Beygabe zum ersten Bande der italienischen Forschungen von C. F. von Rumohr . Berlin 1827. Hamburg , bey Perthes und Besser. E s ist eine kunstgeschichtliche Thatsache: daß die Gegen- staͤnde kuͤnstlerischer Darstellungen, mit wenigen, der Wirkung nach unerheblichen Ausnahmen (den Preisaufgaben der Kunst- academieen und Vereine) nirgend nach Principien ausge- waͤhlt, sondern durch Umstaͤnde herbeygefuͤhrt werden, deren Ursprung weit außerhalb der Kunst in allgemeinen geschicht- lichen Verhaͤltnissen aufzusuchen ist. Besonders, wann es dem Kuͤnstler wohl gehet (wann er der Arbeit vollauf hat und eben daher sich vollstaͤndiger entwickelt) kommt in Frage, nicht, was sich am besten eigne, dargestellt zu werden, noch weniger, was an sich selbst der schoͤnste Gegenstand sey, sondern einzig: was an der Zeit sey. Da es sich nun ergeben kann, und nicht selten ergiebt, daß vom Kuͤnstler die Darstellung minder schoͤner und sogar unschoͤner Gegen- staͤnde gefordert wird, so habe ich versucht, zu zeigen: wie die Anspruͤche des Schoͤnheitssinnes auch in sol- chen Kunstwerken befriedigt werden koͤnnen, deren Gegenstand an sich selbst unschoͤn ist. Dieser wohl- gemeinte Versuch hat Anstoß gegeben; weßhalb ich fuͤr Pflicht halte, mich uͤber dieselbe Aufgabe noch einmal, und wo moͤglich buͤndiger, als fruͤher geschehen ist, auszusprechen. Voraussetzungen. Erste. Das Wort, Schoͤnheit, bezeichnet eine Eigenschaft, das Schoͤne, hingegen Dinge, denen jene Eigenschaft anhaͤngt. Anm . 1. Es erhellet aus der allgemeinen Grammatik, daß durch das Neutrum des Adjectivs, wo es fuͤr sich und in substantivem Sinne stehet, eine unbe- stimmte Mehrheit von Dingen bezeichnet werde, welchen die, in dem Beyworte ausgesprochene Ei- genschaft anhaͤngt; hingegen durch das abgeleitete Hauptwort der abstracte Begriff der Eigenschaft selbst. Das Schwanken des Gebrauches in unserer, wie in anderen alten und neueren Sprachen (welches uͤberhaupt nur bey einzelnen Woͤrtern und beson- ders eben bey solchen eingetreten ist, welche Eigenschaften aussprechen, deren abstracter Auf- fassung man auszuweichen liebte) hebet die Regel nicht auf, zu welcher wir zuruͤckkehren muͤssen, so- bald es auf Schaͤrfe des Ausdruckes ankommt. Anm . 2. Da offenbar in den schoͤnen Dingen viele Ei- genschaften vorhanden sind, welche deren Schoͤnheit nicht erhoͤhen, noch uͤberall damit zu schaffen haben: (in einer schoͤnen Statue sind außer der Schoͤn- heit noch relative Schwere und Groͤße, und allerley physische Eigenschaften des Gesteines oder Erzes vorhanden; in einem schoͤnen Men- schen, eine Unendlichkeit von physischen, sitt- lichen und geistigen Eigenschaften, welche zu seiner Schoͤnheit theils nur in einer bedingten, theils aber auch in gar keiner Beziehung stehen) so ist die Schoͤnheit nicht eins und dasselbe mit den Dingen, denen sie anhaͤngt, (dem Schoͤnen), son- dern nur irgend eine Eigenschaft derselben. Alle Eigenschaften koͤnnen abstract aufgefaßt werden, also auch diese. Zweyte. Der abstracte Eigenschaftsbegriff, Schoͤn- heit, in seiner hoͤchsten Allgemeinheit aufgefaßt, kann umschrieben werden durch die Worte: Erfreulichkeit der Apparenz sichtbarer Dinge. Anm . 1. Diese Umschreibung will, weder die Frage: was alles schoͤn sey, noch die andere: weß- halb, aus welchem Grunde, etwas schoͤn sey, erledigen; vielmehr begnuͤgt sie sich, auszusprechen: was unter allen Umstaͤnden, in allen Faͤllen, das Schoͤne sowohl vom Unschoͤnen, als auch vom Nichtschoͤnen unterscheidet, also ein allgemeines und durchwaltendes Merkmal der Schoͤnheit ist. In der Volkssprache, dem nie so geradehin zu be- seitigenden Ausdrucke des gemeinschaftlichen Be- wußtseyns, bezeichnet schoͤn, nicht, was unerfreu- lich, noch auch, was gleichguͤltig ist, sondern immer nur ein Erfreuliches; worin sogar die vorkom- menden, einander sonst ausschließenden, oder doch gegenseitig beschraͤnkenden Erklaͤrungen der Schoͤn- heit und des Schoͤnen, sowohl unter sich, als auch mit dem Volks- und Sprachbegriffe uͤbereinstimmen. Erwaͤgen wir indeß, daß vieles an sich Gute, etwa Gesundheit, Staͤrke, Tugend und anderes, zwar seinem Begriffe nach erfreulich ist, doch nur in so fern die Schoͤnheit irgend eines Dinges ausmacht, oder solche mehret und erhoͤht, als es an dessen sichtbarer Oberflaͤche sich ausdruͤckt; hingegen, in so fern es nicht (sinnlich wahrnehmbar) sich ausdruͤckt, auch nicht in dem Begriffe der Schoͤnheit enthalten ist, sondern nur dasjenige ist, was es an sich selbst ist, nemlich Gesundheit, Staͤrke und so ferner; so ist das allgemeine Merkmal der Schoͤnheit offenbar: Erfreulichkeit, nicht des Seyns, sondern des Scheines der sichtbaren Dinge. Anm . 2. Das bekannte: schoͤn ist, was, ohne zu nuͤtzen, gefaͤllt, (was indeß, nicht, was wir suchen, die Schoͤnheit, sondern eben nur, das Schoͤne, auf seine Weise ausspricht) ist obiger Umschreibung in so fern verwandt, als es offenbar gleichfalls von dem Vorsatze ausgehet, den Volks- begriff in der ihm zukommenden Allgemeinheit aus- zusprechen. Andere hingegen haben den Grund der Schoͤnheit irgend eines einzelnen Schoͤnen zu er- mitteln gesucht und diesen, wie immer beschaffenen, Grund der Schoͤnheit jenes einzelnen Schoͤnen als einen allgemeinen, die Schoͤnheit eines jeglichen Schoͤnen erklaͤrenden geltend machen wollen. Solche, wie man sie nennt, objective Erklaͤrun- gen der Schoͤnheit sind eigentlich nur Emanationen eines ganz subjectiven Entzuͤckens an einzelnem Schoͤ- nen, fuͤhren daher unausbleiblich zu unwillkuͤhrlichen Verwechselungen des Allgemeinen mit dem Besonde- ren desjenigen Objectes, von welchem man jedesmal ausgegangen ist. Ueberhaupt kann man nicht wohl den Grund, deßhalb etwas ist, fruͤher aufsuchen, als nachdem man ausgemacht hat, was dieses etwas ist. Wer aber auch von irgend einem einzelnen Dinge ermittelt haͤtte, einmal, daß es schoͤn sey, dann auch, weßhalb es schoͤn sey, hat damit noch nicht gefunden, was die Schoͤnheit uͤberhaupt ist. — Wie nun immer in solchen Erklaͤrungen (obwohl dieselben, weil sie vom Einzelnen ausgehn, mißliche Verneinungen und Aus- sonderungen einzuschließen pflegen; weil sie einen Grund zu ermitteln suchen, welcher nicht durchhin zu Tage liegt, nicht selten sich in Hypothesen und Dun- kelheiten verlieren) doch bald ein lebendiges Ge- fuͤhl fuͤr das Schoͤne, bald wiederum viel Tiefes und Erhebendes uͤber dessen letzten Grund hervor- tritt: so haben sie dennoch, da sie die Schoͤnheit uͤberall nur in ihrer innigen Vereinigung mit den Dingen, also concret auffassen, mir bey obiger Be- stimmung nicht wohl vorleuchten koͤnnen. Dritte. Nach menschlicher Vorstellungsart ist die Empfaͤnglichkeit fuͤr Schoͤnheit in dem oben festgestell- ten Sinne: zunaͤchst, eine rein sinnliche (der Gesichts- werkzeuge); ferner, ein zwar noch unerklaͤrter, doch vorhandener Sinn fuͤr Maß und Verhaͤltniß; endlich Erregbarkeit des Gemuͤthes, bald durch allgemeine Anklaͤnge, bald durch bestimmtere, durch sinnlich Wahr- nehmbares, im Geiste erweckte Vorstellungen. Diese Unterscheidungen innerhalb des Schoͤnheitssinnes, welche jedes deutliche Selbstbewußtseyn billigen wird, erheischen aber — da, was auf so verschiedene Seiten des Daseyns einwirkt, nicht so durchaus dasselbe seyn kann — diesen entsprechende Unterscheidungen inner- halb des allgemeinen Begriffes, die Schoͤnheit. In diesem unterscheide ich demzufolge: sinnliche Annehmlichkeit; harmonische Wirkung des in den Gestalten und uͤberhaupt in den sichtbaren Erscheinungen dem Maße Unterliegenden. Erfreulichkeit von (vermoͤge der einwohnenden Sinnbildlichkeit der Formen, besonders der or- ganischen) durch Sichtbares im Geiste angereg- ten Vorstellungen. Anm . 1. Diese Unterscheidungen habe ich in der Ab- sicht gesucht und herbeygezogen, die Schoͤnheit dem bildenden Kuͤnstler zugaͤnglicher zu machen, und hie- durch die kuͤnstlerische Hervorbringung des Schoͤnen nach Kraͤften zu befoͤrdern. Der praktische Werth derselben, welcher hinsichtlich der bildenden Kuͤnste sich noch erproben soll, hat schon seit den aͤltesten Zeiten in der Musik sich bewaͤhrt, deren Schoͤnheit jenen obigen genau entsprechende Unterscheidungen zulaͤßt, welche man jederzeit angestellt und in An- wendung gebracht hat. In dieser Kunst nemlich ist es die Reinheit des einzelnen Lautes, welche den aͤußeren Sinn (hier das Gehoͤr) angenehm erregt; Tact und Harmo- nie, was den uns eingeborenen Sinn fuͤr Maß und Verhaͤltniß ausfuͤllt; Melodie ( cantabile , das Mittelbare und Sinnbildliche in der Musik), was das Gemuͤth durch die mannichfaltigsten Anklaͤnge beruͤhret und stimmt. Wie nun immer diese so ganz verschiedenen Schoͤnheiten in gelungenen mu- sikalischen Ausfuͤhrungen zu einem gemeinsamen Ein- drucke sich vereinigen und verschmelzen, so hat man demungeachtet doch niemals bestritten: daß der ausuͤbende Kuͤnstler die Reinheit, den Tact, den Ausdruck, oder der Componist die Harmonie und die Melodie, jedes fuͤr sich betrachten, erstreben, uͤben koͤnne, wie es mit Vortheil geschiehet und von jeher geschehen ist. Indeß duͤrften jene Unterscheidungen, als ein An- knuͤpfungspunct betrachtet, auch fuͤr die wissenschaft- liche Untersuchung der Schoͤnheit und des Schoͤnen von ungleich mehr Belang seyn, als man, in An- sehung der vieltausendjaͤhrigen Gewoͤhnung, den Begriff der Schoͤnheit mit Vorstellungen von ein- zelnem Schoͤnen, das Allgemeine mit dem Beson- deren, bald zu mischen, bald zu verwechseln, schwer- lich vor der Hand anzuerkennen geneigt seyn wird. — Vornehmlich befuͤrchte ich die Mißbilligung de- rer, welche bey allem Unbestimmten und Raͤthsel- haften ihre Rechnung finden. Anm . 2. Wer nun einmal auf keine Weise sich dar- auf einlassen will, die Schoͤnheit abgesondert von den Dingen, denen sie anhaͤngt, aufzufassen, duͤrfte hier eine Abtheilung innerhalb des Schoͤnen wahr- zunehmen glauben, gleich jener laͤngst versuchten und beliebten in ein sinnlich und geistig (aͤu- ßerlich und innerlich) Schoͤnes ; daher den be- kannten Einwurf gegen mich in Anwendung bringen wollen: »Das aͤußerlich Schoͤne sey nur we- gen seiner einwohnenden inneren Schoͤn- heit und das innerlich Schoͤne nur wegen seiner Erscheinung in sinnlich wahrnehm- barer Form aͤsthetisch schoͤn.« Dieser Satz aber, ist eine Abwehrung des Versuches, das ein- zelne Schoͤne in seine Theile aufzuloͤsen, dessen Wahres, oder Falsches mithin an dieser Stelle durchaus nicht in Frage kommt. Denn ich beschaͤf- tige mich hier, nicht mit dem einzelnen Schoͤnen, welches allerdings, wie Niemand bestreitet, zunaͤchst ein sinnlich Wahrnehmbares ist, sondern mit dem abstracten Begriffe der Schoͤnheit, dessen im Geiste aufgefaßte Unterscheidungen durch den Umstand, daß solche in den meisten concreten Faͤllen in ein- ander aufgehen und sich gegenseitig aufheben, noch keinesweges als irrig und unanwendbar erwiesen werden. Auch duͤrften Einige annehmen wollen, daß, in obi- ger Abtheilung, die sinnliche Annehmlichkeit nur etwa so viel sagen wolle, als, das sinnlich Angenehme , oder Wohlgefaͤllige einiger veral- teten Schulen. Indeß ist das sinnlich Angenehme, eben wie, das Anmuthige, das Erhabene und so viel Anderes, eben nur eine von den unzaͤhligen, schon herbeygezogenen oder noch moͤglichen Unterabthei- lungen innerhalb des einzelnen Schoͤnen, welche ich bey dieser Untersuchung keinesweges im Sinne ha- ben konnte, somit jene Deutung von mir ablehnen muß. — Uebrigens verstehe ich nicht, wie man ein sinnlich Angenehmes (wenn auch in will- kuͤhrlichstem Gegensatze gegen das eigentlich Schoͤne) annehmen koͤnne, ohne zugleich eine sinnliche Annehmlichkeit zuzugeben; noch wie man an- nehmen koͤnne, daß jegliches Schoͤne sinnlich wahrnehmbar sey , ohne zugleich die sinnliche Annehmlichkeit gehoͤrig in Anschlag zu bringen? Freylich duͤrfte es nicht selten eintreten, daß eben diejenigen, welche der sinnlichen Annehmlich- keit in ihrem Schoͤnheitsbegriffe selbst eine unter- geordnete Stelle versagen, doch in der Anwendung sie eifrigst begehren, durch dieselbe auch fuͤr das Schaale und Geistlose sich bestechen lassen, oder von sich abweisen, was immer Gutes von dieser Schoͤn- heit entbloͤßt ist. Der Vordersatz des Schlusses, den ich auf obige Vor- aussetzungen begruͤnde, lautet (was der Leser beachten wolle) wie folgt: Jedes Ding, welches die Eigenschaft Schoͤn- heit (dieser, oder jener anderen, oder auch aller Ar- ten; im niedrigsten, hoͤheren oder hoͤchsten Maße) darlegt, ist ein Schoͤnes . Anm . 1. Ein schoͤnes Ding ist (s. die Voraussetzun- gen) nur in so fern ein Schoͤnes , als ihm die Eigenschaft Schoͤnheit beywohnt. Ist es nun also die Eigenschaft Schoͤnheit, welche die Dinge zu schoͤnen Dingen erhebt: so sind nothwendig alle Dinge schoͤn , an welchen jene Eigenschaft sich darlegt. Anm . 2. Um einem Dinge das hoͤchst allgemeine Praͤdicat: schoͤn , beyzulegen, fragt man, weder nach dem Maße, in welchem das Ding schoͤn ist, noch nach der Art, in welcher es schoͤn ist. Wo man diese genauer bezeichnen will, bedient man sich: hinsichtlich des Grades, der Comparation; hinsichtlich de r Art, eigener, Niemand nicht gelaͤu- figer Benennungen, z. B. erhaben, anmuthig und so ferner. Freylich ist Einigen das Beywort, schoͤn , die Bezeichnung bald eines hoͤheren Grades, bald auch einer hoͤheren Art des Schoͤnen; weßhalb sie ihr Schoͤnes, als ein hoͤheres, den niederen Stufen und Arten des Schoͤnen (etwa dem Huͤbschen, Gefaͤlli- gen und so fort) entgegen setzen; (ungefaͤhr als wenn man das Gute , als ein hoͤheres Gute, dem minder Guten entgegen setzen wollte). Da indeß das Schoͤne auch in diesem engeren Sinne den Charakter der Allgemeinheit festhaͤlt, welchen die Sprache ihm nun einmal aufgedruͤckt hat, also nichts Besonderes und Unterscheidendes, nur etwa einen hoͤheren Grad der Erfreulichkeit bezeichnet: so ist dieser willkuͤhrliche Wortgebrauch, (welcher so viele ihm in der Sprache dargebotene Mittel des Aus- drucks willkuͤhrlich verschmaͤhet) hoͤchstens als eine ei- gene Comparationsform zu betrachten, welche aller- dings ganz merkwuͤrdig, doch fuͤr mich nicht bindend ist. Der Kuͤnstler kann, unabhaͤngig von der Schoͤnheit, oder Unschoͤnheit des Gegenstandes seiner Darstel- lung, in seinem Kunstwerke Schoͤnheiten hervorbrin- gen (also darlegen); nemlich: Zuerst, rein sinnliche Annehmlichkeit, durch angemessene Handhabung seiner Werkzeuge, durch gehoͤrige Behandlung des Stoffes, aus welchem er seine Gestaltungen formt, oder in welchem er dieselben erscheinen macht. Zweytens, Schoͤnheit des Maßes, durch die Wahl der Ansicht und Lage, durch die Stellung und Anordnung des in seiner Aufgabe enthal- tenen, oder doch von derselben nicht ausgeschlos- senen Einzelnen. Drittens, Erfreulichkeit der im Geiste angereg- ten Vorstellungen, durch den Ausdruck seiner selbst, nemlich, der Liebenswuͤrdigkeit, Klarheit, Erhebung und anderer Vorzuͤge seiner Seele. Denn in jedem Kunstwerke von einigem Belang zeigt sich neben dem Gegenstande auch die Seele des Kuͤnstlers, und zwar mit solcher Gewalt und Eindringlichkeit, daß die Bildwerke und Ge- maͤlde großer Meister wenigstens in eben dem Maße Abdruͤcke ihrer eigenthuͤmlichen Geistesart sind, als Darstellungen ihres Gegenstandes. Also koͤnnen Kunstwerke schoͤn seyn, deren Gegen- stand an sich selbst unschoͤn ist. Kann nun der Kuͤnstler (nemlich der gehoͤrig begabte und ausgebildete), wie gezeigt worden, in seinem Werke Schoͤnheiten hervorbringen, welche, selbst wann der Gegenstand seiner Darstellung (die Aufgabe) an sich selbst unschoͤn ist, doch sein Kunst- werk, als solches, zu einem Schoͤnen erheben; hin- gegen diejenige Schoͤnheit, welche der jedesmaligen Kunstaufgabe angehoͤrt, nur in so fern und in dem Maße auf deren kuͤnstlerische Darstellung uͤbergehn, als der Kuͤnstler jedesmal faͤhig ist, einestheils fuͤr dieselbe sich zu begeistern, anderentheils sie technisch auszudruͤcken: so ist, nicht die Schoͤnheit der Auf- gabe, sondern die geistige Faͤhigkeit, die sittliche und technische Entwickelung des Kuͤnstlers die wahrhaft allgemeine, unter allen Umstaͤnden unerlaͤßliche Be- dingung der Schoͤnheit von Kunstwerken. Dieses Alles verstehet sich freylich auch ohne so weit auszuholen, oder, wie man sagt, von selbst; es koͤnnte mit- hin den Unbefangenen recht wohl scheinen, das Gegentheil sey nie ernstlich behauptet, noch verfochten worden. Um so mehr bin ich einem Recensenten (in der allgemeinen Lit. Zeitung 1827. Julius, Col. 482. 511.) fuͤr dessen Anstren- gung verpflichtet, seinen Lesern zu zeigen, daß es in der Kunstlehre noch immer allerley angenommene und uͤberein- koͤmmliche Vorstellungsarten giebt, gegen welche die Wahr- heit geltend zu machen kein so durchaus muͤssiges Bemuͤhen ist. Wie fuͤr diese Gunst, so bringe ich gedachtem Recensen- ten auch fuͤr die billigste Anerkennung manches von mir an- geregten Saͤchlichen meinen besten Dank. Indeß kann ich nicht wohl umhin, viele von Demselben mir beygemessene Ansichten, Gedanken, Verwechselungen, selbst (man vergleiche die Nachweisungen) manche Worte, welche ich nie gefaßt, noch geaͤußert habe, nicht als die meinigen anzuerkennen. Insbesondere verwahre ich mich gegen eine (Col. 491.) mir zugeschobene, angeblich von mir verhehlte Praͤmisse, welche in den Worten des Rec. lautet: »Es wird Alles durch die Darstellung schoͤn.« Dieses Alles (des Rec. nemlich; denn mir selbst ist es nie eingefallen, zu behaupten, noch selbst insgeheim zu den- ken, daß Alles durch die Darstellung schoͤn werde) wird denn nur so viel sagen sollen, als: Alles, was uͤber- haupt kuͤnstlerisch aufgefaßt und dargestellt wer- den kann . Allein auch von einem solchen gehoͤrig beding- ten Alles habe ich nie behauptet, noch insgeheim angenom- men, daß Solches an sich selbst durch die Darstel- lung schoͤn werde , oder, wie Rec. vielleicht sagen wol- len, unter Umstaͤnden durch die Darstellung schoͤn werden koͤnne ; auch wuͤßte ich nicht, zu welchem Zwecke, da ich uͤberhaupt nur zeigen wollen, wie noͤthigenfalls auch unabhaͤngig von der Schoͤnheit, oder Unschoͤnheit der Aufgabe im Kunstwerke Schoͤnheiten entwickelt werden koͤn- nen, welche das Kunstwerk selbst , und nicht, wie Rec. (Col. 492.) zu deuten scheint, dessen Gegenstand , zu einem schoͤnen Dinge machen. Ich wuͤrde glauben, daß Rec. diese Bestimmung, welche ich keinesweges anzudeuten versaͤumt hatte, eben nur habe uͤbersehen wollen , wenn es sich nicht zeigte, daß eine gaͤnz- liche Verschiedenheit des Standpunctes, wie selbst der Ter- minologie und des Gebrauches uns beyden uͤbrigens gemein- schaftlicher Woͤrter, hier, wie an anderen Stellen das Ver- staͤndniß und die gegenseitige Annaͤherung so gut als unmoͤg- lich machen. Waͤhrend ich selbst eben nur darauf ausging, zu finden, was die Kunst, welche ich eigensinnig liebe, nur irgend in ihrer Entwickelung hemmen, oder foͤrdern kann, begnuͤgte sich der Recensent mit Allgemeinheiten, welche zwar an sich selbst ihren Werth haben, doch nicht so geradehin in Anwendung zu bringen sind. Auf einer solchen Allgemein- heit gruͤndet ders. seinen letzten, wie es ihm scheint, unwider- leglichen Einwurf gegen oben in der Kuͤrze wiederholte, doch von ihm, wie wir eben gesehn, durchaus mißdeutete Darle- gung. Dieser Einwurf lautet, in den Worten des Recen- senten (s. Col. 492. unten): »Das nun, wovon die Darstellung ein Ebenbild ist (das Darstellen , sagt Rec. um einige Zeilen fruͤher, ist ja nichts ande- res, als das Hervorbringen eines Ebenbildes), muß schoͤn seyn, wenn der Darstellung selbst das Praͤdicat schoͤn beigelegt werden soll: denn das Object und dessen Darstellung sind nothwendig identisch, und die Merkmale des einen sind auch die Merkmale des andern . Indeß kann ich dem Recensenten weder zugeben, daß jener so bekannt klingende Identificationsproceß auf den vor- liegenden Fall anwendbar sey, noch ihm seine so ganz me- chanische Vorstellung vom kuͤnstlerischen Darstellen irgend ein- raͤumen. Denn es ist die Seele des Kuͤnstlers keinesweges, wie Rec. anzunehmen scheint, gleichsam ein Gypsmodel, aus welchem genau, was man jedesmal hineingethan, wiederum hervorgezogen wird; daher das Kunstwerk (die Darstellung) nicht etwa (gleich der Copie, welche Rec. zu den Darstellun- gen zaͤhlt) der todte, mechanisch gewonnene Abdruck seines Gegenstandes, sondern das lebendige Product zweyer Facto- ren, des Gegenstandes und des denselben in sich aufnehmen- den und verarbeitenden Kuͤnstlers. Kein Product aber ist dem einen oder dem anderen seiner Factoren identisch, son- dern ein fuͤr sich bestehendes Drittes. — Mit jener irrigen Vorstellung vom kuͤnstlerischen Darstellen faͤllt denn auch der Einwurf, welchen der Rec. darauf begruͤnden will. Uebrigens habe ich nirgend bestritten: daß uͤberall, wo Gegenstaͤnde, welche an sich selbst schoͤn sind, durch die Mit- tel der jedesmal in Anspruch genommenen Kunstart ausge- druͤckt werden koͤnnen , was bekanntlich nicht immer ein- tritt; daß uͤberall, wo diese Gegenstaͤnde den Kuͤnstler wirk- lich begeistern, wo deren Darstellung innerhalb der techni- schen Entwickelung und speciellen Formenkenntniß des Kuͤnst- lers wirklich moͤglich ist : auch jene dem Gegenstande ei- genthuͤmliche Schoͤnheit auf das Kunstwerk uͤbergehen und die Schoͤnheit dieses letzten wesentlich erhoͤhen werde. Ich habe demnach der Schoͤnheit des Gegenstandes nirgend, wenn auch nur das Mindeste von demjenigen Gebiete entzogen, 2 welches sie wirklich (nicht bloß in der Einbildung) besitzet und inne hat; erwartete deßhalb nicht, dessen Vorwachen zu beunruhigen. Um so weniger, da ich, mit vollem Bewußt- seyn der Aufrichtigkeit, unserem, wie jedem kommenden Ge- schlechte anwuͤnsche: daß es aus einem tiefgefuͤhlten Beduͤrfnisse stets vom Kuͤnstler, auch hinsichtlich der Aufgabe, nichts seiner Unwuͤrdiges begehren moͤge; hingegen dem Kuͤnstler unserer und kuͤnftiger Zeiten: daß er aus seinem Inneren hervor stets die edelste Richtung einschlagen, ihm dargebotene Aufgaben stets im besten Sinne ergreifen, und zur Darstellung auch des Besten und Hoͤchsten jederzeit hinlaͤnglich geruͤstet seyn moͤge. Ueberhaupt war ja mein Zweck, nicht etwa dem Schoͤnen des Gegenstandes, welches mir wohl so viel gilt, als Anderen, seinen eigenthuͤmlichen Werth zu entziehen; nicht etwa den Kuͤnstler, oder den Goͤn- ner vom Schoͤnen zum Unschoͤnen zu verlocken (was in um- gekehrter Richtung derselbe Mißgriff seyn wuͤrde, den ich bestritten habe und bestreite); vielmehr nur dieser: die Her- vorbringung des Schoͤnen in den bildenden Kuͤnsten vor Hemmungen sicher zu stellen, welche aus einer falsch angeleg- ten Theorie hervorgehn. — Haͤtte der Kuͤnstler wohl jemals mit Bewußtseyn das Unschoͤne dem Schoͤnen vorgezogen? waͤre er wohl je- mals, wo die Wahl ihm freygestanden, absichtlich darauf aus- gegangen, das Unschoͤne darzustellen? Ich bezweifle, daß irgend ein Kuͤnstler, gleichsam der Abtoͤdtung willen, jemals auf eine solche Grille verfallen sey; vielmehr bin ich aus inneren, wie auch aus historischen Gruͤnden davon uͤberzeugt: daß der Kuͤnstler uͤberall, wo er das Unschoͤne dargestellt, entweder einem aͤußern Zwange (den Foderungen seiner Goͤn- ner, der Beschraͤnktheit seiner Umgebungen), oder auch, ohne sich dessen deutlich bewußt zu seyn, der Gemeinheit und Nie- drigkeit seiner Neigungen nachgegeben habe. Diesemnach waͤre jene Lehre, welche, weder in den aͤußeren Verhaͤltnis- sen des Kuͤnstlers eine merkliche Beguͤnstigung herbeyfuͤhrt, noch den Kuͤnstler sittlich bessert und geistig erhoͤht, sondern bloß ein Zauberwort ausspricht, dessen Sinn nur derjenige zu loͤsen vermag, welcher eben hierin keiner Anmahnung be- darf, auch im besten Falle ganz muͤssig und, wie es sich factisch erwiesen hat, ohne allen Vortheil fuͤr die Hervor- bringung des Schoͤnen in der Kunst. Indeß giebt es im Gebiete des Geistes nichts ganz Neutrales; jegliches sich Beruhigen bey irgend einem Scheinwahren und Taͤuschenden ist zugleich eine Hemmung im Denken und in dem davon abhaͤngenden zweckmaͤßigen Handeln. Zudem ist es nachzu- weisen, daß die Schoͤnheits-Lehre auch active der kuͤnstleri- schen Hervorbringung des Schoͤnen entgegenwuͤrkt. Zunaͤchst hindert jene nackte Hinweisung anf das Schoͤne des Gegenstandes die Entwickelung der Aufaͤnger, indem sie (wie es aufmerkenden Beobachtern nicht entgangen seyn wird) dieselben veranlaßt, zu waͤhlen, wo sie, eben weil sie noch gar nichts wissen, noch koͤnnen, nur zugreifen sollten. Ferner stoͤret sie auf den mittleren Stufen der Entwickelung, durch Ablenkung der Aufmerksamkeit, die unumgaͤnglich noͤ- thige Ausbildung der Technik und des Styles. Endlich ver- ruͤcket sie selbst dem schon ausgebildeten Meister seinen prak- tischen Standpunkt, indem sie ihn veranlaßt, seine Aufgaben, statt ihnen jedesmal ihre beste Seite abzugewinnen und ruͤ- stig, wie es noͤthig ist, ans Werk zu schreiten, vielmehr, wenn solche etwa seinen Vorstellungen vom Schoͤnen nicht entsprechen, sie mit Verdrossenheit aufzufassen, daher, weder (durch Ueberwindung von Schwierigkeiten) fuͤr seinen Fort- schritt in der Kunst, noch (durch Befriedigung seiner Goͤn- ner) fuͤr sein Fortkommen in der Welt daraus den jedes- mal moͤglichen Vortheil zu ziehen. Wenn nun diese Bemer- kungen freylich nur dem Kuͤnstler ganz einleuchten moͤchten, so wird hingegen besonders bey dem Kunstfreunde die Be- merkung Eingang finden, daß der unbefangene, sich hinge- bende Genuß schoͤner Kunstwerke durch unzeitige Reflection uͤber die Schoͤnheit oder Unschoͤnheit ihres Gegenstandes ge- stoͤrt und nicht selten ganz aufgehoben wird; daß, wer dem sogenannten Schoͤnheitsprincip recht eifrig anhaͤngt, meist geneigt ist, das kuͤnstlerisch Werthlose des schoͤnen Ge- genstandes willen zu schaͤtzen, und, umgekehrt, das kuͤnst- lerisch Vortreffliche des unschoͤnen Gegenstandes willen zu verwerfen, uͤberhaupt aber jener suͤßlichen Flachheit des Ge- schmacks sich hinzugeben, welche den hoͤheren Kunstgenuß (das sich Bewußtwerden der Sinnes- und Geistesart vortreff- licher Kuͤnstler) eine laͤngere Zeit hindurch beynahe verdraͤngt hatte. Waͤre es nun, wie ich vermuthe, auch denen, welche die Sache von einer andern Seite ansehn, mehr um die Her- vorbringung des Schoͤnen zu thun, als um die Behauptung einer bedeutungslosen Formel: so werden sie sich endlich wohl ebenfalls mit der Vorstellung aussoͤhnen: daß die Er- fuͤllung ihrer besten Wuͤnsche eben nur durch kraͤftige Auf- regung des Geistes, guͤnstigen Anstoß der Richtung, ent- schlossene Foͤrderung der technischen Entwickelung des Kuͤnst- lers koͤnne angenaͤhert und beschleunigt werden. Was in Erfuͤllung gehen moͤge. Im October 1827. Gedruckt bey den Gebruͤdern Vorchers in Luͤbeck.