Gedichte von Ludwig Uhland . Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung . 1815 . Vorwort . Lieder sind wir, unser Vater Schickt uns in die offne Welt, Auf dem kritischen Theater Hat er uns zur Schau gestellt. Nennt es denn kein frech Erkühnen, Leiht uns ein geneigtes Ohr, Wenn wir gern vor euch Versammelten Ein empfehlend Vorwort stammelten! Sprach doch auf den griech’schen Bühnen Einst sogar der Frösche Chor. Anfangs sind wir fast zu kläglich, Strömen endlos Thränen aus, Leben dünkt uns zu alltäglich, Sterben muß uns Mann und Maus. Doch man will von Jugend sagen, Die von Leben überschwillt; Auch die Rebe weint, die blühende, Draus der Wein, der purpurglühende, In des reifen Herbstes Tagen, Kraft und Freude gebend, quillt. Und, bei Seite mit dem Prahlen! Andre stehn genug zur Schau, Denen heisse Mittagsstralen Abgeleckt den Wehmuthsthau. Wie bei alten Ritterfesten Mit dem Tode zog Hanswurst, Also folgen scherzhaft spitzige Und, will’s Gott! erträglich witzige. Aechtes Leid spaßt oft zum besten, Kennt nicht eiteln Thränendurst. Lieder sind wir nur, Romanzen, Alles nur von leichtem Schlag, Wie man’s singen oder tanzen, Pfeifen oder klimpern mag. Doch vielleicht wer stillem Deuten Nachzugehen sich bemüht, Ahnt in einzelen Gestaltungen Größeren Gedichts Entfaltungen Und als Einheit im Zerstreuten Unsres Dichters ganz Gemüth. Bleibt euch dennoch Manches kleinlich, Nehmt’s für Zeichen jener Zeit, Die so drückend und so peinlich Alles Leben eingeschneit! Fehlt das äußre freie Wesen, Leicht erkrankt auch das Gedicht; Aber nun die hingemoderte Freiheit Deutschlands frisch aufloderte, Wird zugleich das Lied genesen, Kräftig steigen an das Licht. Seyen denn auch wir Verkünder Einer jüngern Brüderschaar, Deren Bau und Wuchs gesünder, Höher sey, als unsrer war! Dies ist, was wir nicht geloben, Nein! vom Himmel nur erflehn. Und ihr selbst ja seyd Vernünftige, Die im Jetzt erschaun das Künftige, Die an junger Saat erproben, Wie die Frucht einst wird bestehn. Lieder . Des Dichters Abendgang . Ergehst du dich im Abendlicht, — Das ist die Zeit der Dichterwonne — So wende stets dein Angesicht Zum Glanze der gesunknen Sonne! In hoher Feier schwebt dein Geist, Du schauest in des Tempels Hallen, Wo alles Heil’ge sich erschleußt Und himmlische Gebilde wallen. Wann aber um das Heiligthum Die dunkeln Wolken niederrollen: Dann ist’s vollbracht, du kehrest um, Beseligt von dem Wundervollen. In stiller Rührung wirst du gehn, Du trägst in dir des Liedes Segen; Das Lichte, das du dort gesehn, Umglänzt dich mild auf finstern Wegen. An den Tod . Der du still im Abendlichte Wandelst durch der Erde Beek, Klare Blumen, goldne Früchte Sammelst, die dir Gott gesät: Schon’, o Tod, was, sanft entzücket, An des Lebens Brust sich schmiegt, Sich zum süßen Liede wiegt Und zum Mutterauge blicket! Laß der Erde ihre Söhne, Deren Kraft im Sturme fleugt, Daß ein freudiges Getöne Schnell aus todten Wäldern steigt! Lösche nicht den Geist des Weisen, Dessen heil’gen Sonnenglanz, Schön verwebt in sichrem Tanz, Jugendliche Mond’ umkreisen. Auf der Silberwolke fahre Still dahin zur Sternezeit, Wo ein Greis am Hausaltare Jedem Abend Thränen weiht; Sprich die Namen seiner Lieben, Führ ihn auf in ihren Kranz, Wo des Auges ew’gen Glanz Keiner Trennung Zähren trüben! Und den Jüngling, dem die Liebe Heisses Sehnen aufgeweckt, Der in ungestilltem Triebe Offne Arme ausgestreckt, Dann zur Blumenflur der Sterne Aufgeschauet liebewarm: Faß ihn freundlich Arm in Arm, Trag ihn in die blaue Ferne! Wo es bräutlich glänzt und hallet, Liebeathmend ihn umschließt, Was ihn geistig einst umwallet Und mit leisem Gruß gegrüßt; Wo es in der Seele maiet, Die, von neuem Leben jung, Ewiger Begeisterung, Ewigen Gesangs sich freuet, Harfnerlied am Hochzeitmahle . Festlich ist der Freude Schall Durch dies hohe Haus geschwebet, Und ein dumpfer Widerhall Aus der Gruft emporgebebet. In der schönen Jubelnacht Habt der Väter ihr gedacht, Manche hohe That besungen Aus der Vorzeit Dämmerungen. Oft war dieses Saales Raum Schimmervoll bei frohen Festen, Wie mit jedem Lenz der Baum Prangt in frischen Blüthenästen. Ach! die hier in Fröhlichkeit Treuer Liebe Bund geweiht, Drunten in der Schlummerhalle Ruhen sie beisammen alle. Auf des Lebens Bahn dahin Fleugt der Mensch mit Sturmeseile, Dann in treuer Freunde Sinn Dauert er noch kurze Weile. Durch den Saal, in Erz und Stein, Stehn der Vorwelt lange Reihu, Können nicht das Auge heben, Nicht das Wort der Liebe geben. Keine ewig helle That Hebt dich aus der Nacht der Grüfte; Niemand sah des Donners Pfad, Noch den Fittig sanfter Lüfte. Wie du auf zu Gott geblickt, Wie des Freundes Hand gedrückt, Wie der Liebe Kuß gegeben, Das entschwindet mit dem Leben. Auch das Kind, das lächelnd sich In der Mutter Arm geschmieget; Und der Greis, der wonniglich Enkel auf dem Schooß gewieget; Und die Braut, mit Jugendlust Hängend an des Treuen Brust: Alle lebten schönes Leben, Alle soll das Lied erheben! Der König auf dem Thurme . Da liegen sie alle, die grauen Höhn, Die dunkeln Thäler, in milder Ruh; Der Schlummer waltet, die Lüfte wehn Keinen Laut der Klage mir zu. Für Alle hab’ ich gesorgt und gestrebt, Mit Sorgen trank ich den funkelnden Wein; Die Nacht ist gekommen, der Himmel belebt, Meine Seele will ich erfreun. O du goldne Schrift durch den Sterneraum! Zu dir ja schau’ ich liebend empor. Ihr Wunderklänge, vernommen kaum, Wie besäuselt ihr sehnlich mein Ohr! Mein Haar ist ergraut, mein Auge getrübt, Die Siegeswaffen hängen im Saal, Habe Recht gesprochen und Recht geübt, Wann darf ich rasten einmal? O selige Rast, wie verlang’ ich dein! O herrliche Nacht, wie säumst du so lang, Da ich schaue der Sterne lichteren Schein, Und höre volleren Klang! Maiklage . Leuchtet schon die Frühlingssonne Ueber See und Aue hin? Hat zur Stätte stiller Wonne Sich gewölbt der Zweige Grün? Ach! die Gute, die ich meine, Schenkt mir keinen Maienstral, Wandelt nicht im Blüthenhaine, Ruhet nicht im Quellenthal. Ja! es waren schönre Zeiten, Als in buntbekränzten Reihn Hirten mit den süßen Bräuten Walleten zum Opferhain; Als die Jungfrau, Krüge tragend, Oft zum kühlen Brunnen trat, Und der Wandrer, sehnlich fragend, Sie um Trunk und Liebe bat. Ach! das Toben roher Stürme Riß den goldnen Frühling fort. Schlösser stiegen auf und Thürme, Traurig saß die Jungfrau dort; Lauschte nächtlichem Gesange, Sah hinab in’s Schlachtgewühl, Sah es, wie im Waffendrange Ihr getreuer Streiter fiel. Und ein Alter, dumpf und trübe, Lagerte sich auf die Welt, Das die schöne Jugendliebe Wie ein Traum befangen hält. Im Vorübereilen grüßen Sich mit Blicken, voll von Schmerz, Die sich fest und ewig schließen Möchten an das treue Herz. Welkt, ihr Blumen und ihr Bäume, Höhnet nicht der Liebe Schmerz! Sterbet auch, ihr Jugendkeime! Schmachte hin, du volles Herz! In die öde Nacht der Grüfte Sinkt, ihr Jünglinge, hinab! Flieder wallen in die Lüfte, Rosen blühn um euer Grab. Lied eines Armen . Ich bin so gar ein armer Mann Und gehe ganz allein. Ich möchte wohl nur einmal noch Recht frohen Muthes seyn. In meiner lieben Eltern Haus War ich ein frohes Kind, Der bittre Kummer ist mein Theil Seit sie begraben sind. Der Reichen Gärten seh’ ich blühn, Ich seh’ die goldne Saat: Mein ist der unfruchtbare Weg, Den Sorg’ und Mühe trat. Doch weil’ ich gern mit stillem Weh In froher Menschen Schwarm Und wünsche Jedem guten Tag, So herzlich und so warm. O reicher Gott! du liessest doch Nicht ganz mich freudenleer: Ein süßer Trost für alle Welt Ergießt sich himmelher. Uhlands Gedichte. 2 Noch steigt in jedem Dörflein ja Dein heilig Haus empor; Die Orgel und der Chorgesang Ertönet jedem Ohr. Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern So liebevoll auch mir, Und wann die Abendglocke hallt, Da red’ ich, Herr, mit dir. Einst öffnet jedem Guten sich Dein hoher Freudensaal, Dann komm’ auch ich im Feierkleid Und setze mich an’s Mahl. Gesang der Jünglinge . Heilig ist die Jugendzeit! Treten wir in Tempelhallen, Wo in düstrer Einsamkeit Dumpf die Tritte widerschallen! Edler Geist des Ernstes soll Sich in Jünglingsseelen senken, Jede still und andachtsvoll Ihrer heil’gen Kraft gedenken. Gehn wir in’s Gefild hervor, Das sich stolz dem Himmel zeiget, Der so feierlich empor Ueber’m Erdenfrühling steiget! Eine Welt von Fruchtbarkeit Wird aus dieser Blüthe brechen. Heilig ist die Frühlingszeit, Soll an Jünglingsseelen sprechen! Fasset die Pokale nur! Seht ihr nicht so purpurn blinken Blut der üppigen Natur? Laßt uns hohen Muthes trinken! Daß sich eine Feuerkraft Selig in der andern fühle. Heilig ist der Rebensaft, Ist des Jugendschwungs Gespiele. Seht das holde Mädchen hier! Sie entfaltet sich im Spiele; Eine Welt erblüht in ihr Zarter, himmlischer Gefühle. Sie gedeiht im Sonnenschein, Unsre Kraft in Sturm und Regen. Heilig soll das Mädchen seyn, Denn wir reifen uns entgegen! Darum geht in Tempel ein, Edeln Ernst in euch zu saugen! Stärkt an Frühling euch und Wein, Sonnet euch an schönen Augen! Jugend, Frühling, Festpokal, Mädchen in der holden Blüthe, Heilig seyn sie allzumal Unsrem ernsteren Gemüthe! Lied des Gärtners . Laßt euch pflücken, laßt euch pflücken, Lichte Blümlein, meine Lust! Denn ihr sollet lieblich schmücken Meiner schönsten Fürstin Brust. Glühet purpurn nach der Süßen, Aeugelt blau empor zu ihr! Ach! ihr müßt es endlich büßen, Sinken ohne Glanz und Zier. Einst auch glühten meine Wangen, Meine Augen hin nach ihr: Nun ist alles Roth vergangen, Aller blaue Schimmer mir. Die Kapelle . Droben stehet die Kapelle, Schauet still in’s Thal hinab, Drunten singt bei Wies’ und Quelle Froh und hell der Hirtenknab’. Traurig tönt das Glöcklein nieder, Schauerlich der Leichenchor; Stille sind die frohen Lieder, Und der Knabe lauscht empor. Droben bringt man sie zu Grabe, Die sich freuten in dem Thal; Hirtenknabe! Hirtenknabe! Dir auch singt man dort einmal. Die sanften Tage . Ich bin so hold den sanften Tagen, Wann in der ersten Frühlingszeit Der Himmel, blaulich aufgeschlagen, Zur Erde Glanz und Wärme streut; Die Thäler noch von Eise grauen, Der Hügel schon sich sonnig hebt; Die Mädchen sich in’s Freie trauen, Der Kinder Spiel sich neu belebt. Dann steh’ ich auf dem Berge droben Und seh’ es alles, still erfreut, Die Brust von leisem Drang gehoben, Der noch zum Wunsche nicht gedeiht. Ich bin ein Kind und mit dem Spiele Der heiteren Natur vergnügt, In ihre ruhigen Gefühle Ist ganz die Seele eingewiegt. Ich bin so hold den sanften Tagen, Wann ihrer mild besonnten Flur Gerührte Greise Abschied sagen; Dann ist die Feier der Natur. Sie prangt nicht mehr mit Blüth’ und Fülle, All ihre regen Kräfte ruhn, Sie sammelt sich in süße Stille, In ihre Tiefen schaut sie nun. Die Seele, jüngst so hoch getragen, Sie senket ihren stolzen Flug, Sie lernt ein friedliches Entsagen, Erinnerung ist ihr genug. Da ist mir wohl im sanften Schweigen, Das die Natur der Seele gab. Es ist mir so, als dürft’ ich steigen Hinunter in mein stilles Grab. Im Herbste . Seyd gegrüßt mit Frühlingswonne, Blauer Himmel, goldne Sonne! Drüben auch aus Gartenhallen Hör’ ich frohe Saiten schallen. Ahnest du, o Seele, wieder Sanfte, süße Frühlingslieder? Sieh umher die falben Bäume! Ach! es waren holde Träume. Wunder . Sie war ein Kind vor wenig Tagen, Sie ist es nicht mehr, wahrlich nein! Bald ist die Blume aufgeschlagen, Bald hüllt sie halb sich wieder ein. Wen kann ich um das Wunder fragen? Wie? oder täuscht mich holder Schein? Sie spricht so ganz mit Kindersinne, So fromm ist ihrer Augen Spiel; Doch großer Dinge werd’ ich inne, Ich schau’ in Tiefen ohne Ziel. Ja! Wunder sind’s der süßen Minne, Die Minne hat der Wunder viel. Mein Gesang . Ob ich die Freude nie empfunden? Ob stets mein Lied so traurig klang? O nein! ich lebte frohe Stunden, Da war mein Leben Lustgesang. Die milde Gegenwart der Süßen Verklärte mir das Blumenjahr. Was Morgenträume mir verhießen, Das machte stets der Abend wahr. O könnten meiner Wonne zeugen Des Himmels und der Bäche Blau, Die Haine mit den Blüthenzweigen, Der Garten und die lichte Au! Die haben Alles einst gesehen, Und haben Alles einst gehört. Doch ach! sie müssen traurig stehen, Auch ihre Zier ist nun zerstört. Du aber zeuge, meine Traute! Du Ferne mir, du Nahe doch! Du denkst der kindlich frohen Laute, Du denkst der sel’gen Blicke noch. Wir hatten uns so ganz empfunden, Wir suchten nicht das enge Wort; Uns floß der rasche Strom der Stunden In freien Melodieen fort. Du schiedest hin, die Welt ward öde, Ich stieg hinab in meine Brust; Der Lieder sanfte Klagerede Ist all mein Trost und meine Lust. Was bleibt mir, als in Trauertönen Zu singen die Vergangenheit? Und als mich schmerzlich hinzusehnen In neue goldne Liebeszeit? Mönch und Schäfer . Mönch . Was stehst du so in stillem Schmerz? O Schäfer, sag es mir! Wohl schlägt auch hier ein wundes Herz, Das ziehet mich zu dir. Schäfer . Du fragest uoch ! o sieh umher In meinem trauten Thal! Die weite Au ist blumenleer Und jeder Baum ist fahl. Mönch . Du klage nicht! Was ist dein Weh? Was, als ein schwerer Traum? Bald glänzt die Blume aus dem Klee, Die Blüthe von dem Baum. Dann steht das Kreuz, davor ich knie’, Im grünen Baumgefild; Doch ach! es grünt und blühet nie, Trägt stets ein sterbend Bild. Schäfers Sonntagslied . Das ist der Tag des Herrn! Ich bin allein auf weiter Flur, Noch Eine Morgenglocke nur! Nun Stille nah und fern! Anbetend knie’ ich hier. O süßes Graun! geheimes Wehn! Als knieten Viele ungesehn Und beteten mit mir. Der Himmel, nah und fern, Er ist so klar und feierlich, So ganz, als wollt’ er öffnen sich. Das ist der Tag des Herrn! Gesang der Nonnen . Erhebet euch mit heil’gem Triebe, Ihr frommen Schwestern, himmelan, Und schwebt auf blüh’nder Wolkenbahn! Da leuchtet uns die reinste Sonne, Da singen wir in Frühlingswonne Ein Lied von dir, du ew’ge Liebe! Ob welken alle zarte Blüthen Von dem Genuß der ird’schen Glut: Du bist ein ewig Jugendblut Und unsrer Busen stäte Fülle, Die ew’ge Flamme, die wir stille Am Altar und im Herzen hüten. Du stiegest nieder, ew’ge Güte, Du lagst, ein lächelnd Himmelskind, Im Arm der Jungfrau, süß und lind; Sie durft’ aus deinen hellen Augen Den Glanz der Himmel in sich saugen, Bis sie die Glorie umglühte. Du hast mit göttlichem Erbarmen Am Kreuz die Arme ausgespannt. Da ruft der Sturm, da dröhnt das Land: Kommt her, kommt her von allen Orten! Ihr Todte, sprengt des Grabes Pforten! Er nimmt euch auf mit offnen Armen. O Wunderlieb’, o Liebeswonue! Ist diese Zeit ein Schlummer mir, So träum’ ich sehnlich nur von dir; Und ein Erwachen wird es geben, Da werd’ ich ganz in dich verschweben, Ein Glutstral in die große Sonne. Des Knaben Berglied . Ich bin vom Berg der Hirtenknab, Seh’ auf die Schlösser all herab. Die Sonne stralt am ersten hier, Am längsten weilet sie bei mir. Ich bin der Knab vom Berge! Hier ist des Stromes Mutterhaus, Ich trink’ ihn frisch vom Stein heraus; Er braust vom Fels in wildem Lauf, Ich fang’ ihn mit den Armen auf. Ich bin der Knab vom Berge! Der Berg, der ist mein Eigenthum, Da ziehn die Stürme rings herum, Und heulen sie von Nord und Süd, So überschallt sie doch mein Lied: Ich bin der Knab vom Berge! Sind Blitz und Donner unter mir, So steh’ ich hoch im Blauen hier; Ich kenne sie und rufe zu: Laßt meines Vaters Haus in Ruh! Ich bin der Knab vom Berge! Uhlands Gedichte. 3 Und wann die Sturmglock’ einst erschallt, Manch Feuer auf den Bergen wallt, Dann steig’ ich nieder, tret’ in’s Glied, Und schwing’ mein Schwerdt, und sing’ mein Lied: Ich bin der Knab vom Berge! Brautgesang . Das Haus benedei’ ich und preis’ es laut, Das empfangen hat eine liebliche Braut; Zum Garten muß es erblühen. Aus dem Brautgemach tritt eine herrliche Sonn’; Wie Nachtigalln locket die Flöte, Die Tische wuchern wie Beete, Und es springet des Weines goldener Bronn. Die Frauen erglühen Zu Lilien und Rosen; Wie die Lüfte, die losen, Die durch Blumen ziehen, Rauschet das Küssen und Kosen. Entschluß . Sie kommt in diese stillen Gründe, Ich wag’ es heut mit kühnem Muth. Was soll ich beben vor dem Kinde, Das Niemand was zu leide thut? Es grüssen Alle sie so gerne, Ich geh’ vorbei und wag’ es nicht; Und zu dem allerschönsten Sterne Erheb’ ich nie mein Angesicht. Die Blumen, die nach ihr sich beugen, Die Vögel mit dem Lustgesang, Sie dürfen Liebe ihr bezeugen: Warum ist mir allein so bang? Dem Himmel hab’ ich oft geklaget In langen Nächten bitterlich: Und habe nie vor ihr gewaget Das Eine Wort: ich liebe dich! Ich will mich lagern unter’m Baume, Da wandelt täglich sie vorbei; Dann will ich reden als im Traume, Wie sie mein süßes Leben sey. Ich will — o wehe! welches Schrecken! Sie kommt heran, sie wird mich sehn; Ich will mich in den Busch verstecken, Da seh’ ich sie vorübergehn. Lauf der Welt . An jedem Abend geh’ ich aus, Hinauf den Wiesensteg. Sie schaut aus ihrem Gartenhaus, Es stehet hart am Weg. Wir haben uns noch nie bestellt, Es ist nur so der Lauf der Welt. Ich weiß nicht, wie es so geschah, Seit lange küss’ ich sie. Ich bitte nicht, sie sagt nicht: ja! Doch sagt sie: nein! auch nie. Wenn Lippe gern auf Lippe ruht, Wir hindern’s nicht, uns dünkt es gut. Das Lüftchen mit der Rose spielt, Es fragt nicht: hast mich lieb? Das Röschen sich am Thaue kühlt, Es sagt nicht lange: gib! Ich liebe sie, sie liebet mich, Doch Keines sagt: ich liebe dich! Waldlied . Im Walde geh’ ich wohlgemuth, Mir graut vor Räubern nicht; Ein liebend Herz ist all mein Gut, Das sucht kein Bösewicht. Was rauscht, was raschelt durch den Busch? Ein Mörder, der mir droht? Mein Liebchen kommt gesprungen, husch! Und herzt mich fast zu Tod. Seliger Tod . Gestorben war ich Vor Liebeswonne; Begraben lag ich In ihren Armen; Erwecket ward ich Von ihren Küssen; Den Himmel sah ich In ihren Augen. Untreue . Dir ist die Herrschaft längst gegeben In meinem Liede, meinem Leben, Nur diese Nacht, o welch ein Traum! O laß das schwere Herz mich lösen! Es saß ein fremd, verschleiert Wesen Dort unter unsrer Liebe Baum. Wie hält sie meinen Sinn gefangen! Ich nahe mich mit süßem Bangen, Sie aber hebt den Schleier leicht; Da seh’ ich — deine lieben Augen, Ach! deine blauen, trauten Augen, Und jeder fremde Schein entweicht. Die Abgeschiedenen . So hab’ ich endlich dich gerettet Mir aus der Menge wilden Reihn! Du bist in meinen Arm gekettet, Du bist nun mein, nun einzig mein. Es schlummert Alles diese Stunde, Nur wir noch leben auf der Welt; Wie in der Wasser stillem Grunde Der Meergott seine Göttin hält. Verrauscht ist all das rohe Tosen, Das deine Worte mir verschlang; Dein leises, liebevolles Kosen Ist nun mein einz’ger, süßer Klang. Die Erde liegt in Nacht gehüllet, Kein Licht erglänzt auf Flur und Teich; Nur dieser Lampe Schimmer füllet Noch unsrer Liebe kleines Reich. Die Zufriedenen . Ich saß bei jener Linde Mit meinem trauten Kinde, Wir saßen Hand in Hand. Kein Blättchen rauscht’ im Winde, Die Sonne schien gelinde Herab auf’s stille Land. Wir saßen ganz verschwiegen, Mit innigem Vergnügen, Das Herz kaum merklich schlug. Was sollten wir auch sagen? Was konnten wir uns fragen? Wir wußten ja genug. Es mocht’ uns nichts mehr fehlen, Kein Sehnen konnt’ uns quälen, Nichts Liebes war uns fern. Aus liebem Aug’ ein Grüssen, Vom lieben Mund ein Küssen Gab Eins dem Andern gern. Hohe Liebe . In Liebesarmen ruht ihr trunken, Des Lebens Früchte winken euch; Ein Blick nur ist auf mich gesunken, Doch bin ich vor euch allen reich. Das Glück der Erde miss’ ich gerne, Und blick’, ein Märtyrer, hinan, Denn über mir, in goldner Ferne, Hat sich der Himmel aufgethan. Nähe . Ich tret’ in deinen Garten; Wo, Süße, weilst du heut? Nur Schmetterlinge flattern Durch diese Einsamkeit. Doch wie in bunter Fülle Hier deine Beete stehn! Und mit den Blumendüfteu Die Weste mich umwehn! Ich fühle dich mir nahe, Die Einsamkeit belebt; Wie über seinen Welten Der Unsichtbare schwebt. Vorabend . Was streift vorbei im Dämmerlicht? War’s nicht mein holdes Kind? Und wehten aus dem Körbchen nicht Die Rosendüfte lind? Ja! morgen ist das Maienfest, O morgen welche Lust! Wann sie sich glänzend schauen läßt, Die Röslein an der Brust. Nachts . Dem stillen Hause blick’ ich zu, Gelehnt an einen Baum; Dort liegt sie wohl in schöner Ruh Und glüht in süßem Traum. Zum Himmel blick’ ich dann empor, Er hängt mit Wolken dicht. Ach! hinter schwarzem Wolkenflor, Da glänzt des Vollmonds Licht. Schlimme Nachbarschaft . Nur selten komm’ ich aus dem Zimmer, Doch will die Arbeit nicht vom Ort; Geöffnet sind die Bücher immer, Doch keine Seite rück’ ich fort. Des Nachbars lieblich Flötenspielen Nimmt jetzt mir die Gedanken hin, Und jetzt muß ich hinüberschielen Nach meiner hübschen Nachbarin. Bauernregel . Im Sommer such ein Liebchen dir In Garten und Gefild! Da sind die Tage lang genug, Da sind die Nächte mild. Im Winter muß der süße Bund Schon fest geschlossen seyn, So darfst nicht lange stehn im Schnee Bei kaltem Mondenschein. Hans und Grete . Sie . Guckst du mir denn immer nach, Wo du nur mich findest? Nimm die Aeuglein doch in Acht, Daß du nicht erblindest! Er . Gucktest du nicht stets herum, Würdest mich nicht sehen; Nimm dein Hälschen doch in Acht! Wirst es noch verdrehen. Uhlands Gedichte. 4 Der Schmied . Ich hör’ meinen Schatz, Den Hammer er schwinget, Das rauschet, das klinget, Das dringt in die Weite, Wie Glockengeläute, Durch Gassen und Platz. Am schwarzen Kamin, Da sitzet mein Lieber, Doch geh’ ich vorüber, Die Bälge dann sausen, Die Flammen aufbrausen Und lodern um ihn. Jägerlied . Kein’ beßre Lust in dieser Zeit, Als durch den Wald zu dringen, Wo Drossel singt und Habicht schreit, Wo Hirsch’ und Rehe springen. O säß’ mein Lieb im Wipfel grün, Thät wie ’ne Drossel schlagen! O spräng’ es, wie ein Reh, dahin, Daß ich es könnte jagen! Des Hirten Winterlied . O Winter, schlimmer Winter! Wie ist die Welt so klein! Du drängst uns all in die Thäler, In die engen Hütten hinein. Und geh’ ich auch vorüber An meiner Liebsten Haus: Kaum sieht sie mit dem Köpfchen Zum kleinen Fenster heraus. Und nehm’ ich’s Herz in die Hände, Und geh’ hinauf in’s Haus: Sie sitzt zwischen Vater und Mutter, Schaut kaum zu den Aeuglein heraus. O Sommer, schöner Sommer! Wie wird die Welt so weit! Je höher man steigt auf die Berge, Je weiter sie sich verbreit’t. Und stehest du auf dem Felsen, Traut Liebchen! ich rufe dir zu. Die Halle sagen es weiter, Doch Niemand hört es, als du. Und halt’ ich dich in den Armen Auf freien Bergeshöhn: Wir sehn in die weiten Lande, Und werden doch nicht gesehn. Lied des Gefangenen . Wie lieblicher Klang! O Lerche! dein Sang, Er hebt sich, er schwingt sich in Wonne. Du nimmst mich von hier, Ich singe mit dir, Wir steigen durch Wolken zur Sonne. O Lerche! du neigst Dich nieder, du schweigst, Du sinkst in die blühenden Auen. Ich schweige zumal Und sinke zuthal, Ach! tief in Moder und Grauen. Frühlingslieder . 1. Frühlingsahnung . O sanfter, süßer Hauch! Schon weckest du wieder Mir Frühlingslieder, Bald blühen die Veilchen auch. 2. Frühlingsglaube . Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sey nicht bang! Nun muß sich Alles, Alles wenden. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Thal. Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich Alles, Alles wenden. 3. Frühlingsruhe . O legt mich nicht in’s dunkle Grab, Nicht unter die grüne Erd’ hinab! Soll ich begraben seyn, Lieg’ ich in’s tiefe Gras hinein. In Gras und Blumen lieg’ ich gern, Wenn eine Flöte tönt von fern, Und wenn hoch obenhin Die hellen Frühlingswolken ziehn. 4. Frühlingsfeier . Süßer, goldner Frühlingstag! Inniges Entzücken! Wenn mir je ein Lied gelang, Sollt’ es heut nicht glücken? Doch warum in dieser Zeit An die Arbeit treten? Frühling ist ein hohes Fest: Laßt mich ruhn und beten! 5. Lob des Frühlings . Saatengrün, Veilchenduft, Lerchenwirbel, Amselschlag, Sonnenregen, linde Luft! Wenn ich solche Worte singe, Braucht es dann noch großer Dinge, Dich zu preisen, Frühlingstag? 6. Frühlingslied des Recensenten . Frühling ist’s, ich lass’ es gelten, Und mich freut’s, ich muß gestehen, Daß man kann spazieren gehen, Ohne just sich zu erkälten. Störche kommen an und Schwalben, Nicht zu frühe, nicht zu frühe! Blühe nur, mein Bäumchen, blühe! Meinethalben, meinethalben! Ja! ich fühl’ ein wenig Wonne, Denn die Lerche singt erträglich, Philomele nicht alltäglich, Nicht so übel scheint die Sonne. Daß es Keinen überrasche, Mich im grünen Feld zu sehen! Nicht verschmäh’ ich auszugehen, Kleistens Frühling in der Tasche. Freie Kunst . Singe, wem Gesang gegeben, In dem deutschen Dichterwald! Das ist Freude, das ist Leben, Wenn’s von allen Zweigen schallt. Nicht an wenig stolze Namen Ist die Liederkunst gebannt; Ausgestreuet ist der Samen Ueber alles deutsche Land. Deines vollen Herzens Triebe, Gib sie keck im Klange frei! Säuselnd wandle deine Liebe, Donnernd uns dein Zorn vorbei! Singst du nicht dein ganzes Leben, Sing doch in der Jugend Drang! Nur im Blüthenmond erheben Nachtigallen ihren Sang. Kann man’s nicht in Bücher binden, Was die Stunden dir verleihn: Gib ein fliegend Blatt den Winden, Muntre Jugend hascht es ein. Fahret wohl, geheime Kunden, Nekromantik, Alchymie! Formel hält uns nicht gebunden, Unsre Kunst heißt Poesie. Heilig achten wir die Geister, Aber Namen sind uns Dunst; Würdig ehren wir die Meister, Aber frei ist uns die Kunst. Nicht in kalten Marmorsteinen, Nicht in Tempeln, dumpf und todt: In den frischen Eichenhainen Webt und rauscht der deutsche Gott. Das Thal . Wie willst du dich mir offenbaren, Wie ungewohnt, geliebtes Thal? Nur in den frühsten Jugendjahren Erschienst du so mir manchesmal. Die Sonne schon hinabgegangen, Doch aus den Bächen klarer Schein! Kein Lüftchen spielt mir um die Wangen, Doch sanftes Rauschen in dem Hain! Es duftet wieder alte Liebe, Es grünet wieder alte Lust; Ja selbst die alten Liedertriebe Beleben diese kalte Brust. Natur! wohl braucht es solcher Stunden, So innig und so liebevoll, Wenn dieses arme Herz gesunden, Das welkende genesen soll! Bedrängt mich einst die Welt noch bänger, So such’ ich wieder dich, mein Thal! Empfange dann den kranken Sänger Mit solcher Milde noch einmal! Und sink’ ich dann ermattet nieder, So öffne leise deinen Grund, Und nimm mich auf, und schließ ihn wieder, Und grüne fröhlich und gesund! Ruhethal . Wann im letzten Abendstral Goldne Wolkenberge steigen Und wie Alpen sich erzeigen, Frag’ ich oft mit Thränen: Liegt wohl zwischen jenen Mein ersehntes Ruhethal? An einem heitern Morgen . O blaue Luft nach trüben Tagen, Wie kannst du stillen meine Klagen? Wer nur am Regen krank gewesen, Der mag durch Sonnenschein genesen. O blaue Luft nach trüben Tagen, Doch stillst du meine bittern Klagen! Du glänzest Ahnung mir zum Herzen: Wie himmlisch Freude labt nach Schmerzen. Wanderlieder . 1. Lebewohl . Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb! Muß noch heute scheiden. Einen Kuß, einen Kuß mir gib! Muß dich ewig meiden. Eine Blüth’, eine Blüth’ mir brich, Von dem Baum im Garten! Keine Frucht, keine Frucht für mich! Darf sie nicht erwarten. 2. Scheiden und Meiden . So soll ich nun dich meiden, Du meines Lebens Lust! Du küssest mich zum Scheiden, Ich drücke dich an die Brust. Ach Liebchen! heißt das meiden, Wenn man sich herzt und küßt? Ach Liebchen! heißt das scheiden, Wenn man sich fest umschließt? 3. In der Ferne . Will ruhen unter den Bäumen hier, Die Vöglein hör’ ich so gerne. Wie singet ihr so zum Herzen mir! Von unsrer Liebe was wisset ihr In dieser weiten Ferne? Will ruhen hier an des Baches Rand, Wo duftige Blümlein sprießen. Wer hat euch, Blümlein, hieher gesandt? Seyd ihr ein herzliches Liebespfand Aus der Ferne von meiner Süßen? 4. Morgenlied . Noch ahut man kaum der Sonne Licht, Noch sind die Morgenglocken nicht Im finstern Thal erklungen. Wie still des Waldes weiter Raum! Die Vöglein zwitschern nur im Traum, Kein Sang hat sich erschwungen. Ich hab’ mich längst in’s Feld gemacht, Und habe schon dies Lied erdacht, Und hab’ es laut gesungen. 5. Nachtreise . Ich reit’ in’s finstre Land hinein, Nicht Mond, noch Sterne geben Schein, Die kalten Winde tosen. Oft hab’ ich diesen Weg gemacht, Wann goldner Sonnenschein gelacht, Bei lauer Lüfte Kosen. Ich reit’ am finstern Garten hin, Die dürren Bäume sausen drin, Die welken Blätter fallen. Hier pflegt’ ich in der Rosenzeit, Wann Alles sich der Liebe weiht, Mit meinem Lieb zu wallen. Erloschen ist der Sonne Stral, Verwelkt die Rosen allzumal, Mein Lieb zu Grab getragen. Ich reit’ in’s finstre Land hinein, Im Wintersturm, ohn’ allen Schein, Den Mantel umgeschlagen. Uhlands Gedichte. 5 6. Winterreise . Bei diesem kalten Wehen Sind alle Straßen leer, Die Wasser stille stehen, Ich aber schweif’ umher. Die Sonne scheint so trübe, Muß früh hinuntergehn, Erloschen ist die Liebe, Die Lust kann nicht bestehn. Nun geht der Wald zu Ende, Im Dorfe mach’ ich Halt, Da wärm’ ich mir die Hände, Bleibt auch das Herze kalt. 7. Abreise . So hab’ ich nun die Stadt verlassen, Wo ich gelebet lange Zeit; Ich ziehe rüstig meiner Straßen, Es gibt mir Niemand das Geleit. Man hat mir nicht den Rock zerrissen, Es wär’ auch Schade für das Kleid! Noch in die Wange mich gebissen Vor übergroßem Herzeleid. Auch Keinem hat’s den Schlaf vertrieben, Daß ich am Morgen weiter geh’; Sie konnten’s halten nach Belieben; Von Einer aber thut mir’s weh. 8. Einkehr . Bei einem Wirthe, wundermild, Da war ich jüngst zu Gaste; Ein goldner Apfel war sein Schild An einem langen Aste. Es war der gute Apfelbaum, Bei dem ich eingekehret; Mit süßer Kost und frischem Schaum Hat er mich wohl genähret. Es kamen in sein grünes Haus Viel leichtbeschwingte Gäste; Sie sprangen frei und hielten Schmaus Und sangen auf das Beste. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh Auf weichen, grünen Matten; Der Wirth, er deckte selbst mich zu Mit seinem kühlen Schatten. Nun fragt’ ich nach der Schuldigkeit; Da schüttelt’ er den Wipfel. Gesegnet sey er allezeit, Von der Wurzel bis zum Gipfel! 9. Heimkehr . O brich nicht, Steg, du zitterst sehr! O stürz nicht, Fels, du dräuest schwer! Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein, Eh ich mag bei der Liebsten seyn! Zimmerspruch . Das neue Haus ist aufgericht’t, Gedeckt, gemauert ist es nicht, Noch können Regen und Sonnenschein Von oben und überall herein: Drum rufen wir zum Meister der Welt, Er wolle von dem Himmelszelt Nur Heil und Segen gießen aus Hier über dieses offne Haus. Zuoberst woll’ er gut Gedeihn In die Kornböden uns verleihn; In die Stube Fleiß und Frömmigkeit, In die Küche Maß und Reinlichkeit, In den Stall Gesundheit allermeist, In den Keller dem Wein einen guten Geist; Die Fenster und Pforten woll’ er weihn, Daß nichts Unseligs komm’ herein, Und daß aus dieser neuen Thür Bald fromme Kindlein springen für. Nun, Maurer, decket und mauret aus! Der Segen Gottes ist im Haus. Theelied . Ihr Saiten, tönet sanft und leise, Vom leichten Finger kaum geregt! Ihr tönet zu des Zärtsten Preise, Des Zärtsten, was die Erde hegt. In Indiens mythischem Gebiete, Wo Frühling ewig sich erneut, O Thee, du selber eine Mythe, Verlebst du deine Blüthezeit. Nur zarte Bienenlippen schlürfen Aus deinen Kelchen Honig ein, Nur bunte Wundervögel dürfen Die Sänger deines Ruhmes seyn. Wann Liebende zum stillen Feste In deine duft’gen Schatten fliehn, Dann rührest leise du die Aeste Und streuest Blüthen auf sie hin. So wächsest du am Heimathstrande, Vom reinsten Sonnenlicht genährt. Noch hier in diesem fernen Lande Ist uns dein zarter Sinn bewährt. Denn nur die holden Frauen halten Dich in der mütterlichen Hut; Man sieht sie mit dem Kruge walten, Wie Nymphen an der heil’gen Flut. Den Männern will es schwer gelingen, Zu fühlen deine tiefe Kraft; Nur zarte Frauenlippen dringen In deines Zaubers Eigenschaft. Ich selbst, der Sänger, der dich feiert, Erfuhr noch deine Wunder nicht; Doch was der Frauen Mund betheuert, Ist mir zu glauben heil’ge Pflicht. Ihr aber möget sanft verklingen, Ihr meine Saiten, kaum geregt! Nur Frauen können würdig singen Das Zärtste, was die Erde hegt. Metzelsuppenlied . Wir haben heut nach altem Brauch Ein Schweinchen abgeschlachtet; Der ist ein jüdisch eckler Gauch, Wer solch ein Fleisch verachtet. Es lebe zahm und wildes Schwein! Sie leben alle, groß und klein, Die blonden und die braunen! So säumet denn, ihr Freunde, nicht, Die Würste zu verspeisen, Und laßt zum würzigen Gericht Die Becher fleißig kreisen! Es reimt sich trefflich: Wein und Schwein , Und paßt sich köstlich: Wurst und Durst , Bei Würsten gilt’s zu bürsten . Auch unser edles Sauerkraut, Wir sollen’s nicht vergessen; Ein Deutscher hat’s zuerst gebaut, Drum ist’s ein deutsches Essen. Wenn solch ein Fleischchen, weiß und mild, Im Kraute liegt, das ist ein Bild Wie Venus in den Rosen. Und wird von schönen Händen dann Das schöne Fleisch zerleget, Das ist, was einem deutschen Mann Gar süß das Herz beweget. Gott Amor naht und lächelt still, Und denkt: nur daß, wer küssen will, Zuvor den Mund sich wische! Ihr Freunde, tadle Keiner mich, Daß ich von Schweinen singe! Es knüpfen Kraftgedanken sich Oft an geringe Dinge. Ihr kennet jenes alte Wort, Ihr wißt: es findet hier und dort Ein Schwein auch eine Perle. Trinklied . Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. So denken wir an den wilden Wald, Darin die Stürme sausen, Wir hören, wie das Jagdhorn schallt, Die Ross’ und Hunde brausen, Und wie der Hirsch durch’s Wasser setzt, Die Fluten rauschen und wallen, Und wie der Jäger ruft und hetzt, Die Schüsse schmetternd fallen. Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. So denken wir an das wilde Meer, Und hören die Wogen brausen, Die Donner rollen drüberher, Die Wirbelwinde sausen. Ha! wie das Schifflein schwankt und dröhnt, Wie Mast und Stange splittern, Und wie der Nothschuß dumpf ertönt, Die Schiffer fluchen und zittern! Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. So denken wir an die wilde Schlacht, Da fechten die deutschen Männer, Das Schwerdt erklirrt, die Lanze kracht, Es schnauben die muth’gen Renner. Mit Trommelwirbel, Trommetenschall, So zieht das Heer zum Sturme; Hin stürzet von Kanonenknall Die Mauer sammt dem Thurme. Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. So denken wir an den jüngsten Tag, Und hören Posaunen schallen, Die Gräber springen von Donnerschlag, Die Sterne vom Himmel fallen. Es braust die offne Höllenkluft Mit wildem Flammenmeere, Und oben in der goldnen Luft, Da jauchzen die sel’gen Chöre. Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. Und nach dem Wald und der wilden Jagd, Nach Sturm und Wellenschlage, Und nach der deutschen Männer Schlacht, Und nach dem jüngsten Tage: So denken wir an uns selber noch, An unser stürmisch Singen, An unser Jubeln und Lebehoch, An unsrer Becher Klingen. Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Drum denken wir gern an dies und das, Was rauschet und was brauset. Lied eines deutschen Sängers . Ich sang in vor’gen Tagen Der Lieder mancherlei, Von alten, frommen Sagen, Von Minne, Wein und Mai. Nun ist es ausgesungen, Es dünkt mir Alles Tand: Der Heerschild ist erklungen, Der Ruf: für’s Vaterland! Man sagt wohl von den Katten: Sie legten Erzring’ an, Bis sie gelöst sich hatten Mit einem erschlagnen Mann. Ich schlag’ den Geist in Bande Und werf’ an den Mund ein Schloß, Bis ich dem Vaterlande Gedient als Schwerdtgenoß. Und bin ich nicht geboren Zu hohem Heldenthum, Ist mir das Lied erkoren Zu Lust und schlichtem Ruhm: Doch möcht’ ich Eins erringen In diesem heil’gen Krieg: Das edle Recht, zu singen Des deutschen Volkes Sieg. Auf das Kind eines Dichters . Sey uns willkommen, Dichterkind, An deines Lebens goldner Pforte! Wohl ziemen dir zum Angebind Sich Lieder und prophet’sche Worte. In großer Zeit erblühest du, In ernsten Tagen, wundervollen, Wo über deiner kind’schen Ruh Des heil’gen Krieges Donner rollen. Du aber schlummre selig hin In angestammten Dichterträumen Von Himmelsglanz und Waldesgrün, Von Sternen, Blumen, Blüthenbäumen! Derweil verrauschet der Orkan, Es weicht der blut’gen Zeiten Trübe; Wohl blühst als Jungfrau du heran, Du kündest so das Reich der Liebe. Was einst als Ahnung, Sehnsucht nur Durchdrungen deines Vaters Lieder, Das sinkt von sel’ger Himmelsflur Als reiches Leben dir hernieder. Vorwärts ! Vorwärts! Fort und immerfort! Rußland rief das stolze Wort: Vorwärts! Preußen hört das stolze Wort, Hört es gern und hallt es fort: Vorwärts! Auf, gewalt’ges Oesterreich! Vorwärts! thu’s den andern gleich! Vorwärts! Auf, du altes Sachsenland! Immer vorwärts, Hand in Hand! Vorwärts! Baiern, Hessen, schlaget ein! Schwaben, Franken, vor zum Rhein! Vorwärts! Vorwärts, Holland, Niederland! Hoch das Schwerdt in freier Hand, Vorwärts! Grüß euch Gott, du Schweizerbund, Elsaß, Lothringen, Burgund! Vorwärts! Vorwärts, Spanien, Engelland! Reicht den Brüdern bald die Hand! Vorwärts! Vorwärts, fort und immer fort! Guter Wind und naher Port! Vorwärts! Vorwärts heißt ein Feldmarschall. Vorwärts, tapfre Streiter all! Vorwärts! Die Siegesbotschaft . Es war so trübe, dumpf und schwer, Die schlimme Sage schlich umher, Sie krächzte, wie zur Dämmerzeit Ein schwarzer Unglücksvogel schreit. Die schlimme Sage schlich im Land Mit schnöder Schattenbilder Tand, Sie zeigte Zwietracht und Verrath, Zernichtung aller edeln Saat. Des Bösen Freunde trotzen schon, Sie lachen hämisch, sprechen Hohn, Die Guten stehen ernst und still Und harren, was da werden will. Da schwingt sich’s über’m Rhein empor Und bricht den düstern Wolkenflor: Ist’s stolzer Adler Sonnenflug? Ist’s tönereicher Schwäne Zug? Es rauscht und singt im goldnen Licht: Der Herr verläßt die Seinen nicht, Er macht so Heil’ges nicht zum Spott. Viktoria! Mit uns ist Gott! Uhlands Gedichte. 6 An das Vaterland . Dir möcht’ ich diese Lieder weihen, Geliebtes deutsches Vaterland! Denn dir, dem neuerstandnen, freien, Ist all mein Sinnen zugewandt. Doch Heldenblut ist dir geflossen, Dir sank der Jugend schönste Zier: Nach solchen Opfern, heilig großen, Was gälten diese Lieder dir? Sinngedichte . Distichen . An Apollo, den Schmetterling . Göttlicher Alpensohn, sey huldreich uns Epigrammen! Ueber der nächtlichen Kluft flatterst du, spielend im Glanz. Achill . 1. Durch der Schlachten Gewühl bist du stets sicher gewandelt, Aus Skamanders Gewog tratst du gerettet hervor; Als du der Jungfrau Hand empfiengst im Tempel des Friedens, Göttergleicher Achill! traf dich der tödtliche Pfeil. 2. Dort nun thronet Achill, ein Gott, in der Seligen Lande, Wogen umschlingen es; du, Göttin der Wogen, den Sohn. Helena . Soll ich furchtsames Weib des Krieges Furie heißen? Sucht doch tiefer den Grund! hat nicht der Apfel die Schuld? Narziß und Echo . 1. Seltsam spielest du oft mit Sterblichen, Amor! es liebet Einen Schatten Narziß, aber ihn liebet ein Hall. 2. Das noch tröstete sie, das Wort des spröden Geliebten Nachzustöhnen; nun gar ist er zur Blume verstummt. 3. Schmerzlich dachte Narziß: o wär’ ich wieder ein Jüngling! Echo dachte sogleich: könnt’ ich als Mädchen zurück! 4. Amor, und dies dein Spiel! bald lockst du die zärtliche Echo, Bald in der kindischen Hand drehst du den goldnen Narziß. Die Götter des Alterthums . Sterbliche wandeltet ihr in Blumen, Götter von Hellas, Ach! nun wurdet ihr selbst Blümchen des neuen Gedichts. Tells Platte . Hier ist das Felsenriff, drauf Tell aus der Barke gesprungen; Sieh! ein ewiges Mal hebet dem Kühnen sich hier. Nicht die Kapelle dort, wo sie jährliche Messen ihm singen! Nein! des Mannes Gestalt, siehst du, wie herrlich sie steht? Schon mit dem einen Fuße betrat er die heilige Erde, Stößt mit dem andern hinaus weit das verzweifelnde Schiff. Nicht aus Stein ist das Bild, noch von Erz, nicht Arbeit der Hände, Nur dem geistigen Blick Freier erscheinet es klar; Und je wilder der Sturm, je höher brauset die Brandung, Um so mächtiger nur hebt sich die Heldengestalt. Die Ruinen . Wandre r ! es ziemet dir wohl, in der Burg Ruinen zu schlummern, Träumend baust du vielleicht herrlich sie wieder dir auf. Begräbniß . Als des Gerechten Sarg mit heiliger Erde bedeckt war, Deckte der Himmel darauf freundlich den silbernen Schnee Mutter und Kind . Mutter . Blicke zum Himmel, mein Kind! dort wohnt dir ein seliger Bruder, Weil er mich nimmer betrübt, führten die Engel ihn hin. Kind . Daß kein Engel mich je von der liebenden Brust dir entführe, Mutter, so sage du mir, wie ich betrüben dich kann! Märznacht . Horch! wie brauset der Sturm und der schwellende Strom in der Nacht hir! Schaurig süßes Gefühl! lieblicher Frühling, du nahst! Im Mai . Blumen und Blüthen wie licht, und das Glorierlaub um die Bäume! Bleib nur, Himmel, bewölkt! Erde hat eigenen Glanz. Tausch . Als der Wind sich erhob, da flog, zerblättert, die Blume, Aber der Schmetterling setzt’ in dem Laub sich fest. Amors Pfeil . Amor! dein mächtiger Pfeil, mich hat er tödtlich getroffen, Schon im elysischen Land wacht’ ich, ein Seliger, auf. Traumdeutung . Gestern hatt’ ich geträumt, mein Mädchen am Fenster zu sehen; Doch was sah ich des Tags? Blumen der Lieblichen nur. Heute nun war mir im Traum, als säh’ ich am Fenster die Blumen; Darum schau’ ich gewiß heute die Liebliche selbst. Die Rosen . Oft einst hatte sie mich mit duftigen Rosen beschenket; Eine noch sproßte mir jüngst aus der Geliebtesten Grab. Antwort . Das Röschen, das du mir geschickt, Von deiner lieben Hand gepflückt, Es lebte kaum zum Abendroth, Das Heimweh gab ihm frühen Tod; Nun schwebet gleich sein Geist von hier Als kleines Lied zurück zu dir. Die Schlummernde . Wann deine Wimper neidisch fällt, Dann muß in deiner innern Welt Ein lichter Traum beginnen: Dein Auge stralt nach innen. An Sie . Deine Augen sind nicht himmelblau, Dein Mund, er ist kein Rosenmund, Nicht Brust und Arme Lilien. Ach! welch ein Frühling wäre das, Wo solche Lilien, solche Rosen Im Thal und auf den Höhen blühten, Und alles das ein klarer Himmel Umfienge, wie dein blaues Aug’! Greisenworte . Sagt nicht mehr: guten Morgen! guten Tag! Sagt immer: guten Abend! gute Nacht! Denn Abend ist es um mich und die Nacht Ist nahe mir; o wäre sie schon da! Komm her, mein Kind! o du mein süßes Leben! Nein! komm, mein Kind, o du mein süßer Tod! Denn Alles, was mir bitter, nenn’ ich Leben, Und was mir süß ist, nenn’ ich alles Tod. Auf den Tod eines Landgeistlichen . Bleibt abgeschiednen Geistern die Gewalt, Zu kehren nach dem ird’schen Aufenthalt, So kehrest du nicht in der Mondennacht, Wann nur die Sehnsucht und die Schwermuth wacht. Nein! wann ein Sommermorgen niedersteigt, Wo sich im weiten Blau kein Wölkchen zeigt, Wo hoch und golden sich die Ernte hebt, Mit rothen, blauen Blumen hell durchwebt, Dann wandelst du, wie einst, durch das Gefild Und grüßest jeden Schnitter freundlich mild. Schicksal . Ja, Schicksal! ich verstehe dich: Mein Glück ist nicht von dieser Welt, Es blüht im Traum der Dichtung nur. Du sendest mir der Schmerzen viel Und gibst für jedes Leid ein Lied. Sonette. Oktaven. Glossen . Vermächtniß . Ein Sänger in den frommen Rittertagen, Ein kühner Streiter in dem heil’gen Lande, Durchbohrt von Pfeilen, lag er auf dem Sande, Doch konnt’ er dies noch seinem Diener sagen: „Verschleuß mein Herz, wann es nun ausgeschlagen, In jener Urne, die vom Heimathstrande Ich hergebracht mit manchem Liebespfande! Drin sollt du es zu meiner Herrin tragen!“ — So ich, Geliebte! der nur dich gefeiert, Verblute, fern von dir, in Liebesschmerzen, Schon decket meine Wangen Todesblässe. Wann deinen Sänger Grabesnacht umschleiert, Empfange du das treuste aller Herzen In des Sonettes goldenem Gefässe! Uhlands Gedichte. 7 An Petrarka . Wenn du von Laura Wahres hast gesungen, Von hehrem Blick, von himmlischer Gebärde: — Und ferne sey, daß angefochten werde, Was dir das innerste Gemüth durchdrungen! — War sie ein Zweig, im Paradies entsprungen, Ein Engel in der irdischen Beschwerde, Ein zarter Fremdling auf der rauhen Erde, Der bald zur Heimath sich zurückgeschwungen: So fürcht’ ich, daß auch auf dem goldnen Sterne, Wohin du, ein Verklärter, nun gekommen, Du nimmer das Ersehnte wirst erringen; Denn Jene flog indeß zur höhern Ferne, Sie ward in heil’gern Sphären aufgenommen, Und wieder mußt du Liebesklage singen. In Varnhagens Stammbuch . Als Phöbus stark mit Mauern, Thürmen, Gittern Die Königsburg von Nisa half bereiten, Da legt’ er seiner Lyra goldne Saiten Auf einen Mauerstein mit leisem Schüttern. Die Zinne konnte nicht so sehr verwittern, Daß nicht den Marmor noch in späten Zeiten, Selbst bei des Fingers leichtem Drübergleiten, Durchklungen hätt’ ein sanft melodisch Zittern. So legt’ auch ich auf dies Gedächtnißblatt, Das du wohl öfters, blätternd, wirst berühren, Mein Saitenspiel, auch gab es einen Ton: Und dennoch zweifl’ ich, ob an dieser Statt Du jemals einen Nachklang werdest spüren, Denn ich bin Phöbus nicht, noch Phöbus Sohn. An Kerner . Es war in traurigen Novembertagen, Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine Und stand gelehnet an der höchsten eine, Da hielt ich deine Lieder aufgeschlagen. Versunken war ich in die frommen Sagen: Bald kniet’ ich vor Sankt Albans Wundersteine, Bald schaut’ ich Regiswind im Rosenscheine, Bald sah ich Helicena’s Münster ragen. Welch lieblich Wunder wirkten deine Lieder! Die Höh’ erschien in goldnem Maienstrale Und Frühlingsruf ertönte durch die Wipfel. Doch bald verschwand der Wunderfrühling wieder, Er durfte nicht sich senken in die Thale, Im Fluge streift’ er nur der Erde Gipfel. Auf Karl Gangloffs Tod . († am 16. Mai 1814, 24 Jahre alt, zu Merklingen im Würtembergischen, an einer Nervenkrankheit. Die nach- stehenden Sonette beziehen sich auf die letzten Zeich- nungen und Entwürfe des genialen jungen Künstlers .) 1. In dieser Zeit, so reich an schönem Sterben, An Heldentod in frühen Jugendtagen, Ward dir’s nicht, auf dem Siegesfeld erschlagen, Den heil’gen Eichenkranz dir zu erwerben. Beschleichend Fieber brachte dir Verderben, Du wurdest bei der Eltern Weheklagen Aus deinem Heimathhause hingetragen Zur Stätte, die nicht Blut, nur Blumen färben. Doch nein! auch dich ergriff die Zeit des Ruhmes, Dich drängt’ es, eine Hermannsschlacht zu schaffen, Ein sinnig Denkmal deutschen Heldenthumes. Wohl hörtest du noch scheidend Kampfruf schallen, Es wogt’ um dich von Männern, Rossen, Waffen: So bist du in der Hermannsschlacht gefallen. 2. Nach Hohem, Würd’gem nur hast du gerungen, Das Kleinliche verschmähend, wie das Wilde; So faßtest du in kräftige Gebilde Das wundervolle Lied der Nibelungen. Schon hatte Hagens Größe dich durchdrungen, Schon stand vor dir die Rächerin Chriemhilde, Vor Allem aber rührte dich die Milde Des edeln Sifrids, Giselhers, des jungen. Mit Fug ward Giselher von dir beklaget, Der blühend hinsank in des Kampfs Bedrängniß, Dich selbst hat nun so früher Tod erjaget. Warst du vielleicht zu innig schon versunken In jenes Lied, deß furchtbares Verhängniß Zum Tode Jedem, nun auch dir, gewunken? 3. Bedeutungsvoll hast du dein Künstlerleben Mit jenem frommen, stillen Bild geschlossen: Wie Abraham mit seines Stamms Genossen Das Land begrüßt, das ihm der Herr gegeben. Da lehnen sie auf ihren Wanderstäben, Von Wald und Felsenhang noch halb umschlossen, Doch herrlich sehn sie unter sich ergossen Das weite Land voll Kornes und voll Reben. So bist auch du nun, abgeschiedne Seele, Aus dieses Erdelebens rauher Wilde An deiner Wandrung frohes Ziel gekommen; Und durch das finstre Thor der Grabeshöhle Erblickst du schon die seligen Gefilde, Das himmlische Verheißungsland der Frommen. An den Unsichtbaren . Du, den wir suchen auf so finstern Wegen, Mit forschenden Gedanken nicht erfassen, Du hast dein heilig Dunkel einst verlassen Und tratest sichtbar deinem Volk entgegen. Welch süßes Heil, dein Bild sich einzuprägen, Die Worte deines Mundes aufzufassen! O selig, die an deinem Mahle saßen! O selig, der an deiner Brust gelegen! Drum war es auch kein seltsames Gelüste, Wenn Pilger ohne Zahl vom Strande stießen, Wenn Heere kämpften an der fernsten Küste: Nur um an deinem Grabe noch zu beten, Und um in frommer Inbrunst noch zu küssen Die heil’ge Erde, die dein Fuß betreten. Todesgefühl . Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es sagen? Doch wunderbar ergriff mich’s diese Nacht; Die Glieder schienen schon in Todes Macht, Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben schlagen. Den Geist befiel ein ungewohntes Zagen, Den Geist, der stets so sicher sich gedacht; Erlöschend jetzt, dann wieder angefacht, Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen. Wie? hielten schwere Träume mich befangen? Die Lerche singt, der rothe Morgen glüht, In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen. Wie? oder gieng vorbei der Todesengel? Die Blumen, die am Abend frisch geblüht, Sie hängen hingewelket dort vom Stengel. Erstorbene Liebe . Wir waren neugeboren, himmlisch helle War uns der Liebe Morgen aufgegangen. Wie glühten, Laura, Lippen dir und Wangen! Dein Auge brannt’, es schlug des Busens Welle. Wie wallt’ in mir des neuen Lebens Quelle! Wie hohe Kräfte rastlos mich durchdrangen! Sie ließen nicht des Schlafes mich verlangen, Lebendig kurzer Traum vertrat die Stelle. Ja! Lieb’ ist höher Leben im gemeinen; Das waren ihre regen Lebenszeichen: Nun such’ ich sie an dir, in mir vergebens. Drum muß ich, Laura! dich und mich beweinen: Wir beide sind erloschner Liebe Leichen, Uns traf der Tod des liebelosen Lebens. Geisterleben . Von dir getrennet, lieg’ ich wie begraben, Mich grüßt kein Säuseln linder Frühlingslüfte; Kein Lerchensang, kein Balsam süßer Düfte, Kein Stral der Morgensonne kann mich laben. Wann sich die Lebenden dem Schlummer gaben, Wann Todte steigen aus dem Schooß der Grüfte, Dann schweb’ ich träumend über Höhn und Klüfte, Die mich so fern von dir gedränget haben. Durch den verbotnen Garten darf ich gehen, Durch Thüren wandl’ ich, die mir sonst verriegelt, Bis zu der Schönheit stillem Heiligthume. Erschreckt dich Geisterhauch, du zarte Blume? Es ist der Liebe Wehn, das dich umflügelt. Leb wohl! ich muß in’s Grab, die Hähne krähen. Oeder Frühling . Wohl denk’ ich jener sel’gen Jugendträume, Obschon sich die Gefühle mir versagen, Wann in den ersten, milden Frühlingstagen Im Busen sich mir drängten volle Keime. Die Ahnung lockte mich in ferne Räume, Wann wo ein Laut des Lenzes angeschlagen; Die Hoffnung wollte sich zum Lichte wagen, Wie aus den Knospen frisches Grün der Bäume. Doch nun, da ich das Höchste jüngst genossen, Gerissen aus dem innigsten Vereine, Vom reichsten Paradiese kaum verstoßen: Was sollen nun mir halbergrünte Triften, Einsamer Amselschlag im todten Haine, Ein armes Veilchen, noch so süß von Düften? Die theure Stelle . Die Stelle, wo ich auf verschlungnen Wegen Begegnete dem wunderschönen Kinde, Das, leicht vorübereilend mit dem Winde, Mir spendete des holden Blickes Segen: Wohl möcht’ ich jene Stelle liebend hegen, Dort Zeichen graben in des Baumes Rinde, Mich schmücken mit der Blumen Angebinde, Zu Träumen mich in kühle Schatten legen. Doch so verwirrte mich des Blickes Helle, Und so geblendet blieb ich von dem Bilde, Daß lang ich wie ein Trunkner mußte wanken; Und nun mit allem Streben der Gedanken, So wie mit allem Suchen im Gefilde, Nicht mehr erforschen kann die theure Stelle. Die zwo Jungfraun . Zwo Jungfraun sah ich auf dem Hügel droben, Gleich lieblich von Gesicht, von zartem Baue; Sie blickten in die abendlichen Gaue, Sie saßen traut und schwesterlich verwoben. Die Eine hielt den rechten Arm erhoben, Hindeutend auf Gebirg und Strom und Aue; Die Andre hielt, damit sie besser schaue, Die linke Hand der Sonne vorgeschoben. Kein Wunder, daß Verlangen mich bestrickte Und daß in mir der süße Wunsch erglühte: O säß’ ich doch an Einer Platz von Beiden! Doch wie ich länger nach den Trauten blickte, Gedacht’ ich im besänftigten Gemüthe: Nein! wahrlich, Sünde wär’ es, sie zu scheiden! Der Wald . Was je mir spielt’ um Sinnen und Gemüthe Von frischem Grün, von kühlen Dämmerungen, Das hat noch eben mich bedeckt, umschlungen, Als eines Maienwaldes Lustgebiete. Was je in Traum und Wachen mich umglühte Von Blumenschein, von Knospen, kaum gesprungen, Das kam durch die Gebüsche hergedrungen, Als leichte Jägerin, des Waldes Blüthe. Sie floh dahin, ich eilte nach, mit Flehen, Bald hätten meine Arme sie gebunden, Da mußte schnell der Morgentraum verwehen. O Schicksal, das mir selbst nicht Hoffnung gönnte! Mir ist die Schönste nicht allein verschwunden, Der Wald sogar, drin ich sie suchen könnte. Der Blumenstrauß . Wenn Sträuchen, Blumen manche Deutung eigen, Wenn in den Rosen Liebe sich entzündet, Vergißmeinnicht im Namen schon sich kündet, Lorbeere Ruhm, Cypressen Trauer zeigen; Wenn, wo die andern Zeichen alle schweigen, Man doch in Farben zarten Sinn ergründet, Wenn Stolz und Neid dem Gelben sich verbündet, Wenn Hoffnung flattert in den grünen Zweigen: So brach ich wohl mit Grund in meinem Garten Die Blumen aller Farben, aller Arten, Und bring’ sie dir, zu wildem Strauß gereihet: Dir ist ja meine Lust, mein Hoffen, Leiden, Mein Lieben, meine Treu, mein Ruhm, mein Neiden, Dir ist mein Leben, dir mein Tod geweihet. Entschuldigung . Was ich in Liedern manchesmal berichte Von Küssen in vertrauter Abendstunde, Von der Umarmung wonnevollem Bunde, Ach! Traum ist, leider, Alles und Gedichte. Und du noch gehest mit mir in’s Gerichte, Du zürnest meinem prahlerischen Munde: Von nie gewährtem Glücke geb’ er Kunde, Das, selbst gewährt, zum Schweigen stets verpflichte. Geliebte, laß den strengen Ernst sich mildern Und lächle zu den leichten Dichterträumen, Dem unbewußten Spiel, den Schattenbildern! Der Sänger ruhet schlummernd oft im Kühlen, Indeß die Harfe hänget unter Bäumen Und in den Saiten Lüfte säuselnd wühlen. Uhlands Gedichte. 8 Vorschlag . Dem Dichter ist der Fernen Bild geblieben, Bei dem er einsam oftmals Trost gefunden, Und hält des Lebens Wirrung ihn umwunden, Er fühlt am Busen doch das Bild der Lieben. Auch was der Dichter sang, sehnsuchtgetrieben, Die Schöne liest es oft in Abendstunden, Und Manches hat so innig sie empfunden, Daß ihr es tief im Herzen steht geschrieben. Ein theures Bild, wohl wirkt es wunderkräftig, Wohl mancher Kummer weicht des Liedes Tönen, Doch ewig bleibt der Trennung Schmerz geschäftig. O Schicksal! wechsle leicht nur mit den Loosen: Den Dichter führe wieder zu der Schönen, Die Lieder mögen mit dem Bilde kosen! Die Bekehrung zum Sonett . Der du noch jüngst von deinem krit’schen Stuhle Uns arme Sonettisten abgehudelt, Der du von Gift und Galle recht gesprudelt Und uns verflucht zum tiefsten Höllenpfuhle: Du reines Hermelin der alten Schule, Wie hast du nun dein weisses Fell besudelt! Ja! ein Sonettlein hast du selbst gedudelt, Ein schnalzend Seufzerlein an deine Buhle. Hast du die selbstgesteckten Warnungszeichen, Hast du, was halb mit Spott und halb mit Knirschen Altmeister Voß gepredigt, all vergessen? Fürwahr! du bist dem Lehrer zu vergleichen, Der seinen Zögling ob gestohlnen Kirschen Ausschalt und scheltend selber sie gefressen. Schlußsonett . Wie, wenn man auch die Glocke nicht mehr ziehet, Es lange dauert, bis sie ausgeklungen; Wie, wer von einem Berge kam gesprungen, Umsonst, den Lauf zu hemmen, sich bemühet; Wie oft aus Bränden, welche längst verglühet, Ein Flämmchen unversehens sich geschwungen; Und spät noch eine Blüthe vorgedrungen Aus Aesten, die sonst völlig abgeblühet; Wie den Gesang, den zu des Liebchens Preise Der Schäfer angestimmt aus voller Seele, Gedankenlose Halle weiter treiben: So geht es mir mit der Sonettenweise: Ob mir’s an Zweck und an Gedanken fehle, Muß ich zum Schlusse dies Sonett doch schreiben. An K. M. Wann die Natur will knüpfen und erbauen, Dann liebt in stillen Tiefen sie zu walten; Geweihten einzig ist vergönnt, zu schauen, Wie ihre Hand den Frühling mag gestalten, Wie sie erzieht zu Eintracht und Vertrauen Die Kinder früh in dunkeln Aufenthalten. Nur wenn sie will zerstören und erschüttern, Erbraust sie in Orkanen und Gewittern. So übet auch die Liebe tief und leise Im Reich der Geister ihre Wundermacht; Sie zieht unsichtbar ihre Zauberkreise Am goldnen Abend, in der Sternennacht; Sie weckt durch feierlicher Lieder Weise Verwandte Chöre in der Geister Schacht; Sie weiß durch stiller Augen Strahl die Seelen Zu knüpfen und auf ewig zu vermählen. Dort in des Stromes wild empörte Wogen Warf sich ein Jüngling, voll von raschen Gluten, Doch jene Wallung, die ihn fortgezogen, Sie mußt’ ihn wieder an das Ufer fluten. Ich aber sah es, wie des Himmels Bogen, Der Erde Glanz im stillen Teiche ruhten: Da sank ich hin, von sanfter Wonne trunken, Ich sank und bin auf ewig nun versunken. Ein Abend . Als wäre nichts geschehen, wird es stille, Die Glocken hallen aus, die Lieder enden. Und leichter ward mir in der Thränen Fülle, Seit Sie versenket war von frommen Händen. Als noch im Hause lag die bleiche Hülle, Da wußt’ ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden; Sie schien mir, heimathlos, mit Klaggebärde, Zu schweben zwischen Himmel hin und Erde. Die Abendsonne stralt’, ich saß im Kühlen Und blickte tief in’s lichte Grün der Matten; Mir dünkte bald, zwei Kinder säh’ ich spielen, So blühend, wie einst wir geblühet hatten. Da sank die Sonne, graue Schleier fielen, Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten; Ich blick’ empor, und hoch in Aethers Auen Ist Abendroth und all mein Glück zu schauen. Rückleben . An Ihrem Grabe kniet’ ich, festgebunden, Und senkte tief den Geist in’s Todtenreich. Zum Himmel reichte nicht mein Blick, es stunden Des Wiedersehens Bilder fern und bleich. Da so ich vorwärts Grauen nur gefunden, Vergangne Tage, flüchtet’ ich zu euch; Ich ließ den Sarg des Grabes Nacht entheben, Zurück Sie tragen in das schöne Leben. Schon huben sich die bleichen Augenlieder, Ihr Auge schmachtete zu mir empor; Bald strebten auf die frischverjüngten Glieder, Sie schwebte blühend in der Schwestern Chor; Der Liebe goldne Stunden traten wieder, Selbst mit des ersten Kusses Lust, hervor: Bis sich verlor Ihr Leben und das meine In sel’ger Kindheit Duft und Morgenscheine. Gesang und Krieg . 1. Wühlt jener schauervolle Sturm aus Norden Zerstörend auch im frischen Liederkranze? Ist der Gesang ein feiges Spiel geworden? Wiegt fürder nur der Degen und die Lanze? Muß schamroth abwärts fliehn der Sängerorden, Wann Kriegerscharen ziehn im Waffenglanze? Darf nicht der Harfner wie in vor’gen Zeiten, Willkommen selbst durch Feindeslager schreiten? Bleibt Poesie zu Wald und Kluft verdrungen, Bis nirgends Kampf der Völker Ruhe störet, Bis das vulkan’sche Feuer ausgerungen, Das stets sich neu im Erdenschooß empöret: So ist bis heute noch kein Lied erklungen, Und wird auch keins in künft’ger Zeit gehöret. Nein! über ew’gen Kämpfen schwebt im Liede, Gleichwie in Goldgewölk, der ew’ge Friede. Ein jedes weltlich Ding hat seine Zeit, Die Dichtung lebet ewig im Gemüthe, Gleich ewig in erhabner Herrlichkeit, Wie in der tiefen Lieb’ und stillen Güte, Gleich ewig in des Ernstes Düsterheit, Wie in dem Spiel und in des Scherzes Blüthe. Ob Donner rollen, ob Orkane wühlen, Die Sonne wankt nicht und die Sterne spielen. Schon rüsten sich die Heere zum Verderben, Der Frühling rüstet sich zu Spiel und Reigen; Die Trommeln wirbeln, die Trommeten werben, Indeß die wilden Winterstürme schweigen; Mit Blute wild der Krieg die Erde färben, Die sich mit Blumen schmückt und Blüthenzweigen: Darf so der ird’sche Lenz sich frei erschließen, So mög’ auch unser Dichterfrühling sprießen! 2. Nicht schamroth weichen soll der Sängerorden, Wann Kriegerscharen ziehn im Waffenglanze; Noch ist sein Lied kein schnödes Spiel geworden, Doch ziert auch ihn der Degen und die Lanze; Wohl schauervoll ist jener Sturm aus Norden, Doch weht er frisch und stärkt zum Schwerdtertanze. Wollt, Harfner, ihr durch Feindeslager schreiten, Noch steht’s euch frei — den Eingang zu erstreiten. Wann: Freiheit! Vaterland! ringsum erschallet, Kein Sang tönt schöner in der Männer Ohren, Im Kampfe, wo solch heilig Banner wallet, Da wird der Sänger kräftig neugeboren. Hat Aeschylos, deß Lied vom Siege hallet, Hat Dante nicht dieß schönste Loos erkoren? Cervantes ließ, gelähmt, die Rechte sinken Und schrieb den Don Quixote mit der Linken. Dieses ist unrichtig, dem Cervantes wurde in dem Seetreffen bei Lepanto die linke Hand gelähmt . Auch unsres deutschen Liedertempels Pfleger, Sie sind dem Kriegesgeiste nicht verdorben, Man hört sie wohl die frend’gen Telynschläger, Und mancher hat sich blut’gen Kranz erworben. Du, Wehrmann Leo, du, o schwarzer Jäger, Wohl seyd ihr ritterlichen Tods gestorben! Und Fouqu é , wie mir du das Herz durchdringest! Du wagtest, kämpftest — doch du lebst und singest. Den Frühling kündet der Orkane Sausen, Der Heere Vorschritt macht die Erde dröhnen, Und wie die Ström’ aus ihren Ufern brausen, So wogt es weit von Deutschlands Heldensöhnen; Der Sänger folgt durch alles wilde Grausen, Läßt Sturm und Wogen gleich sein Lied ertönen. Bald blüht der Frühling, bald der goldne Friede, Mit mildern Lüften und mit sanftrem Liede. Glossen . 1. Der Recensent . Süsse Liebe denkt in Tönen, Denn Gedanken stehn zu fern; Nur in Tönen mag sie gern Alles, was sie will, verschönen . Tieck . Schönste! du hast mir befohlen, Dieses Thema zu glossiren; Doch ich sag’ es unverhohlen: Dieses heißt die Zeit verlieren, Und ich sitze wie auf Kohlen. Liebtet ihr nicht, stolze Schönen! Selbst die Logik zu verhöhnen, Würd’ ich zu beweisen wagen, Daß es Unsinn ist, zu sagen: Süsse Liebe denkt in Tönen . Zwar versteh’ ich wohl das Schema Dieser abgeschmackten Glossen, Aber solch verzwicktes Thema, Solche räthselhafte Possen Sind ein gordisches Problema. Dennoch macht’ ich dir, mein Stern! Diese Freude gar zu gern. Hoffnunglos reib’ ich die Hände, Nimmer bring’ ich es zu Ende, Denn Gedanken stehn zu fern . Laß, mein Kind! die span’sche Mode, Laß die fremden Triolette, Laß die wälsche Klangmethode Der Kanzonen und Sonette, Bleib bei deiner sapph’schen Ode! Bleib der Aftermuse fern Der romantisch süßen Herrn! Duftig schwebeln, luftig tänzeln Nur in Reimchen, Assonänzeln, Nur in Tönen mag sie gern . Nicht in Tönen solcher Glossen Kann die Poesie sich zeigen; In antiken Verskolossen Stampft sie besser ihren Reigen Mit Spondeen und Molossen. Nur im Hammerschlag und Dröhnen Deutschhellenischer Kamönen Kann sie selbst die alten, kranken, Allerhäßlichsten Gedanken, Alles, was sie will, verschönen . 2. Der Romantiker und der Recensent . Mondbeglänzte Zaubernacht, Die den Sinn gefangen hält, Wundervolle Mährchenwelt, Steig auf in der alten Pracht! Tieck. Romantiker . Finster ist die Nacht und bange, Nirgends eines Sternleins Funkel! Dennoch in verliebtem Drange Wandl’ ich durch das grause Dunkel Mit Gesang und Lautenklange. Wenn Kamilla nun erwacht Und das Lämpchen freundlich facht, Dann erblick’ ich, der Entzückte, Plötzlich eine sterngeschmückte, Mondbeglänzte Zaubernacht . Recensent . Laß Er doch sein nächtlich Johlen, Poetaster Helikanus! Was Er singt, ist nur gestohlen Aus dem Kaiser Oktavianus, Der bei mir nicht sehr empfohlen, Den ich der gelehrten Welt Von den Alpen bis zum Belt Preisgab als ein Werk der Rotte, Die den Unsinn hub zum Gotte, Die den Sinn gefangen hält . Romantiker . Welche Stimme, rauh und heischer! Ist das wohl der Baur Hornvilla? Ist es Klemens wohl, der Fleischer? Von den Fenstern der Kamilla Heb dich weg, du alter Kreischer! Was die krit’sche Feder hält Von den Alpen bis zum Belt, Wüth’ es doch zu Haus und schäume, Nur verschon’ es Ihrer Träume Wundervolle Mährchenwelt ! Recensent . Bänkelsänger, Hackbretschläger, Volk, das Nachts die Stadt durchleiert, Nennt sich jetzt der Musen Pfleger; Nächstens, wenn Apoll noch feiert, Dichten selbst die Schornsteinfeger. Zeit, wo man mit Wohlbedacht Nur latein’schen Vers gemacht, Zeit gepuderter Perücken, Drauf Pfalzgrafen Lorbern drücken, Steig auf in der alten Pracht ! 3. Die Nachtschwärmer . Eines schickt sich nicht für Alle; Sehe Jeder, wie er’s treibe, Sehe Jeder, wo er bleibe, Und wer steht, daß er nicht falle! Goethe. Der Unverträgliche . Stille streif’ ich durch die Gassen, Wo sie wohnt, die blonde Kleine; Doch schon seh’ ich Andre passen Und mir war’s im Dämmerscheine, Einer würd’ hineingelassen. Regt es mir denn gleich die Galle, Daß sie Andern auch gefalle? Sey’s! doch kann ich nicht verschweigen: Jeder hab’ ein Liebchen eigen! Eines schickt sich nicht für Alle . Der Hülfreiche . Zu dem Brunnen, mit den Krügen Kömmt noch spät mein trautes Mädchen, Rollt mit raschen, kräft’gen Zügen Husch! die Ketten um das Rädchen; Ihr zu helfen, welch Vergnügen! Ja! ich zog mit ganzem Leibe, Bis zersprang des Rädchens Scheibe. Ist es nun auch stehn geblieben, Haben wir’s doch gut getrieben, Sehe Jeder, wie er’s treibe ! Der Vorsichtige . Zwölf Uhr! ist der Ruf erschollen Und mir sinkt das Glas vom Munde. Soll ich jetzt nach Haus mich trollen In der schlimmen Geisterstunde, In der Stunde der Patrollen? Und daheim zum Zeitvertreibe Noch den Zank von meinem Weibe! Dann die Nachbarn, häm’sche Tadler! — Nein! ich bleib’ im goldnen Adler, Sehe Jeder, wo er bleibe ! Der Schwankende . Ei! was kann man nicht erleben! Heute war doch Sommerhitze, Und nun hat’s Glatteis gegeben; Daß ich noch auf’s Pflaster sitze, Muß ich jeden Schritt erbeben; Und die Häuser taumeln alle, Wenn ich kaum an eines pralle. Hüte sich in diesen Zeiten Wer da wandelt, auszugleiten, Und wer steht, daß er nicht falle ! Dramatische Dichtungen . Uhlands Gedichte. 9 Schildeis . Fragment . Böhmerwald. Im Hintergrunde das Schloß Schildeis. Herzog Eginhard, die Herzogin, Ritter Dietwald und ein Einsiedler treten auf. Dort liegt das Jagdschloß, so man Schildeis nennt, Ganz in des Böhmerwaldes Innerstem. (zum Herzog.) Das ist das Schloß, von dem ich Euch gesagt, Daß es die beste Zuflucht bieten mag. Ich hätt’ es, wahrlich! selbst nicht mehr gefunden, Denn alle Weg’ und Stege sind verwachsen, Seitdem der sel’ge Herzog hier gejagt, Es sind nun fünf und zwanzig Jahre her. (zum Einsiedler.) Dank, frommer Bruder, Euch für das Geleit! Ihr seyd der wilden Gegend trefflich kund. (Zur Herzogin.) Und du, mein gutes Weib! nun hast du endlich Des weiten Wegs Beschwerden überstanden. Viel wohler, als in des Pallastes Pracht, Der ich unwürdig oft mich achtete, War mir auf dieser mühevollen Fahrt. So meint’ ich abzubüßen meine Schuld, Die Schuld, ach! die ich nicht bereuen kann. Dort kömmt ein Jägersmann am Fels herum. Der alte Eckart, dieses Schlosses Vogt. Wie ist er grau geworden und gebeugt! ( Eckart tritt auf.) Willkommen, treuer Eckart! Seh’ ich recht? So wird mir noch einmal in diesem Leben Die Freude, meinen lieben Herrn zu schaun! Wie kennst du plötzlich, den du nie gesehn? Ist’s möglich? Seyd Ihr nicht mein junger Herr, Der Herzog Wolf? Du sprichst von meinem Vater, Der vor drei Monden zu den Ahnen ging. Um Gott! Davon gelangte nichts zu uns. Der Himmel schenk’ ihm eine sanfte Ruh! Er sah doch ganz wie Ihr, der gute Herr, Als er vor Jahren hier bei’m Jagen war. Auch dünkt es mir nicht gar so lange her, Und steht noch Alles drüben in der Burg So wie der Herr es hinterlassen hat. Die Sanduhr ist seitdem nicht mehr gelaufen, Die Armbrust hängt noch dort unabgespannt, Sein Jägerhut noch mit dem Tannenzweig, Sein Falke sitzt im Käfig ausgebälgt. Das alte Liederbuch, darin er las, Ist aufgeschlagen, wo er aufgehört; Ihr könnt fortlesen, wo der Vater blieb, Es kommen erst die herrlichsten Geschichten. Ja! Euer Schloß ist ein seltsamer Ort, Es wandeln dort in stiller Mitternacht Die Geister längst Verstorbner durch die Hallen. Sie kehren gerne zu dem Haus zurück, Wo Alles noch ist, wie zu ihrer Zeit. Das ist wohl gar der Junker Dietwald hier, Der mit dem sel’gen Herzog bei uns war? Ihr habt Euch was verändert, doch nicht sehr. Das hör’ ich gern, mein alter Jagdgesell! (zu Eckart.) Ihr habt wohl manches Jährlein hinter Ench? Ein Sechzig. Und ein Dreißig noch dazu. Das Jahr nicht kennend, das der Welt ihn gab, Hat er schon längst auf sechzig sich geschätzt, Doch neigt das Jahr sich wieder, denkt er stets: Ich hab’ ein Jährlein leicht zuviel gezählt; So tritt er über sechzig nie hinaus. Es liegt ja doch am Ende wenig dran. Kein Wunder, daß die Zeit ihm stille stand Und daß er meinet, Alles steh’ im Alten; Denn kein Ereigniß zeichnet’ ihm die Tage, Seitdem der sel’ge Herzog hier gejagt, Noch hört er Kunde von dem Lauf der Welt. Den Wechsel selbst der Jahreszeiten läßt Der Tannenwälder ewig Dunkelgrün, Der Felsen ewig frühlingslose Oede In unsrer Wildniß weniger bemerken. Ganz recht! ich hab’ es niemals so bedacht. Ihr Theuersten! des Menschen Leben ist Ein kurzes Blühen und ein langes Welken. Durch diesen einfach langen Wechsel zieht Der Jahreszeiten schneller, bunter Tausch, Und schafft dem Menschen, der, dazwischen stehend, Nicht folgen kann, so manigfaches Weh. Denn wann der Herbst das Feld entblümt, entlaubt, Da trübt sich selbst des frischen Jünglings Sinn, Er muß das Alter kosten vor der Zeit. Noch schmerzlicher — wann sich der Lenz belebt, Da will des Greisen Wange neu sich röthen, Sich zu verjüngen meint das matte Herz; Ach! kurze Täuschung nur! Der dürre Stamm, er treibt ein schwaches Laub, Doch zu gesunder Blüthe bringt er’s nicht. Drum lob’ ich diese wechsellose Gegend, Wo nichts im Herzen weckt der Sehnsucht Qual. (seitwärts zum Herzog.) Der Pred’ger in der Wüste hier hat wohl Seit langer Zeit sich nicht mehr ausgesprochen. Es ist, als wäre diese Gegend früh Zurückgeblieben hinter’m Schritt der Zeit. Die weiten, stillen Wälder, wo der Mensch, Des Schöpfers letztes Werk, noch fehlt. Und dort noch in der Ferne das Gebirg, Das liegt nun vollends außer aller Zeit. Auch nicht das Pflanzenreich ist dort geschaffen; Die Elemente sind noch nicht geschieden. Ein Chaos ungeheurer Felsenblöcke, Voll tiefer Klüfte, drein kein Licht noch fiel, Nur daß oft Flammen aus dem Abgrund zucken! Die dunkeln Wasser rauschen schaurig drunten, Und Wolken liegen in den Schluchten hin. Es kam mich einsmals dort gar seltsam an, Als ich so über die todten Massen In eigner kräftiger Bewegung schritt. Es glüht mein Aug’, es hebet sich mein Arm, Mein Mantel wallt, es flattern meine Locken, Ich rufe durch die Stille hin: Es werde! — Unmächt’ge Stimme schwacher Kreatur! Auch hieher dringt noch die rastlose Zeit; Die Tannen, die so trotzig stehn, sie müssen Zur Menschenwohnung sich zusammenfügen; Die Felsen werden vom Gebirg gerollt Und steigen neu, als hehre Dom’, empor. Kaum tretet Ihr in diese Wildniß ein, Und habt schon so tiefsinnige Gedanken. Und nun, mein guter Eckart, sey mir treu, Wie du es meinem lieben Vater warst! Wir nehmen unsern Sitz in diesem Schloß, Ich und die werthe Frau hier, mein Gemahl, Doch bleibt es ein Geheimniß, wer wir sind. So ziehn wir denn zur neuen Hofburg ein! (Alle ab.) (tritt auf und singt ) O Tannenbaum, du edles Reis! Bist Sommer und Winter grün. So ist auch meine Liebe, Die grünet immerhin. O Tannenbaum! doch kannst du nie In Farben freudig blühn. So ist auch meine Liebe, Ach! ewig dunkel grün. (Ab.) Das Ständchen . Junker David. Absalon und andere Bediente Davids . Garten. Mondschein . Wie angenehme, warme Sommernacht! Die Frösche singen und die Grillen pfeifen; So stimmen wir auch unsre Musik an! Wir sollten eine schwärzre Nacht erwarten Mit unsrem Frevel gegen die Musik; Verruchte Thaten lieben Finsterniß. Hier ist kein Frevel! Meiner Dame Herz Möcht’ ich ersteigen auf der Töne Leiter. O trauet Eurer Leiter nicht zu sehr! Es krachen, brechen alle Stufen. Schweig! Was murrst du ewig, du Undankbarer, Den brodlos ich in meine Dienste nahm? Noch hatt’ ich Brod und brodlos ward ich erst In Eurem Dienst, vom Dienste lebt sich’s nicht. Doch dies ist nicht mein höchstes Mißgeschick. In der Musik ließ ich dich unterweisen Auf dein inständig Flehen. Traun! Ihr trefft Die rechte Saite, die Ihr nie noch traft. Als ich ein Knabe war, da kamen oft Die Harfner, wandernd, vor des Vaters Thür. Sie dünkten theure Boten mir zu seyn Aus einer Welt von vollern Harmonien, Nach der sie heisses Sehnen mir erweckten. Und bald verließ ich meiner Eltern Heerd, Als wollt’ ich suchen das gelobte Land, Wo jene Himmelssprache der Musik Gesprochen würde — weh! ich kam zu Euch, Dem Antipoden der melod’schen Zone. Ha! stammt nicht mein tonliebendes Geschlecht Vom König David her, der Harfner erstem? Von König David und Bathseba wohl, Drum blieb zum Fluch Euch der unsel’ge Hang. So sucht’ ich dich umsonst mir zu verbinden, Da ich den Namen Absalon dir gab Und väterlich die Kunst in dir gepflegt? Ich weiß es nicht, durch welchen Höllenzauber Ihr mich gerissen aus der Christenheit Und fest mich haltet in verhaßtem Bann. Vergebens gab ich dir die schöne Geige, Ein werthes Erbstück, trefflich ausgespielt? Das eben ist mein Jammer, daß ihr mich Gekettet an dies mißgelaunte Werkzeug, Dies Ungeheuer, jeden Wohllauts Feind, Ganz ungelehrig für die Melodie. Mein Flehen, all mein innigstes Verlangen Hat ihm noch keinen lautern Ton entlockt. Ich mag es streicheln, schüttern, schlagen, nichts Gewinn’ ich, als ein mürrisches Gekreisch. Ich hörte, daß man böse Geister oft In Säcke bannt und in den Strom versenkt; Fürwahr, in dieser Geige Kasten sind Des Mißlauts Plagegeister all gebannt, Wo sie nun ewig stöhnen, winseln, henlen. Laßt mich sie senken in des Meeres Tiefe, Zum tauben Abgrund, zu den stummen Fischen! Und reißt sich dennoch solch ein Mißton los, Dann bäumt, ihr Wellen, euch, verschlinget ihn! Ihr Stürme, macht euch auf, ihn zu zerreißen, Bevor zu Menschenohren er gelangt! Halt ein! Zum Werk, ihr Leute! Flugs gestimmt! (Sie stimmen.) Ist keine Rettung? Ist die Harmonie Gestorben? Sind die Engel der Musik Gefallen und Satane worden? Still! (Er singt zur Harfe:) David ward herabgelassen Von dem Fenster an dem Seil, Michal, seine treue Gattin, Ließ ihn nieder, ihm zum Heil. Schönstes Fräulein! liebste Michal! Hör auf meiner Triller Lauf! Ziehe du zu deinem Fenster Mich verkehrten David auf! Baalspfaffen ihr mit grimmigem Gekreisch, So muß ich noch als euer Opfer sterben! Bin ich von diesem grausen Mißgetön Nicht krumm gewachsen? Haben sich die Augen Mir nicht verdreht? Verruchter Lästerer! Verhöhnest du des eignen Herrn Gestalt? Nun weiß ich, wie dem Absalon es war, Als an den Haaren er vom Baume hieng Und ihm drei Spieße fuhren durch das Herz. O Undank! wahrhaft zweiter Absalon! Ich könnte nicht dem Absalon verargen Den Aufruhr gegen seinen eignen Vater, Wenn dieser hätte musizirt wie Ihr. Recht rührend war’s. Ein Stein erbarmte sich. Gebt Acht, daß nicht dies Haus zusammenstürzt! Amphions göttliche Musik bewog Die Steine, selber sich zum Bau zu fügen, Die unsre muß der Mauer Fugen lösen. Was zeigt sich Weisses dort am Fenster? seht Die Feueraugen! Merket auf, sie spricht! Des Fräuleins Katze ruft uns Beifall zu. Das Fräulein wird sich in die Decke hüllen, Ergrauend vor der Nachtgespenster Lärm. Nur Eines noch, so wird sie selbst erscheinen! (Sie stimmen wieder.) Der Mond, die Sterne, die so freundlich erst Herniederlauschten, hoffend auf Musik, Sie haben, gleich dem Fräulein, sich verhüllt. Wir haben aufgeregt des Himmels Zorn, Ich höre schon die fernen Donner grollen. Der Himmel wirft die Blitze nach uns aus, Wie König Saul nach Eurem Ahn den Spieß. Es schlägt der Blitz wohl gern in die Musik? Mich überfällt ein Schauer. Laßt uns fliehn! Hätt’ diese Unmusik noch lang gewährt, Es wären, traun! Erdbeben noch entstanden, Die Erde hätt’ im Innern sich geschüttelt. (Es donnert. Alle ab, außer Absalon.) Ich höre dich, gewalt’ge Donnerstimme! Dich herrlichen Choral der Wolken. Vergeh, erbärmlich Machwerk! ich bin frei! (Er schleudert die Geige an die Mauer. Ab.) Normännischer Brauch . Dem Freiherrn de la Motte Fouqu é zugeeignet . Balder , ein Seefahrer. Richard , ein Fischer. Thorilde . Fischerhütte auf einer Insel an der Küste der Normandie . Dies auf dein Wohlseyn, vielgeehrter Wirth! Fürwahr, ich hab’s dem tollen Sturme Dank, Der mich in deiner Insel Bucht gejagt, Denn solch ein traulich Mahl am stillen Heerd Hat mich seit langer Zeit nicht mehr gelabt. Man trifft’s in Fischerhütten besser nicht, Hat’s dir behagt, viel Ehr’ und Freude mir! Insonders werth ist mir so edler Gast, Der aus dem nord’schen Heimathlande kömmt, Von wannen unsre Väter hergeschifft, Davon man noch so Vieles sagt und singt. Doch muß ich dir eröffnen, edler Herr, Wer bei mir einkehrt, sey er noch so arm, Wird angesprochen um ein Gastgeschenk. Mein Schiff, das in der Bucht vor Anker liegt, Es hegt der seltnen Waaren mancherlei, Die ich vom Mittelmeere hergeführt, Goldfrüchte, süsse Weine, bunte Vögel; Auch wahrt es Waffen, nord’scher Schmiede Werk, Zweischneid’ge Schwerdter, Harnisch, Helm und Schild. Nicht solches meint’ ich, du verstehst mich falsch. Es ist ein Brauch in unsrer Normandie: Wer einen Gast an seinem Heerd empfieng, Verlangt von ihm ein Mährchen oder Lied Und gibt sofort ein Gleiches ihm zurück. Ich halt’ in meinen alten Tagen noch Die edeln Sagen und Gesänge werth, Darum erlass’ ich dir die Fodrung nicht. Ein Mährchen ist oft süß wie Cyperwein, Wie Früchte duftig und wie Vögel bunt, Und manch ein alterthümlich Heldenlied Ertönt wie Schwerdtgeklirr und Schildesklang, Drum war mein Irrthum wohl nicht allzu groß. Zwar weiß ich nicht so Herrliches zu melden, Doch ehrt’ ich gern den löblichen Gebrauch. Vernimm denn, was in heitrer Mondnacht jüngst Ein Schiffgenoß auf dem Verdeck erzählt! Noch einen Trunk, mein Gast! Beginne dann! Zween nord’sche Grafen hatten manches Jahr Das Meer durchsegelt mir vereinten Wimpeln, Vereint bestanden manch furchtbaren Sturm, Manch heiße Schlacht zur See und am Gestad, Auch manchesmal im Süden oder Osten Auf blüh’ndem Strand zusammen ausgeruht; Jetzt ruhten sie daheim auf ihren Burgen, In gleiche Trauer Beide tief versenkt, Denn Jeder hatt’ ein treues Ehgemahl Unlängst begleitet nach der Ahnengruft. Doch sproßt’ auch Jedem aus dem düstern Gram Ein süßes, ahnungsvolles Glück heraüf: Dem Einen blüht’ ein muntrer Sohn, Der Andre pflegt’ ein liebes Töchterlein. Um ihren alten Freundschaftsbund zu krönen Und daurendes Gedächtniß ihm zu stiften, Beschlossen sie, die theuern Sprößlinge Dereinst durch heil’ge Bande zu verknüpfen. Zween goldne Ringe ließen sie bereiten, Die man, den zarten Fingern noch zu weit, An bunten Bändern um die Hälschen hing. Ein Sapphir, wie des Mägdleins Auge blau, War in des jungen Grafen Ring gefügt, Im andern glüht’ ein rosenrother Stein, Recht wie des Knaben frisches Wangenblut. Ein rosenrother Stein im goldnen Reif, Das war des Mädchens Schmuck? verstand ich’s wohl? Ja! wie du sagst, doch kömmt’s darauf nicht an. Schon wuchs der Knabe hoch und schlank herauf, In Waffenspielen ward er früh geübt, Schon tummelt’ er ein kleines, schmuckes Roß. Nicht soll er, wie der Vater, einst das Meer Uhlands Gedichte. 10 Auf abenteuerlicher Fahrt durchschweifen, Beschirmen soll er einst mit starker Hand Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen, Vereintes Erbthum beider Grafenstämme. Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß Noch in der Wieg’, im dämmernden Gemach, Von treuen Wärterinnen wohl besorgt. Nun kam ein milder Frühlingstag in’s Land, Da trugen sie das ungeduld’ge Kind Zum sonnig heitern Meeresstrand hinab Und brachten Blum’ und Muschel ihm zum Spiel. Die See, von leisem Lufthauch kaum bewegt, Sie spiegelte der Sonne klares Bild Und warf den Zitterschein auf’s junge Grün. Am Strande lag gerad’ ein kleiner Kahn, Den schmücken jetzt die Frau’n mit Schilf und Blumen Und legen ihren holden Pflegling drein Und schauckeln ihn am Ufer auf und ab. Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit, Doch eben unter’m fröhlichsten Gelächter Entschlüpft das Band, daran sie spielend ziehn, Und als sie es bemerken, kann ihr Arm Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen. So scheinbar still die See, so wellenlos, Doch spült sie weiter stets den Kahn hinaus. Man höret noch des Kindes herzlich Lachen, Die Frauen aber sehn verzweifelnd nach, Mit Händeringen, wildem Angstgeschrei. Der Knabe, der sein Liebchen zu besuchen Gekommen war und jetzt das leichte Roß Auf grüner Uferwiese tummelte, Er sprengt auf das Geschrei im Flug heran, Er treibt sein Pferdchen muthig in die See Und meint das blum’ge Fahrzeug zu erschwimmen. Kaum aber prüft das Thier die kalte Flut, So schüttelt sich’s und wendet störrig um Und reißt den Reiter an den Strand zurück. Derweil hat schon der Nachen mit dem Kind Hinausgetrieben aus der stillen Bucht, Und frisches Wehen auf der offnen See Entführt ihn bald den Blicken. Armes Kind! Die heil’gen Engel mögen dich umschweben! Dem Vater kömmt die Schreckensbotschaft zu, Gleich läßt er alle Schiffe, groß und klein, Auslaufen und das schnellste trägt ihn selbst. Doch spurlos ist das Meer, der Abend sinkt, Die Winde wechseln, nächtlich tobt der Sturm. Von mondenlangem Suchen bringen sie Den leeren, morschen Nachen nur zurück, Mit abgewelkten Kränzen — Was stört dich in der Rede, werther Gast? Du stockst, du athmest tief. Ich fahre fort. Seit jenem Unfall freute sich der Knabe Nicht mehr des Rosselenkens, wie zuvor, Viel lieber übt’ er sich im Schwimmen, Tauchen, Am Ruder prüft’ er gerne seinen Arm. Als er zum kräft’gen Jüngling nun erstarkt, Da heischt er Schiffe von dem Vater. Nichts hat das feste Land, was er begehrt, Kein Fräulein auf den Burgen reizet ihn, Dem wilden Meere scheint er anverlobt, Darein das Mägdlein und der Ring versank. Auch rüstet er sein Hauptschiff seltsam aus Mit Purpurwimpeln, goldnem Bilderschmuck, Wie Einer, der die Braut meerüber holt. Fast wie das deine drunten in der Bucht, Nicht wahr, mein wackrer Seemann? Wenn du willst . Mit jenem reichgeschmückten Hochzeitschiff Hat er in manchem grausen Sturm geschwankt. Wenn so zu Donnerschlag und Sturmgebraus Die Wogen tanzen, feiner Hochzeittanz! Manch blut’ge Seeschlacht hat er durchgekämpft Und ist davon im Norden wohl bekannt, Mit sondrem Namen ward er dort belegt: Springt er hinüber, mit geschwungnem Schwerdt, Auf ein geentert Schiff, dann schreit das Volk: „Weh uns! vertilg uns nicht, Meerbräutigam!“ — Das ist mein Mährchen. Habe Dank dafür! Es hat mir recht mein altes Herz bewegt. Nur, dünkt mir, fehlt ihm noch der volle Schluß. Wer weiß, ob wirklich denn das Kind versank, Ob nicht ein fremdes Schiff vorüberfuhr, Das flugs an Bord den armen Fündling nahm, Den morschen Kahn der Meerfluth überließ? Vielleicht auf einer Insel, wie die unsre, Ward dann das schwache Kindlein abgesetzt, Von frommen Händen sorgsamlich gepflegt, Und ist zur holden Jungfrau nun erblüht. Du weißt geschickt ein Mährchen auszuspinnen. So laß nun deines hören, wenn’s beliebt! In vor’gen Tagen wußt’ ich manche Mähr’ Von unsern alten Herzogen und Helden Und sonderlich vom Richard Ohnefurcht, Der Nachts so hell alswie am Tage sah, Der durch den öden Wald allnächtlich ritt Und mit Gespenstern manchen Strauß bestand; Doch jetzt ist mein Gedächtniß alterschwach, Verworren schwankt mir Alles vor dem Sinn. Drum soll das junge Mädchen mich vertreten, Das dort so still und abgewendet sitzt Und Netze strickt bei’m trüben Lampenschein. Sie hat sich manches gute Lied gemerkt Und hat ’ne Kehle, wie die Nachtigall. Thorilde! darfst den edeln Gast nicht scheun, Sing uns das Lied vom Mägdlein und vom Ring, Das einst der alte Sänger dir gereimt! Ein feines Lied! ich weiß, du singst es gern. (singt:) Wohl sitzt am Meeresstrande Ein zartes Jungfräulein, Sie angelt manche Stunde, Kein Fischlein beißt ihr ein. Sie hat ’nen Ring am Finger Mit rothem Edelstein, Den bindt sie an die Angel, Wirft ihn in’s Meer hinein. Da hebt sich aus der Tiefe ’ne Hand, wie Elfenbein, Die läßt am Finger blinken Das goldne Ringelein. Da hebt sich aus dem Grunde Ein Ritter, jung und fein, Er prangt in goldnen Schuppen Und spielt im Sonnenschein. Das Mägdlein spricht erschrocken: „Nein, edler Ritter, nein! Laß du mein Ringlein golden! Gar nicht begehrt’ ich dein.“ „Man angelt nicht nach Fischen Mit Gold und Edelstein, Das Ringlein lass’ ich nimmer, Mein eigen mußt du seyn.“ Was hör’ ich? seltsam ahnungsvoller Sang! Was seh’ ich? welch ein himmlisch Angesicht Hebt süß erröthend sich aus goldnen Locken Und mahnt mich an die ferne Kinderzeit! Ha! an der Rechten blinkt der goldne Ring, Der rothe Stein; du bist’s, verlorne Braut! Ich bin’s, den sie Meerbräutigam genannt, Hier ist der Sapphir, wie dein Auge blau, Und drunten liegt das Hochzeitschiff bereit. Das hab’ ich längst gedacht, verehrter Held! Ja! nimm sie hin, mein theures Pflegekind, Halt sie nur fest in deinem starken Arm, Du drückst ein treues Herz an deine Brust. Doch sieh einmal! du hast dich ganz verwirrt Im Netze, das mein fleißig Kind gestrickt. Balladen und Romanzen . Entsagung . Wer entwandelt durch den Garten Bei der Sterne bleichem Schein? Hat er Süßes zu erwarten? Wird die Nacht ihm selig seyn? Ach! der Harfner ist’s, er sinkt Nieder an des Thurmes Fuße, Wo es spät herunterblinkt, Und beginnt zum Saitengruße: „Lausche, Jungfrau, aus der Höhe Einem Liede, dir geweiht! Daß ein Traum dich lind umwehe Aus der Kindheit Rosenzeit. Mit der Abendglocke Klang Kam ich, will vor Tage gehen, Und das Schloß, dem ich entsprang, Nicht im Sonnenstrale sehen. Von dem kerzenhellen Saale, Wo du throntest, blieb ich fern, Wo um dich bei’m reichen Mahle Freudig saßen edle Herrn. Mit der Freude nur vertraut, Hätten Frohes sie begehret, Nicht der Liebe Klagelaut, Nicht der Kindheit Recht geehret. Bange Dämmerung entweiche! Düstre Bäume, glänzet neu! Daß ich in dem Zauberreiche Meiner Kindheit selig sey. Sinken will ich in den Klee, Bis das Kind mit leichtem Schritte Wandle her, die schöne Fee, Und mit Blumen mich beschütte. Ja! die Zeit ist hingeflogen, Die Erinnrung weichet nie; Als ein lichter Regenbogen Steht auf trüben Wolken sie. Schauen flieht mein süßer Schmerz, Daß nicht die Erinnrung schwinde. Sage das nur, ob dein Herz Noch der Kindheit Lust empfinde?“ Und es schwieg der Sohn der Lieder, Der am Fuß des Thurmes saß; Und vom Fenster klang es nieder, Und es glänzt’ im dunkeln Gras. „Nimm den Ring, und denke mein, Denk an unsrer Kindheit Schöne! Nimm ihn hin! ein Edelstein Glänzt darauf und eine Thräne.“ Die Nonne . Im stillen Klostergarten Eine bleiche Jungfrau ging; Der Mond beschien sie trübe, An ihrer Wimper hing Die Thräne zarter Liebe. „O wohl mir, daß gestorben Der treue Buhle mein! Ich darf ihn wieder lieben: Er wird ein Engel seyn, Und Engel darf ich lieben.“ Sie trat mit zagem Schritte Wohl zum Mariabild; Es stand in lichtem Scheine, Es sah so muttermild Herunter auf die Reine. Sie sank zu seinen Füßen, Sah auf mit Himmelsruh, Bis ihre Augenlieder Im Tode fielen zu; Ihr Schleier wallte nieder. Der Kranz . Es pflückte Blümlein manigfalt Ein Mägdlein auf der lichten Au; Da kam wohl aus dem grünen Wald Eine wunderschöne Frau. Sie trat zum Mägdlein freundlich hin, Sie schlang ein Kränzlein ihm in’s Haar: „Noch blüht es nicht, doch wird es blühn; O trag’ es immerdar!“ Und als das Mägdlein größer ward, Und sich erging im Mondenglanz, Und Thränen weinte, süß und zart: Da knospete der Kranz. Und als ihr holder Bräutigam Sie innig in die Arme schloß: Da wanden Blümlein wonnesam Sich aus den Knospen los. Sie wiegte bald ein süßes Kind Auf ihrem Schooße mütterlich: Da zeigten an dem Laubgewind Viel goldne Früchte sich. Und als ihr Lieb gesunken war Ach! in des Grabes Nacht und Staub: Da weht’ um ihr zerstreutes Haar Ein herbstlich falbes Laub. Bald lag auch sie erbleichet da, Doch trug sie ihren werthen Kranz: Da war’s ein Wunder, denn man sah So Frucht als Blüthenglanz. Der Schäfer . Der schöne Schäfer zog so nah Vorüber an dem Königsschloß; Die Jungfrau von der Zinne sah, Da war ihr Sehnen groß. Sie rief ihm zu ein süßes Wort: „O dürft’ ich gehn hinab zu dir! Wie glänzen weiß die Lämmer dort, Wie roth die Blümlein hier!“ Der Jüngling ihr entgegenbot: „O kämest du herab zu mir! Wie glänzen so die Wänglein roth, Wie weiß die Arme dir!“ Und als er nun mit stillem Weh In jeder Früh’ vorübertrieb: Da sah er hin, bis in der Höh’ Erschien sein holdes Lieb. Dann rief er freundlich ihr hinauf: „Willkommen, Königstöchterlein!“ Ihr süßes Wort ertönte drauf: „Viel Dank, du Schäfer mein!“ Der Winter floh, der Lenz erschien, Die Blümlein blühten reich umher, Der Schäfer thät zum Schlosse ziehn, Doch Sie erschien nicht mehr. Er rief hinauf so klagevoll: „Willkommen, Königstöchterlein!“ Ein Geisterlaut herunter scholl: „Ade, du Schäfer mein!“ Uhlands Gedichte. 11 Die Vätergruft . Es ging wohl über die Haide Zur alten Kapell’ empor Ein Greis im Waffengeschmeide, Und trat in den dunkeln Chor. Die Särge seiner Ahnen Standen die Hall’ entlang, Aus der Tiefe thät ihn mahnen Ein wunderbarer Gesang. „Wohl hab’ ich euer Grüßen, Ihr Heldengeister! gehört. Eure Reihe soll ich schließen: Heil mir! ich bin es werth.“ Es stand an kühler Stätte Ein Sarg noch ungefüllt, Den nahm er zum Ruhebette, Zum Pfühle nahm er den Schild. Die Hände thät er falten Auf’s Schwerdt, und schlummert’ ein. Die Geisterlaute verhallten; Da mocht’ es gar stille seyn. Die sterbenden Helden . Der Dänen Schwerdter drängen Schwedens Heer Zum wilden Meer. Die Wagen klirren fern, es blinkt der Stahl Im Mondenstral. Da liegen, sterbend, auf dem Leichenfeld Der schöne Sven und Ulf, der graue Held. Sven . O Vater! daß mich in der Jugend Kraft Die Norne rafft! Nun schlichtet nimmer meine Mutter mir Der Locken Zier. Vergeblich spähet meine Sängerin Vom hohen Thurm in alle Ferne hin. Ulf . Sie werden jammern, in der Nächte Graun Im Traum uns schaun. Doch sey getrost! bald bricht der bittre Schmerz Ihr treues Herz. Dann reicht die Buhle dir bei Odins Mahl, Die goldgelockte, lächelnd den Pokal. Sven . Begonnen hab’ ich einen Festgesang Zum Saitenklang, Von Königen und Helden grauer Zeit In Lieb’ und Streit. Verlassen hängt die Harfe nun, und bang Erweckt der Winde Wehen ihren Klang. Ulf . Es glänzet hoch und hehr im Sonnenstral Allvaters Saal, Die Sterne wandeln unter ihm, es ziehn Die Stürme hin. Dort tafeln mit den Vätern wir in Ruh, Erhebe dann dein Lied und end’ es du! Sven . O Vater! daß mich in der Jugend Kraft Die Norne rafft! Noch leuchtet keiner hohen Thaten Bild Auf meinem Schild. Zwölf Richter thronen, hoch und schauerlich, Die werthen nicht des Heldenmahles mich. Ulf . Wohl wieget Eines viele Thaten auf, — Sie achten drauf — Das ist um deines Vaterlandes Noth Der Heldentod. Sieh hin! die Feinde fliehen; blick hinan! Der Himmel glänzt, dahin ist unsre Bahn! Der blinde König . Was steht der nord’schen Fechter Schaar Hoch auf des Meeres Bord? Was will in seinem grauen Haar Der blinde König dort? Er ruft, in bittrem Harme Auf seinen Stab gelehnt, Daß über’m Meeresarme Das Eiland wiedertönt: „Gib, Räuber, aus dem Felsverließ Die Tochter mir zurück! Ihr Harfenspiel, ihr Lied, so süß, War meines Alters Glück. Vom Tanz auf grünem Strande Hast du sie weggeraubt, Dir ist es ewig Schande, Mir beugt’s das graue Haupt.“ Da tritt aus seiner Kluft hervor Der Räuber, groß und wild, Er schwingt sein Hünenschwerdt empor Und schlägt an seinen Schild: „Du hast ja viele Wächter, Warum denn litten’s die? Dir dient so mancher Fechter, Und keiner kämpft um Sie?“ Noch stehn die Fechter alle stumm, Tritt keiner aus dem Reihn, Der blinde König kehrt sich um: „Bin ich denn ganz allein?“ Da faßt des Vaters Rechte Sein junger Sohn so warm: „Vergönn mir’s, daß ich fechte! Wohl fühl’ ich Kraft im Arm.“ „O Sohn! der Feind ist riesenstark, Ihm hielt noch Keiner Stand. Und doch! in dir ist edles Mark, Ich fühl’s am Druck der Hand. Nimm hier die alte Klinge! Sie ist der Skalden Preis. Und fällst du, so verschlinge Die Flut mich armen Greis!“ Und horch! es schäumet und es rauscht Der Nachen über’s Meer. Der blinde König steht und lauscht, Und Alles schweigt umher; Bis drüben sich erhoben Der Schild’ und Schwerdter Schall, Und Kampfgeschrei und Toben, Und dumpfer Wiederhall. Da ruft der Greis so freudig bang: „Sagt an, was ihr erschaut! Mein Schwerdt, ich kenn’s am guten Klang, Es gab so scharfen Laut.“ „Der Räuber ist gefallen, Er hat den blut’gen Lohn. Heil dir, du Held vor allen, Du starker Königssohn!“ Und wieder wird es still umher, Der König steht und lauscht: „Was hör’ ich kommen über’s Meer? Es rudert und es rauscht.“ „Sie kommen angefahren, Dein Sohn mit Schwerdt und Schild, In sonnehellen Haaren Dein Töchterlein Gunild.“ „Willkommen! — ruft vom hohen Stein Der blinde Greis hinab — Nun wird mein Alter wonnig seyn Und ehrenvoll mein Grab. Du legst mir, Sohn, zur Seite Das Schwerdt von gutem Klang, Gunilde, du Befreite, Singst mir den Grabgesang.“ Der Sänger . Noch singt den Wiederhallen Der Knabe sein Gefühl; Die Elfe hat Gefallen Am jugendlichen Spiel. Es glänzen seine Lieder Wie Blumen rings um ihn; Sie gehn mit ihm wie Brüder Durch stille Haine hin. Er kommt zum Völkerfeste, Er singt im Königssaal, Ihm staunen alle Gäste, Sein Lied verklärt das Mahl; Der Frauen schönste krönen Mit lichten Blumen ihn; Er senkt das Aug’ in Thränen Und seine Wangen glühn. Gretchens Freude . Was soll doch dies Trommeten seyn? Was deutet dies Geschrei? Will treten an das Fensterlein, Ich ahne, was es sey. Da kehrt er ja, da kehrt er schon Vom festlichen Turnei, Der ritterliche Königssohn, Mein Buhle wundertreu. Wie steigt das Roß und schwebt daher! Wie trutzlich sitzt der Mann! Fürwahr! man dächt’ es nimmermehr, Wie sanft er spielen kann. Wie schimmert so der Helm von Gold, Des Ritterspieles Dank! Ach! drunter glühn vor Allem hold Die Augen, blau und blank. Wohl starrt um ihn des Panzers Erz, Der Rittermantel rauscht: Doch drunter schlägt ein mildes Herz, Das Lieb’ um Liebe tauscht. Die Rechte läßt den Gruß ergehn, Sein Helmgefieder wankt; Da neigen sich die Damen schön, Des Volkes Jubel dankt. Was jubelt ihr und neigt euch so? Der schöne Gruß ist mein. Viel Dank, mein Lieb! ich bin so froh, Gewiß ich bring’ dir’s ein. Nun zieht er in des Vaters Schloß Und knieet vor ihm hin, Und schnallt den goldnen Helm sich los Und reicht dem König ihn. Dann Abends eilt zu Liebchens Thür Sein leiser, loser Schritt; Da bringt er frische Küsse mir Und neue Liebe mit. Das Schloß am Meere . Hast du das Schloß gesehen, Das hohe Schloß am Meer? Golden und rosig wehen Die Wolken drüber her. Es möchte sich niederneigen In die spiegelklare Flut; Es möchte streben und steigen In der Abendwolken Glut. „Wohl hab’ ich es gesehen, Das hohe Schloß am Meer, Und den Mond darüber stehen, Und Nebel weit umher.“ Der Wind und des Meeres Wallen Gaben sie frischen Klang? Vernahmst du aus hohen Hallen Saiten und Festgesang? „Die Winde, die Wogen alle Lagen in tiefer Ruh, Einem Klagelied aus der Halle Hört’ ich mit Thränen zu.“ Sahest du oben gehen Den König und sein Gemahl? Der rothen Mäntel Wehen? Der goldnen Kronen Stral? Führten sie nicht mit Wonne Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, Stralend im goldnen Haar? „Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, Im schwarzen Trauerkleide; Die Jungfrau sah ich nicht.“ Vom treuen Walther . Der treue Walther ritt vorbei An unsrer Frau Kapelle. Da kniete gar in tiefer Reu’ Ein Mägdlein an der Schwelle. „Halt an, halt an, mein Walther traut! Kennst du nicht mehr der Stimme Laut, Die du so gerne hörtest?“ „Wen seh’ ich hier? Die falsche Maid, Ach! weiland, ach, die Meine! Wo liessest du dein seiden Kleid? Wo Gold und Edelsteine?“ „O daß ich von der Treue ließ! Verloren ist mein Paradies, Bei dir nur find’ ich’s wieder.“ Er hub zu Roß das schöne Weib, Er trug ein sanft Erbarmen; Sie schlang sich fest um seinen Leib Mit weissen, weichen Armen. „Ach, Walther traut! mein liebend Herz, Es schlägt an kaltes, starres Erz, Es klopft nicht an dem deinen.“ Sie ritten ein in Walthers Schloß, Das Schloß war öd’ und stille, Sie band den Helm dem Ritter los; Hin war der Schönheit Fülle. „Die Wangen bleich, die Augen trüb, Sie sind dein Schmuck, du treues Lieb! Du warst mir nie so lieblich.“ Die Rüstung löst die fromme Maid Dem Herrn, den sie betrübet. „Was seh’ ich? ach! ein schwarzes Kleid! Wer starb, den du geliebet?“ „Die Liebste mein betraur’ ich sehr, Die ich auf Erden nimmermehr, Noch über’m Grabe finde.“ Sie sinkt zu seinen Füßen hin, Mit ausgestreckten Armen. „Da lieg’ ich arme Büßerin, Dich fleh’ ich um Erbarmen. Erhebe mich zu neuer Lust! Laß mich an deiner treuen Brust Von allem Leid genesen!“ „Steh auf, steh auf, du armes Kind! Ich kann dich nicht erheben; Die Arme mir verschlossen sind, Die Brust ist ohne Leben. Sey traurig stets, wie ich es bin! Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin, Und kehret niemals wieder.“ Der Pilger . Es wallt ein Pilger hohen Dranges, Er wallt zur sel’gen Gottesstadt, Zur Stadt des himmlischen Gesanges, Die ihm der Geist verheißen hat. „Du klarer Strom! in deinem Spiegel Wirst du die heil’ge bald umfahn. Ihr sonnehellen Felsenhügel! Ihr schaut sie schon von Weitem an. Wie ferne Glocken hör’ ich’s klingen, Das Abendroth durchblüht den Hain. O hätt’ ich Flügel, mich zu schwingen Weit über Thal und Felsenreihn!“ Er ist von hoher Wonne trunken, Er ist von süßen Schmerzen matt, Und, in die Blumen hingesunken, Gedenkt er seiner Gottesstadt. „Sie sind zu groß noch, diese Räume, Für meiner Sehnsucht Flammenqual; Empfahet ihr mich, milde Träume, Und zeigt mir das ersehnte Thal!“ Da ist der Himmel aufgeschlagen, Sein lichter Engel schaut herab: „Wie sollt’ ich dir die Kraft versagen, Dem ich das hohe Sehnen gab! Die Sehnsucht und der Träume Weben, Sie sind der weichen Seele süß, Doch edler ist ein starkes Streben Und macht den schönen Traum gewiß.“ Er schwindet in die Morgendüfte; Der Pilger springt gestärkt empor, Er strebet über Berg’ und Klüfte, Er stehet schon am goldnen Thor. Und sieh! gleich Mutterarmen schließet Die Stadt der Pforte Flügel auf; Ihr himmlischer Gesang begrüßet Den Sohn nach tapfrem Pilgerlauf. Abschied . Was klinget und singet die Straß’ herauf? Ihr Jungfern, machet die Fenster auf! Es ziehet der Bursch in die Weite, Sie geben ihm das Geleite. Wohl jauchzen die Andern und schwingen die Hüt’, Viel Bänder darauf und viel edle Blüth’, Doch dem Burschen gefällt nicht die Sitte, Geht still und bleich in der Mitte. Wohl klingen die Kannen, wohl funkelt der Wein; „Trink aus und trink wieder, lieb Bruder mein!“ „Mit dem Abschiedsweine nur fliehet, Der da innen mir brennet und glühet!“ Und draußen am allerletzten Haus, Da gucket ein Mägdlein zum Fenster heraus, Sie möcht’ ihre Thränen verdecken Mit Gelbveiglein und Rosenstöcken. Und draußen am allerletzten Haus, Da schlägt der Bursche die Augen auf, Und schlägt sie nieder mit Schmerze Und leget die Hand auf’s Herze. Uhlands Gedichte. 12 „Herr Bruder! und hast du noch keinen Strauß, Dort winken und wanken viel Blumen heraus. Wohlauf, du Schönste von Allen, Laß ein Sträußlein herunterfallen!“ „Ihr Brüder, was sollte das Sträußlein mir? Ich hab’ ja kein liebes Liebchen, wie ihr. An der Sonne würd’ es vergehen, Der Wind, der würd’ es verwehen.“ Und weiter, ja weiter mit Sang und mit Klang! Und das Mägdlein lauschet und horchet noch lang. „O weh! er ziehet, der Knabe, Den ich stille geliebet habe. Da steh’ ich, ach! mit der Liebe mein, Mit Rosen und mit Gelbveigelein; Dem ich Alles gäbe so gerne, Der ist nun in der Ferne.“ Des Knaben Tod . „Zeuch nicht den dunkeln Wald hinab! Es gilt dein Leben, du junger Knab!“ „Mein Gott im Himmel, der ist mein Licht, Der läßt mich im dunkeln Walde nicht.“ Da zeucht er hinunter, der junge Knab, Es braust ihm zu Füßen der Strom hinab, Es saust ihm zu Haupte der schwarze Wald, Und die Sonne versinket in Wolken bald. Und er kommt an’s finstere Räuberhaus, Eine holde Jungfrau schauet heraus: „O wehe! du bist so ein junger Knab, Was kommst du in’s Thal des Todes herab?“ Aus dem Thor die mördrische Rotte bricht, Die Jungfrau decket ihr Angesicht, Sie stoßen ihn nieder, sie rauben sein Gut, Sie lassen ihn liegen in seinem Blut. „O weh! wie dunkel! keine Sonne, kein Stern! Wen ruf’ ich an? ist mein Gott so fern? Ha! Jungfrau dort, im himmlischen Schein, Nimm auf meine Seel’ in die Hände dein!“ Der Traum . Im schönsten Garten wallten Zwei Buhlen, Hand in Hand, Zwo bleiche, kranke Gestalten, Sie saßen in’s Blumenland. Sie küßten sich auf die Wangen Und küßten sich auf den Mund, Sie hielten sich fest umfangen, Sie wurden jung und gesund. Zwei Glöcklein klangen helle, Der Traum entschwand zur Stund’; Sie lag in der Klosterzelle, Er fern in Thurmes Grund. Drei Fräulein . 1. Drei Fräulein sahn vom Schlosse Hinab in’s tiefe Thal. Ihr Vater kam zu Rosse, Er trug ein Kleid von Stahl. „Willkomm, Herr Vater, Gottwillkomm! Was bringst du deinen Kindern? Wir waren alle fromm.“ „Mein Kind im gelben Kleide! Heut hab’ ich dein gedacht. Der Schmuck ist deine Freude, Dein Liebstes ist die Pracht. Von rothem Gold die Kette hier Nahm ich dem stolzen Ritter, Gab ihm den Tod dafür.“ Das Fräulein schnell die Kette Um ihren Nacken band. Sie ging hinab zur Stätte, Da sie den Todten fand. „Du liegst am Wege, wie ein Dieb, Und bist ein edler Ritter, Und bist mein seines Lieb.“ Sie trug ihn auf den Armen Zum Gotteshaus hinab; Sie legt’ ihn mit Erbarmen In seiner Väter Grab. Die Kett’, die ihr am Halse schien, Die zog sie fest zusammen, Und sank zum Lieb dahin. 2. Zwei Fräulein sahn vom Schlosse Hinab in’s tiefe Thal. Ihr Vater kam zu Rosse, Er trug ein Kleid von Stahl. „Willkomm, Herr Vater, Gottwillkomm! Was bringst du deinen Kindern? Wir waren beide fromm.“ „Mein Kind im grünen Kleide! Heut hab’ ich dein gedacht. Die Jagd ist deine Freude Bei Tag und auch bei Nacht. Den Spieß an goldnem Bande hier Nahm ich dem wilden Jäger, Gab ihm den Tod dafür.“ Sie nahm den Spieß zu Händen, Den ihr der Vater bot, Thät in den Wald sich wenden, Ihr Jagdruf war der Tod. Dort in der Linde Schatten traf Sie bei den treuen Bracken Ihr Lieb im tiefen Schlaf. „Ich komme zu der Linde, Wie ich dem Lieb verhieß.“ Da stieß sie gar geschwinde In ihre Brust den Spieß. Sie ruhten bei einander kühl, Waldvöglein sangen oben, Grün Laub herunter fiel. 3. Ein Fräulein sah vom Schlosse Hinab in’s tiefe Thal. Ihr Vater kam zu Rosse, Er trug ein Kleid von Stahl. „Willkomm, Herr Vater, Gottwillkomm! Was bringst du deinem Kinde? Ich war wohl still und fromm.“ „Mein Kind im weissen Kleide! Wohl hab’ ich dein gedacht. Die Blumen sind dein’ Freude, Mehr als des Goldes Pracht. Das Blümlein, klar wie Silber, hier Nahm ich dem kühnen Gärtner, Gab ihm den Tod dafür.“ „Wie war er so verwegen? Warum erschlugst du ihn? Er thät der Blümlein pflegen, Die werden nun verblühn.“ „Er hat mir wunderkühn versagt Die schönste Blum’ im Garten, Die spart’ er seiner Magd.“ Das Blümlein lag der Zarten An ihrer weichen Brust. Sie ging in einen Garten, Der war wohl ihre Lust. Da schwoll ein frischer Hügel auf, Dort bei den weissen Lilien, Sie setzte sich darauf. „O könnt’ ich thun zur Stunde Den lieben Schwestern gleich! Doch’s Blümlein gibt kein’ Wunde, Es ist so zart und weich.“ Auf’s Blümlein sah sie, bleich und krank, Bis daß ihr Blümlein welkte, Bis daß sie niedersank. Der schwarze Ritter . Pfingsten war, das Fest der Freude, Das da feiern Wald und Haide. Hub der König an zu sprechen: „Auch aus den Hallen Der alten Hofburg allen Soll ein reicher Frühling brechen!“ Trommeln und Trommeten schallen, Rothe Fahnen festlich wallen. Sah der König vom Balkone; In Lanzenspielen Die Ritter alle fielen Vor des Königs starkem Sohne. Aber vor des Kampfes Gitter Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter. „Herr! wie ist Eur Nam’ und Zeichen?“ „Würd’ ich es sagen, Ihr möchtet zittern und zagen, Bin ein Fürst von großen Reichen.“ Als er in die Bahn gezogen, Dunkel ward des Himmels Bogen Und das Schloß begann zu beben. Beim ersten Stoße Der Jüngling sank vom Rosse, Konnte kaum sich wieder heben. Pfeif’ und Geige ruft zu Tänzen, Fackeln durch die Säle glänzen; Wankt ein großer Schatten drinnen. Er thät mit Sitten Des Königs Tochter bitten, Thät den Tanz mit ihr beginnen. Tanzt im schwarzen Kleid von Eisen, Tanzet schauerliche Weisen, Schlingt sich kalt um ihre Glieder. Von Brust und Haaren Entfallen ihr die klaren Blümlein welk zur Erde nieder. Und zur reichen Tafel kamen Alle Ritter, alle Damen. Zwischen Sohn und Tochter innen Mit bangem Muthe Der alte König ruhte, Sah sie an mit stillem Sinnen. Bleich die Kinder beide schienen, Bot der Gast den Becher ihnen: „Goldner Wein macht euch genesen.“ Die Kinder tranken, Sie thäten höflich danken: „Kühl ist dieser Trunk gewesen.“ An des Vaters Brust sich schlangen Sohn und Tochter; ihre Wangen Thäten völlig sich entfärben. Wohin der graue, Erschrockne Vater schaue, Sieht er eins der Kinder sterben. „Weh! die holden Kinder beide Nahmst du hin in Ingendfreude: Nimm auch mich, den Freudelosen!“ Da sprach der Grimme Mit hohler, dumpfer Stimme: „Greis! im Frühling brech’ ich Rosen.“ Der Rosengarten . Vom schönen Rosengarten Will ich mit Sang euch melden. Am Morgen lustwandelten Fraun, Am Abend fochten die Helden. „Mein Herr ist König im Land, Ich herrsch’ im Garten der Rosen, Er hat sich die güldene Kron’, Ich den Blumenkranz mir erkosen. So hört, ihr junge Recken, Ihr lieben drei Wächter mein! Laßt alle zarten Jungfräulein, Laßt keinen Ritter herein! Sie möchten die Rosen verderben, Das brächte mir große Sorgen.“ So sprach die schöne Königin Als sie dannen ging am Morgen. Da wandelten die drei Wächter Gar treulich vor der Thür. Die Röslein dufteten stille Und blickten lieblich herfür. Und kamen des Wegs mit Sitten Drei zarte Jungfräulein: „Ihr Wächter, liebe drei Wächter, Laßt uns in den Garten ein!“ Als die Jungfraun Rosen gebrochen, Da han sie all drei gesprochen: „Was blutet mir so die Hand? Hat mich das Röslein gestochen?“ Da wandelten die drei Wächter Gar treulich vor der Thür. Die Röslein dufteten stille Und blickten lieblich herfür. Und kamen des Wegs auf Rossen Drei freche Rittersleut’: „Ihr Wächter, schnöde drei Wächter, Sperret auf die Thüre weit!“ „Die Thüre, die bleibet zu, Die Schwerdter, die sind blos, Die Rosen, die sind theuer, Eine Wund’ gilt jegliche Ros’.“ Da stritten die Ritter und Wächter, Die Ritter den Sieg erwarben, Zertraten die Röslein all, Mit den Rosen die Wächter starben. Und als es war am Abend, Frau Königin kam herbei: „Und sind meine Rosen zertreten, Erschlagen die Jünglinge treu: So will ich auf Rosenblätter Sie legen in die Erde. Und wo der Rosengarten war, Soll der Liliengarten werden. Wer ist es, der die Lilien Mir treulich nun bewacht? Bei Tage die liebe Sonne, Der Mond und die Sterne bei Nacht.“ Die Lieder der Vorzeit . 1807 . Als Knabe stieg ich in die Hallen Verlaßner Burgen oft hinan; Durch alte Städte thät ich wallen, Und sah die hohen Münster an. Da war es, daß mit stillem Mahnen Der Geist der Vorwelt bei mir stand, Da ließ er frühe schon mich ahnen, Was später ich in Büchern fand: Daß Jungfraun dort von ew’gem Preise, Die heil’gen Lieder, einst gewohnt, Und in der Edelfrauen Kreise Bei’m Feste des Gesangs gethront. Da kam der Krieger wild Geschlechte Und warf den Brand in’s frohe Haus. Die Schwestern flohn im Graun der Nächte Nach allen Seiten zagend aus. Wie manche schmachtet, hart gefangen, In eines Kerkers dunklem Grund! Zu keinem milden Ohr gelangen Die Kläng’ aus ihrem zarten Mund. Ach! Jene, die auf öden Wegen Umhergeirret, krank und müd, Sie ist dem schweren Gram erlegen, Und sang noch einmal, eh sie schied. In eines armen Mädchens Kammer Ist einer Andern Aufenthalt, Sie mischt sich in der Freundin Jammer, Wann still der Mond am Himmel wallt. Auch manche wagt der Märterinnen Sich in des Marktes frech Gewühl, Sie will der Menschen Herz gewinnen Und singet sanft zum Saitenspiel. Getrost! schon sinken eure Bande Und Boten ziehn nach Ost und West, In eine Stadt am Neckarstrande Zu laden euch zum neuen Fest. Ihr Heitern, kommt zu Tanzes Feier, Laßt wehn das rosige Gewand! Ihr Ernsten, wallt im Nonnenschleier, Die weisse Lilie in der Hand! Die drei Lieder . In der hohen Hall’ saß König Sifrid: „Ihr Harfner! wer weiß mir das schönste Lied?“ Und ein Jüngling trat aus der Schaar behende, Die Harf’ in der Hand, das Schwerdt an der Lende. „Drei Lieder weiß ich; den ersten Sang, Den hast du ja wohl vergessen schon lang: Meinen Bruder hast du meuchlings erstochen! Und aber: hast ihn meuchlings erstochen! Das andre Lied, das hab’ ich erdacht In einer finstern, stürmischen Nacht: Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben! Und aber: mußt fechten auf Leben und Sterben!“ Da lehnt’ er die Harfe wohl an den Tisch, Und sie zogen Beide die Schwerdter frisch, Und fochten lange mit wildem Schalle, Bis der König sank in der hohen Halle. „Nun sing’ ich das dritte, das schönste Lied, Das werd’ ich nimmer zu singen müd: König Sifrid liegt in seim rothen Blute! Und aber: liegt in seim rothen Blute!“ Uhlands Gedichte. 13 Der junge König und die Schäferin . 1. In dieser Maienwonne, Hier auf dem grünen Plan, Hier unter der goldnen Sonne, Was heb’ ich zu singen an? Wohl blaue Wellen gleiten, Wohl goldne Wolken ziehn, Wohl schmucke Ritter reiten Das Wiesenthal dahin. Wohl lichte Bäume wehen, Wohl klare Blumen blühn, Wohl Schäferinnen stehen Umher in Thales Grün. Herr Goldmar ritt mit Freuden Vor seinem stolzen Zug, Einen rothen Mantel seiden, Eine goldne Kron’ er trug. Da sprang vom Roß geschwinde Der König wohlgethan, Er band es an eine Linde, Ließ ziehn die Schaar voran. Es war ein frischer Bronne Dort in den Büschen kühl; Da sangen die Vögel mit Wonne, Der Blümlein glänzten viel. Warum sie sangen so helle? Warum sie glänzten so baß? Weil an dem kühlen Quelle Die schönste Schäferin saß. Herr Goldmar geht durch Hecken, Er rauschet durch das Grün; Die Lämmer drob erschrecken, Zur Schäferin sie fliehn. „Willkommen, Gottwillkommen! Du wunderschöne Maid! Wärst du zu Schrecken gekommen, Mir wär’ es wahrlich leid.“ „Bin wahrlich nicht erblichen, Als ich dir schwören mag. Ich meint’, es hab’ durchstrichen Ein loser Vogel den Hag.“ „Ach! wolltest du mich erquicken Aus deiner Flasche hier, Ich würd’ es in’s Herz mir drücken Als die größte Huld von dir.“ „Meine Flasche magst du haben, Noch Keinem macht’ ich’s schwer, Will Jeden daraus laben, Und wenn es ein König wär’.“ Zu schöpfen sie sich bücket, Aus der Flasch’ ihn trinken läßt, Gar zärtlich er sie anblicket, Doch hält sie die Flasche fest. Er spricht von Lieb’ bezwungen: „Wie bist du so holder Art! Als wärest du erst entsprungen Mit den andern Blumen zart. Und bist doch mit Würd’ umfangen, Und stralest doch Adel aus, Als wärest hervorgegangen Aus eines Königs Haus.“ „Frag meinen Vater, den Schäfer: Ob er ein König was? Frag meine Mutter, die Schäfrin: Ob sie auf dem Throne saß?“ Seinen Mantel legt er der Holden Um ihren Nacken klar, Er setzet die Krone golden In ihr nußbraunes Haar. Gar stolz die Schäferin blicket, Sie ruft mit hohem Schall: „Ihr Blumen und Bäume, bücket, Ihr Lämmer, neigt euch all!“ Und als den Schmuck sie wieder Ihm beut mit lachendem Mund, Da wirft er die Krone nieder In des Bronnens klaren Grund. „Die Kron’ ich dir vertraue, Ein herzlich Liebespfand, Bis ich dich wiederschaue Nach manchem harten Stand. Ein König liegt gebunden Schon sechszehn lange Jahr’, Sein Land ist überwunden Von böser Feinde Schaar. Ich will sein Land erretten Mit meinen Rittern traut, Ich will ihm brechen die Ketten, Daß er den Frühling schaut. Ich ziehe zum ersten Kriege, Mir werden die Tage schwül. Sprich! labst du mich nach dem Siege Hier aus dem Bronnen kühl?“ „Ich will dir schöpfen und langen Soviel der Bronn vermag. Auch sollst du die Kron’ empfangen So blank, wie an diesem Tag.“ Der erste Sang ist gesungen, So folget gleich der letzt’; Ein Vogel hat sich geschwungen, Laßt sehen, wo er sich setzt! 2. Nun soll ich sagen und singen Von Trommeten und Schwerdterklang, Und hör’ doch Schallmeien klingen, Und höre der Lerchen Gesang. Nun soll ich singen und sagen Von Leichen und von Tod, Und seh’ doch die Bäum’ ausschlagen Und sprießen die Blümlein roth. Nur von Goldmar will ich melden, Ihr hättet es nicht gedacht: Er war der erste der Helden, Wie bei Frauen, so in der Schlacht. Er gewann die Burg im Sturme, Steckt’ auf sein Siegspanier; Da stieg aus tiefem Thurme Der alte König herfür. „O Sonn’! o ihr Berge drüben! O Feld und o grüner Wald! Wie seyd ihr so jung geblieben, Und ich bin worden so alt!“ Mit reichem Glanz und Schalle Das Siegesfest begann; Doch wer nicht saß in der Halle, Das nicht beschreiben kann. Und wär’ ich auch gesessen Dort in der Gäste Reihn, Doch hätt’ ich das Andre vergessen Ob all dem edeln Wein. Da thät zu Goldmar sprechen Der königliche Greis: „Ich geb’ ein Lanzenbrechen, Was setz’ ich euch zum Preis?“ „Herr König, hochgeboren, So setzet uns zum Preis, Statt goldner Helm’ und Sporen, Einen Stab und ein Lämmlein weiß!“ Um was sonst Schäfer laufen In die Wert’ im Blumengefild, Drum sah man die Ritterhaufen Sich tummeln mit Lanz’ und Schild. Da warf die Ritter alle Herr Goldmar in den Kreis, Er empfieng bei Trommetenschalle Einen Stab und ein Lämmlein weiß. Und wieder begann zu sprechen Der königliche Greis: „Ich geb’ ein neues Stechen Und setz’ einen höhern Preis. Wohl setz’ ich euch zum Lohne Nicht eitel Spiel und Tand, Ich setz’ euch meine Krone Aus der schönsten Königin Hand.“ Wie glühten da die Gäste Bei’m hohen Trommetenschall! Wollt’ Jeder thun das Beste, Herr Goldmar warf sie all. Der König stand im Gaden Mit Frauen und mit Herrn, Er ließ Herrn Goldmar laden, Der Ritter Blum’ und Stern. Da kam der Held im Streite, Den Schäferstab in der Hand, Das Lämmlein weiß zur Seite, An rosenrothem Band. Der König sprach: „ich lohne Dir nicht mit Spiel und Tand, Ich gebe dir meine Krone Aus der schönsten Königin Hand.“ Er sprach’s, und schlug zurücke Den Schleier der Königin. Herr Goldmar mit keinem Blicke Wollt’ sehen nach ihr hin. „Keine Königin soll mich gewinnen Und keiner Krone Stral, Ich trachte mit allen Sinnen Nach der Schäferin im Thal. Ich will zum Gruß ihr bieten Das Lämmlein und den Stab. So mög’ euch Gott behüten! Ich zieh’ in’s Thal hinab.“ Da rief eine Stimm’ so helle, Und ihm ward mit einem Mal, Als sängen die Vögel am Quelle, Als glänzten die Blumen im Thal. Die Augen thät er heben, Die Schäferin vor ihm stand, Mit reichem Geschmeid’ umgeben, Die blanke Kron’ in der Hand. „Willkommen, du viel Schlimmer, In meines Vaters Haus! Sprich! willst du ziehn noch immer In’s grüne Thal hinaus? So nimm doch zuvor die Krone, Die du mir liessest zum Pfand! Mit Wucher ich dir lohne, Sie herrscht nun über zwei Land’.“ Nicht länger blieben sie stehen Das Eine vom Andern fern. Was weiter nun geschehen, Das wüßtet ihr wohl gern? Und wollt’ es ein Mädchen wissen, Dem thät’ ich’s plötzlich kund, Dürft’ ich sie umfahn und küssen Auf den rosenrothen Mund. Fräuleins Wache . Ich geh’ all Nacht die Runde Um Vaters Hof und Hall’. Es schlafen zu dieser Stunde Die trägen Wächter all. Ich Fräulein zart muß streifen, Ohn’ Wehr und Waffen schweifen, Den Feind der Nacht zu greifen. O weh des schlimmen Gesellen! Nach Argem steht sein Sinn. Würd’ ich nicht kühn mich stellen, Wohl stieg’ er über die Zinn’. Wann ich denselben finde, Wie er lauert bei der Linde, Ich widersag’ ihm geschwinde. Da muß ich mit ihm ringen Allein die Nacht entlang; Er will mich stets umschlingen, Wie eine wilde Schlang’; Er kommt vom Höllengrunde, Wie aus eins Drachen Schlunde, Gehn Flammen aus seinem Munde. Und hab’ ich ihn überwunden, Halt’ ihn im Arme dicht: Doch eh die Sterne geschwunden, Entschlüpft mir stets der Wicht. Ich kann ihn Niemand zeigen, Muß meinen Sieg verschweigen Und mich in Trauer neigen. Des Goldschmieds Töchterlein . Ein Goldschmied in der Bude stand Bei Perl’ und Edelstein: „Das beste Kleinod, das ich fand, Das bist doch du, Helene, Mein theures Töchterlein!“ Ein schmucker Ritter trat herein: „Willkommen, Mägdlein traut! Willkommen, lieber Goldschmied mein! Mach mir ein köstlich Kränzchen Für meine süße Braut!“ Und als das Kränzlein war bereit Und spielt’ in reichem Glanz, Da hängt’ Helen’ in Traurigkeit, Wohl als sie war alleine, An ihren Arm den Kranz. „Ach! wunderselig ist die Braut, Die’s Krönlein tragen soll. Ach, schenkte mir der Ritter traut Ein Kränzlein nur von Rosen, Wie wär’ ich freudenvoll!“ Nicht lang, der Ritter trat herein, Das Kränzlein wohl beschaut’: „O fasse, lieber Goldschmied mein, Ein Ringlein mit Demanten Für meine süße Braut!“ Und als das Ringlein war bereit Mit theurem Demantstein, Da steckt’ Helen’ in Traurigkeit, Wohl als sie war alleine, Es halb an’s Fingerlein. „Ach! wunderselig ist die Braut, Die’s Ringlein tragen soll. Ach, schenkte mir der Ritter traut Nur seines Haars ein Löcklein, Wie wär’ ich freudenvoll!“ Nicht lang, der Ritter trat herein, Das Ringlein wohl beschaut’: „Du hast, o lieber Goldschmied mein! Gar fein gemacht die Gaben Für meine süße Braut. Doch daß ich wisse, wie ihr’s steh’, Tritt, schöne Maid, herzu! Daß ich an dir zur Probe seh’ Den Brautschmuck meiner Liebsten, Sie ist so schön, wie du.“ Es war an einem Sonntag früh, Drum hatt’ die feine Maid Heut angethan mit sondrer Müh’, Zur Kirche hinzugehen, Ihr allerbestes Kleid. Von holder Scham erglühend ganz Sie vor dem Ritter stand. Er setzt’ ihr auf den goldnen Kranz, Er steckt’ ihr an das Ringlein, Dann faßt’ er ihre Hand. „Helene süß, Helene traut! Der Scherz ein Ende nimmt, Du bist die allerschönste Braut, Für die ich’s goldne Kränzlein, Für die den Ring bestimmt. Bei Gold und Perl’ und Edelstein Bist du erwachsen hier, Das sollte dir ein Zeichen seyn, Daß du zu hohen Ehren Eingehen wirst mit mir.“ Der Wirthin Töchterlein . Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein, Bei einer Frau Wirthin, da kehrten sie ein. „Frau Wirthin! hat sie gut Bier und Wein? Wo hat sie ihr schönes Töchterlein?“ „Mein Bier und Wein ist frisch und klar, Mein Töchterlein liegt auf der Todtenbahr.“ Und als sie traten zur Kammer hinein, Da lag sie in einem schwarzen Schrein. Der erste, der schlug den Schleier zurück Und schaute sie an mit traurigem Blick: „Ach lebtest du noch, du schöne Maid! Ich würde dich lieben von dieser Zeit.“ Der zweite deckte den Schleier zu, Und kehrte sich ab, und weinte dazu: „Ach! daß du liegst auf der Todtenbahr! Ich hab’ dich geliebet so manches Jahr.“ Der dritte hub ihn wieder sogleich, Und küßte sie an den Mund so bleich: „Dich liebt’ ich immer, dich lieb’ ich noch heut, Und werde dich lieben in Ewigkeit.“ Die Mähderin . „Guten Morgen, Marie! so frühe schon rüstig und rege? Dich, treuste der Mägde, dich machet die Liebe nicht träge. Ja! mähst du die Wiese mir ab von jetzt in drei Tagen, Nicht dürft’ ich den Sohn dir, den einzigen, länger versagen.“ Der Pächter, der stattlich begüterte, hat es gesprochen, Marie, wie fühlt sie den liebenden Busen sich pochen! Ein neues, ein kräftiges Leben durchdringt ihr die Glieder, Wie schwingt sie die Sense, wie streckt sie die Mahden danieder! Der Mittag glühet, die Mähder des Feldes ermatten, Sie suchen zur Labe den Quell und zum Schlummer den Schatten, Noch schaffen im heißen Gefilde die summenden Bienen, Marie, sie ruht nicht, sie schafft in die Wette mit ihnen. Die Sonne versinkt, es ertönet das Abendgeläute, Wohl rufen die Nachbarn: „Marie, genug ist’s für heute!“ Wohl ziehen die Mähder, der Hirt und die Herde von hinnen, Marie, sie dengelt die Sense zu neuem Beginnen. Schon sinket der Thau, schon erglänzen der Mond und die Sterne, Es duften die Mahden, die Nachtigall schlägt aus der Ferne, Marie verlangt nicht zu rasten, verlangt nicht zu lauschen, Stets läßt sie die Sense, die kräftig geschwungene, rauschen. Uhlands Gedichte. 14 So fürder von Abend zu Morgen, von Morgen zu Abend, Mit Liebe sich nährend, mit seliger Hoffnung sich labend; Zum drittenmal hebt sich die Sonne, da ist es geschehen, Dort seht ihr Marien, die wonniglich weinende, stehen. „Guten Morgen, Marie! was seh’ ich! o fleißige Hände! Gemäht ist die Wiese! das lohn’ ich mit reichlicher Spende; Allein mit der Heurath — du nahmest im Ernste mein Scherzen, Leichtgläubig, man sieht es, und thöricht sind liebende Herzen.“ Er spricht es und gehet des Wegs, doch der armen Marie Erstarret das Herz, ihr brechen die bebenden Kniee. Die Sprache verloren, Gefühl und Besinnung geschwunden, So wird sie, die Mähderin, dort in den Mahden gefunden. So lebt sie noch Jahre, so stummer, erstorbener Weise, Und Honig, ein Tropfen, das ist ihr die einzige Speise. O haltet ein Grab ihr bereit auf der blühendsten Wiese! So liebende Mähderin gab es doch nimmer, wie diese. Das Ständchen . Was wecken aus dem Schlummer mich Für süße Klänge doch? O Mutter, sieh! wer mag es seyn, In später Stunde noch? „Ich höre nichts, ich sehe nichts, O schlummre fort so lind! Man bringt dir keine Ständchen jetzt, Du armes, krankes Kind!“ Es ist nicht irdische Musik, Was mich so freudig macht; Mich rufen Engel mit Gesang. O Mutter, gute Nacht! Die Harfe . In Wälder floh mit seinem Grame Ein Ritter, den verschmäht die Dame. Ihm kommt auf ungebahnten Wegen Ein traut umfangen Paar entgegen. Er kann ihr Kosen ganz verstehen, Da sie auf sich nur hören, sehen: Sie sind sich kaum zurückgegeben Zu neuer Liebe, neuem Leben. Muß Alles seinen Schmerz erfrischen! Er fliehet zu den dunklern Büschen. Da steht in schwarzer Tannen Mitte, Verlassen, eine Bruderhütte. Hier liegt die Eremitenhülle, Dort hängt die Harfe, traurig stille; Gewiß! den er gesehn im Glücke, Der ließ sein Trauren hier zurücke. Er eilt, die Kutte anzulegen, Er prüft das Spiel mit dumpfen Schlägen: „Wie lange werd’ ich, fern der Süßen, Auf dieser Harfe spielen müssen?“ Der Leitstern . Der ausfuhr nach dem Morgenlande, Des fremden Schiffes leichte Last, Schon führt er zu der Heimath Strande, Von Golde schwer, den eignen Mast. Er hat so oft nach keinem Sterne, Wie nach dem Liebesstern, geschaut. Der lenkt’ ihn glücklich aus der Ferne Zur Vaterstadt der theuren Braut. Noch hat er nicht das Ziel gefunden, Obschon er in die Thore trat; Wie mag er gleich die Braut erkunden Im Labyrinth der großen Stadt? Wie mag sein Auge sie erlauschen? Der Blick ist überall verbaut. Wie mag er durch der Märkte Rauschen Vernehmen ihrer Stimme Laut? Dort ist ein Fenster zugefallen, Vielleicht hat sie herausgeschaut; Hier dieses Schleiers eilig Wallen, Verbirgt es nicht die theure Braut? Schon dunkeln sich die Abendschatten, Noch irrt er durch die Straßen hin; Die Füße wollen ihm ermatten, Das rege Herz doch treibet ihn. Was hält er plötzlich staunend inne? Horch, Saiten! welcher Stimme Laut! Umsonst nicht sah er ob der Zinne Den Liebesstern, dem er vertraut. Das Schifflein . Ein Schifflein ziehet leise Den Strom hin seine Gleise. Es schweigen, die drin wandern, Denn Keiner kennt den Andern. Was zieht hier aus dem Felle Der braune Waidgeselle? Ein Horn, das sanft erschallet; Das Ufer wiederhallet. Von seinem Wanderstabe Schraubt Jener Stift und Habe, Und mischt mit Flötentönen Sich in des Hornes Dröhnen. Das Mädchen saß so blöde, Als fehlt’ ihr gar die Rede, Jetzt stimmt sie mit Gesange Zu Horn und Flötenklange. Die Rudrer auch sich regen Mit taktgemäßen Schlägen. Das Schiff hinunter flieget Von Melodie gewieget. Hart stößt es auf am Strande, Man trennt sich in die Lande. Wann treffen wir uns, Brüder! Auf Einem Schifflein wieder? Sängers Vorüberziehn . Ich schlief am Blüthenhügel, Hart an des Pfades Rand. Da lieh der Traum mir Flügel In’s goldne Fabelland. Erwacht, mit trunknen Blicken, Wie wer aus Wolken fiel, Gewahr’ ich noch im Rücken Den Sänger mit dem Spiel. Er schwindet um die Bäume, Noch hör’ ich fernen Klang. Ob der die Wunderträume Mir in die Seele sang? Traum . Es hat mir jüngst geträumet, Ich läg’ auf steiler Höh’; Es war am Meeresstrande, Ich sah wohl in die Lande Und über die weite See. Es lag am Ufer drunten Ein schmuckes Schiff bereit, Mit bunten Wimpeln wehend, Der Ferg’ am Ufer stehend, Als wär’ ihm lang die Zeit. Da kam von fernen Bergen Ein lust’ger Zug daher. Wie Engel thäten sie glänzen, Geschmückt mit Blumenkränzen, Und zogen nach dem Meer. Voran dem Zuge schwärmten Der muntern Kinder viel. Die Andern Becher schwangen, Musizirten, sangen, Schwebten in Tanz und Spiel. Sie sprachen zu dem Schiffer: „Willt du uns führen gern? Wir sind die Wonnen und Freuden, Wollen von der Erde scheiden, All von der Erde fern.“ Er hieß in’s Schiff sie treten, Die Freuden allzumal, Er sprach: „Sagt an, ihr Lieben! Ist Keins zurückgeblieben Auf Bergen, noch im Thal?“ Sie riefen: „Wir sind Alle! Fahr zu, wir haben Eil’!“ Sie fuhren mit frischen Winden, Fern, ferne sah ich schwinden Der Erde Lust und Heil. Der gute Kamerad . Ich hatt’ einen Kameraden, Einen bessern findst du nit. Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite, In gleichem Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen, Gilt’s mir oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen, Er liegt mir vor den Füßen, Als wär’s ein Stück von mir. Will mir die Hand noch reichen, Derweil ich eben lad’. Kann dir die Hand nicht geben, Bleib du im ew’gen Leben Mein guter Kamerad! Der Rosenkranz . In des Maies holden Tagen, In der Aue Blumenglanz, Edle Knappen fechten, jagen Um den werthen Rosenkranz. Wollen nicht mit leichtem Finger Blumen pflücken auf dem Plan, Wollen sie, als wackre Ringer, Aus der Jungfrau Hand empfahn. In der Laube sitzt die Stille, Die mit Staunen Jeder sieht, Die in solcher Jugendfülle Heut zum ersten Male blüht. Volle Rosenzweig’ umwanken, Als ein Schattenhut, ihr Haupt; Reben mit den Blüthenranken Halten ihren Leib umlaubt. Sieh! im Eisenkleid ein Reiter Zieht auf krankem Roß daher, Senkt die Lanz’, als müder Streiter, Neigt das Haupt, wie schlummerschwer. Dürre Wangen, graue Locken; Seiner Hand entfiel der Zaum. Plötzlich fährt er auf, erschrocken, Wie erwacht aus bangem Traum. „Seyd gegrüßt auf diesen Auen, Schönste Jungfrau, edle Herrn! Dürfet nicht ob mir ergrauen, Eure Spiele schau’ ich gern. Gerne möcht’ ich für mein Leben Mit euch brechen einen Speer, Aber meine Arme beben, Meine Kniee wanken sehr. Kenne solche Zeitvertreibe, Bin bei Lanz’ und Schwerdt ergraut, Panzer liegt mir noch am Leibe, Wie dem Drachen seine Haut. Auf dem Lande Kampf und Wunden, Auf dem Meere Wog’ und Sturm; Ruhe hab’ ich nie gefunden, Als ein Jahr im finstern Thurm. Weh! verlorne Tag’ und Nächte! Minne hat mich nie beglückt; Nie hat dich, du rauhe Rechte! Weiche Frauenhand gedrückt. Denn noch war dem Erdenthale Jene Blumenjungfrau fern, Die mir heut zum ersten Male Aufgeht, als ein neuer Stern. Wehe! könnt’ ich mich verjüngen! Lernen wollt’ ich Saitenkunst, Minnelieder wollt’ ich singen, Werbend um der Süßen Gunst. In des Maies holden Tagen, In der Aue Blumenglanz, Wollt’ ich freudig fechten, jagen, Um den werthen Rosenkranz. Weh! zu früh bin ich geboren! Erst beginnt die goldne Zeit. Zorn und Neid hat sich verloren, Frühling ewig sich erneut. Sie, in ihrer Rosenlaube, Wird des Reiches Herrin seyn. Ich muß hin zu Nacht und Staube, Auf mich fällt der Leichenstein!“ Als der Alte dies gesprochen, Er die bleichen Lippen schloß. Seine Augen sind gebrochen, Sinken will er von dem Roß. Doch die edeln Knappen eilen, Legen ihn in’s Grüne hin; Ach! kein Balsam kann ihn heilen, Keine Stimme wecket ihn. Und die Jungfrau niedersteiget Aus der Blumenlaube Glanz; Traurig sich zum Greise neiget, Setzt ihm auf den Rosenkranz: „Sey des Maienfestes König! Keiner hat, was du, gethan. Ob es gleich dir frommet wenig, Blumenkranz dem todten Mann.“ Das traurige Turnei . Es ritten sieben Ritter frei, Mit Schilden und mit Speeren, Sie wollten halten gut Turnei, Des Königs Kind zu Ehren. Und als sie sahen Thurm und Wall, Ein Glöcklein hörten sie drüben; Und als sie traten in Königs Hall’, Da sahen sie Kerzen sieben. Da sahen sie liegen, todesblaß, Die holde Adelheide, Der König zu ihrem Haupte saß In großen Herzeleide. Da sprach der stolze Degenwerth: „Das muß ich immer klagen, Daß ich umsonst gegürt’t mein Pferd, Mein Schild und Speer getragen.“ Drauf sprach der jung’ Herr Adelbert: „Wir sollen das nicht klagen! Des Königs Tochter ist immer werth, Daß wir drum stechen und schlagen.“ Herr Walther sprach, ein Ritter kühn: „Nach Hause wollen wir reiten, Es kann uns wenig Heil erblühn, Um eine Todte zu streiten.“ Sprach Adelbert: „wohl ist sie todt, Doch lebet keine so holde, Sie trägt einen Kranz von Rosen roth Und einen Ring von Golde.“ Sie ritten auf den Sand hinaus, Die freien Ritter sieben. Sie stritten also harten Strauß, Bis sechse todt geblieben. Der siebente war Herr Adelbert, Der Sieger über alle. Er stieg so bleich von seinem Pferd, Und trat in Königs Halle. Er nahm den Kranz von Rosen roth, Dazu den Ring von Golde, Er fiel zur Erde, bleich und todt, So bleich wie seine Holde. Der König trug ein schwarz Gewand, Er ließ die Glocke läuten, Sechs freie Ritter von dem Sand Thät er zu Grab begleiten. Der siebente war Herr Adelbert, Mit seiner Adelheide. Die liegen zusammen in kühler Erd’, Ein Stein bedecket Beide. Uhlands Gedichte. 15 Der Sieger . Anzuschauen das Turnei, Saßen hundert Frauen droben; Diese waren nur das Laub, Meine Fürstin war die Rose. Aufwärts blickt’ ich keck zu ihr, Wie der Adler blickt zur Sonne. Wie da meiner Wangen Glut Das Visier durchbrennen wollte! Wie des Herzens kühner Schlag Schier den Panzer durchgebrochen! Ihrer Blicke sanfter Schein War in mir zu wildem Lodern, Ihrer Rede mildes Wehn War in mir zu Sturmestoben, Sie, der schöne Maientag, In mir zum Gewitter worden. Unaufhaltbar brach ich los, Sieghaft Alles niederdonnernd. Der nächtliche Ritter . In der mondlos stillen Nacht Stand er unter dem Altane, Sang mit himmlisch süßer Stimme Minnelieder zur Guitarre. Dann auch mit den Nebenbuhlern Hat er tapfer sich geschlagen, Daß die hellen Funken stoben, Daß die Mauern wiederhallten. Und so übt’ er jeden Dienst, Den man weihet edeln Damen, Daß mein Herz in Lieb’ erglühte Für den theuern Unbekannten. Als ich drauf am frühen Morgen Bebend blickte vom Altane: Blieb mir nichts von ihm zu schauen, Als sein Blut, für mich gelassen. Der kastilische Ritter . 1. „Bester Ritter von Kastilien! Wann die fernen Berge tosen, Mein’ ich, deinen Kampf zu hören: Doch es ist des Donners Rollen. Wann es hinter jenen Höhen Roth und golden glüht am Morgen, Mein’ ich, daß du wollst erscheinen: Doch es kommt herauf die Sonne.“ 2. „Darum ward ein Weg betreten Längst von Pilgern, Sängern, Wappnern, Darum ward ein Schloß erbauet, Herrlich, an des Weges Rande, Darum schaute von den Zinnen Bis auf mich wohl manche Dame: Weil der schönste, kühnste Ritter Sollte hier vorüberfahren. Wehe nun! es ist erfüllt, Was so lange ward erharret. Weh! die Augen werden brechen, Die so hohen Adel sahen. Weh! die Mauern werden sinken, Drin des Rosses Tritt verhallet. Weh! der Pfad, den er verließ, Wird vergehn in hohem Grase.“ 3. Nimmer mochten ihn verwunden Liebesblicke süßer Schönen, Nimmer mochten ihn bezwingen Schwerdterschläge, Lanzenstöße. Als er einsam ritt auf Bergen, Fuhr ein Blitz aus dem Gewölke; Und so ist er unterlegen Nur dem Stral von Himmelshöhen. 4. Schwarze Wolken ziehn hinunter, Golden stralt die Sonne wieder, Fern verhallen schon die Donner, Und die Vögelchöre singen; Blumen heben sich und Bäume, Sind erfrischet vom Gewitter, Wanderer, die sich geborgen, Schreiten wieder rasch von hinnen: Nur des Waldes höchste Eiche Hebt nicht mehr die stolzen Wipfel, Nur Kastiliens bester Streiter Bleibt am Fuß der Eiche liegen. 5. Alle Damen schmachten, hoffen, Ihn, den Schönsten, zu empfahen; Alle Mohren zagen, zittern Vor des kühnsten Streiters Nahen. Damen! würdet nicht mehr hoffen, Mohren! würdet nicht mehr zagen: Wüßtet ihr, daß im Gebirge Längst Gewitter ihn erschlagen. Sankt Georgs Ritter . 1. Hell erklingen die Trommeten Vor Sankt Stephan von Gormaz, Wo Fernandes von Kastilien Lager hält, der tapfre Graf. Almansor, der Mohrenkönig, Kommt mit großer Heeresmacht Von Kordova hergezogen, Zu erstürmen jene Stadt. Schon gewappnet sitzt zu Pferde Die kastil’sche Ritterschaar; Forschend reitet durch die Reihen Fernandes, der tapfre Graf: „Paskal Vivas! Paskal Vivas! Preis kastil’scher Ritterschaft! Alle Ritter sind gerüstet, Du nur fehlest auf dem Platz. Du, der erste sonst zu Rosse, Sonst der erste zu der Schlacht, Hörst du heute nicht mein Rufen, Nicht der Schlachttrommeten Klang? Fehlest du dem Christenheere Heut, an diesem heißen Tag? Soll dein Ehrenkranz verwelken, Schwinden deines Ruhmes Glanz?“ Paskal Vivas kann nicht hören, Fern ist er im tiefen Wald, Wo auf einem grünen Hügel Sankt Georgs Kapelle ragt. An der Pforte steht sein Roß, Lehnet Speer und Stahlgewand, Und der Ritter knieet betend Vor dem heiligen Altar; Ist in Andacht ganz versunken, Höret nicht den Lärm der Schlacht, Der nur dumpf, wie Windestosen, Durch die Waldgebirge hallt; Hört nicht seines Rosses Wiehern, Seiner Waffen dumpfen Klang. Doch es wachet sein Patron, Sankt Georg, der Treue, wacht; Aus der Wolke steigt er nieder, Legt des Ritters Waffen an, Setzt sich auf das Pferd des Ritters, Fleugt hinunter in die Schlacht. Keiner hat wie er gestürmet, Held des Himmels, Wetterstral! Er gewinnt Almansors Fahne Und es flieht die Mohrenschaar. Paskal Vivas hat beschlossen Seine Andacht am Altar, Tritt aus Sankt Georgs Kapelle, Findet Roß und Stahlgewand; Reitet sinnend nach dem Lager, Weiß nicht, was es heißen mag, Daß Trommeten ihn begrüßen Und der festliche Gesang: „Paskal Vivas! Paskal Vivas! Stolz kastil’scher Ritterschaft! Sey gepriesen, hoher Sieger, Der Almansors Fahne nahm! Wie sind deine Waffen blutig, Wie zermalmt von Stoß und Schlag! Wie bedeckt dein Roß mit Wunden, Das so muthig eingerannt!“ Paskal Vivas wehrt vergebens Ihrem Jubel und Gesang, Neiget demuthsvoll sein Haupt, Deutet schweigend himmelan. 2. In den abendlichen Gärten Ging die Gräfin Julia. Fatiman, Almansors Neffe, Hat die Schöne dort erhascht; Flieht mit seiner süßen Beute Durch die Wälder, Nacht und Tag, Zehn getreue Mohrenritter Folgen ihm gewappnet nach. In des dritten Morgens Frühe Kommen sie in jenen Wald, Wo auf einem grünen Hügel Sankt Georgs Kapelle ragt. Schon von Weitem blickt die Gräfin Nach des Heil’gen Bild hinan, Welches ob der Kirchenpforte, Groß in Stein gehauen, prangt: Wie er in des Lindwurms Rachen Mächtig sticht den heil’gen Schaft, Während, an den Fels gebunden, Bang die Königstochter harrt. Weinend und die Hände ringend, Ruft die Gräfin Julia: „Sankt Georg, du heil’ger Streiter, Hilf mir aus des Drachen Macht!“ Siehe! wer auf weissem Rosse Sprengt von der Kapell’ herab? Goldne Locken wehn im Winde Und der rothe Mantel wallt. Mächtig ist sein Speer geschwungen, Trifft den Räuber Fatiman, Der sich gleich am Boden krümmet, Wie der Lindwurm einst gethan. Und die zehen Mohrenritter Hat ein wilder Schreck gefaßt, Schild und Lanze weggeworfen, Fliehn sie über Berg und Thal. Auf den Knieen, wie geblendet, Liegt die Gräfin Julia: „Sankt Georg, du heil’ger Streiter, Sey gepriesen tausendmal!“ Als sie wieder hebt die Augen, Ist der Heil’ge nicht mehr da, Und es geht nur dumpfe Sage, Daß es Paskal Vivas war. Romanze vom kleinen Däumling . Kleiner Däumling! kleiner Däumling! Allwärts ist dein Ruhm posaunet. Schon die Kindlein in der Wiege Sieht man der Geschichte staunen. Welches Auge muß nicht weinen, Wie du liefst durch Waldes Grausen, Als die Wölfe hungrig heulten Und die Nachtorkane sausten! Welches Herz muß nicht erzittern, Wie du lagst im Riesenhause Und den Oger hörtest nahen, Der nach deinem Fleisch geschnaubet! Dich und deine sechs Gebrüder Hast vom Tode du erkaufet, Listiglich die sieben Kappen Mit den sieben Kronen tauschend. Als der Riese lag am Felsen, Schnarchend, daß die Wälder rauschten, Hast du keck die Meilenstiefel Von den Füßen ihm gemauset. Einem vielbedrängten König Bist als Bote du gelaufen; Köstlich war dein Botenbrot: Eine Braut vom Königshause. Kleiner Däumling! kleiner Däumling! Mächtig ist dein Ruhm erbrauset, Mit den Siebenmeilenstiefeln Schritt er schon durch manch Jahrtausend. Romanze vom Recensenten . Recensent, der tapfre Ritter, Steigt zu Rosse, kühn und stolz; Ist’s kein Hengst aus Andalusien, Ist es doch ein Bock von Holz. Statt des Schwerdts, die scharfe Feder Zieht er kampfbereit vom Ohr, Schiebt, statt des Visiers, die Brille Den entbrannten Augen vor. Publikum, die edle Dame, Schwebt in tausendfacher Noth, Seit ihr bald, barbarisch schnaubend, Ein Siegfried’scher Lindwurm droht, Bald ein süßer Sonettiste Sie mit Lautenklimpern lockt, Bald ein Mönch ihr mystisch predigt, Daß ihr die Besinnung stockt. Recensent, der tapfre Ritter, Hält sich gut im Drachenmord, Schlägt in Splitter alle Lauten, Stürzt den Mönch vom Kanzelbord. Dennoch will er, groß bescheiden, Daß ihn Niemand nennen soll, Und den Schild des Helden zeichnet Kaum ein Schriftzug, räthselvoll. Recensent, du Hort der Schwachen, Sey uns immer treu und hold! Nimm zum Lohn des Himmels Segen, Des Verlegers Ehrensold! Ritter Paris . Paris ist der schönste Ritter, Alle Herzen nimmt er hin. Jede Dame kann’s beschwören An dem Hof der Königin. Was der schönen Siegeszeichen Warf das Glück in seinen Schooß! Briefe, die von Küssen rauschen, Locken, Ringe, zahlenlos. Allzu leichter Siege Zeichen! Ungebetnes Minneglück! Bann und Fessel nennt euch Paris, Stößt sein süßes Loos zurück. Schwingt zu Roß sich, schwergerüstet, Glüht von edler Heldenlust, Beut den Frauen all den Rücken, Beut den Männern keck die Brust. Doch es will kein Feind sich zeigen, Frühling waltet im Gefild, Mit dem Helmbusch spielen Lüftchen, Sonne spiegelt sich im Schild. Weit schon ist er so geritten, Siehe! da an Waldes Thor Hält ein Ritter, hoch zu Rosse, Strecket ihm die Lanze vor. Ritter Paris fliegt zum Kampfe, Eilte nie zum Reihn so sehr; Wirft den Gegner stracks zur Erde, Blickt als Sieger stolz umher; Naht sich hülfreich dem Geworfnen, Nimmt ihm ab des Helms Gewicht: Sieh! da wallen reiche Locken Um ein zartes Angesicht. Wie er Schien’ und Panzer löset, Welch ein Busen! welch ein Leib! Hingegossen ohne Leben, Liegt vor ihm das schönste Weib. Würden erst die bleichen Wangen Röthen sich von neuer Glut, Hüben erst sich diese Wimpern: Wie dann, Paris, junges Blut? Ja! schon holt sie tiefen Athem, Schlägt die Augen zärtlich auf; Die als wilder Feind gestorben, Lebt als milde Freundin auf. Dort, in Stücken, liegt die Hülle, Die ein starrer Ritter war, Hier, in Paris Arm, die Fülle, Süßer Kern, der Schaale baar. Paris spricht, der schöne Ritter: „Welcher Sieg nun? welcher Ruhm? Soll mir nie ein Strauß gelingen In dem ernsten Ritterthum? Wandelt stets, was ich berühre, Sich in Scherz und Liebe mir? Minneglück, das mich verfolget, Zürn’ ich oder dank’ ich dir?“ Sängerliebe . Seit der hohe Gott der Lieder Mußt’ in Liebesschmerz erbleichen, Seit der Lorbeer seiner Schläfe Unglücksel’ger Liebe Zeichen: Wundert’s wen daß ird’schen Sängern, Die dasselbe Zeichen kranzet, Selten in der Liebe Leben Ein beglückter Stern erglänzet? Daß sie ernst und düster blicken, Ihre Saiten traurig tönen, Daß von Lust sie wenig singen, Aber viel von Schmerz und Sehnen? Sängerliebe, tief und schmerzlich, Laßt euch denn in ernsten Bildern Aus den Tagen des Gesanges, Aus der Zeit der Minne, schildern! 1. Rudello . In den Thalen der Provence Ist der Minnesang entsprossen, Kind des Frühlings und der Minne, Holder, inniger Genossen. Blüthenglanz und süße Stimme Konnt’ an ihm den Vater zeigen, Herzensglut und tiefes Schmachten War ihm von der Mutter eigen. Selige Provencer Thale, Ueppig blühend wart ihr immer, Aber eure reichste Blüthe War des Minneliedes Schimmer. Jene tapfern, schmucken Ritter, Welch ein edler Sängerorden! Jene hochbeglückten Damen, Wie sie schön gefeiert worden! Vielgeehrt im Sängerchore Wer Rudello’s werther Name, Vielgepriesen, vielbeneidet Die von ihm besungne Dame. Aber Niemand mocht’ erkunden, Wie sie hieße, wo sie lebte, Die so herrlich, überirdisch In Rudello’s Liedern schwebte; Denn nur in geheimen Nächten Nahte sie dem Sänger leise, Selbst den Boden nie berührend, Spurlos, schwank, in Traumesweise. Wollt’ er sie mit Armen fassen, Schwand sie in die Wolken wieder, Und aus Seufzern und aus Thränen Wurden dann ihm süße Lieder. Schiffer, Pilger, Kreutzesritter Brachten dazumal die Mähre, Daß von Tripolis die Gräfin Aller Frauen Krone wäre; Und so oft Rudell es hörte, Fühlt’ er sich’s im Busen schlagen, Und es trieb ihn nach dem Strande, Wo die Schiffe fertig lagen. Meer, unsichres, vielbewegtes, Ohne Grund und ohne Schranken! Wohl auf deiner regen Wüste Mag die irre Sehnsucht schwanken. Fern von Tripolis verschlagen, Irrt die Barke mit dem Sänger; Aeußrem Sturm und innrem Drängen Widersteht Rudell nicht länger. Schwer erkranket liegt er nieder, Aber südwärts schaut er immer, Bis sich hebt am letzten Rand Ein Pallast im Morgenschimmer. Und der Himmel hat Erbarmen Mit des kranken Sängers Flehen, In den Port von Tripolis Fliegt das Schiff mit günst’gem Wehen. Kaum vernimmt die schöne Gräfin, Daß so edler Gast gekommen, Der allein um ihretwillen Ueber’s weite Meer geschwommen: Alsobald mit ihren Frauen Steigt sie nieder, unerbeten, Als Rudello, schwanken Ganges, Eben das Gestad betreten. Schon will sie die Hand ihm reichen, Doch ihm dünkt, der Boden schwinde. In des Führers Arme sinkt er, Haucht sein Leben in die Winde. Ihren Sänger ehrt die Herrin Durch ein prächtiges Begängniß, Und ein Grabmal von Porphyr Lehrt sein trauriges Verhängniß. Uhlands Gedichte. 16 Seine Lieder läßt sie schreiben Allesammt mit goldnen Lettern, Köstlich ausgezierte Decken Gibt sie diesen theuren Blättern; Liest darin so manche Stunde, Ach! und oft mit heißen Thränen, Bis auch sie ergriffen ist Von dem unnennbaren Sehnen. Von des Hofes lust’gem Glanz, Aus der Freunde Kreis geschieden, Suchet sie in Klostermauern Ihrer armen Seele Frieden. 2. Durand . Nach dem hohen Schloß von Balbi Zieht Durand mit seinem Spiele; Voll die Brust von süßen Liedern, Naht er schon dem frohen Ziele. Dort ja wird ein holdes Fräulein, Wann die Saiten lieblich rauschen, Augen senkend, zart erglühend, Innig athmend, niederlauschen. In des Hofes Lindenschatten Hat er schon sein Spiel begonnen, Singt er schon mit klarer Stimme Was er süßestes ersonnen. Von dem Söller, von den Fenstern Sieht er Blumen freundlich nicken, Doch die Herrin seiner Lieder Kann sein Auge nicht erblicken. Und es geht ein Mann vorüber, Der sich traurig zu ihm wendet: „Störe nicht die Ruh der Todten! Fräulein Blanka hat vollendet.“ Doch Durand, der junge Sänger, Hat darauf kein Wort gesprochen, Ach! sein Aug’ ist schon erloschen, Ach! sein Herz ist schon gebrochen. Drüben in der Burgkapelle, Wo unzähl’ge Kerzen glänzen, Wo das todte Fräulein ruht, Hold geschmückt mit Blumenkränzen: Dort ergreifet alles Volk Schreck und Staunen, freudig Beben, Denn von ihrem Todtenlager Sieht man Blanka sich erheben. Aus des Scheintods tiefem Schlummer Ist sie blühend auferstanden, Tritt im Sterbekleid hervor Wie in bräutlichen Gewanden. Noch, wie ihr geschehn, nicht wissend, Wie von Träumen noch umschlungen, Fragt sie zärtlich, sehnsuchtsvoll: „Hat nicht hier Durand gesungen?“ Ja! gesungen hat Durand, Aber nie mehr wird er singen, Auferweckt hat er die Todte, Ihn wird Niemand wiederbringen. Schon im Lande der Verklärten Wacht’ er auf und mit Verlangen Sucht er seine süße Freundin, Die er wähnt vorangegangen; Aller Himmel lichte Räume Sieht er herrlich sich verbreiten; Blanka! Blanka! ruft er sehnlich Durch die öden Seligkeiten. 3. Der Kastellan von Couci . Wie der Kastellan von Couci Schnell die Hand zum Herzen drückte, Als die Dame von Favel Er zum ersten Mal erblickte! Seit demselben Augenblicke Drang durch alle seine Lieder, Unter allen Weisen stets Jener erste Herzschlag wieder. Aber wenig mocht’ ihm frommen All die süße Liederklage, Nimmer darf er dieses hoffen, Daß sein Herz an ihrem schlage. Wenn sie auch mit zartem Sinn Eines schönen Lieds sich freute, Streng und stille ging sie immer An des stolzen Gatten Seite. Da beschließt der Kastellan, Seine Brust in Stahl zu hüllen Und mit drauf geheft’tem Kreutz Seines Herzens Schlag zu stillen. Als er schon im heil’gen Lande Manchen heißen Tag gestritten, Fährt ein Pfeil durch Kreutz und Panzer, Trifft ihm noch das Herze mitten. „Hörst du mich, getreuer Knappe? Wann dies Herz nun ausgeschlagen, Zu der Dame von Fayel Sollt du es hinübertragen!“ In geweihter, kühler Erde Wird der edle Leib begraben; Nur das Herz, das müde Herz, Soll noch keine Ruhe haben. Schon in einer goldnen Urne Liegt es, wohl einbalsamiret, Und zu Schiffe steigt der Diener, Der es sorgsam mit sich führet. Stürme brausen, Wogen schlagen, Blitze zucken, Maste splittern, Aengstlich klopfen alle Herzen, Eines nur ist ohne Zittern. Golden stralt die Sonne wieder, Frankreichs Küste glänzet drüben, Freudig schlagen alle Herzen, Eines nur ist still geblieben. Schon im Walde von Fayel Schreitet rasch der Urne Träger, Plötzlich schallt ein lustig Horn Sammt dem Rufe wilder Jäger. Aus den Büschen rauscht ein Hirsch, Dem ein Pfeil im Herzen stecket, Bäumt sich auf und stürzt und liegt Vor dem Knappen hingestrecket. Sieh! der Ritter von Fayel, Der das Wild in’s Herz geschossen, Sprengt heran mit Jagdgefolg Und der Knapp’ ist rings umschlossen. Nach dem blanken Goldgefäß Tasten gleich des Ritters Knechte, Doch der Knappe tritt zurück, Spricht mit vorgehaltner Rechte: „Dies ist eines Sängers Herz, Herz von einem frommen Streiter, Herz des Kastellans von Couci, Laßt dies Herz im Frieden weiter! Scheidend hat er mir geboten: Wann dies Herz nun ausgeschlagen, Zu der Dame von Fayel Soll ich es hinübertragen.“ „Jene Dame kenn’ ich wohl.“ Spricht der ritterliche Jäger Und entreißt die goldne Urne Hastig dem erschrocknen Träger, Nimmt sie unter seinen Mantel, Reitet fort in finstrem Grolle, Hält so eng das todte Herz An das heiße, rachevolle. Als er auf sein Schloß gekommen, Müssen sich die Köche schürzen, Müssen gleich den Hirsch bereiten Und ein seltnes Herze würzen. Dann, mit Blumen reich bestecket, Bringt man es auf goldner Schaale, Als der Ritter von Fayel Mit der Dame sitzt am Mahle. Zierlich reicht er es der Schönen, Sprechend mit verliebtem Scherze: „Was ich immer mag erjagen, Euch gehört davon das Herze.“ Wie die Dame kaum genossen, Hat sie also weinen müssen, Daß sie zu vergehen schien In den heißen Thränengüssen. Doch der Ritter von Fayel Spricht zu ihr mit wildem Lachen: „Sagt man doch von Taubenherzen, Daß sie melancholisch machen: Wieviel mehr, geliebte Dame, Das, womit ich Euch bewirthe! Herz des Kastellans von Couci, Der so zärtlich Lieder girrte.“ Als der Ritter dies gesprochen, Dieses und noch andres Schlimme, Da erhebt die Dame sich, Spricht mit feierlicher Stimme: „Großes Unrecht thatet Ihr, Euer war ich ohne Wanken, Aber solch ein Herz genießen Wendet leichtlich die Gedanken. Manches tritt mir vor die Seele, Was vorlängst die Lieder sangen, Der mir lebend fremd geblieben, Hat als Todter mich befangen. Ja! ich bin dem Tod geweihet, Jedes Mahl ist mir verwehret, Nicht geziemt mir andre Speise Seit mich dieses Herz genähret. Aber Euch wünsch’ ich zum Letzten Milden Spruch des ew’gen Richters.“ — Dieses alles ist geschehen Mit dem Herzen eines Dichters. 4. Don Massias . Don Massias aus Gallizien Mit dem Namen: der Verliebte , Saß im Thurm zu Arjonilla, Klagend um die Treugeliebte. Einen Grafen, reich und mächtig, Gab man jüngst ihr zum Genossen, Und den vielgetreuen Sänger Hält man ferngebannt, verschlossen. Traurig sang er oft am Gitter, Machte jeden Wandrer lauschen, Theure Blätter, liederreiche, Ließ er oft vom Fenster rauschen. Ob es Wandrer fortgesungen, Ob es Winde hingetragen: Wohl vernahm die Heißgeliebte Ihres treuen Sängers Klagen. Ihr Gemahl, argwöhnisch spähend, Hatt’ es alles gut beachtet: „Muß ich vor dem Sänger beben Selbst wann er im Kerker schmachtet?“ Einsmals schwang er sich zu Pferde, Wohlgewaffnet, wie zum Sturme, Sprengte nach Granada’s Grenze Und zu Arjonilla’s Thurme. Don Massias, der Verliebte, Stand gerade dort am Gitter, Sang so glühend seine Liebe, Schlug so zierlich seine Zither. Jener hub sich in den Bügeln, Wuthvoll seine Lanze schwingend; Don Massias ist durchbohret, Wie ein Schwan verschied er singend. Und der Graf, des Siegs versichert, Kehret nach Gallizien wieder. Eitler Wahn! es starb der Sänger, Doch es leben seine Lieder; Die durch alle span’schen Reiche Tönevoll, geflügelt, ziehen, Andern sind sie Philomelen, Jenem nur sind sie Harpyjen. Plötzlich oft vom Freudenmahle Haben sie ihn aufgeschrecket, Aus dem mitternächt’gen Schlummer Wird er peinlich oft erwecket: In den Gärten, in den Straßen Hört er Zithern hin und wieder, Und wie Geisterstimmen tönen Des Massias Liebeslieder. 5. Dante . War’s ein Thor der Stadt Florenz, Oder war’s ein Thor der Himmel, Draus am klarsten Frühlingsmorgen Zog so festliches Gewimmel? Kinder, hold wie Engelschaaren, Reich geschmückt mit Blumenkränzen, Zogen in das Rosenthal Zu den frohen Festestänzen. Unter einem Lorbeerbaume Stand, damals neunjährig, Dante, Der im lieblichsten der Mädchen Seinen Engel gleich erkannte. Rauschten nicht des Lorbeers Zweige, Von der Frühlingsluft erschüttert? Klang nicht Dante’s junge Seele, Von der Liebe Hauch durchzittert? Ja! ihm ist in jener Stunde Des Gesanges Quell entsprungen; In Sonetten, in Kanzonen Ist die Lieb’ ihm früh erklungen. Als, zur Jungfrau hold erwachsen, Jene wieder ihm begegnet, Steht auch seine Dichtung schon Wie ein Baum, der Blüthen regnet. Aus dem Thore von Florenz Zogen dichte Schaaren wieder, Aber langsam, trauervoll, Bei dem Klange dumpfer Lieder. Unter jenem schwarzen Tuch, Mit dem weissen Kreutz geschmücket, Trägt man Beatricen hin, Die der Tod so früh gepflücket. Dante saß in seiner Kammer, Einsam, still, im Abendlichte, Hörte fern die Glocken tönen Und verhüllte sein Gesichte. In der Wälder tiefste Schatten Stieg der edle Sänger nieder, Gleich den fernen Todtenglocken Tönten fortan seine Lieder. Aber in der wildsten Oede, Wo er ging mit bangem Stöhnen, Kam zu ihm ein Abgesandter Von der hingeschiednen Schönen; Der ihn führt’ an treuer Hand Durch der Hölle tiefste Schluchten, Wo sein ird’scher Schmerz verstummte Bei dem Anblick der Verfluchten. Bald zum sel’gen Licht empor Kam er auf den dunkeln Wegen, Aus des Paradieses Pforte Trat die Freundin ihm entgegen. Hoch und höher schwebten Beide Durch des Himmels Glanz und Wonnen, Sie, aufblickend, ungeblendet, Zu der Sonne aller Sonnen; Er, die Augen hingewendet Nach der Freundin Angesichte, Das, verklärt, ihn schauen ließ Abglanz von dem ew’gen Lichte. Einem göttlichen Gedicht Hat er Alles einverleibet, Mit so ew’gen Feuerzügen, Wie der Blitz in Felsen schreibet. Ja! mit Fug wird dieser Sänger Als der Göttliche verehret, Dante, welchem ird’sche Liebe Sich zu himmlischer verkläret. Liebesklagen . 1. Der Student . Als ich einst bei Salamanka Früh in einem Garten saß Und bei’m Schlag der Nachtigallen Emsig im Homerus las: Wie in glänzenden Gewanden Helena zur Zinne trat Und so herrlich sich erzeigte Dem trojanischen Senat, Daß vernehmlich Der und Jener Brummt’ in seinen grauen Bart: „Solch ein Weib ward nie gesehen, Traun, sie ist von Götterart!“ Als ich so mich ganz vertiefet, Wußt’ ich nicht, wie mir geschah: In die Blätter fuhr ein Wehen, Daß ich staunend um mich sah. Auf benachbartem Balkone, Welch ein Wunder schaut’ ich da! Dort in glänzenden Gewanden Stand ein Weib wie Helena, Und ein Graubart ihr zur Seite, Der so seltsam freundlich that, Daß ich schwören mocht’, er wäre Von der Troer hohem Rath. Doch ich selbst ward ein Achäer, Der ich nun seit jenem Tag Vor dem festen Gartenhause, Einer neuen Troja, lag. Um es unverblümt zu sagen: Manche Sommerwoch’ entlang Kam ich dorthin jeden Abend Mit der Laut’ und mit Gesang, Klagt’ in manigfachen Weisen Meiner Liebe Qual und Drang, Bis zuletzt vom hohen Gitter Süße Antwort niederklang. Solches Spiel mit Wort und Tönen Trieben wir ein halbes Jahr, Und auch dies war nur vergönnet Weil halbtaub der Vormund war. Hub er gleich sich oft vom Lager, Schlaflos, eifersüchtig bang, Blieben doch ihm unsre Stimmen Ungehört, wie Sphärenklang. Aber einst, die Nacht war schaurig, Sternlos, finster wie das Grab, Klang auf das gewohnte Zeichen Keine Antwort mir herab. Nur ein alt zahnloses Fräulein Ward von meiner Stimme wach, Nur das alte Fräulein Echo Stöhnte meine Klagen nach. Meine Schöne war verschwunden, Leer die Zimmer, leer der Saal, Leer der blumenreiche Garten, Rings verödet Berg und Thal. Ach! und nie hatt’ ich erfahren Ihre Heimath, ihren Stand, Weil sie, Beides zu verschweigen, Angelobt mit Mund und Hand. Da beschloß ich, sie zu suchen, Nah und fern, auf irrer Fahrt, Den Homerus ließ ich liegen, Nun ich selbst Ulysses ward; Nahm die Laute zur Gefährtin Und vor jeglichem Altan, Unter jedem Gitterfenster Frag’ ich leis mit Tönen an, Sing’ in Stadt und Feld das Liedchen, Das im Salamanker Thal Jeden Abend ich gesungen Meiner Liebsten zum Signal; Doch die Antwort, die ersehnte, Tönet nimmermehr und ach! Nur das alte Fräulein Echo Reist zur Qual mir ewig nach. 2. Der Jäger . Als ich einsmals in den Wäldern Hinter einer Eiche stand, Lauernd, oft mich vorwärts legend, Auch die Büchse schon zur Hand: Da vernahm ich leichtes Rauschen Und mein Hünerhund schlug an, Fertig hielt ich gleich die Büchse, Paßte mit gespanntem Hahn: Sieh! da kam nicht Reh noch Hase, Kam ein Wild von schönrer Art, Trat ein Mägdlein aus den Büschen, Jung und frisch, und lind und zart. So von seltsamen Gewalten Ward ich plötzlich übermannt, Daß ich fast vor eitel Liebe Auf die Schönste losgebrannt. Immer geh’ ich nun den Fährten Dieses edeln Wildes nach Und vor seinem Lager steh’ ich Jeden Abend auf der Wach’. Um es unverblümt zu sagen: Vor der Lieblichsten Altan Steh’ ich pflichtlich jeden Abend, Blicke traurig still hinan. Doch von solcher stummen Klage Wird ihr gleich die Zeit zu lang, Lieder will sie süße Weisen, Flötentöne, Lautenklang. Ach! das ist ein künstlich Locken, Drin ich Waidmann nichts vermag, Nur den Kuckucksruf verstehend Und den schlichten Wachtelschlag. Unstern . Unstern, diesem guten Jungen, Hat es seltsam sich geschickt, Manches wär’ ihm fast gelungen, Manches wär’ ihm schier geglückt. Alle Glückesstern’ im Bunde Hätten weihend ihm gelacht, Wenn die Mutter eine Stunde Früher ihn zur Welt gebracht. Waffenruhm und Heldenehre Hätten zeitig ihm geblüht, War doch in dem ganzen Heere Keiner so von Muth erglüht: Nur als schon in wilden Wogen Seine Schaar zum Sturme drang, Kam ein Bote hergeflogen, Der die Friedensfahne schwang. Nah ist Unsterns Hochzeitfeier, Hold und sittig glüht die Braut; Sieh! da kömmt ein reichrer Freier, Der die Eltern baß erbaut. Dennoch hätte die Geraubte Ihn als Wittwe noch beglückt, Wäre nicht der Todtgeglaubte Plötzlich wieder angerückt. Reich wär’ Unstern noch geworden Mit dem Gut der neuen Welt, Hätte nicht ein Sturm aus Norden Noch im Port das Schiff zerschellt. Glücklich war er selbst entschwommen, Einer Planke hatt’ er’s Dank, Hatte schon den Strand erklommen, Glitt zurück noch und versank. In den Himmel, sonder Zweifel, Würd’ er gleich gekommen seyn, Liefe nicht ein dummer Teufel Just ihm in den Weg hinein. Teufel meint, es sey die Seele, Die er eben holen soll, Packt den Unstern an der Kehle, Rennt mit ihm davon wie toll. Da erscheint ein lichter Engel Rettend aus dem Nebelduft, Donnert flugs den schwarzen Bengel In die tiefste Höllenkluft, Schwebt der goldnen Himmelsferne Mit dem armen Unstern zu, Ueber gut’ und böse Sterne Führt er den zur ew’gen Ruh. Uhlands Gedichte. 17 Der Ring . Es ging an einem Morgen Ein Ritter über die Au. Er dacht’ in bangen Sorgen An die allerschönste Frau. „Mein werthes Ringlein golden! Verkünde du mir frei, Du Pfand von meiner Holden, Wie steht es mit ihrer Treu?“ Wie er’s betrachten wollte, Vom Finger es ihm sprang, Das Ringlein hüpft’ und rollte Den Wiesenrain entlang. Er will mit schnellen Händen Es haschen auf der Au, Doch goldne Blumen ihn blenden Und Gräser, betropft von Thau. Ein Falk’ es gleich erlauschte, Der auf der Linde saß, Vom Wipfel er niederrauschte, Er holt’ es aus dem Gras. Mit mächtigem Gefieder Er in die Luft sich schwang. Da wollten seine Brüder Ihm rauben den goldnen Fang. Doch keiner gewann’s von allen, Das Ringlein fiel aus der Höh’. Der Ritter sah es fallen In einen tiefen See. Die Fischlein hüpften munter, Zu haschen den goldnen Tand; Das Ringlein sank hinunter, Bis es den Blicken schwand. „O Ringlein! auf den Triften, Da äffen dich Gras und Blum’; O Ringlein! in den Lüften, Da tragen die Vögel dich um. O Ringlein! in Wassers Grunde, Da haschen die Fische dich frei. Mein Ringlein! ist das die Kunde, Die Kunde von Liebchens Treu?“ Die drei Schlösser . Drei Schlösser sind in meinem Gaue, Die ich mit Liebe stets beschaue; Und ich, der wohlbestellte Sänger, Durch Feld und Wald der rasche Gänger, Wie sollt’ ich schweigen von den Dreien, Die sich dem Gau zum Schmucke reihen? Das erst’ ist kaum ein Schloß zu nennen, An wenig Trümmern zu erkennen, Versunken dort am Waldeshange, Sein Name selbst verschollen lange, Denn seit nicht mehr die Thürme ragen, Verging nach ihm der Wandrer Fragen. Doch schreckt dich nicht durch Waldes Dichte Der Zweige Schlagen in’s Gesichte: Dort, wo des Beiles Schläge fallen, Einsame Waldhornklänge hallen, Dort kannst du Wundermähr’ erfragen Von Mauern, welche nicht mehr ragen. Ja! setzest du im Mondenscheine Dich auf’s verfallene Gesteine: So wird die Kund’, auch unerbeten, Dir vor die stille Seele treten. Das zweite meines Dreivereines, Es scheint ein Schloß, doch ist es keines. Du siehst vom hohen Bergesrücken Es stolz im Sonnenstrale blicken, Mit Thürmen und mit Zinnen prangen, Mit tiefem Graben rings umfangen, Voll Heldenbilder aller Orte, Zween Marmorlöwen an der Pforte: Doch drinnen ist es öd’ und stille, Im Hofe hohes Gras in Fülle, Im Graben quillt das Wasser nimmer, Im Haus ist Treppe nicht, noch Zimmer, Ringsum die Epheuranken schleichen, Zugvögel durch die Fenster streichen. Dort saßen mit der goldnen Krone Voreinst die Herrscher auf dem Throne, Von dortaus zogen einst die Helden, Von denen die Geschichten melden. Die Herrscher ruhn in Gräberhallen, Die Helden sind im Kampf gefallen; Verhallet war der Burg Getümmel, Da fuhr ein Feuerstral vom Himmel, Der reiche Schatz verging in Flammen, Gemach und Treppe fiel zusammen. Inwendig ward das Schloß verheeret, Doch außen blieb es unversehret. Sobald erlosch der Edeln Orden, Ist auch ihr Haus verödet worden. Doch wie noch die Geschichten melden Der Herrscher Namen und der Helden: So sieht man auch die Thürm’ und Mauern Mit ihren Heldenbildern dauern. Auch wird noch ferner manch Jahrhundert Das hohe Denkmal schaun verwundert Und jenes Schloß auf Berges Rücken Verklärt im Sonnenstral erblicken. Dann zwischen beiden in der Mitte, Ein lustig Schlößlein, steht das dritte ; Nicht stolz auf Berges Gipfel oben, Doch auf dem Hügel, sanft gehoben; Nicht in des Waldes finstern Räumen, Doch unter frischen Blüthenbäumen; Mit blanken Mauern, rothen Ziegeln, Mit Fenstern, die wie Sonnen spiegeln. Es ist zu klein für die Geschichte, Zu jung für Sagen und Gedichte. Doch ich, der wohlbestellte Sänger, Durch Feld und Wald der rasche Gänger, Ich sorge redlich, daß nicht länger Das Schlößlein bleibe sonder Kunde. Zur Morgen- und zur Abendstunde Umwandl’ ich es mit meiner Laute, Und wenn dann Klelia, die Traute, An’s Fenster tritt mit holdem Grüßen: So will in mir die Hoffnung sprießen, Daß eine Kunde, drin Geschichte Sich schön verwoben mit Gedichte, Daß solche Kunde bald beginne Von Klelia’s und Sängers Minne. Graf Eberhards Weißdorn . Graf Eberhard im Bart Vom Würtemberger Land, Eṙ kam auf frommer Fahrt Zu Palästina’s Strand. Daselbst er einsmals ritt Durch einen frischen Wald. Ein grünes Reis er schnitt Von einem Weißdorn bald. Er steckt’ es mit Bedacht Auf seinen Eisenhut. Er trug es in der Schlacht Und über Meeres Flut. Und als er war daheim, Er’s in die Erde steckt, Wo bald manch neuen Keim Der milde Frühling weckt. Der Graf, getreu und gut, Besucht’ es jedes Jahr, Erfreute dran den Muth, Wie es gewachsen war. Der Herr war alt und laß, Das Reislein war ein Baum, Darunter oftmals saß Der Greis in tiefem Traum. Die Wölbung, hoch und breit, Mit sanftem Rauschen mahnt Ihn an die alte Zeit Und an das ferne Land. Das Reh . Es jagt’ ein Jäger früh am Tag Ein Reh durch Wälder und Auen, Da sah er aus dem Gartenhag Ein rosig Mägdlein schauen. Was ist geschehn dem guten Pferd? Hat es den Fuß verletzet? Was ist geschehn dem Jäger werth, Daß er nicht mehr ruft und hetzet? Das Rehlein rennet immer noch Ueber Berg und Thal so bange. Halt an, du seltsam Thierlein, doch! Der Jäger vergaß dich lange. Der weisse Hirsch . Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch, Sie wollten erjagen den weissen Hirsch. Sie legten sich unter den Tannenbaum, Da hatten die drei einen seltsamen Traum. Der Erste . Mir hat geträumt, ich klopf’ auf den Busch, Da rauschte der Hirsch heraus, husch husch! Der Zweite . Und als er sprang mit der Hunde Geklaff, Da brannt’ ich ihn auf das Fell, piff paff! Der Dritte . Und als ich den Hirsch an der Erde sah, Da stieß ich lustig in’s Horn, trara! So lagen sie da und sprachen, die drei, Da rannte der weisse Hirsch vorbei. Und eh’ die drei Jäger ihn recht gesehn, So war er davon über Tiefen und Höhn. Husch husch! piff paff! trara! Die Jagd von Winchester . König Wilhelm hatt’ ein’ schweren Traum, Vom Lager sprang er auf, Wollt’ jagen dort in Winchesters Wald, Rief seine Herrn zuhauf. Und als sie kamen vor den Wald, Da hält der König still, Gibt Jedem einen guten Pfeil, Wer jagen und birschen will. Der König kömmt zur hohen Eich’, Da springt ein Hirsch vorbei, Der König spannt den Bogen schnell, Doch die Sehne reißt entzwei. Herr Titan besser treffen will, Herr Titan drückt wohl ab, Er schießt dem König mitten in’s Herz Den Pfeil, den der ihm gab. Herr Titan fliehet durch den Wald, Flieht über Land und Meer, Er flieht wie ein gescheuchtes Wild, Findt nirgends Ruhe mehr. Prinz Heinrich ritt im Wald umher, Viel Reh’ und Hasen er fand: „Wohl träf’ ich gern ein edler Wild Mit dem Pfeil von Königs Hand.“ Da reiten schon in ernstem Zug Die hohen Lords heran, Sie melden ihm des Königs Tod, Sie tragen die Kron’ ihm an. „Auf dieser trauervollen Jagd Euch reiche Beute ward, Ihr habt erjagt, gewalt’ger Herr! Den edeln Leopard.“ Harald . Vor seinem Heergefolge ritt Der kühne Held Harald. Sie zogen in des Mondes Schein Durch einen wilden Wald. Sie tragen manch’ erkämpfte Fahn’, Die hoch im Winde wallt, Sie singen manches Siegeslied, Das durch die Berge hallt. Was rauschet, lauschet im Gebüsch? Was wiegt sich auf dem Baum? Was senket aus den Wolken sich, Und taucht aus Stromes Schaum? Was wirft mit Blumen um und um? Was singt so wonniglich? Was tanzet durch der Krieger Reihn? Schwingt auf die Rosse sich? Was kost so sanft und küßt so süß? Und hält so lind umfaßt? Und nimmt das Schwerdt, und zieht vom Roß, Und läßt nicht Ruh noch Rast? Es ist der Elfen leichte Schaar; Hier hilft kein Widerstand. Schon sind die Krieger all dahin, Sind all im Feenland. Nur er, der Beste, blieb zurück, Der kühne Held Harald. Er ist vom Wirbel bis zur Sohl’ In harten Stahl geschnallt. All seine Krieger sind entrückt, Da liegen Schwerdt und Schild, Die Rosse, ledig ihrer Herrn, Sie gehn im Walde wild. In großer Trauer ritt von dann Der stolze Held Harald, Er ritt allein im Mondenschein Wohl durch den weiten Wald. Vom Felsen rauscht es frisch und klar, Er springt vom Rosse schnell, Er schnallt vom Haupte sich den Helm Und trinkt vom kühlen Quell. Doch wie er kaum den Durst gestillt, Versagt ihm Arm und Bein; Er muß sich setzen auf den Fels, Er nickt und schlummert ein. Er schlummert auf demselben Stein Schon manche hundert Jahr’, Das Haupt gesenket auf die Brust, Mit grauem Bart und Haar. Wann Blitze zucken, Donner rollt, Wann Sturm erbraust im Wald, Dann greift er träumend nach dem Schwerdt, Der alte Held Harald. Die Elfen . Erste . Kommt herbei, ihr luft’gen Schwestern! Seht! ein holdes Erdenkind! Sputet euch, bevor sie fliehet! Solch ein Hexchen ist geschwind. Alle . Mädchen, komm zum Elfentanze, Komm im Mond- und Sternenglanze! Zweite . Traun! du bist ein leichtes Liebchen, Wiegst nicht über fünfzig Pfund, Hast ein kleines, flinkes Füßchen; Tanze mit uns in die Rund’! Dritte . Kannst wohl frei in Lüften schweben Bis man eben drei gezählt, Stampfst zuweilen kaum ein wenig, Daß man nicht den Takt verfehlt. Alle . Zürne nicht, du flinke Kleine, Tanze frisch im Mondenscheine! Vierte . Trautes Liebchen! kannst du lachen? Weinst du gern im Mondenschein? Weine nur, so wirst du schmelzen, Bald ein leichtes Elfchen seyn! Fünfte . Sprich! ist auch dein Fleiß zu loben? Ist dir keine Arbeit fremd? Ist dein Brautbett schon gewoben? Spinnst du schon für’s Todtenhemd? Sechste . Kennst du auch die große Lehre Von der Butter und dem Schmalz? Spürst du in den Fingerspitzen: Wieviel Pfeffer, wieviel Salz? Alle . Liebchen, laß uns immer fragen! Darfst uns keine Antwort sagen. Siebente . Hast du nichts auf dem Gewissen, Wie so manches arme Kind, Von verstohlnen süßen Küssen, Welches große Sünden sind? Achte . Oder bist du schon ein Bräutchen, Hast ’nen Bräutigam so treu, Der dich darf spazieren führen Nachmittags von Eins bis Zwei? Uhlands Gedichte. 18 Neunte . Hast du einen Ring am Finger, Schwer von Gold, mit Stein geschmückt? Das ist ächte Lieb’ und Treue, Wenn es recht am Finger drückt. Zehnte . Liebchen! bist noch immer böse? Hast du so ein hitzig Blut? Mußt dir’s Zürnen abgewöhnen, Ist nicht für die Ehe gut. Alle . Liebchen, frisch zum Elfentanze! Auf im Mond- und Sternenglanze! Die Bildsäule des Bacchus . Kallisthenes, ein Jüngling zu Athen, Kam einst, nach einer durchgeschwärmten Nacht, Den welken Epheukranz um’s wilde Haar, Hintaumelnd in der Dämmerung, nach Haus, Er selber, wie die Dämmrung, wüst und bleich. Als nun der Diener nach dem Schlafgemach Ihm leuchtet durch den hohen Säulengang, Da tritt mit Eins im vollen Fackelschein Des Bacchus göttlich Marmorbild hervor, Von schöpferischer Meisterhand geformt. In Jugendfülle hebt sich die Gestalt, Aus reichem, lang hinwallendem Gelock Erglänzt das feingewölbte Schulternpaar, Und unter’m Schatten üppigen Geflechts Von Rebenlaub und schwellender Traubenfrucht Erscheint das runde, blühende Gesicht. Erschrocken fährt Kallisthenes zurück Vor der Erscheinung Herrlichkeit und Glanz, Ihm ist, als hätte mit dem Thyrsusstab Der Gott die Stirne strafend ihm berührt, Als spräche zürnend der belebte Mund: „Was spuckst du hier, du wankendes Gespenst? Ereb’scher Schatten, kraftlos, sinnbetäubt! Du hast den heil’gen Epheu mir entweiht, Du nennest frevelnd meinen Priester dich; Hinweg von mir! ich kenne deiner nicht. Ich bin die Fülle schaffender Natur, Die sich besonders in dem edeln Blut Der Rebe reich und göttlich offenbart. Will euer wüstes Treiben einen Gott, So sucht ihn nicht auf sonnigem Weingebirg, Nein! sucht ihn drunten in des Hades Nacht!“ Der Gott verstummt, der Fackel Licht erlischt, Der Jüngling schleicht beschämt in sein Gemach, Er nimmt vom Haupt den welken Epheukranz Und still in des Gemüthes Innerstem Beschwöret er ein heiliges Gelübd. Von den sieben Zechbrüdern . Ich kenne sieben lust’ge Brüder, Sie sind die durstigsten im Ort, Die schwuren höchlich, niemals wieder Zu nennen ein gewisses Wort, In keinerlei Weise, Nicht laut und nicht leise. Es ist das gute Wörtlein: Wasser , Darin doch sonst kein Arges steckt. Wie kömmt’s nun, daß die wilden Prasser Dies schlichte Wort so mächtig schreckt? Merkt auf! ich berichte Die Wundergeschichte. Einst hörten jene durst’gen Sieben Von einem fremden Zechkumpan, Es sey am Waldgebirge drüben Ein neues Wirthshaus aufgethan, Da fließen so reine, So würzige Weine. Um einer guten Predigt willen Hätt’ Keiner sich vom Platz bewegt, Doch gilt es, Gläser gut zu füllen, Dann sind die Bursche gleich erregt. „Auf, lasset uns wandern!“ Ruft Einer dem Andern. Sie wandern rüstig mit dem Frühen, Bald steigt die Sonne drückend heiß; Die Zunge lechzt, die Lippen glühen Und von der Stirne rinnt der Schweiß: Da rieselt so helle Vom Felsen die Quelle. Wie trinken sie in vollen Zügen! Doch als sie kaum den Durst gestillt, Bezeugen sie ihr Mißvergnügen, Daß hier nicht Wein, nur Wasser, quillt: „O fades Getränke! O ärmliche Schwenke!“ In seine vielverwobnen Gänge Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf, Da stehn sie plötzlich im Gedränge, Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf; Sie irren, sie suchen, Sie zanken und fluchen. Derweil hat sich in finstre Wetter Die schwüle Sonne tief verhüllt, Schon rauscht der Regen durch die Blätter, Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt, Dann kömmt es geflossen, Unendlich ergossen. Bald wird der Forst zu tausend Inseln, Zahllose Ströme brechen vor; Hier hilft kein Toben, hilft kein Winseln, Er muß hindurch, der edle Chor. O gründliche Taufe! O köstliche Traufe! Vor Alters wurden Menschenkinder Verwandelt oft in Quell und Fluß, Auch unsre sieben arme Sünder Bedroht ein gleicher Götterschluß. Sie triefen, sie schwellen, Als würden sie Quellen. So, mehr geschwommen, als gegangen, Gelangen sie zum Wald hinaus; Doch keine Schenke sehn sie prangen, Sie sind auf gradem Weg nach Haus; Schon rieselt so helle Vom Felsen die Quelle. Da ist’s, als ob sie rauschend spreche: „Willkommen, saubre Brüderschaar! Ihr habt geschmähet, thöricht Freche! Mein Wasser, das euch labend war. Nun seyd ihr getränket, Daß ihr daran denket.“ So kam es, daß die sieben Brüder Das Wasser fürchteten hinfort, Und daß sie schwuren, niemals wieder Zu nennen das verwünschte Wort, In keinerlei Weise, Nicht laut und nicht leise. Junker Rechberger . Rechberger war ein Junker keck, Der Kaufleut’ und der Wanderer Schreck. In einer Kirche, verlassen, Da thät er die Nacht verpassen. Und als es war nach Mitternacht, Da hat er sich auf den Fang gemacht. Ein Kaufzug, hat er vernommen, Wird frühe vorüberkommen. Sie waren geritten ein kleines Stück, Da sprach er: „Reitknecht! reite zurück! Die Handschuh hab’ ich vergessen Auf der Bahre, da ich gesessen.“ Der Reitknecht kam zurück so bleich: „Die Handschuh hole der Teufel Euch! Es sitzt ein Geist auf der Bahre; Es starren mir noch die Haare. Er hat die Handschuh angethan Und schaut sie mit feurigen Augen an, Er streicht sie wohl auf und nieder; Es beben mir noch die Glieder.“ Da ritt der Junker zurück im Flug, Er mit dem Geiste sich tapfer schlug, Er hat den Geist bezwungen, Seine Handschuh wieder errungen. Da sprach der Geist mit wilder Gier: „Und läßt du sie nicht zu eigen mir, So leihe mir auf ein Jährlein Das schmucke, schmeidige Pärlein!“ „Ein Jährlein ich sie dir gerne leih’, So kann ich erproben des Teufels Treu. Sie werden wohl nicht zerplatzen An deinen dürren Tatzen.“ Rechberger sprengte von dannen stolz, Er streifte mit seinem Knecht im Holz. Der Hahn hat ferne gerufen, Da hören sie Pferdehufen. Dem Junker hoch das Herze schlug, Des Weges kam ein schwarzer Zug Vermummter Rittersleute; Der Junker wich auf die Seite. Und hinten trabt noch Einer daher, Ein ledig Räpplein führet er, Mit Sattel und Zeug staffiret, Mit schwarzer Decke gezieret. Rechberger ritt heran und frug: „Sag an! wer sind die Herren vom Zug? Sag an, traut lieber Knappe! Wem gehört der ledige Rappe?“ „Dem treuesten Diener meines Herrn, Rechberger nennt man ihn nah und fern. Ein Jährlein, so ist er erschlagen, Dann wird das Räpplein ihn tragen.“ Der Schwarze ritt den Andern nach, Der Junker zu seinem Knechte sprach: „Weh mir! vom Roß ich steige, Es geht mit mir zur Neige. Ist dir mein Rößlein nicht zu wild, Und nicht zu schwer mein Degen und Schild: Nimm’s hin dir zum Gewinnste, Und brauch es in Gottes Dienste!“ Rechberger in ein Kloster ging: „Herr Abt, ich bin zum Mönche zu ring, Doch möcht’ ich in tiefer Reue Dem Kloster dienen als Laie.“ „Du bist gewesen ein Reitersmann, Ich seh’ es dir an den Sporen an, So magst du der Pferde walten, Die im Klosterstalle wir halten.“ Am Tag, da selbiges Jahr sich schloß, Da kaufte der Abt ein schwarz wild Roß, Rechberger sollt’ es zäumen, Doch es thät sich stellen und bäumen. Es schlug den Junker mitten auf’s Herz, Daß er sank in bitterem Todesschmerz. Es ist im Walde verschwunden, Man hat’s nicht wieder gefunden. Um Mitternacht, an Junkers Grab, Da stieg ein schwarzer Reitknecht ab, Einem Rappen hält er die Stangen, Reithandschuh am Sattel hangen. Rechberger stieg aus dem Grab herauf, Er nahm die Handschuh vom Sattelknauf, Er schwang sich in Sattels Mitte, Der Grabstein diente zum Tritte. Dies Lieb ist Junkern zur Lehr’ gemacht: Daß sie geben auf ihre Handschuh Acht, Und daß sie fein bleiben lassen, In der Nacht am Wege zn passen. Graf Eberstein . Zu Speier im Saale, da hebt sich ein Klingen, Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen. Graf Eberstein Führet den Reihn Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein. Und als er sie schwingt nun im luftigen Reigen, Da flüstert sie leise, sie kann’s nicht verschweigen: „Graf Eberstein, Hüte dich fein! Heut Nacht wird dein Schlößlein gefährdet seyn.“ Ei! denket der Graf, Euer kaiserlich’ Gnaden, So habt Ihr mich darum zum Tanze geladen! Er sucht sein Roß, Läßt seinen Troß Und jagt nach seinem gefährdeten Schloß. Um Ebersteins Veste da wimmelt’s von Streitern, Sie schleichen im Nebel mit Hacken und Leitern. Graf Eberstein Grüßet sie fein, Er wirft sie vom Wall in die Gräben hinein. Als nun der Herr Kaiser am Morgen gekommen, Da meint er, es seye die Burg schon genommen. Doch auf dem Wall Tanzen mit Schall Der Graf und seine Gewappneten all. „Herr Kaiser! beschleicht ihr ein andermal Schlösser, Thut’s Noth, Ihr verstehet auf’s Tanzen Euch besser. Euer Töchterlein Tanzet so fein, Dem soll meine Veste geöffnet seyn.“ Im Schlosse des Grafen, da hebt sich ein Klingen, Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen. Graf Eberstein Führet den Reihn Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein. Und als er sie schwingt nun im bräutlichen Reigen, Da flüstert er leise, nicht kann er’s verschweigen: „Schön Jungfräulein, Hüte dich fein! Heut Nacht wird ein Schlößlein gefährdet seyn.“ Schwäbische Kunde . Als Kaiser Rothbart lobesam Zum heil’gen Land gezogen kam, Da mußt’ er mit dem frommen Heer Durch ein Gebirge, wüst und leer. Daselbst erhub sich große Noth, Viel Steine gab’s und wenig Brot, Und mancher deutsche Reitersmann Hat dort den Trunk sich abgethan. Den Pferden war’s so schwach im Magen, Fast mußt’ der Reiter die Mähre tragen. Nun war ein Herr aus Schwabenland, Von hohem Wuchs und starker Hand, Deß Rößlein war so krank und schwach, Er zog es nur am Zaume nach, Er hätt’ es nimmer aufgegeben Und kostet’s ihn das eigne Leben. So blieb er bald ein gutes Stück Hinter dem Heereszug zurück, Da sprengten plötzlich in die Queer Fünfzig türkische Reiter daher, Die huben an, auf ihn zu schießen, Nach ihm zu werfen mit den Spießen. Der wackre Schwabe forcht’ sich nit, Ging seines Weges Schritt vor Schritt, Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken Und thät nur spöttlich um sich blicken, Bis Einer, dem die Zeit zu lang, Auf ihn den krummen Säbel schwang. Da wallt dem Deutschen auch sein Blut, Er trifft des Türken Pferd so gut, Er haut ihm ab mit Einem Streich Die beiden Vorderfüß’ zugleich. Als er das Thier zu Fall gebracht, Da faßt er erst sein Schwerdt mit Macht, Er schwingt es auf des Reiters Kopf, Haut durch bis auf den Sattelknopf, Haut auch den Sattel noch zu Stücken Und tief noch in des Pferdes Rücken; Zur Rechten sieht man, wie zur Linken, Einen halben Türken heruntersinken. Da packt die Andern kalter Graus, Sie fliehen in alle Welt hinaus, Und Jedem ist’s, als würd’ ihm mitten Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten. Drauf kam des Wegs ’ne Christenschaar, Die auch zurück geblieben war, Die sahen nun mit gutem Bedacht Was Arbeit unser Held gemacht. Von denen hat’s der Kaiser vernommen, Der ließ den Schwaben vor sich kommen, Er sprach: „Sagt an, mein Ritter werth! Wer hat Euch solche Streich’ gelehrt?“ Der Held bedacht’ sich nicht zu lang: „Die Streiche sind bei uns im Schwang, Sie sind bekannt im ganzen Reiche, Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.“ Die Rache . Der Knecht hat erstochen den edeln Herrn, Der Knecht wär’ selber ein Ritter gern. Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain Und den Leib versenket im tiefen Rhein. Hat angeleget die Rüstung blank, Auf des Herren Roß sich geschwungen frank. Und als er sprengen will über die Brück’, Da stutzet das Roß und bäumt sich zurück. Und als er die güldnen Sporen ihm gab, Da schleudert’s ihn wild in den Strom hinab. Mit Arm, mit Fuß er rudert und ringt, Der schwere Panzer ihn niederzwingt. Uhlands Gedichte. 19 Das Schwerdt. . Zur Schmiede ging ein junger Held, Er hatt’ ein gutes Schwerdt bestellt. Doch als er’s wog in freier Hand, Das Schwerdt er viel zu schwer erfand. Der alte Schmied den Bart sich streicht: „Das Schwerdt ist nicht zu schwer noch leicht, Zu schwach ist Euer Arm, ich mein’, Doch morgen soll geholfen seyn.“ „Nein, heut! bei aller Ritterschaft! Durch meine, nicht durch Feuers Kraft.“ Der Jüngling spricht’s, ihn Kraft durchdringt, Das Schwerdt er hoch in Lüften schwingt. Siegfrieds Schwerdt . Jung Siegfried war ein stolzer Knab, Ging von des Vaters Burg herab. Wollt’ rasten nicht in Vaters Haus, Wollt’ wandern in alle Welt hinaus. Begegnet’ ihm mancher Ritter werth Mit festem Schild und breitem Schwerdt. Siegfried nur einen Stecken trug, Das war ihm bitter und leid genug. Und als er ging im finstern Wald, Kam er zu einer Schmiede bald. Da sah er Eisen und Stahl genug, Ein lustig Feuer Flammen schlug. „O Meister, liebster Meister mein! Laß du mich deinen Gesellen seyn! Und lehr du mich mit Fleiß und Acht, Wie man die guten Schwerdter macht!“ Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt, Er schlug den Ambos in den Grund. Er schlug, daß weit der Wald erklang Und alles Eisen in Stücke sprang. Und von der letzten Eisenstang’ Macht’ er ein Schwerdt, so breit und lang. „Nun hab’ ich geschmiedet ein gutes Schwerdt, Nun bin ich wie andre Ritter werth. Nun schlag’ ich wie ein andrer Held Die Riesen und Drachen in Wald und Feld.“ Klein Roland . Frau Berta saß in der Felsenkluft, Sie klagt’ ihr bittres Loos. Klein Roland spielt’ in freier Luft, Deß Klage war nicht groß. „O König Karl, mein Bruder hehr! O daß ich floh von dir! Um Liebe ließ ich Pracht und Ehr’, Nun zürnst du schrecklich mir. O Milon, mein Gemahl so süß! Die Flut verschlang mir dich. Die ich um Liebe Alles ließ, Nun läßt die Liebe mich. Klein Roland, du mein theures Kind! Nun Ehr’ und Liebe mir! Klein Roland, komm herein geschwind! Mein Trost kommt all von dir. Klein Roland, geh zur Stadt hinab, Zu bitten um Speis’ und Trank, Und wer dir gibt eine kleine Gab’, Dem wünsche Gottes Dank!“ Der König Karl zur Tafel saß Im goldnen Rittersaal. Die Diener liefen ohn’ Unterlaß Mit Schüssel und Pokal. Von Flöten, Saitenspiel, Gesang Ward jedes Herz erfreut, Doch reichte nicht der helle Klang Zu Berta’s Einsamkeit. Und draußen in des Hofes Kreis, Da saßen der Bettler viel, Die labten sich an Trank und Speis’ Mehr, als am Saitenspiel. Der König schaut in ihr Gedräng Wohl durch die offne Thür, Da drückt sich durch die dichte Meng’ Ein feiner Knab herfür. Des Knaben Kleid ist wunderbar, Vierfarb zusammengestückt; Doch weilt er nicht bei der Bettlerschaar, Herauf zum Saal er blickt. Herein zum Saal klein Roland tritt, Als wär’s sein eigen Haus. Er hebt eine Schüssel von Tisches Mitt’ Und trägt sie stumm hinaus. Der König denkt: „was muß ich sehn? Das ist ein sondrer Brauch.“ Doch weil er’s ruhig läßt geschehn, So lassen’s die Andern auch. Es stund nur an eine kleine Weil’, Klein Roland kehrt in den Saal. Er tritt zum König hin mit Eil’ Und faßt seinen Goldpokal. „Heida! halt an, du kecker Wicht!“ Der König ruft es laut. Klein Roland läßt den Becher nicht, Zum König auf er schaut. Der König erst gar finster sah, Doch lachen mußt’ er bald. „Du trittst in die goldne Halle da Wie in den grünen Wald. Du nimmst die Schüssel von Königs Tisch Wie man Aepfel bricht vom Baum; Du holst wie aus dem Bronnen frisch Meines rothen Weines Schaum.“ „Die Bäurin schöpft aus dem Bronnen frisch, Die bricht die Aepfel vom Baum; Meiner Mutter ziemet Wildbrät und Fisch, Ihr rothen Weines Schaum.“ „Ist deine Mutter so edle Dam’, Wie du berühmst, mein Kind! So hat sie wohl ein Schloß lustsam Und stattlich Hofgesind? Sag an! wer ist denn ihr Truchseß, Sag an! wer ist ihr Schenk?“ „Meine rechte Hand ist ihr Truchseß, Meine linke, die ist ihr Schenk.“ „Sag an! wer sind ihre Wächter tren?“ „Meine Augen blau allstund.“ „Sag an! wer ist ihr Sänger frei?“ „Der ist mein rother Mund.“ „Die Dam’ hat wackre Diener, traun! Doch liebt sie sondre Livrei, Wie Regenbogen anzuschaun, Mit Farben mancherlei.“ „Ich hab’ bezwungen der Knaben acht Von jedem Viertel der Stadt, Die haben mir als Zins gebracht Vierfältig Tuch zur Wat.“ „Die Dame hat, nach meinem Sinn, Den besten Diener der Welt. Sie ist wohl Bettlerkönigin, Die offne Tafel hält. So edle Dame darf nicht fern Von meinem Hofe seyn. Wohlauf, drei Damen! auf, drei Herru! Führt sie zu mir herein!“ Klein Roland trägt den Becher flink Hinaus zum Prunkgemach; Drei Damen, auf des Königs Wink, Drei Ritter folgen nach. Es stund nur an eine kleine Weil’, Der König schaut in die Fern’, Da kehren schon zurück mit Eil’ Die Damen und die Herrn. Der König ruft mit einem Mal: „Hilf Himmel! seh’ ich recht? Ich hab’ verspottet im offnen Saal Mein eigenes Geschlecht. Hilf Himmel! Schwester Berta, bleich, Im grauen Pilgergewand! Hilf Himmel! in meinem Prunksaal reich Den Bettelstab in der Hand!“ Frau Berta fällt zu Füßen ihm, Das bleiche Frauenbild. Da regt sich plötzlich der alte Grimm, Er blickt sie an so wild. Frau Berta senkt die Augen schnell, Kein Wort zu reden sich traut. Klein Roland hebt die Augen hell, Den Oehm begrüßt er laut. Da spricht der König in mildem Ton: „Steh auf, du Schwester mein! Um diesen deinen lieben Sohn Soll dir verziehen seyn.“ Frau Berta hebt sich freudenvoll: „Lieb Bruder mein! wohlan! Klein Roland dir vergelten soll, Was du mir Guts gethan. Soll werden, seinem König gleich, Ein hohes Heldenbild; Soll führen die Farb’ von manchem Reich In seinem Banner und Schild. Soll greifen in manches Königs Tisch Mit seiner freien Hand; Soll bringen zu Heil und Ehre frisch Sein seufzend Mutterland.“ Roland Schildträger . Der König Karl saß einst zu Tisch Zu Aachen mit den Fürsten, Man stellte Wildbrät auf und Fisch Und ließ auch Keinen dürsten. Viel Goldgeschirr von klarem Schein, Manch rothen, grünen Edelstein Sah man im Saale leuchten. Da sprach Herr Karl, der starke Held: „Was soll der eitle Schimmer? Das beste Kleinod dieser Welt, Das fehlet uns noch immer. Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein, Ein Riese trägt’s im Schilde sein, Tief im Ardennerwalde.“ Graf Richard, Erzbischof Turpin, Herr Heimon, Naims von Baiern, Milon von Anglant, Graf Garin, Die wollten da nicht feiern. Sie haben Stahlgewand begehrt Und hießen satteln ihre Pferd’, Zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb Vater! hört, ich bitte! Vermeint Ihr mich zu jung und schwach, Daß ich mit Riesen stritte, Doch bin ich nicht zu winzig mehr, Euch nachzutragen Euern Speer Sammt Eurem guten Schilde.“ Die sechs Genossen ritten bald Vereint nach den Ardennen, Doch als sie kamen in den Wald, Da thäten sie sich trennen. Roland ritt hinter’m Vater her; Wie wohl ihm war, des Helden Speer, Des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht Streiften die kühnen Degen, Doch fanden sie den Riesen nicht In Felsen noch Gehegen. Zur Mittagsstund’ am vierten Tag Der Herzog Milon schlafen lag In einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald Ein Blitzen und ein Leuchten, Davon die Stralen in dem Wald Die Hirsch’ und Reh’ aufscheuchten; Er sah, es kam von einem Schild, Den trug ein Riese, groß und wild, Vom Berge niedersteigend. Roland gedacht’ im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein Im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, Es wacht sein Speer, sein Schild und Schwerdt, Es wacht Roland, der junge.“ Roland das Schwerdt zur Seite band, Herrn Milons starkes Waffen, Die Lanze nahm er in die Hand Und thät den Schild aufraffen. Herrn Milons Roß bestieg er dann Und ritt erst sachte durch den Tann, Den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, Da sprach der Ries’ mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant Auf solchem Rosse machen? Sein Schwerdt ist zwier so lang als er, Vom Rosse zieht ihn schier der Speer, Der Schild will ihn erdrücken.“ Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab’ ich die Tartsche lang und breit, Kann sie mich besser decken; Ein kleiner Mann, ein großes Pferd, Ein kurzer Arm, ein langes Schwerdt, Muß eins dem andern helfen.“ Der Riese mit der Stange schlug, Auslangend in die Weite, Jung Roland schwenkte schnell genug Sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz’ er auf den Riesen schwang, Doch von dem Wunderschilde sprang Auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast Das Schwerdt in beide Hände, Der Riese nach dem seinen faßt’, Er war zu unbehende; Mit flinkem Hiebe schlug Roland Ihm unter’m Schild die linke Hand, Daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Muth dahin, Wie ihm der Schild entrissen, Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, Mußt’ er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, Doch Roland in das Knie ihn stach, Daß er zu Boden stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, Hieb ihm das Haupt herunter, Ein großer Strom von Blute lief In’s tiefe Thal hinunter; Und aus des Todten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach, Und freute sich am Glanze. Dann barg er’s unter’m Kleide gut, Und ging zu einem Quelle, Da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt der jung’ Roland, Dahin, wo er den Vater fand, Noch schlafend bei der Eiche. Er legt’ sich an des Vaters Seit’, Vom Schlafe selbst bezwungen, Bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen: „Wach auf, wach auf, mein Sohn Roland! Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand, Daß wir den Riesen suchen!“ Sie stiegen auf und eilten sehr, Zu schweifen in der Wilde, Roland ritt hinter’m Vater her Mit dessen Speer und Schilde. Sie kamen bald zu jener Stätt’ Wo Roland jüngst gestritten hät, Der Riese lag im Blute. Roland kaum seinen Augen glaubt’, Als nicht mehr war zu schauen Die linke Hand, dazu das Haupt, So er ihm abgehauen, Nicht mehr des Riesen Schwerdt und Speer, Auch nicht sein Schild und Harnisch mehr, Nur Rumpf und blut’ge Glieder. Milon besah den großen Rumpf: „Was ist das für ’ne Leiche? Man sieht noch am zerhau’nen Stumpf, Wie mächtig war die Eiche. Das ist der Riese! frag’ ich mehr? Verschlafen hab’ ich Sieg und Ehr’, Drum muß ich ewig trauern.“ — Zu Aachen vor dem Schlosse stund Der König Karl gar bange: „Sind meine Helden wohl gesund? Sie weilen allzu lange. Doch seh’ ich recht, auf Königswort! So reitet Herzog Heimon dort, Des Riesen Haupt am Speere.“ Herr Heimon ritt in trübem Muth, Und mit gesenktem Spieße Legt’ er das Haupt, besprengt mit Blut, Dem König vor die Füße: „Ich fand den Kopf im wilden Hag, Und fünfzig Schritte weiter lag Des Riesen Rumpf am Boden.“ Bald auch der Erzbischof Turpin Den Riesenhandschuh brachte, Die ungefüge Hand noch drin, Er zog sie aus und lachte: „Das ist ein schön Reliquienstück, Ich bring’ es aus dem Wald zurück, Fand es schon zugehauen.“ Der Herzog Naims von Baierland Kam mit des Riesen Stange: „Schaut an, was ich im Walde fand! Ein Waffen, stark und lange. Wohl schwitz’ ich von dem schweren Druck; Hei! bairisch Bier, ein guter Schluck, Sollt’ mir gar köstlich munden!“ Graf Richard kam zu Fuß daher, Ging neben seinem Pferde, Das trug des Riesen schwere Wehr, Den Harnisch sammt dem Schwerdte: „Wer suchen will im wilden Tann, Manch Waffenstück noch finden kann, Ist mir zu viel gewesen.“ Der Graf Garin thät ferne schon Den Schild des Riesen schwingen. „Der hat den Schild, deß ist die Kron’, Der wird das Kleinod bringen!“ „Den Schild hab’ ich, ihr lieben Herrn! Das Kleinod hätt’ ich gar zu gern, Doch das ist ausgebrochen.“ Zuletzt thät man Herrn Milon sehn, Der nach dem Schlosse lenkte, Er ließ das Rößlein langsam gehn, Das Haupt er traurig senkte. Roland ritt hinter’m Vater her Und trug ihm seinen starken Speer Zusammt dem festen Schilde. Uhlands Gedichte. 20 Doch wie sie kamen vor das Schloß Und zu den Herrn geritten, Macht’ er von Vaters Schilde los Den Zierath in der Mitten; Das Riesenkleinod setzt’ er ein, Das gab so wunderklaren Schein, Alswie die liebe Sonne. Und als nun diese helle Glut Im Schilde Milons brannte, Da rief der König frohgemuth: „Heil Milon von Anglante! Der hat den Riesen übermannt, Ihm abgeschlagen Haupt und Hand, Das Kleinod ihm entrissen.“ Herr Milon hatte sich gewandt, Sah staunend all die Helle: „Roland! sag an, du junger Fant! Wer gab dir das, Geselle?“ „Um Gott, Herr Vater! zürnt mir nicht, Daß ich erschlug den groben Wicht, Derweil Ihr eben schliefet!“ König Karls Meerfahrt . Der König Karl fuhr über Meer Mit seinen zwölf Genossen, Znm heil’gen Lande steuert’ er, Und ward vom Sturm verstoßen. Da sprach der kühne Held Roland: „Ich kann wohl fechten und schirmen, Doch hält mir diese Kunst nicht Stand Vor Wellen und vor Stürmen.“ Dann sprach Herr Holger aus Dänemark: „Ich kann die Harfe schlagen; Was hilft mir das, wenn also stark Die Wind’ und Wellen jagen?“ Herr Oliver war auch nicht froh, Er sah auf seine Wehre: „Es ist mir um mich selbst nicht so, Wie um die Altekläre.“ Dann sprach der schlimme Ganelon, Er sprach es nur verstohlen: „Wär’ ich mit guter Art davon, Möcht’ euch der Teufel holen!“ Erzbischof Turpin seufzte sehr: „Wir sind die Gottesstreiter; Komm, liebster Heiland, über das Meer Und führ uns gnädig weiter!“ Graf Richard Ohnefurcht hub an: „Ihr Geister aus der Hölle! Ich hab’ euch manchen Dienst gethan, Jetzt helft mir von der Stelle!“ Herr Naimis diesen Ausspruch that: „Schon Vielen rieth ich heuer, Doch süßes Wasser und guter Rath Sind oft zu Schiffe theuer.“ Da sprach der graue Herr Riol: „Ich bin ein alter Degen, Und möchte meinen Leichnam wohl Dereinst in’s Trockne legen.“ Es war Herr Gui, ein Ritter fein, Der fing wohl an zu singen: „Ich wollt’, ich wär’ ein Vögelein, Wollt’ mich zu Liebchen schwingen.“ Da sprach der edle Graf Garein: „Gott helf’ uns aus der Schwere! Ich trink’ viel lieber den rothen Wein, Als Wasser in dem Meere.“ Herr Lambert sprach, ein Jüngling frisch: „Gott woll’ uns nicht vergessen! Aess’ lieber selbst ’nen guten Fisch, Statt daß mich Fische fressen.“ Da sprach Herr Gottfried lobesan: „Ich lass’ mir’s halt gefallen, Man richtet mir nicht anders an, Als meinen Brüdern allen.“ Der König Karl am Steuer saß, Der hat kein Wort gesprochen, Er lenkt das Schiff mit festem Maaß, Bis sich der Sturm gebrochen. Taillefer . Normannenherzog Wilhelm sprach einmal: „Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal? Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht, So lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?“ „Das ist der Taillefer, der so gerne singt, Im Hofe, wann er das Rad am Brunnen schwingt, Im Saale, wann er das Feuer schüret und facht, Wann er Abends sich legt und wann er Morgens erwacht.“ Der Herzog sprach: „ich hab’ einen guten Knecht, Den Taillefer, der dienet mir fromm und recht, Er treibt mein Rad und schüret mein Feuer gut, Und singet so hell, das höhet mir den Muth.“ Da sprach der Taillefer: „und wär’ ich frei, Viel besser wollt’ ich dienen und singen dabei. Wie wollt’ ich dienen dem Herzog hoch zu Pferd! Wie wollt’ ich singen und klingen mit Schild und mit Schwerdt!“ Nicht lange, so ritt der Taillefer in’s Gefild, Auf einem hohen Pferde, mit Schwerdt und mit Schild. Des Herzogs Schwester schaute vom Thurm in’s Feld, Sie sprach: „dort reitet, bei Gott! ein stattlicher Held.“ Und als er ritt vorüber an Fräuleins Thurm, Da sang er bald wie ein Lüftlein, bald wie ein Sturm. Sie sprach: „der singet, das ist eine herrliche Lust! Es zittert der Thurm und es zittert mein Herz in der Brust.“ Der Herzog Wilhelm fuhr wohl über das Meer, Er fuhr nach Engelland mit gewaltigem Heer. Er sprang vom Schiffe, da fiel er auf die Hand: „Hei! — rief er — ich fass’ und ergreife dich, Engelland!“ Als nun das Normannenheer zum Sturme schritt, Der edle Taillefer vor den Herzog ritt: „Manch Jährlein hab’ ich gesungen und Feuer geschürt, Wanch Jährlein gesungen und Schwerdt und Lanze gerührt. Und hab’ ich Euch gedient und gesungen zu Dank, Zuerst als ein Knecht und dann als ein Ritter frank: So laßt mich das entgelten am heutigen Tag, Vergönnet mir auf die Feinde den ersten Schlag!“ Der Taillefer ritt vor allem Normannenheer, Auf einem hohen Pferde, mit Schwerdt und mit Speer, Er sang so herrlich, das klang über Hastingsfeld, Von Roland sang er und manchem frommen Held. Und als das Rolandslied wie ein Sturm erscholl, Da wallete manch Panier, manch Herze schwoll, Da brannten Ritter und Mannen von hohem Muth, Der Taillefer sang und schürte das Feuer gut. Dann sprengt’ er hinein und führte den ersten Stoß, Davon ein englischer Ritter zur Erde schoß, Dann schwang er das Schwerdt und führte den ersten Schlag, Davon ein englischer Ritter am Boden lag. Normannen sahen’s, die harrten nicht allzu lang, Sie brachen herein mit Geschrei und mit Schilderklang. Hei! sausende Pfeile, klirrender Schwerdterschlag! Bis Harald fiel und sein trotziges Heer erlag. Herr Wilhelm steckte sein Banner auf’s blutige Feld, Immitten der Todten spannt’ er sein Gezelt, Da saß er am Mahle, den goldnen Pokal in der Hand, Auf dem Haupte die Königskrone von Engelland. „Mein tapfrer Taillefer! komm, trink mir Bescheid! Du hast mir viel gesungen in Lieb und in Leid, Doch heut im Hastingsfelde dein Sang und dein Klang, Der tönet mir in den Ohren mein Lebenlang.“ Graf Eberhard der Rauschebart . Ist denn im Schwabenlande verschollen aller Sang, Wo einst so hell vom Staufen die Ritterharfe klang? Und wenn er nicht verschollen, warum vergißt er ganz Der tapfern Väter Thaten, der alten Waffen Glanz? Man lispelt leichte Liedchen, man spitzt manch Sinngedicht, Man höhnt die holden Frauen, des alten Liedes Licht; Wo rüstig Heldenleben längst auf Beschwörung lauscht, Da trippelt man vorüber und schauert, wenn es rauscht. Brich denn aus deinem Sarge, steig aus dem düstern Chor Mit deinem Heldensohne, du Rauschebart, hervor! Graf Eberhard von Würtemberg, genannt der Greiner , auch der Rauschebart , († 1392.) und dessen Sohn Ulrich († 1388.) sind im Chor der Stlftskirche zu Stuttgart beigesetzt. Du schlugst dich unverwüstlich noch greise Jahr’ entlang, Brich auch durch unsre Zeiten mit hellem Schwerdtesklang! 1. Der Ueberfall im Wildbad . In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn, Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn, Da ritt aus Stuttgarts Thoren ein Held von stolzer Art, Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart. Mit wenig Edelknechten zieht er in’s Land hinaus, Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht geht’s auf blut’gen Strauß, In’s Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt, Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt. Zu Hirschau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein. Dann gehts durch Tannenwälder in’s grüne Thal gesprengt, Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt. Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus, Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus, Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast, Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast. Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut; Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt Am heißesten und vollsten der edle Sprudel wallt. Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch, Verrieth voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch, Nun ist’s dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib, Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib. Da kömmt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab’: „Herr Graf! es zieht ein Haufe das obre Thal herab. Sie tragen schwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild Ein Röslein roth von Golde und einen Eber wild.“ „Mein Sohn! das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein, — Gib mir den Leibrock, Junge! — das ist der Eberstein, Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn, Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn.“ Da kömmt ein armer Hirte in athemlosem Lauf: „Herr Graf! es zieht ’ne Rotte das untre Thal herauf. Der Hauptmann führt drei Beile sein Rüstzeug glänzt und gleißt, Daß mir’s, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt.“ „Das ist der Wunnensteiner, der gleißend’ Wolf genannt, — Gib mir den Mantel, Knabe! — der Glanz ist mir bekannt, Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut, — Bind mir das Schwerdt zur Seite! — der Wolf, der lechzt nach Blut. Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt, Das ist ein lustig Necken, das Niemand Schaden fügt, Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld, Dann gilt’s, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld.“ Da spricht der arme Hirte: „deß mag noch werden Rath, Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat, Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geissen klettern dort, Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring’ Euch sicher fort.“ Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan, Mit seinem guten Schwerdte haut oft der Graf sich Bahn. Wie herb das Fliehen schmecke, noch hatt’ er’s nie vermerkt, Viel lieber möcht’ er fechten, das Bad hat ihn gestärkt. In heißer Mittagsstunde bergunter und bergauf! Schon muß der Graf sich lehnen auf seines Schwerdtes Knauf. Darob erbarmt’s den Hirten des alten, hohen Herrn, Er nimmt ihn auf den Rücken: „ich thu’s von Herzen gern.“ Da denkt der alte Greiner: „es thut doch wahrlich gut, So sänftlich seyn getragen von einem treuen Blut; In Fährden und in Nöthen zeigt erst das Volk sich ächt, Drum soll man nie zertreten sein altes, gutes Recht.“ Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart sitzt im Saal, Heißt er ’ne Münze prägen als ein Gedächtnißmal, Er gibt dem treuen Hirten manch blankes Stück davon, Auch manchem Herrn vom Schlegel verehrt er eins zum Hohn. Dann schickt er tücht’ge Maurer in’s Wildbad alsofort, Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort, Damit in künft’gen Sommern sich jeder greise Mann, Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann. 2. Die drei Könige zu Heimsen . Drei Könige zu Heimsen, wer hätt’ es je gedacht! Mit Rittern und mit Rossen, in Herrlichkeit und Pracht! Es sind die hohen Häupter der Schlegelbrüderschaft, Sich Könige zu nennen, das gibt der Sache Kraft. Da thronen sie beisammen und halten eifrig Rath, Bedenken und besprechen gewalt’ge Waffenthat: Wie man den stolzen Greiner mit Kriegsheer überfällt Und, besser als im Bade, ihm jeden Schlich verstellt. Wie man ihn dann verwahret und seine Burgen bricht, Bis er von allem Zwange die Edeln ledig spricht. Dann fahre wohl, Landfriede! dann, Lehndienst, gute Nacht! Dann ist’s der freie Ritter, der alle Welt verlacht. Schon sank die Nacht hernieder, die Kön’ge sind zur Ruh, Schon krähen jetzt die Hähne dem nahen Morgen zu, Da schallt mit scharfem Stoße das Wächterhorn vom Thurm, Wohlauf, wohlauf, ihr Schläfer! das Horn verkündet Sturm. In Nacht und Nebel draußen, da wogt es wie ein Meer Und zieht von allen Seiten sich um das Städtlein her; Verhaltne Männerstimmen, verworrner Gang und Drang, Hufschlag und Rossesschnauben und dumpfer Waffenklang! Und als das Frühroth leuchtet und als der Nebel sinkt, Hei! wie es da von Speeren, von Morgensternen blinkt! Des ganzen Gaues Bauern stehn um den Ort geschaart, Und mitten hält zu Rosse der alte Rauschebart. Die Schlegler möchten schirmen das Städtlein und das Schloß, Sie werfen von den Thürmen mit Steinen und Geschoß. „Nur sachte! — ruft der Greiner — euch wird das Bad geheitzt, Aufdampfen soll’s und qualmen, daß euch’s die Augen beitzt!“ Rings um die alten mauern ist Holz und Stroh gehäuft, In dunkler Nacht geschichtet und wohl mit Theer beträuft, Drein schießt man glüh’nde Pfeile, wie raschelt’s da im Stroh! Drein wirft man feur’ge Kränze, wie flackert’s lichterloh! Und noch von allen Enden wird Vorrath zugeführt, Von all den rüst’gen Bauern wird emsig nachgeschürt, Bis höher, immer höher die Flamme leckt und schweift, Und schon mit lust’gem Prasseln der Thürme Dach ergreift. Ein Thor ist frei gelassen, so hat’s der Graf beliebt, Dort hört man wie der Riegel sich leise, lose schiebt. Dort stürzen wohl, verzweifelnd, die Schlegler jetzt heraus? Nein! friedlich zieht’s herüber, alswie in’s Gotteshaus. Voran drei Schlegelkön’ge, zu Fuß, demüthiglich, Mit unbedecktem Haupte, die Augen untersich; Dann viele Herrn und Knechte, gemachsam, Mann für Mann, Daß man sie alle zählen und wohl betrachten kann. „Willkomm! — so ruft der Greiner — willkomm in meiner Haft! Ich traf euch gut beisammen, geehrte Brüderschaft! So konnt’ ich wieder dienen für den Besuch im Bad; Nur Einen miss’ ich, Freunde! den Wunnenstein, ’s ist Schad’!“ Ein Bäuerlein, das treulich am Feuer mitgefacht, Lehnt dort an seinem Spieße, nimmt Alles wohl in Acht: „Drei Könige zu Heimsen, — so schmollt es — das ist viel! Erwischt man noch den vierten, so ist’s ein Kartenspiel.“ 3. Die Schlacht bei Reutlingen . Zu Achalm auf dem Felsen, da haust manch kühner Aar, Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit seiner Ritterschaar; Wild rauschen ihre Flüge um Reutlingen die Stadt, Bald scheint sie zu erliegen, vom heißen Drange matt.“ Doch plötzlich einst erheben die Städter sich zu Nacht, In’s Urachthal hinüber sind sie mit großer Macht, Bald steigt von Dorf und Mühle die Flamme blutig roth, Die Herden weggetrieben, die Hirten liegen todt. Herr Ulrich hat’s vernommen, er ruft im grimmen Zorn: „In eure Stadt soll kommen kein Huf und auch kein Horn!“ Da sputen sich die Ritter, sie wappnen sich in Stahl, Sie heischen ihre Rosse, sie reiten stracks zuthal. Ein Kirchlein stehet drunten, Sankt Leonhard geweiht, Dabei ein grüner Anger, der scheint bequem zum Streit. Sie springen von den Pferden, sie ziehen stolze Reihn, Die langen Spieße starren, wohlauf! wer wagt sich drein? Schon ziehn vom Urachthale die Städter fern herbei, Man hört der Männer Jauchzen, der Herden wild Geschrei, Man sieht sie fürder schreiten, ein wohlgerüstet Heer; Wie flattern stolz die Banner! wie blitzen Schwerdt und Speer! Nun schließ dich fest zusammen, du ritterliche Schaar! Wohl hast du nicht geahnet so dräuende Gefahr. Die übermächt’gen Rotten, sie stürmen an mit Schwall, Die Ritter stehn und starren wie Fels und Mauerwall. Zu Reutlingen am Zwinger, da ist ein altes Thor, Längst wob mit dichten Ranken der Epheu sich davor, Man hat es schier vergessen, nun kracht’s mit einmal auf, Und aus dem Zwinger stürzet, gedrängt, ein Bürgerhauf’. Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wuth, Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut. Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt! Wie haben da die Färber so purpurroth gefärbt! Heut nimmt man nicht gefangen, heut geht es auf den Tod, Heut sprützt das Blut wie Regen, der Anger blühet roth. Stets drängender umschlossen und wüthender bestürmt, Ist rings von Bruderleichen die Ritterschaar umthürmt. Das Fähnlein ist verloren, Herr Ulrich blutet stark, Die noch am Leben blieben, sind müde bis in’s Mark. Da haschen sie nach Rossen und schwingen sich darauf, Sie hauen durch, sie kommen zur festen Burg hinauf. „Ach Allm—“ stöhnt’ einst ein Ritter, ihn traf des Mörders Stoß — Allmächt’ger! wollt’ er rufen — man hieß davon das Schloß. Herr Ulrich sinkt vom Sattel, halbtodt, voll Blut und Qualm, Hätt’ nicht das Schloß den Namen, man hieß’ es jetzt: Achalm . Wohl kömmt am andern Morgen zu Reutlingen an’s Thor Manch trauervoller Knappe, der seinen Herrn verlor. Dort auf dem Rathhaus liegen die Todten all gereiht, Man führt dahin die Knechte mir sicherem Geleit. Dort liegen mehr denn sechszig, so blutig und so bleich, Nicht jeder Knapp’ erkennet den todten Herrn sogleich. Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dieners Hand Gewaschen und gekleidet in weisses Grabgewand. Auf Bahren und auf Wagen getragen und geführt, Mit Eichenlaub bekränzet, wie’s Helden wohl gebührt, So geht es nach dem Thore, die alte Stadt entlang, Dumpf tönet von den Thürmen der Todtenglocken Klang. Götz Weissenheim eröffnet den langen Leichenzug, Er war es, der im Streite des Grafen Banner trug, Er hatt’ es nicht gelassen, bis er erschlagen war, Drum mag er würdig führen auch noch die todte Schaar. Drei edle Grafen folgen, bewährt in Schildesamt, Von Tübingen, von Zollern, von Schwarzenberg entstammt. O Zollern! deine Leiche umschwebt ein lichter Kranz: Sahst du vielleicht noch sterbend dein Haus im künft’gen Glanz? Von Sachsenheim zween Ritter, der Vater und der Sohn, Die liegen still beisammen in Lilien und in Mohn, Auf ihrer Stammburg wandelt von Alters her ein Geist, Der längst mit Klaggebärden auf schweres Unheil weist. Einst war ein Herr von Lustnau vom Scheintod auferwacht, Er kehrt’ im Leichentuche zu seiner Frau bei Nacht, Davon man sein Geschlechte die Todten hieß zum Scherz, Hier bringt man ihrer einen, den traf der Tod in’s Herz. Das Lied, es folgt nicht weiter, des Jammers ist genug, Will Jemand Alle wissen, die man von dannen trug: Dort auf den Rathhausfenstern, in Farben bunt und klar, Stellt jeden Ritters Name und Wappenschild sich dar. Uhlands Gedichte. 21 Als nun von seinen Wunden Graf Ulrich ausgeheilt, Da reitet er nach Stuttgart, er hat nicht sehr geeilt; Er trifft den alten Vater allein am Mittagsmahl, Ein frostiger Willkommen! kein Wort ertönt im Saal. Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an den Tisch, Er schlägt die Augen nieder, man bringt ihm Wein und Fisch; Da faßt der Greis ein Messer, und spricht kein Wort dabei, Und schneidet zwischen Beiden das Tafeltuch entzwei. 4. Die Döffinger Schlacht . Am Ruheplatz der Todten, da pflegt es still zu seyn, Man hört nur leises Beten bei Kreuz und Leichenstein; Zu Döffingen war’s anders, dort scholl den ganzen Tag Der feste Kirchhof wieder von Kampfruf, Stoß und Schlag. Die Städter sind gekommen, der Bauer hat sein Gut Zum festen Ort geflüchtet und hält’s in tapfrer Hut; Mit Spieß und Karst und Sense treibt er den Angriff ab, Wer todt zu Boden sinket, hat hier nicht weit in’s Grab. Graf Eberhard der Greiner vernahm der Seinen Noth, Schon kömmt er angezogen mit starkem Aufgebot, Schon ist um ihn versammelt der besten Ritter Kern, Vom edeln Löwenbunde die Grafen und die Herrn. Da kömmt ein reis’ger Bote vom Wolf von Wunnenstein: „Mein Herr mit seinem Banner will Euch zu Dienste seyn.“ Der stolze Graf entgegnet: „ich hab’ sein nicht begehrt, Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt.“ Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städte Schaaren stehn, Von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn, Da brennt ihn seine Narbe, da gährt der alte Groll: „Ich weiß, ihr Uebermüth’gen, wovon der Kamm euch schwoll.“ Er sprengt zu seinem Vater: „heut zahl’ ich alte Schuld, Will’s Gott, erwerb’ ich wieder die väterliche Huld! Nicht darf ich mit dir speisen auf einem Tuch, du Held! Doch darf ich mit dir schlagen auf einem blut’gen Feld.“ Sie steigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund, Sie stürzen auf die Feinde, thun sich als Löwen kund. Hei! wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt! Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt. Wen trägt man aus dem Kampfe, dort auf den Eichenstumpf? „Gott sey mir Sünder gnädig!“ — er stöhnt’s, er röchelt’s dumpf. O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspällt! O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwerdt gefällt! Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann: „Erschreckt nicht! der gefallen, ist wie ein andrer Mann. Schlagt drein! die Feinde fliehen!“ — er ruft’s mit Donnerlaut; Wie rauscht sein Bart im Winde! hei! wie der Eber haut! Die Städter han vernommen das seltsam list’ge Wort. „Wer flieht?“ so fragen Alle, schon wankt es hier und dort. Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied, Der Graf und seine Ritter durchbrechen Glied auf Glied. Was gleißt und glänzt da droben, und zuckt wie Wetterschein? Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein. Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht, Da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht. Im Erntemond geschah es, bei Gott, ein heißer Tag! Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag! Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt! Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest. Noch lange traf der Bauer, der hinter’m Pfluge ging, Auf rost’ge Degenklinge, Speereisen, Panzerring, Und als man eine Linde zersägt und niederstreckt, Zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp versteckt. Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war, Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar: „Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus! Daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß.“ „Hei! — spricht der Wolf mit Lachen — gefiel Euch dieser Schwank? Ich stritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank. Gut’ Nacht und Glück zur Reise! es steht im alten Recht.“ Er spricht’s und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht. Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht Bei seines Ulrichs Leiche, des einz’gen Sohns, verbracht. Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht, Ob er vielleicht im Stillen geweint, man weiß es nicht. Des Morgens mit dem Frühsten steigt Eberhard zu Roß, Gen Stuttgart fährt er wieder mit seinem reis’gen Troß, Da kömmt des Wegs gelaufen der Zuffenhauser Hirt’; „Dem Mann ist’s trüb zu Muthe, was der uns bringen wird?“ „Ich bring’ Euch böse Kunde, nächt ist in unsern Trieb Der gleißend’ Wolf gefallen, er nahm soviel ihm lieb.“ Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart: „Das Wölflein holt sich Kochfleisch, das ist des Wölfleins Art.“ Sie reiten rüstig fürder, sie sehn aus grünem Thal Das Schloß von Stuttgart ragen, es glänzt im Morgenstral. Da kömmt deß Wegs geritten ein schmucker Edelknecht; „Der Knab’ will mich bedünken, als ob er Gutes brächt’.“ „Ich bring’ Euch frohe Mähre: Glück zum Urenkelein! Antonia hat geboren ein Knäblein, hold und fein.“ Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis: „Der Fink hat wieder Samen, dem Herrn sei Dank und Preis!“ Jungfrau Sieglinde . Das war Jungfrau Sieglinde, Die wollte früh aufstehn, Mit ihrem Hofgesinde Zum Frauenmünster gehn. Sie ging in Gold und Seide, Mit Blumen und Geschmeide, Das ward zu großem Leide. Es stehn drei Lindenbäume Wohl vor der Kirchenpfort’; Da saß der edle Heime, Der sprach viel leise Wort’: „Was Gold, was Edelsteine! Hätt’ ich der Blumen eine Aus deinem Kranz, du Feine!“ So sprach der Jüngling leise, Da trieb der Wind sein Spiel, Daß aus der Blumen Kreise Die schönste Rose fiel. Herr Heime thät sich bücken, Die Rose wegzupflücken, Damit wollt’ er sich schmücken. Da war ein alter Ritter In Siegelindens Chor, Dem war es leid und bitter, Gar zornig trat er vor: „Muß ich dich Hofzucht lehren? Darfst du vom Kranz der Ehren Ein Läublein nur begehren?“ O weh dem Garten immer, Der solche Rosen bracht’! O Heil den Linden nimmer, Wo solcher Streit erwacht! Wie klangen da die Degen, Bis unter wilden Schlägen Der Jüngling todt erlegen! Sieglinde beugt’ sich nieder Und nahm die Ros’ empor, Steckt’ in den Kranz sie wieder, Und ging zur Kirche vor. Sie ging in Gold und Seide, Mit Blumen und Geschmeide, Wer thät ihr was zu Leide? Vor Sankt Mariens Bilde Nahm sie herab die Kron’: „Nimm du sie, Reine, Milde! Kein Blümlein kam davon. Der Welt will ich entsagen, Den heil’gen Schleier tragen Und um die Todten klagen.“ Der Königssohn . 1. Der alte, graue König sitzt Auf seiner Väter Throne, Sein Mantel glänzt wie Abendroth, Wie sinkende Sonn’ die Krone. „Mein erster und mein zweiter Sohn! Euch theil’ ich meine Lande. Mein dritter Sohn, mein liebstes Kind! Was lass’ ich dir zum Pfande?“ „Gib mir von allen Schätzen nur Die alte, rostige Krone! Gib mir drei Schiffe! so fahr’ ich hin, Und suche nach einem Throne.“ 2. Der Jüngling steht auf dem Verdeck, Sieht seine Schiffe fahren, Die Sonne stralt, es spielt die Luft Mit seinen goldnen Haaren. Das Ruder schallt, das Segel schwillt, Die bunten Wimpel fliegen, Meerfrauen mit Gesang und Spiel Sich um die Kiele wiegen. Er spricht: „Das ist mein Königreich, Das frei und lustig streifet, Das um die träge Erde her Auf blauen Fluten schweifet.“ Da ziehen finstre Wolken auf Mit Sturm und mit Gewitter. Die Blitze zucken aus der Nacht, Die Maste springen in Splitter. Und Wogen stürzen auf das Schiff, So wilde, Bergen gleiche; Verschlungen ist der Königssohn Sammt seinem lust’gen Reiche. 3. Fischer . Versunken, wehe, Mast und Kiel! Der Schiffer Ruf verschollen! Doch sieh! wer schwimmet dort herbei, Um den die Wogen rollen? Er schlägt mit starkem Arm die Flut Und fürchtet die Wellen wenig, Trägt hoch das Haupt mit goldner Kron’, Er dünkt mir wohl ein König. Jüngling . Ein Königssohn, mir aber ist Die Heimath längst verloreu. Erst hat die schwache Mutter mich, Die irdische, geboren. Doch nun gebar die zweite Mutter, Das starke Meer, mich wieder. In Riesenarmen wiegte sie Mich selbst und meine Brüder. Die Andern all ertrugen’s nicht, Mich brachte sie hier zum Strande. Zum Reiche wohl erkor sie mir All diese weiten Lande. 4. Fischer . Was spähest du nach der Angel Vom Morgen bis zur Nacht, Und hast mit aller Mühe doch Kein Fischlein aufgebracht? Jüngling . Ich angle nicht nach Fischen, Ich sah in Meeresschacht, Wohl jeder Angel allzu tief, Viel königliche Pracht. 5. Wie schreitet königlich der Leu! Schüttelt die Mähn’ in die Lüfte. Er ruft sein Machtgebot Durch Wälder und Klüfte. Doch werd’ ich ihn stürzen Mit dem Speer in starker Hand, Um die Schultern mir schürzen Sein Goldgewand. Der Aar, ein König, schwebet auf, Er rauschet in Wonne, Will langen sich zur Kron’ herab Die goldene Sonne. Doch in den Wolken hoch Soll ihn fahen und spießen Mein geflügelter Pfeil, Daß er mir sinke zu Füßen. 6. Im Walde läuft ein wildes Pferd, Hat nie den Zaum gelitten, Goldfalb, mit langer, dichter Mähn’, Schlägt Funken bei allen Tritten. Der Königssohn, er fängt es ein, Hat sich hinauf geschwungen, Es bläht die Brust und schwingt den Schweif, Kömmt wiehernd hergesprungen. Und Alle horchen staunend auf, Die in den Thälern hausen. Sie hören’s vom Gebirge her Wie Sturm und Donner brausen. Da sprengt herab der Königssohn, Umwallt vom Fell des Leuen; Des wilden Rosses Mähne fleugt, Die Hufe Feuer streuen. Da drängt sich alles Volk herzu Mit Jubel und Gesange: „Heil uns! er ist’s, der König ist’s, Den wir erharrt so lange!“ 7. Es steht ein hoher, schroffer Fels, Darum die Adler fliegen, Doch wagt sich keiner drauf herab, Den Drachen sehen sie liegen. In alten Mauern liegt er dort, Mit seinem goldnen Kamme, Er rasselt mir der Schuppenhaut, Er hauchet Dampf und Flamme. Der Jüngling, ohne Schwerdt und Schild, Ist keck hinaufgedrungen, Die Arme wirft er um die Schlang’ Und hält sie fest umrungen. Er küßt sie dreimal in den Schlund, Da muß der Zauber weichen, Er hält im Arm ein holdes Weib, Das schönst’ in allen Reichen. Die herrliche, gekrönte Braut Hat er am Herzen liegen, Und aus den alten Trümmern ist Ein Königsschloß gestiegen. 8. Der König und die Königin, Sie stehen auf dem Throne, Da glüht der Thron wie Morgenroth, Wie steigende Sonn’ die Krone. Viel stolze Ritter stehn umher, Die Schwerdter in den Händen, Sie können ihre Augen nicht Vom lichten Throne wenden. Ein alter blinder Sänger steht An seine Harf’ gelehnet, Er fühlet, daß die Zeit erschien, Die er so lang ersehnet. Und plötzlich springt vom hohen Glanz Der Augen finstre Hülle. Er schaut hinauf und wird nicht satt Der Herrlichkeit und Fülle. Er greifet in sein Saitenspiel, Das ist gar hell erklungen, Er hat in Licht und Seligkeit Sein Schwanenlied gesungen. Des Sängers Fluch . Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, Weit glänzt’ es über die Lande bis an das blaue Meer, Und rings von duft’gen Gärten ein blüthenreicher Kranz, Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wuth, Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut. Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, Der Ein’ in goldnen Locken, der Andre grau von Haar; Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß, Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. Der Alte sprach zum Jungen: „nun sey bereit, mein Sohn! Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton, Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz! Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.“ Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl; Der König, furchtbar prächtig, wie blut’ger Nordlichtschein, Die Königin, süß und milde, als blickte Vollmond drein. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll, Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor. Sie singen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit; Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt. Die Höflingsschaar im Kreise verlernet jeden Spott, Des Königs trotz’ge Krieger, sie beugen sich vor Gott, Die Königin, zerflossen in Wehmuth und in Lust, Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“ Der König schreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib, Er wirft sein Schwerdt, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstral hochauf springt. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm, Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm, Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, Er bindt ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis, An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt, Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: „Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang, Nein! Seufzer nur und Stöhnen, und scheuer Sklavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig’ ich dieses Todten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt. Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums! Umsonst sey all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms, Dein Name sey vergessen, in ew’ge Nacht getaucht, Sey, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“ Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört, Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört, Noch Eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht, Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. Und rings, statt duft’ger Gärten, ein ödes Haideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand, Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch. Uhlands Gedichte. 22 Die verlorene Kirche . Man höret oft im fernen Wald Von obenher ein dumpfes Läuten, Doch Niemand weiß, von wann es hallt, Und kaum die Sage kann es deuten. Von der verlornen Kirche soll Der Klang ertönen mit den Winden; Einst war der Pfad von Wallern voll, Nun weiß ihn Keiner mehr zu finden. Jüngst ging ich in dem Walde weit, Wo kein betretner Steig sich dehnet, Aus der Verderbniß dieser Zeit Hatt’ ich zu Gott mich hingesehnet. Wo in der Wildniß Alles schwieg, Vernahm ich das Geläute wieder, Je höher meine Sehnsucht stieg, Je näher, voller klang es nieder. Mein Geist war so in sich gekehrt, Mein Sinn vom Klange hingenommen, Daß mir es immer unerklärt, Wie ich so hoch hinauf gekommen. Mir schien es mehr denn hundert Jahr’, Daß ich so hingeträumet hätte: Als über Nebeln, sonneklar, Sich öffnet’ eine freie Stätte. Der Himmel war so dunkelblau, Die Sonne war so voll und glühend, Und eines Münsters stolzer Bau Stand in dem goldnen Lichte blühend. Mir dünkten helle Wolken ihn, Gleich Fittigen, emporzuheben, Und seines Thurmes Spitze schien Im sel’gen Himmel zu verschweben. Der Glocke wonnevoller Klang Ertönte schütternd in dem Thurme, Doch zog nicht Menschenhand den Strang, Sie ward bewegt von heil’gem Sturme. Mir war’s, derselbe Sturm und Strom Hätt’ an mein klopfend Herz geschlagen, So trat ich in den hohen Dom Mit schwankem Schritt und freud’gem Zagen. Wie mir in jenen Hallen war, Das kann ich nicht mit Worten schildern. Die Fenster glühten dunkelklar Mit aller Märtrer frommen Bildern; Dann sah ich, wundersam erhellt, Das Bild zum Leben sich erweitern, Ich sah hinaus in eine Welt Von heil’gen Frauen, Gottesstreitern. Ich kniete nieder am Altar, Von Lieb’ und Andacht ganz durchstralet. Hoch oben an der Decke war Des Himmels Glorie gemalet; Doch als ich wieder sah empor, Da war gesprengt der Kuppel Bogen, Geöffnet war des Himmels Thor Und jede Hülle weggezogen. Was ich für Herrlichkeit geschaut Mit still anbetendem Erstaunen, Was ich gehört für sel’gen Laut, Als Orgel mehr und als Posaunen: Das steht nicht in der Worte Macht, Doch wer darnach sich treulich sehnet, Der nehme des Geläutes Acht, Das in dem Walde dumpf ertönet! Mährchen . Ihr habt gehört die Kunde Vom Fräulein, welches tief In eines Waldes Grunde Manch hundert Jahre schlief. Den Namen der Wunderbaren Vernahmt ihr aber nie, Ich hab’ ihn jüngst erfahren: Die deutsche Poesie . Zwo mächt’ge Feen nahten Dem schönen Fürstenkind, An seine Wiege traten Sie mit dem Angebind. Die Erste sprach behende: „Ja, lächle nur auf mich! Ich gebe dir frühes Ende Von einer Spindel Stich.“ Die Andre sprach dagegen: „Ja, lächle nur auf mich! Ich gebe dir meinen Segen, Der heilt den Todesstich; Der wird dich so bewahren, Daß süßer Schlaf dich deckt, Bis nach vierhundert Jahren Ein Königssohn dich weckt.“ Da ward in’s Reich erlassen Ein feierlich Gebot, Verkündet in allen Straßen, Der Tod darauf gedroht: Wo Jemand Spindeln hätte, Die sollte man liefern ein, Und sie an offner Stätte Verbrennen insgemein. Nicht nach gewohnter Sitte Erzog man dieses Kind In dumpfer Kammern Mitte, Noch sonst wo Spindeln sind; Nein, in den Rosengärten, In Wäldern, frisch und kühl, Mit lustigen Gefährten, Bei freiem, kühnem Spiel. Und als es kam zu Jahren, Ward es die schönste Frau, Mit langen, goldnen Haaren, Mit Augen dunkelblau; In Gang, Gebärde züchtig, In Reden treu und schlicht, In aller Arbeit tüchtig, Nur mit der Spindel nicht. Viel stolze Ritter gingen Der Holden Dienste nach, Heinrich von Ofterdingen, Wolfram von Eschenbach. Sie gingen in Stahl und Eisen, Goldharfen in der Hand; Die Fürstin war zu preisen, Die solche Diener fand. Mit Degen und mit Speere Waren sie stets bereit, Den Frauen gaben sie Ehre, Und sangen widerstreit. Sie sangen von Gottesminne, Von kühner Helden Muth, Von lindem Liebessinne, Von süßer Maienbluth. Von alter Städte Mauern Der Wiederhall erklang, Die Bürger und die Bauern Erhuben frischen Sang. Der Senne hat gesungen, Der über den Wolken wacht, Ein Lied ist aufgeklungen Tief aus des Bergmanns Schacht. In einer Mainacht blinkten Die Sterne wunderschön, Der Fürstin war, als winkten Sie ihr zu Thurmes Höhn. Sie stieg hinauf zum Dache, Die Zarte ganz allein, Da fiel aus einem Gemache Ein trüber Lampenschein. Ein Weiblein, grau von Haaren, Dort an dem Rocken spann, Sie hatte wohl nichts erfahren Vom strengen Spindelbann. Die Fürstin, die noch nimmer Gesehen solche Kunst, Sie trat in Weibleins Zimmer: „Wer bist du, mit Vergunst?“ „Man nennt mich, schönes Liebchen! Die Stubenpoesie ; Denn aus dem trauten Stübchen Verirrt’ ich mich noch nie. Ich sitz’ am lieben Platze Beim Rocken, wandellos, Meine alte, blinde Katze, Die spinnt auf meinem Schooß. Lange lange Lehrgedichte, Die spinn’ ich recht mit Fleiß, Flächsene Heldengedichte, Die haspl’ ich schnellerweis’. Mein Kater maut Tragödie, Mein Rad hat lyrischen Schwung, Meine Spindel spielt Komödie Mit Tanzbelustigung.“ Die Fürstin thät erbleichen, Als man von Spindeln sprach, Sie wollte flugs entweichen, Die Spindel sprang ihr nach; Und an der morschen Schwelle, Da fiel das Fräulein jach, Die Spindel auf der Stelle Sie in die Ferse stach. Was war das für ein Schrecken, Als man sie Morgens traf! Sie war nicht mehr zu wecken, Sie schlief den Zauberschlaf. Ein Lager ward bereitet Im hohen Rittersaal, Goldstoffe drauf gebreitet Und Rosen ohne Zahl. So schlief sie in der Halle, Die Fürstin, reich geschmückt. Bald hatte die Andern alle Der gleiche Schlaf berückt. Die Sänger, schon in Träumen, Rührten die Saiten bang, Bis in des Schlosses Räumen Der letzte Laut verklang. Die Alte spann noch immer Im stillen Kämmerlein, Es woben in jedem Zimmer Die Spinnen, groß und klein, Die Hecken und Ranken woben Sich um den Fürstenbau, Und um den Himmel oben, Da spann sich Nebelgrau. — Wohl nach vierhundert Jahren, Da ritt des Königs Sohn Mit seinen Jägerschaaren In’s Waldgebirg davon: „Was ragen doch da innen, Ob all dem hohen Wald, Für graue Thürm’ und Zinnen Von seltsamer Gestalt?“ Am Wege stund gerade Ein alter Spindelmann: „Erlauchter Prinz, um Gnade! Hört meine Warnung an! Romantische Menschenfresser Hausen auf jenem Schloß, Die mit barbarischem Messer Abschlachten Klein und Groß.“ Der Königssohn verwegen Thät mit drei Jägern ziehn, Sie hieben mit den Degen Sich Bahn zum Schlosse hin. Gesenket war die Brücke, Geöffnet war das Thor, Daraus im Augenblicke Ein Hirschlein sprang hervor. Denn in des Hofes Räumen, Da war es wieder Wald, Da sangen in den Bäumen Die Vögel manigfalt. Die Jäger ohn’ Verweilen, Sie drangen muthig hin, Wo eine Thür mit Säulen Aus dem Gebüsch erschien. Zween Riesen schlafend lagen Wohl vor dem Säulenthor, Sie hielten, in’s Kreuz geschlagen, Die Hellebarden vor, Darüber rüstig schritten Die Jäger allzumal, Sie gingen mit kecken Tritten Zu einem großen Saal. Da lehnten in hohen Nischen Geschmückter Frauen viel, Gewappnete Ritter dazwischen Mit goldnem Saitenspiel. Hochmächtige Gestalten, Geschloßnen Auges, stumm; Grabbildern gleich zu halten Aus grauem Alterthum. Und mitten ward erblicket Ein Lager, reich von Gold, Da ruhte, wohlgeschmücket, Eine Jungfrau wunderhold. Die Süße war umfangen Mit frischen Rosen dicht, Und auch von Mund und Wangen Schien zartes Rosenlicht. Der Königssohn, zu wissen, Ob Leben in dem Bild, Thät seine Lippen schließen An ihren Mund so mild. Er hat es bald empfunden Am Odem, süß und warm, Und als sie ihn umwunden, Noch schlummernd, mit dem Arm. Sie streifte die goldnen Locken Aus ihrem Angesicht, Sie hob, so süß erschrocken, Ihr blaues Augenlicht. Und in den Nischen allen Erwachen Ritter und Frau, Die alten Lieder hallen Im weiten Fürstenbau. Ein Morgen, roth und golden, Hat uns den Mai gebracht; Da trat mit seiner Holden Der Prinz aus Waldesnacht. Es schreiten die alten Meister In hehrem, stolzem Gang, Wie riesenhafte Geister, Mit fremdem Wundersang. Die Thäler, schlummertrunken, Weckt der Gesänge Lust; Wer einen Jugendfunken Noch hegt in seiner Brust, Der jubelt, tief gerühret: „Dank dieser goldnen Früh’, Die uns zurückgeführet Dich, deutsche Poesie !“ Die Alte sitzt noch immer In ihrem Kämmerlein; Das Dach zerfiel in Trümmer, Der Regen drang herein. Sie zieht noch kaum den Faden, Gelähmt hat sie der Schlag; Gott schenk’ ihr Ruh in Gnaden Bis über den jüngsten Tag! Inhalt . Seite Vorwort. 3 Lieder . Des Dichters Abendgang. 9 An den Tod. 10 Harfnerlied am Hochzeitmahle. 12 Der König auf dem Thurme. 14 Maiklage. 15 Lied eines Armen. 17 Gesang der Jünglinge. 19 Lied des Gärtners. 21 Die Kapelle. 22 Die sanften Tage. 23 Im Herbste. 25 Wunder. 26 Mein Gesang. 27 Mönch und Schäfer. 29 Schäfers Sonntagslied. 30 Gesang der Nonnen. 31 Des Knaben Berglied. 33 Brautgesang. 35 Entschluß. 36 Lauf der Welt. 37 Seite Waldlied. 38 Seliger Tod. 39 Untreue. 40 Die Abgeschiedenen. 41 Die Zufriedenen. 42 Hohe Liebe. 43 Nähe. 44 Vorabend. 45 Nachts. 46 Schlimme Nachbarschaft. 47 Bauernregel. 48 Hans und Grete. 49 Der Schmied. 50 Jägerlied. 51 Des Hirten Winterlied. 52 Lied des Gefangenen. 53 Frühlingslieder. 1. Frühlingsahnung. 54 2. Frühlingsglaube. ebd. 3. Frühlingsruhe. 55 4. Frühlingsfeier. ebd. 5. Lob des Frühlings. 56 6. Frühlingslied des Recensenten. 57 Freie Kunst. 58 Das Thal. 60 Ruhethal. 61 An einem heitern Morgen. 62 Wanderlieder. 1. Lebewohl. 63 2. Scheiden und Meiden. ebd. Seite 3. In der Ferne. 64 4. Morgenlied. ebd. 5. Nachtreise. 65 6. Winterreise. 66 7. Abreise. 67 8. Einkehr. ebd. 9. Heimkehr. 68 Zimmerspruch. 69 Theelied. 70 Metzelsuppenlied. 72 Trinklied. 74 Lied eines deutschen Sängers. 77 Auf das Kind eines Dichters. 78 Vorwärts! 79 Die Stegesbotschaft. 81 An das Vaterland. 82 Sinngedichte . An Apollo, den Schmetterling. 85 Achill. ebd. Helena. ebd. Narziß und Echo. 86 Die Götter des Alterthums. ebd. Tells Platte. 87 Die Ruinen. ebd. Begräbniß. ebd. Mutter und Kind. 88 Märznacht. ebd. Im Mai. ebd. Tausch. ebd. Uhlands Gedichte. 23 Seite Amors Pfeil. 89 Traumdeutung. ebd. Die Rosen. ebd. Antwort. 90 Die Schlummernde. ebd. An Sie. 91 Greisenworte. 92 Auf den Tod eines Landgeistlichen. 93 Schicksal. 94 Sonette. Oktaven. Glossen . Vermächtniß. 97 An Petrarka. 98 In Barnhagens Stammbuch. 99 An Kerner. 100 Auf Karl Gangloffs Tod. 101 An den Unsichtbaren. 104 Todesgefühl. 105 Erstorbene Liebe. 106 Geisterleben. 107 Oeder Frühling. 108 Die theure Stelle. 109 Die zwo Jungfraun. 110 Der Wald. 111 Der Blumenstrauß. 112 Entschuldigung. 113 Vorschlag. 114 Die Bekehrung zum Sonett. 115 Schlußsonett. 116 An K. M. 117 Seite Ein Abend. 118 Rückleben. 119 Gesang und Krieg. 120 Glossen. 1. Der Recensent. 123 2. Der Romantiker und der Recensent. 125 3. Die Nachtschwärmer. 127 Dramatische Dichtungen . Schildeis. Fragment. 131 Das Ständchen. 137 Normännischer Brauch. 143 Balladen und Romanzen . Entsagung. 155 Die Nonne. 157 Der Kranz. 158 Der Schäfer. 160 Die Vätergruft. 162 Die sterbenden Helden. 163 Der blinde König. 165 Der Sänger. 168 Gretchens Freude. 169 Das Schloß am Meere. 171 Vom treuen Walther. 173 Der Pilger. 175 Abschied. 177 Des Knaben Tod. 179 Der Traum. 180 Drei Fräulein. 181 Seite Der schwarze Riter. 185 Der Rosengarten. 188 Die Lieder der Vorzeit. 191 Die drei Lieder. 193 Der junge König und die Schäferin. 194 Fräuleins Wache. 203 Des Goldschmieds Töchterlein. 205 Der Wirthin Töchterlein. 208 Die Mähderin. 209 Das Ständchen. 211 Die Harfe. 212 Der Leitstern. 213 Das Schifflein. 215 Sängers Vorüberziehn. 216 Traum. 217 Der gute Kamerad. 219 Der Rosenkranz. 220 Das traurige Turnei. 224 Der Sieger. 226 Der nächtliche Ritter. 227 Der kastilische Ritter. 228 Sankt Georgs Ritter. 231 Romanze vom kleinen Däumling. 235 Romanze vom Recensenten. 236 Ritter Paris. 237 Sängerliebe. 239 1. Rudello. ebd. 2. Durand. 242 3. Der Kastellan von Coucl. 244 4. Don Massias. 248 Seite 5. Dante. 249 Liebesklagen. 1. Der Student. 252 2. Der Jäger. 254 Unstern. 256 Der Ring. 258 Die drei Schlösser. 260 Graf Eberhards Weißdorn. 263 Das Reh. 265 Der weisse Hirsch. 266 Die Jagd von Winchester. 267 Harald. 269 Die Elfen. 272 Die Bildsäule des Bacchus. 275 Von den sieben Zechbrüdern. 277 Junker Rechberger. 281 Graf Eberstein. 285 Schwäbische Kunde. 287 Die Rache. 289 Das Schwerdt. 290 Siegfrieds Schwerdt. 291 Klein Roland. 293 Roland Schildträger. 299 König Karls Meerfahrt. 307 Taillefer. 310 Graf Eberhard der Rauschebart. 313 1. Der Ueberfall im Wildbad. ebd. 2. Die drei Könige zu Heimsen. 316 3. Die Schlacht bei Reutlingen. 318 4. Die Döffinger Schlacht. 322 Seite Jungfrau Sieglinde. 326 Der Königssohn. 328 Des Sängers Fluch. 335 Die verlorene Kirche. 338 Mährchen. 341