Zoologische Briefe. Naturgeschichte der lebenden und untergegangenen Thiere, für Lehrer, höhere Schulen und Gebildete aller Stände, von Carl Vogt . Mit vielen Abbildungen . Erster Band. Frankfurt a. M. Literarische Anstalt . (J. Rütten.) 1851. Druck von C. Krebs-Schmitt. in Frankfurt a. M. Einleitung. E in ungemeiner Reichthum lebender Wesen drängt sich dem Blicke eines Jeden entgegen, der die Augen auf die ihn umgebende Natur lenkt. In allen Elementen, in der Luft, auf und in der Erde, in allen Tiefen des Wassers lebt und webt es in den mannigfachsten Gestalten. Schwärme von Insekten und Vögeln erheben sich auf leichten Flügeln, während andere Thiere, durch ihre Organisation an den Boden ge- fesselt, auf diesem nach Nahrung umherschweifen, oder selbst unter der Oberfläche Wohnung und Unterhalt suchen. Jeder Baum, jeder Strauch beherbergt seine eigenthümlichen Gäste, jede Erdscholle dient belebten Thierwesen als Aufenthaltsort. Die süßen und salzigen Gewässer sind erfüllt mit schwimmenden Thieren, mit Fischen, Krustern, Weichthieren, Infusorien, ihr Boden überzogen von Polypen, Strahlthieren und anderen Organismen, die ein selbstständiges Leben führen. Wie hoch der Mensch sich auch erheben mag an den Gehängen der Gebirge, wie tief er auch sein forschendes Senkblei in den Ocean versenken mag, überall findet er Spuren schaffenden Thierlebens, überall sieht er sich von be- lebten Formen umgeben, deren Mannigfaltigkeit seine Bewunderung erregt. Nicht minder groß ist der Wechsel, welchen der Beobachter beim Durchmessen größerer Entfernungen auf der Erdoberfläche wahr- nimmt. Der Bewohner der Polargegenden findet bei uns eine durch- aus veränderte Thierwelt, er sieht keine Robben, die zu Hunderten in dem Strahle einer kärglichen Sonne schlafen, keine Alke und Fett- gänse, die in unzähligen Schwärmen an den Felsenufern seiner Eis- meere nisten. Der weiße Bär, der blaue Fuchs, die ungeschlachten Walthiere haben ihn verlassen, statt des Elenns’ und des Renns, sieht er Hirsche und Rehe in unsern Wäldern, Schwärme von Sing- vögeln und Tauben auf unsern Feldern, andere Fische, andere Muscheln in unsern Flüssen und Meeren. Nicht minder erstaunt der Bewohner unserer Zone bei dem Anblicke jener tropischen Gegenden, die wieder 1* ganz andere Thiere in noch weit größerer Mannigfaltigkeit ihm ent- gegen tragen und durch die seltsamen Gestalten, deren oft riesenmäßige Größe und schimmernde Farbenpracht die Eindrücke wiederholen, welche die Ueppigkeit der tropischen Pflanzenwelt dem Nordländer übermächtig aufdrängt. Es ist natürlich, daß diese außerordentliche Mannigfaltigkeit der thierischen Wesen, welche den Erdball überall schmückt und belebt, von Anbeginn an die Aufmerksamkeit der Menschen erregen, ihre Wißbe- gierde stacheln mußte. Zuerst fesselte das Ungeheuerliche, das Bizarre, das Gewaltige ihren Geist und entzündete die Phantasie zu oft son- derbaren Uebertreibungen. Die Leichtgläubigkeit der Menschen war zu allen Zeiten dieselbe, und nicht selten wurde das Wahre als un- wahrscheinlich verworfen, und das offenbar Falsche als wahrscheinlich angenommen. Je mehr sich aber die Beziehungen zwischen den einzel- nen Völkerfamilien mehrten; je weiter der Unternehmungsgeist Ein- zelner oder ganzer Nationen nach entfernten Gegenden hin sich aus- breitete, desto mehr wurde auch die Wißbegierde angespornt, die Thier- welt jener Gegenden kennen zu lernen und mit derjenigen des Vater- landes zu vergleichen. Da es eine tiefbegründete Eigenschaft der menschlichen Forschung ist, bei unbekannten Dingen zuerst die Aehn- lichkeit mit bekannten Dingen aufzusuchen und später erst auf die Unter- schiede aufmerksam zu werden, so sehen wir auch bei den älteren Völ- kern, daß sie gänzlich verschiedenen Thieren die Namen von solchen Geschöpfen geben, die ihnen näher bekannt waren, und daß sie die Unterschiede derselben oft nur in unbedeutenden Merkmalen suchen. Mit der Zeit erweitern sich die Kenntnisse; die Aufmerksamkeit, die früher nur von dem Wunderbaren gefesselt wurde, steigt zu scheinbar unbedeutenderen Gegenständen herab, die Wißbegierde begnügt sich nicht mehr mit dem, was sie zufällig findet, sie sucht mit Bewußtsein auf und gibt sich ganz ihrem Zwecke hin. Mühselige Reisen werden unternommen, Beschwerden aller Art ertragen, um nicht nur die Sit- ten und Gebräuche fremder Menschen, sondern auch die fremder Thiere kennen zu lernen. In dem ungemein reichen Material, welches man aus allen Ecken der Erde zusammenschleppt, verliert sich der Ueberblick. Man beginnt deßhalb zu sichten und zu ordnen; man stellt Aehnliches zusammen, trennt das Unähnliche von einander, oft nur nach äußern Merkmalen, die Jeder so wählt, wie sie ihm am besten zusagen. Bald genügt die äußere Gestaltung nicht mehr; man will tiefer in das Innere dringen; man will wissen auf welche Art ein abweichend gestaltetes Thier seine Nahrung sich verschaffen, sein Leben fristen könne. Man untersucht die Structur der Organe, welche diesen wunderbaren Thierleib zusammensetzen; man vergleicht die gefundene Organisation mit derjenigen der bekannteren Thiere, man entdeckt innere Merkmale, welche geeignet erscheinen, die mannichfaltigen Formen unter gemeinschaftliche Gesichtspunkte unterzuordnen. Die natürlichen Hilfs- mittel des menschlichen Körpers genügen zur Forschung nicht mehr; man schärft die Sehkraft der Augen durch Lupen und Mikroskope und steht erstaunt vor einer neuen Welt, deren Kleinheit sie bisher dem Auge entzog. Unermüdlich und rastlos dringt man weiter auf den ge- öffneten Wegen, hier suchend und forschend, dort ordnend und ein- reihend. Von dem kleinsten Thiere will man wissen, wie es entstehe, lebe, sich fortpflanze und zu Grunde gehe; jedes bekannte Geschöpf will man neben seinen Nachbarn und natürlichen Verwandten einreihen in das Register, welches nach streng gesetzmäßigen Normen die Namen und deren Bedeutung aufnimmt. Ein neues Feld eröffnet sich. In den Tiefen der Erde, in den Schichten der Felsen hat man eine Menge von versteinerten Körpern gefunden, deren Aehnlichkeit mit Schnecken und Muscheln, mit Knochen und Gehäusen sie anfänglich für Naturspiele halten läßt, bis man entdeckt, daß die Reste untergegangener Schöpfungen hier der zerstörenden Kraft von Jahrtausenden entgangen sind und daß es nur der genauen Untersuchung der jetzt lebenden Thiere bedarf, um diese längst vernichteten Geschöpfe vor unserm geistigen Auge wieder erstehen zu lassen und sie ihren Verwandten näher zu bringen. Wir sind an der Aufgabe der heutigen zoologischen Wissenschaft angelangt. Sie soll uns die unendliche Mannichfaltigkeit der thieri- schen Formen, welche den Erdball jetzt bevölkern und früher bewohn- ten, vor die Augen führen; nicht in einem ungeordneten Haufen, aus dem nur hie und da eine auffallende Gestalt hervorsieht, sondern wie ein wohlgeordnetes Heer, dessen einzelne Waffengattungen in be- stimmter und geschlossener Reihe vorüberziehen, so daß die Eigenthüm- lichkeiten eines jeden Gliedes bemerkt, kritisch untersucht und gewürdigt werden können; sie soll uns zeigen, wie diese verschiedenen Gruppen in ihrem Junern gestaltet, wie diese Organismen beschaffen sind und in wel- chem Verhältniß diese Beschaffenheit zu derjenigen anderer Gruppen steht; sie soll uns die Geschichte eines jeden klar machen, von seiner ersten Entstehung an bis zu seiner Auflösung in die Elemente; sie soll end- lich die Gräber aufdecken und zeigen, welche Verwandte, welche Ah- nen in unendlichen Generationsfolgen in den Schichten der Erde begra- ben liegen. Es ist wahrlich nicht die trockene Aufzählung der Thiere und ihrer äußern Merkmale, welche das letzte Ziel der zoologischen Wissen- schaft bildet! Diese soll vielmehr ein Bild geben vonder Art und Weise, wie das Leben in den verschiedenen Organismen sich gestaltet und wie es von den unscheinbarsten Anfängen in mannichfaltige Blüthen- zweige ausstrahlt, um in der Krone aller Geschöpfe, dem Menschen, seinen jetzigen Endpunkt zu finden. Die Zoologie begnügt sich nicht mehr mit jenen Kenntnissen, welche die systematische Zoologie bilden, sie bleibt nicht mehr bei Haaren und Zähnen, Klauen und Federn, Beinen und Kiemen stehen, zufrieden Kennzeichen entdeckt zu haben, welche die Einreihung in das System möglich machen; sie verlangt von der vergleichenden Anatomie die Zerlegung des Thierleibes, die Kenntniß der einzelnen Organe und ihrer feinern Structur; von der vergleichenden Physiologie die Ergründung der Func- tionen, welche diese Organe ausüben und der Art und Weise, wie diese verschiedenen Functionen zu einem Ganzen zu der Erhaltung des Lebens zusammenwirken; sie will durch die vergleichende Ent- wickelungsgeschichte erfahren, welche Reihen von Umwandlungen jedes Thier durchlaufen muß, welche verschiedene Formen es nachein- ander annimmt, bis es das Ziel seines Lebens erreicht hat; die Palä- ontologie oder Versteinerungskunde endlich soll ebenfalls ihren Tribut bringen, indem sie aus den versteinerten Resten ausgestorbener Thiergeschlechter die Gestalten zusammensetzt, welche früher die Ober- fläche der Erde bevölkerten. Wenn so die Zoologie nach allen Rich- tungen hin die einzelnen Theile ihres Gebietes kennen gelernt hat, so fragt sie nach den Gesetzen, welche die Vertheilung der thierischen Organismen über die ganze Erde regeln; sie sucht die Wohnbezirke zu umgränzen, welche jeder einzelnen Art eigenthümlich sind und er- fährt durch die zoologische Geographie , welche Bedingungen des Klimas, des Bodens u. s. w. erfüllt werden müssen, um dieser oder jener Art das Leben möglich zu machen. Ich mache in den nachfolgenden Blättern den Versuch, dieses außerordentlich weitschichtige Gebiet mit meinen Lesern zu durchstreifen. Schon aus dem Umfange der Arbeit ergibt sich, daß es unmöglich wäre, auf das Einzelne einzugehen. Nur die größern und größten Gruppen können genauer in das Auge gefaßt und ihrem Wesen nach verständlich gemacht werden. Der Leser wird mit diesem Buche in der Hand nicht diesen oder jenen Käfer bestimmen und den ihm von den Zoologen gegebenen Namen auffinden können; — kaum wird es ihm möglich sein, seine Schmetterlings- oder Muschelsammlung einiger- maßen darnach zu ordnen und in die systematischen Gruppen zu ver- theilen. Das Ziel, das ich mir gesteckt habe, ist ein anderes; ich hoffe der Leser soll, nachdem er dieses Buch aufmerksam gelesen und sich mitseinem Inhalte vertraut gemacht hat, wissen, was ein Insekt, eine Qualle, ein Fisch, ein Säugethier ist, wie die Lebensverrichtungen der Thiere zu Stande kommen, auf welche Weise sie sich von andern Thieren unterscheiden und welche Stelle sie in dem Bilde einnehmen, welches die Thierwelt vor uns aufrollt. Die Wiedergabe eines solchen unermeßlichen Bildes in so kleinem Rahmen, wie der unsrige, kann nur in ähnlicher Weise erreicht werden, wie bei einem Landschafts- bilde, wo die einzelnen Blätter und Grashalme, Steinchen und Was- sertropfen verschwinden, aber Wald und Wiese, Fluß und Hügel, Berg und Thal dem Beschauer dennoch aus gewisser Ferne entgegen treten. Wenn jemals, so darf ich sagen, daß ich mit Lust und Liebe an diesem Bilde gemalt habe, das mir in seinen ersten Umrissen schon vorschwebte, als ich das Gebiet der Wissenschaft betrat und dessen einzelne Parthieen ich stets durch eigene Beobachtung und das Stu- dium Anderer zu vervollkommnen gesucht habe. Nach dem traurigen Mißlingen der deutschen Revolution, die sich hoffentlich bald wieder glänzender aus ihrer Asche erheben wird, kann ich einem Ministerium des liberalsten Sinnes nur dankbar sein, wenn es mich für unwürdig erklärt, der zum Dienste eines christlich-germanischen Duodez-Staates be- stimmten studirenden Jugend Naturgeschichte vorzutragen, und der fort- schreitenden Reaction darf ich zutrauen, daß sie durch stete Verschlimme- rung der unleidlichen Zustände Deutschlands nicht den Wunsch in mir aufkommen läßt, während der Ausarbeitung meines Werkes die freie Luft der Schweiz mit der Schwüle meines Geburtslandes zu vertauschen. Ich bin dadurch in den Stand gesetzt, einen Lieblingsgedanken auszu- führen, den ich seit langer Zeit hegte. Zweck und Plan des Buches habe ich schon angedeutet. Ich wollte, so viel an mir, den Grundplan verständlich machen, nach welchem das Thierreich in seinen verschiedenen Richtungen sich darstellt und in früheren Perioden der Geschichte unseres Erdballs ausgebildet hat. Die einseitige Kenntniß der lebenden Thiere würde hierzu nicht ge- nügt haben — der innere Zusammenhang der einzelnen Gruppen, die Verbindung so mancher, scheinbar isolirt stehender Typen wird erst ersichtlich, wenn auch die früheren Bewohner unseres Planeten in Be- rücksichtigung gezogen werden. Jede Naturgeschichte des Thierreiches, welche nur die lebende Schöpfung zusammenfaßt, bleibt Flickwerk. — Ich habe demnach die fossilen Thierreste, die Versteinerungen in dem- selben Umfange und mit derselben Gleichberechtigung behandelt, wie die lebenden Thiere. Die Entwicklung der einzelnen Typen des Thierreiches kann nicht aus den äußeren Formen, nicht aus den dürftigen Notizen über den inneren Bau, die man in den meisten Schulbüchern oder populären Naturgeschichten findet, noch weniger aus den stets wiedergekäuten amüsanten Histörchen alter und neuer Scharteken erkannt werden. Das Leben der Thiere kennt für alle Erscheinungen die es bietet, nur zwei große Triebfedern, welche alle Kräfte und Fähigkeiten in Bewe- gung setzen, die Erhaltung des Individuums und die Erhaltung der Art — Ernährung und Fortpflanzung. Beide Seiten des Thierlebens forderten gleiche Sorgfalt der Behandlung. Es war unvermeidlich, bei Besprechung der letzteren Seite auf manche Organe und Functionen einzugehen, welche eine, meines Erachtens höchst übel angebrachte Prü- derie aus den meisten Lehrbüchern der Naturgeschichte verbannt hat. Die unbefangene, einfache Behandlung dieser Verhältnisse scheint mir zweckmäßiger, als die reizende, geflissentliche Verhüllung. Bei dem heutigen Stande der Wissenschaft, welche den Bau ihres Systemes, die Erkenntniß der Verwandtschaft zwischen den einzelnen Gruppen und Typen wesentlich auf die Entstehungsgeschichte der Thiere im Ei, von dem ersten Augenblicke ihres Keimens an, und auf die Verwand- lungen, welche sie im Leben erleiden, stützt, ist es unmöglich, eine klare Einsicht in die Thierwelt zu verschaffen, wenn man diese Entstehungs- geschichte zur Seite läßt. — Ich habe also die Zeugungs- und Ent- wicklungsgeschichte der Thiere, die vergleichende Embryologie, über die man sonst nur spärliche Notizen findet, mit besonderer Aufmerk- samkeit behandelt. Zur Versinnlichung des Abgehandelten waren Figuren nothwen- dig. Der Leser wird der Verlagshandlung dankbar sein können für die reiche Ausstattung, welche sie gewährte. Dieselbe würde noch voll- ständiger in Beziehung auf die Versteinerungen geworden sein, wenn ein anderer Buchhändler, in dessen freundschaftliche Beziehungen zu mir die politischen Ueberzeugungen störend eingegriffen zu haben schei- nen, nicht stillschweigend die Mittheilung der Holzschnitte eines meiner eigenen Werke versagt hätte, zu welchen ich selbst vor mehren Jah- ren die Zeichnungen gefertigt hatte. Bern am 1. September 1850. Erster Brief. Frühere und jetzige Bestrebungen. D ie naturwissenschaftlichen Kenntnisse des ganzen Alterthums, so wie eines großen Theiles des Mittelalters finden in dem einzigen großen Naturforscher Griechenlands, in Aristoteles , ihren gemeinsamen Sammelpunkt. Der Vater der Naturgeschichte faßte Alles zusammen, was von früher erbeuteten Kenntnissen ihm vorlag, fügte einen unge- meinen Reichthum höchst genauer und oft erst in der spätern Zeit be- stätigter Beobachtungen hinzu und wurde für die Scholastiker des Mittelalters sowohl, wie für die geistlosen, alles wissenschaftlichen Sin- nes entbehrenden Römer, gleichsam der Codex, zu welchem die Glossen- fabrikanten jener trostlosen Perioden Erläuterungen und Anmerkungen fertigten. Aristoteles trug zuerst das Scalpell in den Körper der Thiere; er untersuchte ihren Bau und faßte sie zuweilen nach gewissen Aehnlichkeiten zusammen, die meistens von der innern Organisation hergenommen sind. Einen großen Werth legte Aristoteles auf die Er- zeugungs- und Fortpflanzungsweise der Thiere und gar manche cha- rakteristische Eigenthümlichkeiten, die er in dieser Hinsicht besonders von Seethieren anführt, erhielten erst in der neuesten Zeit ihre voll- kommene Bestätigung. Die Beschreibung der äußeren Charaktere bleibt ihm nur Nebensache; er bedient sich der allgemein angenommenen Na- men in der Voraussetzung, daß dieselben allgemein verständlich seien und fügt nur dann einige hervorstechende Merkmale kurz an, wenn er Mißverständnisse vermeiden oder größere Gruppen bezeichnen will. Die große und einfache Naturanschauung der Griechen weht durch dieses Werk, ein Erzeugniß außerordentlichen Fleißes und jahrelanger Anstrengungen. Keine läppischen Untersuchungen über den Zweck, welchen ein fingirter Schöpfer mit diesem oder jenem Thiere oder gar Thier- theile habe erreichen wollen, sondern eine einfache, nüchterne Darstellung der Thatsachen und der aus ihnen hervorgehenden Schlüsse. Aber auch kein systematisch trockenes Gebäude, in welches die Beobachtungen oft mit Zwang und indem man ihnen Gewalt anthut, eingereiht werden; son- dern nur hie und da Andeutungen von Abgränzungen, welche für die Betrachtung dieses oder jenes Organes bei bestimmten Gruppen von Wichtigkeit erscheinen. Die Hülfsquellen, welche diesem außerordent- lichen Manne durch seinen Schüler, Alexander den Großen von Ma- cedonien, zu Gebote gestellt wurden, sollen ungemein gewesen sein; indeß beruhen doch die wesentlichsten Thatsachen, die Aristoteles anführt, auf dem kleinen Kreise des griechischen Archipelagus und der Küsten, welche den östlichen Theil des Mittelmeeres begränzen. Wir können füglich eine lange Periode überschreiten, in welcher abstrakte philosophische Theorieen, kritiklose Compilationen oder trockene scholastische Uebungen das Wesen der Naturwissenschaften bildeten. Die ganze lange Zeit, welche sich von dem Verfall des griechischen Alterthums durch das Mittelalter hinzieht, zeigt keinen Mann und kein Werk auf, das nur des Erwähnens werth wäre. Die fortschreitende Ausbreitung des Christen- thums tödtete, wie jede andere Wissenschaft, so auch vor Allem die Na- turlehre, welche ihm nothwendig feindlich gegenübertreten mußte. Erst in der zweiten Hälfte des 16ten Jahrhunderts, wo der freie Gedanke sich wieder Bahn zu brechen begann, erscheinen Männer, welche selbst- ständig zu beobachten und die Beobachtungen ihrer Zeitgenossen über- sichtlich zu ordnen verstehen. Die Periode der Wiedergeburt beginnt zum Theil mit naiven Menschen, welche eine reine Liebe zur Natur und deren Wundern besitzen und zwar nicht ganz frei von Vorurtheilen, mit einer gewissen religiösen kindlichen Andacht, den Zeitgenossen die Resultate ihrer Studien mittheilten. Die menschliche Anatomie bahnte die Wege, während zugleich Männer wie Geßner, Aldrovandi das ganze Gebiet der Thierwelt zu umfassen strebten. Die wissenschaft- lich strenge Methode, welche zuerst in der Astronomie angewandt wurde, wird allmählig in die Naturgeschichte übertragen. Mit unglaublicher Geduld und scharfsinniger Geschicklichkeit zerlegt Swammerdamm die kleinsten Insekten und weist ihre Verwandlungen und Metamorphosen nach, während kurz darauf ein ordnender, intelligenter Geist, Ray, dem Vater der heutigen Zoologie, Linn é , die Wege bahnt. So man- nichfachen Reiz auch diese Periode der Vorbereitung haben mag, indem hier namentlich beobachtet werden kann, wie nur langsam die voran- strebenden Geister die Fesseln brechen können, welche religiöser Aber- witz und scholastische Spitzfindigkeit Jahrhunderte hindurch geschmiedet haben, so finden wir doch hier nur geringe Ausbeute, da die spätere Zeit die Früchte der Kämpfe aufnahm und nützte, während sie das ver- altete Kriegsmaterial als unbrauchbar verwarf. Der außerordentliche Einfluß, welchen Linn é , der im Beginne des achtzehnten Jahrhunderts geboren wurde, als Gesetzgeber der zoo- logischen Wissenschaft ausübte, beruht weniger auf der von ihm ein- geführten Classification und dem Werthe der einzelnen Abtheilungen, die er darin festsetzte und die durch die späteren Forschungen mannig- fach abgeändert wurden, als vielmehr auf dem streng logisch durchge- führten Systeme der Benennung und Eintheilung, welches er zuerst aufstellte und das seither unverändert geblieben ist. Die einfachen Namen, welche der gewöhnliche Sprachgebrauch für die ihm bekannten Thiere wählt und die bisher von den Naturforschern ebenfalls benutzt worden waren, genügten für eine systematische Zusammenstellung nicht, welche das Aehnliche nähern, das Unähnliche entfernen wollte. Jeder- mann weiß, daß der Hund und der Wolf, die Katze und der Tiger, der Esel und das Pferd eine bedeutende Summe von Merkmalen mit- einander gemein haben und Aehnlichkeiten besitzen, welche sich durch die gebräuchlichen Namen nicht errathen lassen. Linn é führte also die doppelte Namengebung, das System der binären Nomenclatur , ein; ganz in ähnlicher Weise wie mit zunehmender Civilisation auch unter den menschlichen Völkern der doppelte Name Regel ward. So wie wir das Individuum durch seinen Taufnamen unterscheiden, wäh- rend wir durch den Familiennamen die Herkunft desselben bezeichnen, so bezeichnet Linn é gewissermaßen durch einen Taufnamen, der meistens von einem hervorstechenden äußern Merkmal hergenommen ist, die Art, und durch einen vorgesetzten Namen die Beziehungen dieser Art zu ver- wandten Thieren, welche mit ihm eine Gattung (Genus) bilden. So heißen ihm alle hundeartigen Thiere Canis, alle katzenartigen Felis, alle pferdeartigen Equus; der Haushund erhält einen Beinamen: fa- miliaris, der Wolf einen andern: lupus; die Katze heißt: Felis catus, der Tiger: Felis tigris; das Pferd: Equus caballus, der Esel: Equus asinus. Die Individuen verschwinden für den Zoologen und wenn es auch eine Wahrheit ist, daß das ganze Thierreich nur aus einzelnen Individuen zusammengesetzt ist, so lehrt doch schon der natürliche Ver- stand, daß wir alle diejenigen Individuen, welche einander bis auf einen gewissen Grad ähnlich sind, in unsern Bezeichnungen zusammen fassen. Der Name Wolf z. B. ist schon gewissermaßen eine Abstrak- tion, unter welcher wir alle diejenigen Thiere vereinigen, welche die eigenthümliche Farbe, Behaarung, Gebiß, Fußbildung, kurz alle jene charakteristischen Kennzeichen des Wolfes gemeinsam haben — Kennzeichen, die so sehr in die Augen fallen, daß selbst ein Kind, welches einmal einen Wolf gesehen hat, ein anderes Individuum unmittelbar wieder als Wolf wiedererkennen wird. Eine weitere Abstraktion ist diejenige, welche auf den Linn é ’schen Genus- oder Gattungsnamen führt. Die Vergleichung des Esels und Pferdes z. B. bietet bei großen Ver- schiedenheiten in der Behaarung, in der Gestalt des Körpers, der Ohren, des Schwanzes, eine außerordentliche Summe verschiedener Merkmale dar, welche auf das Engste mit einander übereinstimmen, wie z. B. die Gestalt und Bildung der Hufe, der Zähne u. s. w., so daß sich eine Verwandtschaft herausstellt, die ebenfalls Jeder auf den ersten Blick fühlt, eine Verwandtschaft, welche von Linn é in dem erstgenannten Gattungsnamen ihren Ausdruck erhielt. Mit dieser so einfachen und so bequemen Benennungsweise ver- einigten die Linn é ’schen Arbeiten einen Grad von Genauigkeit, Klar- heit und Kürze in der Aufzählung der charakteristischen Kennzeichen der Thiere, der von keinem seiner Nachfolger erreicht wurde. Er verglich die Beobachtungen seiner Vorgänger, stellte größere Gruppen auf, die er scharf nach äußern und innern Merkmalen schied und ent- wickelte eine ungemeine Thätigkeit, sowohl selbst als auch namentlich durch seine Schüler, welche sich über die ganze damals bekannte Erde zerstreuten und ihrem Meister Materialien zur Vervollständigung seines Systems sammelten. Trotz des Einspruches, den namentlich Buffon von Anfang an gegen die classificirende Methode Linn é ’s erhob, wur- den dennoch die einfachen Grundsätze des schwedischen Naturforschers bald so allgemeine Regel, daß Jeder, der gelesen und verstanden sein wollte, sich der Linn é ’schen Sprache bedienen mußte. Die Bezeichnungs- art, welche er einführte, ist in der That bis auf heute geblieben und kann um so weniger geändert werden, als sie das alleinige Mittel bleibt, die Forscher verschiedener Länder in Uebereinstimmung zu bringen. Während mit Linn é und von ihm aus sich eine Schule der Systema- tiker entwickelte, welche oft in dürren Formelkram versank und ihre Wißbegierde vollkommen befriedigt fühlte, wenn sie ein neu bekannt gewordenes Thier in den Katalog registrirt hatte, bildeten sich auf der andern Seite einige Männer hervor, welche besonders auf das Leben und Verhalten der kleinern Thiere ihre Aufmerksamkeit richteten und mit unendlicher Geduld die Sitten und den Haushalt derselben studirten. R é aumur, Rösel, de Geer etc. beschäftigten sich besonders mit diesen zeitraubenden Beobachtungen und lieferten dadurch den Sy- stematikern vortreffliche Grundlagen zu späterer Verbesserung ihrer Gebäude und Fachwerke. Auch eine aristokratische Richtung der Wissenschaft sollte in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nicht fehlen. Buffon war ein abgesagter Feind jeder Classisication; er sah geringschätzig herab auf die plebejischen Mühen von R é aumur und Andern, welche mit so gemeinem Zeuge wie Mücken und Schmetterlingen ihre Zeit füllten. Durch fein geglättete und pomphafte Beschreibungen suchte der Herr Graf unter der Aristokratie einen gewissen nobeln Dilettantismus zu wecken, der in der That die besten Früchte für die Vermehrung der Pariser Sammlungen brachte. In magnifiquen, hochtönenden Phra- sen beschrieb Buffon die höhern Thiere, Säugethiere und Vögel, ihre Sitten und Haushalt, ohne Ordnung, ohne inneren Zusammenhang, je nachdem ihm dieser oder jener Stoff geeigneter schien, seinen Styl daran glänzen zu lassen. Er gehört jetzt nur noch der Literatur-Ge- schichte als französischer Schriftsteller an und ihm ist es hauptsächlich zuzuschreiben, wenn die hauptsächlichsten Bestrebungen jener Zeit sich mehr auf die höhern und brillanten Classen, auf die Säugethiere und Vögel einerseits und die Insekten andererseits lenkte. So darf es denn auch nicht wundern, wenn diese Classen vorzüglich in ihrer Bearbei- tung vorschritten und die damals angenommenen Systeme sich den jetzigen sehr näherten, während die übrigen Classen, besonders die Weichthiere und die Meeresbewohner fast nur als Ballast nachgeführt wurden. Während für Linn é das System und dessen methodische Anord- nung nur ein Mittel gewesen war, so wurde es seinen oft geistlosen Nachfolgern meist Zweck, und ihre Classificationen, statt die Gesammt- organisation der Thiere im Auge zu behalten, klammerten sich oft ängstlich an untergeordnete äußere Merkmale an. Ein trockenes For- melwesen breitete sich immer mehr und mehr in der Wissenschaft aus und drängte das frische Leben zurück, welches unter Linn é ’s Anregung das System durchströmt hatte. Der Zopf welcher vor der französi- schen Revolution im politischen Leben herrschte, wuchs auch in der Wissenschaft riesengroß, und es drohte eine Zeit der Verödung, die glücklicher Weise durch den erfrischenden Hauch der französischen Re- volution überwunden wurde. Die französische Revolution, die alle Geister so mächtig erschütterte und überall neue Bahnen eröffnete, brachte auch neue Richtungen in der zoologischen Wissenschaft hervor. Cuvier hatte die Lücken ent- deckt, welche die Naturgeschichte der Thiere bot, und indem er während einer langen Reihe von Jahren besonders die Anatomie der vernach- lässigten Classen förderte, stellte er neue Grundlagen für die Classifi- cation der gesammten Thierschöpfung her. Die vergleichende Anatomie als Grundlage der Zoologie wurde jetzt in allen Ländern mit außer- ordentlichem Eifer betrieben. Man besuchte die Seeküsten, um den Bau der Organismen des Meeres in frischem Zustande zu untersuchen, und je tiefer man in die Organisation dieser niederen Thiere eindrang, desto überraschendere Ergebnisse hatte man zu berichten. Während so die Kenntniß der niedern Thiere rasch gefördert wurde, bahnte Cuvier zugleich einen neuen Weg durch Untersuchung der Knochenreste, welche die Schichten der Erde einschließen. Durch die genauesten Vergleichun- gen der einzelnen Fragmente mit den Skeletten jetzt lebender Thiere, gelang es ihm die vorweltlichen Säugethiere und Reptilien meist in ihren wahren Formen wieder herzustellen, ihre Beziehungen zu der jetzigen Schöpfung aufzuklären und hierdurch den wichtigsten Einfluß auf ein strenges und nachhaltiges Studium der Thatsachen zu üben. Umfassende und genaue Beobachtung des Baues der Thiere bis in seine größten Einzelnheiten und seine letzten Gestaltungseigenthümlich- keiten, kritische Lichtung und Vergleichung der Arbeiten der Vorgänger und unmittelbares Festhalten an den beobachteten Thatsachen, waren wesentliche Eigenthümlichkeiten der Cuvier’schen Richtung. Cuvier selbst war ein streng methodischer, aber knapper Geist, der niemals den Boden der Thatsachen verließ, durch keine Spekulation die Lücken der Beobachtung zu ersetzen suchte, wohl aber ein reiches Material mit vieler Klarheit zu ordnen und zu beherrschen wußte. Es war natürlich, daß neben der Richtung Cuvier’s, die sich durch das strenge Festhalten an den Thatsachen auszeichnete, eine mehr idealistische Schule sich entwickelte, welche die Thiere nicht nach Merk- malen, sondern nach den Prinzipien ordnen wollte, in deren Befol- gung die Natur die thierischen O rganismen überhaupt hervorgebracht hätte. Begreiflicherweise trugen die Natur-Philosophen diese Prin- zipien von sich aus in die Natur hinein, anstatt sie aus den Thatsachen hervorgehen zu lassen, welche nur Nebensache, gleichsam nur Verbrämung des philosophischen Fachwerkes waren, nach welchen sie sich die Natur zuschnitten. D ie beiden so gänzlich in sich verschie- denen Tendenzen stießen bald mit äußerster Heftigkeit aufeinander, und während die Schlachtfelder Europa’s vom Donner der Geschütze wider- hallten, war ein nicht minder heftiger Streit zwischen den beiden wissenschaftlichen Heeren entbrannt, an deren Spitze einerseits Cuvier, Meckel, Rudolphi und Tiedemann, andererseits Geoffroy St. Hilaire, Schelling und Oken fochten. Wie jeder Kampf, so förderte auch dieser ungemein dadurch, daß die Gegner von beiden Seiten soviel Material als möglich herbeischafften, um ihre Widersacher zu vernichten, und daß die gegenseitige Kritik die Beobachtungen sichtete und ihren that- sächlichen Werth feststellte. Wir sind mit diesem Kampfe in die neuere Zeit hinübergetreten. Die letzten Nachklänge desselben hallen noch hie und da wieder; ver- einzelt trifft man noch zuweilen Ruinen aus der naturphilosophischen Schule, welche die Natur in die engen Schranken ihres Kopfes zwän- gen möchten. Die thatsächliche Richtung hat offenbar den Sieg davon- getragen und es ist nicht zu läugnen, daß die wesentlichsten Fortschritte der Wissenschaft hauptsächlich auf ihr beruhen. Die Classification, das Systemmachen, obgleich noch hie und da eifrig gepflegt, steht im Hin- tergrunde; — man hat eingesehen, daß jede Classification theils nur ein Mittel ist, unsere Kenntnisse übersichtlich zu ordnen und sich in dem Labyrinthe zurecht zu finden, theils auch wieder ein Ausdruck dieser Kenntnisse, in welchem die vergleichende Beobachtung ihre Re- sultate kund gibt. Der Forscher, der neue Seiten einem beobachteten Körper abgewinnt, drückt dieselben gleichsam im Lapidarstyl durch Veränderung des Systems an der betreffenden Stelle aus, und wäh- rend so das Gebäude im Ganzen seit Cuvier’s Zeiten dasselbe geblieben ist, so dürfte kaum eine Stelle zu finden sein, die nicht mehr oder minder durchgreifend verändert worden wäre. Als Ausläufer des Kampfes zwischen der naturphilosophischen und realistischen Richtung stellt sich in der systematischen Zoologie wesentlich die verschiedenartige Tendenz der Gruppirung dar. Die Einen behaup- ten, das Thierreich bilde eine lange und ununterbrochene Reihe, nach ein- heitlichem Plane gebaut, wo immer ein Wesen vollkommener sei als das andere, so daß von den niedrigsten Infusionsthierchen bis zu dem Menschen eine Kette aus zusammenhängenden Gliedern sich fortziehe. Derselbe gemeinsame Plan der Organisation liege dem Baue aller thierischen Organismen zu Grunde, und je nach der Entwickelung der einzelnen Organe, aus welchen der Thierleib zusammengesetzt sei, könne man die Rangstufe bestimmen, auf welche jeder Organismus gestellt werden müsse. Andere behaupten, dem Baue der Thiere liegen im Gegentheil mehre verschiedene Urplane zum Grunde. Es sei zwar vollkommen richtig, daß in kleinen Gruppen, welche nach demselben Typus gebaut seien, sich auch eine Ueberordnung, eine allmählige Vervollkommnung erkennen lasse, für das Ganze sei dies aber nicht richtig, indem jeder Typus sich zu einer eigenthümlichen Stufe der Vollkommenheit erhebe und von seinem Gipfelpunkte aus kein Uebergangspunkt zu der Grund- lage des nächsten Typus stattfinde. Wir werden Gelegenheit haben die letztere Meinung noch weitläufiger auseinanderzusetzen. Wenn man früher sich wesentlich an die äußern Charaktere der Thiere gehalten hatte, selbst so sehr, daß Linn é vielen Spott erdulden mußte, als er die Ordnungen der Säugethiere auf den Bau der Zähne gründete (einer seiner Gegner warf ihm vor, Adam habe bei der Namengebung im Paradiese den Thieren das Maul nicht aufgerissen, um nach den Zähnen zu schauen); wenn dann durch Cuvier’s und seiner Nachfolger Bestrebungen die Classification hauptsächlich auf die innere Organisation, auf den Bau der Organe im erwachsenen Thiere und auf die Beziehungen der Letzteren zu einander gegründet wur- den, so bricht sich jetzt eine neue Richtung Bahn, auf deren Ent- wickelung die Revolution von 1848 vielleicht bestimmt ist einen ähn- lichen befruchtenden Einfluß zu üben, wie diejenige von 1798 auf die Cuvier’sche. Hat man doch überall bemerkt, daß durch politische Stürme die mächtigste geistige Anregung erzielt wird, die sich auf andere Gebiete, der Kunst und der Wissenschaft, des Handels und der Industrie wirft, sobald ihr dasjenige des politischen Handelns ver- schlossen wird. Die Entwickelungsgeschichte der thierischen Wesen beginnt allmäh- lig den Platz einzunehmen, welchen erst die äußern Charaktere, später die innere Organisation der erwachsenen Thiere behauptete. Wenn man schon früher gewußt hatte, daß die äußeren Umwandlungen, welche viele Thiere während ihres Wachsthums erleiden, oft in dem Maße durchgreifend seien, daß man das Thier in seinem Jugendzu- stande durchaus nicht zu erkennen vermöge (ich erinnere hier nur an die Raupe und den Schmetterling, an die Kaulquappe und den Frosch) so lehrten die umfassenden Beobachtungen der Neuzeit, daß gemeinsame Typen vorhanden seien, nach welchen sich die Embryonen aus dem Ei entwickeln und daß den Metamorphosen, welche die Thiere wäh- rend ihres Lebens erleiden, Gesetze zum Grunde liegen, welche zu- gleich für die Ausbildung der gesammten Schöpfung, wie auch für die Aufeinanderfolge der früheren Erdschöpfungen maßgebend seien. Die Entwickelungsgeschichte bestätigte es, daß verschiedene Typen der allgemeinen Organisation vorhanden seien, welche in aufsteigender Richtung sich entwickelten, und daß diese Typen unter sich keinen nähern Zusammenhang zeigten, indem die ursprünglichen Anlagen des wer- denden Thieres schon bei ihrem ersten Auftreten nichts Gemeinsames zeigten. Es gelang bei einzelnen Classen nachzuweisen, daß das voll- kommnere Thier während seiner Jugendzustände, von der Entwicklung aus dem Eie an, gewisse Stufen der Organisation durchlaufe, welche den Bildungsständen, in denen die niedern Thiere desselben Typus verhar- ren, parallel gehen, ohne jemals eine völlige Gleichstellung zu erreichen. Man kann in der That nachweisen, daß der Embryo eines Säugethieres z. B. in frühester Zeit gewisse Organisationseigenthümlichkeiten besitzt, welche nur den Fischen und auch diesen nur auf der niedrigsten Stufe zukommen; man kann nachweisen, daß die allmählige Ausbildung des jungen Säugethieres Stadien durchläuft, welche der Ausbildung der erwachsenen Amphibien entsprechen. Die Vertheidiger der ununter- brochenen Reihe in der Thierwelt haben sogar behauptet, diese Aehn- lichkeit gehe bis zur vollständigen Identität und das werdende Säuge- thier sei in seinem ersten Entwickelungszustande Infusionsthierchen, Wurm, Weichthier, Fisch u. s. w. Diese Behauptungen überschreiten die Grenzen der Wahrheit. In der Entwickelung eines jeden Thieres läßt sich von Anfang an mit Sicherheit neben dem allgemeinen Grund- plane, wonach das Thier diesem oder jenem größeren Organisationstypus angehört, die specielle Richtung sehr wohl erkennen, nach welcher hin seine Ausbildung fortschreiten wird und wenn auch der Säugethierembryo in seinen Anfängen fischähnliche Ausbildung mancher Organe zeigt, so ist doch niemals seine Gesammtorganisation derjenigen eines Fisches gleich oder ein selbstständiges Leben für ihn in diesem Zustande der Ausbildung möglich. Der Embryo des vollkommneren Thieres durch- läuft daher in seiner Entwickelung zwar Bildungsmomente, welche denjenigen der niedern Thiere desselben Typus analog sind, niemals aber ist seine vorübergehende Organisation vollkommen gleich derjenigen der niederen Thiere in ihrem erwachsenen Zustande. Noch mehr der Wahrheit entgegen ist es, wenn man, auf un- genaue Beobachtungen gestützt, behauptet, die vollkommenen Thiere durchliefen in ihrer Entwickelung Zustände, welche den erwachsenen Thieren anderer Grundtypen analog seien; — wenn man, wie die An- hänger der ununterbrochenen Stufenleiter in der Schöpfung es oft thaten, z. B. behauptet, der Vogel sei während seiner Entwickelung aus dem Eie zuerst Infusionsthierchen, dann Weichthier, dann Fisch u. s. w. Zu keiner Zeit seiner Existenz gleicht der Vogelembryo einem Insekt oder einem Weichthier, zu keiner Zeit gleicht das werdende Insekt einem Weichthiere oder einem Strahlthiere; gemeinsam ist allen nur der Typus, nach welchem das ursprüngliche Ei gebildet ist. Mit dem ersten Augenblicke der Formbildung des neuen Individuums in dem Eie tritt aber auch der Grundtypus hervor, welcher in den einzelnen Ab- theilungen des Thierreiches ausgebildet ist. Vogt, Zoologische Briefe. I. 2 Es geht schon aus dem Gesagten hervor, daß in den einzelnen Familien und Gattungen, welche die Grundtypen oder größeren Abtheilungen des Thierreiches zusammensetzen, eine allmählige Evo- lution zur höheren Vollkommenheit erkannt werden kann, deren ein- zelne Stadien auch in den verschiedenen vorübergehenden Bildungs- momenten der höher stehenden Embryonen erkannt werden können. Das Thierreich in seiner Gesammtheit betrachtet wiederholt demnach in seinen einzelnen Formen und Gestaltungen bleibend gewisse Bil- dungsmomente, welche in den Embryonen im zusammenhängenden Wechsel vor unsern Augen vorübergeführt werden, und an denjenigen Organen, an welchen die Entwickelungsgeschichte diese vorübergehenden Phasen der Bildung nachweist, läßt sich die größere oder geringere Vollkommenheit des Thieres und sein Rang in der Bildungsrichtung, der es angehört, erkennen. Wenn wir z. B. sehen, daß die Wirbel- säule des Säugethieres bei ihrem ersten Auftreten aus einem einfachen Knorpelstabe besteht, der noch keine Abtheilungen zeigt, so werden wir denjenigen Fischen, welche im erwachsenen Zustande nur einen solchen Knorpelstab besitzen, einen sehr niedrigen Platz in der Bildungsreihe der Wirbelthiere überhaupt anweisen müssen. Dasselbe Gesetz, welches wir hier für die Ausbildung der jetzt lebenden Schöpfung aufgestellt haben, findet auch auf diejenigen Thiere seine Anwendung, deren Reste in dem Schoose der Erde begraben liegen. Die Untersuchung der Gesteinsschichten, aus welchen die Rinde unserer Erde zusammengesetzt ist, weis’t nach, daß die Oberfläche unseres Erdkörpers viele Geschichtsperioden durchlaufen hat, in wel- chen unter sich verschiedene Schöpfungen die Erde bevölkerten; — eine allmählige Vervollkommnung der Geschöpfe, welche nacheinander auf der Erde erschienen und wieder untergingen, läßt sich im Großen nicht läugnen, wenn gleich über die einzelnen Grade dieser Vervoll- kommnung verschiedene Ansichten herrschen können. Aus den vorhan- denen Thatsachen aber läßt sich schon nachweisen, daß dieselben Typen, welche in unserer jetzigen Schöpfung vorhanden sind, in ihren An- fängen schon in der ersten Zeit der organischen Entwickelung auf der Erde vertreten waren und daß sie durch analoge Stufen der Ausbil- dung hindurch gingen, wie diejenigen sind, welche wir in der jetzigen Schöpfung und in den Metamorphosen der werdenden Thiere erkennen. Dasselbe Beispiel, welches wir soeben benutzten, können wir auch hier anwenden. Die ältesten Fische, welche in den untersten Schichten ge- funden werden, besitzen noch keine ausgebildete Wirbelsäule, sondern an ihrer Statt einen Knorpelstab, der in ähnlicher Weise gebildet ist wie der Knorpelstab der niedern Fische unserer jetzigen Schöpfung und der Knorpelstab der Wirbelthierembryonen überhaupt in der ersten Zeit ihrer Bildung. Die Erkenntniß dieser dreifachen Richtung in der Ausbildung der Thierorganismen, nämlich der historischen Entfaltung durch die ver- schiedenen Geschichtsperioden der Erde hindurch, der Flächenausbildung durch die mannigfaltigen Formen ausgebildeter Thiere, welche jetzt den Erd- ball bevölkern, und der genetischen Entwickelung in der Ausbildung der Embryonen, die Verfolgung dieser dreifachen Richtung bis in ihre letzte Einzelheit ist es, welche der heutigen Wissenschaft die zu lösenden Aufgaben stellt. Nach allen Seiten hin bestrebt man sich die Lücken der Beobachtungen zu füllen und mit den vortrefflichsten Hülfsmitteln ausgerüstet in die Einzelnheiten der Organisation einzudringen. Die Einen verfolgen die einzelnen Thiere von dem ersten Augenblicke ihrer Entstehung an, während Andere die versteinerten Reste mit den Pro- dukten der jetzigen Schöpfung vergleichen und aus dieser Vergleichung ihre Beziehungen ergründen. Noch ist zwar das Widerstreben nicht ganz überwunden, welches gegen die Verschmelzung der Thiere der jetzt lebenden Schöpfung mit der früheren Erdperiode herrschte, in- dessen lichten sich doch die Reihen der Gegner von Tage zu Tage und jede neue Arbeit bringt den Beweis, daß nur durch Beobachtung der angeführten Richtungen die Wissenschaft überhaupt gefördert wer- den kann. Zweiter Brief. Das System . S obald man einmal begonnen hatte, die bekannten Thierwesen zu ordnen und größere oder kleinere Abtheilungen festzustellen, welche eine Uebersicht gewährten, so wurde nothwendiger Weise das System der Ausdruck der jedesmaligen Kenntnisse über das gesammte Thierreich. Wir haben schon oben gesehen, wie Linn é zuerst durch seine doppel- namigen Bezeichnungen zwei feste Begriffe in die Wissenschaft einzu- führen suchte, denjenigen der Art (Species) und den weiteren der Gattung (Genus) . Hierbei beschränkten sich indeß weder Linn é noch 2* die späteren Classifikatoren. Man stellte unter stets größer werdenden Gruppen und Abtheilungen die durch gewisse Charaktere mit einander übereinstimmenden Arten und Gattungen zusammen, um endlich bis zu wenigen großen Kreisen zu gelangen, welche die einzelnen Genustypen umfaßten, so daß das ganze System füglich mit einem Gebäude ver- glichen werden kann, in dem man einzelne Stockwerke, Wohnungen, Säle, Zimmer bis zu den Fachwerken an den Wänden unterscheidet. Wie viele öde Registratoren der Wissenschaft gab es, die ihr Leben damit zubrachten, den einzelnen Aktenbündeln ihre Ueberschrift zu geben und sie aus diesem oder jenem Gefache in ein anderes hinüber zu tragen! Die Grundlage auf welcher das ganze Gebäude der Systematik beruht, ist die feste Bestimmung des Begriffes der Art (Species) . Giebt es wirklich ein ideales Wesen, Art genannt, dem wir feste und unab- änderliche Charaktere zuschreiben können, oder haben wir es nur mit einzelnen Individuen zu thun, deren Charaktere durch die äußeren Um- stände bedingt und so weit modificirt werden können, daß es zweifel- haft wird, ob sie noch derselben Art angehören? So weit wir jetzt blicken können, so müssen wir den Begriff der Art dahin bestimmen, daß zu derselben Art alle Individuen gehören, welche von gleichen Eltern abstammen und im Verlaufe ihrer Ent- wickelung, entweder selbst oder durch ihre Descendenten den Stamm- ältern ähnlich werden. Zur Feststellung der Charaktere, welche einer Art eigenthümlich sind, würde also stets die Beobachtung ihrer Ab- stammung gehören und man würde bei einem einzelnen Thier, dessen Leiche oder versteinerte Reste man nur in die Hand bekäme, niemals entscheiden können, ob es einer andern Art angehört. In der That hat auch die Wissenschaft schon eine unzählige Menge von Irrthümern ausgemerzt, welche aus vereinzelten Beobachtungen entstanden sind, und täglich dienen weiter greifende Beobachtungen dazu, Thiere, die man weit verschieden glaubte, als zu derselben Art gehörig anzuer- kennen, oder andere zu trennen, die man früher vereinigt hatte. Nie- mand wohl würde die Raupe oder den Schmetterling, die beide so unendlich in ihrer äußeren Gestalt wie in ihrer inneren Organisation verschieden sind, für dasselbe Wesen halten, wenn es nicht jedem Kinde bekannt wäre, daß die Raupe sich in eine Puppe und diese wieder in einen Schmetterling verwandelt. Die Beobachtung ist aber nicht überall so leicht, wie in dem angeführten Falle. Wir könnten hunderte von Beispielen anführen, wo es jahrelanger, mit der größten Ausdauer fortgeführter Beobachtungen bedurfte, um darzuthun, daß dieses oder jenes Thier, dessen isolirte Kenntniß man längst hatte, nur die Ent- wickelungsstufe eines andern sei, welches man gänzlich davon verschie- den glaubte. Besonders bei den niedern Thieren, denen man erst in der neuesten Zeit die vollste Aufmerksamkeit zuwandte, deren Organi- sation ihres abweichenden Typus wegen so räthselhaft war und deren Lebensweise oft nur durch glückliche Zufälle stückweise aufgehellt wurde, besonders bei diesen waren und sind Versehen dieser Art noch jetzt außerordentlich häufig. Hat man aber ein Recht, aus solchen Irr- thümern die Nichtigkeit des Artbegriffes herzuleiten, oder müssen sie nicht vielmehr dazu dienen, die Lücken unserer Beobachtungen anerken- nen zu lassen und zu ihrer Ausfüllung aufzufordern? Man hat auf der anderen Seite eingeworfen, daß die tägliche Beobachtung uns zeige, wie allerdings durch dauernde Einwirkung be- stimmter Einflüsse, besonders des Klima’s und der Nahrung, in auf- einander folgenden Generationen Veränderungen erzeugt werden kön- nen, die bedeutender seien, als diejenigen Merkmale zulassen, welche man für die Art angiebt; — allein auch hier hat die Beobachtung, so weit sie möglich war, nachgewiesen, daß die Art in ihren Haupt- zügen unveränderlich sei und daß es nur ein Mißgriff der Zoologen war, wenn man die Charaktere der Art wirklich von solchen Merk- malen hergenommen hatte, welche durch die äußeren Umstände geändert werden konnten. Die Beobachtungszeit eines einzelnen Forschers über die andauernden Wirkungen veränderter äußerer Einflüsse ist freilich nur kurz und im Verhältniß zur Dauer der Geschichtsperioden des Erdkörpers verschwindend klein; wir haben aber nichts desto weniger Mittel zur Hand, wodurch wir nachweisen können, daß wenigstens seit der Zeit, aus welcher wir geschichtliche Denkmale besitzen, die Charaktere der Arten unverändert geblieben sind. Die alten indischen Denkmäler lassen den asiatischen Elephanten und den heiligen Buckel- ochsen mit vollkommener Sicherheit unterscheiden, und die Mumien der Krokodille, des Ibis, des Ichneumon und des heiligen Käfers der Aegypter, von denen einige nach den neueren Forschungen zum we- nigsten Zeitgenossen von Adam nach der jüdisch-christlichen Chronologie waren, sind bis auf die kleinsten Einzelnheiten in ihrer Struktur iden- tisch mit den Thieren, welche heute noch an den Ufern des Nils leben; wir können also mit vollkommener Sicherheit behaupten, daß bei den in wildem Zustand lebenden Thieren die Charaktere der Art unver- änderlich sind und daß die Vergleichung dieser Charaktere die mangelnde Beobachtung der direkten Abstammung ersetzen kann. Man hat die Erkenntniß dieser Wahrheit zum Theil auch in der Absicht, gewissen religiösen Sagen gefällig zu sein, sogar so weit aus- gedehnt, daß man die Art dahin definirte, sie sei der Inbegriff aller Individuen, welche von einem Eltern-Paare abstammen. Man that hier wahrlich den Mährchen von der Arche Noah zu viel Ehre an. Hätte man gesagt, die Art sei der Inbegriff aller derjenigen Indivi- duen, deren Charaktere so übereinstimmend seien, daß sie möglicher Weise von denselben Eltern abstammen können, so wäre man voll- kommen in den Grenzen der Wahrheit und der Wahrscheinlichkeit ge- blieben, wenn gleich selbst diese Annahme eines einzigen Elternpaares bei genauerer Betrachtung eine vollkommene Absurdität in sich schließt. Die größere Zahl der Thiere, wenigstens weit über die Hälfte, lebt von anderen Arten und ist in ihrer Existenz auf die Verzehrung der- selben angewiesen. Die Entstehung der jetzigen Schöpfung in je nur einem Paare in jeder Art würde zur nothwendigen Folge gehabt ha- ben, daß die von Pflanzen lebenden Thiere unmittelbar vertilgt und die Ueberbleibenden dem Hungertode in wenig Tagen Preis gegeben gewesen wären. Wir gehen hier nicht weiter auf das theoretische Gebiet der Entstehung der Arten selbst ein; wir stellen nur so viel als Resultat der Beobachtungen hin, daß dieselbe sich mit den gleichen Charakteren fortpflanzt und daß diese Charaktere im Laufe der Zeiten unverändert geblieben sind. Man hat noch aus den ziemlich bedeutenden Veränderungen, welche die Hausthiere in Folge ihrer Abhängigkeit vom Menschen er- leiden, Schlüsse auf die Veränderlichkeit der Art ziehen wollen. In der That hat es die Kunst soweit gebracht, durch Kreuzung besonders gebildeter Eltern, durch besondere Nahrung und Wartung, Abarten und Ra ç en zu erzeugen, die sich constant fortpflanzen und durch Farbe, Beschaffenheit der Haare und Knochen, Größe und Körperverhältnisse oft die bedeutensten Differenzen darbieten. Nichts desto weniger gehen diese Verschiedenheiten nie so weit, daß sie die wesentlichsten Organe betreffen. Die Theile des Skelettes bleiben dieselben und es ist noch Niemanden eingefallen behaupten zu wollen, daß man durch Kreuzung der Na ç en den Zahnbau oder die Gehirnstruktur der Hunde ge- ändert habe. Wenn es so feststeht, daß die Art bestimmte Charaktere habe, welche sich bei der Fortpflanzung stets wieder fortzeugen, so ist freilich die praktische Anwendung dieses Grundsatzes in einzelnen Fällen oft schwierig. Besonders in den Fällen sind Irrthümer nicht zu vermei- den, wo durch direkte Beobachtung der Fortpflanzung diejenigen Cha- raktere nicht ermittelt wurden, welche durch die äußern Einflüsse modi- ficirt werden können; selbst in nahverwandten Thiergattungen ist die Möglichkeit der Veränderungen oft sehr verschieden. Die Unterschiede zwischen unserm gewöhnlichen Fuchs und dem brasilianischen sind bei weitem nicht so groß, als diejenigen zwischen einem Dachshunde und einem Windhunde und dennoch sind die beiden Füchse gewiß verschie- dene Arten, während die beiden Hunde derselben Art angehören und nur Varietäten darstellen. Es begreift sich darnach, wie so viele Streitigkeiten sich entspinnen konnten über die Grenzen der Art-Cha- raktere und wie es möglich war, daß der eine Naturforscher zwei Thiere als verschiedene Arten auffassen konnte, während der andere in ihnen nur Varietäten derselben Art erblickte. Von ungemeiner Wichtigkeit ist die Schlichtung dieser Streitig- keiten, besonders für die Bestimmung derjenigen Reste, welche wir nur im versteinerten Zustande kennen. Während hier eine große Partei be- hauptet, die Perioden der Erdgeschichte seien durch gewaltige Revolu- tionen von einander getrennt, durch welche alles Lebende vernichtet wurde und nach denen neue Arten entsta n den seien, welche von den Arten der vorhergehenden Periode vollkommen verschieden waren, so läugnet die andere Partei zwar diese Revolutionen nicht, schreibt ihnen aber nur partielle Wirkungen zu und sucht die Veränderung der ein- zelnen Arten aus der Veränderung der Erdverhältnisse zu erklären. Die Einen behaupten, es finde kein Uebergang statt, die Andern wol- len, daß die jetzigen Thiere ihre Stammeltern und zwar ihre direkten Stammeltern in den untergegangenen Schöpfungen besitzen. Dieselben Charaktere fossiler Muscheln, welche der Eine zum Beweis anführt, daß eine Species untergegangen und eine neue entstanden sei, dieselben Charaktere dienen dem Andern als Stützpunkte für seine Behauptung, daß die Art sich im Laufe der Jahrhunderte umgewandelt habe. Wem nun hier Recht geben, wo die Entscheidung durch direkte Beobachtung nicht möglich und die aus der Analogie hergenommene Wahrscheinlich- keit stets dem Angriffe ausgesetzt ist? Indeß läßt sich auch die Lösung in der Folge hoffen. Da wo die übergebliebenen Reste wichtigen und charakteristischen Theilen angehören, sind diese Diskussionen über die Abgrenzung der Arten allmählig von selbst erloschen. Ueber fossile Säugethiere z. B., deren vollständige Zahnreihen und charakteristische Gliederknochen man kennt, taucht nur selten ein Streit auf; aber bei Muscheln und Schneckenschalen, die doch nur unwesentliche Theile des Körpers bilden und über deren Veränderlichkeit wir noch bei kei- ner einzigen Art eine genügende Beobachtungsreihe besitzen, bei diesen brennt der Streit jetzt noch häufig fort; er wird auch hier seine Er- ledigung finden, sobald die betreffenden Voruntersuchungen in derselben Art erledigt sind, wie dies bei andern Thieren der Fall ist. Die Art ist demnach, dem jetzigen Stande unserer Forschung zu Folge, ein unveränderlicher Organisations-Typus, der entstehen und vernichtet werden kann, aber keiner wesentlichen Aenderung seiner Charaktere fähig ist. Die Art entspricht bestimmten Lebensbedingungen, äußern Einflüssen, mit deren Aufhebung sie zu Grunde geht; sie ist gleichsam die lebende Realisation dieser äußern Bedingungen und kann mit und durch diese nur in so weit verändert werden, als unwesent- liche Charaktere betroffen werden. Die Individuen derselben Art pflanzen sich nach bestimmten Gesetzen fort und erzeugen Wesen, welche entweder selbst, oder in ihren Nachkommen den Erzeugern ähnlich werden. Früher konnte man nach dem damaligen Stande der Wissen- schaft behaupten, daß die Jungen stets wieder selbst den Alten ähnlich werden müßten. Die Untersuchungen der neuern Zeit haben gelehrt, daß dies nicht überall der Fall ist und daß es ganze Gruppen nie- derer Thiere gibt, bei welchen der Cyclus der Fortpflanzung erst durch das dritte oder vierte Individuum geschlossen wird. Wir werden Meeresbewohner, sogenannte Quallenpolypen kennen lernen, bei wel- chen der Polyp eine Knospe treibt, die sich allmählig ablöst und end- lich als vollständig ausgebildete Qualle, mit allen zur Ernährung, Bewegung, Empfindung und Fortpflanzung nöthigen Organen aus- gerüstet, frei im Meere umherschwimmt. Diese Qualle wird niemals zum Polypen; sie legt Eier und stirbt dann; das Junge ist also niemals dem Mutterthiere, dem Polypen, ähnlich geworden. Aber die Eier, welche die Qualle legte, diese setzen sich allmählig fest und wach- sen zu Polypen aus, die dem Mutterthiere in allen Stücken ähnlich sehen und zuletzt wieder Quallenknospen treiben. In diesem Falle sind also nur Großeltern und Enkel mit einander identisch, während Eltern und Kinder einander so vollkommen unähnlich sind, daß man sie bisher sogar verschiedenen Classen zutheilte. Der erste Name der binären Bezeichnung nach Linn é ist der Name der Gattung (Genus) . Man umschreibt dadurch eine Summe von wesentlichen Charakteren, welche mehreren Arten gemeinsam sind. Na- türliche Gattungen haben meist ein so eigenthümliches Gepräge, daß man unwillkürlich auf dieselben hingeleitet wird. Bei den höheren Thieren hat man auch vielfältig die Beobachtung gemacht, daß sich die einzelnen Arten mit einander begatten und Bastarte erzeugen kön- nen, welche indeß meist unfruchtbar bleiben. Pferd und Esel sind ver- schiedene Arten derselben Gattung, sie erzeugen bekanntlich den Maul- esel und das Maulthier; so hat man auch Bastarte gesehen von Hund und Wolf, Löwe und Tiger u. s. w. Trotz dieser Charakteristik der Gattung, muß indessen zugestanden werden, daß die Anwendung dieses Begriffes eine mehr oder minder willkürliche ist, indem die Werth- schätzung der wesentlichen Merkmale hauptsächlich dem Takte der ein- zelnen Forscher überlassen bleibt. Auch das ist noch zu berücksichtigen, daß oft mit dem größern Reichthum an Material gewisse Charaktere, die den früheren Forschern, welche nur wenig Arten kannten, ziemlich unwesentlich erschienen, eine größere Wichtigkeit erhalten, indem Grup- pen von Arten derselben Gattung diese Charaktere besitzen, während sie andern abgehen. Aus diesem Grunde ist es erklärlich, warum fast aus jeder neuen Bearbeitung eine größere Zerspaltung der früheren Geschlechter hervorgeht. Ein Beispiel möge dies erläutern: Linn é hatte unter der Gattung Hund (Canis) nicht allein den Hund, den Wolf und den Fuchs, sondern auch die Hyäne begriffen, obgleich letztere einen, von den übrigen Arten sehr abweichenden Zahnbau besitzt und ihr namentlich die Höckerzähne, welche jene haben, gänzlich mangeln. Ein Zeitgenosse Linn é ’s schon, Storr, trennte die beiden Hyänen mit Hervorhebung ihrer Unterschiede von den Hunden ab und bildete für sie die besondere Gattung Hyaena , welche jetzt sogar, besonders durch fossile Gattungen, der Typus einer Familie geworden ist. Linn é kannte nur eine Art Fuchs; er hielt die nordischen Eisfüchse nur für Va- rietäten des gewöhnlichen Fuchses. Man entdeckte nach und nach fast ein Dutzend verschiedener Arten, welche alle mit unserm gewöhnlichen Fuchse sich dadurch von den übrigen Hundearten unterscheiden, daß sie einen dichtbehaarten, langen Schwanz, eine spitze Schnauze und Pupillen haben, welche eine senkrechte Spalte bilden, während die Pu- pille der übrigen Hunde rund ist; auch die obern Schneidezähne zeigen eine geringe Verschiedenheit. Auf diese Gründe gestützt, trennten einige Naturforscher die Füchse gänzlich von den Hunden ab, indem sie die Gattung Vulpes errichteten; — andere, indem sie die alte Gat- tung Canis beibehielten, bildeten darin mehrere Gruppen oder Unter- gattungen (Subgenus) , die eigentlichen Hunde, die Füchse, die groß- ohrigen Hunde von Afrika u. s. w. begreifend. Man sieht aus diesem Beispiele, daß es gewissermaßen von dem freien Willen des Natur- forschers abhängt, ob er die unterscheidenden Merkmale der Füchse für genügend hält, um sie durch einen eignen Gattungsnamen auszuzeich- nen, oder ob er diese Merkmale nur zur engeren Gruppirung der Arten innerhalb einer größeren Gattung benutzt. Durch die verschiedenen Begrenzungen, welche die Gattungen seit Linn é ’s Zeiten wohl ohne Ausnahme in mannichfacher Weise erhielten, wurde ein großer Uebelstand herbeigeführt, der in der Unbestimmtheit der Gattungsnamen beruht. Spricht Jemand heut zu Tage von der Gattung Canis , so ist es erst nöthig zu fragen: „Meinst Du die Gattung in der Ausdehnung wie Linn é , wie Storr, wie Illiger, wie Fred. Cuvier, oder wie Isidor Geoffroy-St.-Hilaire, indem jeder dieser Forscher die Gattung in anderer Weise umschreibt?“ Man hat diesem Uebelstande dadurch abzuhelfen gesucht, daß man den Namen der Au- torität, welche die Gattung in der Weise umgrenzt hatte, wie man sie selbst annahm, hinter den Artnamen setzte. Allein auch diejenigen, welche neue Arten beschrieben hatten, wollten durch Beifügung ihres Namens die Verantwortlichkeit für die Berechtigung der neuen Art über- nehmen. So entstand aufs Neue Verwirrung; — man wußte nicht, sollte man die Autorität auf die Umgrenzung des Gattungsnamens oder auf die Bestimmung der Art beziehen, und da die liebe Eitelkeit gar Manchen verleitete, nur um deßwillen eine neue Gattung oder eine neue Art aufzustellen, um seinen Namen in den Registern der Wissenschaft fortgeführt zu sehen, so wurde die Verwirrung nur noch heilloser. Endlich hat man sich so ziemlich dahin verständigt, daß man den Namen desjenigen sowohl, welcher die Gattung umgrenzte, wie auch desjenigen, der die Art zuerst aufstellte, hinter den eigentlichen Artnamen setzt und daß man als Synonyme diejenigen Namen an- führt, welche von früheren Autoren gegeben wurden. Sehr oft kommt es vor, daß dieselbe Art von verschiedenen Forschern verschieden benannt wurde, meist wohl weil die Spätern in der Beschreibung ihrer Vor- gänger das ihnen vorliegende Object nicht wieder erkannten. Man zieht in diesem Falle den ältesten Artnamen vor, indem man die üb- rigen als Synonyme citirt. Die Nomenclatur und Synonymik bilden das unentbehrliche ABC der Wissenschaft und sind ebenfalls so trocken und langweilig als die- ses. Weit übler aber als diese Trockenheit ist der Umstand, daß in ihnen ein grauenerregender historischer Ballast mitgeführt wird, der sich mit jedem Jahre mehrt, ohne daß man wüßte, wie man der alten Steine los werden könnte. Wenn es nur irgend einmal einem Quer- kopfe eingefallen ist, in einem verbreiteten Journale einer längst be- kannten Art einen neuen Namen zu leihen, oder einen gewöhnlichen Spatzen von den andern deßhalb zu unterscheiden, weil er ein röth- liches Federchen auf dem Kopfe hat, so wird der neugebildete Namen fort und fort durch Register, , Abhandlungen und Handbücher unter den Synonymen mitgeführt, ohne daß man sich seiner wieder entledigen könnte. Kehren wir zu unserm Aufbau des Systems zurück. Wir wissen, wie die Arten bestimmt, wie die Gattungen umgrenzt werden, wir kennen die Bedeutung der Doppelnamen, welche die Arten tragen und wissen, weßhalb in systematischen Handbüchern die Autoritäten und die Synonyme beigefügt werden. Indeß genügen die erhaltenen Abthei- lungen noch nicht um eine übersichtliche Anschauung des Thierreichs zu gewähren. Wir bedürfen größerer Kreise, die uns durch bestimmte Charaktere bezeichnet werden. Hier tritt uns zuerst die Familie (Familia) entgegen, als Inbegriff derjenigen Thiere, welche einen ge- meinsamen Habitus zeigen und in ähnlicher Weise durch weiter gehende Merkmale um einen Mittelpunkt sich gruppiren, wie die Gattungen um bestimmte charakteristische Kennzeichen. Wir können auch hier das vorige Beispiel anwenden; die Hunde, die Füchse, die Großohren zeichnen sich dadurch aus, daß sie in ihrem Gebisse oben und unten wenigstens zwei Höckerzähne haben und daß ihre Füße gleich hoch sind; alle diese Gattungen unterscheiden sich dadurch von den Hyänen und den Wolfs- hyänen (Proteles) , welche keine Höckerzähne besitzen und deren Rücken nach hinten abfällt. Die hundeartigen Thiere begreift man unter der gemeinschaftlichen Familie der Caniden , die Hyänen unter der Familie der Hyaeniden , indem man den Namen derjenigen Gattung, welche gewissermaßen als Typus gilt, mit einer passenden Endigung versieht. Auch bei diesen natürlichen Familien hat man besonders dann, wenn die Gattungen sehr zahlreich waren, oft Unterfamilien (Subfamilia) , Zünfte (Tribus) oder Sippen unterschieden, die man meistens wieder durch besondere Kennzeichen charakterisirte. So gelangt man bei stets weiterem Aufwärtssteigen und freierem Ueberblicken der gemeinsamen Kennzeichen zu stets größeren Abtheilun- gen. Die Katzen, Hyänen und Hunde, die Marder und Stinkthiere, sowie die Bären sind alle reißende Thiere, die sich von Fleisch und Blut nähren und ein eigenthümliches zu dieser Nahrung in Beziehung stehendes Gebiß besitzen, das so charakteristisch ist, daß selbst der we- niger Geübte auf den ersten Blick die Kinnlade eines solchen Fleisch- fressers erkennen mag. Man begreift deshalb alle diese Thiere zusam- men in der Ordnung (Ordo) der Fleischfresser (Carnivora) . Aber diese unterscheiden sich auch wieder durch charakteristische Merkmale. Die Familie der Bären setzt die Füße mit der ganzen Sohle auf den Boden auf, die Marder und Stinkthiere berühren nur mit der halben Sohle den Boden, die Hunde, Hyänen und Katzen gehen auf der Spitze der Zehen. So ergeben sich denn drei natürliche Unterord- nungen (Subordo) in der Ordnung der Fleischfresser, die Sohlen- gänger, die Halbsohlengänger und die Zehengänger, deren jede eine bestimmte Anzahl von Familien und Gattungen einschließt. Die Ord- nungen, wie die Unterordnungen können meist weit sicherer durch be- stimmte Merkmale charakterisirt werden als die Familien; und wenn man die Geschichte derjenigen größern Abtheilungen des Thierreiches betrachtet, mit denen man seit längerer Zeit vertraut war, wie z. B. der Säugethiere, so überzeugt man sich leicht, daß die verschiedenen Systeme nur in sofern sich unterscheiden, als man den einzelnen Ab- theilungen verschiedenen relativen Werth beimaß, daß aber die Cha- raktere dieser Abtheilungen selbst seit Linn é ’s Zeiten fast dieselben ge- blieben sind. Schon das Zusammenfügen der Ordnungen würde einen sichern Ueberblick gewähren; allein man findet noch allgemeinere Merkmale, nach welchen man die Ordnungen zusammenstellt. Trotz der großen Verschiedenheit zwischen einem Affen, einem Hunde, einem Pferde und einer Robbe, wird man dieselben doch einem Vogel oder einem Fische gegenüber als Glieder eines gemeinschaftlichen Typus erkennen und bei genauerer Untersuchung wird man in der Behaarung ihrer Haut und in der Art und Weise, wie sie ihre Jungen säugen, genügende Kenn- zeichen finden, um diese Säugethiere als Klasse (Classis) und als ein Ganzes mit bestimmten Merkmalen den Vögeln oder Fischen gegen- über zu stellen. So gelangt man endlich zu den letzten großen Gruppen des Thierreiches, zu den Kreisen und Provinzen . Verschiedene Klassen haben wieder gemeinsame Merkmale in der Gesammtbildung ihres Körpers, in der Lagerung ihrer Organe, in ihrer Entwickelung wäh- rend der Embryonalzeit; so stimmen Fisch und Vogel, Frosch und Säugethier in der Existenz eines inneren Skelettes, eines wahren Hir- nes und Rückenmarkes und in deren Lagerung auf der Rückenfläche mit einander überein, unterscheiden sich als Bildungstypus, als Kreis der Wirbelthiere und stehen als solche den Gliederthieren, den Weich- thieren, den Strahlthieren, die eine andere Lagerung der Leibesorgane, eine andere Entwicklungsart haben, scharf gegenüber. Es ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, daß nicht alle Merk- male welche ein Thier zeigt, von gleicher Bedeutung für die Klassi- ficationen sind, daß man, wie schon oft gesagt wurde, die Charaktere wägen und nicht zählen muß. Die Gesammtbildung des Körpers, die Art und Weise wie die Organe desselben hervorgebildet, das Ver- hältniß wie sie zu einander gelagert sind, ist weit wichtiger als die relative Ausbildung dieses oder jenes Organsystemes, dieses oder jenes einzelnen Gliedes. Und durch diese Berücksichtigung der gesammten Organisation unterscheidet sich denn auch das Streben der neuen Classificatoren wesentlich von den früheren Zeiten. Man sucht jetzt natürliche Systeme aufzustellen, d. h. man sucht durch einzelne her- vorstehende Merkmale aus der gesammten Organisation eines Thieres seine Beziehungen zu den übrigen zu ermitteln und diejenigen Lebens- bedingungen hervorzuheben, welche einen wesentlichen Einfluß auf die Bildung des Thierkörpers ausüben. Hierdurch geben sich dann die Verwandtschaften, die nähern und entfernteren Beziehungen zwischen den größeren oder kleineren Gruppen von selbst und es zeigt sich dann bei der Uebersicht eine überraschende Harmonie, die freilich an häufigen Stellen durch die Lücken unserer Kenntnisse gestört wird. Es würde überflüssig sein hier weiter auf diese Verhältnisse einzugehen, da uns die positive Grundlage noch mangelt, aus welcher die über- sichtlichen Betrachtungen hervorgehen müssen; jedenfalls werden wir auch in der Folge damit nur sehr sparsam sein, und indem wir uns fernhalten von jenen sonderbaren Auswüchsen, mit welchen besonders die Naturphilosophen ihre Systeme auszuschmücken pflegten, werden wir es mehr dem denkenden Leser überlassen, auf den von uns mit- getheilten Thatsachen sein eigenes Gebäude zu errichten. Dritter Brief. Der Thierleib; der Aufbau seiner Organe. W as ist ein Thier? Wodurch unterscheidet es sich von der Pflanze? Eine unnöthige Frage! wird Mancher antworten und die Meisten werden ihm Recht geben. Wie ist es möglich einen Baum und einen Hund, ein Gras und eine Raupe mit einander zu verwechseln? Das Eine bewegt sich willkührlich und frei aus innerem Antriebe, nimmt Nahrung zu sich, die es aufsucht und durch eine offene Mündung ein- führt, das Andere ist an den Boden gefesselt, zeigt weder Empfindung noch willkührliche Bewegung und läßt die Aufnahme der Nahrungs- stoffe, aus welchen es sich aufbaut, nicht unmittelbar erkennen. In dem Thierorganismus eine große Anzahl mannigfach gebildeter Organe, die den einzelnen Funktionen vorstehen; in der Pflanze die complicir- testen äußern Bildungen und im Innern ein mehr homogenes Gewebe, dessen charakteristische Eigenthümlichkeiten erst das Mikroskop darlegen kann. Es scheint eben so unnöthig den Begriff des Wortes Thier oder Pflanze festzustellen, als zu beweisen, daß zwei mal zwei vier macht. Stellt man aber dieselbe Frage an den Forscher, welcher tiefer eingedrungen ist und sich namentlich mit den niedern Pflanzen und Thierclassen beschäftigt hat, so wird er bedenklich das Haupt schütteln und gestehen müssen, daß es kaum möglich sei eine befriedigende Ant- wort zu geben und die Grenze zwischen Thier und Pflanze mit Sicher- heit zu legen. Ein Merkmal nach dem andern verschwindet, je tiefer man in die einfachsten Formen des Thier- und Pflanzenreiches hinab- steigt; — was uns kaum noch einen sichern Halt gewährte, muß im nächsten Augenblicke als unzureichend erkannt werden und ohne voll- kommene Sicherheit befinden wir uns endlich einer Gruppe von Or- ganismen gegenüber, welche hier von dem Botaniker, dort von dem Zoologen als sein ihm rechtmäßig zustehendes Eigenthum beansprucht wird. Der Streit ist nicht neu und beginnt stets von Neuem wieder, denn sobald ein zweifelhafter Gegenstand erledigt und mit anscheinender Gewißheit an seinen Platz in dem einen oder andern Reiche gestellt ist, tauchen wieder über ein neues Object erneute Zweifel auf. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhundert’s hielt man die Korallen ihrer äußern Gestalt wegen für Pflanzen. Ein Italienischer Forscher hatte die vermeintlichen Blüthen des Korall’s entdeckt und dieselben weit- Fig. 1. Korallenbaum mit entwickelten Polypen — vermeintliche Blüthen. läufig beschrieben. Ein Arzt in Mar- seille untersuchte die Sache genauer und fand zu seinem Erstaunen, daß diese vermeintlichen Blüthen wirk- liche Thiere seien, die sich nach Willkühr bewegten. Der Arzt theilte seine Entdeckung der Pariser Aka- demie mit; diese fand aber die Sache so gänzlich unwahrscheinlich, daß R é aumur Anfangs den Namen des Entdeckers nicht zu nennen wagte, um den Mann nicht dem öffentlichen Spotte auszusetzen. Heut zu Tage setzt sich derjenige dem Spotte aus, welcher aus Unkenntniß Polypen als Pflanzen beschreibt oder Koral- len für pflanzliche Erzeugnisse hält. Die Zweifel haben sich in unsern Tagen auf andere Körper über- tragen. Noch vor wenigen Jahren behauptete man, jedes Thier habe einen Mund zur Aufnahme der Nahrung oder in Ermangelung des- selben mehrere freie Oeffnungen; aber es giebt eine Menge von Thier- wesen, die ganz gewiß und unzweifelhaft Thiere sind und dennoch kei- nen Mund besitzen, keine äußere Oeffnung irgend einer Art haben, sondern ihre Nahrungsstoffe durch Einsaugung auf der Körperfläche Fig. 2. Opalina aus dem Darm- schleime des Frosches. zu sich nehmen. So lebt in dem Darmkanale der Frösche ein ziemlich großes Infusions- thierchen, vollkommen durchsichtig, das mit- telst Wimpern, die auf seiner Oberfläche an- gebracht sind, sich freiwillig in den Flüssigkeiten des Darmes umherbewegt und das ganz be- stimmt weder einen Mund, noch zerstreute Saugöffnungen besitzt. Viele Infusionsthier- chen, ja selbst hoch organisirte Eingeweide- würmer sind durchaus in demselben Falle, sie fristen ihr Leben nur dadurch, daß sie durch Ein- saugung ihrer Körperfläche Stoffe aus den Flüssigkeiten aufnehmen, in welchen sie leben. Die Aufnahme der Ernährungsstoffe geht hier ganz auf dieselbe Weise vor sich wie bei vielen niedern Pflanzen, welche sich im Wasser bilden. Man glaubte die freie Beweglichkeit der Thiere sei ein cha- rakteristisches Kennzeichen. Viele von ihnen sind zwar gänzlich oder während der größten Zeit ihres Lebens in ähnlicher Weise wie viele Pflanzen an den Boden festgeheftet, aber selbst diese festsitzenden Thiere, die besonders im Meere häufig vorkommen, öffnen und schließen sich, breiten ihre Fangorgane aus und erhaschen die Beute, welche in ihre Nähe kommt. Man glaubte also in der freiwilligen Bewegung ein sicheres Merkmal gefunden zu haben und bis vor wenigen Jahren hatte man nach dem damaligen Stande der Kenntnisse vollkommen Recht, wenn man sagte, ein Thier sei ein abgeschlossener Organismus, welcher sich willkührlich bewege. Bald aber mußte man erkennen, daß es eine Anzahl niederer Pflanzen gebe, besonders Wasserfäden ( Con- ferven ) deren Keimkörner oder Sporen sich vollkommen ebenso be- wegten, wie kleine Infusionsthierchen. Man sah, wie im Innern die- Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6 Fig. 7 Fig. 3 Wasserfäden mit daraus entstehenden beweglichen Keimkörnern (Sporen). In dem unteren Faden Fig. 3 sieht man bei a die Sporen mit ihren rothen Kernen, die sich isoliren, bei Fig. 4 eine freigewor- dene Spore mit ihrem Kern b und ihren Bewegungsfäden c ; bei 5 eine Spore die zu keimen beginnt, bei 6 eine, die schon eine zweite Zelle getrieben hat. Fig. 7 ist eine ge- panzerte Spore von einer andern Gattung, die ebenfalls früher für ein Thier gehalten und Disceraea genannt wurde. ser Wasserfäden (Fig. 3.) sich grüne Keimkörner bildeten, die nach einer gewissen Zeit hervorbrachen und sich in solcher Weise in dem Wasser umhertummelten, daß jeder unbe- fangene Beobachter ihre Bewegun- gen unbedingt für willkührliche hal- ten mußte. Nur ausdauernde, stun- denlange Beobachtung konnte über- zeugen, daß diese Keimkörner nach einiger Zeit sich festsetzten und nach und nach zu wirklichen Wasserfäden auswuchsen. Während der Zeit ih- rer Beweglichkeit verhalten sich diese Keimkörner vollkommen wie lebende Infusionsthierchen; — sie wälzen sich nach allen Richtungen rasch im Wasser herum, bewegen sich vor- wärts, halten zuweilen einen Augenblick still, schnellen plötzlich wie krampfhaft zurück um dann auf’s Neue wieder vorwärts zu schie- ßen, kurz benehmen sich in Allem, wie Wesen, denen Empfindung und willkührliche Bewegung zukömmt; auch standen manche Be- obachter durchaus nicht an in Folge dieser Thatsachen zu behaupten, es gebe keine Grenzlinie zwischen Thier und Pflanze und die niedern Pflanzen verwandelten sich bei ihrer Fortpflanzung für eine Zeit lang in Thiere, um später wieder Pflanzen zu werden. Besonnenere For- scher gaben zu, daß man in der That die Bewegung dieser Pflanzen- sporen kaum von derjenigen wirklicher, mit einem Munde versehener Infusionsthierchen unterscheiden könne und daß demnach die freie Be- wegung nicht als charakteristisches Kennzeichen zwischen Pflanzen und Thiere angesehen werden dürfe. Dieser freien Beweglichkeit der Keimkörner wegen werden noch bis heute von vielen Naturforschern die Schwämme ( Spongia ) als eine Fig. 8. Lebender Meerschwamm. Art Mittelding zwischen Pflanzen und Thie- ren betrachtet. Es sind meist knollige oder un- regelmäßige, an den Boden der Gewässer gehef- tete poröse Massen, die ein horniges, kalkiges oder selbst kieseliges Skelett im Innern be- sitzen, das aus netzartig verbundenen Fäden oder einzelnen Stacheln und spießartigen Nadeln be- steht und mit einer gallertartigen Masse überzogen ist. Auf der Außenfläche sieht man kleinere Poren, durch die das Wasser eindringt und größere Oeffnungen, durch welche es im Strahle ausfließt. Unser gewöhnlicher Badeschwamm, der zu diesen Organismen gehört, liefert das beste Beispiel der Structur der Schwämme. Man bemerkt keine Spur von Empfindung und Bewegung an diesen Wesen; nur zu gewissen Zeiten werden mit dem ausfließenden Wasser kleine runde oder eiförmige Keimkörner ausgestoßen, die sich mittelst eines Ueberzuges von Wim- perhaaren sehr lebhaft im Wasser bewegen, umherschwimmen, sich dann fixiren und wieder zu Schwämmen auswachsen. Es ist, wie man sieht, dasselbe Verhältniß hier, wie mit den Keimkörnern der Wasser- fäden und gewiß kein Grund vorhanden, die Schwämme eher zu den Thieren als zu den Pflanzen zu stellen. Kurze Zeit hindurch glaubte man auch in der Natur der bewegen- den Organe selbst ein charakteristisches Merkmal entdeckt zu haben. Bei den meisten höhern Thieren kommen auf den innern Häuten, bei dem Menschen z. B. in der Nase und an einigen andern Stellen, Ueberzüge von mikroskopischen Zellen vor, auf denen höchst feine Flimmerhaare oder Wimpern stehen, die sich in beständiger schwingen- der Bewegung befinden. Diese Flimmer- oder Wimperbewegung hängt bei den meisten Thieren nicht von dem freien Willen ab; sie dauert oft noch lange nach dem Tode fort; einzelne losgerissene Zellen dieser Art schwimmen selbst mittelst ihrer Flimmerhaare in der Flüssigkeit umher. Viele Infusionsthierchen haben entweder auf der ganzen Vogt, Zoologische Briefe I. 3 Oberfläche ihres Körpers oder an bestimmten Stellen solche Wimpern, durch deren Hilfe sie nach Willkühr in dem Wasser umherschwimmen; — andere besitzen einen oder mehrere peitschenförmige Anhänge, mittelst deren sie im Wasser umherrudern. Man glaubte, daß diese Bewe- gungsorgane den Keimkörnern der Wasserfäden abgingen und hielt ihre Anwesenheit deshalb für ein charakteristisches Kennzeichen des thie- rischen Organismus. Man hatte sich auch in diesem Punkte getäuscht. Man entdeckte Keimkörner, welche auf ihrer ganzen Oberfläche einen flimmernden Ueberzug oder einen Kranz von Wimperhaaren besaßen; man fand andere, die mittelst peitschenförmiger Anhänge lustig im Wasser umherschwammen. Auch dieses Unterscheidungszeichen war vernichtet. Die Empfindung äußerer Eindrücke , sagte man, steht nur dem Thiere zu; die Pflanze besitzt keine Sensibilität. Wir wollen zugeben, daß die seltsamen Bewegungen der Sinnpflanzen keinen Beweis dafür abgeben, daß sie Resultate von Empfindungen seien, wir wollen selbst zugeben, daß wirklich der pflanzliche Organismus nicht empfindet, wohl aber der thierische; wir wollen anerkennen, daß dieser Unterschied theoretisch festgehalten werden dürfe, aber man wird uns dafür zugeben müssen, daß er durch die Beobachtung nicht nachgewiesen werden könne. Es gibt kein anderes Maß für die Größe der Empfindung eines außer uns stehenden Wesens, als die Reaktion des empfindenden Organismus durch Bewegung. Einen Körper, der sich auf Reize nicht bewegt, seinen Schmerz nicht zu erkennen gibt, halten wir für empfindungslos. Wo wir freilich Sinnesorgane zur Aufnahme äußerer Eindrücke wahrneh- men, da schließen wir nothwendig auch auf empfindende Fähigkeit. Aber die rothen Fleckchen, welche man bei vielen Infusionsthierchen vollkommen unbegründeterweise für Augen hielt, hat man auch an vielen Keimkörnern mit Sicherheit nachgewiesen. Viele Infusionsthier- chen aber, sogar solche, welche durch die Existenz eines Mundes ihre Thiernatur unzweifelhaft bekunden, zeigen auf äußere Reize nicht die mindeste Spur von Reaction, so daß uns vollkommen der thatsächliche Nachweis ihrer Empfindlichkeit abgeht. Erschütterungen, plötzliche Lichteindrücke, heftiger Schall, Zusammenpressen und Quetschen und ähnliche solcher Eindrücke gehen an diesen Thieren spurlos vorüber; — wie soll man nun bei dieser Stumpfheit der Empfindung und Bewe- gung die Gränze ziehen, wo beide aufhören? So wäre es denn völlig unmöglich in den niedrigsten Stufen der Organisation eine Scheidelinie zwischen thierischen und pflanzlichen Wesen zu finden? Fast will es so scheinen! Doch ist uns noch ein Merkmal geblieben, wenn auch ein gar schwaches und vielleicht in einzelnen Fällen unzureichendes Merkmal. Die pflanzlichen Gebilde, welche sich während einiger Zeit der Bewegung erfreuen, sind von einer starren Hülle umkleidet, welche ihrer Gestalt eine feste, fast un- veränderliche Abgrenzung verleiht. Zwar hat diese Hülle eine gewisse Elastizität, so daß sie z. B. beim Herausschlüpfen aus der Röhre des Wasserfadens sich einbiegen, winden, verlängern und zusammenpressen können, um durch den oft engen Riß hindurch zu kommen. Kaum aber hört die äußere Gewalt auf, so nimmt auch der Pflanzenkörper seine normale Gestalt an und stellt seine ursprüngliche Form durch die Elastizität seiner Hülle wieder her. Anders verhält sich der thie- rische Körper auf jenen niederen Stufen der Organisation. Sein Ge- webe ist jeder Zusammenziehung fähig, mit jedem Augenblicke wird die Gestalt durch Contractionen der weichen äußern Hülle verändert. Dasselbe Wesen, welches eben noch kugelig erschien, nimmt im näch- sten Augenblicke eine Flaschen- oder Eiform an und biegt sich ohne Einwirkung äußerer Gewalt nur unter dem Einflusse seines freien Willens nach allen Seiten hin zusammen. Die Contractilität der äußern Hülle läßt also nach den bis jetzt vorliegenden That- sachen die Entscheidung zu, daß der contractile Organismus ein thie- rischer Körper sei, während auf der andern Seite der Mangel dieser Contractilität, die Starrheit der äußeren Hülle durchaus nicht mit Sicherheit beweis’t, daß wir es mit einem pflanzlichen Organismus zu thun haben. Es gibt viele niedrig stehende Organismen, die einen Fig. 9. Euglypha . a , die fingerförmigen, zur Bewegung dienenden Fort- sätze; — b , der im Panzer eingeschlossene Körper. harten, unbiegsamen, aus Kiesel, Eisen oder Kalk gebauten Panzer besitzen, in welchem der Körper so eingeschlossen ist, daß nur die feinen zur Be- wegung dienenden Peitschenanhänge hervorragen. Manche Infusionsthierchen kapseln sich während einer gewissen Zeit ihres Lebens in harte, kugel- förmige Schalen ein, in welchen sie vollkommen unbeweglich ruhen, wie Puppen in ihrer Schale. In solchen Fällen fehlt auch das letzte Criterium zur Unterscheidung zwischen Pflanze und Thier, und da, wo die fernere Beobachtung noch nicht dargethan hat, daß in der starren Hülse den- noch ein aus contractilem Gewebe gebildeter Or- ganismus vorhanden sei, ist die Entscheidung vor der Hand unmöglich: Wenn wir so auf den niedrigsten Stufen der Organisation oft lange schwankend stehen 3* müssen, bevor wir entscheiden können, ob wir es mit einem Thier oder mit einer Pflanze zu thun haben, so wird uns dies, sobald wir einige Schritte weiter gehen, außerordentlich leicht gemacht durch die all- mählige Entwickelung der Organe in dem thierischen Körper. Je weiter wir den Thierorganismus in seiner Ausbildung nach oben verfolgen, desto größer wird die Complikation seiner Bildung, desto mannigfaltiger die Zahl und das Spiel seiner Organe, desto genauer und schärfer umschrieben die Function jedes einzelnen dieser Organe. Der Thierorganismus hebt sich in der That aus dem Unbestimmten und Allgemeinen zu stets größerer Bestimmtheit und Präcision seiner einzelnen Theile empor und es wird nöthig sein wenigstens in kurzen Umrissen zu schildern, in welcher Weise dies geschieht. Die niedersten Thiere welche wir kennen, bestehen aus einer Fig. 10. Amiba . eigenthümlichen, weichen, gallertartigen, mit fei- nen Körnchen durchstreuten Grundsubstanz, wel- che in ihrer ganzen Masse der Zusammenziehung und Ausdehnung fähig ist, und die man Sarkode genannt hat. Bei vielen dieser niedern Thiere wird die Bewegung nur dadurch hervorgebracht, daß diese Substanz, fließendem Wachse ähnlich, sich da und dorthin ausdehnt, bei anderen gibt es eigenthümliche Bewegungsorgane in Form von Wimpern oder Fäden. Im Innern dieser Substanz lassen sich meist nur feine Körnchen oder blasige Räume unterscheiden, die von keinem Bestand sind. Diese thierische Grundsubstanz entspricht allen Funktionen des Thierkörpers ohne Ausnahme. Ihre äußere Schicht erscheint etwas fester, als die Masse im Innern und bildet so eine Art von äußerer Haut, die sich wie ein Schwamm mit Flüssigkeiten vollsaugt und so den Körper ernährt; ihre Zusammenziehungen ver- mitteln die Bewegung, ihre äußere Oberfläche die Empfindung; — ein Theil dieser Substanz ist eben so lebensfähig als das Ganze. Los- gerissene Stücke dieser Substanz ziehen sich zusammen, dehnen sich aus, höhlen Blasenräume in sich aus, treiben Fortsätze vor sich her — kurz — erleiden durch die Trennung keine Aenderung ihrer Lebenserscheinungen. Der Körper des Thieres theilt sich freiwillig oder selbst durch äußere Gewalt und jede Hälfte schließt sich wieder zum vollkommenen Thiere ab. So ist Alles vereinigt in einer Grundlage, aus welcher die einzelnen Organe sich nach und nach zu differenziren beginnen, ähnlich wie bei dem Embryo, wo ebenfalls aus der Grundsubstanz des Ei’s die ein- zelnen Organe und Formelemente durch fortdauernde Differenzirung sich aufbauen. Die weitere Ausbildung dieser formlosen, körnigen Grundsub- stanz geht sowohl bei den Embryonen, wie bei den Thieren im erwach- senen Zustande in gleicher Weise vor sich. Es entstehen bestimmte Elementarformen, Bläschen von mehr oder minder kuglicher Gestalt, Zellen von mancherlei Beschaffenheit, in welchen eine deutlichere Son- derung zwischen äußerer Hülle und eingeschlossenem Inhalt Statt ge- funden hat, und deren Zusammenhäufung den Thierkörper bildet. Erst später entwickeln sich aus diesen Zellen, aus ihrem Inhalte und der form- losen Substanz, die sie umgibt, die einzelnen Gewebtheile hervor, deren Mannigfaltigkeit den Thierleib und seine vielfachen Organe auf ihrer höheren Stufe zusammensetzt. Wir kommen in den folgenden Blättern auf diese Ausbildung der Gewebe zurück. Hier sei nur so viel bemerkt, daß die Abhängigkeit eines Theiles vom ganzen Thierleibe um so größer, die Verbindung desselben mit dem übrigen Organismus um so nöthiger ist, je weiter diese Ausbildung der Gewebe fortgeschritten und damit auch die Sonderung der einzelnen Organe und ihrer Func- tionen gediehen ist. Bedenkt man, daß die Sarkode alle Functionen des Thieres, Empfindung und Bewegung, Einnahme und Austausch von Stoffen im Keime in sich vereinigt, so wird es begreiflich, daß auch jeder Theil derselben mit diesen Functionen ausgerüstet als selbst- ständiger Organismus auftreten kann. Je mehr aber die Trennung der Functionen eintritt, desto weniger ist dies ferner möglich. Daher denn auch die erstaunliche Wiedererzeugungskraft der niederen Thiere, die so weit geht, daß bei vielen jedes Stück des Organismus sich zu einem selbstständigen Thiere ausbilden kann. Im normalen Leben des Thieres tritt diese Eigenschaft als geschlechtslose Zeugung durch Theilung, Knospung, Sprossung auf; der Thierleib, welcher entweder nur aus Sarkode oder aus Zellen mit sehr wenig differenzirten Organen besteht, theilt sich freiwillig in mehre selbst- ständige Wesen oder treibt an irgend einer Stelle Sarkode gleichsam als Ueberwucherung hervor, welche sich nach und nach zu einem selbst- ständigen Thiere ausbildet. Als letzter Rest dieser Fähigkeit bleibt auch bei den höchsten Thieren die Thätigkeit des Eierstockes, als eines Organes, welches die Eier, d. h. die aus formloser Körnchensubstanz, aus Sarkode, bestehenden Keime der neuen Wesen allein hervorzubrin- gen im Stande ist. Bei abnormen Zuständen tritt uns dieselbe Erscheinung entgegen und in um so ausgebildeterem Maße, je tiefer das Thier in Hinsicht seiner Gewebs- und Organ-Entfaltung steht. Der zerschnittene Arm- polyp wächst zu zwei selbstständigen Thieren aus; jede seiner Hälften ergänzt das ihr Fehlende bis zur Vollständigkeit. Der Naturforscher mit seinem Scalpell befindet sich diesen Thieren gegenüber vollkommen in der Lage des Göthe’schen Zauberlehrlings — die getrennten Hälften werden ganze Individuen. Bald aber, mit der Differenzirung be- stimmter Organe und wesentlicher Organsysteme, beschränkt sich diese Fähigkeit. Der verstümmelte Körper reproducirt ganz oder unvoll- ständig die Theile, die ihm verloren gingen — der Krebs bildet sich neue Scheeren, neue Füße, die Eidechse einen neuen Schwanz, der Salamander ein frisches Auge (wenn anders die Beobachtung richtig) — ja die Synapte und die Seewalze sollen sich einen neuen Darm, neue Athemwerkzeuge bilden können. Aber diese Neubildung geht nur von demjenigen Theile des verstümmelten Thierleibes aus, der die wesentlichsten Organsysteme noch enthält. — Das abgeschnittene Bein des Salamanders kann sich nicht einen neuen Körper bilden, wohl aber der Körper ein neues Bein hervorsprossen lassen. Und diese Re- production geschieht auf dieselbe Weise, wie die Bildung der Organe im Ei beim Werden des Embryo’s, durch Erguß formloser Bil- dungsmasse, die sich zu Zellen und Geweben umwandelt. Als letzter Rest dieser Thätigkeit bleibt bei den höchsten Thieren der Heilungs- proceß der Wunden, die Bildung der Narbensubstanz. Doch kehren wir zur Entfaltung des Thierleibes und zur Diffe- renzirung seiner Organe zurück. Besondere Höhlen zur Aufnahme der zur Ernährung des Kör- pers eingeführten Stoffe bilden sich zuerst, weßhalb man auch oft behauptet hat, der Grundtypus des thierischen Körpers sei ein vorn eingestülptes Bläschen, dessen innere durch die Einstülpung hervorge- brachte Höhle die Aneignung der von Außen eingebrachten Nahrungs- stoffe vermittele. Die Verdauungsorgane zeigen in ihrem Stre- ben nach höherer Ausbildung eine unendliche Mannigfaltigkeit der Form; zuerst nur ein vorderer Eingang, ein Mund, mit einem kurzen röhrenförmigen Schlunde, aus dessen hinterem unbestimmten Ende die aufgenommenen Nahrungsmittel in das weiche Gewebe des Körpers hineingedrückt werden; dann ein geschlossener Schlauch, der die un- verdauten Reste der Nahrung, den Koth, durch dieselbe Oeffnung auswirft, durch welche die Nahrungsstoffe aufgenommen werden; end- lich ein mehr oder minder gewundenes Rohr, welches durch zwei Oeffnungen, Mund und After, nach Außen mündet und wesentliche Complikationen in seinen einzelnen Theilen darbietet. Wenn die Wan- dungen dieses Rohres, welche mit den aufgenommenen Nahrungsstoffen in Berührung kommen, anfangs der äußern Körperwand analog ge- baut und nur als eine Einstülpung derselben nach Innen zu betrachten sind, so entwickeln sich später zur Bewältigung und Auflösung der eingeführten Nahrungsmittel eine Menge von verschiedenen Apparaten, welche die mannigfaltigste Struktur besitzen. Absonderungsorgane, Drü- sen aller Art, welche bald sauere, bald alkalische Stoffe in die Darmhöhle ergießen, treten an verschiedenen Stellen auf. Es entwickelt sich auf diese Weise die Leber , die verschiedenen Speicheldrüsen , die man- nigfachen eigenthümlichen Absonderungsorgane, welche theils in den Darmwandungen selbst, theils in ihrer Nähe sich ausbilden. Die Um- setzung der so verschiedenartig gestalteten und chemisch so mannigfaltig zusammengesetzten Organe erzeugt Auswurfsstoffe, welche durch be- sondere Drüsen abgesondert werden, die zum Theile, wie die Haru- organe , anfänglich in Beziehung zu dem Darmkanale stehen, dann aber sich von ihm trennen und selbstständig werden. Die Function der Verdauungsorgane bietet demnach vorzugsweise zwei Seiten dar — eines Theils die Zerlegung der Nahrungsstoffe in solche Substanzen, welche von dem Organismus aufgenommen werden können — andern Theils die Aufnahme dieser zubereiteten Stoffe in den Or- ganismus selbst und in dessen Theile. Der Darmkanal ist so einerseits der Behälter, in welchem die aufgenommenen Gegenstände durch Zusatz von verschiedenen chemischen Agentien behandelt und löslich gemacht werden, anderseits der Filter, durch den die aufgelösten Stoffe abgeseiht, in den Organismus aufgenommen und von den unverdaulichen Resten getrennt werden. So mannigfaltig bekannt indeß die Formen des Darmrohres und der Drüsen, welche die auflösenden Agentien liefern, sowie die Zusammensetzung ihrer einzelnen Gewebe ist, so wenig wissen wir von der eigentlichen Natur dieser Vorgänge, besonders bei den niederen Thieren. Die rastlose Bemühung der Physiologen und Che- miker hat uns nachgewiesen, daß bei den höheren Thieren die einzelnen Abtheilungen des Darmkanals verschiedene Funktionen haben, so wie auch die Nahrungsstoffe, wenn sie ihren Zweck vollkommen erreichen sollen, mehrere Stoffe enthalten müssen; daß beim Menschen z. B. der Magen hauptsächlich zur Aufnahme derjenigen Stoffe bestimmt ist, welche dem Eiweiße oder dem Fleische in ihrer chemischen Zusammen- setzung entsprechen, während der Darm wesentlich die Aneignung der Substanzen, die dem Fett ähnlich oder in Fett überführbar sind, ver- mittelt und daß demnach die in den Darm- und den Magenhäuten liegenden Drüsen, so wie die großen Hülfsdrüsen, Leber und Speichel- drüsen, welche ihre Absonderung in die Darmhöhle ergießen, sehr verschiedenartige Flüssigkeiten bereiten. Bei der zunehmenden Zersplit- terung der Functionen an besondere Organe, die man bei der Ent- faltung des Thierleibes beobachtet, läßt sich erwarten, daß in den niederen Thieren, wo nur geringe Diversität der Verdauungsorgane herrscht, auch die Function derselben mehr vereinigt sei. Hier fehlen uns aber die näheren Grundlagen eindringenderen Wissens. Unzäh- lige Thiere leben einzig und allein von Stoffen, die den höheren Thieren, deren verdauende Thätigkeit vorzugsweise untersucht ist, keine Sub- stanz zur Erhaltung ihres Lebens bieten könnten; ich nenne nur als Beispiel so manche Insekten, deren einzige Nahrung aus Holzfaser, Hornsubstanz (Haaren und Federn), fauligen Materien und anderen, für uns und die höheren Thiere ganz unverdaulichen Stoffen besteht. Die aufrichtige Naturforschung kann hier nur sagen, von welchen Stoffen diese Thiere leben, und wie die Form der Organe beschaffen ist, womit sie die Nahrungsstoffe erfassen, mechanisch zerkleinern, auf- lösen und verdauen — aber das Wie? der letzteren Vorgänge bleibt noch ein reiches Feld für künftige Forschung. In gleicher Ungewißheit schweben wir über die zweite Seite der Verdauungsfunction, über die Aufnahme der Stoffe in den Organis- mus selbst. Wir kennen eine einzige durchgreifende Bedingung für die Aneignung fremder Stoffe, welche für die ganze Thierwelt gilt — die aufzunehmenden Stoffe müssen flüssig sein , oder durch die Verdauungsorgane verflüssigt werden können, um durch Einsaugung der Darmwandungen aufgenommen und mittelst Austausch gegen die allgemeine Ernährungsflüssigkeit dem Körper angeeignet zu werden. Die Bedingungen dieses Austausches, des Uebertrittes gewisser Stoffe, während andere zurückbleiben, kennen wir kaum bei den Säugethieren, geschweige denn in der übrigen Thierwelt. Jedes Thier ist auf Ernährung angewiesen. Zwar können viele längere Zeit hindurch ohne Aufnahme von Nahrung fortexistiren und dies um so eher, je niedern Stufen sie angehören; aber dennoch bleibt es ein allgemeines Gesetz, daß der thierische Organismus zu Grunde geht, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit Stoff von Außen zur Erhal- tung zugeführt wird; das materielle Thierleben besteht wesentlich in Verbrauch von Stoff, der durch die verschiedenen Absonderungsorgane aus dem Körper ausgeschieden wird. — Die Zufuhr, welche diesen verbrauchten Stoff ersetzen soll, muß demnach alle Substanzen enthal- ten, welche den Körper selbst zusammensetzen. Die Ernährung des thierischen Körpers, der Ersatz der unbrauchbar gewordenen Theile durch den verarbeiteten Nährstoff ist mithin nur dann möglich, wenn derselbe in dem ganzen Körper überall hin dringen, nach allen Orga- nen hin vertheilt werden kann. Zu diesem Zwecke entwickelt sich all- mählig im thierischen Organismus der Kreislauf der allgemeinen Ernährungsflüssigkeit, des Blutes . Bei den niedrigsten Stufen der Thierwelt durchdringen die von der Außenfläche oder von der Darm- haut aufgesogenen Stoffe leicht die schwammige Grundsubstanz, aus welcher der Körper besteht. Bald genügt die einfache Imbibition der Sarkode nicht mehr; — ein contractiler blasenförmiger Raum wird hergestellt, durch dessen Zusammenziehung die allgemeine Ernährungs- flüssigkeit in eine gewisse Bewegung versetzt wird. Der contraktile Raum bildet sich zu einem eigenen Schlauche, dessen muskulöse Wan- dungen rhythmische Zusammenziehungen ausführen, durch welche die allgemeine Ernährungsflüssigkeit in stetem Umschwunge durch den Kör- per erhalten wird. In den niedern Stufen ergießt sich das Blut, ohne in besondere Wandungen eingeschlossen zu sein, ohne eine fest bestimmte Richtung zu haben, schrankenlos durch die Zwischenräume der Gewebe und Organe, umspült dieselben überall und durchdringt die Körpersubstanz. Bei der höheren Thieren kreist das Blut in einem anfangs unvollständig, später vollkommen geschlossenen Systeme von Röhren, die man Gefäße nennt. Die Wechselwirkung mit dem Gewebe der einzelnen Organe wird durch die äußerst zarten Wandungen der feinsten Endigungen dieser Gefäße, durch die Netze der Haargefäße bewerkstelligt, während die Richtung des Blutstromes, die bei den niedern Thieren oft unbestimmt ist, oft selbst periodisch wechselt, bei den höheren durch äußerst sinnreiche mechanische Klappen- vorrichtungen in der Bewegungsmaschine des Herzens genau fixirt wird. Auf diese Weise wird im Körper selbst eine Flüssigkeit gebildet, das Blut, in welches alle Stoffe eingeführt werden, die von Außen her genommen oder durch den Umsatz der Körperorgane abgeschieden werden. Der stete Umschwung dieses Blutes durch die aufnehmenden Organe einerseits, durch die absondernden andrerseits, die Durchdrin- gung aller Theile mittelst dieser Flüssigkeit vermittelt Ausscheidung und Aufnahme und es ist somit das Blut gewissermaßen der aufgelöste Organismus, der seine eigene Zukunft (die aufgenommenen Nahrungs- stoffe) und seine Vergangenheit (die verbrauchten Stoffe der Organe) in sich enthält. Mit der Function des Kreislaufes steht in genauester Verbindung diejenige der Athmung . Ein tiefer Unterschied besteht in dem Ver- halten der beiden organischen Reiche, des Pflanzenreiches und des Thierreiches zu der atmosphärischen Luft. Das Thier verbraucht den Sauerstoff derselben und haucht an seiner Statt Kohlensäure aus; die Pflanze im Gegentheile, saugt Kohlensäure ein und gibt dafür Sauer- stoff an die Atmosphäre zurück. So stehen beide Reiche in inniger Wechselwirkung durch das Mittel der Atmosphäre. Die Existenz des Einen bedingt die des Andern; ohne Pflanzenwelt keine Thierwelt und umgekehrt. Die in dem Wasser lebenden Pflanzen und Thiere sind hinsichtlich ihrer Athmung auf diejenigen Gasarten angewiesen, welche in dem Wasser selbst enthalten sind. Der im Wasser aufgelöste Sauer- stoff dient den Thieren, die darin aufgelöste Kohlensäure den Pflanzen zur Unterhaltung dieser Wechselwirkung mit der Atmosphäre. Durch Abhaltung der Luft, durch Entziehung derselben aus dem Wasser kann man die Bewohner dieses Elementes ebenso ersticken, wie die Land- thiere durch Entziehung der Atmosphäre. Aber auch bei den Orga- nen, welche die Athmung vermitteln, zeigt sich eine stufenweise Aus- bildung und genauere Specialisirung ihrer Function. Anfänglich ist die Athmung der allgemeinen Körperoberfläche anheim gegeben, dann entstehen besondere Organe, welche oft mit den Bewegungsorganen verschmolzen oder nur theilweise von ihnen getrennt sind; dann erschei- nen sie als Anhängsel auf der äußern Fläche, bis sie endlich besondere Höhlen im Innern bilden, die einen complicirten röhrenförmigen Bau annehmen. Man unterscheidet hier in der Thierwelt wesentlich zwei Arten von Athemorganen: Kiemen , die unterste Stufe, bestimmt im Wasser zu athmen und deßhalb wesentlich in Form von Vorsprüngen, Blättern, Bäumchen etc. entwickelt und Lungen , bestimmt mit der atmosphärischen Luft unmittelbar in Wechselwirkung zu treten und deßhalb in Form von Blasen, Säcken oder Luftröhren ausgebildet. Wie der Darmkanal das Organ für die Aufnahme von Stoffen in flüssiger Form ist, so haben die Athemorgane die specielle Function des Austausches von Gasarten, welche sich im Blute finden, mit denen des Mediums, in welchem das Thier lebt. Aber dieser Austausch be- schränkt sich nie, selbst bei der höchsten Entwickelung der Athemorgane nicht, auf diese allein, indem stets auch die äußere Haut an dieser Function, die sie Anfangs allein hatte, Antheil nimmt. Eine wesent- liche Bedingung zur Erhaltung der Athemfunction ist der stete Wechsel des zur Athmung dienenden Mediums, zu welchem Zwecke theils eigen- thümliche, der Einrichtung eines Blasebalgs ähnliche Vorrichtungen dienen, theils auch besondere Wirbel- und Strudelorgane, welche eine Strömung des Wassers oder der Luft erzeugen, vorhanden sind. Die sogenannten vegetativen Functionen , welche die Erhal- tung des Individuums bezwecken, zersplittern sich in der angedeuteten Weise immer mehr und mehr bei fortschreitender Ausbildung des thie- rischen Organismus. Nicht minder findet dieselbe Erscheinung statt in dem Bereiche derjenigen Organe, welche die Empfindung und Bewegung vermitteln, also den eigentlichen thierischen, oder ani- malen Functionen vorstehen. Die Hautoberfläche ist Anfangs das gemeinschaftliche Organ für Empfindung und Bewegung zugleich. Die niedern Thiere tasten mit jedem Punkte ihrer Oberfläche und jede Stelle derselben dient zugleich als Bewegungsorgan. Nach und nach aber treten besondere Tastorgane hervor, die an einzelnen Stellen nur besonders ausgebildet sind, während die übrige Hautoberfläche, mehr und mehr differenzirt, sich zum Schutzorgan des ganzen Körpers und zum Stützpunkt der Bewegung ausbildet. Dort entstehen Anhäufungen anorganischer Massen, die in mehr oder minder engem Zusammen- hange mit dem Hautgewebe stehen und schützende Röhren, Schalen, Schilder, Schuppen und Panzer bilden. In den niederen Stufen, wie bei den Korallen, den Polypen und den Schalen der Weichthiere zeigen diese anorganischen Schutzbildungen im Innern ihrer Massen mehr oder minder krystallinische Struktur, während da, wo sie als Knochen- Zahn- oder Emailsubstanz auftreten, eine organische Masse ihre Haupt- grundlage bildet. Anderwärts sind es feste organische Bildungen, aus Holzfaser, Chitin Ein eigenthümlicher unlöslicher Stoff, der bei den Gliederthieren vorkömmt. , oder Hornsubstanz gewebt, welche der äußern Haut ihre Festigkeit verleihen und sie fast unzerstörbar für schwächere chemische Agentien machen. Eigenthümliche Angriffsorgane, theilweise auch zur activen Vertheidigung bestimmt, entwickeln sich in Gestalt von Stacheln, Haken, Giftbläschen u. s. w. — kurz eine Mannigfaltigkeit der äußeren Bildungen tritt auf, welche besonders von der beschrei- benden Zoologie mit großer Ausführlichkeit in das Bereich ihrer Be- trachtungen gezogen werden muß. Die größere oder geringere Härte, welche die Haut an vielen Stellen besitzt, befähigt sie, passives Bewe- gungsorgan zu werden, indem die activ bewegenden Theile, die Mus- keln, sich an ihrer inneren Fläche festsetzen und so feste Stützpunkte für ihre Wirksamkeit finden. Wenn die Hautoberfläche noch wie bei vielen höhern Thieren mehreren Functionen zugleich vorsteht, wie der Ab- sonderung, dem Tastgefühl, dem Schutze gegen äußere Einflüsse, so sind diese stets an verschiedene streng individualisirte Theile des Hautgewebes gebunden. Die Bewegung , welche bei allen Thieren willkührlich ist (es ist damit nicht ausgeschlossen, daß auch unwillkürliche Bewegungen vor- kommen,) und bei den niederen Stufen als Function der gesammten Thiersubstanz gleichmäßig zukömmt, wird nach und nach ebenfalls auf besondere Gewebe und Organe beschränkt. Man findet Fäden, die zu Bündeln zusammentreten, den Thierleib in bestimmten Richtungen durchziehen und durch ihre Zusammenziehungen bestimmte Bewegungen veranlassen. Anfänglich setzen sich diese Fäden nur hier und da an der Körperwandung oder an Organen fest, welche durch ihre Elasti- zität und relative Festigkeit einerseits Stützpunkte abgeben, anderseits aber auch Beugungen gestatten. Bald aber entwickeln sich festere Stücke, Hebel, welchen zugleich besondere wohl characterisirte, ein eigenes Ge- webe bildende Fadenbündel, Muskeln , entsprechen, die an den hebelartig beweglichen festen Theilen gleich Zugseilen angebracht sind und diese mittelst oft sehr künstlicher Gelenke auf einander bewegen. In den niedern Formen der Gestaltungen bilden diese Hebel hohle Röhren, aus Horn, Chitin, oder theilweise unorganischer Substanz geformt, auf deren innerer Fläche die jetzt höchst charakteristisch gebauten und mit keinem andern Gewebe verwechselbaren Muskelfäden angeheftet sind. In den höheren Bildungsstufen befinden sich die Hebel, die Knochen und Knorpel, welche ebenfalls sehr eigenthümliche Gewebe bilden, im Innern des Organismus als mehr oder minder solide Körper und die Muskeln sind auf ihrer Außenfläche angebracht; bei den höheren Thieren sind es die Bewegungsorgane, das innere Skelett und die Muskeln, von welchen die äußere Formgestaltung des Körpers abhängt, bei den niedern Thieren sind es oft ganz andere Organe, besonders aber die Verdauungs- und Geschlechtsorgane, welche auf die äußere Gestaltung des Körpers bedingend einwirken. Auch die Sinnesorgane differenziren sich erst allmählig in dem Körper hervor und zwar ursprünglich in einer Form, welche es fast zweifelhaft läßt, ob das Sinnesorgan wirklich eines sei und welcher specielleren Function, dem Hören oder Sehen, es eigentlich vorstehe. Daß alle Thiere Sinnesempfindungen besitzen, wenn auch oft nur in sehr stumpfer Weise, ist unzweifelhaft — ob aber die Zahl der Sinne dieselbe sei, wie bei dem Menschen und den höheren Thieren, ist eine andere Frage. Es kann vermuthet werden, daß bei den niederen Thie- ren die verschiedenen Sinnesempfindungen die wir, mit speciellen Or- ganen dafür begabt, als Sehen, Hören, Riechen, Schmecken unter- scheiden, ebenso untereinander und mit dem Tastsinn zusammenschmelzen, wie dies auch bei anderen Functionen der Fall ist — uns eine Vor- stellung von diesem Zusammendrängen specifisch verschiedener Sinnes- empfindungen in eine zu machen, erscheint mir aber unmöglich. Eben so können wir die Gränzen der einzelnen Sinnesempfindungen nicht nach den unsern abmessen — es ist sehr wahrscheinlich, daß dieselben für jedes Thier verschieden sind und daß das Eine noch Wellenerschütterungen als Schall und Ton empfindet, die für das Andere unhörbar sind etc. Wie dem auch sei, die Sinnesorgane differenziren sich erst allmählig aus der Körpermasse hervor und lassen auch deutliche Spuren allmähliger Ausbildung erkennen. Zuerst tritt in einfacher Blasenform mit einem in diesem Säckchen eingeschlossenen krystallinischen Kerne, das Gehörorgan in die Erscheinung. Tief im Innern des Körpers verborgen und oft unmittelbar dem Centralnervensysteme aufgesetzt, wurde diese primitive Form des Ohrs erst neuerdings durch das Mikroskop entdeckt. Nach und nach hebt es sich an die Oberfläche empor, um die Schallwellen direkt zu empfangen, die es vorher nur durch Vermittelung der Körpergewebe erhielt. Die hinzutretenden Theile erhalten das Uebergewicht über das ursprüngliche Ohrbläschen und auf der höchsten Stufe der Ausbildung zeigt sich ein eigentliches äußeres Ohr, welches mit einem wunderbar complicirten inneren Organe in Zusammenhang steht. In ähnlicher Weise verhält sich das Auge , bei welchem zugleich jenes Gesetz in den Vor- dergrund tritt, nach welchem die vielfachen Wiederholungen eines und desselben Organes mit denselben Functionen eine Stufe niederer Aus- bildung verrathen, während die complicirte Bildung eines zur spe- ciellen Function bestimmten Organes, das in einfacher Zahl vorhanden ist, die höhere Bildungsstufe andeutet. So sind im Anfange die äußeren Hüllen für das Auge in ihrer Beschaffenheit nicht verschieden von der allgemeinen Körperhülle, die eine gewisse Durchsichtigkeit be- sitzt; — später differenziren sie sich mehr als durchsichtige Augenhäute; aber nur auf höheren Stufen werden eigenthümliche Schutzorgane, Lider, für das Sehorgan nach und nach ausgebildet. In den ersten Rudimenten der Augen existirt nur ein lichtbrechender Körper, die Linse, während nach und nach noch mehre Organe gleicher Art, Glaskör- per, Augenflüssigkeit, hinzutreten. Ebenso differenziren sich nur nach und nach als selbstständige Organe diejenigen Bildungen, welche das Seitenlicht abzuhalten, die Schärfe und Genauigkeit des Bildes zu er- höhen haben, und wozu namentlich die farbigen Augenhäute und die in Art von Schirmen beweglichen Regenbogenhäute gehören. Anfangs ist das Sehorgan unbeweglich in die Körpersubstanz eingefügt; später wird es, selbst unbeweglich, von beweglichen Körpertheilen getragen; auf der höchsten Stufe endlich wird das Organ willkührlich beweglich und kann nach Belieben selbstständig auf den zu betrachtenden Gegen- stand gelenkt werden. — Nur sehr spät treten besondere Organe für diejenigen Empfindungen, welche wir als Geruch und Ge- schmack bezeichnen, hervor und die Zunge ist Anfangs namentlich oft Tastorgan, Ergreifungsorgan und Geschmacksorgan zugleich, während später erst sich diese Functionen mehr nnd mehr differenziren. Die Empfindungen und willkührlichen Bewegungen hängen bei den höheren Thieren von der Existenz eines eigenen Organsystems ab, welches wir mit dem Namen des Nervensystems bezeichnen. So wie das Blut der Mittelpunkt aller vegetativen Functionen ist, durch welchen aller Austausch der Körpertheile bedingt wird, so stellt das Nervensystem das Centrum der animalen Functionen dar, welches die Empfindungen zum Bewußtsein bringt und die Bewegungen regelt. Auch dieses so äußerst wichtige System dringt erst durch vielfache Pha- sen bis zu dem letzten Punkte seiner Ausbildung, die es in dem Men- schen erreicht, vor. Bei den niedern Thieren hat auch die genaueste Untersuchung keine Sonderung, weder ein Centralorgan, noch peri- pherische Nerven entdecken lassen; — weiter hinauf begegnet man ein- zelnen Nervenknoten, von welchen feine Fäden an die wichtigsten Organe ausstrahlen. Durch diese Fäden verbinden sich die verschie- denen Knoten zu einem gemeinschaftlichen Systeme, das meist bei den niedern Thieren noch aus unregelmäßig durch den Körper zerstreuten Knoten zusammengesetzt ist. Später bildet sich eine Reihe von Knoten, welche durch dicke Verbindungsstränge mit einander zusammenhängen und von einem in dem Kopfe gelegenen aus mehrfachen Anschwellungen zusammengesetzten Knoten ausgehen ein Bauchmark , welches auf der Bauchseite des Körpers unter den Eingeweiden liegt; — endlich in den höheren Thieren sondert sich die Centralmasse als Hirn und Rücken- mark scharf von den ausstrahlenden Nervenfäden ab und wird in dem Verhältnisse zu dem Körper stets bedeutender an Masse, indem sie zugleich die Rückenlage einnimmt. Mit der Entwickelung des Nervensystems hält die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten vollkommen gleichen Schritt und erhebt sich in jedem einzelnen Typus der Organisation bis auf eine gewisse Höhe, welche stets bedeutender ist als diejenige, womit der nächste Typus anfängt. Die geistigen Fähigkeiten der Thiere sind auf das Engste an das materielle Substrat gebunden; — es giebt kein selbst- ständiges, unabhängiges, geistiges Prinzip, welches den thierischen Körper nur als Maschine zu seiner Manifestation benutzt. Die geistigen Fähigkeiten überhaupt sind nur das Produkt der Function der Nervenmasse und hängen von der Integrität dieses Organsystems ab, wie alle übrigen Functionen von ihren specifischen Organen. Die Organe, deren Entfaltung wir bisher mit kurzen Zügen an- zudeuten versuchten, beziehen sich auf das Leben des Individuums und auf die Erhaltung desselben als abgeschlossener organischer Körper. Zu dem thierischen Leben gehört indeß nothwendigerweise noch eine zweite Bedingung, die Erhaltung der Art durch Fortpflanzung des Einzelwesens und somit die Erhaltung der ganzen thierischen Schöpfung in ihrer Gesammtheit während des Laufes der Zeiten. Jedem thierischen Organismus ist nur eine gewisse Zeit der Existenz angewiesen; der Tod ist ein allgemeines Gesetz für alle, während die Fortdauer in der Art durch Erzeugung von Nachkommenschaft ebenso ein allgemeines Gesetz zu sein scheint. Auch für diese so äußerst wich- tige Function begegnen wir dem allgemeinen Gesetze der Differenzirung. In mannigfach wechselnder Weise tritt uns zuerst die geschlechtslose Zeugung der Nachkommenschaft entgegen. Die organische Grundsub- stanst, welche den Körper bildet, ist, wie wir schon oben erwähnten, befähigt, durch Theilung, durch Knospen, durch Sprossen, kurz in sehr mannigfach verschiedener Weise sich und damit die Art zu ver- vielfältigen. Nur langsam, fast wie im Kampfe, weicht diese geschlechts- lose Zeugung zurück vor der Thätigkeit besonderer Organe, welche sich in dem Körper entwickeln. Die Produkte dieser Fortpflanzungsorgane sind es, welche zur Erzeugung neuer Wesen nothwendig sind. Zwei Gegensätze, das männliche und weibliche Geschlecht treten her- vor. Anfangs noch auf denselben Individuen vereinigt, trennen sie sich bei den ausgebildeten Thieren, bei welchen dann jedes Individuum einem bestimmten Geschlechte angehört. Die Vereinigung beider Ge- schlechter, die Vereinigung der Produkte der beiderseitigen Fortpflan- zungsorgane, des Eies und des Samens ist nun nöthig zur Bildung des werdenden Geschöpfes. Anfangs unterscheiden sich die Geschlechter nur durch den Inhalt der Organe, nicht durch die Form derselben; später zeigen die Geschlechtsorgane Verschiedenheit der äußeren Bil- dung, ohne daß die Individuen durch andere Kennzeichen ihr Geschlecht verriethen; endlich drückt die Geschlechtsverschiedenheit der ganzen Or- ganisation ihren Stempel so tief auf, daß schon in dem Aeußeren diese Verschiedenheit erkannt werden kann, und oft so bedeutend wird, daß die Individuen derselben Art, aber verschiedenen Geschlechtes nicht nur in ganz verschiedene Klassen, sondern sogar in verschiedene Organi- sationstypen eingereiht wurden. Wenn die Grundform, von welcher aus sowohl das Pflanzen- wie das Thierreich in entgegengesetzter Richtung sich entwickeln, beiden so gemeinsam ist, daß kaum eine Scheidelinie erkannt werden kann, so läßt sich erwarten, daß auch in der Ausbildung der einzelnen Form- elemente, aus welchen die Organe des pflanzlichen und thierischen Körpers sich aufbauen, anfänglich eine große Uebereinstimmung herrscht, die erst bei nachträglicher Differenzirung mehr und mehr aufgehoben wird. Dies ist in der That der Fall. Wir haben oben gesehen, daß die formlose Grundsubstanz, welche die niedersten Thiere bildet und die bald mehr bald minder flüssig ist, den Grundstock des thierischen Bau’s darstellt und daß die erste Formgestaltung, welche sich hervorhebt, die eines Bläschens, einer Zelle ist, die dann auch bei niederen Thieren gleichmäßig wie bei niederen Pflanzen die größere Masse des Orga- nismus zusammensetzt. Ebenso ist das primitive Ei, wie es sich in dem Eier- stocke der meisten Thiere nach einem gemeinsamen Plane ausbildet, nach dieser Grundlage aller Gewebe und Organismen als Zelle gebaut. Diese besteht wesentlich aus mehren Theilen. Der Zellenin- halt entspricht meist der Sarkode; es ist eine mehr oder minder flüssige, mit Körnchen durchwebte Substanz, die meist eiweißartig ist, während die Körnchen fettiger Natur sind. Der Zelleninhalt wird meistens von einer strukturlosen feinen Haut, der Zellenmembran oder Zel- lenwand umschlossen; — diese tritt in Wechselwirkung mit den umgebenden Substanzen. Sie hat die Eigenschaft, diese oder jene Stoffe, je nach der Natur der Zelle aufzunehmen oder abzugeben. Die Zelle des Pflanzengewebes ist starr, die sie einhüllende Membran aus einem eigenthümlichen Stoffe, der sogenannten Cellulose oder der Holzfaser gewebt, welcher als solche vollkommen unlöslich ist, keinen Stickstoff enthält und auch bei einer ganzen Klasse von Thieren, den Mantel- thieren, als eigenthümliches Formelement vorkommt. Die thierische Zellenmembran dagegen besteht aus eiweißartiger Substanz oder aus Modificationen derselben und besitzt meistens einen bedeutenden Grad von Elasticität, die sich bis zu wahrer Zusammenziehungsfähigkeit stei- gert. Bei den einzelligen Thieren bildet diese Zellenmembrane die äußere Haut und ist dann jeglicher Bewegung fähig. Im Innern der Zellen bemerkt man meist außer dem beschriebenen Inhalte noch andere eigenthümliche Gebilde, die fast überall constant vorkommen und besonders bei der Vermehrung der Zellen eine bedeu- tende Rolle zu spielen scheinen. Diese Gebilde sind der Kern ( nucleus ) und das in demselben eingeschlossene Kernkörperchen ( nucleolus ), welche letztere auch in mehrfacher Zahl vorkommen können. Der Kern bildet bald ein Bläschen, bald einen scheinbar soliden, mehr oder min- der festen Körnchenhaufen, in dessen Masse das oder die Kernkörper- chen eingebettet liegen. Auch bei einzelligen Thieren ist der Kern wohl überall vorhanden und bietet besonders bei der Fortpflanzung und Vermehrung höchst eigenthümliche Erscheinungen, welche wir bei diesen Thieren ausführlicher betrachten werden. Die Vermehrung der thierischen Zellen hat man besonders bei dem Eie der höhern Thiere beobachtet, wo man diese Erscheinung den Furchungsprozeß des Dotters genannt hat. Der Kern oder das soge- nannte Kernbläschen, das Anfangs (Fig. 11, c ) vorhanden ist, ver- schwindet hier, und die formlose Substanz des Dotters oder der Zellen- inhalt ( b ) beginnt sich in einzelnen Massen zu ballen, deren jede als Mit- telpunkt einen neu gebildeten Kern besitzt. Meistens schreitet die Bil- dung dieser kernhaltigen Ballen in der Weise vor, daß jeder derselben sich stets auf’s Neue in zwei Theile spaltet, so daß zwei (Fig. 12) vier, acht (Fig. 13) und noch mehr Furchungskugeln (Fig. 14) ent- Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig, 14. Furchungsprozeß im Ei des Seeigels. stehen, welche wieder selbstständige Kerne besitzen. Diese Vermehrung nach der Zweizahl setzt sich so lange fort, bis das ganze Ei, oder ein Theil desselben in eine Anzahl von Elementarzellen zerlegt ist, aus welchen die Gewebe des Embryo sich aufbauen. Nach und nach erst scheidet sich an der Oberfläche dieser Zellen die Zellenmembran immer bestimmter ab, während anfangs nur die mehr verdichtete äußere Lage des Inhaltes selbst als solche auftritt. Aus diesen primitiven Zellen nun bilden sich die Organe heraus. Der Embryo der höheren Thiere, der Kör- per der niederen Thiere während ihres ganzen Lebens ist aus Zellen zusammengehäuft, welche zwar in jedem Organe eine eigenthümliche Bildung zeigen, aber dennoch stets nach demselben Grundtypus ge- baut sind. Auch bei den höchsten Thieren sind noch viele Gewebe vorhanden, bei welchen sich auch im ausgebildeten Zustande die Zellenstructur er- hält. Fast alle normalen, wie abnormen Flüssigkeiten des Körpers, namentlich aber das Blut, enthalten mehr oder minder häufig einge- streute Zellen oder Körperchen, die aus Zellen herstammen. Die zarten Auskleidungen der inneren Höhlungen, die Wandungen des Darm- kanals, der Luftwege, der Drüsenschläuche, sind meist von pflasterför- migen, hautartigen Ausbreitungen von Zellen gebildet, die man mit dem gemeinsamen Namen der inneren Oberhäute oder der Epithe- lien belegt hat. Alle jene Substanzen, welche von der Consistenz Vogt. Zoologische Briefe. I. 4 einer weichen Gallert bis zu der elastischen Härte des Knorpels und zu dem noch festeren Gewebe des Knochens fortschreiten, sind entweder aus noch erkennbaren oder aus solchen Zellen zusammengesetzt, die in mannigfacher Weise durch innere Ablagerungen, Verdickungen, Ver- schmelzungen verändert und unkenntlich geworden sind. Es würde zu weit führen, wollten wir hier auf diese mannigfachen Modificationen eingehen, welche alle jene Gebilde hervortreten lassen, die wesentlich als innere Stützpunkte der Bewegung benutzt werden und wo bei wei- terem Fortschritte durch Ablagerung unorganischer Substanz (meist Kalk) in dem verschmolzenen Zellengewebe jene festen Elemente des Thierkörpers entstehen, die wir als Knochen, Zähne, Schalen u. s. w. bezeichnen. — Die verschiedenen Fette, die Farbstoffe und Pigmente, welche wir in dem thierischen Körper abgelagert finden, sind meist ebenfalls Inhalt von Zellen und in Zellen ursprünglich abgelagert, wenn auch oft nachträglich dieser Ursprung gänzlich verwischt wird. Meist läßt sich bei diesen verschiedenen Modifikationen der Zelle die ursprüngliche eiweißartige Natur ihres Inhalts und ihrer structurlosen Wandung nachweisen; zuweilen aber treten besondere Stoffe auf, wie namentlich die Hornsubstanz, das Chitin, jener eigenthümliche, stickstoffhal- tige Bestandtheil des Skelettes der Gliederthiere, oder gar die stick- stofflose, unlösliche Holzsubstanz der Pflanzenzellen, die Cellulose, bei den Mantelthieren. Eine eigenthümliche Ausbildung der Gewebe ist die in Fasern , die sowohl im Innern der Zelle, als in ihrer Wandung, als auch in ihrer Umgebung sich entwickeln können. Zuerst sieht man in der form- losen Substanz gleichsam nur Züge, unbestimmte, verschwimmende Längslinien, die namentlich bei Bewegungen durch Zusammenziehung hervortreten. Diese Züge werden fester, bestimmter; genau abgegränzte Fasern von bestimmbarer Dicke und mannigfaltiger Zusammensetzung treten hervor. Die verschiedene Festigkeit, Zusammensetzung und Dicke lassen weiche Bindefasern, festere Sehnenfasern, elastische Fasern u. s. w. unterscheiden, und man kann in der Thierwelt eine fast ununterbro- chene Skala von den unbestimmt abgegränzten Fasern der niedersten Thiere bis zu den Hornfasern der Hufen, Klauen und Federn, den Zahnfasern und ähnlichen Gebilden verfolgen. Aus diesen Fasern weben sich dann besonders die hautartigen Gebilde, welche in dem thierischen Organismus vorkommen, die Röhren der Gefäße etc. zu- sammen, denen durch eine solche Bildung meist eine große Dehnbarkeit und Elasticität gesichert ist. Nach einer andern Richtung hin entwickelt sich die Faser, welche die Bewegung vermittelt. Stets weich bleibend nimmt sie immer bestimmtere Charaktere an und steht endlich bei den höheren Thieren als Muskelfaser in zwei Typen da, je nachdem sie der willkürlichen oder der unwillkürlichen Bewegung dient. In ebenso eigenthümlicher Weise, als Hohlfaser mit besonderem Inhalt, bildet sich die Nervenfaser allmählig mit unterscheidenden Charakteren hervor. Es wäre unmöglich, die Charaktere der verschiedenen Formele- mente der thierischen Körper auch nur übersichtlich auseinander zu setzen. Auch dürfte dies um so mehr unthunlich erscheinen, als bei den niederen Thieren namentlich das meiste noch der späteren Forschung überlassen bleibt. Vierter Brief. Die Fortpflanzung und die darauf gegründete Eintheilung. A lles Lebende entsteht aus einem Eie, hatte der alte Harvey ge- sagt, und lange Zeit galt sein Ausspruch für eine unumstößliche Wahr- heit. Man stritt sich nur darüber, ob die Eier oder Keime der Thiere neu in dem mütterlichen Individuum entstünden, oder ob sie in dem- selben in unendlicher Kleinheit in einander geschachtelt vorhanden seien, so daß das Mutterthier gleichsam bei seiner Erschaffung sämmtliche Keime bis zum Untergange seiner Nachkommenschaft vorgebildet im Leibe tragen sollte. Neben diesen beiden Ansichten erstreckte sich freilich ein noch vergessenes Feld, von dem man lieber schwieg, als daß man die schwachen Seiten hätte aufdecken sollen. Die Fortpflanzung der Eingeweidewürmer und mancher anderen Schmarotzer, sowie derjenigen Wesen, die in außerordentlicher Fülle und Kleinheit die Gewässer be- völkern, war für beide streitende Parteien in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt. Indessen führte doch die Nothwendigkeit und der zu- nehmende Gebrauch der Vergrößerungsgläser immer wieder auf diese Gebiete zurück und um manche außerordentliche Erscheinungen zu er- klären, nahm man endlich seine Zuflucht zu der Ansicht, daß viele nie- dere Thierwesen nicht von Eltern ihrer Art abstammten, sondern un- mittelbar aus dem organischen Stoffe durch Urzeugung ( Generatio aequivoca ) entstünden. Von gewissen Thieren galt diese Ansicht seit uralten Zeiten; ja Aristoteles hatte schon behauptet, die Aale erzeugten sich aus dem Schlamme, das Ungeziefer aus dem Kothe und Kehricht. Die 4* Volksmeinung ließ die Thiere unmittelbar aus der Substanz entstehen, in der man sie zuerst als Junge fand. Die naturphilosophische Periode unserer Wissenschaft bildete mit besonderer Vorliebe die Theorie von der Erzeugung der niedern orga- nischen Wesen durch Urzeugung aus. Man glaubte an die Existenz eines organischen Grundstoffes, der überall verbreitet sein sollte. Die Organe der höheren Thiere und Pflanzen, nahm man an, bildeten sich aus diesem Grundstoffe hervor und würden wieder in ihn zurück- geführt, sobald sie verfaulten und sich auflösten. Diese thierische Grund- substanz nun (Urschleim, Eiweiß, Gallert) sollte die Fähigkeit haben, unter dem gemeinsamen Einflusse von Luft und Wasser in thierischer oder pflanzlicher Richtung sich zu organisiren und sich je nach den äußeren Umständen zu bestimmten Formgestaltungen, zu bestimmten Pflanzen und Thieren, besonders Schimmelfäden und Infusorien, zu entwickeln. Ohne sich viel näher um die Organisation der entstehenden Pflanzen- oder Thier-Wesen zu bekümmern und in derselben die Erklärung der unendlichen Vervielfältigung jener meist mikroskopischen Wesen in Auf- güssen organischer Substanzen zu suchen, mühte man sich ab, durch vielfache und in ihrem Wesen stets ungenaue Versuche die Bedingun- gen zu finden, unter welchen aus denselben Stoffen bald Pflanzen, bald Thiere erzeugt würden. Man stellte auf mühevollen Umwegen endlich so viel fest, daß zur Urzeugung organischer Wesen drei Bedin- gungen nöthig seien: eine organische Substanz, sei sie nun thierischen oder pflanzlichen Ursprungs, Wasser und Luft. Hinsichtlich der Ent- stehung der Eingeweidewürmer waren die Aerzte einstimmig und die Naturforscher mit ihnen der Ansicht, daß sie unmittelbar auf Kosten des Thieres erzeugt würden, welches sie bewohnten. Wenn man auch hätte annehmen wollen, daß die im Darmkanal befindlichen Würmer als junge Thiere, oder in Gestalt von Eiern mit der Nahrung oder dem Trinkwasser von Menschen und Thieren hinabgeschluckt seien, so konnte man doch nach dem damaligen Stande der Wissenschaft unmög- lich von den in geschlossenen Höhlen, im Muskelfleische, im Auge und an ähnlichen Orten anwesenden Eingeweidewürmern glauben, daß sie von Außen dort hin gelangt seien. Man war überzeugt, daß hier eine falsche Plasticität des thierischen Organismus walte; der statt irgend einer normalen, zum Körper gehörigen Bildung oder eines krankhaften Aftergebildes ein thierisches Wesen niederer Art hervorbringe. Die genaueren Untersuchungen der uns zunächst liegenden Zeit stellten sich alsbald dieser allgemein verbreiteten Annahme einer Ur- zeugung entgegen, und wenn auch in vielen Fällen unsere gegenwärtige Kenntniß durchaus nicht hinreicht, um mit vollkommener Sicherheit die Herkunft der Organismen darzuthun, welche man in Aufgüssen und in anderen thierischen Körpern findet, so war doch ein einziger, aus physikalischen Grundsätzen hervorgehender Versuch hinreichend, die Nich- tigkeit des ganzen naturphilosophischen Gebäudes darzuthun. Ein Aufguß, den man kocht, also zu einer Temperatur bringt, bei welcher das thierische Eiweiß gerinnt und zu jeder fernern Gestaltung unfähig wird, ein solcher Aufguß bringt niemals organische Wesen hervor, wenn er vollkommen luftdicht verschlossen wird; läßt man ihn dagegen offen stehen, so erzeugen sich dieselben Wesen in dem Aufgusse, als wenn er ungekocht geblieben wäre. Es schien hierin der Beweis zu liegen, daß der freie Zutritt der Luft es sei, welcher die Urzeugung bedinge. Man suchte nun die Luft von jeder organischen Beimischung zu reini- gen, ohne jedoch ihre Zusammensetzung zu verändern. Man kochte den Aufguß in einem Kolben, durch welchen man einen Luftstrom leiten konnte, der vorher durch Schwefelsäure oder irgend eine andere Sub- stanz strich, welche alle in der Luft mitgeführten organischen Stoffe zerstörte, ohne der Zusammensetzung der Luft selbst Eintrag zu thun. Man ließ diesen Apparat wochenlang, monatelang in Funktion und erneuerte täglich die Luft, indem man sie durch Schwefelsäure streichen ließ, ohne den mindesten Erfolg. Es bildeten sich niemals organische Wesen in einem solchen Apparate. In einem anderen Kolben aber, dessen Inhalt vollkommen gleich behandelt war, dessen Erneuerungs- luft man aber nicht durch Schwefelsäure oder Aetzkali, sondern nur durch eine leere Glasröhre streichen ließ, also ihrer organischen Ein- schlüsse nicht beraubte, wimmelte es bald von mikroskopischen Pflanzen und Thieren aller Art. Es war somit der thatsächliche Beweis gelie- fert, daß nach Anwendung solcher Mittel, welche die Lebensfähigkeit organischer Körper zerstören, auch bei Anwesenheit von organischer Substanz, Luft und Wasser, keine neuen Wesen entstehen, und es war der mittelbare Nachweis geliefert, daß in der Luft, in den soge- nannten Sonnenstäubchen, trockene Keime und Wesen der niedersten Art den Aufgüssen zugeführt wurden, in welchen sie einen geeigneten Boden zu ihrer Entwickelung und Fortpflanzung hatten. In der That ist die Fortpflanzungsfähigkeit der Thiere und Pflanzen, die sich in solchen Aufgüssen finden, ungeheuer, so daß ein einziges solches Individuum in kurzer Zeit eine Nachkommenschaft von Millionen besitzen und durch dieselbe eine bedeutende Menge von Flüssigkeit bevölkern kann. Den Nachweis gegen die geschlechtslose Urzeugung der Eingewei- dewürmer auf Kosten der Thiere, welche sie bewohnen, hat man auf andere Weise zu liefern gesucht. Einestheils erreicht bei den meisten Gattungen derselben die Produktion von Eiern und Keimen wahrhaft fabelhafte Proportionen, so daß Millionen dieser Eier und Keime zu Grunde gehen können, ohne daß deßhalb die Art vernichtet würde. Dann hat man die meist mikroskopischen Eier und Jungen auf ihren dunkelen Wegen verfolgt; man hat gesehen, daß die staunenswerthesten Verwandlungen durchlaufen werden; daß oft derselbe Schmarotzerwurm angewiesen ist während seines Lebens in verschiedenen Gestalten ver- schiedene Thiere zu bewohnen; daß viele Würmer eine Zeitlang frei sind und sich von Außen her in ihre Wohnthiere einbohren — kurz man hat eine Menge von Wegen entdeckt, auf welchen diese Eingeweidewür- mer an ihre Wohnsitze gelangen und von denen man früher gar keine Ahnung hatte. Täglich vervielfältigen sich diese Forschungen, und wenn sie auch noch kein vollständiges Licht verbreiten, so geben sie doch Fingerzeige und Analogieen genug, durch welche man alle paradoxen Erscheinungen auf diesem Gebiete weit natürlicher und ungezwungener erklären kann, als durch die Annahme einer Urzeugung der Eingeweidewürmer auf Kosten ihrer Wohnthiere. Wir verwerfen also gänzlich und unbedingt die sogenannte Ur- zeugung als ein Hirngespinnst, oder vielmehr als einen theoretischen Deckmantel für unsere factische Unwissenheit. Jedes thierische Wesen, welches existirt, ist für uns das Produkt der Fortpflanzung von an- deren Wesen, welche ihm ähnlich waren. Uns vorbehaltend bei der Betrachtung der einzelnen Thierklassen näher auf die Einzelnheiten einzugehen, müssen wir hier einen Blick auf die Fortpflanzungsweisen der Thiere im Allgemeinen richten. Die geschlechtslose Zeugung kommt, wie wir schon in dem vorigen Briefe bemerkten, hauptsächlich nur in den niedrigsten Stufen der einzelnen Organisationstypen vor und auch hier wieder in sehr verschiedener Art und Weise. Es gibt Thiere, deren Gesammtorgani- sation indeß noch nicht so weit erforscht ist, um ein genügendes Ur- theil abgeben zu können, deren Körper nach einer gewissen Dauer seiner Existenz, sich in eine Unzahl von Keimkörnern auflöst, die wie es scheint, dazu bestimmt sind, jedes sich zu einem neuen Individuum zu gestalten. Das Mutterthier geht hier bei der Erzeugung seiner Keime zu Grunde, und die Keime selbst streuen sich, wie es scheint, nach verschiedenen Richtungen aus, um ein neues selbstständiges Leben zu beginnen. Eine andere Vermehrungsweise ist die durch Theilung , welche besonders bei den Infusionsthierchen häufig vorkommt. Ein Thier, Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Glockenthierchen ( Vorticella ), die sich durch Theilung und Knospung fortpflanzen. Das Thierchen Fig. 15 ist eben in der Theilung begriffen, der Kern b ist schon voll- kommen doppelt; Fig. 16 will sich von seinem Stiele loslösen; Fig. 17 bildet an der Basis des Stieles eine seitliche Knospe, die noch un- vollkommen ist. Bei allen dreien ist a der Mund mit der Wimperkrone, b der Kern, d die gefüllten Magenblasen, e die contractile Blase, f der Stiel, i der accessorische Wimper- kranz, den die sich loslösenden Individuen wäh- rend ihrer freien Beweglichkeit haben. welches bis dahin ein selbststän- diges Leben führte und keine Spur eines symmetrischen Baues zeigte, läßt plötzlich eine Rinne oder Furche oder eine sonstige Verän- derung in seinem Inneren gewah- ren, welche sich bis zu einer Thei- lung in zwei, meistentheils gleiche Hälften ausbildet — eine Theilung, die zuweilen nach einigen Stunden sich bei den kaum getrennten Hälf- ten auf’s Neue wiederholen kann. So schreitet die Fortpflanzung durch immer fortgesetzte Theilung der neu entstandenen Individuen in geometrischer Weise vor, und man weiß aus dem Beispiele des Schachbrett’s, zu welch ungeheu- ren Zahlen man auf diese Weise gelangen kann und nothwendig gelangen muß, wenn nicht ander- weite Hindernisse hemmend da- zwischen treten. Bei der Theilung sind die beiden Hälften, in welche das Thier zerfällt, meist einander vollkommen gleich. Es findet kein Un- terschied zwischen dem alten und jungen Thiere statt. Anders ist es bei der Fortpflanzung durch Knospen , die sich in sehr verschiedener Weise darstellen und meistens die sogenannten socialen oder gesellschaft- lichen Formen der Thiere zu Folge haben. An irgend einem Theile des Körpers, bald an dem vorderen Ende, bald an der Seite, bald an dem hinteren Ende zeigt sich ein Auswuchs, der Anfangs mit dem Körper des Mutterthieres in dem innigsten Zusammenhange steht. Die allgemeine Ernährungsflüssigkeit cirkulirt aus dem Körper des Mutter- thieres in die Höhlung der Knospe. Diese scheint anfangs nur ein zufäl- liger, von frühern Forschern oft für krankhaft gehaltener Auswuchs. Die Knospe gewinnt nach und nach ein zunehmend selbstständiges Leben. Fig. 18. Wasserlinsen, a an deren Wur- zeln mehrere Armpolypen ( Hy- dra ) sitzen. Aus dem Polypen bei c sind zwei schon mit Armen versehene Knospen entwickelt, die der Ablösung nahe sind. Oft bleibt sie in Verbindung mit dem Mut- terthier und indem die neuen Knospen nach bestimmten Normen bald mehr bald minder regelmäßig sich entwickeln, entstehen jene gemeinschaftlichen Colonieen, die wir als Polypen, Corallen, Moosthiere u. s. w. kennen lernen werden; oft aber auch reißen sich die Knospen los und führen während einiger Zeit ein selbstständiges Leben, so daß man wohl zwischen freien Knospen und zwi- schen bleibenden Knospen unterscheiden muß, indem erstere meistens bei festsitzenden Thie- ren vorkommen und zur Gründung neuer Colonieen in der Ferne bestimmt sind, wäh- rend Letztere die Vergrößerung des Polypen- stockes zur Folge haben und zu dem Ende mit dem Mutterstocke in Verbindung bleiben. Zuweilen bilden sich die Knospen auch in der Weise, daß festsitzende Thiere lange Ausläufer oder Ranken von ihrer Basis ausschicken, aus denen dann ähnlich wie aus den Aus- läufern der Erdbeerpflanze von Zeit zu Zeit durch Knospungen neue Individuen entstehen. Manchmal selbst bilden sie sich im Innern des Körpers und werden nach ihrer Ablösung ausgestoßen. Die höheren Thiere in allen Typen pflanzen sich durch die ge- schlechtliche Zeugung fort, und diese ist auch bei vielen niedern Thieren vorhanden, bei welchen außerdem noch die Vermehrung durch Knospenbildung stattfindet. Die geschlechtliche Zeugung bedingt, wie schon in dem vorigen Briefe dargethan wurde, die Existenz zweier ver- schiedener einander entgegengesetzter Zeugungsstoffe, des männlichen oder des Samens und des weiblichen oder des Eies, die meistens in besonderen Geschlechtsorganen ausgebildet werden. Beide Produkte haben durch die ganze Thierwelt so eigenthümliche Charaktere, daß sie nur selten verkannt werden können. Das Ei aller Thiere ist nach einem bestimmten Plane gebaut; eine mehr oder minder körnige weiche oder flüssige Substanz, deren Hauptbestandtheile Fett und Eiweiß sind, der Dotter , bildet den Hauptinhalt des Ei’s und wird von einer außerordentlich zarten, nur in seltenen Fällen fester werdenden, strukturlosen Haut, der Dotterhaut , umschlossen. In diesem Dotter liegt ein helles Bläschen, welches meist eine wasserhelle Flüssigkeit Fig 19. Eierstocksei des Kaninchens. a Dotter haut (bei den Säugethieren ausnahms- weise sehr dick); b Dotter; c Keimbläschen; d Keim- fleck. in sich schließt und welches man das Keimbläs- chen genannt hat. In dem Innern des Keim- bläschens selbst findet sich bald ein körniger Fleck, bald an dessen Statt, eins oder mehrere außeror- dentliche kleine Bläschen, die Keimflecke . Das primitive Ei aller Thiere ist aus diesen verschie- denen ineinander geschachtelten Gebilden, dem Keimfleck, dem Keimbläschen und dem Dotter zu- sammengesetzt und hat stets eine nur mikroskopische Größe. Die Eier werden in besonderen, manch- mal sich periodisch entwickelnden Organen, in den Eierstöcken gebildet. Ihre in die Augen fallende Größe erhalten sie meistens durch Vermehrung des Dotters, oder durch spätere Umbildung verschiedenartiger Hüllen und Schalen und des Eiweißes. Zur Bildung dieser Letzteren entwickeln sich eigene Hilfsorgane und Drüsen, so daß bei vielen Thieren die weiblichen Geschlechtstheile einen äußerst complicirten Bau besitzen. Das männliche Zeugungsprodukt, der Same , wird ebenfalls in eigenen drüsenartigen Organen ausgebildet und zeigt eine nicht minder charakteristische Zusammensetzung. Mit nur wenigen Ausnahmen enthält er bei allen Thieren zur Zeit der Zeugungsfähigkeit lebendig bewegte Körperchen, die man mit dem Namen der Samenthierchen oder Fig. 20. Saamenthierchen rerschiedener Thiere. a. Von einem Polypen ( Actinia ). b. Von einer Qualle ( Rhizostoma ). c. Von einem Säugethier (Bär). d. Von einem Vogel (Sperling). e. Von einem Krebse (Hummer). Samenfäden belegte. Früher hielt man sie, ihrer lebhaften Be- wegungen wegen, all- gemein für Thiere, die man bald den In- fusionsthierchen, bald den Eingeweidewür- mern zuzählte. Allein alle Versuche eine in- nere Organisation an ihnen zu entdecken, wa- ren durchaus frucht- los. Durch genauere Untersuchung ihrer Entstehungsweise an ihrer Bildungsstätte, dem Hoden , überzeugte man sich, daß sie nicht selbstständige Thiere, son- dern nur Formelemente des männlichen Organismus seien, welche eine ähnliche Beweglichkeit besitzen wie die Flimmer- und Wimperhaare. Diese Samenfäden haben meist einen mehr oder minder eiförmigen, scheibenartigen Körper, der zuweilen auch cylindrisch oder korkzieher- artig gedreht ist und einen langen schwanzförmigen Anhang, der sich peitschenartig hin und her bewegt. Das Gewimmel von Tausenden dieser beweglichen Formelemente in einem einzigen Tropfen zeugungs- fähigen Samens ist eins der merkwürdigsten Schauspiele, welches man unter dem Mikroskope erblicken kann. Nur bei wenigen Thieren sind die Formelemente vollkommen starr und von äußerst abweichender Ge- stalt, bei manchen aber werden sie noch in eigenthümlichen Samen- schläuchen eingeschlossen, aus welchen sie später hervorgetrieben werden. Auch die männlichen Geschlechtsorgane erhalten oft eine äußerst com- plicirte Form, indem sich in ihrem Vereiche mannigfache Drüsen und absondernde Gebilde entwickeln, welche die Vermehrung der Samen- masse bezwecken. Außerdem kommen bei den höheren Thieren, sowohl bei dem männlichen wie weiblichen Geschlechte, äußere Organe vor, welche zur Vereinigung beider Geschlechter im Fortpflanzungsakte, zur Begattung dienen und oft von sehr sonderbaren Haft- und Haltwerk- zeugen begleitet sind. Beide Geschlechter bedingen sich wechselseitig, kein Ei ohne Samen und kein Samen ohne Ei. Es gibt keine Art von Thieren, die nur männlich oder nur weiblich wären. Mannigfaltige Verhältnisse wech- seln aber in dieser Beziehung ab. Bei den Einen wird das Ei auf dem Wege seiner Ausstoßung aus dem Organismus nothwendig mit den männlichen Zeugungsstoffen in Berührung gebracht, die von dem- selben Individuum in männlichen Organen erzeugt werden; — das Thier ist ein wirklicher Hermaphrodit, ein Zwitter, und genügt als ein einzelnes Individuum zur Fortpflanzung der Gattung. Vielleicht dürfte sich in späteren Zeiten herausstellen, daß diese Ansicht eine irrige sei, und daß die Geschlechter stets auf verschiedene Individuen derselben Art vertheilt seien; — bis jetzt aber ist der sichere Beweis dieses Verhal- tens noch nicht geliefert, und wenn man auch versucht hat, das thatsächliche gemeinsame Vorkommen von Zeugungsstoffen beiderlei Art auf einem und demselben Individuum dadurch zu erklären, daß man behauptete, die männlichen Zeugungsstoffe seien erst durch Begattung eingeführt, so ist diese Behauptung dennoch weit entfernt, genügend unterstützt zu sein. Die meisten hermaphroditischen Thiere indessen pflanzen sich dennoch in der Weise fort, daß sie wechselseitig ihre Eier befruchten. Die Befruchtung selbst geschieht indessen in mannigfach ver- schiedener Weise. Bedingung für sie ist, daß die specifischen Produkte der Fortpflanzungsorgane, die Samenthierchen und die Eier, mit ein- ander in direkte, unmittelbare Berührung kommen. Bei den einen wird dies dadurch erreicht, daß die Eier, von dem mütterlichen Orga- nismus ausgestoßen, außerhalb desselben durch den von dem männ- lichen Individuum ausgestoßenen Samen befruchtet werden, und zwar geschieht dieses ebensowohl bei solchen Arten, welche an dem Boden festsitzen, als bei solchen, die sich frei im Raume bewegen können. Selbst unter den Thieren, welche gemeinschaftliche Colonieen oder Stöcke bilden, kommt es nicht nur vor, daß männliche und weibliche Indi- viduen auf demselben Stocke sich finden, sondern auch, daß sämmt- liche Individuen eines Stockes nur einem einzigen Geschlechte angehören, also entweder männlich oder weiblich sind, und daß demnach die Zeu- gungsstoffe auf’s Geradewohl dem Wasser überlassen werden müssen, in der Hoffnung, daß der Strom des flüssigen Elementes sie den Stöcken des andern Geschlechtes zuführen werde. Es findet hier das ähnliche Verhältniß statt, wie bei denjenigen Pflanzen, bei welchen ebenfalls männliche und weibliche Blüthen auf verschiedenen Stämme vertheilt sind, und wo der Wind den Blüthenstaub den weiblichen Blumen zuführen muß. Bei den höhern Thieren findet die Befruchtung des Eies noch innerhalb des mütterlichen Organismus statt, in welchen die männ- lichen Zeugungsstoffe durch die Begattung eingeführt werden. Wie bei denjenigen Thieren, deren Eier außerhalb der Mutter befruchtet werden, so löst sich auch hier zu gewissen, periodisch wiederkehrenden Zeiten, das Ei aus seiner Geburtsstätte, dem Eierstocke los und wird nach Außen geführt. Auf seinem Wege trifft es die männlichen Zeu- gungsstoffe, die entweder durch unmittelbare Begattung dem weiblichen Organismus einverleibt wurden, oder aber schon seit längerer Zeit dort verweilten. Bei vielen Thieren nämlich und besonders bei den Insekten existirt als besonderer Anhang der innern weiblichen Ge- schlechtsorgane eine Tasche oder ein Behälter, in welchem der männ- liche Same selbst Jahrelang unverändert sich erhält, so daß eine einzige Begattung für vielfache Perioden des Eierlegens zur Befruchtung genügend ist. Meist wird das Ei nach erfolgter Befruchtung von dem mütterlichen Organismus ausgestoßen, zuweilen aber auch entwickelt sich das junge Thier im Innern des mütterlichen Organismus an einer besonderen zu den Geschlechtsorganen gehörigen Brutstätte, dem Uterus oder der Gebärmutter, und verlässt dann erst denselben als mehr oder minder ausgebildeter Fötus. Bei den höchsten Typen des Thierreiches tritt sogar das Junge in einen engen Zusammenhang mit dem mütterlichen Organismus selbst, aus dessen Blut es diejenigen Stoffe entnimmt, welche zu dem Aufbaue seines Körpers nöthig sind. Jedes Thier durchläuft von dem Augenblicke seiner ersten Bil- dung an bis zu seinem normaler Weise eintretenden Tode eine Reihe von Bildungsstufen, deren genauere Betrachtung für die Naturgeschichte um so wichtiger ist, als oft die größten Gestaltveränderungen durch dieselben erzeugt werden. Wir werden im Verlaufe dieses Briefes noch die Veränderungen im Ei und die allmählige Hervorbildung des Embryo’s aus dem ursprünglich formlosen Stoffe schon um deßwillen genauer in’s Auge fassen, weil wir auf dieselben hauptsächlich die Ent- wickelung der Urtypen bauen, aus denen uns das Thierreich zusam- mengesetzt erscheint. Nicht minder wichtig sind aber die Veränderun- gen, welche die Thiere auch dann noch erleiden, nachdem sie durch Befreiung aus den Hüllen des Eies selbstständig geworden sind; oft betreffen diese Veränderungen und Umgestaltungen nur das Indivi- duum, in einzelnen Fällen greifen sie aber so tief, daß das Indivi- duum darüber zu Grunde geht und erst durch erneute Fortpflanzung der Typus des Mutterthieres hergestellt wird. Der Gang der stufenweisen Entwickelung der Thiere geschieht meist in der Weise, daß die Geschlechtsreife und diejenige Periode, in welcher sie zur Fortpflanzung fähig sind, den Gipfelpunkt ihrer Aus- bildung bezeichnet. Bei denjenigen Thieren, in welchen periodisch weit von einander abstehende Epochen der Geschlechtsäußerung vorkommen, überrascht sogar die höhere und kräftigere Entfaltung aller Lebenser- scheinungen in dieser Periode des Geschlechtslebens. Mit dem Schwin- den der Fortpflanzungsthätigkeit tritt meist auch eine allmälige Zurück- bildung der Organe ein, die dem endlichen Tode entgegenführt. Es gibt aber viele Gattungen und Arten, ja größere Abtheilungen des Thierreiches, bei welchen diese Zurückbildung der Organe, diese rück- schreitende Metamorphose , wie man sie genannt hat, schon frü- her beginnt, bevor noch die Geschlechtsreife eingetreten ist. Dieses findet namentlich statt bei solchen Thieren, welche in der Jugend frei umherschweifen, während sie im Alter sich festsetzen oder endlich als Schmarotzer in andern Thieren leben. Die Bewegungsorgane, mit welchen sie ausgerüstet waren, verkümmern, die Sinnesorgane schwin- den, und oft wird der Körper in so bedeutender Weise umgestaltet, daß man die erwachsenen Thiere in andere Organisationstypen und in niederstehende Classen vertheilte, während man die jüngern Thiere höheren Classen zuwies. Wir werden die auffallendsten Beispiele die- ser Art, namentlich unter den Krustenthieren und den Eingeweide- würmern finden. Bei vielen Thieren geschieht die Ausbildung und Rückbildung des Körpers in so allmähliger Weise, daß es fast unmöglich ist, be- stimmte Stadien derselben nachzuweisen. Das Junge verläßt das Ei in einer Gestalt, die dem alten Thiere schon gewissermaßen ähnlich ist und nur durch die Verhältnisse der einzelnen Theile des Körpers, oder durch die mangelnde Ausbildung untergeordneter Organe sich unterscheidet. So verläßt der junge Fisch z. B. meist das Ei in einer Gestalt, welche zwar dem erwachsenen Thiere ähnlich ist, obgleich seine Flossen wenig ausgebildet und die Größenverhältnisse seiner Körper- theile so von dem Erwachsenen verschieden sind, daß es dem Unge- übten unmöglich ist, Gattung und Art zu erkennen. Dennoch aber geschieht die Umgestaltung der Flossen und der Körpertheile so allmäh- lig, daß man keinen bestimmten Haltpunkt erkennen kann. Bei vielen und großen Thiergruppen findet das entgegengesetzte Verhältniß statt, sie gehen Verwandlungen ein, welche durch bestimmte charakteristische Epochen geschieden sind, meistens in der Art, daß in der äußeren Hülle des Thieres die neue Gestalt sich entwickelt und aus der gesprengten Hülle in vollendeter Form hervorgeht. Man hat diese, gewissermaßen plötzlich eintretenden Umänderungen, Metamor- phosen oder Verwandlungen genannt und sie besonders in den Reihen der Gliederthiere, fast in allgemeiner Verbreitung angetroffen. Zuweilen geschieht es, daß das Thier während einer ganzen Ent- wickelungsperiode, ohne Nahrung zu finden, in ruhendem Zustande verharrt, während welcher Zeit die innern Veränderungen vor sich gehen; in anderen Gruppen nimmt das Thier beständig Nahrung zu sich, während es in ähnlicher Weise successive Veränderungsperioden eingeht. Die Form, in welcher das Thier das Ei verläßt, wird die Larve, Raupe, Made ( Larva ), die zweite Verwandlungsstufe die Puppe ( Pupa, Nympha ), die dritte das Bild ( Imago ) genannt. Raupe, Puppe und Schmetterling sind die bekanntesten Beispiele solcher Verwand- Fig. 21. lungsstufen eines und desselben Individuums. Eine abweichende Art der Metamorphose kommt bei nie- drig stehenden Gruppen ein- Fig. 21, 22, 23 Larve, Puppe und Bild des Schwalben- schwanzes ( Papilio Machaon Linné .) zelner Organisationstypen vor. Das aus dem Ei hervorgebil- dete Individuum wird zu kei- ner Zeit dem Mutterthiere ähnlich, es entwickelt vielmehr in seinem Inneren, entweder gleichzeitig oder nach einan- der eine Reihe von Keimen, die sich zu neuen Wesen ge- stalten und dabei oftmals wäh- rend ihrer allmähligen Aus- bildung bis zu dem Typus des Mutterthieres ähnliche Ver- wandlungen eingehen, wie die, welche wir so eben betrachteten. Zuweilen selbst scheint dieser Prozeß des Untergangs des Individuums und der Erzeugung neuer Keime aus demselben sich mehrfach zu wiederholen, selbst in der Weise, daß man innerhalb des entstehenden Tochterthieres das noch im Leibe der Mutter einge- schlossen ist, das Enkelthier sich bilden sieht. Man hat diese seltsame Weise der Fortpflanzung, den Generationswechsel oder die Am- menzeugung genannt und mit dem Namen Ammen, diejenigen ge- schlechtlosen Zwischenstufen bezeichnet, aus welchen durch innere oder äußere Knospen die Individuen hervorgehen. Eines der complicirte- sten Beispiele dieser Art, welches man bis jetzt kennt, möge als Bei- spiel dieser Ammenzeugung dienen. Ein Eingeweidewurm, Monosto- mum mutabile erzeugt Eier, in deren Innern ein mit Flimmern Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Ammenzeugung des Monostomum mutabile . Fig. 24 das Ei, Fig. 25 die freie Großamme, Fig. 26 die freie Amme. a Eihülle, b Großamme, c Amme, d Augenpunkte. besetzter Embryo entsteht. Dieser Embryo, den man die Groß- amme nennen könnte, und der niemals dem Mo- nostomum ähn- lich wird, geht zu Grunde. Die Großamme be- wegt sich durch einen Besatz von Wimperhaaren schwimmend umher und gleicht ganz einem freien Thiere, welches sogar ein deutliches Verdauungsorgan und Augenpunkte be- sitzt. In dem hintern Theile dieser Großamme bildet sich nun auf dem Wege der Knospung ein Ammenschlauch ( c ) von hinten dreizipflicher Gestalt, in dem sich, wieder auf dem Wege der Knospung, eine Menge eigenthümlicher Thiere, sogenannte Cercarien, erzeugen, welche, sobald sie ihre vollständige Ausbildung erreicht haben, aus der Amme her- vorbrechen und frei im Wasser einherschwimmen. Aber diese Cerca- rien sind nur Larven, welche dazu bestimmt sind, sich in Insekten ein- zubohren und dort förmlich sich einzupuppen, also ganz in ähnlicher Weise sich zu verwandeln, wie die Raupe in die Puppe; erst aus der Puppe der Cercarie geht wieder ein Monostomum hervor. Man sieht, daß hier zwei Generationen, diejenige der Großamme und der Amme, zu Grunde gehen, bis endlich diejenigen Individuen erzeugt werden, welche durch eine eigenthümliche Verwandlung den Typus des Mut- terthieres erreichen, und daß demnach bei diesen und ähnlichen Weisen der Fortpflanzung nicht die unmittelbaren Nachkommen, sondern erst die mittelbaren jene Charaktere der Art wieder zeigen, welche die El- tern besaßen. Nicht minder bedeutend für die Gesammt-Anschauung des Thier- reichs und namentlich für die Begründung der größeren Kreise, in welche sich dasselbe eintheilt, ist die genauere Betrachtung der Art und Weise, wie sich der Thierleib aus seinem Keime hervorbildet und in seinen ersten Formgestaltungen sich verhält. Wie bei dem Bildhauer der formlose Stein nur nach und nach der vollendeten Statue sich entgegenbildet, anfangs nur die gröberen Umrisse der Gruppen und Gestalten, später erst die Einzelnheiten der Form sich darstellen, so tre- ten auch bei der Entwicklung der Thiere zuerst die allgemeinen Grund- linien des Planes hervor, nach welchen es gebaut ist, und erst bei fortgesetzter Differenzirung lassen sich die Einzelheiten der Gestaltung erkennen. Die Betrachtung der ersten Entwicklungszustände gibt am leichtesten und klarsten die leitenden Grundsätze an die Hand, nach welchen die größeren Kreise und Gruppen des Thierreiches geschieden werden können, indem sie diese Grundsätze unmittelbar aus der Beob- achtung ohne weiteren Zwang hervorgehen läßt. Ueberblickt man das Thierreich in seiner Gesammtheit, so ergeben sich, je nach der Bildung der jungen Thiere, drei große Gruppen oder Provinzen, die sich wieder in mannigfache Unterabtheilungen zerlegen. Bei den niedersten Thieren, den Urthieren oder Protozoen , existirt Fig. 27. Verschiedene Infusorien. durchaus keine geschlechtliche Zeugung, keine Bildung eines wahren Eies, welches durch Befruchtung erst die Fähigkeit erhält, sich zu einem selbststän- digen Thiere zu entwickeln. Der Charakter ihres gesamm- ten Körperbaues entspricht dem der Zelle, ihre Körpersubstanz ist we- sentlich die oben erwähnte Sarkode; der Körper selbst hat eine mehr oder minder rundliche Gestalt, in welcher keine bestimmte regelmäßige Gruppirung von Organen wahrgenommen werden kann. Die jungen Thiere entwickeln sich in ähnlicher Weise wie die primitiven Zellen, meistens durch Theilung des Mutterthieres und selbstständige Ent- wickelung eines jeden einzelnen Theiles, oder durch Knospung oder Erzeugung selbstständig belebter Sprossen aus dem Inneren des Körpers. Uebereinstimmend mit dieser Entwickelung ist auch bei dem einfachen Bau der niedersten Thiere ihre Unterscheidung von den Pflanzen um so schwieriger, je mehr sie den Charakter einer einfachen Zelle bei- behalten. Alle übrigen Thiere pflanzen sich durch geschlechtliche Zeugung, durch wirkliche Eier, wirkliche Embryonen fort, obgleich andere Arten der Fortpflanzung wie Knospung, Sprossung etc. durch diese geschlecht- liche Funktion nicht ausgeschlossen sind. Aber hier lassen sich wieder zwei große Gruppen oder Provinzen unterscheiden. In der einen Provinz verwandelt sich das ganze Ei, der gesammte Dotter durch allmählige Umbildung in das junge Thier; nirgends zeigt sich ein Gegensatz zwischen dem werdenden Thiere und einem Theile des Dot- ters. Die Anlagerung verschiedener Organe aber bedingt bemerkens- werthe Unterschiede in dieser Provinz und dadurch eine weitere Ein- theilung in beschränktere Kreise. Bei dem Kreise der Strahlthiere ( Radiata ) lagern sich die Organe in gleichnamiger Wiederholung strahlenförmig um eine Axe, welche hauptsächlich durch den Mund bezeichnet wird, so daß der Körper in eine gewisse Anzahl von Seg- menten zerfällt, welche dieselbe Zusammensetzung haben, und die ein- zeln vorkommenden Organe (Mund, Darm etc.) in dieser Axe selbst liegen. Die Entwickelung um diese Axe geht gleichmäßig in allen Organen vor sich und wiederholt sich nach den einzelnen Strahlen- richtungen hin in gleichmäßiger Weise. Die Korallen, die Scheiben- quallen, die Seesterne können als Typen dieser Bildungsweise dienen. Fig 28. Seestern. ( Asterias .) Sie entstehen alle aus Embryonen, welche in ihrem ersten Bil- dungszustande gewis- sen Infusorien äu- ßerst ähnlich sehen, bei denen aber als- bald, in Folge der Ausbildung ihrer de- finitiven Organe, der strahlige Charakter und die Zusammen- setzung aus ver- schiedenen gleichbe- deutenden Segmenten auf das deutlichste hervortritt. Bei einer andern großen Gruppe, bei dem Kreise der Würmer Fig. 29. Ein Ringelwurm ( Nereis .) ( Vermes ), wandelt sich ebenfalls das ganze Ei zu einem infusorienartigen Embryo um. Al- lein sehr bald tritt hier statt einer strahlenförmigen Segmentation eine Tendenz zur bilateralen Lagerung der Organe her- vor, die von der vorigen gänzlich verschieden ist. Es bildet sich nämlich statt einer Axe eine Mittelebene aus, welche senkrecht den Körper durch- schneidet und somit ein Rechts und Links erkennen läßt. Diese senk- rechte, durch die Mittellinie gelegte Ebene theilt den Körper in zwei symmetrische Hälften, welche dieselben Organe in gleicher relativer La- gerung enthalten, und durchschneidet die einfach vorhandenen Organe, die stets in der Mitte liegen, in zwei gleichnamige Hälften. Die Ent- wicklung dieser symmetrischen Lagerung aus der vorher mehr oder min- der kugeligen Form des Embryo’s geschieht hauptsächlich durch Streckung des Leibes mit welcher bei den höhern Formen der Würmer zu- gleich eine quere Gliederung verbunden ist. Die gleichnamigen Organe wiederholen sich dann, entsprechend diesen queren Gliedern, die man auch Zoniten genannt hat, und bei den höchsten Typen der Vogt. Zoologische Briefe, I. 5 Classe tritt eine mehr oder minder deutliche Sonderung des Vorder- endes, ein wahrer Kopf hervor. Die hauptsächlichsten Knoten des Nervensystemes, die wesentlichsten Sinnesorgane, die am Anfange des Verdauungskanales angebrachten Freßwerkzeuge sind in diesem Kopfe vereinigt, während in den nachfolgenden Ringen die einzelnen Organe oft ganz in derselben Form und Zusammensetzung sich gleichförmig wiederholen. Man gewahrt also hier schon eine doppelte Richtung der Entfaltung, einestheils in der Lagerung der symmetrisch ausgebildeten Organe zu beiden Seiten der Mittellinie und andererseits in der gleich- namigen Wiederholung mehrerer Körperringe von vorn nach hinten; — beides Richtungen, wodurch sich dieser Kreis zunächst an denjenigen der Gliederthiere anschließt. Ein dritter Kreis, derjenige der Weichthiere ( Mollusca ) bildet sich ebenfalls aus Embryonen hervor, die durch Umbildung des gan- zen Eies entstehen. Der Typus indessen, nach welchem diese Thiere sich hervorbilden, ist schon mannichfaltiger, die Anlagerung der Organe, weder dem strahligen noch auch ganz dem bilateralen Typus entspre- Fig. 30. Seescheiden. chend. In den untern Formen der Weich- thiere, bei den Molluskoiden, läßt sich zwar bei den höher stehenden Familien eine Axe mit radiärer Anordnung der Organe, oder eine Mittelebene mit symmetrischer Anlagerung der einzelnen Körpertheile erkennen, nicht aber bei den meisten See- scheiden, die vollkommen regellos sind. Bei den eigentlichen Mollusken kommt zwar allerdings symmetrische Anordnung vor, aber doch stets nur in ge- ringerem Maße entwickelt und durch wesentliche Ausnahmen verwischt. Häufig selbst ist diese Mittelebene nicht mehr grade, sondern wie bei den Schnecken spiralig aufgewunden und die äußern Organe zu bei- Fig. 31. Teichhornschnecke. den Seiten dieser Spiralebene angebracht. Die innern Or- gane und besonders diejeni- gen, welche der Fortpflan- zung angehören, zeigen diese symmetrische Anordnung fast niemals und lassen so auch in den höchsten Typen der Classe jenen Mangel an Symmetrie, der in den unteren so scharf hervortritt, deutlich wahrnehmen. Man bemerkt niemals eine Abthei- lung bes Körpers von vorn nach hinten in gleichnamige Körperringe, wie bei den Würmern, wenn auch eine solche Anhäufung der wesent- lichsten Sinnes- und Freßwerkzeuge, sowie der hauptsächlichsten Ner- venknoten in einem mehr oder minder abgetrennten Theile, einem Kopfe, bei den höhern Formen sich vorfindet. Die dritte Provinz des Thierreiches, welche in ihrer höchsten Vollendung das ausgebildetste Thier, den Menschen hervorbringt, zeich- net sich dadurch aus, daß der Embryo nur aus einem Theile des Eies hervorgeht, und daß von vorne herein, mit dem ersten Momente der Keimanlage des werdenden Thieres, ein Gegensatz zwischen dem Embryo einerseits und dem ganz oder theilweise zu der Bildung des Embryo’s zu verwendenden Dotter andererseits hervortritt. Dieser Gegensatz verschwindet nach und nach dadurch, daß der Dottertheil entweder ganz zur Bildung des Embryo’s verwendet oder theilweise von demselben abgeschieden wird. Die embryonale Bildung aller Thiere aber, welche zu dieser Provinz gehören, stimmt darin überein, daß sie von einem begrenzten Mittelpunkte ausgeht und nicht wie bei der vorigen großen Gruppe das ganze Ei zugleich in Anspruch nimmt. Indessen zeigen sich auch hier die wesentlichsten Verschiedenheiten, je nachdem man diese oder jene Gruppe specieller in’s Auge faßt. Bei dem Kreise der Kopffüßler ( Cephalopoda ) , die man Fig. 32. Loligopsis Veranyi . bis jetzt noch allgemein zu den Weich- thieren rechnete, von denselben aber wohl unterscheiden muß, geht die Entwickelung des Embryo’s in der Weise von einer bestimmten Stelle des Eies aus, daß der ab- geschnürte Dottertheil zuletzt in der Axe des Körpers dem vordern Ende derselben, dem Kopfe, vorliegt. Der Kopffüßler umfaßt mit seinen im Kranze gestellten Bewegungsor- ganen den Dotter, der seinem Hinterleibe gegenüber liegt, und schon durch diese La- gerung entwickelt sich eine gewisse Ten- denz zur Gruppirung der Organe um eine Axe, welche indeß, trotz der äußern un- symmetrischen Form des Thieres durch eine sehr symmetrische Anlagerung der Organe 5* Fig. 33. Embryo eines Kopffüßlers ( Sepia. ) a Der Dotter, b die Fangarme, c die Au- gen, d der Körper, e die Schwimmflossen. im Innern bedeutend überwogen wird. In der That erscheinen bei allen Kopffüßlern Nervensystem und Sinnesorgane, Gefäßsystem und Athemorgane nach streng symmetrischem Plane gebaut und die Abwei- chung in der Anordnung der übrigen Systeme nicht bedeutender, als sie auch bei andern bilateralen Thie- ren vorkommt. Niemals aber tritt bei den Kopffüß- lern eine quere Theilung des Körpers in Ringe auf, und auch die Abgrenzung eines Kopfes von dem übrigen Körper erscheint nicht immer ganz deutlich. Bei dem zweiten und größten Kreise dieser Ab- theilung, welcher eine Unzahl von Thieren einschließt, bei den Gliederthieren ( Articulata ) setzen sich Embryo und Dotter in der Weise gegenüber, daß der Embryo seine Rückenseite dem Dotter zuwendet und diese erst zuletzt sich zur Bildung des vollständigen Organismus schließt. Der Embryo entfaltet seine Organe in entspre- Fig. 34. Fig. 35. Embryo des Fluß-Krebses. Fig. 34 zeigt den Embryo in seiner zusammengekugelten Lage im Ei, Fig. 35 denselben entwickelt. a Der Dotter, c das Auge, d die Beine, e der Hinterleib (Schwanz), f das Herz. chender Weise, wie die Würmer, zu bei- den Seiten einer Mit- tellinie, so daß bei dem vollendeten Thiere ein streng symmetri- scher Bau beider Kör- perhälften vorhanden ist, während zugleich eine Gliederung des Körpers von hinten nach vorn eintritt. Das Resultat dieser neuen Richtung in- dessen ist nicht die Hervorbringung gleichartiger Ringe, in welchen die einzelnen Organe sich in ähnlicher Form wiederholen, wie bei den Würmern, sondern vielmehr die Entwickelung gewisser geringelten Kör- pergruppen, die wir mit dem Namen Kopf, Brust und Bauch unter- scheiden, und die in jeder Beziehung sehr unter sich verschieden sind. Bei dem dritten und höchsten Kreise dieser Abtheilung endlich, bei den Wirbelthieren ( Vertebrata ), findet man dieselbe symmetrische Anlage, dieselbe Tendenz der Theilung des Körpers in drei große Abtheilungen, Kopf, Brust und Bauch, aber eine gänzlich verschiedene relative Lagerung der Organe, welche dadurch bedingt ist, daß der Fig. 36. Embryo eines Fisches ( Coregonus ). a. Der Dotter, über welchen der junge Fisch mit der Bauchfläche hergebogen ist; b Fettblasen im Dotter; c Hof der Blutbildung; def Theile des Gehirns; g Ohrbläschen; h Auge; i Wirbelsaite mit den Wirbelabtheilungen; k After; l Darm; m Niere; n Schwanz; o Herz; p Anlage der Brustflosse. Embryo mit seiner Bauch- fläche dem Dotter gegenüber liegt und sich von der Mit- tellinie des Rückens aus ent- wickelt, während die Bauch- linie sich in letzter Instanz abschließt. Es ist daher hier vollkommen der Gegensatz zu den Gliederthieren ausgebil- det, und da die relative Her- stellung der einzelnen Haupt- systeme des Körpers von der Peripherie des Embryos die- selbe bleibt, so folgt daraus jener merkwürdige Gegensatz in der Lagerung der Haupt- organe, wonach bei den Gliederthieren das Herz auf dem Rücken, die Verdauungs- organe in der Mitte, das Centralnervensystem auf der Bauchfläche liegt, während bei den Wirbelthieren das Herz die Bauchfläche, das Nervensystem die Rückenfläche einnimmt. Halten wir die eben angeführten Unterschiede, die wir später aus- führlicher darstellen werden, fest, so bildet sich folgendes System der Eintheilung, dem wir auch jetzt schon die Klassen beifügen, um eine vorläufige Uebersicht zu gewähren. Fünfter Brief. Untergegangene Schöpfungen . D ie verschiedenen Schichten der Erde bergen in ihrem Innern einen großen Reichthum von Ueberresten zu Grunde gegangener Thiere, welche früher die Oberfläche der Erde bevölkerten. Anfangs nur Ge- genstände des Staunens oder der Neugierde, fesselten diese versteinerten Reste doch später die ungetheilte Aufmerksamkeit vieler Forscher, und je mehr man sich mit ihnen beschäftigte, desto wichtiger erschien ihre Vergleichung mit den Thierformen der Jetztwelt, sowie die genaue Bestimmung ihres Fundortes und der Schicht, in welcher sie einge- schlossen waren. Man erkannte, daß die Versteinerungen, wenn sie oft auch noch so abweichend gestaltet waren, dennoch den Plan ver- vollständigten, welchen die jetzige Schöpfung uns vor Augen stellt; daß sie gleichsam die Lücken ausfüllten, welche in der Gesammtheit des Bil- des vorhanden waren, und wesentlich zur Erläuterung mancher isolirten Erscheinungen dienten, deren Anknüpfungspunkte man vergebens in der Jetztwelt suchte. Die Untersuchung der Versteinerungen wurde bei der Mangelhaftigkeit der Reste, die uns geblieben sind, ein wahrer Prüfstein für die Genauigkeit unserer Kenntnisse. Lebende und fossile Thiere bildeten gleichsam eine Doppelkontrole für die Fortschritte der Wissenschaft im Allgemeinen, denn zur Erkennung der oft unscheinba- ren Reste und losen Theile (Knochen, Zähne etc.) bedurfte es der ge- nauesten Kenntniß und der minutiösesten Vergleichung mit den analogen Theilen lebender Thiere, wodurch die Untersuchung dieser letzteren wesentlich gefördert wurde. Für die Geologie hatten die Versteinerungen insofern einen unge- mein großen Werth, als sie zur genaueren Bestimmung der Schichten dienten, in welchen sie sich vorfanden. Man hatte bald bemerkt, daß gewisse leicht kenntliche Versteinerungen sich überall wieder fan- den, wo dieselbe Gesteinsschichte wiederkehrte, und man fand, daß diese Fossilien für den Geologen etwa denselben Nutzen hatten, wie für den Geschichtsforscher die Münzen, welche er aus dem Schutte versunkener Städte hervorgräbt, daß sie gleichsam Erkennungsmedaillen waren für die Zeitperioden, in welcher die Schicht sich bildete. Mehr und mehr gestalteten sich bei fortdauernder Untersuchung die Kenntnisse über die Einschlüsse der Schichten. Man verglich die Versteinerungen, diese Münzen einer großen tellurischen Geschichtsperiode unter sich selbst und mit denen anderer Perioden; man suchte so näher zu ergründen, wie das Leben überhaupt sich in jenen Zeiten gestaltet und in welcher Weise es bis zu seinem jetzigen Ziele fortgeschritten sei. So gewann man nach und nach eine Reihe einzelner Bilder, bestimmte abgegränzte Epochen in aufeinanderfolgender Reihe zeigend, jedes folgende verschie- den von dem vorhergehenden, vollständiger in seiner Ausführung, reicher in seinen Einzelnheiten; — Bilder, die sich endlich in harmo- nischer Uebereinstimmung mit der jetzigen Schöpfung zu einem gemein- samen Ganzen gruppiren. Es ergab sich aber daraus auch die Noth- wendigkeit, untergegangene und bestehende Schöpfung nicht wie früher getrennt von einander zu halten, sondern im Gegentheile bei der Be- trachtung der Lebensformen mit einander zu verschmelzen und als un- zertrennbares Ganze zu betrachten. Unsere Kenntniß der Versteine- rungen ist jetzt wenigstens so weit fortgeschritten, daß wir zu den meisten fossilen Formen Anhaltspunkte kennen gelernt haben, welche uns erlauben, ihre wahrscheinliche Lebensart und ihre Beziehungen zu der Umgebung zu erschließen. Wir haben deßhalb in den folgenden Darstellungen die Todten den Lebenden ganz gleich gestellt und beiden dasselbe Recht zu erhalten gesucht, indem es uns unmöglich scheint, eine klare Einsicht in die Entwickelung des Thierreiches überhaupt zu gewinnen, wenn man nicht die vergangenen Generationen zu Hülfe nimmt. Bei der speciellen Betrachtung der einzelnen Formen, sowie bei der Classification sind deßhalb überall die Versteinerungen an der ihnen zukommenden Stelle des Systemes eingereiht und von allen Klassen, Ord- nungen und Familien ist in kurzen Zügen die tellurische Geschichte angegeben. Die Perioden der Erdgeschichte, als deren Ausdruck stets die sie belebenden Schöpfungen dienen, sind mannigfaltig in ihrer Aufeinan- derfolge. Es existiren indessen einzelne größere Gruppen, welche man be- sonders festhalten und scharf charakterisiren kann. Es erscheint nöthig, dieselben kurz zu erwähnen, da wir bei jeder einzelnen Familie auf die Zeit zurückgehen werden, wo dieselbe ihren Ursprung nahm. Als älteste Belebungsperiode der Erde kennen wir die Ueber- gangsgebilde , die man besonders zu beiden Seiten des Rhein’s, in Rußland, Schweden, England, in der Bretagne und in Nordamerika reich entwickelt findet. Grauwacke, Schiefer, schwärzliche Kalke und dunkle Sandsteine setzen vorzüglich die Schichten zusammen, in welchen man die Versteinerungen antrifft. Diese finden sich oft in ungeheuren Mengen, wenn auch nicht immer so wohl erhalten, daß bei ihrer ab- weichenden Form eine genaue Ermittelung ihrer Natur möglich wäre. Die Untersuchung der Versteinerungen der Uebergangsgebilde, unter welchen man noch besonders zwei Gruppen, das silurische als untere und das devonische System als aufliegende Gruppe unter- schieden hat, ist besonders in neuerer Zeit ungemein fruchtbringend ge- wesen und verdient auch um deßwillen besondere Berücksichtigung, weil hier die Anfangstypen des ganzen Thierlebens sich unsern Blicken darbieten. Von großer Wichtigkeit ist es daher zu sehen, daß alle jene Grundtypen der Kreise, welche wir in dem Thierreiche unterscheiden, schon im Beginn re- präsentirt sind, wenn auch hauptsächlich nur in ihren niederen Formen. Ueber den Uebergangsgebilden, wohl von ihnen unterschieden und eine durchaus andere Schöpfung bietend, sehen wir die Steinkohlen- gebilde mit einer ungemein reichen Entwickelung der Vegetation, deren Ueberreste uns jetzt die Steinkohlen liefern. Auch hier findet sich eine große Anzahl thierischer Versteinerungen, besonders in dem die Steinkohlen begleitenden Kohlenkalke; wie es denn überhaupt all- gemeines Gesetz ist, daß thierische Versteinerungen vorzugsweise in kalkigen Schichten, pflanzliche dagegen in kieselig sandigen Schichten sich vorfinden. Die Kohlenformation kommt hauptsächlich in einzelnen Becken vor, welche bald Meeresufer, bald aber auch weit ausge- dehnte Binnensümpfe gewesen sein mögen, an welchen die üppigen Wälder der Kohlenzeit gediehen. Auch in der Kohlenzeit sind von Wirbelthieren nur noch Fische vorhanden, und man hat deßhalb die Uebergangsgebilde und das Kohlengebirge zusammen wohl auch als das Reich der Fische bezeichnet. Auf dem Kohlengebirge lagern vielfache Schichten, welche man, der vorwiegenden Ausbildung der Reptilien wegen, auch als Reich der Reptilien bezeichnet hat. Das Kupferschiefergebirge oder das permische System , das Salzgebirge oder die Trias , der Jura und die Kreide bilden die vier Gruppen, welche man in die- ser Periode unterschieden hat. In dem triasischen System , wel- ches namentlich zu beiden Seiten des Oberrheines und in Mittel- deutschland als bunter Sandstein, Muschelkalk und Keuper ausgebildet ist, sind es besonders die Schichten des Muschelkalkes, welche eine reiche Ausbeute in Versteinerungen liefern und ganz besonders hin- sichtlich der Ausbildung der Gliederthiere und namentlich der Krebse wichtig erscheinen. Die Kalk- und Mergelschichten des Jura , durch ihre Korallenriffe ausgezeichnet, bilden einen nicht minder eigenthüm- lichen Abschnitt in der Erdgeschichte, indem im Jura besonders die Ausbildung der Reptilien ihren Höhepunkt erreicht. Die gewaltigen Bogen, welche von dem jurassischen Gebirge in Nord- und Süddeutsch- land, in der Schweiz, Frankreich und England angelagert sind und die meist treffliche Erhaltung der Versteinerungen in den mergelichen Lagen derselben machten den Jura von jeher zu einem vortrefflichen Ausgangspunkte für die Forschung über Versteinerungen. Man hat bei ihm viele einzelne Schichten unterschieden und jedenfalls so viel festgestellt, daß in ihm wenigstens drei verschiedene vollkommen selbst- ständige Epochen vorkommen, die man in Deutschland als Lias oder schwarzer Jura , mit Oolith oder brauner Jura, Korallen- kalk oder weißer Jura unterschieden hat. In der Kreide , welche besonders durch die massenhafte Entwickelung der Rhizopoden ausge- zeichnet ist, unterscheidet man ebenfalls mehrere Schichten und zwar namentlich: das Néocomien , den Grünsand , die untere chlori- tische Kreide und die obere weiße Kreide , welche besonders in Norddeutschland, Nordfrankreich und Südengland entwickelt ist, wäh- rend die unteren Schichten der Kreide vorzüglich in der Umgegend des Mittelmeeres, in den Pyrenäen und Apenninen sich ausgebildet zeigen. Die sogenannten Tertiärgebilde , welche in unsere jetzige Schöpfung gewissermaßen allmählig übergehen und mit ihr zusammen als Reich der Säugethiere bezeichnet werden können, bilden den Schluß- stein für die Entwicklung der Erdgeschichte. Sie sind in einzelnen Becken abgelagert, die zerstreut auf der ganzen Erde vorkommen und schon den Einfluß der Climate erkennen lassen. Man unterscheidet bei ihnen untere, mittlere und obere Tertiärgebilde ( Eocen, Miocen , Pliocen ) so wie die Diluvialgebilde . Da in der Tertiärzeit die Anfangstypen der Säugethiere auftreten, so erscheinen die Versteine- rungen derselben besonders für die Betrachtung dieser Klasse von un- gemeiner Wichtigkeit. Die einzelnen Perioden, welche wir in aufsteigender Reihenfolge als Uebergangsgebirge, Kohlengebirge, permisches System, Trias, Jura, Kreide, Tertiärgebilde, Diluvium und heutige Schöpfung kennen lernten und in welchen noch einzelne, nicht minder unabhängige Le- bensepochen unterschieden werden können, diese Perioden, sage ich, wurden von einzelnen mächtigen Revolutionen unterbrochen, welche die bestehenden Lebensformen durchaus vernichteten und nach deren Vorübergehen neue Gattungen und Arten an die Stelle der frü- her Vorhandenen traten. Es dauert freilich über diese Annahme noch ein mit Heftigkeit geführter Streit unter den Geologen fort, indem die Gegner keine sprungweise Entwickelungen durch Revolutionen, son- dern nur eine allmählige Ausbildung und Umwandlung der einzelnen Arten anerkennen wollen. Es wäre unmöglich, hier auf die Entwick- lung dieser Streitigkeiten einzugehen, welche einem andern Zweige der Wissenschaft angehören; — doch können wir nicht umhin, den Grund der verschiedenen Ansichten anzugeben, da dieser in das Bereich der Zoologie gehört. Es handelt sich hierbei wesentlich um die genaue Bestimmung und Abgrenzung der einzelnen Arten, welche sich in benachbarten Schichten vorfinden, und um die specielle Bestimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Charaktere der Arten variiren können. Wir führten schon früher an, daß hier ein Zwist vorhanden sei, der vielleicht niemals endgültig entschieden werden könne, da uns der einzig sichere Maßstab für die unzweifelhafte Feststellung der Art, die Herstammung von gleichgebildeten Körpern bei den Ver- steinerungen durchaus abgeht. Für uns ist der Streit entschieden, denn es mag höchstens 1/10000 Theil der bekannten Arten sein, von welchen man behauptet, daß sie mehr oder weniger modificirt eine Revolution überstanden und von einer Formation in die andere übergegangen seien. Und auch diese Arten gehören meistens zu solchen Gattungen, bei welchen die Artcharaktere äußerst schwierig zu umschreiben sind, und wo selbst über die lebenden Arten viele Zweifel obwalten. Wenn es also auch von den wenigen Arten, die jetzt noch zweifelhaft sind, nach- gewiesen werden sollte, daß sie wirklich aus einer Schöpfung in die andere übergehen, so bleibt dennoch für die ungeheure Mehrzahl der Arten jetzt schon der Satz unbestreitbar richtig, daß sie durch Revolutionen vernichtet wurden, um einer anderen Schöpfungsperiode und deren Erzeugnissen Platz zu machen. Da bei den Versteinerungen nur die festeren Theile, Schalen und Knochen, uns erhalten sind, diese aber bei vielen Thieren nur sehr unwesentliche Bestandtheile des Körpers ausmachen, bei andern ganz fehlen, so darf man sich über die Unvollständigkeit unserer Kenntniß der Versteinerungen einerseits, sowie über die Schwierigkeit der Be- stimmung andererseits nicht wundern. Von ganzen Classen weicher, gallertartiger Thiere, die wahrscheinlich in den älteren Zeiten unseres Erdballes wimmelten, ist uns keine Spur übrig geblieben; nur unbe- stimmte vage Eindrücke deuten auf ihre Existenz hin. Bei den Frag- menten anderer bedurfte es oft jahrlanger, mühseliger Untersuchungen, nur um die Klasse oder Ordnung zu bezeichnen, zu welcher das Thier gehört haben mochte, von dem uns der räthselhafte Rest blieb. Nur die genauesten Vergleichungen und die strengste Aufmerksamkeit auf die geringfügigsten Unterschiede, kann in solchen Fällen sichere Auf- schlüsse geben. Und diese Methode, so schwierig und zeitraubend sie auch ist, bleibt dennoch die einzige, welche zum Ziele führen kann! Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Typen des Thier- reiches durch die Erdgeschichte hindurch, so zeigt sich zuerst in ihrem allgemeinen Verhalten eine merkwürdige Verschiedenheit. Wir können behaupten, daß von allen Kreisen, in welche wir das Thierreich ein- theilten, Repräsentanten in den ältesten Schichten vorhanden sind. Al- lein das Verhältniß dieser Repräsentanten ist ein eigenthümliches. Es gibt ganze Ordnungen, vielleicht selbst Klassen bei näherer Kenntniß, welche massenhaft mit vielen Familien, Gattungen, Arten und Indivi- duen plötzlich in den ältesten Schichten auftreten und deren Mannig- faltigkeit mit der Annäherung an unsere Epoche stets mehr und mehr abnimmt, bis sie endlich, bald früher, bald später gänzlich verschwin- den, oder in unserer jetzigen Schöpfung nur einzelne wenige Reprä- sentanten zählen, gleichsam verlorne Posten, welche rückwärts hindeu- ten, auf das Heer, welches ihnen vorangegangen ist. So ist jener merkwürdige Typus der Trilobiten, dieser seltsamen Krebse, welche die älteren Meere bevölkerten, durchaus verschwunden, und vergebens hat man in der jetzigen Schöpfung ihre näheren Verwandten gesucht. So hat jene gewaltige Ordnung der Ganoiden, welche einst einzig die Klasse der Fische repräsentirten, in unserer jetzigen Schöpfung nur vereinzelte Angehörige, die man früher kaum beachtete und wohl oder übel anderwärts anzureihen suchte. Aehnliches findet Statt bei den Armmuscheln ( Brachiopoda ), den Ammoniten u. s. w. Das sel- tene Vorkommen einzelner sonderbarer Typen in unserer Schöpfung, die vereinzelt dastehen, nirgendshin passen wollen und doch zu wenig zahlreich erscheinen, um die Aufstellung besonderer Ordnungen oder Familien zu motiviren, ist schon häufig durch diesen Zusammenhang mit den Versteinerungen aufgeklärt worden. Sie sind nur die Reste zahlreicher Ordnungen, die in der Vergangenheit lebten. Andere ver- einzelte Typen dieser Art können freilich nicht als Ueberreste zu Grunde gegangener Lebensformen angesehen werden, sondern mögen vielleicht als Vorboten zukünftig erscheinender Thierformen in unserer jetzigen Schöpfung vorhanden sein. Auch diese Entwicklungsweise, worauf der letztere Umstand hin- deutet, kömmt vor. Zuweilen erscheinen gewisse Typen in älteren Schichten nur mit einigen wenigen Repräsentanten, deren Zahl mehr und mehr anschwillt, bis in irgend einer Schicht der Höhepunkt der Entwicklung erreicht wird. Von dieser Epoche ab vermindert sich die Mannigfaltigkeit, und oft bleibt nur ein vereinzelter Repräsentant in der heutigen Schöpfung zurück. Die Gruppe der Nautilen unter den Kopffüßlern, diejenige der Seelilien unter den Stachelhäutern geben Beispiele dieser allmähligen Ausbildung zu einem Höhepunkte, von welchem sie zu gänzlicher Verarmung herabsinken. Manchmal scheint es, als sei die Entwicklung der Typen, die von geringer Mannigfal- tigkeit ausgehen, noch jetzt in ihrem Fortschritte begriffen und als habe die Mannigfaltigkeit der Familien und Gattungen im Laufe der histo- rischen Entwicklung nur zugenommen. Die meisten Mollusken und Strahlthiere dürften für diese Art der Ausbildung Zeugniß ablegen. Man ersieht schon aus dieser Mannigfaltigkeit in der Entwicklung der einzelnen Typen, daß von den besonderen Schöpfungsperioden, welche wir unterschieden haben, jede einen eigenthümlichen Charakter besitzen muß, indem bald diese, bald jene Klasse oder Ordnung vor- wiegend in ihrer Entwicklung ist und dem Ganzen seinen Stempel der Präponderanz aufdrückt. Wie rothe Fäden ziehen sich aber durch alle diese Schöpfungen die einzelnen Entwicklungstypen durch, welche wir in der jetzigen Schöpfung beobachten. Und überall sehen wir die Wiederkehr des Gesetzes, daß die historische Entwicklung durch die Erdgeschichte hindurch derjenigen des Individuums durch seine Jugend aualog ist, und daß die Lebensformen der ältern Schichten in vieler Beziehung die embryonalen Entwicklungsphasen wiederholen, welche wir bei den höheren Typen der einzelnen Klassen wahrnehmen. Neben diesem Gesetze, dessen all- gemeine Gültigkeit vielleicht nur deßhalb noch nicht überall nachge- wiesen werden konnte, weil die Grundlagen des Nachweises bei den lebenden Thieren noch nicht hinlänglich hergestellt sind, begegnen wir noch einer andern charakteristischen Erscheinung, nämlich einer eigen- thümlichen Verschmelzung besonderer Charaktere, welche später mehr und mehr bei den einzelnen Gruppen sich scheiden. Manchmal will es scheinen, als träten erst nach und nach die Scheidelinien hervor, welche in der jetzigen Schöpfung scharf gezogen sind, so daß Verbindungs- glieder im fossilen Zustande zwischen Klassen und Ordnungen gefun- den werden, welche derjenige, der nur die jetzige Schöpfung betrachtet, für unvereinbar erklärt haben würde. So findet man bei den ältesten Fischen im Verein mit embryonalen Charakteren andere, welche auf eine Annäherung zu den Reptilien hindeuten, während unter diesen selbst wieder Uebergangsformen zwischen Eidechsen und Krokodilen, Schildkröten und Eidechsen u. s. w. vorhanden scheinen. Diese Mittel- formen bieten indeß nur um so mehr den überzeugenden Beweis, daß ein gemeinsamer Plan die untergegangenen Schöpfungen mit der jetzigen verbindet, und daß beide einander gegenseitig erläutern und verständ- lich machen. Sechster Brief. Kreis der Arthiere. ( Protozoa. ) A uf der niedersten Stufe der Organisation stehen diese meist mikro- skopisch kleinen Thierchen, welche in allen Arten süßer und salziger Gewässer oft in zahllosen Mengen gefunden werden. Ihr gesammter Körperbau läßt sich meist auf den Typus einer einfachen Zelle zurück- führen oder auf eine Verbindung mehrerer einfachen Zellen zu ge- meinschaftlichen Stöcken, welche im Kleinen zuweilen jene Gesellschaf- ten nachahmen, die im größeren Maßstabe von den Korallen, Polypen und Seescheiden erzeugt werden. Vergebens sucht man in den Pro- tozoen ausgebildete innere Organe. Der Verdauungsapparat im höchsten Grade seiner Entfaltung hat nur einen Anfang und ein Ende, einen Mund mit abgekürztem Schlunde und einen After, aber keine mittlere Röhrenentwicklung, keinen eigentlichen Darm. Bei vielen exi- stirt durchaus keine Spur eines Ernährungsapparates, und das Thier lebt nur durch Aufsaugung von Flüssigkeit mittelst seiner äußeren Fläche oder durch Einschmelzung fester Substanz in die gallertartige Masse, aus welcher es gebildet ist. Die Charaktere der primitiven Zelle sind fast bei allen Urthieren erkannt. Namentlich zeichnet sich ein mehr oder minder dunkeler Kern im Inneren ihres meist glas- hellen und durchsichtigen Körpers aus, welcher bei der Fortpflanzung eine große Rolle spielt. Richt minder unterscheidet man oft als erste Anfangsspur eines Cirkulationssystemes einen oder mehrere pulsirende Räume im Innern der Körpersubstanz, die oftmals so weich ist, daß sie zu zerfließen scheint. Bei vielen dieser Thiere läßt sich indeß mit Deutlichkeit eine festere Substanzlage erkennen, welche die äußere Haut bildet und die sogar oft eine lederartige Festigkeit erhält, so daß sie beim Trocknen der Thiere und nach der Zerstörung der übrigen Kör- persubstanz in erkenntlicher Form zurückbleibt. Außer dieser äußern Haut kommen bei vielen Formen und namentlich bei den zusammenge- wachsenen schalenförmige Hüllen oder Panzer vor, in denen die Thiere ganz oder theilweise stecken und aus welchen sie bald ihre Bewegungs- organe, bald selbst einen großen Theil ihres Körpers hervorstrecken können. Zuweilen treten diese Panzerhüllen als gallertartige Massen, in andern Fällen als hornartige Büchschen auf; — oft sogar sind sie durch Aufnahme von Kieselerde oder Kalk unzerstörbar gemacht, so daß sie selbst nach dem Glühen des Thieres so wie in fossilem Zustande zurückbleiben. Im Gegensatze zu der organischen Einfachheit des Kör- pers, erscheinen diese Schalen oft von äußerst complicirter Gestalt, so daß man sie vor genauerer Untersuchung des thierischen Körpers, welcher sie erzeugt und bewohnt, für Produkte weit höherer Thiere ansah. Die gewöhnlichste Fortpflanzungsart der Protozoen ist die durch Theilung, und zwar findet diese sowohl der Länge als der Quere nach statt. Der Kern, welcher im Innern des Thieres liegt und sich durch seine feste Beschaffenheit von der zerfließenden Substanz des übri- gen Körpers wohl unterscheidet, leitet diese Theilung ein; — man sieht ihn innerhalb des noch einfachen Körpers in Gestalt einer Schuh- sohle oder eines Bisquits, das sich immer mehr in der Mitte durch- schnürt, während zugleich die Theilung des ganzen Körpers bis zur vollständigen Trennung der beiden Hälften sich vollzieht. Seltener nur und zwar namentlich bei denjenigen Urthieren, welche gemein- schaftliche Colonieen bilden, erscheint Sprossen- oder Knospenbildung, indem an irgend einem Theile des Körpers eine Ausbuchtung entsteht, welche sich allmählig zu einem vollständigen Thiere gestaltet und ent- weder mit dem Mutterthiere im Zusammenhang bleibt, oder sich von demselben losreißt, um selbstständig eine Colonie zu bilden. Wenn diese Knospen, wie es häufig der Fall ist, nach bestimmten mathema- tischen Gesetzen an berechneten Stellen sich entwickeln, so entstehen Schalen von regelmäßiger Form, während sonst meist unregelmäßig verästelte baumartige Kolonieen sich bilden. Endlich kommt bei einigen höheren Gattungen der Urthiere (den Glockenthierchen oder Vorticel- liden), sogar eine Fortpflanzungsweise vor, welche mit der Ammen- zeugung verglichen werden kann. Das Individuum als solches stirbt ab und verwandelt sich in einen meist unbeweglichen Körper, der in seinem Innern in steter Reihenfolge Kerne erzeugt, die sich zu selbst- ständigen Wesen entwickeln, so daß also aus der Amme mehrfache Jun- gen hervorgehen, die, wie es scheint, sich unmittelbar durch Metamor- phose in die Form des Mutterthieres umwandeln. Geschlechtsorgane und deren Produkte, wie besonders Eier, Sinnesorgane, abgesondertes Nervensystem, Athmungsorgane sind noch bei keinem zu den Protozoen gehörigen Thiere entdeckt worden. Die Bewegungsorgane geben durch ihre verschiedene Beschaffen- heit hauptsächlich den Grund zur weitern Klasseneintheilung der Pro- tozoen. Die Körpersubstanz selbst ist überall in hohem Grade contrac- til, so daß bei denjenigen Gattungen, welche an dem Boden befestigt sind, oder die nur kriechen, die Zusammenziehung und Ausdehnung des Körpers selbst zur Ortsbewegung genügt. Die eine Klasse, die Wurzelfüßer oder Rhizopoden, bewegt sich nur mittelst ausstülpbarer Fortsätze des Körpers, die sogar nach der Behauptung einiger Be- obachter in einander überfließen können; bei der anderen Klasse, den Infusorien, sind dagegen Bewegungsorgane auf der äußern Körper- fläche entwickelt in Form von peitschenförmigen Anhängen, Wimperhaaren oder Borsten, welche meist auch zugleich zum Ergreifen der Nahrung dienen. Die Protozoen finden sich nur im Wasser, aber meist in zahl- losen Mengen, so daß ihre mit harten Schalen versehenen Gattungen massenbildend werden. Sie ernähren sich theils von mikroskopischen Pflänzchen, Bacillarien, Navicellen, Oscillatorien, theils von Proto- zoen selbst oder auch von faulenden Thier- und Pflanzenstoffen, in deren Nähe sie stets in Menge sich finden. Einige Arten sind förm- liche Schmarotzer, die auf anderen Wasserthierchen oder im Innern des Darmkanales von höheren Thieren sich aufhalten. Viele der im Meere lebenden Protozoen leuchten Nachts und erscheinen dann als zahllose zitternde Lichtpunkte, namentlich im bewegten Wasser. Klasse der Wurzelfüsser. ( Rhizopoda. ) Der Körper dieser Thiere besteht gänzlich aus jener gallertartigen Grundsubstanz mit eingestreuten dichteren Körperchen, deren wir schon öfter erwähnten und die sich im Inneren zur Aufnahme von Flüssig- keit oder von festeren Stoffen hie und da aushöhlt, so daß man ver- änderliche Blasenräume in dem Gewebe wahrnimmt. Die Phantasie hat diese Blasenräume, welche bald erscheinen, bald wieder verschwin- den, für Magenblasen erklärt, ohne bei dieser ganzen Klasse indeß die Existenz eines Mundes nachweisen zu können. Flüssige Stoffe werden von der Körperoberfläche eingesaugt, festere dadurch aufgenommen, daß der gallertartige Körper sich gleichsam um den aufzunehmenden Stoff herumschmilzt, der nun an irgend einer beliebigen Stelle in das Ge- webe des Thieres eindringt, im Innern liegen bleibt und allmählig aufgelöst wird. Oft sind die in solcher Weise aufgenommenen Gegen- stände so groß, daß das Thier nur eine Art von gallertartigem Ueber- zug über den in seinem Innern befindlichen Körper bildet, von wel- chem Ueberzug hie und da sich einzelne Zacken ausstülpen und wieder einziehen. Außer einer hellen Blase, welche sich hin und wieder zu- sammenzieht und die man als Anfang eines Organes zur Umtreibung der Säfte im Körper ansehen kann, und einem festen, dunkleren Kerne, hat man noch keine innere Organisation in diesen Körpern beobach- ten können. Sie kriechen mittelst ausstülpbarer Fortsätze ihres Kör- pers, die bald dicker und fingerförmig, bald fein und mannigfach ver- ästelt erscheinen, auf dem Boden der Gewässer einher und finden sich besonders im Meere in zahllosen Mengen. Die äußere Körperform der Rhizopoden bietet sehr mannigfache Gestaltverhältnisse dar. Die meisten derselben besitzen einen Panzer, der bald nur ein einziges Thier enthält, bald einen gemeinschaftlichen Korallenstock für viele Thiere dieser Art darstellt. Durch ein oder viel- fache Löcher dieses hornigen oder kalkigen Panzers werden die der Bewegung dienenden Fortsätze hervorgestülpt. Die kalkige Beschaffen- heit der Schale unterscheidet die Wurzelfüßer scharf von den Jufuso- rien, bei welchen nur hornige oder kieselhaltige Schalen vorkommen. Nur wenige Wurzelfüßer sind ganz nackt oder haben nur einen hor- nigen oder lederartigen Panzer von der Form einer Büchse. Die Wurzelfüßer leben sowohl in süßen Gewässern als beson- ders in dem Meere und ihre Schalen sind in manchen Schichten der Erde in so ungeheurer Zahl aufgehäuft, daß man von der Kreide z. B. mit vollem Rechte behaupten kann, sie sei zum größten Theil nur aus mikroskopischen Rhizopodenschalen zusammengesetzt. Auch in unserer jetzigen Zeit besteht namentlich der feine Kalksand, welcher an so vielen Orten den Meeresstrand bildet, seiner Hauptmasse nach aus solchen Rhizopoden und in dem Niederschlage und dem Bodensatze klarer Bäche, so wie an den Wasserpflanzen finden sie sich oft in großer Anzahl. Man theilt die Klasse der Rhizopoden in zwei Ordnungen ein. Die erste Ordnung oder die Einleibigen ( Monosomatia ) um- faßt alle diejenigen Wurzelfüßer, welche nur aus einem einzigen Thiere bestehen und entweder nackt sind, oder in einer hornigen Kapsel stecken, die nur eine einzige Oeffnung besitzt. Die vollkommen nackten Formen bilden die Familie der Wechsel- thierchen ( Proteida ) , Thiere unbestimmbarer Form und Größe, Vogt. Zoologische Briefe. I. 6 Fig. 37. Amiba. die fast überall auf der bewohnten Erde, von Sibirien bis nach Norditalien hin, im Boden- satze süßer Gewässer gefunden worden sind. Ein körniges, durchsichtiges, hie und da mit inneren Bläschen versehenes Klümpchen Schleim reckt und dehnt sich unter den Augen des Be- obachters nach allen Seiten hin aus und wech- selt beständig die Gestalt seines Körpers, in welchem man als constante Bestandtheile nur einen rundlichen Kern und einen pulsirenden helleren Raum unter- scheiden kann, der eine rundliche Form hat. Festere Stoffe, wie Bacillarien, werden dadurch aufgenommen, daß das Thier beim Dar- übergleiten sie in seine Masse gleichsam eindrückt. Die Gattung Amiba , welche man früher ihrer wechselnden Gestalt wegen Proteus nannte, und die Sonnenthierchen ( Actinophrys ) bilden diese sonderbaren Körper. Die zweite Familie dieser Ordnung, die Kapselthierchen ( Arcellida ), Fig. 38. Euglypha. besitzt einen hornigen oder kalkigen Panzer, der eine mehr oder minder vollständige Büchse mit einer einzigen Oeffnung darstellt, aus welcher die bewegenden Fortsätze herausgestülpt werden. Bei einigen Gattungen sind dieselben fingerförmig, bei anderen sehr fein und vielfach verästelt. Oft tritt die Verästelung so plötzlich ein, daß man unter dem Mikroskope einen langsam rinnenden Strom geschmolzenen Wachses zu sehen glaubt, welcher nach allen Seiten hin sich vertheilt. Bei der Gattung Arcella ist der Panzer mehr oder minder glockenförmig mit großer runder Oef- nung, bei Difflugia und Euglypha ei- oder flaschen- förmig mit vorderer Oeffnung, und bei der letz- teren Gattung wie es scheint aus einzelnen mosaikförmig zusammen- gefügten Stücken gebildet. Bei der Gattung Miliola windet sich der Panzer, aus dessen Oeffnungen das Thier ungemein lange fadenför- mig verästelte Anhänge hervorlassen kann, im Halbkreis um eine Axe. Der Baustein, welcher in Paris ganz allgemein angewendet wird und unter dem Namen des Grobkalkes eine von den Geologen wohl un- terschiedene Schicht der Tertiärgebilde darstellt, ist fast einzig aus fossi- len Miliolenschalen zusammengesetzt, so daß man wohl sagen kann, Paris sei einzig aus diesen Thieren gebaut, von welchen mehrere Millionen auf eine Unze gehen. Die zweite Ordnung der Wurzelfüßer, die Vielkammerigen ( Polythalamia ) besteht aus socialen Thieren, deren Organisa- tion nur sehr wenig ermittelt ist, zumal da es bis jetzt unmöglich war, die undurchsichtigen Schalen ohne Zerstörung der darin enthal- tenen Körper aufzuhellen. Die Schalen selbst bestehen aus einzelnen Kammern, die bald durch Oeffnungen mit einander in Verbindung stehen, bald gänzlich von einander abgeschlossen scheinen und in deren jeder wahrscheinlich ein besonderer Thierleib eingeschlossen ist. Viel- leicht auch hängen die einzelnen Thierleiber durch die Communikations- öffnungen der einzelnen Kammern so mit einander zusammen, daß eine gemeinschaftliche Grundmasse existirt, mit welcher die einzelnen Thier- leiber theilweise verschmolzen sind. Oft findet sich an jedem Kämmer- lein nur eine, in den meisten Fällen aber zahlreiche feine Oeffnungen, welche den Durchtritt der zarten fadenförmigen Anhänge durch die kalkigen Schalen vermitteln. Alle Polythalamien bewohnen das Meer und ihre Schalen finden sich besonders in den mergeligen, sandigen und kreidigen Schichten der Tertiär-Epoche und des Kreidegebirges abgelagert; doch hat man sie bis zu dem Kohlengebirge abwärts noch vorgefunden. Nur höchst wenige Gattungen scheinen sich anzu- heften; meistens sind die Panzer durchaus frei und wahrscheinlich existirt außer der Bewegung der einzelnen Individuen noch eine Ge- sammtbewegung der ganzen Stöcke, wodurch diese langsam kriechend fortbewegt werden. Die äußerst zierliche Form dieser vielkammerigen Schalen, die derjenigen mancher Kopffüßler sehr ähnlich sieht, verlei- tete früher die Beobachter, diese fossilen Schalen für Reste von mikro- skopischen Cephalopoden zu halten; später glaubte man sie den Moos- thieren oder den eigentlichen Polypen anreihen zu können, bis die Entdeckung ihrer höchst einfachen Körperstruktur ihre Verwandtschaft mit den einleibigen Wurzelfüßern bestätigte. Man hat bis jetzt nahe an 2000 Arten dieser mikroskopischen Schalen unterschieden, die man mit Beziehung auf die Stellung ihrer Kammern in mehrere Familien getheilt hat. 6* Fig. 39. Nodosaria. In der Familie der Einzeiler ( Stichostegida ) liegen die einzelnen Kammern in einer geraden oder wenig gebo- genen Linie mit ihren Enden aneinander gereiht, während in der Familie der Doppelzeiler ( Enallostegida ) die Kam- mern auf zwei oder drei parallelen Reihen neben einander oder abwechselnd gestellt erscheinen. Da die Gattung dieser Familie meist mit einer einzigen Kammer anfangen und die Kammern in beiden Reihen stets größer werden, so bilden die Schalen gewöhnlich pyramidale Formen. Die Familie Fig. 40. Planulina. der Schneckenzeiler ( Helicostegida ) be- sitzt stets an Größe zunehmende Kam- mern, welche wie die Schneckenhäuser spiralförmig aufgerollt sind und so gänzlich den Anblick der gekammerten Schalen wiederholen, welche der Papier- nautilus im Großen darbietet. Bei vielen Gattungen dieser Familie ist die Schale in einer Ebene, bei andern mehr oder minder spindelförmig wie eine Gartenschnecke oder ein Tritonshorn aufgerollt. Eine vierte Familie, die Spiralzeiler ( Entomostegida ) , zeigt ebenfalls spiralförmig in einer Ebene aufgerollte Kammern, die aber in doppelten Reihen geordnet sind, so daß sie zu den Schneckenzeilern oder den Helicostegiern in demselben Verhältnisse stehen, wie die doppelzeiligen Enallostegier zu den einzeiligen Stichostegiern. Als fünfte Familie hat man die Axen- zeiler ( Agathistegida ) unterschieden, bei welchen die Kammern so um eine senkrechte Axe gestellt sind, daß sie die ganze Länge der Schale einnehmen und einander umfassen. Als zweifelhafte Körper müssen wir bei dieser Klasse der Wur- zelfüsser noch der sogenannten Nummuliten oder Linsensteine Fig. 41. Nummulites. erwähnen. Es sind meist linsenförmige verstei- nerte Körper, von welchen man noch keine lebende Art gefunden hat, die aber namentlich in der Umgegend des Mittelmeeres ganze Gebirge bil- den und besonders in dem Kreidegebirge und den unteren Tertiärschichten verbreitet sind. Die Pyramiden sind großentheils aus Nummuliten- kalk gebaut, der fast nur aus diesen linsenförmi- gen Körpern zusammengesetzt ist. Schleift man einen solchen Nummuliten, der äußerlich vollkommen fest erscheint, an, so sieht man, daß sein Inneres eine Unzahl von Kammern enthält, die einer in einer Ebene gewundenen Spirallinie nach gestellt sind und durch schiefe Scheidewände getrennt werden. Die dicke Schale, welche diese Körper umgibt, hat noch keine Oeffnungen wahrnehmen lassen, so daß es zweifelhaft erscheint, ob sie wirklich zu den Rhizopoden ge- hören, oder nicht innere Schalen von Thieren waren, welche den später zu betrachtenden Röhrenquallen angereiht werden müssen. Hero- dot kannte schon diese eigenthümlichen linsenartigen Versteinerungen und gibt für ihre Entstehung die Sage an, daß ein Theil der für die Arbeiter an den Pyramiden bestimmten Linsenvorräthe übergeblie- ben und versteinert sei. Die Verbreitung der Wurzelfüßer auf der Erde ist noch wenig untersucht, da man die genaueren Nachforschungen auf wenige Küsten- punkte im Ocean, im rothen und Mittelmeere eingeschränkt hat. Gegen den Aequator hin nimmt die Zahl der Gattungen und Arten bedeutend zu. In der Kohlenperiode hat man nur wenige Arten gefunden; mehr schon im Jura; massenbildend treten aber diese kleinen Schalen erst in der Kreide und dem Tertiärgebirge auf, wo auch die Zahl ihrer Arten stets im Zunehmen begriffen ist. Klasse der Infusorien. ( Infusoria. ) Fig. 42. Verschiedene Infusorien bei schwacher Vergrößerung. I Monas, II Trachelius anas, III Enche- lis, im Augenblicke, wo sie Koth durch den After entleert, IV Paramecium, V Busenthierchen (Kol- poda), VI Trachelius fasciola auf Wasserfäden kriechend. Die Körperform dieser Thiere, welche im Gegensatze zu den Rhizopoden nur we- nig zusammengewachsene Ge- sellschaften und Stöcke bildende Gattungen besitzen, ist im Ganzen rundlich oder eiför- mig; ihre Größe erreicht nie- mals eine halbe Linie und nur bei den ausgezeichnetsten For- men können die einzelnen In- dividuen bei günstiger Beleuchtung des Wassers als bewegte Punkte unterschieden werden. Das Mikroskop nur konnte die Kenntniß dieser Thierklasse vermitteln und obgleich die Ergebnisse unbefangener For- schung vielfach durch das Bedürfniß, die Welt mit außerordentlichen Wundern in Erstaunen zu setzen, getrübt wurden, so hat doch in neuerer Zeit die ungeschminkte Anschauung sich auf’s Neue Bahn gebrochen. Die Körperoberfläche der meisten Infusorien besteht aus einer festeren Schicht der weichen, gelatinösen mit Körnchen durchwebten Substanz, aus welcher ihr ganzer Organismus aufgebaut ist, und die wir unter dem Namen Sarkode kennen gelernt haben. Manchmal ist diese Hautschicht auf dem größten Theile des Körperumfanges oder selbst vollständig nackt, in den meisten Fällen jedoch stehen darauf Wimperhaare entweder zerstreut oder in regelmäßigen Reihen, be- sonders aber in häufiger Anzahl in der Umgebung des Mundes ent- wickelt. Diese Wimper- oder Flimmerhaare sind feine Läppchen oder Härchen, die sehr biegsam sind und nach dem Willen des Thieres bewegt werden können. Sie dienen entweder als Schwimmorgane oder zum Erregen von Strudeln und Wirbeln im Wasser, wodurch kleine Körperchen mit fortgerissen und dem Infusionsthierchen zuge- führt werden. Bei einigen Gattungen bilden sich diese Wimperhaare zu beweglichen Borsten, Griffeln und Haken aus, so daß bei den höchst organisirten Thieren dieser Klasse ziemlich verschiedene Arten von Bewegungsorganen vorkommen können. Einige Familien der Klasse besitzen Panzer, welche aus verschiedenen Stoffen gewebt sind. Bald ist es nur eine einfache Gallerthülse, die ein einziges oder viele Individuen gemeinschaftlich umfaßt, bald eine mehr oder minder hor- nige Kapsel, die auf Wasserpflanzen festsitzt und in welche sich das Thier ganz oder theilweise zurückziehen kann. Bei den frei beweglichen Infusorien hat der hornige oder lederartige Panzer die Gestalt eines Schildchens, welches den Rücken deckt und meist mehr oder minder biegsam ist, oder die einer geschlossenen Büchse, die vorne eine Oeffnung besitzt; eine einzige Familie hat kieselige und unverbrennliche Panzer, die besonders in zahlreichen Massen in den Feuersteinen der Kreide in fossilem Zustande gefunden werden. Die Bewegungsorgane der Infusorien sind in mannigfacher Weise gestaltet. Bei mehreren Familien existirt nur ein langer faden- Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Euglena viridis. Verschiedene Contractionszustände der Euglena viridis. a der Rüssel. b der Augenfleck. c der Kern. förmiger Anhang, welcher peitschen- förmig im Wasser hin und her bewegt wird. Zuweilen vervielfältigt sich die Zahl dieser Geiseln, welche man höchst unpassender Weise auch mit dem Na- men Rüssel belegt hat, obgleich sie nicht hohl sind und niemals zur Anfnahme von Nahrung dienen. Die Anwesen- heit eines solchen Rüssels konnte bis vor wenigen Jahren für einen Beweis der thierischen Natur eines Organis- mus gelten. Seitdem man aber ent- deckt hat, daß diese Anhänge besonders häufig bei pflanzlichen Keim- Fig. 47—51 Keimkörner. körnern vorkommen, welche damit im Wasser herumwirbeln, so spricht die Existenz eines solchen Rüssels eher für die pflanzliche Natur des Organismus und es gehören weitere Beweise dazu, wenn man die thie- rische Natur feststellen will. Eine Menge jener grünen Organismen, welche von Ehrenberg ihres Rüssels Fig. 52. Opalina . wegen für Thiere erklärt wurden, müssen jetzt bis zum Nachweis des Gegentheils für Pflan- zen angesehen und dem zu Folge ganze Fa- milien, wie die Kugelthierchen (Volvociden), Panzermonaden (Cryptomonadinen), aus den Catalogen des Thierreiches gestrichen werden. Die Wimpern bilden die am häufigsten verbreitete Bewegungsart bei den Infusorien und da sie dieselben willkürlich spielen oder ruhen lassen und ihnen eine beliebige Richtung ertheilen können, so dienen sie ebensowohl zum Schwimmen, wie zum Herbeischaffen der Nahrung. Die oft außerordentlich feinen Härchen erregen dann durch ihre regelmäßigen Schwing- ungen einen Strudel, welcher oft die Erscheinung eines umrollenden Rades erzeugt und von ferne her alle feinen Partikelchen, die in dem Wasser schwimmen und selbst kleinere Thiere heranreißt und an der Mundöffnung vorbeiführt, so daß das Infusorium dieselben verschlucken oder nach Belieben verschmähen kann. Frühere Beobachter, deren Instrumente nicht Schärfe genug besaßen um die Wimperhaare selbst zu sehen, die aber wohl den von ihnen hervorgebrachten Strudel er- blickten, sprachen deßhalb von einer gewissen Zauberkraft der Infuso- rien, wodurch sie kleinere Thiere, die sich im Wasser befänden, an sich heranzögen. Bei allen Infusorien welche einen Mund besitzen, ist wenigstens dieser mit Wimpern besetzt, wenn auch der übrige Körper nackt ist. Auf dem Körper selbst stehen die Wimpern bald in Längs- reihen, bald in Querreihen oder in Randsäumen um den Körper herum, zuweilen auf häutigen Fortsätzen, die ein- und ausgestülpt wer- den können, zuweilen selbst auf Ringen von fester Substanz. Endlich gibt es noch zwei Familien, bei welchen steife Borsten, Griffel und gebogene starke Haken vorhanden sind, welche sich nur auf der Bauch- fläche finden und die vollkommen wie fußartige Stützen verwendet werden, mittelst deren die Thierchen sehr geschickt an Wasserfäden, Meerlinsen, Wurzeln und ähnlichen Gegenständen unter dem Wasser umherlaufen oder springen können. Beim Schwimmen bleiben diese Borsten und Haken unbewegt. Man hat noch bei keinem Infusorium eine abgesonderte Nerven- masse oder Sinnesorgane wahrnehmen können. Zwar entdeckt man bei vielen derselben und am häufigsten bei den niedrigsten For- men einen meist hochroth gefärbten Fleck, der mit großer Sicherheit für ein Auge angesprochen wurde. Bei einigen Arten findet man auch zwei oder drei solcher Flecke; vergebens aber hat man in der Nähe dieser Pigmentflecke nach einer Nervenmasse oder nach einem lichtbre- chenden Körper gesucht und die Entdeckung, daß viele Pflanzensporen, deren Keimen und Auswachsen in Wasserfäden man später ganz sicher beobachtete, ebenfalls solche augenartige rothe Flecken hatten, bewies zur Genüge, daß hier von einem Auge keine Rede sein könne. Im Gegentheile dürfte man aus dem Vorkommen eines röthlichen runden Fleckes bei bewegten Organismen von grüner Farbe eher auf die pflanzliche Na- tur schließen. Nichtsdestoweniger bemerkt man, daß alle, auch die voll- kommen augenlosen Infusorien, wenigstens Licht und Dunkel sehr wohl empfinden, daß sie mit ihrer Körperoberfläche tasten und nicht ohne Auswahl Nahrung einnehmen. Die Aufnahme der Nahrungsstoffe findet in sehr verschiedener Weise statt. Die Infusorien der einen Ordnung entbehren gänzlich einer jeden Oeffnung an dem Körper, wodurch feste Stoffe eingeführt werden könnten. Die Körpersubstanz ist indessen nicht mehr so weich, wie bei den Rhizopoden, so daß, wie bei diesen, durch Eindrücken in die Masse selbst die Aufnahme fremder Körper geschehen könnte. Die mundlosen Infusorien ernähren sich demnach nur durch Einsaugen flüssiger Stoffe in die gelatinöse Körpermasse. Oft sammeln sich diese Flüssigkeiten in blasenförmigen Räumen im Innern des Gewebes an, welche zwar später spurlos verschwinden, die man aber doch, einer verkehrten Ansicht zufolge, als eben so viele Magenblasen betrachtet hat. — Diejenigen Infusorien welche eine Mundöffnung besitzen, nähren sich besonders von festen Stoffen, mikroskopischen Thierchen und Pflanzen, die sie stets in der Nähe ihrer Wohnorte finden. Unschädliche aus dem Pflanzen- und Thierreiche entnommene Farb- stoffe wie Carmin oder Indigo werden von den meisten Arten mit Leichtigkeit in großer Menge verschluckt, so daß man nach einer Fig. 53. Paramecium caudatum. a. Der Mund, der in den schlauchförmigen, hinten geschlossenen Schlund b führt. c. Futterballen im Körper zerstreut, d. der Kern. e. die beiden con- tractilen Blasen, wovon die vordere sternförmig zusammengezogen ist, f. Körnchen des Gewebes. solchen Mahlzeit die Farbstoffe im Innern des Körpers erblicken kann. Seit dem vorigen Jahr- hundert schon hat man diese sinnreiche Fütterungs- methode der Infusorien benutzt, um über ihre in- nere Organisation Aufschlüsse zu erhalten. Der Mund der Infusorien befindet sich entweder am vordern Leibesende, wo er meist eine runde Oeff- nung darstellt, oder auf der Bauchfläche mehr oder minder weit nach hinten gerückt in Gestalt einer ovalen oder selbst spiralig gewundenen Spalte. Er ist von wimpernden Lippen begrenzt, die in einzel- nen Fällen selbst klappenartig verlängert sind und meist ein- und ausgestülpt werden können, so daß der Mund oft nur im Acte des Fressens zur Anschauung kommt. Die Mundhöhle setzt sich trich- terförmig nach Innen fort und ist bei einigen we- nigen Gattungen mit hornartigen Stäben bewaff- net, welche einen cylindrischen Korb, ganz ähnlich einer Fischreuße bilden, der allerdings beim Fas- sen der Beute thätig ist. Im Uebrigen ist die Mund- höhle stets mit zarten Wimpern ausgekleidet, die sich auch durch den Schlund fortsetzen, der bald grade, bald mehr oder minder gewunden in das weiche Parenchym des Körpers hineinragt. Kleine Nahrungspartikel werden durch den Strudel, den die Wimpern des Schlundes erregen, in eine rundliche Kugel zusammengeballt und diese Kugel zuletzt durch den Schlund in das nachgiebige Körpergewebe hineingepreßt. Starre Körper, wie namentlich Stücke mikroskopischer Pflanzen werden sehr häufig in das Körpergewebe hineingetrieben und stecken dann an irgend einer Stelle in der gallertartigen Sub- stanz. Meist zeigt sich ein heller blasenartiger Hof um diese in das Körpergewebe hineingepreßten Nahrungsstoffe. Aufgenommene Flüssig- keiten bilden einen hellen blasenartigen Tropfen und häufig gewahrt man, daß nahe stehende Tropfen dieser Art in einander fließen, ein sicherer Beweis, daß sie nicht durch häutige Wände von einander ge- trennt sind. Beim lebhaften Fressen von Infusorien, welche lange ge- hungert haben, erscheint der Körper oft ganz angefüllt mit solchen Nahrungskugeln und wenn man Sorge trägt, verschiedene Farben nacheinander zu füttern, so sieht man leicht, daß die betreffenden Farb- stoffe durchaus unregelmäßig und nicht in der Reihenfolge ihrer Auf- nahme durch den Körper vertheilt sind. Man hatte geglaubt, diese Erscheinung dadurch erklären zu können, daß man die Existenz eines Darmkanales annahm, von welchem gestielte Magenblasen berabhin- gen und man hatte sogar nach gewissen angenommenen Formen eines nicht vorhandenen Darmkanales die Infusionsthierchen in Ordnungen zerfällt. Man hat sich jetzt überzeugt, daß man hierin viel zu weit gegangen ist, denn man sieht nicht nur im Innern des Körpers die Nahrungsballen hin und her sich verschieben, sondern auch bei man- chen Arten eine vollständige Kreisdrehung derselben im Innern, die oft stundenlang anhält und wobei der ganze Körperinhalt des ruhen- den Thieres sich stets in derselben Richtung langsam um die Körperaxe herumwälzt. Daß eine solche Erscheinung mit der Existenz eines Darm- kanales und gestielter Magenblasen in direktem Widerspruche steht, ist leicht einzusehen. Die unverdauten Stoffe werden bei vielen Infu- sorien durch den Mund wieder ausgeworfen, bei andern durch eine Afterstelle hinausgepreßt, welche sich meist am hintern Theile des Kör- pers befindet. In dem Körper aller Infusorien findet man bei genauerer Unter- suchung ein oder mehrere helle Räume, welche sich abwechselnd aus- dehnen und zusammenziehen, aber keine eigene Wandungen zu besitzen scheinen. Vielleicht dürfte die Anwesenheit dieser pulsirenden Räume ebenso wohl, wie Contractilität der äußern Leibeswandungen für einen Beweis der thierischen Natur eines Organismus gelten können. Mei- stens sind diese Räume rund und zuweilen in solcher Zahl vorhan- den, daß sie in ein einziges langes Gefäß zusammenfließen. Bei man- chen Gattungen erscheinen sie in Gestalt vielstrahliger Sterne und bei den Zusammenziehungen verschwinden abwechselnd die Strahlen oder der Mittelraum. Obgleich diese Räume stets an bestimmten Stellen wiedererscheinen, so sind sie doch sicher wandungslos, da man bei hef- tigen Zusammenziehungen sowohl einzelne Räume sich theilen als auch im Beginne der Ausdehnung dieselben einzeln auftreten und später in eine große Blase zusammenfließen sieht. Jedenfalls sind diese blasen- artigen Räume weniger dichte Stellen des Körpergewebes, an welchen sich die dasselbe durchdringende Flüssigkeit sammelt, um dann durch eine Zusammenziehung wieder in das schwammige Gewebe hinausge- trieben zu werden, so daß also hierdurch eine erste, wenn auch höchst unvollkommene Spur eines Kreislaufes der Säfte hergestellt wird. Vielleicht auch haben diese contractilen Blasenräume eine feine Oeff- nung nach Außen, so daß bei ihrem Zusammenziehen Flüssigkeit aus dem Körper hinausgepreßt, bei ihrer Ausdehnung Wasser von Außen aufgenommen würde. Sollte diese Beobachtung sich erwahren, so müßte man diese Räume als erste Spuren von Athemorganen auffassen. Die Fortpflanzung der Infusorien geschieht durch Knospung, Theilung oder durch eine höchst eigenthümliche Art von Ammenbildung, welche indeß nur bei wenigen Gattungen und auch hier nicht ganz vollständig beobachtet worden ist. Die Knospung hat man bis jetzt Fig. 54. Fig. 55. Fig. 56. Glockenthierchen (Vorticella) , die sich durch Theilung und Knospung fortpflanzen. Das Thierchen Fig. 54 ist eben in der Theilung begriffen, der Kern b ist schon voll- kommen doppelt; Fig. 55 will sich von seinem Stiele loslösen; Fig. 56 bildet an der Basis des Stieles eine seitliche Knospe, die noch un- vollkommen ist. Bei allen dreien ist a der Mund mit der Wimperkrone, b der Kern, d die gefüllten Magenblasen, e die contractile Blase, f der Stiel, i der accessorische Wimper- kranz, den die sich loslösenden Individuen wäh- rend ihrer freien Beweglichkeit haben. nur bei festsitzenden Thieren aus der Familie der Glockenthierchen beobachtet. An dem Stiele der- selben bilden sich seitliche Aus- wüchse, welche allmälig mehr und mehr die Form des Glockenthier- chens erhalten und nach ihrer Loslösung, mittelst eines eigenen Wimperkranzes am hintern Ende davon schwimmen. Solche los- gelöste Knospen setzen sich dann wieder fest und bilden neue Glok- kenthierchen. Die Theilung der Infu- sorien wird durch den feinkörni- gen Kern, der sich in allen diesen Thieren vorfindet, eingeleitet und kommt sowohl bei kleinen noch nicht ausgewachsenen, wie bei den größten Individuen vor. Der Kern ist bald rundlich, bald in Form eines Rosenkranzes oder eines langen, graden oder ge- wundenen Bandes ausgebildet. Meistens erscheint er fest mit dem umliegenden Gewebe verbunden, oft aber auch sieht man, daß der Leib des Infusoriums, während der Kern still liegt, sich um ihn wie ein Mittelpunkt herumdreht; wahr- scheinlich ist diese Erscheinung die Einleitung zu jenem Vorgange der Fortpflanzung, bei welcher der Kern als selbstständiges Individuum auftritt. Bei der Theilung schnürt sich zuerst der Kern in der Mitte durch und der übrige Körper folgt nach. Bei einigen Jufusorien hat man bis jetzt nur Längstheilung, bei andern Quertheilung, bei an- dern beide Arten der Fortpflanzung zugleich beobachtet. Die dritte eigenthümliche Fortpflanzungsart der Infusorien, welche bis jetzt nur bei der Familie der Glockenthierchen beobachtet wurde, werden wir bei dieser näher betrachten. Die Infusorien finden sich zuweilen in größeren Massen zusam- men und die gallertartigen Polypenstöcke oder die Bäumchen, welche einige Gattungen bilden, sind so groß, daß sie auch dem freien Auge sichtbar sind. Klare Torfgräben, langsam rieselnde Bäche mit Wasser- pflanzen und schleimigem Ueberzuge von mikroskopischen Wasserpflanzen auf dem Grunde und an den Seiten, Wasserfäden und Meerlinsen, die Ufer stehender Gewässer und klarer Seeen dienen ihnen vorzüglich zum Aufenthaltsorte. Die meisten zeigen trotz des Mangels an spe- cifischen Sinnesorganen deutliche Auffassung von Licht und Schatten, indem sie sich meist an der Lichtseite der Gläser sammeln. Der Tast- sinn ist sehr ausgebildet, wie man deutlich bei Berührungen sieht und ebenso erscheinen die meisten dieser Thiere sehr wählerisch in ihrer Nahrung, die sie ebenso aussuchen, ja selbst ihr mit einiger List nach- stellen, indem sie auflauern und plötzlich hervorschießen. Viele Arten leben gesellig in großen Schwärmen; andere mehr vereinzelt; die Schmarotzer wissen sehr gut, besonders wenn sie sich an der Außen- fläche anderer Thiere festsetzen, die Stellen zu wählen, wo diese sie nicht abstreifen können. Viele Arten erheben sich mit den Gasbläschen, welche die Wasserfäden unter dem Einflusse des Sonnenlichtes ent- wickeln, von dem Grunde der Gewässer nach oben und bilden dort eine Art Schaum, der sich am Abend wieder zu Boden senkt. Oft- mals erscheinen grüne und rothe Infusionsthierchen in solch’ ungeheu- rer Menge plötzlich auf der Oberfläche derGewässer, daß die aben- teuerlichsten Vorstellungen dadurch erweckt und von Abergläubischen und Pfaffen nach ihrem Sinne ausgebeutet wurden. Viele Infusorien haben die Eigenschaft, auch nach längerem Trockenliegen durch Be- feuchtung wieder aufzuleben, wodurch leicht ihre Verbreitung in Auf- güssen erklärt werden kann, indem die trockenen Körper als Sonnen- stäubchen durch die Luft hinweggeführt in den Aufgüssen einen geeig- neten Boden zu ihrer Entwicklung finden. Mit Ausnahme einer ein- zigen Familie, welche Kieselpanzer besitzt und sich in der Kreide vor- findet, hat man noch keine fossilen Infusorien gefunden, deren weiche Körpersubstanz begreiflicher Weise die Erhaltung nicht begünstigte. Die Eintheilung der Klasse der Infusorien erscheint aus zweierlei Gründen besonders schwierig: einestheils sind viele dieser Thiere so klein, daß bei manchen die Erkenntniß der äußern Körpergestalt, bei allen diejenige der feineren Struktur ihrer Organe an der Grenze der Vergrößerungskraft unserer besten Mikroskope steht, und dann hält es außerordentlich schwer, die Entwicklungsstufen und die jungen Thiere höher organisirter Klassen, sowie die zweifelhaften Pflanzen- arten abzutrennen, von welchen man sich durch weitere Beobachtung noch nicht genau hat überzeugen können, in welches der beiden Reiche sie gehören. Nachdem man aus der Klasse der Infusorien, wie sie der umfassendste Beobachter dieser Klasse, Ehrenberg, im Jahre 1838 um- schrieb, die Räderthiere als weit höher organisirte, zu dem Typus der Würmer gehörige Thiere abgeschieden, die unzweifelhaften Pflanzen, wie die Closterinen, Bacillarien, Volvocinen abgetrennt hat, so blei- ben noch eine ganze Menge von Organismen, bei denen man außer der Beweglichkeit durch einen fadenförmigen Rüssel und der Existenz eines rothen Punktes, die auch unzweifelhaften Pflanzengebilde zukom- men, noch keine thierische Charaktere, wie namentlich Zusammenziehung der Leibeswand oder innere contractile Räume hat wahrnehmen kön- nen. Wir haben auch diese Organismen, wohin viele Arten der Ehrenberg’schen Monaden und alle Panzenmonaden gehören, für so lange ausgeschieden, bis der präcise Beweis ihrer thierischen Natur hergestellt sein wird. Ebenso erscheint es unzweifelhaft, daß die Vi- brionen oder Zitterthierchen theilweise bewegliche Schimmelfäden, theil- weise junge Würmer sind, die mit den Infusorien nichts gemein ha- ben. Nach dieser Sichtung der Klasse kann man mit Rücksicht der Verdauungs- und Bewegungsorgane folgende Eintheilung begründen: Die erste Ordnung, die mundlosen Infusorien (Astoma) um- faßt alle Thiere, welche keinen Mund besitzen, niemals zur Aufnahme fester Nahrungsmittel gebracht werden können und sich entweder durch einen peitschenförmigen Rüssel oder durch Wimperorgane fort bewegen. Die Fig. 57—60. Euglena viridis . Verschiedene Contractionszustände der Euglena viridis. a der Rüssel. b der Augenfleck. c der Kern. Familie der Aenderlinge ( Astasida ) zeichnet sich durch einen äußerst contrac- tilen Körper, meist von grüner oder ro- ther Farbe und länglicher spindelförmi- ger Gestalt aus, welcher bei den eigent- lichen Aenderlingen frei ist, während bei der Unterfamilie der gepanzerten Aen- derlinge ( Dinobryida ) ein horniges Büchschen vorhanden ist, in welches der festsitzende Körper sich zurückziehen kann. Die meisten Thiere dieser Familie be- sitzen einen rothen, sogenannten Augen- punkt, nur den Aenderlingen und den Hermenthierchen (Epipyxis) geht derselbe ab. Eine Gattung die Augenthierchen (Euglena) mit spindel- förmig geschwänztem grünem oder rothem Körper und rothem Punkte ist es hauptsächlich, welche durch ihr massenhaftes Auftreten die Ge- wässer grün oder roth färbt. Eine andere Familie, die Kranzthierchen ( Peridinida ) zeichnet sich Fig. 61. Peridinium a. Der Rüssel, b. der Panzer, c. der Wimperkranz, d. der Kern. aus durch einen festen Horn- oder Kiesel- panzer, der zuweilen in sonderbare hornartige Spitzen ausgezogen ist. Die- ser Panzer hat einen queren oder schie- fen Spalt, der von einem Wimperkranze ausgefüllt ist und außerdem noch in seiner bewegenden Thätigkeit von einem fadenartigen Rüssel unterstützt wird, der an einer bestimmten Stelle des Panzers hervorgestreckt werden kann. Fossile Pan- zer dieser Familie sind zwar in den Feuersteinen entdeckt worden, indessen dürfte die thierische Natur dieser Körper überhaupt noch starken Zweifeln unterliegen, zumal da zwei von Ehrenberg zu dieser Familie gestellte Gattungen, ( Chaetotyphla und Chaeto- glena ), welche keinen Wimperkranz besitzen, gewiß wohl Pflanzen sind. Die dritte Familie der mundlosen Infusorien, die Glasthierchen Fig. 62. Opalina . ( Opalinida ) sind bis jetzt nur durch Arten bekannt, welche als Schmarotzer im Darme von Fröschen und Plattwürmern leben. Sie be- sitzen nur Wimperorgane, die in geraden Rei- hen auf dem eiförmigen platten Körper stehen und mittelst deren sie sich langsam in dem Darmschleime umherwälzen. Da das Thier- chen vollkommen durchsichtig und farblos ist, so hat man sich mit Sicherheit von dem Fehlen einer Mundöffnung überzeugen können. Bei weitem zahlreicher an verschieden- artigen Formen ist die Ordnung der mund- führenden Infusorien (Stomatoda) . Bei allen Formen ist eine wahre, von Wimpern umstellte Mundöffnung vorhanden, welche die Aufnahme fester Nahrungsstoffe gestattet. Die erste Fa- milie, die der Monaden ( Monadida ) , besteht aus kleinen rundlichen Thierchen, welche als hauptsächlichstes Bewegungsorgan einen oder mehrere rüsselförmige Anhänge besitzen und außerdem eine deutliche, sehr fein bewimperte Mundöffnung zeigen, durch welche feste Nahrungs- stoffe aufgenommen werden, die man im Innern als runde Futter- ballen wieder erkennt. Sie stehen durch ihre außerordentliche Klein- heit an der Grenze unseres Auffassungsvermögens und sind bisher mit einer Menge von pflanzlichen Gebilden zusammen geworfen worden. Die thierischen Monaden sind alle farblos, haben einen contractilen, biegsamen Körper und erscheinen in zahllosen Mengen, besonders in Aufgüssen faulender Substanzen, während die mit ihnen verwechselten Pflanzenkörper meist grün sind und einen starren Körper zeigen. Eine höchst merkwürdige Familie ist diejenige der Glockenthierchen ( Vorticellida ) , die man wieder, je nach dem sie frei sind oder in einer Hülse stecken, in zwei Unterfamilien als eigentliche und als gepanzerte Glockenthierchen ( Ophrydina ) eintheilen kann. Alle diese Thierchen haben einen mehr oder minder glockenförmigen Körper, der meistens auf einem längern oder kürzern Stiele festsitzt. Nur die Trompetenthierchen (Stentor) und die Urnenthierchen (Tri- chodina) machen hievon eine Ausnahme, indem sie auf keinem eigent- lichen Stiele festsitzen, während die eigentlichen Glockenthierchen theils einsam, theils in Form verästelter Bäumchen auf Stielen stehen, die bald starr sind, bald auch durch einen im Innern angebrachten Mus- kel, dessen Faserstructur deutlich ist, schnellend zurückgezogen werden können. Der auszeichnende Charakter der Glockenthierchen besteht in einem an dem vordern Rande des Körpers angebrachten Flimmer- saume mit verhältnißmäßig langen Wimperhaaren, der nach Willkühr ausgestülpt und wieder eingezogen werden kann und wodurch sie einen Strudel im Wasser erregen, der kleinere Thierchen und schwimmende Körperchen in die am Rande des Flimmersaumes gelegene, meist spi- ralförmig gewundene Mundöffnung führt, die sich in einen kurzen Schlund öffnet. In derselben Vertiefung des Körpers, in welcher der Mund liegt, befindet sich auch der After. Bei den auf Stielen ste- henden Gattungen dieser Familie reißen sich sowohl die Knospen als auch die vollendeten Thiere öfters von ihrem Stiele los und schwim- men mittelst eines zweiten Wimperkranzes, der sich an ihrer hintern Körperhälfte entwickelt, davon; ein Gleiches thut eines der durch Theilung entstandenen Individuen bei den einsamen Gattungen, wäh- rend bei den baumartigen Glockenthierchen die lieblichen Formen dadurch entstehen, daß die getheilten Individuen mit mehr oder minder langen Stielchen auf dem gemeinsamen Stamme stehen bleiben und so verschieden gestaltete Bäumchen bilden, die oft mit bloßem Auge sichtbar sind, besonders dann, wenn sie parasitisch an größeren Wasserinsekten angeheftet sind. Nach den verschiedenen geselligen For- men und der Natur des Stieles hat man besonders die einzelnen Gattungen unterschieden. So haben die eigentlichen Glockenthier- chen (Vorticella) einen langen biegsamen Stiel, auf deren jedem nur ein Fig 63—65. Vorticella . einzelnes Thierchen sitzt, während die Glockenbäumchen (Car- chesium) gemeinsam auf verästel- ten, biegsamen und schnellenden Stielen sitzen. Bei der geringsten Erschütterung ziehen sich die Stiele mit Blitzesschnelle spiralförmig schnellend zusammen, was der in ihrer Höhlung befindliche faden- artige Muskel bewirkt, während zugleich der Wimperkranz einge- zogen wird. Bei einer andern Gattung, den Säulenglöck- chen (Epistylis) , ist der Stiel starr und das Glöckchen wirft sich bei der Zusammenziehung mit einem plötzlichen Rucke hinten Fig. 66. Fig. 67. Epistylis nutans . Fig. 66. zwei Thierchen von denen das eine sich zusammenge- zogen hat, auf demselben Stiele. a die Mundöffnung mit dem Wimperkranze. b der Kern. c Magenblasen. d der Schlund. e die contractile Blase. f der Stiel. Fig. 67. Die Aeinetenform des Thieres, in die es sich bei der Fortpflanzung verwandelt. über, so daß es wie geknickt am Stiele hängt. Un- ter den gepanzerten Glockenthierchen unterscheidet man die Gallertglöckchen (Ophrydium) , wo eine Unzahl spindelförmiger, langgezogener, durch grüne Körnchen gefärbter Thiere in der Peripherie eines gemeinschaftlichen Gallertklumpens stecken, der zu- weilen die Größe eines kleinen Apfels erreicht, so- wie die Mantelglöckchen (Vaginicola) , die inner- halb horniger, meist flaschenförmiger Büchs- chen einzeln auf Pflanzen und Thieren aufsitzen. Die Beobachtungen der neuesten Zeit haben bei den Glockenthierchen (Vorticella) , den Säu- lenglöckchen (Epistylis) und den Mantelglöck- chen (Vaginicola) eine übereinstimmende Art der Fortpflanzung er- kennen lassen, welche den Weg zu ganz neuen Forschungen anbahnt. Der Körper dieser Fig. 68. 69. 70. 71. 72. Fig. 68—72. Vaginicola . Fig. 68—71. Verschiedene Acineten-Formen, die das Thier bei der Fortpflanzung annimmt. Fig. 72, Ein ausgebildetes und entwickeltes Thier, in dessen Büchsenpanzer. sich auf dem Grunde eine Knospe gebildet hat, die schon einen hinteren Wimperkranz besitzt und sich baldigst loslöst. Die Bedeutung der Buchstaben ist für alle Figuren dieselbe, a. Der Mund. b. Der Kern. d. Der Schlund. e. Die contractile Blase. f. Der Stiel. g. Der Panzer. h. Die Fäden der Acinetenformen. Thiere ballt sich allmählig zusammen und umgiebt sich mit einer rundlichen Kapsel, die bei den Glockenthierchen durch eine Art Aus- schwitzung, bei den bepanzerten Arten durch Umbildung des Panzers selbst hervorgebracht wird. So entstehen rundliche Körper, die bald stiellos, bald gestielt sind und im Innern einer glasartig durchsichti- gen Hülle den zusammengekugelten Leib des Thieres enthalten, an welchem alle übrigen Organe, mit Ausnahme des Kernes und einer runden contractilen Blasenstelle, gänzlich verschwinden. Von diesen Kör- pern strahlen radienartig Fortsätze aus, welche sich ähnlich verhalten, wie die Fortsätze, mittelst deren sich die Rhizopoden bewegen, in Knöpf- chen endigen und in langsamen Schwingungen hin und her bewegt werden. In dieser Form, welche wir die Acineten-Form nennen, hat man die ein- gekapselten Glockenthierchen schon lange gekannt, und sie unter mehreren Gattungsnamen, als Sonnenthierchen (Actinophrys) , Strahlenfuß (Podo- phrya) , Strahlenbäumchen (Acineta) , beschrieben, ja sogar als selbstständige Familie hingestellt. An den aus den Vaginicolen hervorgehenden Acineten hat man nun ferner beobachtet, daß der Kern allmählig schärfer her- vortritt, während die Fäden zu schwinden anfangen. Der Kern ent- hält endlich einen Wimperüberzug, bewegt sich selbstständig und wird zuletzt aus dem Körper hervorgetrieben, um als freies Infusorium unter der Gestalt eines Urnenthierchens (Trichodina) davon zu schwimmen. Wenn auch diese Beobachtungen noch der Bestätigung bedürfen, so geht doch we- nigstens soviel aus denselben hervor, daß viele Infusorienformen, die man bis jetzt für selbstständig ansah, nur Uebergänge darstellen, die bei genauerer Verfolgung ihrer Entwickelung mit andern der äußeren Gestalt nach höchst verschiedenen Formen zusammenfallen. Die Acineten Vogt, Zoologische Briefe. I. 7 können gewissermaßen als Zwischenstufen, als Ammen gelten, in deren In- nern durch Knospung ein Kern nach dem andern sich erzeugt, welcher im wei- tern Verlaufe seiner Ausbildung als selbstständiges Junge davonschwimmt. Unter den vielfachen Formen, welche nach Ausscheidung der Mo- naden und der Glockenthierchen, bei den mit einem Munde versehenen Infusorien noch übrig bleiben, kann man zwei Hauptgruppen unter- scheiden. Die eine, die große Familie der Haarthierchen ( Trichodida ) bildend, umfaßt alle diejenigen mundführenden Infusorien, welche sich nur durch Wimperhaare bewegen, während die Gattungen der anderen Familie, die Borstenträger ( Setifera ) , außerdem noch Borsten, Haken oder Griffel zum Klettern oder Kriechen haben. Die erstere dieser großen Familie kann wieder in folgende Unterfamilien zerlegt werden: Bei den Walzenthierchen ( Enchelina ) ist die Körperfläche nackt und nur am vordern Ende des Körpers, der zuweilen in einen langen Hals ausgezogen ist, befindet sich in der Umgebung des Mundes ein Wimperkranz, der eine rundliche Form hat. Der After befindet sich bei allen an dem entgegengesetzten Körperende, während bei den Glocken- thierchen, welchen sie sonst am nächsten stehen würden, die unverdau- ten Nahrungsstoffe durch den Mund selbst wieder ausgeworfen wer- den. Diejenigen Gattungen dieser Unterfamilie, deren vorderer Kör- pertheil halsförmig ausgezogen ist, biegen und winden denselben schlan- genförmig umher und scheinen ihn sowohl als Tastwerkzeug wie auch zur Bewegung zu benutzen. Lacrymaria; Trichoda; Enchelys . Bei einer zweiten Unterfamilie, den Halsthierchen ( Trachelina ) , Fig. 73. Paramecium . ist entweder der ganze oder doch der größere Theil des Körpers mit wirbelnden Wimpern besetzt, die meistens in Längsreihen geordnet und an dem Munde etwas län- ger sind. Dieser liegt meist an der Unterseite des Körpers in einem länglichen Spalte unter einer mehr oder minder ausgebildeten Oberlippe, welche zuweilen halsartig oder zungenförmig gestaltet ist. Der After befindet sich bald an dem einen Ende, bald etwas seitlich an dem Körper. Trachelues; Loxodes; Bursaria; Para- mecium, Kolpoda . Eine dritte Unterfamilie, die der Reusenthierchen ( Nassulina ) , kann aus denjenigen wimpertragenden Formen gebildet werden, welche einen reusenartigen Zahnapparat besitzen, der den Ein- gang des Schlundes umgibt; auch hier hat man nach der Stellung dieser Zahnreuse, die bald am vordern Ende, bald in der untern Fläche steht, meh- rere Gattungen unterschieden. Nassula; Prorodon . Die letzte große Familie, die Borstenthierchen ( Setifera ) , haben Fig. 74. Ploesconia von der Seite gesehen, wie sie auf den Bauch- borsten wie auf Füßen läuft. eine mehr oder minder abge- glattete Gestalt und auf der untern Fläche des Körpers, außer den Wimpern, welche in der Mundrinne entwickelt sind, Borsten oder Haken zum Kriechen und Springen auf festen Gegenständen im Wasser. Mund und After befinden sich stets auf der Bauchfläche des Körpers, zuweilen nahe bei einander in einer spaltförmigen Rinne. Man kann unter ihnen die eigentlichen Hechelthierchen ( Oxytrichina ) (Kerona; Urostyla Stylonychia) mit weichem biegsamen Körper, die oft sogar nur mit Hinterlassung ihrer Borsten zerfließen und die Nachenthierchen ( Euplota ) unterscheiden, bei welchen letzteren der Rücken durch ein flaches horniges Schild von ziemlicher Consistenz gedeckt ist. Chlamidodon; Euplotes . Die Verbreitung der Infusionsthierchen auf der gesammten Erde ist nur noch sehr unvollständig gekannt. Wie es scheint, wirken die klimatischen Verhältnisse weniger auf diese kleinen Wesen ein, da derselbe Beobachter viele Formen von Berlin bis nach Süddeutschland, ja von Arabien bis nach Sibirien hin in den süßen Gewässern vorfand. Viele For- men entstehen überall in faulenden Aufgüssen von thierischen und pflanz- lichen Stoffen, nach der irrigen Behauptung Einiger durch Urzeugung, nach der Ansicht Anderer durch Entwicklung von Keimen und eingetrockneten Körpern, die im Wasser wieder aufleben. Die Vermehrung vieler Arten durch Selbsttheilung ist ungeheuer, da sie in geometrischer Pro- portion zunimmt und jedes durch Theilung entstandene Individuum fast unmittelbar darauf sich wieder theilen kann. So kann es denn nicht verwundern, wenn in Aufgüssen thierischer und pflanzlicher Stoffe unter günstigen Umständen oft nach kurzer Zeit Schwärme von Mil- lionen gewisser Infusionsthierchen erscheinen, die dort ein ephemeres Dasein führen. Ein wesentlicher Schlüssel zur Aufklärung der Erscheinungen, welche solche Aufgüsse namentlich hinsichtlich der Aufeinanderfolge ver- schiedener Arten geben, dürfte in der Verfolgung der Beobachtungen über die Entwickelung derselben liegen, indem hierdurch sicherlich in ähnlicher Weise, wie bei den Glockenthierchen, noch eine Menge für 7* verschieden gehaltener Formen als Uebergangsstufen einer und dersel- ben Art erkannt werden würden. In geologischer Beziehung ist einzig die Familie der Kranzthier- chen (Peridinida) wichtig, da sie durch ihren Kieselpanzer der Zerstö- rung entging. Ihre Reste finden sich besonders in den Feuersteinen der weißen Kreide, so wie in den verschiedenen Trippeln und Putz- mergeln, welche der Kreideformation angehören. Was sonst als fossile Infusorien angeführt wird, gehört entweder zu den Wurzelfüßern, oder zu den mit Kieselschalen versehenen mikroskopischen Pflänzchen, die man irrthümlich als thierische Formen auffaßte. Siebenter Brief. Kreis der Strahlthiere. (Radiata.) W enn wir bei den Protozoen nur eine sehr langsame und un- bedeutende Entwickelung zu höheren Stufen der Ausbildung gewahren konnten, so gibt sich im Gegentheile unter den weit zahlreicheren Klassen und Ordnungen der Strahlthiere eine unverkennbare allmäh- lige Ausbildung der gesammten Organisation kund, obgleich auch hier der höchste Typus, welcher erreicht wird, trotz der großen Mannich- faltigkeit der einzelnen Gewebe und Organe dennoch stets die niedere Stellung des ganzen Kreises erkennen läßt. Der unveränderliche Charakter der Strahlthiere, welcher überall wiederkehrt, besteht in der strahligen Gruppirung ihrer Organe um eine mehr oder minder verlängerte Axe, die in den meisten Fällen durch den Mund geht, aber auch dann, wenn der Mund seitlich von dieser Axe liegt, sich sehr wohl durch die Lagerung der übrigen Kör- pertheile erkennen läßt. Außerdem bilden sich überall, wo Eier durch geschlechtliche Zeugung entstehen, (und dies ist in allen Klassen der Strahlthiere der Fall, während bei den Urthieren weder Eier noch überhaupt geschlechtliche Zeugung vorkommt) die Embryonen in ihrer Vollständigkeit aus dem ganzen Eie heraus und durchlaufen zuweilen höchst complicirte Larvenzustände oder auch eigenthümliche Ammen- generationen. Die Körpersubstanz der Strahlthiere tritt bei den niederen Typen kaum aus dem Zustande der Sarkode, jener unbestimmten gelatinösen, körnigen Substanz der Urthiere, hervor; — differenzirt sich aber bei den höheren mehr in einzelne Gewebe, die fast vollständig die Zellenstruktur besitzen. So sehen wir denn auch fast überall eine deutliche wohl- charakterisirte äußere Haut , die von dem übrigen Körper unter- scheidbar ist und bei den Stachelhäutern eine wahrhaft lederartige Consistenz gewinnt, während sie bei den übrigen Klassen dieses Kreises zwar weicher bleibt, allein häufig theils Flimmerorgane, theils wechselnde Bläschen und andere Vertheidigungswaffen in ihrem Innern entwickelt. Bei mehren Klassen, wie namentlich bei den Po- lypen und den Stachelhäutern, finden sich außerdem stets mehr oder minder bedeutende Kalkablagerungen auf und in der Haut, welche bei den letzteren sogar zu einem förmlichen aus einzelnen Stücken zusam- mengesetzten Skelette sich verbinden und eine feste Schale um das Thier bilden. Als eine Absonderung der äußern Haut, die aber von dem Kör- per mehr getrennt ist, kommt besonders bei den Polypen und Quallen- polypen ein lederartiges, horniges oder kalkiges Gehäuse vor, in welche sich diese Thiere ganz oder theilweise zurückziehen können. Diese Gehäuse oder Polypenstöcke ( Polyparium ) , welche meistens trotz der Kleinheit der Thiere eine bedeutende Größe errei- chen, da Millionen Individuen auf demselben Stock organisch mit einander verbunden hausen, bilden die bekannten Korallen, welche so- wohl in jetzigen als in früheren geologischen Epochen einen wesent- lichen Einfluß auf die Bildung der Erdrinde übten. Die Korallen, sowie die Schalen der Stachelhäuter sind in besonders bedeutender Anzahl von den ältesten Schichten der Erde bis auf die neueste Zeit vorhanden und zwar in so großer Zahl und so mannichfach wechseln- den Formen, daß die Untersuchung derselben auch für die Erkenntniß der jetzt lebenden Formen von der größten Wichtigkeit ist. Nur bei den höchsten Formen der Strahlthiere glaubt man ein gesondertes Nervensystem und eigenthümliche Sinnesorgane gefunden zu haben, die indeß nur in sehr unvollkommener Weise aus- gebildet erscheinen und an der strahligen Gruppirung des ganzen Körpers theilnehmen sollen. Diese Organe, sowie die einzelnen Theile des Nervensystems, welches einen Ring um den Schlund darstellen soll, wiederholen sich eben so oft, als der Körper gleichsam durch die strahlige Anordnung in einzelne Segmente zerfällt, und bestehen bei den Quallen aus Bläschen, die krystallinische Massen einschließen, bei den Stachelhäutern aus einem knotenlosen Schlundringe und gefärbten Pigmenthaufen an bestimmten Körperstellen. Die Bewe- gungsorgane sind äußerst mannigfach gestaltet. Viele Strahlthiere sind freilich für immer an dem Boden festgeheftet und entbehren gänz- lich der Ortsbewegung, während sie sich mit größter Lebhaftigkeit zu- sammenziehen und ausdehnen können; andere aber kriechen und klet- tern, theils mit beweglichen Stacheln, besonders aber mit eigenthüm- lichen Saugröhren, die sie gleich Zugseilen zur Fortschleppung des Körpers anwenden. Viele endlich schwimmen frei umher, entweder durch klappende Zusammenziehungen ihres scheibenförmigen Körpers oder durch eigenthümliche knorpelige Schwimmblasen, die sich an be- stimmten Theilen des Körpers entwickeln. Alle Strahlthiere leben im Meere, mit Ausnahme einer einzigen Gattung, des Armpolypen, welcher sich in dem süßen Wasser findet. Die Ernährungsorgane der Strahlthiere sind ebenfalls sehr mannigfaltig gestaltet. Alle ohne Ausnahme besitzen einen Mund , aber nur die wenigsten einen After , der dann meistens in der Axe des Körpers, dem Munde gegenüber liegt. Bei denjenigen, welche keinen After besitzen, werden die unverdauten Speisereste durch den Mund wieder ausgeworfen, während die aus der Speise gewonnene Nah- rungsflüssigkeit durch eine hintere Oeffnung des Darmes in die Kör- perhöhle übergeht und so bei zusammengesetzten Stöcken allen Indi- viduen, die an der Kolonie betheiligt sind, zu Gute kömmt. Bei eini- gen Gattungen der Strahlthiere findet man statt eines einzigen Mundes viele kleine Oeffnungen, welche durch Röhren mit einer meist sehr ge- räumigen Verdauungshöhle in Verbindung stehen, von welcher aus dann wieder Röhren nach allen Seiten hin ausstrahlen. Meist sind in der Umgebung des Mundes einziehbare Fortsätze, Fühler oder Tentakeln , in einem trichterförmigen Kranze aufgestellt, die zum Einfangen der Nahrung dienen. Bei einigen Stachelhäutern bemerkt man sogar einen äußerst complicirten Zahnapparat , der zum Kauen der meist vegetabilischen Nahrung dient. Nur bei den höhern Typen der Strahlthiere kommt ein schlauch- förmiges Herz vor, welches durch seine Zusammenziehungen den Nahrungssaft in dem Körper umhertreibt. Bei den niederen Typen finden sich weder Gefäße noch ein specieller Bewegungsapparat für den Nahrungssaft vor, welcher indessen entweder durch Wimperorgane oder durch die Contractionen der Leibeswand im Körper und in den Zwischenräumen der Organe hin und her getrieben wird. Hierzu kommt dann noch in einigen Klassen ein System von Röhren, welche den Körper durchziehen und die durch äußere Mündungen Wasser aufnehmen, das in dem Körper circulirt. Besondere Athmungsorgane, welche nur zu diesem Zwecke bestimmt sind, kommen einzig bei der höchsten Klasse der Strahlthiere, bei den Stachelhäutern, vor. Die Fortpflanzung und Entwickelung der Strahlthiere ist theilweise erst in den neuesten Zeiten und auch hier in vieler Bezie- hung nur unvollständig erkannt worden. Sie unterscheiden sich von den Protozoen scharf durch die Existenz geschlechtlicher Zeugung, die Allen ohne Ausnahme zukommt, und durch den Mangel hermaphrodi- tischer Bildung, besonders in den höheren Klassen. Fast alle Strahl- thiere sind getrennten Geschlechtes und zwar finden sich sogar bei denen, welche Kolonien bilden und an dem Boden festsitzend sich einander nicht nähern können, die Geschlechter meist auf verschiedene Stöcke vertheilt, so daß hier die Befruchtung der Vermittlung der Wasser- strömungen überlassen bleibt. Außer der geschlechtlichen Zeugung in- dessen kommt auch bei allen gesellschaftlich lebenden Formen, wie sich fast von selbst versteht, Knospenbildung mit freien, sich ablösenden und mit festsitzenden Knospen vor. Eine ganze Klasse, die der Quallen- polypen, zeichnet sich durch eine höchst merkwürdige Ammenzeugung aus, welche bis jetzt die Mutterthiere und die Ammen sogar in zwei verschiedene Klassen bringen ließ. Ob eine freiwillige Längstheilung irgend wo vorkomme, dürfte noch zweifelhaft sein, das aber ist sicher, daß gewaltsam getheilte Individuen der Quallenpolypen zu selbststän- digen Körpern heranwachsen können. Eine eigenthümliche Erscheinung ist die Tendenz zur Fixirung an dem Boden, welche bei den unvoll- kommenen Formen sowie im erwachsenen Alter eintritt, während die Larven und Jungen der Strahlthiere meistens frei beweglich sind. Die meisten Strahlthiere erscheinen im unvollendeten und Jugendzustande in der Form eines umgekehrten Kegels, dessen Spitze dem Boden zu- gewandt, und dessen nach oben gerichtete Basis von der Mundöff- nung in der Mitte durchbohrt ist. Wir werden bei den einzelnen Klas- sen und Ordnungen die nähern Erscheinungen der Fortpflanzung, so- wie die Larvenentwickelung dieser Thiere genauer betrachten. Die genauere Begrenzung der einzelnen Klassen, welche den Kreis der Strahlthiere bilden, konnte bis jetzt hauptsächlich aus dem Grunde nur unvollständig durchgeführt werden, weil die Entwickelung der mei- sten derselben nur höchst unvollständig bekannt war. Auch jetzt noch wissen wir von einer ganzen Klasse, den Röhrenquallen, durchaus gar nichts über die embryonale Entwickelung, so daß die Stellung und Umgrenzung dieser Klasse so lange eine rein hypothetische ist, bis er- neute Beobachtungen das über ihr herrschende Dunkel aufhellen. Wir unterscheiden nach der äußeren Körperform, nach der Anordnung der Verdauungs- und Bewegungsorgane und nach der Fortpflanzungs- weise folgende vier Klassen unter den Strahlthieren. Fig. 75. Einzelner Polyp des Koralls vergrößert. 1. Polypen . Weiche, mehr oder min- der gelatinöse, sehr contractile Körper von cylindrischer Gestalt, die mit ihrem Fuße meist unbeweglich festgewachsen an dem Bo- den haften. Der Verdauungskanal beginnt mit einem kreisförmigen Munde in der Mitte eines trichterförmigen Tentakelkranzes und führt in eine von besondern Wänden um- gebene Magenhöhle, die sich nach unten in die allgemeine Leibeshöhle öffnet, in welcher sich die Geschlechtswerkzeuge in Gestalt band- artiger Streifen befinden. Sie bilden meistens hornige oder kalkige Korallenstöcke, auf welchen die Thiere in großen Massen zusammen- leben. Wir trennen von ihnen die Armpolypen, welche zu der näch- sten Klasse, und die Moospolypen, welche zu den Weichthieren gehören. 2. Quallenpolypen . Sie erscheinen stets in zwei verschie- Fig. 76. Sertularia . denen Formen. Die unvollendete Form gleichet der vorigen Klasse so sehr, daß Fig. 77. Pelagia . man sie als Armpolypen bisher nur als eine Familie oder Ord- nung der Polypenklasse bezeichnete. Indessen unterscheiden sie sich wesentlich durch den Mangel aller inneren Geschlechtstheile und einer eigenen Darmwandung, indem die afterlose Verdauungshöhle unmittel- bar in der Leibesmasse selbst ausgehöhlt ist. Die höhere Form dieser Thiere, welche aus der Polypenform durch Knospung hervorgeht, um- faßt die sogenannten Schirmquallen, Thiere mit scheiben- oder glocken- förmigem Körper und meist centralem, auf der Unterfläche ange- brachtem Munde von gelatinöser Beschaffenheit und fast glasartiger Durchsichtigkeit, die sich durch Klappen ihres Scheibenkörpers schwim- mend im Wasser bewegen und deren Organe alle nach dem strengsten radiären Typus angeordnet sind. Fig. 78. Velella . 3. Die Röhrenqual- len haben eine äußerst unbe- stimmte Gestalt, an welcher der radiäre Typus nur an den An- hängen sich erkennen läßt. Sie schwimmen mittelst eigenthüm- licher Knorpelstücke, die bei den meisten durch geschlossene mit Luft gefüllte Blasen unterstützt werden. Man kennt fast nur die äu- ßere Form dieser Thiere, welche bisher mit den Schirmquallen und den Rippenquallen, die zu den Weichthieren gehören, in eine Klasse zusammengestellt wurden. 4. Die Stachelhäuter besitzen eine lederartige Haut, in welcher Fig. 79. Echinus . Kalkablagerungen vor- kommen, die bis zu getäfelten und ganz ge- schlossenen Schalen zu- sammenschießen. Es sind rundliche, sternförmige, abgeplattete oder cylind- rische Thiere, welche sich meist mittelst Saugfüh- lern kriechend auf dem Boden bewegen. Die strahlige Anordnung der Organe ist nur bei den Familien von cylindrischer Körperform einigermaßen verdeckt; eine Hinneigung zum bilateralen Typus läßt sich nur undeutlich bei einigen höhern Formen erkennen. Das Nervensystem, welches einzig bei dieser Klasse und auch hier nur sehr zweifelhaft erkannt worden ist, soll aus einem feinen Schlundringe bestehen. Die Geschlechter sind überall ge- trennt und auf verschiedene Individuen vertheilt; die Entwickelung durch höchst ausgebildete Larven und Ammenformen merkwürdig; ungeschlecht- liche Zeugung fehlt gänzlich. Klasse der Polypen. ( Polypi .) Fig. 80. Korallenbaum mit entwickelten Polypen. In der Ausdehnung, wie wir diese Klasse begreifen, indem wir die Armpolypen einerseits und die Moospolypen als Weichthiere an- derseits davon abtrennen, bilden die Polypen eine nach höchst einfa- chem Typus und in sehr überein- stimmenden Formen entwickelte Klasse, die sich durch den cylindrischen Kör- per, den in der Mitte eines meist flimmerlosen Fühlerkranzes stehenden Mund und die mit eigenen Wänden versehene Verdauungshöhle, welche nach hinten sich in die Leibeshöhle öffnet, durch die inneren Geschlechts- theile, die in bandartigen Streifen angelagert sind, und durch die meist außerordentlich entwickelten horni- Fig. 81. Fig. 82. Einzelne Polypen von Veretillum cynomorium . Stark vergrößert. a Eine Zelle, in welche sich ein Polyp zurückgezogen hat. b der Fühlerkranz. c die Magenhöhle. d die Krausen der Geschlechts- theile. Zur Seite ist Fig. 82. ein Polyp quer durchschnitten um das Verhältniß der strahlich gestellten Falten mit den Geschlechtskrausen zur mittleren Verdauungshöhle zu zeigen. gen oder kalkigen Korallenstöcke, welche ihren gemeinschaftlichen Kolonieen als Boden und Um- hüllung dienen, vor allen übri- gen Thieren auszeichnen, welche mit ihnen die strahlige Anordnung der Körpertheile um eine centrale Axe gemeinschaftlich besitzen. Die einzelnen Thiere, welche in den Polypenstöcken hausen, sind nur selten mikroskopisch, obgleich zu ihrer genauern Untersuchung Vergrößerungsgläser angewendet werden müssen. Diejenigen Gat- tungen, welche einzeln leben, be- sitzen oft eine weit bedeutendere Größe und es giebt z. B. Meer- nesseln, welche wohl den Umfang einer Faust erreichen mögen. Die äußere Haut der Polypen ist bei denjenigen Thie- ren, welche in Polypenstöcken hausen und sich in eine schützende Röhre zurückziehen können, äußerst weich und zart und nur in höchst seltenen, vielleicht noch der Bestä- tigung bedürfenden Fällen dürftig mit seinen Wimperhaaren besetzt. Bei den nackten Polypen erlangt die Haut, besonders am Leibe, eine lederartige Festigkeit und bildet einen unten geschlossenen Sack, in welchen die Fühler oder Tentakeln zurückgezogen werden können. In der Haut dieser Letzteren finden sich in vielen Fällen Nesselorgane, glashelle Bläschen, welche nebst einem langen Spiralfaden eine ätzende Flüssigkeit hervorschnellen, die ein Brennen auf der Haut erzeugt. Von besonderer Wichtigkeit erscheint die Bildung der kalkigen Korallenstöcke , welche besonders in südlichen Meeren feste Massen von bedeutender Größe und Härte bilden, während in nördlichen Breiten hauptsächlich nur nackte, oder mit schwammartigen Stöcken versehene Polypen vorkommen. Untersucht man die chemische Zusam- mensetzung dieser Polypenstöcke, so findet man, daß sie größtentheils aus reinem kohlensaurem Kalke bestehen, dem oft etwas kohlensaure Talkerde beigemischt ist. Nur bei wenigen Gattungen erscheinen sie hornig und bei einer sogar ist der Polypenstock aus Kieselerde gebaut. Diese mineralischen Concretionen, die meist noch einen krystallinischen Bau zeigen, sind dennoch keine einfachen Ausschwitzungen, sondern trotz ihrer oft großen Härte ein Bestandtheil der Haut selbst und zwar desjenigen Theiles, welcher den hintern Theil des Leibes um- giebt. Hier setzen sich bei dem Wachsthum des Polypen theils minder theils mehr zahlreiche Kalkpartikelchen ab und bilden so entweder eine schwammige, von Kalknetzen durchzogene Masse, oder endlich eine steinartige Substanz, in welcher der organische Stoff fast gänzlich verschwunden ist. Fig. 83. Polypenstock einer Caryophyllia . Untersucht man die Polypenstöcke näher, so sieht man, daß auch in den zusammengesetz- testen Kolonieen jedes Thier eine eigene Zelle hat, welche sich nach unten zur Röhre verlän- gert und sich in gemeinschaftliche Kanäle fort- setzt, die ein Röhrensystem bilden, das mit der verlängerten Leibeshöhle eines jeden Indivi- duums zusammenhängt. Bei den todten und fossilen Polypenstöcken, bei welchen die organische Substanz verschwunden ist, kann man diese Dis- position der gemeinschaftlichen Kanäle noch sehr wohl verfolgen. Bei vielen Polypen fließen indeß die Röhren und Zellen, welche den einzelnen Thieren ange- hören, mehr oder minder in einander über oder werden durch da- zwischen entwickelte Substanz in solcher Weise in einander verschmolzen, daß manchmal die Unterscheidung jeder einzelnen Zelle schwierig wird. Mag auch die Gestalt des Polypenstockes selbst sein, welche sie wolle, so zeigen doch die Zellen stets eine einfache, runde oder strahlige Gestalt und wiederholen in dieser Weise den Typus, nach welchem der ganze Leib des Thieres gebaut ist. Die Bildung eines Polypenstockes beginnt mit einer Incrustation desjenigen Körpers, auf welchem der junge Polyp sich festsetzt, ist also offenbar eine Ausschwitzung der Basis des Polypenleibes. Man hat diese Ausschwitzung das Fußblatt oder Oberhautblatt genannt, da sie sich gleichsam wie ein Blättchen Wachs an die Gegenstände an- schmiegt, auf welchen sich der Polyp festsetzt. Häufig beschränkt sich dieses Fußblatt auf die beschriebene Ausdehnung, in andern Fällen erhebt es sich am Rande und umgiebt wie ein dünnes Firnißblatt den unteren Theil des Polypenstockes, zuweilen auch vergrößert sich dieses Fußblatt durch stets neu aufgelegte Schichten in der Mitte, so daß es Anfangs eine kegelförmige Warze bildet, die nach und nach zu einem Stamme oder einem verästelten Baume auswächst. Auf diese Weise bildet sich das Fußblatt bei einigen Familien, wie namentlich bei dem ächten Korall, zu einer inneren Axe aus, die durchaus keine Zellen enthält und um welche herum die gemeinschaftliche Masse er- gossen ist, in deren Zellen die einzelnen Polypen sitzen und welche von den gemeinschaftlichen Kanälen durchzogen ist. Diese Axenstöcke wachsen stets wie alle Fußblätter durch Auflage neuer Schichten auf der den Polypen zugewandten Seite. Die Versteinerung, welche in der Haut des hinteren Leibestheiles vor sich geht und welche die Zelle selbst für den Leib des einzelnen Polypen bildet, strahlt von einzelnen Punkten des Gewebes aus und entwickelt sich in dem Maße nach bestimmten mathematischen Gesetzen, wie die Knospen der Polypen selbst sich ausbilden. Man kann auch hier wieder verschiedene Theile unterscheiden, die für die genauere Auffassung der zoologischen Unterschiede und des Verhältnisses der Polypenstöcke zur ganzen Organisation der Thiere von Wichtigkeit erscheinen. Als äußere Schicht der einzelnen Polypenzellen kann man in den meisten Fällen ein Kalkblatt unterscheiden, welches das Resultat der Versteinerung der äußersten Hautschichte des Thieres ist. Meist bildet die- ses Blatt eine kegelförmige Dute oder ein längeres Rohr, nur zuweilen, wie bei den Orgelkorallen, constituirt es für sich allein die röhrenförmige Zelle der Polypen. Man hat dieses Blatt, welches meistens an der Basis der Polypenstöcke und als Umhüllung der einzelnen Zellen sich bemerkbar macht, das Mauerblatt genannt. Durch Vereinigung und Verschmelzung der Mauerblätter auf ihrer äußeren Seite und durch Verdickung ihrer Masse bildet sich jene Zwischensubstanz, welche besonders bei den schwammigen Polypenstöcken die einzelnen Zellen mit einander verbindet. Schon in der Charakteristik der Thierklasse bemerkten wir, daß die inneren Geschlechtstheile der Polypen in krausen bandartigen Strei- fen angeordnet seien, welche stets eine strahlige Gruppirung um den Magensack und tiefer hinab darböten. Die Versteinerung dieser haut- artigen Falten, welche in das Innere der Leibeshöhle hineinragen, bil- det nun die Strahlen , die wir meist in den Zellen der Polypenstöcke erblicken. Es entwickeln sich diese Strahlen von außen nach innen, entsprechend den häutigen Falten und Geschlechtskrausen, welche bald weniger, bald mehr vorspringen. So sieht man denn in den Zellen der Polypenstöcke zuweilen nur kurze Blätterstrahlen, die den Rand der geräumigen Zellenhöhle zacken, während in den meisten Fällen wenigstens die Hauptstrahlen in der Mitte sich treffen und zu einer Säule zusammenschmelzen, die bald aus den gewundenen Blättern der einzelnen Strahlen, bald aus einer schwammigen Zusammenschmel- zung derselben besteht. Zuweilen wächst die Säule, welche die Axe der Zelle einnimmt, sich verlängernd fort, während die Scheidewände oder Strahlen in ihrem Wachsthume zurückbleiben. Die Säule bildet dann ein mittleres unabhängiges Stäbchen im Centrum der strahligen Zelle. Meistens wachsen auch von der Säule aus den Strahlen kor- respondirende Blätter entgegen, welche eine innere Krone bilden, deren nach der Peripherie gewendete Zacken bald frei bleiben, bald sich mit den von der Mauer aus hereinwachsenden Strahlen verbinden. An den Stellen wo die Strahlen oder diese Kronenblätter das äußere Mauerblatt erreichen, wird dieses oft durchbrochen, so daß die Strah- len sich über die Umgebung der Zelle hinaus fortsetzen. Fig. 86. Fig. 85. Fig. 84. Fig. 84 — 86. Junge Polypenstöcke einer Schwammkoralle ( Fungia ). Fig. 84 die Kammer hat nur sechs primäre Strahlen; die sekundären be- ginnen am Mauerblatte vorzusprossen. Fig. 85. Die sekundären Strahlen sind gebildet; die tertiären wach- sen. Fig. 86. Die quaternären und quintären Strah- len bilden sich. 1. die primären, 2. die sekundären, 3. die tertiären Strahlen. Beim ersten Beginne der Bildung einer neuen Polypenzelle zeigen sich nur äußerst wenige Hauptstrah- len, welche die Zelle in sechs primitive Kammern abthei- len; — wenigstens ist die Sechszahl, so viel man bis jetzt hat beobachten können, die Normalzahl, nach wel- cher sich die vielstrahligen Polypen der eigentlichen Korallenstöcke entwickeln. Auch bei denjenigen Polypenstöcken, bei welchen, wie bei den Schwamm- korallen, eine ungeheure Anzahl einzelner Strahlen existirt, auch bei diesen tritt zuerst nur eine einfache Zahl von sechs Strahlen auf, die sich später in streng gesetzmäßiger Weise vergrößert, und selbst dann kann man noch die primären Strahlen meist an ihrer größeren Dicke und Höhe von den später entstandenen unterscheiden. Die neuen Strahlen entwickeln sich bis zum vierten Cyclus stets in der Weise fort, daß eine jede Kammer in der Mitte durch den neu entstehenden Strahl in zwei Hälften getheilt wird. So wird beim Auswachsen einer Schwamm- koralle z. B., die Anfangs nur sechs Strahlen hat, jede dadurch ge- bildete primäre Kammer durch den sekundären Strahl in zwei Hälf- ten getheilt und die ganze Zelle hat nun zwölf sekundäre Kammern. Durch die Entstehung der tertiären Strahlen erhält sie vier und zwan- zig tertiäre Kammern, dann aber nicht acht und vierzig, sondern nur sechs und dreißig, indem nur die Hälfte der tertiären Kammern und zwar diejenigen, welche an dem primären Strahl anliegen, durch qua- ternäre Strahlen in zwei Hälften getheilt werden. Mit Beobachtung dieses Gesetzes läßt sich die Zahl aller Strahlen, welche an einer Po- lypenzelle vorkommen, auf die ursprüngliche Sechszahl reduziren, zu- mal da es ein durchgreifendes Gesetz ist, daß die gleichnamigen Strah- len sich auch stets zu gleicher Zeit im ganzen Umfange der Zelle entwickeln. Die Bildung der Polypenstöcke wird noch durch den Umstand be- sonders complicirt, daß auch die gemeinschaftliche Masse, welche die einzelnen Polypen mit einander verbindet, sich in bald mehr, bald minder zusammenhängender Weise versteinert und nun mit den Strah- len und Mauerblättern zusammenwächst. Dieselbe strenge Gesetzmä- ßigkeit, welche sich in der Bildung der Strahlen bemerkbar macht, herrscht auch in der Entwickelung der einzelnen Knospen, welche die Polypen treiben. Bei den einen werden dadurch mehr oder minder verästelte Bäume gebildet, wo bald jede Knospe oder jede Zelle einen Ast darstellt, bei andern entwickeln sich ganze Systeme von Knospen zu einzelnen Aesten und Zweigen oder zu fingerförmig ausgebreiteten Massen, bei wieder anderen werden alle Zellen in eine einzige, mehr oder minder rundliche Masse von oft ungeheurer Größe zusammen geschmolzen. Das Skelett eines jeden zu Grunde gegangenen Polypen bleibt der gemeinschaftlichen Kolonie als unvergänglich integrirender Theil, und so entstehen aus der Vereinigung vieler kleiner Wesen und aus ihrer gesetzmäßigen Entwicklung jene merkwürdigen Massen, auf deren Bildung im Großen wir noch einen weiteren Blick werfen werden. Von eigentlichen Bewegungsorganen kann bei den festsitzenden Polypen nicht wohl die Rede sein und auch diejenigen freien Stöcke, welche im Sande oder im Schlamme stecken und von welchen man bisher glaubte, sie schwämmen im Meere umher, entbehren jeglichen Bewegungsorganes. Nur die freien Einzelpolypen, wie die Seeane- monen, besitzen einen breiten, scheibenförmigen Fuß, mit welchem sie Fig. 87. Seeanemone ( Actinia .) sich ansaugen und hin und her gleiten können. Wohl aber besitzen die Polypen einestheils ein sehr ansgebildetes Fasergewebe, das ihre einzelne Leibes- theile zusammenzieht und anderseits einziehbare Tentakeln, welche eine große Bewegbarkeit besitzen. Bei denjenigen Polypen, welche acht Tentakeln um den Mund besitzen, sind dieselben meist blattförmig und an den Rändern mehr oder minder gekerbt, während sie bei den sechs und mehrstrahligen Polypen eine mehr wal- zenförmige Gestalt haben und eine hohle am vordern Ende geschlossene Röhre darstellen. Bei allen Polypen ohne Ausnahme steht die Höhlung der Tentakel in Verbindung mit der Leibeshöhle und die Entfaltung scheint zum Theil dadurch bewirkt zu werden, daß von der Leibes- höhle aus Flüssigkeit in ihre Höhlung eingepreßt wird. Obgleich die Polypen namentlich in den Fühlern eine große Empfindlichkeit zeigen, so ist es doch noch nicht gelungen, Nerven oder Sinnesorgane bei ihnen wahrzunehmen. Auch die Verdauungs- organe stehen auf einer sehr niederen Stufe der Entwickelung. Der runde, zuweilen auf einem Knopfe in der Mitte der Fühler ange- brachte Mund führt in eine weite Magentasche, welche sich nach hinten frei durch offene Spalten in die Leibeshöhle öffnet, so daß Wasser und Nahrungsstoffe ge- meinschaftlich durch diese hinte- ren Oeffnungen in die Leibes- höhle übergehen. Diese ist durch häutige Blätter, welche in dem untern Theile der Leibeshöhle nach innen zu frei sind, oben sich an die Magenwandung an- setzen und auf ihrem freien ge- krausten Rande die männlichen oder weiblichen Geschlechtsor- gane tragen, in eine große An- zahl von Taschen oder Kammern zerfällt. Bei den gemeinschaftlich lebenden Polypen geht die Lei- beshöhle, in welcher der Nah- Fig 88. Fig. 89. Einzelne Polypen von Veretillum cynomorium . Stark vergrößert. a Eine Zelle, in welche sich ein Polyp zurückgezogen hat. b der Fühlerkranz. c die Magenhöhle. d die Krausen der Geschlechts- theile. Zur Seite ist Fig. 89. ein Polyp quer durchschnitten, um das Verhältniß der strahlich gestellten Falten mit den Geschlechtskrausen zur mittleren Verdauungshöhle zu zeigen. rungssaft mit Wasser vermischt beständig hin und her circulirt, in ein Netz von Gefäßen über, welches sich in der gemeinschaftlichen Masse des Polypenstockes hinzieht und mit allen übrigen Polypen in direkter Communication steht. Der Strom der Flüssigkeit, welcher durch diese Gefäße läuft, wird durch zarte flimmernde Wimpern bedingt, und geht an der einen Seite der Fühler bis an deren Spitze, um auf der andern Seite wieder hinab zu gleiten. Da die Polypen die Oeffnungen der Magenhöhle gegen die Leibeshöhle hin nach Belieben durch Zusammenziehung schließen können, so hängt es auch von ihrem Willen ab, welche Stoffe sie in die Leibeshöhle über- treiben, welche durch den Mund wieder auswerfen wollen. Die Geschlechter sind stets getrennt und soweit man bis jetzt untersucht hat, sogar bei den geselligen auf verschiedene Polypenstöcke vertheilt, an denen keine äußere Gefchlechtsverschiedenheit zu bemerken ist. Eier und Samen bilden sich in kapselartigen Höhlungen der Ge- schlechtstheile aus, treten in die Leibeshöhlung über und werden erstere zuweilen schon als ausgebildete Embryonen durch den Mund ausge- worfen, worauf sie sich entwickeln und festsetzen. Bei den vielstrahli- gen Polypen findet dasselbe Verhältniß statt, welches wir bei der Ent- wickelung der Strahlen ihrer Zellen beobachteten. Sie haben zuerst nur sehr wenige Fühler, deren Zahl sich mit ihrem Wachsthum vermehrt. Die ungeschlechtliche Zeugung ist außerordentlich weit ver- breitet, wie sich schon daraus ergibt, daß nur höchst wenige Polypen als einzelne Individuen leben. Indessen hat man die Erscheinung der Knospung fast noch gar nicht an lebenden Thieren beobachtet, son- dern nur aus der Bildung der Polypenstöcke erschlossen, wo sich dann allerdings erkennen läßt, daß die Knospung nach bestimmten Gesetzen vor sich geht, wodurch je nach der Gattung der Polypen baumförmige oder schwammige Formen erzeugt werden. Aus den zusammenfließen- den Zellen mancher Polypenstöcke hat man schließen wollen, daß hier eine freiwillige mehr oder minder vollständige Längstheilung stattfinde, welche indeß durchaus noch nicht erwiesen ist. Auch über die innere Entwicklung dieser Knospen und Sprossen wissen wir nur so viel, als sich auf die äußern Organe und auf die Vermehrung der in der Lei- beshöhle angebrachten Scheidewände bezieht, was aus der Vervielfälti- gung der Strahlen in den Zellen erschlossen werden kann. Alle Polypen ohne Ausnahme leben im Meere und zwar die be- weglichsten mit ihrem Fuße an dem Boden festgesogen, andere mit ihrer Basis im Schlamme steckend, andere festgewachsen und unfähig je den Ort zu ändern. Diese letzteren geben besonders Veranlassung zu jenen Bildungen, welche in den südlichen Meeren unter dem Namen der Korallenriffe bekannt sind. In den nördlichen Breiten sind es hauptsächlich nackte und gelatinöse Polypen, Seeanemonen, welche die Klasse repräsentiren. In den Meeren der gemäßigten Zone findetman neben den nackten Polypen noch solche mit schwammigen Polypenstöcken, in welchen Kalknadeln zerstreut sind. Erst in dem Mittelmeere kommen wahre Korallenstöcke vor, die indeß nur rasenförmige Ausbreitungen Vogt, Zoologische Briefe I. 8 bilden. Die eigentliche Zone der Korallenriffe beginnt am 30ten Grade nördlicher Breite und hört fast gänzlich unterhalb des 25ten Grades südlicher Breite auf, so daß sie also eine Art Gürtel um die Erde bildet, der mit dem Aequator parallel läuft. Felsboden begünstigt be- sonders ihre Entwickelung, während Schlamm und Sand ihnen hinder- lich ist. In der genannten Ausdehnung aber sind ungeheure Strecken von den Productionen der Polypen überdeckt und wenn man die Ge- schichte der Erde näher untersucht, so findet man, daß früher die Ko- rallenthiere und ihre Riffe eine weit größere Ausdehnung besaßen und daß mächtige Gebirgszüge zum großen Theile von ihnen auferbaut sind. An den seichten Stellen der südlichen Meere rudert der Seefahrer oft über weite Strecken hin, deren Farbenpracht mit den schönsten Tin- ten unserer Gegenden im Herbste wetteifert. Durch das durchsichtige Wasser schimmern die prächtigsten Abstufungen von Grün, Gelb und Roth hindurch, die augenblicklich einem eintönigen Grau Platz machen, sobald das Schleppnetz ausgeworfen oder das Wasser stärker beunru- higt wird. Das Netz bringt aus der Tiefe steinige Aeste oder Knollen hervor, welche einen grauen schleimigen Ueberzug zeigen. Die Polypen, die äußerst empfindlich gegen Berührung oder Wasserströmungen sind, haben sich sämmtlich in ihre Zellen zurückgezogen, so daß die Stöcke nur die kalkige Masse zeigen. Legt man aber die Stücke in’s Wasser und läßt sie darin ruhig, so entfalten sich allmählig wieder die Poly- pen, die besonders an ihren Fühlern jene lebhaften Farben zeigen. Längeres Verweilen außer dem Wasser tödtet die Polypen unausbleib- lich, weshalb sie denn auch niemals über eine gewisse Höhegränze sich ansiedeln, die bei stillen Gewässern etwa 4 bis 6 Fuß unter dem Stande der Ebbe sich hält. Ebenso behaupten diejenigen Gattungen, welche besonders die Korallenriffe bilden, hinsichtlich der Tiefe eine gewisse Gränzlinie unter welcher sie sich nicht ansiedeln. So hat man in dem rothen Meere beobachtet, daß alle Korallen, welche man aus mehr als 9 Faden Tiefe hervorzog, nur todte Bruchstücke waren und 20 Faden dürfte überall als die größte Tiefe angesehen werden, in welcher sich noch lebende Korallen ansiedeln, obgleich man aus weit bedeuten- derer Tiefe lebende Polypen hervorgezogen hat, die aber nur kleine Bäumchen, keine großen steinigen Massen bilden. Die Bildung der Korallenriffe selbst hat manches Eigenthümliche. Die ältern Seefahrer im stillen Ocean waren schon betroffen von der eigenthümlichen, meist kreisförmigen Gestalt der einzelnen Inseln, welche oft in ihrem Innern einen stillen See, eine Lagune umschlossen, die nur einige Zugänge durch das schmale Riff zeigte, welches den Kreis der Insel ausmachte. Man glaubte, daß die Korallen sich hauptsächlich auf den Rändern von Kratern vulkanischer Kegelberge entwickelt hätten und nahm an, daß sie aus beliebiger Tiefe herauf senkrechte Mauern aufführten, welche an der Oberfläche die Bildung des Bodens abzeichneten. Erst die ge- nauere Beobachtung des Lebens der Korallenthiere und des Verhaltens ihrer Riffe gab die genauere Erklärung der auffallenden Erscheinungen. Man unterscheidet jetzt der Form nach drei verschiedene Arten von Korallenriffen. Die Atolls oder Lagunenriffe bestehen aus einem schmalen, mehr oder minder regelmäßig gekrümmten Streifen festen Landes, der einen innern See, eine Lagune umschließt und aus todten zerbröckelten Korallenmassen besteht, die durch Kalksand wieder verkittet und in einen fruchtbaren Boden verwandelt sind, welcher kaum über das Meeresniveau hervorragt und meist zuerst mit Kokospalmen sich be- pflanzt. Zuweilen ist die Lagune in der Mitte eines solchen Atolls gänzlich abgeschlossen von der See, die außen brandet; meist aber zeigt sie einen oder mehrere Einschnitte durch welche das Wasser der La- gune mit dem Meere in Verbindung steht. Die Tiefe der Lagunen ist meist nicht bedeutend, höchstens bis zu 40 Faden und bietet einen sichern Ankergrund. Die Lagune selbst ist ein wahrer Sammelplatz von fest- sitzenden und schwimmenden Seethieren aller Art, welche sich hieher vor der Brandung und der Strömung des freien Meeres flüchten. Nach außen hin findet sich meist schon in geringer Entfernung von dem Riffe eine bedeutende Tiefe, so daß dieses eine fast senkrecht aus der Tiefe aufsteigende Mauer bildet. Die Dammriffe unterscheiden sich nur dadurch von den Atolls, daß im Innern der Lagune sich eine Insel aus anstehenden Felsen und festem Lande befindet, welche, wie durch einen Festungsgraben, durch einen mehr oder minder breiten Lagunenkanal von dem wie ein Gürtel sie umgebende Riffe getrennt ist. Dieser Lagunenkanal ist meist nur von geringer Tiefe, zuweilen aber von sehr bedeutender Breite und die Dammriffe, welche gürtel- förmig das Land umziehen und den Lagunenkanal von der See ab- scheiden, besitzen oft eine ungeheure Ausdehnung. So hat das Damm- riff, das sich an der Küste von Neu-Caledonien findet, eine Länge von 400 englischen Meilen und dasjenige der australischen Küste er- streckt sich mit geringen Unterbrechungen durch etwa 15 Breitengrade. Endlich die dritte Art von Riffen wird durch die sogenannten Küstenriffe gebildet, welche sich nur dadurch von den Dammriffen unterscheiden, daß sich zwischen ihnen und dem festen Lande kein Lagunen- kanal hinzieht, sondern daß sie sich unmittelbar an die Küsten anlehnen. Bedenkt man, daß die Korallenpolypen sich nur bis zu einer ge- 8* wissen Tiefe anbauen können, daß aber die der See zugekehrten Seiten der Korallenriffe oft eine fast senkrechte Mauer von mehreren hundert Faden Tiefe bilden, aus deren Tiefe das Senkblei nur todte Bruch- stücke hervorbringt, vergleicht man mit dieser Eigenthümlichkeit der Korallenthiere die verschiedenen Arten der von ihnen gebauten Riffe, welche allmählig in einander übergehen, so ergiebt sich die Erklärung der Erscheinung im Großen in höchst einfacher Weise. Alle Korallen- thiere haben sich sicher in der Nähe der Küsten in solcher Tiefe ange- setzt, wie dies ihre Lebensbedingungen ihnen vorschrieben und haben so ursprünglich Küstenriffe gebildet. Nun senkte sich der Boden allmählig langsam im Laufe von Jahrhunderten und bis zu einer solchen Tiefe, daß die untern Polypen abstarben. Die Polypen bau- ten nach oben fort, um die ihnen zukommende Höhe unter dem Mee- resspiegel zu behaupten. Die Korallenstöcke der todten Polypen dien- ten als fester Felsboden für die jüngeren Generationen. Indem der Boden sich immer mehr senkte, bildeten sich die Dammriffe und als er gänzlich verschwand, die Atolls aus, die also nur ringförmige Umkrei- sungen von Stücken festen Landes, von Inseln und Bergspitzen sind, welche im Laufe der Zeit unter die Oberfläche des Meeres sich hinabsenkten. So sind diese Werke so unscheinbarer Thierchen die unwidersprechlich- sten Zeugnisse für jene langsamen und allmähligen Veränderungen der Erdoberfläche, zu deren Erkenntniß die Mittel unserer Forschung sonst nicht hinreichen würden, und aus dem Vorhandensein der zahl- reichen Atolls und Lagunenriffe im stillen Ocean kann der sichere Be- weis entnommen werden, daß in der Gegend jenes Meeres einst weite Continente existirten, die sich allmählig unter die Oberfläche des Was- sers hinabsenkten und deren Spitzen nur noch als zerstreute Insel- gruppen hie und da aus der Tiefe hervorragen. Die Klasse der Polypen ist in allen Schichten der Erde von der frühesten Zeit her bis auf die Gegenwart in äußerst zahlreichen und mannigfaltigen Formen vertreten. Doch waren in den Zeiten der Grauwacke und der Trias hauptsächlich mehr solche Formen entwickelt, welche rasenförmige Polypenstöcke bildeten, so daß die Masse der Po- lypen von nicht so bedeutendem Einfluß auf die Schichtbildung war. In der jurassischen Periode ändert sich dieses Verhältniß. Ueberall wo man noch den Jura angetroffen hat, in Frankreich, der Schweiz, Deutschland und England, also in Breiten, welche jetzt durchaus keine Riffe mehr zeigen, existirten damals außerordentlich ausgedehnte Korallen- riffe, welche theilweise zwar von der jetzigen abweichende Gattungen und gänzlich verschiedene Arten enthalten, sonst aber dieselben Eigenthümlichkei- ten zeigen, welche wir auch in den Korallenriffen der Gegenwart beobachten. An vielen Stellen bilden die jurassischen Korallenriffe wahre Atolls, hügel- förmige Erhöhungen von höchstens 50 Fuß Mächtigkeit, die auf kieseligen und sandsteinigen Schichten angebaut sind. Im Umkreise der Atolls zeigen sich die Korallen — im Innern aus feinem Schlamm gebildete Schich- ten, die sich offenbar bei größerer Ruhe des Wassers ablagerten, mit zahlreichen, Schlamm und Sand bewohnenden Muscheln, dünnschaligen Seethieren und ähnlichen Meerbewohnern, welche ruhige Orte vor- ziehen. An dem Fuße der von den Korallen gebildeten Mauer sieht man Breccien- und Lumachellenkalke, die aus den Bruchstücken zer- riebener und zerbrochener Schalen zusammen gebacken sind und offen- bar als Resultate der den Atoll umwogenden Brandung sich darstellen. Die Korallenstöcke selbst und die ihre Zwischenräume bewohnenden Muscheln und Seelilien stehen senkrecht auf den Schichten, ein Beweis, daß sie sich auf denselben als auf ihrem ursprünglichen Wohnsitze befinden. Die Nahrung der lebenden Polypenthiere besteht offenbar aus kleinen thierischen und pflanzlichen Partikelchen, welche durch die Strö- mung ihnen zugeführt werden. Das Entfalten und Schließen ihrer Arme, wie überhaupt ihre ganzen Lebenserscheinungen, sind meist äußerst träge; doch bemerkt man deutlich Empfindlichkeit gegen das Licht und gegen Berührungen oder Wasserströmungen, welche plötz- liches Zurückziehen in die Zelle verursachen. Die Korallenstöcke selbst dienen einer Unzahl von Muscheln, Schnecken, Würmern und Fischen zum Wohnort und Schlupfwinkel und viele dieser Thiere nähren sich auch von den Polypen, indem sie dieselben mit ihren scharfen Zungen und Kiefern abkratzen oder auch die Zellen selbst zwischen den Zähnen zermalmen. Die Eintheilung der Polypen in Ordnungen, Familien und Gat- tungen hat besonders deßhalb viele Schwierigkeiten, weil man nur von sehr wenigen Arten die Thiere und deren engeres Verhältniß zu den Polypenstöcken genauer kennt. Wir begegnen deßhalb auch vielen verschiedenen Versuchen, die aber alle nur zu unsicheren Resultaten gelangten, indem sie entweder die fossilen Arten mit umfaßten und dann einzig die Charaktere des Polypenstockes berücksichtigten, oder aber, indem sie die Fossilen fern hielten, eine wesentliche Lücke ohne alle Ausfüllung ließen. Wir nehmen als Basis der Eintheilung das Zah- lengesetz, nach welchem die Fühler und Strahlen sich entwickeln, an und indem wir zugleich nach einem allgemeinen Naturgesetze die socialen Formen für die niedriger stehenden, die freien für höher entwickelt an- sehen, erhalten wir folgende drei Ordnungen, die alle sehr zahlreich in allen Schichten der Erde vertreten sind. Erste Ordnung: Sechsstrahlige Polypen (Hexactinia). Alle zu dieser Ordnung gehörigen Polypen haben eine bedeutende An- zahl von rundlichen, cylindrischen oder pfriemenförmigen Fühlern und Strahlen in den Zellen der Polypenstöcke, welche sich indessen sämmt- lich aus der Sechszahl entwickeln. Die Embryonen und freien Spros- sen sind freilich noch nicht beobachtet, aber die jüngsten Zellen besitzen nur sechs einfache Strahlen, die sich im spätern Alter vermehren. Alle haben kalkige Polypenstöcke, welche baumartige oder schwammige Massen bil- den. Sie bilden jetzt einzig die ächten Korallenriffe, während in früheren geologischen Epochen auch die achtstrahligen Polypen Riffbildend auftraten. Die Familie der Baumkorallen ( Madreporida ) besitzt meistens Fig. 90. Madrepora. verhältnißmäßig kleine Polypen, deren zwölf Tentakel in einer einzigen Reihe stehen, sehr kurz sind und wie verküm- mert aussehen. Der Polypenstock ist sehr porös, meist fingerförmig ver- ästelt, die einzelnen Zellen rund oder verwaschen sechseckig, durch poröse Masse verbunden oder röhrenartig an der Oberfläche hervorstehend. Die Strah- len sind nur in geringer Zahl vor- handen, reichen nur selten bis in die Mitte der Zelle und bilden niemals eine eigentliche Säule in derselben. Je nach der Tiefe der Zellen und den im Grunde vorhandenen oder fehlenden Scheidewänden hat man in dieser äu- ßerst zahlreichen Familie, welche auch besonders in den ältesten Schichten durch eigenthümliche Gattungen vertreten ist, mancherlei Unterabtheilungen unter- schieden, deren Werth noch näher er- örtert werden muß. So haben die ei- gentlichen Madreporen sehr tiefe, bis in die Mitte des Stockes reichende Zel- len; die Reihenkorallen (Seriatopora) die Kettenkorallen (Catenipora) die sich im Uebergangsgebirge finden, ganz tiefe, durch quere Scheidewände getheilte Zellen, während die Poriten überall poröse, mit sehr oberflächlichen, niemals die Mitte des Koralls erreichen- den Zellen besetzte Polypenstöcke bilden. Die Becherkorallen ( Cyathophyllida ) bilden stets einfache Po- lypenstöcke von Becherform mit wohl ausgebil- Fig. 91. Caryophyllia. deten Strahlen, welche aber löcherig und oben zackig sind, und schiefen oder queren Boden- wänden. Ihre Polypen sind groß, mit vielen, ziemlich langen Fühlern versehen; die Zellen ebenfalls geräumig. Die Sprossen neuer Po- lypen wachsen bei einigen Gattungen nicht seit- lich, sondern oben aus der Zelle, so daß der Polypenstock aus mehren in einander geschach- telten Polypen zu bestehen scheint. Cyathophyllia; Dendrophyllia; Stephanophyllia; Caryophyllia. Die Drehkorallen ( Turbinolida ) haben mit der vorigen Familie die Gestalt so wie die großen, mit langen Tentakeln versehenen Thiere gemein; aber ihre meist einfach zelligen Korallenstöcke zeigen stets durchgehende Kammern und niemals Bodenwände, durch welche die Zellen in horizontal über- einander liegende Abtheilungen getrennt würden. Je nach der Anwe- senheit einer Säule oder von Säulenblättern so wie nach der Ganz- heit oder Durchbohrung des äußeren Mauerblattes, das bei manchen Gattungen dieser Familie ganz zellig, bei andern sehr vollständig er- scheint, hat man mehre Unterabtheilungen in dieser zahlreichen Familie gebildet. Turbinolia; Desmophyllum; Cyathina; Desmia. Die Sonnenkorallen ( Astreida ) sind es hauptsächlich, welche durch Fig. 92. Astrea. ihre schweren, steinigen Massen die Korallenriffe bilden. Sie sind ungemein zahlreich in Gattungen von dem Muschelkalke an bis in unsere heutige Schöpfung vertreten und deßhalb in viele Unterfamilien und Gruppen zerlegt worden. Die Fühler der Thiere stehen meist etwas zerstreut; die Strahlen der Leibeshöhle sind außerordentlich zahlreich, weßhalb auch in den Zellen der Korallen ein sehr entwickelter Strahlenkranz sich findet. Die dadurch gebildeten Kammern sind tief, durch Querbalken der Länge nach unvollkommen getheilt. Niemals finden sich vollständige Bodenwände. Die meisten Polypen dieser Familie scheinen sich nicht nur durch Knospen, sondern auch durch freiwillige Theilung zu ver- mehren, wodurch langgedehnte, meist gewundene Zellen entstehen, die dem Polypenstocke etwa das Aussehen der schraffirten Karte einer Berggegend geben. Die Korallen bilden meist rundliche, dicke steinige Massen. Nach dem oberen Rande der Strahlen, die dort ausgezackt, hier ganz rundlich sind, hat man zwei Unterfamilien und in diesen ein- zelne Gruppen von zahlreichen Gattungen unterschieden, je nachdem die Zellen ganz isolirt bleiben, so daß die Koralle ein ästiges Ansehen erhält, oder durch poröse Zwischenmasse zusammengeleimt, durch ihre Wände aneinander gekettet oder endlich gänzlich zusammenfließend sind. Eusmilia; Diploctenium; Ctenophyllia; Dendrogyra; Stylina; Sarcinula; Astraea; Angia; Echinopora; Maeandrina Die Schwammkorallen ( Fungida ) bilden oblonge oder rundliche Fig. 95. Fig. 94. Fig. 93. Junge Schwammkorallen (Fungia.) Massen von bedeutendem Umfange, die meistens frei sind oder sich der Unterfläche, auf der sie liegen, wie ein dicker Ueberzug anpassen. Die Strahlen der Zellen sind außerordentlich zahlreich, gezackt und so ausgebreitet, daß die eigentliche Umschreibung der Zel- len selbst verloren geht. Bei den eigentlichen Schwammkorallen, die einsam sind und dennoch oft mehr als den Umfang eines Tellers erreichen, ist das Thier groß, mit einem röhrenförmigen Munde und runden, wurmähnlichen Fühlern, die hie und da aus den Strahlen des Ko- ralls hervorstehen. Bei anderen Gattungen sind nur noch verkümmerte, wulstartige Fühler vorhanden. Die zahlreichen Arten und Gattungen sind besonders von den jurassischen Schichten an bis jetzt ungemein häufig. Die Augenkorallen ( Oculinida ) zeichnen sich durch die schöne, ver- ästelte Form ihrer Polypenstöcke aus, welche ausgebreiteten Sträuchern gleichen. Die Zellen sind klein, rundlich, die Strahlen nur wenig ent- wickelt, doch stärker wie bei den Madreporen. Was sie vor diesen auszeichnet, ist die ungemeine Härte und Festigkeit der Zwischensub- stanz, die keine poröse Beschaffenheit zeigt und sich nur durch das Röhrennetz in der Mitte von den soliden Axen der ächten Korallen unterscheidet. Manche Gattungen dieser Familie werden deßhalb oft als weißes Korall bezeichnet. Die Polypen sind klein, ihre Fühler lang. Eine höchst merkwürdige Familie dieser Ordnung sind die Stau- denkorallen ( Antipathida ). Der Polypenstock wird von einer hornigen Axe gebildet, die eine lederartige Hülle hat, in welcher zusammenzieh- bare, durch die Polypen bewahrte Zellen sich finden. Diese haben nur sechs cylindrische Fühler im Kreise um den Mund, während die üb- rigen Rinden- und Hornkorallen, welche sonst in der Structur der Axe mit den Staudenkorallen vollkommen übereinstimmen, acht gekerbte Fühler besitzen und deßhalb einer folgenden Ordnung angehören. Die zweite Ordnung umfaßt die fünfstrahligen Polypen (Pentactinia). Sie besteht vorzugsweise aus einsamen Polypen, welche einen einfachen oder doppelten Tentakelkranz um den Mund tragen, dessen meist zahlreiche Fühler von der Fünfzahl sich herleiten, ein Verhältniß, das namentlich im Jugendzustande, wo der Fühler nur noch wenige sind, deutlich hervortritt. Sie haben niemals einen kalkigen Korallenstock, sondern nur eine lederartige, sackförmige Haut, in welche die Fühlerkrone zurückgezogen werden kann. Der hintere Theil ihres Körpers sitzt bei den geselligen Arten auf einer lederar- tigen, mit Ausläufern versehenen Grundlage, während die freien Gat- tungen entweder eine Saugscheibe besitzen oder mit dem zugespitzten weicheren Hintertheile im Schlamme stecken. Die Familie der Seeblüthen ( Zoanthida ) besteht aus keulenför- migen, biegsamen geselligen Polypen, die meist in Büscheln zusammen- sitzen und deren Mund von einer einzigen Reihe sehr kurzer aber zahl- reicher Fühler umgeben wird. Die meisten dieser Polypen können sich theilweise in die lederartige Haut, die den mittleren Körper umgiebt, zurückziehen; anderen, die man deßhalb zu einer eigenen Gattung er- hoben hat, geht dies Vermögen ab. Die Familie der Seeanemonen oder Meernesseln ( Actinida ) Fig 96. Actinia. kommt besonders in den warmen und gemäßigten Zonen häufig vor. In ausgedehntem Zustande bil- det der Körper dieser Polypen stets einen auf bei- den Seiten abgestutzten Cylinder von größerer oder geringerer Höhe. Die untere Fläche des Cy- linders wird von einer Saugscheibe gebildet, wo- mit sie sich so fest an Steine, Felsen, Muscheln festsaugen, daß es oft kaum möglich ist, sie ohne Zerreißung loszutrennen. Am besten gelingt dies noch durch das Unterschieben einer dünnen breiten Klinge. Sie krie- chen langsam mittelst ihrer Saugscheiben fort und halten sich besonders gerne in geringer Tiefe auf. In solchen Meeren, welche bedeutende Ebbe und Fluth haben, wohnen viele Arten vorzugsweise an der Gränze der letzteren in Wassertümpeln, die auf den Felsen zurückblei- ben. Die Fühler sind äußerst verschieden gestaltet und gestellt; bald in einer, bald in vielfachen Reihen, in einfachem Kreise oder auf einem fünflappigen ausstülpbaren Sterne. Bei den einen sind sie sehr lang, dünn und wurmförmig, bei andern kurz und dick, bei einigen verästelt und ausgezackt. Die Meernesseln sind äußerst gefräßige Thiere, welche von Muscheln, Schnecken und Krustenthieren leben, deren im Magen ausgesogene Schalen durch den Mund wieder ausgeworfen werden, was oft mit so vieler Energie geschieht, daß der ganze, weite, faltige Magensack aus dem Munde hervorgestülpt wird. Bei der Be- rührung ziehen sie sich mit großer Lebhaftigkeit zusammen und speien das im Innern enthaltene Wasser durch den Mund oder durch eigene Oeffnungen an dem Grunde der Tentakel aus. Sie prangen meist in den lebhaftesten Farben und besonders zeichnen sich die Fühler durch brennende Tinten aus. Sie haben ein äußerst zähes Leben und lassen sich Jahre lang in Gefäßen, deren Wasser oft gewechselt wird, erhal- ten. Ein Beobachter an der Küste von Schottland hatte ein solches Exemplar 40 Jahre lang, während welcher Zeit es, wahrscheinlich durch innere Knospenbildung, über 600 Junge erzeugte. Die Eier entwickeln sich im Innern der Leibeshöhle so weit, bis die Jungen nackte Polypen mit fünf rundlichen warzenartigen Strahlen darstellen. In dieser Gestalt werden sie durch den Mund ausgespieen. Die Zahl der Fühler wächst nun schnell, während zugleich die inneren Organe sich ausbilden. Einige Arten werden in den italienischen Küstenorten von dem gemeinen Volke gegessen. Actinia; Cribrina; Minyas. Die freien Seenesseln (Edwardsida) sind bis jetzt nur durch eine einzige Gattung bekannt, die aber ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit wegen eine besondere Familie bilden muß. Es sind wurmförmige Thiere, welche versteckt im Sande leben und bis jetzt nur an der Westküste Frankreichs aufgefunden worden sind. Die größte Art er- reicht die Länge eines halben Fußes und die Dicke eines Federkieles. Um den Mund stehen in ein oder zwei Reihen 10 bis 20 Fühler, die mit dem ganz durchsichtigen Vordertheile des Körpers in die lederar- tige Hülle des Mittelkörpers zurückgezogen werden können; auch die stumpfe Spitze des Hinterleibes ist in ähnlicher Weise zurückziehbar. Im Innern des Körpers scheint hinsichtlich der Scheidewände der Leibeshöhle die Achtzahl zu herrschen. Die Ordnung der achtstrahligen Polypen (Octactinia) hat höchstens acht in einfachem Kreise um den Mund gestellte und meist dreieckige, blattartige Fühler, welche an den Seiten gekerbt, zuweilen ziemlich tief ausgezackt sind. Die Korallenstöcke haben in dieser Ord- nung, welche auch nackte Repräsentanten hat, eine außerordentliche Mannigfaltigkeit in Struktur und chemischer Zusammensetzung, indem sie bald Röhren, bald schwammige Stöcke, bald innere Axen bilden. Die Familie der Orgelkorallen (Tubiporida) hat meist kalkige oft an Masse ziemlich bedeutende Korallenstöcke, aus einzelnen, fast parallelen rundlichen Röhren gebildet, die bündelartig zusammenstehen und von dünnen Polypen mit langen einziehbaren Fühlern bewohnt werden. Die Ränder der Fühler sind sehr tief eingekerbt, so daß sie fast gefiedert erscheinen. Die einzelnen Röhren sind durch Zwischen- wände mit einander verbunden, die auch in den Röhren selbst als quere Scheidewände auftreten. Die jetzigen Orgelkorallen haben alle eine prächtig purpurrothe Farbe, während die Thiere grün oder röth- lich sind. In den Schichten der Uebergangsgebilde war diese Familie besonders reich in einzelnen Gattungen repräsentirt, die man besonders nach der Stellung der Röhren unterschieden hat. Die Familie der Pilzkorallen oder Seekorke (Alcyonida) hat fleischige Polypenstöcke von schwammiger Beschaffenheit, die sich zuweilen fingerartig ausbreiten. Das ganze Gewebe des Polypenstockes ist von einer Unzahl unregelmäßiger kalkiger Concremente, die meist warzige Nadeln darstellen, durchspickt und bietet einzelne sternförmige Zellen auf der Oberfläche dar, welche nach dem Rückzuge der Polypen wie Warzen erscheinen. Sie kommen namentlich in den gemäßigten Meeren sehr häufig vor, erreichen aber niemals eine bedeutende Größe. Die Polypen sind kurz, dick, ihre Fühler von mittlerer Länge, aber seitlich sehr tief eingekerbt. Die Rindenkorallen ( Gorgonida ) unterscheiden sich von al- Fig. 97. Isis nobilis. Das Edelkorall. len übrigen Polypen durch die Entwickelung einer kalkigen, kie- seligen oder hornigen Axe, die in Baumform verästelt und mit einem lederartigen Ueberzuge ver- sehen ist, in dessen einzelnen Zellen die Polypen stecken. Zuweilen ver- steinern diese Zellen ebenfalls und Fig. 98. Ein einzelner Polyp. stellen sich dann als kurze Becherchen dar, welche der Axe aufsitzen. In der weichen Rindensubstanz, welche die Axe umgiebt, sind meist in ganz ähnlicher Weise, wie in dem Polypenstocke der Seekorke, Kalk- nadeln abgelagert und außerdem die Netze der gemeinschaftlichen Ka- näle, welche die Polypen verbinden, sichtbar. Die Polypen sind denen der Seekorke ähnlich, nur sind ihre Fühler meist noch kürzer und weniger tief eingekerbt. Man hat die einzelnen Gattungen besonders nach der Struktur und Substanz der Axen unterschieden. Unter den mit steinerner Axe zeichnet sich besonders das ächte Korall (Isis nobilis ) durch seine große Härte und Polierfähigkeit, sowie durch die lebhaft rothe Farbe aus. Der ganze Polypenstock bildet einen Baum, dessen Stamm in seltenen Fällen sogar Mannsdicke erreichen soll. Die ganze Axe ist vollkommen ungegliedert, zusammenhängend und auf der Oberfläche mit feinen parallelen Streifen gezeichnet. Die Axe dieser Blutkoralle wird seit den ältesten Zeiten zu allerhand Schmucksachen verarbeitet. Ihre Heimath ist das Mittelmeer, wo sie besonders an der afrikanischen Küste in Rissen und Spalten der Felsen wächst und mit eigenen Instrumenten und Schleppnetzen abgerissen wird, was stets eine langwierige Operation ist, da sie sich bis in eine Tiefe von 700 Fußen anbaut und die größten Stöcke meist nur in dunkeln seitlichen Spalten der Felsen sich finden. Für die Fischer des Mittelmeeres ist der Korallenfang eine eben so reiche Quelle von Sagen und abenteuerlichen Geschichten, wie für die Bewohner des Binnenlandes die eingegrabenen Schätze und die mineralischen Reich- thümer im Innern der Berge. Andere der Blutkoralle nahe verwand- ten Gattungen haben eine gegliederte Axe mit hornigen oder steinigen Zwischenstücken, während die eigentlichen Gorgonien eine nur hornige Axe besitzen, im übrigen aber eben so wie die im Mittelmeere vor- kommende Kieselkoralle in ihrer Struktur ganz mit den Blutkorallen übereinkommen. Isis; Gorgonia; Mopsea; Prymnoa. Fig. 99. Veretillum cynomorium. Die Familie der Seefedern (Pennatulida) zeichnet sich dadurch aus, daß der gemeinschaftliche Polypenstock von einem besonderen Stiele getragen wird, der in seiner Mitte eine feste Axe enthält, sonst aber von einer Hülle umzogen wird, in welcher nur die gemeinsamen Nah- rungskanäle sich verzweigen, aber keine Polypenzellen sich finden. Mit diesem stets freien und zugespitzten Stiele steckt der Polypenstock in dem Schlamme oder Sande ohne weitere Befestigung. Die Länge und die Dicke des Stieles sowie sein Verhältniß zu dem polypentragenden Theile wechselt ungemein. Bei den Seegurken (Veretillum) und eigentlichen Seefedern (Pennatula) hat er die Länge und Dicke eines Fingers und erscheint fleischig, bei der Ruthenfeder (Vir- gularia) ist er nur sehr kurz, bei dem grönländischen Sonnenschirme (Umbellularia) dagegen ungemein dünn und lang, während er bei der Nierenfeder (Renilla) nur sehr unbedeutend erscheint. Die Polypen erscheinen verschieden gestaltet, doch meist von länglicher Gestalt mit schmalen tief eingekerbten Fühlern und in verschließbare Zellen zurückziehbar. Der Theil des Polypenstockes, welcher die Polypen trägt, ist höchst verschieden gebildet. Bei der Seegurke ist er walzenförmig und die Polypen sitzen unregelmäßig an allen Seiten herum. Bei den See- federn stehen auf beiden Seiten eines mittleren Stieles breite kalkige Lamellen, die nach außen hin sich fächerartig ausbreiten und wo jede Fächerleiste eine Zelle für einen Polypen bildet. Noch complicirter ist diese Bildung bei den Ruthenfedern, wo zu beiden Seiten eines Schaf- tes S förmig gewundene kurze Röhren stehen, welche wie Armleuchter auf der äußeren Seite Röhrchen mit endständigen Polypen tragen. Als letzte Familie der achtstrahligen Polypen und gewissermaßen als analoge der Meernesseln, betrachten wir die Familie der Meer- Fig. 100. Lucernaria. a der Stiel. b die Fühler- haufen. c die Geschlechts- krausen. schirme (Lucernarida) gallertartige, durchsich- tige, mit einem runden Stiele sich anheftende Polypen, die entweder nur acht einfache oder selbst nur vier später getheilte dicke Fühler be- sitzen, welche durch eine trichterförmige Zwischen- haut verbunden sind. An der Spitze dieser Fühler bemerkt man eigenthümliche Saugfäden und Nesselhaufen, die bei keinem andern Poly- pen vorkommen. Die Verdauungshöhle ist außerordentlich kurz und öffnet sich nach hinten sogleich in die Leibeshöhle, welche nur vier Scheide- wände besitzt. Die Eierstöcke, welche ganz den gewöhnlichen Bau haben, erstrecken sich bis weit hervor in die schirmähnliche Ausbreitung der Tentakeln. Man findet verschiedene Gattungen dieser Familie an den europäischen Küsten des Oceanes. Klasse der Quallenpolypen. Die Thiere welche diese Klasse bilden sind ihrer außerordentlich wechselnden Körperform wegen bisher in zwei vollkommen getrennten Klassen aufgeführt worden. In der That treten sie in zwei ganz ver- schiedenen Gestalten in die Erscheinung. Als unvollkommene Formen sind es polypenartige Körper, bald einzeln, bald Stöcke bildend, meist festgeheftet an den Boden aus einem einfachen Magensacke gebildet und mit einer unbestimmten Anzahl rundlicher Fangarme versehen; als vollkommnere Form findet man sie frei schwimmend im Meere in rund- licher Scheiben- oder Glockengestalt, von bestimmt strahligem Bau, der genaue Zahlenverhältnisse erkennen läßt. Wir wissen jetzt, daß beide Formen von einander abstammen, allein nichts destoweniger sind wir gezwungen, auch noch in systematischer Hinsicht sie getrennt von einander zu behandeln, da wir nur erst von sehr wenigen Arten mit Gewißheit angeben können, wie sie in beiden Lebensformen sich gestalten. Fig. 97. Armpolyp des süßen Wassers, (Hydra) ter eben einen Wasserfloh (Daphnia) gefangen hat und im Begriffe steht, die Beute dem Munde (a) zuzuführen. Die unvollkommene Form welche wir mit dem Namen der Armpolypen be- zeichnen, umfaßt Thiere von weichem Kör- perbau, die meistens in Kolonien zusammen- leben und deren Mund von einer ver- änderlichen Zahl wimperloser, rundlicher, sehr ausdehnbarer Fühler umgeben ist. Viele Gattungen haben einen Polypenstock, der entweder nur eine Inkrustation oder verästelte Bäumchen bildet, die glockenförmige Zellen tragen, in welche sich meist die einzelnen Polypenleiber zurückziehen können. Diese Polypenstöcke sind dann äußerst zart, papier- artig oder hornig und biegsam; sie bilden niemals größere Massen oder Korallen, wie die eigentlichen Polypen. In der weichen Haut der Armpolypen finden sich sowohl Nessel- organe als eigenthümliche Giftorgane, welche aus einem mit Wider- haken versehenen Bläschen bestehen, das einen klebrigen Faden hervor schnellt, welcher sich beim Erhaschen der Beute um dieselbe schlingt. Die Bläschen reißen sich bei dieser Gelegenheit aus der Haut los und ihre Berührung tödtet unausbleiblich die kleinen Thierchen, welche von den Armen erfaßt waren. Die Fangarme selbst sind stets rundlich und bei einigen Gattungen scheinbar aus einem großzelligen Gewebe gebildet, während sie bei andern hohl sind und diese Höhle mit der Magen- höhle in Verbindung steht. Nervensystem und Sinnesorgane hat man noch bei keinem Armpolypen entdeckt. Der Mund, der in der Mitte des Fühlerkreises sich befindet, führt in eine einfache Ver- dauungshöhle über, welche zwar von festeren Wandungen umgeben, aber nicht von der Leibeswandung getrennt ist. Das Thier bildet so- mit einen einfachen hauptsächlich aus Sarkode gebildeten Schlauch, wäh- rend die Korallenpolypen, deren Magen selbstständige Wandungen besitzt, einen doppelten in sich selbst eingestülpten Schlauch darstellen. Bei den einsamen Armpolypen ist die Verdauungshöhle nach unten blind ge- schlossen, während bei den gesellschaftlichen Gattungen sie nach unten in eine Röhre übergeht, welche in ein für alle Individuen des Stockes ge- meinschaftliches Netz von Röhren mündet. In allen diesen Röhren wird die Ernährungsflüssigkeit durch zarte Wimpern umgetrieben. Die un- verdauten Stoffe werden bei Allen durch den Mund ausgeworfen. Die Fortpflanzung der Armpolypen geschieht auf mehrfache Art. Innere Geschlechtstheile findet man niemals bei den Armpolypen, während Knospung bei allen vorkommt. Die innere Höhle der Knospen steht Anfangs mit der Verdauungshöhle des Körpers in Ver- bindung, ist gleichsam nur eine Nebenhöhle, eine Aussackung derselben, schnürt sich aber bei den freien Gattungen nach und nach ab, während zugleich die Fühler hervorsprossen. Bei den socialen Gattungen bleibt die Verbindung beständig, wodurch die verästelten Baumformen ent- stehen. Die Geschlechtsorgane entstehen bei den Armpolypen perio- disch an der Außenfläche in ähnlicher Weise wie Knospen und ver- schwinden allmählig wieder nach ihrer Entleerung. Bei dem gewöhnlichen Armpolypen des süßen Wassers (Hydra) bilden sich am untern Theile des Körpers Wülste, die beginnenden Knospen ganz ähnlich sind und in welchen sich Dotterkugeln entwickeln, die eine förmliche Schale um- gebildet erhalten. Offenbar sind diese äußeren Knoten als Eierstöcke anzusehen. Oberhalb dieser Eierstöcke brechen ähnliche Wülste hervor, die anfangs geschlossen, später aber mittelst einer durchbohrten Warze nach außen geöffnet sind. In diesen Wülsten entwickeln sich Samen- thierchen, die einen runden Körper und einen sehr langen und zarten Haaranhang besitzen, nach einiger Zeit durch die Warzenöffnungen ausschlüpfen und im Wasser umherwimmeln, offenbar zu dem Zwecke, die in den Eierstöcken befindlichen Eier zu befruchten. Bei denjenigen Armpolypen welche einen Polypenstock besitzen, wie namentlich bei den Glockenpolypen (Campanularia) bilden sich zu gewissen Zeiten eigenthümliche Individuen aus, deren Verdau- ungsapparat meist nur rudimentär oder selbst gänzlich verkümmert ist; auch die Fühler dieser Geschlechtsindividuen sind durchaus verkümmert und meistens bilden sie nur geschlossene Becher, in deren Innerem sich vollständige Eier oder Samenthierchen erzeugen. Nach ihrer Entleerung verschwinden diese kapselförmigen Individuen wieder und der Polypenstock erscheint dann vollkommen geschlechtlos. Die letzte Art der Fort- pflanzung, welche die vollkommnere Quallenform liefert, werden wir erst später betrachten. Man findet die Armpolypen in allen Meeren und eine Gattung, das einzige Beispiel unter sämmtlichen Strahlthieren, auch im süßen Wasser. Sie bilden stets nur sehr kleine, dünne Polypenstöcke, die entweder krustenartig sind oder kleine Fädchen und Bäumchen dar- stellen, die sich überall, besonders aber auch auf den Blättern der Tange und andern Seepflanzen ansiedeln. Diejenigen der südlichen Meere sind noch fast gar nicht bekannt und auch die der nördlichen See nur unzureichend untersucht. Die Zahl der bekannten Armpolyen ist nur gering und steht durchaus in keinem Verhältniß mit derjenigen der vollendeteren For- men, so daß eine genauere Eintheilung derselben auch schon deshalb unthunlich ist, weil dieselbe aus der Kenntniß der beiden Erscheinungs- formen gemeinschaftlich hervorgehen müßte. Wir theilen einstweilen die Armpolypen in folgende Familien ein: Die Familie der Süßwasserpolypen (Hydrida) besteht hauptsäch- Fig 102. a Wasserlinsen, an deren Wurzeln die Polypen sitzen. b ein entwickelter Polyp. c ein solcher mit zwei, der Ablösung na- hen ausgebildeten Knosven. d ein anderer, ganz zusammengezogen. lich aus der Gattung Hydra, deren Arten man vorzüglich häufig an Wasserlinsenwur- zeln angeheftet findet. Das Thier ist ganz nackt, mit langen Fangarmen versehen, die es auch zum Umherklettern braucht, obgleich es sich gewöhnlich mit seinem Fuße festsetzt und ruhig auf Beute lauert. Die Fangarme selbst sind hohl und ihre Höhle steht mit der, den ganzen Leib des Thieres bildenden Verdauungshöhle in Verbindung. Sie kön- nen ungemein verlängert werden und dienen durch ihre Nessel- und Haftorgane zum Fangen der Beute, die besonders in Wasser- flöhen (Cyclops) , kleinen Mückenlarven und derlei Thierchen besteht. Die Thiere sind ungeheuer gefräßig und pflanzen sich bei gu- tem Futter lebhaft durch Knospen fort, die an der unteren Leibeshälfte hervorsprossen. Ihr Leben ist sehr zähe, ihre Reproduktionskraft ungemein groß, so daß einzelne Stücke wieder zu selbstständigen Thieren auswachsen. Die hervorsprossenden Knospen stehen Anfangs mit der Leibeshöhle in Verbindung, schnüren sich aber vollständig ab, sobald ihre Arme entwickelt sind. Die Warzen und Wülste, welche von den besonders im Sommer hervorsprossenden Ge- schlechtstheilen gebildet werden, wurden von vielen Beobachtern für eine Ausschlagskrankheit gehalten. Die Thiere selbst gehen im Winter zu Grunde, während die Eier überwintern und sich im Frühjahre entwickeln. Die Familie der Röhrenpolypen ( Tubularida ) begreift meistens Fig. 103. Fig. 104. Fig. 105, Syncoryne . Fig. 103. Eine Gruppe Polypen in natürlicher Größe. Fig. 104. Ein Polyp mit Quallenknospen. Fig. 105. Eine losgelöste Qualle. a der Stiel; b, c, d, e Quallenknospen in verschiedenen Stufen der Ausbildung; f Arme des Polypen; g Anheftungsstelle der freien Qualle; h Mund; i Fangfä- den; k Glockenrand; l Körper. gesellige Thiere, die oft eine zarte Röhre als Umkleidung ihres Körpers besitzen, in welche sie sich aber nie- mals gänzlich zurück- ziehen können. Die frei werdenden Quallen- Knospen entwickeln sich an der Basis der Fühler, welche nicht hohl sind. Die Ge- schlechts- Individuen bilden da wo sie be- obachtet sind keulen- förmige kurz gestielte Formen mit ganz ver- kümmerten Fühlern. Fast bei allen hat man die Bildung der höheren Quallenform beobachtet. Je nach der Stellung der Fühler in einer oder zwei Reihen und ihrer verhältnißmäßigen Länge, nach dem Vor- handensein einer dünnhäutigen Röhre oder deren Fehlen, hat man verschiedene Gattungen unterschieden, die fast alle an der Küste der Nordsee und des Oceans vorkommen. Coryne; Syncoryne; Tubularia; Eudendrium; Synhydra . Eine dritte Familie ist diejenige der Glockenpolypen ( Campanularida ) , bei welchen die Polypen sämmtlich in flaschenförmigen Bechern auf ver- ästelten Bäumchen sitzen und sich in diese Becher zurückziehen können. Vogt, Zoologische Briefe I. 9 Fig. 106. Sertularia . Je nachdem die einzelnen Becher lang gestielt oder stiellos sind, hat man verschiedene Gattungen aus diesen Glockenpolypen gebildet. Die Becher in welchen sich Eier und Samen ent- wickeln, zeigen weder Fühler noch Verdauungskanäle, während die ge- schlechtslosen Individuen dieselben be- sitzen. Die ganzen Polypenstöcke bil- den federartige Bäumchen oder einzelne Glöckchen, die mit langen Stielen auf meistens zellig verästelten Wurzeln aufsitzen. Die größeren Formen fin- den sich besonders in südlichen Mee- ren, während in den nördlichen mehr die zarteren kleineren Gattungen vor- handen sind. Campanularia; Sertu- laria; Plumularia; Dyomea . Bei den meisten Armpolypen des Meeres kannte man schon früher eine eigenthümliche Art der Fortpflanzung, welche indeß erst in der neueren Zeit in ihren anderweitigen Beziehungen genauer er- kannt und gewürdigt wurde. Diese Fortpflanzungsweise besteht darin, daß an irgend einer Stelle des Leibes, bald in den Axenstellen der Bäumchen, wo die Zweige abgehen, bald in der Nähe des Tentakel- kranzes, bald selbst innerhalb desselben eigenthümliche Sprossen ent- stehen, welche Anfangs ganz in derselben Weise wie die festsitzenden Knospen fortwachsen, nach und nach aber eine eigenthümliche Form annehmen, die von derjenigen der ursprünglichen Polypen außeror- dentlich verschieden ist. Es bildet sich eine Art Höcker auf der Ober- fläche des Polypenleibes, in welchem die Ernährungsflüssigkeit ebenso cirkulirt wie in der übrigen Leibeshöhle. (Fig. 104, b. ) Allmählig häuft sich in dieser Art Bruchsack und um den Strom der Flüssigkeit herum ein Kern von festerer feinkörniger Substanz an, der sich nach und nach unter dem Einflusse der Saftströmung in der Weise aushöhlt, daß man nach einiger Zeit einen mittleren Strom und 4 oder 6 Seitenströme sieht, welche nach außen zu auseinander gehen. (Fig. 104, c u. d. ) Nun ist schon aus jenem Kerne der hohlen Knospe eine Art Embryo gebildet, indem der ursprüngliche Kern sich nach außen in 4 oder 6 Lappen, entsprechend den Seitenströmen der allgemeinen Ernährungsflüssigkeit, ausgezackt hat. Der sprossende Embryo stellt nun eine Glocke dar, die mit dem Gipfel ihrer Wölbung an dem Stamme des Polypen ansitzt, während ihr freier Rand nach außen schaut. (Fig. 104, e. ) Je nach den Gattungen wachsen dann die Randlappen in mehr oder minder lange Fäden aus, während zugleich der Ansatzpunkt auf dem Gipfel der Glocke sich mehr und mehr abschnürt und der mittlere Zapfen, in welchen der Strom der Ernährungsflüssigkeit sich fortsetzte, mehr selbstständig wird und sich zur Verdauungshöhle des werdenden Individuums umbildet. Zugleich erhält die Knospe Beweglichkeit; der äußere freie Rand klappt gegen die Mitte hin auf und zu. Endlich schließt sich der Verbindungsstrom zwischen dem Polypen und der glockenförmigen Knospe, der Stiel mit dem diese anhing schnürt sich an ihrem Gipfel ab und ein krystall- helles Wesen, fast von der Gestalt eines Schirmes mit einem in der Mitte angebrachten Fortsatze, auf dem der Mund sitzt, eine wahre Schirmqualle (Fig. 105.) schwimmt frei und selbständig in dem Wasser umher. Manchmal besitzen diese jungen Schirmquallen schon bei der Ablösung von dem Polypen ausgebildete Geschlechtsorgane; in andern Fällen bilden sich diese erst später bei weiterem Wachsthum aus. Fig. 107. Fig. 108. Fig. 109. Hydra tuba und die aus ihr hervorknospenden Quallen. a der Fuß der Hydra, c ihre Fangarme, d die einzelnen, tassenförmig aufeinandersitzenden Quallen- knospen, e die Ströme, welche durch dieselben auf- steigen und die Magenhöhle bilden, f der Mund, g die Randkörper. Fig. 107 ein freier Polyp; Fig. 108 ein Polyp mit auffitzenden Quallenknospen; Fig. 109 eine losgelöste junge Qualle. In der einfachen Weise wie wir es soeben beschrie- ben, findet die Quallenzeu- gung nicht bei allen Arm- polypen statt. Man hat sowohl an der englischen, wie an der norwegischen und nordamerikanischen Küste Armpolypen gefun- den, welche dem gewöhn- lichen Armpolypen des süßen Wassers so ähnlich sahen, daß man sie sogar mit demselben in eine Gattung brachte und nur als Art unterschied. Bei diesen bildet sich die Knospe, welche zur Qualle werden soll, in der Mitte des Fühlerkran- zes wahrscheinlich neben, vielleicht selbst auf dem Munde, so daß die Wöl- 9* bund des glockenförmigen Individuums auf dem Munde des Polypen aufliegt und der freie Rand nach oben steht. Ehe sich noch diese Knospe abgelöst hat, bildet sich zwischen ihr und dem Polypen und zwar von diesem letzteren ausgehend, eine neue Knospe und so fort, bis endlich, da die glockenförmigen Individuen sehr flach sind, der Polyp das Ansehen eines Aufsatzes von Untertassen hat, welche auf einem kurzen, durch- sichtigen Stiele ruhen; die oberste flache Glocke ist der älteste Keim, die unterste der jüngste. Die sämmtlichen Knospen sind miteinander durch Ströme verbunden, welche aus der Leibeshöhle des Polypen nach oben aufsteigen. Diese aufsteigenden Ströme, welche auch hier zur Bildung der centralen Verdauungshöhle und ihrer Sei- tenkanäle beitragen, versiechen allmählig, indem sich die Knospen ablösen und als freie Quallen davonschwimmen. Im Augenblicke ihrer Befreiung haben diese Quallen die Breite eines viertel Zolles; sie wachsen bis zu einem Durchmesser von mehr als einem halben Fuße und sind in der Nord- und Ostsee eine der häufigsten Arten, die in Schwärmen von Millionen zu gewissen Zeiten erscheinen. Es ist die sogenannte Ohrenqualle ( Aurelia aurita ) . Nach früheren Be- obachtungen glaubte man, die schüsselförmigen Individuen, welche auf dem Polypen aufsitzen, seien das Resultat einer Quertheilung des Polypenkörpers, dessen Tentakelkrone darübersitze. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß dies ein Irrthum sei, und daß der Fühlerkranz die in seiner Mitte entstandenen vielfachen Knospen trägt. Wir kennen durch die genauesten Beobachtungen den ganzen Kreis der Entwickelung, welche die Ohrenqualle durchläuft. Die Fig. 110. 111. 112. 113. 114. Eier der Ohrenqualle. Fig. 110 das reife Ei; Fig. 111 dasselbe in der Dottertheilung; Fig. 112 nach der Dotter- Theilung; Fig. 113 erste Bildung des Embryo; Fig. 114 der frei bewegte Embryo. a Saugnapf am hinteren Ende zum Anheften. Quallen sind getrennten Ge- schlechtes, ihre Eier entwickeln sich in besonderen Bruttaschen. Nachdem sie den Furchungs- prozeß durchlaufen haben, bil- den sie sich zu einem ovalen infusorienartigen Wesen um, das an dem vordern dickern Ende eine seichte Grube besitzt und einen Ueberzug von Flim- merhaaren hat. In diesem Zustande verlassen die Jungen die Bruttaschen und schwimmen frei in dem Wasser umher, setzen sich aber nach einiger Zeit mit der bemerkten Grube fest und gehen nun weitere Veränderungen ein. Sie werden cylindrisch, das freie Ende Fig 115. 116. 117. 118. Junge der Ohrenqualle. Fig. 115. Der Embryo bekommt einen Mund; er schwimmt in dieser Gestalt frei umher; Fig. 116. Die Arme sprossen hervor; Fig. 117. Die Arme bilden sich aus, der Embryo sitzt fest; Fig. 118. Vollständige Polypenform. a der Saugnapf, b der Mund, c die Arme. wulstet sich auf und läßt bald in der Mitte die runde Mund- öffnung erken- nen. Später zeigen sich um diese Mund- öffnung zwei, dann vier, dann acht kurze Fort- sätze, so daß das Thier etwa die Gestalt einer Kurbel hat, die mit ihrem freien gezahnten Ende ein Kammrad bewegt. Die Fortsätze wachsen allmählig zu langen Armen aus und nun ist das Thier ein vollkommener Armpolyp von großer Gefräßigkeit, der mit seinem stumpfen Ende festsitzt und sein Leben eine Zeitlang in diesem Zustande fortsetzt, um später durch Knospung wieder Ohrenquallen zu erzeugen. Es zeigt uns also diese merkwürdige Klasse der Quallenpolypen eine dopelte geschlechtliche Zeugung , indem einerseits festsitzende Knospen entstehen, welche als Geschlechtsindividuen auftreten und nur Eier oder Samen erzeugen, deren Ernährung aber durch die Circula- tion der allgemeinen Flüssigkeit bedingt wird, welche von den geschlechts- losen Individuen des Polypenstockes ausgeht, — und anderen Theils durch Bildung freier Knospen, die sich nach ihrer Loslösung selbstständig ernähren und zu verhältnißmäßig bedeutender Größe anwachsen. Diese Knospen sind die Schirmquallen, deren Struktur weit vollkommener ist, als diejenige der Polypen. Die Schirmquallen oder Medusen sind stets nackte gallertartige Fig. 119. Rhizostoma . Thiere von mehr oder minder scheiben- förmigem, zuweilen glockenförmigem Körper, dessen freier, meist mit Fäden besetzter Rand durch wechselnde klap- pende Zusammenziehungen und Aus- dehnungen als Schwimmorgan dient. An der untern Fläche dieses meist glasartig durchsichtigen Körpers be- findet sich der Mund oder die seine Stelle vertretenden Saugorgane, oft von stielartigen Verlängerungen umgeben, so daß der ganze Körper einigermaßen einem Hutpilze ähnlich sieht. Alle Quallen sind nackt und ihr aus einer oft knorpelharten Zel- lensubstanz zusammengesetzter Körper von einer zarten Oberhaut be- deckt, in welcher sich meist ähnliche Nesselorgane finden, wie wir sie schon bei den Polypen kennen lernten. Die Gäste der Seebäder ken- nen diese nesselnde Eigenschaft oft aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Der scheibenförmige Körper selbst zeigt stets in der Anordnung aller seiner Organe einen streng regelmäßigen strahligen Typus, so daß man jede Qualle in je vier oder sechs vollkommen gleiche Segmente zerspalten kann. Nach diesen Zahlen geordnet zeigen sich denn auch bei den meisten dieser Thiere an dem Rande angebrachte, oft außer- ordentlich lange contractile Fäden, welche offenbar als Fühlfäden be- nutzt werden. Als Nervensystem und Sinnesorgane hat man eigenthüm- Fig. 120. Pelagia noctiluca von unten gesehen. a. Die vier Arme, zwischen welchen sich der Mund befindet. b. Die Glocke. c. Der Rand derselben. d. Die Randkörper. e. Die Fangfäden. g. Die Höhlen neben dem Magen, in welchen die Geschlechtskrausen sitzen. liche Körper gedeutet, welche an dem Rande der Scheibe meistens in Sechs- oder Achtzahl eingebettet liegen. Es bestehen diese Randkörper aus einem kapselartigen Bläschen, in welchem ein runder oder eckiger krystallinischer Kern enthalten ist. Bei einigen Gattungen sind diese Bläs- chen von einem lebhaft gefärbten Pig- mente umgeben, was sie für Augen an- sprechen ließ, während ihre Zusammen- setzung aus einem krystallinischen Kerne, der in einem Bläschen eingeschlossen liegt, eher darin die erste Bildung von Hör- organen erkennen lassen dürfte. Die Verdauungsorgane sind in eigenthümlicher Weise gestaltet. Meist ist ein einfacher Mund vorhanden, der zuweilen nur von einem Randsaume umgeben, in den gewöhnlichen Fällen aber von Fangarmen der verschiedensten Gestalt umstellt ist. Oft besitzen diese Fangarme Randsäume, die wie eine Krause gefaltet sind. Bei vielen Fig. 121. Geryonia a. Die Glocke. b. Die 6 Fühlfäden, an und zwischen welchen die Randkörper sitzen. c Der Stiel. d. Die End- lappen desselben, von welchen die 6 Kanäle in den Magen e. aufsteigen. f. Der Scheiben- rand. Gattungen indessen findet sich keine einzelne Mundöffnung, sondern feine Saugmündungen, die entweder auf einem einfachen Mittelstiele oder auf vielfachen Fühlern, die oft noch ver- ästelt sind, sich nach außen öffnen. Die fei- nen Röhren, welche von diesen Saugmün- dungen aufsteigen, führen ebenso wie der ein- fache Mund in eine größere oder kleinere Magenhöhle, welche meist eine gewisse Anzahl von strahlig gestellten Nebensäcken besitzt. Aus diesen Nebensäcken entspringen Gefäße in be- stimmter Zahl, welche strahlig nach dem Rande zulaufen und dort entweder in ein Randgefäß oder in ein äußerst zierliches Maschennetz von feineren Gefäßen übergehen. Der ganze Kör- per wird auf diese Art von der Ernährungs- flüssigkeit durchzogen und nicht selten sieht man sogar noch unverdaute Reste kleiner Thierchen in diesen Kanälen. Die Geschlechtsorgane zeigen sich in der Form bandförmiger Drüsen, welche bald als Streifen an dem untern Rande der Scheibe oft in bedeutend großer Zahl, bald in eigenen nach außen geöffneten Höhlen zur Seite der Magenhöhle in Form gekrauster Franzen ange- bracht sind und einzelne Säckchen enthalten, in welchen bei dem einen Geschlechte die Samenthierchen, bei dem andern die Eier sich ent- wickeln. Bevor der Zusammenhang der einzelnen Formen der Schirmquallen mit den sie erzeugenden Polypen hergestellt ist, kann unmöglich eine auf richtige Grundsätze gegründete Classification derselben hergestellt werden. Man kann nur die mannigfaltigen Formen derselben, die in allen Meeren und zwar meist gesellig in Schwärmen angetroffen wer- den, nach der Normalzahl ihrer Organe und der Anordnung derselben in einzelne Familien zerlegen. Die Familie der Pilzquallen ( Medusida ) hat einen fast kugligen schirmförmigen Hut und einen vierseitigen mittleren Mund, der von vier Fangarmen umstellt ist. Alle Organe sind nach der Vierzahl Fig. 122. Pelagia . geordnet; die Randkörper, deren Zahl wenigstens acht beträgt, hoch- roth gefärbt und bei ganz jungen Individuen an dem Rande so be- deutend ausgekerbt, daß die Rand- körper auf zapfenartigen Verlänge- rungen zu liegen scheinen. Die Bän- der der Geschlechtstheile haben meist eine hochgelbe, rothe oder braune Farbe, die durch den glashellen, ziemlich weichen Körper durchschim- mert. Zu dieser Familie gehört die erwähnte Ohrenqualle ( Aurelia ) die Seeleuchte ( Pelagia ) und meh- rere andere weit verbreitete Gattungen. Medusa; Cyanea; Ephyra; Chrysaora . Ihnen nah verwandt ist die Familie der Seequallen ( Oceanida ), Fig. 123—125. Syncoryne . deren Organe eben- falls nach der Vier- zahl geordnet sind. Der Schirm dieser Quallen ist mehr glocken- oder hutför- mig, der Mund ein- fach und an der Spitze eines längeren Rüs- sels angebracht. Die Geschlechtsorgane lie- gen frei auf der un- tern Seite der Scheibe, während sie bei der vorigen Familie im Grunde von Höhlungen versteckt sind, die sich an der Basis der Fangarme be- finden. Die an der Scheibe angebrachten Randfäden erscheinen bei manchen Gattungen verästelt, bei andern einfach. Die Randkörper sind ungefärbt, die Magenhöhle klein und die von ihr ausgehenden Gefäße nur wenig verästelt. Zu dieser Familie gehören fast alle die- jenigen Quallen, welche man bis jetzt als direkte Abkömmlinge der Röhren- polypen ( Tubularida ) beobachtet und unter dem Namen Cladonema, Sthenyo, Callichora etc. bezeichnet hat. Oceania; Thaumantias; Cytacis; Callirhoe . Die Familie der Scheibenquallen ( Aequorida ) hat eine meistens sehr flache linsenförmige Scheibe mit farblosen Randkörpern und ge- wöhnlich kurzen Randfäden, auf deren unterer Seite die Geschlechts- organe in zahlreichen, bandartigen Streifen angebracht sind. Es scheint bei ihnen die Sechszahl vorzuherrschen; der Mund ist ungemein groß und von keinen Fangarmen umgeben; die von dem Magen ausgehenden Gefäße äu- ßerst zahlreich, aber wenig verästelt. Aequorea; Cunina; Eurybia; Aegina . Die Haarquallen ( Berenicida ) haben eine flache Glocke mit un- zähligen, äußerst feinen Randfäden, durch welche sehr dünne Kanäle nach oben aufzusteigen scheinen. In der Scheibe hat man nur ein Gefäßnetz entdeckt, welches ein verästeltes Kreuz bildet, so daß also die Organe nach der Vierzahl geordnet erscheinen. Wahrscheinlich wird die Nah- rung durch die Randfäden aufgesaugt, wenigstens hat man noch keine Verdauungsorgane, aber auch eben so wenig die Geschlechtsorgane ent- deckt. Berenice; Eudora . Um so bekannter ist die Familie der Wurzelquallen ( Rhizosto- mida ). Unter einem glockenförmigen Hute stehen nach der Vierzahl Fig. 126. Rhizostoma . geordnete Fangarme, die zuweilen baum- artig verästelt sind und an deren Spitzen sich Saugmündungen zeigen, die in einen geräumigen Magen führen. Ein Mund existirt nicht; die aus dem Magen aus- gehenden Gefäße bilden am Rande der Glocke ein zierliches Maschennetz. Die Randkörper sind lebhaft roth gefärbt, die Geschlechtstheile in Höhlen am Grunde der Fangarme verborgen. Einzelne Gat- tungen dieser Familie erreichen einen Durch- messer von mehreren Fußen. Rhizostoma; Cephea; Cassiopea . Die Rüsselquallen ( Geryonida ) haben ebenfalls keinen Mund, sondern unter der glockenförmigen Scheibe einen sehr bewegli- Fig 127. Geryonia . chen massiven Stiel, an welchem sechs glatte Kanäle nach oben steigen, um sich in einen sechsseitigen kleinen Magen zu öffnen. Die Randkörper sind ebenfalls nach der Sechszahl vertheilt und ungefärbt. Die Spitze des Rüssels, an welcher sich die sechs Saugöffnungen befinden, erscheint gefältelt oder zuweilen auch mit Fäden besetzt. Gery- onia; Favonia; Saphenia; Lymnorea . Da fast die ganze Klasse der Quallen- polypen aus weichen, gallertartigen Thieren besteht, so kann von einer Aufbewahrung in den Schichten der Erde keine Rede sein, obgleich unbestimmte Abdrücke in den Schiefern von Solenhofen allerdings darauf hindeuten, daß die älteren Meere ebenfalls von Quallen bewohnt waren. Auch die Bäumchen, welche die Glocken- polypen bilden, sind zu weich, um sich erhalten zu finden. In der jetzigen Schöpfung sind beide Formen der Klasse in allen Meeren verbreitet; die Quallen namentlich meist in ungemein zahlreichen Schwärmen, die in bestimmter Richtung schwimmen und von Rippenquallen und schwimmenden Schnecken verfolgt werden, welche ihre hauptsächliche Nahrung an ihnen finden. Annäherung der beiden Geschlechter oder sonstige besondere Lebenserscheinungen hat man bei den Quallen noch nicht beobachtet. Die meisten leuchten des Nachts mit zitterndem, gelbem Lichte, das besonders bei Bewegungen stär- ker wird. Klasse der Röhrenquallen. ( Siphonophora .) Ein sonderbares Gemisch sonderbarer Thiere, deren Zusammen- stellung als Klasse oder Ordnung nur ein Resultat unserer großen Un- kenntniß ihrer Organisation ist. In der That wissen wir von den meisten dieser seltsamen Thiere noch nicht einmal, ob wir sie als einfache Thiere mit vielen Saugmündungen oder als schwimmende Polypenstöcke betrachten sol- len, wo an einem gemeinschaftlichen Stamme, der zum Schwimmen einge- richtet ist, eine bedeutende Anzahl einfacher Polypen sitzen. Die Ana- tomie dieser Thiere ist nur sehr wenig gekannt, ihre Fortpflanzung vollkommen dunkel, so daß man stets nur mit Unsicherheit die einzel- nen Thiere zusammenstellen kann, welche zu dieser Klasse gehören sollen. Wir müssen, da die Struktur dieser Thiere so außerordentlich verschie- den ist, auf die einzelnen Familien sogleich eingehen, indem wir nur bemerken, daß man weder Nervensystem, noch Sinnesorgane, noch Athemorgane erkannt hat, und daß auch die Anatomie der Geschlechts- theile noch fast unbekannt erscheint. Die Familie der Seeblasen ( Physalida ) besteht aus großen blasen- förmigen Körpern von gelatinöser Beschaffenheit, aus deren unterem Raum Fig. 128. Physalia . a. Der blasenförmige Körper. b. Fühlfäden. c. Saugmündun- gen. d. Fangfäden. eine Menge von wurmförmigen Saugmün- dungen, Fühlern und ungemein verlänger- baren Fangfäden hervorhängen. Der blasenförmige Körper besteht eigentlich aus zwei in einander geschachtelten Blasen, von welchen die innere vollkommen geschlossen und mit Luft gefüllt ist, während die äußere einen obern Kamm hat, welchen das Thier beim Schwimmen wie ein Segel benutzt. Diese äußere Knor- pelblase dient außerdem als Decke für die Fangfäden und die Saugmündungen, welche sich darin zurückziehen können. Träubchen rother Körper am Grunde der Saugröhren wurden als Eiertrauben an- gesehen. Die wunderschön blau und roth gefärbten Thiere schwimmen in Haufen auf der Oberfläche der süd- lichen Oceane und bringen bei der Berührung eine so bedeutende Nesselsucht hervor, daß sie von älteren Beobachtern für giftig erklärt wurden. Physalia; Discobale . Die Familie der Knorpelquallen ( Velellida ) besitzt statt einer Knor- pelblase eine zellige Scheibe Fig. 129. Velella . a. Die mittlere Saugöffnung. b. Saug- fäden. c. Körper. d. Knorpelscheibe. e. Fühl- fäden. aus Knorpelsubstanz, die so- gar manchmal Kalkablagerun- gen enthält, und auf deren unterer Fläche sich die Kör- perorgane befinden. Die Zellen der Scheibe sind mit Luft ge- füllt und dienen so, dem Kör- per eine bedeutende specifische Leichtigkeit zu geben. Auf der Unterfläche der Scheibe sieht man in der Mitte eine größere Oeffnung, von einem wurmartigen Fortsatze getragen, welche die Einen für den Mund, die Andern für die Oeffnung eines Wassergefäßsystems erklären. Im Umkreise dieser größern Saugmündung stehen vielfache kleinere Saugmündungen von ebenfalls wurmförmiger Gestalt, welche von den Einen für Füh- ler und Oeffnungen von Wasserröhren, von den Andern für eben so viele saugende Mundöffnungen gehalten werden. Am Grunde dieser Sauger sieht man kleine Träubchen, welche für die Geschlechtsorgane gehalten werden. Die Thiere dieser Familie, welche meist eine wun- derschöne blaue Farbe haben, erscheinen zu gewissen Zeiten in zahl- losen Schwärmen an den Küsten des Mittelmeeres und der tropischen Oceane. Die eine Gattung Velella , welche im Mittelmeere vorkommt, hat auf der Knorpelscheibe einen schiefen aufrechtstehenden Kamm, die andere, in den südlichen Meeren häufigere Porpita , eine einfach runde strahlig zellige Scheibe. Die Familie der Doppelquallen ( Diphyida ) besteht aus mehr Fig. 130 Fig. 131. Diphyes Brajae . Fig. 130. Natürliche Größe des ganzen Thie- res. Fig. 131. Ein Einzelthier stark vergrößert. a. Der gemeinsame Stiel, an dem bei dem abgebildeten Exem- plare, das zwei Fuß lang war, 38 Einzelthiere hingen, von welchen nur vier abgebildet sind. b. Knorpelhelm des Einzelthieres. c. Schwimmblase. d. Saugmund. e. Zusammengezogene Fangfäden. f. Oelbläschen. g. Schwimmblasenöffnung des Einzelthieres. h. Oberes Ende des Stiels mit unentwickelten Knospen neuer Ein- zelthiere. i. Oelbläschen k. Oeffnungen der beiden ge- meinsamen Schwimmblasen. oder minder zusammen- gesetzten Wesen, deren Struktur weit compli- cirter ist, als bei den vorhergehenden Thieren. Man findet in dem Meere sehr häufig ein- zelne Körper von glas- artiger Helle umher- schwimmen, welche deut- lich aus zwei Stücken bestehen, einem Deckstücke und einer klappenden Schwimmhöhle, welche meist die Form einer hohlen Glocke hat und mit einer rundlichen Oeffnung versehen ist, die lebhaft auf und zu- klappt. Das aus der Schwimmglocke ausströ- mende Wasser treibt durch seinen Rückstoß das Thier vorwärts, dessen Hauptorgane un- ter dem Deckstücke an- gebracht sind. Dort befindet sich nämlich ein wurmartiger Saug- körper, der in der Ausdehnung einen Mund von strahlig eckiger Form zeigt, und an dessen Grunde ungemein lange Fang- und Nessel- fäden verborgen sind. Dem Ansatzpunkte dieser Saugmündung gegen- über sieht man im Deckstücke eine zellige Höhle, welche für das Ge- schlechtsorgan gehalten wird. Es ist noch die Frage, ob die beschriebenen Thiere, welche haupt- sächlich die Gattung Diphyes bilden, nicht abgelös’te Stücke zusammen- gesetzter Thiere sind; denn man findet Wesen, wo eine Menge solcher Thiere, bis zu vierzig und mehr, jedes aus einem helmartigen Deck- stücke, einer Schwimmglocke und einem Saugkörper mit Fangfäden be- stehend, an einem gemeinschaftlichen Stiele befestigt sind, an dessen obern Ende zwei große Schwimmblasen und zwei Knorpelstücke sich finden, die jedes ein Oelbläschen zu enthalten scheinen. Zwischen die- sen Endknorpelblasen scheinen die Thiere hervorzusprossen, denn die größten befinden sich am hintern Ende, die kleinsten in der Nähe der beiden großen Schwimmblasen. Jedes einzelne Thier bewegt sich selbst- ständig für sich, aber der äußerst contractile Stiel hat ebenfalls seine eigenthümliche Beweglichkeit und das Ganze wird von den beiden großen Schwimmblasen mit Leichtigkeit im Wasser nach allen Richtun- gen hin und her gezogen. Der die Theile vereinigende contractile Stiel ist hohl und in seiner Röhre circulirt die von den einzelnen Thie- ren herkommende Ernährungsflüssigkeit. Bei andern Gattungen, wie z. B. Stephanomia , wird die Vereini- gung der einzelnen Thiere noch größer. Die einzelnen Schwimmglocken stehen isolirt, bald in Reihen, bald mehr unregelmäßig am vordern Ende des Stieles, der eine Luftblase enthält. An dem Stiele selbst sitzen unzählige wurmartige Saugmündungen, jede von einem Paket Nessel und Fangfäden umgeben, deren Verdauungshöhlen alle in den Kanal des gemeinsamen Stieles einmünden. Bei der leisesten Berüh- rung schnellt der Stiel zusammen und alles birgt sich zwischen den Schwimmglocken, die mit größter Schnelligkeit davon eilen. Kein merk- würdigerer Anblick als ein solches Wesen, das mit allen ausgebreiteten Organen wie ein durchsichtlicher, röthlicher, spannenlanger Federbusch im Meere schwimmt und aufgefangen, zusammengezogen im Glase ein unscheinbares Gallertklümpchen bildet, das der Laie verdrießlich über den mißglückten Fang wegschüttet. Ist es ein einfaches Thier mit Schwimm- glocken und Saugröhren oder ein zum Schwimmen eingerichteter Po- lypenstock, mit verschiedenartigen Individuen, schwimmenden und fres- senden? Spätere Untersuchungen werden die Antwort auf diese Frage bringen. Physophora; Diphyes; Ersaea; Rhizophysa; Agalma; Hippopodius . Klasse der Stachelhäuter. ( Echinodermata .) Die letzte am höchsten organisirte Klasse der Strahlthiere, bei welchen der strahlige Typus sogar allmählig einer symmetrischen An- ordnung sich annähert. Sie unterscheiden sich von den Klassen, welche wir bisher betrachteten, wesentlich durch die Existenz einer mehr oder minder lederartigen, undurchsichtigen Körperbedeckung, in welcher stets Kalk in verschiedenen Formen abgelagert ist und bald nur eine unter dem Messer knirschende Haut mit eingesprengten Concretionen bildet, bald ein förmliches Skelett zusammensetzt, das die innern Organe von allen Seiten einschließt, und aus Ringen oder Täfelchen aufgebaut ist. Bei den meisten Stachelhäutern zeigt sich auf den ersten Blick die strah- lige Anordnung der Organe die oft so ausgesprochen ist, daß der Körper selbst eine Sternform annimmt. Wie bei den Quallen und Polypen die Vier- und Sechszahl, so herrscht bei den Stachelhäutern fast allgemein die Fünfzahl vor und man kann in den meisten Fällen bei dieser Anordnung einen unsymmetrischen Mittelstrahl und auf jeder Seite zwei symmetrische Strahlen unterscheiden, wo sich denn meistens der Mittelstrahl durch besondere Entwicklung einzelner Theile kenntlich macht. Die Körperform ist sehr mannichfaltig und geht von der Kugel- gestalt bis zu der einer platten Scheibe oder eines Sternes, oder bis zur Walzenform in allen nur erdenkbaren Zwischengestalten vor. Bei den angehefteten Gattungen wird die Körperform becherartig und dann befinden sich Mund und After auf der oberen vom Stiele abgekehrten Körperfläche. Bei den Kugel- und Scheibenformen wird der Mund stets auf der unteren, der Bauchfläche, angetroffen, während bei der Walzengestalt die Stellung des Mundes an dem einen Ende das Vorn und Hinten deutlich bezeichnet. Die Bewegung ist nicht so mannichfaltig, als in anderen Klassen. Kein erwachsener Stachelhäuter kann förmlich schwimmen, obgleich alle nur in dem Meere leben. Sie kriechen vielmehr meistens mit eigenthümlichen Saugfüßen, die man Ambulacien nennt, auf dem Boden des Wassers umher. Nur einigen wenigen gehen diese Saugfüße ab und sie behelfen sich dafür durch windende Bewegungen ihres wurmförmigen Körpers oder durch Um- klammerung mittelst beweglicher Strahlen und Ranken. Eine ganze Familie der Stachelhäuter bleibt zeitlebens durch einen mehr oder min- der langen Stiel an den Boden geheftet und bietet durch ihren glocken- förmigen Körper, sowie die oft gefiederten Arme, welche den Mund umstehen, eine große Aehnlichkeit in ihrer äußeren Gestalt mit den Polypen dar. Uebrigens gibt es in der ganzen Klasse der Echinoder- men keine socialen Thierformen; alle leben isolirt als Individuen und pflanzen sich nur durch geschlechtliche Zeugung fort. Die Haut der Echinodermen besteht aus einem dichten Faser- gewebe, welches meist eine lederartige Festigkeit hat. Die Kalkablage- rungen, welche darin vorkommen und die manchmal bis auf kleine Ueberreste die Lederhaut gänzlich verdrängen, sind in einfachster Form bei den sogenannten Seewalzen ( Holothuria ) vorhanden. Hier bil- Fig. 132 Holothuria . den sie meist unregel- mäßige, netzartige Körper, die indeß bei einer anderen Fami- lie einen förmlichen Angelhaken oder An- ker tragen, welcher aus der Haut her- vorsteht und dem Thiere beim Angreifen eine gewisse Rauhigkeit gibt. Es scheinen diese Angelhaken, welche nach Willkühr bewegt werden können, von Wichtig- Fig. 133. Synapta Duvernoy . Man sieht den ästigen Fühlerkranz, der den Mund umgiebt, von welchem aus sich der Darm durch den glashellen, hie und da zu- sammengezogenen Leib bis zum After hinzieht. Die kleine Figur nebenbei stellt einen Anker- haken mit seiner in der Haut sitzenden Platte stark vergrößert vor. keit für das Kriechen des Thieres im Sande zu sein. Sie finden sich übrigens nur bei den Gattungen wurmförmiger Stachelhäuter, welchen andere Bewe- gungsorgane und zwar namentlich die Saugfüße abgehen. Bei der Familie der Seesterne rücken die unregelmäßigen netzartigen Kalkkörperchen in der Haut so nahe zusammen, daß schon ein förm- liches, freilich nur aus einzelnen Stücken zusammengesetztes, nach allen Richtungen hin bewegliches Skelett entsteht, das in gewisser Beziehung einem Kettenpanzer nicht unähnlich sieht. Von den äußeren Panzerringen, welche den Körper und besonders die Strahlen desselben zu- sammensetzen, gehen nach innen hin Querbalken, die gelenkartig mit ein- Fig. 134. Asterias. ander verbunden sind und in der Mitte un- ter einem Winkel zu- sammenstoßen, so daß an der Bauchfläche der Arme eine tiefe Rinne, die sogenannte Bauchrinne, gebildet wird. Zwischen die- sen Stücken befinden sich einzelne Oeffnun- gen, durch welche die zum Kriechen dienen- den und in der Bauch- rinne gelegenen Saug- füße nach außen her- vortreten können. Man kann sich auf diese Weise das Skelett der Seesterne als aus ein- zelnen geschlossenen Panzerringen bestehend vorstellen, welche Ringe nicht vollkommen rund, sondern auf der Bauchfläche nach innen ein- gedrückt sind. Außer diesen Ringen sind in der Haut der See- und Schlangensterne eine Menge von Stacheln eingepflanzt, deren Basis in die Lederhaut eingesenkt und beweglich ist, so daß diese Kalkstacheln zugleich als Stützen und zur Wehre benutzt werden können. Bei den Schlangensternen nehmen die Panzerringe an den Armen die Gestalt von Tafeln an und lassen so die Lederhaut bis auf die Fugen der Tafeln verschwinden. Noch weiter geht diese Täfelung bei den Fig. 135. Echinus. Seeigeln ; hier ist der ganze Körper von einer Schale umhüllt, welche aus einzelnen meist fünf- oder sechseckigen Täfel- chen zusammengesetzt ist und nur eine Oeffnung für den Mund und eine für den After übrig läßt. Es sind diese Täfelchen aus Kalknetzen gebildet, welche noch mittelst orga- nischer Fasermasse durch- webt sind. In der Nähe des Mundes und des Afters stehen diese Täfelchen oft nur in mittelbarem beweglichem Zusammenhange, indem sie in die lederartige Haut gleichsam eingelegt sind. Bei den versteinerten Seeigeln fallen deßhalb diese beweglichen Tafeln leicht heraus, wäh- rend die übrigen Tafeln des Körpers fest mit einander verbunden, eine einzige Schale bilden. Auf besonderen Höckern dieser Schale sind meistens mehr oder minder große bewegliche Stacheln eingepflanzt, welche ebenfalls aus Kalkmasse und zwar aus einem einzigen Stücke bestehen und hauptsächlich zum Stützen des Körpers bei der Bewe- gung dienen. Außer den Stacheln findet man noch eigenthümliche Greif- Fig. 136. Pedicellarien. a Der Stiel, b die Zange. organe, Pedicellarien genannt, die aus einem langen Kalkstiele und einer drei- oder vierklap- pigen Zange bestehen, welche beständig geöffnet und wieder geschlossen wird. Diese Pedicellarien, die man früher für Schmarotzer hielt, stehen auf besonderen kleinen Höckerchen, besonders häufig in der Nähe des Mundes bei Seeigeln und Seesternen und scheinen zum Ergreifen von Nahrungsstoffen bestimmt. Sie erscheinen schon früh bei den Embryonen und zeichnen sich dann durch ihre plumpe Gestalt aus. Später wird der Stiel länger und nun schwanken diese Zan- gen auf dem Stiele beständig hin und her, wäh- rend ihre oberen Backen auf und zuklappen. Selbst nach dem Tode des Thieres dauern diese Bewegungen der Pedicellarien noch eine ge- raume Zeit fort. In gleicher Weise wie das Skelett der Seeigel, ist auch dasje- nige der Seelilien ( Crinoidea ) zusammengesetzt, welche besonders in den älteren Schichten der Erde häufig vorkommen. Der Stiel dieser Thiere, womit sie unbeweglich festsitzen, wird aus scheibenförmigen Stücken aufgebaut, die wie Münzen aufeinander liegen, währnd der becher- förmige Körper aus einzelnen Tafeln gebildet ist. Die obere Fläche die- ses Körpers ist mit weicher lederartiger Haut überzogen, während die Arme mit ihren Nebenarmen und Zweigen, die an dem Rande des Bechers stehen, wieder in ähnlicher Weise wie die Säule des Stieles aus einzelnen Tafelstücken aufgebaut sind. Bei der Betrachtung der Gattungen, Familien und Ordnungen werden wir auf diese Verhält- nisse näher eingehen müssen. Die Bewegungsorgane der Stachelhäuter sind ziemlich über- einstimmend bei allen gebildet. Bei den wurmförmigen sind deutliche Vogt. Zoologische Briefe. I. 10 Muskelmassen entwickelt, welche äußerst energische Zusammenziehungen des Körpers bewirken können. Bei den übrigen sieht man diese Mus- keln nur an den speciellen Bewegungsorganen entwickelt und hier auch oft in ausgezeichneter Weise. Die Saugfüßchen ( Ambulacra ), Fig 137. Ambulacra. a Der Stiel, b die Saugscheibe. welche mit Ausnahme einer einzigen Familie allen Stachelhäutern zukommen, sind die we- sentlichsten Bewegungs- und Haftorgane der- selben. Es sind hohle, wurmförmige Organe, welche durch Oeffnungen des Skelettes oder der Haut hervorgestreckt werden können und eine außerordentliche Ausdehnbarkeit besitzen. Bei einigen Familien sind die Saugfüßchen nur sehr klein und kurz, pfriemenförmig, ohne end- ständigen Saugnapf, zuweilen selbst verästelt und scheinen hauptsächlich nur als Tastorgane benutzt werden zu können. Sie stehen dann auch nur auf der Bauchseite des Körpers und können nicht durch eigene Oeffnungen in das Innere zurückgezogen werden. Bei den Seesternen, den Seeigeln und den eigentlichen Meer- walzen dagegen bilden diese Saugfüßchen lange derbhäutige Cylinder, die an ihrer Spitze mit einem förmlichen Saugnapfe versehen sind, welcher noch obenein durch einen porösen Kalkring in seiner Form gestützt wird. Diese Saugfüße treten durch eigene Löchlein hervor, welche entweder in der Haut oder in den Täfelchen und zwischen den Ringen der Schale angebracht sind und werden von den Thieren als Tast- und Bewegungsorgane benutzt. Sie sind in ungemein großer Anzahl vor- handen und es gewährt ein eigenthümliches Schauspiel, bei einem le- benden Seeigel die Bewegung dieser Füßchen zu sehen. Nach allen Seiten tasten sie herum, indem sie sich so sehr verlängern, daß sie nur wie ein dünnes Haar erscheinen. Eine Saugscheibe nach der anderen setzt sich an, saugt sich fest und indem nun eine Menge dieser Füßchen sich verkürzen, ziehen sie den Körper wie an eben so vielen Zugseilen weiter. Seeigel und Seesterne klettern auf diese Weise mit größter Leichtigkeit an den glattesten Glaswänden umher und heften sich so fest, daß man eher die Saugfüßchen zerreißt als sie durch Gewalt ablös’t. Fast bei allen Stachelhäutern hat man geglaubt, ein Nerven- system nachweisen zu können. Dasselbe soll aus einem sehr feinen Nervenringe bestehen, welcher den Schlund umgibt und meistens ein Fünfeck darstellt, aus dessen Winkeln Aeste in die Körperstrahlen aus- laufen. Die Nervenäste gehen hauptsächlich den Reihen der Saugfüß- chen entlang und geben, wie es scheint, Aeste an dieselben ab. Beson- dere Knoten hat man bis jetzt an diesem Nervensysteme nirgends wahr- nehmen können, selbst da nicht, wo Nerven davon abgehen sollen. Dies läßt die ganze Natur dieses sogenannten Nervensystemes sehr problematisch erscheinen und in der That behaupten auch neuere, aus- gezeichnete Beobachter, daß sie darin nur Sehnenfäden zwischen Mus- keln, sogenannte Muskelnäthe, aber kein Nervensystem erkennen könnten. Sinnesorgane sind äußerst zweifelhaft. Man findet zwar an den Spitzen der Arme der Seesterne, sowie oben auf dem Rücken der See- igel rothe Flecken, welche sogar bei den Seeigeln in feinen Löchlein besonderer Platten eingelagert sind und die man für Augen gehalten hat. Indessen suchte man vergebens in diesen Pigmentflecken, zu wel- chen man sogar bei den Seesternen die äußersten Spitzen der Haupt- nerven verfolgt haben will, nach einem lichtbrechenden Körper, so daß die Bedeutung dieser Organe zumal bei der Unsicherheit des Nerven- systems noch sehr zweifelhaft bleibt. Jedenfalls auch wenn es Augen sind, erscheinen dieselben nur äußerst unvollkommen und werden ersetzt durch den höchst feinen Tastsinn, welchem die Saugfüße oder bei den wurmförmigen Stachelhäutern die den Mund umgebenden Fühler als Organe dienen. Die Verdauungsorgane der Stachelhäuter bieten ziemlich mannichfaltige Gestalten dar. Fast bei allen befindet sich der Mund in der Axe des Körpers, bei den wurmförmigen am vorderen Ende, bei den übrigen in der Mitte oder vornen an der Bauchfläche als rundliche oder fünfeckige Oeffnung. Nur bei einigen Seeigeln erscheint der Mund aus dieser centralen Stellung gewichen und mehr nach vorn hingerückt; aber dann stets in solcher Weise, daß diese Abwei- chung in der Fortsetzung des unpaaren Strahles liegt und dadurch die Mittellinie angedeutet wird, welche den Körper in zwei Hälften trennt. Bei den wurmförmigen Stachelhäutern ist der Mund von einem Fühlerkranze umgeben, welcher meist verästelt erscheint und in die lederartige Hülle des Körpers zurückgezogen werden kann. Es sind diese Fühlerkränze im Gegensatze zu der Körperhaut äußerst weich und zart und ein ausgezeichnetes Tastorgan, wie man sich leicht bei Beobachtung lebender Thiere überzeugen kann. Bei den übrigen be- findet sich der Mund in der Mitte einer mehr oder minder bedeuten- den beweglichen Hautausbreitung, die meistens nur mit den schon er- wähnten Pedicellarien besetzt ist. Bei den Seesternen sind in dieser Haut vorspringende mit harten Kalkstücken besetzte Warzen angebracht, welche die Function von Zähnen ausüben. Ein sehr entwickelter 10* Fig. 138 Anatomie eines Seeigels. Die untere Fläche der Schale ist entfernt und der Mund auf die Seite ge- zogen. a Mund mit Zähnen und Zahngestell, b Schlund, c erste Windung des Darmes, d zweite Windung bis zum After, e Eierstöcke, f Wassersäckchen der Fühlergänge, g die Schale mit ihren Stacheln. Kauapparat zeigt sich bei zwei Unterfamilien der Seeigel, nämlich bei den eigentlichen Seeigeln und bei den Scheibenigeln. Bei letzteren besteht der Kauapparat aus dreieckigen Kalkstücken, von welchen je zwei zu einem V förmigen Stücke zusammenstoßen, dessen Spitze gegen den Mittelpunkt des Mundes gerichtet ist. An dieser vorderen Spitze sind harte Schmelzstücke eingesenkt, welche wirkliche schneidende Zähne dar- stellen. Im ruhenden Zustande stellen sich diese Zähne so zusammen, daß sie eine fünfeckige Rosette bilden, welche den Mund gänzlich schließt. Weit ausgebildeter ist der Kauapparat der eigentlichen Seeigel. Ein hohes Kalkgerüste, aus 15 Stücken zusammengesetzt, umgibt hier den Schlund, der von dem Munde grade nach oben in die Höhe steigt. Diese Kalkstücke sind untereinander beweglich und besitzen einen sehr ausgebildeten Muskelapparat, der ihre Bewegungen vermittelt. Als Hauptstücke erscheinen darin fünf dreiseitige schmale Pyramiden, welche gegen die Mitte zu eine Rinne tragen, in welcher ein langer Schmelz- zahn eingelassen ist. Es entsprechen diese Pyramiden den einfachen Pyramiden, welche bei den Scheibenigeln vorkommen. Die meiselartigen Schmelzzähne ragen in der Mundhöhle nach unten hervor und rücken im Maße ihrer Abnutzung von oben nach unten weiter. Bei den übrigen Stachelhäutern ist der Eingang des Mundes vollkommen un- bewaffnet. Der Darmkanal selbst, welcher von dem Munde ausgeht, ist je nach der Körpergestalt äußerst verschieden gebildet. Bei den See- lilien und Haarsternen windet sich der von dem centralen Munde aus- gehende Darm um eine schwammige, in der senkrechten Axe des Kör- pers gelegene Mittelspindel und öffnet sich dem unpaaren Strahle gegenüber auf derselben Seite wie der Mund, so daß demnach Mund und After sich auf einer Fläche befinden. Bei den eigentlichen See- sternen führt die Mundöffnung unmittelbar in einen weiten Magen- sack, der seitliche Ausbuchtungen und Blindsäcke besitzt. Bei den wah- ren Seesternen erstrecken sich diese Seitenäste, die oft noch auf beiden Seiten traubenförmige Anhänge haben, in die Strahlen des Sternes hinein. Bei den Schlangensternen bilden sie nur mehr oder minder verästelte seitliche Säcke, die in der Körperscheibe selbst liegen und nicht in die Strahlenarme eingehen. Den Schlangensternen sowohl, wie vielen Seesternen fehlt der After, so daß die unverdauten Nah- rungsmittel durch den Mund ausgeworfen werden müssen. Bei den meisten Seesternen ist aber der After vorhanden und dann stets auf der Rückenfläche dem Munde gegenüber angebracht. Bei den See- igeln findet sich ein langer gewundener Darmkanal, welcher von dem Munde ausgehend, in fast stets gleicher Weite sich durch den Körper windet und entweder auf der Spitze der Rückenfläche oder in der Mittellinie dem unpaaren mittlern Strahle gegenüber endet. Man findet bei den verschiedenen Seeigeln jede abweichende Stellung in dieser Richtung, so daß der After sich bald am Rande, bald seitlich auf der Oberfläche, bald auf der Unterfläche, aber stets dem mittleren Strahle gegenüber findet. Bei den wurmförmigen Stachelhäutern liegt der Mund an dem einen, der After an dem entgegengesetzten Ende; meist indeß ist der gleichweite Darm mehrfach in dem Körper und zwar in zwei S förmige Schlingen gebogen. Bei allen Stachelhäu- tern ist der Darm durch ein Gekröse, das gewöhnlich aus einzelnen brückenartigen Sehnenfäden besteht, an der Leibeswand angeheftet. Die mit Zähnen bewaffneten Stachelhäuter nähren sich meistens von Pflanzenstoffen, besonders von Tangblättern, während die zahnlosen vorzugsweise kleine Schalthiere verschlingen, für deren Panzer ihr Darmkanal eine vortreffliche Fundgrube abgibt. Man darf erwarten, daß bei so hoch organisirten Thieren wie die Stachelhäuter überhaupt sind, ein Blutgefäßsystem und Ath- mungsorgane nicht fehlen können. Fast bei allen findet sich ein herzartiges Centralorgan , welches bald, wie bei den Seewalzen, eine contractile Blase, bald einen länglichen Schlauch darstellt und stets in der Nähe des Mundes an dem Schlunde gelegen ist. Von diesem Herzen aus entspringen bei den strahligen Stachelhäutern mehr oder minder zahlreiche Gefäßringe, von welchen aus Gefäße gehen, die sich besonders an die Saugfüßchen und an die Kiemen verbreiten. Es haben diese Gefäße deutliche Wandungen, allein ihr Verlauf ist den- noch bei den einzelnen Gattungen nur sehr unvollständig gekannt, was Fig. 139. Anatomie der Röhrenh o lothurie ( Holothuria tubulosa ). Das Thier ist der Länge nach aufgeschnitten, die Haut ausgebreitet und der Darm seitlich herübergezogen, sonst aber die Eingeweide so ziemlich in ihrer natür- lichen Lage. a die sogenannte Poli’sche Blase, der beutelförmige Centralsack des Gefäßsystemes, das besonders die Darmgefäße und die zu den Tentakeln gehenden Gefäße abgibt; b der Schlundkopf; c die zu den Tentakeln ( k ) gehenden Gefäße; d Längsgefäße der Haut, welche besonders die Saugfüßchen versehen; e vorderer Theil des Darmes mit seinem Langsgefäße 1; f ein Seitengefäß zu dem Gefäßstamme der Darmlunge ( i ) gehend; g die große rückführende Darmvene, aus der Darm- lunge zurückkehrend; h die Netze, welche sie mit der Lungenarterie ( i ) bildet; k die eingezogenen Tentakeln; l Längsgefäß des Darmes; m Cloake mit ihren Mus- keln ( q ); nn die beiden Lungen, die obere die Hautlunge, die untere die Darm- lunge; o seitliche Muskelbänder; p Muskelnäthe der Quermuskeln der Haut; q Muskeln der Cloake; r Eierstock in den Schlund mündend. zum Theil in der Schwierigkeit der Beobachtung seinen Grund haben mag. Außer den Blutgefäßen existirt auch noch eine besondere Wasser-Circulation im Innern des Körpers. Die Leibeshöhle aller Stachelhäuter ist stets mit Seewasser erfüllt, das durch Wimperhaare, welche sämmtliche Eingeweide der Thiere überziehen, in beständiger Bewegung erhalten wird. Bei vielen Stachelhäutern hat man entweder Spalten oder einfache Löcher oder Röhr- chen gefunden, durch welche das Wasser in die Leibeshöhle eindringt, und so die Organe umspült. Außer diesen aber kommen noch im Körper Wasser-Systeme vor, welche aus geschlossenen Gefäßen bestehen, die besonders mit den Saugfüßchen in Verbindung stehen und in wel- chen das Wasser ebenfalls durch Wimpern bewegt wird. Diese Was- sergefäße entspringen meist von einem Gefäßringe um den Mund und senden Hauptstämme in die Strahlen, welche auf der Bauchseite ver- laufen. Mit jedem Füßchen und mit jedem Mundfühler steht ein be- sonderes Bläschen in Verbindung, welches durch ein Aestchen des Wassergefäßes gespeist wird. Auf diesen innern Bläschen der Saug- füßchen und der Mundfühler verbreiten sich zahlreiche Blutgefäße, so daß namentlich bei solchen Thieren, welche keine eigentliche Kiemen besitzen, diese Bläschen die Stelle der Athemorgane zu vertreten scheinen. Zugleich dienen diese Bläschen aber auch zur Entfaltung der Fühler selbst, indem bei der Zusammenziehung der Bläschen das Wasser von dem Bläschen aus in die Fühler hineingepreßt und die- ser vorgestreckt wird, während bei der Ausdehnung der Bläschen das Wasser aus den Fühlern zurückströmt. Abgesonderte Athemorgane kommen nur bei den eigentlichen Seewalzen und bei den Seeigeln vor. Bei den letztern finden sich auf der äußern Bauchfläche in dem Um- kreise des Mundes baumartig verzweigte hohle Läppchen, welche frei in das Wasser hineinragen und deren innere Höhle mit der Leibes- höhle in directer Verbindung steht, so daß das Gewebe dieser Kiemen innen und außen vom Wasser umspült ist. Bei den Seewalzen sind die Kiemen oder Lungen im Innern des Körpers angebracht und bestehen aus einem zweiästigen hohlen Baume, der in eine Erweiterung des Darmes, unmittelbar vor dem After, in eine Kloake mündet. Der eine Ast dieser baumartigen Kieme liegt an dem Darme, der andere, die Hautlunge, an der äußern Leibeswandung an. Die Aeste und Zweige dieser Kiemen, welche innen mit dem lebhaftesten Flimmerüberzuge versehen sind, be- finden sich in steter wurmförmiger Bewegung, die selbst tagelang nach der Zerstückelung des Thieres noch anhält. Das Wasser, welches die Kiemen anfüllt, wird durch den After eingesogen und wieder ausge- spritzt, oft mit solcher Gewalt, daß ein großer Theil der Eingeweide mit hervor gepreßt wird. Bei allen Stachelhäutern sind die Geschlechter getrennt. Es giebt männliche und weibliche Individuen, die indeß äußerlich keine kenntlichen Merkmale darbieten; auch in ihrer Struktur gleichen sich die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane durchaus und lassen sich nur in der Brunst durch ihren Inhalt unterscheiden. Sie bilden traubige oder lappige Schläuche, welche meistens durch eigne kurze Ausführungsgänge sich nach außen öffnen. Die Eier gehen nach ihrer Befruchtung einen vollkommenen Furchungsprozeß ein, in Folge dessen aus dem ganzen Dotter sich ein mit Wimperhaaren besetzter Embryo bildet, welcher die Eischale durchbricht und frei bewegt im Wasser umherschwimmt. Bis zu diesem Punkte ist sich die Entwicke- lung aller Stachelhäuter gleich; von hieran aber laufen die Embryo- nen so merkwürdige Veränderungen durch, die erst in der neuern Zeit aufgehellt wurden, daß wir dieselben bei den einzelnen Ordnungen und Familien näher betrachten müssen. Die Stachelhäuter leben in allen Meeren oft in großen Mengen zusammen, stets auf dem Boden und an den Küsten umherkriechend. Ihre Reste finden sich gleichfalls in allen Schichten der Erde und in merkwürdiger Aufeinanderfolge ihrer einzelnen Formen. Durch die äußerst mannigfaltigen Gestaltungen der einzelnen Theile ihres Kalk- skelettes, welche selbst bis zu den Arten herab in jedem Täfelchen cha- racteristisch sind, eignen sich die Stachelhäuter vorzugsweise zur genau- eren Bestimmung und zur Parallelisirung der einzelnen Schichten, so- wie zur Anschauung der Fortschritte, welche der Plan der Strahl- thiere im Laufe der Erdgeschichte macht. Die Eintheilung der Echinodermen ergibt sich leicht durch die äußere Form des Körpers, sowie durch die Bildung des Skelettes, das bald aus einzelnen Ringen, bald aus zusammengefügten Täfelchen besteht. Bei zwei Ordnungen der Stachelhäuter ist der Körper mehr oder minder platt, scheibenförmig und in einzelne Strahlen getheilt, bei einer dritten mehr kugelig, bei der vierten walzenförmig. In der Ordnung der Seelilien ( Crinoidea ) besteht das Kalkgerüste aus ein- zelnen Platten, welche mit einander zusammenstoßen, während bei den Seesternen ( Stellerida ) nur einzelne Panzerringe existiren. Bei der dritten Ordnung, den Seeigeln ( Echinida ) findet man wieder eine förm- liche Schale aus einzelnen Kalkplatten gebildet und bei der vierten, den Seewalzen, ( Holothurida )nur einzelne in der Haut zerstreute Kalk- ansammlungen. Die Ordnung der Seelilien ( Crinoidea ) ist fast ganz aus der heutigen Schöpfung verschwunden, während sie in den frühern einen ausgezeichneten Rang einnahm und in den ältesten Zeiten ganz allein die Klasse der Stachelhäuter überhaupt repräsentirte. Die mei- sten dieser Thiere saßen auf langen beweglichen Stielen fest und hatten in ihrer äußern Gestalt viel Aehnlichkeit mit Polypen, so daß sie in der That von älteren Forschern unter diese gestellt wurden. Der Fig. 140. Pentacrinus europaeus. Eine Gruppe von jungen Haarsternen, während sie noch gestielt sind ( Penta- crinus europaeus ) auf einer Seepflanze sitzend. Das Thierchen links hat seine Arme ausgebreitet und die obere Mundfläche dem Beschauer zugewendet; das mittlere ist ganz zusammengezogen; das auf der rechten Seite ausgebreitet, von der Seite gesehen. Um die Figuren nicht zu verwirren, hat man die Seitenstrahlen ( pinnulae ) der zehn Arme nur in der Figur links, nicht aber bei den beiden andern darge- stellt. a der Stiel; b der Körper aus Täfelchen gebildet; c die Arme; d der fünf- strahlige Mund; e der After, am Ursprung des unparen Doppelstrahles gelegen. Körper ist becherförmig, die untere dem Stiele zugewandte Fläche aus einzelnen Kalktafeln gebildet, welche in der Mitte eine Höhle für die Eingeweide lassen. Die obere Fläche des Bechers ist von einer leder- artigen Haut überwölbt, in welcher sich mitten der Mund und zur Seite der After befindet. An dem Rande des Körpers stehen Arme, welche von den Tafeln, die den Becher bilden, ausgehen, meist sehr beweglich sind, entfaltet und zusammengelegt werden können und zum Ergreifen der Beute dienen. Diese Arme sind aus vielen einzelnen Stücken zusammengesetzt, und tragen oft wieder besondere Aeste, Zweige und Ranken, die auf den einzelnen Gliedern der Arme einge- lenkt sind. Der Körper mit seinen zusammengelegten Armen hat be- sonders bei einigen kurzarmigen Arten ganz die Form einer Lilien- knospe auf langem Stengel. Eine normale Seelilie kann man als zusammengesetzt aus vier einzelnen Theilen ansehen: die Wurzel , womit das Thier an den Boden befestigt ist, wird von einer kalkigen Masse gebildet, ähnlich der Grundmasse, an der die Polypen aufsitzen. Sie erscheint meist als eine Ausschwitzung ohne weitere specielle Ausbildung. Auf dieser Wur- zel erhebt sich der Stiel oder die Säule , zusammengesetzt aus ein- zelnen, meist runden oder fünfeckigen Gliedern, welche gewöhnlich eine mittlere centrale Oeffnung besitzen, durch die ein Kanal nach unten sich erstreckt, der hauptsächlich nur für die bewegende Fasermasse des Stieles bestimmt scheint. Die Täfelchen der Säule haben meist auf beiden Seiten Kerben und Vorsprünge, die in einander greifen und oft die Figur eines fünfstrahligen Sternes bilden. Diese isolirten Täfelchen, die man auch Trochiten oder Entrochiten genannt hat, finden sich häufig in den Schichten der Erde vor, während wohlerhaltene Seelilien in ganzer Gestalt seltener sind. Bei vielen Gattungen trägt der Stiel seitliche Ranken, die andern fehlen; bei andern verkümmert er oder zeigt sich nur als knopfartiges Rudiment. Der Körper oder Becher der Seelilie besteht aus einzelnen Stücken, welche man je nach der Entfer- nung oder der Nähe des Stieles und der Arme ziemlich unzweckmä- ßigerweise Beckenglieder, Hüftglieder, Schulterglieder u. s. w. genannt hat. Diese Täfelchen bilden mehrere über einander liegende, sich er- weiternde Kreise, auf deren äußerstem die Arme eingelenkt sind. Dieser sind fünf oder zehne, die sich aber oft noch vielfältig in Aeste spalten. Auf ihrer innern Seite zeigen die Arme eine Rinne, welche von der weichen Hautbedeckung überzogen ist und auf der die kleinen Saug- füßchen angebracht sind. Indessen haben nicht alle Familien in der Ordnung der Seelilien die bezeichneten Theile des Körpers. Der Fa- milie der Seeäpfel, die sich nur in den ältesten Schichten der Erde findet, fehlen die Arme durchaus und nur ein kurzer geringfügiger Stiel ist ausgebildet. Der Familie der Haarsterne, welche in unsern Meeren häufig vorkommt, geht im erwachsenen Zustande der Stiel ab und es existirt nur ein scheibenförmiger Körper mit sehr langen beweg- lichen Armen versehen. Die Familie der armlosen Crinoiden oder die Seeäpfel ( Cysto- Fig 141. Fig. 142. Sphaeronites. Aus dem schwedischen Uebergangsgebirge (Siluri- sches System). Fig. 141 stellt das Thier von der Seite, Fig. 142 den Umriß von oben dar. a der sehr kurze Stiel. b Mund. c After. d fünfstrahlige Genital- platte mit den Geschlechtsöffnungen. crinida ) haben einen eiförmi- gen oder runden Körper, der aus harten meist sechseckigen Täfelchen zusammengesetzt ist und durch einen kurzen bieg- samen Stiel auf dem Boden angeheftet ist. Der kugelför- mige Körper zeigt drei Oeff- nungen; eine obere cen- trale, der Mund, neben wel- chem sich eine zweite Oeff- nung befindet, die wahrscheinlich die Afteröffnung ist; — eine dritte in der Nähe des Stieles befindliche, welche meistens noch durch be- wegliche Platten verdeckt ist, scheint eine Geschlechtsöffnung gewesen zu sein. Es findet sich diese Familie nur in den ältesten Schichten des Uebergangsgebirges, in dem Untersilurischen Kalke, und sie stellen gleich- sam die Anfangsform des Typus der Seeigel und der Seelilien in einander vereinigt vor. In der That zeigt sich auch eine Gruppe, welche insofern den Uebergang vermittelt, als sich auf ihrer Spitze einige Platten zeigen, welche zur Durchlassung von Fühlern durch- löchert sind. Diese Fühlergänge sind nach der Fünfzahl gestellt, wäh- rend bei den eigentlichen Seeäpfeln, welchen sie fehlen, die Sechszahl vorherrschend ist. Cystocrinus; Sphaeronites. Die eigentlichen Seelilien ( Encrinida ) besitzen alle einen Stiel, einen becherartigen Körper, dessen obere Fläche Mund und After neben- einander zeigt, und Arme, die auf ihrer Innenfläche eine Rinne zur Aufnahme der Füßchen zeigen. Sie kommen von den ältesten Schichten an in stets abnehmender Zahl bis auf unsere Zeiten vor und erschei- nen in unsern jetzigen Meeren nur noch in zwei höchst seltenen Gat- tungen, während sie in dem Uebergangs- und Kohlengebirge die große Mehrzahl der Stachelhäuter ausmachten und in den jurassischen Mee- ren besonders an den Korallenriffen blühten, welche sich daselbst vor- fanden. Von der einen lebenden Gattung dieser Seelilien ( Holopus ) Fig. 143. Actinocri- nus. a Der Stiel, b der Kelch, c die Arme, d die Zweige mit den Ranken daran. ist bis jetzt nur ein einziges Exemplar, von einer an- dern ( Pentacrinus ) nur 4 oder 5 nach Europa gebracht worden. Beide wurden aus großer Tiefe in dem Meere der Antillen hervorgezogen. Die fossilen Seelilien hat man in mehrere Gruppen (Unterfamilien) zerlegt, welche indeß noch nicht so vollständig untersucht sind, als es wohl wünschenswerth wäre. Ich erwähne hier als besondere Typen der Gattung Caryocrinus , die auf einem kurzen runden Stiele einen eichelför- migen Körper mit sechs Armen und aus sechs- seitigen Täfelchen gebildet trägt, die Actinocri- niden mit langer runder Säule, becherförmigem Körper, dessen einzelne Täfelchen nur wenig zu- sammenhalten, und langen mehrfach getheilten Armen, welche auf ihrer innern Seite eine große Menge ar- tikulirter aus einzelnen Kalkstücken zusammengesetzter Anhänge tragen, so daß der Arm einigermaßen dem Barte einer Feder ähnlich sieht. Es kömmt diese Familie nur in den älteren Schichten, aber hier auch äußerst zahlreich vor; sie wird er- setzt in den jurassischen Meeren durch die Gruppe der Pentacriniden , welche sich durch die feste Verbindung ihrer Kelchplatten und durch die Einlenkung ihrer Arme auszeichnet, die auf besonderen, dem Stiele aufsitzenden Stücken angeheftet sind. Der Stiel ist fünfeckig, zeigt meistens viele Seitenausläufer und Ranken und an seinen einzelnen Stücken sehr complicirte Gelenkflächen, die fünfblättrige Figuren dar- stellen. Der becherförmige Körper ist einigermaßen zwischen dem Grunde der Arme verborgen. Man hat berechnet, daß das Skelett eines ein- zigen Thieres, bei der ungemeinen Verzweigung der Arme und der zahlreichen Federchen, aus mehr als 150,000 einzelnen Kalk- stücken zusammengesetzt ist. Zu der Gattung Pentacrinus gehört die jetzt lebende Art. Eine andere sehr ausgezeichnete Gruppe, die ebenfalls erst nach den Uebergangsgebirgen auftritt und in dem Muschelkalke durch eine Gattung repräsentirt ist, äußerst zahl- reich die jurassischen Korallenbänke bewohnt und in der Kreide nur noch spurweise erscheint, ist die der Apiocriniden , mit langem, meist rundem Stiel, dessen Täfelchen strahlig gerippt sind, ohne Seitenran- Fig. 144. Encrinus liliiformis aus dem Muschelkalke. a der Stiel; b der aus Platten zusammenge- fügte Körper; c die Arme; d die getheilten aus unzähligen Stück- chen zusammengesetz- ten Aeste derselben. ken, mit dickem Körper, dessen einzelne Stücke äußerst solid sind und nur einen geringen Raum zwischen sich lassen, und höchstens einfach getheilten Armen, welche ziemlich kurz sind. Es gehören zu dieser Abtheilung die im Muschelkalke so außerordentlich häufigen Seelilien ( Encrinus ) und die Gattung Apiocrinus , welche be- sonders an den Korallenbänken des Jura vorkommt. Es scheint diese Gruppe in der Jetztwelt durch die höchst eigenthümliche Gattung Holopus ersetzt, deren Stiel selbst einen Theil des Körpers ausmacht und zum Theil die Körperorgane beherbergt. Das Thier soll nur vier Arme haben, ist übrigens bis jetzt nur durch ein einziges bei Martinique aufgefischtes Exem- plar bekannt. Die drittte Familie der Seelilien, die Haarsterne , ( Comatulida ) ist aus Thieren gebildet, welche im er- wachsenen Alter vollkommen frei sind und häufig noch jetzt in unseren Meeren vorkommen. Die Haar- sterne haben einen abgeplatteten Körper, dessen Rük- kenfläche aus einzelnen Täfelchen zusammengesetzt ist und auf dessen Bauchfläche sich zwei Oeffnungen zeigen, eine mittlere, der Mund, eine seitliche warzig hervorstehende, der After. Die zehn Fig. 145. Haarstern. Comatula mediterranea. Von der Mundfläche aus. Die dort sitzenden Nebenstrahlen sind weggelassen, um den Mund a und den After b sehen zu lassen. Arme, welche diese Thiere besitzen, sind an dem Rande des abgeplatteten Be- chers eingelenkt und aus Täfelchen zu- sammengesetzt, auf welchen zweizeilige bewegliche Feder- anhänge stehen. Mittelst dieser Ar- me und Anhänge klettert der Haar- stern sehr geschickt an Meerpflanzen umher, die er mit seinen Armen um- faßt, wobei ihm die kurzen Fühler be- hülflich sind, welche auf einer Rinne an der Bauchfläche der Arme stehen. Es gleichen somit diese Thiere, wenn sie die Arme gegen die Bauchfläche hin zu- sammenschlagen, vollkommen einer Seelilie, deren auf der Rückenfläche befindlicher Stiel verschwunden ist. Comatula; Alecto; Comaster. In der That entdeckte man, daß die Haarsterne in der Jugend Fig. 146. Junge Haarsterne, Pentacrinus europaeus genannt. einen biegsamen Stiel besitzen, durch welchen sie an den Boden fest- geheftet sind und daß sie in diesem Zustande vollkommen einer See- lilie mit zehn Armen gleichen. Die frühern Entwicklungszustände der Haarsterne sind nicht bekannt. Wahrscheinlich schwimmen die Larven, wie diejenigen der übrigen Stachelhäuter, während einiger Zeit im Meere umher, um sich dann später festzusetzen und die Seelilienform an- zunehmen. Die jungen Haarsterne haben Anfangs einen stabförmigen Körper, der knopfförmig endet und hier mit einigen kurzen Fortsätzen (Fühler) versehen ist. Nun beginnt in dem Stiele die Kalkablagerung der einzelnen Glieder, während zugleich der Becher sich deutlicher aus- bildet und die Arme hervorsprossen. Bald sieht man auf der Ober- fläche des Bechers den mit fünf dreieckigen, klappenartigen Vorsprün- gen besetzten centralen Mund und am Rande den warzenartig vor- springenden After. Das ausgebildete Junge hat fünf doppelt getheilte Arme, mit seitlichen Ranken besetzt und am Stiele ebenfalls einen Kranz von Ranken, der auch im späteren Leben bleibt. Der Stiel schwindet nun an der Anheftungsstelle; die Thierchen reißen sich end- lich von ihren Stielen los und kriechen dann frei umher. Es zeigt sich durch diese Entwicklung eine merkwürdige Uebereinstimmung in der geologischen Ausbildung der Ordnung und der Entwicklung der am höchsten stehenden Familie, indem die in den älteren Schichten vor- kommenden Seelilien alle gestielt sind und die ungestielten Haarsterne erst in den jurassischen Gebilden auftreten und sich in stets zunehmen- der Zahl bis in unsere Jetztzeit entwickeln. Die Ordnung der Seesterne ( Stellerida ) begreift nur platt- gedrückte Thiere mit scheibenförmigem, fünfeckigem Körper und mehr oder minder ausgezackten Armen, welche von der Körperscheibe nur unvollständig getrennt sind. Der Mund befindet sich auf der Unterfläche der Scheibe im Mittelpunkte, der After, (wenn ein solcher vorhanden ist, denn bei vielen Gattungen fehlt er) stets gegenüber auf der Rückenfläche. Die Körperhaut ist lederartig; das Kalkskelett aus einzelnen, losen Panzerringen zusammengesetzt, die eine große Be- weglichkeit und Biegsamkeit des ganzen Körpers gestatten; die Strah- len dieser Panzerringe beginnen an dem Munde und laufen fünfeckig nach den Seiten aus. Auf der Unterfläche der Scheibe und, je nach den Familien, auch der Arme sind in den Strahlen entsprechende Rin- nen angebracht, welche die Saugfüßchen beherbergen, die fast ganz in die Rinne zurückgezogen werden können. Außerdem bemerkt man bei allen an irgend einer Stelle der Körperscheibe eine eigenthümliche schwammige Kalkplatte, die sogenannte Madreporenplatte, welche wie wir später sehen werden, nebst den ihr zugehörigen Gebilden ein Ueber- bleibsel aus der Embryonalzeit ist. Die Entwicklung der Seesterne ist in einigen ihrer Stadien ziemlich genau gekannt, da aber viel Ueber- einstimmung in dieser Hinsicht mit den Seeigeln herrscht, so werden wir sie erst bei diesen im Zusammenhange abhandeln. Die Ordnung der Seesterne erscheint zuerst in dem Muschelkalk und läßt im Jura, in der Kreide, wie in den Tertiärgebilden einige, wenn gleich sehr wenig zahlreiche Arten erkennen. Sie gehört zu den- jenigen Ordnungen, welche in stets zunehmender Häufigkeit sich in der Erdgeschichte entwickeln. In unseren Meeren kommt eine große Anzahl dieser Thiere und oft ungemein zahlreich vor, so daß z. B. an der Küste der Normandie einige Arten als Dünger auf dem Felde benutzt werden. Man theilt die Ordnung in drei, sehr leicht kenntliche Familien. In der Familie der Sonnensterne oder Medusenhäupter ( Euryalida ) sind die Arme vollständig von der Scheibe abgesetzt und ohne Rinne auf der Bauchfläche. Die Körperorgane befinden sich nur in der Scheibe, welche rund ist und auf ihrer Oberfläche keine Afteröffnung zeigt. Der Mund befindet sich auf der Mitte der Unterfläche; auf der- selben Seite gegen den Rand hin die Madreporenplatte. Die Arme sind stets verästelt, äußerst biegsam und meistens mit Ranken versehen, welche sich spiralig aufrollen. Es finden sich diese Medusenhäupter be- sonders in den südlichen Meeren, aber stets nur selten. Euryale; Trichaster; Asteronyx. Eine zweite Familie ist die der Schlangensterne (Ophiurida). Fig. 147. Ophiura. Von der Rückenfläche. Die untere Figur zeigt die Körperscheibe von der Bauchfläche mit dem centralen, fünfstrahligen Munde. Der Körper stellt eine rundliche oder fünfeckige Scheibe dar, mit fünf langen, stets unverästelten Armen, wodurch sie sich wesent- lich von der vorigen Familie unterscheiden; auch ihnen fehlt stets ein After und die Madre- porenplatte verschwindet bei den Erwachsenen fast gänzlich. Die langen Arme, welche keine Bauch- furche haben, sind meist mit Stacheln oder Warzen in Quer- reihen besetzt und schlangenartig biegsam. Sie sind in allen Meeren äußerst häufig und von dem Jura an in den jüngern Schichten der Erde repräsentirt. Ihre Entwicklungsgeschichte ist vorzugsweise der Gegenstand neuerer Untersuchungen gewesen. Ophiura; Ophiocoma; Ophiolepis. In der Familie der eigentlichen Seesterne (Asterida) ist der Fig. 148. Asterias. Körper zuweilen nur fünfeckig oder in fünf kurze Arme ausgezo- gen, in welche Blind- säcke des Magens hineinragen, die sich oft noch verästeln. Nur selten sind diese Strahlen zahlreicher und in diesem Falle wechselt oft ihre An- zahl oder läßt Ab- weichungen von dem Normaltypus Fünfer- kennen. Die Ge- schlechtstheile liegen ebenfalls theilweise in den Armen, die stets auf der Bauchfläche eine Rinne haben, in wel- chen die Füßchen in doppelter oder vierfacher Reihe stehen. Bei der ungemein großen Anzahl der Arten und Gattungen hat man besonders hiernach die Hauptgruppen der Familie unterschieden. Von bedeutendem Einfluß auf die Classification ist ferner die Körperform, das Vorhandensein oder Fehlen eines Afters, sowie die Stellung der Madreporenplatte, welche in dieser Familie mit einem eigenthümlichen Kanale in Verbindung steht, der als schwammige Säule von der Rückenfläche sich gegen den Mund hin erstreckt. Asterias; Astropecten; Stellaster; Solaster; Echinaster. Die Ordnung der Seeigel (Echinida) ist wohl die zahl- Fig. 149. Echinus. reichste unter den Stachel- häutern, da sie nicht nur in ungeheuren Mengen in unsern Meeren, son- dern auch in allen Schich- ten der Erde in stets zunehmender Zahl ver- treten ist. Die Seeigel haben einen rundlichen oder abgeplatteten Kör- per, welcher gänzlich aus eingelenkten Täfelchen zusammengesetzt ist, die zwischen sich nur zwei Oeffnungen, eine stets auf der Unterfläche ge- legene für den Mund, eine zweite für den After lassen. Man unter- scheidet auf dieser Schale selbst fünf Hauptabtheilungen, welche theils durch die Ecken des Mundes, theils aber ganz besonders durch die Fühlergänge angezeigt sind. An bestimmten Stellen nämlich zeigen die einzelnen Platten sehr charakteristisch gebildete feine Oeffnungen, welche zu dem Durchtritte der hauptsächlichsten Bewegungsorgane des Seeigels, der Saugfüßchen oder Ambulakren bestimmt sind. Es stehen diese Oeffnungen stets in Reihen, welche bald von dem Munde aus- gehend nach oben gegen den Gipfel der Schale hin zusammenfließen und dort einen fünfstrahligen Stern bilden, bald auch nur sich auf der oberen Fläche zeigen, wo sie dann in einer fünfstrahligen Rosette zu- sammenstehen. Die gegenseitige Stellung und Zahl dieser feinen Löcher, ihre Verbindung oder Isolirung bieten sehr wichtige Merkmale für die Gattungen und Arten dar. Man unterscheidet hiernach auf den Scha- len, deren Theile sich nach der Fünfzahl wiederholen, die Ambula- kralfelder, welche diese Poren enthalten, und die dazwischen liegenden Interambulakralfelder. Dem Munde gegenüber auf der Rückenfläche des Seeigels befindet sich meistens der After, welcher keinem einzigen dieser Thiere fehlt, und welcher dann den Mittelpunkt für die Rosette oder den Stern der Fühlergänge bildet. Der After ist meistens von beweglichen Platten eingefaßt, welche bei den fossilen Seeigeln leicht ausfallen. Außerdem findet sich in seinem Umkreise eine Rosette von Platten, deren jede deutlich durchbohrt ist, zum Durchtritte der Pro- dukte der Zeugungsorgane. Selbst in den Fällen, wo der After nicht im Mittelpunkte der Scheibe liegt, sondern mehr nach hinten gerückt ist, selbst in diesen Fällen bilden, nur mit Ausnahme einer einzigen Gruppe, die Genitalplatten auf der Mitte des Rückens einen Mittel- punkt mit 5 oder 4 Oeffnungen, von welchem die Fühlergänge aus- gehen. Die Geschlechtsorgane liegen nämlich bei den Seeigeln in einem vier oder fünfstrahligen Sterne von Traubensäcken an dem Rücken der Schaale und ihre Ausführungsgänge befinden sich in den erwähnten Genitalplatten. In den Ecken des Sternes, welcher durch diese Platten gebildet wird, sieht man meist noch andere feinere Oeff- nungen, in welchen die rothen Augenflecken eingebettet sind. Auf den Täfelchen, welche die Schalen der Seeigeln zusammen- setzen, stehen noch zwei verschiedene Gebilde, welche besondere Beach- tung verdienen. Dies sind einerseits die Stacheln , kalkige, bewegliche Säulen, welche von der Dicke eines Haares bis zu der einer Nuß wechseln und durch Gestalt, Struktur und Einlenkung äußerst charak- Vogt, Zoologische Briefe. I. 11 teristisch sind. Es stehen nämlich diese Stacheln stets auf runden Knötchen, welchen entsprechend sie an dem untern Ende eine hohle Gelenkfläche besitzen, so daß sie auf einem förmlichen Kugelgelenke sich drehen können. Im Umkreise dieses Kugelgelenkes sind faserige Bän- der entwickelt, welche den Stachel bewegen können. Je bedeutender die Stacheln, desto größer werden auch die Zapfenhöcker, welche sie tragen, so daß bei denjenigen Seeigeln, wo sehr bedeutend große Sta- cheln vorkommen, sich auch auf der Oberfläche der Schale dicke Höcker zeigen, welche meist noch einen besonderen Gelenkknopf tragen und oft auch auf ihrer Spitze ein Loch zur Befestigung mittelst eines Sehnen- bandes zeigen. Das Verhalten dieser Höcker und der großen Stacheln zu den kleinen, deren Höckerchen der Oberfläche der Schale nur ein rauhes Aussehen geben, alles dies wird mit Vortheil zur Bestimmung der Gattungen und Arten benutzt. Die zweite Art von eigenthüm- lichen Organen, die Pedicellarien, die besonders in der Umgebung des Mundes stehen, wurden schon früher erwähnt. Die Entwickelungsgeschichte der Seeigel, Seesterne und Schlangen- sterne ist besonders in der neuesten Zeit so umfassend beobachtet wor- den, daß man im Allgemeinen wenigstens die Grundzüge dieser Entwickelung angeben kann. Es bestehen diese aber im Folgenden: Fig. 150. Fig. 151. Fig. 152. Fig. 153. Seeigel-Eier im Furchungsprozesse. Fig. 150. Das reife Ei. a Dotterhaut; b Dotter; c Keimbläschen. Fig. 151. Zweitheilung. Fig. 152. Achttheilung. Fig. 153. Maulbeer- form des Dotters. Die Eier der Seeigel und Seesterne zeigen eine deutliche Hülle, einen meist gelblich oder röthlich gefärbten Dotter und ein sehr deutliches Keimbläschen mit Keimflecken, während die den Eierstöcken ganz gleich gestal- teten männlichen Organe Samenthierchen mit rundlichem Körper und einem Schwanzanhange erzeugen. Nach der Befruchtung und dem regel- mäßigen Furchungsprozesse, welchen diese Eier durchlaufen, ent- steht ein rundlicher Embryo, der mittelst ausgebildeter Wimper- haare nach Durchbrechung der Eischale frei in dem Wasser um- herschwimmt. Nach und nach erhält dieser Embryo die Gestalt einer vierseitigen Pyramide, welche sich mehr und mehr in die Fig. 154. Fig. 155. Fig 156. Larvenbildung des Seeigels. Fig. 154. Kuglicher Embryo, schwimmend. g Innere Zellenschicht; f Aeußere Zellenschicht; c Wimperhaare. Fig. 155. Ecster Anfang; Fig. 156. Ausbildung der staffeleiförmigen Larve. a Mund; b Darm; c Kalkstäbe; e Wimperhaare. Länge zieht und auf der, der Spitze gegen- über stehenden Basis eine Oeff- nung zeigt, wel- che sich als Mund zu erkennen gibt, der in einen wei- ten Schlund und einen sackartigen Magen führt. Zugleich zeigen sich im Innern dieses Körpers Kalkstäbe, welche längs der Seite der Pyramide hinlaufen und an der Spitze derselben miteinander verbunden sind. Da wo die Kalkstäbe an der Basis der Pyramide auseinanderstehen, bilden sie spitzenartige Verlängerungen, so daß die ganze Larve einem pyramidalen Fig. 157. Ausgebildete Seeigellarve. a der Mund, b der Darm mit dem links gelegenen After. c Kalkstäbe. Uhrgehäuse nicht unähnlich ist. Die Wim- pern sind jetzt vorzugsweise längs der Kalk- stäbe entwickelt, welche merkwürdiger Weise vollkommen symmetrisch angeordnet und meist in der Zahl von vier oder acht vor- handen sind. Bis zu diesem Punkte hat man die unmittelbare Ausbildung der Larve der Seeigel aus den Eiern der Seeigel selbst verfolgt. Weitere Beobachtungen machte man an Thieren, die man in der See aufgefangen hatte und anfangs als eigenthümliche Wesen unter dem Namen Pluteus beschrieb. Die gestellartigen Formen mit symmetrischen Kalkstäben und Wimper- schnüren längs der Fortsetzungen dieser Kalk- stäbe, oder auch mit epaulettenartigen Räder- organen zeichnen diese kaum eine halbe Linie großen Thiere vor allen andern thierischen Gebilden aus. Außerordentlich merkwürdig ist indeß die weitere Ent- wicklung dieser seltsamen Larven, welche durchaus keinen strahligen Typus zeigen. Das eigentliche Strahlthier sproßt nämlich aus dieser Larve selbst hervor und steht anfangs in einem Verhältnisse zu der- selben, wie eine Knospe zu ihrem Mutterthier, während später im 11* Gegentheile die ursprüngliche Larve nur wie ein Schwimmapparat erscheint, der an dem Thiere selbst befestigt ist. Die Larven, welche sich aus dem ursprünglichen Ei der Seesterne und Seeigel entwickeln, stehen also zu dem zukünftigen Strahlthiere etwa in dem Verhältnisse einer Amme zu der sich entwickelnden Knospe, doch mit dem Unter- schiede, daß sogar ein Theil ihrer Organe in die Organe der sich ent- wickelnden Knospe übergeht. Die Larve besitzt nämlich einen Mund und einen Schlund, welcher in den Magen des jungen Strahlthieres überführt und, wie es scheint, ist auch bei denjenigen Strahlthieren, welche einen After besitzen, die Larve mit einem solchen versehen, während der After bei den Larven fehlt, welche afterlosen Gattungen zugehören. Die staffeleiartigen Larven der Echinodermen finden sich da, wo die Mutterthiere häufig vorkommen, ebenfalls in großen Mengen frei um- herschwimmend im Meere. Man hat ihre weitere Entwickelung haupt- sächlich bei den Schlangensternen beobachtet. Hier sprossen im Innern des Thieres zur Seite des Mundes blindsackartige Figuren hervor, Fig. 158. Vollständige Larve eines Schlan- gensternes vor dem Aufsprossen des Sternes. Die Bezeichnung ist für alle drei Figuren die selbe. a der Mund, c die Kalkstäbe, h der afterlose Magen der Larve, i der aufsprossende Schlangen- stern. welche anfangs ganz in der Substanz der Larve eingeschlossen sind, später aber über dieselbe hinauswachsen, zusam- menschießen und die Scheibe des Schlan- gensternes darstellen. Es hängt diese Scheibe schief an der gestellartigen Larve, so daß die Fortsetzung der Fig. 159. Eine ähnliche Larve, bei welcher der Schlangenstern in Gestalt von Blinddärmen aufsproßt. Fig. 160. Eine dritte Larve, bei welcher in dem Schlangenstern schon die gegitterte Kalk- masse erscheint. Larvenaxe nicht in die Axe des neuen Thieres fällt. Erst nach einiger Zeit bildet sich für das eigentliche Thier auch ein Mund, während es früher durch den Mund der Larve ernährt wurde. Später wenn die Larve sich von ihrer ausgebildeten Knospe losreißt, zeigt diese an der Eintrittsstelle eine Narbe, welche durch die Madreporenplatte ge- schlossen wird. Diese Platte dient mit- hin bei den erwachsenen Stachelhäutern zur Bezeichnung der Stelle, an wel- cher beide embryonale Gebilde zu- sammenhingen. Indem nun zugleich an den Seiten der Scheibe die Arme hervorsprossen, zeigen sich in dem Innern des jungen Thieres die ersten Spuren des Kalkskelettes in Form netzartig verzweigter Stäbchen, die bald drahtförmig gegitterte Stäbe bilden. Nach der Bildung der Stacheln sprossen auch die Füßchen hervor, anfangs nur in sehr ge- ringer Zahl und äußerst plumper Form, wenn man ihr späteres Ver- hältniß zu den erwachsenen Thieren berücksichtigt. Je mehr nun der junge Seestern wächst, desto geringfügiger wird die Larve in dem Verhältniß zu demselben, bis sie endlich ganz abreißt und der junge Schlangenstern allein überbleibt. Dieser schwimmt noch eine Zeitlang durch Wimperhaare, welche später verschwinden, wo sich dann das Thier kriechend bewegt. Die Larven der verschiedenen Ordnungen und Familien der Stachelhäuter haben alle, soweit sie bis jetzt bekannt sind, einen über- einstimmenden Typus, wenn auch sehr häufig eine sehr verschiedene Form. So beschrieb man unter dem Namen Bipinnaria asterigera eine Larve mit außerordentlich langem Stiel und sehr kurzen Fort- sätzen, welche einen Seestern trägt, und man lernte andere Arten kennen, aus welchen sich Seeigel hervorbilden, die mehr hut- oder glockenförmig mit steifen Fortsätzen erscheinen. Weitere Untersuchungen werden ohne Zweifel die noch übrigen dunkeln Punkte schnell aufklären. Man theilt die Seeigel in vier große Familien ein, welche sich durch scharfe Charaktere von einander unterscheiden. Bei den eigent- lichen Seeigeln ( Cidarida ) ist der Körper kugelig, der Mund in der Fig. 161. Echinus. Mitte der Unterfläche in einer bald ganz nackten, bald mit Wärzchen be- setzten Haut gelegen. Der After liegt dem Munde gegenüber auf der Mitte des Rückens in einer Rosette, welche aus fünf Genitalplatten gebildet ist, die mit fünf Augenplatten ab- wechseln. Die Madre- porenplatte ist mit der unpaaren Genitalplatte verschmolzen. Der Zahnapparat ist äußerst complicirt und wird durch innere Vorsprünge der Schale an seinem Platze gehalten. Die Fühlergänge sind schmal und gehen von dem Munde bis zu dem After, meist in etwas geschlängelter Linie fort. Auf den Feldern zwischen den Fühlern sind große runde Höcker ange- bracht, welche in Reihen stehen und die Stacheln tragen. Bei den zahlreichen Gattungen, welche sich in dieser Familie finden, hat man wieder mehrere Gruppen unterschieden, so die Turbanigel (eigent- liche Cidariden ), ( Cidaris; Salenia; Hemicidaris ) bei denen auf einer dicken Schale sehr dicke auf dem Gipfel durchbohrte Höcker in je zwei Reihen geordnet stehen, die ungemein große und lange, oft keulenförmige Stacheln tragen, und die eigentlichen Seeigel (Echiniden) , ( Dia- dema, Echinus, Echinometra ) die eine weit dünnere Schale besitzen, mit kleinern Höckern und dünnen spitzigen Stacheln. Es kommt diese Familie von dem Kohlenkalke an in allen Schichten der Erde vor und scheint ihre größte Entwicklung in den jurassischen Gebilden zu erhalten. Fig. 162. Laganum. Von oben. Daneben der Umriß der unteren Fläche, um die Lage von Mund und After zu zeigen. a Mund. b After. c Un- tere Fühlergänge. d Stern der obern Fühlergänge. e Mitt- lere Platte mit den Geschlechtsporen. Die zweite Familie, diejenige der Schildigel ( Clypeastroida ) begreift Thiere von meist scheiben- förmiger Gestalt, deren Schale sehr dick und mit fei- nen Höckerchen besetzt ist, welche sehr dünne, kurze, haarartige Stacheln tragen. Diese Höckerchen sind überall gleich. Der Mund befindet sich in der Mitte der Unterfläche und ist mit fünf einfachen Zäh- nen von pyramidaler Form bewaffnet; der After dagegen steht niemals auf der obern Fläche des Scheitels, sondern stets auf der untern Fläche mehr oder minder näher dem Rande und dem mittleren Strahle entgegengesetzt. Die Fühlergänge bilden auf der Rückenfläche einen aus fünf breiten Blättern zusammengesetzten Stern, dem die Madreporenplatte mit fünf Geschlechtsöffnungen als Mittelpunkt dient. Es ist diese Familie haupt- sächlich neueren Ursprungs. Man findet ihre ersten Repräsentanten in den Tertiärgebilden und die meisten leben jetzt in den südlichen Meeren. Manche Gattungen zeigen durch Einschnitte eine Hinneigung zur strah- ligen Form. Clypeaster; Laganum; Scutella; Echinocyamus. Eine dritte Familie, die Nußigel ( Cassidulida ), hat einen rund- lichen oder eiförmigen Körper, der meist ziemlich hoch ist und sehr feine Stacheln, die auf zerstreuten Höckerchen stehen. Die Fühlergänge sind bald blattförmig wie bei den Schildigeln, bald reihenförmig wie bei den Seeigeln. Der Mund steht in der Mitte der Unterfläche oder etwas mehr nach vorn, der After am Rande oder an der Unterfläche, so daß bei der sonst eiförmigen Gestalt des Thieres die Mittelaxe oft sehr deutlich wird. Der Mund ist gänzlich unbewaffnet, was wesent- lich zur Unterscheidung von den vorigen Familien dient. Es erscheint diese Familie zuerst in den jurassischen Schichten und diejenige Gruppe, welche blattförmige Fühlergänge hat, vermehrt sich bis zu unserer Zeit, während die andere Gruppe in unserer Zeit fast ganz verschwunden ist. Echinoneus; Discoidea; Galerites; Nucleolites; Cassidulus; Echinolampas. Die vierte Familie, die Herzigel ( Spatangida ), hat eine herzför- Fig. 163. Spatangus. Von oben. Auf der einen Seite sind die Haare und Stacheln gelas- sen, auf der andern weggenommen, um die Platten des Panzers und die Fühlergänge a zu zeigen. mige Gestalt, an welcher man besonders deutlich eine mittlere Axe unterscheidet, die den Körper in zwei symmetrische Hälften theilt; auch dieser Familie fehlt wie der vorigen jede Spur von Bezahnung. Der Mund liegt selten in der Mitte, meist an dem vordern Rande, der After an dem hintern Rande der Unterfläche ihm gegen- über, so daß auch hierdurch die Mittel- linie sehr deutlich angezeigt ist. Die Füh- lergänge sind meistens auf dem Gipfel in einer Rosette vereinigt, bei einer Gruppe aber vollkommen getrennt. Der hintere unpaare Fühlergang liegt meistens in einer tiefen Rinne, wodurch die herzförmige Gestalt erzeugt wird und unterscheidet sich in seiner Natur von den übrigen. Meist finden sich nur vier Genitalöffnungen und auch nur vier Eierstöcke im Innern. Es erscheint diese Familie zuerst in dem Jura mit Formen, welche den Nußigeln ähnlich sehen und ihre Zahl wächst stets bis auf die heutige Zeit. Spatangus; Brissus; Hemiaster; Schizaster; Holaster; Ananchytes; Dysaster. Die letzte Ordnung der Stachelhäuter begreift die Seewalzen (Holothurida) , welche eine lederartige Haut mit sparsam einge- Fig. 164 Holothuria. streuten Kalkkörnchen und eine walzen- oder wurmförmige Gestalt besitzen, die nur noch durch einen Fühler- kranz im Umkreise des Mundes den strahli- gen Typus erkennen läßt. Der After liegt an dem hintern Theile des Thieres und dient, wie schon oben bemerkt, zugleich als Athemöffnung, durch welche das die inneren Kiemen erfüllende Wasser aus- und eingepumpt wird. Im Innern des Körpers findet sich um den Mund ein kalkiger Ring, an welchen die Längsmuskeln sich befestigen, welche besonders zur Zusammenziehung des Körpers dienen. Man unterscheidet in dieser Ordnung zwei Fami- lien, die sich besonders durch Anwesenheit oder Mangel von Saug- füßen auszeichnen. Bei der ersten Familie, den Haftwalzen ( Synap- tida ), fehlen die Füßchen durchaus und sind durch eigenthümliche Fig. 165. Synapta mit ausgebrei- teten Fühlern. Daneben ein Kalkanker, aus der Haut, stark vergrößert. Kalkanker ersetzt, welche die Haut rauh machen. Ebenso fehlen innere Kiemen oder eigene Respirationsorgane, indem das Wasser durch Spalten in die Leibes- höhle tritt. Der Darmkanal ist grade, der After am entgegengesetzten Leibesende. Eine an den Küsten des Oceans lebende Art, die ungemein genau untersucht ist, dient als Typus der Familie, die sonst meistens in südlichen Meeren verbreitet ist. Chirodota; Synapta . Die zweite Familie, die der See- walzen ( Holothurida ), hat kurze Saug- füßchen, ganz denen der Seeigel ähn- lich, welche meist in Reihen stehen und durch Spalten der Haut hervorgestreckt werden können. Der Darmkanal im Innern ist S förmig gewunden und an seinem hintern Ende mit einer baumartig verzweigten Kieme in Verbindung. In der Gefangenschaft ziehen sich diese Thiere oft mit solcher Energie zusammen, daß sie einen großen Theil des Darm- kanales mit der Kieme losreißen und durch den After entleeren. Es sollen sich indeß diese Theile später wieder erzeugen. In den südlichen Meeren kommt eine Gattung vor, der Trepang, welcher in großen Massen gefischt und besonders nach China als stärkendes Reizmittel verkauft wird. Die Seewalzen finden sich in allen Meeren ungemein häufig an dem Boden kriechend, wo sie sich besonders von Schaal- thieren nähren. Pentacta; Psolus; Holothuria; Bohadschia; Cladolabes. Achter Brief. Kreis der Würmer. (Vermes.) E ine an Anzahl und Mannigfaltigkeit der Ausbildung dem Kreise der Protozoen und Strahlthiere nicht nachstehende Entwickelungs- richtung ist in den Würmern gegeben, welche durch die Gestalt ihres Körpers, durch die Anordnung und Ausbildung ihrer Organe einen wesentlichen Unterschied von allen übrigen Typen der niederen Thiere darbieten und namentlich in ihren höheren Formen sich bis in die Nähe des Kreises der Gliederthiere erheben, zu welchen sie in weit näherer Beziehung stehen, als zu den Weichthieren. Meist dunkel in ihrer Lebensweise, oft schmarotzend in andern Thieren und auf Kosten derselben, oder verborgen in Erdlöchern, unter Steinen und im Schlamme der Gewässer lebend, wenig anziehend durch Form oder Farbe, wurde dieser Kreis anfangs von den Naturforschern nur sehr wenig in Betrachtung gezogen, bis tiefere Blicke in ihre Organisation und ihren Haushalt Geheimnisse entdecken ließen, die in nicht geringem Grade die Wißbegierde anspannen mußten. So sind denn in unserer Zeit gerade die Würmer ein wesentlicher Gegenstand der Forschung geworden und stellen sich jetzt als denjenigen Kreis des Thierreichs dar, in welchem die meisten Resultate erzielt werden und wo auch die meisten ferner dem umsichtigen Beobachter sich darbieten. Umsomehr ist aber darauf hinzuweisen, daß fast überall unsere Kenntnisse bis jetzt nur fragmentarisch und demnach die ganze Behandlung des Ge- genstandes eine mehr provisorische ist, die in jedem Augenblicke von Grund aus durch neue Entdeckungen geändert werden kann. Die verschiedene Umgränzung des Begriffes, welchen man mit dem Worte „Würmer“ überhaupt verbindet; die mannigfach verschiedenen Versuche der Classification, welche von Zeit zu Zeit wiederholt werden, sind sprechende Beweise für den Mangel an ausreichender Kenntniß in diesem Felde. Wir machen überall die Erfahrung, daß bei mangel- haftem Material die persönlichen Anschauungen und Ansichten in’s Unendliche wechseln, während bei gehöriger Kenntniß der Thatsachen die Discussionen von selbst aufhören und ihre faktische Erledigung finden. Die Würmer zeichnen sich dem Kreise der Strahlthiere gegenüber durch eine wesentlich symmetrische Anlage ihrer Organe aus. Sie sind vollkommen nach bilateralem Typus gebaut. Eine senkrechte durch die Mittellinie gelegte Ebene theilt das Thier in zwei vollkom- men gleiche Hälften. Die einfachen Organe liegen in der Mittellinie, die mehrfach vorhandenen zu beiden Seiten meist in symmetrischer Folge. Zwar finden Abweichungen von dieser Symmetrie statt, doch sind dieselben nur selten und betreffen meist nur den Darmkanal und die Geschlechtsorgane; zwei Organsysteme, welche überhaupt auch bei sonst symmetrisch gebauten Thieren leicht eine Ausnahme zu machen pflegen. Der Körper der Würmer ist bei dieser Symmetrie der Or- gane meistens lang gestreckt und von oben abgeplattet, oft so ungemein lang im Verhältniß zu der Breite, daß die Thiere wie schmale Bän- der oder dünne Bindfaden aussehen. In den niedern Typen herrscht meistens bei geringer Körperlänge mehr die Abplattung von oben vor, so daß sie eine eiförmige Umgränzung des Körpers zeigen, während bei den höhern Typen noch ein zweites charakteristisches Merkmal her- vortritt, nämlich die Gliederung des Körpers in quere Ringe , sogenannte Zoniten , die sich in fast vollkommener Gleichheit oft hundertfach wiederholen. Diese quere Gliederung, welche wir noch bei einem andern Kreise des Thierreiches, bei den Gliederthieren, eben- falls mit strenger Symmetrie gepaart wahrnehmen, ist entweder Resultat einer Art von embryonaler Knospung, wie namentlich bei den höheren Rin- gelwürmern, oder die Folge einer unvollständigen Knospung, welche während des ganzen Lebens fortdauert, wie dies namentlich bei den Bandwürmern der Fall ist. Aber auch in den höchsten Typen, bis zu welchen sich die dem Kreise der Würmer angehörenden Thiere auf- schwingen, trägt die Gliederung des Leibes insoferne den Stempel der Unvollkommenheit, als die Glieder meistens unter sich gleich sind, dieselben Organe enthalten, die mithin sich vielfach wiederholen, wäh- rend bei den Gliederthieren die einzelnen Ringel meist durchaus ver- schiedenen Gehalt und Bedeutung zeigen. Die Anatomie eines einzigen Bandwurmgliedes genügt beinahe, um die Zusammensetzung eines jeden der tausend und aber tausend Glieder zu kennen, aus welchen ein solches Thier zusammengesetzt ist; ein Kieferwurm (Eunice) hat hun- derte von Ringeln, welche ganz dieselben Füße, Borsten und Kiemen tragen. Diese öftere Wiederholung gleicher Organe, die zu derselben Function bestimmt sind, ist stets ein Zeichen niederer Organisation, während die Sonderung bestimmter Theile in vielfacher Zahl mit ver- schiedener Function höheren Bildungsgrad anzeigt. So sehen wir auch nur bei den höchsten Typen der Würmer einen wirklich abge- sonderten Kopf sich ausbilden, während bei den übrigen, auch bei durchgreifender Ringelung des Körpers, der Kopf, als Träger der Sinnesorgane und des Centralnervensystems, oft nicht von dem übri- gen Körper abgetrennt ist. Wie in den übrigen Kreisen, so sehen wir auch in dem Kreise der Würmer eine allmählige Vervollkommnung von niederen zu höheren Lebensformen. Dieselbe spricht sich nicht nur in der äußern Körper- form, sondern auch in der stufenweisen Ausbildung der einzelnen Or- gane aus. Das Nervensystem , welches bei allen Würmern ohne Ausnahme vorhanden, aber in den niederen Stufen nur rudimentär ist, und dann aus zwei unbedeutenden zu beiden Seiten des Schlundes gelegenen Knötchen besteht, welche zwei dünne Seitenäste längs des Körpers herabsenden, schwingt sich stufenweise zu höherer Entfaltung hervor, bis es bei den höchsten Würmern einen Schlundring mit vor- zugsweise entwickelter oberer Hälfte (Gehirn) bildet und eine Aufein- anderfolge von Knoten zeigt, welche längs der Mittellinie des Bauches durch Längsstränge verbunden sich hinziehen und nach allen Seiten hin Aeste aussenden. Die Sinnesorgane , welche den niederen Typen fehlen, entwickeln sich anfangs in großer Zahl, wenn auch mit geringer innerer Ausbildung und gehen meist denjenigen Gattungen und Familien ab, welche in dem Körper anderer Thiere oder in Röh- ren leben. Auch die Bewegungsorgane entfalten sich aufsteigend in mannigfacher Weise, denn während bei den niederen Typen entwe- der nur der ganze Körper durch abwechselnde Zusammenziehungen und Ausdehnung die Bewegung vermittelt, oder höchstens Haken, Rüssel und Saugnäpfe sich ausbilden, zum Festhalten an bestimmten Orten, so wird bei den höheren Typen die Fortbewegung durch besondere Borsten, Fußstummel und Schwimmplatten bewirkt, welche zu beiden Seiten der Ringel und am ganzen Körper oft in ungeheurer Zahl angebracht sind. Indeß zeigen diese Bewegungsorgane niemals und unter keinen Umständen die bei den Gliederthieren vorkommende Glie- derung aus verschiedenen in einander eingelenkten Stücken. Es sind stets nur einfache Hornstücke, welche in muskulösen Zwiebeln stecken und durch diese bewegt werden können. Nicht minder in die Augen fallend ist der Fortschritt der Ent- wickelung in dem Blutsysteme und den Athemorganen . Mit Ausnahme einer Klasse, bei welcher die äußerst geringe Körpergröße die Kenntniß der gewiß farblosen und dadurch unsichtbaren Blutströ- mungen verhindert haben mag, kennt man jetzt bei allen Würmern ein Blutgefäßsystem, das aus geschlossenen Röhren besteht und dessen oft selbst roth gefärbter Inhalt bei den höher stehenden Typen durch contractile Gefäße und herzartige Erweiterungen derselben in Bewe- gung gesetzt wird. Auch die successive Ausbildung der Athemorgane läßt sich deutlich nachweisen, denn während dieselben in den niederen Typen ganz fehlen und die Function der Athmung wahrscheinlich durch die Haut übernommen ist, so sind bei den höheren Gliedern des Krei- ses oft sehr vollständig ausgebildete Kiemen vorhanden, welche einzig zu dem Zwecke der Athmung bestimmt sind und keine Nebenfunction besitzen. Die Verdauungsorgane fehlen den niederen Typen durchaus, sie werden ersetzt durch ein bedeutendes Einsaugungsvermögen der Haut; dann findet sich nur ein Mund, welcher in einen mehr oder minder verzweigten blindgeendeten Darmkanal führt, bis endlich bei den höheren Typen ein an beiden Enden geöffneter Darmkanal existirt, der oft mit Zähnen, Kiefern und andern Vorrichtungen zum Fangen und Zerkleinern der Beute bewaffnet ist. Geschlechtsorgane sind bei allen ausgebildeten Würmern vorhanden, oft in außerordentlich vervielfältigter Zahl, so daß die Produktion der Eier eine wahrhaft ungeheure ist. Besonders bei denjenigen Gattungen, deren Erhaltung auf scheinbar außerge- wöhnliche Zufälle sich berechnet zeigt, steigt diese Erzeugung der Eier ins Unendliche. Der Embryo entwickelt sich stets aus dem ganzen Dotter , niemals findet sich ein Gegensatz zwischen einer Keimanlage und einem Ernährungsdotter und wo man einen solchen zu finden glaubte, irrte man sich insofern, als man die für den Aufbau der innern Organe bestimmten Zellen für den Dotter, die äußeren Zellen für die Keimlage ansah. Die meisten Embryonen ver- lassen das Ei als eine dem Mutterthiere höchst unähnliche Larve, welche erst durch successive Metamorphose der Organisation des er- wachsenen Thieres nahe kommt. Außer dieser Larven-Metamor- phose , welche oft nur durch die überraschendsten Aenderungen des Wohnortes möglich gemacht wird, sind sowohl Knospung als Quer- theilung und Ammenzeugung bei den Würmern ungemein verbrei- tet. Die letztere namentlich kommt besonders bei denjenigen Ord- nungen vor, welche in den Eingeweiden anderer Thiere leben, und wird auch hier meistens durch Aenderung des Wohnortes mit bedingt. Die Knospung findet fast in allen Fällen an dem hintern Ende des Leibes statt und ist bald eine unvollkommene, so daß die aus ihr hervorgehenden Gebilde niemals zu einem selbstständigen individuellen Leben gelangen, theils eine vollständige, wo dann die Jungen eine Zeitlang nur eine Fortsetzung des mütterlichen Leibes bilden, bis sie sich gänzlich abschnüren und frei werden. Eigentliche sociale Formen, wie sie bei den Strahlthieren so häufig waren, kommen bei den Wür- mern nur bei einer einzigen Familie vor, welche zudem noch nur eine krankhafte Abänderung eines andern Typus darstellt. Quer- theilung ist zwar bei einigen Gattungen beobachtet; es fragt sich indessen, ob sie nicht stets Folge mechanischer Verletzung und Repro- duction der einzelnen Theile zu selbstständigen Individuen war, oder ob man nicht eine unvollständig beobachtete Knospung für eine Thei- lung ansah. Die größere Hälfte der Würmer lebt schmarotzend in den Eingeweiden anderer Thiere, in welche sie theils durch die natürlichen Oeffnungen, besonders der Verdauungs- und Luftwege gelangt, theils auch mit Gewalt von außen sich einbohrt. Viele bringen irgend eine Zeit ihres Lebens als Schmarotzer, eine andere Zeit in der Außenwelt zu. Für die meisten dieser Schmarotzer ist die Wanderung von einem Thiere zu dem andern eine Bedingung der Entwickelung. Von den frei leben- den Würmern finden sich die meisten im Wasser, wenige in der feuchten Erde, einige in Röhren, welche sie bald aus fremden Materialien zu- sammenkleben, bald durch Ausschwitzung aus dem Körper bilden. Als durchgreifendes Gesetz zeigt sich hier, daß die schmarotzenden Gattun- gen stets die niederen Stufen der Organisation einnehmen, die frei lebenden dagegen die höheren. Viele Eingeweidewürmer schließen sich in der Einfachheit ihrer ganzen Körgerorganisation theils an die Pro- tozoen, theils an die untersten Strahlthiere an, während die höheren Typen deutliche Annährungen an die Gliederthiere und an die Weich- thiere gewahren lassen. Selbst bei denjenigen Thieren, welche einen Theil ihres Lebens in der Freiheit, einen andern als Schmarotzer oder an den Ort gebunden als Röhrenbewohner zubringen, zeigt sich die Verwirklichung dieses Gesetzes der verhältnißmäßig niederen Or- ganisation der Schmarotzer, indem die freien Thiere (meist die Jungen) mit deutlichen Sinnesorganen und ausgebildeten Bewegungsorganen versehen sind, welche allmählig beim Verlust der freien Lebensart spurlos verschwinden. Noch deutlicher tritt dieses Gesetz freilich bei den Gliederthieren hervor, wo die Degradation der Organe oft so bedeutend ist, daß die Thiere verschiedenen Alters in ganz verschiedene Klassen eingereiht wurden. Wir theilen den Kreis der Würmer vorzüglich nach der äußern Körpergestalt in vier größere Klassen: die Klasse der Plattwürmer ( Platyelmia ) mit plattem meist wenig verlängertem Körper; der Rundwürmer ( Nematelmia ) mit meist Fig. 166. Diplostomum. Fig 167. Echinorhynchus. Fig. 168. Rotifer. drehrundem, langem, fadenartigem Körper; der Räderthiere ( Ro- tatoria ) mit wim- pernden Schwimm- rädern am vorderen Körperende; und der Ringelwürmer ( Annelida ) , mit deutlich geringeltem, meist walzigem Kör- per und ausgebilde- tem Nerven-System. So unbedeutend auch die äußere Körper- form im Allgemeinen sein mag, so steht sie Fig. 169. Nereis. doch mit tieferen Organisations- verhältnissen im Zusammenhang, deren Einzelhei- ten wir bei den Klassen selbst begründen wer- den. Unverträglich aber mit allen zoologischen Grundbegriffen hat es uns geschienen, die so verschieden gestalteten Eingeweidewürmer nur aus Berücksichtigung ihrer Wohnung in einer einzigen Klasse zu las- sen, während doch jeder Bearbeiter dieser merkwürdigen Thiere offen gestehen mußte, daß es ihm unmöglich sei, auch nur durch ein einziges in der Organisation begründetes Merkmal diese Klasse der Eingeweide- würmer zu charakterisiren. Man hatte hier Alles zusammengeworfen, was nicht mit äußerster Evidenz andern Klassen angehörte und wagte nicht, mit Trennungen vorzuschreiten, welche alte Gewohnheiten be- leidigen konnten, obgleich man aus andern Klassen viele reine Para- siten kannte, die man trotz ihres Wohnsitzes nicht zu den Eingeweide- würmern rechnete, da es zu evident war, daß sie dem Kreise der Würmer nicht angehörten. Klasse der Rundwürmer. ( Nematelmia. ) Fig. 170 Spul- wurm ( Ascaris ) Oben der Mund um die drei knotigen Lix- pen zu zeigen; unten das Körperende des Männchens mit vorstehender Ruthe. Die sämmtlichen Rundwürmer, mit Ausnahme einer Familie, bringen die größte Zeit ihres Lebens schmarotzend im Körper anderer Thiere zu, wo man sie sowohl in den Eingeweiden als auch innerhalb ganz geschlossener Organe findet, zu welchen sie sich meistens in der Jugend einen Weg durch die Gewebe gebahnt haben. Der Körper der Rundwürmer ist meist cylindrisch, zuweilen gleich- förmig an beiden Seiten zugespitzt, selten abgeplattet oder mehr rundlich. Einzelne Gattungen derselben erreichen im Verhältniß zu ihrer Dicke eine ungeheure Länge, so daß sie wie dünne Faden oder Drähte erscheinen; bei vielen ist das eine oder andere Ende des Körpers bedeutend verschmä- lert und stellt sich wie ein Rüssel oder feiner Schwanz- anhang dar, während bei andern mancherlei Anhänge, wie Lippen, Schwanzblasen etc. das eine oder andere Körperende breiter oder ver- dickt erscheinen lassen. Die Haut dieser Thiere ist stets derb und bei den meisten in zahlreiche Querrunzeln gefaltet, so daß der Körper manchmal mehr oder minder geringelt erscheint. Es verschwinden diese Runzeln leicht durch Einsaugung von Wasser, wodurch sich der Kör- per oft bis zum Platzen füllt. Bei den meisten Typen der Klasse kann man außer der homogenen Oberhaut, eine aus Längs- und Quer- fasern gewebte Lederhaut und außerdem noch eine Schicht von Muskelfasern unterscheiden, durch welche die Zusammenziehungen und Ausdehnungen des Körpers bewirkt werden. Nur bei der nieder- sten Ordnung, deren Stellung an diesem Orte man wohl bezweifeln dürfte, die ich aber nirgend besser unterzubringen wußte, bei den Gregarinen, findet sich eine einfache derbe Hautschicht, welche zugleich als Zellenwand gedeutet werden könnte und an der man noch keine weitere Theilung hat wahrnehmen können. Bei den meisten Rundwürmern hat man das Nervensystem aufgefunden und zwar will man es bei den Kratzern in Gestalt eines centralen Haufens am Beginne des Schlundes gesehen haben, von welchem aus die Nervenfäden ausstrahlen sollen. Indeß läßt die Form dieses Nervensystems noch große Zweifel über seine richtige Deutung zu. Zweifellos ist aber das Nervensystem bei den Spulwürmern in Form zweier seitlicher Ganglien dargestellt worden, welche durch einen sehr feinen Schlundring miteinander verbunden sind und von denen aus zwei seitliche Nervenstämme ausgehen, die man bis an das Hin- terende des Körpers hin verfolgen kann. Bei der niedrigsten Ordnung ist keine Spur eines Nervensystems vorhanden, und eben so vergebens hat man es bei den Saitenwürmern gesucht. Sinnesorgane sind bei keinem dieser Thiere entwickelt und nur zum Behufe des Tastens erscheinen bei einzelnen Gattungen Knötchen oder Läppchen in dem Umkreise des Mundes. Von manchen Gattungen werden diese Knötchen auch zum Durchbohren der Gewebe benutzt und so Wanderungen im Innern des Körpers bewerkstelligt. Bei den Kratzern findet sich hierzu ein eigener einfacher walzenförmiger Rüssel, der in eine entsprechende, ringsum abgeschlossene, durch eigene Muskeln be- wegte Scheide zurückgezogen und aus diesem Sacke wieder hervorge- stülpt werden kann. Es ist dieser Rüssel in seinem ganzen Umfang mit in Längsreihen geordneten, rückwärts gebogenen scharfen Haken besetzt und er dient dem Thiere besonders zur Durchbohrung der Darmhäute und zur Fixirung an einem bestimmten Orte. Das Verdauungssystem ist bei den Rundwürmern höchst einfach. Bei zwei Ordnungen, den Gregarinen und den Kratzern, fehlt jede Spur eines Darmkanals. Die Thiere ernähren sich nur durch Einsaugung der sie umgebenden Flüssigkeiten mittelst der Haut. Bei den Saitenwürmern findet sich wohl ein Darmkanal, der in dem Körper hinläuft und auch eine Mundöffnung, aber kein After, wäh- rend bei den Spulwürmern stets ein vollständig ausgebildeter Darm- kanal mit endständiger Mund- und Afteröffnung vorhanden ist. Bei diesen lassen sich auch öfter in dem Schlunde und dem Anfange des Darmkanales hornige Zähnchen oder Wülste unterscheiden, die oft besonders bewegt werden können und eine Bewaffnung des Darmein- ganges darstellen. Ein Gefäßsystem ist bei den höher stehenden Ordnungen be- obachtet worden. Es entwickelt sich hauptsächlich in der Haut und besteht aus höchst feinen, meist wohl wandungslosen Kanälen, in welchen die Ernährungsflüssigkeit durch die Bewegungen des Körpers selbst hin und hergetrieben wird. Eigene Athmungsorgane da- gegen sind noch bei keinem Rundwurme aufgefunden worden, während man bei einigen Gattungen eigenthümliche Absonderungsorgane gesehen hat, deren Bestimmung in der thierischen Oekonomie nicht ge- nau bekannt ist. Mit Ausnahme der Gregarinen, bei welchen sich nur, ähnlich wie bei den Infusionsthierchen, ein innerer Kern entdecken läßt, sonst aber keine weiteren Leibesorgane vorhanden sind, besitzen die übrigen Rundwürmer wohl ausgebildete Geschlechtsorgane , welche stets auf verschiedene Individuen vertheilt sind. Auch tritt uns bei ihnen zuerst der Geschlechtsunterschied äußerlich wahrnehmbar entgegen, indem die Weibchen meist viel größer und die Männchen mit besonderen Begat- tungsorganen und Anhängen zum Festhalten versehen sind. Die männ- lichen Individuen sind viel seltener als die weiblichen und von einigen Gattungen nur in höchst seltenen Fällen beobachtet worden. Eine wirkliche Begattung scheint bei allen mit Fortpflanzungsorganen versehenen Rundwürmern vorzukommen und zuweilen ist dieselbe so innig, und die beiden Individuen in dem sehr lange andauernden Begat- tungsakte so fest mit einander verbunden, daß man schon solche Pärchen für zusammengewachsen ansah und als doppelleibige Thiere beschrieb. Wir werden bei den Ordnungen auf die Struktur der Geschlechtsorgane näher eingehen, ebenso auf die Bildung und Entwickelung der Eier. Diese letztere geht in der Art vor sich, daß entweder eine Furchung des Dotters auftritt, welche den ganzen Dotter nach und nach in Zellen umwandelt, oder aber, daß sich in dem Dotter erst einige Zel- len entwickeln, die nach und nach die übrige Dottermasse aufzehren. Sobald die ganze Dottermasse in Embryonalzellen umgewandelt ist, so bildet sich der Embryo, welcher dem Mutterthiere sehr ähnlich ist und keine weitere Metamorphose durchläuft. Die jungen Thierchen sind außerordentlich dünn und fein und bohren sich sehr leicht durch die Gewebe der Thiere, in welchen sie schmarotzen. Sie gehen, wie es scheint, mehrere Häutungen ein, bevor sie ihre definitive Größe erlangt haben und man kann stets die jungen, noch unentwickelten Thiere so- Vogt. Zoologische Briefe. I. 12 wohl an der strukturlosen Körperhülle, wie an dem Mangel der Ge- schlechtstheile unterscheiden. Wir theilen die Rundwürmer in vier, durch vielfache Unterschiede der Organisation leicht zu bestimmende Ordnungen. Bei der niedersten Ordnung, die man der Einfachheit ihrer Bildung wegen auch zu den Protozoen stellen könnte, bei den Gregarinen , fehlt jede Spur innerer Organe; bei den Kratzern findet sich ein Hakenrüssel ohne Darmkanal; bei den Saitenwürmern ein unvollständiger Darm ohne After; bei den Fadenwürmern endlich vollständige Verdau- ungsorgane, Geschlechtsorgane und Nervensystem. Die Ordnung der Gregarinen ( Gregarinea ) besteht aus kleinen mikroskopischen Thierchen, welche nur bis jetzt hauptsächlich Fig. 181. 179. 177. Fig. 182. 180. 178. 176. 175. 174. 173. 172. 171. Fig. 171—182. Gregarina. Fig. 171—182. Verschiedene Arten von Gregarinen nebst ihrer Entwickelung. Fig. 171 u. 172. Einleibige Gregarinen, eine mit zwei Kernen. Fig. 173 u. 174. Dop- pelleibige Gregarinen mit sonderbaren vorderen Körperbildungen. Fig. 175. Zwei zusammengelegte Thiere. Fig. 176. Die Conjugation ist inniger geworden. Fig. 177. Beide Thiere bilden eine getheilte Zelle mit zwei deutlichen Kernen. Fig. 178. Die Kapsel ist gebildet, die Kerne fangen an zu verschwimmen. Fig. 179. Die Kerne sind verschwunden; die beiden Thierleiber in große Körner umgesetzt. Fig. 180. Die Körner werden kleiner. Fig. 181. Sie nehmen eine spindelförmige Gestalt an. Fig. 182. Die Scheidewand ist verschwunden, der Navicellenbehälter vollständig hergestellt. in Ringelwürmern, Krustenthieren, Tausendfüßen und Insekten, sehr selten in Weichthieren und anderen Würmern schmarotzend gefunden wurden. Die ganze Ordnung ist trotz vieler genauer Untersuchungen der Neuzeit nur sehr unvollständig bekannt und dürfte später vielleicht gänzlich aufgelöst oder den Protozoen einverleibt werden. Die Gestalt dieser Thiere ist cylindrisch oder eiförmig, zuweilen mit abgeschnürtem Kopfende, an dem sich weiche Fortsätze und Lappen entwickeln, ohne daß ein wahrer Kopf vorhanden wäre. Das ganze Thier selbst be- steht aus einer glashellen, homogenen Körperhülle, auf welcher nur bei einigen Arten steifere Härchen, die aber unbeweglich sind, oder selbst Flimmerhärchen sich entwickeln. Die Thierchen bewegen sich äußerst träge durch Zusammenziehungen ihres Körpers, schwellen durch Einsaugung von Wasser an, haben sichtlich ein gewisses Tastgefühl, welches sie Hindernisse vermeiden läßt, zeigen aber in ihrem Innern keinen weitern Inhalt als einen dunkeln Kern und eine eiweißartige Flüssigkeit, in welcher sich Fettkörperchen befinden. Einige dieser Thiere scheinen einfache Zellen; andere sind offenbar aus zwei Zellen zusam- mengesetzt, deren jede einen Kern hat. Nach diesen Unterschieden, so wie nach der äußeren Form, hat man mehrere Gattungen, selbst Fa- milien unter den Gregarinen aufgestellt, die indeß noch weiterer Be- stätigung durch die Entwickelungsgeschichte bedürfen. Höchst eigenthümlich ist die Fortpflanzungsweise dieser mikrosko- pischen Schmarotzer, die freilich erst unvollständig beobachtetwo rden ist. Je zwei Gregarinen legen sich mit gleichnamigen Stellen ihres Leibes zusammen und kleben anfänglich so fest aneinander, daß ihre Tren- nung unthunlich erscheint. Nun bildet sich um die beiden Körper eine helle Kapsel, welche sie vollständig einschließt; — innerhalb dieser Kapsel verschmelzen die beiden Körper vollständig in eine einzige Masse, welche gekörnt erscheint und durchaus keine Spur von weiterer organischer Aus- bildung zeigt. Die ganze Kapsel sieht nun gewissermaßen einem Ei mit Dottermasse ähnlich. In dem Inhalte dieser Kapsel bildet sich aber allmäh- lig eine große Masse von Keimkörnern aus, die eine kahnförmige Gestalt haben und in vielen Beziehungen den Navicellen gleichen, kleinen mi- kroskopischen Pflänzchen aus der Familie der Bacillarien, welche man häufig zu den Infusorien gerechnet hat. Man kannte diese soge- nannten Navicellenbehälter schon seit langer Zeit besonders aus den Fortpflanzungsorganen des Regenwurms und hatte sie sogar theilweise für Produkte der Geschlechtsorgane dieses Thieres, für Eier desselben erklärt, bis man später diesen Irrthum erkannte. Nach vollständiger Ausbildung der Keimkörner gehen diese Behälter entweder ganz mit dem Kothe des Wohnthieres ab oder sie platzen vorher in dem Darme desselben, so daß nur die Keimkörner entleert werden. Das weitere Schicksal, die fernere Entwickelung der Keimkörner, die Art und Weise, wie die Gregarinen wieder in die Thiere gelangen, deren Darmkanal von ihnen bewohnt wird, ist gänzlich unbekannt, weßhalb auch fer- nere Beobachtungen gewiß noch bedeutenden Modificationen des jetzt über die Gregarinen Bekannten bringen werden. 12* Fig. 183. Echinorhynchus. Die Ordnung der Kratzer ( Acanthoce- phala ) enthält nur eine einzige Gattung, Echinorhyn- chus. deren Arten aber sehr zahlreich sind und von welchen die größte Art, ein Wurm, der zuweilen eine Länge von 1½ Fußen erreicht, in dem Darme der bei uns ein- heimischen Schweine, der wilden wie der zahmen, ziemlich häufig vorkommt. Die Kratzer haben einen schlauchförmigen quergeringelten Körper, welcher vorne einen Hakenrüssel zeigt, der wie schon angegeben in eine Scheide zurückgestülpt werden kann. Die in Reihen gestellten Häkchen sind rückwärts gewendet und dienen besonders als Halter, so wie zum Durchboh- ren der Darmwände und Gewebe des Körpers. Der Rüssel, sowie seine Scheide werden von eigenen Mus- keln bewegt. Zwischen der Oberhaut und der Leder- haut liegt ein Netz weitmaschiger, wandungsloser Kanäle, die in einer meist röthlich gefärbten weichen Masse ausgehöhlt sind und hauptsäch- lich die Einsaugung von Flüssigkeiten zu vermitteln scheinen. Diese scheint fast gänzlich in dem Willen des Thieres zu liegen, denn man sieht die Kratzer sich abwechselnd vollsaugen und dann die Flüssigkeit vielleicht durch feine Oeffnungen der Haut wieder auspressen. Mit diesem Sy- steme einsaugender Kanäle stehen zwei bandförmige Organe, die so- genannten Lemniscen, in Verbindung, welche von der Rüsselscheide aus in die Leibeshöhle hineinragen und die ebenfalls von wandungs- losen Kanälen durchzogen sind. Verdauungsorgane und sonstige innere Organe fehlen durchaus. Die Geschlechter sind getrennt. Die klei- neren Männchen haben stets zwei ovale Hoden, deren Ausführungs- gänge durch eigenthümliche Drüsen hindurch in eine schiefe napfförmige Tasche münden, welche sich auf die weibliche Geschlechtsöffnung bei der Begattung aufkittet. Die großen Weibchen zeigen an der Rüssel- scheide ein frei herabhängendes Band, an welchem die Eierstöcke her- vorsprossen, um sich später loszulösen und in die Bauchhöhle zu fallen. In diesen losen Eierstöcken entwickeln sich die langen Eier, die meistens eine faserige Hülle besitzen und dadurch ein eigenthümliches Aussehen erhalten. Die ausführenden Geschlechtsorgane bestehen aus einem, mit trichterförmiger Mündung in die Leibeshöhle mündenden Schlauche, welcher äußerst beweglich ist, die reifen Eier förmlich einschluckt und nach Außen befördert. Man hat in diesen reifen Eiern auch schon hie und da Embryonen wahrgenommen, die selbst in einzelnen Fällen einige Häkchen erkennen ließen, kennt aber über die weitere Entwicklung, sowie über etwaige Wanderungen dieser Kratzer durchaus noch keine speciellen Thatsachen. Bei den Menschen schmarotzt kein Wurm dieser Ordnung, dagegen sind sie bei den Säugethieren nicht selten und am häufigsten bei Fischen, wo sie besonders mit ihren Rüsseln in der Darmwand festgehakt sitzen. Die Ordnung der Saitenwürmer ( Gordiacei ) besteht nur aus einigen wenigen außerordentlich dünnen, sehr lang gezogenen, drahtähnlichen Würmern, die unter dem Namen der Wasserkälber be- kannt sind. Die Haut dieser Würmer ist lederartig, schwärzlich und saugt außerordentlich leicht Flüssigkeiten ein. Der röhrenförmige Darmkanal hat niemals einen After und bei dem eigentlichen Wasser- kalbe ist der Mund kaum zu entdecken. Die Geschlechtsorgane sind röhrenförmig, die Geschlechtsöffnung am hintern Ende. Die Eier werden in langen Schnüren in das Wasser abgesetzt. Die Männchen haben an dem Ende des Hinterleibes eine Zange oder hornige Begat- tungsglieder. Das eigentliche Wasserkalb ( Gordius ) schmarotzt in der Leibes- höhle der verschiedenartigsten Land- und Wasserinsekten, vorzugsweise aber in Heuschrecken, wo diese im Verhältnisse zu ihren Gastwirthen riesengroßen Würmer auf einen Knäuel zusammengeballt liegen, so daß oft die im Bauche gelegenen Organe dieser Thiere ganz von ihnen zusammengedrückt sind. Zur Zeit der Geschlechtsreife wahrscheinlich, brechen diese Würmer zwischen den Ringen des Hinterleibes ihrer Gast- wirthe durch, um in das Freie, in Gräben, Tümpel oder Brunnen zu gelangen. Auf dem Trockenen können sie nicht leben, sie verschrum- pfen gänzlich und werden zerbrechlich, wie ein horniger Faden. In diesem Zustande aber bleiben sie lange lebensfähig und erwachen wie- der vollständig, sobald sie benetzt werden. So ist es ihnen möglich, auch wenn sie beim Ausbrechen aus dem Insekte in’s Trockene gelan- gen, nach eingetretenem Regen geeignete Pfützen für ihre Brut zu suchen. Wie diese später wieder in die Insekten gelangt, wie sie namentlich in solche Raupen kommt, welche niemals das Wasser be- wohnen, ist bis jetzt noch durchaus unbekannt, sowie auch die Ent- wickelung der Jungen in dem Ei zur Stunde noch nicht beobachtet ist. Mermis; Gordius. Die Ordnung der Fadenwürmer ( Nematoidei ) ist die Fig. 184. Der gewöhnliche Spulwurm Ascaris lumbricoides. Bei b sieht man den Mund von oben, mit den drei harten, vorspringenden Wülsten, die ihn bei dieser Art umgeben; bei c das Hinter- ende des Männchens mit den beiden vorstehenden hornigen Begattungswerkzeugen ( Spi- cula. ) zahlreichste Ordnung der Rundwürmer und auch diejenige, welche durch einige im Menschen selbst vorkommende Schmarotzer am besten bekannt ist. Die Fadenwürmer erreichen keine so unge- messene Länge, wie die Saitenwürmer, erschei- nen aber dafür in ihren ausgewachsenen Indi- viduen meist dicker und der Untersuchung zu- gänglicher. Ihre Haut ist leicht in die Quere gerunzelt, lederartig, straff, mit bedeutender Einsaugungsfähigkeit begabt, die indeß nicht von dem Willen des Thieres beherrscht wird, so daß dieselben sogar, wenn man sie aus dem dichtern Darmschleime in reines Wasser bringt, oft bis zum Bersten sich vollsaugen. Ihre Be- wegungen, welche durch eine gegitterte Mus- kelschicht unter der Haut bewirkt werden, sind meist lebhaft schlängelnd. Das Nervensystem ist deutlich aus einem sehr dünnen Schlund- Fig. 185. Fig, 186. Sclerostoma equinum aus dem Darme des Pferdes. Fig, 185. Das Männchen. Fig. 186. Das ringe und zwei seitlichen Nerven- stämmen gebildet. Der Mund befindet sich am vordern Ende des Körpers und der davon ausgehende Ver- dauungskanal läuft meist grade durch den Körper hindurch, um sich am entgegengesetzten Ende zu öffnen. Der Mund selbst ist meist mit Kno- ten und Wülsten, selten mit Horn- zähnen umgeben, der Schlund oft sehr lang und mit einem rund- lichen Schlundkopfe versehen. Zu- weilen ist der ganze Schlund und der Schlundkopf mit einem festen hornigen Ueberzuge oder mit beweg- lichen, hornigen, vorspringenden Wülsten innen besetzt. Die Gefäße sind äußerst geringfügig und beste- hen hauptsächlich aus zwei Längs- kanälen, welche unmittelbar unter der Körperhaut verlaufen. Die bei- den Geschlechter, welche überall vor- kommen, sind sowohl durch ihre Weibchen, beide von oben her durch einen Längsschnitt geöffnet und die Organe so ausgebreitet, daß sie möglichst in natürlicher Lage bleiben. a Der Mund, von einem schwieligen Wulste umgeben. b Schlund- kopf. (Zwischen beiden sieht man beim Männ- chen Fig. 185 die zwei feinen, seitlichen Nerven- knötchen). c Darm. d. Längsgefäß des Kör- pers. e Hoden. f Samenblase. g Muskulöse Anheftungsfäden des Penis. h Schwanz- blase des Männchens. k Drüsen. l After. m Eierstöcke. n weibliche Geschlechtsöffnung. Größe, als auch durch ihre äu- ßere Gestalt meist sehr leicht zu unterscheiden. Bei den Weib- chen befindet sich nämlich die von einem auffallenden Wulste umge- bene Geschlechtsöffnung entweder in der Mitte des Körpers oder selbst weiter nach vornen gegen den Mund hin, während bei den Männchen dieselbe stets in der Mitte des Schwanzendes angebracht und oft mit hornigen Begattungswerkzeugen versehen ist. Die inneren Ge- schlechtsorgane bestehen bei dem Männchen aus einem einzigen röh- renförmigen Hoden, der durch eine längere Röhre in das bald ein- fache, bald doppelte hornige Begattungsorgan ausmündet und stets unbewegliche Samenthierchen enthält. Bei den Weibchen findet sich in der Familie der Spulwürmer ein doppelter Eierstock, bei den Pfahl- würmern dagegen ein einfacher. In diesen Eierstöcken, welche meist um den Darm herumgewunden sind, erblickt man die Eier stets auf stufenweiser Entwickelung und häufig sieht man in dem letzten erwei- terten Theile des Eileiters, welcher nach außen mündet, und den man oft auch Uterus genannt hat, schon ausgeschlüpfte Junge, die ganz die Gestalt der erwachsenen Rundwürmer haben. Die weitere Ausbildung dieser Rundwürmer bietet manche merkwürdige Verhältnisse dar. Zu- weilen scheint sich eine besondere Wanderlust der erwachsenen Indivi- duen zu bemächtigen. Es brechen dann Spulwürmer ( Ascaris ) sogar durch die Darmwandungen hindurch, während die bei Kindern so häufigen Spitzschwänze ( Oxyuris ) durch den After auswandern. Es scheinen diese Wanderungen mit der Reife der Eier und Jungen zu- sammenzuhängen, die entweder nach außen geschafft, oder aber, wie es scheint, in vielen Fällen sogar in die Blutgefäße des Wohnthieres ab- gesetzt werden. Die meisten Fadenwürmer, welche man kennt, hat man bis jetzt nur in erwachsenem Zustande gesehen. Die Jungen des so häufig beim Menschen vorkommenden Spulwurmes z. B. sind gänz- lich unbekannt. Dagegen hat man bei Fröschen beobachtet, daß die erwachsenen Fadenwürmer ihre Jungen in die Blutgefäße selbst ab- setzen und daß diese Jungen eine Zeitlang in den Blutgefäßen kreisen, bis sie an irgend einem geeigneten Orte die feinsten Haargefäße durch- brechen und sich nun für einige Zeit verpuppen. Sie bilden sich näm- lich eine Anfangs ganz helle, später meist braun werdende Kapsel um, in welcher sie spiralförmig gerollt liegen und die sie später ver- lassen, um ihren im erwachsenen Zustande ihnen angewiesenen Aufent- haltsort aufzusuchen. Man findet diese eingekapselten jungen Faden- würmer sehr häufig in den verschiedenen Organen des Unterleibes der Frösche, im Gekröse, in der Leber, in den Darmhäuten und kann sich besonders an dem durchsichtigen Gekröse kleinerer Thiere leicht über- zeugen, daß sie stets den Blutgefäßen entlang gereiht sind. Diese so verpuppten Fadenwürmer zeigen niemals Geschlechtsorgane, welche sich erst ausbilden, sobald der Wurm die Puppenhülse durchbrochen hat; häufig aber verirren sich die Würmchen an Orte, die ihrer Entwick- lung nicht günstig sind. In solchen Fällen sterben sie meist in ihren Puppenhülsen ab, die dann verkalken und als steinige Knötchen im Gewebe zurück bleiben. Dies ist namentlich der Fall bei einem Wurme, den man in neuerer Zeit einigemale in unzähligen Exemplaren in dem Muskelfleische des Menschen selbst gefunden und mit dem Namen Trichina spiralis bezeichnet hat. Wir theilen die Fadenwürmer in drei Familien. Bei den einen, den Spulwürmern ( Ascarida ), findet man doppelte Eierstöcke bei den am häufigsten vorkommenden Weibchen. Hieher gehört der Spul- wurm ( Ascaris ) selbst, welcher in dem Darmkanale des Menschen lebt und nur dann Beschwerden verursacht, wenn er in allzu großer Zahl angehäuft ist; der Fadenwurm der Tropengegenden ( Filaria medinensis ), welcher sich in die Haut einbohrt und dort Geschwüre bildet, die endlich, wenn der Wurm seine Brut absetzen will, aufbre- chen. Man wickelt ihn dann durch höchst langsames Aufwinden her- aus und hütet sich sehr, ihn zu zerreißen, da seine Leibeshöhle eine ätzende Flüssigkeit enthält, welche auf das Geschwür vergiftend ein- wirkt. Zu dieser Gruppe gehören ferner die in dem Mastdarme der Kinder so oft vorkommenden Pfriemenschwänze ( Oxyuris ), von denen man bis jetzt nur einmal die Männchen, sonst aber unzähliche Weibchen vorgefunden hat. Zur Familie der Pfahlwürmer ( Strongylida ) gehört der Rie- senwurm ( Strongylus gigas ), welcher in den Nieren des Schweines und auch, in höchst seltenen Fällen, des Menschen vorkömmt, eine Länge von mehreren Fußen erreicht und durch seine Zerstörung des Organs stets den Tod des Individuums herbeiführt, so wie der ganz unschädliche Peitschenwurm des Menschen ( Trichocephalus dispar ), dessen vorderes Ende außerordentlich lang und dünn, das hintere dagegen, in welchem die Geschlechtsorgane liegen, etwas dicker ist. Die Familie der Aalwürmchen ( Anguillulida ) besteht aus kleinen rundlichen Fadenwürmchen mit spitzem, bei einer Gattung warzigem Schwanzende, die in großen Mengen in gährenden und faulenden Stoffen vorkommen. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt in der Mitte des Körpers oder etwas mehr nach vornen; die männliche, mit einem einfachen, hornigen Begattungsorgane versehene, weit nach hin- ten am Beginn des Schwanzendes. Der rundliche, endständige Mund ist unbewaffnet, der Darm gerade, meist mit einem zwiebelar- tigen dickeren Schlundkopfe versehen. Eierstock und Hoden bilden einen einfachen Schlauch. Die bekannten Essigälchen und Kleisterälchen, so wie die im Mutterkorn und im rostigen Getreide vorkommenden Würmchen gehören dieser Familie an. Die Eier entwickeln sich meist im Leibe der Mutter, so daß sie lebendige Junge gebären. Klasse der Plattwürmer. ( Platyelmia. ) Es zeichnen sich die Thiere, welche wir in dieser großen und Fig. 187, Diplostomum. Von dem vorderen kleinen Saug- napfe, der zugleich Mund ist, geht der anfangs einfache Darm aus, der sich dann theilt, die beiden großen hinteren Saugnäpfe umfaßt und gabelförmig blind hinten endet. zahlreichen Klasse zusammenstellen, auf den ersten Blick vor den übrigen Wür- mern durch eine bedeutende Abplattung ihres Körpers aus, die selbst dann noch bemerkbar ist, wenn der Körper, wie bei den Schnur- und Bandwürmern, eine ansehnliche Länge erreicht. Die meisten Gattungen freilich haben eine mehr ellip- tische platte Gestalt, die zuweilen fast scheibenförmig wird. Wir erkennen unter den Plattwürmern zwei große Abthei- lungen, welche ebensowohl durch ihren äußern Charakter, wie durch ihre Lebens- art sich auszeichnen. Die Einen schma- rotzen in andern Thieren und besitzen eine nackte, stets farblose Haut, in wel- cher meist weiße undurchsichtige Kalkhörner in Masse abgelagert sind; sie entbehren höhere Sinnesorgane und leben nur von Säften ihrer Wohnthiere; — die andern leben frei in dem Wasser, sind meistens gefärbt und zeigen Fig. 188 Planaria. Anatomie einer Planarie. Die Haut des Rückens ist wegge- nommen. a Schlundröhre. b Magen- höhle, von welcher viele verzweigte Blind- därme ausgehen, die nur auf der rechten Seite gezeichnet sind. c Nervensystem, da- hinter die Augenpunkte. d Männliche Ge- schlechtsöffnung. e Hoden. f Weibliche Geschlechtsöffnung. g Eileiter. Auf der linken Seite sieht man den Eileiter mit Eiern angefüllt, die außerdem im Gewebe zerstreut sind. auf der Oberfläche entweder über- all oder nur an einzelnen Stellen deutlich ausgeprägte Wimperorgane, die ihnen besonders beim Schwim- men förderlich sind, und wesentlich als Bewegungsorgane dienen. Die Haut der Plattwürmer hat niemals jene derbe Beschaffenheit wie die der Rundwürmer, und bei einigen frei lebenden Gattungen geht sogar diese Weichheit soweit, daß sie bei Mißhandlungen förmlich zerfließen, in ähnlicher Weise wie die Infu- sorien. Die neueren Untersuchungen ha- ben bei allen Plattwürmern ohne Ausnahme ein Nervensystem er- kennen lassen. Es besteht dasselbe stets aus zwei seitlichen Knoten, welche in den niedern Ordnungen sehr unscheinbar sind, in den höhern aber zuweilen eine ziemliche Größe erreichen und dann auch öfter aus mehreren Knoten zusammengesetzt erscheinen. Es liegen diese Knoten stets in der vordern Hälfte des Körpers, meist sogar ganz nahe an dem Kopfende, und sie sind durch ein schmales Bändchen von Nervensubstanz, welches bei den Gattun- gen mit endständigem Munde unter dem Schlund liegt, mit einander verbunden. Oft rücken diese seitlichen Nervenknoten auch so nahe zu- sammen, daß sie förmlich in der Mittellinie mit einander verschmelzen und nur einen einzigen zweischenklichen Knoten darstellen. Von die- sem Knoten aus laufen zwei, meist ziemlich dünne Nervenstämme zu beiden Seiten des Körpers hinab, um sich in die Körpersubstanz zu vertheilen, während von den Hauptnervenknoten einige weniger bedeu- tende Fäden nach vorn strahlen, die sich an die Organe des Kopf- endes verästeln. Sinnesorgane kommen nur den freilebenden Plattwürmern zu; sie bestehen in einer gewissen Zahl von Augen, die sich meist durch einen schwarzen Farbstoff auszeichnen und symmetrisch zu beiden Seiten an dem Kopfende vertheilt sind. Man hat in diesen Organen mit Bestimmtheit einen runden lichtbrechenden Körper, eine wahre Linse wahrnehmen können und an vielen auch die Nerven- fäden, welche darin endigen, dargestellt. Zuweilen sitzen diese Au- gen unmittelbar auf den Centralnervenknoten auf und werden von der Körperhaut gänzlich überzogen und verdeckt. Die gefärbten Flecken, welche man in dem Nacken mancher Larven schmarotzender Plattwür- mer wahrnimmt, scheinen dieser lichtbrechenden Körper zu entbehren und können demnach nicht wohl als Augen angesehen werden, wenn sie gleich als Rudimente oder Andeutungen solcher Organe gelten können. Bei den niedern Gattungen der schmarotzenden Plattwürmer sind die Bewegungen meist nur sehr unvollkommen und träge und werden durch die Zusammenziehungen des ganzen Körpers ausgeführt, zu welchem Zwecke unter der Haut ein maschenförmiges, sehr fein faseriges Muskelnetz angebracht ist. Bei den höhern Gattungen lassen sich meist förmliche Bündel unterscheiden, die bei der Weichheit des ganzen Körpergewebes zuweilen eine so außerordentliche Contractilität bedingen, daß diese Thiere auf ein Zehntel ihrer ursprünglichen Länge sich zusammenziehen können. Dieser bedeutenden Zusammenziehung wegen werden auch die Plattwürmer meist beim Aufbewahren, sei dies nun in trockenem Zustande oder in Flüssigkeiten, sehr un- kenntlich. Die freilebenden Plattwürmer gleiten mit großer Schnellig- keit sowohl an Flächen fester Körper, als auch an der Oberfläche des Wassers fort, wobei, wie es scheint, ihre Wimperhaare eine nicht unbe- deutende Rolle spielen. Die schmarotzenden Plattwürmer haben alle mehr oder minder bedeutend ausgebildete Organe zum Festhalten, welche theils aus Saugnäpfen, theils aus einziehbaren Haken und Hakenrüsseln bestehen. Die Saugnäpfe sind schüsselförmige Organe von äußerst muskulösen Schichten gebildet, welche meist in grö- ßerer Zahl vorhanden sind; nur bei einigen Gattungen ist ein mitt- lerer vorderer Saugnapf zugleich der Mund, während sonst diese Or- gane stets undurchbohrt sind und nur zum Anheften dienen. Meist sind die Saugnäpfe einfach rund und ohne weitere Complication — oft aber finden sich gefranzte Ränder, Hornleisten und selbst sehr ent- wickelte Horn- und Hakengerüste im Innern der Saugnäpfe selbst, welche das Festhalten durch dieselben unterstützen. Außer diesen Saug- näpfen kommen auch einzelne Vertiefungen in der Leibeshaut vor, welche man unter dem Namen von Sauggruben unterschieden hat. Zuweilen sind diese Sauggruben noch außerdem durch oft sehr com- plicirte Horngerüste unterstützt und mit Haken und Stacheln besetzt, wodurch sich die Thiere mit äußerster Hartnäckigkeit an den Organen ihrer Gastwirthe festklammern können. Bei den Bandwürmern findet man einfache oder doppelte Hakenkränze, die auf einem mehr oder minder bemerkbaren, der Einstülpung fähigen Fortsatze festsitzen und an dem vordern Ende des Kopfes zwischen den Saugnäpfen ange- bracht sind. Jeder der nach rückwärts gekrümmten Haken ist einzeln für sich beweglich und bei manchen Gattungen gehen diese Haken leicht verloren, so daß frühere Beobachter sie für unbewaffnet hielten. Ein eigenthümlicher Typus der Bandwürmer, welcher wahrscheinlich nur ein Larvenzustand ist, Vier-Rüßler, Tetrarhynchus, besitzt vier, oft sehr lange, in eigene Scheiden zurückziehbare Rüssel, die in ihrer ganzen Länge mit außerordentlich vielen scharfen Hornhäkchen besetzt sind und welche die Thiere mit großer Geschicklichkeit zu benutzen wissen, um durch das Körpergewebe ihrer Gastwirthe sich einen Weg zu bahnen. Die Verdauungsorgane der Plattwürmer sind nach sehr verschiedenen Typen angeordnet. Bei den Bandwürmern sieht man Fig. 189. Zwei Glieder eines Bandwurmes ( Taenia solium ) vergrößert. Man sieht die seitlichen Darmröhren, durch Queräste verbunden und die abwechselnd an den Seiten hervorstehenden männlichen Begattungsor- gane. Im Gliede a ist die von dem vollen Eierstocke ge- zwei seitliche Längsgefäße, welche untereinander durch Queräste in Verbindung stehen, aber überall geschlossen sind, so daß weder ein Mund noch ein After vorhanden ist. Bei den Saug- würmern und den Sohlenwürmern ist ein Mund vorhanden, aber kein After und bei den ersteren führt dieser Mund meist in zwei seitliche blind endende Darmschläuche, die oft äußerst verzweigt sind, während bei den Sohlenwürmern zuweilen die Verzweigung unmittelbar am Munde be- ginnt, der mit einer langen, sehr beweglichen Schlundröhre versehen ist, welche zum Einschlucken der Nahrung hervorgestreckt wird. Bei den Schnurwürmern endlich findet sich ein meist grader Darmkanal, welcher bei den höher ent- wickelten Gattungen auch einen After zeigt und noch außerdem oft mit einem unabhängigen Tast- und Greiforgan, einem bewaffneten Rüs- sel, in indirecter Verbindung steht. Das Gefäßsystem ist überall erkannt, bietet aber so große Unregelmäßigkeiten dar, daß wir es bei den einzelnen Ordnungen näher betrachten müssen. Nirgends kann man ein bildete Figur enthalten; im Gliede b dagegen dieselbe weg- gelassen und dafür die Aus- führungsgänge der männli- chen Organe dargestellt. eigentliches Herz unterscheiden, nur bei den höheren Familien findet man einzelne Ausbuch- tungen der Stämme und meistens eine größere Blase in der Umgebung des Central-Nerven- systemes, so daß dieses förmlich im Blute gebadet erscheint. Bei die- sen Familien haben denn auch die Gefäßstämme eine selbstständige Contractilität und die Ernährungsflüssigkeit, das Blut, zeigt eine mehr oder minder gesättigte rothe Färbung, während bei den niedern Fami- lien die Ernährungsflüssigkeit ungefärbt ist und die Gefäße sich nur äußerst schwierig unterscheiden lassen. Bei allen Plattwürmern kommen Geschlechtsorgane vor und zwar sind die Bandwürmer, die Saugwürmer und die Sohlenwürmer Hermaphroditen, während bei den Schnurwürmern getrennte Geschlech- ter vorhanden sind. Auch hier sind die Typen äußerst verschieden, so daß wir dieselben bei den einzelnen Ordnungen behandeln müssen, ebenso wie die Entwicklung der Eier und der Jungen, welche oft auf die merkwürdigsten Zufälle angewiesen ist. Man wurde erst in der neuesten Zeit auf die eigenthümlichen Larvenzustände und Wanderun- gen, welche mit diesen Larvenzuständen verbunden sind, so wie auf die Knospung und Ammenzeugung aufmerksam, welche bei den schma- rotzenden Plattwürmern eine ungemein große Rolle spielt. In Folge dieser, meist noch sehr unvollständigen Beobachtungen, ist zwar jetzt schon die Klassifikation dieser Würmer eine durchaus andere geworden, es kann aber wohl nicht bezweifelt werden, daß die Vervollständigung dieser Entdeckungen noch manche große Aenderung hervorbringen werde und daß wir viele jetzt noch weit von einander getrennte Gattungen, die in ganz verschiedenen Thieren hausen, später als zu- sammen gehörende Entwicklungsstufen eines und desselben Wesens erkennen werden. Wir theilen die Plattwürmer zuerst in zwei große Unterklassen, die sich durch ihre Lebensart und die Beschaffenheit der Haut wesent- lich unterscheiden: die schmarotzenden Plattwürmer und die freien Plattwürmer , und jede dieser Unterklassen wieder in zwei Ordnungen, die Bandwürmer und die Saugwürmer einerseits und die Sohlenwürmer und Schnurwürmer andererseits. Die Bandwürmer ( Cestoidea ) haben meist einen sehr langen Fig. 190. Der menschliche Bandwurm ( Taenia solium ) . Man sieht das vordere Ende mit dem feinen Kopfe, den unentwickelten Hals- gliedern und den mehr entwickelten Mittelgliedern, an deren Seiten meist abwechselnd die Begattungsorgane hervorstehen. und aus einzelnen Gliedern zusammengesetzten Leib, welche durch un- vollständige Knospung aus einem kopfähnlichen, oft deutlich abge- trennten vordern Endgliede hervorsprießen. Die Haut der Band- würmer ist weich und zart, ihr Muskelsystem sehr wenig entwickelt, ihre Bewegungen äußerst träge, theils auf die einzelnen Glieder, theils auf abwechselnde Zusammenziehungen und Ausdehnungen des ganzen Körpers beschränkt. Das äußerst unbedeutende, aus zwei zarten, durch einen sehr dünnen Verbindungsfaden vereinigten Knötchen bestehende Nervensystem liegt in dem dünnen Kopfende und sendet zwei sehr feine seitliche Nervenstämme nach hinten, die sich nur in dem vordern Endgliede verfolgen lassen. Die weitern Glieder, welche bei den ty- pischen Bandwürmern vorkommen, sind um so vollkommener ausgebildet, je weiter sie von dem Kopfe abstehen; aber auch bis zu dem Mo- mente ihrer Reife, wo sie sich lostrennen, sieht man niemals eine Spur von Nervensystem in ihnen entwickelt. Bei den jungen Indi- viduen einiger Gattungen finden sich im Nacken Pigmentflecken, die im Alter verschwinden. Das Gefäßsystem der Bandwürmer besteht aus Längsgefäßen, welche sich durch alle Glieder fortsetzen und unter denen sich zwei auf den Seiten neben den rudimentären Darmröhren besonders auszeich- nen, während zugleich zwei andere der Mittellinie sich näher befinden. Diese Gefäße sind durch zahlreiche Queräste mit einander verbunden, welche sich kaum verästeln. Die Bewegung des farblosen Blutes in ihnen wird durch die Zusammenziehungen des Körpergewebes hervor- gebracht. Unabhängig von diesen Gefäßen sind diejenigen Längs- kanäle, welche man für verkümmerte Darmröhren ansieht und die in jedem Gliede durch ein Quergefäß mit einander verbunden sind. Man glaubte früher, daß diese seitlichen Darmröhren mit den Saugnäpfen in Verbindung stünden, deren sich vier ins Kreuz ge- stellt an dem äußerst dünnen Kopfende der eigentlichen Bandwürmer vorfinden. Diese Saugnäpfe sind indessen nur schüsselförmige Vertie- fungen, welche undurchbohrt sind und zwischen welchen der doppelte oder einfache Hakenkranz sich befindet, der meist auf einem kleinen Vorsprunge sich befindet und aus feinen, rückwärts gebogenen Häk- chen zusammengesetzt ist. Bei den sogenannten Grubenköpfen sind diese Saugnäpfe durch eine längliche Sauggrube ersetzt und bei eini- gen unvollständigen Bandwürmern fehlt jede Art von Bewaffnung. Die Fortpflanzungsorgane sind bei den eigentlichen Band- würmern ganz ungeheuer entwickelt und in unendlicher Zahl vor- handen. Es enthält nämlich ein jedes Glied ein weibliches und ein männliches Geschlechtsorgan. Abgesehen von den übrigen Organen könnte man nach den Geschlechtsorganen jedes abgelöste Glied eines Bandwurmes für ein hermaphroditisches Individuum, für einen aus- gebildeten Plattwurm erklären, was um so thunlicher erscheint, als bei vielen Arten diese losgelösten Glieder eine große selbstständige Be- weglichkeit besitzen und nach der Loslösung lange fortleben. Die Eier- stöcke bilden in jedem Gliede eine mehr oder minder verzweigte Masse, welche in einer gewundenen oder graden Röhre nach außen mündet, ent- weder mit einer besondern Oeffnung oder in einer gemeinschaftli- chen Mündung mit den männlichen Geschlechtsorganen. Diese be- stehen aus einem vielfach gewundenen Hodenschlauche , der in eine Samenblase und von da in ein meist heraushängendes Begattungs- organ übergeht. Die Eier sind in einem einzigen Gliede schon in außerordentlicher Anzahl aufgehäuft, mikroskopisch klein und ent- weder von einer einfach braunen Eihülle umgeben, oder durch viel- fache Kapselhäute eingeschlossen, welche ihnen oft ein höchst seltsames Ansehen geben. Es widerstehen diese Eier allen chemischen Agentien mit außerordentlicher Hartnäckigkeit und es ist daraus erklärlich, wie sie in faulenden Stoffen, in Dünger und Koth jahrelang ihre Lebens- fähigkeit behaupten. Eigenthümliche Erscheinungen bietet die Fortpflanzungs- weise der Bandwürmer dar. Das kopfähnliche Endglied, welches in der Darmhaut festsitzt, erreicht wahrscheinlich ein sehr hohes Alter. An seinem hintern Ende sproßt knospend ein Glied hervor und wäh- rend dieses wächst, sproßt stets wieder ein neues und abermals ein neues, so daß der Wurm allmählig eine oft ungeheure Länge — man sagt bis zu fünfzig Ellen und mehr bei den den Menschen be- wohnenden Arten — erreicht. Das jüngste Glied ist stets das un- mittelbar am Kopfende befindliche, das älteste das hinterste Glied. Je älter die Glieder werden, desto mehr entwickeln sich in ihnen die Ge- schlechtsorgane. In reifen Gliedern sind Eierstöcke und Eileiter strotzend mit Eiern angefüllt, in denen sich zuweilen schon die Embryone er- kennen lassen. In diesem Zustande lösen sich die Glieder ab, bei den Bandwürmern einzeln, bei den Grubenköpfen in ganzen Reihen und werden mit dem Kothe nach außen geführt. Die Abstoßung der Glieder, welche zur regelmäßigen Zeit wiederkehrt, ist also ein wahres Aussäen einer ungeheuren Anzahl von entwicklungsfähigen Eiern, welche in dem Gliede eingeschlossen sind und auf irgend eiue Weise wieder in ein Thier hineinkommen müssen, in dessen Innern sie wohnen können. Millionen dieser Eier gehen wahrscheinlich zu Grunde, ohne an einen solchen Ort zu gelangen; da aber bei einer jeden Ab- stoßung von Gliedern auch Millionen von Eiern ausgesäet werden, so ist dennoch die Erhaltung der Art auf diese Weise gesichert. Bei eini- gen Arten von Bandwürmern haben die abgestoßenen Glieder eine große Beweglichkeit, wodurch sie gewissen Saugwürmern sehr ähnlich werden. In der That glaubten auch einige Naturforscher diese losgestoße- nen Bandwurmglieder als eigene Individuen ansehen und den Band- wurm als ein zusammengesetztes Thier, ähnlich einem Polypenstocke auffassen zu müssen. Andere betrachten das festsitzende Kopfende als eine Art Amme, welche durch Knospung aus sich die eigentlichen Thiere, die Bandwurm- glieder entwickelt, welche dann durch geschlechtliche Zeugung Eier und Embryonen entstehen lassen. Auch diese Ansicht, so sehr sie eine An- näherung an die Saugwürmer gewährt, hat den Umstand gegen sich, daß diese abgestoßenen Glieder nie ein selbstständiges Leben führen, sondern nur bewegte Kapseln oder durch äußere Knospung erzeugte unvollständige Ammen der Bandwurmeier sind. Man weiß noch nicht, auf welche Art die mit den abgestoßenen Gliedern zerstreuten Bandwürmer wieder an die Orte gelangen, wo sie sich entwickeln können. Die Verbreitung des menschlichen Gruben- kopfes ( Bothriocephalus latus ) giebt hier freilich einen Fingerzeig. Man findet denselben mit fast scharfer geographischer Abgrenzung in der Schweiz, in Holland und in Polen und zwar in allen diesen Län- dern an einzelnen Orten so häufig, daß fast jeder Mensch einen sol- chen Schmarotzer beherbergt, während in Deutschland und Frankreich nicht der Grubenkopf, sondern der eigentliche Bandwurm ( Taenia solium ) einheimisch ist. Deutsche und Franzosen, welche in die Schweiz kommen, holen sich dort den Grubenkopf, nicht aber den in ihrem Lande einheimischen Bandwurm und umgekehrt. In allen den Län- dern aber, wo der Grubenkopf so häufig ist, herrscht die Sitte, die Gartengewächse unmittelbar mit Jauche aus den Abtritten zu begießen und zu düngen. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß von den Millionen mikroskopischen Eichen, welche durch die abge- stoßenen mit dem Kothe fortgehenden Glieder in die Abtrittsjauche gelangen, einige mit Salat oder andern ungekochten Kräutern, die man genießt, hinabgeschluckt werden und wieder in den Darmkanal gelan- gen, wo sie sich entwickeln können. Indeß ist dies nur eine Hypothese; — über den Hergang der Ent- wickelung selbst kennen wir aber folgende Thatsachen. Die Embryo- nen, welche sich in den Eiern befinden, sind äußerst contractile Thier- chen, welche sich mit vieler Lebhaftigkeit strecken und zusammenziehen und am vordern Ende sechs hornige Häkchen ein- und ausschieben können. Man weiß nicht wie sich diese Embryonen weiter ausbilden, hat aber einige Fingerzeige dafür aufgefunden. In der Lungenhöhle der gewöhnlichen Wegschnecken kommen kleine Cysten, runde milchweiße Bälge vor, die nur 1/6 Linie groß sind und in ihrem Innern einen jungen Bandwurm enthalten, dessen Kopf und Fig. 192. Fig 191. Fig. 193. Fig. 191. Die Kapsel mit dem zusammengekugelten Bandwurm darin. Fig. 192. Derselbe ausgestreckt. Fig. 193. Reifer Tetrarhynchus, im Wandern begriffen. Bei allen Figuren bedeutet a Hakenrüssel, b Saugnäpfe, c Scheiden oder Höhle, worin die Rüssel zurückgezogen werden können, d Leib, e Undeutlich gegliederter Leibes- anhang, f Kapselhülle. Schwanz so in dem aufgeblähten Leib zurückgezogen ist, daß man Vogt. Zoologische Briefe. I. 13 einen Kopf eines Bandwurms in einem Saugwurmleibe zu sehen glaubt. Ist der Wurm ausgestreckt, so zeigt er vier große seitliche Sauglappen oder ovale Saugnäpfe, einen kegelförmigen Mund, der in eine Höhle führt, worin der Saugrüssel mit einem doppelten Hacken- kranze liegt und einen undeutlich gegliederten Leib, in dem man zarte, wasserhelle Gefäße sieht. Wie diese jungen Bandwürmer aus den in den Eiern befindlichen Embryonen entstehen, ob direkt durch Meta- morphose, ob indirekt durch Knospung in ähnlicher Weise, wie bei dem später zu erwähnenden Monostomum , ist noch durchaus unbekannt. Auch was später aus diesen jungen, eingekapselten Bandwürmern der Schnecken wird, weiß man nicht — wahrscheinlich bilden sie sich, nachdem die Schnecken von andern Thieren gefressen wurden, in der Weise aus, daß sie die Kapsel verlassen, sich festsetzen und hinten durch Knospung Glieder entwickeln, in denen Eier sich bilden. Für andere Bandwürmer hat man gefunden, daß besonders die Gattungen Scolex und Tetrarhynchus , die man häufig in den Eingeweiden der Seefische trifft, solche junge Kopfglieder sind, die sich später ansetzen und Glie- der treiben, während sie zugleich die Hakenrüssel verlieren, die ihnen besonders zum Wandern durch die Eingeweide der Fische hindurch sehr nützlich sind. Man glaubte bisher, daß diese Vierrüßler ( Tetrarhyn- chus ) auf dem Wege der Knospung innerhalb eines eingekapselten Saugwurmes entständen, indem man ihren aufgeblähten Leib, in wel- chen Rüssel und Schwanzende zurückgezogen waren, als ein besonderes Hüllenthier ansah. Wahrscheinlich ist auch bei diesen Vierrüßlern eine weitere Ueberpflanzung in andere Thiere nöthig, um vollständige Bandwürmer entstehen zu lassen. Wenigstens hat man solche Erschei- nungen anderwärts beobachtet. So findet sich z. B. in den Stichlingen äußerst häufig ein Grubenkopf, welcher mittelst Durchbrechen des Ge- kröses in die Leibeshöhle, seinen gewöhnlichen Wohnort, gelangt, aber niemals Geschlechtstheile erhält, so lange er in der Bauchhöhle der Fische lebt. Werden aber die Stichlinge von Wasservögeln gefressen, so entwickelt sich der Wurm im Darmkanale dieser warmblütigen Thiere vollständig und stößt mit reifen Eiern gefüllte Glieder aus, die mit dem Kothe der Wasservögel wieder an den Wohnort der Stichlinge gelangen und wahrscheinlich von diesen verschluckt werden, wenn nicht die ausgeschlüpften Embryonen von außen her in die Stichlinge sich einbohren. Wir sehen also, daß bei der ungemeinen Vermehrung der Keime, wie sie in den Bandwürmern vorkommen, wesentlich die Berechnung der Zufälle mit als Faktor eintritt, welche das Thier bei seiner Ent- wickelung zu durchlaufen hat. Oder ist es nicht ein Zufall zu nennen, wenn ein Stichling von einem Tauchvogel gefressen wird, und dieser Raub erst das Signal zu einer weitern Entwicklung des im Innern des Stichlinges lebenden Bandwurmes geben muß? Schon bei den Rundwürmern kamen ähnliche Verhältnisse vor, sie wiederholen in noch ausgedehnterem Maße sich bei eigenthümlichen krankhaften Ver- hältnissen der Bandwürmer, sowie bei den Saugwürmern. Während man früher glaubte, die Eingeweidewürmer müßten nothwendigerweise zu Grunde gehen, sobald sie den Körper ihres Wohnthieres verließen, so erscheinen jetzt im Gegentheile diese Wanderungen behufs weiterer Ausbildung als ein fast allgemeines Gesetz, das stets auf mehr Gat- tungen Anwendung findet, je mehr man sich von dem alten Glauben losmacht und die in einem bestimmten Thiere vorkommenden Würmer mit den Einwohnern derjenigen Thiere vergleicht, von welchen es sich nährt und denen es wieder zur Nahrung dient. Wir unterscheiden unter den Bandwürmern drei besondere Familien: die Nelkenwürmer ( Caryophyllida ) haben einen läng- lichen Körper ohne Gliederung, dessen eines Ende spitzig, das an- dere breit und sehr veränderlich in seiner Form ist. Die Geschlechts- theile sind nur einfach und münden in einer gemeinschaftlichen, an dem spitzeren Ende angebrachten Oeffnung. Das ganze Thier ist gleichsam nur ein einziges in Wurmform ausgezogenes Bandwurm- glied und vielleicht ebenso wie jene durch Knospung entstanden. In diesem Falle kennt man die Kopfenden, welche diese Nelkenwürmer ent- sprießen lassen, noch nicht mit Sicherheit und es würde dann die ganze Familie eingehen, während zugleich die Betrachtungsweise der Band- wurmglieder als unvollständige Ammen hierdurch eine neue Stärke erhielte. Eine zweite Familie bilden die Riemenwürmer ( Ligulida ) , lange, zusammengedrückte, riemenartige Würmer, an welchen sich kein Kopf- noch Schwanzende unterscheiden läßt und die namentlich in Fischen vorkommen. Man sieht keine Quertheilung an diesen Geschöpfen, welche, so lange sie in den Fischen bleiben, keine Geschlechtsentwicklung zeigen, aber alsbald eine solche wahrnehmen lassen, wenn die Fische von Vögeln gefressen sind. Die Familie der eigentlichen Bandwürmer ( Taenida ) ist leicht an der Querringlung des Körpers zu unterscheiden. Nach der Bewaffnung des Kopfes lassen sie sich indessen wieder in zwei Gruppen spalten. Bei den Grubenköpfen oder Bothriocepha- len sieht man an den Seiten des dünnen Kopfes nur flache Saug- 13* gruben; die Glieder sind meist mehr breit als lang und die Geschlechts- theile in der Mitte der Glieder angebracht, wo sie eine Rosette bilden. Die Grubenköpfe sind äußerst häufig, besonders in Fischen und bei diesen grade hat man nachgewiesen, daß sie im Jugendzustande vier einziehbare Hakenrüssel haben und daß die beiden Gattungen Scolex und Tetrarhynchus nur ihre Larvenzustände sind. Eine Art, der breite Grubenkopf, bewohnt den Dünndarm des Menschen, und ist in Hol- land, Polen und der Schweiz einheimisch. Obgleich er eine fabelhafte Länge erreichen kann, so ist er doch niemals von so unangenehmen Zuständen begleitet wie der eigentliche Bandwurm und läßt sich leicht durch Wurmmittel abtreiben. Die eigentlichen Bandwürmer ( Taenia ) haben mehr kürbiskernförmige, in die Länge gezogene Glie- der. Die mit Eiern angefüllten Geschlechtstheile bilden darin eine baumartige Verzweigung und die Geschlechtsöffnungen befinden sich auf der Seite der Glieder, nicht aber in der Mitte. Man unterscheidet die einzelnen Glieder leicht durch die seitlich heraushängenden Begat- tungsorgane, während bei dem Grubenkopfe die Begattungsorgane mitten aus dem Gliede hervortreten. Der Kopf der Bandwürmer trägt stets einen doppelten oder einfachen Hakenkranz und vier Saugnäpfe und ist äußerst schwierig zu entfernen. Eine eigenthümliche Entartung der Bandwürmer ist diejenige, welche die sogenannten Blasenwürmer ( Cystica ) hervorbringt. Man findet nämlich in vielen Thie- ren, besonders aber in sonst unzu- Fig. 194. Der gewöhnliche Finnenwurm ( Cysticercus cellulosae ) vom Schweine. Bei a sieht man das ganze Thier in natürlicher Größe mit dem vierseitigen Kopfe, dem geringelten dünnen Halse und der Endblase. Bei b den Kopf vergrößert, so daß der mittlere Hakenrüssel und die Sauggruben deutlich sind. gänglichen Theilen und stets in Cysten eingeschlossen, Würmer oder Wurmkolonieen, welche Köpfe mit Saugnäpfen und Hakenrüsseln be- sitzen, die vollkommen den Köpfen der Bandwürmer entsprechen. Es sitzen diese Kopfenden auf einem mehr oder minder langen gegliederten Halse, der in eine mit dicklicher, ei- weißhaltiger Flüssigkeit gefüllte Blase endigt. Nie und unter keinen Umständen findet man bei diesen Blasenwürmern, deren Köpfe meist in die Blase zurückgezogen werden können, eine Spur von Geschlechtstheilen. Man hat diese Thiere früher als eine eigene Ordnung betrachtet, hat aber jetzt eingesehen, daß es nur auf ihren Wanderungen verirrte und krankhaft veränderte Band- würmer sind, die oft nur eines Zufalles harren, um ihre Weiterent- wickelung zu beginnen. So befindet sich in der Leber der Mäuse und Ratten ein meist sehr langer Blasenwurm mit dünner Endblase, dessen geschlechtliche Ausbildung erst dann beginnt, wenn die Mäuse von Katzen gefressen werden. In dem Darme dieser Raubthiere angelangt, verliert der Wurm seine Endblase, treibt neue Glieder und ist nun ein vollständiger Bandwurm, den man seit langer Zeit als besondere Art gekannt hat. Viele Blasenwürmer bleiben indessen beständig an dem Orte, wo sie durch Verirrung hingekommen sind, und ver- mehren sich alsdann, statt durch Eier, durch Knospung. Bei dem Finnenwurm ( Cysticercus ), der besonders bei Hausthieren, nament- lich dem Schweine, aber auch beim Menschen vorkömmt, findet eine solche Knospung nicht statt. Bei dem Drehwurm der Schafe da- gegen ( Coenurus cerebralis ) sprossen auf der innern Seite der Blase eine Menge von Köpfen hervor, während die Blase stets zunimmt und anfangs durch Druck auf das Hirn die Drehkrankheit, endlich aber durch Verdrängung der Hirnsubstanz den Tod herbeiführt. Bei dem Echinococcus , der zuweilen beim Menschen vorkommt, lösen sich die auf der innern Seite der Blase entstandenen Köpfe später ab, so daß die einzelnen Generationen in einander geschachtelt stecken. Eine solche Echinococcus-Kolonie bildet manchmal einen ungeheuren Sack, in wel- chem die jüngern Generationen, die oft nur die Größe eines Nadel- kopfes erreichen, sich eingeschlossen befinden. Die Ordnung der Saugwürmer ( Trematoda ) besteht aus abgeplatteten, meist elliptischen oder scheibenförmigen, im Verhältniß zu den Uebrigen sehr kurzen Würmern, die alle, wenigstens während einer gewissen Zeit ihres Lebens, in andern Thieren schmarotzen. Die Haut ist weich, sehr dehnbar und in ihr finden sich meist eigenthüm- liche Kalkkörperchen von scheibenförmiger Gestalt, die concentrische Ringe zeigen und oft für Eier erklärt worden sind, mit welchen sie durchaus nichts gemein haben. Die Haut und der ganze Körper sind äußerst contractil und von einem maschenförmigen Muskelgewebe gebildet. Zum Anheften besitzen die Saugwürmer einen oder mehrere Fig. 195 und 196. Tristoma coccineum auf den Kiemen von Seefischen lebend, in natürlicher Größe. Fig. 195 Das unverletzte Thier von unten, um die vorderen seitlichen Saugnäpfe mit dem röhren- förmigen Munde dazwischen und den großen hinteren Saugnapf mit dem sternförmigen Horngerüste darin zu zeigen. Fig. 196 Das Thier vom Rücken her ge- öffnet. Man hat nur den Darm und das zweiknotige Nervensystem dargestellt. a Der in sich kreisförmig zusammenlaufende Darm. b vorderer, c hinterer Saug- napf. d Mund. Saugnäpfe , welche oft noch von hornigen Gerüsten und innern Haken unterstützt wer- den, niemals aber solche Hakenrüssel, wie die Bandwürmer haben. Bei einigen Gattungen enthält der am vordern Ende des Leibes gele- gene, meist kleinere Saug- napf zugleich den Mund. Die übrigen Saugnäpfe sind undurchbohrt, auf der Bauchfläche oder an dem Hinterende des Lei- bes angebracht und manchmal selbst in großer Anzahl vorhanden. Diese hintern Saugnäpfe sind dann zuweilen mit eigenthümlichen Horn- gerüsten und Haken versehen, die innerhalb der Saugnäpfe selbst an- gebracht sind. Bei vielen Saugwürmern kommen auch nur Saug- gruben vor, die zuweilen zu einem förmlich gegitterten Netze an der Bauchfläche zusammenfließen. Mittelst dieser Saugnäpfe und Horn- gerüste heften sich die Saugwürmer sowohl an den innern als an den äußern Organen anderer Thiere sehr fest und entgehen dadurch auch ziemlich leicht der Nachforschung. Das Nervensystem besteht aus zwei feinen, durch einen schmalen Faden vereinigten Knötchen und liegt bei den Gattungen, die einen vordern Mund haben, auf der Bauchseite des Schlundes, bei den übrigen an der entsprechenden Stelle. Die beiden Seitenfäden, welche nach hinten gehen, sind nur dünn und zart, lassen sich aber meist durch den ganzen Körper ver- folgen. Sinnesorgane fehlen durchaus, nur bei einigen Larven oder ammenartigen Wesen hat man Pigmentflecke gesehen, deren Be- deutung als rudimentäre Augen indeß noch sehr zweifelhaft ist. Die Verdauungsorgane der Saugwürmer sind deutlich entwickelt. An dem Vorderende des Leibes in der Mittellinie, meist etwas auf der Bauchseite, seltener am Rande, befindet sich der Mund , der in einen bald längeren, bald kürzeren meist graden, zuweilen geschlängelten Schlund übergeht; zuweilen findet sich noch ein besonderer muskulöser Schlundkopf, niemals aber ein eigentlicher Magen. Am Ende des Schlundes theilt sich nämlich der Darm in zwei gabelförmige Aeste, die meistens blind endigen, bei den Einlöchern aber in der Mitte zu- sammenlaufen, so daß der Darmkanal einen förmlichen Kreis bildet. Nur bei einigen wenigen und in ihrem ganzen Verhalten sehr abwei- chenden Saugwürmern findet sich ein einfacher grader Darmkanal, der aber stets afterlos ist. In den meisten Fällen sind die gabelför- migen Darmschläuche einfache blinde Säcke von meist gleicher Weite, oft aber gehen von den beiden Hauptstämmen sehr viele verzweigte Nebenäste aus, die sich durch den ganzen Körper verbreiten und sehr verzweigte Gefäßbäume bilden, welche indeß überall blinde Enden besitzen. Das Gefäßsystem der Saugwürmer ist jetzt von vielen Gattungen bekannt. Es besteht meistens aus zwei seitlichen Haupt- stämmen, die sich in der Mittellinie vereinigen und in ihrem Innern Flimmerbewegungen zeigen. In den meisten und häufigsten Fällen bilden die Verzweigungen dieser feinen Gefäße zusammenmündende Netze; bei einigen Arten will man einzelne kleine lebhaft flimmernde Endbläschen gesehen haben, von welchen die feinsten Gefäßchen aus- gehen. Auch hat man hier ein mittleres, an dem Hinterleibsende ge- legenes Reservoir gefunden, in welches die Stämme einmünden. Es fragt sich indeß, ob diese Beobachtung nicht auf einer Verwechslung mit einem eigenthümlichen Drüsenorgane beruht, welches fast bei allen Saugwürmern sich an dem hintern Ende öffnet, aus einem ein- fachen gabelförmigen oder aus verästelten Schläuchen besteht, und eine wasserhelle oder derbkörnige Absonderung liefert, deren Zweck noch nicht näher ermittelt ist. Auch wasserführende Gefäße, welche innen Flimmer- bewegung zur Fortsetzung der Flüssigkeit zeigen und an bestimmten Stellen nach Außen münden, offenbar also eine Art von Athemor- ganen darstellen, hat man bei manchen Saugwürmern entdeckt. Alle Saugwürmer, mit alleiniger Ausnahme einiger zweifelhaften Gattungen, sind Hermaphroditen und pflanzen sich durch Knos- pung und geschlechtliche Zeugung fort. Die weiblichen Geschlechts- theile nehmen meistens den größten Theil des Leibes ein und haben merkwürdiger Weise besondere Bildungsstätten für die einzelnen Theile des Eies. Das Keimbläschen bildet sich in einem mitten im Leibe gelegenen eiförmigen Behälter, dem Keimstocke , dessen kurzer Ausführungsgang in eine Erweiterung des schlauchförmigen Uterus mündet; dorthin münden ebenfalls die Ausführungsgänge vielfach ver- ästelter traubenförmiger Blindsäcke, der Dotterstöcke , in welchen die Dottersubstanz gebildet wird. Dotterkörnchen und Keimbläschen treten in dem schlauchförmigen Organe, dem sogenannten Uterus , erst zur Bildung des eigentlichen Eies zusammen. Der meist unregelmäßig gewundene Uterus- schlauch mündet gewöhnlich an dem Vorderrande des Körpers hinter dem Munde und neben dem männlichen Begattungsorgane auf der Bauch- seite nach außen. Jeder Saugwurm enthält außerdem zwei Hoden , die meistens hintereinander liegen und von welchen zwei Samenleiter abgehen; der eine in ein inneres Samenbläschen, welches in den Grund des Uterusschlauches mündet, die beiden andern in ein äuße- res Samenbläschen, welches durch einen langen Gang in das Be- gattungsglied ausmündet. Es ist auf diese Weise sowohl Begattung zweier Individuen möglich, als auch die Selbstbefruchtung der in einem Indivi- duum erzeugten Eier hinlänglich gewahrt. Die Eier der Saugwürmer haben nur eine hornige Schale, die zuweilen mit einem Deckel aufspringt; sie sind meist eiförmig, bräunlich, hart und bei einigen Gattungen so unverhältnißmäßig groß, daß man sie für besondere Organe ansah. Die Entwickelung der Eier geht fast niemals vollständig an denjenigen Orten vor sich, wo die Saugwümer selbst leben. Ein Ueber- wandern nach andern Thieren scheint fast eine Nothwendigkeit für die Larven und Ammen, sowie für die Jungen, welche sich unmittelbar aus den Eiern entwickeln. Hier entstehen nämlich aus dem ganzen Dotter platte Embryonen, welche meistens mit Wimperhaaren versehen sind und bei einigen Gattungen einen Saugnapf besitzen. Wahrschein- lich erhalten diejenigen Embryonen, welche eine Zeitlang in dem Wasser frei umherschweifen müssen, Wimperhaare, während sie andern, die stets als Binnenthiere leben, abgehen. Häufig entwickeln sich diese Embryonen so weit im Uterus, daß sie dort schon die Eischale ver- lassen und lebendig geboren werden. Für die weitere Ausbildung be- sitzen wir bis jetzt nur eine einzige Beobachtung. Ein Wurm näm- lich, welcher die Luftzellen vieler Wasservögel bewohnt, das Monosto- mum mutabile , bringt Eier hervor, die noch im Innern seiner Ge- Fig. 197. Fig 198. Fig. 199. Ammenzeuguug des Monostomum mutabile. Fig. 197 das Ei, Fig. 198 die freie Großamme, Fig. 199 die freie Amme. a Eihäute, b Großamme, c Amme, d Augenpunkte. schlechtstheile sich entwickeln, so daß er zuletztsehr lebhaft schwim- mende Jungen (Großammen) gebiert, die in dem Nacken so- gar zwei Augen- punkte haben und in deren Innerem sich ein schlauch- artiger Körper der sich selbstständig wurmartig bewegt, und ganz denjenigen Schläu- chen gleicht, welche man in Wasserschnecken häufig als Ammen antrifft. Höchst wahrscheinlich verlassen die Embryonen des Monostomum die Luftwege der Vögel, während diese im Wasser sind und dringen dann auf irgend eine noch unermittelte Art in die Weichthiere ein. In unsern Wasserschnecken und Muscheln findet man fast constant Schläuche, welche mehr oder minder selbstständig bewegt sind und zuweilen selbst vollständig entwickelte Thiere mit einem wahren Verdauungsapparate Fig 211. 210. 209. 208. 207. 206. 205. 203. 202. 204. 201. 200. Fig. 200 — 206. Keimschläuche und Ammen. Fig. 207 — 211. Die daraus entstehenden Cercarien. Fig. 200. Keimschlauch der in Fig. 209 gezeichneten Doppel- schwänzigen Cercarie, Bucephalus polymorphus genannt, aus dem Eierstocke der gewöhnlichen Malermuschel ( Unio. ) Fig. 201. Baumförmig verzweigte Keimschläuche aus den Eingeweiden der Bernsteinschnecke ( Succinea ). Die vollständig entwickelten Keimschläuche bewegen sich frei, haben einen langen Schwanz, wurmförmigen, hell- grüngestreiften Körper und wurden in dieser Form (Fig. 203) Leucochloridium paradoxum genannt. Die darin enthaltenen Cercarien (Fig. 210) haben einen blasenförmigen hohlen Schwanz, in den sich der Körper des Thieres zurückstülpt, so daß es aussieht, als ob dieser Körper in einer Eihülle läge. Fig. 202. Verästelte Keimstöcke aus der Teichhornschnecke ( Lymnaeus ). Fig. 204. Durchsichtiger, mit Cercarien angefüllter Keimschlauch aus der Kiemen-Sumpfschuecke ( Paludina vivi- para ). Fig. 205. Lebhaft bewegte wurmförmige Ammen mit deutlichem Verdau- ungskanal aus verschiedenen Wasserschnecken. Die daraus hervorgehenden Cercarien (Fig. 207) zeigen deutlich den gablichen Darm und haben, nebst den aus den Keim- schläuchen (Fig. 204) hervorgehenden Thieren (Fig. 208) die gewöhnlichste Cer- carienform. Fig. 211. Cercarie aus runden Keimsäcken, die in den Eingeweiden der Malermuschel liegen, ausgezeichnet durch den dicken, mit zickzackförmigen Muskel- fasern erfüllten Schwanz ( Distoma duplicatum genannt.) darstellen. Bei einigen Gattungen erscheinen diese Schläuche als lange Fäden, welche hie und da angeschwollen sind und in diesen Anschwel- lungen durch Knospung eine Menge von Jungen erzeugen. Meist sind es mehr oder minder bewegliche cylindrische, zuweilen selbst ge- schwänzte Körper, die sich manchmal lebhaft bewegen, und oft förmliche Verdauungsorgane und eine so complicirte innere Bil- dung zeigen, daß man manche dieser Ammen für selbstständig or- ganisirte Würmer halten muß. Von dem starren, hie und da erwei- terten Fadenschlauche bis zu diesen, den erwachsenen Saugwürmern selbst wieder ähnlichen lebendigen Keimschläuchen kennt man alle Arten von Zwischenstufen. In allen diesen Ammen bilden sich aber die Jungen auf folgende Art. Die Höhlung des Schlauches, oder bei den mit Ver- dauungsorganen versehenen Ammen nur ein Theil desselben, meistens der hintere, füllt sich mit körnigen Körperchen an, die niemals die Cha- raktere eines Eies an sich tragen und nach und nach zu einem wurm- ähnlichen Wesen auswachsen, das man schon lange kannte und unter dem Namen Cercaria bald den Infusorien anreihte, bald selbst mit den Samenthierchen zusammenbrachte. Es bestehen nämlich die fast mikroskopischen Cercarien nach ihrer vollständigen Ausbildung inner- halb des Schlauches aus einem Vorderkörper, der meistens einen oder zwei Saugnäpfe, Verdauungskanal, Wassergefäße etc. besitzt, zuweilen vornen am Kopfe mit Hornspitzen versehen ist und einen vollständigen Saugwurmleib darstellt, und einem schwanzförmigen Anhange, welcher bei den meisten einfach, bei einer bekannten Art doppelt ist. Sobald die Cercarien so weit entwickelt sind, so brechen sie aus ihrer Amme, aus dem Keimschlauche, hervor und schwimmen mit Hülfe ihres Schwanzes in dem Wasser umher, in welchem sie sich äußerst lebhaft unter den sonderbarsten Krümmungen und Windungen umhertummeln. Man braucht im Sommer nur einige Wasserschnecken in einem Glase mit reinem Wasser zu sammeln, ihnen, zur Beförderung des Aus- trittes der Cercarien, die Schale abzunehmen und ihre Haut an ver- schiedenen Stellen einzuritzen, um bald lebhaft bewegte Wolken im Wasser zu sehen, die unter dem Mikroskope als Schwärme von Cer- carien erscheinen. Viele dieser Thiere sind nun darauf angewiesen, sich in Insektenlarven, welche das Wasser bewohnen, von Außen her einzubohren und deren Leibeshöhle zu bewohnen. Man hat diesen Akt des Einbohrens selbst beobachtet, wobei die spitzigen Stirnwaffen den sie besitzenden Arten wesentliche Dienste leisten. Beim Hinüber- schlüpfen in die Insektenlarve verlieren die Cercarien ihren Schwanz- anhang und erscheinen nun schon in der Form von Saugwürmern. Sie ziehen sich nun zusammen, schwitzen einen glashellen Stoff aus und bilden sich so eine Puppenhülse, in welcher sie ihrer weitern Aus- bildung entgegen gehen. Gewiß erfolgt diese erst, wenn die Larven vollkommene Insekten geworden sind, oder auch dann, wenn sie von Raubthieren, Fischen, Fröschen und Vögeln gefressen wurden, inner- halb der neuen Wohnthiere. Viele Cercarien gehen vielleicht auch un- mittelbar aus den Weichthieren in Wasservögel und andere Raubthiere über. Die Cercarien sind somit die Larven der Saugwürmer und es entstehen diese Larven als Knospen in einem Ammenschlauche, welcher selbst wieder als Knospe in dem Leibe des aus dem Ei entwickelten Em- bryo entstand. Alle diese wunderbaren Wandlungsstadien gehen in so verschiedenen Thieren vor sich, daß man fast sagen möchte, ein sol- ches Doppelloch müsse sämmtliche Kreise des Thierreiches, Weichthiere, Gliederthiere und Wirbelthiere durchwandern, um die Stufenfolge sei- ner Ausbildung zu durchlaufen. Wir theilen die Saugwürmer nach der Natur, Stellung und Beschaffenheit ihrer Saugnäpfe in drei Familien: Die Doppellöcher (Distomida) haben ein oder zwei Saugnäpfe, von welchen der vordere als Mund dient, während der hintere meist größere, bald vorn, bald mehr in der Mitte, bald hinten an dem Körperende liegt oder auch ganz fehlt. Zu dieser Familie, die in den Eingeweiden, ja selbst in den Augen und dem Gehirn vieler Thiere sehr verbreitet ist, gehört namentlich der Leberegel (Distoma hepaticum) , welcher besonders in den Gallengängen der Schafe außerordentlich häufig vorkommt. Die zweite Familie ist diejenige der Dreilöcher (Tristomida) , bei welchen Fig. 212 und 113. Tristoma coccineum. zu beiden Seiten des Mundes zwei kleinere Saugnäpfe, und an dem hintern Ende ein gro- ßer, meist runder Saug- napf existirt. Man findet diese Würmer hauptsäch- lich nur auf den Kiemen von Fischen. Endlich die Familie der Viellöcher (Polystomida) hat stets hintere große Saugnäpfe, welche von einem Horngerüste oder selbst von hornigen Stacheln unterstützt sind; mei- stens fehlen die vorderen Saugnäpfe und wenn dieselben vorhanden Fig. 215. Fig. 214. Fig. 214. Polystomum integerrimum aus der Harnblase des gewöhnlichen Frosches, stark vergrößert von der Bauchseite, so daß man die sechs großen Saug- näpfe des Hinterleibes mit den Sternleisten in ihrer Höhlung, sowie die Hornhaken dazwischen sieht. a Vorderer kleiner Saugnapf mit der Mundöffnung. b Härterer Schlundkopf. c Der getheilte, mit seitlichen Blinddärmchen versehene Darmkanal, der sich hinten wieder vereinigt. d Theile des Geschlechtsapparates. e Hintere Saugnäpfe. f Horn- stacheln zwischen denselben. Fig. 215. Diplozoon paradoxum von den Kiemen des Brach- sen (Abramis brama). Da die beiden Leiber des Thieres vollkommen gleich gebaut sind, so wurden in der rechten Leibeshälfte hauptsächlich die Geschlechtstheile, in der linken der Darmkanal gezeichnet. a Mundöffnung. b Schlundkopf. c Darmkanal mit seinen verzweig- ten Blinddärmen. e Hintere Saugnäpfe, jeder mit vier queren Horngerüsten besetzt, die auf ihren Außenrändern Stacheln tragen. g Verdere kleine Saugnäpfe, deren jeder eine schiefe Leiste im Innern trägt. h Eileiter. i Ein ausgebildetes Ei, das bei die- ser Gattung unverhältnißmäßig groß ist und an seinem Ende mit einem langen, wie ein Ankertau aufgewundenen hornigen Spiralfaden versehen ist. k Oeffnung der Geschlechtsorgane nach Außen. Die ganze Figur ist ebenfalls bedeutend ver- größert. sind, erscheinen sie nur klein. Es gehören hieher die merkwürdigen Doppelwürmer (Diplozoon) , von denen mehrere Arten auf den Kiemen der Weißfische leben und die sich dadurch auszeichnen, daß jedes Indi- duum aus zwei gleichen Wurmkörpern besteht, welche gleich den sia- mesischen Zwillingen in der Mitte durch eine Brücke vereinigt sind. Viele Arten und Gattungen von Saugwürmern werden wahr- scheinlich in Folge späterer Untersuchungen aus der Liste der selbststän- digen Thiere gestrichen werden. So wurde erst neuerdings entdeckt, daß ein zur Familie der Viellöcher gerechneter Wurm (Gyrodactylus) , der an den Kiemen vieler Süßwasserfische, besonders der Weißfische und Stichlinge lebt, nur eine Entwicklungsstufe ist, die sich stets durch Knospung fortpflanzt. Im Innern dieses Wurmes, der einen gabli- chen Darm, Wassergefäßsystem, kurz alle Organe der Saugwürmer besitzt, entwickelt sich durch Knospung ein Junges, das fast die Größe des Mutterthieres erreicht und nach erfolgter Ausbildung dieses durch eine an der Bauchseite befindliche Spalte verläßt. Noch während das Junge in der Mutter sich befindet, erzeugt sich schon in ihm eben- falls ein Junges auf demselben Wege der Knospung, so daß ein sol- cher trächtiger Wurm Tochter und Enkelin in einander geschachtelt im Leibe trägt. Die weitern Schicksale dieser Würmer sind noch unbekannt. Die zweite Unterklasse der Plattwürmer begreift diejenigen Fa- milien, welche frei leben und auf dem ganzen Körper einen ausge- zeichneten Flimmerüberzug besitzen, der meistens ihre Bewegung im Wasser vermittelt. Die erste Ordnung dieser Plattwürmer, die Sohlenwürmer (Planarida) , hat einen sehr platten, meist scheibenförmigen oder ellipti- Fig. 216. Anatomie einer Planarie. Die Haut des Rückens ist wegge- nommen. a Schlundröhre. b Magen- höhle, von welcher viele verzweigte Blind- därme ausgehen, die nur auf der rechten Seite gezeichnet sind. c Nervensystem, da- hinter die Augenpunkte. d Männliche Ge- schlechtsöffnung. e Hoden. f Weibliche Geschlechtsöffnung. g Eileiter. Auf der linken Seite sieht man den Eileiter mit Eiern angefüllt, die außerdem im Gewebe zerstreut sind. schen Körper, an welchem sich manch- mal einzelne lappige Anhänge zei- gen und der eine außerordentliche Contractilität besitzt. Das Nerven- system besteht aus zwei enge zu- sammenliegenden, oft verschmolzenen Knoten, von welchen aus zwei dünne Hauptnervenstämme nach hin- ten laufen, die keine Knötchen zu besitzen scheinen. An dem vordern Ende des Körpers befindet sich oft eine große Anzahl von Augenpunk- ten, die meist durch Pigment schwarz gefärbt sind und in denen man eine runde Linse unterscheidet. Das Ver- dauungssystem ist deutlich ent- wickelt, zeigt aber niemals einen After. Der Mund befindet sich an der Bauchfläche, bald mehr nach vorn, bald selbst in der Mitte des Körpers oder sogar hinter derselben. Er führt bei der einen Familie in einen muskulösen dicken Schlundkopf, in welchem eine äußerst bewegliche Schlundröhre verborgen liegt, die beim Fressen hervorgestreckt werden kann und oft länger als der Körper selbst ist. Bei den meisten Gattungen hat diese rüsselartige Schlundröhre eine runde Oeffnung, bei andern befinden sich oft selbst verzweigte Lappen daran, welche die Beute um- fassen. Diese Schlundröhre führt in eine mehr oder minder runde Centralhöhle, die zuweilen gefäßartig verlängert ist und von wel- cher eine Menge baumartig verästelter blindendigender Zweige aus- gehen, welche den ganzen Leib durchziehen. Bei der andern Familie findet sich nur ein einfacher gerader Darm ohne Schlundröhre und After. Das Gefäßsystem besteht aus einer das Gehirn umgebenden contractilen Blase, von welcher aus feine Gefäße sich in dem Körper netzartig verbreiten. Alle Sohlenwürmer sind Hermaphroditen und zwar haben die im süßen Wasser lebenden meist eine einzige ge- meinschaftliche, die im Meere lebenden dagegen gesonderte Oeffnungen für die beiden Geschlechtsorgane. Die Eier sollen sich im Gewebe des Körpers selbst entwickeln, wenigstens hat man bis jetzt noch keinen be- sonders abgegrenzten Eierstock wahrnehmen können. Sie gelangen in zwei trompetenförmige Kanäle, die sich in eine mittlere Begattungstasche vereinigen, welche hinter dem Munde nach Außen mündet. Die Hoden bestehen aus zwei langen gewundenen Schläuchen, deren Ausführungs- gänge in eine Samentasche münden, in welcher sich ein einfaches Be- gattungsorgan befindet. Die Entwicklung der Eier weicht auf noch unerklärte Weise von derjenigen der übrigen Thiere ab. Es bilden sich nämlich im Dotter eigen- thümliche Zellen, die sehr sonderbare selbstständige Zusammenziehun- gen zeigen. Nach einiger Zeit hören diese Bewegungen auf, die Zellen fließen hie und da zusammen, bilden Inseln von Dottermassen in unbe- stimmter Zahl, die sich allmählig abgrenzen, mit Wimperhaaren über- ziehen und nun als selbstständige Embryonen erscheinen. Die Schlund- röhre entwickelt sich bei diesen Embryonen zuerst, verschluckt die noch übrigen Dotterzellen und nun plattet sich der früher kugelförmige Em- bryo allmählig ab und durchbricht endlich in einer dem Mutterthiere sehr ähnlichen Gestalt die Eischale. Je mehr Embryonen sich in einem Ei bilden (wovon ihre Zahl abhängt ist noch ein Räthsel), desto kleiner sind die kleinen Sohlenwürmer, wenn sie das Ei verlassen. Wir unterscheiden bei dieser Ordnung zwei Familien. Die eine Familie, die Schwarzwürmer (Rhabdocoela) , besteht aus mehren, meist sehr unvollständig gekannten Gattungen, die alle einen geraden, after- losen Darm, keine Nesselorgane in der Haut und einen gleichförmigen Wimperüberzug des kleinen Körpers besitzen. Die Stellung des gro- ßen, mit keiner Schlundröhre versehenen Mundes wechselt sehr. Die Geschlechtstheile sind, wie bei der folgenden Familie, hermaphroditisch. Sie finden sich im süßen Wasser wie im Meere. Die zahlreichen Gattungen der eigentlichen Sohlenwürmer (Pla- narida s. Dendrocoela) , die man besonders nach den fühlerartigen Anhängen des Körpers, sowie nach Zahl und Stellung der Augen unterschieden hat, finden sich sowohl im Meere als in süßen Gewäs- sern sehr häufig auf Steinen und Wasserpflanzen, wo sie mit großer Schnelligkeit einherkriechen und sich von mikroskopischen Thierchen und Pflanzen nähren. Sie erreichen nur eine unbedeutende Größe und die helleren Arten sind oft nicht leicht zu finden, da sie sich zu einem unscheinbaren Klümpchen zusammenziehen. Sie schwimmen sehr ge- schickt mit schlängelnden Bewegungen wie Blutegel und gleiten ebenso an der Oberfläche des Wassers wie an festen Gegenständen fort. Die Ordnung der Schnurwürmer (Nemertina) begreift meist ziemlich lang gestreckte plattgedrückte Würmer, von welchen einige Arten eine ungeheure Länge erreichen. Der Körper ist platt wie eine Schnur, glatt und durchaus mit flimmernden Wimpern bedeckt, seine Contractilität außerordentlich groß. Das Nervensystem besteht bei der höheren Familie aus zwei seitlichen, meist ziemlich bedeutenden Knoten, die aus mehreren Anschwellungen zusammengesetzt sind und durch einen breiten Verbindungsstrang auf der Bauchseite vereinigt werden. Von diesen Knoten aus strahlen Nerven nach vorne und zwei ziemlich bedeutende Hauptnervenstränge laufen längs den Seiten des Körpers nach hinten. Die ebenso wie bei den Sohlenwürmern gebauten Augen finden sich am vorderen Ende des Kopfes und außer ihnen stets noch zwei seitliche Gruben , welche mit größeren Wimper- haaren versehen sind als die übrige Hautoberfläche, deren Bedeutung für die Oekonomie des Thieres aber noch nicht enträthselt ist. Der Verdauungsapparat erscheint bei den beiden Familien dieser Ord- nung verschieden gebildet; bei den Strudelwürmern führt der an der Bauchfläche befindliche, bald mehr vorne, bald weiter hinten angebrachte Mund in einen einfachen Darmkanal, der gerade nach hinten läuft und am hinteren Ende in einen engen After endet. Bei den eigent- lichen Nemertiden bildet der Mund eine Längsspalte, die in einen ge- räumigen Darmkanal führt, der ganz gerade verläuft, viele ringför- mige Einschnürungen besitzt und ebenfalls nach hinten in einem After endet. Bei diesen Thieren ist über dem Darme und unabhängig von demselben eine am vorderen Ende des Körpers geöffnete Röhre ange- bracht, welche einen oft bedeutend langen Rüssel enthält, der nach Außen hervorgestülpt werden kann und an dessen Grunde sich eine dolchähnliche Waffe befindet, mit welcher wahrscheinlich die Beute durch- bohrt und dann ausgesogen wird. Das Gefäßsystem besteht aus zwei seitlichen und einem mittleren, auf der Rückenfläche verlaufenden Stamme, in denen eine lebhafte Flimmerbewegung bemerkt werden kann und die sich vorn und hinten durch Querschlingen vereinigen. Bei einigen Gattungen ist das Blut, welches diese Gefäße führen, gelb oder roth gefärbt. Die Geschlechtsorgane sind bei allen diesen Würmern noch sehr ungenügend erforscht, jedoch so weit bekannt, daß sie nicht, wie die Sohlenwürmer, Hermaphroditen, sondern eingeschlechtige Thiere sind, deren Geschlechtstheile sich meist periodisch entwickeln. Bei den nieder- stehenden rüssellosen Schnurwürmern bilden die Geschlechtstheile einfache Säcke, in denen sich Eier oder höchst sonderbare Samenthierchen ent- wickeln. Bei den eigentlichen Nemertiden scheinen sie aus trauben- artigen Blindsäcken zu bestehen, die auf der äußern Fläche des Darm- kanales aufsitzen und die bei dem einen Individuum Eier, bei dem andern Samen erzeugen. Die entwickelten Eier fallen in seitliche Räume und scheinen durch Oeffnungen an den Seiten nach Außen zu gelangen. Begattungsorgane hat man noch nicht gesehen. Die Eier werden in Schnüren gelegt und es entwickelt sich in ihnen aus jedem Dotter, deren oft mehrere gemeinschaftlich in einer Gallerthülse eingeschlossen sind, ein rundlicher, mit Wimpern versehener Embryo, der nach eini- ger Zeit die Gallerthülse durchbricht. Diese Embryonen lassen in ihrem Inneren einen dunkleren Kern wahrnehmen, der sich bald schärfer ab- grenzt und eigene wurmförmige Bewegungen macht. Endlich durch- bricht der Wurmkörper die flimmernde Hülle, die er verschrumpft zurückläßt, während er selbst weiter zum Wurme auswächst. Es zeigt sich also hier ein ganz ähnlicher Prozeß, wie bei den Embryonen der Saugwürmer, nur mit dem Unterschiede, daß dort innerhalb des in- fusorienartigen Embryo’s ein Keimschlauch, hier aber der junge Wurm sich ausbildet, welcher dem Mutterthiere ähnlich wird. Außerdem pflanzen sich alle diese Würmer durch freiwillige Theilung fort, indem der abgeschnürte Körpertheil zu einem neuen Thiere auswächst. Fig. 217. Microstomum lineare. a die mit starken Wim- perhaaren ausgekleideten Flimmergruben, hinter welchen die beiden Augen stehen; b der Mund; c der After; d Eier; e Nessel- organe der Haut. Wir theilen die Schnurwürmer in zwei Fa- milien. Die einen, die rüssellosen Schnurwür- mer (Microstomida) , meist kleine schwimmende Würmer, die übrigens durchaus noch nicht voll- ständig untersucht sind, haben keinen vorstreckbaren Rüssel, einen geraden Darm und in der Haut zerstreute Nesselorgane ähnlich denen der Armpo- lypen. Der sehr ausdehnbare Mund liegt meist seitlich am vorderen Körperende. Ihren Augen- punkten fehlen brechende Medien; Nervensystem, Ge- fäßsysten sind kaum in Spuren entdeckt. Die eigentlichen Schnurwürmer (Nemertida) hinge- gen haben einen vorschiebbaren Rüssel und zei- gen alle jene anatomischen Eigenthümlichkeiten des Baues, deren wir bei der Ordnung erwähn- ten. Unter diesen giebt es Gattungen, wie die Borlasia , die an den Küsten von England und Frankreich vorkommt, welche eine Länge von 50 und mehr Fuß erreichen. Es halten sich diese großen Würmer tagsüber zusammengeballt unter Steinen auf, während sie Nachts wie es scheint ihrem Raube nachgehen. Vogt. Zoologische Briefe. I. 14 Klasse der Räderthierchen. (Rotatoria.) Fig. 218. Das gewöhnliche Krystallfischchen. (Hydatina senta) sehr stark vergrößert. a die im Kreise um den Mund ge- stellten Räderorgane; b der Schlundkopf; c der Magen; d Cloake; e After; f Spei- cheldrüsen; g Eierstöcke; h Falten der Haut, die für Ge- fäße angesehen wurden. Ihrer mikroskopischen Kleinheit wegen, (denn die meisten können nur noch bei günstiger Be- leuchtung als bewegte Punkte erkannt werden), hat man diese Thiere früher allgemein zu den Infusorien gestellt, bis man ihren so besonders eigenen Organisationsplan genauer erkannt hatte. Später entstanden vielfache Zweifel über ihre Stellung und manche Forscher glaubten sogar, sie den Krustenthieren beiordnen zu sol- len. Obgleich aber bei den meisten Gattun- gen ein schwanzförmiger Anhang des Leibes existirt, welcher gegliedert erscheint, so ist in- dessen doch diese Gliederung nur in der gewöhn- lich bei den Würmern vorkommenden Form vorhanden, indem die einzelnen Glieder des Anhanges seitlich gebogen nnd wie ein Fern- rohr ineinander geschoben werden können, nicht aber durch förmliche Gelenke mit einander ver- bunden sind. Eine Stellung unter den Glie- derthieren, deren Bewegungsorgane stets wahre Gelenke zeigen, ist demnach schon aus diesem Grunde unstatthaft. Ueberdem entfernt die Entwickelung des Eies jede Aehnlichkeit mit den Gliederthieren, indem der Embryo sich aus dem ganzen Ei entwickelt, ohne daß jemals die geringste Spur eines dem Rücken zugewandten Dotters vorhanden wäre. Der Körper der Räderthierchen hat meistens eine mehr oder minder eiförmige oder spindelförmige Gestalt, welche besonders bei den gepanzerten Arten etwas abgeplattet erscheint. Er ist genau symme- trisch getheilt, und eine Rücken- und Bauchfläche meist sehr wohl durch die Stellung der Augen, der Athemröhren, des Mundes und Afters unterscheidbar. Die Haut des Körpers ist äußerst elastisch und mit Ausnahme der Räderorgane durchaus frei von Wimperhaaren oder ähnlichen Anhängen. Bei vielen Arten sieht man sowohl auf dem Körper als auf dem schwanzförmigen Anhange einzelne Ringel und Querrunzeln, die von einzelnen Beobachtern für Gefäße gehalten wurden, aber gewiß nur Falten der Haut sind. Die Thiere können sich bei dieser Ringelung der Haut außerordentlich zusammenziehen, so daß sie eine fast kugelförmige Gestalt annehmen. Bei einigen Gat- tungen erscheint die Haut wirklich als ein hornartiger, oft mit sonder- baren Spitzen versehener Panzer, der entweder nur ein Rückenschild oder auch eine abgeplattete Büchse darstellt, in welcher das Thier wie in einer Schildkrötenschaale steckt und Kopf und Schwanz hereinziehen kann; einige dieser Thiere stecken auch ähnlich wie Polypen vereinzelt oder gemeinsam in gallertartigen oder hornartigen cylindrischen Büchs- chen, in die sie sich gänzlich zurückziehen können. Die Räderthiere haben ihren Namen von einem eigenthümlichen Bewegungsapparate , welcher an dem vorderen Ende, dem Kopfe, angebracht ist und in den meisten Fällen aus einer mehr oder minder einziehbaren einfachen oder doppelten Scheibe besteht, auf welcher ein Kranz langer Wimpern sich befindet, die nach Willkühr in Bewegung gesetzt werden können. Zuweilen bildet dieses Räderorgan, welches zum Schwimmen wie zum Fangen der Beute durch den von ihm er- regten Strudel dient, im ausgestülpten Zustande eine vollkommen runde Scheibe, die manchmal nur eingekerbt ist, bei andern aber in einzelne gesonderte Räderorgane zerfällt. Diese Organe stehen dann bald zu beiden Seiten des Kopfes auf zwei einstülpbaren Fortsätzen, bald in einzelnen Haufen, die meistens einen Kreis bilden, zuweilen auch sind eigene Stirnfortsätze mit einem solchen Räderorgane besetzt. Am eigenthüm- lichsten und abweichendsten sind die Räderorgane in der Familie der Blumenfischchen gebildet; hier erscheinen sie nämlich als lange Borsten, die meist nur träge bewegt werden und bei der einen Gattung sogar auf fünf einzelnen Armen stehen, die von dem in einer Hülle lebenden Thiere ganz wie die Fangarme eines Polypen benutzt werden. Ein zweites Bewegungsorgan befindet sich fast bei allen Räderthieren an dem hinteren Theile des Leibes und zwar auf der Bauchfläche, als beweglicher Körperanhang, nicht als eigentlicher Schwanz , da der After sich stets auf der Rückenfläche des Anhanges befindet. Bei den polypenartigen Räderthieren bildet dieser Anhang einen förmlichen Stiel, der an seinem hintern Ende mit einem Saugnäpfchen versehen ist, mittelst dessen sich die Thiere anheften; bei den übrigen Gattungen ist es meist eine mehr oder minder lange, fernrohrartige Verlängerung, die an ihrer hintern Spitze oft eine gabelförmige Endigung trägt. Diese Gabelzange dient den Räderthierchen zum Anheften während sie ihren Wimperkranz spielen lassen, oder auch zum Kriechen und Fort- schieben auf dem Grunde des Wassers. Sie bewegen sich dabei förm- lich wie die Spannraupen, indem sie bei eingezogenem Räderorgane sich abwechselnd mit dem Kopfe anheften, den Gabelschwanz nachziehen 14* und dann auf diesen gestützt den Körper ausdehnend fortspannen. Bei einigen Gattungen sind einzelne oder selbst Bündel von steifen Borsten auf der Bauchfläche des Körpers angebracht, mittelst deren sich die Thiere völlig schnellend und hüpfend im Wasser fortbewegen. An der Basis der Räderorgane sieht man meistens Fasermassen in Knollen- gestalt, welche offenbar zur Bewegung der Wimperorgane dienen, so wie man auch im Innern des Körpers Längs- und Quermuskeln sieht, welche zur Zusammenziehung bestimmt sind. Obgleich das Nervensystem noch nicht mit aller Deutlichkeit ermittelt ist, so ist doch so viel sicher, daß bei allen Räderthieren ein Nervenknoten im Nacken existirt, von welchem einzelne seitliche Aeste ausstrahlen. Ebenso unzweifelhaft sind Augen , welche sich meist durch rothe Pigmentflecke kenntlich machen. Die gepanzerten Räder- thiere besitzen meist nur ein Auge, die übrigen zwei im Nacken gele- gene; nur sehr selten kommen drei oder vier Augenpunkte vor und bei einigen festsitzenden Gattungen findet das auch in andern Klassen vor- kommende Verhältniß statt, daß die frei schwimmenden Jungen Augen besitzen, die bei den alten festsitzenden Thieren gänzlich verschwun- den sind. Fig. 220. Fig. 219. Fig. 221. Fig. 219. Diglena forcipata stark vergrößert von der Seite. a das Räderorgan, hinter welchem die zwei Nacken- augen sich zeigen; b der mit zwei scharfen Das Verdauungssystem der Räderthiere bildet stets einen geraden in der Mittellinie gelegenen Darmschlauch, der mit einem deut- lichen Aster an dem Grunde des schwanzförmigen Anhanges endet. In dem Verlaufe des Darmkanales selbst kann man folgende Abthei- lungen unterscheiden. Der Mund liegt stets am vorderen Ende des Körpers zwischen den Räderorganen in solcher Weise angebracht, daß der erregte Strudel gegen ihn hin- geht. Zuweilen führt der Mund in eine weite Rachenhöhle, an deren Grunde stets ein kugeliger Schlund- kopf angebracht ist, der eine äußerst starke Muskulatur besitzt und in den meisten Fällen mit Zähnen bewaff- net erscheint, welche auf hornige Kiefer aufgesetzt sind. Die Kiefer spitzen Zähnen bewaffnete Schlundkovf; c Magen und Darm; d After; e Eierstock f Gabelschwanz. Fig. 220. Der Schlund- kopf desselben Thieres stark vergrößert, von oben her gesehen, um die beiden Zähne, ihre Einsetzung in die Kiefer und die rundliche Muskelmasse zu zeigen. Fig. 221. Der Schlundkopf von Philodina citrina , wo jede ovale Kauplatte zwei vorstehende quere Leisten zeigt. wirken stets von beiden Seiten ge- geneinander und die Zähne selbst erscheinen bald in Gestalt horniger, mit queren vorstehenden Rippen versehener Kauplatten, bald als förmliche, mehrspitzige oder ein- spitzige Gabelzangen, die an einem Griffe befestigt sind. Die Gabelzähne der letztern Art werden von den Thieren zugleich als Greiforgane benutzt, indem sie den Schlund- kopf lebhaft aus der Mundöffnung hervorstülpen und mit den scharfen Zangen die Beute packen und durchbohren. Der Schlundkopf selbst ist bei dem Wirbeln und Fressen so sehr in beständiger Bewegung, daß frühere Beobachter ihn für ein Herz hielten. Von dem Schlund- kopfe aus erstreckt sich der dickwandige, leberartig gekörnte, innen mit Wimperhaaren besetzte Darm nach hinten, indem er meist eine an- fängliche Erweiterung, einen Magen, dann eine Verengerung und am Mastdarme eine zweite Erweiterung, eine Art von Kloake zeigt. Un- mittelbar hinter dem Schlundkopfe münden bei allen Räderthieren zwei dicke knollige Drüsen, die man als Speicheldrüsen betrachten kann, in den Darm ein. Die Nahrung der Räderthiere besteht bei den mit kauenden Leisten am Schlundkopfe versehenen Gattungen gewöhnlich aus pflanzlichen Stoffen, während die mit Gabelzähnen bewaffneten arge Räuber sind und meist gierig über Infusorien und andere Rä- derthiere herfallen. Ein Gefäßsystem hat man bei den Räderthieren noch nicht entdeckt; — was man für Gefäße ansprach, sind nur Falten der lederartigen Haut; dagegen kennt man ein inneres Athmungssy- stem mit ziemlicher Genauigkeit. In der Nackengegend, meist in einiger Entfernung hinter den Augen, befindet sich eine Oeffnung, welche bei vielen Gattungen auf einer ein- und ausziehbaren Röhre steht. Nur höchst selten ist diese Röhre auf der Bauchseite augebracht. Von dieser Athemröhre oder Athemöffnung aus, erstrecken sich zwei seitliche Kanäle nach hinten und vereinigen sich in der Nähe des Afters zu einer lebhaft zusammenziehbaren Blase, die oft durch die Afteröffnung ihren wasserklaren Inhalt im Strahl nach Außen ergießt. An diesen Kanälen selbst sieht man in größerer oder geringerer Zahl kurze Seitengefäße, welche frei in die Leibeshöhle münden und an deren Mündung ein wellenförmig zitterndes Wimperläppchen angebracht ist, welches fast in seiner flimmernden Bewegung dem Flackern eines Flämm- chens gleicht. Offenbar dienen diese Röhren mit ihren Zitterorganen dazu, Wasser in das Innere der Leibeshöhle zu bringen und auf diese Weise die Athmung zu unterhalten. Die Räderthiere sind Zwitter und zwar findet sich bei ihnen ein doppelter oder einfacher Eierstockschlauch, in dem man die Eier mit ihren Keimbläschen sehr wohl unterscheiden kann. Dieser Eierstock mündet in einen kurzen Eileiter, der sich mit dem After nach Außen öffnet. Die männlichen Geschlechtstheile sind noch nicht genügend er- kannt, doch hat man die Samenthierchen frei in der Leibeshöhle ge- funden und zwar bei solchen Thieren, welche zugleich Eier trugen, und niemals eine Begattung oder eine Befruchtung der Eier durch ein zweites Thier gesehen, was bei der ungemeinen Vermehrungskraft dieser Thiere um so eher geschehen sein müßte, als bei vielen die Eier sich noch im Leibe des Mutterthieres so weit entwickeln, daß man die Hauptorgane des Embryo’s erkennen kann. Die stets elliptischen Eier treten an der Afteröffnung hervor und werden von einigen Gattungen am Leibe hängend umhergetragen, bei andern frei in das Wasser ab- gesetzt. Der Dotter geht in seiner Gesammtheit den auch bei andern Thieren bekannten Furchungsprozeß ein und der Embryo entwickelt sich aus dem ganzen Dotter, in der Weise, daß man bei dem zusam- mengekugelten Thierchen zuerst den Schlundkopf und das Auge und dann die Räderorgane unterscheidet. Der Embryo kommt aus dem Ei ganz vollkommen so gestaltet, wie das alte Thier, so daß also weder eine Metamorphose noch eine Larvenperiode stattfindet. Die Räderthiere kommen an allen Orten vor, wo man Infuso- rien findet und waren seit den ältesten Zeiten berühmt durch die Eigenschaft einiger Gattungen, nach langer Eintrocknung bei Zubringen frischen Wassers wieder aufzuleben. Auch in Infusionen finden sich einzelne Gattungen derselben häufig. Die Organisation der Räderthiere ist nach Ausscheidung zweier Gattungen, welche vielmehr den Strudelwürmern angehören, (Ichthy- dium und Chaetonotus) eine so übereinstimmende, daß es schwer hält Ordnungen zu unterscheiden. Als erste Ordnung trennen wir die polypenartigen Räderthiere (Sessilia) ab, die meistens eine ganze Wimperscheibe besitzen, die mehr oder minder eingekerbt ist und beim Wirbeln den Eindruck eines rollenden Rades macht. Bei einigen erscheint dieses Rad in der Mitte an der Bauchseite eingekerbt, bei andern mehrfach gespalten, bei andern endlich in Fortsätze oder selbst in Fangarme ausgezogen. Der glockenförmige Körper geht nach hin- ten in einen langen Stiel über, der oft gegliedert erscheint und an seinem Ende eine saugnapfartige Höhlung trägt, mit welcher sich die Thiere festsetzen. Die Familie der Blumenthierchen ( Floscularida ) besteht aus zwei Gattungen, die in gallertartigen Hülsen auf Wasser- pflanzen aufsitzen. Der Schlundkopf ist mit gebogenen Zähnen be- waffnet. Bei den eigentlichen Blumenthierchen (Floscularia) sitzen sehr lange Borsten, die sich nur träge bewegen, auf einziehbaren Fortsätzen und bilden beim Zusammenziehen einen langen steifen Bün- del, der aus der Röhre hervorragt. Die jungen Thiere haben zwei Augen, welche den Erwachsenen fehlen. Bei den Kronenthierchen (Stephanoceros) sind fünf förmliche Fangarme entwickelt, die in Wirteln mit Wimperhaaren besetzt sind und förmlich zum Ergreifen der Beute benutzt werden. Fig. 222. Melicerta ringens von der Seite gesehen. a die Lap- pen des Räderorgans; b der Mund; c der mit zwei dreileistigen Kau- platten bewaffnete Schlundkopf; d Speicheldrüsen; e Magen; f After; g Athemröhren im Nacken; h die Panzerbüchse, durchsichtig dargestellt; i Stiel des Thieres; k Eier mit mehr oder minder entwickelten Em- bryonen, bei welchen man zum Theil Augen sieht, welche die Erwachsenen nicht haben; l Wasserfaden, woran das Thierchen festsitzt. In der Familie der Großräder (Megalotrochida) findet sich ein einfach rundes, hufeisenförmiges oder gelapptes Räderorgan, welches lebhaft wirbelt und ein mit Leisten zum Kauen eingerichteter nicht aber mit scharfen Gabelzähnen be- waffneter Schlundkopf. Die Thiere sind entweder frei mit ihrem Schwanzende an Wasserpflanzen angeheftet, oder, bald ein- sam, bald gesellig in Gallerthülsen ver- steckt. Bei einigen Gattungen (Ptygura, Oecistes) ist das Räderorgan ganz rund, bei andern (Megalotrocha, Limnias, La- cinularia) durch einen mittleren Einschnitt hufeisen- oder nierenförmig, bei einer an- dern Gruppe (Melicerta) selbst vielge- lappt; — die Jungen besitzen meist zwei Augen, welche den Erwachsenen öfters abgehen. Die Ordnung der schwimmenden Räderthierchen (Natantia) zeichnet sich durch einen meist spindelförmigen Kör- per aus, an dessen hinterem Ende ein deutlich abgesetzter, meist in eine Gabel- spitze endender, fernrohrartiger Schwanz- anhang sich befindet. Man theilt sie je nach der Anordnung der Räderorgane in zwei große Familien ab, welche wieder nach der Beschaffenheit der äußern Haut zwei Unterfamilien bilden. Fig. 223. Hydatina. Die Familie der Vielräderthiere (Poly- trocha) hat an dem vorderen Ende des Kopfes eine größere Anzahl von einzelnen Räderorga- nen, die auf zwiebelartigen Wülsten aufsitzen und bei einzelnen Gattungen, wie z. B. beim Kry- stallfischchen (Hydatina) noch von einem einfachen runden Wimperkranze umgeben sind. Zuweilen stehen diese einzelnen Räderorgane auf einstülpbaren Fortsätzen (Notommata) , in andern Fällen scheinen sie in die Vorderfläche des Kopfes angepflanzt. Der Schlundkopf ist bei dieser ganzen Familie, welche die größten Arten der Räderthiere enthält, mit spitzen Ha- kenzähnen bewaffnet, die bei einigen eine Hechel darstellen, bei andern aber nur zwei außeror- dentlich spitze Stacheln bilden, die aus dem Munde hervorgestreckt werden, um die Beute anzubohren. Einige Gattungen, die streng ge- nommen wohl nicht zur Familie gehören dürften (Triarthra, Polyarthra) , haben vorn und hinten am Leibe lange stielartige Anhänge, womit sie fast wie Flöhe springen, und einen verschieden gebildeten Schlundkopf mit gerippten Kauplatten. Eine Unterfamilie wird durch diejenigen Gattungen gebildet, welche einen lederartigen oder hornartigen Panzer Fig. 224. Rotifer. a Kopfende. b Rä- der. c Schlundkopf. d Eierstock. e Darm. haben, wie z. B. Euchlanis, Brachionus etc. Die Gattungen dieser Familie haben meist nur eine ein- fache Athemöffnung im Nacken und ein oder zwei, sehr selten drei Augen Einige sogar sind Zeitlebens blind. Die Familie der Doppelräderthiere (Zygotrocha) hat nur zwei seitliche, auf einstülpbaren Fortsätzen stehende Räder, zwischen welchen meist noch ein Stirnrüssel mit einem zärteren Wimperkranze an der Spitze angebracht ist. Sämmtliche Gattungen, (z. B. Philodina) dieser Familie haben einen Schlundkopf mit gereiften Kauplatten, und eine Gattung (Pterodina) einen härteren Panzer, während die übrigen voll- kommen weich sind. Klasse der Ringelwürmer. ( Annelida. ) Fig. 225. Blutegel. Die große Klasse der Ringelwürmer, deren Angehörige meistens frei im Wasser oder in feuchten Erdhöhlen leben und nur sehr selten schmarotzend vorkommen, besteht aus meist langgestreckten, mehr oder minder cylindrischen Thieren, die nur selten abgeplattete oder eiförmige Formen darbieten. Ihr Körper besteht fast immer aus einzelnen que- ren Ringeln, die in den meisten Fällen deutliche Körperabschnitte bil- den und nur bei den niedersten Gruppen mehr oder minder verwischt sind. Es sind diese Ringel durchaus nicht zufällige Runzeln der Haut, sondern wahrhafte Gliederungen des Körpers, indem an ihnen sich äußerlich besonders die Bewegungsorgane, innerlich aber verschie- dene Abtheilungen der Geschlechtsorgane, des Nervensystems, des Ge- fäßsystems u. s. w. wiederholen. Die Zahl dieser Ringel ist meist äußerst unbeständig; — bei denjenigen Gattungen, welche eine große Menge derselben besitzen, scheint das Thier durch Zugabe neuer Ringel zu wachsen. Nur bei denjenigen Familien, wo eine sehr geringe An- zahl von Ringeln existirt, ist die Zahl derselben im erwachsenen Zu- stande constant. Fig. 226. Kopf eines Schlangen- wurmes ( Nereis ) mit dem mittleren Fortsatze, der die Punklangen trägt, den seitlichen Kopf- fühlern und den Füßen zu beiden Seiten der Körper- ringel. Bei den höhern Ringelwürmern unterscheidet man einen deutlichen, von den übrigen Ringeln abgesetzten Kopf , welcher die Centralscheide des Nervensystems, die Sinnesorgane, Augen, Fühler, Tastwerkzeuge und die Mundöffnung mit ihren Kauwerkzeugen trägt. Bei den niedrigen Familien im Gegentheile ist meistens das vor- dere Ende des Körpers durchaus nicht abgesetzt und nicht als besonderer Ringel, als eigentlicher Kopf, zu unterscheiden. Die äußern Anhänge, welche der Kör- per trägt und die theils zum Tasten (Fühler), theils zur Bewegung (Fußstummel), zum Athmen (Kiemen) und zur Vertheidigung (Stacheln und Borsten) bestimmt sind, erscheinen äußerst wichtig für die Unterscheidung der Familien und Gattungen und werden bei diesen noch besonders betrachtet werden. Die Haut der Ringelwürmer besteht aus einer mehr oder min- der hornigen Oberhaut, welche niemals flimmert und aus einer meist derben Lederhaut, deren gekreuzte Fasern durch die Brechung der Licht- strahlen oft sehr schöne schillernde Farben hervorbringen. Bei vielen Gattungen ist diese Haut vollkommen nackt, bei andern mit mehr oder minder langen hornigen Haaren besetzt und bei den Seeraupen von häutigen Schildern überdeckt, die oft mit den verfilzten Haaren eine förmliche zweite Decke auf dem Rücken bilden. Viele dieser Würmer bilden sich Röhren, in denen sie entweder gänzlich hausen oder nur zeitweise ver- steckt sind. In letzterem Falle sind es Gallerien im Sand oder in feuchter Erde, innen meist mit Schleim ausgekleidet; in ersterem aber leder- artige oder kalkige Röhren, durch Ausschwitzung aus der Haut entstanden und meist von charakteristischer Form für die einzelnen Gattungen und Arten. Die Bewegungsorgane der Ringelwürmer sind sehr mannig- faltig. Alle Würmer bewegen sich durch schlangenförmige Windungen des Körpers fort; — allein diese Windungen werden unterstützt durch verschiedene Apparate. Bei den Egeln sieht man stets einen hintern, oft aber auch einen vorderen Saugnapf , mittelst deren sich diese Thiere spannend fortbewegen. Bei den übrigen Ordnungen findet man oft äußerst sonderbar gestaltete Borsten, Stacheln und Haken, die Fig. 227. Fuß eines Kieferwurms ( Eunice ). b die Kieme; e obere Fühler; t Borstenbündel; ci unterer Fühler. entweder nur lose in Gruben der Haut oder auf besondern seitlichen Stummeln stehen, welche sich längs der Körperringel wiederholen und Füße oder Fußstummeln genannt werden. Meistens unterscheidet man an jedem Fußstum- mel einen oberen und unteren fleischigen Höcker, den Rückenstummel ( ramus dorsalis ) und den Bauchstummel ( ramus ventralis ), welche nach allen Richtungen hin bewegt werden kön- nen und außer einem fadenartigen Fühler ( cirrhus ) einen Bündel von Borsten oder feinen Fig. 228. Querdurchschnitt eines Schlangenwurms. ( Amphinome. ) d Rückenseite; v Bauchseite; rd Rückenstummel; rv Bauchstummel; s Borstenbündel; c Fühler. Stacheln tragen. Die- se Borstenbündel leisten sowohl beim Kriechen, als beim Schwimmen die wesentlichsten Dienste. Man hat je nach der Form dieser Borsten, besonders Pfriemen- borsten ( festucae ), Stachelborsten von bedeutenderer Dicke ( aciculae ) und Hakenborsten ( uncinuli ) mit ge- zähnten Haken- oder Ankerähnlichen Spitzen unterschieden. Das Nervensystem der Ringelwürmer steht im Verhältniß zu den übrigen Klassen desselben Kreises auf einer hohen Stufe der Ent- wicklung. Es besteht in allen Fällen aus einer vorderen, im Kopfe über dem Schlunde gelegenen Anschwellung, die man als Gehirn be- zeichnen kann und die bald mehr, bald minder deutlich aus zwei seit- lichen Hälften zusammengesetzt ist. Von diesen Anschwellungen aus gehen zwei seitliche Aeste, die einen Ring um den Schlund bilden und auf der Bauchfläche in eine Kette von Knoten zusammenfließen, welche in der Mitte der Körpers sich nach hinten erstreckt. In der Regel liegt in jedem Ringel des Leibes ein Nervenknoten, der Aeste nach allen Seiten hin, besonders an die Fußstummeln aussendet. Es existirt also bei der großen Mehrzahl der Ringelwürmer eine auf der Rückenfläche des Schlundes gelegene Hirnanschwellung , ein Schlundring und ein auf der Bauchfläche gelegenes aus einzelnen Anschwellungen bestehendes Bauchmark . Bei den meisten Familien ist dieses Bauchmark scheinbar einfach, wenn auch stets aus zwei seitlichen Strängen gebildet, die in den einzelnen Knoten durch Gang- lienmasse zusammengeschweißt sind; bei andern sind die Verbindungs- stränge zwischen den Knoten getrennt und bei einigen niedern Typen der Ordnungen kommt sogar als Annäherung an die übrigen Klassen der Würmer eine völlige Spaltung des Bauchmarkes in zwei seitliche Stränge vor, welche der Mittellinie bald näher gerückt, bald gänzlich auf beide Seiten hin geworfen sind. Man hat diesen Umstand, wenn auch wohl mit Unrecht, dazu benutzen wollen, die mit seitlichen Strän- gen versehenen Ringelwürmer von den übrigen loszutrennen und in andere Klassen zu versetzen. Besondere Sinnesorgane sind als Augen, Tastorgane und vielleicht auch als Ohrenbläschen vorhanden. Vielen Würmern, be- sonders den Röhrenbewohnern, fehlen die Augen fast durchaus und sind nur bei einigen wenigen Gattungen aufgefunden worden; bei den Egeln finden sie sich zuweilen in ziemlicher Anzahl und bestehen aus einer gewölbten Hornhaut, die einen lichtbrechenden Körper enthält und von schwarzem Pigmente umgeben ist. Die höheren Ringelwür- mer besitzen meist nur zwei oder drei symmetrisch gestellte deutliche Augen; bei einigen gibt es deren sogar am hinteren Ende, sowie an den Seiten des Körpers. Bei einigen Ringelwürmern hat man auch auf den Gehirnknoten selbst kleine runde Bläschen mit einem steinar- tigen Inhalte gefunden, welche man für Gehörbläschen anzuspre- chen berechtigt ist. Die Tastorgane bilden mehr oder minder lange Fäden, welche entweder am Kopfe oder auch seitlich an den Fußstum- meln angebracht sind. Die Gliedfäden ( cirrhi ) des Körpers ste- hen sowohl auf den Rücken, als auf den Bauchstummeln; da wo ein deutlicher Kopf vorhanden ist, sind sie nach vorn gerichtet und werden dann mit dem Namen Kopffühler ( antennae ) bezeichnet. Bei einigen Gattungen erscheinen sowohl die Gliedfäden als die Kopf- fühler geringelt, so daß sie den Fühlhörnern mancher Krebse und Insekten nicht unähnlich sehen. Sie unterscheiden sich aber stets von den Antennen der Gliederthiere dadurch, daß sie contraktil sind und daß keine eigentliche Gliederung mit eingelenkten Abschnitten, sondern nur eine mehr oder minder deutliche Ringelung der Haut vor- handen ist. Fig. 229. Anatomie des Pieres. ( Arenicola piscatorum ) Der Wurm ist von oben der Länge nach aufgeschlitzt, die Der Verdauungsapparat der Ringelwürmer besteht in den meisten Fällen aus einem geraden Darmkanale, der von dem am Vorderende angebrachten Munde durch den ganzen Körper nach hinten ver- läuft und sich in einem endständigen After öffnet, welcher meist ein wenig nach der Rückenseite zu angebracht ist. Nur selten ist der After näher am Munde angebracht. Der Mund ist bei den Meisten mit wulstigen Rändern versehen und oft auch von schar- fen Kiefern umstellt, welche zum Durchboh- ren der Beute oder zum Anbeißen ihrer Haut und zum nachherigen Aussaugen be- hülflich sind. Sehr oft wird die Aufnahme fester Nahrungsmittel auch durch einen mus- kulösen Schlund und das Fangen der Beute durch einen Rüssel unterstützt, welcher aus der Mundöffnung hervorgeschoben werden kann. Die meisten Ringelwürmer sind auch in der That sehr räuberische Thiere und das Fangen der Beute wird bei denen, wel- che Röhren bewohnen, oft noch durch die ungeheuer langen Kopffühler unterstützt, welche zugleich als Schlingen benutzt werden. An dem Darmkanale selbst kann man meistens einen Schlund, der bald länger bald kürzer Eingeweide in ihrer natürlichen Lage behalten. a Mund. b Schlund. c zwei seitliche Blind- därme am Anfange des Magens. d herzähnliche contraktile Blase, welche den Schlund umfaßt und von welcher die Gefäßstämme ausgehen, von denen man hier besonders die Längsgefäße des Darmes und die Quergefäße sieht, welche die Kiemen speisen. e Darm. f After. g Leberar- tige Blinddärmchen. h Kiemen. i hinteres kiemenloses Körperende. ist und den dünnhäutigen Darm unterschei- den, der durch seitliche Brücken von Zellstoff, manchmal auch durch ein förmliches Gekröse in seiner Lage erhalten wird. Meist hat dieser Darm einzelne knotenförmige Anschwel- lungen oder zuweilen förmliche Blindsäcke, welche den einzelnen Ringeln entsprechen. Bei einzelnen Gattungen hat man an diesem Darme theils Speicheldrüsen, theils einen leberartigen Ueberzug von gelber, gekörnter Masse unterschieden. Bei den meisten Ringelwürmern lassen sich besondere Athemor- gane unterscheiden, welche in der Form baumartig verästelter Kiemen, bald an dem Kopfe, bald an der Rückenfläche über den Rückenstum- meln ausgebildet sind. Trotz der bedeutenden Entwickelung, welche diese Kiemen bei vielen Würmern zeigen, fehlen sie oft nahe verwand- ten Familien, wo dann die Haut oder die innere Darmfläche die Athemfunction zu übernehmen scheint. Bei den Erdwürmern und den Egeln finden sich innere Säcke oder Knäuel mit schleifenartigen Kanä- len, in welchen eine sehr lebhafte Flimmerbewegung existirt und die mit engen Oeffnungen nach Außen münden. Ob diese Kanäle wirk- lich innere Wasserkanäle und Athemorgane sind, wofür man sie an- gesprochen hat, erscheint schon um deßwillen zweifelhaft, weil man nie- mals gefärbte Flüssigkeiten in sie hat eindringen sehen, weßhalb auch viele Forscher diese Schleifen-Organe, vielleicht mit größerem Rechte, für absondernde Drüsen ansehen. Das Gefäßsystem ist bei allen Ringelwürmern bedeutend ent- wickelt, seine geschlossenen Röhren lassen sich fast überall leicht nachweisen, da sich in ihnen ein meist roth, zuweilen auch gelb oder grün gefärbtes Blut bewegt. Die Hauptgefäßstämme pulsiren deutlich ihrer ganzen Länge nach und oft existiren noch einige besonders ausge- zeichnete pulsirende Anschwellungen in Schlauch- oder Bläschenform, die man mit Herzen vergleichen kann und die stets paarig in der Nähe des Schlundes liegen. Gewöhnlich findet sich ein mittleres Rücken- gefäß, welches das Blut nach vorn und ein mittleres Bauchgefäß, welches dasselbe nach hinten treibt. Bei den Egeln sind indeß zwei seitliche Gefäße meist stärker entwickelt als die mittleren. Es werden diese Gefäße durch zahlreiche Querbogen und Netze mit einander ver- bunden und da wo Kiemen existiren, erhalten diese stets einen zufüh- renden und einen rückführenden Ast von den Hauptgefäßen. Geschlechtsorgane sind bei allen Ringelwürmern vorhanden, entwickeln sich aber meist nur periodisch zu gewissen Jahreszeiten, so daß oft die Thiere vollkommen geschlechtslos erscheinen. Außerdem pflanzen sich indeß viele derselben entweder durch Theilung oder auch durch Knospung fort. Die Theilung geschieht in der Weise, daß bei solchen Individuen, die noch keine Geschlechtsorgane zeigen, etwa in der Mitte des Leibes oder weiter hinten ein schärferer Einschnitt ent- steht, an welchem sich ein neuer Kopf mit mehren Ringeln bildet. Sobald nun der Wurm aus Vorderthier und Hinterthier besteht, so bemerkt man an dem Vorderthier, daß der vorletzte Ringel des Leibes sich mehr abschnürt und daß aus diesem sichtlich getrennten Ringel, während er noch continuirlich mit dem Vorder- und Hintertheile des Thieres zusammenhängt, nach vorne hin drei oder vier Kopfringe, mit Augen und Fühlern, nach hinten hin Leibes- ringe mit Fuß- und Seitenborsten hervorsprossen. Ist diese Spros- sung so weit gediehen, daß das neugebildete Thier sich loslösen will, so besteht also das Ganze von vorn nach hinten aus drei Stücken, dem Vorderleibe des Mutterthieres, dem jungen, aus einem Ringel des Mutterthieres entstandenen Mittelthiere und dem mit einem Kopfe ver- sehenen Hinterleibe des Mutterthieres, dessen Schicksal nach der end- lichen Loslösung noch unbekannt ist. Das Vordertheil des Mutter- thieres pflanzt sich zuweilen noch mehrfach durch Theilung fort, bekommt aber dann Geschlechtstheile und legt dann nur noch Eier. Bei diesen Ringelwürmern findet auch noch die Eigenthümlichkeit statt, daß abgetrennte Stücke sich wieder zu ganzen Individuen ausbilden. Von der Theilung verschieden ist die Knospung , bei welcher an dem Hinterende des Leibes meist zwischen dem letzten und vorletzten Rin- gel ein Glied hervorsproßt, welches deutlich das Kopfende des neu zu bildenden Individuums ist; während dieses nun auswächst und Ringel an Ringel reiht, entsteht wieder zwischen ihm und dem Mut- terthiere eine neue Knospe, die sich ebenfalls zu einem unabhängigen Individuum ausbildet. Man hat auf diese Weise an einem Mutter- thiere bis zu sechs Knospen hängend gefunden, wovon die hinterste, älteste, schon ein sehr vollständig ausgebildetes Thier darstellte, während die vorderste, jüngste, nur erst den Kopfringel zeigte. Es unterscheidet sich die Knospung also dadurch wesentlich von der Theilung, daß bei letzterer wirklich ein Theil des Mutterthieres (wenigstens ein Ringel) in das neue Inviduum übergeht, während bei ersterer dieses ganz neu gebildet ist. Die Egel und die Erdwürmer sind Hermaphro diten und jedes Individuum mit männlichen und weiblichen Begattungsorganen ver- sehen, während die andern Ordnungen getrennte Geschlechter besitzen. Bei den erstern findet, wie es scheint, keine Metamorphose statt, wohl aber bei den Letztern, weßhalb wir die Zeugungs- und Entwickelungs- verhältnisse bei den einzelnen Ordnungen betrachten werden. So viel sei nur noch bemerkt, daß auch bei allen Ringelwürmern ohne Aus- nahme der Embryo sich aus der ganzen Masse des Dotters bildet und daß diejenigen Beobachtungen, aus welchen man das Gegentheil er- schließen wollte, irrig aufgefaßt wurden. Bei keinem Ringelwurme findet sich jemals während des Laufes der Entwickelung ein dem Dot- ter gegenübergestellter Embryonaltheil und hierdurch, sowie durch den Mangel jedes gegliederten Bewegungsorganes trennen sich die Ringel- würmer weit ab von den Gliederthieren, mit welchen man sie bis in die neueste Zeit in Beziehung bringen wollte. Es ist aber diese Be- ziehung nur stets eine äußerliche, durch die Ringelung des Körpers und seine Theilung in gleichnamige Abschnitte hervorgebrachte und keineswegs zu vergleichen mit der ungleichnamigen Gliederung des Leibes, die bei den eigentlichen Gliederthieren vorhanden ist. Aus der weichen Körperbeschaffenheit der Ringelwürmer geht schon hervor, daß ihre versteinerten Reste nur selten und unvollkommen er- halten sein können. Zwar findet man von den Urgesteinen an oft in schiefrigen Gebilden, welche sich am Strande bildeten, Abdrücke, die offenbar von Ringelwürmern herrühren, denen aber die charakteristi- schen Merkmale, die von den weichen Fühlern, Fußstummeln, Kiemen etc. hergenommen sind, gänzlich abgehen, so daß ihre Bestimmung und Vergleichung mit den lebenden Arten unausführbar wird. Eine Aus- nahme hiervon machen diejenigen Röhrenwürmer, welche sich feste Kalkröhren bauen, die wohl erhalten bleiben und meist charakteristische Merkmale bieten. Wir theilen die Klasse der Ringelwürmer in fünf Ordnungen, die sich gewissermaßen in zwei Reihen gegenüberstehen, indem die Egel, die Stern- und Erdwürmer einerseits und besonders die Röhren- und Schlangenwürmer anderseits so viele Berührungspunkte zeigen, daß letztere beide kaum von einander zu scheiden sind. Fig. 230. Sanguisuga medicinalis. Der medicinische Blutegel. Die Ordnung der Egel ( Hirudinea ) begreift meist lange, schlanke, rundliche oder abgeplattete Würmer, die eine schlüpfrige aber derbe Haut besitzen und auf der Oberfläche sehr viele Querrunzeln zeigen, welche indeß den durch die inneren Organe angedeuteten Glie- derungen nur in Ausnahmsfällen entsprechen. Der Körper ist meist nach vorn verschmälert, nach hinten breiter und trägt an dem hintern Theile stets einen breiten, muskulösen Saugnapf, welcher zum Anheften dient. Das dünnere Kopfende ist niemals als eigentlicher Kopf abge- setzt, zeigt aber bei den meisten Gattungen ebenfalls einen runden oder aus zwei seitlichen Lippen gebildeten Saugnapf, in dessen Grunde sich der Mund befindet. Dem Körper fehlen alle sonstigen Bewegungs- organe, namentlich jede Spur von Fußstummeln oder Borsten; er be- wegt sich beim Kriechen nach Art der Spannraupen durch abwechseln- des Anheften der Saugnäpfe oder mittelst schlängelnder Windungen beim Schwimmen. Das Nervensystem ist sehr entwickelt; — es finden sich stets zwei Stränge, welche die Knoten des Bauchmarkes mit einander verbinden. Bei der am niedrigsten stehenden Familie der Weichegel sieht man indessen das Nervensystem in ähnlicher Weise wie bei den Saugwürmern angeordnet, indem nur zwei seitliche Kno- ten existiren, die durch eine dünne unter dem Schlund herziehende Schlinge verbunden sind und zwei seitliche Aeste nach hinten schicken, die keine Knoten zu besitzen scheinen. Zum Tasten dient besonders das vordere Kopfende; Augen finden sich bei allen frei lebenden Egeln in der Zahl von zwei bis zehn, fehlen aber den schmarotzenden Gattungen. Die Egel leben hauptsächlich von dem Blute anderer Thiere und besitzen zu diesen Endzwecke in der Mundhöhle meist hornige Waffen, Fig. 231. Anatomie des Blutegels. ( Hirudo s. Sanguisuga medicinalis. ) Das Thier ist von der Bauch- seite her durch einen Längsschlitz ge- öffnet und die Haut nach beiden Seiten zurückgeschlagen worden. Nur die vordere Hälfte des Körpers ist dargestellt, so daß man besonders die Geschlechtstheile, das Nervensystem, den schwarzen Darm, mit seinen un- vollständigen, seitlichen Blindsäcken, die Schleimdrüsen (Respirationsbla- sen) deutlich sieht. a die 3 Kiefer. b der muskulöse Schlund. c der Darm. d Ruthenblase. e Samen- blase. f Hoden. g Uterus. h Eier- stöcke. i Nervenstrang (die seitlich abgehenden Nerven wurden nicht dargestellt. k Respirationsbläschen (Schleimdrüsen) mit den schleifenför- migen Flimmerkanalen. l Seitenge- fäß. m unteres Längsgefäß. Fig. 232. A der vordere Saug- napf eines Blutegels mit den Kiefern m in natürlicher Lage; B ein Kiefer stärker ver- größert; C einige Zäh- ne desselben noch stär- ker vergrößert. womit sie die Haut an- bohren, um nachher zu saugen. Bei den Vlut- egeln findet man im Grunde des vorderen Saugnapfes drei harte bogenförmige Kieferwül- ste, die auf ihrer Schneid- fläche mit kleinen, hor- nigen, knollenförmigen Zähnen besetzt sind und beim Anbohren so vor- geschoben werden, daß sie einen dreizackigen Stern bilden. Jeder Kiefer wirkt auf die Haut wie eine Säge. Der Blutegel be- wegt diese Bogensägen unter beständigem Aufdrücken so lange hin und her, bis er die Haut durchbohrt hat, wo er dann die Kiefer zurückzieht und das Blut durch abwechselnde Ausdehnung und Zusammen- ziehung des muskulösen Schlundes auf- pumpt. Bei den Kiemenegeln finden sich nur zwei Kiefer vor, bei den Rüsselegeln dagegen eine Schlundröhre ähnlich der- jenigen der Sohlenwürmer. Der auf den muskulösen Schlund folgende Darm ist meistens durch mehr oder minder starke Einschnürungen in einzelne Säcke getheilt und zeigt noch außerdem in häufigen Fällen im hintern Theile des Körpers gelegene Blindsäcke, welche zuweilen ver- ästelt sind. Der Mastdarm ist von dem übrigen Darme meist durch eine enge Klappe getrennt und öffnet sich mit einem engen After, unmittelbar vor dem Saug- napfe des Hintertheiles an der Rückenfläche. In dem Blutgefäß- systeme findet sich bald rothes, bald farbloses Blut und man unter- scheidet als wesentliche contractile Stämme zwei seitliche Längsgefäße, Vogt, Zoologische Briefe. I. 15 ein Rücken- und ein Bauchgefäß, die vorn und hinten durch weite Querbogen und in den Körperringeln durch feinere Zwischenäste mit- einander in Verbindung stehen. An den Seiten des Körpers sieht man meist eine ziemliche Anzahl von sehr feinen Oeffnungen, welche in rundliche Säcke, die mit schleifenförmigen lebhaft flimmernden Ka- nälen in Verbindung stehen, einmünden. Die Bedeutung dieser Kanäle ist noch nicht genauer festgestellt. Sämmtliche Egel sind, mit Ausnahme der Weichegel, Herma- phroditen und pflanzen sich nur durch Eier, nicht durch Knospung oder Theilung fort. Die Geschlechtsöffnungen liegen auf der Bauch- seite meist in der Nähe des Mundes unmittelbar hintereinander. Die vordere männliche Oeffnung führt in ein zwiebelförmiges Säckchen, aus welchem das lange fadenförmige Begattungsorgan hervorgestreckt wer- den kann. In jedem Ringel des Vorderleibes liegt ein Paar Hoden, welche mit langen, an den Seiten hinlaufenden Samengängen in Ver- bindung stehen. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus zwei bohnenförmigen Eierstöcken, die in einen kurzen Eileiter und einen flaschenförmigen, nach Außen mündenden Eibehälter sich fortsetzen. Die Entwickelung der Egel ist höchst eigenthümlich, gleicht indessen in vieler Beziehung derjenigen der Sohlenwürmer, wie denn überhaupt zwischen diesen beiden Ordnungen sich vielfache Beziehungen zeigen, die vielleicht noch zu einer nähern Vereinigung führen dürften. Bei den eierlegenden Egeln schwitzt am Vordertheile des Leibes ein gallert- artiger Stoff aus, welcher eine Art Gürtel darstellt. Der Wurm legt die Eier in diesen Gürtel, zieht sich dann aus demselben heraus, die Oeffnungen des Gürtels schnurren zusammen, und es ist so eine hornartige Eikapsel gebildet, welche an Wasserpflanzen angeklebt wird, und die man mit den Cocons der Seidenraupen verglichen hat. Die Cocons der Blutegel sind von bedeutender Größe und enthalten stets viele Eier. In den Eiern selbst scheint sich nun der Embryo gewis- sermaaßen aus einzelnen Stücken zusammenzusetzen. Eine bewegliche Schlundröhre bildet sich zuerst an dem mit Wimperhaaren überzogenen Embryo. Dieser Magenschlauch tritt dann mit einem Saugnapfe in Verbindung und schluckt, während sich der Embryo fortentwickelt, die noch übrigen Dotterzellen auf. Der Anfangs kugliche Embryo wird nach und nach platt, länglich, verliert seine Wimperhaare und schlüpft endlich in der Gestalt des Mutterthieres aus dem Ei hervor. Es findet also eine eigentliche Metamorphose nicht statt, ebensowenig wie bei den Sohlenwürmern. Fig. 233. Malacobdella. Wir theilen die Egel in drei Familien. Die Weichegel (Malacobdellida) schließen sich am Nächsten den Saugwürmern an. Ihr Körper ist abgeplattet, vorn stumpf, hinten mit einem großen Saugnapfe versehen; der Mund weich, unbewaffnet, mit kleinen Wärzchen besetzt; der Darmkanal gerade, ohne Blind- säcke und Verzweigungen; das Nervensystem besteht aus zwei seitlichen Stämmen und zwei seitlichen Schlund- knoten. Die Geschlechter sind getrennt — äußere Begattungswerkzeuge fehlen ganz. Die Zeugungs- stoffe entwickeln sich in zelligen Kammern der Leibes- höhle und dringen durch seitliche Oeffnungen derselben hervor. Die Körperhaut ist halb durchsichtig und läßt die Eingeweide im Innern erkennen. Es schma- rotzen diese Egel, von welchen man nur eine Gattung ( Malacobdella ) kennt, in der Mantelhöhle verschiedener Meermuscheln, besonders der Trogmuscheln. Fig. 234. Clepsine hyalina. Die zweite Familie, diejenige der Rüsselegel ( Clepsinida ) hat einen hinten breiten, vorne sehr schmalen Körper, mit einem breiten, hintern Saug- napfe, einen vorstreckbaren Rüssel ohne Bewaffnung und einen mit langen Blinddärmen versehenen Darm- kanal. Sie leben besonders häufig in süßen Wassern, wo man sie an Wasserpflanzen kriechend antrifft und nähren sich vom Blute der Wasserschnecken. Clepsine. Die Familie der Blutegel (Hirudinida) hat einen mehr gleichförmig breiten Körper, zuweilen mit deut- lichen Ringeln und außer dem großen hintern Saug- napf einen vorderen Mundnapf, welcher bald per- manent ist, bald auch, wie bei dem medizinischen Blutegel, durch Ausdehnung der lippenförmigen Um- gebung des Mundes gebildet werden kann. Der Mund ist stets ohne Rüssel, bei einigen mit Kiefern bewaffnet, bei andern nur mit einem fleischigen Wulste versehen. Zu dieser Familie gehört der gewöhnliche Blutegel ( Sanguisuga ), in Mitteleuropa, Kleinasien und Ostindien einheimisch, der zum Blutsaugen am Menschen benutzt wird; der Roß- egel ( Haemopis ) und viele auf Fischen ( Piscicola ) und auf Krebsen ( Branchiobdella ) schmarotzenden Würmer. Die meisten Blutegel lauern im Versteck auf die Thiere, welche zur Tränke kommen, andere heften 15* sich an die äußere Haut an und lassen sich so herumtragen. Eine ganz augenlose Gattung ( Branchiobdella ) lebt besonders häufig an den Kiemen der Flußkrebse, und kann wegen der Durchsichtigkeit ihrer Haut leicht zu mikroskopischen Beobachtungen benutzt werden. Der große Verbrauch des medizinischen Blutegels zu ärztlichen Zwecken ist bekannt. Man legt zu seiner Aufbewahrung eigene Zuchtteiche und Tümpel an, deren Behandlung viele Sorgfalt erfordert und bezieht jetzt die meisten aus Ostindien und Aegypten, da die ungarischen und polnischen Sümpfe, welche sie früher in ungeheurer Anzahl lieferten, fast erschöpft sind. Aulacostomum; Pentobdella. Die Ordnung der Sternwürmer ( Gephyrea ) wird von Fig. 235. Sipunculus. a Der mit rückwärtsgebo- genen in Querreihen stehen- den Haken besetzte Rüssel; b die Fühlwarzen; c der durch die Körperhaut durch- scheinende Darm; d der After. einer höchst eigenthümlichen Gruppe von Meer- würmern gebildet, welche man bis jetzt großen- theils als zu den Strahlthieren gehörig be- trachtete, indem man sie den Seewalzen an- reihte. Der Körper dieser Thiere ist walz- enförmig, drehrund, von einer derben leder- artigen Haut umhüllt und meist nackt, doch sieht man bei einigen Gattungen steife, in die Haut eingepflanzte, unbewegliche Borsten, oder auch an dem Vorderende einige Haken, die zum Festhalten dienen. Alle diese Thiere leben im Sande, in Löchern und in Höhlen in ähnlicher Weise unter dem Wasser, wie die Regenwür- mer auf dem festen Lande. Sie zeigen keinen besonders abgesetzten Kopf und keine Sin- nesorgane. Das Nervensystem besteht aus einem Bauchmarke und einem Schlundringe, an dem sich ein unbedeutender Hirnknoten erkennen läßt. Der Mund befindet sich an dem vordern Ende des Körpers und ist bei den meisten Gattungen mit einem lan- gen Rüssel versehen, welcher in ähnlicher Weise wie bei den Kratzern, mit rückwärts ge- bogenen Haken besetzt ist. Der Darmkanal er- scheint bei den meisten Gattungen gewunden, nur bei einigen grade und öffnet sich an dem hintern Ende des Körpers; nur bei einer Gat- tung findet sich der After auf der Bauchseite in der vordern Hälfte des Körpers. Es sind diese Thiere meist noch sehr unbekannt, ihre Anatomie sowie ihre Entwicklung bedarf noch vieler Aufklärung, bevor ihre Stellung mit Genauigkeit angegeben werden kann. Es gehören zu dieser Ordnung die Heberwürmer ( Sipunculus ), die Stachel- würmer ( Echiurus ) und einige andere Gattungen, welche man nur dem äußern Ansehen nach kennt. Thalassema; Priapulus. Die Ordnung der Erdwürmer ( Scoleina ) hat einen lan- gen runden Körper, der nur undeutlich gegliedert erscheint. Die Haut ist derb, zuweilen selbst lederartig und auf beiden Seiten des Körpers sind Borsten in dieselbe eingesenkt, welche zur Unterstützung der Be- wegungen dienen. Es stehen indeß diese Borsten niemals wie bei den folgenden Ordnungen auf eigenen Fußstummeln, sondern stecken viel- mehr oft fast gänzlich verborgen in paarigen Gruben der Haut. Man unterscheidet keinen deutlich abgesonderten Kopf, wohl aber bei der einen Familie zwei Nackenaugen, die den Regenwürmern abgehen. Der Mund zeigt niemals Kiefer oder rüsselförmige Organe, der Darm läuft grade durch den Körper und läßt nur abwechselnde, den Rin- geln entsprechende Einschnürungen, aber keine Blindsäcke wahrnehmen. Das Blut ist meist roth; es cirkulirt hauptsächlich durch zwei in der Mittellinie des Bauches und des Rückens gelegene Längsgefäße, welche durch Queräste verbunden sind, die bei den Regenwürmern na- mentlich im vordern Leibesende perlschnurartig geformt sind und leb- haft pulsiren. Man findet auch bei diesen Thieren ähnliche schleifen- förmige Kanäle mit innerer Wimperbewegung wie bei den Egeln und ist ebenso wenig wie bei diesen über ihre Bedeutung klar geworden. Sämmtliche Erdwürmer sind Hermaphroditen und haben auf der Vor- derfläche des Bauches paarige Geschlechtsöffnungen, welche zu beiden Seiten der Mittellinie liegen, zum Unterschiede von den Egeln, welche nur je eine Geschlechtsöffnung zeigen. Hoden und Eierstöcke stecken übrigens öfters so in einander, daß es unmöglich ist, sie zu trennen, indem in dem schlauchförmigen Eierstocke selbst der Hodenschlauch ein- geschachtelt ist. Ueber die Entwicklung der Erdwürmer im Ei liegen durchaus noch keine Beobachtungen vor; man weiß nur so viel, daß die Jungen keine spätere Metamorphose mehr durchmachen, sondern vollkommen ausgebildet das Ei verlassen. Die Familie der Regenwürmer ( Lumbricida ) besteht aus walzenförmigen, höchst ungleich gegliederten Thieren ohne geschiedenen Kopf und ohne Augen, auf deren Bauchfläche in seitlichen Gruben, welche nahe an der Mittellinie angebracht sind, Packete gekrümmter Borsten stehen, die gänzlich in diese Gruben zurückgezogen werden können. Sie leben in Erdhöhlen, im feuchten Boden und scheinen be- sonders Nachts ihrem Raube nachzugehen. Daß sie Pflanzenstoffe, Wur- zeln und Schossen abfressen, ist eine Fabel. Zur Brunstzeit entwickelt sich bei diesen Thieren hinter den Geschlechtstheilen eine Anhäufung von Drüsenbälgen, welche einen zähen klebrigen Schleim absondern, der besonders zum Festhalten bei der Begattung dient. Die Drüsen- bälge selbst schwellen zu dieser Zeit an und bilden entweder einen auf dem Rücken liegenden Sattel oder einen förmlichen Gürtel um den Leib, welcher von Unkundigen meist für eine vernarbte Wunde gehal- ten wird. Einige Gattungen dieser Erdwürmer bauen sich förmliche Röhren, während die meisten sich begnügen, ihre Gallerieen mit Schleim auszufüttern und sie dadurch vor dem Zusammenfallen zu schützen. Lumbricus; Saenuris; Enchytraeus; Euaxes; Rhynchelmis; Sternaspis. Die Familie der Wasserschlängel ( Naidida ) begreift kleine, un- Fig. 236. Nais (Stylaria) pro- boscidea. a Rüsselartiger Fortsatz des Kopfes, hinter dem man den Anfang des Dar- mes und die beiden Augen sieht. b Schlund und Ma- gen. c Darm, durchscheinend durch den Körper. deutlich gegliederte, außer den Borstenbündeln am Leibe auch noch mit einfachen Seitenborsten versehene Würmer, welche besonders den Schlamm der süßen Gewässer bewohnen und darin sich Galerieen gra- ben, aus denen sie den stets lebhaft schlängelnden Kopf hervorstrecken. Einige Arten ( Chaetogaster ) schmarotzen auch in der Mantelhöhle der Wasser- schnecken. Die meisten haben zwei deutliche Augen. Es pflanzen sich diese Thiere unabhängig von der geschlechtlichen Entwicklung auch noch in der oben beschriebenen Weise durch Theilung fort und ihre ausgezeichnete Reproductionskraft nach Verletzungen ist schon oft der Gegenstand vielfacher Beobachtungen gewesen. Nais; Chaetogaster; Stylaria; Proto; Aeo- losoma. Die Ordnung der Röhrenwürmer ( Tubicola ) gehört ausschließlich dem Meere an und bildet mit der folgenden Ordnung eine natürliche Gruppe in ähnlicher Weise, wie die Egel und die Erdwürmer eine größere zusammenhängende Gruppe darstellen. Alle diese Würmer wohnen in dem ausgewachsenen Zustande in Röhren, welche eine sehr verschiedene Beschaffenheit zeigen. Bei den einen erscheinen sie als vielfach gewundene Gallerieen aus fremden Kör- Fig. 237. Grupre von Röhren des Meerpinsels (Serpula). Der aus der einen Röhre hervorgestreckte Wurm zeigt den Kranz von Kopffühlern und Kiemen; den mittleren zu einem Deckel der Röhre ver- dickten Fühler nnd die ersten Leibesringel mit den seitlichen Borsten. pern, Sand, Steinchen, Schalenstücken zusam- mengeklebt und im Innern mit einer seiden- artigen Schicht verhärteten Schleimes ausge- klebt; bei andern stellt sich die Röhre perga- mentartig oder selbst hornig dar, und noch bei andern Gattungen ist sie fest und aus kohlen- saurem Kalk gebildet. Die Windungen dieser Wurmröhren, ihre äußere Verzierungen sind in diesem Falle meist so charakteristisch, daß man auch aus der leeren Röhre Gattung und Art bestimmen kann. Die Haut, der in diesen Röhren steckenden Würmer ist meistens ziem- lich weich und ihre Contractilität ist sehr be- deutend. Zum Festhalten in ihren Röhren dienen seitliche, mit Borsten besetzte Fußstum- meln, welche Büschel von Haken und Horn- spitzen, niemals aber bewegliche Anhänge tra- gen. Es sind diese Borsten meist hakenförmig gekrümmt und so gestellt, daß das Thier sie gegen die Röhre anstemmen und gegen das Hervorziehen einen bedeutenden Widerstand leisten kann. Durch die Hakenborsten unterscheiden sich die meisten Röhrenwürmer von den Schlangenwürmern, welche niemals Hakenborsten besitzen. Man kann bei den Nöhrenwürmern keinen gesonderten Kopf un- terscheiden. Sinnesorgane fehlen fast immer; nur bei einigen Gattun- gen hat man kaum bemerkbare Augen wahrgenommen. Ebenso fehlt stets irgend welche Bewaffnung des Vorderendes, Kiefer, Rüssel oder dergleichen. Dagegen finden sich bei allen Röhrenwürmern an dem Kopfende eigenthümliche Kopffühler, contractile Fäden, welche so- wohl zum Tasten als auch zum Fangen der Beute dienen. Bei eini- gen Gattungen erscheinen diese Kopffühler in Form gefiederter An- hänge, welche eine Art Federkrone in Trichter- oder Spiralform bil- den und eine mehr steife Natur haben. Bei andern bilden sie eine Menge außerordentlicher dünner langer Fäden, welche eine wunder- bare Beweglichkeit besitzen und die man abgetrennt für selbstständige Würmer halten könnte. Mit diesen Fäden, welche man früher irr- thümlicher Weise für Kiemen hielt, angeln die Würmer beständig im Wasser umher und wenn irgend ein Umstand sie zwingt, ihre Röhre zu verlassen, so bedienen sie sich auch häufig derselben, um den Kör- per daran nachzuziehen. Bei manchen Gattungen finden sich nur zwei solcher Kopffühler, wovon der eine oftmals zu einer Art Pfropf um- gewandelt ist, mit welchem das Thier beim Zurückgehen seine Röhre schließt. Bei deu Röhrenwürmern sind die Hirnganglien stets sehr bedeutend, aber als eine Annäherung zu den niedern Klassen der Wür- mer beobachtet man auch hier, daß die Verbindungsstämme des Bauch- markes aus einander weichen und zu beiden Seiten der Mittellinie mit eigenen Knoten sich hinziehen. Der Darmkanal der Röhrenwürmer ist deutlich in einen mus- kulösen Schlund, einen schlauchförmigen Magen und einen meist engern Darm getheilt. Er verläuft zuweilen in seinem hintern Theile spira- lig gewunden bis zu dem am Körperende liegenden After. Doch gibt es einige Gattungen, bei welcher er auch mehrere schlingenförmige Win- dungen macht. In diesen Darm münden meist unmittelbar hinter dem Kopfe zwei Speicheldrüsen ein. Alle Röhrenwürmer besitzen Kiemen, welche an dem Kopfe in Form baumartig verästelter Anhänge, zuweilen aber auch zur Seite oder selbst auf dem Rücken angebracht sind. Meist können diese Kie- men nach Willkür ausgestreckt und eingezogen und auf diese Weise die Circulation des Blutes in ihnen gehemmt oder gefördert werden. Die Gefäße, welche diese Kiemen speisen, entstehen aus dem Rücken- gefäße, welches gewissermaßen das Kiemenherz repräsentirt und das oftmal in zwei Stämme gespalten ist, wovon der eine unter der Haut, der andere längs des Darmkanales läuft. Die Kiemen zeigen stets eine sehr lebhafte Flimmerbewegung und sind immer so gestellt, daß nicht die ganze Blutmasse, sondern nur ein Theil davon durch sie hin- durchgetrieben wird. Alle Röhrenwürmer sind getrennten Geschlechts und pflanzen sich nur durch geschlechtliche Zeugung fort. Die Geschlechtstheile ent- wickeln sich periodisch als innere Drüsenbälge, deren Inhalt nach der Reihe durch Platzen in die Bauchhöhle entleert wird. Auf welche Weise die zu gewissen Zeiten die Leibeshöhle ganz erfüllenden Pro- dukte nach Außen geschafft werden; ob durch Ablösung des hintern Körperendes, ob durch besondere Oeffnungen am Kopfe oder an den Seiten des Leibes, ist bis jetzt noch unbekannt, doch ist das Letztere wahrscheinlicher. Die meisten Röhrenwürmer legen ihre Eier in schleimigen Klumpen, welche an der Mündung der Röhre festgeklebt sind und dort leicht aufgefunden werden können. Die Entwickelung der Röhrenwürmer wurde erst in neuester Zeit bekannt und ließ noch mehr als alle andern Charaktere Fig. 238. 239. 240. 241. Erste Entwickelung eines Röhrenwurmes (Terebella) Fig. 238. Der reife Dotter. Fig 239. Ein Embryo, welcher eben das Ei verlassen hat und mittelst eines breiten Wimperkranzes (e) wälzend einherschwimmt. Fig. 240. Ein weiter gebildeter Embryo, an dem sich ein Kopfringel, ein be- wimperter Halsringel, ein Körperringel und der gleichfalls be- wimperte Endringel unterscheiden läßt. Fig. 241. Ein noch weiter ausgebildeter Embryo, an dem man mehrere Körperrin- gel, Augen und die Anlage des Darms unterscheidet. a Dot- terhaut. b Dotter. c Kopfende. d Hinterende. e Bewimper- ter Halskragen. f Hinterer Wimperkranz, letztes Körperglied. g ′ Vorletztes Körperglied, g ″ Drittes Körperglied. h Augen. i Darm. die nahe Ver- wandtschaft zwi- schen ihnen und den umherschwei- fenden Ringel- würmern, den Schlangen-Wür- mern, erkennen. Man fand, daß diese Jungen eine vollständige Me- tamorphose durch- machen, und daß sie im Anfange ganz auf dieselbe Weise wie die Jungen der um- herschweifenden Ringel-Würmer gebildet sind, so Fig. 242. 243. Weitere Entwickelungsstufen desselben Wurmes. Fig. 242. Von oben. Fig. 243. Von der Seite gesehen. Der Darm hat sich jetzt in einen daß es schwer hält, dieselben zu unterscheiden. Nach vollendetem Furchungsprozesse verwandelt sich nämlich der Dotter im Ganzen in einen fast kugelrunden Embryo, welcher dicht mit Wimperhaaren besetzt ist. Das kugelförmige Thier durchbricht nun meist die Eihülle und schwimmt frei im Wasser umher. Die Larve wird eiförmig, an dem vordern Ende sieht man zwei deutliche Augen- punkte. Die Wimpern ziehen sich zusammen und bilden un- mittelbar hinter den Augen eine Art Halskragen. Der Körper verlängert sich stets mehr, man sieht Querabtheilungen und an Schlund ( i ′), Magen ( i ″) und Darm ( i ‴) getheilt, die Wimperkränze fangen an zu schwinden, und dafür die Fußborsten hervorzusprossen. Das Kopf- ende ist spitz geworden und eine deutliche Unter- lippe (k) hervorgesproßt. Bedeutung der Buch- staben wie in den vorigen Figuren. Fig. 244. 245. Terebella. Fig. 244 u. 245. Der Wurm hat sich eine Röhre umgebildet und es sproffen all- mählig Fühler und Kiemen hervor. In Fig. 244. kommt der erste Fühler in Gestalt eines Zapfens am Kopfende hervor; in Fig. 245. zählt man schon acht Fühler (o) und die Kie- men erscheinen in der Nackengegend in Gestalt kleiner Stummeln. m Röhre. o Fühler. p Kiemen; die übrigen Buchstaben wie oben. dem hinteren Ende des Körpers einen zweiten Wimperkranz. Die Larve schwimmt nun sehr schnell im Wasser umher. Die Ringel vermehren sich und werden deut- licher, die beiden Wimperkränze verschwinden allmählig, während zugleich an den Seiten des Kör- pers sich einzelne Borsten zeigen. So ist allmählig aus der eiförmi- gen Larve ein länglicher Wurm mit deutlichem Kopfe, zwei Augen, einem flimmernden Halskragen und mehrfachen Körperringeln gewor- den, welche mit Borsten besetzt sind und dem Thiere beim Kriechen dienen. Nun beginnt die Larve sich festzusetzen und eine Röhre umzubilden, während zugleich an der Stelle des Halskragens die Kiemen hervorsprossen. Die Augen verschwinden, die Kopffühler spros- sen an ihrer Statt hervor und bei zunehmender Entwickelung bildet sich das Thier auf diese Weise stets mehr und mehr zum erwach- senen Röhrenwurm um, welchem bekanntlich die Augen gänzlich feh- len. Bei den Larven der umher- schweifenden Ringelwürmer, welche Anfangs vollkommen mit den beschriebenen der Röhrenwürmer hinsichtlich ihrer Bildung überein- kommen, schreitet dagegen die Entwickelung des Kopfes sowohl wie die des sonstigen Körpers in gleichem Maaße fort. Man kann also mit vollem Rechte behaupten, daß die Röhrenwürmer und Fig. 246 Terebella. Der erwachsene Wurm aus der Röhre gezogen in natürlicher Größe. Die feinen Fühler bilden einen Busch geschlängelter Fäden, die beständig umherangeln und sich deutlich von den baumartigen Kiemen p im Nacken unterscheiden. Fig. 247. 248. 249. Drei verschiedene Entwickelungsstufen eines Schlangenwurmes (Nereis.) um die allmählige Verlängerung des Körpers durch Streckung und Zuwachs neuer Ringe zu zeigen. In dem jungen Embryo Fig. 247. beginnen die Kopffühler erst zu spros- sen; die Kiefer des Schlundkopfes sind kaum angelegt, die die Schlangenwürmer zusammen nur einen Typus bilden und daß die ersteren durch rück- schreitende Metamor- phose zu der sitzenden Lebensart umgebildet werden, welche sie im erwachsenen Zustande behaupten. Die Fixa- tion eines Thieres an einem bestimmten Orte, das Leben in Röhren und Schalen, die fest- sitzen, wirkt stets ganz in ähnlicher Weise de- Augen nur einfach, man unterscheidet nur zwei Leibes- ringe. In Fig. 248. haben sich die Leibesringe vermehrt, die Fühler sind größer, die Augen sind zweipaarig, die Kiefer deutlich geworden. In Fig. 249. endlich sind die Fühler ausgebildet, ebenso die Kiefer, die Füße der Lei- besringe getheilt, das Ganze, bis auf die Länge, dem Erwachsenen ähnlich. a Kopfende mit den Fühlern. b Kiefer. c Hinteres Ende. d Leibesringel. gradirend auf dasselbe ein, wie das Schma- rotzerleben, indem bei beiden Zuständen die edleren Sinnesorgane und die activen Bewe- gungsorgane verkümmern, um Haftorganen und mehr oder minder ausgebildeten Tastwerkzeugen Platz zu machen. Wir theilen die Ordnung der Röhrenwürmer nach der Lage der Kiemen und der Form der Borsten in drei Familien. Bei den ersten, den Austernwürmern (Hermellida) stehen die Kiemen paarweise zu beiden Seiten des Rückens, und an dem vordern Ende des Kopfes sieht man außer einem Haufen baumartig verzweigter Fühler zwei dicke Wülste, welche auch zum Schließen der Röhre dienen. Diese ist meist rund und aus Sandkörnern zusammengeklebt. Arten dieser Au- sternwürmer entwickeln sich in so enormen Gesellschaften auf den Austernbänken, das hierdurch das Wachsthum und die Ausbildung derselben vielfach beschränkt wird. Hermella. Fig. 250. Gruppen von Röhren des Meerpinsels (Serpula). Die Familie der Meerpinsel (Sabellida) hat die Kiemenbüschel vorn am Kopfe, bald in Form eines aus zwei Hälften gebildeten Kreises von Federn, bald aus seitliche ver- zweigte Bäumchen, bald auch als Kämme in der Halsgegend. Diejenigen Gattungen, welche kalkige Röhren besitzen, bilden oft große Grup- pen, welche sich besonders auf Muscheln, Ko- rallen u. s. w. festsetzen, während die, welche Röhren aus Sand oder verhärtetem Schleime besitzen, mehr einzeln leben. Man hat Ge- häuse, welche meerpinselartigen Thieren an- gehören, fast in allen Schichten der Erde von den ältesten an gefunden, ohne daß indeß ihre genauere Bestimmung bis jetzt möglich gewesen wäre. Manche Nöhren dieser Würmer (Spirorbis) sind vollkommen schneckenartig gewunden; andere (Serpula) unregelmäßig geschlängelt; andere (Sabella) gerade und hautartig; noch andere (Terebella) aus Steinchen zusammengeklebt. Amphicora; Amphitrite; Pectinaria. Den Uebergang zu den Schlangenwürmern bildet die Familie der Grünwürmer (Chloraemida), die einen mehr oder minder deutlichen Kopf besitzt, an welchem die Kiemen stehen, während die Fußstummeln ganz so gebildet sind, wie bei den Schlangenwürmern, und durchaus keine Hakenborsten tragen. Die Ordnung der Schlangenwürmer (Errantia) begreift alle diejenigen Ringelwürmer, deren Körper deutliche Quergliede- rungen zeigt, welche mit Fußstummeln versehen sind, und bei denen meist ein deutlich abgetrennter Kopf mit entwickelten Taft- und Sinnes- organen und Kiemen vorhanden sind, die zu beiden Seiten des Rückens in Büscheln vertheilt stehen. Die Haut dieser Thiere ist sehr derb und aus gekreuzten Sehnenfasern gewebt, welche die schön- sten Schillerfarben erzeugen. Der deutlich getrennte Kopf trägt kurze contractile Kopffühler, deren oft nur zwei, oft aber mehrere vorhanden sind. Es dienen diese Organe zum Tasten, während zwei seitliche einfache Augen das Sehen vermitteln. Fig. 251. Fuß eines Kieferwurms (Eunice). Die Bewegungsorgane bestehen stets aus Fußstummeln, die nur selten einfach oder so mit einander verschmolzen sind wie bei den Röh- renwürmern, vielmehr in der Weise doppelt sind, daß sie in einem obern und untern Wulst enden, welche beide Borstenbüschel tragen, weß- halb man sie auch als Rückenstummel und Bauchstummel unterschieden hat. Außer den Büscheln verschiedenartiger Borsten, welche außerordentlich wechselnde Formen besitzen und die Gestalt von Pfeilen, Harpunen, gezähnelten Spiesen und Bayonetten u. s. w., niemals aber Hakenform, wie bei den Röhrenwürmern, zei- gen, tragen diese Füße fast immer noch fadenförmige Körperfühler, oder Cirrhen, die meist an dem Rückenstummel angebracht sind, über welchem außerdem noch die baumförmigen Kiemen befestigt erscheinen. Fig. 252. Der Kopf eines Schlangen- wurmes (Glycere) mit entwickeltem Rüssel. tr der Rüssel; b der Mund; m die daran liegenden Kiefer; t der verhältnißmäßig sehr kleine Kopf; c die ersten Körperringel. Im Gegensatze zu den Röhrenwür- mern zeigt der Mund der Schlangen- würmer meist eine ausgezeichnete Bewaff- nung, welche am häufigsten in einem Rüssel oder auch in hakenförmig gekrümm- ten Kiefern besteht. Der Rüssel ist meist ungemein groß, rund, keilförmig, an seiner Spitze durchbohrt und hier entwe- der waffenlos oder mit scharfen gekrümm- ten Kiefern versehen. Es wirken diese Kiefer stets von der Seite her gegen einander. Zuweilen stellen sie einfache Zangen dar, zuweilen auch sind sie vielfach gekerbt und in ungleicher Zahl auf beiden Seiten angebracht. Der übrige Verdau- ungskanal, sowie das aus einem Bauchmarke und deutlichen Hirn- knoten bestehende Nervensystem, bieten keine wesentlichen Verschieden- heiten von den Röhrenwürmern dar. Das Gefäßsystem ist au- ßerordentlich entwickelt und namentlich das Rücken- und Bauchgefäß von Bedeutung. Ersteres speist die Kiemen, welche meist in Baum- form zu beiden Seiten des Rückens angebracht, aber oft ziemlich rudimentär sind, während sie bei andern Gattungen eine enorme Entwickelung und Zahl erreichen. Die Geschlechter sind getrennt, die Geschlechtsorgane ganz so ausgebildet, wie bei den Röhrenwürmern. Die Eier werden entweder an Steine oder Wasserpflanzen gelegt oder, in schleimige Säcke gehüllt, von der Mutter an dem Leibe mit herum- Fig. 253. 254. Fig 255. Fig. 253. Ein Vielauge (Poly- ophthalmus). Man sieht die ent- wickelten wimpernden Kopflappen und auf dem Leibe die seitlichen Augen als weiße Punkte. Fig. 254. A. Das Kopfende vergrößert. a die Oberlippe mit dem Centralner- vensysteme; b die Räderlappen, c der Leib. Fig. 255. B. Die Bewegungsorgane. a die Fußbor- sten. b die beiden muskulösen Säckchen, in welchen sie stecken. c obere und untere Muskelbündel. getragen. Die Entwickelung geschieht ganz in derselben Weise wie bei den Röh- renwürmern, nur mit dem Unterschiede, daß die Anfangs eiförmigen Larven den Hals- kragen wie es scheint noch lange behalten und daß die Gliederzahl, welche Anfangs nur eine unbedeutende ist, stets mehr und mehr neben der Ausbildung des Kopfes ebenfalls zunimmt. Neben der geschlechtlichen Zeugung ist auch bei einigen Schlangenwürmern wahre Knospenbildung beobachtet worden, und zwar in der Weise, daß die Jungen an dem Hinterleibsende hervorsprossen und die neuen Knospen sich schon entwickeln, ehe noch die ältern sich losgetrennt hatten. Unter den vielen Familien, in wel- che sich die Ordnung der Schlangenwür- mer theilt, zeigen die Vielaugen ( Poly- ophthalmida ) eine merkwürdige Beziehung zu den Räderthieren. An der Spitze des Kopfes stehen nämlich zu beiden Seiten eines kurzen, mit Wimpern besetzten rüsselartigen Fühlers, zwei seitliche mit langen Wimperhaaren besetzte Wülste, die wie die Räder der Räderthiere eingezogen und ausgestülpt werden können. Die Füße dieser Vielaugen sind denen der Regenwürmer ähnlich; die Fußborsten stecken in Gruben, die auf kaum bemerkbaren Stummeln stehen. Außerdem haben diese Würmer zu beiden Seiten des Leibes Reihen wohlgebildeter Augen, zu welchen noch besondere Kopfaugen kommen. An dem Bauchgefäß- stamme findet sich ein deutliches, aus einer mittleren und zwei seit- lichen Abtheilungen bestehendes Herz. Fig. 256. Arenicola piscatorum. Die Familie der Piere oder Sandwürmer (Arenicolida) wird von Würmern gebildet, die am Strande des Meeres wohnen und in ihrem Aeußern viele Aehnlichkeit mit den Regenwürmern haben. Das Kopfende ist gleichmäßig abgerundet und zeigt weder Fühler noch Augen. Der vorstreckbare Rüssel ist kurz, napfförmig, unbewaffnet. Die nur an der vorderen Körperhälfte angebrachten Fußstummeln sind außerordentlich klein und mit Borstenbüscheln besetzt. Die großen baumartigen Kiemenbüschel stehen zu bei- den Seiten in der Mitte des Leibes, der Hinterleib ist nackt und quer gerunzelt. Die Thiere bohren sich Gallerieen in dem Sande, vorzugsweise in der Region, welche von der Ebbe entblößt wird und es wird ihnen an allen Küsten sehr nachgestellt, da sie einen vortrefflichen Köder für den Fischfang bilden. Die Familie der Seeraupen (Aphroditida) zeigt einen nur rudimentären Kopf mit sehr kurzen Füh- lern und einen mehr oder minder breiten Körper, der zuweilen ganz eiförmig erscheint. Sie haben einen fleischigen Rüssel und sehr deutliche Fußstummeln, welche meist ungeheure Stacheln und Borsten der verschiedensten Gestalt, sowie Fühlerfäden tragen. Die Kiemen sind höchst rudimentär und auf dem Rücken angebracht. Vor allen andern Würmern ist indeß diese Familie dadurch ausgezeichnet, daß ihr Rücken durch eigene Schilder geschützt ist, welche die Gestalt von Schuppen haben und paarweise in der Art auf den Ringeln angebracht sind, daß stets ein Ringel damit versehen ist, während der nächstfolgende ihrer entbehrt. Bei den eigentlichen Seeraupen (Aphrodite) bilden die sehr lebhaft gefärbten Haare und Borsten einen Filz, unter welchen erst die eigentlichen Deckschuppen zum Vorschein kommen, während die mehr länglichen Gattungen (Hermione, Polynoe) nackte, unverfilzte Rückenschuppen tragen. Man findet diese Seeraupen wie die übrigen Schlangenwürmer hauptsächlich unter Steinen und meist in ziemlicher Tiefe. Sigalion; Eumolpe. Die Familie der schuppenlosen Seeraupen (Amphinomida) theilt mit der vorigen die allgemeine Gestalt des Körpers und die starke Behaa- rung, unterscheidet sich aber von ihnen durch den Mangel der Deck- schuppen, so daß die Kiemen frei zu Tage liegen, während sie bei den Seeraupen durch die Rückenschuppen verdeckt sind. Amphinome; Chloeia; Pleione; Euphrosyne. Eine fünfte Familie wird durch ein nur in wenigen Exemplaren vorhandenes Thier gebildet, welches Peripatus genannt wurde, zwei geringelte Kopffühler, einen deutlichen Kopf, einen kleinen Rüssel mit seitlichen Hakenkiefern besitzt, dessen Fußstummeln sehr dick sind, nur Borsten und keine Fühler zeigen, und dessen Nervensystem merkwür- digerweise aus zwei seitlichen Strängen besteht, während alle übrigen Schlangenwürmer ein mittleres Bauchmark haben. Fig. 257. Nereis Fig 258 Kopf eines Schlangen- wurmes (Nereis). Die Familie der Rankenwürmer (Nereida) hat meist nur un- vollständig entwickelte Kiemen und einen deutlichen, mit Fühlern und Augen versehenen Kopf; der Rüssel ist entweder wehrlos oder aber mit ein bis zwei Paar scharfen, hervorstehenden Zangenkiefern bewaffnet. Die Körperfühler sind oft sehr lang und bei einigen Gat- tungen (Syllis) sogar geringelt. Die Körpergestalt schlank, lang- gestreckt. Nereis; Lycoris; Aricia; Aonia; Cirrhonereis; Alciope; Glycere. In der Familie der Kieferwürmer (Eunicida) finden sich 7 bis 9 gezähnelte, hakenförmige Kiefer auf einem langen Rüssel und meist sehr deutlich entwickelte, gefiederte Kiemen vor. In den südlichen Meeren giebt es Gattungen dieser Familie, welche selbst 10 Fuß Länge erreichen und einer kleinen Schlange nicht unähnlich sehen. Eunice; Leodice. Neunter Brief. Kreis der Weichthiere. (Mollusca.) D er außerordentlich zahlreiche und aus Thieren der verschieden- sten Formen zusammengesetzte Kreis der Weichthiere läßt sich kaum durch ein genügendes Merkmal charakterisiren, welches den verschiede- nen Klassen, die jener Kreis umschließt, ganz eigenthümlich wäre. Die einzelnen Klassen zwar lassen sich scharf trennen und unterschei- den; aber in ihrer Organisation und den Besonderheiten ihres Baues zeigen sich überall allmählige Uebergänge, wodurch sich theils die einzelnen Klassen, theils aber die Grenzen des Kreises bald hier, bald dort, an andere Kreise anschließen. Nirgends so wie bei den Weichthieren kann man die Degradation eines jeden organischen Sy- stemes bei den einzelnen Typen nachweisen und begründen, nirgends so wie hier verschwindet nach und nach jeder vorstechende Charakter, je weiter man ihn nach den Grenzpunkten verfolgt, nirgends ver- schwimmt so jedes charakteristische Merkmal allmählig in unbestimmten Umrissen und sinkt nach und nach zur Unbedeutendheit herab, wo seine vorzugsweise Berücksichtigung nicht mehr gestattet sein kann. Zu der Schwierigkeit der Begrenzung, die aus diesen, mannigfach wechselnden Verhältnissen hervorgeht, tritt noch der Umstand hinzu, daß man bei den Weichthieren zwei Unterkreise unterscheiden muß, welche durch sehr wesentliche und bestimmte Charaktere, namentlich durch die Beschaffen- heit des Nervensystemes und des Blutumlaufes, sowie durch die An- lagerung der Organe im Allgemeinen von einander getrennt sind und die man vielleicht mit eben so großem Rechte als unabhängige Kreise betrachten könnte. Die symmetrische Anlagerung der Organe zu beiden Seiten einer Mittelebene, welche wir bei den meisten Würmern in so hohem Grade entwickelt sehen, ist bei den Weichthieren bedeutend zurück- gesunken und noch weniger läßt sich eine strahlenförmige Anordnung um eine Mittelaxe erkennen. Bei vielen Weichthieren zwar erscheinen die äußeren Anhänge des Körpers, die Bewegungsorgane, die Tast- werkzeuge u. s. w. symmetrisch geordnet, allein diese Anordnung ist Vogt. Zoologische Briefe, I. 16 weit entfernt, im übrigen Körperbau durchzugreifen und man findet deshalb meist die inneren Organe, besonders die Verdauungs- und Geschlechtswerkzeuge in höchst unsymmetrischer Lagerung. Bei einer ganzen Klasse, den Bauchfüßlern, zeigt sich die Tendenz, die Ebene, zu deren Seiten die Organe vertheilt sind, spiralig aufzurollen und so die Gestalt der Schneckenschalen herzustellen. Das Nervensystem ist bei den Unterkreisen nach zwei verschiedenen Typen entwickelt. Bei den Molluskoiden findet sich nur ein einziger, meist ziemlich ansehn- licher Nervenknoten, der nach allen Seiten hin seine Aeste ausstrahlen läßt. Bei den übrigen, den eigentlichen Weichthieren dagegen besteht das Nervensystem aus zerstreuten Knoten, welche durch Fäden mitein- ander verbunden sind und ziemlich unregelmäßig im Körper zerstreut umherliegen. Es bildet aber ein Theil dieser Knoten mit ihren Ver- bindungsfäden stets einen mehr oder minder weit ausgedehnten Ring um den Schlund und bei den höhern Gattungen läßt sich auch eine bedeu- tendere Centralisation zu förmlichen Hirnknoten über dem Schlunde wahrnehmen. Die Anordnung der einzelnen Knoten im Körper ist indeß so mannigfaltig, daß wir sie erst bei den einzelnen Klassen und Ordnungen behandeln können. Entsprechend dieser Mannigfaltigkeit sind auch die Sinnesorgane angeordnet, die bald gänzlich fehlen, bald in ziemlicher Ausdehnung vorhanden sind. Besondere Tastor- gane sind meist weniger entwickelt als bei den Würmern, indem die ganze weiche Körperoberfläche gegen äußere Eindrücke ganz besonders empfindlich ist; doch finden sich bald Lippen, bald eigene um den Mund gestellte Lappen, Haare oder Arme, bald einziehbare Fühler, welche besonders zu dem Zwecke des Tastens vorhanden sind. Die Seh- werkzeuge sind nicht überall vorhanden und bei vielen findet sich nur ein einziges, ziemlich rudimentäres Auge, während andere eine große Menge unvollständiger Augen besitzen, die nicht einmal in der Nähe des Kopfendes liegen. In den höhern Klassen freilich, wo stets nur ein Paar Augen vorhanden ist, die an dem Kopfe angebracht sind, erscheinen diese auch in bedeutendem Grade ausgebildet. Wir begegnen bei den Weichthieren zum Erstenmale fast in allgemeiner Verbreitung unverkennbaren Gehörorganen, runden Bläschen, welche meistens dem Gehirnknoten unmittelbar aufsitzen oder doch nur einen kurzen aber ziemlich bedeutenden Gehörnerven zeigen. Im Innern dieser fast stets kugeligen Bläschen findet sich eine klare Flüssigkeit und eine feste Con- cretion von kohlensaurem Kalke, die bald nur einen runden, bald mehrere krystallinische Hörsteinchen bildet. Es scheint, als würden diese Hörsteinchen durch Flimmerhaare, welche die innere Fläche des Bläs- chens auskleiden, in stets zitternder Bewegung erhalten. Die Haut der Weichthiere ist mehr oder minder derb, lederartig und meist mit einem schleimigen, schlüpfrigen Ueberzuge versehen; bei den wenigsten nur ist sie glashell und durchsichtig, bei den meisten finden sich noch außerdem festere Schutzgebilde, mehr oder minder ent- wickelte Schalen, vor. Es sind diese Schalen nach äußerst verschie- denen Typen entwickelt, hier in Form von oft sonderbar gestalteten Zellen mit oder ohne Deckel, dort in Gestalt einer Büchse oder einer bald mehr graden, bald mehr gewundenen Röhre; in anderen Fällen wieder als seitliche Klappen, welche wie die Pappdeckel eines Buches den Leib des Thieres einschließen. Die Anordnung dieser Schalen und ihrer einzelnen Theile, ihr Verhältniß zu dem übrigen Körper, ihre Verzierungen u. s. w. bilden in vielen Klassen der Weichthiere die wichtigsten Anhaltspunkte für die Unterscheidung der Gattungen und Arten. Das Weichthier, welches in diesen Schalen steckt oder auch frei ist, wird meistens lax von seiner äußern Haut umhüllt, die fast immer eine doppelte Falte bildet und so eine Art Mantel darstellt, welcher um den Körper des Thieres geworfen ist. Oft erscheint dieser Mantel sackartig, mit nur einigen Oeffnungen für Verdauungs-, Be- wegungs- und Athemorgane; in andern Fällen bildet er nur eine Kapuze, unter welcher sich ein Theil des Körpers zurückziehen kann; bei vielen endlich entspricht er der Ausbildung der Schalen in soweit, daß er zwei Blätter bildet, welche den Körper von beiden Seiten her umfassen. Viele Weichthiere sitzen während der ganzen Zeit ihres Lebens mit Ausnahme ihres Larvenzustandes am Boden fest und können des- halb keine andere Bewegung bethätigen als Zusammenziehungen ihres Körpers und Ausdehnungen der Fangorgane, welche sie etwa besitzen. Viele kriechen mittelst eines besondern Organes, das aus muskulösen Fasern gewebt und auf der Bauchfläche angebracht ist. Die Fleischmasse, welche man Fuß nennt, hat die verschiedensten Ge- stalten, ist aber niemals weder geringelt, noch zeigt sie solche Unter- stützungen von Borsten und Haken, wie sie bei vielen Würmern vor- kommen. Viele Weichthiere schwimmen; die einen schlucken zu diesem Ende lebhaft Wasser ein und indem sie es durch eine lebhafte Zusammen- ziehung ihres Körpers wieder austreiben, werden sie durch den Rück- stoß fortgetrieben; andere haben eigenthümliche Schwimmorgane, die bald in Reihen von Blättchen bestehen, welche mit borstenartigen 16* Härchen besetzt sind, bald in Schwimmlappen, welche entweder am vordern Körperende oder an der Bauchfläche angebracht sind. Die Organe des vegetativen Lebens sind äußerst mannigfaltig ausgebildet. Von einer einfachen Höhle an, welche nach hinten zu gegen einen After sich öffnet, bis zu einem äußerst complicirten Ver- dauungssysteme mit wohlbewaffnetem Munde und Schlunde und mit vielfachen Abtheilungen des langen Darmes, finden sich alle Zwi- schenstufen in der langen Reihe der Weichthiere ausgebildet, die wir bei den einzelnen Klassen näher betrachten werden. Besonders bemer- kenswerth ist indeß in der Klasse der Weichthiere die bedeutende Ent- faltung der Drüsengebilde und besonders der Leber, welche bei man- chen Klassen den größten Theil der Eingeweide ausmacht, während sie bei den Würmern nur eine unbedeutende Schicht der Darmwandungen darstellte. Ein After kömmt übrigens bei allen Weichthieren vor. Die Form des Darmkanales, in welcher nur eine gemeinschaftliche Mün- dung für Aufnahme und Auswurf vorhanden war, ist mit den Wür- mern verschwunden, um nicht mehr aufzutreten. Der Kreislauf des Blutes ist fast bei allen Weichthieren auf einer hohen Stufe der Ausbildung, so zwar, daß ein oft in meh- rere Kammern getheiltes Herz, mit ab- und zuführenden Gefäßen, welche sich durch den ganzen Körper erstrecken, vorhanden ist. In einigen Klassen aber ist diese eigene Blutcirkulation, welche stets von einem muskulös bewegten Mittelpunkte, dem Herzen, ausgeht, durch Strömungen ersetzt, welche theils in der Leibeshöhle, theils in eigenen Gefäßen vor sich gehen und durch Flimmerbewegung bedingt werden. Mit dieser so verschiedenen Ausbildung des Kreislaufes, geht auch diejenige der Athemorgane Hand in Hand. Bei den niedersten Klassen kommen keine speciell für diesen Zweck bestimmte Organe vor; bei den höhern erscheinen sie als Kiemen oder selbst als Lungen, die nur zum Einathmen der reinen atmosphärischen Luft bestimmt sind. Die stets lebhaft flimmernden Kiemen treten in der mannigfaltigsten Form als gegitterte Säcke oder Röhren, als seitliche Blätter mit Fächer und Schlitzen, als baumartig verästelte Anhänge auf und stehen stets in nächster Beziehung zu dem Blute, dessen ganze Masse meist durch die Gefäßnetze dieser Athemorgane cirkulirt. Die Lungen, welche uns zuerst in der Thierwelt entgegen treten, bilden einen einfachen beutelartigen Sack, auf dessen innerer Fläche die Gefäße verzweigt sind. Im Allgemeinen überwiegt bei den Weichthieren die geschlecht- liche Zeugung weitaus und in der Ausbildung der Fortpflanzungs- organe sind außerordentlich viele verschiedene Formen entwickelt. In den niedern Klassen sehen wir eine Annäherung an die Polypen durch förmliche Knospenbildung, welche Polypenstöcke hervorbringt, die man- chen Korallentypen so ähnlich sind, daß auch jetzt noch viele Schrift- steller, trotz der Unähnlichkeit der Thiere, dieselben zu den Polypen stellen; bei einigen Ordnungen findet Ammenzeugung statt und zwar in der Weise, daß die Knospenzeugenden Ammen eben so hoch or- ganisirte Thiere sind, als die geschlechtlich zeugenden. Die mit Ge- schlechtswerkzeugen versehenen Individuen sind meistens getrennten Geschlechts, oft aber auch Zwitter und meistens mit Begattungsor- ganen ausgerüstet, die oft äußerst complicirt erscheinen. Die Entwicklung der Jungen aus dem Ei findet da, wo sie bekannt ist, stets in der Weise statt, daß der ganze Dotter sich ohne vorgängige Ausbildung eines Embryonaltheiles in das junge Thier umwandelt. Bei allen bis jetzt bekannt gewordenen Klassen, mögen nun die Mutterthiere sich frei bewegen oder an dem Boden gefesselt sein, besitzen die aus dem Ei ausgeschlüpften Larven eigene Bewegungsorgane, die bald in schwanzähnlichen Anhängen, bald in wimpernden Lappen verschiedener Gestalt bestehen und mittelst deren sich die Larven entweder im Ei oder in einer gemeinschaftlichen Kapsel oder frei im Wasser umher bewegen können. Die einzelnen zu den Weichthieren gehörenden Klassen sind im Durchschnitte sehr scharf durch die Gestalt ihrer Larven charakterisirt, weshalb wir dieselben bei den Klassen selbst in’s Auge fassen werden. Die meisten Weichthiere leben im Wasser, die niedern Klassen fast ausschließlich im Meere und nur die höchste Klasse besitzt einige Gat- tungen, welche das feste Land bewohnen. Aber auch diese Landbe- wohner bedürfen in gleicher Weise wie die Erdwürmer stets eines feuchten Aufenthaltes und gehen bei vollkommener Trockenheit zu Grunde. Sie halten sich deshalb vorzugsweise an dumpfen, mo- rastigen Orten unter Steinen und Kräutern auf. Die kriechenden Gattungen, welche das Meer oder das süße Wasser bewohnen, lieben besonders die Unterfläche von Steinen und Wasserpflanzen, viele bohren sich auch in den Sand oder Schlamm ein, ja selbst Holz und Kalksteine werden vorzugsweise von gewissen Gattungen angefressen und durchlöchert. Die eigentlichen Schwimmer bewohnen alle das Meer und sind oft weit hinaus in offener See anzutreffen. Die Weichthiere gehören zu den ersten Bewohnern unseres Erd- balls und durch die Festigkeit ihrer Schalen, welche in Massen erhal- ten sind, gehören sie zu den wichtigsten Gegenständen für die Ver- steinerungskunde. Ihre Entwicklung durch die verschiedenen Schöpfungs- perioden hindurch werden wir indessen erst betrachten können, sobald wir die Klassen und Familien selbst in ihren Einzelheiten kennen ge- lernt haben. Unterkreis der Molluskoiden. (Molluscoida.) Die Molluskoiden zeichnen sich unter den Weichthieren durch eine im Allgemeinen höchst unsymmetrische Gestalt und Lagerung ihrer Or- gane aus, sowie durch den Umstand, daß stets nur ein einziger Ner- venknoten existirt, welcher meistens mit einem einzigen augenähnlichen Organe, welches ihm unmittelbar aufsitzt, in Verbindung steht. Ein gesonderter Kopf läßt sich niemals erkennen und wenn auch, wie bei einer Klasse, den Moosthieren, die Mundöffnung von einem Kranze von Fühlern umgeben ist, so führt doch die allgemeine Umgebung des Mundes unmittelbar in den übrigen Körper über und läßt durchaus niemals eine Abschnürung zwischen diesem Theile und dem übrigen Körper wahrnehmen. In allen übrigen Stücken, in der Bildung der äußeren Haut, der Bewegungsorgane, der Verdauungswerkzeuge, in Athmung, Kreislauf und Fortpflanzung sind die drei Klassen, welche den Unterkreis der Molluskoiden bilden, ziemlich von einander ver- schieden, so daß wir alle diese Eigenthümlichkeiten ihres Baues nur bei den einzelnen Klassen betrachten können. Sämmtliche Molluskoi- den bewohnen das Wasser; aber nur sehr wenige Gattungen einer einzigen Klasse finden sich in den süßen Gewässern, während zwei Klassen, die Mantelthiere und die Rippenquallen nur in dem Meere sich vorfinden. Wir unterscheiden in diesem Unterkreise drei Klassen: die Moosthiere (Bryozoa) ausgezeichnet durch polypenähnliche Gestalt des Körpers, der Fangarme und der socialen Formen; die Rippenquallen (Ctenophora) mit gallertartigem Körper und mit Reihen von Schwimmplättchen zur Fortbewegung im Wasser ver- sehen; die Mantelthiere (Tunicata) von höchst unsymmetrischem Bau in einen weiten Mantel gehüllt und ohne eigentliche Bewe- gungsorgane. Klasse der Moosthiere. (Bryozoa.) In ihrem äußeren Verhalten, in der Gestalt der Polypenstöcke, c b a Fig. 259. Federbuschpolypen. (Plumatella.) a Eine Gruppe in natürlicher Größe. b Einige Indivi- duen vergrößert, wo das Individuum links in seine Zelle zurück- gezogen ist, während das mittlere sich von hinten, von der Afterseite, das rechts sich im Profile zeigt. c der After. Man unterscheidet sehr wohl in allen Individuen den zwischen den beiden Fühlerarmen liegenden Mund, den sackförmigen Darm, der sich neben dem Munde im After c öffnet, die Leibeshöhle zwischen Darm und Zellenwand und die darin angebrachten Mus- keln zum Einziehen des Körpers. In dem mittleren Individuum sieht man noch unter dem Darme den Eierstock im Grunde der Leibeshöhle. welche diese Thiere stets bilden und in der Form der Fang- organe, welche das Kopfende um- geben, gleichen diese Thiere so sehr den Polypen, daß sie jetzt noch von man- chen Seiten mit denselben vereinigt werden, obgleich sie in allen Ver- hältnissen der in- neren Organisa- tion sich von ihnen verschieden zeigen. Die Moos- thiere sind kleine polypenähnliche Thiere, welche stets Kolonieen bilden und unter allen Umständen von Zellen umgeben sind, in welche sich die Thiere bald vollständig, bald nur theilweise zurückziehen können. Oft sind diese Zellen nur hornig oder biegsam wie Pergament, ja sogar zuweilen sehr zarthäutig und gallertartig; oft stehen sie auf eigenen Stielen, welche sich aus einem Netzwerke von Röhren erheben, das durch Aus- läufer sich weiter verbreitet und bald wie die Wurzelstöcke gewisser Pflanzen auf dem Boden hinkriecht, bald auch sich erhebt und dann meistens baumartig verästelt sich zeigt. In den meisten Fällen aber und namentlich bei den im Meere lebenden Moosthieren sind die Zellen kalkiger Natur und wiederholen dann namentlich die Formen der Or- gelkorallen, der Seekorke und der Rindenkorallen. Gewöhnlich bleiben die bald eiförmigen, bald in Gestalt von Röhren gedehnten Zellen soweit frei und unabhängig, als der eigentliche Körper des Thieres reicht. Nur bei einzelnen Gattungen sind sie in ähnlicher Weise, wie viele Stöcke ächter Polypen, durch eine Zwischenmasse mit einander verbunden. Es finden sich indeß in diesen Zellen niemals Strahlen oder innere Scheidewände, ähnlich denen, welche in den Korallen vorkommen und in vielen Fällen sieht man außen an denselben Spi- tzen, Stacheln und Hörner, welche ganz constant sind, sehr wohl zur Unterscheidung der Arten benutzt werden können und die den Korallen stets fehlen. Bei einer Familie können sogar die Zellen beim Rück- zuge des Thieres durch einen klappenartigen beweglichen Deckel ge- schlossen werden, während bei denen, welche in lederartigen Zellen stecken, bei dem Rückzuge des Thieres der vordere Theil der Zelle sich selbst mit einstülpt und so der vollständige Schluß bewerkstelligt wird. Die Zelle selbst ist stets von der Haut des Thieres in der Weise aus- gekleidet, daß dieses gewissermaßen einen doppelten Sack bildet, wo- durch eine eigene Leibeshöhle hergestellt wird, welche mit den Fangarmen im Zusammenhange steht und in der der Darmkanal frei aufgehängt erscheint. Da alle Moosthiere ohne Ausnahme zusammengesetzte Kolonieen bilden, so kann von eigentlichen Ortsbewegungen keine Rede sein. Doch hat man bei einigen Süßwassermoosthieren, deren zusammenge- setzter Polypenstock nicht festgewachsen ist, ein sehr langsames Fort- gleiten des ganzen Stockes beobachtet. Die Bewegungen der übrigen Moosthiere beschränken sich auf das Ausbreiten ihrer Fang- arme, sowie auf das Entfalten und das Zurückziehen ihres Körpers in die Zelle. Zu diesem letztern Zwecke sind wohlausgebildete Muskel- bündel vorhanden, welche an verschiedenen Stellen der die Zelle aus- kleidenden Leibeswandung entspringen und sich meistens am Halse in der Nähe des Fühlerkranzes festsetzen. Die Gegenwart dieser Muskeln, welche man sowohl im zusammengezogenen als im ausgedehnten Zu- stande der Polypen sehr leicht sieht, unterscheidet auf den ersten Blick die Moosthiere von den eigentlichen Polypen. Bei einigen im Meere lebenden Gattungen (Cellularia, Bicellaria, Flustra, Telegraphina) hat man höchst eigenthümliche Organe entdeckt, deren Bedeutung noch durchaus unbekannt ist. Es sind Zangen oder Greiforgane, die einem Vogelkopfe nicht unähnlich sehen (siehe Fig. 260. Cellularia ) indem sie einen starken oberen und einen dünnen unteren Zangenarm besitzen. Bei einigen Gattungen haben diese Vogelkopf- organe einen besonderen Stiel, bei anderen nicht. Diese Organe sind in beständiger, pendelartig schwingender Bewegung, während zugleich die Zange von Zeit zu Zeit geöffnet und geschlossen wird, was durch deutliche Muskelbündel geschieht. Offenbar sind diese Vogelkopforgane analog den Pedicellarien der Stachelhäuter. Die Bewegungen dauern noch lange nach dem Tode des Moosthierchens fort. Bei der Gat- tung Telegraphina finden sich statt dieser Vogelkopforgane lange steife Fäden am Rande der Zelle, die ebenfalls in steter schwingender Be- wegung sind. Der Nervenknoten , welcher bei vielen Moosthieren erkannt ist, liegt in unmittelbarer Nähe des Mundes auf der Rückenfläche, zwischen diesem und dem After. Er ist sehr klein und scheint bei eini- gen aus zwei seitlichen Hälften zusammengesetzt. Augen oder Ohren- bläschen fehlen durchaus. Die Flecken, welche man bei einigen Gat- tungen als Augen gedeutet hat, sind keine Sehwerkzeuge. An dem Vorderende der Körpers befindet sich bei allen Moos- thierchen ein Kreis lebhaft flimmernder Fangfäden , deren jeder eine hohle, mit der Leibeshöhle in Verbindung stehende Röhre darstellt, in welcher durch innere Wimperbewegung die Flüssigkeit, welche die Lei- beshöhle erfüllt, auf- und niedergetrieben wird. Der Strudel, den die äußeren, auf diesen Fangarmen befindlichen Wimpern im Wasser erregen, treibt die Nahrungsstoffe, kleine Thierchen u. s. w. im Grunde des Fühlerkranzes zusammen und nach dem dort befindlichen Munde hin. Es sind also diese Fühler wesentlich zum Haschen der Nahrung bestimmt, wenn sie auch nebenbei durch das stete Wechseln des Was- sers auf der Oberfläche, mittelst der Flimmerströmung, als Athem- werkzeuge dienen können, die im Uebrigen den Moosthierchen ganz abgehen. Zwischen diesen Fangfäden, welche bald einfach in einem Kreise stehen, bald auch von zwei seitlich angebrachten Armen getragen werden, befindet sich der Mund , der meist in eine weite flimmernde Mundhöhle und von da in einen muskulösen, oft kuglich verdickten Schlund führt. Der Magen liegt im Grunde der Leibeshöhle und stellt einen meist bündelartigen Sack dar, der sich nach vorn in einen Darm fortsetzt, welcher sich in einem an dem vorderen Ende außer dem Fühlerkranze neben dem Munde befindlichen After öffnet. Der Darmkanal bildet also eine förmliche Schlinge, deren beide Oeffnungen sich am vorderen Ende des Körpers befinden und unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem Darmkanale der eigentlichen Polypen und der Quallenpolypen. Die ganze äußere Fläche des in der Leibeshöhle aufgehängten Darmschlauches wird von der wasserhellen Flüssigkeit, welche diese Höhle erfüllt, umspült. Die äußere Fläche des Darmrohres sowohl wie die innere der Leibeswandung ist mit Wimperhaaren besetzt, welche äußerst lebhaft flimmern und eine beständige Strömung der Flüssigkeit erzeugen, die stets in derselben Richtung vor sich geht und sich in die Wurzelröhren der Kolonie fortsetzt. Diese Saftströmung dient statt eines eigentlichen Kreislaufes der Ernährungsflüssigkeit. Wie es scheint sind alle Moosthiere getrennten Geschlechts , jedoch so, daß auf demselben Stocke männliche und weibliche in ihrem äußeren Verhalten nicht unterscheidbare Individuen sich vorfinden, deren Zellen sogar bei einigen Gattungen mit einander in Verbindung stehen sollen, so daß die Samenthierchen unmittelbar zu den weiblichen In- dividuen hinüber schlüpfen können. Die Hoden und Eierstöcke sind bandförmige, an dem Magen oder an der äußeren Leibeswand befestigte Streifen, in welchen nur wenige Eier oder verhältnißmäßig sehr große Samenthierchen in Zellen sich entwickeln. Die unreifen Eier, sowie die Samenthierchen brechen in die Leibeshöhle durch und wer- den mit der allgemeinen Ernährungsflüssigkeit durch die Wimperbewe- gung hin und her getrieben. Die reifen Eier verlassen die Leibeshöhle durch eine unmittelbar neben dem After befindliche Oeffnung. Sie sind meist glatt, oval und von einer Hülle umgeben, die Anfangs sehr nachgiebig ist, später aber erhärtet und bei einigen Gattungen mit sonderbaren Stacheln und Widerhaken besetzt ist, durch welche sich die Eier an Wasserpflanzen anheften können. Die Entwickelung der Embryonen ist bei einigen Gattun- gen ziemlich genau beobachtet worden. Der ganze Dotter bildet sich in einen infusorienartigen, über und über mit Wimperhaaren besetzten Embryo um, der sich lebhaft im Ei bewegt. Bei einigen Gattungen scheint dieser Embryo in dieser Gestalt unmittelbar die Eischale zu durchbrechen und eine Zeitlang umherzuschwimmen; dann wird er becherförmig, die Wimpern lassen sich besonders am vorderen Rande deutlich erkennen, der anfangs glatt erscheint, später aber sich mehr und mehr ausfranzt und die sprossenden Fühler erkennen läßt. Sobald diese sich zeigen, unterscheidet man auch im Innern den Darmkanal und an dem hin- tern Ende einen zapfenartigen Anhang, mit welchem sich das junge Moosthier festsetzt. Bei andern Gattungen ist ein weit seltsamerer Entwickelungsgang beobachtet worden. Es bildet sich hier nämlich in jedem Ei ein flimmernder Embryo, in dessen Innern, während er noch in der Eischale steckt, sich zwei junge Moosthierchen entwickeln, deren wirbelnde Fühler man deutlich unterscheidet, so daß der ursprüngliche Embryo die Amme dieser neuen Wesen darstellt. Nun durchbricht die Amme die Eischale, schwimmt eine Zeitlang umher, setzt sich fest und sobald dies geschehen ist, durchbrechen ihrerseits die beiden Jungen die Haut der Amme, welche als Mantel, oder als erste Grundlage der Wurzeln des neuen Polypenstockes zurückbleibt. Die Jungen können sich in diese geborstene Haut, wie in eine Hülle zurückziehen und bald sprossen zu ihrer Seite neue Individuen durch Knospenbildung hervor. Die Knospenbildung ist, wie schon aus der Formirung von Kolonieen hervorgeht, bei den Moosthieren eine sehr gebräuchliche Art der Fortpflanzung. Es erheben sich bald aus den Wurzelröhren, bald neben den Zellen Knospen, in deren Innerem anfänglich die Flüssigkeit der Leibeshöhlung cirkulirt. An der innern Wand dieser Knospe entsteht ein Wulst, der sich nach und nach ablöst und Höcker hervorsprossen läßt, welche zu den Fangarmen auswachsen, während in dem Innern der Darmkanal sich aushöhlt. Endlich bricht die vordere Mündung der Knospe auf und stellt so die Zelle dar, in welcher das junge Thier steckt. Der Ort, wo die Knospen sich ent- wickeln ist wie bei den Polypen stets ein bestimmter, wodurch die bald baumförmige, bald krustenartige Gestalt des Polypenstockes be- dingt wird. Die Polypenstöcke der Moosthierchen, die meist sehr klein und unansehnlich sind, finden sich änßerst häufig in süßen Gewässern und in Meeren, auf allen möglichen Gegenständen unter dem Wasser. Nicht minder häufig sind sie in den verschiedenen Schichten der Erde, wo sie besonders vom Jura an sehr bedeutend zunehmen, während in den Uebergangsgebilden nur seltene Repräsentanten dieser Klasse vor- kommen. Fig. 260. Cellularia . Zwei Zellen von Cellularia avicularia mit den daran be- findlichen Vogelkopf-Organen, von welchen das obere geschlos- sen, das untere geöffnet ist. a Der Fühlerkranz; bei dem un- teren Thiere in die Zelle zurück- gezogen. b Hornartige Ver- längerungen und Spitzen der Zellen. c Schlund. d Magen. e Darm. f Vogelkopforgane. Wir theilen die Klasse nach der Stel- lung der Fühler in zwei Ordnungen. Bei den Kreiswirblern (Stelmalopoda) stehen die Fühler in einem Kreise um den Mund herum. Alle Gattungen, welche zu dieser Ordnung gehören, bewohnen das Meer. Es sind die Einzigen, welche theil- weise kalkige Gehäuse haben und deßhalb im fossilen Zustande gefunden werden. Hier- nach, sowie nach der Beschaffenheit der Zel- len kann man vier Familien unterscheiden. Die Familie der Tausendwirbler ( Millepo- rida ) zeigt kalkige, meist fingerartig oder baumförmig verästelte Polypenstöcke, bei wel- chen die einfach runden Zellen durch eine Verbindungsmasse so zusammen verschmolzen sind, daß höchstens ein Theil ihrer vordern Mündung frei auf der Oberfläche erscheint. Die Thiere selbst sind nur sehr unvollstän- dig gekannt, scheinen sich aber durch ihre langen Fühler besonders auszuzeichnen. Mille- pora; Retepora . In der Familie der Röhrenwirbler ( Tubuliporida ) erscheinen die runden, röhren- förmigen Zellen, die ebenfalls kalkiger Natur sind, fast gänzlich frei und nur an ihrem hinteren Ende in die allgemeine Masse ein- gegossen. Sie finden sich jetzt besonders in südlichen Meeren und die verschiedenen Gat- tungen dieser Familie sind in allen Schichten der Erde von den ältesten an vorgefunden wor- den. Tubulipora; Cellularia; Crisia; Hornera . Man unterscheidet von ihnen sehr leicht die Familie der Krusten- wirbler ( Escharida ) , deren meist bauchige oder eiförmige Zellen mit einem beweglichen Deckel verschlossen werden, sobald sich das Thier zurückzieht. Die Gattungen, welche zu dieser Familie gehören, kom- men sehr häufig, sowohl in unsern jetzigen Meeren als auch in frü- heren Schichten vor und bilden meist dünne kalkige Ueberzüge, welche sehr feine, mit verschiedenartigen Auswüchsen gezierte Zellen zeigen. Eschara; Flustra. Die Familie der Glockenwirbler ( Lagunculida ) endlich begreift alle diejenigen Moosthierchen, welche mit einem Füh- lerkranze nur lederartige Zellen besitzen, die meist auf langen Stielen stehen und auf beweglichen Wurzelstöcken aufsitzen. Laguncula; Tendra; Bowerbankia; Halodactylus . Die Ordnung der Armwirbler (Lophopoda) begreift nur c b a Fig. 261. Federbuschpolypen. (Plumatella.) a Eine Gruppe in natürlicher Größe. b Einige Indivi- duen vergrößert, wo das Individuum links in seine Zelle zurück- gezogen ist, während das mittlere sich von hinten, von der Afterseite, das rechts sich im Profile zeigt. c der After. Man unterscheidet sehr wohl in allen Individuen den zwischen den beiden Fühlerarmen liegenden Mund, den sackförmigen Darm, der sich neben dem Munde im After c öffnet, die Leibeshöhle zwischen Darm und Zellenwand und die darin angebrachten Mus- keln zum Einziehen des Körpers. In dem mittleren Individuum sieht man noch unter dem Darme den Eierstock im Grunde der Leibeshöhle. eine einzige Fami- lie, diejenige der Federbuschwirb- ler ( Plumatellida ) und zeichnet sich dadurch vor den übrigen Moosthie- ren aus, daß die zahlreichen Fühler auf zwei seitlichen Fortsätzen oder Ar- men stehen, welche fast die Form eines Hufeisens haben. Alle diese Arm- wirbler kommen in süßen Gewässern auf Steinen und an der Unter- fläche der Blätter von Wasserpflan- zen ziemlich häufig vor. Die Zellen, in welchen sie stecken, sind lederartig und ebenso wie die Röhren mei- stentheils vollkommen durchsichtig. Man hat manche Gattungen unter diesen Federbuschpolypen unterschieden, die indeß nicht solche Verschie- denheit in ihrer Organisation zeigen, daß man eigene Familien darauf gründen könnte. Cristatella. Alcyonella. Plumatella. Paludicella . Klasse der Rippenquallen. (Ctenophora.) Die glasartig durchsichtigen Thiere von mehr oder minder sym- metrischer Gestalt, welche zu dieser Klasse gehören und im Meere schwimmend angetroffen werden, hat man bisher mit den Scheiben- quallen und den Röhrenquallen in eine besondere Klasse der Quallen ( Acalephae ) vereinigt, obgleich sie außer der glashellen Durchsichtig- keit auch nicht einen Zug der Organisation mit denselben gemein haben. Die Rippenquallen haben einen meist eiförmigen oder gurkenarti- gen, zuweilen sehr in die Breite gezogenen Körper , an dessen vor- derem Ende sich der Mund, an dem hinteren der After befindet. Die Bewegungsorgane und die Gefäße sind meist so angebracht, daß sie wie Radien einer durch Mund und After gelegten Axe erscheinen, während Magen und Nervenknoten den bilateralen Typus herstellen. Bei manchen Rippenquallen wird der symmetrische Typus noch deut- licher, indem der Körper seitlich ausgezogen wird und zuweilen selbst in ein langes Querband sich fortsetzt, in dessen Mitte die Verdauungsor- gane liegen. Die Haut der Rippenquallen ist stets nackt und zuweilen, ähn- lich wie bei den Armpolypen, mit Haftorganen besetzt, aus welchen ein steifes Härchen hervorragt. Außer diesen nur mikroskopischen Or- ganen zeigen sich auf der Oberfläche des Körpers stets rippenartige Linien, auf welchen die Schwimmorgane angebracht sind. Diese bestehen aus langen, etwas steifen, in Querlinien aufgestellten Haaren, die zuweilen an ihrer Basis vereinigt sind und wie eben so viel auf der Rippe angebrachte Läppchen zum Schwimmen vor- und rückwärts bewegt werden. Sie hängen sowohl einzeln, als in ihrer Gesammt- heit von dem Willen des Thieres ab. Es schillern diese schwingenden Rippen bei der Bewegung des Thieres in den wunderschönsten Regen- bogenfarben und man sieht deutlich, wie das Thier bei seitlichen Wen- dungen und Drehungen bald diesen, bald jenen Saum spielen, die andern aber ruhen läßt. Die Thiere gleiten so mit großer Schnel- ligkeit ohne weitere sichtbare Bewegung ihres doch ziemlich contracti- len Körpers durch das Wasser fort. Die Verdauungswerkzeuge der Rippenquallen sind äußerst Fig. 262. 262 a. Fig. 262 b . Der Venusgürtel (Cestum Veneris) . Fig. 262 das Thier schwimmend, mit ansgestreckten Fangarmen, stark verkleinert. (Es wird bis 4 Fuß breit.) Man sieht die oberen und unteren Schwimmplattenreihen, die mittleren Wassergefäße, den Nervenknoten. Fig. 262 b einige Schwimmplättchen, vergrößert. Fig. 262 a senk- rechter Querdurchschnitt des Thieres, mitten durch den Magen geführt, in natürlicher Größe. In allen Figu- ren bezeichnen dieselben Buchstaben dieselben Organe. a Mund. b Fangfäden (bei Fig. 262 a in ihre Scheiden zurückgezogen. c Magen. d Trichter. e Nervenknoten. f vordere, g hintere Schwimmplättchen. h mittlere Was- sergefäße. einfach. Der Mund be- findet sich in der Axe des Körpers und führt ent- weder unmittelbar oder durch eine längere Ver- engerung in eine weitere Höhle, den Magen, wel- cher nach hinten zu sich wieder verengert und durch zwei seitliche Spal- ten in eine trichterför- mige Höhle ausmündet, welche zugleich zur Auf- nahme des Wassers be- stimmt ist. Bei den mei- sten Rippenquallen ist der Mund mit zwei sehr lan- gen und äußerst contrac- tilen, verästelten Fang- fäden bewaffnet, die meistens in besonderen Höhlen oder Scheiden neben dem Magen lie- gen und dort sich in be- ständiger, wurmförmiger Bewegung befinden. Diese Fangarme sind mit Nessel- und Giftorganen besetzt und werden, wie es scheint, nur zum Tasten und Umstricken der Beute benutzt. Ueber dieser trichterförmigen Höhle, auf der Brücke zwischen den Spaltöffnungen des Magens, liegt der einfache Nervenknoten , von welchem deutliche Aeste nach allen Seiten strahlen und auf dem ein Bläschen aufsitzt, in welchem ein Haufen von krystallinischen Kalkkör- perchen zitternd bewegt wird. Man muß demnach das Bläschen für ein Rudiment eines Ohrbläschens halten. Sonstige Nerven oder Sin- nesorgane kommen nicht vor und namentlich kein Schlundring, wie romantische Beobachter falschen Analogien zu Liebe behauptet haben. Von dem Trichter aus, worin der Magen mündet, entspringen Ka- näle, welche besonders längs den Rippen der Schwimmblättchen hin- laufen und in ihrem Innern Flimmerbewegung zeigen. Sie dienen wahrscheinlich zur Führung von Wasser, sind meist unverästelt, zeigen aber zuweilen auch baumartige blindgeendete Verzweigungen. Es schei- nen diese Kanäle Vertreter der Athemorgane zu sein, von denen man eben so wenig wie von Kreislaufsorganen sonst eine Spur vor- findet. Die Rippenquallen sollen Zwitter sein, wenigstens will man längs den Rippen unter den Wassergefäßen bandartige Streifen ge- sehen haben, welche abwechselnd in demselben Thiere Hoden oder Eier- stöcke sein sollen; — eine Angabe, die ich bis zur weiteren Bestätigung sehr bezweifeln muß. Daß man an den genannten Stellen Eier fin- det, ist sicher, ob aber dieselben dort entstehen, oder die Wassergefäße nur zu ihrer Ausführung dienen, und ob ferner auf demselben Indi- viduum beide Geschlechter vereinigt sind, dürfte weniger glaubhaft sein. Ueber die Entwickelung der Rippenquallen ist durchaus gar nichts bekannt. Fig. 263. Beroe . Mit ausgestreckten Fangfäden. Die Organisation dieser Thiere, die man häufig in Schwärmen in allen Meeren findet, ist so übereinstimmend, daß man keine beson- deren Ordnungen aufzustellen nöthig hat. Wir unterscheiden zwei Familien: die Gurkenquallen ( Beroida ) haben einen meist eiförmigen oder rundlichen Leib mit weitem Maule, großer Magenhöhle und acht Reihen Schwimmblätt- chen, welche in regelmäßig geordneten Linien vom Munde zum After laufen. Es sind sehr Fig. 264. Lesueuria vitrea in doppelt natürlicher Größe von der Seite ge- sehen. Das Thier hat vier längere und vier kür- agile und zugleich auch sehr gefräßige Thiere, welche be- sonders den übrigen Quallen nachjagen. Beroe; Lesueuria; Medea . Die Familie der Band- quallen ( Callianirida ) besitzt nur eine sehr kleine Mund- öffnung und einen äußerst engen Magen, dagegen mei- stens Fangarme und oft seit- liche Lappen, auf welchen die Schwimmblättchen angebracht sind. Meist finden sich vier solcher Lappen vor; zuweilen ist der Körper von oben nach unten zusammengedrückt und zere Schwimmplattenreihen, von denen man je ein Paar sieht, und größere und kleinere Seiten- lappen, welche links zurückgeschlagen sind. Die von dem Trichter ausgehenden Kanäle, welche zu bei- den Seiten der Magenhöhle und am Rande der Seitenlappen längs der Schwimmplattenreihen hin- ziehen, sind durch weiße Linien hervorgehoben. a der Trichter. b Mundöffnung. c die lange cy- lindrische Magenhöhle. d größere Seitenlappen. e kleinere Seitenlappen. f längere Schwimmplat- tenreihen. g kürzere Reihen. h Reservoir zwischen Trichter und Magenhöhle, in welches die Kanäle einmünden. Unmittelbar hinter diesem Reservoir sieht man den einfachen, weißen Nervenknoten. bandartig nach der Seite aus- gezogen. Zu dieser Familie ge- hört der bekannte Venusgürtel, ein etwa drei Finger breites Band, von 4 bis 5 Fuß Länge, mit Schwimmrippen an allen Rändern und mit einem engen Munde in der Mitte dieses in den schönsten Farben schillern- den Bandes. Cestum; Callianira; Alcinoe; Cydippe; Eucharis; Mnemia . Bei der gallertartig weichen Beschaffenheit dieser Thiere darf es nicht Wunder nehmen, daß wir keine fossilen Reste derselben mit Si- cherheit kennen. Vogt, Zoologische Briefe I. 17 Klasse der Mantelthiere. (Tunicata.) Die Thiere, welche diese Klasse bilden, zeichnen sich vor allen Fig. 265. Seitenansicht eines einzelnen Thieres von Amarucium, aus der gemeinsamen Hülle genommen und vergrößert. a Einnahmeöffnung des Kie- mensackes. b Auswurfsöff- nung desselben, mit einer zungenförmigen Klappe be- deckt. Zwischen beiden Oeff- andern durch einen höchst unsymmetrischen Bau aus. In den meisten Familien ist es rein unmöglich, eine Mittellinie oder eine Axe zu erkennen, um welche herum die Organe ent- weder seitlich oder strahlig angelagert wären; nur bei den höhern Familien läßt sich vielleicht eine seitliche Symmetrie nachweisen. Allein auch diese wird besonders durch die Lage der Ver- dauungswerkzeuge und des Herzens getrübt. Der Körper der Thiere ist deshalb auch meist unförmlich, unregelmäßig cylindrisch, ei- oder warzenförmig, ohne alle äußere Anzeichen einer Theilung in besondere Regionen. Die äußere Umhüllung des Körpers dieser Thiere wird stets von einer losen, mehr oder minder derben Hautschicht gebildet, welche den ganzen Körper wie ein Sack einschließt und nur zwei Oeffnungen, eine für die Aufnahme der Nahrungsmittel und des Wassers, die andere für den Auswurf derselben besitzt. Die- ser Mantel , welcher bald mehr knorplich, bald leder- oder gallertartig erscheint, ist merk- würdiger Weise dem größten Theile seiner Masse nach aus wirklicher Holzfaser oder Cellulose gewebt, also aus einer stickstofflosen Substanz, welche sich weder in Säure noch in Alkalien löst und dem größten Theile nach die harten Bestandtheile der Pflanzen bildet. Die innere Struktur dieses Mantels ist sehr genau er- forscht; er besteht hauptsächlich aus einer hellen Grundsubstanz, in welcher Fasern und Zellen, oft aber auch verschiedenartig geformte krystal- linische Anhäufungen von kohlensaurem Kalke sich finden. Von den beiden Oeffnungen, welche nungen liegt der Nervenknoten. c Kiemensack mit den gegit- terten Kiemen. d Magen und Leberdarm. e Afterdarm. f . Samenleiter; er öffnet sich neben dem Afterdarm bei i in die Kloake. g Eierstock mit mehr oder minder aus- gebildeten Eiern. h Ein rei- fes Ei mit schon entwickeltem Embryo in der Kloake. k Herz, ganz im Grunde der Leibeshöhle gelegen. l Hode. m Schwanzförmiger Anhang des Thieres. im Mantel vorhanden sind, kann die eine vor- dere als der Mund, die andere, die an sehr ver- schiedenen Stellen angebracht ist, als der After betrachtet werden. Man würde vielleicht der Deutlichkeit wegen besser thun, sie als Aufnahms- öffnung und Auswurfsöffnung zu bezeichnen, indem diese Oeffnungen des Mantels nicht zugleich Oeffnungen des Darmkanals sind, son- dern vielmehr in die geräumige Mantelhöhle führen, innerhalb welcher erst der eigentliche Körper des Thieres sich befindet. Bei den gemein- schaftlich lebenden Seescheiden fließt die äußere Mantelschicht der ein- zelnen Individuen zusammen, so daß eine gemeinschaftliche Gallert- hülle gebildet wird, in welcher die einzelnen Thiere stecken und aus welcher sie ziemlich leicht gelöst werden können. Die Auswurfs- öffnungen sind bei vielen dieser Thiere so gestellt, daß sie in eine ein- zige Cloake münden, während jedes seine besondere Einnahmeöffnung besitzt. Die letzteren Mantelthiere leben entweder in Kolonieen oder ver- einzelt und meistens am Boden festgeheftet. Ihre einzige Bewegungs- thätigkeit beschränkt sich in diesem Falle auf Oeffnung und Schließung der Oeffnungen ihres Mantels und meist nur geringe Zusammenzie- hungen desselben. Die Freilebenden sind Schwimmer und bewerkstel- ligen dies auf eigenthümliche Weise. Sie schlucken nämlich das Wasser mit bedeutender Heftigkeit ein und indem sie es mit eben so großer Lebendigkeit wieder auspressen, werden sie durch den Rückstoß des ausströmenden Wassers vorwärts getrieben. Es werden diese Schluck- bewegungen bei denjenigen Individuen, welche in Ketten vereinigt sind, gemeinschaftlich ausgeführt und bei den Feuerzapfen wo viele Indi- viduen gemeinschaftlich in einem schwimmenden Mantel stecken, von diesem Mantel selbst bewerkstelligt. Das Nervensystem der Mantelthiere besteht immer nur aus einem einzigen größern Nervenknoten, welcher stets in der Nähe der Einnahmeöffnung des Mantels auf der Rückenfläche sich befindet. Bei den Salpen sitzt auf diesem Nervenknoten, der fast die Gestalt eines Kessels hat, unmittelbar das einzige Auge auf, welches meist von dunkelrothem Pigmente umgeben ist. Bei manchen Seescheiden hat man in der Umgebung der Mantelöffnungen, die durch einen Stern drei- eckiger Franzen geschlossen werden können, ebenso viel gelb gefärbte Flecken wahrgenommen, als Franzen vorhanden sind. Man hat zwar 17* diese Flecken für Augen erklärt, aber ohne diese Bedeutung näher nachweisen zu können. Andere Sinneswerkzeuge existiren bei den Mantelthieren nicht. Der Darmkanal ist bei den meisten Mantelthieren nur unvoll- ständig entwickelt. Die Einnahmeöffnung des Mantels führt in einen sehr geräumigen weiten Sack, welcher die Kiemen enthält. Ganz im Hintergrunde dieses Sackes findet sich meist ziemlich verborgen die einfache, schlitzartige, stets waffenlose Mundöffnung, welche in einen gewöhnlich dünnhäutigen Darm führt, der mehr oder weniger deut- lich in einen Magen und einen ausführenden Darm zerfällt. Der Darmkanal selbst ist meist mehrfach gewunden und öffnet sich in die Mantelhöhle, von wo aus die Excremente durch die Auswurfsöffnung ausgestoßen werden. Die Endigung des Darmkanals, der eigentliche After, befindet sich auf diese Weise oft ziemlich weit von der Aus- wurfsöffnung des Mantels und zwischen diesen beiden Oeffnungen ist ein ziemlich weiter Raum, eine wahre Kloake, in welche außer den Excrementen die Produkte der Geschlechtstheile, Samen, Eier und Junge, entleert, und später durch die Mantelöffnung ausgeworfen werden. Keinem Mantelthiere fehlt eine Leber , sie ist indeß in Verhältniß zu den übrigen Weichthieren nur äußerst gering entwickelt. Sie besteht meist nur in einer gelblichen oder bräunlichen Drüsenschicht, welche die Wandung des Darmkanals färbt; bei einigen indeß zeigt sich ein Packet kurzer Schläuche, die eine bräunlich-gelbe Farbe besitzen und als Leber angesprochen werden. Das Blutgefäßsystem der Mantelthiere ist äußerst entwickelt und die Bewegung desselben stets von einem eigenen schlauchförmigen Herzen vermittelt, welches entweder in der Nähe des Athemorganes oder auch tief im Grunde des Körpers liegt. Von diesem Herzen aus gehen Blutströmungen, die entweder in Kanälen ohne Wandungen verlaufen, oder auch sich überall in den Zwischenräumen der Räume und Organe verbreiten. Merkwürdig und eigenthümlich ist aber der Umstand, daß bei allen Mantelthieren die Richtung des Blutstromes periodisch wechselt. Das Herz, welches sich wurmförmig fortschreitend zusammenzieht, macht eine gewisse Anzahl von Pulsationen in der Richtung von hinten nach vorn, dann steht es plötzlich still und be- ginnt hierauf seine Pulsationen wieder, aber in der Richtung von vorn nach hinten. So wechselt es in unregelmäßigen Zwischenräumen, oft von mehren Minuten, ab und in allen Gefäßen sieht man das Blut abwech- selnd von Links nach Rechts strömen, dann stocken und hierauf die entgegengesetzte Richtung befolgen. Bei den durchsichtigen Mantelthieren kann man sich sehr leicht überzeugen, daß diese verschiedenen Rich- tungen des Blutstromes lediglich vom Herzen angegeben werden, und daß die Welle, welche von dem Herzen aus fortgeschoben wird, sich nur nach und nach durch die Verzweigungen der Gefäße fortpflanzt. Man kann also bei den Mantelthieren durchaus nicht von Arterien und Venen, von ab- und zuführenden Gefäßen sprechen, da die Richtung des Blutstromes in den Gefäßen stets wechselt. Die Athemwerkzeuge sind bei den Mantelthieren in hohem Grade entwickelt und nach zwei verschiedenen Typen gestaltet. Bei den Seescheiden tritt das Wasser durch die Aufnahmeöffnung des Man- tels in einen weiten Kiemensack, dessen ganze innere Fläche von einem Gitterwerke ausgekleidet ist, das quere Maschen zeigt und wo jede Masche mit äußerst lebhaft schwingenden Wimperhaaren ausgekleidet ist. Der Wirbelstrom, den diese Wimperhaare erregen, zieht das Wasser durch die äußere Oeffnung in den Kiemensack herein. Jede Masche bildet einen Schlitz, durch den das Wasser nach außen abfließt, sich in der Kloake sammelt und durch die Auswurfsöffnung des Mantels ausgestoßen wird. Bei den Salpen dagegen bildet der Kiemensack den Fig. 266. Eine Salre von der Seite gesehen. a Der Mund. o Das Auge mit dem Nervenknoten. m Die Muskeln zur Zusammenziehung der Kiemenhöhle. br Die Kieme. c Das Herz. p Der After. f Der Eingeweidesack oder Kern (Nucleus) . größten Theil des Körpers und die Kieme hat die Gestalt eines schie- fen Balkens, der schräg von oben nach unten und von vorn nach hinten in dem Sacke ausgespannt ist. Die Wand des Kiemensackes ist vollkommen glatt, der Kiemenbalken aber rundum mit flimmernden Ritzen besetzt und von einer großen Zahl von Gefäßen durchzogen. Das Wasser wird vorn eingeschluckt, umspült die Kieme und wird hinten wieder ausgeworfen. Alle Mantelthiere sind Zwitter , pflanzen sich aber, außer durch geschlechtliche Zeugung, auch noch durch Knospen, theilweise selbst durch Ammenzeugung fort. Hoden und Eierstöcke stellen beide bandartige Krausen dar, welche gewöhnlich an dem Darmkanal selbst angeheftet sind und entwickeln sich meist nur periodisch, so daß es einer mikroskopischen Prüfung bedarf, um nach dem Inhalte die Organe zu unterscheiden. Begattungsorgane fehlen durchaus. Wie es scheint befruchtet jedes Individuum seine eigenen Eier durch die von ihm hervorgebrach- ten Samenthierchen. Die Entwicklung des Embryo’s so wie die Art und Weise der Fortpflanzung ist bei jeder einzelnen Ordnung so eigen- thümlich, daß wir sie bei diesen behandeln werden. Die Ordnung der Seescheiden (Ascidiae) besteht aus völlig unsymmetrischen Thieren, deren beide Mantelöffnungen meist sehr nahe an einander gerückt sind. Sie sitzen alle entweder auf dem Boden oder in einem schwimmenden Mantel fest und bilden häufig Colonieen von schwammartigem Ansehen, die oft mit den lebhaftesten Farben ge- ziert sind. Die Einnahmeöffnung des Mantels befindet sich meist an dem vordern Ende des Thieres und ist fast immer rund oder ei- förmig; sie kann durch zackenförmige Lappen geschlossen werden, die gewissermaßen eine Art von Reuse bilden, durch welche das in die Kiemen eintretende Wasser durchgeseiht wird. Die Auswurfs- öffnung des Mantels liegt meist auf der Rückenfläche in geringer Entfernung von der Aufnahmeöffnung; — zwischen beiden ist der Ner- venknoten angebracht. Die Aufnahmeöffnung des Mantels führt in einen weiten, ringsum gegitterten Kiemensack, dessen Maschen geschlitzt sind und auf dessen Grunde sich die eigentliche Mundöffnung befindet. Auf der Bauchfläche dieses Kiemensackes befindet sich ein äußerst leb- haft flimmernder Halbkanal, welcher die Bestimmung zu haben scheint, die mit dem Wasser in den Kiemen eintretenden Nahrungsstoffe nach dem eigentlichen Munde hinzuleiten. Der Darmkanal, der im Grunde des Kiemensackes beginnt, zeigt stets eine oder mehrere schlingenför- mige Biegungen und öffnet sich meist in einiger Entfernung von der Auswurfsöffnung des Mantels in die Kloake. Hoden und Eierstock sind meist mit einander verbunden und ersterer öffnet sich häufig durch einen längern gewundenen Kanal ebenfalls in die Kloake, wo auch die Eier so lange verbleiben, bis die Larve in ihrem Innern vollständig gebildet ist. Das Herz liegt bei den Seescheiden bald tief im Grunde des Körpers, bald mehr nach vorn, neben dem Kiemen- sacke; es ist an beiden Enden offen und treibt die farblose Ernäh- rungsflüssigkeit in allen Zwischenräumen der Organe umher, ohne daß man besondere Kanäle oder Gefäße unterscheiden könnte. Die Fortpflanzunng der Seescheiden ist besonders bei den- jenigen Familien beobachtet worden, welche gemeinschaftliche Stöcke bilden. Hier sieht man die mehr oder minder entwickelten Eier, welche aus einem meist gelblichen Dotter, einem hellen Keimbläschen und einer dicken strukturlosen Hülle bestehen, neben den Auswurfsstoffen in der Kloake sich sammeln, wo sie oft so groß werden, daß sie eine Art Bruchsack bilden. Der ganze Dotter spaltet sich, bildet einzelne Zellen und bald unterscheidet man einen kugelförmigen Embryo, an dessen 267. 268 269. Fig. 267. Eine zusammengesetzte Seescheide (Amarucium Nordmanni) von oben gesehen in natürlicher Größe. a Gemeinschaftliche Auswurfs- öffnungen (After) für die einzelne Thiere, welche in sternförmigen Figuren darum herumsitzen und nur ihre Einnahmeöffnungen zeigen. Fig. 268. Ein reifer Embryo noch im Ei. Fig. 269. Derselbe, frei im Wasser schwimmend. In beiden Figuren bezeichnet b den Körper, c den später abfallenden Schwanz, d die Saugnäpfe der Embryonalmasse, e noch räth- selhafte feste Körperchen im Leibe des Embryo’s. einer Seite ein langer Schwanz herumgebogen ist. Dieser Schwanz löst sich nach und nach ab, und der Embryo besteht nun aus einem eiförmigen Körper, von einer glashellen Hülle, dem spätern Mantel, umgeben, und einem langen Schwanze, in welchen hinein sich die gelbe Dottersubstanz fortsetzt. Durch peitschenförmige Bewegungen dieses Schwanzes schwimmt der Embryo ganz in ähnlicher Weise wie dies von den Cercarien früher beschrieben wurde, im Wasser umher. Nun beginnt allmählig die weitere Ausbildung der inneren Masse; 270. 271. 272. 273. Fig. 270—273. Weitere Ausbildung der Embryonen von Amarucium , nachdem sie sich festgesetzt haben, während der Schwanz allmählig verkümmert. Die Buchstaben haben in alle Figuren dieselbe Bedeutung. a Die Mantelhülle des Körpers, b des Schwanzes. c Einnahmeöffnung. d Kiemensack. e Hinterer Körpertheil, Darm und Herz einschließend. f Auswurfsöffnung. g Magen. h Herz. man unterscheidet den helleren Kiemensack und den dunkleren Leib, welcher den Darmkanal und die übrigen Eingeweide enthält. Die Bewegungen der Larve werden träger; — der Schwanz setzt sich mehr und mehr ab. Die in ihm enthaltene Dottersubstanz schwindet und endlich fällt er ganz ab, während zugleich das junge Thier sich fest- setzt und nun ganz der erwachsenen Seescheide ähnlich wird. Dieser Art ist der Entwickelungsgang bei den einfachen und ge- Fig 274. 275 276. Fig 274—277. Entwickelung des Eies von Botryllus . Fig. 274. Der in Bildungszellen zerlegte Dotter. Fig. 275. Schwanz und Dotter sind differenzirt. Fig. 276. Die gemeinschaftliche Kloake und die einzelnen Thierchen herum sind deutlich. Fig. 277. Ausgebildeter im Wasser schwimmender Embryo. a Dotter. b Schwanz. c die einzel- nen Thiere in Form von Warzen. d gemein- schaftliche Kloake. e Mantelhülle des Ganzen. Fig. 277. selligen Seescheiden. Anders verhält es sich bei vielen zusammenge- setzten Seescheiden, wo viele Thiere gemeinschaftlich unter einem und demselben Mantel stecken und ihre Auswurfsöffnungen in gemeinschaftliche Kanäle münden, in verzweigte Kloaken, die in einer einzigen großen Oeffnung zusammenfließen. Bei diesen zu- sammengesetzten Seescheiden stehen die einzelnen Thiere sternförmig um die gemeinschaftliche Kloakenöffnung und dieser Bildung entsprechend entsteht in dem Eie aus dem einfachen Dotter nicht ein Embryo, son- dern ein Kreis von Embryonen mit einer gemeinschaftlichen Kloaken- öffnung. Man sieht den Dotter ebenso wie bei den einfachen Eiern, sich spalten, Zellen bilden, dann findet man einen einfachen Dotter- kern mit umgeschlagenem Schwanz, der sich bald ablöst. In der Mitte dieses geschwänzten Dotters, der sich ebenso bewegt, wie ein einfacher Embryo, bildet sich nun die hervorstehende gemeinschaftliche Kloaken- öffnung, umgeben von einer gewissen Anzahl von Höckern oder Wärzchen, deren jedes allmählig zu einem besonderen Thiere auswächst. Der Embryo im Ei zeigt also schon die ursprüngliche gesellschaftliche Kolo- nie, welche sich dann durch Sprossenbildung weiter ausdehnt. In ähnlicher Weise enthält bei den Feuerzapfen jedes ausgebildete Ei vier Junge, welche gemeinschaftlich im Stern um eine mittlere Axe herum- stehen und die Grundlage des ganzen Zapfens darstellen. Außer der Fortpflanzung durch einfache oder zusammengesetzte Embryonen kommt bei den geselligen und zusammengesetzten Seescheiden die Fortpflanzung durch Knospen ziemlich häufig vor. Es bilden sich an dem Grunde dieser Thiere Ausläufer des Mantels in Form von hohlen Wurzelfasern, in welche hinein die Blutströmung sich fortsetzt. In den knopfförmigen Enden dieser Wurzelfasern sammelt sich eine granulirte Masse an, welche immer mehr wächst und bald die Form einer Seescheide erkennen läßt, die mit dem mütterlichen Körper ver- bunden bleibt. Wir theilen die Seescheiden in vier Familien, wobei wir besonders ihr Zusammenleben und ihre Bewegungsfähigkeit in das Auge fassen. Die zusammengesetzten Seescheiden (Ascidiae compositae) (S. Fig. 267. Amarucium in natürlicher Größe und Fig. 265. ein ein- zelnes Thier von Amarucium vergrößert.) bilden gemeinsame Stöcke von meist schwammiger oder lederartiger Beschaffenheit, welche wie ge- färbte Gallertklumpen die Oberfläche der Körper in dem Wasser über- ziehen und meist sich auf Steinen oder auf Seepflanzen festsetzen. Berührt man einen solchen Klumpen, der wie eine leblose, halbweiche, lederartige Masse erscheint, so spritzen plötzlich aus einer Menge von Oeffnungen desselben feine Wasserstrahlen empor. Betrachtet man nun den Klum- pen genauer, so unterscheidet man bald die einzelnen Aufnahmeöffnun- gen der Thiere, welche meist sternförmig um die gemeinschaftlichen Kloakenöffnungen gruppirt sind, aus denen das Wasser bei der Zu- sammenziehung hervorgespritzt wurde. Die Thiere stecken mehr oder minder senkrecht in den schwammförmigen Massen und haben meist eine cylindrische oder spindelförmige Gestalt, die gewöhnlich von oben nach unten drei Abtheilungen erkennen läßt. Der obere weitere Theil des Körpers enthält den Kiemensack und die Kloake, der mittlere die Schlinge des Darmkanales, der untere oft stabförmig verlängerte Theil die Windungen der krausenförmigen Geschlechts- theile und im tiefsten Grunde das Herz. Diese einzelnen oft wohl geschiedenen Abtheilungen schieben sich indeß bei manchen Gruppen von Gattungen so zusammen, daß endlich das Thier nur eine einfache eiförmige Masse darstellt, in welcher an den Seiten und am Grunde des Kiemensackes, Darmschlinge, Geschlechtstheile und Herz zusammen- gedrängt sind. Man hat die Gattungen besonders nach der größeren oder geringeren Zusammenschiebung der Körperabtheilung der Einzeln- thiere, nach der Stellung derselben um die gemeinschaftlichen Kloaken- öffnungen, sowie nach Einzelheiten des Baues unterschieden, auf die näher einzugehen unser Raum nicht gestattet. Amarucium; Botryllus; Polyclinum; Didemnum . Eine zweite Familie, welche den Uebergang zu den einfachen See- scheiden bildet, umfaßt die geselligen Seescheiden (Ascidiae sociales) . Fig. 278. Eine Gruppe geselliger Seescheiden. t der gemeinschaftliche Stamm. e Ma- gen. i Afterdarm. Die Einnahme- (b) und Auswurfs-Oeffnung (a) sind bei der ersten Figur durch Richtungspfeile angedeutet. Der Körper dieser Thiere ist meist keulenförmig, indem die Anschwellung der Keule von dem Kiemensacke ge- bildet, der dünnere Fuß aber von der Darmschlinge und den übrigen Eingeweiden eingenommen wird. Von dem Fuße gehen Wurzelaus- läufer nach allen Seiten hin, auf welchen sich in der beschriebenen Weise Knospen bilden, die so nach und nach eine Art Strauch oder eine Pflanze nachahmen, welche etwa wie die Erdbeerenpflanze auf verzweigten Wurzelausläufern Schößlinge, die einzelnen Thiere, treibt. Während die zusammenge- setzten Seescheiden meist wunderherrlich gefärbte Massen bilden, sind diese gewöhnlich vollkommen ungefärbt und glasartig durchsichtig und eignen sich am Besten zur Untersuchung der Struktur. Clavelina . Die dritte Familie wird von den einfachen Seescheiden (Ascidiae simplices) gebildet. Meist unförmliche warzige Körper von knorplicher Härte, auf deren Außenfläche sich alle mögliche Arten kleinerer Thiere ansiedeln, so daß man oft Mühe hat, an der schwammigen Ungestalt die beiden Mantelöffnungen und überhaupt die ganze thierische Natur zu erkennen. In dem dicken Mantelsacke liegen die Eingeweide neben dem weiten Kiemensacke auf einen gemeinschaftlichen Knäuel zusammen- gedrängt. Die einfachen Seescheiden bilden niemals Ausläufer oder Knospen wie die geselligen, sondern pflanzen sich nur durch Eier fort. Ascidia; Cynthia . Die vierte Familie bildet gewissermaßen einen Uebergang von den zusammengesetzten Seescheiden zu der folgenden Ordnung. Es sind die Feuerzapfen ( Pyrosomida ). Man findet häufig in den südlichen Fig. 281. 280. 279. Fig. 279. Ein Feuerzapfen (Pyrosoma) stark verkleinert. a die Oeffnung des Zapfens. Fig. 280. Ein einzelnes Thier stark vergrößert, von der Seite ge- sehen. Fig. 281. Ein aus vier Einzelthieren zusammengesetzter Embryo von oben gesehen. Die Bedeutung der Buchstaben ist in beiden Figuren dieselbe. b Mund- öffnung. c Nervenknoten. d Flimmerrinne. e Kiemenkorb. f Munddarm. g Afterdarm; zwischen beiden der kugelförmige Magen. h die besonders stark leuch- iende Leber. i Eierstock, worin ein Ei schon sehr ausgebildet. k Herz. l After- öffnung. Meeren schwimmend, gallertartige, zuweilen fußlange Körper, welche etwa die Gestalt eines Tannzapfens haben und eine weite innere Höh- lung zeigen, die eine kreisrunde Oeffnung an dem breiten Ende besitzt. Der Cylinder schwimmt langsam mit abwechselnden Zusammenziehun- gen, durch welche er das Wasser aus seinem Innern herauspreßt. Bei Nacht leuchtet er in hellem Glanze wie weißglühendes Eisen. Das Leuchten beginnt an einem kleinen Pünktchen und verbreitet sich dann zitternd über die Oberfläche des Zapfens bis er ganz in Gluth steht. Untersucht man einen solchen Zapfen genauer, so findet man, daß er nur einen gemeinschaftlichen Mantel darstellt, daß seine innere Höhle, die gemeinschaftliche Kloake und seine Oeffnung die Kloakenöffnung für eine ungemein große Anzahl kleiner Thiere ist, die in dem Mantel stecken und den Seescheiden sehr ähnlich sehen. Ihre Einnahmeöffnung befindet sich auf der Außenfläche des Cylinders, während der gerade gegenüberstehende After in die innere Höhlung des Zapfens einmündet. Es besitzen diese Thiere einen weiten gegitterten Kiemensack, wie die Seescheiden, an dessen Grunde das Herz, der gewundene Darmkanal, der sehr große kugelige Eierstock und eine aus rosettenartig zusammen- gesetzten Blindsäcken gebildete Leber liegt. In der Kloake sieht man häufig mehr oder minder ausgebildete Jungen, welche zu vieren zu- sammengestellt erscheinen. Sehr deutlich ist auf der Rückenfläche des Kiemensackes der große Nervenknoten mit einem aufsitzenden Auge. Durch die Struktur ihres Kiemensackes nähern sich die Feuerzapfen den Seescheiden, mit welchen sie auch in der Fortpflanzungsweise über- einkommen, während die schwimmende Ortsbewegung, der leuchtende Eingeweideknoten (denn nur Leber, Darm und Eierstock theilen diese Eigenschaft) die Gegenstellung der Einnahme- und Auswurfsöffnung und die Existenz eines Auges sie den Salpen anreihen. Die Ordnung der Walzenscheiden oder Salpen (Biphora) Fig. 282. Eine Salpe von der Seite gesehen. a Der Mund. b das Auge mit dem Nervenknoten. m die Muskeln zur Zusammenziehung der Kiemenhöhle. br die Kieme. c das Herz. p der After. f der Eingeweidesack oder Kern (Nucleus) . begreift nur schwimmende Thiere von glasheller Durchsichtigkeit, welche besonders in wärmeren Meeren sehr häufig vorkommen. Der größte Theil des Körpers wird von einem länglichen, oft mit sonderbaren Spitzen und Anhängen versehenen Kiemensacke gebildet, der deutlich aus einer äußeren Mantelschicht und einer inneren Hautschicht besteht, in welcher Bündel oder kranzweise Bänder von Muskelfasern angebracht sind. Die Eingeweide sind in einen kleinen runden Knoten zusammengedrängt, den man den Kern oder Nucleus nennt, und der meist eine rothe oder gelbe, selten eine blaue Farbe hat und in der Nacht mit lebhaftem, rothgelbem Lichte leuchtet. An dem vorderen Ende des walzenförmigen Körpers befindet sich eine quere, von beweglichen Lippen umgebene Oeffnung, welche in den weiten Kiemensack führt. Hinter diesem Maule auf der Rückenfläche ist der meist runde Kiemenbalken angeheftet, der sich in schiefer Richtung durch den Kiemensack nach unten gegen den Kern hin spannt, wo seine hintere Anheftungsstelle sich befindet. Der Kiemenbalken ist eigentlich ein rundliches hohles Rohr, welches auf seiner Außenfläche eine Menge von Querschlitzen zeigt, die mit lebhaft flimmernden Wimperhaaren besetzt sind. Auf der Rückenfläche und zwar an der Anheftungsstelle des Kiemenbalkens sieht man sehr deut- lich den Nervenknoten mit seinen nach allen Seiten hin ausstrahlenden Nerven und dem unmittelbar darauf sitzenden, von dunkelbraunrothem Farbstoffe eingehüllten Auge. Auf der Bauchfläche des Kiemensackes gewahrt man eine ähnliche Rinne mit Flimmerhaaren ausgekleidet, wie wir sie schon bei den Seescheiden erwähnten und noch außerdem vorn an dem Maule eine meist schlingenförmig gewundene Flimmer- furche, deren Bedeutung noch nicht weiter ergründet ist. Der meist runde, roth oder gelb gefärbte Eingeweideknäuel wird von dem Darmkanal, der Leber, den Geschlechtstheilen und dem Her- zen gebildet. Der eigentliche Mund öffnet sich in der Nähe der hin- teren Auswurfsöffnung des Kiemensackes als ein ovaler Schlitz und führt in den einfachen Darmschlauch, welcher überall von der Leber und den Geschlechtstheilen umgeben oder gleichsam in dieselben einge- graben ist, so daß es sehr schwer hält, diese einzelnen Eingeweide von einander zu isoliren. Man findet die Walzenscheiden schwimmend im Meere in zwei verschiedenen gesellschaftlichen Zuständen. Meistens bilden sie Ketten, in der Art, daß lange Reihen von Individuen durch die Spitzenfort- sätze ihres Körpers oder mit den Seiten aneinander verklebt sind, so daß man in dem Meere ein langes Band schwimmen sieht, welches mit einer großen Anzahl rother Kerne in abwechselnden Reihen besetzt Fig. 283. 284. 285. Fig. 283. Salpa cordiformis mit einer Kette von Jungen, halb von der Seite gesehen. — Fig. 284. Salpa maxima , ein Individuum aus einer Kette, ebenfalls von der Seite gesehen. — Fig. 285. Salpa africana — das ver- einzelte Individuum der Salpa maxima , von ihr durch Mangel der vorderen und hinteren Spitzen, so wie durch ganz verschiedene Anordnung der Muskelbündel, die den Kiemensack umschließen, so verschieden, daß man diese Salpen für eine eigene Art, verschieden von S. maxima , hielt, während sie nur die einsamen, S. maxima die verketteten Individuen derselben Art sind. Das hier abgebildete einsame Indi- viduum der S. africana hat noch den Mutterkuchen (l) und den Oelkörper (m) , ist also ein kaum losgelöster Embryo. In allen Figuren haben die Buchstaben dieselbe Bedeutung: a vordere Oeffnung. b hintere Oeffnung des Kiemensackes. c Ner- venknoten. d Kieme. e Eingeweideknäuel (Nueleus). f Herz. g Ausmündung des Darmes in den Kiemensack. h flimmernde Bauchfurche. i vordere Flimmer- furche. k Muskelbündel des Kiemensackes. l Mutterkuchen (Placenta). m Oel- körper (Elaeoblast) . ist. Alle Thiere, welche zu einer solchen Kette gehören schlucken im Taktmaße Wasser ein, um es durch die hintere Oeffnung wieder aus- zutreiben, und so bewegt sich die Kette stoßweise fort. Ein Thier, welches einmal von der Kette getrennt ist, kann sich nicht mehr mit derselben vereinigen, denn es klebt mit seinen Genossen nur durch verhärteten Schleim zusammen. Außer diesen zu Ketten verbundenen Individuen giebt es aber auch Walzenscheiden, die niemals und unter keinen Umständen zu Ketten verbunden gefunden werden und die in ihrer Gestalt nicht mit den verketteten Individuen übereinstimmen. Man hat aus diesen eigene Arten gemacht, bis man in der neueren Zeit entdeckte, daß verkettete und vereinzelte Individuen, wenn auch oft sehr verschieden in ihrer äußern Form, dennoch nur sehr verschie- dene Entwickelungszustände einer und derselben Art seien. Man findet nämlich bei allen Walzenscheiden in der Nähe des Herzens eine Art Knopf oder einen Zapfen, in welchem ein starker Blutstrom auf- und absteigt und der anfangs nur höchst unbedeutend erscheint. Nach eini- ger Zeit bemerkt man auf diesem Zapfen einige Erhabenheiten wie Wärzchen, die nach und nach wachsen und nun einen Kreis von Embryonen bilden, welche um den Zapfen herum gelagert sind. Es bildet also dieser Zapfen einen wahren Ausläufer oder Stolo , bestimmt durch Knospung Junge zu erzeugen und es ist diese Knospung äußerst produktiv, indem man oft drei oder vier hintereinander folgende Reihen von Embryonen verschiedenen Alters bei einem und demselben Indi- viduum um den knospentragenden Knopf geschlungen sieht. Diese successiven Generationen trennen sich nach einiger Zeit, wenn sie ihre gehörige Größe erlangt haben, von dem Zapfen los und schwimmen nun als Ketten umher. Es erklärt sich leicht aus dieser Art der Entwickelung, warum in den Ketten, welche von Anfang an zusammen- hingen, die einzelnen Individuen alle dieselbe Größe haben; — sie sind Produkte derselben gemeinschaftlichen Knospenzeugung. Die vereinzelten Individuen pflanzen sich nur durch Knospenzeu- gung fort und man wird deshalb selten ein solches Individuum tref- fen, welches nicht eine oder mehrere Ketten von Embryonen an seinem Knospenzapfen umhertrüge. Die verketteten Individuen dagegen besitzen außer der Kettenzeugung durch Knospung noch eine geschlecht- liche Zeugung, durch welche jedes Thier nur einen einzigen Embryo erzeugt. Schon während der Zeit nämlich, wo die verketteten Thiere noch in ziemlich unentwickeltem Zustande um den Knospenzapfen ge- schlungen sind, bildet sich an ihrer Rückenfläche ein Ei aus, welches nach und nach so sehr anwächst, daß es weit in die Kiemenhöhle hineinragt. Neben diesem Ei bildet sich eine Art Mutterkuchen (pla- centa) aus, ein runder Körper, welcher einen lebhaften Blutzufluß erhält und mit dem auf der andern Seite die Blutzirkulation des werdenden Embryo’s in Verbindung steht. Neben diesem Mutterkuchen findet sich im embryonalen Körper noch ein zweites räthselhaftes Or- gan aus einzelnen Oelzellen zusammengesetzt, das man den Oelkörper (Elaeoblast) genannt hat und das während dem Auswachsen des Embryo’s allmählig verzehrt wird. Die genauere Entwickelung des Embryo’s selbst ist noch nicht im Einzelnen bekannt, obgleich man häufig junge verkettete Seescheiden findet, welche Embryonen enthalten, die noch durch den Mutterkuchen mit dem Mutterthiere verbunden sind. Ueberhaupt hat auch die Entstehung und Befruchtung eines Eies in noch nicht entwickelten Thieren manches Räthselhafte. Wie dem auch sei, so ist doch so viel festgestellt, daß jede Art von Salpen aus zwei abwechselnden Reihen von Individuen zusam- mengesetzt wird: aus verketteten und vereinzelten Thieren. Jedes vereinzelte Individuum erzeugt durch Knospung Ketten und jedes in einer Kette befindliche erzeugt wieder einen vereinzelten Embryo, der während seines ganzen Lebens vereinzelt bleibt. Die vereinzelten In- dividuen können demnach gleichsam als Ammen angesehen werden und sind auch in der That ihrer äußeren Erscheinung nach meist sehr von den verketteten Individuen derselben Art verschieden. Die Walzenscheiden bilden nur eine Familie, in der vielleicht mehrere Gattungen anzunehmen sind, indem man einige Arten kennen gelernt hat, welche zum Beispiel durch die Struktur ihres Darmkanals oder durch die Erzeugung mehrerer Jungen in einem Kettenindividuum von den übrigen Arten abweichen. Salpa . Von der ganzen Klasse der Mantelthiere kennt man keine fossilen Repräsentanten. Unterkreis der eigentlichen Weichthiere. (Mollusca.) Die eigentlichen Weichthiere unterscheiden sich wesentlich dadurch von den Molluskoiden, daß bei ihnen die Organe des Körpers zu beiden Seiten einer Mittelebene mehr oder minder symmetrisch ange- bracht sind. Oft freilich ist diese Symmetrie gestört, zuweilen auch erscheint die Mittelebene des Körpers nicht gerade, sondern mehr oder minder schneckenförmig gewunden. Allein trotz dieser häufigen Aus- nahmsfälle läßt sich doch immer diese Mittellinie recht wohl erkennen. Fig 286. Nervensystem des Seehasen (Aplysia) . l Vorderer Lippenknoten. c Hirnknoten, über dem Schlunde gelegen. o Durch- gangsloch für den Schlund. g Untere Knoten des Schlundringes. v Eingeweide- knoten. Das Nervensystem der Weich- thiere besteht unter allen Umständen aus mehreren Knoten, die einen mehr oder minder weitläufigen Ring um den Schlund bilden und außerdem noch im Körper zerstreut liegen. Auch diese Eigenthümlichkeit unterscheidet sie von den Molluskoiden, bei wel- chen, wie wir gesehen haben, nur ein einziger Nervenknoten existirt. Bei den höhern Weichthieren ent- wickelt sich mit einer höheren Aus- bildung des Nervensystemes ein wahrer Kopf , welcher vorzüglich die Sinnesorgane trägt, während die niedern Klassen durchaus kopf- los sind und die Sinnesorgane, wenn solche vorhanden, an dem Rande des Mantels angebracht sind. In den meisten Fällen ist der in seiner Gestalt außerordentlich wech- selnde Körper dieser Thiere von einer Schale umgeben, welche in den höheren Klassen eine mehr oder minder aufgewundene Röhre dar- stellt, während sie bei den niederen Klassen aus zwei Klappen besteht, welche wie die Deckel eines Buches den Körper von der Seite her umschließen und an dem oberen Rande durch eine Art Charnier, welches man das Schloß nennt, miteinander eingelenkt sind. Der Darmkanal ist meist sehr ausgiebig entwickelt, die Leber verhältnißmäßig ungeheuer und größer, als bei irgend andern Thieren. Keinem Weichthiere fehlt ein Herz — die mei- sten besitzen eine sehr ausgebildete Cirkulation des Blutes, die aber niemals in ganz vollständig geschlossenen Gefäßbahnen vor sich geht und besondere oft sehr entwickelte Athemorgane , meist in Form von Kiemen, seltener Lungen. Die Bewegungsorgane dagegen sind nur äußerst mangelhaft ausgebildet. Viele Weichthiere sind auf eigen- thümliche Weise an den Boden festgekettet, so daß eine Ortsbewe- gung ihnen vollkommen unmöglich ist; die andern kriechen, mittelst Vogt, Zoologische Briefe. I. 18 eines fleischigen Fortsatzes, Fuß genannt, umher; nur sehr wenige können schwimmen. Meist indeß ist das Bewegungsvermögen bei den Weichthieren in ihrer Jugend stärker entwickelt und viele, welche im Alter festsitzen, oder nur kriechend sich bewegen können, sind in der Jugend geschickte Schwimmer. Alle Weichthiere pflanzen sich durch geschlechtliche Zeugung fort; Knospen- oder Ammenzeugung kommt bei ihnen nicht vor. Manche sind Zwitter, die Meisten getrennten Ge- schlechtes; — Alle entwickeln sich als Ganzes aus dem Dotter, ohne daß ein Gegensatz zwischen einem Embryonaltheile und einem Dotter bestände. Sie unterscheiden sich hierdurch wesentlich von den Kopf- füßlern, bei welchen ein solcher Gegensatz vom ersten Beginn an existirt. Die meisten Weichthiere leben im Wasser, die größte Anzahl ist sogar gänzlich auf das Meer beschränkt. Unter den Landbewohnern athmen die Meisten dennoch Wasser durch Kiemen, nur wenige Luft durch innere Lungensäcke. Auch diese lieben vorzugsweise kühle, feuchte Orte und sind gewöhnlich nächtige Thiere, welche nach Thau und Regen aus ihren Schlupfwinkeln sich hervorwagen. Wir theilen die- sen Unterkreis in zwei große Klassen: Die Muschelthiere oder kopflosen Mollusken (Acephala oder Conchifera) mit zweiklappiger Schale ohne deutlichen Kopf, und die Schnecken oder Kopfträger (Cephalophora) mit meist deutlichem Kopf und einfacher röhrenförmiger Schale. Jede dieser Klassen hat wieder verschiedene Unterklassen. Der meist vorkommenden harten Schalen wegen, welche diese Thiere um- hüllen und die sich bei dem Versteinerungsprozesse erhalten haben, gehören diese Klassen mit zu den wichtigsten für die Geologie. Klasse der Muschelthiere. (Acephala oder Conchifera.) Die Thiere, welche dieser überaus zahlreichen Klasse angehören, haben mit den Molluskoiden den Mangel eines gesonderten Kopfes gemein, unterscheiden sich aber wesentlich von ihnen durch ein Nerven- system, welches aus mehren im Körper zerstreuten Knoten zusammen- Fig 287. Schalen der Perlmuschel. Fig. 288. Schalen der Archenmuschel Fig. 289. Schalen der Riesenmuschel. gesetzt ist und durch die Existenz zweier, meist kalkiger Schalen, welche den platten Körper von den Seiten her einschließen, wie die Deckel ein Buch. Da im Uebrigen die beiden Unterklassen, in welche diese Thiere zerfallen, die Armfüßler ( Brachiopoda ) und die Blattkiemer ( La- mellibranchia ) eine ziemlich ver- schiedene Organisation besitzen, so beschränken wir uns hier auf die Betrachtung der Schalen, das Uebrige auf die Charak- teristik der Unterklassen verschie- bend. Die Schalen der Muschel- thiere sind außerordentlich cha- rakteristisch für die ganze Klasse, indem nur bei ihnen, aber auch ganz allgemein, diese Schalen aus zwei Klappen gebildet sind, welche den Körper von beiden Seiten her einschließen. Selbst bei denjenigen Muschelthieren, bei welchen später diese Anord- nung sich verwischt, findet man in der Jugend diese beiden Schalen vollkommen ausgebildet. Das Studium der einzelnen Theile dieser Schalen ist besonders wich- tig für die Versteinerungen, da sie bei diesen Thieren die einzigen Theile sind, welche erhalten bleiben. Fast überall bestehen diese bei- den Kalkdeckel aus drei verschiedenen Schichten, welche von außen nach innen in folgender Ordnung sich erkennen lassen. Die äußerste Schicht der Schalen wird von einem zerreiblichen Ueberzuge horniger Natur gebildet, der Oberhaut , welche offenbar mit der den Mantel bedeckenden Oberhautschicht in Beziehung steht. Bei den meisten Muscheln reibt sich diese Oberhautschicht leicht ab, oder wird selbst künstlich an den in Sammlungen bewahrten Thieren ent- fernt. Auf diese Schicht folgt nach innen hin eine zweite, die aus 18* hornigen Säulchenzellen zusammengesetzt ist, welche mit Kalkmasse ge- füllt sind. Es stehen diese Säulchenzellen meist gerade oder schief von außen nach innen; — ihre Absonderung, so wie diejenige des kohlen- sauren Kalkes, welcher sie erfüllt, geht offenbar von dem verdickten Rande des Mantels aus, und da sie nicht beständig, sondern periodisch stattfindet, so werden hierdurch einzelne Blätter gebildet, welche dach- ziegelförmig übereinander liegen und concentrische Kreise bilden, die dem jeweiligen Umriß der Muschel bei jeder Wachsthumsperiode ent- sprechen. Die Anwachsstreifen , wie man diese durch die einzel- nen Lamellen gebildeten Linien genannt hat, bieten manche Anhalts- punkte für die Charakterisirung der Arten insbesondere. Oft stehen sie nämlich auf der Oberfläche der Muschel mit scharfen Rändern her- vor oder bilden auch hier und da Zacken, Spitzen und Röhrchen; meist aber zeigen sie sich nur als feine Linien, die gewöhnlich dem äußeren Umrisse der Muschel parallel laufen. In dieser Lamellen- schicht sind hauptsächlich die verschiedenen Pigmente abgelagert, welche manche Muschel so herrlich färben. Die Ablagerung dieser Farbstoffe machte es möglich zu bestimmen, daß wirklich der Mantelrand allein diese Schicht absondere. Muscheln nämlich, welche über dem Mantel- rande verletzt wurden, ersetzen den Substanzverlust ihrer Schalen durch eine Masse, welche der ungefärbten Schichte der inneren Schale entspricht; geschieht aber die Verletzung am Mantelrande, so erhält die Ersatzstelle die Farbe, welche der Mantelrand an der verletzten Stelle besitzt. Die dritte innerste Schalenschicht hat einen mehr blätte- rigen Bau und eine gleichförmige Grundmasse, welche äußerst fein gefaltet erscheint, und durch die Brechung des Lichtes den eigenthüm- lichen Perlmutterglanz hervorbringt, welcher so vielen Muscheln eigen- thümlich ist. Die Perlen selbst sind nur krankhafte Ausschwitzungen der äußeren Mantelfläche, welche diese Schicht hervorbringt, in der nur selten Farbestoffe abgelagert werden. Betrachtet man die Lagerung der Schalen in ihrem Verhältnisse zu dem Körper, so läßt sich sogleich entscheiden, was oben und unten, rechts und links, vorn und hinten sei. Obgleich kein Muschelthier einen deutlichen Kopf besitzt, so finden sich doch fast bei Allen Mund und After an entgegengesetzten Enden und bei den Freilebenden das kielförmige Bewegungsorgan, der Fuß, auf der Unterfläche. Diese drei Organe bestimmen demnach bei allen Muschelthieren die Benen- nung der einzelnen Regionen. Der freie Rand der Schalen, durch welchen der Fuß hervorgestreckt wird, ist der untere Rand; der Schloß- rand, wo die beiden Schalen zusammengefügt sind, der obere Rand; diejenige Seite, nach welcher hin der Mund gerichtet ist, die vordere Seite; die entgegengesetzte, welche meist länglich ausgezogen erscheint, die hintere Seite der Muschel. Stellt man die Muschel so vor sich hin, daß sie mit dem freien Schalenrande auf dem Tische ruht, wäh- rend der Schloßrand nach oben schaut, und das vordere Ende von dem Beschauer ab, das hintere ihm zugekehrt ist, so hat man links die linke, rechts die rechte Schale. Die Länge der Muschel wird durch eine gerade von dem Mundende nach dem Afterende gehende Linie gemessen; die Höhe von dem höchsten Punkte des Schloßrandes bis zu dem niedersten Punkte des freien Schalenrandes; die Dicke quer durch den Körper von der Wölbung einer Schale zur andern. Man kann sich das ganze Verhältniß auf die leichteste Weise durch ein Buch versinnlichen. Die Deckel stellen die Schalen, die Blätter den Körper des Muschelthieres vor; der Rücken den oberen oder Schloßrand; die freie Seite den unteren oder Mantelrand; der obere Blattrand, wo die Seitenzahl steht, die vordere oder Mundseite, der untere Blattrand die hintere oder Afterseite des Muschelthieres. Stellt man das Buch so vor sich hin, daß es auf der Blattseite ruht und den Rücken nach oben kehrt, während der obere Blattrand von dem Be- schauer ab-, der untere ihm zugekehrt ist, so hat man das Buch in der Stellung, in welcher wir uns die Muschel denken und es wird in dieser Stellung der den Titel deckende Pappdeckel des Einbandes der rechten, der dem Ende gegenüberstehende Pappdeckel der linken Schalenklappe der Muschel entsprechen. Man unterscheidet regelmäßige und unregelmäßige Muscheln und bezieht diese Ausdrücke hauptsächlich auf die äußere Form, sowie auf das Verhältniß beider Schalen zu einander. So sind die Austern und Hammermuscheln sehr unregelmäßige, die Maler- und Herzmuscheln sehr Fig. 290. Hammermuschel. ( Malleus .) Fig. 291. Pectunculus . regelmäßige Muscheln. Bei den meisten Muscheln sind die beiden Fig. 292. Trogmuschel. ( Mactra .) Fig. 293. Lochmuschel. ( Terebratula .) Klappen vollkommen gleich, sie heißen Gleichschalige; bei andern hingegen wie z. B. bei den Austern oder den Kamm- muscheln ist die eine Schale kleiner als die andere oder von verschiedener Gestalt, sie heißen Ungleichschalig. Gleichseitig nennt man die Muscheln, wenn das vor- dere Ende dem hinteren vollkommen gleich ist, so daß ein querer, durch die Dicke geführter Schnitt jede Schale in zwei voll- kommen gleiche Hälften theilen würde. Die Lochmuscheln und Sattelmuscheln bie- ten hiervon Beispiele, während unsere gewöhnlichen Malermuscheln ungleichseitig sind, indem das vordere Ende mehr zu- gerundet, das hintere mehr ausgezogen ist. Bei den meisten Muscheln schließen die beiden Schalenränder, die oft gezackt und gefaltet sind, vollkommen in einander, so daß nirgends ein Zugang zu dem Körper stattfindet, es sind ge- schlossene Muscheln, wie z. B. unsere Teichmuscheln. Andere können die Schalen niemals vollkommen schließen, indem bald hinten bald vorn ein bedeutender offener Raum bleibt; man nennt sie klaffende Muscheln; die Sandmuscheln und Messermuscheln sind in diesem Falle. Die Schalen der Muschelthiere sind in den meisten Fällen in einer größeren oder geringeren Erstreckung längst des Rückens anein- ander geschlossen. Nur in sehr wenigen Fällen ist durchaus kein Schloß vorhanden, und dann war die größere Schale unbeweglich an den Boden geheftet und die kleinere bewegliche Schale spielte die Rolle eines Deckels, welcher der größeren, die das Thier enthielt, auflag. Die Betrachtung des Schlosses und die Kenntniß seiner ein- zelnen Theile ist von der größten Wichtigkeit für die Kenntniß der Gattungen und Arten. In den wenigsten Fällen bildet das Schloß nur eine einfache Linie, eine Art Falz, in welchem sich die beiden Schalenklappen wie Flügel einer Thüre vereinigen. Meistens finden sich Vorsprünge, Leisten und Zacken auf der einen Schalenklappe, wel- chen dann Kerben, Gruben oder Einschnitte auf der anderen Seite entsprechen. Man hat diese Vorsprünge, wodurch die Ränder des Schlosses fester ineinander greifen, sehr unpassender Weise Zähne und die Vertiefungen Gruben genannt. Von dem Unterschiede, der in dieser Beziehung zwischen den einzelnen Muscheln herrscht, kann man sich leicht eine Vorstellung machen, wenn man nur unsere ge- wöhnlichen Flußmuscheln mit einander vergleicht. Die Teich- oder Entenmuscheln ( Anodonta ) haben ein vollkommen glattes Schloß ohne eine Spur von Vorsprüngen, während die Malermuscheln ( Unio ) auf jeder Klappe zwei gekerbte Schloßzähne besitzen, von welchen der eine einen dreieckigen Vorsprung bildet, während der andere sich längs des hinteren Schloßrandes hinzieht. Früher legte man anßerordentlich viel Gewicht auf Gestalt und Anordnung dieser Schloßzähne; seitdem man sich aber überzeugt hat, daß oft sehr ähnliche Thiere Schalen besitzen, welche in dieser Beziehung ungemein von einander abweichen, wie gerade die Maler- und Entenmuscheln, räumt man diesen Charak- teren nur eine untergeordnete Bedeutung ein. Fig. 294. Fig. 295. Fig. 296. Schale der Venus verrucosa . Fig. 294. Von oben. Fig. 295. Von der Seite. Fig. 296. Beide Schalen von Innen. a oberer oder Schloßrand. b unterer oder Mantelrand. c vordere Seite. d hintere Seite. e linke Schale. f rechte Schale. g Wirbel ( umbones ). h Schildchen ( area ). i Hofraum ( lunula ). k Falz des Schloßbandes. l Schloß- zähne. m Schloßgruben. n Muskeleindrücke. o Manteleindruck. p Ausschnitt ( sinus ) für die Athemröhre ( sipho ). Ein wesentlicher Theil des Schlosses, welcher indeß allen Arm- füßlern abgeht und nur bei den Blattkiemern fast allgemein vorkömmt, ist das Schloßband ( Ligamentum ); eine halb sehnige, halb knorp- lige Masse, welche meist eine große Festigkeit und eine bedeutende Elastizität besitzt. In den meisten Fällen sind die elastischen Fasern dieses Bandes außen längs der Rückenfläche der Muschel in einem Falz oder einer Rinne angebracht und so von einer Schalenhälfte zur andern hinübergespannt, daß bei dem Schließen der Schale die Fasern gedehnt und gezerrt werden und durch ihre Elasticität die Schalen wieder aufsperren, sobald die Wirkung der Schließmuskeln nachläßt. Jede Schalenhälfte bildet bei dieser Anordnung des Schlosses einen breiten Hebel, dessen Stützpunkt der Schloßfalz ist und wo das Schloß- band an dem kurzen, die Schließmuskeln an dem langen Hebel wirkt. In vielen Fällen ist indeß das Schloßband auf der inneren Seite der Schalen angebracht, wo es einen gekerbten Ausschnitt oder viele ein- zelne Gruben im Schlosse erfüllt. In diesem Falle werden die Fasern des Schloßbandes beim Zusammenschließen der Schale wie Federn zu- sammengequetscht und gestaucht und suchen durch ihre Elastizität die Schalen wieder auseinander zu treiben. In manchen Fällen findet sich sogar das Schloßband halb Außen halb Innen, so daß beide Effekte beim Oeffnen und Schließen der Schale vereinigt werden. Die Wirksamkeit dieser elastischen Schloßbänder dauert auch nach dem Tode des Thieres fort und da dann die Gegenwirkung der lebendig zusam- mengezogenen Schließmuskeln aufhört, so klaffen die Schalen der mei- sten Muschelthiere nach dem Tode von einander. Bei den meisten Muschelthieren beginnen die concentrischen Wachs- thumsstreifen, welche auf der Oberfläche der Schale sich zeigen, auf der Mitte der Rückenseite in zwei einander entsprechenden Erhöhun- gen, welche man die Wirbel ( Umbones ) nennt. Meistens bilden diese Wirbel einfache Erhöhungen, oft aber biegen sie sich nach Innen zu ein, so daß sie wie Haken oder selbst wie Widderhörner gekrümmt erscheinen. Die Wirbel liegen stets ganz oder zum größten Theile vor dem Schloßbande und man sieht meist dieses letztere von einem besonders abgegrenzten Raume umgeben, den man das Schildchen ( Area ) genannt hat. Ein ähnlicher Raum findet sich bei vielen Mu- scheln vor den Wirbeln und wird dann der Hofraum ( Lunula ) ge- nannt. Die Archen- und Venusmuscheln können als die ausgezeich- netsten Beispiele für die Entwicklung dieser beiden Räume vor und hinter den Wirbeln genannt werden. Auch die innere Fläche der Schalen läßt bei genauerer Untersu- chung Eigenthümlichkeiten wahrnehmen, welche zur Unterscheidung von Familien, Gattungen und Arten vortreffliche Merkmale liefern. Die starken Muskeln, welche bei den verschiedenen Muschelthieren die Scha- len schließen, gehen meist quer von einer Schale zur andern und der Raum, wo sie angeheftet sind, zeigt einen tiefen Eindruck, an dem man oft noch die einzelnen Lagen, durch welche sich die innere Scha- lenschicht verdickt, unterscheidet. Bei den meisten Armfüßlern kommen mehrfache, zerstreute Muskeleindrücke , bei den Blattkiemern ent- weder zwei auf jeder Schale, die dann an dem vorderen und hinteren Ende liegen (s. Fig. 296. n ) oder nur einer vor, der dann mehr in der Mitte der inneren Schalenfläche sich zeigt. — Der Mantel, welcher den Leib des Muschelthieres einhüllt und zunächst an den Schalen anliegt, läßt ebenfalls einen Eindruck auf der Innenfläche, welcher seinem Umrisse im Leben entspricht. Oft ist dieser Eindruck ganz — bei vielen Muschelthieren aber, bei welchen hintere Röhren (Siphonen) existiren, welche zur Athmung und zur Ausführung der Excremente bestimmt sind, zeigt dieser Manteleindruck einen hinteren Ausschnitt oder Sinus (s. Fig. 296. p ), welcher in Form, Größe und Tiefe meist sehr charakteristisch ist und durch seine Erhaltung an fossilen Muscheln mit Sicherheit auf die Anwesenheit eines Sipho bei denselben schlie- ßen läßt. Alle Muschelthiere sind Wasserbewohner und die meisten nur einer sehr geringen Ortsbewegung fähig. Sämmtliche Armfüßler und viele Blattkiemer sind entweder unmittelbar durch eine ihre Schalen, oder mittelbar durch ein eigenthümliches Fasergespinnste, den Bart ( Byssus ) an den Boden festgeheftet, was meistens Unregelmäßigkeiten in der Ausbildung der Schalen zur Folge hat. Die freilebenden Muschel- thiere bohren sich großentheils in den Schlamm und Sand des Ufers, oft aber auch in Steine und Holz ein, oder kriechen mühsam und unbehilflich mittelst ihres Fußes auf dem Boden einher; bei wenigen nur ist dieser Fuß geschickt zum Klettern an Wasserpflanzen oder glat- teren Gegenständen, und nur bei einer einzigen Familie, bei den Kammmuscheln, hat man bis jetzt beobachtet, daß sie wirklich schwim- men, indem sie die beiden Schalenhälften lebhaft auf- und zuklappen und durch Austreiben des Wassers sich stoßweise fortbewegen. Diejenigen Muscheln, welche sich einbohren, sei es nun in den weichen Boden oder in festere Gegenstände, haben die Mundseite stets nach dem Grunde ihres Loches, die Afterseite nach der Ausgangsöff- nung desselben gerichtet, und wenn diese letztere (was meistens der Fall) mit Röhren versehen ist, so stehen diese Röhren meist aus der Oeff- nung der Löcher hervor in das freie Wasser hinein. Diejenigen Mu- scheln also, welche sich auf dem Boden der Gewässer einbohren, haben während des Lebens eine senkrechte Stellung, den Mund nach unten, den After nach oben; die Holz- und Steinbohrer dagegen, welche ihre Löcher in senkrechte Wände eintreiben, stecken meist in horizontaler Lagerung in ihren Gängen. Die angehefteten Muscheln ruhen auf der einen Schale, während die andere frei beweglich ist, und die freien Sandkriecher schleichen auf dem Mantelrande umher, den Schloß- rand nach oben gerichtet, indem sie mit dem aus den Schalen vor- gestreckten Fuße Furchen in den Sand ziehen. Die Berücksichtigung dieser verschiedenen Stellungen, welche die Muschelthiere während der Zeit ihres Lebens einnehmen, ist besonders wichtig für die Geologen, indem man daraus oft Schlüsse auf die ursprüngliche Lagerung der Schichten machen kann, in welchen die Muschelthiere zur Zeit ihres Absatzes lebten, was in Beziehung auf etwaige nachträgliche Lagen- veränderungen der Schichten von Interesse sein kann. Jedenfalls aber war es unrichtig, wenn man die gewöhnliche Station der Ufer- muscheln mit dem Munde nach unten und dem After nach oben als Norm für die Bezeichnung der Schalen gebrauchen wollte und die Afterseite die obere, die Mundseite die untere Schalenseite nannte. Die unmittelbare Anheftung der Schalen, wie sie z. B. bei den Austern vorkommt, hat den größten Einfluß auf die Gestalt und Re- gelmäßigkeit der Schalen, die sich oft ihrer Unterlage anschmiegen und so die Gestalt derselben wiederholen. Weit weniger ist dieser Einfluß bei der freieren Art der Anheftung durch Fadengespinnste vorhanden. Die Sehnenfäden, welche diese Anheftung bewirken, treten entweder durch ein Loch oder durch einen Ausschnitt der einen Schale, oder durch eine Lücke zwischen beiden Schalen, die meist an der vorderen Seite des Schloßrandes sich befindet, hervor. Eine eigenthümliche Drüse, welche an der Basis des Fußes liegt und die durch eine Rinne mit dem zungenförmigen Fuße selbst in Verbindung steht, liefert eine glashelle, zähe Absonderungsflüssigkeit, die alsbald in Fäden gerinnt und erhärtet. Die Blattkiemer, welche sich durch solche Fäden fest- setzen, wozu namentlich die bekannten Miesmuscheln gehören, drücken den zungenförmigen Fuß an den Ort an, wo sie sich festsetzen wollen, und ziehen durch drehende Bewegungen einen Faden nach dem andern, bis die Anheftung gesichert erscheint. Die Muschelthiere erscheinen in den frühesten Schichten der Erde und zwar die Armfüßler zu gleicher Zeit mit den Blattkiemern. Beide Klassen zeigen aber eine wesentliche Verschiedenheit in ihrem Verhalten; — denn während die Armfüßler massenhaft an Zahl der Individuen, Arten und Gattungen auftreten, allmählig aber zurücksinken und in unserer Epoche fast bis auf wenige Repräsentanten verschwunden sind, bleiben die Blattkiemer etwa in demselben durchgreifenden Verhältnisse von Anfang bis zu Ende, und man kann nicht sagen, daß die Vertheilung ihrer Familien in den älteren Zeiten wesentlich verschieden wäre von derjenigen, welche wir jetzt sehen. Während also die Armfüßler einen Typus darstellen, der im Laufe der Zeit seinem allmähligen Unter- gange entgegen ging und von dem unsere jetzige Schöpfung nur einige wenige, gleichsam zerstreute Nachzügler aufzuweisen hat, zeigen die Blattkiemer eine ganz entgegengesetzte geschichtliche Entwickelung, in- dem ihr Typus ohne merkliche Veränderung seines Verhältnisses zu der übrigen Schöpfung, sich wesentlich in derselben Art und Zahl, wie er von Anfang an auftrat, erhalten hat. Unterklasse der Armfüszler. ( Brachiopoda .) Die Thiere, welche dieser Klasse angehören, sind verhältnißmäßig nur sehr selten in unsern jetzigen Meeren, spielen aber eine desto grö- ßere Rolle in den Schöpfungen der ältern Periode der Erde, wo sie um so häufiger und zahlreicher an Gattungen und Arten werden, je älter die Schichten scheinen. Der Körper dieser Thiere ist stets von einer Fig. 297. Eine Terebratel, deren eine Schale weggenommen ist, um die beiden Fangarme zu zeigen, von welchen der eine zurückgezogen und gänz- lich aufgerollt, der andere ( a ) ausgedehnt und vorge- streckt ist. zweiklappigen Schale umschlossen und entweder durch eine Schale oder durch einen bald sehnigen, bald fleischigen Stiel an dem Boden angeheftet. Es sind also die Armfüßler wahre Muscheln, die aber durch mehrere höchst merkwürdige Ei- genthümlichkeiten ihres Körper- und Schalen- baues wesentlich von den übrigen Muscheln ab- weichen. Die beiden Schalenhälften sind nie- mals einander vollkommen gleich und selbst in denjenigen Fällen, wo ihr äußerer Umriß fast identisch erscheint, zeigen sie im Innern ver- schiedenartige Eindrücke und Leisten, durch die ungleiche Anheftung der Schließmuskeln und das Armgerüste hervorgebracht. In bei weitem den meisten Fällen sind aber die Schalen so vollkommen durch ihre Form von einander unterschieden, daß man sie leicht auf den ersten Blick erkennt. Hieraus ist namentlich für die Beschreibung der Scha- len eine große Verwirrung erwachsen, indem man rein willkürlich, ohne nur im Mindesten auf die Structur der in den Schalen einge- schlossenen Thiere zu achten, die eine Schale als Rückenschale, die andere als Bauchschale bezeichnet hat und trotz aller besseren Einsicht noch immer bezeichnet. In der That sind bei diesen wie bei allen andern Muschelthieren eine rechte und eine linke Schale vorhanden und nur die Eigenthümlichkeit ausgeprägt, daß in den meisten Fällen die vordere und die hintere Seite des Thieres vollkommen gleich aus- gebildet erscheinen. Der Körper der Armfüßler ist, soweit diese Thiere bekannt sind, Fig. 298. Anatomie der Entenmuschel ( Lingula anatina ). Man sieht die Muschel in natürlicher hängender Stellung mit ihrem Stiel an Felsen befestigt. Die linke Schale und innerhalb der Schalen von zwei aus sehnigen und contractilen Fäden gewebten Blättern eingefaßt, welche nach unten zu frei sind, nach oben hin aber einen Sack bilden, in wel- chem die Eingeweide eingeschlossen sind. Die freien Blätter dieses Mantels , welche dem äußern Um- risse der Schale nachgebildet sind und unmittelbar an der Innenfläche der- selben anliegen, bestehen aus zwei an einander liegenden Lamellen, von welchen die äußere, den Scha- len zugekehrte am Rande mit sprö- den steifen Borsten besetzt ist, wäh- rend die innere zahlreiche blasige Gefäßverzweigungen trägt und of- fenbar ein Kiemenblatt dar- stellt. Schlägt man diese Mantel- blätter zurück, so entdeckt man zu- erst zwei eigenthümliche Arme , von denen der eine vor, der andere hin- ter dem Munde angebracht ist. Diese Arme, welche der ganzen Klasse den Namen gegeben haben, sind meistens spiralförmig aufge- rollt und bestehen aus einer mus- kulösen Röhre, die nach beiden En- den hin geschlossen und während des Lebens mit Flüssigkeit erfüllt ist. Durch die Zusammenziehung das linke Mantelblatt sind weggenommen und die Organe in ihrer gegenseitigen Lage in der Schale belassen. a der Stiel. b die rechte Schale. c Fangarme, zu- sammengerollt, wie sie das Thier bei ge- schlossener Schale hält. d rechtes inneres Mantelblatt mit den Athemblasen. e äußeres Mantelblatt mit den darin einge- pflanzten feinen Hornstacheln. f Schließ- muskeln, an ihrer Anheftungsstelle durch- schnitten g die beiden Herzen mit den gefalteten Vorkammern darüber. h der Darm. i der After. k die Leber. l Spei- cheldrüsen. der Muskelfasern, welche diese an beiden Enden geschlossene Röhre bilden, wird die Flüssigkeit gegen die Spitze getrieben und der spiral- förmig gewundene Arm entfaltet, so daß er die Schalen auseinander treibt und sich aus ihrer Oeffnung hervorstreckt. Auf der Außenseite sind diese Arme mit außerordent- lich vielen contractilen Fühlfäden besetzt, welche wahrscheinlich während des Lebens eine bedeutende Flimmerbewegung besitzen. Der Raum zwischen den freien Mantel- blättern wird gänzlich von diesen Armen, die bei verschiedenen Gattun- gen verschiedene Länge und Aufrollung zeigen, ausgefüllt. In der Mittellinie des Körpers neben dem Punkte, wo die Wur- zeln der beiden Arme zusammenstoßen, befindet sich der nach unten gerichtete Mund , welcher nach oben in einen nur kurzen Schlund sich fortsetzt, der innerhalb des Eingeweidesackes in einen meist nur geringen Magen anschwillt und dann in einen gleichmäßig weiten Darmkanal sich fortsetzt, welcher zwischen den Lebermassen inner- halb des Eingeweidesackes eine oder mehrere Windungen macht und dann auf der hinteren Seite zwischen den Mantellappen nach Außen zu sich öffnet. Es zeigt diese Oeffnung des Darmkanales wie bei den übrigen Muschelthieren so auch hier die hintere Axe des Körpers an. Die Lebermassen sind sehr bedeutend und meist in mehrere Abthei- lungen gespalten, welche sich mit besondern Ausführungsgängen in den Darmkanal öffnen. Höchst eigenthümlich ist die Ausbildung des Kreislaufes bei den Armfüßlern. Bei allen bis jetzt untersuchten Armfüßlern finden sich nämlich stets zwei große, mehr oder minder schlauchförmige Her- zen, die vorn und hinten in dem Eingeweidesacke liegen und von wel- chen aus bedeutende Gefäße sowohl nach dem Eingeweidesacke als auch namentlich nach dem Mantel abgehen, um sich auf der innern Lamelle derselben zu verzweigen. Meistens finden sich auf dieser Lamelle bla- senartige Anschwellungen, die offenbar als Kiemenblasen gelten können und in welchen sich die Gefäße verzweigen. Von diesen Kiemenblasen aus kehrt das Blut durch weite Kanäle zurück und ergießt sich frei in die Höhle des Eingeweidesackes, der also zugleich die Rolle eines Blutbehälters spielt. An jedem Herzen befindet sich ein krausenartig gefaltetes Bläschen, der Vorhof, welcher eine weite Oeffnung gegen den Eingeweidesack hin hat und auf der andern Seite in das Herz einmündet. Ohne Zweifel wird durch diesen Vorhof das die Einge- weide umspülende Blut aufgenommen und in das Herz hineingetrie- ben, und es werden bei diesen Thieren die rückführenden Venen durch die gemeinsame Höhle des Eingeweidesackes ersetzt. Da bis jetzt noch kein Anatom frische Exemplare von Armfüßlern beobachten konnte und die ganze Untersuchung lediglich auf Weingeist- exemplare beschränkt war, so ist man über die Verhältnisse der Ge- schlechtstheile noch sehr im Unklaren. Es finden sich in dem Ein- geweidesacke, außer der Leber, Drüsenmassen, welche bei einigen Gat- tungen sich sogar bis auf den Mantel hin erstrecken und die wohl je nach ihrem Inhalte, entweder männliche oder weibliche Geschlechts- drüsen sein dürften, allein weiteres über die Verhältnisse dieser Theite, sowie über die Fortpflanzung der Armfüßler ist durchaus nicht bekannt. Die Schalen der Armfüßler sind alle kalkiger Natur und mei- stens, wenigstens bei den lebenden Arten, ziemlich dünn und selbst eini- germaßen biegsam. Bei mikroskopischer Untersuchung unterscheidet man selbst an diesen dünnen Schalen die zwei obenerwähnten Schichten, von welchen die äußere aus schiefstehenden Säulchenzellen gebildet ist, welche im Innern mit Kalkablagerungen erfüllt sind, die man durch Säure ausziehen kann, wo dann die leeren hornigen Zellen zurückbleiben; die innere Schicht der Schale hingegen blätterig und bei einigen Gattungen so porös erscheint, daß sie bei der Versteinerung zuweilen verschwunden ist. Die Schalensubstanz selbst wird entweder nur in ihrer innern Schicht oder in ihrer ganzen Dicke von eigenthümlichen Kanälen durchzogen, welche äußerst eng und wie es scheint mit Kalk- ablagerungen erfüllt sind. Bei der ungemein großen Verbreitung der Armfüßler in den Schichten der Erde, bei der Häufigkeit einzelner Arten hat man auf die äußere Form und Gestaltung dieser Schalen besonders viele Rücksicht genommen und zu ihrer Beschreibung ver- schiedene Kunstausdrücke gebraucht, deren Kenntniß durchaus noth- wendig ist. Zuerst ist es von Wichtigkeit, das Vorn und Hinten, Rechts und Links, Oben und Unten zu bestimmen, eine Bestimmung, die nicht leicht ist bei Thieren, welche keinen Kopf und keine regelmäßige Stellung besitzen. Viele Armfüßler sind nämlich mit der einen Schale befestigt, so daß die angeheftete Schale die untere, die freie die obere wäre; andere dagegen hängen an einem Stiele fest, der in der Nähe des Schlosses, wo beide Schalen zusammengefügt sind, hervortritt. Hier würde je nach der Anheftung der Schloßrand bald der obere, bald der untere Rand; die eine Schale bald die linke, bald die rechte sein. Offenbar können so wechselnde Verhältnisse nicht zur Grund- lage der Beschreibung genommen werden und nur die Lagerung des Thieres in den Schalen selbst kann als Richtschnur dienen. Wir nen- nen deshalb, übereinstimmend mit den übrigen Muschelthieren und aus der oben auseinandergesetzten Bezeichnungsweise, diejenige Seite, auf welcher der After sich öffnet die hintere, die entgegengesetzte die vordere, obgleich diese beiden Seiten bei allen Armfüßlern einander vollkommen gleich sind. Uebereinstimmend hiermit bezeichnen wir den Schloßrand der Armfüßler als den oberen, den freien Schalenrand, wo die Arme hervortreten, als den unteren Rand und haben demnach hier, wie bei den andern Muschelthieren, eine rechte und eine linke Schale. Bei den meisten Armfüßlern ist die linke Schale größer als die rechte und dient entweder unmittelbar oder durch den Stiel, welchen sie hindurch läßt, zur Anheftung des Thieres. Zu diesem letztern Zwecke hat diese größere linke Schale, welche man auch die Rücken- schale genannt hat, bei den meisten Gattungen eine schnabelförmige Verlängerung, welche oft wie ein Haken über den Schloßrand her- übergebogen ist und einen Ausschnitt trägt, der zum Durchlassen des Stieles bestimmt ist. Bei vielen Gattungen wird dieser Ausschnitt von dem Schloßrande durch ein oder zwei bewegliche Stücke abge- trennt, die man das Deltidium genannt hat. Oft schließen die beiden Hälften des Deltidiums in der Mitte zusammen, so daß dann der Ausschnitt im Schnabel zu einem förmlichen runden Loche ver- vollständigt wird, wie dies namentlich bei der Gattung Terebratula der Fall ist; in andern Fällen begrenzen die beiden Hälften des Del- tidiums, die wie Thürflügel auseinander stehen, eine mittlere Spalte. Den Raum zwischen dem Schnabel einerseits und dem Schloßrande andererseits, der meist eine dreieckige Gestalt hat, hat man das Schloßfeld ( Area ) genannt. Die rechte Schale (Bauchschale von Vielen genannt) ist meistens die kleinere und erscheint bei manchen Gattungen nur wie ein Deckel, der auf der größeren Schale aufliegt. Beide Schalen sind in den meisten Fällen durch ein Schloß mit ein- ander verbunden, an welchem innen von der großen Schale her zwei Vorsprünge, sogenannte Zähne, in zwei Einschnitte eines auf der in- neren Seite der kleinen Schale vorspringenden Blattes eingreifen. Von demselben Blatte entspringen bei vielen Gattungen höchst eigen- thümliche Kalkgerüste, welche den Armen als Stützpunkte dienen. Die Fig. 299. Rechte Schale einer Lochmuschel ( Terebratula ) von innen gesehen, mit dem von dem Schlosse ausge- henden Gerüste zum Tragen der Arme. einzelnen Theile des Schlosses greifen bei den meisten Gattungen so genau in ein- ander, daß die Schalen nur wenig ge- öffnet werden können und da bei allen Armfüßlern ohne Ausnahme jenes sehnige Schloßband fehlt, welches bei den übri- gen Muschelthieren durch seine Elasticität die Oeffnung der Schalen bewirkt, wäh- rend hier die Oeffnung durch die leben- dige Thätigkeit der Arme bedingt wird, so findet man auch meist die versteinerten Armfüßler, nicht wie die übrigen Muscheln mit klaffenden, sondern mit vollkommen geschlossenen Schalen. Die Schließung der Schalen wird bei allen durch mehrfache Muskelbündel bewirkt, welche, den Eingeweidesack in verschiedenen Richtungen durchsetzend, sich an der innern Fläche der Schalen anheften und hier verschiedene Eindrücke bilden, die zuweilen für die Bestimmung der Arten von Wichtigkeit sind. Die Armfüßler kommen besonders in der älteren Schichte der Erde in ungemeiner Häufigkeit vor und ihre Zahl nimmt umsomehr ab, jemehr wir uns der lebenden Schöpfung nähern. In dem Ueber- gangsgebirge zählen sie für sich allein mehr als die Hälfte sämmtlicher Weichthiere, wenn man die Arten berücksichtigt, während sie jetzt kaum ein halbes Prozent derselben ausmachen; und während in den älteren Schichten die Individuen einzelner Arten so häufig sind, daß sie ganze Bänke bilden, so gehören sie jetzt zu den seltneren Arten, die nur hie und da vereinzelt vorkommen. Vielleicht indeß beruht diese ver- hältnißmäßige Seltenheit zum Theil auch auf dem Umstande, daß die Armfüßler meist nur sehr große Tiefen bewohnen, wo sie weniger zu- gänglich sind. Wir theilen die Klasse der Armfüßler in zwei Ordnungen, welche hauptsächlich durch die Struktur ihrer Schalen sich von einander un- terscheiden. Die Ordnung der Rudisten ( Rudista ) wird von großen, schweren Schalen gebildet, die meistens sehr ungleich in ihrer Entwickelung sind und die Zusammensetzung aus zwei Schichten außer- ordentlich deutlich zeigen. Die äußere Schicht der Schale ist dicht, blätterig oder faserig, die innere porös und äußerst leicht zersetzbar, so daß sie oft zu Grunde geht. Allen Rudisten fehlt ein Schloß, sie sitzen mit der dickern Schale unmittelbar auf dem Boden fest und zeigen niemals eine Durchbohrung zum Durchlassen eines Stieles, wie die meisten übrigen Armfüßler. Es giebt keine lebenden Repräsentanten dieser Ordnung und sie finden sich versteinert einzig nur in der Kreide und hauptsächlich nur in den unteren Schichten derselben, wo sie durch ihre Vereinigung in Bänken eigenthümliche Zonen bilden, die zur Ver- folgung der Schichten äußerst werthvoll sind. Wir unterscheiden in dieser Ordnung zwei Familien. Die Roßmuscheln ( Hippurida ) sind stets aus zwei ungleichen Schalen zusammengesetzt, die beide eine kegelförmige Gestalt haben. Die untere Schale ist bei weitem die größte, unten und oft auch an der Seite in der Art festgewachsen, daß die Spitze des Kegels auf dem Boden aufsitzt, während die hohle Basis nach oben gewendet ist. Die obere Schale ist mehr oder minder flach, deckelartig; ein Schloß fehlt durchaus, ebenso ein Band, und der Deckel scheint nur durch seine Schwere auf der Höhlung der unteren Schale fixirt. Die Schalen sind ungemein dick, ihre äußere Form höchst unregel- mäßig, wie dies bei allen angehefteten, Bänke bildenden Muscheln vor- kömmt, die sich in ihrem Wachsthume nach dem gerade vorhandenen Raume richten müssen. Die Struktur der Schalen ist zellig; die inneren Höh- len, worin das Thier lebt, einigermaßen der conischen Gestalt der Schale entsprechend. Nicht selten finden sich die Schalen mehr oder minder zerstört, und nur die Gesteinsmasse, welche die inneren Höh- len erfüllte, erhalten. Diese Steinkerne erscheinen dann aus zwei ungleichen Kegeln zusammengesetzt, welche mit ihrer Basis an einander stehen und früher als besondere Gattungen unter den Namen Biros- trites und Sodamia aufgeführt wurden. In den unteren Theilen der Schalen zeigen sich zuweilen mehr oder minder vollständige Querwände, die man mit den Kammern der Cephalopoden verwechselte. Da man keine lebenden Mollusken kennt, welche den Rudisten ähnlich sehen, so wurden die mannigfachsten Ansichten über sie ausgesprochen, indem die Einen sie in die Nähe der Seescheiden oder der Rankenfüßer, die Anderen sie zu den Polypen stellten. Da man indessen bei wohl er- haltenen Exemplaren nicht nur mehrfache Muskeleindrücke, sondern auch Spuren von halbmondförmig gebogenen Armen sieht, so kann jetzt wohl über ihre Stellung kein Zweifel mehr obwalten. Hippuri- tes; Sphaerulites; Radiolites. Die Familien der Ziegenmuscheln ( Caprinida ), welche ebenfalls nur in der Kreide vorkommt, unterscheidet sich von den Roßmuscheln dadurch, daß die beiden Schalen nicht conisch, sondern spiralig einge- Vogt. Zoologische Briefe. I. 19 wunden sind, wodurch sie zwei Bockshörnern nicht unähnlich sehen. Caprina; Caprotina. Auf die Ordnung der regelmäßigen Armfüßler (Brachio- poda) , welche allein Repräsentanten in der jetzt lebenden Schöpfung zählt, kann alles dasjenige bezogen werden, was wir oben von den Thieren dieser Klasse überhaupt sagten. Die Schalen sind in dieser Ordnung allgemein dünn, oft selbst hornartig und das Mißverhältniß zwischen beiden gleicht sich allmählig aus, so daß bei den Zungen- muscheln nur noch eine sehr geringe Verschiedenheit zwischen beiden Klappen wahrgenommen wird. Die Gestalten der Muscheln nähern sich weit mehr denjenigen der gewöhnlichen Muschelthiere und zeigen meist eine Linsen- oder Eiform. Wir unterscheiden nach der Art und Weise ihrer Anheftung, in dieser äußerst zahlreichen Ordnung drei Familien. Die Kreismuscheln ( Orbiculida ) sind mit einer kleinen flachen Schale unmittelbar an den Boden festgeheftet, während die rechte freie Schale größer ist und die Gestalt eines flachen Kegels besitzt. Die Schalen besitzen niemals ein Schloß; ihre Ränder passen nur aufein- ander und sie trennen sich deßhalb sehr leicht, so daß man lange Zeit von einer Gattung nur die obern losen Schalen kannte. Die eigent- lichen Kreismuscheln ( Orbicula ) zeigen in der Mitte der angehefteten Schale einen Schlitz, der den Todtenkopfmuscheln (Crania) ab- geht. Beide Gattungen leben noch jetzt, aber nur selten, in unsern Meeren. Die große Familie der Lochmuscheln (Terebratulida) zeichnet sich durch zwei freie Schalen aus, die durch ein Schloß mit einander ver- bunden sind, in dessen Nähe sehnige Fäden austreten, welche die Mu- Fig. 300. Terebratula. schel an den Boden befestigen. In den mei- sten Fällen, wie namentlich bei den eigent- lichen Lochmuscheln (Terebratula) , die allein noch lebend vorkommen, bilden diese Sehnen einen Büschel, der durch ein Loch der Schloß- felder hervortritt. Selten nur fehlt dieses Loch gänzlich und die Fäden treten durch Kerben an dem Schloßrande hervor. Das Schloß ist sehr stark mit eingreifenden Dop- pelzähnen versehen, die nur eine sehr geringe Oeffnung gestatten. Die Arme werden durch eigenthümliche Kalkgerüste getragen, die der kleine- ren rechten Schale angeheftet sind. Die zahlreichen Gattungen dieser Familie waren namentlich in den älteren Schichten entwickelt; und von ihrer Häufigkeit in den verschiedenen Schichten kann man sich da- durch einen Begriff machen, wenn man erwägt, daß man von der Gattung Terebratula weit über hundert fossile und nur etwa ein Dutzend lebende Arten kennt. Spirifer; Pentamerus; Stry- gocephalus; Leptaena; Productus; Chonetes; Orthis; Thecidea; Calceola. Die gesperrt gedruckten Gattungen kommen nur fossil vor. Die Familie der Zungenmuscheln (Lingulida) unterscheidet sich von der vorigen Familie dadurch, daß ihre fast vollkommen gleiche Schalen kein eigentliches Schloß besitzen, sondern nur mit ihren Rän- dern aneinanderpassen und nach oben auseinander weichen, wo sie einem dicken, fleischigen Stiel zum Ansatz dienen, an dem die Muschel befestigt ist. Dieser Stiel besteht aus einer äußeren biegsamen Scheide, welche einen kräftigen Muskelcylinder in sich schließt. Man kennt nur eine dieser Familie angehörige Gattung, von welcher Arten in allen Schichten bis in die jetzigen Meere, aber überall nur vereinzelt vor- gefunden werden. Lingula. Unterklasse der Blattkiemer. (Lamellibranchia.) Von den ältesten Zeiten der Erdgeschichte an bilden die Blatt- kiemer eine bedeutende Proportion der in den Gewässern lebenden thierischen Organismen, und so verschieden auch die Gestalt und die Ausschmückung ihrer Schalen sein mag, so kann man doch behaupten, daß es wohl wenige Klassen des Thierreiches geben mag, welche so viele Uebereinstimmung in der Struktur ihres Körpers zeigen, als gerade diese. Sämmtliche Blattkiemer sind von einer zweiklappigen Schale um- schlossen, deren Eigenthümlichkeiten wir schon oben auseinandergesetzt haben. Innerhalb dieser Schalen liegt der platte von der Seite her zusammengedrückte Körper , für dessen Beschreibung wir wieder genau dieselben Bestimmungen annehmen, wie für diejenigen der Schalen. Dieser Körper wird zuerst eingeschlossen von zwei seitlichen Blättern, welche hart an der inneren Fläche der Schale anliegen und der Man- tel genannt werden. In den meisten Fällen sind die beiden Mantel- 19* Fig. 301. Anatomie einer Trogmuschel (Mactra) . Schale, Mantel und beide Kiemenblätter der linken Seite sind weggenommen, der Eingeweidesack geöffnet und die Eingeweide etwas auseinandergelegt worden. co die rechte Schalenklappe; m rechte Mantelhälfte, nach hinten in die Athemröhre ti und in die darüberliegende Afterröhre ts übergehend. ma vorderer, mp hinterer Schließmuskel der Schale. b Mundöffnung. t Mundlappen, hier sehr lang und schmal. e Magen. e’ Blinddarm des Magens. i Darm, vielfach zusammenge- knäuelt und theilweise in der Leber f versteckt. r Mastdarm, mitten durch das Herz co hindurch gehend. a After. p Fuß. br Kiemenblätter der rechten Seite. n Niere. ga vordere Nervenknoten, über dem Munde gelegen, mit den nach vorn ausstrahlenden Nerven ne. ng hintere Nerven, zum hinteren Nervenknoten gp ge- hend. np Nerven, die von diesen ausgehen und sich besonders an die Siphonen vertheilen. blätter nach unten hin frei, während sie an dem Schloßrande der Schale und an dem Sacke, welcher die Eingeweide umhüllt, ange- wachsen erscheinen. Die Ränder eines solchen freien Mantels sind fast stets mit Fortsätzen, Zäpfchen oder Wärzchen besetzt, welche sehr ver- schiedene Gestalten annehmen und oft zu langen Fühlfäden auswachsen, die in mehrfachen Reihen den Mantelsaum bekleiden. In der Regel sind diese Fühlfäden in der Gegend des Afters, dann auch des Mun- des am ausgiebigsten entwickelt und selbst dann an diesen Stellen vor- handen, wenn sonst der freie Mantelsaum glatt ist. Am After nament- lich fehlen sie wohl keinem Muschelthiere und es mag dies mit der Tendenz zur Verwachsung der beiden Mantelhälften zusammenhängen. Bei vielen Muschelthieren nämlich vereinigen sich die beiden Mantel- hälften mit ihren untern freien Rändern auf eine größere oder geringere Fig. 302. Das Thier einer Gienmuschel (Chama) aus der Schale genommen und von dem fast ringsum geschlossenen Man- tel eingehüllt. p der Fuß, welcher aus dem ihm entsprechenden Schlitze hervorgestreckt ist. r die Athemöff- nung, zur Einführung des Wassers bestimmt. e die Auswurfsöffnung. m die beiden Schließmuskeln der Schale. Strecke und es bleiben dann nur einige Schlitze übrig, welche für den Mund und den Zutritt des den Athemorganen be- stimmten Wassers, für das Durchlassen des Bewegungsorganes oder Fußes und für den After bestimmt sind. Bei denje- nigen Muscheln, welche sich in Schlamm, Sand oder Steine einbohren, schließt sich der Mantel noch mehr, so daß er völlig sackförmig den Körper umschließt, keinen vorderen Mundschlitz hat, sondern nur nach hinten in zwei, mehr oder minder lange Röhren (Siphones) sich auszieht, von welchen die eine, die Athemröhre, das für die Kiemen bestimmte Wasser und damit auch die Nahrungsstoffe einzieht, die an- dere, die Afterröhre, dieses Wasser mit dem Unrathe wieder austreten läßt. Beide Röhren sind zuweilen in eine einzige Doppelröhre mit einander verwachsen und ihre Länge steht mit der Länge der Bohr- löcher, welche die Thiere sich machen, in Verhältniß. Die Tastwärz- chen und Fühler stehen in solchen Fällen bei mehr oder minder ge- schlossenem Mantel nur an den Rändern der Schlitze oder an der Mündung der Röhren. Die Struktur des Mantels selbst ist nicht vollkommen erörtert. Die Hauptmasse der dünnen, an den freien Rändern verdickten Man- telblätter besteht aus mannigfach gekreuzten Sehnen und Muskelfasern, die von vielen Gefäßen und Nerven durchzogen werden. Auf seiner inneren Fläche ist der Mantel von stets flimmernden Wimpern besetzt, die sich überhaupt auf fast allen Oberflächen, inneren wie äußeren der Muschelthiere vorfinden und für das Athmen und Ernähren der- selben von der größten Bedeutung sind. In dem Mantelrande finden sich drüsige Bildungen, welche zur Absonderung der Stoffe dienen, aus denen die Schale zusammengesetzt ist. Man findet deßhalb zu den Zeiten, wo die Schalenbildung besonders lebhaft ist, eine milchige Flüssigkeit in dem Mantelrande, die mit Säuren aufbraust und vielen Niederschlag von kohlensaurem Kalke enthält. Die Umrisse des Man- tels zeigen sich bei den meisten Muscheln sehr deutlich auf der innern Fläche der Schalen und dienen wesentlich zur Erkenntniß der einzelnen Arten und Familien. Die Bewegungsorgane der Blattkiemer sind zweierlei Art. Fig. 302. Anatomie der gewöhnlichen Auster (Ostrea edulis) . Die rechte Schale, welche bei der Auster den Deckel bildet und bei weitem kleiner ist als die linke, ist mit dem rechten Mantelblatte weggenommen, der Eingeweide- sack aber uneröffnet gelassen worden. a innere Fläche der großen Schale, in welcher das Thier wie in einer Schüssel ruht. b Schloß mit tiefer, dreieckiger Höhle, für das Schloßband. c linke Mantelhäfte, am freien Rande verdickt und zottig. d die vier Mundlappen zu beiden Seiten des Mundes. e der Afterdarm. f Le- ber. g das Herz. h der einzige Schließmuskel. i der Eingeweidesack. k die 4 Kiemenblätter. Ein Fuß fehlt gänzlich. Man findet bei ihnen besondere Muskelbündel zum Schließen der Scha- len und ein an der Bauchseite gelegenes Be- wegungsorgan, den Fuß. Die Schließmuskeln gehen quer durch den Eingeweidesack von einer Klappe der Schale zur andern, und ihre Anhef- tungsstelle läßt sich sehr leicht an der inneren Mantelfläche als ein mehr oder minder tiefer Eindruck wahrnehmen. Bei mehreren Familien, wie bei den Austern und Kammmuscheln findet sich nur ein einziger Schließ- muskel, der mehr in die Mitte der Schale ge- rückt ist; bei den meisten, wie namentlich bei un- seren gewöhnlichen Ma- lermuscheln, gibt es dagegen zwei solcher Muskeln, von welchen der eine mehr vorn über dem Munde, der andere mehr hinten über dem After liegt. Mittelst dieser Mus- keln, die meistens außerordentlich kräftig sind, schließen die Muschel- thiere ihre Schalen mit großer Kraft zusammen, sobald sie irgend wie beunruhigt werden. Die Gegenwirkung dieser Muskeln oder die Oeff- nung der Schalen wird, wie schon bemerkt, von einem starken Seh- nenbande ausgeübt, durch dessen Elastizität die Schalen aus einander gesperrt werden. Die Wirkung dieses Bandes ist gänzlich von dem Willen des Thieres und selbst von seinem Leben unabhängig, und sobald die Schließmuskeln nicht mehr wirken, so tritt dieses elastische Federband in seine Wirkung ein. Deßhalb klaffen todte Muscheln, während lebende ihre Schalen hartnäckig geschlossen halten. Man hat früher den Umstand, daß ein oder zwei Schließmuskeln vorhanden waren, zur Eintheilung der Muschelthiere benutzt, indem man sie in einmuskelige und zweimuskelige eintheilte; eine Eintheilung die manches Schwankende hat, da es einige Familien giebt, bei welchen man darüber im Zweifel sein könnte, ob zwei Hälften eines Muskels oder zwei einander genäherte Muskeln vorhanden sind. Fig. 305. Fig. 304. Anatomie der gewöhnlichen Miesmuschel (Mytilus edulis) . In Fig. 304. ist nur die linke Schale abgenommen, sonst aber das Thier in seiner natürlichen Lage gelassen worden, in Fig 305. dagegen hat man die linke Mantelhälfte, die Mundlappen zurückgeschlagen und die linken Kiemen- blätter etwas abgezogen, um den Fuß und die Byssusdrüse in ihrer ganzen Länge zu zeigen. a die rechte Schalenhäfte. b der Bart oder Byssus , womit die Muschel befestigt war, aus der an der Fußwurzel angebrachten Byssusdrüse hervorstehend. c der Fuß. d die linke Mantelhälfte. e der mit Wärzchen besetzte Afterschlitz. f Schließmuskel der Schale. g Mundlapven, hier sehr groß, spiralig aufgerollt, den Kiemenblättern sehr ähnlich. h Kiemenblätter. Das Organ der Ortsbewegung, der Fuß , ist stets auf der Bauchseite der Muschel und meistens in solcher Größe ausgebildet, daß er zwischen den Schalen hervorgestreckt werden kann. Bei denjenigen Muscheln, welche sich anheften, ist diese frei bewegliche Muskelmasse nur sehr rudimentär oder fehlt auch gänzlich, während sie bei andern, die im Sande kriechen, oft eine bedeutende Größe erreicht. Meistens ist der Fuß beilförmig und bildet die vordere Schneide des Einge- weidesackes, an dessen Seiten seine Sehnenfäden hinaufsteigen, um sich in der Nähe des Schlosses an die Schalen festzusetzen;— zuweilen ist er dünn, lang, zungenförmig oder hakig gekrümmt, in andern Fällen wieder dick, walzenförmig und mit einer Art von Scheibe versehen. Es hängt diese Form des Fußes wesentlich mit seiner näheren Bestim- mung für das Thier zusammen. Die beilförmige oder zungenförmige Gestalt findet sich bei solchen Blattkiemern, die, wie unsere Flußmu- schel, im Sande kriechen; die Muscheln mit knieförmig eingebogenem Fuße schnellen sich sogar mit demselben, wie mit einer Feder, springend fort. Löffelförmige oder ähnliche Gestalt, wie bei der Miesmuschel, dient wesentlich zum Spinnen des Bartes, womit sich die Muscheln anheften. Bei solchen Thieren findet sich am Grunde des zungen- förmigen Fußes eine Grube, deren Boden durch eine Menge weicher, aufrechtstehender Lamellen quer gefurcht erscheint und so eine Menge von Rinnen darstellt, in welchen die weiterhin zerfaserten Hornblätter des Bartes festsitzen. Von dieser Grube geht eine, ebenfalls drüsig aussehende Furche an dem löffelförmigen Fuße hinauf, dessen Spitze besonders als Tastorgan dient. Der Stoff der Byssusfäden ist an- fangs klebrig, erhärtet aber dann zu einem hornartigen Gewebe, das man sogar bei einigen Muscheln, wie z. B. der Steckmuschel, zum Spinnen eines seidenartigen Stoffes benutzt. Eine ganz entgegengesetzte Form des Fußes zeigen die eigentlichen Bohrmuscheln ( Pholas, Saxicava, Teredo, Gastrochaena etc.). Viele dieser Thiere bohren in Holz, selbst in Eichenholz und Mahagoni, andere in Stein und zwar meistens Kalkstein oder Schiefer, tiefe röhrenartige Gänge, in denen sie Zeitlebens stecken bleiben. Sie haben meist einen wurmförmigen Körper und sackartig geschlossenen Mantel, der nur vorn für den Fuß geöffnet und hinten in lange Athemröhren ausgezogen ist. Man hat sich vielfach bemüht, die Art und Weise dieses Bohrens zu ergründen, und hat bald behauptet, daß die Thiere mit ihren oft feinen oder gerippten Schalen die Löcher gleichsam aus- feilten, bald daß sie eine Säure absonderten, welche besonders die Steine auflöse. Beide Ansichten sind entschieden falsch — niemand hat ein solches Auflösungsmittel oder eine Abnützung der Schalen durch das Feilen gesehen. Da die Oberfläche des ganzen Thieres mit Wimpern, die stets in bestimmten Richtungen flimmern, besetzt ist, so glaubte man durch diese steten, kleinen Wasserströme das Bohren erklären zu können. In neuerer Zeit hat man indessen gefunden, daß bei allen diesen Bohrmuscheln der breite, runde, stempelähnliche Fuß, der vorn zwischen den klaffenden Schalen vorgestreckt wird und meist genau in das vordere Ende des Bohrloches paßt, sowie die verdickten Theile des Mantels da, wo er von keinen Schalen bedeckt ist, mit kieseligen Krystallkörpern besetzt sind, die das Licht sehr stark brechen, durch Druck in scharfeckige Stücke zerspringen und ebenso scharfe Winkel zeigen. Offenbar dienen diese unzähligen, scharfen Kieselkrystalle in den sehr muskulösen Theilen wie ebensoviel Griffel, und der ganze Fuß oder Mantel stellt so eine Reibscheibe dar, deren Wirkung man mit derjenigen des Schachtelhalmes oder einer Schmirgelscheibe ver- gleichen kann. Geringe, wurmförmige Bewegungen dieser Theile rei- chen hin, Steine und Holz anzuschleifen und die mikroskopischen Späne dieser Bohrarbeit werden von den Flimmerströmen der Oberfläche stets fortgeschafft, so daß selbst eine schnelle Wirkung möglich ist. Kein Muschelthier besitzt einen eigentlichen Kopf; die Mundspalte befindet sich an dem vorderen Ende des Körpers und nirgends sieht man in ihrer Nähe besondere Sinnesorgane oder eine Abschnürung, welche einen Kopf herstellte. Das Nervensystem besteht aus ein- zelnen Ganglien, die durch Stränge mit einander verbunden sind und Fig. 306. Nervensystem der Messerscheide. (Solen) . a Schlundknoten, b Bauchknoten, in eine einzige Masse verschmolzen. von denen man in der Regel drei Paar unterscheiden kann. Ein Paar solcher Knoten liegt unmittelbar neben dem Munde auf der oberen Seite des Schlundes und ist durch einen Querstrang über den Schlund hinüber brückenartig mit einander verbunden. Von diesem Schlundkno- tenpaare gehen zwei Hauptverbindungsstränge ab, die einen nach unten, um sich mit einem Paar Knoten zu vereinigen, die in dem Fuße un- mittelbar unter den Eingeweiden liegen, die andern nach hinten, wo in der Nähe der Kiemenblätter ebenfalls ein Paar von Hauptnerven- knoten liegt. Zuweilen verschmelzen die Bauch- oder Fußnervenknoten, zuweilen auch die Kiemenknoten in eine einzige Masse, so daß hier- durch, sowie durch die wechselnde Lage der Knoten eine ziemliche Mannigfaltigkeit in die Anordnung des Nervensystemes gebracht wird. Die Schlundknoten versorgen die Umgebung des Mundes, den vorde- ren Theil des Mantels und die vordern Schließmuskeln; die hinteren Knoten die Kiemen, die hintere Mantelhälfte und deren Röhren; das Fußpaar den Fuß mit Nervenfäden. Sinnesorgane finden sich bei vielen Blattkiemern und zwar sowohl Gehörorgane als Augen. Die Gehörorgane bestehen aus runden durchsichtigen, aber ziemlich festen Kapseln, die eine Flüssigkeit einschließen, in welcher ein durchsichtiger, krystallinischer Kern von kohlensaurem Kalk, durch die Wirkung von Flimmerhaaren, hin und her getrieben wird. Es liegen diese beide Gehörkapseln unmittelbar vor den Nervenknoten des Fußes, mit denen sie meist nur durch einen sehr kurzen Gehörnerven verbunden sind, und sie kommen wohl allen Muschelthieren ohne Ausnahme zu. Weniger verbreitet sind die Augen , welche man besonders bei den Kammmuscheln als runde, wie Edelsteine glänzende Punkte an den Mantelränden erkannte. Bei genauerer Untersuchung erscheinen diese braun, grün oder roth gefärbten kugelförmigen Augen, welche meistens auf kurzen Stielen stehen, deutlich aus einer durchsichtigen Hornhaut, einer Pigmenthaut, die zuweilen selbst eine Iris bildet, aus einem lichtbrechenden Körper zusammengesetzt. Viele Bedeutung für das Thier mögen diese Augen wohl nicht haben, da sie den meisten übrigen Blattkiemern abgehen, wenigstens konnten die Augen, welche ein höchst genau sein wollender Beobachter bei Austern und ähnlichen Muscheln beobachtet haben wollte, von späteren Forschern durchaus nicht gefunden werden. Die Verdauungsorgane der Blattkiemer sind äußerst ein- fach. Zu beiden Seiten des Mundes befinden sich fast immer zwei, nur selten ein Paar, meist dreieckiger Läppchen, die sogenannten Mund- lappen , welche in ihrer Structur den Kiemen gleichen, und mit einem äußerst lebhaften Wimperüberzuge versehen sind. Diese Mundlappen, welche nur bei sehr wenigen Gattungen verkümmert erscheinen, oft aber sehr lang, riemenförmig oder spiralig gewunden sind, vereinigen sich zu einer Rinne, die zu dem Munde hinführt und in welche durch die Wimperbewegung die fein zertheilten Futterstoffe zusammen getrieben werden. Außerdem dienen diese Lappen wohl noch ohne Zweifel als Tastorgane in ähnlicher Weise wie die Mantelränder. Die Mundöffnung der Blattkiemer ist stets unbewaffnet und zeigt namentlich nie eine Spur von Kiefern, Zähnen oder einer Zunge; sie führt entweder unmittelbar oder mittelst einer kurzen Speiseröhre in einen geräumigen Magen, der ebenso wie der schlauchförmige, bald mehr bald minder gewundene Darmkanal in der Masse der Leber, theilweise selbst des Eierstockes, vergraben liegt. Der Mastdarm wen- det sich bei allen Muschelthieren mehr nach oben gegen das Schloß der Schale hin, durchbohrt meistens das Herz und öffnet sich in dem hin- teren Winkel der Schale, entweder auf einer kurzen Warze oder in die Afterröhre des Mantels. Die Leber ist bedeutend groß und läßt sich meist nur schwierig von den Windungen des Darmes trennen. Das Herz aller Blattkiemer ist einfach und stets in der Rücken- gegend in der Nähe des einfachen oder, wenn zwei Schließmuskeln vorhanden, in der Nähe des hinteren Schließmuskels gelegen; es ist deutlich von einem Herzbeutel umschlossen, der eine schleimige Flüssig- keit enthält, und besteht aus einer Kammer und zwei seitlichen Vor- höfen, die weit dünnere Wände haben. Die Herzkammer wird fast bei allen Muschelthieren ihrer ganzen Länge nach von dem Mast- darme durchbohrt; — ein Verhalten, von welchem hauptsächlich nur die Archenmuscheln eine Ausnahme machen. Von der Herzkammer aus gehen fast überall zwei große Blutgefäßstämme, von denen der eine nach hinten, der andere nach vorn sich erstreckt und hauptsächlich in den Mantel und die Eingeweide sich vertheilt. Von hier aus kehrt das Blut durch wandungslose Gefäße zurück, indem zugleich der ganze Eingeweidesack als Behälter für das rückkehrende Blut dient. Auch in den Kiemen strömt das Blut, welches vollkommen farblos ist, in durchaus wandungslosen Kanälen und es erhalten die Kiemen haupt- sächlich ihre Zufuhr aus einem meist schwärzlichen mit drüsigen Wan- dungen versehenen Sack, welcher hinter dem Herzen liegt und offen- bar das erste Rudiment einer Niere darstellt. Die Athemorgane sind bei allen Muschelthieren ohne Aus- nahme aus blättrigen Kiemen gebildet, welche unmittelbar unter dem Mantel, zu beiden Seiten des Eingeweidesackes sich befinden. Fast überall finden sich auf jeder Seite zwei Kiemenblätter, von denen das äußere, welches dem Mantel anliegt, meist etwas kleiner ist als das innere. Nur in höchst seltenen Ausnahmen (Lucina) ist ein Paar dieser Kiemenblätter verkümmert und auf jeder Seite nur ein Blatt vorhanden. Nach unten hin sind die Kiemenblätter überall frei, ver- wachsen aber zuweilen an ihrem hintern Ende; — nach oben sind sie an dem Eingeweidesacke befestigt. Die Structur dieser Kiemenblätter ist äußerst merkwürdig; durch knorpliche Fäden sind sie in Längsfelder ge- schieden, die wieder durch Querbalken in einzelne schmale Fächer ge- theilt sind. Da nun jedes Kiemenblatt aus einer doppelten Lamelle besteht, so entstehen eben so viele Taschen mit Querfalten, welche alle in die Mantelhöhle ausmünden. Die Ränder der Falten und Taschen sind mit außerordentlich großen und äußerst lebhaft schwingenden Wimperhaaren besetzt, welche beständig den Zustrom des Wassers er- neuern. Eine Abweichung von diesem Typus findet sich besonders bei den Kammmuscheln und den Archenmuscheln, wo die einzelnen Knorpel- fäden isolirt sind und so das Kiemenblatt aus einer Reihe einzelner, oft hakenförmig gekrümmter, pallisadenartig nebeneinander stehender Bläschen gebildet wird. Die meisten Blattkiemer sind getrennten Geschlechtes und vielleicht sind die wenigen Ausnahmen, welche man bis jetzt zu kennen geglaubt hat, auf irriger Anschauung begründet. Die Eierstöcke oder Hoden sind übrigens im Aeußeren ganz gleich gebildet, und nur durch mikroskopische Untersuchung kann man ihren Inhalt genauer unter- scheiden. Sie bilden eine bedeutende Masse unter und hinter der Le- ber, die theilweise die Windungen des Darmkanales umhüllt und bei einigen sogar in die Mantelblätter vordringt. Die Eier haben meist eine gelbliche oder selbst rothe Farbe, während der Same milchweiß erscheint, und die Ausführungsgänge der einzelnen Drüsenlappen ver- einigen sich zuletzt in einem Schlitze, der entweder neben dem Schlitze der Niere sich befindet oder selbst mit diesem gemeinschaftlich mündet. Die Entwicklung der Eier ist bis jetzt nur bei höchst wenigen Arten und auch hier nur unvollständig beobachtet. Die Eier, in wel- chen man anfangs eine eiweißartige Dotterhülle, einen körnigen Dot- ter, ein großes Keimbläschen, welches stets zwei Keimflecke enthält, deutlich unterscheidet, treten aus dem Schlitze hervor und werden mei- stens in die Fächer der äußeren Kiemen aufgenommen und dort aus- gebrütet. Diese Fächer sind zur Fortpflanzungszeit strotzend mit Eiern erfüllt und bei manchen Gattungen erscheinen die Schalen der weib- lichen Individuen behufs der Aufnahme der Eier in die Kiemenblätter bauchiger als die der männlichen, so daß es möglich ist, an den Scha- len das Geschlecht zu unterscheiden. Während dieses Aufenthaltes in den Kiemenblättern geht die ganze Umbildung des Eies zu einer völ- ligen Larve vor sich, welche in vieler Beziehung von dem erwachsenen Thiere sehr verschieden ist. Die Zerklüftung des Dotters bis zur vollständigen Bildung der Zellen, welche den Körper des Embryo’s zusammensetzen, geht ganz in der gewöhnlichen Weise vor sich. Aus der Zellenanhäufung geht ein kugelförmiger Embryo hervor, der auf seiner ganzen Oberfläche mit Wimperhaaren bedeckt ist und sich beständig innerhalb des Eies um seine Axe herumdreht. Allmählig wächst eine Schale heran, die Fig. 307. Fig. 308. Fig. 309. Fig. 307 — 309. Larven des Pfahlwurmes (Teredo fatalis) . Fig. 307. Eine noch junge, im Kiemenblatte geborgene Larve, bei welcher außer dem Wimpersegel und der Schale noch keine weiteren Theile sich unter- scheiden lassen. Die Larve ist vom Schloßrande aus gesehen. Fig. 308 Eine etwas ältere Larve, weit stärker vergrößert, mit ausgestrecktem Wimpersegel und zurückgezogenem Fuße von der Seite gesehen. Fig. 309. Eine ausgebil- dete Larve in dem Zustande, wie sie die Brutstätte in den Kiemen des Mutter- thieres verläßt, um frei umherzuschwimmen und sich einen geeigneten Ort zur Einbohrung zu suchen. Die Schale ist ganz kugelförmig, der lange zungen- förmige Fuß aus der Schale hervorgestreckt. a die Schale. b das Wimper- segel. c der Fuß. d das Schloßband. e der Mund. f der After. g die Ohrblase. h Muskeln zum Zurückziehen des Wimpersegels. ziemlich allgemein aus zwei biegsamen, dreieckigen Hälften besteht, welche mit einem graden Schloßrande an einander stoßen und An- fangs wie ein Sattel auf der Embryonalmasse aufliegen. Die Scha- len wachsen mehr und mehr und die Flimmerbewegung, welche anfangs auf der ganzen Oberfläche bestand, concentrirt sich nach und nach auf einen wulstförmigen Theil, der dem Schloßrande gegenüber hervorgestreckt und zurückgezogen werden kann. Dieses Wimpersegel ist mit langen Flimmerhaaren besetzt und dient dem Embryo, der es willkürlich be- wegen kann, zum Schwimmen. Bald unterscheidet man auch die bei- den Hälften des Mantels und einen anfangs einfachen Muskel, der durch zuckende Zusammenziehungen die Schale zu schließen sucht, so wie längere zum Zurückziehen des Wimpersegels bestimmte Muskelmassen. Aus der Tiefe erhebt sich ein kurzer Cylinder, aus welchem ein lan- ger spiralförmiger Faden hervorragt. Man hielt bisher diesen Faden für ein Analogon jenes Organs, welches bei vielen Muscheln zur Anheftung dient und der Bart (Byssus) genannt wird; neuere Beob- achter widersprechen aber dieser Annahme. Die Gestalt der Schalen ist zu dieser Zeit so außerordentlich verschieden von derjenigen der er- wachsenen Individuen, daß man die Jungen unserer Süßwassermuscheln lange Zeit für Schmarotzerthiere hielt, welche in den Kiemenfächern ihren Wohnsitz hätten. Die Ausbildung der inneren Organe bei den jungen Muscheln geht nun in der Art weiter, daß die inneren Massen sich trennen und anfangs solide Zellenhaufen bilden, welche der Leber, dem Magen und dem Darme entsprechen. Diese Massen höhlen sich allmählig aus und bald öffnet sich auch Mund und After nach Außen, beide mit Wimperhaaren besetzt, die den Anblick eines rollenden Rades erzeugen und sehr nahe neben einander gelegen. Später sieht man die Gehörorgane als helle runde Bläschen mit deutlichem innerem Steinkerne, der sich rotirend bewegt. Dann erscheint hinter dem Wim- persegel der Fuß, der allmählig an Größe zunimmt. In diesem Zu- stande verlassen die jungen Larven meist die Kiemenhöhle der Mutter und segeln in Schwärmen auf dem Wasser umher, bis allmählig das Wimpersegel zurückgeht, wo sie sich dann zu Boden senken und ihnen bald nur der Fuß als einziges Bewegungsorgan bleibt. Im Allge- meinen gleichen sich die Larven der verschiedenen Arten, welche man bis jetzt untersucht hat, in hohem Maße, wenn auch durch spätere ungleiche Ausbildung des Körpers eine große Verschiedenheit erzeugt wird. So sind die Larven unserer gewöhnlichen Teichmuschel in der ersten Periode kaum zu unterscheiden von den oben abgebildeten des Pfahlwurmes, während die erwachsenen Thiere einander so wenig gleichen, daß frühere Naturforscher den Pfahlwurm sogar seiner lang- gestreckten Gestalt wegen für einen Wurm hielten. Wir theilen die Klasse der Blattkiemer, besonders in Berücksich- tigung der Regelmäßigkeit ihrer Schalen und der daraus hervor- gehenden Lagerung, sowie der Anordnung ihres Mantels, in drei Ordnungen, deren Grenzen freilich nicht vollkommen scharf herzustellen sind. Die Seitenmuscheln (Pleuroconcha) haben eine meist unregelmäßige und stets ungleichklappige Schale und lagern auf einer ihrer Seiten, welche meistens unmittelbar oder durch Sehnenfäden an den Boden befestigt ist; ihr Mantel ist stets offen und bei den meisten findet sich nur ein einziger Schließmuskel, der quer von einer Schale zur andern geht. Der Fuß ist in Folge der Anheftung meist nur sehr rudimentär oder fehlt auch ganz. Mit Ausnahme einer einzigen Fa- milie, die nur wenig verbreitet ist, kommen alle diese Muscheln im Meere vor, wo sie oft Bänke bilden, in denen sich eine große Anzahl einzelner Individuen derselben Art zusammenhäufen. Die Familie der Austern (Ostreida) wird von meist schweren, Fig. 310. Das Thier der Auster (Ostrea edulis) in seiner Schale. dicken Schalen gebildet, die gewöhnlich sehr un- regelmäßig und ungleich- schalig sind. Die Mu- scheln haben eine meist platte Linsengestalt und die meisten Gattungen sind mit der linken tie- feren Schale angeheftet, während die rechte flache Schale als Deckel dient. Das Thier ist im Ver- hältniß zu den Schalen meist nur klein und hat entweder wie bei den eigentlichen Austern gar keinen Fuß oder nur einen höchst rudimentä- ren. Die Mantelränder sind in ihrem ganzen Umfange frei; die Kiemen dagegen an ihrem äußeren Rande mit einander verwachsen. Der Schließmuskel ist sehr groß, in der Mitte des Thieres gelegen und deutlich aus mehreren Abtheilungen zusammengesetzt, die bei einer Gattung sogar so sehr ge- trennt sind, daß sie drei deutliche, nebeneinander liegende Eindrücke auf der einen Schale hinterlassen. Das Schloß ist klein, dreieckig und zahnlos oder höchstens aus zwei im Winkel zusammenlaufenden Leisten gebildet; das Schloßband liegt innerlich. Die Familie der Austern schließt sich am nächsten an die Armfüßler durch die Gattung Anomia an, bei welcher die untere flache Schale von einem knorpeligen Fort- satz der mittleren Abtheilung des Schließmuskels durchbohrt wird, welcher Fortsatz zum Anheften an Felsen dient. Bei den meisten Gat- tungen dieser Familie sind die Schalen äußerst blättrig, etwa wie bei der gewöhnlichen Auster. Diese, welche fast an allen europäischen Küsten vorkömmt und bekanntlich eine leckere Speise bildet, siedelt sich auf dem Boden des Meeres oft auf weite Strecken hin in bedeutenden Massen, sogenannten Austernbänken an. Sie wird mit eigenthümlichen Schleppnetzen aufgefischt, welche mit einem eisernen Rechen versehen sind, den man auf dem Meeresgrunde hin und her schleift. Man reißt auf diese Weise die Austern ab, die man dann, um sie mit allerlei Stoffen, Abgängen aus Schlachthäusern etc. zu mästen, in eigene durch Meerwasser gespeiste Behälter bringt, welche man Austernparks nennt, und von wo sie dann wohl verpackt, lebend versendet werden. Durch den vollkommenen Schluß ihrer Schalen behalten die Thiere eine große Quantität von Meerwasser, das zur Unterhaltung ihrer Ath- mung dient und lassen sich auf diese Weise lange am Leben erhalten. Die fossilen Austern kommen hauptsächlich häufig in den jurassischen Schichten vor und hier namentlich mit Arten, welche eine sehr tiefe längliche Schale besitzen, deren Wirbel hakenförmig eigebogen ist, wäh- rend die andere freie Schale deckelförmig und abgeplattet erscheint. Ostrea; Gryphaea; Placuna; Anomia. Die Familie der Kammmuscheln (Pectinida) , welche den Austern Fig. 311. Schale einer Kammmuschel (Pecten opercularis), am nächsten steht, unterscheidet sich von ihnen auf den ersten Blick durch die fast regelmäßige, beinahe gleich- klappige Schale, die meistens auch fast gleichseitig ist und durch die Festigkeit der Struktur, welche keine solche Blätter zeigt, wie bei den Austern. Fast alle Schalen dieser Familie zeigen auf ihrer äußeren Oberfläche Fächerfalten, die von den Wirbeln nach dem freien Scha- lenrande ausstrahlen. Die Thiere sind im Verhältniß zu der Schale weit größer als die Austern, im Uebrigen aber denselben außerordentlich ähnlich. Der Mantelrand ist vollkommen frei, meistens aber mit sehr langen und dicken Fühl- fäden besetzt, zwischen welchen zahlreiche oft smaragdglänzende Augen sitzen. Der stets vorhandene Fuß ist nur klein und kann höchstens zum Spinnen von Byssusfäden, nicht aber zum Kriechen benutzt wer- den. Die meisten Gattungen dieser Familie sitzen auf der einen Schale oder mit Byssusfäden fest, welche bei einigen durch eine Ausbucht, oder selbst durch einen tiefen Einschnitt der einen Schale hervortreten. Die eigentlichen Kammmuscheln (Pecten) sind die einzigen Blattkie- mer, welche durch lebhaftes Auf- und Zuklappen ihrer Schale ziemlich rasch schwimmen können und die man auch deßhalb, sowie wegen ihrer lebhaften bunten Farben, oft die Schmetterlinge des Meeres genannt hat. Die Kammmuscheln treten schon in der frühesten Periode der Erdgeschichte auf, sind aber vornehmlich ausgezeichnet in dem Jura durch häufige und große Arten. Pecten; Lima; Spondylus; Plicatula; Pedum; Hinnites. Die Familie der Flußaustern (Etherida) kommt nur in einigen Flüssen der südlichen Zone, wie namentlich in dem Nile vor. Die Schalen sind ungleichschalig, blätterig und von sehr unbestimmter Gestalt, da die eine gänzlich an dem Boden festgeheftet ist; das Schloß zahnlos, wie bei unseren Teichmuscheln; das Thier groß und wesent- lich von den vorigen dadurch unterschieden, daß es zwei Schließmus- keln, einen vorderen und einen hinteren, und einen dicken fleischigen Fuß besitzt, der aus der Schale hervorgestreckt werden kann. Etheria. Die Schmalmuscheln (Malleida) haben meist gleichschalige aber Fig. 312. Gemeine Hammermuschel. Malleus vulgaris. sehr unregelmäßige Muscheln, bei welchen der Höhedurchmesser von dem Wirbel zum Schalen- rande bedeutend über den Längs- durchmesser überliegt. Das Schloß ist meistens in die Länge gezogen, so daß es einen oder zwei flü- gelförmige Fortsätze bildet; — oft ist der ganze Schloßrand mit Kerben versehen, in welchen viele Fig. 313. Perna. kleine Schloßbänder verborgen sind, bei andern existirt nur eine einzige mittlere dreieckige Grube für das Schloßband. Meist findet sich an einer oder an beiden Schalen vor dem Schlosse eine Ausbucht zum Durchtritte des Byssus. Die Thiere sind schmal, der Mantel groß und nach vorn uud hinten in die flügelförmigen Schloß- fortsätze hinein verlängert; der Schließmuskel ein- fach; der Fuß klein, schmal mit einem fadenförmigen Anhange. Die bizarren Schalen, welche man den polnischen Hammer genannt hat, und wo die beiden Flügelfort- sätze des Schlosses den Hammer, die sehr hohen und schmalen Schalen Vogt. Zoologische Briefe. I. 20 den Stiel bilden, gehören in diese Familie. Malleus; Vulsella; Perna; Crenatula; Gervillia. Fig 314. Thier einer Chama, aus der Schale genommen. Die Gienmuscheln (Chamida) beste- stehen aus dickschaligen, ungleichseitigen, blätterigen, meist ungemein großen und schweren Muscheln, die gewöhnlich ein sehr starkes und festes, mit stark inein- ander vorspringenden Zähnen und Gruben versehenes Schloß besitzen. Die Schalen sind ungleichseitig, die Wirbel treten stark hervor und sind meist hakenförmig um- gebogen, oder selbst hornförmig gewun- den. Sie sind entweder mit der einen Schale oder mit einem Byssus festgeheftet, der bei einigen Gattungen durch einen Ausschnitt des Hofraumes hervortritt. Das Thier ist groß, der Mantel ringsum geschlossen, aber mit drei Schlitzen versehen, wovon einer für den kleinen Fuß, ein zweiter für die Kiemen und den Mund, und ein dritter für den After bestimmt ist. Fig. 315. Riesenmuschel (Tridaena). Zu dieser Familie gehören die Taufbecken oder Riesenmuscheln (Tridacna) , welche im indischen Ocean vorkommen, eine Länge von mehreren Fußen erreichen und bis zu 500 und mehr Pfunden schwer werden. Die Seeleute behaupten, daß eine solche Muschel beim Schließen der Schalen ein Ankertau zer- schneiden könne. In den jurassischen Oceanen lebte eine Gattung dieser Familie, die Zweihörner (Diceras) , welche durch ihre hornartig gekrümmten Wirbel besonders bemerkenswerth ist. Chama; Isocardia; Tridacna; Hippopus. Die Ordnung der Geradmuscheln (Orthoconcha) zeichnet sich von den Seitenmuscheln durch ihre gleichen Schalen aus und durch einen mehr oder minder offenen Mantel, der niemals einen Sack bildet, von den Röhrenmuscheln. Alle Geradmuscheln haben zwei Schließ muskeln, die vollkommen von einander getrennt sind. Sie sind niemals so befestigt, daß sie auf der Seite liegen, wenn sie auch oft ein starker Bart an den Boden fesselt. Ihre Familien sind weit zahlreicher als diejenigen der Seitenmuscheln. Fig. 316. Die ächte Perlenmuschel (Meleagrina margaritifera). Die Perlenmuscheln (Aviculida) zeigen gleichschalige, außen blätterige, in- nen sehr glatte Schalen, in welchen die Lamellenschicht so stark ist, daß sie als ächte Perlenmutter verarbeitet werden kann. Die Muscheln sind gleichschalig und gleichseitig, die Wirbel nach vorn geneigt, das Schloß gerade, linienförmig, entweder ganz zahnlos oder nur mit einem sehr unbedeutenden Vorsprunge versehen. Das Schloßband liegt fast außen in einem Falze des Schloßrandes, der un- mittelbar vor den Wirbeln einen Ausschnitt für den Durchtritt des Bartes zeigt. Der Körper ist meist sehr dünn, platt und klein im Verhältniß zu dem großen Mantel, der an seinem ganzen Rande frei ist. Der Fuß ist klein, rundlich und der hintere Muskel so überwie- gend gegen den vorderen, dessen Eindruck oft gar nicht bemerkbar ist, daß man manche Gattungen für einmuskelig hielt. Die Mundlappen sind groß, liegen aber weit nach hinten in ziemlicher Entfernung von dem Munde. Diese Muscheln heften sich mit ihrem Barte äußerst fest an, oder stecken selbst mit den vorwärts gerichteten Wirbeln tief in dem Boden, so daß nur ihre klaffenden Schalenränder hervorschauen. Man zählt zu dieser Familie die ächte Perlenmuschel (Meleagrina) , welche sich hauptsächlich im persischen Meerbusen, um Ceylon und in dem südlichen Theile des rothen Meeres findet und deren Fischerei dort einen wesentlichen Erwerbzweig bildet. Die ächten Perlen sind krankhafte Erzeugnisse und aus concentrischen Schichten derselben Sub- stanz gebildet, aus welcher die innere Lamellenschicht der Schale zu- sammengesetzt ist. Die Perlenfischerei wird durch Taucher betrieben, welche mit Gewichten beschwert, mit einem Sack am Gürtel und einem Eisen zum Ablösen der Muscheln bewaffnet, sich auf den Boden hin- ablassen und dort die Muscheln abstoßen. Der großen Haifische wegen, welche in diesen südlichen Meeren vorkommen, erscheint das Taucher- geschäft ziemlich gefährlich, auch ist für jeden Taucher wenigstens ein Mann bestimmt, der auf ein gegebenes Zeichen ihn mit der größten Geschwindigkeit in die Barke hinaufziehen muß. Ein Taucher läßt sich etwa vierzig bis fünfzig mal im Tage hinab, und soll an günstigen Orten bis zu mehreren Tausend Muscheln in dieser Zeit sammeln 20* können. Die gesammelten Muscheln werden an die Sonne gelegt, wo sie bald absterben, klaffen und in Fäulniß übergehen. Man sucht nun aus den verfaulten Muscheln die Perlen aus, reinigt und polirt sie mit zerstoßener Perlenmuttersubstanz und liefert sie dann in den Han- del. Meleagrina; Avicula; Posidonia; Pinna. Fig. 318. Fig. 317. Fig. 317 und 318. Das Thier der eßbaren Miesmuschel (Mytilus edulis). Die Miesmuscheln (Mytilida) stehen durch die Form ihrer Scha- len, das zahnlose Schloß, die vorwärts geneigten Wirbel, den schmalen zungenförmigen Fuß und den an seinem Grunde befindlichen Bart, sowie durch die ungleichen Schließmuskeln der vorigen Familie sehr nahe, unterscheiden sich aber dadurch, daß hinten in dem Mantel eine besondere Oeffnung für den After sich befindet, unter welchem eine kurze, mit verdickten Tastfranzen versehene Röhre den Athemschlitz bildet. Die in den europäischen Meeren so häufig vorkommende eßbare Miesmuschel, sowie die Steindattel, welche die Strandfelsen des Mittelmeeres an- bohrt, gehören zu dieser Familie. Mytilus; Modiolus; Lithodomus; Dreissena. Die Flußmuscheln (Najades) bewohnen alle das süße Wasser und sind besonders in der gemäßigten Zone Nordamerika’s in äußerst zahlreichen Arten vorhanden. Unsere Teich- und Malermuscheln liefern die besten Typen dieser Familie, die sich durch ihre regelmäßigen, gleichschaligen und fast gleichseitigen Muscheln auszeichnet, die meistens ziemlich dick sind und eine dicke Perlenmutterschicht, sowie eine hornige Oberhaut besitzen, welche sich leicht abschülfert. Die Wirbel liegen fast in der Mitte des Schlosses, das bald zahnlos, bald mit stark vor- springenden gekerbten Zähnen versehen ist, die einen vollständigen Schluß gewähren. Das Schloßband liegt außen, die beiden Schließ- muskeln liegen nahe an dem Vorder- und Hinterrande der Schale und sind fast gleich stark. Das Thier ist groß und kriecht langsam im Sande oder im Schlamme auf dem langen kielförmigen Fuße. Der Mantel ist seiner ganzen Länge nach vollkommen frei und an seinem hinteren, meist etwas verlängerten Ende mit stumpfen Tastwarzen be- setzt. Die Kiemenblätter sind jederseits hinter dem Fuße miteinander verwachsen, die Eier meist hochroth oder gelb und die äußeren Kie- menblätter zur Fortpflanzungszeit strotzend mit ihnen angefüllt. Ano- donta; Unio; Hyria; Iridina. Die kleine Familie der Dreieckmuscheln (Trigonida) kommt haupt- sächlich im versteinerten Zustande vor. Nur eine einzige Art ist bis jetzt in der Nähe von Neuholland lebend gefunden worden, wäh- rend die Schalen besonders häufig im Salzgebirge, im Jura und in der Kreide vorkommen. Diese Muscheln sind dickmit starker Perlen- mutterschicht, regelmäßig und vollkommen gleichschalig, aber ungleich- seitig, indem die vordere Hälfte abgestutzt erscheint; die Wirbel sind hoch, hakenförmig eingebogen, das Schloßband äußerlich; — das Schloß selbst bildet ein so festes Charnier, daß die Muscheln im Tode selbst nicht klaffen. Auf der rechten Schale befinden sich zwei große, im Winkel gestellte Zähne, die auf beiden Seiten gekerbt sind und welchen auf der linken Seite ein mittlerer dreieckiger Vorsprung und zwei gekerbte Seitenzähne entsprechen, so daß das zusammengefügte Schloß etwa eine Figur bildet, wie wenn man mit den drei mittleren Fingern der linken Hand den eingeknickten Zeige- und Mittelfinger der andern Hand umfaßt. Die Leibesmasse des Thieres ist unbedeutend, der Mantel groß, am Rande verdickt, mit feinen Fühlfäden besetzt und größtentheils offen, der Fuß sehr lang, schmal, zungenförmig und in der Mitte wie ein Knie gebogen. Der vordere umgebogene Theil kann in eine Rinne des geraden Theiles, wie eine Messerklinge in die Scheide zurückgeschlagen werden. Die Mundlappen sind klein, die Schließ- muskeln groß und von gleicher Größe. Trigonia. Die Archenmuscheln (Arcida) haben dickschalige, gleichklappige, aber meist sehr ungleichseitige Muscheln, die bald eine mehr rundliche, Fig. 319. Archenmuschel (Arca). bald eine ziemlich unregelmäßige Form haben. Die Wirbel sind deut- lich entwickelt und umgebogen, meist durch ein breites Schloßfeld von einander getrennt. Das Schloß der Schale ist äußerst charakteristisch: es besteht aus einer großen Anzahl von abwechselnden Erhöhungen und Vertiefungen, welche in einander Fig. 320. Kämmchen (Pectunculus.) greifen und die bald auf einer geraden Linie, bald auf einem Bogen, bald in einem Winkel stehen. Das Thier ist groß, dick, der Mantel in seinem ganzen Um- fange offen und keine Spur von Röhren- bildung am hinteren Theile. Der Fuß ist sehr groß und auf seiner unteren Fläche mit einer Rinne versehen, die ihm einen doppelten Kiel giebt. Die Kiemenblätter sind in palissadenartige Reihen von ein- zelnen Fäden zerlegt; die Mundlappen nur klein und rudimentär. Die Archen- muscheln leben meist in ziemlich bedeutender Tiefe und kommen schon in den ältesten Schichten der Erde vor, von wo sie sich ohne Unter- brechung bis in die heutige Schöpfung durchgezogen haben. Arca; Pectunculus; Nucula. Die Herzmuscheln (Cardida) haben eine gleichschalige, meist fast gleichseitige, überall schließende, dickschalige Muschel mit vorstehenden, meist umgebogenen Wirbeln, die von vorn oder hinten betrachtet, fast die Gestalt eines Kartenherzens bieten. Die Schloßzähne sind stark, unregelmäßig, das Ligament äußerlich. Das große und dicke Thier hat einen geschlossenen Mantel, dessen Umriß indeß überall dem äu- ßeren Schalenrande folgt, so daß der Manteleindruck auf den Scha- len keine Bucht zeigt. Der geschlossene Mantel hat vorn einen Schlitz zum Durchtritt des langen, schmalen, mit scharfer Schneide versehenen Fußes, der in der Mitte knieförmig gebogen ist und mit welchem das Thier schnellend auf dem Boden einherspringt. Nach hinten ist der Mantel in zwei kurze Röhren verlängert, die nach Willkür ein- und ausgezogen werden können. Die Schalen dieser ausgebreiteten Familie, welche nur in dem Meere lebt, sind in zahlreichen Gattungen und Arten von der ältesten Zeit an in den Schichten der Erde vorhanden. Cardium; Opis; Crassatella; Cypricardium; Corbis; Lucina. Ihnen sehr ähnlich sind die Erbsenmuscheln (Cyclasida) mit dün- ner Schale, welche mit einer dicken runzeligen Oberhaut bedeckt ist und außer den Hauptzähnen am Schlosse auch noch Seitenzähne be- sitzt. Die Thiere haben ebenso wie die Herzmuscheln zwei kurze hintere Mantelröhren, aber nur einen einfachen kielförmigen Fuß ohne Knie- beugung. Sie leben im Schlamm der süßen Gewässer, wo sie sich einbohren und die Röhre nach oben in das Wasser herausstrecken. Nach den bis jetzt angestellten Untersuchungen sollen diese Muschel- thiere Zwitter sein; eine Ausnahme, die allerdings viel Auffallendes hat. Cyclas; Pisidium; Cyrene. Die Trogmuscheln (Mactrida) entsprechen in der Form, der Fig. 321. Trogmuschel (Mactra). Bezahnung des Schlosses, der meist voll- ständigen Schließung der Schalen, den Herzmuscheln; entfernen sich aber von ihnen durch die bedeutende Größe und Länge der After- und Athemröhre, an welchen sehr bedeutende Muskeln zum Zu- rückziehen befestigt sind. Es setzen sich diese Muskeln an einem ausgeschweiften Rande innen an der Schale an, so daß Fig. 322. Tellina, mit ausgedehntem Thiere. p der Fuß. r Athemröhre. e Af- terröhre. Fig. 323. Venerupis. der Mantelein- druck der Schale auf der hinteren Seite eine starke Ausbuchtung zeigt. Alle diese Muscheln graben sich mit ih- rem starken, meist dreieckigen Fuße in den Boden ein; viele auch bohren sich Löcher in die Felsen, in denen sie zeitlebens stecken bleiben, da der Eingang des Loches, den sie als junge Thiere bohrten, der späteren Größe des erwachsenen Thieres nicht mehr entspricht. Mactra; Venus; Tellina; Cythera; Venerupis; Petricola; Donax; Corbula. Die Klaffmuscheln (Pylorida) zeigen die Ausbildung der Röhren in noch weit höherem Maße, als die vorige Familie. Der Mantel ist Fig. 324. Fig. 325. Messerscheide (Solen). Fig. 323. Die Schalen. Fig. 324. Das herausgenommene Thier. a vorderer Schlitz zum Durchtritt für den Fuß p. t hintere Röhre. Der Mantel ist sonst überall geschlossen. ringsum geschlossen und hat ganz vorn einen Schlitz zum Durchtritt des meist kurzen, aber massiven Fußes, der aus dem vorderen klaffenden Ende der Muschel hervorgestreckt wird. Die hinteren Mantelröhren sind nur selten, wie bei den Messerscheiden, sehr kurz, bei den meisten ungeheuer lang und zuweilen in eine einzige Doppelröhre verwachsen. Die Muscheln sind gleichschalig, gleichseitig und stets an beiden Enden klaffend; oft sogar in so bedeutender Weise, daß die äußeren Ränder sich kaum berühren. Das Schloß ist unregelmäßig, entweder gar nicht oder nur schwach gezähnt; die beiden Schließmuskeln aber, sowie der tiefe Ausschnitt des Mantels deutlich an ihren Eindrücken auf den Schalen zu erkennen. Die zahlreichen Gattungen und Arten dieser Klaffmuscheln, welche alle im Schlamme und Sande sich einbohren, haben zu allen Zeiten der Erdgeschichte den Strand der Meere bewohnt und bieten deßhalb schätzbare Erkennungszeichen für den Geologen bei Bestim- mung der einzelnen Schichten. Mya; Lutraria; Solemya; Solen; Pho- ladomya; Solecurtus; Sanguinolaria; Psammobia; Glycimeris. Die Ordnung der Röhrenmuscheln (Inclusa) begreift eine geringe Anzahl von Familien und Gattungen, die indeß durch ihr Verhalten und die abweichende Form ihres Körpers äußerst merkwürdig erscheinen und gewissermaßen einen Uebergang zu den höheren Klassen bilden. Der Mantel ist bei diesen Thieren zu einem vollständigen, langen Sacke geschlossen, der nach allen Seiten hin die Muschel be- deutend überragt, so daß das Thier die Gestalt eines rundlichen Wur- mes hat. Meist ist dieser Mantel nach hinten in eine lange Röhre ausgezogen und zuweilen sondert er auf seiner ganzen Oberfläche eine dünne Kalklage ab, die eine Röhre bildet, in welcher das Thier steckt. Die Schalen dieser sämmtlichen Thiere sind sehr dünn, gerippt und haben meistens kein deutliches Schloß; sie klaffen nach allen Seiten hin und bei vielen Gattungen erscheinen sie nur als unbedeutende An- hängsel des Thieres oder der Kalkröhre, von welcher dasselbe einge- schlossen ist. Fig. 326. Der Pfahlwurm (Teredo navalis). Die Familie der Bohrmuscheln (Teredida) besitzt stets zwei sehr deutliche, unregelmäßige, gleiche Schalen, die an dem Schlosse durch einen löffelförmigen Fortsatz miteinander vereinigt sind. Der wurmförmige Mantel ist frei, ebenso die Schalen, und wenn die Thiere eine Kalkröhre bilden, so kleidet dieselbe die Gallerie, welche sie bohren, aus, ohne dem Mantel selbst anzuhängen. Bei den eigentlichen Bohrmuscheln (Pholas) ist die Schale noch ziemlich groß und in einer ziemlichen Strecke am Schlosse durch einen löffelförmigen Fortsatz verbun- den. Der Fuß ist kurz, dick und rund, die hintere Röhre einfach, aber durch eine innere Scheidewand ge- theilt. Die Bohrmuscheln bohren sich in einer gewissen Tiefe unter dem Wasserspiegel, am liebsten in kalkige senkrechte Felsmassen wagerecht ein, verschmähen aber auch Ko- rallen und selbst Schlamm nicht. Ihre Galerieen sind äußerst glatt, gleichsam polirt und bieten besonders an steini- gen und felsigen Ufern durch die constante Höhe unter dem Wasserspiegel, in welcher sie sich einbohren, ein ganz vortreffliches Kennzeichen für alte Strandlinien und frühere Höhe des Meeresspiegels. Bei den Bohr- muscheln stehen die eigenthümlichen Kieselkrystalle, welche ihnen zum Bohren und Abschleifen der Felsen dienen, besonders auf dem runden zapfenförmigen Fuße, wäh- rend sie bei den Pfahlwürmern über den ganzen Man- tel, besonders aber über dessen vorderen Wulst, der von dem Pfahlwurme bedeutend aufgebläht werden kann, zerstreut sind. Die Pfahlwürmer (Teredo) , welche ebenfalls zu dieser Familie gehören, sind bekannt durch die unge- heueren Verheerungen, die sie in Häfen und Werften an dem unter Wasser befindlichen Holze anrichten. Das Thier hat etwa die Dicke und Länge eines Regenwurmes und endet nach hinten in zwei lange, zuletzt getrennte Röhren. Die Schälchen am vorderen Ende sind außerordentlich klein, dünn und unregelmäßig in ihrer Gestalt. Am hinteren Ende des Körpers, wo die Röhren anfangen, finden sich zwei schaufelförmige knorpelige Anhänge, durch welche das Thier mit der Kalkröhre, mit der es seine Galerie auskleidet, verwachsen ist. Sie zernagen alles Holz, selbst das festeste ohne Unterschied und durch- bohren es mit Millionen sich so sehr durchkreuzender Gänge, daß es vollkommen unhaltbar wird und zusammenbricht. Die Jungen werden in dem Mantelsacke ausgebrütet und besitzen als Larven zwei große, fast dreieckige Schalen, die den Körper vollständig umschließen und aus denen sie ein lappenförmiges, mit lebhaft schwingenden Wim- perorganen besetztes Schwimmorgan hervorstrecken können. Später wird dieses durch einen langen zungenförmigen Fuß ersetzt, der bei dem er- wachsenen Thiere ebenfalls vollständig verschwunden ist. Teredo; Fis- tulana; Gastrochaena. Die Siebmuscheln (Aspergillida) haben ebenfalls einen wurm- förmigen Körper mit vollständig geschlossenem Mantel, der hinten zwei Oeffnungen für Athem- und Afterröhre, vorn einen feinen Schlitz für den Durchtritt des höchst rudimentären Fußes besitzt. Der wurmför- mige Mantel sondert in seiner ganzen Länge eine Kalkschale ab, welche eine lange wurmförmige Röhre bildet, an deren vorderem Ende die meist sehr kleinen rudimentären Schälchen eingeschlossen sind. Die Röhren, in welchen die Thiere leben, stecken senkrecht im Schlamme oder in Felsen, sind unten offen und haben oben meist siebförmig gestellte Oeffnungen zum Durchtritte des Wassers für die Athemröhren. Clavagella; Aspergillum. Betrachtet man die Geschichte der Blattkiemer während der zoo- logischen Epochen, so zeigt sich im Ganzen eine große Gleichförmigkeit. Die Seitenmuscheln erscheinen in den ältesten Formationen schon mit fast allen Familien, die auch jetzt noch vorkommen und zeigen nur wenige ausgestorbene Gattungen; — einige Familien, wie z. B. diejenige der Austern, erreichen in der jurassischen Periode ihren Höhepunkt, indem sie zu dieser Zeit ebenso bankbildend und gehäuft vorkommen, wie jetzt. Unter den Geradmuscheln sind besonders die Familien mit weit ausgeschnittenem Mantel und langen Röhren häufig und reich an Arten und Geschlechtern in der Uebergangs- und Koh- lenperiode und zeigen einige Gattungen (wie z. B. Pholadomya ), die jetzt fast gänzlich verschwunden sind. Die übrigen Geradmuscheln zei- gen etwa die nämlichen Verhältnisse, wie heut zu Tage. Die Röhren- muscheln dagegen sind entschieden späteren Ursprunges; sie beginnen erst spärlich in der Kreide und zeigen dort sowohl, wie in der Ter- tiärperiode weder so viele Arten, noch so große Häufung der Indivi- duen, wie in der Jetztwelt. Klasse der Schnecken. (Cephalophora.) Diese überaus zahlreiche Klasse der Weichthiere läßt sich, so ver- schiedenartig die bei ihr Fig. 327. Teichhornschnecke (Lymnaeus stagnalis) . vorkommenden Formge- stalten auch sein mögen, dennoch leicht umschrei- ben und charakterisiren, da sie wesentlich von der vorigen Klasse abweicht. Die Schnecken unter- scheiden sich von den Muschelthieren haupt- sächlich durch das Vor- handensein eines mehr oder minder getrennten deutlichen Kopfes, der nur in den niedersten Anfängen der Klasse fehlt und durch eine einfache Schale, welche von der Gestalt eines flachen Deckels an alle möglichen Formen gewun- dener Röhren durchläuft und jene Gehäuse bildet, die wir alle unter dem Namen Schneckenhäuser kennen. Manche Schnecken freilich sind im erwachsenen Alter nackt und haben dann jede Spur einer Schale verloren, während sie doch als Larven eine solche besaßen. Allein auch dann dient der Mangel einer zweiklappigen Schale, welche doch den Muschelthieren ganz allgemein zukommt, auf den ersten Blick zur Unterscheidung von diesen. Die Haut der Schnecken ist im Allgemeinen derb, lederartig und mit einer schlüpferigen Oberhaut überzogen, welche besonders an den zur Bewegung dienenden Stellen mit Wimperhaaren besetzt ist; nur bei einigen im Meere lebenden Schnecken ist die Haut, trotz aller Derbheit und Festigkeit, glashell durchsichtig und entbehrt dann auch jener Schleimabsonderung, die bei den übrigen in so reichem Maße vorkommt. Bei den meisten Schnecken bildet die den Körper überall umschließende Haut eine Falte im Nacken, welche beim Zurückziehen des Körpers wie eine Kapuze über den Kopf weggeschoben werden kann, vor dem sie sich dann zusammenschließt. Meistens finden sich in der Höhlung, welche durch diese Kapuze gebildet wird, die Athemor- gane, sowie die Oeffnungen der Geschlechtsorgane und des Verdau- ungsapparates. Man hat die Hautfalte, welche diese Höhlung bildet, in die sich das Thier zurückziehen kann, den Mantel genannt, und in der That ist es auch diese Falte und besonders der wulstige Rand derselben, der Mantelsaum, welcher die Kaltschale absondert, die bei den meisten Schnecken das Thier einschließt. Es befinden sich nämlich auf diesem wulstigen Mantelsaume eine Menge kurzer Drüsenschläuche in fast senkrechter Stellung, in deren großen Drüsenzellen sich ein feinkörniger Kalkniederschlag bildet, der zum Weiterbau der Schale verwendet wird. Der Mantelrand, welcher der äußeren Mündung der Schale hart anliegt, setzt in einzelnen Blättchen eine zähe, zur hornigen Masse erhärtende Substanz ab, welche allmählig fester wird, mehr und mehr Kalk in sich aufnimmt und so zu fortwachsenden Scha- lenschichten sich umgestaltet. Betrachtet man das Gehäuse einer Gar- tenschnecke z. B. genauer im Sommer, wo sie neue Schichten ansetzt, so sieht man an der Mündung der Schale einen feinen, durchsichtigen, hornig biegsamen Vorstoß, welcher die in Bildung begriffene Scha- lenlamelle ist. Da diese Bildung nicht gleichmäßig, sondern periodisch vor sich geht, so sieht man auch auf den Schneckenschalen häufig solche Anwachsstreifen, wie wir sie auch bei den Muschelschalen kennen ge- lernt haben, sowie größere Wülste oder Vertiefungen, welche Zeiten bedeutenderen Wachsthums, oder längerer Unterbrechung darin ent- sprechen. Die Struktur der Schneckenschalen selbst ist weit einfacher als die der Muschelschalen, denn sie bestehen nur aus der einzigen Lamellenschicht, welche durch die äußerst mannigfaltigen Faltungen ihrer Blätter den eigenthümlichen Perlenmutterglanz zeigt. Die Farb- stoffe, welche in dieser Schicht abgelagert werden, sind oft äußerst glänzend und in regelmäßigen Streifen und Flecken vertheilt, deren Stellung mit dem Wachsthume der Schalen selbst im Verhältnisse steht. Durch Faltungen des Mantelsaums entstehen oft Biegungen dieser Lamellen, die bei einigen Schalen zu Wülsten, Spitzen, Hör- nern und ähnlichen Verzierungen auswachsen und dadurch wesentliche Charaktere zur Unterscheidung einzelner Arten bieten. Die Gestalt der Schalen ist schon um deßwillen äußerst wichtig, weil man zur Bestimmung der versteinerten Reste sich nur an diese halten kann. Man hat deßhalb hier eben so wie bei den Muscheln behufs der Beschreibung gewisse Kunstausdrücke angenommen, deren Kenntniß nöthig ist. Fast alle Schnecken kommen aus dem Ei mit einer dünnen, horn- artigen Schale, welche die Gestalt eines Napfes oder einer Freiheits- mütze hat. Indem nun das Thier weiterwächst und eine Seite über die andere ein gewisses Uebergewicht erhält, entsteht eine spiralförmige Drehung des Körpers, an welcher die feste Kalkröhre, welche das Fig. 328. Eine thurmförmige Schale, senkrecht durchschnitten, um ihre innere Struktur zu zei- gen. b Mundöffnung der Schale (apertura). c Spin- delrand (labium). c’ Lippen- oder Außenrand (labrum). i Spindel (columella). s Windungen (spira). p Spitze (apex) . Thier umkleidet, ebenfalls Antheil nimmt. Die Schale erscheint also bei den meisten Schnecken spiralförmig gewunden, und da das Thier stets wächst und an Umfang zunimmt, so sind die letzten Windungen der Schale weiter als die vorhergehenden, die oft gänzlich von der letz- ten Windung verdeckt und eingeschlossen werden. Zuweilen erfolgt diese Windung der Schalen- röhre in derselben Ebene, so daß das Gehäuse Fig. 329. Tellerschnecke (Planorbis) . Fig. 330. Kreiselschnecke (Turbo) . ganz flach erscheint und in der Mitte als An- fangspunkt der ganzen Schneckenwindung die ursprüngliche, aus dem Ei mitgebrachte Schale erscheint. Die gewöhnlichen Tellerschnecken (Planorbis) , welche man so häufig in allen un- seren Bächen findet, liefern von dieser Anord- nung ein leicht zugängliches Beispiel. In den meisten Fällen aber ist die Spirallinie um eine Axe in die Höhe ge- wunden und bildet so eine warhrhafte Schnecken- und Schraubenlinie; je nachdem die Form des Gehäuses hierdurch modifizirt wird, nennt man dieses kreiselförmig, thurm-, spindelförmig u. s. w. Bei diesen schneckenartig gewundenen Schalen entsteht durch die Aneinanderlage- rung der inneren Seite eine Axe im Inneren des Gewindes, welche man die Spindel (columella) nennt und die man beim Aufbrechen einer Schale, z. B. einer Weinbergsschnecke, deutlich im Innern als eine Säule gewahrt, um welche die Windungen sich herumziehen. Mei- stens legen sich die inneren Seiten der Röhre nicht ganz vollkommen aneinander, so daß, wenn auch eine Spindel gebildet wird, diese dennoch im Innern hohl ist und diese Höhlung sich mit einer Mün- dung nach Außen öffnet. — Man nennt diese Mündung den Nabel (umbilicus) . Berühren sich die einzelnen Windungen der Schale gar nicht, wie z. B. bei den Wendeltreppen, so ist begreiflicherweise dieser Nabel verhältnißmäßig sehr weit, aber diese Weite nimmt umsomehr ab, je solider die Spindel selbst wird. So hat z. B. die gewöhn- liche Weinbergsschnecke einen kaum merklichen Nabel, der noch dazu von dem umgeschlagenen Randsaume des Gehäuses fast gänzlich über- deckt wird. Die Oeffnung, durch welche das Thier aus der Schale hervorschaut, heißt die Mündung oder Mundöffnung (apertura); und man kann an derselben stets zwei Ränder unterscheiden, den äu- ßeren oder Lippenrand (labrum) , welcher die Convexität der Schale bildet, und den inneren oder Spindelrand (labium) , welcher der Axe des Gehäuses zugewendet ist. Meist sind diese beiden Ränder scharf von einander getrennt, indem die Oeffnung mehr oder minder länglich oder selbst spaltenartig erscheint, welches letztere namentlich dann der Fall ist, Fig. 331. Kegelschnecke (Conus) . Fig. 332. Kreiselschnecke mit ganzem Mundsaum. wenn, wie bei den Ke- gel- oder Porzellanschne- cken, die letzte Windung die vorherigen einschließt, so daß diese kaum oder gar nicht sichtbar sind. Gehäuse dieser Art hat man eingerollte Scha- len genannt. In man- chen Fällen indeß, wie namentlich bei den Krei- selschnecken, verschmelzen beide Ränder vollständig zu einer fast runden Oeffnung, und man sagt dann, daß das Gehäuse einen ganzen Mundsaum (peristomium) besitze. Bei vielen Schnecken ist der Mundsaum und namentlich der äußere Lippenrand schwielig, verdickt, mit Falten und Vorsprüngen versehen, die dann beim periodischen Weiterwachsen als Leisten und Vorsprünge oder Wülste auf der Schale zurückbleiben. Es gibt namentlich einige Seeschnecken, welche von Zeit zu Zeit sich einen sehr stark wulstigen Mundsaum bilden, der dann als Ring auf den Windungen sich darstellt. Die Bestimmung der Richtung, in welcher sich eine Schnecke win- det, geschieht uneigentlicher Weise in der Art, daß man sich die Schale so gelagert vorstellt, wie sie die Schnecke auf dem Rücken trägt, mit der Mündung nach unten und der Spitze nach oben. Betrachtet man die Schnecke auf diese Weise, so liegt bei den links gewundenen der Lippenrand links, der Spindelrand rechts und das Gehäuse ist auf die rechte Seite geneigt. Bei den rechts gewundenen liegt der Lippen- rand rechts, der Spindelrand links und das Gehäuse neigt sich auf die linke Seite. So sind die meisten unserer Weinbergschnecken z. B. links gewunden; doch findet man zuweilen bei ihnen Abweichungen von dieser Regel, wo die Eingeweide sämmtlich ihren Platz gewechselt haben. Jede Schnecke hat so eine eigenthümliche Richtung ihrer Win- dung, welche normal für sie erscheint. Die Bewegungsorgane erscheinen bei den drei Unterklassen, welche wir unter den Schnecken annehmen, in sehr verschiedener Weise gestaltet. Die Flossenfüßer und die Kielfüßer schwimmen auf offenem Meere meist in ungemein zahlreichen Schwärmen und haben zu diesem Endzwecke platte Hautlappen, welche ruderartig bewegt werden. Bei den Flossenfüßern stehen diese Hautlappen, welche paarig sind, zu beiden Seiten des Kopfes oder des Leibes, während bei den Kielfüßern an der Bauchseite nur ein mittlerer Ruderlappen angebracht ist, mit- telst dessen die Thiere ihren Körper etwa in ähnlicher Art fortbewegen, wie man ein Boot mittelst eines am Hintertheile angebrachten Raders durch Wirbeldrehungen vorwärts bewegt. Bei den Bauchfüßern ist Fig 333. Voluta kriechend, mit vorgestrecktem Rüssel, ent- wickelten Fühlern und im Nacken vorste- hender Athemröhre. das wesentliche Bewegungsorgan eine fleischige Sohle, der Fuß , welcher mit vielfach sich durchkreuzenden Fasern durchwebt und auf der Bauchseite des Thieres angebracht ist. Mit- telst dieses Fußes gleiten die Bauch- füßer auf den glattesten Flächen nach allen Richtungen hin, und wis- sen ihn auch meistens zum Schwim- men an der Oberfläche des Wassers zu gebrauchen. Durch Aushöhlung seiner Unterfläche, nachdem sie ihn vorher fest angedrückt haben, kön- nen sie auch diesen Fuß zum festen Ansaugen benutzen, und namentlich die Arten mit napfförmigen Schalen besitzen diese Fähigkeit in so hohem Grade, daß man vergebens versuchen würde, ein Seeohr oder eine Schüsselschnecke mit den bloßen Händen vom Felsen loszureißen. Beim Zurückziehen der Schnecke dient der Fuß meistens dazu, die Mündung des Gehäuses zu verstopfen, und zu diesem Endzwecke ist häufig an seinem hinteren Ende ein eigener Deckel (operculum) angebracht, welcher in die Oeffnung des Gehäuses paßt und dieselbe vollständig verschließt. Dieser beständig vorhandene Deckel, welcher wesentlich mit zur Charakteristik der einzelnen Gattungen dient, hat bald eine hornige, bald eine kalkige Beschaffenheit und ist stets aus concentrischen Schichten gebildet, welche zuweilen sogar ebenfalls eine spiralige An- ordnung haben. Nicht zu verwechseln mit diesem permanenten Deckel sind diejenigen vorübergehenden, aus unregelmäßiger Kalkmasse gebildeten Deckel, womit unsere Landschnecken im Winter ihr Gehäuse schließen und die mit dem Beginne des Frühjahres beim Aufhören des Winterschlafes von ihnen selbst wieder abgestoßen werden. Gestalt und Ausbildung des Fußes sind außerordentlich verschieden und können als gute Unterscheidungszeichen benutzt werden; genauer betrachtet ist derselbe nur eine bedeutendere lokale Entwickelung der Hautmuskelschicht, welche überall um den ganzen Körper der Schnecken sich vorfindet und die auch namentlich die Mantelfalte, sowie die übri- gen Theile des Körpers so äußerst contractil macht. Das Nervensystem der Schnecken variirt in seiner specielleren Anordnung ungemein, bleibt sich aber darin gleich, daß stets ein Schlundring entwickelt ist, mit welchem verschiedene, in dem Körper zerstreute Ganglien in Verbindung stehen. Bei allen Schnecken, welche einen deutlichen, mit Augen und Fühlern versehenen Kopf besitzen, sind an diesem Schlundringe zwei obere, dicht aneinandergedrängte, oft in mehrere Abtheilungen getrennte, zuweilen aber auch zu einem einzigen Knoten verschmolzene Ganglien zu erkennen, welche man als Gehirn bezeichnen kann. Die unteren Knoten, welche den Schlundring com- plettiren, sowie die Verbindungsstränge zwischen beiden Hälften, zeigen eine besonders große Mannigfaltigkeit in Größe und Anordnung. Bei den Kielfüßern sind die Verbindungsstränge ähnlich wie bei den Muscheln sehr lang und die unteren Knoten sehr weit nach hinten gerückt. Bei denjenigen Schnecken hingegen, wo Augen und Fühler Fig. 335. Nervensystem des Seehasen (Aplysia) . 1 Vorderes Lippenganglion. c Oberer Hauptknoten, über dem Schlunde gelegen (Hirnknoten). g Unterer Knoten, mit vo- rigem den Schlundring o bildend, durch den der Schlund tritt. v Hinterer Einge- weideknoten. Fig. 336. Schlundring einer Schwimmschnecke (Janthina) , wo die beiden oberen Knoten des Schlund- ringes (a) sehr klein und von einander entfernt — die unteren (b) weit größer, aber ebenfalls von einander entfernt sind. Fig. 337. Schlundring einer Wegschnecke. (Limax) . Die beiden obern Hirnknoten (c) sind verbunden; statt zweier unterer Knoten existirt nur ein einziger (o) . fehlen, sind hauptsächlich nur die unteren Knoten entwickelt und die oberen durch einen einfachen Verbindungsstrang ersetzt, während bei manchen Arten, wo der Fuß nur geringe Entwickelung zeigt, die un- teren Knoten rudimentär werden. Von den Hauptnervenknoten des Schlundringes werden besonders die Sinnes- und Mundorgane, die Haut und der Fuß, sowie einzelne Eingeweide versorgt. Alle Nerven entspringen aus den Ganglien selbst, niemals aus den Verbindungs- strängen derselben und außerdem findet sich noch ein aus äußerst dün- nen Nerven und Knötchen zusammengesetztes Eingeweidenervensystem, welches indeß bei den meisten Gattungen sich schwer verfolgen läßt und namentlich die Verdauungsorgane, sowie die Geschlechtstheile mit seinen Fäden versorgt. Vogt. Zoologische Briefe. I. 21 Sinnesorgane sind bei den meisten Schnecken vorhanden. Besondere Taster oder Fühler sitzen fast bei allen an dem Kopfe Fig. 338. Anatomie einer Kreiselschnecke. (Turbo pica.) Die Schale ist abgenommen und die Kiemenhöhle nebst dem Eingeweidesacke in seinem vorderen Theile gespalten und zurückgeschlagen, sonst aber das Thier in seiner natürlichen Stellung belassen. p Der Fuß, auf dessen hinterem Theile der Deckel (o) auf- sitzt, der beim Zurückziehen die Schale schließt. t Der Rüssel. ta Fühlhörner. y Augen, auf kurzen Stielen an der Basis der Fühler stehend. f Freier Mantelsaum, der den Schlitz begrenzt, welcher in die Kiemenhöhle führt. m Aufgeschlitzter Rand des Mantels, der zurückgeschlagen wurde und wodurch im Nacken, hinter den Augen, der Hirnknoten, die körnige Speicheldrüse und der Anfang des Darmes sichtbar wurden. b Kieme. vb Kie- menvene, die das Blut nach hinten, zum Herzen c führt, das im Grunde des Kiemen- sackes liegt. ab Kiemenarterie. a Afterdarm und After, in die Kiemenhöhle ausmündend, ebenso wie der Eileiter ov. i Hintere Darmschlinge. e Der im hinteren Theile des ge- wundenen Gehäuses liegende Körpertheil, der den Magen, den vorderen Theil des Dar- mes, die Leber und den Eierstock nebst den zu den Geschlechtstheilen gehörigen Drüsen enthält. und können meist willkürlich aus- und eingezogen werden. Es haben diese Fühlhörner oder Tentakeln die verschiedensten Gestalten, bald wie ein feiner Faden, bald wie eine Röhre, die sich wie ein Handschuh- finger aus- und einstülpt, bald wie ein zugespitztes oder eingerolltes Blatt, oder wie eine breite Platte, die durch Verschmelzung der beiden Fühler im Nacken entsteht. Meist kommt nur ein Paar solcher Fühler vor. Nur unsere Landschnecken und einige Fadenschnecken haben zu- weilen zwei Paar. Die Tastnerven, welche in diese Organe treten, sind verhältnißmäßig sehr dick und das Gefühl in den Organen äußerst fein. Außer ihnen dienen noch öfters besondere Mundlappen und weiche Lippen um den Mund den Schnecken zum Tasten. Augen sind fast überall vorhanden und zwar stets nur in der Zahl von zweien. Nur der niedersten Unterklasse, den Flossenfüßern und einigen wenigen Bauchfüßern, fehlen die Sehorgane. Es sitzen dieselben entweder im Nacken oder an verschiedenen Stellen der Füh- ler, bald an dem Grunde, wie bei unsern Teichschnecken, bald in der halben Länge, bald auch an dem vordersten Ende der Fühler, wie bei unsern Gartenschnecken. Jeder Augapfel ist von einer festern Haut umgeben, welche nach vorn durchsichtig ist und bis zu dieser durch- sichtigen gewölbten Stelle innen mit dunklem Farbstoffe ausgekleidet ist. Der Sehnerv durchbohrt von hinten her die äußere Augenhaut und breitet sich auf der inneren Fläche derselben zu einer Netzhaut aus, deren Höhlung von einem Glaskörper und einer Linse erfüllt wird. Die Sehnerven sind meist ziemlich voluminös, fehlen aber bei manchen Schnecken fast ganz, so daß die Augen dem Gehirne unmit- telbar aufsitzen. Gehörorgane kommen wohl allen Schnecken ohne Ausnahme zu, und trotz der niedrigen Stufe ihrer Entwicklung scheinen sie von großer Bedeutung für die Oekonomie der Thiere, da sie bei den Em- bryonen sehr früh erscheinen. Sie sitzen meist unmittelbar auf dem Gehirne auf oder zeigen nur einen kurzen Hörnerven, welcher nur bei einigen wenigen Kielfüßlern bedeutend verlängert ist. Es bestehen diese Gehörorgane nur aus einer runden oder länglichen Kapsel, in welcher entweder ein kugelförmiger oder viele krystallinische Gehör- steinchen stecken, welche durch Wimpern in steter zitternder und wäl- zender Bewegung gehalten werden. Die Verdauungswerkzeuge sind bei den meisten Schnecken in weit höherem Grade entwickelt, als bei den Muscheln und besonders zeichnen sich sehr viele durch eine starke Bewaffnung des Mundein- ganges aus. Bei den meisten Schnecken finden sich zwei seitliche oder ein mittlerer, in die Decke der Mundhöhle eingesenkter Kiefer, deren Muskeln mit denen der Zunge einen starken fleischigen Schlundkopf bilden, welcher meist unmittelbar hinter der Mundöffnung liegt und sehr oft, besonders bei Meerschnecken, selbst an einem mehr oder min- der langen hervorstreckbaren Rüssel angebracht ist. Die seitlichen Kie- fer sind Wülste, welche oft mit Hornplatten, in andern Fällen mit scharfen, aus Kieselerde bestehenden Leisten ausgekleidet sind und horizontal gegeneinander wirken. Zuweilen indeß sind diese seitlichen Kiefer ver- kümmert und dafür in der Decke der Mundhöhle ein halbmondför- miges, mit Leisten und Vorsprüngen versehenes, hartes Blatt ange- bracht, gegen welches die Zunge gerieben werden kann. Diese besteht 21* meistens aus einer riemenförmigen, sehr beweglichen, mit langen Mus- keln versehenen Hautleiste, welche zuweilen viel länger als der Körper ist, und in einer eigenen Tasche vor oder neben dem Schlundkopfe eingerollt liegt. Diese Zunge, welche ein eigentliches Greif- und Schöpf- organ ist, kann aus dem Munde hervorgestülpt und zum Fassen und Zermalmen der Beute benutzt werden. Zu diesem Endzwecke ist sie auf ihrer Außenfläche entweder mit queren gezähnelten Platten, deren Zähne in Längsreihen stehen, oder mit zwei Reihen langer und spitzer Zähne versehen, welche zum Anspießen und Zerreiben der Beute die- nen. Viele Schnecken nähren sich von Polypen und diese kratzen meist mittelst der stacheligen Zunge die Polypenstöcke förmlich ab; andere bohren Schnecken und Muschelthiere mittelst ihrer scharfen Kiefer an und fressen sie aus. Die Wenigsten nur ernähren sich von Pflanzen- stoffen, welche sie mit Zunge und Kiefern zernagen. Die meisten sind nächtliche Thiere, welche Tags über still sitzen und nur Nachts ihrem Raube nachgehen. Der Darmkanal , in welchen sich die so stark bewaffnete Mund- Fig. 339. Anatomie der Weinbergschnecke. (Helix pomatia.) Die Lungenhöhle und der mittlere Theil des Leibes sind aufgeschlitzt und der Mantel zurückgeschlagen, so daß man die innere Fläche des Lungensackes und den Anfang des Darmes sieht. pi Der Fuß. t Die eingezogenen Fühl- hörner, die nur noch warzenartig vertreten. d—e Der Magen. f Die Leber mit der sich darin verzweigenden Körperarterie ar. o Der Eierstock, theilweise noch in der sehnigen Haut eingeschlossen, welche an der letzten Win- dung des Körpers belassen ist. p Die aufgeschlitzten und zurückgeschlagenen Wandungen der Lungenhöhle, auf wel- cher sich die Lungenarterie ap verzweigt. c Das Herz, höhle fortsetzt, ist mei- stens sehr einfach gebil- det. Eine mehr oder min- der lange Speiseröhre, die meist mit Längsfalten ausgekleidet ist, führt in einen Magen, der ge- wöhnlich dünnwandig, bei einigen Gattungen aber sogar auf seiner innern Seite mit harten Leisten oder selbst hor- nigen Zähnen besetzt ist. Von hier aus windet sich ein sehr dünnwandiger Darm durch die Massen der Eingeweide, beson- ders der Leber, hindurch und öffnet sich meist an der rechten Seite des Körpers in der Nähe der am Grunde des Lungensackes neben der Niere v gelegen. r Der Afterdarm, der neben dem Ausführungsgang der Niere cv hinläuft und sich neben diesem vorn im Lun- gensacke im After a öffnet. Athemwerkzeuge. Die Stellung des Afters wech- selt ganz außerordent- lich. Meistens liegt er vorn auf der rechten Seite, oft unmittelbar hinter dem rechten Fühler, bei andern liegt er links, noch bei andern auf der Rücken- oder Bauchfläche, bald weiter hinten, bald näher am Kopfe. Speicheldrüsen , welche in den Schlundkopf und Zungensack münden, fehlen fast keiner Schnecke, ebensowenig die Leberorgane , welche freilich zuweilen eigenthümlich entwickelt sind. Während nämlich bei den meisten Schnecken eine wohlgebildete Leberdrüse vorhanden ist, die aus einzelnen Lappen besteht, welche den Darm umhüllen, so finden sich bei manchen Bauchfüßern mehr oder minder verzweigte Blind- gänge, die meistens in zwei gabelförmige Kanäle ausmünden, welche mit dem Magen in Verbindung stehen und oft ganz das Ansehen des baumförmig verzweigten Darmkanales haben, welchen wir bei den Saugwürmern und den Sohlenwürmern kennen lernten. Die ver- zweigten Aeste dieser Gänge enden blind auf dem Rücken des Thieres fast immer in eigenthümlichen fingerförmigen Anhängen, welche wahr- scheinlich zugleich als Athemorgane dienen. Die Wandungen dieser blinden Kanäle, in welche ganz ohne Zweifel auch die Nahrungsstoffe eintreten, sind mit eigenthümlichen Zellen ausgekleidet, deren Inhalt sie als Leberzellen erkennen läßt. Es sind also diese verzweigten Ka- näle gleichzeitig verästelte Darmröhren und Lebergänge, und in den Fällen, wo ihre Enden in besonderen Anhängen frei auf dem Rücken stehen, mögen dieselben auch noch eine besondere Beziehung zur Ath- mung haben. Man wurde erst in neuerer Zeit auf diese eigenthümlichen Verhältnisse des Darmes und der Leber bei einigen Familien kleiner Meerschnecken aufmerksam und hielt sie anfangs für wichtig genug, um darauf eine eigene Ordnung, die Darmgefäßler (Phlebenterata) zu gründen, die aber bald wieder aufgegeben wurde. Eigentliche Athemorgane fehlen nur den wenigsten Schnecken, wo dann einzelne Stellen der Haut die Function derselben überneh- men. Dies scheint namentlich der Fall bei den meisten Flossenfüßern und bei einigen Bauchfüßern, bei welchen die sonst gewöhnlichen Kör- peranhänge in einer blattartigen Masse verschmolzen sind. Im Uebri- gen sind die Athemorgane dem Aufenthalte der Thiere entsprechend entweder in der Form von Kiemen oder auch als Lungen entwickelt. Die Kiemen bestehen aus federartig gestellten oder baumartig verästelten Blättchen, welche meistens in einer eigenthüm- lichen Höhle des Mantels im Nacken verborgen sind und durch einen Schlitz oder durch ein Loch die nöthige Zufuhr erhalten. Häufig ist sogar der Zugang zu der Kiemenhöhle in eine mehr oder minder lange Röhre ausgezogen, welche in einem Ausschnitte oder in einer schnabelartigen Verlängerung des Spindelrandes der Mündung gele- gen ist, so daß, wenn auch das Thier die Oeffnung der Schale voll- kommen mit seinem Deckel schließt, dennoch der Zugang zu der Kiemen- höhle durch diese Röhre oder den Ausschnitt geöffnet erscheint und die Athmung unterhalten werden kann. Die Lagerung der Kiemen wechselt außerordentlich; — sehr selten nur sind sie symmetrisch auf dem hin- teren Theile des Rückens oder im Umkreise des Körpers unter einer Mantelfalte angebracht. Bei den meisten liegen sie unsymmetrisch bald auf der rechten, bald auf der linken Seite, wo denn ihre Lagerung zugleich diejenige des Herzens, sowie des Afters und der Geschlechts- mündung bedingt. Die Lungen , welche sich nur bei Land- und Süßwasserschnecken vorfinden, bilden einen meist auf der rechten Seite geöffneten, gewöhn- lich in der Nackengegend gelegenen Sack, dessen innere Fläche mit einem äußerst zierlichen erhabenen Netze von Lungengefäßen überzogen ist, welche sich gewöhnlich in einen einzigen Hauptvenenstamm sam- meln, der sich unmittelbar in den Vorhof des am Lungensacke gelege- nen Herzens ergießt. Bei unseren Garten- und Weinbergsschnecken öffnet sich dieser Lungensack unter dem Mantelwulste auf der rechten Seite, wo man sehr leicht die abwechselnde Oeffnung und Schließung des Athemloches beobachten kann. Ein Herz ist wohl bei allen Schnecken vorhanden und ebenso ein geregelter Blutkreislauf, der indessen das Eigenthümliche hat, daß entweder die ganze Venenbahn oder ein großer Theil derselben durch wandungslose Kanäle ersetzt ist und daß die Eingeweidehöhle in diesen Kreis mit eingeschlossen ist. Das Blut selbst ist farblos, opalisirend und gerinnt kaum. Das Herz besteht immer aus einer einfachen, dick- wandigen, lebhaft pulsirenden Kammer mit einer einfachen oder dop- pelten Vorkammer, die nur äußerst dünne Wände besitzt und die beide meist in einem besonderen Herzbeutel an der Basis der Kieme oder des Lungensackes liegen. Von der Herzkammer geht unmittelbar die große Körper-Schlagader aus, die sich meist nach kurzem Verlaufe in zwei Aeste trennt, von welchen der eine den Kopf und dessen Theile, der andere die mehr nach hinten gelegenen Eingeweide versorgt. Die sehr zierlichen Verzweigungen dieser Aeste lassen sich bei unsern Weg- schnecken auf dem meist braunen Darme sehr leicht durch ihre milch- weiße Farbe erkennen. Allmählig verlieren sich die Wandungen dieser Gefäße; das Blut strömt durch die Zwischenräume der Körperorgane durch die Eingeweidehöhle und sammelt sich dann wieder in einzelne Kanäle, welche es zu den Kiemen oder den Lungen hinleiten und von da durch die Kiemenvenen dem Herzen zuführen. Ob außer diesen Zwischenräumen noch eigene Wassergefäße den Körper und nament- lich den Fuß durchziehen, ist noch nicht genauer erörtert. Neben dem Herzen und meistens in Verbindung mit ihm einer- seits und dem Mastdarme andererseits liegt fast bei allen Schnecken ein eigenthümlicher Drüsensack von blätteriger Structur, welcher offen- bar eine Niere ist, da die Flüssigkeit, welche er aussondert, deutli- chen Gehalt an Harnsäure erkennen läßt. Bei vielen Seeschnecken namentlich ist diese Absonderungsflüssigkeit bläulich-roth gefärbt und wurde von den alten Griechen und Römern als ächter Purpur zum Färben benützt. Sprossen- oder Knospenbildung, sowie Ammenzeugung kommen bei den Schnecken nicht vor. Alle haben Geschlechtsorgane, deren Bau oft äußerst complicirt erscheint. Die meisten sind getrennten Geschlechts, manche aber auch, wie namentlich unsere Landschnecken, Zwitter in der Weise, daß vollständige männliche und weibliche Geschlechtsorgane bei demselben Individuum vorhanden sind und gegenseitige Befruch- tung zweier Individuen stattfindet. Die Entwirrung der verschiedenen Theile, aus welchen die meist höchst unsymmetrischen Geschlechts- organe zusammengesetzt sind, hat die Anatomen außerordentlich viele Mühe gekostet und die Schwierigkeit der Entscheidung wurde besonders dadurch vergrößert, daß man unsere Wegschnecken und Gartenschnecken, welche die complicirtesten Zwitterorgane haben, zum Ausgangspunkte der Untersuchung wählte. Bei den Schnecken mit getrennten Geschlechtswerkzeugen findet man stets in der hinteren Abthei- lung des Eingeweidesackes, meist zwischen den Windungen der Leber verborgen, eine Drüse, welche je nach dem verschiedenen Inhalte, sich als Eierstock oder Hode zu erkennen gibt. Von dieser Drüse geht ein gewundener Ei- oder Samenleiter aus, der sich nach vorn begibt und meist neben dem After nach außen mündet. Der Eileiter hat vor seiner Ausmündung eine schlauchartige Erweiterung, welche einen ei- weißartigen Saft absondert, der sicher die Hüllen und Kapseln bildet, in welche die Eier der Schnecken oft eingeschlossen sind. Diese Kap- seln, welche man besonders häufig an Wasserpflanzen oder Steinen findet, haben manchmal eine sehr sonderbare Gestalt und sind mit eigenthümlichen Deckeln versehen, welche oft erst durch die erwachsenen Larven aufgesprengt werden. Bei den männlichen Schnecken getrennten Geschlechts setzt sich der Samengang in eine meist lange, mehr oder minder gekrümmte, zungen- oder hakenförmige Ruthe fort, die meist hinter dem rechten Fühler hervorgestülpt werden kann oder auch in der Falte des Mantels zurückgeschlagen getragen wird. So einfach diese Anordnung der Geschlechtstheile bei den einge- schlechtigen Schnecken erscheint, so verwickelt ist die Bildung bei den Zwittern . Doch läßt sich im Allgemeinen folgender Typus der Bil- dung erkennen. In dem Grunde des Eingeweidesackes liegt eine Drüse, welche aus in einander geschachtelten Blindsäcken verschiedener Natur besteht, die etwa in ähnlicher Weise ineinanderstecken, wie die Finger zweier Handschuhe, die man über dieselbe Hand gezogen hat. In dem inneren Drüsenbalge entwickeln sich die Samenthierchen, in dem äu- ßeren die Eier. Es ist also eine förmliche Zwitterdrüse vorhanden. Die sämmtlichen Drüsenbälge vereinigen sich zuletzt zu zwei gesonder- ten, aber ebenfalls in einander gesteckten Ausführungsgängen, von welchen der äußere der Eileiter, der innere eingeschlossene der Samenleiter ist. Im weiteren Verlaufe trennen sich diese beiden Röhren mehr oder minder von einander und erhalten beide die verschiedenartigsten Zusätze durch Drüsengebilde aller Art, welche oft höchst merkwürdige, aber sehr vielfach wechselnde Gestalten zeigen, Schleim- und Eiweißdrüsen, Säcke, in welchen eigenthümliche Kalkconcremente sich bilden, welche wie es scheint, zur Reizung bei der Begattung benutzt werden (die sogenann- ten Liebespfeile), eine meist sehr lange cylindrische, mit einem geisel- artigen Fortsatze versehene Ruthe, welche hervorgestülpt oder in die Leibeshöhle zurückgetragen werden kann, vermehren die Masse dieser Geschlechtstheile, welche den größten Theil der Eingeweide ausmachen. Die Geschlechtsöffnungen selbst sind bei diesen Zwittern stets doppelt und meistens auf der rechten Seite angebracht. Gewöhnlich liegen beide Oeffnungen in einer gemeinschaftlichen Kloake und zwar so, daß die Ruthenöffnung unmittelbar vor der Scheideöffnung sich befindet, zuweilen aber auch trennen sich beide und dann rückt die Oeffnung, aus welcher die Ruthe hervorgestülpt wird, mehr nach vorn gegen den rechten Fühler hin, wobei sie meist mittelst einer Rinne mit der hin- teren weiblichen Geschlechtsöffnung verbunden bleibt. Die Begattung geschieht bei den Zwitterschnecken wechselseitig, so daß jedes Individuum gleichzeitig befruchtet und befruchtet wird; doch sind auch unzweifel- hafte Beispiele bekannt, wo einsam gehaltene Zwitterschnecken sich selbst befruchteten und entwicklungsfähige Eier hervorbrachten. Die Eier der meisten Schnecken enthalten nur einen verhältniß- mäßig kleinen Dotter gegenüber der großen Menge von Eiweiß, welche die Hauptmasse des Eies ausmacht. Außerdem finden sich oft noch Kalkschalen, die wieder in gallertartigen Schnüren, hornartigen Kap- seln und mancherlei seltsamen Umhüllungsgebilden eingeschlossen sind. Die Entwicklung der Eier zeigt bei verschiedenen Abtheilungen einige Verschiedenheit. Da sie bis jetzt nur bei den Bauchfüßern unter- sucht ist und auch hier nur bei sehr wenigen Arten, so werden wir erst bei diesen die Entwicklung der verschiedenen, bis jetzt bekannten Typen genauer in das Auge fassen. So viel steht fest, daß alle Schnecken mit dem ganzen Körper aus dem Eie entstehen und daß niemals eine Spur von Gegenüberstellung eines eigentlichen Embryonaltheiles und eines von diesem verschiedenen Dottersackes vorhanden ist, so wie daß die meisten Schnecken eine Larvenperiode durchmachen, während wel- cher sie eigenthümliche Schwimmapparate besitzen, die ihnen gestatten, frei in dem Wasser umherzuschweifen, während sie später nur lang- sam kriechen können. Wir theilen die Schnecken hauptsächlich nach ihren Bewegungs- organen in drei Unterklassen ab, von welchen die letzte die zahl- reichste und entwickeltste ist. Unterklasse der Flossensüsser. ( Pteropoda .) Diese besteht aus nur wenigen und unzulänglich gekannten Weich- thieren, welche sich alle dadurch auszeichnen, daß vorn am Kopfe flügelartige Fortsätze angebracht sind, die man früher für Kiemen hielt, die aber nur Schwimmorgane und aus einer unendlichen Anzahl ge- kreuzter Muskelfasern gebildet sind. Die meist sehr kleinen Thiere treiben sich mittelst dieser Schwimmlappen auf der Oberfläche des Meeres umher und werden nur selten durch Verschlagen in der Nähe des Strandes angetroffen. Sie sind alle Nachtthiere, heben sich erst mit der Dämmerung aus der Tiefe des Meeres in zahllosen Schwär- men herauf und sinken mit dem Morgenlichte wieder hinab. Tags über trifft man keine Spur von ihnen und manche Arten kommen nur in ganz finsteren Nächten an die Oberfläche. Die Schwimmlappen sind auch bei ruhigem Schweben in steter schwingender Bewegung, ähnlich den Flügeln eines Schmetterlings; bei der geringsten Gefahr, die sie merken, ziehen sie die Ruderlappen ein und sinken in die dunkle Tiefe hinab. Die meisten von ihnen besitzen eine sehr dünne, oft nur hornige Schale von sehr wechselnder Gestalt, die den ganzen Körper des Thieres umschließt und nur den Mund mit den Schwimmflossen hervortreten läßt. Einige dieser Thiere sind ganz nackt und dann von einer festeren Haut umgeben. In allen Körperorganen ohne Ausnahme zeigt sich der niedere Stand der Organisation dieser Thiere. Den meisten fehlt ein eigent- licher Kopf und damit auch Fühler und Augen. Bei dem Schlund- ringe sind die oberen Ganglien meist durch einen einfachen Verbin- dungsfaden ersetzt, während nur die unteren Schlundganglien entwickelt sind. Nur zwei Gattungen besitzen Augen , den übrigen fehlen sie, während die Gehörorgane ziemlich allgemein entwickelt sind. Der Mund ist meist unbewaffnet, höchstens von kurzen Fortsätzen umstellt, welche zuweilen Saugnäpfe tragen. Er führt in einen muskulösen Schlundkopf, in welchem bei manchen eine stachelige, mit rückwärts gewendeten Hakenzähnen besetzte Zunge sich findet. Die Afteröff- nung des gewundenen Darmkanales befindet sich meist auf der rechten Seite, zuweilen aber auch auf der Bauchseite in der Mittellinie, oder etwas mehr nach links angebracht. Die Leber ist aus einzelnen Schläu- chen zusammengesetzt, welche unmittelbar in den Darm münden. Das Herz scheint einigen zu fehlen, bei andern nur unvollständig entwickelt zu sein, und jedenfalls ist der Blutkreislauf nur sehr unvollkommen hergestellt. Athemorgane fehlen bei einigen Gattungen ganz, wäh- rend andere eine geräumige Mantelhöhle haben, in welcher eine fächer- artige Kieme verborgen liegt. Die Flossenfüßer sollen Zwitter sein, jedoch sind alle Untersuchungen über die Geschlechtsorgane zu frag- mentarisch, als daß man hierüber, sowie über ihre Entwickelung, irgend bestimmte Angaben machen könnte. Ihre Anatomie, so wie ihre Entwicklungsgeschichte sind noch zu wenig bekannt, als daß man grö- ßere Unterschiede aufstellen könnte, wonach man Ordnungen in dieser Unterklasse anerkennen müßte. Wir unterscheiden zwei Familien. Die eine, die Krystallschnecken ( Hyalida ), besitzen eine bald spindelförmige, bald schuhförmige, zuweilen Fig. 340. Hyalea. a Der zwischen den Schwimm- lappen liegende Mund. bb Die ausgebreiteten Schwimm- lappen. c Die durchsichtige Schale. selbst spiralige Schale von äußerster Dünne und Zerbrechlichkeit, welche deßhalb von Lieb- habern meist theuer bezahlt wird; Fühler, Au- gen fehlen durchaus, wie denn überhaupt kein deutlicher Kopf zu sehen ist. Die Mundöffnung befindet sich zwischen den beiden Schwimmlap- pen, welche horizontal zu beiden Seiten stehen und meistens in die Schale zurückgezogen wer- den können. Sie leben in allen Meeren und steigen namentlich Abends in Schwärmen an die Oberfläche, um sich später zu versenken. Schalen, welche dieser Familie angehören, hat man in den tertiären Schichten gefunden. Ob die sogenannten Conularien, welche sich in den Uebergangsgebilden in ziemlich großer Anzahl finden, dann aber verschwinden, wirklich dieser Familie angehören, dürfte wohl noch zweifelhaft sein. Hyalea; Li- macina; Cymbulia; Cleodora; Eurybia . Die Familie der Wallfischschnecken ( Clioida ) unterscheidet sich von der vorhergehenden durch den Mangel einer Schale und den Besitz Fig 341. Fig. 342. Fig. 343. Clio borealis. Fig. 341. Von der Rückenseite. Fig. 342. und 343. Von der Bauchseite. Bei Fig 341. sieht man die Augen im Nacken, bei Fig. 342. alle äußere Or- gane ausgebreitet. a Kopfkegel, mit Saugwarzen dicht besetzt. b Fühler. c Halskragen mit seinen Zipfeln. d Schwimmlappen. e Männliche Ruthe. f Hinterleib. g Kopfkutte, die über Fühler und Kopfkegel herübergestülpt wird. eines eigentlichen Kopfes, der deutlich von dem Körper getrennt ist und meistens Fühler, bei einer Gattung sogar Augen trägt. Die Gattungen, welche besonders in den Polarmeeren der Nord- und Südsee wohnen, dienen hauptsächlich den Wallfischen zur Speise, und da das ganze Thierchen kaum einen Zoll lang ist, so kann man leicht ermessen, welche ungeheuere Massen von ihnen nöthig sind, um ihre riesigen Feinde zu ernähren. Es nähert sich diese Familie durch La- gerung des Afters und der Geschlechtsöffnung an der rechten Seite des Halses schon mehr den eigentlichen Schnecken. Clio; Pneumoderma. Unterklasse der Kielfüszer. ( Heteropoda. ) Diese Unterklasse begreift ebenfalls nur sehr wenige schwimmende Thiere mit spindelförmigem Körper, der ganz glasartig durchsichtig erscheint und zuweilen eine zierliche, kleine Schale besitzt, in welcher aber nur die Haupteingeweide verborgen sind. Das Schwimmorgan besteht aus einer kielartig zusammengedrückten Flosse, welche in der Mittellinie auf der Bauchseite angebracht ist. Beim Schwimmen wen- den die Thiere diese Flosse nach oben, während die Rückenfläche nach unten gedreht ist. Der Kopf ist deutlich, mit mehr oder minder aus- gebildeten Fühlern versehen, und trägt meistens zwei große Augen und einen langen Rüssel, an dessen vorderem Ende die mit Stacheln besetzte Zunge eingerollt liegt. Die oberen Ganglien des Nervenringes sind meist bedeutend entwickelt, die unteren weit nach hinten ge- schoben und liegen in der Nähe des Eingeweideknäuels, welcher bei den meisten Gattungen sich auf dem Rücken befindet. Die kammför- migen Kiemen liegen mit dem Herzen, der Leber und den Geschlechts- werkzeugen zusammen in diesem Knäuel. Wir unterscheiden drei Fa- milien. Die Atlantiden ( Atlantida ) besitzen eine schneckenartig gewundene Schale, in welche sich das Thier vollständig zurückziehen kann. Der mit Fühlern, Augen und einem kurzen Rüssel versehene Kopf sitzt auf einem verlängerten Halse, auf dessen Bauchseite der lanzettförmige, mit einem Saugnapfe versehene Schwimmlappen und noch ein zungen- förmiger Fortsatz stehen, welcher letztere einen dünnen Deckel trägt, mit dem das Thier beim Zurückziehen die Schalenöffnung verschließen kann. Die Kiemen liegen im Inneren der Schale verborgen. Der trichterförmige After ragt in Gestalt einer Trompete aus der Schalen- öffnung hervor. Atlanta . Fig. 344. Eine Kielschnecke ( Carinaria ) aus dem Mittelmeere in anatomisch richtiger Stellung. Beim Schwimmen ist die Flosse nach oben, die Schale nach unten gekehrt. p Der Ruderlappen mit einer daran angebrach- ten, saugnapfartigen Vertiefung v. b Der kurze Rüssel mit der Mundöffnung. f Fühlhörner mit den Augen y an der Basis. e Der durchschimmernde Darm. c Die mützenartige Schale, die den Eingeweideknäuel enthält und aus welcher nur bei f die Leber und am unteren Rande die Kiemen ( br ) hervorsehen. Bei a befindet sich der After. Die Familie der Kielschnecken ( Firolida ) ist entweder nackt, oder hat nur eine kleine, mützenförmige Schale, welche den Eingeweide- knäuel einschließt. Der Körper ist lang, oft bis zu dem Maaße eines Fußes, spindelförmig und so durchsichtig, daß man alle Einzelnheiten der Organisation bei dem unverletzten Thiere verfolgen kann. Die Thiere erscheinen schon in dem Mittelmeere zuweilen in großen Schwär- men an der Oberfläche des Meeres, doch ist ihre Schale ihrer großen Zerbrechlichkeit wegen nur selten unverletzt zu erhalten. Carinaria; Firola; Pterotrachea . Nur provisorisch stellen wir als dritte Familie, die nur eine ein- zige Gattung enthält, hierher die Pfeilschnecken ( Sagittida ), kleine Thiere von spindelförmiger Gestalt, mit deutlich abgesetztem Kopfe und zugespitztem Schwanzende, welche man bis jetzt nur im Mittel- Fig. 346. Fig. 345. Fig. 347. Sagitta. Fig. 345. Das ganze Thier von oben. Fig. 346. Der Kopf von oben, stärker ver- größert. Fig. 347. Der Kopf von unten. a Kopf. b Vordere, c mittlere, d hintere Schwimmflosse. e Hinterer Nervenknoten. f After, davor die weiblichen, weiter hinten die männlichen Geschlechtsöffnungen. g Haken- kiefer. h Hirnknoten. i Augen. k Mund. meere und der Nordsee gefun- den hat. Der Kopf ist deutlich isolirt und unter einer kapuzen- artigen Verlängerung der sonst durchsichtigen Haut verborgen. An den Seiten des Körpers fin- den sich mehr in der Mitte und nach hinten hin zwei Paar hori- zontaler Schwimmlappen, und das Schwanzende selbst ist von einem Schwimmlappen umgeben, welcher etwa die Gestalt des Fe- derbartes an einem Pfeile hat. Der Mund ist mit jeitlichen Ha- kenkiefern bewaffnet und auf dem Kopfe sieht man in dem Nacken zwei wenig entwickelte Augen und Fühler, während der After in der Mittellinie der Bauchfläche, und die Ausführungsgänge der zwitterartigen Geschlechtstheile paarweise auf der Rückenseite sich öffnen. Die Schnelligkeit der Be- wegungen dieser Thiere ist be- deutend. Sagitta. Unterklasse der Bauchfüszer. ( Gasteropoda. ) Die dritte, bei weitem größte Unterklasse der Schnecken wird von den Bauchfüßern ( Gasteropoda ) gebildet. Sie unterscheiden sich von den beiden vorhergehenden Unterklassen durch Form und Wesen ihres Bewegungsorganes, welches nur zum Kriechen eingerichtet ist und eine meist breite und platte Muskelscheibe darstellt, auf welcher das Thier ruht und vorwärtsgleitet. Von den Bauchfüßlern gilt wesentlich Dasjenige, was wir von den Schnecken überhaupt sagten. Wir theilen sie, nach der Bildung ihrer Athemorgane, in zwei Ordnungen, die Kiemenschnecken ( Branchiata ) und die Lungenschnecken ( Pul- monata ) , welche wieder durch andere Organisationsverhältnisse in kleinere Unterabtheilungen zerfallen. Die große Ordnung der Kiemenschnecken ( Branchiata ) , welche hauptsächlich das Meer bewohnen, zeichnet sich außer der Struk- tur ihrer Athemorgane, auch noch ganz besonders durch die Entwick- lung ihrer Jungen aus. Alle, ohne Ausnahme, durchlaufen nämlich einen Larvenzustand, während dessen sie durch bewimperte Kopflappen zum Schwimmen befähigt sind. Nachdem die Furchung des Dotters vorüber ist, entwickeln sich zwei Schichten verschiedener Zellen an dem- selben, von denen die äußere, hellere den Mantel, die Haut und den Kopf, die innere, dunklere die Eingeweide bildet. Der ganze neu ge- bildete Embryo gleicht nach der Ausbildung dieser Schichten einem Kuchen, an dessen einer Hälfte sich Flimmerhaare von mehr oder Fig. 348. Fig. 349. Der Embryo einer Sternschnecke ( Doris ) im Beginne seiner Entwickelung und noch im Eie eingeschlossen. Fig. 348. Vom Rücken gesehen. Figur 349. Von der Seite. Die Schale hat sich eben gebil- det und umfaßt napfförmig nur den hinteren Theil des Embryo’s. Man sieht noch die ursprüngliche Theilung der Embryonalmassen in hellere die äu- ßere Schicht bildende Zellen und dunklere innere Massen, die sich zu Darm und Leber zu sondern beginnen. Die Gehörsteine sind gebildet; der Fuß noch sehr kurz und warzenartig vorstehend; die Wimpersegel schon mit langen Haa- ren versehen. a Die Eischale. b Die Schale des Embryo’s. c Wimpersegel. d Gehörbläschen. e Fuß. minder bedeutender Länge entwickeln. Der Embryo, dessen Flimmer- haare anfangs in beständiger Bewegung sind und eine stete Drehung um die Axe bewirken, zeigt sich nun aus zwei Regionen zusammen- gesetzt; einem hinteren kugelförmigen Theile, der bald von einer äußerst zarten Schale in Gestalt eines Napfes umschlossen wird, und aus einem vorderen Theil, auf dessen Rückenfläche die Flimmerhaare, auf der Bauchfläche hingegen ein zungenförmiger Fortsatz sich befindet, der sich allmählig zum Fuße ausbildet, während man zugleich im Inneren dunklere Zellenhaufen wahrnimmt, welche die Entwickelung des Darms und der Leber vorbereiten. Bei fortschreitender Entwickelung des jun- gen Thieres bilden sich alle so angelegten Organe nach und nach aus. Die Stelle im Nacken, wo die Flimmerhaare sich befinden, wächst zu zwei häutigen Segeln aus, die meist mit außerordentlich langen Wim- perhaaren besetzt sind, nach Willkühr ein- und ausgestülpt werden können und ein sehr wirksames Schwimmorgan für die freigewordenen Thierchen bilden. Die Schale wird mützenartig und so groß, daß das ganze Thier sich in sie zurückziehen und mit einem an der Hin- terfläche des Fußes angebrachten Deckel die Oeffnung derselben schlie- ßen kann. Von den inneren Organen sieht man zuerst die Gehör- organe mit den in ihnen befindlichen Gehörsteinen erscheinen, dann den gewundenen Darmkanal, dessen Mundöffnung sich zwischen den Wimpersegeln befindet, während der After auf der rechten Seite in der Nackengegend sich zeigt. Erst lange nach den Gehörorganen er- scheinen die Augen und zuletzt von allen inneren Organen das Herz, so daß bei fast allen diesen Schnecken die ganze embryonale Entwicke- lung ohne Dazwischenkunft eines Herzens, also eines Blutlaufes, zu Stande kommt. Indessen fehlt auch bei den Embryonen ein Umtreiben der die Leibeshöhle erfüllenden Flüssigkeit nicht. Es blähen sich nämlich abwechselnd der Fuß und die Nackengegend auf und ziehen sich wieder zusammen, so daß auf diese Weise ein unregelmäßiges Wogen der Flüssigkeit von vorn nach hinten und umgekehrt Statt findet. Die ausgebildete Larve ist ein äußerst lebhaftes, kleines Thierchen, wel- ches mit großer Schnelligkeit, mittelst seiner Wimpersegel umher- schwimmt und meistens auch in diesem Zustande die Kapseln oder Ei- schläuche durchbricht, in welchen die Eier sich befanden. Zuweilen ( Paludina ) geschieht dies Durchbrechen schon im Eileiter der Mutter, so daß die Schnecke lebendige Junge gebiert. Haben sich diese einige Zeit im freien Wasser umhergetummelt, so beginnt die Rückbildung der Schwimmorgane. Diejenigen Schnecken, welche im späteren Alter nackt sind, werfen die Schale ab, während bei den anderen sie sich nach und nach zu ihrer bleibenden Form gestaltet. Hinter den Segeln, welche allmählig einschrumpfen und endlich vollständig verloren gehen, sprossen die Fühler hervor und der Fuß entwickelt sich mehr und mehr als einziges Bewegungsorgan. Aus einem lebhaften Schwimmer ist Fig. 351. Fig. 350. Vollständig ausgebildete freischwimmende Larven derselben Sternschnecke ( Doris ). Fig. 350. Von der Seite, mit tastend ausgestreckten Wimperhaaren, zusammengezogenem Fuße und aufgeblähter Nackengegend. Fig. 351. Von vorn, schwimmend. Die Schale ist nun so groß, daß das Thier sich völlig darein zurückziehen kann. Der Fuß ist an seiner unteren Fläche mit einem dünnen Deckel versehen, womit die Schale beim Zurück- ziehen geschlossen werden kann. Der runde Magen, die Leber, der schlingenförmig gebo- gene Darm, die Mantelhaut des Körpers, die Muskeln sind deutlich geworden. b bis e haben dieselbe Bedeutung, wie in den vorigen Figuren. f Mund. g Magen. h Schlin- genförmig gebogener Darm. i After. k Leber. l Muskel, der den vorderen Theil des Thieres in die Schale zurückzieht. m Der am Fuß angebrachte Deckel. n Aufgeblähte Rückenhaut. Fig. 252. Kreislaufsorgane einer Sternschnecke ( Doris ). Die Gefäße, welche arterielles Blut führen, eine langsam kriechende Schnecke ge- worden. Die Größe und Ausbil- dung der Wimpersegel, die Gestalt und das Verhältniß der Schale bilden die wesentlichsten Unterschiede zwischen den Embryonen jener Thiere, welche im erwachsenen Alter so außer- ordentlich verschieden sind. Nach der Lage der Athemor- gane, hauptsächlich im Verhältniße zum Herzen, unterscheiden wir zwei größere Unterordnungen. Bei den Rückenkiemern ( Opistho- branchia ) strömt das Blut von den auf dem Rücken gelegenen Kie men her gegen das Herz zu und die Vorkammer befindet sich in Folge Vogt. Zoologische Briefe. I. 22 sind durch einfache Linien angegeben, die Venen sind schattirt. a Die Herzkammer. b Die große Körperarterie, welche aus der Herzkammer entspringt und das Blut zu den Organen des Körpers bringt. c Die hinter der Kammer gelegene Vorkammer des Herzens, welche das von den Kie- men herkommende Blut durch die kreis- förmige Kiemenvene d erhält und es dem Herzen zusendet. f Die Hauptkörpervene, welche das Blut aus den Organen sam- melt und es den Kiemen zuführt. t Die Fühler der Schnecke. dieser Lagerung hinter der eigent- lichen Herzkammer. Die Kiemen bilden Büschel oder einzelne An- hängsel, welche mehr oder minder unbedeckt auf dem Rücken oder an den Seiten liegen; fast niemals fin- det sich ein eigentlicher Mantelum- schlag in Gestalt einer Kapuze, welche eine Kiemenhöhle in der Nackenge- gend bildet. Alle zu dieser Abthei- lung gehörigen Schnecken sind Zwitter und die meisten von ihnen haben nur eine sehr dürftig entwickelte Schale, oder sind im erwach- senen Alter vollkommen nackt. Die Familie der Blasenschnecken ( Bullida ) besteht aus Gattun- Fig. 353. Das Thier der Bulla hydatis aus der Schale genommen. p Die vorderen seitlichen Flügel- fortsätze des Fußes. v Die von den verwachsenen Fühlern gebildete Platte. c Leib, von der Schale bedeckt. p‘ Hinterer Theil des Fußes. a After. gen, welche sich den Flügelflossern noch am meisten nähern. Die blattartigen Fühler sind entweder nur sehr unvoll- ständig entwickelt und auf dem Rücken zu einer Hautplatte verwachsen, oder sie fehlen auch gänzlich und der Kopf zeigt sich nur als ein vorderer Knopf, in welchem die breite, mit Querplatten be- setzte Zunge eingerollt liegt. Zuweilen verschwinden die mittleren Platten, so daß die Zunge dieser Thiere nur mit hakenförmigen Seitenplatten besetzt ist. Viele sind ganz nackt, andere haben eine dünne, bauchige, mit geringer Spiralwindung versehene Schale, welche sehr dünn und zerbrechlich ist, und theilweise oder ganz in den Mantel eingelassen erscheint. Bei den meisten ist der Fuß nach den Seiten hin blattartig ausgedehnt, zuweilen so bedeutend, daß er zwei förmliche Schwimmlappen bildet, welche dem Thiere auch wirklich zu dieser Art von Ortsbewegung die- nen. Die Kiemen liegen an der hinteren Seite des Thieres rechts nach dem Rücken zu unter einer Mantelfalte verborgen und bestehen meist nur aus einer einzigen Feder. Die Thiere sind Zwitter; After und weibliche Geschlechtsöffnung finden sich nebeneinander auf der rechten Seite hinter der Kieme und letztere steht durch eine Rinne mit der Oeffnung für die Ruthe in Verbindung, welche ganz vorn am Kopfe hinter dem rechten Fühler hervortritt. Die Schnecken dieser Familie wohnen hauptsächlich in wärmeren Meeren, vom Mittelmeere an süd- lich und ihre Schalen finden sich sowohl in den jurassischen Schichten, als in den Tertiärgebilden. Bulla, Bullaea, Doridium, Gasteropteron. Fig. 354. Gewöhnlicher See- hase ( Aplysia depilans ). Fig. 355. Umriß des Seehasen von oben mit zurückgeschlage- nem Mantel. tt Vordere und hintere Fühler. y Augen. m Der zurückgeschlagene Mantel. b Kiemen. Die Familie der Seehasen ( Aplysida ), der vorigen sehr ähnlich, wird von großen, oft fuß- langen, fast gänzlich nackten Schnecken gebildet, die in der Gestalt viele Aehnlichkeit mit un- seren nackten Landschnecken haben. Der Körper ist nach hinten breiter, nach vorn halsartig verschmälert, und der Kopf mit zwei Paar Fühlern versehen, von welchen die vorderen breit und blattartig, die hinteren rund und spitz sind. Vor diesen liegen die beiden Augen. Der Fuß ist ziemlich schmal, der Mantel dage- gen breit und seine freien Ränder werden meist nach oben zurückgeschlagen, so daß sie den Rücken größtentheils decken. Die Kiemen befinden sich hinten und rechts unter einer zweiten Man- telfalte, in welcher eine dünne hornartige Schale verborgen ist. After und Geschlechtsöffnung ver- halten sich wie bei der vorigen Familie. Der Mund ist mit einer breiten, mit vielen gezäh- nelten Querplatten besetzten Zunge bewaffnet. Die Thiere sondern, wie es scheint zu ihrer Vertheidigung, aus den seitlichen Lappen des Mantels eine dunkelröthliche Flüssigkeit ab, die das Wasser färbt und für giftig gehalten wird. Sie kriechen hauptsächlich unter den Tangen an der Küste umher und finden sich manchmal so zahlreich, daß man bei starker Ebbe den Strand ganz damit besäet findet. Aplysia, Lophocercus, Lobiger, Dolabella. Die Fadenschnecken ( Eolida ) bilden eine höchst merkwürdige Familie nackter Seeschnecken, welche besonders in den neueren Zeiten viel- fach untersucht worden ist. Der längliche Kör- per gleicht fast dem einer gewöhnlichen Weg- schnecke und trägt meistens auch vier Fühler, die oft blattartig eingerollt sind. Auf dem Rücken finden sich gewöhnlich eigenthümliche cylindrische Anhänge, oft in großer Anzahl, in welche sich 22* Fig. 356. Eolidia. die verzweigten Lebergänge hinein erstrecken. Meist sind diese Anhänge an der Spitze mit einem Drüsen- kopfe versehen, aus welchem Nesselorgane hervorgepreßt werden können, und in den Röhren, welche mit Leber- Fig. 357. Glaucus. körnern belegt, sich in diese Anhänge erstrecken, sieht man häufig Nahrungsstoffe cirkuli- ren. Der After liegt bald mehr nach vorn, bald mehr nach hinten meist auf der rechten Seite des Thieres, vor ihm auf der rechten Seite die Ge- schlechtsöffnung und in der Nähe des rechten Fühlers die Oeffnung für die Ruthe. Die Fadenanhänge des Rückens spielen offenbar auch die Rolle von Kiemen, da zwischen ihrer glashellen Haut und dem darin enthaltenen Lebergange ein bedeutender Raum ist, worin das Blut cirkulirt. Bei einigen Gattungen sind diese Anhänge zu beiden Seiten auf Fortsätze gestellt und dienen zugleich als Ruder- lappen zum Schwimmen auf dem hohen Meere, bei anderen sind sie sämmtlich in zwei breite Lappen verwachsen, welche meist auf dem Rücken zusammengeschlagen getragen werden ( Actaeon ). Die kleinen Thiere, deren Anatomie und Entwicklungsgeschichte man jetzt ziemlich genau kennt, kriechen vorzüglich am Seetang umher. Es finden sich unter ihnen Gattungen, welche durch die Stellung des Afters hinten auf dem Rücken den Uebergang zu der folgenden Familie bil- den. Eolidia, Janus, Glaucus, Actaeon, Tergipes. Die Sternschnecken ( Dorida ) sind ebenfalls meist kleine Thiere Fig. 358. Fig. 359. Doris tuberculata. Fig. 358 von oben, Fig. 359 von unten. a Der von lebhafter Färbung mit vier Fühlern, wo- von zwei auf dem Nack- en, zwei andere vorn am Kopfe stehen. Der After befindet sich an dem hinteren Theile des Rückens in der Mittel- linie und ist von einem Sterne baumartig ver- ästelter Kiemen umge- ben. Die Geschlechtsöff- Mund. c Der After. d Die Kiemen. e Eine daneben gelegene Drüsenöffnung. f Lippenfühler. t Nackenfüh- ler. g Fuß. nungen liegen auf der rechten Seite unter dem Mantelrande. Doris, Eu- plocamus, Idalia. Die Segelschnecken ( Tritonida ) unterscheiden sich von den Vo- rigen nur dadurch, daß die Kiemen in zwei Reihen an den Seiten des Rückens angebracht sind und der After auf der rechten Seite hin- ter den Geschlechtsöffnungen liegt. Bei einer Gattung ist der Kopf von einem breiten gefranzten Segel umgeben, welches offenbar ein Ueberrest der bei den Larven vorhandenen Wimpersegel ist. Tritonia, Scyllaea, Thetis. Fig. 360. Diphyllidia ocellata von der Seite. a Der Mund. b Die Geschlechts- öffnung. c Die Afteröffnung. d Die Kiemen. t Die Fühler. Die Blättchenschnecken ( Phylli- dida ) enthalten eine geringe Anzahl nackter Schnecken mit breiter Sohle und kurzem dickem Kopfe, bei welchen die blattartigen Kiemen zu beiden Sei- ten des Körpers in einem Falze zwi- schen dem Mantel und dem Fuße lie- gen. Die Geschlechtsöffnung befindet sich stets rechts, der After bald auf dem Rücken, bald auf der rechten Seite hinter der Geschlechtsöffnung. Die Gattungen leben hauptsächlich in südlichen Meeren. Phyllidia, Di- phyllidia. Fig. 361. Pleurobranchus Peroni. Die Buchstabeu haben dieselbe Be- deutung wie bei Diphyllidia. Die Seitenkiemer ( Pleurobran- chida ) sind äußerst zierliche, oft halb durchsichtige breite Schnecken von schild- förmiger Gestalt, welche auf der rech- ten Seite unter dem Mantel in einem Falze eine federartige Kieme tragen, die oft noch von einer dünnen, im Mantel verborgenen oder freiliegenden Schale gedeckt wird. In dem Seiten- falze liegt vor der Kieme der After und vor diesem die Geschlechtsöffnung. Der Mund ist zu einem Rüssel verlängert und mit einer breiten viel- plattigen Zunge bewaffnet. Die Gattungen sind im Mittelmeere und an den Küsten des Oceans nicht selten. Pleurobranchus, Pleurobran- chaea, Umbrella. Der vorigen Familie entsprechen in den süßen Gewässern unserer Gegend die Flußnäpfe ( Ancylida ), kleine Schneckchen mit dünner, mützenförmiger Schale, bei welchen die einfach blattartige Kieme auf der linken Seite unter dem Mantel angebracht ist. Die Geschlechtsöff- nung befindet sich mit dem After rechts auf der entgegengesetzten Seite des Thieres. Ancylus. Die zweite große Abtheilung der Kiemenschnecken, welche wir die Halskiemer (Prosobranchia) nennen, ist bei weitem zahlrei- cher, als die vorhergehende und besitzt mehrere Charaktere, durch welche sie sich leicht unterscheiden läßt. Alle diese Thiere haben im erwachse- nen Zustande eine meist gerollte Schale, in welche sie sich vollständig zurückziehen können. Der Mantel bildet an der vorderen Hälfte des Körpers im Nacken einen weiten Umschlag, unter dessen Wulst der Kopf zurückgezogen werden kann. In dieser Kammer des Mantels liegen die kammförmigen Kiemen, so wie die Geschlechts- und After- öffnung. Das Blut, welches aus den Athemorganen kömmt, strömt nach hinten zu gegen das Herz hin, dessen Vorkammer nach vorn liegt. Alle Individuen sind getrennten Geschlechtes und die Ruthe liegt bei den Männchen meist auf der rechten Seite, zurückgeschlagen in einer Falte des Mantels. Die meisten Familien dieser überaus zahlreichen Ordnung leben in dem Meere und sind durch dicke und feste Schalen ausgezeichnet. Die Familie der Schüsselschnecken ( Patellida ) bildet gewisser- Fig. 362. Eine Schüsselschnecke (Patella) von unten. t Der Kopf mit den am Grunde der Fühler angebrachten Augen und dem rüs- selförmigen Munde. c Der gezackte Scha- lenrand. m Die Mantelfalte. b Die Kie- men, welche den ganzen Körper umgeben. p Der kreisförmige Fuß. maßen den Uebergang von der vorigen Ordnung zu dieser. Die schüsselförmige Schale hat die Gestalt eines flachen Ke- gels, von dessen Spitze meist strahlig Leisten nach unten herablaufen. Die innere Höh- lung dieses Kegels ist glatt, ohne vorspringende Leisten und Falten. Das Thier füllt diese Höhlung fast ganz aus und saugt sich mit dem breiten, kreisförmigen Fuße so fest an, daß die Schale wie ein Schröpf- kopf auf dem Felsen aufsitzt. Der Kopf ist rüsselförmig vor- gezogen, mit zwei langen dün- nen Fühlern besetzt, an deren Grund die Augen stehen. Die stachelige Zunge ist meist länger, als der Körper und liegt oft mehr- fach gewunden in der Leibeshöhle. Die blattartigen Kiemen finden sich im Kreise um den Körper in der rinnenartigen Vertiefung zwischen dem Fußrande und dem Mantel. Sie sind häufig in allen Meeren und dienen besonders der ärmeren Klasse der Bevölkerung zur Nah- rung. Die Thiere sitzen äußerst fest an den Felsen und manche Arten höhlen sich sogar ihren Sitzplatz aus, zu welchem Zwecke Fuß und Mantelrand ebenso, wie bei den bohrenden Muscheln, mit Kieselkry- stallen besetzt sind. Bei einer in Peru vorkommenden Gattung findet sich außer den seitlichen Kiemen in einer Mantelfalte des Nackens, noch eine Blätterkieme ganz in der Weise, wie sie bei den übrigen Halskiemern vorkommt. Acmaea, Patella. Die Familie der Zahnschnecken ( Dentalida ) besteht aus einer Fig. 363. Fig. 364. Fig. 365. Dentalium entalis. Fig. 363. Die Schale ist oben etwas zerbrochen, um das vordere Ende des ganz zusammengezogenen Thieres zu zeigen. Man sieht nur das hakenförmige Ende des Fußes, welches aus der zusammengezogenen Oeffnung des Mantels hervorsteht. Fig. 364. Das Thier aus der Schale genommen, von der Bauchseite. Aus der Krausenöffnung des Mantels schaut der hakenförmige Fuß hervor; in der Mitte schimmert durch den Mantel die fingerförmig verzweigte Leber, weiter hinten der Darm und der Eierstock durch. Der After liegt am hinteren Ende des Thieres in einer blasenartigen Erwei- terung. Fig. 365. Der Mantel ist durch einen Längsschnitt dem Rücken nach geöffnet und auf die Seite geschlagen, so daß man den auf dem Fuße aufliegenden Kopf und die fa- denartigen Kiemen sieht. a Der Fuß; b der sackförmige Mantel; c die Leber; d der After; f die Kiemen; e der Kopf. höchst sonderbaren Gattung, deren we- nig gebogene, spitz zulaufende, an bei- den Enden offene Schale etwa die Gestalt eines Stoß- zahnes vom Ele- phanten nachahmt. Ehe man das Thier kannte, reihte man diese Schalen unter die Röhrenwürmer; und in der That ist das Thier so ab- weichend gebaut, daß man seinen Platz nur unsicher bestim- men kann, und in ihm einen Uebergang von den Röhren- muscheln zu den Schnecken erkennen muß. Der Körper ist lang, wurmför- mig, von einem dün- nen Mantel einge- hüllt, der über dem Kopfe einen glockenförmigen Umschlag bildet, sonst aber das ganze Thier so einhüllt, daß nur die hakenförmige Spitze des Fußes aus der vorderen Oeffnung hervorschaut. Der Kopf selbst ist sehr klein, mit Lippenfäden besetzt und liegt gleichsam nur als An- fang auf dem cylindrischen, langen, fleischigen Fuße, der weit nach vorn über den Kopf hervorragt und, da das Thier verkehrt im Sande steckt, zum Aufwühlen dieses Sandes dient. Hinter dem Kopfe liegen in einer geräumigen Höhle des Mautels zu beiden Seiten die fingerförmig verästelten Kiemen, während der After sich an dem hin- teren Theile des Körpers in einem Schlitze öffnet. Sie finden sich in allen Meeren verbreitet und kommen schon in den Uebergangsschichten vor, von wo aus sie sich etwa in gleichem Verhältnisse bis auf unsere jetzige Schöpfung fortsetzen. Dentalium. Fig. 366. Das Thier des Vermetus gigas aus der Schale genommen. Die Wurmschnecken (Ver- metida) sind in der Gestalt des Körpers einigermaßen den vor- hergehenden ähnlich. Der Fuß ist ebenfalls keilförmig, rund, aber bei weitem kleiner und an seinem gerade abgeschnittenen Vorderende mit einem hornigen Deckel verse- hen, welcher beim Zurückziehen das Fig. 367. Die Schale des Vermetus. Gehäuse schließt. Dieses bildet eine lange, meist nach unten spitz zulau- fende Röhre, die gewöhn- lich wie ein Schrauben- zieher gewunden und wie eine Wurmröhre an Steinen und Korallen fest geklebt ist. Das Thier, welches diese Schale nicht verlassen kann, hat einen kleinen Kopf mit längeren Lippenfühlern und kleinen, platten, dreieckigen Nackenfühlern, an deren äußerem Grunde die Augen stehen. Der Mantel bildet um den Nacken einen sehr langen Umschlag und eine tiefe Höhle, in welcher linkerseits die kammförmige Kieme, rechts der After und die Geschlechtsöffnung liegen. Der Mund ist mit zwei seitlichen schwachen Kiefern und einer breiten Zunge bewaffnet, auf welcher sieben Längsreihen von gezähnelten Hornleisten stehen. Einige Gattungen, die zu dieser Familie gehören, bilden in der Jugend eine regelmäßige Spiralschale, welche erst im Alter unregelmäßiger wird. Vermetus; Siliquaria; Magilus. Fig. 368. Calyp- traea von oben. Man sieht von dem Thiere nur den Kopf mit den Fühlern. Die Mützenschnecken (Capulida) gleichen in der Form ihrer Schale wesentlich den Schüsselschnecken, doch mit dem Unterschiede, daß der Gipfel dieser Schale meist excentrisch nach hinten steht, Spuren einer beginnenden Windung zeigt und innen eine gebogene Kalkplatte be- sitzt, welche zuweilen die Oeffnung der kegelförmigen Schale mehr oder minder verschließt. Die Thiere selbst sind einigermaßen denen der Schüsselschnecken ähnlich, aber wesentlich dadurch verschieden, daß sie die fein gefederten Kiemen in einer tiefen, auf dem Nacken angebrachten Höhle tragen und eine bandförmige, mit sieben Längsplattenreihen besetzte Zunge besitzen. Sie sitzen eben so fest an einem Orte, wie die Schüs- selschnecken und einige Gattungen zeichnen sich dadurch aus, daß sie eine Kalkplatte an dem Fuße ausschwitzen, die eine förmliche festhaf- tende Schalenhälfte bildet, so daß das Ganze etwa einer Kreismuschel (Orbicula) ähnlich sieht. Die Schale ist niemals ausgeschnitten oder durchbohrt, ein Charakter, der zu ihrer Unterscheidung von andern Familien dient. Calyptraea; Pileopsis; Capulus; Hipponyce. Die Napfschnecken ( Sigaretida ) zeichnen sich durch den ungemein großen Fuß aus, der nach beiden Seiten weithin hervorragt und durch eine tiefe Querfalte, welche von einem Lappen überragt ist, von dem kleinen oft undeutlichen Kopfe getrennt wird. Die flache, gewun- dene Schale, die eine sehr große Mündung besitzt, wird zum Theil im Mantel eingeschlossen. Die Fühler sind sehr kurz, klein und tra- gen die Augen am äußeren Rande ihrer Basis. Die Kiemenhöhle liegt oben im Nacken und öffnet sich zuweilen durch einen Ausschnitt des Mantels nach außen. Die seitlichen Kiefer sind aus mosaikarti- gen Stücken zusammengesetzt, welche in regelmäßigen Reihen stehen und gegen die eine mit sieben Längsreihen von Platten besetzte Zunge reibt. Sigaretus Natica. Fig. 369. Paludina. Die Sumpfschnecken (Paludinida) sind die einzige Familie dieser Ordnung, deren Angehörige sich in süßen Gewässern vorfinden. Das Gehäuse dieser Schnecken ist meistens sehr dünn, von fast hornartiger Beschaffen- heit und wechselt hinsichtlich der Form seiner Windun- gen von der Scheibenform bis zu thurmförmiger Erhe- bung. Der Mundsaum dieses Gehäuses ist stets vollstän- Fig. 370. Valvata. dig und kann durch einen meist hornigen, selten kalki- gen Deckel gänzlich geschlossen werden. An dem Grunde der fadenförmigen Fühler, von welchen nur zwei vorhanden sind, stehen die Augen. Die weite Kiemenhöhle öffnet sich nach außen durch einen kleinen Kanal, welcher durch Einrollung des Mantelsaumes bedingt ist. Einige Gattungen strecken die federförmigen Kiemen aus der Oeffnung her- vor, wenn sie im Wasser kriechen; andere behalten die Eier so lange in einer Erweiterung des Eileiters, bis die Larven ihre Metamor- phose durchgemacht haben, so daß sie lebendige Jungen gebären. (Paludina). Die Wimpersegel sind bei diesen Larven zwar klein, aber dennoch rudimentär entwickelt. Sie leben ziemlich häufig in sumpfigen und stehenden Gewässern. Ihnen sehr nahe stehen die Strandschnecken Fig. 371. Littorina. Fig. 372. Turritella . m Der Mantel. t Die Fühler. p Der Fuß. (Littorinida) , deren Thier sich im Alter kaum von demjenigen der Sumpfschnecken unterscheiden läßt, in der Jugend aber mit großen Schwimmlappen versehen ist. Die sehr oft lang ausgezogenen oder ganz platt gedrückten Gehäuse die- ser Strandschnecken sind wie die Scha- len aller Meerschnecken weit dicker, als die ihnen entsprechenden Landschnecken- schalen. Sie finden sich theils in den europäischen Meeren, theils in den süd- lichen Oceanen in großer Menge. Val- vata; Paludina; Melania im süßen Was- ser; Littorina; Turritella; Rissoa; So- larium im Meere. Die Nadelschnecken (Cerithida) haben ein sehr in die Länge ge- zogenes, thurmförmiges Gehäuse, dessen Lippenrand breit ausgezogen ist, während an dem schwielig verdickten Spindelrade ein kurzer Aus- schnitt zur Aufnahme einer kleinen Athemröhre sich findet. Der Rüssel des Thieres, an welchem nur rudimentäre Kiefer angebracht sind, ist ziemlich lang, die Fühler dünn und meist stehen die Augen etwa in der Mitte ihres Außenrandes zuweilen an einem seitlichen Anhange. Die Kiemen sind ziemlich groß und in doppelte Reihen gestellt. Sie kommen besonders in den Tertiärgebilden sehr häufig versteinert vor. Cerithium. Fig. 373. Strombus scorpio von oben. Fig. 374. Rostellaria. Die Flügelschnecken (Strombida) zeichnen sich auf den ersten Blick durch ihr starkes längliches Gehäuse aus, dessen Gewinde ziemlich spitz ist und nach unten an dem Spindelrande in einen kurzen gebogenen Kanal für die Athemröhre ausläuft. Der Lippenrand der Mündung zeigt vorn eine bedeutende Bucht, in welcher der Kopf liegt und ist dann flügelartig ausgebreitet, so daß die Mund- öffnung der Schale ungeheuer groß erscheint, wäh- rend sie, abgesehen von dieser flügelartigen Aus- breitung, doch nur eine schmale Spalte bildet. Das Thier, welches diese Schalen bewohnt, hat eine sehr bizarre Gestalt. Der Rüssel ist sehr groß und dick, geringelt und weit vorstreckbar; er füllt be- sonders die erwähnte Bucht des Lippenrandes aus. Die Fühler sind nur klein, die Stiele dagegen, welche die Augen tragen, ungemein groß und stark, und neben denselben ein eigenthümlicher zungen- förmiger Fortsatz des Fußes angebracht, welcher den schmalen spitzen hornigen Deckel trägt, der zur Schließung der Schale bestimmt ist. Sie kommen hauptsächlich in südlichen Oceanen vor, und finden sich in den älteren Schichten ziemlich zahlreich. Die Gattungen unterscheidet man haupt- sächlich nach der Gestalt des Lippenrandes, der bei einigen ganzrandig ist, bei anderen die sonderbarsten fingerförmigen Fortsätze trägt. Ro- stellaria; Pterocera; Strombus. Fig. 375. Oliva. Die Eischnecken ( Ovulida ) haben ein meist eiför- miges Gehäuse, dessen letzte Windung die früheren ganz verhüllt, so daß man nur höchstens an der einen Seite die Spitze des spiraligen Gewindes sieht. Die Mündung bildet einen langen schmalen Spalt, von dem bald beide Ränder, bald nur einer wulstig und gezähnelt ist. Meist findet sich ein Ausschnitt an der Spindel zur Einlage- rung der kurzen Athemröhre. Das Thier hat einen kurzen Rüssel, lange rundliche Fühler, welche in der Mitte ihres Außenrandes, meist auf einem Vorsprunge die Augen tragen. Der Fuß ist breit, blattförmig und seine beiden Hälften werden beim Zurückziehen in die enge Schalenöffnung in der Mitte zusammengeschlagen. Der Mantel besteht aus einem oder zwei sehr dünnen Blättern, welche sobald sich das Thier entwickelt und kriechen will, über die Schale herüber gezogen werden, so daß diese gänzlich von dem Mantelblatte bedeckt ist. Die Glätte der dicken und schweren Schalen, welche meist mit lebhaften Farben geziert sind, wird durch den Fig. 376. Porzellanschnecke (Cypraea) kriechend mit vorgestreckten Fühlern, an deren Seiten die Augen stehen. Der mit Fortsätzen bespickte Mantel ist halb über die Schale ge- zogen. Absatz neuer Kalkschichten auf der Außenfläche der ursprüng- lichen Schale, der von diesem überziehbaren Mantelblatte ausgeht, bewirkt. Die Por- zellanschnecken, welche zu die- ser Familie gehören, sind hin- länglich bekannt als Zierrath unserer Möbel, so wie durch das dumpfe Brausen, welches sie, vor das Ohr gehalten, vernehmen lassen. Oliva; Cypraea; Ovula. Fig. 377. Conus. Die Kegelschnecken (Conida) stehen durch die Form ihrer Schale den vorigen am nächsten. Das Gehäuse ist kegelförmig, das regelmäßig gerollte Ge- winde an dem dickeren Ende des Kegels sichtbar; die Oeffnung spaltförmig, nach unten hin etwas erwei- tert und meist an der Spindel etwas ausgeschnitten für den Durchtritt der langen Athemröhre; der Lip- penwand der Schale ist gerade, dünn und scharf und so wie der Spindelrand ohne alle Zähne oder Fal- tungen. Das Thier hat einen breiten Fuß, einen stumpfen Rüssel, der mit zwei Reihen langer, hohler, zuweilen wider- hakiger Zähne bewaffnet ist und womit es empfindlich stechen kann. Einige Kegelschnecken stehen der Wunden wegen, welche sie mit diesem Rüssel versetzen, sogar im Verdachte der Giftigkeit. Sie kommen haupt- sächlich in südlichen Meeren vor, und bildeten früher bei Sammlern einen ähnlichen Gegenstand der Liebhaberei wie die Tulpen, so daß für eine einzige seltene und schön gefärbte Schale zuweilen selbst Tau- sende von Gulden bezahlt wurden. Conus. Bei allen Familien der Kiemenschnecken, welche wir von jetzt an folgen lassen, besitzt das Thier einen langen vorstreckbaren Rüssel, der mit kleinen seitlichen Kiefern und einer schmalen Zunge bewaffnet ist, auf der höchstens drei Längsreihen von Platten stehen, deren Mittel- platte breit und mit scharfen Zähnen bewaffnet ist. Sie bohren mittelst dieses Rüssels meist andere Schalthiere an, die sie aussaugen, und einige Gattungen sind sogar gefürchtet wegen der giftigen Wunden, die sie damit versetzen sollen. Außerdem haben diese Thiere stets eine Athemröhre und meist nur zwei runde Fühler, an deren Außenrande bald näher an der Basis, bald gegen die Mitte zu die Augen stehen. Wir unterscheiden folgende Familien: Fig. 378. Voluta. Fig. 379. Voluta kriechend, mit vorgestrecktem Rüssel, ent- wickelten Fühlern und im Nacken vorste- hender Athemröhre. Die Faltenschnecken ( Volutida ) haben ein schweres, meist thurmför- miges oder eiförmiges Gehäuse mit plattem Lippenrande und wulstigem Spindelrande, an dem einige stark vorspringende schräge Falten sich befinden; der Fuß ist meist sehr breit ohne eine Spur eines Deckels, der Kopf klein, die Fühler klein und meist platt, der Rüssel oft unge- heuer lang und der Saft der Pur- purdrüse ätzend, stickend und wie behauptet wird, selbst giftig. Die Arten dieser Familie kommen haupt- sächlich nur in den südlichen Oceanen vor. Voluta; Mitra; Cymbium; Mar- ginella. Fig 380. Pleurotoma babylonia mit dem Thiere. a Die Schale. b Der Kanal, in dem man die Athem- Die Thurmschnecken ( Pleurotomida ) haben ein sehr langes thurmförmiges Gewinde und einen außerordentlich langen geraden Kanal am unteren Ende zur Bergung der Athemröhre, so daß die ganze Schale die Gestalt einer lang gestreckten Spindel hat, deren größte Dicke im Niveau der letzten Mündung liegt. Die Mund- öffnung der Schale ist eiförmig, der Außenrand glatt und scharf und nahe an der vorletzten Windung mit einem Einschnitte versehen, in dem eine Falte des Mantels liegt. Die Thiere haben einen breiten walzenförmigen Fuß, rund- liche, kurze Fühler, an deren Basis die Augen stehen, und eine außerordentlich dicke und lange Ruthe, welche sie seitlich hervorhängen lassen. Sie unterscheiden sich von den Thieren der nachfolgenden Familie hauptsächlich dadurch, röhre eingebettet sieht. c Der seitliche Einschnitt der Schale, in den ein Falz des Mantel- randes d paßt. e Fühler. f Der Fuß. g Der an sei- nem Ende befestigte Deckel. h Die Ruthe. daß die Zunge, womit ihr Rüssel bewaffnet ist, keine breiten Platten, sondern eben so spitze Zähne trägt, wie diejenige der Kegelschnecken. Sie le- ben hauptsächlich nur in heißen Meeren, einige Arten indeß hoch in der Nordsee. Pleurotoma. Die Familie der Spindelschnecken (Fusida ) unterscheidet sich von der vorigen durch ein kürzeres Gewinde, an dem ein sehr langer Kanal sitzt, so daß die Schalen zuweilen die Gestalt einer Birne zei- gen. Der Außenrand ist stets scharf ohne Ausschnitte, niemals ge- wulstet; der Spindelrand entweder glatt oder mit niedrigen Falten versehen. Der sehr lange Rüssel des Thieres ist wie bei den folgen- den Familien, und zum Unterschiede von der vorhergehenden, mit ge- zähnten Querplatten besetzt. Die Thiere finden sich hauptsächlich nur in südlichen Meeren. Fusus; Pyrula; Columbella; Fasciolaria. Fig. 381. Murex. Ziemlich verschieden in der Bildung der Schale, aber sehr ähnlich hinsichtlich der Thiere, sind der Familie der Spindel- schnecken die Felsenschnecken ( Muricida ). Der Außenrand der Schale ist wulstig und umgeschlagen, zuweilen zackig ge- faltet oder selbst stellenweise in Dornen ausgezogen. Die Schale bekömmt dadurch auf ihrer Außenseite Reihen von Knoten, Stacheln oder Zacken, welche den Gehäu- sen oft ein sonderbares Aussehen geben. Die elliptisch gebildeten Deckel, welche die Thiere am Fuße tragen, wurden in In- dien als Räucherwerk benutzt. Die Thiere, welche sich von denen der vorhergehenden Familie nicht unterscheiden, und häufig gegessen werden, leben in allen Meeren. Murex; Ranella; Tritonium. Fig. 382. Cassis kriechend. Die Helmschnecken ( Cassida ) haben ein kurzes eiförmiges Gehäuse von be- deutender Dicke, dessen letzte Windung die früheren ziemlich einschließt. Der Außen- rand ist dick, wulstig, meist etwas gefaltet, der Spindelrand umgeschlagen, zuweilen mit undeutlichen Falten versehen. Der Athemkanal nach außen und rückwärts gebogen; das Thier im Uebrigen demjenigen der Felsenschnecke ähnlich. Die Mündung der größeren Arten mit dicker Schale, welche innen lebhaft roth gefärbt sind, wird von Steinschneidern zu Cameen benützt. Cassis. Fig. 383. Buccinum undatum. Fig. 384. Buccinum prisma- ticum. Fig. 385. Harpa, kriechend mit ausgestreckten Athemröhre. Die Tritonshörner ( Buccinida ) unterscheiden sich von den vor- hergehenden Familien wesentlich dadurch, daß ihre Schale keinen Ka- nal, sondern nur einen Ausschnitt an der Spindel zum Durchtritte der Athemröhre zeigt. Der Spindelrand ist stets glatt, meistens umge- schlagen; der Außenrand scharf, die Mündung der Schale weit, das Thier mit einem breiten Fuße versehen. Sie kommen in allen Mee- ren und in zahlreichen Gattungen vor. Buccinum; Nassa; Purpura; Harpa; Dolium. Bei den nachfolgenden Familien stehen auf der Zunge mehr als sieben Längsreihen von Platten und außerdem schmale, fächerartig über einander gelegte Blättchen. Die Kiemen bestehen aus freien Fä- den, die nur an ihrem Grunde angewachsen sind, sonst aber frei flot- tiren. Wir zählen hier folgende Familien: Fig. 386 Nerita sanguinea. Die Mondschnecken ( Neritida ) mit kurzem, meist ungenabeltem Gehäuse, das in seinen Formen sich einigermaßen den Mützenschnecken nähert. Der Spindelrand ist umgeschlagen und seine nach außen gewandte Seite so verdickt, daß sie wie eine hori- zontale Platte in die Mündung hineinragt, deren Außenrand sehr verdickt und meist gezähnelt ist. Der Deckel der schweren Schale ist kalkig, seitlich ausgezogen; das Thier hat einen breiten Fuß, sehr lange cylindrische Fühler, an deren Basis die Augen auf besonderen Stielen stehen. Eine Gattung kömmt in unseren süßen Gewässern vor. Nerita; Neritina; Navicella. Fig 387. Trochus. Die Kreiselschnecken ( Trochida ) ha- ben ein dickes kegelförmiges Gehäuse, mit meist sehr deutlichem Nabel und fast rund- licher Mundöffnung, deren Saum nur selten ganz, meist unterbrochen ist. Die Fühlfäden sind sehr lang, die Augen meist gestielt, der kurze Rüssel mit einer sehr kurzen Zunge bewaffnet. Die Gattungen sind äußerst mannichfaltig und in allen Meeren häufig. Delphinula; Trochus; Turbo; Scalaria; Phasianella. Fig. 388. Delphinula. Fig. 389. Turbo roseus. Fig. 390. Trochus magus. Fig. 391. Scalaria. Fig. 392. Haliotis kriechend. Fig. 393. Fissurella kriechend. o Die obere Oeffnung der Schale für den After und die Kiemenhöhle. m Der Mantel. p Der Fuß. Die Familie der Seeohren ( Haliotida ) begreift eine Menge verschiedener Gattungen, von wel- chen viele in ihrer Gestalt den Napfschnecken sehr nahe kommen, andere flach und ohrförmig ge- wunden erscheinen. Die Schalen haben entweder am äußeren Rande einen Ausschnitt oder längs des Randes eine Reihe von Löchern oder selbst auf dem Gipfel der Schale ein Loch, durch welche Oeffnungen das Wasser eindrin- gen und an die Kiemen treten kann. Die Kiemenhöhle, welche zwei federartige Kiemen enthält, liegt auf dem Rücken, zuweilen nach der linken Seite hin. Die Fühler sind meist lang, der Mantel in seinem Umkreise gefranzt. Bei einigen Gattungen geht der Mast- darm in ähnlicher Weise, wie bei den Muschelthieren durch das Herz hin- durch. Die Thiere sitzen wie die Schüsselschnecken fest an den Felsen an, und verlassen nur selten ihre Stelle. Haliotis. Fissurella; Emarginula. Fig. 394. Janthina communis auf dem Meere schwimmend. a Der Rüssel mit dem Maule am Ende. t Die Fühler, deren vier sind. b Die Kiemen, die aus der Schale c hervorgestreckt sind. p Der Fuß. f Die Schwimmblase, an deren unteren Fläche die Eikapseln o hängen. Die Familie der Quallenboote ( Janthinida ) hat eine durchsich- tige, fast hornige Schale, die derjenigen einer gewöhnlichen Baumschnecke sehr ähnlich ist. Das Thier besitzt einen langen Rüssel, dünne kurze Fühlfäden und federartige Kiemen, welche es meist aus der Schale hervorstreckt, und zeichnet sich aus durch einen höchst eigenthümlichen Schwimmapparat, welcher eigentlich nur eine Modification des Deckels ist. Der Fuß nämlich bildet nur einen kurzen Stummel, an dem mit- telst eines Stieles eine spindelförmige, lange Blase hängt, die aus dünner Hornsubstanz besteht und etwa einer Schaumblase gleicht. An die Unterfläche dieser Schwimmblase kleben die Thiere ihre birnför- migen Eikapseln. Sie erscheinen in zahlreichen Schwärmen schwimmend auf der Oberfläche des Meeres. Im Mittelmeere sind sie nicht selten. Santhina. Die Ordnung der Lungenschnecken (Pulmonata), welche einen höheren Typus in der gesammten Ausbildung darstellt, unter- scheidet sich wesentlich von allen vorhergehenden eben durch diese Lun- genhöhle, welche das Thier fähig macht, unmittelbar Luft zu athmen. Viele Schnecken dieser Ordnung leben zwar stets im Wasser und gehen außerhalb desselben zu Grunde, sie sind aber in ähnlicher Weise, wie die Wallfische und andere im Wasser lebende Säugethiere gezwungen, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche zu kommen, um wieder Luft einzu- athmen. Die Lungenhöhle liegt meist in dem Nacken des Thieres in einer ähnlichen Kammer, wie die Kiemen und öffnet sich gewöhnlich gemeinschaftlich mit dem After und den Geschlechtswerkzeugen auf der rechten Seite. Die meisten Lungenschnecken sind Zwitter, indessen giebt es auch viele, welche getrennten Geschlechtes sind. Fast alle haben eine Schale, die indeß bei manchen nur als ein dünnes Plättchen vor- Vogt. Zoologische Briefe. I. 23 handen ist, welches in dem Mantel selbst verborgen liegt, während die meisten sich vollständig in die Schale zurückziehen und einige selbst dieselbe mit einem Deckel verschließen können. Mit diesem Unterschiede, sowie mit dem Baue der Geschlechtstheile hängen auch wesentliche Verschiedenheiten in dem Baue der Mundtheile zusammen, die wir bei den einzelnen Unterordnungen betrachten werden. Die Entwickelung der Lungenschnecken im Eie weicht in manchen Punkten sehr von derjenigen der Kiemenschnecken ab. Die Wimpern, welche bei diesen hauptsächlich nur an der Stelle der Kopfsegel erschei- nen und dort eine so außerordentliche Länge erhalten, breiten sich hier im Anfange über den ganzen Embryo aus, und wenn sie gleich in der Stirngegend sich am kräftigsten entwickeln und so gewissermaßen einen Ersatz für die Segel bilden, so werden sie doch niemals bedeu- tend genug, um jene Bildung von Schwimmsegeln, wie sie bei den Kiemenschnecken vorkömmt, veranschaulichen zu können. Im Uebrigen hat die Bildung der innern Theile viel Aehnlichkeit mit derjenigen der Kiemenschnecken, indem auch hier der Dotter sich gewissermaßen in zwei Theile theilt, von welchen der vordere den Kopf, die Sinnesor- gane und den Fuß, der hintere die übrigen Eingeweide in sich ent- wickelt. Die Schale bildet sich sehr bald, ist Anfangs napfförmig, bekömmt aber dann allmählig die Windungen, welche ihr eigenthüm- lich sind. Eine besondere Larvenperiode machen demnach unsere Lun- genschnecken nicht durch; sie verlassen das Ei in einer Gestalt, welche vollkommen derjenigen des Mutterthieres entspricht. Fig 395. Der Embryo einer Wegschnecke (Limax) . in dem Stadium, wo sich das Herz bildet, von der Seite gesehen. a Die großen Fühler mit dem Auge, die noch eine Warzenform ha- ben. b Der Mund mit den Lippenfühlern. c Der untere Gehirnknoten, über dem das Ohr- bläschen liegt und der nach vorn mit dem oberen Gehirnknoten in Verbindung steht. d Die Nackenblase, aus Zellen zusammenge- Eine auffallende Ausnahme von allen übrigen Weichthieren machen unsere nackten Wegschnecken. Auch hier bilden sich anfangs die beiden gegenüberstehenden Theile des Körpers aus, allein zwischen beiden bleibt ein mit großen Zellen besetzter Raum des Dotters übrig, welcher bei fort- schreitender Entwickelung zu einer hellen Blase wird, die im Nacken liegt und sich durch ihre lebhaf- ten Zusammenziehungen auszeich- net. An dem Hinterende des setzt. e Das obere Mantelschild, in welchem man das Rudiment der Schale und darunter das Herz f sieht. g Der Darm. k Die End- blase des Fußes i. Leibes bildet sich zu gleicher Zeit eine andere, sehr durchsichtige Blase aus, welche ebenfalls lebhafte Zu- sammenziehungen macht und mit der vorderen Nackenblase in Wechsel- wirkung steht. Diese beiden Blasen pulsiren nun abwechselnd und regelmäßig, so daß beständig die Flüssigkeit der Leibeshöhle hin und her, aus einer Blase in die andere getrieben wird. Sobald das Herz entsteht, nehmen diese beiden Blasen an Wirksamkeit ab, schrumpfen ein und verschwinden endlich spurlos. Die Ausbildung dieser beiden Blasen, von denen man die im Nacken liegende fälschlich für eine Dotterblase angesehen hat, stellt offenbar eine weitere Entwickelung jener wechselnden Aufblähung des Fußes und der Nackengegend dar, welche bei den Kiemenschnecken erwähnt wurde. Wir theilen die Lungenschnecken in zwei Unterabtheilungen, die sich leicht von einander unterscheiden lassen. Die einen sind Zwitter und in ähnlicher Weise wie die Rückenathmer mit doppelten Geschlechts- organen und Begattungswerkzeugen versehen. Sie sind entweder nackt oder besitzen eine Schale ohne Deckel. Der Mund ist mit einem hor- nigen Oberkiefer bewaffnet, der meist starke Längsfalten zeigt; die Zunge hingegen ist nur klein, häutig und in regelmäßigen Längs- und Quer- reihen mit kleinen Zähnen besetzt. Nur eine Familie, welche sich durch den gleichzeitigen Besitz von Lungen und Kiemen auszeichnet, lebt im Meere, alle übrigen entweder in süßem Wasser oder auf dem Lande und zwar meistens in feuchten Orten und Schlupfwinkeln, die sie nur bei Nacht oder bei nassem Wetter verlassen. Alle sind Pflan- zenfresser und manche von ihnen durch ihre Menge und Gefräßigkeit sehr unangenehme Gäste in unseren Gärten. Wir theilen sie in fol- gende Familien: Die Warzenschnecken (Onchidida) sind nackte rundliche, am ro- then Meere und in Ostindien vorkommende Schnecken, welche wahre Doppelathmer sind. Das Thier hat zwei kleine rundliche Fühler, an deren Spitze die Augen sitzen, und einen vollkommen nackten Körper ohne Spur einer Schale. Die warzige Rückenhaut ist mit fingerartig verästelten Kiemen bedeckt, welche entfaltet und wieder eingezogen werden können. Im hinteren Theile des Leibes befindet sich eine Lun- genhöhle, in welcher auch der After sich öffnet, während die weibliche Geschlechtsöffnung in der Nähe des Afters auf der rechten Seite, die Ruthenöffnung sich vorn am rechten Fühlerende befindet. Die Thiere leben vollkommen amphibisch am Strande des Meeres. Kriechen sie 23* auf dem Trockenen, so ziehen sie die Kiemen ein und öffnen die hin- ten gelegene Lungenhöhle, während sie im Wasser die Kiemen entfalten und die Lungenhöhle schließen. Onchidium . Die Spitzhornschnecken (Lymnaeida) haben, wie alle übrigen Fig 396. Teichhornschnecke (Lymnaeus stagnalis) . Fig 397. Physa. Fig. 398. Tellerschnecke (Planorbis) . Familien dieser Unter- ordnung, nur eine Lun- genhöhle ohne Spur von Kiemen. Ihre Gehäuse sind bald thurmförmig, bald nur in einer Ebene gewunden, meist ziemlich dünn und zerbrechlich und von horniger Beschaffen- heit. Sie haben nur zwei Fühler, die bald dreieckig breit, bald lang, spitz und dünn sind und an deren Grunde an dem inneren Rande die Au- gen sitzen. Sie leben stets im Wasser, an dessen Oberfläche sie meist her- um schwimmen und da- bei mittelst des aufge- sperrten Athemloches Luft schöpfen. Lymnaeus; Physa; Planorbis; Chilina; Amphipeplea . Fig. 399. Ohrschnecke, Auricula . Ihnen sehr nahe stehen die Ohrschnecken (Au- riculida) , welche meist in südlichen Ländern vorkom- men und nicht im Wasser, sondern an feuchten Or- ten, besonders im Moose leben. Die Thiere sind den vorigen sehr ähnlich, die Schalen aber dick, schwer, eiförmig und der umgeschlagene Spindelrand mit Falten und Vorsprüngen versehen. Meistens ist der Außenrand glatt, zuweilen aber hat er ebenfalls auf seiner innern Seite vorspringende Leisten. Au- ricula; Scarabus; Carychium . Fig. 400. Schale von Succinea amphibia . Fig. 401 Pupa . Die Schnirkelschnecken ( Helicida ) bilden eine überaus zahlreiche Familie von Landschnecken, als deren Typus unsere gewöhnlichen Weinbergschnecken oder Baumschnecken dienen können. Die Thiere die- ser Familie haben vier Fühler, von welchen die klei- neren oft ziemlich rudimentären neben am Munde, die größeren, welche an ihrer Spitze die Augen tra- gen, vorn am Kopfe stehen. Die Gehäuse, welche diese Thiere umschließen, sind sehr verschiedener Ge- stalt, bald nur dünn und durchsichtig, bald ziemlich dick und schwer und mit schönen Farben geziert. Bei der einen Gattung sind sie fast in einer Ebene ge- wunden, bei einer andern sehr lang und spitz, fast von der Gestalt eines Pfriemen. Bei manchen sind die Ränder der Oeffnung scharf geschieden, bei an- dern ist ein vollständiger Mundsaum vorhanden; hier ist die Mündung glatt, dort Lippenrand oder Spindelrand oder auch beide zugleich mit vorsprin- genden Leisten versehen. Die überaus zahlreichen Gattungen und Arten, welche in allen Zonen vorkommen, lassen sich oft nur sehr schwierig unterscheiden. Helix; Bulimus; Succinea; Pupa; Clausilia; Chondrus; Achatina; Vitrina . Die Wegschnecken ( Limacida ) sind entweder vollkommen nackt Fig. 402 Testacella . oder haben nur ein kleines unbedeutendes Schälchen, welches entweder in dem Man- tel selbst verborgen ist, oder wie ein kleines Schildchen an dem Hinterende des Körpers auf- sitzt. Der ganze Rücken oder nur der vordere Theil desselben, wo die Lungenhöhle und die Afteröffnung liegen, ist mit einem fleischigen Schilde bedeckt. Das Thier hat vier Fühler, die ganz wie diejenigen der vorhergehenden Familie gestaltet sind. Bei den mit einer äußeren Schale versehenen Gattungen liegen After und Lungenhöhle unter die- ser Schale am hinteren Ende des Körpers. Limax; Arion; Testa- cella; Vaginulus . Eine andere Gruppe der Lungenschnecken wird von einigen klei- nen Familien gebildet, welche ein meist thurmförmiges Gehäuse haben, dessen Oeffnung mit einem am Fuße angebrachten Deckel vollkommen geschlossen werden kann. Die Thiere dieser Gruppe sind getrennten Geschlechtes, der Mund liegt auf einer vorstreckbaren Schnautze, ohne daß er zu einem Rüssel ausgezogen wäre und ist mit einer Zunge bewaffnet, auf welcher sieben Längsreihen gezähnelter Platten stehen. Die Familie der Faustschnecken (Ampullarida) entspricht den Fig. 403. Das Widderhorn, (Ampullaria cornu arietis) kriechend. a Die langen Fühler, an deren Basis die Augen ste- hen. b Die zu den Athemorganen führenden Röhren. c Der Deckel. Warzenschnecken der vorigen Abtheilung. Die Schalen sind meist groß, dick, die letzte Windung sehr bauchig, die Mündung eiför- mig, die Ränder glatt. Das Thier hat vier fadenförmige Fühler, von welchen die hin- teren sehr lang sind und an ihrem Grunde auf besonderen Vor- sprüngen die Augen tragen. Sie sind Dop- pelathmer. In dem Nacken liegt eine weite Höhle, in der die kam- merartigen Kiemen befestigt sind, und von welcher aus eine Oeffnung in eine darüber liegende Lungenhöhle führt, die durch eine Klappe geschlossen werden kann. Der ganze Athemapparat öffnet sich durch eine kurze Röhre nach außen, die aus der Schale hervorgestreckt wer- den kann. Es finden sich diese oft faustgroßen Schnecken häufig in den Flüssen der heißen Zone, wo sie zuweilen monatlang im Schlamme vertrocknet leben, ja es ist vorgekommen, daß in Kisten, welche von Aegypten aus nach Städten des Festlandes Monate lang unterwegs gewesen waren, die darin eingepackten Faustschnecken sich vollkommen am Leben erhalten hatten. Ampullaria; Lanister . Fig. 404. Cyclostoma. o Der Deckel. Eine zweite Familie, die Thürschnecken (Cyclo- stomida) , wiederholt gewissermaßen in dieser Gruppe der Lungenschnecken die Familie der Schnirkelschnecken, doch mit dem Unterschiede, daß die Thiere nur zwei Fühler besitzen, an deren Grunde die Augen ange- bracht sind. Die Gehäuse dieser Schnecken, welche sowohl bei uns, als in heißen Ländern vorkommen, haben eine runde oder halbkreisförmige Mündung, die mit einem Deckel vollständig verschlossen werden kann. Sie athmen aber nur durch Lungen und sind vollständig getrennten Geschlechtes. Cyclostoma; Helicina . Als Anhang haben wir noch eine merkwürdige Gruppe zu be- trachten, welche gewissermaßen den Uebergang von den Bauchfüßern zu den Ringelwürmern und namentlich zu der Familie der Seeraupen bildet. Es sind dies die Käferschnecken (Chitonida) . Diese Thiere Fig. 405. Chiton von oben. sind von ovaler, zuweilen etwas länglicher, plattgedrückter Gestalt und zeigen auf der Un- terseite einen ovalen Fuß, zwischen welchem und dem Mantelrande, der den Fuß weit überragt, blattartige Kiemen liegen. Auf dem Rücken des Mantels sind acht kalkige Schuppenstücke einge- fügt, welche entweder dachziegelförmig überein- anderliegen oder auch so weit von einander entfernt sind, daß sie nicht einmal sich berüh- ren. Der Mantel ist sonst mit Stacheln, Haaren, Borstenbüscheln oder kleinen Schüppchen meist über und über bedeckt, eine Bekleidung, welche bei keiner anderen Schnecke vorkommt und sehr derjenigen der See- raupen ähnlich ist. Der Kopf ist klein, rundlich, ohne Augen und Fühler, von einem Hautsegel überdeckt. In den inneren Organen zeigen sich wesentliche Annäherungen zu den Gliederthieren und Ver- schiedenheiten von den übrigen Schnecken. So sind die Geschlechtsor- gane zu beiden Seiten der Mittellinie symmetrisch vertheilt und zwei seitliche Geschlechtsöffnungen vorhanden, wie sie sonst bei keiner ande- ren Schnecke vorkommen. Der After liegt genau am Ende des Kör- pers in der Mittellinie. Das Herz läuft oberflächlich am Rücken längst der Mittellinie fort und gleicht ziemlich dem Rückengefäße, wel- ches bei den meisten Gliederthieren vorkommt. Alle diese Eigenschaf- ten, sowie die quere Ringelung des Körpers, welche durch die einzelnen Deckplatten angedeutet ist, nähern das Thier in der That den Ringel- würmern sehr, und es bedürfte genauer Forschungen über die Ent- wickelungsgeschichte dieser Thiere, welche zur Zeit noch ganz fehlen, um zu entscheiden, welchen von beiden Kreisen sie angehören. Chiton; Chitonella . Die tellurische Geschichte der Schnecken zeigt etwa dieselben Ver- hältnisse, wie die der Blattkiemer. Sie haben zwar an absoluter, wie an relativer Zahl in den einzelnen Formationen zugenommen, aber ohne daß deßhalb die Familien und Gattungen wesentliche Verände- rungen erlitten hätten. In den Uebergangsgebirgen kommen wenig- stens eben so viel Arten noch lebender Gattungen vor, als solche, die untergegangenen Gattungen angehören und auffallend verschiedene Typen finden sich kaum, mit Ausnahme der Gattung Bellerophon , die aus symmetrischen, in einer Ebene aufgerollten Schalen besteht, deren letzte Windung sehr weit ist, einen halbmondförmigen, schneidenden Mund- rand hat, der in der Mitte geschlitzt ist und dessen Schlitz sich als Kiel auf der äußeren Seite der Schale fortsetzt. Man hat diese Scha- len bald in die Nähe der Blasenschnecken, meist aber zu den Flossen- füßern in die Nachbarschaft der Atlanten gestellt, mit denen sie auch in der That die meiste Aehnlichkeit haben. Die Rückenkiemer sind nur durch die Blasenschnecken (Bulla) und zwar erst von den jurassischen Schichten an repräsentirt; eine Erscheinung, die nicht auffallen kann, da sie meistens nackt find. Unter den Halskiemern erscheinen die Schüsselschnecken (Patellida) schon in dem Uebergangsgebirge, eben so wie die Zahnschnecken (Dentalium) , die Mützenschnecken (Capulida) , die Napfschnecken (Sigaretida) , die Strandschnecken (Litorina, Turritella) , die Nadelschnecken (Cerithida) , die Tritonshörner (Buccinida) , die Mondschnecken (Neritida) , die Kreiselschnecken (Trochida) , die See- ohren (Haliotida) , während die Flügelschnecken (Strombida) , die Ke- gelschnecken (Conida) erst im Jura, die Faltenschnecken (Volutida) in der Kreide, die Eischnecken (Ovulida) , Thurmschnecken (Pleurotomida) , Spindelschnecken (Fusida) und Felsenschnecken (Muricida) erst in der Tertiärzeit zu voller Entwickelung gelangen. Die Lungenschnecken, welche fast alle dem süßen Wasser oder dem festen Lande angehören, beginnen erst in der bekannten Wälderformation, jener lokalen Süß- wasserbildung der unteren Kreide, sind aber dann in allen Süßwasser- ablagerungen zahlreich vertreten. Zehnter Brief. Kreis der Kopffüßer. (Cephalopoda) . Fig. 406. Ein Pulpe (Octopus) kriechend, in natürlicher Stellung, den Kopf nach unten gerichtet. E ine höchst merkwürdige, nach einem ganz eigenen Plane gebaute Abtheilung des Thierreiches wird von einer geringen Anzahl von Thieren gebildet, die in allen Meeren vorkommen und eine Menge von Vorfahren in den älteren Schichten der Erde zählen. In der That erscheinen die Kopffüßler, welche in unseren jetzigen Meeren leben, gleichsam nur als die letzten Ausläufer einer außerordentlich zahlreichen und in ihren Formen äußerst mannigfaltigen Bevölkerung, welche um so bedeutender ausgebildet war, je weiter wir in der Erdgeschichte zu früheren Perioden zurückgehen. Die Kopffüßler tragen ihren Namen von der eigenthümlichen An- ordnung ihrer verschiedenen Körpertheile. Im Wesentlichen bestehen sie aus einem großen, meist länglichen oder rundlichen Eingeweidesacke, auf welchen nach einer mehr oder minder deutlichen Einschnürung der Kopf folgt, der mit gewaltigen, im Kreise gestellten Armen umgeben ist, die eine Art Trichter bilden und in deren Grunde der Mund sich befindet. Der Leib selbst ist von einem beutelförmigen Mantel um- Fig. 407. Ein Pulxe (Octopus) von der Bauchseite. Der Mantel ist der Mittellinie nach gespal- ten und auf der einen Seite zurückgeschlagen, so daß man die dort gelegene Kieme sieht. a Die Einschnürung unter dem Kopfe. t Der Trichter zum Aussprützen des Wassers. b Die seitliche Oeffnung zum Einlassen des Wassers. o Die linke Kieme. schlossen, der nur auf der Bauchseite nach vorne geöffnet ist und hier die Zugänge zu der Kiemenhöhle zeigt. Zwi- schen und vor diesen Oeffnun- gen sieht man eine trichterför- mige Röhre, durch welche das Wasser, welches zur Athmung gedient hat, ausgeworfen wird. Zur Seite des Kopfes stehen zwei große, meist vorgequollene Augen, deren Structur hin- sichtlich ihrer Complication in keiner Weise derjenigen der höheren Thiere nachstehen dürfte. Die Arme selbst, wel- che um den Mund stehen, sind muskulöse Fortsätze, die sowohl zur Ortsbewegung als auch zum Fangen der Beute dienen und häufig mit Saugnäpfen oder Haken besetzt sind. Mittelst dieser Arme kriechen die Cephalopo- den theils in umgekehrter Stellung umher, theils bedienen sie sich derselben zur Unterstützung des Schwimmens, welches vorzugsweise durch die Athembewegung vollbracht wird. Nur wenige der jetzt leben- den Kopffüßler haben eine Schale, die indeß höchst eigenthümlich ge- bildet ist. Viele besitzen einen inneren, in der Rückenwand des Man- tels gelegenen Knochen, der oft versteinert erhalten wurde und keine entbehren aller festeren Theile, da bei allen ein solider, meist aus meh- reren Stücken zusammengesetzter Kopfknorpel existirt, in welchem das Gehirn eingeschlossen ist. Die Haut der Kopffüßler ist meistens derb, lederartig und mit einer zarten Oberhaut versehen, welche nirgends Wimperhaare trägt. In dieser Haut sind eigenthümliche Zellen eingeschlossen, welche eine sehr dehnbare elastische Haut haben und während des Lebens durch in der Haut gelegene Fasern abwechselnd ausgedehnt und zusammen gezogen werden. Diese Zellen (Chromatophoren genannt) sind mit blauen, violetten, rothen, gelben oder braunen Farbenstoffen gefüllt, die bei der Ausdehnung der Zelle sehr verdünnt und über einen großen Raum ausgebreitet erscheinen und deßhalb fast verschwinden, während sie bei der Zusammenziehung der Zelle durch ihre Anhäufung ihre Tinte in- tensiv vortreten lassen. Jede solche Zelle enthält nur einen Farbestoff; — die Zellen verschiedener Farben liegen aber regellos nebeneinander, so daß bei den abwechselnden Zusammenziehungen und Ausdehnungen an einem bestimmten Punkte bald diese, bald jene Farbe hervortritt. Die Kopffüßler zeigen so während ihres Lebens ein herrliches Farbenspiel von blauen, rothen und gelben Tönen, die schillernd über den Körper hinweglaufen und beständig mit einander abwechseln. Es hält dieses Farbenspiel mehrere Stunden nach dem Tode noch an und dient deß- halb auf den Märkten der Küsten, wo man die Thiere ißt, zum Zei- chen ihrer Frische. Man hat eine ähnliche Organisation der Haut noch bei keinem anderen Thiere gefunden und ist nach unserem jetzigen Standpunkte der Kenntniß vollkommen berechtigt, jedes Thier, bei wel- chem man eine solche findet, als zu der Klasse der Kopffüßler gehörig anzusehen. Der Farbenwechsel selbst und das abwechselnde Spiel der Farbenzellen stehen übrigens offenbar unter dem Einflusse des Nerven- systemes und können durch Reizung der Haut geweckt und lebhafter gemacht werden. Die Schalen , welche manche Kopffüßler besitzen, sind nach abwei- chenden Typen gestaltet und können nicht mit denen der Schnecken verwechselt werden. Sie sind stets im Verhältnisse ihrer Größe, dünn und zerbrechlich, lassen aber bei zwei verschiedenen Typen eine sehr ver- schiedene Structur erkennen. Der eine Typus wird durch das Pa- pierboot (Argonauta) dargestellt, ein Thier, das sich häufig in dem südlichen Mittelmeere findet und ein bootförmiges, sehr leichtes, dünnes, Fig. 408. Ein Paxierboot (Argonauta) in seiner Schale. Man sieht von dem Thiere nur die Arme, von welchen die beiden hinteren segelförmigen ihre äußere, die Schale absondernde Fläche zeigen, den röhrenartig hervorgestreckten Trichter und das Auge, welches durch die Schale durch- schimmert. hinten spiralig eingerolltes, quer gereiftes Gehäuse bewohnt, das im Inneren keine Scheidewände hat und an dem das Thier so wenig anhängt, daß manche Naturforscher noch bis in die neueste Zeit be- haupteten, es halte sich nur als Schmarotzer in dieser Schale auf, die das Werk einer noch unbekannten Schnecke sei. Es werden aber diese Schalen offenbar nicht von dem Mantel des Thieres, welcher nirgends damit zusammenhängt, sondern von den beiden segelartig ausgebrei- teten, hinteren Armen des Thieres gebildet, welche nach unten zurück- geklappt getragen werden und auf ihrer netzartig gegitterten Außenfläche die Substanz dieses Gehäuses absondern, die hauptsächlich hornartig ist und die Kalkmasse in kleinen rundlichen Haufen abgelagert enthält. Die Thiere sind, entgegen dem bei den Schnecken geltenden Gesetze, im Eie vollkommen nackt und erhalten diese Schale erst später um- gebildet. Weit wichtiger für uns erscheinen diejenigen Schalen, die nach einem Typus gebaut sind, von welchen das sogenannte Perlboot oder Schiffsboot den Typus bildet. Alle diese Schalen sind gekammert, Fig. 409. Die Schale eines Perlbootes (Nautilus) der Länge nach durchsägt, um die Einrollung und die Kammern zu zeigen. a Letzte Kammer, die ein- zig vom Thiere bewohnt ist. b Die erste Scheidewand, welche die nach- folgenden Kammern c abtrennt. s Der Sipho, welcher die Kammern in Verbindung setzt. d. h. durch eine Menge von Scheide- wänden in einzelne Abtheilungen zerlegt, welche sich meist in regelmäßigen, vom inneren Ende der Schale an allmählig zunehmenden Abständen beim Aufbrechen der Schale erkennen lassen. Diese Schei- dewände sind nie ganz vollständig, son- dern an irgend einer Stelle durchbohrt, so daß bei todten Schalen jede Kammer mit der andern durch ein Loch der Schei- dewand in Verbindung steht. In den meisten Fällen setzt sich das Loch nach hinten zu in eine mehr oder minder lange zapfenförmige Kalkröhre fort, welche be- sonders in den fossilen, mit Steinmasse erfüllten Schalen deutlich ist und die man den Sipho ge- nannt hat. Bei den todten Schalen scheint so jede vorhergehende Kammer nach hinten in die folgende geöffnet; untersucht man aber die Sache bei einem lebenden Thiere, so zeigt sich der Sipho durch einen Faserstrang ausgefüllt, der durch alle Kammern hindurchgeht, von dem hinteren Theile des Eingeweidesackes entspringt und das Thier an die Schale befestigt. Ehe man das Thier, von dem erst in der neueren Zeit einige wenige wohlerhaltene Exemplare nach Europa kamen, ge- nauer kannte, glaubte man, daß dieser Sipho in der Oekonomie des Thieres eine sehr wichtige Rolle spiele. Das Thier sollte durch diese Verbindungsröhre die einzelnen, von ihm nicht bewohnten Kammern nach Belieben mit verdichteter Luft oder mit Wasser füllen können, um so nach Willkür in die Höhe steigen, oder sich wieder auf den Boden senken zu können. In der That bewohnt das Thier nur die letzte Kammer seiner Schale und alle hinteren Kammern erscheinen Fig. 410. Das Perlboot (Nautilus) in seiner Schale. Das Thier ist unversehrt, in natürlicher Lage belassen, die Schale der Länge nach halbirt, um die Kammern und den durch die Kammern laufenden Faserstrang zu zeigen. a Die hinteren Kammern. s Der Punkt, wo sich der Faserstrang des Sipho an den Eingeweidesack des Thieres festsetzt. w Ein querer Wulst des Mantels, wodurch das Thier an der Wand der letzten Kam- mer befestigt ist. o Das Auge. e Der zum Aussprützen des Athemwassers bestimmte Trichter. t Die Tentakeln. p Eigenthümliche fleischige Deckklappe des Nackens. m Fortsatz des Mantels, der einen Theil der letzten Windung umfaßt. vollkommen leer, aber sie bilden durch diese Leere nur einen hydro- statischen Apparat, gleichsam eine von Kalkwänden eingeschlossene Reihe von Schwimmblasen, die das specifische Gewicht des Thieres wahrscheinlich demjenigen des Wassers ziemlich gleich machen. Da alle diese gekammerten Schalen nur einer Ordnung der Kopffüßler, den Vierkiemern angehören, so werden wir ihre besonders für die Geologie so äußerst wichtigen Formgestaltungen erst bei der Charak- terisirung der Ordnungen näher betrachten, und in gleicher Weise hin- sichtlich der inneren Schalen verfahren, welche der andern Ordnung der Armfüßler, den Zweikiemern, eigenthümlich sind. Außer den verschiedenen Schalenstücken besitzen die Kopffüßler ein besonderes inneres Skelett , welches stets aus Knorpelstücken besteht, und hauptsächlich zur Deckung des Gehirnes und der Sinnesorgane bestimmt ist. Die Hauptmasse dieses inneren Skelettes wird von einem Kopfknorpel gebildet, der rund um den Schlund herum liegt und als ein hohler Ring erscheint. Auf der Rückenseite schließt dieser Ring das Gehirn und die Gehörorgane ein und nach der Seite schickt er zwei becherartige Fortsätze aus, welche den inneren Theil des Aug- apfels in ähnlicher Weise umfassen, wie der Fruchtbecher die Eichel. Gestalt und Ausbildung der einzelnen Theile dieses Kopfknorpels weichen bei den einzelnen Gattungen ziemlich von einander ab, indem bald der Rückentheil des Hohlringes nicht ganz geschlossen, bald der Bauchtheil mehr entwickelt ist, und die Augenbecher dann gänzlich feh- len. Außer diesem Kopfknorpel, der durch seine Bestimmung vollkom- men dem knorplichen Schädel mancher Wirbelthiere entspricht, findet man nur bei einzelnen Gattungen, bald in der Rückenseite des Man- tels, bald an dem Trichter, bald an der Basis der Arme, vereinzelte Knorpelstücke von geringerer Bedeutung, die besonders zur Herstellung fester Punkte für die Wirkung der Muskeln dienen. Die Bewegungsorgane der Kopffüßler besitzen förmliche Muskeln, die sich in einzelne, wohlgeordnete Bündel trennen lassen und hauptsächlich im Mantel und den Armen entwickelt sind. Der Mantel ist seiner Hauptmasse nach aus Ringfasern gebildet, wodurch besonders die Kiemenhöhle sehr kräftig zusammengezogen und das in ihr befindliche Wasser mit einiger Gewalt herausgepreßt werden kann. Der Trichter, welcher über dem Kiemensacke steht und dessen Wan- dungen ebenfalls sehr fleischig sind und eigene Muskeln besitzen, kann sich eben so kräftig zusammenziehen. Auf diesem Apparate beruht hauptsächlich das Schwimmen der Kopffüßler. Sie öffnen die Man- telspalte, welche in die Kiemenhöhle führt, dehnen diese letztere weit aus und füllen sie gänzlich mit Wasser; — sobald dies geschehen, pres- sen sie durch Zusammenziehung der Ringmuskeln die beiden Lippen der Mantelspalte aneinander, so daß nur die Oeffnung des Trichters zum Austritte des Wassers offen bleibt, und indem sie nun durch kräftige Zusammenziehung des Mantels das Wasser durch die enge Oeffnung des Trichters nach vorn hin im Strahle ausspritzen, wird der Körper durch den Rückprall rückwärts fortbewegt. Die Armfüßler schwimmen also alle rückwärts, die hintere Spitze des Eingeweidesackes voran, und sie sind meist um so bessere Schwimmer, je spitzer und langgestreckter ihr Körper und je weiter ihre Kiemenhöhle ist. In die- ser Bewegung werden viele von ihnen unterstützt durch zwei seitliche Hautlappen oder Flossen, welche bald mehr hinten am Körper in Dreiecksform, bald mehr nach der Mitte zu angebracht sind und offen- bar nur zur Erhaltung des Körpers in horizontaler Stellung be- stimmt sind. Die Arme , welche um den Kopf im Kreise gestellt und besonders zum Anklammern, Kriechen, zum Fassen der Beute bestimmt sind, be- stehen aus einem fleischigen Cylinder, außen aus Ringmuskeln, innen aus Längsmuskeln gebildet, durch dessen Axe die Gefäße und Nerven in die Höhe steigen. Es sind diese Arme nach zwei verschiedenen Typen gestaltet und in verschiedenartiger Weise bewaffnet. Bei den Perlbooten nämlich sind die Arme in großer Anzahl vorhanden und bestehen aus kurzen geringelten Fäden, welche vollständig in die Basis des Armes zurückgezogen werden können, und außerdem noch büschel- weise unter einem fleischigen Deckel sich bergen, dessen äußere Fläche, wie es scheint, auch zum Kriechen benutzt werden kann. Bei den übri- gen Kopffüßlern sind die Arme mit einfachen oder doppelten Reihen von Saugnäpfen auf ihrer inneren, dem Munde zugewandten Fläche besetzt, womit sich die Thiere äußerst fest ansaugen können. Jeder Saugnapf bildet einen rundlichen Becher, der bald unmittelbar, bald mittelst eines deutlich abgesetzten Stieles auf der inneren Armfläche aufsitzt. Der Becher selbst ist in seiner Wandung von Ringsfasern und strahlig gestellten Muskelfasern gebildet, und seine Mündung meist mit einer hornigen Haut verschlossen, die in der Mitte ein Loch hat, in welches ein fleischiger Wulst des Bechergrundes eingeschoben und wie ein Stempel nach dem Anpassen des Saugnapfrandes zurückge- zogen werden kann. Jeder Saugnapf bildet auf diese Weise einen Schröpfkopf, in welchem der leere Raum in ähnlicher Weise hergestellt wird, wie in einer Pumpe oder Spritze durch Aufziehen des Stem- pels. Bei vielen Gattungen sind an dem Rande des Saugnapfes hornige Zähnchen entwickelt, und bei einigen ist der innere Wulst, welcher aus dem Grunde des Saugnapfes hervorschaut, mit einem hornigen Häkchen besetzt. Dieser Haken entwickelt sich dann oft un- gemein, während der Wall des Saugnapfes, der ihn umgibt, zurück- sinkt, und es erscheint dann der Arm mit einer oder mehreren Reihen von Krallen bewaffnet. Bei einer ganzen Familie sind nicht alle Arme gleichmäßig ausgebildet, sondern zwei derselben sehr lang und nur an ihrer Spitze verbreitert und mit Saugnäpfen versehen, während ihre Stiele vollkommen glatt und dünn sind. Es können diese Arme mei- stens in eigene Scheiden, die zu beiden Seiten des Kopfes angebracht sind, zurückgezogen werden. Das Nervensystem der Kopffüßler erreicht einen Grad der Ausbildung, wie wir bis jetzt bei keinem Thiere zu sehen die Gelegen- heit hatten. In den erwähnten Knorpelring eingeschlossen, umgiebt es unmittelbar den Schlund und kann hier in zwei Hauptmassen, ein Gehirn und einen unteren Theil, unterschieden werden. Die obere Markmasse, welche etwas unbedeutender ist, entsendet nur wenige feine Nerven zu den Mundtheilen, während die untere Nervenmasse die dicken Sehnerven, die Geruchs- und Gehörnerven, sowie sämmtliche Nerven zu den Armen, dem Mantel und den Eingeweiden entsendet. Fig. 411. Nervensystem eines Tintenfisches (Sepia) , von oben gesehen und gänzlich isolirt. a Das rundliche kleine Loch, durch welches der Schlund mitten durch die Nervenmasse durchtritt. Sein Verlauf ist mit- telst einer durchgesteckten Borste bezeichnet. b Zwei große seitliche, mit der unteren Nervenmasse zusam- menhängende Nervenknoten, von welchen die Nerven der zehn Arme entspringen. c Obere Nervenmasse, das Gehirn. Nach vorn entspringen aus diesem herzförmigen Knoten zwei Nerven, welche sich in einen großen runden Knoten vereinigen. Aus die- sem Knoten gehen wieder zwei vordere Aeste ab, die einen zweiten Ring um den Schlund bilden und sich unter demselben zu einem viereckigen Lip- penganglion vereinigen. g Die untere Nervenmasse, aus welcher vorn die Augennerven o entspringen, an deren Ursprung ein kleiner Knoten t aufsitzt. Außer den Sehnerven treten aus dieser unteren Fig. 412. Nervensystem des Perlbootes (Nautilus). c Das Gehirn, aus dem die Sehnerven o seitlich ent- springen. g Untere Nervenmasse, in einen vorderen und hinteren Halbring geschieden. t Seitliche Knoten des vorderen Halbringes, aus welchem die Nerven der hinte- ren Tentakeln p entspringen. Nach vorn gehen von dieser Nerven- masse zwei Paar Nerven ab; die äußeren, dickeren schwellen in zwei Knoten a und d an und jeder die- ser Knoten giebt Nerven b und f , die zu den vorderen Fühlfäden gehen. Das innere, dünnere Nervenpaar e geht zum Trichter. Von der hin- teren, unteren Nervenmasse g strah- Vogt, Zoologische Briefe. I. 24 Nervenmasse noch die Mantelnerven m hervor, welche hart an der Spaltöffnung des Kiemensackes jederseits ein starkes sternförmiges Ganglion e bil- den und ferner in der Mitte der große Eingeweide- nerv v , der sich in zwei Aeste theilt, die alle Ein- geweide und besonders die Kiemen mit Zweigen versorgen. len unmittelbar die Mantelfäden m und die beiden großen Eingeweide- nerven v aus, die in ihrem Ver- laufe zu einem bedeutenden Ganglion gv anschwellen. Die Armnerven erscheinen in ihrer ganzen Länge in einzelne Knoten angeschwollen, deren jeder einem Saugnapfe entspricht und in diesen feine Nervenfäden sendet. Die beiden seitlichen Mantelnerven schwel- len ebenfalls am Eingange der Kiemenhöhle zu einem bedeutenden Ganglion an, das nach allen Seiten Nerven ausstrahlen läßt und unmittelbar unter der Haut liegt, so daß man es sehr leicht erkennt, sobald man nur die Kiemenhöhle aufgeschnitten hat. Außer diesen be- deutenden peripherischen Nervenästen existirt auch noch ein eigenes Ner- vensystem, welches mit dünnen Fäden vom unteren Hirnknoten ent- springt und mancherlei Knötchen und Netze bildet, die auf Schlund und Magen aufliegen und nach den verschiedenen Eingeweiden Zweige senden. Die Verschiedenheit in der Anordnung des Nervensystems selbst ist indessen bei den verschiedenen Kopffüßlern bedeutend. So ist bei den Perlbooten der Schlundring weit größer, das Gehirn aus zwei Knoten zusammengesetzt u. s. w. Dem Nervensysteme entsprechend, sind die Sinnesorgane aus- gebildet. Wenn die mit Saugnäpfen und Haken besetzten Arme vieler Gattungen weniger zum Tasten geeignet erscheinen dürften, so haben doch gewiß die einziehbaren Fäden auf dem Kopfe der Perlboote die- sen Zweck, für den sie ganz geeignet erscheinen. Die Augen sind bei den meisten Kopffüßlern außerordentlich entwickelt, sie stehen, wie schon erwähnt, zu beiden Seiten des Kopfes, meist mit ihrem Grunde in einer kapselartigen Verlängerung des Kopfknorpels eingesenkt und zei- gen eine äußerst zusammengesetzte Struktur. Bei den meisten ist der Augapfel von einer Kreisfalte der Haut umgeben, welche die Rolle von Augenlidern spielt. Zwischen diesen Lidern ist die Haut verdünnt und bildet eine durchsichtige Hornhaut, hinter welcher der fast freie Augapfel liegt, der nach vorn nicht geschlossen ist. Der Augapfel selbst besteht zunächst aus einer Knorpelhaut, welche von dem Sehnerven durchbohrt wird, der innerhalb derselben eine wahre Netzhaut bildet, in welcher eine Schicht von rothbraunen Farbenzellen abgelagert ist. Die Linse, welche von diesen Häuten umschlossen wird, hat die Gestalt einer Doppelkugel, mit einem mittleren eingeschnürten Falze, in welchen ein von dem Auge ausgehendes Band paßt, welches die Linse in ihrer Stellung zurückhält. Es ist dieses um so nöthiger, als bei vielen Kopf- füßlern sogar die Hornhautschicht der äußeren Haut fehlt und statt ihrer ein Loch oder eine Spalte existirt, so daß die Linse unmittelbar mit dem Seewasser in Berührung kommt. Die Gehörwerkzeuge der Kopffüßler bestehen aus einem birn- förmigen Säckchen, welches einen unregelmäßigen, aus einzelnen Kry- stallen zusammengesetzten Hörstein enthält und in zwei rundlichen Höh- len eingegraben liegt, die in der unteren Hälfte des Kopfknorpels ausgehöhlt sind. Außerdem finden sich an der vorderen Fläche des Kopfes, neben den Augen, zwei Höhlen, von Hautwülsten umgeben, aus deren Grunde sich ein weißes Wärzchen erhebt, das offenbar als das erste Rudiment eines Riechorganes angesehen werden muß. Da nun außerdem noch in dem Eingange der Mundhöhle ein fleischiger Vorsprung sich befindet, der ziemlich bedeutende Nerven erhält und auf seiner Oberfläche mit weichen Zotten besetzt ist, also sicher die Be- deutung einer Zunge hat, so sind die Kopffüßler mit allen jenen Sin- nen ausgestattet, welche auch die höchsten Wirbelthiere besitzen. Fig. 413. Eingeweide eines Pulpen (Octopus) . Der Mantel ist auf der Bauch- seite der Länge nach aufgeschlitzt, zurückgeschlagen und dann der Einge- weidesack geöffnet. j Der Vormagen, unmittelbar unter dem Kopfknorpel gelegen. gs Die Sveicheldrüsen. t Der Trichter, aufgeschlitzt und zurückge- schlagen. f Rundliche Masse, gebildet durch die Leber und den Tinten- beutel, die noch von ihrer besonderen Hülle umgeben sind. e Ausführungs- gang des Tintenbeutels, in den Trichter einmündend. br Die beiden Kie- men, die rechte in ihrer natürlichen Lage, die linke herabgezogen. m Der aufgeschlitzte zurückgeschlagene Mittelrand, o Eileiter. as Eingeweidearterie. v Hohlvenen, mit den eigenthümlichen zottigen Anhängen besetzt. c Das mittlere 24* Körperherz, welches das durch die Kiemenvenen vb aus den Kiemen zu- rückkehrende Blut aufnimmt und es durch die Arterien a in den Körper vertheilt. cb Das linke Kiemenherz, an der Basis der Kieme gelegen. Beide erhalten das rückkehrende Körperblut durch die Hohlvenen v und treiben es in die Kiemen. bd Sehnenstreif, mit welchem die Kieme am Mantel befestigt ist. i Der abgeschnittene Afterdarm. Die Verdauungsorgane der Kopffüßler beginnen mit einer kreisförmigen, von einer gefranzten Lippe umgebenen Mundöffnung, hinter welcher unmittelbar ein starker muskulöser Schlundkopf ange- bracht ist, der mit zwei gekrümmten, einem Papagaischnabel nicht un- ähnlich sehenden Hornkiefern bewaffnet ist. Diese Kiefer stehen nicht horizontal, wie bei den Weichthieren, sondern senkrecht einander gegen- über, und bestehen jeder aus zwei flügelartigen Seitenästen, die sich vorn in einer hakenförmig umgebogenen Spitze vereinigen. Beide passen so ineinander, daß bei dem Schließen der beiden Kiefer der Oberkiefer den Unterkiefer umfaßt. Zwischen den Aesten des Unter- kiefers liegt die fleischige, äußerst nervenreiche Zungenwarze. Von dem muskulösen Schlundkopfe, welcher die Bewegungen der Kiefer vermit- telt, steigt nun ein dünner Schlund nach unten in den Eingeweidesack, der zuweilen in eine Art Vormagen oder Kropf anschwillt, in andern Fällen aber ohne Erweiterung bis zu dem breiten muskulösen Magen- sacke sich fortsetzt. Der Magen bildet einen Blindsack, aus welchem der Darmkanal in der Richtung nach vorn hervorgeht, und bald nach seinem Austritte noch einen Blindsack absendet, der zuweilen spiralig gewunden erscheint. Nach Abgabe dieses Blindsackes steigt der ziem- lich enge, dünnhäutige Darmkanal meist in gerader Linie nach vorn in die Höhe und öffnet sich in dem Grunde des Trichters mit einem meist franzig begrenzten After nach Außen. Die Drüsenorgane, welche an diesem Darmkanale sich befinden, sind ungemein groß und zahlreich, denn meist sind zwei Paar von Speicheldrüsen entwickelt, wovon das eine am Schlundkopfe, das andere am Kropfe liegt, und außerdem eine Leber, die zuweilen in mehrere Abtheilungen zerfällt und von einer besonderen Kapsel umgeben ist. Die Athmung geschieht bei den Kopffüßlern durch Kiemen , welche in der Mantelhöhle zu beiden Seiten hervortreten, und aus krausigen Blättchen bestehen, die mit ihrer Basis aufgewachsen sind, mit dem gekrausten Rande aber frei hervorstehen. Bei den gewöhnlichen Kopf- füßlern findet sich nur eine Kieme auf jeder Seite, bei den Perlboo- ten dagegen zwei unmittelbar untereinander, also vier im Ganzen. Fig. 414. Athemorgane und Cirkulationsapparat eines Tintenfisches (Sepia) , vollkommen isolirt. c Das mittlere Körper- oder Aortenherz, welches sich nach oben in die große Körperarterie oder obere Aorte as fortsetzt, welche das Blut an die obe- ren Körpertheile, Kopf und Arme vertheilt, während nach unten die untere Aorta a , an ihrer Basis angeschwollen, sich durch ihre Aeste av an die Ein- geweide vertheilt. vc Die große Körpervene oder Hohlvene, neben der oberen Aorta herabsteigend, um nach beiden Seiten hin das Blut zu den sogenannten Kiemenherzen cb zu bringen. Sie ist überall von zottigen Anhängen, den schwammigen Venenkörpern cs bedeckt. br Die beiden Kiemen. Auf der lin- ken Seite ist der Verlauf der Kiemenvene vb dargestellt, welche jederseits an der Basis der Kieme zu einem zwiebelartigen Bulbus b anschwillt, bervor sie in das Aortenherz eintritt. Von dem sogenannten Kiemenherzen cb aus gehen die Kiemenarterien ab aus, die an ihrem Ursprunge ebenfalls eine zwiebel- artige Erweiterung s besitzen. vv Eingeweidevenen, die sich in die s. g. Kie- menherzen ergießen. An der Basis einer jeden Kieme liegt ein weiter pulsirender Sack, welcher das von den Kiemen zurückkehrende Blut, das blaßroth oder violet gefärbt ist, in das in der Mittellinie gelegene Herz treibt. Dieses bildet einen bald mehr runden, bald mehr länglichen Schlauch, von dem aus ein großes Hauptgefäß längs des Magens und Schlundes nach dem Kopfe zu verläuft, das auf seinem Wege Leber, Magen und Schlund und den ganzen Kopf mit Zweigen versieht. Eine kleinere untere Arterie versorgt die übrigen Eingeweide. Das Blut, welches durch diese Ge- fäße vom Herzen weggetrieben wird, sammelt sich in einzelnen Räumen des Körpers und selbst in der Eingeweidehöhle an, und geht dann in rückführende Gefäße über, welche endlich eine große Mittelvene bilden, die neben der Aorta herläuft, und sich im Grunde des Eingeweide- sackes in zwei seitliche Aeste theilt, welche das Blut nach beiden Sei- ten hin zu den Kiemen führen. Es ist also auch bei diesen Thieren der Kreislauf nicht vollständig geschlossen, sondern statt eines Haar- gefäßsystemes zwischen den Arterien und Venen ein System von Räu- men eingeschoben, die wie es scheint wandungslos sind und zwischen den Organen sich hinziehen. Außerdem scheint noch ein Wassergefäß- system zu existiren, dessen Oeffnungen an verschiedenen Theilen, beson- ders an der Kiemenhöhle sich finden, dessen Scheidung von dem Blut- gefäßsysteme aber noch nicht gehörig bewerkstelligt ist. Außer den erwähnten Organen besitzen die Kopffüßler noch zwei höchst eigenthümliche Absonderungsorgane, von welchen das eine durch seinen Inhalt sogar für die Versteinerungen Wichtigkeit erlangt hat. Die beiden Hohlvenen, welche das Blut nach den Kiemen hinführen, sind mit eigenthümlichen zottigen oder schwammigen Knollen besetzt, welche Hohlräume bilden, auf deren Außenfläche die Absonderung ge- schieht. Die abgesonderte Masse enthält Harnstoff und Harnsäure, es müssen deßhalb diese schwammigen Venenkörper gewiß als Nieren angesehen werden. Außerdem liegt aber in einem gemeinschaftlichen Sacke mit der Leber ein birnförmiger Beutel, dessen kurzer Ausfüh- rungsgang unmittelbar neben dem After in den Trichter mündet und der stets mit einer bräunlich schwarzen Flüssigkeit erfüllt ist, welche durch den Trichter entleert werden kann und das Wasser in weitem Umfange dunkel färbt. Es findet diese braun-schwärzliche Masse als Farbestoff, besonders in der Malerei vielfache Anwendung, und ist unter dem Namen Sepia bekannt. Bei fossilen Körpern hat man häufig diesen Tintenbeutel mit seinem schwarzen Inhalte vollkom- men wohl erhalten gefunden, und daraus bedeutende Schlüsse für die räthselhafte Natur mancher Körper entnehmen können. Alle Kopffüßler sind getrennten Geschlechtes und pflanzen sich nur durch befruchtete Eier fort; während aber bei vielen Gattungen dieser Klasse Männchen und Weibchen genau dieselbe Gestalt zeigen und sich erst durch die Untersuchung ihrer inneren Geschlechtstheile von einan- der unterscheiden lassen, kommt bei andern Gattungen die höchst eigen- thümliche Merkwürdigkeit vor, daß die Männchen außerordentlich ver- kümmern und ihren Weibchen so unähnlich sehen, daß man sie bis in die jüngste Zeit für Schmarotzerthiere der Weibchen, für Eingeweide- würmer hielt und nicht im Entferntesten ahnte, daß die kleinen Ge- schöpfe, welche von dem Weibchen in der Mantelhöhle herumgetragen werden, die verbildeten Männchen ihrer Beherberger seien. Die Geschlechtsorgane der unverkümmerten Thiere sind nun in folgender Weise gebildet: Bei den Weibchen findet sich ein großer einfacher Fig. 415. Fig. 416. Fig. 415. Weibliche Geschlechtsorgane des Tintenfisches (Sepia) . a Die Eier noch im Ovarium und umhüllt von den dünnen gefäßreichen Kapselhäuten, in denen sie sich bilden. b Die äußere Haut des Eierstocks. c Eier, welche aus ihren Kapselhäuten ausgetreten sind und nun die Höhle des Eier- stocks erfüllen. d Der Eileiter, dessen äußere Hülle eine unmittelbare Fort- setzung der Eierstockshülle ist. e Drüsen am Ende des Eileiters, aus vielen übereinander gelegenen Blättchen zusammengesetzt. f Mündung des Eileiters an der Basis des Trichters. g Nestdrüsen, ähnlich gebildet, wie die Eileiter- drüsen e. h Andere aus gewundenen Schläuchen bestehende Nestdrüsen, deren Ausführungsgänge in diejenigen der Drüsen g einmünden. i Theile des Darms. k After. Fig. 416. Eier des Tintenfisches, in Traubenform an Wasserpflanzen hängend. Eierstock, der von einer derben sehnigen Hülle eingeschlossen ist, welche sich unmittelbar in den Eileiter fortsetzt. In dem Eierstocke wachsen die Eier zu einer solchen Größe heran, daß endlich bei den reifen Eiern das ganze Eierstocksgewebe nur noch dünne, häutige, gefäßreiche Kapselüberzüge über die Eier bildet, welche später platzen und die reifen Eier in den Eileiter übertreten lassen, der entweder einfach oder doppelt ist und gewöhnlich im Grunde des Trichters ausmün- det, wo er meist von einer Drüse umgeben ist. Außer dieser Eileiter- drüse kommen bei den meisten Kopffüßlern noch eigenthümliche Neben- drüsen oder Nestdrüsen vor, welche ebenfalls in den Trichter ausmün- den und wahrscheinlich den Stoff zu den einzelnen Hüllen bilden, von welcher die gelegten Eier umgeben sind. Die Eier selbst nämlich ha- ben meist eine mit netzartigen, nach innen vorspringenden Falten ver- sehene Dotterhaut und stecken selbst wieder in einer hornigen Schale, die zuweilen schwärzlich gefärbt ist. Viele solcher Eier werden nun von den einzelnen Gattungen wieder in eigenthümlich charakteristischer Weise zu Massen vereinigt. So bilden die gewöhnlichen Tintenfische birn- ähnliche Flaschen, welche traubenartig zusammengehäuft an Meerpflan- zen angeheftet werden, und unter dem Namen Meertrauben bekannt sind. Die Kalmare erzeugen lange Stränge, die zusammengeklebte Haufen bilden. Die Papierboote spinnen an jedem Ei einen langen Faden aus, den sie mit denen der andern Eier zusammenwickeln, und so einen traubenartigen Haufen bilden, welchen sie an ihrer Schale angeheftet mit sich herumtragen. Fig. 419 a . Fig. 417. Fig. 418. Fig. 419 Fig. 417. Männliche Geschlechtsorgane des Tintenfisches (Sepia) . Die Organe von der Bauchseite gesehen. a Der einfache Hoden, zum Theil von seiner Umhüllungshaut b befreit. c Samenleiter. d Samenblase, mehrfach gewunden. e Fortsetzung der Samenblase gegen die Needham’sche Tasche hin. f Accessorische Drüse. g Needham’sche Tasche, mit Samenmaschinen gefüllt. h Ausführungsgang derselben (Ruthe). i Aeußere Oeffnung. Fig. 418. Eine einzelne Samenmaschine vergrößert, aber noch ganz un- verändert. Fig. 419. Eine andere, welche oben geplatzt ist und die Samen- masse hervorschleudert. In beiden Figuren haben die Buchstaben dieselbe Be- deutung. a Die feste Scheide der Samenmaschine. b Die innere Höhle der- selben. c Das vordere Ende. d Die Masse der in eine feine Hülle einge- schlossenen Samenthiere. e Verbindungsfaden, der zu dem Schleuderstoffe f hingeht. Fig. 419 a . Einzelne Samenthierchen, sehr stark vergrößert. Die männlichen Geschlechtsorgane sind bei denjenigen Kopffüßlern, deren Männchen vollkommen ausgebildet sind, aus einem einfachen Hoden gebildet, welcher an der Stelle des Eierstockes liegt und aus einer Menge verästelter Drüsenschläuche besteht, die sich in einer mittleren Höhle vereinigen. Die Samenmasse gelangt von hier aus durch einen vielfach gewundenen Samenleiter und eine gewundene Samenblase in einen weiten, mit Längsfalten versehenen Samensack, die sogenannte Needham’sche Tasche, aus welcher ein schlauchförmiger Ausführungsgang, der in der Mantelhöhle frei hervorsteht, die Sa- menmasse nach außen leitet. Diese selbst ist indeß bei den meisten Kopffüßlern in höchst eigenthümlicher Weise gebildet. Die ganze Sa- menmasse besteht nämlich in der erwähnten Needham’schen Tasche aus eigenthümlichen großen cylindrischen Schläuchen, Spermatophoren oder Samenmaschinen, welche einen sehr sonderbaren Bau haben. Jeder Schlauch stellt ein glashelles Rohr dar, in dessen hinterem Ende eine sehr zarthäutige Blase voll Samenthiere sich befindet, die auf einem meist spiralförmig gedrehten Bande ruht, welches bis an das Vorder- ende des Schlauches verläuft und hier von einer eigenthümlichen Masse, einem Schleuderstoffe, umgeben ist, welcher durch Einsaugung von Wasser außerordentlich anschwillt. Sobald diese Samenschläuche aus der Needham’schen Tasche, in der sie dicht gedrängt neben einander liegen, in das Wasser kommen, so saugt der glashelle Schlauch Wasser ein, schwillt an seinem Vorderende auf und platzt endlich, wobei die innere Schwellmasse herausgeschleudert wird und an dem spiraligen Bande das mit Samenthierchen gefüllte Säckchen aus dem Schlauche heraus- zieht. Man weiß jetzt, daß diese Samenschläuche von den Männchen in die Mantelhöhle der Weibchen gebracht werden, wo dann durch ihr Platzen der Samen in den Eileiter übergeführt und die Eier im Eierstocke selbst befruchtet werden. Die Samenthierchen selbst haben die gewöhnliche Form. Fig 420. Hectocotylas. Tremoctopodis . Das Thier von der Bauchseite gesehen. a Kie- men. b Saugnäpfe. c Sa- mensack. d Ruthenscheide. e Ruthe. Die verkümmerten Männchen, welche man bis jetzt nur bei der Familie der achtfüßi- gen Papierboote gesehen hat, haben etwa die Gestalt eines Wurmes, dessen Körper zu beiden Seiten mit einer Menge von Saugnäpfen be- setzt ist. Man hat sie bis jetzt nur in der Mantelhöhle oder in dem Trichter, selten nur auf der inneren Fläche der Arme der Weibchen sitzend gefunden, wo sie lebhaft mit ihren Saug- näpfen umherkriechen, oder selbst mit schlängeln- den Bewegungen im Wasser schwimmen. Sie waren bisher ganz allgemein für Eingeweidewür- mer gehalten und unter dem Namen Hectocotylus unter die Saugwürmer eingereiht worden, bis man bei näherer Untersuchung die wahre Na- tur dieser Thiere erkannte, und sich davon überzeugen mußte, daß in der That bei schein- bar sehr nahe stehenden Thieren die einen voll- kommen entwickelte, die anderen gänzlich ver- kümmerte Männchen haben können. An dem wurmförmigen Körper dieser Männchen fallen zuerst die Saugnäpfe in die Augen, welche fast an der ganzen Länge des Körpers zwei Reihen längs der Bauch- fläche bilden. Ihre Structur ist vollkommen dieselbe, wie diejenige der Saugnäpfe der Kopffüßler selbst, so daß man auch nicht mit Unrecht das Aussehen des Männchens mit demjenigen eines abgerissenen Arm- endes von einem gewöhnlichen Thiere verglichen hat. Die beiden Saug- napfreihen stehen mehr auf der Bauchseite, während die Rückenseite in zwei Dritteln ihrer Länge mit zwei Längsreihen von Kiemen besetzt ist, die aus vielen langen weichen Zöttchen zusammengesetzt sind. Am Ende des mit Saugnäpfen besetzten Körpers sieht man einen runden, etwas blasenförmi- gen Theil, der meist von silberglänzender Farbe ist und mit Samenthierchen gefüllt erscheint. Von diesem geht ein auf der Bauchfläche gelegenes, mus- kulöses Rohr aus, das nach vorn zu eine Oeffnung hat, aus welcher die fadenförmige Ruthe hervortritt. Die inneren Organe sind noch nicht mit solcher Genauigkeit erforscht, als es wohl wünschenswerth wäre. Die Haut ist mit denselben Farbenzellen besetzt, deren Spiel in der Haut der Armfüßler wir oben erwähnten. Auf der Rücken- seite, unmittelbar unter der Haut soll das Herz liegen; zu beiden Seiten laufen Gefäße, unter welchen man Arterien und Venen un- terschieden hat. Vielleicht ist ein Darm vorhanden. In dem Kör- per verläuft nämlich, der ganzen Länge nach und seine Axe ein- nehmend, ein hinten blind endendes Rohr von durchaus gleicher Weite, welches vielleicht an dem Vorderende des Körpers mit einer sehr fei- nen Oeffnung nach außen mündet, und dann wohl als Darmrohr angesprochen werden dürfte. Der im Hintertheile des Körpers gele- gene Hode besteht aus einem einzigen sehr langen, in einen Knäuel gewundenen Faden, der aus innig mit einander zusammenhängenden Samenthierchen gebildet ist und in den Samenleiter eintritt, welcher durch ein muskulöses Rohr in die Ruthe sich fortsetzt. Die Männ- chen anderer Arten scheinen noch mehr verkümmert, indem ihnen sogar die Kiemen fehlen, und die Geschlechtswerkzeuge einen noch größeren Raum einnehmen, so daß sie fast nur als eine mit Saugnäpfen versehene Samenmaschine erscheinen, die ganz dem abgelösten Arme eines Achtfüßlers gleicht. Die Hectocotylen, welchen die Kiemen fehlen, sind vielleicht nur abge- löste Arme, die sich bei gewissen Arten zu Befruchtungsmaschinen ausbilden, in ähnlicher Weise, wie die Palpen der Spinnenmännchen. Neuere Be- obachtungen scheinen auf eine Structur dieser Art hinzudeuten — es wären, sollten sich diese erwahren, die Hectocotylen dann nicht verkümmerte Männ- chen, sondern abgerissene Befruchtungsarme ausgebildeter Männchen. Die Entwickelung der Kopffüßler in dem Eie bietet viele Momente dar, welche sie von allen übrigen Abtheilungen des Thierreiches wesent- lich unterscheiden. Auf dem Dotter des Eies, der vorher durch netz- förmige, nach innen vorspringende Falten der Dotterhaut ein eigen- thümliches Ansehen erhält, erscheint auf einer bestimmten Stelle die Fig. 421. 422. 423. 424. Fig. 421 bis 424. Eier des Tintenfisches (Sepia) . Fig. 421. Ein Ei aus der Periode, wo die Dotterhaut netzförmige Falten bildet. Fig. 422. Ein ganzes Ei mit beginnender Furchung der Keimstelle, von der Seite gesehen. Fig. 423. Dasselbe von der Fläche. Die Keimstelle ist in vier Theile getheilt. Fig. 424. Die Furchung ist fortgeschritten. Acht-Theilung. Bei diesen, wie bei allen folgenden, auf die Entwickelung von Sepia sich beziehen- den Figuren haben die Buchstaben dieselbe Bedeutung. a Dotter. b Fangarme. c Au- gen. d Körper des Embryo’s. e Schwimmflossen. f Keimstelle. g Mantel. h Kie- men. i Trichter. k Dottersack. l Mund. m Darm. n Kiemenherz. Embryonalanlage, die aus anfangs undeutlich abgegrenzten Furchungs- kugeln besteht, welche sich nach und nach zu Zellen umbilden. Die übrige Dottermasse erscheint bei dieser Bildung des Embryonaltheiles vollkommen unbetheiligt. Der Embryonaltheil breitet sich allmählig weiter aus; die einzelnen Zellen legen sich zusammen und es erscheinen nun nach und nach die verschiedenen Organe des Embryos, zuerst in der Form von Wülsten und zwar in der Lagerung, daß der Kopf- theil des Embryos dem Dotter zugewendet, das Hintertheil des Bauch- sackes von ihm abgewendet erscheint und dieser auch vor den übrigen Fig. 425. Fig. 426. Fig. 425 und 426. Entwickelung des Tinten- fisches. Fig. 425. Der entstehende Embryo liegt noch flach und scheibenförmig auf dem Dotter. Der Mantel, die Augen und der aus zwei seitlichen Hälf- ten entstehende Trichter sind durch flache Wülste an- gedeutet, ebenso der Mund durch eine rundliche Oeff- nung. Fig. 426. Die Entwickelung ist weiter fort- geschritten, der Mantel nebst dem Embryo hat sich emporgehoben, die Trichterhälften sich unter dem Man- tel, der hutförmig verwächst, genähert, die Augen und Kopflappen sich gesondert. Man sieht die ersten warzenartigen Vorsprünge, welche zu Fangarmen aus- wachsen. Der Dottersack breitet sich aus, um den Dotter einzuschließen. Theilen sich ausbildet. An- fangs sitzt der Embryo gleichsam wie eine flache Scheibe auf dem Dotter auf, der unverhältnißmäßig groß ist, dann hebt er sich mehr ab und der Eingeweidesack erhält allmählig seine beu- telförmige Gestalt. Eine vom Embryo ausgehende Hautschicht umwächst all- mählig den Dotter und bil- det einen wahren Dotter- sack. Während der Dotter immer kleiner wird und der Embryo stets mehr auf seine Kosten auswächst, bleibt die gegenseitige Lagerung dieser beiden Theile stets dieselbe. Der Embryo erfaßt mit sei- nen, nun hervorgesproßten Armen den Dotter, welcher seinem Kopfe gegenüberliegt. Der Dottersack steht zu kei- ner Zeit des Embryonal- lebens mit irgend einem Theile des Darmkanales in Verbindung; er bildet stets einen für sich abgeschlossenen Sack, dessen Stiel hart neben dem Munde in die Lei- beshöhle eindringt, so daß man früher glaubte, er gehe aus dem Munde selbst hervor, oder stehe weiter innen mit dem Darmkanale in Verbindung. Beides ist unrichtig; auch in der Leibeshöhle ist der Dottersack völlig abgeschlossen und sein Inhalt wird nur durch Aus- saugung mittelst eines sehr entwickelten Gefäßnetzes, das überall ge- schlossene Wandungen hat, dem Embryo zugeführt. Die Entwickelung der einzelnen Organe ist mit großer Genauig- keit verfolgt worden. Zuerst entsteht der Mantel in der Mitte, als ein flacher Wulst, zu dessen beiden Seiten die später zusammenwach- senden Hälften des Trichters und nach vorn zu die Augen als zwei schmale Wülste sich erkennen lassen. Während sich nun der Mantel vom Dotter abhebt, erscheinen nach einander die verschiedenen Paare der Arme als flache, unbedeutende Höker, Mund und After an einan- der gegenüberstehenden Stellen noch flach auf dem Dotter aufliegend, die Kiemen mit ihren Venenherzen und dem dazwischen liegenden Aor- tenherz, während die zugleich vom Embryo ausgehende Umhüllung des Dotters denselben mehr und mehr umwächst. Der Embryo ist jetzt Fig. 427, 428. 429. Fig. 427. Ein weiter entwickelter Embryo von der Bauchseite aus gesehen. Der Mantel ist abgetragen, so daß man die Kiemen mit dem Kiemenherzen daran, den End- theil des Darms mit dem Tintenbeutel darüber deutlich sieht. Der Körper hat schon Schwimmlappen; die beiden längeren Fangarme lassen sich unterscheiden. Fig. 428. Derselbe Embryo vom Rücken aus in natürlicher Größe. Fig. 429. Derselbe von der Seite. noch immer 4 bis 5 mal kleiner als der Dotter, flimmert auf seiner ganzen Oberfläche und dreht sich bei denjenigen Gattungen, bei wel- chen viel Eiweiß und ein kleiner Dotter vorhanden ist, während er bei den andern weder Kraft noch Raum besitzt, diese Umwälzungen zu bewirken. Alle einzelnen Organe bilden sich nun mehr und mehr aus, indem namentlich der Bauchtheil des Embryo’s sein früheres Mißver- hältniß gegen den ungeheuren Kopf ausgleicht. Sobald Dottersack und Embryo etwa gleich groß sind, haben schon Fig. 430. Fast reifer Embryo von der Rückenseite. die Embryonen fast ganz die Gestalt des zukünf- tigen Thieres und bewegen sich auch ziemlich rasch in dem Ei, oder nach ihrer Herausnahme aus den Eihüllen, die sie jedoch nicht eher ver- lassen, als bis der Dottersack gänzlich geschwun- den, und der junge Kopffüßler in allen Thei- len vollkommen dem Erwachsenen ähnlich sieht. Man sieht aus dieser Darstellung des Ent- wickelungsganges der Kopffüßler, daß hier we- sentlich zwei Momente ins Auge gefaßt werden müssen. Während bei allen übrigen Thieren, die wir in den vorigen Abtheilungen betrachte- ten, der Embryo sich stets aus dem ganzen Eie entwickelt und von Anfang an sämmtliche Theile des Eies bei der Bildung der Organe interessirt sind, erscheint hier Anfangs nur eine kleine Embryonalanlage, welche allmählig den Dot- ter überwächst und zur Bildung ihrer Organe verwendet. Das zweite Moment ist die Lagerung des Dotters in der Axe des Körpers dem Kopfe gegenüber, wo er von den trichterförmig umstellten Armen um- faßt wird, und mit einem Stiele neben dem Munde in die Leibeshöhle eindringt, — eine Lagerung, welche gänzlich von der verschieden ist, die wir bei den spätern großen Gruppen des Thierreiches finden wer- den, wo der Dotter entweder wie bei den Gliederthieren auf der Rückenfläche, oder wie bei den Wirbelthieren auf der Bauchfläche des Embryo’s sich befindet. Beide Momente lassen keinen Zweifel darüber, daß trotz der geringen Anzahl von Armfüßlern, welche wir in unserer jetzigen Schöpfung besitzen, dennoch dieser Typus in Berücksichtigung seiner Eigenthümlichkeiten und seiner ungemein großartigen Entwicke- lung, in früheren Perioden der Erdgeschichte mit den anderen großen Abtheilungen des Thierreiches auf eine Stufe gestellt werden müssen. Namentlich bei dieser Klasse kann man mit vollständiger Gewißheit das große Unrecht derjenigen nachweisen, welche in ihren Systemen nur die jetzt lebende Schöpfung berücksichtigen, die frühere aber als nicht in ihren Kreis gehörig zur Seite stellen möchten. — Wir theilen den Kreis der Kopffüßler, der nur eine Klasse ent- hält, nach der Beschaffenheit der Fangarme und der Kiemen in zwei Ordnungen. Bei den Einen, den Vierkiemern , ( Tetrabranchiata ), welche den andern in der Erdgeschichte vorangehen, stehen zwei Kie- men auf jeder Seite und die Fangarme sind in eine große Anzahl einzelner Tentakel aufgelöst, während bei den Zweikiemern ( Di- branchiata ) nur zwei Kiemen im Ganzen sich finden und die Fang- arme, deren höchstens zehn sind, mit Saugnäpfen oder Haken be- setzt sind. Die Ordnung der Vierkiemer ( Tetrabranchiata ) hat nur noch einen einzigen genügenden Repräsentanten in der jetzt leben- den Schöpfung, dessen Schalen sehr häufig in allen Sammlungen zu finden waren, während das Thier erst in neuester Zeit durch einige wenige nach Europa gekommene Exemplare bekannt und näheren Un- tersuchungen unterworfen wurde. Um so häufiger sind die Schalen dieser Thiere in den ältesten Schichten namentlich, wo sich auch die mannigfaltigsten Formen derselben zeigen. Sämmtliche Vierkiemer besitzen vielkammerige Schalen, indem das Fig. 431. Die Schale eines Perlbootes ( Nautilus ) der Länge nach durchsägt, um die Einrollung und die Kammern zu zeigen. a Letzte Kammer, die ein- zig vom Thiere bewohnt ist. b Die erste Scheidewand, welche die nach- folgenden Kammern c abtrennt. s Der Sipho, welcher die Kammern in Verbindung setzt. Gehäuse durch Abtheilungen zerlegt ist, deren letzte verhältnißmäßig viel größer, als die vorhergehenden ist und dem Thiere allein zur Wohnung dient. Bei zunehmendem Wachs- thume vergrößert dieses seine Schale nach vorn, läßt aber zugleich nach hinten eine Strecke der Schale, welche ihm zu eng geworden ist, frei und bildet sich eine neue Scheidewand, welche die Wohnkammer nach hinten abschließt. Die Structur die- ser Scheidewände selbst ist sehr mannig- faltig. Bei dem lebenden Perlboote und der ganzen Familie der Perlboote ( Nau- tilida ) überhaupt, sind diese Scheidewände einfach ausgeschweift und ihre Convexität nach hinten, ihre hohle Seite nach der Mündung der Schale hin ge- richtet. Bei den geraden Schalen, welche besonders in den Ueber- gangsgebirgen vorkommen, gleicht deßhalb das ganze Gehäuse einer Reihe aufeinandergesetzter Unterschalen von Tassen, die allmählig an Größe zunehmen. Bei der gänzlich ausgestorbenen Familie der Am- monshörner ( Ammonitida ) dagegen sind die Ränder der Scheidewände mehr oder minder eingebogen und oft vielfältig ausgezackt, so daß man an den versteinerten Schalen, wo meistens die dünne Schale fehlt und nur der Steinkern vorhanden ist, diese Scheidewände als mannig- fach verzweigte Figuren auf der Außenfläche erblickt. Gestalt und An- ordnung dieser Einbiegungen haben in mannigfacher Weise zur Unter- scheidung der Arten und Gattungen, sowie einzelner Gruppen in der Familie selbst dienen müssen. Eine zweite Eigenthümlichkeit dieser gekammerten Schalen ist, wie schon oben bemerkt, die Existenz eines Sipho, einer mehr oder minder unterbrochenen Röhre, welche durch alle Kammern der Schale sich fort- setzt, oft aber auch nur aus einzelnen Löchern besteht, welche die Scheide- wände an correspondirenden Stellen durchbohren. Durch diese Röhre oder durch die entsprechenden Löcher erstreckt sich ein sehniger Strang, welcher das Thier an der Schale befestigt. Bei dem lebenden Perl- boote, sowie bei den fossilen verwandten Gattungen, liegt der Sipho in der Mitte, bei andern oft ganz an dem äußeren oder inneren Rande der Schale. Fig. 432. Das Perlboot ( Nautilus ) in seiner Schale. Das Thier ist unversehrt, in natürlicher Lage belassen, die Schale der Länge nach halbirt, um die Kammern und den durch die Kammern laufenden Faserstrang zu zeigen. a Die hinteren Kammern. s Der Punkt, wo sich der Faserstrang des Sipho an den Eingeweidesack des Thieres festsetzt. w Ein querer Wulst des Mantels, wodurch das Thier an der Wand der letzten Kam- mer befestigt ist. o Das Auge. e Der zum Aussprützen des Athemwassers bestimmte Trichter. t Die Tentakeln. p Eigenthümliche fleischige Deckklappe des Nackens. m Fortsatz des Mantels, der einen Theil der letzten Windung umfaßt. Der Kopffüßler selbst, welcher diese Schalen bewohnt, hat eine kurze cylindrische Gestalt und ist größtentheils von seinem sackförmigen Mantel eingeschlossen, der sich überall genau an der letzten Kammer der Schale anlegt. Das Thier liegt so in dieser Kammer, daß seine Rückenseite der Spindel, seine Bauchseite dem äußeren Rande der Schale zugekehrt ist. Die Geologen, welche sich hauptsächlich mit der Be- schreibung der gekammerten Schalen abgaben, haben in ihrer glücklichen Unkenntniß der Organisationsgesetze gerade eine umgekehrte Bezeich- nung der Schalen angenommen und Rückenseite den äußeren, Bauchseite den inneren Rand dieser Schalen genannt. Der Mantel bildet nach hinten einen Fortsatz, welcher auf der Windung der Schale aufliegt, und zeigt auf der Rückenseite einen breiten, dreieckigen Flügellappen, welcher theils zum Schluß der Schale, theils auch zum Kriechen zu dienen scheint. Auf der Bauchseite liegt der der Länge nach gespaltene Trichter und zwischen ihm und dem sogenannten Fuße eine Menge von Armen, welche keine Saugnäpfe tragen, sondern schwach geringelt sind und in eine Scheide zurückgezogen werden können. Zwischen diesen Fühlfäden liegt der mit zwei hornigen Kiefern bewaffnete Mund und unter ihnen auf jeder Seite ein großes gestieltes Auge. Außer vielen anderen Eigenthümlichkeiten in der Anatomie dieses Thieres zeigt sich besonders die, daß auf jeder Seite zwei Kiemen vorhanden sind, welche ein einziges Arterienherz speisen, und daß der Dintenbeutel, welcher die übrigen Kopffüßler so auszeichnet, hier gänzlich fehlt. Wahrschein- lich ist es auch, daß die Männchen der Thiere, welche zu dieser Ord- nung gehören, verkümmert sind und eine ebenso abweichende Gestalt haben, wie diejenigen, welche man bei den Papierbooten kennt. We- nigstens hat man in der Nähe mancher fossilen Ammonshörner und sehr oft in der vorderen Kammer derselben höchst eigenthümliche Schalen gefunden, die man unter dem Namen Aptychus bezeichnet und die offenbar innere Schalen von Kopffüßlern sind, welche vielleicht ver- kümmerten Männchen angehörten, die ebenso, wie die verkümmerten Männchen mancher Achtfüßer, die Hectocotylen, von den Weibchen in ihrer Mantelhöhle mit herum getragen wurden. Wir theilen die Ordnung der Vierkiemer in zwei Familien. Die- jenige der Perlboote ( Nautilida ) besitzt einfache ausgeschweifte, höchstens S förmig oder in einfachem Zickzack gebogene Scheidewände und sehr verschieden aufgerollte Schalen. Sie setzen sich von den ältesten Schich- ten an bis in die neueste Zeit fort, wo der einzige Repräsentant in der Südsee meist nur auf hohem Meere vorkömmt. Die leeren Kam- mern der Schale, welche bei allen diesen Thieren sehr dünn war, dienen offenbar, wie eine feste Schwimmblase, zur Erleichterung des specifischen Gewichtes des Thieres. In den ältesten Schichten kommen Nautiliden vor, welche vollkommen gerade sind und keine Spur von Vogt, Zoologische Briefe I. 25 Aufrollung zeigen ( Orthoceratites ); andere, welche etwa die Gestalt eines Bischofsstabes ( Lituites ) haben; noch andere, welche unvollkom- men eingerollt erscheinen ( Phragmoceras ), während von den mittleren Schichten des Jura an und auch schon früher ächte Perlboote ( Nauti- lus ) mit vollkommen eingerollten Schalen sich finden. Nach der La- gerung des Sipho und der Einknickung der Scheidewände hat man viele ausgestorbene Gattungen unterschieden. Clymenia. Die Familie der Ammonshörner ( Ammonitida ) unterscheidet sich Fig. 433 Ammonites aus dem Lias. von der vorigen durch eingebogene und gezackte Scheidewände, welche entweder in Zickzacklinien geknickt oder gänzlich ausgezackt und sogar wie eine Krause gefaltet erscheinen. Der Sipho liegt bei ihnen stets an dem Außenrande der Schale, während er bei der Familie der Perlboote in der Mitte oder dem Innenrande nahe liegt. Die Ammonshörner sind gänzlich ausgestorben, kommen dagegen in den älteren Schichten außerordentlich zahlreich vor und zeigen gewissermaßen eine umgekehrte Geschichte wie die Perlboote. Die ältesten Ammonshörner nämlich bis zu der Kreide, mit welcher diese Familie gänzlich aufhört, sind alle in einer Ebene gewunden, während in der Kreide selbst sich alle jene Formen von geraden ( Baculites ), halbgewun- denen ( Scaphites ), hakenförmig gebogenen ( Hamites ) Schalen vorfinden, welche bei den Perlbooten in der ältesten Geschichte sich zeigten und sogar noch schneckenförmig gewundene Formen ( Turrilites ) vorkommen. Man hat nach diesen Formen der Aufrollung, sowie nach der Gestalt der Scheide- wände, verschiedene große Gattungen unterschieden und es ist hier aller- Fig. 434. Ceratites nodosus aus dem Muschelkalke. dings merkwürdig, daß in den älteren Schichten bis zum Muschelkalke hin, nur Ammonshörner vorkommen, welche zickzack- förmig gebogene, ungezähnelte Scheidewän- de haben ( Goniatites ), daß bei den im Mu- schelkalke vorkommenden Arten ( Ceratites ) nur die nach hinten ausgebogenen Lappen der Scheidewände, welche man die Loben ge- nannt hat, gezähnelt, die nach vorn gerichte- ten (die Sättel) hingegen, glatt sind, wäh- rend bei denjenigen Gattungen, welche vom Muschelkalk an aufwärts in den Schichten des Jura und der Kreide gefunden werden, alle Ausbie- gungen der Scheidewände, Sättel und Loben durchaus gezähnelt und gezackt sind. Ammonites; Hamites; Scaphites; Turrilites . Die Ordnung der Zweikiemer ( Dibranchiata ) , welche weit zahlreicher in unsern Meeren vertreten ist, in der Erdgeschichte aber auch erst viel später mit den untersten Juraschichten auftrat, unterscheidet sich von der vorigen dadurch, daß stets eine bestimmte Anzahl von Armen und zwar höchstens zehn vorhanden sind, alle mit Saugnäpfen oder Hornhaken bewaffnet, und daß man außerdem in der Mantelhöhle nur zwei Kiemen vorfindet. Diese Thiere haben niemals eine vielkammerige Schale, deren letzte Kammer sie bewohnen und in welche sie sich zurückziehen können, sondern wenn eine solche existirt, was bei einer Gattung der Fall ist, so steckt sie zum Theile in dem Mantel des Thieres, von welchem sie eingehüllt wird. Viele haben dagegen innere Schalen, die in dem Rückenblatte des Mantels eingesenkt und sehr eigenthümlich zusammengesetzt sind. Diese Rückenschalen bestehen nämlich aus einem vorderen hornigen Blatte, welches entweder nackt, sehr dünn, biegsam und durchsichtig ist, oder auf beiden Flächen mit successiven porösen Kalkschichten belegt erscheint, in deren Zwischenräumen sich eine gallertartige Sulze befindet. Nach hinten zu ist an diesem Hornblatte eine feste, derbe Spitze aus Kalk- masse angebracht. Dieser ganze Rückenknochen liegt in einer Höhle der Mantelfalte eingeschlossen, die von einer dünnen sehnigen Haut ausgekleidet ist. Es ist jetzt zur Gewißheit geworden, daß die soge- nannten Belemniten oder Donnerkeile, welche man von den untersten Schichten des Jura bis in die obersten der Kreide so häufig verstei- nert findet, nur solche innere Knochen waren. Wir unterscheiden in dieser Ordnung folgende Familien: Fig. 437. Fig. 435. Fig. 436. Spirula Peronii. Fig. 435. Das Thier. a Der Kopf mit Die Familie der Post- hörnchen ( Spirulida ) ist nur durch eine einzige Gattung bekannt, deren Schale aus vielen Kammern besteht und in einer Ebene so gewunden ist, daß sich die Windungen nicht vollständig berühren. Der Sipho liegt auf der in- neren Seite der Kammern, die Scheidewände sind einfach vertieft. Von dem Thiere 25* den Fangarmen und dem Auge. b Der Mantel. c Die aus dem unteren Theile hervorragende Schale. Fig. 436. Eine ganze Schale. Fig. 437. Eine Kammer von innen, um die Lage des Sipho zu zeigen. weiß man nur so viel, daß es einen langen Körpersack hat, der nach hinten mit zwei seitlichen Lappen die Schale umfaßt, so daß diese fast ganz verborgen ist. Der aus diesem Man- telsacke hervorstehende Kopf hat zehn mit kleinen Saugnäpfen besetzte Arme, von denen zwei länger und dicker sind, als die übrigen. Das Thier schwimmt in der Südsee verkehrt, mit dem Kopfe nach unten, ist aber noch nie ganz unbeschädigt aufgefunden worden, während man die Schalen sehr häufig ausgefressen, auf der Oberfläche treibend, an- trifft. Aehnliche fossile Gattungen hat man bis jetzt noch nirgends aufgefunden. Fig. 438. Loligopsis Veranii . Die Familie der Tintenfische ( Sepida ) besteht aus nackten Thie- ren, mit meist länglichem abgeplat- tetem Körper, an dessen Seiten zwei mehr oder minder bedeutende Haut- flossen sitzen. Die Thiere haben zehn Arme, von denen acht kürzer sind, spitzig zulaufen und ihrer gan- zen Länge nach Saugnäpfe tragen, während die zwei anderen Arme oft unverhältnißmäßig lang sind und aus rundlichen Stielen beste- hen, die sich an der Spitze lanzett- artig ausbreiten und hier erst Saug- näpfe oder Krallen tragen. Diese langen Arme können in eigene Fig. 439. Kalmar. Loligo vulgaris . Scheiden, die am Kopfe liegen, zurückgezogen werden. Alle haben ein inneres Skelettstück in der Rückenhaut des Mantels, doch kann man nach dessen Beschaffenheit mehrere Gruppen in der Familie unterscheiden. Bei den eigentlichen Tintenfischen nämlich ist dieses Rückenstück kal- kig, der Körper mehr breit, die Flossenhäute ziemlich schmal und die Saugnäpfe sitzen un- mittelbar auf der Fläche der Arme auf, wäh- rend bei den Kalmaren ( Loligida ) der Körper- sack mehr lang ausgezogen ist, die dreieckigen Flossenhäute nur hinten am Körper sich befin- Fig. 440. Ein Belemnit, wie man sie gewöhnlich findet, mit einem Rest der Al- reole und dem darin ste- ckenden Phragmoconus . den und das feste Rückenblatt nur sehr schmal ist und eine hornige Beschaffenheit hat. Die Saugnäpfe sind bei dieser Unterfamilie gestielt und zuweilen durch Horn- haken ersetzt. Loligo; Loligopsis; Sepia; Sepiola; Ony- chotheutis. Die Familie der Donnerkeile ( Belemnitida ) kommt nur noch in ihren fossilen Resten vor, doch hat man in einzelnen sehr feinkörnigen Gesteinen so wohl erhaltene Abdrücke der Thiere gefunden, daß man sie fast vollständig restauriren konnte. Das Thier besaß acht gleiche Arme, welche an ihrem inneren Rande mit einer Reihe scharfer Haken besetzt waren. Der Körper war sehr in die Länge gezogen, nach hinten zugespitzt und seitlich mit zwei großen halbmondförmigen Fig. 441. Fig. 442. Fig. 443. Fig. 441. Das Thier der Belemniten nach Abdrücken aus dem Lias- schiefer restaurirt und so dargestellt, daß man die in den Fossilen erhaltenen Theile, den Rückenknochen oder Belemniten und den Tintenbeutel sieht. Fig. 442. Ein vollständiger Belemnit mit allen Theilen, von hinten. Fig. 443. Derselbe von der Seite. a Das Hornblatt. b Der Kegel ( Phragmoconus ). c Der Körper oder die Endspitze des Knochens. d Der Tintenbeutel. e Schwimm- flossen. f Trichter. g Mund. h Mit Hornzacken besetzte Arme. Schwimmflossen besetzt. Der Tintenbeutel, welchen man sehr oft wohl erhalten findet, war birnförmig, ziemlich lang und von ansehnlicher Größe. Das auffallendste Organ der Thiere war die Rückenschale oder der sogenannte Belemnit. Ein vollständiger Belemnit ist aus drei Stücken zusammengesetzt, von denen man aber meist nur das untere, den Schnabel oder Körper, erhalten findet, der, wie schon be- merkt, cylindrisch und solid ist. Das obere Ende dieses Körpers des Belemniten bildet eine conische becherförmige Höhle, in welcher die Alveole oder der Phragmoconus steckt; eine wahre gekammerte Schale mit Luftkammern, die wie Uhrgläser aufeinander geschichtet sind, und durch welche ein Sipho hindurchgeht, der an der Seitenwand der Al- veole anliegt. Der hintere Theil der Alveole endlich setzt sich in ein blattartiges Gebilde fort, das wahrscheinlich, wie bei den Kalmaren, hornartig war, und deshalb das Hornblatt genannt wird. Das Horn- blatt ist nur sehr selten erhalten; die Alveole meist von dem Körper oder Schnabel getrennt und dieser noch außerdem meist oben zerbro- chen. Aus der gestreckten Körperform dieser Thiere und der gewal- tigen Beschützung ihres Hintertheiles darf man schließen, daß sie sehr schnelle Schwimmer waren, welche sich meistens an dem Strande auf- hielten. Belemnites; Belemnitella. Fig. 444. Gemeiner Pulpe ( Octopus vulgaris ), kriechend. Die Familie der Achtfüßer ( Octopodida ) besitzt nur acht gleich lange Arme und einen meist rundlichen Körpersack ohne alle Seiten- flossen und ohne eine Spur eines Rückenknochens. Die Saugnäpfe auf den acht Füßen stehen bald in einer ( Eledone ), bald in zwei Längs- reihen ( Octopus ). Der Körper ist nur bei einer Gattung, dem Papier- boote, in einer ungekammerten, wenig gebogenen Schale eingeschlossen, Fig. 445 Das Papierboot ( Argonauta Argo ) in seiner Schale, schwimmend. welche von der äußeren Fläche der Arme abgesondert wird, wovon zwei zu diesem Endzwecke flügelartig erweitert sind und die Schale umklammern. Das Thier gebraucht indeß die Arme nicht wie Segel, wie man oft erzählt hat, um auf der Oberfläche des Wassers einherzu- schiffen, sondern es schwimmt ganz wie andere Kopffüßler durch Ein- ziehen von Wasser und Ausstoßen desselben aus dem Trichter. Bei den meisten Gattungen der Achtfüßer sind die Männchen den Weibchen vollkommen gleich, so daß es unmöglich ist, sie ohne Zer- gliederung zu unterscheiden ( Octopus; Eledone ); bei den Argonauten aber, sowie bei einer nackten Gattung, Tremoctopus , finden sich die verkümmerten Männchen, deren wir oben gedachten, und die es wahr- scheinlich machen, daß auch die Nautilen und die ihnen verwandten fossilen Gattungen ähnliche verkümmerte Männchen besaßen. Eilfter Brief. Kreis der Gliederthiere. ( Articulata. ) F ür sich allein umfaßt dieser Kreis eine bei weitem größere An- zahl von Thieren, als das ganze übrige Reich zusammengenommen, sowohl wenn man die Zahl der Individuen, als auch die Man- nigfaltigkeit der in Gattungen und Arten repräsentirten Formen in das Auge faßt. Deßhalb sind es die Thiere dieses Kreises auch haupt- sächlich, welche trotz der verhältnißmäßigen Kleinheit ihres Körpers — denn nur wenige Gliederthiere können sich hierin mit den kleineren Wirbelthieren messen — den einzelnen Strichen und Zonen der Erde eine bestimmte Physiognomie aufdrücken, indem sie eben sowohl die Luft, als das Wasser mit ihren unzähligen Schwärmen erfüllen und durch ihr massenhaftes Auftreten und den Schaden, den viele von ihnen stiften, selbst weniger aufmerksameren Beobachtern in die Augen fallen. So mannigfaltig auch die äußeren Formen der Krebse, Spinnen, Tausendfüßler und Insekten sein mögen, welche diesen Kreis bilden, so läßt sich doch auf der andern Seite nicht läugnen, daß die Orga- nisation der genannten einzelnen Glieder des Kreises viele und höchst wesentliche Berührungspunkte miteinander gemein hat und daß ein engeres Band dieselben umschlingt, als wir bei den bisherigen Kreisen zu finden gewohnt waren. Die Gliederthiere bilden in der That eine in sich wohl geschlossene Gruppe, die auf einem gemeinsamen Organi- sationsplane beruht, dessen einzelne Modificationen in streng gesetz- mäßiger Weise sich allmählig aneinander reihen, ohne schroffe Ab- grenzungen zu zeigen. Diese Gesetzmäßigkeit des Baues geht so weit, daß, bis in die kleinsten Einzelheiten der Organisation hinein und bei höchst abweichender Form der einzelnen Theile, man dieselben dennoch stets nach Zahl und Lagerung wieder erkennen und ihnen die im all- gemeinen Plane vorgesehene Bedeutung zuweisen kann. Die Gliederthiere bieten vor allen andern die größte Symmetrie in der seitlichen Anlagerung ihrer Körpertheile zu beiden Seiten einer senkrechten Ebene, welche durch die Längsaxe des Körpers gelegt ist. Man denke sich einen Käfer, einen Krebs senkrecht durchschnitten; — auf jeder Seite des Schnittes wird man genau dieselbe Zahl von Organen und die einfach vorhandenen Organe, wie Herz, Bauchmark, Darm, in zwei genau gleiche Hälften zerlegt finden. Zuweilen macht freilich der Darm durch mehrfache Krümmungen innerhalb der Leibes- höhle eine Ausnahme von dieser Regel allgemeiner Symmetrie; zu- weilen auch findet man an den äußeren Organen eine ungleiche Ent- wicklung der seitlichen Theile, wie z. B. der Scheeren bei gewissen Krebsen, oder sogar des ganzen Körpers bei einigen Schmarotzerkrebsen. Alle diese Ausnahmen sind indeß entweder unbedeutend, oder auf eine so geringe Anzahl von Typen eingeschränkt, daß man bei der bei weitem größten Anzahl mit vollem Rechte behaupten kann, der Bau ihres Körpers sei bis in die kleinste Einzelheit streng symmetrisch ge- ordnet. Eine zweite Eigenthümlichkeit der Gliederthiere besteht in der queren Abtheilung ihres Körpers in mehrere Ringe , so- genannte Zoniten , die fast überall aus den gleichen Grundtheilen zusammengesetzt scheinen, aber dennoch meistens sehr verschiedene Aus- bildung zeigen. Die niederen Formen der Gliederthiere, sowie die ersten Stufen, welche die höheren Formen in ihrer Entwicklung durch- laufen, schließen sich durch die Ringelung ihres lang gestreckten Körpers und durch die Gleichmäßigkeit dieser Ringel, welche sich vielfach in derselben Weise wiederholen, nah an die Ringelwürmer an, so daß man oft selbst versucht hat, sie mit denselben in eine aufsteigende Linie zu setzen und die Würmer als zu demselben Grundtypus gehörig zu betrachten. Läßt man die höchst verschiedene Entwicklungsweise, sowie den Umstand außer Auge, daß die Ringelwürmer mit den andern Klassen ihres Kreises in der nächsten Beziehung stehen, so hat eine solche Betrachtungsweise allerdings sehr viele Gründe für sich und der Abstand von einer Raupe zu einem Ringelwurm z. B. erscheint dann bei weitem nicht so bedeutend, als derjenige zwischen einem durch schmarotzende oder festsitzende Lebensweise zurück gebildeten Krebse und einem Weichthiere, obgleich diese letztere Beziehung doch so innig ist, daß die jetzt zu den Krebsen gerechneten Rankenfüßer noch bis in die neueste Zeit, ehe man ihre Entwicklungsgeschichte kannte, zu den Weich- thieren gestellt wurden. Mit dieser Erkenntniß der Beziehungen, in welchen die Kreise der Würmer, Weichthiere und Gliederthiere mittelst ihrer Durchgangsgruppen stehen, hängt der oft wiederholte Streit über die gegenseitige Rangordnung zusammen, den diejenigen Natur- forscher mit einander führten, welche das Thierreich in eine einzige aufsteigende Reihe geordnet wissen wollten. Die Einen räumten den Weichthieren, die Andern den Gliederthieren den höheren Rang un- mittelbar unter den Wirbelthieren ein. Beide waren im Unrecht — eben weil das Thierreich sich nicht in aufsteigender Linie aufbaut, son- dern sich nur nach mannigfach zerstreuten Gruppen ordnen läßt, die nach allen Seiten Beziehungen zu einander haben. Die Ringelung des Körpers, welche wir bei allen Gliederthieren gewahren, wird bei den meisten Typen eine ungleichartige, so daß ver- schiedene Regionen des Körpers, Kopf, Brust und Bauch sich unterscheiden lassen. Jede dieser Körperabtheilungen besteht aus einer gewissen Anzahl von Ringeln, die bald mehr, bald minder mit einander verschmolzen sind. Bei den höheren Formen ist die Trennung dieser drei Körperabtheilungen vollständig durchgeführt und jede der- selben hat eine eigenthümliche Beziehung zu der Gesammtorganisation, indem der Kopf die Sinnesorgane, das Gehirn und die Mundtheile, der Rumpf oder Thorax die Bewegungsorgane, der Hinterleib die Hauptorgane des vegetativen Lebens und die Fortpflanzungswerkzeuge trägt. Bei den niederen Formen ist bald die eine, bald die andere dieser Körperabtheilungen verkümmert oder mit den andern zu einer Masse verschmolzen. So findet man bei den eigentlichen Spinnen und Krebsen Kopf und Brust zu einem einzigen Theile, der Kopfbrust ( Cephalothorax ), verschmolzen, während bei manchen Krustenthieren nur der Kopf getrennt, Brust und Hinterleib aber miteinander ver- einigt, und bei den Milben sogar alle drei Abtheilungen in eine einzige rundliche Leibesmasse zusammen geflossen sind. Betrachten wir den allgemeinen Plan, nach welchem der Bau der verschiedenen Organe des Körpers bei den Gliederthieren durchgeführt Fig. 446. Nervensystem eines Gliederthieres. ist, so finden wir in dem Nervensysteme eine we- sentlich charakteristische Anordnung, die auf dem Typus fußt, welchen wir bei den höheren Ringelwürmern ausgebildet fanden. Ein knotiger Strang, dessen meist doppelte Verbindungsfäden oft seitlich ausein- ander weichen, zieht sich in der Mittellinie des Kör- pers an der Bauchfläche fort, und entsendet aus sei- nen einzelnen Knoten die Nerven der verschiedenen Organe. Je länger gestreckt der Körper erscheint, je gleichartiger die verschiedenen Ringel sind, in desto gleichmäßigeren Abständen folgen sich die Knoten dieses Bauchnervenmarkes, während beim Zusammen- schmelzen der Ringel, sowie der Körperabtheilungen, auch die einzelnen Knoten miteinander in größere Massen verschmelzen. Das ganze Bauchmark nimmt seinen Ursprung von einem oder mehreren beträcht- lichen Hirnknoten, welche in dem Kopfe über dem Schlunde liegen und zwei Verbindungsfäden nach unten schicken, die sich in den ersten Bauchknoten vereinigen. Es ist also ein förmlicher Schlundring vorhanden, der sich aber nach hinten in ein streng symmetrisches, in der Mittellinie des Körpers gelegenes Bauchmark fortsetzt. Wichtig erscheint die Lagerung dieses Bauch- markes unter allen Eingeweiden unmittelbar an der Innenfläche der äußeren Bauchbedeckungen, die der Lage des Centralnervensystemes bei den Wirbelthieren gerade entgegen gesetzt ist. Ein wesentlicher Unterschied der Gliederthiere von allen übrigen Typen der Thierwelt besteht in der Bildung der Bewegungs- organe und in der Art und Weise, wie die bewegenden Muskeln sich zu den festeren Theilen, zum starren Gerüste des Körpers und der Glieder verhalten. Bei allen Gliederthieren ist die äußere Haut ver- hältnißmäßig weit härter und fester, als die übrigen Theile des Kör- pers, und bildet so für den Körper sowohl, wie für die Bewegungs- organe eine Folge hohler Ringe, welche bei größerer Ausdehnung förmliche Röhren darstellen, in denen die Organe eingeschlossen sind. Die bewegenden Muskeln setzen sich auf der Innenseite dieser Röhren an, sind also im Innern der Hebel eingeschlossen, deren Bewegung sie bewirken sollen. Die Glieder selbst bestehen aus einzelnen starren Stücken, welche durch Gelenke miteinander verbunden sind und nur durch diese Gelenke die ihnen zukommende Biegsamkeit besitzen. Durch diese eigenthümliche Anordnung der Bewegungsorgane, die man z. B. an dem ersten besten Beine eines Käfers oder einer Fliege bestätigen kann, (noch geeigneter erscheint vielleicht die Scheere eines Krebses) unterscheiden sich die Gliederthiere wesentlich von den Wirbelthieren, bei welchen zwar eingelenkte, starre Hebel für die Bewegungen vorkommen, die Muskeln aber auf der äußeren Fläche dieses zu bewegenden Hebels angebracht sind, während sie bei den Gliederthieren auf der inneren Fläche der Hebel liegen. Nicht minder unterscheiden sich die Glieder- thiere von den bisher behandelten Kreisen, die entweder gar kein star- res Hautskelett und keine Bewegungshebel besitzen, oder, wenn der- gleichen starre Theile in Form von Borsten, Stacheln etc. vorhanden sind, niemals eingelenkte Glieder und durch Gelenke verbundene Hebel zeigen. Die Gelenke, welche die verschiedenen Theile der Glieder mit einander und mit der Bedeckung des Körpers einigen, sind häufig außerordentlich complicirt und weit mannigfaltiger in ihren Formen, als bei den Wirbelthieren, schon wegen der Form des Hohlcylinders, den die einzelnen Stücke der Glieder besitzen. Indessen lassen sich diese vielfachen Gelenkformen doch meist auf zwei Typen, denjenigen des Nußgelenkes und denjenigen des Charnieres reduziren. Auch die Art der Bewegungsorgane ist äußerst mannichfaltig, und namentlich bei den weniger entwickelten Typen begegnet man noch oft jenen Kenn- zeichen der niederen Ausbildung, die theils in der öfteren Wiederho- lung gleichartiger Anhänge, wie z. B. vollkommen gleich gebildeter Füße, theils in dem Umstande zu suchen sind, daß ein und dasselbe Organ mehreren verschiedenen Zwecken dient, während bei den höher ausgebildeten Formen die verschiedenen Funktionen auch verschiedenen Organen zufallen. So sind jene Bildungen, die zugleich als Schwimm- füße und Kiemenblätter, oder als Kauwerkzeuge und Gehfüße dienen, gewiß ein Zeichen niederer Organisation. Wir begegnen in dieser Hinsicht den mannigfaltigsten Stufen stets höher steigender Vervoll- kommnung. Während wir bis dahin nur solche Thiere kennen lern- ten, welche entweder an den Boden gefesselt sind, oder höchstens durch Zusammenziehung des Körpers und besonderer weicher Theile desselben kriechen und schwimmen können, so finden wir in dem Kreise der Glie- derthiere nicht nur jede Art von Fortbewegung im Wasser und auf der Erde, das Schwimmen, Laufen, Hüpfen und Springen, sondern auch namentlich ganze Ordnungen und Klassen, welche fast allgemein durch Flügel in die Lüfte sich erheben können. Hierdurch, so wie durch die Uebergänge der einzelnen Arten von gegliederten Anhängen, die zum Auffassen von Sinneseindrücken, zur Ernährung und Bewegung die- nen, ist eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Formen dieser Or- gane hervorgerufen, deren Einreihung unter allgemein leitende Normen nur schwer zu finden ist. Wir können hier nur einzelne Andeutungen in dieser Beziehung geben. Nur bei der höchsten Entfaltung des Typus der Gliederthiere finden sich auch an der Rückenfläche des Körpers, an der oberen Hälfte der Körperringe gegliederte Anhänge, welche zu der Bewegung in der Luft dienen und mit dem Namen der Flügel bezeichnet werden. Die Insekten sind die einzige Klasse, bei welcher diese Art Rücken- ständiger Anhänge zur Entwicklung kommt, und auch bei ihnen nur in Folge der Metamorphose nach längerem oder kürzerem selbstständi- gem Leben, weßhalb auch die verwandlungslosen Insekten niemals Flügel erhalten und alle Insekten derselben bei dem Ausschlüpfen aus dem Eie gänzlich entbehren. Alle übrigen Anhänge gehören der unte- ren Fläche, der Bauchfläche des Körpers, an welcher das Nervensystem liegt, an, und selbst für diejenigen Anhänge, welche oft auf die obere Fläche des Körpers rücken, wie namentlich für die Fühler, gilt dies Gesetz, denn bei dem Embryo liegen dieselben stets deutlich an der Unterfläche und werden erst durch spätere Umbildung auf die Stirn oder selbst auf den Scheitel des Kopfes geschoben. Das gegenseitige Verhältniß dieser unteren gegliederten Anhänge zu einander bei den verschiedenen Klassen und Ordnungen zu bestim- men, hält schon um deßwillen sehr schwer, weil ihre Zahl, Form, Bestimmung und Lage ausnehmend wechselt und häufig bei den ein- zelnen hervorragenden Bildungstypen die Zwischenstufen der Abän- derungen fehlen, durch welche geleitet, man mit Sicherheit von der einen Form zum Verständniß der andern vorschreiten könnte. Be- trachtet man z. B. ein vollkommenes Insekt, eine Heuschrecke, einen Käfer, so scheinen die Anhänge scharf getrennt in Form, Lage und Bestimmung. Vorn an dem Kopfe die Fühler zur Aufnahme von Sinneseindrücken, sei es zum Tasten, zum Kriechen oder Hören be- stimmt und darnach gebaut; dann, im Kreise um den Mund, verschie- dene Kauwerkzeuge, theils zum Zerkleinern oder Betasten der Nahrungs- mittel, zum Fangen und Durchbohren der Beute, theils zum Schließen des Mundes bestimmt; dahinter, von den Brustringen abhängig, die Beine, reine Bewegungswerkzeuge und nur zu diesem Zwecke ausge- bildet. Welcher Abstand von hier zu einem Krebse, wo die Zahl der Fühler, der Kiefer, der Beine sich vermehrt und man kaum mehr weiß, welcher Bestimmung den Vorzug zu geben, indem derselbe Anhang, den wir hier als Bein und reines Bewegungswerkzeug erkennen, dort als Kauwerkzeug, hier als Greiforgan, an einem dritten Thiere als Kie- menblatt und an einem vierten als Tastwerkzeug sich wiederfindet! Welcher Abstand zwischen den Giftklauen einer Spinne, den Scheeren eines Galeoden, den Fühlern eines Krebses oder Insektes, die doch alle nur verschiedene Formen sind, unter welchen ein und derselbe An- hang in die Erscheinung tritt! Die meisten und sichersten Anhalts- punkte gewähren in diesem Labyrinthe die gegenseitige Lagerung der Theile, ihr Verhältniß zu einander und zu den Körperringen, von welchen sie abhängen. In größter Zahl entwickelt, werden diese Anhänge aus folgenden Gruppen zusammengesetzt: Fig. 447. Der Flußkrebs ( Astacus fluviatilis ) von unten. a Innere Fühler. b Aeußere Füh- ler. c Augen. d Gehörorgan. e Letztes Paar der Kaufüße, die übrigen Mundwerkzeuge fast deckend. f Erstes Beinpaar. g Letztes Beinpaar. h Bauchfüße. j After. i Schwanzflosse. Fig. 448. Die Kauwerkzeuge besonders auseinander gelegt. a Kiefer. b Erstes Kinnla- denpaar. c Zweites Kinnla- denpaar (die getrennte Unter- lippe). d, e, f Die drei Kau- fußpaare. 1. Aus zwei Paar Fühlern ( antennae ), einem vorderen und einem hinteren, die meist so neben einander stehen, daß die vorderen als innere Fühler, die hinteren als äußere bezeichnet werden. Bei einigen Klassen ist nur ein Paar Fühler entwickelt, bei anderen fehlen sie scheinbar und sind in Greif- oder Beißorgane umgewandelt. Sie stehen stets vor, meist über dem Munde auf der Stirnfläche und sind gewöhnlich aus einem mehrgliedrigen Stiele oder Schafte und einer Geissel gebildet, die höchst mannigfache Formen annehmen. 2. Die Gruppe der ausgebildeten Kauwerkzeuge besteht ur- sprünglich aus vier seitlichen Kieferpaaren, von welchen aber das erste immer, das letzte meistentheils in der Mittellinie so zusammen ver- wachsen ist, daß es eine deckelartige Lippe darstellt. So kommen denn gewöhnlich eine Oberlippe ( Labrum ), ein erstes Kieferpaar, meist scharf, einfach, ein Paar Oberkiefer, Kiefer ( mandibulae ), ein zweites, weit zusammengesetzteres Paar, die Unterkiefer, Kinn- laden oder Laden ( maxillae, mâchoires ) und eine ebenfalls sehr zu- sammengesetzte Unterlippe ( Labium ) am Eingange der Mundhöhle vor. Während die Oberkiefer meist nur aus einem einzigen mächtigen, starken Hornstücke bestehen, zeigen Kinnladen und Unterlippenhälften meist eine analoge Zusammensetzung, indem jeder dieser Theile aus einem Schaft oder Körper, einem inneren, meist zum Kauen oder Decken bestimmten Theile, der Lade, und einem äußeren gegliederten Anhange besteht, dem Taster oder der Geissel ( palpus ), welcher wesentlich zum Betasten der Nahrungsmittel dient und durch seine vielfachen Form- änderungen genaue Charaktere zur Unterscheidung bietet. 3. An diese Gruppe der eigentlichen Kauwerkzeuge schließt sich besonders bei denjenigen Gliederthieren, deren Brusttheil ganz oder theilweise mit dem Kopfe verwachsen ist, eine Gruppe von Anhängen an, die man mit dem Namen der Kaufüße oder Kieferfüße ( pates-mâchoires ) belegt, und die sich bis zur Zahl von drei Paaren vermehren können. Es zeigen diese Theile, die bei den Insekten z. B. durchaus fehlen, in ihrer Bildung die merkwürdigsten Uebergänge von wahren Bewegungs- oder Greiforganen, kurz von wirklichen Füßen zu förmlichen Kauwerkzeugen, und liefern dadurch den Beweis, daß die eigentlichen Kauwerkzeuge ihrer Anlage nach dem Typus der Füße angehören und eigentlich nur die Füße der Kopfringel sind, welche zu besonderen Zwecken sich umgestaltet haben. 4. Hierauf folgt erst die Gruppe der eigentlichen Beine oder Füße ( pedes ), der wesentlichsten Bewegungsorgane auf der Erde, wie im Wasser, deren Zahl wenigstens drei Paare beträgt, aber außeror- dentlich vermehrt werden kann. Die wohl ausgebildeten Füße be- stehen immer aus einem, meist kugelichen oder cylindrischen Hüftge- lenke ( coxa ), an das gewöhnlich ein unbewegliches Stück, der Schenkel- oder Hüftknorren ( trochanter ), angewachsen ist, aus einem Schenkel ( femur ), einer Schiene ( tibia ) und einem Endtheile, dem Fuße ( tarsus ), der meist aus mehreren Gliedern besteht. Die Modificationen der Form, wodurch die Beine oft ihrer ursprünglichen Bestimmung entfremdet und zu Tastorganen, Greifwerkzeugen etc. um- gestaltet werden, sind eben so mannigfaltig als diejenigen, welche sie innerhalb ihres ursprünglichen Bestimmungskreises erleiden, wo sie je nach der Art der Bewegung zu Schreit-, Lauf-, Spring-, Grab-, Schwimmbeinen etc. sich gestalten. 5. Eine letzte Gruppe gegliederter Anhänge, welche hinter den Beinen an den Ringeln des Hinterleibes befestigt sind, findet sich nur bei den Krustenthieren und ist dort unter dem Namen der falschen Füße, Bauchfüße oder Afterfüße ( pedes spurii; fausses- pates ) bekannt. Meist sind es blattförmige Organe, bald zum Schwim- men oder Strudeln bestimmt, in anderen Fällen zu Athemorganen (Kiemenblättern) umgewandelt, oder zum Tragen der Eier, zu Deck- platten etc. entwickelt; selten nur bilden sie sich zu wirksamen Be- wegungsorganen heran. Den Insekten und Arachniden fehlen diese Anhänge des Hinterleibes durchaus und bei den Tausendfüßern dürfte es noch zweifelhaft sein, ob die vielfältige Wiederholung der gleichför- migen Ringe, welche bei ihnen Beine tragen, eher der Brust oder dem Hinterleibe angehört. Von den gegliederten Anhängen der Rückenfläche, den Flügeln , die nur bei der höchsten Klasse, den Insekten, vorkommen, wird bei diesen die Rede sein. Die inneren Organe, die besonders dem vegetativen Leben vor- stehen und in denen sich namentlich die Erhebung aus dem Wasser zur Luft als Maßstab höherer Entfaltung kund giebt, werden wir bei den einzelnen Klassen betrachten. Doch dürfen wir hier nicht uner- wähnt lassen, daß noch bei keinem Gliederthiere Wimper- oder Flim- merorgane entdeckt worden sind, die doch bei den bisher betrachteten Klassen eine so große, bedeutende Rolle spielen, und daß manche der Funktionen, welche diese Wimperhaare in anderen Kreisen übernehmen, hier durch selbstständig bewegte, von willkürlichen Muskeln beherrschte Organe ausgeübt werden. Wahrscheinlich hängt dieses gänzliche Feh- len der Wimperorgane mit der stofflichen Zusammensetzung der äuße- ren Körperhüllen zusammen, deren Grundlage aus einem eigenthüm- lichen Stoffe, dem Chitin, gebildet ist, das in seinen chemischen Eigen- schaften der Holzfaser sehr nahe kommt, sich aber durch einen bedeutenden Gehalt von Stickstoff von dieser unterscheidet. Mit der hohen Entwicklung, welche die inneren Organe, beson- ders aber das Nervensystem, bei den Gliederthieren erreichen, steht die bedeutende, geistige Ausbildung, welche von vielen dieser Thiere erreicht wird, in nächster Beziehung. Nicht nur jene Triebe, welche die Er- haltung des Lebens und die Fortpflanzung betreffen, sind oft erstaunlich ausgebildet, so daß sie zu Ketten von Handlungen führen, denen man einen hohen Grad von Ueberlegung nicht absprechen kann; bei den höheren Typen finden wir selbst Aeußerungen berechnender und über- legender Geistesthätigkeit, welche sie auf eine weit höhere Stufe erheben, als sogar viele dem Menschen nahe stehende Wirbelthiere zeigen, und nur einen gradweisen Unterschied von den menschlichen Fähigkeiten er- kennen lassen. Auf alle diese Gegenstände, auf die wir bei Behand- lung der Klassen näher eingehen werden, können wir einstweilen nur aufmerksam machen, müssen aber noch ein wesentliches Unterscheidungs- merkmal, das allen Gliederthieren gemeinsam und in der Entwicklung begründet ist, besonders hervorheben. Bei allen Gliederthieren zeigt sich vom ersten Beginne der Ent- wicklung im Eie an ein deutlicher Gegensatz zwischen der Keim- anlage, aus welcher der Embryo hervorgeht, und dem Dotter; und zwar ist die gegenseitige Anlagerung dieser beiden Theile stets so be- schaffen, daß der sich ausbildende Embryo mit dem Rücken dem Dot- ter zugewandt ist und daß die Bildung der Organe von der Bauch- fläche aus gegen den Rücken hin fortschreitet. Der Körper des Em- bryo selbst schließt sich zuletzt in der Mittellinie des Rückens ab, während bei den Wirbelthieren gerade die umgekehrte Lagerung statt- findet und der Embryo mit seiner Bauchfläche dem Dotter zugewandt ist. Die näheren Erscheinungen der Ausbildung des Embryo, so wie die Verwandlungen, welche viele Gliederthiere erleiden, gehören der specielleren Betrachtung der Klassen an. Fassen wir die einzelnen hier aufgezählten Unterscheidungsmerk- male der Gliederthiere zusammen, so können wir sie kurz als Thiere charakterisiren von bilateralem Körpertypus, mit streng symmetrischer Anlagerung der Organe, welche gegliederte Bewegungsorgane besitzen, aus hohlen, eingelenkten Röhren gebildet, in deren Innern sich die bewegenden Muskeln befinden und die als Embryonen einen Rücken-stän- digen Dotter haben, der dem Bauchmarke diametral entgegengesetzt ist. Sehr lehrreich erscheinen die Verhältnisse, unter welchen der Kreis der Gliederthiere in der Geschichte der Erde auftritt. In den ältesten Zeiten, mit dem ersten Beginne der Schöpfung, treten eigenthümliche krebsartige Thiere auf, deren Typus bald verschwindet, um den Ver- wandten der Bildungen der Jetztwelt Platz zu machen; erst in den späteren Schichten der Kohlenperiode erscheinen die übrigen typischen Klassen der Insekten und Arachniden, und nur in der Jetztwelt der Vogt. Zoologische Briefe. I. 26 abweichende Typus der Tausendfüßer, dem nur eine geringe Be- deutung geziemt. Wir theilen die Myriaden der Gliederthiere in vier Klassen, deren Angehörige sich meist leicht unterscheiden lassen: Fig. 449. Flohkrebs ( Talitrus ). 1. Krustenthiere ( Crustacea ) mit Fühlhörnern, Wasserathmung und gegliederten Anhängen an Kopf, Brust und Hinterleib. 2. Tausendfüßer ( Myriapoda ) mit Fühlern, Luftathmung und Fig. 450. Scolopendra . gleichartigen gegliederten Füßen an den Ringeln des Körpers, die sich nicht in Brust und Leib trennen lassen. Fig. 451. Vogelspinne ( Mygale ). 3. Spinnenthiere ( Arach- nita ) ohne Fühler, mit vier Fuß- paaren, meist verschmolzenem Kopf und Brust und anhangslosem Hinterleib. Fig. 452. Schlupfwespe ( Ichneumon ). 4. Insekten ( Insecta ) mit Fühlern, Luftathmung, getrennten Körperregionen, anhangslosem Hinterleib, drei Fußpaaren und meist mit Flügeln versehen. Klasse der Krustenthiere. ( Crustacea .) Die Krustenthiere erscheinen wesentlich als die das Wasser be- wohnenden Gliederthiere; sie bevölkern bis in große Tiefen hinab unsere Meere und süßen Gewässer und sind fast alle auf Bewegung Fig. 453. Languste ( Palinurus ). und Athmung im Was- ser angewiesen. Es hält indessen schwer, bei der außerordent- lichen Mannichfaltig- keit der Formen und bei der mannichfachen Degradation, welche die verschiedenen Ty- pen in dieser Klasse erleiden, allgemeine Kennzeichen aufzufinden, welche auf alle Thiere derselben ohne Ausnahme passen, zu- mal da sich in ihr eine unzweideutige Ent- wickelung von tieferen Formen zu höheren Gestaltungen kund- giebt, die so bedeu- tend ist, daß die An- fänge der Klasse in ihren verkümmerten Formen bald den Weichthieren oder den Eingeweidewürmern, die höheren den eigentlichen Insekten zugewiesen wurden. Bei keiner Klasse zeigt sich der Einfluß des Schmarotzer- lebens und des Festsitzens am Boden in seinen verderblichen Einflüssen so klar und deutlich wie bei den Krustenthieren, und bei keiner geht 26* die Erniedrigung, die Herabwürdigung von dem vorgesteckten Ziele, die Rückbildung der in freier Bewegung sich tummelnden jungen Thiere zu alten Hockern, so weit als gerade bei dieser Klasse. Alle jene Or- gane, auf deren Verhalten man allgemeine Charaktere stützen könnte, verkümmern durch die erwähnten verderblichen Einflüsse. Die harte, in Ringel getheilte Schale wird bei dem Schmarotzer, den der Leib des Thieres deckt, welches er bewohnt, ein unförmlicher weicher Sack; — die mächtigen Glieder, welche eine schnelle Fortbewegung im Wasser vermitteln, wandeln sich zu kaum bemerklichen Hakenkrallen um; die Fühler, die Tastwerkzeuge, die Augen, die Sinnesorgane überhaupt werden zurückgebildet und gehen selbst gänzlich zu Grunde. So bleibt am Ende von einem frei beweglichen jungen Thiere nur ein erwach- senes Individuum zurück, das zwar zur Fortpflanzung der Art fähig ist, aber sonst alle jene Theile verloren oder verbildet hat, wodurch ein Gliederthier als solches sich zu erkennen giebt. Sämmtliche Cha- raktere, welche man von der Klasse der Krustenthiere angeben kann, beziehen sich deßhalb nur auf die größere Mehrzahl derselben und er- leiden bald hier bald dort bedeutende Ausnahmen. Der Körper der Krustenthiere hat meist eine mehr oder minder spindelförmige Gestalt, die sich indessen bei manchen Familien zuweilen Fig. 454. Garneele ( Palaemon ) von der Seite, um die verschiedenen Körperanhänge zu zeigen. as Aeußere Fühler. ai Innere Fühler, mit einem blattförmigen Anhange l an der Basis. r Vordere Spitze des Kopfbrustschildes ( rostrum). y Augen. p m Kaufuß. p’ p” Erstes und zweites Beinpaar. fp Bauchfüße. n Schwanzflosse des in Ringe getheilten Hinterleibes. bedeutend zusammenschiebt und mehr kugel- oder scheibenförmig wird. Die Bewegungsorgane, die bei den Embryonen und Larven niemals fehlen, bei den erwachsenen Thieren dagegen, zuweilen in sonderbarer Weise, verkümmert sind, stehen stets auf der Bauchseite des Körpers in bestimmter Beziehung zu den Ringeln, aus welchen derselbe zusam- mengesetzt ist, und können an allen Abtheilungen des Körpers vor- kommen, so daß man Kopffüße, Brustfüße und Bauchfüße unterscheiden kann. Meistens zeigt sich der Körper auch in diese drei Abtheilungen, in Kopf, Brust und Hinterleib , getheilt, und jeder dieser Theile Fig. 455. Assel ( Oniseus ) von oben. c Kopf. t 1 er- ster Brustring. t 7 siebenter und letzter Brustring. p bis pp Die sieben Beinpaare der Brust. ab Hinterleib. wieder aus eigenen Ringeln zusammengesetzt, die mehr oder minder deutlich von einander abgetrennt sind. Sehr häufig erscheinen Kopf und Brust in eine einzige Masse, in das Kopf- bruststück ( Cephalothorax ) zusammengefügt, so daß dann der Körper, wie bei unserem Fluß- krebse nur aus zwei Abtheilungen besteht, dem Kopfbruststücke, welches Sinnesorgane, Kau- werkzeuge und die wesentlichsten Füße trägt und einem hinteren gegliederten Theile, den man uneigentlicher Weise den Schwanz nennt, der aber, da er den Darm und die Fortsetzung des Bauchmarkes enthält und eigenthümliche Schwimmfüße trägt, als Hinterleib bezeichnet werden muß. Meist zeigt sich in allen den Fällen, wo der Kopf deut- lich von der Brust getrennt ist, diese letztere sowie der Hinterleib deutlich aus einzelnen Ringen zusammengesetzt, die nur in seltenen Fällen vollständig sind, aber stets aus zwei gleichen symmetrischen Hälften bestehen. Bei gleichmäßiger Entwickelung dieser Ringe in allen ihren Theilen zeigen sich dieselben aus folgenden Stücken zusam- mengesetzt. Die obere Decke bilden zwei Rückenstücke, welche meist in der Mittellinie miteinander verschmolzen und zu einem einzigen Stücke verwachsen sind; zwei ähnliche Stücke, ebenfalls in der Regel in der Mittellinie zusammengewachsen, decken von unten her den Bauch und werden das Bauchstück ( Sternum ) genannt. Die Seiten werden von Stücken gedeckt, welche oft beweglich mit den Rückenstücken und Bauch- stücken verbunden sind. Bei vollkommener Ausbildung findet man ein Paar oberer Seitenstücke, welche an die Rückenstücke anstoßen, und ein Paar unterer Seitenstücke, welche sich an die Bauchstücke anlegen. Die Bewegungsorgane sind stets nur den unteren Seitenstücken und den Bauchstücken angefügt, niemals aber, wie das öfters bei den Insekten geschieht, den oberen Stücken des Ringes. Aus der Verschmelzung der einzelnen Ringe gehen die größeren Abtheilungen des Körpers hervor, indem die bald mehr bald minder vollständigen Ringe entweder im Ganzen oder in ihren einzelnen Theilen miteinander verwachsen. Durch Vergleichung der mannigfa- chen Abänderungen, welche in dieser Hinsicht vorkommen, hat man gefunden, daß bei der bei weit größten Zahl der Krustenthiere eine normale Zahl von 21 Ringen vorhanden ist, von welchen die drei vordern die Sinnesorgane tragen, also den Kopf bilden, die übrigen in wechselnder Zahl der Brust und dem Bauche anzugehören scheinen. Alle diese Ringe können auf der Bauchseite gegliederte Bewegungsor- gane tragen, während auf der Rückenseite jeder gegliederte Anhang fehlt. Oft erscheinen sie auch nach ihrer Verschmelzung noch durch Nähte kenntlich, welche sich zuweilen durch Behandlung mit Säure von einander trennen lassen. Was nun die gegliederten Anhänge selbst betrifft, welche in der Unterfläche dieser Ringe eingelenkt sind, so sind diese der verschie- densten Art, und die Funktion der einzelnen Anhänge eines Ringes wechselt eben so sehr als ihre äußere Form und Gestalt. Der erste Kopfring ist nur bei wenigen Krustenthieren frei, bei den meisten mit den nachfolgenden verschmolzen; er trägt, wenn überhaupt Anhänge an ihm entwickelt sind, die Augen auf Stielen, welche beweglich sind, und meistens zurückgezogen werden können. An dem zweiten und dritten Kopfringe sind die gegliederten Fühlorgane befestigt, die inne- ren oder vorderen Fühler ( antennulae ) sind meistens kleiner und meistens stehen auf einem kurzen Stiele ein oder zwei fadenförmige An- hänge, welche man die Geißeln genannt hat. Die äußeren Fühler , ( antennae ), welche sehr selten mehr als eine Geißel haben, sind ge- wöhnlich bei weitem größer und dienen dem Thiere vorzugsweise zum Betasten fern liegender Gegenstände. Zuweilen sind diese Fühler zu breiten Blättern umgestaltet, in anderen Fällen verästelt und dienen dann als Bewegungsorgane. Die Anhänge der folgenden Ringe sind meistens als Hilfsorgane des Mundes entwickelt, und da sie bei vielen Krebsen zugleich Bewe- gungsorgane sind und allmählig in wahre Füße sich umgestalten, so hat man entweder alle, oder wenigstens die letzten Paare als Kaufüße oder Kieferfüße bezeichnet. Am auffallendsten erscheint diese doppelte Eigenschaft bei dem großen Schildkrebse der Molucken ( Limulus ), wo das Anheftungsglied der Gangfüße eine knieförmige Beu- gung gegen den Mund hat und hier mit harten Zähnen besetzt ist, die zum Zermalmen der Beute dienen. Fig. 456. Die Kauwerkzeuge besonders auseinander gelegt. a Kiefer. b Erstes Kinnla- denpaar. c Zweites Kinnla- denpaar (die getrennte Unter- lippe). d, e, f Die drei Kau- fußpaare. Betrachtet man als Beispiel die ver- schiedenen Anhänge, welche man bei unserem gewöhnlichen Flußkrebse zu beiden Seiten des Mundes findet, so zeigen sich zuerst zwei harte nach innen gezähnelte Stücke, die Oberkiefer (mandibulae) , auf welchen ein kleiner zweigliedriger Taster (palpus) einge- lenkt ist. Hinter diesen Oberkiefern stehen der Reihe nach zwei Paar Unterkiefer , oder Kinnladen (maxillae) , jeder aus mehreren Stücken zusammengesetzt, die blatt- artig und mit steifen Haaren besetzt sind, und hauptsächlich als Bürsten zu wirken scheinen. Auf diese Kinnladen oder Unter- kiefer folgen drei Paar eigentlicher Kau- füße , welche mehr und mehr die Gestalt wahrer Füße annehmen, und von welchen fast jeder einen äußern Geißelanhang trägt. Es sind diese Kaufüße in beständiger tasten- der Bewegung, und sie scheinen vorzüglich zum Festhalten der Nahrung und Vorschie- ben derselben in den Mund bestimmt zu sein. Erst jetzt folgen bei dem Krebse die eigent- lichen Füße, wovon das erste Paar die Scheeren trägt, während bei den Heuschreckenkrebsen z. B. der zweite Kaufuß des Krebses sich zu einem gewaltigen Zangenfuße ausbildet, der die Beute ergreift, und der dritte Kaufuß einem mit einem Haken bewaffneten Fuße entspricht. Bei dem Flußkrebse findet man fünf Paar eigentlicher Beine oder Gangfüße, welche alle aus einem rundlichen Einlenkungsstücke der Hüfte (coxa) , einem Oberschenkelstücke (femur) , einem Schienbeinstücke (tibia) , einem Fußwurzelstücke (tarsus) und dem Endgliede, welches die Scheere ist, zusammengesetzt sind. Die Zahl dieser Gangfüße wechselt außeror- dentlich bei andern Krebsen; ebenso die Ausbildung ihrer einzelnen Theile und namentlich des Endgliedes, welches bald mit Scheeren, bald mit Klauen bewaffnet ist. Zuweilen sind diese Gangfüße in blatt- artige Schwimmfüße umgewandelt, oder auch nur zu Klammerorganen verkümmert. Bei dem Flußkrebse folgen auf diese Gangfüße, welche unter dem Kopfbruststücke eingelenkt sind, fünf Paar von geglieder- ten Anhängen, die unter den Ringen des Hinterleibes stehen, und welche man mit dem Namen der falschen Füße oder der Bauch- füße bezeichnet. Die analogen Gebilde sind bei andern Krustenthie- ren hauptsächlich in blattartiger Form, besonders zur Deckung der Kiemen oder der Eier entwickelt, und auch bei den weiblichen Fluß- krebsen dienen diese Anhänge zur Befestigung der Eiertrauben bis zum Auskriechen der Jungen. Das letzte Paar von Anhängen endlich bildet bei dem Krebse die seitlichen Theile, welche mit dem blattartig erweiterten Schwanzstücke jenes mächtige Ruder zusammensetzen, wel- ches für den Krebs das hauptsächlichste Schwimmorgan ist. Die Mo- dificationen, welche diese einzelnen Anhänge bei den verschiedenen Ord- nungen und Familien erleiden, können wir bei diesen erst genauer in’s Auge fassen, da sie zu sehr ins Einzelne führen würden. Die Bewegungen der Krustenthiere, zu deren Ausführung sie sich ihrer gegliederten Anhänge bedienen, sind äußerst mannichfaltig. Die meisten leben im Wasser und haben dann wie der Krebs Schwimm- und Gehörgane zugleich. Bei den guten Schwimmern, die sich zugleich schnell fortbewegen, trägt der Hinterleib stets eine solche breite Flosse wie beim Krebse und das Thier bewegt sich auf die Weise rückwärts fort, daß es den Hinterleib lebhaft unter die Brust krümmt und so das Wasser wiederholt mit dem breiten Schwanzruder schlägt. Bei andern Schwimmern sind die Füße geißelförmig und mit langen Käm- men von Borsten besetzt, die als mächtige Ruder dienen, während wieder bei andern die Schwimmfüße sich blattartig ausbreiten. Mit vieler Geschicklichkeit wissen sich die meisten Krustenthiere ihrer Gang- füße zu bedienen. Viele im Wasser lebende Arten haben nur solche Gangfüße zur Bewegung, mittelst deren sie auf dem Grunde umher- kriechen, oder sich beim Nahen von Gefahren mit großer Schnelligkeit in Schlamm und Sand einwühlen. Bei manchen entwickeln sich die hinteren Bauchfüße zu langen griffelartigen Borsten, die als schnellende Stützen beim Sprunge dienen; und einige Arten, welche den Meeres- strand oder das trockene Land bewohnen, können so schnell und mit so viel Ausdauer laufen, daß ein Mensch ihnen zu folgen kaum im Stande ist. Fig. 457. Nervensystem einer Krabbe ( Maja ). ca Das ringsum geöffnete Kopfbrustschild. a Aeußere Fühler. y Augen. e Magen. c Hirn- knoten. no Sehnerven. na Fühlernerven. eo Schlundring. ns Eingeweidenerven. gt Brust- knoten. np Beinnerven. na Rudimentäres Bauch- mark des verkümmerten Hinterleibes. Das Nervensystem der Krustenthiere zeigt sehr ver- schiedene Stufen der Ausbil- dung, besteht aber bei allen aus einem knotigen Bauch- marke, welches durch einen Schlundring mit einer mehr oder minder verwickelten Ge- hirnmasse in Verbindung steht. Diese Gehirnmasse, welche hauptsächlich die Sinnesor- gane, die am Kopfe liegen, Augen, Ohren und Fühler mit Nerven versieht, schwindet mit der Ausbildung dieser Sinnesorgane und wird end- lich bei denjenigen Schma- rotzern, die im erwachsenen Zustande gar keine Sinnes- organe besitzen, vollständig vermißt. Zahl und Größe der Bauchkno- ten richtet sich besonders nach der Unabhängigkeit der einzelnen Ringe, sowie nach der Entwickelung ihrer Anhänge. Bei den lang gestreck- ten Krustenthieren zählt man mehrere und gleichmäßig ausgebildete Knoten des Bauchmarkes, während bei den Gattungen mit mehr run- dem Leibe, wie z. B. bei den Krabben die Brustknoten in eine einzige Masse verschmolzen erscheinen und das Bauchmark gänzlich rudimen- tär wird. Bei starker Entwickelung der Anhänge sind auch die ent- sprechenden Knoten, sowie die von ihnen abgehenden Nerven verhält- nißmäßig stärker und kräftiger. Fig. 458. Augenkrabbe (Podophthalmus) mit ungemein langen Augenstielen. Die Augen der Krustenthiere fehlen zwar im erwachsenen Zustande einigen schmarotzenden oder sonst festsitzenden Familien, kommen aber im jugendlichen Zustande gewiß bei allen ohne Aus- nahme vor. Sie stehen auf sehr verschiedener Stufe der Ausbildung, indem bald nur einfache unbewegliche Augen, bald sehr zusammengesetzte auf langen beweglichen Stielen getragene vorhanden sind. Die ein- fachen Augen kommen hauptsächlich bei den niederen Ordnungen und bei den Embryonen der Schmarotzer vor und finden sich hier oft sogar auch nur in der Einzahl, wo dann dieses Auge mitten auf dem Kopfe steht. Ein solches Auge besitzt stets eine gewölbte Hornhaut, hinter welcher eine runde oder eiförmige Linse liegt, deren hinterer Theil von einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven und einer Anhäufung sehr dunkel gefärbten Pigmentes umgeben wird. Das ein- fache Auge derjenigen Larven, welches später beim Schmarotzerleben verloren geht, ist meist in dieser Weise gebildet, auch kommen oft zwei solcher Augen auf beiden Seiten des Kopfes vor. Ein Fortschritt der Ausbildung geschieht nun dadurch, daß mehrere solcher einfachen Au- gen sich gegen einen Punkt hin zusammendrängen, wobei indeß noch immer jedes derselben vollkommen für sich gesondert und mit eigener Hornhaut versehen ist. Bei einem weiteren Grade der Ausbildung verschmelzen die Hornhäute miteinander. Man findet dann nur eine einzige, durchsichtige höckerige Haut, hinter deren Höckern eine größere oder geringere Anzahl von einzelnen Linsen liegt, deren jede von ihrem eigenen Pigmentbecher umgeben und von einem besonderen Zweige der Sehnerven versehen wird. Man nennt diese Art von Augen die gehäuften Augen . Zuweilen treten zwei solcher ge- häufter Augen in der Mittellinie zu einem einzigen zusammen, welches dann meistens von besonderen Muskeln umgerollt werden kann. Bei manchen Krustenthieren entwickeln sich diese gehäuften Augen noch wei- ter; man findet außen eine glatte Hornhaut, unter dieser aber eine zweite durchsichtige gefensterte Haut, welche in einzelnen Facetten ge- schliffen ist und wo jede Facette einer kegelförmigen Linse entspricht, deren abgestutzte Grundfläche an der Facette liegt, während ihre Spitze in einem Pigmentbecher steckt. Endlich die letzte Form von Augen bildet die wirklich zusammengesetzten facettirten Augen , wie sie etwa beim Flußkrebse und den übrigen höheren Krustenthieren vor- kommen. Hier existirt nur eine einzige gemeinschaftliche, in rundliche, sechseckige oder viereckige Facetten geschliffene Hornhaut und hinter jeder Facette liegt eine kegelige Linse, die mit ihrer Spitze in einem becherförmigen Glaskörper steckt, welche wieder von einer besonderen Hautausbreitung des Sehnerven und einem Pigmentbecher umfaßt wird. Es stehen diese Augen fast stets auf sehr beweglichen Stielen und sie sind, wie man sieht, eigentlich nur stark zusammengehäufte ein- fache Augen, welche unter einer gemeinschaftlichen Hornhaut ange- bracht sind. Die Hörorgane kommen wahrscheinlich allen Krustenthieren zu, sind aber bis jetzt nur bei den zehnfüßigen Krebsen genauer nachge- wiesen worden. Hier findet man, wie z. B. bei unserem Flußkrebse an der Einlenkungsstelle des äußeren großen Fühlhornes einen mehr oder minder langen cylindrischen Vorsprung, mit einem wallartigen Rande, der eine Vertiefung umgiebt, welche von einer dünnen Haut, einem Trommelfell überspannt wird. Meist ist dieses Trommelfell von einem Schlitze durchbohrt; hinter ihm liegt in einer Höhle ein Bläs- chen, das sich nach innen in eine geräumige Blase fortsetzt, die einen eigenen Nerven erhält und mit wasserheller Flüssigkeit erfüllt ist. An dieser Gehörblase hängt noch eine eigenthümliche grüne, aus einem gewundenen Schlauche gebildete Drüse, deren Bedeutung nicht näher bekannt ist. Außer dem Gehörorgane kommen wenigstens bei den Krebsen auch noch Geruchsorgane in Form flacher, mit einer schleimigen Haut ausgekleideter Höhlen vor, die sich an dem Grunde des inneren Füh- lerpaares finden. Ein besonderer Nerv tritt vom Gehirn zu diesen Riechgruben, deren spaltenförmige Oeffnung meist von feinen Borsten umstellt ist. Die Verdauungsorgane der Krustenthiere sind meist in ho- hem Grade entwickelt und nur selten zeigen sich solche rudimentäre Formen, wie wir früher zu finden gewohnt waren. Die Mundwerk- zeuge sind, wie schon aus der obigen Analyse der Anhänge des Kreb- ses hervorgeht äußerst mannigfaltig und hauptsächlich nach zwei Grundrichtungen hin ausgebildet. Die meisten Krustenthiere haben kauende Mundtheile; sie zerkleinern ihre Nahrung mittelst harter Kie- fer, welche von der Seite her gegeneinander wirken und wovon uns in dem Flußkrebse ein Beispiel gegeben war. Bei anderen Krusten- thieren aber wird durch theilweise Verkümmerung oder Verwachsung der kauenden Mundtheile ein Saugapparat hergestellt, der meist rüssel- förmig verlängert ist, und oft nebenbei eigene spitze Waffen trägt, womit die Thiere ihre Beute anbohren, um sie nachher aussaugen zu können. Die eigenthümlichen Modificationen, wodurch die kauenden Mundtheile allmählig zu saugenden degradirt werden, sind sehr man- nichfaltig ausgeprägt und werden uns bei der genaueren Betrachtung der Schmarotzerkrebse noch besonders beschäftigen. Fig. 459. Anatomie einer Krabbe ( Cancer .) fo Leber. e Magen. m Muskeln des Magens. ao Körperarterie (Aorta). p Haut, welche die entfernte Rückenschale innen auskleidet. g Eierstöcke; zwei- schen ihnen und dem Magen liegen die gewundenen Eileiter. f Geißelanhang des Kaufußes, der die Kiemenhöhle innen schließt. b Kiemen, links in natür- licher Lage, rechts umgeschlagen. c Herz. aa Hintere Körperarterie (Bauch- Aorta). fl Unterer Boden der Kiemenhöhle. Das Darmrohr selbst verläuft bei den meisten Krustenthieren in gerader Linie, von dem Munde bis zu dem am Schwanzende be- findlichen After und bei vielen lassen sich sogar nicht einmal einzelne Abtheilungen unterscheiden. Nur selten zeigt der Darm schlingenför- mige oder schraubenartige Biegungen, und nur bei einer einzigen Ordnung, bei den Rankenfüßern, endet er in ziemlich bedeutender Ent- fernung von dem Schwanzende. Bei den höheren Formen lassen sich meistens Schlund, Magen, Mitteldarm und Afterdarm unterscheiden. Der Magen ist sehr häufig auf seiner inneren Fläche nicht nur mit hornigen Borsten und Haaren, sondern auch mit förmlichen Zahnleisten bewaffnet, welche durch besondere Muskeln gegeneinander bewegt und zum Zerkleinern der Nahrung benutzt werden können. Diese Hornbe- waffnung des Magens zieht sich als feiner meist aus Haaren bestehender Ueberzug durch den ganzen Verlauf des Darmrohres fort und wird auch bei der jährlichen Häutung gewechselt, wo dann die abgestoßenen Stücke theils aus dem Munde, theils aus dem After hervorgezogen werden. Die meisten Krustenthiere besitzen keine Speicheldrüsen, dagegen eine sehr deutliche Leber , welche bald in Form verästelter Blindschläuche, bald als sehr bedeutende Drüsenmassen auftreten, deren röhrige Structur sich deut- lich erkennen läßt und deren Ausführungsgänge meist unmittelbar hinter dem Magen in den Darmkanal einmünden. Gewöhnlich sind diese Drüsenmassen gelb gefärbt und füllen einen beträchtlichen Theil der Leibeshöhle aus. Die Athemorgane sämmtlicher Krustenthiere sind auf Wasser- athmung berechnet und demnach als Kiemen ausgebildet. Manchen nie- deren Ordnungen fehlen indeß diese Kiemen durchaus und es scheint hier die Athmung lediglich durch die äußere Haut bewerkstelligt zu werden. Bei den meisten Krustenthieren hingegen finden sich eigene Kiemen, die entweder frei an dem Körper und zwar an der Basis der Glieder- anhänge angebracht sind, oder in besonderen Höhlen unter dem Kopf- brustschilde liegen. Bei vielen Krustenthieren sind theils an den Bauch- füßen, theils an den vorderen Körperanhängen besondere Fortsätze entwickelt, welche in steter Bewegung erhalten werden und einen leb- haften Strudel erzeugen, der das Wasser an der Unterfläche des Kör- pers und in der Umgebung der Kiemen beständig wechselt. Die Kie- men selbst sind entweder baumartig verästelt, oder von einfachen oder zusammengesetzten Blättern gebildet, die von wandungslosen Gefäßen Fig. 460. Limnadia von der Seite, nach Wegnahme der halben Schale. Man sieht unter dem Bauche die zahlreichen Kie- menblättchen. durchzogen werden. In der einfa- cheren Form zeigen sich diese Kie- men besonders bei den Blattfüßern und den ihnen nahe stehenden Ord- nungen, wo oft eine große Anzahl breiter Blätter entwickelt ist, welche an der Unterfläche des Leibes über- einanderliegen und beständig auf- und zugeklappt werden. Meistens sind hier noch eigene Deckel ent- wickelt, welche diese mit äußerst zar- ter Haut überzogenen Kiemenblättchen vor Unbilden schützen. Die Fig. 461. Heuschreckenkrebs (Squilla) von der Seite. y Augen. a Fühler. p Greiffüße. p ″ Kaufüße. p ‴ Brustfüße. pa Bauchfüße, an denen die Kiemen b hängen. g Schwanzflosse. wandungslosen Kanäle, in welchen das Blut strömt, ziehen sich zwi- schen den beiden hart an einander liegenden dün- nen Lamellen dieser Kie- menblättchen hin. Bei anderen Ordnungen wie namentlich beiden Maul- füßern, hängen die baum- artig verästelten, zarten, röhrigen Kiemen frei an der Unterfläche des Bauches, während sie bei den Zehnfüßern, wie namentlich bei unserem Flußkrebse zu beiden Seiten unter dem Kopfbrustschilde in eigenen Fig. 462. Kiemenapparat einer Garneele (Palaemon). a Spitze des Kopfschildes. b Kopfbrustschild. Das Seitentheil desselben, das die Kiemenhöhle deckt, ist weggenommen, seine Erstreckung aber durch die punktirte Linie g angedeutet. c Fühler. d Hinterleibsringe. e Füße, abge- schnitten. f Kiemen. h Halbkanal zum Ausführen des Wassers, in dem die Klappe des Kaufußes i spielt. j Mündung des Kanals neben dem Munde. Höhlen verborgen sind. Diese Kiemenhöhlen werden durch eigene Scheidewände von der Eigeweidehöhle getrennt, von dem Kopfbrust- schilde überwölbt und haben zwei Zugänge, einen spaltförmigen längs dem freien Rande des Kopfbrustschildes, durch welchen das Wasser eindringt und einen vorderen Halbkanal, der sich zur Seite des Mun- des öffnet und zum Austritte des Wassers bestimmt ist. In diesem Halbkanale spielt der Taster des hinteren Kaufußes wie eine Klappe oder wie ein Pumpenstängel hin und her, und bewirkt so die stete Erneuerung des Wassers. Bei manchen Krustenthieren, welche auf dem Lande leben, können die spaltförmigen Zugänge der Kiemenhöhle vollständig abgeschlossen werden, und da außerdem bei diesen Thieren die innere Fläche der Wandung der Kiemenhöhle netzartig oder schwam- mig entwickelt ist, so können sie das zur Befeuchtung der Kiemen nö- thige Wasser lange Zeit auch auf dem trockenen Lande bewahren. Die Kiemen selbst, welche in diesen Kiemenhöhlen verborgen sind, wechseln sehr an Zahl und bilden meist spitze, dreiseitige Pyramiden, die mit ihrer Basis an den Kaufüßen festgewachsen sind und mit der Spitze nach oben sehen. An der inneren Seite dieser Pyramiden findet sich eine Art Schaft, in dem die Kiemengefäße aufsteigen, und an welchen die horizontalen Kiemenblättchen angewachsen sind, die nach der Spitze zu allmählig an Größe abnehmen. Bei einigen Landasseln finden sich außer den Kiemen noch beson- dere Höhlen, welche offenbar zur Luftathmung dienen und die wir bei den Familien selbst genauer betrachten werden. Das Blut der Krustenthiere ist meistens farblos oder schwarz- röthlich oder violett gefärbt; — die Blutkörperchen, welche stets farb- los sind, erscheinen als rundliche rauhe, feinkörnige Körperchen, die oft einen ziemlich großen Kern zeigen. Der Kreislauf selbst ist zwar regelmäßig, aber insofern unvollständig, als eigene rückführende Gefäße gänzlich fehlen und die Blutflüssigkeit sich durch die Zwischen- räume der Organe einen Weg zum Herzen zurückbahnen muß. Ein Herz fehlt keinem Krustenthiere; es liegt stets in der Mitte des Rückens, meist unmittelbar unter der Schale und hat bei den Gattun- gen mit länger gestrecktem Körper eine Schlauchform, während es bei denen mit kürzerem Kopfbruststücke einen kurzen, meist in seitliche Zipfel ausstrahlenden Sack darstellt. Bei den niederen Familien der Kru- stenthiere, wie namentlich bei den Schmarotzerkrebsen, stellt das Herz einen an beiden Enden offenen Schlauch dar, welcher die in wan- dungslosen Räumen herzuströmende Blutmasse in seine hintere Oeff- nung aufnimmt und durch die vordere wieder austreibt. Meistens finden sich hier in der Nähe des Herzens größere Lückenräume, in welchen das Blut sich sammelt, um dann bei dem nächsten Herzschlage in den Schlauch hinüber zu treten. Bei diesem Typus des Kreis- laufes existiren mithin keine Gefäße und in der That sieht man bei Bewegungen der durchsichtigen Thiere, daß das vom Herzen getriebene Blut bald hier bald dort durch die entstehenden Lücken seinen Weg sucht. Bei den höheren Stufen der Krustenthiere finden sich Arterien, welche vom Herzen ausgehen, dünne häutige Röhren, welche sich all- mählig verästeln, aber nach mehr oder minder kurzem Verlaufe spurlos Fig. 463. Durchschnitt der Kopfbrust eines Krebses, um den Blutlauf zu versinnlichen. b Kieme. ve Kiemenvene, die das Blut aus der Kieme sammelt und dem Herzen c zuführt. f Brustschild. vb Körpervenenräume, die das Blut in die großen Hohlräume s führen. va Kie- verschwinden. Das Blut ver- breitet sich nun in den Zwi- schenräumen der Organe, kehrt nach dem Herzen zurück, sam- melt sich aber in mehreren größern Höhlen, die meistens an dem Grunde der Beine an- gebracht sind, und von welchen aus es sofort in die Kiemen strömt. Von den Athemor- ganen zurückkehrend sammelt es sich dann in einem äußerst menarterie, das Blut aus den Hohl- räumen s in die Kiemen führend p Basis der Füße. ce Räume der Ein- geweide. Fig. 464. Die Kiemenhöhle einer Krabbe (Maja) von der Seite geöffnet. f Seitenwand der Eingeweide- höhle. b Kiemen. s Venöse Si- nus an der Basis derselben. p Füße. c Herz. dünnhäutigen Sacke, der wie ein Herz- beutel das Herz von allen Seiten um- giebt. Dieses schwimmt also im eigent- lichen Sinne des Wortes im Blute, welches in den venösen Behälter zu- rückkehrt und durch feine Schlitze bei der Ausdehnung des Herzens in dessen Höhlung eintritt. Meist finden sich 4 bis 8 solcher Schlitze an dem Herzen der hö- heren Krustenthiere und sie haben die Einrichtung, daß sie bei der Zusammen- ziehung vollständig schließen, so daß das Blut durch die Röhren der Arterien aus- strömen muß, während sie bei der Aus- dehnung des Herzens aufklaffen und das ringsum ergossene Blut ein- strömen lassen. Mit Ausnahme der Rankenfüßer, welche Zwitter sind, kommen bei allen übrigen Krustenthieren männliche und weibliche Individuen vor, die in den meisten Fällen sich nicht nur durch die Form der äußeren Geschlechtstheile , sondern auch durch die Körpergestalt unterschei- den. Fast allgemein sind die Weibchen weit größer als die Männ- chen, und diese Verkümmerung geht soweit, daß bei einigen Schma- rotzerkrebsen das Männchen, welches unendlich viel kleiner ist, eine abweichende Gestalt hat und stets an dem Weibchen angeklammert hängt, für einen Schmarotzer des Weibchens gehalten werden könnte. Bei einigen niedern Gruppen der Krustenthiere sind übrigens männ- liche Individuen so selten, daß viele Beobachter sie gänzlich läugneten und in der That eine einzige Befruchtung mehrere auf einander folgende Generationen von Weibchen zeugungsfähig zu machen scheint. Die männlichen inneren Geschlechtsorgane zeigen alle möglichen Zwischenformen von der Gestalt eines einfachen, blindgeen- deten Schlauches an, bis zu einer förmlichen Hodendrüse, die aus einem Knäuel enger Kanälchen zusammengesetzt ist und zuletzt in zwei Aus- führungsgänge übergeht, die sich nach außen öffnen. Meist sind zwei zu beiden Seiten der Mittellinie liegende Hoden vorhanden, die aber oft auch miteinander verschmelzen und so nur einen einzigen Drüsen- körper darstellen. Die männlichen Geschlechtsöffnungen finden sich stets an dem Bauche, oft nur als zwei feine seitliche Schlitze, wäh- rend bei den höheren Krebsen förmliche Ruthen vorhanden sind, deren Einbringung in die weiblichen Geschlechtsöffnungen oft noch durch secundäre Anhänge unterstützt wird, die von den ersten Paaren der falschen Füße gebildet werden. Außer diesen Hilfsorganen der Begat- tung finden sich häufig bei den Männchen noch eigenthümliche Umge- staltungen einzelner Körperanhänge, besonders der Fühler und der Füße, wodurch dieselben geschickt werden, die Weibchen zu umklammern und festzuhalten. Die Samenmasse der Krustenthiere unterscheidet sich meist wesentlich von derjenigen aller andern Thiere, indem statt be- weglicher, fadenartiger oder keulenförmiger Samenelemente, rundliche, starre, unbewegliche Körper sich vorfinden, die zellenartig sind und meistens in starre Strahlen auslaufen, welche ebenfalls keine Beweg- lichkeit zeigen. (Siehe S. 57. Fig. 20. e vom Hummer.) Diese Zellen haben bald die Gestalt einer Dose, bald die einer rund- lichen Tonne, zuweilen selbst erscheinen sie in der Mitte eingeschnürt, bald nur einfach kugelig und mit einem kleinen Spitzchen versehen. Bei vielen Krebsen sind diese Samenelemente auch in Form von langen, borstenartigen Haaren entwickelt, welche zuweilen die Ge- stalt gewöhnlicher Samenfäden haben, aber stets starr und unbeweglich sind. Bei manchen Gattungen werden auch die Samenelemente in Schläuche ähnlicher Art eingeschlossen, wie sie bei den Kopffüßern zu finden sind, wenn sie auch jene Complication der Bildung nicht haben. Die weiblichen Geschlechtstheile erscheinen im Wesentlichen in ähnlicher Form wie die männlichen, so daß oft nur durch den In- halt die Natur der inneren Geschlechtstheile erschlossen werden kann. Bei vielen Krustenthieren hängen die Eileiter mit aus Blinddärmen gebildeten Kittorganen zusammen, welche die Eier beim Heraustreten miteinander verkleben; — bei anderen vereinigen sich die Eileiter jeder- seits in ein birnförmiges Säckchen, welches wahrscheinlich zur Auf- nahme des bei der Begattung ergossenen Samens bestimmt ist, also die Bedeutung einer Samentasche hat. Die Geschlechtsöffnungen sind fast stets doppelt, eine auf jeder Seite, und finden sich meist an der Wurzel des Hinterleibes, an dem letzten Fußpaare der Brust, oder noch unter dem Kopfbrustschilde selbst. Die Fußpaare, welche sich un- ter dem Hinterleibe befinden, sind fast bei allen weiblichen Krusten- thieren in eigenthümlicher Weise zur Aufnahme der gelegten Eier bestimmt, die mittelst eines klebrigen Stoffes an die Blätter oder Borstenhaare dieser Füße in Gestalt von Trauben oder Haufen be- festigt werden. Meist sind in diesen Fällen die vorderen Afterfüße breit und blattartig, so daß sie förmliche Deckel über diese unter dem Schwanze geborgenen Eierhaufen bilden. In den niederen Reihen der Krustenthiere werden auch häufig die Eier von den Weibchen bis Vogt, Zoologische Briefe. I. 27 zur vollständigen Entwickelung der Larven, in mehr oder minder lan- gen, durchsichtigen Schläuchen getragen, die zu beiden Seiten am Leibe befestigt sind. Die Eier der Krustenthiere haben meist einen dunkeln, körnigen Dotter von brauner, rother oder gelber Farbe, auf welchem sich nach der Befruchtung durch theilweise Furchung an einem bestimmten Orte eine scheibenförmige Fig. 465. Fig. 466. Fig. 465 — 472. Entwickelung des Flußkrebses (Astacus fluviatilis) . Bei allen Figuren gelten dieselben Buchstaben: a Dotter. b Kopfbrustschild. c Auge. d 1 — d 5 Die fünf Beinpaare. e Der Hinterleib. f Das Herz. g Die Leber. h Die Kiemen. i Innere Fühler. k Gei- selanhang. l Aeußere Fühler. m Embryonalscheibe. n Oberkiefer ( mandibula ). o Kaufüße. Fig. 465. Die scheibenförmige Embryonalanlage. Fig. 466. Die Embryonalscheibe hat sich ausgedehnt; auf ihrer Mitte sieht man die erste Anlage der Organe, Augenstiele, Fühler, Kiefer, Hinterleib und Kopfbrustschild. Fig. 467. Fig. 468. Fig. 467. Ein ganzes Ei mit dem weiter ent- wickelten Embryo, der schon die Gruppen der Kaufüße, der Beine und das Herz gewahren läßt. Fig. 468. Ein etwas älterer Embryo von der Bauchseite. Der Hinter- leib ist heruntergeklappt, um die an seiner inneren Fläche sprossenden falschen Füße zu zeigen. Auf der einen Seite Embryonalanlage bildet. Auf dieser scheiben- förmigen Embryonalan- lage hebt sich bei dem Krebse, den wir hier als Typus annehmen, zuerst eine mittlere Erhöhung ab, an welcher man bald eine sternförmige Figur, die einzelnen Anhänge des Kopfbrustschildes, den Hinterleib und den umgeschlagenen Rand des Schildes selbst erkennt. So erscheinen zuerst als flache Wülste auf der unteren Fläche der Em- bryonalscheibe die Augen- stiele, die inneren und äußeren Fühler und die Kiefer, welche zusammen um den zukünftigen Mund als Mittelpunkt stehen. Bald breitet sich die Em- bryonalanlage weiter aus; der Rand des Kopfbrustschildes wird deutlicher, wie ein dicker, umgeschlagener Saum umgiebt er die sämmt- lichen Körpertheile, die sich nun deutlicher mar- kiren. Der Hinterleib löst sich ganz los, zeigt sind die vier hinteren Beinpaare entfernt, so daß man den Kiemenanhang des ersten Fußpaares, der zu spros- sen beginnt, sehen kann. deutliche Ringel, bleibt aber so über die Mittel- Fig. 469. Fig. 470. Fig. 469. Ein älterer Embryo in seiner natürlichen Lage mit eingezogenen Beinen von der Seite gesehen, um das Verhältniß des Kopfbrustschildes zum Dotter zu zeigen. Fig. 470. Derselbe Embryo. Das Seitenschild ist weg- genommen, so daß man die an der Basis der Füße befestigten Kiemen sehen kann, der Hinterleib zurückgeklappt, Beine und Fühler abgezogen und ausgebreitet. linie des scheiben- förmigen Embryos herübergeschlagen, daß man seine Rü- ckenfläche sieht und man ihn umklap- pen muß, um die an seiner Innen- fläche sprossenden falschen Füße zu sehen. Die übri- gen Kauwerkzeuge, die Kaufüße, die eigentlichen Gang- beine erscheinen all- mählig gruppen- weise — Alle an- fangs in Gestalt unförmlicher Wülste, die erst nach und nach Ein- schnürungen zeigen und so ihre einzelnen Glieder zeigen. Alle diese Anhänge liegen anfangs platt auf der platten Embryonalscheibe als Wülste auf, trennen sich dann los und knicken sich bei fortgesetztem Fig. 471. Fig. 472. Fig. 471. Ein reifer Embryo in seiner natürlichen Lage mit eingeschla- genem Hinterleibe und eingezogenen Beinen und Fühlern von unten gesehen. 27* Die Seitentheile des Kopfbrustschildes sind entfernt und die Kiemen hervorge- zogen worden, um ihr Verhältniß zur Basis der Beine zu zeigen. Fig. 472. Derselbe Embryo entwickelt; der Hinterleib ist zurückgeschlagen, die Kaufüße der einen Seite ausgebreitet worden. Man vergleiche diese Fi- gur mit Fig. 447., S. 398., die den erwachsenen Flußkrebs von der Bauch- seite darstellt. Wachsthume nach innen ein, so daß ihre Spitzen sich in der Mittel- linie berühren. Der Saum des Kopfbrustschildes wächst stets mehr nach oben über den Dotter zusammen und an seinem Rande oder zwischen ihm und dem Dotter entstehen nun allmählig die Organe des vegetativen Lebens, Herz, Leber, Darm, Kiemen, während die An- hänge stets mehr und mehr auswachsen und ihre definitive Form an- nehmen. In der letzten Periode des Embryonallebens schließt sich endlich das Kopfbrustschild ganz über dem Dotter, der allmählig schwin- det und der Embryo liegt nun zusammengekugelt, mit eingeschlagenem Hinterleibe, angezogenen Beinen und Fühlern in der Eischale, die er bald durchbricht, um ein selbstständiges Leben zu beginnen. Die Entwickelung sämmtlicher Krustenthiere, wie überhaupt aller Gliederthiere stimmt in den Hauptpunkten mit den oben auseinander gesetzten Thatsachen überein. — Die Bildung des Embryo’s geht stets von der Mittellinie der Bauchfläche aus, wo das Nervensystem liegt; die Anhänge sprossen zuerst auf der unteren Fläche und zeigen Anfangs plumpe unausgebildete Formen. Aber nicht alle Krustenthiere kommen in einer, dem erwachsenen Alter so ähnlichen Gestalt aus dem Eie, wie dieß bei dem Flußkrebse der Fall ist. Die meisten durchlaufen als junge Thiere eine Reihe von Metamorphosen, deren Kenntniß um so wichtiger ist, als die ursprünglichen Gestalten der Jungen oft außer- ordentlich von der Form des zeugungsfähigen Alters abweichen und ganze Reihen im Alter höchst verschieden gestalteter Thiere sich durch die Uebereinstimmung ihrer Jugendzustände als Sprossen eines und desselben Stammbaumes ausweisen. Die Klasse der Krustenthiere erscheint mit einer Menge eigen- thümlicher Formen mit dem ersten Beginne organischen Lebens auf der Erde und repräsentirt in den Schichten des Uebergangsgebirges für sich allein den ganzen Kreis der Gliederthiere. In den jurassischen Meeren zeigt sie besonders eine bedeutende Fülle verschiedener Formen und fast alle wesentlichen Typen, die noch heute unsere Gewässer bevölkern. Die Eintheilung der Krustenthiere wird außerordentlich erschwert durch die ungemein zahlreichen Uebergänge, welche mittelst allmähliger Umgestaltung der Körperform, wie der einzelnen Anhänge zwischen den verschiedenen Haupttypen hergestellt werden. Kaum ist es möglich irgendwo feste Grenzlinien zu ziehen, so sehr verschwimmen die ein- zelnen Charaktere in einander, oder verbinden sich in seltsam abwei- chender Weise, wodurch Gattungen entstehen, die man fast nach Belieben zu der einen oder anderen Hauptgruppe ziehen könnte. Wir erkennen in dieser zahlreichen Klasse vier Unterklassen, deren Umgren- zung indessen hier und da aus den angegebenen Gründen zweifelhaft erscheinen dürfte. Wir unterscheiden: 1) Die Unterklasse der Haut- krebse ( Entomostraca ) mit gewöhnlich dünnhäutiger oder dünn- horniger Körperbedeckung, die sich bald zu einem breiten Schilde, bald selbst zu einer zweiklappigen Schale ausbildet, und mit meist scheeren- losen Füßen, die bald zum Anklammern mit Haken, bald zum Schwim- men mit langen Borsten besetzt sind, oder sich selbst zu eigenthümlichen Rauken und sonderbaren fleischigen Anhängen ausbilden. Die Fühler sind gewöhnlich bei den Embryonen und Larven, sowie bei vielen er- wachsenen Thieren zu Schwimmorganen oder Klammerwerkzeugen um- gebildet. Die meisten dieser Thiere sitzen in ihrem zeugungsfähigen Alter auf dem Boden oder als Schmarotzer an anderen Thieren fest; die freilebenden finden sich großen Theils in den süßen Gewässern, nur wenige im Meere, und gehören zu den kleineren Gattungen der ganzen Klasse. Die Embryonen der Hautkrebse sind im Ganzen nach einem sehr übereinstimmenden Plane gebaut, und zeigen gewöhnlich bei dem Hervorkommen aus dem Eie zwei Paar langer, mit Borsten versehener Fühler, die zu Schwimmfüßen ausgebildet sind, mittelst deren sie sich sehr hurtig im Wasser umherbewegen können; später vermehrt sich die Zahl der Schwimmfüße oder sie verschwinden sogar, je nach der Ausbildung des vollkommenen Thieres zu einem Schmarotzer oder einem frei lebenden Wesen. Wir begreifen in dieser Klasse sechs Ord- nungen: Die Rankenfüßer ( Cirrhipedia ), Thiere, welche im Alter fest sitzen, deren Füße sich zu gegliederten Ranken umbilden, und die sich mit Schalen umgeben, deren Form so eigenthümlich ist, daß man sie bis in die neueste Zeit, ehe man ihre Entwickelung kannte, zu den schalentragenden Weichthieren zählte, oder eine besondere Zwischenklasse zwischen Weich- und Krustenthieren aus ihnen machte. Die Schma- rotzerkrebse ( Parasita ) bilden die zweite Ordnung, in der wir Thiere finden, die durch die gänzliche Zurückbildung aller Sinnes- und Bewegungsorgane während der Periode ihres Schmarotzerlebens sich so sehr von dem Typus der Gliederthiere entfernen, daß man sie theilweise den Eingeweidewürmern zuzählte. Weit höher erhebt sich die Organisation in der Ordnung der Krebsflöhe ( Copepoda ), freischwimmenden, kleinen Thierchen mit borstentragenden Schwimm- füßen und meistens einem Auge, das durch Muskeln beweglich ist und mitten auf der Stirne steht. Die Ordnung der Blattfüßer ( Phyl- lopoda ), welche wir hierauf folgen lassen, zeichnet sich durch eine große Anzahl blattförmiger Füße aus, die zugleich zum Schwimmen und zum Athmen dienen. Ihnen am nächsten steht die Ordnung der Tri- lobiten oder Paläaden ( Trilobita ), die vollkommen ausgestorben ist, und nur in den ältesten Schichten der Erde vorkommend, dort die ganze Klasse der Krustenthiere vertritt. Als letztes Glied in dieser Unterklasse betrachten wir die Ordnung der Muschelkrebse ( Ostra- coda ), welche mit einer den Krebsflöhen ähnlichen Fußbildung den Besitz einer zweiklappigen Schale verbinden. Eine zweite Unterklasse finden wir in den 2) Pfeilschwänzern (Xyphosura s. Poecilopoda) , die mit einem harten, unge- theilten kalkigen Kopfbrustschilde, einem ungetheilten Bauchschilde und einem spießförmigen Schwanzstachel versehen sind und in der Bildung ihrer Füße in so fern eine höchst charakteristische Eigenthümlichkeit zeigen, als ihre wahren Gangfüße zugleich Kaufüße sind und durch ihre gezähnten Basalglieder durchaus die mangelnden Mundwerk- zeuge ersetzen. Die großen, unbeholfenen Thiere, welche diese Unterklasse bilden, gehören nur einer einzigen Gattung an. Die Unterklasse der 3) Stielaugen ( Podophthalma ) begreift die eigentlich typischen Krustenthiere mit ungetheiltem Kopfbrustschilde, vor dem zuweilen noch ein beweglicher Augenring steht, geringeltem Hinterleibe, gestielten, zusammengesetzten Augen und baumartig verästel- ten oder blättrig pyramidalischen Kiemen, die neben den eigentlichen Füßen existiren. Wir unterscheiden in dieser Unterklasse zwei Ordnun- gen: die wenig zahlreiche der Mundfüßer ( Stomapoda ) mit freien, baumartigen Kiemen und frei beweglichem Augenringe, und die sehr zahlreiche der Zehnfüßer ( Decapoda ) mit vollständigem Kopfbrust- schilde, unter welchem die Kiemen in besonderen Höhlen verborgen liegen, und fünf Fußpaaren, deren erstes meist, die andern zuweilen Scheeren tragen. Diese zahlreichste Ordnung theilt sich wieder je nach der Ausbildung des Hinterleibes in mehrere Unterordnungen. Die vierte Unterklasse wird von den 4) Ringelkrebsen ( Edri- ophthalma ) gebildet. Brust und Kopf zeigen sich bei ihnen stets in ähnlicher Weise, wie bei den Insekten gegliedert und deutlich von einander getrennt, während zugleich die Augen stiellos in dem Kopf- schilde festsitzen. Wir unterscheiden hier wieder drei Ordnungen: die Knopfkrebse ( Laemipoda ) mit ganz rudimentärem Hinterleibe; die Flohkrebse ( Amphipoda ) mit entwickeltem Hinterleibe, an welchem sich meist Anhänge finden; und endlich die Asseln ( Isopoda ) mit flachem Rumpfe, anhanglosem Hinterleibe und nageltragenden Füßen. Unterklasse der Hautkrebse. ( Entomostraca. ) Ordnung der Rankenfüßer ( Cyrrhipedia ) . Die Thiere, Fig. 473. Fig. 474. Fig. 475. Entenmuscheln ( Anatifa laevis ). Fig. 475. Von vorn. Fig. 474. Von der Seite. Fig. 473. Ebenfalls, nach Wegnahme der Schalenklappe. a Stiel. b Schale. c Eierstock. d Mantel. e Kör- per. f Kiemen. g Mund. h Rankenfüße. i Hinterleib. welche dieser höchst ab- normen Ordnung ange- hören, sitzen im erwach- senen Alter stets am Boden, zuweilen auch schmarotzend auf der Haut großer Seethiere fest und sind in ein aus mehreren Stücken beste- hendes Gehäuse ein- geschlossen, das sie beim Zurückziehen vollständig verschließen können, und das meistens ein kalkiges Gefüge hat. Dieses Ge- häuse sitzt bald unmit- telbar, bald mittelst eines beweglichen Stieles fest, und enthält das Thier in solcher Lage, daß es mit dem gewölbten Theile des Rückens oder eigentlich der Kopfbrust nach unten gegen die Basis des Gehäuses gewendet ist, und der Mund ganz in der Tiefe desselben verborgen liegt. Die Schale selbst ist verschieden gestaltet, weßhalb wir sie erst bei den einzelnen Familien betrachten werden. Auf ihrer Innenfläche wird sie von einem Mantelsacke ausgekleidet, der stark muskulös ist, und auf der unteren Seite einen Schlitz zeigt, aus wel- chem die eigenthümlichen rankenartigen Fußpaare und der röhrenför- mige Hinterleib hervortreten. Die Grundlage des Mantels wird aus Chitinblättern gebildet, und die ganze Oberhaut, nebst der den Kör- per und die Ranken überziehenden Haut ganz in ähnlicher Weise ge- wechselt, wie auch die Krebse von Zeit zu Zeit ihren Schalenpanzer abwerfen, während die Schale selbst niemals der Häutung unterworfen ist, und mithin ein Gebilde darstellt, welches auch durch diese Eigen- thümlichkeit sich außerhalb des gemeinsamen Organisationsplanes der Krustenthiere stellt Die Bewegungsorgane bestehen aus sechs Paaren äußerst vielgliedriger, mit Borsten besetzter Anhänge, deren sich jeder alsbald in zwei Ranken spaltet, so daß auf jeder Seite des Körpers zwölf solche gegliederte Ranken durch die Mantelspalte her- vortreten können. Die dem Munde zunächst liegenden Ranken sind die kleineren und dienen als Tastorgane; die weiter entfernten größeren werden hauptsächlich zum Ergreifen der Beute und zur Erzeugung eines Strudels benutzt, der frisches Wasser in die Mantelhöhle führt. Ein eigentlicher Kopf fehlt durchaus; der Mund liegt in der Tiefe des Mantelschlitzes und zeigt ein Paar seitlicher kurzer Kiefer, die auf ihrer Innenfläche gezähnelt sind und zum Kauen in einandergreifen. Außer diesen Kauwerkzeugen bemerkt man keine Spur von Organen irgend welcher Art an dem Kopfe oder an dem meist rundlichen, beu- telförmigen Vorderkörper, der in der Tiefe des Mantelsackes verbor- gen ist. Fühler, Augen u. s. w. fehlen gänzlich. Die gegliederte Röhre, welche zwischen dem äußersten Paare der Rankenfüße, als Fortsetzung des Körpers sich zeigt, läßt an ihrem Ansatzpunkte den After und an ihrer Spitze die Oeffnung des Samenleiters gewahren. Untersucht man die innere Organisation dieser Thiere, so findet man einen fast geraden Darmkanal , der nach einem kurzen Schlunde einen unbedeutenden Magen bildet und dann in gerader Richtung bis zu dem, zwischen dem letzten Rankenfußpaare an der Basis des Schwanz- anhanges angebrachten After vorläuft. Der Magen zeigt äußerlich ein warziges Ansehen, das von sehr kurzen Leberschläuchen hervorge- bracht ist, welche unmittelbar in den Magen einmünden. Der Blut- lauf ist nur wenig untersucht, doch findet sich ein längliches, schlauch- förmiges Herz , welches der Wölbung des Körpers entlang läuft und nach verschiedenen Seiten Aeste aussendet, namentlich in die Ranken, in welchen man sie bis zur Spitze hin verfolgt hat. Besondere Kie- men sind vorhanden, und bald in Form zarter spitzer Blättchen aus- gebildet, welche an dem, dem Munde zunächst gelegenem Rankenpaare festsitzen, bald in Gestalt zarter Hautvorsprünge entwickelt, die an der inneren Fläche des Mantels hängen, und in ähnlicher Weise, wie bei den Muschelthieren mit zur Aufnahme der Eier bestimmt sind. Jeden- falls ist die Thätigkeit dieser Kiemenorgane nur eine sehr geringe zu nennen, da viele Rankenfüßer sich an dem Meeresstrande sogar über der gewöhnlichen Fluthgrenze ansiedeln, wo sie außer bei Stürmen und Regen oft wochenlang vom Wasser nicht berührt werden. Das Nervensystem der Rankenfüßer ist übereinstimmend mit dem gewöhn- lichen Typus der Gliederthiere aus einer Reihe von Knoten gebildet, welche auf der Bauchseite zwischen den Rankenfüßen hinlaufen und durch doppelte Verbindungsstränge vereinigt werden. Da ein eigent- licher Kopf gar nicht entwickelt ist und besondere Sinnes- und Tast- werkzeuge fehlen, so fehlt auch ein besonderer Hirnknoten, und die dem Munde zunächst gelegenen Knoten des Bauchmarkes sind nur durch eine einfache Fadenbrücke über den Schlund herüber mit einan- der verbunden. Alle Rankenfüßer sind Zwitter , in der Weise, daß vollständig ausgebildete männliche und weibliche Organe sich auf denselben Indi- viduen ausgebildet finden. Die Eierstöcke liegen stets zwischen dem Körper und dem Mantel, und zwar bei den gestielten Gattungen in der Höhle des Fußes selbst, bei den ungestielten zwischen den Lamellen des Mantels als einzelne Blindschläuche. Nach der Befruchtung ge- langen die Eier in die Höhle des Mantels und werden dort so weit ausgebrütet, bis die Embryonen die Eischale durchbrochen haben und fähig sind, sich selbstständig fortzubewegen, in welchem Zustande sie dann bei den Athembewegungen in Haufen ausgeworfen werden. Die männlichen Geschlechtstheile liegen in Gestalt knäuelförmiger, verästelter Hodenschläuche zu beiden Seiten des Darmkanales und setzen sich in gewundene Samenleiter fort, welche sich in der Nähe des Afters vereinigen, und dann als gemeinschaftlicher Samengang den schwanzförmigen gegliederten Anhang durchlaufen, um sich an der Spitze desselben zu öffnen. Offenbar befruchten die Rankenfüßer ihre Eier selbst, indem sie diesen gegliederten Anhang in die Höhle des Mantels zurückbiegen. Obgleich die Entwickelungsgeschichte der Rankenfüßer noch nicht vollständig bekannt ist, so sind doch die Embryonen derselben und ihre Metamorphosen so weit untersucht, um mit Sicherheit ihre äußerst nahe Beziehung zu den übrigen Krebsen dieser Unterklasse darzuthun. Fig. 476. 478. 477. Larven von Cineras vittatus. Fig. 476. Eben aus dem Eie ausgeschlüpfte Larve. Fig. 477 Mittel- stadium. Fig. 478. Ausgebildete Larve. a Auge. b Seitenhörner des Schil- des. c Fühler. d Schwimmfüße. e Schwanz. Die jungen Embryonen verlassen das Ei und die Mantelhöhle der Mutter in einer Gestalt, welche derjenigen der jungen Krebsflöhe so sehr ähnelt, daß kaum ein Unterschied wahrzunehmen ist. Der Körper dieser jungen Thierchen ist birnförmig, nach hinten zugespitzt, und trägt in der Nähe des Stirnrandes ein einziges, wohl charakterisirtes Auge, das später gänzlich verschwindet. Auf der Unterfläche des Körpers sieht man drei Paar gegliederter Anhänge, von welchen die ersten, die Fühler, einfach, die beiden anderen gegen das Ende hin doppelt ge- theilt sind. Die schildförmige Haut, welche den Körper deckt, geht nach hinten in zwei seitliche, am Leibe liegende Hornfortsätze aus, die sich nach und nach ablösen und in rechtem Winkel abstehen, während zu- gleich auch der schwanzförmige Anhang sich theilt, und die geglieder- ten Anhänge nach und nach längere Schwimmhaare entwickeln, so daß das Junge nun sehr geschickt in dem Wasser umherschwimmt. Später setzt es sich fest; die vorderen Hornanhänge, welche die äußeren Füh- ler darstellen, dienen zur Befestigung, indem sie Anfangs eine zwei- klappige Schale bilden, während sich zugleich auf dem Rücken eine lederartige Schale entwickelt, die sich nach und nach vergrößert; das Auge hat sich getheilt, und die beiden aus seiner Theilung hervorge- gangenen Hälften sitzen an der Basis der umgewandelten Fühler; die drei Fußpaare erscheinen viel kürzer im Verhältniß zum Körper. Mit jeder Häutung des festsitzenden Jungen sprossen nun neue Füße her- vor, die Anfangs gegliedert erscheinen und mit Borsten besetzt sind und erst später, wenn die Zahl der sechs Paare voll ist, sich zu der eigenthümlichen Rankenform umgestalten. Augen und Fühler sind wäh- rend dieser Periode schon längst verloren gegangen, und aus dem lebhaften Schwimmer ist ein festsitzendes, augen- und kopfloses Thier geworden, das zum Ersatz für seine Bewegungs- und Sinnesorgane die Fähigkeit erhalten hat, sich fortzupflanzen. Man theilt die Rankenfüßer in Uebereinstimmung mit ihrer ge- sammten Organisation in zwei Familien: die Entenmuscheln ( Lepadida ) Fig. 479. Fig. 480. Fig. 481. Entenmuscheln ( Anatifa laevis ). besitzen einen fleischigen, zusammenziehbaren Stiel, in dessen Höhlung die Eierstöcke liegen, und auf dem der eigentliche Kör- per aufsitzt, der gewöhn- lich eine zusammenge- drückte, spitz-dreieckige Gestalt hat, und bald nur von Knorpelsubstanz, bald auch von mehreren Schalen umgeben wird, die kalkiger Natur sind. Gewöhnlich besteht die- ses Gehäuse auf jeder Seite aus zwei dreiecki- gen, durch Knorpelhaut mit einander verbunde- nen Kalkstücken, denen auf der Rückseite ein mittleres unpaares Stück als Schlußstück dient, so daß die ganze Schale aus fünf Schalenstück- chen zusammen gesetzt ist. Die Länge des Stieles, so wie die Form des Körperstückes ist vielfach verschieden und hat zu mancherlei Gat- tungsmerkmalen geführt. Sie leben in allen Meeren, und heften sich besonders gern an Holz, so wie an die Schiffe an, durch welche sie oft in andere Gegenden fortgepflanzt werden. Lepas; Anatifa; Ci- neras; Otion; Pollicipes. Die Familie der Meereicheln ( Balanida ) zeichnet sich dadurch von der vorigen Familie aus, daß der Stiel gänzlich Fig. 482. Schale einer Meereichel ( Balanus ). verschwunden, und durch eine röhrenförmige Schale ersetzt ist, die gewöhnlich aus sechs verwachsenen Stücken besteht, oben offen ist, und den ganzen Körper einschließt. Es hat diese Schale einen eigenthümlichen röhrigen Bau und ist meistens un- ten durch eine quere Kalkplatte oder Fasermasse geschlossen, mit welcher die Thiere auf fremden Kör- pern festsitzen. Die aus mehreren Stücken zusammengesetzte Schale der Entenmuscheln ist hier zu einem kleinen Deckelapparate zusammen- geschmolzen, der aus mehreren dreieckigen Stückchen besteht, welche beim Zurückziehen der Thiere die Schale vollkommen schließen können. Ei- nige Gattungen dieser Familie ( Tubicinella; Coronula ) leben schma- rotzend auf der Haut der Wallfische, in welche ihre Schale oft zolltief eingesenkt ist. Balanus; Pyrgoma; Clisia; Creusia. Die Rankenfüßer erscheinen erst in den Schichten der Kreide mit wenigen gestielten Arten, und die Familie der Meereicheln findet sich sogar nur in den Schichten der tertiären Periode mit Arten, welche noch jetzt lebenden Gattungen angehören. Die Ordnung der Schmarotzerkrebse ( Parasita ) besteht aus Fig. 485. Fig. 483. 486. 484. Die Barschlaus ( Achtheres percarum ). Fig. 483. Das Weibchen vom Rücken aus. Fig. 484. Dasselbe von der Seite. Fig. 485 und 486 das Männchen vom Rücken und von der Seite. a Saugnapf. b Klammerfüße. c Kopfbrust. d Hinterleib. e Eiersäcke. f Kaufüße. einer großen Anzahl von Gattungen, die fast alle auf Fischen und zwar namentlich auf den Kiemen derselben schmarotzen, wo sie sich ge- wöhnlich mit eigenen Klammerfüßen und sonderbaren Körperanhängen festhaken. Der Körper dieser Thiere zeigt die seltsamsten Gestalten und außerordentlich vielfache Zwischenstufen von einer wurmförmigen, veränderlichen weichen Körpergestalt, bis zu einer ziemlich festen Con- sistenz und einer durchgreifenden Ringelung des ganzen Leibes, an dem sich dann bald zwei Haupttheile, Kopfbrust und Hinterleib, oder sogar drei unterscheiden lassen, indem die Kopfbrust sich mehr oder minder vollständig theilt. In keiner Ordnung lassen sich, so wie hier, die Degradationen der Fühler, der Augen und der Be- wegungswerkzeuge in solch ausgedehntem Maße und in der Art nach- weisen, daß die Entwickelung derselben stets mit der mehr oder min- der parasitischen Natur in Verbindung steht. Bei denjenigen Gattun- gen, die sich nur zeitlich fixiren, im Uebrigen aber sich ziemlich freier Bewegungen erfreuen, findet man wohl ausgebildete Schwimmfüße mit langen Borsten und außerdem noch Saugnäpfe oder Klammer- füße zum Anheften. Bei anderen finden sich nur noch wenig beweg- liche Klammerfüße, die zuweilen selbst von beiden Seiten her zu einem Ringe zusammenwachsen, der in das Fleisch des Wohnthieres einge- senkt ist. Bei denjenigen Gattungen, die am meisten zurückgesunken sind, sieht man selbst gar keine gegliederte Anhänge mehr, und statt aller Bewegungswerkzeuge nur einige auf Warzen stehende Haken oder weiche Fortsätze am Kopfende, mittelst deren die unförmlichen Wesen in die Substanz ihres Wohnthieres eingegraben sind. Fühler kom- men noch bei den meisten dieser Schmarotzer vor; gewöhnlich sind sie nur kurz, borstenförmig, zuweilen auch zusammengedrückt und ziemlich platt; Augen fehlen den meisten und kommen nur bei den höher ste- henden Typen in Form zweier seitlichen, der Mittellinie ziemlich nahe gerückten gehäuften Augen vor. Die Mundwerkzeuge sind bei allen diesen Thieren nach einem gemeinschaftlichen Plane gebaut, und unterscheiden sich von denen aller anderen Krustenthiere dadurch, daß sie nicht zum Kauen, sondern zum Saugen geeignet sind; — sie bestehen aus einem meist kurzen, kegel- förmigen Saugrüssel, der eine Röhre darstellt, welche aus der Ver- wachsung der Ober- und Unterlippe hervorgegangen ist. In dieser Röhre, die zuweilen ziemlich lang ist und dann wie ein Fernrohr ein- und ausgeschoben werden kann, spielen gewöhnlich zwei spitze Stücke, welche zum Anstechen der Wohnthiere dienen und offenbar die umgewandelten Kiefer sind. Die eigentlichen Kieferfüße, welche bei den übrigen Krustenthieren vorkommen und dort theils zum Fassen, theils zum Zerkleinern der Nahrung dienen, stehen hier meist weiter vom Munde entfernt, und sind zu Klammerorganen umgewandelt. Die Ausbildung des Nervensystems steht in sehr genauer Be- ziehung zu der Entwickelung des Kopfes und der Sinnesorgane. Bei den niedersten Formen finden sich nur zwei seitliche, fast knotenlose Nervenstränge, die bei anderen Gattungen Knoten erhalten und in einem Brustganglion zusammenlaufen, vor welchem ein Hirnknoten gänzlich fehlt. Die Verbindungsfäden der einzelnen Knoten sind dann stets doppelt und ziemlich weit von einander getrennt; — bei noch höher stehenden Formen findet sich ein Hirnknoten, und ein aus gehäuften Knoten bestchender Bauchstrang. Der Darmkanal verläuft ganz gerade von der Mundöffnung aus gegen die am Ende des Körpers gelegene Afteröffnung, ohne daß man beson- dere Magenerweiterungen unterscheiden könnte. Besondere Athem- organe fehlen in dieser Ordnung fast durchaus; nur bei einigen Gattungen finden sich blattförmige Anhänge, welche vielleicht Kiemen genannt werden dürften. Bei allen übrigen Gattungen ist ohne Zwei- fel die Haut selbst Athemorgan, und namentlich treten bei denjenigen Familien, bei welchen die Körperhaut blattartig ausgebreitet ist, lebhafte Blutströmungen in diesen Blättern auf, unter denen das Wasser durch stete strudelnde Bewegung der Füße erneuert wird. Der Kreislauf ist bei den meisten nur unvollständig beobachtet; von dem schlauchför- migen, dünnhäutigen Herz aus strömt das Blut in wandungslosen Kanälen durch alle Theile und sammelt sich dann gewöhnlich an der Basis der Füße in eigene Behälter, aus welchen es durch die seitli- chen Spaltöffnungen des Herzens in dessen Höhlung eingesogen wird. Sämmtliche Schmarotzerkrebse haben deutlich geschiedene Geschlech- ter , und meistens ist sogar die Verschiedenheit der Männchen und Weibchen außerordentlich groß. Die Männchen sind gewöhnlich ver- hältnißmäßig sehr klein und hängen, wie Schmarotzerthiere, während ihres ganzen Lebens an der Geschlechtsöffnung ihrer riesenhaften Weib- chen fest, die meistens zwei einfache Eierstocksschläuche besitzen, welche sich an dem Ende des Hinterleibes und an der Basis des Schwanzes öffnen, wo sich noch besondere Kittdrüsen befinden, durch welche die Eier in Schnüre verbunden werden, die bis zum Ausschlüpfen der Embryonen am Hinterleibe der Weibchen hängen bleiben. Die männlichen Geschlechtstheile sind noch wenig untersucht, scheinen aber in ihrer Gestalt mit denen der Weibchen übereinzukommen. Fig 488. Fig. 487. Fig. 489. Fig. 487. Erwachsenes Weib- chen von Tracheliastes mit anhän- genden Eiersäcken. Fig. 488. Eben ausgeschlüpfte Junge mit zwei Paar Schwimm- beinen. Fig. 489. Aelteres Junge mit Fühlhörnern, drei Paar Klammer- füßen und zwei Paar hinteren Schwimmbeinen. Die Entwickelung der Schma- rotzerkrebse ist bei vielen Gattungen beobachtet und im Allgemeinen vollkom- men übereinstimmend befunden worden. Die Jungen kommen gewöhnlich mit zwei Paaren von Schwimmfüßen und einem einfachen Stirnauge in derselben Gestalt, wie die jungen Rankenfüßer, nur mit kür- zerem Leibe zur Welt; bei jeder späteren Häutung ändern diese lebhaft umherschwim- menden Thierchen ihre Form; die ursprüng- lichen Schwimmfüße wandeln sich zu den Fühlern und zu Kieferfüßen um, wäh- rend der Hinterleib sich gliedert, und an- fänglich neue Schwimmfüße an diesem Leibestheile hervorsproßen, die später, so- bald das Thierchen sich festgesetzt hat, sich wieder in der verschiedensten Weise um- wandeln. — Fossile Schmarotzerkrebse hat man noch nicht gefunden. Die Familie der Hörnerläufe ( Penellida) zeigt die meiste Annä- herung in ihrer Gestalt zu der Wurmform und die bedeutendste Um- gestaltung der Füße, an deren Statt meist nur ungegliederte Lappen oder hie und da Klammerhaken zum Festhalten vorhanden sind. Auch diese Klammerhaken kommen nur bei den Männchen vor, das fast kugelförmig ist, einen kurzen Rüssel besitzt und zwei Paar warziger Klammerfüße, mit denen es sich an dem Weibchen festhält. Dieses, von vollkommen wurmförmiger Gestalt, weich und ohne eine Spur von Abtheilung in verschiedene Ringel, dringt mit seinem ganzen Vor- dertheile in die Substanz des Thieres ein, auf welchem es wohnt, und heftet sich dort mit unregelmäßigen seitlichen Auswüchsen des Kopfendes an, die eine hornige Beschaffenheit haben und gleich Wi- derhaken das Thier in seiner Lagerung zurückhalten. Der Mund des Weibchens, das so eingebohrt ist, trägt nur zwei kleine kurze Haken, die zum Aufwühlen des Fleisches der Fische dienen, in welche sie sich bis zur halben Körperlänge einbohren. Die Eiersäcke sind meist sehr lang und dünn, und bei einigen Gattungen gerade, bei anderen auf einen Knäul zusammen gewickelt. Penella; Lernaea; Lernaeocera. Fig. 490. Chondracanthus mer- lucci von der Seite mit anhängenden Eierschnü- ren. Der vorigen Familie sehr nahe steht die Familie der Stockfischläuse ( Chondracanthida ) , deren Weib- chen sich mittelst kleiner hakenförmiger Klammern be- festigen, die vorn an dem Kopfe stehen, und offenbar Kieferfüße darstellen; der oft breite oder unförmliche Kopf ist gewöhnlich deutlich von dem wurstförmigen Leibe getrennt, und trägt gewöhnlich ein Paar ru- dimentärer Fühler und zwei Paar der erwähnten, klammerartigen Kieferfüße. Der mit kleinen, zuwei- len gezähnelten Kiefern bewaffnete Mund steht bei einigen Arten, namentlich den Männchen sehr weit nach hinten; die Brustfüße sind bei den Weibchen in fingerförmige oder wurstähnliche Anhänge umge- wandelt, deren Zahl wechselt, während bei den eiför- migen, dickaufgeschwollenen Männchen gewöhnlich vier Paar stummelartiger Füße vorkommen, von denen die vorderen Klammerhaken, die hinteren einige Borsten als Andeutung ihrer früheren Ausbildung in Form von Schwimmfüßen tragen. Chondracanthus; Peniculus; Cycnus; Aethon; Clavella. Die Familie der Barschläuse ( Achtherida ) hat mit den vorigen Fig. 493. Fig. 491. 494. 492. Die Barschlaus ( Achtheres percarum ). Fig. 491. Das Weibchen vom Rücken aus. Fig. 492. Dasselbe von der Seite. Fig 494 und 493 das Männchen vom Rücken und von der Seite. a Saugnapf. b Klammerfüße. c Kopfbrust. d Hinterleib. e Eiersäcke. f Kaufüße. das ungegliederte Bruststück gemein, zeigt aber doch schon Körperfor- men, welche deutlich das Gliederthier verrathen. Der Körper ist auch noch weich oder mit halbknorpliger Haut bekleidet, in eine ungeglie- derte Kopfbrust und einen gegliederten Hinterleib geschieden, und an dem Stirnrande mit zwei Paar Fühlern besetzt, deren äußeres Paar zuweilen zu Klammerhaken sich ausbildet. Zum Festhalten dienen in- deß hauptsächlich ein Paar hinterer Füße, welche seitlich vom Rand der Kopfbrust ausgehend, beim Männchen eine handförmige Scheeren- klammer tragen, beim Weibchen aber bogenförmig zusammenwachsen und an ihrer Vereinigungsstelle einen Saugnapf tragen, der in das Fleisch eingesenkt ist. Zwischen diesen großen Klammerfüßen steht noch ein Paar kleinerer, die mit Haken bewaffnet sind. Der Mund findet sich am vorderen Ende des Körpers und bildet eine Art kurzen Rüssels, der innen mit hakenförmigen Kiefern und außen mit zwei Paar Kinn- laden bewaffnet ist. Die Metamorphose der Jungen ist ziemlich ge- nau bekannt; beim Ausschlüpfen aus dem Eie haben sie zwei Paar vorderer, mit langen Borsten versehener Füße, und einen eiförmigen Leib ohne Spur von Gliederung; nach der ersten Häutung dagegen besitzen sie ein Paar borstiger Fühler, eine eiförmige Kopfbrust, an deren Mitte drei Paar hakiger Klammerfüße, und am Ende zwei Paar getheilter Borstenfüße sich finden, während zugleich ein gegliederter Hinterleib sich zeigt. Achtheres; Tracheliastes; Basanistes; Lernaeo- poda; Anchorella . Die Familie der Störläuse (Dichelestida) zeigt eine kurze, dicke Fig. 495. Die Störlaus Dichelestium sturionis . Kopfbrust, an welcher zwei Paar Fühler stehen, von denen die äußeren schnurförmig, die inneren größeren meist mit Haken oder handförmigen Scheeren zum Festhalten versehen sind. Der Hinterleib ist gewöhn- lich lang, deutlich gegliedert, zuweilen mit schuppenarti- gen Deckblättern versehen. Unter dem Kopfbrustschilde findet man den kurzen Rüssel, in dem zwei gezähnelte Kieferklingen verborgen sind, und zu dessen Seiten drei Paar Kaufüße stehen, von denen das zweite vorn gezähnelt, das dritte mit einem scharfen Haken versehen ist. Am hinteren Theile der Kopfbrust ste- hen noch zwei Paar breiter Schwimmfüße, die mit Borsten versehen sind. Bei einer Gattung zeigt sich auch im Alter ein mittleres, rothes Stirnauge, wel- ches die übrigen nur in der Jugend besitzen. Diche- lestium; Lamproglena; Anthosoma . Vogt, Zoologische Briefe. I. 28 Die Familie der Hechtläuse (Ergasilida) zeigt eine gewöhnlich birnförmige Kopfbrust, die sich nach hinten in einen zugespitzten, geglie- derten Hinterleib fortsetzt. Die Thiere haben vorn an der Stirn ein Paar borstiger Fühlhörner, zwischen denen ein mittleres oder zwei seitliche Augen stehen, und auf die gewöhnlich ein Paar äußerer Füh- ler folgt, die vorn Haken tragen und zu Klammerorganen umgestaltet sind. Auf der Unterseite der Kopfbrust stehen drei Paar klammerar- tiger Kieferfüße, und weiter nach hinten mehrere Paare breiter, zwei- ästiger, mit Borsten besetzter Schwimmfüße. Eine Gattung, die Hum- merlaus (Nicothoë) , zeichnet sich durch höchst seltsame seitliche Fortsätze der Kopfbrust aus, die ihr das Ansehen eines Hufeisens geben, sich aber erst im Alter entwickeln, da die Jungen durchaus keine Spur davon zeigen und vollkommen den schon bei den früheren Familien beschriebenen Jungen gleichen. Ergasilus; Bomolocus; Nicothoë . Bei der Familie der Haifischläuse (Pandarida) ist wie bei allen folgenden Familien der Schmarotzerkrebse die Kopfbrust zu einem brei- ten, meist rundlichen Schilde erweitert, unter welcher die übrigen Ringe theilweise verborgen sind. Vorn an dem Kopfschilde stehen die kleinen Fühler, und unter demselben der Mund, der gewöhnlich mit drei Paar klammerartiger Kaufüße versehen ist. Bei den Haifischläu- sen sind die Ringe des Hinterleibes mit eigenthümlichen, ziegelartig übereinander liegenden Deckschuppen versehen, deren man zuweilen bis auf drei Paare zählt. An dem Hinterleibe stehen kleine fußartige Stummeln auf breiten Platten, die ganze kurze Gliederanhänge zeigen und mit Stacheln versehen sind, offenbar zurückgebildete Schwimm- füße. Pandarus; Cecrops; Laemargus . Die Familie der Flunderläuse (Caligida) ist weit genauer unter- Fig. 496. Caligus . sucht, als die vorige. Das Kopfbrustschild ist dreit, rundlich, die äußeren Fühler, an deren Grunde die Augen stehen, unter demselben ein- gelenkt. Neben dem röhrenförmigen Saugrüssel finden sich zwei Paar stechender Kiefer, und außerdem drei Paar Kieferfüße, die verschiedene Formen annehmen; — die drei Paar Schwimm- füße, welche hierauf folgen, tragen lange ge- fiederte Borsten, und ebenso sind zwei Blättchen am Hinterleibe mit Schwimmborsten besetzt; am ersten Leibesringe ist ein Paar wahrer Geh- füße eingelenkt. Die Thiere tragen ihre Eier in Säcken und können schwimmen, freilich mit einiger Unbeholfenheit. Caligus; Trebia; Nogagus . Die Familie der Karpfenläuse (Argulida) stellt nebst der folgen- Fig. 497. Die Karpfenlaus (Argulus foliaceus) von unten. Auf der einen Seite sind die verschiedenen Anhänge des Körpers gezeichnet, auf der andern aber weg- gelassen worden, um die Verzwei- gungen des Darmkanales in dem Körperschilde zu zeigen. a Stech- rüssel, am Grunde der Mund. b Füh- ler zu gegliederten Klammerhaken umgewandelt. c Auge. d Saug- fuß. e Kaufuß. f Schwimmfüße. g Verzweigungen des Darmkanales. h Blättchen des Schwanzendes. den Familieden höchsten Grad der Aus- bildung bei den Schmarotzerkrebsen dar. Das Kopfbrustschild ist ungemein groß, nach den Seiten hin ausgedehnt, dünn, biegsam und von vielfachen Blutströmun- gen, so wie von verästelten Blindsäcken des Magens durchzogen. Statt des zwei- ten Paares der Kieferfüße findet sich ein Paar großer, gestielter Saugnäpfe, mit- telst deren sich die Thiere anheften. Der dritte, hinter den Saugnäpfen stehende Kaufuß dient besonders zum Putzen der- selben und zum Halten der Beute. An dem hinteren Theile des Leibes sieht man vier Paar bedeutend großer zweiästiger, langgefiederter Schwimmfüße und an dem Hinterende des Schwanzes zwei Blättchen, die eine besondere Beziehung zur Athem- funktion zu haben scheinen. Die Thiere schwimmen mit großer Schnelligkeit umher, heften sich nur zeitweise an die Fische an und plagen dieselben mittelst eines langen, gegliederten Stechrüssels, der wie ein Fernrohr ein- und ausgeschoben werden kann, und an dessen säulenförmiger Basis sich der Mund be- findet. Die Männchen sind bei dieser, wie bei den vorigen, mit einer schildförmigen Kopfbrust versehenen Familien, in ihrer Gestalt nicht so abweichend gebaut, als bei den anderen Schmarotzerkrebsen, aber um ein Bedeutendes kleiner, als die Weibchen. Die Eier werden nicht in Schnüren mit umhergetragen, sondern an Wasserpflanzen angeklebt. Die Jungen haben eine der Gestalt der jungen Barschläuse ähnliche Bildung und weder Saugnäpfe noch die schildförmige Kopfbrust. Argulus . 28* Die Familie der Sternläuse (Myzostomida) ist bis jetzt nur in Fig. 498. Myzostomum . Auf der einen Seite sind die Füße und die Saugscheiben, auf der andern die Verzweigungen des Darms und die männlichen Ge- schlechtsorgane (?) dargestellt. a Rüssel. b Darm. c Nervenknoten. d Geschlechtstheile. e Saugnäpfe. f Füße. g After. einer einzigen Gattung auf Haarsternen (Comatula) angetroffen worden, und hat mit der vorigen das breite Schild gemein, in welchem sich blinde Magenanhänge verzweigen. Hier deckt aber dieses fast kreisrunde Schild den ganzen Körper, und trägt an seinem Rande fünf Paar kurzer, zangenförmiger Gehfüße, in denen gekrümmte Hornhaken geborgen sind, mit welchen das Thierchen sehr schnell auf der Oberfläche der Haarsterne umherläuft. Die Mundwerkzeuge bestehen nur aus einem langen fleischigen Rüssel, der in gewisser Beziehung der Schlundröhre der Sohlenwürmer gleicht. Das Thier wurde bisher zu den Eingeweidewürmern ge- rechnet, und soll doppelte Geschlechtstheile, männliche und weibliche, besitzen, die bei- derseits am Rande der Körperscheibe münden. Die Ordnung der Krebsflöhe (Copepoda) steht in der Fig. 499. Monokel (Cyclops) . engsten Beziehung zu der vorher- gehenden Ordnung, so daß man sie gewissermaßen als freischwimmende Schmarotzerkrebse, als den eigent- lichen unverkümmerten Typus der vorigen Ordnung, so wie derjeni- gen der Rankenfüßer betrachten kann. Sie finden sich in großen Mengen theils in den süßen Gewässern, theils in dem Meere, und wurden ihrer schnellen, schießenden Bewe- gung wegen von den älteren Beobachtern meist Wasserflöhe genannt, unter diesem Namen aber auch mit Thieren anderer Ordnungen ver- wechselt. Der Leib dieser Thiere zeigt gewöhnlich drei deutliche Ab- theilungen, eine vordere Kopfbrust, welche die Fühler, Augen und Kaufüße trägt, einen gewöhnlich viergliedrigen Leib, mit vier Paaren von Schwimmfüßen ausgerüstet, und einen gegliederten Hinterleib, an dem Ende mit Schwimmborsten versehen und an seiner Basis die Eiersäcke tragend. Das vordere Fühlerpaar ist meist lang, borsten- förmig, das hintere kleiner, zuweilen rudimentär, oder zu einem Schwimmfuße umgewandelt. Die Mundorgane sind zum Kauen eingerichtet und tragen ein Paar hakiger Kiefer, und ein oder zwei Paar blattförmiger, mit Borsten versehener Kinnladen. Die Kaufüße, deren zwei oder drei Paare vorhanden sind, scheinen stets mit langen Borsten besetzt und dienen als Strudelorgane, welche durch ihre be- ständige Bewegung der Unterseite des Körpers frisches Wasser zufüh- ren; die Schwimmfüße sind stets kurz, zweiästig und mit langen Borsten besetzt. Die Sinnesorgane sind durch ein einfaches, aus mehreren gehäuften Krystallkegeln zusammengesetztes bewegliches Auge, oder durch zwei einfache, nahe zusammenstehende Augen repräsentirt. Der Darmkanal ist vollkommen gerade, in seinem Verlaufe durch- aus gleich weit; das Herz dünn, schlauchförmig, nur vorn und hinten geöffnet; besondere Athemorgane sind durchaus unbekannt; wie es scheint, versieht die gesammte Haut des Körpers diese Funktion. Die Eierstöcke bilden einen doppelten Schlauch, der an der Basis des Hinterleibes nach außen mündet; der Hoden der Männchen ist nur einfach und der Samenleiter nach hinten erweitert. In diesem Theile des Samenleiters bilden sich um die aus haarförmigen unbeweglichen Samenthierchen bestehende Masse eigenthümliche Samenschläuche, in welchen, ähnlich wie bei den Samenmaschinen der Kopffüßler, sich ein besonderer Stoff befindet, der durch Einsaugung von Wasser auf- schwillt, den Samenschlauch endlich zum Platzen bringt und die Sa- menmasse hervorschleudert. Die Männchen der Krebsflöhe verfolgen die Weibchen, packen sie mit ihren langen Fühlern, deren Spitze zu diesem Endzwecke oft ein besonderes Gelenk hat, so daß sie sich haken- förmig umschlagen können, und ziehen dann einen Samenschlauch her- vor, den sie dem Weibchen an die Geschlechtsöffnung anhängen, wo er sich durch Platzen entleert und die Eier befruchtet. Die Eier wer- den bis zum Ausschlüpfen der Jungen in langen Säcken am Hinter- leibe vom Weibchen herumgetragen. Die ausgeschlüpften Larven Fig. 500. Fig. 501. Fig. 502. Larven von Cyclops . Fig. 500 beim Ausschlüpfen aus dem Eie; Fig. 501 nach der ersten, Fig. 502 nach der zweiten Häutung. besitzen Anfangs einen linsenförmi- gen, ungegliederten Leib, mit einem einzigen brennend rothen Stirn- auge und einem unteren Fortsatze, vor welchem sich der Mund befindet; unter dem Leibe stehen drei Paar kurzer, unförmlicher, vorn getheilter Borstenfüße, von denen das vordere sich zu den Fühlern, die hinteren sich zu den Schwimmfüßen umwandeln, indem sie sich bei späteren Häutungen theilen, wo dann auch nebst den anderen Anhängen der gegliederte Hinterleib allmählig hervorsproßt. Man hat diese Ordnung, von der man keine fossilen Repräsen- tanten kennt, in zwei Familien getheilt, die sich nur durch die An- ordnung der Augen unterscheiden, indem bei den Meerflöhen (Pon- tida) zwei Augen nahe der Mittellinie stehen (Pontia; Saphirina; Hersilia.) während bei den Cyclopen oder Monokeln ( Cyclopida ) nur ein einziges mittleres Auge vorhanden ist, das zwischen den beiden großen Fühlern auf der Stirn steht. (Cyclops; Cyclopsine) . Die Ordnung der Muschelkrebse oder Schalenkrebse (Ost- racoda) wird aus meist kleinen Gattungen zusammengesetzt, welche Fig. 503. Schalenfloh (Cypris) von der Seite gesehen. o Auge. p Schwimmfüße. fast nur die süßen Gewässer bewohnen, und sich von den meisten übrigen Krustenthieren durch die Existenz einer zweiklappigen Schale unterscheiden, die den ganzen Körper einschließt und auf dem Rücken zusammengeheftet ist. Die Form dieser Schalen, ihre Struktur, die An- wachsstreifen, welche sich auf ihrer Oberfläche finden, alles dieß stimmt so vollkommen mit den Schalen der gewöhnlichen Muschelthiere überein, daß man versucht sein könnte, leere Gehäuse dieser Krustenthierchen für Muschelschalen anzusehen, wenn nicht sowohl ein eigentliches Schloß, wie auch jede Spur eines Schloßbandes gänzlich fehlten. Die Scha- len werden durch den Körper selbst, der an der Rückengegend mit ihnen durch einen Muskel verwachsen ist, zusammengehalten. Die Bildung der Fühler und Füße ist nach den Familien ziemlich verschie- den, indem bei den einen das erste, bei den anderen das zweite Füh- lerpaar hauptsächlich zur Bewegung dient. Der Kopf der Thiere hängt frei zwischen den Schalen und trägt bei den meisten ein einziges Auge, welches bei der einen Familie festsitzt, bei der anderen durch einen ziemlich bedeutenden Muskelapparat nach allen Seiten hin be- wegt werden kann. Die eigentlichen Füße, welche an dem freien Hinterleibe auf der Bauchseite befestigt sind, sind in mehrfacher Zahl vorhanden und an dem Rande mit Borsten besetz, zuweilen auch blattförmig erweitert; sie dienen nicht sowohl zur Ortsbewegung, als vielmehr wesentlich in der Eigenschaft von Strudelorganen, welche dazu bestimmt sind, stets frisches Wasser und Nahrungsstoffe zwischen die Schalenblätter einzuführen. Der Hinterleib ist gewöhnlich frei, oft schwanzartig verlängert, oder auch gegen den Rücken aufwärts gebogen und durch eine stumpfe Spitze geendet. Die Anatomie der Thiere ist nur wenig bekannt, da die Schalen meist undurchsichtig und die Thiere zur Anatomie zu klein sind; der Darmkanal ist ganz gerade, besitzt aber bei einigen Gattungen an seiner vorderen Seite zwei ziem- lich bedeutende Blindsäcke; eigentliche Athemorgane existiren nirgends, denn auch in den kammartig ausgeschnittenen Blättern, die bei einigen Gattungen vorkommen und als Kiemen angesehen wurden, kann man durchaus keine Blutzirkulation wahrnehmen. Die Geschlechter sind getrennt, wie bei allen übrigen Krustenthieren mit Ausnahme der Rankenfüßer, und die inneren Geschlechtstheile außer- ordentlich einfach. Bei einer Familie hat man trotz ihrer Häufigkeit die Männchen noch nicht entdecken können; bei einer anderen sind sie bekannt, und die Begattung gesehen worden. Die Jungen kommen aus dem Eie in derselben Gestalt wie die Alten und durchlaufen keine Art von Metamorphose, was sie besonders von den vorigen und nach- folgenden Ordnungen trennt. Wahrscheinlich sind die Stadien, welche der Embryo innerhalb der Eischale von seiner ersten Bildung an durchläuft, den Metamorphosen analog, welche die Larven der scha- lenlosen bisher betrachteten Ordnungen außerhalb des Eies durch- machen; über diesen Punkt fehlen indeß genauere Erfahrungen. Wir theilen die Ordnung in zwei Familien. Die Familie der Schalenflöhe (Cyprida) besitzt eine vollkommen schließende Schale mit Andeutung eines Schlosses und zwei Paar Fig. 504. Cypris von der Seite, nach Wegnahme der einen Schale. a Vordere (innere) Fühler. b Hintere (äußere) Fühler. c Auge. d Durchschnittener Schalenmuskel. e Eier. f Schwanz. g Letztes Fußpaar. h Vorletz- tes, in die Höhe geschlagenes Fußpaar. i Strudelorgan der Kinnlade. Fühler, von welchen die vorderen dünn-borsten- förmig, nach vorn ge- richtet, die hinteren breit knieförmig gebogen und mit langen Borsten be- setzt sind, so daß sie als das hauptsächlichste Be- wegungsorgan dienen. Diese Fühler tragen lan- ge Borsten und Stacheln und treten an dem un- teren Schalenrande her- vor. Der vorspringende Mund, der in der Mitte zwischen diesem großen Fühlerpaare liegt, zeigt eine Ober- und Unterlippe, ein Paar Kiefer und zwei Paar Kinn- laden. An der Basis dieser Mundwerkzeuge finden sich blattförmige Lappen, unter denen die des ersten Kinnladenpaares besonders groß, ringsum mit Borsten besetzt und an den Seiten in die Höhe geschla- gen sind; sie wurden vorzugsweise als Kiemen betrachtet, sind aber offenbar nur Strudelorgane. Unter dem Leibe findet man zwei Paar Füße; die hinteren sind nach unten gekrümmt, mit einem Haken be- waffnet, die vorderen gabelförmig in die Höhe geschlagen, zur Stütze des dort liegenden Eierstockes. Der Hinterleib endigt in zwei spitze, schwanzartige Stacheln, die nebst dem vorderen Fußpaare und den beiden Fühlerpaaren die einzigen Organe sind, welche aus der Schale hervortreten. Bis jetzt sind die Männchen in dieser Familie unbe- kannt; die Eier werden in einem eigenen Raume zwischen Schale und Hinterleib gesammelt, aber sehr bald an Wasserpflanzen gelegt. Die im Meere lebenden Gattungen tragen zwei seitliche Augen fast mitten auf dem Rücken, nahe der Mittellinie, die im Süßwasser wohnenden mehr auf der vorderen Seite. Man hat schon in den Schichten der Kohlenperiode, dann aber namentlich in denen der Kreide und der tertiären Gebilde oft in Massen angehäufte kleine Schalen gefunden, die durch ihre Gestalt, sowie durch die Erhöhungen für die Augen sich als Ueberreste vorweltlicher Schalenflöhe ausweisen und zum Theile besonderen ausgestorbenen Gattungen (Cyprella, Cypridella) angehören. Cypris; Cypridina; Cytherea . Die Familie der Büschelkrebse ( Daphnida ) , die auf unsere jetzige Fig. 505. Daphnia von der Seite, nach abgenommener Schale. a Vordere Fühler. b Darm. c Auge. e Eier. f Geißelfortsatz zur Stütze der Eier. g Herz. h Bauchfüße. i Hinterleib. k After. l Spitze der Schale. Schöpfung beschränkt ist, hängt nur mit einem ge- ringen Theile des Rü- ckens mit ihren Schalen zusammen, so daß Kopf und Leib ziemlich frei sind. Der Kopf trägt ein rundes bewegliches Auge, einen schnabelför- migen Mund und zwei Paar Fühlhörner. Die vorderen Fühlhörner sind sehr klein, stets unter der Schale geborgen, die hinteren dagegen sehr groß, ästig, mit langen Büscheln besetzt, und fast das einzige Bewe- gungsorgan. Der Mund zeigt eine große Oberlippe, starke, haken- förmige Kiefer, horizontale, mit hakenförmigen Dornen besetzte Kinnladen. Die vier vorderen Fußpaare sind breit, abgeplattet, mit langen Haa- ren besetzt, und dienen nur als Strudelorgane; das fünfte Paar trägt einen geißelförmigen Fortsatz, der nach oben gerichtet ist und die Eier in der Bruthöhle umfaßt. Der Hinterleib ist kurz, endigt in zwei nach unten gerichtete Haken, und trägt auf der Rückenfläche mehrere nach oben gerichtete Warzen, die durch ihre Anlagerung an die Schale einen bedeutenden Raum zwischen dieser und dem Hinterleibe abschlie- ßen, der als Bruthöhle dient. Während des Sommers werden in dieser Höhle die Eier nur wenige Tage hindurch ausgebrütet, gegen den Herbst hin aber bildet sich in der Bruthöhle ein eigenthümlicher sattelförmiger Apparat von dunkler Farbe, welcher wesentlich aus zwei Klappen besteht, die in ihrem Inneren besondere Kapseln enthalten; — man hat diesen Apparat das Ephippium genannt. Jede der beiden Kapseln dieses Apparates enthält ein oder mehrere Eier, die bei der letzten Häutung vor dem Herbste mit Kapseln und Klappen aus der Bruthöhle ausgestoßen werden. — Die Thiere gehen den Winter über zu Grunde; die in den beschriebenen zweiklappigen Kapseln gelegten Eier aber harren den Winter hindurch aus und entwickeln sich im nächsten Frühjahre. Daphnia; Lyncaeus; Polyphemus; Evadne; Acanthocercus . Die Ordnung der Blattfüßer (Phyllopoda) umfaßt Thiere Fig. 506. Limnadia von der Seite nach abgenommener Schale. von bedeutenderer Körpergröße, die sich vor allen anderen Ordnungen durch die große Anzahl ihrer Leibes- ringe und der unter ihnen ange- brachten blattförmigen Füße aus- zeichnen, die zugleich als Bewe- gungsorgane und als Kiemen dienen. Der Körper dieser Thiere ist bald vollkommen nackt, bald von einem breiten, einfachen Schilde, bald auch von einer dünnen, zweiklappigen Schale umgeben; der Kopf gewöhn- lich frei, mit zwei großen, zusammengesetzten Augen, zuweilen auch noch mit einem mittleren, unpaaren, einfachen Auge und zwei Fühler- paaren versehen, die oft seltsame Umgestaltungen erleiden; der Mund ist stets mit Kiefern oder Kinnladen bewaffnet; hinter ihm stehen die Füße, welche vielfache Reihen gezähnelter oder behaarter Platten dar- stellen, die während des Lebens in beständiger Bewegung sind. Der Hinterleib ist stets frei, mehrgliedrig, gewöhnlich mit langen, fadenför- migen Anhängen versehen; die Schilder und Schalen, welche bei den gepanzerten Arten den Körper decken, sind sehr dünn, durchsichtig und hornartig. Das Nervensystem der Blattfüßer ist meistens nur zart und besteht aus einem viereckigen Hirnknoten, dessen hintere Winkel die Verbindungsfäden zu dem ersten Brustknoten abgeben. Die das Bauch- mark zusammensetzenden Knoten liegen an zwei seitlichen Strängen und sind Anfangs durch doppelte Querfäden, dann durch einfache mit einander verbunden, bis zuletzt das Ganze zu einem einzigen, kno- tigen Strange verschmilzt. Die zusammengesetzten Augen bieten eine eigenthümliche Modifikation dar, indem unter ihrer äußeren, glatten Hornhaut eine zweite, fazettirte Hornhaut sich befindet, hinter deren Fazetten bald nur einfache, kegelförmige Glaskörper, bald noch außer- dem rundliche Linsen sich befinden, die, wie dieß bei den zusammen- gesetzten Augen gewöhnlich ist, in kegelförmigen, von dunklem Farb- stoffe umgebenen Ausbreitungen der einzelnen Nervenfäden sitzen. Der Verdauungsapparat bietet nichts Besonderes dar; das Herz ist schlauchförmig, nimmt die Mittellinie des Rückens ein, und zeigt viele seitliche Spaltöffnungen, durch welche das aus dem Körper zurück- kehrende Blut in die Kammern des Herzens eintritt; — besondere Gefäße entdeckt man nirgends; das Blut strömt in wandungslosen Kanälen, besonders innerhalb der blattförmigen Kiemenfüße, die oft bei dem Stocken des Blutes während des Absterbens der Thiere sich so füllen, daß sie beutelförmigen Anhängen gleichen. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind verschieden gestaltet; bei den einen sind die Eierstöcke vielfach verästelt, bei den anderen einfach schlauchartig. Meistens finden sich besondere Eibehälter vor, welche bald an einem bestimmten Fußpaare, bald unter dem Schwanze angebracht sind und in denen die dicken, hartschaligen Eier herumgetragen werden. Bei den mit einer zweifachen Klappe versehenen Gattungen dient die Schale als Eibehälter. Von einigen Gattungen kennt man die Männchen noch gar nicht, bei anderen sind sie mit eigenthümlichen Klammeror- ganen versehen, mit welchen sie sich an den Weibchen festhalten kön- nen. Die aus dem Eie kriechenden Jungen gleichen außerordentlich den Jungen der Krebsflöhe, und haben wie diese zwei oder drei Paar langer, mit büschelförmigen Haaren versehener Schwimmfüße, von welchen die beiden ersten Paare sich später zu Fühlern umgestalten. Auch besitzen diese Jungen beim Ausschlüpfen nur ein mittleres Stirn- auge, zu welchem sich erst bei späteren Häutungen die seitlichen zusam- mengesetzten Augen gesellen. Die Gliederung des Leibes ist bei den ausgeschlüpften Larven kaum angedeutet und entwickelt sich mit den blattförmigen Kiemenfüßen erst bei den späteren Häutungen. Fossile Ueberreste dieser Ordnung kommen wahrscheinlich gar nicht vor; wenig- stens scheinen die Versteinerungen aus dem Kohlengebirge, die man den Gattungen Nebalia und Apus hat zutheilen wollen, noch viel zu un- vollständig gekannt, um sie mit Sicherheit hier einreihen zu können. Die Familie der Blattkrebse ( Apusida ) trägt eine ungemein große Anzahl von Kiemenfüßen, welche fast den ganzen unteren Raum des Schildes ausfüllen, das bald ein großes, einfaches Kopfbrustschild, bald eine zweiklappige Schale bildet, die dann nur mit einem geringen Punkte des Rückens zusammenhängt. Bei den gewöhnlichen Blattkreb- sen ist der Körper so mit dem Schilde verwachsen, daß nur die Augen auf der oberen Fläche hervorstehen. Mundwerkzeuge und Fühler muß man auf der unteren Fläche suchen. Die Mundwerkzeuge bestehen aus einer sehr großen, viereckigen Oberlippe, neben welcher die kurzen, dreigliederigen Fühler stehen, aus einem Paar starker, dicker, gezäh- nelter Kiefern, und zwei Paar blättriger Kinnladen; der Hinterleib ist frei und trägt gewöhnlich ziemlich lange, fadenförmige Anhänge. Die Thiere dieser Familie erscheinen zuweilen plötzlich in süßen Ge- wässern und Pfützen und verschwinden wieder beim Eintrocknen der- selben, indem sie sich mit ihren Larven in den feuchten Schlamm des Bodens eingraben. Apus; Limnadia; Nebalia . Die Familie der Kiemenfüße ( Branchipida ) wird von einigen wenigen, langgestreckten Gattungen gebildet, deren Körper vollkommen frei und in eine bedeutende Anzahl von Ringen zerfällt ist. Die Augen sind gestielt, die vorderen Fühlhörner oft zu hakenförmigen Organen umgewandelt, während die hinteren fadenförmtg sind. Es finden sich Fig. 507. Fig 508. Fig. 509. Der gemeine Kiemenfuß (Branchipus stagnalis) . Fig. 507. Erwachsenes Weibchen von der Seite dargestellt, um die son- derbaren Hakenfühler, das große, zusammengesetzte Auge, die blattförmigen Kiemenfüße und den Eiersack zu zeigen. Fig. 508. Eben ausgeschlüpfte Larve mit einfachem Stirnauge, borstigen Fühlern, zwei Paar Schwimmfüßen und ungegliedertem Hinterleibe. Fig. 509. Weiter entwickelte Larve mit drei Augen und gegliedertem Hinterleibe, an dem sich die Blattfüße zeigen, von der Bauchseite. stets eilf Paare blattförmiger Kiemenfüße, und bei den Weibchen hinter denselben die eigenthümlichen Eiersäcke, die mit starken Muskeln ver- sehen sind, durch deren Zusammenziehung die Eier beständig hin und hergeworfen werden. Die Thiere schwimmen wie die der vorigen Fa- milie auf dem Rücken, den Bauch nach oben gekehrt, und finden sich sowohl in Pfützen, als auch in salzigen Wässern, namentlich in den Salzsoolen, selbst bei einem bedeuteuden Grade ihrer Concentration. Branchipus; Artemia; Eulimena . Mit der Ordnung der Blattfüßer jedenfalls sehr nahe verwandt ist die Ordnung der Trilobiten oder Paläaden (Trilobita) , welche nur in den ältesten Erdschichten vorkommt, und dort fast für sich allein die ganze Klasse der Krustenthiere repräsentirt. Es finden sich die Ueberreste dieser Ordnung einzig und allein in dem Uebergangs- und Fig. 510. Phacops arachnoides . a Kopfschild. b Schwanzschild. c Kopfbuckel (glabella). d Augen. Kohlengebirge vor, und sind schon in dem letzteren selten, in späteren Schichten aber durchaus nicht mehr anzutreffen. Es ist daher begreif- lich, daß über ihre Organisation noch jetzt vielfache Zweifel herrschen, die um so mehr erhalten werden, als man die Thiere meist nur von der Rückenseite sieht und die wich- tigen Theile, welche auf der Unter- seite liegen, noch jetzt fast durchaus unbekannt sind. Die Trilobiten bieten im Gan- zen die Form eines mehr oder minder länglichen Schildes dar, an welchem man drei einzelne Abthei- lungen unterscheiden kann, die man gewöhnlich mit dem Namen Kopfschild, Brust oder Thorax, und Schwanzschild (pygidium) belegt hat, wovon indeß offenbar das Kopfschild eine Kopfbrust dar- stellt, gebildet aus der Verwachsung des Kopfes und des vorderen Theiles der Brust, während das Schwanzschild der eigentliche Hinter- leib ist. Das Kopfschild hat gewöhnlich eine halbmondförmige oder halbeiförmige Gestalt, mehr oder minder nach vorn abgestutzt oder zugespitzt, und oft nach hinten in lange Spitzen und Dornen ausge- zogen. In den meisten Fällen unterscheidet man auf dem Kopfschilde einen mittleren erhöhten Wulst, den Kopfbuckel (glabella) und zwei seitliche Ausbreitungen, die eigentlichen Kopfschilde. Gewöhnlich stehen auf der Gränze zwischen dem Kopfbuckel und den Schilden auf einer Nath, welche sich dort hinzieht, zwei große, hervorgequollene, zusam- mengesetzte Augen von halbmondförmiger Gestalt, deren Convexität nach Außen schaut. Genauere Untersuchungen haben gelehrt, daß diese Augen ursprünglich den Bau der Augen des Kiemenfußes besaßen und somit eine glatte äußere Hornhaut hatten, hinter welcher eine zweite fazettirte Hornhaut lag. Bei manchen Gattungen sind diese Augen bis auf einen äußerst kleinen Streif zusammengeschwunden, der oft sehr schwierig zu entdecken ist. Die vertieften Linien, welche den Kopfbuckel von den seitlichen Schilden trennen, setzen sich gewöhnlich weiter nach hinten über die Ringel des Thorax und über das Schwanzschild weg, so daß der ganze Körper der Länge nach ebenfalls in drei Abtheilungen ge- theilt erscheint, einen mittleren erhöhten Wulst und zwei seitliche fla- chere Parthien. Die Zahl der Ringe des Thorax ist sehr verschieden und scheint von zwei bis zwanzig etwa zu wechseln; sie sind stets sehr kurz, bedeutend breiter als lang, und oft seitlich in Spitzen oder Dornen ausgezogen. Bei vielen Gattungen gehen diese Brustringe nach und nach in die Ringe des Schwanzschildes über, so daß sich keine sichere Gränze ziehen läßt; bei anderen aber besteht das Schwanz- schild aus einem Stücke, das oft fächerförmig gestreift, oder mit Dor- nen besetzt ist, und dann gewöhnlich mehr der minder die Gestalt des Kopfschildes wiederholt. Die äußeren Bedeckungen der Trilobiten waren hornig und be- standen aus zwei Schichten, von denen die dünnere äußere, die eine körnige Beschaffenheit hatte, bei der Versteinerung meist verloren ge- gangen ist. Ueber die Mundwerkzeuge und die Füße hat man nur höchst unvollständige Beobachtungen; doch hat man an der Unterfläche der Thiere kleine rundliche, am Rande ausgezackte Läppchen gesehen, welche offenbar die Gestalt und Bildung der bei den Blattfüßern vor- kommenden Kiemenfüße haben. — Viele Gattungen der Trilobiten konnten sich in ähnlicher Weise, wie die Asseln, zu einer Kugel zusam- menrollen, wobei Kopf und Schwanzschild mit ihren Unterflächen an einander gelegt wurden. Frühere Beobachter wollten sie deßhalb und wegen der Körperform auch den Asseln näher bringen, eine Meinung, die wegen des Mangels von gegliederten Fühlhörnern und Füßen nicht stichhaltig erscheint. Die Trilobiten lebten ohne Zweifel, wie unsere jetzigen Blattfüßer, an seichten Stellen des Strandes und in wenig tiefen Meeresbuchten, und zwar meistens in Schwärmen zusam- men. Sie waren fast alle verhältnißmäßig kleine Thiere, doch giebt es einige riesenhafte Arten, welche beinahe zwei Fuß Länge erreichten. Ihre Ueberreste finden sich besonders häufig in Böhmen, Schweden, Nordamerika und Rußland, weniger zahlreich in dem rheinischen Ueber- gangsgebirge, in England und in der Bretagne. Man hat sie nur hauptsächlich nach der äußeren Körperform in mehrere Familien zerlegt. Die Familie der Battiden ( Battida ) begreift hauptsächlich kleine, Fig. 511. Battus pisiformis. a Kopfschild. b Schwanz- schild. Fig. 512. Calymene Blumenbachi . Fig. 513. Asaphus caudiger . oft kaum hirsekorngroße Arten, deren Kopf- und Schwanzschild halbkreisförmig, fast gleich groß, und von so ähnlicher Bildung sind, daß man sie leicht mit einander verwechseln kann. Zwi- schen diesen beiden großen Schildern finden sich nur sehr wenige Brustringe, deren Zahl von zwei bis fünf wechselt. Auf der Mitte des Kopfbuckels sollen einfache, glatte Augen stehen, woraus man geschlossen hat, daß die Thiere, welche diese Familie bildeten, eigentlich nur den Jugendzustand der gewöhnlichen Trilobiten dar- stellten. Battus; Agnostus; Cyclus . Man kann unter den übrigen Trilobiten zwei Hauptgruppen unterscheiden; — die einen besitzen die Fähigkeit, sich kugelförmig aufzurol- len, den andern geht dieselbe ab. Zu der ersteren Gruppe gehören folgende Familien: die Calymeniden mit granulirt höckeriger Schale, vielgliederigem Thorax und stark hervorgeho- benem Körperwulst, der auf dem Schwanzschilde zugespitzt ausläuft. Die Augen sind groß, stark vorspringend, das Schwanzschild ganzrandig, deutlich von den Brustringen getrennt. Zu dieser Familie gehören die größten bekannten Gattungen. Calymene; Homalonotus; Cyph- aspis; Phacops . Ihr sehr nahe steht die Fa- milie der Asaphiden , deren Körperaxe sich nach hinten nicht zuspitzt, die meist weniger als zehn Brustringe besitzen und deren Schale keine Gra- nulationen zeigt. Asaphus; Illaenus; Arche- gonus . Die übrigen Familien können sich nicht rollen, sondern bleiben gerade ausgestreckt; hier- her gehören die Ogygiden mit großem, nach hinten in lange Spitzen ausgezogenem Kopf- schilde, einfachem Schwanzschilde, das ebenso lang ist oder länger, als der Thorax, und horizontalen Brustringen, die seitlich in lange, nach hinten gerichtete Spitzen auslaufen. Ogy- Fig. 514. Paradoxides bohemicus. a Kopfschild. b Schwanz- schild. c Kopfbuckel ( gla- bella). d Augen. gia; Trinucleus . Von ihnen unterscheiden sich die sonst ganz ähnlich gestalteten Odontopleu- riden nur durch ein kleines, aus wenigen Rin- gen bestehendes Schwanzschild, ( Odontopleura; Arges; Brontes .) und die Oleniden durch ein größeres Schwanzschild, welches in eine grö- ßere Anzahl von Ringen getheilt ist. Paradoxi- des; Olenus; Triarthrus . Als letzte Familie dieser Gruppe hat man die Campylopleuriden unterschieden, bei wel- chen die Ringe des Thorax, die an ihrer Spitze abgerundet sind, sich von dem mittleren Körper- wulste an nach unten umkrümmen, während sie bei den vorhergehenden Familien sich fast horizontal erstrecken. Conocephalus; Ellipro- cephalus; Harpes . Unterklasse der Pfeilschwänzer. ( Xiphosura s. Poecilopoda .) Die merkwürdige Gattung der Mollukkenkrebse ( Limulus ), welche Fig. 515. Limulus , von der Bauchfläche. p Scheerenfühler über dem Munde. für sich allein diese Unterklasse bildet, stellt ein merkwürdiges Uebergangs- glied zwischen der eben betrachteten Unterklasse und derjenigen der eigent- lichen stieläugigen Krebse dar, unter- scheidet sich aber von beiden durch besondere Eigenthümlichkeiten der Organisation. Der Körper dieser Thiere, die mit zu den größten Krebsen ge- hören, besteht aus drei Abtheilungen, einem halbmondförmigen Kopfbrust- schilde, dessen Convexität nach vorn gerichtet ist, während die zwei Spitzen nach hinten schauen, einem ungleichseitig sechseckigen Bauch- schilde, dessen drei vordere Seiten von dem Einschnitte der Kopfbrust um- b Mund, umgeben von den fünf Fußpaa- ren. a b Bauchfüße. c Kopfschild. q Schwanzstiel. r Bauchschild. faßt werden, und einem langen, stiel- förmigen, ungegliederten Schwanz- stachel, der an seinem hinteren Ende scharf zugespitzt ist. Kopf- und Bauchschild bilden zusammen eine fast rundliche Scheibe, so daß das Ganze der äußeren Körpergestalt einem zum Werfen des Federballes bestimmten Schlagnetze nicht unähnlich sieht. Das gewölbte Kopfschild zeigt auf der Mitte der Rückenseite eine Leiste, an deren knopfförmigem Ende zwei sehr kleine, erhabene Nebenaugen stehen und zwei Seitenleisten, zu deren Seiten sich die halbmondförmigen, gewölbten, zusammengesetzten Augen zeigen, die mithin ganz dieselbe Stellung einnehmen, wie die Augen der Trilobi- ten. Das Bauchschild ist mit dem Kopfschilde auf einer queren Linie eingelenkt, die sich zwischen den Leisten erstreckt, an deren Seiten die Augen stehen. Die beiden hintern Seitenränder des Bauchschildes sind mit gefiederten und beweglichen Stacheln besetzt; der in der Mitte ein- gelenkte Schwanzstachel ist nach allen Seiten hin beweglich. Betrachtet man das Thier von der unteren Seite, so sieht man in der Mitte des Kopfbrustschildes den einfachen Mund, an dessen Rand unmittel- bar die mit Scheeren bewaffneten Gehfüße eingelenkt sind. Ueber dem Munde stehen in der Mittellinie, mit der Basis einander genähert, zwei Fühler, die nur klein und zweigliedrig sind und deren Endglied eine Scheere trägt. Hierauf folgen die fünf eigentlichen Fußpaare , die einen höchst eigenthümlichen Bau zeigen; — sie bestehen nämlich aus sechs Gliedern, von denen das erste groß, breit und auf seiner inneren Fläche mit einem festen Hornblatte versehen ist, das starke Stacheln trägt, und beim Kauen gegen dasjenige der andern Seite wirken kann. Die übrigen Glieder sind cylindrisch und enden in eine dünne, schwache Scheere. Der fünfte Fuß hat ein sehr großes Basal- glied, welches nach innen zu ebenfalls eine stark gezähnte Platte, eine wahre Kinnlade trägt, nach außen hin aber mit einem geißelförmigen Anhange besetzt ist. Diese fünf Fußpaare stellen demnach den voll- endetsten Typus von Kaufüßen dar, indem sie wirklich durch ihre Endglieder die einzigen Bewegungsorgane sind, während ihre An- fangsglieder die einzigen Werkzeuge bieten, deren sich das Thier zum Kauen und Zerkleinern der Beute bedienen kann. Die untere Fläche des Bauchschildes trägt eine andere Art von Anhängen, welche den Kiemenfüßen der Blattfüßer analog gebaut sind. Es bestehen diese falschen Füße aus sechs schildförmigen Platten- paaren, von welchen das erste die andern deckelförmig überragt und keine Kieme trägt, während die fünf hinteren Paare auf ihrer Hinter- Vogt . Zoologische Briefe. I. 29 fläche mit einer großen Anzahl von Kiemenlamellen besetzt sind, die eine quere Stellung haben. Unmittelbar hinter diesen Kiemenfüßen liegt an der Basis des stachelförmigen Schwanzes, der durchaus keine Eingeweide birgt, der After. Die Anatomie dieser Thiere bietet manches Bemerkenswerthe dar. Der Schlund steigt aus der Mundöffnung zuerst gerade nach vorn und öffnet sich dann in einen vorn im Kopfschilde gelegenen Magen, der mit vorspringenden Hornfalten ausgerüstet ist, und nach hinten in einen geraden, überall gleich weiten Darm übergeht. Das Nerven- system besteht aus einem massiven Schlundringe, von dessen unterer Hälfte ein dicker Nervenstrang abgeht, der erst an seinem hinteren Ende einige Anschwellungen zeigt. Das Herz ist lang, schlauchförmig, mit sieben Paar Seitenspalten versehen, durch welche das zurückkehrende Blut eindringt. Die verästelten Eierstöcke vereinigen sich zu zwei Ei- leitern, die an der Basis des deckelförmigen ersten Kiemenfußes nahe an der Mittellinie auf der oberen Fläche ausmünden, und denen die Hoden und Samenleiter an Gestalt wie an Ausmündung vollkommen entsprechen. Ueber die Entwickelung sind noch keine Untersuchungen gemacht; man weiß nur, daß die aus dem Eie schlüpfenden Jungen schon Brust und Hinterleib, Fühler und Kaufüße vollständig erkennen lassen, daß ihnen aber der Schwanzstachel gänzlich fehlt und nur die beiden vorderen Kiemenfußpaare vorhanden, das dritte aber vollkom- men rudimentär ist. Die einzige Gattung dieser Unterklasse, welche jetzt noch lebt, bewohnt hauptsächlich die heiße Zone der nördlichen Erdhälfte und geht nur an den Küsten Amerika’s über dieselbe hinaus, bis etwa zum 40sten Grade nördlicher Breite. Verwandte Arten und Gattungen hat man vereinzelt im Uebergangsgebirge, in der Kohle, im Muschelkalke, namentlich aber in den lithographischen Schiefern von Sohlenhofen gefunden. Unterklasse der Stielaugen. ( Podophthalma .) Die Krustenthiere, welche wir dieser Unterklasse zurechnen, unter- scheiden sich in vielen wesentlichen Punkten von den vorhergehenden, wie von den nachfolgenden Unterklassen, und bieten gewissermaßen den Typus der Klasse in seiner Reinheit und ohne Hinneigung zu anderen Klassen der Gliederthiere dar. Ihr Körper besteht stets aus zwei wohlgetrennten, in ihrer äußeren Gestalt, wie durch ihre Anhänge ge- sonderten Abtheilungen, die sich auf der Rückenseite besonders kenntlich machen, nämlich aus einer Kopfbrust, welche die Sinneswerkzeuge, den Mund und die ihn umgebenden gegliederten Anhänge, so wie die we- sentlich zum Gehen und Greifen bestimmten Füße trägt, und einem Hinterleibe, welcher stets aus einer größeren oder geringeren Anzahl von Ringeln zusammengesetzt ist. So mannichfach auch die Linien und Zeichnungen des Kopfbrustschildes sein mögen, welche darauf hindeuten, daß dasselbe ursprünglich aus einzelnen Ringen zusammengesetzt ist, so zeigt sich doch dasselbe stets als ein ganzes Schild ohne irgend wei- tere Abtheilungen; nur bei einigen Gattungen, wie z. B. den Heu- schreckenkrebsen ( Squilla ), steht vor diesem Schilde noch ein besonderer Ring, welcher die Augen und die vorderen Fühler trägt, und den man zuweilen als Kopfring bezeichnet hat, als welcher er schon um dessen- willen nicht betrachtet werden kann, weil weder das Gehirn, noch die Mundöffnung in diesem Ringe liegen. Bei denselben Gattungen ist auch das Kopfbrustschild nach hinten weniger ausgedehnt, so daß einige Paare von Füßen, die wirklich der Bewegung dienen, nicht unter die- sem Schilde, sondern an besonderen Ringen befestigt sind, welche sich zwischen der Kopfbrust und dem Hinterleibe einschieben und dem hin- teren Theile der Brust angehören; — aber trotz dieser Verkleinerung der Kopfbrust trägt diese dennoch die wesentlichsten, zu Greiforganen umgestalteten Füße. Ein Hauptkennzeichen der ganzen Unterklasse be- steht darin, daß die Augen , welche stets zusammengesetzte, mit fazet- tirten Hornhäuten versehene Augen sind, auf besonderen beweglichen Stielen sitzen, die zuweilen eine bedeutende Länge erreichen und ge- wöhnlich in eigene Gruben zurückgezogen werden können. Die Mund- werkzeuge sind immer zum Kauen eingerichtet und aus einer Oberlippe, einem Paare Kiefer und mehreren Paaren von Kinnladen zusammen- gesetzt; meist finden sich auch noch einige besondere Paare von Kau- füßen, so daß das Ganze eine höchst verwickelte Zusammenstellung verschiedener gegliederter Organe zeigt, welche bald zum Kauen, bald zum Bürsten, Betasten und Reinigen der Nahrungsmittel bestimmt sind. Die eigentlichen Füße sind fast immer in der Zahl von fünf Paaren vorhanden, was eben so, wie das Fehlen einer Unterlippe, ein leichtes Kennzeichen zur Unterscheidung von der folgenden Unterklasse abgiebt. Die Füße selbst sind meistens cylindrisch, und entweder zum Gehen, 29* Schwimmen oder Greifen eingerichtet, wonach namentlich ihre End- glieder sehr verschiedene Formen zeigen. Eine fernere wesentliche Auszeichnung der stieläugigen Krusten- thiere wird durch den Bau der Athemorgane gegeben. Während in allen übrigen Unterklassen entweder die Füße selbst, oder ein Theil derselben zu meist blättrigen Anhängen umgewandelt sind, welche der Athmung vorstehen, findet man hier eigene Athemorgane, Kiemen, von ge- fiedertem oder blättrigem Baue, die gewöhnlich in einer eigenen Höhle unter dem Kopfbrustschilde geborgen sind, zuweilen aber auch frei an der Unterfläche des Körpers, an den Bauchfüßen angeheftet getragen werden. Nur bei einigen wenigen Gattungen, die durch ihre übrigen Charaktere indessen dieser Unterklasse angehören, scheinen diese speziellen Kiemen zu fehlen, während sie bei keiner anderen Unterklasse der Kru- stenthiere vorkommen, so daß man ihre Existenz wenigstens unbedingt als Beweis annehmen darf, daß das Thier zu der Unterklasse der Stielaugen gehöre. Alle übrigen Charaktere würden keine ausschließen- den Merkmale darbieten, daher wir dieselben bei den Ordnungen selbst in die Augen fassen werden. Wir theilen die ganze Unterklasse in zwei Ordnungen, leicht kenntlich durch die Bildung ihrer Kiemenorgane. Bei den Mundfüßern ( Stomapoda ) stehen die fadenartigen Kiemen frei an dem Hinterleibe, an der Wurzel der Bauchfüße, oder fehlen gänzlich, während bei den Zehnfüßern ( Decapoda ) die Kiemen stets in besonderen Höhlen unter der Kopfbrust geborgen sind. Die Ordnung der Mundfüßer ( Stomapoda ) besteht aus einigen wenigen, sehr eigenthümlichen Familien, welche verschiedene Anknüpfungspunkte zu den Blattkiemern, den Zehnfüßern, ja sogar zu den höheren Typen der Schmarotzerkrebse zeigen. Es sind wesentlich schwimmende Thiere mit meist langem Körper und kurzem Kopfbrust- schilde, von dem gewöhnlich der Augenring vollkommen getrennt ist. Dieser trägt dann die lang gestielten, fazettirten Augen und die vier Fühler, und zuweilen ist er selbst noch in zwei Ringe gespalten, von denen dann der hintere den Einlenkungspunkt der Fühler giebt. Die Ausdehnung der Kopfbrust ist sehr verschieden, denn bald läßt sie drei oder vier mit eigentlichen Füßen besetzte Ringe unbedeckt, bald über- zieht sie alle Brustringe so vollständig, daß die Ansetzpunkte sämmtlicher Füße von oben gedeckt sind, wobei indessen doch die Ringe auf der unteren Seite erkenntlich bleiben. Die Bildung der Füße und des Hinterleibes wechselt außerordentlich bei den verschiedenen Familien. Die inneren Fühler sind gewöhnlich ziemlich lang, frei, und durch mehrere vielgliedrige Fäden geendigt, die äußeren einfach, an ihrer Basis mit einem großen gefiederten Blatte und am Ende mit einem vielgliedrigen Faden versehen. Die Mundwerkzeuge sind ziemlich einfach, aus einer Ober- lippe, einem Paar Kiefer und zwei Paar Kinnladen, die keine beson- deren Anhänge zeigen wie bei der folgenden Ordnung, zusammengesetzt. Auf die Kinnladen folgt ein einziges Paar Kaufüße, die aber zuweilen ganz fehlen, oder zu Schwimmfüßen umgewandelt sind, und sieben bis acht Paar eigentlicher Füße, die oft ganz gleich gestaltet sind und meistens einen tasterartigen Anhang, so wie an der Basis eine weiche blattförmige Erweiterung tragen. Die hinteren Füße sind gewöhnlich Schwimmfüße, die vorderen Greiforgane, dann aber niemals mit einer Scheere, sondern stets nur mit einer Klaue bewaffnet, welche wie eine Klinge gegen das vorhergehende Glied eingeschlagen werden kann. Meistens werden alle diese Fußanhänge gegen den Mund hin einge- schlagen, woher die Ordnung ihre Namen bekommen hat. Die Bauch- füße, welche unter den Hinterleibsringen stehen, sind blattartig und tragen an ihrer Basis gewöhnlich die büschelförmigen, aus verästelten Fäden gebildeten Kiemen, nur bei wenigen Gattungen sind diese freien Büschelkiemen an der Basis der Brustfüße befestigt, aber niemals in einer eigenen Höhle eingeschlossen. Die Körperbedeckung der Mundfüßer ist ziemlich dünn und horn- artig, zuweilen selbst vollkommen durchscheinend, so daß man bei eini- gen kleineren Thieren der Ordnung fast alle Organe durch die Körperbedeckung hindurch erkennen kann. Das Nervensystem ist je nach der Körperform verschieden angeordnet, indem bei den lang- leibigen Heuschreckenkrebsen ein langer Strang mit vielen Knoten existirt, während bei den kurzleibigen die Verbindungsringe zwischen Hirnknoten und erstem Brustknoten sehr lang, die Bauchknoten dagegen zu einer Masse verschmolzen sind. Der Mund liegt gewöhnlich sehr weit nach hinten und führt durch einen kurzen Schlund in einen festen Magen, der mit Hornplatten und regelmäßigen Reihen von Haaren dicht besetzt ist. Von da aus geht der Darmkanal gerade nach hinten und ist auf beiden Seiten während seiner ganzen Erstreckung von den Büscheln der Leber umgeben, die an verschiedenen Stellen in seine Höhle einmünden. Das Herz ist schlauchförmig, lang, über die ganze Mittellinie des Rückens hingezogen, giebt eine Menge seitlicher Gefäße ab und hat viele obere Spalten, durch welche das rückkehrende Blut in die Höhlung des Herzens eindringt. Alle Mundfüßer sind getrenn- ten Geschlechts; die weiblichen Organe bestehen aus einer Menge ver- ästelter Lappen, welche den Hinterleib ausfüllen und sich in einen langen Schlauch vereinigen, der nach vorn drei ringförmige Fort- sätze hat, die wieder mit einander verbunden sind und sich in der Mittellinie des Bauches an dem ersten Vorderleibsringe öffnen; — die Hoden ahmen in ihren Umrissen die Form der Eierstöcke nach, öffnen sich aber an der Basis des hintersten Fußpaares in zwei dort befindliche hornige Ruthen. Ueber die Entwickelung der Embryonen dieser Thiere sind nur wenige Beobachtungen gemacht, welche indessen zu beweisen scheinen, daß die Gestalt derselben nur wenig von der- jenigen der Erwachsenen verschieden ist. Man hat bis jetzt nur in den Schichten des Monte Bolca , die zu den unteren Tertiärgebilden gehören, Ueberreste von Mundfüßern und zwar von ächten Heu- schreckenkrebsen ( Squilla ) gefunden. Die Familie der Flachkrebse ( Phyllosomida ) besteht aus außer- ordentlich flachen Krebsthieren mit dünner, durchsichtiger Schale, deren Fig. 516. Phyllosoma . Körper so sehr abgeplat- tet ist, daß kaum ein Raum für die Einge- weide zwischen der obe- ren und unteren Scha- lenhälfte übrig bleibt. Das Kopfbrustschild ist gewöhnlich breit oder länglich und hängt nur in der Mitte an den Brustringen an, wäh- rend es sonst nach allen Seiten frei ist und von unten her mit einem zweiten zusammen- hängenden Schilde bekleidet erscheint, so daß man diese Thiere auch die doppeltgepanzerten ( Bipeltata ) genannt hat. Die Augen sind groß, auf dünnen Stielen getragen, die inneren Fühler am Ende gespalten, die äußeren bald borstig, bald blattartig. Der Mund liegt weit hin- ter den Fühlern zurück, und hinter ihm beginnt das Brustschild, an dessen Rand die sieben oder acht Paar Füße sehr weit von der Mit- tellinie eingelenkt sind. Das erste Fußpaar ist gewöhnlich verkümmert, die anderen lang, dünn, gespalten, zum Schwimmen eingerichtet. Die Kaufüße und die falschen Füße des Hinterleibes sind rudimentär, der Hinterleib wenig entwickelt, aber mit einer fünfblättrigen Schwimm- floße versehen. Die Kiemen fehlen in dieser Familie ganz; wahr- scheinlich dient das dünne, breite Körperschild als Athemorgan. Die Thiere sind Schwimmer und werden nur auf der hohen See, meist in südlichen Meeren angetroffen. Phyllosoma; Amphion . Die Familie der Heuschreckenkrebse ( Squillida ) bietet die größten Arten der ganzen Ordnung dar. Der Augenring ist deutlich getrennt, Fig. 517. Heuschreckenkrebs ( Squilla ) von der Seite. y Augen. a Fühler (äußere). p′ Kaufuß. p″ Hin- tere Kaufüße. p‴ Brustfüße. pa Bauchfüße. b Kiemen. g Schwanzflosse. die Augen rundlich oder nierenförmig, kurzge- stielt; die inneren Füh- ler lang, mit drei End- borsten versehen, die äußeren einfach und an der Basis mit einer ovalen gewimperten Platte besetzt. Das Kopfbrustschild ist klein, länglich und läßt noch wenigstens drei Ringe der Brust unbedeckt, an welchen drei Paare kurzer, cylindrischer, vorn abgeplatteter Füße stehen, die keine Klauen tragen und nur zum Schwimmen bestimmt sind. Der Mund liegt ziemlich weit nach hinten, ist mit Kiefern, zwei Paar Kinnladen und fünf Paar Kieferfüßen bewaffnet, von denen das erste Paar stielförmig und die drei letzten Paare mit einem blasenförmigen Anhange versehen sind und stets auf der Mundöffnung dicht aufliegen. Das zweite Paar dieser Kieferfüße ist außerordentlich groß, stark und zu einem Raub- fuße umgestaltet; sein letztes, gewöhnlich mit Stacheln bewaffnetes Klauenglied schlägt sich wie eine Klinge gegen das vorhergehende Glied ein, das zu seiner Aufnahme an der äußeren Seite einen ver- tieften, oft ebenfalls gestachelten Falz besitzt. Der Hinterleib ist lang, sehr stark und kräftig, und das hauptsächlichste Schwimmorgan. Er trägt fünf Paar blattartiger, falscher Füße, an deren Wurzel die ge- fiederten Kiemen befestigt sind, und ist an seinem hinteren Ende mit zwei Paar seitlicher, langer, gegliederter Platten versehen, welche die Oberfläche dieser Flosse bedeutend vergrößern. Die räuberischen Thiere finden sich in der Nähe des Strandes, aber meist in ziemlicher Tiefe. Squilla; Gonodactylus; Squillerichthys . Den Uebergang zu der nächsten Ordnung macht die Familie der Geißelkrebse ( Mysida ), deren Körpergestalt und Fußbeschaffenheit so sehr derjenigen der Garneelen gleicht, daß man sie früher zu densel- ben stellte. Der Körper ist dick, seitlich zusammengedrückt, der Augen- ring mit der Kopfbrust verschmolzen, die Brustringe sämmtlich von dem Schilde der Kopfbrust bedeckt, der Hinterleib lang, gebogen, mit einer mächtigen, fünfblättrigen Schwimmfloße versehen, die Brustfüße alle untereinander gleich, an Zahl wechselnd, meist mit einem langen, ge- gliederten Anhange versehen. Die Kiemen fehlen bald gänzlich, bald sitzen sie in Büschen an den fünf Paaren der Bauchfüße, oder an den Brustfüßen, aber ohne von dem Brustschilde eingeschlossen zu sein. Die Thiere schwimmen in Schwärmen im hohen Meere, und einige Arten sollen hauptsächlich dem Wallfische als Futter dienen. Mysis; Thysanopus; Leucifer . Die außerordentlich große und zahlreiche Ordnung der Zehn- füßer ( Decapoda ) umfaßt alle Krustenthiere mit gestielten Augen, die eine ungegliederte Kopfbrust besitzen, unter welcher in einer eige- nen Höhle die Kiemen angebracht sind. Es erscheint diese Ordnung zuerst in dem Muschelkalke mit Arten, die alle den Langschwänzern und zwar besonders der Familie der Langusten angehören, und es er- reichen diese Langschwänzer in den jurassischen Schichten eine bedeu- tende Höhe der Ausbildung an Form und Zahl. Erst in der Kreide gesellen sich die Krabben zu ihren Vorgängern, so daß auch hier eine ähnliche Art der Ausbildung vorherrscht, wie bei den Embryonen und Larven der höheren Typen, indem, wie wir sehen werden, die Larven der Krabben anfänglich langschwänzigen Krebsen gleichen und erst später durch mannichfache Metamorphosen den verkümmerten Hinterleib erhalten, der sie in dem Alter charakterisirt. Wir theilen sie in drei Unterordnungen, die sich hauptsächlich durch die Entwickelung des Hinterleibes unterscheiden. Die Unterordnung der Krebse oder Langschwänzer ( Ma- crura ) begreift langgestreckte Thiere mit kräftig entwickeltem Hinter- leibe, deren Brustschild meist viel länger als breit ist, und sich seitlich kaum über die Basis der Füße hinaus verbreitet. Gewöhnlich läuft dieses Schild, dessen seitliche Theile sich über die Kiemen hinab nach unten wölben, nach vorn in eine zwischen den Augen stehende Spitze ( rostrum ) aus, während es nach hinten ausgeschweift ist und mit dem ersten Hinterleibsringe sich einlenkt. Auf der unteren Fläche findet man zwischen den Füßen nur eine dünne, schmale Leiste als Brust- bein, die nach innen vielfache Vorsprünge zeigt und den Füßen, so wie deren Muskeln zum Ansatzpunkte dient. Die Fühler sind gewöhn- lich sehr entwickelt und stehen meist auf derselben Linie; die inneren sind stets fadenförmig, oft getheilt, und können niemals in eine Grube zurückgelegt werden, die äußeren wechseln vielfach in ihrer Gestalt, tragen aber gewöhnlich an ihrer Basis eine horizontale Platte. Die Mund werkzeuge, die in einer vertieften Grube liegen, sind sehr com- plicirt, und bestehen aus einer Oberlippe, einem Paare Kiefer, welches gewöhnlich einen Taster trägt, zwei Paar Kinnladen und drei Paar Kaufüßen, von welchen das erste blättrig ist, und die alle drei sowohl einen Taster, als auch gewöhnlich noch außerdem einen geißelförmigen Anhang tragen, welcher in dem Ausführungsgange der Kiemenhöhle verborgen liegt und dort durch seine Bewegung das Ausströmen des Wassers regulirt und befördert. Auf diese Kaufüße folgen die fünf Paare eigentlicher Füße, die gewöhnlich einfach und zum Gehen ein- gerichtet sind und deren erstes Paar meistens eine Scheere trägt, wäh- rend die übrigen mit einfachen Klauen bewaffnet sind. Die relative Ausbildung dieser Füße wechselt sehr und es ist unmöglich, eine be- stimmte Regel aufzustellen, wonach diese Modifikationen sich ausbilden. Der Hinterleib ist stets mächtig entwickelt, meist nach unten gebo- gen, und aus sieben Ringen zusammengesetzt, von welchen die fünf vorderen bald blattförmige, bald cylindrische Afterfüße tragen, wäh- rend der sechste Ring zur Seite ein Paar Blätter trägt, die sich an die Endfloße des letzten Gliedes anlehnen und mit dieser eine fächer- förmige Schwimmfloße bilden, die das wesentlichste Bewegungsorgan ist. Die Krebse schlagen den Hinterleib heftig nach unten ein und bewegen sich so mit großer Schnelligkeit rückwärts durch das Wasser. Das Nervensystem der Krebse besteht aus einem langgestreckten Bauchmarke, das gewöhnlich zwölf Knoten zeigt, die durch doppelte Längsfäden mit einander verbunden werden und von denen die sechs vorderen, der Brust angehörigen, am bedeutendsten entwickelt sind. Der Hirnknoten ist meist ziemlich bedeutend, quer gestellt und durch zwei lange Schlundfäden mit dem ersten Brustknoten verbunden. Die Hörorgane bilden an der Basis des äußeren Fühlerpaares einen stumpfen Vorsprung, dessen rundliche Oeffnung durch ein Trommelfell, das in der Mitte meistens einen Schlitz hat, geschlossen ist; hinter diesem Trommelfelle liegt eine dünnhäutige, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllte Blase, deren vorderer Hals bis an das Trommelfell vorragt und nach hinten mit einem eigenthümlichen, grünen Drüsenschlauche in Verbindung steht. An der Basis der inneren Fühler finden sich die grubenartigen Geruchsorgane . Der Schlund steigt von der Mundöffnung aus senkrecht nach oben und öffnet sich in einen rund- lichen, geräumigen Magen , auf dessen Innenfläche bedeutende, ge- zähnelte Hornplatten oder auch nur Hornhaare stehen, die offenbar zur Zerkleinerung der Nahrungsmittel beitragen; von dem Magen aus erstreckt sich der Darmkanal gerade nach hinten und öffnet sich an der Basis der Schwanzflosse auf der unteren Fläche des Hinterleibes. Die Leber ist bedeutend groß und besteht jederseits aus einem Bündel feiner verästelter, gelber Blindschläuche, die hinter dem Magen in den Darm münden. Das Herz liegt unmittelbar unter dem hinteren Theile des Rückenschildes in der Mittellinie und zeigt eine vieleckige Gestalt, welche durch die austretenden Arterien bedingt ist; das rück- kehrende Blut wird gewöhnlich durch sechs, obere, untere und seitliche Spalten aufgenommen, die indeß oft nicht ganz leicht wahrzunehmen sind. Die meist in bedeutender Zahl vorhandenen Kiemen bestehen aus einem Schafte, der auf dem Boden der Respirationshöhle festge- heftet ist und an der Seite zarte Cylinder oder Blättchen trägt, welche sich nach oben immer mehr verjüngen, so daß jede solche Kieme die Gestalt einer Pyramide hat. Die Seitenflügel des Kopfschildes bilden die Wandung der Kiemenhöhle und lassen unten nur an der Basis der Beine einen Schlitz zum Eintritte des Wassers, welches dann nach vornen durch den Kanal ausgestoßen wird, in welchem die Klappe des zweiten Kinnladenpaares spielt. Die Eierstöcke sind lang, röh- renförmig, gewunden, liegen zu beiden Seiten unter dem Kopfbrust- schilde, oder vereinigen sich auch in der Mitte, senden aber stets zwei gewundene Eileiter aus, welche sich an der Basis des dritten Fuß- paares nach außen öffnen; die meist braun oder roth gefärbten Eier haben eine ziemlich dicke Schale und werden mittelst eines klebrigen Ueberzuges traubenartig an die Afterfüße des Hinterleibes gehängt, wo sie das Weibchen bis zum Ausschlüpfen der Jungen mit sich herum- trägt. Die Hoden bilden bald einen einfachen, bald einen doppelten Drüsenkörper, welcher mit einem erweiterten Samengange jederseits an dem Hüftgelenke des letzten Fußpaares nach außen mündet, ohne daß hier besondere Ruthen wahrgenommen werden könnten; dagegen sind bei den Männchen die Afterfüße des ersten Hinterleibsringes in eigenthümliche Stiele verlängert, die offenbar in Beziehung zur Be- gattung stehen. Die jungen Krebse haben beim Ausschlüpfen aus dem Eie eine so wenig von den alten abweichende Gestalt, daß man früher, wo man hauptsächlich nur ihre Entwickelung beobachtet hatte, die Me- tamorphose der anderen Unterordnungen gänzlich in Abrede stellte. Wir theilen die Ordnung der Krebje, deren größere Arten ein beliebtes Nahrungsmittel darstellen, und sogar an manchen Seeküsten einen bedeutenden Handelsartikel bilden, in vier Familien ein, die sich durch folgende Charaktere von einander unterscheiden. Fig. 518. Garneele (Palaemon) von der Seite, um die verschiedenen Körperanhänge zu zeigen. as Aeußere Fühler. ai Innere Fühler, mit einem blattförmigen Anhange l an der Basis. r Vordere Spitze des Kopfbrustschildes (rostrum). y Angen. p m Kaufuß. p’ p” Erstes und zweites Beinpaar. f p Bauchfüße. n Schwanzflosse des in Ringe getheilten Hinterleibes. Die Familie der Garneelen (Carida) besteht aus meist kleinen Krebsen mit dünner, hornartiger Körperbedeckung, deren Rumpf ge- wöhnlich von der Seite zusammengedrückt und oben mit einem schar- fen Kiele versehen ist, welcher nach vorn in einen langen, oft gezahn- ten Stachel ausläuft. Die äußeren Fühler sind tiefer eingelenkt als die mittleren, und mit einem großen Blattfortsatze versehen, welcher den Stiel des Fühlers nicht nur bedeckt, sondern meist auch überragt. Die Füße sind dünn, lang und ein oder zwei Paare derselben ge- wöhnlich mit Scheeren bewaffnet; der Hinterleib ist lang, vorn dick, nach hinten zugespitzt, gewöhnlich stark gebogen und mit einer sehr großen Schwanzflosse versehen, deren äußere Blätter aus zwei ver- wachsenen Stücken bestehen. Die Thiere leben alle in der See, meist gesellig an den Küsten, sind gewöhnlich nur klein, dienen aber dennoch allgemein zur Nahrung. Die Familie der Garneelen zeigt besonders viele Repräsentanten in den jurassischen Schichten, die zum Theile sehr eigenthümlichen Gattungen angehören. Crangon; Alpheus; Caridina; Palaemon; Peneus; Sergestes; Antrimpos; Aeges. Die Hummerkrebse (Astacida) begreifen diejenigen Krebse, welche Fig. 519. Der Flußkrebs (Astacus fluviatilis) von unten. a Innere Fühler. b Aeußere Füh- ler. c Augen. d Gehörorgan. e Letztes Paar der Kaufüße, die übrigen Mundwerkzeuge fast deckend. f Erstes Beinpaar. g Letztes Beinpaar. h Bauchfüße. j After. i Schwanzflosse. unserem gewöhnlichen Fluß- krebse nahe stehn, und sich durch eine harte Schaale, eine große ungekielte Kopf- brust und einen mehr plat- ten Hinterleib auszeichnen. Die beiden Fühlerpaare sind auf derselben Querlinie eingelenkt, die inneren zwei- spaltig, die äußeren einfach, bedeutend verlängert, und an ihrer Basis mit einer spießförmigen Platte ver- sehen, welche niemals die Größe erreicht, wie bei der vorigen Familie. Der Hin- terleib ist groß, in seiner ganzen Länge fast gleich breit, nicht zugespitzt; die äußeren Blätter der Schwimmflosse durch ein queres Gelenk getheilt; das vorderste Fußpaar ist stets weit größer als die übrigen, und immer mit einer bedeutenden Scheere bewaffnet. Die Kiemen sind sehr zahlreich und aus cylindrischen Fäden gebildet, während sie bei der vorigen Familie aus horizontalen Blättern zusammengesetzt sind. Die größeren, in der See lebenden Arten dieser Familie, wie nament- lich die Hummer, bilden bekanntlich einen bedeutenden Handelsartikel mancher Küsten. Astacus; Homarus; Nephrops; Glyphea; Eryma; Megachirus. In der äußeren Körperform stehen die Gryllenkrebse (Thalassi- nida) den vorigen sehr nahe, schließen sich aber durch ihren langen Hinterleib und die hornige Körperschale mehr an die Garneelen an, denen sie auch durch die zusammengedrückte, scharfgekielte Kopfbrust gleichen. Die Augen sind klein, die inneren Fühler doppelfiedrig, die äußeren einfach und nie mit jenem Blattanhange versehen, der die vorigen Familien auszeichnete; die Vorderfüße sind sehr groß, mit Scheeren bewaffnet, die Kiemen aus bürstenförmigen Cylindern ge- bildet und außer den unter dem Brustschilde eingeschlossenen Kiemen bei einer Gattung noch Kiemenanhänge an den Bauchfüßen entwickelt. Die Familie ist, wie die vorige, besonders in den lithographischen Steinen von Sohlenhofen, die dem oberen Jura angehören, häufig vertreten. Thalassina; Axia; Callianassa; Callianida; Brisa; Magila. Die letzte Familie der Krebse wird von den Langusten ( Palinu- Fig. 520. Languste (Palinurus). rida ) gebildet, meist großen, breiten, sehr hartschaligen Krebsen mit kurzem, plattem Hinterleibe und plat- tem Kopfbrustschilde, das nach hinten be- sonders sehr breit ist. Die inneren Fühler sind kurz, gewöhnlich am Ende zweifiedrig, die äußeren bald sehr lang und borstenför- mig, bald in eine breite, krustenartige Platte verwandelt. Die Bildung der Füße wechselt, doch hat das erste Paar nur selten eine Scheere und die anderen niemals, das fünfte Paar ist oft rudimentär; die Schwanzflosse ist breit, aus fünf Lappen ge- bildet, von denen die äußeren stets, der mittlere häufig fast in seinem ganzen Umfange häu- tig ist. Die meist großen und schweren Thiere leben an den Küsten in ziemlicher Tiefe und sind theilweise ebenso, wie die Hummer, ein bedeutender Handelsartikel. Besonders charakteristische Repräsentanten dieser Familie finden sich in dem Muschelkalke und später in den juras- sischen Schichten. Palinurus; Scyllarus; Eryon; Galathea; Grimothea; Pemphix; Prosopon. Die Unterordnung der Halbschwänzer (Anomura) wird von einigen Familien gebildet, die eine förmliche Stufenfolge von Uebergängen von den langschwänzigen Krebsen zu den kurzschwänzigen Krabben bieten, und stets die Charaktere der einen, wie der anderen dieser Unterordnungen so miteinander vereinigen, daß die Thiere keiner von beiden Ordnungen zugezählt werden können. Die allgemeine Körperform erinnert bei den einen an die Krebse, während sie bei den anderen derjenigen der Krabben so gleich ist, daß erst eine ge- nauere Untersuchung beide scheiden läßt. Das Kopfbrustschild ist stets sehr ansehnlich und weit entwickelter, als der Hinterleib, welcher nie- mals, so wie bei den Krebsen, durch eine breite, fächerförmige Flosse und gewaltige Muskulatur das hauptsächlichste Schwimmorgan abgiebt, sondern entweder, wie bei den Krabben, unter den Leib gebogen und rudimentär, oder beutelförmig und von weicher Beschaffenheit ist. Die inneren Fühler sind groß und gewöhnlich frei, wie bei den Krebsen, nur bei einer Familie können sie in besondere Gruben des Stirnrandes zurück- geschlagen werden, wie dies allgemein bei den Krabben der Fall ist. Die Struktur der Brust wechselt ungemein; gewöhnlich ist ihr letzter Ring nicht mit dem vorigen verwachsen, sondern nur eingelenkt, und das Brustschild bald schmal, bald breit, aber niemals mit einer mitt- leren Naht und einer darauf entwickelten inneren senkrechten Platte versehen. Die drei ersten Fußpaare sind stets vollkommen ausgebildet und das erste häufig mit einer großen Scheere versehen, während das fünfte immer und das vierte gewöhnlich rudimentär ist, und dann als scheinbar überflüssiger Anhang auf dem Rücken getragen, oder zum Anklammern in den Wohnungen benutzt wird. Der in seiner Form so sehr wechselnde Hinterleib trägt niemals falsche Füße, wie bei der vorigen Ordnung, sondern höchstens an seinem vorletzten Ringe ein Paar unbedeutender Anhänge von verschiedener Gestalt. Endlich findet man ein unterscheidendes Kennzeichen von den Krabben darin, daß sich die Eileiter stets in derselben Weise, wie bei den Krebsen, auf dem Wurzelgliede des dritten Fußpaares und niemals auf dem Brustschilde nach außen öffnen. Das Nervensystem bietet einen mittleren Typus zwischen den Krebsen und den Krabben dar. Bei den langleibigen Anomuren besteht es nur aus wenigen Knoten und einem mittleren, doppelten Nerven- strange in dem Hinterleibe, der in der Nähe des Afters sich zu einem Knoten vereinigt; bei den krabbenartigen dagegen ist die ganze Ner- venmasse des Leibes zu einem mittleren Knoten verschmolzen, der nach hinten einen einfachen Nerven für den rudimentären Hinterleib ab- giebt. Der Magen ist, wie bei den Krebsen, mit inneren Hornhaaren besetzt, die Leberorgane bei einigen sehr bedeutend entwickelt, und zu beiden Seiten des Darmes ein langer Gallengang ausgebildet, der nach vorn gegen den Magen hinläuft. Das Herz ist vieleckig, die Kiemen stets blätterig und in ziemlich großer Anzahl vorhanden; die Eierstöcke und Eileiter sind wie bei den Krebsen angeordnet und na- mentlich fehlen die sackförmigen Samentaschen, welche bei den Krabben ganz allgemein entwickelt sind. Die männlichen Geschlechtsorgane sind bei den langleibigen nach der Weise der Krebse, bei den kurzschwän- zigen in der Art der Krabben gebildet, und namentlich kommen bei diesen letzteren zwei röhrenförmige hohle Ruthen vor, die auf dem Hüftgelenke des letzten Fußpaares stehen. So weit die Entwickelung der Jungen bekannt ist, so zeigen dieselben auch bei den langleibigen Gattungen die charakteristische Embryonenform der jungen Krabben, die wir später beschreiben werden, und die sich durch ein langes ge- krümmtes Horn auf der Mitte des Rückenschildes und durch einen langen, dünnen Hinterleib ganz besonders auszeichnet. Den langschwänzigen Krebsen steht am nächsten die Familie der Bernhardinerkrebse (Pagurida) , deren Kopfbrust die gestreckte Form Fig. 522. Fig. 521. Der Bernhardinerkrebs (Pagurus Bernhardus). Fig. 521. Das Thier in der Schneckenschale sitzend. Fig. 522. Das- selbe herausgenommen. der Krebse hat, während der Bauch vollkommen weich ist, und keine Flosse am Hinterende trägt. Die Kopfbrust ist gewöhnlich durch eine quere Furche in eine hintere und vordere Abtheilung zerlegt; die vor- dersten Füße sehr groß, gewöhnlich ungleich und mit einer Scheere bewaffnet, die beiden folgenden nur mit einer Kralle versehen, aber sonst wohl ent- wickelt und zum Gehen geeignet, das vierte und fünfte Paar rudimentär, gewöhnlich mit zwei schwachen Fingern geendet, dient meist nur zum Stemmen und Festhalten. Der Hinterleib ist nackt, weich, beim Männchen auf der linken Seite gewöhnlich mit Haltorganen versehen. An der Spitze des Hinterleibes befinden sich zwei Hornblättchen, die ein Paar Anhänge tragen, welche meistens unsymmetrisch entwickelt sind. Die meisten Thiere dieser Familie kriechen mit ihrem weichen Hinterleibe in leere Schneckenschalen, deren Bewohner sie wahrscheinlich vorher auffressen, und klammern sich mit ihren hinteren Füßen und mit den Anhängen des Leibes in den Schalen fest, die sie beständig mit sich herumschleppen. Eine gewaltig große Art (Birgus latro) lebt an den Küsten der Inseln Südasiens in Erdlöchern, klettert Nachts auf die Kokosbäume, und kneipt mit ihren starken Scheeren die Nüsse auf. Fossile Repräsentanten der Familie sind mit Sicherheit nicht bekannt. Pagurus; Cenobita; Birgus. Die Familie der Sandkrebse (Hippida) besteht aus einer Gruppe Fig. 523. Hippa. sehr sonderbarer Krebse mit fast eiförmigem, sehr gewölbtem Rückenschilde, das auf der Seite sich blattförmig nach unten biegt und die Basis der Füße deckt. Der Hinterleib ist ziemlich breit, in der Mitte gewölbt, seitlich häutig, und meist unter die Unterfläche des Körpers zurückgeschla- gen; bald sind die äußeren, bald die inneren Fühler verlängert, und oft mit seitlichen Bor- stenbüscheln besetzt; das Brustschild ist linien- förmig, und die Füße nur unbeholfen; das vorderste Paar gewöhnlich mit einem Haken bewaffnet, die nächstfolgenden mit einer End- platte versehen, welche sie zum Graben geschickt macht; die hintersten Füße sind meist rudimen- tär und an der Brust nach vornen eingeschlagen. Das vorletzte Hinterleibsglied trägt ein Paar Anhänge, welche indessen nach vorn gerichtet sind und niemals mit dem letzten Gliede eine Flosse bilden. Die Thiere leben vergraben im Sande, meistens in südlichen Meeren, sind aber bis jetzt noch wenig untersucht. Hippa; Remipes; Albunea. Die Familie der Porzellankrebse ( Porcellanida ) besteht aus klei- nen Krustenthieren, welche ganz die Form der Krabben haben, und deren Vorderfüße auch, wie bei diesen, mit einem Paare gewaltiger Scheeren bewaffnet sind. Die äußeren Fühler sind indessen sehr lang und die inneren können nicht in eine Grube geborgen werden, wie bei den Krabben. Das fünfte Fußpaar ist rudimentär, der dünne und schmale Hinterleib unter die Brust gebogen, wie bei den Krabben, aber merkwür- digerweise nichts desto weniger mit einer Endflosse versehen, wie bei den Krebsen. Die kleinen Arten leben im Sande vergraben an unse- ren Küsten. Porcellana; Aeglea. Die Familie der Rückenfüßer (Notopoda) schließt sich am nächsten an die eigentlichen Krabben an, und zeigt wie diese ein breites Brust- schild, welches dem gewöhnlich runden Rückenschilde entspricht, und an dessen Seiten die Füße eingelenkt sind. Der Hinterleib ist stets dünn, schmal und unter die Brust zurückgeschlagen, die Füße sehr verschieden gestaltet, bald lang und dünn, mit langen Endkrallen zum Gehen, bald wieder kurz und breit, mit blattförmigen Anhängen zum Schwim- men eingerichtet. Das vorderste Fußpaar trägt stets Scheeren, das hinterste ist immer verkümmert, bald fadenförmig, bald breiter, und wird entweder unter den Leib geschlagen, oder als Anhang auf dem Rücken getragen. In ihrer Jugend haben diese Thiere, soweit sie be- kannt sind, einen bedeutend entwickelten Hinterleib mit einer Flosse und blattförmigen falschen Füßen, wodurch sie sich dann sehr den Krebsen annähern. Sie sind die einzigen Angehörigen der Halb- schwänzer, von welchen auch fossile Repräsentanten, aber nur in den Tertiärschichten und zwar selten gefunden werden. Ranina; Pactolus; Hela; Homola; Lithodes; Dromia. Die Unterordnung der Krabben oder Taschenkrebse (Bra- chyura) bildet diejenige Abtheilung der Krustenthiere, welche bei äußerst mannigfaltiger Modification der äußeren Körpertheile dennoch die größte Uebereinstimmung in ihrer Organisation zeigt. Von oben gesehen bietet der Körper dieser Thiere nur eine einzige, bald mehr runde, bald nach vorn zugespitzte Masse dar, welche von dem Kopf- brustschilde durchaus bedeckt wird; dieses ist meist ebenso breit, oder noch breiter als lang, nach vorn zuweilen schnabelförmig ausgezo- gen, meist aber abgestutzt oder im Bogen gerundet und häufig durch Furchen, die aber niemals durchgehen, in verschiedene Felder getheilt. An dem vorderen Stirnrande geht dieses Schild über den Augenring hinaus und verbindet sich nach unten mit einer Fortsetzung des zweiten Ringes, so daß der Augenring ganz innerhalb des Schildes liegt, und die auf beweglichen Stielen stehenden Augen gänzlich in die Höhlungen unter der Stirn zurück- gezogen werden können. Die inneren Fühler sind stets sehr kurz und ste- Vogt. Zoologische Briefe, I. 30 hen zwischen den Augen an der Mittellinie in der Weise angebracht, daß sie gänzlich in Quergruben des Stirnrandes zurückgezogen werden können. Die äußeren Fühler sind ebenfalls kurz, aber nicht zurückziehbar. Das Brustschild biegt sich von allen Seiten nach unten um, und läßt auf der un- Fig. 524. Das Vordertheil der Kopfbrust einer Krabbe (Maja) von unten gesehen. ai Innere Fühler. a Aeußere Fühler. y Augen. o Gehörorgan. m Letzter Kau- fuß, die übrigen Mundwerkzeuge deckend. p Basalglied des vorderen Scheerenfußes. s Brustschild. r Athemspalt, durch den das Wasser in die Kiemenhöhle eindringt. b Mundöffnung. teren Fläche nur einen geringen leeren Raum, den Mundrahmen , in welchem die Kauwerkzeuge angebracht sind, und in dessen vorderen Ecken sich die ausführenden Kanäle der Kiemenhöhlen öffnen; — nach hin- ten zu schlägt sich das Rückenschild auf der Seite so ein, daß es die ganze Kiemenhöhle deckt, und nur einen schmalen Schlitz zum Eintritte des Wassers in die Kiemenhöhle läßt. Betrachtet man eine Krabbe von unten, so sieht man vorn in dem Mundrahmen des umgeschla- genen Kopfbrustschildes die Kauwerkzeuge , und weiter nach hinten ein breites, bald eiförmiges, bald mehr rundes Schild, das Brust- bein oder Bauchschild , an dessen äußeren Rändern die Beine ein- gelenkt sind, während in der Mitte in einer vertieften Rinne der un- tergeschlagene, rudimentäre Hinterleib eingelagert ist. Bei den Weibchen ist derselbe meist weit breiter, als bei den Männchen und trägt mittelst langer, dünner, stabförmiger Anhänge am zweiten bis fünften Ringe die Eier, welche unter dem Bauche festgehalten sind. Schlägt man den Hinterleib zurück, so sieht man bei dem Männchen an seinem Grunde die röhrenförmigen Ruthen, während bei dem Weibchen die Oeffnungen der Eileiter etwa der Mitte des Hinterleibes genüber in der Rinne desselben auf dem Bauchschilde angebracht sind. Die Kauwerkzeuge , welche in dem Mundrahmen des umgeschlage- nen Brustschildes stehen, sind förmlich aufeinander gehäuft, so daß ein hinteres Paar von Anhängen stets das vorhergehende verbirgt und das dritte und letzte Kaufußpaar mit seinen verbreitetern Glie- dern die ganzen Kauwerkzeuge wie mit zwei Flügelthüren deckt. Es bestehen übrigens diese Werkzeuge aus drei Paar Kaufüßen von meist sehr complicirter Gestalt, zwei Paar Kinnladen und einem Paar Kie- fern. Alle Krabben haben fünf einfache, an den Rändern des Bauch- schildes eingelenkte Fußpaare , die stets alle wohl ausgebildet sind und von denen das erste immer eine Scheere trägt, während die an- deren vier Paare gewöhnlich nur mit einer Klaue oder mit Schwimmplatten enden. Viele Krabben sind geschickte Schwimmer, die anderen aber gute Läufer, die indeß dadurch überraschen, daß sie fast niemals vor- wärts, sondern stets nach der Seite laufen, was einen ziemlich komi- schen Anblick gewährt. Bei allen Krabben ist die Centralisation des Nervensystems mit der gedrungenen Körperform übereinstimmend. Sie haben eine Gehirnmasse, welche nach hinten zwei ziemlich dünne Fäden abgiebt, die sich in den großen, rundlichen, einzigen Körperknoten einsenken, aus welchem nach hinten ein einfacher, knotenloser Nervenstamm durch den rudimentären Hinterleib entsendet wird. Der Magen ist, wie bei den vorigen Unterordnungen der Zehnfüßer, innen mit Hornzäh- nen oder Haaren ausgerüstet, und setzt sich dann in den geraden Darm fort, welcher an der Spitze des eingeschlagenen Hinterleibes nach außen mündet. Die Lebermassen erfüllen die Seitentheile des Körpers zwischen den Kiemen einerseits und dem Magen anderer- seits. Das Herz ist sternförmig unter dem hinteren Theile des Rücken- schildes in der Mitte gelegen, sonst aber nicht verschieden in Bau und Anordnung von demjenigen der Krebse. Die Kiemen haben stets eine pyramidale Gestalt, und sind aus einzelnen Blättchen zu- sammengesetzt. Ihre Zahl ist weit geringer, als bei den langschwän- zigen Krebsen und namentlich ist stets der Raum über den beiden letzten Fußpaaren vollkommen kiemenlos. Die Eierstöcke sind lange, gewundene Röhren, die theils vorn, theils hinten in der Körper- scheibe liegen, und sich jederseits zu einer kurzen Scheide verbinden, die, wie schon bemerkt, auf dem Bauchschilde ausmündet; vor der Aus- mündung befindet sich an jeder Scheide eine birnförmige Samentasche, in welcher nach der Begattung der Samen aufbewahrt wird und die vorbeischlüpfenden Eier befruchtet. Die aus sehr engen Röhrchen zu- sammengewundenen Hodenknäuel nehmen bei den Männchen dieselbe Lagerung ein, wie die Eierstöcke bei den Weibchen; dagegen öffnen sich die Samenleiter in zwei röhrenförmige, am Bauchschilde befestigte Ruthen, welche von dem Hinterleibe in der Ruhe bedeckt werden. Die Eier werden von den weiblichen Krabben, wie schon be- merkt, unter dem Bauche getragen, und die Embryonen schlüpfen in Gestalt großäugiger Krebschen aus, welche in der Gestalt viele Aehn- lichkeit mit den langschwänzigen Krebsen zeigen, ein längliches Rücken- schild und einen bedeutenden Hinterleib besitzen, mit dem sie sehr 30* Fig. 525. Fig. 526. Larvenzustände einer Krabbe (Carcinus maenas). Fig. 525. Erster Zustand (Zoëa) von der Seite gesehen, um die großen Augen, Rücken- und Schnabelstachel, Schwimmfüße und langen Hinterleib zu zeigen. Fig. 526. Die Larve nach mehreren Häutungen, als langschwänziger Krebs mit Schwimmflossen am Hinterleibe (Megalops). lebhaft herumschwimmen. Bei der ersten Häutung erhalten diese Thierchen mitten auf dem gewölbten Rückenschilde einen unverhältniß- mäßig langen, hornartig gekrümmten Stachel, während zugleich der vordere Schnabel des Schildes einen zweiten, nach unten gekrümmten Stachel bildet, der dem Rückenstachel an Länge Nichts nachgiebt. Die Augen sind ungeheuer groß und stehen auf beweglichen Stielen; die Anhänge der Füße wechseln sehr in Gestalt und Form, da alle diese Thierchen gewöhnlich verschiedenen Entwickelungszuständen ange- hören, die man früher unter dem Gattungsnamen Zoëa zusammen- faßte. Der Hinterleib dieser Larven ist sehr entwickelt und am Ende mit bedeutenden Flossenborsten versehen. Nach wiederholten Häutun- gen erlangen diese Larven eine weitere Form, welche man ebenfalls als besondere Gattung unter dem Namen Megalops beschrieben hat. In dieser Gestalt haben die Thiere die beiden gekrümmten Horn- stacheln verloren; die beiden Fühlerpaare sind deutlich, das Rückenschild hat eine länglich leyerförmige Gestalt, die fünf Fußpaare sind voll- ständig da, das vorderste mit Scheeren bewaffnet, nur der Hinterleib ist noch sehr lang und mit falschen Füßen besetzt, welche Flossenborsten tragen; diese brauchen nur verloren zu gehen und der rudimentäre Hinterleib unter das schon bedeutend breite Vauchschild untergeschlagen zu werden, so ist die junge Krabbe auch in der Gestalt ihren Eltern ähnlich. Die ersten fossilen Repräsentanten der Krabben erscheinen in der mittleren Kreide; häufig werden ihre Ueberreste erst in der Ter- tiärzeit gefunden; in der Jetztwelt bilden sie an wechselnden Formen die bei Weitem zahlreichste Gruppe der Krustenthiere. Fig. 527. Spinnenkrabbe (Maja). Die Familie der Spinnenkrabben (Oxyrhyncha) hat ein gewöhn- lich dreieckiges nach vorn zugespitztes Rückenschild, welches meist rauh und mit Stacheln, Warzen oder Knoten dicht besetzt ist. Die Stirn bildet gewöhnlich einen einfachen oder doppelten schmalen Schnabel, die Augenhöhlen sind schief nach außen gerichtet und oft so klein, daß die Augenstiele nicht vollständig darin zurückgelegt werden können. Die inneren Fühler sind gewöhnlich klein, ihre Gruben von den Augen- höhlen vollständig getrennt; die äußeren Fühler dagegen groß und an ihrer Basis mit der inneren Wand der Augenhöhle verschmolzen. Die äußeren Kaufüße liegen ganz in dem Mundrahmen verborgen, ihr erstes Glied ist sehr groß und dient als Klappe vor dem Eingange der Kiemenhöhle. Das Bauchschild ist fast kreisrund, die Füße von sehr verschiedener Entwickelung. Das vordere Scheerenpaar ist meist auf beiden Seiten gleich und die Scheere gewöhnlich nicht sehr stark. Die vier Gehfüße sind gewöhnlich lang und dünn, oft von einer ganz unverhältnißmäßigen Länge, so daß die Thiere fast wie Weberspinnen aussehen; — niemals sind diese Füße zum Schwimmen abgeplattet, sondern stets nur einfach zugespitzt oder höchstens mit einer Andeutung von Scheerenbildung versehen. Die Ruthenkanäle stehen auf der Basis des hinteren Fußpaares, wie dieß auch bei den anderen Krabben mit Ausnahme einer Familie gewöhnlich ist. Der Hinterleib wechselt sehr, gewöhnlich zeigt er sieben Ringe, oft aber findet man bei den Weib- chen diese Zahl bis auf vier reducirt. Die Krabben dieser Familie wohnen alle im Meere und die meisten in bedeutenden Tiefen; keine Gattung lebt an dem Ufer, und die meisten sterben sehr bald, nach- dem man sie aus dem Wasser hervorgezogen hat. Leptopodius; Ste- norhynchus; Inachus; Hyas; Maja; Leucippe; Eurynome; Parthenope. Die Familie der Rundkrabben ( Oxystomata ) hat einen mehr oder minder kreisförmigen Rückenschild, der bald mehr nach hinten, bald mehr nach vornen verschmälert ist, aber niemals einen vorsprin- genden Stirnschnabel zeigt. Der Mundrahmen ist gewöhnlich drei- eckig und vorn bis zwischen die Augen hin vorgezogen. Die äußeren Kaufüße decken ihn nie vollständig, so daß an seiner vorderen Spitze eine Oeffnung zum Durchtritte des Wassers für die Kiemenhöhle existirt, während der sonst bei den Krabben vorkommende Spalt an der Basis der Kiemenhöhle fehlt. Die Existenz des erwähnten Kanales ist der wesentlichste Charakter dieser Familie, deren Hinterfüße vielfach wech- seln, indem sie bald mit breiten Schwimmlappen, bald mit Krallen endigen. Die vorderen Scheerenfüße sind indeß im Allgemeinen sehr kurz, bogenförmig gekrümmt, dick und massiv und meistens von vorn nach hinten zusammengedrückt, so daß sie oben und unten einen schar- fen Kamm zeigen und oft so an den Stirnrand der Schale angelegt werden können, daß man sie von oben im zusammengezogenen Zustande nicht sehen kann. Calappa; Matuta; Leucosia; Ilia; Corystes; Dorippe. Die Familie der Bogenkrabben ( Cyclometopa ) haben ein Rücken- schild, welches stets breiter als lang ist, und namentlich vorn diese Fig. 528. Pupart-Krabbe (Cancer pagurus). bedeutende Breite besitzt, wo es einen regelmäßigen Bogen bildet, während es hinten quer abgestutzt ist. Der vordere Bogenrand ist bald glatt, bald mit Zacken und Spitzen besetzt, aber niemals in einen mittleren Schnabel ausgezogen; die Ränder des ganzen Schildes sind gewöhn- lich scharf, die Augenhöhlen tief, nach vorn und oben gerichtet, die Augenstiele zuweilen ungeheuer lang Fig. 529. Augenkrabbe (Podophthalmus). und sehr beweglich. Die Scheerenfüße sind im- mer sehr entwickelt, die Scheeren sehr kräftig, hart und innen gezähnt; das hintere Paar der anderen Füße ist bald zum Schwimmen abge- plattet, bald zum Gehen mit einer Kralle ausge- rüstet. Hiernach wechselt denn auch die Lebensart der Gattungen, welche dieser Familie ange- hören, indem die einen, die Schwimmer, mehr das hohe Meer suchen, die anderen an den Küsten leben und oft so hoch am Strande, daß sie bei der Ebbe auf das Trockene gerathen, wo sie sich dann im Sande eingraben. Oethra; Cancer; Eryphia; Carcinus; Portunus; Podophthalmus; Polybia. Die Familie der Landkrabben ( Catometopa ) zeichnet sich im All- gemeinen durch die Dicke ihres Körpers aus. Das Rückenschild ist Fig. 530. Flußkrabbe (Telphusa). gewöhnlich länger als breit, fast viereckig, sein Vorderrand gerad- linig oder wenig gebogen, die Sei- tenränder deutlich abgesetzt und nicht wie bei den Rundkrabben, mit der Bogenlinie des Vorderrandes ver- schwommen. Die Augenstiele er- scheinen meist lang und dünn, die Fühlergruben häufig mit der Augen- höhle verschmolzen, die äußeren Fühler sehr kurz, der Mundrahmen fast immer vierseitig, niemals bis zwischen die Augen vorgeschoben. Das Bauchschild ist meist breiter als lang, nach vorn zugespitzt, die Scheerenfüße sehr wechselnd, sehr häufig ungleich auf beiden Seiten, in anderen Fällen massiv, aber dafür fast immer kürzer als die Geh- füße, welche stets mit Krallen am Ende besetzt sind. Die Männchen unterscheiden sich auf den ersten Blick von denen aller übrigen Fami- lien dadurch, daß die Oeffnungen ihrer Samenleiter nicht, wie bei den übrigen Krabben, auf dem letzten Fußpaare, sondern vielmehr auf dem Bauchschilde selbst angebracht sind. Mehrere Gattungen dieser Familie bewohnen nur das Meer in bedeutender Tiefe, und eine ( Pinnotheres ) ist sogar von Alters her berühmt, weil sie nur als Schmarotzer innerhalb der Schalen großer Muscheln, besonders der Steckmuschel, ihre Wohnung aufschlägt. Die meisten Gattungen be- wohnen den Meeresstrand, gewöhnlich in Erdlöchern oder im Sande vergraben, und jagen bei Nacht nach ihrem Raube umher, wobei sie mit außerordentlicher Geschwindigkeit auf dem Sande laufen; andere bewohnen die süßen Gewässer südlicher Gegenden, und die eigentlichen Fig. 531. Turluru ( Gecarcinus ). Landkrabben endlich, welche sich nur in den tropischen Zonen finden, leben vollstän- dig auf dem Festlande, beson- ders an den Abhängen der Gebirge, wo sie feuchte Zu- fluchtsstätten finden, die sie Nachts verlassen, um ihrer Nahrung nachzugehen. Die Kiemenhöhlen dieser Landkrabben, die in ungeheuren Mengen gefangen und verspeist werden, sind sehr geräu- mig und mit einer Menge faltiger Blätter besetzt, in welchen die Feuchtigkeit sich sehr lange erhält. Einmal im Jahre ziehen diese Krabben in großen Schaaren von ihren Zufluchtsorten, die oft mei- lenweit vom Strande entfernt sind, dem Meere zu, um dort ihre Eier abzulegen, worauf sie wieder in das Innere des Landes zurückkehren. Thelphusa; Uca; Cardisoma; Gecarcinus; Pinnotheres; Ocypoda; Gelasimus; Gonoplacus: Macrophthalmus; Grapsus . Unterklasse der Krustenthiere mit Sitzaugen. ( Edriophthalma ). Diese unterscheidet sich wesentlich von den vorhergehenden Unterklassen durch die Eintheilung ihres Körpers, der sowohl einen gesonderten Kopf, als auch getrennte Brustringe besitzt und niemals jene Verwachsungen dieser einzelnen Theile zu einer Kopfbrust zeigt, welche wir bei den vorigen Unterklassen antrafen. Der Kopf trägt stets die Fühler, die Mundwerkzeuge und die Augen, welche niemals auf einem beweglichen Stiele sitzen, sondern in die Schale selbst eingelassen sind und bald aus gehäuften Nebenaugen zusammengesetzt, zuweilen aber auch mit fazettirten Hornhäuten versehen sind. Die Mundwerkzeuge sind in dieser Unterklasse gewöhnlich weit einfacher gestaltet, als bei der vor- herigen, und namentlich ist meist nur ein einziges Paar von Kau- füßen vorhanden, welches in der Mittellinie zu einer Art von Unter- lippe zusammengewachsen ist. Gewöhnlich finden sich sieben Fußpaare, die bei den meisten Gattungen in ihrer Form vollkommen gleich ge- staltet sind, bei anderen aber auch vielfache Abweichungen zeigen. Hinsichtlich der Respirationswerkzeuge finden sich die seltsamsten Ver- schiedenheiten, indem bei den einen dieselben ganz fehlen, bei anderen an der Basis der Füße besondere Kiemenplatten existiren, und bei einer dritten Gruppe die Bauchfüße im Ganzen zu Athemplatten umgestal- tet sind. Bei einigen Gattungen sind sogar eigenthümliche Luftröhren in diesen Platten entwickelt, welche hinsichtlich der Athmung einen An- schluß an die höheren Klassen der Gliederthiere vorbereiten. Die Entwickelung der Jungen hat bei dieser ganzen Klasse viele Aehnlich- keit mit derjenigen der Arachniden und Insekten. Der Embryo bildet zuerst eine schmale, lange Platte, welche mit der Rückseite über den gefärbten Dotter herübergekrümmt ist und Anfangs nur die Andeu- tungen der einzelnen Ringel gewahren läßt; allmählig sprossen Füh- ler, Augen und Füße hervor, während sich zugleich der Anfangs gliederlose Hinterleib unterscheiden läßt; der Embryo bleibt noch lange mit seiner Rückseite um den Dotter herumgekrümmt, dessen Reste sich sogar bei dem Ausschlüpfen noch erkennen lassen. Das junge Thier, welches das Ei verläßt, weicht nur hinsichtlich der Proportionen sei- ner einzelnen Körpertheile, vielleicht auch nach der Zahl der Füße, welche unter dem Bauche befestigt sind, von den erwachsenen Thieren ab, besteht also keine eigentliche Metamorphose, wie einige Unterord- nungen der zehnfüßigen Krebse. Wir theilen diese Unterklasse hauptsächlich nach der Ausbildung des Hinterleibes und der Füße in drei Ordnungen, von denen die letzte mit ihren erdbewohnenden Gattungen, die förmliche Luftathmung besitzen, sich auf das engste an die Klasse der Tausendfüße anschließt. Die Ordnung der Kehlfüßer ( Laemodipoda ) besteht nur aus wenigen Gattungen, die sich auf den ersten Blick durch den gänz- Fig. 532. Wallfischlaus ( Cyamus ceti ). lich verkümmerten Hinterleib unterschei- den, der meist nur durch einen kaum bemerkbaren, knopfförmigen Anhang dar- gestellt wird. Der Kopf dieser Thiere ist cylindrisch zusammengedrückt und noch mit dem ersten Brustringe verwachsen, so daß er das erste Fußpaar trägt; eine Bildung, welche offenbar den Uebergang zu der vorigen Unterklasse macht, wo der Kopf mit der ganzen Brust verwachsen war. Es sind stets vier Fühler vorhan- den, die immer eine cylindrische oder bor- stenförmige Gestalt haben. Die Mund- werkzeuge bestehen aus einer fast kreisförmigen Lippe, einfachen, stark gezähnelten Kiefern, zwei Paar blättrigen Kinnladen und einem Paare großer Kaufüße, die lange Tastergeißeln tragen. Die Normalzahl der Füße ist sieben, zuweilen aber sind statt des dritten und vierten Fußpaares eigenthümliche Blasen entwickelt, welche die Athemwerkzeuge vervollständigen und meist auch an dem zweiten Ringe vorkommen. Die übrigen Füße sind gewöhnlich mit scharfen, klingenförmig ein- schlagbaren Haken, niemals mit Scheeren bewaffnet. Das Nervensystem besteht aus acht Knoten, von denen die beiden vordersten in dem gemeinschaftlichen Kopfbrustringe liegen, während die Verbindungsfäden der hinteren nahe zusammen gerückt sind. Die Augen haben eine glatte Hornhaut, hinter welcher eine Menge einzelner, lichtbrechender Kegel steht. Der Magen , der übri- gens nicht bedeutend ist, trägt innen seitliche gezähnte Hornleisten. Die Leber besteht aus langen, gewundenen Drüsenschläuchen, die den geraden Darmkanal auf seinem Wege umgeben. Ueber den Blut- kreislauf sind keine sicheren Beobachtungen vorhanden. Die Kie- men beschränken sich auf bald birnförmige, bald lange, cylindrische Schläuche, welche theils an der Basis der Füße, theils an den fuß- losen Abschnitten sitzen, niemals aber die Zahl von vier Paaren überschreiten. Die Eierstöcke bilden zwei einfache Schläuche, deren Eileiter sich an der inneren Seite des fünften Fußpaares öffnen und aus welchen die Eier in eine eigene Bruttasche übergehen, die aus mehreren Blättern gebildet wird, welche an den fußlosen, kiemen- tragenden Leibesringen befestigt sind. Die männlichen Geschlechtstheile gleichen in der Form ganz den weiblichen, nur finden sich ihre Oeff- nungen weiter hinten am Körper, neben dem After, auf zwei weichen, warzenartigen Ruthen. Die kleine Ordnung zerfällt in zwei Familien. Die Wallfisch- läuse ( Cyamida ), welche die erste dieser Familien bilden, leben als Schmarotzer auf der äußeren Haut der Wallfische und haben einen breiten, quer gegliederten Körper, auf dem ein rundlicher, kleiner Kopf mit großen, viergliedrigen Fühlern aufsitzt. Die mittleren Fühler, so wie die am Kopfringe befestigten Füße sind sehr klein, dagegen das zweite Fußpaar, welches an dem ersten Brustringe befestigt ist, gewaltig groß und mit scharfen Klauen bewaffnet ist; — die zwei folgenden Brustringe tragen keine Füße, sondern lange schlauchförmige Kiemen und bei dem Weibchen auf der Bauchfläche die großen Schuppen der Bruttasche; die drei hinteren Fußpaare sind, wie das zweite, sehr massiv und mit scharfen Krallen ausgerüstet. Cyamus . Die Familie der Gespenstkrebse ( Caprellida ) zeigt einen langen, fadenförmigen Körper, mit dünnen, langen Ringeln und zwei Paaren vorderer Raubfüße. Bei einer Gattung sind sieben vollständige Fuß- paare vorhanden, bei einer anderen fehlt das dritte und vierte und ist durch birnförmige Kiemensäcke ersetzt; die beiden Fühlerpaare sind fast gleichmäßig entwickelt. Die kleinen, stabförmigen Thierchen sitzen meist angeklammert auf Tangen und Meerpflanzen. Caprella; Lep- tomerus . Die Ordnung der Flohkrebse ( Amphipoda ) begreift eine größere Anzahl kleinerer Thiere, welche sich gewöhnlich durch die Fig. 533. Crevettine ( Talitrus ). außerordentliche Schnelligkeit ihrer Be- wegung auszeichnen, theilweise aber auch schmarotzend in anderen Seethieren sich aufhalten. Keines der zu dieser Ord- nung gehörigen Thiere mag die Länge von 2 Zollen überschreiten. Ihr Kopf ist vollkommen von dem ersten Brustringe getrennt, nicht, wie bei der vorigen Ord- nung, mit demselben verschmolzen, und trägt stets zwei ziemlich bedeutende, ge- häufte Augen, denen zuweilen selbst eine gemeinschaftliche Hornhaut abzugehen scheint, während in anderen Fällen unter der glatten Horn- haut eine zweite fazettirte sich findet. Gewöhnlich sind vier Fühler vorhanden, die auf den Seiten des Kopfes unter einander stehen und oft eine sehr bedeutende Länge erreichen. Die Mundwerkzeuge bestehen aus einer Oberlippe, einem Paare gezähnter Kiefer, die einen Taster tragen, zwei Paar Kinnladen und einem Paare Kaufüße, die in der Mitte zu einer Art Unterlippe verwachsen. Die Brust ist stets in sechs oder sieben Ringe getheilt, die sich auf den Seiten hinabkrümmen und hier eigene Deckschilde für die Basis der Füße bilden, die ge- wöhnlich einfach sind und meist an ihrem Grunde eine große häutige Kiemenblase tragen. Die Weibchen zeigen oft an der Basis ihrer Füße eigene cylindrische Anhänge, welche dazu bestimmt sind, die Eier festzuhalten, die sie unter dem Bauche tragen. Der Hinterleib ist sehr entwickelt und meist mit vielfachen Anhängen versehen; die drei ersten Paare der Bauchfüße gestalten sich zu Schwimmorganen und tragen lange, hornige, stark behaarte Endblätter; die hinteren Paare sind gänzlich an das Ende des Leibes gerückt, und bald blättrig, so daß sie eine Schwimmflosse bilden, bald auch in Form langer, stielförmiger Griffel ausgezogen, auf die sich die Thiere bei untergeschlagenem Bauche stützen, und die ihnen so gewissermaßen als Springstangen dienen. Das Nervensystem der Flohkrebse zeigt einen meist ziemlich bedeutenden Hirnknoten und zehn bis zwölf Knoten des Bauchmarkes, die durch doppelte Längsfäden mit einander verbunden sind und von denen die vorderen größer sind, als die hinteren, die in dem Verlaufe des Bauches liegen. Der Magen ist klein, ohne hornige innere Aus- kleidung, die Leberschläuche lang und gewunden, das Herz röhren- förmig, der Mittellinie des Rückens entlang ausgestreckt, die Eierstöcke in Schlauchform ausgebildet und die Oeffnungen der Eileiter an dem fünften Fußpaare angebracht; die Hoden gleichen in ihrer Gestalt sehr den Eierstöcken und die Samenleiter öffnen sich vor dem ersten Bauch- fußpaare in der Nähe der Mittellinie. Wir unterscheiden folgende Familien, die beide im fossilen Zustande, aber nur in den jüngeren Tertiärschichten vertreten sind. Die Familie der Quallenflöhe ( Hyperida ) . Sie zeigen einen dicken, großen Kopf, an dessen Seiten die großen Augen sich auszeich- nen, deren einzelne Linsen ziemlich weit von einander stehen; der Körper ist breit, gedrungen, der Hinterleib im Ganzen wenig ent- wickelt, die Fühler entweder rudimentär, kaum entwickelt, oder ziemlich ausgebildet, dann aber gewöhnlich von sonderbar bizarrer Form; die Kaufüße sind sehr klein, die von ihnen gebildete Unterlippe unbedeu- tend und ermangelt gänzlich der Taster; die Brust ist zuweilen nur aus sechs Ringen zusammengesetzt, die Füße gewöhnlich nach außen umgebogen, ungleich und einige Paare derselben oft zu höchst sonder- baren Greiforganen mit einschlagbaren Hornklingen ausgebildet. Der Hinterleib bildet eine Schwimmflosse, die gewöhnlich aus mehreren seitlichen Blättern zusammengesetzt ist. Die Thiere dieser Familie schwimmen im Allgemeinen gut, können aber nicht springen und heften sich gewöhnlich an Quallen und ähnliche gallertartige Seethiere an, in deren Inneres sie eindringen, um die Körpersubstanz zu verzeh- ren. Hyperia; Tyro; Lestrigon; Phronimus; Typhis . Die Familie der Flohkrebse ( Gammarida ) kommt sowohl im süßen Wasser, als besonders häufig im Meere an dem Strande vor, wo sie zu Tausenden in Schwärmen umher hüpfen, oder mit ihren langen Fühlern den Schlamm aufklopfen, um die darin verborgenen Würmer aufzusuchen. Der Kopf dieser Thierchen ist weit kleiner, als in der vorigen Familie, zugerundet und mit zwei Paaren gewaltig großer Fühler besetzt, die unter einander stehen. Die Kaufüße sind sehr groß, die Unterlippe bedeutend entwickelt und an ihrer Seite zwei lange geißelförmige Taster angebracht. Die Brust hat stets sieben Ringe und die zwei vorderen Fußpaare sind gewöhnlich am stärksten und zum Greifen der Beute oder zum Aufwühlen des Bodens geeignet; die Seitenstücke der Rückenschilde steigen gewöhnlich sehr tief herab und bilden so eine Art tiefer Rinne, in welcher sich die Füße fast nur von hinten nach vorn bewegen können. Je nach der Organisation des Hinterleibes hat man zwei Gruppen unterschieden; bei der einen ( Erichthonius, Corophia ) ist der Hinterleib nur mäßig gebogen und die letzten falschen Fußpaare gehen in kurze Blätter aus, die eine Art Flosse darstellen; die Thiere dieser Gruppe springen nicht, sondern laufen nur mit großer Schnelligkeit, oder wühlen auch im Sande; bei der Gruppe der eigentlichen Flohkrebse hingegen ( Talitrus, Orchestia, Gammarus, Leucothoë ) ist der Hinterleib stark gebogen, seitlich zusam- mengedrückt und die hinteren Afterfüße in lange Springborsten umge- wandelt. Eine Gattung dieser Gruppe, die stets auf der Seite schwimmt, kommt in unseren süßen Gewässern vor und soll, in Menge genossen, die röthliche Färbung des Fleisches der Forellen hervor- bringen. Die letzte Ordnung dieser Unterklasse, welche zugleich die höchst organisirten Krustenthiere enthält, die sich am nächsten den Tausend- füßen anschließen, ist die Ordnung der Asseln ( Isopoda ) , in der Fig. 534. Kellerassel ( Oniscus ). c Kopf. t 1 bis t 7 Brustringe. ab Hinterleib. p—pp Fuß- paare. man eine förmliche Reihe, von schmarotzen- den Formen an, deren Organisation fast gänzlich unkenntlich wird, bis zu hoch orga- nisirten, luftathmenden Landthieren verfolgen kann. Der Körper der Asseln ist gewöhnlich platt, von oben nach unten zusammengedrückt, bald mehr länglich, bald eiförmig, oder selbst der Kreisform sich nähernd; ihr Kopf ist klein, aber stets deutlich von dem ersten Brustringe getrennt; die gewöhnlich gehäuf- ten, seltener zusammengesetzten Augen rund, zuweilen von bedeutender Größe; die Fühler von mäßiger Länge, gewöhnlich quer nach Außen gestellt, die vorderen zuweilen rudimentär; die Mundwerkzeuge sind wohl ausgebildet, die Kiefer stark, gezähnelt, die Kaufüße sehr groß, aber von wechselnder Form; die Brust besteht aus sieben Ringen, deren Seitenränder meist blattartig vorragen; jeder Brustring trägt ein Paar Füße, die fast immer von gleicher Form sind und am Ende eine scharfe Klaue, nie- mals eine Scheere haben; an ihrer Basis tragen diese Füße bei den Weibchen eine breite Platte zur Aufbewahrung der Eier, niemals aber solche Kiemenblätter, wie bei den vorhergehenden Ordnungen. Der Hinterleib ist wohl ausgebildet, ursprünglich aus sechs Ringen zusam- mengesetzt, die aber zuweilen mit einander verschmolzen sind. Die Bauchfüße tragen jeder zwei große, häutige, eiförmige Blätter, deren inneres Blatt sehr zart ist und als Kiemenblatt fungirt; das sechste Bauchfußpaar dagegen weicht von den vorhergehenden in seiner Bil- dung ab und zeigt sich gewöhnlich in Gestalt eines deckelartigen Flü- gels, der sich über die anderen Kiemenblätter hinüberklappen kann; zuweilen auch bilden diese letzten Bauchfüße eine Art stielförmigen Schwanzes oder eine Flosse. Das Nervensystem der Asseln besteht aus einem ziemlich großen Hirnknoten, aus sieben, gewöhnlich gleichmäßig großen Brustknoten, die durch Längsfäden mit einander verbunden sind und auf die zu- weilen noch mehrere kleine Hirnknötchen folgen. Der Magen ist in- nen mit gezähnten Hornleisten besetzt und das Herz erstreckt sich über die ganze Länge des Rückens. Die oben beschriebenen Kiemenblätter erleiden bei den Landasseln bemerkenswerthe Modificationen, die wir bei dieser Familie betrachten werden. Eierstöcke und Hoden gleichen sich in ihrer Gestalt und bilden seitliche Blindschläuche, die sich bei den Weibchen an der Basis des fünften Fußpaares, bei den Männ- chen auf dem letzten Brustringel, entweder auf doppelten, warzenarti- gen Ruthen, oder in einer einzigen kurzen Ruthe öffnen, welche durch zwei lange Stiele, die von dem zweiten Bauchfußpaare ausgehen, noch unterstützt wird. Wir unterscheiden folgende Familien, von welchen nur zwei in älteren Schichten vertreten sind: die Wasserasseln vom oberen Jura an, die Landasseln dagegen erst in den jüngeren Tertiärschichten. Die Familie der Lausasseln ( Bopyrida ) wird nur von einer Fig. 535. Fig. 536. Bopyrus . Fig. 535. Weibchen des Bopyrus squillarum, von der Bauchfläche gesehen, um die Eier, die Klammerfüße, die fal- schen Füße und den unsymmetrischen Bau zu zeigen. Fig. 536. Das Männchen von oben. einzigen Gattung ( Bopyrus ) gebil- det, welche schmarotzend in der Kie- menhöhle der Garneelen lebt. Das Männchen hat einen langgestreckten Körper mit schmalen, ausgezackten Brustringen, verschmolzenem Hin- terleibe und kleinen, mit Krallen versehenen Füßen; das Weibchen ist etwa sechsmal größer und bildet ein breites, verkehrt eiförmiges Schild, das stets unsymmetrisch ist, auf der Rückseite nur die Furchen der ver- schmolzenen Ringe, und auf der Unterseite die vierzehn hakenförmigen Klammerfüße zeigt. Der Kopf ist gänzlich untergeschoben und augen- los, der Hinterleib innen mit häutigen Platten versehen. Die Jun- gen dieser Thiere sollen beim Ausschlüpfen aus dem Eie den jungen Wasserflöhen ähnlich sehen, was, wenn es sich erwahren sollte, unbe- dingt die Stellung dieser Familie von den Asseln weg zu den eigent- lichen Schmarotzerkrebsen bedingen würde. Die Familie der Fischasseln ( Cymothoida ) lebt ebenfalls schma- Fig. 537. Fischassel ( Anilocrus ). rotzend, aber meistens auf Fischen, an deren Schwanz sie sich besonders gern anklammern; ihr Körper ist gewöhnlich länglich eiförmig, abgeplattet, der Kopf klein, die beiden Fühler- paare kurz; die kurzen Füße, welche unter den wohlgetrennten Brustringen stehen, sind kräftig, gekrümmt und mit Haken versehen; die Haken der drei ersten Fußpaare sind stets sehr stark und einschlagbar, so daß sie förmliche Klammern bilden. Die fünf ersten Hinterleibsringe sind schmal, aber deutlich geschieden, der letzte breit, blattförmig und zu einer Schwimmflosse umge- staltet. Beim Ausschlüpfen aus dem Eie haben die Thiere nur sechs Füße, und ihr Hinterleib bildet eine breite Flosse, mit der sie leicht schwimmen; in der späteren Schmarotzerperiode geht diese Fähigkeit fast ganz verloren. Doch finden mancherlei Unterschiede hinsichtlich der Fixi- rung dieser Thiere statt, indem die einen, welche nur Klammerfüße besitzen, sich für immer festhaken, während die anderen, deren hintere Brustfüße zum Gehen eingerichtet sind, sich weniger fest an einem be- stimmten Orte fixiren. Serolis; Cirolanus; Aega; Nerocilus; Anilocrus; Cymothoë; Jone . Die Familie der Kugelasseln ( Sphaeromida ) zeigt einen breiten, Fig. 538. Kugelassel ( Sphaeroma ). schildförmigen Körper, großen queren Kopf, mit seitlich gestellten, einander sehr genäherten Fühlern, deren Füße ziemlich kurz, aber dünn und nur zum Gehen eingerichtet sind. Die fünf ersten Hinterleibsringe sind mit einander verwachsen, der letzte aber sehr groß und schildförmig. Die Thiere können sich zusam- menkugeln, wobei dieses Hinterleibsschild theil- weise den Kopf in seine flache Höhlung auf- nimmt. Sie leben frei im Meere, besonders an felsigen Küsten. Sphaeroma; Cymodoce; Cerceis . Die Familie der Schachtasseln ( Idotheida ) lebt ebenfalls nur im Fig. 539. Schachtassel ( Idothea ). Meere und unterscheidet sich durch ihre lange gestreckte Körperform, die kleinen inneren und die sehr bedeutend entwickelten äußeren Fühler, auf deren äußerer Seite die kleinen, rundlichen Augen sitzen. Die sieben Fußpaare sind bei den verschiedenen Gattungen verschieden gestal- tet, indem sie bei den einen vollkommen gleich, kurz und dünn sind, nur zum Gehen tauglich, während bei anderen Gattungen nur die hin- teren Paare lange Gehfüße darstellen, während die vorderen zu pinselartigen Schwimmfüßen umgewandelt sind. Die vorderen Hinterleibs- ringe sind deutlich geschieden, der letzte aber groß, lang, ohne Anhänge, und auf seiner Innenfläche mit zwei großen Klappen versehen, die wie zwei Flügelthüren den ganzen Kiemenapparat decken können. Die Thiere leben sämmtlich frei im Meere, zeigen aber nichts Auffallendes hinsichtlich ihrer Lebensart. Arcturus; Idothea . Die Familie der Wasserasseln ( Asellida ) schließt sich sehr eng an die vorhergehende an, unterscheidet sich aber von derselben durch die Existenz von stielförmigen Anhängen, welche an dem schildförmigen Gliede des Hinterleibes befestigt sind. Der Körper ist meistens ziem- lich lang, die inneren Fühler sehr klein, die Füße entweder einander gleich, oder die vorderen zu Greiforganen ausgebildet. Die Thiere leben theils im süßen Wasser, theils in dem Meere, und eine Art der letzteren ( Limnoria ) richtet durch Anfressen des Holzwerkes in manchen Häfen großen Schaden an. Asellus; Limnoria; Jaera; Apseudes; Tanais; Lygia . Die Familie der Landasseln ( Oniscida ) zeigt einen meist eiförmigen Fig. 540. Kellerassel ( Oniscus ). Körper, dessen wohl aneinander schließende Ringe überall genau von einander getrennt sind. Die äußeren Fühler sind gewöhnlich einzig sichtbar, die inneren höchstens zweigliedrig und so zwischen die äußeren gestellt, daß man sie nur bei der Ansicht von unten an ihrer Basis sieht. Der Hinterleib dieser Thiere besteht im- mer aus sechs deutlichen Ringen, von welchen der letzte, im Gegensatze zu den vorigen Fami- lien, nur sehr klein ist und manchmal kaum sich entdecken läßt, zumal da er gewöhnlich von den seitlichen stielför- migen Anhängen überragt wird. Die meisten dieser Thiere leben auf dem Lande an feuchten, schattigen Orten, unter Steinen, im Moose, in Mauerritzen und Gewölben, und sind zu diesem Zwecke mit eigenen Organen zur Luftathmung versehen; die Kiemenblättchen der hinteren Bauchfüsse sind nämlich sehr rudimentär, die der vorderen dagegen bedeutend entwickelt und an ihrer Basis mit einer engen Spalte ver- sehen, welche in eine gefäßartig verzweigte Höhle führt, die zwischen den Lamellen der Platten sich hinzieht und stets mit fein zertheilter Luft gefüllt ist, die sich leicht hervorpressen läßt. Offenbar stellen diese Blätter den ersten Anfang zur Ausbildung solcher luftathmender Or- gane dar, wie wir sie später namentlich bei den Spinnen in einem weit höheren Grade der Ausbildung finden werden. Oniscus; Porcel- lio; Armadillo; Tylos . Vogt. Zoologische Briefe. I. 31 Klasse der Tausendfüße. ( Myriapoda .) Fig. 541. Polydesmus . Die Anzahl der Thiere, welche diese eigenthümliche Klasse zu- sammensetzen, ist im Verhältniß zu den übrigen Klassen der Glieder- thiere nur außerordentlich klein, weßhalb man auch vielfach versucht hat, sie als besondere Ordnung anderen Klassen anzureihen, ohne in- deß in dieser Beziehung glücklich zu sein, da die verschiedenen Charaktere, welche sie in sich vereinigen, sie einerseits von den Insekten, anderseits von den Krustenthieren entfernen, zu welchen man sie noch neuerdings gezählt hat. Die äußere Körperform dieser Thiere ist gewöhnlich die eines langgestreckten, bald walzenförmigen, bald mehr abgeplat- teten Wurmes mit deutlich abgesetztem Kopfe und einer großen Anzahl von gegliederten Füßen, die zu beiden Seiten des Körpers seiner ganzen Länge nach stehen; — nur wenige Arten sind platt, breit, etwa von der Gestalt der Kellerasseln, mit welchen ältere Naturforscher sie zuweilen verwechselten. Der rundliche, platte Kopf trägt stets ein Paar fadenförmiger, meist vielgliedriger Fühler, welche ganz in der- selben Weise, wie die Fühlhörner der Insekten, vorn auf der Stirn eingelenkt sind; gewöhnlich sind diese Fühler nur kurz, selten erreichen sie die Länge des Körpers. Hinter den Fühlern stehen auf der Seite die Augen, welche bei einigen Gattungen fehlen, und immer aus ge- häuften einfachen Augen bestehen, welche in mehr oder minder großer Zahl zu einer Gruppe zusammengestellt sind. Die Mundwerkzeuge , welche der Kopf auf seiner unteren Fläche trägt, sind eigenthümlich gebildet und zeigen bedeutende Verschiedenheiten bei den einzelnen Gattungen. Die Oberlippe ist sehr klein und meistens mit dem Kopf- schilde verwachsen; unter ihr liegen zwei längliche, gegliederte, quer gezähnelte und harte Hornstücke, welche offenbar zum Kauen tauglich sind, und die man den Kiefern der Insekten zur Seite stellen muß. Hinter diesen Kiefern findet man zwei andere gegliederte Stücke, die weicher sind und eine tasterartige Beschaffenheit haben; an ihrer Basis sind sie mit zwei spitzen, langen Hornstücken verbunden, welche in die Mundöffnung hineinstehen und offenbar die Kinnladen ( maxillae ) der Insekten darstellen. An diesen Laden ist noch ein zweites Paar von Tastern eingelenkt, die an ihrer Spitze mit einer kleinen Klaue bewaffnet und wohl dem inneren Ladentaster der Laufkäfer ana- log sind. Die Unterlippe ist bei den Tausendfüßen das wesentlichste Organ zum Ergreifen der Beute und zum Beißen geworden. Die Lippe selbst ist nämlich tief gespalten, hart, hornig und auf der In- nenseite mit starken Zähnen besetzt; auf ihr eingelenkt stehen die Lip- pentaster, welche hier zwei starke, gegliederte Haken darstellen, die wie eine scharfe Kneipzange gegeneinander wirken und bedeutend verletzen können, so selbst daß der Biß der großen Arten in südlichen Gegen- den für eine gefährliche Verwundung gilt. Nicht bei allen Gattungen sind indeß die Kauwerkzeuge in dieser Weise ausgebildet, ja es gibt selbst welche, bei denen die Lippentaster und Kiefer gänzlich zurücksin- ken und die Lippe sich zu einer Art Scheide ausbildet, so daß gewisser Maßen ein Saugrüssel hergestellt wird. Der Körper der Tausendfüße läßt niemals eine Abtheilung von Brust und Hinterleib erkennen. Er besteht aus einzelnen Ringen, deren Zahl oft in die Hunderte steigt, und die einander um so ähn- licher sind, je bedeutender ihre Zahl ist. Jeder dieser Ringe trägt entweder ein oder selbst zwei Paar Füße, an welchen man stets deut- lich die besonderen, mit Krallen bewaffneten Fußglieder unterscheiden kann, während die übrigen Glieder des Fußes meist durchaus von derselben Größe sind und keine weiteren Formeigenthümlichkeiten zei- gen. Auffallend ist die Besonderheit, welche nur bei der Familie der Doppelfüßer in dieser Klasse und sonst bei keinem Gliederthiere vor- kommt, daß die Körperringel je zwei Paare von Beinen tragen, die hinter einander stehen. Der innere Bau der Tausendfüße entspricht ganz demjenigen der Insekten. Der Hirnknoten ist ziemlich groß, in zwei Hälften ge- theilt, das Bauchmark lang gestreckt, aus vielen fast gleichmäßig gro- ßen in einer Reihe längs des Körpers gestellten Knoten zusammenge- setzt, die bald durch doppelte Längsfäden verbunden sind, bald un- mittelbar aneinander stoßen. Der Schlund ist kurz; auf ihn folgt ein langgestreckter Chylusmagen, der mit einem körnigen Leberüberzuge versehen ist und in dessen Ende die sehr einfachen, wenig zahlreichen Harngefäße einmünden. Die Athemorgane sind sehr deutlich und be- stehen aus büschelförmig verästelten Luftröhren, die ganz wie dieje- nigen der Insekten gebaut sind, und von Stigmen ihren Ursprung 31* nehmen, die meist spaltenförmig gebaut, zuweilen aber auch rund und von einer siebförmigen Hornplatte gedeckt sind. Diese Luftlöcher stehen meist paarweise neben den Fußwurzeln und entsprechen nicht immer den einzelnen Ringen, sondern wechseln gewöhnlich in unregelmäßigen Verhältnissen ab. Das Herz bildet einen langen, cylindrischen Schlauch, welcher der Rückenseite entlang läuft, eine Menge Arterien abgibt, und gegen den Kopf hin sich in eine Aorta fortsetzt, deren beiden Aeste den Schlund umfassen und sich auf der Bauchseite wieder vereinigen, um ein längs der Nervenkette hinlaufendes Bauchgefäß zu bilden. Die Arterien endigen mit offenen Mündungen; das in die Leibeshöhle ergossene Blut sammelt sich in der Umgegend des Herzens, und tritt durch viele seitliche Spalten in die Herzkammern ein. Alle Tausendfüße sind getrennten Geschlechtes und pflanzen sich nur durch geschlechtliche Zeugung fort; sie haben stets nur einen einzigen, weiten, schlauchförmigen Eierstock, der sich bald vorn unter dem dritten, bald hinten an dem letzten Leibesringel durch zwei kurze Eileiter öffnet, und mit dem gewöhnlich birnförmige Samentaschen in Verbindung stehn. Die Männchen haben bald einen, bald zwei Ho- denschläuche, zuweilen selbst mehre, welche gewöhnlich in der vorderen Leibesgegend in eine oder zwei kurze warzenförmige Ruthen ausmün- den. Die Entwickelung der Embryonen in den Eiern ist noch durch- aus unbekannt; nur so viel weiß man, daß die Thiere, wenn sie aus dem Ei schlüpfen, gewöhnlich nur drei Fußpaare besitzen, oder auch ganz fußlos sind, und daß bei jeder folgenden Häutung eine gewisse Anzahl von Füßen neu entsteht. Die Tausendfüße leben meist auf der Erde unter Steinen, Moos, niedrigen Pflanzen, oder auch unter Baumrinden verborgen. Einige graben sich in die Erde ein. Die meisten laufen ebenso schnell rück- wärts, als vorwärts, und rollen sich in Gefahr ringförmig ein. Wir theilen die ganze Klasse in zwei Familien. Die Familie der Doppelfüßer ( Diplopoda ) besteht aus gewöhnlich Fig. 542. Julus . wurmförmigen oder stark abgeplatteten Thieren mit Ringen, welche die bei den Krustenthieren gewöhnliche Härte erreichen. Die Fühler sind kurz, siebengliedrig, der Leib aus unter sich gleichen Ringen zu- sammengesetzt, deren jeder zwei Paare kurzer Füße trägt, die aus sechs Gliedern bestehen und eine kleine einfache Kralle tragen. Die weib- lichen Thiere haben einen von vorn nach hinten verlaufenden Eier- schlauch, dessen Oeffnungen am vorderen Leibesende sich befinden. Die Kauwerkzeuge sind verschieden gestaltet, die großen hakenförmigen Klauentaster der Unterlippe nur rudimentär. Pollyxenus; Glomeris; Polydesmus; Julus; Polyzonium . Die Familie der Einfüßer ( Chilopoda ) besteht aus stets glattge- Fig. 543. Scolopendra . drückten Tausenfüßen mit meist dachziegelförmigen Ringen, langen Fühlhörnern, die wenigstens vierzehn Glieder haben, und deren Mund- werkzeuge jene Ausbildung zeigen, welche wir oben von der Klasse überhaupt beschrieben. Der Eierschlauch der Weibchen läuft von vorn nach hinten, und öffnet sich unmittelbar vor dem After. Die Ringe des Körpers, die gewöhnlich gleich, zuweilen aber auch abwechselnd Fig. 544. Lithobius . ungleich sind, bestehen aus zwei Halbbogen, die an der Seite häutige Verbindungen haben. Jeder Ring trägt nur ein ein- ziges Beinpaar, die oft eine be- deutende Entwickelung und große Länge erreichen. Der Biß der großen Arten, welche in den heißen Zonen vorkommen, wird für gif- tig gehalten, ohne daß man bis jetzt besondere Giftorgane hätte ent- decken können. Scutigera; Lithobius; Scolopendra; Geophilus . Man kennt nur wenige fossile Reste von Tausendfüßern. Ihre Existenz in den jurassischen Schichten, dürfte, wenn auch angezeigt, doch bezweifelt werden — dagegen sind unverkennbare Ueberreste im Bernstein gefunden worden, die beiden Familien angehören. Klasse der Arachniden. ( Arachnida .) Fig. 545. Galeodes araneoides. Eine Klasse, deren Angehörige fast durchgängig ein Gegenstand des Ekels oder des Abscheues sind, und die man deßhalb früher außer- ordentlich vernachlässigte, während man sich jetzt mit den mannigfalti- gen Organisations-Verhältnissen, die man bei ihr findet, näher ver- traut zu machen gesucht hat. Die Umgränzung der Arachniden als besondere Klasse wird be- sonders durch die Stellung und Zahl der gegliederten Anhänge bestimmt, welche der Bewegung dienen. Wir haben gesehen, daß bei den Kru- stern solche gegliederte Anhänge an Kopf, Brust und Hinterleib in meist ungleicher Form vorkommen können, daß bei den Tausendfüßern an allen Ringeln des Leibes sich gleichmäßig ausgebildete Anhänge finden, und daß ihre Zahl bei beiden Klassen durchaus keinem be- stimmten Gesetze folgt; wir werden bei den Insekten uns überzeugen, daß die Bewegungswerkzeuge nur an der Brust stehen, und daß im- mer, unter allen Umständen nur drei Paar Füße und höchstens zwei Paar Flügel vorhanden sind. Bei den Arachniden kommt ein mittle- res Verhältniß vor; Kopf und Brust sind hier gewöhnlich zu einem Stücke verschmolzen und tragen die Bewegungsorgane, welche im aus- gebildeten Zustande stets aus vier Paar Füßen bestehen, während der Hinterleib niemals Bewegungsorgane trägt. So setzt sich die Klasse scharf von den Krustern und Tausendfüßern, wie von den Insekten ab, von welchen letzteren sie sich noch wesentlich durch den Mangel von eigentlichen Fühlhörnern unterscheidet. Es unterliegt zwar wohl keinem Zweifel mehr, daß die Organe, welche man bei den Spinnen in Form von Kiefern oder Giftzangen findet, wirkliche Repräsentan- ten der Fühler sind; allein trotzdem haben sie niemals weder Gestalt noch Function der wahren Fühler, welche ohne Ausnahme allen In- sekten zukommen. Die drei Körperregionen sind bei den Arachniden niemals voll- ständig getrennt; bei vielen nieder stehenden Formen bildet der unge- gliederte Körper nur eine einzige mehr oder minder rundliche Masse, an welcher vorn die Mundwerkzeuge, weiter gegen die Mitte zu die Beine, und hinten After und Geschlechtsöffnungen angebracht sind, so daß also sämmtliche Theile des Körpers gänzlich in einander gesteckt sind. Bei den übrigen Arachniden sind Kopf und Brust stets zu einer einzigen Masse, der Kopfbrust ( cephalothorax ), verschmolzen, der Fig. 546. Senkrechter Längsdurchschnitt der Kopfbrust einer Vogelspinne ( Mygale ). ab Ansatzpunkt des Hinterleibes. ct Kopfbrust- schild. e Magen. c Hirnknoten. no Sehnerven. y Augen. ca Verbindungsfaden des Brustknotens t zum Bauchknoten. œ Schlund. b Mund. ma Kau- platte des Tasters. m Basalglied, g Klaue des Kiefer- fühlers. Hinterleib dagegen mehr oder minder deutlich ab- gesetzt; doch zeigt sich bei den höher stehenden Ordnungen schon inso- fern eine weitere Ent- wicklung, als bei ihnen die Kopfbrust gegliedert und in deutliche Ringe abgesetzt erscheint, von denen jeder ein Paar Füße trägt, und daß nur der vorderste Ring, an welchem das erste der vier Fußpaare befestigt ist, mit dem Kopfe zu einem Ganzen verschmolzen ist. Vielfache Unterschiede finden sich in der Bildung des Hinterleibes, indem dieser bald gegliedert, bald un- gegliedert ist. Die Grundlage der Haut besteht aus Chitin, das meist weich, haut- oder lederartig erscheint, und nur in wenigen Fällen eine größere Härte oder selbst eine glasartige Sprödigkeit erhält. Trotz ihrer großen Dehnbarkeit, die sich besonders nach reichlichen Mahlzeiten oder während der Entwickelung der Eier kundgibt, besitzt dennoch diese Haut, deren Struktur sehr wenig untersucht ist, keine Spur von Contrak- tionsfähigkeit; nur selten ist sie über den ganzen Körper nackt; meist finden sich Haare, Borsten oder auch sehr sonderbar gegliederte An- hänge und Schuppen auf dieser Haut, unter welcher in Form von Körnchen und Bläschen die Farbstoffe abgelagert sind, welche vielen Arachniden ihre schönen Färbungen verleihen. Die Beine der Arachniden bestehen in ihrer höheren Ausbildung aus denselben Theilen, welche man mit so festem Typus bei den In- sekten hergestellt findet; ein rundliches Hüftglied ( coxa ), an welches sich ein kurzer Hüftknorren ( trochanter ) anschließt, dient zur Einlen- kung des Beines an der Kopfbrust; hierauf folgt gewöhnlich ein ziemlich kräftiger Schenkel ( femur ) und dann eine langgestreckte Schiene ( tibia ), an welche sich ein gewöhnlich zweigliedriger Tarsus anreiht, an dessen Ende eine oder mehrere Krallen befestigt sind. Bei den Milben fällt es häufig sehr schwer, an den meist in gleiche Ab- schnitte getheilten Beinen diese verschiedenen Abtheilungen herauszu- ziffern, und bei den langbeinigen Weberspinnen erscheint die Zahl der Tarsalglieder oft so sehr vermehrt, daß die genauere Bestimmung ebenso schwierig wird. Gewöhnlich gleichen die drei hinteren Bein- paare einander, während das vordere Beinpaar sehr mannigfache Formen annimmt und sich hierdurch, wie durch seine Annäherung an die Mundwerkzeuge, als einen eigentlichen Kieferfuß darthut, der mehr dem Systeme des Kopfes angehört. Außerordentlich verschieden ist dann ferner die Bewaffnung des letzten Tarsalgliedes; bei manchen schmarotzenden Milben sind die Fußkrallen durch gestielte Haftlappen ersetzt; bei den übrigen, welche ihre Füße nur zum Laufen oder zum Haschen der Beute brauchen, finden sich gewöhnlich eine oder zwei einfache Krallen; bei den meisten spinnenden Arachniden hingegen sind diese Krallen auf der inneren Seite mit Kämmen oder Borstenreihen besetzt, die offenbar zur Handhabung des Fadens in Beziehung stehen, und denen oft noch eine dritte kleinere Kralle gegenüber steht. Die Mundwerkzeuge der Arachniden sind zwar nach demselben Fig. 547. Mundwerkzeug einer Kreuzspinne ( Epeira .) p Taster. g Klaue, m Basalglied des Kiefer- fühlers. ma Kauplatte des Tasters. s Brustring. l Un- terlippe. Typus ausgebildet, allein in so verschiedenen Richtungen entwickelt, daß es schwierig hält, sie im Allgemeinen zu schildern. Mit Aus- nahme einer einzigen Familie sind sämmtliche Arachniden fleischfressende Thiere, die meistens ihre Beute mit List oder Gewalt überfallen und aussaugen, nachdem sie ihr eine vergiftete Wunde beigebracht haben. Die beiden Haupt- waffen an dem Munde werden von den um- gewandelten Fühlern gebildet, die bald Stilett- artig, oder wie Messerklingen vorgeschoben werden können, bald zu Scheeren ausgebildet sind, und in anderen Fällen wieder einen dicken, kurzen Fortsatz darstellen, auf dem sich eine scharfe Klaue, wie die Klinge eines Messers bewegen läßt; hinter diesen Kieferfühlern stehen erst die eigentlichen Kiefer, welche bald scheerenartig sind, bald wirkliche vielgliedrige Taster darstellen, an deren Basis sich nur eine Platte befindet, die aber auch kaum zum Beißen oder Kauen benutzt werden kann. Außer diesen mannigfach wechselnden Kiefertastern fin- det man gewöhnlich nur noch sehr weiche wulstige Lippen, die bei dem Saugen an die Wundöffnung der Beute angedrückt werden. Bei vielen Milben stehen die Mundwerkzeuge auf einem besonderen verlängerba- ren Rüssel, dessen Basis oft so angeschwollen ist, besonders bei jungen Thieren, daß man einen besonderen, vom Leibe abgesetzten Kopf ver- muthen sollte, ein Irrthum, der sich leicht durch die Beobachtung der Augenstellung aufklären läßt. Das Nervensystem der Arachniden zeigt, übereinstimmend mit Fig 548. Anatomie einer Vogelspinne ( Mygale .). Die Brust und die rechte Bauch- hälfte sind von unten her geöffnet. m Kieferfühler, hier zu Beißklauen umgewandelt. p Taster. pa Erstes Fußpaar abgeschnitten, wie die folgenden. t Brustknoten. a Bauchknoten des Nervensystems. l Lungen-Blättchen. s Schlitz- öffnung des Lungensackes. ma Unterleibsmuskeln. ov Eierstock. f Spinn- drüsen. an After. or Geschlechtsöffnung. po Lungensäcke. ab Hinterleib. ct Kopfbrust. der Verschmelzung der einzelnen Körpertheile, auch meistens einen sehr hohen Grad der Concentration. Bei den einleibigen Milben existirt nur ein einziger Bauchknoten, und statt eines Hirnknotens nur ein ein- faches Band über den Schlund her- über, während bei den Spinnen ein ungeheurer Brustknoten sich fin- det, der fast unmittelbar in das Ge- hirn übergeht, so daß in der Ner- venmasse nur ein kleines Loch zum Durchtritte des Schlundes bleibt. Am Anfange des Hinterleibes fin- det sich dann noch ein verhältniß- mäßig kleiner Bauchknoten, der in- dessen öfter auch fehlt, während bei den langleibigen Skorpionen eine den Ringeln des Hinterleibes ent- sprechende Bauchknotenkette existirt. Von Sinnesorganen hat man bis jetzt außer einfachen Augen keine Spur entdecken können, obgleich man gewiß den Arachniden um so weniger Geruch und Gehör abstreiten darf, als man namentlich hinsichtlich des letz- teren bei der Zähmung von Spinnen die Beobachtung gemacht hat, daß sie auf musikalische Zeichen herbeikamen und das ihnen bestimmte Futter in Em- pfang nahmen. Die einfachen Augen der Arachniden bestehen aus einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven, die von einer dun- kel gefärbten Pigmenthaut umgeben ist und nach innen einen kegel- förmigen Glaskörper umhüllt, in dessen nach außen gerichteter Basis die kugelförmige Linse steckt, welche von einer rundlichen Hornhaut überwölbt wird. Die Zahl dieser Augen wechselt von zwei bis acht, und meistens sitzen sie seitlich, oder noch häufiger in einer Gruppe vorn auf der Kopfbrust, oder selbst mitten auf dem Rücken des unge- gliederten Leibes auf. Gewöhnlich ist die Größe dieser Augen ebenso verschieden, wie ihre Stellung und Richtung, so daß alle diese Ver- schiedenheiten ganz vortreffliche feste Merkmale zur Unterscheidung der Gattungen und Arten bilden. Der Darmkanal der Arachniden beginnt gewöhnlich mit einem dünnen, knieförmig gebogenen, anfangs hornigen, dann sehr muskulö- sen und angeschwollenen Schlunde, der bei den Skorpionen und den übrigen, krustenartigen Arachniden in einen geraden Darmschlauch sich fortsetzt, welcher ohne weitere Besonderheiten in seinem Verlaufe zu zeigen, am Ende des Hinterleibes sich in einen spaltenartigen After öffnet. Bei allen übrigen Arachniden dagegen bildet der Magen ent- weder einen mittleren Sack, oder gar einen hohlen Ring, von welchem aus oft sehr lange Blindsäcke entspringen, die bald auf die Kopfbrust und den Leib beschränkt sind, oft aber auch weit in die Beine und Kiefertaster hinein selbst bis in die Nähe des Klauengliedes sich er- strecken. Von diesem vielfach verzweigten Magen aus entspringt nach hinten ein Darmkanal, der meistens unmittelbar vor dem After eine kloakenförmige Aussackung besitzt. Speicheldrüsen kommen fast überall vor; die Leber erscheint bei den niederen Typen nur als körniger Ueberzug über den Darm, während sie bei den höheren eine ansehn- liche lappige Masse bildet, die aus kurzen Blindsäcken besteht. Die Harnorgane existiren in Form dünner, meist unverästelter Röhrchen, die unter dem Magen in den Darm einmünden. Besondere Athemorgane fehlen mehreren niederstehenden Ara- chniden durchaus, während bei den höheren bald Luftröhren, bald aus einer eigenthümlichen Modifikation dieser Luftröhren hervorgehende Lungen vorhanden sind. Die Luftröhren sind äußerst zart, mehr oder minder verästelt und entspringen von Athemlöchern, Stigmen , die meistens sehr versteckt und paarig angebracht sind. Bei den Spinnen kommen ganz platte Luftröhren vor, welche die Luft sehr fein zertheilt enthalten und den Uebergang zu den sogenannten Lungen bilden. Diese bestehen aus rundlichen Säcken, die sich auf der Bauchfläche des Unterleibes befinden, durch eine Querspalte nach außen öffnen, und in ihrem Innern eine gewisse Anzahl von Platten in ähnlicher Weise gestellt, wie die Blätter eines Buches, enthalten; jedes dieser Blättchen stellt eigentlich eine Reihe plattgedrückter Luftröhrenstämme dar. Die Arachniden, welche keine besonderen Athemwerkzeuge besitzen, entbehren auch jeder Spur eines Kreislaufes , während bei den Fig. 549. Umriß d. s Hinter- leibes einer Spinne mit dem Herzen. ar Körperarterie. v von den Lungen kommende Ge- fäße. c Herz. a Umriß des Hinterleibes. anderen sich ein wohl ausgebildetes Herz findet, das meistens eine schlauchförmige Gestalt besitzt. Dieses Herz ist in mehrere Kammern abge- schnürt, die auf ihren Seiten Spaltöffnungen zeigen, während das Herz selbst eine große Anzahl von sehr feinen Arterien aussendet, die sich in dem Körper verzweigen und ohne Zwei- fel mit offenen Mündungen endigen, da nir- gends rückführende Gefäße existiren. Das Blut soll nach der Behauptung neuerer Beobachter sich zwischen die Häute der Athemorgane, seien diese nun Lungen oder Luftröhren, in wan- dungslosen Kanälen ergießen, und von da aus bald durch ein System besonderer Gefäße, bald durch wandungslose Kanäle nach dem Herzen zurückkehren. Fast alle Arachniden sind mit besonderen Giftorganen ausge- stattet, welche bei den meisten an dem Kopfe liegen und mit den Mund- werkzeugen in Verbindung stehen, bei den Skorpionen aber an der Spitze des Hinterleibes angebracht sind. Gewöhnlich bilden diese Gift- drüsen paarige gewundene Drüsenschläuche, die dünne Ausführungs- gänge entsenden, welche in den hakenförmig gebogenen, scharfen Klauen der Kieferfühler oder in dem gekrümmten Schwanzstachel der Skor- pione nach außen münden. Bei größeren Spinnen kann man leicht beobachten, wie in dem Augenblicke, wo die Haken der Kieferfühler in den Körper eines gefangenen Insektes geschlagen werden, ein Tröpf- chen heller Flüssigkeit aus der Spaltöffnung der Klaue in die Wunde fließt, und den augenblicklichen Tod des Insektes herbeiführt. Für uns hat dieses Gift nicht einmal die Folge, wie dasjenige, welches der Stachel einer Wespe liefert; und der Biß der größten Vogelspin- nen führt nach dem Zeugnisse der Reisenden in den heißen Klimaten Südamerika’s höchstens vorübergehendes Fieber mit einiger Geschwulst des gebissenen Theiles herbei. Von manchen Gattungen heißer Län- der, deren Biß von den Eingebornen für giftig gehalten wird, fehlen durchaus alle konstatirten Beispiele, und die Geschichten, welche man von der Tarantel, einer in Südeuropa einheimischen Art von Wolfs- spinnen, oder von der Malmignatte erzählt, sind insofern reine Fabeln, als zwar die sogenannte Tarantelkrankheit, eine eigenthümliche Art von Nervenkrämpfen, existirt, ihre Ursache aber niemals in dem Bisse der unschuldigen Spinne liegt, welcher sie zugeschrieben wird. Ge- fährlich ist aber allerdings der Stich der großen Skorpione, welche die Tropen bewohnen, und man kennt unzweifelhafte Beispiele tödtlicher Verwundung von Menschen durch diese Thiere. Von den Spinn- drüsen, welche bei den eigentlichen Spinnen in so ausgezeichnetem Grade entwickelt sind, wird bei diesen selbst die Rede sein. Mit Ausnahme einer Familie, deren Geschlechtstheile indessen noch einer genaueren Untersuchung bedürfen, sind alle Arachniden getrenn- ten Geschlechtes, und pflanzen sich nur durch geschlechtliche Zeugung fort. Vor einigen Jahren lief ein abgeschmacktes Mährchen von der Erzeugung einer gewissen Milbenart mittelst der Elektricität durch alle sogenannten wissenschaftlichen Discussionen der öffentlichen Blätter, wurde aber bald auf seinen wahren Gehalt reduzirt. Die weiblichen Geschlechtstheile bestehen aus traubigen Eierstocksschläuchen, die zuweilen eine Röhrengestalt haben und mit kurzen Eileitern in die Scheide einmünden, welche sich gewöhnlich an dem Vordertheile des Hinterleibes in der Nähe der Wurzel desselben öffnet. Unmittelbar an dem Ausgange der Scheide liegen zwei hornige, birnförmige Samentaschen, und sehr oft zeigt sich eine Legeröhre, die ziemlich weit aus dem Leibe hervorgestreckt werden kann. Die männ- lichen Geschlechtstheile sind im Durchschnitt sehr ungenügend bekannt, obgleich man die Geschlechtsunterschiede, welche viele dieser Thiere in Größe, Farbe und namentlich in der Gestalt ihrer Kiefer- taster zeigen, schon lange erkannt hat. Die Hoden stellen bald ein- fache Schläuche, bald vielfach gewundene Blinddärme, bald trauben- förmige Bläschen dar, welche gewöhnlich an der Basis des Hinterleibes in einer einfachen Querspalte sich öffnen. Bei einigen Milben, sowie bei den Weberspinnen, existirt eine lange, meist hornige Ruthe, und bei den Männchen gewöhnlich besondere Stacheln und Haftapparate. Am merkwürdigsten sind die Begattungsorgane der männlichen Spin- nen, die gewöhnlich weit kleiner sind, als die Weibchen, und oft nur mit großer Gefahr ihre Brunst befriedigen können, indem bei vielen Gattungen, wie z. B. den Kreuzspinnen, die Weibchen, wenn sie keine Lust zur Begattung haben, oder auch unmittelbar nach derselben über die schwächeren Männchen herfallen und sie ohne weiteres auffressen. Bei anderen Gattungen freilich herrscht Eintracht zwischen beiden Ge- schlechtern, so daß Männchen und Weibchen benachbarte Netze oder selbst eine Zeit lang nur ein Netz gemeinschaftlich bewohnen. Bei den männlichen Spinnen sind die Kiefertaster verdickt und enthalten in ihrem letzten ausgehöhlten Gliede einen weichen, spiralig aufgerollten Körper, zu dem sich meistens noch höchst seltsame hornige Stücke ge- sellen, die bald wie Haken, bald wie Schüsseln oder Schalen aussehen, und einen äußerst komplicirten Apparat darstellen, vermittelst dessen die Männchen vor der Begattung die aus ihrer Geschlechtsöffnung tropfenweise hervortretende Samenfeuchtigkeit auftupfen, und dann in die weibliche Geschlechtsöffnung hineinbringen. Man hatte diese eigen- thümliche Art der Begattung früher schon öfter beobachtet, aber da man die Structur der Geschlechtstheile nicht hinlänglich genau kannte, und namentlich auch die mikroskopische Analyse der Flüssigkeit in den Tastern vernachlässigte, so hatte man diesen Akt nur für ein Vorspiel gehalten, dem die eigentliche Begattung erst folgen sollte. Die meisten Arachniden legen Eier , nur einige Milben und die Skorpionen machen hiervon eine Ausnahme, indem bei ihnen die Eier sich innerhalb der Eileiter soweit entwickeln, daß sie lebendige Jungen gebären. Die Eier haben gewöhnlich eine rundliche Form, zuweilen auch eine bedeutende Größe, und lassen das Keimbläschen nebst dem einfachen Keimflecke in den Eileitern deutlich wahrnehmen. Die Ent- wickelung des Embryo’s hat sich überall, so weit sie genau beobachtet ist, in der den Gliederthieren eigenthümlichen Weise gezeigt. Auf dem meist lebhaft gefärbten, aus großen Dotterkörpern bestehenden Dotter erhebt sich eine durchsichtige Keimschicht, an welcher sich zuerst die Rin- gelabschnitte des Leibes erkennen lassen. Diese Keimschicht wächst nach hinten über, und indem sie nach und nach den Dotter überzieht, lassen sich an ihrer unteren Fläche die hervorsprossenden Beine, Kiefer, Füh- ler und Taster wahrnehmen, die Anfangs nur wie Wülste aussehen, sich aber allmählig durch Einschnürung gliedern. Die Entwickelung der einzelnen Organe im Innern des Leibes läßt sich wegen der großen Dottermasse, die selbst bei den ausgeschlüpften jungen Thieren noch einen bedeutenden Theil des Leibes erfüllt, nur schwierig verfolgen. Die meisten Thiere der Klasse, besonders die den höheren Typen an- gehörenden, kommen durchaus in derselben Form aus dem Eie heraus, welche sie später behalten werden, und die ganze Aenderung, welche sie erleiden, bezieht sich auf unbedeutende Farbenveränderungen während der mehrfachen Häutungen; — die niederstehenden Arachniden dagegen, wie die Krebsspinnen und die übrigen Milben erleiden verschiedenar- Fig. 550. Fig. 551. Fig. 552. Fig. 550. Ausgebildetes Ei. Fig. 551. Larve. Fig. 552. Vollständig ent- wickeltes Thier der Muschelmilbe ( Limnochares Anodontae ). a Dotter. b Kieferfühler. c Augen. d Füße. tige Metamorphosen, indem sie entweder nur mit sehr unentwickelten Füßen, denen die Glieder fehlen, oder mit wenigen Fußpaaren zur Welt kommen. Die unentwickelten Milben haben gewöhnlich nur drei Fußpaare, zuweilen selbst nur zwei, und oft eine sehr abweichende Gestalt, indem ihr Körper länger gestreckt und der Vordertheil, wel- cher die hakigen Kieferfühler trägt, knopfartig angeschwollen ist. Ge- wöhnlich wird das mangelnde Fußpaar bei der ersten Häutung ersetzt; bei einer schmarotzenden Familie aber, den Zungenwürmern ( Lingua- tula ), gehen die Füße im späteren Leben gänzlich verloren und bei einigen Wassermilben setzen sich die sechsbeinigen Jungen fest, meistens an andere Wasserinsekten, indem sie sich mit ihrem vorderen Schna- bel einbohren, und machen einen förmlichen Puppenschlaf durch, wäh- rend dessen sich das vierte Fußpaar ausbildet und die sackförmige Haut der Larve als Puppenhülse dient. Wir erkennen in der Klasse der Arachniden zwei verschiedene Rei- hen von Typen, welche sich gewissermaßen gegenüber stehen. In der Reihe der spinnenartigen Arachniden verfolgen wir von Stufe zu Stufe die allmälige Ausbildung des Hinterleibes, seine anfängliche Verschmelzung mit der Kopfbrust, seine Trennung von derselben, und auf der höchsten Stufe sogar die deutliche Trennung der Brust von dem eigentlichen Kopfe, welcher freilich noch fußartige Anhänge trägt. In dieser ganzen Reihe finden wir gewöhnlich eine weiche Körperbe- deckung und stets einen mit Blindsäcken versehenen Darmkanal, dessen Aeste oft bis in die Füße hineinreichen. Bei der zweiten Reihe, den krustenartigen Arachniden , sehen wir eine harte, dem Panzer der Krebse ähnliche Körperbedeckung, einen geraden Darmkanal und gewöhnlich scheerenartige Kieferfühler. Die beiden Reihen der Arachniden treten gleichzeitig in den Koh- lenschichten, also einer ziemlich alten Formation, mit einigen Skorpio- nen und Spinnen auf. Auch in dem Jura so wie in den Tertiärge- steinen hat man einige, in dem Bernstein aber eine große Anzahl von Spinnen entdeckt, die großentheils noch lebenden Gattungen angehören, aber alle von den Arten der Jetztwelt sich verschieden zeigen. In dem Meere findet man unter Steinen, zuweilen auch an Fi- schen und Krebsen hängend, kleine spinnenartige Thiere, welche man unter dem Namen der Krebsspinnen ( Pycnogonida ) bald unter die Fig. 553. Weibliche Ammothoe , so dargestellt, daß man den Darm sieht, der seine Blindsäcke bis in die Spitzen der Füße schickt. Zwischen den Mundwerkzeugen und dem ersten Fußpaare stehen die ta- sterartigen falschen Füße, welche die Eier tragen. Arachniden, bald unter die Krusten- thiere gestellt hat, ein deutlicher Be- weis, daß sie zwischen beiden eine Art Uebergangsglied bilden. Ihr Körper besteht regelmäßig aus vier mittleren Ringen, deren jeder ein Paar Beine trägt, und die mit ein- ander zu einer Kopfbrust verschmol- zen sind, auf deren vorderem Rande vier kleine einfache Augen auf einem mittleren Höcker stehen. Diese Au- gen sitzen unmittelbar auf dem Hirn- knoten auf, von dem aus ein kur- zer Schlundring nach hinten geht, an welchen sich vier breite Nerven- knoten ohne Verbindungsringe an- schließen. Vor der Kopfbrust steht eine meist kegelförmige Spitze, welche man als Kopf betrachtet hat, die aber nur eine Art steifen Schnabels ist, an deren Spitze sich die Mundöffnung befindet. Der Hinterleib besteht nur aus einem klei- nen knotenartigen Anhange, der den After trägt. Die vier Fuß- paare sind meistens ungeheuer lang, dünn, vielgliedrig und an ihrem Ende mit einer großen gebogenen Kralle bewaffnet, neben welcher oft noch kleine, krallenartige Dornen stehen. Bei manchen Gattungen dieser merkwürdigen Familie kommen weiter durchaus keine Mund- werkzeuge vor, als der erwähnte steife Schnabel, während bei anderen auf dem ersten Ringe der Kopfbrust ein aus mehreren Gliedern ge- bildeter Kieferfühler sitzt, der am Ende eine wohl ausgebildete Scheere trägt. Bei den Weibchen ist auf dem ersten Kopfbrustringe ein Paar falscher Füße befestigt, welche fünf bis zehn Glieder haben und zum Tragen der Eier bestimmt sind. Die innere Anatomie dieser Thiere ist ziemlich genau erforscht; besondere Athem- und Kreislaufsorgane fehlen ihnen vollständig und die inneren Geschlechtstheile sind bis jetzt noch unbekannt. Am auffallendsten ist der Verdauungsapparat gebil- det, indem die Blindsäcke, welche der Magen ausschickt, ganz ungemein lang sind, und fast bis in die Klauenglieder vordringen. Die Jungen, welche aus dem Eie kommen, besitzen nur vier sehr kurze zwei- oder dreigliedrige Beine, die mit langen Fäden besetzt sind, und einen voll- kommen ungegliederten Leib, so daß sie also bedeutende Metamorpho- sen durchmachen müssen, deren Einzelnheiten noch nicht bekannt sind. Nymphon; Phoxichilidium; Ammothoë; Pycnogonum . Die Familie der Bärthierchen ( Tardigrada ) besteht aus kleinen Fig. 554. Macrobiotus Hufelandi vom Rücken aus gesehen. a Stechapparat. b Au- Thierchen mit weichem, walzenförmigem Leibe, die sich fast überall im Moose, im Sande der Dachrinnen und in süßen Gewässern finden. Bei den meisten zeigen sich nur undeutliche An- deutungen einer Ringelung in der sehr weichen und dehnbaren Haut; bei einer einzigen Gat- tung ( Emydium ) findet man eine festere Haut- beschaffenheit und schildartige Ringel von un- bestimmter Zahl. Die acht Beine, welche diese Thiere besitzen, sind sehr kurz, stummelartig, kaum deutlich gegliedert und gewöhnlich mit vier großen, bald gleichen, bald ungleichen Krallen bewaffnet. Das letzte dieser Fußpaare sitzt immer ganz hinten an dem Körper, fast wie ein getheilter Schwanzanhang, so daß also ein eigentlicher Hinterleib gänzlich fehlt. Nach vorn erscheint der Körper schmäler, zugespitzt gen. c Magen. d Eier- stock mit der durchsichtigen Samenblase vom hinteren Ende. e Hinterfüße. oder abgerundet, ohne daß man einen eigent- lichen Kopf unterscheiden könnte. Man sieht vorn auf diesem Kopfe zwei seitliche einfache Augen. Die Mundwerkzeuge dieser Thiere bestehen aus einem kurzen röhrenförmigen Rüssel, in dessen Innerem ein Stechapparat angebracht ist, der aus zwei kurzen spitzen Klingen besteht, die zusam- mengelegt einen dolchartigen Stachel bilden und durch mächtige, im Schlundkopfe angebrachte Muskeln vor- und rückwärts bewegt werden können. Der Darmkanal läuft gerade durch den Körper hindurch, hat aber eine Menge traubiger Anhänge an allen Seiten. Besondere Athemwerkzeuge und Kreislaufsorgane fehlen gänzlich. In dem kurzen Eierstocke , der unpaarig scheint und auf den nach hinten zu eine Samenblase folgen soll, (die aber wahrscheinlich nur eine Sa- mentasche ist) entwickeln sich stets nur wenige Eier zu gleicher Zeit. Die Thierchen legen ihre Eier bei der Häutung in die abgelegte Haut selbst, welche ihnen so zum Schutze dient. Die ausgeschlüpften Jun- gen sind den Alten vollkommen ähnlich, nur bei einer Gattung fehlt ihnen ein Paar Füße. Die Arten, welche im Moose und im Sande der Dachrinnen leben, können beim Austrocknen desselben Jahre lang im scheintodten Zustande verharren, und werden beim Zutritt von Wasser aufs Neue wieder zum Leben erweckt. Emydium; Milnesium; Macrobiotus; Arctiscon . Die zahlreiche Ordnung der Milben ( Acarina ) begreift eine große Anzahl kleiner Thierchen, welche gewöhnlich schmarotzend sich umhertreiben, und durch die Einfachheit ihres ungegliederten Körpers sich auszeichnen. Kopf, Brust und Hinterleib sind stets in eine ein- zige Masse verschmolzen, auf deren Unterseite die acht Beine eingelenkt sind, die bei einer schmarotzenden Familie, sogar im ausgebildeten Zu- stande, gänzlich fehlen. Die Körperbedeckung dieser winzigen Thier- chen, deren größte Arten nur einige Linien Länge erreichen, ist ge- wöhnlich außerordentlich weich, nur bei einer einzigen Familie zeigt sie eine fast gläserne Sprödigkeit. Die Mundwerkzeuge bestehen gewöhnlich aus einem Rüssel, in welchem zwei scharfe klingenartige Stacheln verborgen sind, die zum Verwunden der Beute dienen. Zu- weilen ist der Rüssel, welcher diese Waffen trägt, förmlich gegliedert, und kann wie ein Fernrohr aus- und eingeschoben werden. Der Darmkanal , welcher auf diesen Rüssel folgt, hat stets vielfache seit- liche Anhänge, die meistens schon von Außen durch die Nüançen der Vogt. Zoologische Briefe. I. 32 Farbe erkannt werden können. Vielen Milben, besonders denen, welche unter der Haut anderer Thiere schmarotzen, fehlen die Augen ; bei den meisten sind sie in der Zweizahl vorhanden, und stehen dann seit- lich auf dem vorderen Theile der Kopfbrust. Zu beiden Seiten des Rüssels sind bei den meisten zwei tasterartige Organe eingelenkt, welche sehr verschiedene charakteristische Formen annehmen können und ge- wöhnlich fünf Glieder besitzen. Bei der einen Familie erscheinen diese Taster klappenartig, innen bezähnt, in ähnlicher Weise zum Fangen der Beute eingerichtet, wie die Raubfüße der Heuschreckenkrebse; bei anderen dient das einschlagbare Glied dieses Tasters, das mit einem Haken bewaffnet ist, als Anker zum Festhalten unter dem Wasser; in anderen Fällen sind die Taster spindelförmig oder einfach borstenförmig, noch in andern klappenartig und mehr oder minder mit dem Rüssel selbst verwachsen. Die Füße wechseln außerordentlich an Ausbildung, Länge und Gestalt, so daß man von durchaus fußlosen Gattungen bis zu der höchsten Ausbildung von Schreit- oder Schwimmfüßen alle möglichen Zwischenstufen findet. Bei den höher entwickelten Fa- milien der Ordnung hat man eigene Athemorgane gefunden, welche aus Röhren bestehen, die unverästelte Büschel bilden und von zwei seitlichen Luftlöchern entspringen, die gewöhnlich zwischen den Beinen angebracht sind. Ein Herz hat man noch bei keiner Milbe entdeckt. Die meisten Milben legen Eier , — einige wenige gebären le- bendige Jungen; alle machen während der Jugend einen Larvenzu- stand durch, in dem sie sich durch die Existenz von nur sechs Beinen auszeichnen. Die sechsfüßigen Larven wurden meistens als eigene Gattungen beschrieben, bis man später erkannte, daß sie auch einen wahren Puppenzustand durchleben, indem sie sich bald unter Steinen und an anderen geschützten Orten, bald an lebenden Insekten anheften und innerhalb ihrer Larvenhaut sich vollständig ausbilden. Während dieses Entwickelungsprozesses ziehen sich die Mundtheile und Beine allmählig aus den Scheiden heraus, welche die Larvenhaut für sie bildete, so daß diese gegen das Ende des Puppenlebens sich nur in Form eines Sackes darstellt. Manche dieser Puppen behalten die Fähigkeit, sich zu bewegen, während ihre Mundöffnung vollkommen geschlossen ist, und sie unfähig erscheinen, Nahrung zu sich zu nehmen. Wir theilen die Ordnung der Milben in folgende Familien ein: Familie der Zungenwürmer ( Linguatulida ) , eine Gruppe von Fig. 555. Ausgewachsene Lingua- tula . Thieren, die man bis auf die neueste Zeit allgemein für Eingeweidewürmer gehalten hat, und die in den Stirnhöhlen, den Lungen der Säugethiere, oder in den Lungen verschiedener Eidechsen und Schlangen gefunden werden. Die ausgebildeten Thiere haben einen wurmförmigen, bald rundlichen, bald abgeplat- teten Körper mit vielen deutlichen Ringeln, und ohne eine Spur von Sinneswerkzeugen, Füßen oder an- deren gegliederten Anhängen. Am vorderen Ende des Körpers befindet sich der Mund und zu beiden Seiten desselben zwei Paar krummer, beweglicher, scharfer Haken, welche zur Befestigung des Thieres an seinen Aufenthaltsort dienen und früher für Oeffnungen gehalten wurden, woher der unrichtige Name Pentastoma , den man der Gattung gab. Das Nervensystem besteht wesentlich aus einem dicken Brust- knoten, der mit einem einfachen Schlundringe in Ver- bindung steht. Die Geschlechter sind getrennt. Ehe man die Ent- wickelung der Eier kannte, mußte man diese Thiere nothwendig zu den Eingeweidewürmern stellen, obgleich ihre Organisation vieles Abwei- chende von diesen bot; — seitdem man aber in den Eiern die freilich Fig. 556. Fig. 557. Fig. 558. Embryonen der Linguatula . Fig. 556. Das Ei gedrückt, um die verschiedenen Hüllen und den Embryo in seiner Lage zu zeigen. Fig. 557. Der Embryo von unten. Fig. 558. Von der Seite. a Aeußere, b innere Eischale. c Kopfstachel. de Erstes und zweites Fußpaar. noch unentwickelten Embryonen gefunden hat, die einen birnförmigen Körper besitzen, welcher in der Mitte zwei Paar gegliederter, kurzer, 32* mit Doppelkrallen versehener Füße und vorn einen Stechapparat trägt, der aus einer mittleren Klinge und zwei seitlichen spitzen Klappen be- steht; — seit dieser Zeit ist es unmöglich, in den Zungenwürmern etwas anderes zu erkennen, als Gliederthiere, welche im ausgebildeten Zustande durch das Schmarotzerleben eine Rückbildung erleiden, die den ursprünglichen Typus bis zum Unkenntlichwerden verwischt. Die Gestalt der Embryonen nähert sich viel mehr den Milben, als der Gruppe der Schmarotzerkrebse, zu denen man sie hat bringen wollen, und die gestreckte Form des Körpers, welche diese Thiere in der spä- teren Zeit erhalten, kann um so weniger auffallen, als dieselbe bei der folgenden Familie ebenfalls vorkommt. Linguatula. (Pentastoma) . Die Balgmilben ( Simonida ) finden sich in ziemlich großer An- zahl, besonders in den Haarbälgen des Gesichtes beim Menschen und Fig. 559. Fig. 560. Fig. 561. Fig. 562 Balgmilbe des Menschen ( Simo- nea (Demodex) folliculorum ), in verschiedenen Stadien der Entwickelung. Fig. 659. Sechsbeinige Larve. Fig. 560—562. Acht- beinige Thiere mit stets kürzer werdendem Hinterleibe. namentlich in den sogenannten Mit- essern, die bei vie- len auf der Nase vorkommen. Die Thiere haben höch- stens die Länge einer Zehntellinie und bestehen aus einem wurmförmi- gen Leibe, der sich bei zunehmendem Alter mehr und mehr verkürzt und aus einer breite- ren, weichen Kopf- brust, welche bei den jüngeren, lang- leibigen Indivi- duen drei Paar, bei den älteren, kurzleibigen vier Paar kurzer, mit drei Krallen bewaffneter Fußstummel trägt. Die Mundwerkzeuge bestehen aus einem mittleren Rüssel, in welchem zwei scharfe Klingen stecken, und aus zwei kurzen, zweigliedrigen Tastern, die eine kegel- förmige Gestalt haben. ( Simonea (Demodex) ). Die Familie der Krätzmilben ( Acarida ) besteht aus meist kugel- förmigen, weichen, ungefärbten Milben, welche als Schmarotzer auf Fig. 563. Menschliche Krätzmilbe ( Sar- coptes scabiei ) von der Bauch- seite. der Haut anderer Thiere, auch des Menschen, leben, dort Gänge graben, und durch den steten Reiz, welchen sie ausüben, jene Ausschlagskrank- heiten erzeugen, die man unter dem Namen der Krätze kennt. Andere Arten leben freilich in faulenden Pflanzen- und Thierstoffen, wie na- mentlich eine sehr häufig in altem Käse, welche von geschickten Betrügern den Unkundigen zuwei- len als die ächte Krätzmilbe vorgezeigt wird. Die Milben dieser Familie sind alle sehr klein, durch- aus blind und mit meistens kurzen, unförm- lichen Füßen versehen, die wurstförmig geglie- dert erscheinen und sehr weit von der Mittellinie nach Außen eingelenkt sind. Außer einer kurzen, feinen Kralle tragen diese unvollkommenen Füße meist noch einen an einem langen Stiele be- festigten Haftlappen und lange bewegliche Fäden, die wie Peitschen- schnuren umherhängen. Der Rüssel ist lang, dick, kegelförmig; die Klingen scheerenförmig, dick; die Taster klein und mit dem Rüssel selbst verwachsen. Die Jungen haben nur sechs Füße, sonst aber die Kör- perform der ausgebildeten Thiere. Sarcoptes; Acarus; Pteroptus; Tyroglyphus; Melichares . Die Familie der Zecken ( Ixodida ) besteht aus ziemlich großen, platten Milben, deren vorderer Kör- Fig. 564. Fig. 565. Die Igelzecke ( Ixodes Erinacei ) von der Rücken- und Bauchseite. pertheil auf dem Rücken mit einem harten, hornigen Schilde bedeckt ist, während der hintere Theil des Hin- terleibes sehr ausdehnbar ist und außerdem meist gefaltet erscheint. Die Füße sind kurz, aus gleichför- gen, rosenkranzartigen Gliedern ge- bildet, am Ende mit einer Kralle Fig. 566. Mundwerkzeuge derselben Zecke. a Rüssel. b Taster. c Kopfschild. und einem ungestielten Haftlappen versehen; der Rüssel ist bedeutend groß, vorstehend, die Taster schei- denartig an ihn angelegt, die Un- terlippe hervorgezogen, in Form einer Halbkehle ausgebildet und mit rückwärts gewandten Zähnen be- setzt; die Klingen sind kurz, dick, dreigliedrig, das äußerste Glied ebenfalls gezähnelt und scharf. Die augenlosen Thiere lauern in Wäl- dern und Gebüschen auf vorüber- gehende Säugethiere, bohren den aus der Vereinigung der Unterlippe und der Klingen gebildeten Rüssel in die Haut ein und saugen sich so voll Blut, daß sie manchmal die Größe einer Bohne erreichen. Ixodes . Die Familie der Käferläuse ( Gamasida ) hat einen meist läng- lichen, niedergedrückten, zuweilen schildförmigen Körper und Füße von wechselnder Länge, deren Glieder gewöhnlich unter sich gleich sind und an der Spitze mit zwei kleinen Krallen und meistens noch mit einem Haftlappen besetzt sind. Die Taster sind frei, mäßig lang, aus fast stets gleichen Gliedern zusammengesetzt, fadenförmig; die Mundwerk- zeuge ziemlich verschieden, die Klingen scharf und zum Bohren einge- richtet, aber nicht mit jenen Widerhaken versehen, welche die Zecken auszeichnen. Die blinden, augenlosen Thiere leben als Schmarotzer auf Käfern, Vögeln und Reptilien und zwar haben sie meist in der Nähe der Ruheplätze dieser Thiere ihre Schlupfwinkel, von denen aus sie bei Nacht ihre Angriffe machen. Die Larven sind sechsfüßig, die Puppen beweglich, mit acht Füßen versehen, von denen die hinte- ren sehr klein sind, und mit eigenthümlichen Saugnäpfen am Hinter- ende besetzt. Sie wurden früher als eigene Gattung unter dem Na- men Hypopus beschrieben. Dermanyssus; Gamasus; Uropoda; Argas . Die Familie der Wassermilben ( Hydrachnida ) begreift verhält- nißmäßig sehr große, zuweilen mehrere Linien lange Milben mit kug- lichem oder eiförmigem Körper und langen, meist behaarten oder bestachelten, am Ende mit zurückziehbaren Klauen besetzten Füßen, die zum Schwimmen tauglich erscheinen. Die Taster sind lang, die bei- den ersten Glieder meist dick, die letzten hornig gekrümmt und wie Fig. 567. Fig. 568. Fig. 569. Fig. 567. Ei. Fig. 568. Sechfüßige Larve. Fig. 569. Ausgebildetes Thier der Muschelmilben ( Limnochares Anodontae ). Der von der Seite gesehene Embryo im Eie zeigt die wurstförmigen Taster und Beine, sowie den dunkeln, rückenständigen Dotter, der auch bei der Larve sich noch in doppelter Halbmondform zeigt. Beim ausgebildeten Thiere schimmern die Blinddärme durch die Haut durch. a Dotter. b Kieferfühler. c Augen. d Füße. eine Klinge nach unten einschlagbar. Die Augen stehen auf dem Schei- tel meist zu zweien oder vieren, zuweilen auch so gehäuft, daß das scheinbar einfache seitliche Auge aus zweien zusammengesetzt ist; der Schnabel ist bald verborgen, bald vorstehend. Die Thiere leben im Wasser und besitzen Luftröhren, kommen aber niemals an die Ober- fläche, um Luft zu schöpfen, so daß es scheint, als ob diese Luftröhren geeignet wären, mittelbar aus dem Wasser die in ihnen enthaltene Luft abzuscheiden, in ähnlicher Weise, wie dies bei den Kiementracheen vie- ler Insektenlarven der Fall ist. Die jungen sechsfüßigen Larven zeigen sehr wesentliche Unterschiede von den alten Thieren, indem sie einen ganz eiförmigen Körper besitzen, an dem vorn die Mundwerkzeuge kopfartig hervorstehen; — sie heften sich an verschiedene Wasserinsekten an, bohren den Schnabel ein und bilden sich als schmarotzende Puppen vollständig aus. Man hat diese Puppen, deren sechs Füße meist durch die Reibung der Insekten verloren gehen, und die dann nur einen eiförmigen Sack bilden, in dem das junge Insekt eingeschlossen ist, früher als besondere Milben unter dem Namen Achlysia beschrieben. Die freischwimmenden Wassermilben haben wie die meisten übri- gen freilebenden Milben gewöhnlich eine schöne rothe oder gelbe Farbe. Hydrachna; Limnochares; Eulais; Atax; Arrenurus . Die Familie der Pflanzenmilben ( Oribatida ) steht als eine merk- würdige Ausnahme insofern da, als es die einzige Familie in der ganzen Klasse ist, welche sich nur von Pflanzenstoffen nährt. Die Körperbedeckung dieser Thiere ist außerordentlich fest und spröde, so daß sie beim Druck, wie Glas in Stücke springt. Gewöhnlich läuft eine Furche quer über den Körper und theilt ihn so, daß die zwei vorderen Beine der vorderen, die anderen der hinteren Hälfte ange- hören. Der Unterkörper ist ebenfalls mit einem harten Schilde be- deckt, das nur zwei Oeffnungen läßt, für den After und die Ge- schlechtstheile. Bei Gefahr kugeln sich diese Thiere zusammen. Ihre Beine sind kurz, stark, mit Haaren und zwei scharfen Klauen am Ende besetzt; Taster und Mundwerkzeuge ganz unter dem vorderen Schilde verborgen, so daß man sie nur von unten erblicken kann. Die Taster sind kurz, spindelförmig, die Scheerenfühler aus- und einschiebbar und hinter ihnen noch ein Paar besonderer, gezähnelter, zum Kauen ein- gerichteter Kiefern angebracht. Die Thiere leben in Nestern zusammen, nähren sich von Moosblättern und haben sechsbeinige Larven, die ihnen im Uebrigen sehr ähnlich sehen. Oribates; Hoplophora; Pelops . In der Familie der Erdmilben ( Bdellida ) begreift man einige Fig. 570. Bdella vestita . meist roth oder gelb gefärbte, ziem- lich träge Thiere, die in feuchter Erde unter dem Moose leben, mit den übrigen Milben den weichen Körper, mit der vorigen Familie aber die Theilung des Körpers in zwei Theile gemein haben. Der Schnabel ist sehr lang, vorstehend, die darin verborgenen Klingen meist scheeren- oder hakenförmig. Die Fühler stehen zu beiden Seiten des Schnabels eingelenkt, sind ziemlich lang und borstenförmig; die Füße mäßig lang und dünn, der vordere abgeschnürte Theil des Körpers gegen den Schnabel hin zugespitzt, so daß die ganze Körpergestalt eine gewisse Aehnlichkeit mit derjenigen eines Rüsselkäfers hat. Bdella; Scirus; Molgus . Die Familie der Laufmilben ( Trombidida ) wird von einer gro- ßen Anzahl kleiner, meist rother oder gelber Milben gebildet, die meistens sehr lange, dünne, behaarte, mit spitzen Krallen besetzte Lauffüße haben, und deren Taster geknickt und mit stumpfem Fig. 571. Trombidium Phalangii . Endgliede versehen sind, so daß sie wie Raubfüße zum Fange benutzt werden kön- nen. Ihr Körper ist sehr weich, meist dicht behaart, zuweilen gleichförmig, in anderen Fällen quer getheilt, die Augen sehr verschieden; bei einigen fehlen sie ganz, bei andern finden sich zwei, vier, selbst sechs Augen, die meist auf der Seite, zuweilen sogar auf eigenen Stie- len außerhalb der Taster stehen. Die Thiere sind gewöhnlich lebhaft, laufen sehr schnell und spinnen kleine Zelte über ihre Eier und Nester. Die sechs- beinigen Jungen, deren Gestalt von der- jenigen der Alten oft sehr verschieden ist, leben als Schmarotzer ge- wöhnlich auf Insekten, und wurden unter mehrfachen Gattungsnamen früher beschrieben. Trombidium; Rhaphignathus; Tetranychus; Rhyn- cholophus; Smaridia; Erythraeus . Fig. 572. Weberspinne (Kanker) ( Phalangium opilio ). Die Weberspinnen ( Opilionida ) bestehen aus kurzleibigen Thieren, die sich meist durch ihre ungeheuer langen und dünnen Füße auszeich- nen. Die Kopfbrust, welche vier enorme Fußpaare trägt, ist gewöhnlich so breit als der Hinterleib, welcher in allen Fällen geglie- dert erscheint und dadurch sich wesentlich von dem Hinterleibe der Milben unterscheidet. Die Mundtheile sind eigenthümlich gebildet; — nach außen stehen die Taster, welche gewöhnlich fünfgliederig sind, eine einfache, borstenförmige Gestalt haben. Zwischen diesen Tastern, die etwas mehr nach hinten eingelenkt und offenbar die verwandelten Kiefer sind, finden sich die eigentlichen Kieferfühler, welche hier aus drei Gliedern bestehen, deren erstes sehr dick und groß, und das letzte als Scheere gestaltet ist. Diese Organe werden meistens nach unten eingeschlagen getragen, so daß nur das dicke Basalglied vor dem Kopfe in Form eines stumpfen Fortsatzes vorragt. Der Magen der Weberspinnen hat außerordentlich viele kleine Blindsäcke, und die Centralganglienmasse eine sehr sonderbare Gestalt, indem sie flügelar- tige, seitliche Fortsätze darbietet, von welchen die Nerven entspringen. Das Luftröhrensystem ist sehr entwickelt, die Stigmen unter den hintersten Beinen angebracht und zwischen denselben die Geschlechts- öffnung, aus welcher beim Männchen eine außerordentlich lange, ge- gliederte, vorn mit Borsten besetzte Ruthe hervorgestreckt werden kann. Es sind meist nächtliche Thiere, welche sich von kleinen Insekten näh- ren. Phalangium; Eusarcus; Gonoleptes . Die zahlreiche Ordnung der eigentlichen Spinnen ( Araneida ) umfaßt die wahrhaft typischen Thiere der ganzen Klasse, die überall durch ihre eigenthümliche Lebensweise und Industrie wohl bekannt sind. Der Körper der eigentlichen Spinnen besteht immer aus zwei verschiedenen Abtheilungen, aus der einfachen, ungegliederten, gewöhnlich härteren Kopfbrust , und dem rundlichen oder länglichen, selten mit Höckern oder Auswüchsen gezierten, kurz gestielten Hinterleibe , an dessen hinterem Ende die eigenthümlichen Spinnwarzen sitzen. Die sechs oder acht einfachen Augen stehen stets vorn an dem Rande der Kopfbrust in einer eigenthümlichen Gruppe, sind nicht immer gleich groß, und bieten durch ihre Stellung ganz vortreffliche Charaktere zur Unterscheidung der Gattungen dar. Vorn an dem Kopfe sind seitlich, dem ersten Fußpaare genähert, die langen Taster eingelenkt, welche gewöhnlich fünfgliedrig sind und bei dem Männchen ein ange- schwollenes Ende tragen, das, wie früher bemerkt wurde, als Begat- tungsglied dient. Bei einigen Gattungen sind diese Taster zu einem förmlichen rudimentären Fußpaare mit Klaue und Sohle an der un- teren Fläche umgewandelt. Nach innen von diesen Tastern, die offen- bar das erste verwandelte Kieferpaar vorstellen, liegen die Kiefer- fühler , die hier zu eigenthümlichen Waffen umgewandelt sind. Sie bestehen aus einem außerordentlich dicken, angeschwollenen Vasalgliede, in welchem die Giftdrüse liegt, und aus einem scharfen, hakenförmigen Endgliede, einer Klaue, die gewöhnlich nach innen, selten nur nach unten eingeschlagen wird, und an ihrer Spitze von dem Kanal der Giftdrüse durchbohrt ist. An der Basis der Taster und unter den eben beschriebenen Kieferfühlern finden sich zwei seitliche, haarige Lap- pen, unter denen eine einfache Platte als Unterlippe die Mundöffnung schließt. Die Anatomie der Spinnen wurde schon bei der Beschreibung der Klasse überhaupt zu Grunde gelegt; alle haben Lungen, und zwar die meisten nur zwei seitliche Luftsäcke, während eine Familie deren viere hat. Einige Spinnen besitzen statt der beiden hinteren Lungen zwei weite Luftröhrenschläuche, die sich büschelweise verzweigen und fast bei allen findet sich an der Spitze des Hinterleibes eine Querspalte, von welcher vier platte, bandartige Luftröhren ausgehen, die sich durch den Hinterleib hinziehen. Einen höchst merkwürdigen Apparat besitzen ferner die Spinnen in den Spinndrüsen und Warzen, mittelst deren sie ihre Gewebe anfertigen. Die Spinnwarzen , deren sich meistens drei, selten nur zwei Paare an der unteren Spitze des Hin- terleibes befinden, haben die Gestalt stumpfer, meist zwei- oder drei- gliedriger, oben abgerundeter Kegel, deren jeder auf seiner Spitze, ein von einem Borstenkranze umgebenes nacktes Feld trägt, auf welchem erst die eigentlichen Spinnröhrchen stehen, deren Zahl bei den größe- ren Spinnen oft über tausend beträgt. Jedes dieser Spinnröhrchen läßt bei dem Spinnen den zähen, glashellen Stoff vortreten, welcher augenblicklich an der Luft zu einem außerordentlich feinem Faden ver- härtet; — mittelst der Fußklauen, zu denen oft noch eigenthümliche, kammartige Vorrichtungen treten, werden diese vielfachen Fäden zu einem einzigen vereinigt. Durch diese Fäden, welche sie überall hin ankleben, können sich die Spinnen sogar in die Luft erheben, und sie dienen ihnen hauptsächlich, um jene Gewebe zu verfertigen, die theils ihre Wohnungen bilden, theils auch zum Fange der Beute dienen. Die Drüsen, welche diesen Klebstoff absondern, haben sehr verschiedene Gestalten, meist aber eine schlauchförmige, verästelte Form. Die Spinnen scheiden sich nach ihrer Lebensart in zwei große Gruppen; die einen bedienen sich ihrer Seide nur zum Tapezieren ihrer Wohnungen, zum Einhüllen der Eier in besondere Cocons, welche bei jeder Gattung eine eigenthümliche Gestalt haben, und deren Fäden man sogar, wenn auch ohne Erfolg, in der Industrie zu ver- wenden versucht hat, sowie zum Festhalten bei ihren Bewegungen; — die anderen aber benutzen außer zu den erwähnten Zwecken ihre Seide auch zur Anfertigung von Geweben, in welchen sich die Insekten fan- gen, verwickeln und ausgesogen werden. Die Gestalt dieser Netze ist äußerst verschieden; — bald bilden sie förmliche senkrechte Kreise mit radiären Strahlen und äußerst regelmäßigen Zwischenräumen; in anderen Fällen erscheinen die ebenfalls senkrecht angelegten Netze un- regelmäßig; andere, wie unsere gewöhnlichen Hausspinnen, machen sehr dichte Gewebe, die wie eine Hängematte horizontal ausgespannt sind. Die meisten Spinnen bauen sich eigene Wohnungen in der Nähe ihrer Gewebe, welche oft mit großer Kunst angelegt sind und in denen die Cocons mit den Eiern verborgen werden; andere schleppen sogar diese Eier in einem eigenen Sacke mit sich herum. Wir unterscheiden in der Ordnung der Spinnen zwei Familien, von denen die eine, weit zahlreichere, in mehrere hundert Gattungen zerfällt, die man, freilich mit wenigem Glücke, in mehrere Unterfami- lien zu zerlegen versucht hat. Die eigentlichen Spinnen ( Araneida ) besitzen sechs Spinnwarzen, einfache Taster, die nicht als Füße dienen, sonst aber sehr an Gestalt wechseln, und Kieferfühler, bei welchen die Klauen nach der Seite zu eingeschlagen werden. Man kann unter ihnen füglich drei Unter- abtheilungen unterscheiden. Bei den Webespinnen ( Sedentaria ) Fig. 573. Hausspinne ( Tegenaria domestica ). Fig. 574. Fig. 575. Fig. 574 u. 575. Augenstellungen einiger Webespinnen. stehen die Augen in zwei geraden oder gekrümmten Querreihen, die bald in gleicher Entfernung von einander, bald an den Enden einan- der genähert sind. Die Webespinnen fangen alle ihre Beute entweder in förmlichen Netzen, oder in unregelmäßigen Fäden, in deren Nähe Fig. 576. Theridion malmignatta . sie ihre Wohnung haben. Die gewöhnlichen Kreuzspinnen ( Epeira ), unsere Hausspinnen ( Tegenaria ) und eine im südlichen Europa ziemlich gefürchtete Art, die Malmignatte, ge- hören zu dieser Gruppe. Segestria; Dysdera; Tegenaria; Clubiona; Theridium; Epeira; Tho- misus . — Eine zweite Gruppe wird von den Wasserspinnen ( Argyronetida ) gebildet, ei- gentlichen Gewebespinnen, die aber im Wasser selbst ihr Netz ausspannen, und sich unter dem Wasser zur Wohnung eine dichte Glocke weben, die sie mit Luft füllen, und unter welcher sie auf ihre Beute lauern. Sie haben in ähnlicher Weise, wie einige auf dem Lande lebende Gattungen, außer den Lungen noch zwei seitliche Spalten, die in weite Luftröhrenschläuche führen, welche sich im ganzen Körper verzweigen. Argyroneta . Die dritte Gruppe endlich wird von den Jagdspinnen ( Lycosida ) gebildet, und zeigt in unserem Klima meist nur kleine, in südlichen Gegenden aber bedeutend große, den Vogel- spinnen nahe kommende Gattungen, zu denen auch die berühmte Ta- rantel ( Lycosa tarantula ) gehört. Ihre Augen stehen in drei Reihen hintereinander; — die Thiere machen kein Gewebe, sondern heften sich nur mit Fäden zur Vorsorge gegen das Ausgleiten und Fallen an, schweifen Tags über nach Beute umher, welche sie im Sprunge haschen. Lycosa; Dolomedes; Salticus . Die Familie der Vogelspinnen ( Mygalida ) umfaßt die größten aller Spinnenarten, die mit ausgespannten Füßen oft einen handgro- ßen Raum einnehmen. Sie kommen nur in wärmeren Ländern, die nördlichsten an den Ufern des Mittelmeeres vor, sind meistens dick behaart und unterscheiden sich von allen übrigen Spinnen durch den Bau ihrer Taster, ihrer Kieferfühler und die Zahl ihrer Spinnwarzen, deren nur vier sind, während die eigentlichen Spinnen alle sechs Spinnwarzen haben. Die Taster sind lang, fußartig, in ähnlicher Weise wie die Füße, vorn mit einer Klaue bewaffnet und am letzten Fig. 577. Vogelspinne ( Mygale avieularia ). Gliede unten mit einer Sohle versehen, so daß sie also förm- liche Kieferfüße darstellen, wie sie bei den Krebsen gewöhnlich sind. Die gewaltigen Kieferfüh- ler haben eine große, gebogene Klaue, die nicht, wie bei den übrigen Spinnen nach innen, son- dern nach unten eingeschlagen wird. Die meist dunkelbraun oder schwärzlich gefärbten Thiere wohnen in Erdlöchern oder in Spalten, in deren Nähe sie un- regelmäßige Fäden spannen; meist jagen sie in Sprunge und sollen sich sogar kleiner Vögel bemächtigen können. Die in Südeuropa einheimische Art schließt ihr mit Seide ausgeklei- detes Erdloch mittelst eines sehr Fig. 578. Nest der Mygale (Cteniza) caementaria . künstlichen Deckels, in den sie Erde ver- webt und den sie mit vieler Kraft fest- halten kann, sobald man ihn zu öffnen versucht. Mygale; Cteniza; Oletera; Sphodros; Filistata . Die Familie der Skorpionspinnen ( Solpugida ) besteht aus nur wenigen, meist großen, spinnenartigen Thieren, die sich wesentlich von den eigentlichen Spin- nen durch die Gliederung des ganzen Fig. 579. Galeodes araneoides . Körpers unterscheiden. Man bemerkt deutlich drei Abtheilungen, eine vordere, welche man mit vollem Rechte den Kopf nennen kann und die außer den Mundwerkzeugen und den Augen noch zwei Paar fuß- artiger Anhänge trägt; eine mittlere, die Brust, aus drei Ringen bestehend und drei Paar eigentlicher Füße tragend; und einen geglie- derten, meist birnförmigen oder walzigen Hinterleib. Die Mund- werkzeuge bestehen aus zwei gewaltig großen Kieferfühlern, die eine Scheere darstellen, welche sich nach unten öffnet; unter diesen Scheeren, auf deren oberem Kamme ein dünner, geißelartiger Anhang sitzt, steht noch ein kleineres, scheerenförmiges Werkzeug, welches offenbar den eigentlichen Kiefern der Insekten entsprechen dürfte. Hierauf folgen die sehr langen, vielgliederigen Taster, welche sich von den drei Hinterfußpaaren nur dadurch unterscheiden, daß sie keine Krallen am Ende tragen, und die ebenso, wie die eigentlichen Füße, beim Gehen dienen. Ein weiteres Paar von Anhängen, den vorigen voll- kommen gleich, ebenfalls ohne Krallen, das man gewöhnlich als das erste Fußpaar zählt, entspricht offenbar den Kieferfüßen der Krebse, und ist, wie das Tasterpaar, unter dem Kopfringe angebracht, welcher die zwei großen kugelförmigen Augen an seinem oberen Vorderrande trägt. Die drei ächten, mit Doppelkrallen versehenen Fußpaare, von welchen das hintere eigene, lappenartige Anhänge an Schenkel und Schienen trägt, sitzen an den Brustringen fest. Zwischen dem er- sten und zweiten Fußpaar befinden sich seitliche, und an der Unterfläche des Hinterleibes noch zwei mittlere Spaltöffnungen, welche in die Luftröhren führen. Die Skorpionspinnen sind äußerst gefräßige, nächtliche Thier, welche selbst Eidechsen und kleine Vögel anfallen und in ihrem Vaterlande für äußerst giftig gelten, besonders die Art, welche in den Steppen der Wolga vorkommt, obgleich man keine constatirten Beweise für diese Volksmeinung hat. Galeodes (Solpuga). Die Reihe der krebsartigen Spinnenthiere besteht im Gan- zen nur aus wenigen Gattungen, welche indessen sich durch sehr be- stimmte Charaktere in verschiedene Familien zerfällen lassen. Sie zeich- nen sich, wie schon früher bemerkt, besonders durch einen einfachen Darmkanal, sowie dadurch aus, daß ihre Taster bald scheerenförmig, bald klauenartig sind, stets aber Greiforgane darstellen. Wir unter- scheiden bei ihnen folgende Familien: Die Bücherskorpione (Obisida) sind kleine Thierchen mit meist Fig. 560. Bücherskorpion (Chelifer) vergrößert. walzenförmigem Körper, der viel- gliederig erscheint, und vier Paar gleichmäßiger Füße, so wie ein sehr langes Tasterpaar trägt, deren vier- tes Glied in eine deutliche Scheere endigt. Zwei oder vier Augen sitzen deutlich auf der Seite der vorderen Abtheilung der Kopfbrust. Die Mundwerkzeuge sind aus zwei klei- nen, scheerenförmigen Kieferfühlern gebildet, welche nach vorn gerichtet zwischen den Scheerentastern stehen. Auf der Bauchseite der beiden ersten Hinterleibsringe befindet sich ein Paar seitlicher Stigmen, von welchen aus unverzweigte Luftröhren den Körper durchziehen. Die nächtlichen Thiere schweifen besonders an trockenen Orten, unter alten Büchern, in Häusern u. s. w. umher. Chelifer, Obisium. Die Familie der Skorpione (Scorpionida) ist schon aus alten Fig. 581. Europäischer Skorpion (Scorpio europaeus). Zeiten wegen ihrer gif- tigen Eigenschaften be- rühmt und lange Zeit mit den Krebsen zusam- mengeworfen worden, mit welchen sie auch in der That durch die mas- siven Scheeren, die schildförmige Kopfbrust und den gegliederten, walzenförmigen Hinterleib, der von der Kopfbrust nicht abgeschnürt ist, einige Aehnlichkeit hat. Die ganze Familie ist auf die südlichen Zonen beschränkt und nur eine kleine Art kommt auf dem Südabhange der Alpen in Europa vor. Die schildförmige Kopfbrust der Skorpione trägt auf dem Vorder- rande in der Mitte zwei große Augen, die auf einem Hügel stehen und zwei bis fünf seitliche Paare an dem Vorderrande. Die Taster sind groß, vielgliederig, ihr äußerstes Glied bildet eine breite, hand- förmige Scheere, die sich aber von einer Krebsscheere auf den ersten Blick dadurch unterscheidet, daß der äußere Finger beweglich ist und der innere feststeht, während bei der Krebsscheere der umgekehrte Fall eintritt. Zwischen diesen beiden großen Scheeren stehen vorn an dem Kopfschilde die kleinen, ebenfalls scheerenförmigen Kieferfühler. Be- trachtet man die Unterseite eines Skorpions, so sieht man hinter den Fig. 582. Leib eines Skorpiones von unten. a Scheerenförmige Kieferfüh- ler. b Anfang der großen Scheeren (Taster). c Erstes und letztes Fuß- paar. e Geschlechtsöffnung. f Kämme. d Stigmen. vier gleichgestalteten, mit Doppelkrallen endenden Füßen, welche auf die Scheeren folgen, und deren Basalglieder so hart aneinander stehen, daß sie zum Zerreiben der Nahrung dienen können, zwei eigen- thümliche kammartige Organe, deren Be- deutung noch nicht bekannt ist, zwischen denen sich aber die Geschlechtsöffnung be- findet. Die vier ersten Ringe des ange- schwollenen Hinterleibes tragen auf der Unterfläche die paarweise gestellten Schlitze, welche in die Lungensäcke führen. Der schwanzartig verlängerte Hinterleib endigt mit einem etwas angeschwollenen Gliede, das einen krummen, sehr scharfen und harten, hakenförmigen Stachel trägt, an dessen Spitze die Oeffnung der Giftdrüse sich befindet. Beim Gehen tragen die Skorpione diesen Theil des Schwanzes nach oben gebogen, so daß sie stets zum Stechen bereit sind. Sie nähren sich von Insekten, die größeren süd- lichen Arten auch von kleinen Reptilien und ähnlichen Thieren, die sie mit den Scheeren packen und dann mit dem Giftstachel tödtlich verwunden. Das Gift der größeren, südlichen Arten, welche die Länge eines gewöhnlichen Flußkrebses erreichen, kann sogar für den Menschen tödtlich werden. Scorpio; Buthus; Androctonus; Centrurus. Die Geißelskorpione (Phrynida) wiederhohlen in gewisser Hin- sicht in der Reihe der krebsartigen Arachniden die Skorpionspinnen, indem sie ebenfalls nur drei ächte Fußpaare besitzen, während die Vorderfüße zu tasterartigen Organen umgewandelt sind. Die Kopf- brust dieser Thiere ist schildförmig, der deutlich abgesetzte, geringelte Hinterleib bald rundlich, bald länger und dann in eine vielgliederige Borste endigend. Die Taster sind außerordentlich dick, stark, nach Vogt. Zoologische Briefe. I. 33 Fig. 583. Phrynus reniformus. innen gebogen und mit einer hakenförmigen, scharfen Kralle bewaffnet, also förmliche Greiforgane, gewöhnlich mit Stacheln oder scharfen Vor- sprüngen besetzt. Zwischen ihnen stehen die kleinen Kieferfühler, die bald hakenförmig, wie bei den Vogelspinnen, bald scheerenförmig sind, wie bei den Skorpionen. Die Thiere haben acht Augen, von denen zwei mitten und je drei seitlich auf der Kopfbrust stehen. Es finden sich bei ihnen nur zwei Paar Lungensäcke, deren Spalten in den Zwi- schenräumen der drei ersten Bauchringe liegen. Die wenigen Arten kommen nur in der heißen Zone vor, und gelten, vielleicht ihrer Aehn- lichkeit mit Skorpionen wegen, für giftig. Phrynus; Thelyphonus. Klasse der Insekten. (Insecta.) Die zahlreichste aller Klassen des ganzen Thierreiches an Arten, wie an Individuen ist ohne Zweifel die der Insekten; und dieser Um- stand sowohl, wie die mannigfaltigen äußeren Formen und oft herr- lichen Farben, die wunderbaren Verhältnisse ihres Haushaltes und die eigenthümlichen Verwandlungen, welche die meisten Thiere dieser Klasse während ihres Lebens eingehen, haben ihr von jeher eine große Anzahl von Sammlern, wie von Beobachtern zugeführt, die oft ihr ganzes Leben allein den Insekten oder nur einzelnen Ordnungen wid- meten. Wir haben die allgemeinen Charaktere, wodurch sie sich von den übrigen Klassen der Gliederthiere unterscheiden lassen, schon an- geführt; — sie bestehen wesentlich in der Existenz von nur sechs Bei- nen und in der Luftathmung, welche allen vollkommenen Insekten zu- kommt, auch wenn diese ihren beständigen Aufenthalt in dem Wasser haben sollten. Außerdem sind Flügel, wenn sie vorhanden sind, ein unbedingtes Unterscheidungszeichen der Insekten, das freilich mancher Gattung während ihres ganzen Lebens abgeht. Der Bau des Körpers aus einzelnen Ringeln, welcher allen Fig. 584. Eine Heuschrecke in ihre einzelnen Ringel zerlegt. a Der Kopf mit den Augen b und den Fühlern c. t Die Brust, bestehend aus dem Vorderbruflringel d, wel- cher die Vorderfüße e trägt; der Mittelbrust f, an wel- cher die Flügeldecken g und das Mittelfußpaar h befestigt sind; und der Hinterbrust i mit den daran angehefteten Hinterflügeln j und den Hinterbeinen, deren Schenkel (k) zum Springen verdickt, die Schienen (l) bestachelt und die Tarsen (m) mit Endklauen besetzt sind. ab Der Hinter- leib. Gliederthieren ge- meinsam ist, läßt sich auch bei den Insekten stets nachweisen, ob- gleich nicht selten Bei- spiele vorkommen, daß einzelne dieser Rin- gel entweder im Gan- zen oder nur in be- stimmten Stücken mit einander verwachsen und verschmolzen sind. Gewöhnlich lassen sich indeß drei Abtheilun- gen unterscheiden, de- nen zufolge diese ein- zelnen Ringel grup- pirt sind, Kopf, Brust und Hinterleib. Nur bei einigen flügellosen Schmarotzern erschei- nen Brust und Hin- terleib mit einander verschmolzen; bei vie- len hängen die drei Körper-Abtheilungen in ihrer ganzen Breite zusammen; bei andern wieder ist die Verbin- dung nur durch dünne Stiele vermittelt, so daß die drei Theile auf den ersten Blick in die Augen fallen. Der Kopf trägt unter allen Umständen die Fühler und die Mundwerkzeuge, meistens auch zusam- mengesetzte Augen und einfache Nebenaugen; ‒ an den drei Ringen der Brust 33* setzen sich auf der unteren Seite die drei Fußpaare, auf der oberen die Flü- gel an; der Hinterleib zeigt stets die Ringelung am deutlichsten, trägt aber niemals Füße, und nur höchst selten eigenthümliche accessorische Bewe- gungsorgane, während sein hinteres Ende oft mit Apparaten ausgestattet ist, die zu dem Fortpflanzungsgeschäfte in der nächsten Beziehung stehen. Die Fühler (antennae), welche meist vorn auf dem Kopfe, auf Fig. 585. 586. 587. 588. 589. Verschiedene Formen von Fühlern. Fig. 585. Borstenförmig. Fig. 586. Gezähnt. Fig. 587. Fächerförmig. Fig. 588. Keulenförmig mit abgesetzten Gliedern. Fig. 589. Geblättert. der Stirn oder mehr zu beiden Seiten eingelenkt sind, zeigen äußerst wech- selnde Formen, die sich indeß wesentlich auf zwei Grundtypen reduziren lassen. Gewöhnlich ha- ben sie die Gestalt einer einfachen Borste, einer Keule oder eines Kegels und erscheinen dann aus einzelnen Ringeln oder Gliedern zusammengesetzt, welche ziemlich gleiche Beschaffenheit und Structur zeigen. Untersucht man nämlich die Fühler unter einer hin- reichend starken Vergrößerung, so sieht man die äußere Fläche dieser gleich- artigen Fühler mit Ausnahme der Gelenkglieder überall mit feinen Gru- ben besäet, deren Grund mit einer dünnen, zarten Haut verschlossen ist, welche mit sehr zarten Flaumhaaren dicht besetzt erscheint. Bei den ungleichartigen Fühlern, wo stets ein besonderer Schaft oder Stiel existirt, sind diese eigenthümlichen Poren und Gruben nur auf den kammförmigen Zacken, Zähnen, Aesten und Fiederblättchen der Fühler angebracht, während der Stiel die gewöhnliche Beschaffenheit der übri- gen äußeren Körperhaut zeigt. Es ist zwar jedenfalls anzunehmen, daß dieser eigenthümliche Bau der Fühler zur Funktion derselben in der engsten Beziehung steht, allein man geht dennoch offenbar zu weit, wenn man mit einigen neueren Beobachtern behaupten wollte, dieser Bau liefere den strikten unumstößlichen Beweis für eine schon öfter verfochtene Ansicht, daß nämlich die Fühlhörner Riechorgane und zwar nur Riechorgane seien. Wir glauben, daß diese mit feinen Haaren ausgefüllten Gruben beide Funktionen, die des Tastens und des Rie- chens, in sich vereinigen. Denn auf der einen Seite unterliegt es keinem Zweifel, daß viele Insekten, wie namentlich die Ameisen, die Gryllen und andere mehr, ihre Fühler beständig zum Tasten und zum Erkennen der Gegenstände benutzen, und daß besonders die nächtlichen Thiere der Klasse ein äußerst feines Gefühl in diesen Organen bethätigen, während freilich andere, die doch zum Theil durch Gestalt und Größe sehr ausgezeichnete Fühler haben, wie z. B. die Bockkäfer, niemals einen solchen Gebrauch von ihren Fühlern machen; — auf der anderen Seite kennt man keine anderen Geruchswerkzeuge bei den Insekten, und alle Versuche, den Sitz ihres oft so feinen Geruches zu entdecken, sind durchaus fruchtlos geblieben. Und doch finden viele Insekten- Männchen oft auf stundenweite Entfernung ihre Weibchen, die sie un- möglich sehen können, nur durch den Geruch; andere Arten, wie na- mentlich die Käfer, welche von Aesern leben, werden nur durch den Geruch zu diesen hingeleitet, und von manchen Fliegen, deren Larven auf faulenden Stoffen leben, ist es bekannt, daß sie durch den Geruch getäuscht, ihre Eier auf ähnlich riechende Pflanzen legen, auf denen die Larven, für welche sie sorgen wollten, einem elenden Hungertode preisgegeben sind. Die Form der Fühler, welche demnach bald vor- wiegend Tastorgane, bald vorwiegend Riechwerkzeuge sein mögen, ihre Größe und Stellung, so wie die Gestalt und Zahl ihrer einzelnen Glieder bieten sehr werthvolle Unterscheidungszeichen für die Kenntniß der einzelnen Gruppen und Arten. Das zweite wichtige Sinnesorgan, welches der Kopf trägt, sind die Augen, die nur außerordentlich selten fehlen und gewöhnlich in Fig. 590. Kopf einer Schabe (Blatta) von vorne gesehen. a Lefze (labrum) auf einer besonderen Platte eingelenkt. b Kiefer (mandibulae). c Kinnladen (maxillae). d Die gespaltene Unterlippe (labium). e Lippentaster (palpi labiales). f Fühler (antennae). g Netzaugen (oculi). h Punktaugen (stemmata). i Ladentaster (palpi maxillares). zwei Formen sich darstellen: als zusammenge- setzte Netzaugen (oculi) oder als einfache Punkt- oder Nebenaugen (stemmata). Oft kommen die Punktaugen allein vor, und dann sind sie meistens gehäuft und stehen in Grup- pen an den Seiten des Kopfes auf eigenen Wülsten von verschiedener Gestalt und Größe. Sind die Nebenaugen zugleich mit den zusam- mengesetzten Augen vorhanden, so findet man meist nur zwei oder drei dieser Organe oben auf dem Scheitel, wo sie gewöhnlich dem Hirn- knoten so nahe aufsitzen, daß ihr Sehnerve nur ein kurzes Wärzchen bildet. Es bestehen diese einfachen Augen stets aus einer becherförmigen Netzhaut, welche von einem dunklen Farbstoffe umgeben ist, und in deren Höhlung eine rund- liche Linse liegt, die von einer vorstehenden Hornhaut überwölbt ist. Der Zweck der Ne- benaugen erscheint namentlich bei den Gattungen, welche außerdem noch zusammengesetzte Augen haben, durchaus unergründet, und der Bau ihrer stark gewölbten Hornhaut und Linse scheint den Versuchen derjenigen Beobachter zu widersprechen, welche in den Punktaugen hauptsächlich Organe der Fernsicht zu finden glaubten. Die zusam- mengesetzten Augen bilden meist hügelartige Hervorragungen auf beiden Seiten des Kopfes, die meist rundlich, nierenförmig, zuweilen auch sehr tief ausgeschnitten sind, manchmal so sehr anwachsen, daß sie auf dem Scheitel zusammenstoßen, zuweilen auf unbeweglichen Stielen sitzen und oft mehrere Tausend Facetten zählen, die nicht Fig. 591. Männliche Honigbiene (Drohne) mit zusammenstoßenden Augen. Fig. 592. Brillenfliege (Diopsis) mit gestielten Augen. immer gleich groß an demselben Auge sind. Jede dieser Facetten bil- det eigentlich die mit den benachbarten Hornhäuten verschmolzene Horn- haut eines winzigen Auges, hinter welcher eine pyramidenförmige Linse sitzt, deren nach Innen gerichtete stumpfe Spitze in einem becher- förmigen Glaskörper steckt, welcher von einer tutenförmigen Ausbrei- tung des Sehnerven und eines dunklen Pigmentes umgeben wird. Da die Augen unbeweglich sind, so hat jede dieser Hornhäute nur ein sehr kleines Sehfeld, und es ist für uns vollkommen unbegreiflich, wie aus den vielen tausend verschiedenen Bildchen, welche diese einzelnen Au- genkegel liefern müssen, das Insekt sich ein Bild seiner Umgebung machen kann. Die Mundwerkzeuge , welche der Kopf stets an seiner unteren oder vorderen Fläche trägt, sind bei allen Insekten nach demselben Grundtypus angeordnet, wenn sie auch in Form, Beschaffenheit und relativer Ausbildung unzählige Modifikationen erleiden, und je nach der Nahrung der Insekten bald mehr zum Kauen, bald mehr zum Fig. 595. 594. 593. Fig. 596. 597. Kopf und Mundwerkzeuge einer Libelle (Aeschna) dreifach vergrößert. Fig. 593. Der Kopf von vorne. Fig. 594. Von der Seite. Fig. 595. Halb von unten mit geöffnetem Maule. Fig. 596. Der Kiefer (mandibula) isolirt. Fig. 597. Die Kinnlade (maxilla) isolirt und beide stärker vergrößert. a Die großen, nierenförmigen Netzaugen. b Fühlhörner. c Nebenaugen. d Vorgesicht. e Oberlippe. f Kiefer. g Kinnlade. h Seitentheile der Unterlippe (Taster). i Mit- teltheile der gespaltenen Unterlippe. k Zunge. l Schlundöffnung. Saugen eingerichtet sind. Die Erkenntniß dieses allgemeinen Planes in der Organisation so höchst verschiedener Theile bildet eine der schön- sten Errungenschaften der neueren Wissenschaft. Da die einzelnen Theile bei den kauenden Insekten am meisten ausgebildet sind, so ge- hen wir zuerst auf diese ein, um ihnen die Analogieen der saugenden Mundtheile, bei welchen einzelne dieser Werkzeuge mehr oder minder verkümmert sind, entgegenstellen zu können. Man findet bei einem Käfer oder einem Geradflügler, indem man von oben nach unten geht, Fig. 598. Mundwerkzeuge einer Schnarrschnecke (Acridium). a Oberlippe. b Kiefer. c Kinnlade. d Lap- pen oder Helm (galea). e Ladentaster. f Un- terlippe mit den Lippentastern. zuerst einen unpaaren Deckel, die Oberlippe oder Lefze (labrum), dann zwei seitliche meist hakenförmige Hornstücke, die Kiefer, Oberkiefer oder Kinnbacken (mandibulae) unter diesen zwei andere seit- liche Stücke, die Kinnladen oder Unterkiefer (maxillae), und endlich als unteren Schluß ein wie die Oberlippe von oben nach unten bewegliches Stück, die Un- terlippe oder Lippe (labium), die man auch als ein in der Mitte verwachsenes, drittes seitliches Kieferpaar betrachten könnte. Kinnladen und Unterlippe tragen gewöhnlich seitliche gegliederte Anhänge, die Ladentaster (palpi maxillares) und die Lippentaster (palpi la- biales). Die normalen Mundwerkzeuge bestehen also aus zwei unpaa- ren Lippen, zwei Paar Kiefern und zwei Paar Tastern. Die Oberlippe besteht meistens aus einem mehr oder minder großen Vorsprunge, der wie eine Klappe an der Unterfläche des Kopfes beweglich ist und gewöhnlich die Kiefer deckt oder wenigstens auf ihrem Ursprunge aufliegt. Zuweilen ist die Oberlippe unbeweglich mit dem hornigen Skelette des Kopfes verwachsen, und bei manchen saugenden Insekten sucht man vergebens nach einer Spur von ihr. Die Kiefer sind bei den kauenden Insekten stets aus zwei hohlen Hornstücken gebildet, die zu beiden Seiten durch ein Charniergelenk so mit dem Kopfe verbunden sind, daß sie sich nur gegen einander bewe- gen können. Sie sind meistens hakenförmig, krumm gebogen, gewöhn- lich sehr fest und hart, bei den Fleischfressern spitz gezähnt, bei den Pflanzenfressern mehr mit meiselartigen oder stumpfen Vorragungen zum Kauen versehen: in vielen Fällen ragen sie weit über den Kopf hervor, und haben oft bei den verschiedenen Geschlechtern derselben Gattung eine verschiedene Form, wie z. B. bei den bekannten Hirsch- käfern, wo das Männchen große geweihartige, mit mehrfachen Zacken besetzte Kiefer besitzt, während sie bei dem Weibchen nur kurze Haken darstellen. Je mehr die Aufnahme fester Nahrungsmittel zurücksinkt, desto unscheinbarer werden die Kiefer, und bei den ächten Saugern fehlen sie entweder ganz, oder sind auf zwei hornige Borsten reduzirt, welche gewöhnlich zum Stechen benutzt werden. Weit komplizirter an Gestalt und Zusammensetzung sind die Un- terkiefer oder Kinnladen, die niemals einen so offenen Winkel, wie die Kiefer zu bilden im Stande sind, und nur selten diesen an Härte und Schärfe ihrer Zähnlungen gleich kommen. Die Kinnladen stehen der Unterlippe sehr nahe und erscheinen zuweilen mit ihrer Basis so mit der Lippe verwachsen, daß man sie für einen Theil derselben hal- ten könnte; — sie bestehen meist aus mehreren einzelnen Stücken, die man in einen Schaft oder Stiel und einen freien Theil, die Lade oder den Helm, theilen kann; der Stiel ist meistens aus einem que- ren Gelenkstücke, der sogenannten Angel (cardo) und dem eigentlichen Stiele (stipes) zusammengesetzt, der an der inneren Seite die Laden oder Lappen (malae), an der äußeren Seite die Ladentaster (palpi maxillares) trägt, und an der Spitze oft hakenförmig umgebogen und gehärtet oder selbst mit spitzen Hornzähnen, ähnlich wie der Kiefer, besetzt ist. Das Ende der Laden wechselt namentlich sehr in seiner Form, indem es bald breit, blattförmig ist und von der Seite her wie ein Helm (galea — bei den Geradflüglern) die übrigen Kauwerkzeuge decken kann, bald einen beweglichen Nagel oder selbst einen tasterför- migen Anhang darstellt. Die Kinnladen sind meist auf ihrer Innen- Fig. 599. Kauwerkzeuge eines Laufkäfers (Carabus). a Oberlippe. b Kiefer. c Kinnladen, an denen man unten die quere Angel, den hakigen, mit Borsten besetz- ten Stiel, die zu einem in- neren zweigliedrigen Laden- taster ausgebildete Lade und den äußeren eigentlichen vier- gliedrigen Ladentaster unter- scheidet. d Unterlippe mit ihren Tastern. Fig. 600. Kopf einer Biene (Anthophora) von vorn gesehen. Auf dem Scheitel sieht man die drei Punktaugen, zur Seite die großen Netzaugen. a Fühler. b Kiefer. c Lefze. d Ladentaster. e Kinnladen. f Lip- pentaster. g Zunge. h Neben- zungen (paraglossae). Fig. 601. Kopf eines Schmetterlings. a Fühler. b Die zu einem Spiralrüssel zu- sammengelegten Kinn- laden. d Ladentaster. o Auge. t Scheitel. fläche mit Haaren oder Borsten besetzt, und dienen hauptsächlich zum Betasten und Halten der Nahrungsmittel. Bei den saugenden Insek- ten erleiden sie mannigfaltige Modifikationen, indem sie bald in ähn- licher Weise, wie die Kiefer, zu Stechborsten umgewandelt werden, wie dieß namentlich bei den Zweiflüglern und den Halbflüglern der Fall ist, oder aber, indem sie scheidenartige Klappen darstellen, wie bei den Hauptflüglern, oder endlich selbst das Saugorgan werden, indem sie sich zu langen, spiralig aufgerollten Halbkehlen umformen, die durch Zusammenlegen eine Röhre oder einen Rüssel bilden, wie dieß bei den Schmetterlingen geschieht. Die Ladentaster, welche nur in seltenen Fällen fehlen, sind gewöhnlich viel kürzer, als die Fühler, aber län- ger als die Lippentaster, und ihre Gliederzahl hat gewöhlich für jede Insektenordnung ein bestimmtes Gesetz, wie z. B. vier für die Käfer, fünf für die Geradflügler u. s. w. Die Unterlippe besteht außer den Lippentastern, welche in Form und Größe meistens den Ladentastern ähnlich sind, noch aus mehreren verschiedenen Theilen. Gewöhnlich sitzt sie auf einer abge- setzten Platte auf, mit der sie in einem Klappengelenke verbunden ist, und welche man das Kinn (mentum) genannt hat. Sehr häufig ist die Lippe in ihrer Mitte gekerbt, eingeschnitten oder selbst fast gänzlich gespalten und in zwei Theile getheilt, eine Andeutung ihrer ursprüng- lichen Zusammensetzung aus zwei seitlichen in der Mittellinie verwach- senen Kinnladen; oft ist sie glatt, gewöhnlich aber mit Haaren besetzt; sie schließt die Mundöffnung nach unten und trägt auf ihrer inneren Fläche meist einen häutigen weichen Vorsprung, den man die Zunge (lingula) genannt hat. Gewöhnlich ist diese Zunge im Munde ver- borgen, zuweilen stehen neben ihr noch eigene selbstständige Vorsprünge, die sogenannten Nebenzungen (paraglossae). Unterlippe und Zunge zeigen nicht nur merkwürdige Formverschiedenheiten, sondern auch sehr eigenthümliche Modifikationen ihres Baues. Bei vielen saugenden Insekten und zwar namentlich bei den Halbflüglern Fig. 602. 603. 604. Fig. 602. Kopf einer Baumwanze von vorn, um die scheidenartige, zu einem dreigliedrigen Schnabel umgewandelte Unterlippe zu zeigen. Fig. 603. Die Un- terlippenscheide ist weggenommen, man sieht die Ober- lippe und die Stechborsten zusammengelegt, Fig. 604. Die Stechborsten auseinandergelegt; — die äußeren, ge- krümmten sind die Kiefer, die inneren die Kinnladen. 605. Einzelne Mundtheile einer Biene. a Oberlippe. b Kie- fer. c Kinnlade. d Unter- lippe, auf der die lange Zunge mit zwei schuppenförmigen Nebenzungen am Grunde und zwei Lippentastern steht. und den Zweiflüglern hat sich die Unterlippe außerordentlich verlän- gert, und bildet eine oben offene rüsselartige Scheide, in welcher die zu Stechborsten verwandelten Kiefer und Kinnladen eingeschlossen lie- gen. Bei den Halbflüglern ist die zum Schnabel gewordene Unter- lippe noch obenein aus mehreren Gliedern zusammengesetzt, während sie bei den Zweiflüglern einen häutigen, weichen Schlauch, einen Saug- rüssel bildet, der meistens gänzlich zurückgezogen werden kann. Die oft ganz rudimentäre Zunge wird schon bei manchen Käfern so groß, daß sie stets aus dem Munde hervorragt, und bei den Hautflüglern erreicht sie den höchsten Grad ihrer Entwicklung, indem sie zu einem langen, gegliederten Schöpfrüssel wird, der wesentlich zur Ernäh- rung dieser Thiere und zum Aufsammeln des Honigs beiträgt. Durch die vielfachen Reduktionen einzelner dieser Mundwerkzeuge bei vorherrschender Ausbildung anderer ist eine unendliche Mannigfal- tigkeit vorbereitet, die durch den Wechsel der Gestalt bei den einzelnen Theilen noch erhöht wird. Es gibt manche Insekten, welchen im voll- kommenen Zustande die Mundwerkzeuge gänzlich abgehen, andere, bei welchen einzelne Theile gänzlich fehlen; bei den meisten aber sind die Hauptstücke, welche wir erwähnten, alle vorhanden, und ihre relative Lagerung zu einander und zu der Mundöffnung bietet bei genauerer Untersuchung den Faden, an dem man zu ihrer richtigen Erkenntniß sich leiten kann. Die Brust ( thorax siehe Fig. 578) trägt, wie wir schon oben bemerkten, in allen Fällen die Bewegungsorgane, indem an der Ober- fläche ihrer drei Ringe die Flügel, an der Unterfläche die Füße ein- gelenkt sind. Die Brust ist im Ganzen gewöhnlich die größte der drei Körperabtheilungen, was freilich bei denjenigen Insekten, die harte Flügeldecken besitzen, (wie z. B. den Käfern) nur auf der Unterfläche erkannt werden kann, indem dann die Flügeldecken über die Mittel- und Hinterbrust sich ausdehnen. In den meisten Fällen ist es leicht, die drei Ringe, welche man mit dem Namen der Vorderbrust (pro- thorax), der Mittelbrust (mesothorax) und der Hinterbrust (metathorax) unterscheidet, trotz ihrer häufigen Verwachsungen zu er- kennen; und ebenso kann man sehr häufig die einzelnen Stücke unter- scheiden, aus welchen jeder einzelne dieser Ringe wieder zusammenge- setzt ist. Bei den Beschreibungen werden meist nur die Unterfläche der Brust, das sogenannte Brustbein (sternum), und die Rücken- fläche in das Auge gefaßt, so daß wir über die weitere Zusammen- setzung der einzelnen Brustringe, die äußerst complicirt ist, hier hin- weggehen können. Sehr verschieden sind die gegenseitigen Verhältnisse der einzelnen Ringe, da ihre Entwicklung besonders in Beziehung steht zu den Funktionen der Bewegungswerkzeuge, die an ihnen befestigt sind. So ist die Vorderbrust bei den Käfern, den Geradflüglern und Fig. 606. Der Leichenkäfer (Hister.) Der kleine Kopf steckt bis an die Augen unter der sehr breiten Vorderbrust oder dem Halsschilde. Fig. 607. Ein Hautflügler (Foenus.) Die Vorderbrust bildet nur einen schmalen Stiel zwischen Kopf und Mittelbrust, die hoch- gewölbt ist. Halbflüglern meist ganz bedeutend ent- wickelt, frei beweg- lich, und trägt dann den Namen des Halsschildes , (thorax; corselet) während sie bei an- deren, besonders flie- genden Insekten, wie bei den Schmetter- lingen, den Haut- und Zweiflüglern gewöhnlich nur die Form eines schmalen Ringes oder eines dünnen Stieles hat, welcher den Kopf mit der Brust vereint; zuweilen ist der Kopf gänzlich geborgen unter der schildför- migen Vorderbrust, manchmal sogar so, daß in dem Rande derselben Löcher angebracht sind, um den Augen einigen Spielraum nach oben zu gewähren. Die Vorderbrust trägt stets nur das erste Paar der Beine, aber niemals Flügel auf der Rückseite. Die Mittelbrust erscheint besonders bei denjenigen Insekten vorzugsweise entwickelt, bei welchen die Vorderflügel die wesentlichsten Flugorgane bilden, wie namentlich bei den Haut- und Zweiflüglern, während bei denjenigen Insekten, wo die Vorderflügel als Flügeldecken dienen, die Mittelbrust entsprechend auch nur eine unbedeutende Aus- bildung zeigt, und oft gar nicht, oft nur mit einem kleinen Theile auf Fig. 608. Fischkäfer (Hydrophilus). Zwischen den Flügeldecken tritt das dreieckige Schildchen hervor. der Oberfläche sichtbar ist, den man das Schildchen (scutellum) genannt hat. Die Hinterbrust endlich, welche bei den vorzugsweise fliegenden Insekten nur we- nig entwickelt ist, bildet sich da besonders aus, wo die Hinterflügel das wesentlichste Flugorgan geworden sind, oder wo die Hinterbeine zu Springfüßen benutzt wer- den und zu diesem Endzwecke mächtige Muskeln erhalten. Die Brustringe im Ganzen enthalten im Innern fast nur die mächtigen Muskelmassen, welche zur Be- wegung der Flügel und Füße dienen, wozu sich noch der Schlund, die meist bedeutend großen Brustknoten und die vielfachen Luftgefäße und Blasen gesellen, die besonders bei den guten Flügern stark aus- gebildet sind. Die Flügel , welche stets auf der Rückenfläche der Mittel- und Hinterbrust eingelenkt sind, wechseln außerordentlich an Gestalt und Bildung. Sie fehlen ganz bei der Ordnung der Flügellosen, so wie bei vielen einzelnen Gattungen von Käfern, Gradflüglern, Halbflüglern Fig. 609. 610. Johanniswürmchen (Lampyris) . Fig. 609. Geflügeltes Männ- chen. Fig. 610. Flügelloses Weib- chen. und Zweiflüglern, und häufig gehen sie den Weibchen ab, während die Männchen damit versehen sind; — so sind auch bei den in Gesellschaft lebenden Insekten zuweilen die unvollkommen ausgebildeten geschlechtslosen Individuen die Arbeiter flügellos, während Männchen und Weibchen mit Flugorganen versehen sind. Viele Insekten, wie nament- lich die Ordnung der Dipteren, besitzen nur Fig. 611. 612. Ameise (Formica.) Fig. 611. Geflügeltes Weibchen. Fig. 612. Ungeflügel- ter Arbeiter. zwei ausgebildete Flügel, wobei das andere Paar zu eigenthümlichen schwingenden Kölb- chen verkümmert ist, und zwar sind es bei den Zweiflüg- lern die Hinterflü- gel, bei den Strep- sipteren die Vorderflügel, welche in dieser Weise verkümmert sind. Da, wo vier Flügel vorhanden sind, findet man sie oft von ungleicher Bildung, indem die Vorderflügel mehr lederartig, oder hornartig fest sind und nur als Flügeldecken (Elytrae) benutzt werden, ohne am Fig. 613. Ein Käfer mit ausgebreiteten Flügeln. a Flügeldecken. b Flügel. Fig. 614. Kothwanze (Reduvius) mit Halb- beckflügeln, die hinten häutig sind. Fluge selbst einen wesentlichen Antheil zu nehmen. Manchmal sind diese Flü- geldecken sogar so verwachsen, daß sie durchaus unbeweglich erscheinen; in andern Fällen ist nur ein Theil der Vorderflügel lederartig und zur Decke bestimmt, während der übrige Theil ebenso wie die Hinterflügel häutig er scheint. Die Flügel selbst sind eigentlich nur Duplikaturen des Hautskelettes, deren beide Membranen sehr dicht an- einander liegen und nur an den Orten, wo Luftadern und Gefäße sie durchziehen, von einander wei- chen. Jeder Flügel bildet so eine aus zwei Blättern bestehende häu- tige Platte, die je nach den Gat- tungen von mehr oder minder aus- gebildeten Adern oder Nerven durchzogen ist. Bei Insekten, welche eben aus der Puppe hervorkriechen, und bei denen die Flügel noch voll- kommen unausgebildet sind, kann man nicht nur diese Zusammensetzung der Flügel aus zwei Blättern beob- achten, sondern auch sehen wie An- fangs durch die Gefäße und Luft- röhren Blut und Luft in die Flügel vordringt und diese ausdehnt. Bei den meisten Insekten sind die Flügel nackt, einfach häutig, höchstens mit dünnen Härchen besetzt, und haben dann jene eigenthümliche schillernde Färbung dünner, durchsich- tiger Blättchen; — oft aber sind sie mit besonderen Schuppen bedeckt, welche ihre Färbung bedingen. Zuweilen ist ihre Fläche noch durch lange Haare vermehrt, die an ihrem Rande stehen. Die Vertheilung der Adern oder Nerven auf den Flügeln und der zwischen ihnen be- findlichen bald offenen, bald geschlossenen Zellen erscheint von großer Wichtigkeit für die beschreibende Naturgeschichte, da diese Vertheilung bei den natürlichen Gruppen stets übereinstimmend ist. Man unterscheidet Fig. 615. Wasserjungfer (Aeschna) mit Netzflügeln. Fig. 616. Blattwespe (Cimbex) mit Aderflügeln. besonders Netzflügel und geaderte Flügel; — es würde indeß zu weit füh- ren, hier auf die speciel- lere Bildung der Adern, Zellen und Felder der Flügel einzugehen, da namentlich auch in der Bezeichnungsweise dieser einzelnen Theile eine un- sägliche Verwirrung herrscht, indem fast jeder Monographe andere Na- men zu gebrauchen sich bemüßigt sieht. Die Art und Weise, wie die Flü- gel in der Ruhe getra- gen und zusammengelegt werden, ist gewöhnlich sehr bezeichnend für die natürlichen Gruppen, ja selbst für die Ord- Fig. 617. Unterflügel eines Käfers in der Ruhe. nungen der Insekten. So knicken alle Käfer die Unterflügel ein, um sie unter die Flügel- decken zu schieben, während die Geradflügler sie fächerartig zusammenlegen, die Tagschmet- Fig. 618. Eine fliegende Heuschrecke. Die Unterflügel sind fächerartig gefaltet. Fig. 619. Ein Tagschmetterling (Morphe Helenor) sitzend. terlinge aber sie nach oben zusammenschlagen. Der Flug der Insek- ten ist begreiflicherweise je nach der Beschaffenheit und Ausbildung der Flügel außerordentlich verschieden, beruht aber im Wesentlichen darauf, daß der Flügel beim Aufheben der Luft eine geringere Fläche darbietet, als beim Niederschlagen, wodurch sich der zwischen den Flügeln ange- brachte Körper erhebt. Die Flugkraft vieler Hautflügler, Adlerflügler und Zweiflügler übersteigt alles, was wir an anderen Thieren kennen. Eine Bremse ist fähig, beim schnellsten Fahren einer Eisenbahn den Wagen Meilen weit zu verfolgen und während der Fahrt die Reisenden beständig in Kreisen zu umschwärmen, mithin den Weg, welchen der Wagen in gerader Linie macht, in Radlinien zu beschreiben. Die Beine der Insekten sind trotz der verschiedenen Ausbildung nach demselben Grundgesetze gebaut, und enthalten selbst bei ihrer Ver- kümmerung gewöhnlich dieselbe Zahl von einzelnen Theilen. Die Hüfte (coxa) , mittelst welcher das Bein in die Gelenkgrube des betreffenden Ringes eingelenkt ist, bildet meistens einen drehrunden oder länglichen Gelenkknopf, mit dem ein zweites Hornstück, der Schenkelanhang oder Trochanter, unbeweglich verbunden ist. Gewöhnlich können diese beiden Hüftstücke zusammen in dem Gelenke in ähnlicher Weise bewegt werden, wie unser Oberarm, in anderen Fällen ist die Rollung un- vollständiger. An den Hüftstücken sitzt ebenfalls durch ein unvollstän- diges Kugelgelenk mit ihnen verbunden, der Schenkel (femur) , der fast immer eine walzenförmige Gestalt hat, oft bestachelt oder bezähnt ist und an den Hinterbeinen der springenden Insekten gewöhnlich be- deutend verdickt erscheint. Mit dem Schenkel steht ein zweites, meist längeres und dünneres Stück durch ein Charniergelenk in Verbindung, Fig. 620. Fünfgliedriger Fuß (Tarsus) eines Käfers mit erweiterten Glie- dern und Bürsten- haaren. das man die Schiene (tibia) nennt, und das an seinem Ende den Fuß (tarsus) trägt. Dieser letztere besteht nur sehr selten aus Einem, meist aus mehreren, gewöhnlich aus fünf Gliedern, die oft erweitert und auf ihrer Unterfläche mit besonderen Ballen, Bürsten oder Wärzchen zum An- halten an glatten Oberflächen besetzt sind. Das letzte Tar- salglied trägt an seinem Ende gewöhnlich zwei, seltener eine gekrümmte, meist scharfe Hornklaue, die nur in äußerst seltenen Fällen gänzlich fehlt. Wesentliche Modifikationen erleiden die Beine häufig durch ihre Beziehungen zur Lebensart der Insekten. So besitzen Manche breite, quergestellte Vorderbeine, die zum Aufwühlen der Erde geschickt erscheinen, sogenannte Grabfüße. Bei den Spring- Fig. 621. Maulwurfsgrille. Die Vorderbeine sind breite Grabfüße. Fig. 622. Heuschrecke mit hinteren Springbeinen. Fig. 623. Wasserkäfer (Dytiscus) mit Schwimmbeinen. Fig 624. Weinhähnel (Mantis) mit Raubfüßen. Fig 625. Hirschkäfer (Lucanus) mit Schreitfüßen und geweihartig verlängerten Kiefern (maudibulae) . beinen sind die hinteren Schenkel verdickt und verlängert; bei den Schwimmbeinen die einzelnen Glie- der abgeplattet, die Beine nur in wagrechter Richtung beweglich und mit steifen Haaren, die ihre Ober- fläche vergrößern, besetzt. Bei man- chen Insekten sind die Vorderbeine zangenförmig und können zum Fan- gen der Beute wie ein Taschen- messer eingeklappt werden — Raub- füße; — bei den meisten endlich sind sie alle gleichmäßig entwickelt und nur zum Gehen und Klettern geschickt — Geh- oder Schreitfüße. Vogt. Zoologische Briefe. I. 34 Der Hinterleib (abdomen) der Insekten zeigt stets die Ringe- lung weit deutlicher, als die beiden anderen Hauptabschnitte des Kör- pers. Die Hinterleibsringe sind fast immer aus zwei Bogen, einem oberen und einem unteren zusammengesetzt, die an den Seitenrändern durch elastische Häute mit einander verbunden sind, so daß der Hin- terleib hierdurch sowohl, wie durch die schuppige Anordnung der Ringe, bedeutender Volumsveränderungen fähig ist, die namentlich durch die Entwicklung der Eier bei den Weibchen, so wie durch das Einpumpen von Luft vor dem Auffliegen bedingt werden. Zuweilen geht diese schuppige Lagerung der Ringe, die durch ausdehnbare Bänder verei- nigt sind, so weit, daß der Hinterleib förmlich, wie die Röhre eines Perspectives, ein- und ausgeschoben werden kann. Die Normalzahl der Hinterleibsringe scheint neun zu sein, indessen wechselt dieselbe außerordentlich entweder durch Verwachsungen oder dadurch, daß die letzten Ringe in die Bauchhöhle selbst hineingeschoben und dort als Deckschuppen der Begattungswerkzeuge angebracht sind. Eigentliche Bewegungsapparate trägt der Hinterleib nur bei einigen flügellosen Insekten, bei welchen die sonst unbeweglichen Borsten und Haare, die oft an ihm angebracht sind, zu Springorganen umgewandelt sind. Die äußere Umhüllung des Körpers, die Haut , deren Härte und Consistenz ungemein wechselt, ist stets aus jenem eigenthümlichen, un- löslichen Stoffe gebildet, den man Chitin genannt hat. Da dieser Stoff nur äußerst schwer zerlegbar ist, so erhalten sich auch die mei- sten Häute und Körperschalen der Insekten sehr lange Zeit vollkommen unzerstört, selbst wenn sie noch so zart und dünn sein sollten. Der Bau dieses Hautskelettes seinen wesentlichen Formbestandtheilen nach ist noch durchaus nicht hinlänglich erforscht. An vielen Stellen er- scheint es vollkommen gleichartig, strukturlos und nur da, wo die Masse dicker gehäuft ist, lassen sich zuweilen Schichten und netzförmige Figu- ren unterscheiden, zwischen welchen oft prachtvolle Farbstoffe abgelagert sind. Auf der äußeren Oberfläche dieses Hautskelettes kommen viel- fache Anhänge in Form von Stacheln, Borsten, Haaren oder Schup- pen vor, welche bald ziemlich stark befestigt sind, bald auch nur sehr lose in eigenen Grübchen der Haut sitzen, und bei der leisesten Berüh- rung sich loslösen. Oft sind diese Stacheln und Haare noch außerdem mit Widerhaken besetzt, so daß sie kleine gefährliche Waffen bilden, die einmal eingebohrt stets weiter vordringen. Die Mägen mancher Rau- penfressenden Vögel wie z. B. des Kukuks, sind auf ihrer Innenfläche mit einem so dichten Ueberzuge solcher verfilzter in die Magenhaut eingestochener Haare bedeckt, daß lange lebhafter Streit über die Frage geführt wurde, ob diese Filzüberzüge zu dem Bau des Magens dieser Vögel gehören oder von den verschluckten Raupen herrühren. Nach innen zu zeigt das Hautskelett, das im Ganzen betrachtet eine Samm- lung von hohlen Walzen und Ringen darstellt, zuweilen Vorsprünge, Leisten und Spitzen, welche den verschiedenen Muskeln zu Ansatzpunk- ten dienen. Die äußeren Umrisse des Hautskelettes stehen überhaupt in wesentlicher Beziehung zu der inneren Ausbildung des Muskelsyste- mes, und stets findet man da, wo mächtige Muskeln zur Bewegung gewisser Theile vorhanden sind, auch entsprechend das Hautskelett auf- gebläht, wie z. B. einen breiten Kopf bei starken Beißwerkzeugen, hohe dicke Brust bei bedeutendem Flugvermögen u. s. w. Die Mus- keln , welche stets sehr ausgebildet sind, und so wie die willkürlichen Muskeln der höheren Thiere sehr deutliche Querstreifen zeigen, stehen im Verhältniß zur Ausbildung der Bewegungsorgane und der Kauwerk- zeuge, zeigen aber im Verhältniß zu ihrer Masse eine ungemeine Kraft und Energie, die sich besonders bei den Arbeiten der Insekten kund giebt. Die meisten Käfer tragen mit Leichtigkeit das zehn- oder zwan- zigfache ihres Gewichtes auf dem Rücken; Ameisen schleppen in ihren Kiefern, also mit ungünstigem Kraftmomente, weit größere und schwerere Gegenstände, als sie selbst sind, fort, und eine Grabwespe oder Maul- wurfsgrille höhlt in einer Stunde einen Gang aus, der wenigstens zehn bis zwölfmal ihre eigene Länge beträgt, wobei sie noch obenein die aufgewühlte Erde aus dem Gange herausschafft, und die Wände desselben vor dem Zusammenfallen sichert! Und solche Arbeiten werden nicht einmal bei außerordentlichen Gelegenheiten verrichtet, sondern halten tagelang ohne Unterbrechung an, und ohne daß man dem Thiere einige Ermüdung anmerkte. Das Nervensystem der Insekten besteht unter allen Umständen aus einer Reihe von Knoten, welche unmittelbar auf der inneren Fig. 626. Das Nervensystem eines Lauf- käfers in seiner Lage von oben geseben nach der Wegnahme al- ler übrigen Organe. Fläche der unteren Hautbedeckung aufliegen und meist durch doppelte Längsfäden mit ein- ander verbunden sind. In dem Kopfe, über dem Schlunde liegt eine Gehirnmasse, welche die Fühlernerven und die Sehnerven abgiebt und nach unten zwei dickere Fäden um den Schlund herum schickt, die sich in einem unter dem Schlunde gelegenen Knoten vereinigen und so einen förmlichen Schlundring bilden. Von dem unteren Knoten aus gehen Längsfä- den nach hinten, die meistens getrennt, zuwei- len aber auch zu einem einzigen Faden ver- 34* schmolzen sind und an denen sich von Zeit zu Zeit den einzelnen Rin- gen entsprechend, Knoten befinden, von welchen die Nerven der Organe ausstrahlen. Bei den Larven und den langleibigen Insekten liegen Fig. 627. Isolirte Nervensysteme verschiedener Insekten nebeneinander gestellt. A Von dem Ohrwurme (Forficula); B von einer Heuschrecke (Locusta); C vom Hirschkäfer (Lucanus); D von einer Baumwanze (Pentatoma) . a Hirnknoten. b Fühlernerven. c Augennerven. d Brustknoten. e Hin- terleibsknoten. diese Knoten gewöhnlich weit von einander, während da, wo die ein- zelnen Körperringe mehr mit einander verschmolzen und unbeweglich geworden sind, die einzelnen Knoten auch näher aneinander rücken, und oft gänzlich mit einander verschmelzen. Man findet so die man- nigfaltigsten Uebergänge von einem Bauchmarke, das in seiner ganzen Länge aus gleichmäßigen Knoten zusammengesetzt ist, die sich in regel- mäßigen Abständen folgen, bis zu fast gänzlich verschmolzenen Massen, die kaum noch ihren Ursprung gewahren lassen; und man kann diese allmählige Concentration des Nervensystemes auch bei denjenigen Arten verfolgen, die als Larven eine langestreckte Ganglienkette, als vollkommene In- sekten dagegen ein verschmolzenes Bauchmark besitzen. Außer dem Bauchmarke läßt sich noch ein besonderes Eingeweidenervensystem nach- weisen, welches als zwei paarige und ein unpaarer Nerv an Schlund und Magen hinläuft, und diese mit Zweigen versorgt. Wir haben schon oben bei Gelegenheit der Fühler über den Sitz des oft außerordentlich feinen Geruchsinnes, so wie bei den Augen über den Bau der Sehwerkzeuge gesprochen. Der Tastsinn , welchem die Antennen vieler Insekten unzweifelhaft in hohem Grade dienen, findet außerdem noch in den Tastern der Kauwerkzeuge, in den Spitzen der saugenden Mundwerkzeuge, in der Legeröhre vieler Weibchen, so wie sehr häufig auch in den Tarsen der Füße ausgezeichnete Organe. Weniger leicht gelingt es, sich über den Geschmack und das Gehör der Insekten Aufklärung zu verschaffen. Was ersteren betrifft, so kann man nicht verkennen, daß manche Insekten in Bezug auf ihre Nah- rung sehr wählerisch sind; und es mögen wohl besonders die weiche Zunge, wenn eine solche vorhanden ist, oder die weichen Taster und Kinnladen Sitz des Geschmacks sein. Hinsichtlich der Gehörwerk- zeuge waltet fast noch größeres Dunkel, indem man nur bei sehr wenigen Geradflüglern wahre Ohren entdeckt hat, bei allen übrigen Insekten aber durchaus kein Organ für diesen Sinn hat finden kön- nen, obgleich Tonbildung bei ihnen nichts seltenes ist, und sogar oft in Beziehung namentlich zu ihren Geschlechtsfunctionen steht. So locken manche Holzkäfer ihre Weibchen dadurch, daß sie mit dem har- ten Kopfe oder Hinterleibe mit großer Heftigkeit auf das Holz auf- pochen; die Schnarrschrecken geigen mit ihren Hinterbeinen an dem Außenrande der Flügeldecken; die Heuschrecken und Gryllen reiben den harten und scharfen Rand der Wurzel der einen Flügeldecke gegen eine gerippte Hornleiste an der Wurzel der anderen Flügeldecke, und bringen dadurch den schrillenden Lockton hervor. Viele Käfer und Wanzen zirpen, indem sie die Vorderbrust gegen den Mittelrücken oder den Hinterleib gegen die Flügeldecken reiben. Die Singeikaden brin- gen ihren unleidlichen sogenannten Gesang mittelst einer trockenen Trommelhaut hervor, welche an dem ersten Hinterleibsringe in ähn- licher Weise, wie das Fell eines Tamburins in einem runden Ringe ausgespannt ist, durch einen eigenen Muskel gespannt und plötzlich wieder losgeschnellt wird. Alle diese Töne beziehen sich auf die Ver- einigung der beiden Geschlechter, und vielleicht steht auch das Summen vieler fliegenden Insekten, welches offenbar durch die abwechselnde Spannung und Erschlaffung des Brustkastens während der Flugbe- wegung und der dieselbe begleitenden zahlreichen Muskelcontractionen erzeugt wird, hierzu in einiger Beziehung. Dennoch ist es noch nicht gelungen, bei anderen Insekten als Heuschrecken, Gryllen und Schnarr- schrecken ein Ohr nachzuweisen. Bei den Schnarrschrecken (Acridida) liegt dieses Ohr am Hintertheile der Hinterbrust, und stellt eine mit einem Trommelfelle geschlossene Grube dar, hinter welcher ein zartes Bläschen liegt, zu dem ein eigener, aus dem dritten Brustknoten ent- springender Hörnerve geht. Bei den eigentlichen Gryllen (Gryllida) und den Heuschrecken (Locustida) findet man gar unter dem Kniege- lenke der beiden Vorderschienen Gruben, welche durch Trommelfelle geschlossen sind und hinter denen die Luftröhre des Beines eine Blase bildet, zu der sich ein eigener Gehörnerve begiebt. Der Verdauungskanal der Insekten ist stets darmartig, aber Fig. 628. Verbauungsapparat eines Laufkäfers (Carabus) . a Mundwerkzeuge. b Kopf mit Füh- lern und Augen. c Schlund. d Kropf. e Kaumagen. f Der zottige Chylusmagen. g Harngefäße. h Krummdarm. i Mast- darm (Cloake). k Afterdrüsen. l After. von sehr wechselnder Länge, und zeigt sich immer aus mehreren Häu- ten zusammengesetzt, deren innerste an dem oberen und unteren Ab- schnitte des Darmes mit dem Haut- skelette in Verbindung steht, und auch bei Häutungen mit demselben gewechselt wird. Bei den fleisch- fressenden Insekten, sowie bei den Saugern ist der Darmkanal im All- gemeinen weit kürzer, als bei den Pflanzenfressern, wo er oft viele schlingenförmige Biegungen im Hin- terleibe bildet, die niemals durch ein Gekröse, sondern stets nur durch vielfache Verzweigungen der Luft- röhren in ihrer Lage erhalten wer- den. Gewöhnlich kann man drei Hauptabschnitte und folgende ein- zelne Theile unterscheiden: Von der Mundhöhle an zieht sich durch die Brust zwischen den Muskelmassen derselben hindurch eine dünne, aber stark muskulöse Speiseröhre oder Schlund , der nach hinten oft in einen häutigen, mehr oder minder gefalteten Kropf und dann in einen meist runden Kaumagen sich erweitert, dessen innere Fläche gewöhnlich mit hornigen Leisten, Borsten und stumpfen Zähnelungen besetzt ist. Zuweilen auch, und zwar bei den Saugern findet sich neben dem Schlunde noch eine dünnhäutige Blase, die durch einen längeren oder kürzeren Stiel mit ihm in Verbindung steht und als Saugma- gen functionirt. Häufig sind an dieser ersten Abtheilung des Darm- kanals noch besondere röhrige oder traubige Speicheldrüsen ent- wickelt, die meistens in dem Kopfe verborgen liegen zuweilen aber sich weit in den Leib hinab erstrecken. Die zweite größere Abtheilung des Darmkanals wird von dem sogenannten Chylusmagen gebildet, und erstreckt sich von der Einmündung des Schlundes bis zur Insertion der Harngefäße in äußerst verschiedenen Formen und Gestalten. Gewöhnlich zeigt diese Abtheilung eine bedeutendere Breite als die anderen und vielfache Längs- oder Querfalten; sehr oft ist sie bald in ihrer ganzen Länge, bald nur in ihrer oberen Hälfte mit kurzen Drüsenschläuchen besetzt, welche ihr ein zot- tiges Ansehen geben. In das hintere Ende dieses Chylusmagens münden die Nieren ein, welche stets eine röhrige Form haben, die im Allgemei- nen den Drüsenorganen der Insekten überhaupt zukommt. Die sehr dünnen und langen Harngefäße, deren Zahl sehr wechselt, haben entweder blinde Enden, oder gehen am Ende bogenförmig in einander über, und umgeben meist in vielfachen Windungen und Schlängelungen den Darmkanal. Der gelbliche oder röthliche Harn, welchen diese Gefäße absondern, hat gewöhnlich eine breiige Konsistenz und sammelt sich während des Puppenschlafes in bedeutender Menge in dem hinte- ren Theile des Darmes an, wo er dann, von den ausgeschlupften In- sekten oft in großer Menge entleert, zu Sagen von Blutregen Veran- lassung gegeben hat. Die hintere Abtheilung des Darmes hat im Anfange stets eine geringere Weite als der Chylusmagen, bläht sich aber dann oft wieder bedeutend auf, so daß man einen engeren Krumm- darm, einen kloakenförmigen Dickdarm, und einen kurzen musku- losen Mastdarm deutlich unterscheiden kann. In dem Dickdarme finden sich stets eigenthümliche durchsichtige Drüsenwülste, die oft eine ungemein große Zahl erreichen und in das Innere der Höhlung vorragen. Sehr häufig zeigt sich an diesem kloakenförmigen Dickdarme noch ein mehr oder minder ausgebildeter Blinddarm, der zuweilen eine ansehnliche Länge erreicht. Der After ist stets an dem letzten Körperringel an- gebracht und sehr häufig münden unmittelbar vor ihm in den Mast- darm besondere Drüsenschläuche, Afterdrüsen, die eine ätzende oder stinkende Flüssigkeit absondern, welche von den Thieren zu ihrer Ver- theidigung hervorgespritzt wird. Zuweilen finden sich auch solche eine ähnliche Flüssigkeit liefernde Drüsen an anderen Stellen des Körpers, wie zum Beispiel bei den Maiwürmern (Meloë) an den Gelenken der Beine oder bei den Wanzen an der Unterfläche der Brust. In eigen- thümlicher Beziehung zu dem Verdauungsgeschäfte und dessen Organen steht dann ferner noch der Fettkörper, eine Masse von meist weiß- lichen oder gelblichen Fettzellen, die bei den vollkommenen Insekten nur eine geringe Ausdehnung besitzt, bei den Larven aber gewöhnlich alle Zwischenräume der Organe erfüllt und während des Puppenlebens zum Aufbau der Organe verwendet wird. Alle Insekten besitzen in allen Zuständen ihres Lebens einen eigenthümlichen Kreislauf des Blutes , der durch ein in der Fig. 629. Skizze einer Eintagsfliege (Ephemera) zur Erläuterung des Blutlaufes. Auf der einen Seite sind nur die Flügel, auf der andern nur die Beine gezeichnet. Die punktirten Linien zeigen die Blutströmungen, die Pfeile deren Richtung an. a Rückengefäß mit seinen Kammern. b Seitenströmung des Leibes. Mittellinie gelegenes schlauchförmiges Herz vermittelt wird. Dieses Herz, das man auch unter dem Namen des Rückengefäßes kennt, liegt unmittelbar unter der Haut des Rückens und besteht aus meh- reren einzelnen Kammern, die an den Einschnürungsstellen durch klappenartige Vorsprünge der inneren Haut getrennt werden, welche Fig. 630. Anatomie einer weiblichen Heuschrecke. Die Decke des Rückens ist weggenom- men, die Speicheldrüsen, das Rückengefäß und der rechte Eierstock nach rechts, Darm- kanal und übrige Organe nach links ge- zogen, so daß man das Nervensystem am Platze sieht. a Fühlhörner. b Kropf. c Kaumagen. d Magen. e Hinterer Theil des Chylusmagens. f Harngefäße, abge- schnitten. g Dickdarm. h Eierstöcke. i Samentasche. k Kittdrüse. l Legeröhre. m Speicheldrüsen. n Rückengefäß. dem Blute eine Strömung von hinten nach vorn gegen den Kopf anweisen. Die einzelnen Kammern sind durch dreieckige Muskelbündel an die Hinterleibsringe befestigt, und zeigen jederseits in ihrer vor- deren Hälfte eine Längsspalte, durch welche das Blut von außen nach innen in das Herz eindringen kann. Gewöhnlich hat das Herz acht Kam- mern und somit sechszehn Seiten- spalten, deren Klappen der ange- deuteten Richtung gemäß angebracht sind. Durch Brust und Kopf setzt sich das Herz mittelst einer in der Mittellinie gelegenen Körperader fort, welche plötzlich mit einer oder mehreren offenen Mündungen endigt. Dieß ist der ganze Gefäßapparat, welchen die Insekten besitzen. Be- trachtet man bei einem solchen Thiere, dessen Rückenhaut durchscheinend ge- nug ist, z. B. bei der Seidenraupe, das Herz in seiner Thätigkeit, so sieht man, daß die Kammern desselben sich wellenartig von hinten nach vorn zusammenziehen, und sich bei der Ausdehnung wieder füllen. Das Blut kreiset im beständigen Strome durch das Herz und ver- theilt sich dann in den Zwischen- räumen der Körperorgane, wo sich wandungslose Kanäle finden, in denen es stets nach bestimmten Rich- tungen läuft. Die ganze Blutmenge sammelt sich dann im Hinterleibe in der Umgebung des Herzens an, das mithin förmlich im Blute schwimmt, und bei der Ausdehnung sich mit dieser Flüssigkeit füllt, die es durch seine Zusammenziehung weiter treibt. Man sieht also, daß der ganze Körper gleichsam ein Reservoir für die Ernährungsflüssig- keit bildet, dessen Inhalt durch eine angebrachte Saugspritze, das Herz, in Thätigkeit versetzt wird. Das Blut selbst ist gewöhnlich vollkom- men farblos und enthält nur sehr wenige meist ungefärbte Blutkügel- chen, so daß es oft sehr schwer fällt, auch in ganz durchsichtigen In- sekten unter dem Mikroskope die Blutströme zu sehen. Alle Insekten athmen zu jeder Zeit ihres Lebens Luft, und zwar Fig. 631. Athemwerkzeuge einer Wasserwanze ( Nepa ). a Umriß des Kopfes mit den Augen. b Die abgeschnittenen Vorderbeine. c Stelle der Vor- derflügel. d Hinterflügel. e Hinterbeine. f Stig- men. g Seitliche Hauptluftröhrenstämme. h Luft- röhrenblasen. meistens durch besondere Oeff- nungen, die man Stigmen ( Stigmata ) genannt hat, und die bei allen vollkommenen Insekten ohne Ausnahme vor- kommen. Diese Stigmen sind kleine, rundliche oder längliche Spaltöffnungen, die sich paar- weise zu beiden Seiten des Körpers finden, und sehr oft durch eine besondere Färbung ihrer Umgebung ausgezeichnet sind. Meist sind sie mit einem besonderen Hornringe einge- faßt und können durch eigene Muskelchen geöffnet und ge- schlossen werden. Das Ein- und Auspumpen von Luft geschieht durch Ausdehnung oder Verschiebung der Hinter- leibsringe und man kann na- mentlich bei solchen Insekten, welche schwer fliegen, deutlich beobachten, wie sie sich zu der Erhebung in die Luft durch Einpumpen von Luft vorbe- reiten. Die Stigmen sind in der Regel in den Verbindungs- häuten der einzelnen Körper- ringe angebracht, oft so ver- steckt, daß sie bald unter den Flügeldecken, bald unter den Ringen des Körpers aufgesucht werden müssen. Ihre Zahl richtet sich bei den vollkommenen Insekten gewöhnlich nach der Zahl der sichtbaren Kör- perringe; jedoch haben der Kopf und der letzte Hinterleibsring nie- mals eine Spur von Stigmen, und an der Brust finden sich höchstens nur zwei Paare. Von den Stigmen aus setzen sich eigene Luftröh- ren oder Tracheen in das Innere des Körpers nach allen Richtungen hin fort, alle Organe mit Aesten und Zweigen versehend. Es zeichnen sich diese Luftröhren meist, wenn man sie bei einem lebenden Insekte unter Wasser untersucht, durch ihre silberglänzende oder milchweiße Farbe aus, welche sich verliert, sobald Wasser oder Weingeist in die Röhren eingedrungen sind und die Luft verdrängt haben. Der Bau dieser Luftröhren ist sehr einfach; die größeren Stämme sind aus zwei Häuten zusammengesetzt, zwischen denen ein horniger Faden spiralför- mig aufgewunden liegt. Den blasenförmigen Erweiterungen, welche an den Luftröhren vieler Insekten vorkommen, fehlen die Spiralfäden und ebenso verschwinden sie nach und nach in den feineren Aesten und Zweigen der Röhren, wo zuletzt nur noch eine einfache, strukturlose Fig. 632. Fig. 633. Fig. 634. Anatomie der Schmeißfliege ( Musca vomatoria ). Fig. 632. Die Fliege ist vom Rücken her geöffnet und die Decken von Kopf, Brust und Hinterleib so weit weggenommen, daß man die Eingeweide in ihrer natürlichen Lage sieht. Die Luftgefäße, sowie das Rückengefäß sind besonders schwarz gehalten. a Die Fühler mit ihrer Borste. b Die Augen. c Erstes Fußpaar. d Deckschuppe des Schwingkolbens e; f zweites; g drittes Fußpaar. h Spitze des Hinterleibs. i Tracheenblasen im Kopfe. k Die großen Tracheenblasen des Hinterleibs. l Tracheenstämme, die mit dem ersten Luftloche der Brust in Verbindung stehen. m Tracheenstämme des zweiten Bruststigma’s. n Das Rückengefäß. o Hirnknoten. p Magen mit den geschlängelten Speicheldrüsen. zu beiden Seiten. q Darm mit den Gallengefäßen daneben. r Eierstöcke. Fig. 633. Das Nervensystem isolirt. a Hirnknoten. b Knoten unter dem Schlunde. c Vorderbrustknoten. d Hinterbrustknoten. e Hinterleibsknoten. Fig. 634. Die Verdauungsorgane isolirt. a Schlund. b Kropf. c Magen. d Saugmagen. e Darm. f Gallengefäß der einen Seite. g Mast- darm. h After. Membran übrigbleibt. Bei vielen Insekten verästeln sich die Luftröhren mit stets dünner werdenden Zweigen allmählig, indem sie zahlreiche Verbindungen unter einander eingehen. Bei anderen dagegen erwei- tern sie sich oft zu vielfachen Luftblasen, die namentlich bei den durch raschen und kräftigen Flug ausgezeichneten Thieren oft eine ungemeine Größe erreichen, und manchmal einen großen Theil des Hinterleibes ausfüllen. In der Anordnung der Stämme kann man zwei wesent- liche Modificationen unterscheiden. Gewöhnlich laufen zu beiden Sei- ten des Bauchmarkes zwei große, weite Stämme hin, in welche die von den Stigmen herkommenden queren Luftstämme einmünden und von welchen aus die Luftröhren an die verschiedenen Organe des Körpers strahlen; — bei der anderen, weniger häufig vorkommenden Form verästeln sich die aus dem Stigma hervortretenden Luftröhren unmittelbar an die Körperorgane, jedoch nicht ohne seitliche Verbin- dungsstämme zu einander zu schicken. Die Rollen von Blut und Luft verhalten sich demnach bei den Insekten durchaus anders, wie bei den luftathmenden Wirbelthieren. Hier vertheilt sich das Blut durch Gefäße an alle Organe des Körpers; die Luft tritt in einem beson- deren, beschränkten Organe hinzu, und wird durch den Blutstrom in alle Theile des Körpers geführt. Bei den Insekten hingegen umspült das Blut frei alle Organe des Körpers, und die Luft wird mittelst eigener Gefäße durch die Blutflüssigkeit hindurch zu den Organen geführt. Mit Ausnahme der Blattläuse, bei welchen während des Som- mers eine geschlechtslose Zeugung durch eigene Ammenindividuen vor- kommt, die ohne vorgängige Befruchtung lebendige Junge gebären, gibt es bei den Insekten nur Männchen und Weibchen , die zur Erzeugung von Nachkommenschaft sich begatten müssen. Bei einigen in Gesellschaften lebenden Insekten kommen freilich sogenannte Ge- schlechtslose vor, die aber stets nur verkümmerte Weibchen sind, deren Eierstöcke und Begattungswerkzeuge auf derjenigen Stufe der Entwicklung stehen geblieben sind, welche sie in dem Larvenzustande hatten. Bei den weiblichen Insekten finden sich stets zwei aus Röh- ren zusammengesetzte Eierstöcke , die mittelst kurzer Eileiter in die Scheide einmünden. Die Eierstocksröhren zeigen äußerst mannigfal- tige Verhältnisse hinsichtlich ihrer Länge, Zahl und Gruppirung, und die Eier bilden sich bei den meisten Insekten in sehr eigenthümlicher Weise. Die Keimbläschen sind zuerst vorhanden und umgeben sich dann mit Dottermasse, so daß man deutlich die Keimbläschen mit ihren Dotterhöfen unterscheidet. Zwischen diesen Dotterhöfen entstehen nun große Zellen, die sich stets mit dem darunterliegenden Ei verei- nigen, über welche Vereinigung dann die äußere Eihaut nach und nach herumwächst. Nur bei den Geradflüglern und den meisten Kä- fern bilden sich die Eier in der gewöhnlichen Weise, indem sich die Dotterhaut allmählig im Umfange des Dotters consolidirt. An der Scheide befinden sich meistens eigenthümliche Anhänge, gewöhnlich in Form birnförmiger Beutel, von welchen der eine, die Begattungs- tasche , bei diesem Akte die männliche Ruthe aufnimmt, während der andere meist höher gelegene Behälter die Samenthierchen beherbergt, die nach der Befruchtung in diese Samentasche hinüberwandern, in welcher sie sich Monate lang lebend erhalten. Besonders bei den- jenigen Insektenweibchen, die nach der Begattung überwintern und erst im Frühjahre Eier legen, ist diese Samentasche, die nur selten fehlt, häufig in Gestalt großer doppelter Spiralröhren entwickelt. Die Sa- menthierchen erhalten sich in diesen Taschen Monate lang frisch und lebendig, so daß durch eine einmalige Begattung das Weibchen fähig wird, während seines ganzen Lebens befruchtete Eier zu legen. Außer diesen beiden Taschen finden sich meist unmittelbar vor der Geschlechts- öffnung in mannigfacher Weise ausgebildete Drüsen, welche offenbar die Stoffe absondern, aus denen die äußeren Eischalen aufgebaut wer- den, und die man deßhalb mit dem Namen der Kittorgane be- zeichnet hat. Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus zwei röh- rigen oder traubigen Hoden, deren Formen außerordentlich mannig- faltig sind, und die zuletzt in zwei, oft vielfach gewundene Samen- gänge einmünden, die zuweilen mit seitlichen Samenblasen besetzt sind. An der Stelle wo beide Samenleiter zu einem einzigen Samengange zusammenmünden, senken sich meistens zwei Drüsenschläuche ein, deren Absonderung offenbar dazu dient, die Menge der Samenflüssigkeit zu vergrößern. Diese besteht wesentlich aus haarförmigen Samenthier- chen, die im Wasser sogleich erstarren und sich oft in höchst eigen- thümlicher Weise innerhalb der Samenleiter in Fäden, Federn oder Bündeln gruppiren. Bei einigen Insekten werden diese Samenthier- gruppen noch besonders von starren Schläuchen eingeschlossen, welche vielleicht eine ähnliche Rolle spielen, wie die früher erwähnten Sa- menmaschinen mancher niederen Thiere. Die Begattung ist bei einer großen Zahl von Insekten der einzige Zweck ihrer Existenz im vollkommenen Zustande. Viele Arten nehmen durch- aus keine Nahrung während dieses Abschnittes ihres Lebens zu sich; — bei den meisten stirbt das Männchen unmittelbar oder kurze Zeit nach der Begattung, und das Weibchen, nachdem es die Eier gelegt hat. Die Be- gattungswerkzeuge selbst aber sind von sehr verwickelter Gestalt. Meist ist der Eingang der Scheide durch Hornleisten von eigenthümlicher Gestalt, deren Form bei jeder Art eine andere ist, klappenartig besetzt, und sehr oft gesellen sich bei den Weibchen zu diesen Klappen noch beson- dere Hornstücke, die bald eine gerade, bald eine säbelförmig gekrümmte Legescheide darstellen, durch welche die Eier tief in die Erde hin- ein gesenkt werden können. Bei vielen Weibchen sind die verschiede- nen Hornstücke, welche durch ihr klappenartiges Zusammenlegen dieser Legescheide bilden, zum Anfeilen der Blätter oder zum Bohren von Löchern gezähnelt, so daß sie eine wahre Legesäge bilden; bei ande- ren sind die Stücke fein zugespitzt, so daß sie damit verwunden und bei der Verwundung ein Ei durch den Legestachel in das Loch glei- ten lassen können; noch bei anderen endlich hat dieser Apparat nur seine verwundende Eigenschaft beibehalten und ist ein wahrer Gift- stachel geworden, der mit einer besonderen Drüse in Verbindung steht. Bei den männlichen Insekten ist die meist röhrenförmige Ruthe oft von sehr sonderbaren Leisten, Klappen und Zangen umstellt, deren eigenthümliche Vorsprünge denjenigen der harten Theile an den weib- lichen Geschlechtsorganen genau entsprechen und auf diese Weise ge- wissermaßen die Bürgschaft für die unveränderte Erhaltung der Art bilden. Wir gehen bei den einzelnen Ordnungen genauer auf diese Organe ein. Die Geschlechtsverschiedenheiten sind bei den Insekten außerordentlich groß, und nur selten wird man beide Geschlechter voll- kommen übereinstimmend finden. Die Männchen sind fast immer be- deutend kleiner als die Weibchen, und häufig geflügelt, während die Weibchen flügellos sind. In anderen Fällen ist die Zahl der Ringel an den Fühlern oder dem Hinterleibe verschieden. Verschiedene Kör- pertheile haben oft bei den Männchen eigenthümliche Auswüchse, Hör- ner und Dornen, von denen bei den Weibchen keine Spur zu sehen ist. Hier sind bei den Männchen die Kiefer ungeheuer entwickelt, dort die Fühlhörner durchaus anders gestaltet; bei diesen die Füße mit beson- deren Haftorganen versehen, oder mit Spitzen und Dornen besetzt, die den Weibchen gänzlich abgehen. Die Farben sind bei den Männ- chen meist weit lebhafter und oft so verschieden vertheilt, daß man aus den verschiedenen Geschlechtern sehr häufig verschiedene Arten machte, bis die Beobachtung der Begattung das Richtige kennen lehrte. Die Sorge für die Eier und die Nachkommenschaft ist stets den Weib- chen allein überlassen und hier entwickeln die meisten derselben eine Sorgsamkeit, welche oft über die Grenzen des Instinktes hinausgeht. Viele Arten freilich legen die Eier nur einfach dahin, wo sie vor Fein- den soviel als möglich geschützt sind und wo die auskriechenden Lar- ven ihren Lebensunterhalt finden können; andere aber bauen für die zukünftige Larve oft mit großer Anstrengung besondere Zufluchtsorte, und tragen dort den Proviant zu, dessen das junge Thier während der Larvenzeit bedarf. Die Arten, deren Larven schmarotzend im Inneren anderer Thiere wohnen, wissen oft mit ungemeiner Schlauig- keit und Umsicht die vielfachen Gefahren zu vermeiden, welche ihnen von den durch sie bedrohten Thieren bereitet werden. Bei den höchsten Stufen finden wir eine mütterliche Sorgfalt, welche von keiner andern Klasse übertroffen wird, indem die jungen Larven und Puppen in gemeinschaftlichen Wohnungen erhalten, gefüttert und gepflegt, und mit äußerster Hingebung gegen ihre Feinde vertheidigt werden. Diese Sorgfalt geht selbst so weit, daß einzelne Arten den jungen Larven bei Verfertigung ihrer Puppen helfen und zur rechten Zeit wieder diese Puppen öffnen, um dem ausgebildeten Insekte seine Freiheit zu verschaffen. Die Eier der Insekten haben sehr verschiedene Formen und Far- ben; doch findet man meistens die Eiform oder Cylinderform vorwie- gend. Zuweilen haben diese Eier eigenthümliche Fortsätze, Stiele oder Haken, welche meistens dazu dienen, sie an irgend einer Fläche festzu- halten, ihr weiteres Einsinken im Schlamme z. B. zu verhindern. Bei den in Haufen oder Gesellschaften lebenden Arten werden auch meist die Eier schon im Beginn zusammengelegt, und durch einen Kitt in bestimmter Art vereinigt. Oft sind mehrfache Hüllen vorhanden, die besonders bei den im Freien ausdauernden Eiern zuweilen eine bedeu- tende Härte zeigen und namentlich auch die Eier vor dem Einflusse des Frostes auf das Kräftigste zu schützen scheinen. In dem gelegten Eie zeigt sich stets nur ein körniger, mehr oder minder gefärbter Dotter; das Keimbläschen und der Keimfleck, welche bei den inner- halb der Eierröhren befindlichen unreifen Eiern so deutlich waren, sind in den reifen Eiern vollkommen verschwunden. Die Entwickelung der Eier geht nach dem bei den Glieder- thieren allgemein herrschenden Typus in der Art vor sich, daß auf dem durchaus homogenen Eie an einer bestimmten Stelle sich ein oberfläch- licher Furchungsproceß einleitet, aus welchem ein beschränkter Keim Fig. 635. 636 638. 637. Fig 639. 640. 641. 642. 643. Fig. 635—643. Entwickelung eines Käfers, der Donacia crassipes , im Eie. Fig. 635. Das eben gelegte Ei. Der fettreiche, undurchsichtige, auf schwarzem Grunde weiß erscheinende Dotter erfüllt das ganze Ei, das von einer zarten Dot- terhaut umgeben ist. Fig. 636. Das Ei, nach der Bildung der Keimschicht, die den ganzen Dotter umgiebt. Bei den folgenden Figuren geben stets zwei zusammenge- hörende die Ansicht desselben Eies und zwar Fig. 637, 639 und 641 von der Rück- seite, 638, 640 und 642 von der Seite, wobei die Rückenfläche dem Beschauer links, die Bauchfläche rechts steht. Fig 637 und 638. Die Embryonalanlage ist gebildet. Der Dotter hat, von der Seite gesehen, eine Flaschenform und bildet ein freies Querband über den Rücken. Fig. 639 und 640. Man sieht die Gliederung des Körpers und die Fußpaare, auf dem Dotter liegend. Fig. 641 und 642. Die Füße sind frei geworden, am Kopfe mehrere Wülste, Augen, Palpen, Kiefer, Lip- pen deutlich abgegränzt. Fig. 643. Ein reifes Ei von der Bauchseite. Der mit Stacheln besetzte Hinterleib ist umgeschlagen, der Kopf auf die Brust geneigt. a bezeichnet in allen Figuren den Kopf; 1, 2 und 3 die drei Fußpaare. hervorgeht, der Anfangs eine rundliche Scheibe darstellt, später aber eine mehr und mehr längliche Form annimmt. An dieser Keimschicht, die stets mehr und mehr um den Dotter herumwächst und durch ihre Durchsichtigkeit von dem gefärbten Dotter sehr absticht, lassen sich bald Einkerbungen entdecken, die den einzelnen Ringen der Körperabthei- lungen entsprechen. Die Keimschicht wächst immer weiter um den Dot- ter herum, und während die Ringel sich deutlicher abscheiden, sieht man in der Mittellinie eine Anhäufung festerer Substanz, welche dem Bauchmarke entspricht. Zugleich heben sich nun die Beine, die Fühl- hörner, die Augen und die Mundwerkzeuge auf der unteren Fläche der Embryonalscheibe deutlicher hervor; und man kann sich nun über- zeugen, daß der Dotter der Rückenfläche des werdenden Insektes ent- spricht, und daß die Embryonalscheibe von unten nach oben wachsend den Dotter allmählig umschließt. Der Embryo ist deßhalb Anfangs, wo die Dottermasse noch überwiegt, rücklings um dieselbe herumge- bogen. Die den Dotter unmittelbar umschließende Schicht des Em- bryonaltheiles bildet sich nun zum Darmkanale aus, in der Weise, daß der ganze Dotter von diesem Darmkanale umschlossen wird und niemals ein eigener Dottersack existirt. Der Dotter zehrt sich nun rasch auf, während der Embryo sich mehr und mehr ausbildet und nach und nach statt der auf den Rücken gebogenen Lage gerade die entgegengesetzte Krümmung einnimmt. Die Füße und Kauwerkzeuge, sowie die Fühler, welche anfänglich warzenförmigen Fortsätzen glichen, gliedern sich nach und nach durch Einschnürungen und schlagen sich so ein, daß sie an der gekrümmten Bauchfläche hart neben einander liegen. Das Rückengefäß entsteht erst sehr spät an der Stelle, wo sich die Embryonalschicht über dem Dotter geschlossen hat. Das junge Thier verläßt das Ei gewöhnlich mit dem Augenblicke, wo die sämmt- liche Dottermasse aufgezehrt ist. Nur bei wenigen Insekten zeigt das aus dem Eie geschlüpfte We- sen schon bis auf wenige Verschiedenheiten Form und Verhältnisse des ausgewachsenen Thieres; in diesem Falle sind aber dann auch die Unter- schiede nicht größer, als diejenigen, welche man zwischen einem neugebornen Kinde und Erwachsenen findet. Das Insekt wächst nun bis zu der ihm be- stimmten Größe aus, indem es sich von Zeit zu Zeit häutet und mit jeder Häutung eine dem vollendeten Zustand mehr genäherte Form annimmt. Jede dieser Häutungen ist eine Art kritischer Periode für das Thier, das vorher sich sichtlich unwohl fühlt, und nach überstandener Häutung mit verdoppeltem Appetite frißt. Gewöhnlich springt die alte Körper- haut nach wiederholten Anstrengungen des Thieres in der Nähe des Nackens, und das Thier, dessen neue Haut noch weich ist, zieht sich allmälig aus dieser Spalte hervor und läßt die alte leere Haut zu- rück, an der man oft auch die innere Auskleidung des Anfangs der Luft- röhrenstämme, sowie des Schlundes und des Mastdarmes hängen sieht. Nach der letzten Häutung pflanzt sich das Thier fort und stirbt gewöhnlich kurze Zeit nachdem es den Fortbestand der Art gesichert hat. Die Insekten, welche diesen Umlauf des Lebens zeigen, stehen auf der untersten Stufe in dieser großen Klasse, und werden Insekten ohne Verwandlung ( Ametabola ) genannt. Eine zweite große Gruppe von Insekten, welche die Ordnungen Vogt, Zoologische Briefe I. 35 Fig. 644. Fig. 645. Fig. 644. Halbnymphe. Fig. 645. Bild einer Wasserjungfer ( Agrion ). Man sieht bei ersterer die unvollständigen Flügelscheiden. der Halbflügler und der Geradflügler umfaßt, zeigt schon eine größere Verschiedenheit zwischen den Zuständen des aus dem Eie kriechenden Thie- res und des vollkomme- nen Insektes. Indessen bezieht sich diese Ver- schiedenheit nicht so sehr auf die allgemeine Form des Körpers, die etwa nur in denselben Grän- zen abweicht, wie bei der vorigen Gruppe, als vielmehr namentlich auf die Ausbildung der Flügel und der übrigen gegliederten Anhänge des Körpers. Die aus dem Eie kriechenden Thiere haben keine Spur von Flügeln, und zeigen oft weniger Ringe an den Fühlern, andere Formen der Füße und ähnliche solche Verschiedenheiten. Man hat diese unvollkommenen Thiere auch Halblarven genannt. Bei den Fig. 646. Fig. 647. Fig. 646. Halblarve. Fig. 647. Bild einer Florfliege ( Perla ). Häutungen zeigen sich nach und nach Flügel- scheiden, die unbeweglich sind, anwachsen, und aus denen endlich bei der letz- ten Häutung das Thier die ausgebildeten Flügel hervorzieht. Die mit Flügelscheiden versehene Entwickelungsstufe hat man auch die Puppen genannt. Das Thier frißt zu jeder Zeit seines Lebens und bewegt sich sowohl als Halblarve wie als Puppe mit derselben Leichtigkeit, wie als vollkommenes Insekt. Man nennt diese Gruppe Insekten mit unvollkommener Ver- wandlung ( Hemimetabola ). Bei der dritten, größten Gruppe hält es fast unmöglich, in dem Wesen, welches das Ei verläßt, das vollkommene Insekt wieder zu erkennen. Man unterscheidet bei diesen Thieren drei verschiedene, scharf abgegränzte Zustände, als Larve ( larva ), Puppe ( pupa ) und vollendetes Insekt oder Bild ( imago ). Während der Larvenzeit Fig. 648. Fig. 649. Fig. 650. Fig. 648, 649 und 650. Larve, Puppe und Bild eines Tagschmetterlings ( Nymphalis Jasius ). beschäftigt sich das Thier einzig mit der Ernährung; es frißt und wächst, indem es sich meistens mehrmals häutet; als Puppe verharrt es in meist regungslosem Zustande, ohne Nahrung zu sich zu nehmen; als vollkommenes Insekt pflanzt es sich fort und stirbt, nachdem es für seine Nachkommenschaft gesorgt hat. Die Larven haben meistens die Gestalt eines rundlichen Wur- mes mit mehr oder minder deutlichen Abtheilungen; viele sind durchaus fußlos, andere besitzen nur sechs kurze Füße, welche denen des vollkommenen Insekts entsprechen, noch andere (sogenannte Rau- pen) haben außer diesen noch falsche Füße, die an den übrigen Kör- persegmenten stehen und bei der Puppe vollkommen verschwinden. Die Körpersubstanz der Larven ist gewöhnlich weich, verhältnißmäßig viel weicher, als diejenige des vollkommenen Insektes, und die Haut oft mit den mannigfaltigsten Anhängen und Auswüchsen versehen. Viele sind durchaus glatt, andere sind mit Haaren, Stacheln oder 35* Fig. 652. 654. 657. Fig. 651. 653. 655. 656. 658. Fig. 651 — 658. Verschiedene Käferlarven, meist von der Rückenseite gesehen. Fig. 651. Von Cicindela campestris, besonders ausgezeichnet durch die großen, gezähnelten Kinnbacken, die drei Punktaugen, welche an den Seiten des Kopfes an der Stelle der zusammengesetzten Augen stehen und den achten Leibring, der breiter und höher als die übrigen und mit zwei Hornhaken auf dem Rücken bewaffnet ist. Fig. 652. Dieselbe Larve von der Seite. Fig. 653. Larve von Cassida equestris . Fig. 654. Von Buprestis manca, fußlos. Fig. 655. Fußlose Larve von Scolytes destructor (Borkenkäfer). Fig. 656. Kurzfüßige Larve von Tenebris molitor (Mehlwurm). Fig. 657. Langfüßige Larve von Staphylinus olens . Fig. 658. Mit Schwimmfüßen und hinteren Athemröhren versehene Larve von Dytiscus marginalis . Fig. 659. Fig. 660. Fig. 659 u. 660. Mit falschen Füßen versehene Larven verschiedener Schmetterlinge (Raupen). Hörnern besetzt, manche haben seitliche Anhänge, die beweglich sind und entweder zum Gehen, oder zum Schwimmen dienen; im letzteren Falle sind es meist Borsten- büschel, welche die Ober- fläche der Bewegungs- organe vermehren. Der Kopf der Larven ist zuweilen, namentlich bei den Zweiflüglern ebenso weich und der Ausdeh- nung fähig, wie die übrigen Körperringe, besitzt hingegen bei den übrigen eine hornige Beschaffenheit, und trägt bei allen die Mund- werkzeuge , die indessen oft verkümmert erscheinen. Im Allgemeinen sind Kauwerkzeuge die Regel, Saugwerkzeuge die große Ausnahme bei den Larven; denn nicht nur die Larven aller kauenden Insekten dieser Gruppe, sondern auch diejenigen der Schmetterlinge und der meisten Zweiflügler, die als Bilder saugen, kauen während ihres Larvenzu- standes; nur bei einigen kopflosen Fliegenlarven und bei einigen Haut- flüglern, die im Larvenzustande schmarotzen, zeigt sich eine von weichen Wärzchen umgebene Mundöffnung, die hauptsächlich nur zum Schlür- fen von Flüssigkeit geeignet erscheint. Von den früher beschriebenen Mundwerkzeugen kommen die Kiefer fast durchgängig in ähnlicher Gestalt vor, wie bei dem vollkommenen Insekte, und namentlich un- terscheidet man sehr leicht die Kiefer der pflanzenfressenden Larven durch ihre breite Gestalt und ihre inneren Zähnelungen von den scharfen Hakenkiefern der Fleischfresser. Bei einigen Larven, die zu der letzten Gruppe gehören, sind die Kiefer bis zu ihrer Spitze durchbohrt und keine eigentliche Mundöffnung vorhanden. Die Larven schlagen die hakenförmigen Kiefer in den Leib ihrer Opfer und saugen dann durch die Kieferkanäle die Körperflüssigkeit derselben ein. Die Oberlippe fehlt öfter, hat aber sonst die Form, die sie bei dem vollendeten In- sekte zeigt. Die Kinnladen sind gewöhnlich vorhanden, meist aber nur kegelförmig und ohne Lappen; die Unterlippe ist besonders bei denje- nigen Larven ausgebildet, welche sich eine Puppenhülse spinnen, da sie in den meisten Fällen die Oeffnung der Spinndrüsen trägt. Die Taster sowohl der Kinnladen, als der Lippe sind gewöhnlich nur sehr klein, kegelförmig und zweigliedrig. Die Fühler scheinen weit häufiger zu fehlen und stehen gewöhnlich dem Munde weit näher, als bei dem ausgebildeten Insekte; sie haben meist nur wenige Glieder und in allen Fällen weniger als bei dem Bilde, und können bei vielen Larven will- kürlich aus- und eingezogen werden, was keinem ausgebildeten Insekte möglich ist. Keine Larve besitzt zusammengesetzte Augen ; viele sind gänzlich blind und die meisten haben nur wenige einfache Augen, welche gehäuft zu beiden Seiten des Kopfes stehen, und aus denen sich später die zusammengesetzten Augen des Bildes entwickeln. Fast alle Larven, besonders aber die Pflanzenfressenden, besitzen einen sehr großen und weiten Darmkanal , welcher fast die ganze Fig. 661. Längenburchschnitt der Raupe des Rheinweidenschwärmers ( Sphinx ligustri ), um die Organe in ihrer Lagerung zu zeigen. a Hirnkno t en. b Schlundring. c Unterschlundknoten. d Bauchmark. h Mundöffnung. k Chylusmagen. l Harngefäße. m Krummdarm. n After. o p q Hornfüße. vf Falsche Füße. t Erster Brustring. u Horn. s Rücken- gefäß. Fig. 662. Längendurchschnitt des Schmetterlings ( Sphinx ligustri ) zur Vergleichung. a Hirnknoten. b Brustknoten. d Bauchmark. e Rüssel. f Schlund. g Chylusmagen, über dem der Saugmagen liegt. h Krummdarm. i Mast- darm. k Rückengefäß. l After. mno Füße. p Hoden und Samengang. q Fühler. Höhle des Körpers ausfüllt. Der Chylusmagen ist davon der größte, der Krummdarm der unbedeutendste Theil. Bei den Fleischfressern ist der Darmkanal im Ganzen demjenigen der erwachsenen Insekten ähn- lich, und wird es noch mehr während des Puppenlebens, wo er sich allmählig der bei dem Bilde vorkommenden Form annähert. Die Speicheldrüsen und Harngefäße sind bei den Larven meistens in der- selben Weise, wie bei den Bildern angeordnet; außerdem aber zeichnen sich die Larven, welche sich eine Puppenhülse spinnen, oder sich nur mit einigen Fäden befestigen, durch eigenthümliche Spinndrüsen aus, welche aus zwei langen gewundenen Schläuchen bestehen, die durch ein feines Löchlein in der Unterlippe ausmünden, und besonders gegen das Ende des Larvenlebens in bedeutendem Grade entwickelt sind. Der klebrige Stoff, welchen diese Drüsen absondern, erhärtet an der Luft sogleich zu einem feinen Seidenfaden, den die Larve durch Drehungen und Wendungen des Kopfes so zu verweben weiß, daß das Gewebe die Puppe mehr oder minder einhüllt. Jedes Larven- gespinnste besteht demnach nur aus einem einzigen Seidenfaden, der abgesponnen werden kann, aber zu industriellen Zwecken viel zu fein ist. Außer diesen beiden Hauptorganen der Larven, dem Darmkanale und den Spinndrüsen, findet man noch das Rückengefäß meist in höherem Grade entwickelt, als bei dem Bilde, und das langge- streckte Bauchmark aus einzelnen distanzirten Knoten von fast gleicher Größe zusammengesetzt. Die Geschlechtsorgane sind in höchst rudimentärem Zustande vorhanden, und bestehen hauptsächlich nur aus den inneren, keimbereitenden Organen, die noch außerordentlich klein und schwer aufzufinden sind. Die meiste Verschiedenheit von dem Bilde zeigen die Athemorgane vieler Larven, welche im Wasser leben. Die an freier Luft lebenden Larven haben stets Stigmen und einfach verzweigte Luftröhren ohne blasenförmige Erweiterungen; — zuweilen sind die Stigmen unter Falten verdeckt, in anderen Fällen mit einer siebartig durchlöcherten Hornplatte verschlossen; — bei vielen Fig. 663. Larve einer Schnacke ( Culex ). t Die Athemröhre. Fig. 664. Larve einer Eintagsfliege ( Ephemera ) mit seitlichen Tracheen- kiemen, die zugleich als Ruder dienen. im Wasser oder im Schlamme lebenden Larven ist der Hinterleib zu einer Athemröhre ausgezogen, welche von den Larven an die Oberfläche des Wassers ge- bracht wird, so daß sie von dort her unmittelbar Luft schöpfen. In dem Puppenzustande werden diese am Hinterleibe angebrachten Athemröhren meist in die Nackengegend versetzt. Die mit solchen Athemröhren versehenen Larven und Puppen müssen begreiflicher Weise die Oeffnungen derselben stets an die Ober- fläche bringen, um Luft schöpfen zu können, während dieß bei den Larven nicht nöthig ist, welche soge- nannte Tracheenkiemen besitzen. Es sind diese Organe zarte Hautfortsätze in Form von Büschel- haaren, Federn oder Blättchen, welche zu beiden Seiten des Leibes stehen, und in denen unter der zarten Hautbedeckung sich sehr dünne, geschlossene Luftröhren vielfach verzweigen. Bei anderen Larven ist sogar die ganze, dünne Hautoberfläche gleichsam der Repräsentant dieser Kiementracheen, während be- sondere Anhänge dieser Art fehlen. Offenbar geht die Athmung mittelst dieser nach Außen geschlossenen Luftröhren in der Weise vor sich, daß die Luft durch die dünnen Hautüberzüge hindurch aus dem Wasser abgeschieden wird und nun in den Luftröhren cirkulirt. Bei einigen Larven sind diese Tracheenkiemen sogar in dem wei- ten Mastdarme versteckt, der durch besondere Klappen befähigt ist, ab- wechselnd Wasser einzunehmen und wieder von sich zu geben. Gegen das Ende des Larvenlebens, das bei vielen Arten nur wenige Tage oder Wochen, bei anderen aber viele Jahre dauert, wie denn namentlich die im Holz und in der Erde lebenden Larven viel länger leben, als diejenigen, die sich in faulenden Stoffen aufhal- ten; — gegen das Ende des Larvenlebens, sage ich, bereitet die Larve ihre Umwandelung zur Puppe vor. Sie frißt nicht mehr, entleert den Darmkanal und sucht die zur Verpuppung geeignete Stelle auf. Die Einen spinnen sich eine Hülle, die Andern bohren einfach Löcher in die Erde, oder verbergen sich in Mulm und unter faulenden Stoffen; viele bleiben noch eine Zeit lang in ihrer Hülle, die sie als Larve besaßen, bei anderen springt die Larvenhaut unmittelbar auf, und die härtere Puppe tritt hervor. Vielen Puppen dient die eigene starre Larvenhaut als Hülle. Die Form der Puppe selbst ist sehr verschieden, und ebenso ihre Beziehung zu dem künftigen Insekte. Bei den meisten Zweiflüglern findet man die sogenannten Tönnchen- puppen mit harter Bedeckung in Form eines Fasses oder eines Schiffchens, und ohne die mindeste Beziehung zu der Gestalt des Bil- des. Der Körper des Insektes, welcher sich in dieser Tonne ausbildet, erscheint meist ungemein zusammengepreßt, so daß die ausgekrochene Fliege kaum zur kleinen Puppe zu gehören scheint und sichtlich nach dem Ausschlüpfen durch Einpumpen von Luft anschwillt. Bei anderen erscheint die Puppe hart, eckig, aus hornigen Ringeln zusammenge- setzt, gewöhnlich mit undeutlicher Sichtbarkeit der Füße und Flügel. Bei den am höchsten stehenden Insekten endlich sieht man unter der zärteren Puppenhaut alle Theile des Bildes vollkommen ausgeprägt, so daß das Ausschlüpfen des vollkommenen Insektes gleichsam nur eine Entfaltung der in der Puppe zusammengelegten Organe darstellt. Während des Puppenlebens, dessen Dauer verschieden ist, aber doch wohl selten die eines Jahres übersteigt, bilden sich auf Kosten des Fettkörpers der Larven insbesondere die Geschlechtstheile aus, so daß die meisten Bilder fast unmittelbar nach ihrem Ausschlüpfen befruch- tungsfähig sind. Die früher gestreckte Ganglienkette des Bauchmarkes verkürzt sich bei denjenigen Gattungen, welche verschmolzene Knoten besitzen, und der Darmkanal, sowie die Mundwerkzeuge bilden sich aus der Larvenform zu derjenigen des Bildes um. Dieses erscheint endlich, indem es die Puppenhülse sprengt, in seiner definitiven Ge- stalt, anfangs mit weichen, verkrumpelten Flügeln, welche durch Ein- tritt von Blut und Luft sich strecken und erhärten. Die geistigen Eigenschaften , welche die vollkommenen In- sekten nun zeigen, sind von Beobachtern wie von Philosophen äußerst verschieden gedeutet worden. Während die Einen alle Handlungen nur als nothwendige Ausflüsse des Instinktes, d. h. eines durch die Structur des Körpers bedingten Naturgesetzes betrachten und darin einen Unterschied vom Menschen finden wollten, dem sie freie Ueber- legung zuschreiben, so behaupteten die Andern, daß man hier Eigen- schaften und Handlungen finde, welche die Insekten wenigstens dem Menschen gleichstellten, wenn nicht gar sie über ihn erhöben. Letztere Behauptung ist entschieden unrichtig, die erstere aber nicht minder falsch, wenn man von der Ansicht ausgeht, daß dem Menschen noch andere geistige Eigenschaften zukämen, als diejenige, welche ein Aus- fluß der Structur seines Körpers und namentlich seines Nervensyste- mes sind. Wer eine Grenzlinie ziehen will zwischen Instinkt und Verstand, oder Verstand und Vernunft, giebt dadurch allein schon das beste Zeugniß ab, daß er niemals mit prüfendem Blicke das Leben und Treiben der Thiere und namentlich der Insekten beobachtet habe. Von der geringsten geistigen Aeußerung in dem niedersten Thiere an, bis zu der hohen Ausbildung des Menschen findet man die verschie- densten gradweisen Abstufungen; und zwar zeigt jeder größere Kreis des Thierreiches eine eben solche stufenweise Fortbildung in seinen Geistesfähigkeiten, wie wir dies auch in dem Körperbau beobachten. So stehen die ausgebildetsten Weichthiere oder Ringelwürmer in geisti- ger Hinsicht weit über den niedrigeren Insekten, während die höheren Typen dieser Klasse den bedeutendsten Vorsprung vor jenen Weich- thieren und Würmern erreichen, und ebenso die niedrigen Anfänge der höher ausgebildeten Wirbelthiere überragen, wie diese wieder in ihrer Endkrone, dem Menschen, ihnen vorangehen. Wenn auch deß- halb die niederen Fische z. B. einem entwickelungsfähigeren Typus angehören, dem der Wirbelthiere, der als letztes Glied den Menschen erzeugt, so kann doch kein Zweifel darüber sein, daß die Endspitzen eines weniger entwickelungsfähigen Typus der Gliederthiere, die In- sekten, weit alle niederen Wirbelthiere überragen und geistige Fähig- keiten und daraus entfließende Handlungen zeigen, die sie in geistiger Beziehung dem Menschen in bedeutende Nähe bringen. Es genügt, um diesen Satz zu beweisen, unzweideutige Beobachtungen hinzustellen, welche für die Insekten unzweifelhaft eine vollkommen freie Ueberlegung darthun, in ähnlicher Weise, wie man sie dem Menschen selbst zutrauen könnte. Wir schließen hier alle jene Handlungen aus, welche sich in typischer Regelmäßigkeit bei allen Insekten derselben Art wiederholen, mögen sie auch noch so wunderbar sein und aus einer Reihe von Operationen bestehen, in denen man eine Kette von Urtheilsschlüssen und daraus abgeleiteten Handlungen erkennen sollte. Wir wollen selbst des Umstandes nicht erwähnen, daß die höher stehenden Insekten un- zweifelhaft eine Sprache besitzen, mag diese nun in Zeichen oder Tö- nen bestehen, und daß sie einander gegenseitige Mittheilungen machen können über Dinge, welche sie interessiren. Die Ballenbiene ( Halictus ), welche eine Goldwespe ( Chrysis ) erblickt, die neben ihrem Neste lauert, um ein Ei hineinzulegen, ruft durch ängstliches Summen so viele ihrer Genossen herbei, bis sie sich stark genug glaubt, um auf den Feind ihrer Nachkommenschaft einstürzen zu können. Der Todtengräber ( Necrophorus ), welcher die Leiche eines Thieres findet, die ihm zu groß ist, um sie allein einscharren zu können, der Mistkäfer ( Geotrupes ), dessen Kothballen in eine Vertiefung gefallen ist, aus welcher er ihn mit aller Anstrengung nicht weiter rollen kann, fliegen fort und keh- ren nach einiger Zeit zurück, von Genossen gefolgt, welche ihnen die Arbeit vollbringen helfen. Die Ameisen wissen sich ohne Zweifel Pläne und Wege nach Futterstoffen oder den Ort mitzutheilen, an den sie sich begeben müssen, um eine drohende Gefahr abzuwehren. Ich theile hier noch zwei Beobachtungen mit, welche, wie mir scheint, jede andere Erklärung, als die einer wohlberechneten Ueberlegung, von vorn herein abweisen. Eine Goldwespe ( Hedychrum regium ) legt ihre Eier in die Nester der gewöhnlichen Mauerbiene ( Osmia muraria ), die oft in bedeutender Höhe an alten Mauern angebracht sind und von der Erbauerin mit Honig und Blumenstaub verproviantirt werden. Diese Nahrung, welche die Mauerbiene für ihre Larve sammelt, wird von den schma- rotzenden Larven der Goldwespen vorweg verzehrt, wenn es diesen gelingt, ihre Eier in das Nest hineinzubringen. Eine Goldwespe hatte das Nest einer solchen Mauerbiene ausgekundschaftet und war eben im Begriffe, rückwärts gehend, ihren Hinterleib in die Zellenöff- nung zu stecken, und ein Ei hineinzulegen, als die Mauerbiene mit einer Ladung Blumenstanb ankam, sich mit eigenthümlichem Summen auf den Feind warf und ihn mit ihren scharfen Kiefern packte. Die Goldwespe kugelte sich nach der Weise dieser Thiere augenblicklich zu- sammen. Die Mauerbiene versuchte vergebens, sie durch den harten Panzer hindurch zu verwunden und als ihre Anstrengungen in dieser Beziehung fruchtlos blieben, biß sie endlich der Goldwespe die vier Flügel an der Wurzel ab, und ließ sie dann zur Erde fallen, worauf sie mit sichtlicher Aengstlichkeit ihr Nest untersuchte und als sie kein Ei darin fand, auf’s Neue zum Einsammeln wegflog. Die Mauerbiene mußte ohne Zweifel der Ueberzeugung sein, daß sie der Goldwespe die Möglichkeit benommen habe, ohne Flügel auf’s Neue an ihr Nest zu gelangen. Allein diese Berechnung war irrig. Die an der Erde liegende Goldwespe entrollte sich, sobald die Mauerbiene ihr Nest ver- lassen hatte, kroch in gerader Linie zu dem Neste hinauf und legte ihr Ei in dasselbe. Einer meiner Freunde machte folgende Beobachtung. Die Amei- sen fraßen ihm die Früchte eines Kirschbaumes weg. Um sie ab- zuhalten, beschmierte er den Stamm ringsum in der Breite eines Zolles mit dickem Tabaksschmante, den er zu diesem Behufe gesammelt hatte. Die Ameisen, welche in Schaaren den Baum hinaufzogen, kehrten an dem übelriechenden klebrigen Ringe um: die, welche von dem Baume zurückkehren wollten, wagten nicht den Ring zu überschreiten, sondern kletterten wieder hinauf und ließen sich von den Aesten zur Erde fal- len. Der Baum war bald von seinen Gästen befreit. Nach kurzer Zeit aber marschirten die Ameisen in Schaaren an dem Stamme hin- auf. Jede trug in ihren Kiefern ein Stückchen Erde, und mit äu- ßerster Vorsicht wurde ein Bällchen neben das andere auf den Tabaks- schmant gelegt und so nach und nach eine wahrhafte gepflasterte Straße hergestellt, welche die Thiere mit großer Emsigkeit befestigten und verbreiteten, bis ihr Durchmesser etwa einen halben Zoll betrug. Nun konnte ihre Colonne auf’s Neue mit Sicherheit den Baum hinauf- klettern, der auch in der That bald mit Näschern bevölkert war. Wo ist nun, dürfen wir wohl gegenüber solchen Beobachtungen fragen, die Gränze zwischen Instinkt und Verstand? Bei der ungeheueren Anzahl der Insekten und den so verschieden- artigen Modificationen ihrer Typen ist ihre Eintheilung eine schwierige Aufgabe. Man hat vielfach bald die Flügel, bald die Kauwerkzeuge, bald die Art der Verwandelung als erstes Hauptmoment der Einthei- lung angenommen. Für uns erscheint die zahlreiche Klasse aus drei Unterklassen zusammengesetzt, die wir in den Insekten ohne Verwand- lung, mit unvollkommener Verwandlung und mit vollkommener Ver- wandlung finden. Indem wir dann die Mundwerkzeuge, sowie die Beschaffenheit der Flügel in zweiter Linie betrachten, erhalten wir folgendes Schema: Unterklasse der Insekten ohne Verwandlung. ( Ametabola ) . Sie enthält nur eine Ordnung: Die Flügellosen ( Aptera ), deren Mundtheile gewöhnlich ver- kümmert und je nach den verschiedenen Familien bald mehr zum Kauen, bald mehr zum Saugen eingerichtet sind. Unterklasse der Insekten mit unvollkommener Ver- wandlung. ( Hemimetabola ) . Sie enthält zwei Ordnungen: Fig. 665. Pentatoma. Die Halbflügler ( Hemiptera ) mit vier oft ungleichen Flügeln und einem ge- gliederten Saugschnabel; und Fig. 666. Tetrix. Die Geradflügler ( Or- thoptera ) mit vier meist unglei- chen Flügeln und wohl ausge- bildeten kauenden Mundtheilen. Unterklasse der Insekten mit vollkommener Ver- wandlung. ( Holometabola ) . Sie enthält zwei Ordnungen mit saugenden Mundtheilen: Fig. 667. Schwebfliege ( Bombylus ). Die Zweiflügler ( Diptera ) mit zwei häutigen Flügeln, hinteren Schwingkölbchen und einem aus der Unterlippe gebildeten, niemals ge- gliederten Saugrüssel und Fig. 668. Erebus. Die Schmetterlinge ( Lepidoptera ) mit vier großen beschuppten Flügeln und einem Saugrüssel, der aus der Ver- wandlung der beiden Kinnla- den hervorgegangen ist. Die mit rein kauenden Mundtheilen ausgestatteten In- sekten dieser Unterklasse bilden drei Ordnungen: Fig. 669. Stylops. Die Kolbenflügler ( Strepsiptera ) mit verkümmerten Vorderflügeln und fächerförmigen Hinterflügeln, Fig. 670. Ameisenlöwe ( Myrmeleon ). die Netzflügler ( Neu- roptera ) mit vier gleicharti- gen, netzförmig gegitterten Flügeln und Fig. 671. Mormolyce. Die Käfer ( Coleoptera ) mit zwei hornigen Flügeldecken und zwei häutigen Hinterflügeln. Als letzte und höchste Ordnung endlich stehen die Hautflügler ( Hymenoptera ), welche vier häutige geaderte Flügel Fig. 672. Wespe. besitzen und bei denen zu entwickelten Kau- werkzeugen noch eine zu einem Schöpfrüssel verlängerte Zunge kommt, so daß sie kauende und saugende Mundtheile, beiderseitig vollendet, vereinigen. Versteinerte Insekten sind im Allgemeinen selten und meist nur in feinkörnigen Schichten anzutreffen, die entweder im süßen Wasser selbst sich ablagerten und die darin lebenden Larven und vollkommenen Thiere einschlossen, oder in stillen Meeresbuchten am Ufer sich bildeten und die dort hinein geschwemmten Thiere aufnahmen. Die ersten Spuren von Insekten und zwar von Käfern, Gradflüglern und Netzflüglern zeigen sich in der Steinkohle; im Jura und zwar namentlich in den lithographischen Steinen von Sohlenhofen ist eine reiche Lagerstätte, in welcher schon fast alle Ordnungen repräsentirt erscheinen; die be- deutendsten Fundgruben aber lieferten in der Tertiärzeit die Süßwas- serkalke von Aix, Oeningen und Radoboj in Croatien, so wie der Bernstein. Alle Arten, die man bis jetzt versteinert gefunden hat, sind genau verschieden von jetzt lebenden und zeigen im Allgemeinen auch in den letzten Tertiärschichten auf tropische Climate in Europa hin, in welchen besonders die Holzfressenden und die von Moder oder Raube lebenden Insekten vorzugsweise entwickelt waren. So ist na- mentlich in den tertiären Ablagerungen die Zahl der Termiten und ähnlicher Zerstörer warmer Gegenden ungemein groß im Verhältniße zu andern Gattungen. Unterklasse der Insekten ohne Verwandlung. ( Ametabola. ) Die Ordnung der flügellosen Insekten ( Aptera ) begreift mehrere Familien, die zwar im Uebrigen sehr verschieden von einander erscheinen, dagegen in zwei wesentlichen Eharakteren mit einander über- einkommen, indem sie alle während der ganzen Zeit ihres Lebens in beiden Geschlechtern durchaus ohne Spuren von Flügeln bleiben und überhaupt von dem Ausschlüpfen bis zum Tode durchaus keine Ge- staltveränderung zeigen, die man mit dem Namen einer Metamorphose belegen könnte. Es dient diese letztere Eigenschaft wesentlich zur Un- terscheidung von einigen Schmarotzerinsekten, welche ebenfalls wäh- rend ihres Lebens ungeflügelt bleiben, aber durch das Eingehen wahrer Metamorphosen sich als zu den Zweiflüglern gehörig darstellen. Die drei Hauptabschnitte des Körpers, welche bei allen übrigen Insekten so leicht von einander unterschieden werden, Kopf, Brust und Hinterleib, lassen sich bei den Flügellosen nur mit einiger Aufmerksam- keit erkennen; am häufigsten ist noch der Kopf mehr oder minder ab- gesetzt, gewöhnlich aber Brust und Hinterleib in eine einzige Masse verschmolzen, die aus ziemlich gleichgeformten Ringeln zusammengesetzt ist, von denen die drei ersten sich nur dadurch als Brustringel doku- mentiren, daß sie auf ihrer Unterseite die Füße tragen. Der Hinter- leib dieser Thiere erscheint in den meisten Fällen aus weit weniger Ringeln zusammengesetzt, als bei den übrigen Insekten; gewöhnlich zählt man nur sieben. Der Kopf der Flügellosen, der meist frei, zuweilen aber ganz in den ersten Halsring eingelassen erscheint, trägt ein Paar Fühler, welche in den meisten Fällen nur kurz sind, und stets eine borsten- förmige Gestalt haben. Wahre, zusammengesetzte Augen kommen bei den Flügellosen nicht vor, wohl aber stehen gewöhnlich mehrere ein- fache Augen symmetrisch zu beiden Seiten des Kopfes, auf besonderen Wülsten und Erhöhungen. Die Mundwerkzeuge sind sehr verschie- den gestaltet und meist nur höchst rudimentär; bei einigen Schmarotzern bestehen sie aus einem zurückziehbaren Rüssel; — bei anderen sind sie zum Kauen eingerichtet und zeigen zuweilen scharfe Kiefer und gezäh- nelte Kinnladen, die zum Zerkleinern der Beute dienen; eigene Lippen- oder Kiefer-Taster fehlen sehr oft. Die Füße der Flügellosen sind nach zwei verschiedenen Typen gestaltet; bei den Schmarotzern meist kurz, kräftig, mit scharfen Krallen zum Anklammern an Haaren und Federn versehen; bei den frei lebenden hingegen meist schlank, lang und dünn, und zu lebhafter Fortbewegung tauglich. In anatomischer Hinsicht zeigen die Flügellosen nur wenige Ei- genthümlichkeiten. Das Bauchmark besteht je nach der größeren oder geringeren Länge des Körpers bald aus vielen, bald aus weni- gen Nervenknoten, welche durch doppelte Verbindungsstränge vereinigt, oder selbst nahezu verschmolzen sind. Der Verdauungskanal ist meist nur wenig gewunden; der Magen schlauchförmig; die Speise- röhre am Ende kropfartig erweitert; der eigentliche Darm ist stets sehr kurz, die Harngefäße mäßig lang, in der Zahl von vier bis sechs vorhanden. Die Luftröhren vereinigen sich meist zu zwei großen seitlichen Stämmen, aus denen die Luftadern der einzelnen Organe entspringen. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus Eierstöcken, deren jeder aus vier bis fünf kurzen Eierröhren ge- bildet ist, die theils büschelförmig, theils hintereinander in Reihen in die kurzen Eileiter einmünden; Samen- und Begattungstasche scheinen zu fehlen, ebenso ein eigner complicirter Begattungs- oder Legeap- parat. Die männlichen Flügellosen besitzen theils zwei, theils mehrere Hodenpaare und eine einfache Ruthe ohne weitere besondere Klam- merorgane. Die Eier der Flügellosen haben eine einfache rundliche Gestalt und stecken zuweilen noch in länglichen Kapseln. Die Jungen ver- lassen das Ei meist in sehr kurzer Zeit in einer Gestalt, welche derje- nigen der erwachsenen Thiere außerordentiich ähnelt. Wir theilen diese in vier Familien, von welchen zwei als Schmarotzer auf warmblütigen Thieren leben, während die anderen im Freien unter Steinen und in den Ritzen der Baumrinden anzutreffen sind. In die Familie der Läuse ( Pediculida ) gehören einige Gattungen mit durchscheinendem breitgedrücktem Körper, an dem Brust und Hin- Fig. 673. Die Kopflaus ( Pediculus capitis ). a Eier (Nisse), an einem Haare hängend. terleib nur undeutlich oder gar nicht ge- trennt sind und die nur auf Säugethieren schmarotzen. Der Kopf ist deutlich abgesetzt, dreieckig, kuglich oder eiförmig; die Fühl- hörner kurz, meist schwach behaart, aus fünf beinahe gleichgroßen Gliedern zu- sammengesetzt; — die Augen sehr klein, jederseits hinter den Fühlern bemerklich; — die Mundwerkzeuge bestehen aus einem Rüssel, der ganz in den Kopf zurückge- zogen werden kann und aus einer wei- chen, unten erweiterten Scheide zusam- mengesetzt ist, in welcher vier Stechborsten spielen, die das eigentliche Stilett zusam- mensetzen; die Scheide selbst hat an ihrer Spitze eine doppelte Reihe von feinen Häkchen. Die Brust läßt sich bei den meisten Gattungen nicht deutlich von dem Hinterleibe unterscheiden; sie trägt drei kurze, kräftige Klammerfußpaare, deren letztes Glied mit einer starken, ge- krümmten Klaue bewaffnet ist, die sich gegen einen Ausschnitt einklappen und so das Haar wie eine Zangenscheere fassen kann. Die verschiedenen Gattungen und Arten dieser Familie leben schmarotzend nur auf dem Menschen und auf Säugethieren, deren Haut sie anstechen, um ihr Blut zu saugen. Die Eier oder sogenann- ten Nisse werden an die Haare angeklebt und schlüpfen in wenigen Tagen aus. Jede Art von Säugethieren hat eine besondere Art von Läusen, und der Mensch allein nährt vier Arten, die zwei verschie- denen Gattungen angehören. Pediculus; Phthirius; Haematopinus. Auf den meisten Vögeln, sowie auf einigen Säugethieren kommen eigenthümliche lausartige Insekten vor, welche man früher wohl mit den eigentlichen Läusen zusammenwarf, jetzt aber als besondere Fa- milie unter dem Namen der Vogelläuse ( Nirmida ) unterscheidet. Diese Insekten haben im Allgemeinen die Gestalt der Läuse, zeigen aber stets Vogt, Zoologische Briefe. I. 36 einen deutlich abgesetzten Kopf von dreieckiger oder halbrunder Gestalt, der oft mit sonderbaren Spitzen besetzt ist. Die Fühler sind ebenfalls fünfgliedrig, die Mundwerkzeuge aber zum Kauen eingerichtet. Sie haben nämlich zwei deutliche, hakenförmige Kiefer, welche von oben und unten durch zwei breite Lippen bedeckt sind. Bei einigen Gat- tungen sind außerdem noch dünne, schwache Kinnladen mit kurzen, zweigliedrigen Tastern vorhanden; anderen Gattungen fehlen nur die Taster, oder auch die Kinnladen selbst. Die Füße sind meist schlank, gewöhnlich mit kurzen, einfachen Krallen bewaffnet. Die Thierchen laufen sehr schnell zwischen den Federn und Haaren ihrer Wohnthiere umher; sie nähren sich niemals von Blut, sondern fressen den feinsten Flaum und die jungen sprossenden Haare ab; nach dem Tode des Vogels sammeln sie sich meistens an den nackten Körperstellen um Schnabel und Augen an und verlassen den Leichnam beim Erkalten. Man hat besonders auf den Vögeln eine ungemein große Anzahl von Gattungen und Arten dieser Familie gefunden. Philopterus; Nirmus; Goniodes; Trichodectes; Liothaeum; Gyropus. Die Familie der Gabelspringer ( Podurida ) vereinigt eine Anzahl kleiner, meist schlanker, flügelloser Insekten, die man an feuchten, schat- Fig. 674. Podura, im Augenblicke, wo sie sich zum Sprunge vorbereitet. tigen Orten, auf dem Wasser und selbst auf Schnee und Eis in großen Haufen zusammenfindet. Der Kopf ist stets deut- lich abgesetzt, abgerundet, dreieckig oder etwas länglich und mit deutlichen, borsten- förmigen, kurzen, meist viergliedrigen Fühlern versehen, hinter denen auf vor- ragenden Wülsten jederseits sechs bis acht einfache Augen zu einer Gruppe vereinigt stehen. Die Mundwerkzeuge werden von zwei großen Lippen gebildet, welche die Mundöffnung gänzlich schließen und die eigentlichen Kauwerkzeuge bedecken; — diese bestehen aus zwei starken, gezähnelten Kiefern und zwei hakig ge- krümmten, ebenfalls gezähnelten Kinnladen, mittelst deren die Thiere ihre Nahrung, zarte Pflänzchen und faulende Pflanzenstoffe, zerkleinern; Taster fehlen durchaus. Der ganze Körper ist mit einzeln stehenden Haaren und sehr feinen, oft metallglänzenden Schüppchen bedeckt, die sich sehr leicht abstreifen. Die Füße sind meist schlank und behaart. Außer ihnen besitzen aber die meisten Gabelspringer ein höchst eigen- thümliches Bewegungsorgan, in Gestalt zweier, gabelförmig gestellter Borsten, die an dem hintersten Gliede des Unterleibes auf einem besonderen Gelenkknopfe stehen. Gewöhnlich wird diese Springgabel beim Gehen wagrecht nach hinten gestreckt; sobald aber das Thier springen will, so schlägt es die Gabel unter den Bauch, und indem es sie plötzlich wie eine Feder losschnellen läßt, schleudert sich das Thierchen oft fußweit fort. Außer dieser Springgabel, die nur sehr wenigen Arten fehlt, besitzen manche dieser Insekten noch ein eigen- thümliches Haftorgan, das in Form eines klebrigen Knopfes oder zweier langer, beweglicher Schläuche aus der Unterfläche des Hinter- leibes hervortritt, und zum Anheften an glatten Flächen dient. Po- dura; Smynthurus; Desoria; Orchesella; Achorutes; Lipura . Den vorigen nahe verwandt ist die Familie der Zuckergäste Fig. 675. Springfischchen ( Machilis ), vom Rücken aus, um die langen Fühler und die lan- gen Taster dazwischen, so wie die hinteren Spring- borsten zu zeigen. ( Lepismida ), kleine, meistens silberglänzende Thierchen von spindelförmiger Gestalt, deren Kör- per über all dicht mit feinen mikroskopischen Schüpp- chen bedeckt ist und stets aus vierzehn deutlichen Ringeln besteht. Der Kopf ist meist klein, tief unter dem ersten Halsringe verborgen, die Brustringe in der Gestalt nicht von den Rin- gen des Hinterleibes verschieden. Die Fühler sind lang, borstenförmig, aus vielen Gliedern zusammengesetzt; die einfachen Augen in bedeu- tender Zahl auf zwei seitlichen Haufen vereinigt. Die Mundwerkzeuge bestehen aus zwei kleinen, hakenförmigen Kiefern, kleinen, dünnen Kinn- laden, die aber sehr lange, vielgliedrige, wie ein zweites Paar Fühlhörner vor dem Kopfe vorstehende Taster tragen, und einer Unterlippe mit kurzen viergliedrigen Tastern. Am Hinter- leibe der Thiere befinden sich vielfach geringelte, lange Borsten, mittelst deren eine Gattung in ähnlicher Weise, wie die vorige Familie, springt. Die Thiere finden sich unter dem Moose, auf Steinen und auch in den Häusern, schweifen aber besonders bei Nacht umher. Lepisma; Machilis . Man kennt keine fossilen Repräsentanten der flügellosen Insekten. 36* Unterklasse der Insekten mit unvollkommener Verwandlung. ( Hemimetabola ). Die Ordnung der Schnabelkerfe oder Halbflügler (Rhyn- gota s. Hemiptera) bietet in der Unterklasse der Insekten mit unvollkommener Verwandlung das einzige Beispiel saugender Mund- theile, sonst aber mancherlei wechselnde Formen, die eine stets zu grö- ßerer Vollkommenheit anstrebende Reihe darstellen. Man unterscheidet bei ihnen stets deutlich die drei Abtheilungen Fig. 676. Pentatoma von unten, mit angezogener, zwi- schen den Hüften lie- gender Schnabelschei- de. Die Beine sind abgeschnitten. des Körpers. Der Kopf ist klein, oft breit, meist aber schmal, dreieckig, vom Halsschilde deutlich abge- setzt und nach unten in einen Schnabel ( rostrum ) verlängert, der bald mehr an der Spitze des Kopfes, bald mehr nach hinten entspringt und an der Unter- fläche des Leibes, zwischen den Einlenkungen der Beine, zuweilen selbst in einer Rinne verborgen liegt. Man unterscheidet an diesem Schnabel, sobald er vollstän- dig ausgebildet ist, folgende Theile: Die Hauptmasse bildet eine gegliederte, von vornher tief ausgehöhlte Halbröhre, deren Rinne vorn offen ist und die mei- stens aus drei oder vier zusammengelenkten Abthei- lungen besteht. Diese Schnabelscheide geht oben Fig. 677. a Kopf einer Pentatoma von vorn, mit unversehrter Schnabelscheide. b Die Schnabelscheide ist weggenommen, so daß man die Oberlippen und die vier zum Stilett vereinigten Borsten sieht. c Die Borsten isolirt. aus der Unterhaut des Kopfes her- vor und ist offenbar die ausgewach- sene, quergegliederte Unterlippe . In ihr liegen vier feine Horn- borsten , die an ihrem Ursprunge im Kopfe spindelförmige Muskeln haben, wodurch sie bewegt werden und neben der Mundöffnung her- vortreten. Die äußeren dieser Bor- sten sind meist an der Spitze etwas umgebogen, stärker, leichter zu tren- nen, es sind die verwandelten Kie- fer oder Mandibeln. Die inneren Borsten liegen fester zusammen — es sind die Kinnladen oder Maxillen. Zusammen bilden die Borsten ein in der Schnabelscheide verborgenes Stilett, womit die meisten dieser Insekten empfindlich stechen. Am Anfange der Schnabel- scheide liegt über dem Beginne der Hohlrinne eine schmale, zungenför- mige Decke — die Oberlippe — so daß also der Schnabel aus den Hauptmundwerkzeugen, Oberlippe, zwei Kieferpaaren und Unter- lippe, freilich in fast unkenntlicher Weise modificirt und aller Taster beraubt, zusammengesetzt ist. — Die Fühler sind meist fadenförmig, sonst aber sehr wechselnd; die Augen klein, rundlich, vorstehend; Nebenaugen fehlen oft. Die Flügel sind sehr verschieden. Meist in der Vierzahl vor- handen, zeigen sich die Vorderflügel bald Fig. 678. Pentatoma mit ausgestreckten Flügeln, um besonders das Rückenschildchen und die halb lederartigen Vorder- flügel zu zeigen. ganz, bald theilweise hornig und dann mit einem häutigen, geaderten Theile ver- sehen; bei andern wieder lederartig, eben- falls nur zum Theile; bei noch andern gänzlich den Unterflügeln im Baue gleich. Diese letzteren sind meist kleiner als die in der Ruhe sich kreuzenden Oberflügel, glashell und mit Netzadern versehen. Die Brust zeigt meist ein deutliches Halsschild und oft ist zwischen den Flügeln noch ein mehr oder weniger großes Rückenschildchen ( Scutellum ) ausgebildet. Bei den meisten finden sich Gangfüße , aber nie mit mehr als drei Tarsalgliedern; bei einigen sind die Vorderbeine zu Raubfüßen, oder die Hinterbeine zu Schwimmfüßen umgestaltet. In anatomischer Hinsicht zeichnen sich die Schnabelkerfe durch fol- gende Eigenthümlichkeiten aus: Meist finden sich nur zwei Brust- knoten , von denen der hintere der größere ist und die oft getrennten Seitenstränge des Bauchmarkes sendet, das bei einigen Landwanzen fast in eine einzige Masse verschmolzen ist. Der Schlund ist meistens eng, der Chylusmagen dagegen sehr weit und vielfach gewunden und in mehrere Abschnitte getheilt: in einen drüsigen Vormagen, einen darmartigen Mittelmagen, der sich schlingenartig zurückbiegt und sogar bei den Zirpen unter der Muskelhaut des Vormagens eine Strecke lang verläuft, und einen gewundenen Hintermagen, in den zuweilen Blindschläuche einmünden. Der Darm selbst ist meist kurz, birnför- mig. Die Speicheldrüsen , welche den Blattläusen fehlen, sind bei den übrigen Schnabelkerfen sehr groß, in zwei Abtheilungen getrennt und mit je zwei Ausführungsgängen versehen, von welchen der eine sogar bei einigen Arten in die Bauchhöhle hinabsteigt, um dann wie- der umzubiegen und im Schlunde zu münden. Offenbar sondern die so zusammengesetzten Speichelapparate die Flüssigkeit ab, welche den Stich der meisten Wanzen für andere Insekten unbedingt tödtlich, für uns schmerzhaft macht. Es finden sich stets vier Harnkanäle. Die Tracheen sind sehr verschieden angeordnet; bei den fliegenden Zir- pen und Wanzen aber oft mit großen, blasigen Erweiterungen ver- sehen. Die Eierstöcke bestehen bei den meisten aus vier bis acht quirl- förmig gestellten Röhren, die nur wenige Kammern enthalten; nur die Blattflöhe und Zirpen haben sehr viele, auf verzweigten Eileitern büschelförmig stehende Eiröhren. Die Samentasche ist meist einfach, lang, gewunden oder birnförmig hornig; eine Begattungstasche fehlt oft; Kittorgane sind wenig ausgebildet. Die männlichen Fort- pflanzungsorgane sind höchst mannichfaltig, die Hoden aus schlauch- förmigen Röhren in sehr wechselnder Zahl gebildet, die Ausführungs- gänge meist lang, gewunden und mit verschiedenen Drüsenröhren be- setzt. Die Ruthe ist einfach röhrenförmig. Bei der Begattung sitzen viele Schnabelkerfe nebeneinander. Aus den Eiern kommen Larven, die in Form, Gewohnheit, Lebensart, Nahrung den erwachsenen Thieren sehr gleichen, aber stets flügellos und meist mit zartem, seidenartigem Flaum bedeckt sind. Nach mehr- facher Häutung zeigen sich endlich die Flügelscheiden und später die vollständig ausgebildeten Flügel. Alle Schnabelkerfe saugen Säfte, entweder von lebenden Insekten oder auch von Blättern. Die von Pflanzensäften lebenden wohnen meist in Haufen zusammen und verursachen durch ihre Stiche krank- hafte Entartungen der Gewächse. Der Typus der Schnabelkerfe erscheint unter den fossilen Insekten als einer der frühesten. Im Jura finden sich große Wasserwanzen, einige Landwanzen und Singzirpen, also im Ganzen mehr Familien südlicher Gegenden, die Wälder und stehende Gewässer bewohnen. Die Kreide zeigt Blattläuse auf; die Binnensee’n und Sümpfe der Tertiärzeit Singzirpen, Schaumzirpen ( Cercopis ), und zahlreiche Landwanzen, die denen der jetzigen Schöpfung sehr nahe treten. Wir theilen die Ordnung der Schnabelkerfe in folgende Fa- milien: Schildläuse (Coccida) . Die meisten dieser Thiere wohnen in Fig. 679. Fig. 680. Coccus cacti , die ächte Cochenille. Geflügeltes Männchen und flügelloses Weib- chen; beide stark vergrößert. wärmeren Zonen, alle parasitisch auf Gewächsen, die sie selten ver- lassen. Ihre Gestalt, besonders die der Weibchen, ist so abweichend, daß man lange von einigen Arten bezweifelte, ob sie wirklich Thiere seien. Die Männchen sind stets geflügelt, schlank, mit wagerechtem Kopfe, langen borsten- oder schnur- förmigen Fühlern, die meist behaart sind, und sehr kleinen Augen, die aus gehäuften einzelnen Nebenaugen bestehen. Die Mundwerkzeuge die- ser Thierchen, die im vollkommenen Zustande nur sehr kurze Zeit leben und keine Nahrung zu sich nehmen, sind gänzlich verkümmert, so daß nur ein Paar Knötchen statt ihrer wahrgenommen werden. Flügel sind gewöhnlich nur zwei vorhanden, sehr selten findet man Hinterflügel, meist statt ihrer nur Schwing- kolben oder verkümmerte Stummeln; sie sind sehr zart und häutig. Die Weibchen sind durchgängig flügellos; ihr ganzer Körper schild- förmig, oben gewölbt, unten hohl; die Beine sehr kurz; der Kopf gar nicht unterschieden, die Körperringe oft undeutlich. Die weiblichen Thiere sitzen wie flache Warzen an den Gewächsen, in deren Ge- webe ihr mit sehr langen Borsten versehener Schnabel permanent eingesenkt ist, und sind meist von einem feinen Flaum zarter Wachs- fäden bedeckt. Sie verlieren oft in diesem Zustande die Beweglichkeit gänzlich und legen nach der Begattung die Eier unter sich, so daß sie dieselben mit dem schildförmigen Körper decken. Nach dem Eier- legen sterben sie und der todte Körper bildet nun eine feste, schildför- mige Decke über den Eiern, die demnächst ausschlüpfen. Die Larven sind bewegliche, muntere Thierchen, deren Geschlechtsunterschied sich meist nur an der Breite des Leibes erkennen läßt; auch die männ- lichen Larven haben einen kurzen Schnabel. Die männlichen Larven verwandeln sich in eine bewegliche, umherkriechende Puppe mit freien Gliedern und anliegenden Fühlern und Flügeln, während die weib- lichen Puppen sich nur durch größere Breite von den Larven und durch längere Beine von den Weibchen unterscheiden. Die meisten Schildläuse führen in der Körperhaut ein schön rothes Pigment, die Cochenille oder Kermeslack. Man züchtet zur Gewinnung dieses Farbstoffes besonders in Mexiko die Cactus-Laus ( Coccus cacti ), in- dem man trächtige Weichen in besondere Nestchen auf die Blätter der Pflanzen setzt und die Larven, bevor sie sich festgesogen haben, auf diesen Pflanzen vertheilt. Man sammelt die todten Männchen nach der Begattung und tödtet diejenigen trächtigen Weibchen, deren man nicht zur Nachzucht bedarf, auf erhitzten Blechen, worauf man sie getrocknet in den Handel bringt. Vor der Ausbeutung von Amerika benutzte man zu gleichem Zwecke eine Schildlausart, die besonders in Nord- deutschland und Polen auf den Wurzeln von Seleranthus perennis vorkommt. Coccus; Aspidiotus; Porphyrophora . Blattläuse ( Phytophthiria ). Kurze Thierchen mit schmalem Kopfe, dreiringeliger Brust und flaschenförmigem, dickem Hinterleibe, die stets auf Gewächsen leben und dort oft durch ihre Stiche Gallen und ähnliche Auswüchse verursachen. Die Fühler sind faden- oder borsten- förmig, länger als der Körper; die Augen meist mittelgroß, rundlich vorstehend, die Fühler zwischen ihnen eingesetzt. Nebenaugen fehlen. Der Schnabel ist meist lang, dünn, entspringt an der unteren Seite des Kopfes weit nach hinten hin und wird unter den Kopf zurück- geschlagen getragen; die Schnabelscheide ist dreigliedrig; Flügel meist vorhanden, öfter bei den Weibchen fehlend; Vorderflügel stets viel größer; Beine lang, dünn; Tarsen zweigliedrig, mit zwei Klauen versehen. Bei den eigentlichen Blattläusen ( Aphidida ) stehen auf Fig. 681. Geflügelte Rosenblattlaus ( Aphis rosarum ). dem Hinterleibe zwei gerade Röh- ren, aus denen ein süßer Zucker- saft quillt, nach dem die Ameisen besonders sehr begierig sind. Jeder Ameisenstock hat gewissermaßen eine Domäne von Bäumen, Sträuchen und Kräutern, auf deren Vlät- tern und Wurzeln Blattlaus- colonieen sitzen, die von den Ameisen sorgsam gepflegt, oft selbst von einem Orte zum andern getra- gen werden. Man sieht, wie die Ameisen dieses ihr Melkvieh lieb- kosen, sanft mit den Fühlhörnern Fig. 682. Flügellose Amme derselben Art. streicheln und klopfen, bis sie den Honigsaft aus den Röhren lassen, welchen die Ameisen gierig einschlucken. Die Fortpflanzungsweise dieser Thiere ist eigenthümlich. Im Herbste giebt es geflügelte Männchen und Weibchen, die sich be- gatten, wonach das Männchen stirbt, das Weibchen seine Eier in Rinden legt oder auch unter der Erde an Wurzeln fortlebt. Im Frühjahre kriechen die Jungen aus — flügel- lose Weibchen oder vielmehr Ammen, deren Eierstöcke vielkammerige Eiröhren besitzen und kurze Eileiter ohne Samentasche, Begattungs- tasche oder Kittorgane. Diese Ammen bringen ohne Begattung durch innere Knospung Eier hervor, die noch im Eileiter ausschlüpfen, so daß sie lebendige Larven gebären, die nach mehrmaliger Häutung wieder auf dieselbe Art Junge erzeugen. So folgen sich den ganzen Sommer hindurch acht bis zehn, unter günsti- gen Umständen selbst zwanzig und mehr Generationen ungeschlechtiger, durch Knospung sich fortsetzender Ammen, bis zuletzt eine Erzeugung von Männchen und eierlegenden Weibchen, die sich begatten, die Reihe schließt. Diese eierlegenden Weibchen haben lange Kittdrüsen, eine Samentasche, was beides den Ammen fehlt, und einkammerige Eiröh- ren. Viele Blattläuse bedingen durch ihre Stiche Rollungen und Auswüchse der Blätter, in denen sie mit ihrer Brut leben. Rhizo- bius; Chermes; Aphis; Aleyrodes . Die Blattflöhe ( Psyllida ) unterscheiden sich von den vorigen Fig. 683. Blattfloh der Binsen ( Livia juncorum ). durch einen mehr rückwärts eingelenkten Stachel, kürzere Fühler, die nie die Länge des Leibes errei- chen und an der Spitze gespalten sind, und verdickte, zum Springen eingerichtete Hinterschenkel. Beide Ge- schlechter sind stets geflügelt. Sie leben ebenfalls auf Blättern, springen aber bei der geringsten Be- wegung ab. Die Weibchen haben eine Legesäge, mittelst deren sie die Eier in die Knospen der Blät- ter einsenken. Livia; Psylla . Die Familie der Zirpen ( Cicadida ) besteht aus dickleibigen Thie- Fig. 684. Große Singzirpe ( Cicada perla ). ren mit großem querem Kopfe, die nur sehr kurze, borstenförmige Fühler von drei bis sechs Gliedern, runde vorgequollene, mittelgroße Augen und meist auch Neben- augen besitzen, die indessen oft fehlen, oder nur zwei, sehr selten drei sind. Der Schnabel ist kurz, dick, sehr nach hinten gezogen, so daß er zwischen den Vorder- füßen zu entspringen scheint. Der Vorder- rücken hat oft auffallende Fortsätze, Ver- längerungen und Dornen, ebenso die Stirn, welche zuweilen blasig vorgequol- len ist. Flügel sind stets in der Vierzahl vorhanden, meist glashell, die vorderen zuweilen mehr lederartig, die hinteren weicher, beide mit Netzadern durchzogen. Die Hinterbeine sind meist Springbeine, die Tarsen dreigliedrig, die Krallen breit. Sie leben alle auf Pflan- zen, deren Saft sie saugen, sind lebhaft und springen oder fliegen, während die Larven oft unbeweglich sitzen. Man unterscheidet folgende Unterfamilien: Schaumzirpen ( Cercopida ). Körper meist kurz; Fühler drei- gliederig, vor den Augen eingelenkt; zwei Nebenaugen. Kopf hori- zontal gestellt, Stirn nach vorn gewendet, Rückenschildchen unbedeckt. Die Larven lassen ihren flüssigen Koth in Blasen aus dem After her- vortreten und bedecken sich so mit einem Tröpfchen Speichel, dem s. g. Kuckuksspeichel. Tettigonia; Cercopis; Aphrophora . Buckelzirpen ( Membracida ). Der Kopf steht senkrecht, die Stirn ist nach unten, der Scheitel nach vorn gerichtet; der Vorderrü- cken mit großen Dornen, Fortsätzen, Buckeln u. s. w. versehen, die oft den ganzen Leib bedecken und wodurch die Thiere ein abenteuer- liches Ansehen erhalten. Vorderflügel meist häutig, mit parallelen Adern. Centrotus; Membracis; Darnis; Bocydium . Leuchtzirpen ( Fulgorida ). Die Fühler sind unter den Augen neben den Wangen eingelenkt und meist unter einer Leiste, welche die Wangen von der Stirn trennt, verborgen. Der Kopf ist scharfkantig, oft in eine Spitze oder Blase vorgezogen, mit scharfen Leisten bedeckt; Fig. 685. Der urinam’sche Laternenträger ( Fulgora laternaria ). Flügel meist gefärbt, ziemlich gleich. Man glaubte von einigen Arten, dem Laternenträger aus Surinam, Fulgora laternaria , insbesondere, die hohle Stirn leuchte, was aber unrichtig ist. Tettigometra; Cixia; Pseudophana; Fulgora; Issus . Singzirpen , eigentliche Cicaden, Cicadida . Die Fühler stehen; vor den Augen, sind drei- bis viergliedrig, Augen groß; drei Neben- Fig. 686. Ulmenzirpe ( Cicada ulmi ). augen. Kopf breit, meist vorne ein Kreissegment bildend. Schna- bel lang, Flügel ungleich, die vorderen länger. Die Larven leben mehrere Jahre, sind plump und dick und graben sich zum Ueberwintern in die Erde. Die Weibchen bohren ihre Eier in die Rinde der Gewächse mit einem Legestachel. Die Männchen haben an der Unterseite des ersten Hinterleibsringels zwei tiefe, weite Stimmhöhlen, in deren Grunde eine gefaltete, trockene, elastische Haut ausgespannt ist, welche ein starker Muskel nach innen zieht. Das Losspringen dieser Trommel- haut erzeugt einen scharfen, singenden, lauten Ton, der wirklich noch unangenehmer bei den südlichen großen Arten ist, als das Schrillen der Heimchen oder Gryllen unserer Gegenden, aber unbegreiflicher Weise von den sonst so ästhetischen Griechen als schöne Musik gepriesen wurde. Cicada . Familie der Wasserwanzen ( Hydrocores ). Kopf meist groß; Au- gen stets deutlich, stark hervorragend. Fühler drei- oder viergliedrig, sehr klein, unter den Augen versteckt, meist in einer Rinne liegend. Schnabel kurz, dick, im Knie gebogen, so daß er höchstens bis auf die Mitte der Brust reicht. Flügel ungleich, die oberen pergament- artig, deckend, die unteren dünn, wasserhell mit wenigen Längsadern. Füße sehr verschieden, die vorderen meist Raubfüße, die hinteren Schwimmfüße mit langen Borstenhaaren besetzt. Tarsen ein- bis drei- gliedrig, mit oder ohne Krallen. Alle Arten leben in süßen Gewässern und die meisten haben zu dem Zwecke der Athmung am Hinterleibe zwei längere Athemröhren. Sie leben sämmtlich vom Raube anderer Insekten, die sie mit den Raubfüßen ergreifen und mit dem starken Schnabel durchbohren und aussaugen. Die meisten stechen sehr em- pfindlich. Man unterscheidet zwei Unterfamilien: Ruderwanzen , Notonectida . Kopf sehr breit, kurz; Schnabel bis auf die Mitte der Fig. 687. Gemeine Ruderwanze ( Notonecta glauca ). Brust reichend. Vorder- füße krallenartig gebo- gen, Hinterfüße sehr lang, quer nach den Seiten in der Ruhe gerichtet, platt- gedrückt, mit langen Schwimmborsten an Schienen und Tarsen, die zweigliedrig sind. Bauch flach, behaart, Rücken gewölbt. Schnelle geschickte Schwimmer, die aber beim Schwimmen den Bauch nach oben, den Rücken nach un- ten kehren, also verkehrt schwimmen. Corixa; Notonecta; Nauco- ris; Ploa . Wasserskorpione , Nepida . Kopf meist klein, rundlich; Schna- Fig. 688. Wasserskorpion ( Nepa cinerea ). Fig. 689. Linienwanze ( Ranatra linearis ). bel sehr kurz, bogenförmig nach unten gerichtet, nur bis zum Anfange der Brust reichend. Beine kahl, meist lang; die Hinterbeine zuweilen mit Borsten besetzt, aber nicht breitgedrückt und in Ruderform umge- wandelt; Vorderbeine kräftig, gebogen, zum Fangen eingerichtet, eini- germaßen den Scheeren der Skorpione ähnlich, woher der Name. Hinterleib mit langen Athemröhren. Kriechen meist langsam auf dem Grunde der Gewässer, kommen aber Nachts hervor, um selbst umher- zufliegen. Nepa; Ranatra; Belostoma; Galgulus . Familie der Landwanzen ( Geocores ) . Körper meist breit, platt; Kopf kleiner als bei den Rückenschwimmern. Fühler faden- oder bor- stenförmig, frei vorstehend, mit deutlichen cylindrischen Gliedern, stets länger als der Kopf. Der Rüssel entspringt an der Spitze des Kopfes, wird knieförmig umgebogen und reicht höchstes bis ans Ende der Brust. Oberflügel stets von den Unterflügeln verschieden, lederartig, ganz oder nur zur Hälfte hörnig und dann ganz den Flügeldecken der Käfer ähnlich. Unterflügel häutig. Gehbeine, in ihrer Bildung stets gleich, oft mit sonderbaren Erweiterungen und Dornen versehen. Die meisten haben einen sehr unangenehmen, ekelhaften Geruch, der lange haftet. Viele sind mit schönen Farben geziert. Man hat viele Unterfamilien unterschieden. Bei den folgenden ist die Schnabelscheide dreigliedrig und die Füße haben keine Haftlappen. Wasserläufer , Hydrometrida . Körper meist lang gestreckt, lie- nearisch; Fühler lang; viergliedrig; Schnabel bis auf die Vorderbrust Fig. 690. Gemeiner Wasserläufer ( Hydrometra stagnorum .) reichend, dicht angedrückt; Scheide dreigliedrig. Nebenaugen fehlen. Flügel meist verkürzt oder selbst ganz fehlend, selten vollständig und dann die Flügeldecken ganz lederartig ohne häutigen Anhang. Beine sehr lang, dünn; die hinteren meist länger als die vorderen. Krallen in einem Ausschnitt des letzten Tarsalgliedes versteckt. Der ganze Körper ist mit feinen, weichen, fet- tigen Härchen bedeckt, die das Wasser abhalten. Die Thiere laufen und springen mit großer Behendigkeit auf der Ober- fläche besonders stehender Gewässer und nähren sich von kleinen In- sekten. Eine Gattung, Halobates , ist das einzige Meerinsekt; sie lebt auf hoher See in tropischen Zonen. Hydrometra; Velia; Limnobates; Leptopus . Kothwanzen , Reduvida . Kopf rundlich oder länglich, hinter Fig. 691. Höckertragende Kothwanze ( Reduvius tuberculatus ). den Augen halsförmig zusammen- geschnürt. Schnabel kurz, meist ab- stehend. Fühler lang, dünn; Augen groß. Flügeldecken wenig geadert. Beine meist lang; Schenkel oft ver- dickt, mit Stacheln und Borsten be- setzt. Sie nähren sich alle von anderen Insekten, die ihr, auch dem Menschen sehr empfindlicher Stich augenblicklich tödtet; sind nächtliche Thiere, die Tags über im Moos, unter Baumrinden, in Ritzen der Wohnungen lauern und in der Dun- kelheit ihrem Raube nachgehen. Lar- ven meist dicht behaart, flaumig, mit Moder und Kehricht bedeckt. Redu- vius; Gerris; Emesa; Nabis; Pygolampis; Cimbus . Weichwanzen , Acanthida . Kopf und Leib flach, horizontal. Fig. 692. Bettwanze ( Acanthia lectularia. ) Augen klein. Schnabel kurz, in einer Rinne unter der Kehle versteckt. Fühler knopf- oder keulenförmig, kurz, nur auf die halbe Brust reichend. Flügel dünn, geadert, zuweilen gänz- lich fehlend. Vorderrücken, Flügeldecken und Hinterleib oft mit sonderbaren blasigen und häutigen Fortsätzen versehen. Beine zart, dünn, zuweilen die vorderen zu Raubfüßen gestaltet und verdickt. Der ganze Körper weich. Leben meist im Grase, unter Baumrinden, aber vom Raube. Eine Art, die Bettwanze ( Acanthia lectularia ), ist gänzlich flügellos und lebt nur vom Blute des Menschen. Sie hält sich besonders in Fugen und Ritzen des Holzwerkes auf, erstarrt in der Kälte und kann in diesem Zustande Jahre ohne Nahrung zubringen. Syrtis; Tingis; Aradus . Bei den folgenden Unterfamilien ist die Schnabelscheide vierglie- drig und neben den Tarsalkrallen zwei kleine Haftlappen angebracht. Blindwanzen , Capsida . Kopf dreiseitig, Augen klein, Neben- augen ganz fehlend. Fühler lang borstenförmig, das zweite Glied oft verdeckt; Körper meist länglich, weich; Flügeldecken lederartig ohne Adern, mit zwei ungleichen Zellen; fehlen zuweilen ganz. Beine dünn, fallen leicht ab. Leben meist in Gesellschaft im Grase, an Baumstäm- men und auf Schirmpflanzen. Capsus; Miris; Phytocoris; Pyrrhocoris; Halbicus . Randwanzen , Coreida . Körper meist länglich; Kopf klein, mit zwei deutlichen vorstehenden Nebenaugen. Fühler viergliedrig, meist dick. Rüssel gerade, kurz, höchstens mit dem ersten Gliede in einer Rinne gelegen, dicht an den Leib gepreßt. Rückenschildchen klein, unbedeckt; Flügeldecken lederartig. Im Gebüsche, im Grase und auf Baumstämmen, leben vom Raube, fliegen zum Theil gut. Coreus; Corizus; Anisoscelis; Lygaeus; Pachymeris; Geocoris . Schildwanzen , Pentatomida . Körper breit, oval, hart. Füh- Fig. 693. Blaue Schildwanze ( Scutellera signata .) Fig. 694. Graue Baum- wanze ( Pentatoma grisea ). ler fünfgliederig. Das Schildchen des Rückens ist sehr groß, bedeckt wenigstens den halben, oft den gan- zen Hinterleib, so daß die Thiere von oben her Käfern sehr ähnlich sehen. Kopf klein, dreieckig; Hals- schild breit, oft verlängert, mit schar- fen Ecken. Leben vereinzelt auf Gewächsen und Blumen vom Raube. Scutellera; Tetyra; Callidea; Cyd- nus; Cimex; Pentatoma; Acanthosoma; Aelia . Die Ordnung der Geradflügler ( Orthoptera ) begreift eine große Anzahl von kauenden Insekten, die nur eine unvollkom- mene Verwandlung besitzen, und deren Larven und Puppen sich von dem vollkommenen Insekt hauptsächlich nur durch die größere oder gerin- gere Entwickelung der Flügelscheiden, der Augen und durch andere Proportionsverhältnisse der einzelnen Körpertheile unterscheiden. Man begränzte bis in die neueste Zeit die Ordnung gegenüber derjenigen der Netzflügler in ganz anderer Weise, indem man die mit netzförmi- gen Flügeln versehenen Familien von den Geradflüglern abtrennte und den Neuropteren zutheilte, wenn gleich diese eine ruhende Puppe und ganz anders gestaltete Mundtheile besitzen; erst jetzt, wo man der Verwandlung eine größere Berücksichtigung zugestehen muß, wurden die Netzflügler enger gefaßt und die ihnen früher zugetheilten Gattun- gen ohne Verwandlung zu den Geradflüglern gestellt. Man unterscheidet stets deutlich die drei großen Körperabthei- lungen, Kopf, Brust und Bauch und an der Brust meist mit Sicherheit die drei Ringe derselben. Die Körperbedeckung ist weich, lederartig, oft nur sehr zart, bei andern aber, wenn auch dünn, so doch horn- artig fest. Der Kopf ist meist groß, breit, die Augen mit wenigen Aus- Fig. 695. Kopf einer Schabe (Blatta) von vorn gesehen. a Oberlippe. b Kinn- backen. c Kinnladen. d Ge- spaltene Unterlippe. e Lip- pentaster. f Die abgeschnitte- nen Fühler. g Augen. h Ne- benaugen. i Kinnladentaster. nahmen stark hervortretend und mit einer gro- ßen Anzahl Facetten versehen. Die Fühler sind stets vorhanden und fast immer faden- oder borstenförmig, oft von bedeutender Länge, bei andern sehr kurz und auf eine kleine Haarborste reducirt. Sie stehen stets zwischen den Augen, die bei manchen Familien ungeheuer groß sind, so daß sie auf einer bedeutenden Strecke des Kopfes einander berühren, während sie bei andern, besonders den Schrecken, oft nur ziem- lich klein sind und vielen Larven gänzlich feh- len. Die Nebenaugen scheinen oft gänzlich zu fehlen oder sind so klein, daß sie sich nur mit Mühe entdecken lassen; wenn sie vorhanden, stehen sie im Dreieck auf dem Scheitel. Fig. 696. Kauwerkzeuge einer Schnarrschrecke (Acridium). a Oberlippe. b Kinnbacken. c Kinnlade. d Helm. e Palpe der Kinnlade. f Unterlippe. Die Mundwerkzeuge der Geradflügler sind stets zum Kauen eingerichtet und nur bei wenigen Familien, deren Bilder kaum einige Stunden zu leben haben, ver- kümmert; — bei den meisten übrigen sehr stark und an Zu- sammensetzung keiner andern Ordnung nachstehend. Die Oberlippe ist meist groß, breit; die Kinnbacken breit, innen gezähnelt, bei den fleischfressenden Arten stark hakig gekrümmt und spitz; bei den Pflanzenfressern mehr breit und schneidend. Die Kinnladen zeigen fast bei allen Familien einen gezähnelten Hauptast, so wie deutliche mehrgliederige Palpen und außerdem noch ein mittleres Stück, welches mannigfach wechselnde Beschaffenheit zeigt. Bei den Geradflüglern im engeren Sinne (Ulonata) ist dieser Mittelast blattartig gebogen, nach vorne zu breiter und bildet eine Schuppe, die von beiden Seiten her die übrigen Mundtheile in ähnlicher Weise deckt, wie die Lippen von oben und unten her, weßhalb man sie auch den Helm (galea; galète) genannt hat. Bei den übrigen, mit vier Netzflügeln versehenen Fa- milien ist dieser Theil der Kinnladen nur fadenförmig. Die Unter- lippe ist stets ansehnlich entwickelt, breit und in der Mitte bald gekerbt, bald durch einen tiefen Spalt oft bis auf den Grund getrennt; — ein wesentliches Unterscheidungszeichen von den ächten Netzflüglern, die stets eine ganze Unterlippe haben. Die Lippentaster sind bald faden- förmig mehrgliedrig, bald breit, blattförmig und dann in ähnlicher Weise, wie der Helm, zum seitlichen Schutz der Mundtheile geeignet. Auf der Unterlippe liegt im Innern des Mundes eine weiche, meist knopfförmige Zunge. Die Flügel sind nach verschiedenen Normen gebildet. Die Unterflügel zeigen stets netzförmiges Geäder und werden in der Ruhe entweder ausgebreitet und dann meist senkrecht aufgeschlagen, oder in Art eines Fächers zusammengefaltet und unter die Flügeldecken gebor- gen, in welchem Falle dann die Vorderflügel mehr oder minder häutig erscheinen und die Rolle von Flügeldecken spielen. Zuweilen fehlen beiden Geschlechtern die Flügel ganz, in andern Fällen sind nur die Weibchen flügellos. Keine Ordnung der Insekten dürfte so viele Modificationen im Bau der Füße aufzuweisen haben, als gerade diese; wir werden sie bei den einzelnen Familien aufführen. Der Hinterleib ist meist lang, dünn; bei vielen mit einem Legesäbel oder einer Legeröhre, mit eigenen Zangenapparaten beim Männchen, am hinteren Ende versehen. Die anatomische Struktur der Geradflügler geht im Ganzen ziemlich nahe an die der Käfer heran, wenn sie auch nicht eine solche Mannigfaltigkeit der Formen bietet. Das Nervensystem ist stets lanngestreckt, die drei Brustknoten, sechs bis sieben Bauchknoten deut- lich geschieden und durch doppelte Längsfaden mit einander verbunden. Die Gradflügler sind die einzigen Insekten, bei welchen mit Sicher- heit ein Gehörorgan nachgewiesen wurde, welches, merkwürdiger Weise, nicht in dem Kopfe, sondern bei den Schnarrschrecken an der Brust, bei den Heuschrecken und Gryllen an den Schienen der Vor- derbeine liegt. Bei ersteren befindet sich hinter einem Trommelfelle ein häutiges Bläschen, das Labyrinth, bei letzteren findet man Gruben Vogt, Zoologische Brief I. 37 Fig. 697. Anatomie einer Heuschrecke (Locusia). Die Decke des Rückens ist weggenom- men, die Speicheldrüsen, das Rückengefäß und der rechte Eierstock nach rechts, Darm- kanal und übrige Organe nach links ge- zogen, so daß man das Nervensystem am Platze sieht. a Fühlhörner. b Kropf. c Kaumagen. d Magen. e Hinterer Theil des Chylusmagens. f Harngefäße, abge- schnitten. g Dickdarm. h Eierstöcke. i Samentasche. k Kittdrüse. l Legeröhre. m Speicheldrüsen. n Rückengefäß. oder Höhlen, zwischen denen ein Trommelfell und dahinter eine Tra- cheenblase liegt, längs welcher der spezifische Gehörnerve sich ausbrei- tet. Die Speiseröhre ist weit, kropfartig; der Kaumagen, der darauf folgt, im Inneren mit ge- zähnelten Hornplatten besetzt, der eigentliche Chylusmagen schla u ch- förmig; am oberen Ende des Ma- gens finden sich zwei oder mehrere Blindsäcke in die Speicheldrüsen eingebettet. Der Darm selbst ist fast gerade, die Harngefäße in großer Anzahl vorhanden. Das Tracheensystem ist ungemein entwickelt und zwar in der Art, daß aus jedem Stigma viele weite Stämme entspringen, die unmittel- bar sich an die Organe verzweige n und sehr viele netzartige Verbin- dungen eingehen, die oft blasig auf- getrieben sind. Die Eierstöcke sind aus vielen, ziemlich langen, büschelartig oder einzeilig in die oft langen und gewundenen Eileiter einmündenden Röhren zus am menge- setzt; die Samentasche ist birnförmig oder auch in Gestalt zweier Blind- schläuche entwickelt. Eine Begat- tungstasche haben nur die Libellen, ein Kittorgan nur die Heuschrecken, Gryllen und Gespenstschrecken. Außer den gewöhnlichen Seitenklappen der Geschlechtsöffnung findet sich bei vielen Geradflüglern ein Lege- säbel oder eine Legesäge vor, die bald frei, bald im Hinterleibe verborgen ist. — Die Hoden sind aus Blindröhren zusammengesetzt, die meist büschelförmig zusammentreten; die Samenleiter sind oft nur sehr kurz, zuweilen aber sehr lang, spiralig gewuuden und die Drü- senapparate manchmal sehr bedeutend entwickelt. Der Penis ist von doppelten Hornscheiden, die bei der Begattung als Zangen zum Fest- halten der Weibchen dienen, umgeben; — seine Lage zeigt eine merk- würdige Ausnahme bei den Libellen, wo er vorn an der Brust, ohne Zusammenhang mit den übrigen Geschlechtstheilen, angebracht ist. Die ausgebildeten Insekten leben alle auf der Erde, in freier Luft; keines in oder auf dem Wasser; auch giebt es keine Schmarotzer unter dieser Ordnung. Die meisten leben von Pflanzenblättern, Blu- mensäften oder trockenen Pflanzen und Thierstoffen und manche wer- den durch ihre Zahl und Gefräßigkeit außerordentlich schädlich. Nur wenige sind Räuber, die sich von andern Insekten nähren, welche sie im Fluge oder Sprunge haschen. Eine einzige Familie lebt gesellig in bestimmten sozialen Beziehungen, alle andern, wenn auch oft in ungeheuren Schwärmen, vereinzelt für sich. Die Larven finden sich meist auf dem Lande, wenige Familien nur im Wasser; diese haben dann oft seitliche Tracheenkiemen, mittelst deren sie athmen. Kauwerkzeuge, Füße und Leib dieser Larven sind denen des Bildes sehr ähnlich, nur fehlen die Flügel durchaus. Bei der zweiten Häutung, nach welcher die Thiere als fressende Puppe erscheinen, in welcher Form sie oft von den ausgebildeten Weibchen nur schwer zu unterscheiden sind, kommen die Flügel in Gestalt kurzer Stummeln zum Vorschein, die dann später sich vollständig entwickeln. Die Larven überwintern gewöhnlich als solche, während im Frühjahre die Nymphen und meist erst im Hochsommer die Bilder erscheinen. Wir theilen die Geradflügler in folgende Familien, welche sich durch besondere Charaktere in einzelne größere Gruppen scheiden lassen. Eine größere Gruppe zeigt verschiedene Flügel, indem das vor- dere Paar lederartig, zu Flügeldecken, das zweite hautartig ist und sich fächerartig faltet. Familie der Ohrwürmer ( Forficulida ). Der Körper ist langge- Fig. 698. Gemeiner Ohrwurm (Forficula auricularia), laufend. streckt, schmal, der Hinterleib nur im Anfange von den kurzen Flügeldecken bedeckt. Der Kopf rundlich oder dreieckig; die Fühler ziemlich lang fadenförmig, aus 12 bis 40 Gliedern zusam- mengesetzt; die Augen klein, kreisrund, die Nebenaugen fehlen. Der schief nach vorn ge- richtete Mund zeigt eine halbrunde Oberlippe, dreieckige, innen scharfe, vorn mit zwei Haken- zähnchen besetzte Kiefer; schwache, zweizähnige Kinnladen mit schmalem Helm und fünfgliede- 37* Fig. 699. Derselbe mit ausgebreiteten Flügeln. rigen Tastern, deren erste beide Glieder sehr kurz sind und eine bis zum Grunde gespaltene Unterlippe mit dreigliederigen Tastern. Die Flügel sind so eigenthüm- lich gebildet, daß viele Naturforscher eine eigene Ordnung (Dermoptera, Labidura) aus der Familie machten. Die Flügel- decken sind nur kurz, lederartig; die Un- terflügel bestehen aus einem schmalen, lederartigen Stück, etwas länger als die Flügeldecken, an welchem ein großes, halbkreisförmiges, von durchsichtiger Haut gebildetes Stück befestigt ist. Dieses häu- tige Flügelstück legt sich fächerartig zusammen und zwar stoßen die Falten am äußeren Ende des Lederstückes zusammen; so daß also diese Faltung ganz der bei den Ulonaten gewöhnlichen gleich ist. Der ge- faltete Fächer knickt sich aber noch einmal quer in der Mitte ein, wie dies bei den Käfern geschieht und der so eingeknickte Flügel wird nun unter das Lederstück des Unterflügels geschoben, so daß der Unterflü- gel in der Ruhe ein dreifach zusammengeknicktes Packet bildet, das den größten Theil des Hinterleibes frei läßt und ganz unter der Flügel- decke steckt. Die Beine sind schwach, die Tarsen dreigliedrig, das Endglied mit zwei Krallen, zuweilen auch mit einem kleinen Ballen versehen. Der Hinterleib der Männchen hat neun gleichgroße, der des Weibchens sieben große und zwei rudimentäre Ringe und ist am Ende mit einer gebogenen Zange bewaffnet, die beim Männchen meist länger und gezähnelt ist. Die Ohrwürmer sind sehr unschädliche Thiere, die gern dunkle Schlupfwinkel aufsuchen, sich von Früchten, süßen Pflanzensäften näh- ren und erst Abends lebhaft werden. Die Mutter schützt mit ihrem Leibe sowohl die Eier, als auch die Larven, die den Alten bis auf die fehlenden Flügel sehr ähnlich sehen. Forficula; Forficesila. Die folgenden Familien haben lederartige Flügeldecken, einfach fächerartig gefaltete Unterflügel und einen Helm an der Kinnlade. (Ulonata) . Die Schaben oder Kakerlacken ( Blattida ) haben einen abge- platteten, rundlichen oder linsenförmigen Körper und einen kleinen Fig 700. Deutsche Schabe (Blatta germanica). herzförmigen Kopf, der senkrecht unter der Vorderbrust steht und meist ganz von ihr bedeckt wird. Fühler sehr lang fadenförmig; Augen klein; Nebenaugen zwei, kaum bemerkbar. Kie- fer sehr stark, breit, mit vier bis sechs Zäh- nen am Innenrande; Kinnladen behaart, Helm oval; Ladentaster fünfgliedrig; Unterlippe ganz gespalten, Lippentaster fünfgliedrig, Brust schildförmig, fast dreieckig, Vorderflügel sehr breit, dünn, mit dünnerem Innenrande; Unter- flügel groß, dreieckig; beide meist sehr verschie- den bei beiden Geschlechtern. Eine Gattung (Polyzostera) ist ganz flügellos; bei andern (Heterogamia) haben nur die Männchen Flü- gel. Füße — Schreitfüße — alle gleich; Tar- sen fünfgliederig, mit zwei Krallen und Fußballen dazwischen. Am Hinterleibe seitlich gegliederte, stachelartige Anhänge. — Unangenehme, nächtliche Thiere von schwärzlicher Farbe, die sehr schnell laufen, das Licht fliehen, äußerst gefräßig sind und sich von trockenen Pflanzen- stoffen, besonders aber von allen Arten trockener Nahrungsvorräthe für Menschen ernähren. Sie suchen deßhalb vorzugsweise Häuser und warme dunkle Schlupfwinkel auf. — Einige Arten haben sich über die ganze Erde verbreitet. Die Eier werden noch im Leibe der Mutter zu vierzig und mehr von einem besonderen lederartigen Cylinder ein- geschlossen und in diese Hülle gelegt. Blatta; Corydia; Blabera. Familie der Schrecken ( Sallatoria ). Die Schrecken haben einen dreieckigen oder rundlichen Kopf mit senkrecht nach unten gerichtetem Maule. Die Fühler sind meist lang fadenförmig, selten kurz oder gar keulenförmig, die Augen rund, vorstehend; Nebenaugen oft deut- lich in der Dreizahl, zuweilen sehr verwischt. Die Kauwerkzeuge sind stets sehr mächtig; die Oberlippe groß; die Kiefer scharf, breit, innen gezähnt; die Kinnladen meist gezähnelt, ihre Palpen stets fünfgliederig, der Helm schmal; die Lippe tief gespalten, ihre Taster dreigliederig. Die Flügeldecken sind lang, horizontal oder dachförmig in der Ruhe gelegt, und bei den verschiedenen Unterfamilien verschieden gestaltet, da sie bei einigen als Toninstrument dienen. Die Schenkel der Hin- terfüße sind verdickt und zum Springen tüchtig; bei einigen von un- gemeiner Länge. Man unterscheidet mehrere Unterfamilien. Gryllen (Gryllida). Die Fühler sind sehr lang, fein, borsten- förmig, in Höhlen eingelenkt; das mittlere Nebenauge verschwom- men, die beiden seitlichen deutlich; die Vorderflügel liegen in der Ruhe horizontal auf dem Hinterleib auf und sind weit kürzer als die Flügel, welche meist breit aber ungefärbt sind und riemenförmig oder in Spiralform aufgerollt auf dem Leibe liegen. Den Ameisenheimchen (Myrmecophila) fehlen die Flügel durchaus. Die Füße sind sehr ver- schieden gestaltet, obgleich stets mit dreigliederigen Tarsen versehen. Bei den Einen sind die Vorderfüße gewöhnlich, bei den andern sind sie außerordentlich verbreitet, kurz, dick, schief nach Außen gestellt und zu mächtigen Grabwerkzeugen umgestaltet; bei Einigen sind die Hinter- füße außerordentlich lang und unübertreffliche Springwerkzeuge (Tri- dactylus), bei andern schwächer. Die Männchen haben auf der Rück- seite der Flügeldecken vorstehende unregelmäßige Rippen, welche sie heftig aneinanderreiben, wodurch das laute Geschrille der Thiere ent- steht. Alle diese Schrecken nähren sich von Pflanzen und leben in Erdlöchern, Ritzen und Spalten. Die Maulwurfsgrylle (Gryllo- talpa; Courtillière; Werre; Riedwurm) gehört hierher. Das Weibchen Fig. 701. Gemeine Werre (Gryllotalpa vulgaris). legt seine Eier im Juni ½ Fuß tief unter die Erde in Wiesen; die Larven, die kleinen Ameisen gleichen, bleiben Anfangs zusammen und zeigen ihre Gegenwart durch rundliche, gelbe Flecken an, wo sie die Graswurzeln zerfressen haben; sie überwintern zerstreut und vollenden ihre Entwickelung im Mai des nächsten Jahres. Die Heimchen (Gryllus) Fig. 702. Das Hausheimchen (Gryllus domesticus). Fig. 703. Die Ameisenschrecke Myrmecophila. im Felde und in Häusern, die Ameisenheimchen (Myrmecophila) in Ameisenhaufen. Die Laubschrecken, Heupferde, (Locustida) unterscheiden sich Fig. 701. Das grüne Heupferd (Locusta viridissima). von den Gryllen durch einen weit längeren Körper, durch ihre sehr feinen und lan- gen Fühlhörner, durch die langen Flügel- decken, welche nicht horizontal, sondern dach- förmig in der Ruhe liegen und die Unterflügel fast stets gänzlich decken, so wie durch die vier- gliederigen Tarsen, die mit breiten, herzförmi- gen doppelten Fußballen versehen sind. Beide Geschlechter sind gleich groß; die Männchen haben in dem aufliegenden Theile der rechten Flügeldecke einen rundlichen durchsichtigen Spie- gel, von einem ringartigen erhabenen Nerven umgeben und im linken Flügel, der meist auf dem rechten liegt, an der entsprechenden Stelle stark vorspringende Rippen. Beide Theile werden mit großer Schnelligkeit aufeinander gerieben und erzeugen so das Singen. Die Weibchen haben einen langen, meist gekrümm- ten Legesäbel. In Wäldern und Gebüschen, auf trockenen Wiesen; springen weit besser als die vorigen; brauchen die Flügel meist nur als Fallschirme; fressen Laub und Gräser, werden aber selber durch ihre Zahl schädlich. Lo- custa; Decticus; Gryllacris; Phyllopterus; Ephippiger. Die Schnarrschrecken, Feldheuschrecken (Acridida). Körper Fig 705. Die Wanderschrecke (Acridium migratorium) kürzer, gedrängter; Fühler kurz, stets kürzer als der Körper. Die Punktaugen sind meist sehr deutlich; die Stirn dreieckig, oft zwischen den Augen spitz vorste- hend. Das Gehörorgan, wel- ches bei den beiden vorigen Unter- Familien in den Schienen der Vorderbeine liegt, findet sich hier Fig. 706. Nasenschrecke (Truxalis nasuta). am ersten Bauchringe dicht über den Hüften. Die Legescheide des Weibchens besteht nicht aus seitlichen, sondern zwei oberen und zwei unteren Stücken. Die Tarsen sind dreigliedrig; Fig. 708. Proscopia gigas. die Sprungbeine meist sehr stark; die Flügel groß, mächtig, häufig schön gefärbt; die Stimme wird da- durch hervor ge- bracht, daß die Fig. 707. Feldheuschrecken mit ausgespannten Flügeln. Fig. 709. Schildschrecke (Tetrix) mit ausge- spannten Flügeln. Männchen mit den rauhen Hinterschenkeln am Außenrande der Flü- geldecken geigen. Die Thiere fliegen meist gern und leicht und ver- einigen sich oft in Schwärmen. Zu ihnen gehört die Wanderheuschrecke (Acridium migratorium) der südlichen Gegenden, deren Heere wolken- artig heranziehen und durch ihre unsägliche Gefräßigkeit und zahllose Menge so vielen Schaden anrichten. Proscopia; Truxalis; Tetrix; Gomphocerus; Oecipoda; Acridium. Die Familie der Gespenstschrecken ( Phasmida ). Thiere mit sehr Fig. 710. Das trockene Blatt (Phyllium siccifolium). langgestrecktem, stabför- migem Leibe, von seltsam sparrigem ungelenkem Ansehen, meist von be- deutender Größe. Kopf eirund, nach vorn ge- richtet; Augen klein aber stark vorstehend, kugelig; Nebenaugen meist un- deutlich. Oberlippe groß, tief ausgeschnitten; Kie- fer klein, gezähnelt; Unterlippe viertheilig, bis auf den Grund ge- spalten; Lippentaster groß, dreigliedrig; Kinn- ladentaster fünfgliedrig. Fühler fadenförmig, stets kürzer als der Leib. Flügel fehlen oft gänz- lich; obere fast stets sehr kurz, so daß die Unterflügel noch immer ein oberes lederartiges Deckfeld haben. Beine meist lang und dünn, alle zum Gehen eingerichtet; die hinteren Schenkel sind nicht dicker als die vorderen, oft aber alle mit blattartigen Lappen und Leisten ver- ziert. Die flügellosen Larven zeigen meist diese Anhänge und Stacheln weit stärker entwickelt. Tarsen fünfgliederig. Träge Insekten der tropischen Gegenden, die sich in Gefahr steif machen und nur von Pflanzen leben. Bacillus, Bacteria (ganz ungeflügelt); Cladoxerus (Weibchen ungeflügelt); Haplopus; Phasma; Phyllium. Fig. 711. Das Weinhähnel (Mantis religiosa). Fangheuschrecken ( Mantida ). Körper langgestreckt; Kopf klein, senkrecht gestellt; drei deutliche Nebenaugen; Augen sehr vorstehend; Fühler meist fadenförmig oder selbst doppelt gekämmt. Kiefer klein, aber sehr stark und vielfach gezähnt. Unterlippe vierlappig. Der merkwürdigste Theil des Körpers ist die Vorderbrust, die meist sehr lang, dünn, dachförmig ist und halb aufgerichtet getragen wird, indem an ihrem vorderen Theile die Greiffüße sitzen. Flügel meist groß, den Hinterleib ganz deckend. Füße sehr verschieden gestaltet; das erste Paar ist sehr groß, die Hüfte sehr lang; der Schenkel lang, dünn, hoch; an seiner hinteren Seite mit einem Falze versehen, an dem Stacheln sitzen und in welchen die ebenfalls gezähnelte und gestachelte Schiene wie eine Taschenmesserklinge eingeklappt werden kann. Die Füße werden beim Gehen stets erhoben und eingeschlagen getragen, so daß man glaubte, die Insekten gingen in betender Stellung einher. Sie leben aber nur vom Raube, beschleichen ihre Beute oder verfol- gen sie im Fluge und fangen sie zwischen den Scheeren der Greiffüße, worin sie auch das Thier beim Fressen halten. Die Fangheuschrecken sind sehr gefräßig, zornig, greifen sogar kleine Eidechsen und ähnliche Thiere, sowie einander selbst mit äußerster Wuth an und sind beson- ders ausgezeichnet durch ihren beweglichen Kopf, den sie beständig nach allen Richtungen hin drehen, um nach Beute zu spähen. Meist in südlichen Gegenden — nur eine Art, das Weinhähnel, Gottesan- beterin (Mantis religiosa) geht nördlich in Deutschland bis zur Main- linie. Mantis; Empusa; Blepharis; Harpax. Bei den folgenden Familien sind die Vorderflügel den Hinterflü- geln in ihrem Baue gleich, wenn auch oft in Form und Ansehen sehr verschieden. Beide sind durchsichtig mit netzförmig gegitterten Adern durchzogen und die Unterflügel werden niemals fächerförmig gefaltet. Familie der Termiten oder weißen Ameisen ( Termitida ). Be- wohner der warmen Länder, die in Gesellschaften, ähnlich denen der Bienen und Ameisen leben, deren Lebensart und Verhältnisse aber noch nicht so genau ermittelt sind. Die vollkommenen Insekten, welche geflügelt sind, haben einen runden Kopf mit vorstehenden Augen, drei Nebenaugen, kurzen, rosenkranzartigen Fühlern und Kauwerkzeugen, die besonders durch die vierspaltige, bis auf den Grund getrennte Lippe denen der vorhergehenden Familien entsprechen. Die Flügel sind äußerst zart, dünnhäutig, mit schwachen Längsadern durchzogen, Fig. 712. Fig. 713. Fig. 714. Fig 715. Fig. 712 — 715. Termiten. Fig. 712. Männchen mit ausgebreiteten Flügeln. Fig. 713. Trächtiges Weibchen. Fig. 714. Arbeiter. Fig. 715. Soldat. stehen auf kurzen Stummeln und fallen bei beiden Geschlechtern leicht ab. Die Tarsen sind viergliedrig. Die männlichen Individuen haben einen länglichen Hinterleib, ebenso die jungfräulichen Weibchen. Nach der Begattung schwillt der Leib der letzteren unverhältnißmäßig an und bildet endlich einen ungeheuren Eiersack, der hunderttausende von Eiern nach und nach ablegt. Die geflügelten Männchen und Weib- chen verlassen zu gewissen Zeiten in Schwärmen den Stock, und be- gatten sich außen; die befruchteten Weibchen werden zurückgebracht, und zwar hat jede Wohnung nur ein solches Weibchen in besonderer Zelle, während die Männchen zu Grunde gehen. Außerdem finden sich in den Wohnungen Hunderttausende von Larven, deren Körper- gestalt derjenigen der Männchen (ohne Flügel) gleicht und die beson- ders zum Arbeiten taugen. Diese Arbeiter haben einen runden Kopf mit deutlichen Augen und wenig vorstehenden Kiefern. Sie zeigen je nach ihrem Alter, mehr oder weniger deutliche Flügelstummeln. End- lich eine vierte Art von Individuen, von denen man noch nicht recht weiß, ob es Geschlechtslose oder Larven sind, haben einen großen cy- lindrischen Kopf ohne Augen, mit spitzer Schnauze und langen, schar- fen, stark gekreuzten Hakenkiefern. Sie sind weit weniger zahlreich, als die Arbeiter, deren Thätigkeit sie zu beaufsichtigen scheinen. Sie vertheidigen besonders die Wohnung, weßhalb man sie auch Soldaten genannt hat und beißen sich mit wüthender Energie fest, so daß man sie zerstückeln kann, ohne daß sie losließen. Die Termiten sind weit kleiner als unsere Ameisen, aber weit zahlreicher in ihren Wohnungen. Sie arbeiten beständig unter der Erde oder bauen sich dunkle Galerieen, die von den Wohnungen aus nach den Orten ihrer Thätigkeit führen. Sie nagen Alles an, beson- ders aber trockene Pflanzenstoffe, Holz, etc. und zerstören dieselben von innen heraus, so daß man erst beim Zusammenbrechen der voll- ständig ausgehöhlten Stämme und Möbeln etc. bemerkt, daß diese schädlichen Nager sich eingenistet haben. Ihre Nester und Wohnungen Fig. 716. Wohnungen von Termiten. Die kegelförmigen Nester, von denen das vordere senkrecht durchschnitten ist, gehören dem Termes bellicosus; — das eiförmige Nest auf dem Baume, von welchem ein geschlängelter Kanal nach der Erde führt, dem Termes arborum an. bauen sie alle von gekauter Erde, die schnell erhärtet. Meist bilden sie kegelförmige Erhöhungen, die oft Mannshöhe erreichen. Zuweilen werden die Nester auch auf Baumästen angelegt, wo dann bedeckte Galerien zur Erde führen. Im Innern dieser ungeheuren Nester findet man eine große halbrunde Zelle, die von dem befruchteten Weibchen bewohnt wird und deren Zugänge so eng sind, daß das Weibchen sie nicht verlassen kann. Es wird dort von den Arbeitern gefüttert und die von ihm gelegten Eier sogleich in benachbarte Zel- len geschafft, wo sie von den Arbeitern besorgt werden. Die Zellen für die Eier und jungen Larven bestehen aus gekautem und zusam- mengeklebtem Holz. Im Umkreis sind die Wohnzellen für Arbeiter und Soldaten und von hier aus gehen die Galerieen nach Außen, anfangs schief abwärts und oft von einem Fuß Durchmesser nach allen Seiten hin, bis sie in großer Entfernung an der Oberfläche vertheilt auslaufen. Die Termiten sammeln ebensowenig wie die Ameisen Vor- räthe ein. Termes . Der vorigen Familie stehen sehr nahe die Embiden ( Embida ), vereinzelt lebende südliche Insekten mit festhaftenden Flügeln, die auf keinem Stummel stehen, angeschwollenen Füßen, dreigliederigen Tarsen und nur zweispaltiger Unterlippe. Embia. Die Bücherläuse ( Psocida ) haben einen breiten Kopf, vorquel- lende Augen, borstenförmige, kurze Fühler und im Dreieck stehende Nebenaugen. Die Flügel sind entweder sehr groß, häutig, durchsich- tig, mit wenig netzartigen Adern durchzogen, oder fehlen ganz. Hin- terleib kurz; Füße dünn, lang; Tarsen nur zweigliedrig. Die Kau- werkzeuge sind schwach, die Kiefer hornig; die Kinnladenpalpen dick, cylindrisch, fünfgliedrig; die Lippentaster sehr dünn. Kleine, weiche, schnelle Insekten, die an dunklen Orten leben; — unter Rinden, in alten Büchern und Sammlungen werden besonders die Larven häufig gefunden. Psocus; Troctes; Thyrsophorus. Die Familie der Blasenfüße ( Physopoda ) besteht aus kleinen, höchstens eine Linie langen Insekten, die meist auf Blumen, Blättern, Baumrinden leben, schnell und gewandt umherlaufen und ziemlich be- hend springen, indem sie den umgeschlagenen Hinterleib in ähnlicher Weise wie die Poduren ihre Springgabel als Schnellfeder benutzen. Der Leib ist lang, schmal, flach; der Kopf senkrecht gestellt, der Mund nach unten gerichtet; die Fühler achtgliederig, fadenförmig; hinter ihnen stehen drei im Dreieck gestellte Nebenaugen; die Augen sind groß, vorragend. Mundtheile im Ganzen einen dreieckigen Rüssel bildend; Oberlippe dreieckig; Kiefer borstenförmig; Kinnladen klein, an die große Unterlippe festgewachsen; Lippen- und Laden-Taster 2 — 3 gliedrig. Flügel schmal, lanzettförmig, am Rande mit feinen langen Haaren besetzt; Vorder- und Hinterflügel ganz gleich, durch- sichtig, nur mit parallelen Längsadern. Beine kurz, die Tarsen nur zweigliederig und das letzte Glied mit einem runden Saugnapf ver- sehen; ohne Spur von Klauen. Sie nagen besonders die Oberhaut der Pflanzen und Blumenblätter ab. Phloeothrips; Heliothrips; Me- lanothrips; Thrips. Die Larven der folgenden Familien leben im Wasser: Die Florfliegen ( Perlida ) haben einen großen, breiten Kopf, Fig. 717. Blasse Florfliege ( Perla pallida ). Fig. 718. Larve von Perla. vorstehende Augen, lange borstenförmige, weit von einander auf der Stirn eingelenkte Fühler; sehr schwache Kauwerkzeuge, häutige kleine Kiefer, dagegen lange vorragen- de innere und äußere Kinnladenpalpen und Lippentaster. Die Flügel werden in der Ruhe ge- faltet und übereinander gelegt, so daß das In- sekt sehr schmal aussieht; sie haben mehr Netzadern als bei den vorhergehenden Familien. Die Füße sind lang, fein, die Tarsen nur dreigliedrig, mit einem Ballen zwischen den Klauen versehen. Der Hinterleib trägt zwei mehr oder minder lange Anhänge. Die vollkommenen Insekten leben von Blu- mensäften; die Larven halten sich besonders gern in fließenden Ge- wässern unter Steinen auf, haben große hakige Kiefer und seitliche haarförmige Tracheenkiemen an den Seiten des Hinterleibes, die bei einer Gattung ( Pteronarcys ) sogar bei dem vollkommenen Insekte als seitliche Fäden überbleiben. Perla; Nemura. Bei den Eintagsfliegen ( Ephemerida ) sind die Kauwerkzeuge fast Fig. 719. Swammerdamm’s Eintagsfliege ( Ephemera Swammerdammi ). gänzlich verkümmert, so daß sie kaum zu erken- nen sind — namentlich fehlen die Kiefer gänz- lich. Die Thiere leben kaum einen Tag als Bilder und fressen wäh- rend dieser Zeit niemals, sondern häuten sich noch einmal nach dem Verlassen der Puppe, begatten sich dann Abends, wo sie oft in un- gemein zahlreichen Schwärmen an den Gewässern erscheinen, legen Fig. 720. Larve einer Ephemera. ihre Eier und sterben am nächsten Morgen. Die Fühler sind sehr kurz, dreigliedrig, borstig; die Vor- derflügel, weit größer als die Hinterflügel, werden in der Ruhe aufrecht getragen; die Vorderfüße sehr lang, dünn; die Tarsen viergliederig. Der sehr weiche Hinterleib trägt zwei oder drei sehr lange Haarbor- sten. Die Larven leben zwei bis drei Jahre im Wasser, haben deutliche hornige Kiefer und zu bei- den Seiten große Büschel von Tracheenkiemen, die zugleich als Ruder dienen. Die fressenden Nymphen unterscheiden sich von den Larven nur durch die Ru- dimente der Flügel. Ephemera; Chloe. Die letzte Familie dieser Ordnung ist die der Wasserjungfern Fig. 721. Libellula indica , mit ausgebreiteten Flügeln. ( Libellulida ), bekannt wegen ihrer schlanken Ge- stalt und den meist schö- nen, durchsichtigen Schil- lerfarben, welche ihre Flügel zieren. Der Kopf ist groß, breit; die Augen ungeheuer, meist in großer Ausdehnung auf dem Scheitel genähert. Die Fühler sind kurz, borstenförmig, kürzer als der Kopf, meist sie- bengliedrig, zwischen oder vor den Augen eingesetzt; an ihrer Basis stehen drei Punktaugen. Die Kauwerkzeuge sind ungemein entwickelt und äußerst scharf gezähnt, in Uebereinstimmung mit der räuberischen Lebensweise der Thiere. Die Oberlippe ist groß; die Kiefer dick, kurz, oben hakig, weiter hinten gezähnelt; die Kinnladen innen haarig, an der Spitze mit einem krummen Hornzahne und darunter mit fünf in Fig. 724. 723. 722. Fig. 725. 726. Kopf und Mundwerkzeuge einer Libelle ( Aeschna ) dreifach vergrößert. Fig. 722. Der Kopf von vorne. Fig. 723. Von der Seite. Fig. 724. Halb von unten mit geöffnetem Maule. Fig. 725. Der Kiefer ( mandibula ) isolirt. Fig. 726. Die Kinnlade ( maxilla ) isolirt und beide stärker vergrößert. a Die großen, nierenförmigen Netzaugen. b Fühlhörner. c Nebenaugen. d Vorgesicht. e Oberlippe. f Kiefer. g Kinnlade. h Seitentheile der Unterlipve (Taster). i Mit- teltheile der gespaltenen Unterlippe. k Zunge. l Schlundöffnung. zwei Reihen gestellten langen Hornzähnen bewaffnet (deßhalb rannte man diese Familie auch Odonata ); Kinnladentaster dick, borstig. Un- terlippe groß, fein gespalten; die beiden Lippentaster in zwei häutige Seitenflügel umgewandelt, welche die Kauwerkzeuge von der Seite decken. Mittelbrust groß, hoch, faltig; Flügel lang, durchsichtig, fein gegit- tert, in der Ruhe aufgeschlagen. Beine kurz, schlank, überall mit Dornen besetzt. Hinterleib lang, schmal mit eigenen Anhängen versehen. Die Ge- schlechtstheile dieser Thiere sind höchst eigenthümlich gebildet. Die Ruthe des Männchens, die mit einer offenen Samenblase in Verbindung steht, ist außer aller Verbindung mit den Geschlechtstheilen am Anfang des Hinterleibes unter der Brust gelegen, so daß die Männchen, deren Samenleiter am Ende des Leibes, am After, münden, erst die Samen- blase füllen müssen, um sich begatten zu können. Sie fassen, sobald Fig. 727. Larve einer Wasser- jungfer ( Agrion ). dies geschehen ist, mit der Zange ihres Hin- terleibes die Weibchen im Nacken, die dann ihren Hinterleib gegen die Brust des Männchens und die dort befindliche Ruthe krümmen. Die Larven Fig. 728. Der Zangenschneider ( Aeschna forcipata ), Männchen. Fig. 729. Wasserjungfer ( Agrion virgo ). leben im Wasser und zeichnen sich durch eine höchst eigenthümliche Bildung der Unterlippe aus, welche wie eine Maske das ganze Gesicht von unten her bedeckt, aber wie ein Storchschnabel auseinandergeklappt und vorgeschoben werden kann, um als Fangwerkzeug zu dienen. Die vollkommenen Insekten fliegen meist sehr schnell und sind gefährliche Räuber kleinerer Insekten. Aeschna; Gomphus; Libellula; Agrion; Heterophlebia (fossil im Jura); Lestes; Sterope (fossil). In den untergegangenen Schöpfungen spielen besonders die Li- bellen und Termiten eine Hauptrolle. Die ersteren beginnen schon im Lias und zeigen besonders in den Solenhofer Schiefern, die dem obe- ren Jura angehören, prächtige, große Arten, die meist den Gattungen Aeschna und Gomphus angehören. In den Sümpfen der Tertiärzeit, besonders in Oeningen, gehören die Libellenlarven zu den gemeinsten Versteinerungen. Die Termiten, diese Bewohner tropischer Wälder, beginnen im Jura, und finden sich in der Kreide wie in der Tertiär- Vogt. Zoologische Briefe. I. 38 zeit sehr häufig mit großen, schönen Arten, was auf eine reiche südliche Wäldervegetation in der jetzigen gemäßigten Zone zu jener Zeit schlie- ßen läßt. Ueberhaupt sind aber die Geradflügler die ältesten Insekten, denn Schaben, Schnarrschrecken und Laubschrecken finden sich schon in der Kohlenperiode und von da an ununterbrochen in allen Formatio- nen mit mehr südlichen Arten. Unterklasse der Insekten mit vollkommener Verwandlung. ( Holometabola .) Die Ordnung der Zweiflügler ( Diptera) ist vielleicht die zahlreichste unter den Insekten, selbst die der Käfer nicht ausgenommen, wenn sie gleich weit weniger gekannt ist und namentlich die Arten des Auslandes unverhältnißmäßig wenig untersucht sind. Es sind meist kleine, zarte Insekten, deren Aufbewahrung ziemliche Schwierigkeiten, besonders für Reisende, mit sich bringt. Man unterscheidet bei den Zweiflüglern, wie bei fast allen Insek- ten, die drei größeren Körperabschnitte — Kopf, Brust und Bauch — namentlich ist der erstere häufig durch einen dünnen Hals von der Brust getrennt. Nur bei einigen parasitischen, ungeflügelten Gattun- gen scheint der Kopf entweder nur sehr klein oder selbst in ähnlicher Weise, wie bei den Spinnen, mit der Brust fast zu einer Masse ver- schmolzen. Die allgemeine Körperbedeckung ist weich, häutig dehnbar; obgleich man, namentlich am Hinterleibe, noch immer die einzelnen härteren Ringel mit zwischenliegenden weicheren Hautfalten unterschei- den kann, so zeigt sich doch nie jene Härte der Bedeckungen, welche bei manchen andern Ordnungen, besonders den Käfern, zu finden ist. Die Fühler sind bei den Zweiflüglern fast stets vorn auf dem Kopfe, an der Stirn, zwischen den Augen eingelenkt und mit ihrer Basis einander genähert. Sie zeigen zwei sehr verschiedene Typen, wonach man auch die ganze Ordnung in zwei Unterordnungen, Langhörner und Kurzhörner, zerfällt hat. Bei den letzteren ist der Fühler stets kürzer als der Körper und nie aus mehr als drei Glie- dern zusammengesetzt. Das oder die beiden ersten Glieder sind cy- lindrisch, stielförmig, das letzte hingegen breit, spindelförmig oder schwammartig und einzig mit jenen feinen Riechgruben versehen, die Fig. 730. Fig. 733. Fig. 731. Fig. 731. Fig. 732. Fig. 730. Kopf eines Langhorns ( Asindulum ), von der Seite gesehen. a Fühlhörner. b Nebenaugen ( stemmata ). c Auge. d Rüssel. e Palpe. — Fig. 731. Die Mundtheile einer Schnake ( Culex pipiens ) und Fig. 732. die- jenigen der Ochsenbremse ( Tabanus bovinus ), auseinandergelegt. Die gleichen Buchstaben haben in beiden Figuren dieselbe Bedeutung. a Unterlippe. b Kinnbacken ( mandibulae ). c Kinnladen ( maxillae ). d Unterlippe. e Palpe. f Anfang des Fühlers. Fig. 733. Schwingkolben ( halter ) einer gemeinen Stubenfliege ( musca). a Kolbiges Ende. b Stiel. Fig. 734. Fühlhorn eines Kurzhornes ( Dolichopus). a Erstes, b zweites Stielglied. c Drittes, großes Glied. d Fühlerborste ( stylus ). auf den Gliedern der Handhabe ganz fehlen. Bei diesen Kurzhör- nern steht dann meist auf dem dritten Gliede noch eine kurze, gerade Borste ( stylus ), die zuweilen selbst Gliederung zeigt. Bei den nie- dersten parasitischen Familien schwinden die Fühler zu einem unbedeu- tenden gliederlosen Knötchen; bei den Langhörnern dagegen sind sie stets aus mehr als sechs Gliedern zusammengesetzt, oft selbst länger als der Körper und zeigen sehr mannigfaltige Gestalten, Federn, Fe- derbüsche, Cylinder, Kolben, Faden. Die Augen sind meist von zweierlei Art, zusammengesetzte und einfache: erstere sind oft ungeheuer groß, seitlich gerückt und scheinen manchmal fast den ganzen Kopf einzunehmen. Besonders zeichnen sich die Männchen durch die Größe dieser Organe aus und bei vielen Gattungen bildet das Zusammenstoßen der Augen auf der Stirn für das Männchen und ihre Trennung für das Weibchen einen constan- ten Geschlechtsunterschied. Zuweilen sind diese zusammengesetzten Au- gen über und über mit langen Haaren besetzt, die in den Zwischen- räumen der einzelnen Facetten wurzeln; oft sind die Facetten der 38* oberen Augenhälfte größer als die der unteren. Die Nebenaugen stehen meist in einem Dreieck auf der Höhe der Stirn zwischen den Augen; gewöhnlich ist die Zahl drei, selten finden sich nur zwei oder gar keine. Die Mundwerkzeuge der Zweiflügler sind stets zum Saugen eingerichtet, theilweise selbst bei den Larven und zwar ist es beson- ders die Lippe, welche zum Rüssel ( proboscis; trompe ) umgewan- delt ist. Der Rüssel ist meistens knieförmig in der Mitte eingeknickt, bald senkrecht, bald horizontal unter den Kopf gestellt und kann mei- stens zwischen die Backen zurückgezogen werden. Seine untere Spitze ist gewöhnlich verbreitert, verdickt, in Form einer rundlichen oder ova- len Platte ausgebildet, welche größere oder kleinere Querfurchen zeigt und oft mit Haaren besetzt ist. Die eigentliche Mundöffnung befindet sich über dieser Platte in dem Knie des Rüssels an dem Ende einer meist tiefen Furche. An der Mundöffnung stehen zwei Taster ( palpae ), die bei den Kurzhörnern meist nur ein- bis zweigliedrig, bei den Langhörnern vier- bis fünfgliederig, lang, und oft in ähnlicher Weise wie die Fühlhörner, buschig sind. Untersucht man deu Rüssel genauer, so findet man, daß seine fleischige oder häutige mit der Platte verse- hene Röhre nur eine Hülle bildet, in welcher besondere steife Horn- borsten stecken, die offenbar den Kinnbacken und Kinnladen der kauenden Insekten entsprechen. Es sind stets wenigstens zwei solcher Borsten vorhanden, die meist mit den Palpen in Verbindung stehen und offen- bar die umgewandelten Kinnladen ( maxillae ) darstellen. Bei einigen Familien sind außerdem noch zwei weitere Borsten vorhanden, welche den Kiefern ( mandibulae ) analog sind. Die sämmtlichen in dem Rüs- sel eingeschlossenen Borsten werden in ihrer Vereinigung der Sauger ( haustellum, suçoir ) genannt. Außer diesen Borsten findet sich noch am Grunde des Rüssels die Oberlippe, meist dreieckig, zuweilen vorn zugespitzt, hornig oder häutig und auf ihrer Unterseite mit einer Mit- telrinne versehen, worin die sehr feine, zugespitzte, kurze Zunge liegt. Sind diese beiden Organe bedeutend in die Länge gezogen, so scheint der Rüssel sechs Borsten einzuschließen. Nicht immer indeß sind diese Mundorgane vollständig — es finden sich sogar manche Dipteren, wie z. B. Henops , wo dem ausgebildeten Thiere jede Spur von Mund- werkzeugen, ja die Mundöffnung selbst fehlt und nur die Begattung sein einziger letzter Lebenszweck ist. Die Hornborsten, in welche Kinn- backen und Kinnladen umgewandelt sind, dienen zum Durchbohren der Haut, während der äußere Rüssel eigentlich nur zur Bedeckung und Fixirung des Saugers bestimmt ist. Die Säfte, welche aufgesogen werden, steigen zwischen den Hornborsten in die Höhe. Der Raum zwischen dem Rüssel und den Augen wird das Untergesicht ( hypo- stoma ) genannt; er ist meistens durch zwei vorstehende mit steifen Borsten versehene Backen ausgefüllt, welche der Knebelbart ( my- stax ) heißen. Die Brust der Zweiflügler besteht nur aus einem Hornstücke, dessen ursprüngliche Zusammensetzung aus drei Ringen durch Quer- furchen oder vertiefte Linien mehr oder minder deutlich angegeben ist. Nur bei einigen Gattungen zeigt sich eine deutliche Scheidung der Vorderbrust. An der Unterfläche der Brust sieht man nie mehr als vier Luftlöcher — zwei vorn in der Nähe des Kopfes, zwei ganz hinten, unmittelbar bei den Schwingkölbchen. Es finden sich nie mehr als zwei Flügel , die den Vorderflü- geln der vierflügeligen Insekten entsprechen. Sie sind stets häutig durchsichtig, zuweilen nur mit sehr feinen häutigen Schüppchen besetzt. Meist sind diese Flügel mächtig, groß, von langgestreckter Form, leb- haft in Regenbogenfarben schillernd; die Flugkraft der Insekten sehr bedeutend und anhaltend, ihre Schnelligkeit im Fluge groß — nur bei wenigen Gattungen sinken die Flügel in ihrer Ausbildung zurück, besonders bei den Weibchen, und bei einigen schmarotzenden Gattungen fehlen sie gänzlich. Die Rippen oder Adern der Flügel sind meist sehr deutlich und ausgebildet; wesentlich sind nur Längsrippen und wenige Queradern vorhanden, so daß die langgestreckten Zellen meist nach außen geöffnet sind. Meist findet man fünf Haupt-Längsrippen, von denen die beiden ersten dem Vorderrande des Flügels sehr nahe an- liegen. Eigenthümliche Organe sind die Schwingkölbchen ( halteres, ba- lanciers ), zwei kleine bewegliche Körperchen, aus einem mehr oder minder langen Stiel und einem runden Knöpfchen bestehend, die an dem Hintertheile der Brust stehen, fast in beständiger vibrirender Be- wegung sind und meist von zwei Paar häutigen Schuppen ( aile- rons oder cuillerons ) bedeckt sind. Die Form dieser Schwingkolben gleicht ziemlich den mit Netzen durchflochtenen Raketten, die man beim Federballspiel zum Schlagen des Balls gebraucht — ihr Nutzen ist durchaus unbekannt. Die Füße der Zweiflügler sind meist lang, dünn, aber sonst aus den gewöhnlichen Theilen zusammengesetzt. Der Tarsus hat immer fünf Glieder; das Endglied trägt zwei, meist einfache, zuweilen ge- spaltene oder gezähnelte Klauen, die nur bei wenigen Gattungen stark vortreten; meistens befinden sich zwischen den Klauen zwei oder drei Fußballen ( arolia; pelottes ), die mit Grübchen oder Leisten dicht besetzt sind, bei einigen sogar eine klebrige Flüssigkeit ausschwitzen sollen und den Insekten als Haftorgane dienen, womit sie sich an glatten Oberflächen, selbst in umgekehrter Stellung leicht festhalten können. Der Hinterleib der Zweiflügler ist meist schmal, länglich, zu- weilen auch breit und eiförmig. Er sitzt bald mit seiner ganzen Breite an der Brust fest, bald ist er durch einen Stiel mit ihr verbunden. Er zeigt meist 6 — 9 sichtbare Ringe und endet bei den Weibchen oft in eine Spitze, die aus mehreren, in einander verschiebbaren Ringen besteht, welche wie ein Fernrohr aus- und eingezogen werden können. In anatomischer Hinsicht zeichnen sich die Zweiflügler durch fol- gende Eigenthümlichkeiten aus. Das Nervensystem erscheint in der Fig. 735. Fig. 736. Fig. 737. Anatomie der Schmeißfliege ( Musca vomatoria ). Fig. 735. Die Fliege ist vom Rücken her geöffnet und die Decken von Kopf, Brust und Hinterleib so weit weggenommen, daß man die Eingeweide in ihrer natürlichen Lage sieht. Die Luftgefäße, sowie das Rückengefäß sind besonders schwarz gehalten. a Die Fühler mit ihrer Borste. b Die Augen. c Erstes Fußpaar. d Deckschuppe des Schwingkolbens e; f zweites; g drittes Fußpaar. h Spitze des Hinterleibs. i Tracheenblasen im Kopfe. k Die großen Tracheenblasen des Hinterleibs. l Tracheenstämme, die mit dem ersten Luftloche der Brust in Verbindung stehen. m Tracheenstämme des zweiten Bruststigma’s. n Das Rückengefäß. o Hirnknoten. p Magen mit den geschlängelten Speicheldrüsen. zu beiden Seiten. q Darm mit den Gallengefäßen daneben. r Eierstöcke. Fig. 736. Das Nervensystem isolirt. a Hirnknoten. b Knoten unter dem Schlunde. c Vorderbrustknoten. d Hinterbrustknoten. e Hinterleibsknoten. Fig. 737. Die Verdauungsorgane isolirt. a Schlund. b Kropf. c Magen. d Saugmagen. e Darm. f Gallengefäß der einen Seite. g Mast- darm. h After. Regel um so gestreckter, je länger die Leibesringe sind, um so kürzer und gedrängter, je runder der Hinterleib sich darstellt. Deßhalb haben die Langhörner wenigstens fünf oder sechs Bauchknoten; während bei den eigentlichen Fliegen mit bedeckten Schwingkolben, den Musciden, Pupiparen, Oestriden gar keine, bei den übrigen Kurzhörnern je nach der Länge ihres Leibes ein bis sechs Bauchknoten vorhanden sind. Auch hinsichtlich der Verschmelzung der Brustknoten von drei bis eins herrschen ähnliche Verhältnisse. Der Verbindungsstrang zwischen den Kno- ten ist stets einfach. Die Verdauungsorgane sind einfach. Der dünne Schlund führt in einen kurzen Kropf und einen langen Magen, dem zur Seite durch einen bald längeren bald kürzeren Stiel ein blasenförmiger oder herz- blattartig ausgeschnittener Saugmagen anhängt. Der Magen setzt sich fast ohne Absatz in den Darm und dieser in den kurzen, breiten Mast- darm fort. Einfache Speichel- und Lebergänge in Form dünner Röhr- chen. Das Rückengefäß verhältnißmäßig sehr dünn und langkam- merig. Das Tracheensystem aus zwei seitlichen in der Brust längs dem Magen hinlaufenden Hauptstämmen zusammengesetzt, in welche die Stämme von den Luftlöchern her einmünden und in deren Verlauf sich besonders zwei kleinere Luftblasen im Kopf, zwei oft ungeheuer große im Hinterleib auszeichnen. Die weiblichen Fortpflanzungsorgane bestehen aus zwei Eierstöcken, die aus einer Unzahl kurzer Röhrchen gebildet sind, deren jedes drei bis vier Eier erzeugt. Die Eileiter sind nur kurz; der Samentaschen meist mehrere, gewöhnlich drei vorhanden, von höchst mannigfaltig wechselnder Form, meist hornig bräunlich. Die Scheide, ohne Begattungstasche, meist oben erweitert zu einem Eierbehälter, in welchem oft die Eier so lange bleiben, bis die Larven aus der Eischale gekrochen sind, so daß solche Fliegen lebendig gebärend erscheinen. Bei den Pupiparen, deren Eier und Eileiter ebenfalls abweichend ge- staltet sind, werden sogar die Larven in diesem Behälter durch das Sekret eigener, bedeutender Drüsen ernähert und erst nach ihrer Ver- puppung innerhalb des Behälters von der Mutter geboren. — Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus zwei einfachen, meist gelblichen oder bräunlichen Hoden von birnförmiger Gestalt, kurzen Samenleitern und einer meist kurzen Ruthe, die von zwei hor- nigen, scheidenartigen Seitenklappen eingeschlossen wird, welche oft eine sonderbare Gestalt haben. Die Zweiflügler leben als vollkommene Insekten meist nur kurze Zeit; die Männchen sterben gewöhnlich nach der Begattung, die Weib- chen nachdem sie für ihre Brut gesorgt haben. Sie finden sich meist gesellig in großen Schwärmen, in Wäldern und Gebüschen, auf Blu- men und Blättern, wo es etwas zu naschen und zu saugen gibt. Einige sind kühne Räuber, fallen selbst weit größere Insekten an, um sie tod zu stechen und auszusaugen; andere leben parasitisch von dem Blute größerer Thiere, doch sind es stets nur die Weibchen, welche stechen und Blut saugen, niemals die Männchen. Das Tanzen und Schwärmen der Mücken und Schnaken ist das Vorspiel zum Begat- tungsakte, der meist im Fluge, bald in der grellsten Mittagshitze, bald mehr in der Dämmerung vorgenommen wird. Die Eier, welche meist rundlich ohne auffallende Formgestaltungen sind, werden an die Orte gelegt, wo die Larven leben; in Form zusammengeklebter schwimmen- der Flöße auf das Wasser, in den Schlamm, feuchte Erde, auf Keime und Blätter der Pflanzen. Die Raubfliegen legen ihre Eier in die Nester der Bienen, deren Larven von ihrer Nachkommenschaft getödtet werden, zwischen die Blattläuse, auf die Haut größerer Thiere, wo sie abgeleckt werden, um sich im Darm zu entwickeln u. s. w. Fig. 742. 743. 744. Fig. 738. 739. 740. 741. Fig. 738 — 744. Larven und Puppen verschiedener Zweiflügler. Fig. 738. Larve, Fig. 739. Puppe von Culex in natürlicher Stellung im Wasser. Die Larve zeigt die lange, seitlich am Hinterende angebrachte Athemröhre, die zum Schwimmen dienenden Seitenborsten, den mit haa- rigen Palpen versehenen abwärts gerichteten Kopf. Die Puppe hängt mit den beiden im Nacken angebrachten Athemröhren an der Wasserfläche. Fig. 741. Larve einer in Schwämmen lebenden Tipulide ( Macrocera ). Der Kopf trägt zwei Fühlhörner; die Athemlöcher und die Tracheenstämme sind besonders her- vorgehoben. Fig. 741. Puppe derselben Larve von der Seite mit besonders deutlichem Auge und Flügelscheide. Hinten hängt noch der leere Kopf der Larve. Fig. 742. Käsemade (Larve von Piophila ) im Augenblicke, wo sie mit den beiden hornigen Hakenkiefern das Hinterende packt und sich kreisförmig krümmt, um sich fortzuschnellen. Fig. 743. Larve von Stratiomys , in natür- licher (verkehrter) Stellung im Wasser, die lange hintere Athemröhre nach oben gekehrt. Fig. 744. Puppe desselben Thieres, um zu zeigen wie die eigentliche Puppe im Inneren der als Cocon dienenden Larvenhaut liegt. a bezeichnet überall das Kopfende. Die Larven der Zweiflügler sind alle fußlos, höchstens mit Wärzchen an deren Stelle versehen und nach zwei verschiedenen Typen gestaltet. Die Einen haben einen weichen häutigen Kopf, der mit kurzen Saugorganen versehen ist — hierhin gehören die meisten para- sitischen oder in faulenden Stoffen lebenden Larven. Einige in Erde oder solchen Materien lebenden Larven haben indeß schon einen hor- nigen Kopf, womit außerdem alle im Wasser lebenden Larven verse- hen sind. Diese haben dann oft noch deutliche hornige, zum Beißen geeignete Kiefer mit Palpen, seitliche gefranzte Anhänge die zugleich als Flossen und als Tracheenkiemen fungiren und meist neben dem Schwanze eine mehr oder minder lange, mit einem Borstensterne ver- sehene Athemröhre, durch die sie die Luft einziehen. Sie hängen sich zu diesem Endzwecke verkehrt in das Wasser, indem sie den Borsten- stern an der Oberfläche ausbreiten. Alle Zweiflüglerlarven verwandeln sich in eine ruhende Puppe und zwar dient den meisten die eigene Larvenhaut als äußere Puppen- schale. Diese Haut verhärtet sich zu einer ovalen Hülse, in welcher das vollkommene Insekt sich ausbildet und endlich nach Sprengung der Hülse hervorgeht. Bei andern aber, namentlich bei den im Wasser lebenden Schnakenlarven, wird die Larvenhaut abgestreift, und eine oft sehr in ihrer Gestalt von der Larve abweichende Puppe erscheint, die nicht wie die Larve, durch eine Afterröhre, sondern durch zwei kurze, an der Brust angebrachte Röhren athmet. Wir theilen die Zweiflügler nach der Organisation ihrer Fühl- hörner, des Rüssels und ihrer Lebensweise in mehre Unterordnungen und Familien ab, deren vollständige Aufzählung bei der ungeheuren Anzahl der Gattungen uns weit über die Gränzen dieses Werkes hinausführen würde. Die Unterordnung der hüpfenden Dipteren ( Aphaniptera) umfaßt nur die einzige Familie der Flöhe ( Pulicida .) Der Kopf die- ser Thiere ist sehr klein, vorgebeugt und nur mit einfachen seitlichen Fig. 745. Pulex irritans . Der Menschenfloh. Augen, nicht aber mit zusammengesetzten verse- hen. Die Ringe der Brust sind deutlich ge- trennt, aber in ihrer Gestalt sehr wenig von denen des Hinterleibs geschieden, der linsenför- mig, hoch und von der Seite her zusammen- gedrückt ist. Die Körperbedeckungen sind fest, hornig. Neben an dem Kopfe stehen zwei kurze, kolbige dreigliedrige Fühler, in einer Rinne hinter den Augen versteckt, meist zurückgeklappt. Der Rüssel zeigt eini- ges Abweichende von den übrigen Zweiflüglern; er liegt senkrecht unter der vorstehenden Kopfplatte und besteht aus einer zweiklappigen, gegliederten Scheide (Unterlippe) mit fünfgliedrigen Tastern, aus einer mittleren Hornspitze, der Zunge, und zwei seitlichen, diese umfassenden Spitzen, den Kinnbacken, welche mit der Zunge zusammen den Stachel bilden. Zur Seite finden sich noch zwei gegliederte Palpen, die den Kinnladen angehören. Die Beine sind lang, die Schenkel dick und besonders die Hinterbeine zum Springen tüchtig. Alle Flöhe sind Schmarotzer, aber nur die Weibchen stechen und saugen Blut. Die Larven finden sich in modernden, fauligen Stoffen, in den Ritzen der Dielen etc., sind madenartig, fußlos, springen indem sie sich im Kreise biegen und haben einen hornigen Kopf. Nach zwölf Tagen spinnen sie sich einen kleinen Cocon aus Seide, woraus sie nach etwa zwölf Tagen wieder als vollkommene Insekten hervorgehen. Die Flöhe der Hunde, Katzen etc. sind specifisch verschieden von denen des Menschen, ebenso der Sandfloh ( Chique ), dessen Weibchen sich in heißen Gegenden unter die Nägel der Zehen eingräbt und dort seine Brut absetzt, die vorher den Hinterleib ungeheuer auftreibt. Die Unterordnung der Puppengebärer ( Pupipara ) umfaßt eine kleine Anzahl merkwürdiger parasitischer Insekten, die besonders auf Vögeln und Säugethieren leben und zum Theil ungeflügelt, zum Theil aber auch geflügelt sind. Statt der zu einer Rüsselscheide um- gewandelten Unterlippe haben diese Insekten zwei seitliche Hornklappen, die wahrscheinlich umgewandelte Palpen sind. Zwischen diesen Klappen liegen auf einem kleinen Vorsprung zwei starke schuppige Hornborsten, die zum Stechen dienen. Die Fühler sind sehr verschieden gestaltet, bald in Form eines Knötchens, bald wie eine haarige Platte; sie stehen meist mit dem Rüssel auf einem deutlichen Vorsprung des Kopfes, hinter dem die Augen einen markirten Absatz bilden. Die Füße sind lang, stark, mit großen Krallen am Ende versehen, womit sich die Thiere in den Haaren und Federn ihrer Wohnunggeber festhaken. Einige haben Flügel und Schwingkolben, andere sind durchaus flügel- los. Der Hinterleib zeigt keine deutlichen Ringel, sondern nur eine weiche sehr dehnbare Haut. Die Art und Weise der Fortpflanzung dieser Thiere ist sehr merk- würdig. Die Eierstöcke sind sehr kurz und mit wenigen Eiröhren versehen; die Eier selbst kommen nach der Befruchtung in den unte- ren, beutelartig ausgedehnten Theil der Scheide, wo sich die Embryo- nen ausbilden und ausschlüpfen. Die Mutter behält die Larven in demselben Sacke, wo sie durch das Sekret einer eigenen Drüse ernährt werden und sich endlich verpuppen. Die Puppen, wenn sie geboren werden, haben beinahe die Größe des Hinterleibs der Mutter, sind anfangs weich und bläulich, erhärten dann und springen endlich, beim Ausschlüpfen der Fliege, mit einem Deckel auf. Wir unterscheiden zwei Familien. Die Fledermausläuse ( Nycte- ribida ) sind vollkommen flügellos. Kopf sehr klein, vertikal gestellt, Fig. 746. Nycteribia Westwoodi . Brust und Bauch zu einer Masse verschmolzen; Fühler fehlen oder sind nur in Form kleiner Knötchen vorhanden. Die Beine sehr lang, haarig. Die Thiere gleichen kleinen Spinnen, haben aber nur sechs Beine und leben auf Fledermäusen. Nycteribia . Die Hautläuse ( Hippoboscida ), haben einen breiten, platten Kör- Fig. 747. Grüne Vogellausfliege ( Ornithomyia viridis ). per, mittelmäßig großen Kopf, deutlich getrennt von der Brust, die wieder vom ungeringelten Hinterleibe abgesetzt ist; längliche, zusammen- gesetzte Augen; dicke kurze Füße, das fünfte Tarsalglied sehr lang; zwei gezähnelte Krallen Fig. 748. Schaflaus. ( Melophagus ovinus ). am Endgliede. Einige ( Hippoboscus ) haben Flügel; anderen ( Melophagus ) fehlen sie gänz- lich. Die Geflügelten fliegen schlecht und we- nig. Hippoboscus (auf Pferden); Ornithomyia; Olfersia; Ornithobia; Anapera; Stenopteryx (alle auf Vögeln); Leptotena (auf Hirschen); Melophagus (auf Schafen). Die dritte Unterordnung, bei Weitem die zahlreichste an Fami- lien, Gattungen und Arten ist die der Kurzhörner (Brachycera) der eigentlichen Fliegen. Der Körper dieser Thiere ist meist breit, selten länglich; der Kopf halbkugelförmig oder queroval, von der Fig. 749. Kopf einer Schweb- fliege ( Syrphus .) a Fühlhorn. tr Rüssel. t Scheitel. Breite der Brust; der Hinterleib breiter; der Rüssel ist bald kurz, dick, fleischig, in welchem Falle er meist ganz in eine Vertiefung am Vor- derkopfe zurückgezogen werden kann, bald lang, vorstehend dünn, lederartig. Das wesentlichste Kennzeichen besteht in den Fühlern, die höch- stens aus drei Gliedern bestehen, von welchen zwei klein und stielartig, das dritte dick, knopfartig ist. Auf diesem dritten steht eine Geißel oder Borste ( stylus ). Die Fühler können meist in eine Rinne am Kopfe eingelegt werden. Flügel fehlen nur in einigen Ausnahmefällen, sonst sind sie stets vorhanden. Familie der Dasselfliegen ( Oestrida ). Körper dicht behaart. Fig. 750. Fig. 751. Dasselfliege des Pferdes ( Oestrus equi .) Daneben die Larve. Der Rüssel fehlt meist ganz, so daß die ausge- bildeten Thiere keine Nahrung zu sich nehmen können oder ist nur sehr klein und der Mund- spalt dann sehr eng. Palpen undeutlich. Füh- ler sehr kurz in einer Rinne des Kopfes gele- gen; drittes Glied kuglich, die dicke, kahle Borste auf seinem Rücken eingefügt. Deckschuppen der Schwingkolben meist sehr groß. Flügel ausge- breitet, in der Ruhe vom Leibe abstehend. Die ausgebildeten Insekten leben nur sehr kurze Zeit, fliegen rasch und schnell mit scharfem, aber leisem Summen und legen ihre Eier an verschiedene Stellen auf die Haut grasfressender Säugethiere. Die Larven, welche aus diesen Eiern hervorgehen, sind eiförmig, ihr Mund meist mit Wärzchen oder auch mit zwei harten, gebogenen Haken ver- sehen. Auf dem Leibe stehen Querreihen kurzer Stacheln, die nach hinten gerichtet sind. Die beiden Luftlöcher sind am Hinterende der Larven angebracht. Einiger dieser Larven bohren sich in die Haut der Thiere und eine Art in Südamerika auch in die der Menschen ein und verursachen dort große Eiterbeulen, in welchen sie mit dem Vorderende nach innen stecken, während das Hinterende gegen die Oeffnung des Eitersackes (Dasselbeule) zum Luftschöpfen gerichtet ist. Diese Dasselbeulen werden oft in heißen Ländern so zahlreich, daß die Häute fast werthlos werden. Unter den Landleuten herscht der irrige Glaube, daß die Larven dieser Dasselbeulen sich in die Viehbremse ( Tabanus ) verwandeln. Zur Zeit der Verpuppung kriechen die Lar- ven aus der Eiterbeule heraus und lassen sich zur Erde fallen. Ihre äußere Haut bildet die Schale der Puppe ( Cuterebra; Hypoderma; Oedemagus auf Hasen, Ochsen, Rennthieren.) Andere Larven leben in den Stirnhöhlen der Schafe und Hirscharten — die Mutter legt die Eier an den Eingang der Nasenhöhlen, von welchen aus die Lar- ven hinaufkriechen ( Cephenemyia; Cephalemyia ); noch andere endlich legen ihre Eier auf die Schultern der Pferde, wo die Thiere sie ab- lecken, hinabschlucken, die Larven sich im Magen oder Darm mit ihren Hornhaken festsetzen, zur Zeit der Verpuppung loslassen und mit dem Kothe abgehen, um sich im Dünger zu entwickeln. ( Oestrus .) Ueberaus zahlreich ist die Familie der Fliegen ( Muscida ), welche etwa zweihundert Gattungen zählt, die eine solche Menge von Ueber- gängen in den einzelnen Charakteren zeigen, daß sich kaum andere, als die von den Kurzhörnern überhaupt angegebenen Merkmale an- geben lassen. Man hat drei Unterfamilien, besonders nach der Be- schaffenheit der Deckschuppen und der Schwingkolben angenommen. Dungfliegen , Acalyptera . Deckschuppen fehlen ganz oder sind Fig. 752. Dungfliege ( Scato- phaga stercoraria .) nur rudimentär. Die Stirn ist bei beiden Ge- schlechtern breit, die Fühlerborste deutlich aus einem oder zwei Gliedern gebildet. Der Kör- per ist länglich, der Kopf halbkugelig, die Flü- gel schwächer als bei den übrigen Fliegen. Man findet die ausgebildeten Insekten meist in schat- tigen Gehölzen, im Rasen und auf Wasserpflanzen. Ihr Flug ist lang- Fig. 753. Brillenfliege ( Diopsis ichne umonides ) sam, schwach. Die Larven sind wurmartig, mit häutigem veränderlichem Kopfe und leben theils in Moder und verwe- senden Stoffen, theils auch in Pflanzen, wo sie zuweilen Gall- äpfel und ähnliche Auswüchse hervorbringen. Die Brillen- fliegen ( Diopsis ), Dungfliegen ( Scatophaga ), die Fettfliegen ( Piophila ), deren Larven in Pöckelfleisch, im Käse (die bekannten Käsemaden) leben, und durch Zusammenringelung ihres Körpers und nachheriges Los- schnellen springen, gehören hierher. Ortalis; Sepsis; Loxocera; Teta- nocera; Dichanta; Borborus etc. Blumenfliegen Anthomycida . Deckschuppen klein, die Schwin- ger nicht bedeckend. Fühler zurückgelegt, drittes Glied länglich. Augen Fig. 754. Blumenfliege ( Anthomyia .) auf der Stirn nahe gerückt, berühren sich meist beim Männchen. Körper länglich, Kopf halb- kugelich; Flug langsam. Die meisten leben in Gebüschen an hellen Tagen auf Blumen und Wasserpflanzen — die Männchen bilden große Schwärme in der Luft — die Larven haben meist zwei Mundhaken und leben in allen Arten pflanzlicher, besonders verwesender Stoffe. Einige Larven bohren sich Gänge im Gewebe der Blätter von Kräutern. Aricia; Anthomyia; Tegomyia; Hydrophoria . Die Fleischfliegen ( Calyptera oder Creophila ) haben meist einen gedrungenen Körperbau, rundlichen Hinterleib, breite Brust, queren Kopf und große Deckschuppen, welche die Schwingkolben gänzlich überragen. Die Fliegen haben einen raschen und anhaltenden Flug, halten sich meist auf Blumen oder auf verwesenden Stoffen und in Häusern auf. Die Larven leben im Kothe, in Aas und verwesendem Fleische (Schmeißfliege, Sarcophaga ) oder auch parasitisch in Raupen von Schmetterlingen und in anderen Insekten, besonders solchen, welche von Grabwespen und anderen Hymenopteren zur Proviantirung ihrer Brut benutzt werden. (Schnellfliege, Tachina ). Im letzteren Falle legen die Mutterfliegen die Eier auf die Raupen etc. in demselben Au- genblicke wo die Mutter Grabwespe ihre Beute in das Loch zieht, worin sie auch ihr Ei legt. Die eben ausgeschlüpften Würmchen boh- ren sich ins Innere ein, wo sie sich besonders vom Fettkörper nähren und so den Grabwespenlarven ihre Provision vorweg nehmen, so daß diese zuweilen vor Hunger umkommen. Die Fliegenmaden selbst ver- puppen sich zu kleinen Tönnchen und die Fliegen brechen oft erst aus der Puppe statt eines Schmetterlings hervor. Eine große Raupe kann bis Hundert solcher Schmarotzer nähren. Einige dieser Fliegen ge- bären lebendige Larven. Dezia; Musca; Ocyptera; Gymnosoma; Thasia; Sarcophaga; Tachina; Stomoxys; Siphona . Familie der Augenfliegen ( Conopida ). Alle Fliegen dieser Fa- milie haben lange, mächtige Flügel, die in der Ruhe auf dem Hinter- Fig. 755. Dickkorffliege ( Conops .) leib aufliegen und denselben weit überragen. Der Kopf ist sehr breit, oft blasig aufgetrieben oder selbst kugelrund, die Augen groß; der Hin- terleib länglich, aus 6 bis 8 Rin- gen zusammengesetzt. Die Schwin- ger sind unbedeckt, die Schuppen rudimentär oder fehlen ganz. Man hat mehrere Gruppen unterschieden: die Dickkopffliegen ( Conopsida ) mit vorgestrecktem starrem, geknie- tem Rüssel, winkligen Fühlern, dickem aufgeblasenem Kopfe. Ihre Larven leben parasitisch in den Hummeln, sind aber noch wenig unter- sucht und die aller übrigen Augenfliegen gänzlich unbekannt. Conops; Myrpa; Zodion . — Die Großaugen ( Tipunculida ) mit kugelrundem fast nur aus Augen bestehenden, fadenförmigen Hinterleibe und ver- borgenem Rüssel; die Scenopiden , mit flachen, achtringelichem Hinter- leibe, in der Ruhe einander ganz deckenden Flügeln und walzenförmi- gem Endgliede der Fühler; Scenopinus ; die Lonchopteriden , mit kuglichem Endgliede; die Platypeziden , mit langen Füßen, vorgestreckten Fühlern, mit langer, kahler Endborste und spitzem Hinterleibe. Platypeza; Callomyia . Die Familie der Kurzrüssler ( Brachystoma ) begreift eine Anzahl von Gattungen, bei welchen die Rüsselscheide kurzhäutig, mit dickem Rüsselkopfe versehen ist, welcher deutlich in zwei Lippen gespalten ist. Der Sauger besteht aus vier starken Hornborsten, nicht wie bei den vorigen Familien nur aus zwei. Die Fühler haben drei Glieder, das dritte Glied ist einfach, meist in Form einer Scheibe oder kegelförmig; die Borste steht auf seiner oberen Fläche. Der Hinterleib aus fünf Ringen zusammengesetzt, konisch oder auch abgeplattet. Es sind mei- stens große starke Fliegen, von welchen viele von Honig, einige aber auch vom Raube leben. Die Larven sind verschieden, bald mit wei- chem, bald mit hornigem Kopf — einige leben in Mulm und Moder, andere vom Raube. Man unterscheidet einige Unterfamilien. Dolichopida . Glänzende Fliegen mit metallisch grünen oder blauen Farben, langem beim Männchen nach unten eingeklapptem Hinterleibe, und blättrigen Ansätzen, die zur Begattung dienen, dickem Kopfe und vorstehenden Augen, die beim Männchen fast zusammenstoßen. Rüssel vorstehend, Palpen mit breitem häutigem Endgliede, das die Rüssel- wurzel deckt. Die Füße sind sehr lang, dünn; die drei Fühlerglieder deutlich, lang, die Borste sehr verlängert, meist einfach. Lebhafte Flie- gen auf Blumen und Blättern im Sonnenscheine; saugen Honig oder kleine Insekten, die sie anbohren. Die Larven leben in der Erde, ha- ben einen weichen Kopf mit knopfartigen Wärzchen und in der Mitte eine harte Spitze, die vielleicht als Saugstachel dient. Am Hintertheile sitzen zwei krumme Haken. Dolichopus; Rhaphium; Corphyrops; Psi- lopus; Chrysotus; Sybistroma . Schwebfliegen Syrphida . Große, lebhafte, meist dickleibige Fliegen, oft mit schönen, metallischen Farben geziert. Stirn vorstehend; Fig. 756. Hummelfliege ( Volucella bombyleus .) Oberlippe breit, gewölbt, ausgerandet. Rüssel zurückgezogen. Drei Punktaugen. Leben auf Blumen; die einzelnen Gattungen erscheinen, wenn diese blühen. Man findet sie meist ein- sam schwärmend, absatzweise vorschießend und dann lange an demselben Platze schwebend. Ihre Larven, die einen weichen häutigen Kopf haben, leben meist in der Erde, im Miste, im Mulm oder in Zwie- belgewächsen ( Merodon ). Andere Larven, obgleich blind und fußlos, saugen die Blattläuse aus, nachdem die Eier in deren Nester gelegt wurden ( Syrphus ), und sind zu diesem Endzwecke mit einem dreispitzi- gen Stachel versehen; andere ( Volucella ) leben in Nestern der Hor- nissen, Wespen und Hummeln und saugen deren Larven aus; noch andere endlich in flüssigem Kothe und schmutzigem Wasser ( Cristalis ) und sind mit einem langen perspectivartigen Athemrohre am Hinter- leibe versehen, während zu beiden Seiten des Leibes häutige Haken- fortsätze sich finden, die zur Bewegung dienen. Syrphus; Volucella; Merodon; Psarus; Cristalis; Helophilus; Milesia; Cheilosia . Die Stilettfliegen ( Therevida ) mit vorgestreckten Fühlern, die am Grunde genähert sind, zurückgezogenem Rüssel, keulenförmigen ver- borgenen Palpen, kegelförmigem Hinterleibe aus 7 Ringen, drei Punkt- augen, grauen oder schwärzlichen Farben. Sie leben in Schwärmen auf Blumen, oder vom Raube kleinerer Insekten; die Larven haben einen hornigen kleinen Kopf und langen Leib mit 20 Ringeln und leben im Mulm. Thereva; Chiromyza . Die Schnepfenfliegen ( Leptida ). Rüssel vorstehend, Rüssel- kopf verlängert; Fühler tief am Grunde des Kopfes eingelenkt; die beiden Hinterfußpaare mit Stacheln an den Schienen; das Endglied des Tarsus mit drei Fußballen versehen. Flügel abstehend; Hinterleib lang zugespitzt. Die ausgebildeten Insekten nehmen nur selten Nah- rung zu sich, die aus Blumensaft oder kleinen Insekten besteht; sie sitzen meist ruhig in der Sonne mit senkrecht aufgerichtetem Hinter- leibe. Die Larven leben in der Erde; eine im südlichen Europa vorkommende Gattung ( Vermileo ) macht sich im Sande einen Trichter, in dem sie hineinfallende kleine Insekten fängt. Ihr Körper ist sehr lang, wurmartig; der Kopf hornig, kegelförmig. Leptis; Vermileo; Atherix; Clinocera . Die Familie der Dornrücken ( Notacantha ) hat einen kurzen, zu- rückgezogenen Rüssel mit dickem, getheiltem Endknopfe und meist drei- gliederigen Palpen, deren Endglied oft kugelförmig ist. Die Fühler sind dreigliedrig, ihr Endglied geringelt, die Borste fehlt oft gänz- lich. Das Halsschild hat meist Spitzen, die nach hinten gerichtet sind; der rundliche Hinterleib besteht aus fünf deutlichen Ringeln. Drei Fußballen am Endgliede der Tarsen. Man unterscheidet besonders zwei Gruppen die Holzfliegen ( Xylophaga ) mit langem Hinterleib: aus sieben Ringeln, achtringeligem Endgliede der Fühler, eingezogenem Rüssel, aufliegenden Flügeln, in Wäldern und auf Baumstämmen; die hornkopfigen Larven im Mulm — und die Waffenfliegen Fig. 757. Grüne Waffenfliege ( Stratiomys cameleo ). ( Stratiomyda ) mit breitem Körper, dreigliede- rigen abstehenden Fühlern, deren Endglied fünfringelig und mit einer Borste versehen ist. Die Augen haben oben größere Facetten, als unten. Sie haben zuweilen lebhafte Metall- farben, schwärmen auf Blumen; die Larven besitzen einen hornigen Kopf, verwandeln sich in ihrer Larvenhaut und leben entweder im Mulm oder im Wasser und haben im letzteren Falle eine mit einem Borstenkranz umgebene Athemröhre. Stratiomys; Oxycera; Platyra; Cyclogaster; Pachygaster; Sargus; Clitellaria; Nemotelus . Vogt. Zoologische Briefe. I. 39 Fig. 758. Nemestrina longirostris . Die Familie der Langrüssler ( Ta- nystoma ) begreift eine große Anzahl meist kräftiger Fliegen, die alle einen langen, oft dünnen, lederartigen, vor- stehenden Rüssel haben, dessen Knopf und Endlippen meist wenig ausgeprägt sind. Das dritte Glied der Fühler ist einfach, die Borste an seinem Ende ein- gefügt, doch fehlt sie zuweilen. Der Kopf ist halbkugelig, so breit wie die Brust, nur bei einigen Gattungen sehr klein; der Hinterleib breit, selten länglich. Es sind meist starke Fliegen von räuberischen Gewohnheiten — ihre Larven sind nur wenig bekannt, aber die beobachteten hatten alle einen hornigen Kopf mit deutlichen kauenden Mundwerkzeugen und lebten in der Erde. Man unterscheidet viele Gruppen. Trauerfliegen ( Anthracida ). Kopf vorn rund; Rüssel kurz, Fig. 759. Gelber Trauerschweber ( Anthrax flavus ). meist verborgen, nach vorn gerichtet; Endlippen des Knopfes deutlich; Palpen eingliedrig, an der Basis des Rüssels. Augen getrennt. Brust eben; Füße dünn, Fußballen rudimentär. Flügel sehr groß, seitlich ausgebreitet. Meist schwarz mit weißen Linien und Binden. Sie schwe- ben langsam in Gebüschen und auf Blu- men. Ihre Larven sind unbekannt. An- thrax; Lomatia; Mulio . Schwebfliegen ( Bombylida ). Kopf kleiner als die Brust. — Rüssel dünn, lang, nach vorn gerichtet; Oberlippe sehr lang. Fig. 760. Gefleckter Wollschweber ( Bombylus pictus ). Palpen eingliedrig, Fühler lang, nahe bei einander; Borste kurz oder Fig. 761. Gabelfliege ( Usia furcata ). fehlend. Brust buckelig. Füße dünn; Flügel lang ausgebreitet. Meist sehr behaarte Fliegen, die äußerst schnell mit tiefem Summen fort- schießen und über Blumen schwebend Honig saugen. Bombylus; Usia; Ploas; Phthiria; Nemestrina; Xestomyza . Mundhornfliegen ( Acrocerida ). Kopf sehr klein, unter der buckeligen Brust verborgen, fast nur von den Augen gebildet. Fühler sehr klein oben auf der Stirn; Borste fehlend. Der Rüssel und die Mundöffnung fehlen oft gänzlich. Flügel in der Ruhe dachförmig zusammengelegt. Hinterleib sehr dick, durchsichtig, gewölbt, fünfglie- derig. Sie leben auf Blumen, fliegen schlecht. Panops; Henops; Acrocera . Tanzfliegen ( Empida ). Kopf klein, kugelig. Rüssel dünn, lang, gerade nach unten gerichtet. Palpen zweigliedrig. Fühler drei- gliedrig, das erste Glied sehr undeutlich. Brust hoch, gewölbt; Hin- terleib stets dünn, lang, schmäler als die Brust. Füße lang, dünn. Sie schweben und tanzen Abends in ungeheuren Schwärmen über Hecken und Gebüschen, leben von Blumensaft und dem Raube kleinerer Insekten und meist gelingt dem Männchen die Begattung nur, wäh- rend das Weibchen mit dem Aussaugen seines Raubes beschäftigt ist, den es im Fluge oder im Laufe fängt. Die Larven sind unbekannt. Empis; Hilara; Rhamphomyia; Tachydromia; Hemerodromia; Drapetes . Buckelfliegen ( Hybotida ). Kopf klein, gerade vorgestreckt, kugelig. Brust sehr hoch gewölbt, fast kugelig. Leib lang, gestreckt; Rüssel kurz, horizontal. Fühler kurz, erstes Glied rudimentär. Schwinger unbedeckt. Füße sehr lang, Schenkel oft verdickt, stachelig. Fliegen schnell und jagen andere Insekten. Hybos; Oedalea; Ocy- dromia . 39* Raubfliegen ( Asilida ). Kopf groß, Stirn eingedrückt, Augen seitlich sehr vorragend. Rüssel kurz, wagerecht, Endlippen des Rüs- selknopfes vorspringend; Lippe kurz; Fühler kurz, abstehend; Borste oft fehlend. Das Gesicht sehr haarig, Knebelbart stark. Hinterleib cylindrisch oder rundlich. Schwinger unbedeckt. Schienen und Tar- sen stachelig. Flügel groß, stark. Kühne Räuber, die an trockenen, sonnigen Orten selbst weit größere Insekten überfallen, anstechen und aussaugen. Die Larven leben in der Erde, haben einen hornigen Kopf und starke, gekrümmte Kinnbacken. Asilus; Dasypogon; La- phria; Dioctria; Rhopalogaster; Megapus . Mordfliegen ( Mydasida ), die Raubfliegen südlicher Zonen. Die größten und stärksten Fliegen mit starkem, kurzem Rüssel, starkem Knebelbart, eingedrückter Stirn, vorstehenden Augen, langen, fünfglie- derigen Fühlhörnern, dadurch den Uebergang zu den Langhörnern machend, ohne Nebenaugen, mit sehr starken stacheligen Hinterbeinen. Leben nur vom Raube anderer Insekten, aber in südlichen Gegenden. Mydas; Cephalocera . Die Familie der Bremsen ( Tabanida ) unterscheidet sich von allen Fig. 762. Ochsenbremse ( Tabanus bovinus ). übrigen Kurzhörnern durch die Or- ganisation ihres Rüssels, der ganz demjenigen der Schnaken analog gebaut ist. Der ganze Körper ist breit, platt, stark; der Kopf breit, zusammengedrückt; die Augen groß, meist grünlich schillernd; der Rüssel vorstehend, kurz, dick; die Mittel- schienen mit zwei Spitzen, die Tarsen mit drei Fußballen versehen. Das dritte Fühlerglied ist lang, cylindrisch, 4 — 8 gliederig; Flügel stark, dachförmig. Sie stechen sehr empfindlich, saugen das Blut der Säugethiere, fliegen außerordentlich schnell und lang, ohne zu ermü- den und haben ein leises, scharfes Summen. Die Männchen lauern in sonnigen Waldwegen und Schneisen auf die Weibchen, indem sie eine Zeit lang schweben, dann plötzlich an das andere Ende des Weges schießen und dort wieder schwebend lauern. Sie stürzen sich im Fluge auf die Weibchen, packen sie und erheben sich dann hoch in die Luft. Die Larven leben in der Erde, haben einen hornigen, mit hakigen Kiefern bewaffneten Kopf. Die Puppen sind haarig. Tabanus; Pan- gonia; Chrysops; Haematopota; Hexatoma; Silvius . Die vierte und letzte Unterordnung der Zweiflügler ist diejenige der Langhörner ( Nemocera ). Der Körper dieser Thiere ist dünn, langgestreckt; der Kopf klein, die Brust meist kurz, aber hoch- gewölbt. Der Rüssel ist bald kurz, bald lang. Die Palpen lang, wenigstens fünfgliederig, oft federbuschartig. Die Fühler lang, dünn, fadenförmig, wenigstens aus sechs Gliedern zusammengesetzt, oft bu- schig oder gefiedert. Die Füße sind lang, dünn; die Flügel meist lang und schmal. Wir unterscheiden zwei Familien: Fig. 763. Mondschnake ( Tipula lunata ). Die Mücken ( Tipulida ) haben einen kurzen, dicken, vorstehenden Rüssel mit zwei deutlichen Endlip- pen und nur zwei Hornborsten (Kinnbacken) im Inneren; die Ta- ster hängen oder sind eingebogen und haben fünf Glieder. Einige stechen, die meisten aber sind völlig wehrlos. Sie tanzen meist Abends in so zahllosen Schwärmen, daß man sie oft schon für Rauchsäulen gehalten hat. Man hat mehrere Gruppen unterschieden. Blumenmücken ( Bibionida ). Fühler vorgestreckt, walzenförmig an der Spitze zuweilen geknöpft. Körper dick, fliegenartig. Palpen viergliederig. Fühler meist weniger als zehn Glieder. Punktaugen gleich groß, drei. Langsame Mücken, auf Blumen. Ihre Larven leben in der Erde oder im Mist und haben starke seitliche Haarborsten, die ihnen zum Anstemmen in ihren Gale- rieen dienen. Stechen nicht. Bibio; Dilophus; Apistes; Rhyphus; Icothopse . Griebelmücken , Mosquitos, ( Simulida ). Fühler vorstehend, an der Spitze dünner, eilfgliederig. Punktaugen fehlen. Rüssel vor- stehend. Flügel breit. Tasten beim Gehen beständig mit den Tarsen. Stechen sehr empfindlich; nähren sich aber außerdem von süßen Pflan- zenfäften. Sind besonders in heißen Gegenden eine Plage für Men- schen und Vieh, da ihr Stich leicht zu bösartigen Geschwüren Ver- anlassung giebt. Simulia . Pilzmücken ( Fungicola ). Kopf rund, Rüssel kaum vorstehend. Fühler fadenförmig, kurz gebogen, meist 16 gliederig. Augen getrennt, rund oder halbmondförmig. Drei im Dreieck gestellte Punktaugen, zuweilen das mittlere rudimentär. Brust gewölbt; Hinterleib lang, zusammengedrückt, 7 gliederig. Füße kurz; Schenkel lang; Flügel horizontal. In dumpfen, schattigen Wäldern, sehr behende in ihren Bewegungen. Die Larven in Schwämmen, mit hornigem Kopfe, Fühl- hörnern, zuweilen mit fußähnlichen Warzen. Sie spinnen sich einen dünnen Cocon und verwandeln sich im Schwamme selbst. Bolitophilus; Mycetophilus; Dixa; Sciophila; Mycetobia; Sciara . Gallmücken ( Gallicola ). Kopf kugelig, Rüssel wenig vorste- hend. Fühlhörner lang, rosenkranzartig, mit Haaren in Wirteln, 12 — 24 gliederig. Augen nierenförmig — keine Punktaugen. Leib 8 ringelig, lang. Flügel plan oder dachförmig. Sie legen ihre Eier auf die Knospen verschiedener Gewächse. Die Larven fressen sich in die jungen Knospen ein, wodurch Gallen gebildet werden, in denen sie wohnen und sich einpuppen. Lasioptera; Cecidomyia . Erdmücken ( Terricola ). Kopf kugelig, vorn in eine kurze Schnauze ausgezogen. Taster gekrümmt, viergliederig. Fühler lang, faden- oder borstenförmig, mit wirtelständigen Haaren oder gekämmt, 13 — 16gliederig. Augen ganz oval. Keine Punktaugen. Brust mit einer Bogennath, Mittelbrust hochgewölbt, Füße lang, Schienen ge- spornt. Schwärmen meist am Wasser; die Larven leben in feuchter Erde. Eine Gattung, Chionea , ist flügellos und lebt im Norden auf dem Schnee. Tipula; Limnophila; Limnobia; Trichocera; Ctenophora; Erioptera; Ptychoptera . Buschmücken ( Tanypida ). Fühler federbuschig oder stark haa- rig, lang, gekrümmt. Augen halbmondförmig; ohne Punktaugen. Flügel sehr schmal. Brust gewölbt mit drei Erhöhungen. Sie nähern sich sehr den Schnaken in Form und Bildung; auch die Larven sind den Schnakenlarven ähnlich. Die Eier werden in stehende Wasser gelegt. Die Larven leben darin, haben einen hornigen Kopf, hakige Kiefer und meist seit- liche Schwimmlappen. Einige bauen sich eigene Gänge unter modern- den Blättern, wo sie in Gesellschaft leben. Chironomus; Choretra; Tanypus; Ceratopogon . Die Familie der Schnaken ( Culicida ) hat einen langen, dünnen, Fig. 764. Stechschnake ( Culex pipiens ) vergrößert. geraden Rüssel mit vier deutlichen Borsten; fünfgliedrige Palpen, die meist länger sind als der Rüssel, 14gliederige Fühler, lang, buschig bei den Männchen, borstig bei den Weibchen. Die Flügel sind längs den Adern mit haarförmigen Schup- Fig. 765 Die Larve. t Die Athemröhre. pen besetzt. Nur die Weibchen ste- chen. Die Larven leben im Wasser, haben einen hor- nigen Kopf mit zwei gefiederten Kinnbacken, die einen steten Stru- del unterhalten und eine lange Athemröhre, die schief vom Leibes- ende absteht und einen Borstenstern hat. Die Puppe ist kurz gedrun- gen und athmet mit zwei an der Brust liegenden kurzen Röhren. Culex; Anophales . Unter den fossilen Zweiflüglern treten zuerst die Langhörner auf und behalten auch in den jüngsten Formationen ein bedeutendes nu- merisches Uebergewicht über die Kurzhörner — ein Verhältniß, das jetzt gerade umgekehrt ist, sich aber leicht erklärt, wenn man bedenkt, daß die Larven der Langhörner mehr in Sümpfen und stehenden Ge- wässern, in faulenden Pilzen und Mulm und die erwachsenen Fliegen in Wäldern nnd Büschen leben, während die Larven der Kurzhörner in der Erde und in Pflanzen, die Fliegen auf Blumen und Kräutern leben. Die Bibioniden sind von denjenigen Kurzhörnern, deren Lar- ven in der Erde oder im Moder leben, noch die zahlreichste Familie. Auch finden sich in der Tertiärzeit schon Raubfliegen ( Asilida ), nicht aber solche Kurzhörner, die das Blut warmblütiger Thiere saugen. Ordnung der Schmetterlinge ( Lepidoptera ). Die schimmernden Farben, die Zierlichkeit der Form haben von jeher die Schmetterlinge zu Lieblingen des sammelnden Publikums gemacht, während auf der anderen Seite nirgends der Dilettantis- mus der Sammler schlechtere Früchte getragen hat, als gerade bei dieser Ordnung. Der Kopf der Schmetterlinge ist meist sehr klein, und in den häufigsten Fällen so in das Brustschild eingesenkt, daß nur die großen, gewölbten Augen mit den Tastern und Fühlern hervorragen. Die Fühler sind gewöhnlich verhältnißmäßig kurz, sehr selten länger als der Körper und von wechselnder Gestalt, am häufigsten borstenförmig oder gegen das Ende hin knopfförmig verdickt, zuweilen bei Nachtschmetterlingen und namentlich bei Männchen kammförmig oder gefiedert; sie haben meist sehr viele Glieder, die eng an einander liegende Ringe bilden. Die Augen sind meist sehr groß, vorstehend, rund oder halb- Fig. 766. Der Kopf eines Schmetterlings von der Seite gesehen. t Der Kopf. a Die Ba- sis des abgeschnittenen Füh- lers. b Der spiralig einge- rollte Rüssel. d Die Lippen- taster der linken Seite. o Das Auge. rund, mit außerordentlich vielen Facetten ver- sehen; die Nebenaugen fehlen meistens oder sind so unter den Haaren und Schuppen des Schei- tels verdeckt, daß man sie erst nach Entblößung desselben auffinden kann. Die Mundwerk- zeuge sind einzig zum Saugen eingerichtet und bestehen hauptsächlich aus den beiden außer- ordentlich verlängerten Kinnladen, welche die Form einer Halbkehle haben, so daß sie beim Zusammenlegen einen hohlen Kanal, einen Rüssel bilden, der gewöhnlich spiralig einge- rollt, an der Unterfläche des Kopfes getragen wird. Zuweilen erreicht dieser Rüssel eine un- gemeine Länge, wie namentlich bei den Abend- schwärmern, welche im Fluge tiefe Kelchblumen auszusaugen im Stande sind; nur in wenigen Fällen fehlt er ganz, und die vollkommnen Insekten leben dann nur wenige Tage, einzig mit der Fortpflanzung beschäftigt. Die Oberlippe der Schmetterlinge wird durch eine äußerst kleine dreieckige oder rundliche Hautfalte re- präsentirt, welche oben auf dem Ursprunge des Rüssels aufliegt; — die Kiefer sind zu zwei kleinen Höckerchen eingeschrumpft, die über und über behaart sind. Zu beiden Seiten der röhrenförmigen Kinnladen stehen zwei äußerst kleine Ladentaster, die gänzlich von den großen behaarten Lippentastern bedeckt werden, welche meistens dreigliedrig, selten nur zweigliedrig sind, und den Rüssel im aufgerollten Zustande zwischen sich nehmen; — die Unterlippe selbst ist nur ein sehr kurzer häutiger Vorsprung, an dem diese großen Lippentaster einge- fügt sind. Die Brust , welche fast immer behaart ist, läßt meist nur eine ringförmige Vorderbrust wahrnehmen, hinter welcher Mittel- und Hinterbrust zu einem Stücke verschmolzen sind. Zu beiden Seiten der Vorderbrust und an der Basis der Vorderflügel eingelenkt liegen zwei häutige Lappen der Rückseite auf, welche man die Flügelschuppen ( Pterygoda ) genannt hat. Die Flügel selbst sind stets in der Vier- zahl vorhanden, und im Verhältniß zum Körper bedeutend groß; sie sind stets dicht mit mikroskopischen Schuppen bedeckt, welche oft son- derbare Formen haben, mit einer dünnen Wurzel in einer Vertiefung der Flügelhaut stecken, dachziegelförmig übereinander liegen und öfters durch erhabene Rippen das auffallende Licht so brechen, daß ein eigen- thümlicher, je nach der Ansicht in andern Farben schillernder Glanz entsteht. Nur bei wenigen Gattungen sind die Flügel theilweise nackt und durchsichtig, bei anderen zum Theile gespalten und die Rippen federartig mit Haaren besetzt. Die Gestalt der Flügel wechselt außer- ordentlich, und liefert ebenso konstante Kennzeichen für die Unterschei- dung der einzelnen Arten, als die Färbung und namentlich die Zeich- nung, welcher zu Folge die Farben vertheilt sind. Der Umriß der Hinterflügel ist sehr verschieden und besonders bei vielen Tagschmetter- lingen in lange Zacken nach hinten ausgezogen. Die Adern der Flü- gel sind wenig zahlreich und bilden nur eine geringe Anzahl von Zellen, deren Form und Größe für die Unterscheidung der einzelnen Gruppen oft von Wichtigkeit ist. In der Ruhe werden die Flügel sehr verschieden getragen. Die Tagschmetterlinge schlagen sie meist senkrecht in die Höhe; die Nachtschmetterlinge legen sie dachförmig über den Leib, so daß die Vorderflügel die hinteren decken, oder breiten sie ganz aus. Einige Spinner, sogenannte Glucken, legen die oberen Flügel in der Ruhe dachförmig, während sie die unteren ausbreiten. Bei manchen Motten und Spinnern sind die Weibchen vollkommen ungeflügelt, während die sehr verschieden gestalteten Männchen Flügel Fig. 767. Die Eichenglucke ( Bombyx quercifolia ). Fig. 768. Ein Tagschmetterling, Morphe Helenor , fitzend mit zusammengeschlagenen Flügeln. Die Vorderfüße sind gänzlich ver- kümmert; man sieht nur die beiden Hin- terfüße. besitzen. Die Füße der Schmetterlinge sind wie bei den übrigen voll- kommenen Insekten gebildet, behaart oder beschuppt, die Tarsen fünf- gliedrig und an der Spitze mit zwei Klauen bewaffnet, zwischen denen meist noch ziemlich bedeutende Haftlappen stehen. Bei vielen Tag- schmetterlingen ist das vordere Fußpaar klein, zum Gehen untauglich, oder selbst gänzlich verkümmert, so daß sie nur eine Art behaarter Platten bilden, welche an der Seite der Brust hinaufgeschlagen wer- den. Der Hinterleib ist stets länglich, walzenförmig, aus sieben deutlichen Ringen zusammengesetzt, niemals mit einem Stachel oder einer Legeröhre versehen, dagegen manchmal mit eigenthümlichen Be- gattungswerkzeugen ausgestattet. Das Bauchmark der Schmetterlinge besteht aus zwei großen Fig. 769. Senkrechter Durchschnitt eines Abendschwärmers ( Sphinx ligustri ), um die Theile in ihrer natürlichen Lage zu zeigen. a Hirnknoten. b Brustknoten. d Bauchmark. e Rüssel. f Schlund g Ma- gen, darüber der Saugmagen. h Darm. i Mastdarm. k Rückengefäß. l After. m, n, o Füße. p Hoden mit dem gewundenen Samengange. q Fühler. Brustknoten und fünf Bauchknoten, deren Verbindungsstränge so mit- einander verschmolzen sind, daß sie nur einen einzigen Faden darstel- len. Die Verdauungswerkzeuge bestehen aus einem langen engen Schlunde, in dessen unteres Ende ein rundlicher dünnwandiger Saug- magen mit einem kurzen Stiele sich einsenkt. Der Magen ist schlauch- förmig, der Darm dünn, mehrfach gewunden, der Mastdarm meist blasig aufgetrieben, zuweilen selbst zu einem Blinddarme erweitert, und im Innern mit vielfachen Drüsenwülsten besetzt, deren Bedeutung noch nicht bekannt ist. Die Harngefäße sind frei und meist sechs an der Zahl, die Speichelgefäße oft sehr lang und zuweilen selbst in die Bauchhöhle hinabsteigend. Die Athemröhren vereinigen sich zu zwei seitlichen Hauptstämmen und zeigen in ihrem Verlaufe vielfache blasige Erweiterungen, die besonders bei den Schwärmern bedeutend entwickelt sind. Die Eierstöcke der weiblichen Schmetterlinge sind aus vier langen spiralig aufgewundenen rosenkranzförmigen Eierröhren zusammengesetzt, die in eine kurze Scheide münden, an welcher eine große, birnförmige Samentasche und weiter unten eine zweihornige Kittdrüse einmünden. Die birnförmige Begattungstasche, die mit einem besonderen Ruthenkanal in Verbindung steht, mündet der Samentasche gegenüber durch einen besonderen Kanal ebenfalls in die Scheide ein. Die männlichen Geschlechtstheile bestehen aus zwei rundlichen Hodenschläuchen, welche meist verschmolzen und in einer einzigen mitt- leren kugelförmigen Hodenkapsel eingeschlossen sind, deren sehnige Hülle eine schöne grüne oder rothe Farbe besitzt. Aus dieser Hodenkapsel entspringen zwei Samenleiter, welche sich bald zu einem langen ge- wundenen Ausführungsgange vereinigen, der die röhrenförmige Ruthe ausmündet. Die Eier der Schmetterlinge sind meist rundlich, ziemlich fest und werden von der Mutter an solchen Orten abgelagert, daß die ausschlupfenden Räupchen sogleich die ihnen zukommende Nahrung finden. Man hat vielfach behauptet, daß einzelne Schmetterlinge auch unbefruchtet Eier legten, aus welchen Räupchen hervorkämen. Alle hierin einschlagenden Beobachtungen aber sind entweder ohne die Kennt- niß eigenthümlicher Organisationsverhältnisse, die wir später berühren werden, oder nur in unvollständiger Weise gemacht worden. Viele Schmetterlingsmännchen wissen in der That ihre Weibchen in einer Entfernung von mehreren Stunden zu finden, und begatten sich mit ihnen sogar, wenn die letzteren schon an der Nadel angespießt sind. Die Eier der Schmetterlinge können eine sehr große Kälte ertragen und in der That überwintern die meisten Gattungen als Eier oder als ruhende Puppen, während sie im Sommer als Raupen und Schmet- terlinge sich zeigen. Die Larven der Schmetterlinge, die allgemein unter dem Namen Fig. 770. Raupe eines Tagschmetterlings ( Nymphale Jasius .) der Raupen bekannt sind, haben meist eine cylindrische, gestreckte Ge- stalt, und zeigen stets außer dem hornigen Kopfe zwölf Ringe mit neun Luftlöchern auf jeder Seite und wenigstens zehn, höchstens sechs- zehn Fußpaaren. Der Kopf der Raupen läßt weder Fühler, noch Augen gewahren. Die Mundwerkzeuge sind zum Kauen eingerichtet und bestehen aus zwei kräftigen, hornigen Kiefern, zwei Kinnladen, mit sehr kleinen Ladentastern, zwei kleinen Lippentastern und einer warzenförmigen Unterlippe, deren Spitze von dem Ausführungsgange der Spinndrüsen durchbohrt ist. Die drei ersten Ringe des Raupen- körpers tragen die ächten oder hornigen Füße, welche mit kleinen Krallen besetzt sind, und den Füßen des vollkommen Insektes ent- sprechen; sie sind gewöhnlich nur sehr kurz, und dienen hauptsächlich zum Umklammern der Zweige, während die falschen Füße oder Bauch- füße, die an den hinteren Körperringen stehen, wesentlich zum Gehen dienen und meist die Form von Schröpfköpfen haben, die noch obenein oft mit kleinen Haken besetzt sind. Der vierte, fünfte, zehnte und eilfte Ringel der Raupen besitzen niemals falsche Füße. Bei den eigentli- chen Spannraupen kommen nur vier an das hintere Körperende ge- stellte Paare falscher Füße vor, weßhalb sie beim Fortschreiten den Raum gleichsam ausmessen, indem sie sich erst mit den Vorderfüßen anklammern und dann den Hinterleib nachziehen. Manchen Spinnern fehlt das hintere Paar der Bauchfüße ganz, oder ist durch zwei lange Faden ersetzt. Einige Raupen von Tagschmetterlingen besitzen ganz sonderbare Fühlfäden im Nacken, die hervorgestülpt werden können. Die Körperbedeckung der Raupen ist äußerst mannigfaltig; viele sind nackt, andere über und über mit langen Haaren besetzt, welche leicht Fig. 771. Raupe des Schwalbenschwanzes. ( Papilio Machaon .) Fig. 772. Dornraupe des Tag- pfauenauges ( Vanessa Urticae .) abbrechen, sich in die Haut einspießen und eine Art Nesselsucht veran- lassen können; noch andere sind mit Dornen, Hörnern, oder biegsamen Fortsätzen bedeckt, die ihnen sogar zuweilen beim Klettern behülflich sind. Die Farben sind äußerst mannigfaltig und ändern sehr oft durch die wiederholten Häutungen, welche während des Wachsthums der Raupe stattfinden. Die meisten Raupen verpuppen sich gegen den Herbst hin; — nur einige verfallen im Spätsommer in eine Art Win- terschlaf, aus dem sie erst im Frühling erwachen. Sie nähren sich meist von Blättern und grünen Pflanzentheilen, wenige bohren in Holz oder in Wurzeln; — einige leben gesellig in Nestern und wan- dern in Colonnen von einem Baume zum andern; die meisten sind einsam und ohne weiteren besonderen Instinkt. Zur Verpuppung sucht die Raupe einen sicheren, geschützten Ort, meist an der Unterseite der Blätter und Zweige, in Spalten und Ritzen, unter dem Moose oder in der Erde. Die meisten spinnen entweder eine förmliche Hülse von Seide, zu welchem Zwecke sie den Faden mehr oder minder regelmäßig schlingen, oder sie bleiben nackt, und hängen sich dann bald einfach an dem Schwanzende auf, bald schlingen sie sich einen Faden um die Mitte der Brust, so daß sie in wagerechter Stellung sich befinden. Die Puppen sind hornig, vorn Fig. 773. Eckige Puppe des Tag- pfauenauges ( Vanessa urticae .) dicker, hinten geringelt und zugespitzt, und lassen meist von außen die Flügel, die Füße und oft auch den Rüssel erkennen. Durch mannigfal- tige Hörner, Auswüchse, Stacheln u. s. w. er- halten diese Puppen oft ein höchst bizarres An- sehn. Die meisten Tagschmetterlinge, so wie die kleinen Nachtschmetterlinge bleiben nur vier- zehn Tage, bis einen Monat in der Puppe, während die größeren Nachtschmetterlinge und die Schwärmer meistens als Puppe überwin- tern. Manche Puppen, welche in der Erde oder im Innern von Ge- wächsen in Gängen sich befinden, die von der Raupe gebohrt wurden, klettern gegen das Ende ihres Puppenstandes mittelst eigener Stacheln an den Ringen in die Höhe bis an die Oberfläche, so daß der aus- kriechende Schmetterling beim Sprengen der Puppenhaut unmittelbar in das Freie gelangt; — andere Puppen zerstören selbst mittelst ihrer scharfen Fortsätze und Hörner die von der Raupe gesponnene Hülle, und bei noch anderen erweicht der Schmetterling dieselbe, und durch- bricht sie dann, bevor seine Flügel hart geworden sind. Wir theilen die Schmetterlinge in zwei Unterordnungen: Tag- schmetterlinge oder Keulenhörner ( Rhopalocera ), und Nachtschmetter- linge ( Heterocera ), welche sich wieder in mannigfaltige Familien und Unterfamilien scheiden. Die Unterordnung der Nachtschmetterlinge ( Heterocera ) zeigt Fühler von der verschiedensten Beschaffenheit, meist zwar borsten- förmig, aber sonst doch von allen Formen bis zu derjenigen eines vollkommenen Federbusches. Die Schmetterlinge schlagen niemals die Flügel in der Ruhe senkrecht zusammen, sondern tragen sie bald ho- rizontal, bald dachförmig, bald wie eine Glucke. Gewöhnlich befindet sich am vorderen Rande des Unterflügels eine Borste, welche sich an den Oberflügel anlegt und so ein festes Zusammenhalten der Flügel bewirkt. Die meisten dieser Schmetterlinge fliegen Abends oder Nachts, obgleich dies Gesetz durchaus nicht ausschließlich ist. Die Familie der Federmotten ( Pterophorida ), hat borstenförmige, Fig. 774. Orneodes hexadactyla. Fig. 775. Pterophorus pentadactylus . ziemlich lange Fühler, zugespitzte, wenig behaarte Taster, nierenför- mige, nach hinten ausgeschnittene Augen, lange mit spitzen Sporen besetzte Beine und einen langen, dünnen Hinterleib. Sie zeichnen sich vorzüglich durch eine Spaltung der Flügel aus, indem die Hinter- flügel stets, die Vorderflügel mei- stens in einzelne fingerartige Theile zerlegt sind, welche wie Federn auf beiden Seiten mit Haaren besetzt sind, und so das Ansehen eines Vo- gelflügels geben. Die Raupen die- ser niedlichen Thierchen sind klein, nackt, haben sechszehn Füße, und verwandeln sich in eine nackte, mit Höckern besetzte Puppe, um die nur selten eine Seidenhülle gesponnen wird. Orneodes; Pterophorus . Die Familie der Motten ( Tineida ) besteht aus meist sehr kleinen Fig. 776. Kleidermotte ( Tinea pellionella .) Schmetterlingen mit fadenförmigen Fühlern, die zuweilen länger als der Körper sind, und schmalen ver- längerten Oberflügeln, welche zu- weilen an der Spitze einen Ausschnitt zeigen. Die Unterflügel sind stets breit, der Länge nach gefaltet, die Taster gewöhnlich sehr lang und ihr letztes Glied oft nackt und zugespitzt; — bei einigen treten auch die Kiefertaster deutlich in die Erscheinung. Die Räupchen der Mot- ten haben sechszehn Beine, sind stets nackt und bilden sich von den Stoffen, von welchen sie leben, eine Röhre, die entweder beweglich ist, so daß sie dieselbe überall mit sich herumschleppen können, oder die festsitzt und ihnen bei drohender Gefahr hinreichende Zuflucht gewährt. Viele dieser Raupen leben im Innern von Zweigen und Knospen, Fig. 777. Getreidemotte ( Oecophorus ) in dem grünen Gewebe der Blät- ter, wo sie gewundene Gänge zwi- schen den beiden Oberhautschichten graben; andere leben in trockenen Pflanzen- und Thierstoffen, wo sie uns oft, wie die Pelz- und Kleider- motten und die Getreidemotten, großen Schaden anrichten. Zur Verpup- pung schließen sie ihre Röhren mit Deckeln von Seide. Tinea; Yponomeuta; Adela; Aglossa . Die Familie der Blattwickler ( Tortricida ) zeigt kurze, faden- Fig 778. Nest und Raupe des Eichenwicklers ( Tortrix viridissima .) förmige Fühler, verlängerte, vorge- streckte Taster, deren letztes Glied dicht beschuppt ist, dachförmige auf- liegende Flügel und einen weit dicke- ren, kürzeren Leib, als die Motten, mit denen sie sonst in ihrem Ver- halten viele Aehnlichkeit haben. Ihre Raupen haben sechszehn Beine und verfertigen sich dadurch eine schützende Röhre, daß sie die Blätter vom Rande her aufrollen, und mit Sei- denfäden förmlich zu einer Röhre zusammennähen, innerhalb welcher sie sich später verpuppen, wobei sie sich einen Cocon von reiner Seide spinnen. Sie werden ebenso, wie die folgende Familie, durch ihre Verheerungen an Gewächsen zuweilen schädlich. Tortrix . Die Familie der Zünsler ( Pyralida ) besteht aus mottenartigen Schmetterlingen, deren Fühler bei Fig. 779. Rebenblatt mit verschiedeneu Zuständen des Rebenzünslers ( Pyralis vitana ). 4 Das Männchen, ruhend; 4 a das Weibchen, fliegend; 4 b erwachsene Raupe; 4 c Eierhaufen; 4 d und 4 e Puppen. den Männchen meist gekämmt oder gefiedert und deren Kiefertaster stets sehr deutlich sind. Die Flügel sind lang, schmal und bilden in der Ruhe ein Dreieck, dessen lang aus- gezogene Spitze der Kopf ist; die Beine sind sehr lang, stark ge- spornt; die Raupen nur vierzehn- beinig, haarig und spinnen sich eigene Cocons meistens auf der Unterseite der Blätter; manche Arten richten an Obstbäumen und Weinbergen große Verwüstungen an. Pyralis; Botys; Pyrausta; Hermidia. Die Familie der Sackträger ( Psychida ) besteht nur aus einigen kleinen Schmetterlingen, deren Männchen gefiederte Fühler und stark behaarte Flügel besitzen und welche besonders durch ihre Lebens- art im Raupenzustande, sowie durch ihre eigenthümliche Fortpflan- zungsweise die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Ihre Raupen , die meist nach Geschlechtern getrennt, eigene Futterplätze haben, bilden sich nämlich aus Grashalmen, Steinchen und anderen Stoffen einen langen Sack oder vielmehr eine walzenförmige Röhre, die je nach den Geschlechtern verschieden ist, so daß man schon an der Form der Säcke die männlichen und weiblichen Raupen unterscheiden kann. Die Raupen, welche in diesen Säcken stecken, zeigen nur das erste ächte Fußpaar vollkommen entwickelt, während die anderen rudimentär sind. Der Sack ist hinten offen, und bei der Verpuppung spinnt die Raupe ihn mit dem vorderen Ende irgendwo an, dreht sich aber dann her- um, so daß das Kopfende der Puppe der hinteren Oeffnung des Sackes entspricht. Die männlichen Puppen sind sehr lebhaft und be- wegen sich in dem Sacke hin und her, die weiblichen dagegen liegen still. Das Weibchen , welches aus diesen stillen Puppen auskriecht, ist fast vollkommen fußlos, madenförmig und zeigt keine Spur von Flügeln. Die Weibchen der einen Gattung ( Psyche ) verlassen den Sack niemals, sondern werden innerhalb desselben von dem Männchen, das seinen Hinterleib, der sich wie ein Perspectiv außerordentlich verlängern kann, in den Sack hineinschiebt, innerhalb des Sackes befruchtet, wäh- rend die Weibchen einer anderen Gattung ( Telaephoria ) sich außen am Sacke festklammern und dort befruchten lassen. Die befruchteten Weibchen legen ihre Eier in die von ihnen verlassene Puppenhülse, welche sie so voll- ständig mit Eiern ausstopfen, daß sie das Ansehen einer unausge- schlüpften Puppe erhält. Auch bei Gefahr flüchten sich manche dieser Weibchen wieder in die leere Puppenhülse hinein. Die Mißkennung dieser Verhältnisse hat schon oft behaupten lassen, daß die Sackträger- weibchen auch ohne Befruchtung lebensfähige Eier legten. Psyche; Telaephoria . Familie der Spanner ( Geometrida ). Die Schmetterlinge dieser Fig. 780. Herminia . Familie haben große, breite Flügel, welche ihnen viele Aehnlichkeit mit den Tagschmetterlingen geben. Die Füh- ler sind bei den Männchen gekämmt oder gefiedert, die Taster gewöhnlich kurz, der Körper schlank; die Flügel werden in der Ruhe ausgebreitet. Die Raupen sind lang, dünn, walzenför- mig, nackt oder sehr sparsam behaart und gleichen meist dürren Baumzweigen; sie haben gewöhnlich nur zehn Paar Beine und spannen deßhalb beim Schreiten, da der ganze Mittelleib keine Füße trägt; in der Ruhe halten sie meist den Vorder- körper aufrecht, indem sie sich nur mit den falschen Füßen anklammern, und manchmal beharren sie stundenlang unbeweglich in dieser ermü- denden Stellung. Die Puppen sind nackt und meist nur mit wenigen Fäden angeheftet. Acaena; Herminia; Ennomus; Fidonia; Zerene . Die Familie der Eulen ( Noctuida ) umfaßt Nachtschmetterlinge Fig. 781. Noetuella . von meist dunklen Farben, aber mit sehr constanten Zeichnungen, die oft eine sehr bedeutende Größe errei- chen, stets nur borstenförmige oder höchstens gekerbte Fühler besitzen, und deren Lippentaster nur kurz sind und mit einem kleinen, dünnen Gliede endigen; der Rüssel ist meist Vogt. Zoologische Briefe. I. 40 Fig. 782. Erebus limax . lang, der Hinterleib ke- gelförmig, dünn behaart, meist nur mit eng an- liegenden Schuppen be- kleidet. Die Raupen sind lang, gestreckt, oft abgeplattet, kurz behaart und meist von den Baum- rinden, an denen sie sitzen, schwer zu unterscheiden; sie haben gewöhnlich sechszehn Füße und besonders lange Nachschieber; ihre Puppen sind in einen laxen, schlecht gearbeiteten Cocon ein- geschlossen. Noctua; Noctuella; Erebus; Triphaena; Catocala; Plusia; Cucullia . Die Familie der Harpyen ( Cerurida ) besteht aus Nachtschmetter- lingen mittlerer Größe mit meist dicht behaartem, dickem Leibe, zottig haarigen Füßen, gekämmten Fühlern, deren Fiederhärchen oft sehr lang sind, und breiten, auf der Oberseite dicht behaarten Flügeln, die in der Ruhe dachförmig zusammengelegt werden. Die Raupen sind höchst eigenthümlich gestaltet; der Kopf ist klein und kann ganz in die folgenden Ringel zurückgezogen werden; die ächten Füße sind meistens ziemlich lang, die vier falschen Mittelfußpaare sehr stark und kräftig, die Nachschieber fehlen ganz und sind durch zwei zangenartige Fäden am Hinterende des Körpers ersetzt. In der Ruhe halten sich die dicken und kurzen Raupen meist nur auf den vier Mittelfußpaaren und heben den Hinterleib sowohl, wie den Vordertheil des Körpers in die Höhe, was ihnen ein höchst sonderbares Aussehen giebt. Die Puppe ist in einen Cocon eingeschlossen, der mit abgenagten Holz- theilchen durchwebt ist. Harpyia; Cerura . Die Familie der Holzspinner ( Hepiolida ) umfaßt einige große, dickleibige, dichtbeschuppte Nachtschmetterlinge mit gesägten oder ge- zähnelten Fühlern, harten, schweren Flügeln, kurzem Rüssel und meist unscheinbaren, schmutzigen Farben. Die langen, lederartig harten, nackten, plattgedrückten Raupen bohren im Holz, oder nagen Wurzeln ab, und können hierdurch bedeutenden Schaden anrichten; sie bilden ein festes, grobes Gespinnste, in welches zernagte Pflanzentheile einge- webt sind. Cossus; Hepiolus . Die Familie der Spinner ( Bombycida ) umfaßt eine große An- Fig. 783. Kleines Nachtpfauenauge ( Saturnia carpini ). zahl von Nachtschmet- terlingen, deren Männ- chen stets kammförmige Fühler besitzen, die oft sehr ausgezeichnet gefie- dert sind. Die Taster sind stets kurz, der Rüssel sehr kurz und zuweilen gänzlich verschwunden; Brust und Leib sind gewöhnlich dicht behaart und ziemlich dick, die Flügel groß, abgerundet. Die Raupen haben alle 16 Beine, und zeigen hinsichtlich ihrer Bekleidung alle Zwischenstufen von gänzlicher Nacktheit bis zu der dichtesten Behaarung und Bewaffnung mit langen, spitzen Borsten, die bei der Berührung abbrechen. Alle diese Raupen spinnen sich zur Verpuppung ein mehr oder weniger dichtes Gehäuse von reiner Seide, das bei mehreren Arten zu industriellen Zwecken Fig. 784. Seidenraupe ( Bombyx mori ). benutzt wird. Die Sei- denraupe ist die einzige Art, welche in Europa cultivirt wird. Es würde zu weit führen, wollten wir hier auf die Be- dingungen der Seiden- züchterei näher eingehen, in welcher man die Rau- pen so lange nährt, bis sie sich vollkommen eingesponnen haben. Fig. 785. Seidenschmetterling ( Bombyx mori ). Jeder Cocon besteht nur aus einem einzigen Faden, und da der Schmet- terling beim Ausschlüpfen denselben vielfach durchbricht und zerstört, so daß man ihn nicht mehr abspinnen kann, so tödtet man die Puppen in den Cocons durch Hitze, und läßt nur so viele am Leben, als zur Nachzucht nöthig sind. Bombyx; Saturnia; Sericaria; Eupre- pia; Orgyia; Lithosia . Die Familie der Abendschwärmer ( Sphingida ), meist ziemlich große Schmetterlinge, mit langem, walzenförmigem, hinten zugespitz- 40* Fig. 786. Großer Weinschwärmer (Sphinx elpenor). tem Leibe, der mit eng anliegenden Schuppen bedeckt ist, und kurzen Fühlern, die gegen die Spitzen hin etwas ver- dickt sind und oft mit einer dünnen, gewöhn- lich hakenförmig umge- bogenen Borste abschlie- ßen. Zuweilen sind diese Fühler auf der Innen- seite gesägt oder mit abwechselnden Haarbündelgruppen besetzt. Der Rüssel ist gewöhnlich sehr lang, oft viel länger, als der Körper, nur Fig. 787 Abendpfauenauge (Smerinthus ocellatus). selten kurz; die Flügel lang und schmal, besonders die Vorderflügel, und in der Ruhe dachförmig übereinander gelegt. Die Schmetterlinge schwärmen meistens mit lautem Summen nach Sonnenuntergang, und saugen im Fluge Honig; die Raupen sind stets nackt, walzenförmig, mit sechszehn Füßen und einem Horne auf dem vorletzten Ringel ver- sehen, das nur selten durch eine Platte ersetzt ist; sie verpuppen sich meist in der Erde und erscheinen im nächsten Frühjahre als vollkom- mene Thiere. Acherontia; Sphinx; Smerinthus; Macroglossa. Die Familie der Widderhörnchen (Zygaenida) besteht aus meist Fig. 788. Zygaena syntomis. kleinen Schmetterlingen mit dickem, walzenförmigem Leibe und schmalen, abgerundeten Flügeln, die nur sehr sparsam mit Schuppen bedeckt sind, ja bei einigen fast so glashell und durchsichtig erscheinen, wie die Flü- gel der Hautflügler. Die Fühler sind meist ziemlich lang, gegen das Fig. 789. Sesia. Ende hin verdickt, an der Spitze hornförmig umgebogen; sie sind stark beschuppt, bei den Männchen oft gezähnt, oder doppelt gekämmt; der Rüssel fein und dünn. Die kurzen, sparsam behaarten, sechs- zehnfüßigen Raupen spinnen sich in einen länglichen Cocon ein, der eine pergamentartige Consistenz hat. Die Schmetterlinge fliegen meist nur bei brennendem Sonnenscheine. Zygaena; Sesia; Atycha. Die Unterordnung der Tagschmetterlinge oder Keulenhör- ner (Ropalocera) umfaßt nur solche Schmetterlinge, welche einzig bei Tage fliegen und in der Ruhe die Flügel aufrecht zusam- Fig. 790. Fig. 791. Fig 792. Fig. 790, 791 und 792. Raupe, Puppe und Schmetterling eine Tagfalters (Nymphalis Jasius). menschlagen. Die Fühlhörner bestehen aus einer Menge ringförmiger Glieder, die gegen das Ende hin in eine Keule anschwellen, an welcher meist noch sich eine umgebogene dünne Spitze befindet; die Unterflügel zeigen niemals eine Borste zur Befestigung an die Ober- flügel, wie dieß bei den vorherigen Familien der Fall war. Die Raupen haben sehr viele wechselnde Formen, oft sehr sonderbare Auswüchse, und bilden fast immer nackte Puppen, die nur selten in ein Gespinnst eingeschlossen sind. Wir unterscheiden besonders nach Art der Anheftung der Puppe drei Familien. Die Familie der Dickköpfe ( Hesperida ), kleine Schmetterlinge mit kurzem, dickem, gedrängtem Körper und dickem Kopfe, deren Füh- ler seitlich weit von einander bei den Augen eingelenkt sind; die Flü- gel werden in der Ruhe nur halb aufgerichtet, die Füße sind alle vollkommen ausgebildet, und die Hinterschienen mit zwei Seitenstacheln bewaffnet. Die Raupen haben einen dicken, queren Kopf, dünnen, walzenförmigen, nackten Körper; die Puppen sind walzenförmig, ohne Ecken und ruhen in einem Gewebe, das aus zusammengewickelten Blättern besteht. Hesperia. Fig. 793. Fig. 794. Fig. 795. Fig. 796. Fig. 793—795. Raupe, Puppe und Schmetterling des Tagpfauenauges (Vanessa Jo). Fig. 796. Der Schmetterling sitzend, um die Füße zu zeigen. Familie der Hängefalter ( Suspensa ). Bei den Tagfaltern dieser Abtheilung, wie der folgenden, stehen die Fühler auf dem Kopfe sehr nahe zusammen; dagegen sind die Vorderfüße bei den Männchen im- mer und bei den Weibchen größtentheils nur rudimentär und unfähig Fig. 797. Satyrus Balder. zum Gehen. Die meist dornigen, haarigen, oder mit eigenthümlichen Fortsätzen besetzten Raupen hängen sich bei der Verpuppung senkrecht an der Schwanzspitze auf und bil- den eine nackte, meist eckige Puppe. Die Gattungen sind sehr zahlreich. Vanessa; Satyrus; Pieris; Colias. Fig. 798. Fig. 799. Fig. 800. Fig. 801. Fig. 798—800. Raupe, Puppe und Schmetterling des Schwalbenschwanzes (Papilio Machaon). Fig. 801. Der Schmetterling sitzend, um die sechs vollkommen ausgebildeten Füße zu zeigen. Die letzte Familie der Schmetterlinge, diejenige der Edelfalter (Papilionida) , unterscheidet sich von der vorigen Familie im Zustande der vollkommenen Insekten nur sehr wenig, da auch bei ihnen einige Gattungen sich finden, die nur vier ausgebildete Füße besitzen, wäh- rend indeß doch die meisten sechs vollständige Füße haben. Die ver- schieden gestalteten Raupen sind meistens träge und befestigen sich bei der Verpuppung in eigenthümlicher Weise, indem sie sich mit der Schwanzspitze festhängen, sich aber dann noch einen Faden über die Brust ziehen, in dem die Puppe wie in einer Schlinge hängt. Die größten und schönsten Tagfalter gehören dieser Gruppe an, zu welcher Fig. 802. Papilio Arjuna. besonders die herrlich gefärbten Fal- ter der südlichen Zonen gehören, welche durch die langen Schwänze der Hinterflügel sich auszeichnen, so wie die vielfach gesprenkelten Scheckenfalter (Thais), deren Zickzack- zeichnung eine Eigenthümlichkeit der Gattung ist. Einige Raupen dieser Familie zeichnen sich besonders durch die kurze, plattgedrückte, schildför- mige Gestalt, und die Schmetterlinge Fig. 803. Thais Hypsipyle. Fig. 804. Das Birkenhähnchen (Polyommatus betulae). durch die sehr verschieden gefärbten Flügel aus, indem die Oberfläche meist einfarbig, goldig oder blau, die Unterfläche mit vielfachen kleinen Augenflecken besetzt ist. Papilio; Polyommatus; Parnassius. Fossile Schmetterlinge scheinen erst mit der Tertiärzeit aufgetre- ten zu sein; die Spuren, die man im Jura hat finden wollen, gehö- ren wahrscheinlich anderen Ordnungen an. Ordnung der Strepsipteren (Strepsiptera s. Rhipiptera). Diese sehr kleine Ordnung besteht nur aus einigen wenigen, auf verschiedenen Wespengattungen schmarotzenden winzigen Thierchen, die aber durch die merkwürdig verschiedene Bildung der beiden Geschlech- ter im vollkommenen Zustande, durch die eigenthümlichen Larvenzu- stände und durch die Organisation ihres Körpers sich von allen übri- gen Insekten entfernen und eine eigene Ordnung darstellen. Lange Zeit kannte man nur die ausgebildeten Männchen, kleine Fig. 805 Männchen von Stylops Melittae. kaum eine Linie lange, geflügelte Thierchen, die man selten auf dem Hinterleibe von Wespen flatternd antrifft. Der Kopf ist breit, kurz, die Augen sehr groß, kugelförmig vorgequollen, gehäuft. Die Fühler sind kurz, gespalten, so daß scheinbar vier Fühler vorhanden sind oder auch bei einer Gattung mit wenigen langen Kammblättern versehen. Die Mundwerkzeuge bestehen aus zwei säbel- förmig gekrümmten, dünnen Kiefern, blattartigen Kinnladen mit drei- gliedrigen Tastern — die indeß von dem Thierchen gewiß nie gebraucht werden, da sie nur wenige Stunden leben und während dieser Zeit mit der Begattung beschäftigt sind. Die Füße sind kurz, die Tarsen viergliederig; die Flügel höchst eigenthümlich. Die Mittelbrust trägt zwei kurze häutige, sonderbar verdrehte, kolbige Anhänge, welche einiger- maßen den Schwingkolben der Zweiflügler gleichen, aber auch als rudimentäre Flügeldecken betrachtet werden können; an der Hinterbrust stehen zwei häutige große, dreieckige Flügel die nur wenige fächerartige Falten haben. Es genügen diese Flügel aber trotz ihrer Größe nicht zum freien Fluge der Thierchen — sie flattern nur tanzend auf dem Leibe der Wespen und vielleicht auch in den Nestern derselben umher, bis sie ein Weibchen gefunden haben, mit dem sie sich begatten. Zu diesem Ende tragen sie an dem zugespitzten Hinterleibe einen hornigen Hakenpenis, der nach der Seite zu eingeschlagen ist und deutlich mit den Samenleitern in Verbindung steht. Die Weibchen dieser Thierchen, die durch ihre Organisation den Käfern am nächsten stehen, bleiben das ganze Leben hindurch in einem larvenähnlichen Zustande schmarotzend im Hinterleibe der Wes- pen und wurden bis in die neuere Zeit stets für die Larven der Strep- sipteren angesehen. Man nennt die Wespen, welche solche Gäste be- herbergen, kurzweg st ylopisirt. Bei den fortpflanzungsfähigen Weibchen ist der Leib weich, geringelt, wurmartig, weiß; Kopf und Brust dagegen sind in ein plattes, linsenförmiges Schild zusammenver- schmolzen, das eine braune Farbe und hornige Beschaffenheit hat. Unter dem Vorderrande dieses Schildes sieht man die kleine, halb- mondförmige Mundöffnung, die in einen weiten, geraden, blind geen- deten Darm führt, und neben welcher zwei fast unbewegliche hornige Stummeln die Reste der verkümmerten Kauwerkzeuge darstellen. Mit Fig. 806. 807. 808. 809. 810. 811. 812. Weibchen, Larven, Maden u. Puppen von Xenos Rossii. Fig. 806. u. 807. Das Weibchen von der Bauchseite und von der Seite. Man sieht den dunkeln Brutkanal und die durch ihn durchschimmernden Röhren. Fig. 808. Die sechsbeinige Larvenbrut von der Bauchseite, um besonders die Füße mit ihren Haftlappen zu zeigen. Fig. 809. Erwach- sene männliche Made von der Bauchseite. Fig. 810. u. 811. Männliche Puppe, vom Bauch und von der Seite her. Das runde Stigma am Ende des Kopfschildes und der abspringende vordere Deckel zeigen sich deutlich. Fig. 812. Weibliche Made, ausge- wachsen. diesem Kopfschilde steckt das Weibchen zwischen den Hinterleibs- Ringen der Wespen in der Weise eingeklemmt, daß der wurmförmige Leib in die Hinterleibshöhle frei hineinragt, der Vorderrand des Kopfes aber nach außen schaut. Die Thiere scheinen ganz unbeweglich. Un- tersucht man ihren Bau genauer, so findet man in der Leibeshöhle außer dem blinden Darme eine Menge von Eiern zerstreut zwischen dem Fettkörper, und längs der Bauchseite einen platten, breiten, hinten geschlossenen Kanal, der nach vorn in das Kopfschild übergeht und mit einer schlitzartigen breiten Oeffnung, die weit größer als die Mund- öffnung ist, unter dieser sich nach außen öffnet. Auf diesem Kanal stehen drei bis fünf etwas gebogene Röhren, die einerseits mit einer trompetenartig ausgeweiteten Mündung sich frei in die Leibeshöhle öffnen, anderseits in den Kanal, den wir den Brutkanal nennen, münden. Offenbar dient die unter dem Munde befindliche Schlitzöff- nung dieses Kanals, die zwischen den Hinterleibsringen der Wespen hervorsteht, als Begattungsöffnung, durch welche das Männchen sein hakenförmiges Glied von außen einführt. Die in der Leibeshöhle des Weibchens frei befindlichen Eier ent- wickeln sich in dieser Leibeshöhle und es erzeugen sich darin Larven, die innerhalb der Mutter auskriechen, so daß oft der ganze Leib des Weibchens mit ausgekrochenen Larven erfüllt ist. Diese Larven sind sehr klein, sehr lebendig, von schieferblauer Farbe, weßhalb man sie durch die Bauchwände des Weibchens durchschimmern sieht. Sie krie- chen so lange im Leibe der Mutter umher, bis sie eine der erwähnten Röhren des Brutkanales finden, durch welche sie dann in den Brut- kanal klettern, den sie oft strotzend erfüllen. Durch die vordere Oeff- nung desselben kriechen sie dann hinaus auf den Leib der Wespen, auf dem sie munter einherlaufen. Die Larven der Strepsipteren haben in diesem Zustande einen mehr oder minder schlanken, mit Bor- sten besetzten, geringelten Körper, einen halbrunden Kopf, zu dessen beiden Seiten Häufchen von Nebenaugen stehen und sechs Füße, von denen die beiden ersten Paare mit runden oder länglichen Haftlappen versehen und anders als das hintere Paar gestaltet sind. Sie laufen sehr behende und einige springen auch ebenso wie die Gabelschwänze mit Hülfe zweier Borsten, die sie am Ende des Hinterleibs tragen und unter den Leib biegen und losschnellen können. Diese munteren Thierchen, die man früher für Schmarotzer der für Larven gehaltenen Strepsipteren-Weibchen ansah, die aber in der That nur der erste Lar- venzustand selbst sind, lassen sich von den Wespen in ihre Nester tra- gen und bohren sich dort in die fußlosen weichen Larven der Wespen ein, zu welchem Zwecke sie einige harte Hornstücke (undeutliche Kau- werkzeuge) am Kopfe haben. In dem Leibe der Wespenlarven gehen die sechsbeinigen Strep- sipteren-Larven eine rückschreitende Metamorphose ein. Sie werfen ihre Haut ab, verlieren die Füße und verwandeln sich in eine wurm- ähnliche, fußlose, weiche Made mit neun Körperringeln, deutlicher Mundöffnung, die in einen blinden Darm führt, und verkümmerten Kauwerkzeugen. An der Gestalt des Kopfes, so wie des letzten Hin- terleibsringels kann man schon das Geschlecht dieser Maden erkennen; der Kopf der männlichen Larven ist kegelförmig gewölbt, der der weib- lichen platt, schuppenförmig. Diese Maden bewegen sich sehr träge in der Leibeshöhle der Wespen herum. Kommt die Zeit ihrer letzten Verwandlung, so bohren sie den Kopf zwischen den Leibesringen der Wespen durch, bis sie dort eingeklemmt sind. Bei den weiblichen Maden besteht nun die ganze Verwandlung darin, daß ihr Kopfschild hart und braun wird und die Oeffnung des Brutkanals erhält. Bei den männlichen Maden erhärtet zwar auch der Kopf, aber die ganze Madenhaut dient, wie bei vielen Fliegen, zugleich als Puppenhülle, und in ihr bildet sich die männliche Puppe, an der man schon die Theile des ausgebildeten Insekts zusammengeschlagen erkennt. Ist das Männchen zum Ausschlüpfen reif, so springt die Spitze des hartge- wordenen Kopfendes der Madenhaut wie ein Deckel ab, und das vollen- dete Insekt arbeitet sich mit Mühe hervor. Die stylopisirten Wespen fliegen mit diesen Puppen, seien sie nun ausgeschlüpft oder nicht, mun- ter umher, ohne Unwohlsein zu verrathen. Man erkennt die Puppen leicht, wenn man mit der Lupe den Hinterleib aufmerksam untersucht und die Falzen der Ringe betrachtet. Füttert man die stylopisirten Raubwespen (Ammophila; Melitta; Miscus; Polistes etc., die am häufigsten diese Schmarotzer beherbergen), in Behältern mit Zucker, so gelingt es oft leicht, die sonst ungemein seltenen Thierchen zu erhal- ten. Man hat mehrere Gattungen unterschieden, deren Lebensweise aber sehr übereinstimmt. Xenos; Stylops; Elenchus; Halictophagus. Ordnung der Netzflügler (Neuroptera). Diese Ordnung wiederholt in der Reihe der Insekten mit voll- kommener Verwandlung die Ordnung der Geradflügler, die wir in der Reihe mit unvollkommener Verwandlung finden, und sie steht na- mentlich den Geradflüglern mit gegitterten Flügeln so nahe, daß sie früher mit denselben vereinigt wurde. Die Netzflügler sind meist weiche langleibige Insekten von ge- strecktem Körperbau, mit kleinem rundlichen Kopfe, vorgequollenen Au- gen, deutlich abgesetzter Brust und Hinterleib. Die Fühler sind stets deutlich, meist borstenförmig, nur selten geknopft, kolbig oder gesägt, meist länger als der Leib. Nebenaugen sind bald vorhanden, bald fehlen sie. Die Mundtheile wechseln sehr nach der Lebensart der In- sekten; doch sind sie nie so kräftig wie bei den Geradflüglern, von denen sich ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darin zeigt, daß die Unterlippe stets ganz, höchstens am Rande gekerbt, aber niemals in zwei Hälften gespalten ist. Die Kiefer und Kinnladen sind bei manchen Familien verkümmert, letztere zuweilen mit einander in der Mitte verwachsen; die Kiefer nie sehr stark und meist nur schneidend, niemals vielfach gezähnt. Palpen sind stets vorhanden, wenigstens in der Zahl von vier; bei einer Familie finden sich selbst äußere und innere Ladentaster. Die Flügel sind stets gleich im Bau, netzförmig gegittert, groß im Verhältniß zum Körper. Sie werden meist in der Ruhe gestreckt oder aufrecht getragen; nur wenige falten die Unterflügel, um sie un- ter den dachförmigen Oberflügeln unterzubringen. Die Füße sind dünn, fein, oft mit Stacheln besetzt; die Tarsen 4 bis 5gliedrig. Der Hin- terleib lang, gestreckt, bei einigen mit zangenartigen Anhängen oder beim Weibchen mit einer Legeröhre versehen. In anatomischer Hinsicht zeichnen sich die Netzflügler nur wenig von den übrigen langleibigen Insekten aus. Das Nerven- system ist langgestreckt, meist aus drei Brustknoten und acht Hinter- leibsknoten zusammengesetzt und (namentlich zum Unterschiede von den falschen Netzflüglern, die wir ihrer unvollkommenen Verwandlung we- gen zu den Geradflüglern stellten), die beiden letzten Bauchknoten un- verschmolzen. Der Schlund ist lang, nach hinten blasig aufgetrieben, oft noch mit einem seitlichen Saugmagen versehen; der Chylusmagen quer geringelt; der Darm gerade und meist gleich weit. Die Spei- cheldrüsen sind stark entwickelt, zuweilen mehr bei den Männchen als wie bei den Weibchen (Panorpida). Das Tracheensystem ist einfach, wesentlich aus zwei seitlichen Hauptstämmen bestehend; die Harnkanäle nur in geringer Zahl, aber sehr lang und gewunden, zum Unterschiede von den Geradflüglern, die meist viele Harngefäße haben. Die Röh- ren der Eierstöcke sind zahlreich, vielkammerig und bald in Quirlen, bald einzackig, bald an der äußeren Seite der weiten Eileiter ange- bracht. Die Samentasche ist gewöhnlich sehr zusammengesetzt, indem bald mehrere gewundene Drüsenröhren, bald selbst gestielte Blasen und ähnliche Absonderungsorgane in sie einmünden. Kittdrüsen sind eben- falls oft in ausgezeichneter Form vorhanden, die äußeren Begattungs- organe aber sehr einfach. Bei den Männchen sind die Hoden eiför- mig oder büschelförmig aus Schläuchen zusammengesetzt, die Samen- leiter kurz, am Ende mit zwei seitlichen accessorischen Drüsenbälgen versehen und die Begattungsorgane aus zwei Paar Klappen gebildet, die den Penis scheidenartig umgeben und als Zangen dienen. Die Larven der Netzflügler leben größtentheils im Wasser, einige auf dem Lande, die meisten von Raub, wozu sie zum Theil mit kräf- tigen Beißwerkzeugen ausgerüstet sind. Einige findet man auf dem Lande, wo sie durch ihre sonderbare Lebensart schon längst die Auf- merksamkeit auf sich gezogen haben. Die vollkommenen Insekten leben meist nur kurze Zeit und fliegen besonders gerne an sonnigen Tagen in Wäldern, Büschen und am Ufer des Wassers. Wir unterscheiden folgende Familien. Die Familie der Schmetterlingsfliegen ( Phryganida ), hat einen Fig. 813. Geaderte Schmetterlingsfliege (Phryganea venata.) kleinen, etwas gebeugten Kopf, lange borstenför- mige Fühler, mittelgroße Augen und drei Neben- augen, von denen zwei zwischen den Augen, eines zwischen den Fühlern steht. Die Kauwerkzeuge sind stets verkümmert; die Kiefer fehlen ganz; die Kinnladen sind in der Mitte verwachsen, tragen aber große, meist fünfgliedrige Taster beim Weibchen, während das Männchen oft nur drei oder vier Glieder daran hat. Die Un- terlippe ist schmal gekerbt, die Lippentaster kurz und dreigliedrig. Die Flügel sind groß, stets am Rande behaart, mit feinen Längsadern ver- sehen, die keine netzartige Verzweigung zeigen; die hinteren werden fächerartig gefaltet; die oberen bilden in der Ruhe ein Dach, so daß die Thiere manchen kleineren Nachtschmetterlingen entfernt ähneln. Füße fein, Tarsen fünfgliedrig. Am Hinterleibe der Weibchen findet sich eine rundliche, ziemlich bedeutende, mit hornigen Klappen umge- bene Grube, worin sie Eierpakete herumtragen. Die Larven leben Fig. 814. 815. 816. Larven von Schmetterlingsfliegen. Fig. 814. Die Larve in ihrem Ge- häuse. Fig. 815. Das Gehäuse einer an- dern Art von der Seite. Fig. 816. Die Larve aus dem Gehäuse genommen. im Wasser, haben einen weichen rundlichen Leib mit seitlichen Haken am Ende, ziemlich lange behaarte Füße, einen hornigen Kopf und bauen sich aus Steinchen, Muschel- chen, Holzstückchen eine Röhre, die sie beständig mit sich herumschleppen und worin sie sich ganz zurückzie- hen können. Zur Verpuppung spin- nen sie auf beiden Seiten der Röhre einen gegitterten Deckel und wan- deln sich in eine ruhende Puppe um, die aber wieder sehr lebendig wird, wenn die Fliege auskriechen soll. Die Puppen sprengen dann den Deckel, kriechen an Wasserpflanzen in die Höhe und kommen selbst ganz auf’s Trockne, um auszuschlüpfen. Phryganea; Limnephila; Mystacida; Trichostoma; Sericostoma; Hy- dropsyche. Familie der Sumpflibellen ( Sialida ) , kleine Netzflügler mit klei- nem Kopf ohne vorspringenden Mund; borstenförmigen Fühlern, deut- lichen Kiefern, die innen noch einen schwachen Nebenzahn haben; schar- fen Kinnladen mit kurzen viergliedrigen Tastern und einfacher, dreieckig gekerbter Unterlippe, die nur sehr kurze Taster trägt. Die Flügel sind fast gleich; die Tarsen fünfgliedrig. In Amerika giebt es riesenhafte Gattungen (Corydalis); hier nur kleine Thiere, deren Larven im Wasser leben, seitliche Büschel von Tracheenkiemen tragen und aus Eiern hervorkommen, die in braunen Plattenhaufen abgelegt werden. Sia- lis; Semblis; Corydalis; Chauliodes. Familie der Erdlibellen ( Hemerobida ), Kopf klein, breit, Augen Fig. 817. Gemeine Erdlibelle (Hemerobius perla.) vorgequollen; Fühler sehr lang, fadenförmig; Nebenaugen fehlen. Kör- per sehr zart und weich, Flügel fein gegittert, mit zarten Härchen besetzt. Kiefer klein, schneidend. Füße dünn; Kinnladen- taster ziemlich lang. Sie fliegen schlecht und schwer, verbreiten meist einen un- angenehmen Kothgeruch, der lange an den Fingern haftet. Ihre Larven leben auf Blättern, namentlich von Blattläusen, die sie mit ihren starken hakenförmigen Kiefern durchbohren. Vielleicht leben die Larven einer Gattung (Si- syra) in Süßwasserschwämmen und zeichnen sich durch eine sonderbare Bildung der langen Kiefer aus, die ähnlich wie die kurzen Kiefer der Ameisenlöwen scharfe Saugröhren sind. Hemerobius; Sisyra. Familie der Ameisenlöwen ( Myrmeleontida ). Die Bilder glei- chen in Form und Gestalt sehr den Wasserjungfern, unterscheiden sich Fig. 818. Punktirter Ameisenlöwe (Myrmeleon punctatus.) aber auf den ersten Blick durch die kurzen keulenförmigen (Myr- meleon), oder langen geknopf- ten Fühler (Ascalaphus). Der Kopf ist groß, quer, die Au- gen vorgequollen, die Kiefer einfach hakig; die Kinnladen mit kleinen doppelten Tastern, die einfache ganzrandige Lippe mit dreigliedrigen, großen Tastern versehen, deren zweites und drittes Glied sehr lang sind. Die Flügel sind fein gegittert, die Tarsen fünfgliedrig. Die platten kurz- leibigen Larven leben im Sande vom Raube; die des Ameisenlöwen, Fig 819. Larve des Ameisenlöwen Fig. 820. Die Larve in ihrem Sandtrichter mit aufgesperrten Kiefern lauernd. deren Kopf und Vorder- brust sehr klein sind, wäh- rend die beiden Hinter- ringe der Brust mit dem breiten Leibe verschmol- zen sind, legt sich an einem vor Regen geschützten Orte, besonders unter Dachtraufen und Stei- nen im Sande ein kegel- förmiges Loch an, in dessen Grunde sie mit aufgesperrten Kiefer- zangen lauert; kleine Insekten, welche hineinfallen, werden augenblicklich erfaßt und ihr Sturz noch dadurch beschleunigt, daß ihnen der Amei- senlöwe eine Ladung Sand von unten her mit den Kiefern anwirft. Die Kiefer haben an der Spitze eine feine Oeffnung, die sich in einen Kanal fortsetzt, der im Kopfe sich mit dem der andern Seite zum Schlunde vereinigt; dem Opfer werden die beiden Kneifzangen in den Leib geschlagen und dann dasselbe ausgesogen. Die Larven gehen rück- wärts. Myrmeleon; Ascalaphus. Die Schnabelfliegen ( Panorpida ) haben einen kleinen schnabel- Fig 821. Egyptische Schnabelfliege (Panorpa aegyptiaca.) förmig verlängerten Kopf, borstenförmige meist kurze Fühler, die zuweilen federar- tig sind, drei Neben- Augen, schneidende Kinnladen und vier Taster, von denen die Ladentaster vier- bis fünfgliedrig, die Lip- pentaster zwei- bis dreigliedrig sind. Füße und Flügel wechseln sehr in dieser Familie; erstere haben zwar stets fünf Tarsalglieder, sind aber bald sehr lang und stachlich, wodurch die Thiere den Schnaken ähnlich sehen; bald kurz und haarig; die Flügel sind meist nur wenig geadert und einan- Fig. 822. Schnakenjungfer ( Bittacus tipularides. ) Fig. 823. Balancirfliege ( Nemoptera. ) der gleich, zuweilen aber sehr ungleich, die hinteren lang ausgezogen; ja es giebt Gattungen, wo die Weibchen ganz ungeflügelt sind. Bor- eus; Panorpa; Bittacus; Nemoptera. Familie der Kameelfliegen ( Raphidida ), Kopf eiförmig, klein; vorn breiter, hinten schmäler; Augen groß, vorgequollen; Fühler kurz, borstenförmig; Kiefer stark, spitz, krumm gebogen, mit zwei scharfen Zähnen am Innenrande unter der Hakenspitze; Ladentaster kurz, vier- Fig. 824. Mantispa. gliedrig. Vorderbrust sehr lang, schmal, halsförmig ausgezogen; trägt bei einer Gattung Raubfüße, die ganz in ähnlicher Weise gebaut sind, wie die der Fangheuschrecken und der Squillen; Flügel gleich, fein gegit- tert, fast von gleicher Größe. Die Larven sind äußerst behend, leben an Baumrinden vom Raube und spinnen sich eine Art Cocon. Raphidia; Mantispa. Fossile Netzflügler sind im Ganzen sehr selten — man will Reste von Phryganiden in den Wälderthonen Englands gefunden haben. Häufiger kommen sie dagegen im Bernsteine und in den tertiären Süß- wasserablagerungen vor. Vogt. Zoologische Briefe. I. 41 Ordnung der Käfer (Coleoptera). Diese Ordnung bildet unter den Insekten mit vollkommener Metamorphose die zahlreichste und am besten gekannte Gruppe. Die Mannigfaltigkeit der Formen, welche diese Thiere bieten, die Schönheit ihrer Farben, die Härte ihrer äußeren Theile, welche ihre Erhaltung leicht machen, haben dieser Ordnung von jeher die Vorliebe der Sammler und Liebhaber gesichert. Weit weniger, als die vollkom- menen Insekten, sind die Larven und deren Haushalt bekannt; weniger selbst, als bei den Schmetterlingen, wo das Interesse, unversehrte Exemplare zu erhalten, zur Zucht der Raupen und Puppen auf- forderte. Man unterscheidet bei den Käfern stets deutlich die drei Hauptab- theilungen des Körpers, Kopf, Brust und Hinterleib. Der meist rundliche oder dreieckige Kopf , der oft schildförmig erweitert ist, steht meistens horizontal vor und ist oft durch eine Art Hals von dem ersten Brustringe getrennt, zuweilen aber ganz in denselben eingefügt oder selbst unter ihm verborgen. Die Augen, welche nur in sehr sel- tenen Fällen bei einigen unter der Erde lebenden Arten ( Claviger ) fehlen, sind stets zusammengesetzt und mit mehr oder minder großen Facetten versehen. Sie stehen auf der Seite des Kopfes, ragen oft wie kleine Halbkugeln hervor, sind aber auch oft nierenförmig und zuweilen so tief ausgeschnitten, daß sie in zwei hintereinandergelegene Theile getrennt sind. Bei manchen Gattungen springt von oben her eine trennende Hornleiste in das Auge vor, bei den Taumelkäfern ( Gyrinus ) existiren gar zwei zusammengesetzte, übereinander liegende Augen auf jeder Seite, von denen die höheren nach oben, die niederen nach unten in das Wasser gerichtet sind. Kein Käfer hat einfache Nebenaugen. Die Fühler stehen auf der Oberseite des Kopfes oder am Stinrande und haben meist 9 bis 11 Glieder, deren Formen außerordentlich wechseln und oft sehr charakteristisch für viele natür- liche Abtheilungen sind. Alle Käfer haben beißende Mundtheile , die stets aus den nor- Fig. 825. Mundtheile eines Laufkäfers ( Carabus ) auseinandergelegt, aber in ihren natürlichen Stellun- gen zu einander belassen. a Oberlippe. b Kiefer. c Kinn- laden. d Unterlippe. malen sechs Haupttheilen, der Oberlippe, den Kiefern oder Mandibeln, den Kinnladen oder Maxillen, und der Unterlippe zusammengesetzt sind. Die Oberlippe ist meist ein kleines, querlängliches Hornstück, das oft nur sehr ru- dimentär ist, aber sonst wenige charakteristische Kennzeichen hat. Die Kiefer sind fast immer gekrümmte, feste Hornhaken, die oft weit vor dem Kopfe vorstehen und bei den Raubkäfern mehr säbelförmig scharf und spitz gezähnt, bei den Pflanzenfressern kurz, dreieckig und innen mit stumpfen Fortsätzen, die oft in einander passen, versehen sind. Bei einigen, die sich von Honig und Blumenstaub nähren, werden die Kiefer selbst ganz oder nur am Innenrande häutig. Sie bestehen aus einem Stücke, während die Kinnladen oder Unterkiefer stets zusammengesetzt sind und zwar aus einem que- ren Gelenkstücke, der Angel ( cardo ), auf welcher ein stielförmiges Stück, der Stiel ( stipes ) und auf diesem das eigentliche Beißstück der Kinnlade ( mala ) eingelenkt ist. Dieses letztere ist meist hakig oder häutig, oft mit Haaren besetzt und der Länge nach in ein äußeres und inneres Blatt getheilt. Auf jeder Kinnlade ist wenigstens ein, bei den Fleischfressern aber zwei Ladentaster ( palpi maxillares ) einge- lenkt, die meist borstenförmig sind und aus vier oder drei Gliedern bestehen. Die querlängliche Unterlippe zeigt außen das Kinn ( mentum ), innen darauf liegend die Zunge und stets zwei seitliche, neben der Zunge eingelenkte, 2 — 4 gliederige Lippentaster ( palpi labiales ), so daß also jeder Käfer wenigstens vier, die Fleischfresser aber sechs Taster im Ganzen besitzen. Hinter dem Kopfe zeigt sich bei allen Käfern der Vorderbrustring in Gestalt eines festen Schildes, das der Halsschild ( thorax — corselet ) genannt wird und dessen Formen, Verzierungen und Umfang äußerst mannigfaltig und für Gattungen und Arten sehr bezeichnend sind. An seiner Unterfläche, der Vorderbrust ( Prosternum ) ist das erste Fußpaar eingelenkt. Der zweite Brustring, der die Flügeldecken trägt, ist meist, so wie die weiteren hinteren Ringe, von diesen bedeckt oder zeigt nur zwischen den Ansatzstellen der Flügeldecken einen kleinen, mittleren, meist dreieckigen Raum, den man das Schildchen ( Scu- 41* Fig. 826. Geotrupes stercorarius. c Das Schildchen zwi- schen der Basis der Flügel- decken. tellum ) nennt. Der zweite Brustring trägt oben die hornigen festen Flügeldecken ( Elytra ), die in der Mitte mit dem Nathrande zusam- menstoßen, so daß sie eine gerade Längslinie bilden. Sie bedecken gewöhnlich den ganzen Leib bis zu seiner hinteren Spitze, so daß der Käfer, von oben gesehen, nur drei Abtheilungen bildet, Kopf, Halsschild und Flügeldecken. Nur bei einigen Käfern sind die Flügeldecken abge- stutzt, so daß ein mehr oder minder bedeutender Theil der Hinterleibsringel frei liegt. Die Fig. 827. Ein Käfer in fliegender Stellung. a Flügeldecken. b Unterflügel. Flügeldecken werden beim Fluge nur gehoben, aber nicht bewegt. Die Flügel , welche der dritte Brust- ring trägt, sind häutig, von Längs- adern durchzogen und werden, um unter die kürzeren Flügeldecken ge- borgen werden zu können, in der Fig. 828. Unterflügel eines Käfers, halb zusammengelegt. Mitte quer geknickt, eine Art der Zusammenlegung, die den Käfern eigenthümlich ist. Nur selten ragen sie in der Ruhe über die dann verkürzten Flügeldecken hervor. Betrachtet man einen Käfer von unten, so sieht man außer den drei Brustringen, welche die Beine tragen, die hornigen Ringe des Hinterleibes, deren Normalzahl neun ist, die sich aber durch Ver- wachsungen vermindern kann. Auf jedem Ringe befindet sich jederseits am Rande ein Athemloch. Die Beine sind besonders wichtig. Das Gelenkstück besteht aus zwei, unbeweglich mit einander verbundenen Stücken, einem inneren, das sich in der Pfanne des Brustringes bewegt, der Hüfte ( coxa ), und einem äußeren, dem Schenkelknorren ( trochanter ). Beide Theile sind oft sehr charakteristisch gestaltet. In dem Knorren ist der meist stabförmige Schenkel ( femur ) und am Ende dieses die ebenfalls stab- förmige Schiene ( tibia ) eingelenkt. Der Fuß ( tarsus ), der das Ende Fig. 829. Fuß mit fünf Gliedern. das Beines bildet, besteht aus drei bis fünf Gliedern, deren letztes nur sehr selten eine, fast stets zwei Horn- klauen trägt. Schienen und Hüften sind oft mit Stacheln, die Tarsen oft mit Haaren besetzt und die Zahl der Tar- senglieder verdient besondere Beachtung, da sie sogar als Haupt-Eintheilungsgrund benutzt wurde. Bei den meisten Käfern sind die Beine einfache Gehbeine; bei einigen sind die Vorderbeine zu Grabfüßen, bei andern die Hinterbeine zu Spring- beinen mit angeschwollenen Schenkeln oder zu platten Schwimmfüßen umgewandelt. Fig. 831. Der Darmkanal eines Laufkäfers ( Carabus ) isolirt. a Die Kiefer und Taster, von oben ge- sehen. b Der Kopf mit den Fühlern und den halbkugeligen Augen. c Der Schlund. d Der gefaltete Kropf. e Der Kaumagen. f Der Chylusmagen. g Die Harngefäße. h Der Darm. i Die Cloake. k Die Afterdrüsen. l Der After. Der innere Bau der Käfer zeigt eine große Mannigfaltigkeit der Anordnung. Das Nervensy- stem besteht entweder aus getrennten Fig. 830. Nervensystem eines Carabus. Knoten, die stets durch doppelte Längsstränge miteinander verbunden sind, oder nur aus einem Hirn- knoten und drei dicht aneinander gereihten Anschwellungen, von de- nen die erste den Knoten des Hals- schildes, die zweite die beiden hin- teren Brustknoten, die dritte die verschmolzenen Hinterleibsknoten darstellt, von der aus alle Nerven des Hinterleibes ausstrahlen. Der Schlund, der ziemlich kurz ist, geht in einen meist kurzen und gefalteten Kropf über, hinter welchem bei den Fleischfressern ein runder Kaumagen folgt, der den übrigen Käfern fehlt. Der Chylusmagen ist kurz, auf seiner ganzen Fläche oder nur dem vorde- ren Theile mit zottigen Blinddärmen besetzt, der Darm meist kurz, dünn, hinten zu einer Cloake erweitert. Die Harnkanäle sind dünn, lang, nie mehr als vier oder sechs; meist finden sich am After noch besondere, zuwei- len traubige Absonderungsorgane, die manchmal ein sehr flüchtiges Sekret liefern, das bei dem Austreten aus dem After zu Gas ver- pufft. Die Luftröhren sind stets sehr entwickelt, oft mit vielen Luft- blasen besetzt und so angeordnet, daß sie sich unmittelbar von den Luft- löchern aus an die Organe verästeln, zugleich aber starke, oft dop- pelte Communicationsröhren unter sich zeigen. Die Eierstöcke sind büschelförmig gestellte, meist dreifächerige Eiröhren, deren Zahl von 5 bis 41 wechselt; die Eileiter kurz; die Samentasche besteht meist aus einer keulenförmigen Kapsel, die einen langen Stiel und meist noch einen gewundenen Anhang besitzt. Außerdem kommt noch gewöhnlich eine dicke, blinde Begattungstasche und eine lange gewundene Scheide vor. Die Hoden variiren ungemein in ihrer Form; die Samenleiter sind meist kurz, und stets sind noch accessorische Drüsen vorhanden. Die Begattungsorgane bestehen aus einer breiten, platten, durchbohr- ten Ruthe, welche in einer Kapsel liegt und mit dieser durch vielfache Muskeln weit hervorgeschoben werden kann. Die Eier haben keine ausgezeichneten Formen. Die Larven der Käfer sind, wie sich dies bei den so mannig- Fig. 832. Fig. 833. Fig. 834. Fig. 832 — 834. Larve, Puppe und Käfer von Calosoma sycophanta. faltigen Formen der Ordnung erwarten ließ, ebenfalls ziemlich wech- selnd in Gestalt und Anordnung ihrer einzel- nen Theile, doch aber wieder so eigenthümlich, daß nicht leicht eine Ver- wechselung mit Larven anderer Insektenordnun- gen Statt finden kann. Fig. 836. 838. 841. Fig. 835 837. 839. 840. 842. Fig. 835 — 842. Verschiedene Käferlarven, meist von der Rückenseite gesehen. Fig. 835. Von Cicindela campestris, besonders ausgezeichnet durch die großen, gezähnelten Kinnbacken, die drei Punktaugen, welche an den Seiten des Kopfes an der Stelle der zusammengesetzten Augen stehen und den achten Leibring, der breiter und höher als die übrigen und mit zwei Hornhaken auf dem Rücken bewaffnet ist. Fig. 836. Dieselbe Larve von der Seite. Fig. 837. Larve von Cassida equestris. Fig. 838. Von Buprestis manca, fußlos. Fig. 839. Fußlose Larve von Scolytes destructor (Borkenkäfer). Fig. 840. Kurzfüßige Larve von Tenebrio molitor (Mehlwurm). Fig. 841. Langfüßige Larve von Staphylinus olens. Fig. 842. Mit Schwimmfüßen und hinteren Athemröhren versehene Larve von Dytiscus marginalis. Der Körper dieser Thiere ist stets gestreckt, meist wurmförmig, oft beinahe drehrund; in den meisten Fällen aber von oben nach un- ten abgeplattet. Zuweilen erscheint er durchgehends weich; meist ist indessen der Kopf hornig und nur der Hinterleib mit weicher Haut bekleidet. Bei den wenigsten wird auch dieser mit festem Horne bedeckt. Diese festen Larven schweifen meistens frei nach Raub umher. Der Kopf ist meist flach gedrückt, platt, rundlich, von Linsengestalt und horizontal nach vorn oder nach unten gerichtet; bei einigen pflanzen- fressenden Larven (Blätterhörner, Rüsselkäfer, Borkenkäfer) ist er rundlich und senkrecht gestellt, so daß der Mund der Brust genähert ist. — Zusammengesetzte Augen kommen bei den Larven nie vor — ebensowenig einfache Stirnaugen; oft, besonders bei den Holzbohrern, fehlen die Augen gänzlich, wenn sie aber vorhanden, so stehen 1 — 6 einfache Augen auf jeder Seite und zwar dann meist auf einem ge- wölbten Buckel, der sich während des Puppenlebens in das zusam- mengesetzte Auge des Käfers umwandelt. Die Fühler fehlen zuwei- len, besonders bei Holzbohrern — sie sind stets einfach faden- oder kegelförmig, haben nie mehr als vier Glieder und stehen fast immer seitlich am Kopfrande über den Kiefern, selten auf der Stirn- fläche. Die Mundwerkzeuge sind, je nach der Nahrung, verschieden gestaltet. Oft dient als Decke der ganzen Theile ein bewegliches, an der Stirn eingelenktes Kopfschild, das indeß eben so oft fehlt. Das- selbe begegnet oft der Oberlippe, die manchmal deutlich abgesetzt, be- weglich, zuweilen mit der Stirn verwachsen ist oder ganz fehlt, wo dann der Stirnrand zugleich den Mundrand bildet und die übrigen Freßwerkzeuge ganz frei vor dem Kopfe stehen. Dieß ist bei vielen, vom Raube lebenden Larven ( Cicindelida, Carabida, Histerida, Lam- pyrida, Hydrophylida, Staphylinida ) der Fall und dann ist die Mund- öffnung außerordentlich fein und nur mit Mühe nachzuweisen. Die scharfen Kiefer dienen solchen Raublarven zum Anbeißen der Beute, zum Durchbohren der Haut und zum Zerfleischen der Eingeweide, deren flüssige Bestandtheile dann von der feinen Mundöffnung auf- gesaugt werden. Bei den Wasserkäferlarven ( Dytiscida ) ist sogar durchaus keine Mundöffnung vorhanden, sondern beide Kiefer selbst von Kanälen durchlaufen, welche sich an der Spitze der Kiefer spalt- förmig öffnen und durch die der Saft der Beute eingesogen wird. Kiefer sind stets vorhanden; — bei den Räubern säbel- oder sichel- förmig, scharf und spitz, meist über den Kopf vorragend und über- einandergreifend; bei den Pflanzenfressern kurz, derb, dreieckig, oft mit stumpf gezähnten Kau- und Schneideflächen, die gegeneinander passen. Die Kinnladen haben meist dieselben Theile, wie beim vollkomme- nen Käfer — eine Angel ( cardo ), die zuweilen stielförmig wird und dann den Haupttheil des Ganzen ausmacht — eine Lade, die meist verwachsen, zuweilen gezähnelt, selten eingelenkt ist, und einen Taster, der fadenförmige Gestalt und drei Glieder hat. Die Unterlippe ist oft verwachsen, stets klein, ihre Taster zweigliederig, die Zunge meist nur rudimentär. Vielen holzbohrenden Käferlarven fehlen die Beine durchaus, bei anderen sind sie nur durch borstentragende Warzenvorsprünge ange- deutet. Wenn sie vorhanden sind, so stehen sie an den drei ersten, Fig. 843. Holzstück mit einer Gallerie des grauen Holz- bockes ( Lamia vomicosa ). a Eierhaufen. b Ausgewachsene, fuß- lose Larve. c Puppe. dem Kopfe folgenden Körperringeln an der Unterfläche und bestehen meist aus fünf Gelenken, von wel- chen das letzte dem Tarsus ent- spricht und bei den Larven der Fleischfresser mit zwei, bei den Mai- wurmlarven ( Meloida ) mit drei, bei allen übrigen mit nur einer Klaue bewaffnet ist. Die Länge der Beine steht meist mit der Lebhaftigkeit und der Beutelust der Larven im Ver- hältniß. Der Leib besteht hinter den Beinetragenden Ringeln aus neun Ringeln, so daß also außer dem Kopfe im Ganzen zwölf Seg- mente vorhanden sind, eine Regel, wovon indeß die Wasserkäferlarven eine Ausnahme machen, deren Leib nur eilf Segmente zählt. Ein Paar Athemlöcher steht an der Brust, acht Paare an den acht ersten Hinter- leibssegmenten. Der After tritt meist röhrenförmig oder warzenför- mig hervor und wird zum Nach- schieben des Körpers benutzt, da solche Afterfüße und Nachschieber, wie Schmetterlings- und Holzwespen- Raupen sie besitzen, den Käferlarven gänzlich abgehen. Die raubenden Käferlarven leben meist in Erdlöchern, im Miste, unter Baumrinden, im Mulme, in Gängen und Nestern anderer In- sekten, deren Larven sie besonders heimsuchen. Nur wenige überraschen ihre Beute im Schusse oder Sprunge, indem sie vorher darauf lauern (dies thun besonders die Larven der Sand- und Wasserkäfer), die meisten fressen fußlose oder träge Thiere und namentlich Larven, zu- weilen auch Weichthiere (Schnecken) an. Die Holzfresser bohren sich Gänge, oft in dem härtesten Holze, meist aber in den weicheren Theilen, im Marke, dem Splinte und Baste und unter den Rinden. Viele fressen faulende oder verwesende Stoffe — einige werden uns besonders schädlich durch Zerstörung der Wurzeln, die sie unter der Erde aufsuchen. Alle Käferlarven verwandeln sich nach einiger Zeit in eine ruhende Puppe. Die Lebensdauer mancher Larven scheint mehre Jahre zu dauern; die der Maikäfer z. B. wie man aus den Flugjahren schlie- ßen kann, drei Jahre; manche Holzbohrer scheinen sogar sechs, zehn und mehr Jahre als Larven zu leben. Zur Verwandlung ziehen sich die meisten nur an einen geschützten Ort zurück; einige wenige spinnen sich aus grober Seide einen Cocon; viele machen sich aus Erde, Holz, Mist etc. das sie mit einem klebrigen Stoffe zusammenleimen, einen hohlen Klumpen, der erhärtet und in dessen Innerem die Puppe liegt. Diese gleicht dem vollkommenen Insekt, nur mit dem Unterschiede, daß der Körper verkürzt und eingebogen, die Fühler unter die Brust ge- schlagen, die Flügeldecken sehr kurz, die Füße nach innen eingezogen sind, während zugleich oft noch besondere Anhänge existiren oder auch solche des vollendeten Insektes fehlen. Der Puppenschlaf dauert meist einen Winter hindurch. Bei der ungemein großen Anzahl von Gattungen und Arten der Käfer, die einen geordneten Ueberblick sehr erschwert (man zählt jetzt etwa 30,000 bekannte und beschriebene Arten), war man von Anfang an bemüht, Unterscheidungszeichen für größere Gruppen oder Unter- ordnungen zu finden. Alle diese Versuche mißglückten indessen an der Unbeständigkeit einzelner Charaktere in solchen Familien, deren sonstige Verwandtschaft nicht zu läugnen war, und an den Uebergän- gen, welche man vielfach entdeckte. Die Gestaltung und Ausstattung der Larven mit Füßen, welche Einige zur Grundlage ihrer Einthei- lung nehmen wollten, scheiterte an der verhältnißmäßig sehr unvoll- kommenen Kenntniß der Käferlarven — die Fühlhörner, Flügeldecken etc. welche Andere zu benutzen suchten, zeigten so mannigfache Uebergänge, daß man ungewiß werden mußte, wo die Gränze ziehen. Am meisten hat sich noch die Eintheilung von Latreille erhalten, welcher nach der Zahl der Tarsenglieder an den Füßen die Käfer in 4 Abtheilungen bringt: Pentamera : Tarsen überall mit fünf Gliedern; Heteromera : Tarsen der Vorderbeine mit fünf, die der beiden Paare der Hinter- beine mit vier Gliedern; Tetramera : Tarsen überall mit vier Gliedern; Trimera : Tarsen überall mit drei Gliedern. Es läßt sich nicht läugnen, daß diese Eintheilung viele natürliche Gruppen richtig trennt, wie z. B. die Heteromeren eine sehr wohl mit einander verbundene Reihe bilden; auf der anderen Seite aber würde sie, bei strenger Durchführung, selbst einzelne Familien in sich zer- spalten und in verschiedene Unterordnungen werfen, während sie an- derwärts nahe verwandte Familien von einander trennen würde. So kommen in den Familien der Staphyliden und der Anisotomen Pen- tamere, Heteromere, Tetramere und Trimere Tarsen vor; während bei vielen Rüsselkäfern ein fünftes kleines Tarsalglied versteckt sich findet, und ähnliche Beispiele mehr. Berücksichtigt man die auch für die andern Abtheilungen des Thierreiches geltenden Grundsätze, wonach freie Beweglichkeit, thierische Nahrung, besonders Raub und Vernichtung lebender Thiere stets mit einer höheren Organisation verknüpft sind, während Pflanzennahrung, geringere Beweglichkeit, Entfernung von Licht und Luft eine geringere Stufe der Organisation bedingen; bedenkt man ferner, daß eine gra- duelle Entwicklung der Typen sowohl in unserer Lebenwelt, als in den untergegangenen Schöpfungen sich darstellt, eine Entwicklung, deren Reflex die Classification darstellen soll — so wird man, bei genauerer Anwendung dieser Punkte, auch bei den Käfern auf ver- schiedene Reihen geführt, die von gewissen Grundtypen ausgehend sich in ähnlicher Weise fortentwickeln, wie die Reihen, die wir bei den Krustenthieren wahrnehmen. Wir sehen die Käfer in den geologischen Epochen erst spät, in dem Jura auftreten und zwar mit holzbohren- den, pflanzenfressenden Familien, deren Larven theils fußlos, theils nur mit unscheinbaren Füßen versehen sind. Erst später gesellen sich Blätterfresser, von Unrath oder Raub lebende Familien hinzu. Ver- gleicht man mit diesen Urfamilien der Käfer die jetzigen Typen, so zeigt sich bald, daß jede derselben an der Spitze einer Reihe steht, die sich größerer Freiheit in der Bewegung als Larve wie als vollkom- menes Thier, so wie umfassenderen Nahrungsbedürfnissen entgegen bildet, so daß sich allmähliche Uebergänge bis zu Blätter- und Blumenfressen- den, oder selbst bis zu Fleischfressenden Gattungen finden, wodurch auch eine Charakterisirung dieser Reihen ziemlich schwer hält. Erste Reihe. Viergliederige Holzbohrer . Familie der Rüsselkäfer ( Curculionida ) . Die Käfer dieser Fa- Fig. 844. Wein-Rüsselkäfer ( Rhynchites Bacchus ). milie haben meist einen elliptischen Leib und einen mehr oder weniger rüsselförmig verlängerten Kopf, an dessen Seiten die Fühler stehen. Die Mundöffnung befindet sich vorn an der Spitze des Rüssels; die Freßwerkzeuge sind nur sehr klein, die Taster unbedeutend, kegelförmig, ohne Zergliederung kaum sichtbar; die Kiefer sehr scharf, beilartig, oft gezähnelt. Die Fühler stehen bei den Gattungen mit deutlichem, langem Schnabel meist in der Mitte desselben oder etwas weiter nach vorn und sind entweder gekniet oder einfach fadenförmig. Bei den geknieten Fühlern ist das erste Glied ungemein lang, stabförmig, die andern Glieder kurz, zuweilen gesägt oder binsenförmig, das oder einige letzte Glieder oft zu einem Knopfe verdickt. An den Seiten des Rüssels sieht man dann eine schiefe Furche, die Fühlergrube, die meist zu den Augen hinzieht und in die das erste Glied des geknieten Fühlers eingelegt werden kann. Die an der Basis des Rüssels ste- henden Augen sind klein, zuweilen ausgeschnitten; das Halsschild vier- eckig, hinten breiter, die Flügeldecken gerippt oder gekörnt und so hart, daß viele dieser Käfer nur schwer mit einer Nadel gespießt werden können. Die Tarsen sind viergliederig; — nur selten findet sich ein sehr kleines, fünftes Glied in einer Höhlung des Schienbeins ver- borgen. Das vorletzte Tarsalglied meist herzförmig, zweigelappt; das letzte mit doppelter Klaue. Die Larven dieser Käfer haben weder Füße noch Augen; sie bohren im Inneren von Bäumen, Wurzeln, Früchten und Samen und spinnen sich bei der Verpuppung eine Hülle aus feiner Seide. Die Larven sowohl, wie die Käfer richten große Verheerungen in Pflanzungen und Fruchtvorräthen an. Man hat mehre Gruppen unter den zahlreichen Gattungen unter- schieden: Curculionida mit langem Rüssel und geknickten Fühlern. Zu Fig. 815. Der Palmenkäfer ( Calandra palmarum ). Fig. 816. Der Haselnußkäfer ( Balaninus nucum ). ihnen gehört die Gat- tung Calandra, von wel- cher eine Art, C. granaria, ihre Eier in das reife Getreide legt. Die Larve (der schwarze Korn- wurm) hölt das Korn aus. Eine andere Art hölt die Palmstämme; ihre drei Zoll lange Larve gilt als Lecker- bissen. Die Larven an- derer Gattungen leben in Erbsen, Haselnüssen, Apfel- und Birn- blüthen etc. Curculio; Cleonus; Lixus; Balaninus. Einer anderen Gruppe fehlt die Fühlergrube. Sie hat einen kür- Fig. 847. Brenthus. zeren Rüssel und einfache Fühler. Hierhin gehört der Rebenstecher ( Rhynchites bacchus ), der Käfer frißt die jungen Sprossen und sticht die Blätter an, um die Eier hineinzulegen. Die Larven schaben die Blätter ab; — der rothe Kornwurm ( Apion fru- Fig. 848. Erbsenkäfer ( Bruchus pisi ). mentarius); Ap. pomonae der Apfelwurm. Magdalis; Rhynchites. Bei einer dritten Gruppe ist der Kopf kurz, kaum schnabel- förmig, flach; die Palpen deut- licher, die Augen quer. Sie leben meist in angebohrtem Samen — der Erbsenkäfer ( Bruchus pisi). Anthribus. Eine vierte Gruppe, die der Mycteriden, hat einen kurzen Rüssel oder einen nur dreieckigen platten Kopf, fadenförmige an der Spitze etwas verdickte Fühler, an den Vorderfüßen fünf, an den Hinterfüßen vier Tarsalglieder und kuglige Hüften der Vorderbeine. Die kleinen Käfer leben unter Baumrinden und auf Blumen; die Larven im Holz und perennirenden Kräutern. Mycterus; Rhinosimus; Salpingus. Familie der Borkenkäfer ( Bostrychida ). Die Käfer haben einen länglichen platten Leib, sind meist nur klein und weniger hart, als die Rüsselkäfer; der Kopf ist kurz, platt, ohne Rüssel, die Fühler kurz, mit einem großen, derben, meist geringelten Endknopfe versehen, der meist die Hälfte der Fühler beträgt. Das breite Halsschild deckt oft einen Theil des Kopfes, der darunter zu hängen scheint. Die Füße haben stets vier Tarsalglieder; die hinteren stehen weit von den übri- gen ab; bei einigen sind die Schienen gezähnelt. Die Larven sind augenlos und ihre Füße so kurz und unscheinbar, daß sie manchen Beobachtern entgingen. Käfer und Larven dieser Familie bohren in lebenden Bäumen und zwar vorzugsweise an Bast und Splint, wo- durch die Saftcirculation gehindert wird und die Bäume verdorren. Der Buchdruckerkäfer ( Bostrychus typographus ), der eigenthümliche, verschlungene, arabischen Buchstaben ähnliche Gänge bohrt, hat beson- ders im Harz öfter ungeheure Verheerungen in den Nadelholzwäldern angerichtet. Man nennt die Krankheit der Bäume, die er verursacht, die Wurmtrockniß. Einige, etwas abweichende Gattungen dieser Fa- milie wohnen in Schwämmen. Mycetophagi; Lathridium. Familie der Plattkäfer ( Platysoma ). Die Käfer sind länglich, aber sehr flach und dünn; der Kopf rundlich, stets deutlich vom Halsschild getrennt, nicht zurückziehbar; die Fühler nicht kolbig, son- dern fadenförmig und kaum bei einigen Gattungen an der Spitze verdickt; die Füße einfach, stets mit vier Tarsalgliedern versehen, deren keines erweitert ist. Die Larven haben sechs kurze, dreigliederige Füße, einen flachen Kopf, aber keine Augen und bohren, wie die Käfer, in altem Holze oder unter Rinden, zuweilen auch in Samen. Die Larve von Trogo- sita caraboides z. B. benagt besonders in der Provence die Getreide- vorräthe Cucujus; Colydium. Zweite Reihe. Fünfgliederige Holzbohrer. Sägehörner. ( Serricornia. ) Alle Käfer dieser Reihe besitzen gemeinschaftliche Charaktere in Fig. 849. Fühler von Sägehörnern: a Rosenkranzartiger, b Ge- sägter, c Gekämmter Fühler. ihren Fühlhörnern und Füßen. Die ersteren werden nach vorn zu dünner und sind meist kammartig gezähnt oder förmlich zu Kämmen ausgebildet; die Füße sind stets fünfgliederig und die oberen Tarsalglieder oft gelappt und erweitert. Die Reihe erhebt sich bis zu Thieren, deren Larven von Aas und andern Larven schmarotzen. Spitzbrüste. ( Sternoxia ). Die Familie der Prachtkäfer ( Buprestida ) ist zwar in unsern Fig. 850. Großer Prachtkäfer ( Buprestis gigas ). Gegenden nur durch wenige kleine Gattungen, um so häufiger und riesenmäßiger aber in den heißen Zonen repräsentirt. Die Käfer schillern meist in den lebhaftesten Metallfarben, haben eine längliche Gestalt und ausgezeichnet harte Flü- geldecken. Der Kopf ist meist brei- ter als lang, die Fühler kurz, stark gesägt, die einfachen Palpen kurz, ihr letztes Glied cylindrisch. Das Halsschild breit, die hinteren Ecken gerade; die Vorderbrust nach hinten in einen Fortsatz ausgezogen, der zwischen die Schenkel der Mittel- füße reicht, aber abgeplattet ist und nicht in eine Vertiefung paßt. Die Füße sind kurz, deutlich fünfgliederig und die vorletzten Tarsal- glieder stark erweitert und schwammig. Die Käfer laufen schlecht, fliegen aber gut mit schnurrendem Geräusche. Die Larven sind augenlos, mit ganz kurzen warzenartigen Füßchen versehen; der Kopf ist sehr klein, fleischig; der zweite Ringel aber breit, aufgetrieben und der Kopf kann in dasselbe zurückgezogen wer- den. Die Fühler sind sehr klein; Lippentaster fehlen ganz. Die Kiefer sind, wie bei den meisten holzbohrenden Larven, kurz, fast innen stumpf gezähnt. Sie bohren besonders in trockenem Holze und leben sehr lange, da vollendete Käfer zuweilen aus Möbeln herauskommen, die schon Jahre hindurch im Gebrauche waren. Buprestis; Melasis; Aphanisticus. Die Familie der Schnellkäfer ( Elaterida ) hat mit der vorigen Fig. 851. Schnellkäfer (Elater). die Form der Fühlhörner, der Füße, die harten Flügeldecken, die sonderbare Bildung der Vorderbrust gemein; nur ist der Fort- satz derselben noch weiter nach hinten aus- gezogen, von beiden Seiten zusammengedrückt, so daß er eine Dolchgestalt besitzt. Er paßt in eine Furche der Mittelbrust. Legt man die Thiere auf den Rücken, so steifen sie den Körper, ziehen Fühler und Füße an und stoßen dann mit Gewalt die Spitze der Vorderbrust gegen den Rand des Loches in der Mittelbrust, so daß der Körper mehre Zoll hoch in die Luft geschleudert wird. Die Larven der Schnellkäfer sind denen der Prachtkäfer nicht sehr ähnlich; sie sind drahtförmig, hart, haben keine Oberlippe, dagegen ganz seit- lich gelegene Kinnladen, eine sehr lange fast unbewegliche Unterlippe und sehr kurze Füße; sie leben vorzugsweise in moderndem Holze und in Wurzeln, während die Käfer besonders auf Blumen, im Rasen und im Getreide sich umhertreiben. Einige Arten leuchten; eine süd- amerikanische ( Elater noctilucus — der Cucujo) so stark, daß sie als Leuchte benutzt wird. Die leuchtenden Theile sind zwei runde Punkte am Halsschild Eucnemis; Synaptus; Xylobius; Cerophytum. Die Familie der Holzbohrer ( Xylotroga ). Der Körper dieser Thiere ist länglich, ziemlich weich; die Flügeldecken meist geschlossen, bei einigen Gattungen aber klaffend und selbst unvollständig. Der rundliche Kopf bald frei, bald mehr oder weniger unter dem Hals- schilde versteckt; die Fühler kurz, weniger gesägt, als in der vorigen Familie; die Kinnladen stark, kurz, gezähnt; die einfachen Palpen meist am Ende verdickt; die Füße ziemlich lang, schwach, ohne schwam- mige Sohlen, durchgehends fünfgliedrig. — Die Larven haben alle nur kurze Füße und keine Augen, bohren in trockenem Nutzholz oder in trockenen Thierkörpern und sind wegen ihres großen Schadens be- rüchtigt. Man unterscheidet zwei Unterfamilien. Die Bohrkäfer ( Ptinida ) haben einen kürzeren eiförmigen festen Körper, geschlossene Flügeldecken, kürzere Füße und den Kopf halb in das Halsschild ein- gesenkt; sie leben besonders in Sammlungen und altem Holze. Der Fig. 852. Die Todten- uhr (Anobium pertinax.) gewöhnliche Bohrkäfer ( Ptinus fur ) greift nebst der Larve trockne Thierkörper und Herbarien an; die Todtenuhr ( Anobium pertinax ) in altem Nutzholze, lockt durch Pochen mit den Kiefern, stellt sich bei der Berührung todt und läßt sich selbst durch empfind- liche Martern nicht zur Bewegung verleiten. Ptilinus. Fig. 853. Der Schiffswerftbohrer (Lymexylon navale.) Fig. 854. Atratocerus necydaloides. Die Werftbohrer (Limexy- lida) mit langem weichem Körper, klaffenden Flügeldecken, längeren Füßen und freiem Kopfe — die Lar- ven bohren besonders in trockenem Eichenholz und richten in den Vor- räthen der Schiffswerfte großen Schaden an. Lymexylon; Atrac- tocerus; Hylecaetus. Familie der Weichflügler ( Malacodermata ). Der Körper ist meist lang gestreckt, flach, weich, die Flügeldecken lederartig biegsam, oft verkümmert oder nur beim Männchen vorhanden; der Kopf nach un- ten gesenkt, im Halsschilde verborgen, die Fühler bald ausgezeichnet gesägt und gekämmt, bald linienförmig. Die ziemlich langfüßigen, mit sehr scharfen Sichelkiefern bewaffneten Larven leben in weichen Früch- ten oder vom Raube, sind äußerst gefräßig und sehen den flügellosen Weibchen sehr ähnlich. Sie haben nur ein einfaches seitliches Auge. Wir unterscheiden vier Unterfamilien. Fig. 855. Cebrio rufus. Cebrionida . Körper mehr oder minder gestreckt, weich, biegsam; Kopf geduckt; Ober- kinnladen kurz, einfach; Halsschild quer, hin- tere Ecken zuweilen ausgezogen; Fühler lang, ausgezeichnet gesägt. Leben meist auf Sumpf- und Wasserpflanzen; ihre Larven sind unbe- kannt. Cebrio; Sandalus; Scyrtes; Cyphon; Nycteus. Fig. 856. Lycus. Malachida. Körper lang, schmal; Kopf nur hinten von dem platten Halsschilde bedeckt, das viereckig oder länger als breit ist; Ober- kinnladen sehr lang; Füße einfach ohne Schwämm- chen; die Haken des letzten Tarsalgliedes innen mit einem Zähnchen oder einer Haut versehen. Die Käfer finden sich auf Blumen und Blät- tern; laufen schnell und fliegen gern; die Lar- ven in saftigen Früchten oder auch vom Raube lebend. Dasytes in Himbeeren; Malachius; Melyris; Lycus. Lampyrida. Körper lang, schmal; Kopf fast ganz in das platte Fig. 857. 858. Das Johanniswürmchen (Lampy- ris noctiluea.) Männchen und Weibchen. Halsschild eingesenkt; Oberkinnladen kurz, sehr spitz. Vorletztes Tarsalglied erweitert, zwei- lappig, die Klauen einfach. Die Weibchen sind oft ungeflügelt. Die Käfer stellen sich bei der Berührung todt; die Larven nähren sich vom Raub und sind meist schwärzlich. Lampyris noctiluca , das Johanniswürmchen. Das un- geflügelte Weibchen im Grase, leuchtet stark; Männchen und Larve schwächer. Drilus , das Weibchen ebenfalls un- geflügelt; die Larve verzehrt die gewöhnliche Baumschnecke (Helix ne- moralis) und puppt sich in dem leergefressenen Gehäuse ein. Sie trägt zu beiden Seiten Borstenbündel. Telephorus; Omalisus. Clerida. Körper langgestreckt schmal, meist haarig; Kopf kurz, Vogt. Zoologische Briefe. I. 42 Fig. 859. Clerus Alvearius. sehr breit, oft breiter als das oblonge Hals- schild; Fühler gesägt, oft gegen das Ende knopf- förmig verdickt; die Augen ausgerandet; Kinn- laden gezähnt; Palpen keulenförmig; vorletztes Tarsalglied zweigelappt. Die schönen, meist quer gebänderten Käfer auf Blumen und alten Bäumen; die rosenrothen, behaarten Larven in Bienen- und Wespennestern, in Schwämmen und im faulen Holze, wo sie andere Larven aufsuchen und nur von diesen leben. Sie sind ziemlich langbeinig und sehr lebhaft. Clerus apiarius , der Bienenwolf — die Larve lebt in Bionenstöcken und frißt die Bienenlarven; Clerus alvearius — die Larve in den Zellen der Mauerbienen ( Osmia ), deren Nachkommen- schaft sie verzehrt. Necrobia — auf Cadavern. Tillus; Axina. Dritte Reihe. Familie der Bockkäfer ( Longicornia ). Die zu dieser Familie ge- Fig. 860. Monochama tridens. hörigen, meist großen und schönen Käfer haben einen länglichen Kör- per, dessen Rückenseite meist flach, die Bauchseite dagegen stark gewölbt ist. Der Kopf ist vorgestreckt, frei, meist schmäler als das kleine, vier- eckige Halsschild, das oft mit Spitzen und Zacken verziert ist. Augen läng- lich, nierenförmig ausgeschnitten, in dem Ausschnitte ist meist das Fühl- horn eingelenkt. Fühler fadenför- mig, meist wenigstens eben so lang als der Körper, oft noch bedeutend länger, sehr selten kürzer. Zunge häutig ausgeschnitten, zweispaltig; Unterkinnlade einfach, spitzig. Füße lang, deutlich viergliedrig; das Klauenglied an der Wurzel mit einem kleinen Knöpfchen versehen, so daß die Füße eigentlich fünf Glieder ha- ben; vorletztes Tarsalglied stets, das Fig. 861. Holzstück mit einer Gallerie des grauen Holz- bockes (Lamia vomicosa). a Eierhaufen. b Ausgewachsene, fuß- lose Larve. c Puppe. zweite häufig herzförmig ausgeschnit- ten, schwammig. Die Käfer hal- ten sich in Wäldern und am Holze auf; die oft sehr großen Larven bohren alle in Holz, besonders im Stamme lebender Bäume, haben einen flachen rundlichen Kopf ohne Augen und entweder gar keine oder nur sehr kleine, kaum Ge- lenke zeigende Füße. Ihre Kiefer sind, wie die aller andern Holz- bohrer, kurz, aber sehr stark und schneidend. Die meisten Käfer die- ser Familie geben durch Reiben des Halsschildes an den Flügeldecken einen knarrenden Ton von sich. Bei der großen Anzahl der Gattungen hat man mehrere Ab- theilungen unterschieden. Prionida. Fühler in einer tiefen Augenbucht, verhältnißmäßig kurz; Kopf bis an die Augen im Halsschilde steckend; Körper platt; Halsschild scharf gerandet; Oberlippe rudimentär. Zunge nicht ge- spalten; Kinnladen meist ungemein groß und stark. Meist sehr große Käfer; eine ausländische Art ( Macrodontia cervicornis ) erreicht fast die Länge einer Hand. Prionus; Spondylis. Fig. 862. Moschusbock ( Callichroma moschatum. ) Cerambycida. Fühler sehr lang; Körper gewölbt; Halsschild ohne scharfen Rand; Oberlippe deutlich; Kinnladen kleiner; Unter- gesicht vorspringend aber klein; Mund schräg nach vorn gerichtet. Eigentliche Holzböcke. Cerambyx; Callidium; Calli- chroma; Clytus. 42* Fig. 863. Grauer Holzbock ( Lamia vomicosa. ) Von ihnen unterscheiden sich die Lamiden nur durch einen senkrecht gestellten Kopf mit großem Untergesicht, so daß der Mund nach unten gerichtet erscheint. Lamia; Saperda; Spon- dylus. Necydalida. Flügel- decken ungenügend, entweder ganz kurz oder zu schmal; Füße lang; Schenkel und Schien- beine keulenförmig angeschwollen. Necydalis; Molorchus. Lepturida. Unterscheiden sich von allen vorigen dadurch, daß die Fühler nicht in einer Augenbucht stehen. Der Kopf ist beim Ein- tritt ins Halsschild stark zusammengeschnürt. Leptura; Rhagium. Familie der Lilienkäfer ( Criocerida ). Körper oval, selten so lang Fig. 864. Rother Lilienkäfer ( Crioceris 12 punctata. ) gestreckt, wie bei den vorigen, stets länger als die Fühler; Kopf meist fast so breit als das oblonge Halsschild, das stets viel schmäler als die Flügeldecken ist. Fühler fadenförmig; Zunge ausgeschnitten; Palpen klein. Füße vierglie- drig; vorletztes Tarsalglied herzförmig. Beine zuweilen keulenförmig, springen dann. Meist kleine Käfer, die auf Blumen und Blättern leben. Die Larven haben deutliche, aber kurze Beine und leben entweder in den markigen Stengeln von Wasserpflanzen ( Donacia ), oder auf den grünen Blättern verschiedener Gewächse. Im letztern Falle machen sie sich eine Decke aus ihrem eigenen Kothe, den sie über den Rücken hinüber vorwärtsschieben. Donacia; Lema; (Crio- ceris); Auchenia; Orsodacne. Familie der Schwammkäfer ( Endomychida ) . Körper oval; Kopf klein; Halsschild in Form eines Trapezes. Fühler länger als Kopf und Halsschild zusammen genommen, an der Spitze meist knopfartig verdickt. Das Halsschild viel schmäler als die Flügeldecken gerandet. Palpen nicht beilförmig endend. Hinterfüße weit von einander ab- stehend. An den Tarsen nur drei Glieder; das vorletzte meist lappig. Meist kleine Käfer, die in Pilzen und Schwämmen leben, worin sich auch die kurzbeinigen Larven finden. Endomychus; Lycoperdina; Eumorphus. Familie der Rundkäfer ( Cyclica ). Körper mehr oder minder rund, kreisförmig, hochgewölbt oder platt. Kopf sehr klein, meist ganz unter dem Halsschilde verborgen; Fühler fadenförmig, oft gegen das Ende hin keulenartig verdickt, kurz. Aeußere Lappen der Kinnladen tasterartig; Zunge viereckig oder oval. Halsschild an der Basis meist so breit als die Flügeldecken; Füße kurz, überall mit vier Tarsalglie- dern, von denen die drei ersten schwammig und das vorletzte herzför- mig ist. Die Larven sind mehr oder minder langbeinig, meist schon von ähnlich runder Form, wie das vollkommene Insekt. Sie leben ent- weder im Parenchym der Blätter oder auf denselben, wo sie sich mei- stens Röhren oder Dächer von ihrem eigenen Kothe bilden. Man theilt sie in mehrere Gruppen: Erdflöhe , Galerucida . Körper etwas länglich; Fühler zwischen den Augen nahe an der Mittellinie unmittelbar vor dem Munde ein- gelenkt; die Palpen enden mit zwei kegelförmigen, mit den ungleich- namigen Enden aneinandergefügten Gliedern. Viele besitzen verdickte Springbeine. Die Larven leben im Parenchym der Blätter und fressen dieses aus. Galeruca; Haltica , Erdfloh. Goldkäfer , Chrysomelida. Körper schildförmig, fast rund. Füh- ler weit auseinander, neben den Augen eingelenkt; Kopf hängend, halb in das Halsschild eingesenkt. Träge Thiere, die meist ein schar- fes Oel bei der Berührung von sich geben. Larven langhaarig, frei oder in einer gesponnenen Röhre, fressen Blätter. Chrysomela; Eu- molpus; Cryptocephalus. Schildkäfer , Cassidida . Kopf klein, gänzlich unter dem breiten Halsschilde verborgen. Fühler genähert, kurz. Körper schildförmig. Beine kurz. Sehr träge Thiere, die fast stets ruhig auf Blättern sitzen. Larven rundlich, sehr langhaarig; richten den After nach oben und bauen sich ein Dach von ihrem eigenen Kothe, den sie stets über den Rücken nach vorn schieben. Cassida. Familie der Blattlausfresser ( Coccinellida ). Körper rund, hoch- gewölbt, unten platt; Kopf klein, frei; Fühler kurz, fadenförmig oder gering keulenförmig; Vordertaster groß, mit beilförmigem Endgliede. Halsschild breit, kurz; Füße kurz, dreigliedrig; vorletztes Tarsal- glied tief gelappt. Beim Berühren lassen sie einen scharfen gelben Saft aus den Fugen der Beine hervortreten. Lebendige Käfer, die gern fliegen und sich wie die langbeinigen, langhaarigen, röhrigen Larven, von Blattläusen nähren, die sie in Menge vertilgen. Cocci- nella , Marienkäfer. Coccidula; Scymnus. Als Anhang zu dieser Reihe dürfte sich noch die Familie der Haarflügler ( Trichopterygida ) darstellen; kleine, winzige Käferchen von höchstens ⅓ Linie Länge, mit dünnen, fadenförmigen, seitlich un- ter der Stirn eingelenkten Fühlern, die an der Spitze knopfförmig verdickt sind, und dreigliedrigen Tarsen, von denen die ersten Glieder so klein sind, daß sie kaum sich erkennen lassen. Das Klauenglied trägt zwischen den beiden Klauen einen gestielten Ballen. Die Beine sind lang; einigen unter Baumrinden lebenden Arten fehlen die Augen. Am merkwürdigsten sind die Flügel gebaut; sie bestehen aus einem langen, doppelt geknickten, mittleren Hornschafte, der wie eine Feder auf beiden Seiten mit langen schmalen Borsten besetzt ist, und nach dem Fluge in zwei Absätzen unter die Flügeldecken zurückgezogen wird. Im Getreide, auf Mist und unter Baumrinden. Ptilium; Trichopte- ryx; Ptenidium. Vierte Reihe. Heteromeren. Fast alle Käfer dieser Reihe haben an den Vorderfüßen fünf, an den Hinterfüßen dagegen nur vier Tarsalglieder, und leben auf Pflan- zen. Die Larven schmarotzen oder fressen Pflanzenstoffe. Familie der Blasenkäfer ( Meloida ). Körper länglich; der quere Fig. 865. Der Maiwurm, Meloe pro- scarabeus. Fig. 866. Fuß einer spanischen Fliege. Fig. 867. Spanische Fliege Lytta vesicatoria. Fig. 868. Mylabris vesicans. Kopf und das oblonge Halsschild schmäler als die Flügeldecken. Letz- tere sehr weich, lederartig, biegsam, bei einigen Gattungen verkümmert, so daß sie nur den halben Leib decken, in welchem Falle die Flügel gänzlich fehlen. Fühler fadenförmig oder gesägt. Die beiden Klauen des letzten Fußgliedes sind der Länge nach in zwei ungleiche Hälften gespalten, so daß an jedem Fuße zwei größere und zwei kleinere Klauen vorhanden scheinen. Alle Käfer dieser Familie enthalten einen scharfen blasenziehenden, ätzenden Stoff und werden auch an ihren Wohnorten als Blasenmittel benutzt. Die rührigen sechsbeini- gen Larven haben mittellange Füße mit drei Klauen und einen haa- rigen Körper — sie schmarotzen auf Bienen und Erdhummeln, von deren Larven sie sich wahrscheinlich nähren. Meloe (Maiwurm), Lytta (Spanische Fliege), Mylabris (Cantharis der Alten); Zonitis; Cerocoma. Familie der Spindelkäfer ( Mordellida ). Körper spindelförmig hinten zugespitzt; Kopf klein, gebückt unter dem Halsschild bis zur Hälfte der Augen verborgen. Halsschild so breit wie die Flügeldecken. Füh- ler fadenförmig, kaum gesägt. Hinterschenkel meist etwas verdickt. Beine lang. Laufen hüpfend mit großer Schnelligkeit und stellen sich bei Berührung todt. Die Larven, welche sehr kurze Füße haben und den Larven der Holzwespen sehr ähnlich sehen, leben im Marke von Bäumen und Kräutern; die Käfer auf grünen saftigen Blättern. Mordella; Rhipiphorus; Scraptia; Anthicus. Familie der Cardinalkäfer ( Pyrochroida ). Körperform der vori- Fig. 869. Rother Cardinalkäfer ( Pyrochroa coccinella. ) gen Familie, aber ohne die hintere Spitze. Kopf gerade, wenig vorgestreckt, Halsschild zu- weilen schmäler als die Flügeldecken. Fühler fadenförmig oder gekämmt; beim Männchen oft selbst wedelartig. Vordertaster sehr verlängert mit verdicktem Endgliede. Flügeldecken oft be- deutend nach hinten verbreitert. Füße lang; vorletztes Tarsalglied gelappt — Klauen ein- fach, ungezähnt. Die Käfer auf Pflanzen; die mittelbeinigen Larven unter Baumrinden, im Mulm abgestorbener Stämme. Pyrochroa; Melandrya; Serropalpa; Lagria; Dircaea. Familie der Kegelhähnchen ( Cistelida ). Körper oval, oft ziem- Fig. 870. Helops. lich breit; Halsschild meist so breit als die Flügel. Mund vorgestreckt, oft selbst rüsselar- tig verlängert, so daß sich die Kopfform der- jenigen der Bruchiden nähert. Fühler borsten- förmig, kaum gesägt, zuweilen von Körperlänge. Füße sehr lang, dünn, die Schenkel oft ansehn- lich verdickt, so daß die auf Blumen lebenden Käfer gut springen. Die Vorderhüften stehen dicht zusammen. — Die Larven leben in Mulm und gleichen sehr denen der folgenden Familie. Cistela; Oedemera; Helops; Mycetocharis. Familie der Schwarzkäfer ( Melasomata ). Körper länglich oder Fig. 871. Der Todtenkäfer ( Blaps mortisaga. ) Fig. 872. Pimelia. Fig. 873. Diaperis. oval, stark gewölbt; Halsschild selten schmäler als der Leib. Aeußere Decken meist ziemlich hart und fest. Fühler kurz, perlschnurartig un- ter dem Kopfrande eingesetzt. Oberkiefer zweispaltig; Unterkiefer mit horniger Klaue an der Innenseite. Vielen Käfern fehlen die Hinter- flügel gänzlich und die Flügeldecken sind mit einander verwachsen. Die Käfer sind schnelllaufende Nachtthiere von schwarzer Farbe, die sich Tags über an dunklen Orten aufhalten und Nachts umherschweifen. Die mittelbeinigen, drahtförmigen, mit abgesetztem Kopfschild versehe- nen Larven in Mulm, Mehl, Brod. Tenebrio molitor (Mehlwurm); Blaps mortisaga (Todtenkäfer); Opatrum; Uloma; Crypticus; Diaperis; Pimelia. Familie der Knäuelkäfer ( Anisotomida ). Kleine ovale oder rund- liche Käfer, in ihrer Form oft den Schildkäfern ähnlich. Fühler keu- lenförmig; Füße kurz und sehr wechselnd in der Zahl ihrer Tarsal- glieder. Die Käfer leben auf Schwämmen und im Mulm und kugeln sich bei der Berührung zusammen. Agathidium; Anisotoma; Tetra- toma; Coleris; Agaricophagus. Fünfte Reihe. Familie der Blatthörner ( Lamellicornia ). Die größten bekann- ten Käfer gehören dieser sehr zahlreichen ausgezeichneten Familie an. Ihr Körper ist meist oval oder rundlich, dick, auf beiden Seiten stark gewölbt; der Kopf klein, der Stirnrand oft ausgebreitet oder horn- artig verlängert; das Halsschild meist so breit als die Flügeldecken, oft ebenso wie der Kopf mit sonderbaren Fortsätzen, Spitzen und Hör- nern geziert. Die Fühler sitzen in einer tiefen Grube unter den Seiten Fig. 874. Fühler des männli- chen und weiblichen Maikäfers. ( Melolontha vulgaris ). des Stirnrandes und können meist ganz in die- ser Grube geborgen werden; sie sind kurz, geis- selförmig; die untern Glieder knopfartig, die vorderen blattförmig nebeneinander gestellt, so daß die sich wie die Blätter eines Buches öff- nen und schließen lassen und einen Kamm oder Wedel bilden. Die Füße sind stark, schwer, der Außenrand der Schie- nen gezähnt; die Tarsen stets fünfgliedrig, die Endkrallen stark. Beide Geschlechter unterscheiden sich oft sehr bedeutend im Aeußeren, indem das Männchen größer ist, eigenthümliche Hörner und Dornen und oft ungeheure Kiefer besitzt, die dem Weibchen abgehen. Die Käfer leben von Blättern, faulenden Pflanzenstoffen, Mist und andern Excrementen, haben einen schwerfälligen Gang und einen ungelenken Flug, bei dem sie laut schnurren. Die Larven sind wal- Fig. 875. Larve des Mistkäfers ( Copris ). zenförmig, weich, weißlich, mit sackförmigem un- tergebogenem Endtheile, hartem gelbem horni- gem Kopfe, der wie bei den Raupen, vertikal steht, sechs langen harten Füßen, aber ohne Au- gen. Der bekannte Engerling liefert das beste Bild einer solchen Larve. Sie leben mehrere Jahre in der Erde von Mist, Wurzeln, Pflan- zenstrünken und verpuppen sich dann in einem durch Schleim zusam- mengeklebten Erdballen. Man unterscheidet mehrere Gruppen in dieser zahlreichen Familie. Blumenkäfer , Cetonida. Körper glatt, ohne Zacken, Vor- sprünge und Hörner, von oben flach, metallisch glänzend; Kopf klein; Fig. 876. Goldkäfer. ( Cetonia aurata. ) Halsschild fast dreieckig, vorn viel schmäler als hinten; Seitenstücke der Mittelbrust vor den Flügeldecken von oben sichtbar; Fühler mit fächeri- gen oder dutenartig in einander ge- steckten Blättchen; Kinnbacken und Oberlippe fast völlig häutig, bieg- sam; Unterkinnlade pinselartig; Hin- terende des Körpers von oben sicht- bar. Die Käfer auf Blumen, flie- gen gerne; die Larven in Mulm oder Ameisenhaufen, wo sie von den Trichius; Goliathus. Mistkäfer , Coprophagida. Körper stark gewölbt, breit; Kopf und Halsschild meist mit Vorsprüngen, Leisten und Hörnern geziert; Halsschild breit; Mittelbrust und Hinterleib gänzlich von den Flügel- decken bedeckt. Fühler wie bei den vorigen; Kinnbacken außen hornig, innen mit häutigem Saume. Käfer und Larven leben besonders in Fig. 877. Mistkäfer ( Copris lunata. ) Fig. 878. Mumienkäfer ( Ateuchus sacer. ) Fig. 879. Kuhfladen- käfer ( Geotrupes strecorarius. ) Kuhfladen, unter welchen sie tiefe, senkrechte Löcher in die Erde boh- ren, so wie in Misthaufen. Die Weibchen ballen aus feuchtem Miste eine Kugel zusammen, in welche sie ein Ei legen und rollen dann die Kugel, rückwärtsgehend, fort, bis sie an geeigneter Stelle sie eingra- ben. Aphodius; Copris; Ateuchus sacer (der heilige Käfer der alten Aegypter); Scarabaeus (Geotrupes); Onthophagus. Hornkäfer , Dynastida . Die größten Käfer. Kopf und Hals- schild mit Hörnern und Vorsprüngen. Fühler, Füße, wie die vorigen, aber die Kinnbacken ganz hornig, Kinnladen kurz und abgerundet be- wimpert. Unterlippe fehlt meist; Vorderrand des meist stachlichen Kopfschildes bewimpert. Larven und Käfer in Mulm, Lohe und alten Baumstämmen. Bei uns nur Oryctes nasciornis, der Nashornkäfer — in südlichen Gegenden viele Gattungen: Dynastes (hercules), Atlas etc. Aaskäfer , Trogida. Den vorigen ähnlich, aber die Kinnladen hornig und das Kopfschild unbewimpert. Kopf und Halsschild ohne Stacheln. Körper sehr hoch gewölbt; Käfer und Larven in Aas, be- sonders in sandigen Gegenden. Trox; Aegialia. Laubkäfer , Melolonthida. Kopf und Halsschild unbewaffnet, glatt. Körper gewölbt, eiförmig. Kinnbacken stark, hornig, dick, ge- zähnt. Kinnladen hornig und gezähnt. Lefze hornartig. Füße dünn, schwach. Die Käfer leben von Blättern, zeigen sich aber nur kurze Zeit, um sich zu begatten, Eier zu legen und zu sterben; die Larven leben mehrere Jahre in der Erde von Wurzeln. Engerlinge. Melo- lontha (Maikäfer); Amphimallum (Junikäfer); Anisoplia. Fig. 880. Männlicher Hirschschröter (Lucanus cervus.) Hirschkäfer , Lucanida. Große, platte, nach unten gewölbte, ovale Käfer mit breitem Halsschild, das deutlich vom Leibe abgeschieden ist; Fühler mit 3- bis 4blättrigen Endgliedern. Kinnbacken sehr groß, stark, beim Männchen oft geweih- artig verlängert; Lippen pinselar- tig. Lecken besonders Pflanzensäfte; Larven in Mulm und hohlen Bäu- men; puppen sich in der Erde in einem Thonkloße ein. Lucanus cervus (Hirschschröter); Platicerus; Sinodendron. Familie der Keulenhörner (Clavicornia) . Körper länglich oder Fig. 881. Fühler eines Keulenhorns. eiförmig; Hintertheil oft nicht ganz von den abgestutzten Flügeldecken bedeckt. Kopf meist weit kleiner als das Halsschild, das hinten meist die Breite der Flügeldecken hat. Die Fühlhörner stehen nicht, wie bei der vorigen Familie, in einer Grube, sondern frei am Rande des Kopfes zeigen einen nackten aus einfachen Gliedern bestehenden Stiel und am Ende eine knopfartige oder keulenförmige Anschwellung, die meist aus 4—5 einzelnen Gliedern be- steht, welche sich blättern, ohne indeß einen Kamm zu bilden wie bei den vorigen. Die Füße sind stets fünfgliederig, zum Laufen geschickt, die Tarsalglieder ganz. Die Käfer nagen faulende Pflanzen und Thierstoffe, fliegen gut und laufen sehr schnell. Einige leben im Wasser, haben aber keine Schwimmfüße, sondern klettern am Ufer und an Wasserpflanzen umher. Die Larven haben einen cylindrischen wurmförmigen, aber geraden Körper, sechs ziemlich lange Beine und deutliche Augen, was sie leicht von der vorigen Familie unterscheidet. Sie leben in Mulm, beson- ders aber in thierischen Stoffen, trockenen wie faulenden, sind sehr munter und agil und oft stark behaart. Wir theilen die zahlreiche Familie in mehrere Unterfamilien: Pelzkäfer. Dermestida . Körper eiförmig, gewölbt, hart, Fig. 882. Speckkäfer (Dermestes lardarius). die Beine können angezogen werden, aber nicht vollständig, indem die Tarsalglieder frei blei- ben. Kopf klein, zur Hälfte, bis an die Augen, in das Halsschild eingesenkt; Fühler kurz, End- keule nur dreigliederig, aber das Endglied oft sehr groß und lang; Oberkinnladen dick, kurz gezähnt. Die Käfer leben besonders in Pelz- werk und trockenen Thierstoffen, in Museen und zoologischen Sammlungen, zuweilen auf Blumen; die haarigen Larven, an denselben Orten, richten große Verwüstungen an, da sie meist im Verborgenen arbeiten. Sie verpuppen sich in der eigenen Larvenhaut, die als Hülle für die Puppe dient. Dermestes; Byturus; Attagenus; Anthrenus. Von dieser Familie scheidet sich als kleine Gruppe durch voll- kommen zurückziehbare Beine, breite Unterschenkel und Verwachsung der drei vorderen Leibesringe, die Gruppe der Pillenkäfer, Byrrhida, deren Larven, Lebensart etc. ganz analog der vorigen ist. Die Käfer, die meist an sandigen Orten leben, kugeln sich zusammen und stellen sich todt. Byrrhus. Catopida. Körper länglich, mäßig gewölbt; Kopf klein, unter das Halsschild zurückgezogen bis an die Augen, Fühler nur allmählich verdickt, nicht knopfförmig geendet; Halsschild nach dem Tode nach vorn geneigt; Beine dünn, lang. Die Käfer laufen sehr schnell, stellen sich beim Berühren todt. Choleva; Scydmaenus; Scaphidium; Colon; Catops; Agyrtes. Stutzkäfer. Histerida. Körper breit, flach, nach dem Tode Fig. 883. Aaskäfer (Hister eadaverinus). wenig gekrümmt, ungemein hart. Kopf klein, tief in das Halsschild eingesenkt. Fühlhörner elfgliederig, mit festem Knopfe, stark gekrümmt; Kinnladen stark, gezähnt; die Hinterhüften stark seitlich gestellt; Vorderhüften der Mittellinie genähert. Füße stark bedornt, schwerfällig. Käfer in Aas, Mist und faulenden Substanzen, die kurzfüßigen nackten augenlosen Larven eben- daselbst. Hister; Saprinus; Platysoma. Nestkäfer . Nitidulida. Körper flach, mit scharfen Rändern; Kopf zurückgezogen. Halsschild breit. Flügeldecken am Anfang durch ein dreieckiges Schildchen getrennt. Fühler gerade, geknopft, zwischen Augen und Kinnbacken eingesetzt. Lefze abgestutzt. Ein nach rückwärts stehender Fortsatz der Mittelbrust schiebt sich zwischen die Hinterhüften ein, die auseinander stehen. Beine nicht einziehbar. Die Käfer leben im Aas, im faulenden Safte, der aus kranken Bäumen ausläuft etc. Nitidula; Peltis. Stinkkäfer. Silphida. Körper flach, scharfrandig, meist be- Fig. 884. Todtengräber ( Necrophorus ves- pillo). haart; Flügeldecken gewöhnlich hinten abgestutzt, so daß mehrere Ringe des Hinterleibes sichtbar sind. Fühlhörner keulenförmig über den Kinn- backen eingesetzt. Schildchen zwischen den Flü- geldecken groß. Lefze ausgeschnitten. Fortsatz der Mittelbrust nach hinten nur sehr klein. Hüften einander genähert. Gestalt nach dem Tode sehr gebückt. Die schnell und gut lau- fenden und fliegenden Käfer stinken sehr, geben beim Ergreifen stinkenden, flüssigen Koth von sich und nähren sich von Aas und Leichen, die sie meist mit großer Schnelligkeit in den Boden eingraben, um als Vorrath für ihre Larven zu dienen, die sehr gefräßig sind, mäßig lange Füße haben und sechs Augen auf jeder Seite besitzen, von welchen vier an der gewöhnlichen Stelle hinter der Einlenkung des Fühlers und zwei unter dem Fühler nach unten gerückt stehen. Necrophorus; Silpha. Familie der Ameisenkäfer (Clavigerida) . Sehr kleine Käferchen mit schmalem Kopfe, ohne Augen, kurzen Fühlhörnern, die nur aus sechs Gliedern bestehen und deren letztes Glied besonders groß, lang und cylindrisch ist. Palpen klein, einfach, an der Spitze mit doppel- tem Häckchen. Halsschild rundlich; Flügeldecken sehr kurz, so daß die halbe Länge des Hinterleibes unbedeckt ist. Füße lang, dünn; Tarsen nur dreigliederig und das Endglied nur mit einer Kralle versehen. Die Käferchen leben nur in Ameisenhaufen und werden von diesen, sonst so ausschließlichen Thieren gepflegt, gefüttert und bei Gefahr selbst fortgeschleppt. Claviger. Familie der Tastkäfer (Pselaphida) . Körper im Ganzen birn- förmig; Kopf länglich, frei, Augen stark vorragend; Fühler lang, meist haarig, am Ende geknopft oder keulenförmig, elfgliederig. Palpen meist sehr groß, vorstehend, blätterig. Halsschild länglich elliptisch, Bauch rundlich, von den quergestutzten Flügeldecken nur halb bedeckt. Füße lang, schwach; Tarsen nur dreigliederig, Endglied mit zwei Klauen. Kleine Käferchen träger Natur, die meist Tags über still im Grase sitzen, Abends und Nachts aber nach Raub umherschleichen. Pselaphus; Bryaxis; Bythinus; Tyrus. Familie der Raubkäfer (Staphylinida) . Die Käfer dieser äußerst Fig. 885. Stinkender Raubkäfer (Staphylinus olens). zahlreichen Familie haben einen langen, meist spindel- oder wurmförmigen Körper und stets sehr rudimen- täre, meist quer gestutzte Flügeldecken, die den hornigen, festen Hinterleib nur theilweise decken, aber die Flü- gel, die zuweilen fehlen, ganz umschließen. Die Fühler sind zehn oder meist elfgliederig, kurz, fadenförmig oder schwach gesägt, nur selten geknopft; die Kiefer bedeutend groß, hackig, spitz, meist ungezähnt; die Laden lederartig oder häutig; die Palpen einfach. Halsschild sehr verschieden; Hinterleib lang, oben hart, wird beim Gehen nach oben gekrümmt und zeigt am Hinterende zwei blasenförmige Warzen, die willkürlich hervorgestreckt werden. Die Füße sind lang, kräftig, bald mit Dornen bewaffnet, bald wehrlos und die Zahl ihrer Tarsalglie- der außerordentlich wechselnd, so daß man alle Latreille’schen Unter- ordnungen, Pentameren, Heteromeren, Tetrameren und Trimeren in dieser Familie vertreten findet. Die Larven sehen den vollkommenen Käfern ähnlich, haben starke vortretende Kiefer, vier deutliche Augen, sechs lange Füße mit einfachen Klauen und einen platten hornigen Körper. Käfer und Larven sind äußerst lebhafte kühne Räuber, die besonders andere Insekten jagen und diesen im Mist, unter Baum- rinden etc. nachstellen. Die meisten haben einen unangenehmen Geruch. Staphylinus; Quedius; Oxyporus; Omalius; Tachinus; Tachyporus; Lomechusa; Stenus; Bledius; Oxytelus. Sechste Reihe . Familie der Uferkäfer (Heterocerida) . Körper länglich, schmal, flach; Kopf klein, bis an die Augen in das Halsschild eingesenkt, das meist von der Breite der Flügeldecken ist. Fühler kurz, fadenförmig, gesägt oder selbst geknöpft; Oberkiefer spitz, nicht gezähnt. Füße von mittlerer Länge, gewöhnlich Gangbeine, meist behaart oder bei eini- gen mit Stacheln besetzt. Die Tarsen haben bei einigen vier, bei an- dern fünf Glieder. — Das Endglied ist meist viel länger, als die vorderen und mit zwei starken großen Klauen bewaffnet. Die schnell- laufenden Käfer, so wie ihre ziemlich langbeinigen Larven halten sich meist am Ufer der Gewässer, im Sande oder im Schlamme auf, sind meist unter dem Wasser, können aber nicht schwimmen, sondern kriechen nur am Boden und an Wasserpflanzen umher. Heterocerus; Parnus; Elmis; Georyssus. Familie der Fischkäfer (Hydrophilida) . Körper oval oder mehr Fig. 886. Fischkäfer (Hydrophilus spinipes). Fig. 887. Sphaeridium scarabeoides. rundlich, platt, Kopf, Halsschild und Leib eng aneinander geschlossen, meist groß. Fühler kurz, keulenförmig, durchblättert, mit langem Stielgliede, einigermaßen denen der Blätterhörner ähnlich. Vordertaster meist so lang oder selbst länger als die Fühlhörner, zurückgeschlagen. Beine ver- schieden gestaltet, stets aber mit fünf Tar- salgliedern. Bei den auf dem Lande, be- sonders im Miste lebenden Gattungen (Sphaeridium; Cyclonotum) sind alle Füße Gangfüße und die Schienen mit Dornen bewaffnet; bei den im Wasser schwimmen- den dagegen (Hydrophilus; Hydrochus; Laccobius) sind die beiden Paare der Hin- terfüße lang ausgezogen, platt und durch steife Haare zu Schwimmfüßen umgestal- tet, während die Vorderfüße Gangbeine geblieben sind. Die Käfer dieser Abtheilung schwimmen schnell und gut, fliegen schwerfällig mit Gesumse am Abend und kommen oft an die Oberfläche, wo sie Luft unter die Flügeldecken nehmen, zu welchem Ende sie nur die Spitze des Hinterleibes etwas über die Wasserfläche emporstrecken. Die Käfer selbst nähren sich von faulenden Pflanzen- stoffen; die Larven dagegen, welche ebenfalls im Wasser leben, sind arge Räuber, die mit dem platten wurmförmigen nach hinten zuge- spitzten Leibe sehr schnell schwimmen und allen Arten von Wasser- thieren, selbst jungen Fischen, eifrig nachstellen. Ihre starken Kiefer sind kürzer als die Palpen; die dünnen Füße von mittlerer Länge. Die Larven verpuppen sich in der Erde und bilden eine ovale Puppe, an deren Hinterende man noch die beiden Athemröhren sieht, durch welche die Larve Luft schöpfte. Der große Fischkäfer (Hydrophilus piceus) ist der größte Wasserkäfer unserer Gegenden. Familie der Taumelkäfer (Gyrinida) . Käfer klein, eiförmig, platt, Fig. 888. Taumelkäfer (Gyrinus co- lymbus). wie alle Wasserkäfer. Kopf klein, bis an die Augen in das Halsschild eingesenkt; Fühler klein, kurz, zwischen den Augen eingelenkt und ganz dorthin zurücklegbar; zweites Glied derselben mit einem dutenförmigen Fortsatze versehen, in welchem das wurstförmige, geringelte Ende des Fühlers steckt; die Augen horizontal halbirt, so daß jederseits zwei Augen stehen, von denen das eine nach unten, das andere nach oben gerichtet ist; Vorderfüße gewöhnliche Gangfüße, dünn, lang; Hinterfüße sehr kurz, hakenartig gekrümmt, platt; Tarsus im Ganzen dreieckig, erstes Glied sehr groß, die übrigen sehr klein, mit steifen Haaren besetzt. Die Käferchen schwimmen stets in drehender Be- wegung auf der Oberfläche stehender Gewässer. Larven im Wasser, lang, flach; athmen durch seitliche Kiemenbüschel und haben, wie alle folgenden, den eigentlichen Fleischfressern angehörige Käferlarven, zwei Klauen an den Füßen. Gyrinus; Orcetochilus. Familie der Wasserkäfer ( Hydrocantharida ) . Körper abgeplattet, platt eiförmig, Kopf breit, meist bis an die Augen in das Halsschild Fig. 889. Dytiscus latus. eingesenkt. Fühler borstenförmig, dünn, meist länger als Kopf und Hals- schild zusammengenommeu . Kinn- laden dünn, scharf, innen gewimpert, außen mit zwei Palpen besetzt, von denen die äußeren viergliederig, die inneren zweigliederig sind, so daß mit den Kinnladen-Tastern im Ganzen sechs Palpen vorhanden sind. Vorderfüße Gangbeine; bei den Männchen sind die drei ersten Tarsalglieder in eine breite Saug- scheibe erweitert, womit sie sich sehr fest anheften können. Hinterfüße lang, plattgedrückt, mit Schwimmborsten besetzt. Die Käfer leben alle im Wasser; schwimmen schnell uud fliegen Abends mit Gesumse; sie sind sehr räuberisch und fallen alle Arten schwächerer Wasserthiere an. Die Larven sind lang, schmal, platt, mit deutlich abgesetztem, rundem Kopfe. Die ungemein großen Hakenkiefer, die weit hervorstehen, sind an der Spitze durchbohrt und Kanäle führen aus ihnen in die Speiseröhre. Der Mund fehlt diesen Larven ganz; sie schlagen die Haken in den Leib lebender Thiere und saugen die Säfte durch die Kiefer ein. Sie haben lange, gewimperte Schwimmfüße, zwei kurze Athemröhren am Hinterleibe, schießen pfeilschnell auf ihren Raub los und gelten selbst in Fischteichen für verderblich. Dytiscus; Colymbe- tes; Pelobius; Noterus; Hyphydrus; Haliplus; Hydroporus. Familie der Laufkäfer ( Carabida ) . Körper länglich, meist stark Fig. 890. Fig. 891. Fig. 892. Fig. 832 — 834. Larve, Puppe und Käfer von Calosoma sycophanta. gewölbt, hart. Kopf klein, schmal, meist weit schmäler als das Hals- schild. Augen vorste- hend. Fühler von mitt- lerer Länge, borsten- oder fadenförmig. Kinnbacken scharf, ganzrandig, stark gekrümmt, meist ziemlich vorstehend. Kinnladen ganz hakig mit doppel- ten Tastern, wie in der vorigen Familie. Füße lang, dünn, stets mit fünf Tarsalgliedern, die meist bei den Männchen verbreitert sind. Flügeldecken, den Hinter- leib meist ganz bedeckend. Die Käfer dieser zahlreichsten unter allen Käferfamilien sind alle gute Läufer, die meisten auch vortreffliche Flie- ger. Sie schweifen, die Einen mehr bei Tag, die Andern mehr nächt- licher Weile, überall nach Beute umher, die besonders aus anderen Insekten besteht. Die meisten haben einen unangenehmen Geruch; viele lassen in Gefahr aus dem Hinteren eine stinkende, braune, ätzende Flüssigkeit. Die Larven sind meist etwas abgeplattet, hornig, mit starkem, oben flachem Kopfe, sechs langen Beinen und sechs einfachen Augen auf jeder Seite, die auf einer gewölbten Beule stehen; sie haben ebenfalls stark vorspringende, sichelförmige, spitze Kiefer und leben vom Vogt, Zoologische Briefe I. 43 Raube, meist in versteckten Aufenthaltsorten. Einige, wie die Calo- soma-Larven, jagen selbst ihre aus Raupen bestehende Beute auf Bäu- men. Man hat, um die ungemein große Anzahl der Gattungen über- schauen zu können, mehrere Untergruppen aufgestellt. Fig. 893. Omophron marginatum. Subulipalpa. Endglied der Hauptpal- pen spitz, dünn, kurz, das vorhergehende lang, so daß die Palpen pfriemenförmig sind. Vor- derfüße ausgeschnitten. Leben meist am Ufer der Gewässer. Bembidium; Omophron; Ta- chypus. Fig. 894. Goldener Laufkäfer (Carabus auratus). Carabida. Vorderschienen mit zwei Dor- nen, ohne Ausschnitt. Lefze zweilappig oder gefurcht. Körper gedrungen; Augen vorstehend; Kiefer stark; Flügeldecken ganz. Palpen ziem- lich groß; Endglied stumpf, größer und breiter als das vorhergehende. Spritzen einen sehr ätzenden Saft aus dem After gegen ihre Ver- folger; stellen selbst anderen Insekten eifrig nach. Die Larven einiger (Calosoma) in Rau- pennestern. Carabus; Calosoma; Cychrus; Ne- bria; Procrustes. Sämmtliche folgende Gruppen zeigen am Innenrande der Vor- derschienen einen tiefen Einschnitt. Fig. 895. Lebia. Brachinida. Flügeldecken gestutzt, so daß die Spitze des Hinterleibes von oben sicht- bar ist. Tarsen der Männchen kaum verbrei- tert. Der Bombardierkäfer, der bei der Ver- folgung seinem Feinde einen ätzenden, blauen Dunst mit hörbarem Knalle aus dem After Fig. 896. Fuß eines Chlaenius. entgegenpufft, gehört hierher. (Brachinus crepitans). Außerdem Lepia; Dromius; Cymindis; Odacantha. Licinida. Flügeldecken stark abgerundet; Halsschild schmal. Füße lang; die Tarsalglieder beim Männchen schüs- selförmig erweitert und mit schwammigen Polstern und Haaren besetzt. Licinus; Loricera; Badistes; Chlaenius. Fig. 897. Harpale. Harpalida. Flügeldecken spitzig; Vor- derschienen eingeschnitten, aber ohne Zähne. Halsschild unmittelbar an die Flügeldecken sto- ßend. Die Tarsalglieder sind bald mehr, bald weniger erweitert und unten mit Bürsten ver- sehen. Harpale; Mormolyce; Feronia; Amara; Pterostichus; Cephalotes; Trechus. Fig. 898. Mormolyce phyllodes. Fig. 899. Scarites. Scaritida. Vorderschienen sehr stark aus- geschnitten, in einen starken Dorn ausgehend, innen und außen gezähnt. Halsschild von den Flügeldecken abgesetzt; Flügeldecken abgerundet. Tarsalglieder des Männchens nicht erweitert. Scarites; Clivina; Dyschirius. Familie der Sandkäfer ( Cicindelida ) . Körper länglich. Kopf breiter als das dünne, meist verlängerte Halsschild. Fühler faden- 43* Fig. 900. Cicindela campestris. Fig. 901. Kinnlade einer Cicindele. förmig, von mittlerer Länge, vor den Augen eingelenkt. Diese sehr groß, vorstehend. Kiefer vorstehend, groß, stark, sehr scharf, innen meist mehrfach gezähnt. Kinnladen ge- bogen, an der Spitze mit einem be- weglichen Zahne und doppelten Pal- pen. Lippentaster stark behaart. Beine lang, stets fünfgliederig, ohne Zähne oder Einschnitte an den Fig. 902. Tricondylus apterus. Schienen und ohne Erweiterung der Tarsal- glieder. Unermüdliche Räuber, die meist auf trockenem, sandigem Boden jagen und viel flie- gen. Die Larven leben in Löchern im Sande, haben einen dicken, breiten Kopf mit vorstehen- den Augen auf jeder Seite, sichelförmig gebo- gene, scharfe Kiefer, sechs lange Beine mit zwei Krallen und zeichnen sich dadurch aus, daß der erste und siebente Körperring stark ange- schwollen und letzterer mit zwei vorstehenden Hornhaken versehen ist, was sie beim Auf- und Absteigen in ihren Löchern benutzen. Sie lauern auf ihre Beute, auf die sie losschießen, indem sie mit dem Kopfe genau die Oeffnung des Loches schließen. Einige ausländische Gattungen haben verwachsene Flügeldecken und ermangeln der Flügel. Cicindela; Collyris; Manticora; Tricondylus. Nur wenige Käfer haben sich im fossilen Zustande erhalten und auch diese meist nur in schwer erkennbaren Bruchstücken. Sie treten zuerst im Jura auf und zwar nur mit holzbohrenden Gattungen, die zu den Familien der Rüsselkäfer, der Prachtkäfer und der Bockkäfer gehören, Familien, welche an der Spitze unserer drei ersten Reihen stehen. Die Prachtkäfer dominiren in allen tertiären Epochen weit über die Schnellkäfer, die ihnen am nächsten stehen und in der Ter- tiärzeit sind sie sogar die zahlreichste Familie unter den Käfern über- haupt. In der Kreide treten zu den erwähnten Familien des Jura die Fischkäfer (Hydrophiliden), die auch in der Tertiärzeit weit über die anderen Wasserkäfer, die Hydrocantharen, dominiren, während in der jetzigen Schöpfung das umgekehrte Verhältniß stattfindet. Erst in der Tertiärzeit treten Blätterhörner (Lamellicornia), Keulenhörner (Clavicornia) und Laufkäfer (Carabida) auf, so daß also erst in der uns zunächst liegenden Periode die wahren Fleischfresser unter den Käfern sich zeigen, während Anfangs nur Holzbohrer, später erst auch Blätterfresser sich zeigen. Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera). Die Insekten, welche dieser Ordnung angehören, lassen alle deut- lich die drei großen Abtheilungen des Körpers, Kopf, Brust und Hin- terleib, und meist selbst in der Art getrennt wahrnehmen, daß diese Stücke durch Stiele miteinander verbunden sind. Der Kopf ist meist viel breiter, als lang, und so gestellt, daß die Mundwerkzeuge senk- recht nach unten schauen; die Fühler sind von mittlerer Länge, wohl niemals länger, als der Körper, meist borstenförmig oder gekniet, selten keulenförmig und nur bei wenigen Gattungen gekämmt oder ge- sägt. Die zusammengesetzten Augen stehen stets an der Seite des Kopfes, und sind meistens bei den Männchen viel größer, als bei den Fig. 903. Kopf einer Biene (Anthophora) von vorn gesehen, so daß man die großen seitlichen Augen, die drei Nebenaugen, die Fühler und Mund- werkzeuge in ihrer natürlichen Lage sieht. a Fühler. b Kiefer. c Oberlippe. d Die kur- zen Kinnladentaster. e Die verlängerten La- den. f Die seitlichen verlängerten Lappen der Unterlippe. g Der mittlere Lappen (Zunge) zum Rüssel umgestaltet. h Die sehr verlängerten Lippentaster. Fig. 904. Die Mundwerkzeuge einer Honigbiene (Apis) auseinandergelegt. a Die Oberlippe. b Der gekrümmte und gezähnelte Kiefer. c Die lange, dünne, säbelförmige Kinnlade mit dem kleinen Taster im Gelenke. d Die Unterlippe mit den seitlichen Lappen und der mittle- ren Zunge. Weibchen, so daß sie sich manchmal auf dem Scheitel berühren. Auf der Stirn, in dem Raume zwischen den Fühlern und den Augen ste- hen drei kleine kuglige Nebenaugen, welche nur äußerst selten bei un- geflügelten parasitischen Gattungen fehlen. Die Mundwerkzeuge bestehen bei allen Hautflüglern aus einer ziemlich kleinen Oberlippe und aus zwei starken in ihrem ganzen Umfange hornigen Kiefern, welche meistens auf ihrer inneren Fläche gezähnelt sind und zwar in der Weise, daß die Zähne in einander passen. Die Kinnladen sind meist schwach, häutig, oft so sehr verlängert, daß sie eine Art Scheide um die dann gleichfalls verlängerte Zunge bilden; ihre Taster sind stets deutlich, oft stielförmig verlängert. Die Unterlippe ist stets groß, ihre Taster deutlich und in den meisten Fällen erscheint sie doppelt gespalten und ihr mittlerer Theil, die Zunge, mehr oder minder ver- längert und beweglich. Die meisten Hautflügler bedienen sich dieser Zunge und der daran angelegten Kinnladen, als eines Schöpfrüssels, um füße Pflanzensäfte, namentlich Honig aus den Blumen zu saugen, und man hat deßwegen auch wohl gesagt, daß bei ihnen die Zunge zum Saugorgane umgewandelt sei. Indeß scheint ein wahrhaftes Sau- gen durch Herstellen eines luftleeren Raumes in der That bei den Hautflüglern nicht statt zu finden; — sie gebrauchen vielmehr ihre Zunge etwa in ähnlicher Weise zum Schlappen, wie die Hunde sich der ihrigen beim Saufen bedienen. Die Mundwerkzeuge stehen also bei den Hautflüglern auf einer Stufe der Ausbildung, wie bei keinem anderen Insekte, indem ihnen eines Theiles das Zerkleinern selbst der härtesten Substanzen durch ihre mächtigen Kiefer möglich gemacht wird, während sie andererseits zugleich im Stande sind, flüssige Substanzen aufzunehmen. Die Brust besteht immer aus drei deutlichen, eng mit einander verbundenen Ringen, von denen indessen der erste meist nur sehr klein, der zweite nur selten verlängert oder mit Spitzen bewaffnet ist. Die vier Flügel sind in ihrer Struktur gleich, oft von sehr zierlichen, netz- förmigen Adern durchzogen, die aber in manchen Fällen den Unter- flügeln gänzlich, und den Vorderflügeln bis auf einige Rudimente fehlen. Die Vorderflügel sind stets weit größer, als die Hinterflügel. Bei vielen Gattungen fehlen den Weibchen, oder den Geschlechtslosen die Flügel gänzlich; — bei anderen fallen sie nach dem Begattungs- geschäfte ab, oder werden sogar von den Thieren selbst entfernt. Die Füße sind meist schlank und dünn, die Tarsen stets aus fünf Glie- dern zusammengesetzt, und meist zwischen den beiden Endklauen ein kleiner mittlerer Fußballen wahrnehmbar. Der Hinterleib ist ge- wöhnlich walzenförmig, mehr oder minder gestreckt, und sitzt entweder mit seiner ganzen Fläche, oder nur mit einem dünneren Stiele, der zuweilen sehr verlängert ist, an dem hinteren Ende der Brust; bei manchen Gattungen ist sogar diese Einlenkungsstelle weit oben auf den Rücken versetzt, so daß es manchmal scheint, als wäre der Stiel der Mittelbrust eingepflanzt. Die Weibchen sämmtlicher Hautflügler sind an dem hinteren Ende des Leibes mit einem eigenthümlichen Apparate versehen, welcher je nach besonderen Modifikationen seiner Struktur bald als Legesäge (terebra), bald als Stachel (aculeus) bezeichnet wird, indessen stets nach demselben Typus gebaut ist. Es besteht derselbe im Wesentlichen aus einem mittleren, bei den Legesägen meist geraden und ziemlich ge- räumigen, bei den Stacheln säbelförmig gekrümmten Halbkanale, der mit dem Ende des Eileiters in Verbindung steht, und in dessen Rinne zwei scharfe, meist an ihrem Ende gezähnelte Spitzen auf und nieder bewegt werden können. Mit diesem Stilett stehen verschiedene Horn- stücke in Verbindung, welche sattelartig das Ende des Mastdarms und des Eileiters umgeben und starken Muskeln zum Ansatz dienen, die theils zur Bewegung des Stiletts im Ganzen, theils zum Hin- und Herziehen der innern Borsten bestimmt sind. Bei den eigentlichen Stacheln sind diese Hornstücke stets nur kurz und im Innern des Leibes verborgen; — bei den Legeröhren aber senden sie meistens Fort- sätze nach hinten, die eine zweiklappige Scheide um das Stilett bilden. Zuweilen sind diese Theile, das Stilett wie seine beiden Klappen, län- ger als der Körper, oft aber können sie gänzlich zurückgezogen wer- den und treten nur dann hervor, wenn das Thier verwunden, oder behufs des Ablegens seiner Eier ein Loch bohren will. Die eigentlich verwundenden Theile, durch deren Hin- und Herziehen auch das Sä- gen oder Bohren bewerkstelligt wird, sind die beiden inneren Stachel- borsten, während die Halbrinne des Stiletts, so wie die äußeren Klap- pen, nur zu Firation des ganzen Apparates dient. Das Nervensystem besteht meist aus dem Gehirne, zwei Brust- knoten und fünf bis sechs Bauchknoten, deren beide letzteren oft mit- einander verschmolzen sind. Der Verdauungskanal ist meistens sehr einfach; — der lange Schlund zeigt meistens eine dünnwandige Erweiterung, die sich zuweilen zu einem förmlichen Saugmagen ab- schnürt, der mittelst eines kurzen Stieles in den Schlund einmündet; Magen und Darm sind bei denjenigen Hautflüglern, welche lange leben, vielfach gewunden, bei den anderen fast gerade; die Harngefäße sind sehr zahlreich und meistens vielfach gewunden, die Speicheldrüsen meist ziem- lich verästelt, traubenförmig und oft gänzlich in dem Kopfe verborgen. Die Luftröhren vereinigen sich in zwei seitlichen Hauptstämmen, aus welchen die Aeste an die Körperorgane ausgehen, zeichnen sich aber durch vielfache blasige Anschwellungen aus, die besonders oft in dem Hinterleibe eine ungemeine Größe erreichen. Die Zahl der Eier- röhren wechselt von einer einzigen bis zu hundert und mehr auf einer Seite, und stets sind diese Eierröhren mehrkammerig, so daß manche Weibchen eine ungemeine Fruchtbarkeit entwickeln können. Die Samentasche ist stets vorhanden und bei denjenigen Weibchen, welche nach einer einmaligen Begattung zuweilen selbst ein Jahr hindurch befruchtete Eier legen, ziemlich groß. Die Samenthierchen erhalten sich lange Zeit in der Samentasche unverändert am Leben. Durch diese Einrichtung wird der Fortbestand und die Erneuerung der jähr- lichen Gesellschaften, welche bei vielen Hautflüglern vorkommen, einzig ermöglicht, indem die Weibchen sich im Herbste begatten, dann in irgend einem Schlupfwinkel überwintern, und dennoch durch die in ihrer Sa- mentasche aufgespeicherte Samenmasse fähig sind, im Beginn des Früh- jahres befruchtete Eier und damit den Grund einer neuen Gesellschaft zu legen. In der nächsten Beziehung zu den weiblichen Geschlechts- theilen steht bei den stacheltragenden Hautflüglern eine meist aus ge- wundenen Schläuchen bestehende Drüse, welche wasserfreie Ameisensäure absondert, die sich in einer eigenen Giftblase sammelt, und durch die Halbrinne des Stachels beim Stechen in die Wunde ergossen wird. Die männlichen Geschlechtstheile bestehen aus zwei, meist trau- benförmigen Hoden, in deren Ausführungsgänge noch zwei Nebendrü- sen einmünden. Die röhrenförmige Ruthe wird von zwei Paar Horn- klappen, die den Scheiden der Legeröhre analog sind, eingeschlossen. Giftdrüse und Stachel fehlen allen männlichen Hautflüglern durchaus. Mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen, deren Larven durch den Besitz von sechs ächten und vielen falschen Füßen den Raupen ähnlich sehen, haben alle Hautflügler fußlose Larven mit einem wurm- förmigen Körper und hornigem oder selbst weichem Kopfe, an dessen Ende meist zwei starke, gekrümmte Kiefer und kurze Kinnladen mit Tastern hervorstehen. Die Larven puppen sich alle nach kurzer Zeit ihres Lebens ein und spinnen sich zu diesem Ende eine gewöhnlich un- regelmäßige Hülle von Seidenfaden. Da sie alle fußlos sind, so sor- gen die Mütter für das Emporkommen der hilflosen Würmchen ent- weder durch Verproviantirung ihres Nestes, wonach sie das Ei seinem vorgeschriebenen Entwickelungsgange überlassen, oder sie füttern auch die Larven täglich mit Nahrung, die sie für die Nachkommenschaft sammeln. Gewöhnlich werden die Larven der in Gesellschaft lebenden Hautflügler gefüttert, während die Einsamen ihre Larven ein für alle Mal mit Nahrung versehen. Der eingetragene Proviant besteht theils aus Honig und Blumenstaub, theils aus lebenden, durch einen Stich gelähmten Insekten. Wir werden weiter unten die merkwürdigen Er- scheinungen näher in das Auge fassen, welche bei dieser Sorge für die Jungen beobachtet wurden. Die Gesellschaften, deren wir so eben erwähnten, bestehen wesent- lich nur zu dem Zwecke der gemeinschaftlichen Auferziehung der Jun- gen. Ihre Einrichtungen, die man oft mit den staatlichen Einrich- tungen der Menschen verglichen hat, sind verschiedener Art. Die jährlichen Gesellschaften werden in unserem Klima von den eigentlichen Wespen und den Hummeln gebildet und jedes- mal im Beginne des Frühjahres neu von einem einzigen im Herbste befruchteten Weibchen begründet, welches an irgend einem geschütz- ten Orte überwintert hat. Diese Gesellschaften bestehen stets nur aus Männchen und Weibchen, die aber merkwürdiger Weise zwei Ra ç en bilden, indem man stets kleinere und größere Individuen beider Geschlechter darin vereinigt findet. Die kleinen Weibchen sollen nach der Behauptung einiger Beobachter nur solche Eier legen, aus denen Männchen hervorkommen, und nur die großen Weibchen sollen fähig sein, zu überwintern und neue Kolonien zu gründen. Die Hummeln bauen die unregelmäßigsten Nester. Das befruchtete Weibchen gräbt eine Vertiefung in die Erde, die breit und wenig tief ist, und überwölbt diese Höhlung mit einer Moos- decke, welche sie innen mit einer dünnen Wachsschicht auskleidet. So- bald dies Nest einige Ausdehnung erlangt hat, so trägt die Hummel Honig und Blumenstaub ein, den sie zu einem Teige verarbeitet und zu unregelmäßigen Kugeln ballt; — in diese Masse legt sie die Eier, und während die bald ausgeschlüpften Larven innen fressen, fügt das Weibchen von außen stets neue Massen von Futter hinzu, so daß der unregelmäßige Haufen einer Trüffel nicht unähnlich sieht. Die Lar- ven verpuppen sich nun, indem sie sich Zellen spinnen, welche einem Fingerhute nicht unähnlich sehen; aus den Puppen kommen kleine Weibchen hervor, welche ihrer Mutter sogleich in den Arbeiten helfen, indem sie die unterdeß herangewachsenen Larven füttern, und die übri- gen leergewordenen Fingerhutzellen mit Honig füllen. Aus den ge- fütterten Larven entstehen kleinere Männchen, und Weibchen, die sich begatten und von denen nachher die Weibchen ebenfalls bei den Ar- beiten helfen; erst gegen das Ende des Sommers werden diejenigen Eier gelegt, aus denen die Männchen und Weibchen der großen Ra ç e hervorkommen, welche bestimmt sind, die Art über den Winter fortzu- pflanzen. Sobald die Individuen dieser größeren Ra ç e sich begattet haben, und die Kälte beginnt, so lös’t sich die Gesellschaft auf; — die noch vorhandenen Larven und Puppen werden aus den Zellen heraus- gerissen und umgebracht; die Individuen der kleineren Ra ç e so wie die Männchen kommen vor Hunger und Kälte um, und die überblei- benden Weibchen der größeren Ra ç e gründen im Frühjahre eine neue Gesellschaft. Ganz in derselben Weise verhalten sich die Gesell- schaften der Wespen , die nur in Beziehung auf den Bau ihres Nestes einen höheren Kunsttrieb zeigen. Die Nester bestehen aus Zel- lenreihen, sogenannten Kuchen, die bald senkrecht, bald horizontal an einander gereiht, und von einer äußeren Hülle umgeben sind, welche sie gegen die Unbilden der Witterung schützt. Alle diese Nester sind von Papier verfertigt, das von der Wespe aus gekautem Holze ge- bildet wird, und wovon sie Stückchen für Stückchen anklebt, und dann mit der Zunge glättet. In dem Neste der gewöhnlichen Wespe, das in einer geräumigen Höhle unter der Erde angelegt wird, während die Hornisse das ihre in hohle Bäume, andere Arten es ganz frei an einem Stiele aufhängen, — in den Nestern der gewöhnlichen Wespe, sage ich, finden sich vier bis zehn horizontale Kuchen, aus einer einzigen Schicht sechseckiger senkrechter Zellen gebildet, während bekanntlich in den Bienenstöcken die senkrechten Waben aus zwei Schichten horizon- taler Zellen bestehen, die mit den Böden aneinander stoßen. In den Wespennestern sind die horizontalen Waben durch leere Zwischenräume getrennt, welche den Wespen gestatten, überall umherzugehen, und die Festigkeit des Ganzen wird durch Pfeiler hergestellt, welche hie und da die einzelnen Waben mit einander verbinden. In einem gewissen Gegensatze zu den jährlichen Gesellschaften stehen die dauernden Gesellschaften , welche von den Honig- bienen und den eigentlichen Ameisen gebildet werden. Die Wohnun- gen, welche von diesen Thieren errichtet werden, dienen nicht nur zur Erziehung der Jungen während des Sommers, sondern auch zur Her- berge der ganzen Gesellschaft während des Winters. Die Gesell- schaften der Bienen bestehen immer aus einem einzigen Weib- chen, der sogenannten Königin, aus sechshundert bis tausend Männ- chen, den Drohnen, und aus fünfzehn- bis dreißigtausend verkümmer- ten Weibchen, den Arbeiterinnen, welche die Sorge für die Jungen und für das Einsammeln der Vorräthe allein tragen. Auch hier wird die Gesellschaft, welche sich neu bildet, stets nur von dem einzigen Weib- chen gegründet, das aber sogleich von einer verhältnißmäßigen Anzahl Männchen und Arbeiter begleitet wird. Die neuen Bienengesellschaf- ten entstehen im Laufe des Sommers, indem eine gewisse Anzahl von Männchen und Arbeitern, mit einem Weibchen an der Spitze, den Mutterstock verlassen; — man nennt dieß das Schwärmen. Der erste Schwarm, welchen eine Gesellschaft liefert, wird von den ursprüngli- chen Bewohnern des Stockes gebildet, die darin überwinterten, also von einem befruchteten Weibchen und einer Anzahl Arbeiter; sie ver- lassen den Stock, um ihrer Nachkommenschaft Platz zu machen, und fliegen, in dickem Haufen der Königin folgend, so lange umher, bis diese sich irgendwo niederläßt. Die wilden Bienen wählen zu ihrer Ansiedlung die Löcher hohler Bäume; bei den zahmen benutzt man die Niederlassung der Königin, um sie in einen neuen Stock zu fassen. Sobald die Königin sich fixirt hat, so beginnen unmittelbar die Ar- beiten. Zuerst werden alle Ritzen und Zugänge bis auf ein kleines Flugloch mit einem klebrigen Stopfwachse ( propolis ) zugeklebt, und dann die Waben begonnen, die aus doppelten Schichten sechsseitiger Zellen bestehen, welche mit den Böden aneinander stoßen. Die Wa- ben sind an der Decke des Stockes senkrecht aufgehängt, und durchweg aus Wachs gebaut, welches sich in dünnen Blättchen zwischen den Schienen des Hinterleibes bildet und von der Biene mittelst der Kie- fer und der Füße verarbeitet wird. Zugleich mit dem Bau der Wa- ben beginnt das Eintragen des Honigs, den die Biene in ihrem Saug- magen nach Hause bringt, und durch Erbrechen in die Zellen entleert, und des Blüthenstaubes, der in der Form von Höschen an den Hin- terbeinen getragen wird, und innerhalb des Stockes zu einer eigen- thümlichen Masse, dem sogenannten Bienenbrode, verarbeitet wird, und besonders zur Nahrung der Larven dient. Sobald die Waben und ihre Zellen einigermaßen im Baue vorgerückt sind, so beginnt die Königin, die noch von dem vorigen Jahre her befruchtet ist, das Eier- legen. In jede Zelle wird ein Ei an den Boden geheftet; — anfangs legt die Königin nur Arbeitereier, nach einiger Zeit aber werden Zel- len gebaut, welche um zwei Drittel größer sind, als die gewöhnlichen Vorraths- und Arbeiterzellen, und in denen die Drohnen sich ent- wickeln. Nach den Drohnenzellen erst bauen die Arbeiter einige we- nige Zellen, höchstens sechs bis zehn, von der Form einer Flasche oder einer langgestreckten Birne, die irgendwo an die Waben angeklebt werden, senkrecht mit der Oeffnung nach unten schauen, und zur Er- ziehung von Königinnen bestimmt sind. Eine einzige solche Zelle ent- hält etwa soviel Wachs, als hundert Arbeiterzellen. Die Königin legt zuletzt in jede dieser Zellen ein weibliches Ei und stirbt dann. Die Eier entwickeln sich mit verschiedener Schnelligkeit. Die ganze Entwicklungszeit von dem Legen des Eies an bis zum Ausschlüpfen der vollkommnen Biene beträgt für eine Königin sechszehn Tage, für eine Arbeiterin zwanzig Tage, für eine Drohne vier und zwanzig Tage. Während der Larvenzeit werden die fußlosen weichen Würm- chen von den Arbeiterinnen sehr sorgsam gefüttert, und die Zelle, so- bald sie sich verpuppen, mit einem Wachsdeckel geschlossen. Die erste der auskriechenden Königinnen tödtet sogleich nach ihrer Geburt die noch in der Zelle eingeschlossenen weiblichen Puppen und bleibt fortan an der Spitze der Gesellschaft; — schlüpfen mehrere Weibchen zugleich aus, so kämpfen sie so lange unter einander, bis eine überbleibt; ist aber unglücklicher Weise die alte Königin so lange am Leben geblie- ben, bis die jungen Königinnen ausschlüpfen, so werden diese letzteren von ihr ohne Gnade umgebracht, ohne daß die Arbeiter sich wider- setzen. Da die alte Königin aber dann unfähig ist, ferner noch Eier zu legen, so zerstreut sich die Gesellschaft entweder bei ihrem Tode, oder aber die Arbeiter bilden sich dadurch eine neue Königin, daß sie eine Arbeiterlarve, die noch nicht drei Tage alt ist, in eine königliche Zelle bringen und mit königlichem Futter nähren; — in diesem Falle entwickeln sich die Geschlechtstheile, während dieselben bei dem gewöhn- lichen Arbeiterfutter rudimentär bleiben. Die junge Königin verläßt bald nach ihrer Geburt in Begleitung der Drohnen den Stock, be- gattet sich, wie dieß die meisten Hautflügler thun, hoch oben in der Luft, kehrt dann in den Stock zurück und legt nun Eier in derselben Reihenfolge, zuerst Arbeitereier, dann Drohneneier, zuletzt Eier für Königinnen. Die Puppen der letzten werden aber zur Zeit des Aus- schlüpfens von den Arbeitern beschützt, und die Königin von ihrer Tödtung zurückgehalten. Sobald sie dieß bemerkt, verläßt sie mit den älteren Arbeitern den Stock, und bildet einen neuen Schwarm, indem sie während des ganzes Jahres nur Arbeitereier legt, bis zum näch- sten Frühjahre, wo derselbe Kreislauf der Erscheinungen beginnt, den wir bisher beschrieben. Während des Winters hören die Arbeiten in den Bienenstöcken auf; — vorher aber, im Monate August, werden sämmtliche Drohnen, die der Gesellschaft angehören, von den Arbeitern umgebracht. Die Gesellschaften der Ameisen haben einen noch verwickel- teren Haushalt, als die der Bienen. Die meisten dieser Thiere bauen sich unter der Erde an, indem sie Gänge, Zellen und Kammern aus- höhlen und mit verhärtetem Lehm überwölben. Auch diejenigen Woh- nungen, welche über der Erde, hauptsächlich aus Holz zusammengetragen sind, besitzen einen unterirdischen Theil, in welchen sich die Ameisen bei drohender Gefahr oder im Winter zurückziehen. Alle Gesellschaf- ten bestehen aus geflügelten Weibchen, kleineren Männchen und noch kleineren ungeflügelten Arbeitern; meistens unterscheidet man bei die- sen letzteren zwei Ra ç en, eine größere, welcher die Vertheidigung der Wohnung obliegt, und eine kleinere, der die speziellen Arbeiten des Haushaltes zufallen. Bei den amerikanischen Wanderameisen bestehen die zahlreichen Truppen, die in langen Colonnen marschiren, nur aus kleineren Arbeitern; die Individuen der größeren Ra ç e marschiren ganz in ähnlicher Weise wie Offiziere zur Seite der Colonnen, und man sieht sie häufig auf überragende Zweige oder Blätter klettern, und von diesem erhöhten Standpunkte aus den Zug der Truppen auf- merksam beobachten. Die Ameisen sammeln durchaus keine Vorräthe ein, sondern fallen im Winter in eine Art Schlaf, während dessen sie keine Nahrung zu sich nehmen. Während der Sommerszeit nähren die Arbeiter nicht nur sich, sondern auch die Larven, die Weibchen und die Männchen, welche alle unthätig sind, mit allen möglichen organischen Stoffen, be- sonders aber mit süßen Pflanzensäften, die ihnen namentlich durch die Blattläuse verschafft werden. Wir haben schon bei diesen Thieren erwähnt, daß sie auf dem Hinterleibe zwei Röhren besitzen, aus wel- chen von Zeit zu Zeit ein süßer Honigsaft quillt, welchen die Ameisen sehr begierig auflecken. Die Blattläuse werden von den Ameisen mit der größten Sorgfalt behandelt, von abgestorbenen Zweigen und Sprossen auf frische, lebende Blätter versetzt, und mit den Fühlhör- nern so lange geliebkoset, bis sie Honigsaft von sich geben. Die mei- sten Arten von Ameisen bauen von ihrem Neste aus bedeckte Wege, wahre Kunststraßen, nach den Bäumen und Sträuchern, auf denen sich die Colonieen ihres Melkviehes befinden; andere bringen selbst solche Blattläuse, welche an Wurzelstöcken hausen, in ihre Nester, wo sie sie des Winters über halten. Außer der Sorge für die Nahrung und Fütterung der übrigen Glieder der Gesellschaft bestehen die haupt- sächlichsten Beschäftigungen der Arbeiter-Ameisen noch besonders in der Wartung der Puppen, der sogenannten Ameiseneier, welche sie beständig zwischen ihren Kiefern umherschleppen, um sie bald an die Sonne, bald tiefer hinab in die Gänge zu tragen, sowie in der Sorge für das Haus, dessen Zugänge am Morgen geöffnet, am Abend aber regelmäßig geschlossen werden. Einige Arten von Ameisen zeigen noch verwickeltere Verhältnisse in ihrem Haushalte. Die geschlechtslosen Individuen der blutrothen und der röthlichen Ameise, welche in unseren Gegenden vorkommen, arbeiten selbst nicht, sondern machen nur förmliche Kriegszüge, um die Stöcke anderer Ameisen zu überfallen und die Puppen der Ar- beiter daraus zu rauben. Meistens ist ihre Taktik die, daß sie plötz- lich einen benachbarten Ameisenhaufen überfallen, und wenn seine Bewohner sich zur Wehre stellen, mit der Hauptmasse eine förmliche Schlacht liefern, während detachirte Haufen die Flügel des Feindes umgehen und den Stock desselben ausplündern. Das Schlachtfeld ist nach einem solchen Kampfe mit Leichen bedeckt, beide Theile beißen sich mit der größten Erbitterung herum; die Verwundeten und Kampf- unfähigen werden von ihren Freunden aus dem Getümmel an sichere Orte zurückgeschleppt. Die geraubten Puppen entwickeln sich später in der Wohnung der Räuber und versehen dort förmliche Sclaven- dienste, indem sie allein alle Arbeiten des Haushaltes übernehmen, ihre unthätigen Räuber füttern und deren Larven besorgen. So ent- stehen jene gemischten Ameisengesellschaften, in welchen viererlei Indi- viduen existiren: Männchen, Weibchen und kriegführende Individuen (sogenannte Amazonen) der einen Art und arbeitende Sclaven einer anderen Art. Die Gründung neuer Ameisengesellschaften geschieht in folgender Weise: Im August verlassen ungeheuere Schwärme geflügelter Männ- chen und Weibchen am Nachmittage die Stöcke und begatten sich in der Luft. Die Männchen sterben fast unmittelbar nach der Begattung; die meisten Weibchen werden von den Arbeitern eingefangen und in den Stock zurückgebracht, wo sie besonders im nächsten Frühjahre Eier legen. Die nicht eingefangenen befruchteten Weibchen reißen sich zuerst selbst die Flügel aus, welche sehr lose auf Stummeln stehen, und höhlen dann einen Gang in der Erde aus, dem sie Kammern beifügen, in welche sie Arbeitereier legen. Sobald diese sich entwickelt haben, helfen sie ihrer Mutter bei ihren Arbeiten, überwintern mit ihr und führen dann im nächsten Frühjahre die Wirthschaft weiter, während das Weibchen ganz in ähnlicher Weise, wie bei den Bienen, sich nur noch mit Eierlegen beschäftigt, und auch dieselbe Reihenfolge beibehält, indem es erst Arbeitereier, dann männliche und weibliche Eier legt. — Spuren versteinerter Hautflügler finden sich zuerst im oberen Jura, dann aber in großer Menge in den Süßwasserschichten der Tertiärgebilde. Die Ameisen spielen in diesen Schichten eine wesent- liche Rolle — man findet oft Schieferplatten in Oeningen, die förm- lich mit Abdrücken von Ameisen überdeckt sind und viele Arten zu gleicher Zeit erkennen lassen. Es läßt sich daraus, wie aus der gro- ßen Zahl von Termiten, die man an den gleichen Orten findet, ein Schluß auf die tropische Vegetation der tertiären Periode machen, welche solche unzählige Massen zerstörender Insekten ernährte. Auch jetzt gehört noch in den Tropengegenden die Bodenfläche wesentlich den Ameisen und Termiten an, wie dies damals in unseren Gegenden der Fall war. Weit sparsamer sind die Reste der übrigen Hautflügler, nament- lich der Honigsammler, was mit der geringen Entwickelung krautar- tiger Gewächse und Blumen zur Tertiärzeit in Zusammenhang steht. Wir erkennen in der Ordnung der Hautflügler vier Reihen, de- ren Entwickelung in ähnlicher Weise, wie in der Ordnung der Käfer, zu vollkommnerer Gestaltung vorschreitet, die sich sowohl in der Aus- bildung des vollkommnen Insektes und der Larven, als auch nament- lich in der geistigen Ausbildung erkennen läßt, indem die höher stehenden Typen dieser Ordnung in gesellschaftlichen Beziehungen leben, und in der Sorge für ihre Nachkommenschaft, sowie für die Erhaltung ihrer Gesellschaft einen Grad geistiger Ausbildung bethätigen, den man bei allen andern Thieren vergebens suchen dürfte. Die erste Reihe wird von den Gallwespen, den Schlupfwespen und den Holzwespen gebildet, und enthält meist parasitische Insekten, die theils auf Kosten von Pflanzen, theils auf die anderer Insekten leben und niemals gesellschaftliche Formen irgend welcher Art zeigen, noch sich um die Auferziehung ihrer Larven bekümmern. Die Weib- chen haben stets eine Legeröhre, niemals einen wahren Stachel, wie die übrigen Hautflügler. Eine zweite Reihe wird von den Wespen, eine dritte von den Bienen, eine vierte von den Ameisen gebildet, und überall schreitet in diesen Reihen die Entwickelung in der Art vor sich, daß bei den Niedergestellten die Larven zwar von der Mutter mit Proviant versehen, dann aber sich selbst überlassen werden, wäh- rend bei den Höheren die Larven als Angehörige der Gesellschaft auf- erzogen und während der Periode ihrer Unbehülflichkeit entweder von den Müttern selbst, oder von den verkümmerten Weibchen ernähert und gepflegt werden. Erste Reihe. Hautflügler mit Legeröhre. Die Familie der Gallwespen ( Cyniphida ) besteht aus einer An- Fig. 904. Wespe der Färbergalle ( Cynips gallae tinctoriae ). zahl meist sehr kleiner, träger Insekten, die durch eine ungemeine Entwickelung des Brust- stückes buckelig erscheinen. Der Kopf ist klein, quer gestellt, die Brust breit, hoch, eiförmig, der Hinterleib gewöhnlich rund und durch einen kurzen Stiel mit dem Bruststücke verbunden. Meist ist der Leib an seinem hinteren Ende zu- sammengedrückt, und endet dort in zwei Klap- pen, welche die außerordentlich dünne und feine Legeröhre einschließen. Die Fühler sind gerade, mitten auf der Stirn eingelenkt, aus dreizehn bis fünfzehn Gliedern zusammengesetzt, kürzer bei den Weibchen; die Oberlippe sehr klein; die Kiefer kurz, dick, am Rande gezähnelt; die Kinnladen am Ende mit einem großen, häutigen Lappen versehen; Kiefertaster kurz, fünf- gliederig, Lippentaster rudimentär. Die Flügel sind sehr zart und durchsichtig und zeigen nur sehr wenige, unbedeutende Adern, die sogar bei einigen Gattungen gänzlich fehlen. Die Gallwespen legen ihre Eier unter die Oberhaut der Pflanzen, in das Zellengewebe derselben, indem sie mit ihrer Legeröhre, die aus einer einfachen Halbscheide und zwei darin verborgenen gezähnelten Borsten besteht, ein Loch in die äußere Hülle sägen, in welches sie dann ihr Ei einschieben. Die Verwundung erzeugt bei den Gewäch- sen eine hohle, meist harte Geschwulst, in deren Inneren dann die fußlosen Larven leben und sich von dem Marke des Gallapfels näh- ren. — Zuweilen verpuppen sich die Larven im Innern der Galläpfel selbst; Andere bohren sich hervor, und verpuppen sich in der Erde. In den meisten Galläpfeln lebt nur eine Larve; es giebt indessen auch Arten, wo man mehrere Hunderte von Larven, Puppen oder Fliegen in derselben Pflanzengeschwulst antrifft. Andere Hautflügler mit langer Legeröhre bringen oft ihre Eier in diese Galläpfel hinein, und die daraus entstehenden Larven fressen die rechtmäßigen Bewoh- ner derselben auf und entwickeln sich auf Kosten derselben. Die Gall- äpfel der Eichen, welche von einer besonderen Art ( Cynips gallae tinctoriae ) hervorgebracht werden, dienen ihres großen Gehaltes an Gerbesäure wegen besonders zur Herstellung schwarzer Farbe. Figi- tes; Eucoila: Cynips; Allotria; Ibalia . Wir können die folgenden Familien unter dem gemeinsamen Na- men der Schlupfwespen zusammenfassen, da sie alle eine gemein- same Lebensart und ähnliche Industrie besitzen. Die Weibchen legen nämlich ihre Eier entweder in die Nester oder unter die Haut anderer Insekten, und die Larven nähren sich parasitisch von der Körpersub- stanz der Thiere selbst, welche sie bewohnen. Besonders häufig sind die Larven anderer Insekten, die Raupen der Schmetterlinge z. B. den Angriffen der Schlupfwespen ausgesetzt. Das Ei wird von dem Weibchen mittelst der spitzen Legeröhre in einem Nu unter die Haut der Raupe geschoben, und die auskriechende fußlose Larve nährt sich besonders von dem Fettkörper der Raupe, ohne die zum Leben nöthi- gen Organe anzugreifen. So kommt es denn häufig, daß die Raupen, welche nicht allzuviele Bewohner dieser Art beherbergen, noch Lebens- kraft genug besitzen, um sich in Puppen zu verwandeln; daß die Pa- rasiten sich dann im Inneren der Puppe ebenfalls verwandeln, und daß endlich statt eines Schmetterlings eine oder mehrere Schlupfwes- pen aus der Puppe hervorbrechen. Indeß werden nicht nur die Rau- pen der Schmetterlinge, sondern auch Larven, Puppen und vollständige Insekten aller Ordnungen von den Schlupfwespen angegriffen; ja man kennt einzelne Gattungen, deren Larven sogar auf Kosten schon para- sitisch lebender Larven sich ernähren. So legt die Gattung Hemiteles ihre Eier nur in die Larven von Schlupfwespen, welche schon im Inneren von Schmetterlingsraupen schmarotzen, namentlich solcher aus der Familie der Braconiden; und während die Braconidenlarve den Fettkörper der Raupe verzehrt, wird ihr eigener Fettkörper wieder von der Larve des Hemiteles aufgefressen. In ähnlicher Weise sticht das Weibchen von Chrysolampus nur solche Blattläuse an, in denen schon die Larve eines Aphidius schmarotzt und weiß mit seiner Lege- röhre den Schmarotzer in der Blattlaus so zu treffen, daß das Ei im Inneren seines Körpers abgelagert wird. Alle die schmarotzenden Vogt. Zoologische Briefe. I. 44 Larven dieser Schlupfwespen sind wurmförmig, weich, weißlich, durch- aus fußlos oder höchstens mit fleischigen Wärzchen statt Füßen ver- sehen; sie bilden nackte Puppen im Inneren der Thiere, auf deren Kosten sie lebten, und nur wenige Gattungen spinnen sich eine Art Hülse, zu welcher sie meist Stücke der Raupenhaut verwenden. Familie der Springwespen ( Chalcidida ). Meist sehr kleine Schlupfwespen, mit schmalem, querem Kopfe und kurzen Fühlern von wechselnder Gliederzahl und Gestalt, die aber stets gebrochen oder ge- knickt, am Ende keulenförmig gesägt oder gefiedert sind und deren erstes, stielartig verlängertes Glied in einer Querfurche der Stirn geborgen werden kann. Die Mundorgane sind denen der vorigen Familie sehr ähnlich, mit Ausnahme der Unterlippe, welche lang und schmal ist und mit einem breiten runden Lappen endigt; — die Brust ist meist hoch gewölbt und buckelig, der Hinterleib rund und mit einem kurzen Stiele an der Brust befestigt. Die Flügel haben meist gar keine Nerven, oder nur einen kurzen Randnerven, der quer in die Flügelfläche hineingeht und plötzlich endet. Bei den meisten Gattun- gen sind die Hinterschenkel sehr verdickt und oft mit Spitzen und Dor- nen versehen; einige Weibchen sind vollkommen flügellos; ihre Lege- röhre ist meistens ziemlich lang, gerade und wird bei den meisten in dem Bauche verborgen, bei anderen aber säbelartig über die Rücken- fläche des Hinterleibes gelegt. Die Insekten sind meist fast mikroskopisch aber mit lebhaft glänzenden Metallfarben geziert, und entwickeln sich oft zu Hunderten und Tausenden, selbst in den Eiern anderer Insekten. Chalcis; Perilampus; Torymus; Pteromalus; Encyrtus; Platygaster; Leucopsis; Eurytoma; Callimome; Spalangia . Die Familie der Schwanzwespen ( Proctotrupida ) besteht eben- Fig. 906. Bethylus . falls zum größten Theil aus sehr kleinen, fast mikroskopischen Insekten, welche durch den Mangel der Flü- gelnerven und die häufig verdickten Beine, so wie durch die Struktur der Mundtheile der vorigen Familie nahe stehen, sich aber von ihnen durch die geraden, niemals geknick- ten Fühler, den Mangel einer Furche vorn an dem Kopfe und die meist matten, dunklen Farben des Körpers unterscheiden. Die Legeröhre kann nur bei wenigen zurückgezogen werden, während sie bei den meisten Gattungen frei hervorsteht; die Larven leben besonders in Eiern von anderen Insekten, sowie in den Larven von Zweiflüglern. Diapria; Sparasion; Platygaster; Proctotrupes; Dryinus; Labeo; Bethylus; Megaspilus; Ceraphron . Außerordentlich zahlreich ist die Familie der eigentlichen Schlupf- wespen ( Ichneumonida ), die meist einen langen, schmalen Körper, Fig. 907. Ichneumon . kleinen, queren Kopf, ovale Brust und langen Hinterleib haben, der bald sehr dünn gestielt ist, bald auch mit seiner gan- zen Breite aufsitzt. Die Fühlhörner sind meist sehr lang, borstenförmig, selten ge- zähnelt oder keulenförmig und bei dem lebenden Insekte fast beständig in lebhaft vibrirender Bewegung; die Mundtheile lassen sich nur schwierig unterscheiden, die Kiefer sind dick und zweizähnig, die Unterlippe sehr klein, ihre Taster viergliederig, während die Ladentaster fünf Glieder haben, von denen das zweite breit und dreieckig ist; die Flügel besitzen sehr wohl aus- gebildete Netzadern, und die Füße sind meist sehr lang, dünn, aber niemals zum Springen tauglich. Die Legeröhre wechselt außerordent- lich in ihrem Verhältniß zum Körper; — bei einigen Gattungen ist sie kaum sichtbar, bei anderen, welche besonders ihre Eier in die Lar- ven geselliger Hautflügler legen und hierzu die Nesthüllen derselben durchbohren müssen, ungemein lang, ja selbst länger, als der ganze Körper. Sie besteht stets aus zwei hornigen Scheiden und einem mittle- ren Stilett, welches selbst wieder aus einer Halbrinne und zwei gezähnel- ten Stachelborsten zusammengesetzt ist, die das eigentliche Bohrinstru- ment bilden. Man hat in dieser überaus zahlreichen Familie, welche nur in Deutschland mehrere tausend Arten zählt, einige Unterfamilien unterschieden, indem die eigentlichen Ichneumoniden ( Ichneumon; Tryphon; Bassus; Metopius; Ophion; Pimpla; Acaenites; Cryptus ) einen fünfringeligen Hinterleib und an den Oberflügeln zwei rücklau- fende Nerven besitzen, während die Braconiden ( Bracon; Vipio; Aphidius; Microdus; Agathis; Ichneutes; Microgaster ) bei gleicher Zu- sammensetzung des Hinterleibes nur einen zurücklaufenden Nerven in den Oberflügeln besitzen, und die Alysiden ( Alysia; Sigalphus; 44* Chelonus; Rogas; Helcon ) an dem Hinterleibe höchstens drei deutliche Ringel zeigen, unter welche die anderen unkenntlichen eingeschoben sind. Fig. 908. Foenus jaculator. Fig. 909. Aulacus. Die Familie der Hungerwespen ( Evanida ) umfaßt eine Gruppe meist sehr schlanker Schlupfwespen mit langem, dünnem, oder selbst ganz verkümmertem Hinterleibe, dessen Stiel oben auf der Hinterbrust meist unmittelbar hinter dem Mittelbrustschilde eingelenkt ist. Die Fühler dieser Wespen sind lang, dünn, nur bei einigen Gattungen etwas dicker, und im Anfange etwas gekniet. Die Ladentaster sind sechsgliederig; die Lippentaster viergliederig; die Oberflügel meist vollkommen geadert und mit geschlossenen Zellen versehen. Die Legeröhre ist sehr lang, so daß von manchen Arten der Leib beim Fluge in senkrechter Stellung getragen werden muß. Evania; Foenus; Brachygaster; Pelecinus; Stephanus; Megalyra; Aulacus . Die Familie der Goldwespen ( Chrysida ) besteht aus kurzen, Fig. 910. Goldwespe ( Chrysis ). dickleibigen Wespen, deren runder Hin- terleib meist abgeplattet und auf der un- teren Fläche so ausgehöhlt ist, daß das Insekt ihn, wie ein Schild unter die Brust schlagen und auf diese Weise sich förm- lich zusammenkugeln kann. Der so gebil- dete Hinterleib scheint nur aus drei Rin- geln zusammengesetzt, da die übrigen hin- teren Ringel nach innen eingeschoben sind. Die Fühler der Gold- wespen sind gekniet und aus dreizehn Gliedern zusammengesetzt, von denen das erste sehr lang ist und den Stiel der Geißel bildet. Die Adern der Flügel sind meist sehr unvollständig entwickelt; die Lege- röhre ist nur kurz, aber dick und stark, so daß die Thiere empfindlich damit stechen können; — da sie aber nicht in Verbindung mit einem Giftbläschen steht, so ist auch dieser Stich bei weitem nicht so em- pfindlich oder bösartig, als derjenige der eigentlichen stacheltragen- den Hautflügler, zu welchen die Goldwespen den Uebergang bilden. Die Larven der Goldwespen, soweit man sie bis jetzt beobachtet hat, leben hauptsächlich in den Nestern der Grabwespen und der einsamen Bienen, deren Larven sie auffressen. Die Goldwespen schleichen sich in diese Nester ein, indem sie den Augenblick abpassen, wo die Biene oder Grabwespe sich entfernt, um Provision zu holen; die Gold- wespe legt dann ihre Eier an Stellen, wo sie von der heimkehrenden Erbauerin des Nestes nicht leicht entdeckt werden können; oft indeß werden sie bei diesem Geschäfte von jener überrascht und mit äußer- ster Wuth angegriffen, wo ihnen dann die Fähigkeit, sich zusammen zu kugeln, ein vortreffliches Vertheidigungsmittel bietet. Chrysis; He- dychrum; Parnopes; Stilbum; Pyria . Die Holzwespen , welche wir hier folgen lassen, obgleich sie, genauer genommen, wohl eine Reihe für sich bilden dürften, da so- wohl die Bildung des vollkommenen Insektes, als namentlich diejeni- gen der Larven, sehr bedeutend von den Typen der übrigen Haupt- flügler abweicht, zeichnen sich durch einen langen, gestreckten Körper aus, an welchem der Hinterleib sich unmittelbar als eine Fortsetzung der Brust darstellt und niemals einen Stiel zeigt. Die Larven dieser Thiere haben wenigstens sechs Füße, meist aber noch eine große An- zahl von falschen Bauchfüßen, wodurch sie Schmetterlingsraupen so ähnlich werden, daß einige ältere Beobachter sie wirklich dafür an- sahen, und die aus den Puppen hervorgehenden Holzwespen für Schmarotzer hielten, die in ähnlichem Verhältnisse zu den Raupen stünden, wie die Schlupfwespen. Wir unterscheiden zwei Familien. Die eigentlichen Holzwespen ( Urocerida ) haben einen beinahe runden Kopf, der meist der Brust unmittelbar aufsitzt, und einen cy- lindrischen Körper, an dessen hinterem Ende die sehr starke, sägeför- mige Legeröhre hervorsteht. Die Fühler sind sehr lang, borstenförmig, aus vielen kleinen Gliedern zusammengesetzt und oft in der Form von Widderhörnern gekrümmt. Die Mundwerkzeuge bestehen aus zwei dreieckigen, starken, innen gezähnelten Kiefern, sehr rudimentären Kinn- laden mit kurzen zweigliederigen Tastern und einer schmalen Unter- lippe, die längere, viergliederige Taster trägt. Die Flügel sind stark- zellig, die vorderen weit größer als die hinteren, und die Legeröhre der Weibchen außerordentlich stark und gezähnelt, so daß sie tiefe Löcher in das festeste Holz bohren können. Die Larven der Holz- wespen sind cylindrisch, gestreckt, mit hartem, hornigem Kopfe und sechs kleinen gegliederten Füßen versehen, so daß sie fast ganz das Ansehen von Käferlarven haben; sie bohren in lebendem Holze, und verwandeln sich nach einigen Jahren, nachdem sie sich einen losen Seidencocon gesponnen haben. Sirex; Xiphydria . Die Familie der Blattwespen ( Tenthredinida ) ist der vorigen in dem erwachsenen Insekte sehr ähnlich, unterscheidet sich aber haupt- sächlich durch die oft sonderbar gestalteten Fühler, die bald keulen- Fig. 911. Tenthredo. Fig. 912. Cimbex. förmig, bald ausgezeichnet kammartig gestaltet sind, ferner durch die sechsgliederigen Kinnladentaster und die weit kürzere Legeröhre, welche indeß ebenso stark und sägeartig gezähnelt ist, als diejenige der vori- gen Familie. Die meisten Blattwespen sägen die Blätter oder safti- gen Stengel mit dieser Legeröhre an, worauf sich diese meist einrollen und so der jungen Larve Schutz gewähren; die Larven selbst haben einen hornigen Kopf und sechs hornige Brustfüße, so wie falsche Bauchfüße, wodurch sie den Schmetterlingsraupen sehr ähnlich sehen; sie unterscheiden sich aber von diesen gerade durch die Zahl der After- füße, indem sie wenigstens deren zwölf haben, ja selbst sechzehn haben können, während die Schmetterlingsraupen nur acht und höchstens zehn falsche Füße besitzen. Außerdem haben diese Afterraupen , wie man sie genannt hat, zwei einfache Augen auf der Stirn und zwei sehr kleine kegelförmige Fühler, die ebenfalls den ächten Raupen abgehen; ihre Kiefer sind sehr dick und stark gezähnt; in der Ruhe rollen sie sich meist spiralförmig auf und spritzen, sobald man sie be- rührt, einen unangenehm riechenden Saft aus feinen, seitlichen Oeff- nungen, die unter den Luftlöchern liegen. Alle diese Larven sind äußerst gefräßig, und manche richten an den Blättern der Bäume und Kräuter große Verheerungen an. Die meisten spinnen sich in der Erde, oder unter abgefallenen Blättern ein, und manche bleiben sehr lange Zeit als Larven in ihren Gespinnsten. Tenthredo; Lophyrus; Lyda; Xyela; Cephus; Cimbex; Hylotoma; Schizocera; Dolerus; Selandria . Sämmtliche Hautflügler, die wir jetzt folgen lassen, sind im weiblichen Geschlechte nicht mit einer Legeröhre, sondern mit einem Giftstachel bewaffnet, der mit einer eigenen Drüse und einer Blase in Verbindung steht, welche im Momente des Stiches das Gift in die Wunde abfließen läßt, das nach neueren Beobachtungeu allgemein aus wasserfreier Ameisensäure bestehen soll. Der Stachel ist übrigens genau aus denselben Theilen zusammengesetzt, wie die Legeröhre, und nament- lich unterscheidet man stets eine gezähnelte, feine Halbrinne, in welcher zwei dünne, ebenfalls gezähnelte Stachelborsten vorgeschoben werden können. Auch die verkümmerten Weibchen, welche zur Fortpflanzung untauglich sind, haben diesen Stachel, der den Männchen ganz allge- mein abgeht, und der besonders deßhalb für den Haushalt dieser In- sekten von Wichtigkeit erscheint, weil diejenigen Arten, deren Larven sich von lebenden Insekten nähren, sich des Stachels zur Lähmung ihrer Beute bedienen. Reihe der Wespen . Wir unterscheiden unter den Wespen vor allen eine Gruppe, deren Lebensart viele gemeinsame Eigenthümlichkeiten hat, weßhalb wir sie mit dem gemeinschaftlichen Namen der Grabwespen be- zeichnen. Alle diese Thiere leben einsam, niemals in Gesellschaft; beide Geschlechter sind vollkommen geflügelt, und die Weibchen tragen Sorge, den an einem geschützten Orte lebenden Larven die bis zu ihrer Einpuppung nöthige Nahrung beizugeben, welche immer aus lebenden Insekten besteht. Die meisten dieser Thiere bohren zu diesem Zwecke Gänge in der Erde, oder im Holze, wo sie der Larve nebst ihrem Proviante ein Nest bereiten; andere mauern selbst mit Sand und Mörtel förmliche Zellen auf, in welchen die Larve verborgen ist. Der Proviant, welchen diese Thiere ihren Larven beigeben, besteht aus lebenden Insekten und Larven aller Ordnungen, sowie auch aus Spinnen, welche in dem Neste aufgeschichtet und allmählich von der sich entwickelnden Wespenlarve verzehrt werden. Eine jede Grab- wespe verproviantirt ihr Nest nur mit einer bestimmten Art von Thieren, und während die einen sich mit leichter Mühe der Raupen oder Larven bemächtigen, die ihnen keinen Widerstand entgegen setzen können, so kostet es den anderen oft einen harten Kampf, bevor sie eine Biene, eine Spinne oder gar eine Küchenschabe über- wältigt haben. Meist siegen diese Wespen durch Ueberraschung, indem sie plötzlich auf ihre Beute losstürzen, die im ersten Schrecken regungslos stehen bleibt und ehe sie ihre Flucht bewerkstelligen kann, von den scharfen Kiefern der Wespe an dem Kopfe gepackt wird. In demselben Augenblicke biegt die Grabwespe ihren schlanken Hin- terleib unter den Bauch der Beute und bohrt den Stachel an irgend einer weichen Stelle ein. Die Verwundung hat unmittelbar eine eigenthümliche Lähmung des Getroffenen zur Folge; das gestochene Thier kann meistens noch seine Beine schwach bewegen, ist aber sonst in einem Zustande, wie wenn es in tiefen Schlaf versunken wäre, so daß es ihm unmöglich ist, zu stehen, zu gehen, oder irgend eine will- kührliche Bewegung auszuführen. In diesem gelähmten, willenlosen Zustande bleiben die getroffenen Thiere nicht nur Tage, sondern Wochen und Monate lang am Leben und erhalten sich frisch und weich, ohne einzutrocknen, so daß die Larve, welche sie verzehren soll, die gehörige Nahrung aus ihnen ziehen kann, während sie doch un- fähig sind, dem unbehülflichen, fußlosen Wurme, welcher sie auffrißt, auch nur den mindesten Widerstand entgegen zu setzen. Es würde zu weit führen, wollten wir auf die Einzelnheiten eingehen, welche in großer Menge bekannt sind, und die, natürlich je nach der Art der Beute und den Vertheidigungsmitteln, die sie der Wespe entgegensetzen können, außerordentlich wechseln, während sie in den allgemeinen Zügen, wie wir sie eben mitgetheilt haben, übereinstimmen. Die Familie der Gartenwespen ( Scolida ), die hauptsächlich in Fig. 913. Gartenwespe ( Scolia hortorum, ) wärmeren Gegenden sehr verbreitet ist, bildet gewissermaßen den Ueber- gang von den Schlupfwespen zu den eigentlichen Grabwespen durch die Art und Weise, wie sie für ihre Larven sorgen. Die einzige Art nämlich, deren Haushalt bis jetzt beobachtet wurde, sucht die Larve des Nashornkäfers, welche hauptsächlich in Gartenerde lebt, an ihrem Wohnorte auf und klebt ihr, aber ohne sie zu stechen, ein Ei auf den Rücken, aus dem später die Larve hervorgeht, welche den Engerling des Nashornkäfers auffrißt, der so groß ist, daß er zwei Larven der Gartenwespe genügende Nahrung bieten könnte. Die vollkommnen Insekten sind groß, stark behaart, namentlich an den kurzen dicken Beinen, und haben kurze, an der Spitze verdickte Fühler, die beson- ders beim Weibchen sehr kurz sind. Der Stiel des eiförmigen Hin- terleibes erscheint so kurz, daß besonders beim Männchen der Hinter- leib unmittelbar an der Brust angefügt scheint. Scolia. Die Sandwespen ( Sphegida ) sind schlanke Thiere mit lang- Fig. 914. Pompilus . gestieltem eiförmigem Hinterleibe und sehr langen Hinterfüßen, die meistens an den Schienen gestachelt sind und sehr geschickt zum Auswerfen des Sandes benutzt werden. Die Fühler sind lang, dünn, faden- oder borstenförmig, die Vorderbrust klein und ring- förmig; die langen scharfen, innen gezähnten Kiefer stehen bei einigen Gattungen noch weit über den Kopf hervor. Sie verproviantiren ihre Larven besonders mit Spinn- raupen, mit Spinnen oder mit Heuschrecken und Schaben, deren sie sich oft erst nach hartem Kampfe bemeistern. Sphex; Ammophila; Pompilus; Pelopaeus; Dolichurus; Chlorion; Calicurgus; Anoplius; Pepsis . Die Schnabelwespen ( Bembecida ) unterscheiden sich von den vori- gen hauptsächlich durch den sehr kurzen Stiel des Hinterleibes, so wie durch den Bau der Mundwerkzeuge, indem die Kiefer schmal, dünn und fast unbezähnelt, die Oberlippe kurz, dagegen die Kinnladen sehr lang und fadenförmig, und die Unterlippe ebenfalls außerordentlich verlängert und an ihrer Spitze gespalten ist. Die Vorderbrust ist nur sehr klein und bildet einen dünnen Ring hinter dem Kopfstiele. Die Schnabelwespen sind alle sehr lebhafte, schnellfliegende Thiere, die ihre Löcher im Sande graben, und die Larven mit lebenden Fliegen ver- proviantiren. Bembex; Monedula; Stizus . Die Silberwespen ( Crabronida ) haben einen meist zugespitzten Fig. 915. Sapyga. Hinterleib, der mit einem dicken kurzen Stiele an der Brust hängt. Der Kopf ist breit; die Vorderbrust nur sehr klein und ringförmig; die Mundwerkzeuge gedrängt, Laden und Un- terlippe im Gegensatz zu der vorigen Familie nur sehr kurz und mit einem rundlichen Lap- pen geendet. Ihre Larven werden besonders mit Käfern und Blattläusen, die der größeren Gattungen aber nament- lich auch mit Honigbienen verproviantirt, denen sie eifrig nachstellen. Crabro; Cerceris; Sapyga; Larra; Astata; Lyrops; Nysson; Oxyte- lus; Pemphredon; Trypoxylon . Die Familie der eigentlichen Wespen ( Vespida ) unterscheidet sich Fig. 916. Papierwespe ( Polistes nidulans ) von den vorhergehenden Familien, die alle einsam für sich leben, durch ihre Gesellig- keit in Wohnung und Nestbau. Es kom- men bei ihnen nur fruchtbare Weibchen und Männchen, keine sogenannten Ge- schlechtslosen vor, wie bei den Bienen und Ameisen, während sie sonst hinsicht- lich ihrer Arbeiten in ähnlicher Weise sich vereinigen, wie die eben genannten Familien. Die meisten nähren ihre Jungen und füttern die Larven gemeinschaftlich mit Honig auf; es finden sich indeß auch darin Uebergänge zu den Grabwespen, daß einige Gattungen ( Odynerus; Masaris; Synagra ) die gemeinschaftlich gebauten Nester mit lebenden Insekten verproviantiren. Der Kopf der Wespen ist meist breit; die Fühler kurz, nach dem Ende hin etwas verdickt; die Kiefer kurz, aber sehr kräftig, fast ebenso breit als lang, schief abgestutzt, und mit vier Zähnen versehen; die Zunge kurz, bei- nahe herzförmig; die Augen ausgeschnitten; die Schienen der Hinter- beine gestachelt, die Tarsen aber ohne irgend welche Erweiterung. Die Oberflügel werden der Länge nach in der Ruhe gefaltet, ein Charak- ter, welcher nur dieser Familie zukommt. Die Gesellschaften der Wes- pen gehören, wie diejenigen der Hummeln, zu den Sommergesellschaf- ten, die sich im Winter auflösen und im Frühjahre von den befruchteten Weibchen, welche die Kälte in irgend einem Schlupfwinkel überstanden haben, neu begründet werden. Die Nester der Wespen sind stets aus Fig. 917. Nest der gewöhnlichen Wespe ( Vespa communis .) zerkautem Holze verfer- tigt, das sie mittelst ih- rer starken Kinnbacken zersplittern und durch ihren klebrigen Speichel zu einer Art mehr oder minder feinen Papieres zusammenleimen. Das Nest selbst wird in hoh- len Bäumen, an geschütz- ten Orten angebracht, oder auch einfach in der Weise an Pflanzensten- gel aufgehängt, daß es dem Regen unzugänglich ist. Es enthält stets nur wenigen Vorrath von Honig, da die Larven unmittelbar mit dem ge- füttert werden, was die Wespen von ihren Ausflügen heimbringen. Diese sammeln gewöhnlich Honig, oder Stücke von süßen Früchten, greifen aber auch gern solche Insekten an, die Honig sammeln, wie namentlich Bienen und Fliegen; in der Noth begnügen sie sich indeß auch mit anderen Insekten und sonstigen halbfaulen Stoffen, besonders Fleisch, welches sie ihren Larven zutragen. Diese haben im Gegensatze zu den Bienenlarven starke Kiefer, welche denen der vollkommnen In- sekten ähnlich sind, und mit welchen sie an den Wänden ihrer Zellen kratzen, sobald sie Hunger empfinden. Vespa; Polistes; Eumenes; Odynerus; Synagra; Masaris . Reihe der Bienen. ( Apida ) . Es ist kaum möglich, in dieser Reihe einzelne Familien zu unter- scheiden, da alle Charaktere, welche man dafür hat aufstellen wollen, so allmählig in einander übergehen, daß sich nirgends scharfe Grenz- linien zeigen. Die Bienen zeigen einen gemeinsamen Charakter in der Struktur der Hinterfüße, an welchen das erste Glied der Tarsen be- Fig. 918. Hinterfuß einer Arbeitsbiene. deutend verbreitert ist, und eine bald länglich viereckige, bald mehr dreieckige Platte darstellt, die oft noch mit Haaren oder Bürsten versehen ist, und zum Eintragen des Blumenstaubes dient. Die Kauwerkzeuge der Bienen sind sehr verschieden von denen der Wespen; die Ober- lippe ist klein, schildförmig, die Kiefer mehr oder minder hakenförmig, innen scharf und entweder glatt, oder nur mit einem Zahne ver- sehen; die Kinnladen, meist außerordentlich verlängert, schwach, oft säbelförmig, ihre Taster klein, meist sechsglie- drig; die Lippe gewöhnlich ungemein lang, fadenförmig, am Grunde mit zwei Schuppen und mit langen Tastern versehen; sie bildet einen Schöpfrüssel, womit der Honig aufgesaugt wird. Die Flügel sind meist ungleich, die vorderen weit größer, als die hinteren, der Leib an vielen Stellen behaart, was zur Sammlung des Blumenstaubes benutzt wird, der bei den einen an den Hinterfüßen ( Apis; Bombus; Anthophora; Centris; Xylocopa ), bei anderen an dem Bauche ( Osmia; Megachilus; Anthocopa; Anthidium ), bei anderen an der Brust ( Pa- nurgus; Andrena; Halictus; Ancyla; Colletes ) gesammelt, geballt und so nach Hause getragen wird. Bei allen einsam lebenden Bienen fin- den sich nur zweierlei Individuen, Männchen und Weibchen, während bei den geselligen verkümmerte Weibchen, Geschlechtslose oder Arbeiter vorkommen, welchen hauptsächlich die Einsammlung der Vorräthe und die Sorge für die Jungen obliegt. Die Lebensart der verschiedenen Bienen zeigt sehr wechselnde Verhältnisse. Es giebt eine Gruppe ( Psithyrus; Phileremus; Melecta; Nomada ), deren Larven auf Nahrung von Honig und Blumenstaub angewiesen sind, ohne daß die Mütter im Stande wären, diesen zu sammeln und einzutragen. Die zu dieser Gruppe gehörigen Gattun- gen legen ihre Eier in ähnlicher Weise, wie die Goldwespen, in die Nester der übrigen Bienen, besonders der einsam lebenden, und die daraus entstehenden Larven, die sich weit schneller entwickeln, als der rechtmäßige Bewohner, zehren die für denselben bestimmte Nahrung auf und weihen ihn dadurch dem Hungertode. In einer anderen Gruppe ( Eulaema; Anthophora; Macrocera; Meliturga ), bauen die Weibchen eigentliche Nester, die aus einem Haufen von Zellen bestehen, deren jede zum Wohnsitze einer Larve bestimmt ist. Jede dieser Zellen wird mit einem eigenthümlichen Brei, der aus Honig und Blumen- staub zusammengeknetet ist und der Larve bis zu ihrer Entwickelung hinreichende Nahrung bietet, angefüllt. Die Zelle wird dann, nachdem ein Ei hineingelegt ist, geschlossen, und die Larve ihrer weiteren Ent- wickelung überlassen. Die meisten dieser Nester werden in der Erde oder in Mauern angelegt ( Colletes; Andrena; Megachilus; Panurgus; Halictus ) und die Zellen aus einem erhärteten Teige gebaut, den die Bienen zuerst mit ihren Kinnbacken durcharbeiten und dann mit den Beinen und dem Munde formen. Andere Gattungen, die man Mauer- bienen genannt hat ( Chalicodoma; Osmia; Heriades; Chelostoma ), benutzen zu ihren Nestern den Mörtel der Mauern, und fertigen außer- ordentlich harte klumpenartige Gehäuse an, welche etwa wie Schwal- bennester an Mauern und Wänden angeklebt werden und wo zuweilen die Zellen mit zierlich zugeschnittenen Pflanzenblättern ausgefüttert werden. Megachila. Fig. 919. Holzbiene ( Xylocopa ). Fig. 920. Das Nest einer Holzbiene. Man sieht den runden Eingang und fünf Zellen mit Proviant und mehr oder minder entwickelten Larven gefüllt. Noch Andere ( Centris; Xylocopa ) bohren in altem Holze einen Gang, an dessen Ende sich die in verschiedenen Stockwerken übereinan- der liegenden Zellen befinden. Die gesellig lebenden Bienen ( Apis; Melipona; Bombus ) sind die einzigen, welche ein wahres Körbchen an dem ersten Tarsal- gliede des Hinterfußes besitzen, in welchem die sogenannten Höschen, d. h. die in einen Klumpen geballte Ladung von Blumenstaub nach Hause getragen werden. Ihre Gesellschaften sind bald jährig, wie Fig. 921. Hummel ( Bombus ). Fig. 922. Arbeitsbiene. Fig. 923. Männchen der Honigbiene (Drohne). diejenigen der Hummeln, bald dauernd, wie die der Honigbienen, und ihre Nester zeichnen sich stets dadurch aus, daß die für die Larven bestimmten Zellen nur aus einem eigenthümlichen Absonderungsstoffe, dem Wachse, gebildet werden. Dieses Wachs wird in dünnen Blättchen zwischen den Schienen des Hinterleibes an bestimmten Stellen abge- lagert, dort hervorgezogen und mittelst des Speichels erweicht und verarbeitet. Bei beiden Arten von Gesellschaften kommen stets dreierlei Indi- viduen: Männchen, größere fruchtbare Weibchen, und kleinere un- fruchtbare Weibchen, oder Arbeiter vor; es herrscht aber der Unter- schied, daß in den Sommergesellschaften die Weibchen ebenso thätig arbeiten, als die Arbeiter selbst, während bei den ausdauernden Ge- sellschaften der Honigbienen nur ein einziges Weibchen in jeder Ge- sellschaft existirt, das nur allein dem Fortpflanzungsgeschäfte obliegt. Reihe der Ameisen . In der Familie der Schmarotzerameisen ( Mutillida ) kommen nur zwei Arten von Individuen vor, geflügelte Männchen und ungeflü- gelte Weibchen, die mit einem starken Stachel bewaffnet sind und sehr empfindlich stechen. Die Fühlhörner sind meist kurz, borstenförmig, die Kiefer vorstehend, gekrümmt. Die ziemlich schlanken Beine dicht zusammengestellt, der Hinterleib sehr kurz gestielt, ohne Schuppe oder Knoten an diesem Stiele. Die meisten Gattungen leben in heißen Ländern; die in hiesigen Gegenden vorkommenden in den Nestern der Hummeln. Ihr weiterer Haushalt ist durchaus unbekannt. Mutilla; Dorylus; Labydus; Myrmosa . Umso besser ist derjenige der Ameisen ( Formicida ) durch ausge- Fig. 924. Weibliche rothe Ameise. Fig. 925. Arbeiterin ( Formica rufa ). zeichnete Beobachter aufgeklärt. Die Ameisen leben in ständigen Ge- sellschaften, welche aus stets geflügelten Männchen, aus zur Begat- tungszeit geflügelten Weibchen und aus stets ungeflügelten Arbeitern zusammengesetzt sind. Der Kopf dieser Thiere ist dreieckig, durch einen Stiel von der Brust geschieden, mit scharfen, massiven, auf der inneren Fläche gezähnelten Kiefern versehen; die Augen sind klein, meist rund; die Fühler geißelförmig geknickt, das erste Glied lang und gerade, das Ende aus vielen kleinen Gliedern zusammengesetzt. Die Brust erscheint lang, zusammengedrückt; der Hinterleib bestielt, und zwar ist dieser Stiel entweder aus einer Schuppe, oder aus einem bald ein- fachen, bald doppelten Knoten gebildet. Viele Ameisen besitzen einen Stachel, andern aber geht derselbe ab, und sie besitzen dafür die Fä- higkeit, die in der Giftblase enthaltene Flüssigkeit, wasserfreie Ameisen- säure, ein Strecke weit zu spritzen. Wir haben den Haushalt dieser merkwürdigen Thiere, die an geistiger Ausbildung ohne Zweifel am höchsten unter allen Insekten stehen, schon früher näher betrachtet. Formica; Ponera; Myrmica; Atta . Verbesserungen im ersten Bande . Seite 16 Zeile 14 von oben — statt 1798 — lies 1789. „ „ „ 19 von unten — st. behauptete — l. behaupteten. „ 25 „ 13 v. ob. — st. Geschlechter — l. Gattungen. „ 39 „ 6 v. ob. — st. entwickelt — entwickeln. „ 42 „ 14 v. ob. — st. und genauere — l. zu genauerer. „ 49 „ 6 v. ob. — st. Kernbläschen — l. Keimbläschen. „ 59 „ 14 v. 15 v. ob. — st. das ähnliche — l. ein ähnliches. „ 61 „ 13 v. unt. — st. zu finden — l. zu nehmen. „ 70. In der Tabelle sind die Namen der 23. u. 24. Klasse verwechselt, es muß heißen: 23. Reptilien. Reptilia . 24. Lurche. Amphibia . „ 77 Zeile 5 v. unt. — st. vorhanden — l. vorhanden zu sein. „ 101 „ 20 v. ob. — st. in welche — l. in welches. „ 158 „ 9 v. ob. — st. (Fühler) — l. (Fühlern). „ 159 in der Figurenerklärung — st. die untere Figur — l. die obere Figur. „ 232 Zeile 13 v. o. — st. welcher — l. welchen. „ 236 „ 17 v. o. — st. das — l. daß. „ 258 „ 9 v. unt. — st. Säure — l. Säuren. „ 260 „ 20 v. ob. — st. in — l. im. „ 281 „ 19 v. unt. — st. ihre — l. ihrer. „ 286 „ 13 v. ob. — st. Theite — l. Theile. „ 302 „ 15 v. ob. — st. gelegen — l. liegen. „ 304 „ 13 v. ob. — st. eigebogen — l. eingebogen. „ 402 „ 10 v. unt. — st. Arachnita — l. Arachnida . „ 438 „ 5 v. unt. — st. besetz — l. besetzt. „ 485 „ 8 v. ob. — st. glattgedrückten — l. plattgedrückten. „ 548 „ 9 der Figurenerklärung — st. Tenebris — l. Tenebrio . „ 571. In der Figurenerklärung — st. der urinam’sche — l. der surinam’sche. Systematisches Inhaltsverzeichniß des ersten Bandes. Seite. Einleitung 3 Erster Brief. Frühere und jetzige Bestrebungen 9 Aristoteles 9 Linn é 10 Cuvier 13 Jetzige Richtung 15 Zweiter Brief. Das System 19 Art 20 Gattung 24 Familie, Ordnung 27 Klasse, Kreis, Provinz 28 Dritter Brief. Der Thierleib; der Aufbau seiner Organe 30 Unterschiede zwischen Pflanze und Thier 30 Entwickelung der Organe. Sarkode 36 Verdauungsorgane 38 Kreislauf 41 Athmung 41 Animale Funktionen. Bewegung 43 Sinnesorgane 44 Nervensystem. Geistige Fähigkeiten 46 Fortpflanzung 47 Zellen 48 Fasern 50 Vierter Brief. Die Fortpflanzung und die darauf ge- gründete Eintheilung 51 Urzeugung 51 Geschlechtslose Zeugung 54 Theilung. Knospung 55 Geschlechtliche Zeugung 56 Same 57 Befruchtung 58 Vogt, Zoologische Briefe I. 45 Seite. Begattung 59 Rückschreitende Metamorphose 60 Verwandlungen 61 Generationswechsel. Ammenzeugung 62 Urthiere 64 Strahlthiere 64 Würmer 65 Weichthiere 66 Kopffüßler 67 Gliederthiere 68 Wirbelthiere 68 Tabelle des Systems bis zu den Klassen 70 Fünfter Brief. Untergegangene Schöpfungen 71 Schichtengruppen 72 Untergegangene Arten 74 Entwickelung der Typen 75 Sechster Brief. Kreis der Urthiere. Protozoa 78 Klasse der Wurzelfüßer. Rhizopoda 80 Einleibige. Monosamatia 81 Wechselthierchen. Proteida 81 Kapselthierchen. Arcellida 82 Vielkammerige. Polythalamia 83 Einzeiler. Stichostegida 84 Doppelzeiler. Enallostegida 84 Schneckenzeiler. Helicostegida .: 84 Spiralzeiler. Entomostegida 84 Axenzeiler. Agathistegida 84 Linsensteine. Nummulita 84 Klasse der Infusorien. Infusoria 85 Mundlose. Astoma 93 Aenderlinge. Astasida 93 Gepanzerte Aenderlinge. Dinobryida . 93 Kranzthierchen. Peridinida 94 Glasthierchen. Opalinida 94 Mundführende. Stomatoda 94 Monaden. Monadida 94 Glockenthierchen. Vorticellida 95 Gepanzerte. Ophrydina 95 Haarthierchen. Trichodida 98 Walzenthierchen. Enchelina 98 Halsthierchen. Trachelina 98 Reusenthierchen. Nassulina 98 Seite. Borstenthierchen. Setifera 99 Hechelthierchen. Oxytrichina 99 Nachenthierchen. Euplota 99 Siebenter Brief. Kreis der Strahlthiere. Radiata . 100 Klasse der Polypen. Polypi 106 Sechsstrahlige. Hexactinia 118 Baumkorallen. Madreporida 118 Becherkorallen. Cyathophyllida 119 Drehkorallen. Turbinolida 119 Sonnenkorallen. Astreida 119 Schwammkorallen. Fungida 120 Augenkorallen. Oculinida 120 Staudenkorallen. Antipathida 120 Fünfstrahlige. Pentactinia 121 Seeblüthen. Zoanthida 121 Seeanemonen. Actinida 121 Seenesseln. Edwardsida 122 Achtstrahlige. Octactinia 122 Orgelkorallen. Tubiporida 122 Pilzkorallen. Aleyonida 123 Rindenkorallen. Gorgonida 123 Seefedern. Pennatulida 124 Meerschirme. Lucernarida 125 Klasse der Quallenpolypen. Hydromedusae 126 Süßwasserpolypen. Hydrida 128 Röhrenpolypen. Tubularida 129 Glockenpolypen. Campanularida 129 Schirmquallen. Medusen 133 Pilzquallen. Medusida 135 Seequallen. Oceanida 136 Scheibenquallen. Aequorida 136 Haarquallen. Berenicida 137 Wurzelquallen. Rhizostomida 137 Rüsselquallen. Geryonida 137 Klasse der Röhrenquallen. Siphonophora 138 Seeblasen. Physalida 138 Knorpelquallen. Velellida 139 Doppelquallen. Diphyida 140 Klasse der Stachelhäuter. Echinodermala 142 Seelilien. Crinoidea 152 Seeäpfel. Cystocrinida 154 45* Seite. Seelilien. Encrinida 155 Actinocrinida 155 Pentacrinida 156 Encrinida 156 Haarsterne. Comatulida ., 156 Seesterne. Stellerida 158 Sonnensterne. Euryalida 159 Schlangensterne. Ophiurida 159 Seesterne. Asterida 160 Seeigel. Echinida 160 Seeigel. Cidarida 165 Schildigel. Clypeastroida 166 Nußigel. Cassidulida 167 Herzigel. Spatangida 167 Seewalzen. Holothurida 168 Haftwalzen. Synaptida 168 Seewalzen. Holothurida 168 Achter Brief. Kreis der Würmer. Vermes 169 Klasse der Rundwürmer. Nematelmia 175 Gregarinen. Gregarinea 178 Kratzer. Acanthocephala 180 Saitenwürmer. Gordiacei 181 Fadenwürmer. Nematoidea 181 Spulwürmer. Ascarida 184 Pfahlwürmer. Strongylida 184 Aalwürmchen. Anguillulida 184 Klasse der Plattwürmer. Platyelmia 185 Bandwürmer. Cestoidea 190 Nelkenwürmer. Caryophyllida 195 Kiemenwürmer. Ligulida 195 Bandwürmer. Taenida 195 Blasenwürmer. Cystica 196 Saugwürmer. Trematoda 197 Doppellöcher. Distomida 203 Dreilöcher. Tristomida 203 Viellöcher. Polystomida 203 Sohlenwürmer. Planarida 205 Schwanzwürmer. Rhabdocoela 206 Sohlenwürmer. Dendrocoela 207 Schnurwürmer. Nemertida 207 Rüssellose. Microstomida 209 Schnurwürmer. Nemertida 209 Seite. Klasse der Räderthiere. Rotatoria 210 Polypenartige. Sessilia 214 Blumenthierchen. Floscularida 215 Großräder. Megalotrochida 215 Schwimmende. Natantia 215 Vielräderthiere. Polytrocha 216 Doppelräderthiere. Zygotrocha 216 Klasse der Ringelwürmer. Annelida 217 Egel. Hirudinea 224 Weichegel. Malacobdellida 227 Rüsselegel. Clepsinida 227 Blutegel. Hirudinida 227 Sternwürmer. Gephyrea 228 Erdwürmer. Scoleina 229 Regenwürmer. Lumbricida 229 Wasserschlängel. Naidida 230 Röhrenwürmer. Tubicola 230 Austernwürmer. Hermellida 236 Meerpinsel. Sabellida 236 Grünwürmer. Chloraemida 236 Schlangenwürmer. Errantia 237 Piere. Arenicolida 239 Seeraupen. Aphroditida 239 Schuppenlose. Amphinomida 240 Peripatida 240 Rankenwürmer. Nereida 240 Kieferwürmer. Eunicida 240 Neunter Brief. Kreis der Weichthiere. Mollusca . 241 Unterkreis der Molluskoiden. Molluscoida 246 Klasse der Moosthiere. Bryozoa 247 Kreiswirbler. Stelmatopoda 252 Tausendwirbler. Milleporida 252 Rohrenwirbler. Tubuliporida 252 Krustenwirbler. Escharida 252 Armwirbler. Lophopoda 253 Federbuschwirbler. Plumatellida 253 Klasse der Rippenquallen. Ctenophora 255 Gurkenquallen. Beroida 256 Bandquallen Callianirida 256 Seite. Klasse der Mantelthiere. Tunicata 258 Seescheiden. Ascidiae 262 Zusammengesetzte. Compositae 265 Gesellige. Sociales 266 Einfache. Simplices 267 Feuerzapfen. Pyrosomida 267 Walzenscheiden. Biphora 268 Salpen. Salpae 268 Unterkreis der Weichthiere. Mollusea 272 Klasse der Muschelthiere. Acephala 274 Unterklasse der Armfüßler. Brachiopoda 283 Rudisten. Rudista 288 Roßmuscheln. Hippurida 289 Ziegenmuscheln. Caprinida 289 Regelmäßige. Regularia 290 Kreismuscheln. Orbiculida 290 Lochmuscheln. Terebratulida 290 Zungenmuscheln. Lingulida 291 Unterklasse der Blattkiemer. Lamellibranchia 291 Seitenmuscheln. Pleuroconcha 302 Austern. Ostreida 303 Kammmuscheln. Pectinida 304 Flußaustern. Etherida 305 Schmalmuscheln. Malleida 305 Gienmuscheln. Chamida 306 Geradmuscheln. Orthoconcha 306 Perlenmuscheln. Aviculida 307 Miesmuscheln. Mytilida 308 Flußmuscheln. Najades 308 Dreieckmuscheln. Trigonida 309 Archenmuscheln. Arcacida 309 Herzmuscheln. Cardida 310 Erbsenmuscheln. Cyclasida 311 Trogmuscheln. Mactrida 311 Klaffmuscheln. Pylorida 311 Röhrenmuscheln. Inclusa 312 Bohrmuscheln. Teredida 313 Siebmuscheln. Aspergillida 314 Klasse der Schnecken. Cephalophora 315 Unterklasse der Flossenfüßer. Pteropoda 329 Krystallschnecken. Hyalida 330 Wallfischschnecken. Clioida 331 Seite. Unterklasse der Kielfüßer. Heteropoda 332 Atlantiden. Atlantida 332 Kielschnecken. Firolida 333 Pfeilschnecken. Sagittida 333 Unterklasse der Bauchfüßer. Gasteropoda 334 Kiemenschnecken. Branchiata 335 Rückenkiemer. Opisthobranchia 337 Blasenschnecken. Bullida 338 Seehasen. Aplysida 339 Fadenschnecken. Eolida 339 Sternschnecken. Dorida 340 Segelschnecken. Tritonida 341 Blättchenschnecken Phyllidida 341 Seitenkiemer. Pleurobranchida 341 Halskiemer. Prosobranchia 342 Schüsselschnecken. Patellida 342 Zahnschnecken. Dentalida 343 Wurmschnecken. Vermetida 344 Mützenschnecken. Capulida 345 Napfschnecken. Sigaretida 346 Sumpfschnecken. Paludinida 346 Nadelschnecken. Cerithida 346 Flügelschnecken. Strombida 347 Eischnecken. Ovulida 347 Kegelschnecken. Conida 348 Faltenschnecken. Volutida 349 Thurmschnecken. Pleurotomida 349 Spindelschnecken. Fusida 350 Felsenschnecken. Muricida 350 Helmschnecken. Cassida 350 Tritonshörner. Buccinida 351 Mondschnecken. Neritida 351 Kreiselschnecken. Trochida 352 Seeohren. Haliotida 352 Quallenboote. Santhinida 353 Lungenschnecken. Pulmonata 353 Warzenschnecken. Onchidida 355 Spitzhornschnecken. Lymnaeida 356 Ohrschnecken. Auriculida 356 Schnirkelschnecken. Helicida 357 Wegschnecken. Limacida 357 Faustschnecken. Ampullarida 358 Thürschnecken. Cyclostomida 358 Käferschnecken. Chitonida 359 Seite. Zehnter Brief. Kreis der Kopffüßler. Cephalopoda 361 Vierkiemer. Tetrabranchiata 383 Perlboote. Nautilida 385 Ammonshörner. Ammonitida 386 Zweikiemer. Dibranchiata 387 Posthörnchen. Spirulida 387 Tintenfische. Sepida 388 Donnerkeile. Belemnitida 389 Achtfüßer. Octopodida 390 Eilfter Brief. Kreis der Gliederthiere. Articulata . 392 Klasse der Krustenthiere. Crustacea 403 Unterklasse der Hautkrebse. Entomostraca 423 Rankenfüßer. Cirrhipedia 423 Entenmuscheln. Lepadida 427 Meereicheln. Balanida 428 Schmarotzerkrebse. Parasita 428 Hörnerläuse. Penellida 431 Stockfischläuse. Chondracanthida 432 Barschläuse. Achtherida 432 Störläuse. Dichelestida 433 Hechtläuse. Ergasilida 434 Haifischläuse. Pandarida 434 Flunderläuse. Caligida 434 Karpfenläuse. Argulida 435 Sternläuse. Myzostomida 436 Krebsflöhe . Copepoda 436 Meerflöhe. Pontida 438 Cyclopen. Cyclopida 438 Muschelkrebse. Ostracoda 438 Schalenflöhe. Cyprida 439 Büschelkrebse. Daphnida 440 Blattfüßer. Phyllopoda 441 Blattkrebse. Apusida 443 Kiemenfüße. Branchipida 443 Paläaden. Trilobita 444 Battida 446 Calymenida 447 Asaphida 447 Ogygida 447 Odontopleurida 448 Olenida 448 Campylopleurida 448 Seite. Unterklasse der Pfeilschwänzer. Xyphosura 448 Molukkenkrebse Limulida 448 Unterklasse der Stielaugen. Podophthalma 450 Mundfüßer. Stomapoda 452 Flachkrebse. Phyllosomida 454 Heuschreckenkrebse. Squillida 455 Geiselkrebse. Mysida 455 Zehnfüßer. Decapoda 456 Krebse oder Langschwänzer. Macrura 456 Garneelen. Carida 459 Hummer. Astacida 459 Gryllenkrebse. Thalasinida 460 Langusten. Palinurida 461 Halbschwänzer. Anomura 461 Bernhardinerkrebse. Pagurida 463 Sandkrebse. Hippida 464 Porzellankrebse. Porcellanida 464 Rückenfüßer. Notopoda 465 Krabben. Brachiura 465 Spinnenkrabben. Oxyrhincha 469 Rundkrabben. Oxystomata 470 Bogenkrabben. Cyclometoba 470 Landkrabben. Catometoba 471 Unterklasse der Sitzaugen. Edriophthalma 472 Kehlfüßer. Laemodipoda 473 Wallfischläuse. Cyamida 475 Gespenstkrebse. Caprellida 475 Flohkrebse. Amphipoda 475 Quallenflöhe. Hyperida 476 Flohkrebse. Gammarida 477 Asseln. Isopoda 477 Lausasseln. Bopyrida 479 Fischasseln. Cymothoida 479 Kugelasseln. Sphaeromida 480 Schachtasseln. Idotheida 480 Wasserasseln. Asellida 480 Landasseln. Oniscida 481 Klasse der Tausendfüßer. Myriapoda 482 Doppelfüßer. Diplopoda 484 Einfüßer. Chilopoda 485 Klasse der Arachniden. Arachnida 486 Spinnenartige 494 Seite. Krebsspinnen. Pycnogonida 495 Bärthierchen. Tardigrada 496 Milben. Acarina 497 Zungenwürmer. Linguatulida 499 Balgmilben. Simonida 500 Krätzmilden. Acarida 501 Zecken. Ixodida 501 Käferläuse. Gamasida 502 Wassermilben. Hydrachnida 502 Pflanzenmilben. Oribathida 503 Erdmilben. Bdellida 504 Laufmilben. Trombidida 504 Weberspinnen. Opilionida 505 Spinnen. Araneida 506 Spinnen. Araneida 508 Vogelspinnen. Mygalida 509 Skorpionspinnen. Solpugida 510 Kredsartige Spinnenthiere 511 Bücherskorpione. Obisida 511 Skorpione. Scorpionida 512 Geiselskorpione. Phrynida 513 Klasse der Insekten. Insecta 515 Unterklasse ohne Verwandlung. Ametabola 559 Läuse. Pediculida 561 Vogelläuse. Nirmida 561 Gabelspringer. Podurida 562 Zuckergäste. Lepismida 563 Unterklasse mit unvollkommener Verwandlung. Ilemimetabola 564 Schnabelkerfe. Hemiptera 564 Schildläuse. Coccida 567 Blattläuse. Phytophthiria 568 Blattläuse. Aphidida 568 Blattflöhe. Psyllida 569 Zirpen. Cicadida 570 Schaumzirpen. Cercobida 570 Buckelzirpen. Membracida 570 Leuchtzirpen. Fulgorida 570 Singzirpen. Cicadida 571 Wasserwanzen. Hydrocores 571 Ruderwanzen. Notonectida 572 Wasserskorpione. Nepida 572 Seite. Landwanzen. Geocores 573 Wasserläufer. Hydrometrida 573 Kothwanzen. Reduvida 574 Weichwanzen. Acanthida 574 Blindwanzen. Capsida 574 Randwanzen. Coreida 575 Schildwanzen. Pentatomida 575 Geradflügler. Orthoptera 575 Ohrwürmer. Forficulida 579 Schaben. Blattida 580 Schrecken. Saltatoria 581 Gryllen. Gryllida 582 Laubschrecken. Locustida 583 Schnarrschrecken. Acridida 583 Gespenstschrecken. Phasmida 585 Fangschrecken. Mantida 585 Termiten. Termitida 586 Embiden. Embida 589 Bücherläuse. Psocida 589 Blasenfüße. Physopoda 589 Florfliegen. Perlida 590 Eintagsfliegen. Ephemerida 590 Wasserjungfern. Libellulida 591 Unterklasse der Insekten mit vollkommener Verwandlung. Holometabola 594 Zweiflügler. Diptera 594 Hüpfende Zweiflügler. Aphaniptera 601 Flöhe. Pulicida 601 Puppengebärer. Pupipara 602 Fledermausläuse. Nicteribida 603 Hautläuse. Hippoboscida 603 Kurzhörner. Brachycera 604 Dasselfliegen. Oestrida 604 Fliegen. Muscida 605 Dungfliegen. Acalyptera 605 Blumenfliegen. Anthomycida 606 Fleischfliegen. Calyptera 606 Augenfliegen. Conopida 607 Kurzrüssler. Brachistoma 607 Schwebfliegen. Syrphida 608 Stilettfliegen. Theredita 608 Schnepfenfliegen. Leptida 609 Dornrücken. Notacantha 609 Holzfliegen. Xylophaga 609 Waffenfliegen. Stratiomyda 609 Seite. Langrüssler. Tanystoma 610 Trauerfliegen. Anthracida 610 Schwebfliegen. Bombylida 610 Mundhornfliegen. Acrocerida 611 Tanzfliegen. Empida 611 Buckelfliegen. Hybotida 611 Raubfliegen. Asilida 612 Mordfliegen. Mydasida 612 Bremsen. Tabanida 612 Langhörner. Nemocera 613 Mücken. Tipulida 613 Blumenmücken. Bibionida 613 Griebelmücken. Simulida 613 Pilzmücken. Fungicola 614 Gallmücken. Gallicola 614 Erdmücken. Terricola 614 Buschmücken. Tanypida 614 Schnaken. Culicida 615 Schmetterlinge. Lepidoptera 616 Nachtschmetterlinge. Heterocera 622 Federmotten. Pterophorida 622 Motten. Tineida 623 Blattwickler. Tortricida 623 Zünsler. Pyralida 624 Sackträger. Psychida 624 Spanner. Geometrida 625 Eulen. Noctuida 625 Harpyen. Cerurida 626 Holzspinner. Hepiolida 626 Spinner. Bombycida 626 Abendschwärmer. Sphingida 627 Widderhörnchen. Zygaenida 628 Keulenhörner. Rhopalocera 629 Dickköpfe Hesperida 630 Hängefalter. Suspensa 630 Edelfalter. Papilionida 631 Strepsipteren. Rhipiptera 632 Netzflügler. Neuroptera 636 Schmetterlingsfliegen. Phryganida 638 Sumpflibellen. Sialida 638 Erdlibellen. Hemerobida 639 Seite. Ameisenlöwen. Myrmeleontida 639 Schnabelfliegen Panorpida 640 Kameelfliegen. Rhaphidida 641 Käfer. Coleoptera 642 Erste Reihe. Viergliederige Holzbohrer 651 Rüsselkäfer. Curculionida 651 Borkenkäfer. Bostrychida 653 Plattkäfer. Platystoma 653 Zweite Reihe. Fünfgliederige Holzbohrer. Serricornia 654 Prachtkäfer. Bubrestida 654 Schnellkäfer. Elaterida 655 Holzbohrer. Xylotroga 655 Bohrkäfer. Ptilina 656 Werftbohrer. Lymexylida 656 Weichflügler. Malacodermata 656 Cebrionida 657 Malachida 657 Lampyrida 657 Clerida 657 Dritte Reihe 658 Bockkäfer: Longicornia 658 Prionida 659 Cerambycida 659 Lamida 660 Necydalida 660 Lepturida 660 Lilienkäfer. Criocerida 660 Schwammkäfer. Endomychida 660 Rundkäfer. Cyclica 661 Erdflöhe. Galerucida 661 Goldkäfer. Chrysomelida 661 Schildkäfer. Cassidida 661 Blattlausfresser. Coccinellida 661 Haarflügler. Trichopterygida 662 Vierte Reihe. Heteromera 662 Blasenkäfer. Meloida 662 Spindelkäfer. Mordellida 663 Cardinalkäfer. Pyrochroida 663 Seite. Kegelhähnchen. Cistelida 663 Schwarzkäfer. Melasomata 664 Knäuelkäfer. Anistotomida 664 Fünfte Reihe 665 Blatthörner. Lamellicornia 665 Blumenkäfer. Cetonida 665 Mistkaͤfer. Coprophagida 666 Hornkäfer. Dynastida 666 Aaskäfer. Trochida 667 Laubkäser. Melolonthida 667 Hirschkäfer. Lucanida 667 Keulenhörner. Clavicornia 667 Pelzkäfer. Dermestida 668 Byrrhida 668 Catopida 668 Stutzkäfer. Histerida 669 Nestkäfer. Nitidulida 669 Stinkkäfer. Silphida 669 Ameisenkäfer. Clavigerida 669 Tastkäfer. Pselaphida 670 Raubkäfer. Staphylinida 670 Sechste Reihe 671 Uferkäfer. Heterocerida 671 Fischkäfer. Hydrophilida 671 Taumelkäfer. Gyrinida 672 Wasserkäfer. Hydrocantharida 672 Laufkäfer. Carabida 673 Subulipalpa 674 Carabida 674 Brachinida 674 Licinida 674 Harpalida 675 Scaritida 675 Sandkäfer. Cicindelida 675 Hautflügler. Hymenoptera 677 Erste Reihe. Mit Legeröhre 688 Gallwespen. Cyniphida 688 Springwespen. Chalcidida 690 Seite. Schwanzwespen. Proctotrupida 690 Schlupfwespen. Ichneumonida 691 Hungerwespen. Evanida 692 Goldwespen. Chrysida 692 Holzwespen. Urocerida 693 Blattwespen. Tenthredinida 694 Reihe der Wespen 695 Gartenwespen. Scolida 697 Sandwespen. Sphegida 697 Schnabelwespen. Bembecida 697 Silberwespen. Crabronida 698 Wespen. Vespida 698 Reihe der Bienen. Apida 700 Reihe der Ameisen 702 Schmarotzerameisen. Mutillida 702 Ameisen. Formicida 703 Ende des ersten Bandes.