hat, als so ent- weder in Gelde bestehet, oder nach Gelde geschaͤtzt werden kann. Nemlich wenn man davon handelt, was einem andern wiedergegeben oder ersetzt werden muß; so muß was wiedergegeben, oder ersetzt werden soll, nach Gelde geschaͤtzt werden, wofern nicht eben dieselbige Sache, oder etwas von eben der Art wiedergegeben wird. Und da- her versteht man ferner, wem zu gefallen ein Geschaͤfte gefuͤhret wird (cujusnam causa negotium geratur); naͤmlich dem zu gefallen, der den Nutzen davon hat. §. 561. Weil man gantz allein auf den Nutzen des Von dem, wo- zu einem in seiner eigenen Angele- genheit Voll- macht er- theilet wird, und von dem Rathe. Gevollmaͤchtigten sieht, wenn man um seinet- willen ihm zu etwas Vollmacht ertheilet, und also dem, der sie giebt, nichts dran gelegen ist, ob der Bevollmaͤchtigte thut, oder nicht, was er gesagt hat, daß er thun, oder nicht thun wolle; so ist es eigentlich keine Voll- macht, sondern ein blosser Rath, wenn man einem in seiner eigenen Angele- genheit etwas auftraͤgt. Man nennet naͤmlich einen Rath (consilium) die Erklaͤ- rung unsers Willens von dem, was wir ver- meinen, daß der andere zu thun habe, jedoch seinem Gefallen uͤberlassen, ob er es thun will. Es entspringen also aus einem Rath keine Verbindlichkeiten zwischen dem, der ihn giebt und der ihn annimmet; Z 2 folg- II Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen folglich entspringt auch keine Verbind- lichkeit, wenn bloß in des Gevollmaͤch- tigten Angelegenheit ihm etwas auf- getragen wird. Allein wenn jemand durch einen schlauen Rath vorsaͤtzli- cher Weise, oder durch betruͤgeri- schen einen dahin bringt, daß er thut, was uͤbel ablauft, da er solchergestalt den andern vorsaͤtzlicher Weise in Schaden bringt (§. 269.); so ist er den Schaden zu er- setzen schuldig (§. 270). §. 562. Wenn eine Voll- macht in einer fremden Angele- genheit ertheilet wird. Weil man ein fremdes Geschaͤfte als sein eigenes ansiehet, wenn man in einer frem- den Angelegenheit einem eine Vollmacht er- theilet; folglich mit dem Gevollmaͤchtigten contrahiret (§. 551.); so ist, der die Voll- macht ertheilet, dem Gevollmaͤchtig- ten, und dieser hinwiederum jenem nach der Vollmacht verbunden, wenn sie in einer fremden Angelegenheit ge- geben worden. Und deswegen ist die Gefahr dessen, der die Vollmacht er- theilet, wenn in des Gevollmaͤchtig- ten und einer fremden Angelegenheit Vollmacht ertheilet wird; als daß er dem Titius Geld leihen soll: eben als wenn in Angelegenheiten dessen, der die Voll- macht ertheilet, und des Gevollmaͤch- tigten, dieselbe gegeben wird; als daß du dem Titius Geld leihen sollst, welches er in meinen Nutzen verwenden soll (§. 561.). §. 563. Contracten. §. 563. Wenn einem zu einer schaͤndli- chen That Voll- macht er- theilet wird. Weil man eine schaͤndliche That (fa- ctum turpe) nennt, welche im Gesetz der Na- tur verbothen worden; so ist die Vollmacht nichtig, welche zu einer schaͤndlichen That ertheilet wird (§. 42.); folglich ent- stehen daraus keine Verbindlichkeiten. §. 564. Man sagt, eine Vollmacht werde Von der Erfuͤl- lung der Voll- macht durch et- was gleich- guͤltiges und auf- getrage- ner Mas- sen. durch etwas gleichguͤltiges erfuͤllet (mandatum adimpletur per æquipollens), wenn man sie durch etwas anders, das eben so nuͤtzlich, oder noch nuͤtzlicher ist, als was ei- nem aufgetragen worden, erfuͤllet. Die Voll- macht aber wird aufgetragener Massen erfuͤllet (adimpletur in forma specifica), wenn es gantz genau durch dasjenige geschiehet, was einem aufgetragen worden. Wenn zu ei- ner etwas allgemeinen Bedingung Vollmacht ertheilet wird, welches auch auf eine andere Art erhalten werden kann; als wenn einer Vollmacht erhaͤlt des Titii Haus vor 4000. Thlr. zu kaufen, weil es an einem beqvemen Orte lieget, wo man Waaren zum Verkaufe auszulegen pflegt. Da in diesem Falle der die Vollmacht erthei- let keine andere Absicht hat, als daß er ein Haus habe, das zum Handel beqvem ist, und nicht mehr als 4000. Thlr. kostet; so ists erlaubt, die Vollmacht durch etwas gleichguͤltiges zu erfuͤllen; als daß man in dem gegebenen Exempel ein anderes be- Z 3 qvemers II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen qvemers Haus um einen geringern Preiß kaufe. Weil wir doch aber den Nutzen, auf welchen der siehet, der die Vollmacht giebt, nicht nach unserm, sondern nach seinem Sin- ne beurtheilen muͤssen, vornehmlich da ausser der Hauptabsicht auch andere Nebenabsichten seyn koͤnnen; so muß man die Vollmacht aufgetragener Massen erfuͤllen, wo- fern es nicht gantz gewiß ist, daß die Absicht dessen, der sie ertheilet, eben so gut erreicht wird, man erfuͤlle sie aufgetragener Massen, oder durch et- was gleichguͤltiges (§. 551.). §. 565. Vom Wieder- ruf der Voll- macht. Man sagt, die Vollmacht werde wie- derrufen (mandatum revocare), wenn der, welcher sie ertheilet, dem Gevollmaͤchtigten kund thut, er wolle nicht, daß er sie erfuͤlle. Weil der Gevollmaͤchtigte von der Vollmacht keinen Nutzen hat (§. 551. 560.); folglich ihm nichts daran gelegen ist, ob sie erfuͤllet wird, oder nicht; so kann, der einem Vollmacht gegeben, nach seinem Be- lieben dieselbe wiederrufen, ehe sie er- fuͤllet worden. Weil aber dennoch die Vollmacht bestehet, so lange sie nicht wieder- rufen wird; so muß, der die Vollmacht gegeben, den Gevollmaͤchtigten in so weit schadloß halten, in so weit ver- moͤge derselben er schon etwas unter- nommen, oder Kosten dieserwegen an- gewendet (§. 557.). §. 566. Contracten. §. 566. Weil der Gevollmaͤchtigte eine Mittelsper- Ob eine ne Voll- macht nach dem Tode des, der sie gege- ben, er- suͤllet werden kann. son bey einer zu machenden Verbindlichkeit ist (§. 553.); so hoͤrt die Vollmacht mit dem Tode dessen, der sie ertheilet hat, auf (§. 430.). Wenn aber derselbe aus- druͤcklich will, daß sie auch nach sei- nem Tode erfuͤllet werden soll; da auf diesen Fall der Gevollmaͤchtigte sich dazu ver- bindlich gemacht (§. 551.); so muß sie auch nach seinem Tode erfuͤllet werden. Eben hieraus erhellet, daß die Vollmacht auch nach desselben Tode erfuͤllet werden muß, wofern sie auf seinen Todesfall, oder zu einer Sache, die erst nach sei- nem Tode geschehen soll, gegeben wor- den. Weil der Gevollmaͤchtigte, wel- cher nicht weiß, indem er die Voll- macht erfuͤllt, daß der, welcher ihm dieselbe ertheilet, gestorben, nichts thut, als was er sich zu thun verbindlich gemacht hatte (§. cit. ), z. E. wenn er gewisse Waa- ren einkauft, und was er nicht anders, als unter der Bedingung schadlos gehalten zu werden uͤbernommen hat (§. 557.); so muß er schadloß gehalten werden. Eben dieses versteht sich auch auf eben die Weise von dem, welcher mit dem Gevoll- maͤchtigten contrahiret, indem er nicht weiß, daß der die Vollmacht gegeben, gestorben sey, und sich auf die offen- bahre Vollmacht verlaͤßt (§. 553.). Al- Z 4 lein II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen lein weil ein Bevollmaͤchtigter, welcher weiß, daß, der sie ihm aufgetragen, gestorben sey, wenn er mit einem con- trahiret, der es nicht weiß, und dieser sich auf die offenbahre Vollmacht ver- laͤßt, durch seine Schuld Schaden verur- sacht; so ist er dem andern, dem daran gelegen, daß nicht contrahiret wor- den waͤre (§. 269.), davor zu stehn schul- dig (§. 415). §. 567. Von dem Tod des Bevoll- maͤchtig- ten. Weil es sich vor sich verstehet, daß, wer ein Geschaͤfte einer Person auftraͤgt, solches nicht wuͤrde gethan haben, wofern er sich nicht von desselben Fleiß und Treue gewiß versichert gehalten haͤtte; so ist eine Vollmacht per- soͤnlich (mandatum personale) (§. 400.); folglich weil die daher entstehende Verbindlich- keit (§. 551.) keine andere als die Person des Bevollmaͤchtigten betrift (§. 402.); so hoͤrt durch den Tod desselben die Vollmacht auf. Und aus eben dem Grunde darf nie- mand die ihm aufgetragene Vollmacht einem andern uͤbertragen ohne Ein- willigung dessen, der sie ertheilet, als mit seiner Gefahr. §. 568. Von der Aufkuͤn- digung der Voll- macht. Man sagt, daß der Bevollmaͤchtigte die Vollmacht auf kuͤndige, oder zuruͤck- gebe (mandatum renunciare), wenn er dem, der sie ihm ertheilet, anzeigt, daß er sie nicht erfuͤllen wolle. Eine zeitige Auf kuͤndi- gung Contracten. gung (tempestiva renunciatio) ist, wenn dem, der die Vollmacht gegeben, nichts dar- an gelegen ist, daß der Bevollmaͤchtigte sie nicht erfuͤllen will: Eine unzeitige aber ist (renunciatio intempestiva), wenn der, wel- cher die Vollmacht ertheilet, dadurch in Scha- den gebracht wuͤrde. Da der Bevollmaͤch- tigte dem, der ihm Vollmacht gegeben, ver- bunden ist, dieselbe zu erfuͤllen (§. 551.); so darf man ohne eine rechtmaͤßige Ur- sache, das ist, wenn kein unvermeidli- ches und unuͤberwindliches Hinderniß darzwischen kommt, die Vollmacht nicht auf kuͤndigen; folglich wenn dieses zur Unzeit geschehen, muß der Bevoll- maͤchtigte den Schaden, den er verur- sacht hat, ersetzen, und davor stehen, was dem andern daran gelegen ist, daß die Vollmacht nicht erfuͤllet worden (§. 554.). Weil aber, wenn die Aufkuͤndi- gung beyzeiten geschiehet, der, welcher die Voll- macht gegeben, keinen Schaden leidet; so darf auch der Bevollmaͤchtigte, wenn er beyzeiten die Vollmacht aufgekuͤndi- get, vor nichts stehen. Eben dieses ver- steht sich auch in dem Falle, da eine un- vermeidliche und unuͤberwindliche Ver- hinderung darzwischen kommt; weil die Verbindlichkeit sich nicht weiter erstreckt, als auf das, was in unserer Gewalt steht (§. 60.). §. 569. Die Buͤrgschaft (fidejussio) ist ein wohl- Von der Buͤrg- Z 5 thaͤtiger II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen schaft und der Verbind- lichkeit des Buͤr- gen. thaͤtiger Contract, wodurch sich einer demje- nigen, welchem ein anderer schon verbunden ist, oder verbunden werden soll, umsonst ver- bindlich macht, das selbst zu leisten, was der andere leisten sollte, woferne er es nicht thut. Der, welcher sich fuͤr einen andern, der schon einem verbunden ist, oder verbunden werden soll, umsonst verbindlich macht, wird der Buͤrge (fidejussor) genannt: Der aber, fuͤr welchen einer Buͤrge wird, der Hauptschuld- ner (debitor principalis). Daher nennt man auch seine Verbindlichkeit die Haupt- verbindlichkeit (obligationem principa- lem); die Verbindlichkeit des Buͤrgen aber die dazu kommende Verbindlichkeit (ob- ligationem accessoriam). Es erhellet aber, daß die Hauptverbindlichkeit durch die dazu kommende nicht aufgehoben oder veraͤndert wird; wie auch daß der Buͤr- ge und Hauptschuldner zu einer Schuld verbindlich sind, nur daß die Verbind- lichkeit des Buͤrgen eine bedingte ist. Es erhellet auch, daß die Buͤrgschaft zu jeder Verbindlichkeit hinzukommen kann, und zur Sicherheit der Schuld dienet; folglich nicht eher guͤltig sey, als bis die Hauptverbindlichkeit gewiß ist, und wenn die Hauptverbindlichkeit nichts ist, so ist auch die dazukommen- de nichtig. Daher folgt ferner, daß, wenn der Hauptschuldner nicht bezahlen kann, der Buͤrge bezahlen muß. Weil man Contracten. man aber nicht eher wissen kann, daß er nicht bezahlen koͤnne, als bis er angegriffen worden (excussus), das ist, bis man sein Vermoͤgen untersucht hat; so muß der Hauptschuld- ner erst angegriffen werden, ehe der Buͤrge kann gezwungen werden zu be- zahlen, wofern man nicht anders eins worden (§. 342.). §. 570. Weil die Verbindlichkeit des Buͤrgen und Wie weil sich die Veꝛbind- lichkeit des Buͤr- gen er- streckt. des Schuldners einerley ist (§. 569.); so wird, wenn der Hauptschuldner be- zahlt, der Buͤrge befreyet, und wenn der Buͤrge zahlt, so wird der Haupt- schuldner befreyet. Weil aber niemand mit des andern Schaden sich bereichern darf (§. 271.); so bleibt, wenn der Buͤrge bezahlt, der Hauptschuldner ihm ver- bunden; und da der Glaͤubiger dem Buͤr- gen sein Recht abtreten kann (§. 342.); so fordert nach geschehener Abtrerung der Buͤrge das Seinige wieder als eine gemachte Schuld (§. 338.), und haͤlt nicht bloß an, daß ihm der verursach- te Schade wieder ersetzt werde. Allein weil niemand einen andern sich wider seinen Willen verbindlich machen kann (§. 78.); so darf der Hauptschuldner demjenigen vor nichts stehen, der sich wider sei- nen Willen vor ihn verbuͤrget und be- zahlet. Weil man aber vermuthet, daß ei- ner einwillige (§. 459.), ja weil er in der That II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen That stillschweigend einwilliget, wenn er schwei- get, da er reden konte und sollte (§. 27.); so kann man, wenn jemand Buͤrge wird, vor einen, der gegenwaͤrtig ist, und es geschehen laͤßt, es nicht anders ansehen, als daß die Buͤrgschaft mit seiner Ein- willigung geschehen sey. Weil der Glaͤu- biger vom Buͤrgen nicht mehr Recht erhalten kann, als derselbe ihm einraͤumen wollen (§. 317.); so darf der Buͤrge, wenn er sich nur fuͤr die Hauptschuld, oder fuͤr ei- nen Theil derselben verbuͤrgt hat, dem Glaͤubiger weiter nicht als vor die Hauptschuld oder einen Theil dersel- ben stehen. §. 571. Von der Buͤrg- schaft, die ohne Be- dingung, mit Be- dingung und auf eine ge- wisse Zeit gemacht worden. Da der Buͤrge die Bezahlung der Schuld eines andern verspricht (§. 569.); so kommt es auf den Willen des Buͤrgen an, ob er ohne Bedingung, mit Bedingung, oder auf eine gewisse Zeit etwas ver- sprechen will (§. 385. 393.). Weil die Buͤrgschaft an und vor sich selbst unter der Bedingung geschiehet, woferne der Haupt- schuldner nicht bezahlt (§. 569); so verstehet sichs, daß sie ohne Bedingung gemacht wird, wenn der Buͤrge sich zum Selbstschuldner macht (§. cit. \& 424.). Wenn also der Buͤrge sich ohne Bedingung verbindlich macht, so kann er, ohne daß der Hauptschuld- ner vorher angegriffen worden, zur Bezahlung der Schuld angehalten wer- Contracten. werden; jedoch woferne der Glaͤubiger von ihm nicht alles erhalten kann, so kann er, was noch fehlt, von dem Hauptschuldner zu erlangen suchen (§. 424.). Wenn aber der Buͤrge unter einer Bedingung, oder auf eine gewisse Zeit sich verbuͤrgt hat, so kann er nicht anders, als wenn die Bedingung vor- handen, oder wenn die Zeit erschienen, nachdem der Hauptschuldner vorher angegriffen worden (§. 569.), zur Be- zahlung angehalten werden (§. 395. 396.). §. 572. Weil dem Buͤrgen daran gelegen ist, daß Wenn der Zah- lungster- min oh- ne Vor- wissen oder wi- der Wil- len des Buͤrgen verlaͤn- gert wird. der Zahlungstermin nicht aufgeschoben wird, massen es geschehen kann, daß der Schuld- ner, welcher jetzt im Stande ist zu bezahlen, ins kuͤnftige nicht bezahlen kann; so kann man nicht sagen: Wer sich fuͤr eine Schuld, die jetzt bezahlt werden soll, verbuͤrgt, der habe sich auch verbuͤrgt fuͤr eine Schuld, die nach verlaͤngertem Termine gezahlt werden soll. Derowegen kann der Zahlungster- min nicht ohne Wissen, und noch viel- weniger wider Willen des Buͤrgen verlaͤngert werden; und wenn der Glaͤubiger dieses thut, so ist der Buͤr- ge von der Buͤrgschaft befreyet (§. 317.). §. 573. Von mehreren Buͤrgen. Weil durch die Buͤrgschaft nicht mehr Recht II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen Recht kann erhalten werden, als die Buͤrgen dem Glaͤubiger einraͤumen wollen (§. 569. 317.), und ihnen zur Last als wahr ange- nommen wird, wessen sie sich hinlaͤnglich er- klaͤren (§. 318.); so muß ein jeder von den Buͤrgen fuͤr die gantze Schuld haf- ren, wenn ein jeder von ihnen sich fuͤr die gantze Schuld verbuͤrget: Wenn aber ein jeder sich nur fuͤr einen gewis- sen Theil verbuͤrget, so doͤrfen sie auch nur fuͤr einen gewissen Theil haften. Wenn aber nichts ausdruͤcklich abge- redet worden, so nimmt man an, daß alle zusammen sich fuͤr die gantze Schuld verbindlich machen; indem man mehr als einen Buͤrgen zu mehrerer Sicher- heit verlangt (§. 569.); folglich muß ein jeder fuͤr einen gleichen Theil haften; jedoch wenn die uͤbrigen nicht bezah- len koͤnnen, so muß einer allein alles bezahlen. §. 574. Vom Ruͤckbuͤr- gen. Wer sich fuͤr einen Buͤrgen verbuͤrgt, wird ein Ruͤckbuͤrge (fidejussor succedaneus, subalternus, vicarius) genannt. Weil die- ser sich verbindet dem Glaͤubiger die Schuld zu zahlen, wenn der Buͤrge nicht bezahlen kann; so kann er nicht zur Zahlung an- gehalten werden, als bis der Buͤrge angegriffen worden; und da er sich da- fuͤr verbuͤrget hat, was der Buͤrge zu zah- len hat; so wird die Verbindlichkeit zwi- Contracten. zwischen ihm und dem Buͤrgen nicht getheilt. Und weil der Ruͤckbuͤrge sich fuͤr die Verbindlichkeit des Buͤrgen verbindlich macht, so wie der Buͤrge fuͤr die Verbind- lichkeit des Hauptschuldners; so gilt eben das vom Ruͤckbuͤrgen in Ansehung des Buͤrgen, was von dem Hauptbuͤrgen in Ansehung des Schuldners gilt (§. 569.); ja da der Ruͤckbuͤrge an die Stelle des Hauptbuͤrgen tritt, so hat er eben das Recht in Ansehung des Hauptschuld- ners, welches der Hauptbuͤrge in An- sehung ebendesselben hat (§. cit. ). §. 575. Der Buͤrge, der sich fuͤr einen andern Buͤr- Vom Schad- losbuͤr- gen. gen verbuͤrgt, heist besonders der Schad- losbuͤrge (fidejussor indemnitatis), wenn er sich dem Glaͤubiger zu allen demjenigen verbindlich macht, was er weder von dem Hauptschuldner, noch von dem Hauptbuͤrgen er- halten kann. Der Schadlosbuͤrge also setzt den Glaͤubiger ausser allen Schaden. Wofern aber sich jemand einem Buͤrgen fuͤr eine demselben eigene Verbindlichkeit verbind- lich macht, indem er naͤmlich ihm verspricht, daß er von ihm wieder erhalten solte, was er werde haben zahlen muͤssen, wofern er es von dem Hauptschuldner nicht wieder erhalten kann; so wollen wir ihn den Schadlosbuͤr- gen eines Buͤrgen (fidejussorem indemni- tatis fidejussoris) nennen. Der Schadlos- buͤrge eines Buͤrgen ist also dem Glaͤu- biger II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen biger auf keine Weise verbunden, kann ihm auch nicht verbunden werden, er kann sich auch ohne Wissen des Glaͤu- bigers und Hauptschuldners verbind- lich machen. Es erhellet auch, daß die- se Buͤrgschaft nur zur Sicherheit des Buͤrgen geschiehet; folglich wenn der- selbe nichts bezahlt, so darf er auch vor nichts stehen; ja wenn er auch bezahlt, so darf er nicht eher haften, als bis der Hauptschuldner angegriffen worden. §. 576. Von der Buͤrg- schaft fuͤr eines an- dern Auf- fuͤhrung. Wenn jemand sich fuͤr eines andern Auffuͤhrung verbindlich macht, daß er naͤmlich dieses thun, oder unterlassen werde, da er sich verbindet, fuͤr die Verbindlichkeit, welche aus dem Thun oder Laßen des andern entspringt, und also darauf gehet, daß etwas wiedergegeben, oder ersetzt werden soll; so muß der vor das, was nicht geschehen soll, Buͤrge wird, vor alles stehen, was daran gelegen ist, daß derjenige, der die Hauptverbindlichkeit hat, et- was gethan, was er nicht thun sollte: Oder, wenn er davor Buͤr- ge wird, daß etwas gethan werden soll, vor alles, was daran gelegen, daß derjenige, der hauptsaͤchlich verbun- den war, unterlassen hat, was er thun sollte; z. E. wenn jemand sich vor die Treue eines Bedienten, den er recommendiret, oder eines Bevollmaͤchtigten verbuͤrget. §. 577. Contracten. §. 577. Weil sich der Buͤrge fuͤr eines andern Ver- Ob der Buͤrge zu meh- rern oder zu weni- gern ver- bunden werden kann. bindlichkeit verbuͤrget (§. 569.); so kann er zu nichts mehr, als der Hauptschuld- ner verbunden werden; folglich wenn er mehr versprochen hat, so darf er nur fuͤr den Theil haften, welchen der Hauptschuldner schuldig ist. Weil aber auch einer nur fuͤr einen Theil Buͤrge wer- den kann (§. 573.); so kann er auch zu etwas wenigern verbunden werden. Derowegen da es mehr ist, etwas gleich ge- ben, als nach einer gesetzten Zeit; so kann der Buͤrge nicht vor der gesetzten Zeit (termino) zur Zahlung angehalten wer- den, wenn es gleich offenbahr klar ist, daß der Hauptschuldner nicht bezahlen kann. §. 578. Weil ein Eyd keine Handlung, die nicht Von ei- ner be- schwore- nen und schriftli- chen Buͤrg- schaft. verbindlich ist, verbindlich machen kann (§. 446.); so kann er auch keine unguͤltige Buͤrgschaft guͤltig machen. Und da die Verbindlichkeit aus dem Versprechen ent- springt (§. 380.); so kann die Buͤrgschaft durch einen Brief, oder durch jemand anders (§. 403.), naͤmlich durch ei- ne Mittelsperson (§. 429.) geschehen. Und obgleich die Verbuͤrgung, ohne sie aufzuschreiben, und ehe sie aufge- schrieben worden, gilt, wofern man es nicht anders ausdruͤcklich ausge- Nat. u. Voͤlckerrecht. A a macht II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen macht hat (§. 445.); so ist es doch rath- sam daß dieselbe schriftlich abgefaßt wird; weil die Verbindlichkeit sich nicht weiter erstreckt, als auf das, was gesagt worden (§. 318.); und wofern der Buͤr- ge die Kunstwoͤrter, welche dabey ge- braucht werden, nicht verstehen solte, so muͤssen ihm dieselben hinlaͤnglich er- klaͤrt werden. §. 579. Von dem Selbst- schuld- ner. Ein Selbstschuldner (expromissor) wird genannt, welcher die Verbindlichkeit eines andern auf sich nimmt, oder fuͤr einen an- dern, welcher schon verbunden ist, oder ver- bunden werden soll, sich dergestalt verbindlich macht, daß er selbst in seinem Nahmen als der Hauptschuldner leisten will, wozu der an- dere verbunden war. Der Selbstschuld- ner tritt also in die Stelle des Haupt- schuldners, und der Hauptschuldner ist dem Glaͤubiger nicht mehr ver- bunden; folglich wenn dieser nicht be- zahlen kann, so kann der Glaͤubiger nicht den Hauptschuldner angreifen, wenn er auch gleich bezahlen koͤnte. Und da sich zum Selbstschuldner machen ein Geschaͤfte ist, welches zwischen dem Glaͤubi- ger und dem, welcher die Schuld eines an- dern uͤbernimmt, allein vorgenommen wird; so kann der Selbstschuldner nicht vom Hauptschuldner wiederfordern, was er fuͤr ihn bezahlt, wofern es nicht an- ders Contracten. ders durch einen besondern Vertrag, der mit dem Hauptschuldner gemacht worden, aus- gemacht ist (§. 438.). Jedoch muß nach dem Gewissen der Hauptschuldner, wenn ihm der Selbstschuldner nichts schuldig ist, was er bezahlt hat, wie- dergeben (§. 271.). Eben dieses verstehet sich auch vom Hauptschuldner, wenn der Selbstschuldner nicht bezahlen kann. Es kann einer sich zum Selbstschuldner angeben, weil er einem etwas schencken will, und weil er schon auf andere Weise vergnuͤget worden: Wornach man aber doch nicht fraget, wenn sich einer zum Selbstschuldner angiebt (§. 318.). Wenn also jemand sich deswegen zum Selbstschuldner macht, weil er dem Hauptschuldner etwas zu leisten ver- bunden ist; so wird er dadurch in so weit davon befreyet, als er sich da- durch dem andern verbindlich macht: Denn man nimmt allerdings an, daß sich ei- ner in dieser Absicht zum Selbstschuldner ge- macht (§. 318.). Uebrigens gehet sowohl die Buͤrgschaft, als wenn einer Selbst- schuldner wird, wenn nichts gewisses bestimmet wird, auf alles, was wird gegeben werden; massen es auf unserm Willen beruhet, wie wir uns verbuͤrgen und zum Selbstschuldner machen wollen. A a 2 Das II. Th. 12. H. Von beschwerlichen Das zwoͤlfte Hauptstuͤck. Von den Tauschhandlungen oder beschwerlichen Contracten. §. 580. Von be- schwerli- chen Con- tracten. D ie Tauschhandlungen nennt man auch beschwerliche Contracte (contra- ctus onerosos). Derowegen weil in den beschwerlichen Contracten Sachen und Thun mit einander vertauscht werden (§. 467.), niemand aber verbunden ist einem andern et- was umsonst zu geben und zu thun, wenn er wiederum etwas geben oder thun kann (§. 473.); so muß in den beschwerlichen Contracten die Gleichheit beobachtet werden, naͤmlich daß so viel, als der eine leistet, der andere eben so viel ihm wieder lei- sten muß; folglich wenn der beschwerli- che Contract erfuͤllt worden, keiner von denen, die ihn eingegangen, mehr oder weniger hat, als er vorher hat- te; und deswegen keiner durch den Con- tract bereichert wird (§. 271.). Wenn demnach die contrahirende Theile mit Wissen und Willen von der Gleichheit abgehen; so ist es ein vermischter Con- tract aus einem wohlthaͤtigen und be- schwerlichen. §. 581. Wenn ei- ne Un- gleichheit Weil in einem beschwerlichen Contracte ei- ne Gleichheit zu beobachten ist (§. 580.); so ist Contracten. ist die Ungleichheit in beschwerlichen sich im Contract befindet. Contracten unerlaubt (§. 51.). Dero- wegen weil durch die Ungleichheit der eine Theil betrogen wird (§. 286.); so muß der, welcher zu viel bekommen, dem andern so viel zuruͤcke geben, als er zu viel hat (§. cit. ); und deswegen wird um der Un- gleichheit willen der Contract nicht aufgehoben, oder umgestossen. Man sagt aber ein Contract werde aufgeho- ben, oder umgestossen (contractus rescin- ditur), wenn er vor nichtig erklaͤrt wird, da er nach dem Rechte nicht unguͤltig ist, sondern besteht. §. 582. Ein beschwerlicher Contract, in welchem Was ein Tausch sey, und wie er zu stande ge- bracht wird. eine Sache, sie mag koͤrperlich oder unkoͤrper- lich seyn, fuͤr eine andere Sache gegeben wird, heißt der Tausch (permutatio). Weil kei- ner als der Eigenthumsherr einem eine Sache geben kann (§. 258.); so ist der Tausch null und nichtig, wenn einer von den contrahirenden Theilen eine fremde Sache giebt. Da geben so viel ist, als das Eigenthum auf einen andern bringen (§. cit. ); dieses aber auf den, der es annimmt, kom- met, bloß durch den hinlaͤnglich erklaͤrten Willen des Eigenthumsherrn (§. 317); so wird der Tausch natuͤrlicher Weise durch beyderseitige Einwilligung zu stande gebracht (§. 27.); so bald naͤmlich die Einwilligung da ist, daß eine Sa- A a 3 che II. Th. 12. H. Von beschwerlichen che fuͤr eine Sache gegeben werden soll, so ist der Tausch zu stande ge- bracht; folglich sind die contrahirende Theile einander die Sachen zu uͤberge- ben verbunden (§. 320.); obgleich nach geschehener beyderseitigen Einwilli- gung die Uebergabe bis auf eine ge- wisse Zeit verschoben werden kann (§. 314.). §. 583. Wie das Geld und der Ge- brauch einer Sa- che ver- tauscht wird, in- gleichen seine ei- gene Sa- che fuͤr seine ei- gene. Da in dem Tausche alle Sachen koͤnnen gegeben werden (§. 582.), das Geld aber, in so ferne man bloß auf die Materie siehet, und nicht auf dessen aͤusserlichen Werth, einer Sache gleich geachtet wird; so kann auch baares Geld, wenn man bloß auf des- sen Materie siehet, vertauscht werden. Und weil man den Gebrauch einer Sache giebet, wenn man einem das Recht sie zu brauchen einraͤumet; so ist es ein Tausch, wenn ich einem den Gebrauch meiner Sache fuͤr den Gebrauch seiner gebe (§. cit. ). Ja weil die Arbeit den Sachen gleich geschaͤtzt wird (§. 225.); so kann auch eine Arbeit mit einer andern Arbeit ver- tauscht werden. Und weil meine Sache, wenn ich dir dieselbe gebe, deine wird, wenn du mir aber dieselbe wiedergiebest, wiederum meine (§. 258.); so kann auch seine Sache mit seiner vertauscht werden, wenn sie dergestalt gegeben wird, daß fuͤr die- selbe Contracten. selbe eben dieselbe auf einen gewissen Tag wiedergegeben wird. §. 584. Weil der Tausch ein beschwerlicher Con- Von der Gleich- heit, die beym Tausche zu beob- achten. tract ist (§. 582.), bey einem beschwerlichen Contracte aber die Gleichheit in acht genom- men werden muß (§. 580.); so muß bey dem Tausche die Gleichheit beobachtet werden; folglich damit man von derselben gewiß seyn moͤge; so muͤssen Sachen nach einem gewissen Werthe angeschlagen werden; und deswegen muß zu der Sa- che von geringerem Werthe etwas zu- gegeben werden, wodurch sie der an- dern gleich gemacht wird. Wenn aber jemand mit Wissen und Willen mehr giebt, als er bekommt; so ist es ein vermischter Contract aus einem Tau- sche und einer Schenckung (§. 582. 475.). §. 585. Weil durch den Tausch das Eigenthum ei- Von der Veraͤus- serung einer ver- tauschten Sache. ner Sache auf einen andern gebracht wird, unerachtet die Sache nicht gleich uͤbergeben wird (§. 582.); so kann keiner von de- nen, die mit einander getauscht haben, seine gewesene Sache veraͤussern, ob sie gleich dem andern noch nicht uͤber- geben worden (§. 257.); Wer aber die Sache, die ihm uͤbergeben worden, empfangen hat, der kann sie veraͤus- sern, wenn er gleich die Sache, die er A a 4 ver- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen vertauscht, noch nicht uͤbergeben hat. §. 586. Was bey diesem Contra- cte buͤr- gerlichen Rechtes ist. Das Roͤmische Recht geht in dem Tausche gar sehr vom Rechte der Natur, aus beson- dern Ursachen, ab, die im groͤssern Wercke vom Rechte der Natur Tom. 4. not. §. 879. 880. angezeigt worden. Was also buͤrgerli- chen Rechtes ist, muß nicht mit dem, was natuͤrlichen Rechtes ist, vermenget werden. Dergleichen ist, daß der Contract nicht eher guͤltig ist, als bis von einem Theil die Sache uͤbergeben worden; und er folglich nicht durch die blosse Einwilligung zu stande gebracht wird. §. 587. Was Kauf u. Verkauf sey. Der beschwerliche Contract, in welchem einer eine Sache, der andere davor die Sum- me Geldes giebt, wodurch der Werth der Sa- che bestimmet wird, nennt man den Kauf und Verkauf (emtio venditio). Wer die Sache giebt, wird der Verkaͤufer (vendi- tor); wer aber das Geld davor zahlt, der Kaͤufer (emtor) genannt. Die Sache, welche verkauft wird, heißt die Waare (merx). Sachen also, die nicht verkauft werden koͤnnen, nennt man daher nicht Waa- ren; und gewoͤhnlicher Weise wird dieser Nahme bloß den beweglichen Sachen zuge- eignet. §. 588. Contracten. §. 588. Weil im Kaufen und Verkaufen man fuͤr Was verkauft werden kann. eine Sache Geld giebt, so viel als sie werth geschaͤtzt wird (§. 587.), der Werth aber al- ler Sachen an Gelde bestimmt wird, und Geld fuͤr eine jede Sache gegeben werden kann (§. 494.); so koͤnnen alle koͤrperli- che, bewegliche und unbewegliche, in- gleichen alle unkoͤrperliche Sachen, das Geld, in so weit man bloß auf die Materie siehet, ingleichen der Besitz seiner eigenen Sache, welchen man verlohren hatte, das Recht in einer und zu einer Sache, sie mag beschaffen seyn, wie sie will, ja auch Sachen, die erst kuͤnftig daseyn werden, doch nicht Sachen, welche niemahls in der Na- tur vorhanden, gekauft und verkauft werden. Weil aber niemand eine Sache geben kann, als der Eigenthumsherr (§. 258); so kann auch niemand die Sache ver- kaufen, als der Eigenthumsherr; wer nicht der Eigenthumsherr ist, der kann eine fremde Sache nicht ver- kaufen. §. 589. Ein kuͤnftiges Eigenthum (dominium Vom kuͤnftigen Eigen- thum u. Rechte. futurum) nennt man, welches wir in einer Sache, die kuͤnftig wuͤrcklich werden wird, so bald sie vorhanden, z. E. in den Fruͤchten zukuͤnftigen Sommers, oder in einer Sache, die wir bekommen sollen, als in dem Gelde, A a 5 welches II. Th. 12. H. Von beschwerlichen welches wir zur Besoldung bekommen, haben. Daher erhellet zugleich, was man uͤberhaupt ein kuͤnftiges Recht nennet (jus futurum). Das kuͤnftige Eigenthum enthaͤlt also das Recht in sich, alle andere vom Ei- genthum in der kuͤnftigen, oder kuͤnf- tig zu erhaltenden Sache auszuschlies- sen, wenn sie wuͤrcklich vorhanden, oder erhalten wird (§. 195.). Da es nun schon einiges gegenwaͤrtiges Recht in sich schließt; so kann auch ein zukuͤnftiges Ei- genthum auf einen andern gebracht werden. Weil wir doch aber nicht wuͤrckli- che Eigenthumsherren seyn koͤnnen, als bis die Sache wuͤrcklich wird, oder wir dieselbe be- kommen; so wird dadurch, daß ein kuͤnftiges Eigenthum auf uns gebracht wird, nur die Moͤglichkeit Eigen- thumsherr zu werden erhalten, doch so, daß wir alsobald Eigenthumsher- ren sind, als die Sache wuͤrcklich da ist, oder wir dieselbe uͤberkommen. Und eben auf diese Weise erhellet, daß wir durch den Willen dessen, welcher ein zukuͤnftiges Recht auf uns bringt, al- sobald ein eigenes Recht erhalten, in so weit es moͤglich ist, in der That aber, wenn das vorhanden, was zur Wuͤrcklichkeit des Rechtes noch erfor- dert wird. §. 590. Von dem Kauf der Weil ein kuͤnftiges Eigenthum nichts ist, wenn Contracten. wenn die Sachen nicht wuͤrcklich werden (§. Sachen, die wuͤꝛck- lich wer- den sol- len. 589.); so werden Sachen, die wuͤrck- lich werden sollen, nicht anders als unter der stillschweigenden Bedingung gekauft, wenn sie wuͤrcklich seyn wer- den; folglich wenn es sich zutragen soll- te, daß sie nicht wuͤrcklich wuͤrden, so ist der Kauf null und nichtig (§. 396.). Weil im Kaufen eine Gleichheit zu beobach- ten ist (§. 580.); folglich keiner von den con- trahirenden Theilen den Vorsatz hat etwas zu wagen; so muß, wenn Sachen, die wuͤrcklich werden sollen, gekauft wer- den, entweder eine gewisse Qvantitaͤt gekauft werden, oder der Preiß muß auf eine gewisse Qvantitaͤt fest gesetzt werden. Derowegen wenn im ersten Fal- le eine kleinere Qvantitaͤt wuͤrcklich wird, so kann der Verkaͤufer nicht an- gehalten werden, eine groͤssere zu ge- wehren; weil es ein bedingter Kauf ist, vermoͤge dessen, was erwiesen worden; wenn aber eine groͤssere wuͤrcklich wird, so verstehet sichs, daß nicht mehr gekauft worden, als woruͤber man eins wor- den ist (§. 318.). Allein in dem andern Falle verstehet sichs, daß alles gekauft worden, und der Werth muß dar- nach gerechnet werden, was auf eine gewisse Qvantitaͤt bestimmt worden (§. cit. ). Wenn aber Sachen, die wuͤrck- lich werden sollen, gekauft werden, ohne II. Th. 12. H. Von beschwerlichen ohne eine gewisse Qvantitaͤt auszu- machen, oder wegen des Preißes auf eine gewisse Qvantitaͤt eines zu wer- den, da solchergestalt von keiner Qvantitaͤt Meldung geschehen; so ist alles gekauft worden, was wuͤrcklich werden wird. Und da noch kein Preiß ausgemacht worden, weil derselbe nicht zu aller Zeit einerley zu seyn pflegt; so verstehet sichs, daß die contrahirenden Theile stillschweigend in den Preiß gewilliget haben, welcher zu der Zeit, da die Sachen wuͤrcklich seyn werden, gewoͤhnlich seyn wird. §. 591. Vom Kaufen nach Maaß u. Gewicht. Nach Maaß und Gewichte wird etwas gekauft (ad mensuram emi), wenn die Qvantitaͤt, die gekauft werden soll, und der Preiß nach einer gewissen Qvantitaͤt be- stimmt wird, oder wenn eine Sache gantz ge- kauft wird mit der Bedingung, daß die Qvan- titaͤt derselben durch ein gewisses Maaß be- stimmt wird, nach welchem ihr Preiß aus- gemacht wird; daher erhellet, daß, wenn nach geschehener Ausmessung die Qvantitaͤt kleiner ist, so muß der Ver- kaͤufer, wenn er, was fehlet, nicht ersetzen kann, einen Theil des Preisses nachlassen: Wenn derselbe aber groͤsser ist, so behaͤlt er das Uebrige zuruͤcke, wenn der Kaͤufer nicht mit seiner Be- willigung den Preiß vergroͤssern will. Allein wenn keine Qvantitaͤt ausge- macht Contracten. macht worden, so muß der Kaͤufer den Preis der gantzen Sache zahlen, welchen dieselbe nach geschehener Aus- messung betraͤgt (§. 318. 438.). §. 592. Es wird etwas im Pausch und Bo- Vom Kaufen im Pausch u. Bogen. gen gekauft (per aversionem emi), wenn eine gewisse Sache dergestalt gekauft wird, daß der Preiß auf keine gewisse Qvantitaͤt ge- setzt wird, nach welcher man ihn ausrechnet. Derowegen muß der Preiß, welchen man ausgemacht hat, gantz gezahlt wer- den; ob man gleich eine andere Qvan- titaͤt nach geschehener Ausmessung fin- det, als man vermeinte (§. 318. 438.). §. 593. Weil der, welcher nicht Eigenthumsherr Wenn ei- ne frem- de Sache verkauft worden. ist, eine fremde Sache nicht verkaufen kann (§. 588.); folglich der Verkauf einer frem- den Sache null und nichtig ist; so muß eine fremde gekaufte Sache dem Eigen- thumsherrn, ohne daß er dafuͤr etwas geben darf, wieder zugestellt werden (§. 261.); der Verkaͤufer aber muß dem Kaͤufer, was er gegeben, wiedergeben (§. 271.); folglich ist es nicht erlaubt die Sache dem Verkaͤufer wiederzugeben, damit man von demselben das, was man gezahlet, wiederbekomme. §. 594. Weil eine Sache, die uns verkauft Von ei- ner Sa- che, die worden, unser ist, ob sie uns gleich noch nicht II. Th. 12. H. Von beschwerlichen zwey- mahl verkauft worden. nicht uͤbergeben worden (§. 587. 320.); so ist, wenn sie einem andern noch ein- mahl verkauft wird, der letzte Verkauf null und nichtig (§. 588.). Allein weil durch das blosse Versprechen, uns eine Sache zu verkaufen, das Eigenthum nicht auf uns gebracht wird, sondern nur ein Recht zu for- dern, daß sie uns und keinem endern verkauft werde (§. 379. 587.); so ist, wenn eine Sache, die man uns zu verkaufen ver- sprochen, einem andern verkauft wird, der Verkauf guͤltig (§. 257.). Man ist uns aber davor zu stehen schuldig, was uns daran gelegen ist, daß die Sache uns nicht verkauft worden (§. 415.). §. 595. Von ei- ner Sa- che, die nach ih- rer Gat- tung ge- kauft worden. Da selbst aus dem Begriffe des Eigen- thums erhellet, daß es nicht in einer gewissen Gattung der Dinge, sondern nur in eintze- len Dingen von einer gewissen Art statt fin- det (§. 195.); so kann auch, wenn eine Sache nach ihrer Gattung verkauft worden, z. E. wenn ich einem 10. Schfl. Getreide verkaufe, und zwar bloß nach der Gattung, nicht aber als einen Theil des Hau- fens, den ich einem zeige, der Kaͤufer nicht eher das Eigenthum erhalten, als bis ihm die einzelen Sachen gegeben wer- den; z. E. 10. Scheffel Getreide zugemessen werden. §. 596. Contracten. §. 596. Jm Kaufen und Verkaufen wird eine Sa- Wenn der Kauf und Ver- kauf zu stande gebracht worden. che fuͤr Geld gegeben (§. 587.). Derowegen da man das Geld nicht eigenthuͤmlich haben kann, als in so fern es in gewissen Koͤrpern besteht, und nichts gewisses seyn kann, als bis die Coͤrper gezeigt werden, folglich das Ei- genthum des Geldes auf einen andern nicht gebracht werden mag, als bis die Coͤrper uͤbergeben, oder vorgezeigt worden; so ist na- tuͤrlicher Weise der Kauf und Verkauf zu stande gebracht, so bald man uͤber den Preiß eins worden, und der Kaͤu- fer das Geld zu zahlen bereit ist (§. 317.); und wenn der Kauff vollzogen wor- den, entsteht auch gleich die Verbind- lichkeit des Kaͤufers das Geld zu zah- len, des Verkaͤufers aber die Sache zu uͤbergeben. Es ist naͤmlich die Zahlung des Geldes (solutio pecuniæ) die Hand- lung, wodurch das Eigenthum und der Be- sitz des schuldigen Geldes zugleich uͤber- bracht wird, folglich enthaͤlt dieselbe zugleich das Geben und die Uebergabe (§. 258. 320.), und das Geld wird gezahlt, wenn man es dem, welchem man es schuldig ist, zuzehlet. §. 597. Man sagt, der Verkaͤufer verkaufe Wenn ei- nem auf Glauben etwas verkanft wird. etwas auf Glauben (fidem de pretio ha- bere, vel fidem emtoris sequi), wenn er ihm die Waare uͤbergiebt, und bloß den Wor- ten II. Th. 12. H. Von beschwerlichen ten des Kaͤufers trauet, daß er ihm das Geld zahlen werde, deswegen aber keine Sicherheit auf einige Weise verlangt. Auf Glauben verkaufen ist also so viel, als gleichsam das Geld empfangen. Da es also gleich viel ist, wenn der Verkaͤufer auf Glauben verkauft, als ob er das Geld vom Kaͤufer em- pfangen und ihm wieder geliehen haͤtte (§. 528. 323.); so ist der Verkauf und Kauf richtig, so bald man des Preißes wegen eins worden, und der Verkaͤu- fer den Worten des Kaͤufers trauet. Denn da der Verkaͤufer die Sache nicht an- ders als vor Geld geben will; so erhaͤlt der Kaͤufer nicht eher das Eigenthum der Sache, bis der Verkaͤufer entweder das Geld wuͤrcklich gezahlt bekommt, oder sich versichert haͤlt, daß er es be- kommen werde. Es erhellet aber (§. 314.), daß es bloß auf den Willen des Ver- kaͤufers ankommt, ob er will, daß das Geld ihm gleich gezahlt werde, oder ob er auf Glauben etwas verkaufen will, oder ob er will, daß ihm auf ei- ne andere Weise Sicherheit verschaft werde, z. E. durch die Buͤrgschaft (§. 569.), oder daß ein anderer die Schuld uͤbernimmet (§. 579.). §. 598. Wenn ei- ne Sache dem Kaͤu- fer uͤber- Weil der Kauf und Verkauf nicht zu stan- de gebracht wird, als wenn eine gewisse Sa- che fuͤr einen gewissen Preiß gegeben wird (§. 587.); Contracten. (§. 587.); so folget, daß, wenn der Ver- geben worden, ohne daß man den Preiß ausge- macht. kaͤufer eine Waare giebt und uͤbergiebt, ob man gleich noch nicht wegen des Preißes eins worden, er die Sache auf Glauben verkaufe (§. 588.), und der Kaͤufer stillschweigend in den Preiß williget, welcher zu der Zeit, da er die Waare empfaͤngt, gewoͤhnlich ist. §. 599. Gleichergestalt weil im Kaufen und Ver- Wenn Geld und eine Sa- che fuͤr eine Sa- che gege- ben wird. kaufen Geld fuͤr eine Sache gegeben wird (§. 587.), im Tausche aber eine Sache fuͤr eine andere Sache (§. 582.); so ist, wenn je- mand eine Sache fuͤr eine Sache, und Geld als eine Zugabe giebt, der Con- tract ein Tausch: Wenn aber Geld fuͤr eine Sache und eine Sache zu Erfuͤl- lung des Preißes gegeben wird; so ist der Contract ein Kauf und Verkauf. §. 600. Da der Gebrauch des Geldes etwas ist, Wenn es erlaubt ist, den Preiß ei- ner Sa- che zu er- hoͤhen u. zu ver- mindern. das geschaͤtzt werden kann, in so ferne man dadurch einen Gewinn haben kann; so be- zahlt der mehr, welcher gleich bezahlt, oder voraus bezahlt, als welcher die Bezahlung aufschiebet. Deswegen kann der Preiß der Sache, wenn die Zah- lung aufgeschoben wird, erhoͤhet, wenn aber voraus gezahlet wird, vermindert werden. Es ist aber nicht erlaubt den Preiß zu erhoͤhen, wenn einer zu aller Nat. u. Voͤlckerrecht. B b Zeit II. Th. 12. H. Von beschwerlichen Zeit zu bezahlen bereit ist, so bald nur der Verkaͤufer Geld noͤthig hat. §. 601. Vom Kaufe dem Verkaͤu- fer zu ge- fallen, u. im Ge- genthei- le. Gleichergestalt weil die Gelegenheit seine Sache zu verkaufen, oder eine von einem an- dern zu kaufen etwas ist, was geschaͤtzt wer- den kann, insonderheit wenn dem Verkaͤufer daran gelegen, daß er seine Sache verkaufen, oder dem Kaͤufer, daß er sie kaufen kann; massen man im ersten Falle demjenigen eine Belohnung giebt, der einen Kaͤufer verschaft, im andern Falle aber die Sache, die wir kau- fen, da man naͤmlich in jenem Falle einen Kaͤufer, in diesem einen Verkaͤufer sucht; so folget, daß, wenn dem Verkaͤufer dran gelegen, daß er die Sache gleich ver- kauft, oder wenn man ihm zu gefal- len etwas kauft, es erlaubt ist, um ei- nen geringern Preiß zu kaufen; und wenn dem Kaͤufer daran gelegen, daß er die Sache haben kann, oder wenn sie ihm zu gefallen verkauft wird, es nicht unbillig ist, sie um einen hoͤhe- ren Preiß zu verkaufen. §. 602. Wenn ein hoͤhe- rer oder geringe- ter Preiß durch ei- nen Jrr- thum be- zahlt worden. Da niemand mit des andern Schaden sich bereichern darf (§. 271.); so ist der Ver- kaͤufer, wenn er im Preiße geirret hat, und mehr, als der wahre Preiß ist, vom Kaͤufer bekommen, was er zu viel be- kommen, wiederzugeben schuldig: Jm Gegentheil wenn ein geringerer Preiß, als Contracten. als der wahre bezahlt worden; so muß der Kaͤufer ersetzen, was an dem wahren Preiße fehlt, oder wenn ihm die Waare davor nicht anstehet, sie wiedergeben, und sein Geld wiedernehmen. Da das Recht der Natur unter mehr und weniger keinen Unterschied macht, sondern gar keine Verletzung duldet; so kann nach demsel- ben wegen einer jeden Verletzung ein jeder Contract aufgehoben werden. Jm uͤbrigen gilt dieses auch aus eben dieser Ursache, wenn der Kaͤufer aus Unwis- senheit vor eine Sache mehr giebt, als sie werth ist, weil er vermeinet, dieses sey der wahre Preiß. §. 603. Weil es einerley ist, ob der Kaͤufer und Von der Bestim- mung des Preißes nach dem Gutduͤn- cken eines dritten. Verkaͤufer selbst mit einander des Preißes wegen eines werden, oder ob sie es auf das Gutduͤncken einer gewissen oder ungewissen dritten Person wollen ankommen lassen; so gilt die Bestimmung des Preißes nach dem Gutduͤncken eines dritten, wenn er von dem gewoͤhnlichen oder wah- ren nicht gar zu weit abgeht (§. 271.). Und da man die Bestimmung eines Preißes auf das Gutduͤncken eines dritten ankommen laͤßt, damit man durch den Contract nicht verletzt wird; so muß derjenige, dessen Gutduͤncken es uͤberlassen wird, die Sache nach ihrem Werth zu schaͤtzen verstehen. Da man aber in Contracten B b 2 vor II. Th. 12. H. Von beschwerlichen vor wahr annehmen muß, was hinlaͤnglich angezeigt worden (§. 318.); und nach dem Recht der Natur nicht erlaubt ist, daß die Contrahenten etwas thun, das den Pflich- ten widerspricht (§. 42. 57.); so muß man aus den Umstaͤnden urtheilen, was die Meinung der Contrahirenden gewe- sen sey, oder warum sie die Bestimmung des Preißes auf das Gutduͤncken des Kaͤufers oder Verkaͤufers haben wollen ankommen lassen; und dergleichen Kauf wird im Gewissen nach den Pflichten einge- richtet. §. 604. Von dem Jrrthum der in der Sache selbst, oder ih- rer Ma- terie, oder Be- schaffen- heit be- gangen wird. Weil der Vertrag eines Jrrenden nichtig ist, wenn ein Jrrthum die Ursach zu demsel- ben gewesen ist (§. 405. 438.); so ist der Kauf und Verkauf nichtig, wenn ei- ne andere Sache fuͤr eine andere ge- kauft, oder verkaufr wird; es mag seyn, daß dieselbe eine andere ist, in Anse- hung ihrer selbst, oder so weit sie eine ein- tzele Sache von einer gewissen Art ist; oder in Ansehung der Materie, daß sie ent- weder gantz, oder zum Theil aus einer an- dern Materie besteht, als man vermeinte. Es erhellet auch daher, daß in diesem Ver- fahren entweder ein vorsaͤtzlicher oder zufaͤlliger Betrug vorgehet, deren kei- ner verstattet werden kann (§. 286.). Eben dieses verstehet sich auf eben diese Weise, wenn der Kaͤufer entweder ausdruͤck- lich Contracten. lich sich erklaͤret, oder es aus andern Umstaͤnden hinlaͤnglich erhellet, daß er eine Sache wegen einer gewissen Ei- genschaft kaufe, sonst aber nicht wuͤr- de gekauft haben, und in Ansehung dieser Eigenschaften ein Jrrthum vor- gehet; als wenn junger Wein fuͤr alten ver- kauft wird. §. 605. Jm Kaufen und Verkaufen wird das Ei- Von den Vertraͤ- gen, die zum Kauf und Ver- kauf an- gehaͤngt werden. Und weñ die Sa- che auf einen ge- wissen Tag ge- kauft seyn, oder der Kauf nur eine gewisse Zeit dau- ren soll. genthum der Sache vom Verkaͤufer auf den Kaͤufer gebracht (§. 587.). Da es nun auf dem Willen des Eigenthumsherrn beruhet, wie er das Eigenthum seiner Sache auf den andern bringen will (§. 314.), und auf dem Willen dessen, der sie bekommt, ob er es auf diese Weise haben will, oder nicht (§. 316.); so koͤnnen, nach Gefallen des Kaͤufers und Verkaͤufers, dem Kaufe und Ver- kaufe Vertraͤge beygefuͤgt werden, welche das durch den Kauf erhaltene Recht veraͤndern, und einige neue Verbindlichkeiten hervorbringen, und diese muͤssen gehalten werden (§. 438.). Daher folgt, daß, wenn eine Sache auf einen gewissen Tag gekauft und ver- kauft wird; so ist der Kauf und Ver- kauf zwar gleich richtig, die contra- hirende Theile aber sind nicht verbun- den ihn zu vollziehen, als bis der Tag erschienen. Und wenn im Gegentheil die Sache unter der Bedingung ver- B b 3 kauft II. Th. 12. H. Von beschwerlichen kauft wird, daß sie auf eine gewisse Zeit gekauft seyn soll; so ist der Kauf und Verkauf gleich zu vollziehen: so bald aber die Zeit verflossen, ist auch der Kauf zu Ende. §. 606. Von dem Kauf un- ter einer aufloͤsen- den Be- dingung. Da nach dem vorhergehenden §. der Kauf und Verkauf unter einer aufloͤsenden Bedin- gung und bey Strafe der Reue geschlossen werden kann; so ist, wenn man es so ausmacht, daß, woferne das Geld nicht innerhalb einer gewissen Zeit ge- zahlt wird, die Sache ungekauft seyn soll, der Kauf und Verkauf gleich richtig: Aber wenn das Geld in der bestimmten Zeit nicht gezahlt wird; so wird er aufgeloͤst (§. 397.). Und wenn man dergestalt eines wird, daß inner- halb einer gewissen Zeit dem Kaͤufer freystehet vom Contracte abzugehen, wenn er dem Verkaͤufer etwas gewis- ses leistet; so kann wehrender Zeit der Verkaͤufer einem andern die Sache nicht verkaufen, und der Kaͤufer hat das Recht den Kauf sich gereuen zu lassen, muß aber die Strafe der Reue erlegen. §. 607. Von dem Kauf un- ter einer aufschie- benden Da gleichfalls unter einer aufschiebenden Bedingung der Kauf und Verkauf geschlossen werden kann (§. 605.); so ist, wenn unter einer gewissen Bedingung der Kauf geschlos- Contracten. geschlossen worden, derselbe nicht eher Bedin- gung, wie auch ei- nes fet- tern Kaͤu- fers. richtig, als bis die Bedingung wuͤrck- lich vorhanden, noch sind die Contra- hirenden verbunden ihn zu vollziehen, und wenn die Bedingung nicht wuͤrck- lich wird, so ist der Kauff nichtig (§. 396.): So lange aber dieses noch zwei- felhaft ist, so ist keinem Theile nicht erlaubt davon abzugehen; indem die Hoffnung, der Kauf werde zu stande kom- men, keinem Theile genommen werden kann (§. cit. ). Es ist eine besondere Bedingung, wenn ein fetterer Kaͤufer sich finden solte. De- rowegen wenn man es ausmacht, daß die Sache nicht gekauft seyn soll, wann innerhalb einer gesetzten Zeit ein fette- rer Kaͤufer sich finden sollte; so ist der Kauf zwar gleich richtig, der Verkaͤu- fer kann aber doch die Sache einem fetteren Kaͤufer verkaufen: Wenn man aber also eines wird, daß die Sa- che gekauft seyn soll, wenn sich nicht in einer gewissen Zeit ein fetterer Kaͤu- fer findet; so wird der Kauf alsdann erst richtig, wenn sich in der Zeit kei- ner findet: Es ist aber doch keinem er- laubt vom Kaufe abzugehen. Naͤm- lich im ersten Falle ist die Bedingung eine aufloͤsende, im andern eine aufschiebende (§. 315.). B b 4 §. 608. II. Th. 12. H. Von beschwerlichen §. 608. Von Zu- eignung auf einen bestimm- ten Tag. Der Vertag, in welchem man verabredet, die Sache soll ungekauft seyn, woferne sich in einer gewissen Zeit ein fetterer Kaͤufer finden sollte, oder daß sie gekauft seyn soll, wofer- ne sich keiner findet, heißt die Zueignung (naͤmlich des Kaufs) auf einen bestimm- ten Tag (addictio in diem); und zwar im ersten Fall die unbedingte (pura), im an- dern die bedingte (conditionata). Man nennt aber einen fetteren Kaͤufer (emto- rem pinguiorem), der bessere Bedingungen, als der erste, anbietet; und bessere Bedin- gungen (conditionem meliorem) nennt man, was zum Nutzen des Verkaͤufers gerei- chet, z. E. wenn zum Preise etwas hinzuge- setzt wird, wenn die Zahlung in besserem Gel- de geschieht, wenn gleich gezahlt wird. Weil die Vertraͤge natuͤrlicher Weise an und vor sich selbst verbinden (§. 438.); so koͤnnen natuͤrlicher Weise zu einem jeden Con- tracte Vertraͤge hinzugesetzt werden, wenn gleich schon vorher derselbe zu seiner Richtigkeit gebracht worden; folglich kann auch die Zueign n ng zu ei- ner gewissen Zeit zu einem vorhin ge- schlossenen Kaufe gesetzt werden. Da aber in diesem Vertrage dieses ausgemacht wird, daß der Kauf entweder aufgehoben, oder nicht zu stande gebracht werde, wenn ein anderer eine bessere Bedingung anbietet; nicht aber, Contracten. aber, daß der Verkaͤufer den Kauf, wenn es ihn gereuet, nach seinem Belieben aufheben, oder nicht zu stande bringen kann (§. 607.); so kann der Verkaͤufer selbst keine bes- sere Bedingung anbieten. Es ist aber noch dieses zu mercken, daß die Zueignung zu einer gewissen Zeit entweder zum Vortheil des Verkaͤufers, oder zum Vortheil des Kaͤufers geschehen kann. Und im ersten Falle verstehet sichs leicht, daß dem Verkaͤufer frey stehe, ob er eine bessere Bedingung annehmen, oder nach der ersten gehen will: Jm andern aber der Kaͤufer gleich von seiner Ver- bindlichkeit loß sey, wenn eine bessere Bedingung angeboten wird, und der Verkaͤufer entweder diese, oder seine Sache behalten muͤße. Es erhellet auch ferner, daß der Verkaͤufer dem ersten Kaͤufer nicht anzuzeigen schuldig sey, daß und was vor eine Bedingung an- geboten worden, ehe er demjenigen, der sie anbietet, die Sache verkauft, woferne nicht besonders ausgemacht worden, daß er die Sache haben sol- le, wenn er eben dieselbe Bedingung erfuͤllen will. Da es aber dem Kaͤufer gleich viel gilt, ob ein anderer Kaͤufer die Sache bekommt, oder der Verkaͤufer, nachdem eine bessere Bedingung angeboten worden, die Sache selbst behaͤlt, und derselbe, indem er die Sache selbst behaͤlt, nichts thut, B b 5 was II. Th. 12. H. Von beschwerlichen was dem Rechte des ersten Kaͤufers zuwider waͤre (§. 83.); so kann der Verkaͤufer auch die Sache selbst behalten, wenn eine bessere Bedingung angeboten worden, wofern nicht ausdruͤcklich, wie vorher, es anders verabredet worden. §. 609. Vom verlustig- machen- den Ge- setze. Man nennet uͤberhaupt ein verlustig- machendes Gesetze (legem commissoriam) den Vertrag, in welchem verabredet wird, daß, woferne nicht geleistet wird, was einer vermoͤge einem andern Contract schuldig war, der Schuldner das verliehret, was er nach diesem Vertrage haben sollte. Und denn sagt man, was verlohren gehet, werde com- mittiret, oder man werde desselben verlustig. Jns besondere wird in dem gegenwaͤrtigen Contracte das verlustigma- chende Gesetze (lex commissoria) genannt, der Vertrag, in welchem dergestalt verabre- det wird, daß wenn der Kaͤufer das Geld in einer gewissen Zeit nicht zahlt, die Sache un- gekauft seyn soll. Der Vertrag also, wel- chem das verlustigmachende Gesetze angehaͤngt worden, wird alsobald auf- gehoben, wenn die in ihm befindliche aufloͤsende Bedingung (§. 315.) vor- handen. Und deswegen, wenn ein Kauf unter dem verlustigmachenden Gesetz geschlossen worden, und das Geld wird nicht innerhalb der gesetzten Zeit ge- zahlt; Contracten. zahlt; so kommt das Eigenthum der gekauften Sache von Rechts wegen ohne Verzug zum Verkaͤufer. Weil der Verkaͤufer sich nicht mit dem Schaden des Kaͤufers bereichern kann (§. 271.); so muß, wenn der Kaͤufer einen Theil des Gel- des gezahlt hat, und des Kaufes ver- lustig wird, ihm, was er gezahlet hat, wiedergegeben werden. Und weil der Kauf nur zum Vortheil des Verkaͤufers aufgeschoben wird, wenn das verlustig- machende Gesetze nur zu seinem Besten dazu gesetzt wird; so steht es lediglich bey ihm, ob er sich desselben bedienen will, oder nicht. Weil die Wuͤrckung des verlustigmachenden Gesetzes sich auf die auf- loͤsende Bedingung, so darinnen enthalten, gruͤndet; so ist eine jede aufloͤsende Be- dingung, welche zu einem Kaufe, oder uͤberhaupt zu einem Contracte oder Vertrage hinzugesetzt wird, diesem Gesetze gleich zu achten. Und aus die- ser Ursache nennt man es clausulam commis- soriam, wenn eine solche Bedingung dem Vertrage einverleibet wird, wodurch einer dessen verlustig wird, was er nach dem Ver- trag haben sollte, und der Vertrag selbst auf- gehoben wird. §. 610. Ein Vertrag, zu welchem eine aufloͤsende Von dem sich auf- loͤsenden Vertra- ge, vor Bedingung, sie mag beschaffen seyn, wie sie will, angehaͤngt wird, nennt man gewoͤhnlicher Weise II. Th. 12. H. Von beschwerlichen jetzt und nach die- sem. Weise einen aufloͤsenden Vertrag (pa- ctum resolutivum); dessen Arten also sind das verlustigmachende Gesetze und die Zu- eignung zu einer gewissen Zeit unter einer aufloͤsenden Bedingung. Man nennt aber einen aufloͤsenden Vertrag vorjetzt (pa- ctum resolutivum ex nunc), wenn der Con- tract dergestalt aufgehoben wird, als wann er gleich Anfangs null und nichtig gewesen waͤ- re: Hingegen einen aufloͤsenden Vertrag nach diesem (resolutivum ex tunc), wenn der Contract zu der Zeit aufgehoben wird, in welcher die Bedingung wuͤrcklich wird, daß er von der Zeit an erst vor null und nichtig gehalten wird. Weil es von Natur bloß auf den Willen der Contrahirenden ankommt, wie sie etwas verabreden wollen (§. 385. 438.); so steht es auch in ihrem Gefal- len, ob der Vertrag, wenn die aufloͤ- sende Bedingung vorhanden, vorjetzt oder nach diesem aufgeloͤset werden soll. §. 611. Von dem Recht des Vor- kaufs. Weil, wenn man es verabredet, daß wenn der Kaͤufer die gekaufte Sache wieder verkau- fen will, er sie uns, oder einem gewissen drit- ten verkaufen soll, oder daß ihm nicht erlaubt seyn soll, sie einem andern zu verkaufen, wenn wir, oder derselbe dritte eben geben will, was der andere giebt; so wird der Vertrag, wel- cher dem Kaufe und Verkaufe hinzugefuͤgt worden, der Vertrag des Vorkaufs (pa- ctum Contracten. ctum de retrahendo) genannt; das durch die- sen Vertrag erworbene Recht aber das Recht des Vorkaufs (jus retractus), in dem buͤr- gerlichen Recht mit dem Zusatze das verab- redete Recht des Vorkaufs (jus retra- ctus conventionale), weil es aus dem Ver- trage kommt; im Gegensatz des gesetzmaͤs- sigen (legale), welches gewissen Personen durch Gesetze zugeeignet wird, und bloß buͤr- gerlichen Rechtes ist. Dieses Recht des Vorkaufs ist ein Vorrecht, und wird dadurch das Recht zu veraͤussern ver- mindert (§. 257.), doch ohne Schaden des Eigenthumsherrn (§. 269.). Da man das Vorrecht (jus protimiseos) das- jenige zu nennen pflegt, da einer in einer ge- wissen Handlung einem andern, oder mehrern vorgezogen werden muß; so ist das Recht des Vorkaufs ein Vorrecht, aber nicht umgekehrt, jedes Vorrecht ein Recht des Vorkaufs. Weil aber das Recht des Vorkaufs durch den Vertrag auf den Kauf und Verkauf eingeschraͤnckt wird; so findet es nicht statt, wenn eine Sa- che, die demselben unterworfen, unter einem andern Titel, als des Kaufs und Verkaufs veraͤussert wird; z. E. wenn sie verschenckt, oder vertauscht wird (§. 318.). Da nach dem Rechte der Natur ein jeder sein Recht dem andern abtreten kann (§. 342.), wofern es kein persoͤnlich Recht ist (§. 400.); so kann auch das Recht des Vorkaufs abge- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen abgetreten werden, wenn nicht aus- drucklich gesagt worden, daß es kei- nem andern abgetreten werden soll, noch auch anders woher erhellet, daß es auf die Person, die den Vorkauf hat, ein- geschraͤnckt ist (§. 318.). §. 612. Der Ver- trag vom Wieder- kauf und Wieder- einloͤ- sung. Wenn man es also verabredet, daß, wenn es einem gefaͤllt, oder zu einer gewissen Zeit, oder innerhalb einer gewissen Zeit, einer die verkaufte Sache wiederkaufen kann, so wird der Vertrag, welcher dem Kaufe und Ver- kaufe hinzugefuͤgt wird, der Vertrag vom Wiederkaufe (pactum de retrovendendo), oder des Wiederkaufs (pactum retroven- ditionis) genannt. Derowegen wird der Kaͤufer zwar verbunden, die Sache wieder zu verkaufen, der Verkaͤufer aber nicht sie wieder zu kaufen. Da von diesem Vertrag allerdings unterschieden ist, wenn man verabredet, daß die verkaufte Sache entweder zu einer gewissen Zeit, oder innerhalb einer gewissen Zeit wiedergekauft werden muß, so wollen wir dieses den Ver- trag vom Wiedereinloͤsen (pactum de re- dimendo) nennen. Und aus dem Vertra- ge von der Wiedereinloͤsung ist der Verkaͤufer verbunden die Sache wie- derzukaufen, aber der Kaͤufer nicht sie wieder zu verkaufen. Das uͤbrige ver- steht sich von beyden Vertraͤgen so, wie von den uͤbrigen allen, die hinzugefuͤgt werden, aus Contracten. aus dem, was gesagt, oder auf eine andere Weise hinlaͤnglich zu verstehen gegeben wor- den ist (§. 318.). §. 613. So bald aus dem Kaufe und Ver- Wer den Vortheil und die Gefahr einer ge- kauften Sache in ver- schiede- nen Faͤl- len hat. kaufe, es moͤgen Vertraͤge hinzu- kommen seyn, was fuͤr welche wollen, der Kaͤufer das Eigenthum erhaͤlt; da nun derselbe der Eigenthumsherr ist, und der Verkaͤufer aufhoͤret es zu seyn (§. 195.); so gehoͤrt auch aller Vortheil, welcher aus der Sache erhalten werden kann (§. cit. ), dem Kaͤufer, und es faͤllt auf ihn auch alle Gefahr, daß sie verschlim- mert, verlohren oder gantz verdorben werden kann (§. 243.). Und daher laͤßt sich leicht in einem jeden Falle entscheiden, wessen natuͤrlicher Weise der Vortheil und die Gefahr sey. Da man aber selbst nach dem Rechte der Natur verabreden kann, wie es den Contrahirenden gutduͤncket (§. 385. 438.); so kann man auch mit einander eines werden, daß es unter gewisser Bedingung, oder auf eine gewisse Zeit der Verkaͤufer das Eigenthum behaͤlt, der Vortheil aber und die Gefahr auf den Kaͤufer faͤllt, oder auch das Ge- gentheil mit einander ausmachen: Ja daß das Eigenthum nebst der Gefahr auf den Kaͤufer kommt, der Vortheil aber unter einer gewissen Bedin- gung, II. Th. 12. H. Von beschwerlichen gung, oder auf eine gewisse Zeit dem Verkaͤufer verbleibe. §. 614. Von dem Kauf ei- ner Sa- che, wel- che durch den Ge- schmack soll pro- biret, oder vor- her be- sichtiget werden. Wenn eine Sache verkauft wird, welche vorher durch den Geschmack probiret, oder auch besichtiget werden soll, als wenn einem Wein im Keller ver- kauft wird, den man erst kosten will; so ver- steht es sich von selbst, daß die Sache nicht anders, als unter dieser Bedin- gung gekauft sey, wenn man sie vor gut befunden; folglich faͤllt die Gefahr und der Vortheil nicht eher auf den Kaͤufer, als wenn er sie gekostet oder angesehen hat, und vor gut befunden (§. 613.). Von dem Vortheil und der Gefahr, wenn un- ter zwey- en Sa- chen, die verkauft worden, welche man wird ha- ben wol-len. §. 615. Da der Kaͤufer keine Sache vor der Wahl eigenthuͤmlich haben kann, wenn unter zweyen eine oder die andere verkauft worden (re al- ternative vendita); so ist so wohl der Vor- theil, als die Gefahr von beyden Sa- chen des Verkaͤufers, wenn unter zweyen Sachen eine dergestalt ver- kauft, daß dem Kaͤufer eine freye Wahl gelassen wird; so lange naͤmlich die Wahl noch nicht geschehen (§. 613.). §. 616. Wenn der Ver- kaͤufer in Weil der Kauf nicht zu stande kommt, wenn man das Geld nicht gleich zahlet (§. 569.), oder Contracten. oder der Verkaͤufer in die Frist williget (§. den Auf- schub der Zahlung nicht ein- williget, und wo- vor man wegen des Ver- zugs zu stehen hat. 597.); so ist der Kauf nichtig, wenn man wegen des Preißes eines worden, und der Verkaͤufer in den Aufschub der Zahlung nicht willigen, oder keine Frist verstatten will; folglich wenn der Kaͤu- fer wiederkommt, und gleich zahlen will; so ist der Verkaͤufer nicht schul- dig ihm die Sache vor den Preiß zu laßen. Da einer am Verzuge schuld ist, wenn er zur gesetzten Zeit nicht zahlt (§. 417.); so muß er dem Verkaͤufer so viel leisten, als der Gebrauch des Gel- des von dem Tage des Verzugs an gilt (§. 419.). §. 617. Eine Sache wird behauptet (evinei- Von der Behaup- tung ei- ner Sa- che und der Ge- wehrlei- stung. ret, res evineitur ), wenn einer dieselbe wegen des Rechts, welches er an ihr hat, und doch nicht ausuͤben kann, wenn sie nicht in seiner Gewalt ist, vom Besitzer wegnimmt, z. E. wenn der Eigenthumsherr eine Sache, die von einem, der nicht Eigenthumsherr war, gekauft war, sich wieder zueignet (§. 262.). Man sagt aber, daß einer die Gewehr lei- ste (evictionem præstare), welcher dem an- dern wegen des Schadens genugthut, den er dadurch leidet, daß die Sache von einem an- dern behauptet worden. Da man einen jeden Besitzer vor den Eigenthumsherrn haͤlt, wo- fern nicht wahrscheinliche Gruͤnde vor das Ge- gentheil vorhanden (§. 455.), folglich der Nat. u. Voͤlckerrecht. C c Kaͤu- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen Kaͤufer mit dem Verkaͤufer, als dem Eigen- thumsherrn, den Vertrag macht, wenn er nicht weiß, daß die Sache einem andern zu- gehoͤrt; so ist in jedem Kaufe diese Be- dingung stillschweigend enthalten, daß die Gewehr geleistet werde; folglich ist nach dem Naturrechte nicht noͤthig, daß die Gewehre ausdruͤcklich verspro- chen werde; jedoch kann einer auf die Gewehrleistung Verzicht thun (§. 342.). Weil derjenige, der wissentlich von einem, welcher nicht Eigenthumsherr ist, etwas kauft, weiß, daß er nur den Besitz kaust (§. 588.), folglich in die Gefahr einwilliget, daß sie von einem andern kann behauptet werden (§. 593.); so ist der Verkaͤufer einer fremden Sache, dem der sie wissentlich kauft, nicht verbunden die Gewehre zu leisten. Und weil nicht weniger ein Recht, welches einer in einer verkausten Sache hat, behauptet oder evinciret werden kan; so ist der Verkaͤufer auch verbunden die Ge- wehre wegen eines Rechts, welches der dritte an einer Sache hat, zu lei- sten. Weil aber der, welcher etwas schenckt, da er es umsonst giebt (§. 475.), kein ander Recht auf den, welchem er es schenckte, kann bringen wollen, als er in der Sache hat; so ist er auch nicht verbun- den die Gewehre zu leisten. Es ist bloß buͤrgerlichen Rechtes, daß man bey einem Ge- schencke, das zu einer Vergeltung geschehen, die Contracten. die Gewehre leisten muß; massen der, wel- chem etwas geschenckt wird, dazu kein voll- kommenes Recht hat (§. 482.). §. 618. Einen Fehler einer Sache (vitium Von den Fehlern der ge- kauften Sache. rei) nennt man eine zufaͤllige Beschaffenheit derselben, welche sie zu ihrem Gebrauch un- geschickt macht. Da die Sachen des Ge- brauchs wegen gekauft werden, und man folg- lich nicht vermuthen kann, daß jemand feh- lerhafte Sachen kaufen wolle; so muß der Verkaͤufer die Fehler dem Kaͤufer an- zeigen, welche nicht in die Augen fal- len, oder sonst bekannt sind; folglich vielweniger sie sorgfaͤltig verbergen, damit sie nicht in die Augen fallen koͤn- nen. Und weil ein Fehler einer Sache et- was dergleichen ist, so geschaͤtzt werden kann, in so ferne er naͤmlich eine Sache, die an und vor sich selbst zu einem Gebrauche geschickt ist, dazu untuͤchtig macht; so vermindern die Fehler den Preiß einer Sache; ja, wenn ein Fehler die Sache gantz unbrauch- bar macht, so benimmt er ihr allen Werth. Ja, da man nicht weniger einen vorsaͤtzlichen, als unvorsaͤtzlichen Betrug ver- meiden soll (§. 286.); so muß der Preiß, wenn die Sache wegen eines verbor- genen Fehlers gaͤntzlich unnuͤtze ist, dem Kaͤufer wieder ersetzt werden: Wenn sie aber noch einigen Gebrauch haben kann, oder der Schaden auf an- C c 2 dere II. Th. 12. H. Von beschwerlichen dere Weise gut gemacht werden; so muß derselbe wenigstens ersetzt werden (§. cit. ). Es erhellet leicht, daß die Rechte, welche der dritte in einer gekauften Sa- che hat, zu den Fehlern zu zehlen sind. §. 619. Von dem, was drauf ge- geben wird. Das was auf den Contract gegeben wird (arrha) nennt man das Geld, oder die Sache, welche von einem Theile der Con- trahirenden dem andern zu mehrerer Sicher- heit gegeben wird, um nemlich den Contract beweisen zu koͤnnen, und ihn zu bestaͤtigen. Es verlangt also, daß ihm etwas drauf gegeben werde, wem am meisten dran gelegen ist, daß vom Contract nicht abgegangen werde; es giebt auch ei- ner freywillig etwas darauf, wenn er besorget, der andere moͤchte den Con- tract nicht halten wollen, oder wenn er noch nicht voͤllig seine Richtigkeit hat, nicht zu stande gebracht wer- den. Es erhellet also, daß etwas drauf geben ein besonderer Contract, oder Vertrag ist, und daß derselbe nicht al- lein zum Kaufe und Verkaufe, son- dern zu jedem andern Contract hin- zukommen kann; daß aber dadurch nichts in dem Contract, dazu er kommt, veraͤndert wird. Allein da von dem, was darauf gegeben wird, das gilt, was man mit einander abgeredet hat (§. 318.); so wird das als ein Theil desjenigen gerechnet, was Contracten. was einer nach dem Contracte schul- dig ist, was er in dieser Absicht darauf gegeben: Woferne es aber nur zur Sicherheit, daß der Contract erfuͤllet werden soll, gegeben wird; so muß es, wenn dieses geschehen, wiedergegeben werden. Aus eben dem Grunde erhellet, daß, wenn etwas mit dem Gedinge drauf gegeben wird, daß man es zu dem rechne, was man nach dem Con- tracte schuldig ist, wenn, der es gegeben, demselben ein Gnuͤgen gethan, im widrigen Falle aber behalten werde; so gewinnt der, welcher es bekommen hat, was drauf gegeben worden, wo- fern dem Vertrage kein Gnuͤgen ge- schehen: Weil doch aber derjenige, welcher angenommen, was darauf gegeben worden, zwar darein gewilligt hat, daß es dem Geber frey stehen solle, ob er das drauf gegebene ver- lieren, oder den Contract halten will; dieses aber nicht deswegen geschehe, daß es dem an- dern, der es angenommen, freystehen solle vom Vertrage abzugehen, wenn er das, was drauf gegeben worden, wiedergiebt; so steht es dem, der es angenommen, nicht frey, ob er das drauf gegebene wieder- geben, oder den Contract lieber halten will. Wenn man es aber also verab- redet, daß, wofern einer der Theilneh- menden den Contract nicht erfuͤllen wollte, der, welcher etwas drauf ge- C c 3 geben, II. Th. 12. H. Von beschwerlichen geben, mit Verlust des drauf gegebe- nen vom Contract abgehen koͤnne, der andere aber auf diesen Fall es doppelt wiedergeben solle; so ist, indem es auf den Willen derer, die den Vertrag machen, ankommt, ob sie ihren Contract so einrich- ten wollen (§. 385. 438.), und es erlaubt ist unter einer Strafe zu contrahiren (§. 410.), der Contract nach dem Gesetze der Na- tur wiederruflich, aber unter einer Strafe gemacht worden. Gleicher ge- stalt wenn man es also verabredet, daß wenn der, der etwas drauf gege- ben, vom Contract abgehen will, des- selben verlustig wird, der andere aber, der es bekommen, auf diesen Fall dop- pelt so viel ersetzen soll, doch unbe- schadet des Rechtes dessen, welcher den Contract erfuͤllen will; so besteht der Contract, da er unter der Strafe der Reue also gemacht wird, mit dem Verluste des drauf gegebenen, oder mit Wiederer- stattung des Doppelten. Es erhellet aber, daß in diesem Fall dadurch, wenn et- was darauf gegeben wird, der Contract ver- bindlicher gemacht wird, als wenn man nichts drauf giebet, indem man mehr angetrieben wird den Contract zu erfuͤllen (§. 35.). Wenn man von dem, was drauf gegeben worden, nichts besonders verabredet hat; so ist, da es als ein Zeichen des einge- gangenen Contracts und der Bestaͤndigkeit des Willens Contracten. Willens gegeben worden, nicht erlaubr mit Verlust dessen, was drauf gege- ben worden, von dem Contracte abzu- gehen; folglich, wenn der Contract er- fuͤllt, oder, wenn er nicht mehr erfuͤllt werden kann, das Jnteresse erleger worden (§. 415.), muß das, was drauf gegeben worden, wiedergegeben wer- den, oder wenn Geld darauf gegeben worden, auf das, was man zu zahlen hat, gerechnet werden. Weil ich end- lich nicht verbunden bin, dem andern, wenn er vom Contracte abgehet, nachdem er schon etwas geleistet hat, etwas wiederzugeben (§. 443.); so ist der Verkaͤufer, wenn der Kaͤufer, nachdem er schon etwas ge- zahlt, oder drauf gegeben, die Sache aber noch nicht ihm uͤbergeben wor- den, von dem Contract abgeht, nicht gehalten, was er bekommen, wiederzu- geben, ob er gleich von seiner Seite auf die Erfuͤllung des Contracts nicht dringet. §. 620. Das Vermiethen und Miethen (lo- Vom Vermie- then und Mie- then, Pachten und Ver- pachten. catio conductio) nennt man den be- schwerlichen Contract, in welchem fuͤr einen gewissen Lohn ein gewisser Gebrauch einer Sache erlaubt, oder eine gewisse Arbeit gelei- stet wird. Der Preiß, welcher fuͤr den Ge- brauch einer Sache, sonderlich einer unbeweg- lichen gezahlt wird, nennt man die Zinse C c 4 (pen- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen (pensio). Wer fuͤr den Gebrauch einer Sa- che den Lohn zahlt, wird der Miethende in Ansehung der Sache (conductor rei); wer aber fuͤr die Arbeit den Lohn giebt, der Mie- thende in Ansehung der Arbeit (conductor operarum) genannt. Wer aber fuͤr den Lohn den Gebrauch einer Sache erlaubt, heist der Vermiethende einer Sache (locator rei), und wer fuͤr seine Arbeit den Lohn em- pfaͤngt, der Vermiether der Arbeit ( loca- tor operarum, der Arbeitsmann). Jnsbe- sondere heist der, welcher ein Haus gemiethet, oder eine Wohnung in demselben, ein zur Miethe sitzender, oder ein Hausmann (inquilinus). Wer fruchtbare Sachen, oder Landguͤther gemiethet, der Pachter (colo- nus), und der sie ihm vermiethet, der Ver- pachter. Wenn einem eine Arbeit verdun- gen wird, so heist derjenige, dem sie verdun- gen worden, redemtor, hat aber im Deut- schen keinen besonderen Nahmen. Er ist aber einerley mit dem Arbeitsmanne; als wenn ein Zimmermann mit uns einen Contract macht, daß er ein Haus fuͤr einen gewissen Preiß aufbauen will. §. 621. Wenn der Con- tract sei- ne Rich- tigkeit hat, und die daher entsprin- Da der Contract des Vermiethens und Miethens zu seiner Richtigkeit nichts weiter erfordert, als daß der Vermiether die Er- laubniß des Gebrauchs einer Sache, oder zu leistenden Arbeit fuͤr den zu zahlenden Lohn, und der Miethende die Zahlung des Lohns fuͤr Contracten. fuͤr den Gebrauch der Sache, oder fuͤr die gende Verbind- lichkei- ten. verlangte Arbeit verspricht (§. 620. 380.); so hat das Miethen und Vermiethen alsobald seine Richtigkeit, als die Con- trahirende den Lohn fuͤr den Ge- brauch der Sache, oder fuͤr die ver- langte Arbeit verabredet haben; so bald aber der Contract seine Richtig- keit erhalten, ist der Vermiether ver- bunden den verabredeten Gebrauch der Sache einzuraͤumen; folglich die Sache in dem Stande zu gewehren, wie es der Gebrauch erfordert, oder die versprochene Arbeit zu verrichten, und der Miether ist verbunden den Lohn zu geben, wenn er gleich nicht die Sache, oder die Arbeit unter der Zeit hat brauchen koͤnnen; wenn er nur die Sache, oder die Arbeit unter der Zeit keinem andern vermiethet hat; da er sonst selbst vom Contracte abgeht (§. 442.), und solcher gestalt von dem andern in keinen Schaden gesetzt worden, den dieser wieder zu ersetzen haͤtte (§. 269. 270.). §. 622. Weil der Vermiether dem Miethenden das Wenn ei- ne ver- miethete Sache ei- nem an- dern vom Vermie- ther ver- miethet Recht, die Sache abgeredter massen zu ge- brauchen, einraͤumet (§. 620.); so kann er die Sache wehrender Zeit, da sie der, welcher sie gemiethet, nicht braucht, nicht selbst gebrauchen; und wenn er sie unterdessen einem andern vermie- C c 5 thet, II. Th. 12. H. Von beschwerlichen worden, und wie man die vermie- thete Sa- che zu gebrau- chen hat. thet; so gehoͤret, was er davor be- kommt, dem, der sie von ihm gemie- thet hat; indem ihm schon der Gebrauch der Sache zugehoͤrt. Ja, aus eben der Ur- sache, kann er sie ohne seine Einwilli- gung keinem andern vermiethen. Jm Gegentheil darf der sie gemiethet, die Sache nicht anders brauchen, als es verabredet worden, sonst begeht er ei- nen Diebstahl des Gebrauchs (§. 264.). Ja wenn er die Sache anders braucht, oder mißbraucht; so kann der Vermie- ther den Contract auf heben (§. 442. 581.). §. 623. Von der Leistung der Ar- beiten. Gleichergestalt kann der, welcher einen andern zu einer gewissen Arbeit gedun- gen, ihm keine andere Arbeit zumu- then, als die verabredet worden, auch zu keiner andern Zeit, als zu der verab- redeten (§. 317.); und der Arbeiter muß gleichfalls die Arbeit zur verabre- deten Zeit leisten (§. 438.); sonst muß er davor stehn, was dem andern dar- an gelegen, daß sie zur verabredeten Zeit nicht geleistet worden (§. 415.): Und da, der sich zur Arbeit verdungen, vom Contracte abgehet; so kann der, welcher ihn gedungen, wenn es ihm gefaͤllig, eines andern Arbeit dingen (§. 442.). §. 624. Contracten. §. 624. Wenn einer eine Sache oder Arbeit, die Vom Wieder- vermie- then. ihm vermiethet worden, vermiethet, so wird die Vermiethung, die von ihm geschehen, die Wiedervermiethung (sublocatio) ge- nannt. Da das Recht die Sache oder die Arbeit zu brauchen, dem, der sie gemiethet, eingeraͤumet worden (§. 620.); so ist das Wiedervermiethen einer Sache zu eben dem Gebrauch, zu welchem sie war gemiethet worden, wie auch der Ar- beit, dazu man einen gedungen, er- laubt, wofern nicht verabredet wor- den, daß dieses nicht geschehen solle; weil man alsdann bloß das Recht zu gebrau- chen, ohne die Gewalt wieder zu vermiethen erhalten, und dasselbe auf keine andere Wei- se einem zukommen kann (§. 317.). §. 625. Da wir niemand, wenn er hinwiederum et- Was ver- miethet werden kann. was geben, oder thun kann, etwas umsonst zu geben und zu thun schuldig sind, und man bey der Vermiethung nichts anders als den Gebrauch der Sachen fuͤr einen gewissen Lohn, nicht aber die Sache selbst uͤberlaͤßt; weil sie sonst verkauft wuͤrde (§. 587.); so koͤnnen alle Sachen, welche durch den Gebrauch nicht verbraucht werden, so wohl die koͤrperlichen, sie moͤgen be- weglich oder unbeweglich seyn, als auch die unkoͤrperlichen, wie auch alle Arbeit und Verrichtungen, die nicht uner- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen unerlaubt sind, vermiethet und gemie- thet werden; weil wir, was unerlaubet ist, zu unterlassen verbunden sind, und von die- ser Verbindlichkeit nicht koͤnnen befreyet wer- den (§. 49. 42.). §. 626. Ob der Lohn in einer Sa- che beste- hen kann. Weil der Preiß der Sachen nach Gelde geschaͤtzt wird, und es also einerley ist, ob ei- ner Geld, oder eine Sache, welche so hoch am Gelde werth ist, giebt; bey dem Vermiethen und Miethen aber das Geld fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder einer Arbeit gegeben wird (§. 620.); so ist es nach dem Recht der Natur ein Vermiethen und Miethen, wenn fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder Arbeit eine gewisse verabredete Sache gegeben wird; folglich ists auch ein Miethen und Vermiethen, wenn theils Geld, theils eine Sache gege- ben wird. §. 627. Von ei- nem still- schwei- gend ver- abrede- ten Loh- ne. Da man fuͤr den Gebrauch einer Sache, oder fuͤr Arbeit einen verabredeten Lohn zah- len muß (§. 620.); so nimmt man an, daß, wenn von dem Lohne nichts ausdruͤcklich gesagt worden, die Con- trahirenden in den gewilliget haben, welcher gewoͤhnlicher Weise fuͤr sol- chen Gebrauch, oder fuͤr dergleichen Arbeit gegeben zu werden pflegt, oder um den Lohn, den der gegeben, wel- cher vorher gemiethet hatte. Eben dieses Contracten. dieses verstehet sich, wenn man verabre- det, daß man einen billigen Lohn, oder den, welchen andere geben, geben wol- le: Denn alsdann muß man den Lohn geben, welchen andere zu geben pfle- gen. §. 628. Weil man auch zum Miethen und Ver- Von den hinzuge- fuͤgten Vertraͤ- gen. miethen Vertraͤge hinzusetzen kann, nachdem es die Contrahirenden vor gut befinden, wie beym Kaufen und Verkaufen zu geschehen pflegt (§. 605.); so muß man, was in den hin- zugefuͤgten Vertraͤgen verabredet wor- den, halten (§. 348.). Dergleichen Ver- trag ist, wenn das Wiedervermiethen verbo- then wird (§. 624.); wenn der Gebrauch der Sache auf gewisse Art eingeschraͤnckt wird; wenn man sich ausdinget, daß der Lohn vor- aus gezahlt werden soll; wenn man eines wird, daß der Contract null und nichtig seyn soll, wenn der Lohn nicht auf gewissen Tag gezahlt wird, und gleich erlaubt seyn, die Sache einem andern zu vermiethen; wenn das Vermiethen gleich aufhoͤren solle, so die Sache verkauft worden, oder man sie zum eigenen Gebrauche noͤthig haben sollte. Denn da einem ein Recht, welches er aus dem Con- tracte erhalten, wider seinen Willen nicht ge- nommen werden kann (§. 100.); so wird na- tuͤrlicher Weise das Vermiethen, so auf eine gewisse Zeit geschehen, dadurch nicht geendi- get, daß man die Sache vor dieser Zeit ver- kauft, II. Th. 12. H. Von beschwerlichen kauft, oder zu seinem eigenen Gebrauche noͤ- thig hat. Es ist aber nicht noͤthig, daß von einem jeden dieser Vertraͤge, welche gemacht werden koͤnnen, insbesondere gehandelt wird. §. 629. Wenn das Ver- kaufen ei- ner ver- miethe- ten Sa- che, oder die Ver- richtung der Ar- beit durch an- dere nicht un- erlaubt ist. Da der Vermiether dem Miethen- den zu nichts anders verbunden ist, als den verabredeten Gebrauch der Sache zu ver- schaffen (§. 620.); so ist es nicht unge- recht, daß er, wenn er ihm ohne seine Kosten eine eben so beqveme Sache von der Art verschaft, die Sache ver- kauft, oder zu seinem eigenen noth- wendigen Gebrauche dem, der sie ge- miethet, wegnimmet. Eben dieses ver- steht sich, daß, wenn einer selbst die Ar- beit nicht verrichten kann, er einen andern an seine Stelle verschaft, der sie eben so gut thun kann. §. 630. Wenn ei- ner sich auf ein- mahl mehre- ren ver- dungen. Wenn einer, der sich einem wozu verdungen, auf einmahl mehreren zu- gleich nuͤtzlich seyn kann; so ist nicht zu zweifeln, daß, da man zweymahl ver- sprechen kann, was man zweymahl zu leisten im Stande ist (§. 421.), und da wenig dran gelegen, ob es durch eine oder zwey verschie- dene Handlungen geschiehet, man sich da- zu, wozu man sich einem verdungen, auch zugleich einem andern verdingen kann, und auf einmahl von einem jeden den gantzen Lohn nehmen. Es sey Contracten. sey zum Exempel ein Bote, der Briefe zu uͤberbringen gedungen ist. Weil aber, wenn man sich mehreren zusammen genom- men verdungen, alle zusammengenom- men nur als eine Person anzusehen, folglich alle zusammengenommen den Lohn nur ein- mahl zu zahlen schuldig sind; so zahlt ein jeder von ihnen nur seinen Theil vom Lohne, wie es unter ihnen ausgemacht worden. Wenn aber sich einer wozu zweyen verdinget, was er nur einem leisten kann; so gehet der erste dem an- dern vor (§. 421.). §. 631. Wenn eine Sache auf eine gewisse Vom wieder von neuem miethen und dem Aufsagen der Mie- the. Zeit vermiethet worden, oder man sich zu einer Arbeit vermiethet; so hoͤrt nach dem Verlauf der Zeit das Recht des Miethenden auf, und der Con- tract wird geendiget (§. 317. 318.); folglich da man sagt, die Miethe werde aufgesagt (locatio \& conductio renunciari dicitur), wenn entweder der Vermiether dem Miethenden, oder dieser jenem anzeigt, daß er uͤber eine gewisse Zeit nicht mehr an den Con- tract gebunden seyn wolle; so ist nach dem Naturrecht kein Aufsagen der Miethe nothwendig, wenn man es nicht be- sonders verabredet hat (§. 628.). De- rowegen, da man sagt, eine Sache oder Arbeit werde von neuem vermiether, oder verdungen (res vel opera relocari di- citur), II. Th. 12. H. Von beschwerlichen citur), wenn sie dem, der sie vorher gemiethet hatte, nach geendeter Zeit von neuem vermie- thet wird; so ist die Wiedervermie- thung ein neuer Contract, der von dem vorhergehenden gantz unterschie- den ist; folglich koͤnnen demselben neue Vertraͤge, sie moͤgen beschaffen seyn, wie sie wollen, hinzugesetzt werden, oder man kan demselben eine neue Be- dingung geben, die von der vorherge- henden unterschieden. Weil man aber auch stillschweigend wegen einer Sache eines werden kann (§. 439.); so verstehet sichs, daß die neue Vermiethung stillschweigend auf die vorhergehende Weise gesche- hen sey, wenn der, welcher die Sache gemiethet, ohne Widerspruch des Ver- miethers sie uͤber die Zeit braucht, oder die Miethe, wie man es verabredet, nicht aufgesagt worden (§. 441.). §. 632. Von der Vermie- thung, die durch den Tod, oder durch das Aufhoͤ- ren des Rechts an einer Sache geendet wird. Wenn die Dauer eines Contracts auf dem Willen eines oder beyder Per- sonen beruhet; so ist, da der todte zu wollen aufhoͤret, durch den Tod dessen, auf den die Dauer des Contracts an- kommt, folglich in dem letzten Falle durch den Tod eines von beyden, die Miethe zu Ende. Da niemand mehr Recht dem andern durch das Vermiethen ein- raͤumen kann, als er selbst an der Sache hat (§. 258.); so ist das Vermiethen zu Ende, Contracten. Ende, so bald das Recht des Vermie- thers an der Sache aufhoͤrt. §. 633. Weil dem Miethenden der Gebrauch der Von dem Scha- den, der an der Sache, oder an dem Ge- brauch derselben verur- sacht worden. Sache vermiethet wird (§. 620.); so ist der Vermiether schuldig in die Verschlim- merung zu willigen, ohne welche der Gebrauch der Sache nicht erhalten werden kann. Allein wenn die Sache mit Vorsatz oder aus Versehn dessen, der sie gemiethet, verschlimmert, oder gaͤntzlich zernichtet wird; so ist dieser den Schaden zu ersetzen schuldig (§. 270.). Da aber die Sache dem Vermiether eigenthuͤmlich bleibt, und nur der Gebrauch dem andern zukommt (§. 620.); so faͤllt der Schaden auf den Vermiether, der durch einen Zufall sich ereignet, daran der sie gemiethet keine Schuld hat: Hin- gegen auf diesen, wenn er den Ge- brauch der Sache betrift, woferne nicht etwas von einem Erlaß verabre- det worden (§. 342. 628.). Wenn aber durch einen Zufall der Gebrauch der Sache gaͤntzlich wegfaͤllt; so muß, in- dem der Lohn fuͤr den Gebrauch gegeben wird, derselbe erlassen werden. §. 634. Auf gleiche Weise erhellet, daß, da es dem, Von dem Scha- den, den einer lei- det, der sich zu der einen andern zu einer Arbeit gedungen, nicht zugerechnet werden kann, wenn er bey der Arbeit durch sein Versehen Scha- Nat. u. Voͤlckerrecht. D d den II Th. 12. H. Von beschwerlichen einer Ar- beit ver- dungen, und dem Schaden in der verdun- genen Sache. den leider (§. 3.), fuͤr welchem er sich in acht nehmen sollte (§. 269.); der ihn gedun- gen, denselben zu ersetzen nicht schul- dig ist. Und weil die Zufaͤlle nicht vor- aus gesehen werden koͤnnen; so muß der, wel- cher sich zu einer Arbeit fuͤr Lohn verdinget, die Gefahr auf sich nehmen, die ihm deswe- gen begegnen koͤnte; folglich darf der ihn gedungen ihm auch den Schaden nicht ersetzen, darein er durch einen Zufall gerathen. Wenn er also ein Werck- zeug bey der Arbeit, die er versprochen, zerbricht, oder verdirbet; so ist der Schaden sein, wie auch wenn die Ma- terie Schaden nimmt, die ihm zuge- hoͤrt, und woraus er uns etwas ma- chen sollte: Allein wenn die Materie unser ist, bey welcher sich der Zufall ereignet; so ist der Schaden unser (§. 243.). Es ist allerdings klar, daß der durch seine Schuld den Schaden verursacht hat, der aus einer uns zugehoͤrigen Materie eine fehlerhafte Sache ge- macht hat (§. 21. 269.); und daher, wenn der Fehler verbessert werden kann, muß er ihn ohne Lohn verbessern: Wenn aber dieses nicht angeht; so muß er die Materie bezahlen und die feh- lerhafte Sache behalten (§. 270.). Weil man einen Kuͤnstler (artifex) nennt, der eine Kunst wohl verstehet, oder ausuͤbet; so ist die Unwissenheit des Kuͤnstlers, oder desje- Contracten. desjenigen, der sich davor ausgiebet, allerdings ein Versehen (§. 21.). Weil endlich ein Werck, das wir einem andern ver- dungen haben, unser ist; so ist der Scha- den unser, wenn sich ohne die Schuld dessen, dem es verdungen worden, durch einen Zufall in dem angefange- nen, oder auch vollendeten Wercke ein Schaden ereignet (§. 243.): Aber wenn der Schade wegen eines Fehlers im Wercke, oder der verfertigten Sache geschiehet; so muß der, dem es ver- dungen worden, den Schaden ersetzen; als daran er schuld ist, vermoͤge dessen, was vorhin erwiesen worden (§. 270.). §. 635. Wenn man mit einem Kuͤnstler ei- Vom Kaufe ei- ner Sa- che, die ein ande- rer uns machen sollte. nes wird, daß er eine Sache aus sei- ner Materie mache, dergestalt daß man wegen des Preißes einig wird, so davor gezahlet werden soll, wenn sie fertig ist, und gut befunden wor- den; so ist, indem man nicht einen Lohn fuͤr die Arbeit verabredet, sondern wegen des Preißes der Sache eines wird, der Con- tract kein Vermiethen und Miethen (§. 620.), sondern ein Kauf und Ver- kauf einer kuͤnftigen Sache, welcher un- ter der Bedingung geschlossen wird, wenn sie keinen Fehler haben wird (§. 587. 590.). Und weil im Kaufen und Ver- kaufen eine Sache zu Ergaͤntzung des Preißes D d 2 zuge- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen zugegeben werden kann (§. 599.); so bleibt es noch ein Kauf und Verkauf, wenn die zu Verfertigung der Sache gege- bene Materie, oder auch eine andere Sache dergestalt gegeben wird, daß man sie anstatt Geldes annimmt. §. 636. Von Un- kosten, die auf eine ge- miethete Sache verwen- det wer- den. Weil der Vermiether eine Sache, die zu dem gemietheten Gebrauche geschickt ist, ge- ben muß (§. 621.); so ist, wenn, der sie gemiethet, nothwendige Unkosten auf- gewandt hat, ohne welche naͤmlich die Sa- che den Gebrauch nicht haben konte, der Vermiether dieselbe wiederzugeben schuldig: Es ist aber nicht erlaubt Un- kosten die nuͤtzlich sind, ohne Einwil- ligung des Vermiethers zu machen; weil derselbe nichts anders, als den gemie- theten Gebrauch zu leisten schuldig ist (§. 317.): Und da, der etwas gemiethet, nicht Eigen- thumsherr davon ist (§. 620.); so ist ihm nicht einmahl erlaubt, auf seine eigene Kosten ohne Einwilligung des Ver- miethers in der gemietheten Sache etwas zu veraͤndern (§. 256.). §. 637. Von den Fehlern einer ver- miethe- ten Sa- che. Weil ein jeder den Schaden von andern abwenden soll (§. 269.); so muß der Ver- miether auch die Fehler der vermiethe- ten Sache, welche einen beym Ge- brauch derselben in Schaden setzen koͤn- nen, anzeigen, als wenn ein Pferd gerne aus- Contracten. ausschlaͤgt, oder zu einer gewissen Jahrszeit wegen einer Ueberschwemmung in gewissen Theilen des Hauses zu befuͤrchten. Wenn also jemand mit Wissen eine fehlerhaf- te Sache vermiethet; so muß er dem, der sie gemiethet, davor stehen (§ 415.): Wenn er es nicht weiß und seine Un- wissenheit unuͤberwindlich ist; so muß er doch, ob es ihm zwar nicht kann zuge- rechnet werden (§. 34.), weil er den Gebrauch nicht leistet, als den die fehlerhafte Sache nicht haben konte, nach Befinden der Umstaͤnde die Miethe erlassen (§. 621.). §. 638. Wenn einem der Gebrauch von Viehe fuͤr Von dem eisernen Pachte. einen geringeren jaͤhrlichen Pacht, oder fuͤr ei- nen gewissen Theil der Fruͤchte mit der Be- dingung gelassen wird, daß, wenn einige davon sterben sollten, der sie gepachtet andere an ihre Stelle setzen, oder den Werth dersel- ben bezahlen soll, so wird der Contract ein eiserner Pacht (socida) genannt. Es er- hellet demnach, daß der eiserne Pacht ein Pacht mit dem hinzugefuͤgten Vertra- ge sey, wodurch der Pachter alle Ge- fahr uͤber sich nimmet (§. 620. 628.). Es erhellet ferner, daß bey dem eisernen Pachte das Vieh dem Verpachter nie- mals stirbt, und nach seinem Werth uͤbergeben werden muß. Und weil man das Vieh eisern (pecudes ferreæ) nennet, welches dem Verpachter niemahls sterben D d 3 kann; II. Th. 12. H. Von beschwerlichen kann; so ist der eiserne Pacht ein Pacht des eisernen Viehes. Weil aber die Gleich- heit in den beschwerlichen Contracten zu be- obachten ist (§. 580.); so ist der Pacht des eisernen Viehes nach dem Preiße der Fruͤchte, oder Nutzung, welche der Pachter von dem Viehe hat, und der Gefahr, die er uͤber sich nimmt, zu bestimmen. Da das Vieh des Nutzens wegen verpachtet wird; so ist der Verpach- ter verbunden gesundes Vieh anzuge- ben: Und woferne es an einer Kranck- heit, die es vor dem Pachte gehabt, stirbt; so faͤllt die Gefahr auf den Ver- pachter (§. 415.). §. 639. Was ei- ne Hand- lungsge- sellschaft ist. Wenn zwey oder mehrere unter sich ver- abreden, daß sie Sachen und Arbeit zu ei- nem gewissen Geschaͤfte mit einander beytra- gen, oder zusammen ein Gewerbe mit ge- meinschaftlichen Kosten und Bemuͤhungen treiben wollen, mit dem Gedinge, daß der Schaden und Gewinn gemeinschaftlich seyn soll, so wird ein solcher Contract eine Hand- lungsgesellschaft (societas negotiatoria) genannt; oder auch schlechterdings eine Ge- sellschaft. Die, welche in die Gesellschaft treten, werden ihre Glieder, oder auch Mitglieder (socii) genannt. Es wird aber eine Gesellschaft errichtet, es moͤ- gen entweder beyde Mitglieder Sa- chen und Arbeit; oder einer Sachen, der Contracten. der andere Arbeit; oder der eine Sa- chen und Arbeit, der andere entweder Sachen, oder Arbeit allein beytragen. Daß unter den Sachen auch Geld begriffen sey, ist vor sich klar. Mit dem, welcher nichts von beyden beytraͤgt, wird kei- ne Gesellschaft gemacht: sondern wenn er nur zu einem Theil des Gewinns zugelassen wird, so ist es eine Schen- ckung (§. 475.); wenn er auch am Schaden Theil haben soll, so ists ein besonderer Contract (§. 438.). §. 640. Weil ein jeder von seinem Rechte abstehen Wie eine Gesell- schaft in Anse- hung des Scha- dens ge- macht wird. kann (§. 342.), und es einem jeden frey ge- lassen werden muß, wie weit er sich verbind- lich machen will (§. 78. 79.); so kann eine Gesellschaft dergestalt errichtet wer- den, daß einer Theil am Gewinn, nicht aber am Schaden hat: Allein da wir al- len Schaden von andern abwenden sollen (§. 269.), noch uns mit ihrem Schaden berei- chern (§. 271.); so kann man nicht so contrahiren, daß ein Mitglied bloß an dem Schaden, aber nicht dem Ge- winn Theil haben soll; folglich da man eine Loͤwen-Gesellschaft (societas leo- nina) nennt, in welcher einer allein den Ge- winn, der andere allein den Schaden hat, so ist dieselbe unerlaubt, und vor und an sich selbst nichtig. D d 4 §. 641. II. Th. 12. H. Von beschwerlichen §. 641. Von der Gesell- schaft der Guͤ- ter und aller Guͤ- ter, oder des gan- tzen Ver- moͤgens. Wenn alle Guͤter, so wohl die gegenwaͤrti- gen, als kuͤnftigen in eine Gemeinschaft ge- bracht werden, so wird es die Gesellschaft aller Guͤter, oder des gantzen Vermoͤ- gens (societas omnium bonorum, vel for- tunarum) genannt: Wenn aber alles, was durch Fleiß und Arbeit erworben wird, zur Ge- meinschaft kom̃t, so heist es die Gesellschaft der Guͤter ohne Zusatz (societas bonorum, simpliciter). Beyde heissen mit dem gemein- schaftlichen Nahmen eine allgemeine Ge- sellschaft (societas universalis, generalis), und im Gegentheil heist eine besondere Ge- sellschaft (particularis), in welcher nur ge- meinschaftlich ist, was aus gewissen Sachen kommt, oder durch ein gewisses Gewerbe er- halten wird. §. 642. Von den Guͤtern der Ge- sellschaft. Die Guͤter der Gesellschaft (bona so- cietatis) nennt man, welche zur Gemeinschaft gebracht werden, indem die Gesellschaft er- richtet wird. Da ein jedes Mitglied an den Guͤtern der Gesellschaft zum theil ein Eigen- thum hat (§. 639.); so bringt ein jedes Mitglied, so bald die Gesellschaft aller Guͤter errichtet wird, auf den andern nach Proportion das Eigenthum sei- ner gegenwaͤrtigen und kuͤnftigen Guͤ- ter (§. 641. 589.). §. 643. Contracten. §. 643. Das Geld, welches in der Gesellschaft zu Welches Geld man Ca- pital zu nennen pflegt. einem gewissen Gebrauch beygetragen wird; und uͤberhaupt das Geld, welches wir nu- tzen, heißt das Capital (sors). §. 644. Wenn einer allein die Arbeit ver- Wie auf verschie- dene Art der Bey- trag an Gelde u. Arbeit mit ein- ander vergli- chen wer- den kann. richtet, der andere das benoͤthigte Geld beytraͤgt, und die Arbeit mit dem Gebrauch des Geldes verglichen wird; so hat, der die Arbeit verrich- tet, da der Gebrauch des Geldes und der Gebrauch der Arbeit bloß gemeinschaftlich sind, keinen Theil am Capital, und das Capital geht bloß dem verlohren, oder bleibt desselben, der das Geld beyge- tragen hat: Wenn aber die Arbeit mit dem Eigenthum des Geldes verglichen wird; so hat, der die Arbeit verrichtet, indem das Geld selbst und die Arbeit, welche nach Gelde geschaͤtzt wird, gemeinschaftlich sind, seinen Theil nach Proportion an dem Capital, so viel naͤmlich der Werth der Arbeit gilt, so zum Capital mit ge- schlagen wird. §. 645. Da man in einer Handlungsgesell- Von der Theilung des Scha- dens und Gewiñs. schaft nicht vermuthet, daß ein Glied dem andern etwas umsonst geben, oder thun will, noch auch natuͤrlicher Weise es zu geben, oder zu thun schuldig ist (§. 54. 73. 639.); so D d 5 muß II. Th. 12. H. Von beschwerlichen muß in derselben die Gleichheit beob- achtet (§. 580.), folglich der gemein- schaftliche Gewinn und Schaden nach Proportion des Beytrags getheilet werden, naͤmlich dergestalt, daß wer dop- pelt beygetragen hat, auch doppelten Gewinn hat, aber auch doppelten Schaden tragen muß. Wenn demnach einer so viel als der andere beygetragen; so ist auch der Gewinn und Verlust gleich. Ein jeder haͤlt vor hoͤchst billig die Gleichheit der Theile, wenn der Beytrag gleich ist. Da nun, wer doppelt beytraͤgt, zwey Glieder der Gesell- schaft vorstellt u. s. f. so folgt daher aller- dings, daß die Theilung des Gewinns und Verlusts nach Proportion des Beytrags billig geschiehet. Weil aber die Glieder sich wegen der Theile unter einander vergleichen koͤnnen, wie sie wollen (§. 385. 438.); so muͤssen die Theile des Schadens und Gewinns so behalten werden, wie sie ausdruͤck- lich abgeredet worden (§. 438.). Wenn aber die Arbeit mit dem Gebrauch des Geldes verglichen wird; so muß die Proportion, nach welcher die Theilung geschehen soll, indem derjenige, welcher die Arbeit beytraͤgt, keinen Theil am Capital hat (§. 664.), daraus bestimmt werden, was der Gebrauch des Geldes und die Gefahr das Capital zu verliehren, und aus dem, was die Arbeit und die Gefahr dieselbe vergebens anzuwen- den, Contracten. den, nach ihrem Werthe austraͤgt. Wenn man aber die Gefahr nicht mit in Erwegung ziehet; so wird gedach- te Proportion daraus bestimmt, was der Gebrauch des Geldes und die Ar- beit gilt. §. 646. Da der Gewinn eine Sache ist, folglich Von der Rech- nung des Ge- winns. Geld, welches zu unsern Guͤtern hinzukommt (§. 414.), die Kosten aber in einer Gesell- schaft des Gewinns halber angewandt werden (§. 279. 639.); so rechnet man bloß vor Gewinn, was nach Abzug der Un- kosten uͤbrig bleibt, folglich auch nach Abzug des Geldes, welches man bey- getragen, und des Schadens, den man erlitten, als der den Gewinn vermindert (§. 269. 279.). §. 647. Da die Gesellschaft eines gewissen Geschaͤf- Von dem Ende und der Ver- laͤnge- rung der Gesell- schaft. tes wegen gemacht wird (§. 639.); so ist nach Endigung des Geschaͤftes die Ge- sellschaft zu Ende: Und wenn sie auf eine gewisse Zeit gemacht worden; so ist sie nach Verfließung der Zeit zu Ende. Weil man aber sagt, eine Gesell- schaft werde verlaͤngert (societas pro- rogari dicitur), wenn sie laͤnger fortgesetzt wird, als man verabredet hatte; folglich ei- ne Gesellschaft verlaͤngern, eben so viel ist, als sie erneuern (§. 441.); so gilt, was von der Erneuerung der Vertraͤge ge- sagt II. Th. 12. H. Von beschwerlichen sagt worden, auch von der Verlaͤnge- rung der Gesellschaft (§. cit. ). Weil aber niemand den andern in Schaden bringen soll (§. 269.); so ist es nicht erlaubt von der Gesellschaft mit ihrem Schaden abzugehen: Wenn sie aber auf keine gewisse Zeit gemacht worden; so kann man ohne ihren Schaden daraus schei- den; weil alsdenn nichts wider das Recht der Mitglieder geschieht (§. 83.). §. 648. Wenn ei- ne Gesell- schaft aufge- sagt, und wenn sie aufgeho- ben wird. Man sagt, derjenige sage eine Gesell- schaft auf (societatem renunciare), welcher sich erklaͤret, daß er in derselben nicht laͤnger bleiben wolle. Wer also eine Gesellschaft aufsagt, der scheidet aus derselben (§. 442.). Wenn derowegen ein Mitglied nicht leistet, was es nach den Gese- tzen der Gesellschaft leisten soll; so kann das andere die Gesellschaft aufsagen; folglich wenn mehrere sind, so koͤnnen die uͤbrigen die Gesellschaft fortsetzen, und das nachlaͤßige, oder zancksuͤch- tige Glied, welches alles nach seinem Kopfe allein haben will, ausschliessen. Es ist naͤmlich einerley, als ob sie die Gesell- schaft aufsagten, und unter sich eine neue er- richteten. Daß aber, wenn beyde es mit einander eines werden, dadurch, wie ein jeder Vertrag (§. 444.), also auch eine Gesellschaft koͤnne aufgehoben werden (societatem dissolvi), ist klar genung. §. 649. Contracten. §. 649. Was fuͤr den Gebrauch einer Sache, die Von den Zinsen. durch den Gebrauch verbraucht wird, inson- derheit des Geldes, gegeben wird, es mag Geld, oder eine andere Sache seyn, heißt die Zinse (usura). Da der Gebrauch einer Sache, welche durch den Gebrauch ver- braucht wird, nicht weniger geschaͤtzt werden kann, als einer Sache, welche durch den Ge- brauch nicht verbraucht wird; wie hinlaͤnglich erhellet, wenn wir setzen, daß das Geld zu Erkaufung eines fruchttragenden Grundes, oder auf ein Geschaͤfte, das Gewinn bringt, angewandt wird; niemand aber dem andern umsonst etwas geben darf, der ihm wiederum etwas geben kann (§. 473.); so sind die Zinsen an und vor sich selbst nicht un- erlaubt. Natuͤrlicher Weise aber muß die Groͤsse derselben aus dem Gebrauch des Geldes bestimmt werden, wozu es bestimmt wird. Naͤmlich die Zinsen koͤn- nen als ein Theil des Gewinns angesehen werden, daran in einer Gesellschaft ein Mit- glied Theil hat, so allein Geld beytraͤgt, in- dem man zugleich auf die Gefahr sieht, wel- che der Schuldner allein uͤbernimmt. Und daher erhellet, daß natuͤrlicher Weise die Zinsen bald groͤsser, bald kleiner seyn koͤnnen. Man nennt demnach beis- sende Zinsen, oder auch Juden-Zinsen (usuras mordentes) diejenigen, welche von einem gefordert werden, der mit dem Gelde kaum II. Th. 11. H. Von wohlthaͤtigen kaum so viel gewinnen kann, als zur Noth- durft hinreicht, oder wenn sie den Gewinn uͤberschreiten, welchen der Schuldner durch den Gebrauch des Geldes haben kann; und es ist klar, daß dieselben natuͤrlicher Wei- se unerlaubt seyn (§. 513.). Die Er- pressung unerlaubter Zinsen wird der Wu- cher (usuraria pravitas) genannt. §. 650. Vom Lei- ben auf Zinsen. Weil das nichts geborgtes ist, wenn der Gebrauch des Geldes nicht umsonst, sondern fuͤr Geld gegeben wird (§. 533.), und daher auch das Geld, welches einer verzinsen muß, zu verzinsendes Geld (pecunia usuraria) genannt wird; so nennen wir den Contract, in welchem Geld fuͤr Zinse geliehen wird, im groͤssern Wercke vom Rechte der Natur im 4ten Theile §. 1423. contractum fœnebrem; so wie man im Roͤmischen Recht pecuniam fœnebrem dasjenige Geld nennt, fuͤr dessen Gebrauch Zinsen gezahlt werden. Man koͤnte selben auch contractum usurarium nennen. Jm Deutschen sagen wir, Geld auf Zinse leihen. §. 651. Von Verzin- sung der Zinsen. Verzinsung der Zinsen (anatocismus) nennt man den Contract, in welchem man verabredet, daß die Zinsen zum Capital ge- schlagen, und nachher mit demselben wieder verzinset werden sollen. Da die gezahlten Zinsen, so bald als sie gezahlt worden, ein Capital desjenigen sind, der sie bekommen, und Contracten. und man dem Geld leihen kann, dem man schon vorher Geld fuͤr Zinsen geliehen; so ist es natuͤrlicher Weise erlaubt, wegen der rechtmaͤßigen Ursache der Zinsen die empfangenen Zinsen, dem der sie schuldig war, von neuem als ein Ca- pital zu verzinsen zu leihen. Daher er- hellet, daß Zinsen verzinsen an und vor sich selbst nicht unerlaubt sey. §. 652. Die Handschrift (chirographum) ist eine Von der Hand- schrift u. was ein hand- schriftli- cher Con- tract sey. Schrift, darinnen man bekennet, daß man eine Sache, die durch den Gebrauch ver- braucht wird, vom andern empfangen habe, und sie in eben der Art wiederzugeben ver- spricht: Ein Contract, welcher vermittelst einer Handschrift vollzogen wird, ein hand- schriftlicher Contract (contractus chiro- grapharius). Daher erhellet ferner, was ein handschriftlicher Glaͤubiger und Schuldner, und eine handschriftliche Schuld sey (creditor \& debitor chirogra- pharius, debitum chirographarium). Es erhellet auch, daß der handschriftliche Contract nichts anders als ein Borgen sey, so schriftlich vollzogen worden (§. 528.), oder auch ein schriftlich verfaß- tes Leihen auf Zinsen (§. 650.). §. 653. Da man in einer Handschrift verspricht, Was man von einem hand- schriftli- was man empfangen, in eben der Art wieder zu geben (§. 652.); so ist derjenige, wel- cher II. Th. 12. H. Von beschwerlichen chen Con- tracte zu mercken hat. cher in der Hoffnung eine Sache, die durch den Gebrauch verbraucht wird, z. E. Geld, zu empfangen eine Hand- schrift von sich giebt, nichts aber be- kommt, auch nichts wiederzugeben verbunden. Damit sich aber nicht Faͤlle ereignen, da es zweifelhaft scheinet, ob die Sache, oder das Geld empfangen worden, oder nicht; so muß alsobald, als die Hand- schrift eingehaͤndiget wird, auch die Sache uͤbergeben, oder das Geld ge- zahlt werden, und ehe dieses geschie- het, muß weder der Schuldner die Handschrift von sich geben, noch auch der Glaͤubiger sie annehmen. Eben die- ses versteht sich, wenn nicht die gantze Qvan- titaͤt, oder Summe, die in der Handschrift ausgedruckt worden, gegeben, oder gezahlet wird. Aus eben dieser Ursach soll die Hand- schrift alsobald wiedergegeben werden, als das Geld wiederbezahlt wird. Ue- brigens darf man in einer Handschrift die Ursach, um welcher willen man schuldig ist, nicht ausdruͤcken (§. 407.). Derowegen, da es natuͤrlicher Weise eben so viel ist, als ob keine Ursache dazu gesetzt wor- den waͤre, wenn sie auch hinzugesetzt worden; so gilt die Handschrift, wenn auch gleich eine falsche Ursache, warum ei- ner schuldig ist, angezeigt worden, wenn es nur wahr ist, daß er so viel schuldig ist. §. 654. Contracten. §. 654. Eine Qvittung (apocha, quittancia) Von den Qvittun- gen. nennt man das Schreiben, worinnen der Glaͤubiger bekennt, daß der Schuldner bezahlt habe, oder daß er von ihm empfangen, was er schuldig war. Weil also durch Vorzeigung der Qvittung bewiesen wird, daß die Zah- lung geschehen sey; so soll eine Qvittung weder gegeben, noch angenommen wer- den, wenn die Zahlung nicht gesche- hen; folglich wenn nur Hoffnung zur Zahlung gemacht worden, muß man sie wieder zuruͤcke fordern, oder der Schuldner muß zur Zahlung angehal- ten werden. Eben dieses versteht sich, wenn einer die Qvittung bekommen, die Schuld aber nicht gantz bezahlt. Da man durch eine Qvittung die Zahlung beweisen kann; so muß, wenn die Handschrift verlohren worden, oder nicht gefun- den werden kann, dieses in der Qvit- tung angezeigt werden. §. 655. Wenn man Geld mit Gelde verwechselt, Von der Umse- tzung des Geldes. es geschehe auf was Art und Weise es wolle, so wird es gewoͤhnlicher Weise ein Wechsel (cambium) genannt. Besonders aber nennt man die Umsetzung des Geldes, oder auch Geld verwechseln (cambium manuale), wenn man eine Geldsorte mit einer an- dern vertauscht, z. E. groͤssere Muͤntz- sorten mit kleineren. Von den Grie- Nat. u. Voͤlckerrecht. E e chen II. Th. 12. H. Von beschwerlichen chen wird es collybus genannt. Daher nennt man einen Wechsler collybistam: Man nennt ihn aber auch numularius oder trapezita. Es ist naͤmlich ein Wechsler, der Geld zu dem Ende bereit liegen hat, daß er eine Sor- te mit einer andern vertauscht. Und was der Wechsler deswegen abzieht, heist gewoͤhn- licher Weise das Aufgeld oder agio (lagium). Es wird auch im Lateinischen, jedoch nicht oh- ne Zweydeutigkeit, collybus genannt, weil selbst der Contract so genannt wird. Wenn der Werth der Sachen und Arbeit nach dem aͤusseren Werthe des Geldes be- stimmt wird, und damit man es be- qvemer ausgeben kann, eine gewisse Muͤntzsorte mit einer andern vertauscht wird; so darf, indem es einerley ist, was vor Geld gezahlet wird, bey dem Geld- wechseln nur auf den aͤussern Werth desselben gesehen werden (§. 580.). Weil uns aber dran gelegen ist, daß wir eine Muͤntzsorte, welche einen groͤs- sern inneren Werth hat, als diejenige, die wir schon haben, und nicht weni- ger dem andern daran gelegen ist, daß er nicht eine bessere mit einer geringe- ren vertauscht; so muß man, da es et- was schaͤtzbahres ist, wie viel dem andern dar- an gelegen, bey der Umsetzung des Gel- des auf den inneren Werth sehen; folg- lich ist das Aufgeld nicht unerlaubt. Weil der Wechsler des Verwechselns halben die Contracten. die Nutzung seines Geldes missen muß, die er sonst haben koͤnte, und auch Zeit und Muͤhe auf dieses Geschaͤfte wenden muß, beydes aber etwas schaͤtzbahres ist; so ist dem Wechsler so viel abzuziehen erlaubt, als die Nutzung des Geldes, die er missen muß, und seine Muͤhe und Zeit, welche er auf dieses Geschaͤfte wendet, betraͤgt. Und da er selbst Aufgeld geben muß, wenn er vor geringere Muͤntzsorten bessere einwechseln will, vermoͤge dessen, was erwiesen worden; so ist ihm auch erlaubt zugleich so viel abzuziehen, als der Un- terscheid der innern Guͤte der Muͤntz- sorten betraͤgt (§. 473.). Nach den ver- schiedenen Umstaͤnden muß man in der Be- stimmung der Qvantitaͤt des Aufgeldes auch auf das andere, so dabey vorkommt, sehen, dessen Werth sich bestimmen laͤßt. §. 656. Der Contract, da einem zu dem Ende Von dem traßirten Wechsel. Geld ausgezahlet wird, daß er es fuͤr einen gewissen Lohn an einem andern Orte dem, der es gegeben, oder jemand anders wieder soll zahlen lassen, wird eigentlich ein Wechsel (cambium), oder auch zuweilen ein traßir- ter Wechsel (cambium trassatum) genannt. Bey einem Wechsel kommen also vier Perso- nen vor, naͤmlich die Person, welche das Geld zahlet, so an einem andern Ort wie- der gezahlt werden soll; die Person, welche das Geld empfaͤngt, und die Auszahlung an ei- E e 2 nem II. Th. 12. H. Von beschwerlichen nem andern Ort besorget; die Person, welche es an einem andern Ort zahlt; und endlich die Person, der es an einem andern Orte ge- zahlt wird. Die erste nennt man den Herrn des Wechsels, oder den Ausge- ber des Geldes, der naͤmlich das Geld auf Wechsel giebt, oder den Remittenten (cam- psarius, remittens), die andere den Geber, Ausgeber des Wechselbriefes, oder Tras- sirer, ingleichen Trassanten (campsor, trassans), die dritte den Acceptanten oder Trassaten (acceptans, trassatus), und die vierte den Wechselsinhaber oder Praͤ- sentante (præsentans). Es erhellet aber, daß einer zuweilen eine doppelte Person vor- stellen kann; als daß der Traßirer und der Trassate, oder der Remittente und der Praͤ- sentante eine Person ist. Die Schrift, wel- che vom Traßirer an den Trassaten gestellet wird, wegen des Praͤsentanten auszuzahlen- den Geldes, und fuͤr baares Geld dem Re- mittenten gegeben wird, heisset der Wech- selbrief (litteræ cambiales); das Schrei- ben aber wodurch Trassate wegen des Wech- sels, und wie er wegen der Auszahlung ver- gnuͤgt werden soll, benachrichtiget wird, heißt ein Advisobrief, das Aviso (litteræ advi- soriæ); was vor den Wechselbrief der Re- mittente dem Traßirer gezahlet, der Werth, oder die Valuta. Die im Wechselbriefe ent- haltene Summe aber, die wieder gezahlet werden soll an den Praͤsentanten, die Remisse (remis- Contracten. (remissa), in Absicht auf den Remittenten; hingegen die Tratta (trasta), in Absicht des Trassantens. Der Nutzen dieses Contracts erhellet daraus, daß durch Wechsel das Geld an den entlegensten Orten ge- zahlt, und von den Reisenden an al- len Orten in den Muͤntzsorten, die daselbst gaͤnge und gaͤbe sind, erhalten werden kann. Was das Naturrecht bey dem Wechsel bestimmt, welcher wie alle menschliche Handlungen, also auch die Wechsel regieret, in Absicht der zugezo- genen Verbindlichkeiten und der dadurch er- haltenen Rechte, muß aus demjenigen be- stimmt werden, was wir von dem Verspre- chen, von der Ersetzung des Schadens, der Leistung des Jnteresse und von Vermeidung der Bereicherung mit des andern Schaden erwiesen haben. Daher erhellet gleich, daß der Traßante dem Remittenten ver- bunden ist, zu sorgen, daß die im Wech- selbriefe enthaltene Summe an verab- redetem Orte und Zeit dem Praͤsentan- ten gezahlt werde: Der Remittente aber die Valuta oder den Werth zah- len muͤsse (§. 380.). Daß aber der Tras- sate dem Praͤsentanten zur Zahlung nicht verbunden sey, ehe er den Wech- sel acceptiret; indem er durch die Accepta- tion dem Praͤsentanten verspricht den Wech- sel zu bezahlen (§. 380.): Daß aber der Trassante verbunden sey, den Werth E e 3 des II. Th. 12. H. Von beschwerlichen des Wechsels wiederzugeben und fuͤr den Schaden zu stehn, wenn der Tras- sate nicht zahlet (§. 271. 415.). Ein mehreres wollen wir nicht hinzuthun, was in dem groͤssern Wercke 5. Theil 1. H. nachgele- sen werden kann. §. 657. Vom trocknen Wechsel, oder eig- nen Wechsel- briefen. Zur Nachahmung des traßirten Wechsels, welcher von den Kaufleuten zur Erleichterung der Handlung eingefuͤhrt worden, haben an- dere den trocknen Wechsel (cambium sie- cum) nachgeaffet, wodurch einer von dem andern einen Wechselbrief bekommt, fuͤr wel- chen ihm, oder einem andern, der das Recht dazu von ihm erhalten, an eben dem Orte, aber zu einer gewissen Zeit, eine gewisse ver- abredete Summe Geldes gezahlt werden muß. Es ist klar, daß dergleichen Wechsel- briefe ihrer Natur nach von einer Handschrift nicht unterschieden sind (§. 652.). Derowegen ist aller Unterscheid, welcher zwischen einem ordentlichen Wechsel- briefe und zwischen einer Handschrift ange- nommen wird, bloß willkuͤhrlichen Rechtes. §. 658. Vom Schaͤ- tzungs- contra- cte. Einen Schaͤtzungscontract ( contra- ctus æstimatorius, Wuͤrdigungscontract, Wardirungscontract) nennt man denjeni- gen, durch welchen eine geschaͤtzte Sa- che, die um einen gewissen Preiß verkauft werden soll, dem andern uͤbergeben wird, daß er dieselbe entweder wiedergebe, oder den ge- setzten Contracten. setzten Preiß zahle. Wenn also derjenige, der die Sache empfaͤngt, sie theurer verkaufen kan; so gewinnt er, was uͤber den gesetzten Preiß ist, und wenn er ihn selbst zahlen will, so ist er sie nicht wiederzugeben verbunden. Jm Gegen- theil aber da er ohne Einwilligung dessen, der ihm die Sache gegeben, sie nicht geringer ver- kaufen darf (§. 317. 199.); so muß er, wenn er sie geringer verkauft, das was fehlt, ersetzen (§. 269. 438.). Aus der Erklaͤrung selbst erhellet, daß dieser Con- tract bey allen Sachen, die verkauft werden koͤnnen, gemacht werden kann. §. 659. Der Preiß wird zu einer Sache der Von dem Preiß, der des Ver- kaufs u. der Schaͤ- tzung wegen hinzuge- fuͤgt wird. Schaͤtzung wegen hinzugefuͤgt (pre- tium rei taxationis gratia adjicitur), wenn es zu dem Ende geschiehet, damit man jetzo und ins kuͤnftige von derselben Werth Gewiß- heit hat; des Verkaufs wegen aber, da- mit man weiß, wie theuer die Sache ver- kauft werden soll. Der Schaͤtzung we- gen ist also ein Preiß hinzuzufuͤgen, so oft eine Sache in eben derselben Guͤte wiedergegeben werden soll, als wie beym geliehenen, beym vorgeschossenen, beym in Verwahrung gegebenen; des Verkaufs wegen aber geschieht es im Schaͤ- tzungscontracte. Denn wenn bey einer zu verkaufenden Sache der Preiß der E e 4 Schaͤ- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen Schaͤtzung wegen hinzugefuͤgt wird; so ist der Contract entweder eine Voll- macht (§. 551.), oder eine Dingung zu einer Verrichtung (§. 620.); und wenn eine Sache, die um einen gewis- sen Preiß geschaͤtzt worden, dem an- dern mit der Bedingung zugesteller wird, daß, wenn er mehr bekommt, das was er mehr bekommt, gemein- schaftlich seyn soll; so wird eine Ge- sellschaft in Absicht dessen, was man mehr bekommt, gemacht (§. 639.). Da die Contrahirenden den Contract einrichten koͤnnen, wie sie wollen (§. 314.); so kann bey dem Schaͤtzungscontracte entwe- der die Sache eigenthuͤmlich dem uͤber- geben werden, dem sie zugestellet wird, oder der sie ihm zustellt behaͤlt das Ei- genthum. §. 660. Von der Beglau- bigung. Die Beglaubigung (constitutum) nennt man denjenigen Contract, vermoͤge dessen ei- ner verspricht, daß er zahlen, oder thun wol- le, was er entweder selbst, oder ein anderer schon vorher zu zahlen oder zu thun schuldig war, doch so, daß die vorhergehende Ver- bindlichkeit unveraͤndert bleibt. Derjenige, welcher beglaubiget, heißt der Beglaubi- ger (constituens); der andere aber, dem et- was beglaubiget wird, der Beglaubigte (constitutarius). Derowegen wird eine ei- gene Schuld durch eine Beglaubigung fester, Contracten. fester, z. E. wenn ein Erbe einem, dem et- was vermacht worden, die Zahlung des Ver- maͤchtnisses verspricht. Wenn es aber ei- ne fremde Schuld ist; so uͤbernimmt der Beglaubiger die Zahlung, wenn der Hauptschuldner nicht selbst bezahlt, z. E. wenn er die Bezahlung den letzten Se- ptember verspricht, wenn der Hauptschuld- ner, welcher schon den 4ten Jul. zahlen solte, nicht unter der Zeit bezahlt. Daß die Be- glaubigung einer andern Schuld na- tuͤrlicher Weise von der Buͤrgschaft nicht unterschieden sey, erhellet aus den Erklaͤrungen, wenn sie gegen einander gehal- ten werden (§. 569.). Woher aber der Un- terscheid im Roͤmischen Rechte kommt, ist an einem andern Orte erklaͤrt worden. Es er- hellet auch leicht, daß wenn einer mehr verspricht, wofern der Hauptschuld- ner nicht bezahlen wuͤrde, als er schul- dig ist; so wird die Schuld nicht be- glaubigt, sondern es ist ein vermisch- ter Contract aus einer Beglaubigung und einer Schenckung, oder eine Be- dingte Schenckung. §. 661. Ein Empfaͤnger (adjectus) wird ge- Vom Empfaͤn- ger. nannt, dem man nichts schuldig ist, dem man aber nach dem Willen des Glaͤubigers die Schuld zahlen soll, oder dem wenigstens die Schuld zu zahlen erlaubt ist. Wenn also die Schuld dem Empfaͤnger gezahlt E e 5 wird; II. Th. 12. H. Von beschwerlichen wird; so wird der Schuldner von sei- ner Verbindlichkeit befreyet: Weil aber der Schuldner ihm nicht verbunden ist; so kann der Empfaͤnger den Schuld- ner nicht zur Zahlung zwingen, son- dern er kann bloß die ihm freywillig angebotene Zahlung annehmen. Ja es kann der Schuldner auch dem Glaͤu- biger zahlen, was er schuldig ist: wo- fern er sich aber dem Empfaͤnger zu zahlen verbindlich gemacht; so ist, da er seiner Verbindlichkeit kein Genuͤge leistet, er demselben davor zu stehen schuldig, was ihm daran gelegen, daß er es ihm nicht gezahlet hat (§. 415.). Denn man kann der Zahlung wegen einen andern, dem gezahlt werden soll, entweder dem Schuld- ner, oder dem Glaͤubiger zu gefallen anneh- men. Da uͤbrigens die Verbindlichkeit des Schuldners durch die Annehmung eines drit- ten, dem gezahlt werden soll, nicht geaͤndert wird; so kann man bey der Beglaubi- gung einen dritten der Zahlung wegen annehmen, der in der ersten Verbind- lichkeit nicht angenommen war (§. 660.), ja es kann auch ein anderer angenom- men werden, als der zu der vorherge- henden Verbindlichkeit angenommen war; folglich darf man alsdenn dem er- sten nichts zahlen. VomVerwal- §. 662. Einen Verwaltungscontract (contra- ctus Contracten. ctus institorius) nennen wir, durch welchen tungs- contra- cte. einem die Verwaltung eines Handlungsge- schaͤftes oder einer Wirthschaft aufgetragen wird. Man nennt aber ein Handlungs- oder Wirthschaftsgeschaͤfte (negotiationem quæstuariam), welches man des Gewinns wegen treibet; und der Verwalter, oder Fa- ctor (institor), heist der, welcher dazu be- stellet wird; derjenige aber welcher den an- dern bestellt, heist der Herr (præponens). Da die Roͤmer ihre Knechte und Soͤhne, die unter ihrer Gewalt stunden, dazu bestellten; so geschieht im Roͤmischen Rechte keine Mel- dung vom Verwaltungscontracte, sondern bloß vom Verwalter und von der Klage wi- der ihn (actionis institoriæ). Diesem aber ohnerachtet stammen aus dieser Bestellung eben diejenigen Verbindlichkeiten und Rechte ab, welche aus dem Vertrage ihren Ursprung ha- ben, wodurch einer bestellt wird. Es erhel- let aber, daß der Verwalter, oder Factor zur Verwaltung des aufgetragenen Geschaͤftes verbunden sey; daß der Herr ihm das Recht zu allen Hand- lungen einraͤume, welche zur Verwal- tung noͤthig sind, wenn nicht beson- ders verabredet worden, daß etwas ohne seine Einwilligung nicht gesche- hen soll; folglich darf der Verwalter, oder Factor die Grentzen der Verabre- dung nicht uͤberschreiten. Als ein Ver- walter oder Factor handelt einer (in- stitorio II. Th. 12. H. Von beschwerlichen stitorio nomine agit), der alles, was er ver- richtet, des Geschaͤftes wegen, dem er vorge- setzt worden, unternimmet, oder wenn er das thut, ohne welches er das ihm aufgetragene Geschaͤfte nicht verwalten kann. Was er also als Verwalter, oder Factor thut, das thut er im Nahmen des Herrn; folglich so oft er mit einem dritten zu thun hat, so erhellet an und vor sich selbst, daß er, wenn die Handlung dem Geschaͤfte eigen ist, als Verwal- ter oder Factor handle: denn sonst ist noͤthig, daß er ausdruͤcklich sagt, er handele als Verwalter, wenn es den andern nicht sonst schon bekannt ist. Hieraus folgt ferner, daß der Verwalter, oder Factor, indem er contrahiret, nicht sich sondern den Herrn anderen, und nicht andere sich sondern dem Herrn verbindlich macht. Wenn aber der Herr ihn besonders verbunden hat etwas nicht ohne seine Einwilligung zu thun; so ist noͤthig, daß er es de- nen bekannt mache, welchen der Herr durch den Contract verbunden werden soll. Weil aber der Verwalter, oder Factor den Herrn nicht verbindlich machen kann, als in Sachen, die das ihm aufgetragene Ge- schaͤfte angehen; so macht er nicht den Herrn, sondern sich den andern ver- bindlich, wenn er in seinem eigenen Nahmen auch in Handlungsgeschaͤf- ten Contracten. ten einen Contract schließt. Da aber niemand durch des andern Sache reicher wer- den darf (§. 271.); so ist der Herr in so weit aus dem Contracte verbunden, als er reicher geworden. Und da das Geschaͤfte dem Herrn gehoͤret, welches der Verwalter, oder Factor in seinem Nahmen verwaltet; so faͤllt aller Gewinn und Schaden, welcher ohne Versehen des Verwalters, als wovor er billig stehen muß (§. 270.), auf den Herrn (§. 271. 243.). Weil endlich der Verwalter, oder Factor die Geschaͤfte, welchen er vorgesetzt, mit allem Fleiß zu verwalten verbunden ist (§. 21.); so darf er in seinem eigenen Nahmen kein Erwerbungsgeschaͤfte, welches auf einige Weise dem Herrn nachtheilig ist, treiben: ein anders ist, wann der Herr keinen Nachtheil da- von hat. Und da des Verwalters oder Fa- ctors Recht aufhoͤret, wenn sein Amt zu En- de ist; so nimmt er nach geendigten Am- te auch nichts mehr in der Verwal- tung guͤltig vor, ohne ausdruͤckliche oder stillschweigende Einwilligung des Herrn, z. E. wenn er ihm noch einige Ver- waltung erlaubet; folglich da der Schade, welchen er verursacht, mit Vorsatz verursacht wird (§. 17.), so ist er, wenn ein Scha- den aus einer Handlung oder Contract des Verwalters, oder Factors entste- hen sollte, er dem Herrn solchen zu er- setzen II. Th. 12. H. Von beschwerlichen setzen verbunden (§. 270.): demjeni- gen aber, mit welchem er wider Wis- sen und Gewissen contrahiret, muß er vor sein Jnteresse stehen (§. 415.). Da- her folgt von sich selbst, daß wenn der Herr dem Verwalter, oder Factor sei- nen Abschied giebt, ehe sein Amt zu Ende ist, dieses ohne Verzug allen de- nen bekannt gemacht werden muß, mit welchen er zu thun hat. §. 663. Wenn mehrern zusam- men die Verwal- tung ei- nes Ge- schaͤftes aufgetra- gen wird. Wenn mehrern zugleich eine Ver- waltung aufgetragen wird; so muß, da keiner von ihnen mehr Recht hat, als der Herr ihnen hat einraͤumen wollen (§. 317.), aus der Bedingung, unter welcher sie angenommen worden, beurtheilt wer- den, was eines jeden Verbindlichkeit sey, und wie viel Recht ein jeder in Ansehung der Verwaltung hat. Weil aber doch ein jeder von ihnen allen Schaden vom Herrn abzuwenden verbunden ist (§. 269.); so muß ein jeder es zu gehoͤri- ger Zeit anzeigen, wenn er siehet, daß der andere etwas thut, welches dem Herrn zum Schaden gereicher. Wenn vielen zusammen die Verwaltung der- gestalt aufgetragen wird, daß sie alles nach gemeinschaftlichen Rathe ver- richten sollen; so muͤssen alle, weil sie zusammen eine Person vorstellen, fuͤr das, was einer thut, nach ihrem Antheil haften, Contracten. haften, wofern nicht einer hinterlisti- ger Weise, ohne Vorwissen der an- dern etwas unternommen; indem eine unuͤberwindliche Unwissenheit nicht zugerech- net werden kann (§. 34.). Gleichwie auch offenbar ist, daß der, welcher widerspro- chen, fuͤr das, was die andern gethan, nicht stehen darf. §. 664. Der Verwaltungscontract kommt Jn wie fern der Verwal- tungs- contract mit der Voll- macht u. mit dem Dingen zur Ar- beit uͤber- einkom̃t. mit der Vollmacht darinnen uͤberein, daß einem ein gewisses Geschaͤfte zu besorgen aufgetragen wird: mit dem Verdingen zur Arbeit aber, daß fuͤr die geleistete Arbeit ein Lohn gezahlet wird, wie aus der Vergleichung der Erklaͤ- rungen (§. 551. 620. 662.) gleich erhellet. Und daher sieht man, wie weit, was von der Vollmacht und dem Dingen zur Arbeit erwie- sen worden, auf den Verwaltungscontract gezogen werden kann. §. 665. Einen Rhedercontract (contractus exer- Vom Rheder- contract. citorius) nennt man, wodurch einem die Be- sorgung einer Fahrt mit dem Schiffe anver- traut wird, z. E. dasselbige zu vermiethen, Schiffleute zu miethen, alles, was ein Schif auszuruͤsten noͤthig ist, zu kaufen, u. s. f. Der- jenige, welcher die Besorgung einem andern anvertraut, ist der Rheder (exercitor), es mag seyn, daß er selbst der Herr des Schif- fes ist, oder daß er es nur uͤberhaupt ge- miethet II. Th. 12. H. Von beschwerlichen miethet hat. Derjenige aber, dem diese Be- sorgung anvertraut wird, ist der Schiffer (magister navis). Weil also der Schiffer bey der Besorgung der Fahrt mit dem Schif- fe den Rheder fuͤrstellt; so muß man anneh- men, daß, was der Schiffer thut, der Rheder selbst gethan habe; und es ist klar, daß er ihm das Recht zu allem eingeraͤumet, was zu dieser Besor- gung noͤthig ist. Da es aber auf den Rheder ankommt, unter welchen Bedingun- gen er den Schiffer annehmen will; so muß (§. 317.), wenn er unter gewissen Be- dingungen angenommen worden, sein Recht nach der Vorschrift beurtheilt werden. Man sagt der Schiffer handle im Nahmen des Rheders (exercitorio nomine agere) in allem dem, was er in der ihm anvertrauten Besorgung wegen des Schiffes unternimmet. Weil uͤbrigens der Schiffer nicht anders anzusehen ist, als ein Verwalter, oder Factor; so kann auch auf ihn leicht gedeutet werden, was vom Ver- walter oder Factor erwiesen worden, daß es also nicht noͤthig ist, hiervon besonders zu reden. §. 666. Von den Schiff- leuten. Die Schiffleute (nautæ) nennt man die- jenigen, welche, um das Schiff in Bewe- gung zu setzen, im Schiffe sind. Weil ihnen kein Recht zukommt, in Absicht auf das Schiff einen Contract zu machen; so kann durch den Contracten. den Contract der Schiffleute weder der Schiffer noch der Rheder verbind- lich gemacht werden. §. 667. Alle beschwerliche Contracte koͤnnen unter Von den Contra- cten, da man giebt, daß etwas gegeben werde, oder giebt, daß etwas ge- than wer- de, oder thut et- was, daß etwas ge- than werde. diesen dreyen begriffen werden, naͤmlich: man giebt etwas, daß etwas gegeben werde; man giebt etwas, daß etwas gethan werde; und man thut etwas, daß etwas gethan wer- de (§. 468.). Unter diesen also sind alle Con- tracte begriffen, von welchen wir bis hieher gehandelt haben, und die alle Tage vorkom- men. Wenn aber noch ausser diesen andere vorkommen, die muß man nach der Natur der Contracte, da man etwas giebet, daß et- was gegeben werde, da man etwas giebt, daß etwas gethan werde, da man etwas thut, daß etwas gethan werde, beurtheilen. Was man also nach dem Rechte der Natur von ih- nen zu halten hat, muͤssen wir erklaͤren: Denn warum das Roͤmische Recht hiervon abgehet, haben wir an einem andern Orte angezeiget, wo wir erinnert haben, daß der Unterscheid unter den benannten und unbenannten Con- tracten (contractus nominatos \& innomina- tos) bloß aus dem Roͤmischen Rechte her- komme, naͤmlich in der Anmerckung §. 879. des vierten, und der Anmerckung §. 145. des fuͤnften Theils von dem Rechte der Natur. Da den Menschen das Recht zukommt, sich andere zu gewissen Leistungen zu verbinden (§. 97.), sie sich aber nicht anders als durch Ver- Nat. u. Voͤlckerrecht. F f spre- II. Th. 12. H. Von beschwerlichen sprechen einander verbinden koͤnnen (§. 380.); so ist der Contract alsobald richtig, als sie einander ihren Willen etwas zu geben und zu thun bekannt gemacht haben (§. 379. 97.); folglich werden die Con- tracte da man giebt, daß etwas gege- ben werde, da man giebt, daß etwas gethan werde, da man etwas thut, daß etwas gethan werde, durch bey- derseitige Einwilligung zu stande ge- bracht (§. 27.). Wenn deswegen gleich geleistet wird, was man verabredet hat; so wird der Contract vollzogen, so bald er seine Richtigkeit erhalten. Und weil, nachdem der Contract seine Rich- tigkeit hat, nothwendig ist, was vorher auf den Willen eines jeden ankam (§. 97.); so wird durch den Contract oder Vertrag das, wozu einer unvollkommen ver- bunden, oder nur als eine Pflicht oder Liebesdienst anzusehen war, und was natuͤrlicher Weise erlaubt war, in eine vollkommene Schuld verwandelt (§. 49. 80.), oder wenn einer sich verbin- det etwas zu unterlassen, was erlaubt war, dasselbe unerlaubt. Da sich aber niemand von der natuͤrlichen Verbindlichkeit befreyen kann (§. 42.); so kann aus dem, was natuͤrlicher Weise unerlaubt ist, nichts erlaubtes werden. Und da es auf eines jeden Willen ankommt, auf was vor Art und Weise er sein Recht auf einen andern brin- Contracten. bringen will (§. 314.); so kommt es auf den Willen der contrahirenden Theile an, wie sie mit einander verabreden wollen, was einer dem andern leisten soll, und was man verabredet hat, muß gehalten werden (§. 438.). Weil aber so wohl ein vorsaͤtzlicher, als unvorsaͤtzli- cher Betrug unerlaubt ist (§. 286.); so darf in den Contracten man giebt etwas, daß etwas gegeben werde, man giebt etwas, daß etwas gethan werde, man thut etwas, daß etwas gethan werde, keiner von beyden Theilen betrogen werden. Das dreyzehente Hauptstuͤck. Von den Gluͤckscontracten. §. 668. G luͤckscontracte (contractus aleam Von den Gluͤcks- contra- cten uͤber- haupt. continentes) werden genannt, wenn man uͤber eine Sache, davon der Ausgang ungewiß ist, sich gegen ein- ander verbindlich macht, es mag nun diesel- be nach diesem ausfallen, wie sie will, z. E. wenn man wegen des Preißes eines wird, den man vor die Fische, welche mit einem Zuge des Netzes werden gefangen werden, entrichten soll. Jn diesen Contracten be- ruhet, was entweder von einem, oder von beyden Theilen gegeben, oder ge- F f 2 than II. Theil 13. Hauptstuͤck. than werden soll, auf dem, was erfol- gen wird. Da der Mißbrauch des Eigen- thums zwar natuͤrlicher Weise unerlaubt ist: dennoch aber einem jeden erlaubt werden muß, so lange nichts, was unserm Recht zuwider ist, geschieht (§. 202.), folglich bey den Contracten nicht in Betrachtung kommt; so soll zwar derjenige in Gluͤckscontracte sich nicht einlassen, der, indem et et- was giebt, das Eigenthum, indem er etwas thut, die natuͤrliche Freyheit mißbraucht: Wenn er sie aber doch macht, so bestehen sie nach dem aͤussern Rechte. Und da in den beschwerlichen Con- tracten die Gleichheit zu beobachten ist (§. 581.): es aber in den Gluͤckscontracten nicht an- gehet, daß der eine so viel von dem andern er- haͤlt, als er dem andern leistet, wenn es nicht etwan durch einen sehr seltenen Fall, den man nicht vorher sehen kann, geschiehet; so muß wenigstens von beyden Theilen einer nicht schlimmer daran seyn, als der an- dere, naͤmlich es muß beyderseits ei- nerley Hoffnung des Gewinns und ei- nerley Furcht des Schadens seyn; folg- lich muͤssen die, welche den Contract machen, ein von allem Betruge ent- ferntes Gemuͤthe haben (§. 286.). Es koͤnnen aber die Gluͤckscontracte auch wohlthaͤtige Contracte seyn (§. 466.). §. 669. Vom Loose. Das Loos (sors) nennt man eine jede Sache, Von den Gluͤckscontracten. Sache, auf deren nicht vorhergesehene Be- stimmung die Erlangung einer koͤrperlichen, oder unkoͤrperlichen Sache beruhet; oder es ist ein Zeichen dessen, was wir haben sollen, welches durch das Gluͤck bestimmt wird. Da- her erhellet, daß man nicht durchs Loos entscheiden soll, was durch Ueberle- gung geschehen kann; sondern das, was dadurch nicht ausgemacht werden kann. Es ist aber das Loos entweder ein Wahlloos (sors electrix), wodurch be- stimmt wird, was aus zweyen Sachen er- waͤhlt werden soll; oder ein Zutheilungs- loos (sors attributrix), wodurch einem eine gewisse Sache zugeeignet wird; oder ein Thei- lungsloos (sors divisoria), wodurch be- stimmt wird, welchen Theil von einer getheil- ten Sache einer haben soll. Hiezu setzet man das Wahrsagungsloos (sors divinato- ria), wodurch einer das, was kuͤnftig ist, be- stimmen will. Denn die Wahrsagung ist die Vorhersagung kuͤnftiger Dinge. Da es gewiß ist, daß die Begebenheiten in dieser Welt durch eine Folge von Ursachen bestimmt sind; folglich auch bestimmt ist, wie das Loos fallen muß; so kann das Vorherwis- sen des Kuͤnftigen nicht durch das Loos ausgemacht werden; folglich kommt das Wahrsagungsloos aus dem Aber- glauben, und widerspricht also dem Ge- setze der Natur (§. 182.). F f 3 §. 670. II. Theil 13. Hauptstuͤck. §. 670. Vom Contract des Wahl- looses. Der Contract des Wahlloses (con- tractus sortis electricis) ist, wodurch unter zweyen, oder mehreren ausgemacht wird, was vor eine Sache aus vielen einer haben soll, oder ob er nichts haben soll. Das Loos stellt also die Person desjenigen vor, wel- cher waͤhlet. Und da aus dem Contract eine Verbindlichkeit entsteht (§. 514.); so muß man das behalten, was das Loos anzeiget; folglich erhaͤlt man das, was das Loos anzeigt; und wenn es nichts anzeigt, so erhaͤlt man auch nichts. §. 671. Vom Contract des Thei- lungs- looses. Der Contract des Theilungslooses (contractus sortis divisoriæ) ist derjenige, durch welchen die Austheilung derer Theile geschiehet, welche von gemeinschaftlichen Sa- chen gemacht worden, da naͤmlich durch das Loos bestimmt wird, welchen Theil ein jeder haben soll. Das Theilungsloos giebt also einem jeden das Eigenthum auf einen Theil der getheilten Sachen; und sobald als das Urtheil des Looses of- fenbahret wird, so hat einer das Ei- genthum auf den Theil, welchen es zeigt, erlangt. Man versteht aber leicht, daß wenn zwey oder mehrere bey Din- gen, die nicht getheilt sind, zu unglei- chen Antheilen ein Eigenthum haben; so muͤssen so viele gleiche Theile ge- macht werden, als die Summe der Zahlen Von den Gluͤckscontracten. Zahlen des Verhaͤltnißes Einheiten enthaͤlt, und einem jeden muͤssen durchs Loos so viel Theile angewiesen wer- den, als die Zahl des Verhaͤltnisses fuͤr seinen Antheil Einheiten hat, z. E. wenn die Zahlen des Verhaͤltnisses sind, wie 2 zu 3, so muß die Theilung in 5. Theile ge- schehen, und einer erhaͤlt durch das Loos zwey Theile, der andere drey. §. 672. Der Contract des Zutheilungslooses Vom Contract des Zu- thei- lungs- looses. (contractus sortis attributricis) ist, in wel- chem verabredet wird, daß die Sache, zu welcher zwey, oder mehrere ein gleiches Recht haben, dem zugehoͤren soll, welchen das Loos anzeiget. Da man die Vertraͤge halten muß (§. 438.); so muß man in dem Con- tracte des Zutheilungslooses schlech- terdinges dabey verbleiben, was ver- abredet worden, und es halten: Denn es ist zur Gnuͤge klar, daß die contrahirende Theile einem jeden Contracte (§. 314.), und also auch den gegenwaͤrtigen ein Gesetze ge- ben koͤnnen, wie sie wollen. §. 673. Die Lotterie ist ein Contract, da Sa- Von der Lotterie. chen um ein gewisses zusammengeschossenes Geld gekauft werden; oder eine gewisse Summe Geld zusammen geschossen wird, mit der Bedingung, daß durchs Loos bestimmt werden soll, ob einer etwas und was er ha- ben, oder ob er dessen, was er eingesetzt, ver- F f 4 lustig II. Theil 13. Hauptstuͤck. lustig seyn soll. Da die Lotterie ein Gluͤcks- contract ist; so ist dieselbe in so weit er- laubt, als Gluͤckscontracte erlaubet sind. Weil uns aber das Gesetze der Na- tur ein Recht dazu giebt, ohne welches wir den Pflichten gegen GOtt und gegen andere kein Genuͤge leisten koͤnnen (§. 46.); so ist die Lotterie in dem Falle nach dem in- neren Rechte erlaubet, wenn der Con- tract zu dem Ende gemacht wird, da- mit wir einer Pflicht gegen GOtt, oder gegen andere ein Genuͤge leisten koͤnnen, wenn naͤmlich aus dem eingesetzten Gelde eine Lotterie gemacht wird, und als- dann gehoͤret ein Theil des Gewinns zu Erreichung des Zwecks, in welchen die Contrahirenden einwilligen; weil durch beyderseitige Einwilligung die Contracte errichtet werden (§. 668.). Wenn aber ei- ne Lotterie zu dem Ende errichtet wird, daß eine gekaufte Sache durchs Loos einem zugeeignet werden soll; so darf kein groͤsserer Preiß fuͤr die Sa- che gefordert werden, als was andere Kaͤufer zu geben pflegen, jedoch daß man auch auf die Unkosten siehet, wel- che der Verkaͤufer dieseswegen an- wenden muß; weil kein Grund vorhan- den, warum die Sache hoͤhe verkauft wer- den sollte. Vom Gluͤcks-topfe. §. 674. Von der Lotterie ist der Gluͤckstopf we- nig Von den Gluͤckscontracten. nig unterschieden, da naͤmlich in einem Topf, oder in einem Gefaͤsse eine gewisse Anzahl theils beschriebene, theils leere Zettel gethan wird, und man fuͤr einen gewissen Preiß das Recht erkauft, einen Zettel unter der Bedin- gung herauszunehmen, daß man die Sache bekommt, welche darauf geschrieben stehet. Dieser Contract wird mit einem jeden in einem eintzelen Falle gleich zur Rich- tigkeit gebracht, sobald der Preiß fuͤr das Recht einen Zettel herauszuneh- men gezahlt worden. Und weil alle Kaͤu- fer der Zettel zusammen alle Sachen, die dem Loose ausgesetzt sind, kaufen; so muß der Preiß aller Zettel zusammen genom- men durch den Preiß aller Sachen, die zum verloosen ausgesetzt sind, durch die Beqvemlichkeit alles auf einmahl zu verkaufen, durch die Unkosten, wel- che auf den Verkauf gewandt werden muͤssen, durch die Gefahr, wenn die kostbahrsten Sachen zuerst zugleich herausgezogen wuͤrden, und die meh- resten leeren Zettel zuruͤcke blieben, so daß niemand mehr contrahiren wollte, bestimmt werden. Weil aber niemand durch eine Sache, die einem andern zugehoͤrt, reicher werden soll (§. 271.); so ist der Gluͤckstopf und die Lotterie uner- laubt, so bloß mit dem Vorsatze etwas zu gewinnen veranstaltet wird. F f 5 §. 675. II. Theil 13. Hauptstuͤck. §. 675. Von dem Preiße, der de- nen, wel- che strei- ten, aus- gesetzt worden. Mit den Gluͤckscontracten ist derjenige ver- wandt, durch welchen ein Preiß mit der Be- dingung ausgesetzt wird, daß einige um den- selben auf gewisse Weise mit einander streiten, und der den Preiß haben soll, welcher uͤber- winden wird. Wer einen Preiß aussetzt, der contrahiret mit einem jeden unter dieser Bedingung, wenn sie sich in den Streit einlassen und uͤberwinden wer- den; folglich ist er verbunden dem Sie- ger den Preiß zu geben: Wer aber mit ihm contrahiret, der ist nicht verbun- den sich in den Streit einzulassen, son- dern erhaͤlt nur das Recht sich einzu- lassen (§. 318.). Und weil zwey Ueberwin- der eine Person vorstellen; so ist der Preiß, weil er nur einmahl versprochen worden, ih- nen gemein. Man sagt aber, der uͤber- winde, welcher die Bedingung, unter wel- cher der Preiß versprochen worden, erfuͤllt. §. 676. Vom Wetten. Das Wetten (sponsio) ist ein Gluͤckscon- tract, in welchem uͤber einem ungewissen Zu- falle verabredet wird, daß demjenigen, wel- cher die Wuͤrcklichkeit bejahet, von dem andern, der sie leugnet, etwas gewisses gegeben werden soll, oder dem, welcher die Wahrheit gesagt. Daher erhellet, daß die Wette nicht gilt, wenn der andere gantz gewiß weiß, was geschehen ist; ja daß es nicht erlaubt sey, vorsaͤtzlich zu verschweigen oder zu verhee- Von den Gluͤckscontracten. verheelen, daß man es weiß (§. 286.). Weil ein jeder mit seinem Recht anfangen kann, was er will (§. 195.), und einem jeden auch der Mißbrauch desselben zu erlauben ist, so lange er nichts thut, was dem Recht des an- dern zuwider ist (§. 202.); so bestehen die Wetten nach dem aͤusseren Rechte. Weil aber niemand durch eine einem andern zugehoͤrige Sache reicher werden soll (§. 271.); so sind die Wetten, indem sie nicht an- ders als um des Gewinns willen geschehen, folglich sich durch eine Sache oder das Geld eines andern zu bereichern, nach dem in- nern Rechte, das naͤmlich im Gewissen gilt, unerlaubt. §. 677. Was im Ernst geschiehet (serium), Von dem Schertze und dem Spielen. nennt man das, welches zu sagen, oder zu thun wir hinlaͤnglichen Grund haben. Wor- te, die nicht im Ernst gesprochen sind, und Thaten, die denselben gleichguͤltig sind, durch welche naͤmlich eben das, was mit den Wor- ten angedeutet wird, angezeigt wird, heissen Schertz (jocus); die uͤbrigen Thaten aber, die nicht im Ernst geschehen, Spiel (ludus). Der Schertz und das Spiel geschehen also nur vor die lange Weile, oder die Zeit zu vertreiben. Da man nichts un- bedachtsam reden, oder thun soll (§. 360.); so ist der unbedachtsame Schertz und das unbedachtsame Spiel unerlaubt: was aber andere zu unterrichten oder zu ver- II. Theil 13. Hauptstuͤck. verbessern geschiehet, ist erlaubt (§. 134.). Und weil niemand den andern belei- digen soll (§. 154.); so sind Schertze, wo- durch andere beleidiget werden, uner- laubt. Weil eine vergaͤngliche Lust, wenn sie unschaͤdlich ist, erlaubt ist (§. 120.); so ists auch erlaubt bloß zur Lust zu scher- tzen, wenn nur dabey nichts befindlich, was einer Pflicht zuwider; ja es ist auch erlaubt bloß zur Lust zu spielen. Endlich da uns das Gesetze der Natur ver- bindet unanstaͤndige Handlungen zu unterlas- sen (§. 55.); so muß man auch unan- staͤndige Schertze und Spiele meiden. §. 678. Vom Spiel- contract. Einen Spielcontract (contractus luso- rius) nennet man, darin diejenigen, welche mit einander spielen, mit einander eines wer- den, daß ein gewisser Gewinn, den man durch gemeinschaftliche Einwilligung bestimmt, dessen seyn soll, auf dessen Seite sich eine ge- wisse Bedingung befinden wird, oder daß auch ein Schaden einem zum Gewinn gerech- net werden soll, auf dessen Seite sich eine an- dere Bedingung befinden wird. Den Haupt- gewinn (lucrum primarium) nennt man denjenigen, welcher dem gehoͤrt, bey dem nach geendigtem Spiele eine gewisse Bedin- gung sich befindet; den Nebengewinn (lu- crum secundarium) aber den, welchen der erhaͤlt, bey dem unter dem Spiele eine ge- wisse Bedingung sich befindet. Der ordent- liche Von den Gluͤckscontracten. liche Schade (damnum ordinarium) aber ist der, welchen der leidet, so das verlieret, was er zum Hauptgewinn beygetragen hat. Hingegen ein ausserordentlicher Schade (damnum extraordinarium) ist, welchen ei- ner unter dem Spiele, wenn bey ihm eine gewisse Bedingung sich befindet, leidet. Man siehet leicht, daß vom Spielcontract eben das gilt, was von der Wette erwie- sen worden. Wenn uͤbrigens in dem Spielcontracte die Gleichheit beob- achtet werden soll; so muß die Gefahr zu verlieren und die Hoffnung zu ge- winnen auf beyden Seiten der Con- trahenten gleich seyn (§. 668.). Und wenn die Spiele unerlaubt sind; so sind auch die Spielcontracte unerlaubt: Ob man gleich voraus setzet, daß in dem Ge- winn, oder wenn es einem besser gefaͤllt, in dem Preiße, woruͤber man streitet, nichts fehlerhaftes befindlich sey. §. 679. Die Assecuration oder der Contract Von der Assecu- ration. die Gefahr abzuwenden (assecuratio, contractus avertendi periculi) nennt man den Contract, in welchem einer die Gefahr in Ansehung der Waaren, die zu Wasser ge- schickt werden, oder uͤberhaupt genommen die Schadloshaltung bey Faͤllen, die vom Gluͤck abhangen, fuͤr einen gewissen Lohn oder Gewinn uͤbernimmt. Wer die Gefahr uͤber- nimmt, heißt der Assecurante (assecura- tor). II. Theil 13. Hauptstuͤck. tor). Der Assecurante verbindet sich demnach zur Schadloshaltung, wenn sich ein Zufall ereignen solte, der Ei- genthuͤmer aber schlechterdinges etwas gewisses dafuͤr zu geben, daß er die Gefahr uͤber sich nimmt; oder, welches einerley ist, der Assecurante verspricht die Abwendung der Gefahr, der Ei- genthuͤmer aber fuͤr die Abwendung der Gefahr einen Lohn. Daher folgt, daß der Assecurante den Eigenthuͤmer schadlos halten muß, der Eigenthuͤ- mer aber ihm den Lohn zahlen, der Zu- fall mag sich zutragen, oder nicht. Da der Lohn fuͤr Abwendung der Gefahr gegeben wird; so ist der Contract null und nich- tig, wenn der Assecurante weiß, daß die Sache schon ausser aller Gefahr ist, oder auch wenn der Eigenthuͤmer weiß, daß der Schade in der Sache, welche assecurirt werden soll, schon geschehen. Jn beyden Faͤllen gehet ein nicht zu duldender Betrug vor. Und weil ei- ne Gleichheit zwischen der Abwendung der Ge- fahr und dem Lohne dafuͤr zu beobachten ist (§. 580.); so muß der Lohn nach der Groͤs- se des Schadens, welcher sich zutragen kann, und nach der Wahrscheinlich- keit der Gefahr bestimmt werden; folglich muß die Sache, ehe sie assecu- rirt wird, geschaͤtzt werden. Weil alle Sachen assecurirt werden koͤnnen, welche durch Von den Gluͤckscontracten. durch einen unversehenen Zufall untergehen, oder verschlimmert werden koͤnnen, oder bey welchen der Eigenthuͤmer das Seinige verlie- ren kann; so erstreckt sich der Assecurantzcon- tract, ob er gleich bey Kaufleuten nur in An- sehung der Waaren gewoͤhnlich ist, welche uͤber die See gefahren werden, dennoch viel weiter, und kann auch zu andern Contracten hinzukommen, z E. zum Verwahrungscon- tracte. Wenn man es also verabredet, daß der Assecurante einen gewissen Ge- winn haben soll, wenn die Sache un- beschaͤdigt an den bestimmten Ort kommt, oder sich kein Ungluͤck ereig- net: wofern sie aber verlohren gehen sollte, der Assecurante den Werth der Waaren ersetzen; so muß, damit der As- securirte nicht besser daran sey, als der Assecu- rante, wenn sich ein Ungluͤck ereignen sollte, als wenn dieses nicht geschiehet, der Lohn fuͤr die zu assecurirenden Waaren bey der Schaͤtzung von dem wahren Wer- the derselben abgezogen werden. §. 680. Seegeld oder hinuͤber zu fahrendes Vom Trans- portcon- tract. Geld (pecunia nautica, vel trajecticia) nennt man, das uͤber die See auf Gefahr des Glaͤubigers gefahren werden soll; dem Seegelde, oder dem hinuͤber zu fahren- den aͤhnliches Geld (pecunia quasi nau- tica, oder quasi trajecticia) aber, welches durch andere gefaͤhrliche Oerter auf Gefahr des II. Theil 13. Hauptstuͤck. des Glaͤubigers gebracht werden soll. Die Zinsen, welche fuͤr das Seegeld gezahlet wer- den, sind Seezinsen (fœnus nauticum); die, welche fuͤr das dem Seegelde aͤhnliche Geld gezahlt werden, den Seezin- sen aͤhnliche Zinsen (fœnus quasi nauti- cum). Daher nennt man den See- zinsecontract (contractum fœnebrem nau- ticum), in welchem man wegen der Seezin- sen; und den dem Seezinscontract aͤhn- lichen Contract (contractum quasi nauti- cum), in welchem man wegen der den See- zinsen aͤhnlichen Zinsen verabredet. Mit ei- nem gemeinschaftlichen Nahmen werden sie Transportcontracte (contractus trajecti- tii) genannt. Die Seezinsen und diesen aͤhnliche Zinsen muͤssen also staͤrcker seyn als die, welche fuͤr den blossen Ge- brauch des Geldes gezahlt werden, und zwar um so viel, als die Gefahr gilt, die einer bey der Uebersendung uͤbernimmt; folglich nach der Groͤsse der Gefahr werden beyde vermehrt und vermindert, unendlich fort. Da es sich verstehet, daß das Geld dem Schuld- ner nicht eher gezahlt worden, als bis es oh- ne Schaden an dem bestimmten Ort ankom- men; so ist man nichts schuldig, wenn das Geld verungluͤckt (§. 243.): wenn es aber wohl ankommt, so ist man das Capital mit den Zinsen schuldig (§. 438.). Weil aber die Gefahr aufhoͤrt, so bald Von den Gluͤckscontracten. bald das Geld an dem bestimmten Or- te ankommen; so hoͤren auch die Zinsen auf, als welche fuͤr die Gefahr gegeben wer- den, und die ordentlichen Zinsen lauf- fen von der Zeit an. Da es aber einer- ley ist, ob das Geld selbst durch gefaͤhrliche Oerter gefahren, oder in Waaren verwandt und diese durch eben die gefaͤhrlichen Oerter gefahren werden; so ist man, wenn vor das geborgte Geld Waaren gekauft, und diese auf Gefahr des Glaͤubigers uͤber die See, oder durch andere gefaͤhr- liche Oerter gefahren werden, See- zinsen, oder diesen aͤhnliche zu geben schuldig. §. 681. Die Bodmerey (bodmeria) nennt man den Von der Bodme- rey. Contract, durch welchen baares Geld mit der Bedingung auf das Schiff geborget wird, daß das Capital dem Glaͤubiger verlohren gehet, wenn das Schiff untergehet, oder an den bestim- ten Ort nicht kommt, der Glaͤubiger aber einen verabredeten Gewinn bekommt, wenn es unbe- schaͤdiget in den Hafen einlauft. Es erhellet aber, daß der Schiffer, da er das Schiff zu fuͤhren verbunden ist, eine Bodmerey machen kann, wenn er auf der Reise Geld noͤthig hat, so daß er ohne das- selbe das Schiff nicht fuͤhren kann. Da aber dieser Contract dem Schiffer nicht erlaubt ist als nur in dem aͤussersten Noth- fall; so ist die Bodmerey nicht er- Nat. u. Voͤlckerrecht. G g laubt, II. Theil 13. Hauptstuͤck. laubt, wenn er eigene Waaren im Schiffe hat, die er verkaufen kann. Jn der That wenn niemand ist, der ei- ne Bodmerey contrahiren will, und der Schiffer keine eigene Waaren hat, die er verkaufen kann; so kann er, wo- fern ihn die Noth dringt, auch Waaren, die andern zugehoͤren, verkaufen. §. 682. Von den jaͤhrli- chen Ein- kuͤnften und Leib- renten. Jaͤhrliche Einkuͤnfte (reditus annui) nennt man das Recht von einem andern jaͤhr- lich eine gewisse Pension zu fordern, entweder wegen einer Sache, die dem andern zugehoͤrt, oder einer persoͤnlichen Obligation. Die jaͤhr- lichen Einkuͤnfte, die auf Lebenszeit des Kaͤu- fers, oder Verkaͤufers, oder einer gewissen dritten Person verabredet worden, werden Leibrenten (reditus vitalitii) genannt. Da man auch unkoͤrperliche Sachen kaufen kann (§. 588.); so koͤnnen auch jaͤhrliche Einkuͤnfte und Leibrenten gekauft und verkauft werden; folglich wenn jaͤhrliche Leibrenten gekauft werden, so kann man das Capital, das der Ver- kaͤufer bekommen, nach dem Tode der Person, auf deren Leben sie ge- hen, nicht wiederfordern; gleichwie dem Verkaͤufer nichts wiedergegeben wird, wenn die Pension, welche einer bis an sein Ende erhalten hat, das Ca- pital, welches fuͤr dieselbe gezahlt wor- den, uͤbertrift. Man nennt aber einen Leib- Von den Gluͤckscontracten. Leibrentencontract (contractum vitali- tium), da man sich fuͤr das Capital, welches man einem andern giebt, Leibrenten aus- macht, oder Leibrenten gekauft und verkauft werden. Die Leibrenten muͤssen aber aus dem bestimmt werden, was der Gebrauch des Geldes gilt, den wir ent- behren muͤssen, und aus der Wahr- scheinlichkeit der Lebenslaͤnge, welche man erreichen kann. Da es einerley ist, ob man Geld giebt, oder Sachen, die Geldes werth sind; so koͤnnen die Leibrenten auch in Fruͤchten, oder andern Sachen bestehen; und wenn es Fruͤchte sind, muͤssen sie nach dem Maasse, oder in einem gewissen Antheile derer, welche alle Jahre werden, bestimmt werden, massen was gezahlt werden soll, gewiß seyn muß. Daher werden Leibrenten in Leibrenten an Fruͤchten und in Leib- renten an Gelde (reditus vitalitii fructua- rii \& pecuniarii) eingetheilt. §. 683. Wenn in einem Bergwercke, als in einem Vom Berg- wercks- contra- cte. Gantzen, das mehreren gemeinschaftlich ist, so viel gleiche Theile, als es immer seyn moͤgen, gesetzt werden, so wird ein jeder von diesen unabgetheilten Theilen ein Kux (pars me- tallica, kukus) genannt. Derowegen hat der, welcher einen Kux hat, einen An- theil vom Eigenthum in der Grube; folglich in den Metallen, die darinnen G g 2 befind- II. Theil 13. Hauptstuͤck. befindlich, aber auf gemeinschaftliche Kosten herausgebracht und zubereitet werden. Derowegen da man das Geld, welches von den Eigenthuͤmern der Kuxe das Bergwerck zu bauen angewandt wird, die Zubusse (symbola metallica); das aber, was am Werthe der Metalle uͤber die Un- kosten herauskommt, die Ausbeute (redi- tus metallici) nennet; so muß so lange Zubusse gegeben werden, als der Werth der Metalle noch geringer als die Un- kosten ist, oder man kein Metall be- kommt: Wenn aber der Werth der Me- talle die Unkosten uͤbertrift; so muß nach dem Verhaͤltnisse der Kuxe aus- getheilt werden. Da die Kuxe Theile der Grube sind, welche eine unbewegliche Sache ist; so sind dieselben auch zu den un- beweglichen Sachen zu rechnen. Weil aber die Metalle zu dem Wesen der Berg- wercke gehoͤren; so ist die Ausbeute kei- ne Frucht der Kuxe (§. 198.). Der Bergwerckscontract (contractus metal- licus) ist ein Contract, durch welchen man verabredet, daß man einen Theil des Eigen- thums an der Grube hat, und wir im Ge- gentheil verbunden seyn sollen das Bergwerck auf unsere Kosten zu bauen. Deswegen kann der Eigenthuͤmer einen Kux nach sei- nem Gefallen veraͤussern (§. 257.). Da aber niemand eine Sache anders geben kann, als er sie selbst hat; so williget der, wel- cher Von den Gluͤckscontracten. cher den Kux kauft, oder durch einen andern Titel erhaͤlt, stillschweigend in den Bergwerckscontract. Und weil ein Eigenthuͤmer eine ihm zugehoͤrige Sache ver- lassen kann (§. 203.); so kann der Eigen- thumsherr einen Zubussekux verlassen, wenn er uͤberdruͤßig ist weiter Zubusse zu geben. Wenn jemand in eine Berg- wercksgesellschaft getreteu ist; so ruͤhrt es aus einem andern Grunde her, daß er sie nicht anders als mit Einwilligung der uͤbrigen Glie- der, oder wenn er einen andern an seine Stel- le verschaft, welcher die Zubusse giebt, ver- lassen kann. §. 684. Den Hofnungskauf (emtio spei) nennt Vom Hoff- nungs- kaufe. man den Contract, in welchem man derge- stalt mit einander eines wird, daß dasjenige, was durch eine gewisse Handlung, wovon der Ausgang zweifelhaft ist, erhalten wird, un- ser seyn, und wir fuͤr das Ungewisse einen ge- wissen Preiß zahlen; oder kuͤrtzer zu reden, es ist der Kauf einer zu erhaltenden ungewissen Sache. Wenn also durch die Hand- lung, woruͤber contrahiret worden, nichts erhalten wird; so bekommt der Kaͤufer nichts, und ist doch verbunden den Preiß zu zahlen: Und im Gegen- theil ist er nicht verbunden mehr zu zahlen, wenn gleich, was erhalten wird, viel mehr werth ist. Es erhel- let aber, daß, wenn man die Hoffnung kauft, G g 3 der II. Th. 13. H. Von den Gluͤckscontracten. der Preiß nach der Wahrscheinlichkeit der Hoffnung dessen, was erhalten werden kann, bestimmt werden muß. Weil aber nichts als die Hoffnung gekauft wird, dergleichen zu bekommen, als durch die Handlung, uͤber welche man contrahiret, erhalten zu werden pflegt; so ist, wenn durch einen ausserordentlichen Zufall etwas erhalten wird, was sonst durch dergleichen Handlung nicht pflegt er- halten zu werden, der Hofnungskauf nicht guͤltig; folglich darf auch der Preiß, welcher verabredet worden, nicht gezahlt werden. §. 685. Von dem Ausge- worfe- nen. Das Ausgeworfene (missilia) nennt man die Sachen, welche mit dem Vorsatze unter das Volck geworfen werden, daß sie demjenigen zugehoͤren sollen, der sie ergreifen wird. Durch das Auswerfen wird das Eigenthum der ausgeworfenen Sache auf eine ungewisse Person gebracht. Es erhellet leicht, daß, wenn jemand das Ausgeworfene kauft, so einer er- greifen wird, eher als es ausgeworfen wird, der Contract ein Hofnungs- kauf sey (§. 684.). Das Das vierzehnte Hauptstuͤck. Von den Qvasicontracten. §. 686. E inen Qvasicontract (quasi contra- Von den Quasi- contra- cten. ctus) nennt man eine erdichtete Ver- abredung, in welcher die Einwilli- gung des einen ausdruͤcklich da ist, die Ein- willigung des andern aber nur vermuthet wird. Weil aber die Contracte des Nutzens wegen gemacht werden; so kann man die Einwilligung im Contrahiren nicht vermuthen, wenn nicht der augen- scheinliche Nutzen desjenigen erhellet, dessen Einwilligung man vermuthet. §. 687. Weil man im Qvasicontracte voraus setzt, Von der Verbind- lichkeit, welche aus dem Quasi- contracte kommt. daß beyde Theile in das gewilliget, was der eine Theil zum Nutzen des andern unter- nimmt (§. 686.); so wird der andere uns durch einen Qvasicontract dazu verbunden, wozu er uns verbunden gewesen waͤre, wenn er in der That den Contract gemacht haͤtte: Und wir werden ihm im Gegentheil eben so als durch einen wahren Contract ver- bunden. §. 688. Weil keine Vermuthung statt findet, wo Wenn es erlaubt ist einen Quasi- man von der Wahrheit gewiß werden kann, wie ein jeder zugeben muß; so gilt der G g 4 Qvasi- II. Theil 14. Hauptstuͤck. contract zu ma- chen. Qvasicontract nicht, wenn man des andern ausdruͤckliche Meinung erfah- ren kann; folglich gilt er nur alsdenn, wenn das, was man in des andern Nahmen thut, keinen Aufschub leidet, so daß man seine ausdruͤckliche Ein- willigung einholen koͤnte, oder wenn der andere, zu dessen Nutzen etwas zu thun ist, Alters halber, oder wegen schwacher Gemuͤthskraͤfte nicht ein- willigen kann. §. 689. Ob Qva- sicontra- cte nach dem Na- turrechte statt fin- den. Weil wir durch die Natur verbunden sind zum Nutzen des andern zu thun, was in un- serer Gewalt steht (§. 133. 134.), und den andern dazu durch einen Contract vollkommen verbindlich machen koͤnnen (§. 667.), die Ein- willigung des andern aber, welche zu dem Con- tracte erfordert wird (§. 438.), vermuthet werden kann (§. 686.); so findet ein Qvasicontract auch nach dem Rechte der Natur statt, und die vermuthete Einwilligung wuͤrckt alsdenn eben das, was die ausdruͤckliche wuͤrckt. §. 690. Von der Anmas- sung ei- nes frem- den Ge- schaͤfts. Die Anmaßung eines fremden Ge- schaͤfts (negotiorum gestio) ist ein Qvasi- contract, wodurch man ein Geschaͤfte, ohne dessen Einwilligung, dessen es ist, freywillig unternimmt, mit dem Vorsatze, sich den an- dern verbindlich zu machen. Die Anmas- sung eines fremden Geschaͤfts ist also gleichsam Von den Qvasicontracten. gleichsam eine Vollmacht; und der sich dessen anmasset, gleichsam ein Bevoll- maͤchtigter; der Herr des Geschaͤftes aber gleichsam derjenige, welcher die Vollmacht ertheilet (§. 552.); und da- her wird die Anmaßung eines fremden Geschaͤfts zu einer Vollmacht, wenn der, dessen es ist, entweder ausdruͤck- lich, oder stillschweigend einwilliget; folglich ist der, welcher sich des Geschaͤf- tes eines andern anmasset, dem, wel- chem es gehoͤret, dazu verbunden, wo- zu ein Bevollmaͤchtigter verbunden ist; und der, dessen das Geschaͤfte ist, ist ihm im Gegentheil dazu verbunden, wozu der, der einem andern Vollmacht zu etwas giebt, dem verbunden ist, den er bevollmaͤchtiget hat (§. 687.). Weil aber die Guͤltigkeit eines Quasicon- tracts lediglich auf dem augenscheinlichen Nu- tzen des Eigenthumsherrn beruhet (§. 686.); so muß der, welcher sich eines frem- den Geschaͤftes anmaßt, dasselbe mit allem Fleiße verwalten (§. 21.); folglich muß er dem Eigenthumsherrn davor stehen, was haͤtte geschehen sollen, nicht aber was er gethan hat; denn er darf nichts thun, als was man vermuthen kann, daß der Eigenthumsherr wegen seines augenscheinlichen Nutzens selbst wuͤrde gethan haben (§. 686.). Daraus folgt, daß er keinen nuͤtzlichen Aufwand wagen G g 5 darf, II. Theil 14. Hauptstuͤck. darf, wovon zu vermuthen, daß er dem Eigenthuͤmer zur Last fallen wuͤr- de: Jn zweifelhaften Faͤllen aber muß er dergleichen gaͤntzlich, wie auch allezeit das, was bloß der Lust wegen ange- wandt wird, unterlassen (§. 279. 280.). Weil die Anmassung eines fremden Geschaͤfts die vermuthete Einwilligung erfordert; so fol- get, daß, wenn also einer wider des an- dern Willen sich seines Geschaͤftes an- masset, dieser ihm zu nichts vollkom- men verbunden ist, ob er es gleich zu seinen Nutzen verwaltet hat; folglich, so bald derselbe verbietet, daß er sich seines Geschaͤftes nicht laͤnger anmas- sen soll; so muß er es gleich unterlas- sen. Und weil in der Anmassung eines frem- den Geschaͤftes theils auf die Nothwendigkeit, theils auf den Nutzen dessen, dem es gehoͤret, zu sehen ist, der aber, welcher sich dessen an- masset, des andern Person vorstellt; so ver- stehet es sich, daß die Nothwendig- keit sich eines fremden Geschaͤftes an- zunehmen vorhanden sey, wenn durch Unterlaßung desselben ein unvermeid- licher Schaden entsteht, zu dessen Ab- wendung wir dem andern natuͤrlicher Weise verbunden sind (§. 269.): Den Nutzen aber des andern muß der, welcher sich des Geschaͤftes anmasset, nicht nach Eigenduͤncken erachten, sondern aus der Beschaffenheit der Sache, der Zeit und der Von den Quasicontracten. der Person dessen, dem das Geschaͤfte gehoͤret. §. 691. Es giebt auch einen Qvasikauf (quasi Vom Qvasi- kauf und Qvasi- borgen. emtionem), wenn naͤmlich jemand wegen vermutheter Einwilligung des Eigenthums- herrn will, daß er die Sache gekauft habe, z. E. wenn uns jemand eine Sache, die durch den Gebrauch verzehret wird, in Verwah- rung gegeben hat, weil sie aber in seiner Ab- wesenheit ihm nicht wiedergegeben werden kann, hingegen wenn sie laͤnger sollte aufbe- halten werden, verderben wuͤrde, wir diesel- be mit dem Vorsatze, den Werth davor zu entrichten, verzehren. Ein Qvasiborgen (quasi mutuum) ist, wenn einer aus vermu- theter Einwilligung des Eigenthumsherrn ei- ne Sache mit dem Vorsatze verzehrt, eine an- dere von eben der Art wieder zu geben, z. E. in dem vorhergehenden Falle die in Verwah- rung gegebene Sache, die durch den Ge- brauch verzehret wird. Gleichergestalt ist ein Qvasivermiethen und Miethen (quasi locatio conductio), oder es gleichet einem Vermiethen und Miethen, wenn wir aus Vermuthung der Einwilligung des Ei- genthumsherrn eine ihm zugehoͤrige Sache mit dem Vorsatze gebrauchen, ihm den Lohn zu zahlen, den ihm sonst ein Miethsmann wuͤrde gegeben haben; oder ihm eine Arbeit fuͤr den Lohn zu leisten, welchen er davor ei- nem andern, dem er diese Arbeit verdungen haͤtte, II. Theil 14. Hauptstuͤck. haͤtte, wuͤrde haben geben muͤssen, z. E. wenn man ein Haus vermiethen soll, und es selbst mit dem Vorsatze bewohnet, eben die Miethe, die ein anderer geben wuͤrde, zu bezahlen. §. 692. Von der zufaͤlli- gen Ge- mein- schaft. Eine zufaͤllige Gemeinschaft (com- munio incidens) nennt man, in welche man durch eine gewisse Begebenheit kommt, das ist, ohne einige vorhergehende Verabre- dung, daß die Sache gemeinschaftlich seyn soll. Z. E. wenn ein Haus oder ein Gut uns und einem andern zusammen geschenckt wird. Da diejenigen, welche in eine Gemeinschaft zufaͤlliger Weise kommen, das Eigen- thum in einer ungetheilten Sache zum Theil erhalten (§. 196.); und daher von ihnen nicht anders vermuthet werden kann, als daß sie darein willigen, daß Schaden und Gewinn gemeinschaftlich seyn soll, ehe sie entweder in die Theilung, oder gemeinschaftliche Ver- waltung ausdruͤcklich einwilligen; so con- trahiren sie eine Qvasigesellschaft (§. 639.); daher werden die persoͤnlichen Verbind- lichkeiten, welche aus dem Contract der Gesell- schaft entspringen, auch in einer zufaͤlligen Ge- meinschaft nicht bloß angesehen, als der Bil- ligkeit gemaͤß, sondern als vollkommene Ver- bindlichkeiten. §. 693. Von der Bezah- lung des- sen, was Das Nichtschuldige (indebitum) nennt man, zu dessen Leistung wir dem andern nicht verbunden sind; deswegen ist die Bezahlung des Von den Qvasicontracten. des Nichtschuldigen (indebiti solutio) einer nicht schuldig ist. die Leistug des Nichtschuldigen, als ob man es schuldig waͤre; und die Annehmung des Nichtschuldigen (acceptio indebiti) ist wenn man als eine Schuld annimmt, was man uns nicht schuldig ist. Da sich niemand mit ei- nes andern Sache bereichern soll (§. 271.); so muß der, welcher aus Jrrthum dem andern etwas zahlt, was er ihm nicht schuldig ist, von ihm das wieder be- kommen, oder, wenn er es ihm nicht wiedergeben kann, so muß ihm der Werth verguͤtet werden. Und weil Niemand den Vorsatz haben soll, den andern zu betruͤgen (§. 286.); so darf man nicht anders vermuthen, als daß der, wel- cher das Nichtschuldige empfangen hat, darein gewilliget. Daher folgt, daß die Bezahlung des Nichtschul- digen ein Qvasicontract sey, wodurch derjenige, der etwas annimmt, was man ihm nicht schuldig ist, verbunden wird es wieder zu geben, oder wenn es nicht mehr geschehen kann, den Werth davon zu entrichten (§. 686.). Da derjenige, wel- cher das Nichtschuldige bezahlt, es giebt, als wenn er es schuldig waͤre; so bringt er auf den andern das Eigen- thum der Sache (§. 258.); folglich kann derselbe sie veraͤussern (§. 257.), und der sie ihm gegeben hat, kann sie sich nicht wieder zueignen (§. 262.). Wer da weiß, daß II. Theil 14. Hauptstuͤck. daß der andere was er zahlt, ihm nicht schuldig ist; so soll er auch, weil er sich durch eines andern Sache nicht bereichern darf (§. 271.), es nicht annehmen, und er kann es auch nicht ohne den Vorsatz den andern zu betruͤgen annehmen (§. 286.), ja wenn ers wissentlich annimmt, so wird er einem ungewissenhaften Besitzer gleich geachtet (§. 201.). §. 694. Vom Geben um einer Ursache willen. Man sagt, daß etwas um einer Ursache willen gegeben werde (ob causam dari), wenn etwas zu dem Ende gegeben wird, daß der andere, welcher es bekommt, davor wie- der etwas geben oder thun muß; folglich ver- bindet sich der, welchem um einer Ur- sache willen etwas gegeben wird, in- dem er es annimmt, das zu geben oder zu thun, warum es gegeben wird (§. 317.). Man sagt aber, die Ursache erfol- ge nicht (causa non sequi dicitur), wenn der andere nicht leistet, was er leisten sollte, oder zu dessen Leistung er sich entweder aus- druͤcklich, oder stillschweigend verbunden hatte (§. 27.). Weil der, welcher um einer gewissen Ursache willen etwas giebet, es nicht umsonst geben will, noch der, der es empfaͤngt, umsonst bekommt; so muß, was um einer gewissen Ursache willen gegeben wor- den, wieder gegeben werden, wenn die Ursache nicht erfolget: Und wenn sie noch erfolgen kann; so kann der, wel- cher Von den Qvasicontracten. cher etwas gegeben, den andern ent- weder anhalten sein Versprechen zu er- fuͤllen, oder was er bekommen hat, wieder zu geben. Weil die Verbindlich- keit entweder aus einer ausdruͤcklichen, oder stillschweigenden Einwilligung entspringt; so ist das Geben um einer Ursache willen, kein Qvasicontract (§. 686.). Aber die Vorherbezahlung (prænumeratio) der Miethe, oder uͤberhaupt die Vorherbe- zahlung des Geldes fuͤr das, was ins- kuͤnftige gegeben oder gethan werden soll, ist ein Geben um einer gewissen Ursache willen. §. 695. Das ohne Ursache Angenommne (sine Von demjeni- gen was ohne Ur- sache, oder gleichsam ohne Ur- sache an- genom- men wird. causa acceptum) nennt man, was mit Recht nicht angenommen werden konnte. Z. E. wenn etwas, das einer einen nicht schuldig ist, aus Jrrthum zahlet: das gleichsam ohne Ur- sach Angenommene (quasi sine causa ac- ceptum), aber ist, was man mit Recht zwar annehmen, aber nicht behalten konnte. Z. E. wenn einer einem eine Handschrift in der Hoffnung giebt, das Geld zu bekommen, wel- ches man borgen will, solches aber nachher nicht geschiehet. Man siehet leicht, daß das ohne Ursache, oder gleichsam ohne Ur- sache Angenommne wieder gegeben werden muß (§. 271.). Da man also, wenn jemand unwissend etwas ohne Ursache angenommen hat, nicht anders vermuthen darf, II. Th. 14 H. Von den Qvasicontracten. darf, als daß er darein willige, es muͤsse, was ohne Ursach angenommen worden, wieder gegeben werden; so wird derselbe auch aus einem Qvasicontract, nach dem aͤussern Rechte, es wiederzugeben ver- bunden. Weil aber der, welcher etwas gleichsam ohne Ursache annimmt, es zwar mit Recht annehmen konnte, aber nicht behalten darf; so entspringt die Verbindlichkeit es wieder zu geben nach dem aͤussern Rechten daraus, was stillschweigend in einer Handlung enthalten ist. §. 696. Von den zusam- menge- setzten Contra- cten und dem Pachte auf die Helfte der Fruͤchte. Weil man die zusammengesetzten, oder ver- mischten Contracte aus der Erklaͤrung der einfachen, die in ihnen zusammen kommen, leicht unterscheidet; so scheint es nicht noͤthig zu seyn, von denselben viel besonders zusagen. Dieses bemercken wir nur, daß der Con- tract, welchen der Pachter mit den Ei- genthumsherrn auf die Helfte der Fruͤchte macht, aus dem Pacht- und dem Gesellschaftscontracte vermischt sey (§. 620. 639.). Denn weil der Pach- ter vor einen Theil der Fruͤchte den Acker pachtet, den man colonum partiarium nen- net; so ist der Schaden und Gewinn dem Verpachter und Pachter gemein- schaftlich. Das Das funfzehnte Hauptstuͤck. Von dem Rechte, welches einem in einer fremden Sache eingeraͤumt worden, oder dem Pfande und Servituten. §. 697. D as Recht des Pfandes (jus pigno- Von dem Pfande und der Hypo- thecke. ris) ist ein Recht, welches man in seiner Sache dem Glaͤubiger eingeraͤu- met hat, daß naͤmlich, wofern die Schuld nicht zu bestimmter Zeit bezahlt wird, er sich an derselben erholen kann. Man sagt dem- nach, es werde eine Sache verpfaͤndet (res oppignorare), darinnen einem ein sol- ches Recht eingeraͤumet wird: Die verpfaͤn- dete Sache aber selbst wird das Pfand (pi- gnus) genannt. Es erhellet also, daß das Recht des Pfandes zur Sicherheit des Darlehns eingeraͤumt wird; folglich wenn die verpfaͤndete Sache beweg- lich ist, dieselbe eingehaͤndiget werden muß. Und im Deutschen nennen wir ins- gemein dieses eine Sache versetzen, wenn Geld darauf geborget wird; in andern Faͤl- len aber zum Pfande geben. Wenn das Pfand eine unbewegliche Sache ist, so wird dieses Recht mit einem besondern Nahmen eine Hypothecke (hypotheca) genannt. Aus der Erklaͤrung aber selbst folgt, daß der Glaͤubiger die verpfaͤndete Sache ver- Nat. u. Voͤlckerrecht. H h kaufen II. Theil 15. Hauptstuͤck. kaufen koͤnne, wofern nicht die Schuld zu gehoͤriger Zeit abgetragen wird, und daß er von dem Preiße so viel zu- ruͤcke behalten koͤnne, als dazu hin- reicht, daß er befriediget wird, das uͤbrige aber dem Schuldner wiederge- geben werden muß (§. 271.). Und weil niemand betrogen werden darf (§. 286.); so muß bey dem Verkaufe des Pfandes aller Betrug vermieden werden; folg- lich muß die Sache von erfahrnen und unpartheyischen Personen taxiret und dem Meistbietenden zugeschlagen wer- den. Der Theil des Preißes von dem Pfan- de, welcher das, so dem Glaͤubiger zugehoͤrt, uͤbertrift, wird der Ueberrest (hyperocha) genannt; welcher demnach dem Schuld- ner zugehoͤrt. Weil aber im Gegentheil der Schuldner die gantze Schuld zu bezahlen verbunden ist; so muß er, was fehlt, hin- zu thun, wofern vor das Pfand nicht so viel geloͤset wird, als die Schuld be- traͤgt. §. 698. Von dem Eigen- thum ei- ner ver- pfaͤnde- ten Sa- che. Weil derjenige, welcher eine Sache ver- pfaͤndet, oder verhypotheciret, dem Glaͤubi- ger nur das Recht sie zu verkaufen unter der Bedingung einraͤumet, wenn er anders die Schuld nicht erhalten kann (§. 697.); so bleibt die verpfaͤndete oder verhypo- thecirte Sache ihm eigenthuͤmlich; folglich kann er sie veraͤussern (§. 257.): Allein Von dem Pfande. Allein weil das Recht dem Glaͤubiger, welches er darauf hat, nicht wider seinen Willen be- nommen werden kann (§. 100.); so hoͤrt durch die Veraͤusserung das Recht des Pfandes und der Hypothecke nicht auf. Und eben daraus, daß der Schuldner das Eigenthum in der verpfaͤndeten Sache behaͤlt, folgt ferner, daß die Veraͤusserung von dem Glaͤubiger nicht in seinem eigenen, sondern in des Schuldners Nahmen geschiehet, obgleich wider seinen Willen. §. 699. Man sagt, daß das Pfand geloͤset Von der Ausloͤ- sung des Pfandes. oder die Hypothecke bezahlt wird (pi- gnus vel hypothecam luere), wenn die Schuld bezahlt wird, zu deren Sicherheit die Sache verpfaͤndet, oder verhypotheciret wor- den. Da also nach der geschehenen Aus- loͤsung des Pfandes dasselbe ohne Ursache bey dem Glaͤubiger seyn wuͤrde; so muß es wiedergegeben werden. Und da das Recht der Hypothecke aufhoͤrt, wenn die Schuld bezahlt ist; so wird nach der Be- zahlung die Sache von der Hypothecke befreyet. Weil der Schuldner das Pfand auszuloͤsen verbunden ist (§. 697.); so kann der Glaͤubiger die verpfaͤndete Sache nicht verkaufen, bis er es dem Schuld- ner aufgesagt; folglich so lange er es nicht thut, bleibt das Recht sie aus- zuloͤsen allezeit ungekraͤnckt. H h 2 §. 700. II. Theil 15. Hauptstuͤck. §. 700. Von der Verpfaͤn- dung ei- ner frem- den Sa- che. Da der, welcher eine Sache verpfaͤndet, ein bedingtes Recht sie zu veraͤussern unter ei- ner Bedingung dem andern einraͤumet (§. 697.), das Recht zu veraͤussern aber nieman- den als dem Eigenthumsherrn zukommt (§. 257.); so kann auch niemand eine frem- de Sache verpfaͤnden; wiewohl der Eigenthumsherr seine Sache fuͤr eines andern Schuld verpfaͤnden kann (§. 195.). Da aber ein jeder sein Recht einem andern uͤberlassen kann (§. cit. ); so kann der Glaͤubiger eine ihm verpfaͤndete Sa- che einem andern, ohne Wissen seines Schuldners, fuͤr eben seine Schuld, je- doch nicht fuͤr eine groͤssere Schuld, verpfaͤnden. Woferne man es aber anders verabredet; so kann ohne un- ser Wissen die von uns verpfaͤndete Sache nicht einem andern verpfaͤndet werden (§. 438.). §. 701. Wenn ei- ne Sache zwey- mahl verpfaͤn- det wor- den. Weil das Recht, was einer auf eine ver- pfaͤndete Sache hat, ihm vom Schuldner nicht genommen werden kann (§. 100.); so kann eine uns verpfaͤndete Sache ei- nem andern nicht anders verpfaͤndet werden, als daß unser Recht unbe- schaͤdigt bleibet; folglich wenn beyde Glaͤubiger davon nicht befriediget werden koͤnnen, so gehet der erste dem andern vor. §. 702. Von dem Pfande. §. 702. Weil einem das Pfand nur zur Sicherheit Von dem Gebꝛauch des Pfan- des und dem da- bey ver- ursachten Scha- den. der Schuld uͤbergeben wird (§. 697.); so darf der Glaͤubiger das Pfand nicht gebrauchen (§. 317.), wenn ihm der Gebrauch desselben nicht von dem, welchem es gehoͤrt, eingeraͤumt wird; welches durch einen besonderen dazu kommen- den Vertrag geschieht (§. 195.). Wenn das Pfand entweder vorsaͤtzlich, oder aus Versehen des Glaͤubigers verloh- ren geht, oder verschlimmert wird; so muß er den Schaden dem, der es ver- pfaͤndet hat, ersetzen (§. 270.): Weil es aber doch wegen des Schuldners, der es verpfaͤndet hat, bey dem Glaͤubiger sich be- findet; so darf dieser, wenn ein Ungluͤck geschiehet, dafuͤr nicht stehen. Allein da dieser Grund aufhoͤret, wenn der Glaͤu- biger an dem Verzuge das Pfand wie- derzugeben schuld ist; so muß er fuͤr den zufaͤlligen Schaden stehn, als wel- cher sich nicht ereignet haͤtte, wenn es waͤre wiedergegeben worden (§. 419.). Weil aber das Pfand zur Sicherheit der Schuld versetzet, die verpfaͤndete Sache aber nicht fuͤr die Schuld gegeben wird (§. 697.); so bleibt der Schuldner nichts desto weniger dem Glaͤubiger verbindlich, wenn das Pfand durch ein Ungluͤck verdirbt, oder so verschlimmert wird, H h 3 daß II. Theil 15. Hauptstuͤck. daß der Glaͤubiger dadurch zu dem Seinen nicht gelangen kann. §. 703. Von den Unkosten, die aufs Pfand verwen- det wor- den. Da das Pfand durch ein Versehn des Glaͤubigers nicht untergehen, oder verschlim- mert werden darf (§. 702.); so ist der Glaͤubiger schuldig die nothwendigen Unkosten auf dasselbe zu verwenden (§. 297.), welche von dem, der es ver- pfaͤndet hat, wiedergegeben werden muͤssen (§. 271.). §. 704. Vom Contract des Pfandes und der Hypo- thecke. Der Contract des Pfandes (contra- ctus pignoris) wird derjenige genannt, wo- durch der Schuldner, oder ein anderer an sei- ner statt in einer ihm zugehoͤrigen Sache die Pfandgerechtigkeit, oder Hypothecke einraͤu- met; und denn wird es ein verabredetes Pfand und Hypothecke genannt (pignus conventionale, hypotheca conventionalis). Es ist aber die Hypothecke entweder eine besondere, welche auf eine gewisse Sache insbesondere, z. E. auf ein Haus, ein Gut, oder eine Bibliothecke, oder in gewissen Sa- chen zusammen genommen gegeben wird; oder eine allgemeine Hypothecke (hypotheca generalis), da man einem sein gantzes Vermoͤ- gen, so wohl das gegenwaͤrtige, als das zu- kuͤnftige, verpfaͤndet; folglich begreift die- selbe so wohl die Rechte, als auch die ausstehenden Schulden mit in sich (§. 207.). §. 705. Von dem Pfande. §. 705. Weil der Schuldner, was er schuldig ist, zu Von der natuͤrli- chen Ver- pfaͤn- dung. leisten verbunden (§. 336.), folglich wenn dieses nicht geschehen kann, als wenn er et- was von dem Seinigen verkauft, er auch etwas zu verkaufen schuldig ist, der Glaͤubiger aber das Recht hat ihn zur Zahlung der Schuld anzuhalten (§. cit. ), und deswegen auch das Recht ihn anzuhalten, etwas von dem Sei- nigen, oder, wenn es noͤthig ist, alles zu ver- kaufen; so hat von Natur ein jeder ein Recht zu dem Vermoͤgen des Schuld- ners, daß, wenn die Schuld nicht zu gehoͤriger Zeit bezahlt wird, er davon befriediget wird; folglich ist von Na- tur das Vermoͤgen des Schuldners fuͤr jede Schuld verpfaͤndet. Wenn zu die- ser natuͤrlichen Verbindlichkeit die durch den Contract des Pfandes erhaltene dazu kommt, wodurch entweder einige Sachen besonders, oder das gantze Vermoͤgen verpfaͤndet werden (§. 514.); so geht, weil die staͤrckere Ver- bindlichkeit die schwaͤchere uͤberwindet, die verabredete Verpfaͤndung der natuͤrli- chen vor. §. 706. Da die Sachen des Schuldners schon von Wenn man ein Pfand wegen ei- ner an- dern Schuld Natur fuͤr seine Schulden verpfaͤndet sind (§. 705.); so kann das Pfand, wenn es der Schuldner ausloͤset, wegen einer an- dern Schuld innen behalten werden. Und weil das Pfand zur Sicherheit der H h 4 Schuld II. Theil 15. Hauptstuͤck. zuruͤcke behaͤlt. Schuld gegeben wird (§. 697.), und folg- lich der Werth der verpfaͤndeten Sache die Schuld selbst weit uͤbertreffen kann; so kann der Glaͤubiger das gantze Pfand, wenn ein Theil der Schuld, es sey auf was fuͤr Weise es wolle, getilget wird, fuͤr den uͤbrigen Theil, er mag so kleine seyn wie er will, behalten, und ist nicht schuldig eins von geringerem Werth anzunehmen. §. 707. Von der Aufhe- hung des Pfandes und der Hypo- thecke. Das Pfand oder die Hypotheck wird aufgehoben (pignus, vel hypotheca solvi- tur), wenn die verpfaͤndete Sache von ihrer Verbindlichkeit befreyet wird. Wenn also das Pfand aufgehoben wird; so hat der Glaͤubiger kein Recht mehr darauf. Da es auf den Willen des Glaͤubigers an- kommt, ob er dem Schuldner ohne Pfand oder Hypothecke trauen will; so ist das Pfand oder die Hypothecke aufgeho- ben, wenn der Glaͤubiger sein Recht darauf erlaͤßt; jedoch ist daraus nicht zu schliessen, daß er auch die Schuld erlassen wollen. Es erhellet aber an und vor sich selbst, daß das Pfand, oder die Hypotheck aufgehoben wird, wenn die verpfaͤndete Sache untergehet, als auf welcher das Recht des Glaͤubigers haftet (§. 697.). §. 708. Was ei- ne Ser- Wenn einem ein Recht in einer fremden Sache Von den Servituten. Sache eingeraͤumet wird, vermoͤge dessen der vitut und wie viel- fach sie sey. Eigenthumsherr zu des andern Nutzen etwas leiden, oder unterlassen muß, so wird dieses eine Servitut (servitus) genannt; und denn sagt man, daß die Sache, in welcher das Recht eingeraͤumet worden, dem andern dienstbahr sey (servire), der den Nutzen davon hat. Wenn die Sache einer gewissen Person dienstbahr ist, so heißt es eine per- soͤnliche Servitut (servitus personalis); wenn sie aber der Sache eines andern, oder dem Besitzer derselben, er mag seyn wer er will, dienstbahr ist, so wird es eine Servitut der Sache (servitus realis) genannt. Es ist diese entweder eine bejahende (affirma- tiva), vermoͤge welcher der Eigenthumsherr der dienstbahren Sache leiden muß, daß der andere etwas thut; oder eine verneinende (negativa), vermoͤge welcher der andere nicht zu leiden schuldig ist, daß er etwas thue. §. 709. Es ist aber zu bemercken, daß ein Gut Von den Guͤtern und den Servitu- ten der Guͤter. (prædium) eine jede unbewegliche Sache ge- nennt wird, welche man wegen einer gewis- sen Frucht, die sie uns gewehret, oder wegen eines Nutzen, der nach Gelde geschaͤtzt wer- den kann, und den Fruͤchten gleich ist, be- sitzet. Da der Gebrauch einer Sache an- ders auf dem Lande beschaffen ist (usus rusticus), welcher zum Ackerbaue, oder zur Landwirthschaft, es mag seyn auf was vor Art und Weise es wolle, gehoͤret: anders in H h 5 der II. Theil 15. Hauptstuͤck. der Stadt (urbanus), welcher zur Bewoh- nung, zum Handel und Handthierungen gehoͤrt; so ist ein Landgut (prædium rusticum) dasjenige, welches einen Gebrauch, der auf dem Lande noͤthig ist, hat; ein Stadtgut (prædium urbanum) aber dasjenige, welches einen Gebrauch hat, der in der Stadt noͤ- thig ist. Derowegen da die Landguͤter und Stadtguͤter bloß durch den Gebrauch, wel- chen sie haben, unterschieden werden, nicht aber durch den Ort, wo sie liegen; so giebts nicht weniger Landguͤter in der Stadt, als Stadtguͤter auf dem Lande. Da- her werden die Servituten der Sache auch Servituten der Guͤter (servitutes præ- diales) genannt. Und es heißt eine Ser- vitut der Stadtguͤter (servitus prædio- rum urbanorum), wenn ein gewisser Ge- brauch von einem andern Gute zum Nutzen eines Stadtguts geleistet wird: Eine Ser- vitut eines Landguts (servitus prædio- rum rusticorum) aber, wenn er von einem andern Gute zum Vortheil eines Landgutes geleistet wird. Daher kann eine und eben dieselbe Servitut eine Servitut eines Stadtguts und eines Landguts seyn, nachdem sie naͤmlich einem Landgute, oder ei- nem Stadtgute dienstbahr ist. Bey der Ser- vitut der Guͤter heist dasjenige das dienstbah- re Gut (prædium serviens), welches einem andern Dienste leistet; das herrschende aber (prædium dominans), welchem das andere dient. Von den Servituten. dient. Der liegende Grund, welcher die Servitut schuldig ist, heist ein dienstbah- rer (fundus servus); der aber keine Servi- tut auf sich hat, ein freyer Grund (liber). Den besten Grund (optimus) pflegt man zu nennen, welcher von aller Servitut und Hypothecke befreyet ist. §. 710. Da die Servitut ein Recht ist, welches Wer Servitu- ten aufle- gen und erlaugen kann. dem andern in einer Sache eingeraͤumt wird (§. 708.); so kann niemand als der Ei- genthumsherr in seiner Sache einem andern eine Servitut einraͤumen (§. 260.), und es beruhet auf seinem le- diglichen Willen, ob und unter was vor Bedingungen er sie einraͤumen will (§. 314.); folglich ist es nicht er- laubt dieser Bedingung zuwider etwas zu unternehmen (§. 438.). Und weil der, welcher ein wiederrufliches Eigen- thum hat, die Sache eben so, wie er sie be- kommen, wiedergeben muß (§. 314.), folg- lich frey, wenn sie frey gewesen; so kan der- selbe seinem Gute keine Servitut auf- legen, als dergestalt, daß sie nach dem Wiederruf des Eigenthums aufhoͤrt. Weil aber niemand ohne Annehmung ein ge- wisses Recht erhalten kann (§. 316.); so kann auch niemand fuͤr ein Gut, so nicht sein ist, eine Servitut erhalten. Weil endlich ein jeder sein Recht erlassen, oder sich desselben begeben kann (§. 342.); so kann auch II. Theil 15. Hauptstuͤck. auch der Eigenthumsherr des herr- schenden Guts eine Servitut erlassen. Die Guͤter werden wie Personen betrachtet, deren eine der andern zu etwas verbunden ist; und die ietzigen Eigenthumsherren der Guͤter stellen die Guͤter vor, von welchen die Ver- bindlichkeiten und Rechte, welche auf den Guͤ- tern haften, auf sie kommen. §. 711. Wie viel es Arten von Ser- vituten giebt. Weil eine Servitut zu dem Ende eingeraͤu- met wird, daß der, dem sie eingeraͤumet wird, durch eine einem andern zugehoͤrige Sache ei- nen gewissen Nutzen erhaͤlt (§. 708.); so giebt es so viel Arten der Servitut, als auf wie vielerley Art und Weise eine gewisse Person, oder ein gewisser Besitzer eines Gutes durch eine einem andern zugehoͤrige Sache, oder durch eines andern Gut einen Nutzen ha- ben, oder den Genuß von Fruͤchten erhalten kann. §. 712. Von den Arten der Ser- vituten der Guͤ- ter. Die gewoͤhnlichen Servituten der Guͤter haben in dem buͤrgerlichen Rechte einen Nah- men bekommen. Also nennt man die Servi- tut eines zu tragenden Gebaͤudes (ser- vitus oneris ferendi), wenn die Wand unsers Nachbars, oder eine Saͤule desselben eine Last von unserm Gebaͤude unterstuͤtzen muß; derjenige also, der die Servitut schuldig ist, muß sie im baulichen We- sen erhalten. Da aber zur Erhaltung im bauli- Von den Servituten. baulichen Wesen, oder zur Ausbesserung der Wand und der Saͤule die Unterstuͤtzung des Hauses, so darauf ruhet, nicht gehoͤret; so muß der Eigenthumsherr des herrschenden Guts auf seine Kosten das sinckende Haus unterstuͤtzen. Die Servitut von einem einzufugenden Balcken (das Tram- recht servitus tigni immittendi ) nennt man, wenn einem erlaubt ist einen Balcken, oder etwas anders, was zum Sparrwerck des Hau- ses dient, in des Nachbars Wand zu legen, daß es darauf ruhe; daher entsteht eben die Verbindlichkeit bey dem Eigen- thuͤmer des dienstbahren Guts, die wir zuvor angezeigt haben. Ferner nennt man die Servitut des Weiterheraus- bauens (servitus projiciendi), wenn ein Gebaͤude uͤber des andern Grund und Boden, oder was auf denselben gebaut ist, heruͤber ge- het, gleichwohl aber auf dem Gebaͤude des Nachbars nirgends ruhet. Die Servitut nicht hoͤher zu bauen (servitus altius non tollendi) ist, wenn der Eigenthuͤmer des herr- schenden Guts verbieten kann, daß der Ei- genthuͤmer des dienstbahren sein Gebaͤude nicht hoͤher auffuͤhren darf: im Gegentheil kann man die Servitut hoͤher zu bauen (servitus altius tollendi) nennen, wenn einer zum Vortheil des Nachbars kein niedrigers Gebaͤude haben darf, als er itzt hat. Die Servitut der Lichts (servitus luminum) nennt man die, wenn einer leiden muß, daß man II. Theil 15. Hauptstuͤck. man in seiner oder einer gemeinschaftlichen Wand Fenster machen darf, die in des an- dern Hof gehen, um Licht in seinem Gebaͤu- de zu haben; die Servitut der Aussicht (servitus prospiciendi, seu prospectus), wenn der Nachbar leiden muß, daß wir Fen- ster in unserem Gebaͤude haben, daraus man in seines sehen kann. Man nennt aber er- leuchtende Fenster (fenestræ luciferæ), wodurch das Licht in unsere Gebaͤude faͤllt; hingegen Fenster zur Aussicht (fenestræ prospectivæ), wodurch wir eine Aussicht in Oerter haben, die einem andern zugehoͤren, z. E. in seinen Hof, oder Garten. Die Ser- vitut das Licht nicht zu benehmen (ser- vitus ne officiatur luminibus) nennt man, wenn einer in seinem Gut nichts machen darf, wodurch einiges Licht, was wir in un- serm Gebaͤude haben, verdunckelt oder ver- mindert wird; die Servitut aber die Aussicht nicht zu hindern (servitus ne prospectui officiatur), wenn man nichts ma- chen darf, wodurch die freye Aussicht auf alle Oerter, die dem Nachbar angenehm und zu seinem Vergnuͤgen dienen, auf einige Wei- se verhindert wird. Die Servitut die Traufe abzuwenden, oder herzuleiten (servitus stillicidii avertendi, vel recipiendi), wenn einer gehalten ist zu leiden, daß der Nachbar das Regenwasser, welches von sei- nem Dache troͤpfelt, oder durch Rinnen her- abfließt, auf sein Dach, seinen Grund und Boden, Von den Servituten. Boden, oder Abtritt leitet; die Servitur aber die Traufe nicht wegzunehmen (servi- tus stillicidii non avertendi) wenn er seine Traufe nicht anders, als in unser Haus, oder in unsern Garten leiten darf. Die Servi- tut eine Gosse durch des andern Haus zu fuͤhren (servitus cloacæ immittendæ), wenn er leiden muß, daß der Nachbar den Unflat, welcher sich auf dem Grund und Bo- den des andern gesammlet hat, durch seinen Grund und Boden abfuͤhret; die Servi- tut einen Abtritt zu leiden (servitus cloacæ habendæ), wenn der Nachbar leiden muß, daß wir einen Abtritt an seiner Wand ha- ben. Daher versteht man auch, was die Ser- vitut eine Mistgrube zu leiden (servitus sterquilinii habendi) sey. Der Durchgang (Fußsteig, iter ) ist die Servitut, da wir zu leiden gehalten sind, daß jemand durch unser Gut zu seinem Gute um dieses Guts willen gehen darf: Gehen (ire) aber sagt man im Rechte auch von dem, der mit fremden Fuͤssen gehet, z. E. wenn einer reitet, oder in der Saͤnfte getra- gen wird. Der Trieb (actus) ist die Ser- vitut, da man leiden muß, daß der Eigenthuͤ- mer eines andern Guts Lastvieh, oder einen Wagen durch das dienstbahre Gut fuͤhren darf; und dieser ist entweder der voͤllige (plenus) wenn man auch mit angespannten Pferden, oder Ochsen durchfahren darf; oder der nicht voͤllige (minus plenus), wenn man bloß das Vieh durchtreiben, aber nicht mit einem ange- spann- II. Theil 15. Hauptstuͤck. spannten Wagen fahren darf. Der Weg (Fahrweg, via ) ist die Servitut, da man nicht allein leiden muß, daß jemand durch sein Gut gehet, oder Vieh treibet, sondern auch zu seinem Gute, als dem herrschenden fahren, tragen und schleppen darf, was man zum Be- sten seines Gutes noͤthig hat. Das Wasser- schoͤpfen (aquæ haustus) ist die Servitut, da man leiden muß, daß ein anderer aus seinem Brunnen, oder aus einem Ort der ihm zuge- hoͤrt, zur Beduͤrfnis seines liegenden Grun- des Wasser schoͤpft; die Wasserleitung (aquæ ductus) aber da man leiden muß, daß einer durch seinen Grund und Boden Wasser zu dem seinigen leiten darf, es geschehe auf was Art und Weise es wolle; und die Ser- vitut Wasser abzuleiten (servitus aquæ educendæ) ist, da man leiden muß, daß einer das uͤberfluͤßige und unnuͤtze Wasser aus sei- nen liegenden Grunde durch unsern ableite. Die Traͤncke (pecoris ad aquam appul- sus) ist die Servitut, da man leiden muß, daß das Vieh von einem andern Gute, um dasselbe zu traͤncken zu unserm Brunnen, oder zu un- serm Wasser getrieben wird. Das Recht der Trift (jus pascendi) ist die Servitut, da man leiden muß, daß jemand das Vieh von seinem Gute auf unserm weidet. Das Recht Kalck zu brennen (jus calcis coquendæ) ist die Servitut, da man leiden muß, daß einer auf unserm Grund und Boden, zur Be- qvemlichkeit seines Guts, Kalck brennen darf. Was Von den Servituten. Was aber das Recht sey Sand zu graben, Steine zu brechen, verdorrte Aeste zu sammlen, Eicheln aufzulesen, zu jagen, versteht man aus den blossen Nahmen. Aber das Recht Pfaͤhle zu nehmen (jus peda- menta sumendi) ist die Servitut, da wir leiden muͤssen, daß einer aus unserm Walde, oder Hoͤltzern Pfaͤhle vor Baͤume, oder Wein- stoͤcke, oder an Hopfen, oder Bonen Stangen nehmen darf. Aber das Recht Holtz zu holen (jus lignandi) ist die Servitut, da man leiden muß, daß einer zu einem gewis- sen Gebrauche Holtz zum Nutzen seines Guts in unserem Walde, oder Hoͤltzern schlagen darf. Von allen diesen Gerechtigkeiten versteht es sich, daß alles dieses dem herrschenden Gute verwilliget worden, ohne wel- ches es sich seines Rechtes nicht bedie- nen koͤnte, indem sonst die Servitut unnuͤ- tze seyn wuͤrde; wie auch daß das Recht des herrschenden Guts durch eine Be- dingung, die dem Einraͤumen hinzu- gefuͤgt worden, auf alle moͤgliche Wei- se erweitert und eingeschraͤnckt wer- den koͤnne (§. 710.). §. 713. Was von den Servituten, oder Dienstbar- Von dem Nieß- brauch. keiten der Sachen bis hieher gesagt worden, gilt auch von den persoͤnlichen. Unter den- selben hat einen besondern Vorzug der Nieß- brauch (ususfructus), welcher eine persoͤn- liche Servitut ist, da der Eigenthuͤmer lei- Nat. u. Voͤlckerrecht. J i den II. Theil 15. Hauptstuͤck. den muß, daß ein anderer seine Sache nu- tzet und gebraucht, doch so, daß die Sache selbst unbeschaͤdiget bleibe. Wer den Nieß- brauch hat, ist der Usufructuarius (Frucht- niesser), der zuweilen auch fructuarius ge- nannt wird. Die Proprietaͤt bleibt also bey dem Eigenthumsherrn; folglich was der Eigenthumsherr vermoͤge der Proprietaͤt thun kan, daß ist dem Usu- fructuario nicht erlaubet. Derowegen kann er die Sache nicht veraͤussern (§. 257.), nicht veraͤndern (§. 256.), nicht verpfaͤnden (§. 700.), derselben keine Servitut auflegen (§. 710.): Aber mit dem Nießbrauch, indem derselbe ein ihm eigenes Recht ist, kann er nach seinem Belieben thun, was ihm gefaͤllt (§. 195. 206.). Es erhellet auch, daß man die Sache nicht anders nutzen kann, als wie sie ist; und es ist nicht weniger of- fenbahr, daß man den Nießbrauch in allen beweglichen und unbeweglichen, auch unkoͤrperlichen Sachen, welche man nutzen und gebrauchen kann, ein- raͤumen koͤnne, doch so, daß dieselbe noch unversehret uͤbrig bleiben, und zwar unter einer Bedingung, die dem- jenigen, der das Recht einraͤumet, ge- faͤllt (§. 314.). §. 714. Von zweifel- haften Weil die Metalle und Ertze (minera- lia) nicht in einer kurtzen Zeit wieder wach- sen; Von den Servituten sen; so werden sie nicht als Fruͤchte des lie- Sachen, ob sie un- ter dem Nieß- brauch begriffen sind. genden Grundes betrachtet, sondern sie gehoͤ- ren vielmehr zur Substantz desselben, und al- so nicht zum Nießbrauch (§. 713.). Eben dieses versteht sich, aus eben der Ursache, von den alten Baͤumen, deren Fruͤchte, wenn sie einige tragen, zum Nieß- brauch gehoͤren (§. cit. ). Weil aber das Niederholtz (sylva cedua), wenn es abge- hauen worden, aus Staͤmmen und Wurtzeln in einer kurtzen Zeit wieder waͤchst, und des- sen Gebrauch allein in dem Abhauen besteht; so gehoͤret es zum Nießbrauch. Naͤm- lich nach der Weise kann der Usufru- ctuarius Holtz abhauen, wie der, der den Nießbrauch erlaubt, damit ver- fahren, oder welche durch die Ge- wohnheit erlaubt ist. Wenn es dero- wegen auch gewoͤhnlich ist, daß in einem Wald, wo kein Niederholtz ist, Staͤm- me in gewisser Anzahl jaͤhrlich gefaͤllet werden, so kann sie auch der Usufru- ctuarius in eben der Anzahl faͤllen; folglich sind die Baͤume, die der Wind umgerissen hat, des Eigenthumsherrn, und nicht des Usufructuarii, der sie aber, wenn es der Eigenthumsherr haben will, anstatt derer, die er haͤtte faͤllen koͤnnen, anzunehmen schuldig ist; indem der Eigenthumsherr auf solche Weise von dem Wald selbst die Einrichtung J i 2 macht, II. Theil 15. Hauptstuͤck. macht, daß er, dem Recht des Usufructua- rii unbeschaͤdigt, nicht verschlimmert wird. §. 715. Was dem Usu- fructua- rio nach geendig- tem Nieß- brauche verblei- bet. Da nach der Endigung des Nießbrauchs die Sache, die diesem Rechte unterworffen war, von dem Usufructuario wiedergegeben werden muß (§. 713.); so muß, woferne der Nießbrauch in einer Heerde Vie- hes bestanden, an statt des verreckten Viehes, oder des verkauften, anderes angeschafft werden. Und da nach ge- endigtem Nießbrauche das Recht des Usufructuarii aufhoͤret; so sind die zu der Zeit hangende Fruͤchte des Eigen- thumsherrn. Weil aber die Fruͤchte des Fleißes nicht weniger Fruͤchte des Fleißes, als des Grundes und Bodens sind (§. 226.); so sind dieselbe nach geendigtem Nieß- brauche nach Proportion gemeinschaft- lich, so viel als naͤmlich der Gebrauch des Grundes und die Arbeit und Be- muͤhung des Usufructuarii gilt. Glei- chergestalt weil die Einkuͤnfte, welche wegen des Gebrauchs, der bestaͤndig erhalten wird, gezahlt werden, der Zeit proportional sind; so muͤssen diesel- ben, wenn der Nießbrauch vor der Zeit, da sie bezahlt werden, geendet wird, nach Proportion der Zeit un- ter den Usufructuarius und den Ei- genthuͤmer getheilt werden. Die Ein- kuͤnfte aber, welche von einem Rechte in Von den Servituten. in einer Sache (jure in re) herruͤhren, z. E. die Zehenden, indem sie vor der Zeit, da sie gefaͤllig sind, den haͤngenden Fruͤchten gleich geschaͤtzt werden, gehoͤren dem Ei- genthuͤmer zu. §. 716. Weil die Fruͤchte dem Usufructuario gehoͤ- Wen das Ungluͤck trift. ren, die Sache aber, darauf das Recht des- selben haftet, des Eigenthuͤmers ist (§. 713.); so hat den Schaden in den Fruͤchten der Usufructuarius, den in der Sache aber der Eigenthuͤmer. §. 717. Aus eben dieser Ursache muß der Usu- Von den Abgaben und Auf- wande. fructuarius alle Abgaben, so wohl die ordentlichen, als ausserordentlichen, die in Ansehung der Fruͤchte und Ein- kuͤnfte abgetragen werden muͤssen, be- zahlen, und was der Fruͤchte wegen aufgewandt werden muß, auf sich nehmen: Wenn aber die ausserordent- lichen Abgaben mehr betragen, als die Fruͤchte, weil sichs alsdann verstehet, daß sie nicht bloß der Fruͤchte, sondern auch der Sachen wegen aufgelegt worden; so muß der Eigenthuͤmer das abtragen, was mehr als die Fruͤchte austraͤgt. Naͤm- lich was der Eigenthuͤmer allein thun muͤste, wenn er mit voͤlligem Recht die Sache haͤt- te, das muß der Usufructuarius und der Ei- genthumsherr zusammen thun. J i 3 §. 718. II. Theil 15. Hauptstuͤck. §. 718. Wenn der Nieß- brauch geendet wird. Da der Nießbrauch ein persoͤnliches Recht ist (§. 713.); so hoͤrt es mit dem Tode auf (§. 400.). Es hoͤrt auch auf, wenn es der Usufructuarius erlaͤßt; und da eine Sache, die nicht mehr vorhan- den, nicht genutzt und gebraucht werden kann; so geschieht es auch durch den Unter- gang der Sache. Endlich auch nach Verfließung der Zeit, auf die er ein- geraͤumet worden (§. 317.). Daher folgt, daß wenn ein Haus, weil es alt ist, ein- faͤllt, oder abbrennt, und ein neues erbauet wird, der Usufructuarius kei- nen Nießbrauch an demselben hat. §. 719. Von dem Nieß- brauch aͤhnlichen Rechte. Ein dem Nießbrauch aͤhnliches Recht (quasi ususfructus) wird die persoͤn- liche Servitut genannt, da man leiden muß, daß einer eine ihm zugehoͤrige Sache, die durch den Gebrauch verzehrt wird, geniessen und gebrauchen darf, so daß er nach geendig- tem seinem Rechte entweder eine Sache von der Art, oder den Werth derselben wieder- geben muß. Weil das Eigenthum der Sa- che auf den gebracht werden muß, der dieses Recht haben soll (§. 195. 198.); so faͤllt auch auf ihn der Schade, der sich in der Sache zufaͤlliger Weise ereignet. §. 720. Von Veꝛschaf- fung der Da zur Sicherheit einer Schuld die Buͤrg- schaft (§. 569.) und die Verpfaͤndung zu ei- ner Von den Servituten. ner jeden verbindlichen Handlung hinzukom- Sicher- heit. men kann (§. 697.); so ist, wofern zu be- fuͤrchten, es moͤchte nach geendigtem Qvasiusufructu der Qvasiusufructua- rius die Sache nicht wiedergeben, oder auch der Usufructuarius nicht leisten koͤnnen, wovor er nach geendetem Nießbrauche dem Eigenthuͤmer haf- ten muß, ein jeder von beyden entwe- der durch Buͤrgen, oder durch eine Hy- potheck eine Caution zu machen schul- dig. Wenn aber jemand keine Caution machen kann; so muß, weil man nieman- den wider seinen Willen sein Recht nehmen kann (§. 100.), die Sache, von welcher einer den Nießbrauch, oder gleichsam den Nießgebrauch hat, fuͤr ein gewis- ses Geld, welches dem Usufructuario, oder Qvasifructuario gegeben wird, entweder dem Eigenthuͤmer, wenn er will, oder einem dritten uͤberlassen werden. §. 721. Der Gebrauch (usus) ist eine persoͤnli- Vom Ge- brauch. che Servitut, da einer leiden muß, daß ein anderer seine Sache, sie mag fruchtbar seyn, oder nicht, doch so daß die Sache unbeschaͤ- digt bleibt, brauchen darf. Man sagt naͤm- lich in der Bedeutung des roͤmischen Rechts, daß einer eine Sache gebrauche, der davon so viel von den Nutzungen und Einkuͤnften er- haͤlt, als er mit den Seinigen zur Nothdurft J i 4 und II. Theil 15. Hauptstuͤck. und Beqvemlichkeit des Lebens bedarf. Der, welchem der Gebrauch eingeraͤumt wird, wird der Usuarius genannt. Da aber dieser Ge- brauch gewiß seyn, das Recht aber, welches dem Usuario zukommt, nach dem Wil- len dessen, der es ihm einraͤumet, beurtheilt werden muß (§. 314.); so muß natuͤrli- cher Weise der, welcher den Gebrauch einraͤumet, bestimmen, wie derselbe seyn soll. Man nennt aber den voͤlligen Gebrauch (usus plenus), wenn einer aus einer einem andern zugehoͤrigen Sache alles nehmen kann, was zur Nothdurft und Beqvemlichkeit des Lebens erfordert wird; den nicht voͤlligen aber (minus plenus), nach welchem ein gewisser Theil der Nutzung einer Sache dem Usuario zur Erleich- terung der Lebensnothdurft bestimmet wird. Der voͤllige Gebrauch wird also nach der Beduͤrfniß des Usuarii bestimmt. Derowegen da der voͤllige Gebrauch an sich unbestimmt, der nicht voͤllige Gebrauch aber bestimmt ist; so kann der nicht voͤllige Ge- brauch einem andern uͤberlassen wer- den, der voͤllige Gebrauch aber nicht. Da der Usuarius nur das Recht hat von den Fruͤchten so viel zu nehmen, als zu seiner Nothdurft hinreicht, der Eigenthuͤmer aber das Recht zu den Fruͤchten hat; so darf der Usuarius das Feld nicht bauen, son- dern der Eigenthumsherr muß dieses besorgen. Wofern aber der Gebrauch ohne Von den Servituten. ohne Unkosten nicht erhalten werden kann, z. E. wenn der Gebrauch der Ochsen zum pfluͤgen erlaubt worden; so fallen, da ein solcher Gebrauch sich verstehet dergestalt erlaubt zu seyn, wie er erhalten werden kann, die Unkosten auf den Usuarius, z. E. das Futter fuͤr die Ochsen. Uebrigens erhel- let aus der Vergleichung der Begriffe, daß es sich nicht widerspricht, wenn man in einer und derselben Sache einem den Gebrauch, dem andern den Nieß- brauch einraͤumet. §. 722. Ein dem Gebrauch aͤhnliches Recht Von dem Gebrau- che aͤhn- lichen Rechte. (quasi usus) ist, den man von einer Sache, die verbraucht wird, erhaͤlt. Da eben die- selbe Sache nicht wiedergegeben werden kann; so muß nach Endigung des Rechtes eine an- dere von eben der Art wiedergegeben werden; z. E. wenn uns der Gebrauch vom Gelde er- laubt wird, welches wir entweder zu unserm Nutzen anwenden, oder auf Zinsen austhun koͤnnen. §. 723. Die Wohnung (habitatio) ist eine per- Von der Woh- nung. soͤnliche Servitut, da der Eigenthumsherr leiden muß, daß ein anderer sein gantzes Haus, oder einen Theil desselben bewohnet. Wem diese Servitut eingeraͤumet wird, heist der Bewohner (habitator). Da die Woh- nung von dem Nießbrauch des Hauses unter- schieden wird; so muß der Bewohner J i 5 das II. Theil 16. Hauptstuͤck. das Haus, oder den Theil, welcher ihm erlaubt worden, selbst und allein bewohnen: Er kann aber nicht diesen oder jenen Theil einem andern vermie- then. Und weil das Recht das Haus zu bewohnen dem Eigenthuͤmer genommen und dem Bewohner uͤberlassen worden; so kann der Eigenthumsherr die leeren Theile des Hauses nicht gebrauchen und nu- tzen, wenn der Bewohner sie nicht al- le braucht. Da uͤbrigens das Recht des Bewohners aus dem Willen dessen, der ihm das Recht verliehen, ermessen werden muß (§. 314.); so kann natuͤrlicher Weise die Wohnung auch also erlaubt werden, daß der Bewohner sein Recht fuͤr eine gewisse Miethe vermiethen und diese geniessen kann. Das sechzehnte Hauptstuͤck. Von der Erbnutzbarkeit eines Gutes/ und sonderlich dem Lehn. §. 724. Von der Erbnutz- barkeit eines Guts uͤber- haupt. D ie Erbnutzbarkeit eines Gutes (dominium utile) nennt man, wenn einer das Recht eine Sache zu ge- brauchen und zu nutzen voͤllig frey hat, die Proprietaͤt aber einiger massen einem andern zum Theil zukommt. Wer die Erbnutzbar- keit hat, ist der Eigenthuͤmer der erbli- chen Von der Erbnutzbarkeit. chen Nutzbarkeit (dominus utilis). Das Grundeigenthum (dominium directum) aber nennt man den Theil der Proprietaͤt, welcher durch die Einschraͤnckung dem Eigen- thuͤmer der Erbnutzbarkeit benommen ist, und einem andern zugehoͤrt. Wer das Grundei- genthum hat, ist der Lehnherr (dominus di- rectus). Weil die Proprietaͤt das Recht die Sache zu veraͤussern und zu veraͤndern in sich schließt (§ 198. 256. 257.); so kann na- tuͤrlicher Weise die Proprietaͤt entwe- der in Ansehung des Rechts zu ver- aͤussern, oder in Ansehung des Rechts die Sache zu veraͤndern, oder in An- sehung beyder eingeschraͤnckt werden; folglich wenn das Recht zu veraͤussern eingeschraͤnckt wird, so kann der Ei- genthuͤmer der erblichen Nutzbarkeit des Guts entweder die Sache gar nicht, oder bloß unter einer gewissen Bedin- gung veraͤussern. Es erhellet aber vor sich, daß der Eigenthuͤmer der Erb- nutzbarkeit eines Guts allein allen Nu- tzen von der Sache hat. Weil uͤbri- gens das urspruͤngliche Eigenthum ein voͤlli- ges Eigenthum ist (§. 195. 198.); so kann die Erbnutzbarkeit, oder auch das Grund-Eigenthum urspruͤnglich nicht erlangt werden, als bloß durch einen Vertrag mit demjenigen, welcher das voͤllige Eigenthum hat (§. 314. 438.), und der, welcher es dem andern ein- raͤu- II. Theil 16. Hauptstuͤck. raͤumet, kann eine Bedingung, welche ihm gefaͤllt, hinzusetzen (§. 314.). Wenn die Erbnutzbarkeit einem eingeraͤumet wird, muß man hauptsaͤchlich auf zweyerley acht geben, naͤmlich auf das Gesetze, oder die Be- dingung, unter welcher es einem eingeraͤu- met wird, und auf das Gesetze, wodurch die Proprietaͤt eingeschraͤnckt wird. §. 725. Was das Erbzins- recht ist. Das Erbzinsrecht (emphyteusis) ist die Erbnutzbarkeit eines Gutes, welches un- ter der Bedingung einer jaͤhrlichen abzutra- genden Zinse zur Erkentniß des Grundeigen- thums eingeraͤumet worden, mit der auf eine gewisse Weise eingeschraͤnckten Proprietaͤt. Die Sache, auf welcher das Erbzinsrecht beruhet, wird das Erbzinsgut (bonum em- phyteuticarium, res emphyteutica) genannt. Wer das Erbzinsrecht in einem Gute hat, ist der Erbzinsmann (emphyteuta); derje- nige, von welchem er das Erbzinsrecht hat, ist der Erb- und Lehnherr (dominus em- phyteuseos). Die Zinse, welche zur Er- kentniß des Grundeigenthums gezahlt wird, nennt man die Erbzinse (canon emphy- teuticus); und der Lehncontract (contra- ctus emphyteuticus) ist der, durch welchen das Erbzinsrecht eingeraͤumt und erlangt wird. §. 726. Von den Erbzin- sen. Weil die Erbzinsen zum Zeichen der Er- kentniß des Grundeigenthums gegeben wer- den Von der Erbnutzbarkeit. den (§. 725.), folglich die Bezahlung dersel- ben nur beweiset, daß der Erbzinsmann das Grundeigenthum bey dem Erbzinsgute er- kennt; so darf die Groͤsse der Erbzinse nicht dem Nutzen, welchen man aus dem Erbzinsgute erhalten kann, pro- portionirt werden; folglich da kein inne- rer Grund der Bestimmung vorhanden, so muͤssen dieselben durch beyderseitige Einwilligung des Erb- und Lehn- herrns und des Erbzinsmanns in dem Lehncontract bestimmt werden. Da man diesen halten muß (§. 438.); so darf die Erbzinse wegen der Verbesserung, oder Vermehrung der Einkuͤnfte, oder weil sie sehr geringe ist, nicht erhoͤhet werden; und es kann dieselbe entwe- det in Gelde, oder in andern Sachen bestehen, nachdem man es naͤmlich anfaͤng- lich verabredet hat. Da das Erbzinsrecht auf einem Contracte beruhet (§. 725.); so ist der Erbzinsmann verbunden die Erbzinse jaͤhrlich abzutragen (§. 514.), und der Erb- und Lehnhert hat das Recht ihn dazu anzuhalten (§. 80.); folglich wird wegen des unterlassenen oder geweigerten Abtrags der Erbzin- se das Erbzinsrecht nicht verlohren, wenn man es nicht ausdruͤcklich ver- abredet hat (§. 667.). Gleichergestalt er- hellet, daß weil die Erbzinse nicht des Nu- tzens wegen gegeben wird, den man aus der Sache II. Theil 16. Hauptstuͤck. Sache hat; so muß sie gegeben werden, wenn man auch in dem Jahre wenig oder gar keinen Nutzen von dem Erb- zinsgute gehabt, woferne nicht aus- druͤcklich ausgemacht worden, daß die Erbzinse in gewissen Faͤllen erlassen, oder vermindert werden soll (§. cit. ). Weil das Recht die Erbzinse zu fordern dem Erb- und Lehnherrn vermoͤge des Grundei- genthums zukommt, welches zu erkennen sie gegeben wird (§. 725.), und es folglich ein Recht in der Sache, oder, wie es einige nennen, ein dinglich Recht ist (jus in re) (§. 334.); so kann der Erb- und Lehn- herr die Erbzinse, die der Erbzins- mann nicht gezahlt, von einem jeden Besitzer fordern. §. 727. Von dem Erbzins- contract. Da es bloß auf den Willen des Erb- und Lehnherrn, der das Erbzinsrecht einraͤumet, ankommt, unter was vor Bedingungen er die erbliche Nutzbarkeit des Guts einem uͤber- lassen will (§. 314.); so muß in dem er- sten Erbzinscontracte, worauf alles Erb- zinsrecht beruhet (§. 725.), bestimmt wer- den, wie die Proprietaͤt eingeschraͤnckt seyn soll, so wohl in Ansehung der Veraͤusserung, als auch in Ansehung der Veraͤnderung des Erbzinsguts (§. 256. 257.), und alles uͤbrige, was durch die Natur des Erbzinsrechts nicht be- stimmt ist, und also mehr als auf eine Weise bestimmt Von der Erbnutzbarkeit. bestimmt werden kann. Daher folgt, daß alles Recht so wohl des Erb- und Lehn- herrns, als des Erbzinsmanns aus dem Contract ermessen werden muß, welcher mit dem gemacht worden, der das Erbzinsrecht zuerst erhalten hat. Weil nun, wenn das Erbzinsgut veraͤussert wird, der neue Erbzinsmann den Erb- und Lehnherrn vor seinen Erb- und Lehnherrn er- kennen muß; so muß der Erbzinscon- tract mit dem neuen Erbzinsmanne erneuert werden. Unerachtet eben die- ses gilt, wenn das Grundeigenthum veraͤussert wird; so ist es dennoch, weil sich der Erbzinsmann ausdruͤcklich verbind- lich machen kann, daß er nicht allein dem ge- genwaͤrtigen Erb- und Lehnherrn, sondern auch einen jeden andern rechtmaͤßigen Nach- folger vor seinen Erb- und Lehnherrn erken- nen will, nicht schlechterdings noͤthig, wenn sich der Erbzinsmann dazu ver- bindlich gemacht hat, daß er einen je- den rechtmaͤßigen Nachfolger des ge- genwaͤrtigen Erb- und Lehnherrn vor seinen Erb- und Lehnhetrn erkennen will. §. 728. Die Lehnwaare (laudemium) ist das Von der Lehn- waare. Geld, welches fuͤr die Erneurung des Erb- zinscontracts dem Grundeigenthumsherrn ge- geben werden muß. Jm Erbzinscontract muß die Groͤsse der Lehnwaare ausge- macht II. Theil 16. Hauptstuͤck. macht werden, und ob sie bloß denn bezahlt werden soll, wenn der Erb- zinsmann veraͤndert wird, oder auch wenn der Erb- und Lehnherr veraͤn- dert wird. Es erhellet aber wie vorher von der Erbzinse (§. 726.), daß das Recht Lehnwaare zu fordern ein Recht in der Sache (jus in re) sey, indem dasselbe aus dem Grundeigenthume abstammt, wel- ches unstreitig ein Recht in der Sache ist (§. 334.), damit dasselbe nicht gantz ohne allen Nutzen sey. §. 729. Wenn das Erb- zinsrecht geendet wird. Da das Erbzinsrecht durch den Erb- zinscontract bestimmt wird (§. 727.); so hoͤ- ret dasselbe, wenn es auf gewisse Per- sonen gerichtet wird, nach dem Ab- sterben aller dieser Personen auf: Wenn es aber auf eine gewisse Zeit gegeben wird, nach Verfliessung dieser Zeit, oder auch wenn der Erbzinsmann dem Erb- und Lehnherrn zu gefallen, oder dieser dem Erbzinsmanne zu gefallen das Erbzinsrecht erlaͤßt (§. 337. 342.). Es erhellet aber an und vor sich selbst, daß das Erbzinsrecht auf hoͤrt, wenn das Erbzinsgut untergeht. Allein wenn der Erbzinsherr ohne Erben oder ei- nen Nachfolger stirbt; so wird, da das Grundeigenthum zu den Guͤtern des Grund- eigenthumsherrn gehoͤrt (§. 207.), natuͤrli- cher Weise dasselbe eine Sache, die nie- manden Von der Erbnutzbarkeit. manden zugehoͤret, und die sich folglich einer zueignen kann (§. 210.); und des- wegen hoͤret das Erbzinsrecht nicht auf. §. 730. Wenn das Erbzinsrecht errichtet wird; so Was ge- schieht, wenn das Erbzins- recht auf- hoͤret. wird die Erbnutzbarkeit des Guts vom Grund- eigenthume entweder auf eine gewisse Zeit, oder so lange als rechtmaͤßige Nachfolger da seyn werden, nachdem es im Erbzinscontra- cte ausgemacht worden, abgesondert (§. 727.). Es versteht sich derowegen, daß der, welcher das Recht eingefuͤhret, keinen andern Sinn gehabt habe, als daß nach Verfliessung der Zeit, oder wenn kein rechtmaͤßiger Nachfol- ger mehr vorhanden, das Grundeigenthum mit der Erbnutzbarkeit des Guts wieder ver- einiget seyn soll; folglich wenn das Erb- zinsrecht auf hoͤret, so faͤllt die Erb- nutzbarkeit des Guts wieder dem Grundeigenthumsherrn anheim; und er wird also mir voͤlligem Rechte der Eigenthumsherr. §. 731. Das Erbzinsbarmachen (emphyteu- Vom Erbzins- barma- chen und Wieder- erbzins- barma- chen. ticatio) nennt man die Einraͤumung des Erb- zinsrechts in einer Sache, welche noch vom Erbzinsrecht frey ist. Das Wiedererbzins- barmachen (subemphyteuticatio) aber nennt man die Einraͤumung des Erbzinsrechts in einer Sache, worauf derjenige, welcher es einem andern einraͤumet, das Erbzinsrecht Nat. u. Voͤlckerrecht. K k hat; II. Theil 16. Hauptstuͤck. hat; und alsdenn heist das Erbzinsrecht das Untererbzinsrecht (subemphyteusis). Da der Erbzinsmann mit der Erbnutzbarkeit des Gutes als einer unkoͤrperlichen ihm zugehoͤri- gen Sache nach seinem Willkuͤhr verfahren kann, wie er will (§. 195.), doch so, daß das Recht des Erb- und Lehnherrns unge- kraͤnckt verbleibet (§. 86.), und der Erbzins- contract dadurch nicht verletzt wird (§. 727.); so ist das Wiedererbzinsbarmachen, wenn es ohne Schaden des Erb- und Lehnherrns, und ohne Verletzung des Erbzinscontracts geschiehet, erlaubt. Es wird aber dadurch in dem vorher- gehenden Rechte nichts geaͤndert: Und wenn das Erbzinsrecht, es geschehe, auf was Art und Weise es wolle, ge- endet wird; so hoͤrt auch das Unter- erbzinsrecht auf; folglich wenn auch das Untererbzinsrecht auf hoͤret, indem das Haupterbzinsrecht noch bestehet, so hat der Erbzinsmann das gantze Erb- zinsrecht wieder, wie vorher. Da dem Untererbzinsmanne sein Recht von dem Erb- zinsmanne nicht benommen werden kann (§. 100.); dennoch aber das Recht des Erb- und Lehnherrns unversehrt bleiben muß, wie er- wiesen worden; so folgt, daß wenn der Etbzinsmann sein Erbzinsrecht auf einen andern bringt, er das Recht, welches er nach dem Niedererbzins- contract erlanget hat, auf denselben bringt: Von der Erbnutzbarkeit. bringt: Jn Ansehung des Erb- und Lehnherrn aber versteht es sich, daß das Erbzinsrecht selbst auf ihn ge- bracht worden. §. 732. Ein libellarischer Contract (contra- Vom libella- rischen Recht. ctus libellarius) wird genannt, wenn der Ei- genthumsherr einem andern die ihm zugehoͤri- ge Sache um einen gewissen Preiß mit der Bedingung giebt, daß er jaͤhrlich eine ge- wisse Zinse zahlen und zu einer gewissen Zeit, wenn gleich der Besitzer nicht veraͤndert wor- den, den Contract mit einem gewissen, oder willkuͤhrlichen Preiße, den er bezahlen muß, er- neuren soll. Das Recht, welches durch die- sen Contract erlangt wird, heißt das libella- rische Recht (jus libellarium). Hieraus folgt, daß in einem libellarischen Con- tracte der Preiß, welcher fuͤr die Sa- che gezahlt wird, nach dem Verhaͤlt- niß der Zinse und des Preißes, welcher fuͤr die Erneurung des Contracts zu einer gewissen Zeit bezahlt werden soll, muß vermindert werden. Weil die Bezahlung der Zinse und des Preißes fuͤr die Erneurung des Contracts auf dem libel- larischen Gute hafftet; so hat der Eigen- thumsherr des libellarischen Rechts ein Recht in dem libellarischen Gute (§. 334.); folglich wenn die Zinse und der Preiß der Erneurung nicht gezahlt worden waͤre, so muß ein jeder Nach- K k 2 folger II. Theil 16. Hauptstuͤck. folger die Zahlung leisten. Weil aber die Bezahlung bloß eine Beschwerde ist, wel- che dem Verkauf der Sache angehaͤngt wor- den (§. 409.); so ist derjenige, welcher eine Sache durch den libellarischen Contract erhalten, mit dem voͤlligen Rechte der Eigenthumsherr; folglich kann er dieselbe nach seinem Gefallen, ohne Einwilligung des Eigenthums- herrn des libellarischen Rechts, ver- aͤussern und veraͤndern (§. 256. 257.). §. 733. Vom Zinsrech- te. Das Zinsrecht (jus censiticum) ist das Recht von einer einem andern zuge- hoͤrigen unbeweglichen Sache jaͤhrlich etwas gewisses zu fordern, welches eine Zinse (cen- sus) genannt wird; die man eine vorbehal- tene (reservativus) nennet, wenn sie der Ei- genthumsherr, da er die Sache verkauft, sich vorbehalten hat; eine gesetzte (constitutus) aber, wenn jemand sich dieselbe kauft, oder geschenckt bekommt. Es erhellet aber, daß das Zinsrecht ein Recht in einer Sache sey (§. 334.). Die Sache von welcher ei- ne Zinse abgetragen werden muß, heißt ein Zinsgut (bonum censiticum), oder auch ein schlechtes Zinsgut; wer den Zins be- zahlt, wird Zinsmann, oder Censite (cen- sualis); wer denselben empfaͤngt, der Zins- herr (census dominus); der Contract aber, worinnen man von der Zinse Abrede genom- men, der Zinscontract (contractus cen- sualis) Von der Erbnutzbarkeit. sualis) genannt. Da die Zinse nur eine Be- schwerde ist (§. 409.); so hat der Zins- mann mit voͤlligem Rechte das Eigen- thum (pleno jure dominus). Die Zinse kann in Gelde, oder in einer jeden an- dern beweglichen Sache bestehen, nach- dem man naͤmlich es verabredet. Wenn die Zinse aus Freygebigkeit aufgeleget, oder bey einer geschenckten Sache vor- behalten wird; so wird die Groͤsse der- selben nach Gefallen von dem, der sie aufgelegt, oder vorbehalten, bestimmt (§. 314.): Wenn sie aber gekauft wird, so muß sie in den Schrancken der er- laubten Zinsen vor geborgtes Geld ver- bleiben, oder der Nutzbarkeit der Sa- che nach der Verhaͤltniß des Preißes, welcher gezahlt wird, zu dem wahren Preiße der Sache proportioniret wer- den: Wenn sie endlich in einer verkauf- ten Sache vorbehalten wird; so muß ihr Preiß von dem Preiße der Sache abgezogen werden. Da der Zinsherr das Zinsrecht erlassen kann (§. 342.); so wird das Zinsgut frey, wenn er sein Recht entweder umsonst, oder fuͤr ei- nen gewissen Preiß erlaͤßt; weil alsdann sein Recht erloͤschet (§. 337.). §. 734. Das Erbgrundrecht (jus superficiei, Vom Erb- grund- rechte. vel superficiarium) nennt man das Recht auf seine Kosten etwas auf dem Grund und Bo- K k 3 den II. Theil 16. Hauptstuͤck. den eines andern, z. E. ein Gebaͤude, zu ha- ben. Wer das Erbgrundrecht hat, heist der Niedererbgrundherr (superficiarius); der, dem Grund und Boden zugehoͤrt, der Grundherr (dominus fundi). Die jaͤhr- liche Miethe, welche der Niedererbgrund- herr dem Grundherrn fuͤr den Gebrauch des Grundes zahlet, wird der Grundzins (oder Bodenzins, solarium ) genannt; der Erb- grundcontract aber (contractus superfi- ciarius) derjenige, wodurch der Niedererb- grundherr und Grundherr wegen des Erb- grundrechts sich mit einander vergleichen; und daraus muß das Recht des Nieder- erbgrundherrn und des Grundherrn ermessen werden (§. 314. 438.). Da der, welcher etwas schenckt, seinem Geschencke, und der Verkaͤufer dem Verkauf eine Bedingung, wie sie wollen, hinzufuͤgen koͤnnen (§. 314.); so koͤnnen schon gebaute Haͤuser mit der Bedingung verschenckt und verkauft werden, daß derjenige, der sie schenckt, oder verkauft, das Recht auf dem Grund und Boden des andern be- haͤlt; und also wird bey schon gebauten Haͤusern das Erbgrundrecht errichtet. Es mag aber seyn, daß die Haͤuser, welche auf eines andern Grund und Boden stehen, von einem auf eigene Kosten erbaut werden, oder daß einer schon das Haus, es sey auch unter was vor einem rechtmaͤßigen Titel es wolle, erhalten; so ist der Niedereigenthums- herr Von der Erbnutzbarkeit. herr mit vollem Rechte Eigenthumsherr vom Hause; der Grundherr aber von Grund und Boden. Und weil das Recht des Erbgrundes nicht aufhoͤrt, wenn gleich das Haus einfal- len, oder abbrennen sollte; so ist, wenn es durch einen Ungluͤcksfall untergeht, erlaubt ein neues aufzubauen. Und da der Grundherr kein Recht auf das hat, was sich auf dem Grund und Boden befindet (§. 195.); so ist die Bezahlung der Grund- zinse kein Recht in einer Sache (§. 334.), und der Grundherr kann an dem, was auf seinem Grund und Boden stehet, sich nicht halten, wenn nicht in dem Erbgrundcontracte demselben aus- druͤcklich eine Hypotheck auf dasselbe ausgemacht worden (§. 697.). Glei- chergestalt weil niemanden sein Recht benom- men werden kann (§. 100.); so wird das Haus mit dem Erbgrundrechte, und der Grund und Boden mit dem Eigenthume veraͤussert. Weil das Recht des Niedererbgrundherrn aus dem Contracte ermessen werden muß; so kann ei- nem auch die Erbnutzbarkeit (domi- nium utile) auf eine gewisse Zeit, oder vor gewisse Personen in Haͤusern, die auf fremden Grunde und Boden ste- hen, eingeraͤumet werden, und alsdenn ist das Erbgrundrecht dem Erbzins- rechte (juri emphyteuticario) aͤhnlich (§. 725.). Und von diesem Falle redet das Roͤ- K k 4 mische II. Theil 16. Hauptstuͤck. mische Recht. Aus der Erklaͤrung selbst er- hellet, daß das Recht des Erbgrundes auch auf andere Dinge als Haͤuser, die auf eines andern Grund und Boden stehen, z. E. auf einen Garten, Wein- berg, Wald, Teich, ja auf einen Baum, der auf des andern Grund und Boden steht, natuͤrlicher Weise erweitert wer- den kann; indem eine solche Verwilligung in dem Begriffe des Eigenthums enthalten ist (§. 195.), worauf die Wahrheit (realitas) der Erklaͤrung sich gruͤndet. §. 735. Was die Treue sey. Die Treue (fidelitatem) nennt man die Fertigkeit alle Liebesdienste zu leisten, und son- derlich diejenigen, wodurch aller Schaden abgewandt, und aller Nutzen befoͤrdert wird, wie auch die, welche noch besonders verabre- det worden. §. 736. Vom Lehn. Das Lehn (feudum) nennt man die erbliche Nutzbarkeit, welche einem der Eigen- thumsherr in einer ihm zugehoͤrigen Sache unter der Bedingung der einander zu leisten- den Treue abgetreten hat. Da das voͤllige Eigenthum die erbliche Nutzbarkeit und das Grundeigenthum in sich schließt; so wird bey Errichtung eines Lehns das voͤlli- ge Eigenthum in die erbliche Nutz- barkeit und das Grundeigenthum un- ter zwey Personen getheilet. Eine Sa- che wird zu Lehn verliehen (gegeben, res infeu- Von dem Lehn. infeudari dicitur), in welcher ein Lehn errichtet wird; und die Sache selbst, worinnen das Lehn errichtet worden, wird ein Lehngut (res feudalis) genannt; und im Gegentheil heisset ein Allodial- oder Erbgut (allo- dium), was nicht Lehn ist. Wer das Grund- eigenthum bey einem Lehngute hat, ist der Lehnsherr (dominus feudi); wer die Erb- nutzbarkeit des Gutes hat, wird der Vasall, oder Lehnsmann (vasallus) genannt. Der Lehncontract ist derjenige, in welchem der Lehnherr und Lehntraͤger wegen des Lehns sich mit einander vereinigen; oder wodurch ein Lehn errichtet und erlangt wird. Aus dem Lehnscontracte muß also das Recht des Lehnsherrn und des Vasallen, oder Lehnsmannes ermessen werden (§. 314. 438.). §. 737. Das Wesentliche eines Lehns (sub- Von dem Wesent- lichen, Natuͤr- lichen u. Zufaͤlli- gen ei- nes Lehns. stantialia feudi) nennt man die wesentlichen Bestimmungen, wodurch man sich von einem Lehn uͤberhaupt einen Begrif macht; folglich koͤnnen dieselben bey keinem Lehn feh- len; und derowegen sind es in Ansehung des Lehnmannes die Erbnutzbarkeit des Lehnguts und die Treue, die er dem Lehnherrn leisten muß; in Anse- hung des Lehnsherrn aber das Grund- eigenthum und die Treue, die er dem Vasallen zu leisten verbunden (§. 736.). Das Natuͤrliche eines Lehns (naturalia K k 5 feudi) II. Theil 16. Hauptstuͤck. feudi) nennt man die wesentlichen Bestim- mungen, welche den Unterscheid der Art (dif- ferentiam specificam) eines Lehns, der entwe- der durch die Gesetze, oder Gewohnheit ein- gefuͤhret worden, z. E. daß das Versprechen der Treue beschworen werden muß; die zu- faͤlligen Bestimmungen (accidentalia) aber die wesentlichen Bestimmungen, welche den Unterscheid der Arten (differentiam spe- cificam) des Lehns ausmachen, die von den an- dern, welche durch die Gesetze, oder die Ge- wohnheit eingefuͤhret worden, verschieden sind, z. E. die Verbindlichkeit des Vasallen zu ver- schiedenen ungewoͤhnlichen Pflichten. Daher erhellet, daß der Unterschied zwischen dem Na- tuͤrlichen und Zufaͤlligen des Lehns in dem Naturrechte keinen Nutzen hat; denn natuͤr- licher Weise gilt, was in dem Contracte verabredet worden (§. 736.). Weil naͤm- lich das Natuͤrliche und Zufaͤllige durch das Wesentliche nicht bestimmt wird, folglich aus demselben nicht erwiesen werden kann; so be- ruhet es lediglich, wenn ein Lehn ein- geraͤumet wird, auf dem Willen des Herrn der Sache, die zu Lehn gemacht werden soll, was er noch ausser den wesentlichen Stuͤcken hinzusetzen will (§. 314.); welches demnach im Lehn- contract bestimmt werden muß. §. 738. Vom ge- gebenen Lehn und Ein gegebenes Lehn (feudum datum) nennt man, welches der Eigenthumsherr ei- nem Von dem Lehn. nem andern in seiner eigenen Sache einraͤu- vom an- getrage- nen Lehn. met: Ein angetragenes Lehn (feudum oblatum) aber, welches einem in einer Sa- che, die man ihm giebt, eingeraͤumet wird. §. 739. Weil die Art ein Lehn zu machen auf dem Von den Arten ein Lehn zu machen. Willen des Eigenthumsherrn der Sache, wel- che zu Lehn gemacht werden soll, beruhet (§. 737.); so kann es eingerichtet werden entweder auf eine gewisse Zeit, oder bestaͤndig, entweder schlechterdings, oder mit Benennung gewisser Perso- nen, auf welche es nach und nach kom- men kann, und es koͤnnen gewisse Lei- stungen des Vasallen, z. E. Kriegsdien- ste (servitia militaria), und des Lehns- herrn verabredet werden. Wenn man aber bedinget, daß eine gewisse Zinse abgetragen werden soll; so wird das Lehn mit dem Erbzinsrechte vermischt (§. 725.). Was der Vasall dem Lehnherrn nach dem Lehncontracte zu leisten schuldig ist, nennt man Lehndienste (servitia feudalia, Ritterdienste); welche mehrentheils auf Kriegsdienste herauslaufen. Daher ist ein Freylehn (feudum francum), wenn der Vasall dem Lehnherrn keine Dienste zu leisten verbunden ist; ein gantz Kriegeslehn (feu- dum ligium), wenn er Kriegesdienste wider alle zu leisten schuldig ist; kein gantz Krie- geslehn (feudum non ligium), wenn eini- ge ausgenommen werden. Und dem Rechte der II. Theil 16. Hauptstuͤck. der Natur gemaͤß nennt man ein Mann- lehn (feudum masculinum), welches al- lein auf Mannspersonen; ein Weiber- lehn (feudum fœmineum), welches bloß auf Weiber kommen kann. Ein ver- mischtes Lehn (feudum mixtum), wel- ches Personen beyderley Geschlechts besitzen koͤnnen. Gleichergestalt nennt man ein Pfandlehn (pignoratitium), wenn der Ei- genthumsherr Geld borgt, und anstatt des Pfandes ein ihm zugehoͤriges Gut als ein Lehn uͤbergiebt. §. 740. Von den Sachen, welche zu Lehn ge- macht werden koͤnnen, vom Kel- lerlehn, Burg- lehn in engerer Bedeu- tung, Geld- lehn und Qvasi- lehn. Weil in einer Sache, die durch den Ge- brauch nicht verzehrt wird, die Erbnutzbar- keit vom Grundeigenthum getrennt werden kann (§. 724.); so kann eine jede, auch eine unkoͤrperliche Sache, zu Lehn ge- macht werden, die durch den Gebrauch nicht verzehret wird (§. 736.); folglich auch das Recht die Ausbeute von Bergwercken zu geniessen, ja das Recht einen gewissen Theil Wein aus dem Keller, oder einen gewissen Theil Getraͤi- de von dem Boden des Lehnsherrn auf lebenszeit zu heben. Man nennt aber ein Kellerlehn (feudum de cavena), wenn man einen gewissen Theil Wein aus dem Kel- ler des Lehnherrn, oder auch von seinem Bo- den einen gewissen Theil Getraͤide auf lebens- lang abhohlen darf. Ja es erhellet leicht, daß das Kellerlehn auch auf andere Sachen, die Von dem Lehn. die verzehrt werden koͤnnen, sich erstreckt, z. E. daß ihm ein gewisser Theil Fische aus dem Teiche des Eigenthumsherrn, oder Holtz aus dem Walde, oder Wild, welches darinnen gefangen wird, gegeben werde. Es ist aber von dem Kellerlehn das Soldatenlehn (feu- dum soldatæ) unterschieden, nach welchem einem aus besonderer Gnade gewisser Wein, Geld, oder Getraͤide, oder eine jede andere Sache, die verzehrt werden kann, gegeben wird; da denn die verabredete Sache dem Vasallen gegeben werden muß, der Herr mag sie haben, oder von andern kaufen muͤs- sen, hingegen in dem Kellerlehn dieses auf dasjenige eingeschraͤnckt wird, was der Ei- genthumsherr hat; gleichwie auch in jenem es auf die Person dessen, der damit belehnet wird, in diesem aber es auch auf die Erben kommt. Also nennt man auch ein Wohnlehn (feu- dum habitationis), wenn einem das Recht in einem gewissen Hause zu wohnen auf le- benszeit erlaubt wird. Man muß aber uͤber- haupt bemercken, daß man die Dinge, die man verzehrt, und das Geld gleichsam zu Dingen, die nicht verzehrt werden, macht, in so ferne man durch einen Buͤrgen, oder durch eine Hypothecke Sicherheit davor schaft, damit sie al- lezeit wiedergegeben werden koͤnnen, wenn sie wiedergegeben werden muͤs- sen. Denn alsdenn ist es einerley, ob wir den Nießbrauch von der Sache haͤtten, so daß II. Theil 16. Hauptstuͤck. daß die Sache selbst unbeschaͤdigt verbleibt; folglich man damit auf diese Weise be- lehnet werden kann, in so ferne naͤmlich in ihnen, da sie noch gleichsam wuͤrcklich vor- handen sind, das Obereigenthum bestehen kann. Man nennt aber gleichsam ein Lehn (quasi feudum), wenn man mit einer Sa- che belehnet wird, die zwar an und vor sich selbst zur Belehnung nicht geschickt ist, aber doch durch die Kunst zur Belehnung geschickt gemacht wird. Daher ist das Geldlehn (feudum pecuniæ), wenn einer mit Gelde belehnet wird, gleichsam ein Lehn. Ue- brigens ist das Geld, womit einer beleh- net worden, ein Lehngeld (§. 736.): Worauf kein Lehn haftet, Allodial- oder Erbgeld (§. cit. ); folglich ist das Geld, wofuͤr das Lehngut verkauft worden, kein Lehngeld, sondern Er- begeld. Und auf eben dieselbe Weise erhel- let, daß, da eine Sache, welche vor ein Lehngut gegeben wird, dem Gelde gleich ist, welches davor gezahlet wird, wenn ein Lehngut mit einem Erbgute ver- tauscht wird, das Allodial- oder Erb- gut kein Lehngut sey. §. 741. Von der Afterbe- lehnung. Da derjenige, welcher die Erbnutzbarkeit hat, ausser dem gantzen Rechte des Nießge- brauchs, auch einen Theil der Proprietaͤt hat (§. 724.), von welcher es klar ist, daß sie noch auf andere Weise eingeschraͤnckt werden kann; Von dem Lehn. kann; so kann derjenige, welcher die Erbnutzbarkeit in einer Sache hat, dieselbe einem andern zu Lehn geben (§. 736.): Doch so, daß das Recht des Lehnherrn keinen Schaden leidet (§. 100.); folglich koͤnnen, dem Rechte des Lehnherrn unbeschaͤdigt, einem andern Erbzinsguͤter und Lehnguͤter zur Lehn gegeben werden. Ein Lehngut, das ei- nem andern zum Lehngut gegeben worden, nennt man ein Afterlehn (subfeudum); und das Lehngut wird zum Afterlehn ge- macht (subinfeudatur), wenn ein anderer da- mit belehnet wird. Derjenige, welcher mit ei- nem Afterlehne belehnt wird, heist der After- vasall, der Afterlehnsmann (subvasal- lus), gewoͤhnlich der Afterbelehnte (sub- infeudatus); welcher ihn damit belehnet der Afterlehnsherr (dominus subfeudi); und der Contract, in welchem man das Afterlehn ver- abredet, der Afterlehnscontract (contractus subvasalli); aus welchem also das Recht des Afterlehnsherrn und des Afterva- sallens bestimmt werden muß (§. 736.). Da die Afterbelehnung gaͤntzlich auf dem Wil- len des Afterlehnsherrn beruhet (§. 314.); so koͤnnen in dem Afterlehnscontracte zu den wesentlichen Bestimmungen noch andere hinzugesetzt werden, welche in dem Lehnscontract nicht enthal- ten, jedoch demselben nicht zuwider sind (§. 736.). Und weil die Afterbeleh- nung II. Theil 16. Hauptstuͤck. nung das Recht des Lehnsherrn unbeschaͤ- digt erhaͤlt; so wird seine Einwilligung zur Afterbelehnung nicht erfordert. Uebrigens erhellet es fuͤr sich, daß, wenn jemand mit vielen Guͤtern zusammen belehnet worden, er nach seinem Ge- fallen eine, oder die andere Sache ei- nem oder mehreren zum Afterlehn ge- ben kan. Endlich ist auch dieses klar ge- nung, daß durch die Afterbelehnung nicht die gantze Erbnutzbarkeit dem Afterlehnsmanne uͤberlassen wird, son- dern ein Theil der Proprietaͤt beym Vasallen verbleibt, und das Recht des Aftervasallen nicht vermehrt, wohl aber vermindert werden kan; ja daß die Afterbelehnung so wohl ohne Ent- geld, als fuͤr einen gewissen Preiß ge- schehen kann. Auf wen die Ge- fahr in Anse- hung der Fruͤchtefaͤllt. §. 742. Da alle Fruͤchte dem Vasallen und After- vasallen zugehoͤren (§. 736. 741.); so faͤllt auch alle Gefahr der Fruͤchte auf den Vasallen und Aftervasallen. §. 743. Vom Lehnsfol- ger und der Ver- aͤnderung des Lehn- guts. Einen Lehnsfolger (successor feuda- lis) nennt man denjenigen, auf welchen nach dem Gesetze der Belehnung, wenn der Basalle stirbt, das Lehn faͤllt. Wenn also kein Lehnsfolger vorhanden, so er- haͤlt das Lehngut mit vollem Rechte der Lehnsherr; folglich faͤllt auch das After- Von dem Lehn. Afterlehn weg (§. 741.). Derowegen da der Vasalle nichts thun darf, was dem Rechte des Lehnherrn, oder seiner Mit- belehnten zuwider ist (§. 86.); so darf er das Lehngut nicht verschlimmern, noch ihm deswegen eine Dienstbarkeit (Servitut) auflegen (§. 708.); folglich darf der Lehnherr und der Lehnfolger nicht leiden daß das Lehngut verschlimmert wird. Jm Gegentheil aber weil der Lehn- herr auch nichts, was dem Recht des Vasal- len zuwider ist, thun soll (§. 86.); so kann er auch nicht mit dem Lehngut selber sol- che Einrichtung machen, daß das Recht des Nießbrauchs entweder vermin- dert, oder, es geschehe auf was vor Weise es wolle, verhindert werde (§. 708.); folglich auch demselben keine Ser- vitut auflegen. Da aber nichts vorge- nommen wird, was dem Recht des Lehnherrn, oder des Lehnfolgers zuwider waͤre, wenn der Vasalle, so lange er das Lehngut besitzt, einem andern in demselben ein Recht einraͤumet, dergleichen eine Ser- vitut seyn wuͤrde (§. 83.); so kann er dieses thun, folglich wenn der Vasall dem Lehngut eine Servitut wider Recht auflegt; so bleibt sie als ein Recht, welches den Servituten aͤhn- lich ist, so lange er das Lehngut besitzt. Und weil ein jedes Recht, welches zum Nieß- brauch gehoͤret, dem Vasallen eigen ist (§. Nat. u. Voͤlckerrecht. L l 736.); II. Theil 16. Hauptstuͤck. 736.); so kann der Vasalle das Lehn- gut verbessern (§. 279.), und deswegen auch eine Servitut zum Nutzen dessel- ben erwerben (§. 708.). Aus eben dem Grunde muß der Vasalle, da er vom Lehn- gute allen Nutzen hat, als aus einer Sache die sein eigen ist (§. cit. ), auch alle Beschwer- den tragen. §. 744. Von der Eroͤff- nung des Lehns. Man sagt, das Lehn wird dem Lehn- herrn offen (feudum apperiri domino), wenn kein Lehnfolger vorhanden; daß also die Eroͤffnung, oder die Apertur eines Lehns (appertura feudi) der Mangel ei- nes Rechts in dem Lehn zu folgen ist; und das Lehn ist der Apertur nahe, oder stehet auf dem Falle (feudum apperturæ proximum), wenn dazu Hoffnung ist, daß es werde offen werden; folglich daß in kurtzer Zeit kein Lehnsfolger mehr daseyn werde. Und deswegen kann ein Lehn, welches auf dem Falle steht, indem die Ver- aͤusserung dem Rechte des Lehnherrn zuwider seyn wuͤrde (§. 83.), an niemanden, der ausser der Lehnsfolge ist (extraneus), veraͤussert werden. §. 745. Wenn ein Nach- folger im Grundei- genthum fehlt. Bey der Errichtung des Lehns wird das Grundeigenthum dem Lehnherrn vorbehalten (§. 736.), und wird als eine uncoͤrperliche Sache zu seinen uͤbrigen Guͤtern gerechnet (§. 207.). Wenn derowegen im Lehnscon- tract Von dem Lehn. tract nichts besonders vom Grundei- genthume ausgemacht worden; so er- langt der Vasall dasselbe Recht nicht, wenn kein Nachfolger darinnen vor- handen (§. 318.); folglich auch der Af- tervasalle in einem aͤhnlichen Falle auch nicht das Recht des Vasallen (§. 741.). §. 746. Weil der Vasalle nach dem Lehncontract Ob ein Lehn ver- wircket werden koͤnne. dem Lehnherrn nur dasjenige, was in demsel- ben verabredet worden, zu leisten verbunden ist (§. 438.); folglich der Lehnherr ihn dasselbe zu leisten anhalten koͤnte (§. 80.), oder wenn es nicht mehr geleistet wer- den kann, vor den Schaden zu stehn (§. 415.); so wird, wenn nicht ausdruͤck- lich ausgemacht worden, in welchem Falle das Lehn verlohren gehen soll, weil alsdenn gilt was verabredet worden (§. 736.), natuͤrlicher Weise wegen ge- wisser Handlungen, oder Unterlaßun- gen, die dem Lehnscontracte zuwider sind, das Lehn nicht verlohren. Weil man zu den Contracten eine Strafe setzen kann (§. 410.); so kann man die Hand- lungen, oder Unterlaßungen ausma- chen, um derentwillen ein Lehn ver- lohren gehen soll (§. cit. ). §. 747. Die Lehnsverbindlichkeit (obligatio Von der Lehns- verbind- feudalis) nennt man, welche aus dem Lehns- L l 2 contracte II. Theil 16. Hauptstuͤck. lichkeit (Lehns- pflicht) und Fe- lonie. contracte entsteht; und in der Verbindlichkeit des Lehnherrn und des Vasallen gegen einan- der besteht die Lehnsverbindung (ne- xus feudalis). Die Lehnsverbindlichkeit und Lehnsverbindung muͤssen also aus dem Lehnscontracte ermessen werden. Was der Lehnsverbindlichkeit zuwider ge- schiehet, oder unterlassen wird, das wird ei- ne Felonie (felonia) genannt; welche also auf so vielerley Weise begangen wer- den kann, als es Lehnsverbindlichkei- ten giebt, nicht allein von dem Vasal- len, sondern auch von dem Lehnsherrn: Doch sind nicht alle von einerley Groͤs- se. Weil natuͤrlicher Weise durch eine Hand- lung, oder Unterlassung, so dem Lehnscontracte zuwider ist, das Lehn nicht verlohren geht; so gehet nach dem Rechte der Natur wegen einer Felonie das Lehn nicht verlohren (§. 746.), und also kommt dieses bloß aus dem Vertrage. Es kann aber in diesem Falle die begangene Felonie erlassen werden (§. 342.), und denn wird das Lehn nicht verlohren (§. 337.). Da niemanden eines andern Hand- lung zugerechnet werden kann (§. 3.); so muß, wenn der Vasall wegen einer Fe- lonie das Lehn verliert, der Lehns- herr es nach desselben Tode demjenigen wiedergeben, auf welchen es nach sei- nem Tode faͤllt; folglich hoͤrt das durch eine Felonie verlohrene Lehn nicht auf. §. 748. Von dem Lehn. §. 748. Man sagt, der Vasall refutire das Von der Refuta- tion (Auflas- sung) und Revoca- tion ei- nes Lehns. Lehn (feudum refutare), wenn er dem Lehnherrn anzeigt, er wolle das Lehn nicht behalten, entweder schlechterdinges, oder zum Vortheil eines dritten. Jn dem ersten Fall sagt man, daß er es dem Lehnherrn re- futire; im andern aber einem dritten. Wenn also dem Lehnherrn das Lehn refutiret wird; so begiebt sich der Va- sall seines Rechtes (§. 337.): Wenn es aber einem dritten zum Vortheil geschie- het; so tritt er ihm sein Recht ab (§. 338.). Da ein jeder sich seines Rechtes be- geben kann, wofern nichts unternommen wird, was dem Rechte eines andern zuwider ist (§. 342.); so kann das Lehn dem Lehnherrn auch wider seinen Willen refutiret werden, wenn solches seinem Rechte nicht schadet: Wenn es aber ihm zum Nachtheil gereicht, z. E. daß der Vasall die Kriegesdienste, deren der Lehn- herr zu der Zeit bedarf, nicht leisten darf, oder in der Absicht, daß er desto sicherer feind- lich wider ihn handeln koͤnte; so kann es nicht refutiret werden. Allein weil auch die Refutation zum Nachtheil des Lehnfolgers nicht geschehen kann (§. 86.); so kann der Nachfolger, wenn es dem Lehnherrn, oder einem weite- ren Anverwandten refutiret worden, nach dem Tode dessen, der es refutiret, L l 3 von II. Theil 16. Hauptstuͤck. Von dem Lehn: von dem naͤchsten Lehnfolger revoci- ren. Denn man sagt, ein Lehn wer- de revociret, oder man bringe das- selbe wieder an sich (feudum revocare), wenn einer mit Recht angehalten wird das Lehngut wiederzugeben, welches auf ihn ge- bracht worden. Es erhellet aber aus eben dieser Ursache, daß wenn das Lehn, wel- ches wider das Recht des Lehnherrn, oder dessen, auf welchen es einmahl fallen koͤnte, veraͤussert worden; folg- lich auch wenn eines einem, der kein Mit- belehnter ist, refutiret worden, indem dieses gleichfalls eine Veraͤusserung ist, das- selbe von dem Lehnherrn, oder dem Lehnfolger revociret werden koͤnne. Es erhellet aber gleich aus der Vergleichung der Erklaͤrungen, daß das Lehn revoci- ren so viel sey, als dasselbe vindiciren, oder wieder an sich bringen (§. 262.). Da die Veraͤusserung eines Lehns auf mehr als auf eine Art bestimmt werden kann; so muß es dem Willen derer, die den Ver- trag machen, uͤberlassen werden, wie sie dieserwegen es wollen gehalten ha- ben, und was verabredet worden, muß gehalten werden (§. 667.): Wenn nicht das Recht zu veraͤussern durch das, was sonst ausdruͤcklich verabredet wor- den, stillschweigend bestimmt ist. Das Das siebzehente Hauptstuͤck. Wie die aus dem Contract ent- standene Verbindlichkeit aufge- hoben wird. §. 749. M an sagt die Verbindlichkeit wird Was das sey, eine Verbind- lichkeit aufheben u. die Be- freyung davon. aufgehoben (obligatio tolli dici- tur), wenn der, welcher einem andern etwas zu geben, oder zu thun verbunden war, aufhoͤrt demselben verbunden zu seyn; und die Aufhebung der Verbindlichkeit wird die Befreyung (liberatio) genannt. §. 750. Da nach der Zertrennung des Vertrags Von der Befrey- ung duꝛch die Zer- trennung des Ver- trags. diejenigen, welche den Contract gemacht, von der daraus entstandenen Verbindlichkeit gegen einander befreyet werden, die Zertrennung aber dadurch geschehen kann, daß sie beyder- seits nicht mehr wollen, was sie vorhin ge- wolt hatten (§. 444.); so wird auch die Verbindlichkeit aufgehoben, so bald der Contract durch Aenderung ihres Wil- lens zertrennt wird; oder auch ein wohl- thaͤtiger Contract durch Aenderung des Willens dessen allein, welcher al- lein einen Vortheil daraus hat; weil dem andern nicht dran gelegen ist, daß der Vertrag erfuͤllt wird (§. 749.); folglich er- loͤscht das erhaltene Recht, als welches daher ruͤhret (§. 46.). L l 4 §. 751. II. Th. 17. H. Von der Aufhebung §. 751. Von der Befrey- ung duꝛch den Ab- trag. Der Abtrag (solutio) nennt man die wuͤrckliche Leistung dessen, was einer zu leisten vollkommen verbunden ist. Durch den Ab- trag wird also die Verbindlichkeit aus dem Contracte aufgehoben (§. 749.). Weil aber durch den Abtrag geleistet wird, was man zu leisten schuldig war; so muß genau eben dasjenige geleistet werden, was man schuldig ist, und es kann nicht eine andere Sache fuͤr eine ande- re Sache gegeben werden, wenn der Glaͤubiger nicht, als welcher von seinem Rechte vergeben kann, so viel er will (§. 342.), einwilliget (§. 337.). Man muß auch genau an dem Tage, und an dem Orte, an welchem man zu zahlen schuldig ist, zahlen; wenn nicht, aus eben der Ur- sache, der Glaͤubiger in den Verzug wil- liget (§. 417.); wie auch die gantze Schuld abtragen; folglich da man es eine Bezah- lung zum Theil (solutio particularis) nennt, wenn das, was man schuldig ist, nicht gantz gezahlt wird, sondern nur ein Theil desselben, die Zahlung aber des uͤbrigen bis auf eine an- dere Zeit aufgeschoben wird; so ist der Glaͤu- biger nicht schuldig eine Bezahlung zum Theil anzunehmen. Man versteht aber leicht, daß wenn die schuldige Sa- che selbst nicht gegeben werden kann; der Werth derselben zu ersetzen (§. 271.) und angenommen werden muß (§. 37.). Und der Verbindlichk. aus Contracten. Und da der Tag, an welchem einer bezahlen soll, dem Schuldner zum besten bestimmet worden, damit er nicht vor der Zeit dazu an- gehalten werden kann: Dem Glaͤubiger aber zum besten, damit nicht eher, als an diesem Tage bezahlt wird, und dieses stillschweigend verabredet worden, wenn es aus der Beschaf- fenheit dessen, was geleistet werden soll, er- hellet, es sey dem Glaͤubiger daran gelegen, daß nicht vor der Zeit gezahlt werde; so kann dasjenige, was man auf einen gewis- sen Tag zu zahlen schuldig ist, vor dem- selben auch wider des Glaͤubigers Wil- len bezahlt werden, wenn der Tag dem Schuldner zu gefallen bestimmt wor- den: Hingegen keinesweges, wenn es dem Glaͤubiger zu gefallen geschehen, oder aus der Sache selbst erhellet, es sey dem Glaͤubiger dran gelegen, daß nicht vor der Zeit gezahlt werde. Al- lein wenn der Schuldner dasjenige lei- stet, woran dem Glaͤubiger gelegen ist, daß die Zahlung nicht vor der Zeit geschiehet; da alsdenn dadurch nichts ge- schiehet, was dem Rechte des Glaͤubigers zu- wider waͤre (§. 83.); so muß der Glaͤubi- ger die Bezahlung vor der Zeit anneh- men. Und weil die Zahlung auf dem Wil- len des Schuldners beruhet, wenn dieselbe seinem Willen anheimgestellet worden; so kann, wenn die Zahlung dem Will- kuͤhr des Schuldners uͤberlassen wor- L l 5 den, II. Th. 17. H. Von der Aufhebung den, der Schuldner immer bezahlen, wenn er will: Der Glaͤubiger aber kann, ehe derselbe stirbt, die Schuld nicht fordern. §. 752. Vom Aufsa- gen, oder Aufkuͤn- digen, und vom Mah- nen. Das Aufsagen, oder die Auf kuͤndi- gung (interpellatio, resignatio) ist eine Handlung, wodurch, genommener Abrede nach, einer dem andern anzeigt, daß er aus dem Contracte nicht laͤnger verbindlich seyn wolle. Jns besondere heist einen Schuld- ner mahnen (debitorem interpellare) nichts anders, als die Bezahlung der Schuld von ihm verlangen. Wenn man also etwas auf einen gewissen Tag schuldig ist; so ist natuͤrlicher Weise das Auf kuͤndigen nicht noͤthig: Wenn man es aber also verabredet hat, daß die Auf kuͤndigung vorhergehen soll, ehe man zahlen darf; so ist sie beyden Theilen erlaubt; weil man das halten muß, was verabredet wor- den ist (§. 438.); der Schuldner darf und kann nicht eher zahlen, und im Ge- gentheil kann der Glaͤubiger den Schuld- ner nicht eher zur Bezahlung der Schuld antreiben, und ist auch die Schuld nicht anzunehmen schuldig, als bis die Auf kuͤndigung auf die ver- abredete Weise geschehen. Wenn man es aber also verabredet hat, daß es dem Glaͤubiger frey stehen soll, die Schuld zu fordern, zu welcher Zeit er will; so kann der Verbindlichk. aus Contracten. kann der Schuldner, da er sich nicht ver- bindlich gemacht hat, nicht eher zu zahlen, als bis die Aufkuͤndigung geschehen, er aber gleich- wohl darein stillschweigend gewilliget zu ha- ben scheinet, der Glaͤubiger solle den Abtrag nicht mit seinem Nachtheil anzunehmen gehal- ten seyn, ohne vorhergegangene Auf- kuͤndigung die Schuld abtragen, und der Glaͤubiger ist gehalten den Abtrag anzunehmen, wenn er keine rechtmaͤs- sige Ursache hat, warum er ihn nicht annehmen will: Welches doch aber er- wiesen werden muß. §. 753. Die Anerbietung zu bezahlen mit Vom An- erbieten zu bezah- len. Worten (oblatio debiti verbalis) heißt, wenn der Schuldner dem Glaͤubiger bloß mit Worten erklaͤret, daß er zur Bezahlung be- reit sey; in der That aber (realis), wenn er das, was er schuldig ist, wuͤrcklich erlegen will. Und zwar heist ein blosses Anerbie- ten in der That (relis nuda), wenn wei- ter keine andere Handlung hinzukommt, wel- che natuͤrlicher Weise dem Anerbieten mit Worten gleich ist: Das feyerliche Anerbieten aber (solennis) ist, wenn der Glaͤubiger, was gezahlet wird, nicht bekommt, sondern dasselbe versiegelt und in Verwahrung gegeben, oder niedergelegt wird. Da das feyerliche Anerbieten in der That bey einer unbeweglichen Sache, die nicht ver- siegelt und in Verwahrung gegeben, oder II. Th. 17. H. Von der Aufhebung oder niedergelegt werden kann, nicht statt findet; so ist das Anerbieten mit Worten dem feyerlichen in der That gleich (§. 37.). Und weil es eben so viel ist, als wenn man die Schuld abgetragen haͤtte, wenn das Anerbieten feyerlich gesche- hen; so wird durch das feyerliche An- erbieten die Verbindlichkeit des Schuld- ners aufgehoben (§. cit. ); folglich ge- schieht dieses auch durch das Anerbie- ten mit Worten einer unbeweglichen Sache, oder die nicht versiegelt und beqvem niedergelegt werden kann; und wird derowegen das Eigenthum dersel- ben auf den Glaͤubiger gebracht, und faͤllt also alle Gefahr auf ihn (§. 243.). Weil der Glaͤubiger die Zahlung anzunehmen verbunden ist; so kann der Schuldner, wenn der Glaͤubiger sie nicht anneh- men will, natuͤrlicher Weise auf Ge- fahr des Glaͤubigers die schuldige Sa- che in seinem Hause wider seinen Wil- len lassen, und eine unbewegliche Sa- che ledig stehen lassen, und sich gar nicht mehr um dieselbe bekuͤmmern. Und weil der Schuldner am Verzug nicht schuld ist, wenn der Glaͤubiger sich wei- gert die angebotene Bezahlung anzu- nehmen (§. 417.); so wird er vom Ver- zuge befreyet; im Gegentheil aber faͤngt der Glaͤubiger an am Verzuge schuld zu seyn. §. 754. der Verbindlichk. aus Contracten. §. 754. Man sagt der Glaͤubiger nehme vor be- Vom An- nehmen als wenns bezahlt waͤre. zahlt an (acceptum ferre), wenn er hin- laͤnglich erklaͤrt, er nehme die Schuld vor be- zahlt an. Wer also eine Schuld vor be- zahlt annimmt, der erlaͤßt sein Recht (§. 337.); folglich wird dadurch der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreyet, und das Recht des Glaͤubi- gers erloͤscht (§. cit. und 749.), und man haͤlt davor, daß der Schuldner die Schuld abgetragen habe. Da es auf den Willen des Glaͤubigers ankommt, daß er mit seinem Recht nach Gefallen verfaͤhret; so kann er auch einen Theil der Schuld vor bezahlt annehmen, und dieses kann entweder umsonst geschehen, oder es kann eine andere Sache, oder That fuͤr die Schuld angerechnet werden. §. 755. Den Vertrag die Schuld nicht zu Vom Vertrag die Schuld nicht zu fordern. fordern (pactum de non petendo) nennt man denjenigen, durch welchen zwischen dem Glaͤubiger und Schuldner verabredet wird, daß er die Schuld nicht bezahlen darf. Da durch diesen Vertrag die Schuld erlassen wird (§. 337.); so wird der Schuldner befreyet (§. cit. und §. 749.). Daher wird er auch ein Befreyungsvertrag (pactum li- beratorium) genannt. Es erhellet auch eben wie vorher, wenn man die Schuld vor be- zahlt annimmt, daß der Vertrag die Schuld nicht II. Th. 17. H. Von der Aufhebung nicht zu fordern auch uͤber einen Theil der Schuld gemacht werden kann, und daß es entweder umsonst, oder so daß etwas anders davor gerechnet wird, geschehen kann (§. 754.). §. 756. Von der Verguͤ- tung. Die Verguͤtung (compensatio) nennt man, wenn die Schuld des einen durch eine Schuld des andern aufgehoben wird; oder wenn der Schuldner, wenn er die Schuld abtragen soll, anstatt dessen dem Glaͤubiger anrechnet, was er ihm selbst schuldig ist. Wenn also eine Verguͤtung geschieht; so wird jeder Theil von der Verbind- lichkeit seine Schuld abzutragen be- freyet, und die Verguͤtung ist eine wechselsweise Bezahlung, die in der Kuͤrtze geschiehet (§. 323.). Da man eine Sache nicht fuͤr eine andere zahlen kann, sondern ohne Ausnahme das, was man schul- dig ist (§. 751.); so ist nothwendig, daß wenn eine Verguͤtung geschehen soll, diejenigen, welche beyde einander schuldig sind, einerley Sache schuldig seyn muͤssen, und daß der Zahlungs- termin beyderseits verflossen seyn muß. Es erhellet aber, daß die Verguͤtung selbst durch das Recht geschehe; folg- lich dazu keine besondere Handlung er- fordert werde; und daher nicht noͤthig ist, daß wir dem Glaͤubiger, der auch unser Schuldner ist, anzeigen, daß wir die Schuld verguͤten wollen; sondern wenn der Verbindlichk. aus Contracten. wenn er die Zahlung von uns fordert, so koͤnnen wir ihn durch die Verguͤ- tung abweisen. Da man auf die Ver- guͤtung Verzicht thun kann (§. 342.); so ist, wenn man darauf Verzicht gethan hat, die Verguͤtung nicht erlaubt (§. 340.). Weil bey der Verguͤtung beyder Theile Schuld gewiß seyn muß, indem kei- ner zur Zahlung angehalten werden kann, als derjenige, von dem es gewiß ist, daß er schul- dig sey; und man eine unstreitige Schuld (debitum liquidum) nennt, von welcher man es gewiß weiß, daß er etwas zu leisten ver- bunden ist; eine streitige Schuld aber, wenn dasselbe noch nicht gewiß ist; so kann eine unstreitige Schuld mit einer strei- tigen nicht verguͤtet werden. Und weil man die Schuld abtragen muß, wenn der Termin zur Zahlung erschienen (§. 751.); so kann die Zahlung einer unstreitigen Schuld der Verguͤtung wegen nicht aufgeschoben werden: Weil aber ein je- der einen jeden Schaden von seinem Vermoͤ- gen abzuwenden schuldig ist (§. 269.); so muß, wofern zu befuͤrchten ist, daß derjenige, dem etwas gezahlt wird, wehrender Zeit in solche Umstaͤnde kommen doͤrfte, da er nicht im Stande ist zu bezahlen, was gezahlt wird, ent- weder feyerlich angeboten, oder nie- dergelegt werden (§. 753.), oder der- jenige, dem gezahlet wird, muß Sicher- heit II. Th. 17. H. Von der Aufhebung heit stellen, daß er bezahlen wird, was gegen ihn ausgefuͤhret worden (§. 697. 596.). Bey der Verguͤtung kommt das, was der andere mir zahlen muß, an die Stelle dessen, was ich ihm zu zahlen habe. Weil demnach nicht eines fuͤr das andere gezahlt werden kann (§. 751.); so koͤnnen keine an- dere Sachen, als die durch den Gebrauch ver- zehret werden, und da man nur etwas von eben der Art wiederzugeben schuldig ist, verguͤ- tet werden (§. 527.); denn auch diese Sa- chen hoͤren auf dergleichen zu seyn, wenn man eben dieselben wiedergeben muß, welche man empfangen (§. 515. 527.). Und dieses ist die Ursach, warum die Verguͤtung nicht ge- gen etwas niedergelegtes, oder in Verwahrung gegebenes (§. 541.), oder auch geborgtes statt findet (§. 515.). §. 757. Von dem, was statt der Zahlung angege- ben wird. Statt der Zahlung angeben (in solu- tum dare) ist so viel, als eine Sache anstatt derjenigen geben, welche man schuldig war. Es kan also eine jede Sache statt der Zahlung angegeben werden. Da man aber genau eben dasselbe zahlen muß, was man schuldig ist (§. 751.); so kann dieses nicht anders geschehn, als mit gutem Willen des Glaͤubigers: oder wenn jenes unmoͤglich ist (§. 60.), da die Arbeit den eigenthuͤmlichen Sachen gleich geachtet wird (§. 225.); so kann auch Ar- beit anstatt der Zahlung geleistet wer- den. der Verbindlichk. aus Contracten. den. Und weil einer sein Recht dem andern abtreten kann (§. 342.); so kann man auch eine Schuld, die man zu fordern hat, statt der Zahlung angeben, indem man dem andern sein Recht abtritt. Dero- wegen da der Schuldner, wenn es unmoͤglich ist zu zahlen, was er eigentlich zahlen soll, wi- der seinen Willen angehalten werden kann etwas anders statt der Zahlung anzuge- ben (§. 80.); so wird es eine nothwen- dige Abtretung seines Rechtes (cessio necessaria) genannt, wenn man das, was uns ein anderer schuldig ist, durch Abtretung seines Rechts anstatt der Zahlung angiebt; wie es denn auch in der That nothwendig ist. Es ist hinlaͤnglich klar, daß dadurch, wenn etwas anstatt der Zahlung angegeben wird, der Schuldner befreyet wird (§. 749.). §. 758. Die Neuerung (novatio) nennt man Von der Neue- rung. die Veraͤnderung einer vorhergehenden Ver- bindlichkeit in eine andere, naͤmlich was ent- weder die Ursache der Schuld betrift, oder wozu einer dabey verbunden, so daß eben der- selbe Schuldner und Glaͤubiger verbleibet, z. E. wenn wir mit einander eines werden, daß die 200. Rthlr. welche du mir aus einem Kauffe schuldig bist, als geliehenes Geld angesehen werden. Die Neuerung til- get also die alte Verbindlichkeit, und setzt eine neue an ihre Stelle; folglich Nat. u. Voͤlckerrecht. M m wird II. Th. 17. H. Von der Aufhebung wird der Schuldner von der vorher- gehenden Schuld befreyt (§. 749.), und haftet allein vermoͤge der letzten Ver- bindlichkeit. Derowegen da alles Recht des Glaͤubigers, welches er aus der vorherge- henden Verbindlichkeit hatte, aufhoͤrt (§. 46.); so sind die Buͤrgen dem Glaͤubiger nicht mehr verbunden, und er verliert auch das Recht des Vorzugs vor an- dern Glaͤubigern seines Schuldners, und die Buͤrgschafft, als welche ein- mahl erloschen, erlangt nicht wieder ihre Kraft, wenn gleich beyde Theile von der Neuerung wieder abgehen, und die alte Verbindlichkeit wollen gelten lassen; indem auch dieses in der That nichts anders, als wiederum eine Neuerung ist. Da der Verzug zur alten Verbindlich- keit gehoͤrt (§. 417.); so wird durch die Neuerung der Verzug gereiniget (§. 418.). Aus eben dem Grunde verhindert die Neuerung die verwuͤrckte Strafe, welche zur vorhergehenden Verbind- lichkeit hinzugefuͤgt worden war. Weil einem wider seinen Willen ein Recht, das er einmahl hat, nicht genommen werden kann (§. 100.); so kann die Neuerung nicht oh- ne beyderseitige Einwilligung des Glaͤubigers und Schuldners gesche- hen. Weil nun diese es mit ihrem Rechte halten koͤnnen, wie sie wollen (§. 314.); so koͤnnen sie durch die Neuerung in der alten der Verbindlichk. aus Contracten. alten Verbindlichkeit alles, wie es ih- nen gefaͤllig ist, aͤndern; und also kann eine bedingte Schuld, oder eine Schuld auf eine gewisse Zeit zu einer unbeding- ten gemacht werden; und so gehets auch im Gegentheile an. Hieher duͤr- fen wir aber nicht rechnen, wenn eine be- dingte, oder auf eine gewisse Zeit gerich- tete Schuld schlechterdings erneuert wird: Jndem bloß die Verbindlichkeit geaͤn- dert wird, nicht aber die Art und Weise, nach welcher einer etwas schuldig ist; so geschieht im ersten Falle die Neuerung nicht an- ders, als wenn eben die Bedingung wuͤrcklich vorhanden; in dem andern Falle aber hat sie zwar gleich ihre Richtigkeit, aber die neue Schuld kann nicht eher, als bis der Tag er- scheinet, gefordert werden. Weil die Neuerung die erste Verbindlichkeit tilget, von welcher man befreyet werden konte, indem man einer dritten Person zahlte (§. 661. 751.); so verstehet sichs vor sich, daß in der Neuerung man nicht angewie- sen sey, an den zu zahlen, dem man vorhin zahlen sollte, oder konnte. Weil aber in der Neuerung eine jede Veraͤnderung statt findet; so kann in ihr einer ange- wiesen werden, dem man zahlen soll, oder darf, der in der vorhergehenden Verbindlichkeit nicht angewiesen war. Bey Abtretung seines Rechtes bleibt M m 2 eben II. Th. 17. H. Von der Aufhebung eben dieselbe Verbindlichkeit (§. 338.); da- her ist dieselbe keine Neuerung. Aus eben dem Grunde geschieht keine Neuerung, wenn der Zahlungstermin verlaͤngert wird; wenn nach einer Zeit einer an- gewiesen wird, dem man zahlen kann (§. 661.); oder ein Buͤrge hinzukommt (§. 569.); oder eine Strafe dazu gesetzt wird, die im Anfang nicht dabey war (§. 410.); es geschieht auch dieses nicht in der Beglaubigung (§. 660.). Da aber durch eine Handschrift die Schuld bewiesen wird (§. 652.); so geschieht eine Neue- rung, wenn die alte Handschrift wie- dergegeben, und eine neue an deren Stelle angenommen wird. Weil aber aus der Erklaͤrung der Neuerung erhellet, wenn erneuert worden; so ists natuͤrlicher Weise nicht noͤthig, daß man aus- druͤcklich sagt, man sey nicht gesonnen eine Neuerung zu machen. Jedoch in einem zweifelhaften Falle, wenn dasje- nige, was geschehen, sowohl mit dem Vorsatz eine Neuerung zu machen, als auch ohne demselben geschehen kann, z. E. wenn jemand mir 100. Rthlr. eines Kaufs wegen schuldig ist, und ich willige nachher ein, daß er mir dieselben nebst den Zinsen nach 2. Jahren be- zahlen soll, muß man ausdruͤcklich sagen, wofern es nicht fuͤr eine Neuerung gehalten werden soll, daß dasjenige, was vorgenommen wird, ohne den Vor- der Verbindlichk. aus Contracten. Vorsatz eine Neuerung zu machen ge- schehe (§. 318.). §. 759. Die rechtliche Anweisung (delegatio) Von der rechtli- chen An- weisung. ist ein Vertrag, wodurch ein Schuldner ei- nen andern an seine statt stellet, der dem Glaͤubiger die Schuld zu zahlen auf sich nimmt. Der, welcher einen andern Schuldner statt seiner setzt, ist der Anweisende (delegans); dieser aber der Angewiesene (delegatus); der Glaͤubiger aber, welchem die Anweisung geschieht, heißt delegatarius. Da niemand wider seinen Willen einem andern verbindlich gemacht werden kann (§. 317.), noch auch oh- ne Annehmung ein Recht erhalten werden (§. 316.); so wird die Anweisung durch die Einwilligung des Anweisenden, des Angewiesenen und dessen, dem die Anweisung geschieht, zu stande ge- bracht; nemlich der Angewiesene verspricht dem Anweisenden, daß er die Schuld auf sich nehmen wolle, demjenigen, dem er angewie- sen wird, daß er ihn bezahlen will, und die- ser haͤlt es genehm, daß der andere die Schuld uͤbernimmet. Daher siehet man leicht, daß durch Anweisung der Anweisende be- freyet wird, und der Angewiesene al- lein dem, welchem er angewiesen wor- den, verbindlich verbleibt; folglich wenn der Angewiesene nicht bezahlen kann, so kann derjenige, welchem die Anwei- sung geschehen, nicht wieder an den M m 3 Anwei- II. Th. 17. H. Von der Aufhebung Anweisenden eine Forderung machen. Es ist aber darinnen keine Schwierigkeit, daß natuͤrlicher Weise nicht noͤthig sey, daß die Anweisung in einem fort in Gegenwart aller Theile vollbracht wird; wie auch daß sie sowohl mit dem Vorsatze, zu erneuern, als ohne denselben geschehen koͤnne; folglich da ich, indem ich meinen Schuldner einem an- dern anweise, entweder es also verabreden kann, daß er meinem Glaͤnbiger meine Schuld als meine Schuld, oder aus eben der Ursache, aus welcher er mir schuldig war, bezahle, oder endlich daß er sich ihm durch ei- nen neuen Vertrag verbindlich macht; so ge- schiehet alsdenn, wenn ich meinen Schuldner einem andern anweise, eine Neuetung entweder mit dem Angewie- senen, oder mit dem, welchem er an- gewiesen wird, oder mit beyden zu- gleich. Weil ein erlangtes Recht nieman- den genommen werden kann (§. 100.); so kann eine Anweisung, die einmahl zu ihrer Richtigkeit kommen, von dem Anweisenden nicht wiederrufen wer- den (§. 314.); folglich kann von ihm auch nicht verboten werden, daß demjeni- gen, welchem einer angewiesen wor- den, nicht gezahlet werde; und deswegen darf auch der Anweisende die Zahlung nicht annehmen, wenn sie ihm von dem Angewiesenen freywillig angeboten wuͤr- der Verbindlichk. aus Contracten. wuͤrde. Wenn das Vermoͤgen des Ange- wiesenen demjenigen, dem er angewiesen wird, nicht bekannt ist; so hindert es nichts, daß der Anweisende ihm verspricht zu bezahlen, wenn zur Zahlungszeit der Angewiesene nicht im Stande ist zu bezahlen. Weil demnach alsdenn die Anweisung unter der Be- dingung geschehen, wenn zur Zah- lungszeit der Angewiesene im Stande ist zu bezahlen; so ist sie nicht eher guͤltig, als bis zur Zahlungszeit der Angewiesene im Stande ist zu bezah- len (§. 396.). §. 760. Eine gemeine oder schlechte Anwei- Von der gemei- nen An- weisung. sung (assignatio) ist, wenn ein Schuldner, der bezahlen soll, einen andern ersucht, fuͤr ihn zu bezahlen, oder ihn solches heißt. Der- jenige, welcher den andern vor ihn zu zahlen ersucht, heißt wie vorhin der Anweisende (assignator); derjenige aber, welcher fuͤr ihn die Zahlung thun soll, der Angewiesene (as- signatus). Wenn also der Glaͤubiger die angewiesene Schuld anstatt der Zahlung annimmt; so wird der Schuld- ner befreyt: Wo aber nicht, so wird er nicht eher befreyt, als bis der An- gewiesene bezahlet (§. 757. 749.). Da durch diese Anweisung nichts in der Verbind- lichkeit veraͤndert wird, wenn sie nicht anstatt der Zahlung angenommeu wird; so wird durch dergleichen Anweisung auch M m 4 keine II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art keine Neuerung gemacht, wenn nicht die angewiesene Schuld anstatt der Zahlung angenommen wird. Jn ei- nem jeden Falle aber wird der Haupt- schuldner so wohl, als der Buͤrge be- freyt, wenn der Angewiesene bezahlt hat (§. 749. 570.). §. 761. Von der Vermen- gung der Schuld und des Dar- lehns. Die Vermengung der Schuld und des Darlehns (confusio debiti \& crediti) nennt man, wenn es sich zutraͤgt, daß der, welcher Schuldner war, Glaͤubiger wird, z. E. wenn der Glaͤubiger Erbe des Schuld- ners wird. Durch die Vermengung der Schuld und des Darlehns wird also der Schuldner befreyt (§. 749.). Das achzehnte Hauptstuͤck. Von der Art die Streitigkeiten im natuͤrlichen Zustande zu en- digen. §. 762. Was ein streitiges Recht und der Hader sey. E in streitiges Recht (jus controver- sum) nennt man, wenn zwey, oder mehrere eben dieselbe Sache als die ihrige, oder die man ihnen schuldig ist, haben wollen; oder wenn das Recht, welches der eine worzu zu haben vorgiebt, von dem an- dern geleugnet wird. Welche dieses thun, hadern (litigant); und ihre Streitigkeit we- gen Streitigkeiten zu endigen. gen des Rechts, welche darinnen besteht, daß einer dem andern wegen des ihm zukommen- den Rechts widerspricht, wird der Hader (lis) genannt; als, wenn einer bejahet, daß ihm das Eigenthum von diesem Gute zukommt, und leugnet, daß es dem andern zukomme, der andere aber bejahet, daß es ihm zukom- me und nicht jenem; oder wenn einer bejahet, daß ich ihm 100. Ducaten schuldig sey, und ich es leugne. Die Sache aber, uͤber wel- cher man hadert, wird die streitige Sache (res litigiosa) genannt. §. 763. Das Ablassen vom Hader, welches umsonst Von dem guͤtlichen Vertra- ge. geschieht, wenn naͤmlich einer das streitige Recht dem andern uͤberlaͤßt, der andere hin- gegen nichts davor erhaͤlt, heißt das guͤtli- che Vertragen, oder Vertragen in der Guͤte (amicabilis compositio). Der Ha- der wird also durch das Vertragen in der Guͤte geendet; und derjenige, wel- cher nichts bekommt, verbindet sich, daß er von dem, welcher die streitige Sache gantz erhaͤlt, nichts verlangen wolle; folglich erlaͤßt er sein Recht, wel- ches er zu haben vermeinte (§. 337.); und also ist das Vertragen in der Guͤte natuͤrlicher Weise erlaubt (§. 342.). Da also seine Anforderung (prætensio) er- loͤscht (§. 377.); so kann sie, nachdem man sich in der Guͤte vertragen, nicht wie- der erneuert werden. Da dieses Ge- M m 5 schaͤffte II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art schaͤffte nur uns beyde angehet, wir aber einem dritten sein Recht nicht benehmen koͤn- nen (§. 100.); so wird durch das Ver- tragen in der Guͤte das Recht eines dritten nicht aufgehoben. §. 764. Vom Ver- gleiche. Wenn die Haderer mit einander eines wer- den, daß sie vom Hader nicht umsonst abste- hen wollen, sondern nur alsdenn, wenn et- was gegeben, oder zuruͤcke behalten, oder ver- sprochen worden; so heißt dieses ein Ver- gleich (transactio). Durch einen Ver- gleich wird also der Hader geendet, und die, welche den Vergleich treffen, verbinden sich gegen einander, daß kei- ner von ihnen wegen der streitigen Sache von dem andern etwas fordern will, als was verabredet worden; folglich kann nach getroffenem Ver- gleich keine Forderung wieder erneuert werden (§. 438.). Es wird aber bey dem Vergleiche ausgemacht, wer die streitige Sache gantz haben, und was er dagegen andern leisten soll, oder wie sie unter die streitende Partheyen ge- theilt werden soll, und ob einer dem andern etwas uͤber dieses zu leisten ver- bunden seyn soll. Es erhellet aber eben so wie vorher, daß durch einen Vergleich das Recht einem dritten nicht benom- men wird. Und weil der Vergleich ein Vertrag ist (§. 438.); so kann man aus eben Streitigkeiten zu endigen. eben der Ursache von einem Vergleich abgehen, um derentwillen es erlaubt ist von einem Vertrage abzugehen (§. 442.). Es ist aber der Vergleich entweder ein allgemeiner Vergleich (transactio ge- neralis), welcher sich auf alle besondere For- derungen erstreckt, die unter der allgemeinen begriffen sind, es mag seyn, daß man zu der Zeit, als der Vergleich gemacht worden, dar- an gedacht hat, oder nicht, z. E. wenn einer sich wegen alles und jeden Anspruches, wel- cher in Ansehung eines streitigen Guts, aus was vor einer Ursache es immer geschehen mag, vergleicht; oder es ist ein besonderer Vergleich (transactio specialis), welcher nur auf gewisse Sachen entweder in Anse- hung ihrer Art, oder ihrer Qvantitaͤt gehet, z. E. wenn man sich wegen des Eigenthums eines Guts, oder wegen einer gewissen Qvan- titaͤt von Fruͤchten von einem Gute, oder einer gewissen Qvantitaͤt von Getreide vergleicht. Derowegen thut man bey einem allge- meinen Vergleiche Verzicht auf allen Anspruch an die streitige Sache, er mag beschaffen seyn, wie er will: Aber in einem besondern Vergleiche thut man nicht auf alle Forderungen Ver- zicht, die nachher einem bekannt wer- den koͤnnten, sondern diese bleiben ei- nem unbenommen (§. 340.). §. 765. Man sagt, der Hader, oder Streit Vom Unter- werde II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art schied zwischen- einer Entschei- dung und Beyle- gung ei- nes Streits. werde beygelegt, oder geschlichtet (lis componi dicitur), wenn man die Wahrheit in Zweifel laͤßt, und denselben mit Einwilli- gung der hadernden Partheyen endiget, naͤm- lich daß entweder einer von seiner Forderung absteht, oder daß eines jeden Forderung zum Theil ein Gnuͤge geschieht. Man sagt aber der Hader, oder Streit werde entschie- den (litem decidi), wenn, nachdem alles ge- schehene hinlaͤnglich bewiesen und nach den Gruͤnden des Rechts beurtheilet worden, ge- zeigt wird, auf wessen Seite sich die Wahr- heit befindet, oder wem das Recht zukommt, daruͤber man gehadert. Durch den Ver- gleich demnach und das Vertragen in der Guͤte geschieht keine Entscheidung, sondern die Streitigkeit wird nur bey- gelegt, oder der Hader geschlichtet (§. 763. 764.). §. 766. Wenn das Ver- tragen in der Guͤte und der Veꝛgleich statt fin- det. Da eine unstreitige Schuld gewiß ist (§. 756.), und der Schuldner zum Abtrag der- selben verbunden (§. 751. 766.), noch auch je- mand mit der Sache eines andern sich berei- chern darf (§. 271.); so kann man uͤber eine unstreitige Schuld keinen Ver- gleich trefen (§. 764.), noch sich in der Guͤte vertragen (§. 763.). Weil aber doch ein jeder sein Recht erlassen und auf dasselbe so lange Verzicht thun kann, als nichts dem Recht eines dritten zuwider vorgenommen wird (§. 342.); so kann eine unstreitige Schuld, Streitigkeiten zu endigen. Schuld, wenn es dem Glaͤubiger ge- faͤllt, entweder gantz, oder zum Theil erlassen werden, oder er kann auf das, wozu er Recht hat, entweder gantz, oder zum Theil Verzicht thun. Dieses Er- lassen der Schuld und dieser Verzicht aber ist kein Vertrag in der Guͤte, auch kein Ver- gleich; weil in diesen beyden ein ungewisses Recht erlassen, oder darauf Verzicht gethan wird. Daher erhellet, daß der Vertrag in der Guͤte, woferne man der Bedeutung der Worte nicht Gewalt anthun will, nicht anders, als bey streitigen Schulden statt findet. §. 767. Nach der natuͤrlichen Freyheit kommts Was Rechtens ist, wenn die Schuld streitig ist. allein auf den Willen der Hadernden an, ob sie sich in der Guͤte vertragen, oder mit einander vergleichen wollen, oder nicht (§. 78.). Da aber niemand sich durch, oder aus eines andern Sache be- reichern darf (§. 271.); so muß man sich bemuͤhen, daß das, was streitig ist, unstreitig gemacht, oder ausgemacht werde. Weil es aber doch nothwendig ist, daß der Hader ein Ende gewinne; so muß durchs Loos ausgemacht werden, wem die streitige Sache zugehoͤren soll. Wofern es aber unmoͤglich seyn sollte, daß das, was streitig ist, unstreitig ge- macht werden kann, es aber nicht rathsam zu seyn scheinet, den Streit durch II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art durch das Loos auszumachen; so hat derjenige Theil, dem daran gelegen ist, daß der Hader geschlichtet wird, indem es alsdenn nicht anders als durch einen Ver- gleich geschehen kann (§. 764. 765.), aller- dings das Recht, den andern mit Ge- walt zu einem Vergleiche zu bringen; weil auch das Recht, welches einem wahr- scheinlicher Weise zukommt, einem nicht ge- nommen werden kann (§. 100.). §. 768. Von der Vermit- telung. Einen Mittler (mediator) nennt man eine Person, welche sich bemuͤht, den Streit zwischen andern beyzulegen, ob sie gleich nicht das Recht dazu hat. Die Handlung aber, wodurch die Beylegung von einem dritten ent- weder zu stande gebracht, oder versucht wird, nennt man die Vermittelung (mediatio). Der Mittler nimmt sich also der Sa- che von beyden Theilen an; bey dem aber, was ihm gutduͤncket, doͤrfen die streitenden Partheyen es nicht bewen- den lassen. Da er das Recht den Streit beyzulegen nicht hat; so ist seine Pflicht nur Bedingungen vorzuschlagen, un- ter welchen er vermeinet, daß die Strei- tigkeit beygelegt werden koͤnne; der streitenden Partheyen Meinung davon zu vernehmen, und zu rathen, die ent- weder von ihm, oder von einem von beyden Theilen vorgeschlagene Bedin- gungen anzunehmen. Und weil er sich der Streitigkeiten zu endigen. der Sache von beyden Theilen annimmt; so darf er nicht mehr auf des einen Theils Seite, als auf des andern seyn; folglich da man den, der dieses thut, partheyisch (studiosum partium, partialem), der dieses aber nicht thut, unpartheyisch (impartia- lem) nennt; so muß er unpartheyisch seyn, und deswegen nach dem gemein- schaftlichen Nutzen und nach den Gruͤnden der Forderungen eines jeden Theils die Bedingungen beurtheilen. Daher erhellet, daß es auch dem Mittler zukomme, von den Bedingungen, wel- che von beyden Theilen angeboten wer- den, sein Gutduͤncken zu sagen und die unbilligen Bedingungen, welche von einem, oder dem andern Theil an- geboten werden, zu verwerfen. §. 769. Tractaten (tractatus) nennt man die Be- Von den Tracta- ten. rathschlagungen von einem Vertrage, welcher gemacht werden soll. Die Berathschlagun- gen aber sind die Handlungen des Verstan- des, in welchen erwogen wird, ob etwas viel- mehr geschehen solle, oder nicht, ob vielmehr auf diese, oder auf eine andere Weise. Des- wegen stellt man die Berathschlagun- gen entweder uͤber die Absichten, die man hat, oder uͤber die Mittel, wo- durch dieselbe zu erreichen, oder uͤber beydes zugleich an; folglich wenn man in Tractaten tritt um einen Streit bey- zulegen, II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art zulegen, da wegen der Absicht die streiten- den Partheyen schon mit einander einig sind, naͤmlich daß ihr Streit soll beygelegt werden; so muß man hauptsaͤchlich uͤber die Mittel, das ist, uͤber die Art und Wei- se, wie der Streit beyzulegen, sich be- rathschlagen. Da niemand sich dem an- dern als durch Versprechen verbindlich ma- chen kann (§. 380.), noch auch anders, als wenn der andere dasselbe annimmt (§. 381.); so entsteht so lange, als die streitenden Partheyen in die Art den Streit bey- zulegen noch nicht willigen, folglich noch in Tractaten stehen, keine Ver- bindlichkeit, und es wird auch kein Recht erhalten (§. cit. ); folglich wenn zu den Tractaten nicht ein Vertrag hinzukommt, so haben sie sich zer- schlagen (§. 437.). Weil kein Vertrag noch nicht dazu kommt, wenn das, was angeboten wird, zur Ueberlegung, oder vom Gevollmaͤchtigten bis zur Ge- nehmhaltung angenommen wird; so entsteht auch daraus noch keine Ver- bindlichkeit; folglich ist es erlaubt, daß der die Bedingungen anbietet, wieder zuruͤcke gehet: wenn nicht die Vollzie- hung des Geschaͤftes unter denen Be- dingungen, welche angeboten werden, in dem ersten Falle lediglich dem Wil- len dessen, der sie annimmt, in dem andern Falle aber dem Willen des Herrn Streitigkeiten zu endigen. Herrn des Geschaͤfftes uͤberlassen wird; indem ein bedingtes Recht, welches der An- nehmende, oder der Herr des Geschaͤfftes er- langt hat, demselben nicht genommen werden kann (§. 396. 553.). Da wir uͤbrigens ei- nem jeden sein Recht lassen, keines Recht verletzen, uns gegen jedermann billig, gegen niemanden unbillig erzeigen sollen (§. 86.); so muß nach dem innern Rechte in den Tractaten ein jeder Theil so wohl sei- ne eigene, als des andern Gruͤnde, worauf er seine Forderung gruͤndet, erwegen, und nach diesen muß der Vertrag eingerichtet werden. Und da- her erhellet, daß eben dieses der Mittler zu thun hat. §. 770. Das Compromiß (compromissum), oder Von dem Compro- miß auf einen Schieds- richter und vom Schieds- manne. die einstimmige Bewilligung nennt man einen Vertrag, da man mit einander eines wird dabey es bewenden zu lassen, was eine gewisse Person, oder mehrere sagen werden; und der Schiedsrichter (arbiter) wird die- se Person genannt, welche man durch das Compromiß erwaͤhlt, die streitige Sache zu entscheiden; das Recht die streitige Sache nach seinem Gutbefinden zu entscheiden, wel- ches man dem Schiedsrichter einraͤumet, wird das willkuͤhrliche Entscheidungrecht (arbitrium); das Urtheil aber, wodurch der Schiedsrichter den Streit entscheidet, der willkuͤhrliche Spruch (laudum) genannt. Nat. u. Voͤlckerrecht. N n Die II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art Die streitenden Partheyen sind also ver- bunden, bey dem Spruche des Schieds- richters es bewenden zu lassen; und der Schiedsrichter endet also den Ha- der. Von einem Schiedsrichter ist der Schiedsmann (arbitrator) unterschieden, der zu dem Ende erwaͤhlt wird, daß er die streitige Sache beylegen soll, dem aber nicht das Recht sie zu entscheiden beygeleget wird; folglich sind die streitenden Theile nicht schuldig es bey dem Ausspruche des Schiedsmanns bewenden zu lassen: Sondern wenn derselbe einem oder dem andern Theile nicht anstehet, so ist nichts zu Stande gekommen, und blei- bet einem jeden seine Forderung unbe- nommen. Weil sich also der Schiedsmann wie ein Mittler verhaͤlt (§. 768.); so haben beyde einerley Verrichtung. Der Schiedsmann ist gleichsam eine Mittelsper- son zwischen einem Mittler und Schiedsrich- ter; er uͤberlegt nichts mit den streitenden Partheyen, wie der Mittler, er spricht auch kein Endurtheil, als wie der Schiedsrichter, sondern er uͤberlaͤßt den streitenden Partheyen zu uͤberlegen, was sie von seiner Meinung halten wollen. Da ein angenommenes Ver- sprechen nicht wiederrufen werden kann (§. 427.); so kann ein Compromiß nicht wider Willen des einen Theils wieder- rufen werden (§. 438.). Durch den bey- derseitigen widrigen Willen aber kann es, Streitigkeiten zu endigen. es, so wie ein jeder anderer Vertrag (§. 444.) aufgehoben werden; folglich koͤnnen die streitenden Partheyen durch eine beyderseitige Einwilligung das dem Schiedsrichter eingeraͤumte Recht wiederrufen; und also die streitige Sa- che entweder in der Guͤte beylegen, oder sich vergleichen, obgleich der Schiedsrichter die Entscheidung schon uͤbernommen hat. Ja wenn er ihnen mißfaͤllt, koͤnnen sie auch einen andern erwaͤhlen. §. 771. Nach der natuͤrlichen Freyheit kann nie- Ob man genoͤthi- get das Amt ei- nes Schieds- richters anzuneh- men, und ob man sich da- von wie- der loß- sagen koͤnne. mand das Amt eines Schiedsrichters zu uͤbernehmen gezwungen werden (§. 78.). Da aber derjenige, welcher es uͤber- nimmt, eben dadurch verspricht, er wolle den Streit entscheiden (§. 379.); folglich sich den Partheyen dazu verbindlich macht (§. 380.); so kann er auch sich davon nicht wider den Willen der streitenden Partheyen loßsagen (§. 100.). Denn man sagt er sage sich davon loß (renuntiare arbi- trium), wenn er den streitenden Partheyen anzeigt, er moͤge den Streit nicht entschei- den. §. 772. Weil der Schiedsrichter den Streit ent- Von der Pflicht eines Schieds- richters scheiden soll (§. 770.); so muß er beurthei- len, wem die stteitige Sache zugehoͤre, oder welchem Theil man etwas schul- N n 2 dig II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art und was es vor ein Mañ seyn muͤsse. dig sey, und welchem nicht; folglich muß er den Spruch thun, ob der, welcher ein Recht wider den andern zu haben vorgiebt, dasselbe habe, oder nicht; und hierinnen besteht das Urtheil des Schiedsrichters (§. 770.). Hieraus folgt gleichsam von selbst, daß der Schiedsrich- ter unpartheyisch seyn muß (§. 768.), und da das Ansehen der Person (respe- ctus personarum) in der Bestimmung des Willens durch Bewegungs-Gruͤnde, die von der Person, zu deren Vortheil etwas geschieht, hergenommen sind, dergestalt daß man nicht auf die Wahrheit sieht; so muß er kein An- sehen der Person haben. Und weil man den einen redlichen Mann (virum bonum) nennt, der die Gerechtigkeit und Ehrlichkeit liebt, was aber derselben entgegen ist, haßt, dergleichen ein jeder seyn soll (§. 86. 49.); folglich wer ein redlicher Mann seyn will, verstehen muß, was recht und ehrlich, was unrecht und nicht ehr- lich, folglich auch was billig und unbil- lig ist (§. 83.), und also die Wahrheit lieben; so muß auch ein Schiedsrich- ter ein redlicher Mann seyn; und folg- lich verstehen, was recht und unrecht, was billig und unbillig ist, er muß die Wahrheit lieben, und sich von keiner Parthey durch Geschencke bestechen lassen. §. 773. Streitigkeiten zu endigen. §. 773. Wenn Partheyen uͤber ein Recht streiten, Wie er sein Amt zu ver- walten hat. so wird der Klaͤger (actor) genannt, wel- cher ein Recht fordert, so ihm der andere leugnet, oder nicht einraͤumet; der Beklag- te (reus) aber, von welchem die Geweh- rung des Rechtes gefordert wird. Da nun der Schiedsrichter den Streit entscheiden soll (§. 770.); so muß er sagen, ob dem Klaͤ- ger das Recht zukommt, welches er fordert; folglich ob der Beklagte ihn dasselbe zu gewehren schuldig sey, oder nicht (§. 765.). Derowegen muß er nach der Beschaffenheit der Sache sich er- kundigen, und davor sorgen, daß die- selbe in Ansehung aller Umstaͤnde wi- der den, welcher dieses, oder jenes leug- net, bewiesen werde, und endlich die Sache nach den Gesetzen, das ist, im natuͤrlichen Zustande, nach dem Rech- te der Natur entscheiden. Daher er- hellet, daß ein Schiedsrichter die Ge- setze, und im natuͤrlichen Zustand das Recht der Natur inne haben muͤsse. §. 774. Weil der Schiedsrichter nach den Gesetzen, Was der Klaͤger und Be- klagte zu thun hat. wie sie beschaffen, entscheiden muß (§. 773.); so muß der Klaͤger die Sache erzehlen, und das, was vom Beklagten geleug- net wird, beweisen: Der Beklagte aber muß auf die Erzehlung der Sache ant- worten, ob er sie vor wahr haͤlt, oder N n 3 nicht, II. Th 18. H. Von der natuͤrlichen Art nicht, oder ob er nur einige Umstaͤnde leugnet, und was er wider dasjenige, was er zulaͤst, einzuwenden hat, wel- ches er wider den Klaͤger, wenn er es leugnet, hinlaͤnglich beweisen muß (§. cit. ). §. 775. Von dem Beweise durch ein Jnstru- ment. Weil ein Jnstrument (instrumentum) eine jede Schrift ist, darinnen entweder das aufgezeichnet ist, was diejenigen, welche ei- nen Vertrag machen, unter einander abgere- det haben, oder die Ursache, um derentwil- len dem andern ein Recht zu- oder nicht zu- kommt; so werden die Sachen durch Jnstrumente, welche der Gegentheil, wider welchen sie vorgezeigt werden, als wahr annimmt, und dargegen er nichts einzuwenden im Stande ist, be- wiesen. Da die Jnstrumente diesen Vor- theil haben, wenn es auf ein zweyseitiges Geschaͤffte (negotium bilaterale) ankommt, da naͤmlich sich ein jeder Theil zu gewissen Lei- stungen verbindet; so muß das Jnstru- ment, welches verfertiget wird, von beyden Theilen unterschrieben, und einem jeden Theil ein Exemplar, welches von beyden Theilen unter- schrieben worden, gegeben wer- den: Wenn aber das Jnstrument wegen eines einseitigen Geschaͤff- tes (de unilaterali negotio) verferti- get wird, da naͤmlich ein Theil dem an- dern Streitigkeiten zu endigen. dern sich zu etwas verbindet; so darf es nur von dem Theile unterschrieben werden, welcher sich dem andern ver- bindet, und dem uͤbergeben werden, welchem er sich verbindlich gemacht hat. Damit aber nicht ein Streit uͤber das Jnstrument entstehe, welcher vermieden wer- den koͤnnte; so muß, wenn zwey Exem- plare vom Jnstrument gemacht wer- den, in denselben angezeigt werden, daß zwey gemacht, von beyden Thei- len unterschrieben, und einem jeden Theile eines zugestellet worden. Aus der Erklaͤrung des Jnstruments erhellet, daß ein Brief, wodurch einem Abwesen- den etwas angezeigt wird, ein Jnstru- ment sey, z. E. worinnen der Schuldner die Schuld von 100. Ducaten bekennet, wie auch eine Handschrift (§. 652.), und eine Qvittung (§. 654.), ingleichen ein Pro- tocoll (protocollum), massen man mit die- sem Nahmen ein kurtzes Verzeichniß einer ge- schehenen Sache zu belegen pflegt, deren An- dencken man erhalten will, wenn es in dem natuͤrlichen Zustande vom Gegen- theil, oder von andern glaubwuͤrdi- gen anwesenden Personen unterschrie- ben wird; indem es vor richtig angenom- men wird, weil es von ihnen davor erkannt worden. Uebrigens erhellet auch daher, daß Protocolle auch zu dem Ende aufge- nommen werden, damit man daraus N n 4 Jnstru- II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art Jnstrumente verfertigen kann. Der- gleichen Protocoll heist eine Punctation (punctatio, item imbreviatura). Jn zwei- felhaften Faͤllen, wenn ein Jnstrument von einem Protocoll verschieden seyn sollte; so ist die Vermuthung vor das Protocoll: Denn da es eine geschehene Sa- che ist, daß die contrahirenden Theile etwas in dem Jnstrumente einstimmig geaͤndert haben, was sie vorher verabredet hatten; so muß, der dieses behauptet, es erweisen. Damit nun dieser Streit vermieden werde; so muß ein Jnstrument, das von einem andern ge- macht worden, ehe man es unter- schreibt, noch einmahl durchgelesen und mit dem Protocoll verglichen wer- den (§. 52.): Welches auch die Zeugen thun sollen, die dazu gebraucht wer- den, daß sie bezeugen sollen, es sey die Sache so und nicht anders verhan- delt worden; nicht aber, wenn sie bloß zeugen sollen, es sey das Jnstru- ment durch Einwilligung der Par- theyen gemacht worden; indem sie in diesem Falle nicht wissen doͤrfen, was im Jnstrument enthalten sey. Man nennet ein Jnstrument ein Original (instrumentum originale), welches durch beyderseitige Ein- willigung der Partheyen gemacht worden; eine Copey aber (copia, exemplum), was von dem Original abgeschrieben worden. Die Copey beweiset also an und vor sich selbst Streitigkeiten zu endigen. selbst nichts, als in so fern man weiß, daß sie mit dem Original uͤberein- kommt; folglich, da man eine beglaubigte, oder vidimirte Copey (copiam vidimatam) diejenige nennt, deren Uebereinstimmung mit dem Original glaubwuͤrdige Personen bezeu- gen, wenn sie beglaubiget, oder vidi- mirt worden. §. 776. Ein Blanqvet (charta blanca) nennt man Von Blan- qveten. ein lediges Papier, welches einer mit seinem Nahmen unterschrieben und besiegelt dem an- dern uͤbergiebt, daß er es eines gewissen Ge- schaͤfftes wegen selbst beschreibe. Da aller- dings derjenige, welcher ein Blanqvet giebt, sich auf die Treue dessen, der es empfaͤngt, verlaͤßt, daß er nichts anders darauf schrei- ben werde, als was er hat haben wollen, und der es empfaͤngt, von allem Betrug entfernt seyn soll (§. 286.); so verbindet ein Blanqvet denjenigen, der es unter- schrieben und besiegelt hat, das zu lei- sten, was in dem darauf geschriebenen versprochen wird; und der es em- pfaͤngt, verbindet sich wenigstens still- schweigens, nichts darauf zu schreiben, als was jener darauf will geschrieben haben, oder was mit seiner Absicht uͤbereinkommt: Wofern er abet etwas schreibt, wozu wir uns nicht haben verbinden wollen, oder welches nicht wahr ist; so sind wir es zu leisten, oder N n 5 dassel- II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art dasselbe zu halten nicht vetbunden. Da es aber vor sich erhellet, man koͤnne ei- nem auf sein blosses Sagen nicht glauben; so muß bewiesen werden, daß etwas wider unsern Willen, oder was nicht wahr ist, darauf geschrieben worden sey. Derowegen, zur Vermeidung des Streits, muß man, wenn es angehet, bey der Unterschrift eines Blanqvets kurtz anzeigen, zu was Ende es gege- ben wird. §. 777. Von Kerbhoͤl- tzern. Ein Kerbholtz (bacilla fissa) nennt man, welches durch eingeschnittene Kerben beweiset, wie viel einer dem andern gegeben, und die- ser bekommen hat, oder auch wie viel einer Dienste geleistet, der zu einer gewissen Zahl derselben dem andern verbunden war. Weil beyde Theile mit einander eines werden, daß, was geschehen, durch Kerbhoͤltzer bewie- sen werden soll; so wird durch dieselbe das was gegeben und empfangen worden, oder was einer von beyden Theilen ge- leistet, bewiesen; folglich wird in dem ersten Falle die Schuld, und in dem andern das, was abgetragen worden, bewiesen. §. 778. Vom Beweiß durch Zeugen. Einen Zeugen (testis) nennt man eine Person, welche, was geschehen, glaubwuͤrdig machen soll. Es wird also, was gesche- hen, durch Zeugen erwiesen. Weil man nun Streitigkeiten zu endigen. nun vor wahr haͤlt, was der Zeuge sagt; so wird von ihm so wohl erfordert, daß er weiß, was geschehen, als auch daß er die Wahrheit sagen will (§. 347.); damit er naͤmlich weder sich selbst irre, oder andern Falsches beybringe (§. 356.); folg- lich, damit man desto weniger daran zweifeln kann, daß ihm die Sache bekannt sey, so ist noͤthig, daß er zugegen gewesen, als das ge- schehen, wornach gefragt wird. Einen Au- genzeugen (testis oculatus) nennt man, der das sagt, was er in seiner Gegenwart wahr- genommen hat: Einen Zeugen vom Hoͤ- rensagen (testis auritus) aber denjenigen, der nur sagt, was er von andern gehoͤrt; ei- nen wahrhaften Zeugen (testis verus), welcher die Wahrheit saget, das ist, so wie er es weiß; einen falschen Zeugen (testis falsus), der anders sagt, als was er weiß. Wenn Gruͤnde vorhanden sind, warum einer die Wahrheit zu sagen Bedencken tragen kann, oder um derentwillen vermuthet wird, daß er sie nicht sagen werde, so heist er ein verdaͤch- tiger Zeuge (testis suspectus); der also zum Zeugniß nicht zugelassen werden kann. Ein Zeuge hingegen, auf welchen kein Verdacht faͤllt, daß er nicht moralisch wahrreden, oder die Wahrheit sagen werde, ist ein glaubwuͤrdiger Zeuge (testis inte- ger). Weil ein Zeuge zum Beweiß dessen, was geschehen, gebraucht wird; so ist er von Natur die Wahrheit zu sagen ver- II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art verbunden (§. 134.); folglich ist ein fal- sches Zeugniß eine Luͤgen (§. 351.). Und damit man dem Zeugnisse desto sicherer trauen koͤnne; so muß der Zeuge versprechen, daß er die Wahrheit sagen wolle (§. 380.). Um nun destoweniger einen Arg- wohn zu schoͤpfen, daß der Zeuge die Wahr- heit nicht gesagt; so muß er, weil der Eid alle stillschweigende Ausfluͤchte und Bedin- gungen und Vorbehaltungen im Sinne weg- raͤumet (§. 369.), schwoͤren, daß er die Wahrheit sagen wolle, oder sein ab- gelegtes Zeugniß beschwoͤren. Da aber dasjenige, was in der That falsch ist, moralisch wahr seyn kann (§. 347.), zum Beweiß des geschehenen aber, wie es an und vor sich selbst erhellet, erfordert wird, daß es sich so ver- halte, wie gesagt wird; so beweiset ein Zeuge, wenn er gleich geschworen hat und gar nicht verdaͤchtig ist, nichts hinlaͤnglich; und folglich ist der Beweiß durch einen Zeugen ein unvollstaͤndiger Beweiß; indem man einen unvollstaͤndi- gen Beweiß (probationem semiplenam), oder einen halben Beweiß nennt, wodurch das geschehene nicht hinlaͤnglich bewiesen wird; gleichwie im Gegentheil ein vollstaͤndiger, oder voͤlliger Beweiß (probatio plena) heißt, wodurch das geschehene hinlaͤnglich be- wiesen wird. Weil nur eines in der That wahr seyn kann (§. 347.); so wird, was zwey, oder mehrere beschworene Zeu- gen, Streitigkeiten zu endigen. gen, das ist, welche durch einen Eid den Verdacht von sich abgelehnet haben, als wenn sie die Wahrheit nicht sagen wuͤrden, zugleich aussagen, fuͤr wahr in der That, und also fuͤr voͤllig bewiesen angenommen; folglich muß der, welcher es leugnet, es wider sich als wahr gelten lassen, und wird deswegen fuͤr uͤberwiesen gehalten. Denn da der Beweiß anders keinen Ausgang gewinnen kann; so muß, ob es gleich nicht schlechterdings unmoͤglich ist, daß was durch Zeugen auf diese Art bewiesen wird, in der That doch falsch seyn kann, dennoch dasjeni- ge, was durch Zeugen auf solche Art bewie- sen worden, fuͤr wahr angenommen werden. Denn eine solche Gewißheit, als man durch mathematische Beweise erhaͤlt, wuͤrde man hier vergeblich verlangen. §. 779. Da der Wille durch Bewegungsgruͤnde be- Wer zeu- gen kann. stimmt wird, naͤmlich durch eine Vorstellung des Guten, oder Boͤsen; folglich ein falsches Zeugniß abgeleget wird, welches entweder in der Hoffnung etwas Gutes zu erhalten, oder ein Uebel zu vermeiden, oder dem zu Liebe, fuͤr welchen, oder aus Haß gegen den, wi- der welchen das Zeugniß abgelegt wird; so wird, wenn ein Zeuge verdaͤchtig seyn soll, erfordert, daß es das Ansehen hat, er werde ein falsches Zeugniß auch eid- lich ablegen, entweder aus Hoffnung zu etwas Guten, oder aus Furcht fuͤr einem II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art einem Uebel, oder auch aus Liebe, oder aus Haß. Daher entsteht der Verdacht aus den besondern Umstaͤnden, wodurch dieses bewiesen wird. Hieraus aber folgt, daß ein verdaͤchtiger Zeuge nicht zuzulassen sey, und da aus angefuͤhrten Gruͤnden ein Zeuge in seiner eigenen Sache, aus welcher er naͤmlich einen Vortheil hofft, oder einen Schaden befuͤrchtet, verdaͤchtig ist; so kann niemand in seiner eigenen Sache Zeu- ge seyn; folglich auch kein Mitglied ei- ner Gesellschafft in einer gemeinschafft- lichen Sache. Und weil einem Zeugen be- kannt seyn muß, was geschehen (§. 778.); so kann niemand von Dingen zeugen, welche er nicht verstehen kann, oder worauf er nicht acht gegeben hat. Es ist aber kein natuͤrlicher Grund vorhanden, warum Weibspersonen nicht zeugen koͤnn- ten; folglich sind sie zum Zeugniß zuzu- lassen. Ob nun gleich aber aus allgemeinen Gruͤnden, welche von der Beschaffenheit ge- wisser Personen genommen werden, z. E. wenn gefragt wird, ob der Schuldner wider seinen Glaͤubiger zeugen koͤnne, oder dieser wider jenen, ein Mitglied einer Gesellschafft in einer Sache, welche die Gesellschafft nicht angehet, wider ein anderes Mitglied, ob ein Blutsfreund wider den andern zeugen koͤnne, einiger Verdacht erregt werden koͤnnte, war- um man dergleichen Personen nicht vor guͤl- tige Zeugen halten koͤnnte, und man also, wo man Streitigkeiten zu endigen. man andere haben kann, sie diesen nachzuse- tzen hat; so kann man doch aus diesen Ursa- chen allein, wofern nicht andere offenbahre Ursachen noch ins besondere dazu kommen, sie nicht so verdaͤchtig machen, daß auch ein Eid nicht hinreichend waͤre den Verdacht von sich abzulehnen. Damit aber kein Theil uͤber die Guͤltigkeit der Zeugen sich zu beschweren Ur- sache hat; so muß der, welcher fuͤr sich etwas durch Zeugen beweisen will, sie selbst angeben: Wenn er aber gegen ei- nen andern etwas durch Zeugen be- weisen will; so muß dieser, ehe sie zu- gelassen werden, gehoͤrt werden, ob er gegen sie etwas einzuwenden hat, und sie verdaͤchtig machen will, oder kann. §. 780. Da geschehene Dinge, welche durch Zeu- Von wel- cher Sa- che und wie ge- zeugt werden muß. gen bewiesen werden sollen, nicht anders als durch die Sinnen erkannt werden koͤnnen (§. 778.); so muß die Sache, wovon ge- zeugt werden soll, in die Sinnen fal- len; folglich muß der Zeuge nichts er- zehlen, als was er durch die Sinne begriffen hat: Wenn er aber etwas sagt, was durch die Sinnen nicht be- griffen werden kann; so ist das Zeug- niß nichtig. Und damit dasselbe nicht un- recht ausgelegt werden kann; so muß der Zeuge das, was er durch die Sinnen erkannt, mit eigentlichen Worten, die eine II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art eine bestimmte und unveraͤnderte Be- deutung haben, erzehlen (§. 346.). §. 781. Von ei- nem Be- weiß durch den Eid. Wenn eine streitige Sache nicht auf andere Weise bewiesen werden kann, als wenn guͤltige Jnstrumente (§. 775.), oder Zeugen (§. 778.) fehlen, oder wenigstens nicht hinlaͤnglich; so muß, da sonst der Streit keinen Ausgang gewinnen koͤnnte, den er doch gewinnen soll, im ersten Falle die Sache durch einen Eid bewiesen; im andern aber, was dem Beweise noch abgehet, durch den Eid ersetzt werden. Aus eben der Ursache muß einer die Ver- muthungen gegen sich, die er anders nicht ablehnen kann, durch einen Eid ablehnen; indem ihm oblieget zu beweisen, was man wider ihn vermuthet, sey falsch. §. 782. Von den Arten ei- nes Ei- des. Ein Versicherungseid (juramentum assertorium) ist, welcher zu dem Ende ab- gelegt wird, daß man fuͤr wahr halten soll, was gesagt worden, es mag entweder etwas bekraͤfftiget, oder verneint werden; ein Er- fuͤllungseid (suppletorium) ist, wodurch der Mangel des Beweises ersetzt wird; daß dannenhero ein Erfuͤllungseid aus einem unvollstaͤndigen Beweise einen voͤlli- gen macht (§. 778.). Ein Reinigungs- eid (juramentum purgatorium) ist, wodurch einer die Vermuthungen, die wider ihn sind, von Streitigkeiten zu endigen. von sich ablehnet; indem man sagt, es rei- nige sich einer (purgare se), wenn er sich von dem auf ihn gefallenen Verdachte be- freyet. Ein Entscheidungseid (juramen- tum litis decisorium) ist, welcher zu dem En- de geleistet wird, daß der Streit entschieden seyn soll; folglich wird durch einen Ent- scheidungseid der Hader geendigt. Man theilet aber diesen ein in einen freywilligen (voluntarium), wenn die hadernde Par- theyen unter sich einig werden, daß der Streit durch einen Eid entschieden werden soll; und in einen nothwendigen (necessarium), wenn aus Mangel anderer Beweise dessen, worauf es in Entscheidung der streitigen Sa- che ankommt, solches nicht anders, als durch einen Eid bewiesen werden kann, oder auch der nicht voͤllige Beweiß durch den Eid erst voͤllig werden muß. Endlich heist ein Ver- sprechungseid (juramentum promisso- rium), wenn man eidlich etwas verspricht, oder der ein Versprechen in sich enthaͤlt. §. 783. Man sagt, einer lege dem andern einen Vom Aufer- legen ei- nes Eids. Eid auf, oder er schiebe es ihm ins Ge- wissen (juramentum alteri deferre), wenn er sich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle daß der andere schwoͤren solle. Derowegen wenn andere Beweise fehlen, oder man, was zu beweisen war, nicht voͤllig beweisen koͤnnen, so kann der Schiedsrichter ei- nen Eid auflegen (§. 781.); folglich ist Nat. u. Voͤlckerrecht. O o der II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art der Eid, welcher vom Schiedsrichter einem auferlegt worden, ein nothwen- diger Eid, und besonders ist es der Er- fuͤllungseid. Aus eben dem Grunde kann auch vor dem Schiedsrichter ein Theil dem andern einen Eid auferlegen: Je- doch da ihm alle Untersuchung der Sache zu- kommt (§. 770.); so muß es mit seiner Bewilligung geschehen. Ja aus eben der Ursache kann der Klaͤger dem Be- klagten, wegen dessen, was er leugnet, und der Beklagte dem Klaͤger wegen seiner Einwendungen das Gewissen ruͤhren; weil niemand ein Zeuge in seiner eigenen Sache seyn kann (§. 779.), folg- lich durch einen Eid nicht beweisen, was von dem andern Theil geleugnet wird. Weil man es aber nicht auf einen Eid muß ankommen lassen, so lange man andere Beweise haben kann (§. 781.); so folgt, daß, wenn ein Theil dem andern vor dem Schieds- richter es in das Gewissen schiebet, was er leugnet, er aber, was durch den Eid bewiesen werden soll, anders be- weisen will, er zum Beweise zugelas- sen werden muß: Wenn er aber mit dem Beweise nicht auskommt, er den- noch den Eid ablegen muß (§. cit. ). §. 784. Von dem Zuruͤck- schieben und Ab- Man sagt, einer schiebe den Eid zu- ruͤck, oder er schiebe es dem andern in sein Gewissen zuruͤcke (juramentum re- ferre), Streitigkeiten zu endigen. ferre), wenn er den ihm auferlegten Eid schlagen eines Ei- des. nicht annehmen will, sondern sich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle lieber daß der andere Theil, was er gesagt, durch einen Eid bekraͤfftige: Aber, er schlage den Eid aus, oder er wei- gere sich zu schwoͤren (juramentum re- cusare), wenn er sich hinlaͤnglich erklaͤret, er wolle nicht schwoͤren, oder er wolle den ihm auferlegten, oder zuruͤck geschobenen Eid nicht ablegen. Weil aber der nicht schwoͤren will, deswegen noch nicht will, daß der andere schwoͤren soll; so folgt noch nicht, daß, wer sich zu schwoͤren weigert, deswe- gen dem andern es ins Gewissen zuruͤ- cke schiebet. Weil die Partheyen das sich muͤssen gefallen lassen, was dem Schiedsrich- ter gutduͤnckt (§. 770.); so kann der Eid, welcher von einem Schiedsrichter auf- erlegt worden, nicht ausgeschlagen und dem Gegentheil ins Gewissen ge- schoben werden. Wenn aber ein Theil dem andern den Eid auferlegt; so kann er ihm denselben ins Gewissen zuruͤcke schieben; massen keine zugezogene Verbindlichkeit vorhanden, welche die natuͤr- liche Freyheit einschraͤncken sollte, und es ihm also freysteht, ob er selbst schwoͤren, oder lieber will, daß der andere schwoͤren soll (§. 78.). Und da der, welcher den Eid auferlegt, will, daß die streitige Sache durch einen Eid ent- schieden werden soll, und nicht wollen darf, daß GOtt unbedachtsamer Weise zum Zeugen O o 2 ange- II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art angerufen werde (§. 360. 361.); so kann er vor seine Person den Eid nicht aus- schlagen. Gleichergestalt da wer den Eid annimmt, stillschweigend zu schwoͤren ver- spricht, und sich also dazu verbindlich macht (§. 380.); so kann ein auferlegter Eid, wenn er angenommen worden, nicht ausgeschlagen werden. Uebrigens ist der erfuͤllende und der Reinigungseid an und vor sich selbst so beschaffen, daß er nicht ausgeschlagen und zuruͤck ge- schoben werden kann (§. 782.). §. 785. Von dem, der nicht schwoͤren will, da er schwoͤ- ren soll. Weil derjenige, der zu schwoͤren verbun- den ist, aber nicht schwoͤren will, hinlaͤnglich anzeigt, daß er nicht mit gutem Gewissen schwoͤren kann; so wird wider den, der schwoͤren soll, fuͤr wahr gehalten, wor- uͤber er schwoͤren sollte. Derowegen wenn ein angenommner Eid, oder ein Eid, den der Schiedsrichter auferlegt, ausgeschlagen wird; so wird, was ei- ner beschwoͤren sollte, wider ihn fuͤr wahr gehalten. §. 786. Von der Erlas- sung des Eides. Man sagt, der Eid werde erlassen (ju- ramentum remitti), wenn der, welcher ihn auferlegt hat, sich, nachdem er ange- nommen worden, erklaͤrt, er wolle nicht, daß er wuͤrcklich abgeschworen werde, sondern da- vor halten, als wenn es wuͤrcklich geschehen waͤre. Also wird wider den, welcher den Streitigkeiten zu endigen. den Eid erlaͤßt, das vor wahr gehal- ten, was beschworen werden sollte (§. 318.). Weil es auf denjenigen, wider wel- chen geschworen wird, allein ankommt, ob wuͤrcklich geschworen wird, oder nicht (§. 781. 415.), und es auf seinen Willen allein an- kommt, ob er will daß geschworen werden soll, oder nicht (§. 78.); so kann er sowohl ei- nen Eid, welchen der Schiedsrichter auferlegt, als der von ihm auferlegt, oder zuruͤck geschoben worden, wenn er sieht daß der andere zum Schwoͤren bereit ist, erlassen. §. 787. Einen Kampf (pugna) nennt man, wenn Vom Duell, oder Zwey- kampfe. zwey mit Gewalt einander anfallen und sich schlagen. Wenn einer des andern Sachen mit Gewalt anfaͤllt; so ist dieses nur eine Ur- sach zum Kaͤmpfen, in so fern als der, welcher seine Sache vertheidigt, gewaltsamen Wider- stand thut. Der Kampf, welchen zwey mit einander wagen, daß genommener Abrede nach ihre streitige Sache durch den Kampf entschie- den seyn sollte, nennt man ein Duell, oder einen Zweykampf (duellum). Weil der Mensch verbunden ist, seinen Leib und alle Glieder unverletzt zu erhalten (§. 112.), auch alle Gefahr des Lebens und Verstuͤmmelung der Glieder von sich (§. 43.), und einem jeden andern abzuwenden (§. 141.); so ist ein je- des Duell von Natur unerlaubt; folg- lich soll niemand den andern mit Ge- O o 3 walt II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art walt zum Duell zwingen, und nie- mand den andern dazu herausfordern, und wer herausgefordert wird, darf nicht erscheinen. Allein wenn jemand den andern in der Absicht mit Gewalt anfaͤllt; so ist es kein Duell, wenn die- ser sich wehret; indem ein jeder von Na- tur das Recht hat sich zu wehren (§. 90.). §. 788. Wer im Kampfe uͤberwin- det. Man sagt, der uͤberwinde im Kampfe, welcher den andern dahin bringt, daß er auf- hoͤren muß: Hingegen der wird uͤberwun- den (vincitur), welcher abzustehen genoͤthi- get wird. Daher folgt, daß der uͤber- wunden sey, welcher getoͤdtet wird, welcher so verwundet wird, daß er nicht laͤnger aushalten kann, oder will, wer in die Flucht gejagt wird, oder auch hinlaͤnglich anzeigt, daß er nicht laͤnger kaͤmpfen wolle, z. E. wer das Gewehr wegwirft, oder mit ausdruͤck- lichen Worten es saget. §. 789. Ob es er- laubt sey durch ein Duell den Streit zu ent- scheiden und seine Ehre zu Weil man daraus, daß einer den an- dern im Kaͤmpfen uͤberwunden hat, nicht schliessen kann, daß er eine gerechte Sache habe (§. 788.); so kann durch das Duell keine streitige Sache entschieden wer- den (§. 765.). Gleichergestalt weil man seine Ehre, oder guten Nahmen nicht anders vertheidigen kann, als daß man zeigt, es sey falsch was der andere unserm guten Nahmen zuwi- Streitigkeiten zu endigen. zuwider gesagt hat (§. 126.); so kann man beschuͤ- tzen. durch ein Duell auch seine Ehre nicht retten (§. 787.). Und weil ein Duell von Natur unerlaubt ist (§. cit. ); so ist es auch nicht erlaubt durch den Sieg im Kaͤmpfen, als wie durchs Loos (§. 669.), eine streitige Sache zu entscheiden, oder durch ein Duell, man uͤberwinde, oder werde uͤberwunden, seine Ehre wie- der erhalten wollen, welche man uns von einem andern benommen zu seyn vermeinet. §. 790. Weil man das Recht gegen einen andern Ob man in einer zweifel- haften Sache das Recht zum Krie- ge habe. nicht eher mit Gewalt behaupten kann, bis gewiß ist, daß es uns zukomme (§. 88. 89.); so hat niemand in einer streitigen Sa- che an und vor sich selbst das Recht zum Kriege; folglich ists nicht erlaubt einen andern mit Gewalt der Waffen anzugreifen, um von ihm zu erzwin- gen, worauf wir eine Anforderung machen. Weil also in einer zweifelhaften Sache der Streit entweder durch eine Bey- legung in der Guͤte (§. 763.), oder durch ei- nen Vergleich (§. 764.), wozu man, wenn es noͤthig ist, Mittelspersonen annehmen kann (§. 768.), oder durch Schiedsrichter (§. 770.), oder durchs Loos geendigt werden muß (§. 670.); so muß man eine streitige Sa- che entweder guͤtlich beylegen, oder wegen eines Vergleichs entweder mit, O o 4 oder II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art oder ohne Mittelspersonen Unterre- dungen anstellen, oder sich wegen ei- nes Schiedsrichters vereinigen, oder die Endigung des Streits dem Loose uͤberlassen. Weil aber niemanden wider seinen Willen auch ein noch streitiges Recht genommen werden kann (§. 100.), indem alle- zeit zu besorgen, es doͤrfte dem andern sein Recht benommen werden; so hat, so lange es zweifelhaft bleibt, welchem unter den strei- tenden Partheyen das Recht zukommt, der- jenige, welcher in einer zweifelhaften Sache eine Unterredung zur Beyle- gung in der Guͤte, oder durch einen Ver- gleich, oder auch durch einen Schieds- richter, oder das Loos anbietet, das Recht den andern mit Gewalt zu ei- nem Vergleiche zu zwingen, wenn er sich zu nichts verstehen will; folglich das Recht einen Krieg des Vergleichs wegen zu fuͤhren (§. 98.). Eben auf diese Weise erhellet, daß wenn jemand die in der Unterredung, oder durch einen Mittler vorgeschlagene billige Bedin- gungen nicht annehmen will; der an- dere das Recht hat Krieg zu fuͤhren, um ihn mit Gewalt zum Vergleiche zu zwingen. Und weil die Menschen, wenn sie keine Verbindlichkeit dazu noͤthiget, sich nicht in die Gefahr begeben duͤrfen, ihr Leben oder gesunde Gliedmassen zu verlieren, oder auch ihren Zustand zu verschlimmern (§. 131.), auch Streitigkeiten zu endigen. auch der Krieg nicht durch die Natur, son- dern durch die Boßheit der Menschen, die ih- rer Verbindlichkeit kein Genuͤge leisten wol- len, eingefuͤhret worden (§. 99.); so muß in einer streitigen Sache ein jeder Theil billige Bedingungen suchen, wodurch der Krieg vermieden werden kann. §. 791. Da kein Besitzer mit Gewalt aus seinem Ob ei- nem des Besitzes wegen das Recht zum Kriege zukom- me. Besitze geworfen werden kann, ehe als der an- dere sein Recht bewiesen hat (§. 288.); so kommt in einer zweifelhaften Sache niemanden das Recht zu einen Besi- tzer zu noͤthigen, daß er ihm den Besitz einraͤumen soll; folglich wenn einer ei- ne streitige Sache besitzt, so ist es un- erlaubt, durch die Gewalt der Waf- fen sich des Besitzes zu bemaͤchtigen (§. 98.); und also muß derjenige, wel- cher die Sache haben will, mehr als der Besitzer sich angelegen seyn lassen die Bedingungen zu suchen, wodurch der Krieg vermieden wird. §. 792. Weil einem jeden von Natur ein Recht Von der nothwen- digen Pfaͤn- dung. auf die Guͤter des Schuldners zukommt, um sich daraus, woferne er nicht zur gesetzten Zeit die Schuld abtraͤgt, bezahlt zu machen (§. 705.); so ist es von Natur erlaubt, wenn ein anderer eine uns zugehoͤrige Sache uns vorbehaͤlt, und sie nicht wiedergeben will, oder das nicht ab- O o 5 tragen, II. Th. 18. H. Von der natuͤrlichen Art tragen, was er schuldig ist, ihm eine andere Sache wegzunehmen, die man ihm nicht eher wiedergiebt, bis wir das unsere erhalten haben. Da hierin- nen die Pfaͤndung (pignoris capio) besteht; so ist sie von Natur erlaubt, und man muß dabey in acht nehmen, was von dem Pfande erwiesen worden (§. 697. u. s. w.). Es erhellet aber, daß die Pfaͤn- dung eine nothwendige Verpfaͤndung sey. §. 793. Von der Erfuͤl- lung sei- nes Nech- tes. Da niemanden sein Recht wider seinen Willen genommen werden kann (§. 100.), auch niemand dieses zu leiden schuldig ist (§. 89.); so kann einer, wenn der andere ihm seine Sache nicht wiedergeben, oder eine Schuld nicht abtragen will, anstatt derselben eine andere ihm zu- gehoͤrige Sache, welche eben so viel werth ist, wegnehmen. Da man aber sich mit einer fremden Sache nicht bereichern darf (§. 271.); so muß man so viel, als sie mehr werth ist, ihm wiedergeben. Es erhellet aber vor sich, daß, wenn der- selbe uns das unsere gleich wiederge- ben will, weil alsdenn keine Ursache vor- handen, warum wir uns eine einem andern zugehoͤrige Sache zueignen koͤnnen, wir auch ihm seine Sache wiedergeben muͤssen. Das Wegnehmen einer einem andern zugehoͤ- rigen Sache anstatt der unsrigen, oder dessen, was Streitigkeiten zu endigen. was er uns schuldig ist, wenn wir das unsere von ihm nicht erhalten koͤnnen, nennt man die Erfuͤllung des Rechtes (expletio ju- ris). Diese ist also von Natur erlaubt. Es erhellet aber, daß sie nicht eher zu Stande kommen kann, bis es gewiß ist, daß der andere, welcher uns das unsere vorenthaͤlt, dasselbe uns nicht geben will, damit er das seinige wieder bekommen koͤnnte; folglich muß man in zweifelhaftem Fall ihm einige Bedenckzeit lassen. Weil es aber noͤthig ist, daß wir mit einer Sache, daran wir uns wegen des unsern zu halten haben, machen koͤnnen, was wir wollen, wenn nur nichts vorgenommen wird, das dem Rechte des- sen, der uns das unsere vorenthaͤlt, zuwider ist (§. 86.), indem wir dadurch befriediget werden sollen; so erhalten wir das Ei- genthum in einer Sache, die wir, um uns an derselben zu erhohlen, wegge- nommen haben (§. 195.); sonst wuͤrde ja das gantze Verfahren vor die lange Weile seyn. Das neunzehnte Hauptstuͤck. Von der Auslegung. §. 794. A uslegen (interpretari) ist nichts an- Was die Ausle- gung sey. ders, als auf eine gewisse Art schlies- sen, was einer durch seine Worte, oder II. Theil 19. Hauptstuͤck. oder andere Zeichen, hat zu verstehen geben wollen. Daher ist die Auslegung (inter- pretatio) die Erforschung der Gedancken, wel- che durch Worte und andere Zeichen ange- deutet worden. §. 795. Wenn ei- ne Aus- legung noͤthig ist. Wenn alle Woͤrter eine gewisse und bestimmte Bedeutung haͤtten, daß sie naͤmlich allezeit in eben demselben Verstande genommen wuͤrden, und nicht itzt mehr, ein andermahl weniger, oder etwas anders durch dieselbe angedeutet wuͤrde, und wenn die Redenden allzeit ihre Gedancken durch dieselben hinlaͤnglich ausdruͤckten; so wuͤrde keine Auslegung noͤthig seyn: Da aber das Gegentheil geschieht; so ist eine Auslegung noͤthig. §. 796. Ob der Verspro- cher, und der, dem das Ver- sprechen geschieht, seine Worte auslegen kann. Weil durch das Versprechen ein Recht er- langt wird (§. 379.), welches dem andern, dem es geschehen, nicht genommen werden kann (§. 100.), sondern wider jenen vor wahr zu halten ist, was er hinlaͤnglich hat zu verste- hen gegeben (§. 318.); so kann in den Versprechen, folglich auch in den Ver- traͤgen niemand seiner eigenen Worte Ausleger seyn. Da durch das Annehmen dessen, was versprochen wird, nicht mehr Recht erlangt wird, als der ein Recht auf einen bringt, dem andern hat einraͤumen wollen (§. 318.); so ists auch dem, der ein Ver- sprechen angenommen, nicht zu erlau- ben, Von der Auslegung. ben, daß er die Worte des Verspre- chens so auslegt, wie er sie verstanden haben will. §. 797. Eine richtige Auslegung (recta inter- Von der richtigen Ausle- gung. pretatio) ist, welche nach den bewiesenen Auslegungsregeln geschieht; die demnach der Versprecher und der das Versprechen ange- nommen gelten zu lassen schuldig sind. Dero- wegen gilt wider den Versprecher, was nach einer richtigen Auslegung wahr ist; folglich hat der, welcher das Ver- sprechen angenommen, das Recht ihn dazu anzuhalten (§. 378.). §. 798. Weil die, welche den Vertrag ma- Wie lan- ge man bey der eigentli- chen Be- deutung bleiben muß. chen, also zu reden verbunden sind, daß sie einander verstehen koͤnnen (§. 437. 438.); so muͤssen sie die Woͤrter in der Bedeu- tung, welche der Redensgebrauch mit sich bringt, das ist, in der eigentli- chen, und die Kunstwoͤrter in der an- genommenen Bedeutung nehmen; folglich muͤssen sie nicht mit Wissen und Willen von der eigentlichen Bedeu- tung, und von der angenommenen Bedeutung der Kunstwoͤrter abge- hen. Daher vermuthet man auch nicht daß sie von denselben abgegangen sind, so lange als nicht Gruͤnde vor das Ge- gentheil vorhanden sind. Und daher folgt ferner, daß man bey der Auslegung der II. Theil 19. Hauptstuͤck. der Versprechen und Vertraͤge von dem gemeinen Redensgebrauch nicht abgehen muͤsse, wenn nicht dringende Gruͤnde dazu vorhanden sind. Weil es aber gewiß ist, daß der Redensgebrauch mit der Zeit veraͤndert wird; so muß man das Versprechen und die Vertraͤge nach dem Redensgebrauch derjenigen Zeit, in welcher sie gemacht worden sind, auslegen. §. 799. Von der Bedeu- tung der Woͤrter vermoͤge ihres Ur- sprunges. Die Etymologie (etymologia) ist eine Erklaͤrung des Ursprungs der Woͤrter. Die Etymologie sucht also die Gruͤnde zu entdecken, warum die Stammwoͤrter zuerst, um diese, oder andere Sachen zu bezeichnen, angenommen worden, und zu erklaͤren, von was vor andern Woͤrtern die hergeleiteten Woͤrter her- geleitet werden, und aus welchen die zusammen gesetzten zusammen gesetzt werden, und was sie bedeuten vermoͤ- ge ihrer Herleitung und Zusammense- tzung. Die Bedeutung, welche aus dem Ursprunge der Woͤrter hergeholet wird, nennt man die etymologische Bedeutung, auch die grammaticalische (significatum ety- mologicum, grammaticum). Da es ge- wiß ist, daß man auf dieselbe bey dem Re- densgebrauch nicht zu sehen hat; so muß man bey der Auslegung der Vertraͤge und eines Versprechens nicht auf die Bedeu- Von der Auslegung. Bedeutung sehen, welche die Woͤrter vermoͤge ihres Ursprungs haben. Denn sie haben ihre Bedeutung von dem Willkuͤhr der Menschen, und also fragt man nur, was sie durch dieselben anzeigen wollen. §. 800. Weil die einen Vertrag machen, so zu re- Von den Vorbe- haltun- gen im Sinne. den verbunden sind, daß sie einander verstehen koͤnnen (§. 437. 438.); so muß man bey der Auslegung der Vertraͤge und eines Versprechens keine Vorbehaltung im Sinne zulassen (§. 355.): Denn wenn man dieses einraͤumen wollte; so koͤnnte man alle Versprechen zunichte machen. §. 801. Da es aus der Absicht dessen, dem ein Ver- Von der Vermei- dung der betruͤgli- chen Re- den. sprechen geschehen, erhellet, was er gewolt, daß ihm versprochen werden sollte; so ist es nicht erlaubt, daß, wenn es offenbar ist, was fuͤr eine Bedeutung die Wor- te nach der Absicht dessen, der ver- langt, daß ihm etwas versprochen wuͤrde, haben, denselben einen Ver- stand zu geben, welcher seiner Absicht gantz zuwider ist. Also darf man nicht die Einwohner einer Stadt lebendig begraben, wenn man mit ihnen den Vertrag gemacht, daß nach Uebergabe der Stadt kein Blut soll vergossen werden. §. 802. Weil die Kunstwoͤrter (termini tech- Von den Kunst- woͤrtern. nici) die Bedeutung haben, die ihnen von den II. Theil 19. Hauptstuͤck. den Kunstverstaͤndigen gegeben wird; so muß man sie in der Bedeutung nehmen, welche bey den Kunstverstaͤndigen an- genommen worden, woferne nicht dringende Gruͤnde dazu vorhanden sind (§. 798.). Wenn die Woͤrter et- was nach den Stuffen anzeigen; so muß man, obgleich die Erklaͤrungen also eingerichtet werden, wie die Sachen in ihrer groͤsten Vollkommenheit beschaffen sind, weil wir uns derselben nicht allezeit in einer so ein- geschraͤnckten Bedeutung bedienen, sich an die Erklaͤrung derselben nicht genau binden, sondern eine Erklaͤrung ma- chen, die der Rede, wovon das zu er- klaͤrende Wort ein Theil ist, gemaͤß ist, als wenn man sagt, es solle auf das Ur- theil eines Philosophen, oder Artzeneyverstaͤn- digen ankommen. §. 803. Von der vielfaͤl- tigen Be- deutung und der Zwey- deutig- keit. Wenn die Dunckelheit von den viel- faͤltigen Bedeutungen und aus der Zweydeutigkeit entsteht; so ist, indem alsdenn ein Wort, oder mehrere Woͤrter zu- sammen mehr als eine Bedeutung haben, der- jenige aber, welcher geredet, wie leicht zu er- messen, an diejenige gedacht hat, welche ihm einfallen konnte, derjenige Begriff wel- cher der Sache zukommt, wovon die Rede ist, den uͤbrigen vorzuziehen. Gemeiniglich sagt man, daß die Woͤrter nach der Beschaffenheit der Sache ver- standen Von der Auslegung. standen werden muͤssen, von welcher man redet (verba intelligenda esse secun- dum substratam materiam). Wenn man also einen Vertrag gemacht hat, daß ein Stillstand 30. Tage seyn soll; so werden un- ter den Tagen auch die Naͤchte verstanden. §. 804. Weil man nicht vermuthet, daß jemand Von der Vermei- dung des Unge- reimten. etwas ungereimtes wolle; so muß eine Aus- legung verworfen werden, aus wel- cher etwas ungereimtes folgt. Also kann das Verbot, man solle auf der Gasse kein Blut vergiessen, nicht auf einen Barbier gezogen werden, welcher auf der Strasse ei- nem zur Ader laͤßt; folglich muß man die Auslegung also einrichten, daß alles ungereimte vermieden wird. Da es ungereimt ist, daß einer, der etwas verspricht, nichts habe verrichten wollen; so kann man eine solche Auslegung nicht zugeben, aus welcher folgen wuͤrde, daß nichts waͤre verrichtet worden. §. 805. Weil man so lange vermuthet, daß einer Von der Ausle- gung aus dem vor- herge- henden und nach- folgen- den. noch das vorige gewollt, als es nicht offenbar ist, daß er seinen Willen geaͤndert hat; so muß man, wenn etwas dunckel vorge- tragen worden, aus dem vorherge- henden, oder nachfolgenden, oder aus dem, was an einem andern Orte und bey anderer Gelegenheit klaͤrer gesagt worden, was dunckel ist, dergestalt er- Nat. u. Voͤlckerrecht. P p klaͤren, II. Theil 19. Hauptstuͤck. klaͤren, daß es mit jenem uͤbereinkommt. Und weil die, welche die Kuͤrtze im Reden lie- ben, in ihren Worten sich entweder auf das vorhergehende, oder nachfolgende beziehen; so muß man die Auslegung dergestalt ma- chen, daß das vorhergehende und nach- folgende mit einander uͤbereinstimme, wofern es nicht offenbar erhellet, daß das vorhergehende durchs nachfolgen- de geaͤndert worden sey. §. 806. Von der Ausle- gung aus den Be- wegungs- gruͤnden des Wil- lens. Es ist bekannt, daß der Wille durch Be- wegungsgruͤnde bestimmt wird, welche ein hinreichender Grund des Wollens sind. Wenn bekannt ist, was fuͤr ein Grund einig und allein einen etwas zu wollen be- wogen hat, oder warum er dieses ge- wollt hat; so muß man die Worte auslegen, daß sie damit uͤbereinkom- men; folglich wenn mehrere Gruͤnde zusammen genommen einen Bewe- gungsgrund ausmachen, daß sie mit denselben zusammen genommen, wenn sie aber getheilt den Bewegungsgrund ausmachen, daß sie mit denselben ge- theilt (divisim) uͤbereinstimmen. §. 807. Von de- nen Woͤr- tern, die man so anneh- men muß, wie Es erhellet leicht vor sich, daß wenn ein Wort und eine Redensart sich auf et- was beziehen, die Bedeutung dersel- ben, die sie an und vor sich selbst ge- nommen (si simpliciter sumitur) haben, also Von der Auslegung. also veraͤndert werden muß, wie es mit sie sich auf et- was be- ziehen. dem, worauf sie sich beziehen, uͤber- einkommt. Also nimmt man an, daß einer etwas den groͤsten Theil des Jahrs hindurch besessen habe, wenn er es zwey Monath lang besessen hat, der Gegner hingegen nur wenige Tage, oder gar nicht. §. 808. Wenn einige Dinge in den Vertraͤ- Von der Ausle- gung in einer weitlaͤuf- tigeren Bedeu- tung. gen zum beyderseitigen Nutzen gerei- chen, und ein jeder Theil gleichen Vor- theil davon hat; so sind die Worte, in- dem nichts hindert, daß sie in der Bedeutung genommen werden, welche sie haben koͤnnen, und keine dringende Ursache vorhanden ist, warum sie auf einige Weise eingeschraͤnckt werden solten, nach dem gantzen Umfang der eigentlichen Bedeutung des Rede- gebrauchs, oder wenn derselben meh- rere seyn sollten, nach derjenigen, wel- che sich am weitesten erstreckt, zu neh- men, woferne nicht etwas widerspre- chendes, oder den Vertrag vergeblich machendes daraus folgt (§. 803.). Man nennt aber eine weitlaͤuftigere Bedeu- tung (significatus latior), wenn einerley Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei- len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn jemand von den Mannspersonen redet und auch die Weibspersonen mit darunter begreift, oder wenn die Gattung und die Art einerley Nahmen haben, oder nach Beschaffenheit der P p 2 Sache, II. Theil 19. Hauptstuͤck. Sache, von welcher die Rede ist, eine Re- densart sich auf mehreres, als sonst gewoͤhn- lich, erstreckt. §. 809. Von der Ausle- gung in einer en- gern Be- deutung. Wenn etwas den einen Theil be- schwert, oder mehr als den andern, so sind, indem sich nicht vermuthen laͤßt, daß jemand sich zu viel beschweren will, die Wor- te in einer engeren Bedeutung zu neh- men, ja auch wohl in einem etwas uneigentlichen Verstande, damit die Beschwerde vermindert werde. Also nimmt man an, daß man die Huͤlfsvoͤlcker, die einem Maͤchtigern versprochen worden, auf seine Unkosten zu unterhalten versprochen hat. Da die Strafe, die dem Versprechen hinzu- gefuͤgt worden, eine Beschwerde ist (§. 409. 410.); so sind die Worte, welche die Strafe enthalten, auch in einer en- gern Bedeutung zu nehmen, so daß naͤmlich eine rechtmaͤßige Entschuldi- gung zugelassen wird, welche von der Strafe befreyet, und nicht ein jedes Versehn zur Strafe zugerechnet wird. Man sagt naͤmlich, das Wort wird in ei- ner engeren Bedeutung (significatu stri- ctiori) genommen, wenn es weniger be- deutet, da es auch mehr bedeuten kann. §. 810. Allge- meine Regeln der Aus- legung. Da man bey der Auslegung vorhat zu zei- gen, was einer durch seine Worte hat wollen zu verstehen geben (§. 794.); folglich, was er, Von der Auslegung. er, da er redete, gedacht hat; so muß die Auslegung davon gemacht werden, was einer wahrscheinlicher Weise ge- dacht hat, nicht aber so, daß sie dem- selben entgegen sey. Weil uns aber nicht allzeit alle Umstaͤnde, die beym Geschaͤffte vor- kommen, vor Augen schweben, so daß man seinen Sinn denselben gemaͤß ausdruͤckte; so muß man die Auslegung so machen, wie sie der selbst machen wuͤrde, dessen Worte man auslegen will, wenn er gegenwaͤrtig waͤre, oder ihm das be- kannt gewesen waͤre, was nun offen- bar ist. §. 811. Eine erweiterte Auslegung (inter- Von der erweiter- ten Aus- legung. pretatio extensiva) nennt man, wenn man den Sinn dessen, der etwas gesprochen, auf sol- che Faͤlle erstrecket, die unter den Worten, welche das Versprechen, oder den Vertrag in sich enthalten, nach dem gantzen Umfange ih- rer Bedeutung nicht mit begriffen sind, weil eben derselbe Bewegungsgrund bey ihnen statt findet, warum er das, wovon er redet, gewolt, oder nicht gewolt. Weil man etwas will, oder nicht will, wenn ein hinreichender Grund etwas zu wollen, oder nicht zu wollen vorhan- den; so ist nicht zu zweifeln, daß wenn einer, da er geredet, an den sich jetzt ereignenden Fall gedacht haͤtte, er auch seine Worte auf denselben mit wuͤrde gerichtet haben; folglich P p 3 muß II. Theil 19. Hauptstuͤck. muß man die erweiterte Auslegung einraͤumen (§. 810.). §. 812. Vom Betrug, der in Absicht eines Ge- setzes, oder des Vertꝛags geschieht. Man sagt, derjenige handele aus Be- trug wider ein Gesetze, oder einen Ver- trag (fraudem legi, vel pacto facere dici- tur), der etwas thut, was zwar den Wor- ten des Gesetzes, oder des Vertrages nicht entgegen ist, aber gleichwohl dem Sinn des Gesetzgebers, oder dessen, der den Vertrag gemacht, zuwider ist. Da man ausser der Bedeutung der Worte zeigen muß, daß aus Betrug wider das Gesetze, oder den Vertrag gehandelt wird; folglich dieses aus dem Grunde erhellen muß, warum das Gesetze gegeben, oder der Vertrag gemacht worden; so hebt die erweiterte Auslegung den Betrug auf, der in Absicht eines Ge- setzes, oder Vertrages geschehen kann. §. 813. Von der einschꝛaͤn- ckenden Ausle- gung. Eine einschraͤnckende Auslegung (in- terpretatio restrictiva) ist, wenn ein gewisser Fall zwar in den Worten mit begriffen ist, jeden- noch aber, weil derselbe Grund nicht vorhanden, warum der Gesetzgeber, oder der den Ver- trag gemacht, wollte, daß dieses geschehen soll- te, oder nicht, ausgenommen wird. Es er- hellet auf eben die Weise, wie vorhin (§. 811.), daß man die einschraͤnckende Ausle- gung zulassen muͤsse. Weil man die Aus- legung darnach machen muß, was einer wahr- schein- Von der Auslegung. scheinlicher Weise gedacht hat (§. 810.); so muß man, wenn es die Sache, wovon gehandelt wird, nicht wohl leidet, daß die Worte in einer so weiten Bedeu- tung genommen werden, als es scheint, daß sie genommen werden sollten, die- selbe durch die einschraͤnckende Ausle- gung der Sache gemaͤß einschraͤncken; massen allerdings der Grund dasselbe zu wol- len, oder nicht zu wollen, nicht vorhanden. Und weil man nicht vermuthen kann, daß je- mand etwas ungereimtes wolle; folglich in einem sich ereignenden Falle, da man solches annehmen muͤste, kein hinreichender Grund es zu wollen vorhanden; so muß man in dem Falle, da was ungereimtes daraus er- folgen wuͤrde, wenn man einem die Meynung beylegen wollte, welche die allgemeinen Worte anzeigen, dieselben so einschraͤncken, daß nichts ungereim- tes daraus folget. Allein wenn die Sa- chen, welche der Grund in sich be- greift, nicht nach ihrer Wuͤrcklichkeit, sondern bloß nach ihrer Moͤglichkeit angesehen werden; so muß man, wenn es nicht gewiß ist, daß sie sich nicht wuͤrcklich zutragen koͤnnen, auch die all- gemeinen Worte nicht einschraͤncken; denn es ist offenbahr, daß die Einschraͤn- ckung dem Sinne dessen, der geredet, zuwi- der seyn wuͤrde. P p 4 §. 814. II. Theil 19. Hauptstuͤck. Von der stilschwei- genden Bedin- gung, wenn die Sachen in dem gegen- waͤrtigen Stande verblei-ben. §. 814. Weil man aus dem hinreichenden Grunde dessen, der etwas versprochen, ersehen kann, warum er etwas versprochen; so haͤlt das Versprechen die stillschweigende Be- dingung, woferne die Sachen in ge- genwaͤrtigem Stande verbleiben, nicht in sich, wenn dieselbe der hinreichen- de Grund, warum man etwas ver- sprochen, nicht in sich fasset. §. 815. Von den Faͤllen, die still- schwei- gend aus- genom- men wer- den. Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit unver- aͤnderlich ist (§. 38.); so muß ein sich er- eignender Fall, in welchem es dem Ge- setze der Natur zuwider seyn wuͤrde, sich an die Worte zu binden, ausge- nommen werden. Und da wir von Na- tur nicht verbunden sind anderer Vortheil zu befoͤrdern, als in so weit es ohne Verabsaͤu- mung unserer Pflicht gegen uns selbst gesche- hen kann (§. 133. 134.); so muß ein sich ereignender Fall, in welchem derjenige, den sich ein anderer verbindlich zu et- was machen wollen, oder der sich dem- selben verbindlich gemacht, allzusehr beschweret wuͤrde, ausgenommen wer- den. §. 816. Von den Faͤllen, welche Da man sich in den Vertraͤgen den andern zu diesem, oder jenem verbindlich macht (§. 438. 380.); so verhalten sich die Ver- traͤge Von der Auslegung. traͤge, in so ferne sie ein Versprechen auszu- nehmen sind. in sich enthalten, den Gesetzen gleich (§. 39.). Derowegen was von den Ge- setzen gilt, wenn sie wider einander laufen, wie oben erklaͤrt worden (§. 64.), das gilt auch in gleichem Falle von den Vertraͤgen. Jm uͤbrigen da dergleichen sich ereignende Faͤlle unter das zu rechnen sind, woran man nicht gedachte, da man etwas versprochen, oder einen Vertrag gemacht; so muß man, wofern besondere Gruͤnde vorhanden, daraus sich abnehmen laͤßt, was derjenige wuͤrde ausgenom- men haben, welcher geredet, wenn er an den Fall der Collision gedacht haͤtte, eben dasselbe ausnehmen, wenn auch die Regeln von dem wider einander laufenden bey Vertraͤgen auf etwas an- ders einen leiten sollten. §. 817. Weil endlich der, dem etwas versprochen Auf wes- sen Wor- te man bey der Ausle- gung der Vertraͤge mehr zu sehen hat. wird, den andern, der es ihm verspricht, nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann (§. 317. 379.); wider diesen aber vor wahr gehalten wird, was er hinlaͤnglich mit seinen Worten zu verstehen gegeben; man aber sagt, daß der eine Bedingung anbiete, welcher verlangt, daß ihm etwas versprochen werden soll; der andere aber, welcher ihm etwas ver- spricht, dieselbe annaͤhme; so muß man in Auslegung der Vertraͤge mehr auf die Worte dessen sehen, der eine Be- P p 5 dingung II. Th. 20. H. Von denjenigen, dingung annimmt, als desjenigen, der sie anbietet, woferne sich nicht die Worte des letztern auf die Worte des erstern beziehen. Das zwantzigste Hauptstuͤck. Von denjenigen, welche gestor- ben und noch nicht gebohren sind. §. 818. Von der Wuͤr- ckung des Todes in Anse- hung der Rechte u. Veꝛbind- lichkei- ten. W enn der Mensch stirbt, so ist er nicht mehr im Stande etwas zu thun, und bedarf weiter nichts mehr. Dero- wegen ist er keiner Rechte und Verbindlich- keiten mehr faͤhig (§. 37. 46.). So bald er also stirbt; so hoͤrt sein Recht und alle seine Verbindlichkeit auf; folglich verliehrt er auch das Eigenthum an seinen Sachen, und alle Rechte, die da- von herruͤhren, wie auch alles Recht zu einer Sache, was er hatte. §. 819. Wie die Guͤter ei- nes Ver- storbenen auf an- dere kommen. Weil aber ein jeder Mensch sein Eigen- thum und ein jedes anderes Recht, welches er in einer Sache, oder zu einer Sache hat, wenn es nur nicht persoͤnlich ist (§. 400.), unter was vor einer Bedingung er will, auf einen andern bringen kann (§. 314.); so kann er auch das Eigenthum seiner Sachen und ein jedes anderes Recht, welches nicht persoͤnlich ist, auf seinen Todes- fall welche gestorben u. noch nicht gebohren. fall auf einen andern bringen; folglich gelanget dasselbe durch seinen Tod auf denjenigen, auf den er es auf seinen Todesfall gebracht hatte; und also hoͤrt das Recht, welches er verlohren, nicht auf, und die seine Schuldner waren, werden nach seinem Tode des andern Schuldner. §. 820. Gleichergestalt weil die Guͤter eines Schuld- Von dem Recht ei- nes Glaͤubi- gers auf das Ver- moͤgen eines Verstor- benen. ners natuͤrlicher Weise fuͤr die Schuld dem Glaͤubiger verpfaͤndet sind (§. 705.), und das Recht des Glaͤubigers darauf haftet (§. 697.), welches ihm nicht benommen werden kann (§. 100.); so bleibet das Recht des Glaͤu- bigers, welches er auf die Sachen des Schuldners hat, auch nach dessen To- de, daß er daraus wegen seiner For- derung vergnuͤget wird, und bleibet den Sachen anhaͤngig, indem ihr Ei- genthum ein anderer erhaͤlt: Wenn aber der Verstorbene nichts hinterlaͤßt, so geht die Schuld verlohren. §. 821. Ein Recht das auf den andern gelan- Vom Rechte, das an einen an- dern ge- langen kann, oder nicht. gen kann (jus transmissibile) wird genannt, welches, wenn es der verliehrt, welcher es hat- te, auf einen andern kommt. Hingegen ein Recht das auf einen andern nicht ge- langen kann (jus non transmissibile), wel- ches auf keinen andern kommt, wenn es von dem, welcher es hatte, verlohren wir. Ein Recht II. Th. 20. H. Von denjenigen, Recht also, welches auf einen andern kommen kann, faͤllet durch den Tod dessen, der es hatte, dem andern zu, z. E. den Kindern der Nießbrauch, der ihm und seinen Kindern eingeraͤumet worden. §. 822. Von den Pflichten gegen Verstor- bene. Weil ein guter Nahme auch nach dem To- de uͤbrig bleibt, und das Andencken des Gu- ten, was einer gethan, erhalten wird; so bleiben die Pflichten, welche wir an- dern in Ansehung ihres guten Nah- mens, der Achtung, der Ehre und des Lobes schuldig sind (§. 142.), auch nach dem Tode fest stehen. Gleichergestalt, weil der Tod eines Wohlthaͤters das Anden- cken der Wohlthaten nicht ausloͤscht; so muͤs- sen wir auch Wohlthaͤtern nach ihrem Tode dancksagen, indem wir die uns erwiesene Wohlthaten erzehlen und ruͤhmen (§. 474.). Und weil wir auch an- dern in denen wohlthun koͤnnen, welche sie geliebt, und derer Gluͤckseligkeit sie eben so wohl, als ihre eigene befoͤrdert wissen wollen; so muͤssen wir den Verstorbenen in de- nen, welche sie geliebt haben, so viel an uns ist, wohlthun (§. 133.) z. E. in ihren Kindern und Anverwandten. §. 823. Von der Ehre der Mensch- heit. Weil alle Menschen von Natur gleich sind (§. 70.), wir auch alle wie uns selbst lieben sollen, und an sich klar ist, daß sie an natuͤrlicher Vollkommenheit alle Geschoͤpfe uͤber- welche gestorben u. noch nicht gebohren. uͤbertreffen; so muͤssen wir sie als Perso- nen ansehen, die so wohl Menschen sind, wie wir, die unserer Liebe wuͤr- dig, und die vortreflichsten unter al- len Creaturen sind; folglich auch dieses durch unsere aͤussere Handlungen be- zeigen. Da nun hierinnen die Ehre der Menschheit (honor humanitatis) besteht, welche einem Menschen, in so fern er ein Mensch ist, gegeben wird; so muͤssen wir einem jeden die Ehre der Menschheit erweisen; folglich auch in der Art und Weise, in welcher wir die Todten aus unsern Augen wegschaffen. §. 824. Derowegen da es noͤthig ist, daß wir die Von dem Rechte des Be- graͤbnis- ses. Todten aus unsern Augen wegschaffen, und dieses am beqvemsten geschiehet, wenn sie be- graben, oder ihre Leichnam mit Erde bedeckt werden; so soll man die Todten begra- ben (§. 48.), und in dem Leichenbe- gaͤngniß (exequiis), welches in den feyerli- chen Handlungen besteht, wodurch die Leiche zum Grabe gebracht wird, muß nicht allein geschehen, was der Menschheit gemaͤß ist (§. 823.); sondern auch was mit den Pflichten gegen die Verstorbenen uͤber- einstimmt (§. 822.). Es erhellet demnach, daß man das Recht des Begraͤbnisses der Menschheit schuldig ist, und dieses dem Menschen deswegen zukommt, weil er ein Mensch ist. §. 825. II. Th. 20. H. Von denjenigen, §. 825. Von der Zerglie- derung todter menschli- cher Koͤr- per. Da durch die Zergliederung todter mensch- licher Koͤrper eine deutliche Erkaͤntnis des gan- tzen menschlichen Koͤrpers und aller seiner Thei- le erlangt wird, welche, wie niemand zwei- feln kann, nicht allein zur Erkaͤntnis der Ge- sundheit und der Kranckheiten nothwendig ist (§. 113.), sondern auch GOtt aus dem Baue des menschlichen Koͤrpers zu erkennen dienet; so ist die Zergliederung todter mensch- licher Koͤrper von Natur erlaubt (§. cit. und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht folgt, daß wir diejenigen, deren Koͤrper wir zergliedern, nicht eben so wohl fuͤr Menschen, als wir sind, und fuͤr die vortreflichsten unter allen Creaturen, ingleichen fuͤr Personen, welche unserer Liebe wuͤrdig sind, halten soll- ten; so ist die Zergliederung todter menschlicher Koͤrper der Ehre der Menschheit gar nicht zuwider (§. 823.): Jedoch weil die Pflichten gegen Verstorbene in Ansehung aller Personen nicht voͤllig ei- nerley sind (§. 822.); so kann es gesche- hen, daß sie mit ihnen in gewissen Faͤl- len nicht bestehen kann. Und daher siehet man leicht, daß sie nicht ohne Un- terscheid mit allen Koͤrpern vorgenom- men werden kann. §. 826. Von der Trauer wegen der Ver- Die Trauer (luctus) nennt man die aͤus- serlichen Handlungen, wodurch wir unsere Be- truͤbnis anzeigen. Und sie sind entweder na- tuͤrli- welche gestorben u. noch nicht gebohren. tuͤrliche, welche nach dem Wesen und der storbe- nen. Natur des menschlichen Koͤrpers sich bey der Traurigkeit aͤussern; oder willkuͤhrliche, welchen wir die Bedeutung der Traurigkeit beylegen. Da der Verlust der Freunde, der Wohlthaͤter und derer, die sich um uns und andere wohlverdient gemacht, zu den Un- gluͤcksfaͤllen gehoͤret; den Menschen aber na- tuͤrlich ist, daß dergleichen eine Traurigkeit erregen; so kann es das Gesetze der Na- tur nicht verbieten, verstorbene Freun- de, Wohlthaͤter und diejenigen, wel- che sich so wohl um uns, als andere verdient gemacht, zu betrauren (§. 60). Weil aber die Pflichten, welche durchs Gese- tze der Natur vorgeschrieben werden, unver- letzlich sind (§. 42.); so muß man die Trauer wegen der Verstorbenen der- gestalt maͤßigen, daß nichts, was den Pflichten bey widrigen Umstaͤnden (§. 130.), dem Vertrauen auf GOtt und der Beruhigung in der goͤttlichen Vor- sicht zuwider ist, vorgenommen werde (§. 173.). Und da wir ein Recht dazu ha- ben, ohne welches wir den Pflichten gegen die Verstorbene kein Gnuͤge leisten koͤnnen (§. 46.); so ist auch eine willkuͤhrliche Trauer, welche den Pflichten gegen Verstorbene gemaͤß ist, von Natur er- laubt, z. E. wenn wir durch ein Kleid den Verstorbenen betrauren. §. 827. II. Th. 20. H. Von denjenigen, §. 827. Ob die noch nicht ge- bohrene ein Recht haben. Wer noch nicht gebohren ist, der ist ent- weder noch in Mutterleibe, oder er ist von der Mutter noch nicht empfangen worden. De- rowegen da keiner, der noch nicht wuͤrcklich da ist, etwas vornehmen kann, und wer noch in Mutterleibe verborgen liegt unter den Menschen auch noch keine Handlung vorneh- men kann; folglich wer noch nicht gebohren ist keines Rechts faͤhig ist (§. 46.); so kann, wer noch nicht gebohren ist, kein Recht haben; folglich auch keines erlangen; und eben deswegen kann auch keine Frucht in Mutterleibe ein Recht erlangen. Derowegen wenn jemand sagt, daß er ein Recht auf einen noch nicht ge- bohrnen bringe, z. E auf eine Frucht in Mutterleibe; so versteht es sich, er wolle, daß, wenn er gebohren wird, durch die Geburt dasselbe erhalte. §. 828. Von dem Rechte, das auf einen noch nicht ge- bohrnen gelangen kann. Weil die Rechte, die von einem auf einen andern gelangen koͤnnen, durch die Geburt erhalten werden (§. 827. 821.); so erhaͤlt man ein Recht, das uns und denen, die von uns herkommen (naͤmlich durch die Geburt) mitgetheilet worden, so bald man gebohren wird: Wenn uns aber ein Recht gegeben wird, welches unter einer gewissen Bedingung nach dem Tode dessen, der es besitzt, auf die, welche noch nicht gebohren sind, nach und welche gestorben u. noch nicht gebohren. und nach gelangen soll; so erhalten sie, so bald sie gebohren werden, das Recht, uns darinnen nachzufolgen, wenn die bestimmte Bedingung wuͤrcklich vor- handen. Es erhellet vor sich, daß dieses ein bedingtes Recht sey. §. 829. So bald jemand in Mutterleibe empfangen Von der Hoff- nung, daß ein Recht durch die Geburt werde erlangt werden. ist, so ist die Hoffnung da, er werde geboh- ren werden; folglich daß das Recht, welches durch die Geburt erlangt wird, von ihm wer- de erlangt werden. Derowegen da diese Hoff- nung mit der uͤbereinkommt, welche man aus einem Versprechen unter einer Bedingung erhaͤlt, diese aber einem wider seinen Willen nicht benommen werden kann (§. 396.); so kann auch einem Kinde in Mutterlei- be die Hoffnung ein Recht durch die Geburt zu erlangen nicht benommen werden. §. 830. Weil derjenige, der noch nicht gebohren, Von der Verzicht auf ein Recht im Nahmen derer, die noch nicht gebohren sind. auch noch nicht in Mutterleibe empfangen ist, weder ein Recht, noch eine Hoffnung ein Recht zu erlangen haben kann (§. 827.); ein Kind aber in Mutterleibe zwar kein Recht, aber doch eine Hoffnung hat, daraus ein Recht entspringt, wenn es gebohren wird, welche ihm nicht benommen werden kann (§. 829.); so kann man auf ein Recht, welches auf uns und unsere noch nicht gebohr- ne Nachkommen gelangen soll, vor sich Nat. u. Voͤlckerrecht. Q q und II. Th. 20. H. Von denjenigen, und vor seine noch nicht gebohrne Nachkommen, die noch nicht in Mut- terleibe empfangen sind, ohne daß ih- nen Unrecht geschieht, Verzicht thun (§. 87.), aber nicht vor ein Kind in Mutterleibe. Da die Verzicht auf ein Recht gantz allein auf dem Willen dessen, der Verzicht thut, beruhet, und es also auch auf seinen Willen ankommt, unter welcher Bedin- gung er Verzicht thun will (§. 342.); so ge- het es natuͤrlicher Weise an, daß wenn jemand Verzicht auf ein Recht thut, welches durch ihn auf diejenigen, die doch nicht gebohren sind, gebracht werden soll, er sich doch das Recht vorbehaͤlt, es auf diejenigen zu brin- gen, die noch nicht gebohren sind. Und weil ein Recht vor seine Person nicht haben wollen keine Verzicht vor die, welche noch nicht gebohren sind, in sich enthaͤit (§. 339. 340.); so ist es denen, die noch nicht gebohren sind, nicht nachtheilig, wenn einer vor seine Person ein Recht nicht haben will, was nach ihm jene haben sollen. §. 831. Von dem Recht, das durch Vorse- hung der Vor- fahren erlangt worden. Das Recht, welches unter gewisser Bedin- gung nach und nach von einem auf den andern kommt, heißt ein durch die Vorsehung der Vorfahren erlangtes Recht (jus providentia majorum quæsitum); denn der- jenige von welchem das Recht auf einen an- dern kommt, bringt es auf ihn nicht durch seinen welche gestorben u. noch nicht gebohren. seinen Willen, sondern nothwendig. Der es also erlangt, hat es nicht von dem, von welchem es auf ihn kommt, son- dern von dem, der es zuerst erlangt hat. §. 832. Nachkommen uͤberhaupt genommen Von den Pflichten gegen die Nach- kommen. (posteri in genere) nennt man diejenigen, welche erst nach dem Tode derer, die jetzt le- ben, gebohren werden; und besonders heissen unsere Nachkommen (posteri nostri), wel- che nach unserm Tode durch die Geburt von uns abstammen: Wie im Gegentheil die Vor- fahren (majores) sind, welche vor unsern Eltern gelebt haben. Da die Nachkommen Menschen sind, die an unsere Stelle nach un- serm Tode kommen, die Menschen aber mit verbundenen Kraͤften sich und ihren Zustand vollkommen zu machen verbunden sind (§. 44.); so sind wir verbunden alles zu thun, was wir zum Vortheil der Nachkom- men thun koͤnnen, z. E. wenn wir uns bemuͤhen, daß die Wissenschafften, Kuͤnste und Tugenden auf dieselben fortgepflantzt werden, daß ihnen kei- ne fruchtbringende Baͤume, noch auch wilde zur Holtzung fehlen. Q q 2 Der III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft Der dritte Theil. Von der Herrschaft und den Verbindlichkeiten und Rech- ten, welche daher ent- springen. Die erste Abtheilung. Von der gemeinen Herrschaft. Das erste Hauptstuͤck. Von der Herrschaft und der Ge- sellschaft uͤberhaupt genommen. §. 833. Was die Herr- schaft vor ein Recht sey. D ie Herrschafft (imperium) nennt man das Recht die freyen Handlun- gen eines andern nach seinem Ge- fallen zu bestimmen; und wer die Herrschaft hat, von dem sagt man, er herr- sche (imperare). Die Herrschaft be- greift also in sich das Recht den andern zu verbinden, seine Handlungen so und nicht anders einzurichten; weil sie sonst unnuͤtze waͤre. Das Recht uͤber die Handlungen eines andern wird auch die Ge- walt (potestas) genannt. §. 834. Ob man von Na- Da von Natur die Handlungen eines Men- schen und der Gesellschaft uͤberhaupt. schen dem Willen keines andern unterworfen tur eine Herr- schaft uͤber an- dere ha- ben koͤn- ne. sind, und ein jeder in dem, was er thut, sich nach seinem Willen zu richten hat (§. 77.); so hat niemand von Natur eine Herr- schaft uͤber andere Menschen. Und da man einem jeden zulassen muß, daß er in dem, was er thut, sich nach seinem Urtheil richtet, noch einem andern Rechenschaft zu geben schuldig ist, warum er etwas thut, oder nicht (§. 78.); so darf sich niemand ei- ner Herrschaft uͤber einen andern wi- der seinen Willen anmassen. §. 835. Ueber welchen ein anderer die Herrschaft Von dem, der dem an- dern un- terthaͤnig ist. hat, wird dem andern unterthaͤnig (sub- jectus) genannt. Von Natur ist also nie- mand dem andern unterthaͤnig (§. 834.), und es kann sich auch niemand den andern wider seinen Willen unterthaͤ- nig machen (§, cit. ). Weil aber der Herr- scher den, welcher ihm unterthaͤnig ist, ver- binden kann seine Handlungen so und nicht anders einzurichten (§. 833.); so ist der un- terthaͤnige verbunden seine Handlun- gen nach dem Willen des Herrn ein- zurichten; folglich da man sagt, daß einer gehorche (parere, obedire), der seine Hand- lungen nach eines andern Willen einrichtet; hingegen ungehorsam (inobediens) sey, der sich dieses zu thun weigert; so ist der Un- terthan verbunden dem zu gehorchen, der Gewalt uͤber ihn hat, und nicht Q q 3 unge- III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft ungehorsam zu seyn. Es erhellet aber leicht, daß wer einem andern unterthaͤ- nig ist, in Ansehung der Handlungen, worauf jener ein Recht hat, nicht frey sey (§. 77.); folglich daß wer sich dem andern freywillig unterwirft, auf sei- ne natuͤrliche Freyheit in Ansehung der Handlungen Verzicht thue, worauf er dem andern ein Recht einraͤumet (§. 340.). §. 836. Von der Gesell- schaft u. dem dar- aus ent- springen- den Rech- te nebst der Ver- bindlich- keit. Die Gesellschaft (societas) uͤberhaupt ist ein Vertrag, oder gleichsam ein Vertrag mit gemeinschaftlichen Kraͤften eine gewisse Absicht zu erhalten. Die Menge der Men- schen selbst, welche um eine gewisse Absicht zu erhalten in eine Gesellschaft treten, pflegt auch eine Gesellschaft (societas) genannt zu werden. Die Gesellschaften sind also nach den Absichten, welche man zu er- langen trachtet, oder um deren wil- len man sich darein begiebet, unter- schieden. Die welche sich zusammen in eine Gesellschaft begeben, werden Mitglieder (membra societatis, socii) genannt. Ein jedes Mitglied der Gesellschaft ist also das zu thun verbunden, was es zur Erhaltung der Absicht thun kann, und was insbesondere verabredet worden, daß es geschehen soll (§. 438.); folglich haben die Mitglieder der Gesellschaft das Recht einen, der ein Mitglied ist, anzu- und der Gesellschaft uͤberhaupt. anzuhalten seiner Verbindlichkeit ein Gnuͤgen zu leisten. Derowegen haben alle zusammen genommen uͤber jede ein- tzele Person ein Recht; die Verbind- lichkeiten aber und Rechte der eintze- len Person muͤssen aus der Absicht er- messen werden, darein alle eingewilliget haben, und aus dem, was im Vertrage insbesondere verabredet worden (§. 438.); und alle zusammen genommen haben das Recht das auszumachen, was zur Erhaltung der Absicht der Gesellschaft zu erreichen noͤthig ist, oder zu den Mitteln, welche sie zur Erhaltung der Absicht anwenden wollen. §. 837. Der ungehinderte Fortgang in Befoͤrde- Von der Wohl- farth der Gesell- schaft u. vom ge- mein- schaftli- chen Be- sten der Mitglie- der. rung der Gesellschaft wird die Wohlfahrt der Gesellschaft (salus societatis) genannt; die Absicht aber selbst, in so weit sie erhalten wird, als die einem jeden nuͤtzlich ist, heist das gemeine Beste (commune bo- num). Derowegen muß ein jedes Glied der Gesellschaft das gemeine Beste nach seinen Kraͤfften und auf die verabre- dete Weise befoͤrdern, und nichts vor- nehmen, was der Wohlfahrt der Ge- sellschaft zuwider ist; folglich muß es so viel als moͤglich davor Sorge tra- gen, daß auch die uͤbrigen Mitglieder thun, was die Absicht der Gesellschaft zu erhalten dienlich ist, und die Hin- Q q 4 dernisse III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft dernisse aus dem Wege raͤumen, die im Wege stehen, daß man dieselbe nicht er- reichen kann; und also den Mitgliedern mit Rath und That an die Hand gehen. §. 838. Von dem Ursprun- ge der Herr- schaft in der Ge- sellschaft. Weil das Recht, welches alle zu- sammen uͤber die eintzele Personen ha- ben, darinnen bestehet, daß vorgeschrieben wird, was ein jeder zu thun hat (§. 836.); so ist es eine Herrschaft (§. 833.). Dero- wegen, da dieses Recht aus einem Vertrage, oder gleichsam einem Vertrage herkommt (§. 836.); so entsteht in einer Gesellschaft die Herrschaft aus einem Vertrage, oder gleichsam einem Vertrage, und kommt allen zusammen genommen zu; folglich muß ein jeder insbesondere allen zu- sammen genommen gehorchen (§. 835.). §. 839. Von gleichen und un- gleichen Gesell- schaften. Da die Verbindlichkeiten und Rechte eines jeden Mitgliedes aus dem Vertrage zu ermes- sen sind (§. 836.); so haben in einer Ge- sellschaft die ohne Unterscheid errichtet wird (simpliciter contrahitur), alle Mit- glieder einerley Recht und einerley Verbindlichkeit; folglich sind alle einan- der gleich (§. 70.): Und sodann wird es eine gleiche Gesellschaft (societas æqualis) genannt: und also findet in einer gleichen Gesellschaft kein Vorrecht statt (§. 71.). Wenn man aber ausdruͤcklich mit ein- ander verabredet, daß eines von den Glie- und der Gesellschaft uͤberhaupt. Gliedern etwas zu thun verbunden seyn soll, das die uͤbrigen zu thun nicht schuldig sind, oder ein Recht haben, welches den andern nicht zukommt; so sind die Glieder der Gesellschaft un- gleich (§. 70.): Und alsdann wird es eine ungleiche Gesellschaft (societas inæqua- lis) genannt; und also kann in einer un- gleichen Gesellschaft einer ein Vor- recht vor dem andern haben. §. 840. Weil in einer gleichen Gesellschaft, in wel- Von dem Rang der Mitglie- der in ei- ner Ge- sellschaft. cher alle Glieder einander gleich sind, kein in- nerer Grund vorhanden, welcher naͤmlich aus der Natur der Mitglieder der Gesellschaft her- geleitet werden kann, warum einer diesen, oder einen andern Rang haben soll (§. 75.), dennoch aber nothwendig einige Ordnung be- obachtet werden muß; so koͤnnen die, wel- che eine gleiche Gesellschaft errichten, den Rang nach ihrem Belieben aus- machen. Wenn aber nachher einige dazu kommen; so muͤssen sie, indem nie- manden sein Recht benommen werden kann (§. 100.), die Ordnung halten, in wel- cher sie in die Gesellschaft treten; wenn nicht die uͤbrigen ausserordentlich ei- nem neuankommenden eine andere Stelle einraͤumen wollen; als welches auf ihren Willen ankommt (§. 342.). Allein da in einer ungleichen Gesellschaft einige Mit- glieder mehr Recht, als die andern haben, oder Q q 5 mehr III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft mehr das gemeinschaftliche Gute zu befoͤrdern verbunden sind (§. 839.); so muß derje- nige, welcher mehr Recht hat, oder auch mehr als die andern zur Befoͤrderung des gemeinen Bestens beyzutragen schuldig ist, natuͤrlicher Weise den Rang vor andern haben; naͤmlich wenn man voraus setzt, daß eine Sache nach einem natuͤrlichen Grunde entschieden werden soll; da in solchen Dingen, woruͤber mau freywil- lig sich mit einander vereiniget, es auf den Willen derer ankommt, die etwas mit ein- ander verabreden. Hieraus folgt nun aber ferner, daß einem, der in die Stelle des- sen kommt, welchem ein Rang nach ei- nem innern Grunde zukomt, auch der- selbe gebuͤhret. Hingegen daß man in einer Gesellschaft nicht auf den Rang zu sehen hat, welchen einer sonst ausser der Gesellschaft hat, ist leicht daraus zu ersehen; weil man in einer Gesellschaft auf nichts anders als auf die Rechte und Ver- bindlichkeiten der Mitglieder zu sehen hat, wodurch sie zu moralischen Personen gemacht werden (§. 96.). §. 841. Von ei- nes jeden Einwil- ligung, welche um et- was zu Da die Mitglieder der Gesellschafft mit zusammengesetzten Kraͤfften die Absicht dersel- ben zu erreichen sich bestreben sollen, und ein jedes von ihnen sich allen zusammen genom- men dazu verbunden hat (§. 836.); so muß dasjenige, was man die Absicht zu er- reichen und der Gesellschaft uͤberhaupt. reichen vorzunehmen hat, durch ge- beschlies- sen erfor- dert wird. meinschaftliche Einwilligung ausge- macht werden. Derowegen wenn eine Gesellschaft errichtet wird; so muß mit aller Einwilligung das fest gesetzt werden, was bestaͤndig und allezeit auf einerley Weise geschehen soll, und in einem sich ereignenden Falle, der die Gesellschaft betrift, was man alsdann zu thun habe. §. 842. Die Eroͤfnung seines Willens von dem, Von dem Unter- schiede der Stim- men. was durch vieler Einwilligung zusammen aus- gemacht werden muß, heißt die Stimme (suffragium, votum); und zwar eine be- jahende Stimme (votum affirmati- vum), wodurch man sich erklaͤret, man wol- le, daß dieses geschehe; eine verneinende Stimme (negativum votum), wodurch man sich erklaͤret, man wolle das nicht, woruͤber man sich berathschlagt. Man nennt aber einstimmige Stimmen (vota consentien- tia) derjenigen, welche einerley Meinung ha- ben; verschiedene Stimmen (vota diver- sa) aber die Stimmen derer, die ungleicher Meinungen sind. Einhellige Stimmen (vota unanimia) sind, wenn die Stimmen al- ler zusammen einstimmig sind; die mehre- sten Stimmen (majora) sind die einstim- migen Stimmen des groͤsten Theils; die we- nigsten Stimmen (minora) des kleineren Theils; gleiche Stimmen (vota paria) aber III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft aber wenn die Anzahl derer die einstimmen, und nicht einstimmen, gleich ist. §. 843. Wie man durch Stim- men et- was be- schliessen muß. Man saget, die Berathschlagenden be- schliessen etwas (concludunt), wenn durch Vergleichung der Stimmen mit einander aus- gemacht wird, was geschehen soll, oder nicht. Und das, was durch die Stimmen ausge- macht wird, daß es geschehen soll, oder nicht, heist der Schluß (conclusum). Die bes- sern Stimmen (vota meliora) nennt man das Urtheil derer, von dem was geschehen soll, welches der Wahrheit gemaͤßer ist. Man siehet aber leicht, daß, da ein jeder seine Stimme vor die beste haͤlt, und gleichwohl die Sache einen Ausgang gewinnen muß, durch die besten Stimmen nichts be- schlossen werden kann; folglich ists noth- wendig, daß solches durch die mehre- sten geschehe. Derowegen wenn eine Gesellschaft errichtet wird, muͤssen die, welche sie errichten, darein willigen, daß, was dem groͤssern Theile gut duͤn- cket, vor den Willen aller Mitglieder gehalten werden soll; und solchergestalt durch den groͤssern Theil der kleinere verbindlich gemacht werden. Weil demnach, wenn ein Schluß gemacht werden soll, die Stimmen gezehlt, nicht aber erwo- gen werden (ponderantur), so daß man erst untersuchte, welches die besten sind; so kann durch gleiche Stimmen nichts be- schlos- und der Gesellschaft uͤberhaupt. schlossen werden (§. 842.). Derowegen bleibt die Sache in dem Stande, wie sie ist; folglich muß man, so oft als die Sache, weil man zu keinem Schlusse kommen kann, keinen Ausgang ge- winnt, es entweder auf das Loos an- kommen lassen (§. 669.), oder es ist noͤ- thig, daß einer in der Gesellschaft eine entscheidende Stimme hat, wodurch der eine Theil der Stimmen die mehresten wer- den, oder wenn die Sache Aufschub leidet, so muͤssen die Berathschlagun- gen wiederholt werden. Man nennt aber die Entscheidung einer streitigen Sache durch die Gleichheit der Stimmen die Wahl- Stimme der Minerve (calculum Miner- væ). Wenn man aber die mehresten Stimmen nicht ausmachen kann, weil naͤmlich dieselben allzuviel von einander abge- hen, gleichwohl aber darauf zu sehen ist, daß die Sache einen Ausgang gewinne; so muß man die Stimmen mehr gelten lassen, denen weniger entgegen sind, als die andern, wel- che mehrere gegen sich haben; und also muß man erwehlen, was den wenigsten mißfaͤllt; da sich nicht thun laͤßt, was den mehresten gefaͤllt. Z. E. wenn drey einen an- geklagten in 20. Gulden Strafe, vier in 10. verdammen, zwey aber ihn lossprechen; so muß die andere Meinung das Uebergewichte haben, welcher nur 5. Stimmen entgegen sind, III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft sind, da der ersten 6. und der dritten 7. zu- wider sind. §. 844. Von den Stim- men der Abwe- senden. Wer abwesend ist, und ob er gleich zur Berathschlagung eingeladen wor- den, dennoch seine Stimme keinem an- dern, der gegenwaͤrtig ist, auftraͤgt, oder ob er gleich gegenwaͤrtig ist, sich seiner Stimme begiebt, oder auf an- dere Weise dieselbe zu geben gehindert wird; da er im ersten Fall stillschweigend, im andern ausdruͤcklich sich seines Rechtes be- giebt (§. 340.), und dieses zu thun erlaubt ist (§. 342.), im dritten aber kein Recht hat; so wird, wenn man die Stimmen zeh- let, auf den abwesenden und den ge- genwaͤrtigen, der sich des Votirens enthaͤlt, nicht gesehen. Jnsgemein sagt man, die Stimmen der abwesenden, oder mit dem Grotius, das Recht der ab- wesenden waͤchst den gegenwaͤrtigen zu. Man haͤlt aber einen gegenwaͤrtigen, der sich des Votirens begiebt, oder nicht vo- tiren darf, fuͤr einen abwesenden. Es laͤst sich wegen des Votirens vieles verabreden, welches vermoͤge des Vertrags gehalten wer- den muß (§. 348.). §. 845. Von dem unglei- chen Werthe Weil der ein doppeltes Mitglied der Ge- sellschaft vorstellt, welcher zur Erreichung der Absicht der Gesellschaft mehr als andere bey- traͤgt, und der Gesellschaft uͤberhaupt. traͤgt, u. s. f. so muß der Werth der der Stim- men. Stimme dessen, welcher zur Errei- chung der Absicht der Gesellschaft mehr, als andere Mitglieder beytraͤgt, aus der Verhaͤltniß seines Beytrages zu dem geringsten Beytrage ermessen werden. Und hieraus versteht sich ferner, daß wenn nicht alle gleichen Vortheil von der Gesellschaft haben, die Stim- me nach ihrem Werth aus dem Ver- haͤltniß der Vortheile, die ein jeder da- her ziehet, ermessen werden muß, z. E. wenn einer an einem liegenden Grunde die Haͤlfte, der andere den sechsten Theil, noch ein anderer den dritten Theil hat, so verhaͤlt sich in diesem Falle der Werth der Stimmen wie 3. 1. 2. §. 846. Die Verabredung der Mitglieder in einer Von den Gesetzen einer Ge- sellschaft. Gesellschaft von dem, was zu Erhaltung ih- rer Absicht allezeit auf einerley Weise gesche- hen soll, sind Gesetze (§. 39.). Eine jede Gesellschaft also muß Gesetze haben, und ihr kommt das Recht zu Gesetze zu geben (§. 841.). Weil also die Gesetze die Mittel vorschreiben, wodurch die Absicht der Gesellschaft erhalten wird; so kann oh- ne Beobachtung der Gesetze die Wohl- fahrt der Gesellschaft nicht bestehen, und muß die Uebertretung derselben nicht geduldet werden (§. 837.); folg- lich hat die Gesellschaft auch das Recht auf III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft auf die Uebertretung der Gesetze Stra- fen zu setzen; folglich die Uebertreter zu bestrafen. Hieraus folgt ferner, daß wer in eine Gesellschaft aufgenommen wird, entweder ausdruͤcklich verspre- chen muß, oder stillschweigend ver- spricht, er wolle die Gesetze beobach- ten. Da aber die Gesetze ihre Kraft durch die Einwilligung der Mitglieder erhalten; so ist es der Gesellschaft erlaubt, nach ih- rem Gutduͤncken die Gesetze aufzuhe- ben und zu veraͤndern, oder auch neue zu machen. §. 847. Von der Einig- keit der Glieder einer Ge- sellschaft. Da man diejenigen Einig (concordes) nennt, welche einerley wollen und nicht wol- len; die aber uneinig, die nicht einerley wol- len und nicht wollen; folglich die Mitglie- der in einer Gesellschaft einig sind, wenn sie sich den Gesetzen der Gesell- schaft unterwerffen (§. 846.), und also auch wenn entweder ihre Stimmen ein- hellig sind, oder sie sich doch den meh- rern nicht widersetzen (§. 842.); so sol- len die Glieder einer Gesellschaft einig seyn (§. 846. 843.). Und daher erhellet fer- ner, daß durch die Einigkeit die Wohl- fahrt der Gesellschaft erhalten wird (§. 837.). §. 848. Von der einander zu lei- Die Huͤlfe (Beystand adjutorium ) nennen wir die Handlungen, wodurch wir entweder etwas und der Gesellschaft uͤberhaupt. etwas zur Handlung eines andern beytragen, stenden Huͤlfe. oder das Beste eines andern befoͤrdern. Es ist demnach die einander zu leistende Huͤl- fe (mutuum adjutorium), welche zwey, oder mehrere einander leisten: Die Mitglieder in einer Gesellschaft sind also verbun- den einander Huͤlfe zu leisten (§. 837.). §. 849. Wenn die Absicht der Gesellschaft Von der uner- laubten Gesell- schaft. unerlaubt ist, so ist die Gesellschaft auch unerlaubt (§. 49.). Aus einer uner- laubten Gesellschaft aber kann keine Ver- bindlichkeit entstehen, und kein Recht erlangt werden. §. 850. Weil die Glieder einer Gesellschaft mit ver- Wie die Gesell- schaften anzuse- hen sind. einigten Kraͤfften handeln (§. 836.); so hat man eine jede Gesellschaft wie eine ei- nige Person anzusehen. Derowegen da die Menschen von Natur frey sind (§. 77.), und indem sie in eine Gesellschaft treten, sich nur unter einander, und nicht andern verbind- lich machen (§. 836.); so ist eine jede Ge- sellschaft von Natur frey, und deswegen hat man mehrere verschiedene Gesell- schaften als wie einzele freye Perso- nen anzusehen. §. 851. Da alle Handlungen der Mitglieder in ei- Von der Vollkom- menheit einer Ge- sellschaft. ner Gesellschaft auf die Absicht derselben ge- richtet sind (§. 836.); so besteht die Voll- kommenheit der Gesellschaft in der Ge- Nat. u. Voͤlckerrecht. R r schick- III. Th. 1. A. 1. H. Von der Herrschaft schicklichkeit ihre Absicht zu erreichen, und muß also aus den hinlaͤnglichen Kraͤfften (§. 9.), welche die Mitglieder mit einander vereinigen, ermessen wer- den. Woraus folgt, daß zu einer jeden Gesellschaft so viele und solche Perso- nen erfordert werden, als die Absicht der Gesellschaft zu erreichen gnung sind. §. 852. Wenns erlaubt ist von der Ge- sellschaft abzuge- hen. Weil die Absicht der Gesellschaft, in so weit sie erhalten wird, das gemeine Beste derselben ist (§. 837.); so wird die Gesell- schaft in Schaden gesetzt, wenn etwas geschieht, was ihr zuwider ist (§. 269.). Derowegen da kein Mitglied die Gesell- schaft in Schaden setzen darf (§. 837.); so ist es nicht erlaubt mit dem Scha- den der Mitglieder von der Gesell- schaft abzugehen: Ja wenn man es also verabredet hat; so darf man niemals ohne Einwilligung der uͤbrigen Mit- glieder davon abgehen (§. 438.). Weil aber die Gesellschaft nicht in Schaden gesetzt wird, wenn man einen andern, der eben so geschickt ist, an seine Stelle verschaft; so ist es, wenn man einen andern, der eben so geschickt ist, an seine Stelle ver- schaft, von der Gesellschaft sich abzu- sondern erlaubt. §. 853. und der Gesellschaft uͤberhaupt. §. 853. Weil ein Mitglied einer Gesellschaft Von der Aus- schlies- sung ei- nes Mit- gliedes aus der Gesell- schaft. von dem Vertrage, worauf sich die Gesell- schaft gruͤndet (§. 836.), abgeht, wenn es nicht leisten will, was es zu leisten schuldig ist (§. 442.); so kann es aus die- ser Ursache von der Gesellschaft ausge- schlossen werden. Und wenn ein Mit- glied will, daß alles nach seinem Kopfe gehen soll; so ist es, weil es den uͤbrigen ihr Recht benehmen will (§. 841.), welches sie zu leiden nicht schuldig sind (§. 100.), ihn auszuschliessen erlaubt, oder es kann auch, wer dieses nicht leiden will, von der Gesellschaft abgehen (§. 442.). Das zweyte Hauptstuͤck. Von der Ehe, oder der ehelichen Gesellschaft. §. 854. D a die Geburtsglieder von beydem Ge- Von der Verbind- lichkeit das menschli- che Ge- schlechte fortzu- pflantzen, und dem erlaub- ten Bey- schlafe. schlechte das menschliche Geschlechte geschickt machen ihr Geschlechte fort- zupflantzen, damit es nicht untergehe, und uͤber dieses die Menschen wie die uͤbrigen Thiere von Natur einen Trieb haben ihre Ge- burtsglieder dergestalt zu gebrauchen, wie Kinder zu erzeugen erfordert wird; so sind die Menschen uͤberhaupt genommen ihr Geschlechte fortzupflantzen ver- R r 3 bunden, III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. bunden, und ein jeder von ihnen ist verbunden den Beyschlaf nicht anders als zur Erzeugung der Kinder zu be- gehren (§. 43.); folglich ist ein jeder Beyschlaf, der allein der Wollust we- gen begehrt wird, und ein jeder Ge- brauch der Geburtsglieder aus glei- cher Absicht unerlaubt. Daher ist die Hurerey (fornicatio, seu scortatio), wel- ches der Beyschlaf mit einer Hure ist, das ist, mit einer Weibsperson, welche sich meh- reren gemein macht; der unehliche Bey- schlaf (stuprum), mit einer ledigen Weibs- person, die sich mehrern nicht gemein macht; die Sodomie (sodomia), der Beyschlaf ei- nes Menschen mit einem Viehe; die Kna- benschaͤnderey (pæderastia) der Beyschlaf einer Mannsperson mit einer Mannsperson; die Onanssuͤnde (mastuprario), da ein Mensch mit seinen eigenen Haͤnden die Wol- lust mit sich selbst pflegt, durch das Ge- setze der Natur verbothen; und also von Natur unerlaubt (§. 49.). §. 855. Von der Erzie- hung der Kinder und von der Art u. Weise das menschli- che Ge- Neugebohrne Kinder sind noch nicht ge- schickt von sich selbst fuͤr das zu sorgen, was sie zu ihrer eignen Erhaltung beduͤrfen, und ihre Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten, oder wie Menschen zu leben. Derowegen da die Menschen ihr Geschlechte erhalten sollen (§. 854.); so muͤssen die, welche Kinder zeugen, sie auch ge- schickt Von der Ehe. schickt machen, daß sie wie Menschen schlecht fortzu- pflantzen. leben koͤnnen; folglich da die Bemuͤhung, wodurch dieses bewerckstelliget wird, die Er- ziehung (educatio) ist; so muͤssen die, welche ein Kind zeugen, dasselbe auch erziehen. Daher folgt, daß wer ein Kind durch einen unerlaubten Bey- schlaf erzeugt hat, z. E. durch einen unehlichen (stuprator), dasselbe auch zu erziehen verbunden ist. Da zur Erzie- hung so wohl der Mutter, als des Vaters Sorge und Fleiß erfordert wird; so muß ein jeder zur Erziehung des Kindes so viel beytragen, als er kann. Weil also ein gleichguͤltiger Beyschlaf mit einem jeden (concubitus promiscuus) derjenige ist, da eine Weibsperson einen jeden, der bey ihr schlafen will, zulaͤßt, und solchergestalt der Vater ungewiß ist; so darf das menschli- che Geschlecht nicht durch einen gleich- guͤltigen Beyschlaf mit einem jeden fortgepflantzt werden; folglich muß zwischen Manns- und Weibspersonen zur Erzeugung und Erziehung der Kinder eine Gesellschaft aufgerichtet werden (§. 836.). §. 856. Die Gesellschaft, welche zwischen einer Was die Ehe ist, und wel- che Per- sonen heyra- Manns- und Weibsperson, zur Erzeugung und Erziehung der Kinder aufgerichtet wird, nennt man die eheliche Gesellschaft, oder die Ehe (matrimonium). Personen also, R r 3 die III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. then koͤn- nen. die Kinder zu zeugen entweder Alters wegen, oder durch einen Fehler ihres Leibes zur Ehe untuͤchtig sind, koͤn- nen in den Ehestand nicht treten: Und wenn aus einer andern Ursach zwischen einer Manns- und Weibsperson eine Gesellschaft gemacht wird, z. E. um einander Huͤlfe in dem haͤuslichen Wesen und andern vorkommenden Faͤllen zu erweisen; so ist dieses keine Ehe. §. 857. Ob man nicht mehr als ein Weib haben darf. Weil man sich bloß in den Stand der Ehe begiebet, um Kinder zu zeugen und zu erzie- hen (§. 855. 856.); durch die eigene Er- fahrung aber bekannt ist, daß das menschli- che Geschlecht durch die Ehe mit einem Weibe (monogamia) gnung fortgepflantzt werden kann; dieselbe auch zu der Erziehung der Kinder am geschicktesten ist (§. 855.); und wir auch ein Bild dieses Rechts der Natur bey den Thieren sehen, wo das Maͤnnlein und Weiblein die Erziehung der Jungen mit einander besorgen muͤssen; so ist nicht zu zweifeln, es sey dem Gesetze der Na- tur gemaͤß, daß die Ehe zwischen ei- ner Mannsperson und einer Weibes- person bestehe; folglich kommt die Viel- weiberey (polygamia), das ist, die Ehe ei- ner Person mit vielen, mit dem Gesetze der Natur nicht uͤberein: Und wenn sie bloß der Wollust wegen eingegangen wird; Von der Ehe. wird; so ist sie offenbahr unerlaubt (§. 854.). §. 858. Die, welche einander geheyrathet, werden Von den Verbind- lichkei- ten der Ehelente gegen einander u. ihrem Rechte. mit einem gemeinschaftlichen Nahmen Ehe- leute, oder Ehegatten (conjuges) genannt; und insbesondere die Mannsperson der Ehe- mann (maritus), und die Weibsperson die Ehefrau (uxor). Wenn sie also in den Ehestand treten, so verbindet sich der Mann dem Weibe und das Weib dem Manne, daß sie den Gebrauch ihres Lei- bes zu Erzeugung der Kinder einander und zwar allein erlauben, und beyde zur Erziehung der Kinder beytragen wol- len, was sie koͤnnen (§. 856. 855.); folg- lich raͤumet das Weib dem Manne und der Mann dem Weibe das Recht zu diesem Gebrauch auf ihren Leib ein. Da also das Recht des einen Theils verletzt wird, wenn der andere einer andern Person ehelich beywohnt (§. 83.); so thut er dem andern unrecht (§. 87.) und gehet von dem Vertrage ab (§. 442.), wodurch die Ehe gemacht worden (§. 836. 856.). §. 859. Der Beyschlaf einer verehelichten Person Ob der Ehebꝛuch uner- laubt sey. mit einer andern, sie mag ledig, oder verhey- rathet seyn, ohne Vorwissen und wider Wil- len seines Ehegattens, wird der Ehebruch (adulterium) genannt. Derowegen ist Ehe- R r 4 bruch III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. bruch unerlaubt: Jedoch muß der Ehe- brecher das Kind, welches im Ehe- bruch erzeuget worden, erziehen (§. 855.). §. 860. Von den Kebs- weibern. Kebsweiber (pellex) nennt man die Weibspersonen, welche ein Ehemann ausser seiner Ehefrau zum Beyschlaf hat. Da man bey der Kebsweiberey (pellicatus) vor- nehmlich die Empfindung der fleischlichen Wol- lust zur Absicht hat; so ist klar, daß die- selbe nach dem Rechte der Natur un- erlaubt sey (§. 854.), und ist der Bey- schlaf mit einem Kebsweibe von dem Ehebruche nicht unterschieden (§. 859.). §. 861. Vom Unter- scheide der Kin- der. Die Kinder, welche in der Ehe gebohren worden, werden rechtmaͤßige Kinder (li- beri legitimi); die ausser der Ehe gebohren sind, z. E. durch Unzucht, oder Ehebruch, sind unehliche Kinder (spurii); welche aber von Huren gebohren werden, Huren- kinder (vulgo quæsiti) genannt. §. 862. Von der Scham und der Jungfer- schaft, und dem Rechte sie zu ver- theidi- gen. Die Schamhaftigkeit (pudicitia) nennt man ein von allem unerlaubten Beyschlafe entferntes Gemuͤthe: Die Unschamhaftig- keit (impudicitia) aber ein zum unerlaubten Beyschlafe geneigtes Gemuͤthe. Die Jung- ferschaft (virginitas) die Enthaltung des Gebrauchs der Geburtsglieder im Beyschlafe mit einer Mannsperson; welche also im ersten Von der Ehe. ersten Beyschlafe verlohren wird. Es erhellet also, daß, wenn eine Jungfer genothzuͤchtiget wird, sie ihrer Jung- ferschaft mit Gewalt beraubet; wenn aber eine Wittwe, eine Ehefrau ge- nothzuͤchtiget wird, ihre Schamhaf- tigkeit verletzt wird; folglich hat eine Jungfer das Recht ihre Jungferschaft, eine Wittwe und Ehefrau das Recht ihre Schamhaftigkeit zu vertheidigen (§. 46. 90.), und zwar ein an sich un- eingeschraͤncktes Recht (§. 94.); folglich ist es erlaubt daß sie denjenigen, der sie nothzuͤchtigen will, toͤdten kann, wo- fern sie der Gefahr anders nicht ent- gehen kann. §. 863. Weil die Ehe durch einen Vertrag gemacht Wie die Ehe zu stande gebracht wird. wird (§. 856. 836.); so wird sie durch die beyderseitige Einwilligung der Manns- und Weibsperson nach der Natur zu stande gebracht (§. 438.); folglich kann auf die beyderseitige Er- klaͤrung der Einwilligung der fleischli- che Vermischung (copula carnalis), wel- ches die Verbindung der Leiber der Manns- und Weibsperson ist, die zu Erzeugung der Kinder erfordert wird, gleich hinzukom- men. §. 864. Das Versprechen einander zu heyrathen Von der Verloͤb- niß. wird die Verloͤbniß (sponsalia) genannt; R r 5 und III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. und die Personen, welche einander dieses versprechen, oder sich mit einander verloben, heissen alsdann Braͤutigam und Braut. Derowegen entsteht aus der Verloͤbnis die Verbindlichkeit, die Ehe, wie es ver- abredet worden, zu vollziehen (§. 393.): Sie koͤnnen aber dennoch durch beyder- seitige Aenderung ihres Willens von der Verloͤbniß wieder abgehen (§. 444.); und wenn eine Person sich mit zweyen verlobet, so wird die erste Verloͤbniß der andern vorgezogen (§. 421.): Wenn aber die Person, zu deren Nachtheil die letzte Verlobung geschehen, ihr Recht will fahren lassen, welches sie wohl thun kann (§. 342.); so ist die letzte guͤltig (§. 337.). Es erhellet aber, daß, wenn ver- lobte Personen sich mit einander fleisch- lich zu vermischen eins werden, sie dadurch wuͤrcklich nach der Natur in den Ehestand treten (§. 863.). Da durch die Verloͤbniß die Ehe versprochen wird; so kann sie auf so vielfache Art als das Versprechen geschehen, und gilt von ihr, was von dem Versprechen erwie- sen worden. §. 865. Vom Mahl- schatz u. den Ver- loͤbnißge- schencken. Der Mahlschatz (arrha sponsalitia) wird genannt, was der Braͤutigam der Braut und die Braut dem Braͤutigam auf die Ehe giebt. Verloͤbnißgeschencke (munus spon- salitium) sind die, welche eine verlobte Per- son der andern giebt, zu Bezeugung ihrer Liebe. Von der Ehe. Liebe. Man giebt also einen Mahlschatz um dadurch die Verloͤbniß zu bewei- sen und zu befestigen (§. 619.): Und wenn sie eigenthuͤmlich gegeben wer- den; so sind sie zugleich als Verloͤb- nißgeschencke anzusehen (§. 475.). Da die Verloͤbnißgeschencke in der Hoffnung ge- geben werden, daß die Ehe werde vollzogen werden; so versteht sichs, daß sie unter die- ser stillschweigenden Bedingung gege- ben worden, woferne nicht ausdruͤck- lich ein anders gesagt wird, daß sie wiedergegeben werden sollen, wenn es sich zutruͤge, daß die Ehe nicht vollzo- gen wuͤrde (§. 318.); folglich wenn die Verloͤbniß aufgehoben wird, so muͤs- sen der Mahlschatz und die Geschencke wiedergegeben werden. §. 866. Haͤusliche Sachen (res domesticæ) Daß E- helente bey ein- ander wohnen, und eine gemein- schaft- liche Wirth- schaft haben sollen. nennt man, welche wir zur Nothwendigkeit, zur Beqvemlichkeit und zum Vergnuͤgen des menschlichen Lebens gebrauchen; und die Ver- waltung derselben wird die Haushaltung (œconomia) genannt. Weil die Eheleute ohne Beyschlaf kein Kind zeugen koͤnnen, und die Kinder durch gemeinschaftliche Sorgfalt erziehen muͤssen (§. 855.); folglich auch mit einander davor zu sorgen haben, was sie zu ihrem Unterhalt brauchen, ingleichen vor die Kosten, so auf ihre Auferziehung zu wenden sind (§. cit. ); so muͤssen sie bey einander wohnen III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. wohnen und eine gemeinschaftliche Haushaltung fuͤhren, und jeder Ehe- gatte muß zu Anschaffung dessen, was in der Haushaltung noͤthig, und alles dazu erforderliche wohl in acht zu neh- men, so viel als in seinem Vermoͤgen stehet, beytragen. Derowegen ist der Gebrauch dessen, was ein jeder Ehe- gatte erworben hat, in so weit ge- meinschaftlich, als es die gemein- schaftliche Haushaltung erfordert; was aber durch den Gebrauch nicht ver- braucht wird, bleibt eines jeden eigen. Uebrigens ist klar, daß auch die Frau so viel, als sie kann, erwerben muß, was zur gemeinschaftlichen Haushaltung und Erziehung der Kinder noͤthig ist. §. 867. Von den Sachen, die den Eheleu- ten zuge- hoͤren. Da ein jeder dem andern nach seinem Ge- fallen ein Recht in seinen Sachen einraͤumen kann (§. 260.); so kann die Frau auch ihrem Manne ein Recht in ihren Guͤ- tern nach ihrem Gefallen einraͤumen, z. E. den Nießbrauch (§. 713.); und so auch im Gegentheile der Mann. Ja sie koͤnnen in Ansehung der Guͤter die sie haben, wenn sie in den Ehestand tre- ten, oder die sie wehrender Ehe erwer- ben, nach ihrem Gefallen verabreden, wie sie es wollen gehalten haben (§. 195.), z. E. daß sie gemeinschaftlich seyn sollen. §. 868. Von der Ehe. §. 868. Die Beschwerden des Ehestands Von den Be- schwer- den des Ehestan- des. (onera matrimonii) nennt man alle Unkosten, die des Ehestands wegen; folglich der gemein- schaftlichen Haushaltung und Auferziehung der Kinder wegen aufgewandt werden muͤssen (§. 866.). Da hierzu ein jeder Ehegatte sei- nen Antheil, so viel es die Umstaͤnde erlauben, beytragen soll (§. cit. ); so muͤssen die Ehe- leute nach der Beschaffenheit ihres Vermoͤgens die Beschwerden des Ehe- standes tragen. §. 869. Da die Eheleute bey einander wohnen, und Von Lei- stung der Liebes- dienste und der beyder- seitigen Huͤlfe. nicht allein ihre Leiber zu Erzeugung der Kin- der, sondern auch den Gebrauch ihrer Sachen mit einander gemeinschaftlich haben (858. 866.), und also genauer mit einander als mit einer andern Person verbunden sind; so verstehet es sich, daß sie sich einander alle Liebesdienste zu leisten gegen einan- der verbindlich gemacht haben; in wel- chen also, da zu der natuͤrlichen Verbind- lichkeit noch diese von neuem hinzukommt, ein Ehegatte den andern einem dritten in sich ereignendem Falle, wo man nicht beyden dienen kann, vorziehen muß, und ohne Unrecht der Liebes- dienst nicht unterlassen werden kann (§. 87.); als den ein Ehegatte dem andern vollkommen schuldig ist (§. 667.). Und in Leistung dieser Pflichten, nebst demjenigen, was sonst des III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. des Ehestandes wegen geschehen muß, besteht die beyderseitige Huͤlfe (mutum adjuto- rium) der Eheleute (§. 848.). §. 870. Von der Herr- schaft, oder Ge- walt des Ehe- manns. Weil aus dem Vertrage, wodurch die Ehe errichtet wird, die Rechte und Verbindlich- keiten der Eheleute entspringen (§. 856. u. f.); so ist die Ehe eine gleiche Gesellschaft (§. 839.), und was in derselben gesche- hen soll, muß durch gemeinschaftliche Einwilligung ausgemacht werden; folglich ist die Herrschaft im Ehestande (imperium conjugale), welche aus der ehe- lichen Gesellschaft entspringt (§. 838.), eine beyderseitige Herrschaft der Eheleute uͤber einander: Da aber die Frau sich ih- res Rechtes begeben kann (§. 342.); so kann der Mann dieselbe allein entwe- der durch einen ausdruͤcklichen Ver- trag, oder durch einen stillschweigen- den erlangen; indem sie in dasjenige, was die Gewohnheit mitbringt, stillschweigend ein- williget; und alsdenn ist die Frau dem Manne unterthan (§. 835.). §. 871. Von der Eheschei- dung und der an- dern Hey- rath. Da die Eheleute mit einander die Kinder zu erziehen schuldig sind (§. 855.); so kann die Ehe nicht aufgehoben werden, wenn die Kinder noch nicht erzogen sind (§. 444. 856.); folglich kann der Mann die Frau nicht nach seinem Ge- fallen verstossen, und der Frau ist nicht erlaubt Von der Ehe. erlaubt nach ihrem Gefallen von dem Manne wegzugehen (§. 444.). Da aber keine Ursache vorhanden, warum die Ehe nicht koͤnnte aufgehoben werden, wenn noch keine Kinder da sind, oder die, welche gebohren waren, wieder gestorben sind (§. 856.); so kann in dem Falle die Ehe getrennet werden. Da derjenige Theil, welcher die Ehe bricht, den Vertrag nicht haͤlt (§. 859.); so kann die Ehe des Ehebruchs wegen getrennet werden, doch so, daß die Verbindlichkeit die rechtmaͤßigen Kinder zu erziehen ver- bleibt; als wovon sich kein Theil durch seine That befreyen kann (§. 38.). Da ein Ehe- gatte, welcher den andern boshafter Weise verlaͤßt, oder die eheliche Pflicht (debitum conjugale), welche in dem Beyschlafe beste- het, versaget, den Vertrag nicht haͤlt (§. 856. 444.); so kann wegen der boshaften Verlaßung und Versagung der eheli- chen Pflicht die Ehe getrennet wer- den. Jm natuͤrlichen Stande muß vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit einem je- den erlaubt werden, daß er die Ehe nach seinem Gefallen trennen kann (§. 78.). Weil, nachdem die Ehe getrennet worden, die beyderseitige Verbindlichkeit gegen einan- der aufhoͤret (§. 444.); so kann ein jeder Theil mit einer andern Person sich wie- der verheyrathen. Weil es vor sich klar ist, daß durch den Tod des einen Ehe- gatten III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstuͤck. gatten die Ehe getrennet wird; so kann ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder heyrathen; folglich ist die andere Ehe (polygamia successiva) erlaubt. Man nennt aber die Trennung der Ehe die Ehe- scheidung (divortium); wenn aber die Verloͤbniß wieder zuruͤcke gehet, im Lateinischen repudium. Weil aber der Ehegatte, der im Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin- der erster Ehe zu erziehen nicht befreyet wer- den kann (§. 38.); so muß, wenn man zur andern Ehe schreitet, der neue Ehegatte fuͤr die Kinder erster Ehe sorgen, und wenn sie nicht eigenes Vermoͤgen haben, die Auferziehungs- kosten von dem seinigen geben; indem unter keiner andern Bedingung, als dieser, die Ehe getroffen werden kann. §. 872. Daß man das Kind vor seines zu erkennen hat. Es erhellet vor sich, daß die Mutter ge- wiß weiß, das Kind sey von ihr geboh- ren. Man sagt: Der Vater erkenne es vor das seine (prolem agnoscere), wenn er entweder mit ausdruͤcklichen Worten, oder mit der That erklaͤrt, daß es von ihm erzeu- get sey; und er ist schuldig es vor sein Kind zu erkennen, so lange als er nicht beweisen kann, daß es im Ehebruch erzeuget worden. Auf gleiche Weise muß, wer mit einer Weibsperson zu thun gehabt, wenn er gestehet, daß es zu der Zeit geschehen, da man ver- muthen Von der Ehe. muthen kann, daß sie schwanger wor- den, indem er die Vermuthung zu widerle- gen schuldig ist, das Kind so lange vor das seinige erkennen, bis er erwiesen hat, sie habe zu der Zeit noch mit ei- nem andern, oder mit mehreren zu- gleich zu thun gehabt. Wenn er aber leugnet, daß er sie beschlafen habe, so muß die Weibsperson dieses bewei- sen; indem sie es ihm in das Gewissen schiebt, da keine Zeugen vorhanden (§. 783.). §. 873. Weil niemanden, was ein andrer thut, wo- Ob den Eltern kann zu- gerechnet werden, was die Kinder, und den Kindern, was die Eltern thun. zu er nichts beytraͤgt, zugerechnet werden kann (§. 3.); so kann auch was ein Ehegat- te thut, wenn der andere nichts dazu beytraͤgt, dem andern nicht zugerech- net werden, noch auch den Eltern was die Kinder, noch den Kindern was die Eltern thun; folglich kann ein Ehegatte nicht wegen des Verbre- chens des andern, noch auch die El- tern wegen des Verbrechens der Kin- der, oder die Kinder wegen des Ver- brechens der Eltern gestraft werden. Derowegen kann es auch den Kindern nicht zugerechnet werden, daß sie aus einem unrechtmaͤßigen Beyschlafe ge- bohren worden, noch kann nach dem Gesetze der Natur, wegen der Eltern ein Schandfleck auf ihnen haften. Nat. u. Voͤlckerrecht. S s §. 874. III. Theil 1. Abth. 3. Hauptstuͤck. §. 874. Von den Geschen- cken der Eheleu- te. Da das Schencken auf eines jeden freyem Willen beruhet (§. 475.); so ist dasselbe nach dem Gesetze der Natur unter E- heleuten nicht unerlaubt. Das dritte Hauptstuͤck. Von der Blutsverwand- und Schwaͤgerschaft. §. 875. Von den Bluts- veꝛwand- ten und ihrem Stam- me. B lutsverwandten (cognati) nennt man, welche in einer Reihe von ein- ander, oder von einer Person, nicht aber von einander durch die Geburt abstam- men. Die Person aber von welcher andere durch die Geburt abstammen, heist der ge- meinschaftliche Stamm (stipes commu- nis); welcher also in den maͤnnlichen und weiblichen getheilt wird. Die vom maͤnnli- chen Stamme abstammen, werden besonders die Schwerdtmagen (agnati); die von weiblicher Seite aber die Spillmagen (co- gnati) genannt. §. 876. Von den Linien der Bluts- freund- schaft. Die Reihe der Personen, deren eine im- mer von der andern durch die Geburt abstam- met, nennt man die gerade Linie (linea recta), so lange man sie an und vor sich selbst betrachtet; und zwar die aufsteigende (ascendens), oder die niedersteigende (descendens), nachdem man entweder zu denen Von der Blntsverwandschaft. denen Personen hinaufsteigt, von welchen wir durch die Geburt abstammen, oder zu denen herunter, welche von uns abstammen. Zwey gerade Linien aber, welche in einem gemein- schaftlichen Stamme zusammenkommen, wer- den in Vergleichung mit einander die Sei- tenlinie, oder Nebenlinie (linea obliqua) genannt. §. 877. Alle Personen, welche von einem Stam- Von der Familie. me in verschiedenen geraden Linien herkommen, machen zusammen genommen die Familie des Stamms (familia stipitis) aus, z. E. die Familie meines Vaters, welche von meinem Vater; die Familie meines Groß- vaters (familia avi), welche von meinem Grosvater u. s. f. herkommen. §. 878. Von den Bluts- freunden in gera- der Linie u. in der Neben- linie. Blutsfreunde in gerader Linie (co- gnati directi) werden genannt, die in einer geraden Linie befindlich sind; die Bluts- freunde der Seiten- oder Nebenlinie (cognati a latere, vel collaterales) sind, wel- che in zwey Nebenlinien befindlich sind. §. 879. Der Unterscheid der Blutsfreund- Von den Graden der Bluts- freund- schaft in einer geraden Linie. schaft zwischen dem Stamme und ei- ner jeden Person in der geraden Linie entsteht aus der Anzahl der Zeugun- gen, wodurch sie von dem Stamme abstammt (§. 875.). Derowegen da man dieselben einen Grad nennt; so macht die S s 2 Zeu- III. Theil 1. Abth. 3. Hauptstuͤck. Zeugung einen Grad, und eine abstam- mende Person ist dem Stamme in dem Grade als ein Blutsfreund verwandt, welchen die Zahl der Zeugungen an- zeigt, durch welche er von dem Stam- me abstammt; also ist der Sohn ein Bluts- freund des Vaters im ersten Grad, des Groß- vaters im andern, des Aeltervaters im drit- ten. Und daher erhellet, welche Blutsfreun- de die nahe Anverwandten (propiores), die weitlaͤuftigeren (remotiores), und die naͤchsten Verwandten (proximi) sind. §. 880. Von den Graden der hoͤ- hern und niedern Ord- nung. Die Grade der hoͤhern Ordnung (gradus ordinis superioris) sind, welche in der Blutsfreundschaft einer Person mit einer andern in der aufsteigenden Linie statt finden; der niedern Ordnung (ordinis inferio- ris) aber, welche in der Blutsfreundschaft mit einer Person in der niedersteigenden Linie gezehlet werden. Man nennt aber die Bluts- freunde der hoͤhern Ordnung in einer geraden Linie mit einem gemeinschaftlichen Nahmen Eltern (parentes); die Blutsfreunde der niedern Ordnung mit einem gemeinschaftli- chen Nahmen Kinder (liberos), oder auch Kinder und Kindeskinder. §. 881. Von den Graden der Fa- milie. Da die Zeugung einen Grad macht (§. 879.); so machen eben die Grade der Anzahl nach in den Nebenlinien zu- sammen genommen den Grad der Fa- milie Von der Blutsverwandschaft. milie aus. Also sind alle Kinder im ersten Grad der Familie ihres Vaters; die Kinder aber von diesen sind in dem andern Grad der Familie, welches die Familie des Großvaters ist, dessen Kindes-Kinder im andern Grade sie sind. Es begreift aber die Familie des Großvaters die Familie des Vaters, und die Familie des Aeltervaters die Familie des Großvaters und des Va- ters in sich u. s. w. §. 882. Die Nebenlinie wird gleich (æqualis) ge- Von den Graden in der unglei- chen Li- nie. nannt, wenn zwey gerade Linien, die sich in ei- nem Stamm enden, in Graden einander gleich sind; ungleich (inæquales) aber, wenn dieselben ungleich sind. Weil die Blutsfreun- de der Seitenlinie deswegen Blutsfreunde sind, weil sie von eben demselben Stamme abstammen (§. 878.); so sind die Bluts- freunde der Seitenlinie in der gleichen Linie unter sich in demjenigen Grade verwandt, in welchem sie dem Stam- me verwandt sind. Wofern aber in einer ungleichen Linie der weitlaͤufti- gere Verwandte 2, 3, oder 4. Grade von dem gemeinschaftlichen Stamm absteht, der naͤhere nur einen Grad; so ist dieser jenem in dem andern, drit- ten, vierten Grad der Familie seines Vaters verwandt. Wenn der naͤhere vom gemeinschaftlichen Stamme zwey Grade absteht, der entferntere drey, S s 3 viere III. Theil 1. Abth. 3. Hauptstuͤck. viere und so weiter; so wird dieser in dem dritten, vierten u. s. w. Grade der Familie seines Großvaters ver- wandt (§. 877. 881.). Daher folgt, daß wer mir, es sey in was vor einem Grad es wolle, in der Familie meines Vaters verwandt ist, mir allezeit einen Grad naͤher verwandt sey, als der Verwand- te in eben dem Grade in der Familie meines Großvaters, und zwey Grade naͤher, als der Verwandte in eben dem Grade der Familie meines Aeltervaters, und so weiter. Dieses ist nun die beruͤhmte Rechnung der Grade nach dem Canonischen Rechte, welche der Natur gantz gemaͤß ist, und auf welche man mit Recht siehet in den Sachen, wo man auf die Blutsverwand- schaft zu sehen hat, z. E. in Ehe- und pein- lichen Sachen. Von der Ver- wand- schaft de- rer, so aus einem uneꝛlaub- ten Bey- schlafe er- zeugetworden. §. 883. Da alle Blutsfreundschaft aus der Erzeu- gung kommt (§. 875.); so ist die natuͤrli- che Blutsfreundschaft einerley, es mag einer in der Ehe, oder ausser derselben in einem unrechtmaͤßigen Beyschlaf ge- zeugt worden seyn. Derowegen muß man auch auf dieselbe sehen, wo die Blutsfreund- schaft beobachtet werden muß. §. 884. Von der Schwaͤ- gerschaft. Weil die Eheleute aufs genauste mit ein- ander verbunden werden, so daß sie als eine Per- Von der Blutsverwandschaft. Person auf eine gantz besondere Weise anzuse- hen sind (§. 858.); so verhalten sich die Bluts- freunde des einen Ehegatten zu den andern, gleichsam wie zu den ersten. Da man dieses Verhalten der Blutsfreunde des einen Ehe- gatten zu dem andern die Schwaͤgerschaft (affinitas) nennet; so sind die Bluts- freunde des einen Ehegatten Schwaͤ- ger (affines) des andern in eben dem Grade, in welchem sie diesem mit Blutsfreundschaft verwandt sind. Es erhellet aber vor sich, daß die Schwaͤger- schaften durch die Ehen, nicht aber durch die Verloͤbnisse gemacht werden (§. 864.). §. 885. Da diejenigen, welche sich fleischlich Von de- nen, die gleichsam als Schwaͤ- ger an- zusehen. mit einander vermischen, einander den Ge- brauch ihres Leibes wie die Eheleute verstatten (§. 858.); so sind diejenigen, welche ihre Ehe durch fleifchliche Vermischung vollziehen, gleichsam als Eheleute anzusehen; folglich sind die Blutsfreunde einer Person, die sich mit der andern fleischlich vermischt, gleichsam als ihre Schwaͤger (quasi af- fines) anzusehen. Daher folgt, daß der- jenige, welcher eine Jungfrau schwaͤn- gert, oder verborene Liebe mit ihr pfleget, mit ihrer Schwester gleichsam verschwaͤgert wird, und die zu Falle gebrachte Jungfrau mit seinem Bru- S s 4 der. III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. der. Die fleischliche Vermischung ist gleich- sam eine Heyrath, wodurch gleichsam eine Schwaͤgerschaft entstehet (§. 884.). Das vierte Hauptstuͤck. Von der vaͤterlichen Gesellschaft und vaͤterlicher Gewalt. Ob die Eltern das Recht haben die Kinder um zu- bringen, odeꝛ weg-zulegen. §. 886. D a die Eltern die Kinder, welche sie er- zeuget haben, zu erhalten verbunden sind, damit sie groß werden und ge- schickt sich selbst zu versorgen (§. 855.); so haben die Eltern nicht das Recht die Kinder umzubringen, noch auch sie wegzulegen (jus exponendi) (§. 51.). §. 887. Von dem Rechte der El- tern auf ihre Kin- der. Gleicher Gestalt, da die Eltern die Kinder geschickt machen sollen ihre Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten (§. 855.); so muͤssen die Eltern ihre Handlungen so lange einrichten, als die Kinder ih- ren Pflichten noch nicht selbst vor sich ein Genuͤge thun koͤnnen; folglich ha- ben sie ein Recht auf die Handlungen ihrer Kinder. §. 888. Von der vaͤterli- chen Ge- walt. Das Recht der Eltern uͤber die Kin- der ist eine Art der Herrschaft (§. 833. 887.). Da nun dieses aus der Verbindlich- keit die Kinder zu erziehen entsteht (§. 855.); so Von der vaͤterlichen Gesellschaft. so kommt es so wohl dem Vater, als der Mutter gemeinschaftlich zu (§, cit. ). Es wird aber gewoͤhnlicher Weise die vaͤter- liche Gewalt (patria potestas) genannt, und durch Jrrthum weit uͤber seine Graͤntzen er- streckt. §. 889. Die Kinder sind also den Eltern un- Von dem Gehor- sam der Kinder, und dem Rechte sie zu ver- binden und zu strafen. terthaͤnig und ihnen zu gehorchen schuldig (§. 835.). Da die Herrschaft, die den Eltern zukommt (§. 888.), das Recht sie zu verbinden in sich begreift (§. 833.)); so haben die Eltern das Recht die Kin- der zum Gehorsam zu verbinden; und folglich wegen ihres Ungehorsams sie zu bestrafen (§. 35.), welche Strafen der Eltern man vaͤterliche Zuͤchtigungen (castigationes paternæ) nennet; weil sie auf ihre Verbesserung gehen (§. 93.), und inner- halb den Schrancken der Pflichten, die sie den Kindern schuldig sind, verbleiben sollen. Wenn aber die Eltern etwas befehlen, was dem Gesetze der Natur zuwider ist; so sind die Kinder nicht schuldig zu gehorchen (§. 38.). §. 890. Da die Eltern die Kinder geschickt ma- Von An- weisung der Kin- der zur Tugend, von der Abwen- chen sollen ihre Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten (§. 855.); so muͤssen sie selbige zu den Pflichten gegen sich selbst, gegen andere und gegen GOtt gewoͤhnen (§. 57.); und folglich, da die S s 5 Fer- III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. dung der Laster. Fertigkeit seine Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten die Tugend ist, die entgegen gesetzte Fertigkeit aber die Laster sind; so muͤssen sie selbige zur Ausuͤbung der Tugend anfuͤhren, von den Lastern aber abhalten. Derowegen da die Exempel der Eltern einen grossen Eindruck, sonderlich in die zarten Gemuͤther der Kinder machen; so muͤssen sie ihnen gute, nicht boͤse Exem- pel geben. §. 891. Von der Lebens- art, wel- cher die Kinder zu wied- men. Gleichergestalt weil die Eltern die Kinder geschickt machen sollen um sich selbst zu versor- gen (§. 855.); so muͤssen sie selbige einer gewissen Lebensart, wozu sie geschickt sind, wiedmen, und alle Muͤhe an- wenden, das zu erlernen, was diese Le- bensart erfordert. §. 892. Von der Befoͤrde- rung des Gluͤcks der Kin- der. Aus eben demselben Grunde muͤssen sie sich auch so viel moͤglich angelegen seyn lassen, ihre Kinder gluͤcklich zu ma- chen, und in den Stand setzen gluͤck- lich zu werden. §. 893. Von der Liebe sei- ner Kin- der. Da die Eltern durch eine besondere Ver- bindlichkeit ihre Kinder und ihren Zustand voll- kommner zu machen gehalten sind (§. 855.), und den Menschen so wohl als den Thieren eine natuͤrliche Liebe zu ihren Kindern einge- pflantzt ist; so muͤssen die Eltern ihre Kinder nicht allein wie andere Men- schen Von der vaͤterlichen Gesellschaft. schen lieben (§. 136.), sondern sie auch in der Liebe und folglich in den uͤbri- gen Pflichten, die man andern schul- dig ist, allen andern vorziehen (§. 44.). §. 894. Weil die Kinder den Eltern nicht allein Von der Pflicht der Kin- der gegen die El- tern. ihr Leben zu dancken, sondern vermoͤge dessen, was im vorhergehenden erwiesen worden, sie vor ihre groͤste Wohlthaͤter zu erkennen haben (§. 470. 471.); so muͤssen sie auch des- wegen ein danckbahres Gemuͤthe ge- gen die Eltern haben, und ihnen bey jeder gegebenen Gelegenheit, so viel als sie koͤnnen, hinwiederum gutes thun, sie lieben, hochachten und be- sonders in Ehren halten, welches die kindliche Ehrfurcht (reverentia filialis) pflegt genannt zu werden. §. 895. Da die kindliche Ehrfurcht mit dem genaue- Ob El- tern und Kinder einander beyra- then koͤn- nen. ren Umgange der Eheleute unter einander nicht bestehen kann; so ist die Ehe zwischen Kin- dern und Eltern von Natur uner- laubt. Denn weil die natuͤrliche Verbind- lichkeit unveraͤnderlich ist (§. 38.); so sind die Ehen nach dem Gesetze der Natur nicht erlaubt, welche die Pflichten aufheben, oder schwaͤchen, die ein Theil dem andern schuldig ist. §. 896. Weil die Eltern die Auferziehungskosten Von der Vorsicht herzu- III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. der El- tern vor die Er- ziehung der Kin- der, wenn sie steꝛben sollten. herzugeben schuldig sind (§. 855.); so muͤs- sen sie auch davor sorgen, daß, wenn sie eher sterben sollten, als die Kinder erzogen waͤren, sie ihnen so viel Ver- moͤgen nachlassen, wovon die Aufer- ziehungskosten koͤnnen bestritten wer- den, und die Sorge fuͤr die Erziehung und Verwaltung ihres Vermoͤgens, welches sie ihnen hinterlassen, oder sie sonst bekommen, andern Personen auf- tragen, zu denen sie das Vertrauen ha- ben, daß sie alles fleißig besorgen werden. §. 897. Ob Vor- eltern u. Bluts- freunde vor die Erzie- hung zu sorgen haben. Da die Menschen erzeugt werden, um das menschliche Geschlechte fortzupflantzen (§. 854.); so haben die Voreltern Kinder gezeugt, damit durch sie wieder andere gezeugt werden moͤch- ten. Derowegen da die Auferziehung der Kinder von der Zeugung unzertrennlich ist (§. 855.); so sind die Voreltern, wenn die Eltern eher sterben solten, als die Kin- der erzogen worden, diese zu erziehen verbunden: oder wenn auch diese eher gestorben seyn sollten; so muͤssen, indem man den Eltern Wohlthaten auch an ihren Kindern erweiset, die Blutsfreunde diese Sorge uͤber sich nehmen (§. 894. 875.). §. 898. Von der Vor- mund- schaft. Vormuͤnder (tutores) sind die Personen, welche die Auferziehung unerzogener Kinder besor- Von der vaͤterlichen Gesellschaft. besorgen; und Waͤisen ( pupilli, Muͤndel) nennt man die unerzogenen Kinder, deren bey- de Eltern gestorben, oder die wenigstens ei- nes von ihren Eltern, insonderheit den Va- ter verlohren haben. Das Recht Kinder zu erziehen, welche ihre Eltern verlohren, wird die Vormundschaft (tutela) genannt. Man nennt aber im Testament gesetzte Vor- muͤnder (tutores testamentarios), denen durch den letzten Willen der Eltern die Vor- mundschaft aufgetragen worden; rechtli- che (legitimos), die nach dem Rechte der Blutsfreundschaft dazu genommen worden; und gegebene (dativi), welche in einem Staate von der Obrigkeit gesetzt wer- den. Wenn die Kinder in dem Alter sind, daß sie bloß, oder vornehmlich um der Ver- waltung ihres Vermoͤgens halber anderer Huͤlfe beduͤrfen; so werden, da man den, welcher das Recht hat eines andern Guͤter zu verwalten, der Alters wegen, oder wegen ei- ner Schwachheit des Gemuͤths, oder des Lei- bes seinem Vermoͤgen nicht vorstehen kann, ei- nen Curater (curatorem) nennt, im Roͤ- mischen Rechte die Curaters von den Vor- muͤndern unterschieden; doch nach unsern Sitten dauert die Vormundschaft so lange, bis die Erziehung voͤllig geen- det ist; und dieses ist dem Rechte der Na- tur gemaͤsser. §. 899. Weil ein Vicarius (vicarius) genannt wird, Von den Pflichten der III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. der Vor- muͤnder. der die Stelle eines andern vertritt; so sind die Vormuͤnder in der Erziehung der Waͤisen Vicarii der verstorbenen El- tern; folglich muͤssen sie eben das, was die Eltern zu thun schuldig sind, in der Erziehung der Kinder besorgen, nur daß sie nicht ihre eigene Kosten drauf wenden doͤrfen; indem kein Grund vorhanden, warum einer fremde Kinder auf seine Kosten erziehen soll. Naͤmlich wenn die Waͤisen eigenes Vermoͤgen haben; so ists nicht noͤthig, daß sie auf fremde Kosten erzogen werden; indem man ei- nem andern nicht leisten darf, was er selbst in seiner Gewalt hat (§. 133.). Wenn sie aber kein Vermoͤgen haben, weil sie als- dann Bettlern gleich zu achten (§. 487.); so muͤssen die Vormuͤnder davor sorgen daß sie Allmosen bekommen (§. 488. 491.). Man muß aber von einander unter- scheiden, was Vormuͤnder und Voreltern zu thun schuldig sind (§. 897.). §. 900. Von dem Unter- scheide der Vor- muͤnder. Da es nichts widersprechendes ist, daß ei- nem Vormunde bloß die Auferziehung, einem andern die Verwaltung des Vermoͤgens auf- getragen wird; damit man einen nicht zu viel beschweret; ja auch zu dem Ende, daß Waͤi- sen besser gerathen ist, einem besonders die Aufsicht uͤber die Vormundschaft anvertrauet wird; so sind einige Vormuͤnder zu der Erziehung (educatores); andere zur Ver- waltung Von der vaͤterlichen Gesellschaft. waltung des Vermoͤgens (administrato- res); und noch andere als blosse Aufseher (inspectores). Die ersten beyde werden in Ansehung des dritten mit einem gemeinschaft- lichen Nahmen Untervormuͤnder (tutores inferiores), der dritte aber Obervormund (tutor superior, seu honorarius) genannt; und wenn mehr als ein Vormund ist, so kommt es auf den Willen der El- tern, oder derer, die sie setzen, an, ob sie die Vormundschaft unter dieselben theilen, oder ihnen zusammen unzer- theilt auftragen wollen. §. 901. Weil die Vormuͤnder die Waͤisen zur Tu- Von der Untuͤch- tigkeit der Vor- muͤnder. gend anfuͤhren und von Lastern abhalten sol- len (§. 890. 899.); so sind zur Vormund- schaft ungeschickt, die selbst den La- stern ergeben sind; oder Alters, oder einer Schwachheit der Seele, oder des Leibes wegen selbst einen Vormund, oder Curater noͤthig haben. Und da niemand dazu verbunden werden kann, was nicht in seiner Gewalt steht (§. 60.), oder auch was er nicht anders als mit Verabsaͤu- mung einer Pflicht gegen sich selbst leisten kann (§. 133.); so werden die Vormund- schaft zu uͤbernehmen entschuldiget, welche der Schwaͤchlichkeit des Koͤr- pers wegen, oder wegen allzuhohen Alters, oder wegen vieler Geschaͤffte die III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. die Vormundschaft nicht mit dem Fleiß, welcher erforderr wird, verwal- ten koͤnnen. §. 902. Daß ein Jnven- tarium gemacht werden muͤsse. Ein Jnventarium (inventarium) nennt man die Aufzeichnung der zu verwaltenden Guͤ- ter der Waͤisen, oder der Personen, die einen Curater haben: Damit man weiß, was ver- waltet werden soll; so muß der Vormund und Curater ein Jnventarium verfer- tigen. §. 903. Von der Veraͤus- serung der Guͤ- ter der Waͤisen. Da der Vormund die Guͤter der Waͤisen mit allem Fleisse verwalten soll, damit kein Schade verursacht werde (§. 21. 269.); so muß er, damit man davon versichert ist, al- le Jahre Rechnung ablegen. Und weil derjenige, dessen Guͤter er verwaltet, der Ei- genthumsherr davon ist; so kann er die un- beweglichen Guͤter der Waͤisen nicht veraͤussern (§. 257.). Weil er aber doch in der Verwaltung die Person der Waͤisen vor- stellt, und also zu thun hat, was die seiner Pfle- ge befohlene selbst zu thun genoͤthiget wuͤr- den; so kann er die Waͤisen zugehoͤrige Guͤter veraͤussern, wenn eine solche Nothwendigkeit vorhanden, welche sie selbst dazu bringen wuͤrde; folglich auf den Fall, wenn Schulden zu be- zahlen sind, und auf keine andere Wei- se bezahlt werden koͤnnen; wenn die auf Von der vaͤterlichen Gesellschaft. auf die Erziehung zu verwendende Kosten sonst nirgend hergenommen werden koͤnnen; wenn zu bauen ein Capital muͤste aufgenommen werden, und die Jnteressen wenige, oder gar keine Nutzung uͤbrig ließen. Damit aber der Vormund allen Verdacht von sich abwende; so muß er, wenn Waͤisen zu- gehoͤrige Guͤter zu veraͤussern sind, da- vor sorgen, daß sie von erfahrnen Per- sonen taxiret werden, und er einen Kaͤufer finde, welcher sie um einen billigen Preiß kauft. Allein weil er das Waͤisen zugehoͤrige Vermoͤgen erhalten, und so viel an ihm ist, vermehren soll (§. 208.); so kann er die uͤberfluͤßigen bewegli- chen Sachen und insonderheit diejeni- gen, welche durch Aufbehalten nicht erhalten werden koͤnnen, verkaufen, und das davor geloͤsete Geld auf Zin- sen ausleihen, oder zu Erkaufung lie- gender Gruͤnde anwenden, es sey dann daß der Vater ausdruͤcklich verboten gewisse Sachen nicht zu veraͤussern, und keine Nothwendigkeit sie zu ver- aͤussern vorhanden; wie vorhin erwiesen worden. §. 904. Wenn der Vormund mit Vorsatz, Von dem Schaden den der Vor- mund oder aus Versehn einen Schaden bey der Verwaltung verursacht; so ist er denselben zu ersetzen schuldig (§. 270.); Nat. u. Voͤlckerrecht. T t und III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. verursa- chet hat. und da er in dessen Ansehung ein Schuldner der Waͤisen ist (§. 336.); so sind von Na- tur die Guͤter des Vormundes den Waͤisen davor verpfaͤndet, was er ih- nen herauszugeben hat nach geendig- ter Vormundschaft (§. 705.). §. 905. Wie Waͤisen, oder Un- muͤndige sich an- dern, oder an- dere sich ihnen verbin- den koͤn- nen. Da dem Vormunde, oder Curater die Verwaltung der Guͤter zukommt (§. 898.); so koͤnnen Waͤisen und Unmuͤndige oh- ne Einwilligung des Vormundes, oder ihres Curaters sich nicht einem andern zu etwas verbinden. Weil aber die Ver- waltung der Guͤter deswegen dem Vormunde, oder Curater aufgetragen wird, damit die Waͤisen und Unmuͤndigen nicht betrogen wer- den (§. cit. ); so ist es guͤltig, wenn Wai- sen, oder Unmuͤndige zu ihrem Vor- theil sich einen andern verbindlich ge- macht, oder mit ihm contrahiret. §. 906. Von der Besol- dung und dem Eh- renge- schenck des Vor- mundes. Weil niemand verbunden ist dem andern etwas umsonst zu thun, wenn er ihm hinwie- derum etwas geben kann (§. 473.); und es vor sich klar ist, daß die Vormundschaft kei- ne geringe Beschwerde ist, insonderheit wenn die Verwaltung der Guͤter weitlaͤuftig; so ist es nach dem Rechte der Natur nicht unerlaubt, daß ein Vormund, oder Curater fuͤr die Verwaltung Waͤisen, oder Unmuͤndigen zugehoͤriger Guͤter, wenn das Vermoͤgen groß ist, eine Be- soldung Von der vaͤterlichen Gesellschaft. soldung bekommt. Und da man Wohl- thaten, dergleichen die Verwaltung der Vor- mundschaft ist, wenn sie umsonst gefuͤhret wird, mit Danck erkennen soll (§. 474.); so ists allerdings billig, daß nach geen- digter Vormundschaft, die treulich und zum Nutzen gefuͤhrt worden, ein Ehrengeschenck gegeben werde (§. 825.). §. 907. Und weil Waͤisen und Unmuͤndige sich Von der Schad- loshal- tung des Vor- munds und Cu- raters. nicht damit, was dem Curater, oder Vormun- de zugehoͤrt, bereichern koͤnnen (§. 271.); so sind sie dem Vormunde und Curater die Unkosten zu erstatten schuldig, wel- che der Verwaltung wegen gemacht worden, wie auch den Schaden zu er- setzen, welchen er bey dieser Gelegen- heit gehabt. Wenn also der Vormund, oder Curater dieserwegen seine eigene Sachen verpfaͤndet hat, oder deswe- gen Buͤrge worden; so muß er nach geendigter Vormundschaft, oder Cu- ratel davon von ihnen befreyet wer- den. §. 908. Der Vormund willigt ausdruͤcklich in die Daß die Vor- mund- schaft gleichsam ein Ver- trag sey. Verwaltung der Vormundschaft ein, indem er sie uͤbernimmt: Und da dieses der offen- bare Nutzen der Waͤisen erfordert; so vermu- thet man mit Recht ihre Einwilligung (§. 686.). Derowegen wird die Vormund- T t 2 schaft III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. schaft gleichsam durch einen Vertrag erhalten (§. cit. ); daher entsteht auch hieraus eine vollkommne Verbindlich- keit, und werden vollkommene Rechte erworben (§. 687.). §. 909. Von der vaͤterli- chen Ge- sellschaft. Auf gleiche Weise wird erwiesen, daß zwi- schen Eltern und Kindern der Erzie- hung wegen gleichsam ein Vertrag gemacht; und folglich unter ihnen eine gewisse Gesellschaft selbst nach der Na- tur aufgerichtet werde, welche die vaͤ- terliche Gesellschaft (societas paterna) ge- nannt wird. Und deswegen sind die Ver- bindlichkeiten und Rechte, welche die Erziehung der Kinder betreffen, nicht allein Pflichten, die von dem Gesetze der Natur vorgeschrieben worden; sondern sie entspringen gleichsam aus einem Vertrage eben so, als wenn der- selbe wuͤrcklich waͤre errichtet worden (§. 687.). Die Erziehung der Kinder wird auf zwiefache Weise betrachtet, theils in so fern sie beyde Ehegatten angehet, theils in so weit sie von den Eltern zum Nutzen der Kinder zu bewerckstelligen ist. Wird sie auf die erste Art betrachtet, so gehoͤrt sie zur ehe- lichen Gesellschaft; im andern Falle aber zur vaͤterlichen. §. 910. Ob die vaͤteꝛliche Gewalt Weil die Eltern die freyen Handlungen der Kinder einzurichten haben, indem sie noch nicht Von der vaͤterlichen Gesellschaft. nicht selbst dieses zu thun vermoͤgend sind (§. der El- tern be- staͤndig einerley veꝛbleibe. 887.), nach und nach aber lernen, was sie zu thun und zu laßen haben; so erhaͤlt die vaͤterliche Gewalt mit dem zunehmen- den Alter nach und nach engere Schran- cken (§. 888.); und dieses gilt auch von der Vormundschaft (899.). Weil aber die Auferziehung nicht eher vollendet ist, als bis die Kinder vor sich erwerben koͤnnen, was sie zur Nothdurft und Beqvemlichkeit des Lebens brauchen (§. 855.); so sind sie, so lange als sie in des Vaters Hause leben, weil sie sich selbst noch nicht mit Nahrung und Klei- dung, und was sie sonst brauchen, versorgen koͤnnen, dem Willen der Eltern in den Dingen, die das Hauswesen angehen, unterworfen. §. 911. Da den Eltern keine vaͤterliche Gewalt zu- Von der Dauer der vaͤ- terlichen Gewalt und der Pflichten der Kin- der. kommt, als diejenige, welche aus der Ver- bindlichkeit die Kinder zu erziehen entspringet (§ 888.); so wird nach geendeter Er- ziehung die vaͤterliche Gewalt aufgeho- ben, und die Kinder werden ihre eige- ne Herren (fiunt sui jnris); folglich wird auch die Vormundschaft geendet. Weil aber sowohl die Pflichten der Eltern gegen die Kinder, als auch der Kinder gegen die El- tern durchs Gesetze der Natur vorgeschrieben werden, vermoͤge dessen, was vorhin erwiesen worden; folglich die Verbindlichkeit dazu schlechterdinges unveraͤnderlich ist (§. 38.); so T t 3 dauern III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. dauern die Pflichten der Kinder gegen die Eltern ihre gantze Lebenszeit, und nicht weniger sind die Pflichten der Eltern, welche nicht zu der Auferzie- hung gehoͤren, bestaͤndig. Daher folgt, daß die Kinder, wenn gleich der Gehorsam aufhoͤrt, welchen die vaͤterliche Gewalt erfor- dert (§. 889.), dennoch die gantze Zeit ih- rer Auferziehung sich bemuͤhen muͤssen den Eltern zu gefallen. §. 912. Von der Einwil- ligung der El- tern in die Ehe der Kin- der. Weil die Kinder die gantze Lebenszeit in al- len ihren Handlungen darauf zu sehen haben, daß sie den Eltern gefallen (§. 911.); so sol- len sie auch ohne ihre Einwilligung sich nicht verheyrathen. Weil sie aber nicht hey- rathen, als wenn sie schon bey reifem Verstande sind; so stehet ihnen frey sich mehr nach ihrem Gutbefinden, als nach den El- tern zu richten, die ohne rechtmaͤßige Ursache zuwider sind (§. cit. u. 78.); folg- lich kann die Ehe durch den widrigen Willen der Eltern nicht hintertrieben werden, und ihre Einwilligung ist der Ehrbarkeit (§. 49.), nicht der Noth- wendigkeit wegen zu suchen. §. 913. Von der Mitga- be. Da die Toͤchter wenn sie heyrathen in den Stand kommen, worinnen die Eltern nicht mehr noͤthig haben fuͤr ihren Unterhalt zu sorgen (§. 866), die Beschwerden des Ehe- standes aber von den Eheleuten zusammen nach Von der vaͤterlichen Gesellschaft. nach der Beschaffenheit ihres Vermoͤgens ge- tragen werden muͤssen (§. 868.), und man die Mitgabe (dos) nennt, was die Frau zum Manne bringt, um die Beschwerden der Ehe zu bestreiten; so sollen die Eltern, wenn sie eine Tochter verheyrathen, die kein eigenes Vermoͤgen hat, nach der Be- schaffenheit ihres Vermoͤgens ihr eine Mitgabe geben: Sie sind aber dazu nicht gehalten, wenn der Mann sie oh- ne Mitgabe haben will, oder welches vor sich klar ist, wenn sie nicht koͤnnen (§. 60.). Weil es auf die Eltern ankommt, wie sie ihr eigenes Vermoͤgen beurtheilen wollen (§. 78.); so beruhet die Groͤsse der Mitgabe le- diglich auf ihrem Willen. Weil aber die Mitgabe nur gegeben wird um die Be- schwerden des Ehestandes zu erleichtern; so muß bloß der Nießbrauch dazu ange- wandt werden, das Eingebrachte selbst aber der Frauen erhalten werden; folglich wenn Geld, oder eine nach dem Werth geschaͤtzte Sache zur Mitgabe gegeben wird; so muß, weil das Geld, wenn es nicht ausgegeben wird, nicht ge- braucht werden kann, der Mann in der Mitgabe das Eigenthum erhalten; und deswegen ist das Vermoͤgen des Mannes natuͤrlicher Weise fuͤr die Mitgabe verpfaͤndet (§. 705.). Die Vertraͤge, in welchen man die Mitgabe so wohl, als an- dere Dinge, die zum Nutzen der Eheleute ge- T t 4 reichen, III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstuͤck. ꝛc. reichen, verabredet, werden Heyrathsver- traͤge (pacta dotalia) genannt. Da es hier- bey auf den Willen derer, die den Vertrag machen, ankommt (§. 667.); so muß man halten, was in den Heyrathsvertraͤ- gen verabredet worden. §. 914. Von Ge- schencken wegen der Hey- rath. Jm Roͤmischen Rechte nennt man das Ge- schenck wegen der Hochzeit (donatio propter nuptias), welches der Mann der Frau zur Sicherheit der Mitgabe giebt; und also nicht kleiner, als die Mitgabe seyn darf; nach dem Gesetze der Natur aber ist dieses nicht noͤthig (§. 913.). §. 915. Von der Morgen- gabe. Die Morgengabe (morgengaba) ist das Geschenck, welches der Braͤutigam der Braut den Tag nach der Hochzeit zu geben pflegt, fuͤr die Jungferschaft, oder wenn es eine Wittwe ist, fuͤr die Schamhaftigkeit. Da nach dem Ehevertrag die Braut dem Braͤu- tigam den Gebrauch ihres Leibes zu erlauben verbunden ist; so darf der Braͤutigam nach dem Rechte der Natur vor die Erlaubniß des ersten Beyschlafs nichts bezahlen; folglich ist die Morgengabe, wel- che durch die Sitten der alten Deutschen ein- gefuͤhrt worden, nach dem Rechte der Natur nicht noͤthig: Durch dieselbe aber erhaͤlt die Frau in der Morgengabe das Eigen- thum (§. 317.). Das Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Vom Erbrecht, oder von Te- stamenten, und der Erbfolge ohne Testament. §. 916. M an sagt, daß einer in den Guͤtern Von dem Erben u. dem Erb- rechte. eines Verstorbenen folge (in bona defuncti succedere), der nach dem Tode des Verstorbenen das Recht zu den Guͤtern desselben erhaͤlt. Wer dieses Recht hat, wird der Erbe (hæres) genannt; und das Recht zu den Guͤtern des Verstorbe- nen das Erbrecht (jus hæreditarium). Das gantze hinterlassene Vermoͤgen des Verstor- benen heißt die Erbschaft; und das Eigen- thum, das man darinnen erlangt, das all- gemeine Eigenthum (dominium univer- sale). Endlich sagt man, es uͤbernehme einer die Erbschaft (hæreditatem susci- pere), wenn er entweder mit Worten, oder in der That sich hinlaͤnglich erklaͤrt, daß er Erbe seyn wollte. Wenn dieser Wille durch Worte, oder ein gleichguͤltiges Zeichen doch ohne eine andere Handlung erklaͤrt wird, so sagt man ins besondere, er trete die Erb- schaft an (hæreditatis aditio); wenn es aber durch andere unternommene Handlungen geschiehet, er masse sich der Erbschaft an (gestio pro hærede). T t 5 §. 917. III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. §. 917. Von der Erlan- gung des Erb- rechts u. der Erb- schaft. Daher erhellet sogleich, daß, weil der Er- be mit dem Verstorbenen in Ansehung der hin- terlassenen Guͤter als eine Person anzusehen (§. 916.), in ihm alles Recht des Ver- storbenen und alle Verbindlichkeit des- selben fortdauren. Weil die Ueberneh- mung der Erbschaft eine Annehmung des Erb- rechts ist (§. cit. 316.); so wird durch die Antretung der Erbschaft, oder durch die Anmassung derselben das Erbrecht, und mit ihm zugleich das allgemeine Eigenthum (§. 916.), durch die Be- sitznehmung aber die Erbschaft erhal- ten (§. 200.). §. 918. Was zur Eꝛbschaft gehoͤrt. Daher erhellet ferner, daß zur Erb- schaft alle koͤrperliche so wohl beweg- liche, als unbewegliche Sachen gehoͤ- ren, es mag sie entweder der Verstor- bene, oder ein anderer in seiner Gewalt haben, auch alle ausstehende Schul- den und alle Rechte, sie moͤgen be- schaffen seyn wie sie wollen, die per- soͤnlichen allein ausgenommen (§. 400.); andern aber zugehoͤrige Sachen, als welche des Verstorbenen nicht gewesen sind (§. 207.), und die man dem Eigenthums- herrn wiedergeben muß (§. 261.), zur Erb- schaft nicht gehoͤren; und die Schul- den, welche der Verstorbene hinterlas- sen, davon muͤssen abgezogen werden. §. 919. Von dem Erbrecht. §. 919. Da vor sich klar ist, daß niemand vor den Ob der Erbe den Glaͤubi- gern mehr, als die Erb- schaft be- traͤgt, zu bezahlen schuldig ist. andern zu bezahlen schuldig sey, und der Ver- storbene selbst, wenn er gelebt haͤtte, nicht mehr haͤtte bezahlen koͤnnen, als wie weit sein Ver- moͤgen zugereicht; so ist der Erbe nach dem Rechte der Natur nicht mehr zu zahlen schuldig, als die Erbschaft be- traͤgt, wenn die Schuld die Erbschaft uͤbersteigen sollte; und es versteht sich von selbst, daß der Erbe mit keinem andern Vorsatz die Erbschaft uͤberneh- me, als daß er nicht mehr Schulden bezahlen will, als die Erbschaft aus- traͤgt. Damit man nun aber gewiß sey, wie viel die Erbschaft vermag; so muß man, wenn die Erbschaft mit Schulden be- schweret ist, ein Jnventarium verfer- tigen (§. 902); wovon im natuͤrlichen Zu- stand ein beschwornes Verzeichniß nicht un- terschieden ist; weil dasjenige durch einen Eid bewiesen werden muß, was durch Zeugen nicht kann bewiesen werden (§. 781.). §. 920. Man sagt, einer schlage die Erbschaft Wenn ei- ne Erb- schaft ausge- schlagen wird. aus (hæreditatem repudiare), wenn er das Erbrecht nicht annehmen will. Es be- ruhet also auf eines jeden Willen, ob er eine Erbschaft, die ihm zufaͤllt, an- nehmen, oder ausschlagen will (§. 316.). §. 921. III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. §. 921. Von der Erbfolge der Kin- der. Da die Eltern das Gluͤck der Kinder, so viel an ihnen ist, befoͤrdern sollen (§. 892.); so muͤssen sie, wenn sie sterben, ihr Vermoͤgen den Kindern hinterlassen. Weil sie aber darauf bedacht seyn sollen, daß wenn sie sterben sollten ehe die Kinder erzo- gen, sie den unerzogenen Kindern ein Ver- moͤgen hinterlassen, wovon die Auferziehungs- kosten bestritten werden koͤnnen (§. 896.); so gehoͤren, wenn einige von den Kin- dern erzogen und andere unerzogen sind, und das Vermoͤgen, was sie hin- terlassen, kaum zur Auferziehung der Kinder hinreicht, diese Guͤter nach dem Rechte der Natur den unerzoge- nen Kindern, oder, wenn die Nutzung dazu hinreicht, der Nießbrauch, so lan- ge bis sie erzogen sind. Aus eben diesem Grunde versteht sich dieses von den Großeltern und ihren Kindes-Kin- dern (§. 897.). Derowegen da man leib- liche Erben (hæredes suos) nennt, welche von dem Verstorbenen herkommen; so sind die Kinder im ersten und folgenden Graden leibliche Erben. Und da wir nicht weniger vor das Gluͤck der Kinder im folgenden Grade, als in dem ersten sorgen sol- len, wie bereits erwiesen worden; so treten, wenn der Verstorbene Kinder im er- sten und folgenden Graden hat, die letztern auch nach dem Rechte der Na- tur Von dem Erbrecht. tur in die Stelle ihrer Eltern. Dero- wegen weil man das Recht in die Stelle der Eltern zu treten, welches den Kindern der folgenden Grade, die mit denen im ersten Grade zugleich erben, zukommt, das Repraͤ- sentationsrecht (jus repræsentationis) nennt; so ist es ein natuͤrliches Recht, oder es kommt mit dem Rechte der Natur uͤberein. §. 922. Weil die Kinder den Eltern, so viel sie koͤn- Von der Erbfolge der El- tern. nen, ihre Wohlthaten zu vergelten verbunden sind (§. 894.); so muß, wer ohne Kin- der stirbt, sein Vermoͤgen den Eltern im ersten Grade, und wenn diese nicht mehr da sind, den Eltern in fernerem Grade hinterlassen. Denn die Wohltha- ten, welche unsern Eltern von ihren Eltern erwiesen worden, werden durch sie auch auf uns gebracht (§. 879.). §. 923. Daher erhellet, daß von Natur die Von der Erbfolge in gera- der Linie. Erbschaft in gerader Linie den Nach- kommen zufalle, jedoch so, daß das Re- praͤsentationsrecht dabey beobachtet wird; wenn aber keine vorhanden, den Eltern und Großeltern (§. 921. 922.). §. 924. Da das Recht der Erbfolge der Was die Erbfolge der Kin- der und Kinder und Eltern nicht allein in der Na- tur gegruͤndet, sondern auch gleichsam aus einem III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. Eltern vor ein Recht sey. einem Vertrage herkommt (§. 921. 922.); so besteht dasselbe nicht allein als eine Pflicht (§. 57.), sondern auch als ein aus einem Vertrage erlangtes Recht (§. 909. 687.), welches einem nicht ge- nommen werden kann (§. 100.). Hiezu kommt, daß die vaͤterliche Gesellschaft, welche sich im Anfange auf die vermuthete Einwilli- gung der Kinder gruͤndete (§. 909.), wenn sie zu reiferm Alter kommen, durch ihre still- schweigende Einwilligung befestiget wird; und also was gleichsam ein Vertrag war, nun ein wuͤrcklicher Vertrag wird. Diese stillschwei- gende Einwilligung erstreckt sich auch auf die Familie der Voreltern (§. 877. 881.), und muß wenigstens nach dem Rechte der Natur darauf gezogen werden. §. 925. Vom Verstos- sen der Kinder. Man sagt, die Kinder werden ver- stossen (liberos abdicare), wenn die Eltern sich hinlaͤnglich erklaͤren, daß sie sie vor ihre Kinder nicht erkennen wollen. Wenn die Kinder mit Wissen und Willen bege- hen, was ihren Pflichten gegen die Eltern, sonderlich der kindlichen Ehr- furcht gaͤntzlich zuwider ist; oder sich von ihrem schaͤndlichen Leben gar nicht wollen abwendig machen lassen; so ist es, weil sie von dem wuͤrcklichen, oder gleichsam gemachten Vertrage, worauf die vaͤterliche Gesellschaft beruhet (§. 909. 924.), abgehen (§. 442.), nach dem Gesetze der Natur Von dem Erbrecht. Natur erlaubt sie zu verstossen (§. cit. ). Es erhellet aber vor sich, daß die verstos- sene Kinder alle Kindesrechte ver- lieren. §. 926. Da den Kindern und Eltern deswegen Von der Groͤsse des Erb- rechts der Kin- der und der El- tern. weil sie Kinder und Eltern sind, das Recht der Erbfolge zukommt (§. 921. 922.); so ha- ben von Natur alle Kinder in glei- chem Grad gleiches Recht zur Erb- schaft der Eltern, und alle Eltern in gleichem Grad zur Erbschaft ihrer Kinder; folglich muͤßen sie die Erb- schaft in gleiche Theile unter sich thei- len, und daher diejenigen, welche nach dem Repraͤsentationsrechte dazu ge- langen (§. 921.), bekommen den Theil, den ihr Vater, wenn er noch im Le- ben waͤre, haben wuͤrde. §. 927. Eine ausdruͤckliche Erklaͤrung des Willens Von dem Testa- mente. des Verstorbenen, wem das Eigenthum des- sen, was er nach seinem Tode hinterlaͤßt, heim- fallen soll, wie auch von dem, was er uͤber dieses will, das nach seinem Tode geschehen soll, unter der Bedingung, daß die Anneh- mung nicht eher, als nach dem Tode gesche- hen koͤnne, wird ein Testament (testamen- tum) genannt. Derowegen da man auf ei- nen das Eigenthum mit der Bedingung brin- gen kann, daß es erst nach seinem Tode an- genommen werden koͤnne (§. 314.); so fin- det III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. det ein Testament nach dem Rechte der Natur statt, der Erbe darf auch vor dem Tod des Erblassers seinen Willen nicht wissen, und das Testa- ment kann, ehe einer gestorben ist, nach eigenen Gefallen wiederrufen und ge- aͤndert werden (§. cit. ). Derowegen ist klar, daß ein Testament erst nach dem Tode des Erblassers guͤltig und un- wiederruflich werde. §. 928. Von der Enter- bung der Kin- der und der El- tern. Man sagt, die Kinder werden ent- erbt (liberos exheredare), welchen durch aus- druͤcklichen Willen der Eltern die Erbschaft genommen wird. Weil man Kinder verstos- sen kann, verstossene Kinder aber ihr Erb- recht verlieren (§. 925.); so koͤnnen auch Kinder enterbt werden. Da aber ein Recht, welches an und vor sich selbst ihnen nicht genommen werden kann, nicht bloß nach dem Gefallen der Eltern ihnen benommen werden mag (§. 924.); so koͤnnen die Kinder nicht ohne rechtmaͤßige Ursa- che enterbt werden. Welches diese recht- maͤßigen Ursachen sind, laͤßt sich aus dem vorhergehenden von den Ursachen ihrer Ver- stossung abnehmen (§. 924.). Was aber von der Enterbung der Kinder gesagt worden, kann aus eben dem Grunde auf die Enter- bung der Eltern gedeutet werden. §. 929. Von dem Erbrecht. §. 929. Weil die natuͤrliche Verbindlichkeit ande- Von den Ver- maͤcht- nissen. rer Gluͤck zu befoͤrdern, so viel als in unserm Vermoͤgen steht, auch Eltern und Kindern zukommt (§. 134. 38.); so koͤnnen die El- tern, wenn sie ohne ihre Kinder dabey nachzusetzen, oder auch die Kinder, wenn sie ohne ihre Eltern nachzusetzen, das Gluͤck anderer zu befoͤrdern im Stande sind, andern zum Besten, die nicht zu ihrer Familie gehoͤren, oder auch Armen und Duͤrftigen etwas von ihrem hinterlassenen Vermoͤgen zu- wenden; z. E. wenn die Eltern ein grosses Vermoͤgen haben, und die Kin- der schon so viel besitzen, als sie zur Nothdurft, Beqvemlichkeit und Ver- gnuͤgen des Lebens brauchen, und so auch im Gegentheile. Weil man nun die Schenckung einer Sache, oder auch einer gewissen Summe Geldes, welche durch den letzten Willen geschieht, ein Vermaͤchtniß (legatum) zu nennen pflegt; so ist daraus klar, wie weit Vermaͤchtnisse mit dem Rechte der Natur uͤbereinkommen. Man nennt aber einen im Testament Be- dachten (legatarius) eine Person, welcher etwas vermacht worden. Und weil man die Vermaͤchtnisse als eine Beschwerde der Erb- schaft anzusehen hat (§. 409.); so muß der Erbe, weil er die Erbschaft nicht anders als unter dieser Beschwerde erhalten kann (§. 317.), Nat. u. Voͤlckerrecht. U u die III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. die Vermaͤchtnisse zahlen. Es ist aber vor sich klar, daß Vermaͤchtnisse, welche zum Nachtheil der Kinder gereichen, nach dem Rechte der Natur nicht gelten. §. 930. Ob die Seiten- verwand- ten in ei- nem Te- stament uͤbergan- gen wer- den koͤn- nen. Da wir zur Befoͤrderung des Gluͤcks der Seitenverwandten aus keinem besondern Grunde, als in so weit verbunden sind, daß wir in ihnen den Eltern ihre uns erzeigte Wohlthaten vergelten (§. 894. 878.), nicht aber weil wir ihnen dieselbe an und vor sich selbst schuldig sind; so sind wir nicht voll- kommen verbunden ihnen nach dem Tode einiges von unserem Vermoͤgen zu hinterlassen; folglich koͤnnen sie im Testamente uͤbergangen werden; so daß man entweder einen Fremden, oder einen aus den Seitenverwandten, wel- chen man wil, oder auch seine Ehefrau zum Erben einsetzen kann. §. 931. Von der Erbfolge ohne Te- stament, und vom Ueberge- hen der Kinder im Testa- mente. Man sagt, es sey einer Erbe ohne Te- stament (ab intestato succedere), wenn er zum Erbe gelangt, ohne daß ein Testament gemacht worden, oder er von dem Verstorbe- nen im Testamente zum Erben eingesetzt wor- den. Derowegen wenn ein nach des Va- ters Tode gebohrnes Kind (posthumus) auch ein Erbe seines Vaters und sei- ner Voreltern ist (§. 921.); so muß es, ob es gleich im Testamente uͤbergan- gen Von dem Erbrecht. gen worden, zugleich mit den uͤbrigen Kindern zur Erbschaft zugelassen wer- den, und das Testament bestehet nach dem Rechte der Natur in den uͤbrigen Puncten, auch was die Vermaͤchtnis- se betrift, es sey dann abzunehmen, daß der Verstorbene bloß andern et- was vermacht, weil er vermeint, daß der Erben weniger waͤren. Aus eben dieser Ursache verstehet sich eben dieses, wenn eines von den Kindern uͤbergan- gen, aber nicht enterbet worden (§. 928.). §. 932. Da nach dem Rechte der Natur nichts an- Wie ein Testa- ment ge- macht werden muß. ders zu einem Testamente erfordert wird, als daß der Erblasser seinen Willen ausdruͤcklich erklaͤret (§. 927.); so ist das Testament nach natuͤrlichen Rechten guͤltig, wenn es gewiß ist, es sey auf was vor eine Art und Weise es wolle, daß dieses des Verstorbenen letzter Wille sey; folglich wenn er vor Zeugen dieses aus- sagt, oder seinen Willen aufschreibt, oder was von einem andern aufge- schrieben worden, unterschreibt. Es ist aber vor sich klar, daß wenn ein ge- schriebenes Testament von Zeugen un- terschrieben wird, nicht noͤthig sey, daß die Zeugen den Jnhalt wissen (§. cit. ). Man nennt aber ein muͤndlich Testament (testamentum nuncupativum), wenn der U u 2 Erb- III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. Erblasser seinen Willen den Zeugen sagt, der Erbe mag gegenwaͤrtig, oder abwesend seyn: Ein geschriebenes Testament aber (testa- mentum scriptum), wenn der Erblasser sei- nen Willen aufgeschrieben hinterlaͤst. §. 933. Von der Art der Erbfolge ohne Te- stament. Weil es auf vielerley Weise geschehen kann, daß einer seinen letzten Willen nicht bekannt macht; so folgt deswegen nicht, daß er gewollt, sein Vermoͤgen solle nach seinem Tode nie- manden gewissem zugehoͤren, und folglich des- sen seyn, der sich dasselbe zueignet (§. 209. 210.). Derowegen wenn einer ohne Te- stament stirbt, so muß man durch Muthmassung ausmachen, wem er sein Vermoͤgen nach seinem Tode habe verlassen wollen. Solchergestalt gelangt derjenige, dem ohne Testament eine Erbschaft zufaͤllt, wenn sie ihm nicht nothwendig zukommt (§. 924.), aus Vermuthung des Willens des Erblas- sers dazu. Da man nun mit Recht ver- muthet, was mit den Pflichten am meisten uͤbereinkommt, wir aber den Seitenver- wandten auf eine besondere Weise zur Be- foͤrderung ihres Gluͤcks verbunden sind, in so weit nemlich in ihnen den Eltern im ersten und vorhergehenden Grade vergolten wird (§. 930.); so gelangen, wenn keine Erben in der geraden Linie vorhanden, ohne Testament zur Erbschaft nach Graden der Familie, welche in der Familie des Vaters Von dem Erbrecht. Vaters, oder der Mutter sich befin- den, und wenn auch hier keine mehr leben, welche in der Familie des Groß- vaters und der Großmutter und so weiter da sind, so daß man nicht von einer Familie in die andere uͤbergeht, naͤmlich von einer naͤhern in eine entferntere, als wenn in der naͤhern niemand mehr vorhanden, jedoch so, daß man uͤberall keinen Unterscheid zwischen maͤnnli- chen und weiblichen Verwandten macht. §. 934. Weil einer, so bald als er stirbt, das Ei- Wie es zu hal- ten, wenn kein Erbe da ist. genthum verlieret (§. 818.), und folglich die von ihm hinterlassene Sachen, wenn kein Erbe vorhanden, niemanden zugehoͤren; so kann nach dem Rechte der Natur wer da will die Erbschaft sich zu- eignen (§. 210.), oder derjenige, wel- chem das Recht zukommt, niemanden zugehoͤrige Sachen sich zuzueignen (§. 214.). §. 935. Der Erbe bekommt das Eigenthum in dem, Auf wie vielerley Weise ein Erbe kann ein- gesetzt, oder ei- nem et- was ver- macht werden. was von dem Verstorbenen hinterlassen wor- den (§. 916.), und dem etwas vermacht wird, dem wird es gegeben (§ 929.). Auf wie vielerley Weise also etwas gege- ben, oder das Eigenthum auf einen andern gebracht werden kann, auf so vielerley Weise kann auch einer zum Erben ein- U u 3 gesetzt, III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. gesetzt, und einem etwas vermacht werden. Was derowegen aus der ver- schiedenen Art zu geben fließt, das gilt auch von dem Erben, der auf diese, oder eine andere Art eingesetzt worden, und den Vermaͤchtnissen unter dieser, oder einer andern Bedingung. §. 936. Vom Te- stamente, welches ohne Ein- setzung eines Er- ben ge- macht worden. Uebrigens, wenn der Erblasser will es solle sein Erbe seyn, der nach der Erbfolge ohne Testament die Erbschaft bekommt, dennoch aber einem und dem andern etwas vermachen, oder noch sonst etwas haben will, so nach sei- nem Tod geschehen soll; so kann er nach dem Rechte der Natur ein Testament machen, wenn gleich darinnen kein Erbe eingesetzt wird, und darinnen einem und dem andern etwas verma- chen, auch andere Dinge anordnen, welche nach seinem Tode geschehen sol- len (§. 927.), und alsdann ist derjeni- ge Erbe, welcher nach der Erbfolge ohne Testament zur Erbschaft gelangt, und den letzten Willen des Erblassers zu erfuͤllen schuldig (§. 317.). §. 937. Von dem, was zum Te- stament hinzuge- setzt wiꝛd. Und weil der Erblasser im Testament nach seinem Gefallen, so lange er lebt, veraͤndern kann, was er will (§. 927.); so kann nach dem Rechte der Natur so wohl zum Testamente etwas hinzugesetzt werden, wodurch darinnen etwas geaͤndert wird, Von dem Erbrecht. wird, als auch was keine Aenderung macht. §. 938. Ein Vorausvermaͤchtniß (prælega- Von Voraus- veꝛmaͤcht- nissen. tum) nennt man ein Vermaͤchtniß, das ei- ner, oder der andere Erbe vor den uͤbrigen voraus bekommt. Weil es auf den Willen des Erblassers ankommt, wem er etwas ver- machen will (§. 299. 475.), folglich nichts hindert, daß er auch einem Erben etwas ver- macht; so ist das Vorausvermaͤchtniß dem Rechte der Natur nicht zuwider. §. 939. Wenn ein Erbe die Erbschaft, oder Vom Ausschla- gen der Erb- schaft, oder ei- nes Ver- maͤcht- nisses. der, dem etwas vermacht worden, das Vermaͤchtniß ausschlaͤgt; so waͤchst dieser Theil, indem es eben so viel ist, als ob er nicht zum Erben eingesetzt, oder ihm nichts waͤre vermacht worden (§. 920. 339.), der Erbschaft zu. Und da der Erbe durch das, was er thut, dem sein Recht nicht be- nehmen kann, dem etwas vermacht worden (§. 100.), und man nach dem Rechte der Natur auch in einem Testamente einigen gantz allein etwas vermachen kann (§. 936.); so bleiben die Vermaͤchtnisse guͤltig, wenn gleich der Erbe die Erbschaft nicht an- treten will, oder kann. §. 940. Da die Einsetzung eines Erben und eines Von der Substi- tution ei- nes an- Vermaͤchtnisses auf dem Willen des Erblas- sers beruhet (§. 930. 938.); so kann auch U u 4 der III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. dern Er- ben oder auch ei- ner Per- son der etwas vermacht wird. der Erblasser an die Stelle eines ein- gesetzten Erben einen andern setzen (hæredem substituere), dergestalt, daß wenn jener fehlen sollte, dieser an sei- ne Stelle kommt, oder wenn einer das Vermaͤchtniß nicht annehmen kann, oder will, der andere dasselbe erhaͤlt. §. 941. Von den Fidei- commis- sen. Wenn einer die Erbschaft mit der Bedin- gung erhaͤlt, daß er sie entweder gantz, oder einen Theil davon, wie es der Erblasser ver- ordnet hat, einem andern wieder abtreten soll; so nennt man es ein Fideicommiß (fideicommissum), in dem ersten Falle ein allgemeines (universale), in dem aber ein besonderes, und insonderheit ein Familien- Fideicommiß (fideicommissum familiæ), was fuͤr eine Familie gemacht worden, oder wenn der Erblasser verbietet, daß die Sache nicht ausser der Familie veraͤussert werden solle. Daß die Fideicommisse nach dem Rechte det Natur guͤltig sind, erhellet daraus, daß einer ein Testament machen kann, wie er will (§. 930.). §. 942. Von den Erbfolg- vertraͤ- gen. Da der Eigenthumsherr von den ihm zu- gehoͤrigen Sachen eine Verordnung machen kann, wie er will (§. 195.); so sind nach dem Rechte der Natur alle Vertraͤge, welche wegen einer Erbschaft gemacht worden, guͤltig, folglich auch die Erb- folgvertraͤge der Eheleute. §. 943. Von dem Erbrecht. §. 943. Es erhellet vor sich, daß die Ehe ein Ende Von der natuͤrli- chen Erb- folge der Eheleu- te. hat, wenn der eine Ehegatte gestorben, folglich der Gebrauch der Sachen, welche ei- nem jeden zugehoͤren, so viel zur gemeinschaft- lichen Haushaltung hinreichend war (§. 866.), aufhoͤret. Da nun einem jeden die Sachen selbst zugehoͤren; so nimmt der uͤberblie- bene Ehegatte das Seinige zuruͤck, er hat aber zu des verstorbenen Vermoͤ- gen kein Recht. Weil aber doch in dem Falle, da die Liebespflichten, welche andern zu erweisen, wider einander laufen, ein E- hegatte andern vorzuziehen ist (§. 869.); so soll ein Ehegatte, wenn der uͤber- lebende keine eigene Guͤter hat, oder dieselben zur Nothdurft, Beqvem- lichkeit und Vergnuͤgen nicht hinrei- chen, ihm nach seinem Tode nach Be- schaffenheit seines Vermoͤgens einen Theil davon hinterlassen, als entwe- der zur Nothdurft allein, oder auch zur Beqvemlichkeit, und zum Vergnuͤ- gen des Lebens hinreichend ist, oder wenigstens den Nießbrauch davon, oder auch von seinem gantzen Vermoͤ- gen entweder zeitlebens, oder so lange er unverheyrathet verbleibet, nach- dem es die besondern Umstaͤnde erfor- dern; folglich wenn kein Erbe in der geraden Linie vorhanden (§. 921. 922.); so kann ein Ehegatte den andern zum U u 5 Erben III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstuͤck. Erben einsetzen, oder wenn auch einer vorhanden und er ihn aus andern Ur- sachen zum Erben nicht einsetzen will; so kann er ihn doch mit einem Ver- maͤchtnisse (§. 829.), oder einem Fidei- commiß (§. 941.), oder einem gewis- sen Nießbrauch bedencken. §. 944. Von der Unauf- loͤßlich- keit der Ehe. Weil die Eltern nicht nur ihre Kinder mit gemeinschaftlicher Sorgfalt (§. 856.) und auf gemeinschaftliche Kosten erziehen (§. 866.), sondern auch, so viel an ihnen ist, ihr Gluͤck befoͤrdern (§. 892.), und ihnen nach ihrem Tode ihre Guͤter hinterlassen sollen (§. 921.), ja auch stillschweigend zur Leistung aller Lie- besdienste sich gegen sie verbinden (§. 869.), und ein Ehegatte vor den andern sorgen soll, daß er nach seinem Tod, so viel an ihm ist, keinen Mangel leide an dem, was zur Noth- durft, Beqvemlichkeit, und zum Vergnuͤgen erfordert wird; so ist nach dem Rechte der Natur die Ehe unaufloͤßlich. §. 945. Von den Kindern, die aus unrecht- maͤßigen Bey- schlafe erzeuget worden. Den Kindern kanns nicht zugerechnet wer- den, daß sie aus einem unrechtmaͤßigen Bey- schlafe erzeuget worden (§. 873.). Weil al- so nach der Natur unter Kindern, die aus einem unrechtmaͤßigen Beyschlafe und einem rechtmaͤßigen erzeugt worden, kein Unter- schied ist; so haben von Natur Kinder, die aus einem unrechtmaͤßigen Bey- schlafe erzeugt worden, mit den an- dern Von dem Erbrecht. dern einerley Recht zu der Erbschaft ihrer Eltern. §. 946. Da zwischen Bruͤdern und Schwestern Von der Ehe mit Seiten- verwand- ten. keine Pflichten zu erdencken sind, als nur die- jenigen, deren Grund darinnen enthalten ist, daß sie von gemeinschaftlichen Eltern herkom- men; so kann man auch keine Pflichten an- geben, welche mit den Pflichten der Eheleu- te gegen einander nicht bestehen koͤnnten, wie dieses zwischen Eltern und Kindern statt fin- det (§. 895.). Derowegen da die Ehe zwi- schen Bruͤdern und Schwestern von Natur nicht unerlaubt ist; so kann sie noch weniger zwischen den uͤbrigen Seitenverwandten unerlaubt seyn. Es ist aber eine andere Frage, ob dergleichen E- hen aus Ursachen, die vom Staate herge- nommen werden, in einem wohleingerichteten Staat verboten werden sollen. Das sechste Hauptstuͤck. Von der Knechtschaft und der herrschaftlichen Gesellschaft. §. 947. D ie Knechtschaft (servitus) ist eine Was die Knecht- schaft sey. Unterwerfung, wodurch jemand zu bestaͤndiger Arbeit vor bestaͤndigen Unterhalt verbunden ist. Wer die Ar- beit zu leisten verbunden ist, heisset ein Knecht III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtschaft Knecht (servus), oder wenn es eine Weibs- person ist, eine Magd (ancilla); wer den Unterhalt giebt, der Herr (dominus); und das Recht des Herrn uͤber den Knecht die herrschaftliche Gewalt (potestas domini- ca). Es ist aber eine vollkommne Knechtschaft (servitus perfecta), wenn die Arbeit, welche er bestaͤndig liefern muß, ungemessen ist; folglich vom Herrn nach sei- nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge- gen eine unvollkommne (servitus imper- fecta), wenn der Knecht nur gemessene Dien- ste zu leisten schuldig ist, oder sie auch nicht bestaͤndig, oder nicht unausgesetzt leisten darf. §. 948. Von der freywil- ligen Knecht- schaft. Weil derjenige, der durch seine Arbeit er- werben muß, was er zu Nahrung und Klei- dung braucht, sich zur Arbeit einem andern vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es auf seinem Willen beruhet, zu was vor Ar- beit, oder Diensten er sich vermiethen will (§. 225. 195.); so hat ein jeder, der nicht anders als durch arbeiten und dienen Unterhalt haben kann, das Recht, sich in die Knechtschaft zu begeben (§. 947.). Weil nun alsdann die Knechtschaft aus einem Vertrag entsteht, welche man die freywillige (voluntaria) nennt: so sind in der freywilligen Knechtschaft die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Vertrag zu ermessen; und vermoͤge der natuͤr- und der herrschaftlichen Gesellschaft. natuͤrlichen Freyheit muß man einem je- den zulassen, daß er sich nach seinem Gefallen in die Knechtschaft begiebt (§. 78.), folglich auch verkauft (§. 587.), oder auf eine jede andere Weise ver- aͤussert. §. 949. Weil die Eltern die Kinder zu erziehen ver- Ob die Eltern die Kin- der, oder der Mann die Frau verkau- sen kann. bunden sind (§. 855.); so ist es ihnen er- laubt die Kinder in die Knechtschaft zu verkaufen, wenn sie auf keine ande- re Weise ihnen den noͤthigen Unterhalt verschaffen koͤnnen, und was sonst zur Auferziehung erfordert wird (§. 46.). Weil aber weder die Kinder die Schulden der Eltern zu bezahlen verbunden sind, noch auch die Frau die Schulden des Mannes (§. 873.); so koͤnnen die Eltern die Kin- der und der Mann die Frau nicht Schulden wegen verkaufen. §. 950. Weil aber nach dem Rechte der Natur die Von der Knecht- schaft ei- nes Schuld- ners. Guͤter des Schuldners dem Glaͤubiger fuͤr ei- ne jede Schuld verpfaͤndet sind, damit der Glaͤubiger davon befriediget werden kann (§. 705.), man aber die Arbeit und Dienste, welche einer leisten kann, den Sachen gleich schaͤtzt, welche einem zugehoͤren (§. 225.); so kann der Glaͤubiger den Schuldner, der nicht bezahlen kann, zu seinem Knechte machen, bis er die Schuld abgearbeitet, oder abgedienet hat; folglich III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtschaft folglich kann er ihn auch einem andern, der fuͤr ihn bezahlt, oder fuͤr einen ge- wissen Preiß in die Knechtschaft uͤber- geben (§. 338. 342.). Man nennt aber eine gezwungene Knechtschaft, in die einer wider seinen Willen sich begeben muß. §. 951. Von dem Rechte des Herꝛn uͤber den Knecht. Da der Knecht dem Herrn Arbeit und Dienste zu leisten schuldig ist (§. 947.); so hat der Herr kein Recht uͤber ihn, als in Ansehung der Arbeit und der Dien- ste; folglich hat er auch das Recht ihn zu der Arbeit und den Diensten zu ver- binden, und wenn er nicht gutwillig thun will, was er soll, oder sich darin- nen nachlaͤßig erzeiget, ihn zu strafen, und also mit Drohungen und Schlaͤ- gen dazu anzuhalten (§. 35. 93.). §. 952. Von den Liebes- diensten, die ei- ner dem Knechte schuldig ist. Da der Knecht nicht aufhoͤrt ein Mensch zu seyn; so muß der Herr den Knecht auch lieben und ihm die uͤbrigen Lie- besdienste leisten, welche ein Mensch dem andern schuldig ist (§. 38. 133.); folglich nicht erlauben, daß er den La- stern ergeben ist, sondern davor sor- gen, daß er sich der Tugend befleißi- ge (§. 139.); und er hat auch das Recht dem Knechte zu befehlen, was mit dem Gesetze der Natur uͤbereinkommt, und zu verbieten, was demselben zuwider ist (§. 951.). §. 953. und der herrschaftlichen Gesellschaft. §. 953. Weil die Arbeit fuͤr den Unterhalt geleistet Von der Arbeit, die man von ei- nem Knechte fordern kann. wird (§. 947.); so muß der Herr dem Knechte gesunde Speise und Tranck, so viel er noͤthig hat, und Kleidung, seinen Leib wider Luft und Wetter zu verwahren, verschaffen (§. 114. 115.), und nicht mehr Arbeit aufle- gen, als er ohne Verlust der Gesund- heit ertragen kann (§. 124. 37.). §. 954. Die Arbeit des Knechts, welche vorhin Wem der Knecht erwirbt, und ob er was eigenes haben kann. als eine ihm eigenthuͤmliche Sache anzusehen war (§. 225.), muß nun als eine dem Herrn zugehoͤrige angesehen werden (§. 951.); was also der Knecht durch seine Arbeit er- wirbt, das erwirbt er dem Herrn (§. 226.). Wenn er aber anders woher et- was bekommt, oder es in den Ruhe- stunden, welche ihm der Herr verwil- liget, durch seine Arbeit erwirbt, das gehoͤrt ihm zu. Man nennt aber das Vermoͤgen des Knechts (peculium ser- vi) die Sachen und das Geld, welches er, es sey auf was vor Art und Weise es wolle, ausser dem Dienste des Herrn erwirbt (§. 195.). Dieses kann der Herr nicht in seinen Nutzen verwenden (§. 195.), er ist aber doch nicht zu leiden schuldig, daß der Knecht dasselbe mißbraucht (§. 952.), und der Herr muß davon befriediget werden, wenn der Knecht ihn III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtschaft ihn vorsaͤtzlich, oder aus Versehen in Schaden bringet (§. 270.), indem er sonst gestraft werden muͤste (§. 93.). §. 955. Was die berr- schaftli- che Ge- walt vor ein Recht ist. Da die herrschaftliche Gewalt ein Recht ist, dem Knechte, so wie es ihm gut duͤnket, und dem Gesetze der Natur gemaͤß ist, vorzuschreiben, was er zu thun und zu lassen hat (§. 951. 952.); so ist dieselbe ei- ne Herrschaft (imperium) (§. 833.). De- rowegen pflegt man es auch die Herrschaft des Herrn (imperium herile) zu nennen. Der Herr hat also kein Recht uͤber den Leib und das Leben des Knechts: folglich hat er nach dem Rechte der Natur kein Recht uͤber sein Leben und Tod (jus vitæ \& necis). Derowegen da man sagt, man wuͤte wider den Knecht (in servum sævire), wenn man ihn bestaͤndig mit harten Worten anfaͤhrt, ob er gleich in seiner Arbeit fleißig ist, oder bloß deswegen, weil er nicht uͤber sein Vermoͤgen gearbeitet hat, oder auch wohl bloß aus Haße, ohne daß der Knecht das geringste verschuldet, zu harte mit ihm umgehet; so ist es nicht er- laubt gegen einen Knecht zu wuͤten. §. 956. Von der Verbind- lichkeit eines Knechts. Weil die Knechte dem Herrn unter- worfen sind (§. 955. 835.); so sollen sie ihm gehorchen (§. 835.); und folglich thun, was er befiehlet, und unterlassen, was er und der herrschaftlichen Gesellschaft. er verbietet (§. cit. ), und die schuldige Arbeit mit allem Fleiß verrichten (§. 947. 921.). §. 957. Weil ein jeder nach seinem Gefallen sein Von der Veraͤus- serung eines Knechts. Recht veraͤussern kann (§. 257.); so kann der Herr auch den Knecht, das ist, das Recht, welches er zu seiner Arbeit und Dien- sten hat, wie und wem er will, ver- aͤussern, z. E. verkaufen. §. 958. Da auch ein jeder sich seines Rechtes bege- Von der Freylas- sung der Knechte. ben kann (§. 342.), und wenn dieses ge- schieht der Knecht frey wird (§. 337.), man aber sagt, daß der Knecht freygelassen wer- de (manumitti), wenn der Herr ihm seine Freyheit schenckt, oder wieder giebt; so kann der Herr den Knecht freylassen, jedoch nicht wider seinen Willen, wenn die Knechtschaft aus einem Vertrage kom- met (§. 438.). §. 959. Weil die Kinder der Magd auf Kosten Von den Kindern einer Magd und der Heyrath der Knechte. des Herrn erzogen werden, und er uͤberdem die Arbeit missen muß, welche die Mutter des Kindes wegen zu leisten verhindert wird; so wird der von einer Magd geboh- ren ist, so lange ein Knecht, bis die Kosten der Erziehung und der verur- sachte Schaden wieder ersetzt worden. Der Vertrag, welchen eine Magd mit dem Knechte um Kinder zu erzeugen macht, ist Nat. u. Voͤlckerrecht. X x eine III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtschaft eine Ehe, ob ihn gleich die Roͤmer mit ei- nem besonderen Nahmen contubernium ser- vile genannt haben. Weil aber doch der Herr die Kinder auf seine Kosten erziehen muß; so wird zur Heyrath der Knech- te die Einwilligung des Herrn erfor- dert. §. 960. Von der herr- schaftli- chen Ge- sellschaft. Wenn sich jemand zu gewisser Arbeit, oder gewissen Diensten auf eine gesetzte Zeit fuͤr den Unterhalt und einen gewissen Lohn ver- miethet; so nennen wir eine Mannsperson ei- nen Diener (famulus), und der ihn mie- thet, seinen Herrn (herus). Man muß also aus dem Vertrage die Rechte und Verbindlichkeit des Herrn und des Dieners ermessen. Jn so weit aber bey- der Theile Vortheil befoͤrdert wird, in deren Ansehung der Herr den Diener miethet, und der Diener sich ihm vermiethet; so wird zwi- schen dem Herrn und Diener eine Gesell- schaft errichtet (§. 836.), welche man die herrschaftliche (societas herilis) nennt. Es kom̃t mit derselben die freywillige Knechtschaft uͤberein (§. 948.), und die Diener begeben sich in eine unvollkommne Knecht- schaft (§. 947.). §. 961. Von der Verbind- lichkeit eines Dieners. Da der Diener dem Herrn zu gewisser Ar- beit und Diensten vollkommen verbunden ist (§. 960. 438.); so hat der Herr das Recht ihn dazu zu verbinden, daß er thut, was und der herrschaftlichen Gesellschaft. was er abgeredeter massen befehlen kann. Wofern er sich aber weigert, oder nachlaͤßig ist; so kann er ihn vor der Zeit abschaffen (§. 442.). Weil al- so der Diener die Geschaͤfte des Herrn nicht verabsaͤumen darf; so kann er zu der Zeit, wenn er in des Herrn Geschaͤften ist, die seinigen nicht abwarten, als mit Einwilligung des Herrn (§. 337.); als der von seinem Rechte nachlassen kann, wie viel er will (§. 342.). Da aber der Herr in keinen Schaden gesetzt wird, wenn der Diener die Zeit, in welcher er von Geschaͤften des Herrn frey ist, zu sei- nem Nutzen anwendet, so kann der Herr ihm dieses nicht verwehren. §. 962. Da niemand einen andern einem dritten Daß man nie- manden einen an- dern Diener oder Herrn statt sei- ner auf- dringen koͤnne. wider seinen Willen verbindlich machen kann (§. 78.); so kann wehrendes Contracts weder der Herr dem Diener einen an- dern Herrn, noch auch der Diener dem Herrn einen andern Diener an seine Stelle aufdringen. Wenn aber der Herr will, daß der Diener einige Dienste, die er ihm sonst leisten muͤste, und die er unterdeß missen will, einem andern leisten soll; so kann, indem hierin nichts geschieht, was dem Rechte des Dieners zuwider ist (§. 83.), der Herr den Diener einem andern auf ei- nige Zeit leihen (§. 515.). X x 2 Das III. Theil 1. Abth. 7. Hauptstuͤck. Das siebente Hauptstuͤck. Von dem Hause. §. 963. Von der zusam- menge- setzten u. einfa- chen Ge- selischaft. E ine zusammengesetzte Gesellschaft (societas composita) nennt man, die aus andern einfachen, oder weniger zusammengesetzten besteht; eine einfache Gesellschaft aber, deren Glieder eintzele Personen sind (individua physica). Die Glieder in zusammengesetzten Gesell- schaften sind also gantze Gesellschaften, welche wie moralische eintzele Personen be- trachtet werden (§. 96.). §. 964. Was das Haus ist. Das Haus (domus) nennt man die aus der ehelichen, vaͤterlichen und herrschaftlichen, oder wenigstens aus zwey von ihnen zusam- mengesetzte Gesellschaft. Jenes ist ein voll- kommenes (perfecta), dieses ein unvoll- kommenes Haus. Man nennt aber den Hausvater (paterfamilias), der in der ehe- lichen Gesellschaft der Mann, in der vaͤter- lichen der Vater, in der herrschaftlichen der Herr genannt wird. Die Hausmutter aber (materfamilias), welche in der ehelichen Gesellschaft die Ehefrau, in der vaͤterlichen die Mutter, in der herrschaftlichen die Haus- mutter genannt wird. Die Kinder und das Gesinde, in so fern diese als schlechtere Glie- der des Hauses sind, werden Hausgenos- sen Von dem Hause. sen (domestici) genannt; ob gleich dieses Wort zuweilen allein auf das Gesinde einge- schraͤnckt wird. Weil die einfachen Gesell- schaften, woraus das Haus bestehet, in dem- selben verbleiben; so sind auch alle Rech- te und Verbindlichkeiten der Glieder des Hauses aus den Absichten der ein- fachen Gesellschaften zu ermessen. Da aber gleichwohl die einfachen Gesellschaften zusammen vereiniget werden; so muß sich ein jeder in acht nehmen, damit er dem andern auf keine Art und Weise in Ausuͤbung seiner Pflicht hinderlich falle. §. 965. Da man eine Gesellschaft um eine gewisse Von der Absicht des Hau- ses und dem Recht u. der Ver- bindlich- keit, wel- che daher entsteht. Absicht mit gemeinschaftlichen Kraͤften zu er- reichen errichtet (§. 836.); so muß das Haus auch seine besondere Absicht ha- ben; und da die einfache Gesellschaften ver- bleiben, kann es keine andere seyn, als daß durch die gemeinschaftliche Kraͤfte derer, welche Glieder der einfachen Gesellschaften sind, die Wohlfahrt der einfachen Gesellschaften desto besser befoͤrdert werde; folglich, wenn jemand ein Glied einer einfachen Gesellschaft, welche ein Glied einer zusammengesetz- ten, z. E. des Hauses wird, so verbin- det er sich dadurch stillschweigend, daß er die Wohlfahrt der einfachen Ge- sellschaften, daraus sie bestehet, so viel X x 3 an III. Theil 1. Abth. 7. Hauptstuͤck. an ihm ist, befoͤrdern will. Derowe- gen erhaͤlt er auch stillschweigend die Rechte, welche zu Erfuͤllung dieser Verbindlichkeit noͤthig sind (§. 46.). §. 966. Von der Herr- schaft im Hause. Weil in der ehelichen Gesellschaft die Ehe- leute (§. 870.), in der vaͤterlichen die Eltern (§. 888), in der herrschaftlichen der Haus- herr und die Hausmutter die Herrschaft ge- meinschaftlich haben (§. 955.); so hat nach dem Recht der Natur im Hause der Hausvater mit der Hausmutter die Herrschaft gemeinschaftlich, sie koͤn- nen es aber mit einander verabreden, daß sie der Hausvater allein habe, und sie theils selbst, theils durch die Haus- mutter verwaltet. Es kann auch die Art der Verwaltung verabredet wer- den (§. 667.). §. 967. Von Hausge- setzen. Daraus folgt, daß, da das Haus als eine Ge- sellschaft (§. 964.) seine Gesetze haben muß (§. 846.); die Gesetze im Hause durch die gemeinschaftliche Einwilligung des Hausvaters und der Hausmutter ge- macht werden, wenn sie nicht in An- sehung der Herrschaft und ihrer Ver- waltung etwas besonders mit einan- der verabredet haben. Man nennt aber dieses Hausgesetze (leges domesticæ). Und da sie die Mittel vorschreiben sollen, wodurch die Von dem Hause. die Absicht des Hauses erhalten wird (§. 846.); so muͤssen sie aus der Absicht des Hau- ses hergeleitet werden. §. 968. Weil also die Absicht des Hauses ohne die Von der Wach- samkeit des Hausva- ters und deꝛ Haus- mutter. Beobachtung der Hausgesetze nicht erreicht werden kann (§. 967.); so muͤssen der Hausvatet und die Hausmutter fleis- sig auf die Hausgenossen acht geben, was sie thun, oder unterlassen; folglich da die Wachsamkeit (vigilantia) in dem Fleisse besteht, auf alles acht zu geben, was geschieht, und was zu wissen dienlich ist, da- mit nicht leicht etwas unserer Erkentniß ent- zogen werde: so muͤssen der Hausvater und die Hausmutter wachsam seyn. §. 969. Und weil der Hausvater und die Hausmut- Vom Ansehen des Hausva- ters und deꝛ Haus- mutter. ter zusammengenommen die haͤusliche Herr- schaft fuͤhren, oder der Hausvater sie wenig- stens zum theil durch die Hausmutter verwal- tet (§. 967.); so muß der Hausvater und die Hausmutter davor sorgen, daß ein jeder Theil von ihnen in Anse- hen erhalten werde, und keiner von beyden sein eigenes Ansehen vermin- dere. §. 970. Es kommt aber mit der Natur eines Hau- Von bey- der Sorgfalt im Hause. ses sehr wohl uͤberein, daß der Hausva- ter und die Hausmutter genau davor sorgen, daß die Sitten der Kinder X x 4 nicht III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten nicht durchs Gesinde, und das Ge- sinde im Gegentheil nicht durch die Kinder verdorben werde. Derowegen sollen sie nicht erlauben, daß sich die Kinder mit dem Gesinde zu gemein machen, noch uͤber sie einiges Recht anmassen. §. 971. Von den Liebes- pflichten. Weil man endlich die Liebespflichten einem jeden, so viel in unserem Vermoͤgen stehet, schuldig ist (§. 133.); so muͤssen diejeni- gen, welche in einem Hause bey einan- der leben, bey jeder sich ereignenden Gelegenheit einander alle Liebesdien- ste erweisen. Die zweyte Abtheilung. Von der oͤffentlichen Herrschaft, oder dem Recht eines Staats. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Ursprung der Staaten und der oͤffentlichen Herrschaft. §. 972. Warum ein Staat einzufuͤh- ren, und von seineꝛ Absicht. W ir erkennen sehr leicht, daß eintzele Haͤuser sich selbst dasjenige nicht hinreichend verschaffen koͤnnen, was zur Nothdurft, Bequemlich- keit und dem Vergnuͤgen, ja zur Gluͤckselig- keit und der oͤffentlichen Herrschaft. keit erfordert wird, noch auch ihre Rechte ruhig geniessen, und was sie von andern zu fordern haben, sicher erhalten, noch auch sich und das ihrige wider anderer Gewaltthaͤtig- keit schuͤtzen koͤnnen. Es ist also noͤthig, das- jenige durch gemeinschaftliche Kraͤfte zu er- halten, was eintzele Haͤuser vor sich nicht er- halten koͤnnen. Und zu dem Ende muͤssen Gesellschaften errichtet werden (§. 836.). Ei- ne Gesellschaft, die zu dem Ende gemacht wird, heisset ein Staat (civitas). Daher er- hellet, daß durch Vertraͤge der Men- schen die Staaten entstanden (§. 836.), und die Absicht eines Staats bestehe in hinlaͤnglichen Lebensunterhalt (in suffi- cientia vitæ), d. i. im Ueberfluß alles dessen, was zur Nothdurft, zur Bequemlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens, auch zur Gluͤckseligkeit des Menschen erfordert wird, in der innern Ruhe des Staats (tranquillitate civitatis), d. i. in der Befreyung von der Furcht fuͤr Unrecht, oder Verletzung seines Rechts (§. 87.), und der Sicherheit (securitate), oder der Befreyung von der Furcht vor aͤus- serer Gewalt. Die Wohlfahrt eines Staats aber (salus civitatis) bestehet in dem Genuß des hinlaͤnglichen Lebens- unterhalts, der Ruhe und der Sicher- heit (§. 837.). Jn so weit nun dieses zu erhalten stehet, wird es das gemeine Beste (benum publicum) genannt (§. cit. ). X x 5 §. 973. III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten §. 973. Was das gemeine Wesen sey. Die Einrichtung eines Staats nennt man das gemeine Wesen (respublica). Ob- gleich einige den Staat und das gemeine We- sen fuͤr einerley halten, so geschieht dieses doch mit Unrecht; massen der Vertrag, wo- durch ein Staat errichtet wird, von der Ein- richtung desselben unterschieden ist, in wel- cher man die Mittel, die Absicht des Staats zu erreichen, fest stellet. Denn aus jenem erhaͤlt der Staat noch nicht seine besonde- re Art (forma specifica), sondern aus dieser. §. 974. Was ein Volck, ein Buͤr- ger, ein Fremder und ein Einwoh- ner ist. Die Menge der Menschen die sich in einen Staat zusammen begeben, nennt man ein Volck (populus, gens). Eine Menge Menschen also, die in einer andern Ab- sicht als derjenigen, die bey einem Staate statt findet (§. 972.), sich in ei- ne Gesellschaft zusammen begeben, ist kein Volk. Die Glieder eines Staats, oder alle und jede, welche eine buͤrgerliche Ge- sellschaft ausmachen, werden Buͤrger (ci- vis) genannt; wer aber kein Mitglied des Staats ist, ist ein Fremder (peregrinus); und ein Fremder, dem es erlaubt ist in einem andern Staate zu wohnen und daselbst sein Geschaͤfte zu treiben, heist ein Einwohner (incola). §. 975. Von der Veꝛbind- Da aus dem Vertrage, wodurch ein Staat errich- und der oͤffentlichen Herrschaft. errichtet wird (§. 972.), die Verbindlichkeit lichkeit der ein- zelen Glieder und aller zusam- men. entsteht (§. 438.); so ist jedes einzeles Glied allen zusammengenommen das gemeine Beste nach seinen Kraͤften zu befoͤrdern verbunden, und alle zusam- mengenommen sind jedem einzelen Gliede verbunden davor zu sorgen, daß es ihm an hinlaͤnglichen Lebens- Unterhalt, an Ruhe und Sicherheit nicht fehle (§. 972.); folglich darf von keinem Theile etwas geschehen, das dieser Verbindlichkeit zuwider laͤuft, und haben demnach alle das Recht ei- nen jeden ins besondere anzuhalten, daß er seiner Verbindlichkeit ein Genuͤge leiste. §. 976. Weil man also in einem Staate nichts Von dem Haupt- gesetze eines Staats. thun soll, was seiner Wohlfahrt zuwider ist (§. 972. 975.); so ist das gemeine Beste in demselben das Hauptgesetze; folglich wenn das gemeine Beste erfordert, auf gewisse Weise mit besonde- ren Personen zugehoͤrigen Sachen, ja selbst mit ihnen zu verfahren; so ha- ben alle zusammengenommen, oder das Volck das Recht dazu. §. 977. Da alle, welche sich in einen Staat zusammen Von der Freyheit eines Staats, oder Volckes. begeben, frey sind (§. 77.), und dadurch, daß sie sich in den Staat begeben, niemanden, als nur sich unter einander verbindlich machen (§. 972.); III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten 972.); so wird nach dem Gesetze der Natur ein jeder Staat als eine freye Person angesehen, die im natuͤrlichen Stande lebt (§. 850.); welches auch da- her erhellet, weil der Staat eine Gesellschaft ist (§. 972. 850.). §. 978. Von dem Rechte dasjenige zu be- stimmen, was die Absicht des Staats zu errei- chen noͤ- thig ist. Da von Natur ein jeder Staat, oder so wie er nach seinem Ursprunge beschaffen, frey ist (§. 977.), und also in allem, was er vornimmt, kein ander Volck, oder Mensch, er mag seyn wer er will, ihm etwas zu sagen hat (§. 77.); so hat er auch das Recht nach seinem Wohlgefallen es einzu- richten, auf was Art und Weise das gemeine Beste befoͤrdert werden soll, oder die Mittel zu erwehlen, wodurch die Absicht des Staats erhalten wer- den soll; folglich nicht allein dasjenige anzuordnen, was in dieser Absicht noͤ- thig ist, und was bestaͤndig auf einer- ley Weise geschehen soll, und also Ge- setze zu geben (§. 39.), sondern auch zu beschliessen, was in jedem vorkom- menden Falle zu thun ist. Es erhellet aber, daß dieses alles mit aller Einwil- ligung geschehen muͤße (§. 841.). Da es aber nicht wohl angehet, daß jederzeit alle mit einander eines sind; so muß man was der groͤste Theil vor gut befindet, fuͤr den Willen aller halten, und also wird der und der oͤffentlichen Herrschaft. der kleinere Theil durch den groͤssern verbunden. §. 979. Da das Recht, welches alle zusam- Von dem Ursprung der Herr- schaft in einem Staate. men uͤber einen jeden ins besondere ha- ben, darinnen bestehet, daß sie vorschreiben, was ein jeder zu thun hat (§. 978.); so ist es eine Herrschaft (§. 833.), welches die Herrschaft eines Staats, oder die Staatsherrschaft (imperium civile), oder auch desselben Gewalt (potestas civilis) ge- nannt wird. Sie entsteht also aus dem Ver- trage, wodurch der Staat errichtet worden (§. 972.), und ist urspruͤnglich bey dem Volcke (§. 974.), als eine ihm eigenthuͤmliche uncoͤrperliche Sache (§. 206.). §. 980. Da die Herrschaft in einem Staate aus Von den Schran- cken der Staats- herr- schaft. seiner Absicht ermessen werden muß (§. 976. 972.); so erstreckt sie sich nicht weiter als auf die Handlungen der Buͤrger, welche zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt gehoͤren; folglich da nur bloß in Absicht dieser Handlungen die natuͤrliche Freyheit der einzelen Glieder eingeschraͤnckt wird (§. 975. 77.); so bleibt sie in Anse- hung der uͤbrigen Handlungen unge- kraͤnckt. §. 981. Weil die Herrschaft in einem Staate in Daß in einem Staate ihrer Ausuͤbung frey ist von einem jeden an- dern III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten die hoͤch- sie Ge- walt ist. dern Volck, und einem jeden andern Menschen (§. 975. 77.); so kann auch keine Hand- lung, welche die Ausuͤbung der Herr- schaft betrift, auf einige Weise von einem Menschen vernichtet werden. Derowegen da man das die hoͤchste Ge- walt (imperium summum) nennt, wenn nichts, was unternommen wird, von keinem Menschen vernichtet werden kann; so ist die Herrschaft in einem Staate an und vor sich selbst, wie sie naͤmlich urspruͤng- lich dem Volck zukommt (§. 979.), die hoͤchste. §. 982. Wie es das Volck mit der Herr- schaft machen kann, und von dem Rechte des Re- genten. Da die Herrschaft in einem Staat ur- spruͤnglich bey dem Volck als eine ihm eigen- thuͤmliche Sache ist (§. 979.); so muß, wenn ein Staat eingerichtet werden soll, das Volck, oder alle zusammen un- ter sich ausmachen, ob sie die Herr- schaft vor sich behalten, oder einer Person, oder mehreren zusammenge- nommen, entweder gantz, oder zum Theil, unter einer gewissen Bedingung, oder ohne alle Bedingung auftragen wollen, ob wiederruflich, oder unwie- derruflich, ob auf eine gewisse Zeit, oder auf die gantze Lebenszeit, ob dergestalt, daß sie von einer Person auf gewisse andere kommen soll, oder nicht, ob es bloß in Ansehung der Verwal- tung, oder der Herrschaft selbst gesche- hen und der oͤffentlichen Herrschaft. hen solle. Derowegen da man die Person den Regenten in einem Staate (re- ctor civitatis) nennt, welchem die Herrschaft zu verwalten aufgetragen worden; so muß das Recht eines Regenten aus dem Willen des Volcks ermessen werden, den es hatte, da ihm die Herrschaft aufgetragen worden. §. 983. Da die Herrschaft in einem Staate in dem Von der Einthei- lung der Herr- schaft. Rechte besteht, dasjenige anzuordnen, was zu Befoͤrderung des gemeinen Bestens erfor- dert wird (§. 602.); so begreift sie verschie- dene Rechte in sich, welche Grotius partes imperii potentiales, oder rechtliche Thei- le der Herrschaft nennt. Und deswegen heißt die voͤllige Herrschaft (imperium plenum), welche um keinen Theil vermin- dert worden; die nicht voͤllige (imperium minus plenum) aber, welche um einen, oder den andern Theil vermindert worden. Eine eingeschraͤnckte Herrschaft aber (impe- rium limitatum) wird genannt, die an ge- wisse Gesetze gebunden ist, oder eines andern Einwilligung vonnoͤthen hat; eine uneinge- schraͤnckte Herrschaft aber (imperium ab- solutum), welche auf keine Art und Weise eingeschraͤnckt ist. Es kann also eine nicht voͤllige Herrschaft uneingeschraͤnckt, und also die hoͤchste seyn (§. 981.); die voͤllige Herrschaft aber kann einge- schraͤnckt, ja in einem Theile einge- schraͤnckt, III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten schraͤnckt, in einem andern unum- schraͤnckt seyn. Wenn die Herrschaft auf gewisse Zeit jemanden aufgetragen wird, ist es eine nicht immer waͤhrende Herr- schaft (imperium temporarium); welche unumschraͤnckt, und also die hoͤchste seyn kann: wenn es unter der Bedingung geschie- het, so lange als es dem Volcke gefallen wird; so hat man sie nur bittweise (impe- rium precarium). Und also kann eine bitt- weise besessene Herrschaft jeden Augen- blick wiederrufen werden; folglich nicht die hoͤchste seyn (§. 981.), ob sie gleich unumschraͤnckt seyn kann. §. 984. Von den Grund- gesetzen. Die Gesetze, an welche die Verwaltung der Herrschaft gebunden ist, werden Grund- gesetze (leges fundamentales) genannt. De- rowegen ist dieses auch ein Grundgese- tze, daß der Regente in gewissen An- gelegenheiten die Einwilligung des gantzen Volcks, oder gewisser Perso- nen noͤthig hat, wie auch dasjenige, worinnen man die Art und Weise die Herrschaft einem aufzutragen fest stel- let. Es erhellet ausser dem, daß der Re- gente eines Staats zu Beobachtung der Grundgesetze verbunden ist, und dieselbe nicht nach seinem Gefallen aͤn- dern kann (§. 982.). Da aber die Grund- gesetze von dem Volcke gemacht wer- den (§. 978.); so koͤnnen sie auch von ihm und der oͤffentlichen Herrschaft. ihm aufgehoben und veraͤndert wer- den, wofern nur das Recht, welches der Regent eines Staats, oder seine Nachfolger dadurch erlangt, nicht ver- mindert wird (§. 86. 100.). Weil aber die Grundgesetze vom Volk gemacht werden, welches nach seinem Velieben die Herrschaft dem Regenten auftraͤgt (§. 982.); so ist der Regente, der eine unumschraͤnckte Herrschaft hat, an die Gesetze nicht gebunden, nach welchen er die Herr- schaft zu verwalten sich erklaͤret, oder auch gewisse Personen bestellt, ohne deren Einwilligung er nichts thun will, und sind dieses keine Grundge- setze, ja wenn es ihm gefaͤllt, so kann er sie gar wieder aufheben. Derowe- gen verbleibet auch dessen ungeachtet die Herrschaft unumschraͤnckt (§. 983.), und die hoͤchste (§. 980.). Eben dieses gilt, wenn das Volck nur seinen Wil- len in Ansehung einiger Puncte an- zeigt, was der Regent thun oder las- sen soll, nicht aber ausdruͤcklich erklaͤrt, daß sie sich nicht nach seinem Gutduͤn- cken richten wollen, oder einige Per- sonen bestimmet, ohne deren Einwil- ligung er nichts beschliessen soll; indem sich das Volck kein Recht uͤber das, was der Regente thut, vorbehaͤlt. §. 985. Da die Beschaffenheit guter, oder schlim- Wie die Herr- Nat. u. Voͤlckerrecht. Y y mer III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten schaft ei- nem nicht aufgetra- gen wer- den kann. mer Handlungen, indem nicht alle auf einer- ley Weise davon urtheilen, nicht geschickt ist das Recht des Regeuten und des Volcks zu entscheiden; so kann einem die Herr- schaft nicht mit der Bedingung aufge- tragen werden, daß das Volck, wenn er wohl regieret, gehorchen soll, wenn er aber uͤbel regieret, ihm widerstehen und ihn bestrafen kann; folglich findet nicht statt, daß der Regente und das Volck einander bestaͤndig unterworfen sind (§. 835.). §. 986. Von der Art und Weise die Herr- schaft zu erhalten. Wenn die Herrschaft dem Regenten nur zu verwalten aufgetragen worden; so hat er gleichsam nur den Nießbrauch (impe- rium usufructuarium) davon: Wenn ihm aber die Herrschaft vor und an sich selbst auf- getragen wird; so hat er sie eigenthuͤm- lich (patrimoniale). Derowegen hat einer die eigenthuͤmliche Herrschaft mit voͤl- ligem Rechte, die nicht eigenthuͤmli- che aber nicht mit voͤlligem Rechte (§. 198.). Es erhellet aber daß im andern Falle die Herrschaft voͤllig, uneinge- schraͤnckt und die hoͤchste seyn kann, hingegen im ersten die eigenthuͤmliche nicht voͤllig und eingeschraͤnckt (§. 983. 981.). Da die Art und Weise, wie man die Herrschaft besitzt (modus habendi imperium) kein Theil derselben ist, sondern eine von ihr gantz unterschiedene Sache; so ver- und der oͤffentlichen Herrschaft. veraͤndert sie in der Herrschaft selbst nichts, und gehoͤret auch nicht zu ih- rer Verwaltung (§. 66.). §. 987. Weil auch uncoͤrperliche Sachen zu Lehn Von der Herr- schaft die zu Lehn genom- men wird. verliehen werden koͤnnen (§. 740.); so kann auch die Herrschaft zu Lehn verliehen werden (§. 121. 979.). Da nun aber die Belehnung zu der Art und Weise die Herr- schaft zu besitzen gehoͤrt; so kann eine zu Lehn gegebene Herrschaft uneinge- schraͤnckt, voͤllig und die hoͤchste seyn (§. 986.), man besitzt dieselbe aber nicht mit voͤlligem Rechte (§. 736. 986.). §. 988. Weil die Auftragung der Herrschaft gaͤntz- Von der Herr- schaft die nach der Art eines Fidei- commißt aufgetra- gen wird. lich auf dem Willen des Volcks beruhet, wel- ches sie einem auftraͤgt (§. 982.); so kann die Herrschaft auch nach der Art eines Fideicommiß aufgetragen werden, d. i. mit der Bedingung, daß der Regent sie nach einer gewissen Zeit, oder wenn er stirbt, einer gewissen andern Per- son uͤberlassen muß (§. 941.). Und es er- hellet wie vorher (§. 987.), daß die auf diese Weise uͤberlassene Herrschaft unumschraͤnckt, voͤllig, und die hoͤchste seyn koͤnne. §. 989. Diejenigen Vertraͤge, worinnen sich der Von der Capitu- lation. Regent und das Volck, oder die, so das Recht des Volcks haben, uͤber die Art der Verwaltung der Herrschaft vergleichen, wer- Y y 2 den III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. den eine Capitulation (capitulatio) genannt. Demnach ist die Capitulation ein Grund- gesetz (§. 984.), und man hat ihrer von noͤthen, wenn die Herrschaft ein- geschraͤnckt seyn soll (§. 983.); iedoch giebet es keine unveraͤnderliche Grund- gesetze. Weil aber Vertraͤge muͤssen gehal- ten werden (§. 438.); so darf ohne Ein- willigung dessen, mit welchem die Ca- pitulation getroffen worden, nichts in derselben geaͤndert werden. Das zweyte Hauptstuͤck. Von den verschiedenen Arten der Republick. §. 990. Von der Demo- eratie. W enn sich die Herrschaft bey dem gan- tzen Volcke befindet, so nennet man eine solche Art der Republick eine Democratie, oder Poͤbelregiment (de- mocratiam, statum popularem). Weil die buͤrgerliche Freyheit eines Volcks (li- bertas civilis populi) darin bestehet, daß es in allen denen Handlungen, welche zur Be- foͤrderung des gemeinen Bestens gehoͤren, kei- nes andern Willen unterworffen ist; so besi- tzet das Volck in der Democratie die buͤrgerliche Freyheit, und ist nicht nur in Absicht auf andere Voͤlcker (§. 977.), sondern auch in Absicht auf sich selbst frey. §. 991. Von den verschiedenen Arten der Republick. §. 991. Der Begrif von der Monarchie (mo- Von der Monar- chie. narchia) entsteht, wenn die Herrschaft, so wie sie sich urspruͤnglich bey dem Volcke be- findet, naͤmlich die voͤllige, uneingeschraͤnckte, und hoͤchste, bey einem eintzigen angetroffen wird. Derowegen hat der Monarch in der Monarchie eben so viel Gewalt, als das gantze Volck in der Democra- tie hat. Weil doch aber die Art, nach wel- cher man die Herrschaft besitzt, in der Herr- schaft selbst nichts aͤndert (§. 986.); so ist es in so weit einerley, ob die Herrschaft in dem eigenthuͤmlichen, oder nur in der Nutzung ausgeuͤbt wird. Endlich weil das Recht des Volckes in der Monarchie dem Monarchen uͤberlassen worden; so stellet der Monarch das gantze Volck vor. §. 992. Man nennet es eine Aristocratie (aristo- Von der Aristo- cratie. cratiam), wenn die Herrschaft, wie sie ur- spruͤnglich bey dem Volcke ist, bey einigen Personen angetroffen wird, welche mit dem Nahmen der vornehmsten (optimatum) beleget werden. Demnach haben die vornehmsten in der Aristocratie eben so viel Gewalt, als das Volck in der De- mocratie, und besitzen eine voͤllige, un- eingeschraͤnckte und hoͤchste Herrschaft. Was wir in Absicht auf die Art die Herr- schaft zu besitzen nur erst (§. 991.) von dem Monarchen gesagt haben, das gilt hier gleich- Y y 3 falls. III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. falls. Ja, weil den vornehmsten das Recht des Volckes zukommt; so stellen sie auch zusammen genommen das Volck vor. Derowegen da die buͤrgerliche Wuͤr- de (dignitas civilis) nichts anders als ein Vorzug fuͤr andern Personen im gemeinen Wesen ist, welche nach denen einer Per- son zustehenden Rechten abgemessen werden muß; die vornehmsten aber erst zu- sammen genommen ihr Recht haben, was ein Monarche gantz alleine hat: so folget, daß die Wuͤrde des Monarchen groͤsser seyn muͤsse, als die Wuͤrde eines ieden ein- tzelnen unter den vornehmsten. §. 993. Von der vermisch- ten Re- publick. Die Republick ist vermischt (respu- blica mixta), wenn sie in einigen Stuͤcken mit der Monarchie, in einigen mit der Ari- stocratie, und in einigen mit der Democratie eine Aehnlichkeit hat, oder wenigstens an zweien Arten der Republick theil nimmet. So entstehet denn die vermischte Art einer Republick aus der Theilung der Herrschaft in ihre Machttheile (§. 983.) und deren Einschraͤnckung (§. 980.). Wann nun aber beydes auf verschiedene Art geschehen kann; so koͤnnen auch verschie- dene Arten von einer vermischten Re- publick angegeben werden, deren iede durch gewisse Grundgesetze zu bestim- men ist (§. 984.). §. 994. Von den verschiedenen Arten der Republick. §. 994. Diejenige Verfassung eines gemeinen We- Das Reich. sens, in welcher entweder eine voͤllige, unein- geschraͤnckte und hoͤchste, oder auf irgend ei- ne Art eingeschraͤnckte und verringerte Herr- schaft bey einem eintzigen ist, nennet man ein Reich, wobey iedoch dem Staat seine Hoheit ungekraͤnckt bleiben muß. Und derje- nige, welcher in einem Reich die Herrschaft fuͤhret, heisset der Koͤnig. Woraus er- scheinet, daß ein jedes Reich entweder eine Monarchie, oder eine vermischte Art der Republick abgebe (§. 991. 993.). Doch stellet ein jeder Koͤnig in den Un- terhandlungen mit andern Voͤlckern das gantze Volck vor, es sey denn, daß es in einigen Stuͤcken durch ge- wisse Grundgesetze, welche aber den andern Voͤlckern bekannt seyn muͤssen, anders versehen worden. §. 995. Die Mitregentschaft (condominatus, Die Mitre- gent- schaft. imperium Polyarchicum) ist, wenn zwey, oder drey in einem Reiche eine unzertheilte Herrschaft unter einander gemeinschaftlich ha- ben, z. E. wenn zwey oder drey Bruͤder zu- gleich regieren. Diese zwey, oder mehrere aber heissen Mitregenten (condomini, cor- reges), bey deren jeden gleichsam die gantze koͤnigliche Macht und Wuͤrde befindlich ist. Y y 4 §. 996. III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. §. 996. Obere und Un- tertha- nen. Der Oberherr (superior) in einem Staat heisset derjenige, welcher das Recht hat derer uͤbrigen Handlungen zu bestimmen; und diese uͤbrigen werden Unterthanen (sub- diti) genennet. Daraus fliesset, daß in ei- ner Democratie das gantze Volck (§. 990.), in einem Reich und Monarchie der Koͤnig, oder Monarch (§. 991. 994.) der Oberherr sey, gleichwie es in einer Aristocratie die vornehmsten zusammen genommen sind (§. 992.); al- le und jede aber in einer Democratie, Monarchie und Aristocratie ja in die- ser auch alle eintzeln betrachtete vor- nehmsten, werden mit dem Nahmen der Unterthanen belegt. Jn der Mit- regentschaft verhaͤlt es sich hierin anders, denn ein jeder der Mittegenten ist ein Ober- herr, keiner aber des andern Unter- than (§. 995.). §. 997. Vom de- spotischen Reich. Ein despotisches, oder herrschaftliches Reich (regnum herile) nennt man, wenn der Koͤnig uͤber seine Unterthanen und deren Vermoͤgen eben das Recht hat, welches ei- nem Herrn uͤber seinen Knecht zustehet, oder wo der Koͤnig ausser der buͤrgerlichen Macht auch die herrschaftliche besitzet; folglich ma- chet der Koͤnig in einem despotischen Reiche die Einrichtung der Frondien- ste, und uͤber die Sachen der Unter- thanen, Von den verschiedenen Arten der Republick. thanen, nach seinem Belieben, und al- le oͤffentliche Handlungen lencket er vornehmlich auf seinen eigenen Nu- tzen, da er hingegen den Nutzen der Unterthanen nur als einen Neben- zweck ansiehet. Wenn nun aber dies al- les dem Vertrage, nach welchem ein Staat aufgerichtet ist, zuwiderlaͤuft (§. 972.); so ist klar, daß das despotische Reich da- her seinen Ursprung nicht nehmen, und auch aus dem Endzweck eines Staates nicht hergeleitet werden koͤnne. Un- terdessen da ein Volck einem andern die Herr- schaft uͤber sich auftragen kann, wie es sol- ches gut befindet (§. 982.); so stehet es ihm auch frey einem Koͤnige eine de- spotische Herrschaft uͤber sich zu uͤber- lassen (§. 977.). Und weil sich alle Unter- thanen in einem herrschaftlichen Rei- che in einer persoͤnlichen Knechtschaft befinden, diese aber an sich nicht unerlaubt ist (§. 948.); so muß auch ein herrschaft- liches Reich an sich nicht unerlaubt, und wenn das Volck in solches willi- get, es nicht ungerecht seyn (§. 83.). Weil aber im uͤbrigen ein Herr verbunden ist seinen Knecht zu lieben, und ihm alle diejeni- gen Liebespflichten zu erweisen, welche ein Mensch einem andern zu leisten schuldig ist (§. 952.); so erfordert es auch in einem herrschaftlichen Reiche die Schuldig- keit eines Koͤniges und Beherrschers, Y y 5 daß III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. daß er seine Unterthanen liebe, und ihnen die Liebespflichten nicht versa- ge, und daß er folglich in der Fuͤhrung seiner despotischen Herrschaft nichts begehe, was wider diese Pflichten strei- ten koͤnnte. Sonsten braucht es hier kei- ner Erinnerung, daß auch eine despotische Aristocratie moͤglich sey, von welcher je- doch eben das zu bemercken ist, was wir von dem despotischen Reiche bereits vorgetragen haben. §. 998. Von der Majestaͤt und dem Maje- staͤtsrech- te. Die Wuͤrde dessen, bey dem die hoͤchste Herrschaft unzertrennlich ist, heißt die Ma- jestaͤt (majestas). Dieser hindert es nicht, daß die Verwaltung derselben in einigen Stuͤ- cken an gewisse Grundgesetze gebunden ist, in- dem doch die diesen gemaͤße Handlungen von keinem Menschen umgestossen werden koͤnnen. Demnach nennet man Majestaͤtsrechte (jura majestatica) diejenigen, welche zur hoͤchsten Herrschaft und deren Verwaltung ge- hoͤren. Jn einer Democratie hat das gantze Volck (§. 990.), in der Aristo- cratie die Versammlung der Vornehm- sten (§. 992.), in der Monarchie aber und in einem Reiche der Koͤnig die Majestaͤt (§. 991. 994.). §. 999. Vom Nathe. Die Versammlung gewisser Personen, wel- chen das oͤffentliche Regiment in Sachen, so taͤglich verwaltet werden muͤssen, oder welche keinen Von den verschiedenen Arten der Republick. keinen Aufschub leiden, nebst der Ausfuͤhrung dessen, was von dem Oberherrn beschlossen ist, aufgetragen worden, und deren Gutach- ten uͤber oͤffentliche Angelegenheiten sich die- ser bedienet, heisset der Rath (senatus). Jn einer Democratie ist es unumgaͤnglich noͤthig, daß ein Rath bestellet werde, weil das Volck nicht taͤglich zusammen kommen kann (§. 990.); ja je seltener und beschwerlicher die Zusammenkunft des Volckes ist, je mehr Ansehen und Macht muß ein solcher Rath haben. §. 1000. Die Zusammenkuͤnfte, welche oͤffentlicher Von Reichs- tagen. Angelegenheiten halber gehalten werden, heis- sen Reichstage (comitia). Daher kann das gantze Volck in der Democratie die oͤffentlichen Angelegenheiten, wenn sie nicht schon dem Rath zu besorgen uͤberlassen worden (§. 999.), vor sich nicht anders als auf den Reichstagen abthun (990.); und da das Volck in allem dem, was zur Ausuͤbung der Herrschaft ge- hoͤret, nach seinem Gefallen verfahren kann (§. 978.), so beruhet es lediglich auf dessen Willen, ob die Reichstage ein vor allemahl an gewisse Zeiten gebun- den, oder ob sie nur bey besondern Vorfallenheiten, uͤber welche man nach der Beschaffenheit der Zeit urthei- let, gehalten werden sollen. Das vori- ge (§. 999.) kann einen belehren, daß das Recht III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. Recht den Reichstag zu berufen dem Rathe zukomme; und da ihm die gegen- waͤrtige Verfassung der Dinge am besten be- kannt seyn muß, so muß er auch das Recht haben auf den Reichstagen den Vor- trag zu thun, oder wenigstens dasje- nige an die Hand zu geben, woruͤber gerathschlaget werden soll, obwol, weil ein jeder in der Democratie ein gleiches Recht hat (§. 70. 972.), ein jeder zur Berath- schlagung anbringen kann, was er glaubt zum gemeinen Besten dienlich zu seyn. Wenn aber die Wohlfahrt einer Gesellschaft durch die Einigkeit der Mitglie- der erhalten wird (§. 847.); so muͤssen, um allen Zwiespalt zu vermeiden, Gesetze wie die Reichstage gehalten werden sollen, gegeben werden (§. 978.), z. E. welche das Recht der Reichstage haben sol- len, um auf demselben eine Stimme zu fuͤh- ren, ingleichen wie das Volck in gewisse Ord- nungen, und diese in kleinere Haufen zu thei- len, welche gewisse Personen erwaͤhlen muͤs- sen, die in ihrem Nahmen den Reichstag beziehen, und ihre Abgeordneten seyn sollen; noch weiter, wer auf den Reichstagen das Amt eines Directors uͤbernehmen soll, u. s. f. Zuletzt weil in einer vermischten Republick dasjenige beybehalten werden kann, was in dem Poͤbelregiment noͤthig ist (§. 990.); so koͤnnen auch darin die Reichstage Platz haben. §. 1001. Von den verschiedenen Arten der Republick. §. 1001. Weil das Volck vermoͤge der Freyheit, so Wie eine Aristo- cratie einge- richtet werden soll. es hat (§. 977.), eine Art der Republick er- waͤhlen kann, welche es will (§. 78.); so kommt es in der Aristocratie allein auf den Willen des Volckes an, nach wel- chem es zu bestimmen hat, wie starck die Zahl der vornehmsten seyn, ob sie aus allen Ordnungen des Volckes, oder nur aus dem ansehnlichsten Theil des- selben bestellet, ob ihre Regierung jaͤhrlich, oder auf eine laͤngere Zeit, oder lebenslang dauren solle; ingleichen ob die Nachfolger jedesmahl erwaͤhlet, oder ein gewisses Gesetz wegen der Nachfolge festgesetzet werden muͤsse; noch ferner, ob das Recht unter die Vornehmsten zu gehoͤren an gewisse Familien, oder an den Besitz gewisser Landguͤther, oder an eine andere Be- schaffenheit der Personen gebunden seyn solle. Daher ist nun die Aristocratie bald eine jaͤhrige, bald eine auf eine ge- wisse Zeit eingerichtete (temporaria), bald eine bestaͤndige; bey einer kommt es auf die Wahl an (electiva), bey einer hat eine Folge statt (successiva); endlich ist sie bald eine weitlaͤuftigere (laxa), wenn die Zahl der Vornehmsten sehr groß ist, ob sie wol gegen das Volck gerechnet nur einen kleinern Theil ausmachen; bald ist sie enger (strictior), wenn die Zahl der Vornehmsten so III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. so klein ist, daß sie taͤglich zusammen kom- men, oder gar bald zusammen berufen wer- den koͤnnen. §. 1002. Von dem Recht ei- nes Mo- narchen und dem aͤsymne- tischen Reiche. Weil der Monarch eine voͤllige, uneinge- schraͤnckte und hoͤchste Herrschaft hat (§. 990.); so kann er nach eigenem Gefallen uͤber alle oͤffentliche Geschaͤfte verfuͤgen (§. 983.), und man ist schuldig sich nach seinen Entschliessungen zu achten (§. 981.). Da aber das Recht eines Monar- chen nicht von der Zeit abhanget, sondern es auch gantz wohl angehet, daß man eine voͤl- lige, uneingeschraͤnckte und hoͤchste Herrschaft nur auf einige Zeit haben koͤune; so kann auch derjenige, welcher einen Staat nur auf einige Zeit regieret, ein Mo- narche seyn. Wenn man nun das ein aͤsymnetisches Reich (regnum æsymneti- cum) nennet, wenn man jemanden die Herr- schaft nur auf eine gewisse Zeit uͤbertraͤgt; so kann die Monarchie auch ein aͤsym- netisches Reich seyn, ob sie es gleich nicht nothwendig ist. Jm uͤbrigen kommt einem Monarchen die despoti- sche Herrschaft nicht zu, als welche von derjenigen, welche urspruͤnglich bey dem Vol- cke ist, und auf einen Monarchen uͤbertragen wird (§. 991.), sich allerdings unterscheidet (§. 997.). §. 1003. Vom la- conischen Ein laconisches Reich (regnum laco- nicum) Von den verschiedenen Arten der Republick. nicum) ist, wenn die Vollstreckung der Herr- Reiche. schaft zwar einem anvertrauet worden, solche aber nach dem Willen des Volcks, oder der Staͤnde besorget werden muß. Demnach hat ein Koͤnig in einem laconischen Reiche mehr das Recht zu rathen, als zu befehlen, und lassen sich zwischen einer Monarchie und einem laconischen Reiche, dieweil die Herrschaft, so einem Koͤnige zustehet, auf verschiedene Arten ein- geschraͤnckt, oder verringert werden kann (§. 981. 983.), gar viele Arten des Reichs annehmen. Eben so ist auch klar, daß der Koͤnig in einem laconischen Reiche mit dem Senate ziemlich in Vergleichung komme. §. 1004. Man nennet ein Gesetzmaͤßiges Reich Vom ge- setzmaͤßi- gen Rei- che. (regnum legitimum) dasjenige, in welchem der Koͤnig die Herrschaft nach gewissen Grundgese- tzen, sie moͤgen nun bestaͤndig, oder ihm nur bey der Uebertragung der Herrschaft insbesondere vorgeschrieben seyn, welche eine Capitulation heissen, auszuuͤben gehalten ist. Folglich sind die gesetzmaͤßigen Reiche vermisch- te Republicken (§. 993.), und Arten, so zwischen einer Monarchie und einem laconischen Reiche angenommen wer- den koͤnnen. Ja es folget auch, daß das Recht des Koͤnigs in Gesetzmaͤßigen Reichen sich lediglich aus den Grund- gesetzen bestimmen lasse. §. 1005. III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. §. 1005. Vom Wahl- reiche und Zwi- schenrei- che. Man nennet es ein Wahlreich (regnum electivum), wenn das Volck in Ermanglung eines Koͤniges entweder den Nachfolger selbst erwaͤhlet, oder wenigstens das Wahlrecht an- dern anvertrauet hat. Jst ein Koͤnig ge- storben, so ist vor sich offenbar, daß die Herrschaft wieder auf das Volck zu- ruͤcke falle, und es derowegen auf des- sen Willen ankomme, ob es einen neuen Koͤnig erwaͤhlen, oder aber ei- ne andere Verfaßung der Republick einfuͤhren wolle. Der Zustand einer Re- publick, worin der koͤnigliche Thron ledig ist, heisset ein Zwischenreich (interregnum); und in diesem kann das Volck die Herr- schaft entweder selbst, oder durch ei- nen andern, oder durch mehrere ver- walten, folglich Reichsverweser (vica- rios regni) bestellen, deren Recht nach den Grundgesetzen abgemessen werden muß (§. 984.): Und dies alles hebet so gleich an, als das Recht des Koͤnigs erloschen ist. §. 1006. Von der Wahl ei- nes Koͤ- niges. Urspruͤnglich hat das Volck das Recht die Herrschaft auf jemand zu bringen (§. 982.): Folglich kann sich entweder das gantze Volck das Recht einen Koͤnig zu er- waͤhlen vorbehalten, oder es kann sol- ches schlechthin andern uͤbergeben, oder endlich kann es gewisse Wahlgesetz a u f r i Von den verschiedenen Arten der Republick. aufrichten (§. 984.), wohin die Wahlsfaͤ- higkeit, desgleichen die Zeit und Art der Wahl gerechnet werden moͤgen. Wenn es nun eine rechtmaͤßige Wahl (electio legitima) heis- set, welche nach den Wahlgesetzen befolget worden; und hingegen eine unrechtmaͤßi- ge (illegitima), welche einem solchen Gesetze zuwider ist; das Recht der erwaͤhlten aber nach den Grundgesetzen erwogen werden muß; so hat das Volck keine Verbindlichkeit, einen unrechtmaͤßiger Weise erwaͤhl- ten Koͤnig zu erkennen. §. 1007. Da die gemeine Wohlfahrt das hoͤchste Ge- Von dem Rechte u. der Ver- bindlich- keit eines erwaͤhl- ten Koͤ- niges. setz ist (§. 976.); so lieget einem erwaͤhl- ten Koͤnige ob zu versprechen, daß er die Herrschaft diesem gemaͤß fuͤhren, und, wenn das Volck verlanget, daß solches nach Grundgesetzen geschehen soll (§. 984.), dafern ihm gewisse Gesetze vorgeschrie- ben worden, diesen zu folge verwalten wolle. Zwischen dem erwaͤhlten Koͤnige und dem Volck befindet sich ein Vertrag, wodurch sich jener zur Verwaltung der Herrschaft ver- bindlich macht, dieses aber ihm das Recht solche auszuuͤben uͤberlaͤßt (§. 438.); dar- aus fliesset aber, daß der Koͤnig ohne Beystimmung des Volckes nicht abdau- cken, und das Volck den Koͤnig nicht absetzen koͤnne (§. 100.). Weil aber ein Vertrag, dem man ein verlustigmachendes Gesetz beygefuͤget hat, alsobald aufgehoben Nat. u. Voͤlckerrecht. Z z wird, III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. wird, als die aufhebende Bedingung, welche darin steckt, vorhanden ist (§. 609.); so fol- get, wenn man dem Koͤnige die Herr- schaft unter einem verlustigmachenden Gesetze uͤbergiebet, vermoͤge welches er das Reich verlieren solle, wenn er dies oder jenes gethan oder nicht ge- than haben wuͤrde, daß er das Reich wuͤrcklich verlieren muͤsse, wenn er dasselbe gethan oder nicht gethan hat. §. 1008. Vom Folgerei- che. Ein Folgereich (regnum successorium) heisset, wenn jemand nach einem gewissen Ge- setze an die Stelle des nicht mehr verhande- nen Koͤniges kommt. Ein Folgegesetz (lex successionis) ist dasjenige, worinnen die re- gierungsfaͤhigen Personen und die Art der Folge bestimmet werden; welches bey der Uebertragung der Herrschaft an den ersten Koͤnig mit Genehmhaltung des Volckes, oder derer, welche das Recht des Volckes haben, gemacht werden muß (§. 984.). Sind einige hieher ge- hoͤrige Dinge darin uͤbergangen wor- den, weil das Volck solche als vor sich be- kannt zum voraus gesetzet hat, so gehet es mit der Folge nach der Gewohnheit benachbarter Voͤlcker, welche es stillschwei- gend gut geheissen zu haben geglaubet wird. Letztens weil die Folgereiche in der Absicht eingefuͤhret werden, daß der Nachfolger ge- wiß Von den verschiedenen Arten der Republick. wiß seyn moͤge, damit alle Unruhen, welche sich leichtlich bey einer Wahl hervor zu thun pflegen, vermieden wuͤrden: so hat das Volck in einem zweifelhaften Falle die Vermuthung vor sich, daß es dasjeni- ge gewollt habe, was die Nachfolge gewiß machet. §. 1009. Jn einem eigenthuͤmlichen Reiche Von der Folge in einem ei- genthuͤm- lichen Reiche. kann der zeitige Koͤnig uͤber die Herrschaft selbst die Einrichtung machen (§. 986.); und daher kann er sich zu seinem Nachfol- ger erwaͤhlen, wen er nur will, es mag ein Anverwandter, oder kein An- verwandter, oder gar ein Auslaͤnder seyn, ja er kann seinen Printzen selbst enterben, daß er ihm nicht folgen darf. Und da ein eigenthuͤmliches Reich entweder vollkommen eigenthuͤmlich ist, wenn der Koͤnig die Herrschaft voͤllig eigenthuͤmlich hat, oder unvollkommen eigenthuͤmlich, wenn der Koͤnig allein das Recht besitzet, die Herrschaft nach Gefallen auf einen andern zu bringen; so ist offenbar, daß der Koͤnig in einem vollkommen eigenthuͤmlichen Reiche die Herrschaft nicht nur in Ab- sicht auf die Rechte (§. 983.), sondern auch in Absicht auf Land und Leute vertheilen koͤnne (in partes potentiales \& subjectivas). §. 1010. Naͤmlich die Herrschaft uͤber die Personen, Von der Theilung Z z 2 welche III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. der Herr- schaft in Land und Leute. welche einen gewissen Theil des Gebietes be- wohnen, nennet man subjectivische Thei- le einer Herrschaft (partes subjectivas im- perii). Ein Gebiet aber (territorium) heisset ein Ort, woruͤber jemand die buͤrger- liche Herrschaft zukommt: Und so ist denn das Gebiete eines Staates der Landes- strich, welchen ein Volck bewohnet, und wor- in es urspruͤnglich seine Herrschaft hat. Wenn nun die Vertheidigung seiner selbst wider die aͤusserliche Gewalt zum Endzweck des Staats gehoͤret (§. 972.); so laͤßet sich eigentlich zu reden eine Herrschaft nicht in sub- jectivische Theile zerstuͤcken, und folglich ist zu vermuthen, daß ein Volck nur unter der Bedingung die Herrschaft an jemand verliehen habe, daß sie nicht subjectivisch vertheilet werden solle. §. 1011. Von der Beschaf- fenheit der Erb- folge. Die Art der Erbfolge (modus succe- dendi hæreditarius) bestehet darin, wenn man auf eben die Art in einem Reiche folget, wie man in einer Erbschaft ohne Testament zu fol- gen pflegt, nemlich in derjenigen, welche bey dem Volcke zu der Zeit, als es die Herrschaft dem ersten Koͤnige auftrug, angenommen war (§. 810.). Weil nun nur ein eintziger in einem Reiche folgen kann (§. 1010.); so fol- get, wenn bey Ableben eines Koͤniges mehrere Erben da seyn solten, und man haͤtte keinen innern Grund der Wahl, daß der aͤltere dem juͤngern vorgezogen werden Von den verschiedenen Arten der Republick. werden muͤße, als welcher sich sein Folge- recht durch die Geburt zuwege gebracht hat (§. 828.). Und daferne das Volck es nicht ausdruͤcklich genehmiget hat, daß die Weiber zur Regierung gelassen, oder doch nicht eher regierungsfaͤhig seyn sollen, als wenn der Manns- stamm voͤllig erloschen ist; so werden im ersten Fall die Weiber gantz uͤber- gangen, im letzten Falle aber folgt des letzten Koͤniges Printzeßin, oder naͤchste Blutsverwandtin (§. 1008.). Jngleichen, wenn bey der Folge in den Guͤtern das Vorstellungsrecht (jus re- præsentationis) statt hat, so muß es auch bey der Reichsfolge gelten. §. 1012. Koͤnigliche Handlungen eines Koͤni- Von den oͤffentli- chen und beson- dern koͤ- niglichen Hand- lungen und Guͤ- thern. ges (actus regis regii) sind diejenigen, wel- che zur Ausuͤbung der Herrschaft gehoͤren; besondere (privati) aber sind, welche dazu nicht gehoͤren. Ein Koͤnig muß demnach in Absicht auf Privathandlungen auch als eine Privatperson betrachtet wer- den, und kann er hier kein anderes als das Recht eines Privatmannes ge- niessen. Eben also sind die Koͤniglichen, oder oͤffentlichen Guͤther des Koͤniges (bona regis regia, s. publica) diejenigen, de- ren Gebrauch zur Verwaltung der Herrschaft und bestaͤndigen koͤniglichen Ansehen gewid- met ist. Hingegen nennet man die beson- Z z 3 dern III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. dern und eigenen Guͤther des Koͤniges (bona regis privata, s. propria), welche zu seinem besondern Gebrauch ausgesetzt, oder auf irgend eine Art von ihm selbst angeschaf- fet worden sind. Daher lassen sich die be- sondern und oͤffentlichen Guͤther des Koͤniges nicht in eine Masse bringen, und folglich gehoͤren die koͤniglichen kei- nesweges zu seiner Erbschaft (§. 916.). Ob also gleich ein Reich erbfolgsweise erhal- ten wird (§. 1011.); so folget doch der- jenige, welcher im Reiche folget, des- wegen nicht auch in den besondern Guͤ- thern des Koͤniges, und wenn er sich von der Erbschaft loßsaget, so kann er im Reiche folgen, und ist nicht ver- pflichtet die Privatschulden seines Vor- fahren in der Regierung zu bezahlen. §. 1013. Von der Folge nach den Linien. Eine Folge nach der Linie (successio linealis) ist, in welcher das Reich ununter- brochen in gerader Linie von einem auf den andern kommt, und man zu keiner naͤhern uͤ- bergehet, bis jene gantz erloschen ist. So werden denn in der Folge nach der Linie die Todten als Lebendige ange- sehen, und durch sie wird das Reich auf den gebracht, der noch lebet, und gehet es in eben der Linie immer von dem Zeugenden auf den Gezeugten: Wenn aber auf eine andere Linie uͤber- gegangen werden soll, so kommt es von Von den verschiedenen Arten der Republick. von der letzten Person in der regieren- den Linie auf die erste in der zunaͤchst damit verbundenen. Man nennet aber eine Folge nach der Schwerdmagenli- nie (successio linealis agnatica), wenn die Weiber auf ewig von der Nachfolge aus- geschlossen sind; hingegen heisset es die Fol- ge nach der Blutsfreundschaftslinie (successio linealis cognatica), wenn die Wei- ber eben so wohl als die Mannspersonen das Nachfolgungsrecht haben, oder wenn in Er- manglung eines maͤnnlichen Nachfolgers eine Weibesperson folget, so dem letzten Koͤnige am naͤchsten ist. Es muß aber wie vorher (§. 1011.) die aͤltere der juͤngeren vor- gezogen werden. Wenn uͤbrigens die Folgereiche deswegen eingefuͤhret worden sind, daß man sich des Nachfolgers halber versi- chern koͤnne (§. 1008.); so folget, daß wenn in Ermangelung der Folge der Schwerdtmagenlinie die Blutsfreund- schaftslinie dafuͤr angenommen wird, das Reich auf die Printzeßin des letz- ten Koͤniges und deren maͤnnliche Kinder, oder auf eine anderweitige naͤchste Blutsfreundin und auf deren Printzen fallen muͤsse. §. 1014. Es haͤnget von dem freyen Willen des Von an- dern Ar- ten der Folge. Volcks, welches eine Herrschaft auftraͤgt, ab, welche Art der Reichsfolge es belieben will (§. 982.); daher sind auch in einem Reiche Z z 4 so III. Theil 2. Abth. 2. Hauptstuͤck. so viele Arten der Nachfolge moͤglich, als sich nur immer dencken lassen, und die wird als geltend betrachtet, welche das Volck bey der Aufrichtung eines Reiches erwaͤhlet hat. Es ist aber gar nicht noͤthig, daß davon ins besondere noch mehr gesaget werde. §. 1015. Woher man das Folge- recht in einem Folge- reich ha- be. Weil jemand in einem Folgereiche deswe- gen folget, weil das Volck gewolt hat, daß jemand auf die Art nachfolgen soll; so hat der Nachfolger sein Recht nicht von dem, dem er folget, sondern von dem Willen des Volcks, oder von dem, der es zu erst erworben hat. Und ist das Folgerecht durch Vorsehung der Vor- fahren erworben worden (§. 831.); es gilt auch von der Verzicht auf dassel- be und von dem Ausschlagen desselben, was anderswo (§ 830.) von dem Rech- te, was man vor sich an andere uͤber- lassen kann, gezeiget werden. §. 1016. Von dem Rechte eine Stꝛeitig- keit we- gen der Nachfol- ge zu entschei- den. Weil man zum Folgerecht in einem Reich ohne den Willen des gegenwaͤrtigen Koͤniges dazu noͤthig zu haben gelanget (§. 1015.), und das Volck, nachdem es die Herrschaft dem ersten Koͤnige unter einem gewissen Folge- gesetz uͤbertragen hat, darin nicht das ge- ringste eigenmaͤchtig veraͤndern kann, wenn diejenigen nicht dazu stimmen, welchen da- durch Von den verschiedenen Arten der Republick. durch ein gewisses Recht zugewachsen ist (§. 100.); so kann weder der Koͤnig noch das Volck die Streitigkeiten wegen des Folgerechts in seiner Ordnung schlichten. Weil doch aber das Volck an- faͤnglich vermoͤgend ist die Herrschaft mit der Bedingung zu uͤbergeben, die ihm gefaͤllt (§. 982.); so hat es so wohl dem ersten Koͤ- nige das Recht die Streitigkeiten uͤber das Folgerecht ertheilen, als auch sich solches selbst vorbehalten koͤnnen. Das dritte Hauptstuͤck. Von der Einrichtung einer Re- publick. §. 1017. D ie Einrichtung einer Republick Was die Einrich- tung ei- ner Re- publick sey. ist die Bestimmung der Art, wie der Endzweck eines Staats erhalten wer- den soll. Damit nun die Rechte, welche in der buͤrgerlichen Herrschaft liegen, erkannt, und so wohl die Pflichten der Herrschenden, als auch der Unterthanen offenbar, und die Rech- te aller und jeder verstanden werden moͤgen; so muß von der Einrichtung einer Republick an gegenwaͤrtigem Orte gehandelt werden (§. 978.). §. 1018. Weil in einem Staate der Endzweck des- Von der Zahl der Buͤrger. selben mit zusammengesetzten Kraͤften erhal- Z z 5 ten III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. ten werden muß (§. 972.); so muß die Zahl der Buͤrger so groß seyn, als zur Be- foͤrderung des gemeinsamen Bestens in einem Staat und zur Vertheidigung wieder die feindlichen Anfaͤlle hinrei- chend ist, dabey aber muͤssen sie auch von der Beschaffenheit seyn, daß sie sich zu dieser und jener besondern Ab- sicht geschickt befinden: folglich muß die Zahl wie uͤberhaupt, also auch in einer jeden Lebensart, nicht groͤsser und nicht kleiner seyn, als erfordert wird eine gehoͤrige Menge dererjeni- gen Dinge anzuschaffen, welche zur Nothdurft, zur Gemaͤchlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens gehoͤren. §. 1019. Von den Abzuge aus ei- nem Staate. Aus dem vorigen ergiebet sich, daß denen- jenigen erlaubt sey aus einem Staate zu ziehen, deren Dienst die Republick bey der Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt und der Vertheidigung ihres Staates gar wohl entrathen kann: indem aber doch der Oberherr davon am besten urtheilen kann (§. 996.), so ist niemand vergoͤnnet einen Staat ohne Einwilligung des Oberherrn, sie mag nun ausdruͤcklich oder stillschweigend seyn, zu verlassen. Derowegen weil der Republick daran gelegen ist, daß nicht die reichen oder sehr bemittelten Personen, oder diejenigen, welche der Republick in Von der Einrichtung einer Republick in einer gewissen Lebensart vortref- liche Dienste leisten koͤnnen, oder auch diejenigen, derer man zur Vertheidi- gung in der Republick benoͤthiget ist, wegziehen; so ist der Oberherr solches zu verstatten nicht verbunden. Aus eben dieser Ursache ist es nicht erlaubt hauffen weise wegzugehen, es muͤste sich dann ein solcher Mangel derer Dinge hervor thun, daß man so gar vor die aͤusserste Lebensnothdurft der Entweichenden nicht sorgen koͤnnte (§. 442.). Derjenige, so sich aus einem Staate begiebet, wird nunmehro, da er aufhoͤret ein Buͤrger zu seyn, ein Frem- der (§. 974.), und der Staat hat ferner- hin kein Recht uͤber ihn (§. 975.). §. 1020. Hieraus folget noch weiter, daß es auf Von der Aufnah- me der Frem- den. den Willen des Oberherrn ankomme, ob und unter welcher Bedingung er fremde aufnehmen, ob er sie den Buͤr- gern gleich machen, ob er ihnen nicht alle Rechte der Buͤrger verleyhen, oder ob er ihnen nicht wenigstens erlauben wolle, daß sie in seinem Lande woh- nen, und ihre Geschaͤfte treiben koͤn- nen, und ob er sie als Einwohner an- nehmen wolle. Man nennet aber Ein- heimische (indigenas), welche von Buͤr- gern in dem Lande, worin sie wohnen, geboh- ren sind; Ankoͤmmlinge (advenas) hinge- gen, III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. gen, welche anders woher in ein Land kom- men, oder die von Ankoͤmmlingen gebohren sind. Das Buͤrgerrecht oder auch das Recht der Einheimischen (ius civitatis vel indigenatus) nennet man das Recht, so die Buͤrger geniessen. Es giebt aber auch An- koͤmmlinge auf eine Zeit (advenas tem- porarios), welche anders woher zu uns kom- men, nicht zwar in der Absicht, daß sie be- staͤndig bey uns bleiben, sondern daß sie nur eine zeitlang bey uns verweilen wollen: weil nun diese weder unter die Buͤrger noch unter die Einwohner gezaͤhlet werden koͤnnen (§. 974.), so sind auch die Kin- der, welche von ihnen bey uns geboh- ren worden, weder unsre Buͤrger, noch Einwohner. Denn das Recht der Einheimischen und der Einwohner kann auf andere uͤbergehen (§. 821.), weil sonst ein Staat nicht koͤnnte erhalten werden. §. 1021. Von dem, was das Leben gehoͤrig zu unter- halten erfordert wird. Auf daß alles was zum Leben erfordert wird hinlaͤnglich da sey, so ist noͤthig, daß die Wercke des Fleisses und der Kunst so sehr vervielfaͤltiget werden, als es moͤglich ist, damit nicht diejenigen muͤssig gehen duͤrffen, welche Kraͤfte zum Arbeiten haben, und es denen nicht an Arbeit fehle, die Arbeiten wollen, daß dergestalt ein jeder durch seinen Fleiß und Arbeit so viel vor sich bringe, als erforderlich ist, wo nicht nuͤtz- Von der Einrichtung einer Republick. nuͤtzliche und zum Vergnuͤgen gehoͤ- rige, doch nothwendige Dinge anzu- schaffen (§. 972.); diesem zu folge muß der Werth der Dinge und der Arbeit bestimmet, und dafuͤr bestens gesorget werden, daß nicht die Unterthanen in Armuth und Mangel, oder gar an Bettelstab gerathen. Und eben deßwe- gen muß man nicht gestatten, daß Theurung gemachet werde, ja so viel als es sich thun lassen will, muß man den Unterthanen Erleichterung schaf- fen, daß die Theurung ihnen nicht zur Last falle. Weil auch der Holtzgebrauch ungemein groß und gantz unentbehrlich ist; so muß man sorgen, daß es nicht an hinlaͤnglichen Holtzvorrath fehle, und daferne es rar werden sollte, so muß man die Unterthanen zum raͤthligen Gebrauch desselben anhalten. Wenn ferner die Pracht in einer sehr kostbaren Be- sorgung der Speise, des Tranckes, der Klei- dung und anderer Sachen bestehet (§. 509.), dadurch, wie bekannt ist, die Guͤther ver- schwendet werden; so muß man den allzu- grossen Pracht, welcher die Buͤrger arm und zu Bettlern macht, nicht leiden. Aus eben dieser Ursach ist die Bosheit der Wucherer nicht zu gestatten (§. 649.), gleich wie auch die Spiele, wodurch das Vermoͤgen verschleudert wird, und folglich auch die Spieler, welche das Spiel III. Theil. 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. Spiel zu ihrem Gewerbe machen, nicht minder die Loterien und Gluͤckstoͤpfe, es sey denn das gemeinen Bestens we- gen, welchem man auf andere Art nicht auf helffen koͤnnte (§. 46.), nicht zu dul- den sind (§. 673. 674.). §. 1022. Dis wird fer- ner in Absicht auf die Armen und Bett- ler erwo- gen. Das Leben gehoͤrig hinzubringen, wird auch erfordert, daß man vor die Duͤrfti- ge und Bettler besorge, was zur Noth- durft des Lebens noͤthig ist, und, da- mit die Unterthanen nicht gar zu sehr mit Allmosengeben beschwehret werden, ist in sorgfaͤltige Betrachtung zu ziehen, was das Naturgesetz von den Allmo- sen feste setzt (§. 488. seqq. ). Daher sind Zuchthaͤuser aufzubauen, worinn dieje- nigen zur Arbeit angehalten werden muͤssen, welche, ob sie gleich Arbeiten koͤnnten, doch lieber betteln wollen; ingleichen Armen- haͤuser, worinn man die duͤrftigen ernaͤhret, die sich durch Arbeiten das nicht zu erwerben im Stande sind, was sie zur Lebensnothdurft gebrauchen, und keine Anverwandten oder Freunde haben, welche sich ihrer Beduͤrf- nisse annehmen koͤnnten; noch ferner Kran- ckenhaͤuser, worinn krancke Arme theils er- naͤhret, theils geheilet werden; So auch Way- senhaͤuser, worinn man arme Waysen er- ziehet; endlich Armenschulen, in welchen man die Kinder armer Eltern umsonst in dem- jeni- Von der Einrichtung einer Republick. jenigen unterrichtet, was ihnen zu wissen noͤ- thig und nuͤtzlich ist. §. 1023. Ja weil man auf alle Art vorzubauen hat, Von der Sorge des Ober- herrn in Absicht auf die Vor- mund- schaft. daß die Unterthanen nicht arm werden (§. 1021.); so muß auch der Oberherr sor- gen, daß die unmuͤndigen Vormuͤnder bekommen, die fuͤr ihre Erziehung eifrig bemuͤhet sind, und ihre Guͤther treulich verwalten (§. 898. u. f. 972.); folglich muͤssen die im Testament bestell- te und rechtmaͤßige nach vorlaͤuffiger Untersuchung bestaͤtiget werden, ehe sie sich der Verwaltung unterziehen; damit aber theils die unfaͤhigen zuruͤck gehal- ten, theils auch der Vormundschaft recht vor- gestanden werden moͤge, so muß gewissen Personen unter oͤffentlichen Ansehen alle Besorgung der Vormundschaften anbefohlen seyn. §. 1924. Da die Gluͤckseligkeit der Stand eines dau- Von der Sorge eines Ober- herrn fuͤr der Un- tertha- nen Gluͤckse- ligkeit und Re- ligion. erhaften Vergnuͤgens und der Freude ist (§. 118.), das Vergnuͤgen durch das Gefuͤhl einer Vollkommenheit und durch die Beobach- tung des Naturgesetzes zu wege gebracht und erhalten wird (§. 43. 44.); so erfordert es die Gluͤckseligkeit, daß man in einer Republick denenjenigen, welche ge- neigt sind, dem natuͤrlichen Gesetze nachzuleben, zu statten komme, und sie andere in dieser Bemuͤhung nicht stoͤren III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. stoͤren lasse, die uͤbrigen aber muß man mit Gewalt antreiben, daß sie wenig- stens ihre aͤusserliche Handlungen nach dem Gesetze der Natur einrichten. Daher muß ein Oberherr darauf sehen, daß die Unterthanen sich bestreben de- nen Pflichten gegen sich selbst, gegen andere und gegen GOtt ein Genuͤgen zu leisten (§. 57.) und folglich daß sie von dem und jenem, was ihnen in ihrer Lebens- art zu wissen noͤthig und nuͤtzlich ist, ohne schwehre Unkosten oͤffentlichen Unterricht bekommen. Hieraus ist klar, daß man in einer Republick Schulen aufrichten muͤsse, in welcher unter oͤffent- lichen Ansehen Kinder, Knaben und Juͤng- linge in dem, was sie zu lernen haben, Un- terricht empfangen; man muß in densel- ben Schulmeister und Lehrer bestellen, welche dasjenige wohl verstehen, was sie vortragen sollen, auch die Gabe zu Lehren besitzen, allen Fleiß im Unter- richten anwenden, und sich bey den Lernenden durch gute Sitten beliebt machen; Man muß auch Academien oder Gesellschaften der Wissenschaften, woriun die Wissenschaften und Kuͤnste von tuͤchtigen Personen vollkommner gemacht, und mit neuen Erfindungen bereichert werden, stifften; wie auch Academien der Kuͤnste, worinnen man Kuͤnstler in einer Kunst, die sie treiben sollen, als vortrefliche Baumeister, Mahler, Von der Einrichtung einer Republick. Mahler, Tonkuͤnstler, erziehet. Damit aber die Unterthanen von GOtt und seinem Wil- len, von der Tugend und Lastern und von dem Gottesdienste belehret, zur Tugend er- muntert, und von den Lastern zuruͤck gezogen werden moͤgen, so lieget einem Oberherrn auch die Sorge fuͤr den aͤusserlichen Gottes- dienst ob (§. 179.), daß naͤmlich Kirchen, in welchen man des Gotresdienstes wegen Zu- sammenkuͤnfte haͤlt, aufgebauet, Festtage, welche dem Gottesdienste gewidmet, bestim- met, und oͤffentliche Lehrer so uͤber den Gottesdienst gesetzt sind, und dasjenige leh- ren, was in gottesdienstlichen Zusammen- kuͤnften zu lehren ist, bestellet werden. Demnach erhellet gantz leicht, daß man es nicht dulden muͤsse, daß der Gottes- dienst oder die Religion, welches eine gewisse Art GOtt zu dienen ist, in Verach- tung komme und allerley der Religion und guten Sitten zuwider lauffende Meinungen ausgestreuet werden. §. 1025. Heilige Sachen (res sacras) nennet man Von hei- ligen Sachen. diejenigen, welche dem oͤffentlichen Gottes- dienste gewidmet sind. Daher sind die Kir- chen heilige Oerter, und die Bilder in den Kirchen, welche die Eigenschaf- ten und Wohlthaten GOttes, inglei- chen ausnehmende Muster der Froͤm- migkeit wieder ins Gemuͤthe bringen sollen, sind heilige Sachen, weil ihr Ge- Nat. u. Voͤlckerrecht. A a a brauch III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. brauch zum Gottesdienste gehoͤret. Hingegen werden gemeine Sachen (res profanæ) ge- nennet, welche nicht heilig sind. Und ein gemeiner Gebrauch (usus profanus), wel- cher zum Gottesdienst nicht gehoͤret. Eine heilige Sache aber wird gemein ge- macht, wenn sie zu einem andern, als zu ei- nem heiligen Gebrauch angewendet wird. Selbst aus den Erklaͤrungen ist offenbar, daß die heiligen Sachen keinen andern als einen heiligen Gebrauch haben muͤssen, und sie, wenn man einen andern Ge- brauch aus ihnen machet, gemein ge- macht werden. Und da die Einwey- hung (consecratio) eine Handlung ist, wo- durch eine Sache zum oͤffentlichen Gottes- dienste gewidmet wird; so ist deutlich, daß die heiligen Sachen durch die Einwey- hung von allem gemeinen Gebrauch abgesondert, und eintzig und allein zu einem heiligen Gebrauch gewidmer werden. §. 1026. Von der Kirche und den Kirchen- sachen. Die Kirche nennt man eine Versamm- lung der Menschen, welche GOtt auf einer- ley Art verehren, und folglich einerley Reli- gion ergeben sind. Es heißt eine besondere Kirche (particularis ecclesia), welche sich an einem besondern Orte, z. E. in einer Stadt, oder einem Theile derselben, oder in einem Dorfe, befindet; gleichwie es die allgemei- ne (universa) heißt, welche auf den gantzen Erd- Von der Einrichtung einer Republick. Erdboden zerstreuet ist. Daher werden nun Kirchensachen (res ecclesiasticæ, vel ec- clesiæ) genennet, welche zu einem gewissen Gebrauch der Kirche gehoͤren, ob sie wohl nicht unmittelbar und schlechthin zum Gottesdienst gewidmet sind. Zusammen genommen fuͤh- ren sie den Titel der Kirchenguͤther, welche so wohl in coͤrperlichen, als uncoͤrperli- chen Sachen bestehen koͤnnen (§. 121.). Weil so wohl die heiligen, als auch die gemeinen Sachen zum Gebrauch einer ge- wissen besondern Kirche gewidmet werden (§. 1025. und gegenw.); so gehoͤren beyde einer besondern Kirche. Weil doch aber diejenigen, welche ietzt leben, eine Kirche nicht allein aus- machen, sondern auch diejenigen mit dazu ge- rechnet werden muͤssen, so nach dieser ihrem Ableben an ihre Stellen kommen, doch so, daß sie in der Gemeinschaft einerley Religion verbleiben; so koͤnnen die ietzigen Glie- der der Kirche keine solche Einrich- tung mit den Kirchenguͤthern machen, welche der Kirche, wie sie kuͤnftig seyn wird, zum Nachtheil gereichen koͤnnte. §. 1027. Die Vorstellungen von Thaten gewisser Von Lust- und Trauer- spielen. Personen, sie moͤgen nun wirckliche oder er- dichtete seyn, welche einen erfreulichen Aus- gang haben, heissen Lustspiele (comœdiæ); haben sie aber einen traurigen Ausgang, so heissen sie Trauerspiele (tragœdiæ) : Laß A a a 2 es III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. es seyn, daß die Alten noch uͤberdem die Lust- spiele von den Trauerspielen durch die Be- schaffenheit der Personen, und durch die Um- staͤnde des Gluͤcks und der Geschaͤfte unter- schieden haben. Weil die Lust- und Trauer- spiele denjenigen Nutzen gewaͤhren, welchen die Exempel so wir selbst erlebt haben, geben; und dieses zwar wegen der offenbaren Ver- bindung zwischen den Thaten und ihrem Aus- gange mit einem viel groͤssern Nachdruck; und sie folglich zur Ausuͤbung der Pflichten uͤberhaupt, und eines Buͤrgers insonderheit, ein vieles beytragen: so sind sie, daferne sie zu diesem Endzweck geschickt sind, in einer Republick zu dulden; keines- weges aber alsdenn, wenn sie denen Gemuͤthern eine Lust zum Lastern ein- floͤssen koͤnten. §. 1028. Von der Sorg- falt eines Ober- herrn fuͤr die Gerech- tigkeit. Wenn man nicht in Furcht schweben soll, daß man anderer Unrecht herhalten muͤsse, welches allerdings der Endzweck einer Repu- blick erheischet (§. 972.), so ist noͤthig, daß man einen ieden vor anderer Unrecht sicher stelle, und folglich ist es nicht zu gestatten, daß iemand von einem andern beleidiget (§. 88.), oder betro- gen werde (§. 286.), vielmehr muß man Sorge tragen, daß jeder sein Recht erhalte (§. 86.), also naͤmlich, daß er erlange, was ihm ein anderer schul- dig ist (§. 80.), daß die zugefuͤgten Schaͤ- Von der Einrichtung einer Republick. Schaͤden verguͤtet (§. 170.), und die schuldigen des angethanen Unrechts halber gestrafet werden (§. 93.). Weil die gewaltsame Verfolgung seines Rechtes der Krieg ist (§. 98.); so kommt die Aus- uͤbung des Privatkrieges in der Repu- blick dem Oberherrn zu. Wenn es nun aber nicht moͤglich ist, daß ein Oberherr dies alles selbst befolge, Richter aber Personen sind, welche sorgen sollen, daß ein ieder in der Republick sein Recht erhalte, und die ei- nen ieden wider das Unrecht anderer verthei- gen; so muͤssen in der Republick Rich- ter bestellet werden. Hieraus ergiebt sich, daß in einer Republick die Gerichte die Stellen der Privatkriege vertreten. §. 1029. Weil die Richter zu sorgen haben, daß ie- Vom Rechte der Rich- ter. dermann zu seinem Rechte komme (§. 1028.); so muͤssen sie die Sachen, die vor Ge- richte gebracht werden, untersuchen, aussprechen wer Recht hat, und dem schuldigen auferlegen, daß er dem, der gewonnen, leiste was er schuldig ist; will er sich nicht gutwillig dazu verstehen, so haben sie sich der Zwangs- mittel zu bedienen. Dieweil nun die Richter gleichsam von dem Oberherrn gesetzte Schiedsmaͤnner sind (§. 770.); so muß von den Richtern ebenfalls gelten, was wir von den Schiedsmaͤnnern in Absicht auf die Art die Streitigkeiten zu endigen ge- A a a 3 saget III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. saget haben (§. 772. u. f.). Weil ihnen aber doch die Ausuͤbung des Privatkrieges, wel- cher von Natur einem ieden zukommt (§. 98.), aufgetragen ist; so stehet die Erfuͤllung des Rechtes (expletio juris) (§. 793.), welche man naͤmlich die Vollstreckung ei- nes Urtheils (executionem sententiæ) nen- net und die Vollfuͤhrung der Strafen wegen des Privatunrechts, oder welches man eintzelen Personen zugefuͤget hat, denen Richtern zu. Da aber das Recht eines Privatkrieges niemand benommen ist, son- dern nur durch die Richter ausgeuͤbet werden soll; so folget, daß der Privatkrieg, wenn man den Richter nicht haben kann, annoch erlaubet sey, und man folglich die Vergoͤnstigung habe, sich wider den, der uns anfaͤllt (§. 90.), und seine Sa- chen wider einen Raͤuber, und das was man besitzet, wider den, der sie uns nehmen will, zu vertheidigen (§. 263. 265.). §. 1030. Von der Bestra- fung oͤf- fentlicher Verbre- chen. Dieweil die gantze Gemeinheit in einem Staate als eine moralische Person angesehen wird (§. 972.); so wird der Republick ein Unrecht angethan, wenn etwas begangen wird, welches wider das Recht aller und ieder, z. E. wider die allgemeine Sicherheit laͤuft (§. 89.). Derowegen kommt allen und ieden, mithin auch dem Oberherrn (§. 996.), das Recht zu Von der Einrichtung einer Republick. zu denjenigen zu strafen, welcher das allen zustehende Recht, als die oͤffent- liche Sicherheit, auf irgend eine Art verletzet hat. Eine boshafte Handlung, wodurch ein Schaden oder Unrecht zugefuͤget wird, heisset eine Uebelthat (maleficium) : gleichwie eine solche aus Versehen begangene That gleichsam eine Uebelthat (quasi maleficium) genennet wird. Eine Uebelthat, wodurch man nur einem Privatmann Scha- den zufuͤgt, oder Unrecht thut, heisset ein Verbrechen (delictum); dahingegen die Uebelthat, wodurch der Republick geschadet, oder Unrecht gethan wird, den Nahmen ei- ner Missethat (criminis) fuͤhret. Jenes nennt man auch Privatverbrechen (deli- cta privata), diese aber oͤffentliche (publi- ca delicta). Derowegen muß auch denen Richtern das Recht die oͤffentlichen Verbrechen, oder Missethaten zu be- strafen verliehen werden. §. 1031. Jndem jemand mit einer Strafe seines Von der Untersu- chung. Verbrechens, oder Missethat halber beleget wird (§. 1030.); so kann niemand ge- strafet werden, wenn nicht sein Ver- brechen, oder Missethat genugsam be- wiesen ist, oder er es freywillig gestan- den hat. Und weil die annoch verborgenen Umstaͤnde zur Linderung der Strafe etwas beytragen koͤnnen; so muß dem schuldi- gen, ehe er als uͤberwiesen und als ei- A a a 4 ner III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. ner der bekennet verdammet wird, ge- stattet werden, daß er, was er zu sei- ner Entschuldigung sagen zu koͤnnen vermeinet, vorbringe; folglich ist nie- mand vor seiner Vertheidigung zu strafen, es sey dann, daß er selbst ein- gestehe, daß er nichts zu seiner Ver- theidigung wisse. Weil der Republick daran gelegen ist, daß die Verbrechen, son- derlich aber die Missethaten, nicht unbestraft hingehen (§. 93.); so muß man bemuͤhet seyn, wenn sich eine Missethat nicht hinlaͤnglich beweisen laͤßet, daß derje- nige, welcher sich desfalls verdaͤchtig gemacht, beym Leugnen aber verhar- ret, zum Bekenntniß gebrachr werde; und folglich hat man ein Recht diejeni- gen Mittel zu gebrauchen, ohne wel- chen die Bekenntniß nicht zu erhalten ist (§. 46.). Und darin besteht die so ge- nannte Untersuchung (inquisitio); der aber, um dessen oͤffentliches Verbrechens wil- len man die Untersuchung anstellet, heisset der Jnqvisite (inquisitus). §. 1032. Von der Tortur. Die Tortur (tortura) ist eine Handlung, vermoͤge welcher der Koͤrper desjenigen, wel- cher sich einer Missethat halber verdaͤchtig ge- machet hat, auf eine schmertzhafte und pein- liche Art angegriffen wird, daß er zum Ge- staͤndniß derselben gebracht werden solle. Die Schreckung aber (territio) bestehet in Dro- hungen, Von der Einrichtung einer Republick. hungen, daß jemand gemartert werden solle, welche einem Jnqvisiten in der Marterkam- mer, in Gegenwart des Scharfrichters, und mit Vorzeigung der Marterwerckzeuge, zuge- fuͤget werden. Jndem zwar viele, ob sie wohl unschuldig sind, lieber sterben, als die Tor- tur ausstehen, wollen; so ist die Tortur nicht geschickt genug die Wahrheit zu erforschen; und man hat auch wircklich Exempel, daß manche unschuldige wegen der Grausamkeit der Marter ein Bekenntniß ab- geleget, und darauf verdammet worden sind. Unterdessen aber weil doch der Republick gar sehr daran gelegen, daß keine Missethat un- bestraft bleibe, als welches der oͤffentlichen Sicherheit schnur gerade entgegen stehet (§. 93.); so kann doch ein Jnqvisit, wenn er sich einer schwehren Missethat sehr verdaͤchtig gemacht hat, so daß zur voͤl- ligen Gewißheit fast nichts als sein eigen Ge- staͤndniß fehlet, besonders wenn er von ge- sunden und starcken Koͤrper, und seine Bosheit sonst schon bekannt genug ist, gemartert werden. Der Reinigungseid, welcher einem einer Missethat verdaͤchtigen von dem Richter zuerkannt wird, heißt die geistliche Tortur (tortura spiritualis). Daß nun diese, wenn die Missethat entweder eine Lebens- oder Leibesstra- fe, oder den Verlust der Ehre nach sich ziehet, kein hinlaͤnglich geschicktes Mittel sey die Wahrheit heraus zu A a a 5 brin- III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. bringen, ist leicht zu erachten; indem nicht alle GOtt als einen Raͤcher fuͤrchten, andere aber glauben, daß sie deswegen schon Verge- bung erhalten wuͤrden: daß sie also lieber falsch schwoͤhren, als die Missethat bekennen wollen. §. 1033. Von der Gesan- genneh- mung und dem sichern Geleite. Nachdem die Missethaten nicht duͤrfen un- gestraft bleiben (§. 1032.); so muß man sich, wenn dergleichen begangen wor- den, bemuͤhen den schuldigen zu ent- decken, ist er bereits bekannt, so muß man ihn ins Gefaͤngniß werfen, daß er nicht entwische, ist er aber noch ver- borgen, oder ist er fluͤchtig geworden, so muß man alles anwenden, daß man ihn ertappe. Und daraus folgt noch wei- ter, daß er so lange in Verhaft bleiben muͤsse, bis er durch richterlichen Aus- spruch entweder losgesprochen, oder verdammet wird. Dieweil er aber nur der Verwahrung wegen im Gefaͤngniß sitzen soll; so hat man die Vollstreckung der Strafe, sonderlich wo es die Nothwendig- keit nicht anders befiehlet, nicht aufzuschie- ben. Hieraus laͤsset sich zugleich verstehen, daß man der Gefangennehmung sich nicht bedienen muͤsse, wenn man auch an einem abwesenden die Strafe voll- ziehen kann; und eben so klar ist es, daß man einen der Flucht verdaͤchtigen Zeugen in Verwahrsam bringen koͤnne (§. 778.). Von der Einrichtung einer Republick. (§. 778.). Ein Beschuldigter (inculpa- tus) heisset derjenige, welcher eines Verbre- chens oder einer Missethat halber angeklagt wird. Solte nun ein Beschuldigter, oder auch wohl ein schuldiger, als welchem man ebenfalls die Vertheidigung nicht versa- gen kann (§. 1031.), aus Furcht vor dem Gefaͤngniß entwichen seyn, und dem Richter abwesend versprechen, daß er sich auf geschehene Vorladung ieder- zeit vor Gerichte stellen, und seine Sa- che ausfuͤhren wolle, wenn man ihn nur versichere, daß er nicht solle ein- gestecket werden, welches man ein sicher Geleite (salvum conductum) nennet; so muß der Richter ihm dieses geben, doch, damit er hernach das Gericht nicht teuschen koͤnne, dergestalt, daß er daruͤ- ber vorher die gehoͤrige Versicherung leiste, daß er allezeit vor Gericht er- scheinen wolle. Unterdessen wenn er durch das Urtheil des Richters sollte zur Lebens- oder harter Leibesstrafe verdammet, oder auf die Tortur ge- bracht werden, und es fiele alsdenn der Verdacht, daß er fluͤchtig worden wuͤrde, auf ihn, so hoͤret das sichere Geleite auf; ja, sollte er waͤhrender Untersuchung eine Missethat begehen, welcherwe- gen man ihn gefangen nehmen koͤnnte, so muß man ihn, ohnerachtet des sichern III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. sichern Geleites, als welches dahin gar nicht gehoͤret, in Verhaft bringen. §. 1034. Von der Sorge des O- berherrn fuͤr die Gesund- heit der Unter- thanen. Jn der Republick muß ein Mensch mit zu- sammengesetzten Kraͤften aller und ieder das zu erhalten suchen, wozu er vor sich natuͤrli- cher Weise verbunden ist (§. 972.). Was nun ein Oberherr darzu beytragen kann, daß die Gesundheit seiner Untertha- nen erhalten, und die verlohrne wie- derum hergestellet werden moͤge, dazu ist er verbunden. Daraus entstehet nun die Sorge fuͤr gesunde Speise und Tranck, fuͤr einen Vorrath der Artze- neyen, ingleichen daß es nicht an er- fahrnen Aertzten und Wundaͤrtzten fehle, und daß geschickte Lehrer der heilsamen Kunst bestellet werden; fer- ner daß die Unterthanen es nicht noͤ- thig haben ihrer Gesundheit durch all- zuviele Arbeit zu schaden, und daß man denen, welche man in oͤffentliche Aemter setzet, hinlaͤnglichen Sold rei- che. Es gehoͤret auch hieher eine Sorg- falt wegen der Gemaͤchlichkeit und Sicherheit der oͤffentlichen Land- strassen. §. 1035. Von der Sorge fuͤr die Gebaͤu- de. Aus eben der Ursache ist klar (§. 116.), daß ein Oberherr Anstalten vorkehren muͤße, daß man die Baumaterialien fuͤr einen billigen Preis bekommen koͤnne, Von der Einrichtung einer Republick. koͤnne, daß erfahrne Baumeister, Zim- merleute, Maͤurer und andere Hand- wercker vorhanden seyn, und zugleich daß diese es nicht an ihrer Schuldig- keit bey der Erbauung der Haͤuser er- mangeln lassen. Man rechnet auch hier- her die Sorge wegen der Feuersbruͤn- ste, damit man solche beyzeiten loͤsche, und ihnen so viel als moͤglich vorbeu- ge. Und weil schoͤne oͤffentliche Gebaͤude ei- nem Staate ein Ansehen geben; so hat der Oberherr dafuͤr zu sorgen, daß die Kir- chen, Rathhaͤuser, Schul-academi- sche und andere oͤffentliche Gebaͤude nicht nur fest und nuͤtzlich, sondern auch schoͤn aufgefuͤhret werden. §. 1036. Weil man fuͤr Geld theils Sachen, theils Von der Sorge fuͤr die Muͤntze. anderer Arbeit, deren man benoͤthiget ist, be- kommen kan (§. 494.); so hat der Ober- herr zu sorgen, daß es nicht an hin- laͤnglicher Muͤntze, womit man Sa- chen und Arbeit erhalten kann, fehle. Und weil man die Betruͤgerey nicht gestatten soll (§. 1028.); so muß er sorgen, daß der innere Werth einer Muͤntze dem aͤusserlichen gemaͤß, oder daß die Muͤn- tze gut sey; und eben deswegen liegt ihm ob, die Muͤntzverfaͤlscher (monetæ adultera- tores), die entweder falsche Muͤntze schlagen, z. E. wenn sie einen Zusatz von schlechtern Me- tall, als es in oͤffentlichen Gesetzen vorge- schrieben III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. schrieben ist, nehmen, oder welche die Muͤntze durch abschaben geringhaltiger machen, ernst- lich zu bestrafen, auch es nicht zu dul- den, daß die gute Muͤntze aus dem Lande geschaffet, und dafuͤr von den Wechslern und andern schaͤndlichen Gewinstes gierigen Leuten schlechte Muͤntze eingefuͤhret werde. §. 1037. Von den Lasten der Re- publick. Alle Unkosten, welche wegen Verwaltung der Republick muͤssen aufgewendet werden, heissen Lasten der Republick (onera rei- publicæ). Da nun die Republick ohne La- sten weder kan verwaltet noch vertheidiget werden; so muͤssen alle und iede die La- sten der Republick tragen (§. 972.), doch aber sind sie auch nicht weiter aufzulegen, als es die Verwaltung und Vertheidigung der Republick erfor- dert, und weil man die Buͤrger nicht an den Bettelstab bringen muß, so muß auch ein ieder nur nach seinem Vermoͤgen dazu beytragen. Man nennet es aber or- dentliche Lasten, welche die bestaͤndige Nothdurft erheischet; hingegen sind es aus- serordentliche, die einige sich ereignende Faͤlle erfordern. §. 1038. Vom oͤffentli- chen Schatz. Die oͤffentliche Schatzkammer (æra- rium publicum) ist ein Ort, wo man das oͤffentliche Geld zuruͤcke leget. Es ist offen- bar, daß die Republick einer oͤffentli- chen Von der Einrichtung einer Republick. chen Schatzkammer (§. 1036.), und so viel baares Geldes benoͤthiget sey, als die Verwaltung und Vertheidigung der Republick erfordert. Ja es muͤs- sen auch besondere Gesellschaften, aus- ser der Schatzkammer des gantzen Staates, ihre Schatzkammern haben, wo sie die Gelder aufheben, welche von ihnen zum oͤf- fentlichen Gebrauch aufgebracht worden sind. §. 1039. Von der oͤffentlichen Schatzkammer ist die Von der Rent- kammer. Rentkammer (fiscus) unterschieden, als welche das Behaͤltniß des eigenen Geldes des Koͤnigs oder des Regenten ist. Was also des Koͤnigs eigenes ist, oder zu seinem besondern Nutzen bestimmet worden, das liegt in der Rentkammer. Daher ist die Einziehung der Guͤther (confi- scatio bonorum) diejenige Handlung, da man jemand zur Strafe alle Guͤther nimmt, und der Rentkammer zuschlaͤgt. Daraus laͤßt sich zugleich verstehen, was man die Confiscation einer besondern Sache (confiscationem rei particularis) nenne. §. 1040. Weil der Koͤnig ohne Aufwand weder sich Von Kam- merguͤ- thern. und seine Familie erhalten, noch auch einen koͤniglichen Staat fuͤhren kann, er aber die Herrschaft der Unterthanen halber ausuͤbet; so sind die Unterthanen in einem Reich gehalten dem Koͤnige genugsame Ko- sten darzureichen, damit er sich und seine III. Theil 2. Abth. 3. Hauptstuͤck. seine Familie und das Ansehen der koͤ- niglichen Wuͤrde erhalten koͤnne: Da- her muͤssen dem Koͤnige gewisse Ein- kuͤnfte angewiesen werden, welche nach Beschaffenheit der Umstaͤnde zu vermehren sind (§. 1038.). Die Landguͤ- ther, deren Einkommen zur Erhaltung des Regenten und seiner Familie gehoͤren, heis- sen Kammerguͤther (domania), und die Einkuͤnfte davon machen seine eigene Guͤther aus (§. 1021.). Derowegen kann er uͤber diese Einkuͤnfte nach seinem Gefallen die Einrichtung machen (§. 195.); iedoch ist er, als einer der nur die Nutzung davon hat, nicht befugt, solche zu verkaufen, oder zu verpfanden (§. 713.), ja, wenn sie auch veraͤussert waͤren, kann sie der Nachfolger wie- der einziehen, und es gilt auch hier, es mag so viel Zeit verflossen seyn, als es will, keine Verjaͤhrung (§. 451. 452.). Weil in einem vollkommen eigenthuͤmlichen Reiche alles, was der Herrschaft wegen feste gesetzet worden, ein Eigenthum des Koͤnigs ist (§. 986.); so kann er auch darin seine Kammerguͤther veraͤussern oder ver- pfaͤnden (§. 257. 697.). Endlich wenn ein Koͤnig das Recht hat, um einer ieden neuen Ursache willen ohne irgend einer Einschraͤnckung Auflagen anzu- kuͤndigen, so kann er ebenfalls seine Kammerguͤther verpfaͤnden; denn er haͤtte Von der Einrichtung einer Republick. haͤtte ja anstatt des geliehenen Geldes Aufla- gen machen koͤnnen. §. 1041. Da man einem ieden seine verdiente Ehre Von Titeln u. Rang. wiederfahren lassen soll (§. 142.); so muß der Oberherr auch diejenigen aͤusserli- chen Handlungen bestimmen, wodurch denen, welche sich um die Republick wohl verdient gemacht haben, ihrer Verdienste wegen, von denen uͤbrigen die gebuͤhrende Ehre erwiesen werden koͤnne. Hierzu sind nun die Titel, wel- ches Woͤrter sind, welche die Fuͤrtreflichkeit des einen fuͤr den andern andeuten, und der Rang geschickt (§. 75.). Weil nun Ti- tel und Rang Zeichen der Verdienste um die Republick seyn, und durch sie die Buͤrger zu allerley ausnehmenden Verdiensten um die Republick verbunden werden sollen (§. 35.); so muͤssen weder Titel noch Rang ver- kaufet werden. Aus eben der Ursache muß man nicht leiden, daß jemand an- dere, sonderlich diejenigen, welche durch buͤrgerliche Wuͤrden erhaben, oder gezieret sind, beschimpfe. Nat. u. Voͤlckerrecht. B b b Das III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. Das vierdte Hauptstuͤck. Von den Majestaͤtsrechten. §. 1042. Was zum Ma- jestaͤts- rechten gehoͤre. D a man Majestaͤtsrechte nennet, welche zur hoͤchsten Herrschaft und zu deren Ausuͤbung gehoͤren (§. 998.); so muͤssen alle Rechte hieher gezogen werden, ohne welche sich die oͤffentli- che Herrschaft so nicht fuͤhren laͤßet, daß die oͤffentliche Wohlfahrt nach Vermoͤgen befoͤrdert werde (§. 980.); folglich kommt demjenigen, welcher die buͤrgerliche Herrschaft ausuͤbet, das Recht zu, alles dasjenige fest zu setzen, was ihm zur Erhaltung der oͤffentli- chen Wohlfahrt etwas beyzutragen scheinet. §. 1043. Die Ge- walt Ge- setze zu geben. Weil eine iede Gesellschaft, folglich auch ein Staat, ihre Gesetze haben muß, und ihr das Recht Gesetze zu geben zustehet (§. 846.); so ist die Gewalt Gesetze zu geben, oder das Recht Gesetze zu errichten, denen Ma- jestaͤtsrechten zuzuzaͤhlen (§. 1042.). Derowegen weil sich keine Gesetze ohne Verbindlichkeit gedencken lassen (§. 39.); so muß man ihnen, wenn sie nicht so be- schaffen sind, daß ihnen nicht durch die Execution, das ist, wenn man einen mit Gewalt antreibt das zu thun, was be- fohlen Von den Majestaͤtsrechten. fohlen ist (§. 1029.), Gnuͤge geleistet werden kann, solche und so grosse Strafen anhaͤngen, welche der Ueber- tretung, so viel es sich thun laͤsset, zu steuren hinlaͤnglich sind. Daraus laͤsset sich verstehen, daß es noch keine Gesetze seyn, wenn der Oberherr nur anzei- get, was von den Unterthanen gesche- hen, oder nicht geschehen solle, nicht aber hinzufuͤget, daß diejenigen, wel- che das Gegentheil thun wuͤrden, Strafe davon tragen, oder mit Ge- walt gezwungen werden sollten: in- dem die Unterthanen durch eine solche Wil- lenseroͤfnung nur hoͤchstens ihrer Pflicht er- innert werden. Zugleich aber laͤßt sich leicht erkennen, daß die Grundgesetze nicht der einem Regenten zukommenden Ge- walt Gesetze zu geben unterworfen seyn (§. 984.). §. 1044. Weil der Oberherr seinen Willen durch Ge- Das Recht Gesetze auszule- gen. setze kund macht, was die Unterthanen thun, oder nicht thun sollen (§ 1043. 39.); so kommt auch ihm das Recht die Gese- tze auszulegen zu (§. 794.). Derowe- gen muß man in einem zweifelhaften Falle die Auslegung von ihm haben, welche die avthentische (avthentica) ge- nennet zu werden pfleget. Allein die Grund- gesetze kann er nicht auslegen. B b b 2 §. 1045. III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. §. 1045. Vom Rechte Gesetze abzu- schaffen und zu veraͤn- dern. Ein Gesetz wird abgeschaft, wenn kund gemacht wird, daß es die Unterthanen nicht mehr verbinden soll. Weil die Ver- bindlichkeit, welche ein menschliches Gesetz hat, von dem Willen des Gesetzgebers abhan- get (§. 39.); so kann ein Oberherr, wel- cher ein Gesetz gegeben (§. 1042.), nach seinem Gefallen es auch wieder abschaf- fen, folglich gehoͤrt das Recht Gesetze abzuschaffen unter die Majestaͤtsrech- te (§. 1041.). Und weil Gesetze aͤndern eben so viel ist als die alten aufheben, und andere an deren Stelle bringen; so lieget in dem Rechte Gesetze zu geben und abzuschaf- fen auch das Recht Gesetze zu aͤndern. Hingegen weil die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche von dem Naturgesetze entspringet (§. 39.), unveraͤnderlich ist (§. 38.); so koͤn- nen die Naturgesetze nicht abgeschaffet werden. §. 1046. Von dem Beguͤn- stigungs- recht. Die Beguͤnstigung (dispensationem) nennet man eine in einem besondern Falle gegoͤnnete Erlaubniß zu einer im Gesetz ver- bothenen Handlung. Daher weil beguͤnstigen so viel ist als ein Gesetz in einem besondern Falle aufheben, oder iemand von der Ver- bindlichkeit dazu befreyen; so kann ein O- berherr bey den Gesetzen beguͤnstigen, und folglich gehoͤret das Recht zu be- guͤnstigen unter die Majestaͤtsrechte: wel- Von den Majestaͤtsrechten. welches jedoch sich auf das Naturgesetz, wegen der Unveraͤnderlichkeit der natuͤrlichen Verbindlichkeit (§. 38.), nicht ausdehnen laͤsset. Wenn demnach der Oberherr eines und das andere zulassen muß, was wider das Naturrecht streitet, so laͤsset er es nur ungestraft hingehen. §. 1047. Eine Freyheitbegnadigung (privile- Von dem Rechte eine Freyheit- begnadi- gung zu eꝛtheilen. gium) ist eine Ertheilung eines Rechtes, es mag bejahend, oder verneinend, es mag einer, oder mehrern Personen, oder einer gewissen Ordnung von Leuten verliehen seyn, dessen andere ermangeln muͤssen. Jnsonderheit nennt man ein Familienprivilegium, welches ei- ner Person und allen ihren Abkoͤmmlingen ertheilet wird. Wer eine Freyheitbegnadi- gung hat, heißt ein Privilegirter (privile- giarius, privilegiatus). Weil durch die Er- theilung der Privilegien andere verbunden werden zu leiden, daß der Privilegiate seines Rechtes froh werde, und nichts thun duͤrfen, was demselben zuwider ist; so sind die Pri- vilegien in der That Gesetze, folglich weil die Gewalt Gesetze zu geben dem Ober- herrn zugehoͤret (§. 1043.), und ihm auch das Recht zu beguͤnstigen bey einem Gesetze zustehet (§. 1046.), welches bey Privilegien Platz findet; so gehoͤret das Recht Pri- vilegien zu ertheilen unter die Maje- staͤtsrechte. Wenn aber die Privilegia nach Gutbefinden des Oberherrn gegeben wer- B b b 3 den, III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. den, und es also auf ihn ankommt, wem, und unter welcher Bedingung, er Privilegia erstatten will; so kann der Oberherr die Privilegien entweder auf eine Zeit, oder auf lebenslang, unter einer ge- wissen Beschwerde, unter einer gewis- sen Bedingung, sonderlich die zu er- fuͤllen moͤglich ist, oder auch umsonst, ja unter einer gewissen Strafe, z. E. daß es bey einem Mißbrauch, oder bey einer gewissen That verlohren gehen solle, geben. Weil aber uͤbrigens die oͤf- fentliche Wohlfahrt das hoͤchste Gesetz ist in einem Staat (§. 976.); so muͤssen die Freyheitsbegnadigungen auch nur um der oͤffentlichen Wohlfahrt willen ge- geben werden: Sollten sie folglich zum Schaden der Republick, oder vieler Buͤrger, ausschlagen, so kann sie der Oberherr wiederum auf heben. §. 1048. Von dem Rechte zu strafen und des Schwer- tes. Da die Verbindlichkeit ihren Nachdruck von der Furcht der Strafen hat (§. 35. 93.); so muͤssen die den Gesetzen angehaͤng- te Strafen vollzogen werden. Derowe- gen da so wohl die Privat- als oͤffentlichen Verbrechen auch muͤssen gestrafet werden (§. 1029.); so gehoͤret das Recht zu stra- fen, und die Strafen zu bestimmen zu den Majestaͤtsrechten. Weil nun die Strafen entweder Uebel des Gluͤcks, oder des Leibes sind (§. 93.); so bestehen sie in der Berau- Von den Majestaͤtsrechten. Beraubung dessen was iemandes ei- gen ist, und in einem verursachten Leibesschmertzen, folglich koͤnnen einem alle koͤrperliche Sachen, Geld, und al- le Arten der Rechte, und eben deswegen auch Privilegien, entweder auf ewig, oder auf eine gewisse Zeit zur Strafe genommen, der Verbrecher kann un- ehrlich gemacht, und an seinem Lei- be auf allerley Weise hart angegriffen werden: Ja weil die Ausuͤbung des Straf- rechtes in der That eine Vertheidigung wider diejenigen ist, welche den Vorsatz zu beleidi- gen haben (§. 90. 93.); so kann man ei- nem das Leben selbst zur Strafe neh- men (§. 94.). Demnach sind die Todes- strafen vor sich selbst nicht unerlaubt, ja, wenn sich die Missethaten nicht anders abwenden lassen, sind sie er- laubt. Das Recht Lebensstrafen an den Uebelthaͤtern zu vollstrecken heißt das Recht des Schwerdtes, oder das Recht uͤber Leben und Tod, welches doch aber noch weiter gehet, in so fern es naͤmlich das Recht der Unterthanen Leben der Todesgefahr bloß zu stellen, wie im Kriege geschiehet, mit un- ter sich begreift. §. 1049. Weil die Wiedervergeltung eine Gleich- Ob man bey der Vollzie- hung der Strafen auf die heit der Rache ist, da einer so viel Uebel lei- det, als er gestiftet hat, und diese an ihr selbst, als unerlaubt, in der Ausuͤbung des B b b 4 Straf- III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. Wieder- vergel- tung zu sehen ha- be. Strafrechtes, nicht in Betrachtung zu zie- hen ist (§. 156.); so ist auch bey der Be- strafung der Privat- und oͤffentlichen Verbrechen nicht auf die Wiederver- geltung zu sehen, sondern man muß den Verbrecher zur Strafe bald mit ei- nem geringern Uebel, als er zugefuͤget hat, belegen, wie es der Endzweck der Strafe erfordert (§. 94.). Aus eben der Ursache ist auch ein Uebel an sich selbst nicht also beschaffen, daß es gestraft werden muͤste, und der Regent des Staats hat auch den Tod eines Uebel- thaͤters nicht zu seiner Absicht, son- dern vielmehr die Beleidigung so wohl von einem ieden, als auch von der Re- publick, oder allen zusammengenom- men abzuwenden. §. 1050. Was nicht ge- straft werden koͤnne. Weil die Menschen von Natur kein Recht zu strafen haben, ausser nur wenn wircklich eine Beleidigung geschehen ist (§. 93.); so koͤnnen die innerlichen Handlungen, wenn sie nicht aͤusserlich ausbrechen, nicht gestrafet werden. Daher kann man auch der Jrrthuͤmer halber nie- mand bestrafen, aber die Ausbreitung des Jrrthums ist es, sonderlich wenn man es verbothen hat, welche mit Strafe be- leget werden kann. Derowegen weil die Gottesverleugnung und der Deismus ebenfalls Jrrthuͤmer sind, so sind sie der Strafe Von den Majestaͤtsrechten. Strafe nicht unterworfen; aber die Ausbreitung der Atheisterey, Deisterey, und anderer der Religion zuwiderlau- fenden Jrrthuͤmer kann mit Strafe angesehen werden. Weil es eben so viel als eine Strafe ist, wenn iemand aus einem Staate weichen muß; so muß man nicht eher zu haͤrtern Strafen schreiten, als bis er entweder das Land nicht raͤu- men, oder von der Ausbreitung des Jrrthums nicht abstehen will. Und die Verweisung aus einem Staate ist auch gewiß keine leichte Strafe, sonderlich wo es einem schwer wird, anderswo sein Gluͤck zu finden. §. 1051. Da man das Recht des Begraͤbnisses der Ob man jemand zur Stra- fe das Begraͤb- niß ver- sagen koͤnne. Menschheit schuldig ist (§. 824.), und dieses einem zur Strafe genommen werden kann (§. 1048.), und es uͤberdem sich zum Strafen recht gut schicket, daß ihr Andencken erhal- ten werde, in so fern sie zum Beyspiel dienen sollen (§. 93.); so kann man die Leich- name derer, die am Leben gestraft worden sind, gar wohl zur oͤffentli- chen Schau unbegraben liegen lassen. Ja aus eben der Ursache wird denen Ver- aͤchtern der Religion, und denenjeni- gen, welche sich selbst, ohne daß eine Ursach, die ihnen nicht zuzurechnen waͤre, z. E. die Raserey, Unsinnigkeit, oder Schwermuth, angefuͤhret werden koͤnte, das Leben genommen haben, zur B b b 5 Strafe III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. Strafe das Begraͤbniß an einem ehr- lichen Orte versagt. §. 1052. Ob La- ster ge- straft werden koͤnnen. Weil ein Oberherr die groben Laster, oder schaͤndliche Thaten (scelera, vitia fœda) in der Republick zu dulden nicht schul- dig ist, sonderlich wo zu besorgen stehet, daß sie immer mehr und mehr uͤberhand nehmen (§. 1024.), oder wenn sie der oͤffentlichen Wohlfahrt einigermassen zuwiderlaufen (§. 976.); so kann er sie, wie verbiethen, al- so auch bestrafen, z. E. Hurerey, Ehe- bruch, widernatuͤrlichen Beyschlaf, Gottes- laͤsterung, allzugrosse Verschwendung. §. 1053. Wie die Eltern in den Kin- dern ge- strafet werden. Wenn die Guͤther der Eltern einge- zogen werden, binnen der Zeit da die Kin- der an ihnen noch kein eigenthuͤmliches Recht haben, als welches sie erst nach je- ner ihrem Tode erhalten (§. 917. 921.); so werden sie wegen der That ihrer El- tern zwar nicht gestraft (§. 1048.). Jn so ferne aber ihnen die Erbschaft entzogen wird, auf welche sie sich Hofnung machen konten, so empfinden sie in dieser Ab- sicht einiges Uebel. Dieweil aber die El- tern dafuͤr Sorge tragen sollen, daß ihre Kin- der begluͤckt seyn moͤgen (§. 892.), wohin sie auch die von Natur eingepflantzte Liebe leitet, welche selbst bey dem Vieh anzutref- fen ist; so schmertzet es sie, daß die Kinder der Guͤther beraubet werden, welche sie sonst nach Von den Majestaͤtsrechten. nach ihrem Ableben bekommen haben wuͤrden. Und daher werden die Eltern durch das Einziehen der Guͤther in den Kindern gestraft (§. 93.). Dieses laͤßet sich auf gleiche Weise verstehen, wenn den Kin- dern wegen der Missethat der Eltern etwas genommen wird, was sie haben, oder erwarten koͤnnen, worauf nicht ihnen selbst, sondern dem Volck, oder dem Koͤnige ein eigenthuͤmliches Recht zustehet, oder welches nicht zu ihrem, sondern zu des Volckes, oder Koͤnigs Eigenthum gehoͤret. Dergleichen ist der Adel, das Erbrecht auf gewisse buͤrgerliche Wuͤrden, eine buͤrgerliche Faͤhigkeit zu ge- wissen oͤffentlichen Aemtern, das Recht Rit- terguͤther zu besitzen, und andere Privilegien, welche der Familie verliehen worden sind, in- dem alle diese Dinge die Beschaffenheit ha- ben, daß sie dem Rechte des Oberherrn be- staͤndig unterworfen bleiben, daß er daruͤber verfuͤgen kann, wie es die Wohlfahrt der Republick erfordert (§. 976.). §. 1054. Dieweil das Wohl des gemeinen Wesens Vom Be- gnadi- gungs- recht. das allerhoͤchste Gesetz ist (§. 976.), die Be- schaffenheit aber und die Groͤsse der Strafen durch den Willen des Oberherrn bestimmet wird (§. 1048.); so kann der Oberherr, wenn er glaubt, daß es der Republick zum Vortheil gereiche, daß die Strafe erlassen, oder wenigstens gemindert wer- III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. werde, sie erlassen, oder mildern. Da- zu koͤnnen aber hinlaͤngliche Gruͤnde seyn die vortreflichen Verdienste der Eltern, oder der Vorfahren um die Republick, oder um den Oberherrn, derentwegen eine Erlassung, oder Milderung der Strafe eben so viel als eine Wohlthat ist, welche ihnen an ihren Kindern, oder Nachkommen, oder Anverwandten er- theilet wird. Dergleichen sind auch die an- sehnlichen Verdienste der Verbrecher selbst um die Republick und den Regenten des Staats, oder die grosse Hoffnung daß sie sich inskuͤnftige verdient machen werden. Das Recht aber die Strafen zu erlassen, oder zu vermindern wird das Begnadigungsrecht (jus aggratiandi) genennet. Sind die Stra- fen bereits im Gesetz bestimmet; so ist die Begnadigung so gut als eine Beguͤnstigung (§. 1046.), und das Recht zu begnadigen ist unter dem Beguͤnstigungsrechte euthalten. §. 1055. Von dem Rechte eine An- klage aufzuhe- ben. Eine Anklage, oder Untersuchung wird aufgehoben (accusatio, vel inquisi- tio aboletur), wenn uͤber die Missethat, de- rentwegen iemand angeklaget wird, keine Un- tersuchung angestellet, und folglich dieser entweder ohne alle Erkaͤntniß der Sache, oder da die Untersuchung noch nicht geendet ist, aus der Zahl der schuldigen heraus genom- men wird. So ist also die Auf hebung einer Anklage eine Erlassung der Stra- fe in einem zweifelhaften Falle. Wann nun Von den Majestaͤtsrechten. nun unter dem Begnadigungsrechte das Recht eine Anklage aufzuheben mit begriffen ist (§. 1054.); so kommt dem Oberherrn das Recht Anklagen aufzuheben zu. §. 1056. Von der Aufhebung der Anklage ist das Von der Verges- sung des vorigen Unrechts. Vergessen des vorigen Unrechts (amne- stia) unterschieden, als welche ein auf ewig beschlossenes Vergessen des gethanen Unrechts und veruͤbter Laster ist. Daher wird es auch das Gesetz des Vergessens (lex oblivio- nis) genannt. Derowegen kann niemand wegen des geschehenen angeklagt, und auch nicht gestraft werden, wenn ein- mahl das Vergessen des vorigen Un- rechts feste gesetzt worden ist. Da das Wohl der Republick das hoͤchste Gesetz ist (§. 976.); so muß, wenn es des Staats Vortheil ist, z. E. wenn man durch das Vergessen des vergangenen Unrechts gewisser verhuͤtete, daß nicht neuen und noch groͤssern Thuͤr und Thor eroͤfnet wuͤrden, oder wenn sie weit sicherer zur Endschaft kommen koͤnn- ten, dafern man die Strafe erliesse, als wenn die schuldige gestrafet wuͤrden, das Vergessen des vorigen Unrechts natuͤr- licher Weise erlaubt, und der Ober- herr, weil dies eine Art der Erlassung der Strafe ist, solche zu leisten vermoͤgend seyn. Es laͤsset sich aber leicht verstehen, daß, wenn der Oberherr in einer Re- bellion das Vergessen des Unrechts zu- gestehet, III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. gestehet, allwo dies naͤmlich durch eine Un- terhandlung geschieht, daß der Friede wieder- um hergestellet werde, und es also seine Kraft von einem Vertrage hat (§. 764.), solches nicht kraft der Herrschaft geschehe. §. 1057. Von dem Rechte Abgaben aufzule- gen, und von des- sen ver- schiede- nen Gat- tungen. Das Recht Abgaben aufzulegen, welches dem Oberherrn zukommt (§. 1037.), gehoͤret unter die Majestaͤtsrechte. Tribut heisset dasjenige Geld, welches fuͤr unbewegliche Sachen, fuͤr betraͤgliche, fuͤr gewisse besessene Guͤther, fuͤr einen vortheil- haften Handel, oder auch fuͤr den Kopf, um die Lasten der Republick zu tragen, gezahlet wird. Zoll aber ist das Geld, so aus eben der Ursach fuͤr Waaren und Sachen, die ver- zehret werden, fuͤr Fuhrwerck, und was die- sem allen aͤhnlich ist, entrichtet wird. Da- hin gehoͤren auch die oͤffentlichen Geschen- cke (munera publica), wenn die Untertha- nen, so keine Wuͤrde haben, des oͤffentlichen Nutzens wegen verbunden sind etwas um- sonst, oder auch mit Schaden ihres Eigen- thums, und auf ihre eigene Kosten zu thun. Dergleichen oͤffentliches Geschenck ist, wenn man persoͤnliche Einquartirung der Soldaten hat, oder Vormundschaften verwaltet. Es ist aber offenbar, daß die Tribute und oͤffentlichen Geschencke den Werth un- beweglicher Sachen verringern, der Zoll aber den Preis der Sachen erhoͤ- he. Daraus folget aber, daß man mit Auf- Von den Majestaͤtsrechten. Auflegung neuer Tribute, oͤffentlicher Geschencke und Zoͤlle behutsam ver- fahren muͤsse. §. 1058. Eine Collecte heißt Geld, welches von Von dem Rechte Collecten anzule- gen. den Buͤrgern zu einem besondern Gebrauch, z. E. zur Erbauung einer Kirche, oder zu ei- ner Brandsteuer, oder die Armen zu erhalten, gesammlet wird. Da die Collecten die Re- publick mittelbar angehen, in so fern alle ver- bunden sind eintzelnen Personen, oder beson- dern Gesellschaften zu helffen (§. 975.), und wenn dies zum Behuf der Auswaͤrtigen ge- schieht, das Geld aus dem Staat geschlep- pet wird, und dies folglich Lasten sind, wel- che in die Republick einen Einfluß haben; so gehoͤret die Verstattung des Rechts zu collectiren vor den Oberherrn (§. 1057.), und kann folglich das Recht zu collecti- ren ohne dessen Erlaubniß nicht aus- geuͤbet werden. Und obwol Collecten mit Allmosen nicht zu verwechseln sind, der- gleichen ein Privatmann um sein Elend er- traͤglicher zu machen, in welches er etwa durch eine ungluͤckliche Feuersbrunst, oder durch andere Heimsuchung gestuͤrtzet worden, samm- let; so kann doch der Oberherr daruͤber die Einrichtung machen, dieweil ihm das Recht uͤber die Allmosen zu verfuͤ- gen zustehet (§. 1022.), und diese un- ter die Abgaben der Republick gezaͤh- let III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. let werden muͤssen, welche die Repu- blick mittelbar angehen. §. 1059. Von dem Rechte Muͤntzen zu schla- gen. Weil der Oberherr sorgen muß, daß es nicht an genugsamer guter Muͤntze fehle, und daß diese nicht verfaͤlschet werde (§. 1036.); so gehoͤret das Recht Muͤntze schlagen zu lassen unter die Majestaͤtsrechte (§. 1042.), und dem Oberherrn stehet auch das Recht zu dem aͤusserlichen Werth so wohl seiner eignen, als frem- der Muͤntze zu bestimmen, wie er es dem Wohl des Staates gemaͤß zu seyn erachtet. Wenn schlimmer Zeiten we- gen den Muͤntzen, so aus geringer Ma- terie verfertiget sind, und entweder einen geringen, oder fast gar keinen Werth haben, ein unmaͤßiger aͤusserli- cher Werth beygeleget werden muß; so muß der Oberherr, daß nicht viele Buͤrger an Bettelstab gerathen, wenn die elenden Zeiten voruͤber sind, sorgen, daß sie mit guter Muͤntze vertauschet werden. §. 1060. Von dem Rechte oͤffentli- che Aem- ter zu verge- ben. Ein oͤffentliches Amt ist die Verwal- tung gewisser Geschaͤfte, welche vermoͤge der buͤrgerlichen Herrschaft ausgefuͤhret und zur Vollstreckung gebracht werden muͤssen. Es verwalten also nicht nur diejenigen ein oͤffentliches Amt, welchen der Ober- herr die Ausuͤbung eines gewissen Rech- Von den Majestaͤtsrechten. Rechtes, so zur buͤrgerlichen Herr- schaft gehoͤret, auftraͤgt, sondern auch die, deren Dienst er sich entweder selbst, oder jene in der Bewerstelli- gung der Geschaͤfte bedienen. Jns be- sondere aber nennet man diejenigen die O- brigkeit (magistratus), welchen der Ober- herr gewisse Theile der Herrschaft auszuuͤben verliehen hat, dergleichen sind die Stadtobrig- keiten, die Regierungen und auch die Rich- ter (§. 1028.). Da ein Oberherr die Herr- schaft vor sich selbst allein nicht ausuͤben kann, sondern solches zum theil durch andere thun muß, folglich die Obrigkeiten und Rich- ter in seinem Nahmen thun, was sie thun, und uͤberhaupt alle die, so in einem oͤffentlichen Amte stehen, nichts anders ausfuͤhren, als was ihnen von dem Oberherrn befohlen worden; so stehet dem Oberherrn auch das Recht zu Obrigkeiten und Richter einzuse- tzen, und uͤberhaupt oͤffentliche Aem- ter zu verleyhen. Uebrigens hanget es von seinem Willkuͤhr ab, in wieferne er, was die kleinern Bedienungen be- trift, denen Obrigkeiten, den Rich- tern, und welche andere Aemter ver- walten, das Recht verstatten wolle, und unter welcher Bedingung solche zu vergeben. Es erhellet aber leicht, daß diese sich ihres Rechtes nicht anders bedienen Nat. u. Voͤlckerrecht. C c c koͤn- III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. koͤnnen, als so fern es von dem Willen des Oberherrn abhanget. §. 1061. Von dem Recht Titel und Rang, oder buͤr- gerliche Wuͤrden zu erthei- len. Und weil Titel und Rang an sich Beloh- nungen derer um die Republick, oder um die Person des Oberherrn wohlverdienten Maͤn- ner sind (§. 1041.), wodurch die Untertha- nen sich wohlverdient zu machen verbunden werden (§. 35.); so gehoͤrt das Recht Titel und Rang zu ertheilen unter die Majestaͤtsrechte (§. 1042.). Da aber diese auch mit oͤffentlichen Aemtern verknuͤpfet sind, in so fern diejenigen, welche solche ver- walten, sich um die Republick wohl verdient machen; so haben daher die Roͤmer die oͤffen- lichen Aemter, welche eine Wuͤrde mit sich fuͤhren, Ehrenaͤmter (honores) genennt. §. 1062. Wie dies Recht auszuuͤ- ben. Weil die oͤffentliche Herrschaft der oͤffentli- chen Wohlfahrt gemaͤß ausgeuͤbet werden muß (§. 976.); so darf niemand ein oͤffentli- ches Amt gegeben werden, ausser der dazu geschickt ist, d. i. der nicht nur genugsame Kraͤfte, solches recht zu verwalten, sondern auch einen bestaͤn- digen und unveraͤnderten Willen hat, solchem gehoͤrig vorzustehen, folglich muͤssen die oͤffentlichen Aemter nicht verkauft, oder an den meistbietenden vergeben werden, und es ist auch nicht zu dulden, daß diejenigen, welche ent- weder Von den Majestaͤtsrechten. weder Aemter ertheilen, oder dem O- berherrn tuͤchtige Personen vorschla- gen, oder vorstellen sollen, von denen die um ein Amt anhalten, Geschencke nehmen duͤrfen. Derowegen da man es das Laster des Erschleichens (crimen ambitus) nennet, wenn iemand sich fuͤr Geld, oder da er auf eine andere unerlaubte Weise die Stimmen bestochen hat, ein oͤffent- liches Amt, oder eine buͤrgerliche Wuͤrde zu- wege bringet; so muß das Laster des Erschleichens nicht gelitten, folglich be- strafet werden. Ja wenn derjenige, dem die Uebertragung eines oͤffentli- chen Amtes anbefohlen ist, der Repu- blick durch Erwaͤhlung eines unwuͤr- digen sollte einen Schaden zugefuͤget haben, so ist er verbunden solchen zu ersetzen (§. 270.). §. 1063. Der wird von seinem Amte abgese- Von der Abse- tzung, Suspen- sion und Erlas- sung vom Dienste. tzet, der dessen wider seinen Willen beraubet wird; der wird aber suspendiret, wel- chem verbothen ist es auf eine gewisse, oder unbestimmte Zeit zu verwalten; der wird seines Dienstes erlassen, dem der Ober- herr auf seine Bitte dergestalt willfahret, daß er nicht verbunden ist solchen laͤnger zu ver- walten. Dieweil die Verleyhung eines Amtes durch einen Vertrag zwischen dem, der das Amt verleyhet, und dem, dem man es verleyhet, zu Stande ge- C c c 2 bracht III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. bracht wird, vermoͤge welches jener diesem die Verwaltung, oder Vollstreckung gewisser Geschaͤfte auftraͤgt (§. 1060.), und einen Sold verspricht, dieser aber sich anheischig macht, er wolle die Geschaͤfte fleißig verwal- ten, oder zur Vollstreckung bringen (§. 438.); so kann niemand ohne Einwilligung des Oberherrn oder dessen, der von ihm das Recht hat (§. 341.) von sei- nem Amte abdancken, er kann auch dessen nicht entsetzt, oder davon suspen- diret werden ohne rechtmaͤßige Ursa- che, z. E wenn er es nachlaͤßig, oder betruͤglich verwaltet haͤtte (§. 442.), oder auch wenn es zur Strafe seyn soll (§. 1048.). So ist dann klar, daß das Recht abzusetzen, oder zu suspen- diren, oder des Amtes zu entsetzen an sich selbst dem Oberherrn zustehe. §. 1064. Vom Rechte uͤber hei- lige Sa- chen. Das Recht uͤber heilige Sachen (jus circa sacra, ius sacrorum) ist ein Recht uͤber diejenigen Dinge, welche zum Gottesdienst und zur Kirche gehoͤren, Verfuͤgung zu ma- chen. Dieweil die Sorge fuͤr den aͤusserli- chen oͤffentlichen Gottesdienst dem Oberherrn oblieget, z. E. daß Kirchen gebauet, Festta- ge bestimmet, oͤffentliche Lehrer bestellet (§. 1024.), und daß folglich heilige Sachen recht gebrauchet (§. 1025.), und Kirchensa- chen recht eingerichtet werden (§. 1026.); so kommt dem Oberherrn einiges Recht uͤber Von den Majestaͤtsrechten. uͤber die heiligen Sachen zu. Weil sich aber die Herrschaft, welche alle dazu gehoͤri- ge Rechte, folglich auch das Recht uͤber die heilige Sachen in sich begreift, in Macht- theile zerstuͤcken (§. 983.), und dieselbe auch sich theilweise uͤbertragen laͤsset (§. 982.); so ist auch das Recht uͤber heilige Sachen von dem weltlichen trennbar, und es kann sich solches das Volck entweder selbst vorbehalten, oder es kann auch einem besonders uͤberlassen werden. Weil diejenigen Dinge, welche man zum in- nerlichen Gottesdienste rechnet, und welche in dem aͤusserlichen mit ihm auf das genaue- ste verbunden sind, entweder auf erwegende Saͤtze von GOtt und seinem Willen, oder auf ausuͤbende Saͤtze von dem was man zu thun schuldig ist, in sich fassen (§. 178.), nun aber nicht befohlen werden kan, daß man et- was fuͤr wahr halte, wovon man nicht durch Gruͤnde uͤberzeuget oder uͤberredet ist; so kann das Recht uͤber heilige Sachen, so ferne es urspruͤnglich bey dem Vol- cke ist, nicht auf diejenigen Sachen ausgedehnet werden, welche zum in- nerlichen Gottesdienste gehoͤren, und unzertrennlich mit demselben in dem aͤusserlichen zusammen hangen, ausser in so fern, um Unruhen zu vermeiden, ei- ne in der Kirche entstandene Streitig- keit vorlaͤufig zu entscheiden ist, damit iedermann wisse, was oͤffentlich gelehret wer- C c c 3 den III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. den solle, oder was gewisses fest gese- tzet werden muß, z. E. daß einem iegli- chen, doch ohne Schmaͤhung und Verfolgung des Gegentheils, frey gelassen wird seine Meynung vorzutragen, und mit Beweis- gruͤnden zu vertheidigen, oder daß man von dem, was in Streit gezogen ist, in dem oͤf- fentlichen Gottesdienste gantz und gar stille schweigen solle. Was aber diejenigen Dinge anlanget, welche in dem aͤusser- lichen Gottesdienste dem innern unbe- schadet auf verschiedene Art geschehen koͤnnen, so hat es keine Schwierigkeit, daß der, so das Recht uͤber heilige Sa- chen hat, nach seinem Belieben, wie er glaubt, daß es zum Besten des Staats oder der Kirche ausschlagen werde, daruͤber zu verfuͤgen in dem Stande sey (§. 976.). Unterdessen da die buͤrgerliche Herrschaft nach dem Endzweck des Staats abgemessen werden muß (§. 980.); so hanget das Recht uͤber heilige Sa- chen, was die Handlungen betrift, welche eine Verhaͤltniß gegen die Re- publick haben, oder deren Vollzie- hung den weltlichen Arm noͤthig hat, und in so ferne die Kirche den buͤr- gerlichen Schutz erfordert, allezeit von der buͤrgerlichen Herrschaft ab. Weil der Regent des Staats zu der Beobachtung der Grundgesetze verbunden ist (§. 984.); so folget, daß er, wenn dies und jenes in Von den Majestaͤtsrechten. in einem Grundgesetze von den heili- gen Dingen bereits feste gesetzet wor- den, z. E. daß keine Religion soll gedul- det werden, welche von der, wozu sich das Volck bekennet, unterschieden ist, oder daß der Regent keiner andern Religion zugethan seyn soll, an dergleichen gebunden sey. Stehet aber kein Grundgesetz im Wege, daß er nun nach Gefallen daruͤber anzuordnen Macht hat, was er will; so kann er eine iegliche Religion im Staate dulden, wenn sie nur dem buͤrgerlichen Zustan- de nicht zuwider ist, und die Bedin- gung vorschreiben, unter welcher er sie dulden will. §. 1065. Das Recht uͤber die eigenthuͤmlichen Sa- Von dem vorzuͤgli- chen Ei- genthum und Macht. chen der Buͤrger der oͤffentlichen Wohlfahrt halber im Nothfall zu verfuͤgen nennet man das vorzuͤgliche Eigenthum (dominium eminens); das Recht aber aus eben der Ur- sache im Falle der Noth uͤber die Personen der Buͤrger selbst Einrichtung zu machen heisset die vorzuͤgliche Macht (potestas eminens). Beydes zusammen, naͤmlich uͤber die Sachen und Personen, ist das vorzuͤg- liche Recht (jus eminens). Derowegen kommt einem Oberherrn das vorzuͤgli- che Eigenthum und Macht, oder das vorzuͤgliche Recht zu (§. 976.), bey- des Recht ist ein Recht in der Noth, und hat nicht eher statt, als wenn der C c c 4 Gebrauch III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstuͤck. Gebrauch desselben das eintzige Mittel die oͤffentliche Wohlfahrt in einem sich ereignenden Falle zu befoͤrdern ist. Da nun die heiligen und Kirchensachen einer be- sondern Kirche gehoͤren, deren Glieder Buͤr- ger sind (§. 1026.); so kann der Ober- herr vermoͤge des vorzuͤglichen Eigen- thums auch uͤber heilige und Kirchen- sachen Verfuͤgung treffen, doch aber nicht ohne Einwilligung dessen, der das Recht uͤber heilige Sachen hat, wenn es von der weltlichen Regie- rung unterschieden ist (§. 1064.). Weil das Eigenthum und die Herrschaft zwey gantz von einander unterschiedene Rechte sind, de- ren keines von dem andern abhanget (§. 195. 833.); so gehoͤret das nicht nur zur Herrschaft, wenn der Koͤnig ein Ei- genthumsherr von Privatlaͤndereyen ist, und macht in der Herrschaft so wohl als auch in der Art die Herrschaft zu besitzen nicht die geringste Aende- rung. §. 1066. Vom Rechte des Krie- ges. Da der Oberherr verpflichtet ist die Re- publick wider aͤusserliche Gewalt zu vertheidi- gen, und folglich die Rechte seines Volcks, wie auch aller und ieder Unterthanen, mit Ge- walt wider andere Voͤlcker zu verfolgen (§. 972.); so hat er auch das Recht wider andere zu kriegen (§. 98.), und dies ge- hoͤret zu den Majestaͤtsrechten (§. 1042.). Von den Majestaͤtsrechten. 1042.). Ein solcher Krieg aber, der ver- moͤge des Rechtes des Staats gefuͤhret wird mit andern Voͤlckern, wird ein oͤffentlicher Krieg genennet. §. 1067. Endlich weil der Oberherr das Wohl Vom Rechte Vertraͤ- ge mit andern Voͤlckern zu ma- chen. des Volcks auf alle Weise befoͤrdern muß (§. 972. 996.); so kann er, wenn er das Beste seiner Buͤrger durch Huͤlfe und Beystand andrer Voͤlcker befoͤrdern koͤnnte, auch deßfalls mit andern Voͤl- ckern Buͤndnisse aufrichten. Doch vom Rechte des Krieges und mit andern Voͤlckern Vertraͤge einzugehen muß in dem Voͤlcker- recht gehandelt werden. Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von der natuͤrlichen Lehre der buͤrgerlichen Gesetze. §. 1068. B uͤrgerliche Gesetze sind, die der Von buͤr- gerlichen Gesetzen. Oberherr denen Unterthanen in einem Staate giebet. Da verschiedne Staa- ten unter einander als freye Personen, die im natuͤrlichen Zustande leben, angesehen wer- den (§. 977.); so verbinden die buͤrger- lichen Gesetze niemand als die Glieder desselben Staates, worinn sie gegeben sind, wenn folglich fremde Gesetze an- genommen werden, so erhalten diesel- C c c 5 ben III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre ben erst durch den Willen des Ober- herrn, welcher befiehlt daß es Gesetze seines Staats seyn sollen, die Kraft zu verbinden. Weil aber die oͤffentliche Wohl- fahrt das hoͤchste Gesetz ist (§. 976.); so muͤssen fremde Gesetze nicht ehr ange- nommen werden, als erwiesen ist, daß durch ihre Vorschriften das gemein- same Wohl dieses Staates befoͤrdert werden koͤnne, und wenn daher, nach- dem sich der Zustand der Sache geaͤn- dert, oder man den Jrrthum erkannt hat, bemercket wird, daß sie keine Mittel das gemeinsame Beste zu be- foͤrdern abgeben, so muß man sie wie- derum abschaffen : und dies ist auch uͤber- haupt von allen Gesetzen zu behalten. §. 1069. Von dem Verhaͤlt- nisse der buͤrgerli- chen Ge- setze ge- gen die natuͤrli- chen ge- bieten- den und verbie- ten den Gesetze. Da die natuͤrliche Verbindlichkeit unver- aͤnderlich ist (§. 38.), und sich kein Mensch davon losmachen kann (§. 42.); so muͤssen die buͤrgerlichen Gesetze denen natuͤr- lichen gebietenden und verbietenden nicht zuwider seyn ; folglich kann das buͤrgerliche Gesetz aus dem, was man natuͤrlicher Weise schuldig ist, nicht et- was unerlaubtes, und aus dem, was natuͤrlicher Weise unerlaubt ist, nicht eine Schuldigkeit, oder etwas erlaub- tes machen (§. 49.). Derowegen wenn nach dem buͤrgerlichen Gesetze still- schweigend zugelassen wird, was ei- nem der buͤrgerlichen Gesetze. nem gebietenden, oder verbietenden entgegen stehet; so wird das nur ge- duldet, entweder daß man es unge- straft hingehen laͤßt, oder daß man ei- nem die richterliche Huͤlfe deshalb ver- sagt, um ein groͤsseres Uebel oder Scha- den zu vermeiden, oder weil es einer andern Ursache halber noͤthig ist, daß dies geschehe (§. 976.). Wenn naͤmlich durch ein buͤrgerliches Gesetz etwas zugelassen wird, das einem natuͤrlichen gebietenden oder verbietenden Gesetze zuwider laͤuft, so wird die natuͤrliche Freyheit nicht mehr eingeschraͤnckt, als es der Endzweck des Staats erheischt (§. 78. 980.). Jeden noch aber weil der Ober- herr durch seine Zulassung allerdings zu ver- stehen giebt, daß ein anderer den, der da han- deln will, nicht mit Gewalt hindern soll, daß er nicht handeln koͤnte; so folget, wenn durch ein buͤrgerliches Gesetz etwas zugelassen wird, so verbindet dieses Zulassungsgesetz die uͤbrigen, daß sie den, der dergleichen thut, nicht hin- dern sollen, das zu thun, was zuge- lassen ist, und daher erlanget derjeni- ge, welcher eine solche Handlung thut, ein Recht es nicht zu leiden, daß man ihn mit Gewalt hindere (§. 46.). §. 1070. Wenn die natuͤrliche Verbindlichkeit nicht Von den buͤrgerli- chen Ge- kraͤftig genug ist die Beobachtung der natuͤr- lichen III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre setzen, so von den natuͤrli- chen, ih- rem Jn- halt nach, nicht un- terschie- den sind. lichen Gesetze, die doch in der Republick be- obachtet werden muͤssen, zu bewircken; so werden die Naturgesetze durch hinzu- gefuͤgte Strafen, aus deren Furcht eine willkuͤhrliche Verbindlichkeit, so noch staͤrcker ist als die natuͤrliche, entstehet (§. 35. 93.), buͤrgerliche Gesetze, in so ferne sie naͤm- lich Strafen enthalten, die das Naturgesetz gar nicht bestimmet hat (§. 39). Ja, da die Furcht vor der Vollziehung der Strafe des Richters (§. 1029.) und eine vorherge- hende Vorstellung, daß derselbe eine Hand- lung werde fuͤr nichtig erklaͤren, oder aufhe- ben, eine Kraft zu verbinden hat (§. 35.); so bekommen auch die Naturgesetze die Gestalt der buͤrgerlichen, in so ferne man ihnen in Gerichten zu statten kommt. §. 1071. Von dem Verhaͤlt- nisse der buͤrgerli- chen Ge- setze ge- gen die natuͤr- lich zu- laßenden und die Liebes- pflichten. Weil in einem Staate die Freyheit ein- zelner Personen in Absicht auf die Handlung, welche zur Erhaltung des oͤffentlichen Wohls gehoͤren, eingeschraͤncket wird (§. 980.); so kann der Oberherr aus dem was na- tuͤrlicher Weise erlaubt ist durch ein buͤrgerliches Gesetz eine Schuldigkeit, oder etwas unerlaubtes, und aus dem was man unvollkommen schuldig ist, oder aus einer Liebespflicht eine voll- kommene Schuldigkeit machen, wie es der Endzweck der Republick erfor- dert (§. 49. 80.). Was alle und iede ein- tzelne der buͤrgerlichen Gesetze. tzelne vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit durch Vertraͤge thun koͤnnen (§. 667.); eben das kann der Oberherr, dessen Rechte die natuͤr- liche Freyheit aller und ieder unterworfen ist, auch thun, in so fern es der Endzweck des Staats erfordert (§. 980.). Daraus folgt, daß, wenn etwas auf verschiedene Art und Weise geschehen kann, der O- berherr befehlen koͤnne, daß es auf diese oder jene Art geschehen, und es mithin keine buͤrgerliche guͤltige Hand- lung seyn solle, wenn es nicht nach der in einem Gesetz vorgeschriebenen Wei- se geschehen. Hieher gehoͤret auch, wenn der Oberherr die Art bestimmet, nach welcher einer natuͤrlichen Verbindlich- keit Genuͤge geleistet werden kann, oder von ihm verhuͤtet wird, daß derselben nichts zuwider gehandelt wetde. §. 1072. Weil der Oberherr die Sorge auf sich hat, Von de- nen buͤr- gerlichen Gesetzen, welche dem Jn- halt nach von den natuͤrli- chen un- terschie- den sind. daß ein ieder durch den Richter zu seinem Rechte kommen koͤnne (§. 1028. 1029.); so ist leicht einzusehen, daß verhuͤtet wer- den muͤße, daß die Streitigkeiten nicht zu sehr vervielfaͤltiget, und aus einer Streitigkeit nicht immer neue Strei- tigkeiten gezeuget, noch auch vor Ge- richt ins weite Feld gespielet werden duͤrfen, und daß dahin zu sehen sey, daß sie einmal ihre Endschaft errei- chen. III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre chen. Derowegen muͤssen die Streitig- keiten einer ieden geringen Beleidi- gung halber in Gerichten keinen Platz haben, dieweil auch die Klugheit, oder die Liebe im natuͤrlichen Zustande befiehlet, daß man sich geringer Beleidigungen wegen des Krieges enthalten, und man oͤfters um sei- nes Versehens willen buͤssen muͤsse, damit man ins kuͤnftige behutsamer zu verfahren lerne; und wenn auch einem natuͤrli- chen Gesetze solche Bestimmungen an- gehaͤnget sind, welche schwehr, oder gar unmoͤglich zu beweisen sind, so muͤssen an deren Stelle andere, die sich leicht erhaͤrten lassen, welche wahr- scheinlich, oder mehrentheils jenen gleich sind, gesetzet werden. Daher folget, daß die Beleidigungen, derent- wegen man richterliche Huͤlfe zu hof- fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn ehr nach Verschiedenheit der Haͤndel iemand vor das versehene haften solle, durch ein buͤrgerliches Gesetze ausge- machet werden muͤssen. §. 1073. Woher der Grund zu neh- men sey, daß aus den na- tuͤrlichen Gesetzen Weil die buͤrgerlichen Gesetze die Mittel vorschreiben sollen, wodurch die gemeinsame Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§. 1068.); so muß der Grund von dem, was entweder zu einem natuͤrlichen Gesetze hinzugethan, oder davon ge- nommen werden soll, daß ein buͤrger- liches der buͤrgerlichen Gesetze. liches Gesetze daraus entstehe, entwe- buͤrger- liche ge- macht werden koͤnnen. der von dem Zustande eines Staats uͤberhaupt, oder desjenigen Staates, in welchem das Gesetz gegeben wird, insonderheit, hergenommen werden. Und wenn die buͤrgerlichen Gesetze fein zusammen stimmen sollen, so ist vor sich klar, daß man auch das, was mit dem Naturrecht nicht gantz uͤbereinkommt, aus andern buͤrgerlichen Gesetzen aber nothwendig folget, annehmen muͤsse. Derowegen weil man den Willen des Gesetz- gebers nicht als widersprechend gedencken darf; so muͤssen diejenigen Dinge, welche aus einem buͤrgerlichen Gesetze nothwen- dig fliessen, auch fuͤr Gesetze gehal- ten werden. §. 1074. Weil aus dem bisherigen erhellet, daß aus Von den Jrrthuͤ- mern, die man in Absicht auf das Natur- recht zu vermei- den hat. natuͤrlichen Gesetzen die buͤrgerlichen gemacht werden; so muß man verhuͤten, daß der Gesetzgeber nicht gewisse gemeine Jrr- thuͤmer fuͤr das Recht der Natur hal- te: Wenn folglich durch Unwissenheit der Zeiten einige Jrrthuͤmer in die buͤr- gerlichen Gesetze eingeschlichen, oder einige aus andern an dieser Kranckheit liegenden durch eine Folge herausgezo- gen waͤren, so muͤssen dieselben entwe- der abgeschaffet, oder der Wahrheit gemaͤß geaͤndert werden. Das III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht Das sechste Hauptstuͤck. Von der Pflicht des Oberherrn und der Unterthanen. §. 1075. Von ei- ner gu- ten und schlim- men Re- gierung. D ie Ausuͤbung der buͤrgerlichen Herr- schaft heißt die Regierung (regi- men). Derowegen da die Republi- cken um der Befoͤrderung der gemeinen Wohl- fahrt willen aufgerichtet sind (§. 972.), und die buͤrgerliche Herrschaft in der Bestimmung der buͤrgerlichen Handlungen, und dererjeni- gen Dinge, welche zur Erreichung des oͤf- fentlichen Wohls gehoͤren, bestehet (§. 978. 980.); so regieret der Regent eines Staates die Republick wohl, wenn er dasjenige thut, was zur Ausbrei- tung des oͤffentlichen Wohls erfor- dert wird; hingegen regieret er uͤbel, wenn er thut, was der oͤffentlichen Wohlfahrt zuwider ist: da er doch zu einem guten Regimente verpflich- tet ist. §. 1076. Von den Eigen- schaften eines Re- genten des Staats, und von den zu Derowegen muß nun ein Regent des Staats eine Wissenschaft dererjenigen Dinge, welche zu einer guten Regie- rung gehoͤren, und einen bestaͤndigen und anhaltenden Willen haben, nichts anders zu thun, als was eine gute Re- gierung haben will. Unterdessen, da es sich des Oberherrn und der Unterthanen. sich nicht thun laͤßet, daß er alle oͤffentliche einem gu- ten Re- giment erforder- lichen Raͤthen Geschaͤfte, und sonderlich dasjenige, was bey den Dingen, woruͤber gegenwaͤrtig ein Ent- schluß gefasset werden soll, zum Grunde ge- setzt wird, auf das genaueste wisse; so muß er sich derohalben des Vortrags und Raths kluger Leute, deren einer in dieser, der andere in einer andern Art der Geschaͤfte ausnehmende Geschick- lichkeit hat, bedienen. Man nennet sol- che Raͤthe, und sie werden nach Verschie- denheit der Geschaͤfte, wozu man ihren Rath bedarf, in verschiedene Gattungen eingethei- let. Die Raͤthe muͤssen demnach sich nicht nur die Geschaͤfte wohl bekannt gemacht haben, sondern auch alles und iedes treulich vorstellen, worauf es im gegenwaͤrtigen Fall ankommt, nichts verschweigen, und von aller Schmei- cheley entfernet seyn. §. 1077. Dieweil das Exempel des Regenten in ei- Von der Tugend eines Regen- ten des Staates. nem Staat die groͤsseste Kraft die Untertha- nen zu verbinden hat; so muß sich ein Re- gent des Staats in aller Tugend und Froͤmmigkeit hervorthun (§. 1024.). Und daß es ihm nicht an einem bestaͤndigen Willen wohl zu regieren fehle (§. 1075.); so muß er sein Volck lieben. §. 1078. Weil ihm oblieget die Republick wohl zu Der Miß- brauch regieren (§. 1075.); so muß er die Ho- Nat. u. Voͤlckerrecht. D d d heit III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht der Ge- walt ist zu ver- meiden. heit der Herrschaft nicht mit einer will- kuͤhrlichen Gewalt verwechseln ; folg- lich muß er die Majestaͤtsrechte und deren rechten Gebrauch (§. 1042.), nebst denen Grundgesetzen, wenn der- gleichen vorhanden sind, die er beob- achten soll (§. 984.), wohl inne haben, und mithin muß er auf alles aufmerck- sam seyn, was von der tuͤchtigen Ein- richtung der Republick bewiesen wor- den (§. 1017.). §. 1079. Von dem Gehor- sam der Unter- thanen. Weil es die hoͤchste Herrschaft nicht vertra- gen kann, daß die Handlungen, so zur Aus- uͤbung derselben gehoͤren, von irgend einem Menschen uͤber den Haufen geworfen wuͤrden (§. 981.); so laͤßet sich die hoͤchste Herr- schaft an ihr selbst nicht widerstehen, folglich muß sich auch das Volck in de- nen Dingen, worinn der Regent des Staats die hoͤchste Herrschaft hat, nicht widersetzen. Und da man niemand die Herr- schaft unter der Bedingung auftragen kann, daß das gantze Volck dem loͤblich regierenden gehorsamen solle, dem uͤbel regierenden aber widerstehen, und ihn zu paaren treiben koͤnne; so ist das Volck zum geduldigen Ge- horsam gegen den Regenten des Staats in allen den Stuͤcken, worinn er die hoͤchste Herrschaft hat, verbunden, das ist, es muß nicht nur dem, der die Re- publick wohl, sondern auch dem, der sie des Oberherrn und der Unterthanen. sie uͤbel regieret, Gehorsam leisten : Dies darf keinem hart scheinen, indem es doch besser ist unter einem uͤblen Regiment, als in dem natuͤrlichen Zustande zu leben (§. 972.). Weil aber niemand von der natuͤrli- chen Verbindlichkeit befreyet werden kann (§. 42.); so ist man dem Oberherrn keinen Gehorsam schuldig, wenn er befehlen sollte, was einem gebietenden, oder verbietenden natuͤrlichen Gesetze ent- gegen stehet, und man muß es gedul- dig leiden, wenn man desfalls gestraft, oder vielmehr mißgehandelt wird. Weil auch der Oberherr kein Recht hat etwas zu befehlen, so wider die Grundgesetze strei- tet (§. 984.); so darf man ihm auch nicht gehorsamen, wenn er etwas wi- der die Grundgesetze befiehlet, ja es ist erlaubt sich dem Regenten zu wi- dersetzen, und ihn im Zaum zu halten, wenn er in das Recht, so dem Volck, oder den vornehmsten vorbehalten ist, einen Eingrif thut (§. 88. 90.). §. 1080. Jemand suppliciret, wenn er mit Ehr- Vom Suppli- ciren. erbietigkeit bittet, daß dies und jenes gesche- hen, oder nicht geschehen moͤge. Jndem nun Bewegungsgruͤnde von noͤthen sind, wenn einer etwas wollen, oder nicht wollen soll; so ist dem Supplicanten erlaubt die Gruͤnde, weswegen etwas geschehen, oder nicht geschehen solle, demuͤthig D d d 2 vor- III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht vorzutragen. Derowegen weil es gesche- hen kann, daß der Oberherr etwas befieh- let, was allzuhart, oder unbillig zu seyn schei- net, dieweil ihm nicht bekannt ist, warum es zu hart, oder zu unbillig scheinen koͤnnte; so ist in diesem Fall den Unterthanen eine demuͤthige Bitte erlaubt, und es kommt insonderheit denen Obrigkeiten das Recht im Nahmen der Untertha- nen ehrerbietig zu bitten zu (§. 1060.), keinesweges aber besitzen sie das Recht dem Unrecht des Regenten zu wider- stehen, denn sie bedienen sich keines andern Rechts, als das ihnen der Oberherr verstattet hat, und welches nur nach seinem Willen ausgeuͤbet werden muß (angef. §.). Wird auf eine Ehrfurchts volle Bitte, ob sie gleich gerecht ist, nicht geachtet, so muͤssen es die Unterthanen geduldig leiden (§. 1079.). §. 1081. Wenn ei- ner ab- gedanckt, oder das Reich verlas- sen, oder verloh- ren hat. Wenn ein Koͤnig sich der Herrschaft begeben, oder sie verlassen, oder das Reich aus einer Untreue (felonia) ge- gen den, von dem er es zur Lehn traͤ- get, oder einer Bedingung halber, so gleich bey der Uebertragung der Herr- schaft feste gesetzet worden, daß, wenn der Koͤnig dies oder jenes thun wuͤr- de, die Unterthanen von allen Ban- den des Gehorsams loß seyn sollten, verlohren hat; so wird der Koͤnig, weil er des Oberherrn und der Unterthanen. er eine moralische Person ist, die nur wegen der Herrschaft, die sie hat, ein Koͤnig ist (§. 994.), und folglich nach verlohrnen Reich aufhoͤret ein Koͤnig zu seyn, wieder eine Privatperson, und derowegen ist gegen ihn erlaubt, was gegen eine Privat- person etlaubet ist. §. 1082. Weil niemand etwas thun soll, was wider Vom La- ster der beleidig- ten Ma- jestaͤt, und in- sonder- heit des Hochver- raths. das Recht des andern laͤuft (§. 86.); so muß auch kein Buͤrger etwas thun, was wider die Majestaͤtsrechte ist, folglich auch nichts wider die Person desjenigen schmieden, welcher im Staate die Majestaͤtsrechte, und eben darum die hoͤchste Herrschaft hat (§. 998.), wodurch ihm naͤmlich ein Recht der Majestaͤt, oder die gantze hoͤchste Herrschaft entwedet entrissen, oder verringert, oder der Gebrauch dersel- ben auf irgend eine Weise gehindert werden koͤnnte (§. 83.). Derowegen muß er mit nichts schwanger gehen, was zum Umsturtz und Erschuͤtterung der Republick und dem Untergang des Regentens im Staat abzielen kann. Weil das Laster der beleidigten Maje- staͤt eine That ist, wodurch etwas wider die Majestaͤtsrechte, und folglich wider die Per- son dessen, der die hoͤchste Herrschaft hat, be- gangen wird; so ist dieses Laster natuͤrlicher Weise unerlaubt, oder es ist wider das D d d 3 Recht III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht Recht der Natur. Und weil der Ober- herr das Recht denjenigen zu strafen hat, wel- cher das allen zustehende Recht, dergleichen die Majestaͤtsrechte sind, welche unter der Herrschaft begriffen werden (§. 979.), und welche man auf den Regenten des Staats uͤbertragen hat (§. 982.), verletzet; so stehet dem Oberherrn auch das Recht zu den zu strafen, welcher das Laster der be- leidigten Majestaͤt begehet. Weil aber die Majestaͤtsrechte nicht alle von gleichem Grade sind, vermoͤge dessen, was wir davon erwiesen haben (§. 1042. u. f.), und uͤber- dem die Handlungen, so dawider begangen werden, der Republick nicht gleichen Scha- den bringen; so kann auch nicht ein je- des Laster der beleidigten Majestaͤt auf einerley Art bestrafet werden. Man nennet es aber insonderheit das La- ster des Hochverraths (crimen perduel- lionis), wenn jemand den Regenten des Staats um das Leben, oder um die Herr- schaft zu bringen, oder die Republick uͤber den Haufen zu werfen, oder ihr einen Stoß zu geben suchet: Da nun dies unter den Lastern der beleidigten Majestaͤt das groͤsseste ist, so muß es auch mit den haͤrtesten Stra- fen beleget werden. Es erhellet aber, daß man das Laster der beleidigten Majestaͤt und des Hochverraths in ei- ner ieglichen Forme der Republick be- gehen koͤnne. Und weil Kinder und An- verwandte des Oberherrn und der Unterthanen. verwandte um der Thaten der Eltern, oder der Anverwandten willen nicht zu strafen sind (§. 837.); so koͤnnen auch die Kinder und Anverwandten der Hochverraths- schuldigen nicht gestrafet werden. End- lich weil die Verbindlichkeit das Laster der beleidigten Majestaͤt nicht zu begehen aus dem Vertrage herruͤhret, nach welchem der Staat aufgerichtet ist (§. 972.), wie auch aus dem Vertrag, vermoͤge dessen die Herrschaft auf den Regenten des Staats ist gebracht wor- den (§. 982.); so kann das Laster der be- leidigten Majestaͤt und des Hochver- raths nur allein von den Unterthanen begangen werden, und wer sich dessen schuldig macht, ist ein Treuloser (§. 390.). §. 1083. Man nennet denjenigen einen Anfaller Von dem Recht wider ei- nen der das Reich anfaͤllet. des Reichs (invasorem imperii), welcher, da er gar kein Recht die Herrschaft zu sich zu reissen hat, sie mit Gewalt, oder durch List nimmt. Da nun ein Anfaller des Reichs ei- nem Raͤuber gleich (§. 263.), und mithin wider denselben eben so viel erlaubt ist, als hinreichet eine unrechtmaͤßige Gewalt ab- zutreiben (§. 268.); so stehet es frey ei- nem Anfaller des Reichs, wenn er in der That des Anfallens begriffen ist, sich mit Gewalt zu widersetzen, und, wenn er den Besitz durch blosse Gewalt erhaͤlt, und kein Vertrag etwa erfol- D d d 4 get III. Th. 2. A. 6. H. Von der Pflicht get ist, als welchen man halten muͤste (§. 438.), ihn mit Gewalt heraus zu stossen, ja auch in beyden Faͤllen, wo es noͤthig seyn sollte, zu toͤdten. Und weil der Oberherr, dem dieses Recht zukommt, dies entweder selbst, oder durch andere ausrichten kann; so kann ein jeder, wenn es ohne Unterschied einer ieden Privatperson erlaubet worden, daß er den anfallen- den in beyden Faͤllen toͤdte, ihn toͤdten. §. 1084. Wenn es erlaubt sey, mit einem Anfaller des Reichs einen Vertrag einzuge- hen. Wenn der Regent des Staats in ei- nen solchen Zustand gerathen ist, daß er seine Unterthanen nicht vertheidi- gen kann, und auch die Buͤrger so viel Kraͤfte nicht haben, daß sie ohne den augenscheinlichsten Untergang dem An- fallenden nicht widerstehen koͤnnen; so ist es denen Buͤrgern erlaubt zu ihrer Erhaltung mit dem Anfallenden einen Vertrag einzugehen, indem sie dem Re- genten des Staats deswegen die Herrschaft uͤbergeben haben, daß er sie wider aͤusserli- che Gewalt beschuͤtzen sollte (§. 972.). Und dieweil Vertraͤge zu halten sind (§. 438.); so muͤßen sie nach aufgerichteten Vertrag ihm gehorchen, und es stehet nicht bey ihnen das geringste wider ihn aus ei- nem feindseligen Gemuͤthe zu unter- nehmen. §. 1085. des Oberherrn und der Unterthanen. §. 1085. Der Regent in einem Staat ist de- Von den schuldi- gen Lie- bespflich- ten des Regenten in einem Staat gegen die Unter- thanen, und der Unter- thanen gegen den Regen- ten. nen Unterthanen, und die Unterthanen dem Regenten zu allen Pflichten, wel- che ein Mensch dem andern zu leisten schuldig ist, verbunden. Denn die na- tuͤrliche Verbindlichkeit ist unveraͤnderlich (§. 38.), und kann sich kein Mensch davon los machen (§. 42.). Derowegen da ein Staats- regente nicht aufhoͤret ein Mensch zu seyn, wenn er der Regent ist, und die Unterthanen deshalb nicht aufhoͤren Menschen zu seyn, weil sie Unterthanen sind; so bestehet zwischen dem Regenten des Staats und den Unter- thanen die Verbindlichkeit in Absicht auf alle Liebespflichten, und folglich muͤssen der Regent und die Unterthanen sich unter einander lieben (§. 136.). Ja diese Ver- bindlichkeit liegt in dem Vertrage, wodurch der Staat errichtet (§. 972.), wie auch in dem Vertrage, nach welchem die Herrschaft dem Regenten des Staats uͤberlassen worden ist (§. 982.). §. 1086. Dieweil derjenige, welcher sich in ei- Von de- nen, die sich in ei- nen Staat begeben. nen Staat begiebt, wo nicht mit deutli- chen Worten, doch stillschweigend den Ver- trag, nach welchem ein Staat errichtet, und die Herrschaft auf einen Regenten des Staats gebracht worden, vor genehm haͤlt; so ist er zu der Beobachtung der Gesetze des Staats verbunden (§. 978. 1068.). Es D d d 5 kommt IV. Theil 1. Hauptstuͤck. kommt dazu, daß es der Oberherr nicht lei- den wird, daß sich iemand unter einer andern Bedingung in den Staat begebe, als daß er zugleich zur Beobachtung der Gesetze verpflich- tet seyn sollte. §. 1087. Von der Einig- keit der Buͤrger. Dieweil die Buͤrger Gesellschafter sind (§. 972. 974.), diese aber einstimmig seyn muͤs- sen (§. 847.); so muͤssen auch die Buͤr- ger fein einig, folglich nicht uneinig seyn. Derowegen muß der Oberherr dafuͤr sorgen, daß die Einigkeit der Buͤrger erhalten werde, keine Uneinig- keit aber Platz finde. Der vierdte Theil. Vom Voͤlckerrechte. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. §. 1088. Von dem nothwen- digen Rechte der Voͤl- cker. D ieweil verschiedene Voͤlcker unter einander betrachtet werden als freye Personen, die im natuͤrlichen Zu- stande leben (§. 977.), diese aber sich deswegen, weil sie sich in einen Staat begeben haben, von der natuͤrlichen Verbind- lichkeit Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. lichkeit nicht losmachen koͤnnen (§. 42.); so sind sie zu eben denselben Pflichten so wohl gegen sich selbst, als auch gegen andere Voͤlcker verbunden, wozu ein- tzelne Personen einander verpflichtet sind; und aus eben dieser entspringen die Rechte, welche allen und ieden im natuͤrlichen Zustande zugehoͤren (§. 46.), die ihnen nicht koͤnnen genommen werden (§. 74.); folglich bedienen sie sich unter einander des Naturrechts. Das Recht der Natur, so fern es auf die Voͤlcker angewendet wird, wird das noth- wendige, oder natuͤrliche Voͤlckerrecht (jus gentium necessarium, vel naturale) ge- nennet. Einige nennen es auch mit dem Gro- tius das innerliche Voͤlckerrecht (jus gentium internum). Und dies Recht ist gantz unveraͤnderlich (§. 40.), und kann sich kein Volck von der daher ab- stammenden Verbindlichkeit befreyen (§. 42.). §. 1089. Vermoͤge des nothwendigen Voͤlckerrechts Von dem Rechte der Na- tur so den Voͤl- ckern zu- kommt. haben die Voͤlcker alle einerley Ver- bindlichkeit und Rechte (§. 69.), und derowegen sind sie von Natur alle ein- ander gleich (§. 70.), keines hat ein Vorrecht (§. 71.), oder einen Rang fuͤr dem andern (§. 75.). Keinem steht ein Recht uͤber die Handlungen des an- dern zu (§. 76.): Alle und iede leben in Frey- IV. Theil 1. Hauptstuͤck. Freyheit (§. 77.), deren Gebrauch von einem andern Volcke nicht gehindert werden muß (§. 78.). Kein Volck darf das andere beleidigen, oder dessen voll- kommnes Recht verletzen (§. 88.), oder ihm Unrecht thun (§. 87.): Ja es kommt einem ieden Volcke das Recht zu sich wider ein zuzufuͤgendes Un- recht zu vertheidigen (§. 90.), und ein bereits angethanes zu bestrafen (§. 93.). Ueberdem haben auch alle Voͤlcker das Recht sich andere, daß sie ihnen dieses und jenes leisten muͤssen, verbindlich zu machen, und folglich ein vollkomm- nes Recht sich etwas zu erwerben (§. 97.), so ihnen nicht entrissen werden kann (§. 100.), und dann endlich auch das Recht des Krieges (§. 92.). §. 1090. Von dem will kuͤhr- lichen Rechte der Voͤl- ker. Weil die Voͤlcker schuldig sind sich und ihren Zustand mit vereinigten Kraͤften vollkommner zu machen (§. 44. 1088.); so hat die Natur selbst un- ter den Voͤlckern eine Gesellschaft ge- stiftet, in welche sie wegen der unwiderruf- lichen Nothwendigkeit der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit willigen muͤssen (§. 38.), so daß es scheinet als wenn sie durch einen eigenen Vertrag zu wege gebracht waͤre (§. 836.). Und diese Gesellschaft, so der gemeinsamen Wohlfahrt wegen errichtet ist, wird der groͤsseste Staat (civitas maxima) genen- net, Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. net, dessen Glieder, so zu reden als Buͤrger, die eintzelnen Voͤlcker sind. Daraus entspringt nun ein Recht, welches allen uͤber alle eintzel- ne Voͤlcker zukommt, welches man die all- gemeine Herrschaft, oder die Herrschaft der Voͤlcker (imperium universale sive gentium) nennen koͤnnte, nach welchem man naͤmlich um der gemeinen Wohlfahrt willen die Handlungen derer eintzel- nen bestimmen, und sie zwingen kann, daß sie ihrer Verbindlichkeit ein Gnuͤ- ge leisten. Und da eine jede Gesellschaft ihre Gesetze haben muß, worinn diejenigen Dinge feste gesetzet werden, welche des ge- meinen Bestens halber immer auf einerley Art geschehen muͤßen (§. 846.); so muß auch der groͤsseste Staat seine Gesetze haben. Wie aber das Naturgesetz die Ein- willigung in den groͤssesten Staat bewircket; so muß eben dasselbe diese bey der Verferti- gung der Gesetze ergaͤntzen. Denn gleichwie in einem ieglichen Staat die buͤrgerlichen Ge- setze aus den natuͤrlichen verfertiget werden muͤssen, und das Recht der Natur auch selbst die Art vorschreibet, wie dieses geschehen sol- le (§. 1068. u. f.); so muͤssen auch in dem groͤssesten Staat auf eben die Art aus den natuͤrlichen Gesetzen buͤrger- liche gemacht werden, wie es in einem ieden besondern Staat nach dem in dem Naturgesetz vorgeschriebenen Lehrbegrif ergehet. Und dieses Recht, welches IV. Theil 1. Hauptstuͤck. welches aus dem Begrif des groͤssesten Staats hergeleitet wird, nennen wir mit dem Gro- tius das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht (jus gentium voluntarium); und diejenigen, wel- che das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht bestreiten, ein aͤusserliches aber, so von dem innerlichen, welches das natuͤrliche Voͤlckerrecht ist (§. 1088.), unterschieden seyn soll, behaupten, nehmen es in der That selbst an: daß daher der Streit nicht so wohl uͤber die Sache, als vielmehr uͤber deren Nahmen ist, obgleich we- der Grotius, noch seine Widersacher die Dinge genug aus einander gesetzet haben, die wircklich zum willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht ge- hoͤren. §. 1091. Von dem Ver- tragsvoͤl- ckerrecht. Die Voͤlcker koͤnnen sich auch durch Ver- traͤge allerley Rechte und Verbindlichkeiten zuwege bringen (§. 1089.). Und dieses Recht, welches aus Vertraͤgen, so unter verschiednen Voͤlckern eingegangen worden sind, nebst de- nen darauf passenden, oder ihnen anklebenden Verbindlichkeiten, entstehet, wird das Ver- tragsrecht der Voͤlcker (jus gentium pa- ctitium) genennet. Derowegen da die Ver- traͤge nur die den Vertrag eingehende Theile verbinden (§. 438.), so ist das Vertrags- voͤlckerrecht nur ein besonderes Recht. §. 1092. Von dem Gewohn- heits- Endlich nennet man das Gewohnheits- voͤlckerrecht (jus gentium consuetudina- rium) Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. rium) dasjenige, was durch langwierigen voͤlcker- recht. Gebrauch unter einigen Voͤlckern eingefuͤhret, und als ein Recht beobachtet worden: wel- ches nur besonders seyn kann, und die- weil es sich auf keine ausdruͤckliche Einwilli- gung gruͤndet, nicht laͤnger verbindet, als bis ein Volck ausdruͤcklich einen andern Willen an den Tag geleget hat. Das zweyte Hauptstuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen sich selbst, und denen daher entspringenden Rechten. §. 1093. D ie Erhaltung eines Volckes (con- Von der Erhal- tung ei- nes Vol- ckes. servatio gentis) bestehet in der Fort- dauer der Vereinigung in einem Staat. Da demnach alle insgesamt ver- pflichtet sind fuͤr den hinlaͤnglichen Lebensun- terhalt, Ruhe und Sicherheit eines ieglichen zu sorgen (§. 975.), als welcher Endzweck nur bey aufrechtstehender gesellschaftlicher Vereinigung erhalten wird; so ist ein iedes Volck sich zu erhalten verpflichtet. §. 1094. Die Vollkommenheit eines Volcks Von der Vollkom- menheit eines Volcks besteht in der Geschicklichkeit den Endzweck des Staats zu erreichen, und so ist denn der Zu- stand eines Volckes vollkommen, wenn bey IV. Th. 2. Hauptst. Von den Pflichten und des Zustan- des des- selben. bey ihm nichts von dem vermisset wird, dessen es den Endzweck zu erlangen bedarf. Derowegen da diejenigen, welche sich in einen Staat zusammen begeben haben, sich unter einander verbunden, diesen End- zweck mit vereinigten Kraͤften zu verfolgen (§. 972.); so ist ein iegliches Volck ver- pflichtet sich und seinen Zustand voll- kommner zu machen. §. 1095. Von der Verbind- lichkeit und dem daher sliessen- den Rech- te. Weil ein Volck sich erhalten (§. 1093.) und vollkommen machen soll (§. 1094.); so muß es auch alle Gefahr des Unter- gangs von sich abwenden, und so viel in seinen Kraͤften ist, dasjenige ver- meiden (§. 60.), was seine und seines Zustandes Vollkommenheit auf irgend eine Art verhindert, oder es selbst, oder seinen Zustand unvollkommner macht ; folglich stehet einem ieglichen Volcke das Recht zu dem offen, wodurch es die Gefahr des Untergangs abwen- den, und ohne welches es sich und sei- nen Zustand nicht vollkommen machen, oder seine und seines Zustandes Unvoll- kommenheit nicht verhuͤten kann; wenn es folglich der Huͤlfe und des Bey- standes eines andern Volckes zu diesem Ende noͤthig hat, so muß es mit dem- selben daruͤber Vertraͤge errichten (§. 1091.). §. 1096. der Voͤlcker gegen sich selbst. §. 1096. Der Ruhm (gloria) ist das einstimmige Von dem Ruhm. Lob guter und erfahrner Personen, oder derer, welche wohl urtheilen koͤnnen (§. 121.); folg- lich kann niemand ohne Tugenden des Verstandes und Willens wahren Ruhm erlangen, und der thut es an- dern an Ruhm am meisten zuvor, welcher andere an der Tugend weit uͤbertrift (§. 125.). Und so bestehet denn der Ruhm eines Volcks in dem Lobe, welches ihm nach der Uebereinstim- mung braver und erfahrner Leute, so wohl wegen der Vollkommenheit, als auch solcher Thaten halber, welche aus Tugenden des Verstandes und des Willens hergeflossen sind, beygeleget wird. Und weil das, was eintzelne haben, auf das gantze Volck gezogen wird, und von diesem gesaget werden muß, was von dem groͤssesten Theile desselben, oder von mehre- ren in einer gewissen Lebensart gilt; so ge- reichen die aus Tugenden des Verstan- des und des Willens abgestammten Thaten eintzelner, und insonderheit der meisten, oder wenigstens vieler Personen in einerley Lebensart, zum Ruhm eines Volcks. So wird z. E. ein Volck gelehrt genennt, wenn es einen Ueber- fluß an gelehrten Maͤnnern hat; es heißt ge- recht, wenn die meisten in demselben der Ge- rechtigkeit ergeben sind, u. s. w. Nat. u. Voͤlckerrecht. E e e §. 1097. IV. Th. 2. Hauptst. Von den Pflichten §. 1097. Von der Befoͤrde- rung des Ruhms. Dieweil sich ein ieder Mensch zu befleißi- gen hat, daß er lobenswuͤrdig sey (§. 125.), und also Ruhm verdiene (§ 127.); so muß sich auch ein iedes Volck Ruhm zu verdienen bewerben. Hieraus ergiebt sich, daß auch alle und iede ihre Hand- lungen, und mithin der Regent des Staats selbst seine koͤniglichen Hand- lungen (§. 1096.), zum Ruhm ihres Volcks einrichten muͤssen, folglich haben sie sich zu huͤten, daß sie nicht etwas begehen, was ihrem Volcke zur Schan- de gereichet. Daher erhellet noch weiter, daß die Voͤlcker auch gelehrt und gesit- tet seyn sollen. Es heissen naͤmlich gelehr- te Voͤlcker, welche die Tugenden des Ver- standes treiben, und folglich ihre Seele durch Erkaͤntniß uͤben; gesittete aber werden ge- nennet, welche nach der Vorschrift der Ver- nunft und zur Artigkeit eingerichtete Sitten haben. Diesen sind wilde und ungesittete Voͤlcker (barbaræ \& incultæ) entgegen ge- setzet. §. 1098. Von dem Rechte sich Sa- chen um einen bil- ligen Preis von ei- nem an- Weil sich die Menschen unter einander ver- bunden sind dasjenige von ihren Sachen her- zugeben, was der andere bedarf, sie aber mis- sen koͤnnen (§. 329.), niemand aber schuldig ist einem etwas umsonst zu geben, der gleich- falls etwas geben kann (§. 473.); so hat ein iegliches Volck das Recht die Sachen, so der Voͤlcker gegen sich selbst. so es bedarf, von andern Voͤlckern, die dern Volck an- zuschaf- fen. ihrer nicht noͤthig haben, sich um bil- ligen Preis anzuschaffen: Keineswegs aber kommt ihm das Recht zu, seine Sachen bey einem andern Volcke zu verkaufen, wenn es solches nicht zu- frieden ist, wenn folglich ein Volck nicht will, daß gewisse fremde Sachen in sein Land sollen gebracht werden, so thut es dem Volck, von welchem sie kommen, kein Unrecht (§. 87.). §. 1099. Den Handel (commercium) nennt man Von dem Handel. das Recht, nach welchem man allerley Sa- chen, bewegliche und sich bewegende, unter einander kaufen und verkaufen kann. Jn- neren Handel (commercia interna) heisset man denjenigen, welchen die, so einerley buͤr- gerlicher Herrschaft unterworfen, oder unter einander Buͤrger sind, treiben; aͤusserlichen aber (externa), der mit andern Voͤlckern, oder mit fremden getrieben wird. Da der innerliche Handel den Nutzen hat, daß ein ieder haben kann, was zur Nothdurft, Ge- maͤchlichkeit und Vergnuͤgen des Lebens erfor- derlich ist, und daß einerley Geld bestaͤndig von einem auf den andern koͤmmt, und zu mehrerer Vortheil verwendet wird; der aͤus- serliche aber dazu dienet, daß man das, was einem Volcke fehlt, von dem andern anschaf- fet: so sind so wohl alle und iede un- ter einander in einem Staat (§. 975.), E e e 2 als IV. Th. 2. Hauptst. Von den Pflichten als auch die Voͤlcker unter einander verbunden Handel zu treiben (§. 1098.). Wenn man nun aber durch einen Vertrag ein vollkommenes Recht erlanget (§. 1089.); so muͤssen die Voͤlcker Handlungsver- traͤge unter einander errichten. §. 1100. Von dem Rechte, da etwas blos in meiner Macht stehet. Das Recht, da etwas blos in mei- ner Macht steht (jus meræ facultatis) wird dasjenige Recht genannt, da iemand sich etwas bedienen und nicht bedienen kann, wie es ihm gut deuchtet, frey von allem aͤusserli- chen Zwange. Derowegen da Handlun- gen, bey welchen es lediglich auf den Willen ankommt (actus meræ volunta- tis) diejenigen heissen, welche eintzig von un- serm Willen abhangen; so sind alle Hand- lungen, die zur Ausuͤbung des Rech- tes, da etwas blos in meiner Macht stehet, gehoͤren, von der Art, z. E. Waa- ren kaufen, wo man will. Weil nun aus den Handlungen, so lediglich auf iemandes Wil- len beruhen, nicht geschlossen werden kann, daß sich iemand dem andern zu gefallen seines Rechts begeben so und nicht anders zu thun; so koͤnnen die Rechte, da etwas blos in unsrer Macht stehet, nicht verjaͤh- ret werden (§. 452.), ausser von der Zeit an, da ein Verboth oder Zwang dazwischen gekommen, und demselben von uns, mit genugsamer Anzeige un- srer der Voͤlcker gegen sich selbst. srer Einwilligung, Gehorsam gelei- stet worden ist. §. 1101. Da ein vollkommnes Recht des Han- Von der Verjaͤh- rung des Handels. dels (jus commerciorum perfectum) nur durch einen Vertrag erworben wird (§ 1099.), und folglich an sich betrachtet ein Recht ist, so blos in unsrer Macht stehet (§. 1100.); so kann das nicht verjaͤhret werden, aus- ser seit dem ein Verboth, oder ein Zwang dazwischen gekommen ist, dem man mit sattsamer Bekantmachung seiner Einwilligung gehorsamet hat. §. 1102. Zu der Vollkommenheit eines Volcks ge- Von dem Rechte seine Macht zu ver- mehren. hoͤret, daß es maͤchtig sey, das ist, daß es der Gewalt andrer Voͤlcker, womit es ent- weder selbst, oder das seinige uͤberfallen wird, widerstehen koͤnne (§. 1094. 972.). Dero- wegen muß sich ein iedes Volck befleis- sigen, maͤchtig zu seyn, folglich hat es ein Recht zu allen dem, wodurch es seine Macht ohne andern Voͤlckern Un- recht zuzufuͤgen (§. 87.) vermehren kann (§. 46.). Wenn derowegen ein Volck nicht maͤchtig genug waͤre sich wider das Unrecht andrer Voͤlcker zu beschuͤ- tzen; so kann es sich, weil durch Vertraͤ- ge vollkommene Rechte erhalten werden (§. 1089.), unter einer gewissen Bedin- gung, worinn sie etwa uͤbereinkom- men, einem andern maͤchtigern Volcke E e e 3 unter- IV. Th. 2. Hauptst. Von den Pflichten unterwerffen, und es muͤssen sodenn die beyderseitigen Rechte nach dem Vertrage der Unterwerffung abgemes- sen werden (§. 317.). Wenn daher ein Volck, welches den Schutz gewaͤhren soll, sich uͤber ein ohnmaͤchtigeres Volck mehr Recht anmassete, als es aus dem Vertrage hat; so kann jenes, weil alsdenn ihm unrecht geschieht (§. 87.), sich mit Gewalt widersetzen und frem- de Huͤlfe anflehen (§. 90.). §. 1103. Von der Woh- nung. Man nennet die Wohnung (domici- lium) einen an einem Orte aufgerichteten Aufenthalt, mit dem Vorsatz bestaͤndig da zu bleiben. Wer sich also um eines Ge- schaͤftes willen an einem Ort auch noch so lange aufhaͤlt, der hat doch seine Behausung nicht da. Weil aber einem ieglichen vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit die Aendrung des Willens erlaubt ist (§. 78.); so kann die Wohnung veraͤndert wer- den. Die natuͤrliche Wohnung (do- micilium naturale) heißt, welche einer durch die Geburth da, wo der Vater zu hause ist, erhaͤlt; die angenommene aber (adsciti- tium) ist, welche sich iemand nach eignen Willen bestimmet hat. Daher haͤlt man dafuͤr, daß iemand seine natuͤrliche Be- hausung so lange behalte, als er sich nicht nach seinem eignen Willen eine andere der Voͤlcker gegen sich selbst. andere feste gesetzet, oder jene nicht verlassen hat. §. 1104. Ein herumschweifender (vagabun- Von herum- schwei- senden. dus) wird genennt, der nirgends zu hause ist. Die herumschweifenden halten sich also bald hier, bald da auf, und haben nie den Vorsatz an einem Orte bestaͤndig zu bleiben. Ob das nun gleich mehrentheils herumschweifende sind, die ei- ner lasterhaften, oder doch wenig ehrbaren Lebensart nachhaͤngen; so ist es doch nichts widersprechendes, daß auch die herumschwei- fenden einer ehrbaren Lebensart ergeben seyn koͤnnen. §. 1105. Das Vaterland ist der Ort, naͤmlich ein Von dem Vater- lande und des- sen Liebe. Land, oder Stadt, in welchem die Eltern, wenn iemand gebohren wird, ihre Behau- sung haben; da man denn die Absicht auf das Volck, oder auf eine gewisse Gemeinde von einem Volck, dessen Land oder Stadt es ist, hat. Von dem Vaterlande ist der Ge- burtsort unterschieden, worinn einer die Welt erblicket hat, als welches auch ausser dem Vaterlande geschehen kann. Da man den Geburtsort ohne eine Absicht auf das Volck zu nehmen betrachtet; so giebet er auch einem gebohrnen kein Recht. Hier- aus ist klar, daß diejenigen so von her- umschweifenden gezeuget sind, kein Vaterland haben (§. 1104.). Weil die E e e 4 Unter, IV. Th. 2. Hauptst. Von den Pflichten Unterthanen besonders verbunden sind alle und iede zu lieben (§. 1085.), und folglich ein ieglicher sein Volck lieben soll (§. 974.); so muß er auch sein Vaterland lieben. 1106. Von den vertrie- benen. Ein Vertriebener (exul) ist, welcher aus der Stadt, oder dem Lande, wo er seine Wohnung hat, verjaget wird, oder ohne un- ehrlich zu werden daraus weichen muß. Der Zustand der Vertriebenen (exilium) kann auch eine Strafe seyn. Man nen- net ihn aber einen wider Willen uͤber- nommenen (exilium invitum), wenn ie- mand nach dem Ausspruch des Richters, oder auf Befehl des Oberherrn wegzugehen ge- zwungen wird; gleichwie man es einen frey- willigen (voluntarium) nennen kann, wenn iemand um der Strafe willen, oder einer Noth zu entrinnen von freyen Stuͤcken aus dem Ort, wo er seine Wohnung hat, wei- chet. Weil man denenjenigen, welche ver- trieben sind, und aufgenommen zu werden suchen den Aufenthalt verstatten muß, wo nicht besondere Gruͤnde in dem Wege stehen (§. 312.); so muß ein Volck auch den verjagten eine bestaͤndige Wohnung in seinem Lande verstatten, wenn es nicht besondere Gruͤnde verbieten. Jn- dem aber dies das Volck selbst zu beurtheilen hat (§. 1089. 78.); so muß man es, wenn der Voͤlcker gegen sich selbst. wenn einem die Anfnahme abgeschla- gen wird, ertragen. §. 1107. Die Erlaubniß daß man freywillig aus Von dem Rechte aus dem Lande zu gehen. dem Ort seiner Wohnung weichen darf, wird das Recht aus dem Lande zu gehen (jus emigrandi) genennt. Es ist aber leicht zu erachten, daß das Recht aus dem Lan- de zu gehen entweder von einem Ver- trage, oder von einem Grundgesetze, oder von dem Willen des Oberherrn herruͤhre. Hieher gehoͤret auch der Ver- trag, nach welchem die Staaten errichtet sind, welcher nur allein durch andere besondere Ver- traͤge, wozu man auch selbst die Grundgese- tze rechnen kann, unkraͤftig gemachet wird. Das dritte Hauptstuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen einander, und von denen da- her entspringenden Rechten. §. 1108. D ieweil das Recht der Natur auf die Die all- gemeine Pflicht eines Volckes gegen andere. Voͤlcker angewendet werden muß (§. 1088.); so ist ein iedes Volck ei- nem ieden andern das schuldig, was es sich selbst schuldig ist, in so ferne das andere solches nicht in seiner eig- nen Gewalt hat, und jenes Volck es ohne Hintansetzung der Pflichten ge- E e e 5 gen IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten gen sich selbst dem andern leisten kann (§. 133.): Was es folglich zur Erhal- tung desselben, oder zu dessen und des Zustandes desselben Vollkommenheit beytragen kann, das muß es auch bey- tragen (§. 1093. 1094.). Doch ist das Recht, so ein anderes Volck dazu hat, ein unvollkommnes Recht, aber das Recht solches zu erbitten ist ein voll- kommnes, und man kann es in seinem Bitten ohne Unrecht zu begehen nicht hindern (§. 82. 87.). §. 1109. Von der Liebe, dem Ruhme und dem Handel. Aus eben dem Grunde muß ein iedes Volck zu einem andern eine Zunei- gung haben und es lieben als sich selbst (§. 136.), wenn es auch gleich ein feindseliges Volck seyn sollte (§. 137.), so dann muß es sich auch bemuͤhen, daß andere Voͤlcker ruhmswuͤrdig wer- den (§. 1097.), und es muß ein iegli- ches so hoch schaͤtzen, als es dasselbe verdienet, desgleichen ihm so viel Lob beylegen, als es werth ist (§. 142.), deshalben nach Vermoͤgen behuͤlflich seyn, daß es gelehrt und gesittet wer- de. Hierher gehoͤret auch die Verbind- lichkeit mit andern Voͤlckern Handel zu treiben (§. 1099.). §. 1110. Wie man sich we- gen der Da ein vollkommnes Handelsrecht nur durch Vertrag erlanget wird, und darnach zu schaͤtzen der Voͤlcker gegen einander. schaͤtzen ist (§. 438.); so kann der Handel Hand- lung ver- einigen koͤnne. auf den Einkauf allein, oder auf den Kauf und Verkauf gewisser Sachen, und auf eine gewisse Zeit eingeschraͤn- cket werden, und es koͤnnen den Han- delstractaten allerley Bedingungen und vorbehaltende Gesetze angehaͤnget werden: Sollten aber die Voͤlcker ein- ander den Handel, entweder stillschwei- gend, oder ausdruͤcklich, nur erlau- ben, und es wuͤrde solcher nicht durch einen Vertrag befestiget, so kann er nach Gefallen wiederrufen werden. §. 1111. Weil natuͤrlicher Weise ein iegliches Volck Daß der Handel nicht verhin- dert wer- den muͤs- se, und von ver- neinen- den Ver- traͤgen. das Recht hat mit einem ieglichen andern Volcke Handel zu treiben (§. 1099.); so kann kein Volck verbieten, daß sich das eine mit einem andern in Handel einlasse, doch kann es mit ihm einen Vertrag machen, daß solches nicht ge- schehe (§. 337.). Und da die Vertraͤge ge- halten werden muͤssen (§. 438.); so erwaͤch- set aus einem verneinenden Vertrage uͤber die Handlung dem einen Theil ein Recht, daß es nicht zu leiden ver- bunden ist, daß der andre Theil mit einem andern Volck Handel treibe, oder ihn uͤber die verglichene Einschraͤn- ckung ausdehne. §. 1112. IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten §. 1112. Vom ent- zogenen Gewinn und von dem Han- del, den einer al- lein fuͤh- ren darf. Dieweil es einem ieden Volcke frey stehet mit einem ieden andern des Handels wegen Vertraͤge zu machen (§. 1095.); so thut es dem andern, da es sich seines Rechts be- dienet, kein Unrecht, wenn es durch ei- nen Handel, den es vorher noch nicht getrieben hatte, ein andres Volck um seinen Gewinst bringet; und folglich fuͤgt es ihm auch kein Unrecht zu, wenn es sich mit einem andern Volcke dahin vergleichet, daß es ihm allein gewisse Sachen verkaufe, die man nirgends anders her als von demselben haben kann, und die es hernach andern, so ihrer benoͤthigt sind, wieder verhan- delt. Es muͤssen zwar so dann die Sa- chen nach der Natur um einen billigen Preis verkauft werden, damit kein Be- trug vorgehe (§. 286.): Unterdessen da man dem Eigenthuͤmer den Misbrauch seines Rechts verstatten muß (§. 202.); so wird kein Unrecht begangen, wenn sie auch nicht eben um einen billigen Preis ver- kaufet werden (§. 87.). §. 1113. Von der Bemuͤ- hung den Handel zu befoͤr- dern. Da durch die Handlung das gemeinsame Wohl der Voͤlcker befoͤrdert wird (§. 1099.), wozu die Voͤlcker einander verbunden sind (§. 1108.); so muß ein iedes Volck nach Vermoͤgen alles beytragen, was zur Befoͤrderung des Handels unter ein- andet der Voͤlcker gegen einander. ander gehoͤret, folglich muß es densel- ben nicht hindern, sondern was ihm im Wege stehet, wegraͤumen. Dero- wegen muß es Sorge tragen, daß die Sachen, welche in Handel kommen, fuͤglich und sicher ein- und ausgefuͤh- ret, und am gehoͤrigen Orte umgese- tzet werden, ingleichen daß die Schiffe und Frachtwagen sicher anlangen und abgehen koͤnnen, wie auch daß diejeni- gen, welche Waaren einbringen, oder fortschaffen, nicht so lange aufgehal- ten werden, damit nicht so viele Unko- sten auflaufen, ferner daß man die Streitigkeiten, so unter den Kaufleu- ten entstehen, ohne Verzug abthue, damit sich nichts ereigne, was dem aus Vertraͤgen hergebrachten Rechte zu- wider ist, und was dergleichen Din- ge mehr sind. §. 1114. Weil aber niemand gehalten ist dem andern Von dem Zoll, wel- chen man auf die Waaren legen soll. etwas umsonst zu leisten, welcher gleichfalls etwas geben kann (§. 473.); so kann man auf die durchgehenden, oder ins Land gebrachte, oder ausgefuͤhrte Waaren, nach Beschaffenheit der Beschwerlich- keiten, die man des Handels wegen uͤbernehmen muß, sodann auch des Gewinnes, den man aus dem Verkauf derselben hat, einen Zoll legen: Doch aber muß man sie nicht mit solchen Lasten IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten Lasten beschweren, welche kein Ver- haͤltniß gegen sie haben (§. 1057.). §. 1115. Von Handels- staͤdten. Handelsstaͤdte (emporia) nennet man Oerter, welche zum bestaͤndigen Handel un- ter den Voͤlckern gewidmet sind. Es muß demnach erlaubet seyn, daß man zu ie- derzeit zum Verkauf stehende Waaren in dieselben hineinbringen, und die gekauften aus denselben herausfuͤhren koͤnne. Da der Handel durch sie erleichtert wird; so muͤssen Handelsstaͤdte angele- get, und was zur Gemaͤchlichkeit des Handels in ihnen gereichet, veranstal- tet werden (§. 1113.). Hierher gehoͤret auch, daß man zur Befoͤrderung des Handels nuͤtzliche Privilegien, z. E. ei- ner bestaͤndigen Wohnung, des Be- sitzes unbeweglicher Guͤther, der freyen Religionsuͤbung, des Gebrauchs des Rechts ihres Vaterlandes unter einan- der, der Zollfreyheit, oder daß man weniger zahlet als es ordentlich traͤgt, u. s. f. ertheile. Und daraus ist klar, wo- zu ein Volck das andere durch Vertraͤge ver- binden koͤnne. §. 1116. Von den Haasen. Zur Befoͤrderung des Handels auf der See dienen die Haafen, welches eingeschlos- sene Oerter am Ufer des Meeres sind, in welche man Waaren mit Schiffen ein und aus bringen kann. Damit denen Handeln- den der Voͤlcker gegen einander. den Sicherheit verschaffet werde, muß man sie wider feindliche Gewalt befestigen. Auch gehoͤret hierher, daß sie die Schiffe wi- der Ungewitter sicher stellen muͤssen. §. 1117. Das Stapelrecht (jus stapulæ) ist das Vom Stapel- rechte. Privilegium die mit Waaren vorbey fahren- den auf offenen Fluß anzuhalten, daß sie sol- che verkaufen, oder, wenn sie sie nicht ver- kaufen wollen, einen Tribut geben muͤssen: Da dies der Handelsfreyheit gar sehr entge- gen stehet, so muß es nicht geduldet werden, wenn es nicht gantz besonde- re Gruͤnde, welche von der oͤffentli- chen Wohlfahrt hergeholet sind, er- heischen (§. 1113.). §. 1118. Consul (consules) sind solche Personen, Von den Consuln. welchen in den See-Handelsstaͤdten, oder den Haafen aufgetragen ist, die Privilegien und Rechte ihrer Nation, oder ihres Volcks zu bewahren, und die Streitigkeiten der Kauf- leute zu schlichten. Die Consul bleiben Unterthanen dessen, der sie gesetzt hat, indem sie ein Amt verwalten, so er ihnen aufgetragen hat: Allein in dem Gebiete dessen, der sie aufgenommen hat, wer- den sie als Fremde, welche sich ihrer Geschaͤfte halber darin aufhalten, be- trachtet. Und es erhellet leicht, daß das vollkommene Recht einen Consul zu bestellen, und die Verbindlichkeit ihn aufzu- IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten aufzunehmen aus Vertraͤgen komme (§. 1089.), und daß man sich darinn uͤber das vereinigen koͤnne, was bey- den Theilen zum Vortheil zu gereichen scheinet. §. 1119. Von den Nahmen und Ti- tuln ei- nes Re- genten des Staats. Weil von Natur kein Volck ein Vor- recht, oder Rang hat (§. 1089.), so kann beydes nicht anders als durch Vertraͤge erhalten werden. Und ver- moͤge der Freyheit der Voͤlcker stehet einem ieden Volck frey, mit welchem Nah- men es den Regenten seines Staats nennen, und welche Ehrentitul es ihm beylegen wolle; aber von andern Voͤl- ckern muß man das erst erhalten. Doch aber wenn ein Volck durch einen Ver- trag sich ein vollkommnes Recht zu- wege gebracht hat, daß ihr Staats- regente mit einem gewissen Nahmen benennet und ihm gewisse Titul gege- ben werden sollen; so koͤnnen sie nach- her nicht ohne Zufuͤgung eines Un- rechts versaget werden (§. 87.). §. 1120. Daß das Recht der Gleich- heit nicht verletzet werden muͤsse. Dieweil alle Voͤlcker nach der Natur ein- ander gleich sind (§. 1089.), und die Regen- ten der Staaten ihr Volck vorstellen (§. 994.); so muß ein ieglicher Staatsregente den Regenten eines andern Staats als einen seines gleichen ansehen : Jndem nun dieses Recht nicht entrissen werden kann (§. 74.), der Voͤlcker gegen einander. (§. 74.), so begehet derselbe ein Unrecht, welcher durch Worte, oder Thaten das Gegentheil zu Tage leget (§. 87.). Da- her sind alle Handlungen, welche zur Verachtung, oder zur Schmaͤhung des Regenten des Staats abzielen, Unrecht. §. 1121. Kein Volck darf das andere beleidigen Von den Beleidi- gungen der Voͤl- cker. (§. 1089.), folglich auch nicht dessen Recht verletzen (angef. §.). Derowegen weil aus dieser Verbindlichkeit des einen Theiles dem andern ein darauf passendes Recht erwaͤchset (§. 89.); so kommt einem ieglichen Volck ein Recht zu nicht zu leiden, daß es von dem andern beleidiget werde, und folglich auch ein Recht nicht zu ge- statten, daß sich ein andres Volck in seine Regierung mische : als welches auch wider die Freyheit der Voͤlcker streitet (§. 1089. 87.). Daraus folget, daß, wenn ein Regent des Staats seine Untertha- nen gar zu sehr belaͤstiget, oder mit ih- nen allzuhart umgehet, der Regent eines andern Staats nicht mit Gewalt widerstehen koͤnne. Dieweil aber doch ein iegliches Volck die Vollkommenheit des andern befoͤrdern soll, so viel es kann (§. 1108.); so ist es erlaubt fuͤr sie zu bitten. Nat. u. Voͤlckerrecht. F f f §. 1122. IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten §. 1122. Daß die Religion bey an- dern Voͤl- ckern nicht mit Gewalt fortge- pflantzet werden muͤsse. Jndem dem Oberherrn auch ein Recht uͤber heilige Sachen zukommt (§. 1064.), und ihm die Sorge oblieget, daß die Unterthanen GOtt fuͤrchten (§. 1024.); so kann kein Volck das andere mit Gewalt noͤthi- gen seine Religion anzunehmen (§. 1120.), folglich hat es auch kein Recht der Religion halben sich ein andres Volck zu unterwerffen, ja dies ist auch nicht verbunden Mißionarien, das ist, solche Personen, welche um eine andere Re- ligion auszubreiten ankommen, zu dulden, derowegen kann es auch dieselben, wenn sie nach vorhergegangenem Befehl nicht fort wollen, strafen. §. 1123. Ob die Verschie- denheit der Reli- gion den Pflichten der Voͤl- cker unter einander im Wege stehe. Und weil die Pflichten des einen Volcks gegen das andere die Einigkeit der Religion nicht zum voraus setzen, sondern in der menschlichen Natur gegruͤndet sind (§. 39.); so kann ein Volck dem andern die Lie- bespflichten, so das eine dem andern schuldig ist, wegen der Verschieden- heit der Religion nicht versagen. De- rowegen kommt in der Leistung der Liebespflichten die Verschiedenheit der Religion nicht in Betrachtung. Folg- lich befreyet der Unterschied der Reli- gion noch vielweniger von einer voll- komme- der Voͤlcker gegen einander. kommenen Verbindlichkeit, die man uͤber sich hat (§. 80.). §. 1124. Da endlich die Voͤlcker gleichsam Buͤrger Von der Einigkeit der Voͤl- cker. des groͤssesten Staats sind (§. 1090.); so muͤssen sie unter einander einig seyn (§. 1087.) und mithin Uneinigkeit, wie auch alles das, was Uneinigkeiten verursa- chet, sorgfaͤltig vermeiden. Das vierdte Hauptstuͤck. Vom Eigenthum eines Volckes. §. 1125. W enn ein Volck eine ledige Land- Von dem Ursprun- ge des Eigen- thumes eines Volckes und des Gebie- tes. schaft einnimmt; so sind, weil man eben dadurch, daß man eine keinem zugehoͤrige Sache in Besitz nimmt, die Herrschaft erlanget (§. 210.), das gantze Land und was darinnen ist, auch die wuͤsten und unfruchtbaren, oder unge- baueten Oerter, und alle Rechte, wel- che dem Lande gleichsam anhaͤngen (§. 214.), sein Eigenthum : Und weil es nun- mehro uͤber alles und iedes nach Gefallen ver- fuͤgen kann (§. 195.), so bleiben diejeni- gen Dinge, welche nicht unter eintzel- ne vertheilet, oder in eine vermischte Gemeinschaft gewisser besonderer Ge- sellschaften gebracht werden (§. 197.), F f f 2 der IV. Theil 4. Hauptstuͤck. der Gemeinheit. Weil aber einem iegli- chen Volcke die buͤrgerliche Herrschaft zu- kommt (§. 979.), es mag nun dieselbe vor sich selbst, oder durch andere verwalten (§. 982.), und folglich nicht zu zweifeln ist, daß es nicht auch in der Landschaft, welche es einnimmet, oder in den Laͤndern, die ihm zu- stehen, eine Herrschaft haben wolle; so nim- met es in der in Besitz genommenen Landschaft die Herrschaft zugleich mit ein, und folglich wird die gantze Land- schaft sein Gebiete. Denn das Gebiete (territorium) ist ein Ort, woruͤber iemand seine Herrschaft hat. Und daher erhellet, daß die Herrschaft, welche zwar ein Recht des Volcks ist, dem Strich Landes, wel- chen es bewohnet, gleichsam anhaͤn- gig, und daß demnach ein Fremder, so lange er in dem Lande, als in einem fremden Gebiete, verweilet, der Herr- schaft desselben Volcks unterworffen sey. Und derowegen wird der Regent des Staats Herr des Gebietes, wie auch Herr des Landes (dominus territorii, dominus regionis) genennet. §. 1126. Von ab- gesonder- ten Fa- milien. Wenn abgesonderte Familien in ei- ner Landschaft beysammen wohnen und Privatgruͤnde besitzen, indem solche von Anfange in Besitz genommen worden sind (§. 210.), so haben sie daruͤber die Herr- Vom Eigenthum eines Volckes. Herrschaft; die uͤbrigen Oerter aber, als welche sie nicht eingenommen haben, bleiben in der urspruͤnglichen ersten Gemein- schaft (angef. §.). Wenn aber die abge- sonderten Familien keinen bestaͤndigen Sitz haben, sondern durch unbebaue- te Einoͤden herumschweifen; so blei- ben die Laͤndereien, die ihnen zum Ge- brauch dienen koͤnnen, dieweil man glaubt, sie seyen stillschweigend zufrieden, daß die Gruͤnde in der Landschaft, worin sie ihren Aufenthalt nach Belieben aͤndern, und die allen eintzelnen zum Gebrauch angewendet werden, gemeinschaftlich seyn sollen, und man also dafuͤr haͤlt, daß sie die Landschaft in Ab- sicht auf diese Gruͤnde zusammen eingenom- men haben (angef. §.), in einer vermisch- ten Gemeinschaft (§. 197.), da hinge- gen die uͤbrigen, so man naͤmlich nicht in Besitz genommen hat, in der allerersten Gemeinschaft bleiben (§. 210.). Unter- dessen da diese Familien von Natur frey sind (§. 77.), und ihnen die Freyheit wider ihren Willen nicht genommen werden kann (§. 74.); so kann man sich auch die Herrschaft uͤber abgesonderte Familien, sie moͤ- gen eine bestaͤndige Wohnung haben, oder nicht, nicht anmassen, sie koͤnnen vielmehr derselben nicht anders als mit ihrem Willen unterworfen wer- den. F f f 3 §. 1127. IV. Theil 4. Hauptstuͤck. §. 1127. Von dem urspꝛuͤng- lichen Za- wachs des Ge- bietes. Weil ein Volck nebst dem Eigenthum zu- gleich die Herrschaft annimmt (§. 1125.); so folgt, daß, wenn ein Volck eine Jnsul, oder ein bewohntes Land, oder einen am festen Lande anliegenden Theil des Meeres einnimmt, dasjenige, was es einnimmt, ein Zuwachs desselben Vol- ckes sey, es mag so weit davon entfer- net seyn als es will (§. 1125.). §. 1128. Von ver- schiede- nen Be- nennun- gen der in Besitz genom- menen Sachen. Diejenigen Dinge, so nach geschehener Be- sitznehmung in der urspruͤnglichen Gemein- schaft gelassen werden, nennen die Roͤmi- schen Rechtsgelehrten gemeinschaftliche Dinge (res communes); diejenigen aber, welche man in die vermischte Gemeinschaft des gantzen Volcks gebracht hat, und darinn geblieben sind, nennen sie oͤffentliche Din- ge (res publicæ); ferner, die in eine ver- mischte Gemeinschaft gewisser besonderer Hau- fen gekommen sind, heissen sie Sachen der Gemeinheit (res universitatis); endlich welche Dinge dem Eigenthum eintzelner Per- sonen unterworfen sind, die haben sie mit dem Nahmen der Dinge eintzelner Personen (res singulorum) belegt. Da ein Herr das Eigenthum einer ihm zustehenden Sache un- ter einer ihm beliebigen Bedingung auf einen andern bringen kann (§. 314.); so kann ein ieder aus dem seinigen eine Sache der Gemeinheit beydes offenbarlich als Vom Eigenthum eines Volckes. als auch versteckt (directe, indirecte), ent- weder schlechthin, oder unter einer ge- wissen Bedingung machen. Und dies ist eine abstammende Art der Gemeinheit Sa- chen zu erwerben. §. 1129. Weil die Sachen einer Gemeinde nicht nur Von der Zerthei- lung der Dinge. denen ietzt lebenden, sondern auch denen, so nach und nach in die Stelle der verstorbenen kommen, zugehoͤren (§. 1128.); so koͤnnen solche Sachen von einer Gemeinde nicht nach Gefallen veraͤussert, oder verpfaͤndet werden, wo nicht eine un- umgaͤngliche Nothwendigkeit da ist, als welche kein Gesetz hat, oder es der of- fenbare Nutzen einer Gemeinde haben will, indem in diesem Fall nichts zum Nach- theil der Nachkommen vorgenommen wird. Weil doch aber dem Regenten des Staats die Sorge fuͤr dasjenige oblieget, was zum oͤffentlichen Nutzen gereichet (§. 1075.), und mithin auch das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Sachen der Gemeinde (§. 1065.); so kann weder eine Veraͤusserung, noch eine Verpfaͤndung ohne seine Einstim- mung geschehen. Und weil das Eigen- thum alle uͤbrige ausschliesset (§. 195.); so kann sich niemand, der ausser einer Ge- meinde ist, der Sachen derselben, es sey denn mit ihrer Einwilligung, be- dienen. F f f 4 §. 1130. IV. Theil 4. Hauptstuͤck. §. 1130. Von oͤf- fentlichen Dingen. Weil man die oͤffentlichen Dinge in ei- ne vermischte Gemeinschaft eines gantzen Volcks gebracht hat (§. 1128.); so sind sie das Eigenthum des gantzen Volcks, allen aber kommt ohne Unterschied ihr Gebrauch zu, iedoch kann sich ihrer niemand anders bedienen, als daß da- bey dem oͤffentlichen oder allen ge- meinschaftlichen Gebrauch nichts ab- gehe (§. 197.). Und weil ein Eigenthuͤmer das Recht, welches er an einer gewissen Sa- che hat, auf einen andern bringen kann (§. 314.); so kann auch das Eigenthum uͤ- ber die oͤffentlichen Sachen auf den Regenten des Staats, als welchem nicht nur die Herrschaft uͤber die oͤf- fentlichen Oerter zugehoͤrt, sondern der auch das vorzuͤgliche Eigenthum an den oͤffentlichen Sachen hat, kom- men, so daß entweder aller, oder we- nigstens einiger Gebrauch bey dem Volcke bleibet, woruͤber der Oberherr, wie es der gemeine Nutzen erfordert, das Recht Einrichtungen zu machen hat (§. 976.). §. 1131. Von dem Recht durch ein fremd Gebiete zu gehen, Vermoͤge des Rechtes des unschaͤdlichen Gebrauchs, welcher aus der urspruͤnglichen Gemeinschaft noch uͤbrig ist (§. 311.), muß man denen Fremden und ihren Waa- ren einen Durchgang durch Laͤnder und Vom Eigenthum eines Volckes. und Fluͤße, so ein Eigenthum wor- und sich darinn aufzu- halten. den sind, verstatten, wie auch, daß sich Fremde rechtmaͤßiger Ursachen wegen daselbst aufhalten koͤnnen (§. 312.). Weil aber nach der den Voͤlckern eignen Freyheit (§. 1089.) einem ieden Volck, oder dem der das Recht dessel- ben hat, anheim zu stellen ist, daß er urtheile, ob ihm ein gewisser Durch- gang unschaͤdlich sey, und ob die Re- publick daraus, daß sich ein Fremder in seinem Gebiete aufhaͤlt, einen Scha- den zu besorgen habe, und es bey die- sem Urtheil sein Bewenden haben muß (§. 78.); so ist es ohne ausdruͤckliche, oder stillschweigende Einwilligung des Herrn uͤber ein Gebiet nicht er- laubt durch dasselbe zu gehen, oder sich darin aufzuhalten. Aus eben dem Grunde erhellet, daß es auf dem Willen des Herrn des Gebietes beruhe, unter welcher Bedingung er solches verstat- ten wolle. Weil man nun nicht vermuthen kann, daß er es auf eine andere Art erlau- be, es sey dann durch eine deutliche Willens- erklaͤrung das Gegentheil bekannt gemacht worden, als daß der Fremden Handlungen den Gesetzen des Orts unterworfen seyn sollen (§. 1125.); so sind die Fremden, so lan- ge sie sich in einem andern Gebiete be- finden, oder verweilen, das zu thun und zu unterlassen verbunden, was die F f f 5 Buͤt- IV. Theil 4. Hauptstuͤck. Buͤrger zu der Zeit unter eben den Um- staͤnden zu thun, oder zu lassen haben, wofern nicht besondere Gesetze von Fremden etwas anders zu erkennen ge- ben. Ja wenn es dem Wohl der Republick nicht gemaͤß zu seyn scheinet, daß das Land Fremden offen stehe; so kann es bey Stra- fe verbothen werden, daß sich kein Fremder das Gebiete zu betreten ge- luͤsten lassen soll. §. 1132. Von der Bestra- fung der Frem- den, und der Art ihre Strei- tigkei- ten zu schlich- ten. Weil die Fremden, wenn sie sich in ei- nem andern Gebiete befinden, unter den Ge- setzen des Ortes stehen (§. 1125.); so sind sie auch, wenn sie in einem andern Gebiete etwas verbrechen, nach den Gesetzen des Ortes zu bestrafen, und wenn unter ihnen und unter den Buͤr- gern, oder auch zwischen zwey Frem- den, Rechtsstreitigkeiten entstehen, so muͤssen dieselben durch die Richter des Ortes nach des Ortes Gesetzen ausge- macht werden. Hieraus folget auch daß ein Fremder wegen des einem Buͤrger, oder einem andern Fremden angetha- nen Unreches, gestrafet, und seine mit andern genommene Abrede zu erfuͤllen gezwungen werde. §. 1133. Von dem Unrecht eines Buͤrgers Weil eine fremde That niemand zugerech- net werden kann (§. 26.); so kann, wenn ein Buͤrger des einen Volcks einen Buͤr- ger Vom Eigenthum eines Volckes. ger des andern Volcks beleidiget, oder gegen ei- nen frem- den Buͤr- ger. Unrecht thut, dies dem Volck nicht zugerechnet werden. Weil es sich aber zurechnen laͤsset, wenn es auf irgend einige Art etwas dazu beytraͤgt, z. E. durch Ge- nehmhaltung, oder Billigung (angef. §.); so kann man ein zugefuͤgtes Unrecht, wo- ferne es dasselbe entweder ausdruͤck- lich, oder stillschweigend genehm haͤlt, auf dessen Rechnung bringen. Hier kommt nicht in Betrachtung, ob das Unrecht auf dem Gebiete des Volcks, oder ausser dem- selben an einem ieden andern Orte gesche- hen sey. §. 1134. Weil aber kein Volck ein anderes (§. 1089.), Man muß es nicht dul- den, daß fremde Unter- thanen beleidiget werden. und kein Mensch einen andern beleidigen soll (§. 88.); so muß der Regent des Staats es nicht gestatten, daß iemand von seinen Unterthanen einem Buͤrger von einem andern Volcke einen Schaden zufuͤge, oder ein Unrecht anthue. §. 1135. Jndem ein iegliches Volck beydes das Ei- Von dem Rechte einem andern Volcke ein Recht in seinem Gebiete zu geben. genthum als auch die Herrschaft in dem Lande, so es bewohnet, hat (§. 1125.), und also das Land sein ist (§. 195.); so kann ein ie- des Volck einem andern, oder dessen Unterthanen ein gewisses Recht in sei- nem Gebiete fest setzen, z. E. es kann ihm das Recht im Fluß zu fischen, oder das Recht eine IV. Theil 4. Hauptstuͤck. eine Festung auf seinem Grund und Boden, oder eine Besatzung in einer gewissen Festung zu haben, oder Landguͤther zu kaufen und zu besitzen, verleihen (§. 260.). §. 1136. Daß ei- nem kein Recht auf und in dem Ge- biete ei- nes an- dern Volckes zukom- me. Aus eben der Ursache weil niemand sein Recht genommen (§. 100.), oder etwas da- gegen geschehen kann (§. 86.); stehet kei- nem Volcke ein Recht zu das andere aus dem Lande, darinn es wohnet, zu vertreiben, daß es sich daselbst fest setze, gleichwie es auch nicht ein Recht hat die Grentzen seiner Herrschaft zu erweitern, das ist, solche bis auf die Oerter eines benachbarten Volcks uͤber die Grentzen seines Gebietes auszudeh- nen, noch sich ein Volck zu unterwer- fen, weil es ein uns vorher unbekan- tes Land bewohnet, oder gewisse Oer- ter darinn einnehmen, und sich ein Recht darinn anmassen : Ja uͤberhaupt kann sich kein Volck, und auch kein fremder Privatmann in einem frem- den Gebiete ein Recht herausneh- men. §. 1137. Ob dieje- nigen, so sich in ei- nem fremden Gebiete befinden, Da ein Fremder, der sich in einem andern Gebiete befindet, oder verweilet, seine Woh- nung nicht veraͤndert (§. 1103.); so bleibt er ein Buͤrger seines Volckes, folglich wenn er seinem Mitbuͤrger ein Unrecht anthut, oder einen Schaden zufuͤget, so Vom Eigenthum eines Volckes. so kann er, wenn er wiederum zuruͤck Buͤrger ihres Volcks bleiben. zu den seinigen kehret, daselbst gestra- fet, und zur Ersetzung des Schadens genoͤthiget werden, und wenn er ein Testament macht, so muß er es nach den Gesetzen, welche in dem Ort sei- ner Wohnung vorgeschrieben sind, verfertigen : Jn so fern iedoch ein Volck die Gerichtsbarkeit des andern zu erkennen verbunden ist (§. 1129.), so gilt ein Te- stament als ein gerichtliches, wenn es an dem Orte des Gerichts, wo es ge- macht ist, niedergelegt worden. §. 1138. Weil ein Fremder, der sich in einem Von dem Recht einen Fremden von der Eꝛbschaft auszu- schliessen. andern Gebiete befindet, oder verweilet, ein Buͤrger seines Volcks bleibet (§. 1137.); so ist derjenige, wenn er in demselben stirbt, sein Erbe, welcher nach den Gesetzen seines Vaterlandes folgen muß. Und da ein Regent des Staats nur uͤber die Handlungen eines Fremden, so ein Verhaͤltniß gegen den Endzweck des Staats haben, daß demselben kein Schade zuwach- se (§. 1131.), ein Recht hat; so sind auch die Guͤther, die er bey sich fuͤhret, des- sen, der im Vaterlande sein Erbe ist, folglich fallen sie der Rentkammer nicht anheim, und es kann ihm auch die Freyheit ein Testament zu machen nicht genommen werden. Derowegen da es das Recht einen Fremden von der Erb- IV. Theil 4. Hauptstuͤck. Erbschaft auszuschliessen (jus albinagii) heißt, nach welchem die Auslaͤnder des Rechts in den Guͤthern eines verstorbenen Buͤrgers, oder eines Fremden zu folgen beraubet, und folglich nicht in einem Testament als Erben eingesetzt, noch ihnen gewisse Vermaͤchtnisse hinterlassen werden koͤnnen; so stimmet das- selbe nicht nur mit dem Voͤlckerrechte in Absicht auf einen Fremden der in ei- nem andern Gebiete gestorben ist, son- dern auch, weil dem Oberherrn nur allein das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Guͤther der Buͤrger zukommt (§. 1065.), in Absicht auf die Buͤrger, oder Unterthanen we- nig uͤberein. §. 1139. Von der Besitz- nehmung und Ver- jaͤhrung. Weil die Besitznehmung (usucapio) und die Verjaͤhrung (præscriptio) aus dem Rechte der Natur zu erkennen sind (§. 436.); so haben sie auch unter den Voͤlckern statt (§. 1088.). Weil doch aber unter den Voͤlckern mehrere Ursachen vorfallen, warum man schweigen muß, ob ein Volck schon weiß, daß ihm ein anderer das seinige ungerechter Weise vorenthalte; so wird un- ter den Voͤlckern wegen eines langwie- rigen Stillschweigens eine Verlassung, als welche zur Besitznehmung und der daraus erfolgten Verjaͤhrung erfordert wird (§. 451. 452.), nicht so leicht vermuthet, als unter Privatpersonen. Und weil nicht der, so eine Sache besitzet, sondern der, so sie Vom Eigenthum eines Volckes. sie haben will, sein Eigenthum erweisen muß (§. 262.), als welches nicht geschehen kann, wenn der Besitz von undencklichen Zei- ten her gewesen ist (possessio immemo- rialis), dessen Anfang sich naͤmlich niemand erinnern kann; so ist unter den Voͤlckern eine Verjaͤhrung von undencklichen Zeiten her zu gestatten. Unterdessen weil die Voͤlcker uͤber Dinge, die zum gemeinen Nutzen gehoͤren, unter einander Vertraͤge er- richten koͤnnen (§. 1091.); so wird die Ver- jaͤhrung, wenn benachbarte Voͤlcker sich desfalls unter einander vereinigt haben, auf die Art gelten, wie es ver- glichen worden. Und daß dies geschehen moͤgte, erfordert der Endzweck des groͤssesten Staats gar sehr. Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von den Buͤndnissen und Zusa- gen ohne Vollmacht. §. 1140. D ie hoͤchsten Gewaltigen (potesta- Welche man Ge- waltige nennet. tes summæ) werden diejenigen Per- sonen genennet, welche in einem Staat die hoͤchste Herrschaft haben: Die kleineren Gewaltigen (potestates mino- res) sind die, welche einen Theil der Herr- schaft unter und im Nahmen der hoͤchsten aus- uͤben, z. E. die Obrigkeiten und Generals. §. 1141. IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen §. 1141. Von dem Unter- schiede der Buͤndnis- se und der Ver- traͤge. Ein Buͤndniß (fœdus) heißt ein Ver- trag, so die hoͤchsten Gewaltigen zur oͤffent- lichen Wohlfahrt auf ewig, oder auf eine laͤngere Zeit unter einander eingehen. Die- jenigen Vertraͤge aber, welche uͤberhingehen- de, oder nicht zu wiederholende Leistungen in sich fassen, behalten den Nahmen ( der Ver- traͤge (pactionum). Da es aber einerley ist, ob iemand etwas selbst, oder durch einen andern thue; so koͤnnen diejenigen auch ein Buͤndniß schliessen, welche von der hoͤchsten Gewalt dazu bevollmaͤchti- get sind (§. 551.). Aus dem Begrif von Buͤndnissen ist klar, daß ein Vertrag kein Buͤndniß sey, darinn die hoͤchsten Maͤchte, z. E. Koͤnige sich unter einan- der uͤber Sachen, so ihren Privatnu- tzen angehen, oder die hoͤchste Macht mit einem Privatmann, vergleichen. §. 1142. Was man von Buͤnd- nissen zu bemer- cken. Weil Buͤndnisse Vertraͤge sind (§. 1141.); so muß man von Buͤndnissen eben das behalten, was von Vertraͤgen und Zusagen erwiesen worden (§. 438.). Da man aus Buͤndnissen ein vollkommnes Recht erhaͤlt (§. 380.); so ist die Verletzung eines Buͤndnisses ein Unrecht (§. 87.); folglich ist es nicht erlaubt solche Buͤnd- nisse einzugehen, welche denen mit ei- nem andern Volcke schon geschlossenen zuwi- und Zusagen ohne Vollmacht. zuwider sind (§. 86.). Und derowegen werden die aͤltern, das ist, vorher schon ge- schlossene, Buͤndnisse denen letztern vor- gezogen. §. 1143. Weil kein Volck das andere beleidigen soll Von Freund- schafts- buͤndnis- sen. (§. 1089.); so ist nicht noͤthig, daß man noch Buͤndnisse um einander keine Be- leidigung zuzufuͤgen, welche man gemei- niglich Freundschaftsbuͤndnisse nennet, aufrichte. Unterdessen wenn ein Volck der Meynung seyn sollte, daß es aus- waͤrtige Voͤlcker nach eignem Gefal- len beleidigen duͤrfe, so schliesset man mit Recht Buͤndnisse einander nicht zu beleidigen (angef. §.). §. 1144. Gleiche Buͤndnisse (fœdera æqualia) Von der Gleich- heit und Ungleich- heit der Buͤnd- nisse. werden genennet, in welchen sich die einen Vertrag errichtende Theile einander einerley, oder gleichviel geltende Dinge versprechen: ungleiche aber sind, worinn sie einander nicht einerley, oder gleich geltende Dinge ver- sprechen. Es giebt aber ungleiche auf Seiten des wuͤrdigern Theils (inæqua- lia ex parte digniori), wenn derjenige, so mehr leisten kann, entweder etwas gantz um- sonst, oder etwas wichtigers zu leisten ver- spricht: Hingegen giebt es auch ungleiche auf Seiten des geringern Theils (inæqua- lia ex parte minus digna), wenn derjenige, so ohnmaͤchtiger ist, oder durch eine Gewaͤhrung Nat. u. Voͤlckerrecht. G g g einer IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen einer Sache gar zu sehr beschweret wird, ent- weder etwas umsonst, oder etwas groͤsseres als er leisten kann, oder so etwas das ihm sehr zur Last faͤllet, verspricht. Und diese ge- schehen entweder mit einer Verringerung der Herrschaft, wenn ein Machttheil seiner Herrschaft in Absicht auf die Ausuͤbung des- selben, oder nach seinem gantzen Jnbegrif (quoad substantiam), oder wenigstens nach dem Rechte auf alle Handlungen, so zur Aus- uͤbung dieses Rechts gehoͤren, an den wuͤrdi- gern Theil uͤberlassen wird; oder sie gesche- hen ohne Verringerung der Herrschaft, wenn sich der nicht so wuͤrdige Theil wenig- stens anheischig macht etwas gewisses zu thun, oder nicht zu thun, welches er sonst kraft der hoͤchsten Herrschaft, oder der natuͤrlichen Frey- heit, oder vermoͤge des Rechts, das ihm als einem Volcke zustund, nicht thun, oder thun konte. Jm uͤbrigen ist die Billigkeit der gleichen und ungleichen Buͤndnisse aus den Pflichten der Voͤlcker gegen einander zu beurtheilen (§. 1108.). Un- terdessen da es lediglich auf dem Willen des- jenigen, der ein Recht auf einen andern brin- get, beruhet, ob und wie er solches auf ie- manden bringen will (§. 314.), und dasjeni- ge, was er hinlaͤnglich durch Worte zu er- kennen giebet, wider ihn fuͤr wahr gehalten wird (§. 318.); so sind die Buͤndnisse guͤltig, wenn nur in der Art des Ver- trages kein Fehler ist, ohne ihre Bil- ligkeit, und Zusagen ohne Vollmacht. ligkeit, oder Unbilligkeit in Betrach- tung zu ziehen. Weil doch aber das Na- turgesetz auch bey den Voͤlckern auf die Pflich- ten dringet (§. 1108.), so sind die Voͤl- cker natuͤrlicher Weise verbunden in Schliessung der Buͤndnisse die Billig- keit beyzubehalten. §. 1145. Ein zinsbar Volck (gens tributaria) Von ei- nem zins- baren Volcke. wird genennt, welches jaͤhrlich einem andern einen gewissen Tribut abtragen muß. Da die Voͤlcker natuͤrlicher Weise frey sind (§. 1089.); so kann ein Volck nicht anders als durch einen Vertrag zinsbar wer- den (§. 667.). Weil dem einen Theil uͤber ein zinsbar Volck kein anderes Recht zukommt, als den Tribut zu fordern, wie von einem Schuldener (§. 336.); so verlieret ein zinsbar gewordenes Volck deswe- gen die hoͤchste Herrschaft nicht (§. 981.). §. 1146. Da ein persoͤnlich Buͤndniß auf die einen Von persoͤnli- chen Buͤnd- nißen u. Buͤnd- nissen uͤber Sa- chen. Vertrag machenden Personen eingeschraͤnckt wird (§. 400.), welches aber bey einem Buͤndnisse, so mit Sachen zu thun hat, nicht geschieht (§. 401.); so ist es deswegen noch kein persoͤnlich Buͤndniß, wenn nur die Nahmen derer, die den Vertrag errichten, hinzugefuͤget sind, damit bewiesen werde, von wem das Buͤnd- niß geschlossen worden. Daraus laͤßet G g g 2 sich IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen fich auch verstehen, es sey ein Buͤndniß uͤber Sachen, welches auf ewig, oder auf eine gewisse Zeit, entweder mit dem, mit welchem man zu thun hat, und seinen Nachfolgern, oder auch wegen eines fortdaurenden Nutzens des Staats gemacht, oder wenn hin- zugesetzet wird, daß es zum Besten des Reichs geschlossen worden. Glei- chergestalt ist es ein Buͤndniß der Sa- chen, welches mit einem freyen Volcke getroffen worden, und welches, weil bey geaͤnderter Republicksforme doch einerley Volck bleibet, als welches die Vergesellschaf- tung (§. 974.), nicht aber die Art die Herr- schaft auszuuͤben ausmacht, bey erfolgter Veraͤnderung der Republicksforme doch bestehet, wenn es nicht etwan, welches auch vor sich klar ist, ein Handel gewesen, welcher der Democratie al- lein eigen ist. §. 1147. Von der Verbind- lichkeit, welche aus den Buͤnd- nissen u. Vertraͤ- gen der Koͤnige entsprin- get. Weil der Koͤnig das Recht des Volckes hat (§. 982.), folglich aus dem Rechte des Volcks Buͤndnisse aufrichtet (§. 1141.); so verbindet das Buͤndniß, welches man sich vorstellet daß es mit dem Volcke selbst errichtet sey, auch das Volck und die Nachfolger des Koͤniges, es gehet auch auf diese das durch ein Buͤndniß zuwege gebrachte Recht uͤber, wenn es nicht persoͤnlich gewesen ist (§. 1146.). Daraus und Zusagen ohne Vollmacht. Daraus folget weiter, daß das Buͤndniß, wenn das Volck wieder frey wird, nachdem der Koͤnig gestorben, oder verjagt, oder abgesetzt ist, oder das Volck einen andern Koͤnig erwaͤhlet, bestehe, wenn es nicht zur Vertheidi- gung seiner Person, als in welchem Fall es nur personell waͤre (§. 400.), eingegan- gen worden. Eben dieses laͤßet sich von andern Vertraͤgen der Koͤnige, oder Regen- ten des Staats verstehen. Derowegen wenn der Staatsregente der Republick hal- ber auch bey Privatleuten Geld auf- nimmt, so sind die Nachfolger und das Volck solche zu bezahlen und die versprochenen Zinsen abzutragen ver- bunden. §. 1148. Weil man uͤber das was zur Erhaltung Von den Buͤndnis- sen, so mit ei- nem Vol- cke von einer an- dern Re- ligion eingegan- gen wer- den. und Vollkommenheit eines Volcks gehoͤret, Buͤndnisse macht (§. 1141.), die Voͤlcker aber natuͤrlicher Weise sich einander als Voͤl- cker verpflichtet sind dieselben zu befoͤrdern (§. 1095.); so ist es erlaubt mit einem Volcke, welches einer andern, oder gar keiner Religion zugethan ist, selbst wider ein Volck von unsrer Religion Buͤndnisse zu schliessen. §. 1149. Wenn es erlaubt sey von dem Buͤndniß ab- Von der Gewaͤhr- leistung. zugehen, erhellet aus dem obigen (§. 442.). Zur Sicherheit aber des Buͤndnisses geschie- G g g 3 het IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen het von einem dritten die Gewaͤhrleistung (guaranda, guarantia), welche ein beyder- seits in Bund getretenen, oder auch nur dem einen gethanes Versprechen ist, daß das ab- geredete gehalten werden solle; folglich ist der Gewaͤhrmann (guarandus), welcher die Versicherung gegeben hat verbunden eine Huͤlfe, wozu er sich anheischig ge- macht hat, gegen denjenigen zu leisten, welcher das abgeredete nicht halten will, wenn der andere solche bedarf, folglich aber ist er sie nicht schuldig, wenn sie nicht verlanget wird. Daraus ist klar, was vor einen stillschweigenden Ver- trag die Gewaͤhrleistung in sich fasse. Man nennet es aber eine allgemeine Gewaͤhr- leistung (guarantiam generalem), wenn sie sich auf alles erstrecket, was im Buͤndnisse ausgemacht worden; eine besondere aber (specialis) wird es genennet, wenn sie nur auf einige, oder auf eines, oder das andere der verabredeten Dinge gehet. Und ein Ver- trag daruͤber die Gewaͤhr geleistet wor- den (pactum guarandigiatum) heißt es, wo- zu eine allgemeine, oder eine besondere Ge- waͤhrleistung gekommen ist. Ferner, da eine Gewaͤhrleistung nur den Nutzen dessen, dem sie geschiehet, zum Augenmerck hat; so kann sie auch ohne Mitwissen und ohne Be- fragung dessen, wider welchen sie fe- ste gesetzet wird, erfolgen, und wenn mehrere ein Buͤndniß eingehen, so koͤn- nen und Zusagen ohne Vollmacht. nen alle und iede allen und ieglichen die Gewaͤhr leisten. Es laͤsset sich aber ohnschwer erkennen, daß ein Buͤndniß, darinn iemand einem Huͤlfe wider den, der ihn sein Recht zu entziehen trach- tet, wie auch die Buͤrgschaft fuͤr ein andres Volck, darinn zugesagt wird, man wolle dasjenige leisten, was ein andres Volck schuldig ist, wenn es sol- ches nicht selbst leisten wuͤrde, von der Gewaͤhrleistung unterschieden sey (§. 569.). Endlich da niemand dem andern sein Recht nehmen darf (§. 100.); so kann die Gewaͤhrleistung nicht anders, als daß des dritten sein Recht dabey unge- kraͤnckt bleibe, verstanden werden. §. 1150. Jn einem ieglichen Buͤndniß, oder Von der Verpfaͤn- dung un- ter den Voͤlckeꝛn, und von dem Ver- trag, sich der ver- pfaͤnde- ten Sa- che fuͤr das Dar- lehn zu seinem Nutzen zu bedie- nen. in einem andern Vertrag kann, weil die Verpfaͤndung zur Sicherheit der Schuld ge- schieht (§. 697.), durch eine Pfandsicher- heit geschaffet werden, daß das verab- redete gehalten werden solle. Weil aber niemand etwas verpfaͤnden kann als seine ei- gene Sachen, welches auch fuͤr eine fremde Schuld angehet (§. 700.); so koͤnnen nicht nur die Dinge, welche ein Eigenthum des Volcks sind, als Staͤdte, gewisse Stuͤcke des Gebietes, gantze Landschaften, Rechte, die einem Volcke zugehoͤren, Kost- barkeiten, die dem Staat zustehen, sondern auch des Staatsregentens eigene, oder G g g 4 Privat- IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen Privatsachen fuͤr die Schulden des Volcks verpfaͤndet werden. Allein wenn eine gantze Provintz, oder ein gewisser Theil des Gebietes zur Si- cherheit des Darlehns, oder einer ie- den Schuldsache wegen uͤbergeben wird; so gesellet sich zur Verpfaͤndung auch der Vertrag, nach welchem man das Pfand fuͤr das Darlehn zu seinem Nutzen gebrauchen kann. Denn es ist der nutzbare Gebrauch eines Pfandes fuͤr das Darlehn (antichresis) nichts an- ders als ein Recht die verpfaͤndete Sache zu gebrauchen und sich ihrer zu bedienen anstatt des dargeliehenen Geldes, zur Verguͤtung der Zinsen. Weil man aber die verabredeten Vertraͤge halten muß (§. 438.); so muß das aus dem Vertrag ein Pfand fuͤr das Darlehn nutzbar zu gebrauchen entstandene Recht nach demjenigen be- urtheilet werden, worinn man uͤber- eingekommen ist. Derowegen erhellet auch daraus, ob die Herrschaft zugleich mit verpfaͤndet sey, oder nicht. Es ist aber vor sich klar, daß die Verpfaͤndung und der nutzbare Gebrauch eines Pfandes fuͤr das Darlehn aufhoͤre, so bald als das abgetragen worden, weswegen die Verpfaͤndung geschehen, obgleich die verpfaͤndete Sache fuͤr eine iegliche andere Schuld zuruͤckgehalten werden kann (§. 706.), wo man sich nicht aus- und Zusagen ohne Vollmacht. ausdruͤcklich anders verglichen hat (§. 337. 342.). §. 1151. Geisseln (obsides) sind Personen, welche Von Geisseln. man zur Sicherheit der Schuld, daß naͤm- lich das verabredete gehalten, oder eine Schuld bezahlet werden solle, uͤberliefert. Es werden also die Geisseln wircklich verpfaͤndet (§. 697.), und man behaͤlt sie so lange zuruͤck, bis das schuldige geleistet ist. Daher kommt dem, der sie annimmt, das Recht zu sie so zu verwahren, daß sie nicht weglaufen koͤnnen; doch aber hat er kein Recht sie zur Arbeit zu zwingen, als welches eben so viel waͤre als das Pfand nutzen (§. 702.). Weil aber niemand ein Recht uͤber des andern Leben hat (§. 141.); so kann das Leben der Geisseln nicht verpfaͤn- det werden, folglich nur ihre Freyheit (§. 77.). Doch sind sie deswegen keine Sclaven (§. 698.), aber sie werden Sclaven, wenn dasjenige nicht gelei- stet wird, dessentwegen sie gegeben worden (§. 947.), wenigstens kann man sie gefangen behalten, toͤdten aber darf man sie nicht. Und derowegen hoͤren sie auf Geisseln zu seyn, wenn derjenige, welcher sie gegeben hat, keine Treue haͤlt. Und da die Geisseln in der That Pfaͤnder sind; so koͤnnen sie, wenn man sie gleich einer gewissen G g g 5 Sache IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen Sache halber gegeben, doch eines an- dern Handels wegen zuruͤck behalten werden, wenn nicht desfalls ausdruͤck- lich etwas anders verabredet worden (§. 1150.). Weil auch die nothwendigen Unkosten, so man auf ein Pfand verwenden muͤssen, von dem, der das Pfand gestellet hat, wieder zu ersetzen sind (§. 702.), und was man schuldig ist bezahlen muß (§. 751.); so muß derjenige, welcher die Geisseln gegeben, die zur Unterhaltung dersel- ben angewendeten Unkosten bezahlen, und eine Geissel ist verbunden, ehe sie auf freyen Fuß gestellet werden kann, die Schulden, so sie gemacht, abzu- tragen. §. 1152. Von der Ver- bindlich- keit, wo- mit der, so eine Geissel giebt, der Geissel zugethan ist. Da derjenige, so eine Geissel giebt, das zu leisten verbunden ist, weshalb die Geissel gegeben worden, und mithin die Geissel zu befreyen (§. 1151.); so macht er sich dem, welcher uͤberliefert wird, ihn frey zu machen verbindlich, und folglich wenn dieser ein Sclave, oder wenigstens als ein Gefangner aufbehalten wird, so fern er nicht Wort haͤlt (angef. §), so ist er schul- dig ihn loszukaufen. Und weil es eine Last ist, so des oͤffentlichen Wohls halber ge- tragen wird, und wozu demnach ein ieglicher Buͤrger, nicht allein der, den man zur Geissel giebt, verbunden ist, sich als eine Geissel zu stellen (§. 1037.); so ist der Staat, oder dessen und Zusagen ohne Vollmacht. dessen Regent gehalten die Ungemaͤch- lichkeit, welche die Geissel leidet, der Geissel, oder deren Anverwandten zu verguͤten. Jst aber die Geissel als ein Selbstschuldner, oder als ein Buͤrge, oder als einer, der ein Buͤndniß ohne Vollmacht schliesset, (wovon bald geredet werden wird) gegeben worden ; so ist vor sich offenbar, daß, wenn das nicht gelei- stet wird, wessentwegen sie gestellet worden, sie ihrer eignen Handlung we- gen schuldig sey. §. 1153. Heilig (sanctum) heißt im Voͤlckerrechte, Von der Heilig- keit der Buͤnd- nisse. was die oͤffentliche, oder gemeine Wohlfahrt der Voͤlcker unverletzlich zu seyn befiehlet. Derowegen weil Buͤndnisse des oͤffentlichen Wohls wegen geschlossen (§. 1141.), und nicht nur wie alle uͤbrige Vertraͤge gehalten werden muͤssen, sondern auch den Voͤlckern gar sehr daran gelegen ist, daß man sie hal- te; so sind die Buͤndnisse heilig, und muͤssen von den Voͤlckern heilig gehal- ten werden, und weil bey Vollziehung der Buͤndnisse die Verschiedenheit der Religionen nicht in Betrachtung kommt, so hat die Heiligkeit der Treue und Glaubens mit der Religion eines Volcks, mit wel- chem ein Buͤndniß errichtet wird, nichts zu thun. §. 1154. IV. Th. 5. Hauptst. Von den Buͤndnissen §. 1154. Von der still- schwei- genden Treue u. Glauben. Wenn man sich uͤber einen Handel ver- gleicht, so wird stillschweigend in alles uͤbri- ge, was erfordert wird, daß solcher bestehen koͤnne, gewilliget. Derowegen wird ange- nommen, daß man stillschweigend al- les verglichen und versprochen habe, ohne welches das, worein man gewil- liget hat, nicht bestehen kann. So liegt in einem ieden wohlthaͤtigen Contract eine Schadloshaltung dessen, der dem andern etwas umsonst leistet, als welcher nicht Platz hat ausser der Verbindlichkeit, da niemand mit des andern seinem Schaden reicher werden muß (§. 271.). Es wird aber eine still- schweigende Treue und Glaube (fides tacita) genennet, welche sich auf eine still- schweigende Einwilligung gruͤndet, und die deswegen nicht weniger heilig seyn muß, als die ausdruͤckliche, als welche naͤmlich auf einer ausdruͤcklichen Einwilligung be- ruhet. §. 1155. Von dem Rechte der ge- ringern Gewal- tigen. Weil die geringern Gewaltigen alles Recht von der hoͤchsten Gewalt haben (§. 1140.); so koͤnnen sie im Nahmen der hoͤch- sten nichts versprechen, ausser wenn sie ausdruͤckliche Vollmacht dazu ha- ben, oder was innerhalb den Schran- cken ihres Amts, dem sie vorgesetzet sind, geschehen kann: sie koͤnnen auch diejenigen, welchen sie vorgesetzt sind, oder und Zusagen ohne Vollmacht. oder auch die hoͤchste Gewalt nicht an- ders andern verbindlich machen. §. 1156. Ein Buͤndniß ohne Vollmacht (spon- Von den Vertraͤ- gen ohne Voll- macht. sio) ist ein Vertrag, so die Republick ange- het, welcher ohne Vollmacht von der hoͤchsten Gewalt, auch nicht innerhalb den Schrancken desjenigen, woruͤber man gesetzt ist, errichtet worden. Es verstehet sich aber leicht, daß ein Stifter eines Vertrags ohne Voll- macht sich anheischig mache, er wolle bewircken, daß die hoͤchste Gewalt sein gethanes Versprechen genehm hal- te, und er sich folglich dazu verbinde (§. 380.). Weil niemand den andern einem dritten ohne seinen Willen verbinden kann (§. 385.): so bringt der Vertrag ohne Vollmacht keine Verbindlichkeit auf die hoͤchste Gewalt, wo diese jenen nicht entweder ausdruͤcklich, oder still- schweigend, indem sie naͤmlich etwas thut, nachdem es ihr bekannt gewor- den, was wahrscheinlicher Weise auf keine andere Ursach gezogen werden kann, gut heißet: und mithin noch vielweniger, wenn sie ihren Misfallen deutlich zu Tage geleget hat. Weil aber der, so ein Buͤndniß ohne Vollmacht schließt, eine eigene, und nicht bloß eine fremde, Hand- lung verspricht; so ist er, daferne die Ge- nehmhaltung nicht erfolget, dem, mit welchem er den Vertrag aufgerichtet hat, IV. Theil 6. Hauptstuͤck. Von der Art hat, zu demjenigen, woran dem andern gelegen ist, verbunden (§. 415.), folg- lich haften dafuͤr alle Guͤter des Ver- tragstifters (§. 705.), ja auch selbst die Freyheit desselben (§. 950.), daß er naͤm- lich, wenn aus seinen Guͤthern nicht Genuͤge geleistet werden kann, er selbst in die Scla- verey versetzet werde. Wenn aber derjeni- ge, so den Vertrag ohne Vollmacht errichtet, demjenigen, mit dem er den Vertrag eingegangen, nur etwas ge- wisses zu leisten zugesagt hat, so ist er auch in dem Fall, da die hoͤchste Ge- walt zu seinen Vertrag die Einwilli- gung nicht geben will, zu mehrern nicht verpflichtet (§. 317.). Das sechste Hauptstuͤck. Von der Art die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. §. 1157. Von den Streitig- keiten u. den Be- schweꝛden der Voͤl- cker. D ie Streitigkeiten der Voͤlcker und der Regenten des Staats sind Mißhelligkeiten, welche sie uͤber ih- nen zustehende Rechte, oder ihnen zugefuͤgtes Unrecht haben. Beschwerden (gravami- na) aber sind Klagen, so sie uͤber ein offenba- res, von einem andern Volck, oder Regen- ten eines Staats entzogenes Recht, oder uͤber ein iedes ihnen bereits angethanes, oder be- vorste- die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. vorstehendes Unrecht fuͤhren. Hieraus ist nun leicht zu erkennen, welche Beschwerden gerecht, und welche ungerecht sind. Zugleich erhellet auch, daß die Beschwerden auf- hoͤren, wenn einem andern Volck sein Recht zugewand, des angethanen Un- rechts wegen Genuͤge geleistet, von dem zuzufuͤgenden abgestanden, oder, daferne die Treue verdaͤchtig ist, hin- laͤngliche Sicherheit geschaffet wird. Und da man einem ieden sein Recht wieder- fahren lassen (§. 86.), auch kein Volck das andere beleidigen (§. 88.), oder mit Unrecht beladen soll (§. 1089.); so ist ein iegliches Volck verbunden die Beschwerden zu heben, wenn ein andres dergleichen wider dasselbe hat. Dieweil doch aber ein ieder von seinem Rechte nachlassen kann (§. 342.); so kann auch ein Volck, wenn es will, seine Beschwerden nachlassen. Und indem sich die Voͤlcker unter einander des Rechts der Natur bedienen (§. 1088.); so muͤssen die Streitigkeiten der Voͤl- cker auf eben die Art beygeleget wer- den, nach welchem man die Streitig- keiten der Privatpersonen in dem na- tuͤrlichen Zustande zum Ende bringet, folglich entweder freundschaftlich, oder durch einen Vergleich, oder durch Ver- mittelung, oder durch einen Schieds- mann, und derowegen sind sie gehalten Zusammenkuͤnfte zu halten, und in Unter- IV. Theil 6. Hauptstuͤck. Von der Art Unterredung zu treten, oder sie muͤßen die Entscheidung dem Loose uͤberlas- sen (§. 790.). §. 1158. Von dem Kriege, so um ei- nen Ver- gleich zu erhalten, erlaubt ist. Unterdessen wenn sich iemand keine von diesen Arten wollte gefallen las- sen, oder leicht vorher zu sehen waͤre, daß die Streitigkeit auf diese Weise nicht geendiget werden koͤnte; so hat derjenige, welcher sie anbietet, ein Recht zum Kriege wider den, so sie nicht annehmen will, damit dieser zum Vergleich gezwungen werde (§. 790.). §. 1159. Ob die Strei- tigkeiten durch Ge- walt der Waffen entschie- den wer- den koͤn- nen. Daß der Krieg an und vor ihm selbst kein geschicktes Mittel sey die Strei- tigkeiten zu schlichten, erhellet auf eben die Art, als es von dem Zweykampf gezeiget worden (§. 789.). Es betriegen sich also die- jenigen sehr, welche sich uͤberreden, es muͤ- sten die Streitigkeiten der Koͤnige, oder der Voͤlcker mit den Waffen entschieden werden, und der letzte Sieg gelte so viel als ein von dem Richter abgefaßter Ausspruch. §. 1160. Vom Wieder- vergel- tungs- recht und dem Rechte zu stra- fen. Weil das natuͤrliche Vergeltungsrecht ein Unding ist (§. 156.), die Voͤlcker aber unter einander sich des Rechts der Natur bedienen (§. 1088.); so ist auch die Wiederver- geltung unter den Voͤlckern unerlaubt. Jedoch aber da den Voͤlckern wider angetha- nes die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. nes Unrecht ein Recht zu strafen zukommt (§. 1089.); so kann ein beleidigtes Volck, wenn ihm ein andres wegen eines un- ersetzlichen Schadens nicht Genuͤge leisten will, oder keine Hoffnung zu seyn scheinet daß ihm genug gethan werde, sich des Strafrechts bedienen, indem es demselben entweder coͤrper- liche, oder uncoͤrperliche Dinge, z. E. Rechte, so es zu gewissen Handlungen auf dem Gebiete des beleidigten Volckes hat (§. 1048.), wegnimmt. §. 1161. Die Zuruͤcktreibung des Rechts (re- Von der Zuruͤck- treibung des Rechts. torsio juris) wird diejenige Verfuͤgung ge- nennt, nach welcher man rechtens zu seyn wider die Unterthanen eines andern Volcks beschliesset, wessen es sich wider unsre Unter- thanen bedienet, oder es ist der Gebrauch des Rechts wider die Unterthanen eines andern Volcks, so sie selbst handhabet wider die un- srigen. Weil es einem ieglichen Volck frey stehet feste zu setzen, wie viel Recht es einem andern auf seinem Gebiete verstatten wolle, wie es der Vortheil des Staats mit sich zu bringen scheinet (§. 976.); so stehet einem ieden Volck frey das Recht zuruͤck zu treiben. §. 1162. Weil Voͤlcker unter einander als eintzelne Von den Guͤthern der Buͤr- ger, so fuͤr die- Personen betrachtet werden (§. 977.); so sind alle Guͤther eintzelner Personen Nat. u. Voͤlckerrecht. H h h zusam- IV. Theil 6. Hauptstuͤck. Von der Art Schul- den des Staats verhaftet sind. zusammengenommen in Absicht auf auswaͤrtige Voͤlcker als Guͤther der Voͤlcker anzusehen, und deswegen ohne Unterschied fuͤr die Schulden des Staats verhaftet, folglich auch die Pri- vatguͤther des Koͤnigs (§. 1012.). §. 1163. Von dem Rechte der Re- pressa- lien. Da die Voͤlcker eben das Recht geniessen, was eintzelnen im natuͤrlichen Zustande zu- kommt (§. 1088.), alle Guͤther aber eintzel- ner Personen zusammen genommen in Absicht auf die fremden Voͤlcker fuͤr Guͤther der Voͤl- cker gehalten werden muͤssen (§. 1162.); so ist, wenn ein Volck seine, oder seiner Buͤrger Sachen, von einem andern Volcke, so dieselben aufhaͤlt, oder auf eine iede andere Art etwas schuldig ist, nicht erhalten kann, oder dieses Volck jenem, oder seinen Buͤrgern das Recht versagt, unter den Voͤlckern die Er- fuͤllung des Rechts (expletio juris), und daß man zu dem Ende die Sachen ie- der Buͤrger wegnehme, erlaubt (§. 793.). Diese Wegnehmung der Guͤther ei- nes andern Volcks, oder des Regentens des Staats, um sein Recht zu erfuͤllen, heissen Repressalien (repressaliæ). Derowegen erhellet, daß die Repressalien unter den Voͤlckern erlaubt seyn, und niemand zustehen als Voͤlckern, oder denen, so das Recht des Volcks haben, naͤmlich den Regenten des Staats, und folglich kein die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. kein Privatmann sich des Rechts der Repressalien, ohne Erlaubniß des Re- gentens des Staats, bedienen koͤnne. §. 1164. Weil unter den Guͤthern der Buͤrger auch Vom Buͤrger- fang. ihre natuͤrliche Freyheit enthalten ist (§. 207.); so ist auch die Freyheit aller und ieder Buͤrger, oder ihrer Person, als welcher dieses Recht anhaͤngt, fuͤr die Schulden des Staats verhaftet (§. 1163.), wenn folglich ein Volck dem andern, oder des- sen Unterthanen das Recht versagt, so koͤnnen die Unterthanen desselben zum Pfande weggefangen werden. Weil man sie aber aus der Ursach faͤngt, daß das Volck Recht zu verschaffen gezwungen wer- de, so kann man Personen von ausneh- menden Verdiensten, oder grossen Wuͤr- den im Staat, von beyderley Ge- schlecht, und auch ihre Kinder weg- nehmen. Da nun eine Wegnehmung der Buͤrger an Pfandes stat pflegt ein Men- schen- oder Buͤrgerfang (androlepsia, vi- ricapio) genennt zu werden; so ist der Buͤr- gerfang unter den Voͤlckern erlaubt. Weil aber nichts anders als die Freyheit der Buͤrger fuͤr die Staatsschulden verpfaͤndet wird; so ist, wenn ein Volck nicht Recht zu verschaffen vermocht werden kann, auf eben die Art, wie von den Geisseln gezei- get worden (§. 1151.) klar, daß die auf- gehobenen entweder Sclaven, oder H h h 2 als IV. Theil 6. Hauptstuͤck. Von der Art als Gefangene im Kercker aufbehal- ten, nicht aber getoͤdtet, oder mit har- ter Leibesstrafe beleget werden koͤn- nen. §. 1165. Was er- laubt sey wider den, so sich den Repres- salien u. Buͤrger- fang wi- dersetzt. Weil die Repressalien (§. 1163.) und der Buͤrgerfang erlaubt sind (§. 1164.); so ist wider den, der sich der Vollziehung der Repressalien und des Buͤrgerfangs widersetzt, voͤllig erlaubt, was jedem als einem Vertheidiger erlaubt ist (§. 90.). Derowegen muß in diesem Fall die Gewalt nicht nach dem, was der ande- re schuldig, sondern nach dem, was zur Abtreibung einer ungerechten Ge- walt, womit man widerstehet, hinlaͤng- lich ist, geschaͤtzet werden. §. 1166. Daß der Schade, so durch Repres- salien verur- sacht worden, den Mit- buͤrgern gutge- than weꝛ- den muͤße Jndem natuͤrlicher Weise ein ieder ver- pflichtet ist zugefuͤgten Schaden zu ersetzen (§. 270.); so muß der, so Ursach zu Re- pressalien gegeben, denenjenigen den Schaden gutthun, welchen dieser Ur- sache wegen etwas abgegangen ist, und es muß der Oberherr dafuͤr sorgen, daß der zugefuͤgte Schade ersetzet wer- de. Denn es ist kein Buͤrger fuͤr den andern zu bezahlen verbunden. §. 1167. Wenn ehr dies aus den Weil der Regent des Staats aus dem Recht des Volcks handelt (§. 982.), und man die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzulegen. man folglich es also erklaͤret, als wenn das oͤffentli- chen Guͤ- thern ge- schehen muͤße. Volck durch ihn handele, was er nur als ein solcher thut; so ist das Volck verbunden die Handlung seines Regenten, als ei- nes Regenten, fuͤr die seinige zu er- kennen, und mithin auch das, wodurch den auswaͤrtigen ein Unrecht angethan wird. Es hat naͤmlich eben die Beschaf- fenheit mit der Verbindlichkeit, welche aus einer Uebelthat entstehet, als mit der, so aus den Buͤndnissen erwaͤchset. Derowegen wenn er durch seine That, oder aber eine Pri- vatperson auf seinen Befehl, Ursach zum Repressalien gegeben, so muß de- nen, so dieserwegen etwas abgehet, der Schade aus den oͤffentlichen Guͤ- thern ersetzet werden (§. 1166.). §. 1168. Weil die Repressalien in der Erfuͤllung Von den Wirckun- gen der Repres- salien u. des Buͤr- gerfangs. des Rechtes bestehen (§. 1163.); so wird durch sie denen, um deren willen sie vorgenommen worden sind, ein Ei- genthum derer weggenommenen Sa- chen zuwege gebracht, ausser daß man das uͤberfluͤßige zuruͤck geben muß (§. 793.). Und da die Repressalien (§. 1163.) gleichwie auch der Buͤrgerfang erlaubt sind (§. 1164.); so geben sie dem Gegen- theil keine rechtmaͤßige Sache zum Kriege (§. 98.). Hingegen aber weil man durch diese Mittel sein Recht erlangen soll, welches einem von dem andern vorenthalten H h h 3 wird IV. Theil 7. Hauptstuͤck. wird (§. 1163. 1164.); so geben uns, wenn wir durch sie zu unserm Recht nicht kommen koͤnnen, daß naͤmlich das zugefuͤgte Unrecht gut gethan, oder uns eines unersetzlichen Unrechts halber genug geschehe, eben diejenigen Gruͤnde, welche sie als erlaubt darstellen, eine rechtmaͤßige Ur- sache zum Kriege ab (§. 98.). Das siebente Hauptstuͤck. Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. §. 1169. Von der Einthei- lung des Krieges. E in oͤffentlicher Krieg (bellum pu- blicum) wird genennet, welcher un- ter den Voͤlckern, oder so daß dieje- nigen, welche die hoͤchste Herrschaft haben, Urheber davon sind, gefuͤhret wird: ein Pri- vatkrieg (privatum) aber ist es, welchen Privatpersonen auf ihr eignes Geheiß fuͤh- ren. Ein vermischter Krieg (mixtum) ist es endlich, welcher auf der einen Seite ein oͤffentlicher, auf der andern aber ein Privat- krieg ist, z. E. wenn der Regent des Staats einen Krieg mit rebellischen Unterthanen fuͤh- ret. Man nennet es aber einen Krieg zum Angrif (offensivum bellum), womit einer uͤberzogen wird, der an keinen Krieg gedach- te; hingegen heißt es ein Vertheidigungs- krieg (bellum defensivum), mit welchem sich Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. sich iemand vertheidiget wider den, der ihn mit Kriege uͤberfaͤllt. Eine Art von dem Kriege zum Angrif ist der Strafkrieg (pu- nitivum), in welchem iemand den andern zur Strafe zieht, und der Wiederzueignungs- krieg (vindicativum), wodurch wir unser Recht, und das, was man uns schuldig ist, zu erhalten trachten. §. 1170. Da es keine rechtmaͤßige Ursache zum Krie- Wenn ehr der aufallen- de Straf- krieg und auch der Verthei- digungs- krieg er- laubet sey. ge giebt ausser nur das zugefuͤgte, oder noch zuzufuͤgende Unrecht (§. 98.); so ist ein Krieg zum Angrif, er mag ein Straf- oder ein Wiederzueignungskrieg seyn, erlaubt, wenn unser Recht gewiß ist, der andere aber uns eines offenbaren unersetzlichen Unrechts wegen nicht genug thun will, und wir es auf kei- ne andere Art erhalten koͤnnen, des- gleichen auch wenn er in einer zweifel- haften Sache deswegen gefuͤhret wird, daß der andere zum Vergleich genoͤ- thiget werden soll (§. 1158.). Hinge- gen ist der Krieg zur Vertheidigung er- laubt, wenn man sich wider einen, der uns ungerechter weise bekrieget, ver- theidiget (§. 1089.). §. 1171. So ist also der alleinige Nutzen keine Von den Kriegen, die bloß des Nu- tzens we- rechtmaͤßige Ursache zum Kriege (§. 1170.). Derowegen da man es Anra- thungsgruͤnde (rationes suasorias) nennet, H h h 4 welche IV. Theil 7. Hauptstuͤck. gen ge- fuͤhret werden. welche von Nutzen hergenommen werden, oder wodurch ausgemacht wird, daß es uns vortheilhaftig sey, einen Krieg anzufangen, welche den rechtmaͤßigen (justificis) entge- gen stehen, die man von dem uns in einem gegebenen Falle zukommenden Recht zum Krie- ge herholet; zwischen welchen beyden in der Mitte die gleichsam rechtmaͤßigen (quasi justificæ) sind, welche, wenn man sie gehoͤ- rig erwaͤget, den Nahmen der rechtmaͤßigen nicht verdienen, sondern nur den Schein ha- ben: so ist der Krieg ungerecht, wel- cher bloß anrathender und gleichsam rechtmaͤßiger Gruͤnde halber angefan- gen wird. Weil es wider die menschliche Natur streitet dem andern feines Vortheils wegen zu schaden (§. 44); und folglich die Grausamkeit, nach welcher einen ein Krieg an sich selbst vergnuͤget, welcher mit so vieler unschuldiger Menschen Niedermetzlung und Zerfleischung und Verheerung der Dinge ver- knuͤpfet ist, die menschliche Natur vertrei- bet; so uͤberschreitet ein Krieg die Menschlichkeit, wenn iemand darauf ohne rechtmaͤßige, oder anrathende Gruͤnde zu haben verfaͤllt, und wird des- wegen thierisch (ferinum) genennet. Es sind aber die anrathenden Gruͤnde bil- lig, welche aus dem Endzweck des Staats hergeleitet werden (§. 976.). §. 1172. Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. §. 1172. Weil ein iegliches Volck das Recht hat Von der Furcht vor der benach- barten Macht, und von der Er- haltung des Gleich- gewichts. seine Macht zu vermehren (§. 1102.), und derjenige, so einem schaden kann, deswegen nicht gleich schaden will; so ist die anwach- sende Macht eines benachbarten Vol- ckes und die Furcht, die man daraus schoͤpfet, keine rechtmaͤßige Ursache zum Kriege (§. 1170. 1171.). Derowe- gen da das Gleichgewicht unter den Voͤlckern (æquilibrium inter gentes) der Zustand mehrerer Voͤlcker genennet wird, die nach der Macht unter einander in einem ge- wissen Verhaͤltniß stehen, darinn der Macht eines Maͤchtigern, oder der vereinigten Macht einiger die vereinbarte Macht der andern gleich ist; so giebt die alleinige Erhal- tung des Gleichgewichts unter den Voͤlckern keine rechtmaͤßige Ursache zum Kriege ab, doch aber gehoͤret sie unter die anrathenden Gruͤnde, wenn man uͤber einen rechtmaͤßig anzufan- genden Krieg zu rathe geht (§. 1171.). Wofern also ein Volck, so sich auf sei- ne Macht steifet, offenbare Anschlaͤge hat sich andere Voͤlcker unterwuͤrfig zu machen, oder sich nicht scheuet die oͤffentliche Sicherheit der Voͤlcker mit ungerechten Waffen zu stoͤren; so ist es erlaubt, weil sich ein iedes Volck erhal- ten muß (§. 1093.), und allen Voͤlckern insgesamt ein Recht zukommt einen Stoͤrer H h h 5 der IV. Theil 7. Hauptstuͤck. der oͤffentlichen Ruhe zu zwingen, daß er sie nicht stoͤren duͤrfe (§. 1090.), der oͤffent- lichen Sicherheit zu rathen, und die anwachsende Macht zu schwaͤchen. Alsdenn ist naͤmlich der Krieg, der in dieser Absicht ein Vertheidigungskrieg ist, gerecht (§. 1169.). §. 1173. Von den Lastern der Got- tesver- lengnung und der Abgoͤt- terey ei- nes Vol- ckes. Weil ein Uebel an sich selbst nicht so be- schaffen ist, daß es gestrafet werden muͤste (§. 1049.), und auch niemand wegen eines Jrr- thums gestrafet werden kann (§. 1050.); so ist ein strafender Krieg wider ein Volck nicht erlaubt, dieweil es das Recht der Natur unmenschlich verletzet, oder wider GOtt suͤndiget, oder die Got- tesverleugnung, oder die Deisterey be- kennet, oder abgoͤttisch ist. §. 1174. Von Solda- ten und dem Rechte Solda- ten zu werben. Soldaten nennt man Personen, durch welche der Urheber des Krieges dem andern Theil, mit welchem er Krieg fuͤhret, Gewalt anbringet: Waffen aber sind alle Sachen, deren man sich andern Gewalt anzubringen, oder sie von sich abzuwenden bedienet. Da den hoͤchsten Maͤchten das Recht zu krie- gen zukommt (§. 1066.); so haben sie auch das Recht Soldaten zu werben, und dies gehoͤret unter die Majestaͤtsrech- te (angef. §.), welches der Oberherr ausuͤben kann, wie es ihm gut deuch- tet, Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. tet, wenn kein Grundgesetz deshalb im Wege stehet (§. 984.), doch aber also, daß die oͤffentliche Wohlfahrt keinen Schaden darunter leide (§. 976.). Weil alle und iede verbunden sind so viel zur Vertheidigung des Staats beyzutragen, als sie koͤnnen (§. 972. 975.); so sind alle Un- terthanen, die zu Kriegsdiensten ge- schickt sind (§. 60.), in dem aͤussersten Nothfall gehalten Soldatendienste zu thun, und sie koͤnnen vermoͤge der vor- zuͤglichen Macht wider ihren Willen da- zu gezwungen werden (§. 1065.). Weil aber ausser den Kriegesdiensten um das ge- meine Wohl zu befoͤrdern noch andere geleistet werden muͤßen (§. 972.), und die Untertha- nen Kriegesunkosten zu reichen verbunden sind (§. 1037.); so muͤssen ausser dem Noth- fall diejenigen, welche sonst der Re- publick nuͤtzliche und nothwendige Dienste verrichten, und zu den Krie- gesunkosten beytragen koͤnten, nicht wider Willen als Soldaten angewor- ben werden. Die fremden, welche von freyen Stuͤcken den Soldatenstand erwaͤhlen, werden gedungene Soldaten (conductitii milites) genennet, und ihre Verbindlich- keit kommt aus einem Vertrag (§. 438.), welcher die Capitulation heißet; was aber darinn verabredet worden, muß ge- halten werden (angef. §.). Weil aber das Recht Soldaten anzuwerben ein Majestaͤts- recht IV. Theil 7. Hauptstuͤck. recht ist, welches von einem auswaͤrtigen Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.); so ist es nicht erlaubt Soldaten in ei- nem fremden Gebiete ohne Einwilli- gung des Herrn anzuwerben : und weil hier die vorzuͤgliche Gewalt nicht statt hat (§. 1065.), so ist es nicht vergoͤnnet, wenn auch gleich die Werbefreyheit verstat- tet worden, die Leute mit Gewalt anzuwerben. §. 1175. Vom Men- schen- raub. Der Menschenraub (plagium) ist eine heimliche Wegnehmung eines Menschen, wel- cher der Gewalt eines andern unterworfen ist. Weil ein Menschendieb einen Menschen der Gewalt, so er unterworfen ist, entziehet, und sich ein Recht uͤber denselben herausnimmt; so kommt der Menschenraub mit dem Diebstahl uͤberein (§. 263.), und wird deshalben von rechtswegen als ein Dieb- stahl an Menschen angesehen. Daher erhellet, daß diejenigen, welche fremde Unterthanen, die sie betruͤglicher wei- se weggenommen haben, zu Krieges- diensten zwingen, einen Menschen- diebstahl begehen, und die vorzuͤgliche Gewalt dessen, dem sie als Untertha- nen zugehoͤren, verletzen, und diesem folglich Unrecht anthun (§. 87.), und mithin eine gerechte Ursache zum Krie- ge geben, wenn nicht des zugefuͤgten Unrechts Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. Unrechts wegen Genuͤge geleistet wird (§. 1170.). §. 1176. Den Sold (stipendium) nennt man das Vom Solde u. Quarti- ren der Solda- ten. Geld, so fuͤr Kriegsdienste gezahlet wird. Weil diejenigen, welche Kriegesdienste thun, auf andere Art nichts verdienen koͤnnen; so muß den Soldaten der Sold richtig gezahlet werden. Aus eben der Ursache gehoͤret ihnen nicht nur Kleidung, sondern auch, indem sie der Wohnung be- duͤrfen, wenn sie sich nicht des Krieges we- gen im Felde aufhalten, eine persoͤnliche Einquartirung. Da diese Quartire un- ter die oͤffentlichen Geschencke, folglich unter die Lasten der Republick gehoͤren (§. 1057.), so sind alle Besitzer der Haͤuser verbun- den nach der Maße ihres Vermoͤgens die Soldaten persoͤnlich ins Quartir zu nehmen : Damit aber die Unterthanen nicht zu sehr belaͤstiget werden, so muß der Oberherr sorgen, daß die Bequarti- rung nicht zu schwer falle, und sie nicht ohne Noth zu kostbar sey, man muß auch keinem Einquartirungsfrey- heit verstatten, ausser solchen Perso- nen, denen man es als einen Theil ih- res Soldes, oder zur Belohnung der Verdienste um die Republick anrech- nen kann, indem Privilegien nur des oͤffent- lichen Bestens wegen gegeben werden muͤssen (§. 1047.). §. 1177. IV. Theil 7. Hauptstuͤck. §. 1177. Von dem Darvon- lauffen der Sol- daten. Weil die Soldaten als geringe, oder un- studirte Leute die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche so wohl die einheimischen als fremden Soldaten uͤber sich haben (§. 1174.), we- nig faßen; so muͤßen sie eidlich verspre- chen, daß sie die angetretenen Krie- gesdienste nicht verlassen wollen (§. 380. 446.), und sie koͤnnen als Meinei- dige und Treulose haͤrter gestrafet wer- den. Es ist aber klar, daß der, so die Ausreisser heimlich fortbringet, oder sie verheelet, einen Menschendiebstahl begehe (§. 1175.), und daß derjenige, wel- cher auf irgend eine Art zum Ausreis- sen behuͤlflich ist, an einem Menschen- diebstahl theilnehme (§. 26.). §. 1178. Von den Offici- ren. Officirer (præfecti militum) werden die genennt, denen von der hoͤchsten Gewalt eine gewisse Herrschaft uͤber die Soldaten beyge- leget, und gewisse Kriegesverrichtungen an- befohlen worden. Heerfuͤhrer aber (duces) werden vorzuͤglich diejenigen genennet, wel- chen die Herrschaft uͤber die gantze Armee, oder die Fuͤhrung des gantzen Krieges anvertrauet worden. Es sind also die Officirer klei- nere Gewaltige, deren immer einige anderen unterthaͤnig gemacht, und von der hoͤchsten Gewalt desto entfernter, dahingegen andere nach der Beschaf- fenheit des Rechts, so sie haben, ihr naͤher Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. naͤher sind: aber die vorzuͤglich so ge- nannten Heerfuͤhrer kommen der hoͤch- sten Gewalt am naͤchsten. Da man das Kriegesrecht (jus militare) diejenigen Ge- setze nennet, in welchen uͤber das verfuͤget worden, was von den Soldaten und ihren Officirern geschehen, oder nicht geschehen soll, oder was ihnen erlaubet ist; so wird darinn auch von dem Rechte der Officirer, und der hoͤchsten Befehlshaber, wie auch von ihren Pflichten gehandelt. §. 1179. Huͤlfe, oder auch Huͤlfstruppen (auxi- Von Huͤlfs- truppen u. Sub- sidiengel- dern. lia, auxiliares, copiæ auxiliares) werden die- jenigen Truppen, so wohl zu Fuß, als auch zu Pferde genennet, welche ein anderes Volck, das eigentlich ietzt nicht krieget, einem Volcke zusendet, so Krieg fuͤhret. Subsidiengel- der (pecuniæ subsidiariæ) heissen die Gelder, welche ein ander Volck, das nicht krieget, dem Krieg fuͤhrenden Volcke giebt, damit dieses die Kriegeskosten bestreiten koͤnne. Man nennt sie heutiges Tages auch schlechtweg Subsidien (subsidia). Natuͤrlicher weise sind die Voͤlcker verbunden einem ge- rechten Krieg fuͤhrenden Volcke Huͤlfs- truppen und Subsidien zukommen zu lassen, und ihm auf alle Art, so viel als moͤglich ist, im Kriege beyzustehen (§. 1108.). Damit man aber ein voll- kommenes Recht dazu erlange (§. 1086.), so muß man Buͤndnisse schliessen (§. 1141.), IV. Theil 7. Hauptstuͤck. 1141.), als welche unter den Voͤlckern heilig gehalten werden muͤssen (§. 1153.). Es verstehet sich aber, daß so wohl das Recht des einen, und die Verbindlichkeit des andern Theiles nach demjenigen zu schaͤtzen sey, was des Buͤndnisses wegen verabredet wor- den (§. 317.). §. 1180. Von den Aꝛten der Kriegs- buͤndnis- se, und von dem Fall ei- nes Buͤnd- nisses. Man nennet es Kriegsbuͤndnisse zum Angrif (fœdera belli offensiva), wenn die Huͤlfe und die Subsidien nur in einem Kriege zum Angrif versprochen werden; Kriegs- buͤndnisse zur Vertheidigung (defensi- va) heissen es, wenn man sie nur in einem Vertheidigungskriege geben will; gleichwie es Kriegsbuͤndnisse zum Angrif und zur Vertheidigung (offensiva \& defensiva) zugleich sind, wenn jene in beyden Faͤllen statt haben. Ein Fall des Buͤndnisses (casus fœderis) ist der Zusammenfluß solcher Umstaͤnde, unter welchen das Buͤndniß ein- gegangen worden, sie moͤgen nun ausdruͤck- lich gemeldet, oder stillschweigend zum Grun- de gesetzet seyn. Sind nun diese alle zu- sammen da, so ist der Fall des Buͤnd- nisses da ; und es ist leicht abzunehmen, daß man nur, wenn er vorhanden ist, zu leisten habe, was im Buͤndnisse ver- sprochen worden (§. 318.). Wenn de- rowegen ein offenbar ungerechter Krieg gefuͤhret wird, oder wenn derjenige, welcher Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. welcher das verabredete leisten soll, es selbst benoͤthigt ist, so ist der Fall des Buͤndnisses nicht da; dieweil man von selbst versteht, daß beydes in einem ieglichen Buͤndnisse stillschweigend ausgenommen sey. §. 1181. Diejenigen werden im Kriege neutral Von de- nen die im Krie- ge es mit keinem halten. (in bello medii, vulgo neutrales) genennt, welche sich zu keinem unter den kriegenden Theilen schlagen, und sich folglich nicht in den Krieg mischen. Jhre Laͤnder nennt man neutrale Laͤnder (terras neutras). Ob nun gleich vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit (§. 1089.) einem ieden Volck zu gestatten ist, daß es in einem Kriege neutral bleibe; so muß man doch, daß man ein vollkommnes Recht zur Neutralitaͤt erlange, entweder mit einem, oder mit beyden kriegenden Theilen, wie es die Gelegen- heit giebt, Buͤndnisse machen (§. 1141. 1153.), welche Neutralitaͤtsbuͤndnisse (fœdera neutralitatis) heissen; und man kann ausser dem, ohne welchen sich ein sol- ches Buͤndniß nicht dencken laͤsset, naͤmlich daß darinn versprochen werde, daß der, so im Kriege neutral seyn will, dem Gegentheil im Kriege nicht hel- fen, hingegen aber die Bewegungen desjenigen, mit welchem das Buͤnd- niß errichtet wird, auf keine Art hin- dern wolle, darinn auch uͤber andere Punckte uͤbereinkommen, die beyde Nat. u. Voͤlckerrecht. J i i Thei- IV. Theil 7. Hauptstuͤck. Theile zu ihrem Vortheil zu gehoͤren glauben. Weil aber ein Neutralitaͤtsbuͤnd- niß nicht muß uͤber seine Graͤntzen, und uͤber das, woruͤber man sich besonders verglichen, ausgedehnet werden; so sind diejenigen, welche die Neutralitaͤt halten, beyden streitenden Theilen schuldig, was sie nach dem Voͤlckerrechte ausser dem Kriege schuldig sind, z. E. daß sie den Soldaten und Unterthanen von bey- den kriegenden Partheien einen sichern Eintritt in ihr Gebiete, und den Durch- gang durch ihre Laͤnder verstatten, wie auch, daß sie sich eines rechtmaͤs- sigen Geschaͤftes wegen darinn auf hal- ten, und ihnen erlauben, die Dinge, deren sie benoͤthiget sind, sich fuͤr einen billigen Preis anzuschaffen (§. 1131.), woferne es nicht ausdruͤcklich anders verab- redet worden, naͤmlich daß keinem von bey- den streitenden Theilen nicht erlaubet seyn solle, was sonst erlaubet war (§. 667.). §. 1182. Vom Durch- zug mit den Kriegs- truppen. Weil der Durchzug durch das Land eines andern rechtmaͤßiger Ursachen wegen ein noch aus der allerersten Gemeinschaft uͤbriges Recht ist (§. 312.); so muß ein Volck den Kriegstruppen des andern Volcks ei- nen sich unschaͤdlichen und den durch- ziehenden sichern Durchzug verstatten. Da aber derjenige, welcher es verstattet, da- von zu urtheilen hat, ob er unschaͤdlich sey (§. 1089. Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. 1089. 78.); so muß man um den Durch- zug anhalten, und weil er nicht unschaͤd- lich ist, wenn zu befuͤrchten stehet, daß derjenige, wider welchen er vergoͤn- net wird, den vergoͤnnenden bekrie- gen, oder den Schauplatz des Krieges in einem ruhigen Lande aufschlagen, oder auf andere Art schaden werde, so kann er versaget werden. Und aus eben der Ursache muß derjenige, welcher durchzieht, fuͤr das, was er noͤthig hat, indem es vor sich klar ist, daß ihm der- gleichen nicht koͤnne versaget werden, den rechtmaͤßigen Werth bezahlen, ob man gleich den Durchzug selbst, als wozu man natuͤrlicher weise verbunden ist, umsonst erlauben muß. Jndem aber der verursachte Schaden wieder ersetzet werden soll (§. 270.); so ist der, dem der Durch- zug verstattet worden, verpflichtet, wenn seine durchziehenden Leute den Einwohnern Schaden zugefuͤget ha- ben, denselben wiederum gut zu ma- chen, und dem Regenten des Staats lieget ob zu sorgen, daß er denen erse- tzet werde, die ihn gelitten haben. Derowegen wenn der, so den Durchzug verstattet, befuͤrchtet, er werde nicht unschaͤdlich, oder es werde die Leistung des geschaͤtzten Schadens, wenn der- gleichen zugefuͤget werden sollte, schwerlich zu erhalten seyn, so ist er J i i 2 nicht IV. Theil 7. Hauptstuͤck. nicht verpflichtet solchen zu vergoͤn- nen, wenn nicht der durchziehende desfalls hinlaͤngliche Sicherheit gie- bet. §. 1183. Von der Ankuͤn- digung des Krie- ges. Die Ankuͤndigung des Krieges (de- nunciatio belli) ist eine Handlung, nach wel- cher ein Theil seinem Gegentheil bekannt macht, daß er sein Recht mit Gewalt der Waffen verfolgen wolle. Von einigen wird es lateinisch clarigatio genennt, ob diese gleich bey den Roͤmern unterschieden war, so daß, wenn der Gegentheil die Genugthuung abschlug, alsdenn erst die Ankuͤndigung er- folgte, welche also nur auf allen Fall in der Clarigation lag. Es ist aber die Kriegs- ankuͤndigung entweder bedingt, darinn erklaͤret wird, man werde einen mit Kriege uͤberziehen, wenn keine Ersetzung erfolgen, oder des geschehenen Unrechts wegen keine Ge- nuͤge geleistet werden sollte; oder sie ist un- bedingt (pura), wenn ohne Bedingung be- kannt gemacht wird, daß man einen be- kriegen wolle. Natuͤrlicher Weise ist es nicht noͤthig, daß die unbedingte auf die bedingte folge, indem es vor sich klar ist, daß uns, wenn uns der andere unser Recht abschlaͤgt, kein andres Mittel solches zu erhalten uͤbrig sey, als der Krieg. Es er- hellet auch genugsam, daß die Kriegsan- kuͤndigung nur in einem Kriege zum Anfall, nicht aber in einem Kriege zur Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. zur Vertheidigung, erfordert werde (§. 1169.). Allein wenn derjenige, wel- chem ein Krieg angekuͤndiget werden soll, weder Abgesandten zulaͤßet, noch auch sonst eine andere Gelegenheit vor- handen ist schriftliche Eroͤfnung davon zu thun; so kann auch in einem Kriege zum Anfall die Ankuͤndigung unterlassen werden (§. 60.). Hingegen ist die Wie- dervergeltung, als welche an ihr selbst un- erlaubt ist (§. 156.), keine rechtmaͤßige Ursach die Ankuͤndigung auszusetzen. Endlich weil der, so den Krieg ankuͤndiget, nicht gehalten ist seinem Gegentheil eine ihm schaͤdliche Frist zu verstatten (§. 269.); so ist erlaubt, wenn nicht sogleich nach an- gekuͤndigtem Kriege billige Friedens- bedingungen vorgeschlagen werden, ohne allen Verzug Kriegsanstalten vorzukehren. §. 1184. Weil unter den Voͤlckern ein oͤffentlicher Von den Feinden u. feind- lichen Sachen. Krieg gefuͤhret wird (§. 1169.); so wird angenommen, daß, wenn der Regent des einen Staats dem Regenten des andern Staats den Krieg ankuͤndiget, ein oͤffentlicher Krieg von einem gan- tzen Volcke einem andern gantzen Vol- cke angekuͤndiget sey. Derowegen da man diejenigen Feinde (hostes) nennet, die unter einander Krieg haben, und ihre Sa- chen feindliche Sachen (res hostiles) heis- J i i 3 sen; IV. Theil 7. Hauptstuͤck. sen; so sind die Unterthanen von bey- den streitenden Theilen, folglich auch Weiber, Knaben, Kinder unter der Zahl der Feinde, und ihre Sachen sind feindlich, sie moͤgen auch seyn wo sie wollen. Weil aber doch die Fremden, so sich in des Feindes Landen aufhalten, nicht unter die Feinde gehoͤren, indem sie keine Un- terthanen des Feindes sind (§. 1137.); so sind auch die Sachen der Fremden, welche auf feindlichen Gebiete ange- troffen werden, nicht feindlich. Da aber erst bewiesen werden muß, daß sie Frem- den zugehoͤren; so werden sie fuͤr feindli- che gehalten, bis das Gegentheil dar- gethan worden. Und weil auch die un- coͤrperlichen Sachen der Feinde feindlich sind, folglich auch das Recht dazu; so sind gleich- falls diejenigen Sachen, welche einer, so kein Feind ist, dem Feinde schuldig ist, mit unter der Zahl der feindlichen Sachen begriffen. §. 1185. Von de- nen, wel- che sich zum Fein- de schla- gen. Wer sich zu meinem Feinde schlaͤgt, z. E. wenn er ihm Huͤlfstruppen, oder Subsidien zukommen laͤßet, oder ihn auf irgend eine Art im Kriege huͤlft, indem er hiermit etwas zu seinem Kriege bey- traͤgt, und sich deshalb dessen theilhaftig macht (§. 26.); der ist mein Feind, und seine Sachen sind feindlich, wenn de- rowegen der Krieg angekuͤndiget wird, so Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. so verstehet sich es von selbst, daß er zugleich allen denen angekuͤndiget sey, welche sich zu der Parthie meines Fein- des schlagen werden. Wenn man dem- nach diese mit Krieg uͤberziehen will, so ist nicht erst noͤthig ihnen den Krieg anzukuͤndigen. §. 1186. Die Bekantmachung des Krieges Von der Bekant- machung des Krie- ges. (publicatio belli) ist eine Kriegesanzeige, wel- che der, so sich in einen Krieg einlaͤßet, theils an andere hohe Maͤchte, theils an seine Un- terthanen thut: folglich ist sie so wohl in einem Kriege zur Vertheidigung, als zum Angrif vonnoͤthen. Da die Be- kantmachung auf vielerley Art geschehen kann, so haͤngt es lediglich vom Willen des bekant- machenden ab, welche er erwaͤhlen wolle. Man kann den Krieg denen Regenten andrer Voͤlcker entweder durch die Ge- sandten, welche man an fremden Hoͤfen hat, oder durch abgelaßene Schreiben, hin- gegen aber den Unterthanen entweder durch Herolde, oder durch Rescripte, ja allen beyden durch den Druck be- kannt machen. §. 1187. Eine gedruckte Schrift, wodurch man ei- Von dem Manifest und Ge- genma- nifest. nen Krieg zum Angrif bekannt macht, heißt ein Manifest (manifestum), gleichwie die- jenige, in welcher man einen Krieg zur Ver- J i i 4 theidi- IV. Theil 7. Hauptstuͤck. theidigung eroͤfnet, ein Gegenmanifest (antimanifestum) genennet wird. Derowe- gen weil niemand das Ansehen haben will, als wenn er einen unrechtmaͤßigen Krieg fuͤh- re; so muͤssen in einem Manifest die rechtmaͤßigen Ursachen angefuͤhret, diese aber in dem Gegenmanifest wi- derleget werden (§. 1171.). Und indem ein Oberherr seinen Unterthanen befehlen kann; so muß alles, was waͤhrendes Krieges von ihnen geschehen, oder nicht geschehen soll (§. 1043.), wie dem Manifest, also auch dem Gegen- manifest einverleibet werden. Dieweil die Erklaͤrung der rechtmaͤßigen Gruͤnde nur die Erzaͤhlung des geschehenen, und die An- wendung des Natur- und Voͤlckerrechts auf dasselbe; hingegen aber die Widerlegung der Gruͤnde den Erweis der Unrichtigkeit dessen, was geschehen seyn soll, oder der unrecht an- gebrachten Anwendung des Rechts erfordert: so muß man sich aller Worte und Re- densarten, so einen Haß und Rachbe- gierde verrathen, enthalten. §. 1188. Von der Liebe der Feinde. Da ein Volck auch ein feindseliges (ini- micam) Volck lieben, und ihm wie sich selbst Liebe erzeigen soll (§. 1109.), und von dieser Verbindlichkeit nicht frey gemacht werden kann (§. 42.); so muß auch ein Feind sei- nen Feind (hostis hostem) lieben, und ihm Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. ihm als sich selbst Liebe wiederfahren laßen. Es ist naͤmlich einer der einen has- set von einem Feinde unterschieden (§. 137. 1183.). Das achte Hauptstuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. §. 1189. W er einen unrechtmaͤßigen Krieg Jn einem unrecht- maͤßigen Kriege ist kein Recht vorhan- den. fuͤhret, hat keine rechtmaͤßige Ur- sache zum Kriege (§. 1170.). Was er also nun im Kriege thut, ist alles unerlaubt, folglich wenn er seine Fein- de toͤdtet, so ist er einem Moͤrder; wenn er feindliche Sachen wegnimmt, so ist er einem anfallenden und Raͤu- ber gleich zu schaͤtzen. Und weil auch der, so sich zu einem ungerechten Krie- ger gesellet, kein Recht im Kriege haben kann, indem er im Nahmen dessen handelt, dessen Parthey er ergriffen hat; so ist alles, was er vornimmt, gleichfalls den Raͤu- bereien, Anfaͤllen und Mordthaten, oder denen Handlungen, wodurch der- gleichen befoͤrdert wird, zuzuzaͤhlen. §. 1190. Ein rechtmaͤßiger Krieg wird um zu seinem Von dem Rechte in einem gerechten Kriege. Rechte zu kommen gefuͤhret (§. 1170.). De- rowegen ist dem, der einen rechtmaͤßi- J i i 5 gen IV. Theil 8. Hauptstuͤck. gen Krieg fuͤhret, dasjenige im Krie- ge erlaubt, ohne welches er sein Recht nicht erlangen kann. Was aber zur Erreichung dieses Endzwecks nichts thut, das ist unerlaubt. Doch vermoͤge der natuͤrlichen Freyheit muß die Beur- theilung dessen, was zur Erhaltung dieses Endzwecks noͤthig ist, dem Krie- genden uͤberlassen werden (§. 1089. 87.). Weil der Gegentheil durch seine un- rechtmaͤßige Gewalt die Kriegsunkosten, wel- che, wie bekant, sehr groß sind, verursachet (§. 1189), und folglich Schaden, welcher wieder ersetzet werden muß, zufuͤget (§. 269. 270.); so ist er dem, so einen recht- maͤßigen Krieg fuͤhret, die auf den Krieg verwendeten Unkosten zu bezah- len schuldig. Und da durch unrechtmaͤßige Gewalt immer neue Schaͤden verursachet, und neues Unrecht begangen wird (§. 269. 87.); so ist der unrechtmaͤßige Krieger in Absicht auf die Schaͤden verbunden dem, so gerechte Sache hat, die weg- genommenen Sachen zu ersetzen, wenn sie noch da sind, oder woferne sie nicht mehr vorhanden, muß er ihren Werth bezahlen; in Absicht aber auf das Un- recht ist er zur Strafe verbunden (§. 1189.). Endlich da der Krieg, als welcher einen grossen Haufen des Ungluͤcks nach sich zieht, und vor die Voͤlcker etwas sehr klaͤgli- ches ist, des Friedens wegen gefuͤhret wird, und Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. und auch derjenige, welcher einen rechtmaͤßi- gen Krieg fuͤhret, nichts anders zur Absicht hat, als daß er den Gegentheil noͤthige, bil- lige Friedensvorschlaͤge zu thun, wie nicht un- deutlich aus dem bisherigen Vortrag abge- nommen werden kann; so hat der, so einen gerechten Krieg fuͤhret, auch ein Recht zu dem, was den Feind zur Endigung des Krieges bewegen kann. §. 1191. Was der Feind irgend des Kriegs wegen Von Kriegs- handlun- gen und Opera- tionen, wie auch von Feindse- ligkeiten. thut, das ist eine Kriegshandlung (actus bellicus); hingegen eine Kriesoperation (operatio bellica) wird eine solche Kriegshand- lung genennt, vermoͤge welcher der Feind, oder seine Sachen wircklich mit Gewolt angegrif- fen werden, oder dadurch man sich den Weg bahnet, ihn mit Gewalt anzugreifen, oder die Gewalt zu vertreiben. Endlich die Kriegs- operationen, wodurch dem Feinde, oder sei- nen Sachen wircklich Gewalt angethan wird, fuͤhren den Nahmen der Feindseligkeiten (hostilitatum). §. 1192. Da derjenige, welcher einen ungerechten Von dem Rechte uͤber die Perso- nen. Krieg fuͤhret, dem Unrecht anthun will, des- sen Krieg rechtmaͤßig ist (§. 1189.), und die- sem folglich das Recht sich zu vertheidigen zustehet (§. 1089.); so erwaͤchset das Recht uͤber die Personen in einem rechtmaͤßigen Kriege aus der Verthei- digung seiner selbst und seiner Sachen, und IV. Theil 8. Hauptstuͤck. und muß derowegen nach dem, was noͤ- thig ist die Gewalt des Feindes abzu- treiben, geschaͤtzet werden (§. 90.). Demnach ist es nicht erlaubt die Unter- thanen dessen, der unrechtmaͤßiger Weise krieget, so lange sie sich aller Gewalt enthalten, und keinen Vor- satz Gewalt auszuuͤben zu Tage legen, zu toͤdten, oder auf eine andere Art wider ihren Leib zu wuͤten, gleichwie es auch nicht erlaubt ist die Kriegsge- fangenen, oder die sich ohne Bedin- gung ergeben haben ums Leben zu bringen, woferne nicht ein besonderes Verbrechen, wodurch sie der Todes- strafe schuldig worden waͤren, vorher- gegangen ist: vielweniger ist daher er- laubt diejenigen zu toͤdten, welche sich entweder in dem Treffen, oder in der Belagerung die Erhaltung ihres Le- bens ausgemacht haben, und muß die- se Bedingung nicht abgeschlagen wer- den. Eben dies ist von denen zu be- halten, welche in der Schlacht das Gewehr wegwerfen. Und weil das Nie- dermetzeln, wie aus angefuͤhrten erhellet, kein erlaubtes Mittel ist, wenn es etwas beyzu- tragen scheinet unser Recht wieder zu erlan- gen; so ist es nicht vergoͤnnet Gefange- ne, solche die sich ergeben haben, oder die sich ergeben wollen, nieder zu ma- chen, oder sie an ihrem Leibe miszu- han- Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. handeln, wenn auch gleich noͤthig waͤre ein Schrecken zu machen. Ja aus der Art, wie das Recht uͤber die Person der Fein- de entspringt, ist ferner klar, daß man die Feinde nicht toͤdten koͤnne, weil sie tapfern Widerstand gethan; vielweni- ger aber kann man einige deswegen toͤdten, weil sie sich nicht gewehret haben. Sollte durch einen hartnaͤckigen Widerstand Schaden verursacht, und uner- setzliches Unrecht zugefuͤget seyn; so hat man zu andern Dingen, wodurch uns ge- nug geschehen kann, ein Recht, z. E. zur Verbindlichkeit, daß sie sich ent- weder ohne alle, oder unter haͤrtern Bedingungen ergeben, eine gewisse Summe Geldes zahlen, Staͤdte und Haͤuser zur Pluͤnderung uͤberlassen muͤssen. §. 1193. Da man im Kriege damit umgehet, daß Von der Schwaͤ- chung der Kraͤfte dessen, der einen unrecht- maͤßigen Krieg fuͤhret. der Gegentheil von demselben abstehen soll (§. 1190.); so ist alles das, was zur Schwaͤ- chung der Kraͤfte dessen, der einen un- gerechten Krieg fuͤhret, gereicht, dem- jenigen, welcher rechtmaͤßige Ursach zu kriegen hat, erlaubt, folglich ist es er- laubt alle Feinde gefangen zu nehmen, so wohl in so ferne sie auf irgend eine Art sich der Wiederherstellung unsers Rechts widersetzen, oder das Ende des Krieges verhindern, als auch nach der IV. Theil 8. Hauptstuͤck. der Art des Buͤrgerfangs (§. 1164.), und derowegen kann man nicht nur die Soldaten und ihre Officirer, sondern auch vornehme Frauen und Jung- frauen, Maͤnner, so in ansehnlichen Wuͤrden stehen, und die Republick verwalten, und alle andere Personen wegnehmen (angef. §.). §. 1194. Ob die Gefan- genen Knechte werden. Weil man die Feinde gefangen nimmt, theils daß sie der Wiederherstellung un- sers Rechts nicht hinderlich fallen sollen, theils daß unser Gegner bewogen werde den Krieg zu endigen, und uns unser Recht zu- kommen zu laßen (§. 1192. 1193.), hierzu aber genug ist, daß man sie so lange aufbe- halte, bis sie von den ihrigen frey gemacht werden; so werden die Gefangenen na- tuͤrlicher Weise keine Knechte (§. 947.), doch aber koͤnnen sie, nach Maßge- bung der verdienten Strafe wegen ei- nes begangenen Verbrechens in die Knechtschaft gebracht werden, da ih- nen die Freyheit genommen wird (§. 1048.). Wenn unter den kriegenden Voͤlckern Vertraͤge uͤber die Befreyung der Ge- fangenen errichtet sind, so muͤßen sie, weil man das verabredete zu halten verbunden ist (§. 438.), nach bezahlten Gelde aus- geliefert werden. §. 1195. Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. §. 1195. Die Verheerung feindlicher Sachen Von der Verhee- rung der Sachen. (vastatio rerum hostilium) ist diejenige Hand- lung, vermoͤge welcher man, da man jene verdirbt, dem Feinde schadet, sich aber da- durch keinen Gewinn stiftet. Diese nun ist nicht erlaubt, ausser in so ferne wir oh- ne dieselbe unser Recht nicht erhalten koͤnnen, oder die Kraͤfte des Feindes geschwaͤchet, und die unsrigen ver- mehret werden, oder wenn es geschieht zur rechtmaͤßigen Strafe (§. 1170. 1193.). Daher ist es erlaubt die feind- lichen Aecker zu verderben, Fruͤchte und Saat auf denselben zu zertreten, Gebaͤude niederzureissen, Gaͤrten und Weinberge auszurotten, wenn es die Aufschlagung des Lagers, die Bela- gerung der Staͤdte und die Schlach- ten erfordern: hingegen ist es uner- laubt, Staͤdte, Flecken, Doͤrfer aus- zurotten, oder zu verwuͤsten, nachdem sie in unsre Bothmaͤßigkeit gekommen sind, es sey denn, daß ein Verbrechen begangen worden, das eine solche Strafe verdienet. Auf eben diese Art verstehet sich, daß die Schleifung der Festungen, nachdem sie erobert wor- den, erlaubt sey, wenn wir fuͤr gut be- finden dieselben zu verlassen; hingegen aber ist die Verwuͤstung der Graͤber, der Grabmaͤhler, und der heiligen Sa- chen IV. Theil 8. Hauptstuͤck. chen unerlaubt. Da uns kein Recht uͤber ein anderes Volck des Unterschiedes der Re- ligion halber, wenn es auch gleich hoͤchst ab- goͤttisch waͤre, zustehet (§. 1173.); so muß man auch deswegen keine heilige Sa- chen verwuͤsten, weil wir glauben, daß sie zum Aberglauben, oder zur Abgoͤt- terey gehoͤren. §. 1196. Von dem was in einem friedli- chen Ge- biete nicht er- laubt ist. Weil sich niemand auf einem fremden Ge- biete einiges Recht anmassen kann (§. 1121.); so ist nicht erlaubt auf einem friedli- chen Gebiete Feinde und feindliche Sachen wegzunehmen, noch auch ge- fangene Personen und genommene Sa- chen durch dasselbe zu fuͤhren. Dies streitet auch mit dem Neutralitaͤtsbuͤndniß, wenn dergleichen geschlossen worden (§. 1181.). §. 1197. Von de- nen, so vor dem Kriege in ein feind- liches Ge- biet ge- kommen sind. Weil den Fremden, so sich auf unserm Ge- biete aufhalten, ein sicherer Zutritt erlaubt ist, und ihnen deswegen auch ein sicherer Ab- zug muß verstattet werden (§. 1131.); so muß man, wenn die Ankuͤndigung des Krieges geschehen, in der Bekantma- chung denen Fremden, welche Buͤrger der Feinde sind, anbefehlen, daß sie sich binnen einer bestimmten Zeit weg- begeben sollen, nach deren Verfluß sind sie fuͤr Feinde anzusehen, und folglich koͤnnen Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. koͤnnen sie als Gefangene zuruͤck be- halten werden (§. 1192.). Unterdessen da man niemand weiter zu etwas verpflich- ten kann, als was in seiner Gewalt ist (§. 60.); so muß man dem, der durch ei- ne groͤssere Kraft, z. E. durch eine Kranck- heit, an welcher er darnieder liegt, verhin- dert wird, daß er sich binnen der vor- geschriebenen Zeit nicht wegmachen kann, eine Frist verstatten. §. 1198. Feindliche bewegliche Sachen kann Von den bewegli- chen Sa- chen auf dem feindli- chen Ge- biete. man auf seinem Gebiete, indem es er- laubt ist sie wegzunehmen, nach Art einer Schuld und Strafe einziehen, und den Schuldnern der Feinde, die unsre Buͤr- ger sind, verbieten, daß sie waͤhren- des Krieges denen Glaͤubigern nichts bezahlen sollen, ja man kann auch be- fehlen, daß sie es, wenn der Zahltag kommt, uns zahlen muͤßen. §. 1199. Weil ein Fremder, der unbewegliche Guͤ- Von den unbe- wegli- chen. ther in einem fremden Gebiete besitzet, als Besitzer derselben ein Unterthan des Herrn von dem Gebiet ist (§. 1125.); so sind die unbeweglichen Guͤther, die von einem Fremden im feindlichen Gebiete be- sessen werden in Absicht auf den Herrn des Gebietes keine feindliche Sachen, sondern vielmehr in Absicht auf den, Nat. u. Voͤlckerrecht. K k k dessen IV. Theil 8. Hauptstuͤck. dessen Buͤrger er ist, oder in dessen Gebie- te er seine bestaͤndige Wohnung hat. §. 1200. Von Contri- butionen im Krie- ge. Weil demjenigen, welcher einen rechtmaͤs- sigen Krieg fuͤhret, auch die Kriegsunkosten gebuͤhren (§. 1190.), man aber den Beytrag am Gelde und andern gleichguͤltigen Dingen, die von den feindlichen Unterthanen zur Er- haltung der Armee aufgebracht werden, Krie- gescontributionen (contributiones mili- tares) zu nennen pfleget; so kommt dem, der rechtmaͤßig krieget, das Recht zu Kriegscontributionen auszuschreiben und beyzutreiben, doch nach Maaß- gebung des Vermoͤgens dererjenigen, welche solche leisten sollen (§. 60.). §. 1201. Von Pluͤnde- rungen. Pluͤnderungen (direptiones) sind Hand- lungen der Soldaten, da sie bewegliche Sa- chen aus den feindlichen Haͤusern, oder andern Oertern, worinn sie aufbehalten, oder ver- borgen werden, wegnehmen. Es sind also die Pluͤnderungen erlaubt, wenn die rechtmaͤßigen Contributionen nicht ab- getragen werden, weil sie alsdenn zur Er- fuͤllung des Rechts geschehen (§. 793.), gleich- wie sie auch erlaubt sind, wenn sie in- nerhalb den Schrancken der verdien- ten Strafe erfolgen (§. 1190.). Jedoch aber muͤßen bey den Pluͤnderungen der Staͤdte und Haͤuser die Sachen, welche zu pluͤndern vorkommen, nicht ver- wuͤstet Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. wuͤstet werden, ausser zu einer gerech- ten Strafe (§. 1195.). §. 1202. Beute sind die beweglichen feindlichen Sa- Von der Beute. chen, so im Kriege von den Soldaten weg- genommen werden; folglich ist die Berau- bung der Feinde in einem rechtmaͤßi- gen Kriege, bey ieder gegebener Gele- genheit, erlaubt (§. 1200.), und was in Pluͤnderungen genommen wird, ge- hoͤret zur Beute (§. 1201.). Weil aber im Kriege alles kraft des Rechtes der hoͤch- sten Gewalt (§. 1169.) geschieht; so ist auch die Beute derselben zugehoͤrig, und es kommt weder den Soldaten, welche die feindlichen Sachen ergrei- fen, noch auch ihren Officirern, ja auch nicht denen Huͤlfstruppen einiges Recht zur Beute zu. Weil aber doch die hoͤchste Gewalt nach Belieben uͤber das ihri- ge Einrichtung machen kann (§. 195.); so stehet es bey ihr, was sie den Solda- ten, oder ihren Officirern vor ein Recht zur Beute goͤnnen will, und sie kann auch der Beute wegen mit dem, der die Huͤlfe schickt, uͤbereinkommen. §. 1203. Weil Verstellung, Unwahrheit und Verhee- Ob Be- trug im Kriege erlaubt sey, u. von Krieges- listen. lung mit einem gemeinschaftlichen Nahmen Betrug (dolus) genennet werden; so ist nicht zu zweifeln, wenn man durch Betrug eben das erhalten kann, was K k k 2 durch IV. Theil 8. Hauptstuͤck. durch offenbare Gewalt zu erhalten erlaubt ist, daß er nicht sollte im Krie- ge erlaubet seyn, indem er wenigern Scha- den als die offenbare Gewalt bringet. Un- terdessen weil das Versprechen gehalten wer- den muß (§. 388.), und wider den Verspre- cher fuͤr wahr zu halten ist, was er verspricht (§. 318.); so gilt er nicht anders als ausser einer Rede, darinn etwas zuge- saget wird. Weil Kriegeslisten (stra- tagemata) unvermuthete kriegerische Hand- lungen sind, welche so wohl in der Gewalt, als auch im Betruge bestehen; so sind auch diese erlaubt. §. 1204. Von der kriegeri- schen Er- oberung. Eine kriegerische Eroberung (occu- patio bellica) ist die Handlung, da man feind- liche Sachen, sonderlich unbewegliche, als Staͤdte und Laͤnder, durch Gewalt der Waf- fen in seine Bothmaͤßigkeit bringet. Da in einem rechtmaͤßigen Kriege rechtmaͤßiger Ur- sachen wegen erlaubet ist dem Feinde alles zu entreissen (§. 1190. 1193.); so erhaͤlt man durch eine kriegerische Eroberung ein Eigenthum uͤber die dem Feinde ent- rissenen Sachen: was aber die beweg- lichen Sachen anlanget, so haͤlt man sie nicht eher fuͤr eingenommen, als man uͤber dieselbe nach Gefallen Ver- fuͤgung machen kann (§. 200.). Und weil die buͤrgerliche Herrschaft gleichsam an dem Lande hanget (§. 1125.), und als eine uncoͤr- Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. uncoͤrperliche Sache dem Eigenthum unter- worfen werden kann (§. 206.); so ist, wenn Staͤdte und Laͤnder eingenommen sind, die Herrschaft zugleich mit ein- genommen, wer folglich darinn woh- net, der wird ein Unterthan des Ero- berers (§. 996.), und hoͤret auf ein Feind zu seyn (§. 1184.); und derowegen stehet das nicht mehr gegen solche Personen frey, was wider einen Feind erlaubt war, sondern das bleibt nur erlaubt, was kraft des Rechts der Herrschaft gegen die Unterthanen erlaubt ist. Ue- brigens da die Herrschaft das Eigenthum des Volckes (§. 1130.), und das vorzuͤgliche Ei- genthum, wie auch die vorzuͤgliche Gewalt mit in sich begreift (§. 1065.); so wird, wenn Staͤdte und Laͤnder eingenom- men sind, auch das Eigenthum des Volcks zuwege gebracht, oder was zum Eigenthum eines Volckes in den- selben gehoͤret, nebst dem vorzuͤglichen Eigenthum und der vorzuͤglichen Ge- walt. §. 1205. Da die Herrschaft urspruͤnglich eine dem Was man vor eine Herꝛ- schaft uͤber die uͤbeꝛwun- denen er- halte. Volcke eigenthuͤmliche Sache ist (§. 979.), so ist sie an sich betrachtet eine solche, wie sie bey dem Volcke ist. Wenn man derowegen durch eine kriegerische Eroberung sich die Herrschaft zuwege bringt, so wird eine solche zuwege gebracht uͤber die K k k 3 uͤber- IV. Theil 8. Hauptstuͤck. uͤberwundenen, dergleichen bey dem Volcke ist; es sey denn, daß es durch einen Vertrag, den man halten muß, anders ausgemacht worden (§. 438.). Es ist dieser naͤmlich eben so viel als ein Grundgesetz, vermoͤge dessen die Herrschaft auf den Regenten des Staats gebracht wird (§. 989.). Daher wenn der Ueberwin- der die Herrschaft ohne einen Vertrag erhaͤlt, so kann er die Forme der Re- publick nach Belieben aͤndern, und so kann er auch uͤber die Art die Herr- schaft zu besitzen nach seinem Willkuͤhr Einrichtung machen. Weil aber in ei- nem herrschaftlichen, oder despotischen Reiche alle Unterthanen eine persoͤnliche Knechtschaft uͤbernehmen (§ 999.); so koͤnnen die Un- terthanen keiner herrlichen Herrschaft, es sey denn nach Maaßgebung einer gerechten Strafe unterworfen wer- den (§. 1194.). §. 1206. Wenn ehr dem Feinde keine Ge- walt uͤber die Person zukom̃t. Wider denjenigen, welcher sich der Gewalt des Feindes nicht widersetzet, kommet auch, da man gegen ihn keine Ver- theidigung noͤthig hat (§. 90.), dem Fein- de keine Gewalt zu (§. 1192.). Dero- wegen muß man den Soldaten keine Nothzuͤchtigungen verstatten, zumahl da sie schon an sich unerlaubt sind (§. 862.), noch auch ist es erlaubt die Brunnen zu vergiften, als woraus auch die Wasser zu Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. zu schoͤpfen pflegen, so sich der Gewalt der Feinde nicht widersetzen. §. 1207. Weil aber wider einen Feind, so lange Von der Anfopfe- rung der Feinde mit Gift. er der Wiederherstellung unsers Rechts wi- derstehet, so viel erlaubt ist, als die unge- rechte Gewalt abzutreiben hinreichet (§. 90. 1192.); so ist es erlaubt ihn mit Gift hinzurichten, folglich kann man sich auch im Kriege vergifteter Kugeln und Pfeile bedienen, und das Wasser also ohne Gift verderben, daß es nicht kann getruncken werden (§. 1193.). Denn es ist erlaubt den Feind zu zwingen, daß er sich der unrechtmaͤßigen Gewalt ent- halten muß. §. 1208. Spionen (exploratores) sind diejenigen, Von Spio- nen. welche heimlich zum Feinde kommen, um zu erforschen, wie es mit ihm stehe, und was er wider uns vorhabe. Weil uns nun dieses vortheilhaftig ist zu wissen, unsre Kriegs- handlungen, so zur Verfolgung unsers Rechts gehoͤren, zu bestimmen; so ist es erlaubt Spionen abzuschicken. Weil sie aber demjenigen schaden, welchem sie zugeschickt werden, so hat der, so die Waffen recht- maͤßig ergriffen, das Recht sie zu stra- fen. §. 1209. Ein Meuchelmoͤrder (percussor) ist Von Meu- chel moͤr- dern. der, so um Lohn gedungen den Feind durch K k k 4 hin- IV. Theil 8. Hauptstuͤck. hinterlistige Nachstellungen und Betrug toͤd- tet. Weil nun im Kriege der Betrug er- laubt ist (§. 1203.); so ist natuͤrlicher weise es nicht verbothen seinen Feind durch einen bestellten Meuchelmoͤrder zu toͤdten (§. 1192.). Ertappet aber ein rechtmaͤßiger Krieger dergleichen Leute, so kann er sie zur Strafe toͤd- ten (§. 1189. 1048.) §. 1210. Von den Feindse- ligkeiten die von einer Pri- vatper- son un- ternom- men wer- den. Weil das Recht zum Kriege der hoͤchsten Gewalt zustehet (§. 1066. 1169.); so sind denen Unterthanen eines Kriegenden die Feindseligkeiten ohne ausdruͤckli- chen erhaltenen Befehl, oder Erlaub- niß der hoͤchsten Gewalt, die wenig- stens stillschweigend seyn muß, daß man die Genehmhaltung billig zu vermuthen hat, weil das was im Kriege geschieht von grosser Wichtigkeit ist, nicht erlaubt: ja sie sind auch nicht einmal denen Sol- daten ohne Befehl oder Verguͤnsti- gung ihrer Officirer, wie sie ihnen nach den Schrancken ihres Dienstes befehlen koͤnnen, erlaubt. §. 1211. Vom Waffen- stillstand. Ein Waffenstillstand (induciæ) ist die Einstellung der Kriegshandlungen bey bey- den kriegenden Theilen auf eine gewisse ver- abredete Zeit. Er wird also durch einen Vertrag aufgerichtet (§. 438.); folglich muß man, woruͤber man darinn uͤber- einge- Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. eingekommen, halten (angef. §.). Durch den Waffenstillstand wird der Krieg nicht geendiget, ob man ihn gleich auf lange Zeit eingegangen ist; und wenn er zum Ende ist, so gehen die Feindse- ligkeiten gleich wieder an, man ge- braucht aber dabey keine neue Kriegs- ankuͤndigung (§. 1183.). Damit diejeni- gen, welchen daran gelegen ist, wissen, daß man einen Waffenstillstand getroffen habe; so muß er, so bald man sich daruͤber ver- einigt hat, bekannt gemacht werden. Da die Verbindlichkeit derer sich vertragen- den aus einem Vertrag kommt; so haben diejenigen, welche sich vertragen, so bald als der Vertrag uͤber den Waf- fenstillstand zur Vollkommenheit ge- diehen ist, gleich die Verbindlichkeit dazu uͤber sich: es ist aber vor sich klar, daß solcher die Unterthanen nicht eher verbinden koͤnne, als von der Zeit der Bekantmachung an, wenn nicht aus- druͤcklich feste gesetzet worden, von welchem Tage er anheben solle. Es wird aber der Waffenstillstand allgemein (induciæ universales) genennet, worinn alle kriegerische Handlungen eingestellet sind; hin- gegen ist er besonders (induciæ particula- res), wenn nur einige aufhoͤren. Da im Kriege alles Recht der hoͤchsten Gewalt zuste- het (§. 1066. 1169.); so kann ein allge- meiner Waffenstillstand nur allein von K k k 5 denen, IV. Theil 8. Hauptstuͤck. denen, welche die hoͤchste Gewalt ha- ben, errichtet werden; es koͤnnen ihn aber auch die geringern Gewaltigen nach Maaßgebung der Graͤntzen ihres Amts schliessen (§. 1155.). Weil die Handlungen eines Privatmannes der hoͤchsten Obrigkeit, wenn sie nicht dazu den Befehl gegeben, oder sie gut heisset, nicht zugerechnet werden kann (§. 26.); so zer- reisset solche den Waffenstillstand nicht, doch aber muß die Privatperson ge- strafet, und das geraubte wiedergege- ben werden, weil man es sonst gut heissen wuͤrde. Jndem der Waffenstillstand so wohl den Personen, als den Sachen Sicherheit verschaffet; so ist es zur Zeit des Waf- fenstillstandes erlaubt hin und her bald hier bald da hinzugehen, nicht aber ist vergoͤnnt die Oerter, so nicht bewachet werden, einzunehmen. Weil aber ein Feind die verlassenen Oerter nicht mehr haben will (§. 203.); so kann man diese einnehmen. Endlich weil zu der Zeit des Waffenstillstandes alles in dem Stande blei- ben muß, worinn es ist, und folglich nichts zum Nachtheil des Feindes geschehen darf, was man nicht ohne einen verglichenen Waf- fenstillstand haͤtte thun koͤnnen; so ist bey fort- waͤhrenden Waffenstillstand nicht er- laubt den Wall, der durch das Ge- schuͤtz des Feindes zerschossen worden, wiederum zu ergaͤntzen, noch auch ei- ner Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. ner in Noth liegenden Stadt Huͤlfe und andere Nothwendigkeiten zuzu- schicken: doch aber ist einem erlaubt mit der Armee innerhalb seinen Gren- tzen zuruͤck zu gehen, die Mauern wie- der auszubauen, und Soldaten zu werben. §. 1212. Sicher Geleite (commeatus) ist das Vom sichern Geleite. Recht sicher hin und her zu gehen, welches so wohl den Personen, als auch den Sachen vergoͤnnet wird: Die Verguͤnstigung hierzu ist ein Privilegium (§. 1047.). Weil ein Privilegium, so einer Person gege- ben ist, nicht muß weiter als auf dieselbe aus- gedehnet werden (§. 400.); so kann, wenn einer Person ein sicher Geleite gegeben worden, sich dessen nicht eine andere Person bedienen, und wenn es der Va- ter erhalten hat, fasset es nicht den Sohn und die Frau in sich: wem al- so zu kommen erlaubt ist, der kann kei- nen andern schicken. Jndem es aber gleich viel ist, durch wen die Sachen fortge- bracht werden; so koͤnnen die Sachen, wenn auf sie ein sicheres Geleite er- theilet worden, durch iemand anders, als dessen sie sind, an den bestimmten Ort geschaffet werden. Dieweil das si- chere Geleite lediglich auf dem Willen dessen, der es giebet, beruhet, und auch dies die Ab- sicht, weswegen es gegeben worden, anzeiget; so IV. Theil 8. Hauptstuͤck. so verstehet es sich, daß demjenigen, welchem wegzugehen, oder durchzuge- hen vergoͤnnet worden, nicht auch wieder zu kommen vergoͤnnet sey: und wem eines gewissen Geschaͤftes halber Sicherheit ertheilet ist, dem ist sie ver- stattet, bis das Geschaͤfte ein Ende hat. Gleichergestalt wem das sichere Geleit einer Reise wegen gegeben wird, so schliesset dasselbe auch die Ruͤckkunft ein, und es werden auch darunter die Sachen, so man auf die Reise mit zu nehmen pfleget, und ein, oder der andere Diener, ohne welchen es zu reisen unanstaͤndig waͤre, mit begriffen. Damit aber daruͤber kein Streit entstehe, so ist es rathsamer, daß dies alles in der Schrift, worinn das sichere Geleite ertheilet wird, deutlich ausgedruckt werde. §. 1213. Von dem Ran- tzions- gelde. Da ein iedweder sein Recht nach Gefallen auf einen andern bringen kann (§. 314.); so kann auch der Preis der Ranzion ei- nes Gefangenen auf einen andern ge- schrieben werden. Und weil Vertraͤge ge- halten werden muͤßen (§. 438.); so kann der Vertrag uͤber den Preis nicht auf- gehoben werden, weil man glaubt, daß der Gefangene reicher sey, als man vermuthete. Und da dasjenige nicht ero- bert wird, was der Gefangene heimlich bey sich hat, oder ihm nicht genom- men Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. men wird, und also das seinige blei- bet (§. 1204.); so kann dies zum Aus- loͤsungsgelde angerechnet werden. Weil man aber zur Befreyung des Gefangenen zahlet; so ist man kein Rantzionsgeld schuldig, wenn der Gefangene stirbt, da das Geld noch nicht gezahlet ist, ehe ihm die Erlaubniß wegzugehen gegeben worden, oder auf der Reise, als er zu den Feinden gebracht werden sollte: hingegen ist man es schuldig, wenn er in der Freyheit stirbt, oder wenn er nur zur Sicherheit der Schuld, als ein Pfand, zuruͤckbehalten wird (§. 697.). Endlich weil derjenige, welcher einen Gefangenen fuͤr ein gewisses Geld auf freyen Fuß stellet, nur verbunden ist ihm eine sichere Ruͤckkehr zu den seinigen zu verschaffen; so muß er, nachdem er bey den seinigen angelanget ist, wenn er aufs neue von einem andern gefan- gen wird, und das vorige Loͤsegeld noch nicht abgetragen hat, es zwey- mahl bezahlen. §. 1214. Die Wiederherstellung der von dem Feinde Von dem Rechte der Wie- derkunft zu den seinen, so ferne es im Rech- te der genommenen, und in die Bothmaͤßigkeit sei- nes Volckes wieder kommenden, und in vo- rigen Zustand tretenden Sachen und Perso- nen nennet man das Recht der Wieder- kunft zu den seinen (postliminium). Weil die hoͤchste Gewalt verbunden ist ihre Unter- thanen IV. Theil 8. Hauptstuͤck. Natur gegruͤn- bet ist. thanen und deren Rechte wider die aͤusserli- che Gewalt der Feinde zu vertheidigen (§. 972.), und ein ungerechter Krieger natuͤrli- cher weise durch eine kriegerische Einnehmung kein Recht uͤber die weggenommenen Sachen und gefangenen Personen erhalten kann (§. 1189.); so werden allerdings die mit unrechtmaͤßiger Gewalt von dem Fein- de weggenommenen Sachen und Per- sonen, wenn sie wiederum zu den ih- rigen kommen, in den vorigen Zustand gesetzet. Und hieraus erhellet, in wie fern das Recht der Wiederkunft zu den seinen zum Recht der Natur gehoͤre: wiefern es aber zum Voͤlckerrecht zu rechnen sey, soll bald ge- lehret werden. Hingegen aber, was diejeni- gen anlanget, welche sich und das ihri- ge dem Feinde uͤbergeben haben; so ge- niessen diese, und die Sachen, so ihnen zugehoͤret, das Recht der Wiederkunft nicht, dieweil sie eben dadurch sich anheischig gemacht haben, daß sie und ihre Sachen dem Feinde zugehoͤren wollen und sollen, und ihm daher dieses Recht nicht wiedergenommen wer- den kann (§. 100.). Wenn aber Personen losgelassen, oder schuldige Sachen von ihm verlassen werden; so geniessen sie, weil der Feind hiermit andeutet, daß er sie, ohne daß sein Recht fernerhin im Wege ste- hen werde, nicht mehr haben wolle, das Recht der Wiederkunft. §. 1215. Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. §. 1215. Dieweil die Geschaͤfte unter den Voͤlckern Von dem will kuͤhr- lichen Recht der Voͤl- cker im Kriege. endlich einmal einen Ausgang gewinnen muͤs- sen, beyde kriegerische Theile aber eine recht- maͤßige Ursach zum Kriege gehabt zu haben verlangeu, und die Voͤlcker, vermoͤge der na- tuͤrlichen Freyheit, so ihnen zukommt (§. 1089.), einander zu gestatten verbunden sind, daß ein iegliches bey seiner Meynung bleibe (§. 78.), ja es auch in gemeiniglich zweifel- haften Sachen nicht leicht kann entschieden werden, und der Krieg doch nicht geschickt ist eine solche Streitigkeit auszumachen (§. 1159.), und es uͤberdem noch viel schwerer zu bestim- men ist, ob sich auch ein Kriegfuͤhrender, wenn er gleich einen rechtmaͤßigen Krieg fuͤhret, nicht seines Rechts im Kriege misbrauche (§. 1190. u. f.), und dies folglich seinem Gewissen an- heim gestellet bleiben muß (§. 78.); so ist noͤthig, daß ein Werth von beyden Theilen in Absicht auf die Wuͤrckun- gen fuͤr gerecht gehalten werde, daß naͤmlich sich ein ieglicher einerley Rechts be- diene, und man derowegen auch iedwedes Gewissen uͤberlasse, was ihm zur Er- haltung seines Rechts noͤthig zu seyn scheinet. Und eben darinn besteht das will- kuͤhrliche Voͤlckerrecht im Kriege (§. 1090.). §. 1216. Weil diejenigen Voͤlcker, welche sich zu Von dem Recht der Wie- derkunft keinem Theil im Kriege schlagen, kein Recht haben die Ursach des Krieges, oder ob dies, oder IV. Theil 9. Hauptstuͤck. nach dem Voͤlcker- recht. oder jenes im Kriege rechtmaͤßig geschehe, zu entscheiden (§. 1215.); so muͤßen die Voͤl- cker, so sich nicht in einen Krieg mi- schen, das, was ein ieglicher thut, fuͤr rechtmaͤßig, oder von rechtswegen un- ternommen halten, und derowegen gilt auch bey friedlichen Voͤlckern nach dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht kein Recht der Wiederkunft (§. 1214.). Nach eben dem Rechte aber verstehet sich, daß dies beyden kriegenden Theilen gemein- schaftlich sey. Das neunte Hauptstuͤck. Von dem Frieden und dem Friedensvertrag. §. 1217. Man soll suchen Frieden zu behal- ten. F riede wird der Zustand genennet, dar- inn wir mit keinem Krieg haben: folglich weil wir mit keinem gewalt- thaͤtig streiten duͤrfen (§. 98.), so genies- sen wir im Frieden unser Recht ruhig. Weil kein Volck einem andern Unrecht anthun (§. 1089.), und sorgen soll, daß die Strei- tigkeiten ohne Gewalt der Waffen beygeleget werden moͤgen (§. 1157.), und es folglich keine Ursach zum Kriege geben muß (§. 1158.); so sind die Voͤlcker natuͤrlicher Weise verbunden den Frieden unter einander zu bauen. Und da die Menschen sich des- wegen Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. wegen in einen Staat begeben haben, daß sie ihr Recht ruhig geniessen, und solches sicher von andern erhalten wollen (§. 972.); so ist auch ein Regent des Staats so wohl seinen Unterthanen, als auch, in so fern die Natur selbst die Voͤlcker in den groͤs- sesten Staat zusammen gebracht hat (§. 1090.), andern Voͤlckern dies natuͤrli- cher weise schuldig, daß er den Frieden auf alle Art zu erhalten trachte, folglich muß er nicht nur selbst den Krieg moͤglichst vermeiden, sondern auch Muͤhe anwenden, daß er andere ab- tathe, daß sie nicht leichtsinniger wei- se einen Krieg anfangen. Aus der Er- klaͤrung aber des Friedens selbst ist klar, daß zur Zeit eines Waffenstillstandes kein Friede sey (§. 1211.), und hingegen der Krieg geendiget werde, wenn Frie- de gemacht worden. §. 1218. Ein Stoͤrer der oͤffentlichen Ruhe Von Stoͤrern der oͤf- fentlichen Ruhe. (turbator quietis publicæ) wird derjenige genannt, welcher andere Voͤlcker mit unbe- dachtsamen und unrechtmaͤßigen Kriegen an- sicht. Derowegen kommt allen Voͤlckern das Recht zu die Stoͤrer der oͤffentli- chen Ruhe zu zwingen, daß sie solche nicht stoͤren (§. 1090.). Wenn sich de- rowegen ein Volck vor einem Stoͤrer der oͤffentlichen Ruhe fuͤrchtet, so muß Nat. u. Voͤlckerrecht. L l l es IV. Theil 9. Hauptstuͤck. es bey zeiten Kriegsbuͤndnisse mit an- dern schliessen (§. 1180.). §. 1219. Wie lan- ge es er- laubt sey den Krieg fortzu- setzen. Da man einen rechtmaͤßigen Krieg um sein Recht zu erlangen fuͤhret (§. 1170.); so ist es erlaubt denselben so lange fort- zusetzen, bis man sein Recht erlanget hat, folglich bis der eine entweder ei- nen Vergleich anbietet, oder den an- gebotenen annimmt (angef. §.): aber wi- der einen Stoͤrer der oͤffentlichen Ru- he setzet man ihn so lange fort, bis man vor die kuͤnftige Sicherheit hin- laͤnglich gesorget hat (§. 1218.). Wenn aber ein Krieger nicht kann vermocht werden entweder billige Friedensbe- dingungen anzubieten, oder anzuneh- men; so erhellet vor sich, daß man den Krieg fortsetzen muͤße, bis er gaͤntzlich uͤberwunden worden, daß er nicht laͤn- ger widerstehen kann. §. 1220. Welche Friede machen koͤnnen. Da der Krieg den hoͤchsten Maͤchten zu- steht (§. 1169.); so koͤnnen auch nur die hoͤchste Maͤchte Friede machen. Weil aber ein Koͤnig, der noch ein Kind, oder minderjaͤhrig, oder fast ohne Ver- stand, z. E. rasend, oder wahnwitzig ist, die Verwaltung des Reichs nicht hat; so kann er auch deswegen nicht Frieden schlies- sen, und folglich muͤßen das diejenigen thun, denen die Verwaltung des Reichs Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. Reichs oblieget. Weil ein Anfaller des Reichs, wenn ihm die Unterthanen Treue zugesagt haben, die hoͤchste Herrschaft hat, und auswaͤrtige Voͤlcker es muͤssen bey dem Urtheil eines andern Volckes bewenden laßen (§. 1089.); so ist es erlaubt mit einem Anfaller des Reichs, dem die Unter- thanen gehuldiget haben, Friede zu machen. Da ein Koͤnig uͤber sein vaͤterli- ches Erbreich nach Gefallen Verfuͤgung tref- fen kann (§. 986.); so kann ein gefan- gen genommener Koͤnig, wenn sein Reich ein vaͤterliches Erbe ist, Frieden eingehen. Weil aber dem Koͤnige durch die Gefangenschaft die freye Verwaltung sei- ner Herrschaft genommen wird, und zu be- sorgen stehet, daß er zum Nachtheil seines Volckes etwas zu versprechen gezwungen wer- de, was er in der Freyheit nicht wuͤrde ver- sprochen haben; so kann ein gefangener Koͤnig, wenn sein Reich nicht vom Vater geerbt ist, durch diejenigen, wel- chen er die Verwaltung der Herrschaft aufgetragen hat, oder, wenn daruͤber nichts verordnet worden, durch den, der die naͤchste Hoffnung ihm in der Regierung zu folgen hat, Frieden ma- chen. Und weil er uͤber seine Privatsachen nach eignem Belieben Einrichtung treffen kann (§. 195.); so kann er auch Friede machen, wenn er seine Privatsachen schlechterdings, oder ohne Bedingung, die L l l 2 oͤffent- IV. Theil 9. Hauptstuͤck. oͤffentlichen aber unter dem Beding der Genehmhaltung verspricht. §. 1221. Wie der Friede koͤnne gemacht werden. Weil die Strenge der Gerechtigkeit erfor- dert, daß ein ieder zu seinem Recht komme; so muͤßte, wenn diese bey Schliessung des Frie- dens beobachtet werden sollte, ein Urtheil uͤber die Gerechtigkeit des Krieges abgefasset, und demjenigen, welcher einen rechtmaͤßigen Krieg gefuͤhret, die Schuld abgetragen werden, de- rentwegen der Krieg gefuͤhret worden, man muͤßte ihm die Kriegsunkosten wiedergeben, und ihm wegen des in dem Kriege selbst an- gethanen Unrechts genug thun (§. 1190.), was aber von einem rechtmaͤßigen Krieger uͤber das Ziel der Schuld eingenommen wor- den, muͤßte dem andern wiedergegeben, und ihm wegen des Unrechts, so ihm durch den Misbrauch des Rechts wiederfahren, Genuͤge geleistet werden (§. 271.). Es erhellet gantz leicht, wenn auf diese Art Friede gemacht werden sollte, so wuͤrde der Handel nimmer- mehr zum Ende kommen. Daher kann man nicht anders Friede stiften, als durch Vergleich (§. 764.), und deswegen wer- den in dem Friedensvergleich weder die Ursachen des Krieges, noch die Streitigkeiten, welche uͤber das ge- schehene im Kriege erreget werden konten, geschlichtet, indem kein Theil den andern der Ungerechtigkeit bezuͤch- tiget, und man vielmehr die anrathen- den Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. den Ursachen in Erwegung ziehet. Weil die Amnestie ein auf ewig festgesetztes Vergessen des vorhergegangenen Unrechts und der Beleidigung ist (§. 1056.); so liegt die- selbe zwar natuͤrlicher Weise in iedem Friedensvertrag: damit man doch aber vollkommen dazu verbunden sey, so muß man vor allen Dingen sich daruͤber vereinigen (§. 667.). §. 1222. Da man in einem Vergleich das, was Wie man im Frie- densver- trag et- was ver- abreden koͤnne. man unter einander verabredet, halten muß (§. 764.); so muß man sich im Frie- densvertrag vergleichen, daß entwe- der alles wieder auf die Art hergestel- let werde, wie es vor dem Kriege war, oder daß es in dem Stande bleibe, wie es nunmehro ist, oder daß eines und das andere, so im Kriege weggenom- men worden, wieder ersetzet, das uͤbri- ge aber behalten, und daß uͤberdem noch einige andere Dinge geleistet wer- den. Daraus folgt, daß alles das, wo- von nichts gesagt worden, bleiben muͤs- se, wie es ist. Unterdessen weil der Han- del kein Ende haben wuͤrde, wenn auch be- wegliche Sachen wiederum hergestellet wer- den sollten; so werden, wenn gleich ver- glichen ist, daß das weggenommene wiedergegeben werden soll, darunter die beweglichen nicht mit begriffen, L l l 3 wo IV. Theil 9. Hauptstuͤck. wo nicht von einigen ausdruͤcklich Meldung geschehen. §. 1223. Worauf sich die Amnestie nicht er- strecke. Weil das ewige Vergessen des Unrechts nur auf das geht, was im Kriege vorgegan- gen ist (§. 1221.); so sind die Schulden, die vor dem Kriege schon gemacht wa- ren, so auch das vor demselben zuge- fuͤgte Unrecht, um dessentwillen aber der Krieg nicht gefuͤhret ist, und fer- ner die Schulden, so man waͤhrendes Krieges anderswoher sich zugezogen hat, und dann das Unrecht, so man uns ausser dem Kriege angethan, und endlich was man zur Kriegeszeit aus Privatcontracten, oder durch eine Mishandlung schuldig worden, nicht als solche anzusehen, welche durch den Frieden erlassen waͤren. §. 1224. Von der Wieder- ersetzung der Nu- tzungen. Da das Recht dessen, dem etwas wieder ersetzet werden soll, so bald der Friedensver- trag zum Stande ist, anhebet, wofern nicht die Wiederersetzung an einen gewissen Tag gebunden worden (§. 438. 317.); so muͤs- sen, wenn kraft des Friedens gewisse Sachen wieder ersetzet werden sollen, auch von dem Tage der Einraͤumung an die Nutzungen wiedergegeben wer- den (§. 228.). §. 1225. Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. §. 1225. Weil die Sache also muß wiedergegeben Einige Dinge, welche man bey der Wie- dererse- tzung zu bemer- cken hat. werden, wie sie im Kriege weggenommen worden (§. 1222.); so muͤssen, wenn ei- ne Sache vermoͤge des Friedens wie- der erstattet werden soll, auch die mit der Sache verbundenen Rechte wieder erstattet werden, und derowegen ist es nicht erlaubt die Festungswercke, wel- che vorhanden waren, als man sie ein- nahm, vor der Wiedergabe abzutra- gen. Und, wenn durch den Frieden ei- nige Dinge wieder in den Stand gese- tzet werden sollen, in welchen sie vor dem Kriege gewesen, so wird der letz- te Zustand gemeynet, welcher sich fand, da der Krieg anfing; indem man billig dafuͤr haͤlt, daß die den Vertrag aufrichten- den an denselben gedacht haben (§. 810.), woferne derselbe nicht auf ein gewis- ses Jahr eingeschraͤncket wird (§. 438.). Wenn man sich in einem Friedensver- trag auf andere vorhergehende bezie- het, als welches nur der Kuͤrtze wegen ge- schiehet, so muß alles das gelten, was darinn von der verglichenen Sache ausdruͤcklicher gesaget worden. §. 1226. Jn einem vaͤterlichen Erbreiche kann Von der Veraͤus- serung der Herr- schaft und ein Koͤnig uͤber die Herrschaft nach Belieben die Einrichtung machen (§. 986.), folglich kann der Koͤnig so wohl dieselbe gantz, L l l 4 als IV. Theil 9. Hauptstuͤck. der Pri- vatsachen durch den Frieden. als auch einen Theil ohne Einstim- mung des Volcks veraͤussern. Weil aber in einem Reiche, wovon er nur die Nu- tzung hat, die Eigenthuͤmlichkeit der Herr- schaft bey dem Volcke bleibt (angef. §.), so gehoͤret die Einwilligung des Volcks zur Veraͤusserung, und folglich, weil alle und iede einem Theile zu dem, was zur Befoͤrderung seiner Wohlfahrt dienet, ver- pflichtet sind (§. 975.), auch die Einwil- ligung desjenigen Theils, welcher ver- aͤussert wird, oder wenigstens muß die Genehmhaltung desselben da seyn, welche durch Handlungen zu Tage ge- leget wird, indem ein Volck dem, der sich es aufs neue erworben hat, ohne einigen Widerspruch den Eid der Treue leistet. Unterdessen wenn man das Recht Frieden zu machen ohne alle Ein- schraͤnckung an den Koͤnig uͤbergeben hat, so ist er nicht erst gehalten die Einwilligung des Volcks zu suchen, wenn naͤmlich kein Grundgesetz im Wege ste- het, zu dessen Beobachtung der Koͤnig ange- wiesen waͤre (§. 984.). Was aber Privat- sachen und Personen anlangt, daruͤber kann er sich, vermoͤge des vorzuͤglichen Ei- genthums und der vorzuͤglichen Gewalt, nach sich ereignenden Faͤllen vergleichen (§. 1065.). §. 1227. Von der Wirkung Weil man nach getroffenen Vergleich keine Anfor- Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. Anforderung erneuern kann, und man dadurch des Frie- dens. den Zwist aufgiebt (§. 764.); so wird, nach geschlossenen Frieden, der Krieg geen- diget, und kann man derjenigen Ur- sache wegen, um welcher man gekrie- get hat, nicht aufs neue einen Krieg anfangen. §. 1228. Weil mit den Bundesgenossen derer, die Von Bundes- genossen im Krie- ge. den Frieden schliessen, eben der Krieg gewe- sen ist, den man mit diesen gehabt hat, und nun aber uͤber die Endigung des Krieges Ver- gleichsunterhandlungen getroffen worden (§. 1221.); so werden in dem Friedens- vertrag auch die Bundesgenossen mit begriffen, folglich gehet sie das Verges- sen des Unrechts auch an (§. 1223.). Sollte aber mit ihnen ein besonderer Krieg vorgewaltet haben, so muß auch mit ihnen der Friede ausdruͤcklich gemacht werden. §. 1229. Der Friedensvertrag, als welcher we- Von der Verbind- lichkeit, die aus dem Frie- densver- trag kommt. gen der Fortdauer der oͤffentlichen Ruhe er- richtet ist, ist ein Buͤndniß uͤber Sachen (§. 1146.), und deswegen verbindet es auch das Volck und die Nachfolger. Jedoch aber verbindet es diejenigen, wel- che den Vertrag machen, augenblick- lich, so bald es zu stande gebracht wor- den, weil die Verbindlichkeit aus dem Ver- L l l 5 trage IV. Theil 9. Hauptstuͤck. trage kommt (§. 438.); die Unterthanen aber und Soldaten nicht eher, als es ihnen kund gethan worden, weil sie vor der Bekantmachung nichts zuverlaͤßiges wis- sen koͤnnen. §. 1230. Vom Frie- dens- bruch. Man sagt, der Friede werde gebro- chen, wenn der Friedensvertrag nicht ge- halten wird, das ist, wenn iemand etwas thut, was er vermoͤge desselben nicht thun konte, und sollte, oder wenn er nicht thut, was er um desselben willen thun sollen und koͤnnen. Jn eben dem Verstande sagt man uͤberhaupt, daß ein iedes Buͤndniß ge- brochen werde. Derjenige bricht also den Frieden, welcher um eben der Ur- sache halber, weswegen der Krieg ge- fuͤhrt worden, oder um deswegen, was darinn geschehen ist, kriegerische Gewalt ausuͤbet (§. 1227.), so daß auch die Bundesgenossen hierunter mit begriffen sind (§. 1228.); nicht aber wird der Friede gebrochen, wenn dies einer neuen Ursach wegen ge- schieht, als wohin der Friede nicht gezo- gen werden darf (§. 1221.): folglich ist aus eben der Ursache kein Friedens- bruch vorhanden, wenn man sich gleich nachher zu einem andern schlaͤgt, wel- cher den, mit dem wir Friede gemacht haben, mit Kriege uͤberzieht. Es ver- stehet Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. stehet sich auch aus der Erklaͤrung selbst, daß der Friede nicht gebrochen werde, wenn es bey uns nicht stehet, daß man im Frieden das Versprechen er- fuͤlle, z. E. wenn man selbst in Krieg ver- wickelt ist, und die verheissenen Huͤlfstrup- pen, oder Subsidien nicht schicken kann, oder die Sache, die gegeben werde sollte, verloh- ren gegangen ist. Friedensartickel (ar- ticuli pacis) werden alle eintzelne Stuͤcke des Vergleichs genannt, in welchen diejenigen Dinge unterschieden werden, woruͤber man sich besonders verglichen hat. Es sind aber dieselben entweder zusammenhaͤngend (connexi), wenn man sich uͤber Sachen ver- gleicht, welche zu einerley Handel gehoͤren, oder sie sind verschieden (diversi), wenn man uͤber Sachen einig wird, die zu ver- schiedenen Haͤndeln gehoͤren. Daher ist leicht abzunehmen, daß der Friede, wenn er gleich in verschiedenen Artickeln ge- brochen wird, doch in den uͤbrigen fortdaure; hingegen aber, wenn er von iemand in zusammenhangenden Ar- tickeln gebrochen wird, der andere nicht weiter verbunden sey den Frie- den zu halten (§. 442.). Da aber eine fremde That, wozu er nichts beygetragen hat, niemand zugerechnet werden kann (§. 26.); so wird der Friede, wenn je- mandes Unterthanen ohne seine Ein- willi- IV. Theil 9. Hauptstuͤck. willigung, oder darauf erfolgte Ge- nehmhaltung etwas thun, welches wider den Friedensvertrag laͤuft, nicht gebrochen, dahingegen aber ist er gebrochen, wenn iemandes Untertha- nen von dem andern Theil wider die Friedensartickel beleidiget werden. §. 1231. Von der Bekant- machung des Frie- dens. Die Bekantmachung des Friedens (publicatio pacis) ist ein Vertrag, durch welchen so wohl den Soldaten, als den Un- terthanen angedeutet wird, daß Friede ge- macht und folglich der Krieg geendiget sey (§. 1227.). Derowegen muß er den Soldaten ohne allen Verzug bekant ge- macht werden (§. 1174.): Weil aber die Nothwendigkeit, welche sich findet auf Sei- ten der Soldaten, nicht einerley ist mit der, so sich auf Seiten der Unterthanen antref- fen laͤßet, so kann er denen Untertha- nen bekant gemacht werden, wenn es gelegen zu seyn scheinet. §. 1232. Von der Rebel- lion. Rebellen werden Unterthanen genennet, welche unrechtmaͤßige Waffen wider den Re- genten des Staats ergreifen, daß sie ihn naͤmlich entweder seiner Herrschaft berauben, oder zur Annehmung gewisser Bedingungen zwingen wollen. Und dieser Zustand heißt ei- ne Rebellion. §. 1233. Von dem Frieden u. dem Friedensvertrag. §. 1233. Von der Rebellion ist der buͤrgerliche Vom buͤrger- lichen Kriege. Krieg, in welchem die Unterthanen die Waffen rechtmaͤßig wider den Regenten des Staats ergreifen, unterschieden. Dieser nun ist in einem ieglichen Falle, da man dem Regenten des Staats wi- derstehen darf, erlaubt (§. 1097.). §. 1234. Von der Rebellion und dem buͤrgerlichen Vom Tumult. Kriege muß ein Tumult unterschieden werden, worinn die zusammengelauffene Menge den Obrigkeiten, oder andern kleinen Gewaltigen, oder ihren Sachen, so dann auch Privatpersonen und ihren Sachen, Ge- walt anthut, oder wenigstens anzuthun dro- het. Weil die oͤffentliche Ruhe durch einen Tumult beleidiget wird; so ist dieser ein oͤffentliches Verbrechen, oder eine Mis- sethat (§. 1030.). Derowegen koͤnnen diejenigen, welche einen Tumult er- regen, oder unterhalten, und sich in denselben mischen, weil sie Verbrechens schuldige sind, nach Beschaffenheit der Umstaͤnde gestrafet werden (§. 1030. 1048.). §. 1235. Weil die hoͤchste Gewalt, die den Daß man das den Re- bellen Rebellen und Tumultuanten, um die Rebellion, oder den Tumult zu stillen, etwas IV. Theil 10. Hauptstuͤck. und den Tumul- tuanten gethane Verspre- chen hal- ten muͤs- se. etwas verspricht, vermoͤge ihres Rechts wider die Rebellen und Tumultuanten nichts versprechen kann, sondern man annehmen muß, daß sie ihr Recht erlasse (§. 337.); so muß dasjenige, was sie verspricht, gehalten werden (§. 388.). Auf eben diese Art ist deutlich, daß man auch dem Feinde, den Raͤubern und Moͤrdern das Versprechen halten muͤsse. Dero- wegen wenn ein Vergessen des ange- thanen Unrechts zugesaget worden, so kann niemand desjenigen halber, was in der Rebellion, oder Tumult vor- gefallen ist, angeklagt, noch gestrafet werden (§. 1056.). Das zehnte Hauptstuͤck. Vom Gesandschaftsrechte. §. 1236. Welche sind Ge- sandten? G esandten (legati) werden Personen genennt, so von einem Volcke, oder dessen Regenten, an ein anderes Volck, oder dessen Regenten, eines oͤffentli- chen Geschaͤftes halber geschickt werden. De- rowegen sind Gesandten natuͤrlicher weise Gevollmaͤchtigte ihres Volcks, oder des Regentens des Staats (§. 551.). Und das Recht Abgesandte zu schicken stehet den hoͤchsten Maͤchten zu Vom Gesandschaftsrechte. zu (§. 1140.), wenn sie auch durch ein ungleiches Buͤndniß verbunden sind (§. 1144.). §. 1237. Agenten (agentes) pfleget man Perso- Welche sind A- genten? nen zu nennen, welche Privatangelegenhei- ten eines Regentens des Staats, oder auch seiner Unterthanen in seinem Nahmen bey ei- nem andern Volck besorgen. Da es von dem Willen dessen, der einen Agenten setzet, abhangt, was vor Geschaͤfte er ihm anver- trauen will; so hindert nichts, daß de- nen Agenten nicht auch einige oͤffent- liche Geschaͤfte, sonderlich von gerin- gerer Erheblichkeit, koͤnten anver- trauet werden. §. 1238. Ein iegliches Volck hat ein vollkommnes Von dem Rechte Abge- sandte zu schicken, und der Ver- bindlich- keit sie zuzulaf- sen. Recht von einem andern Volck Liebespflich- ten zu verlangen, und man kann ohne Un- recht zu thun es nicht hindern, daß sie nicht sollten verlanget werden (§. 1108.); es hat auch ein Recht mit einem andern Volcke Ver- traͤge einzugehen, wenn es dessen Huͤlfe und Beystand benoͤthigt ist (§. 1095.), um mit vereinigten Kraͤften sich und seinen Zustand vollkommner zu machen (§. 1090.), und des- wegen Buͤndnisse zu schliessen (§. 1141.). Sie sind auch verbunden die Beschwerden zu heben, und muͤßen die Streitigkeiteu beyge- leget IV. Theil 10. Hauptstuͤck. leget (§. 1157.), nicht aber zum Kriege, als einem an sich wenig geschickten Mittel die Zwistigkeiten zu entscheiden (§. 1159.), oder zu andern gewaltsamen Mitteln (§. 1163. u. f.) geschritten werden, so lange als noch nicht bekant ist, ob sich das angethane Unrecht nicht ohne Gewaltthaͤtigkeit ersetzen laße (§. 1158.). So muß man auch Krie- gesbuͤndnisse errichten (§. 1180.), und im Kriege selbst kommen Faͤlle vor, weswegen man Vertraͤge machen, oder da ein Theil dem andern seine Willensmeynung kund thun muß. Ja daß man endlich von dem Kriege ablaße, sind Friedensbuͤndnisse zu schliessen (§. 1227.). Aus allen diesen ergiebt sich nun, daß die Gesandschaften noth- wendig seyen, und den Voͤlckern ein vollkommnes Recht zukomme Abge- sandten an andere Voͤlcker zu schickrn. Da nun dies ohne Unrecht zu thun nicht ab- geschlagen werden kann (§. 100.); so muß derjenige, an welchen ein Gesandter abgeschickt wird, den Gesandten zu- lassen, und wenn folglich solches nicht geschieht, wiederfaͤhrt dem, der ihn sendet Unrecht (§. 87.), es sey denn, daß solches in einem offenbaren Streit der Pflicht gegen sich selbst und gegen andere Voͤlcker geschaͤhe, z. E. wenn ein Gesandter abgeschickt wuͤrde den Zustand des Staats zu verwirren, oder wenn sich der- selbe Vom Gesandschaftsrechte. selbe der oͤffentlichen Feindschaft schuldig machte. §. 1239. Bestaͤndige Gesandten (legati assi- Von be- staͤndigen Gesand- ten. dui) heissen die, so sich viele Jahre hinter einander an fremden Hoͤfen aufhalten. Weil die Geschaͤfte der Voͤlcker, weswegen die Gesandschaften noͤthig erachtet werden (§. 1238.), weder taͤglich vorkommen, noch be- staͤndig sind, und uͤberdem die bestaͤndigen Gesandten gleichsam Kundschafter abgeben (§. 1208.); so ist das Recht bestaͤndi- ge Abgesandten an fremden Hoͤfen zu haben weder zum nothwendigen Voͤl- ckerrecht (§. 1088.), noch zum will- kuͤhrlichen zu rechnen (§. 1090.), folg- lich sind die bestaͤndigen Gesandschaf- ten nur durch die Gebraͤuche einiger Voͤlcker eingefuͤhret worden, und gehoͤren zu dem Gewohnheitsrechte der Voͤlcker (§. 1092.). Wenn sie daher iemand nicht gestattet, so thut er dem, der sie schi- cken will, kein Unrecht (§. 87.). §. 1240. Weil ein ieder Staatsregent den Re- Was vor Gesand- ten ge- schickt werden sollen. genten des andern Staats als seines glei- chen ansehen muß (§. 1120.), die Gesand- ten aber deswegen abgeschickt werden, daß sie ein gewisses Geschaͤfte entweder mit dem Koͤnige selbst, oder mit dessen vornehmsten Nat. u. Voͤlckerrecht. M m m Mini- IV. Theil 10. Hauptstuͤck. Ministern, denen diese Besorgung aufge- tragen ist, im Nahmen dessen, der sie sen- det, abthun sollen (§. 1236.); so muͤssen solche Gesandten geschickt werden, welche in der Republick dessen, der sie schickt, vorzuͤgliche Wuͤrden haben (§. 54. 55.). Und so sorgt das natuͤrliche Voͤlckerrecht fuͤr die Wuͤrde dessen, an den sie geschickt werden. §. 1241. Wie man sie em- pfangen solle. Aus eben der Ursache muͤssen die Ge- sandten mit gehoͤrigen Ehrenbezeu- gungen empfangen und gehalten wer- den: und indem diese Verbindlichkeit aus dem Gesetz der Natur abstammet (§. 1240.), und sich folglich davon niemand losmachen kann (§. 42.), so gilt eben dies, wenn sie auch gleich vom Feinde kommen. Weil man nun also den Gesandten von den Feinden, oder auch denen, wel- che nicht von Feinden geschickt wer- den, keine Schmach anthun, und sie nicht verachten soll (§. 146. 51.), nicht einmahl aus einem vorgewand- ten Recht der Wiedervergeltung, als welches ohnedem ein Unding ist (§. 156.); so ist die Verachtung und noch viel- mehr die Schmach, womit man den Abgesandten begegnet, ein Unrecht (§. 87.), und man kann dergleichen nicht Von dem Gesandschaftsrechte. nicht ungestraft hingehen lassen (§. 93.). Und auf solche Art sorget das natuͤr- liche Voͤlckerrecht fuͤr die Wuͤrde dessen, der einen Gesandten schickt. §. 1242. Ein Character, den der Gesandte Von dem Chara- cter, den der Ge- sandte vorstellet. vorstellet (character repræsentativus le- gati) ist das Vorstellungszeichen des abschi- ckenden bey dem, an welchen er verschicket wird. Da die Abgesandten natuͤrlicher weise Bevollmaͤchtigte des Regentens des Staats sind, von dem sie geschickt werden (§. 1236.); so bestehet nach dem Recht der Natur der vorstellende Character eines Gesandten in dem Vermoͤgen im Nahmen und nach dem Rechte der hoͤchsten Gewalt, von welcher er naͤmlich abgeschickt wird, ein oͤffentliches Geschaͤfte bey einer andern hoͤchsten Gewalt zu betrei- ben, folglich macht ein Gesandter nach dem Naturgesetz gleichsam ei- nerley moralische Person mit dem, der ihn abschickt hat, aus, so daß es eben so viel ist, als wenn dieser selbst gegenwaͤrtig waͤre, und derienige, an wel- chen er verschickt wird, ihn als eine ihm gleiche Person ansehen muß. Und weil in dem vorstellenden Character, wel- cher in dem Recht die Person des senden- M m m 2 den IV. Theil 10. Hauptstuͤck. den vorzustellen bestehet, keine Nothwen- digkeit steckt, so entweder aus dem abzu- handelnden Geschaͤfte, oder aus der Wuͤr- de des sendenden, als welche ohne diesen ungekraͤnckt bleiben kann, herkaͤme (§. 1241.); so ist auch der vorstellende Character, der weiter als der na- tuͤrliche ausgedehnet wird, nicht aus dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrecht zu erkennen (§. 1090.): ist er folglich durch Gebraͤuche eingefuͤhret, so ge- hoͤret er zu dem Gewohnheitsrecht der Voͤlcker (§. 1092.); schreibt er sich von Vertraͤgen her, so ist er zum Vertragsrechte zu rechnen (§. 1091.). Was derowegen aus einem solchen Character durch eine noth- wendige Folge von den Gesandten hergeleitet wird, das ist weder zum Rechte der Natur, noch zum will- kuͤhrlichen Voͤlckerrechte zu ziehen, und noch vielweniger das, was oh- ne Grund denselben zu erweitern hinzugefuͤget wird. Und demnach ist kein Volck anders als durch einen Vertrag verbunden denselben zu er- kennen. §. 1243. Von dem Rechte eines Ge- sandten Da die Abgesandten denjenigen, wel- cher sie abschickt, nur in solchen Handlun- gen Vom Gesandschaftsrechte. gen vorstellen, welche das Geschaͤfte an- in Absicht auf Pri- vathand- lungen. gehen, um dessen willen sie da sind (§. 1242.); so koͤnnen sie in Absicht auf ihre Privathandlungen nicht anders als Fremde, die sich in einem andern Gebiete aufhalten, angesehen wer- den, folglich werden sie natuͤrlicher weise nach dem Rechte der Frem- den beurtheilet. Und derowegen sind sie, was die Privathandlungen an- langet, nach dem natuͤrlichen Voͤl- ckerrecht mit ihrem Gefolge und Ge- raͤthe, oder Sachen so wohl unter der buͤrgerlichen, als peinlichen Ge- richtsbarkeit des Orts (§. 1132.); und es ist kein Grund vorhanden, warum durch das willkuͤhrliche Voͤlckerrecht hierinn etwas geaͤndert werden sollte (§. 1090.). Dero- wegen findet der Zustand da man aus- ser Land waͤre (exterritorialitas), nach welchem man sich die Gesandten mit ihrem Gefolge und Geraͤthschaften dichtet, als waͤ- ren sie ausser dem Gebiete, weder im na- tuͤrlichen noch in dem willkuͤhrlichen Voͤlckerrechte statt, folglich auch nicht die Heiligkeit, oder Unverletzlichkeit eines Gesandten, welche in der Unab- haͤngigkeit eines Gesandten von der Herr- schaft dessen, in dessen Gebiet er sich auf- haͤlt, bestehen soll: vielweniger gilt es nach diesen Rechten, daß der Abgesandte M m m 3 eine IV. Theil 10. Hauptstuͤck. eine Gerichtsbarkeit uͤber seine Leu- te habe, und daß dem Hause, das er bewohnet, ein Recht der Freystadt anhange. Derowegen koͤnnen derglei- chen Rechte nicht anders als durch ei- nen Vertrag, er mag nun ausdruͤck- lich, oder stillschweigend seyn, erwor- ben werden (§. 1089.), wobey aber doch die Ausnahme in einem Fall des Streits mit der Pflicht dessen, an wel- chen der Gesandte abgeschickt ist, ge- gen sein eignes Volck gilt (§. 64.). §. 1244. Von der Unver- letzlich- keit eines Gesand- ten. Weil die Fremden denen Buͤrgern, so sich nur eine Zeitlang aufhalten, gleich ge- halten werden, so lange sie in einem andern Gebiete sind (§. 1125.), und der Regent des Staats es nicht leiden muß, daß ih- nen iemand seiner Unterthanen Schaden, oder Unrecht zufuͤge (§. 1134.); so sind die Abgesandten, so fern man sie als Privatpersonen, und als Fremde, so in einem andern Gebiete verweilen, betrachtet, vor Unrecht sicher, so wohl nach dem gemeinen Rechte der Fremden (§. 1028.), als auch nach dem gemeinen Rechte der Voͤlcker. Weil man aber, damit vor die Wuͤrde des- sen, der sie abgeschickt, gesorget werde, die Gesandten als Gesandten mit Eh- renbe- Vom Gesandschaftsrechte. renbezeugungen aufnehmen und ansehen muß (§. 1241.), und folglich das ihnen zu- gefuͤgte Unrecht schwerer ist als das, so man einem andern Fremden wiederfahren laͤßet, in so fern solches auf denjenigen, welcher ihn abgeschickt hat, zuruͤckfaͤllet; so sind sie auch nach dem besondern Ge- sandtenrechte vor Unrecht sicher. Und darinn bestehet die natuͤrliche Heilig- keit eines Gesandten (§. 1153.). §. 1245. Das Creditiv (litteræ credentiales) Vom Creditiv. wird das Schreiben genennet, welches der abschickende dem Gesandten an denjenigen giebt, an welchen er geschickt wird, und worinn jener ihn fuͤr seinen Gesandten er- klaͤret. Weil gewisse Geschaͤfte mit ihm sol- len gehandelt werden (§. 1236.), und folg- lich dem, an den er abgelassen wird, der Wille des schickenden bekannt werden muß; so muß der Abgesandte ein Creditiv haben. §. 1246. Wenn einige Voͤlcker unter einan- Vom Ver- trags- und Ge- wohn- heits- rechte. der uͤber gewisse Gesandschaftsrechte, und uͤber die Art den Gesandten mit Ehrenbezeugungen zu begegnen uͤber- eingekommen sind, oder durch Ge- M m m 4 brauch IV. Th. 10. H. Vom Gesandschaftsrechte. brauch eines und das andere einge- fuͤhret haben; so verbinden diese Dinge, weil sie sich nur auf ein Vertrags- (§. 1091.), oder Gewohnheitsrecht gruͤn- den (§. 1092.), diejenigen allein, wel- che den Vertrag aufgerichtet haben, oder die, bey denen diese Sitten durch einen langwierigen Gebrauch einge- fuͤhret sind, so lange als sie wol- len (§. 444. 1092.). Jnhalt Jnhalt des gantzen Werckes . Der erste Theil. V on dem Recht der Natur uͤberhaupt, von den Pflichten gegen sich selbst, gegen andere und gegen GOtt. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Unterschied der menschlichen Handlungen und ihrer Zurechnung. S. 1 Das zweyte Hauptstuͤck. Von der Verbindlichkeit, dem Rechte und Gesetze, und dem Grundsatz des Rechts der Natur. 23 Das dritte Hauptstuͤck. Von der allgemeinen Verbindlichkeit und dem allge- meinen Recht der Menschen uͤberhaupt. 43 Das vierte Hauptstuͤck. Von den Pflichten des Menschen gegen sich selbst, und den Rechten, die damit verbunden sind. 65 Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von den Pflichten des Menschen gegen andere, und den Rechten, die mit denselben verbunden sind. 86 M m m 5 Das Jnhalt. Das sechste Hauptstuͤck. Von den Pflichten gegen GOtt. 101 Der andere Theil. Von dem Eigenthume und den Rechten und Ver- bindlichkeiten, die daher entspringen. Das erste Hauptstuͤck. Von der Gemeinschaft der ersten Zeit, und wie das Eigenthum entstanden. 116 Das andere Hauptstuͤck. Von der urspruͤnglichen Art das Eigenthum zu er- halten. 133 Das dritte Hauptstuͤck. Von den Verbindlichkeiten und Rechten, welche aus dem Eigenthume entstehen. 157 Das vierte Hauptstuͤck. Von dem Recht, das von der Gemeinschaft der er- sten Zeit noch uͤbrig ist. 185 Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von der abstammenden Art etwas zu erhalten. 193 Das sechste Hauptstuͤck. Von der Eroͤfnung seiner Gedancken gegen andere. 212 Das siebente Hauptstuͤck. Von der Art und Weise sich einem andern verbind- lich zu machen, oder von dem Versprechen und Vertraͤgen uͤberhaupt. 229 Das Jnhalt. Das achte Hauptstuͤck. Von Erlangung des Eigenthums einer bloß besesse- nen Sache, und von der Verjaͤhrung, 278 Das neunte Hauptstuͤck. Von den bloß wohlthaͤtigen Handlungen, die in ei- nem zu Ende gebracht werden. 290 Das zehente Hauptstuͤck. Von dem Werth der Sachen und dem Gelde. 307 Das eilfte Hauptstuͤck. Von wohlthaͤtigen verbindlichen Handlungen, oder von wohlthaͤtigen Contracten. 320 Das zwoͤlfte Hauptstuͤck. Von den Tauschhandlungen, oder beschwerlichen Con- tracten. 372 Das dreyzehente Hauptstuͤck. Von den Gluͤckscontracten. 451 Das vierzehnte Hauptstuͤck. Von den Qvasicontracten. 471 Das funfzehnte Hauptstuͤck. Von dem Rechte, welches einem in einer fremden Sache eingeraͤumet worden, oder dem Pfande und Servituten. 481 Das sechzehnte Hauptstuͤck. Von der Erbnutzbarkeit eines Gutes, und sonderlich dem Lehn. 506 Das Jnhalt. Das siebzehnte Hauptstuͤck. Wie die aus dem Contract entstandene Verbindlich- keit aufgehoben wird. 535 Das achtzehnte Hauptstuͤck. Von der Art die Streitigkeiten im natuͤrlichen Zu- stande zu endigen. 552 Das neunzehnte Hauptstuͤck. Von der Auslegung. 587 Das zwantzigste Hauptstuͤck. Von denjenigen, welche gestorben und noch nicht ge- bohren sind. 602 Der dritte Theil. Von der Herrschaft und den Verbindlichkeiten und Rechten, welche daher entspringen. Die erste Abtheilung. Von der gemeinen Herrschaft. Das erste Hauptstuͤck. Von der Herrschaft und der Gesellschaft uͤberhaupt genommen. 612 Das zweyte Hauptstuͤck. Von der Ehe, oder der ehelichen Gesellschaft. 627 Das dritte Hauptstuͤck. Von der Blutsverwand- und Schwaͤgerschaft. 642 Das vierte Hauptstuͤck. Von der vaͤterlichen Gesellschaft und vaͤterlichen Ge- walt. 648 Das Jnhalt. Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Vom Erbrecht, oder von Testamenten und der Erb- folge ohne Testament. 665 Das sechste Hauptstuͤck. Von der Knechtschaft und der herrschaftlichen Ge- sellschaft. 683 Das siebente Hauptstuͤck. Von dem Hause. 692 Die zweyte Abtheilung. Von der oͤffentlichen Herrschaft, oder dem Recht eines Staats. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Ursprung der Staaten und der oͤffentlichen Herrschaft. 696 Das zweyte Hauptstuͤck. Von den verschiedenen Arten der Republick. 708 Das dritte Hauptstuͤck. Von der Einrichtung einer Republick. 729 Das vierte Hauptstuͤck. Von den Majestaͤtsrechten. 754 Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von der natuͤrlichen Lehre der buͤrgerlichen Gesetze. 777 Das sechste Hauptstuͤck. Von der Pflicht des Oberherrn und der Unterhanen. 784 Der Jnhalt. Der vierte Theil. Vom Voͤlckerrechte. Das erste Hauptstuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker uͤberhaupt. 794 Das zweyte Hauptstuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen sich selbst, und denen daher entspringenden Rechten. 799 Das dritte Hauptstuͤck. Von den Pflichten der Voͤlcker gegen einander, und von denen daher entspringenden Rechten. 809 Das vierte Hauptstuͤck. Vom Eigenthum eines Volckes. 819 Das fuͤnfte Hauptstuͤck. Von den Buͤndnissen und Zusagen ohne Vollmacht. 831 Das sechste Hauptstuͤck. Von der Art die Streitigkeiten der Voͤlcker beyzu- legen. 846 Das siebente Hauptstuͤck. Vom Rechte des Krieges der Voͤlcker. 854 Das achte Hauptstuͤck. Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege. 873 Das neunte Hauptstuͤck. Von dem Frieden und dem Friedensvertrag. 896 Das zehnte Hauptstuͤck. Von dem Gesandschaftsrechte. 900 Regi- Register der vornehmsten Sachen, darin die Zahlen die §§. andeuten. A. A bdanken vom Amt 1063 . vom Koͤnigreich 1007 . 1081 Aberglauben 182 Abgaben vom Lehngut 743 . vom Nießbrauch 717 Abgoͤtterey 181 ob deswe- gen ein Strafkrieg statt hat 1173 Abreissen 245 Absicht erfuͤllen 404 . dazu versprechen 404 . was oh- ne derselben geschiehet 360 . des Hauses 965 . der Ge- sellschaft 636 . des Staats 972 Abtrag 751 Abtretung eines Rechts 338 Abzug aus dem Staat 1019 Academie der Kuͤnste, der Wissenschaften 1024 Acceptant 656 Acker ausgemessener, um- grenzter, von Natur um- grenzter 252 Advisobrief 656 Afterlehn, dazu machen 741 . wenn es wegfaͤllt 743 Afterlebnscontract 741 Afterlehnsherr, Afterlehn- mann 741 Agent 1237 Allegorie 354 Allmosen 488 . wie es im Staat damit zu halten 1022 . 1058 Allodialgeld 740 Allodialgut 736 Amnestie 1056 . aus dem Friedensvertrage 1221 . 1223 . 1228 . die den Re- bellen und Tumultuanten versprochen worden 1235 Amt oͤffentliches 1060 . wer dazu geschickt ist 1062 . da- von abgesetzet, suspendirt, desselben erlassen werden 1063 . wie die Besoldung fuͤr dasselbe seyn soll 1034 Anfallen 268 Angewiesener (assignatus) 760 . (delegatus) 759 Anklage aufheben 1055 Ankoͤmmling 1020 . auf eine zeitlang ebend . Ankuͤndigung des Krieges bedingte, unbedingte 1183 . 1185 . 1211 Anloͤtung 236 Annehmen 316 . 317 . 319 . Bedingungen 817 . eine Erkenntlichkeit 525 . das nichtschuldige 693 . ohne Ursach, Register der vornehmsten Sachen. Ursach, gleichsam ohne Ursach 695 . das Verspre- chen 381 . 384 . 386 . 425 . 428 . 431 . u. ff. vor bezahlt 754 Anrufung GOttes 175 Anschweissung 236 Ansehen der Person 772 Ansetzen 242 Anspuͤhlung 251 . u. ff. Anweisender (assignator) 760 . (delegans) 759 Anweisung gemeine 760 . rechtliche 759 Arbeit 124 Aristocratie 922 . bestaͤn- dige 1001 . despotische 997 . auf eine gewisse Zeit 1001 . dabey die Wahl, die Folge statt hat, die en- gere, die weitlaͤuftigere 1001 Armenhaus 1022 Armenschule 1022 Armuth 487 . wie zu schaͤ- tzen 504 . muß man mei- den 513 . was deswegen im Staat zu besorgen 1021 . 1022 Art 227 . wenn sie verge- het 243 Artzeney 114 . was dabey im Staat zu veranstalten 1034 Assecurant 679 Assecuration 679 Aufenthalt im fremden Ge- biete 113 . 1106 . 1132 Aufgeld 655 Aufkuͤndigung 752 Aufmerksamkeit erhalten 108 Aufsagen 752 Auftragen 551 Aufzuheben geben 539 Ausbeute 683 Ausdreschen 227 . 232 Ausgabe 506 . 508 . ausser- ordentliche, ordentliche, nothwendige, nuͤtzliche, zur Lust, weniger nothwendi- ge, unnuͤtze 505 Ausgeber des Wechselbrie- fes, des Geldes 656 Ausgeworfenes 685 Auskommen noͤthiges, leich- liches 486 Auslaͤufer 240 Auslegung 794 . ff. aus dem vorhergehenden und nach- folgenden 805 . die av- thentische 1044 . die er- weiterte 811 . 812 . die einschraͤnkende 813 . des Eides 370 . in einer weit- laͤuftigeren 808 . eugeren Bedeutung 809 . aus den Bewegungsgruͤnden 806 . die richtige 797 . einige von ihren allgemeinen Re- geln 810 . bey dem Frie- densvertrag 1222 . u. ff. nach Woͤrtern die sich auf etwas beziehen 807 . wie es zu halten wenn daraus was Register der vornehmsten Sachen. was ungereimtes folget 804 . 813 Ausnahme 63 . die still- schweigenden bey der Ein- fuͤhrung des Eigenthumes 304 . 310 . wo sie allezeit gemacht ist 815 . in Ver- traͤgen, dadurch Rechte fuͤr die Gesandten erworben werden 1243 . wo sie ge- macht werden muß 816 B. Barmhertzigkeit 492 Bauen 237 Bedeutung der Woͤrter etymologische, grammati- calische 799 . die eigent- liche 798 . engere, weit- laͤuftigere 808 . 809 . die etwas nach gewissen Stu- fen anzeigen 802 . wenn man der uneigentlichen folgen darf 809 Bedingung anbieten, an- nehmen 817 . aufloͤsende 315 . 609 . aufschiebende, er- laubte, unerlaubte, ver- mischte, verneinende 315 . die verbindungsweise, be- sonders angehaͤnget wor- den 399 . die bessere 608 . die zuerfuͤllende 315 . 400 . die an und vor sich selbst in einem Versprechen ent- halten ist 439 . die stille- schweigende, woferne die Sachen in gegenwaͤrtigem Stande bleiben 814 Befreyung von der Verbind- lichkeit 452 . 749 . u. ff. von dem natuͤrlichen Recht 42 . von dem nothwendigen Voͤlckerrecht, ob sie moͤg- lich 1088 Befreyungsvertrag 755 Begehungssuͤnde 58 Begehungsthat 2 Beglaubiger 660 Beglaubigter 660 . 661 Beglaubigung 660 ob sie eine Neuerung wirket 758 Begnadigungsrecht 1054 Begraͤbniß, das Recht dazu 824 . obs zur Strafe ver- sagt werden kann 1051 Begraben 824 Beguͤnstigung 1046 Beguͤnstigungsrecht 1046 Beklagter 773 Beleidigung 88 . 89 . 97 . 1072 . ihre Verhuͤtung 91 . 92 . der Voͤlcker 1121 . fremder Unterthanen 1134 Belobnung dessen der etwas findet 285 Bemaͤchtigung S. Spo- lium. Berathschlagungen 769 Bereicherung mit oder aus fremden Sachen 271 Bergwerckstontract 683 Beruhigung in der goͤttli- chen Vorsicht 173 Beschenkter 475 . 476 Beschimpfung 146 Beschliessen 843 Beschuldigter 1033 Beschwerden 1157 Beschwerungen 374 N n n Besitz Register der vornehmsten Sachen. Besitz 200 . wie er erlan- get wird 291 . 448 . 791 . ob man abwesend hesitzen kann 292 . dessen Verlust 205 . der gewaltsame, heimliche verstohlener 290 . undenklicher 1139 . recht- maͤßiger, unrechtmaͤßiger 456 . der unbeweglichen und unkoͤrperlichen Sachen 293 . mit einem Titel 295 . die urspruͤngliche Art ihn zu erhalten 294 . die ab- stammende Art 320 . wie er behalten und verlohren wird 294 . 296 . seine Ver- theydigung und Wiederer- haltung 286 . die Einse- tzung in denselben 322 . gleichsam ein Besitz 298 Besitzer 200 . der gewis- senhafte, ungewissenhafte 201 . ihr Unterscheid 230 . ihre Verbindlichkeit gegen den Eigenthumsherrn 272 . u. ff. Beste das gemeine, der Ge- sellschaft 837 . des Staats 972 Bettelarmuth 287 . auf ei- ne zeitlang 487 . wie sie zu schaͤtzen ist 503 . soll man verhuͤten 513 Bettler 487 . was ihrent- wegen im Staat fuͤr An- stalt zu machen 1021 . 1022 Betheurung 361 . 367 . hoͤch- ste 375 Betrug 286 . 356 . ob er im Kriege erlaubt ist 1203 . ist in den beschwerlichen Contracten verboten 667 . was er im Kauf und Ver- kauf nach sich ziehet 604 . aus Betrug wider ein Ge- setz handeln, was das sey 812 . vorsetzlicher, unvor- setzlicher 286 Beute 1202 Bevollmaͤchtigter 551 . u. ff. Bevollmaͤchtigender 551 Bewahrer 723 Bewegungsgrund 35 Beweis, halber voͤlliger 778 . durch den Eid 781 . durch Jnstrumente 775 . durch Kerbhoͤltzer 777 . durch Zeugen 778 . 779 Beyschlaf erlaubter, uner- laubter 854 . 855 . der gleichguͤltige 855 . unehe- licher 854 Bezahlung des nicht schul- digen 693 . die zum theil gefchiehet 751 . dieselbe mit Worten anbieten, in der That, bloß in der That, feyerlich 753 Billig 83 Billigkeit 86 . in den Buͤnd- nissen 1144 Bitten 551 Blanguet 776 Blendwerck 349 Blutsverwandte 875 . ob die unehelichen Kinder dar- unter Register der vornehmsten Sachen. unter gehoͤreu 897 . ob man sie im Testament uͤber- gehen darf 930 . die in gerader Linie, in der Ne- benlinie 878 Bodenzins 734 Bodmerey 681 Borgen 528 . u. ff. Boͤse 12 Bosheit 17 . ihr Ursprung 19 . die vorsetzliche, zum theil unvorsetzliche 25 . bey der Theilnehmung an frem- den Handlungen 26 . im Kriege 1203 . des Knech- tes 954 . des Vormun- des 904 Braͤutigam, Braut 864 Bundesgenossen 1228 Buͤndniß 1141 . 1142 . was daraus fuͤr eine Verbind- lichkeit entspringet 1147 . soll heilig gehalten werden 1153 . dasselbe brechen 1230 . gleiches, unglei- ches, auf Seiten des wuͤr- digeren Theils, oder des geringern Theils un- gleich, mit oder ohne Ver- ringerung der Herrschaft 1144 . ohne Vollmacht 1156 . das aͤltere 1142 . persoͤnliche, dingliche 1146 Buͤrge 569 . u. ff. 758 . 760 Buͤrger 974 . ihre Zahl 1018 . ihre Guͤter sind fuͤr die Staatsschulden ver- pfaͤndet 1162 Buͤrgerfang 1164 ob ihm zu widerstehen ist 1165 . seine Wirkung 1168 Buͤrgerrecht (indigenatus) 1020 Buͤrgerlich billig, gerecht 83 Buͤrgschaft 569 . u. ff. 660 . 758 . ohne oder mit einer Bedingung, auf eine ge- wisse Zeit 571 . die be- schworne, schriftliche 578 . fuͤr eines andern Auffuͤh- rung 576 . fuͤr ein Volck 1149 . dabey nichts gewis- ses bestimmet wird 579 . durch eine Mittelsperson 578 . wider des Haupt- schuldners Willen, fuͤr ei- nen der gegenwaͤrtig ist und es geschehen laͤßt 570 C. Capital 643 Capitulation mit dem Re- genten 989 . der Solda- ten 1174 Caution daß man die quasi- usufructuarische Sache wie- dergeben werde 720 . daß man die gleichguͤltigen Sa- chen wiedergeben werde 740 . daß man sich jeder- zeit vor Gerichte stellen wolle 1033 Censite 733 Ceremonien 180 N n n 2 Clari- Register der vornehmsten Sachen. Clarigation des Krieges 1183 Collecten 1058 Collision der Schaͤden 283 . der Gesetze 63 . u. ff. unter einerley Pflichten 65 . der Pflichten der Eheleute ge- gen einander 869 . gegen die Kinder 893 . des ver- abredeten Pfandrechts mit dem natuͤrlichen 705 . der Vertraͤge 816 Colonus partiarius 696 Collybista, Collybus 655 Committirt, verwirckt wer- den 609 . wenn dieß vom Lehn gesagt wird 746 . 747 Consul in den Seeplaͤtzen 1118 Contract 514 . 667 . auf denselben etwas geben 619 . ihn aufheben 581 . 602 . die Gefahr abzuwenden 679 . vermischter 696 . da man giebt, daß etwas gege- ben oder gethan werde, oder thut etwas, daß et- was gethan werde 667 . handschriftlicher 652 . li- bellarischer 732 . beschwer- licher 580 . des Pfan- des 704 . des Wahllooses 670 . des Theilungsloo- ses 671 . des Zutheilungs- looses 672 . föenebris, u- surarius 650 Copey, vidimirte 775 Creditiv 1245 Curator 898 . wo seine Ein- willigung noͤthig ist 905 . seine Schadloshaltung 907 D. Dank 474 . 476 Danksagung 174 . ist man Gott schuldig ebend. den Wohlthaͤtern 474 . wie sie gegen Verstorbene geschie- het 822 Darlehn S. Borgen. Davonlaufen der Soldaten 1177 Dazukommen das natuͤrli- che, kuͤnstliche, vermischte 242 . das urspruͤngliche zum Gebiete des Volckes 1127 Dazukommendes 242 Delegatarius 759 Democratie 990 . 999 Dieb 263 . was wider ihn erlaubt ist 267 . u. ff. Diebstahl 263 . heimlicher, oͤffentlicher 263 . 264 . des Besitzes 263 . des Ge- brauchs 263 . 264 . bey geliehenen 522 . bey nie- dergelegten Sachen 539 Diener 960 . u. ff. Dienstbar, wenn Sachen einander sind 708 Dinge von verschiedener Art 493 Duͤrftigkeit 487 . 504 . soll man meiden 513 Durchgang 712 Durch- Register der vornehmsten Sachen. Durchzug mit Kriegsvoͤl- ckern 1182 E. Ehe 856 . was ihre Be- schwerden heissen 868 . die mit einem Weibe 857 . die zweyte 871 . zwischen Eltern und Kindern 895 . zwischen Seitenverwand- ten 946 . ihre Unaufloͤß- lichkeit 944 Ehebruch 859 . 860 . 871 Eheleute 858 . ihr Recht und Verbindlichkeit 858 . 866 . 869 . ob sie Erbfolg- vertraͤge unter einander schliessen doͤrfen 942 . ihre natuͤrliche Erbfolge 943 . ob ihnen unter einander ihre Handlungen zuzurech- nen sind 837 Ehefrau 858 Ehemann 858 . seine Guͤter sind fuͤr die Mitgabe der Frauen verpfaͤndet 913 . ob er die Frau Schulden halber verkaufen kann 949 Ehescheidung 871 Ehrbar, ehrlich 49 . ehr- barer Wandel 49 . ehrli- cher Mann 49 Ehre 125 . ob man darnach streben soll 128 . ob sie durchs Duell gerettet wird 789 . Gottes, dazu sind die Menschen verbunden 161 . 172 . was diese ver- dunkeln heisset 165 . 166 . der Menschheit 823 . die den Verstorbenen zu er- weisen ist 822 . die Gesand- ten zu erweisen ist 1241 Ehrentitel 1041 . wer sie ertheilen kann 1061 . ei- nes Regenten 1119 Ehrfurcht gegen Gott 172 . die kindliche 894 Eicheln auflesen, das Recht dazu 712 Eid 361 . u. ff. seine Wir- kung 368 . 446 . die Auf- erlegung desselben 783 . ihn ausschlagen zuruͤcke schleben 784 . 785 . seine Erlassung 786 . falscher 371 . 376 . in des andern Seele 373 . schriftlicher 372 . unnuͤtzer 367 Eidesformel 364 Eigenthum 195 198 . 334 . wie es auf einen andern gebracht werden kann 314 . dessen Gebrauch und Miß- brauch 202 . wie es aus gemeinschaftlichen Sachen entstehet 343 . 344 . uͤber keinem zugehoͤrige Sachen 209 . aus einer vermuthli- chen Verlaßung 450 . so aus der Eroberung im Kriege erhalten wird 1204 . obs dem Recht der Natur zuwider ist 194 . unter was fuͤr Ausnahmen es ist ein- gefuͤhret worden 304 . 310 . wie es auf einen andern N n n 3 uͤber- Register der vornehmsten Sachen. uͤbertragen wird 316 . 317 . 329 . wenn dieß durch Kauf geschiehet 597 . in der Gesellschaft aller Guͤ- ter 642 . uͤber die ausge- worsenen Sachen 685 . man muß davon gewiß seyn 485 . das allgemeine 916 . das vorzuͤgliche 1065 . 1130 . das kuͤnftige 589 . voͤllige, nicht voͤllige 198 . der verlaßenen 219 . un- koͤrperlichen Sachen 206 Eigenthumsherr 195 . der erblichen Nutzbarkeit 724 Eigenthuͤmer (proprieta- rius) 198 Einheimischer 1020 Einigkeit 847 . unter Buͤr- gern 1086 . Mitglie- dern einer Gesellschaft 847 . Voͤlckern 1124 Einkuͤnfte jaͤhrliche 505 . 682 . gewisse, veraͤnder- liche 505 Einquartirung 1057 . Frey- heit davon 1176 Einweybung der Sachen 1025 Einwilligung die ausdruͤck- liche, stillschweigende 27 . die vermuthete 27 . 30 . aus dem Stichschweigen 459 . 571 . 686 . 689 . 1139 Einwohner 974 Einziehung der Guͤter 1039 . 1053 . besonderer 1039 . feindlicher Sachen 1198 Elend 492 Eltern 880 . wie sie in den Kindern gestraft werden 1053 . ob ihnen die Hand- lungen der Kinder koͤnnen zugerechnet werden 873 . ob sie die Kinder Schulden wegen verkaufen koͤnnen 949 . ihr Recht auf die Kinder 887 . ihre Pflicht gegen eben dieselben 890 . u. ff. wieferne ihre Ein- willigung in die Heyrath der Kinder noͤthig ist 912 Empfaͤnger 661 . 758 . der Wodlthat 470 . 471 . 826 Empfehlen 551 Enterbung der Eltern, der Kinder 928 . in eigen- thuͤmlichen Reichen 1009 Entheiligung der Sachen 1025 Entscheidungseid 782 . freywilliger, nothwendiger ebend. Entscheidungsrecht das willkuͤhrliche 770 . 771 Erb- und Lehnherr 725 Erbauen 237 Erbe 916 . einen andern an seine Stelle setzen 940 . ob er mehr zu zahlen schul- dig ist, als die Erbschaft be- traͤgt 919 . leiblicher 921 . ohne Testament 931 . 933 . 936 . dessen der in der Fremde stirbt 1138 Erbenseinsetzung 935 Erb- Register der vornehmsten Sachen. Erbfolge ohne Testament 931 . 933 . wenn kein Er- be da ist 934 . in gerader Linie 923 . der Seiten- verwandten 933 . natuͤr- liche der Eheleute 943 . der Eltern 922 . der Kinder 921 . 931 . im Reich 1071 . S. Folge. Erbfolgevertrag 945 Erbgeld S. Allodialgeld. Erbgrundcontract 734 Erbgrundrecht 734 Erbgut 736 Erbnutzbarkeit des Gutes 724 Erbrecht 916 . 917 Erbschaft 916 . was dazu gehoͤret 918 . ausschlagen 920 . 939 . antreten, sich anmassen 916 . erlangen 917 . uͤbernehmen 916 . sich zueignen 934 . ihre Theilung unter Eltern, oder Kinder 926 Erbzinse 725 . 726 . bey dem Lehn 739 Erbzinsbar machen 731 Erbzinsgut 725 Erbzinsmann 725 Erbzinsrecht 725 . u. ff. Erfuͤllungseid 782 Erfuͤllung des Rechts 793 Ergreifung 320 . 322 . in der Kuͤrtze 323 . von ferne 324 Erhalten die Art etwas zu erhalten, was das heisset 295 . die abstammende 313 . die urspruͤngliche Art 210 , 448 Erhaltung des Leibes 112 . des menschlichen Ge- schlechts 854 . des Volckes 1093 . der Wohlfahrt der Gesellschaft 847 Erkenntlichkeit 525 . vor die Verwahrung 540 . vor die Vormundschaft 906 Erkenntniß sein selbst und andrer 105 Erklaͤrung bloße, was man zu thun gesonnen ist 383 . 385 . 389 Erlaubt 49 . 72 . nach buͤr- gerlichen Gesetzen 1069 . laut Vertrage 667 Eroberung im Kriege 1204 . 1211 Ersitzung 451 . ist im na- tuͤrlichen Recht gegruͤndet 463 . erfordert einen Be- sitz mit gutem Gewissen 464 . findet unter Voͤlckern statt 1139 Ertze , ob sie mit zum Nieß- brauch gehoͤren 714 Erziehung 855 . deswe- gen machen die Eltern gleichsam einen Vertrag 909 . wer nach ihrem To- de dafuͤr zu sorgen hat 897 Etymologie 799 Eurythmie 117 Execution 1043 Exempel, gute, boͤse 139 . N n n 4 wie Register der vornehmsten Sachen. wie sie den Kindern zu ge- ben sind 890 F. Factor 662 Faͤhigkeit 80 Fall der im Vertrage still- schweigend ist ausgenom- men worden 815 . wel- che ausgenommen werden muͤßen 816 . des Buͤnd- nisses 1180 Falsch logicalisch, morali- sches 348 Familie abgesonderte 1126 . des Großvaters, Vaters, des Stammes 877 Familienfideicommiß 736 Familienprivilegium 1047 Fehler der gemietheten Sa- chen 637 . der Waare 618 Feind (inimious) 137 . (ho- stis) 1184 . was es fuͤr ein Recht uͤber ihre Personen giebt 1192 . die sich zur Zeit der Ankuͤndigung des Krieges in feindlichen Ge- biete aufhalten 1197 . die sich in einem friedlichen Gebiete befinden 1196 . wie man diejenigen anzuse- hen hat, die sich zu ihnen schlagen 1185 . 1189 Feindseligkeiten die von Pri- vatpersonen unternommen werden 1210 . 1211 Felonie 747 Fenster zur Aussicht, Licht- senster 712 Fertigkeit 106 Festtag 1024 Feuersbrunst was deswegen vorzukehren ist 1035 Fideicommiß allgemeines, besonderes 941 . ob auf diese Art die Herrschaft uͤ- bertragen werden kann 988 Fleiß 21 Folge (successio) in den Guͤ- tern des Verstorbenen 916 . in den Guͤtern des Koͤniges 1012 . im Lehn 743 . 745 . im Reich 1008 . 1009 . 1011 . 1014 . nach der Linie, nach der Schwerdtmagenlinie, nach der Vlntsfreund- schaftslinie 1013 Folgegesetz 1008 Folgerecht im Folgereich 1015 Folgereich 1008 Frechheit 84 Fremder 974 . welchen Ge- setzen sie unterworfen sind 1125 . 1131 . 1132 . ob sie Buͤrger ihres Volckes blei- ben 1137 . ihre Aufnahme 1020 Freund 137 . wie man ihn nach seinem Tode betrau- ren soll 826 Freundschaft, man soll sich ihrer befleißigen 138 Freundschaftsbuͤndniß 1143 Frey- Register der vornehmsten Sachen. Freyheit die natuͤrliche 77 . 78 . wie weit sie nach der freywilligen Unterwerfung ausboͤret 835 . der Gesell- schaft 850 der Voͤlcker 977 . 980 . 1089 . die buͤr- gerliche eines Volckes 990 Freyheitsbegnadigung S. Privilegium. Freylaßung 958 Frieden 99 . wie er gemacht werden kann 1221 . 1222 . man soll ihn zu erhalten suchen 1217 . seine Wir- kungen 1227 . u. ff. seine Bekantmachung 1231 . was bey dem Friedens- schluß rechtens ist 1220 . u. ff. denselben brechen 1230 Friedensartickel verschiede- ne, zusammenhaͤngende 1230 Fruͤchte 198 . wem sie gehoͤ- ren 228 . 229 . ihre ange- jangene, voͤllige Erhaltung 224 . die natuͤrliche, die durch Fleiß hervorgebrach- te, noch hangende, zu er- haltende, die noch vorhan- dene, verzehrte 224 . er- haltene 224 . 234 . aus dem Lehn 742 . von den mensch- lichen Handlungen 226 . die nach dem Frieden wie- dergegehen werden sollen 1224 . die menschliche, ob sie im Mutterleibe eines Rechtes faͤhig ist 827 Fructuarius 713 Fuͤrbitte 175 Furcht Gottes die kindliche, die knechtische 171 G. Gantze, fuͤr dasselbe hasten 422 Gebaͤude, was dem Regen- ten deswegen oblieget 1035 Geben 258 . die Verbind- lichkeit dazu 329 . ob man dasjenige zuruͤckfordern kann, was einmal gege- ben ist 331 . auf den Con- tract 619 . auf eine ge- wisse Zeit 332 . unter ei- ner Bedingung 332 . um einer Ursache willen 694 . in den aus einander setzen- den Tauschhandlungen 468 Gebet 175 Gebiete 1010 . eines Staats ebend. 1125 . sein urspruͤng- licher Zuwachs 1127 . das friedliche 1196 . neutra- les 1181 Gebrauch der Sache 721 . auf dem Lande, in der Stadt 709 . eine Sache dazu an sich nehmen 192 . der nothwendige 183 . der gemeinschaftliche in der er- sten Gemeinschaft 187 . N n n 5 188. Register der vornehmsten Sachen. 188 . der eigne in der er- sten Gemeinschaft 192 . zur aͤussersten Nothdurft, da die Sache schon einen Herrn hat 305 . u. ff. der unschaͤdliche 310 . der ge- meine, heilige 1025 . des Eigenthums 202 . der Herrschaft 1078 . des Rechts, seines Rechts 66 . des Rechts zu schenken 477 . der niedergelegten Sache 539 . der vermietheten 622 . der eigne ob er die Miethe bricht 628 . 629 . der oͤf- fentlichen 1130 . der, wel- che einer Gemeine eigen- thuͤmlich ist 1129 . des Pfandes 702 . eben dessel- ben fuͤr das Darlehn 1150 Gebrauch zu reden, der ge- meine 346 Gebrauch (die Servitut) der voͤllige, der nicht voͤl- lige 721 . demselben aͤhn- liches Recht 722 Geburtsort 1105 Gefahr soll man meiden 131 . wer sie bey gekauften Sa- chen traͤgt 613 . u. ff. bey dem eisernen Pacht 638 . bey dem Nießbrauch 716 . nach geschehener Anerbie- tung zu bezahlen 753 . we- gen der Fruͤchte aus dem Lehn 742 . bey der Zuruͤck- sendung einer geliehenen, oder niedergelegten Sache 547 . bey Vollmachten 562 . 567 Gefangene, wer dazu dienet 1164 . 1193 . das Recht uͤber sie 1192 . 1194 Gefangennehmung 1033 Gegenleistungen 442 Gegenmanifest 1187 Gegenschenkungen 483 Gegenwehr 90 Gehalt (der Muͤntze) 534 Geheimniß einem andern verrathen, vertrauen 358 Gehen 712 Gehorsam 168 . 835 . gegen GOtt 168 . der Kinder 889 . der Knechte 956 . der Unterthanen 1079 . 1084 Geisseln 1151 . 1152 Geld 494 . 527 . seine Ma- terie und Form 501 . des- sen Erwerb 507 . 508 . 511 . praͤgen 501 . umsetzen 655 . auf Zinsen leihen 650 . ei- ne Art von Gelde, die Summe davon, den Werth des Geldes borgen 535 . wie dieses wiedergegeben wird 536 . das baare 503 . das zu verzinsende 650 . das hinuͤber zu fahrende S. Seegeld. Geldlehn 740 Geleite, sicheres 1212 Gemaͤhlde 239 Gemeine 197 . ihre Sa- chen 1128 . wie diese er- worben Register der vornehmsten Sachen. worben ebend. veraͤußert oder verpfaͤndet werden koͤnnen 1129 Gemeine Beste S. Beste. Gemein machen, die heili- gen Sachen 1025 Gemeine Wesen 973 . S. Republick. Gemeinschaft der ersten Zeit, der Sachen 186 . 191 . 194 . 301 . u. ff. 334 ihr Stoͤh- rer 193 . der Guͤter unter Eheleuten 867 . die zu- faͤllige 197 . die vernei- nende 191 . die positive 196 . 254 . 345 Gemuͤth dankbares 474 . der Kinder 894 Gemuͤthsbewegungen stil- len, regieren, zaͤhmen 110 Genehmhaltung 29 . 81 Gerecht 83 . buͤrgerlich ge- recht ebend . Gerechtigkeit, die allgemei- ne, besondere 85 . 86 . soll im Staat gehandhabet werden 1028 Gesandter 1236 . wer da- zu taugt 1240 . ihre Noth- wendigkeit 1238 . vorstel- lender Character 1242 . Privathandlungen 1243 . natuͤrliche 1244 . will- kuͤhrliche Heiligkeit 1243 . dieselben schicken, zulaßen 1238 . die bestaͤndigen 1239 . ihr Zustand als waͤren sie ausser dem Gebiete 1243 Gesang 176 Geschaͤffte, das einseitige, zweyseitige 775 . dasselbe jemanden zugefallen fuͤh- ren 560 . sich eines frem- den anmassen 690 Geschencke 475 . obs des Undanks wegen wiederru- fen werden kann 476 . we- gen der Hochzeit, was die- ses ist 914 . die oͤffentli- chen 1057 . S. Schen- ckung . Gesellschaft 836 . wie sie anzusehen ist 850 . ihre Vollkommenheit 851 . welche unerlaubt ist 849 . in dieselbe treten 197 . von ihr abgehen 852 . 853 . aus derselben ausgeschlossen werden 853 . einfache, zu- sammengesetzte 963 . die gleiche, ungleiche 839 . die herrschaftliche 960 . die eheliche S. Ehe. die vaͤ- terliche 909 . gelehrte S. Academie. der Guͤter, aller Guͤter, allgemeine, besondere 641 . S. Hand- lungsgesellschaft . Gesetz 39 . dessen Bekant- machung 67 . dessen Be- obachtung, Uebertretung 58 . 846 . abschaffen, ver- aͤndern 1045 . 1068 . 1074 . wenn verschiedene collidi- ren 63 . 64 . 65 . eines vor- ziehen, nachsetzen 63 . goͤtt- liche, Register der vornehmsten Sachen. liche, menschliche, will- kuͤhrliche 39 . buͤrgerliche 1041 . 1068 . u. ff. des groͤß- ten Staats 1090 . das ver- lustigmachende uͤberhaupt 609 . was dieses im Kauf- contract zu bedeuten hat 609 . bey der Uebertra- gung der Herrschaft 1007 . 1081 . bey der Miethe 628 . bey Handlungsver- traͤgen 1110 . das natuͤr- liche 39 . 40 . u. ff. 67 . 1045 . 1046 . 1070 . des wohlanstaͤndigen 55 . das gebiethende, verbiethende, erlaubende 47 . das voll- kommen machende 48 . des Vergessens 1056 . S. Am- nestie. das eine Gesell- schaft hat 846 . das Haupt- gesetz im Staat 976 Gesundheit 113 . der Un- terthanen soll der Regent besorgen 1034 Gewaͤhrleistung (gvaran- tia) allgemeine, besondere 1149 Gewaͤhrleisten (evictionis præstatio) 617 Gewaͤhrmann 1149 Gewalt (potestas) 833 . die hoͤchste im Staat 981 . 984 . 1145 . herrschaftliche 947 . 951 . 955 . die vorzuͤgli- che 1065 . Gesetze in der Gesellschaft 846 . im Staat zu geben 1043 . des Ehe- mannes 870 . die vaͤterli- che 888 . 910 . 911 . was in unsrer Gewalt stehet 60 . 200 . die vorzuͤgliche S. Macht. Gewalt (vis) die austrei- bende, antreibende, stoͤh- rende 297 . welche im Krie- ge erlaubt ist 159 . wenn sie dem Feinde uͤber Per- sonen nicht zukommt 1206 Gewaltigen die kleinern, die hoͤchsten 1140 . 1155 Gewicht der Muͤntze 534 Gewinn 414 . 560 . 646 . entzogener 1112 . gewis- ser, ungewisser, dessen Verlust 414 . Hauptge- winn, Nebengewinn im Spiel 678 Gift ob es erlaubt ist, die Feinde damit hinzurichten 1207 Glaͤubiger 528 . sein Recht an dem Vermoͤgen des ver- storbenen Schuldners 820 . der handschriftliche 652 Gleichgewicht unter Voͤl- ckern 1172 Gleichheit natuͤrliche unter eintzeln Menschen 70 . un- ter Voͤlckern 1089 . unter den Regenten 1120 . in den beschwerlichen Con- tracten 580 . 581 . bey dem Tausch 584 Glieder die zum Leben ge- hoͤren, der Sinnen aͤusser- liche, Register der vornehmsten Sachen. liche, innerliche, die bewe- genden 112 . ihre Erhal- tung 141 Gluͤck 130 . der Kinder zu besorgen wem es zustehet 892 Gluͤckseligkeit 118 . der Un- terthanen 1024 Gluͤckscontract 668 Gluͤcksguͤter S. Guͤter. Gluͤckstopf 674 . wiefern er im Staat zuzulassen ist 1021 Gott, seine Guͤte 170 . Er- kenntniß desselben 163 Gottesdienst, aͤusserlicher 178 . 1024 . abgoͤttischer, aberglaͤubischer 182 . der innere 178 . 1064 Gotteslaͤsterung 166 Gottlosigkeit 167 Gottseligkeit 167 . des Re- genten 1077 Graben des Flußes 246 . 248 Grad in der Verwand- schaft, in gerader Linie 879 . der hoͤhern und nie- dern Ordnung 880 . in ungleichen Linien 882 . der Familie 881 Groͤsse moralische, physische 493 Grund (ratio) rechtmaͤßi- ger, anrathender zum Krie- ge 1171 . der buͤrgerlichen Gesetze woher er zu neh- men ist 1073 Grund, liegender (fundus) der beste, dienstbare, freye 709 . der von der Gewalt des Strohnis gelitten hat 244 Grund und Boden (solum) 237 . was auf demselben befindlich ist ebend . Grundeigenthum 724 Grundgesetze 984 . 1043 . 1044 . 1064 . 1079 . 1107 Grundherr 734 Grundzins 734 Guͤte uͤberhaupt 12 . des Geldes 534 . der mensch- lichen Handlungen 14 . 15 Guͤter (prædia) herrschen- de, dienstbare 709 . (bona) 207 . des Gluͤcks, des Lei- bes, der Seele 104 . 134 . der Eheleute 866 . 867 . 943 . der Gesellschaft 642 . die koͤniglichen, die eige- nen des Koͤniges 1012 . des Volckes, worinn sie be- stehen 1162 . derer, wel- che Schifbruch gelitten ha- ben 222 . des Verstorbe- nen, wie sie auf andere ge- langen 819 . u. ff. 917 . u. ff. H. Hader S. Streitigkeiten. Hadern 762 Hafen 1116 Handel innerer, aͤusserer 1099 . 1109 . 1110 . 1113 . ob Register der vornehmsten Sachen. ob er kann verjaͤhret wer- den 1101 . nach neutralen Laͤndern treiben 1181 . den einer allein fuͤhret 1112 Handelsstadt 1115 Handlung aͤussere, natuͤrli- che, nothwendige 1 . in- nere 1 . 1050 . freye 1 . 11 . ihre innere Guͤte, Schaͤd- lichkeit 14 . 15 . Bestim- mungen 7 . durch Bewe- gungsgruͤnde von den goͤtt- lichen Eigenschaften 160 . ihre Einrichtung zur Voll- kommenheit der Welt 162 . ihre Richtigkeit 16 . 52 . 53 . Mangel der Rich- tigkeit 17 . sind Sachen gleich zu achten 225 . 226 . aͤusserlich aufrichtige 349 . gute, boͤse, an und vor sich gute, boͤse, gleichguͤl- tige 12 . 13 . vorsaͤtzlich, aus Versehen boͤse 18 . einfache, zusammengesetz- te 465 . an fremden Theil nehmen 26 . gezwungene, verneinend gezwungene 4 . vor sich selbst begehrens-, verabscheuungswuͤrdige 15 . positive, privative 2 . schaͤndliche 563 . unnuͤtze 360 . uͤberlegte, unuͤber- legte 6 . mit Willen, wi- der Willen 5 . verbind- liche, wohlthaͤtige, bloß wohlthaͤtige 466 . 668 . dabey e s lediglich auf den Willen ankommt 1100 Handlungsgeschaͤfte 662 Handlungsgesellschaft 639 . 640 . dieselbe aufheben, aufsagen 648 . heraustre- ten 647 . aus derselben ausschliessen 648 . fortse- tzen 647 . wie Gewinn und Verlust darinnen berechnet werden 645 . 646 . wie der Beytrag an Geld gegen Arbeit verglichen wird 644 Handlungsvertraͤge 1110 . 1111 Handschrift 652 . 775 . wie es damit zu halten 653 . 654 . wenn damit eine Neuerung geschieht 758 Handschriftlicher Contract 622 . Glaͤubiger, Schuld- ner, Schuld 652 Haß 155 Hauptsache 242 Hauptschuldner 569 . seine Befreyung 760 . ihn an- greifen 569 Hauß 964 . seine Absicht 965 . vollkommenes, un- vollkommenes 964 Haußgenossen 964 Haußgesetze 967 Haußhaltung 866 Haußmann 620 Haußmutter, Haußvater 964 . ihr Ansehen 969 . Wachsamkeit 968 Heer- Register der vornehmsten Sachen. Heerfuͤhrer 1178 Heilig unter Voͤlckern 1053 Herr von der Sache 198 . 947 . seine Einwilligung in die Heyrath des Knech- tes 959 . Pflichten gegen den Knecht 952 . (præpo- nens) 662 . (herus) 960 . ihn aufdringen 962 . des Gebietes 1125 . des Wech- sels 656 Herrschaft 833 . 834 ihr Ur- sprung 838 . worauf sie haf- tet 1126 . rechtliche Theile 983 . die subjectivischen 1010 . verschiedene Arten dieselbe aufzutragen 982 . 985 . 986 . 988 . 997 . 1007 . Eintheilung 983 . 1009 . 1010 . ihr Nießbrauch 986 . ihre Veraͤusseꝛung durch den Frieden 1226 . allgemei- ne 1090 . eigenthuͤmli- che 986 . eingeschraͤnk- te, uneingeschraͤnkte 983 . 984 . erbetene 983 . uͤber abgesonderte Fami- lien 1126 . des Hauses 966 . herrschaftliche 955 . 1205 . die nicht immer waͤhret 983 . der Reichsverweser 1005 . des Staats 979 . 980 . uͤber die Ueberwun- denen 1205 . voͤllige, nicht voͤllige 983 Herrschen 833 Herumschweifender 1104 . 1105 Heucheley 167 Heyrathsvertrag 913 Hochachtung 125 . gegen verstorbene 822 Hochverrath 1082 Hoffnung aus dem Verspre- chen 396 . 401 . das Recht durch Geburt zu erlangen 829 . zu gewinnen im Spielcontract 678 . in je- dem Gluͤckscontract 668 Hoffnungskauf 684 Huͤlfe bey der Bestrafung 151 . im Kriege 152 . 1179 . Gutes zu erlangen 134 . beyderseitige der Mitglie- der in der Gesellfchaft 848 . der Eheleute 869 Huͤlfstruppen 1179 Hure, Hurerey 854 Hurenkinder 861 Hypotheck 697 . ihre Auf- hebung 707 . Ausloͤsung allgemeine, besondere 704 . verabredete 704 . 705 J. Jnjurie, real, verbale 143 Jnguisit 1031 Jnstrument 775 Jntention, die eigentliche, entfernte, mittel-, und un- mittelbare 23 Jnteresse 415 . wer dafuͤr stehen soll 416 . welches in den Contracten in Be- trachtung Register der vornehmsten Sachen. trachtung kommt 560 . bey der Buͤrgschaft fuͤr eines andern Auffuͤhrung 576 . des Empfaͤngers 661 . daß die Sache an einen andern verkauft ist 594 . daß die Ar- beit zur verabredeten Zeit nicht ist geleistet worden 623 . daß eine fehlerhafte Sache ist vermiethet wor- den 637 . daß das Verspre- chen nicht ist gehalten wor- den 416 . daß eine ver- sprochne Sache unterge- gangen ist 420 . bey der Vollmacht 557 . 566 . 568 . wegen des Verzugs 419 . 616 Jnvasion 263 Jnvasor 263 : des Reichs 1083 . Vertraͤge mit dem- selben 1084 . 1220 Jnventarium 902 . obs vom beschwohrnen Verzeichniß unterschieden ist 919 . ob der Erbe dazu verbunden ist 919 . oder auch der Vor- mund und Curator 902 Jrrthum 33 . der aͤussere 113 . in der Religion kann nicht gestraft werden 1050 . des Kaͤufers in Ansehung der Sache, der Materie 604 . in der Zahlung des Kaufgeldes 602 Jungen der Thiere 233 Jungferschaft 862 K. Kalck brennen, das Recht dazu 712 Kammerguͤter 1040 Kampf 787 Kauf und Verkauf 587 . u. ff. ob Kauf Miethe brechen kann 628 . wer hier den Vortheil und die Gefahr hat 613 . u. ff. was fuͤr Vertraͤge diesem angehaͤnget werden koͤnnen 605 . u. ff. 733 . unter ei- ner aufloͤsenden Bedingung 606 . 607 609 . unter ei- ner aufschiebenden 607 . unter der Bedingung, wenn ein fetterer Kaͤufer sich finden sollte 607 . auf ei- nen gewissen Tag 605 . dem Kaͤufer, Verkaͤufer zu gefallen 601 . nach der Gattung der Sache 595 . nach Maaß und Gewicht 591 . mit einem verlustig- machenden Gesetz 609 . des Ausgeworfenen, so ei- ner ergreifen wird 685 . einer Sache die ein ande- rer machen soll 635 . der eine gewisse Zeit dauren soll 605 . in Pausch und Bogen 592 Kaͤufer 587 . fetterer 608 Kebsweib, Kebsweiberey 860 Kerbholtz 777 Kinder ihre Pflicht gegen die Eltern Register der vornehmsten Sachen. Eltern 894 . wer auf ihr Gluͤck bedacht seyn soll 892 . wer sie zur Tugend fuͤhren, und von den Lastern abhal- ten soll 890 . ob die Eltern sie umbꝛingen oder wegsetzen doͤrfen 886 . wie lange sie unter vaͤterlicher Gewalt stehen 910 . ihre Erbfolge 921 . ob sie im Testament uͤbergangen werden koͤn- nen 931 . ob ihnen die Thaten der Eltern koͤnnen zugerechnet werden 837 . 1053 . sie fuͤr die seinigen erkennen 827 . verstossen 925 . die noch in Mutter- leibe sind 827 . u. ff. die von einer Magd 959 . die nach des Vaters Tode ge- bohren werden 931 . die rechtmaͤßigen, unehelichen 861 . der unehelichen Ver- wandschast 883 . ob auf diesen ein Schandfleck we- gen der Eltern haftet 873 Kirche (ecclesia), allgemeine, besondere 1026 . (tem- plum) 1024 Kirchenguͤter, Kirchensa- chen 1026 . ob sie un- ter dem vorzuͤglichen Ei- genthum stehen 1065 Klaͤger 773 Knabenschaͤnderey 854 Knecht 994 . wem er er- wirbt, und ob er etwas eignes haben kann 954 . sein Vermoͤgen ebend. sei- ne Heyrath 959 . uͤber den- selben wuͤten, was das sey 955 . denselben veraͤussern 957 Knechtschaft 947 . freywil- lige 948 . gezwungen 950 . die vollkommene, unvoll- kommene 947 Koͤnig 994 . seine koͤnigli- chen, seine eigne Guͤther, seine koͤnigliche, seine be- sondere Handlungen 1012 . sein Eigenthum uͤber Pri- vatlaͤndereyen 1065 . wie er in der Gesangenschaft Frieden machen kann 1220 . wie er unter die Privat- leute versetzt wird 1081 Koͤrper menschlicher, seine Vollkommenheit 112 Korn der Muͤntze 534 Kraͤnckang 154 . dieselbe vergeben 157 Kranckheit 113 Kranckenhauß 1022 Krieg 98 . 99 . wenn er er- laubt ist 102 . ob er die Streitigkeiten unter Voͤl- kern zu entscheiden tauget 1159 . fuͤhren 102 . wie lange er fortzusetzen ist 1219 . sein Ende 1217 . 1227 . ihn soll man meyden 790 . 791 . 1217 . wem die Ausuͤbung desselben im Staat zustehet 1028 . 1029 . O o o seine Register der vornehmsten Sachen. seine Bekantmachung 1186 . buͤrgerlicher 1233 . zum Angrif, zur Vertheidi- gung 1169 . 1170 . ge- rechter 1190 . 1191 . u. ff. 1215 . bloß des Nutzens wegen 1171 . oͤffentlicher 1166 . 1169 . Privatkrieg 1169 . zur Strafe, S. Strafkrieg. thierischer 1171 . unrechtmaͤßiger 1189 . 1190 . vermischter 1169 . wegen der anwachsenden Macht der Nachbarn 1172 . ob er bey einer zweiselhaf- ten Sache statt findet 790 . um einen Vergleich zu er- halten 1170 Kriegsbuͤndniß zum Au- grif, zur Vertheidigung, auf beyde Faͤlle 1180 Kriegscontribution 1200 Kriegslist 1203 Kriegsoperation 1191 . 1183 Kriegsrecht 1178 Kuͤnstler 634 Kunstwoͤrter 802 . ihr Ge- brauch 798 . sollen dem Buͤrgen erklaͤrt werden 578 Kux 683 L. Lacus 253 Land S. Gebiete. Landgut 709 . seine Ver- besserung 743 Landlaͤufer S. Herum- schweifender. Landstraßen, fuͤr ihre Ge- maͤchlichkeit und Sicher- heit soll ein Regent sor- gen 1034 Lasten der Republick (o- nera reipublicæ) ausseror- dentliche, ordentliche 1037 . 1057 Laster 85 . 890 . grobe sol- len in dem Staat gestra- fet werden 1052 . ob sie eine Ursache zum Straf- kriege abgeben 1173 . der beleidigten Majestaͤt, des Hochverraths 1082 . des Erschleichens 1062 Laͤsterer 150 Leben bequemes, vergnuͤg- tes, worin es bestehet 119 . obs zur Strafe genommen werden darf 1048 . als ein ehrlicher Mann leben 49 Lebensart gewisse sollen El- tern den Kindern besorgen 891 Lebensgefahr 131 Lebensunterhalt 972 . 1021 . 1022 Lehn 736 . seine natuͤrli- che, wesentliche, zufaͤllige Bestimmungen 737 . wer dabey die Gefahr wegen der Fruͤchte hat 742 . zu Lehn geben 736 . wie und was dazu gegeben werden kann 739 . 740 . dasselbe auf- Register der vornehmsten Sachen. auflassen, revociren 748 . desselben Eroͤffnung 744 . das auf dem Fall stehet ebend. ob die Herrschaft dazu dienen kann 987 Lebncontract (contr. feu- dalis) 736 . 739 . (emphy- teuticus) 725 . 727 Lehndienste 739 Lehnfolger 743 Lehngut 736 . wer die Be- schwerden desselben tragen muß 743 Lehnsberr, Lehnmann 736 Lehnsverbindlich- keit , Lehnsverbin- dung 747 Lehnwaare 728 Lehrer oͤffentliche 1024 Leib dessen Erhaltung und Vollkommenheit 112 Leibrenten, an Fruͤchten, an Gelde 682 Leibrentencontract 682 Leichenbegaͤngniß 824 Leiden, wenn man gezwun- gen leidet 4 Leihen 515 . u. ff. 523 . ei- nen Diener 962 . frem- de Sachen 530 . wer bey Zuruͤcksendung des gelie- henen die Gefahr hat 547 . auf Zinsen 650 . dem et- was geliehen worden 515 . 517 . 519 . u. ff. 547 Leisten 328 . die Verbind- lichkeit dazu 329 Liebe gegen andre, ihre Be- weisung 136 . gegen Gott 167 . 170 . gegen die El- tern 894 . der Feinde 1188 . zu den Kindern 893 . zu den Unterthanen 1077 . gegenseitige zwischen Re- geuten und Unterthunen 1085 . zum Vaterlande 1105 . gegen andere Voͤl- cker 1109 . des Wohlge- fallens 169 . 170 Liebesdienst, Liebespflicht 61 . 73 . 79 . der Eheleute unter sich 869 . der El- tern gegen die Kinder 890 . u. ff. in einem Hause 971 . gegen den Knecht 952 . der Kinder gegen die Eltern 894 . unter Regenten und Unterthanen 1024 . 1085 . der Voͤlcker gegen einander 1088 . ob diese die Reli- gion zu hindern vermag 1123 S. Pflicht. Linie der Verwandschaft, die gerade aufsteigende, niedersteigende 876 . S. Nebenlinie. List, gute, schlimme 24 . S. Bosheit. Lob 125 . soll man nicht begehren 128 . goͤttliches 172 . der verstorbenen 822 Loͤwengesellschaft 640 Lohn 500 . billiger fuͤr die Arbeit, was darunter zu O o o 2 ver- Register der vornehmsten Sachen. verstehen ist 627 . fuͤr die Asseeuration 679 . fuͤr die geliehene Sache 524 . der fuͤr die Verwahrung 540 . fuͤr die Sequestration ver- sprochen wird 550 . fuͤr den Gebrauch einer Sache, fuͤr die Arbeit 620 . 621 . 626 . 627 . 630 . 633 . im eisernen Pacht 638 Looß 669 . dessen Gebrauch bey streitigen Faͤllen 767 . 1157 . bey zweifelhaften Sachen 790 . bey der Gleichheit der Stimmen 843 . S. Theilungslooß. Lotterie 673 . wenn sie zu- laͤßig sind 673 . 674 . im Staat 1021 Luftraum in wie weit er ei- genthuͤmlich seyn kann 241 Lustspiel 1027 Luͤgen 351 . 352 M. Macht, die anwachsende der benachbarten Voͤlcker 1172 . die vorzuͤgliche des Regen- ten 1065 Magd 947 Mahlschatz 865 Mahnen 752 Majestaͤt 998 Majestaͤtsrecht 998 . was dazu gehoͤret 1042 . u. ff. Mann ehrlicher 49 . ein red- licher 772 Manifest 1187 Mascopey S. Handlungs- gesellschaft. Mascopeybruͤder 639 Materie dauerhafte zum Gelde 501 Meuchelmoͤrder 1209 Meineid 371 Menschen, ihre Vollkom- menheit 112 . Erhaltung ihres Geschlechtes 854 die rechte Art dazu 855 . ih- re Gleichheit, Ungleich- heit von Natur 70 . ihre Liebe gegen andere 136 Menschenraub 1175 Metalle, ob sie zum Nieß- brauch gehoͤren 714 Missethat 1030 Muͤßiggang 124 Mißionarien 1122 Miethe 620 . u. ff. 664 . Ver- traͤge die hinzugefuͤget wer- den koͤnnen 628 dieselbe aussagen 631 . aufs neue miethen S. Wiederver- miethung. Wenn sie zu erlassen ist 637 Miethender in Ansehung der Arbeit, Sache 620 Miethzins, Mietlohn, S. Lohn. Minervens Wahlstimme 843 Mißbrauch des Eigenthums 202 . seines Rechtes 66 . der Register der vornehmsten Sachen. der vermietheten Sache 622 Mittelsperson, im verspre- chen 429 . 430 . im verbind- lich machen 426 . im an- nehmen 426 . 433 Mitgabe 913 Mitglieder einer Gesell- schaft 836 . wenn eines ausgeschlossen werden kann 853 . ob sie wider einan- der zeigen koͤnnen 779 . eines Staats, ihre Ver- bindlichkeit 975 . wenn ei- nes herausgestossen werden kann 1050 Mittler 768 . 769 Mitregenten, Mitregent- schaft 995 . 996 Mitschuldige, Glaͤubiger, der Schuld, des Stipuli- rens, des Versprechens 424 Mittheilung der Arbeit 327 . 329 Moͤglichkeit, sittliche 37 Monarchie 991 . 1002 Morgengabe 915 Muͤndel S. Waͤisen. Muͤntze 502 . ihre aͤussere, innere Guͤte 534 . die gu- te, schlechte ebend. was der Regent dabey zu be- sorgen hat 1036 . 1059 Muͤntzverfaͤlscher 1036 N. Nachdencken 108 Nachkommen 832 . die un- srigen ebend. Nachlaͤßigkeit 21 Nahmen, den ehrlichen ver- liehren 149 . ob es zur Strafe geschehen kann 1048 . den guten Nahmen anderer vermindern 142 . durch Duell retten 789 . ihn beschuͤtzen 150 Nebenlinie in der Verwand- schaft 876 . gleiche, un- gleiche 882 Neuerung der Verbindlich- keit 758 . 759 Neutralitaͤt im Kriege 1181 Neutralitaͤtsbuͤndniß 1181 Nichtschuldiges 692 Niedererbgrundherr 734 Niederholtz obs unter dem Nießbrauch begriffen ist 714 Niederlegen eine Sache bey jemanden 539 . u. ff. wer die Gefahr hat bey Zu- ruͤcksendung des Niederge- legten 547 Niederlegender 539 . sei- ne Verbindlichkeit 542 . 547 Nießbrauch 713 . u. ff. der Herrschaft 986 . das dem Nießbrauch aͤhnliche Recht 719 Nothzuͤchtigen 862 . 1206 Nuͤtzlich was es in den Con- tracten ist 560 . in der Anmaßung eines fremden O o o 3 Geschaͤf- Register der vornehmsten Sachen. Geschaͤftes wie zu ermes- sen 690 ob des Nutzens wegen Krieg anzufangen erlaubt ist 1171 O. Oberherr 996 . S. Re- gent. Obrigkeit 1060 Officir 1178 Onanssuͤnde 854 Original vom Jnstrument 775 P. Pacht eiserner 638 . S. Lohn fuͤr den Gebrauch der Sache. Pachtcontract auf die Helf- te der Fruͤchte 696 Pachter 620 Partheyisch 768 Pasguill 149 Pecunia fœnebris 650 Persoͤnlich 400 Person, gewisse 325 . mo- ralische 96 . das Ansehen der Person 772 Pfaͤhle zu nehmen, das Recht 712 Pfand 697 . dessen Eigen- thum 698 . wenn man es wegen einer andern Schuld zuruͤcke behalten kann 706 . 1150 . dessen Aufhebung 707 . Ausloͤsung 699 . Verkauf 697 . u. ff. sein nutzbarer Gebrauch fuͤr das Darlehn 1151 . das verabredete 704 . 705 Pfandrecht 697 Pflantzung 238 Pflicht 57 . gegen sich selbst 57 . ihre Verschiedenheit und Verbindung 103 . wie ihre Collision gehoben wird 65 . welches die ge- gen andere sind 57 . ihre Bestaͤndigkeit 73 . wenn man sie abschlagen darf 59 . Uebereinstimmung der Pflichten gegen sich selbst und gegen andere 133 . was fuͤr welche die gegen Gott sind 57 . 59 . 160 . u. ff. ihre Ausuͤbung 177 . gegen die Verstorbenen 832 . die allgemeine der Voͤlcker unter sich 1108 . die eheliche 871 Pluͤnderung 1201 Poͤbelregiment 990 Pracht 509 . die unmaͤßige 1021 Praͤsentant 656 Preiß des goͤttlichen Namens 174 Preiß welcher zum Streit ausgesetzt ist 675 Preiß, Werth an Gelde 495 . 500 . billiger, unbilli- ger 499 . der Schatzung wegen, des Verkaufs we- gen 659 . der gekauften Sache 600 . u. ff. bey Lot- terien Register der vornehmsten Sachen. terien 673 . der Loose im Gluͤckstopf 674 Privatkrieg 1169 . wem sei- ne Ausuͤbung in der Re- publick zustehe 1028 . 1029 Privilegien, Privilegirter 1047 Proprietaͤt 198 . wie sie eingeschraͤnckt werden kann 724 Protocoll 775 Punctation 775 Q. Qvasiborgen 691 Qvasicontract 686 . u. ff. Qvasikauf 691 Qvasivermiethen, miethen 691 Qvittung 654 R. Rache, Rachgier 155 Rang 75 . im Staat 1041 . wer ihn zu ertheilen Recht hat 1061 . ob ihn die Voͤl- cker von Natur unter einan- der haben 1089 . wie er unter ihnen erworben wird 1119 . in der Gesellschaft unter Mitgliedrrn 840 Rantzion 1194 . 1213 Rath (senatus) 999 Raͤthe 1076 Rath (consilium) 561 Raub, Raͤuber 263 . das Recht ihn zu strafen 267 . sich gegen ihn zu verthei- digen 268 . man soll ih- nen das Versprechen hal- ten 1235 Raͤtzel 354 Rebellion, Rebellen 1232 . Versprechen muß man ih- nen halten 1235 Rechnung soll man von ei- nem gefuͤhrten Geschaͤfte ablegen 559 . wegen der Vormundschaft 903 Recht, richtig 52 Recht 46 . erlassen 337 . 341 . ausschlagen 339 . 342 . 830 . sich dessen bedienen 66 . be- geben 341 . 342 . auf die- jenigen bringen die noch nicht gebohren sind 827 . 828 . auf andre bringen 314 . 316 . 317 . dazu ist man verbunden 329 . wie es einem zufaͤllt 339 . wer es verwirft ebend. wie es von Verstorbenen auf an- dere kommt 819 . 917 . u. ff. was wiederrechtlich, was ihm gemaͤß geschieht 83 . das auf einen an- dern gelangen kann, oder nicht gelangen 820 . 828 . das allgemeine 68 . 69 . 101 . angebohrne 74 . 81 . 95 . das man bittweise hat 340 . eigene 101 . 102 . 194 . 195 . den Menschen eignes, einiger Menschen, O o o 4 eines Register der vornehmsten Sachen. eines einigen eigenes 56 . das erworbene 100 . er- langtes 340 . aus dem Vertrage 1147 . durch die Vorsehung der Vorfahren erlangtes Recht 831 . das gemeinschaftliche 186 . zu den Handlungen 189 . das kuͤnftige 589 . da etwas bloß in unsrer Macht ste- het 1100 . der Natur 39 . 56 . dessen allgemeine Grundwahrheit 43 . das Menschen und Thieren ge- mein ist 56 . persoͤnliches 400 . das streitige 762 . das uͤberbliebene aus der ersten Gemeinschaft 300 . u. ff. unendliche 94 . un- vollkommene 80 vollkom- mene 80 . wie dieß erhal- ten wird 97 . eben das un- ter Boͤlckern 1089 . des Abwesenden 844 . des Ab- reissens 245 . die Ankla- ge auszuheben 1055 . der Anspuͤhlung 251 . u. ff. zur Artzeney 114 . oͤffentliche Aemter zu ertheilen 1060 . das Psand auszuliefern 699 . sich Sachen fuͤr billi- gen Preis anzuschaffen 307 . 1098 . 1112 . 1181 . Auflagen zu machen 1057 . 1114 . auf des Nachbars Baum 241 . des Begraͤb- nisses 824 . des Besitzes 287 . u. ff. 299 . 334 . zu besitzen 200 . Collecten an- zulegen 1058 . Consuls zu bestellen 1118 . der Ein- heimischen 1020 . Frieden zu machen 1220 . uͤber Fremde im Gebiete 1132 . durch fremdes Gebiete durchzugehen 312 . 1131 . mit Truppen 1181 . 1182 . in oder auf das Gebiete eines Volckes stehet kei- nem zu 1136 . einem an- dern Volck Rechte in sei- nem Gebiete zu geben 1135 . zum kuͤnftigen Ge- brauch Sachen aufzuheben 185 . Sachen zu geben 258 . zu den Fruͤchten der Sache 198 . uͤber die Geisseln 1151 . 1152 . Geld zu praͤgen 1059 . Gesetze auszulegen 1044 . zu ge- ben S. Gewalt. der Gleichheit unter Regenten 1120 . zum Gebrauch der Sache 198 der gerin- gern Gewaltigen 1155 . zu einer Handlung Recht einzuraͤumen 259 . Holtz zu holen 712 . uͤber die Handlungen eines andern 76 . zum Handel und Wandel 1101 . Haͤuser zu bauen 116 . Kinder wegzusetzen, umzubringen 886 . sie zu verbinden 889 . zur Register der vornehmsten Sachen. zur Kleidung 115 . den Knecht zu verbinden 951 . im gerechten Kriege 1190 . 1192 . im unrechtmaͤßigen Kriege 1189 . zum Krie- ge 98 . in zweifelhaften Faͤllen 790 . u. ff. 1159 . uͤber dem Vertrage 447 . uͤber dem Besitz 790 . im Staat 1066 . das Voͤl- ckern zustehet 1089 . 1215 . Kriegscuntributions aus- zuschreiben 1200 . einen Koͤnig zu waͤhlen 1006 . sich in fremden Landen zu verweilen 190 . 312 1131 . 1181 . aus dem Lande zu gehen 1107 . uͤber Leben und Todt 1048 . nicht zu leiden daß man in seinem Recht gehindert wird 50 . 1069 . daß sich ein Volck in des andern Regierung mischen soll 1121 . Liebes- dienste zu fordern 82 . 1108 . das libellarische 732 . die Macht zu vermehren 1102 . die feindliche zu schwaͤchen 1193 . des Nießbrauchs 198 . der Nothwendigkeit 308 . u. ff. des unschaͤdli- chen Nutzens 311 . zum Nutzen der Sache 198 . Pfaͤhle zu nehmen 712 . Privilegien zu geben 1047 . des Reichstages denselben zu berufen 1000 . der Re- pressalien 1163 . in einer Sache 334 . die durch den Gebrauch verbraucht wird 187 . das man in seiner Sache jemanden einraͤu- met 260 . zur Sache, vollkommenes, unvollkom- menes 335 . uͤber heilige Sachen 1064 . der Si- cherheit 89 . zur Speise und Tranck 114 . zu schen- cken 477 . Streitigkeiten wegen der Reichsfolge zu entscheiden 1016 . die in der Kirchen vorlaͤufig zu ent- scheiden 1064 . zu strafen 93 . im Staat 1048 . 1029 . 1030 . welches den Voͤl- ckern zustehet 1089 . 1160 . in der Gesellschaft 846 . zu suppliciren 1080 . der Trift 712 . zu veraͤndern 256 . zu veraͤussern 257 . 724 . das Lehn zu ver- aͤussern 748 . zum Ver- gleich zu zwingen 767 . 790 . 1158 . zu verderben 255 . 269 . Vertraͤge mit andern Voͤlckern zu ma- chen 1067 . der natuͤrli- chen Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leisten 81 . die Jungferschaft, oder auch die Schamhaftigkeit zu vertheidigen 862 . sich zu vertheidigen 90 . und seine O o o 5 Sachen Register der vornehmsten Sachen. Sachen 268 . obs im Staat bestehet 1029 . obs den Voͤlckern zukommt 1089 . andere zu ver- theidigen 151 . des Vor- kaufs, gesetzmaͤßiges, ver- abredetes 611 . der Ue- berschwemmung 249 . der Wiederkunft 1214 . 1216 . zu widerstehen wenn je- mand in seinem Recht ge- hindert wird 50 . dem Regenten 1079 . 1080 . einem Volck 1102 . 1121 . Wuͤrden zu ertheilen 1061 . 1062 Rede betruͤgliche 801 Redemtor 620 Regenten 982 . ihre Ei- genschaften 1076 . 1077 . wenn sie die Schulden der Vorfahren zahlen muͤßen 1012 . 1147 . ihre Pflicht gegen die Unterthanen 1024 . 1085 . ihr Recht 982 . ihre Gleichheit un- ter einander 1120 Regierung welche gut oder uͤbel ist 1075 . sich in fremde Regierung zu mi- schen ist nicht erlaubt 1121 Rheder 665 . in dessen Na- men handeln ebend . Rhedercontract 665 Reich, Reichthum 486 . 504 . 508 . 1019 . wie es zu schaͤtzen ist 504 . wiefern man darnach trachten darf 512 Reich 994 . aͤsymnetisches 1002 . das despotische 997 . laconische 1003 . gesetzmaͤßige 1004 . voll- kommen und unvollkom- men eigenthuͤmliche 1009 Reichstag 1000 Reichsverweser 1005 Reinigungseid, sich rei- nigen 782 . vom Verzug 418 . 758 Religion 1024 . Vorsorge des Regenten fuͤr dieselbe ebend. wie sie fortzu- pflantzen 1122 . auf ihre Verschiedenheit soll unter Voͤlckern nicht gesehen wer- den 1148 Remisse, Remittent 656 Rentkammer 1039 Repraͤsentationsrecht 921 . 923 . 926 . bey der Erb- folge im Reich 1011 Repressalien 1163 . 1163 . u. ff. Repudium 871 . 864 . 865 Republick 973 . die ver- mischte 993 Richter 1028 . sein Recht 1029 . 1030 . 1132 . wer ihn bestellen muß 1060 Ruͤckbuͤrge 574 Ruf 126 Ruhm 127 . eines Volckes 1096 . was die Voͤlcker einander deswegen schul- dig sind 1097 . 1109 Saͤen Register der vornehmsten Sachen. S. Saͤen 238 Sachen 121 . behaupten 617 . Sachen und Thun ge- meinschaftlich machen 469 . zu Lehn verleihen 736 . wenn sie untergehet 243 . wenn die versprochne un- tergehet 420 . oder die ge- borgte ehe man sie ge- braucht 537 . oder die verpfaͤndete, was das nach sich ziehet 707 . ihre Ver- besserung 279 . die Ver- aͤnderung der gemietheten 636 . ausgeworfene 221 . bewegliche 211 . 212 . 1198 . 1204 . 1222 . sich bewe- gende 211 . 218 . die nicht eingeschraͤnckt und nicht vertheidiget werden koͤn- nen 303 . eigene 191 . 1128 . durch Fleiß gezo- gene 121 . feindliche 1184 . 1196 . u. ff. fruchtbare, unfruchtbare 228 . 550 . fremde 199 . durch Be- sitz erlangen 448 . ver- derben oder verschlimmern 277 . wiedergeben 261 . besitzen 278 . leihen oder borgen 529 . 530 . hinter- legen 543 . veraͤussern 585 . verkaufen 593 . verpfaͤnden 700 . von un- erschoͤpflichen Gebrauch 302 . geliehene verderben 519 . gemeine 1025 . der Ge- meine 1128 . ihre Ver- aͤusserung 1129 . gemein- schaftliche 186 . 1128 . ih- re Veraͤusserung 330 . die gemeinschaftlichen der Eheleute 867 . gewisse 325 . gestohlne 264 . ge- raubte 264 . gleichguͤlti- ge 527 . Hauptsache 242 . haͤußliche 866 . heilige 1025 . ob sie unter dem vorzuͤglichen Recht stehen 1065 . ob sie deswegen zu verwuͤsten sind, weil sie zum Aberglauben zu die- nen scheinen 1195 . kei- nem zugehoͤrige 191 . 209 . 246 . 250 . 251 . koͤrperli- che 121 . u. ff. dieselben ersitzen 451 . kuͤnstliche 121 . blos naͤtuͤrliche 121 . nothwendige 121 . 305 . 306 . nuͤtzliche 121 . oͤf- fentliche 1128 . 1130 . sei- nige 195 . 206 . streitige 548 . 762 . vergnuͤgende 121 . verlassene 203 . 209 . verlohrne 220 . verpfaͤn- dete 697 . die verzehrt werden, wie man sie lei- het 523 . wie sie dafuͤr angesehen werden koͤnnen, als wenn sie sich nicht ver- zehren ließen 740 . unbe- wegliche 211 . 213 . 1199 . unkoͤrperliche 121 . u. ff. 206 . 214 . wie sie erses- sen werden 451 . uͤberfluͤs- sige Register der vornehmsten Sachen. sige 485 . die wircklich werden sollen, ihr Kauf 590 . zweifelhafte ob sie zum Nießbrauch gehoͤren 714 Sand graben das Recht da- zu 712 Schaden 269 . in densel- ben bringen ebend. erse- tzen 270 . wenn verschie- dene collidiren 283 . wel- cher im unrechtmaͤßigen Kriege ersetzt werden soll 1190 . wer ihn im Pacht auf die Helfte tragen muß 696 . den ein betruͤgeri- scher Rath verursachet 561 . auf welchen in den Con- tracten gesehen wird 560 . bey dem Hinterlegen der Sachen 541 . 542 . ausser- ordentlicher, ordentlicher beym Spielcontract 678 . an der gemiethehen Sache, oder ihrem Gebrauch 633 . bey der Vollmacht 557 . 568 . durch Erwaͤhlung untuͤchtiger Beamten 1062 . bey der verdungenen Ar- beit 634 . an dem Psan- de 702 . durch ein Ver- sprechen 405 . aus den Repressalien 1166 . den der Knecht gethan hat 954 . bey der Handlungs- gesellschaft 640 . der Ge- sellschaft 852 . der bey dem Durchzuge mit Kriegs- voͤlckern ist zugefuͤget wor- den 1182 . den der Vor- mund gethan hat 904 . wegen eines Fehlers der gekauften Waare 618 . vorsaͤtzlicher, unvorsaͤtzli- cher 269 . zufaͤlliger 269 Schadloßbuͤrge 575 . des Buͤrgen ebend . Schadloßhaltung ist in den wohlthaͤtigen Contracten begriffen 1154 . eines Cu- raters, Vormundes 907 . des Gevollmaͤchtigten 557 . 565 . 566 Schamhaftigkeit 862 Schande 145 . denen die in Ehren und Wuͤrden stehn anzuthun ist uner- laubt 1041 Schatz 223 Schatzkammer oͤffentliche, ei- ner Gesellschaft 1038 Schaͤtzungscontract 658 . 659 Schenkender 475 . ob er die Gewaͤhr leisten soll 617 Schenkung 475 . u. ff. 639 . Vertraͤge die ihr angehaͤn- get zu werden pflegen 478 . 733 . ob sie Undancks we- gen wiederrufen werden darf 476 . unter Eheleu- ten 874 . wegen der Hey- rath 914 . unter Lebendi- gen 480 . 481 . ums Ster- bens willen 479 . 481 . 482 . wenn sie wiederru- sen Register der vornehmsten Sachen. sen werden kann 479 . 482 Schertz 677 Schiedsmann 770 Schiedsrichter 770 . wenn er sich von dem Amt loß- sagt 771 . seine Pflicht 772 . 773 . sein willkuͤhrlicher Spruch 770 . 772 Schiffer 665 Schiffmann 666 Schimpf S. Jnjurien. Schluß der Gesellschaft 843 Schmaͤhschrift 149 Schoͤnheit natuͤrliche, kuͤnst- liche 117 Schreckung 1032 Schrot (der Muͤntze) 534 Schulden 49 . 72 . 336 . 207 . 918 . 919 . ihre Erlassung 337 . 766 . des Staats 1147 . 1162 . 1164 . des Ver- storbenen 820 . der Fein- de 1198 . Privatschulden der verstorbenen Regen- ten 1012 . boͤse 503 . handschristliche 652 . sich- re 503 . streitige, un- streitige 756 . 766 . 767 . vollkommene 667 . 1069 . 1071 Schuldigkeit 336 . 49 . 72 . 667 Schuldner 336 . 528 . wie er zum Knecht wird 950 . handschriftlicher 652 Schulen 1022 Schwaͤgerschaft 884 . 885 Schwerdtmagen 875 Seele ihre Vollkommenheit 106 Seegeld, demselben aͤhn- liches Geld 680 Seezinsen, ihnen aͤhnliche Zinsen 680 Seezinscontract, demselben aͤhulicher Contract 680 das Seinige 195 . wegwer- fen 204 . 208 . um dassel- be kommen 269 Seitenlinie in der Verwand- schaft 876 Seitenverwandten obs er- laubt ist sie im Testament vorbeyzugehen 930 Selbstliebe und ihre Aus- uͤbung 132 Selbstmord 112 . 1051 Selbstschuldner 579 Senat S. Rath. Sequester 548 Sequestriren freywilliges, nothwendiges 548 . u. ff. Servitut 708 . wie man dazu kommt 710 . 743 . wie sie auf Lehnguͤtern be- stehet 743 . der Sache, die persoͤnliche, bejahen- de, verneinende ebend. eines zutragenden Gebaͤu- des, vom einzufuͤgenden Balcken, des Weiterher- ausbauens, hoͤher zu bauen, nicht hoͤher zu bauen, des Lichts, der Aussicht, das Licht nicht zu Register der vornehmsten Sachen. zu benehmen, die Aussicht nicht zu hindern, die Trauf abzuwenden, eben dieselbe nicht wegzunehmen, eine Gosse durch des andern Haus zu fuͤhren, einen Ab- tritt zu leiden, eine Mist- grube zu leiden, Wasser abzuleiten 712 . Servi- tut der Guͤter 709 . der Stadtguͤter, Landguͤter ebend . Sicherheit 89 . des Staats 972 . 1172 Sodomie 854 Sold 1176 Soldaten, die gedungenen 1174 Sorglosigkeit 21 Specification 227 . 231 Spiel 677 . Haupt-, Ne- bengewinn in demselben 678 . welche im Staat zu dulden sind 1021 Spielcontract 678 Spieler 1021 Spillmagen 875 Spion 1208 Spolium, eigene Vemaͤch- tigung 288 Staat 972 . 973 . dessen Absicht 972 . Errichtung ebend. sich hereinbegeben 1086 . dessen Schulden 1147 . 1162 . 1164 . der groͤßte 1090 Stadtgut 709 Stamm, gemeinschaftlicher, maͤnnlicher, weiblicher 875 . seine Familie 877 Stagnum 253 Stapelrecht 1117 Steine brechen, das Recht dazu 712 Stillschweigen wie daraus eine Einwilligung abzu- nehmen ist 450 . oder ei- ne Verlaßung 460 . u. ff. besonders unter Voͤlckern 1139 Stimmen (in der Gesell- schaft) 842 . dieselben er- wegen 843 . ihr unglei- cher Werth von Natur 845 . bejahende, vernei- nende, einstimmige, ver- schiedene, einhellige, die mehresten, wenigsten, glei- che 842 . bessern, ent- scheidende 843 . der Ab- wesenden 844 Stoͤhrer, Stoͤhrung der Gemeinschaft der ersten Zeit 193 . der oͤffentli- chen Ruhe 1218 . 1219 . des Besitzes, durch Wor- te, in der That 297 Strafe 93 . ihre Arten 1048 . ihre Schuld 153 . das Verdiente in ihr 153 . bey derselben versprechen 410 . 758 . 809 . wenn man sie erlassen soll 157 . die bessernde, exemplari- sche 93 . die in buͤrger- lichen Gesetzen bestimmt wird Register der vornehmsten Sachen. wird 1043 . 1048 . 1049 . ihre Vollziehung 1029 . 1033 . 1048 Strafkrieg 1169 . 1170 . wegen grober Laster de- nen ein Volck ergeben ist 1173 Streiten mit Gewalt 98 . uͤber das Eigenthum 548 Streitigkeiten beylegen 765 . 790 . sollen vermindert werden 1072 . entschei- den 765 . obs durch Zwey- kampf 789 . und Waffen geschehen kann 1159 . wie sie unter Voͤlckern beyge- legt werden koͤnnen 1157 . in der Kirche vorlaͤufige entscheiden 1064 Subsidien, Subsidiengeld 1179 Suppliciren 1080 Symmetrie 117 System 62 T. Tadel 146 Tausch 582 . u. ff. Tauschhandlungen, aus- einauder setzende, gemein- schaftliche 467 Testament 927 . 936 . 937 . wie es gemacht wird 932 . 935 . 936 . das geschrie- bene, muͤndliche 932 . ei- nes Fremdlings 1137 . 1138 Theilung gemeinschaftlicher Sachen 343 . 344 . der Erbschaft unter Eltern oder Kindern 926 . der Herrschaft 983 . 1009 . 1010 . des Gewinns und Verlustes in der Hand- lungsgesellschaft 645 . 646 Theilungslooß 669 . S. Wahllooß. Theurung 307 . 1021 Thiere wilde, wie man sie sich zueignet 217 Thun, That 2 . wie sie sich zum Geben verhaͤlt 327 . wie es in auseinander se- tzenden Tauschhandlungen vorkommt 468 . umsonst 470 . S. Handlung. Titel (zum Recht) 295 . beschwerlicher, falscher, rechtmaͤßiger, vermeyn- ter, vortheilhafter, wah- rer 454 Titel S. Ehrentitel. Todt seine Wirckungen in Ausehung der Rechte 818 . bey Versprechen 425 . 430 . u. ff. Todes- Register der vornehmsten Sachen. Todesfall deswegen etwas bekommen 484 Todtschlag vorsetzlicher, un- vorsetzlicher 141 . ob er natuͤrlich die Todesstrafe nach sich ziehet 156 Tolerantz 1064 Tortur 1032 . die geistli- che ebend . Tractaten 769 Traͤncke das Recht dazu 712 Transportcontract 680 Trassat, Trassant, Traßi- rer 656 Tratta 656 Trauer natuͤrliche, willkuͤhr- liche 826 Trauerspiel 1027 Treue (fidelitas) 735 Treue und Glauben (fides) 389 . sich ihrer von an- dern versichern, jemanden dabey versichern 389 . da- wider handeln 389 . 442 . 446 . soll unter den Voͤl- ckern heilig gehalten wer- den 1154 . ausdruͤckliche, stillschweigende 1154 Tribut 1057 Trieb (Recht) voͤlliger, nicht voͤlliger 712 Trift (Recht) 712 Trunckenheit 114 Tugend 85 . die sittlichen, des Verstandes 125 . da- zu sollen Kinder 890 . Knechte 952 . Untertha- nen augefuͤhret werden 1024 . welche von Regen- ten erfordert werden 1077 Tumult 1234 Tumultuanten 1234 . Ver- sprechen muß man ihnen halten 1235 U. Uebelstand (indecorum) 54 Uebelthat, gleichsam eine 1030 Uebereilung 21 Uebereinstimmung, ihr Mangel 9 Ueberfluͤßig 485 Uebergabe 320 . u. ff. in der Kuͤrtze, 323 . von fer- ne 324 . symbolische 326 . die zum Gebrauch 518 . beym Kauf 596 . 598 . beym Tausch geschiehet 582 Ueberlegung 6 Ueberrest (hyperrocha) 697 Ueber- Register der vornehmsten Sachen. Ueberwinden, uͤberwun- den werden im Kampf 788 . im Wettstreit 675 . gaͤntzlich in der Schlacht 1219 . uͤberwindlich, un- uͤberwindlich 17 Umsonst, geben, thun, ge- schehen 470 Unachtsamkeit 21 Unanstaͤndig 54 Unbedachtsamkeit 21 Unbilligkeit 83 . 86 Undanck, undanckbar 474 . ob deswegen ein Geschenck wiederrufen werden darf 476 Uneinigkeit 847 Unerlaubt 49 . 72 . nach buͤrgerlichen Gesetzen 1069 . 1071 . laut denen Ver- traͤgen 667 Ungehorsam 835 Ungerecht 83 Ungerechtigkeit 85 . 86 Ungleichheit in beschwerli- chen Contracten 580 . 581 . beym Tausch 584 Ungluͤck S. Zufall. Ungluͤckseligkeit 118 Unklugheit 21 Unkosten 279 . welche der Eigenthumsherr ersetzen muß 281 . 283 . 285 . ab- ziehen 284 . wegnehmen, ohne Schaden der Sache wegnehmen 282 . die noth- wendigen, nuͤtzlichen, zur Lust, zur Lust als die vor- nehmsten, vermischten 279 . auf einen gerechten Krieg 1190 . bey geliehenen Sa- chen 526 . auf niederge- legte Sachen 542 550 . auf gemsethete Sachen 636 . bey der Vollmacht 557 . bey der Anmaßung eines fremden Geschaͤftes 690 . auf das Pfand 703 . auf fruchtbare Sachen in der Sequestration 550 . bey der Servitut des Ge- brauchs 721 . des Usu- fructuarius 717 Unmoͤglich, sittlich 37 Unpartheyisch 768 Unrecht 87 . 88 . 97 . Privat- unrecht 1029 Unschamhaftigkeit 862 Untererbzinsrecht 731 Unterlassung, Unterlas- sungsthat 2 Unterlassungssuͤnde 58 Unterschrift der Jnstrumen- te 775 . des Blanquets 776 . des Testaments 932 Untersuchung 1031 P p p Unter- Register der vornehmsten Sachen. Unterthanen 996 . ihre Pflicht gegen den Ober- herrn 1085 Unterwuͤrfigkeit 835 . der Kinder 910 . des Vol- ckes 1102 . ob Regent und Volck einander unter- worfen sind 985 Untreue 390 Unvermeidlich 17 Unvermoͤgen zu handeln 20 Unvollkommenheit 10 . des Vermoͤgens zu begehren und zu verabscheuen 109 Unvorsichtigkeit 21 Unwahrheit 348 . 350 . 356 . 357 . 368 Unwissenheit 32 . einfache, zusammengesetzte 33 . was sie bey Zahlung des Kauf- geldes thut 602 Ursach freye der Handlung 3 . erfolgt nicht, was das heißet 694 . was ohne, oder auch gleichsam ohne Ursach angenommen wird 695 . am Versprechen seyn 405 . ob sie in der Hand- schrift ausgedruckt werden muß 653 . der Schen- ckung 475 . beym Ver- sprechen 407 . die recht- maͤßige zur Aufkuͤndigung einer Vollmacht 568 Urtheil von sich und seinem Zustande 129 . uͤbles von andern Leuten 147 . des richterlichen Vollziehung 1029 Usuarius 721 Usufructuarius 713 V. Valuta 656 Valvation der Muͤntzsor- ten 534 Vaterland 1105 . Liebe zu demselben 1105 Verachtung 146 . der Ge- saudten 1241 . eines Re- genten 1120 Veraͤnderung mit der Sache vornehmen 256 . mit den Gesetzen 1045 . mit dem Lehnguth 743 . mit ge- mietheten Sachen 636 Veraͤusserung 257 . ver- sprochner 413 . vertausch- ter Sachen 585 . der Pri- vatsachen durch den Frie- den 1226 . S. Sachen. Verbesserung einer Sache 279 . des Lehngutes 743 Verbindlichkeit thaͤtige 35 . leidende 37 . auf- heben 749 . sich eine zu- ziehen 97 . 377 . 380 . 381 . allge- Register der vornehmsten Sachen. allgemeine 68 . 69 . 101 . angebohrne 74 . besonde- dere 101 . die dazukom- mende 569 . dingliche 402 . gegenseitige unter den Menschen 44 . Haupt- verbindlichkeit 569 . her- geleitete 62 . natuͤrliche 36 . 38 . ob sie aufgeho- ben werden kann 138 . per- soͤnliche 402 . staͤrckere 65 . urspruͤngliche 62 . un- vollkommene, vollkomme- ne 80 . zugezogene 100 . Gesandten zuzulassen 1238 . sie zu empfangen 1241 . Soldaten einzuquartiren 1176 . aus den Vertraͤ- gen der Koͤnige 1147 . dessen, der da schweret 368 . aus dem Zulassungs- gesetz 1069 . des kleinern Theils der Mitglieder ge- gen den groͤssern 843 . 978 . der eintzeln Glieder und aller zusammen 836 . 975 . was fuͤr welche aus dem Quasicoutract entstehet 687 Verbrechen oͤffentliche, pri- vat 1030 Verdacht sich davon reini- gen 782 Verderben seine eigne Sa- che 255 . eine fremde 277 . geliehene 519 . gemie- thete 633 Verdient was es bey der Strafe ist 153 . wohlver- dient seyn 470 . wie man einen solchen betrauren soll 826 Vergeltungsschenckung 482 . 617 Vergessen des vorigen Un- rechts S. Amnestie. Vergleich 764 . allgemei- ner, besonderer 764 obs daruͤber Krieg zu suͤhren erlaubt ist 790 . 1158 . wo er statt hat 765 . u. ff. Vergnuͤgen, dauerhaftes 118 vergaͤngliches 120 Verguͤtung 756 Verhaͤltniß 493 Verheelung 349 Verheerung der seindlichen Sachen 1195 . 1201 Verhinderung unvermeid- liche, unuͤberwindliche 418 Verjaͤhrung 452 . ist dem Naturrecht gemaͤß 463 . erfordert ein gutes Gewis- sen 464 . ob ein Recht, welches bloß in jemandes Macht stehet, kann verjaͤh- ret werden 1100 . hat un- ter Voͤlckern statt 1139 P p p 2 Verkauf Register der vornehmsten Sachen. Verkauf, sich in die Knecht- schaft verkaufen 948 . eine Sache zweymal 594 . einer an andere versprochenen ebend. einer fremden 593 . vermietheten 628 . 629 . des Pfandes 697 . u. ff. zu gefallen 601 . S. Kauf. Verkaͤufer 587 . 588 Verlassung der Sache 203 . 208 . 450 . wo sie sich vermuthen laͤßt 458 . 460 . der Zubussekuxe 683 . des Reichs 1081 . die boß- hafte der Eheleute 871 Verlaͤumder 150 . Ver- laͤumdung 142 Verletzung S. Beleidi- gung. Verloͤbniß 864 . Verloͤb- nißgeschenck 865 Vermaͤchtniß 929 . dassel- be ausschlagen 939 . wie es bestehet 931 . ihre ver- schiedene Weise 935 . unter den Ehegatten 943 Vermengung 235 . der Schuld mit dem Darlehn 761 Vermiethen 620 . S. Mie- then, Wiedervermie- thung. Vermiether der Sache, Ar- beit 620 . u. ff. Vermischung 235 . fleisch- liche 863 Vermittelung 768 Vermoͤgen, geringes, gros- ses 207 . wie es zu schaͤ- tzen ist 207 . 503 . soll man den Kindern besorgen 896 . S. Guͤter. Des Vermoͤgens zu begehren und zu verabscheuen Voll- kommenheit und Unvoll- kommenheit 109 Vermuthung 27 . beding- te, unbedingte, rechtli- che, von Rechts wegen, eines Menschen 453 . ihr Gebrauch 30 . 781 . Noth- wendigkeit 449 . des Wil- lens dessen der ohne Testa- ment verstorben ist 933 . aus dem Stillschweigen 459 . 1139 Verpfaͤndung, verpfaͤnden 697 . natuͤrliche 705 . nothwendige 792 . die Sache zweymal 701 . eine fremde Sache 700 . des Vermoͤgens des Man- nes fuͤr die Mitgabe 913 . des Vormundes an den Pupillen 904 . der Kam- merguͤter 1040 . der Sa- chen einer Gemeine 1129 . wie sie unter Voͤlckern vor- koͤmmt 1150 Ver- Register der vornehmsten Sachen. Verschlimmerung eigener Sachen 255 . fremder 277 . 279 . geliehener Sa- chen 519 . des Lehnguts 743 . gemietheter Sa- chen 633 Verschweigen die Wahrheit 351 . 352 Verschwendung 208 . 509 Versehen 17 . 19 . dessen Ar- ten 21 . was das mittlere zwischen Versehen u. Bos- heit heißt 22 . bey der Theilnehmung an fremden Handlungen 26 . was die buͤrgerlichen Gesetze dabey bestimmen sollen 1072 . bey dem leihen 520 . 521 . des Miethers 633 . 634 . bey niedergelegten Sachen 541 . 542 . 546 . dessen der sich zur Arbeit hat dingen las- sen 634 . der Bevollmaͤch- tigten 958 . bey dem Pfan- de 702 . des Knechts 954 . des Vormundes 904 Versicherungseid 782 Versprechungsannehmer 379 Versprechender 379 . sein Jrrthum 405 . muß fuͤr das Jnteresse dem an- dern Theil stehen 416 . der ein ungiltiges Verspre- chen halten will 436 Versprechen 379 . halten 388 . wiederrufen 427 . 428 . 432 . u. ff. beschwe- ren 409 . 435 . zur Stra- fe, bey Strafe 410 . be- dingtes, unbedingtes 393 . 398 . u. ff. unter einer gewissen 395 . aufschie- benden 396 . aufloͤsenden Bedingung 397 . unter der Behingung einer schaͤndlichen That 394 . unter mehr als einer Be- dingung 399 . unter un- erlaubter Bedingung 391 . das peꝛsoͤnliche 400 . das be- schwerliche 425 . das ding- liche 401 . auf eine ge- wisse Zeit 393 . 395 . 398 . fuͤr den Abwesenden 403 . gegen einen dritten 433 . wegen einer Sache, die man schon vorher schuldig war 408 . durch den Brief 428 . 431 . eines irrenden 405 . welches von der Freygebigkeit herruͤhret 425 . durch Mittelsper- sonen 429 . u. ff. das mehrern zusammen gethan wird 423 . einer fremden Sache 412 . einer Sache die schon einmal an einen andern ist versprochen wor- P p p 3 den Register der vornehmsten Sachen. den 421 . der Sache die noch wircklich werden soll 420 . das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun- gen wird 406 . das un- sere Krafte uͤbersteigt 411 . ob man es Feinden, Moͤr- dern, Naͤubern, Rebellen, Tumultuanten halten soll 1235 Verstand, seine Vollkom- menheit 108 Versteilung 349 . 350 . 356 . ihre Sittlichkeit 359 Vertheidigung 90 . Maͤs- sigung dabey 158 . des Besitzes 289 . 1029 . des Beklagten 1031 . der Jung- ferschaft, Schamhaftig- keit 862 . seiner Sachen 268 . 1029 Vertheidigungskrieg 1169 . 1170 Vertrag 438 . davon ab- geben 442 . 443 . 619 . ihn aufheben 444 . seine stillsch weigende Eꝛneuerung 441 . auf wessen Worte dabey am meisten zu sehen ist 817 . wieferne sie Ge- setzen gleichen 816 wel- che Faͤlle dabey auszuneh- men oder ausgenommen sind 816 . 817 . daruͤber die Gewehr geleistet wor- den 1149 . der ausdruͤck- liche 439 . beschworner 446 . der guͤtliche 763 . u. ff. 790 aufloͤsende, voritzt, nach diesen aufloͤ- sende 610 . (pactiones) 1141 . der schriftliche 445 . stillschweigende 439 . auf eine zeitlang, auf ewig 440 . das Pfand fuͤr das Darlehn nutzbar zu ge- brauchen 1150 . die Schuld nicht zu fordern 755 . des Vorkaufs 611 . vom Wie- derkauf 612 . vom Wie- dereinloͤsen 612 Vertrauen auf GOtt 172 Vertriebener 1050 . 1106 Verwahrer 539 . seine Ver- bindlichkeit 541 . u. ff. Verwahrung dazu geben 539 . u. ff. wie es mit den Fruͤchten solcher Sachen zu halten ist 550 Verwalter 662 . 663 Verwaltungscontract 662 . u. ff. Verzeihen 157 Verzicht auf sein Recht 340 . auf eine Schuldforderung 766 . im Namen derer die gebohren werden sol- len 830 . auf die Nach- folge im Folgereich 1015 Ver- Register der vornehmsten Sachen. Verzinsung der Zinsen 651 Verzug daran schuld seyn 417 . u. ff. 541 . 753 . sich davon reinigen 418 . durch die Neuerung 758 Vicarius 899 . S. Reichs- verweser. Vielweiderey 857 Vieh eisernes 638 Vindication der Sache S. Wiederzueignung. Volck 974 . gelehrtes, ge- rechtes, gesittetes, unge- sittetes, wildes 1096 . 1097 . maͤchtiges 1102 . zinsbares 1145 . sein Ei- genthum 1125 . Voll- kommenheit 1094 . 1095 . 1108 . natuͤrliche Gleich- heit 1089 . seine allgemeine Pflicht 1108 . besondere Pflichten 1088 . 1123 . wer dasselbe vorstellet 991 . u. ff. ihre Liebe ge- gen einander 1109 . Lie- be des Regenten zu dem seinigen 1077 Voͤlckerrecht, natuͤrliches 1088 . 1089 . Gewohn- heitsvoͤlckerrecht 1092 . Vertragsvoͤlckerrecht 1091 . willkuͤhrliches 1090 Vollkommenheit 9 . we- sentliche, accidentale 11 . andter Menschen 140 Vollmacht 551 . u. ff. 664 . aufkuͤndigen 568 . zei- tig, unzeitig 562 . wie- derrufen 565 . nach be- sten Wissen und Gewissen erfuͤllen 552 . aufgetra- gener massen, durch was gleichguͤltiges 564 . 576 . die allgemeine, beson- dere, mit oder ohne freye Hand, geheime, offenba- re 552 . 553 . das still- schweigende 555 . zu ei- ner schaͤndlichen That 563 Vollstreckung des richterli- chen Urtheils 1029 . der Strafe 1033 . 1048 Vorausvermaͤchtniß 938 Vorbehaltung im Sinne 355 . 800 Vorfahren 832 Vorherzahlung 694 Vorkauf, das Recht, ver- abredetes, gesetzmaͤßiges 611 . der Vertrag des Vorkaufs 611 Vormund 898 . sein Recht 908 . seine Bestaͤtigung 1023 . wo seine Einwil- ligung erfordert wird 905 . was ihn entschuldiget und P p p 4 untuͤch- Register der vornehmsten Sachen. untuͤchtig macht 901 . die Verpfaͤndung seiner Guͤ- ther an den Pupillen 904 . ob er Ehrengeschencke und Besoldung nehmen darf 906 . der im Testament gesetzte, rechtliche, gegebe- ne 898 . zu der Erzie- hung, zur Verwaltung des Vermoͤgens, bloß als Aufseher, Obervormund, Untervormund 900 Vormundschaft 898 . wie sie entstehet 908 . ihr Grund 1057 . was der Regent deswegen im Staat zu besorgen schuldig ist 1023 Vornehme des Reichs 992 Vorrecht (prærogativa) 71 . in der Gesellschaft 839 . unter Voͤlckern 1089 . 1191 . (jus protimiseos) 611 Vorsatz uͤberlegter, unuͤber- legter 386 . eine Neue- rung zu machen 758 . 759 Vorsetzlichkeit S. Bos- heit. Vorstand S. Caution. Vorwand 349 . 350 . des- sen Sittlichkeit 359 W. Waare 587 . ihre Fehler 618 . Vortheil und Ge- fahr bey derselben 613 . u. ff. Wachsamkeit 968 Waffen 1174 Waffenstillstand, allgemei- ner, besonderer 1211 . ob er den Frieden aus- macht 1217 Wahl, Koͤnigswahl die recht- maͤßige, unrechtmaͤßige 1006 Wahlreich 1005 . 1007 Wahlloß 669 . S. Wahr- sagungslooß. Wahr, Wahrheit logica- lische, moralische 347 . wahrreden 347 . 350 . 352 . was wider jemanden der sich erklaͤret hat fuͤr wahr gehalten wird 318 Wahrsagung 669 Wahrsagungslooß 669 . S. Zutheilungslooß. Waͤisen 898 . wie ihre Guͤ- ter zu verwalten sind 903 . wenn sie giltig handeln, oder nicht 905 Waͤisenhaus 1022 Wandel ehrbarer 49 Wasser Register der vornehmsten Sachen. Wasser stehendes 253 Wasserleitungsrecht 712 Wasserschoͤpfungsrecht 712 Wechsel 655 . traßirter 656 . eigner 657 Wechselbrief 656 Wechselinhaber 656 Wechsler 655 . 1036 Weg (servitus viæ) 712 Wegwerfang des Seinigen 204 . 208 Wehren S. Vertheidi- gung. Weiber ihr Zeugniß 779 . ihre Nachfolge in der Re- gierung 1011 . 1013 . koͤn- nen im Kriege gefangen gefuͤhret werden 1164 . 1193 Werth der Sachen und Ar- beit 493 . der gemeine ebend. 495 . seine Bestim- mung 498 . 1021 . wie er sich durch oͤffentliche Auflagen aͤndern laͤßt 1057 . der Sache im Hoffnungskauf 684 . in dem libellarischen Contract 732 . der Waare 600 . u. ff. die in der Lotterie an einen geschlagen werden soll 673 . der Zettel im Gluͤcks- topfe 674 . des Wechsel- briefes 656 . billiger, un- billiger 499 . im auswaͤr- tigen Handel 1112 . der urspruͤngliche, hergeleite- te 497 . am Gelde. S. Preis. Wette 676 . 677 Wettstreit 675 Widerwille 28 . der ausdruͤck- liche, stillschweigende, ver- muthete 28 . ob durch den beyderseitigen Ver- traͤge aufgehoben werden moͤgen 444 Wiedererbzinsbarmachen 731 Wiedergeben die fremde 261 . niedergelegte 541 . 543 . 547 . geborgte 531 . 532 . 538 . sequestrirte Sa- chen 549 . 550 . was man eigenmaͤchtig weggenom- men hat 288 . Unkosten S. Unkosten ersetzen. Das nicht schuldige 693 . das ohne Ursache ange- nommene 695 . der Fruͤch- te 274 . u. ff. 550 . 1224 . die Sache in einerley Art, eben dieselbe Sache 515 . die gleichguͤltigen Sachen P p p 5 527. Register der vornehmsten Sachen. 527 . das geborgte Geld 536 Wiedervergeltung 156 . ob darauf bey der Strafe zu sehen 1049 Wiedervergeltungsrecht 156 . 1160 Wiedervermiethung 631 . ausdruͤckliche, stillschwei- gende ebend . Wiederzueignung 262 . 448 . das Recht dazu 264 Wiederzueignungskrieg 1169 . 1170 Wille seine allgemeine Be- stimmung 164 . der wi- drige S. Widerwille. Wirthschaftsgeschaͤfte S. Handlungsgeschaͤfte. Witz 354 Wohlfahrt der Gesellschaft 837 . 847 . des Staats 972 Wohlstand 54 . 115 . 116 . im Bauen 116 Wohlthat 470 . u. ff. die- selben vergelten 474 . 822 . 894 Wohlthaͤter 470 . 826 Wohnung (domicilium) 1103 . die natuͤrliche, an- genommene ebend. (habi- tationis servitus) 723 Worte, ihre Bedeutung S. Bedeutung. Wer sie im Versprechen auslegen darf 796 . auf wessen Worte bey der Auslegung am meisten zu sehen ist 817 . S. Auslegung. was fuͤr Worte in den Ver- traͤgen zu gebrauchen sind 798 . derer sich Zeugen bedienen sollen 780 . nicht Wort halten 389 . ob das genug ist von dem Vertrage deswegen abzu- gehen 442 . offenbare, verschwiegene 355 . un- nuͤtze 360 Wucher 649 . soll im Staat nicht geduldet werden 1021 Wuͤrden buͤrgerliche 992 . 1061 Wuͤrdigkeit 80 Z. Zahlung des Geldes 596 . an Zahlungsstatt angeben 757 . Zahlungstermin ver- laͤngern Register der vornehmsten Sachen. laͤngern 572 . ob dadurch eine Nenerung vorgehet 758 Zergliederung todter menschlicher Koͤrper, ob sie sich geziemet 825 Zeuge 779 . wovon und wie sie zeugen muͤßen 780 . wenn man sie in Verwah- rung bringen kann 1033 . Augenzeuge, Zeuge vom hoͤren, beschworner, fal- scher, glaubwuͤrdiger, ver- daͤchtiger, wahrhafter 778 . in seiner eignen Sache 779 Zeugeneid 778 Zieraten 117 Zinse (pensio) 620 . S. Lohn. Zinse (census), gesetzte, vorbehaltene 733 Zinsen (usuræ) 649 . Ju- denzinsen ebend. wenn die ordentlichen in dem Transportcontract zu lau- fen anfangen 680 Zinscontract 733 Zinsgut 733 Zinsherr, Zinsmann 733 Zoll 1057 . wie man ihn einrichten soll 1114 Zubusse 683 Zuchthauß 1022 Zuͤchtigung vaͤterliche 889 Zueignung (des Kaufs) auf einen bestimmten Tag, be- dingte, unbedingte 608 . des Schuldners zu seinem Knecht 950 Zueignung (occupatio) 210 . 212 . u. ff. der erblosen Erbschaft 934 . eines Strichs Landes 1127 . 1136 . S. Eroberung. Zufall wer dafuͤr bey gelie- henen 520 . 521 . nieder- gelegten 541 . geborgten 537 . gemietheten Sachen 633 . u. ff. bey Pfaͤndern stehen muß 702 . wen er bey dem Nießbrauch 716 . bey dem einem Nießbrauch aͤhnlichen Recht trift 719 Zulassungsgesetz 47 . das buͤrgerliche was es wircket 1069 . wie es dasjenige enthalten kann, was dem Recht der Natur zuwider ist 1046 . 1069 Zurechnung 3 . u. ff. 20 . 26 . 34 . 60 . 558 . wenn die Be- leidigungen eintzeler Buͤr- ger dem gantzen Volck zu- gerechnet werden koͤnnen 1133. Register der vornehmsten Sachen. 1133 . der Thaten der Eltern denen Kindern, und umgekehrt 873 . des Ver- zugs 418 Zuruͤcktreibung des Rechts 1161 Zusage blosse 382 . 385 . 389 . 390 Zusammenkuͤnfte des Got- tesdiensts wegen 179 Zustand, innere, aͤussere 8 . natuͤrliche 96 . sittliche 96 . urspruͤngliche, entstandene 102 Zutheilungslooß 669 . 672 Zuwachs S. das Dazu- kommen. Zweydeutigkeit im Reden 353 . wie ihre Auslegung anzustellen ist 803 Zweykampf 787 Zwischenreich 1005 ENDE .