Lobrede der Teutschen Poeterey/ Abgefasset und in Nuͤrnberg Einer Hochansehnlich-Volkreichen Versamlung vorgetragen Durch Johann Klajus. Nuͤrnberg / Verlegt durch Wolffgang Endter / 1645 . Dem Wol Edel/ Gestrengen und Vesten Herrn Johan Jobsten Schmidmayern/ von und auf Schwartzenbruck/ u. d. g. Der freyen Kuͤnste Tugendeifrigen und viel- moͤgenden Befoͤrderern. H Eult nicht der Nordenwind! der rauhe Felderfeind/ Das Goldgestralte Liecht zweymal vier Stunden scheint/ Der Fluͤsse Strand besteht; wo vor die Segel flogen/ Knirscht ein belastes Rad; der Wald hat außgezogen Sein gruͤnes Sommerkleid; das nasse Fichtenpferd Ligt in den Hafen dort; es sitzet uͤm den Herd Der brache Schaͤferman; der Wintzer hat gedekket Die Fechser/ und der Stock liegt Ellentief verstecket/ Was macht ein Musensohn so manche lange Nacht? Ein Vers/ den Dunckelheit hat an den Tag gebracht/ Jst dunckel von Geburt! der kan der Kaͤlte lachen/ Der Feuer bey sich hat/ im Fall er pflegt zu machen Ein Lied/ das geistig ist! durchsucht des Jahres Lauf/ Weil auch ein kalter Wind die Flamme blaͤset auf/ Die Sinn und Kunst erhitzt; wie mich denn unlaͤngst triebe Vom Kachelofen weg der freien Freiheit Liebe. Jch gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/ Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee. Jn dem fleugt Vater Jaan aus duͤstrer Winterlufft Vnd schreyet: hoͤr! hieher! Jch sehe/ wer mir rufft. Der zwey gestirnte Gott/ stund da mit rohten Ohren Es war jhm Haar und Bart wie Felsenhart gefroren/ Sein Kleid war durch und durch vor Kaͤlte Kreidenweis/ An seinem Schluͤssel hieng ein grosser Zapfen Eis. Er sprach: wohin? wohin? jetzt ist hier nichts zu schauen/ Jetztbluͤht kein Rosenstrauch/ jetzt feyren/ Berg vnd Auen/ Vnd wie die Sage geht/ so freyet Pusch und Wald/ Es buhlet Stam̃ und Ast/ Kraut/ Wurtzel/ jung und alt Vm diese Weyhnachtzeit. Wie? wiltu Rosen brechen/ Jch weiß derselben drey/ die kanstu sonder stechen Abpfluͤkken/ wann du wilt; die hegt ein guͤldnes Feld Nechst hohem Purpurglantz in jenem Winterzelt. Die Farben und die Zahl beloben kluge Sinnen/ Des Gluͤkkes lieben Sohn/ den Schutz der Pierinnen; Gold ist die Gottesfurcht/ das Liechte Purpurroht Ein Leben ohne Fehl/ Gedult in Creutz und Noht. Jch hoͤrte zu: er sprach: es laͤst sich hier nicht stehen/ Die Lufft schneidt schaurig scharf/ wir wollen vorbaß gehen. Es ist nicht weit von hier des Gartens Scherbenhaus/ Jn welchem Flora gruͤnt und lacht den Winter aus. Die Lorbern falben nicht/ es leuchten Pomerantzen/ Es bleiben unversehrt weithergebrachte Pflantzen. Hoͤr an und setze dich; der Blumen Ruch verdirbt/ Herꝛ Schmidmayr/ dieser Herꝛ/ und sein Lob nimmer stirbt. Es war ein schoͤner Zank alsbald bey seiner Wiegen/ Da ihm ein jeder Gott wolt an der Seiten liegen/ Sie drungen sich uͤm ihn; Apollo goß ihm ein/ Der suͤssen Kuͤnste Milch/ den klaren Goͤtterwein; Mars nam ihn auff den Arm und mehrmal ihn bekuͤste/ Frau Swada leget ihn an ihre weisse Bruͤste/ Er war von Kindheit an mit Goͤtterkost gespeist/ Die Febusvolk ernehrt und von dem Pindusfleust. Er wuchs sehr lieblich auf/ Verstand kam vor den Jahren/ War jung/ an Klugheit alt/ und reiste nach den Wahren Der theuren Wissenschafft; Paris der Erden Ruhm/ Die Sittensaͤugerin/ der Weißheit Eigenthum/ Nam ihn mit Freuden auf/ denn zog er nach der Schulen/ Wo die drey Huldinnen mit dreymal dreyen buhlen/ Des Mavors Dummelplatz/ der Belgen Staͤdte Liecht/ Wo man die Fahnen schwingt/ wo man die Lantzen bricht. Daher die Pallas noch im gantzen Kuͤris gehet/ Weil ein gelehrter Kopff schoͤn in der Ruͤstung stehet. Ein auserlesnes Buch/ ein dummelhafftes Pferd/ Verbruͤdern sich garwol/ sind gleicher Ehren werth. Der Degen schuͤtzet zwar des Helden Leib und Leben/ Doch muß der Federbusch hoch ob den Degen schweben/ Wird der geharnschte Mars der Pallas beygelegt/ Ein Kunstgeuͤbter Sinn/ der Ritterspiele hegt/ Verdoplet Lob und Lust; wie Cæsar Kunst und Kriegen Jn einer Stirn gefuͤhlt; die Faust von vielen Siegen Die hat hernach das Werck selbst zu Papyr gebracht/ Die Feder hat das Schwerd/ diß jenes groß gemacht. Herr Schmidmayr stirbet nicht/ viel minder seine Gaben/ Die ihn in diesem Stand sehr hoch erhaben haben/ Es ist ja seine Lust ein ritterliches Schwerd/ Der Ball und das Raquet/ ein wolgewandtes Pferd/ Ein blankgezognes Rohr/ das niemal nicht versaget/ Vnd durch das Kraut das Loht hin in das schwartze jaget/ Ein leichtgefuͤster Hund/ der manchem Wild nachsetzt Vnd/ was er nur erspuͤrt/ durch Strauch und Staudenhetzt/ Bis daß er es erwuͤrgt. Denn zu bequemen Zeiten Gejaget/ angestelt ein Freundgesintes streiten/ Jst zugelasner Krieg; die kuͤhne Jaͤgerhand Entzuͤndet Blut und Muht/ schaͤrfft Vrthel und Verstand. Wie liebt er nicht den Herꝛn/ dem keiner leichtlich gleichet/ Vnd/ wie man sonsten sagt/ nicht wol das Wasser reichet/ Der viel gelesen hat und list noch taͤglich viel/ Dem auch die schwerste Frag ein leichtbeliebtes Spiel. Laß sonsten alles seyn/ wodurch er moͤchte gruͤnen/ Gedenk an jenes Buch der treflichen Rabbinen/ Das juͤngst durch seine Gunst des Tages Liecht erblikt Vnd seines Namens Ruhm in alle Welt geschikt. Was Opitz aufgebracht/ pflegt er mit Lust zu lesen/ Das bey dem Teutschen Volck vom Anfang her gewesen/ Dann ihm nicht unbewust/ daß alles hier vergeht/ Nur ein Poetenfreund und ein Poet besteht. Ein ausgeputzter Reim und Kunstgebundne Schrifft Die sind des Todes Tod/ des Gifftes Gegengifft. Stirbt ein Poetenfreund/ bleibt der Poet nur leben/ So kan er mit dem Vers das Leben wieder geben. Der Rosen safft vertreibt der schwartzen Gallen Wust/ Ein Vers den Vnverstand und gibet Hertzenslust. Die Rosen staͤrcken auch das Haubt und schwache Glieder: Ein aufgeflamter Vers bringt Geist und Staͤrcke wieder. Wann jetzt die strenge Lufft streicht uͤber Berg und Thal/ So steht der Rosenstrauch entbloͤsset Blaͤtter kahl: Die Rosen gelblichroht im kalten Jenner glaͤntzen/ Jhr bunter Rock der stralt im Hornung und im Lentzen/ Die Rose zeucht den Mund und Augen an sich hin/ Ein Vers die Rose selbst/ Hertz/ Muht und allen Sinn. Mein gib ihm diß Papyr/ und meinentwegen gruͤsse/ Sag/ daß ich seine Hand mit Teutscher Treue kuͤsse; So sagte Vater Jaan/ und kam nicht mehr zu Liecht/ Jch sah dem Alten nach/ er warf mir ins Gesicht Den hartgebalten Schnee. Weil Jhr dann Kuͤnste liebet/ Nemt/ was im Neuen Jahr euch alte Liebe gibet. E. Wol Edl. Gestr. Dienstergebener Knecht. J. Klajus. J. F. P. Q. H Orrida præteritis mater Germania sêclis, ignorata Heliconi, \& rarò cognita Musis, aspera sylvarum tenebris, gregibusq; ferarum plena cruentarum, rigidis inculta colonis, excoriata quibus præstabat bellua amictum, \& Ceres optatas epulas, sitientibus amnis sufficiebat aquas, sibi nîl cupientibus ultrà, quàm premere imperio varios crudeliter hostes; temporis an fractu quo non exculta nitore est? Est eafacta biceps Parnassus: ea alma Sororum facta novensilium sedes, \& regia Phœbi, blanda Oratorum nutrix, \& patria Vatum, Eusebies, Themidos Mystas, cœtusque Medentum, Artificum turmas, (metuat quos Dædalus ipse, Architasve Tarentinus, celebrisve Lysippus,) amplexata, fovens, \& multo munere mulcens. Roma rubens, cum Teutonicas fracta adspicit arces; hæccine, ait, vetus illa fuit spelunca ferarum? Vestimentorum quanto splendore superbit? Quas non lautitias expromit? Apitius escas hinc petat omnigenas, potumque Philoxenus optet. Unica deêrat adhuc genitalis cultio linguæ: \& peregrina colebatur sartago loquendi. Nunc cùm seclorum lacrymabilis ultimat ætas, hæc quoque cura coquit Germanum, utverba loquatur Germana, \& pura, \& nitida, expurgataque verba: omnibus ut pateat linguæ decus \& Majestas; quæ nec Romulidæ molli, Græcove bibaci, nec grandi Hispano cedat, Gallove novanti. Sed quibus extolli Vernacula nostra potissit laudibus ex merito, CLAJUS cras monstrat, Eoa pabula cùm fuerint animæ à Pastore reposta. Vos, Mecœnates, Huic perbreve tempus adeste, \& nostris porrò studiis, velutiante, favete. P. P. Norimb. XXVII. Octobr. Anni D cxliv. JOHANNES MICHAEL J. R. J. F. E S war der Helicon der Teutschen duͤsterm Land Vnd aller Musenkunst vor Jahren unbekant. Der finsterrauhe Wald hat nur das Wild geheget/ Es hatte noch die Hand an keinen Pflug geleget Das halbverwildte Volk/ das damals eingehuͤllt/ Jn Fell’ und Baͤrenhaut’/ ihr Hunger ward gestrllt Von Ceres roher Furcht/ die helle Quell’ am rangen Gab ihnen Trank genug/ sie hatten kein Verlangen/ Als/ mit freykuͤhner Hand/ zu wuͤrgen ihren Feind. Wie sind sie heut zu Tag der Weißheit werthe Freund? Jetzt steht Parnassus hier/ ist doppelt aufgespitzet/ Vm welchen Phoͤbus selbst mit seinen Schwestern sitzet/ Der Redner Mutterschos/ der Dichter Vaterland/ Da Kunst und Wissenschaft steigt in den hoͤchsten Stand/ Die Lehrer Gottes Worts/ der Recht und Aertzte Scharen So manche Kuͤnstler Zunfft (daß Schande zu befahren Archytas/ Daͤdalus/ und auch Lysippus Ruhm/) Vmzirket dieses Land/ der Tugend Eigenthum. Rom schaͤmet sich und fragt/ aus altverfaulten Stuͤtzen/ Jst diß der Thiere Hoͤl/ die wuͤste Wildnißpfuͤtzen? Wie prachtet ihr Gewand? so suͤsse Schleckerkost Erwehlt Apitius/ Philoxenus den Most. Das fehlet ihnen noch: Jhr Sprache wolt versiegen/ Vnd durch das Wortgemeng des Fremdlings fast erliegen. Die wird empor gebracht zur letzten Threnenzeit/ Vnd unsre Helden Sprach wird Hofgemaͤß bereit. Wie rein- und scheinlich prangt sie aus dem Grund gezieret/ Wie Majestaͤtisch klingt/ was unsre Zunge ruͤhret? Der luͤstrend Roͤmer weicht/ der Griech der Trunkenpold/ Der grosse Spanier/ der Frantzmann Neurungshold/ Erblasset neben uns. We sie nunmehr genesen/ Mit Wunderart-zart-pracht- und maͤchtiglichem Wesen/ Redt unser Klajus aus/ der alles zierlich weist/ Wann morgenfruͤh der Hirt die Seelen abgespeist. Jhr Kunstbefoͤrderer/ beliebet das Beginnen/ Verlieret kurtze Zeit/ last eure Gunst gewinnen. Nuͤrnherg den XXVJJ. deß Weinmonats/ Jm Jahr M. DC, XLJV. Dilherr. Erklaͤrung des Tittelbildes. WJTDOD WJTDOD ist ein Celtisches Wort von Wit/ weis/ und dod Freund/ zu sam̃engesetzet heist es so viel als bey den Griechen Philosophus/ das t wird in alten Schrifften fuͤr eins gefunden/ wie auch die Nider- laͤnder sagen: Wat/ dat/ waeter/ fuͤr was/ das/ Wasser. Dot ist Ebreisch und auch Teutsch/ daher nennen wir einen Tauffdoden/ der uns durch die Tauff befreundet ist. Luth. de Nomin. Germ. l. D. Hiervon ein mehrers zu Ende. redet. J Ch komme von Todten Witdoden herfuͤr/ Bekleidet mit Alters-gebrauchlicher Zier/ Chastueil aux discours sur les Arcs Triomphaux dresses en la Ville d’ Aix 1623. fuͤhret einen alten Poeten solcher Gestalt bekleidet ein. f. 13. hiervon ist zu lesen Pasquier aux recherches l. 6. c. 4. f. 853. Die neulich erneute Kunstliebliche Lieder Erwekken die vormals Verstorbenen wieder. Mein blaulich-gold-glentzend-befedertes Haubt Hat jenen Homerischen Pfauen Lucianus und Ovidius melden/ die Seele Pythagoræ sey eine Pfauen Seele gewesen/ nach seinem Tod aber in Homerum, und nach ihn in Ennium gefahren/ daher sagt Persius sat. 6. v. 10. postquam dester- tuit esse Mæonides Quintus, Pavone ex Pythagoræo. Von den Druiden schreibet Am. Marcellinus l. 15. Inter Gallos Druidæ ingenii excelsioris, ac authoritatis Pythagoricæ disciplinæ extiterunt \&c. Xamolxis Gothorum sacerdossuos in Pythagoriea disciplina instruxit. Laërt. l. 1. videat, Herodot. l. 4. Heurn. de Philos. Barbar. c. ul. beraubt/ Zu deuten/ daß durch die Poeten erhaben Der schoͤnen Gedanken buntleuchtende Gaben. Die weißliche Liljen Hier wird gesehen auf das/ was Gorop. Becan. l. 5. Gallic. f. 119. schreibet/ daß Witt/ die weisse Farbe sich weit weise/ daher die ansehliche Leute Weise genennet worden/ nach der Schrift: Bey den Alten ist die Weißheit/ und die Klugheit bey den grauen Haubtern. die Fraͤnkische Tracht/ Die Teutschen und Franken oder Gallier sind vor Alters ein Volk gewesen. Besihe hiervon Tri- them. de Orig. Francor. Vrsperg. \& imprimis Beat. Rhenan. l. 2. f. 112. \& Barthium Adversar. l. 13. cap. 4. Erweiset altredlichen Biedermanns Pracht. Biedermann ist so viel als Beidermann/ der ohne Ansehen der Person beiden Rechtspricht/ Henischius in B. sein Pracht ist eine erbare/ und ehrliche Kleidung/ wie dieses Witdoden/ die den Burgundischen und unsern alten Ehrroͤcken nicht ungleich kommet. Jhr Edelen Teutschen ermannet im Kriegen/ Nun hasset der Waffen bluttriefendes Siegen: Beliebet den Frieden und jaget ihm nach/ Erhaltet in Wuͤrden die dapfere Sprach. Ach/ lasset den DEGEN nicht alles verheeren/ Ergreiffet die FEDER euch selbsten zu Ehren. erfunden durch Georg Philip Harsdoͤrffern. Mit Lobrede der Teutschen Poeterey. Mit GOTT. A Ls Solon/ Solonsag ich/ der weise Gesetzgeber/ auf seinem Todbette/ der Vmstehenden/ von einer wichtigen Streitfrage/ heimliche Vnterredung (damit sie dem Kranken nicht verdruͤßlich weren) hoͤrete/ richtete er sich auf/ bittend/ sie moͤchten etwas lauter reden/ denn er koͤnte kein saͤnfters Ende nemen/ als wann er im letzten Abdrukken gelehrter wuͤrde. Was war damals an dir/ O du Zier der Kuͤnste/ uͤbrig/ als der abgefleischte Leib/ das von Haut und Beinen zusam- mengeflikte Gerippe/ geaͤderte Arme/ gebrochene Augen/ ein- gefallene Wangen/ die gehemmete Zunge/ und zerstimlete Worte? Jedoch wolte die Seele/ die allbereit unter der Zungen/ und zum Abzuge fertig/ in dem letzten Athmen/ sich mit Kunst/ als einer Hertzsterkung/ laben. Werthe Zuhoͤrer: Die Gesetzgeberin der Voͤlker/ un- ser in letzten Zuͤgenligendes Teutschland/ unser durch die zer- gliederung des Reiches gelaͤhmtes Teutschland/ unser durch die blutigen Mordwaffen ausgemergeltes Teutsch- land/ ruffet uns/ seinen Hertzgeliebten/ zu: Redet/ Redet/ Redet/ daß ich gelehrter absterbe. B Jn Lobrede Jn Ansehen dessen hat unlaͤngst etliche hohe aufgewekte Geister/ aus natuͤrlicher angeborner Teutscher Liebe/ eine re- gende Lust angefrischet/ daß nunmehr durch ihre Lehrschriff- ten das roͤchlende Teutschland taͤglich lernet. Ob nun zwar bisanhero/ auf juͤngstaufgerichtetem Lehrstule/ die hochheilige Sprachmutter die Ebraeische/ de- ro Tochter die Syrische/ die versuͤssete Griechische/ und die Dolmetscherin der Welt/ die Lateinische Sprache/ der Ju- gend treueiferigst eingetreufelt worden/ so habe ich der we- nigste/ unter den Teuschen Muttersoͤhnen/ je und je unsere Wunderkraͤfftige/ Wortmaͤchtige und Qwelreiche Sprache geliebet. Hat Vlysses sein armes/ rauhes und gleichsam wie ein Schwalbennest an die Steinklippen ange- haͤngtes Vaterland/ Jthaca/ derer jhm angebotenẽ Vnsterb- lichkeit vorgezogen: Wieviel mehr sollen wir Teutschen ent- brennen und uns eusserst bemuͤhen unsere Muttersprache zu erheben/ in Ansehen dessen habe ich juͤngsthin etzliche heilige Gedichte darinnen abgefasset/ mehr verstaͤndiger Besserung und Schaͤtzung wolmeinend untergeben. Anjetzo aber bin ich auf Gutachten dessen/ dem ich zu gehorsamen verpflichtet/ und ein grosses Theil meiner weni- gen Wissenschafft zu danken/ aufgetretten/ etwas von der Liebwuͤrdigsten Poeterey der Teutschen abzuhandeln. Werthe Zuhoͤrer: Dieses verhoffentlich fruchtendes Vnternemen wollen sie anjetzo/ wie vormals/ an- und abzu- hoͤren vielguͤnstig geruhen. Ja/ der Teutschen Poetery. Ja/ was wolt ich abhandeln? Worvon wolt ich reden? Ach ja/ von der Teutschen Poeterey: was unterwinde ich mich a- ber/ die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verskunst/ un- gesaltzene/ steltzende und hinkende Krippelreimen herauszustreichen/ solte das Muͤhwuͤrdig seyn? Wuͤrde nicht Heinsius den Esel/ Pirkamer den Zipperlein/ Cardan den Kaͤiser Nero/ Scaliger die Gans/ Aldrovandus die Spin- ne/ Melanchthon den Kaͤs/ Majoragius den Koht/ Stroza den Haa- sen/ Putean das Ey/ Leuschner den Lortsch/ und andere was anders zu loben Bedenken tragen. Aber nichts dergleichen/ Ach Lieb- und Lobwuͤrdigste Kunst/ Schwester der Natur/ Suͤssigkeit der Vnsterblichen/ Buͤrgerin des Himmels/ du bist es/ die meinen Sinn/ Gemuͤt und Gedanken mit einer uͤberirdischen Liebe deromassen bezaubert/ daß ich nicht weis/ was ich wegen der voͤlligen Lobsmenge zuerst oder zuletzt sagen soll! Goͤttliche Kunst/ was hilfft es dich aber/ daß ich dich liebe und lobe? Da hingegen jhrer viel dein hervorbrechendes wollautendes Wundervermoͤgen/ mit ungegruͤndetem Zweifel und hoͤnischẽ Kopf- schuͤtteln/ vernichten/ als werest du eine neugebakkene/ unwuͤrdige/ guͤltlose/ undienliche Zeitmoͤrder in/ gemeine Dirne/ und Pest der Jugend. Wie aber sonst nichts so vollkommen/ daß der Verleumdung entuͤ- briget/ also ist auch der Name der Poeten so gar veraͤchtlich/ daß wañ man jemand beschimpffen wil/ einen Poeten nennet/ gleich als koͤnte keiner einen guten Vers machen/ er muͤsse dann ein boͤser Mensch und visierlicher Kautz seyn. Eines aber und das ander muß zuzeiten dieser Kunst Ergebenen nachgesehen werden/ weil sie mit ihren Gedanken etwas freyer und sicherer gehen: Massen die Verrichtung anderer Geschaͤffte die Poe- B ij tischen Lobrede tischen Gedanken hintertreibet/ wie ein truͤbes Wasser des Angesichts Bildung nicht rein und eigentlich vorweisen kan. Dahero allezeit darvorgehalten worden/ daß der/ so bey ihm selbst/ uͤmsonst an der Musen Thuͤr klopfe: Das ist/ es muͤsse ein guter Poet von einer hoͤ- hern Gewalt angetrieben werden/ Goͤttliche Regungen und himmli- sche Einfluͤsse haben/ wie sie denn singen: Es ist ein Gott in uns/ ein Geist/ wenn der sich reget/ Brent unser Geist auch an/ und sich wie Gott beweget. Diese geistliche. Entzuͤkkung wallete in dem heiligen Hertzen Mo- sis Deborae/ Judith/ sie flammete sich auf/ und brach in das volle Lob Gottes nach Begebenheit mit solcher Zierlichkeit heraus/ daß sie so weit uͤber alle Weltliche Gedicht gestiegen/ so weit die himmlischen Dinge alle irdische Eitelkeiten uͤbertreffen. David/ der Koͤntgliche Poet/ dessen Parnassus Sion gewesen/ Salomon/ dessen Musen die Toͤchter der Weisheit/ liessen sich/ durch diesen Geist getrieben/ in ein tiefes Gespraͤche mit GOTT ein. Vnd weiln ein solcher Poetischer Geist/ von anmutigen Sinn- reichen Einfaͤllen/ kekkes Vnternemens unnachfoͤlgig steiget/ sich mit Goͤttlicher Vernunfft fluͤgelt/ die Alttagsgedanken uͤbertrifft/ als ist ihnen der Name/ so der hoͤhesten Majestaͤt alleinzustaͤndig/ gegeben worden. Dann gleichwie Gott/ der dieses sichtbare Weltgebaͤu/ mit al- lem/ was in demselben begriffen/ bloß aus seiner unermeßlichen Krafft und Weisheit erbauet/ allein ein Dichter/ diese aber/ die/ aus einem vorhergehenden Zeuge/ etwas verfertiget/ zum Vnterscheid/ Meister benamet worden: Also hat man Anfangs die Poeten hoch und herr- lich/ ja Gott fast selbst gleich/ geachtet/ in dem man geargwohnet/ sie haͤtten eine heimliche Zusam̃enkunft und Verbuͤndniß mit den Goͤt- tern/ weil sie/ was niemaln gewesen/ als wer es gewesen/ fuͤrgestellet. Bey der Teutschen Poeterey. Bey den Roͤmern ist Virgil in solchem Ansehen gewesen/ daß/ wann man seine Verse oͤffentlich verlesen/ das gantze Volk/ aus sonderlicher Wuͤrdigung/ aufgestanden/ und ihm/ wann er gegenwaͤrtig ge- wesen/ solche Ehre/ als Kaͤiser Augusto selbsten/ wiederfahren/ wie Quintilian bezeuget. Die jenigen hingegen/ die etwas/ wie es an ihm selber/ abgehan- delt/ sind Saͤnger oder Versmacher genennet worden. Solche Meinung zu behaubten/ verstaͤrket uns jener Knecht bey dem Schauspielschreiber Plautus/ wann er saget: Wie der Poet die Tafel nimt zur Hand/ Vnd suchet das/ was nirgend ist im Land/ Vnd findets auch/ der macht/ daß Laͤpperey Der Vnwarheit der Warheit aͤhnlich sey. Niemand muß ihm aber die Meinung schoͤpfen/ als ob die Poeterey mit lauter Vnwarheiten uͤmgienge/ und bestuͤnde bloß in ihr selber/ da sie doch alle andere Kuͤnste und Wissenschafften in sich haͤlt. Es muß ein Poet ein vielwissender/ in den Sprachen durch trie- bener und allerdinge erfahrner Mann seyn: Er hebet die Last seines Leibes von der Erden/ er durch wandert mit seinen Gedanken die Laͤn- der der Himmel/ die Strassen der Kreise/ die Sitze der Planeten/ die Grentzen der Sterne/ die Staͤnde der Elementen. Ja er schwinget die Fluͤgel seiner Sinne/ und fleucht an die Stellen/ da es regnet und schneiet/ nebelt und hagelt/ stuͤrmet und streitet. Er durch kreucht den Bauch der Erden/ er durch waͤdet die Tiefen/ schoͤpffet scharffe Ge- danken/ geziemende zierliche Worte lebendige Beschreibungen/ nach- sinnige Erfindungen/ wolklingende Bindarten/ ungezwurgene Ein- faͤlle/ meisterliche Ausschmuͤkkungen/ seltene Lieblichkeiten/ und ver- nuͤnfftige Neurungen. Wie bey den Lateinern/ Griech halt mirs zu gut/ daß ich dich mit B iij Stil- Lobrede Stilschweigenuͤbergehe/ Lucretius ein Sinnreicher Naturkuͤndiger/ Manilius ein Sternseher/ Macer ein Artzt wider den Schlangen- gifft/ Virgilius ein Ackermann/ Columella ein Gaͤrtner/ Oppianus ein Fisch- oder Jaͤgermeister/ und dieser und jener der Weltweißheit O- brister gewesen. Jovianus Pontanus hat uns ein Gedicht von denen Dingen/ so in der Lufft geschehen/ Buchananus von den Kugeln der Sternen/ Dousa von him̃lischen Dingen/ Heinsius von Verachtung deß Todes und der Seelen Vnsterblichkeit/ Grotius von der Warheit der Christ- lichen Religion hinterlassen. Fracastorius hat schoͤn beschrieben die heßliche Krankheit/ die wir nur nicht gerne nennen/ Vida den Sei- denwurm/ Thuanus die Falknerey und das Peitzen. Kan also die Po- terey nicht enger eingeschrenket werden/ als die Welt und die Natur selbsten/ ja sie ist die Kunst/ die alle andere erkuͤndiget und begreiffet. Von der Beschaffenheit aber ist hier nichts zu melden. Der Ebraeer Verskunst hat unlaͤngst ein gelehrter Niderlaͤn- der Gomarus heraus gegeben/ Plato/ Aristoteles/ der Griechen/ Fa- bricius/ Sabinus und andere der Lateiner: Bevorab der Fuͤrstliche Scaliger/ dessen Buͤcher niemand/ ohne hoͤchste Verwunderung des unvergleichlichen/ angebornen Verstandes/ des scharffen Vrtheils und vielfaͤltiger Kunst/ die darinnẽ herfuͤrleuchtet/ lesen mag/ also gar/ daß es scheinet/ als wann die Natur an diesem Manne versuchen wol- len/ wie weit sich des Menschen Kraͤffte in der Geschikklichkeit erstrek- keten. Vnd nun/ nun ist es an dem/ daß ich mich uͤber die krumgebuͤk- ten Seelen hinausbegebe/ eine liebliche/ lustreiche Ebene durchspatzie- re/ die so genanten Musenjungfraͤulein begleite/ sie in ihren hertzer- freulichen Stellen/ die sie unter unserm Himmel aufgeschlagen/ be- suche. Es ist die Teutsche Poeterey nicht ein neues/ gestern oder vorge- stern ausgesonnenes/ oder von den Frantzosen und Welschen her ge- spon- der Teutschen Poeterey. gesponnenes Wesen: Sondern es haben schon/ vor ungefehr ein vier- tausend Jahren/ die Teutschen in ihrer Haubtsprache ihre Gesetze in Reimen versetzet/ und in gebundenen Reden ihren Gottesdienst ver- richtet. Dann/ aus Vbereinstimmung Goͤttlicher und Weltlicher Geschichten/ auch der Gelehrten fast durchgehenden Meinung/ merkwuͤrdig: Daß/ nachdem den stoltzen Thurnbauern zu Babel/ durch Verwirrung der Sprachen/ das Handwerk geleget worden/ ist Ascenas/ des Ertzvaters Noe Nef/ durch klein Asien in Europen gezogen/ sich daselbst nidergelassen/ die Laͤnder angebauet/ getheilet/ bewohnet/ und ein Vater aller Celtischen Voͤlker worden: Nemlich der Voͤlker/ welche hernach gewohnet in denen Laͤndern/ die wir je- tzund Teutschland/ Frankreich/ Spanien/ Engeland/ Schotland/ Norwegen/ Schweden und Dennemark heissen. Bey diesen Voͤlkern nun hat albereit zu Abrahams Zeiten/ wie Aventinus schreibet/ Koͤnig Bard die Singkunst aufgebracht/ Feyer- und Tantztage bey den alten Teutschen angestifftet. Mitlerzeit ist die Teutsche Verskunst durch die Barden/ so Dich- ter/ und Druiden/ welche Priester gewesen/ ohne schrifftliche Hinter- lassung fortgepflantzet worden/ damit/ durch die Gemeinmachung/ der Geheimnisse heiliges Ansehen nicht geringert wuͤrde. Haben also an Stat der Zeitbuͤcher nur Lieder gehabt/ darin- nen sie Gott und die dapferen Thaten ihrer Helden auf die Nachkom- men gebracht. Gehe nun einer hin und sage/ es haͤtten die Teutschen ihre Dich t- kunst von den Lateinern und Griechen/ ihren aͤrgsten Feinden/ erler- net: Da doch beweislichen/ daß die alten Weltweisen in Griechen- land von den Ebraeern und ihren Nachkommen/ denen Celten/ unter- richtet worden. Woraus dann zu schliessen/ daß die Celtischen Woͤrter zu den Griechen folgends auf die Lateiner kommen/ da dann aus der alten Celtischen/ das ist/ Teutschen/ und der Griechischen Sprachen das Latein Lobrede. Latein aus geputzet worden/ durch den uͤbertrefflichen Roͤmer Varro. Ja/ es haben die Roͤmer nicht allein der Teutschen Woͤrter/ Gebraͤu- che und Sitten/ sondern auch ihre Buchstaben/ mit Hindansetzung der Griechischen/ angenommen. Gehe einer hin und sage/ es weren die Teutschen Buchstaben etwan vor ein 300. Jahr ausgebruͤtet worden. Aventinus bezeuget/ daß unsere Vorfahren denen Persischen Gesandten an dero Koͤnig Darius einen Brief mitgegeben/ dieses Jnhalts: Die Teutschen wuͤn- schen dem Kaͤiser aus Persien nichts dann Weinen/ Trauren und al- les Vngluͤk/ und wollen ihm den Teufel und die Pestilentz auf den Kopf geben. Ja/ es schreiben die beyden Bruͤder Johannes und Olaus die Grossen/ daß schon vor langer Zeit/ do der Maͤssel und Hammer Fe- der und Dinten gewesen/ ehe die Lateinische Sprache geboren wordẽ/ in dem Mitternaͤchtischen Teutschen Reiche das Schreibwesen im Schwang gangen/ wie solches die Klippen und Felsen annoch der Or- ten bezeugen. Vnd dieses koͤnte die erste Denkzeit der Teutschen Poe- terey seyn. Wie nun durch Kaͤiser Karln den Grossen das Kaͤiserthum auf die Teutschen gebracht/ und in einer richtigen Kaͤiserordnung/ bis auf gegenwaͤrtige Zeit/ erhalten worden: Also vermeine ich/ sey keine Poe- terey (ausgenommen die Ebraeische/ so allein vor der Babylonischen Verwirrung gebraͤuchlich) aͤlter/ als welche Karl der Grosse geliebet. Vnd wie ins gemein die Dichtkunst von den hoͤchsten Haͤub- tern der Welt geehret/ die denen Poeten/ mit Mildigkeit/ Guͤte und Gnade/ allen merklichen Vorschub gethan: Also hat die Teutsche Poeterey den Halbgoͤttlichen Welthelden Karln den Grossen ihren Schutzherrn und Vater erlebet/ massen dieser Christliche Kaͤiser/ un- geacht der schweren Kriege/ die er alle wegen der Ehre Gottes gefuͤh- ret/ sich seiner Muttersprache treulich angenommen/ eine Sprachkunst derselben mit eigener Hand aus gefertiget/ selber Verse geschrieben/ die alten der Teutschen Poeterey. alten Reime samlen lassen/ der Winde und Monaten Namen wieder hervorgesucht/ und also denen Teutschen einen Weg gebahnet/ ihre Geschichte vor dem Vntergange zu sichern. Wie dann damaln drey gelehrte Maͤnner die H. Schrifft in die Teutsche Sprache versetzet/ welches doch lange Zeit zuvor auch ein Bischof sol gethan haben. Zu seines Sohnes Zeiten/ Kaͤiser Ludwigs/ hat der Moͤnch Otfried die Evangelia in Teutsche Reimen gebracht/ so annoch vor- handen/ nebenst der Schrifft/ so er an den Ertzbischof zu Maintz abge- hen lassen. Solte und wolte einer in den alten Kloͤstern nachsuchen/ wuͤrde man lehrreiche Gedichte der Wittodien und Gravionẽ/ die noch vor Karln den Grossen gelebet/ finden/ welche an Zier aht und Kunst man- chen Lateinischen Poeten beschaͤmeten/ massen damals sowol Adels- als hoͤhere Standspersonen/ ja manchmals Fuͤrsten/ Koͤnige und Kaͤiser selbst/ offt Poetische Kaͤmpf zu halten gepflegt/ bey welchen nicht weniger/ als bey den Thurnieren/ auch das Adeliche Frauenzim- mer den Dank unter den Obsiegern ausgetheilet. Doch hat der ge- lehrte und der Teutschen Haͤndel wolerfahrne Goldast ein gutes Theil solcher Gesaͤnge der mottenfressigen Zeit beraubet/ und aus der Churpfaͤlzischen Cantzeley an Tag gegeben. Darinnen ehrenermeldter Eiferer der Teutschen unter andern mit Namen Albrechts Grafen von Heigerlohe/ Kunrads Grafen von Kirchberg/ Eberhards und Heinrichs Freyherrn von Sax/ Friederichs Grafen von Leiningen/ Krafftẽ Grafens von Toggen- burg/ Rudolfs Grafen von Neuenburg/ Rudolfs Freyherrn von Rotenburg/ Vlrichs Freyherrn von Gutenberg/ Werners Freyherrn von Tuͤfen/ Heinrichs Hertzogen von Breslau/ Ottens Margrafen von Brandenburg/ Heinrichs Marggrafẽ von Meis- sen/ eines Hertzogen von Ascanien/ und Margrafens von Hoch- burg/ ja Kaͤisers Heinrichs und Kunrads Roͤmischen Koͤnigs Ge- C dichte Lobrede dichte (unzehlich Teutscher von Adel zu geschweigen) haͤuffig ange- zogen und gedacht worden. Jst also unsere Poeterey nicht aus dem Schulstaube hergeflo- gen nach welcher sie/ wie etliche unbesonnene meinen/ noch stinket/ sondern sie ist zu Hofe/ nebenst andern Ritterlichen Vbungen/ Thur- nieren und Fechten/ in vollem Schwang gangen. Wird auch/ ob Gott wil/ dermaleins wideruͤm von hohen Haͤubtern angenommen und geliebet werden. Es ist bekand/ daß Hiarmes von den Daͤnnemaͤrkern zum Koͤ- nige erkieset worden/ weil er dem vorigen Koͤnige zu Ehren ein Grab- gedichte gemacht/ das vor allen andern den Preiß erhalten: Obwoln/ vor Kaͤiser Rudolf/ wenig Teutscher Briefe zu finden/ ausser daß Gottfried der Moͤnch des H. Pantaleons schreibt/ daß im Jahr 1235 ein Reichshof zu Maintz gehalten/ und daselbst ein Reichsordnung in Teutscher Sprache abgefasset worden. Jst demnach Ruhmes wuͤrdig Kaͤiser Rudolf der Erste/ hochloͤb- lichster Gedaͤchtniß der allhier zu Nuͤrnberg einen eigenen Reichstag absonderlich/ wegen der Teutschen Sprache/ im Jahr nach Christi Geburt 1273. gehalten/ darinnen er geschlossen/ daß man hinfort in Teutscher Sprache alle Gerichtssachen vorbringen/ handeln und ver- abschieden solte. Es ist auch hierbey/ zu dieser Statt unsterblichem Nachruhm/ zu gedenken/ daß Chytraeus in den Saͤchsischen Zeit- buͤchern/ auß alten Briefen/ meldet: Die Cantzley zu Nuͤrnberg haͤtte auf erstbesagtem Reichstag grosse Ehre eingeleget/ und wolvernemlich geteutschet/ was andere Chur- und Fuͤrstliche Gesandten auszureden fuͤr unmuͤglich gehalten. Zu dessen Fusstapfen ist getretten Maximilian der Erste/ welcher auf dem Reichstage zu Coͤln/ im Jahr nach Christi Geburt 1512. be- staͤtiget und bekraͤfftiget/ was Kaͤiser Rudolf zuvor verordnet. Es hat auch dieser Kaͤiser auf der hohen Schule zu Wien nebenst den vier Haubtwissenschafften die fuͤnfte/ die Poeterey/ zu lehren befohlen/ und/ der Teutschen Poeterey. und/ die darinnen andere uͤbertroffen/ mit dem Lorbeerkrantze und hoͤchstem Ehrenstande begnadet. Wie auch Cunrad Celtes vom Fride- rich dem Dritten selbsten gekroͤnet worden/ und hat Ferdinand der Erste solche Befreyungen erneuert. Lange Zeit zuvor sind die Heydnischen Gesetz- und Grabreimen in Christliche Gedichte versetzet worden/ daher die Meistergesaͤnge/ Thurnier- und Heldenlieder ihren Anfang genommen/ welcher unaus- gearbeitete/ schlaͤfrige und harte Bindungen dem damals ungnaͤdi- gen Verhaͤngniß des Himmels zuzumessen. So schreibet Tertullia- nus/ daß zu seiner Zeit die Eheleute daheim in Haͤusern sich geuͤbet und beflissen immer eines besser zu singen/ und einen bessern Psalmen zu dichten/ als das andere. Vnd dieses koͤnte die andere Denkzeit der Teutschen Poeterey seyn. Mit hereinbrechendem Liechte des heiligen Evangelii hat-Lu- therus S. G. alle Lieblichkeit/ Wuͤrde und Beweglichkeit in unsere Sprache gepflantzet/ alle rauhe knarrende Woͤrter ausgemustert/ hingegen dero Vermoͤgen mit allerhand anmutigen Gesaͤngen und geistreichen Liedern bereichert/ viel fromme Hertzen dadurch erreget und beweget/ daß sie dem aberglaubischen Papstthum gute Nacht ge- geben/ und sich zu der Evangelischen Warheit bekennet/ massen unsere Widersacher solches/ wider einigen ihren Dank/ nicht in Abrede seyn koͤnnen. Welchem ruͤhmliche Folge geleistet Jobst Jonas/ Paulus E- ber/ Spangenberg/ D. Bekker/ D. Nicolai/ H. Saubert/ H. Dilherꝛ/ und viel andere. Offt und vielmal hat auch der uͤm die Kirche Gottes wolver- diente Gottsgelehrte D. Gerhard gewuͤnschet/ daß auf der hohen Schule zu Jena die teutsche Sprache und Poeterey getrieben wuͤr- de. Dieses koͤnte also die dritte Denkzeit der Teutschen Poeterey heis- sen. Vornemlich aber ist unser hochherrlichste/ allerreichste/ voll- C ij kom- Lobrede kommene Dichtkunst auf ihren Ehrenthron eingesetzet worden/ in dem die guͤldene Staffeln hierzu geleget die Durchleuchtigen/ Hochge- bornẽ Fuͤrsten und Herren/ Herren/ Fuͤrst Ludwig zu Anhalt/ Her- tzog Augustus zu Braunschweig und Luͤneburg/ Hertzog Wil- helm/ und Hertzog Ernst zu Weimar/ als hochvermoͤgende Schutz- herren/ Lobwuͤrdigste Pflantzer und Pflegherren des Weltberuͤhmten Kunstgewaͤchses der Fruchtbringenden Gesellschaft/ durch deren unverdrossenen Fleiß/ ernstlichen gesamten Handbietung/ mit Zuthun H. Werders/ Opitzẽs/ Hortleders/ Buchners/ Harsdoͤrfers/ Schot- tels/ Gweintzens/ und bey 400. anderer Teutschgelehrten/ Sprach- liebenden Maͤnner/ die Teutsche Verskunst von dem fremddruͤkkendẽ Joche erlediget/ verbessert und ausgearbeitet wird/ daß die Verse nun- mehr gaͤnger/ fertiger und lieblicher daherfliessen: Also/ daß/ wenn sich die Poeten auf einem Rechtplatze versamlen solten/ daselbstuͤm die Eh- re zu kaͤmpfen/ wuͤrden gewiß/ vor andern/ die Teutschen den Dank darvontragen. Dieses nun koͤnte die vierte Denkzeit oftbesagter Teut- schen Poeterey seyn. Vnd ist das gar ein nichtiges/ kahl- und kaltes Begehren/ daß man vorweisen sol/ ob auch die Teutschen vor 200. oder 300. Jahren so Pindarisiret/ Opitziret und Buchnerisiret. Dann gleichwie heute zu Tage Teutschland eben das jenige Teutschland/ welches es vor etzlich tausend Jahren gewesen/ ob es gleich anjetzo besser bebauet/ herrlicher ausgezieret/ mit maͤchtigen Staͤdten/ unuͤberwindlichen Festungen/ Fuͤrstlichen Schloͤssern/ Ade- lichen Haͤusern/ und hohen Schulẽ angefuͤllet ist/ auch von dem Haubt der Christenheit beherrschet wird: Also ist gleichsfals unsere jetzige Teutsche Sprache eben die uralte Celtische Weltweite Sprache/ die sie von Anfang gewesen/ ob sie gleich anjetzo zierlicher bekleidet/ und mit ausbuͤndiger kuͤndiger Vollkommenheit angethan/ einher- tritt. Angesehen/ daß die Poeten allemal die ersten gewesen/ die/ durch milde der Teutschen Poeterey. milde Himmels gunst/ ihre angeborne Sprache aus dem Staube er- hoben/ und den irdischen Goͤttern an die Seite gesetzet. Wie denn bis anhero in unserer Sprache/ die reich an Worten/ reich an Guͤte/ reich an Zieraht/ dero Lachen und Weinen/ liebliche Haͤrte/ maͤnnliches Gelaute und fliessende Suͤssigkeit/ niemand in Acht genommen/ als die Poeten. Eben wie die Teutsche Kriegs-also ist auch die Verskunst viel hoͤ- her gestiegen. Was sol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stoͤkken/ Vnd der bepralte Sturm mit Thuͤrnen und mit Boͤkken/ — — — — — wir haben in die Schlacht Den Donner selbst geholt/ den Blitz darein gebracht/ Der Glut und Eisen speyt/ fuͤr dem die Mauren fallen/ Die Thuͤrne Spruͤnge thun/ Gebirg und Thaͤler schallen/ Das wilde Meer erschrikt/ wir mischen uns zusammen Die Elemente selbst und fordern mit den Flammen Das blaue Himmeldach/ so gantz bestuͤrtzet steht/ Wann unsers Pulvers Macht dem Feind entgegen geht. Ferner/ wie sonst ein Ding je aͤlter/ je edler es auch ist/ alldieweil/ aus Langwuͤrigkeit des Vergaͤnglichen/ ein Abbild der unendlichen E- wigkeit vorgestellet wird: Als wolt ich mir keine Gedanken machen/ in dem die Teutsche Poeterey die Jahre uͤberstrebet/ die Gewalt der Zeiten durchbrochen/ zu sagen: Es muͤsse etwas Goͤttliches und ewig- waͤrendes darinnen verborgen seyn/ dadurch wir naͤher zu GOtt dem Anfang aller Dinge schreiten. Allhier nun/ Werthe Zuhoͤrer/ wolt ich euch gern beybringen die Beweglichkeit der Teutschen Verskunst: Denn das man hinten zwey Reime aneinander bakken kan/ ist das geringste/ sondern es muß das Gedicht voller Kern/ Geist und Feuer seyn/ daher dann unser Dicht- und Verskunst viel hefftiger der Menschen Sinn und Gemuͤt durch- C iij drin- Lobrede dringet als einig andere/ weil kein Wort in Teutscher Sprache ist/ das nicht das jenige/ was es bedeute/ worvon es handele/ oder was es begehre/ durch ein sonderliches Geheimniß außdruͤkke: also daß man sich uͤber die unausdenkige Kunst/ die Gott unserer Sprachen verlie- hen/ wundern muß. Es bemerke einer die Dinge/ so er aussprechen wil/ halte selbe sei- nen Gedanken mit Nachsinnen vor/ beobachte darneben den Hall und Schall der Woͤrter/ ob sie selben nicht artlich auß- und abbilden. Zum Beweißthum etzliche Exempel aus den fuͤrnemsten heutiges Tages beruͤhmten Poeten anzufuͤhren. Der Niderlaͤnder unvergleicher Apollo Heinsius stellet uns den Brennenberg Etna folgends vor: — — — — Wie Etna/ wenn er streuet Die Flammen in die Lufft/ und siedend Hartz ausspeyet/ Vnd durch den holen Schlund bald schwartze Wolken blaͤst/ Bald gantze Kluͤfften Stein und Kugeln fliegen laͤst. Wer vernimmet hier nicht/ aus den knallenden/ prallenden/ zu- sammengesetzten Woͤrtern/ das Rauchen und Schmauchen des Ber- ges Etnae? Wollet ihr ein schleiniges Gewitter und Wetterleuchten anhoͤ- ren/ so singet Opitz im Jonas: — — — Das bleiche Meer ergrimt/ Es fuͤhlt den scharfen Nord/ der alle Sonne nimt/ Vnd macht den Tag zu Nacht/ die truͤben Wellen toben/ Der Wolken Vnmuht geust noch eine See von oben/ Hingegen diese See klimt auf/ und Himmelan/ Des schnellen Blitzes Glantz fuͤhrt eine liechte Bahn Durch das gesaltzne Meer/ der Donner holt zusammen/ Sein Schrekken/ Furcht und Angst/ und schmeltzt mit rauen Flam̃en Den der Teutschen Poeterey. Den sehr erhitzten Schaum/ die Luffte suchen Lufft/ Das Schiff steigt bald empor/ und faͤlt bald in die Klufft Der Erden/ die es fleucht: — — — Vnser edler Spielender besinget die Kummerwenderin/ die Laute/ wunderschoͤn: Hoͤrt dieses Wunderspiel/ des Himmels Gegenhall/ Ein unbesintes Holtz/ das unsern Sinn erreget/ Es toͤnet im Gehoͤr der Lufftvermengte Schall/ Die tode Saͤite lebt/ sie bebet und beweget/ Durch Kunstgeuͤbte Hand/ wie kan der Faden klingen? Der leere Lautenbauch fuͤllt unsre Ohren an/ Den wilden Tigermuht kan dieser Finger zwingen/ Jst auch ein Meisterstuͤkk/ das diesem gleichen kan? Augustus Buchner in einer Aufmahnung/ man solle sich der Zeit gebrauchen/ weil sie noch verhanden/ mahlet uns derselben Fluͤchtig- keit mit fluͤchtigen Versen vor: Lasset uns/ lasset uns schauen im Garten/ Mindern der guͤldenen Tulipen Zahl/ Wollen wir arme noch morgen erwarten/ Sind wir nicht sterblichen allezumal/ Auf/ eilet zu gehen/ Die Blumen entstehen/ Der Winter bald komt/ Die Felder bereiffet/ Die Wiesen zerschleiffet/ Alle behaͤgliche Lust uns benimt. Die ungluͤckliche Schlacht bey Luͤtzen und Koͤniglicher Maje- staͤt in Schweden obsiegenden Todesfall beschreibt der Holsteinische Poet Rist also: Der Lobrede — — — Der Loͤw von Mitternacht Der hielt bey seinem Volk zufoͤrderst an der Spitzen/ Jm dikken Pulverdampf/ Karthaunen Creutzweiß blitzen/ Der Kugelregen faͤlt/ Stein/ Eisen/ Hagel/ Bley/ Nimt gantze Glieder weg/ reist Roß und Mann entzwey. Es wuͤrbeln uͤm und uͤm die Trommeln/ Pfeiffen/ Floͤten/ Es toͤnt das Trarara der Lermenden Trompeten. Der abgefuͤhrte Feind der hatte sich geschwenkt/ Die Truppen stunden da/ die Ordnung war gemengt. Ein harter Bissen Bley wird unverhofft geschikket/ (O du verfluchte Hand/ die du hast abgedruͤkket Des Satans Mordpistol) das Koͤnigliche Blut Sank auf den Rasen hin/ im minsten nicht der Muht. Der Fall/ der Leibesfall hat erst sein Lob erhoben/ Die Freyheit richt ihm auf bepalmte Siegesbogen. Die Welt/ die Teutsche Welt ererbet seinen Ruhm/ Sein Heer die Dapferkeit/ der Helden Eigenthum Kron Schweden seinen Leib. — — — So beschreibet Freinßheim den unsaͤglichen und unertraͤglichen Hunger in der alten Roͤmerfestung Brisach: Wie standhafft auch darinn der Reinach sich gewehret/ Bis daß man Pferd und Hund und Katzen aufgezehret/ Auch ungeschlachte Haͤut und rohes Leder gessen/ Die Leut einander selbst ermordet und gefressen! Die Matten schlepten nur fuͤr Hunger ihre Glieder/ Man sah sie fuͤr Gespenst und nicht fuͤr Menschen an/ Vnd wenn sie einen Schuß aus aller Macht gethan/ So fielen sie darvon samt den Musqweten nider. Den unsterblichen Helden/ den Weimarischen Bernhard/ fuͤh- ret er in einem Treffen bey Brisach also ein: Wie der Teutschen Poeterey. Wie sahe man ihn da die freye Hand erschwingen/ Jetzt mit gezuktem Rohr/ jetzt mit entbloͤstem Schwert/ Vnd/ wo er hingewandt das Streitgewohnte Pferd/ Den Seinen neue Krafft den Feinden Schrekken geben: Das blankgefuͤhrte Schwert den Geber vieler Siege/ Das in des Sachsen Faust den Feinde machte bang/ Vnd dañ der schwartze Hengst/ der mit dem stoltzen Gang Vnd mutigem Galop anzeigte/ wen er truͤge. D. Flemming in der Reise nach Persien erzehlet einen Schiff- bruch nicht sonder Mitleiden: Der sichre Steuermann that fast/ als ob er schlief/ Bis das verirte Schiff mit allen Segeln lief Auf Oelands harten Grund: Ach moͤchten wir nur sehen/ War aller unser Wort/ Ach wie wird uns geschehen? Ein jeder fiel erblast auf sein Gesichte hin/ Ein jeder ruffte laut: Hilf JEsu/ wo ich bin! Das Schiff/ das obenher von Winden war zerrissen/ Ward von der Fluten Macht nun unten auch geschmissen/ — — — Das Rohr sprang ploͤtzlich ab/ Hier sahen wir den Tod/ hier sahen wir das Grab. Der Kiehl gieng morsentzwey / mit Krachen und mit Schuͤttern/ Die Palnken huben an zu zittern und zu splittern/ Die Seebrach haͤuffig ein/ das tode Schiff ertrank/ Das leuchte Gut floß weg/ das schwere das versank. Der Schlesische Poet Tscherning hat ein lustiges und possirli- ches Huͤndlein also besungen: Freude des Herꝛen und Liebe der Frauen/ Keiner kan ohne Gelaͤchter dich schauen/ D Weilen Lobrede Weilen du/ balden die Tafel gedekt/ Bringest dein eigene Schuͤssel getragen/ Laͤcherlich ist/ so sie jrgend verstekt/ Das eivrige Suchen/ Das hungrige Pochen/ Behaͤgliches Springen/ Das freundliche Ringen. Vnd wie er etwan ferner schertzet. Woraus die Meinung der Auslaͤnder zu nichte gemachet wird/ in dem sie ihnen eingebildet/ sie haͤtten die Leiteren/ durch welche sie auf die Parnassische Spitze gestiegen/ nach sich gezogen/ daß ihnen nie- mand folgen koͤnte. Es haben sich die grausamen Roͤmer treflich mausig gemacht/ daß sie in ihrer Sprache die Stimmen der Thiere nachahmen koͤn- nen. Lasset uns aber hierbey auch unser Teutsches in Acht nemen/ und besinnen/ mit was kraͤftig kurtzer Ausrede/ nach Geheiß der innerlichen Eigenschaft/ die Teutsche Sprache sich hoͤren laͤst/ Sie blitzet erhitzet/ sie pralet und stralet/ sie sauset und brauset/ sie rasselt und prasselt/ sie schlosset erbosset/ sie wittert und zittert/ sie schuͤttert zersplittert/ sie bruͤllet und ruͤllet/ sie gurret und murret/ sie qwaket und kaket/ sie da- dert und schnadert/ sie girret und kirret/ sie schwirret und schmirret/ sie zitschert und zwitschert/ sie lispelt und wispelt/ sie zischet und knirschet/ sie klatschert und platschert/ und tausend anderen Stimmen der Natur weis sie meisterlich nachzuahmen. Ja/ es versichere sich ein jeglicher gewiß/ daß er in den Teutschen Stammwoͤrtern vernemen wird die Haͤrte und Gelinde/ die Eile und den Verzug/ das Hohe und das Nidrige/ ja das Sterben und das Le- ben/ die Lust und Vnlust/ die darein gegruͤndet ist. Es ruͤhret aber solche Reinigkeit/ solche Zier und Pracht Teut- der Teutschen Poeterey. Teutschen Sprache vornemlich daher/ weil sie noch eine reine unbe- flekte Jungfrau ist: denn Teutschland von frembder Macht unbe- zwungen/ und von frembden Sprachen unverworren blieben/ wie solches der fuͤrtrefliche Roͤmer Tacitus schon vor mehr als 1500. Jah- ren bezeuget. Dieses zu bejahen solte unschwer fallen/ wenn wir nicht alge- mach uns nach dem Schluß uͤmsehen muͤsten. Denn daher koͤmt es/ daß in gantz Europa die Teutsche Spra- che noch uͤblichen/ ob sie woln an unterschiedenen Orten unterschiedlich ausgesprochen wird. Es durchreise einer Engelland/ Schotland/ Norwegen/ Denne- mark/ Niderland/ Preussen/ Liefland/ Kurland/ Littau/ Boͤhmen/ Siebenbuͤrgen/ Wallachen/ Vngarn/ und andere Laͤnder/ er wird sich nirgend des befahren duͤrfen/ was jenem Frantzosen bey uns in dem Wirthshause begegnet/ welcher/ als ihn gehungert/ auf die Zaͤhne gedeutet/ da denn der Wirth/ der Sprachen unkuͤndig/ nach den Bar- bierer geschikket/ uͤm den Gast die Zaͤhne außzubrechen/ und ihm an Statt des Hungers den Schmertzen zu stillen. Ja/ was denk- und merkwuͤrdig ist/ so hat der Reiserfahrne Bus- beqwius zu Constantinopel von zweyen Scythischen Gesandten in der That erfahren/ daß in einen grossen Theil ihres Landes die Teut- sche Sprache uͤblichen sey. Gleichwie aber das Eisen vom Magnet zwar gezogen wird/ kein Mensch aber weis die stumme Krafft: Also wird die Dicht- und Reimkunst nicht durch Menschliche Wirkungen/ sondern durch son- derbare Himmelsgnade eingegossen: sie wird nicht von dem Meister/ sondern aus den suͤssen Vorgeschwaͤtze und Gesaͤussel der Ammen/ er- lernet: nicht in den Schulen aus dem Munde der Lehrer gefasset/ sondern aus den Muͤtterlichen Milchbruͤnlein eingesogen. Wie denn die Sonne und Saltz der Poeten Taubman gesaget: D ij Zu Lobrede Zu Rom wird alle Jahr ein neuer Raht erkoren/ Ein Koͤnig uud Poet die werden nur geboren. Weil nun die Poeterey des Hoͤhesten Tochter/ als verkuͤndiget sie jederzeit seine Wunder. Sie ist der Breñspiegel/ der die Lastschiffe der Sorgenkummer Hertzen vom Himmel anzuͤndet. Sie ist der Moͤrser/ in welchem die Machtworte/ als das einge- zwaͤngte Pulver/ mit einem durchdringendẽ Nachdruk herausfeuren. Sie ist ein lebendiges von treflicher Meisterhand/ nach nur er- sinlicher Kunst/ ausgefertigtes Gemaͤhld/ das uns aus dem Papyr zuspricht. Sie ist die Belustigung der hohen Potentaten/ wie Kaͤi- sers Augusti Hof ein Auffenthalt aller Poeten gewesen. Wolt Alexander wol einschlaffen mit Vergnuͤgen/ So musten Buch und Dolch zu seinen Haͤubten ligen. Die Vrsache war vornemlich die Begierd der Vnsterblichkeit. Es wuste der grosse Weltherr/ desgleichen die Soñe nicht beschienen/ sehr wol/ daß seine ritterliche Thaten wuͤrden verschwiegen bleiben/ wann sie nicht/ durch sinnreiches Zuthun der hohen Seelen der Poeten/ in das Register der Ewigkeit eingetragen wuͤrden. Dann weil Fuͤrsten/ Herren und beguͤterte Leute/ keinen Buͤrgen fuͤr den Tod haben/ sondern muͤssen ebenmaͤssig wie andere Leute die Schuld der Natur abstatten/ als koͤnnen sie sich wegen ihrer vielfaͤtigẽ Wolthaͤtigkeit/ vermittelst der Poeten/ unsterblich machen. Socrates/ der Weltweiseste der Menschen/ lernte vor seinem Ende noch Verse machen/ weil er vermeinte/ er koͤnte die Vnsterblichkeit seiner Seelen nicht ehe empfinden/ als wann er durch die Poeterey/ als nechster Staf- fel derselben/ dahin gelangete. Das haben nun nicht allein die Griechen und Roͤmmer statlich in das Werk gesetzet/ ihre Kunstliebende freygebige Poetenfreunde leben noch in ihren Schrifften: Sondern es vermoͤgẽ auch solche die Teut- schen/ wie denn H. Opitzens sein Hannibal/ Freinßheims sein Hertzog Bernhard leben/ so lange man Buͤcher schreiben und lesen wird. Es der Teutschen Poeterey. Es sollen ihnen die jungen Studenten die Poeterey einbilden als eine wunderschoͤne bluͤhende Jungfer/ welche gantz verzuͤkket mit un- eingeflochtenen fliegen den Haaren/ lieblichen Augenblikken in eine Laute singet/ und mit maͤnniglichs Verwunderung aller Augen und Hertzen gewinnet/ so die Lobbegierige Juͤnglinge bey der Hand fas- set/ durch die Blumreichsten Auen der Wissenschafften fuͤhret/ in den wunderkuͤnstlichen Naturgarten erlustiret/ in den mosichten Hoͤlen abkuͤhlet/ in den begraseten halbbeschatteten Gruͤnden erqwikket. Sie traͤget sie auf den Goͤttlichen Huͤgel der Weißheit/ labet sie aus den Crystallinen Goͤtterbrunnen/ von welches Qwelwasser nie- mand genetzet wird/ als der mit diesen liebseligsten Nymfen treflich wol daran ist. Dapfer und unverzagte Kriegshelden stellen ihnen die Poeterey vor als eine großmuͤtige Fuͤrstentochter/ derer Haubt mit einem guͤlde- nen Helmen staffieret/ auf welchem ein von den Musen gewundener und gebundener Lorbeerkrantz gruͤnet/ ihre Ruͤstung stralet von dem Glantz der Sonnen/ wann sie ihre schimmernde Lantzẽ aufschwingt/ und die Rede aus ihrem Munde loßbricht/ verhaͤrtet sie den weichen Menschen in einen rauhen Felsen/ daß er keine Gefahr mehr scheuet. Es redets die Erfahrung/ daß/ was das Brummen der Paukken/ das Schallen der Trompeten/ das Versprechen der Beutẽ/ das Ver- troͤsten der Belohnungen/ das Prachten der Siege nicht vermag/ das thut die dapfere Verskunst. Wie dann unsere Heldenvorfahren ihr Lermenuͤmschlagen und Stuͤrmen Gesangsweise mit schreklichdrin- genden Tone herausgestossen: Daher sagt unsere Haubtsprache beym Suchenden selber: Ey hoͤrt den Roͤmermann von mir so herrlich sprechen/ Bloß mein Getoͤn/ mein Laut/ kunt jede Feinde brechen/ Die Tugend nam aus mir den Donner in die Hand/ Da schwang sich das Gewehr/ da bebten Leut und Land. D iij Schau Lobrede Schau den bemahlten Schild in festen Haͤnden droͤnen/ Den Pral/ die Loͤwenstimm/ das Feldgeschrey/ das Toͤnen Sich wirbelt hoch hinauf bis zu der Wolken Gang/ Dem Roͤmer wider mich wurd angst und Hasenbang. Johan Lang/ Kaͤiser Ferdinand des ersten Raht/ hatte ei- nen Spanier Petrus Royzius zu Gaste/ dieser/ als er des Langen Diener vor dem Tisch Teutsch reden hoͤrete/ und ihm die Sprach/ deren er unkuͤndig/ schwer und rauh vorkam/ sagte druͤber: Die Teut- schen redeten nicht/ sondern donnerten/ er glaube/ daß Gott der HErr unsern ersten Eltern/ Adam und Even/ als er sie aus dem Paradiß ver- stossen/ ihr Vrtheil in dieser grausamlaut enden Sprache gesprochen habe. Wormit dieser Spanier zu verstehen geben/ daß bloß der Hall und Schall der Teutschen Sprache dem Menschen eine Furcht einja- gen koͤnte. Vnd wie sonst gemeiniglich die Siegsfuͤrsten mehr mit ihren gelehrten Lippen als scharfen Schwertern erhalten/ gestalt dann ein Griechischer Poet Tirteus/ der Lacedaemonier Feldherr/ ge- than/ der war drey mal aus dem Felde geschlagen worden/ und als es nun an dem/ daß er zum vierdten male treffen solte/ und die Regimen- ter in voller Schlachtordnung hielten/ trat er auf und sagete vor dem gantzen Kriegsheer seine wolausgemachte Verse her/ durch welche er die Soldaten so behertzet gemacht/ daß sie nicht mehr uͤm ihr Leben/ sondern sich uͤm ihre Graͤber bekuͤm̃ertẽ/ auch in einer blutigẽ Schlacht den Sieg erhielten. Es haben auch nachmaln die Griechischen Feldo- bristen ihren Soldaten/ eh sie ins Treffen gangen/ diese Vermahnung zur Dapferkeit vorgelesen/ wie Justinus im 3. Buch seiner Geschichte bezeuget. So meldet Tacitus zu Ende des andern Buches/ daß nach Armins Tode die Teutschen von desselben Lob und Thaten Lieder gehabt und die gesungen/ wenn sie in Streit gezogen/ daß also/ vermit- telst der Goͤttlichen Dichtkunst/ das Roͤmische Kaͤiserthum auf die Teutschen gebracht worden. Jns der Teutschen Poeterey. Jns gemein soll ein jeder gedenken/ es sey die Poesis ein Bild/ heller als ein Hiacynth/ roͤhtlicher denn ein Rubin/ gruͤner als ein Smaragd/ etc. Eine Nymfe/ die da besitze einen unzehlbaren Reich- thum der Wolredenheit/ einen uͤberschwenglichen Schatz von Ge- daͤchtnisspruͤchen. Die/ weñ sie mit ihꝛen jungfꝛaͤulichẽ Geber den ihre Gedankẽ an Tag gibt/ einen jeden bezwinget zu glaͤuben/ was er vor verneinet/ zu lieben/ was er angefeindet/ zu loben/ was er verachtet/ die wann sie die Helden- thaten entwirfft/ gebieret eine ziemende Hoffart/ ja sie ist eine Vberwin- derin der Seelen/ und Meisterin der Sinnen. Nun so besinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutschen eines bessern/ rettet und errettet eure Heldensprache von dem Außlaͤndischen Joche/ wollet ihr euch dann nicht einmal uͤber die Sprache erbarmen/ die sich so mildiglich euer erbarmet/ und uns mit beyden Haͤnden Zwangsweise/ die selbe eivrig zu lieben/ nach sich zeihet? Was hat man doch vor Lust an dem Gelispel der Jtaliaͤner/ an dem Flik- und Stikwerk der Frantzosen/ an dem Sprachenschaum der Engellaͤnder. Noch dennoch kan kein Gruß zum theursten abgeleget werden/ es muß/ zu grossem Schimpf- und Nachtheil des gantzen Teutschen Geschlechts/ etwas fremdes miteingemenget werdẽ: Wel- cher Meinung H. Opitz in seiner Hechelschrifft von einem solchen ge- welschten Teutschen erzehlet/ daß er gesagt: Der Monsieur alsein bra- ver Cavallier erzeige mir die Plaisirs , ich bin des H. Serviteure, recom- mandire mich in seine Favor; und von einem andern meldet/ er habe die Jungfrau gebeten/ sie wolle das τὸ πρέπον observiren. Eben dergleichen Sinnes ist auch gewesen Abraham Kolbin- ger/ ein Augspurger: Als mit dem Kriegswesen die fremden Woͤrter eingeschlichen/ Marchiren vor Aufbrechen oder Fortziehen/ Bataille vor Schlachtordnung/ Corporal vor Rotmeister/ Sergeant vor Feldwe- bel/ Parapet vor Brustwehr/ sagte obengedachter: Ob das nicht eine algemeine Schande were/ daß wir von den Fremden die Woͤrter lernen Lobrede lernen und entlehnen sollen/ die von uns das Werk gelernet? Vor- zeiten hatten die Teutschen/ die von Anfang hero Kriegsleute gewe- sen/ eine schoͤne grosse Reuterfahne gefuͤhret/ jetzo henget man ein Schnuptuͤchel an eine Stange/ und das muͤsse ein Cornet heissen. V- ber welchen Gebrauch/ als ob wir mit der alten Teutschen Tugend auch unsereꝛ Teutschen Spꝛach algemach muͤde wuͤrdẽ/ sehr schoͤn kla- get der hochgelehrte und weitberuͤhmte H. Matthias Bernegger in seinem Svetonianischen Fuͤestenspiegel/ da er spricht: Obschon un- sere Teusche Sprache an der Menge auserlesener Woͤrter/ an Vol- kommenheit ansehnlich begriffener und weitlaͤufftig ausgefuͤhrter Vmkreise/ auch gantzer Reden Zierlichkeit einiger anderer Sprache nicht weichet/ so setzen wir sie doch selbsten hindennach/ gestalt ins gemein fast alles Jnheimische pflegt unwerth zu seyn: Ja wir legen auch nicht allein keinen Fleiß darauf/ sie auszuzieren und zu schmuͤk- ken/ sondern beschmeissen sie im Widerspiel mit fremder Woͤrter (wie wir meinẽ/) Zierraht/ so aber im Werk vielmehr grobe Schãd- flekken seyn/ also/ daß man mit gutem Fugsagen moͤchte/ es werde diese unsere Muttersprach vor lauterem Alter zu einer Grundsup- pen/ darein aller anderer Sprachen Vnart/ gleichsam als mit einem ungestuͤm̃en Regenbach/ zusammengefloͤsset werde. Bald entlehnen wir vom Lateinischen/ bald vom Frantzoͤsischen/ ja gar vom Spa- nischen und Jtaliaͤnischen das jenige/ was uns zu Hause vielschoͤner und besser waͤchset. Der Edel-Hochgelehrte Geschichtschreiber Lehman in seiner Spey- rischen Chronik zu End deß 107. Cap. gedenket dieses: Gleichwie die Roͤmer zu ihrem Wolstand allein die Lateinische Sprache gefuͤh- ret/ und ihrem Ansehen und Hochheit verkleinerlich ermessen/ so je- mand in offenen Schrifften auß der Griechischen Sprache ein ei- niges Wort eingemischet/ Gleichergestalt haben die alten Teutschen vor unziemlich er achtet/ wann man in Schrifften/ so vor Obrikeitẽ oder vor Gerichten ausgefertiget/ Latein eingemischt/ die allgemei- ne der Teutschen Poeterey. ne Sprach mit fremden Woͤrtern verbraͤmet/ und nicht Teutsch und verstaͤndlich gehandelt. Fast gleichmaͤssige Klage fuͤhret H. Fabrizius/ bestelter Artzt der Stadt Bern/ sagend: Vnsere Teutsche Sprach ist nicht dergestalt so gar arm und baufaͤllig/ wie sie etliche Nasenweise machen/ die sie mit Frantzoͤsischẽ und Jtaliaͤnischen Pletzen also flikken/ daß sie auch nit ein kleines Brieflein verschikken/ es sey dann mit andern Sprachen dermassen durchspikket/ daß einer/ der es wolte verstehen/ fast alle Sprachen der Christen beduͤrffte. Daß auch diese Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne grosse Gefahr sey/ meldet obbelobter Fabrizius in einem besondern Schreiben an H. D. Zincgraͤfen/ Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahrẽ in einer vornemen Zusammenkunft gehoͤret/ daß als ein solcher geflik- ter Brief aus einer Fuͤrstlichen Cantzeley an einen Landschuldheissen were geschikket wordẽ/ einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut- schen Mann/ der aber im uͤbrigen dieser Nagelneuen Art zu schreiben noch unerfahren und ungewachsen ware/ und also des Fuͤrsten Mei- nung widersins verstunde/ er einen feindlich Verklagten/ jedoch Vn- schuldigen/ hatte zum Tode verdammen und hinrichten lassen. Daher der Poet Cruͤger schoͤn singet: Teutsch fangen wir zwar an/ Lateinspringt mit heraus/ Welsch dringet sich mit ein/ Frantzoͤsisch laufft es naus. Es koͤmt mir eben fuͤr/ ich liesse mein Hauß stehen Voll guter Speis und Trank/ und wolte betteln gehen Fuͤr ander Leute Thuͤr: doch einem Kinde schmekt Viel suͤsser fremdes Brod/ als das die Mutter bekt. Betrachtet mit mir die Verfassung der Natur/ wie sie die Laͤn- der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet/ nur die Wahren und Guͤter zu verwechseln und uͤberzutragen/ nicht aber die Sprachen zu vermengen. E Noch Lobrede Noch dennoch bauẽ wir jetzo ein neues Babel von Welschen Stei- nen und Frantzoͤsischem Holtzwerk auf den teutschen Bodem/ daß zu befuͤrchten/ ob kuͤnftig jemand in Teutschland leben moͤchte/ der uns das Teutsche verteutschete. Ja es ist diese Gewonheit leider albereit so weit eingerissen/ daß sie fuͤr ein gutes Gesetz gehalten wird/ und die Teutsche Freyheit mit der Lateinischen Libertaͤt benamet wird. Wie H. Luth. schon zu seiner Zeit daruͤber in Tischreden hin und wider ge- klaget. Die Nachwelt wird uns anspeien/ daß wir in der edlen Verskunst so laͤssig gewesen: Dann/ die Warheit zu bekennen/ ist hierinnen das wenigste geschehen/ in Erachtung dessen/ was noch zu thun ist/ und ge- wißlich beschehen wird. Vnsere Sprache ist zwar in etwas gestiegen/ aber noch nicht zu ihrer Vollkommenheit gelanget/ gestalt hierzu von- noͤhten aller Fuͤrsten/ Herren und Oberen gnaͤdige Handbietung/ al- ler Gelehrten/ Verstaͤndigen und Welterfahrnen vertreulich Samt- huͤlffe/ aller Teutschliebenden/ Lehrbegierigen und Kunstergebenen be- harrliche Sorgfalt und muͤhsames Nachgruͤnden. Durch solche Hel- den/ Pfleg- und Schutzherren moͤchte dermaleins die Teutsche Spra- che ihre Siegsbogen uͤber alle andere erhoͤhen und erheben. Der Tuͤrke suchet seines Kaͤiserthumbs Majestaͤt darinnen/ daß er keinen Botschaffter anderst als in Tuͤrkischer Sprache anhoͤret und beantwortet: Vnd wir/ wir/ die wir Teutschen seyn und hetssen schla- gen das in Wind/ was von Gott und Rechts wegen billich/ unsere Vater- und Muttersprache zu erheben. Ey/ so ermannet euch doch jetzo ihr Tugendeiferige Teutschen/ mißgoͤnnet euren Nachkommen nicht/ was Gott durch eure Vorfahren auf euch gebracht. Es thu ein jeder ein Stuͤk seines Fleisses darzu/ daß diese unsere Sprache bey un- serer Dapferkeit/ worinn wir alle Welt uͤbertreffen/ die ruͤhmliche O- berstelle erhalten moͤge. Allermassen/ weil sie ist die Sprache/ die da schreibet in den Cantzeleyen/ unter den Rahtsherren/ die da schwebet un- ter dem Himmel uͤber die Buͤrger/ die da redet unter dem Gottesdienst bey den Priestern. Weil der Teutschen Poeterey. Weil sie ist die jenige Sprache/ so die Gerichte besetzet/ die Raht- schlaͤge regiret/ die Botschafften abfertiget/ die Regimenter ordnet/ die Kriege fuͤhret/ die Boͤsen straffet/ die Frommen belohnet/ die Canzeln erfuͤllet/ die Verzagtẽ aufmuntert und die Ruchlosen erschrekket. Mit einem Worte: Sie ist es/ die uns allen unser Brod und Lebensmit- tel verdienen muß. Auf ihr Edlen Teutschen/ auf hochgeehrte greise Helden/ Foͤrdert unsrer Sprachenschmuk/ man wird euren Ruhm ver- Wo der grosse Karel stehet/ (melden/ Der auf liechten Sternen gehet. Auf ihr alten Teutschen auf/ auf hochgeehrte greise Helden/ Liebet unsrer Sprachen Zier/ man wird euer Lob vermelden/ Wo der Kaͤiser Rudolf stehet/ Der auf blanken Sternen gehet. Auf ihr grossen Helden/ auffolget euren Teutschen Ahnen/ Hier koͤnt ihr euch einen Weg zu der Ewigkeit hinbahnen/ Daß man wird auf vielen Choͤren Nuͤrnberg/ Nuͤrnberg ruͤhmen hoͤren. Liebet die lieblich vergnuͤgende Sprach/ Deren Vermoͤgen keine zugleichen/ Deren Bewegen andere weichen/ Keiner koͤmt ihrer Geschiklichkeit nach. Jch hab es gewagt/ Am ersten zu singen Von Himmlischen Dingen/ Jetz hab ichs gewagt Die Rede zu bringen Vnd lassen erklingen/ Was Teutschen behagt/ Jch hab es gesagt. E ij An- Anhang. V On der Alten Teutschen Poeterey koͤnte man nicht nur eine Rede/ sondern ein grosses Buch schreiben/ wann sol- che Arbeit heut zu Tag so hoch geachtet were/ als zu Kaͤi- ser Maximilians, Christloͤblichen Angedenckens/ Zeiten/ vo @oelchem Beat. Rhenanus also schreibet: Solebat olim Maximi- lianus Cæsar proposita mercede suos provocare ad quærenda vel Diplomata vel Carmina, quæ ante quingentos, \& quot ex- cedit, annos essent conscripta, \& qui monstravit vetustum Codicem, nunquã indonatus abivit: fuitenim Princeps libera lissimus. t. 2. f. 113. Goldast/ der in Teutschen Sachen wolerfahr- ne und uͤm unsere Sprache wolverdiente Mann meldet Anfangs Con- stitutionum Imperialium, Tuiscon habe unter andern Satzun- gen gebotten: Man soll die dapfferen Thaten den Nachkommen zur Tugendfolge Gesangsweis verfassen. Nach Erschaffung der Welt 1910. daß solches geschehen/ bezeuget Tacitus de moribus German. Celebrant, sagt er/ carminibusantiquis (quod unum apudillos memoriæ \& annalium genus est) Tuisconem, \& fi- lium ejus Mannum \&c. Vnd an einem andern Ort ( An. l. 2. c. 88. n. 5. ) schreibter/ daß Armins/ der Teutschen Feldherꝛn Lob gesungen wordẽ noch zu seiner Zeit/ als er nemlich unter dem Keiser Tiberio in Teutsch- land ein Soldat gewesen. Der Barden gedenket Berosus der Elte- sten Chald æ ischen Scribenten einer. Sext. Pomp. Festus lit. B. n. 15. Bardusgallicè Cantor appellatur, qui virorum fortium laudes canit à gente Bardorum, de quibus Lucanus: Plurima secuti fudistis carmina Bardi. Am Marcellinus l. 15. sagt: Bardi fortia virorum illustrium facta, Heroicis versibus composita, cum dulcibus Lyræ modulis can- titârunt. Sie wurden also genennet von den Baͤrten/ welche sie laͤn- ger als andere Leute zu tragen pflegen/ (Bart/ sagt Becanus, werde ge- sagt/ wie behart) oder von dem Wehrt die Wehrten oder Wuͤrdigen. Hiervon ist zu lesen Maibomius in Comment. de Bardovic. in no- tis f. 4. Von den Druiden ist viel zu lesen bey Pomp. Mela. l. 4. Cæ- sare sare de bello Gall. l. 6. Possidon. Laërt. l. 1. Plin. l. 6. c. 3. Strabo- ne. l. 4. Marsil. Ficin. lib. de Religione Christian. c. 10. Cluver. Jornande, Althammero, Aventino, Lazio, Goropio, Becan. und andern. Diese sind Priester Dichter und zuzeiten auch Singer gewesen/ wie aus Lucano zu schliessen/ wann er sagt: Vos quoꝙ qui fortes animas belloꝙ peremptas Laudibus in longum, Vates, dimittitis ævum, Sacrorum Druydæ. Wo dieses Wort Druid/ Druthin/ Druden herkommet/ sind die Gelehrten nicht einerley Meinung/ etliche wollen es von den Grie- chischen δρῦς hernemen/ und ziehen an/ daß Plin. l. 16. c. 44. schrei- bet/ daß sie jhren Goͤtzendienst unter den Eichenbaumen verꝛichtet. Non assentior (sagt Causabonus,) Plinio conjicienti, Druidas vel Druydes à voce græca esse appellatos. Quin potius Strabo- nis prudentissimum Consilium sequor, negantis in appellatio- nibus gentium Græcas ecymologias esse quærendas, \&c. Etliche wollen/ es komme dieses Wort von Drau/ treu/ und Deut/ oder Duit/ Gott; und heisse einen Vertrauten/ oder Verlobten Gottes. Bec- man. f. 318. Drithen oder Truthin ist Gott genennet worden/ nem- lich der treue Gott/ der uns alles gutes thut. Bey Otfrido ist unter- schiedlich zu lesen Druhtins Hauß/ fuͤr die Kirche/ Druhtins Scalk/ Gottes Knecht/ Truhtintige Tag dies dominica. Von diesem Wort ist auch noch uͤbrig der Namen Drutenheim/ da sie vor alters gewoh- net/ und Drud/ Druͤdner ein Zauberer oder Hexenmeister: Dann nach dem Klodovin/ Clovis, oder Clodoveus der Franken Koͤnig/ durch seine Gemahlin Klotilde (des Burgundischen Koͤnigs Hilpe- richs Tochter) nach erhaltenem Sieg wider die Tuͤringer/ und ande- re Teutschen Voͤlcker sich/ zu Rems/ mit dreytausend von den vornem- sten Franken/ tauffen lassen/ (wie zu lesen bey Trithemio im Bogen H. ) haben die Christlichen Philosophi nicht mehr Druiden/ sondern Witdoden wollen genennet seyen/ zum Vnterscheid derer/ welche mit den Namen in der Heidenschaft beharꝛet. Daher das Ehrenwort ei- nen gantz widrtgen Verstand bekommen/ als bey den Lateineren Ma- gus, Sophista, Tyrannus \&c. Weil nun diese Witdoden der Drui- den den Amtsfolgere/ gelehrte und verstaͤndige Leute gewesen/ sind sie wie zuvor in strittigen Sachen zu Grafen/ oder Richteren aufgeworffen worden: gestalt das Wort Graf (wie Paulus Diaconus l. 5. Hist. Lon- gob. wil) soviel ist als ein Schiedsmann oder Richter; daher Mark- graf ein Richter der Markungen Judex limitum benamet worden: sol von der Ebreer @ gebar/ superavit, prædominatus est, aliis virtute, potentia \& autoritate superior fuit; vel à γηραιὸς seu γε- ραιὸς, i. e. Senex, canis venerabilis annis, Vir annis meritisq́; gra- vis, sagt Helvigius in Origin. German. l. G. f. 145. Man findet auch in den alten Schrifften Wittod/ Witdod/ welches alles eins ist/ massen die Ebreer und Teutschen die Buchstaben/ so mit den Lippen aus gesprochen werden/ als b/ p/ w/ f/ v/ wie auch die Buchstaben/ wel- che zwischen den Zaͤhnen/ als d/ t/ th/ sz/ ausgeredet werden/ offtmals verwechseln/ wie dessen viel Exempel zu sehen in Nomenclatore, oder dem Wortregister Aventini, seinem Jahrbuͤcheren (Annalibus) vorgefuͤget. So schreibt man Teutsch und Deutsch/ Tichten und Dichten/ Tantzen und Dantzen. Was also den Alten ist das T/ oder th gewesen/ ist uns heut zu Tag das D. Otfrod der Moͤnich schreibt Thogan sier in warn in manigern Zaln/ seine Degen waren in mancherley Zahlen/ verstehend seine Helden: eben wie @ 1. Sam. 23. die Helden oder Starcken Davids. So sagt auch vorbelobter Goldast/ das Wort Held komme von Chelten, Celten, durch Wandlung deß T in D. und Hinwegwerffung deß c. in dedic. Constitution. Imperial. ad Jacobum Regem Britan. Bo- din. sagt: Celtæ Ebræis sunt Equites, c. ult. method. Hist. f. 497. Strabo l. 4. Celtæ in Galliâ, à sui æstimatione adepti hoc Nomen nimirum vom Gelten Jun. in Batav. c. 22. von Witt hat Wittenberg den Namen/ weil es nechst Weissen Bergen liget: Witikind/ oder we- tekind/ das Weise Kind; Wittib/ ein weises Weib/ wie die Frantzo- sen die Hebammen/ nach der uͤbertrefflichkeit (καθ᾽ἐξοχὴν,) nennen les sages femmes. Jst also aus witt/ wit/ weit worden wiß/ wis/ weis/ und aus Dod/ tod/ vod/ bod/ wod; auß witdod/ weiwod/ Weiivvoda, wie aus Gertraud/ Geritruda, aus Ehrtraud/ Ari- truda truda bey Wasero in Mithritad. Es sind aber die Weiiwoden Richter/ Pfleger und Ambtleute bey den Vngern noch heut zu Tage. Winterturn in der Schweitz/ zu latein Vitodurum genannt/ bey Clu- ver. l. 2. Antiq. Germ. f. 19. n. 30. soll von den Witdoden den Namẽ ha- ben/ und von alters genennet wordẽ seyn/ der Witdoden Turn/ Schloß oder Statt/ wie Soloturn/ Solodurum, der Soldner Turn. Beatus Rhenanus hat in seinen Teutschen Haͤndeln/ an vorbesagtem Ort/ eines solchen Witdoden Gesang/ welches er zu Freisingẽ in einem Kloster gefunden/ und/ wie er schreibt/ soll gemacht seyn worden 485. Jahre/ nach unsers Seligmachers Geburt/ als nemlich die Franken zu dem Christlichen Glauben kommen/ und das Evangelium in Teut- sche Reimen zu uͤbersetzen angefangen. Die Vorrede lautet von Wort zu wort also: Nu vvil ich scriban unser Heil, Evangeliano deil, so Wir nu hiar bigunnon In Frenkisga Zungen. Hiar hores jozi guate, Waz Gott imo gebiete. thaz vvir imo hier sungen, in Frenkisga Zungen. Nu freuues sihes alle, So vverso vvola vvolle, Joh vver si hold in muate Francono thute. Nun will ich schreiben unser Heil/ Des Evangelions ein Theil/ so wir nun hier beginnen in (oder mit) Fraͤnkischer Zungen. hier hoͤret jetzt fleissig/ was Gott euch gebietet/ das wir euch hier singen in Fraͤnkischer Zungen. Nun freuen sich alle/ oder jeder der versen wol wil (der ein Liebhaber der Poeterey ist/) ja/ wer jhnen hold seyn muß auß Fraͤnkischen (oder freyen) Muht. Vnd bald hernach redet er also von den Teutschen: si sint so sama kuani selpso thio Romani. Nu darf man thaz ouch redina thaz Kriachi nith es vvidaron. Sie sind so samtlich kuͤhn/ wie die Roͤmer selbsten: Nun darf man das auch reden/ daß der Griech nicht darwider ist. Nachdem aber unter Keiser Karln den Grossen das Christen- thum zugenommen/ hat er solche Gedichte samlen lassen/ Avent. l. 4. f. 253. f. 253. n. 30. welche damals mit Laͤteinischen Buchstaben sehr undeut- lich/ oder schwach und unverstaͤndig/ wie Stumpf in der Schweitzer Chronica l. 4. c. 31. meldet/ geschrieben worden. Scudi in descript. Rhetiæ c. 36. sagt: Antiqua \& prima Germanorum Scriptura jam vix potest intelligi, non quod lingua ipsa adeo sit mutata: Sed quod majores nostri, qui primùm linguam Germanicam scribere tentaverunt, ægré \& eum magnâ difficultate potuerint quasdam voces \& perplexas syllabas literis comprehendere, quæ veram \& genuinam exprimerent prolationem, pro cujus- vis dialectu utapud Græcos variantem. Duritiem hancmollia Gallorum labia mitigare conantia paulatim ea ita corruperunt, ut vix acne vix quidem pro Teutonicis hodie recognosci pos- sint, quæ verè talia ab initio fuerunt \&c. Daß also kein Wunder ist/ wann man sich wegen der Rechtschreibung/ (Orthographia,) wel- che kein wesentliches Stuck der Sprache heist/ nicht vergleichen kan. Nach oftbesagtem Wort Witdod (Philosophus,) kan man sagen Wortdod (Philologus,) Witdodschaft (Philosophia) wie man sagt Wissenschaft/ Bruͤderschaft/ Gesellschaft und dergleichẽ: Wort- dodschaft: (Philologia) Aber dieser Woͤrter Angenemhaltung stehet bey kuͤnfftig beliebtem Gebrauch. Zum Beschluß wollen wir hier anfuͤgen die Keiserliche Rede Karls deß Grossen/ mit welchen er die jungen vom Adel in der Schulen ange- sprochẽ/ und zu lesen ist bey Goldast. Consil. Imperial. f. 149. Vos, sag te er/ macti virtute estorefilioli pientissimi, qui nostro imperio gnaviter defuncti estis. Vestra erunt Sacerdotia locupletissima. Ego vos in Aulam adsciscam; ex vobis Senatores cooptabo; vos in album Prætorum adlegam. Atvos comatuli \& delica- tuli, freti opibus \& splendore Parentum, Nostram Majestatem spernitis, dum otia, luxum, \& inertiam bonis literis virtuti- busq́; præfertis. Jubeo, \& Deum immortalem testor, nihil penitus vobis commodi, honoris, \& ne obulus quidem ab Im- peratore vestro expectandus. Faxim, ut omnibusmortali- bus ludibrio vivatis. ENDE.