T heresiade Ein E hren- G edicht. Durch Den H erꝛn F rantz C hristoph von S cheyb in Gaubikolheim, Der Ni. Oe. Landschaft Secretar, und Mitglied der Gesellschaft zu Cortona. Erster Theil. Wienn / gedruckt bey dem Universitaͤts-Buchdrucker Johann Jacob Jahn / 1746 . Zu finden bey dem Herꝛn Verfasser. Und Bey dem Buchfuͤhrer zum goldnen Vließ auf dem Juden-Plaz. T heresiade, ein E hren- B edicht durch den H rñ F ranz C hristoph von S cheijb in G aubikolheim, der N. S e: L andschafft Secretarium, und M itglied der B esellschafft zu Cortona. Servati facimus, meritósque novamus honores. Virg: l. 8. Æneid: v. 180. V ienn in O esterreich. 1746. D er U nsterblichkeit des S tammens H absburg, und L othringen. O D E. W Acht auf! ermuntert euch! verlaßt die duͤstern Hoͤhlen Jhr Fuͤrsten, derer Ruhm zu keiner Zeit vergeht! Steigt aus dem Schutt empor! wir wollen euch erzehlen: Wie weit Theresia sich uͤber euch erhoͤht; Wie weit Theresia im Herꝛschen, Streiten, Siegen Den Rang, der euch gebuͤhrt, bereits hat uͤberstiegen. A Jhr J Hr, die ihr manches Land bezwungen und beschirmet; Dem Waffen- Strohm des Feinds mit Starckmuth vorgeschantzt: Jhr, derer Schwert und Muth auf keinen Wall gestuͤrmet, Wo nicht die tapfre Faust den Sieges-Fahn gepflantzt: Seht den Zusammenhang der Staats- und Kriegs-Geschaͤfte! Sagt! uͤbertrifft er nicht die Wirckung eurer Kraͤffte? W Er ist von euch, der jung; doch Alten gleich gekaͤmpffet; Der aller Hilff entbloͤßt den Sieger selbst erschreckt? Wer ist der ohne Macht, die groͤste Macht gedaͤmpfet, Und fast am Untergang die Lorber aufgesteckt? Werfft den erstaunten Blick auf diese Zier der Frauen! Sie laͤßt dies Wunder euch in ihren Thaten schauen. D Er Helden Preiß und Fuͤrst; der Fuͤrsten Haupt erbleichet; Der Grund des Throns erbebt; des Stammens Pracht verdirbt; Des Staates Sauͤle faͤllt; der Laͤnder Schutz entweichet; Ja! Kayser, Koͤnig, Fuͤrst und Held, und Vater stirbt! Was haͤttet, Fuͤrsten! ihr in eurem Rath entschlossen, Wann euch dergleichen Sturtz und Fall waͤr zugestossen? Der D Er naͤchst erfolgte Tag entdecke Feur und Flutten; Ein ungefuͤrchter Freund raub eurer Voͤlcker Ruh: Es eile Schaarenweiß, und wider das Vermuthen Ein zweyfach-doppelt Heer auf eure Mauren zu: Sagt! wuͤrde bey dem Sturm, bey solchen Ungewittern Nicht auch der Tapferste des Helden-Ordens zittern? T heresia verhuͤllt bey ihres Vaters Bahre Den hoͤchst-gerechten Schmertz in ihren Trauer-Flor: Sie weiß nicht, was dem Thron, dem Zepter wiederfahre: Der Feinde Zorn und Macht dringt schon biß an das Thor. Jndem sie Trost, und Rath sieht in den Sarg verschliessen, Glim̃t in dem Vaterland schon Brand und Blut-Vergiessen. S Je reißt den Schleyer auf, sieht, daß die Fahnen fliegen; Erschrickt, faßt Hertz und rufft: verfaͤlschter Freundschafts-Eyd! Der mich beschuͤtzen soll, fangt an mich zu bekriegen! So ist dann unter Fried und Krieg kein Unterscheid? Sie schreyt Vertrauens-voll zu GOtt: HErꝛ! laß auf Erden Mein Erb-Recht so erkannt, als dort im Himmel, werden! A 2 Zur Z Ur Rettung wollte sie nach ihrer Krone langen: Sie griff auch allbereit das schoͤnste Kleinod an, Und sprach: Das geb ich her, die Perl sollt ihr empfangen; Wann ich dafuͤr den Werth des Friedens haben kan! Umsonst, war der Bescheyd: Der gantze Schmuck der Krone Jst schon fuͤr den bestim̃t, der deinen Thron bewohne. D Er Staat erschuͤtterte; der Thron fieng an zu wancken; Sie gieng, bestieg ihn doch, und trotzte die Gefahr. Standhaftigkeit und Muth hielt sie bey dem Gedancken, Der Anfangs fuͤrchterlich, am Ende nutzbar war. Je mehr der Feinde Zorn, Gewalt, und Macht erfunden; Je weniger war sie von jemand uͤberwunden. W As Carls des Grossen Rath, und Vorsicht angefangen, Das bracht ihr Geist, zu Trotz des Widerstands, zum End. Was Herꝛschkunst, Weißheit, Muth und Staͤrcke kan erlangen, Ward ihr durch Feur und Schwert und Schrecken zugewendt. So klein man sie gemacht, so viel ward sie vergroͤssert: Das Feur hat ihrer Kron ererbtes Gold verbessert. Fleiß F Leiß, Wachsamkeit, Vernunft, Witz, Hoheit des Verstandes, Hertz, Muͤhe, Geist und Muth hat ihr den Ruhm erlangt, Daß sie als Retterin des frohen Vaterlandes Nicht bey den Freunden nur, auch bey den Feinden prangt. Jm Sieg und im Verlust, in Freuden und Beschwerden Hat sie die Tugenden zu Raͤthen und Gefaͤrten. S Je weiß im haͤrtsten Fall, den besten Schluß zu waͤhlen; Sie siegt, doch ohne Stoltz; sie kaͤmpft, doch ohne Rach: Jhr Endzweck ist das Recht; ihr Streit, sich GOtt befehlen: Jhr Hertz strebt jenen nicht, nur diesen beyden nach. Jhr Helden muͤßt von ihr die Helden-Tugend lernen: Wann ihr die Schaalen seyd, so gleichet sie den Kernen. W Je? was? es oͤffnet sich den Augen ein Gesichte; Ein Lorber-reiches Haupt steigt aus der Gruft empor: Ja! seht, wie sich der Held, mit Ernst zu reden, richte; Vielleicht traͤgt er das Wort statt aller Helden vor: Er regt den Fuͤrsten-Stab; was wird es wohl bedeuten? Jch hoffe nicht, daß er wird meinen Satz bestreiten? A 3 Ver- V Ernehmt! ich hoͤre schon, wie seine Worte thoͤnen: Halt ein! es ist zu viel, was man uns vorgebracht: Will man vielleicht damit nur unsre Thaten hoͤhnen? Wir wissen auch, sagt er, was einen Helden macht. Durch Dichter werden oft aus Hirn-Geburten Helden: Was, wann sie gar mit Recht wahrhafte Thaten melden? A Nd wer beredet uns, daß Koͤnigliche Schwuͤre, Ein GOtt-geweyhtes Wort auf einmahl ohne Frucht? Daß man die Koͤniginn alldort zum Opfer fuͤhre, Wo Sie Gewehr und Hilff und Zuflucht hat gesucht? Der Himmel haͤtt gewiß .... Jedoch hier muß ich schweigen; Es waͤr Vermessenheit, sein Urtheil anzuzeigen. W Ann alles, was du sagst, sich in der That befuͤnde, Was hieß man endlich Recht, Treu, Glauben, Fried und Krieg? Sag, ob der Erden Rund nicht im Verderben stuͤnde? Das Recht nicht, die Gewalt erlangte Rang und Sieg. Was waͤr an einem Pflug, an einem Helden-Degen, An Ordnung und Gesatz; an Ehr und Ruhm gelegen? Umsonst A Msonst erwaͤhnest du so viele Wichtigkeiten; Waͤr der geringste Theil von der Erzehlung wahr; So schwuͤng Theresia sich uͤber alle Zeiten: Der Anfall, und der Schutz ist viel zu wunderbar. Du suchst nur, uns den Ruhm, den Helden-Lohn, zu rauben: Geh, sag es wem du wilst! wir koͤnnen es nicht glauben. W Je? dieses ist die Sprach und Antwort unsrer Ahnen? Sie messen dem Bericht so wenig Glauben bey? Sie neigten sonst gewiß mit Ehrfurcht ihre Fahnen, Und nennten den Gesang nicht eine Schmeicheley. Entweder fuͤrchten sie, Theresia sey groͤsser: Was? oder eyfern sie, daß ihre Thaten besser? N Ein: die Unmoͤglichkeit macht, daß sie dieses meinen: Neyd, Haß, Verrath und List; Zorn, Mißgunst, Rach und Groll Jn Waffen einig sehn, das will nicht moͤglich scheinen: Weil die Vereinigung sich selbst zernichten soll. Sie messen diese That nach dem, was folgen koͤnnte: Daß man das Recht nur dem, der furchtbar ist, vergoͤnnte. Kein K Ein Wunder; frage man, die gegenwaͤrtig waren: Was sie, da dieser Sturm die Welt ergriff, gedacht? Hat nicht das Aug erstarrt, das Ohr entsetzt erfahren, Wie dieses Kronen-Hauß erschuͤttert und gekracht? Man hoͤrte, wie von West und Nord der Donner rollte; Wer hoffte, daß der Thron dem Sturtz entkommen sollte? D Och ist Theresia, der man uns fast beraubte; Die man von ihrem Recht, von ihrem Eigenthum, Des Vaters Kron entbloͤßt, vom Thron gestuͤrtzet glaubte; Die dreyfach-bluͤhende gekroͤnte Purpur Bluhm Die Bluhme, welche man schon vor entlaubt geachtet, Wird nun im schoͤnsten Flor des hoͤchsten Schmucks betrachtet. W Ann alter Helden Sinn nicht glaubet, was geschehen; Jn der Erzehlung nichts, als eitlen Schimmer sieht: Ja, wann wir selbst erstaunt, verwirrt, entzuͤcket stehen; Da, der sie stuͤrtzen wollt, erschrocken stutzt und flieht: Was wird die spaͤte Welt zu dieser Nachricht sagen? Wird sie so viel darnach, als dort die Vorwelt fragen? Nein N Ein: der Erfolg des Wercks wird ihren Augen zeigen, Daß dieser Ruhm-Gesang kein Bild der Dichter sey; Man sieht die Pflantzen schon, wie Ceder-Bauͤme, steigen. Selbst die Unsterblichkeit traͤgt ihrem Wachsthum bey; Sie kommt erregt, erfreut von ihren Ehren-Buͤhnen, Und sieht den Helden-Stamm in ihren Auen gruͤnen. S Je rufft: Betrachte man den Kronen-reichen Sprossen An diesem Fuͤrsten-Baum, der einst zu Habsburg stund! Er schien zwar welck, jedoch er ist frisch vorgeschossen: Die Freud und mein Entschluß sey allen Welten kund! Jch schwere dem, der auch vielleicht nicht wurde sterben; Beruͤhrt er diesen Ast; Rach, Untergang, Verderben. S Je sieht noch einen Zweig, der sich mit dem verbindet: Frolockt noch mehr und spricht: Lothringens hoͤchste Frucht! Kein Baum ist, welcher den an Fruͤchten uͤberwindet! Dies Paar ist seine Kron, Ehr, Ansehn, Pracht und Zucht! Der ist, von dem die Welt die groͤsten Helden hatte: Von dem ich kuͤnftighin sie noch zu ziehn, gestatte. B Will W Jll selbst Unsterblichkeit, daß man den Baum bewahre; Eroͤffnet sie der Welt den hohen Schutz-Befehl; So wird auch in dem Lauf der allerspaͤtsten Jahre Beruͤhmt, bewundert seyn, was ich davon erzehl. Und recht: der Zweifel ist umsonst und unvonnoͤthen: Wir haben zum Beweiß des Stammens Majestaͤten. D Je Nach-Welt wird sie sehn und sagen: diese Fruͤchte Wo kommen sie dann her? Wer ist der Fuͤrst, der Held? Er herꝛscht, er kriegt, er siegt: es ist kein blind Geruͤchte! Er stammet von dem Baum, von dem man uns gemeldt: So kan man uͤberzeugt der Sache Wahrheit mercken: Was einst Theresia; sieht man in seinen Wercken. D Je Wercke seynd so groß, als keine Zeit erfahren: Sie seynd wahrhaftig nicht von Dichtern aufgefuͤhrt. Derselben Ursprung ist in jenen Helden-Jahren, Die dort Theresia durch ihren Ruhm geziert. Jn seiner Majestaͤt erblickt man solche Zeichen, Die dieser Koͤniginn, von der man redet, gleichen. Der D Er Baum hat, wie man sagt, zwar einen Streich empfunden; Es gehet ihm die Zier des groͤsten Sprossens ab: Hingegen haben sich statt dessen zwey verbunden; Wovon Lothringen den, und jenen Habsburg gab. So bringt ja der Verlust den Fruͤchten kein Verderben: Hier starb das Haupt, doch lebt die Folge seiner Erben. G Ott theilt die Kronen aus: Er wiedmet sie den Haͤusern, Die Großmuth, Froͤmmigkeit und wahre Weißheit schmuͤckt. Drum prangen diese zwey mit Koͤnigen und Kaysern: Drum blieb Theresia beschuͤtzt, und unverruͤckt. Wo Tugend, GOtt und Recht um Kron und Zepter fechten, Kan man den Sieges-Krantz leicht um die Scheitel flechten. S O wird der spaͤten Welt erstaunter Nachklang sprechen: So wird die Sach erzehlt, geglaubt, gepriesen seyn. Was kan mir also mehr den Vorsatz unterbrechen? Es stimmt mit mir, was ist, was war, was seyn wird, ein. Auf auf dann Geist und Hertz! entflammet Muth und Sinnen! Entreisset euch der Furcht! verfolget das Beginnen! B 2 Ja J A, Koͤniginn! ich will von zehen Stunden singen, Die deiner Tugenden getreuer Rath gewacht; Als jede sich bemuͤht, Beweißthum aufzubringen, Daß ihre Wirckung dich das, was du bist, gemacht. Nicht daß ich dir ein Lob, ein Ehren-Mahl erdichte: Der Jnnhalt des Gesangs ist deines Ruhms Geschichte. Theresiade. Οϒ ΨΕϒΔΕΙ ΤΕΓΞΩ ΛΟΓΟΝ. Pindarus Olymp. Od. 4. Jch will mit Wahrheit schreiben. Opitz. Vesuvius. v. 7. Theresiade. Erstes Buch. W Je sich T heresia, die F rau von O esterreich, Dem siebenfachen Schwert, und dessen Wirbel- Streich: Der sich so fuͤrchterlich um ihre Scheitel schwunge, Daß er den Kronen-Schmuck fast von derselben drunge: Nur von dem Tugend-Schild und Helden-Muth beschirmt; Sonst Hilff- und Waffen-bloß entgegen aufgethuͤrmt: Will ich, nicht Feinden Zorn, nur Freunden Trost zu bringen; Sonst aller Absicht frey mit tiefer Ehrfurcht singen. C Das Theresiade Das ist, was ich entschloß; als ihre Majestaͤt 10 Sich aus dem Krieges-Sturm in Lorber-Pracht erhoͤht; Da die Verwunderung frohlockend aufgeschrieen: „Mit diser Koͤniginn wird Heil und Wohlfahrt bluͤhen! Bald nahm ich meine Leyr, versuchte Thon und Klang; Bald reitzte mich die Lust zu einem Lob-Gesang: 15 Allein es sprach das Hertz: „Wie kann er dir gerathen? „Erweg der Sayten Kraft! miß dieser Fuͤrstinn Thaten! „Meinst du, daß dieses Spiel ein klingendes Metall; „Ein heiseres Gethoͤn den Welt-Posaunen-Schall „Jn seinem hohen Laut und Widerhall begleite? 20 So legt’ ich mit der Leyr fast auch den Muth bey Seite. W Elch-unversehner Fall! Jch stunde wanckelbar; Hier rung ich mit mir selbst, dort scheuͤt’ ich die Gefahr; Die Furcht begunnte sich in meiner Brust zu schaͤrfen; Die Freud hingegen mir den Unmuth vorzuwerfen. 25 Jnzwischen schien es mir, als schwebt’ ich in der Luft; Als hoͤrt’ ich ein Geraͤusch, aus welchem jemand ruft: „Nur fort! verzage nicht! ermuntre deine Sinnen! „Stimm deine Leyr, und sing! verfolge dein Beginnen! „An nichts gebrach es dir, als an dergleichen Sprung; 30 „Nun aber ligt es noch an einem Feder-Schwung. Auf Erstes Buch. „Auf auf dann! zittre nicht! der Flug wird uns gelingen; „Wir werden ihn begluͤckt, nicht ohne Lust, vollbringen. Die Stimme, dieser Flug, der Luft verborgne Macht War, was mich fast in Angst und in Verstummung bracht. 35 „Fort„, wiederhohlte sie, Thalia wird dich leiten! Der Nahme machte mich mit Furcht und Hoffnung streiten. Die beyde nebst der Lust bemeisterten mein Hertz; Was, dacht’ ich, ist es Ernst, Verblendung, oder Schertz? O spraͤnge sie mir bey! O koͤnnt’ ich sie schon sehen! 40 So haͤtt ich die Gewalt vielleicht nicht auszustehen. Die Sonne ziehet zwar den Morgen-Thau zu sich: Mir aber war der Zug zu fremd und wunderlich. Ob mich der Grund verließ, ob ich ihn selbst vertriebe, Das unterschied’ ich nicht, nicht was den Zwang veruͤbe. 45 Sie rieff mir wiederum: „Was nuͤtzt dich Witz und Geist, „Wann er nicht aus dem Kreiß zaghafter Sinnen reißt? Mein Thun und Lassen war nur Flattern, Zittern, Beben: So wußt’ ich diesem Ruf nicht viel Gehoͤr zu geben. Jch wandte mich: sieh da! sie kam mir zu Gesicht; 50 O Muse, dacht’ ich gleich, wie reitzend bist du nicht? Weil sie sich voller Geist und Feur mir zugesellte, Und sich durch ihr Gespraͤch als meine Freundinn stellte; „Hoͤrst du mich nicht„? sprach sie, ich bin zu deiner Hut! So war ich theils erstaunt, theils furchtsam; auch voll Muth; C 2 Und Theresiade 55 Und fragte: wie, wohin der Flug, die Reise gehe? Wir sahn, daß unter uns der Erden Rund sich drehe: Feld, Stroͤhme, Berge, Thal verschwanden immer fort; Auf jeden Blick erschien bald der bald jener Ort. Was dieser Laͤnder Fuͤrst vor Lieb und Sorgfalt haͤge, 60 Wies die Bequemlichkeit der angelegten Weege: Wie strebt’ ich aus der Luft derselben Bahne nach? Allein ich mußte fort; mein Wunsch war viel zu schwach, Der Fuͤhrerinn Befehl und Ruff zu wiederstehen: So ließ ich, was sie mir zu Lieb ersann, geschehen. 65 Hier wies uns das Gebuͤrg des Herbstes Lag und Stand; Dort eine flache Welt der andern Zeiten Land, Das aber Frost und Schnee noch aller Zier entbloͤsste, Ob gleich der Fruͤhling sich schon in die Baͤume floͤßte. Mein Auge wandte sich stets nach der naͤchsten Hoͤh; 70 Mir schien, als wann darauf ein oͤder Tempel steh: Jch hoͤrte, daß darinn Trost-volle Stimmen thoͤnten, Die nach dem Himmel sich, nicht nach der Erde saͤhnten. Da war ich kaum vorbey; so schwung sich ungefaͤhr Ein froher Adler-Schwarm von diesen Bergen her; 75 Das war genug, ein Hertz, ein flatternd Hertz zu schrecken: Allein ich faßte Muth, denselben zu verdecken. Ein breiter, schlaͤnglichter Schiff-reicher sanffter Lauf, Der Schimmer eines Strohms hielt meinen Kummer auf: Sein Erstes Buch. Sein majestaͤtisches, doch schnell gewelztes Eilen 80 Wußt seiner Waͤsser Stoltz, die Wellen so zu theilen, Daß eine Stadt, ein Dorf, Feld, Waͤlder, Berg und Thal Als Jnseln prangeten, um die der Fluß befahl, Jndem er den Bezirck mit Wachsamkeit umflosse, Und in desselben Raum sich hin und her ergosse. 85 Ob gleich zu Zeiten uns das Wolcken-Braun umfieng, So war doch selten was, das meinem Aug entgieng: Ein wunderbar Gebuͤsch, das sehr entfernet stunde, Schien mir, wie wann es sich von seiner Lage wunde: Es aͤnderte sich so, daß es sich bald verschlich, 90 Und bald zusammen zog, auch voneinander wich: Es funckelte darinn. Ein Murren, Summen, Schwirren Bracht mein Gemuͤth in Sorg’, in Zweifel und Verwirren: Jch hatte mich, so viel die Weite ließ, bemuͤht, Daß ich der Seltsamkeit verborgnes Spiel errieth. 95 Jedoch je mehr ich mich, es auszuspaͤhn, beflisse; Je weniger wußt’ ich, was es bedeuten muͤsse; Biß ich die Fuͤhrerinn befragte, was es sey: Da dann dieselbe sprach: „dort kommt ein Heer vorbey; „Sieh! wie frohlockend es durch Weeg’ und Steege ziehet! 100 „Sag, ob es nicht fuͤr Freud und Lust zu fechten gluͤhet. So ward ich erst gewahr, daß es ein Volck zu Fuß, Ein Volck zu Pferde sey, das neben jenem Fluß Sich Theresiade Sich stets versammlete, theils uͤber Bruͤcken zoge, Theils gegen Westen sich, auch gegen Nord bewoge. 105 Hier folgte man dem Lerm, den eine Drommel gab; Dort ritten andere die Reihen auf und ab; Jndem die Paucke klung und die Trompeten schallten, Die Fahnen vor dem Zug der frohen Schaaren wallten. Des Saͤbels scharfer Glantz drang allerseits empor: 110 Doch gieng demselbigen des Kriegers Antlitz vor; Noch mehr der Pferde Pracht, und der Geraͤthschaft Menge, An der die Wehr des Heers, der Ruͤstungen Gepraͤnge, Das maͤchtige Metall, die Last der Stucken hieng, Womit ein andrer Schwarm bewehrter Maͤnner gieng. 115 Da sah ich, was man Kriegs- und Friedens-Stifter heisset, Was Feindes Trotz bezwingt, was Mauren niederreisset. Jch schaute mit Begier, darinn vertieft, hinab; Daher Thalia mir dies zu verstehen gab: „Mein„, sprach sie, nimm dich nicht so lang um diese Sachen 120 „Und Welt-Geschichten an, die nichts zur Reise machen! „Es ist nicht weit, wohin ich dich begleiten will: „Wir werden von dem Heer, von dessen Zug und Ziel Ein Verschiedene Kriegs-Voͤlcker/ wel- che zum Dienst des Allerdurchleuchtig- sten Ertzhauses/ den kuͤnfftigen Feldzug anzutretten/ in den Monaten Febr. und Mart. ꝛc. 1745. alle Strassen ein- nahmen. Erstes Buch. „Ein andersmahl so That, als Ruhm erzehlen hoͤren, „Der Feind wird das Geschlecht so fuͤrchten, als verehren. 125 Geheimniß-volle Red! und Heer! und Feind! und Zug! Und Adler! und Getoͤß! und ich! und unser Flug! So dacht’ ich, koͤnnt sie mich nicht auch vielleicht verfuͤhren? Wie, oder koͤnnt ich mich nicht auch von ihr verliehren? Der Abend ward gemach im Schatten-Grau verhuͤllt, 130 Die Luft mit Finsterniß und Wolcken angefuͤllt: Was half des Mondes Schein, der Sterne schimmrend Prangen? Das stillte weder Furcht, noch meines Sinns Verlangen. Was mir noch Hoffnung gab, war ein entferntes Feur, Es ließ, als saͤh ich es durch einen duͤstern Schleyr. 135 Je mehr wir eileten uns nach dem Ort zu drehen, Je mehr schien dessen Kreiß entzuͤndt, entflammt zu stehen. Jch fragte, was es sey, was dieses vor ein Glantz? Man sah kein Himmels-Licht; nur Zeichen eines Brands; Sie aber ließ mich stets in den Gedancken irren, 140 Und alles fuͤgte sich, mein Hoffen zu verwirren. So rieff’ ich wiederum: Zu was nutzt dieser Flug? Jch habe deiner Reiß’ und Seltsamkeit genug! Sie Der 14te des Mertz-Monats 1745. war der 12te Tag des Monds/ auf welchen diese Nacht folgte/ die der Verfasser zu der Zeit seines Gedichts erwaͤhlet hat. Sie war sowohl von dem Himmel/ als von den Menschen beleuchtet. Theresiade Sie lacht’ und sprach mir zu: „Das heißt mit Musen reisen! „Jedoch getrost! es wird sich bald was bessers weisen! 145 Sie zeigte zwar Geduld, Freud und Gelassenheit; Jch aber fuͤhlte nichts, als meiner Sinnen Streit, Den ich zwar trachtete, durch Hoffen einzustellen: Umsonst: ich hatte Furcht und Angst zu Reiß-Gesellen. So fieng mein Singen an; So schwebt’ ich in Gefahr, 150 Bevor der Sayten-Chor der Cyther einig war. O! dacht’ ich, haͤtt ich nicht zu stimmen angefangen! Vielleicht waͤr es mir nicht so fuͤrchterlich ergangen! Doch endlich redte sie mir freund- und ernstlich zu: Es fehle mir an Geist; ich liebe faule Ruh; 155 Mein Hertz erkenne nicht, nach was es streben solle, Weil ich den Ehren-Trieb der Dicht-Kunst meiden wolle: Mein Sinnen haͤge nichts als Niedertraͤchtigkeit; Ob es gleich billig sey, daß es nach Seltenheit, Nach Wunder-Dingen sich und seine Sorgfalt richte, 160 Und die Veraͤchtlichkeit des Hertzen-Schlafs zernichte. So munterte sie mich, ihr frisch zu folgen, auf: Jch kame nach, und sie verdoppelte den Lauf Mehr, als man in der Jagt des schnellen Hirschens siehet, Wann er aus der Gefahr des Jaͤger-Rohrs entfliehet. 165 „Was dachtst du„, fuhr sie fort, bey jener Adler-Schaar, „Die bey den Bergen dort uns vorgeflogen war? Nichts? Erstes Buch. Nichts? antwort! konntst du nicht gedencken und errathen, Daß sie sich ihrem Nest, weil es so spaͤt ist, nahten? Was frag’ ich ihnen nach, gedacht’ ich still bey mir: 170 O daß Thalia mich bald aus der Jrre fuͤhr! Wir kamen aber stets dem Feuer-Kreisse naͤher; Verliessen nach und nach bald langsamer, bald gaͤher Die Bodenlose Bahn. Und endlich zeigte sich Gantz nah der volle Glantz, der mir verwunderlich 175 Der Augen-Macht bezwang. Wie sonst der Sonne Strahlen Ein Blumen-Beet, ein Glaß, die Wasser Flaͤchen mahlen; So warf das helle Rund ein blitzend Licht herum, Als waͤr in selbigem des Tages Eigenthum: Jch sahe Luft und Land mit Schimmer ausgeschmuͤcket: 180 Nichts bliebe von dem Glantz des Feuers unbestricket. Thalia wandt sich um, und sah mich laͤchlend an: Jch aber saͤhnte mich nach einer festen Bahn: Sie stutzt’; ich hoͤrte gaͤh frohlocken, ruffen, singen, Auch den Trompeten-Schall aus diesem Feuer dringen: 185 Vernimm, sagt’ ich, wie man verschiedne Nahmen nennt: „Es leb Theresia! es leb der Mit-Regent! Ein Joseph und ein Carl durchklungen alle Reihen; Der allermeiste Ruff war nur von diesen zweyen. Wir schauten in den Glantz; doch war mir unbekannt; 190 Wie der Bezirck von Lust, zugleich von Feur entbrannt. D Wir Theresiade Wir waren schon so nah, daß ich bequemlich sahe, Wie, was, warum und wo das Lust-Geschrey geschahe: Ein ungeheurer Bau der in die Wolcken steigt, Und, wie mir schien, das Haupt vor eigner Hohheit neigt, 195 Wies rund um sich herum ein gegenschimmrend glimmen; Von dort sah man das Volck in goldnen Zeiten schwimmen. Es ließ, als stuͤnde da zum Trost, zur Froͤhlichkeit Zu aller Menschen Gluͤck der Sammel-Platz bereit: Ein unbeschreibliches Vergnuͤgungs-volles Schertzen 200 Gab Zeugniß, daß die Freud in aller Leute Hertzen Mit Liebe sich verband: Die Lust war so gemein, Daß kein Geschlecht der Stadt konnt unerreget seyn. Man lief, und sprung, und sung, und folgte sich in Reihen, Die Nacht mit Feur, und dies mit Jauchtzen einzuweihen. 205 Das Wunder-wuͤrdigste bey dieser Lust-Geschicht War ein bewegliches durchdringend schoͤnes Licht, Das im Triumph erhoͤht gleich einer Sonne prangte, Und des erfreuten Volcks Gluͤcks-Wuͤnschungen erlangte. Die Pracht vermehrte sich durch eine Kinder-Kron, 210 Die mit dem Lust-Geschrey, dem Ehrfurchts-vollen Thon: „ Es leb Theresia! die Stadt so sehr erfuͤllte, Daß Wechsels-weiß, wann sich der Zuruff disseits stillte, Er jenseits wiederhohlt mit Freud entgegen klang, Durch aller Gassen Raum, auch durch die Wolcken drang. Wir Erstes Buch. 215 Wir hoͤrten mit Begier fast jede Stimm erschallen; Und fuͤhlten selber auch das Hertz in Freuden wallen; Mithin erfrischten wir den Pfeil-geschwinden Flug, Und folgten des Gemuͤths von Lust erweckten Zug: Jedoch sieh da, was uns gerad entgegen eilte, 220 Und uns mehr Unterricht von dieser Stadt ertheilte! Ein weiß-befluͤgelt Weib flog wie der Wind daher; Der Antrieb ihres Schwungs ward immer maͤchtiger: Jhr aufgeblasner Mund erscholl durch zwey Posaunen, Daß uns die Seltsamkeit in Wunder und Erstaunen 225 Auch in den Vorwitz bracht, zu wissen, wer sie sey: So gar der Wiederhall stimmt’ ihrem Zuruff bey; Er ward oft so verstaͤrckt, als spraͤchen tausend Zungen, Von denen immerfort Trost-volle Worte klungen. „Jhr Oesterreicher auf„, das nahm ich oͤfters wahr, 230 „Die Nacht stellt wiederum, was ihr verlangtet, dar! „Jhr Voͤlcker freuet euch! ihr Staaten und Provintzen, „ Wienn du absonderlich! ihr habt den zweyten Printzen! Das bracht uns unverhoft, ich weiß nicht, was vor Lust: Mein Hertz erquickte sich: Geist, Neigung, Blut und Brust 235 Empfanden sich erweckt. Thalia wies Gebaͤrden, Als neigte sie den Schwung hinunter nach der Erden. Jch folgte meisterlich, als waͤr ich neu belebt; So mehr als uns das Weib bestaͤndig vorgeschwebt. D 2 Sie Theresiade Sie rieff uns oͤfters zu: wir mieden das Verweilen, 240 Jhr hurtig auf dem Fuß und Weege nach zueilen. Bevor ich mich versah, ließ unsre Schnelle nach: Wir drehten uns herum und suchten allgemach Uns abwaͤrts Bogenweiß nach dieser Stadt zu wenden: Jch hoffte, daß wir da die Reise wuͤrden enden. 245 Mein Wunsch ward auch erfuͤllt. Jch stund’ in einer Gaß’ Und kam an ein Gedraͤng, bey dem ein Weibs-Bild saß: Reitz, Anmuth, Glantz und Pracht, ein Schild in ihren Haͤnden, Wust solchen Zug und Schein um sich herum zu senden, Daß sie der Gegenwart Erblickung an sich riß; 250 Sich aber uns geneigt, und sonders freundlich wieß. Kaum war Thalia da, so warf sie solche Mienen, Als ob wir ihr bekannt, auch sehr willkommen schienen. Thalia sagte mir, daß es die Wahrheit sey, Um soviel mehr steht mir, mit ihr zu reden, frey 255 Dacht’ ich: die wird mir wohl mit Grund zu sagen wissen, Was ich bißher gesehn und werde sehen muͤssen. Komm Freundinn, leite mich! so fieng ich hoͤflich an: Hilff, daß ich die Geschicht der Nacht verstehen kan! Sie war bereit, und sprach: „Jch bin dir uͤberfluͤßig; 260 „Du kannst selbst alles sehn’: doch weil ich jetzund muͤssig, „So folg’ ich deinem Trieb; ich gehe willig mit; „Vielleicht erzehl’ ich dir auf jeden Tritt und Schritt „Was Erstes Buch. „Was diese Freuden-Nacht vor noch verborgne Sachen „Am allerpraͤchtigsten, und Welt-beruͤhmet machen. 265 Wir giengen dorten weg. Welch’ aufgeklaͤrte Stadt! Dergleichen kein Bezirck der Welt gesehen hat! Der Flammen Kunst-Gepraͤng, und Strahlen-reiches Scheinen, Ließ uns, als giengen wir in dem Gestirne, meinen: Nichts als des Kiesels-Klang, den Schritt und Tritt gebar, 270 Gab Zeugenschaft, daß hier kein Himmels-Zeichen war; Was mir vor Augen kam, warf unumschraͤnckten Schimmer Entflammten Golds herum, und blendete mich immer. Jst dieses, sprachen wir, nicht eine goldne Nacht, Die den erleuͤchtsten Tag beschaͤmt, erblasset macht? 275 Kein Haus war in der Stadt, kein Winckel, keine Gasse, Die meines Augs-Begier nicht mit Erstaunen masse. Was je die Welt zum Pomp der Majestaͤt erdacht, Erschien an jedem Ort in Herꝛlichkeit und Pracht: Der Ehren-Sauͤlen Stoltz, der Siegs-Pallaͤste Zinnen 280 Bestrebten sich den Rang der Hoͤhe zu gewinnen. Fast jeder Platz der Stadt, war in den Glantz verkehrt, Den sonst die Wachsamkeit an Morgen-Sonnen ehrt. Der Kuͤnste Macht und Schmuck, war so zusamm geflossen, Als waͤr der Wohlfahrt Reich in dieser Stadt verschlossen. 285 Die Reihen dieses Lichts erfuͤllten meinen Sinn, Als wund’ und flochte sich ein goldner Wald darinn, Den Theresiade Den Kunst, Natur und Fleiß so treflich durchgehauen, Daß ich an jedem Ort konnt einen Gang durchschauen: Jn dem der Bauͤme Pracht, zum Schau-Spiel ausgesetzt, 290 Das Volck zur Freude reitzt, die Neu-Begier ergoͤtzt, Der Sinnen Macht bestrickt: wo Buchen, Eichen, Linden Mit tausend fachem Schmuck besaͤmet, sich verbinden, Den Ehren-Boͤgen gleich in bunten Farben stehn, Den Gipfel des Gebauͤs fast an die Sterne drehn: 295 Wo nichts ist, was nicht glaͤntzt, prangt, funckelt, scheint und blicket, Die Schild- und Mahlerey mit Feuer-Schimmer schmuͤcket. Mein Hertz erregte sich fuͤr uͤberhaͤufter Lust; Fuͤr Wunder war ich mir fast selber nicht bewust. Das Volck gieng nicht herum, sein Gehn war Wallen, Schwimmen, 300 Ein sanffter Flutten-Schwall, in dem die Strahlen glimmen, Mit welchen sich die Sonn’ in stillen Wellen spielt, Wann Sie zur Sommers-Zeit den heissen Schimmer kuͤhlt. Der Tag war mit der Nacht so wunderbar verschlungen, Daß keins das andere von seinem Recht verdrungen. 305 Thalia selber schien so viel entzuckt als ich; Sie sorgte nimmermehr, wie dort im Flug, fuͤr mich. Da die Verwunderung sich wollt’ in uns verstaͤrcken, So ließ die Wahrheit erst uns ihre Sinnen mercken. Auf einmahl nahm sie mich ernsthaftig bey der Hand, 310 Und zog mich von der Stell, auf der ich mich befand, Jch Erstes Buch. Jch wuste nicht, wohin: Es hieß, den Weeg erzwingen, Und sich mit Muͤhsamkeit aus dem Gedraͤnge schwingen. Der Leute Zulauf war ein wieder-Ruck-waͤrts-Fluß; Man folgte sich so dicht und fest, und Fuß fuͤr Fuß, 315 Daß es beschwerlich war, sich aus dem Schwall zu winden, Um einen Seiten-Weeg nach einem Platz zu finden. Thalia tratt mir nach, die Wahrheit aber vor; So kamen wir mit Muͤh an eines Hauses Thor, Das nicht verschlossen war, ein wenig offen stunde: 320 Wir waren voller Trost, daß sich ein Durchgang funde. Die Wahrheit staͤmmte sich, und wir mit ihr, daran, Daß wir es unbeschwert und schertzend aufgethan. Gleich suchten wir den Weeg, durch dieses Haus zu gehen, Allein wir spuͤhrten nichts, um was wir umgesehen. 325 Es brach aus einem Eck des Hofs ein Licht hervor, Das aber seine Kraft in schlechtem Oehl verlohr; Die Sorge war umsonst; so konnten wir dort fragen, Uns nicht mit Ungeduld und Finsterniß zu plagen. Die Wahrheit sagte mir: „komm, schauen wir hinein, 330 „Vielleicht erfahren wir, was uns kan dienlich seyn! Wir sahen durch die Thuͤr: da lagen vier Persohnen Jn unbequemer Ruh. So wolten wir sie schonen. Die Wahrheit laͤchelte: doch hielten wir uns still, Und riethen, was der Ort, das Zimmer sagen will: Weil Theresiade 335 Weil nichts als eine Leyr, nebst manchen Pinsel-Staͤben, Ein Marmel Kopff und Maß den Haußrath abgegeben; Sonst schiens, Vergessenheit und Elend halte Wacht, Ja bey dem hellsten Tag sey dorten finstre Nacht. Ein armes Oel-Gefaͤß mit seinem schwachen Lichte 340 Bracht diesen Vorrath uns im Dunckeln zu Gesichte. Wir sahen auch daß es ein Frauen-Zimmer sey, Dem das Beduͤrfftniß Stroh, statt eines Ruh-Betts streuͤ. Die Armuth ließ sehr groß: sonst sah’n wir nichts zugegen; Der Werck-Zeuͤg und das Stroh, war Reichthum und Vermoͤgen. 345 Was mich befremdete, war ihre Leibs-Gestalt Jhr reitzend Angesicht in solchem Aufenthalt. Die Wahrheit sagte mir: „Jetzt werden wir was innen: „Jch bin erfreuͤt; Sieh da die jenigen Freundinnen, „Wodurch die Stadt mit Ruhm, die Nacht mit Ehre prangt, 350 „Das Volck den Wohlgeschmack und Preiß der Kunst erlangt; „Doch hoͤren wir sie selbst! sie koͤnnen alles wissen: „Es reuͤte mich, wann wir sie unbegruͤßt verliessen. „Jch geh’, und wecke sie... da schrie sie laut: „auf auf! „Weßwegen schlaft ihr hier? Jst dies der Freuͤden-Lauf? 355 „Zu was der Muͤssiggang? Wie schickt sich jetzt der Schlummer? „Je mehr man schlaͤft, je mehr waͤchst Unmuth, Gram und Kummer; „Das Feur des Geists erloͤscht! steht auf! seyd nicht so faul! Jnzwischen gaͤhnte dort ein nicht unfreundlich Maul; Hier Erstes Buch. Hier stieg ein Arm empor, und ließ sich schwanckend nieder; 360 Da lag ein muͤdes Paar halb offner Augen-Lieder. Die rieff: „wer stoͤhret uns? und warf sich wieder hin; Als jene graͤmig schrie: „Was ists? wer ist so kuͤhn? „Seyd still! wer ist dann da? mein, lasset mich zu frieden! „Wer moͤchte bey der Last der Arbeit nicht ermuͤden? 365 Sie waren ins gesamt verdruͤßlich, halb erwacht, Halb schlaffend, ausser sich, und nahmen kaum in acht Daß wer zu gegen stund; besonders da wir schwiegen: Sie blieben auch, wie vor, in ihren Trauͤmen ligen. Weil es mir um die Lust, noch mehr zu sehen, war, 370 So sagt’ ich: laßt uns gehn! was heißt die Schlaͤffer-Schaar? Die Wahrheit nahm das Wort: „Geduld! nur die Minuten! „Wir halten uns nicht auf; du wirst es nicht vermuthen „Wer die Gesellschaft sey: die die gefallen mir, „Von diesen kommt der Stadt Beleuchtung, Pracht und Zier! 375 Und ihnen sprach sie zu: wir waͤren gute Freunde, Auch selber von dem Rang der edlen Kunst-Gemeinde: „Auf auf! kommt! geht mit uns und zeiget„, fuhr sie fort: „Was ihr erbauet habt! verlaßt den duͤstern Ort! „Mein mein, dir ist ja laͤngst bekannt, was wir errichtet, 380 Sprach eine, du verstehst, zu was man uns verpflichtet! „Du siehst an jedem Ort der theuͤren Arbeit Zier: „Es ist kein Stein, kein Haus, kein Fenster, keine Thuͤr, E So Theresiade „So wir mit unsrer Kunst Vermoͤgen nicht beschmuͤcket; „Es ist nichts in der Stadt, wo man uns nicht erblicket. 385 Durch diese Worte ward uns allgemach bewust, Es sey zu dieser Nacht Beleuchtung, Pracht und Lust, Was da gebaut, geschnitzt, gemahlen und erdichtet, Durch ihren Geist und Witz, durch ihren Fleiß errichtet. So werden sie dacht’ ich, mit Recht zum Zorn empoͤrt, 390 Da man den Schlaf, wodurch sie sich erhohlen, stoͤrt. Bald hoben sie sich auf, bald legten sie sich nieder, Die rieb die Augen aus, die wand sich hin und wieder. Jnzwischen redten wir die Bau-Kunst freundlich an. Und fragten, wie sie sich hauptsaͤchlich vorgethan? 395 Jn Antwort folgte dieß: „Jch baute diese Wochen So viel als je die Zeit des Alterthums zerbrochen. Hier fiel die Dicht-Kunst ein: „Jch war der Meister-Stab, Der jedem Bau die Zier, der Zier das Leben gab. Die Dritte: „Gehet hin, betrachtet meine Sauͤlen; 400 „Jhr werdet mir den Rang der groͤsten Kunst ertheilen: „Jhr seht ein steinern Volck. Die Vierte schien mir stumm, Sie warf den scharfen Blick in dem Gemach herum: Doch endlich sagte sie: „Zaͤhlt, wann ihrs zaͤhlen koͤnnet, „Was sich von meiner Hand, von meinem Pinsel nennet! 405 Warum dann auf dem Stroh! welch unerhoͤrte Sach! Die Meisterinnen seynd in solchem Ruh-Gemach Sagt’ Erstes Buch. Sagt’ ich, jedoch nicht laut; wo wird ein Lehrling wohnen Pflegt man dann ihre Kunst nicht besser zu belohnen? Die Bau-Kunst hoͤrte mich, und sprach auf meine Red: 410 „Was Wunder, daß fuͤr uns fast alles wuͤst und oͤd? „Wir werden so geehrt, daß man uns wird vergessen! Die Wahrheit sprach hierauf: „Man muß die Zeit ermessen; „Jn dieser Jahre Frist hat nur der Waffen-Schmied, „Die Noth bracht es dahin, fuͤr alle sich bemuͤht. 415 „Man hoͤrte Tag und Nacht des Hammers Schlaͤge klingen, „Und den erhitzten Stahl in Kriegs-Geraͤthschaft zwingen. „Warum? was hatte nicht des Feindes Herꝛschsucht vor? „Stund nicht desselben Macht schon fast an unserm Thor? „Wer hat ihn aus dem Land, die Furcht von uns vertrieben? 420 „Wer hat desselben Heer zerstreuͤt und aufgerieben? „Nicht Schild- und Mahlerey; nicht Bau- und Dichter-Kunst: „Nein: Waffen, Lieb und Treu des Lands, des Himmels Gunst. „Was halff ein Winckel-Maß, was nuͤtzten Schnitzereyen? „Was Farben, Marmel-Stein, Gedicht und Kuͤnstlereyen? 425 „Feur, Amboß, Hammer, Stahl, das taugte bey der Zeit „Jhr selber waret auch zu dem Gefecht bereit, E 2 Und Als im Monat October 1741. von dem Feind ein Trompeter anhero/ und von hier ohne Antwort zuruck ge- schickt worden. Theresiade „Und recht: So war ich auch mit meinem Schild gesinnet. „Wann aber einst der Schmied zum Rocken sitzt, und spinnet, „Wann das verstahlte Thor des Kriegs geschlossen ist, 430 „Und die Zufriedenheit der Laͤnder Wohlfart kuͤßt; „Die Wuth hingegen sich auf einem Waffen-Haufen „Jn ihrer Gruft versperꝛt, die Scheitel wird zerrauffen. „Da werdet ihr gar bald durch eure Schmeicheley, „Annehmlichkeit und Stoltz und Lust und Zauberey 435 „Dem Kriegs-Mann vorgesetzt. Wer wird dann immer kriegen? „Wen durstet stets nach Blut? wer kann dann allzeit siegen? „Wo nicht auch eignes Wohl durch Ungemach verstoͤrt? „Wo nicht das eigne Land so wie des Feinds verheert? „Wer ist dem dieß gefaͤllt? Es muß bald Zeiten geben, 440 „Jn welchen alles wird in Flor und Freuden leben: „Da wird euch, nur getrost! das Miß-Vergnuͤgungs-Joch „Nicht mehr zur Buͤrde seyn: Jhr werdet Himmel hoch „Weit mehr, als diese Nacht die Pracht Colossen, schweben: „Man sieht schon in Geheim an Friedens-Stoffen weben. 445 „Das Haupt ist all zu weis, das fuͤr uns alle wacht: „GOtt selber herꝛscht mit ihm: ihr spuͤhrt ja seine Macht; „Ein Diese Friedens-Unterhandlungen geschahen damahls zu Fiessen/ und waren endlich den 22. April 1745. be- schlossen. Erstes Buch. „Ein wenig nur Geduld! Jndem sie so gesprochen, Seynd jene Schlummer-loß aus ihrem Stroh gekrochen. Wir aber hielten es fuͤr einen Zeit-Verlust 450 Noch laͤnger da zu stehn. Mir wallte Blut, und Brust Die Pracht der Stadt zu sehn; So fieng ich an zu treiben: Die bleibe da, sagt’ ich, die da verlangt zu bleiben! Wir halffen ihnen auf: Sie kleydeten sich an; Das war was meine Red und Ungeduld gewann. 455 Wir giengen also fort, noch weiter umzusehen, Was vor Beleuchtungen an allen Orten stehen. Auf einem engen Platz kam es mir kostbar vor: Wir sahen ein Gebaͤu, wie sonst ein Ehren-Thor, Das, wie die Viere sich bey dessen Anblick prahlten, 460 Sie vor das Meister-Stuͤck der gantzen Stadt gehalten. Was Herꝛlichkeit und Pomp! das praͤchtigste Gebaͤu! Thalia sagte mir, daß es ein Tempel sey. Des Marmels gruͤner Blick und tausendfacher Schimmer Erquickte mein Gesicht, und blendete mich immer; 465 Was je die Munterkeit der Kunst-Begierd erdacht, War hier in diesem Bau vortreflich angebracht. Er Das praͤchtige Triumpf-Gebaͤu/ welches auf Befehl der Hochloͤbl. N. Oe. Herren Land-Staͤnde in oben gemeldter Nacht/ sage/ den 14ten Mertzen 1745. aufgefuͤhret worden. Theresiade Er schwung die Majestaͤt so feuͤrig in die Hoͤhe, Als ob er dem Gestirn erfreuͤt entgegen gehe: Er stund mit solchem Schmuck des Strahlen-Lichts geziert, 470 Als waͤr die Sonne selbst dort im Triumpf gefuͤhrt. War irgends ein Gesims, ein Schafftwerck, eine Schwelle, Dort hatte neue Pracht der Tugenden die Stelle: Die Mitte des Bezircks wies die Bedeutung an: Jch lase diese Schrift auf einem Marmel-Plan; 475 Der Jnnhalt zeigte klar, von was vor Ehrfurchts-Trieben Dieselbige verfaßt; sie war mit Gold geschrieben: * B Egluͤcktes Oesterreich! laß von dem Flehen ab! * Wirff deine Blicke nicht auf deiner Fuͤrsten Grab! * Die Vorsicht GOttes nimmt und gibt sie nach Belieben; 480 * So faß, ermuntre dich, entreiß dich dem Betruͤben; * Jst deines Vaters Todt an deiner Trauer Schuld? * Sieh! dorten weiset sich des Himmels Gnad und Huld! * Er nahm das Haupt zwar hin; doch bleibest du beschuͤtzet; * Weil auf desselben Thron jetzt eine Mutter sitzet. 485 * Die Kronen stehn ihr so, wie vor dem Vater, an, * Daß fast so vieler Zier kein Haupt sich ruͤhmen kann. * Sie wacht, regiert und kriegt; sie siegt, und gibt dir Erben; * Sag! konntest du zuvor so grosses Gluͤck erwerben? * Auf auf! erhohle dich! und feyre diese Nacht, 490 * Die dir schon wiederum ein neues Gluͤck gebracht! * Halt Erstes Buch. * Halt Stein und Ertz bereit, laß Freuden-Sauͤlen bauen! * Worinnen man dein Hertz gepraͤget koͤnne schauen! Jch lernte durch die Schrift, doch wust’ ich noch nicht was, Biß an der andern Seit’ ich diese Worte laß: 495 * Ja! Seegen-reiches Land! frolocke mit Vergnuͤgen! * Betrachte diesen Thron im Mittel zweyer Wiegen! * Deßwegen hat dir GOtt den theuͤren Schatz geschenckt; * Weil er durch den Verlust des Vaters dich gekraͤnckt: * So sey mit diesem Tausch, den GOtt befahl, zu frieden! 500 * Dein Vater ist, soviel als nicht von dir geschieden. * Wir aber ruffen auf: es stehe dieses Haus! * Es lauf der Zeiten Reih, eh es vergehet, aus! * O daß wir diese Frau, nebst ihr den Mit-Regenten * So lang ihr Haus besteht, regieren sehen koͤnnten! 505 * Die Kinder fuͤhre GOtt mit seiner Vater Hand! * Und schencke sie dem Volck zu seines Schutzes Pfand! * Sie seynd das Heyl des Lands, und Soͤhne von den Rechten, * Um welche sie mit Sieg als Helden werden fechten. * Es komm’ Unsterblichkeit aus ihrer Jahre Reich, 510 * Und widme selbiges dem Ertz-Haus Oesterreich! * Den Wunsch betheuͤrt das Land, und alle Mitgenossen * Durch diesen Ehren-Bau, durch diese Feuͤr-Colossen. Jch lase mit Bedacht, und mit verborgner Lust, Doch war der Jnnhalt mir nur halb und halb bewust. So Theresiade 515 So sucht’ ich den Begriff von allen diesen Dingen Mir durch die Fuͤhrerinn, Thalia, beyzubringen: Jch nahm sie bey dem Arm und sprache: Freuͤndin! sag Was das Gebaͤu, die Pracht, das Werck bedeuͤten mag. So wandt sie sich und sprach: „Betrachte diese Seite 520 „Und jene, sonderlich die Menge dieser Leute! „Das ist der Tugenden und Eigenschaften Chor, „Der sich, der Koͤniginn stets beyzustehn, verschwor. Sie wieß mir mit der Hand bald die, bald jene Stelle, „Als fragte sie was ich vor einen Ausspruch faͤlle. 525 „Die Sauͤle„, sagte sie, stellt die Gesundheit vor: „Die; Klugheit: jene dort; der Laͤnder Gluͤck und Flor: „Das ist die GOttes Furcht: Da; Reitz in den Gebaͤrden: „Dort; Redlichkeit und Huld: hier; Muth in den Beschwerden: „Gerecht- und Mildigkeit stehn dorten als ein Paar: 530 „Die stellt Barmhertzigkeit und die die Demuth dar. Sie bracht fast einen Staat von Tugenden zusammen: Allein wer merckte sich die Zahl der Ehren-Nahmen? Wir stunden im Gespraͤch, und in dem Bau vertieft, Wir wiederhohlten auch den Jnnhalt dieser Schrift. 535 Sieh da! so kam ein Zug, mit tausend Freud umrungen, Welch herꝛlicher Triumpf! um den die Leuͤte sprungen; Es wimmelte fuͤr Volck: Der Hertzen Froͤhlichkeit Brach in ein Jauchzen aus: so war noch Ort, noch Zeit. Uns Erstes Buch. Uns da mehr umzusehn: man lief in vollen Schaaren 540 Um diesen Wagen her: die Frauen die da waren, Verfuͤgten sich mit uns. Welch angenehmer Schwarm! Man hielt und fuͤhrte sich der Reihe nach am Arm: Wir drangen fleissig nach, mit diesem Zug zu kommen; Kein Raum der Gasse blieb vom Volck uneingenommen: 545 So gar der Luft-Kreiß war durch dessen Stimm’ erfuͤllt; Wie wann es diese Frau vor uͤberirrdisch hielt: „Es leb Theresia! der Ehgemahl! die Soͤhne! „Das Haus von Oesterreich! war jedes Munds Gethoͤne. Wie manchem stossen nicht die Thraͤnen im Gesicht? 550 Da sah man, wie das Hertz sein Freuden-Amt verricht. Ob es gleich unbequem, so zu frolocken, schiene, So wies doch uͤberall sich eine muntre Miene. Wir folgten dem Gedraͤng, und Wagen Fuß fuͤr Fuß; An einer Koͤnigs-Burg war dieses Zuges Schluß. 555 „Nun will ich dir den Ort„, sprach hier die Wahrheit, zeigen, „Wo manche Zepter sich und Kronen-Haͤupter neigen. Jnzwischen trat sie vor und die Gesellschaft nach: Da schimmerte vor uns ein grosses Vorgemach. Thalia fieng hier an: „Nun seynd wir angekommen, 560 „Wohin wir unsern Flug, den kuͤhnen Flug genommen: „Jetzt gib aufmercksam acht, jetzt faß mit Aug und Sinn, „Es ist des Vaterlands Wunsch, Heil und Schutz hierinn. F „Hier Theresiade „Hier wohnt der Voͤlcker Trost, Freud, Absicht, Preiß und Wonne, „Hier leuͤchtet, glaͤntzt und scheint der Laͤnder Wohlfarts-Sonne. 565 Jch wiederhohlte das, was ich bißher gehoͤrt: Wie wir der Kuͤnste Schlaf und Aufenthalt gestoͤrt; Was ich durch jenen Ruff, durch jene Schrift erfahren: Doch wust’ ich nicht gewiß, was diß vor Zimmer waren. Der Zulauf mehrte sich; der Ort ward endlich voll: 570 Jch wuste nimmermehr, was ich gedencken soll: Jch spuͤhrte nichts als Lust, Vergnuͤgen und Ergoͤtzen: Bald hoͤrt’ ich: „Muß man sich nicht wieder gluͤcklich schaͤtzen? Bald sagten andre dort: „O grosse Koͤniginn! „GOtt gebe, daß der Feind dir nichts mehr abgewinn! 575 „Wie koͤnnte dieses seyn„, vernahm ich jemand sprechen, „Wird er das Meisterstuͤck, das er gemacht hat, brechen? „Sie ist ein Wunderwerck, in dem er sich erfreuͤt; „Durch sie zeigt er der Welt der Kronen Wichtigkeit: „Er gab ihr solchen Schmuck; so wird er sie beschuͤtzen; 580 „Ein Sieg ist ohne GOtt nichts als ein eitles Blitzen. Um mich stund jene Schaar der Tugenden herum; Sie redt’- und lispelten von dem Ertzhertzogthum; Von einem zweyten Sohn; von Freuͤnd und Feind und Kriegen; Wie jener Koͤniginn zum Herꝛschen, Streiten, Siegen 585 Der Himmel selbst das Maß, den Schutz, den Seegen gibt; Daß auch ihr groͤster Feind sie preiset, schaͤtzt und liebt. Mit Erstes Buch. Wollt’ ich von einer dieß, von jener das verstehen, So mußt’ ich hin und her durch das Gedraͤnge gehen. Doch weil man sich nur halb und halb vernehmen ließ, 590 Und die Vielfaͤltigkeit mir manches Wort entriß; So konnt’ ich keine Sach, als nur gebrochen, hoͤren: Bald ließ’ ich mich von der, und bald von jener stoͤren. Jch schaͤrffte das Gehoͤr; ich kehrte mich dahin, Wo man in dem Gespraͤch am meisten eifrig schien; 595 Da kam mir ungefaͤhr der Ausspruch zu den Ohren: „Der Himmel hat sie selbst zur Koͤniginn erkohren! Jch horcht’, ich sah’, ich stund als wie ein Wandersmann Der fuͤr des Walds Gebrauß den Freund nicht hoͤren kann, Oft nur ein Wort vernimmt. Man sprach von einem Kreiße; 600 Von einem Tugend-Streit; wie wußt’ ich, was das heisse? Doch merckt’ ich allerseits fast einen gleichen Sinn: Man sprach von niemand mehr, als von der Koͤniginn. Besonders wie sie sich schon in der zaͤrtsten Jugend Der Weisen Rath ergab; doch mehr der Helden Tugend. 605 Wie sie nicht durch den Schmuck und Staat der Majestaͤt, Nein: sondern durch das Wohl der Laͤnder sich erhoͤht. Wie wenig Feur und Schwert des Feinds ihr Herz besiegen. Wie standhaft sie den Thron in der Gefahr bestiegen. Wie sie den Fuͤrsten haßt, der nur auf Waffen traut, 610 Oft einen Thron zerstoͤrt, und niemahls keinen baut. Mit Theresiade, erstes Buch. Mit was vor Großmuth sie den Einbruch angesehen, Der wieder Wort und Recht in ihren Staat geschehen. Wie, wer sich gegen sie bewaffnet und empoͤrt, Zum Schluß im eignen Land die Feinde donnern hoͤrt. 615 Wie man von Anfang sie mit ihrer Macht verachtet, Als man sich, ihres Throns schon Herꝛ zu seyn, geachtet. Wie nicht der Krieger Zahl, der Ruͤstung Macht und Kraft, Nein: sondern das Vertraun zu GOtt, den Sieg verschaft. Wie GOtt durch diese Frau den Welt-Monarchen zeiget: 620 Daß keiner nur durch Macht faͤllt, stehet, oder steiget. Theresiade. Zweytes Buch. J Ch hoͤrte dem Gespraͤch in stillem Eifer zu; Doch ward mir kaum bekannt, auf was der Grund beruh; So wandt’ ich mich dahin, wo meine Fuͤhrer waren, Durch ihren Unterricht die Sache zu erfahren. Allein man oͤffnete darzwischen Thuͤr und Thor, Und jemand trat zugleich aus andern Zimmern vor, Der mit Bezeigungen verschiedner Hoͤflichkeiten Zu wissen gab, daß er uns soll hinein begleiten Welch’ Theresiade Welch’ unverhoffte Pracht! ein hell beleuͤchter Saal! 10 Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl, Damit ich, was geschaͤh, durch sie verstehen koͤnnte, Wann die Willfaͤhrigkeit derselben es vergoͤnnte. Mein Auge war so sehr geblendet und bestrickt, Daß es die Menge nur unachtsam uͤberblickt; 15 Jch sah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende, Als haͤtte das Gebaͤu noch Umkreiß weder Waͤnde: Es glaͤntzete die Luft von schimmerndem Crystall, Gold, Marmel, Farb’ und Flamm erfuͤllten uͤberall Den Koͤniglichen Saal; die unzaͤhlbaren Lichter 20 Erhoben die Gestalt und Schoͤnheit der Gesichter, Die man in dem Gedraͤng’ in dem Getoͤß der Stadt Bey der Vielfaͤltigkeit nicht wahrgenommen hat: Der Spiegel Gegen-Schein und unergruͤndtes Spielen War Ursach, daß sie mir vermehrt ins Auge fielen; 25 Der Hin- und Wieder-Schein der Tracht und der Gestalt, Der unermessne Glantz, die blendende Gewalt Bezauberte das Aug, entzuͤckte Geist und Sinnen, Als saͤhe man ein Heer gekroͤnter Koͤniginnen. Lust, Kummer, Freuͤd und Sorg, Angst, Ehrforcht und Begier 30 Beklemmten meine Brust und rissen mich von mir. Hilff Freuͤndinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken! Mein Sinn verliehret sich in diesen Wunderwercken; Die Zweytes Buch. Die Menge war zu groß: Was aller Kuͤnste Macht, Geist, Feuer, Wohlgeschmack biß jetzt hervor gebracht, 35 Das stund um uns herum; was je die Pracht verschwendet, War zur Verwunderung der Kunst hier angewendet: Des Haupt-Orts Majestaͤt war ein erhobner Thron, Den Palmen, Lorber-Zweig, Oehl-Reiser, Zepter, Kron, Reichs-Aepfel, Kriegs-Geraͤth und Friedens-Schaͤtz’ umrungen, 40 Die auf das herꝛlichste sich in einander schlungen. Die meisten von der Schaar erwaͤhlten nach und nach Jn Ordnung einen Platz, und setzten sich gemach Jn einen Kreiß herum, dem alle die Matronen, Die wir vorher gekannt, begunnten beyzuwohnen; 45 Als waͤr ein hoher Rath von groͤster Wichtigkeit, Und die Zusammenkunft zu solchem Ziel bereit. Was unbeschreiblicher rund eingetheilter Schimmer Entsprung in diesem Platz von diesem Frauen-Zimmer! Der Trachten hell Gepraͤng, des Schmucks befeuͤrter Schein 50 Praͤgt’ jedem Auge Lust, Verwundrung, Ehrfurcht ein; Mit groͤssrer Klarheit kann der schoͤnste Tag nicht prangen, Als jene, welche da den edlen Kreiß umfangen. Dem reichen Kleider-Stoff, der sich je mehr geziert, Je mehr der Falten-Wall sich hin und her geruͤhrt; 55 Der Edelsteine Blitz, der in den Haaren steckte; Der Farben Lieblichkeit, womit man sich bedeckte; Dem Theresiade Dem Himmel-blauen Zeuͤg, der durch das Silber brach, Und sich in Gold verbarg, gieng zwar mein Vorwitz nach; 60 Doch weder diß, noch was ich sonst erhobnes spuͤhrte, War jenes so das Hertz am allermeisten ruͤhrte: Das Ansehn der Gestalt; die Schoͤnheit des Gesichts, Der Feuͤerreiche Blick war reitzend, sonsten nichts. Der Mienen Zauber-Art; das Prangen der Gebaͤrden 65 War was mit hoͤchster Lust must’ angesehen werden: Der Augen Freundlichkeit; der Wangen Farben Reitz; Der laͤchlend-holde Mund, der sich hier allerseits Mit schmeichelhaftem Ernst und muntrer Anmuth zierte, War, was das Aug in Freud’ und in Erstaunung fuͤhrte. 70 Je mehr sich nach und nach die Schaͤtze vorgebracht, Je weniger war ich in Sonderheit bedacht Diß oder das zu sehen; Die Menge dieser Frauen Ließ meiner Seh-Begier nichts nach der Ordnung schauen. Wahr ist es, daß ich oft um Unterricht gefragt, 75 Daß mir die Wahrheit auch oft was ins Ohr gesagt; Allein was halff es mich, die Antwort aus zu warten, Da Witz und Aug’ und Ohr erstaunt, entzuͤckt, erstarrten? Diß war mir endlich neuͤ: es stund ein Juͤngling da, Der, gleich als such’ er was, nach allen Seiten sah, 80 Und der Matronen Blick vorzuͤglich an sich risse, Wie wann er zu dem Rath den Anfang machen muͤsse. Nach- Zweytes Buch. Nachdem auch jedes Aug im Saal und in dem Kreiß, Auf ihn gerichtet war, sprach er auf diese Weiß: „Freundinnen! euch ist ja der Vorsatz unverborgen, 85 „Mit dem wir diese Nacht zur Absicht unsrer Sorgen „Gemeinsam auserwaͤhlt? Jndem er also sprach, Warf er den Augenwinck fast allen Reihen nach, Blieb still, wie wann er sich erst noch besinnen wollte, Was ihm zu reden waͤr; ob er nicht schweigen sollte: 90 Doch fuhr er endlich fort: „Ja schreiten wir zum Werck! „Die grosse Koͤniginn ist unser Augenmerck; „Jhr Wort ist unser Schluß und unser Spruch ihr Wollen, „Was sie befielt, das ist, was wir ihr rathen sollen: „Wir folgen ihr, sie uns; sie stimmt in allem ein, 95 „Was je von uns fuͤr sie mag ausgesonnen seyn. „Man weiß, was sie durch uns, und wir durch sie vollzogen; „Es ist mit ihrem Ruhm die Welt schon durchgeflogen. Hier regte sich die Frau, so dort mit uns geschwebt, Und sprach: „Ja zweifelt nicht! Was auf der Erde lebt 100 „Jst von derselben Ruhm und Groͤsse so belehret, „Daß auch die Mißgunst sie, doch heimlich zuͤrnend, ehret. „So lang ich flieg’ hab ich die Muͤhe nicht gehabt „Als seit der Himmel sie mit Kronen hat begabt. „So„, fuhr der Juͤngling fort, So wirst du mir gestehen, 105 „Daß es die gantze Welt gehoͤret und gesehen? G „Man Theresiade 110 „Man frage Sud und Ost, man hoͤre Nord und West, „Ob man nicht dort so gar ihr Sauͤlen bauen laͤßt. „Jch wundere mich nicht: dann wann ich es erwege, „Der Menschen Wanderschaft und Reisen uͤberlege, „Auf welchen sie dem Meer, der ungestuͤmen See, 115 „Des Winters Wuth und Frost, dem Regen, Reif und Schnee „Jn dem ergrimmten Schaum der ungetreuen Wellen „Der Winde Raserey sich pflegen bloß zu stellen; „Daß sie den goldnen Saft, den die Natur erzeugt, „Und meistentheils damit den tapfern Krieger seugt; 120 „Durch Schweiß, den sie dadurch aus allen Gliedern pressen, „Jn unser Schatz-Gemach, in unsre Kasten floͤssen: „Damit sie nur, sag’ ich, von dem entlegnen Land „Der Erden theuͤrstes Marck in Stuffen oder Sand „Aus der vertiefften Nacht derselben Schachten zwingen, 125 „Und zum Behuf des Amts, so wir begleiten, bringen; „So zeiget sich von selbst, daß unsre Koͤniginn „Auch dort geruͤhmet sey, wohin die Voͤlcker ziehn. „Wer wird dahero nicht mit Fug und Recht bekennen, „Daß ich in diesem Fall die gantze Welt muß nennen, 130 ' „So mehr, als jeder Theil an ihr die Tugend liebt „Und dessentwegen ihr zum Kampf die Kraͤffte gibt, „Weil aus den Tugenden nicht alles hergeflossen, „Was GOtt durch sie der Welt zu zeigen hat beschlossen. „Nun Zweytes Buch. „Nun haben wir die Nacht, die Freuden-Nacht gesehn, 135 „Es wird auch jedes Hertz aus unsrer Zahl gestehn: „Daß niemahls solche Lust in dieser Stadt gewesen, „Daß von dergleichen Fest in keinem Buch zu lesen. „Jch finde weder Arm noch Reich, ja kein Geschlecht, „Es sey die Frau, die Magd, es sey der Herꝛ, der Knecht, 140 „Was lebet spannte Kunst, Bemuͤhung und Vermoͤgen „Mit allen Kraͤfften an, die Nacht an Tag zu legen, „Und durch die Freuden-Glut, durch dieses Ampel-Feur „Zu zeigen, wie das Hertz den Ehrfurchts-Schluß betheur: „Daß es die Koͤniginn den allergroͤsten Schaͤtzen 145 „Aus Liebe gegen sie verlange vorzusetzen; „Weil sie mehr fuͤr ihr Volck, als fuͤr sich selber lebt, „Mehr nach desselben Heil als nach dem eignen strebt; „Des frohen Vaterlands geliebte | Mutter heisset; „Der Feinde Bund und Macht, Gewalt und Muth zerreisset; 150 „Den angefochtnen Thron so tapffer unterstuͤtzt, „Daß er nun selber auch auf seine Feinde blitzt; „Jndem er mehr und mehr durch laͤngst gewuͤnschte Sprossen, „Von welchen neulich erst der Zweyte vorgeschossen, G 2 „Jn Der Ertzhertzog Joseph ist/ den 13. Mertz 1741. Der Ertzhertzog Carl den 1. Febr. 1745. gebohren; diese Re- de aber geschiehet den 14. Mertz 1745. Theresiade „Jn solchen Stand gesetzt, daß ihm kein Donner-Knall 155 „Jn Zukunft schrecken kann; kein schwerer Wetter-Schwall „Desselben Grund verletzt; er trotzet auch die Wellen, „Die noch an dessen Fuß mit Sturm und Brausen prellen. „Mit einem Wort: es strebt und trachtet jedermann „Nach dem was diese Frau zu loben taugen kann. 160 „Es stimmen Freud und Feur in dieser Nacht zusammen, „Weil Trost und Lieb und Treu das gantze Volck entflammen. „Nur unsre Regung scheint noch nicht genug erweckt; „Man kennt die Freude nicht, die sich in uns versteckt; „Wohlan! so binden wir Sinn, Willen, Hertz zusammen, 165 „Dem Volck, dem frohen Volck in allem nachzuahmen! Hier schwieg er, und es schien, als ob er sich besann: Bald hoͤrt ich: „Ja; bald: „Nein. Drauf sieng er wieder an Und sprach: „Nein! besser ists, ein solches Werck zu finden, „Daß wir dadurch des Volcks Frolocken uͤberwinden. 170 „Die Koͤniginn ist schon der gantzen Welt bekannt; „Der Ursprung ihres Ruhms wird aber nicht genannt. „Man rufft: sie rettet sich! sie kriegt! sie weiß zu siegen! „Die Feinde werden sich vor ihrem Antlitz schmiegen! „Jnzwischen sagt man nichts von der geheimen Macht, 175 „Die biß auf diese Stund zu ihrem Schutz gewacht. „Man weiß, daß Helm und Schild und Lantze viel genuͤtzet; „Daß aber dieß Geraͤth allein sie nicht beschuͤtzet. Der Zweytes Buch. „Der Voͤlcker Stimme schreyt nur Heer, und Feur, und Stahl, „Und Schwert, und Rach, und Wuth, und tapfrer Krieger Zahl! 180 „Kaum denckt man auf das Amt, so dieser Kreiß verrichtet, „Der den Entwurff des Feinds allein verwirꝛt, zernichtet. „So wend’ ich mich zu euch: wir seynd die Gegenwehr, „Von uns kommt Sieg und Ruhm, und Heil und Rettung her; „So ehren wir uns selbst: Den Tugend-Chor verehren 185 „Jst dieser Koͤniginn Vortreflichkeit vermehren; „Wer dieses Kreißes Ruhm, Verdienst und Amt erhoͤht, „Der preiset und erhebt auch ihre Majestaͤt. „Ob demnach wir fuͤr uns, ob wir fuͤr sie was bauen, „So wird man Sie sowohl, als uns geehret schauen. 190 „Gewiß ist es, daß uns so viel Triumpf gebuͤhrt, „Als einst das Alterthum den Helden aufgefuͤhrt: „Weil wir der Koͤniginn das alles beygetragen, „Was zu derselben Ruhm fast alle Voͤlcker sagen. Hier merckte man, daß er sich selber innerlich 195 Mit dem, was er dem Rath vortruͤge, nicht verglich. Man konnt aus seinem Aug, und Thun und Lassen schliessen, Daß Satz und Gegensatz ihn noch im Zweifel liessen. „Allein„, so fuhr er fort: Wer ist, wer sagt mir nun, „Worinnen dieses Werck, dieß Ehren-Werck soll ruhn? 200 „Wann Jede von dem Chor besonders prangen wollte; „Wann man fuͤr Jede was zu baun, entschliessen sollte; G 3 „So Theresiade „So schwuͤng der Vorschlag sich weit uͤber unsre Macht, „Man faͤng zwar an, jedoch es wuͤrde nichts vollbracht: „So viele Tugenden! so viele Pracht-Colossen! 205 „Es wuͤrd ein Wunder-Wald, doch blieb er unentsprossen. „So fassen wir den Schluß: Ein eintziges Gebaͤu, „Das man dem Amts-Verdienst der ersten Tugend weih, „(Stim̃t ihr mit mir nicht ein?) koͤnnt unsern Wunsch und Willen „So wohl, als jener Wald, durch seine Pracht erfuͤllen. 210 „Wer aber ist von uns, dem dieser Rang gebuͤhrt? „Wer hat was ohne mich erfunden, ausgefuͤhrt? „So will das Recht, daß man mir dieses Denckmal baue, „Auf dessen Friese man mich, meinen Nahmen schaue. Jch wurde nicht allein durch diesen Satz bewegt; 215 Die gantze Gegenwart des Saales ward erregt, Nichts weniger als ihm geneiget beyzustimmen; Man sah fast allerseits ein Mißvergnuͤgen glimmen. Thalia selbst erwies Befremdung, ja Verdruß: „Was„, sagte sie: Der ist beym Anfang schon am Schluß? 220 Jch fragte, wer er sey; Ob sie den Juͤngling kenne? „Sein Reden zeigt„, sprach sie, daß er sich Zweifel nenne. Jhn Das Friese (Zophorum) ist ge- meiniglich der jenige Ort an dem Haupt-Gesims eines Gebaͤudes/ den man mit einer Jnnschrift zieret. Zweytes Buch. Jhn aber hinderten die finstern Augen nicht. „Jhr uͤbereilet euch! vernehmt nur den Bericht! „ Theresia „, gieng er in seinem Vortrag weiter, 225 „Haͤtt manches Helden-Werck durch allerkluͤgste Streiter „Nicht gluͤcklicher vollbracht, als es mein Witz gethan; „Jch weise klar, daß ich mich dessen ruͤhmen kann. „Jch zweifle; dieses heißt: den Sachen nachzusinnen: „Durch dieses werden wir derselben Zustand innen: 230 „Der Zustand zeigt den Weeg, der Weeg fuͤhrt uns zum Ziel „So man nach Art und Maaß der Sach erreichen will. „Mit dieser Eigenschaft hab ich den Weeg gefunden; „Durch diesen haben wir uns gluͤcklich durchgewunden: „Wer ist, dem nicht die Furcht durch Hertz und Adern drang? 235 „Wer ist, der nicht mit Angst und Ungewißheit rang? „Wer saß nicht manchesmal in traurigen Gedancken? „Wie oft begunnt man nicht mit eignem Sinn zu zancken; „Wart ihr nicht selber oft in Wanckelmuth versenckt? „Wer hat euch wiederum von dorten abgelenckt? 240 „Die Koͤniginn und ich: wir haben uns beflissen, „Durch meine Zweifels-Kunst der Sachen Grund zu wissen. „Freund, Hoffnung, GOtt und Sieg, Feind, Waffen und Gefahr, „Dieß alles stellten wir uns so bedeutlich dar, „Daß kein Verdacht, kein Fall, kein Umstand ward vergessen, 245 „Wir hatten Tag und Nacht bald dieß, bald das ermessen. „Wann Theresiade „Wann man sich anderwerts dem Kummer uͤberließ, „Da sucht’ ich, daß ich uns aus dessen Banden riß. Wir hatten Ja und Nein, sonst nichts, zu Raths-Genossen, Durch diese ward von uns, was allen halff, entschlossen. 250 „Man weiß, wer einstens dort den vierten Theil der Welt „Durch Flutten ohne Bahn den Dreyen zugesellt: „Haͤtt in der Vorwelt man von mir den Rath genommen, „So waͤr man damahls schon vielleicht dahin geschwommen. „Der Sterne Kreiß und Lauf; der Wind; der Erde Rund; 255 „Die machten dem Colon der Hinkunfft Weege kund; „Er kannte nach und nach den Unterscheid der Sachen, „Die meine Zweifels-Kunst ihm wuste vorzumachen. „Jch stellte seinem Witz des Mondes Reise vor: „Hier gehet er hinab, sagt’ ich, und dort empor; 260 „So muß die Wasser-Welt sich dort hinunter kruͤmmen, „Und folglich diese Flutt dort an ein Ufer schwimmen: „Sie wallet immerfort und wird dahin gejagt, „Sieh! wie der Wellen-Schwall der Wellen Schwellen schlagt. Hier Christoph Colon ins gemein Co- lumbus genannt/ der beruͤhmte Genue- ser/ welcher im Jahr 1491. die Jnseln Cuba/ Domingo ꝛc. erfand und dem Americo Vesputio den Weg zum fe- sten Lande der so genannten neuen Welt bahnte. Zweytes Buch. „Hier ließ’ ich seinen Sinn mit steten Winden spielen; 265 „Biß seine Blicke dort auf welche Breter fielen, „Die waren von der Flutt im Strohm herum gewiegt. „Zu gleicher Zeit hatt’ ich den Zufall beygefuͤgt: „Er sah von weiten was sich durch die Luͤfte schwingen; „Das muß ihm, duͤnckte mich, noch weitern Zweifel bringen: 270 „Ein matter Vogel-Schwarm entfliegt nicht aus der See, „Bracht’ ich ihm in den Sinn, nicht aus der Wolcken Hoͤh; „Er muß von einem Land, nicht von der Luft herkommen; „Auf solche Weiß hatt’ ich denselben eingenommen. „Kaum war der Zweifel da, so ward der Schluß gefaͤllt: 275 „Es sey das Meer umgrentzt; dort sey noch eine Welt; „Dort halte die Natur den groͤsten Schatz verborgen: „So fieng er um die Kunst der Hinfart an zu sorgen. „Bald dacht er an den Weeg, bald an den fernen Schatz, „Sie fanden beyde gleich in seiner Hoffnung Platz. 280 „Der Weeg versprach ihm Gold, und dieses zeigte Weege; „So wurde sein Gemuͤth zum Unternehmen rege. „Jch stellte seinem Sinn durch meine Forsch-Kunst dar, „Was nutzlich, hart und schwer, und was gefaͤhrlich war. „Des Meers ergrimmtes Saltz, und sein beschaͤumtes Brausen 285 „Erweckte zwar in ihm fuͤr solcher Reise Grausen; „Jedoch das goldne Land, die fest gehoffte Beuͤt „War schmeichelhaft und sprach von nichts als Sicherheit. H „Er Theresiade „Er zweifelte so lang, und hielt sich nach den Winden, „Biß er nach ihrem Zug die Strasse wußt zu finden; 290 „So fuhr und schwamm er fort. Sehr zweifelhafte Bahn! „Er sahe die Gefahr mit scheelen Augen an; „Verachtete die Furcht; ließ nur die Seegel streichen, „Wann er gezwungen war den Stuͤrmen auszuweichen. „So viel hab ich gewuͤrckt; wie war die Fart geendt? 295 „Daß ihn die neue Welt als den Erfinder kennt. „Haͤtt er mich nur veracht, mir kein Gehoͤr gegeben, „So wuͤßten wir noch nicht, in welcher Welt wir leben. „Auf solche Weise ward Theresia gefuͤhrt; „Das ist, wodurch sie nun mit solchem Ruhm regiert. 300 „Das ist die Kunst, der ich mich zu bedienen pflege. „Jch zeige, wann man irrt, durch Nein und Ja die Weege. „Nun setz’ ich diesen Fall: Theresia verschmaͤht „Was ihr nach meinem Rath durch Hertz und Sinnen geht; „Sie sitzt verlassen da; will nichts mit mir erwegen; 305 „Steht weder diesem Satz noch jenem Schluß entgegen; „Sie bleibt in Finsterniß, sucht keinen Sonnen Schein; „Gibt sich den Wellen Preiß und zieht das Ruder ein; „Sagt: alles helffe nichts, es sey bereits geschehen; „Man koͤnne Waffen-bloß dem Feind nicht wiederstehen; 310 „Es sey noch Hilff noch Rath, zum Kaͤmpfen auszuziehn, „Das Hoffen nuͤtze nichts, weil selbst die Freunde fliehn; „Es Zweytes Buch. „Es sey schon alles aus; der Zweifel helffe nimmer; „Die Sachen wuͤrden nur durch widerstehen schlimmer; „Ohnmoͤglich koͤnne sie so grosser Feindes Macht, 315 „Die sich der halben Welt genug gewachsen acht, „Nur einen Augenblick des Degens Spitze zeigen; „Man muͤsse selbige vor solcher Staͤrcke neigen; „Es nutze kein Gewehr, man brauche kein Geraͤth, „Was immer hilflich sey, das komme viel zu spaͤt. 320 „Gesetzt, sie waͤr zum Schluß in solchem Wahn verharret, „Sprecht! waͤren wir nicht schon, wer sagt mir wo? verscharret? „Wo suchte man den Kreiß? wo waͤr das Kronen-Haus? „Sagt! waͤr nicht ohne mich schon laͤngstens alles aus? „Der sich schon fast ergibt, entrinnt oft den Gefahren, 325 „Und weiß fuͤr Schauer nicht, wer seine Retter waren; „Dem man mit Untergang, mit Schwert und Dolchen droht, „Erlangt oft ohngefaͤhr Beschuͤtzung in der Noth; „Warum? sie zweifeln noch, ob Mittel auszufinden: „Der Zweifel zeigt den Weeg, sich aus der Angst zu winden. 330 „Mit solcher Art hab ich fruͤh, spaͤt, ja Tag und Nacht „Jm Geist der Koͤniginn den Sachen nachgedacht; „Nichts fand’ ich zu gering, was etwann konnt geschehen, „So wir nicht ausgeforscht und gruͤndlich durchgesehen, „Wir haben an der Hand fast alles abgezaͤhlt, 335 „Biß endlich sie den Schluß, den kluͤgsten Schluß erwaͤhlt. H 2 Liegt Theresiade „Liegt dessen Wirckung nun der gantzen Welt vor Augen; „So sagt: was Zweifel heißt, zu was er koͤnne taugen. „Jch wiederhohle frey, was ich von Anfang sprach: „Mich uͤberwindet nichts, mir gehet alles nach. 340 „Will aber eine sich in meine Rede legen, „Der sag’ ich, was sie selbst fuͤr sich erklaͤrt, entgegen. „Nichts ist, was mir den Rang des Frieses nicht verspricht; „Jhr schifft nur durch das Eis, das meine Tugend bricht. 345 „ G Enug! das heißt den Schluß des Vortrags uͤbereilen; „Es ist zu kuͤhn, sich selbst das Vorzugs-Recht ertheilen. „Vernimm auch andere, die Sach’ ist viel zu schwer, „Als daß man nicht den Spruch des gantzen Kreises hoͤr! So ward der freche Satz des Juͤnglings unterbrochen, Weil er sich unbefragt das Friese zugesprochen. 350 Kein Wunder: wo man fragt, und gleich den Schluß erklaͤrt, Da wird gemeiniglich der Beyfall nicht gewaͤhrt. Die, welche sich so frey zum Gegenspruch gebruͤstet, Bezeigte sich vielmehr als andre dort entruͤstet; Verbarg inzwischen doch den Eifer und den Gram, 355 Der ihr durch diesen Schluß auf ihre Wangen kam; „Was„, sagte sie behertzt, du willst das Friese zieren? „Mein, zweifle doch zuvor ob es dir kann gebuͤhren! „Mich duͤnckt, ich sehe dich bereits im Zweifel stehn: „Du seyst zu diesem Rang nur zweifelhafft versehn. „Dein Zweytes Buch. 360 „Dein Forschen nuͤtzte zwar, nicht aber das Betragen, „Mit welchem du die Frag und Antwort vorgeschlagen; „Du bist noch viel zu schwach„, so fuhr sie weiter fort; Es klingt in meinem Ohr fast noch ein jedes Wort, Mit dem sie sich erklaͤrt’, „Jch will fuͤr mich behaupten, 365 „Was deine Raͤthe mir, das Nein und Ja nicht glaubten „Daß nur zu meinem Ruhm das Denckmahl stehen soll; „Dann meiner Trefflichkeit seynd alle Laͤnder voll. „Viel hast du zwar erdacht, doch wenig ausgerichtet; „Dein wanckelbarer Witz haͤtt Land und Leuth zernichtet, 370 „Er hat am Zweifels-Knopf so lang herum geschaut, „Biß diese tapfre Faust denselbigen zerhaut. Thalia hiesse mich die tapfre Faust betrachten; Sie streckte solche vor, woruͤber viele lachten. „Geh! schwimme„, fuhr sie fort, mit deinen Lieblingen! 375 „Mit deinem Nein und Ja, zwey weisen Zwillingen! „Sieh! forsch! sinn Tag und Nacht! was wird es endlich heissen? „Am Ende triffts mich doch, dich aus der Noth zu reissen. „Hier leitet dich Gewinn, dort schrecket dich Gefahr; „Nicht oft erkennest du was gut, was falsch, was wahr. 380 „Dein unentschloßnes Hertz schwebt gleichsam in den Luͤfften; „Was kann dergleichen Rath vor Hilff und Nutzen stifften? „Jch hoͤre zwar, daß du der Sachen Eigenschafft, „Bestand und Unbestand, Verwicklung, Trieb und Krafft H 3 „Vor- Theresiade „Vorsichtig uͤberlegst: was hilfft so feines Dichten? 385 „Was kann man, wo man stets im Zweifel ist, verrichten? „Erzehl! sag an! worzu dient dein gelehrter Witz, „Wodurch du mich ermahnst: hoͤr donnern! sieh den Blitz! „Das weiß ich ohne dich; es ist ein eitles Mahnen, „Und heisset: eine Bahn auf einer Bahne bahnen. 390 „So war der Koͤniginn durch deinen Rath genuͤtzt, „Da du, was sie gesehn, sonst nichts, hast vorgeschuͤtzt. „Was halff ihr der Bericht: daß ihrer Feinde Schaaren „Schon vor das Thor geruͤckt, die schon vor Augen waren? „Zeig uns den Vortheil an, den deine Kunst gebracht, 395 „Wann du ihr vorgeweint: daß sie der Feind veracht; „Daß nichts mehr uͤbrig sey, das Eigenthum zu retten; „Das Land verschmachte schon in ungewohnten Ketten; „Und was dergleichen mehr, so du bey Tag und Nacht „Mit seuffzendem Gespraͤch in ihren Sinn gebracht? 400 „Wann das Verdienste seynd? so muß ich billig weichen: „Wo solche Scharfsicht herꝛscht, kann ich mich nicht vergleichen. „Doch hoͤr, vernim̃ auch mich: Dein Werck ist mir nicht gleich, „Du bist an Worten zwar, doch nicht an Thaten reich. „Hier sieh! schau meine Brust! hier stecket das Verderben 405 „Der Feinde, die das Land durch Waffen wollen erben. „Aus diesem Busen quillt derselben Untergang! „So spricht die Tapferkeit und ihrer Thaten Klang. „Jch Zweytes Buch. „Jch pflege mit der Furcht und Hoffnung nur zu spielen, „Weil meine Regungen noch die noch jene fuͤhlen. 410 „Wann einer Tugend Macht, ein Hertzens-Trieb was wagt, „Trifft die Vollziehung mich nur ich bin unverzagt. „Jch sinne nicht erst nach, wie sich die Sterne drehen, „Wohin die Winde mich und meine Flaggen wehen. „Nicht blosser Eigennutz, nicht eitler Golds Gewinn 415 „Bewaffnet meine Brust, behertzet meinen Sinn, „Auch nicht Verwegenheit, die sich zu viel versteiget; „Noch weniger die Furcht, die sich zum weichen neiget. „Jch scheue keine Noth; Jch eile zum Gefecht, „Zum Sturm und in die Schlacht, wann nur der Streit gerecht. 420 „Dann Ehr’! Ehr’ ist die Beut nach der ich mich bestrebe, „Die ists, warum ich mich zum Kampf, ins Feur begebe. „Der Ursprung dieses Triebs quillt aus Theresia, „Fuͤr welche man mich oft mit Blut bespritzet sah; „Jch schaͤtze mich begluͤckt, belohnt, geruͤhmt, geehret, 425 „Wann sie durch meine Faust der Feinde Werck verheeret. „Was trag ich aber viel von meinen Thaten vor? „Du kennest mich sowohl als dieser Tugend-Chor, „Und zweifelst nicht, daß ich die Koͤniginn erzogen; „Von mir hat sie den Muth, den Wunder-Muth gesogen. 430 „Jhr Thun und Lassen ist desselben so gewohnt, „Daß sie sich selber nicht, geschweige mich, verschont. „Zu Theresiade „Zu keiner Zeit hat es an meiner Hilff gefehlet; „Jch habe sie zum Streit begeistert und beseelet. „Sie kam der Feinde Sieg oft und so gluͤcklich vor, 435 „Daß sie schon Lorber trug, eh jener noch verlohr. „Hat sie nicht hergestellt, was man ihr abgedrungen? „Jst nicht die Beute schon den Feinden abgezwungen? „Jhr Helden-starcker Arm, ihr tapfres Krieges-Schwert, „Hat bey dem Uberfall sich so beherzt gewehrt, 440 „Als nicht ein schnelles Rad, mit Stahl und Feur bespitzet „Jm Feld herum gedraͤht, nach allen Seiten blitzet. „Jch fuͤhrte solchen Schwung, ich lenckte Lantz’ und Schild; „So siegte sie, bevor sie sich es eingebildt. „Oft hab ich nicht die Zahl des Feindes angesehen; 445 „Weil, wo wir angeschanzt, es mußt nach Willen gehen. „Auf solche Weiß hab ich so manche Schaar zerstreut, „Und meine Koͤniginn von der Gefahr befreyt. „Gleich Anfangs wußten wir so ritterlich zu fechten, „Und unsrer Feinde Macht in Aufenthalt zu flechten; 450 „Daß uns die Zeit verblieb’, uns eine Sieges-Bahn „Jn Zukunfft auszusehn, eh sich der Feind besann. „Seit diesem haben wir den Degen so geschwungen, „Daß wir den Eigensinn des falschen Gluͤcks bezwungen. „Wie manchmals wurde nicht Theresia bey Nacht 455 „Vom Zweifel uͤberhaͤufft, um Ruh und Schlaf gebracht? „Jch Zweytes Buch. „Jch hab ihr zugeredt; Sie wußt Gehoͤr zu geben, „Und selber meinen Rath mit Starckmuth zu beleben. „Gabst du ihr einen Rath, so kennst du ihr Gemuͤth? „Erfuhrst du nicht, daß es gehorcht, wann ich gebiet? 460 „Jst es nicht deiner so, wie seiner Meister worden? „Daher beruͤhmet sich durch sie der Helden-Orden, „Der ihr so gar den Rang vor allen Helden gibt, „Und sie als Koͤniginn des gantzen Ordens liebt. „Sie munterte den Geist und Sinn der Wanckelbaren, 465 „Die der Verzweiflung mehr, als uns, ergeben waren; „Nichts risse mehr den Schluß der Tapferkeit entzwey; „Jhr grosser Geist verblieb in allem einerley. „Sie wußte nimmermehr, was Angst und Schrecken heisse; „Wohl aber wie man sich aus Band und Ketten reisse. 470 „Jhr innerlicher Trieb zu streiten war entflammt, „Sie wies, daß er von mir und nicht von dir gestammt. „Viel lieber wollt sie sich mit tausend Wunden schlagen, „Als nicht des Vaters Kron und seinen Zepter tragen. „Jch bilde mir mit Recht den edlen Zufall ein, 475 „Der ohne Widerspruch einst haͤtte koͤnnen seyn: „Daß sie, das Vaterland mit eigner Faust zu retten, „Dem Feind in das Gesicht bewaffnet waͤr getretten. J „Sag Jhro Maj. waren damahls sehr ge- neigt/ in eigener Persohn ihre Voͤlcker vor den Feind zu fuͤhren/ als derselbe sich so nahe herbeyzulassen begunnte. Theresiade „Sag an! wer haͤtte dort aus beyden obgesiegt, „Und den Triumph erlangt? Wer haͤtte sich geschmiegt? 480 „Jhr Ansehn, Hertz und Feur kann uns den Ausgang zeigen: „Jch sehe schon den Feind vor ihr die Fahnen neigen. „Jedoch, warum fuͤhr’ ich so viele Proben an „Die niemand in der Welt mir widersprechen kann? „Dieß alles liegt am Tag. Wir sehen auch die Fruͤchte 485 „Von meinen Pflantzungen; Trotz dem der sie zernichte! „Was unser Wuͤnschen war, hat sie durch mich erfuͤllt; „So schließt, aus welchem Brunn dergleichen Wohlfart quillt. „Ob jener Nahme nicht die Tapferkeit soll heissen, „Fuͤr den man das Gebaͤu schon anfangt aufzureissen. 490 S O lang die Tapferkeit sich in dem Spruch vertiefft, Ward durch Aufmercksamkeit fast jedes Wort gepruͤfft; Ein Antlitz voller Feur warf hier dergleichen Mienen, Als ob der Vortrag nicht des Beyfalls werth geschienen. Das weiß und rothe Kleid; des Auges Zuversicht; 495 Ein aufgestrickter Arm der sich empor gericht Gab den Anwesenden, eh sie geredt, zu kennen: Daß Unerschrockenheit ihr Amt sich muͤsse nennen. Jhr Auge wandte sich den beyden Ersten nach, Jndem sie so begunnt: „So leitet ihr die Sach? 500 „Du sinnest alles aus, was diese gleich vollziehet? „So bin ich ohne Fug zum Widerspruch bemuͤhet. „Und Zweytes Buch. „Und du! nur deine Faust hat alles das vollbracht, „Was unsre Koͤniginn so Welt-beruͤhmet macht? „Der Zweifel schmeichelt sich: er zeige Steg und Weege; 505 „Und jene: daß man sie mit aller Last belege; „Kurtz: alles kommt von euch; wir haben zugeschaut, „Da sich Theresia so starckem Schutz vertraut. „Gar wohl! wie sehr sie sich mit ihren Thaten prahlen, „So will ich doch es euch so klar vor Augen mahlen, 510 „Daß keiner Tugend mehr der erste Rang gebuͤhr „(Nur ein geringer Satz dient zum Beweiß) als mir. „Die Feinde ruͤsten sich, ihr Lager ist geschlagen; „Man sieht schon Feur und Schwert durch unsre Laͤnder tragen; „Es brauset, krachet, wallt und tobt um uns herum, 515 „Ein jeder fliehet fast von seinem Eigenthum; „Man hoͤrt das Kriegs-Metall von allen Seiten knallen; „Man sieht den Unterthan dem Feind zu Fuͤssen fallen. „Was sinnt der Zweifel aus? was macht die Tapferkeit, „Wann ich in solchem Fall nicht alles vorbereit? 520 „Wann ich den Schrecken nicht durch meinen Muth bekaͤmpfe; „Furcht, Kummer, Sorg und Gram in ihrem Busen daͤmpfe? „Fragt dieses Sturm-Geraͤth! fragt jene Finsterniß! „Ob Unerschrockenheit sich jemahl schuͤchtern wieß? „Und wer blieb unerschreckt? was hatte man bey Handen 525 „Als rings um uns herum das Wetter aufgestanden? J 2 „War Theresiade „War ich es nicht allein? war es nicht meine Macht, „Die bey der Schreckbarkeit der Schauer-vollen Nacht „Den heitern Blick erhielt? der Feinde Stolz nicht scheute, „Und so, Freundinnen! euch von aller Angst befreyte? 530 „Es braucht des Redens nicht; ihr gebt mir Zeugenschafft, „Was damahls hilfflich war, das kam von meiner Krafft. „Kein Zufall konnte mich, mein Herz, mein Aug entsetzen; „Nichts hatte Macht genug mein Wesen zu verlezen. „Da nun der groͤste Sturm der Koͤniginn verschont, 535 „So wurde sie durch mich der uͤbrigen gewohnt. „Sinn, Scheitel, Geist und Blut war nimmer zu erschuͤttern: „Ein Felsen-festes Hertz ringt auch mit Ungewittern. „Die Sonne blizet oft mit dem geschaͤrften Strahl „Jn das geschliffne Rund, in den gehoͤhlten Stahl, 540 „Um mittelst solches Brands durch dessen Marck zu dringen, „Und ihm den Gegenglanz des Feuers abzuzwingen: „Umsonst: der Strahlen Macht springt ab, die Spitze bricht, „Er kruͤmmt und wendet sich dahin, woher sie sticht. „Jch sage: die Gewalt die disen Spiegel stuͤrmet, 545 „Wird von dem hohlen Stahl in einen Strahl gethuͤrmet, „Und, wie sie durch die Luft an dessen Flaͤche prellt, „Mit gleicher Gegenmacht auf sich zuruͤck geschnellt; „Der Stahl wird nicht verlezt, nur schoͤner ausgeschmuͤcket, „Jemehr desselben Troz der Strahlen Stolz zerstuͤcket. „Nicht Zweytes Buch. 550 „Nicht besser kann ich euch der Koͤniginn Gemuͤth „Als durch den hohlen Stahl, der von den Strahlen gluͤht, „Auch ihren Helden-Geist, und Muth, und Hertz erklaͤren; „Nichts war so starck, so scharff, dasselbe zu versehren. „Die Welt ist uͤberzeugt, welch ungeheures Feur 555 „Der Feinde Schluß erweckt; mit was vor Abentheur „Es ausgebrochen ist; wie schnell es sich geschwungen, „Und den ergriffnen Fraß in seine Glut geschlungen. „Wie diese sich geknuͤpft, erhoͤht und breit gemacht, „Daß alles schon geraucht, gebrannt, gebraußt, gekracht; 560 „Sie wallt’ und wuͤhlete durch Wasser, Luft und Erden, „Als muͤßte Land und Volck von ihr verzehret werden. „Beweinens-werther Brand fuͤr den kein Retten gilt! „War nicht auch dieser Saal von dessen Dampf erfuͤllt? „Ergriff, verschluckt’ er nicht, bezwang’ er nicht schon alles, 565 „Was sich der Raub-Begier, dem Rasen seines Walles „Entgegen aufgethuͤrmt? was hatte man im Sinn? „Was sinnen? stuͤrmte man nicht selbst die Koͤniginn? „Wie wanckte nicht ihr Thron? die Wuth war so verwegen, „Sie wezte schon am Fuß desselben ihren Degen. 570 „Zerborste, brache nicht schon vieler Laͤnder Grund? „Versancke nicht ein Theil schon in derselben Schlund? J 3 „Jhr Boͤhmen/ Maͤhren/ Schlesien/ Ober-auch ein Theil von Nieder-Oester- reich befanden sich im Jahr 1741. urploͤtz- lich in der Gewalt der Feinde. Theresiade „Jhr selbsten insgesammt, ich weiß es, habt gezittert, „Je mehr der Rimmersatt des Feuers sich erbittert. „Und wer steht unerregt, wer bebt, erstarret nicht, 575 „Wann man mit solcher Art um seine Freyheit sicht? „Allein Theresia blieb immer unerschrocken; „Jch wußte diesem Greul den Zugang zu verstocken. „Sie glich dem hohlen Stahl, so die geschaͤrffte Spitz „Von dieser Flammen Wuth, mit tapferm Gegen-Blitz 580 „Zerbrochen, umgedraͤht, mit Muth zuruck geschossen, „Ja gar das Ungeheur in eignen Schwall gestossen. „Jhr Auge war bemuͤht, lebhaft herum zu sehn, „Wo dieß, und jenes Feinds sieghafte Schaaren stehn. „Man lasse, sprach sie oft, nur Mauern uͤberwinden, 585 „Doch werden sie den Schatz der Krone nirgends finden! „Freundinnen! sagt nun an: haͤtt ich nicht Hilff gebracht; „Sprecht! wo begiengen wir dergleichen Freuden-Nacht? „Du magst nun mit der Faust; du mit dem Zweifel prangen, „So wird doch diese Brust den ersten Platz erlangen. 590 „Wo sich Zaghaftigkeit in die Geschaͤfte dringt, „So, daß sie Geist und Hertz nach ihrem Willen zwingt; „Was nuͤzt der Tapferkeit in solchem Fall die Staͤrcke? „Was sinnt der Zweifel aus? o zweiffelhafte Wercke! „Jch aber muntere Gemuͤth und Vorsicht auf; 595 „Durch mich erkennet man der Kriegs-Gefahren Lauf. „Jch Zweytes Buch. „Jch unterhielte staͤts die Gegenwart der Sinnen; „So konnt derselben Wiz nichts unversehns entrinnen. „O waͤr Theresia jezt selber bey dem Rath! „O faͤllte sie den Spruch: wer ihr geholffen hat! 600 „Jch weiß, man hoͤrte sie gantz unerschrocken sprechen: „Jch habe durch den Strohm das Eiß gewußt zu brechen; „Der Zweifel habe sie durch Nein und Ja verblendt; „Die Tapferkeit ihr oft mehr Unfall zugewendt; „Wo meiner Tugend Hand die Leit-Schnur nicht gefuͤhret, 605 „Dort habe sie Gefahr durch falschen Rath gespuͤhret. „Fuͤrwahr, wann ihr erkennt, was euer Hertz gesagt, „Als es, bevor ich es erwecket, noch verzagt; „So werdet ihr gewiß mir dieses Lob vergoͤnnen: „Daß niemand ohne mich sein Amt verrichten koͤnnen. 610 „Selbst eure Meinung ist zu meines Spruchs Behuf, „Worauf ich mich, vernehmt! mit diesem Fall beruff: „Der geht mit fester Brust dem ersten Sturm entgegen; „Der andre folget dem mit halb entbloͤßtem Degen; „Dort kaͤmpfet jener schon mit Witz und Hertz und Muth; 615 „Hier sorget dieser noch um sein erschrocknes Blut; „Dort stehet jener schon den Anfall zu verhindern; „Hier ruͤstet dieser sich den Schrecken zu vermindern; „Kurtz: Jener hoͤrt und sieht, und eilt, und wehrt, und siegt; „Da dieser hoͤrt, erschrickt, gedenckt, und endlich kriegt. „Wem Theresiade zweytes Buch. 620 „Wem’ gaͤbet ihr den Rang von diesen beyden Streitern? „Jedoch was brauchet es, die Frage zu erlaͤutern: „Genug: Theresia wies Unerschrockenheit, „Und trozte die Gefahr die ihr den Sturtz gedreut; „So, daß je mehr des Sturms Erbebungen sich schaͤrfften, 625 „Je weniger sie sich derselben nahen daͤrfften. „Jch hab ihr Schild und Helm, und Harnisch angelegt, „Jn ihren grossen Geist die Starckmuth so gepraͤgt; „Daß, wann des Welt-Bezircks, des Himmels Axe krachte, „Gewalt zwar, Schrecken nicht, ihr Hertz erschuͤttern machte. Theresiade. Drittes Buch. E Jn Lispeln, welches sanfft durch alle Reihen schlich, Ließ, als ob man sich schon um einen Schluß verglich: Doch weil Gleichgiltigkeit aus vielen Augen blickte, So sah man, daß der Preiß des Rangs noch keiner gluͤckte; Noch weniger da schon ein angenehmer Mund Voll Herꝛlichkeit und Pracht, zu sprechen fertig stund. K Mehr Theresiade Mehr als ein Meisterstuͤck erhabner, grosser Sinnen Wies diese durch die Weiß ihr Reden zu beginnen. „Jch suche weder Rang, noch Friese„, fieng sie an, 10 „Das ist nicht, was mein Hertz in Regung bringen kann: „Jch will auch eurem Amt die Ehre nicht versagen; „Jch nehme mir nicht vor, dem Rath was vorzutragen, „Damit ich dieses Steins Besitz vor euch gewinn; „Nein: ich eroͤffne nicht deswegen meinen Sinn. 15 Sie griff nach ihrem Schild, und wies ihn gantz erhoben: „Seht„, fuhr sie fort, den Kopf, den Loͤwen-Kopf hieroben! „Jst etwas in der Welt, vor dem der Loͤw erschrickt? (Es war sein Ebenbild in diesem Schild gestickt) „Sein Hertz ist mein Gemuͤth, es scheuet kein Bedrohen; 20 „Jch blieb in Waffen stehn, wo man den Feind geflohen. „Das ist des Loͤwens Geist: nichts hemmet seinen Muth; „Er ist sich allzeit gleich; er schlaͤft nicht, wann er ruht; „Dringt gleich die Finsterniß in dessen Augenlieder, „So wirfft er doch den Blitz des Blickes hin und wieder: 25 „Er ligt mit Wachtsamkeit; sein Auge schließt sich nicht, „Es gibt ihm stets von dem, auf was es sieht, Bericht. „So findt er auch im Schlaf die Mittel sich zu retten, „Mithin traͤgt er niemahls die Last der Schwermuths-Ketten. „Er ist sich selbst zum Schutz, zur Brustwehr; auch allein 30 „Wann ihn ein Feind umringt, kan er noch sicher seyn. „Will Drittes Buch. „Will aber er den Streit, die Schlacht, das Kaͤmpfen meiden; „So pflegt er nicht mit Furcht vom Waffen-Platz zu scheiden: „Er reißt sich der Gefahr nicht niedertraͤchtig loß; „Sein Hertz ist viel zu starck; die Starckmuth viel zu groß; 35 „Die Großmuth viel zu klug: er geht nur diese Weege; „Nur diese machen ihn zum unternehmen rege. „Der Eigenschaften Werth ist der, so mich erhebt; „Durch eines Loͤwens Hertz wird meine Brust belebt. „Es heißt nicht Eigenlieb, aus was mein Ruhm entspringet; 40 „Die Groͤsse meines Geists ist, die mir Ehre bringet. „Mich quaͤlet kein Verdruß, kein Eigensinn, kein Wahn; „Nichts ist, was meinem Muth die Gleichheit nehmen kann. „Spricht jemand von dem Lob Verwundrungs-werther Seelen, „So pflegt man ihnen mich, die Großmuth, beyzuzaͤhlen. 45 „Wer in dem Gluͤcke Muth, in Widrigkeiten Gram; „Wer nach der Sachen Lauf, Zorn, Traurigkeit und Scham „Freud | und Verwunderung, nichts anders weiß zu zeigen, „Dem ist kein grosser Geist, nur schwache Menschheit eigen: „Der aber hier und dort der Sinnen Gleichheit weist; 50 „Desselben Brust belebt ein grosser Helden-Geist. „Dergleichen Trefflichkeit ist, welche mich begeistert: „Jch habe Freund’ und Feind’, und mich dadurch bemeistert. „Was man vortrefflich, groß und edel nennt, ist mein; „Wer kann von euch so viel, als ich, sein eigen seyn? K 2 „Wie Theresiade 55 „Wie viele sehen sich in Pracht und Hoheit schimmern, „Die Ruhm und Ehr, und Gluͤck, und Wohl, und Heil verschlim̃ern? „Jch kenne des Gemuͤths Begier und Selbst-Betrug, „Auch der Verwirrungen fast nie vermerckten Zug. „Pracht, Schicksal, Wissenschaft, Freud, Ansehn, Ehr und Guͤter 60 „Verfuͤhren durch den Werth und Unwerth die Gemuͤther: „Dieß herꝛscht nicht uͤber mich; nichts ist, was mir besiehlt, „Ob es, wanns moͤglich waͤr, mich schon gefesselt hielt. „Mich schwaͤchet keine Macht; Gewalt hat kein Geseze, „So meines Sinns Bestand, und freyen Muth verleze. 65 „Wann meiner Faust die Krafft, indem sie kaͤmpft, gebricht, „So fehlt doch meinem Geist der Schild der Großmuth nicht. „Je weniger ich mich von meinem Stand entferne, „Je mehr ich den Gebrauch der falschen Ehre lerne. „Mit solchen Wuͤrckungen hatt’ ich den hohen Sinn 70 „Die Herzens-Regungen der Grossen Koͤniginn „Begeistert und belebt; so wußt’ ich ihr zum streiten „Den Arm, das Herz, den Muth, die Waffen zu bereiten. „So folgte Sieg auf Sieg; so thoͤnte Schlag auf Schlag, „Von welchem mehr der Feind, als ich erzehlen mag. 75 „So wußte sie das Schwert zur Gegenwehr zu schaͤrffen, „So lehrt’ ich sie zum Thron den Grund-Riß zu entwerffen. „Nun faͤhrt sie gluͤcklich fort: was klein, veracht sie nicht, „Dem Grossen stellt sie sich mit Großmuth vors Gesicht. „Es Drittes Buch. „Es sey die Macht des Gluͤcks gesezt, vermehrt, vermindert, 80 „So wird ihr Helden-Geist an keinem Werck verhindert. Gebaͤrden, Aug und Sprach erwiesen in der That Daß diese Rednerinn ein solches Amt vertrat, Wodurch Theresia noch hoͤher steigen muͤsse; Und andrer Tugenden sich zu gebrauchen wisse. 85 „Jch bin die Fuͤhrerin„, so fuhr sie weiter fort, „Man findet ohne mich sie fast an keinem Ort. „Jch lasse niemahls zu, daß schwache Leidenschafften „An ihren Regungen, an ihrer Neigung hafften. „Geschicke, Rach und Haß, Gluͤck, Freundschafft, Liebe, Neid, 90 „Lust, Ungluͤck, Zorn, Gefahr, Freud, Unfall, Ehre, Leid, „Ja was ein Menschen-Herz mag ruͤhren und beklemmen, „Kan ihre Gleichheit nicht, nicht ihre Großmuth hemmen. „Jhr Geist ist viel zu fest, daß er sich biegen ließ; „Zu starck, daß die Gewalt ihn aus der Tugend riß. 95 „Eroͤffnet eine Flutt den Schwall, sie zu verschlingen, „So weiß sie sich beherzt aus der Gefahr zu schwingen. „Was immer ich erwaͤhn’, ist aller Welt bewußt; „Ein Großmuths-volles Herz bewohnet ihre Brust. „Wer prangt mit solchem Ruhm? wer ist in diesen Reihen? 100 „Wer kan mit gleichem Sinn erzuͤrnen und verzeihen? „Die Rache ligt besiegt, wann sie den Feind erlegt; „Jhr Herz wird durch den Sieg zu keinem Stolz erregt. K 3 „Die Theresiade „Die Rechte fuͤhren sie zum streiten bey den Haͤnden; „Wo Wuth und Rache sicht, pflegt sie den Fahn zu wenden. 105 „Es schreckt sie keine Macht, kein Bliz, kein Donner-Knall; „Der ihr geweihte Plaz bleibt ihr in jedem Fall. „Jhr Thun und Lassen ist so lebhafft und begeistert, „Daß sie den Trieb des Geists, so viel sie will, bemeistert. „Jhr wißt, wie viel sie will? so viel nur, als sie kann; 110 „Sie faͤngt, wann sie nicht kann, niemahl zu wollen an: „Doch kann sie, was sie will: sie folget ihrem Willen, „Weil er nichts anders will, als was gebuͤhrt, erfuͤllen. „Erkennt ihr nun die Macht, die Tugend und die Krafft, „Wodurch Theresia sich Hilff und Rath verschafft? 115 „Das ist, warum sie groß und maͤchtig ward befunden, „Als Zepter, Kron und Thron in den Gefahren stunden. „Das ist, warum sie dort am allergroͤsten war, „Als ihrer Feinde Stolz das groͤste Leid gebahr. „Sagt! uͤbertraff sie nicht sich selbst an ihrer Groͤsse, 120 „Da sie sich unbewehrt, in Hilff- und Waffen-Bloͤsse „Des Anfalls nicht entsezt; mit heiterm Auge sah, „Was vor Gewalt dem Heil des Vaterlands geschah? „Die Laͤnder lagen zwar gefesselt und gebunden, „Nur ihr verlaßnes Hertz verblieb unuͤberwunden. 125 „So waͤchst und gruͤnt, und steigt, und bluͤht die Aloe; „So thuͤrmet sie den Schmuck der Blumen in die Hoͤh; Je Drittes Buch. „Je mehr die Bitterkeit und Waͤrme sie durchdringet, „Je praͤchtiger sie sich aus ihren Stauden schwinget. „Nun ist der Feinde Schwert und Wuth, und Stolz gezaͤhmt, 130 „Da sie mit Sieg und Recht derselben Ruhm beschaͤmt. „Wann jemand es der Welt, der Nachwelt soll beschreiben, „Wurd es zur Folge nicht, zum Wunder nur verbleiben. „Jhr selber nennet sie der Helden Seltenheit; „Ein wahres Meisterstuͤck der Unerschrockenheit: 135 „Jch hab es selbst gesehn, als man sie wollt berauben, „Wie starck sie sich erwies, sonst wurd’ ich es nicht glauben. „Jch lernte selbst von ihr der eignen Tugend Werth, „Und sahe, daß der Feind an ihr denselben ehrt. „Jch stunde selbst in Angst, und wußte nichts zu hoffen, 140 „Mithin war ich von ihr an Großmuth uͤbertroffen. „So hat sie mir, ich ihr, bestaͤndig nachgeschwebt, „So ward ihr Geist von mir, mein Herz von ihr belebt. „Was vor Abwechslungen und unverhoffte Faͤlle „Seynd nicht des Wanckelmuths Grund, Ursach, Trieb und Quelle? 145 „Bald schrecket die Gefahr; bald droht der Feinde Schwert: „Dort soll man tapfer seyn; hier Muth-voll und bewehrt. „Nicht alle Tugenden seynd jederzeit vonnoͤthen; „Bald diese jenes Amt, bald jene das vertreten. „Mir aber ist Gefahr und Drohung einerley: 150 „Eins: ob ich in der Schlacht; in Staats-Geschaͤfften sey. „Und Theresiade „Und sagt! was ist im Lauf der Zeiten vorgekommen, „Wo nicht die Großmuth sich des Wercks hat angenommen? „Entschliesset, was ihr wollt, des Frieses Ehren-Stein „Koͤnnt nur durch meinen Preiß und Nahmen praͤchtig seyn. 155 „So wuͤßt ich nicht wer sonst denselben Platz bewohne, „Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone? Jndem die Großmuth so von ihren Thaten sprach, Gieng meine Wißbegier fast allen Blicken nach; Jch wurde nimmer satt dieselben zu betrachten, 160 Weil sie mein Auge stets in mehr Ergoͤzung brachten. Die schwieg. Nun merckten wir, daß seitwaͤrts eine Frau Von reizender Gestalt auf ihre Naͤchste schau; Wie, wann sie Rath verlang, ob sie sich melden solte, Sonst aber ihren Sinn noch nicht eroͤffnen wolte. 165 Ein freundliches Gesicht, in dessen Augen-Paar Fried, Unschuld, Sittsamkeit und Ruhe kenntlich war; Man las in ihrer Ernst- und Demuths-vollen Miene, Daß ihr in diesem Streit noch nichts erwiesen schiene. Sie trat zwar wuͤrcklich auf, doch redte sie noch nicht, 170 Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angesicht. Es sprach ihr jemand zu; daß sie sich endlich wagte, Und mit Bedachtsamkeit die frommen Worte sagte: „Man streitet um den Rang, Freundinnen! viel zu sehr: „Gluͤck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her. „Doch Drittes Buch. 175 „Doch es sey fern von mir, euch etwas abzusprechen; „Fern, euern Amts-Verdienst und Tugend-Werth zu schwaͤchen. Hier ward sie still, wie wann sie noch Bedencken trug; Weil sie ganz zweifelhaft die Augen nieder schlug. Doch fuhr sie wieder fort: „Und wie kan ich mich ruͤhmen, 180 „Daß mir vielleicht der Platz des Frieses soll geziemen? „Nein: dieß ist nicht mein Ziel; dann ich verlange nicht, „Daß man zu meinem Ruhm ein Ehren-Werck erricht. „Entschließt ihr einen Bau, so bauet GOtt zu Ehren, „Er ists, dem Gluͤck und Sieg, und Kron und Thron gehoͤren. 185 „Erzaͤhl’ ich meinen Dienst, so such’ ich keinen Ruhm; „Jch schmuͤckte nur mein Haupt mit fremdem Eigenthum. „So will ich zwar, was ich gewircket habe, zeigen; „Jedoch nur, nicht den Schutz des Himmels zu verschweigen. „Jn den Bedraͤngnissen, in dem verlaßnen Stand, 190 „Jn dem Theresia von Anfang sich befand; „Wer wollt’ es dazumahl, uns Rath zu geben, wagen? „war nicht der Feind schon da, den Abzug anzusagen? „Jch sahe nah und fern desselben Krieges-Schaar, „Die mehr mit Feur und Schwert, als Recht bewaffnet war: 195 „Da lief ich unverweilt vor allen andern Dingen, „Uns bey dem Himmel Hilff und Beystand aufzubringen: „Dann, wo wir hingesehn, sagt an! was fanden wir? „War nicht der Untergang des Hauses vor der Thuͤr? L „Was Theresiade „Was halff es, tapfer seyn, nichts fuͤrchten, nirgends weichen, 200 „Wann weder Heil dadurch noch Rettung zu erreichen? „Die Koͤniginn ergriff und lobte meinen Schluß, „Der, sprach sie, sonsten nichts, ist was uns helffen muß. „Je mehr mich Furcht und Angst, und Schmerz, und Unmuth quaͤlte, „Je mehr ich in Vertraun es GOtt um Hilff erzaͤhlte. 205 „Der Schiffmann, welcher Gluͤck und Heil auf Wellen baut, „Sein Leben, Hab und Gut dem falschen Wind vertraut, „Was dient ihm zum Geleit, damit er sicher schiffe? „Nicht wahr, daß er den Pol, die Nadel immer pruͤffe? „Die zeigen ihm den Weeg, den er mit seinem Kahn 210 „Zu suchen sich gewagt, zugleich die Mittel an, „Gefahren, Strandungen und Klippen zu vermeiden, „So weiß er unbesorgt die Wellen durchzuschneiden. „Verachtet er den Pol; verliehrt er den Magnet; „Kein Wunder ist es dann, wann er zu Grunde geht. 215 „Uns ist bewußt, daß auch Theresia geschwommen; „Bekannt, was uͤber sie vor Stuͤrme seynd gekommen: „Sie schiffte durch den Schaum der fuͤrchterlichsten Flutt; „Auf wem, als nur auf mir, hat ihre Fart beruht? „Die Winde drangen sich das Schiff herum zu schlagen, 220 „Sie schaͤrfften die Gewalt, es auf den Strand zu jagen; „Die Wellen welzten sich von allen Seiten her, „Sie rollten Flutt auf Flutt, erzuͤrnten selbst das Meer; „Kein Drittes Buch. „Kein Ungestuͤm vergaß sich wieder sie zu baͤumen; „Die Waͤsser funckelten fuͤr Grimmen-vollem Schaͤumen. 225 „So gar der Wolcken Grau wies Rach und Zorn daran, „Verhuͤllte Lufft und Meer, und den bestuͤrmten Kahn; „Der Schrecken haͤuffte sich; der Hoffnungs-Ancker krachte, „Jndem die schwartze Luft den Keilen Weege machte, „Wodurch des Donners Macht, Bliz, Feur und Hagel schoß, 230 „Das Hoffnungs-blosse Schiff in Graͤßlichkeit verschloß. „Mich greifft ein Schauer an; Mund, Herz und Stim̃e zittern, „Wann ich des schwaͤchsten Schlags von diesen Ungewittern „Mich noch erinnere: wie das erboßte Feur „Des Hochmuths sich empoͤrt: mit was vor Abentheur 235 „Das wallende Gebuͤrg den Rachen aufgeblehet, „Und um desselben Schlund das Schiff herum gedrehet. „Erzaͤhlt mir, Wertheste! wie sich Theresia „Jn der Gefahr erwies! wer war zum Helffen da? „Was halff die kuͤhne Faust, Standhafftigkeit der Sinnen, 240 „Ein unerschrockner Geist, die Winde zu gewinnen? „Das Meer trozt jede Macht. Die Nadel und der Pol, „An diesen hieng das Schiff, Gluͤck, Rettung, Heil und Wohl. „Das Auge GOttes war der Pol, auf den wir schauten; „Nach dessen Blick und Winck wir uns dem Meer vertrauten; 245 „Das Herz der Koͤniginn war Nadel und Compaß, „Den weder Flutt, noch Wind, noch Jrꝛlicht von der Straß, L 2 „Vom Theresiade „Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder fuͤhren: „So konnten wir uns nicht in diesem Sturm verliehren. „Ja, was am ploͤzlichsten sonst zu erschrecken pflegt, 250 „War, was in unserm Sinn oft neuen Muth erregt. „Je mehr der Bliz das Grau der blassen Luft zerrizte, „Je mehr in unsrer Brust sich Trost und Hoffnung stuͤzte. „Die Finsterniß nahm uns der Augen Zuversicht, „Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht, 255 „Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten sehen, „Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen. „Nun ruff’ ich billich auf: Wer halff bey dieser Fart? „Da ihr noch selber nicht zum Beystand einig wart? „Wie taugte dazumahl ein menschliches Vermoͤgen? 260 „Drum suchten wir die Macht des Himmels zu bewegen: „Zu solchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht; „Und so verschwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht. „GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn seynd wir gerettet, „Jhn haben wir allein um Beystand angebetet. 265 „Was sonst konnt hilfflich seyn, war was vor uns entwich, „Weil schon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchschlich. „Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren, „Und wiedersezte sich den Herꝛsucht-vollen Schaaren. „Das hat die Froͤmmigkeit, ich, mein Gebeth erfuͤllt. 270 „So streitet man umsonst, woher die Wohlfart quillt. Die Drittes Buch. Die Unerschrockenheit gab oͤffters solche Zeichen, Daß sich die Froͤmmigkeit mit ihr nicht sollt vergleichen. Hier aber stund sie auf, und sprach: „Wer weiß es nicht, „Daß Froͤmmigkeit von nichts, als von der Andacht spricht? 275 „Und billig hast du sie gebraucht, erzaͤhlt, gepriesen. „Allein, hast du dadurch so viel, als ich, erwiesen? „Dein Vortrag ist mein Werck: haͤtt euch der Sturm erschreckt; „Wo waͤr die Froͤmmigkeit mit ihrem Schiff gesteckt? „Stumm, blind, unmaͤchtig, taub, erstarꝛt haͤttst du geschworen, 280 „Das ganze Schiff-Geraͤth sey durch den Sturm verlohren. Die Froͤmmigkeit vernahm den Einwurff; schwieg dazu, Und wies in dem Gesicht Gelassenheit und Ruh: Doch endlich sprach sie dies: „Was? Freundinn? willst du streiten? „Wie? oder selber gar den Sieg mir zubereiten? 285 „Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt „Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt? „Du triebst es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten; „Und dannoch sieht man es mit wenig Laub umflochten. Darauf ward eingewendt: „Die Furcht ist dein Geleit; 290 „Verliehrt nicht diese stets, wo man auch siegt, den Streit? „Sie schlaͤgt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder; „Sie stoͤrt der Schaaren Feur, und schwaͤcht die Macht der Glieder. „Was„, sprach die Froͤmmigkeit, was ist dein Helden-Muth? „Erzaͤhl, auf was dein Rath, Verdienst und Werck beruht! L 3 „Mich Theresiade 295 „Mich leite Furchtsamkeit; dich unerschrocknes Wesen „Sagst du? so bist du nicht mit uns im Sturm gewesen? „Und dannoch haben wir die groͤßte Wuth besiegt: „Wie der Beweiß dem Kreiß und dir vor Augen ligt: „Warst aber du sowohl als ich im Sturm vorhanden; 300 „So weißt du wie beherzt wir alles ausgestanden. „Allein was nuzt die Frag und dieser eitle Streit? „Hier ist die Froͤmmigkeit; dort Unerschrockenheit. Sie schwieg und sezte sich mit stillem Laͤcheln nieder, Da jene sich erwies, als braͤchte sie darwieder 305 Mit neuer Ehr-Begier noch einen Gegensaz: Allein es stellte sich schon jemand an den Plaz, Und unterbrach den Streit. So war man zwar zu frieden; Doch wegen dem Gebaͤu so viel als nichts entschieden. E Jn herꝛliches Gesicht, so bald es sich erhoͤht, 310 Erweckte bey dem Kreiß durch seine Majestaͤt Aufmercksamkeit und Acht. Es war der Fuͤrsten Zierde, Ja selbst die Majestaͤt, die mit Verstand und Wuͤrde Zum reden fertig stund, nachdem sie einen Schild, Den sie zu mehrer Pracht und Hoheit vor sich hielt, 315 Gemach erhob, und sprach: „Mein Absehn und Verlangen „Jst biß auf diese Zeit allein dahin gegangen, „Daß ich die Koͤniginn durch jener Kronen Pracht, „Die meine Majestaͤt mir eigenthumlich macht, „Dem Drittes Buch. „Dem Vaterland zum Heil und ihr zum Nachruhm ziere; 320 „Der Feinde Laͤnder-Sucht in engre Grenzen fuͤhre. „Es ist bekannt, wie sich des Adlers Aug erquickt, „Wann er der Sonne Licht und schaͤrfsten Glanz erblickt. Kaum hoͤrten wir das Wort, so wandte sie das Auge Nach ihrem Schild, und sprach: „Hier sehet, was er tauge! 325 Die Schilderey des Blats wies, wie der Adler siegt, Wie Pfeilen-schnell und stolz er durch die Wolcken fliegt. „Jemehr der Sonne Strahl ihm in das Antliz blizet, War ferner ihr Gespraͤch, „jemehr er sich erhizet; „Er schießt und wirfft den Blick um alle Seiten her, 330 „Es wundert ihn der Luft uneingegrenztes Meer, „Er sieht die Sonne sich durch alle Kreise schwingen, „Und auf der hohen Bahn der Sterne Licht verdringen: „Er schaͤzt und achtet sich als seines gleichens Haupt; „Vermeint, er waͤr der Ehr und Majestaͤt beraubt, 335 „Wann ihm der Sonne Macht der Augen Krafft entzoͤge, „Und er nicht so, wie sie, den Himmel uͤberfloͤge. „Er stuͤrzt sich in die Luft, verlaͤßt der Erde Rund; „Und macht der Sonne selbst sein hohes Wesen kund. „Sie strahlt ihm ins Gesicht, er trozt mit seinen Augen, 340 „Die durch ihr Gegen-Feur das Feuer in sich saugen: „Er schaͤrfft den kuͤhnen Blick, und achtet keinen Keil, „Schwingt selber sich so schnell als ein geschoßner Pfeil: „Durch Theresiade „Durch sein großmuͤthiges und unerschrocknes Fluͤgen „Muß, was ihm wiedersteht, den Klauen unterligen. 345 „Er eilt der Sonne zu, verschmaͤht der Strahlen Spitz; „Er bricht sie, wafnet sich damit: das ist der Bliz, „Mit dem er auf den Feind, der ihn erzuͤrnet, wettert, „Desselben Hochmuth trozt; Wuth, Rach und Macht zerschmettert. „So schuͤzt der Adler sich; so schwingt er sich empor; 350 „So geht ihm kein Geschlecht der Welt an Hoheit vor. „So wird der Sterne Reich vom Adler uͤberflogen, „Und dessentwegen er als Koͤnig vorgezogen. „Aus diesem Flug erhellt, was ich erklaͤren will: „Ob nicht Theresia das vorgesezte Ziel 355 „Mit solcher Majestaͤt, mit solchem Muth erreiche, „Des Adlers Aug’ und Muth in ihren Thaten gleiche. „Jhr sehet, wie beherzt sie nach des Adlers Art „Jn der Standhafftigkeit der Gegenwehr verharrt. „Hat sie der Sonne nicht schon Strahlen abgebrochen, 360 „Und sich an ihrem Troz mit Majestaͤt gerochen? „Steigt nun die Majestaͤt mit solcher Pracht empor; „So kommt der Marmel-Stein mir allzu wenig vor, „Daß ich um dessen Rang, Besiz und Ehre streite: „Weil ich mir nichts dadurch zu groͤsserm Ansehn weihte. 365 „Nichts uͤbertrifft den Werth, der meine Tugend ziert; „Und nichts den Ruhm, womit Theresia regiert. „So Drittes Buch. „So faͤllt mir auch nicht ein dem Friese nachzustreben, „Es kann der Majestaͤt kein hoͤhers Wesen geben: „ Theresia, sonst nichts schafft meiner Krone Zier, 370 „Was selbe schaͤtzbar macht und schmuͤcket, kommt von ihr. „Hingegen pfleg’ ich auch ihr Haupt empor zu schwingen, „Wie ich davon gar leicht koͤnnt tausend Proben bringen; „Allein ich trage nichts als einen Umstand vor: „Von diesem stammt ihr Heil, Gluͤck, Ansehn, Ruhm und Flor. 375 „Mit mir fieng alles an; ich hatte sie beseelet, „Sonst haͤtt es ihr vielleicht noch mehr an Hilff gefehlet. „Jch wies ihr den Entwurff des aufgedrungnen Kriegs, „Den Weeg zur Gegenwehr, die Moͤglichkeit des Siegs. „Erinnert euch der Zeit, des Orts und jener Thaten, 380 „Wann, wo, wodurch wir uns zum Krieg bereittet hatten. „Betrachtet nur den Pomp der ersten Koͤnigs-Pracht, „Mit der sie sich so werth und Welt-beliebt gemacht; „Als auf dem Koͤnigs-Berg sie gleich dem groͤsten Helden „Gewafnet angezeigt, was einst von ihr zu melden; 385 „Jhr habt es selbst gesehn. Jhr wißt den Freuden-Schall „Der von derselben Stund und von demselben Wall M „Fast Als Jhro Majestaͤt den 25. Ju- nij 1741. zum Koͤnig von Hungarn ge- salbet und grkroͤnet wurden. Theresiade „Fast durch die gantze Welt sich ploͤzlich ausgebreitet; „Das hat die Majestaͤt, ich, meine Macht bereitet. „Die Folg’ ist euch bekannt; hieß es nicht: Leib und Blut 390 „Wie dort ein gantzes Reich geschrien, mit Hab und Gut „Sey dieser Frau geschenckt? man wolle sie beschuͤtzen, „Und eh der Feinde Faust mit eignem Blut bespritzen „Als leiden, daß man ihr nur einen Stein der Kron „Verruͤcket sehen soll; war dieses nicht der Thon? 395 „Wars nicht, als sey der Plaz alldort bestimmet worden, „Worauf der Helden Fuͤrst, ja dessen gantzer Orden „Mit ihr sich schlagen soll? Sie saß in Majestaͤt, „Das Reichs-Schwert in der Hand, auf einem Pferd erhoͤht; „Wie wann von jedem Theil der Welt Gefahr erschiene, 400 „Und sie sich gantz allein zur Gegenwehr erkuͤhne. „Jch ruͤhme kein Geruͤcht; man hatte wohl gespuͤhrt, „Daß wahrer Helden-Muth allda den Degen fuͤhrt. „Sie ritte so behertzt und hieb so schwere Streiche, „Daß ihr Gethoͤn und Klang durch viele Konigreiche 405 „Noch heut zu hoͤren seynd. Da zeigte sie die Bahn „Auf der man Heil und Ehr, und Sieg erfechten kann. „Jhr Dergleichen Zuruff geschahe zu Preßburg bey der damahligen Reichs-Versammlung den 11. Sept. 1741. Drittes Buch. „Jhr Majestaͤtisches, niemahls gepflognes Reiten „Fieng dorten an, dem Volck ihr Siegen vorzudeuten. „Wer sahe dort nicht vor, wie sie das Vaterland 430 „Jhr Erb-Recht, ihren Thron, mit Tugend, Herz und Hand „Jm Heil befestigen, im Gluͤck beherꝛschen werde? „Daß es geschehen sey, bekennt der Kreiß der Erde. „Wir wissen was der Feind vor Mienen springen ließ, „Wie sie das Vaterland der Wuth des Gluͤcks entriß. 415 „Geht hin auf jenes Feld, umsehet jene Wiese, „Wo man zum ersten Mahl derselben Hoheit priese! „Schrie nicht das frohe Volck: Begluͤcktes Koͤnigreich! „Der Fuͤrstinn Ankunfft ist der Morgenroͤthe gleich! „Wie? rieff man da: die Frau! den Koͤnig nicht zu schuͤzen? 420 „Auf! lassen wir beherzt die scharffen Saͤbel blizen! „Auf Bruͤder zum Gewehr! wann ihr nach Wohlfart strebt! „Wir wollen durch den Stahl, der unsern Muth belebt, „Der Feinde Troz zu Troz als Koͤnig sie behaupten; „Wann wir uns auch dadurch von Gut und Blut beraubten. 425 „Die Grenzen lagen schon zu selber Zeit im Brand; „Es herꝛscht- und schwaͤrmten schon die Feinde durch das Land. M 2 „Da- Der 20. des Monats Junij 1741 war der gluͤcksaͤlige Tag an welchem das Koͤnigreich Hungarn Jhro Majestaͤt in seinen Grenzen zum erstenmal empfienge. Theresiade „Dahero wollte sie die treuen Voͤlcker lehren „Wie man den Saͤbel fuͤhrt, sich um sein Recht zu wehren; „Wie sich ein treues Volck zum Schuz des Fuͤrstens regt, 430 „Wann es fuͤr ihn den Trieb der Lieb und Ehrfurcht haͤgt. „Kein Hieb gieng nur dahin, daß er die Lufft verdrunge, „Nein: keiner war, der sich nicht in die Herzen schwunge. „Es offenbarte sich; man jauchzte, rieff und schrie: „O daß sie bald mit uns des Feindes Land bezieh! 435 „Und hatte dieses nicht so viel nach sich gezogen, „Daß wir der Feinde Macht von dort aus uͤberwogen? „Kein Rath war sonsten da, kein Freund und kein Gewehr, „So daß auf einen Streich der Thron gefallen waͤr. „Kaum fieng Theresia so tapfer an zu wincken, 440 „So sah man schon den Stolz, den Muth der Feinde sincken. „Gleich wurden sie des Volcks, des treuen Volcks gewahr, „Das einem siegenden, von einer Helden-Schaar „Zur Schlacht gefuͤhrten Heer an Pracht und Starckmuth gliche; „Da war es, wo der Feind von unsern Mauren wiche, 445 „Und uns den freyen Weeg zum Siegen uͤberließ: „Zu dessen Zeugniß seynd Wald, Felder, Berg’ und Fluͤß, „Die Der Feind hatte den 24. Octob. 1741. sein Heer uͤber die Do- nau nacher Boͤhmen gezogen. Drittes Buch. „Die wir so ritterlich durchwadeten, erstiegen, „Daß unser Zug nichts war, als Schritt vor Schritt zu siegen. „Kein Wunder: haͤtt ein Feind die Majestaͤt gesehn, 450 „So wurd er seinen Fahn ihr nicht entgegen drehn; „Er haͤtte selber sich, wie die bekannten Freunde, „Mit ihres treuen Volcks frolockenden Gemeinde „Als Helffer, Rath und Freund fuͤr Ehrfurcht beygesellt, „Und selbst, daß auch ein Feind sie liebt, den Spruch gefaͤllt. 455 „Wir haben dessen auch viel tausendfache Proben. „Wie wenig hat der Feind sein eignes Recht erhoben? „Kein Gegensaz hat Statt; auf jeden Koͤnigs-Hieb „Entsprung in jedem Sinn ein neuer Ehrfurchts-Trieb. „Mit was Lebhaftigkeit, mit was vor hohen Blicken, 460 „Wußt ihre Majestaͤt den Schwung des Stahls zu schmuͤcken? „Ein Held, dem in der Schlacht der Sieg vor Augen schwebt, „Regt sich so tapfer nicht, er ist nicht so belebt, „Daß er des Kriegers Feur in fester Ordnung halte, „Und seiner Schaaren Muth nach jedem Fall gestallte, 465 „Als auf demselben Berg die theure Koͤniginn „Mit ihrer Helden-Pracht, mit blossen Schwert erschien. M 3 „Kein Die Oesterreichische Macht er- oͤffnete sich mit Anfang des 1742. Jahrs die Strasse/ in Ober-Oesterreich einzu- dringen. Theresiade „Kein Wunder ists, sag’ ich, daß seit demselben Tage „Sie nebst dem Kronen-Schmuck auch Lorber-Kraͤnze trage: „Daß ein vergeßnes Heer, ein nie benanntes Volck 470 „Durch einen neuen Weeg als eine Wetter-Wolck „Zu ihrem Beystand kam, ja sie noch stets beschuͤze, „Und ihrem Thron so viel als tausend Mauren nuͤtze. Hier sagte mir mein Sinn, warum so mancher Zug Der Krieger sich erwies, den wir in unserm Flug 475 Auf jedem Weege sahn; der aller Orten eilte, Und sich bald da bald dort in starcke Schaaren theilte. „Allein„, so fuhr sie fort, was nuͤzt das Wort-Gepraͤng? „Die Sach erweißt sich selbst. Der Erd-Kreiß ist zu eng; „Dann ihrer Majestaͤt zunehmendes Vermoͤgen 480 „Wußt auch der Wasser-Welt Hochachtung einzupraͤgen. „Es war noch nicht genug, daß, was der Erde Rund „Zum Sturz und Fall des Throns der Koͤniginn erfund, „Sich mit vereinter Macht zum Vorschlag brauchen lasse; „Man suchte durch den Grund der Flutten auch die Strasse. 485 „Jedoch es hiesse nur den Winden sich vertraun; „Auf Boden-losen Grund, auf Rauch und Schatten baun. „Es Der Feind hatte zwar durch sein Staats-Fern-Glaß viel ausgespaͤhet/ doch waren ihm die Croaten/ Sclavo- nier/ Wallachen/ Uskocken/ Morlacken/ Theisser/ Maroscher/ Warasdiner/ Panduren und andere mehr nicht eher als in dem Streit zu Gesichte gekom- men. Drittes Buch. „Es schlug der Wellen Strohm sich Wuth-voll in die Mitte, „Als unsrer Feinde Rath zum Unternehmen schritte. „Das Meer gehorchte nur der Freunde Rechts-Geboth, 490 „Und wiegte das Geschwaͤrm des Feinds im Schwall der Noth. „Die Wellen welzten sich nur nach der Freunde Schiffen, „Die fuͤr Theresia dem Feind entgegen lieffen. „Jhr wißt wie sich das Meer vor Rach und Wuth gethuͤrmt, „Wie Flutt auf Flutt, und Berg auf Berge loß gestuͤrmt, 495 „Als es die Festungen zum Anfall tragen sollte, „Wodurch der Feind den Zweck des Siegs erzwingen wollte. „Hat nicht der Stuͤrme Macht nur fuͤr die Majestaͤt „Der Koͤniginn die Wuth der Waͤsser aufgeblaͤht, „Und mit der Graͤßlichkeit der Stucken so gewittert, 500 „Daß sich des Ufers Grund fuͤr der Gewalt erschuͤttert? „Hat nicht der schwere Grimm des donnernden Metalls, „Vor den Bedrohungen des gaͤhen Uberfalls „Geknallt, gekracht, gemurꝛt, geraßt, gebraußt, gewettert, „Und das Gebaͤu des Feinds zerquetscht, zerknirscht, zerschmettert? 505 „Mast, Segel, Seil und Bord der Feinde war zerstuͤckt, „Samt allem Kriegs-Geruͤst den Winden Preiß geschickt. „Das staͤrckste Schwader sah Kiel, Korb und Tau zertruͤm̃ern, „Und andern halff es nichts sich um die Flucht zu kuͤmmern. „Wie viel verschluckte nicht des Meers gespaltne Klufft? 510 „Wie viel entrisse nicht die Mord-erfuͤllte Lufft? „Bald Theresiade „Bald suchte dort ein Boot den Schuz im Grund zu finden, „Bald sah man eines da fast in der Lufft verschwinden. „Dort jagte Furcht, Gewalt und Flutt, und Sturm ein Schiff, „Dem noch ein Kugel-Schwarm durch Bord und Segel pfiff. 515 „Was hier der Grausamkeit des Abgrunds konnt entrinnen, „Mußt ohne Mast und Tau durch fliehn den Strand gewinnen. „Der Feind vermerckte selbst des Meers verborgne Treu, „Er fluchte daß es uns zum Beystand rasend sey. „Dem Meer wars nicht genug, daß sich auf einer Seite 520 „Durch seine Rach und Wuth der Segel-Wald zerstreute; „Es warf auch anderwaͤrts die Macht des Grimmes hin, „Wo wieder ein Gestuͤrm auf uns geruͤstet schien. „Es schluge Wall auf Wall daß es den Schwarm zerschellte, „Die Truͤmmer an den Strand, an Stein und Klippen prellte. 525 „So stritte Wind und Meer fuͤr meine Majestaͤt; „Sie wußten daß sie nicht durch Menschen-Macht besteht: „So trozten Erd und Feur, und Flutt die Majestaͤten, „Die Zepter, Kron und Thron, so GOtt mir gab, verschmaͤhten. „Was hatt’ ich nicht zu Land vor Angriff auszustehn? 530 „Was vor Bedrohungen hatt’ ich nicht anzusehn? „Der, Die Tag-Buͤcher beschreiben was die den 19. Februari 1744. bey To ulon geschehene See-Schlacht/ und der den 12. Merz 1744. bey Dun- kercke entstandene Meer-Sturm den Feinden geschadet habe. Drittes Buch. „Der, dem sein Volck den Thron so stolz vor Augen mahlet, „Daß er fast mit der Welt-Bothmaͤßigkeit sich prahlet; „Ja mit dem Richter-Amt der Welt-Monarchen prangt „Und glaubt, daß nur an ihm des Erd-Runds Wohlseyn hangt: 535 „Vermuthet, seine Kron und Hoheit sey verdunckelt, „Weil auch dergleichen Glanz auf andern Haͤuptern funckelt. „Der, welcher wenig fragt, was Recht was Unrecht, sey; „Nicht sorgt, ob er ein Wort GOtt oder Menschen weih; „Wann er die Scheitel nur mit Kronen so kann schmuͤcken, 540 „Daß andre Koͤnige vor ihm den Zepter buͤcken. „Der, welcher meint das Recht zu herꝛschen sey nur sein; „Jhm sey das Reich der Welt nicht als mit GOtt gemein. „Der, welcher sich niemahls pflegt gluͤcklicher zu nennen, „Als wann sein Auge sieht wie fremde Laͤnder brennen. 545 „Der, sag ich, dessen Macht wie Stroͤhme sich ergoß „Und mir zum Untergang durch West und Norden floß; „Der, welcher schon befahl, man soll auf meinen Waͤllen „Was ferners in der Welt zu thun, den Ausspruch faͤllen. („Verzeihet daß mein Herz mit solchem Eifer spricht; 550 „Die Majestaͤt ertraͤgt dergleichen Eingriff nicht.) „Der, welcher mich schon fast der Majestaͤt beraubte, „Den Gipfel seines Wunschs erreicht zu haben, glaubte: „Erschrack, erstaunt’, erblaßt’, als er mich naͤher sah, „Und wußte nicht woher ihm Wiederstand geschah. N 555 „Jch Theresiade 555 „Jch bot’ ihm meine Stirn, erhoͤhte Mien und Blicke, „Troz! sprach ich, daß er mich auf meinem Thron verruͤcke! „Wahr ists, sein Vorsatz brach in Strahl und Donner aus, „Umblizt’, umrung, ergriff, erschuͤtterte das Haus; „Doch blieb ich unentsezt, ich hielt’ mein Aug erhoben, 560 „Und sahe die Gewalt des eiteln Hochmuths toben. „Jch wußte, daß wo nichts als Menschen Rath regiert, „Der Glantz der Majestaͤt so leichtlich nichts verliehrt. „So sah ich unverlezt den ersten Sturm verschwinden, „Und bald darauf den Feind auch meine Macht empfinden. 565 „Das, jenes und noch mehr, als alles was ich sag „Jst, was die Majestaͤt der Koͤniginn vermag. „So uͤberlaß’ ich euch die Muͤhe nachzudencken, „Ob ihr der Majestaͤt den Vorzug wollet schencken. D Er Juͤngling der dem Kreiß den Vortrag hat gemacht, 570 Nahm dieser Tugenden Erklaͤrung sehr in acht. Bald wies er sich erblaßt, bald schamroth und verdrossen, Vielleicht daß sie bisher fuͤr ihn noch nichts beschlossen. Als nun die Majestaͤt von ihren Thaten sprach, So schlich er unvermerckt, still, heimlich und gemach, 575 Jndem die Tugenden in groͤster Obacht sassen, Den Siz, den Plaz, den Rath, die Reihe zu verlassen. Warum verliehrt sich dann der Zweifel aus dem Kreiß Dacht’ ich, verzweifelt er vielleicht schon an dem Preiß? Will Drittes Buch. Will er von seinem Saz dann nicht den Ausspruch hoͤren? 580 Jedoch wer koͤnnt’ ihn wohl mit einem Beyfall ehren? Viel besser ists wann er aus der Versammlung schleicht, Des Vortrags Ehr erhaͤlt und von dem Friese weicht, Als wann er sonder Rang in der Gesellschafft bliebe, Und was man spricht, mit nichts als Zweifeln unterschriebe. 585 Jndem der Umstand mir dieß in die Sinnen bracht, So nahm ich ohngefaͤhr sein Angesicht in acht. Er schien mir voller Gram uns beyden nach zu gehen; So war es: dann er blieb bey der Thalia stehen Und sagte: „Wann ich nicht des Frieses Zier gewinn; 590 „So fahr’ ich heut gewiß noch allen durch den Sinn. „Jch weiß nicht was das heißt: sich jener Ehren ruͤhmen „Die keiner eigen seynd, dem gantzen Rath geziemen: „Jch gehe fort: vielleicht find ich den guten Rath, „Unfehlbar gibt er mir und meiner Meinung Statt. 595 So schlich er aus dem Saal; und meine Freundinn lachte, Daß dieser Juͤngling sich so viele Sorgen machte. Jnzwischen hatte sich der ganze Rath gestillt, Als sey schon durch den Spruch der Majestaͤt erfuͤllt Was zu entscheiden war; doch ohne Zeit verliehren 600 Trat wieder jemand auf, den Vortrag auszufuͤhren. Jhr Antliz wies daß es ihr nicht an Macht gebrach, Noch weniger an Herz, indem sie also sprach: N 2 „Jhr Theresiade „Jhr wisset allbereits wie hart es mir ergangen, „Als man sich wieder mich zu ruͤsten angefangen; 605 „Man pochte nur auf mich, ich war der bittre Dorn, „Jch uͤbertrug des Feinds Verschmaͤhung, Spott und Zorn. „Auf mich gieng alles loß; man sah die Schwerter blincken, „Und selbe nur auf mich mit ihrer Schaͤrffe sincken: „Die Paucken thoͤneten, die Fahnen flogen nicht, 610 „Es sey dann wieder mich; auf mich war es gericht: „Was Lermen, Mord und Brand, und Drohen konnt erwecken, „Geschahe nicht, als mir mein Erb-Recht abzuschrecken. Sie ließ auf ihrer Brust ein offnes Auge sehn, Ein wunderbar Gesicht! sie pflog es offt zu drehn; 615 So dacht’ ich: diese mag wohl alle Reden schlagen; Jhr Ansehn ist sehr groß, sie braucht nicht viel zu sagen; Sie trug nebst einer Waag ein bloß gekroͤntes Schwert, Das gab der Rede Macht, Gewalt, Gewicht und Werth. Thalia sagte mir: „Betrachte diese Waffen! 620 „Mit diesen pflegt sie sich und andern Recht zu schaffen; „Jhr Amt und ihre Pflicht ist die Gerechtigkeit; „Vor der sich in der Welt nichts als die Bosheit scheut. „Sie sieht was billig ist; ihr Amt ist, es zu waͤgen; „Dem Unrecht stellt sie sich mit diesem Schwert entgegen. 625 „Sie hat des Feindes Rechts sich niemahls angemaßt, „Doch war sie stets von ihm verfolget und gehaßt. „Man Drittes Buch. „Man sah derselben Pracht oft so mit Blut beflecket, „Daß mancher Freund dadurch sich hat zur Hilff erwecket. „Man unterdruckte sie mit solcher Macht und List, 630 „Daß ihr Vermoͤgen fast fuͤr Qual erloschen ist. „Fast haͤtte die Gewalt die Waagschal uͤberwogen, „Fast ward sie von der Macht auch in den Strohm gezogen. Jnzwischen fuhr sie stets mit ihrer Rede fort: Jch hoͤrte mit Begier und Lust ein jedes Wort: 635 „Der Feinde Raͤthe seynd bestaͤndig eins geblieben: „Das was geschrieben sey, hieß es, das sey geschrieben. „Des Urtheils Folgungen erfuhr die halbe Welt; „Es halff kein Mittel mehr; der Ausspruch war gefaͤllt. „Man fieng zu stuͤrmen an. Der frechen Winde Meister 640 „Laͤßt die versperꝛte Brut, die Ketten-lose Geister „Nicht mit so schneller Wuth aus ihrer dunckeln Gruft; „Sie dringen, reissen nicht so ploͤzlich durch die Luft; „Jhr brausendes Gemurꝛ bringt nicht so strengen Schrecken; „Jhr bruͤllendes Geheul kann nicht die Furcht erwecken, 645 „Als der Entschluß des Feinds in unsre Laͤnder bracht, „Da man am wenigsten auf Krieg und Waffen dacht’. „Mein Vorwort halff uns nichts, man fragte nichts nach Rechten; „Es hieß nicht um das Recht, nur um die Laͤnder fechten. „O waffnete damahls mich die Vermessenheit! 650 „Nicht dieser schwache Stahl, wodurch Gerechtigkeit N 3 „Nicht Theresiade „Nicht als mit Milde strafft, so wurdet ihr nicht hoͤren, „Wie Feuer, Mord und Schwert der Voͤlcker Gut verzehren. „Nichts hatte dazumahl mein Herz so sehr gekraͤnckt, „Als daß auch Freunde sich den Feinden nachgelenckt. 655 „Weil nur die Laͤndersucht, die Herꝛsch-Begierde tobte, „Die nur, was ihnen halff: Recht oder Unrecht, lobte. „Wo sich dergleichen Geist in die Geschaͤffte setzt, „Dort wird Gewalt vielmehr als alles Recht geschaͤzt. „Nur jenes war da recht was meinen Feinden gluͤckte, 660 „Und ungerecht was mir Rath oder Waffen schickte. „Daß sich Theresia so Waffen-bloß befand, „O! dieß war ihnen recht! und da sie sich verband, „Viel lieber Noth und Troz, und Schwert und Feur zu leiden, „Als den ererbten Thron, ihr Eigenthum zu meiden; 665 „Das hieß man ungerecht. Daß sie zu Grunde geh’, „Daß ihre Zuversicht nur nach dem Himmel seh’; „War recht und auch nicht recht: recht; daß sie keine Waffen „Sich und das Vaterland zu schuͤzen konnte schaffen: „Nicht recht; daß Hilff und Rath von GOtt und Freunden kam. 670 „Recht; daß sie von dem Thron schon fast den Abschied nahm. „Versprechen, Wort und Eyd, und Hoͤll und Himmel waren „Was ihnen helffen sollt mir durch den Sinn zu fahren. „Sie nennten mich bethoͤrt, mein Hoffen Selbst-Betrug; „Gerechtigkeit sey da zu schwach und nicht genug. „So Drittes Buch. 675 „So weit war es mit mir und meinem Amt gekommen; „Durch solche Funcken war das Feuer angeglommen. „Allein ich red’ umsonst, es ist ja Welt bekannt, „Was man zum Untergang des Hauses angewandt; „Wie mit Betheurungen, mit Worten und mit Schwuͤren 680 „Man sich gespielet hat den Vorsaz auszufuͤhren. „Was je Betrug und List, Gewalt und Hochmuth rieth, „Mit dem bedraͤngte man das Recht und mein Gemuͤth. „Was immer meine Macht konnt aus dem Weege ruͤcken, „Mußt sich mit einem Schwert, mit einer Waage schmuͤcken. 685 „Nun werffe man mir vor: dies sey zu keinem Ruhm, „So sey Theresia samt ihrem Eigenthum „Nicht von Gefahr befreyt; ich habe sie verlassen, „Und dessentwegen mich des Rangs nicht anzumassen. „Geduld! man hoͤre mich! .... das Wetter muß vergehn, 690 „Wird alles umgestuͤrzt, so muß doch ich bestehn’, „Das hatt’ ich in dem Sinn: Gewalt laͤßt sich nicht zwingen, „Nur die Geduld kann mir Schuz und Errettung bringen. „Dann in dergleichen Fall bin ich allein zu schwach, „Ein sieben-faches Schwert fragt Rechten wenig nach. 695 „Mit der Gelassenheit wußt’ ich die Zeit zu brauchen, „So sah’ ich wuͤrcklich auch den dicksten Dampf verrauchen. „Die Schlange pocht und zischt, und greifft den Ambos an, „Er wiedersteht ihr fest und sie zerquetscht den Zahn. „Der Theresiade „Der Nord-Wind bricht den Baum, je stolzer er sich thuͤrmet; 700 „Das Rohr bleibt unverlezt, je maͤchtiger er stuͤrmet. „Das war die Gegenwehr, wodurch Theresia „Mit heiterm Angesicht die strengsten Stuͤrme sah. „So wußten wir den Feind gelassen auszuweichen, „So folgten wir dem Rohr und nicht dem Stolz der Eichen. 705 „So lenckten wir die Macht des Rechts nach Zeit und Weil, „So litten wir Gewalt, und stunden doch im Heil. „So ward der Schlange Grimm, der Winde Wuth getruzet, „So hatte Recht mit Recht der Koͤniginn genuzet. „Der Waffen Mord-Geraͤusch erscholl zwar sehr erboßt, 710 „Doch brachte mir das Recht Muth, Hoffnung, Herz und Trost. „Den Feinden halff das Schwert zu nichts als Blut-vergiessen, „Weil sie nur ihm allein den Ausspruch uͤberliessen. „So griff man nach dem Kiel, der sollte Richter seyn; „Auch dies, den Feder-Kampf gieng meine Tugend ein: 715 „Je mehr man wieder mich zu schreiben sich erhizte, „Je mehr der Glanz des Rechts dem Feind ins Auge blizte. „Wir brauchten beyderseits die Gegenwehr des Kiels, „Jedoch mit Unterschied des vorgesezten Ziels: „Er schriebe nur die Welt mit Vorwand zu verblenden, 720 „Jch aber die Gewalt des Angriffs abzuwenden. „Wer meiner Feder Art, Natur und Recht beschaut, „Der sagt, ich habe mich mit Klugheit ihr vertraut. „Es Drittes Buch. „Es war ein Adler-Kiel. Genug; ihr alle wisset, „Was die Gerechtigkeit von ihm vor Hilff geniesset. 725 „Wann man denselbigen mit andern Federn mengt, „Nicht nur, daß ihre Krafft mit seiner nichts verfaͤngt; „Des Adlers Feder pflegt dieselben zu verzehren, „Und ihrer Eigenschafft Vermoͤgen zu vermehren. „Der Feind war allzu schwach mich, die Gerechtigkeit, 730 „Die Strahlen meines Rechts mit einer Dunckelheit, „Geschweige mit der Nacht des Unrechts zu verdecken; „Man sahe desto mehr die Klarheit sich erwecken. „So viel man durch den Kiel mir zu begegnen dacht, „So viel ward er durch mich verzehrt und stumpf gemacht. 735 „Je mehr man sich befliß, das Affter-Recht zu schmuͤcken; „Je maͤchtiger ward ich mein Erb-Recht vorzuruͤcken. „Was fieng man endlich an? man warff die Feder hin, „Und sagte: meine Faust sollt keinen Degen ziehn; „Mein Kampf sey nur ein Spiel: ich wuͤrde nichts gewinnen: 740 „Die Rechte nuͤzen nichts, wo Mord und Brand beginnen: „Das Heer sey schon im Feld, die Fahne schon erhoͤht; „Jch komme mit dem Recht umsonst und viel zu spaͤt: „Es werde wenig Sieg aus meiner Muͤh entspriessen; „Weil aller Orten her der Waffen Stroͤhme fliessen; O 745 „Mir Aquilarum pennæ mixtas re- liquarum alitum pennas devorant. Plin. Hist. nat. lib. 10. cap. 13. Theresiade 745 „Mir fehl’ es am Gewehr. Hieraus zog ich den Schluß, „Daß, weil denselben nur das Schlacht-Schwert helffen muß, „Sie sich vielleicht umsonst die Oberhand versprechen, „GOtt werde die Gewalt gewiß am Ende raͤchen. „Dies ist, was meinem Sinn Muth und Vertrauen bracht: 750 „Wo man mit Unrecht kriegt, dacht’ ich, nuͤzt keine Macht. „Wo man die Waffen nur mit diesem Wahlspruch zieret: „Nur dem gebuͤhrt das Recht, der mit Gewalt regieret. „Dort herꝛscht man zwar, jedoch wie lang besteht der Thron? „Das Recht fuͤhrt an das End, und dieses gibt die Kron. 755 „Mit dieser Zuversicht ließ ich die Feinde fechten, „Mein Recht wuchs immer fort, da sie sich immer schwaͤchten. „So streifft-und wuͤhlten sie durch unsre Laͤnder fort, „Bedroht-eroberten bald den, bald jenen Ort. „Was mich, mein Recht erkannt’, ergriffe Muth und Degen, 760 „Und eilte mir zur Hilff derselben Schwarm entgegen. „Man fochte so begluͤckt fuͤr die Gerechtigkeit, „Daß wir uns der Gefahr des Untergangs befreyt. „Der Feinde groͤster Sieg und schwerstes Uberwinden „War endlich dieses nur: den Weeg nach Haus zu finden. 765 „Ein Den 14. Decembr. 1742. als die Feinde/ de s angeruͤckten Entsatzes ungeachtet/ die Haupt-Stadt Prag/ und bald darauf das ganze Koͤnigreich Boͤhmen verlassen mußten. Drittes Buch. 765 „Ein wunderbarer Krieg! Sobald nur unsre Schaar „Nicht starck, doch voller Muth ins Feld gezogen war, „Und vor dem Gegner sich mit Recht bewaffnet zeigte, „Sobald erkannte man, wohin der Sieg sich neigte: „Jch wuͤrckte solchen aus; dann es weiß jedermann, 770 „Daß die Gewalt nicht stets das Recht bezwingen kann; „Haͤtt diese nur allein, nicht ich mit ihr, gestritten, „So muͤßten wir den Feind noch heut um Gnade bitten. „Du Majestaͤt geh hin, zeig deines Zepters Pracht! „Du Großmuth zoͤrn, verzeih, weis deines Hertzens Macht! 775 „Laßt auch die Froͤmmigkeit um Hilff und Beystand flehen! „Was werdet ihr zum Schluß vor Wunderthaten sehen, „Wann die Gerechtigkeit nicht eure Pflichten ziert, „Und jede zu dem Amt, so sie verrichtet, fuͤhrt? „Der Himmel ist gerecht; fuͤr mich gab er den Seegen, 780 „An dem in einem Krieg mehr als an Muth gelegen; „Sonst siegte jener nur, der groß und praͤchtig ist, „Mit Andacht Kronen traͤgt, das Recht nach Hoheit mißt. „Vom Zweifel sag ich nichts; meintwegen mag er sinnen, „Wer unter uns den Preis des Frieses soll gewinnen. 785 „Jch wiederspreche nicht, daß jede von dem Rath „Zum Schuz der Koͤniginn viel beygetragen hat; „Doch aber, haͤtte man was ohne mich gewaget, „So waͤren wir vielleicht von dem Besiz verjaget. O 2 „Was Theresiade drittes Buch. „Was konnten Majestaͤt, Muth, Herz und Tapferkeit, 790 „Gebet, Altar, Magnet, auch Unerschrockenheit, „Was konnt ein Stahl, ein Loͤw, auch selbst ein Adler nuͤzen? „Jch, die Gerechtigkeit mußt alles unterstuͤzen. „Jch truge Schirm und Helm, der euch im Streit bedeckt, „Jch brachte Zuversicht, die Geist und Herz erweckt; 795 „Durch mich allein ist euch so Rath als That gelungen; „Jch war die Fuͤhrerin, so ward der Feind bezwungen; „Jch trieb ihn aus dem Land; er sah, obwohl zu spat, „Wie sehr sich der vergißt, der mich vergessen hat; „Er lernte von sich selbst durch sein vergebnes Kriegen: 800 „Daß Waffen ohne Recht zwar fechten, doch nicht siegen. Theresiade . Viertes Buch. J Ch sahe wiederum dergleichen Schoͤnheit stehn, Woraus die Deutungen beruͤhmter Wercke gehn; Die Mienen liessen hier aus dem erhabnen Wesen Nichts als Vortrefflichkeit und weise Sinnen lesen: Jhr Ernst-Erfuͤllter Blick, doch angenehm Gesicht Wies, daß ihr Herz von nichts als Wichtigkeiten spricht. Jndem sie mit dem Aug im Kreiß herum gegangen, Nahm sie des blauen Kleids mit Gold gesticktes Prangen, O 3 Und Theresiade Und schlug es um den Arm; nach grosser Redner Art, 10 Bey welchen sich Verstand mit Geist und Weisheit paart! „Man brauche mehr Geduld! das Friese zu gewinnen, „Muß man die Frage nicht bey dem Entschluß beginnen„ So fieng ihr Vortrag an; „der Eifer ist zu groß, „Mit welchem man bisher fast jeden Saz beschloß. 15 „Wie wir versammlet seynd, so muͤssen wir bekennen, „Daß keine sich allein im Kreiße daͤrffe nennen, „Als waͤr sie dieses Wercks besondre Meisterinn; „Als floͤß der Sachen Lauf nicht als von ihrem Sinn. „Jch selbst verlange nicht mir dieses zuzusprechen, 20 „Es wurde mir an Macht und an Beweis gebrechen. „Was nuͤzte Muth und Geist? was Unerschrockenheit? „Was eine tapfre Faust, auch die Gerechtigkeit? „Die Zeiten wechseln so, noch mehr die Kriegs-Umstaͤnde, „Daß niemand weiß wohin man Sorg’ und Vorsicht wende. 25 „Man blase zu dem Kampf; die Feinde rucken an; „Da frag’ ich, wer von euch entgegen gehen kann? „Wo keine Krieger seynd; wo Krieger ohne Waffen, „Was kann der Tugenden Ruhm, Ehr’ und Ansehn schaffen? „Wer streitet ohne Macht? wie trozet man das Drohn, 30 „Wann es an Mitteln fehlt; wann Hilff und Freund entflohn? „Fromm, standhafft, starck, gerecht, groß, tapfer und dergleichen, „Das macht die Feinde nicht aus ihrem Lager weichen. „Der Viertes Buch. „Der Himmel, spricht man oft, der Himmel wircket mit! „Gar weislich, wann man sich auf dessen Hilff bezieht: 35 „Er ließ auch seine Macht in den verwirꝛtsten Wercken „Oft eh wir uns versahn, durch stillen Einfluß mercken. „Jedoch der Beystand muß nicht nur auf ihm beruhn; „Der Himmel wird ja nicht bestaͤndig Wunder thun. „Jch glaub’ auch nicht daß wir der Zuversicht gewesen, 40 „Es werde nur die Macht des Himmels uns erloͤsen. „Bestuͤnde dies Vertraun; was nuzte Witz und Geist, „Was aller Glieder Krafft, und was Vermoͤgen heißt? „So fraget man um uns; was unser Amt gewesen; „Und was von unserm Thun die Nachwelt werde lesen, 45 „Das ists, wovon ich red„, hier schwieg der holde Mund, Jhr Eifer aber ward bald desto besser kund, Sie fuhr gleich wieder fort: „Man wird mir Beyfall geben: „Jch will nichts als die That, nicht den Verdienst erheben: „Man sage was mein Amt von mir erfordert hat! 50 „Wen zog Theresia so viel als mich zu Rath? „Jn Sonderheit wo Furcht und Angst das Land bezwangen, „Auch viele von dem Chor nur mit dem Zweifel rangen? „Man redte manches mahl von aͤusserster Gefahr, „Wo doch ein Schein des Trosts und guter Hoffnung war. 55 „Hingegen sah ich auch das Wiederspiel geschehen, „Man saß in Freuden da, wo man haͤtt sollen flehen. „Dort Theresiade „Dort sann der Zweifel nach, wo man entschlossen war; „Hier bracht man den Altar anstatt des Degens dar: „Entsezten einige sich nicht auch vor dem Schatten, 60 „Den Feindes Raͤncke nur aus List gespielet hatten? „Die Unerschrockenheit hieß ihren Muth oft groß, „Wann eine Kugel sich nicht weit von ihr verschoß. „Und selbst der Majestaͤt, was halff ihr Schmuck und Schim̃er, „Als ihr ein Held entgieng? sie fand ihn dannoch nimmer. 65 „Was nuzt Gerechtigkeit wann ihr die Macht gebricht? „Die Macht? wann sie zu schwach nur mit der Hoffnung ficht: „Was habt ihr ins gesam̃t zu jener Zeit verrichtet, „Als Hab’ und Gut erschoͤpft, der Krieger Zahl zernichtet? „Wer bracht uns Rath und Hilff, da fast das ganze Land 70 „Jn Feindes Banden lag? wer gieng uns an die Hand, „Als wir in solcher Noth, in der Beduͤrfftnis waren? „O Weisheit! hoͤrt’ ich schreyn, hilff uns aus den Gefahren „Wach, komm, sinn, rath und hilff! gleich maß’ ich alles aus „Jm Feld, im Schaz-Gemach, und in dem Waffen-Haus; 75 „Jch suchte Tag und Nacht den rechten Weeg zu finden, „Was uns koͤnnt hilfflich seyn, bey zeiten zu ergruͤnden. „Jch hatte gleich des Sinns Vereinigung gestifft; „Das ist, dacht’ ich, was Wehr und Waffen uͤbertrifft. „Je Der Verlurst eines derer groͤ- sten Helden/ wecher den 26. Jenner 1744. erfolgte/ ist noch in frischer Ge- daͤchtniß. Viertes Buch. „Je mehr man in dem Land verheerte Schloͤsser schaute, 80 „Je mehr derselben ich in treuen Herzen baute. „Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey? „Was hatt’ ich nicht gewirckt, daß eine feste Treu „Gemuͤths Aufrichtigkeit und munteres Betragen, „Mißhelligkeit und Zwist, und Lauigkeit verjagen? 85 „Die Sachen hatten oft so mißlich ausgesehn, „Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn, „Fast alle Maͤchtigsten bezeigten sich als Feinde; „Die groͤste Seltsamkeit war Hilff und Rath der Freunde. „Uns stunde niemand bey; und jene rieffen gar: 90 „Hilff Abgrund! stellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar! „Dann haͤtte dieser sich zum Schwert geschickt befunden, „So waͤren wir vielleicht gefesselt und gebunden. „Wo sich der treueste doch endlich falsche Fluß „Dem schwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß; 95 „Dort wo die Sonne sich fast hin zu gehen scheuet, „Weil dort des Winters Macht die See mit Eis bestreuet; „Auch wo sich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan, „Daß die Beredsamkeit des Goldes wircken kann; „Dort war der Voͤlcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen 100 „Von unsrer Feinde Bund mit Trug und List belogen. „Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht, „Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht. P „Vom Theresiade „Vom Vaterland verblieb uns nichts fast in den Haͤnden, „Als unsrer Kronen Schmuck nebst den getreuen Staͤnden. 105 „Der Norder Moske-Strohm eroͤffnet oft den Schlund, „Kruͤm̃t, thuͤrmt, wirfft sich herum und schaͤumt bis auf den Grund, „Um jener Schiffe Last, die mit dem Wirbel ringen, „Mit Fraß-Begier und Graus in seine Klufft zuschlingen; „Der Raub wird aufgewelzt, zerschmettert, umgekehrt, 110 „Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt. „Oft schwimmt ein Mast, ein Kiel, und wird herum geprellet „Bis er zu Truͤmmern geht, sich an dem Strand zerschellet. „Jnzwischen gurgelt sich die noch nicht satte Grufft, „Und der verschluckte Fraß bricht durch, steigt in die Lufft 115 „Mit Graͤßlichkeit empor; der Strohm muß wieder speyen, „Was er so ruͤstig war im Wirbel einzukaͤuen. „So weit hab ich durch Muͤh und Weisheit es gebracht, „Daß unsrer Feinde Strohm es eben so gemacht. „So viel die Laͤndersucht in ihren Wirbel schlunge, 120 „So viel ist, was ich sie auch zu verlassen zwunge. „Das noch befreyte Land ward so mit GOtt regiert, „Daß, eh des Feindes Aug und Vorsicht es verspuͤhrt, „Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden, „Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden. 125 „Der Rathschlag, welchen ich zum Ziel zu setzen wußt, „Bracht unsern Feinden Angst und gab den Freunden Lust. „Das Viertes Buch. „Das Herz der Koͤniginn halff alles so zu schlichten, „Daß unsers Gegners Krieg nichts war, als Nichts verrichten. „Wir seufzten um das Land, um das verlohrne Gut, 130 „Und hatten nichts zur Hilff als Herz, Vertraun und Muth, „Nebst Waffen-blossem Recht auf die bedraͤngte Staaten, „Die sich schon der Gewalt des Schwerts ergeben hatten. „Was fande man so nicht schon Mord und Brand erfuhr? „Fast jede Strasse war des Land-Verderbens Spur. 135 „Die Laͤnder duͤffteten vom Graus erwuͤrgter Leichen, „Der Landmann floh davon der Knechtschaft auszuweichen; „Ja was zu klagen war, und noch entsezen mag „Jst, daß so Dorff als Feld und Land verwuͤstet lag, „Und viele Staͤdte nichts als jenen Schuz verfluchten, 140 „Den sie bey jenem nicht, der sie beschuͤzte, suchten. „So kam es nur an mich: die Weisheit, hoͤrte man, „Jsts welche der Gewalt ein Ende machen kann. „Und recht: man fand auch nichts von mir unausgesonnen, „Gleich hatt’ ich Lieb und Treu des Vaterlands gewonnen. 145 „Gleich sah man Schaar auf Schaar den Fahnen nachzuziehn, „Und jeden treuen Blick fuͤr Rach-Begierde gluͤhn; „Die Strassen wimmelten von Ruͤstungen und Leuten, „Die fuͤr die Koͤniginn zu fechten sich erfreuten. „Da riß man Haͤuser um, dort stunden Mauren auf, 150 „Hier gab man einem Fluß um Stadt und Wall den Lauf. P 2 „Der Theresiade „Der goß Metall und Erz, dies ward zu Mauer-brechern, „Der Feinde Staͤdt und Wehr und Waͤlle durchzuloͤchern. „Wie manchesmahl war nicht dem Fluß die Last zu schwer? „Er trug oft einen Wald von jungen Eichen her, 155 „Womit die Feuer-Kunst sich wußte Schuz zu geben, „Daß sie noch groͤssrer Macht, als sie, koͤnnt wiederstreben. „Man hoͤrte Tag und Nacht der Arbeit Kriegs-Gethoͤn, „Und sah die Schwaͤchsten auch den Muͤssiggang verschmaͤhn; „Die Juͤngsten fanden sich mit Alten bey den Wercken, 160 „Den wußte der, der den in der Begier zu staͤrcken. „Wie viele scholten nicht die Zaͤrtlichkeit der Hand, „Wann sie sich zu der Last nicht starck genug befand? „Wie manche wuͤnschten nicht ein Schulter-Blat von Eisen, „Jn der gemeinen Noth des Eifers Macht zu weisen? 165 „Was Emsigkeit und Fleiß in Monaten vermag, „Das wirckte die Begier des Volcks in einem Tag. „So wimmelte das Land von Kriegern und von Waffen; „Mit diesen wußten wir uns Rath und Hilff zu schaffen. „Was jemahl fuͤr ein Heer, an Eisen, Erz und Stahl, 170 „An Kriegs-Erfordernuß die Weisheit anbefahl; „Nennt mir des Manns und Pferds Kriegs-Unentbehrlichkeiten! „Die mußte meine Sorg und Wachsamkeit bereiten. „An nichts gebrach es uns: der Feld-Herꝛ war auch da, „Mit dem die Koͤniginn nach GOtt das Heer versah. „Durch Viertes Buch. 175 „Durch den gelung es uns mit Gluͤck und Sieg zu kaͤmpfen, „Er halff die Krieges-Glut in unsern Grenzen daͤmpfen. „Er ist der, den sie sich durch ihrer Schwester Hand, „Und durch den Herzogs-Stab, den sie ihm gab, verband. Hier kommt mir ungefaͤhr das Trauer-Wort zu Ohren: 180 „O Leid! was haben wir an dieser Frau verlohren! Jch wende mich zu sehn, woher das Seufzen bricht, So hoͤr ich wieder: „still erneu den Schmerzen nicht! Die Weisheit redte fort: „durch seine Muͤh und Thaten „Geschah, was wir zuvor uns nicht geschmeichelt hatten. 185 „Jch gieng ihm an die Hand, damit er Aug und Brust „Zu grossen Dingen klug und kuͤhn zu brauchen wußt. „Er zog mit seinem Heer, mit den getreuen Schaaren, „Die dort des Vaterlands Vertraun und Hoffnung waren, „Dem Feind in das Gesicht; da stund er mit Bedacht, 190 „Bis ich ihm in den Sinn, die Schlacht zu wagen, bracht. „Die Feinde fiengen an sich hin und her zu schwencken, „Das machte mich noch mehr auf einen Angriff dencken. „Gleich drauff erscholl der Gruß durch einen Donner-Knall, „Auf den ich Freuden-voll durch den Trompeten-Schall P 3 195 „Die Die Vermaͤhlung Weyland der Durchleuchtigsten Erzherzogin Ma- ria Anna geschahe in Wienn den 7. Ja- nuari 1744. Dero hoͤchst- zu bedauren- der Hintritt aber erfolgte zu Bruͤssel den 16. Nov. desselben Jahres. Theresiade 195 „Die Antwort geben ließ’. Jch sahe Kugeln rollen, „Die werden uns, dacht’ ich, noch mehr ermuntern sollen. „Freundinnen! stuͤnd euch nun das Heer vor dem Gesicht, „So saͤht ihr, wie den Sieg sich jeder Blick verspricht; „Das Schau-Spiel wurd euch selbst das Herz zum Streit entzuͤnden: 200 „Stirn, Auge, Geist und Blut wurd die Begier empfinden. „Hier steht das Kriegs-Metall, so selbst den Tod erschreckt; „Dort wird man durch den Schall der Feld-Trompet’ erweckt. „Der Fahnen Stolz und Pracht umflattert jede Reihe, „Wie wann sie sich des Siegs schon vor dem Kampf erfreue. 205 „Da zeigt der tapfre Blick des Reiters Muth und Macht, „Es schnaubt das Pferd und strampft, und strebet nach der Schlacht. „Es blizen Waffen, Kleid, Gold, Silber, Stahl und Eisen, „Der Feinde Stirn’ und Troz den Gegen-Troz zu weisen. „Wahr ists, derselben Heer stund an der Krieger Zahl 210 „Viel ruͤstiger, als wir; uns aber blieb die Wahl „Zu schlagen, oder nicht. So ließ’ ich meinem Helden „Der Voͤlcker Tapferkeit und Herz zum Angriff melden. „Gleich ritt er durch das Feld, wies seinem Feind die Brust, „Den Schaaren Munterkeit, dem Heer zum kaͤmpfen Lust. 215 „Jch, meine Gegenwart fand sich auf allen Plaͤzen, „Das Volck, das tapfre Volck bald an den Feind zu sezen. „Der Lorber, welchen sich auch der gemeine Mann „Wann er sich herzhaft haͤlt, im Krieg erfechten kann, „Der Viertes Buch. „Der fieng schon manchem an auf seinem Hut zu schweben, 220 „Der vor dem Treffen sich mußt in Gefahr begeben. „Man stund vielmehr in Freud und Lust zu fechten da, „Je naͤher man des Feinds geschloßne Reihen sah. „Jch wurd aus jedem Aug und dessen kuͤhnen Blicken „Schon allerseits gewahr, daß uns der Sieg wird gluͤcken. 225 „Des Feindes Gegen-Macht schien ein besezter Wall, „Woraus der Schrecken brach, woraus das Kriegs-Metall „Bliz, Mord und Hagel warff. Er kam wie jene Wellen, „Die von dem Sturm erregt sich aus der Tieffe schwellen. „Der Anzug haͤtte leicht den Tapfersten erschreckt; 230 „Wir aber sahn dadurch das Volck noch mehr erweckt. „Wir ruckten Schritt vor Schritt zur Lincken und zur Rechten, „Auch aus dem Mittel vor, mit aller Macht zu fechten. „Des ersten Feurs Gekrach, das raßlende Gesumm, „Der aufgerollte Dampf, der Drommel Sturm-Gebrumm, 235 „Des Erzes Donner-Knall, der Glieder festes Wallen „Entflammte Geist und Sinn; noch mehr das Freuden-Schallen: „ Es leb Theresia! dies war das Feld-Geschrey, „Der Ruf bewirckte mehr als Eisen, Stahl und Bley. „Das war der Schirm, womit wir in die Feinde drungen, 240 „Und unsre Fahnen schon in ihren Gliedern schwungen. „Der Roͤhre Mord-Gebliz, der blancken Schwerter Wuth „Umwirbelte das Heer und gab dem Kaͤmpfer Muth. „Dort Theresiade „Dort sah man unsern Fahn und hier der Feinde Lanzen „Mit wanckelbarem Gluͤck, als Sieges-Zeichen pflanzen. 245 „Ein blutigers Gefecht hat keine Welt gesehn, „Wo sah man so, wie da, den Mann zum Kaͤmpfen gehn? „Er schreitet Fuß vor Fuß durch Feuer, Sturm und Leichen, „Stuͤrmt, schaͤumt und doñert selbst, und zwingt den Feind zum weichẽ. „Hier haͤlt die Helden-Brust den strengen Waffen Lauf 250 „Des Wellen-gleichen Heers so starck als Klippen auf; „Dort sieht man seine Faust nicht fechten, sondern schlachten, „Mit Großmuth und Gewalt nach Sieg und Ehre trachten. „Die Pferde brechen durch, wo die bewehrtste Reih, „Sie tretten dem die Stirn und dem die Brust entzwey; 255 „Was ihrem Huf entgeht, faͤllt in des Reiters Degen, „Mit welchem er so kuͤhn, so schnell und so verwegen „Dem Feind entgegen eilt, nach allen Seiten sprengt, „Daß er ihn Mann auf Mann, und aus den Gliedern draͤngt; „Jhn theils verjagt und stuͤrzt, theils umbringt und zerhauet, 260 „Daß man ihn Glieder-weis tod aufgehaͤufet schauet. „So reißt kein wilder Strohm, der sich gaͤh loß gedaͤmmt, „Kein Feld wird von dem Schwall so ploͤzlich uͤberschwemmt, „Als unsre Reiterey des Gegners Fluͤgel schluge, „Und das siegreiche Schwert bis in sein Lager truge. 265 „Die Rettung halff da nichts, die gleich von weiten kam, „So wenig als die Wehr bey dem zerrissnen Damm. „Ein Viertes Buch. „Ein graͤßliches Geschwaͤrm, so jenen Kreiß verhuͤllte, „Lufft, Erden, Aug und Sinn mit Greul und Blut erfuͤllte! „Der allzu grosse Muth des Manns zu Pferd bewies, 270 „Daß uns der Himmel nicht vollkommnen Sieg verhieß: „Wir sahn das Volck zu Fuß entbloͤßt und ohne Fluͤgel, „Doch liessen wir dem Arm desselben freyen Zuͤgel, „Der, wie der Winde Macht die Waͤlder nieder weht, „Den Feind mit solchem Grimm und Toben hergemaͤht, 275 „Daß dessen Glieder mehr im Sand gestrecket bebten, „Als gegen unsre Macht sich zu beschuͤzen strebten. „Mein Heer-Fuͤrst drange noch durch andre Reihen fort, „Erfrichte dieses Volck durch Beyspiel, That und Wort; „Er hatte schon so viel als Feld und Schlacht gewonnen, 280 „Jch aber bessern Raths und Vortheils mich besonnen: „Ein neuer Hinterhalt bedrohte meine Macht, „Der sezte mein Gemuͤth in Mißtraun und Verdacht. „Du Tapferkeit sag an! was haͤttest du beschlossen? „Nicht wahr, du waͤrest fort in die Gefahr geschossen? 285 „Da waͤr der Hinterhalt dir auf den Hals geruͤckt, „Und haͤtte dir den Ruhm des Sieges abgedruͤckt. „Jch aber schrie: zuruͤck! es ist genug gesieget! „Sieh dort den neuen Schwarm, der uns entgegen flieget! „Dein Heer ist allzu tief in seinem Sieg zerstreut! 290 „Die Wallstadt bleibet schon zu deinem Ruhm geweiht! Q „Es Theresiade „Es ist noch anderwaͤrts ein Feind von uns zu schlagen; „Auf! wende deinen Fahn es dorten auch zu wagen. „Kehr um und stuͤrz dich nicht vom Siegen in die Noth, „Die deine Tapferkeit dir, wie der Gegner, droht. 295 „Die Knochen, wie du siehst, verschanzen dir die Weege, „Zuruͤck! es gibt fuͤr uns noch andre Sieges-Taͤge! „Ein kluger Feld-Herꝛ siegt, wann er mit Klugheit weicht; „Oft hat der nicht gesiegt, der einem Sieger gleicht. „Laß deinen Gegner nur bey seinen Gliedern stehen! 300 „Laß ihn die Schlaͤfe nur mit Lorber-Pracht versehen! „Was ligt daran, wann er nur mit der Wallstadt prahlt? „Er hat derselben Werth mit eignem Blut bezahlt. „Das Leichen-volle Feld konnt, was ich sprach, bezeugen, „Von dem Erfolg der Schlacht, vom Ausgang zu geschweigen; 305 „Der Anblick stellte mehr von todten Feinden dar, „Als unsrer Krieger Zahl vor diesem Treffen war. „So zogen wir das Volck, das tapfre Volck zusammen „Mit dem wir von der Schlacht bald zu der andern kamen. „Wir wichen, und der Feind blieb auf dem Plaz entsezt, 310 „So mehr als er sein Haupt nicht Lorber-werth geschaͤzt. „Ein trauriger Triumpf! den er mit Grimm verfluchte „Als er die groͤste Macht in Blut und Suͤmpfen suchte. „Was Das blutige Treffen bey Cho- tosiz den 16. Maji 1742. und was den 6. Junij darauf in den Gegenden von Teyn/ Piseck/ Strakoniz ꝛc. vorgefallen. Viertes Buch. „Was war nun ausgericht? was fuͤhrte man im Sinn, „Da man geschlagen hieß, besiegt, verjagt und hin? 315 „So war ein andrer Feind, nicht weit von uns entfernet, „Durch den entlehnten Ruff des Welt-Geruͤchts belernet. „Er glaubte dem Bericht; so war mein Wunsch erfuͤllt: „So war ihm unsre Macht und Lust zum Streit verhuͤllt. „Mein Heer zog voller Muth, jedoch was sag’ ich ziehen? 320 „Es flog (dies aber hieß der erste Feind entfliehen) „Auf jene Voͤlcker loß. Sie wußten keinen Feind, „Da sie von ihrem Feld schon weggelauffen seynd. „Kein steiles Wald-Gebuͤrg, kein Sturm, kein Wind, kein Regen „Konnt unsrer Krieger Muth was in die Weege legen. 325 „Wir ruckten an, das kam dem Feind so schreckbar vor, „Daß er Gewehr, Gezelt, Muth, Herz und Ziel verlohr. „Furcht, Schwindel, Jrꝛthum, Noth bemeisterten die Schaaren, „Sie sahn’ fuͤr Schrecken nicht, wie wir gekommen waren. „Sie warffen sich verwirꝛt im Wald, im Feld herum, 330 „Verliessen Lag’ und Stand und Beut und Eigenthum. „Kurz: ihre Rettung war das Schwert nichts lassen nuͤzen, „Und nicht mit Streitbarkeit, mit Furcht und Fliehn sich schuͤzen. „Mein Heer schrie nach: gesiegt, der unbesiegt entrinnt! „Und gluͤcklich, der dem Feind den Rucken abgewinnt! 335 „Dann uͤber Halß und Kopf, und Stock und Stein entweichen, „War bey dem Feind so viel als Heil und Gluͤck erreichen; Q 2 „Uns Theresiade „Uns aber eins: gesehn, gekommen und gesiegt, „Weil eine kurze Frist so viel fuͤr uns gefuͤgt, „Daß diese Feindes-Macht schon in die Flucht geschlagen, 340 „Eh wir noch selbst gewußt, ob wir es wollen wagen. „Haͤtt man die Lauffenden bey so verwirꝛter Flucht „Durch Feuer, Mord und Schwert zu zuͤchtigen gesucht, „So waͤr ein Adler Schwarm nicht schnell genug gewesen; „So faͤrtig konnten sie sich der Gefahr erloͤsen. 345 „Niemahls erhoͤrte Flucht! so schnell als wunderlich! „Es blieben Waffen, Wehr, Geschuͤz und Muth im Stich. „Die Furcht bewog sie so, daß Schaar auf Schaaren rennte, „Und aller Orten sich von ihrer Ordnung trennte; „Ob gleich ihr Fuͤhrer uns nicht, als von weiten nur 350 „Jn seine Nachbarschaft geruͤckt zu seyn, erfuhr: „Und sie durch ihre Furcht den Untergang erreichten, „Da sie fuͤr Angst und Last, und Mattigkeit erbleichten. „Da lernt’ ich, daß man leicht mit jenem Feinde sicht, „Der nur mit Worten droht, nichts in der That verricht. 355 „Wie pochte dieser Schwarm? wie mußte man nicht zittern? „Befahl er nicht so gar auch selber den Gebiethern? „Jedoch von uns entfernt; eh er mein Heer gespuͤhrt, „Sagt! hat er in dem Sinn nicht Wunder ausgefuͤhrt? „Kaum aber zeigten wir desselben Stolz die Spize, 360 „So riß er aus, und wies: was Dunst und Hochmut nuͤze. „So Viertes Buch. „So kaͤmpft die Tapferkeit, der es an Weisheit fehlt; „Die Unerschrockenheit, wann sie vom Krieg erzaͤhlt. „Sie stets verfolgen war ein stets sieghafftes Streiten, „Jndem sie Schritt vor Schritt das Elend sich erneuten. 365 „Mit einem Wort: das Land war so weit ausgeraͤumt, „Daß nirgends mehr die Wuth der Fluͤchtigen geschaͤumt „Als noch in jener Stadt, in der sie Zuflucht fanden, „Jedoch bis an die Stirn in der Verschmachtung standen. „Jhr Feld-Herꝛ, welchem jezt von eigner Freyheit traͤumt, 370 „Nach dem er solche selbst den Laͤndern eingeraͤumt, „Hat, weil sein hoher Geist von nichts als Siegen thoͤnet, „Auch diese Fluͤchtigkeit mit Helden-Ruhm beschoͤnet: „Er sey von jenem Freund, der dorten Fried gemacht, „Ob er gleich dessen Heer (so sprach er) Hilff gebracht, 375 „Jn unser Garn gefuͤhrt; doch blieb er ohne Sorgen, „Und hieß es einen Sieg, daß er das Volck geborgen. „Dem Wall, den er fuͤr Angst und Furcht, und Noth gebaut, „War Degen, Schirm und Schuz, war Muth und Herz vertraut; „Der bracht ihm Sicherheit; dort fieng er an zu schweren: 380 „Es soll die Welt von ihm nun Wunder-Thaten hoͤren. „Jnzwischen folgten wir dem Feind auf seiner Bahn, „Und sahn, was eine Flucht vor Ubel wircken kann. Q 3 „Was Welcher den 11. Junij 1742. zu Breßlau geschlossen worden. Theresiade „Was sich im finstern Gluͤck des Walds nicht konnte retten, „Mußt um ein Gnaden-Wort vor meinen Fuͤhrer treten. 385 „Was jeden vor Gefahr und Schrecken haͤtt beschirmt, „Das fanden wir im Weeg zertruͤmmert aufgethuͤrmt. „Wir traffen auf Geraͤth, auf Ruͤstungen und Wagen, „Auf Arme seufzende, die auf der Strasse lagen: „Bey diesen nahm ich wahr, was Furcht und Fliehen heißt; 390 „Was, wann man unverwundt sich aus dem Treffen reißt: „Wie jene, welche still vom Schwarm den Abschied nahmen, „Und nur um Menschen-Hilff in unser Lager kamen, „Mit schluchzendem Geschnauf uns noch bestaͤttigten; „Der Sache Folgungen es auch bekraͤfftigten: 395 „Sie waͤren naͤmlich noch in Noth und auf den Strassen, „Die sie nach schwerer Qual fast Leben-loß verlassen; „Wann nicht ein schmachtendes, verachtes kranckes Weib „So dort auf Roͤhren saß’, und an dem ganzen Leib „Fuͤr Kranckheit zitterte, die Strassen haͤtt gewiesen; 400 „Dort haͤtten sie die Flucht erst vor begluͤckt gepriesen. „Sie waren fast fuͤr Noth gelaͤhmt und Athem-loß, „Doch hielten sie die Qual gleich nimmer vor so groß, „Da sie den Koͤrper sahn in solchem Elend zagen, „Weil sie sich gleich erweicht ihn mehr als sich zu klagen. 405 „Man sieht oft das Gemuͤth der Traurigen erquickt, „Wann Schmerz und Pein und Noth auch andere bestrickt. „Allein Viertes Buch. „Allein je mehr man dort mit ihr Erbarmung hatte, „Je mehr den Fluͤchtigen derselben Rathen schadte. „Der Fall verhaͤlt sich so, wie man uns angezeigt: 410 „Das Weib vermuthete man sey nur ihr geneigt, „Weil sie fast jedermann, O Elend! hoͤrte schreyen, „Mithin daß die, so schrien, um sie bekuͤmmert seyen. „So sagte sie: wer ist, wer hat mich angerufft? „Jch bin das Elend selbst, und unweit meine Gruft: 415 „Dort findet man des Gluͤcks, des Heils, der Freuden Porten, „(Sie wies auf jene Stadt) sonst seynd fast aller Orten „Die Weege zu dem Tod. So flohe man hinein, „Von Feuer, Schwert und Tod allda befreyt zu seyn. „Das Weib kroch ihnen nach; vielleicht auch Hilff zu finden, 420 „Und diesen Krieger-Schwarm zum Beyleid zu verbinden. „Ein jeder eilte nur zu der gewuͤnschten Stadt: „Nicht laufen schien so viel als eine Missethat. „Man sieht die Schafe nicht so sehr zerstreuet fliehen, „Wann sie sich ungefaͤhr dem nahen Feind entziehen; 425 „Der Hirt ist nicht so sehr, wann er sie schuͤzt, erfreut, „Als dieser Krieger-Schwarm bey seiner Sicherheit. „Man lauft, kom̃t gluͤcklich an, erhohlt sich mit Vergnuͤgen, „Und ruͤhmet sich der Art die Feinde zu besiegen. „Doch schlaͤgt das Herz fuͤr Angst, der Leib erblaßt fuͤr Schweiß, 430 „Der matte Geist gibt sich der Furcht und Hoffnung Preiß; „Und Theresiade „Und wollte gern die Noth, in der er war, vergessen, „Der Koͤrper aber drang fuͤr Hunger auf das Essen. „Das Weib, so mit dem Schwarm sich in die Stadt verschlich, „Und weder der Gewalt, noch der Verschmaͤhung wich, 435 „Hielt nur um Labung an; doch konnt sie nichts erzwingen, „Ein jeder dachte nur sich selber Trost zu bringen. „Sie wies die Duͤrfftigkeit, den Rath, den sie gebracht; „Allein sie war zum Lohn verspottet und veracht: „So fiel sie fuͤr Begier der Rach in solches Rasen, 440 „Daß sie die ganze Stadt mit Mord-Schaum angeblasen. „Sie schrie, sie graͤmte sich, zerrisse Schurz und Haar; „Sie lief und rieff’ um Hilff; so fand sich eine Schaar, „Bey der dies Flehen galt. Was ungestuͤmes Lermen! „Was klaͤgliches Geheul! was Beben, Toben, Haͤrmen! 445 „Beduͤrfftniß, Zwang und Zorn, Durst, Hunger, Wehmuth, Gram, „Die waren jener Schuz, bey dem sie Zuflucht nahm. „Verzweifflung, Pein und Qual vereinten sich dem Haufen, „Mit diesem sah man sie die ganze Stadt durchlaufen. „Die Klag nahm uͤberhand; der Jammer mehrte sich, 450 „Kein Winckel war, den nicht die Graͤßlichkeit durchstrich. „Die Gaͤste, die des Stahls Gefaͤhrlichkeit entronnen, „Vermeinten ein Verrath sey wieder sie gesponnen; „Man floh, man lief, man bog, man grieff auch zum Gewehr, „Und eilte Schrecken-voll durch alle Gassen her, 455 „Die Viertes Buch. 455 „Die Rotte dieses Weibs zum Thor hinaus zu treiben; „Umsonst: es war vermaurt; man mußt beysammen bleiben. „Das Weib verstaͤrckte sich, gewann die Oberhand; „Die ganze Stadt vollzog, was sie vor gut befand. „Nicht eine Kuͤche war, die man mehr sahe rauchen, 460 „Wo nichts zu braten ist, was soll man Feuer brauchen? „Des Weibs Gespanschaft ward zum Kellner, Koch und Wirth, „Nach ihrer Willkuͤhr war so Tisch als Herd geziert. „Das Fleisch wurd aufgezehrt, so mußt man Pferde schlachten, „Die fraß der, welcher nicht fuͤr Hunger wollt verschmachten. 465 „Hier halff der Reichthum nichts; sie stellte manches mahl „Ein Stuck von einem Roß, auch dieses zimlich schmahl, „Jn Tafel-Silber vor, und ließ die Gaͤste nagen, „Auch oft fuͤr Hunger sich um dirre Knochen schlagen. „Kurz: alles theilte sie nach Gut-befinden aus, 470 „Der Wohlgeschmack war nichts, als Eckel, Schaur und Graus. „Jhr Thun und Lassen war zerfezen, schaben, schinden, „Den Fraß nach Eigensinn verbergen, wieder finden. „So wurde dieses Volck bewirthet und verpflegt, „Bis man es Haufen-weis in Kalch und Sand gelegt; 475 „So wurde dieses Volck vom Elend aufgerieben, „Daß kaum der vierte Theil unaufgezehrt verblieben. „Nun sehet„, redte da die Weisheit weiter fort, „Das war der Untergang des Feindes, und der Ort R „Jn Theresiade „Jn welchem er den Raub, auf den er gieng, empfangen, 480 „Dies war zu seinem Lohn, zu seinem Sieg verhangen. „Wer, was er nicht verlohr, auch niemahls sein war, sucht, „Der findet oftmahls so, daß er den Fund verflucht. „Mein Feld-Herꝛ saumte nicht dem Elend beyzuspringen, „Er ließ von seinem Volck die ganze Stadt umringen. 485 „Wir trugen Mord und Tod, und Schwert und Feuer bey, „Daß die Gefangenschaft dem Feind zum Abgrund sey. „Mit solchen Ruͤstungen bestuͤrmten wir die Waͤlle, „Daß, was die Noth nicht konnt, der Waffen Zwang zerfaͤlle. „So schwebte diese Stadt in einer Schreckens-Nacht, 490 „So bebt’ und seufzte sie fuͤr unsers Feuers Macht. „Jnwendig mehrte sich ein Flamm- und Schwefel-Regen, „Von aussen drohten wir mit tausend Donner-Schlaͤgen. „Jnzwischen aber flog ein schneller Bott daher, „Daß in der Nachbarschaft ein neues Feuer waͤr; 495 „Die Feinde rucken an; sie stehn schon an den Grenzen; „Wie konnten wir nun hier und dort den Sieg bekraͤnzen? „Die Stadt blieb eingeschraͤnckt; die Haupt-Macht zog’ich fort „An den schon wanckenden vom Feind ergriffnen Ort. „Das Heer stund oft in Frost, in Nebel, Winden, Regen; 500 „Doch ließ’ ich es von dort sich keinen Schritt bewegen. „Die Feinde flatterten so tobend hin und her, „Als wann zum Einbruch nichts als dieses hilfflich waͤr. „Wir Viertes Buch. „Wir aber blieben stets in Weegen und in Spuren, „Durch welche wir des Feinds Bewegungen erfuhren. 505 „Ein schlaues Falcken-Aug ist nicht so sehr erboßt, „Es schaͤrfft sich nicht so sehr, wann es auf Tauben stoßt, „Als dieser neue Feind nach jenen Mauren strebte, „Jn welchen sein Gespan mit seinen Voͤlckern bebte. „Er knirschte mit dem Zahn, er stampft’, ergrimmt’, entbrannt’, 510 „Als haͤtt ihn ein Geschick still auf den Ort verbannt. „Je mehr er durch den Schnee, durch Berg und Waͤlder drunge, „Je mehr er sich in Noth und Hinderniß verschlunge. „Er scholte Luft und Erd, auch selbst des Himmels Macht, „Weil nichts ihm weder Hilff noch Rath zum Vorsaz bracht. 515 „Er konnte keinen Weeg vorbey zu ziehen finden; „Kunst, Arbeit, Muͤh und List mußt ohne Frucht verschwinden. „Wohin er immer sah, fand er den Weeg verrannt, „Daß er fuͤr Zorn und Wuth das Schwert, die Fahnen wandt. „Wir ruckten ploͤzlich nach, verfolgten seine Fluͤgel, 520 „Die sich durch Berg und Thal, durch Waͤlder, Klippen, Huͤgel „So sehr zerstreueten, daß er nicht wußte, wo „Der oder dieser Schwarm, wohin er selber floh. R 2 „Wir Der zum Entsaz der Stadt Prag angeruckte Feind mußte den 5. October 1742. unverrichteter Sachen/ auch mit grossem Verlust bey Eger zuruck ziehen. Theresiade „Wir brauchten kein Geschuͤz, kein Schwert, kein Bley, kein Eisen, „Frost, Hunger, Gram und Noth mußt ihm die Weege weisen. 525 „So war der erste Feind durch seinen Sieg besiegt; „Der zweyte von der Noth bis auf den Tod bekriegt; „Der dritte schlug sich selbst. Soll ich noch weiter gehen? „Hat nicht die ganze Welt, was ich ersann, gesehen? „Der einen Sprung versucht, zieht sich zuruͤck und springt, 530 „Der Anlauf gibt die Krafft, wodurch der Sprung gelingt: „So wußt ich manches mahl mit unserm Heer zu weichen, „Daß es der Feinde Brust mit Vortheil koͤnnt’ erreichen. „War nicht des vierten Feinds Stadt, Eigenthum und Land, „Durch solche Leitungen uns endlich in der Hand? 535 „Hat nicht gleich jener dort auch meine Macht erfahren, „Als wir des Strohms, der ihn beschuͤzet, Meister waren? „Kurz: ich war Kiel und Schwert, Loͤw, Adler und Magnet, „Ja, Nein, Gebeth und Rath, auch selbst die Majestaͤt. „Dies ist das Staats-Geraͤth, womit ich einen triebe, 540 „Jndem der andere den Frieden unterschriebe. „Erwaͤhnt’ ich jede Staats-und Kriegs-Begebenheit, „So wurde meiner Ehr ein Saͤulen-Wald geweiht. „Jch Das im Jahr 1743. zuruck ge- zogene Winter-Quartier/ nach welchem den 9. Maji 1744. die Eroͤffnung des Feld- zugs mit einem Sieg bey Braunau folgte. 536. Das Vorhaben uͤber den Rhein zu gehen ward endlich den 1. Julij 1744. an zweyen Orten gluͤcklich in das Werck gesezet. Viertes Buch. „Jch halff der Koͤniginn durch Sinnen, Reden, Rathen „Mehr als die staͤrckste Faust, mehr als die groͤsten Thaten. 545 „Jch wiese des Geschicks Verwechslung, Ziel und Zeit, „Nach diesen hielte sie die Tugenden bereit: „Zum Beten stellte sie der Andacht reines Flehen; „Zum Kampf die Tapferkeit; mich, alles auszuspaͤhen. „So war ich stets mit ihr; mich sah man uͤberall; 550 „Kein Werck ist, so sie nicht der Weisheit anbefahl. „Jm Rath hilfft kein Gebeth, im Beten keine Degen; „Was ist im Staats-Gemach an Tapferkeit gelegen? „Doch daß ihr mir nicht sagt, daß ich zu weise sey, „So laß’ ich es hiemit in allem nur dabey: 555 „Wo Weisheit und Vernunft die Koͤnigs-Krone zieren, „Dort pflegen Krieg und Sieg sich an der Hand zu fuͤhren. M An haͤtte mehr gehoͤrt; allein nicht weit von ihr Erhob sich eine Frau von sonderbarer Zier, Wodurch sie das Gespraͤch der Weisheit unterbrache, 560 Obschon sie noch kein Wort, nur ihre Schoͤnheit sprache. Fast jede wandte sich nach ihrem Angesicht, Jhr Schmuck war diesem mehr, als seiner Pracht verpflicht. Jch hoͤrte, dieses sey die Welt-beruͤhmte Gnade: Fuͤrwahr! ich sahe was in folchem Anmuths-Grade, 565 Daß ich darob erstaunt es nicht zu nennen wußt, Jhr dannoch mit Gewalt das Auge goͤnnen mußt. R 3 Man Theresiade Man suchte mit Begier und Lust in den Gebaͤrden, Was von dem holden Mund soll vorgetragen werden; Die Freud erklaͤrte sich fast in dem ganzen Kreiß, 570 Jhr angenehmes Was erhielte schon den Preiß. „Jhr„, so begunnte sie, die sich bisher gepriesen, „Die ihr euch um den Rang den Gegen-Ruhm gewiesen; „Jhr scheint dem Vortrag nach selbst wieder euch zu seyn, „Dann alle treffen fast nur mit dem Zweifel ein: 575 „Daß es kein Wunder waͤr, wann sich der Streit verwirꝛte, „Und endlich er den Stein durch seinen Nahmen zierte. „Der Eigenliebe Geist durchschleicht auch manchen Sinn; „Verzeihet mir, wann ich ihr nicht gewogen bin. „Es ist wohl wahr, ihr habt so vieles vorgetragen, 580 „Daß ich nicht wuͤßte wem das Friese zuzusagen; „Jch? ich verlange nicht die Gnade vorzuziehn, „Jch wurde mich umsonst zu diesem Ziel bemuͤhn. „Besonders wo man nichts als Helden-Thaten ruͤhmet; „Weil mir ein solches Amt zu fuͤhren nicht geziemet. 585 „Mit Feuer troz’ ich nicht; der Degen in der Faust „Jst mir so ungewohnt, daß mir vor solchem graußt. „Dem Feind entgegen stehn; Jn Brand und Blut befehlen, „Jst mir zu fuͤrchterlich, auch nur in dem erzaͤhlen. „Jn Schrecken, Frost und Hiz, mit Schwefel, Glut und Pech 590 „Den Feind beaͤngstigen ist meinem Sinn zu frech; „Die Viertes Buch. „Die laufen in den Sturm, die Mord und Tod entgegen, „Dort stuͤrzen andre sich in einen Kugel-Regen. „Hier schnauft man in dem Dampf und dort in Rauch und Staub; „Da schlaͤgt man sich ergrim̃t nur um ein Ehren-Laub. 595 „Dergleichen Ubungen kan ich an mir nicht weisen; „Doch werdet ihr vielleicht auch meine Pflichten preisen. „Jhr kennet schon wie weit sich meine Macht erstreckt; „So sey dann euch mein Thun und Lassen auch entdeckt: „Reiz, Anmuth, Lieblichkeit und schmeichelnde Gebaͤrden, 600 „Kann dieser Tugend-Schmuck von euch getadelt werden? „Er dringet allzeit vor; wer betet ihn nicht an? „Sagt! ob desselben Kraft nicht Wunder wuͤrcken kann? „Dies war mein Schild und Helm, der Vorrath meiner Waffen, „Wodurch Theresia sich wußte Recht zu schaffen. 605 „Bekennt! erklaͤrt es mir! ehrt ihr die Koͤniginn? „Liebt oder haßt ihr sie? eroͤffnet euern Sinn! Sie wußte Winck und Aug, und dessen munters Blicken, So lebhaft ihn und her um Antwort auszuschicken, Daß fast der ganze Saal nach ihr gerichtet schien, 610 Als wollte man auf sie durch Schweigen sich beziehn. „Haßt ihr die Koͤniginn? erlaubt mir dies zu fragen! „Nein„, fuhr sie fort, das wird so gar ein Feind nicht sagen. „So liebt ihr sie? warum? ist es Gerechtigkeit, „Macht, Weisheit, GOttes-Furcht, Staͤrck, Unerschrockenheit? „Das Theresiade 615 „Das mag bey vielen zwar, so sie niemahls gesehen, „Zu was vermoͤgend seyn, wie wircklich auch geschehen; „Wir aber sehen sie: warum hat man sie lieb? „Fort! sagt, was ihr gedenckt! woher kommt dieser Trieb? „Jch seze diesen Fall; dann viele wollen wissen 620 „Des Herzens Eigenschaft aus der Gestallt zu schliessen; „Gesezt: die Koͤniginn waͤr nicht Theresia; „Sie kaͤm derselbigen an Schoͤnheit nicht so nah; „Ja, wann sie nichts von ihr, als nur den Nahmen fuͤhrte, „Sonst ihre Koͤnigs-Pracht mit keiner Anmuth zierte; 625 „Es zeige sich im Aug ein unbeliebter Blick; „Desselben Freundlichkeit erscheine nur zum Gluͤck: „Ein blaß-verdrossner Mund mit ungefaͤrbten Wangen, „Das Himmel-blaue Kleid in unlebhaftem Prangen „Sey Gnade, Zier und Reiz: man bilde sich nur ein, 630 „Ob es dem Tugend-Chor wurd eine Freude seyn. „Gesezt: ich will den Schaz so vieler Hoheits-Gaben, „Den ihre Majestaͤt besizet, wieder haben; „Bedencket den Erfolg! ich nehme das zuruck, „Was ihr die Schoͤnheit nennt, und laß’ ihr eitlen Schmuck. 635 „Jhr Aug entfeure sich; der Rosen Lust entweiche; „Die Lippen werden blaß; der Wangen Farb erbleiche; „Der Sprache Silber-Klang verdunckle sich im Mund; „Der Rede Geist und Wiz verliehre Schluß und Grund; „Und Viertes Buch. „Und was dergleichen mehr, so meinem Stand zu wieder; 640 „Mit was vor Lauigkeit schluͤgt ihr die Blicke nieder? „Man diente nimmermehr aus Liebe, nur aus Noth; „Man sagte nimmermehr: ihr Winck ist ein Geboth. „Bald wurde sich das Feur der Dienst-Begierde daͤmpfen; „Pflicht und Willfaͤhrigkeit mit Wiederwillen kaͤmpfen: 645 „Der Eifer schwaͤchte sich, in dem das Herze springt, „Wann, wie es stets geschicht, sie dieser Kreiß umringt. „Ein Kind verbirgt sich oft, flieht, zittert, oder weinet, „Wann seiner Mutter Aug ihm nur verfinstert scheinet. „Was macht ihr, Wertheste! wann ihr die Koͤniginn 650 „Der Augen Majestaͤt mit Ernst seht uͤberziehn? „Wie gieng es, wann sie stets mit unbeliebten Blicken „Freundinnen! euch empfieng? wurd euch die Gnad erquicken? „So ruff ich billig auf: die Gnade triumphiert! „Durch diese ward das Herz, die Lieb und Treu geruͤhrt. 655 „Jch bin dieselbige. So bald ich von ihr scheide, „So bleibt, ich weiß nicht was, an ihrem Koͤnigs-Kleide, „Das allen Anzug hemmt. Es braͤchte Langsamkeit: „Die; Zweifel: der; Verdruß: und dieser; Lauigkeit. „Da wurde das Gefuͤhl der Munterkeit gemindert, 660 „Vielleicht auch gar das Amt der Schuldigkeit gehindert. „Nun ist die Koͤniginn so wie Theresia, „Fuͤr die des Vaterlands Dienstfaͤrtigkeit geschah. S „Nun Theresiade „Nun ist sie, wie sie ist, durch meine Kraft begabet, „So daß ihr Freud und Lust sie nur zu sehen habet; 665 „Geschweige, stets mit ihr, um sie, naͤchst ihr zu seyn: „Dann ist sie nicht mit euch, so lebet ihr in Pein. „Jhr suchet sie so wohl in Truͤbsal, als in Freuden. „Jhr schwebt in Sorg und Angst, wann ihr sie muͤsset meiden. „Wo kommt die Regung her? was naͤhret diesen Trieb? 670 „Die waͤr des Tadels werth, die das nicht unterschrieb, „Daß es die Gnade sey. Wer es will wiedersprechen, „Dem muß es am Gesicht und am Gehoͤr gebrechen. „Werfft eure Blicke nur auf diese Koͤniginn, „Und sagt! was aͤussert sich in eurem Geist und Sinn? 675 „So folgt mit Recht der Schluß: ihr seyet uͤberwunden, „Jch habe dieses Streits Entscheidung ausgefunden. „Wer weiß, ob die Vernunft der Weisheit alles das „Was sie von sich erwaͤhnt, in der erfuͤllten Maß „So gleich ersonnen haͤtt, und so beherzt vollzogen, 680 „Wann ich nicht durch die Macht der Gnade sie bewogen. „Wahr ists, wir nehmen selbst an ihren Wercken Theil, „Jn vielen Stuͤcken ist ihr Amt der Staaten Heil; „Man weiß, was ihre Sorg’ in Freund-und Feindes Landen „Gefruchtet, ausgewuͤrckt, erobert, ausgestanden. 685 „Die Frag ist aber nicht, ob alles auf dem Muth, „Mit welchem sie so viel zu Weege bracht, beruht: „So Viertes Buch. „So kann sie mit dem Ruhm des ersten Orts nicht prangen, „Weil andere mit ihr so viel, als sie, bezwangen. „Wir haben insgesamt der Pflichten Zweck erreicht, 690 „Daher auch niemand gern von seinem Anspruch weicht; „So viel die Weisheit findt, was sie gethan, zu ehren, „So viel hat jede fast, das eigne Lob zu mehren. Thalia war auf sie mit Aug und Ohr gericht, Sie gab mir zu verstehn, ich soll auf ihr Gesicht 695 Mit Fleiß und Obacht sehn, auch auf ihr ganzes Wesen; Man konnt fuͤrwahr die Gnad aus allen Stuͤcken lesen. Haͤtt auch in jedem Sinn Kaltsinnigkeit gewohnt, So blieb er dannoch nicht von Reizungen verschont. Jhr Anmuths-voller Mund, ihr artiges Bewegen 700 War von so starcker Macht, als mancher Helden-Degen, Der auch den Stahl durchdringt. Es wies der ganze Saal, Daß sie den Herzen mehr als andere befahl. Sie sezte noch hinzu: „Ruhm-wuͤrdigste Freundinnen! „Wer hofft nun wieder mich das Vorrecht zu gewinnen? 705 „Dann wann ihr nur aus Lieb und Neigung gegen mich „Die Koͤniginn bedient, so schließt die Frage sich: „Daß ich die Quelle sey, von welcher hergeflossen, „Was je die Tugenden in diesem Krieg beschlossen; „Weil ihr in meiner Macht den Ursprung dessen liebt, 710 „Was euch zu der Begier zu wircken Anlaß gibt. S 2 „Jch Theresiade viertes Buch. „Jch koͤnnte diesem nach fuͤr mich den Ausspruch faͤllen, „Und mir das Ehren-Mahl des ersten Orts bestellen; „Allein was nuͤzte mir des Frieses Marmel-Stein, „Dem ich mehr, als er mir, zur Ehr und Pracht kann seyn? 715 „Kunst, Tugend und Natur verliehren Macht und Leben, „Wann meine Gaben nicht an ihrem Wesen kleben. Theresiade . Fuͤnftes Buch. S O bald die Gnade schwieg, so bald war ich erfreut, Und dachte: schließt man jezt vielleicht den Tu- gend-Streit? Jch konnte nicht verstehn, wer uͤberwinden solle; Wem der erleuchte Kreiß das Friese widmen wolle. So murꝛt ich mit mir selbst; die Zeit ward mir zu lang, Jch kuͤmmerte mich auch nicht viel um dieseu Rang: Besonders da ich sah, daß alle sich bestreben, Durch allerhand Beweis den Nuzen zu erheben, S 3 „Den Theresiade Den ihre Tugend bracht. Die Anzahl war so groß, 10 Daß die Weitlaͤuftigkeit der Reden mich verdroß. So mehr als ich den Schlaf so sehr im Auge fuͤhlte; Daß ich den ganzen Saal vor eingebildet hielte. Thalia nahm es war; so sagt’ ich: es ist spaͤt, Wer weiß, wann dieser Streit und Rath zum Ende geht; 15 Man wird vielleicht den Schluß erst morgen hoͤren muͤssen. „Nein„, sprach sie, nur getrost! sie werden bald beschliessen „Hab noch Geduld und sieh dort jene Tugend an, „Vielleicht ists ihr Verdienst, der alles enden kann. Ein nicht unfreundliches, holdsaͤliges Gesichte 20 Stund auf, als ob es sich schon zu dem Vorzug richte. So sagt’ ich: sey es dann! noch die vernehmen wir! Jch kehrte mich doch um und schliche zu der Thuͤr, Thalia nahms in acht, verfolgte mich und sprache: „Jsts moͤglich, daß dein Geist nicht eine Stunde wache?„ 25 Sie zuͤrnte: „sag! was nuͤzt die Lehr, die ich dir gab, „Als ich dich uͤber Berg und Thal gefuͤhret hab? „Die Reise waͤr umsonst, und Muͤh und Zeit verlohren: „Komm! bleib! du bist von mir zum Reiß-Gespan erkohren. „Es reuet dich gewiß, wann du nicht auch den Schluß 30 „Vernommen haben wirst, der bald erfolgen muß. „Jch wiche dem Verweis, indem ich selber spuͤhrte, „Daß es veraͤchtlich waͤr, wann mich der Schlaf verfuͤhrte. Sieh Fuͤnftes Buch. Sieh da! von ungefaͤhr erblickt’ ich eine Blum, Die man von Hand zu Hand sich in dem Kreiß herum 35 Zum riechen dargereicht. Was mag wohl dies bedeuten? Vollendet man dadurch, dacht’ ich, vielleicht das Streiten? Thalia sagte mir: „die welche dorten steht, „Und mit dem Auge stets nach dieser Blume geht, „Jst die Leutsaͤligkeit: die Blumen seynd ihr eigen; 40 „Sie will dadurch den Preiß der Freundlichkeit bezeugen. Was muß in dem Geruch, dacht’ ich, verborgen seyn? Das Wohlgefallen ist dem ganzen Saal gemein. Jnzwischen fieng ich an sie besser zu betrachten, Da viele noch die Zeit mit dem Geruch verbrachten: 45 Jhr aufgeraumtes Aug und die Lebhaftigkeit Versprachen meinem Sinn Lust und Zufriedenheit; Dieß munterte mich auf. Und wen sollt es nicht ruͤhren, Ein Angesicht zu sehn, das Reiz und Anmuth zieren? Mit solcher Freundlichkeit trat keine Tugend vor, 50 Jn keiner hobe sich dergleichen Pracht empor. Sie warff den Augenblick und dessen holdes Feuer Bald unbedeckt herum und dald durch einen Schleyer. Wie, wann ein weiß Gewoͤlck den heitern Himmel deckt, Jn dem die Sonne sich nur halb und halb versteckt, 55 Mit dem zerstreuten Glanz durch dessen Duͤnste blicket, Und hin und her die Luft mit ihren Strahlen schmuͤcket. So Theresiade So spielt’ und aͤugelte das uͤberschleyrte Licht, Jhr Anmuths-volles Aug, ihr heiteres Gesicht. Wer wuste, welche Macht die Meisterinn gewesen, 60 Die solche Meisterstuͤck’ in eines auserlesen. Nun kam die Rose mir auch ungefaͤhr zur Hand, Wodurch sich mein Gemuͤth erquickt, ergoͤzt befand: Bevor ich sie besah und vor die Nase hielte, O was vor Duft und Lust und Balsam ich schon fuͤhlte! 65 Jch spuͤhrte mich belebt, ermuntert und gestaͤrckt, Noch eh als mein Geruch die groͤste Kraft gemerckt. Gleich fiel mir ein: was ist Theresia zu schaͤzen, Wann so viel Blumen sich in ihr zusammen sezen? Dann jede Tugend ist der schoͤnsten Blume gleich, 70 Und sie an Tugenden, wie wir vernehmen, reich. O gaͤbe das Geschick, daß ich sie sehen koͤnnte! O daß den Tugend-Streit ein solcher Gluͤcksfall kroͤnte! Jnzwischen hoͤrt’ ich schon: „Nun hab ich, was ich such“ Sprach die Leutsaͤligkeit; der lang gehoffte Spruch 75 „Jst schon fuͤr mich gefaͤllt: es wird mir Beyfall geben, „Was in der Koͤniginn Gesellschaft sucht zu leben. „Der Rose Lieblichkeit und eure Freude zeigt, „Daß ihr der Gaͤrten Lust und Blumen-Pracht geneigt; „O daß der Fruͤhling bald in unsern Auen bluͤhte! 80 „Was fuͤhltet ihr vor Freud im Aug und im Gemuͤthe? „Nicht Fuͤnftes Buch. „Nicht wahr? ihr wuͤnscht es selbst? ihr lebt in Ungeduld „Biß euch das gruͤne Feld, biß euch die Bluhmen-Huld „Des Winters Schmach entreißt. Was reizendes Vergnuͤgen, „Wann ihr das Garten-Feld bebluͤhmet sehet ligen! 85 „Dann sagt, ist eine Zeit des Jahrs dem Fruͤhling gleich? „Jst jemahls die Natur, als da, so gnadenreich? „Wißt ihr was Lieblichers, als wann die Morgenroͤthe „Durch einen gruͤnen Strauch an einem Blumen-Beete „Uns in dem Graß erblickt? wir wissen selber nicht, 90 „Nach was das Herze strebt, auf was es mehr erpicht. „Dort dringt des Morgens Licht uns durch das Laub entgegen, „Dem Auge jene Lust der Blumen einzupraͤgen; „Hier sehet ihr den Baum mit weissem Schmuck behaͤngt, „Da spuͤhret ihr die Luft mit Suͤssigkeit vermengt; 95 „Die Pflanzen kraͤuseln sich fuͤr sanft- und holden Winden, „Die Zweige, Blatt, Gebuͤsch und unser Haar empfinden; „Nimmt nicht der Farben Spiel, der jungen Kraͤuter Scherz „Die frohen Sinnen ein? erfreut dieß nicht das Herz? „Pflegt dieser Umstand nicht den Sinnen Kraft, ja Leben, 100 „Gesundheit, Freud und Trost, und neuen Muth zu geben? „Das ist, was unsern Geist erquickt und was erfrischt. „Des Unmuths Duft vergeht, wo sich die Lust vermischt. „Das Jahr verjuͤngert sich, man fuͤhlt auf allen Weegen „Den Reichthum der Natur, den innerlichen Seegen. T „Ja Theresiade 105 „Ja dieses ist die Zeit, die selber sich ergoͤzt; „Weil sich die Freundlichkeit in ihre Reihen sezt. „Das ganze Welt-Gebaͤu wird wieder ausgezieret, „Als wurde dessen Pracht von neuem aufgefuͤhret. „Sag uns Theresia! wer eine Fruͤhlings-Au 110 „Mit solcher Wachsamkeit, so fruh, als du, beschau? „Du glaubest und erfaͤhrst, es sey nicht mehr zu richten, „Als in der Morgen-Stund bey neu-begruͤnten Fichten. „Kaum uͤberzieht das Gold der Sonne den Palast, „So steht Theresia schon an dem Thor gefaßt, 115 „Noch durch die Demmerung des Tages Schein zu gruͤssen, „Und jene sanfte Lust im Garten zu geniessen. „An einem Blumen-Beet, an einem hellen Bach, „Jm Graß, an einem Baum, da ist ihr Staats-Gemach; „Da untersuchet sie die Kriegs- und Friedens-Schriften; 120 „Da sinnt sie nach, dem Land gewuͤnschtes Wohl zu stiften; „Sie folgt der Sonne Licht; dieß dringt ins tiefste Thal: „So sindt sich ihre Sorg’ und Einsicht uͤberall. „O mehr als irꝛdischer fuͤr uns gepflanzter Garten! „Vermag ein anderer der Welt dir nachzuarten? 125 „Du prangst mit einem Schaz, mit einer Wunder-Bluhm: „Der, so die Welt bebluͤhmt, nennt sie sein Eigenthum. „Er ists, der sie bewahrt, vor Ungemach beschirmet, „Jndem das Krieges-Schwert die ganze Welt bestuͤrmet. „Mein Fuͤnftes Buch. „Mein Amt begleitet sie sehr oft zu diesem Plaz; 130 „Das nehm’ ich aber nicht zu meiner Rede Saz; „Weil ich mir den Verdienst dardurch nicht will vermehren, „Nein: man beliebe nur mich ferner anzuhoͤren: „Jhr liebt die Fruͤhlings-Zeit? so liebt ihr meine Lust; „Es wohnet dessen Schaz und Preiß in meiner Brust: 135 „Der Erden holder Schmuck; der Morgen-Stunden Kuͤhle; „Der fruhen Sonne Blick und angenehme Schwuͤhle; „Das Laͤcheln des Gestraͤuchs; die bunt-gefaͤrbte Weid; „Der Hauch des Kraͤuter-Dufts; der Felder gruͤnes Kleid; „Seynd meiner Eigenschaft und meiner Tugend Wercke; 140 „Jch, die Leutsaͤligkeit, bin von dergleichen Staͤrcke. „Sagt! was vermeint ihr nun, daß dieser Fruͤhling sey? „Glaubt ihr, ich sorge mich nur um die Gaͤrtnerey? „Es ist Theresia. Sie schafft uns solche Freuden: „Das ist, weßwegen uns die Feinde so beneiden. 145 „Dann alles, was ihr erst von mir vernommen habt, „Jst das, womit ich sie zum Uberfluß begabt. „So viel der Fruͤhling uns Lust und Vergnuͤgen bringet, „So viel Annehmlichkeit aus ihrem Blick entspringet. „O was vor Gnaden-Thau, wann sie nur um sich blickt, 150 „Jhr Anmuths-volles Aug auf ihre Voͤlcker schickt! „Sie kann die Freundlichkeit mit solcher Macht ergiessen, „Daß Kummer, Sorg und Angst sich muß mit Trost versuͤssen. T 2 „Er- Theresiade „Erscheinet sie mit Pracht; was ist die Morgenroͤth? „Was ist die Sonne selbst? durch ihre Majestaͤt 155 „Entflammt sie unser Herz: in ihrer Augen Blicken „Kann Sinn, Gemuͤth und Seel und Leben sich erquicken. „Jch seze, daß sie nur an einem Fenster sey: „Wie lauft das frohe Volck nicht Schaaren-weis herbey? „Als ob der Sonne Glanz aus truͤben Wolcken lache, 160 „Und schoͤner Witterung die Vorbedeutung mache. „Wer weiß nicht, daß so gar die Wolcken-volle Luft „Auf ihre Gegenwart und Willkuͤhr sich berufft? „Sie daͤrffe dem Geschwell des Regens nicht erlauben, „Jhr einen schoͤnen Tag, den sie bestimmt, zu rauben. 165 „So bald hingegen sie sich aus der Stadt begibt. „So scheint das treue Volck verlassen und betruͤbt; „Es schleicht so still herum, wann es in Kummer lebte, „Und nach des Fruͤhlings-Lust in Winters Unmuth schwebte. „Es gleicht dem welcken Graß, dem es am Thau gebricht; 170 „Dem Hirschen, dem der Durst durch alle Glieder kriecht. „Auf einmahl wird es still; die frohen Zungen schweigen, „Wie wann des Morgens sich die Tage finster zeigen. „Folgt aber ungefaͤhr das froͤhliche Geschrey: „Daß unsre Koͤniginn auf der Zuruckkunft sey; 175 „Was vor Lebhaftigkeit? was Freuden und Frolocken „Pflegt nicht das ganze Volck zum Zulauf anzulocken? „Nichts Fuͤnftes Buch. „Nichts bleibet unerregt; so gar auch von dem Land „Eilt man den Strassen zu; die Lust nimmt uͤberhand, „Auch nur auf einen Blick die Koͤniginn zu sehen; 180 „Es kann dem treuen Volck nichts Gluͤcklichers geschehen. „Man rennet, lauft und fliegt, man klimmt auf Mauren hin, „Springt, hupft, frolockt und rufft: Es kommt die Koͤniginn! „Man suchet Baͤume, Dach und aller Huͤgel Hoͤhen, „Da dringet Schwarm auf Schwarm und stellt sich auf die Zehen. 185 „Hier schwencket jemand Fuß und Hand um einen Stock, „Dem steigt ein andrer nach und haͤlt ihn an dem Rock; „Dort kommet eine Schaar im Jauchzen, Schweiß und Schnaufen, „Nach welcher andere mit vollem Athem laufen; „Da kracht schon fuͤr der Last der Menschen eine Buͤhn; 190 „Dort ziehen einige sich einen Karren hin, „Besteigen ihn so schwer, daß Ax und Rad zertruͤmmert, „Das Volck zusammen faͤllt und in dem Haufen wimmert. „Die Plaͤze werden voll, der Gassen Raum zu eng; „So weit das Auge reicht, steht alles im Gedraͤng. 195 „Warum dann dieß Getoͤß? die Koͤniginn wird kommen, „Darum hat jung und alt die Strassen eingenommen; „Kein Wunder. Ob sie nun in Koͤniglicher Tracht, „Mit ihres Hofs Gefolg, in sonst bequemer Pracht, „Jn oder vor der Stadt, in Pomp, auf Lustbarkeiten/ 200 „Auch im Palast erschein; so wimmelt es von Leuten, T 3 „Die Theresiade „Die sie mit Freundlichkeit mit Gnaden-Blicken gruͤßt, „Daß manchem oft das Aug in Freuden-Thraͤnen fließt: „Das ist Leutsaͤligkeit. Hoͤrt, was man pflegt zu sagen: „ Theresia kommt an zu Fuß, zu Pferd, im Wagen, 205 „Sie troͤstet, laͤchelt, gruͤßt, sie redet auf die Leut; „Seht! ob sie sich des Volcks auch nur des Poͤbels scheut! „O blickte sie mich an! sagt jeder sich zu troͤsten; „Sie reizt zu diesem Wunsch den Kleinsten wie den Groͤsten; „Jhr selbst gefaͤllt es wohl, wann sie kann freundlich seyn, 210 „Sie dringt auf diese Weis in aller Herzen ein. „Freundinnen! hab ich recht? gesteht, was ihr gedencket! „Seyd ihr nicht selber oft in solcher Lust versencket? „Fragt nur den Krieges-Staat! fragt den gemeinen Mann! „Man fange wo man will, bey dem und jenem an: 215 „So seynd sie gleiches Sinns die Freundlichkeit zu loben; „Nichts wird mit solchem Liebs- und Ehrfurchts-Trieb erhoben. „Wie viel Mahl stehet sie bey der gemeinsten Wacht, „Die der Verpflichtung nach auf ihren Dienst bedacht, „Die Schlachten, Kriegs-Gebraͤuch und Thaten zu vernehmen, 220 „Wie, wann zwey Krieges-Freund aus Feindes Landen kaͤmen? „Sie fragt den Mann ob ihm der Krieges-Stand gefaͤllt: „Und hoͤrt ihm gnaͤdig zu, wann er beherzt erzaͤhlt: „Bey welchen Stuͤrmungen er habe mit gestritten, „Was er vor Ungemach und Tods-Gefahr gelitten; 205 „Er Fuͤnftes Buch. 225 „Er acht’ in dem Gefecht bey Leistung seiner Pflicht, „Wann nur der Streit gerecht, das Blut-vergiessen nicht; „Sie muͤsse durch den Krieg, der unrecht angefangen „Ruhm, Ehre, Sieg und Heil, und endlich Recht erlangen. „Was nuͤzt ihr das Gespraͤch? ich stelle solches an, 230 „Weil ich dadurch den Weeg zum Sieg bereiten kann. „Der Gold- und Silber-Klang der Koͤniglichen Stimme „Bewircket, daß in ihm die Treu und Liebe glimme. „Man stelle sich die Kraft des Feuer-Pulvers vor; „Was bringt ein Korn davon vor eine Brunst empor? 235 „Die sich den Blizen gleich so weit und breit entzuͤndet, „Als jenes noch ein Korn von seiner Tugend findet. „So lauft die Wirckungs-Kraft der Koͤniglichen Gnad, „Sie nebengehet nicht auch den geringsten Grad; „Sie schwinget sich und fliegt durch unsre Krieger-Schaaren, 240 „Macht ihnen im Gezelt so wohl als in Gefahren „Durch Einfluß meiner Kraft die schwerste That so leicht, „Daß niemand vor dem Feind, nicht vor dem Tode weicht. „Man trozet die Gefahr, ein jeder will sich raͤchen, „Ein jeder sucht ein Reis von Lorbern abzubrechen; 245 „Euch ruht dergleichen That noch in Erinnerung, „Wie nur ein kleiner Schwarm der groͤsten Macht entsprung? „Weil jedem lieber war, durch tausend Feindes Klingen, „Durch Feuer, Mord und Tod in Sicherheit zu dringen, „Als Theresiade „Als hoͤren, wie man ihn mit goldnem Ruf gelockt? 250 „Was hat dem tapfern Mann Ohr, Aug und Herz verstockt? „Jst nicht Leutsaͤligkeit das Treibwerck solcher Sinnen; „So weiß ich nicht, wie sie die Herzen kann gewinnen. „So gar die Feinde seynd der Wirckung uͤberzeugt; „Auch ihnen ist bekannt, wie weit mein Wesen steigt; 255 „Nachdem sie Schaaren-weis aus ihrem Heer entrissen „Das Kriegs-Gewehr, von uns besieget, strecken muͤssen. „Die Kriegs-Gefangenschaft, die sie dadurch verschuldt, „Wird ihnen angenehm, sie leben in Geduld, „Und andre saͤhnen sich, daß sie gefangen waͤren, 260 „Auch selber anzusehn, was sie nur mußten hoͤren. „Die, welche Sorgen-frey, mit Gnaden uͤberhaͤuft, „Ja durch der Koͤniginn mildreichen Schuz gesteift, „Den sie mit Fried und Ruh, vom Unheil fern, geniessen, „Bereden andre mehr, dergleichen zu beschliessen: 265 „Was? sprechen sie, die Frau? ist sie der grosse Feind, „Zu dessen Thrones Sturz wir angerucket seynd? „ Theresia? die Frau? die Welt und Himmel liebet?- „Die war durch unser Heer, durch unser Schwert betruͤbet? „Das, schreyen sie, das ist Verblendung, Ubermuth, 270 „Wann unser Vorsaz nicht auf besserm Recht beruht! „Es wundert ihr Gemuͤth, wie sich ihr Haupt vergangen, „Von einer solchen Frau den Zepter zu verlangen. „Die Fuͤnftes Buch. „Die mehr durch Gnad und Huld den Feinden abgewinnt, „Als nicht die Laͤndersucht, an sich zu ziehn, ersinnt. 275 „Die mit der ganzen Welt in Frieden wuͤnscht zu leben; „Kein anders Recht besizt, als das ihr GOtt gegeben. „Dieß hoͤren einige, wann jemand also spricht; „So muntern sie sich auf, und saͤumen laͤnger nicht: „Man eilt, sich durch die Flucht zum Kriegs-Heer zu verfuͤgen, 280 „Bey dem der Koͤniginn siegreiche Fahnen fliegen. „Besteigt die Majestaͤt nun auch den Koͤnigs-Thron, „So stehet nichts so fern, so tief, so weit davon „Das sie nicht uͤbersieht. So weit das Tag-Licht dringet, „Auch die verborgne Macht der Freundlichkeit sich schwinget. 285 „Wahr ists; ich muß gestehn; ihr Antliz machet zwar „Mich, meine Wirckungen nicht allzeit offenbar, „Doch findet sich ihr Herz, ihr Wissen und Gemuͤthe „Nicht nur beym Koͤnigs-Thron, auch bey des Bettlers Huͤtte. „Fuͤr beyde sorget sie: sie schaͤzt das Bauren-Gut 290 „Jn seinem Werth so viel, als hohes Adels-Bluth. „Zeigt es das Auge nicht, so weisen es die Wercke, „Aus denen ich die Kraft von meiner Tugend mercke. „Warum bestrebet sich so gar ein armer Baur „Auf Bergen, in dem Feld, vor, in und auf der Maur 295 „Fuͤr seine Koͤniginn mit Gut und Bluth zu streiten? „Weil meine Tugend kann sein Herz dazu bereiten. U „Er Theresiade „Er denckt an sie, wann er sein Brod vergnuͤget ißt, „Wer weiß, ob unsre Frau, sagt er, die Ruh genießt? „Es faͤllt ihm ein, er spuͤhrt sein Herz aus Einfalt springen, 300 „Um seiner Koͤniginn ein Stuck davon zu bringen. „Er wagt es; gehet hin und uͤberreicht es ihr; „Sie nimmt es an und zeigt sich ihm geneigt dafuͤr. „Der Mann erkennt sein Herz fuͤr Lust und Trost begluͤcket, „Daß ihn die Koͤniginn so freundlich angeblicket; 305 „Hierdurch erfuͤllt er sich mit Ehrfurchts-voller Freud, „Und schwoͤrt ihr treu zu seyn, von neuem einen Eyd. „Er wuͤnschet seinen Sinn der ganzen Welt zu zeigen; „Er heißt es Missethat, die Gnade zu verschweigen. „Hier ist die Freundlichkeit mehr als das baare Geld; 310 „Mehr als was man bisher in diesem Kreiß erzaͤhlt. „Zeig aber jemand sich mit schwuͤlstigem Betragen; „Wie kann ihr hoher Ernst es nicht in Demuth schlagen? „Auch mit der Freundlichkeit leutsaͤligem Bemuͤhn „Kann sie das stolze Herz des Hochmuths an sich ziehn. 315 „Man liebt und fuͤrchtet sie, man legt sich ihr zu Fuͤssen, „Weil nirgends solche Hilff und Zuflucht zu geniessen. „Genug: ich bin der Kron erwaͤhlter Diamant, „Der durch sein Feur das Herz des Unterthans entbrannt. „Desselben Bliz und Glanz seynd ihrer Augen Blicke; 320 „Kurz: ich bin ihre Pracht, sie ist mein Meisterstuͤcke. „So Fuͤnftes Buch. „So fraget nimmermehr: was hilfft leutsaͤlig seyn? „Jhr seht es; alles stimmt zu meinem Vortheil ein. „Schmacht jemand in der Noth; ist ihm nicht Hilff vonnoͤthen? „Ob gleich dieselbige nicht allzeit pflegt zu retten. 325 „Aus der Leutsaͤligkeit entsprießt die Freundlichkeit, „Die liebt man; dieß verschaft des Freunds Gewogenheit: „Von diesem kommt uns Hilff. So seyd ihr uͤberzeuget, „Daß die Leutsaͤligkeit euch billig uͤbersteiget; „Daß wann ich schon kein Schwert zu der Beschuͤzung trug, 330 „Jch dannoch Rach’ und Zorn der Feinde niederschlug. „Zerfallen meiner Macht Verdienste, Preiß und Staͤrcke, „So faͤllt auch das Gewicht und Ansehn eurer Wercke. H Jer ward sie still; so nahm wer anderer das Wort, Und fuhr in dem Gespraͤch mit gleichem Eifer fort: 335 „Jhr moͤget unbesorgt den Sieges-Stein gewinnen, „Bevor ihr mich vernehmt. Doch wertheste Freundinnen! „Hoͤrt auch und uͤberlegt, was meine Tugend sey! „Hernach geb’ ich dem Kreiß den Schluß gelassen frey. „Wer ist nicht wegen mir der Koͤniginn ergeben? 340 „So muß man mich sowohl, und mehr, als euch erheben. So fieng ihr Vortrag an. Jhr grosses Auge wies, Daß sie zum Beyleid sich sehr leicht bereden ließ: Jhr Haupt trug einen Kranz von Oehl- und Ceder-Zweigen; Auch diese Zierde schien die Neigung anzuzeigen, U 2 Und Theresiade 345 Und recht: Thalia sprach: „Dieß ist Barmherzigkeit. So dacht’ ich: welche That veranlaßt die zum Streit? Jhr Ansehn zeigt ja nichts als der Erbarmung Zeichen: Unfehlbar wird ihr Amt den andern muͤssen weichen. Jnzwischen hielt sie sich nicht auf; so gab’ ich acht, 350 Was bey Theresia sie dann vor Wunder macht. Zugleich vernahm ich dieß: „Jch hatte nicht gefochten „Als Unbarmherzigkeit und Zorn und Hochmuth pochten. „Jedoch war meine Brust ein Jnnbegriff der Kraft, „Die mehr, als manche Faust der Helden, Rath geschaft; 355 „Hold, freundlich und geneigt erfuhren wir den Himmel, „Er halff im aͤrgsten Kampf, im groͤsten Kriegs-Getuͤmmel: „Es sprangen alt und jung, und Weib und Kinder bey; „Jch sahe niemand fast von Muͤh und Arbeit frey, „Als uns die Noth umrung: wo sich nur Haͤnde fanden, 360 „Die waren mit Geraͤth zur Gegenwehr vorhanden. „Durch was erregte sich der Eifer, dieser Trieb? „Wer lehrte diesem Volck die nicht erhoͤrte Lieb? „Jch! die Barmherzigkeit. So fanden wir die Schlingen, „Jn die der Feinde List und Macht uns wollte zwingen. 365 „Es kommt mir unbewaͤhrt und schlecht erwiesen vor, „Womit die Freundlichkeit so viele Zeit verlohr: „Wie wann der eitle Zug der Fruͤhlingshaften Miene „Vor einer Helden-That, Ruhm, Preiß und Rang verdiene. „Ge- Fuͤnftes Buch. „Gezwungener Beweis! Jch sez’, und es geschicht, 370 „Daß aufgehaͤuftes Eis den Damm des Strohms erbricht: „Wodurch der Waͤsser Macht ein halbes Land verschlinge, „Wald, Gaͤrten, Dorff und Feld in ihren Wirbel bringe. „Sag an Leutsaͤligkeit! du steigest auf den Wall, „Du schauest freundlich zu wie dieser Wasser-Schwall 375 „Viel tausend Menschen schreckt? wie viele gar ertrincken? „Wie mancher in dem Schlam muß Beystand-loß versincken. „Ein arm verlaßnes Weib mit ihrer Kinder-Schaar „Sizt in dem Elend dort; weint, heulet, krazt im Haar; „Schreyt, aͤchzet, rufft um Brod; du wirst sie freundlich gruͤssen, 380 „Was laͤssest aber du sie bey der Qual geniessen? „Des Winters Grimm und Schaur raßt, wuͤttet: es erstarꝛt „Ein armer Kinder-Schwarm, der sich im Schnee verscharꝛt. „Dort faͤhrest du vorbey; du laͤchelst auf die Kinder; „Wird Hunger, Frost und Schmerz fuͤr sie dadurch gelinder? 385 „Hold, freundlich, angenehm ist deiner Wercke Macht! „Verzeih! wann dich mein Herz in Freundlichkeit verlacht! „Bey jener Wasser-Noth bin ich nach Hof geloffen, „Wo ich die Koͤniginn noch schlaffend angetroffen; U 3 „Jch Welche den 5. 6. 7. und 8. Merz-Monat 1744. die Rossau/ die Leopold-Stadt/ und alle an der Do- nau herum ligende Gegenden auf et- liche Meilen uͤberschwem̃te. Theresiade „Jch unterbrach die Ruh. Kaum hoͤrte sie von mir 390 „Der Flutten Raserey, so brandt sie fuͤr Begier „Dem so bedraͤngten Volck persoͤnlich beyzustehen; „Sie sprung vom Bett, um Hilff und Rettung umzusehen. „Sie lief und folgte mir; vergaß die Koͤniginn. „Es lag ihr nur die Noth des treuen Volcks im Sinn. 395 „Was immer helffen konnt, ward ploͤzlich angefrischet; „Fast haͤtte sie sich selbst in die Gefahr gemischet. „Nichts fand’ ich unermahnt. Jhr eigner Ehgemahl „War von der Helffenden Mitleidens-vollen Zahl. „Fort! hurtig! auf! geschwind! man eile, laufe, renne! 400 „So rieff Theresia, damit man Beystand goͤnne. „Genug! das ganze Volck, so gar die wilde Flutt „Mußt ihr gehorsam seyn: sie bog die stolze Wuth, „Und trug der Schiffe Last auf Pfeilen-schnellen Wellen, „Dem hart bedraͤngten Volck die Nahrung zuzustellen, 405 „Womit Theresia sie gleich beladen ließ, „Und die verlassne Stadt der Hungers-Noth entriß. „Das Kleinod ihrer Brust, so wir Mit-Vater heissen, „Laͤßt selber von dem Strohm sich in die Wirbel reissen. „Er eilt, besteigt den Kahn, gibt Leib und Leben Preiß, 410 „Scheut weder die Gewalt der Waͤsser, noch das Eis. „Er schwimmt durch die Gefahr; der Ruder-Knecht erblasset, „Daß dieser Fuͤrst den Muth so kuͤhn zu schiffen, fasset; „Doch Fuͤnftes Buch. „Doch rudert er beherzt, und bringt ihn gluͤcklich fort; „Ein jedes armes Haus ist der gesuchte Port. 415 „Wo Jammer, Elend, Noth sich an dem Fenster zeigen, „Da sieht man ihn behend den Bord des Kahns besteigen. „Er reicht den Duͤrftigen das Brod mit eigner Hand; „Und gibt dem armen Volck ein wahres Liebes-Pfand. „Jst er zu weit entfernt, da braucht er eine Stange, 420 „Damit der Seufzende die Vater-Hilff erlange. „Jch rede nur von dem, was alle Welt gesehn; „Und tausend Zeugen noch mit froher Stimm erhoͤhn. „Jhr selber hoͤrt das Volck frolocken, singen, loben, „Daß beyde dazumahl sich an den Strand erhoben, 425 „Und Rettung ausgewuͤrckt. Es ist noch unentdeckt, „Ob sie nicht groͤssre Freud, als Angst die Noth erweckt. „Kein Mensch war so beherzt, mitleidend, unverdrossen, „Als sie; von ihnen ist der Beystand her geflossen. „Freundinnen! uͤberlegt, was diese That verhuͤllt; 430 „Wie GOtt oft wunderbar der Menschen Wunsch erfuͤllt. „Betrachtet jenen Kahn! betrachtet jene Stange! „Wer weiß, was dieser Fuͤrst durch solche Fahrt erlange? „Wie? wann von ungefaͤhr ein solches Fischer-Schiff „Dort, wo Theresia zu Wasser reiset, lief; 435 „Der Schiffmann aber spraͤch: Hier bring ich den gekroͤnet, „Nach dem dein Helden-Herz o Koͤniginn! sich saͤhnet: „Und Theresiade „Und sie den Ehgemahl ganz unvermuthet saͤh? „Sagt an, warum und wie dergleichen Fall geschaͤh? „Jhr wißt es, wann ihr nicht den Ausspruch habt vergessen: 440 „GOtt mißt mit jener Maaß, mit der man hat gemessen. „Der Fuͤrst steht Armen bey. Durch was? durch einen Kahn. „Da sieht GOtt sein Gemuͤth, auch die Gemahlin an „Und spricht: So schiffet er, den Armen beyzuspringen? „Man soll in einem Kahn Jhr Jhn als Koͤnig bringen. 445 Hier schwieg sie still, jedoch das Schweigen schien so viel Als waͤr sie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel; Jnzwischen ward im Saal fast jeder Anblick rege, Als wann man dieses Falls Bestaͤttigung erwege. „Es kostet sie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Lust, 450 „Wann ein verlassnes Weib ihr in dem Land bewust; „Sie fragt“, so sprach sie fort, „des Morgens nach den Armen, „Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen „Durch einen Blick erweckt. Wo sie nicht selber kann, „Hilfft sie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran. 455 „Duͤrfft’ ich diejenigen dem Kreiß vor Augen stellen, „Die sie auch anderwaͤrts aus truͤben Elends-Wellen „Jn Diese Begebenheit/ welche all- hier Vorbedeutungs-weis angefuͤhret wird/ ereignete sich den 21. Sept. 1745. bey Urfar in der Grafschaft Wertheim/ allwo Jhro Majest. die Koͤniginn Aller- hoͤchst Dero Gemahl zum ersten Mahl als Roͤm. Koͤnig in einem Fischer-Kahn auf dem Mayn-Strohm erblicket haben. Fuͤnftes Buch. „Jn Sicherheit gebracht, die nun der Noth befreyt, „Und aller Wehmuth loß mit froher Danckbarkeit „Das vormahls bittere, nun suͤsse Brod geniessen, 460 „Und darum ihr Gebeth fuͤr sie zu GOtt ergiessen; „So faͤnd’ ich keinen Plaz; die Stadt waͤr viel zu eng, „O Trost-erfuͤllte Schaar! was froͤhliches Gedraͤng! „Es wurd ein ganzes Heer von Kindern, Wittwen, Waysen, „Die sich von ihrer Huld, von ihrer Gnade speisen. 465 „Jch glaube nicht, daß es so viel Gespraͤch bedarff „Zu zeigen, wie sie stets mein Ebenbild entwarff; „Jhr wißts, und koͤnnt es euch noch mehr vor Augen stellen, „Als es aus dem, was ich erzaͤhle, mag erhellen. „Es ruͤhmt die Froͤmmigkeit sich des erworbnen Siegs; 470 „Sie sey die Retterinn; die Fuͤhrerinn des Kriegs; „Der Himmel habe sich auf ihr Gebeth gebogen, „Und tausend Wunder-Werck’ um unser Heil gepflogen. „Das nimmt mir den Bestand von meiner Hoffnung nicht; „Jch weiß, daß wegen mir so viel, auch mehr geschicht. 475 „Jch will Magnet und Pol und Ruder uͤberwinden, „Jch weiß zu diesem Ziel Beweis und Grund zu finden. „Wie viele ruffen nicht zu der Allmoͤgenheit, „Daß sie die Koͤniginn durch diese Krieges-Zeit „Und sonsten immerfort fuͤr Ungemach bewahre; 480 „Damit ihr nichts als Heil und Siegen wiederfahre? W „Wer Theresiade „Wer seynd die Flehenden? die sie durch mich gespeißt, „Getraͤnckt, bedeckt, getroͤst, und noch aus Wehmuth reißt. „Jezt schreyt ein armes Weib: (vergoͤnnet das Gehoͤre) „ Theresia schickt Hilff! daß GOtt ihr Haus vermehre! 485 „Kein Wunder. Alles traͤgt mir dieses Zeugnis bey: „Daß die Barmherzigkeit der Wohlfart Stuͤze sey. „Durch meine Werck’ hab’ ich die Macht des Throns verneuert, „Und den Bedrohungen des Untergangs gesteuert. „Zu der Bekraͤftigung vernehmt noch diesen Fall; 490 „Nur diesem wiedmet ihr gewiß ein Ehren-Mahl. „Ein Fall, wo der Beweis in unsern Ohren klunge „Wie weit Barmherzigkeit in ihre Seele drunge. „ Theresia zu Pferd, mit solcher Pracht geschmuͤckt, „Dergleichen man im Pomp der Helden nicht erblickt, 495 „Kann ihren grossen Geist auf arme Kinder lencken, „Aus Beyleid ihnen Sorg’, Erbarmen, Kummer schencken. „Jst dieß Barmherzigkeit? da sie den Degen fuͤhrt, „Bezeugt sie das Gemuͤth durch meine Kraft geruͤhrt. „Habt ihr nicht den Triumpf des Ritter-Spiels gesehen, 500 „Wo die Begebenheit von ungefaͤhr geschehen? „Sie ritt auf Krieger-Art als Ritterinn daher, „Erhoͤhte den zum Kampf schon eingelegten Speer; „Ein Welches den 2ten Januarij 1743. gehalten wurde. Fuͤnftes Buch. „Ein Chor der edelsten und tapfersten Heldinnen, „Begleitete den Zug als andre Koͤniginnen. 505 „Das Pferd gehorchte nur dem Koͤniglichen Sinn, „Als laͤg ihm selbst daran, daß sie den Preiß gewinn. „Sie ließ in ihrer Tracht und sonst in allen Stuͤcken, „Des Herzens Munterkeit und Helden-Triebe blicken; „Sie stund und hielt sich still, erwies durch das Gesicht 510 „So viel, als wann man sich im Kampf den Sieg verspricht. „Jn keinem Umstand ist in ihren hohen Mienen „Mehr Gnad’ und Majestaͤt, als dazumahl erschienen. „Jhr Auge, das den Trieb der Ehrfurcht mit sich fuͤhrt, „Erfuͤllte das, was sonst die Pracht der Ritter ziert, 515 „Die voller Geist und Muth sich auf den Kampf-Plaz wagen, „Mit ihrem Feinde sich um Ehr und Preiß zu schlagen. „Da man die Seltenheit der Ritterinnen da, „Dort eine gleiche Zahl auf Helden-Waͤgen sah; „Ließ der Trompeten-Schall, der Paucken-Klang sich hoͤren, 520 „Der ersten Ritterinn den Anzug zu erklaͤren. „Hier ruckt Theresia von ihrem Plaz hervor, „Sie hebt den goldnen Speer mit Munterkeit empor, „Schwenckt Haͤft und Spize sanft und herzhaft durch die Luͤfte, „Als wann sie Faust und Arm und Muth zum kaͤmpfen pruͤfte. 525 „O tapfre Koͤniginn! du theures Helden-Bild! „Dir fehlte damahls nichts, als Harnisch, Helm und Schild. W 2 „Der Theresiade „Der Braun, der brafe Braun schnauft’, eilte, schnarchte, sprunge, „Jndem er sich im Kreiß, als ob er floͤge, schwunge; „Die Lanze senckte sich gerad und so geschickt, 530 „Daß, eh man noch das Ziel, den Kopf, den Stoß erblickt’, „Der Tartar schon erhoͤht an ihrer Spize steckte, „Und auf dem Ritter-Plaz gemeine Freud’ erweckte. „Da sie den Speer verließ, hielt sie das Pferd nicht auf; „Sie grieff nach der Pistol in stets verfolgtem Lauf, 535 „Sie spannt und schwung das Rohr, verwandt die Hand und zielte; „Das Pferd schien, als ob es den neuen Vorsaz fuͤhlte, „Es lief weit munterer: an dem Gebiß und Zaum „Vermehrte sich der Rauch und unerschrockne Schaum; „Sein Lauf war schnell, jedoch gehorsam nach dem Zuͤgel, 540 „Als gaͤb ihm die Begier der Ehre Sporn und Fluͤgel. „Jm Sprengen druckte sie nach einem Mohren loß, „Wodurch sie dessen Kopf von seinem Rumpfe schoß, „Und gleich den Wurff-Pfeil nahm, ihn um die Scheitel drehte; „Da der getreue Braun die stolze Nase blaͤhte, 545 „Als haͤtt ein Feind das Schwert auf seine Frau gewezt, „Und er aus Rach-Begier demselben nachgesezt: „Jndem er so erfrischt durch alle Reihen jagte, „Daß schon der dritte Kopf vor seinem Anlauf zagte. „Man sah der Koͤniginn Arm, Wendung, Aug und Brust 550 Bey diesem zweyten Sieg voll Munterkeit und Lust. „Der Fuͤnftes Buch. „Der Wurff-Pfeil bebte schon; sie wußt ihn so zu schwingen, „Daß Lauf und Maß und Wurff und durch den Kopf zu dringen „Nur eine Regung schien. Wie groß war nicht das Lob, „So bey der Ritterschafft in Freuden sich erhob; 555 „Da dieser Tarter-Kopf als ein gespißter Ballen „Durch einen Bogen-Flug von seinem Halß gefallen? „Nun fuhr sie mit dem Bliz der scharffen Kling empor, „Und warff den Helden-Blick des Augs auf einen Mohr; „Sie druckte mit der Faust und mit dem Streit-Gefaͤsse 560 „Den Hut in das Gesicht, und gabe ganze Bloͤsse. „Wer dachte damahls nicht: O Wunder-voller Held! „Koͤnntst du der Feld-Herꝛ seyn, wie siegreich waͤr das Feld? „Sie spielte mit dem Stahl, und wußt ihn so zu regen, „Als fuͤhrte sie niemahls den Zepter, stets den Degen. 565 „Jhr Augenwinck durchmaß von weiten jenen Grund, „Auf dem der Mohren-Kopf, als wann er pochte, stund. „Kein abgedruckter Pfeil ist je so schnell geflogen, „Als das erfreute Pferd sich gegen ihn bewogen. „ Theresia war schon des Ruhms, des Siegs gewohnt, 570 „So blieb auch dieser Kopf des Degens nicht verschont; „Sie senckte Leib und Arm, Gefaͤß und Hand und Klinge, „Der Braun verdoppelte zugleich die muntern Spruͤnge, „Daß, eh man sich versah, sie schon an Stell und Ort „Dem Troz des Mohren-Kopfs die Stirne durchgebohrt, W 3 575 Zum Theresiade 575 „Zum Zeichen des Triumpfs ihn aufgespißt getragen, „Als zeigte sie, wie man sich soll zum kaͤmpfen wagen. „Sie sprengte noch herum und wies den Ritter-Preiß, „Sieh da! so schreyt ein Kind: gleich ritt sie von dem Kreiß, „Warff diesen Kopf hinweg, und sorgte nicht um Ehren, 580 „Nur um das arme Kind und um desselben Zaͤhren. „O zarte Leidenschafft! sie war so sehr geruͤhrt, „Daß sich daruͤber fast das Ritter-Spiel verwirꝛt. „Das Weinen hieß nicht viel; doch war ihr Herz getroffen; „Wie konnte meine Macht hier was zu wircken hoffen? 585 „Was? fiel mir ein, so gar in einem Ritter-Spiel „Erreicht Barmherzigkeit das ihr beliebte Ziel? „Wann ihre Majestaͤt in solchem Staat begriffen, „Kann eines Kinds Geschrey sich in ihr Herz vertieffen? „So muß der Tugend Macht unuͤberwindlich seyn, 590 „Hier gibt sie dessen uns wahrhaften Augenschein. „So schliesset nun, wer sich mit mir vergleichen koͤnne; „Ob man nicht billig mich des Frieses wuͤrdig nenne. Thalia fieng hier an „Barmherzigkeit, Geduld „Und Sanftmuth eines Haupts seynd in des Himmels Huld; 595 „Der laͤßt sich nicht durch Muth und Tapferkeit bewegen, „Fast keine Tugend hat das treffliche Vermoͤgen. „Er- Dieser Zufall begab sich bey der Tags vorhero mit grosser Pracht gehaltenen Haupt-Probe dieses Rit- terspiels. Fuͤnftes Buch. „Erbarmen und Geduld seynd Schwestern: ihre Kraft „Vermag oft mehr, als was die groͤste Macht verschafft. „O duͤrfft ich zum Behuf derselben etwas sprechen, 600 „Es sollt ihr kein Beweis zum ersten Plaz gebrechen. „Haͤtt die Barmherzigkeit sich von dem Thron entfernt, „Und unsre Koͤniginn die Sanftmuth nicht erlernt, „So waͤr auch die Geduld aus ihrem Rath geblieben, „Mithin haͤtt eigne Wuth und Rach uns aufgerieben. 605 „Nur die Barmherzigkeit macht die Gemuͤther weich, „Dieß lehrt geduldig seyn, so nimmt man alles gleich: „Krieg, Ungemach, Verlust, die Furcht noch schlimmrer Zeiten, „Das kann man durch Geduld besiegen und bestreiten. „Was die Barmherzigkeit der ganzen Welt genuͤzt, 610 „Das hatte die Geduld so maͤchtig unterstuͤzt; „Daß, was ihr wiederstund, sich endlich muͤd erkennte, „Und nur durch ihre Kraft sich uͤberwunden nennte. „Jnzwischen hoͤrten wir von jener: „die Geschicht“ „Giebt meinem Amts-Verdienst vor allen das Gewicht. 615 „Da war die Tapferkeit, die Majestaͤt zu gegen; „Gnad’, Unerschrockenheit und Großmuth hielt den Degen; „Die Weisheit selber auch traff aller Orten ein, „Fast jede Regung war derselben Rath gemein; „Doch mußt’ ich zum Beschluß das edle Schauspiel kroͤnen: 620 „Die Koͤniginn verließ den Plaz um blosse Thraͤnen. „Jch Theresiade „Jch uͤbergehe viel; fragt selbsten eure Brust, „Es ist derselbigen so viel als mir bewust, „Wie sehr sie sich bemuͤht, Barmherzigkeit zu uͤben: „Sucht, sinnt und denckt nur nach, ich laß’ es unbeschrieben. 625 „Mir ist genug, daß es das ganze Land erkennt, „Und dessen uͤberzeugt sie seine Mutter nennt. „Was aber Kinder-Lieb und Mutter-Neigung haͤge, „Jst euch zu viel bewußt, als daß ich es erwege. „Wir haben dessen mehr als taͤglichen Beweis, 630 „So sagt mir, wem gebuͤhrt der Vorrang und der Preiß? Hier nahme sie das Kleid und schlug es um die Lenden, Schwieg, sezte sich, und ließ die Rede so bewenden. Theresiade. Sechstes Buch. W Ein Vorwiz fragte stets bald dem, bald jenem nach, Weil ich nicht jederzeit verstunde, was man sprach; Hier dacht’ ich: was ist mir an diesem Kind ge- legen? Mich wundert, daß sie mag dergleichen That erwegen. Thalia sah mich an, und merckte meinen Sinn Weil ich ihr unerregt und unzufrieden schien: „Was fehlt dir?„ fragte sie. Nichts: sagt’ ich, diesem Sprechen Wird es wohl an dem Recht auf jenen Stein gebrechen. X „Wa- Theresiade „Warum?„, versezte sie, dieß ist noch unbekannt, 10 „Die Tugend hat fuͤr uns so vieles angewandt, „Daß die bethoͤret seynd und irriger Gedancken, „Die nicht auch ihrer Hilff so Gluͤck als Heil verdancken. Jmmittelst kamen mir Oehl-Zweige zu Gesicht; Derselben Eigenschaft verstund’ ich wieder nicht. 15 Der, welche solche trug, schien jene Tugend eigen So die Barmherzigkeit vor ihr uns wollte zeigen. Thalia sagte mir: „Es ist die Mildigkeit „Die sich niemahls erzuͤrnt, wo sie nicht auch verzeiht. „Wie die Barmherzigkeit Bedrangten Hilff ertheilet, 20 „So sieht man, daß sie auch der Noth entgegen eilet; Sie aber fieng schon an: „ Jch hoͤr in sanfter Ruh „Dem Streit der Tugenden und ihrem Vortrag zu. „Was hoͤr’ ich aber? nichts, als von der Freud erzaͤhlen, „Mit der man oͤfters Zorn, als Guͤte pflegt zu waͤhlen. 25 „Bald rufft man: Jn die Schlacht! fort Leben, Gut und Bluth! „Wer nicht auf Waffen schlaͤft, vermeint nicht, daß er ruht; „Bald: schmiedet Stahl und Erz bereitet Spieß und Schwerter! „Schafft Brand- und Mord-Geraͤth! mich schrecken diese Woͤrter; „Noch mehr das raßlende schon blutige Gewehr: 30 „Wie fuͤhrt man es nicht oft in vollen Schiffen her? „Der Laͤnder Marck und Schweiß und Saft wird aufgezehret, „Und nichts damit als Muth und Tapferkeit ernaͤhret. „Um Sechstes Buch. „Um nichts ist man so viel als um den Krieg besorgt, „Rath, Wohlfart, Gluͤck und Heil wird von dem Stahl geborgt. 35 „Kein Thon ist lieblicher, als den die Waffen geben, „Kein Amt vortrefflicher, als nach dem Kampf zu streben. „Daß man das Heil des Lands und seines Volcks erlang, „Eilt man oft mit dem Heil des Lands zum Untergang. „Betruͤbter Helden-Ruhm! ist dann nicht auszusinnen, 40 „Wie kluge Mildigkeit auch koͤnne Statt gewinnen? „Daran verzag ich nicht; dann alles findet Zeit, „Zum Beyspiel nehm’ ich nur die Gnad und Froͤmmigkeit: „Derselben Kriegs-Geraͤth war weder Stahl noch Eisen; „Vernehmt, so will ich auch, was ich vermag, erweisen. 45 „Wie gern vernimmt man nicht des Feindes Untergang, „Dergleichen Zeitung ist der troͤstlichste Gesang: „Man springt, frolockt und rufft: die Feinde seynd geschlagen! „Das Herz entbrennt fuͤr Lust bey solchen Niederlagen. „Man wird fast neu belebt, vergnuͤgt, und auferweckt, 50 „Genug: die Feinde seynd, sagt man, ins Graß gestreckt. „Allein was nuzt die Freud und solche Lieder singen, „Die nichts als Lands-Verderb und Blut-vergiessen bringen? „Was heisset? brenn und seng! was heißt? schieß, hau und stich! „Und Sachen, welche so betruͤbt als fuͤrchterlich? 55 „Dieß alles ist von mir und meinem Geist entfernet; „So will ich daß ihr nun die Mildigkeit erlernet, X 2 „Wo- Theresiade „Wodurch Theresia mehr als durch alle steigt, „Und diesen Tugend-Werth in ihren Thaten zeigt. „Wahr ists, daß uns das Schwert oft unser Recht erzwinget; 60 „Jedoch eroͤffnet mir, was dieß vor Ruzen bringet? „Der Laͤnder Wuͤsteney, der Feinde Groll und Rach; „Dem folgt oft Sturz und Fall der Fuͤrsten-Haͤuser nach. „Jch sage nicht es sey die Mildigkeit vonnoͤthen, „Wann schon zu dem Gefecht der Schall der Feld-Trompeten 65 „Den Krieger auferweckt. Auch dieses wohnt mir bey: „Daß nur durch die Gewalt Gewalt zu zwingen sey; „Daß man die Lanze nicht als mit der Lanze messe, „Und nur mit blossem Schwert den Feind des Schwerts entbloͤsse. „Hingegen weiß ich auch, daß oft zu viel geschicht, 70 „Wann nichts als Helden-Muth, nicht auch die Guͤte sicht. „Gar selten ist es recht und oͤfters nur verwegen, „Der Menschen Heil in Blut, die Staͤdt in Aschen legen. „Oft lescht der Feinde Blut den Glanz der Ehren aus; „Oft kommt man zwar mit Sieg, doch ohne Ruhm nach Haus. 75 „Nicht jeder Sieg erwirbt den wahren Helden Nahmen; „Die Lorber sprossen nicht aus aller Thaten Saamen; „Sonst waͤr nur der ein Held, der starck und schrecklich ist, „Und eines jeden Recht nach seinem Degen mißt. „Jhr sprecht: man fechte nur, daß man das Recht behaupte, 80 „Weil dessen uns der Feind durch groͤssre Macht beraubte; „Jch Sechstes Buch. „Jch sage nicht, daß dieß dem Recht zuwieder sey, „Selbst die Gerechtigkeit stimmt euch in diesem bey. „Doch selten pfleget sie die Gnade zu verleihen; „Sie straft was strafbar ist, und denckt nicht zu verzeihen, 85 „Wann nicht die Mildigkeit durch Sanftmuth Schrancken sezt, „Daß sie die Schuldigen der Gnade wuͤrdig schaͤzt. „Wer mit der Guͤte mehr, als mit Gewalt beginnet, „Erfaͤhrt, daß er dadurch das Herz der Welt gewinnet. „Hingegen haͤlt er sich mit Schaͤrffe nur gefaßt, 90 „So macht er sich dem Freund so wie dem Feind verhaßt. „Jedoch damit ich nicht durch eitle Worte zeige, „Wie weit die Mildigkeit in ihren Thaten steige: „So leg’ ich meinen Saz durch einen Zufall dar, „Wo man zu Grunde gieng, weil ich verachtet war. 95 „Es wird sich selbst dadurch unwiedersprechlich weisen, „Daß oft ein Rohr mehr nuͤzt, als Feuer, Stahl und Eisen. „Ein uͤberwundnes Heer ist in der Stadt versperꝛt, „Wo sich die Noth mit ihm um Brod und Freyheit zerrt. „Es muß entweder dort dem Zwang zur Beute bleiben; 100 „Ja, oder den Befehl der Knechtschaft unterschreiben. „So wird um Gnad und Huld zum Feind hinaus geschickt, „Der aber pocht mit Nein: sein Schwert sey zu begluͤckt; „Man muͤsse sich auf Gnad und Ungnad uͤbergeben, „Sonst in gewisser Furcht des groͤsten Ungluͤcks schweben. X 3 „Von Theresiade 105 „Von solcher Haͤrtigkeit ist mein Gemuͤth entfernt; „Weil oft ein Feind dadurch sich zu entschliessen lernt: „Daß er sich eh zum Tod, als zu dem Zwang bereite, „Und selbst Unmoͤglichkeit mit neuem Muth bestreite. „Da die Verzweiflung dann, noch durch die lezte Kraft 110 „Die sie zusammen zieht, ihm Rath und Hilff verschafft. „Der Lorber-reiche Feind beaͤngstiget die Mauren, „Daß seine Schaaren selbst das Volck der Stadt bedauren. „An allen Orten heult die wohl verwahrte Noth, „Der Sieger zeigt durch Schwert und Feuer sein Geboth. 115 „Er laͤßt mit steter Wuth die Felsen-Brecher krachen, „Und jeden Weeg zur Hilff durch Mord und Brand verwachen. „Je mehr die Graͤßlichkeit der Sturm-Geraͤthschaft kracht, „Je mehr man in der Stadt zur Wehr sich faͤrtig macht. „Es muß der Flammen Wuth durch alle Winckel dringen, 120 „Das eingesperꝛte Volck zur Ubergab zu zwingen. „Man spricht ihm nichts mehr zu, als den Verheerungs-Zwang; „Man schwoͤrt ihm Rach und Grim̃, Blut, Wuͤrgen, Schwert und Strang, „Wann es nicht sanft, gebuͤckt, mit Stricken an dem Nacken „Zu Fuͤssen faͤllt: man will es Glieder-weiß zerhacken. 125 „Der aufgeblasne Zorn bricht solchen Urtheils-Stab, „Er haͤlt die Mauren schon vor der Verschloßnen Grab. „Dieß ist des Feinds Entschluß, vor dem die Waͤlle zittern. „Wie geht es in der Stadt bey diesen Ungewittern? „Man Sechstes Buch. „Man bittet, seufzet, fleht, weint um die Mildigkeit, 130 „Man ist zur Ubergab, doch frey zu seyn, bereit. „Nein! spricht man vor der Stadt; erwaͤhlen sie die Ketten, „So koͤnnen sie, sonst nicht, sich von dem Tod erretten. „Wohlan dann! auf! zum Schwert! weil keine Mildigkeit „Allhier zu finden ist, und nichts als Tyger-Haͤut 135 „Der Feinde Brustwehr seynd: so laßt uns lieber sterben, „Als Rettung sonder Ehr in solcher Schmach erwerben. „So rufft man in der Stadt. Man fraget nichts um Bluth; „Der Schmerz erregt den Zorn; der Zorn die Rach und Wuth; „Die waffnet Hand und Brust: der Grimm erfindet Weege 140 „Durch welche man dem Grimm der Feinde Schrancken lege. „Man schmiedet, schleifft und gießt, man sinnet Tag und Nacht „Auf Eisen, Stahl und Erz, auf starcke Gegen-Macht. „Man graͤbt, man sucht, man stopft, man oͤffnet stille Gaͤnge, „Wodurch man unvermerckt den stolzen Feind verdraͤnge. 145 „Der stehet vor dem Thor in tieffer Sicherheit; „Und dieß befreyt die Stadt von ihrer Dienstbarkeit. „Man ruͤstet sich bey Tag, um in der Nacht zu suchen, „Was Hoffnung, Rach und Noth so streng zusammen fluchen. „Der Sonne Licht entweicht, als scheut’ es diese That, 150 „So die Verzweiflung sich zum Ziel bestimmet hat. „Hingegen eilt die Nacht, den Armen beyzuspringen, „Sie faͤngt schon an den Feind in Finsterniß zu schlingen. „Die Theresiade „Die Gaͤnge wimmeln schon von der bedeckten Schaar, „Man schleicht auf Schlangen Art, verachtet die Gefahr; 155 „Man eilet still und schnell: man faͤngt sich an zu theilen „Auf dem bestimmten Plaz dem Siege nachzueilen. „Sanft, still gibt man Befehl; des Feindes Haupt-Geschaͤfft „Jst, daß sein Wiz, den Feind zu hoͤhnen, ligt und schlaͤft. „Der Angriff rasselt schon, man sucht an allen Seiten 160 „Um Freyheit, oder Tod, auf Loͤwen Art zu streiten; „Man sticht, man haut, man wirfft, die Wachten seynd schon hin: „Man hoͤret Streich auf Streich, und sieht schon Zelter gluͤhn. „Ein jeder muntert sich und folgt dem Muth der Bruͤder, „Bricht, schlachtet, reißt und dringt durch Gassen, Reih und Glieder 165 „Mit Picken, Schild und Schwert, mit Pech-ernaͤhrtem Brand; „Der angeflammte Zorn bewehret Brust und Hand. „Was je zum Morden taugt; Stein, Hacken, Spieß und Hamer „Rauscht aller Orten durch, erwecket Flucht und Jammer. „Das ganze Lager bebt fuͤr Eisen, Grimm und Gluth, 170 „Die Luft bedeckt der Dampf, den Boden Tod und Bluth. „Wuͤrg, stuͤrz und seng und brenn, zerschmettre, brich und biege, „Nimmt alle Winckel ein; man kennt schon fast wer siege. „Durch den verwirꝛten Kampf, durch das erboßte Schwert, „Wird der Verzweiflenden Rachgierigkeit vermehrt. 175 „Sie sehn schon allgemach den Baum der Hoffnung bluͤhen, „Der nicht im Schlaf erbleicht, muß Waffen-bloß entfliehen. „Ein Sechstes Buch. „Ein so gebruͤstetes, bey Tage stolzes Heer „Flieht, irret, eilet, lauft, verwirret sich so sehr „Daß es fuͤr Schrecken starꝛt; nicht weiß, was angekommen, 180 „Das mit so schneller Wuth das Lager eingenommen. „Es hoͤrt, bevor es noch zu Wehr und Waffen greifft, „Daß aller Orten her der Schwung der Klinge pfeifft. „Was es in Schutt und Stein zur Brustwehr ausgehauen, „Das schleifft die frohe Schaar; dann alles wird zu Klauen, 185 „Von welchen, was man sich zum Krieg hat angeschaft, „Jn diesem Blut-Gefecht zusammen wird gerafft: „Nichts von dem ganzen Heer verbleibet ungerochen, „Das Lager wird verheert, zerstoͤrt und abgebrochen. „Gewehr, Gezelt, Geraͤth schwimmt in dem Bluth herum, 190 „Man sorgt nur um das Heil, nicht um das Eigenthum. „Der Feind wird Haufen-weiß bey diesen blinden Streichen, „Jn diesem Nacht-Gefecht verwundet, und zu Leichen. „Nur aus den Folgungen wird jener Schaar bekannt, „Wer Feld und Sieg erhaͤlt, wer sich zur Flucht gewandt. 195 „Die Finsternis verbirgt, was Freund und Feind gelitten, „Nur ein zerstreutes Licht zeigt, wer mit Sieg gestritten. „Mich kom̃t ein Schauer an, wann ich die Schlacht betracht, „Wo die Verzweifelung den Sieg zu nichte macht. „Hartnaͤckigkeit und Troz seynd meinem Geist zu wieder, 200 „Mir zittern, wann die Faust so tobet, Herz und Glieder. Y „So Theresiade „So waͤhrt die Raserey bis an die Morgen-Stund, „Den Ausgang machet erst die Morgenroͤthe kund; „Da zeigt die Wallstadt sich mit Freud und Leid bedecket, „So theils sich offenbart, theils sich in Bluth verstecket. 205 „Da nimmt der Sieger erst, was er erfochten, wahr; „Da stellt sich der Erfolg gerechter Nothwehr dar. „(O! waͤr Theresia bey diesem Heer gewesen, „So wurde man die Schlacht in keinem Tag-Buch lesen:) „Man sieht erstaunend an, zu was der Schluß genuͤzt, 210 „Wie man die Noth besiegt, wann man aus Noth sich schuͤzt. „Was von der Feinde Schwarm verjagt, und aufgerieben. „Was dessen Stolz zur Ehr und zum Triumpf geblieben. „Das Traur-Spiel zeiget auch, was von der Sieger Schaar „Auf dieses Ehren-Bett tod hingestrecket war, 215 „Und nun gepriesen wird; weil es den Weeg gegangen, „Auf dem man zwar in Bluth, doch Ruhm-voll pflegt zu prangen. „Kurz: was schon Fesseln trug, stellt sich in Freyheit dar, „Und in dem Untergang, was voller Hochmuth war. „Der Zweifel ist geloͤst, wer sich den Sieg erfochten; 220 „Was jene nun vollbracht, die vor so graͤulich pochten. „So Eine dergleichen Belagerung/ ein so blutiger Ausfall/ und ein so Er- staunens-werther Sieg erfolgte bey der Stadt Gent im Jahr 1379. Fulg. l. 5. Meyer l. 13. Annal. Sechstes Buch. „So bringt Verzweiflung Sieg, wo Mildigkeit veracht; „So wird der Waffen Stolz in Niedrigkeit gebracht; „So wird Unmildigkeit durch eignen Troz zernichtet; „So wird zum eignen Sturz der Abgrund zugerichtet; 225 „So findet man Verlust, wo man den Nuzen sucht; „So wird des Anfangs Gluͤck beym Ausgang oft verflucht. „Der mich verlaͤßt, verderbt und schwaͤchet sein Geschicke, „Der meine Macht verschmaͤht, entfernt sich von dem Gluͤcke. „Wo meine Guͤte fehlt, geht manches Werck zu Grund, 230 „Das sonsten sich erhielt, wann ich zugegen stund. „Es kann zu keiner Zeit mir am Gewehr gebrechen, „Jch weiß durch Mildigkeit fuͤr alles gut zu sprechen. „Das Lager rauchet noch, der Schrecken ist zerstreut, „Die Mauren seynd entsezt, der Freuden-Tag bereit. 235 „Haͤtt sich der Stuͤrmer Haupt der Mildigkeit bedienet, „So haͤtte sich die Stadt zum Ausfall nicht erkuͤhnet. „Wo die Verzweiflung herꝛscht, wird Mord und Tod veracht; „Der Schluß erwaͤchst in Grimm; der Grimm in eine Macht, „Die schafft sich Luft, und raßt: nichts kann ihr Rasen daͤmpfen, 240 „Derselben wiederstehn heißt wieder Felsen kaͤmpfen. „Man stuͤrzt sich in Gefahr; so folgt man sonst dem Rath, „Man gibt derselben Flucht durch goldne Bruͤcken Statt; „Wann ich befehlen kann, erfaͤhrt man nichts dergleichen, „Wo Zwang unfruchtbar ist laß’ ich den Feind verschleichen. Y 2 245 „An Theresiade 245 „An diese Tugend ist Theresia gewohnt, „So wißt ihr nun, warum sie oft die Feinde schont. „Sie kennt die Rache nicht. Sie scheut das Blut-vergiessen; „So kann man leicht daraus den Ursprung dessen schliessen, „Warum sie manchen Feind aus der Gefangenschaft, 250 „Jn die derselbe sich aus Furcht oft hingerafft, „Still und aus Mildigkeit entfliehn, verschwinden liesse: „Sie wollte nicht daß Blut anstatt der Guͤte fliesse. „Jhr wißt den Abzug noch, durch welchen manche Schaar „Der Noth, des Untergangs, des Schwerts befreyet war. 255 „Nein! sagte sie, was hilffts, wann sie fuͤr Gram verschmachten? „Genug, daß sie sich selbst so weit entwaffnet machten; „Sie wollte nicht, daß sie durch ihrer Krieger Schwert „Vertilget sollten seyn, durch Elend aufgezehrt. „Man soll des schaͤrffsten Rechts sich jederzeit enthalten, 260 „So lang die Mildigkeit mit Nuzen wurde walten. „Genug, wann man den Feind aus ihren Staaten trieb, „Das ist der Sieg, womit ihr Herz zu frieden blieb. „Sie wollte nicht daß man so vieles Blut versprize, „Und daß der Helden-Muth sich allzu weit erhize. 265 „Sie fraget selten nach, ob man den Feind besiegt; „Sie seufzt, erschrickt und fragt: ob viel zu Boden ligt? „Wie vielmahl klagt sie nicht, daß man zu scharff gestritten, „Man habe den Befehl unnoͤthig uͤberschritten. „The- Sechstes Buch. „ Theresia verschmaͤht, verbiet und haßt den Streit, 270 „Aus welchem nichts entspringt als Unversoͤhnlichkeit. „Sie strebet nach dem Sieg, doch scheuet sie das Morden, „Genug, wann die Gewalt des Feinds gedaͤmpfet worden. „Das Zeugnis ligt am Tag. Wie viele kommen an, „Die sie durch Mildigkeit den Feinden abgewan; 275 „Sie zeigen was vor Lieb auch Feinde selbsten haͤgen, „Wann sie das Krieger-Schwert vor ihre Fuͤsse legen. „Sie finden Mildigkeit, Verzeihung, Gnad und Huld, „Verdammen ihre That, bereuen ihre Schuld; „Erkennen, daß sie sich in ihrem Schluß vergangen, 280 „Da sie der Feinde Bund und Waffen angehangen. „Erzaͤhlet eine That, zeigt einen Umstand an, „Bey dem sich meine Kraft nicht hat hervor gethan! „Die Stimme klinget ja bey Freunden und bey Feinden; „Es habe mein Betrag fast alle Welt-Gemeinden 285 „Der Koͤniginn verknuͤpft. Dergleichen Ruhm-Gesang „Verschafft den Freunden Trost, und macht den Feinden bang, „Daß ihre Schaaren sich nur auf die List befleissen, „Dem Lager, dem Gezelt, der Wacht sich zu entreissen; „Da suchen sie den Weeg zu diesem milden Thron, 290 „Erwerben Huld und Schuz der Koͤniginn zum Lohn. „Sie schmeicheln sich mit Recht ein bessers Gluͤck zu finden, „Als jenes, welches sich nur pflegt auf Wuth zu gruͤnden. Y 3 „Das Theresiade „Das zwar, so sagen sie, Gluͤck, Ruhm und Heil verspricht, „Doch nur auf Schrauben steht, oft das Versprechen bricht. 295 „Sie folgen mit Begier den treuen Unterthanen, „Und lernen, wie man sich die Weege muͤsse bahnen, „Auf denen alles das uns in die Haͤnde faͤllt, „Was der hat, so des Gluͤcks belockte Scheitel haͤlt. „Da, sagen sie, kann es nach Wunsch und Hoffen gehen, 300 „Wo Mauer, Wall und Schloß nur in der Treu bestehen. „Wo nicht Regier-Gewinn-Rach-Herꝛsch- und Laͤnder-Sucht „Gewehr und Volck und Krieg und Sieg zusammen flucht; „Wohl aber, wo das Land durch Liebe sich beschuͤzet, „ Gerecht- und Mildigkeit am Staates-Ruder sizet. 305 „Weil nun Theresia sich so durch mich erhoͤht, „Daß fast der ganze Bau des Throns durch mich besteht; „So darff der blasse Zorn des Neids sich nicht erkuͤhnen „Sie mit vergaͤlltem Aug und scheelen Feindschafts-Mienen „Nur seitwaͤrts anzusehn; nein: dieses darff er nicht, 310 „Weil ihm der eigne Gram den Anblick unterbricht. „Jedoch wann er das Gift nach ihren Thaten hauchet, „So wißt ihr was vor Straf sie wieder ihn gebrauchet. „Jst es Leichtsinnigkeit, die sein Bestreben fuͤhrt, „So bleibt ihr mildes Herz bestaͤndig, ungeruͤhrt; 315 „Jst es nur Hirn-Gespuͤnst’ und Thorheit seiner Sinnen, „So pflegt sie dessen Gunst durch Mitleid zu gewinnen: „Wann Sechstes Buch. „Wann er sich aber nur aus toller Bosheit baͤumt, „Und wie das Meer am Port vor ihren Fuͤssen schaͤumt; „So kann sie sich von ihm durch meinen Rath befreyen: 320 „Jhr Anblick ist die Straf, das Strafen ihm verzeihen. „Dieß alles quillt von mir, von meiner Tugend her, „Wer ist der Koͤniginn dann unentbehrlicher „Als ich, die Mildigkeit? werd’ ich nicht vorgesezet, „So weiß ich nicht, was ihr die groͤßte Tugend schaͤzet. 325 „Nur der Gerechtigkeit, die meine Schwester ist, „Auch Koͤniglichen Schuz zugleich mit mir genießt, „Muͤßt ich vielleicht, wann es der Kreiß entschloͤsse, weichen; „Allein wir wurden uns um so viel ehr vergleichen, „Als uns Theresia selbst gleiche Stellen giebt, 330 „Und unsre Tugenden mit gleichem Eifer uͤbt. „So waͤr die Frage nur, wer von uns beyden siege, „Und nicht an wem von euch die groͤste Wohlfahrt liege. K Aum hat die Mildigkeit zu sprechen aufgehoͤrt, So sah man die Begier zum Wiederspruch vermehrt; 335 Dann viele wiesen sich mit Eifer-vollen Blicken; Sie stunden auf, den Sinn mit Worten auszudruͤcken, Allein die Mildigkeit bat wieder um Verzug: „Wir haben„, sagte sie, zu reden Zeit genug. „Geduld! man seze sich; man hoͤre von der Treue, 340 „Wem sie bey diesem Streit den Preiß des Vorzugs weihe. „Hier- Theresiade Hierauf ward alles still; so trat die Treu hervor, Weil sie die Mildigkeit vor andern auserkohr. Ein heiteres Gesicht in den begreißten Haaren Gab Zeugniß, daß sie mehr versteh’ und mehr erfahren, 345 Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt; So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Gehoͤr ertheilt; Thalia sagte mir: „Aus dieser Tugend Wercken „Kann man der Staaten Heil, Bestand und Wohlfahrt mercken. „Der Freundschaft Grund und Macht, Gesez und Recht vergeht, 350 „Wann man derselben Amt und Wirckungen verschmaͤht. „Jhr Amt ist, nur ein Wort ein theures Wort zu sprechen; „Von solchem abzugehn, nennt sie ein Staats-Verbrechen. Sie aber fieng schon an: „Freundinnen! zeigtet ihr „Nichts als nur eure Pflicht, und braͤcht’ ich jezund hier 355 „Nicht mein Vermoͤgen vor, das euch vielmehr genuͤzet, „Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorgeschuͤzet, „So waͤr nichts richtigers, als unsrer Frage Schluß, „Den ich, so viel mir scheint, euch nun erklaͤren muß. „Oft siegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen; 360 „Doch hat der Himmel uns stets seinen Schuz verliehen. „Warum? die Koͤniginn baut allzeit auf die Treu, „Der pflichtet GOtt und Mensch mehr als euch allen bey. „Wann ihr der Koͤniginn nicht waͤret treu gewesen, „Was wurde man von ihr, von euren Thaten lesen? „Wer Sechstes Buch. 365 „Wer mich, die Treu verlaͤßt, haͤlt es mit dem Verrath, „Mit Arglist und Betrug; was folgt aus dieser That? „Daß, wer Vernunft besizt, ihm nimmermehr kann glauben, „Mithin daß er sich sieht des Eigenthums berauben: „Er kaͤmpft und sicht allein. Haͤtt unsre Koͤniginn 370 „Nicht mich, nur euern Rath und Beystand immerhin „Zur Gegenwehr gebraucht, wie waͤr es uns ergangen? „Was kann ein schwacher Chor von Tugenden verfangen, „Wann nicht ein treuer Freund die schwere Krieges-Last „Mit euch und eurer Muͤh auf seine Schultern faßt? 375 „Die Treu der Koͤniginn konnt es zu Weege bringen, „Daß viele Maͤchtige mit ihr zum Kaͤmpfen giengen. „Sie kannten ihres Sinns unuͤberwundne Treu; „Sie wußten, daß ihr Herz nicht zu veraͤndern sey; „Mithin, was sie versprach, gewiß erfolgen muͤsse: 380 „Das ist, warum man ihr zu helffen sich beflisse. „Die Treu ists, was den Schmuck der Kronen uͤbertrifft; „Derselben Kostbarkeit wird durch die Treu gepruͤfft. „Ergreifft die Wage, waͤgt das Wort, so sie gegeben, „Und legt statt des Gewichts den theursten Eid darneben! 385 „So seht ihr, wie das Wort sich nach der Tieffe neigt, „Der Eid hingegen leicht wie Rauch und Feuer steigt. „Das haben wir bisher mit Freud und Leid erfahren, „Weil hier ein Wort ein Schwur, dort Schwuͤre Woͤrter waren. Z „Dann Theresiade „Dann sezet diesen Fall: daß, wann sie Treue bricht, 390 „Man ihr Sud, Ost und West zum Eigenthum verspricht. „(Wie durch der Waffen Macht vielleicht geschehen koͤnnte, „Wann man den Rechten nichts, dem Nuzen alles goͤnnte:) „Noch eine Welt, sag’ ich, sey ihr zum Thron bestimmt, „Wann sie das eigne Wort verschmaͤht, gibt, oder nimmt. 395 „Was wurd Theresia bey diesem Saz beginnen? „Versuchte sie vielleicht den Erd-Kreiß zu gewinnen? „Nein: ihr ist mehr ein Wort, als Zepter, Kron und Thron; „Sie weichet keinen Punct um diesen Preiß davon. „Eh sie die Treu verlaͤßt, eh wird sie Schild und Degen, 400 „Den ganzen Koͤnigs-Schmuck vor ihre Feinde legen. „Viel lieber leidet sie den eignen Untergang, „Als daß sie durch den Bruch dergleichen Schaͤz’ erlang. „Sie haͤlt es ruͤhmlicher mit Redlichkeit zu sterben, „Als fast die ganze Welt durch Falschheit zu erwerben. 405 „Jst aber wer der es zu Staats-Gebrechen zaͤhlt, „Wann sie mehr auf die Treu, als auf den Vortheil haͤlt; „Der hoͤre, was sein Wahn und dieser Fehler heisse, „Warum sie sich so sehr nur auf die Treu befleisse: „Die Treu macht Koͤnige; da sie die Kronen schuͤzt, 410 „Den Thron befestiget; den Zepter unterstuͤzt. „Der Meineid dringt hervor; ruckt an; beginnt zu schlagen; „Bricht loß. Theresia soll Kron und Zepter wagen; „Sie Sechstes Buch. „Sie kaͤmpft Vertrauens-voll; es wancket Sieg und Schlacht; „Die Treu beschirmt ihr Haupt, die sie zum Schild gemacht. 415 „Jn dieser hoͤchsten Angst, in diesem Kriegs-Getuͤmmel „Erhebt sie Schild und Schwert und rufft damit zum Himmel: „Durch ihn erhalt’ ein Wort Vollkommenheit und Kraft, „Er sey der, der die Treu belohnt, die Untreu straft; „So soll er Richter seyn, es seyen seine Wercke, 420 „Er habe Macht, Gewalt, Vermoͤgenheit und Staͤrcke „Den Feind zu zuͤchtigen, der Schwur und Treu verschmaͤht, „Und nun mit solchem Stolz vor ihren Augen steht; „Nachdem er ihr den Schuz durch einen Eid versprochen, „Den er durch Raͤncke, List und Ubermuth gebrochen. 425 „Sie seufzet, als sie dort den Friedens-Bruch erblickt; „Doch fuͤhlet sie das Herz durch ihren Schild erquickt; „Beschwoͤret GOttes Hand, ihr Eigenthum zu schuͤzen, „Und mit gerechtem Zorn auf diesen Feind zu blizen. „So faßt sie Muth und Herz, erheitert das Gesicht, 430 „Sie folgt in solchem Streit nur dieser Zuversicht. „Des Himmels Gnade blickt aus ihren frohen Mienen, „Als waͤr die Rache schon, um die sie rieff, erschienen. „Sie glaubt daß ihr der Schild ein sichrer Buͤrge sey: „Der Himmel steh’ ihr nun in dem Gefechte bey. 435 „So muntert sie sich auf, und laͤßt in allen Stuͤcken „Zufriedenheit und Ruh nach Art der Helden blicken. Z 2 „Kurz: Theresiade „Kurz: ihre Treu verschafft (wir haben es gesehn) „Daß ihrer Feinde Zorn und Drohen muß vergehn. „Der Schild, der Schild der Treu, wirfft so geschaͤrffte Strahlen, 440 „Wann sich in dessen Blatt Wort, Eid und Schwuͤre mahlen „Die man ihr zugesagt; daß selbst der Feind erschrickt, „Weil er den harten Bruch des eignen Schwurs erblickt. „Erweget, wie sein Herz, sein nagendes Gewissen „Bey diesem Vorwurff tobt, was es beginnt zu schliessen! 445 „GOtt laͤßt desselben Wuth sein eigner Richter seyn, „Er floͤßt desselben Rath verwirꝛte Sorgen ein: „Da sie hingegen sich durch jene Macht errettet, „Um die sie seinen Arm so kraͤftig angebettet. „Was nuͤzt der halben Welt Schaz, Reichtum, Pracht und Gut, 450 „Wann der Besiz allein auf Trug und List beruht? „Das kennt Theresia; sie weiß, durch welche Waffen „Man in Bedraͤngnissen sich koͤnne Trost verschaffen. „Es braucht des Zeugnisses und des Beweises nicht; „Es schwebet alles noch vor unserm Angesicht. 455 „Getraut ihr euch, es mir mit Fug zu wiedersprechen? „Wer kann mir diesen Saz durch Gegensaͤze schwaͤchen: „Die Treu vermag so viel, als ihr; sie ist euch gleich; „Sie macht die Koͤniginn so Ruhm-als Wohlfart-reich. „Wie viele koͤnnen oft auch nicht mit allen Rechten, 460 „Was ihnen zugehoͤrt, von ihrem Feind erfechten? „Weil Sechstes Buch. „Weil sie Versprechungen und Worten sich vertraut, „Die Nothwehr auf den Eid desselben Freunds gebaut, „Dem sie zu andrer Zeit was Wichtiges versprochen, „Und, als er ihren Rath begehrt, das Wort gebrochen. 465 „ Theresia verspricht, beschließt und haͤlt den Schluß; „Gibt sie das Wort, so folgt die Wirckung auf dem Fuß: „Dann ihr Versprechen heißt so viel als hoch geschworen, „Der Schwur erthoͤnet ihr bestaͤndig in den Ohren. „So nenn’ ich meine Pflicht mit Recht ihr Eigenthum, 470 „Durch diese steiget sie so sehr im Werth und Ruhm. „Dieß ist, wodurch ihr Herz die Freunde so bewogen, „Daß sie nur ihr zum Schuz den Harnisch angezogen. „Euch ist bewußt, wer sich derselben zugesellt, „Wer sich fuͤr ihren Thron zu kaͤmpfen dargestellt? 475 „Das ist mein Amt, Verdienst, Bestreben und Vermoͤgen, „Jch wußte solchen Schluß den Freunden einzupraͤgen. „Man sagt: was nuͤzt die Treu, wo Falschheit im̃er raubt? „So viel, als keine Macht, als keine Tugend glaubt. „Die Krieger pflegen sich den Fuͤhrern nach zu richten, 480 „Die Fuͤhrer nach dem Haupt, dem sie die Treu verpflichten. „Das Haupt bewahret selbst die Treu wie Gut und Bluth, „Es weiß, daß Heil und Wohl des Staats darauf beruht; „Sie ist sein Heiligthum, der Ursprung seiner Thaten, „Wodurch sein treues Herz den Koͤniglichen Staaten Z 3 485 „Er- Sechstes Buch. 485 „Errettung, Ruh und Gluͤck, des Friedens Fruͤchte bringt, „Den Feind aus unserm Reich in seine Grenzen zwingt. „Das Heer nimmt es zum Ziel und Beyspiel, und erkennet „Warum ein Mann ein Mann, ein Wort ein Wort genennet. „Das ist der Sieges-Quell. Gleich wie ein kleiner Bach 490 „Der schim̃ernd, hell und still, sanft, schlaͤnglicht und gemach „Durch Wiesen, Wald und Thal, durch Feld und Aecker wellet, „Sich Baͤche, Stroͤhme, Fluͤß und Flutten beygesellet, „Den Bort erweiteret, den hoͤchsten Ruhm gewinnt, „Und biß zum Ocean mit stolzen Flutten rinnt. 495 „So sammlet sich durch mich das Volck bey unsern Fahnen, „Und so pfleg’ ich den Weeg zu dem Triumpf zu bahnen. „Auf einem breiten Berg zerschmelzet sich der Schnee, „Er schluͤrft, verschleichet sich, zerfließt in eine See; „Der ungewohnte Damm wird von der Last gedruͤcket, 500 „Geschwaͤchet, durchgespuͤhlt, auch endlich gar verruͤcket; „Die Waͤsser dringen durch, Gewalt macht ihnen Luft; „Da waͤlzt und gurgelt sich die See in eine Kluft, „Dort spaltet sich der Wall, hier wird der Strand zerrissen, „Daß endlich statt der See fast truckne Baͤche fliessen. 505 „So fangt der Feinde Strohm sich auszubreiten an, „Er waͤchst, daß er die Welt fast uͤberschwemmen kann. „Weil aber Glaub und Treu von seinen Flutten weichet, „So sieht man wie die Macht desselben sich verschleichet. „Das Sechstes Buch. „Das Heer der Koͤniginn nimmt solchen Zufall wahr, 510 „Mithin verachtet es die drohende Gefahr; „Es lagert sich vor ihm, und ruhet ungehindert, „Es mehrt die Krieger-Zahl, da die des Feinds sich mindert. „Wann uͤbrigens auch wahr und oft erwiesen ist: „Daß man der Voͤlcker Heil nach Treu und Glauben mißt, 515 „Weil ohne diesen Volck, Gemeinschaft, Staͤdt und Staaten „Jn Zwitracht, Haß und Streit, in Schlangen-Zwist gerathen; „Uns aber in der Zeit der strengsten Krieges-Noth „Vertrauen, Einigkeit und Ruh die Haͤnde bot: „So zeiget sich, daß uns die Treu so viel gefruchtet, 520 „Als was, Freundinnen! ihr erst zu behaupten suchtet. „Und recht! dann preiset nur der groͤßten Tugend Werth! „Jst sie von mir entfernt, so wird sie nicht geehrt. „Wo sich mehr Wuth als Wohl, mehr Blut als Heil ergiesset, „Wo Friede mit dem Gluͤck sich nur von weiten kuͤsset, 525 „Geschicht, weil Untreu sich die Herꝛschaft des Gemuͤths „Zum Eigenthum gemacht; weil sie den Tugend-Siz „Mit Arglist umgestuͤrzt, den Schild der Treu zerschmettert, „Und auf desselben Glanz mit Gleisnerey gewettert. „Wann aber Gluͤck und Wohl des Lands auf Ruhe thront, 530 „Und die Zufriedenheit so Stadt als Dorf bewohnt, „So ists, weil Redlichkeit, das Trauen und das Glauben „Den Feinden Maß und Weeg, das Heil zu stoͤhren, rauben. „Haͤtt Theresiade „Haͤtt sich Theresia von meiner Lehr entfernt; „Haͤtt sie niemahls die Treu geuͤbt, ja nicht gelernt; 535 „Was haͤtten sich um uns vor Haͤupter angenommen? „Das Feuer unsrer Macht waͤr endlich ausgeglommen. „Sie sagten: ihr Gemuͤth ist im Versprechen fest, „Es hat in keinem Fall sich von der Treu entbloͤßt. „Und billig. Dann wer weiß, wann sie ein Wort gebrochen? 540 Kaum hatte sie den Saz, dieß lezte Wort gesprochen, So stellte sich im Saal ein solcher Zufall dar, Der theils zur Aergernuß, theils zur Verachtung war; Jndem ein freches Maul sich in die Reden legte, Daß sich der ganze Kreiß, der ganze Saal erregte: 545 Es brach in Lachen aus. Welch’ unverschaͤmte That! Man wußt nicht, was es sey, Spott, oder gar Verrath, Weil der erst stille Saal von dessen Klang erthoͤnte, Wie wann man das Gespraͤch, das lezte Wort verhoͤhnte. Kein Blick war unverwandt; es schoß ein jeder hin, 550 Wo der Vermeßne war, wo der Scham-lose Sinn Wer weiß, was vor ein Maul zum Lachen aufgehezet; Jmmittelst schien die Treu fast ausser sich gesezet. Der Tollheits-volle Geist erweckte Rach und Graus, Man zog und fuͤrchtete mehr Ungebuͤhr daraus. 555 Ein murmelndes Geraͤusch, ein Eifer-volles Brummen Warff den Leichtfaͤrtigen in strafbares Verstummen. Der Sechstes Buch. Der Unbesonnene ward in dem Volck vermengt, Von dorten aber gleich biß zu der Thuͤr gedraͤngt; Die Frechheit machte Plaz, mit der er so geeilet, 560 Als haͤtt ihm eine Faust schon den Bescheid ertheilet. Der Thor war unbekannt. Das Kleid, die Leibs Gestallt Schien wilder Jugend Art, gekuͤnstelt und bemahlt. Der Hut war hoch umarmt, geschmuͤckt und weiß bemaschet; Das Haar verwirꝛt gerollt, der Schuh zur Pracht belaschet. 565 Jch hab auf seiner Brust ein Kroͤten-Nest erblickt, Das Eitelkeit und Stolz in seinen Rock gestickt. Thalia zuͤrnte: „Sieh!„, sprach sie, die freche Stirne, „Man ließt darauf: Hier ist mehr Bosheit als Gehirne. Er wies fuͤrwahr im Aug, im Gehen, im Betrag, 570 Daß was Vermessenes ihm in den Sinnen lag; Man ließ ihn gern hinaus. Dann wer ihn nur erblickte, Bestrebte sich, daß er ihm von der Seite ruͤckte. Hierauf ward alles still; doch sahn ihm viele nach, Jndem die Treu das Wort, so sie vorhero sprach, 375 Erhohlt’ und sagte: „Wann? wann hat sie Treu gebrochen? „Sag an Verwegener, der du mich suchst zu pochen! „Es scheint, du habest mich und meinen Saz verlacht, „Und diese Spottungs-Art zum Wiederspruch gebracht! „Ein so veraͤchtliches und ungemessnes Hoͤhnen 580 „Jst nicht der Ehre werth, von mir es abzulehnen. A a „Je- Theresiade „Jedoch weil mir bewußt, daß man den Vorwurff macht, „Es sey Theresia in solcherley Verdacht; „(Dieß redt der Feinde Groll) so gebt ihr eine Kette, „Die sie nebst einem Freund fest auszuspannen haͤtte, 585 „Die Kette nenne man den Glauben und die Treu, „Und beyde, welche sie so spannen, jene zwey „Die sich verbunden seynd. Jndem sie so verbleiben, „Jsts billig, ihnen Treu und Glauben zuzuschreiben. „Der Gegner aber laͤßt die Kette, wirfft sie fort; 590 „Was nuͤzt in diesem Fall ihr Halten und ihr Wort? „Das Band der Treu faͤllt hin; die Kette wird gelaͤhmet; „Wer ist von beyden nun durch diesen Bruch beschaͤmet? „ Theresia fuͤrwahr verdient den Vorwurff nicht; „Sie nimmt ihr Amt in acht; verharret in der Pflicht 595 „Und haͤlt: allein umsonst. Die Spannung ist verschwunden, „So ist auch sie des Worts, das sie versprach, entbunden. „So bricht sie Wort und Treu, wann dieses Brechen heißt, „Da ihr der Gegentheil sein Gegenwort entreißt. „Was braucht es aber viel? wer einst mit ihr gehalten, 600 „Jst laͤngstens uͤberzeugt, wie mancherley Gestallten „Der Feinde Wort bekommt. Wie dorten Glaub und Treu „Bald angefaͤrbt, geschmuͤckt, bald unterdrucket sey: „Wie man sie gar dem Sinn der Einfalt zuerkenne, „Die Falschheit eine Kunst des Staats-Verstandes nenne. „605 Wie Sechstes Buch. 605 „Wie manch Mahl ist ein Wort vorlaͤufig schon entehrt, „Bevor man noch darum ein Gegenwort begehrt? „Die Feinde wuchern nur mit Worten, Trauen, Glauben; „Es ist nichts, was sie nicht der Herꝛsch-Begierd’ erlauben. „Das ist der Laͤnder Greul, der Herzen Mißgeburt, 610 „Weswegen, leider! oft die ganze Menschheit murꝛt. „ Theresia so wohl, als wir seynd uͤberzeuget, „Wie weit der Feinde Treu die Falschheit uͤbersteiget. „Wie vielerley Geraͤth sie zum Verblenden nimmt, „Wie sie nur nach dem Thon, der Nuzen schaffet, stimmt. 615 „Ja was vor stilles Gift in jener Weisheit stecket, „Womit der Feinde Treu Betrug und Arglist decket. „Erwege man die Kunst, der sich ein Feind bedient, „Wann er sich wieder mich und meine Macht erkuͤhnt; „Der Werckzeug, welcher Fried und Freundschaft sollte stiften, 620 „Wird oftmahls nur gebraucht, dieselbe zu vergiften; „Weil ein betheurtes Wort oft nur ein Vorwand ist, „Der nichts als List, Verrath und Feindschaft in sich schließt. „Der, welchen man zum Schluß des Frieden-Wercks benennet, „Macht durch Unstrafbarkeit, daß alles sich zertrennet: 625 „Durch schlauen Staats-Verstand verdrehet er das Wort, „Und waltet nach dem Trieb der stillen Absicht fort. „Er sinnet nicht, wo ich; nein: wo das Heicheln nuͤze, „Mit was vor Wort-Gepraͤng er seine Falschheit schuͤze. A a 2 „Er- Theresiade „Erreicht er seinen Zweck, was fragt er um die Treu? 630 „Es ist genug daß ihm die List gelungen sey. „Den Ausschlag pflegt er dann so lebhaft zu befaͤrben, „Als sucht’ er alles nur durch Freundschaft zu erwerben. „O GOtt-verhaßte Treu! die nur der Maß-Stab ist, „Womit die Laͤndersucht die fremden Rechte mißt! 635 „Die, die hab ich bisher verschmaͤht und so getruzet, „Daß sie den Feinden mehr geschadet als genuzet. „Recht, Wahrheit, Glaub und Treu seynd stets verfolgt, verhaßt, „Doch bleiben sie beherzt mit ihrer Macht gefaßt; „Sie schuͤzen Stadt und Wall, sie pflegen nicht zu streiten, 640 „Als ihre Wirckungen und Tugend auszubreiten. „Mit diesen kann ein Thron in hoͤchster Wohlfart stehn, „Seynd sie entfernt, so muß die groͤste Macht vergehn. „Getreu und redlich seyn lehrt Koͤnigliche Herzen „Der Feinde Drohungen und stillen Groll verschmerzen. 645 „Hierdurch wird Land und Volck in Fried und Ruh gesezt, „Wo Treu den Zepter fuͤhrt, bleibt alles unverlezt. „Vertraut man aber sich der Falschheit Spiel und Raͤncken, „Da pflegt man Gluͤck und Wohl in den Verfall zu lencken. „Der herꝛscht, verbindet sich; die Treu ma cht diesen Bund, 650 „Und dieser legt dem Staat zu seinem Heil den Grund. „Der Treu nicht in der That, nur in den Worten naͤhret, „Der wundere sich nicht, wann er sich selbst verzehret. „Laͤßt Sechstes Buch. „Laͤßt man der Untreu nur den ihr beliebten Lauf, „So hoͤret Staat und Volck, ja selbst die Menschheit auf. 655 „So solltet ihr ja selbst mir alles Vorrecht geben, „Mich uͤber euern Chor, Verdienst und Werth erheben. „Was seyd ihr ohne mich? legt euch den Nahmen bey, „Verlaßt mich, nennet euch falsch, listig, ungetreu. „Das waͤrt ihr ohne mich. Wie wurdet ihr bestehen? 660 „Koͤnnt ich in solchem Fall nicht billig euch verschmaͤhen? „Jhr aber seyd getreu; so ziert euch insgesammt „Nur was mir eigen ist, was von der Treue stammt. „So machet den Beschluß! das Haupt, bey dem ich wohne, „Sonst keines, traͤgt mit Recht und Wohlfart seine Krone.