Ueber Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom fuͤr Liebhaber des Schoͤnen in der Kunst von Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr, Koͤnigl. Großbritannischen und Churfuͤrstlich-Braunschweig-Luͤne- burgischen Beisitzer des Hofgerichts in Hannover, und Ritterschafts-Deputirten der Grafschaft Hoya. Zweiter Theil. Leipzig, bei Weidmanns Erben und Reich. 1787. Inhalt. Villa Albani. S. 1 bis S. 59 Ueber Winkelmanns Enthusiasmus: Ein Wort zu seiner Apologie. Warnung, das Ur- theil anderer uͤber Werke der Kunst nicht un- bedingt anzunehmen. Werth der Sammlung in der Villa Albani fuͤr den unbefangenen Lieb- haber des Schoͤnen. Verdienste des Cardinals Albani um die neuere Kunst, und die Kenntniß der alten: Der wiederhergestellte gute Geschmack in der Sculptur, und die wahre Richtung des antiquarischen Studii, scheinen von dieser Villa ausgegangen zu seyn. Beschreibung der Villa. Schoͤne Buͤste der Minerva. Schoͤner Kopf eines Fauns. Buͤste des Antinous. Gallerie oder großer Saal: Muster eines praͤchtigen und geschmackvollen Ammeublements. Minerva. Charakter der Minerva. Leucothea. Plafond 2 von Inhalt. von Mengs: Beurtheilung desselben. Bestaͤ- tigtes Urtheil uͤber den Meister. Ueber den hoͤchsten Zweck der Mahlerei; ob die Alten uns darin zum Muster dienen koͤnnen? Fortge- setzte Beschreibung der Gallerie. Thetis. Pallast Colonna. S. 60 bis S. 110 Die beruͤhmte Cencia. Brustbild der heili- gen Magdalena von Guido. Einige schoͤne Ge- maͤhlde von Tizian. Eine heilige Familie aus Raphaels erster Manier. Bemerkungen uͤber den Stil der groͤßten Landschaftsmahler: Claude le Lorrain, Caspar Poussin, und Salvator Rosa. Luftperspektiv was sie ist. Lebende Figuren in der Landschaft: bezeichnendes Nebenwerk. Ueber den laͤndlichen und den heroischen Stil in der Land- schaftsmahlerei. Zwei der schoͤnsten Landschaften Poussins. Mutter Gottes mit dem todten Christ von Guercino. Ecce Homo: das beste Ge- maͤhlde des Correggio in Rom. Bemerkungen uͤber diesen Meister. Begriff des Helldunkeln: Verschiedenheit desselben von Colorit, Ruͤndung, Beleuchtung und willkuͤhrlichem Spiel heller und dunkler Partien. Wie Correggios Staͤrke im Helldunkeln zu beurtheilen ist. Zweifel: Ob man in groͤßeren Compositionen ein ganz wah- res Colorit beibehalten koͤnne? Correggio erster Lehrer der Gruppirung, des Contraposto, der Pyramidalgruppen. Schmelz der Farben dieses Meisters. Grablegung Christi von Guercino. Villa Inhalt. Villa Negroni. S. 111 bis 121 Erleichterung des Begriffs vom Mahlerischen. Sogenannter Marius. Schoͤnes Basrelief. Amor auf einem Leoparden reitend. Begriff eines Mithras (in der Note). Schoͤner Kopf eines Paris: Beweis der Moͤglichkeit unter schoͤnen Formen des Koͤrpers eine fehlerhafte Seele errathen zu lassen. Unterschied zwischen Ausdruck des Charakters, und dem Symbol gewisser Eigenschaften der Seele. Beruͤhmte Gruppe zweier Kinder. Pallast Doria. S. 122 bis S. 136 Madonna betend uͤber dem schlafenden Christ, von Guido. Sechs Ovale, von Annibale Car- raccio. Vortreffliche Landschaft von Claude le Lorrain. Die Mutter Gottes bei dem Leichname Christi, von Annibale Carraccio. Zwei schoͤne Bildnisse auf einer Tafel, wahrscheinlich von Raphael. Ein anderes Bildniß von Tizian. Villa Medicis. S. 137 bis S. 155 Nachricht uͤber die Gruppe der Niobe, (in einer Note). Schoͤne Figur eines Weibes in schwermuͤthiger Stellung. Sogenannte Cleo- patra. Begriff einer Roma. Pallast Corsini. S. 156 bis S. 162 3 Villa Inhalt. Villa Aldovrandini. S. 163 bis S. 183 Die Aldovrandinische Hochzeit, ein antikes Gemaͤhlde. Empfehlung einiger Behutsamkeit bei dem vergleichenden Urtheil des Verdienstes der alten Mahler mit dem Verdienste der neuen. Gedanken uͤber den mechanischen Theil der alten Mahlerei. Pallast Quirinale, oder del Monte Cavallo. S. 184 bis S. 201 Capelle des Guido Reni. Stil dieses Mei- sters. Plis formés d’ une maniere mé- plate. Nachricht von dem weinenden Petrus im Pallast Zampieri zu Bologna; (in einer Note). Der heilige Sebastian von Tizian. Bemerkun- gen uͤber den Stil des Fra Bartholomaͤo di St. Marco. Kreuzigung des heiligen Petrus von Guido. Die heilige Petronilla von Guercino. Villa Ludovisi. S. 202 bis S. 219 Der Ludovisische Mars. Charakter eines Mars. Papirius mit der Mutter. Arria und Paͤtus. Bemerkungen uͤber den Stil des Guercino. Mah- lereien dieses Meisters. Colossalischer Kopf der Juno. Pallast Boccapaduli. S. 220 bis S. 252 Die Sacramente von Nicolas Poussin. Be- merkungen uͤber diesen Meister. Pruͤfung seiner Verdienste um das Uebliche. Festsetzung des Begriffs den man mit diesem Worte zu verbinden hat. Inhalt. hat. Die fruͤheren Meister, die wider das Ueb- liche gesuͤndigt haben, verdienen unsere Nachsicht. Verschiedenheit des Ueblichen von mechanischer und dichterischer Wahrscheinlichkeit, imgleichen von dem Schicklichen. Die Gruͤnde zur Nach- sicht fuͤr den aͤlteren Kuͤnstler koͤnnen dem gegen- waͤrtigen nicht zu Statten kommen. Man darf das Uebliche nicht mit historischer Treue verwech- seln. Verschiedene Regeln, die bei der Bezeich- nung des historisch Wahren zur Anwendung kom- men. Resultat der Eroͤrterung verschiedener Punkte, die bei der Bestimmung des Begriffs vom Ueblichen zur Frage gebracht sind. Anwen- dung der jetzt festgesetzten Grundsaͤtze auf Poussins Vorzuͤge in Beobachtung des Ueblichen. Fort- gesetzte Pruͤfung seiner Verdienste um die uͤbrigen Theile der Mahlerei. Beurtheilung der Ge- maͤhlde. Villa Pamfili. S. 253 bis S. 256 Pallast Mattei. S. 257 bis S. 263 Beruͤhmter Kopf des Cicero. Die Ehebre- cherin von Pietro da Cortona. Villa Olgiati. S. 264 bis S. 266 Mahlereien von Raphaels Schuͤlern nach den Zeichnungen ihres Meisters. Pallast Barberini. S. 267 bis S. 320 Zwei antike Gemaͤhlde. Der schlafende Faun. Schoͤner antiker Loͤwe. Plafond des Pietro da Cortona. Inhalt. Cortona. Ob weitlaͤuftige Compositionen der Mahlerei zutraͤglich, und angemessen seyn moͤgen? Pietro da Cortona, und sein Stil. Erklaͤrung der Worte: il Spirito, Il Sfumato, in der Mahlerei. Die Spieler von Carravaggio. Esther und Ahasverus von Guercino. Wieder- erkennungszeichen eines Priesters der Cybele. Tod des Germanicus von Poussin. Unterschei- dungszeichen des interessantesten Augenblicks einer Begebenheit zur sichtbaren Darstellung in Ruͤck- sicht auf Ausdruck. Heilige Magdalena von Guido. Heiliger Andreas Corsini von demselben Meister. Die Eitelkeit und Bescheidenheit von Leonardo da Vinci. Charakteristische Kennzei- chen des Stils dieses Meisters. Raphaels Ge- liebte: la Furnerina. Unter welchen Einschraͤn- kungen man berechtiget sey, uͤber die Originalitaͤt eines Gemaͤhldes zu urtheilen? Villa Villa Albani. W inkelmann legt der Sammlung von Kunst- Ueber Win- kelmanns Enthusias- mus: Ein Wort zu sei- ner Apologie. werken in dieser Villa einen sehr hohen Werth bei. Es scheint, daß jedesmal, wenn er in seinen Schriften darauf stoͤßt, seine Einbildungs- kraft besonders entflammt werde. Der vormalige Besitzer dieser Sammlung, der verstorbene Cardinal Albani, war sein Wohlthaͤter und sein Freund: er verdankte dem Aufenthalte an diesem Orte die hei- tersten Stunden, welche geschaͤfftlose Thaͤtigkeit, eine Einsamkeit, welche die Phantasie befluͤgelt, und ein lehrreicher und herzlicher Umgang mit den interessan- testen Maͤnnern, in Rom und aus der Fremde, zu geben im Stande sind. Die frommen Regungen, die ihn hinrissen, von den Zeugen des hoͤchsten Ge- nusses seines Lebens, als von dessen Quellen zu reden, verdienen unsere nachsichtsvolle Verehrung, wenn wir gleich bey dem bloßen Anblick des nunmehro wieder Unbelebten, abgezogen von aͤußerer Veran- lassung zum Enthusiasmus, denselben nicht immer mit ihm theilen koͤnnen. Zweiter Theil. A Wenn Villa Albani. Wenn die Begeisterung, mit der Winkelmann uͤber manches Werk spricht, nicht stets durch dessen Schoͤnheit gerechtfertiget wird, so duͤrfen wir nicht glauben, daß er seine Einbildungskraft in Arbeit gesetzt habe, den Zuhoͤrer durch ein erlogenes Feuer zu blenden. Nein! Seine schoͤne Seele war vieler Irrungen faͤhig, aber keines absichtlichen Betrugs. Es war Anhaͤnglichkeit an dem Besitzer, an dem Urheber des Kunstwerks, es war Freude uͤber einen feinen von ihm zuerst ausgefundenen Aufschluß uͤber dessen Bedeutung, durch die sein Herz — sein Ver- stand, in einen leidenschaftlichen Affekt versetzt wur- den, der an sich der Empfindniß des Schoͤnen fremd, dennoch auf Rechnung derselben von dem Betrogenen gesetzt wurde. Nur eine erkuͤnstelte Begeisterung verdient unsere Verachtung, der Witz, der die Larve der Empfindung annimmt. Wenn Winkelmanns kalte Nachahmer unter uns Deutschen ihre erlogenen Ge- fuͤhle in Ausrufungen und Bombast huͤllen, die der gesunde Menschensinn verleugnet; wenn Italienische Abbati uns mit auswendig gelerntem Redeschmuck in Gallerien verfolgen; dann laßt uns diese verwuͤn- schen! Und ich habe euch oft verwuͤnscht, ihr Ueber- laͤstigen, die ihr mich von Bewunderung des Kunst- werks auf Bewunderung eurer schoͤnen Beschreibung abzuziehen suchtet! Warnung, das Urtheil anderer uͤber Werke der Inzwischen hat die gutherzige Schwaͤrmerey den Nachtheil, daß unser Geschmack noch groͤßere Gefahr laͤuft, in die Irre gefuͤhrt zu werden, und es scheint daher hier der Ort zu seyn, einige Regeln der Villa Albani. der Behutsamkeit zu geben, das Urtheil, selbst der Kunst nicht unbedingt anzunehmen. Verstaͤndigsten in der Kunst, auf eigene Pruͤfung zuruͤckzufuͤhren. Da diese Regeln mit der Kunst, das Schoͤne zu finden, in dem genauesten Verbande stehen, so moͤgen sie als eine schickliche Einleitung zu diesem Theile gelten. Ohne den Nahmen des Meisters eines Werks, ohne das Urtheil, das lange uͤber dessen Werth ge- faͤllt ist, vorher zu wissen, suche der Liebhaber das- selbe ohne Begleiter zu betrachten. Sein Gefuͤhl ist dann noch nicht praͤoccupirt: Weder die Schaam, das schoͤn zu finden, was neben ihm getadelt wird, noch der Vorwurf, den man sich macht, da kalt zu bleiben, wo andere in Entzuͤckung gerathen, werden seiner Empfindung eine schiefe Richtung geben. Ist sein Gefuͤhl bestimmt, hat er es vor sich selbst zu rechtfertigen gesucht, dann frage er andere, um es zu berichtigen. Contrastirt ihr Ausspruch gaͤnzlich mit dem seinigen, so gehe er zum zweitenmale hin und sehe; und findet er dann noch keine Gruͤnde, von seiner ersten Meinung abzugehen; Klugheit ge- bietet ihm zu schweigen: keine Autoritaͤt in der Welt aber vermag ihn zu zwingen, sein Gefuͤhl in das Gefuͤhl eines andern zu beugen. Die Vergleichung des gegenwaͤrtigen Eindrucks, den ein gewisses Kunstwerk auf uns macht, mit denen, die wir vorher von dem Anblick aͤhnlicher er- halten haben: die genaue, aber ungezwungene Pruͤ- fung, ob nicht hier und dort ein besonderes Verhaͤlt- niß, eine leidenschaftliche, und, wenn ich so sagen darf, eigennuͤtzige Lage, uns etwas Anziehendes in A 2 dem Villa Albani. dem Werke zeige, das nicht sowohl in demselben, als in uns liegt, scheinen die getreuesten Schiedsrichte- rinnen uͤber das Verdienst eines Kunstwerks, als schoͤnes Kunstwerk, zu seyn. Das Gefuͤhl des Schoͤnen verlangt durchaus eine ruhige Gemuͤthsverfassung, die kein Vergnuͤgen sucht, als welches der gegenwaͤrtige Genuß darbietet: ohne Ueberzaͤhlung desjenigen, was wir dadurch fuͤr das Kuͤnftige gewinnen, ohne Nahrung fuͤr Affekte, die das Herz oder der Verstand — denn auch dieser hat die seinigen — schon vorhero hatten. Gebrau- chen wir nicht die Vorsicht, diese fremden Ruͤcksich- ten auf fruͤhere Begriffe und Neigungen, auf Absich- ten und Wuͤnsche, von dem Vergnuͤgen, das die Kuͤnste gewaͤhren, zu trennen; so laufen wir Ge- fahr, dieses bei einem wiederholten Anblick nicht wie- der zu finden, und auf einen Genuß zu rechnen, den viele andere Gegenstaͤnde viel vollstaͤndiger und viel dauerhafter zu gewaͤhren im Stande sind. Eine Porcia, die nach dem Tode ihres Gemahls bei dem Anblick eines Gemaͤhldes der Andromache dem gepreßten Herzen zuerst durch Klagen Luft macht; ein Caͤsar, der vor der Bildsaͤule Alexan- ders ehrgeizige Thraͤnen vergießt, duͤrfen bei veraͤn- derter Lage auf einen aͤhnlichen Eindruck, den auch sehr mittelmaͤßige Stuͤcke auf sie gemacht haben wuͤr- den, nicht ferner rechnen. Der Kuͤnstler, dem sich bei der Beurtheilung eines Kunstwerks zu gleicher Zeit alle die Schwierig- keiten darstellen, die der widerstrebende Stoff, oder das Mangelhafte der Werkzeuge dem Urheber dessel- ben Villa Albani. ben entgegen gesetzt haben, schaͤtzt dasselbe hauptsaͤch- lich nach dem Werthe der Ueberwindung dieser Hin- dernisse. Er freuet sich, daß ein Mensch, wie er, so viel vermocht hat; die Erwaͤgung des Schweren in der Kunst, deren Ausuͤbung er sich gewidmet hat, erhoͤhet den Begriff von der Vortrefflichkeit seiner Wahl. Er wird stolz auf Kenntnisse, die ihn in den Stand setzen, uͤber die Erfordernisse zur Voll- kommenheit zu urtheilen: er billigt, er verwirft nicht selten, um gelehrt zu scheinen: er lobt, weil in des Vorgaͤngers Unvollkommenheiten Entschuldigung fuͤr seine Fehler liegt; oft tadelt er, weil jener einen an- dern Weg eingeschlagen ist, zur Vortrefflichkeit zu gelangen, als den, den er genommen hat. Dies ist nicht das einzige Beispiel, daß das Ur- theil uͤber die Schoͤnheit eines Werks von den ver- schiedenen Zwecken abhaͤngt, die man mit dem Stu- dio der Kunst, die es hervorgebracht hat, verbindet. Die Erlaͤuterung, die die Geschichte und die Fabel durch die Bekanntschaft mit den schoͤnen Ueberresten des Alterthums erhalten, spannt allein den Fleiß des Grammatikers, des Critikers, der sich mit kaltbluͤ- tiger Untersuchung Werken nahet, die bestimmt wa- ren, Begeisterung und Innigkeit in ihren Zuschauern hervorzubringen. Ihm sind Kunstwerke Denkmaͤ- ler, und die Innschrift auf der Base hat oft fuͤr ihn mehr Werth, als die Form der Figur, die sie bezeichnet. So sehr der Philosoph, dessen denkender Geist den Fortschritten der Ausbildung einer Nation in den Schritten zur Vollkommenheit in ihren Kuͤnsten A 3 nach- Villa Albani. nachspaͤhet, in anderer Ruͤcksicht Anspruch auf unsere Verehrung hat; das Verdienst, welches er einem Stuͤcke beilegt, kann dasselbe fuͤr den Liebhaber nicht bestimmen: denn der unfoͤrmlichste Versuch des Handwerkers muß jenem in Betracht der Folgerun- gen, die er daraus zieht, so wichtig seyn, als das erhabenste Werk des Kuͤnstlers. Kaum weiß ich, ob ich nach Maͤnnern, die sich aus Absichten, die immer mittelbar zu unserm Ver- gnuͤgen beitragen, der Kenntniß und dem Studio der Kuͤnste nahen, solche nennen darf, die durch die verkehrte Anwendung, die sie von denselben machen, dies Vergnuͤgen gaͤnzlich zerstoͤren! Jene Litterato- ren der Kunst, eine unausstehliche Menschenart! die nur weiß, um zu wissen, der Gedaͤchtniß und Erinnerungsvermoͤgen statt Empfindniß und Einbil- dungskraft von der stiefmuͤtterlichen Natur zu Theil geworden ist, und die ein Stuͤck nur in so fern schaͤtzen, als jene Kraͤfte ihrer Seele dadurch in Thaͤtigkeit ge- setzt werden! Nichts suchen sie sorgfaͤltiger an einem Kunstwerke auf, als die Zeit, in der es verfertiget worden, die Schicksale, die es erfahren hat; durch welche Haͤnde es gegangen; wie viel dafuͤr zu ver- schiedenen Zeiten bezahlt, oder von Fuͤrsten und En- gellaͤndern geboten, welchen Gefahren des Untergan- ges es in dieser oder jener Feuersbrunst entkommen ist: und dann eine Menge Anekdoten aus der Lebens- geschichte des Urhebers, der eingeschlossen in seiner Werkstatt vielleicht blos in seinen Werken gelebt hat! Oder jene Brocanteurs, jene Bildertroͤdler, denen die Groͤße und Laͤnge des Kunstwerks, der Geschmack Villa Albani. Geschmack der Mode an dieser oder jener Vorstel- lungsart, kurz die gelegentliche Veranlassung zum bessern oder schlechtern Verkauf statt des innern Wer- thes gilt: die endlich vermoͤge des glaͤnzenden Firnis- ses, mit dem sie ein veraltetes Stuͤck uͤbersetzen, sich berechtiget halten, alles zu loben, was sich in ihrer Polterkammer findet, und alles zu tadeln, was sich nicht dahin hat verirren koͤnnen! Oder jene beschwerlichen Lobredner, von denen ich schon geredet habe, denen ein gemeinschaftlicher Geburtsort mit dem Meister, oder der Stoff zu hoch- toͤnenden Declamationen, die Gewaͤhr der Vollkom- menheit eines Werks leisten: die ihm tausend Vor- zuͤge andichten, an die bei der Verfertigung nie ge- dacht ist, und die wirklich vorhandenen uͤbersehen! Oder jene eben so beschwerlichen Tadler, die um zu sagen: ich habe gesehen, von dem Gegenwaͤrtigen nichts sehen, oder durch die unbetraͤchtlichsten Fehler gegen die uͤberwiegenden Schoͤnheiten in einem Mei- sterstuͤcke blind werden! Diese Erfahrungen moͤgen hinreichen, um zu zeigen: Daß individuelle Lage, Befriedigung großer und kleiner Leidenschaften, Vorurtheil der Erziehung, und besondre Richtung unsrer Aufmerksamkeit, das Urtheil uͤber die Schoͤnheit eines Werks auf mannich- faltige Art modificiren koͤnnen. Wer also von meinen Lesern das seinige bestim- men will, oder das Urtheil anderer, die er zu Rathe zieht; der pruͤfe: ob er und sein Begleiter in der ruhigen Stimmung sind, die den Genuß des Schoͤ- nen zulaͤßt? ob diese nicht Kuͤnstler sind, nicht Anti- A 4 quare, Villa Albani. quare, nicht Forscher der ungeschmuͤckten Wahrheit, nicht Brocanteurs, nicht Landesleute, Freunde des Kuͤnstlers; ob diese nicht darauf rechnen, einen glaͤn- zenden Cirkel mit Declamationen oder Spitzfindigkei- ten zu unterhalten; — und findet er nichts von dem allen, so halte er sich dreist an das Urtheil, das Em- pfindung ihm eingiebt, und die Vergleichung mit Erfahrungen aͤhnlicher Empfindungen bestaͤtigt. Werth der Sammlung in der Villa Albani fuͤr den unbe- angenen Liebhaber des Schoͤnen. Wer sich mit dieser Vorsicht an der Hand Win- kelmanns der Betrachtung der Kunstwerke in der Villa Albani naht, wird das guͤnstige Urtheil, welches er daruͤber faͤllt, nicht in seinem ganzen Umfange unter- schreiben koͤnnen. Inzwischen verschiedene Stuͤckt verdienen die unbefangenste Bewunderung, und die Art, wie sie alle zur Verschoͤnerung dieses Landsitzes angewandt sind, wird das Ganze zu einem Aufent- halte machen, nach dem sich der Liebhaber des Schoͤ- nen oft wieder hinsehnt. In der That, die Anordnung derselben in die- ser Villa ruft die Beschreibungen der Alten ins Ge- daͤchtniß, die sie uns von aͤhnlichen Ausschmuͤckungen der ihrigen hinterlassen haben. Schade! daß der Geschmack in den Gebaͤuden, die sie enthalten, nicht reiner ist; aber diese gehen mich hier nichts an. Fuͤr mich ist es genung, daß die unendliche Menge von Ueberbleibseln des Alterthums, die ein einziger Mann, der verstorbene Cardinal Albani, hieher zu vereinigen gewußt hat, mein Erstaunen erregt, und daß ich das ausgezeichnete Gluͤck nicht genung bewundern kann, mit dem er so viele zu einander passende Gegen- staͤnde Villa Albani. staͤnde aufgefunden hat, die durch die gute Wuͤr- kung, die sie an dem Orte ihrer Aufstellung hervor- bringen, zu ihrer gegenwaͤrtigen Bestimmung ur- spruͤnglich verfertigt zu seyn scheinen. Der verstorbene Cardinal Albani hat von seiner Verdienste des Cardi- nals Albani um die neuere Kunst und die Kenntniß der alten; der wiederherge- stellte gute Geschmack in der Sculptur und die wah- re Richtung des antiqua- rischen Stu- dii scheinen von dieser Villa ausge- gangen zu seyn. fruͤhesten Jugend an alles, was sich von alten Kunst- werken zu seiner Zeit auftreiben ließ, mit unermuͤde- ter Sorgfalt gesammelt: Und seine Zeit dauerte lang, sie war der Befriedigung seiner edlen Liebhaberei sehr guͤnstig. Er ward 80 Jahr alt, und ehe er den Geschmack an der Antike wieder belebt hatte, theilte er ihn mit Niemanden in Rom. Ihm gebuͤhrt das Lob, diesen Geschmack wie- der hergestellet zu haben: durch das Ansehn seines Beispiels bei seinen Landsleuten, durch die Unterhal- tung, die fremde Liebhaber in seinem Umgange fan- den, durch den Schutz, den er Gelehrten und Kuͤnst- lern angedeihen ließ. Diese wurden bei ihm mit ein- ander vertrauet, sie lernten einer von dem andern: Mengs und Winkelmann sammleten hier den Stoff zu Werken, durch die ein neues Licht in der Kunst aufgieng. Der Kuͤnstler wurde auf die Ideen von wahrer Schoͤnheit, von einfacher Groͤße und Bedeu- tung in den Werken der Alten zuruͤckgefuͤhrt, und der Antiquar lernte diese als schoͤne Kunstwerke studie- ren. Die haͤufigen Ergaͤnzungen verstuͤmmelter Statuen, und die Lehren des Cardinals, der in dem Umgang mit der Antike alt geworden war, verdraͤn- geten vorzuͤglich in der Sculptur jenen ausschweifen- den Kirchenstil der Schuͤler des Algardi und Bernini, um dem reinern der Alten Platz zu machen. Zuletzt A 5 zogen Villa Albani. zogen die roͤmischen Magnaten manches vergessene Meisterstuͤck aus ihren finstern Polterkammern her- vor, und stellten sie entweder selbst an Oertern auf, die wenigstens zugaͤnglich fuͤr Liebhaber und Kuͤnstler wurden, oder brachten sie, aufgeklaͤrt uͤber den Preiß, den diese verkannte Waare vor den Augen der Schuͤ- ler des Cardinals erhielt, in merkantilischen Umlauf, der immer mehr als eine gaͤnzliche Versteckung den Kuͤnsten vortheilhaft wurde. Beschrei- bung der Villa. Der verstorbene Cardinal scheint den Plan zu Anlegung der Gebaͤude in dieser Villa erweitert zu haben, so wie er eine groͤßere Menge von Kunstwer- ken erhielt, die er darinn aufstellen wollte. Das Hauptgebaͤude besteht aus einem Corps de Logis, zwischen zwei, wie es scheint, erst spaͤter an- gehaͤngten Fluͤgeln. Vor diesem Hause eine Ter- rasse, dann eine große Fontaine, und gegen uͤber ein Gebaͤude im halben Cirkel, ein sogenannter Xystus oder Hemycyclum: vorn mit rund umhergehenden Arkaden, die einen offenen Porticus bilden, an des- sen hinterer Wand Statuen in Nischen aufgestellt sind: hinten mit Zimmern. Zur Linken, wenn man von dem Hauptgebaͤude ab auf diesen Xystus zugeht, mehrere kleine Gebaͤude, von denen ich nachher die vorzuͤglichsten naͤher anzei- gen werde; und hinter denselben verschiedene Partien, Grotten, Fontainen, die nicht gleich ins Auge fallen. Zur Rechten in eben dieser Richtung ein Bos- quet, ein Obelisk in der Mitte verschiedener darauf stoßender Alleen, gruͤne Rasenplaͤtze u. s. w. Der Villa Albani. Der Garten selbst ist ziemlich im franzoͤsischen Geschmack. Die Aussicht von der Terrasse vor dem Hause ab auf den Xystus mit der zwischen liegenden Fontaine ist mir die liebste Partie, und bei dem Xystus, dem Wohnhause gegen uͤber, hat der Car- dinal offenbar aͤhnliche Anlagen der Alten, von denen wir aus ihren Schriften wissen, vor Augen gehabt. Das Hauptgebaͤude. Porticus vor demselben. Zwei Sphynxe von Basalt. Rechter Hand am Ende † eine schoͤne Figur, die zu fliegen scheint, denn sie haͤngt an dem Mar- morblocke mit dem Gewande, und ihre Fuͤße be- ruͤhren die Erde nicht. Die Gesichtsbildung ist sehr reizend, und das Gewand vortrefflich geworfen; doch koͤnnte die Ausfuͤhrung besser seyn. Auf dem Kopfe traͤgt sie ein Diadem, und in der Hand eine Fackel. Allein die beiden Arme sind neu. Man nennt diese Figur eine Juno, eine Ceres, eine Iris. In den Nischen stehen: † ein Tiber mit ei- nem jugendlichen Kopfe, von dem Winkelmann redet, G. d. K. S. 793. ein August, ein Lucius Verus, ein Septimius Severus, ein Trajan, ein Ha- drian. Man hat diesen Figuren die Koͤpfe ziemlich will- kuͤhrlich aufgesetzt. Die Statue des Septimius Severus faͤllt durch die nackten Beine bei dem gehar- nisch- Villa Albani. nischten Koͤrper auf. Winkelmann bemerkte sehr scharfsinnig, daß dieses sonderbare Costume am er- sten auf den Kaiser Hadrian passe. Denn dieser befahl nicht nur seiner Leibwache zur Wiederherstel- lung der alten Disciplin, den Dienst mit unbekleide- ten Fuͤßen zu verrichten; sondern gieng ihnen auch selbst darunter vor. Winkelmann rieth daher dem Cardinal, dieser Statue ihren wahren Kopf aufzu- setzen: Allein es ist dabei geblieben. Inwendig im Hause. Der Sonderbarkeit des Suͤjets wegen bemerke ich auf dem Gange zur Kuͤche einige Basreliefs, aus schlechtem Etruscischen Alabaster, welche auf Kuͤche und Tafel Beziehung haben. Sie sind von schlechter Ausfuͤhrung. Linker Hand in einem Cabi- nette. † Ein großes Gefaͤß von Alabastro Fio- rito, in dessen Mitte sich eine Maske befindet. Einige Buͤsten, worunter ein gut drappir- ter Augustus. Eine Statue Antonins des Frommen. † Ein Gladiator, der eine Victoria traͤgt, Fuͤsse neu, und Eine weibliche Figur mit einem Kopfe, deren Haare nach der noch jetzt bei den Ita- lienern gewoͤhnlichen Mode, in ein Netz gebunden sind. Koͤpfe mit diesem Putze nennt man gemeiniglich: Sapho, ohne allen Grund. Darauf Villa Albani. Darauf tritt man in die Gallerie der Grie- chischen Buͤsten oder Termen, denen ziemlich willkuͤhrliche Nahmen gegeben sind. Viele darunter sind schoͤn, viele aber auch sehr mittelmaͤßig. Unter die besten rechnet man Themistocles, Paris und Scipio Africanus. In den Nischen stehen Statuen, die sehr re- stauriret sind. Der seelige Cardinal gestand selbst, sie waͤren es f facciatamente, auf eine unverschaͤmte Weise. Einzelne Theile sind schoͤn. Am Ende der Gallerie findet man † eine sitzende weibliche Figur, die den Finger an die Backe legt. Sie hat einen sehr guten Ausdruck des Nachdenkens, daher viele darin eine Mnemosyne oder die Mutter der Musen sehen. Rechter Hand. Capelle. Hier trifft man eine schoͤne Urne aus Porphyr an, die statt Altars dient. Dann wieder ein Cabinet mit einer † gros- sen Vase, aus Alabastro Fiorito, mit einer erha- ben gearbeiteten Maske in der Mitte. Sie ist dem Gefaͤße auf der linken Seite voͤllig aͤhnlich. † Eine ganz vortreffliche colossalische Schoͤne Buͤ- ste einer Mi- nerva. Buͤste einer Minerva. Sie ist die schoͤnste, die ich von dieser Goͤttin kenne, und scheint ehemals zu einer Statue gehoͤrt zu haben. Aber schon in alten Zeiten hatte man sie zur Buͤste adaptiret. † Eine vortreffliche und aͤußerst seltene Statue Domitians. Winkelmann Gesch. d. Kunst, W. E. S. 823. Eine Villa Albani. Eine Statue Marc Aurels. Eine sehr seltene Statue des Pupienus Ehemals in der Villa Verospi. Winkelmann Gesch. d. Kunst, W. E. S. 862. Lucius Verus und Marcus Aurelius, zwei Buͤsten. Aus dem Cabinette tritt man wieder in eine Gallerie von Buͤsten oder Termen nebst Sta- tuen in den Nischen. Auch hier sind wieder die Benennungen oft willkuͤhrlich, und das Gute ist mit dem Schlechten vermischt. Ich bemerke eine Diana, die ein Reh traͤgt. Am Ende dieser Gallerie in zwei Cabinettern: Sturz eines gefangenen Koͤnigs mit einem Gewande von einer sehr raren Marmorart Breccia d’ Egitto. Winkelm. G. d. K. W. E. S. 112. Ein Loͤwe aus gruͤnem Basalt. Mehrere Basreliefs. Ein Marsyas. Eine bekleidete weibliche Figur. Fluͤgel zur Linken. Im ersten Zimmer. † Ein schoͤner Kopf der Cybele, der nach dem einstimmigen Zeugnisse aller Russen der Czaa- rin Catharina der Zweiten ungemein aͤhnlich siehet. Mehrere Basreliefs aus gebrannter Erde, unter andern dasjenige, welches die Verfertigung des Villa Albani. des Schiffs der Argonauten vorstellet, und von dem Winkelmann redet, Winkelmann G. d. K. S. 23. imgleichen ein anderes von Porphyr. Es stellet den Daͤdalus vor, wie er seinem Sohne Icarus die Fluͤgel bereitet. Winkelmann G. d. K. S. 489. Eine gemahlte Landschaft. Winkelmann G. d. K. S. 564. † Eine vortreffliche Buͤste des Jupiter Serapis aus gruͤnem Basalt. Ich ziehe sie der aͤhnlichen Buͤste im Museo Vaticano vor, aber das Kinn ist neu. Winkelmann G. d. K. S. 103. Ein junger Lucius Verus, Statue. Euripides, hoch erhoben auf einer Tafel gear- beitet, woran das Verzeichniß der von ihm verfertig- ten Theaterstuͤcke stehet. Diogenes und Alexander, Basrelief. Winkelm. G. d. K. S. 709. Ein Schauspieler. Ein schoͤner weiblicher Koͤrper in einer Stellung, die sich fuͤr eine Tochter der Niobe passen wuͤrde. Noch zwei Schauspieler. Ein Kind, das sich mit einer Maske bedecket, und durch die Oeffnung des Mundes die Hand steckt. Zweites Zimmer. † Eine vortreffliche Vase von Marmot, mit einer Friese rund umher, die die Thaten des Hercules vorstellt: in der Mitte ein Medusenkopf. Unter Villa Albani. Unter den vielen Statuen, die in den Nischen stehen, bemerke ich eine Pallas im Stile des hohen Alterthums. Der Kopf, sagt Winkelmann, gleicht einem Egyptischen Werke. G. d. K. S. 458. Zwei kleine Basreliefs mit Amorinen auf Waͤgen, die von verschiedenen Thieren gezogen wer- den. Der Gedanke ist sehr artig, und koͤnnte dem Kuͤnstler zu einer Nachahmung mit verbesserter Aus- fuͤhrung Anlaß geben. Zwei Vasen von schoͤner Form. Ein Nil im Kleinen. Drittes Zimmer. Einige Termen von Alabastro Fiorito. Sonderbar sind die Zeugungsglieder, die, unter dem Gewande angrgeben, durchscheinen. Ein altes Mosaik, welches eine Landschaft an den Ufern des Nils vorstellet. Eine antike Fontaine, welche einem Kinde zum Spielwerke gedient zu haben scheint. Viertes Zimmer. Ein trunkener Faun sehr restauriret. Ein Basrelief im sogenannten Etruscischen Stile. Ein Schauspieler. Eine Badewanne von weiß und schwarzem Granit: ein aͤußerst seltenes Stuͤck. Die Villa Albani. Die aͤußere Seite dieses Nebengebaͤudes oder Fluͤgels ist mit einem Porticus gezieret, unter wel- chem man eine Diane von Ephesus antrifft. Fluͤgel rechter Seite. Um der Symmetrie willen hat man diesem Fluͤ- gel gegen uͤber eine Faßade erbauet, hinter wel- cher jedoch kein Gebaͤude, sondern ein Bos- quet ist. Diese Faßade hat ein Portal, welches auf vier † schoͤnen weiblichen Caryatiden ruhet. Sie sind sehr restauriret. Oberer Theil des Mittelge- baͤudes. Auf der Treppe. Mehrere Basreliefs: Ein Fragment der Fabel der Niobe; Hercules in dem Garten der Hesperiden; zwei tanzende Bacchantinnen und Leucothea mit ihrem Zoͤgling dem Bacchus und Nymphen. Winkelmann G. d. K. S. 160. haͤlt das letzte fuͤr das aͤlteste, nicht allein von Hetrurischen, son- dern auch uͤberhaupt von allen erhobenen Arbeiten in Rom. Es ist aber, so wie die uͤbrigen alle, merkwuͤr- diger fuͤr den Gelehrten, als fuͤr den Liebhaber und Kuͤnstler. Im Zweiter Theil. B Villa Albani. Im Vorzimmer. † Ein Faun, der einen Schlauch traͤgt. Der Ausdruck ist gut, er zeigt Staͤrke und Behen- digkeit, auch sind die Umrisse fließend, vielleicht ist aber der Koͤrper ein wenig zu kurz. Erstes Zimmer des obern Geschosses. Einige Marinen von Manglar. Einige Koͤpfe der Rosalba. Zweites Zimmer. Kopf eines Kindes und einer Alten. Buͤsten. Drittes Zimmer. † Apollo Sauroctonon, eine gute Statue aus Bronze mit Augen von Silber. Sie ist in der Groͤße eines Knaben von 10 Jahren, bei St. Bal- bina gefunden. Winkelmann G. d. K. S. 544. imgleichen 375, wo er ihm die schoͤnsten maͤnnlichen Beine beilegt. Auch dies scheint uͤbertrieben. legt dieser Statue ein Lob bei, welches sie nicht ganz verdient. Er haͤlt sie beinahe fuͤr ein Werk des Praxiteles. Haͤtte dieser Meister nichts bessers zu machen gewußt, so wuͤrde ihn sein Villa Albani. sein Copist in der Villa Borghese weit uͤbertroffen haben. † Ein Bacchus und ein Faun, ein Paar kleine reizende Figuren, die in ihrer Kleinheit um so seltener und interessanter sind: Vielleicht ist aber aus- ser dem Koͤrper nichts daran alt. † Die Apotheose des Hercules, dem Ge- lehrten interessanter als dem Kuͤnstler; inzwischen hat die Figur der Victoria einen angenehmen Cha- rakter. † Ein schoͤner Kopf in Basrelief, wel- chen man den Poet Persius genannt hat, ob derselbe gleich einen Mann von reiferem Alter vorstellet, und folglich auf den Persius, der im 29sten oder 30sten Jahre starb, nicht gedeutet werden kann. Winkelmann G. d. K. S. 812. An- dere halten ihn fuͤr einen Hadrian. Ein Canopus aus gruͤnem Basalt. Einige kleine Figuren aus Bronze. Eine Diana und eine Minerva, deren Koͤpfe und Haͤnde von Bronze sind, das Gewand ist von Alabaster. Winkelmann. G. d. K. S. 543. Zwei Figuren des Diogenes, eine jede mit einem Hunde. Der eine von diesen Hunden ist antik. Acht antike Begraͤbnißurnen aus Alaba- ster und drei aus Porphyr. B 2 Drei Villa Albani. Drei moderne Vasen, von denen zwei aus rothem Porphyr, Winkelmann G. d. K. S. 524. und eine aus gruͤnem Granit ist. Viertes Zimmer. Schoͤner Kopf eines Fauns. † Der schoͤne Kopf des Fauns, den ehe- mals der Conte Marsigli besaß. Die Brust ist von Cavaceppi restaurirt. Winkelmann G. d. K. S. 276. rechnet ihn unter die schoͤnsten des Alterthums, und mit Recht. Der Ausdruck unbefangener laͤndlicher Froͤhlichkeit ist vortrefflich. Unter dem Kinne haͤngen Warzen. Fuͤnftes Zimmer. Antinous als Osiris. Die ganze Maske ist modern. Sechstes Zimmer. Buͤste des Antinous. † Antinous eine halbe Figur: Basrelief. Ausserordentlich schoͤn, und vielleicht das merkwuͤr- digste Stuͤck in dieser Sammlung. Die eine Hand war bei der Findung des Werks verstuͤmmelt, und nebst dem Arme in einer Richtung, die es anzuzeigen schien, daß ehemals ein Zuͤgel damit gehalten sey. Dieser Umstand verglichen mit jenem, daß das Marmorstuͤck in der inwendigen Seite ausgehoͤhlet ist, Villa Albani. ist, fuͤhrte Winkelmann auf die Vermuthung, daß dieses Bruchstuͤck ehemals einen Theil einer ganzen Gruppe ausgemacht, und den Antinous auf einem Wagen, ein Zeichen der Vergoͤtterung, vorgestellt habe. G. d. K. S. 842. Ein neuerer Kuͤnstler hat den Versuch gemacht, diese Idee wieder herzustellen, und ist dabei auf eine merkwuͤrdige Erfahrung gekommen. Denn als er die Pferde, die den Wagen zogen, in ihrer natuͤr- lichen Groͤße darstellte, so wurde die Hauptfigur so unansehnlich, daß dieser Uebelstand die alten Kuͤnst- ler hinreichend rechtfertigt, welche die Pferde allemal den menschlichen Figuren aufopferten. Jetzt traͤgt unsere Figur einen Blumenkranz, und ist in der Villa Hadrians gefunden. Sie giebt einen zuverlaͤssigen Beweis von dem Flor der Kunst unter diesem Kaiser ab. Ein weiblicher Kopf, den man Agrippina nennt. Der große Saal. Gallerie oder großer Saal. Muster eines praͤchtigen u. geschmack- vollen Am- meuble- ments. Ein Muster eines praͤchtigen und zugleich, wel- ches so selten zusammentrifft, eines geschmackvollen Ammeublements. Die Marmorarten, womit die Waͤnde bekleidet sind, bieten ihrer Abwechselung ungeachtet dem Auge lauter sanfte und angenehm einstimmende Farben dar. Vier Saͤulen von Porphyr mit Basen und Capitaͤlern von Bronze stuͤtzen die Architraven der B 3 Thuͤren, Villa Albani. Thuͤren, uͤber welche man zwei schoͤne antike Tro- phaͤen von weißem Marmor angebracht hat. Ueber der dritten sieht man ein Basrelief, dessen Figuren mehrere weibliche Gottheiten vor einem Tempel vorstellen. Sie sind im alt- griechischen Stil gezeichnet; Winkelmann schließt jedoch aus der Korinthischen Saͤulenordnung des Tempels, welche erst in spaͤtern Zeiten erfunden wurde, daß dieser Stil blos nachgeahmt sey. G. d. K. S. 464. Schade ist es, daß die Architraven der Thuͤre von vermahltem Holze sind. Eine Sparsamkeit, welche zu sehr mit der uͤbrigen Pracht dieses Saales, und mit dem Reichthum an Marmor in allen uͤbri- gen Theilen absticht. Vielleicht sind auch die Ara- besken theils von eingelegter Arbeit, theils von Mo- saik, und die untermischten modernen Cameen von Alabaster an den Pilastern verschwendet, und nicht am rechten Orte. An den Waͤnden bemerket man vier große vier- eckigte Basreliefs, und vier andere kleinere ovale. Sie sind alle der Aufmerksamkeit werth, ich will aber nur ein einziges hier herausheben. Es stellet einen Mann vor, der einen Hasen haͤlt, gegen den ein Hund anspringt. Es dienet zur Erklaͤ- rung einer Statue auf dem Capitol, wie ich dort bemerket habe. Auf den Tischen von schwarz und weißem Mar- mor stehen vier Buͤsten aus Bronze und Ba- salt. Die schoͤnste darunter gehoͤret einem jungen Manne, Villa Albani. Manne, um dessen Stirn ein Diadem gewunden ist. Die Augaͤpfel sind von moderner Composition, der Mund aber ist schon ehemals vergoldet gewesen. In zwei Nischen mit Spiegeln bekleidet stehen zwei vortreffliche Statuen uͤber Lebensgroͤße. Die eine stellet † eine Minerva vor, deren Arme mo- Minerva. dern sind. Der Kopf hat etwas ernsthaftes, das aber nicht zuruͤckstoßend ist. Das Gewand ist un- vergleichlich. Winkelmann setzt diese Statue in die Zeiten des hohen Stils unter den Griechen. „Sie ist, sagt er, der großen Kuͤnstler dieser Zeit wuͤrdig, und das Urtheil uͤber dieselbe kann um so viel richtiger seyn, da wir den Kopf in seiner urspruͤnglichen Schoͤnheit sehen. Denn es ist derselbe auch nicht durch einen scharfen Hauch verletzet worden, sondern er ist so rein und glaͤnzend, als er aus den Haͤnden seines Meisters kam. Es zeiget sich in dem Kopfe eine gewisse Haͤrte, welche aber besser empfunden als be- schrieben werden kann. Man koͤnnte in dem Ge- sichte eine gewisse Grazie zu sehen wuͤnschen, die das- selbe durch mehr Rundung und Lindigkeit erhalten wuͤrde.“ Winkelmann G. d. K. S. 474. An einer andern Stelle bemerkt er: „Die Unter- lippe haͤnge ein wenig herunter, zum Zeichen mehre- rer Ernsthaftigkeit.“ G. d. K. S. 362. In den Annotazioni sopra le Statue di Roma, welche zu Coburg 1784 mit den Briefen Winkelm. an einen Freund in Liefland heraus . B 4 Der Villa Albani. Charakterder Minerva. Der Charakter der Minerva ist weibliche Schoͤn- heit verbunden mit maͤnnlichem Ernste. Ihr gesenk- tes Haupt, und ihr in sich gekehrter Blick zeigen Nachdenken und Pruͤfung an. Ihre gewoͤhnlichen Attribute: der Helm, der Brustharnisch, die Eule, zuweilen die Schlange ꝛc. sind bekannt. Bei dem Begriff, den sich die Alten von dieser Goͤttin machten, scheint zwar die Hauptidee: Weis- heit, zum Grunde gelegen zu haben; aber so wie diese Weisheit sich in verschiedener Anwendung thaͤtig aͤußert, so hat man diesen Begriff auch auf verschie- dene Art bestimmt. Bald bezeichnet die Goͤttin, Weisheit welche kriegerische Tapferkeit leitet, und vermoͤge dieser Ei- genschaft, welche der Nahme Pallas andeutet, fuͤhrt sie das Schild, das von dem Ziegenfelle, womit es urspruͤnglich bedeckt war, Aegis heißt. Bald giebt man dieser Weisheit eine der Zartheit ihres Ge- schlechts angemessene Richtung. Sie wird entweder die Gesellschafterin der Musen, die Beschuͤtzerin unterhaltender Talente: Minerva; oder die Vor- steherin haͤuslicher den Weibern eigener Arbeiten, besonders der Stickerei: Ergane. Welche wohl- thaͤtigere Anwendung kann aber die Weisheit erhal- ten, als die Befoͤrderung des Haupterfordernisses zur Gluͤckseligkeit unsers Lebens: der Gesundheit? In so fern sie diese zu erhalten lehrt, wird sie Hygea, Minerva herausgekommen sind, bemerkt er S. 54, daß der Kopf dieser Statue abgesondert gearbeitet, und dem Rumpfe eingesetzet worden. Villa Albani. Minerva salutifera, medica genannt, und dann fuͤhrt sie eine Schlange bei sich. Die andere Statue gegenuͤber stellet † eine Leucothea. Leucothea vor, die den Bacchus in ihren Armen traͤgt, und ihn mit Blicken der Zaͤrtlichkeit anschaut. Das Kind streckt seine Arme nach ihr aus. Der Kopf der Leucothea gleicht der beruͤhmten Buͤste der Ariadne auf dem Capitol. Der rechte aufgehobene Arm ist schlecht restaurirt. Auf den Achseln ist ein Mantel befestiget. Winkelmann G. d. K. S. 411. Leucothea hieß vor ihrer Vergoͤtterung Ino. Sie war die Schwester der Semele, der Mutter des Bacchus, dessen Erziehung sie uͤbernahm. Diese Statue ist einzig in ihrer Art. † Plafond von Mengs. Plafond von Mengs. Dieser beruͤhmte Plafond besteht aus einem Mit- tel- und zwei Seitenstuͤcken. Das mittelste Ge- maͤhlde stellet den Parnaß, von den beiden Seiten- gemaͤhlden aber das eine einen fliegenden Genius, das andere den Ruhm unter einer weiblichen Fi- gur vor. Der Parnaß enthaͤlt den Apollo, die neun Mu- Beurthei- lung des Pla- fond von Mengs. sen und ihre Mutter Mnemosyne. Von diesen Figuren scheinen die mehresten vor sich stehend nur mit sich selbst beschaͤfftigt zu seyn: Sie zeigen keinen Ausdruck einer verbundenen oder von mehreren vereinigten Personen unter einander ab- hangenden Thaͤtigkeit. B 5 Ich Villa Albani. Ich gestehe, daß ich diese Composition nicht billigen kann. Es ist nicht genung, wie mich duͤnkt, daß mehrere Personen in einem Gemaͤhlde darum verei- nigt angetroffen werden, weil man sie sich vereinigt denken kann: es sey, daß sie durch Aehnlichkeit ihres Charakters, ihrer Bestimmung, ihrer Schicksale znsammengezaͤhlt werden, oder daß sie sich der Erin- nerung bei der Nennung ihres Namens zu gleicher Zeit darstellen. Nein! ich will, daß ein sichtbarer gemeinschaftlicher Zweck sie zusammenbringe, daß sie zusammen stehen, weil ich sie zusammen handeln sehe; Kurz! daß der Grund, aus dem ich mir ihre Ver- einigung erklaͤre, in dem Bilde selbst liege, nicht in der Erinnerung an ihre homogenen Eigenschaften. Ein jedes Gemaͤhlde von mehreren Figuren muß eine dramatische und wenn man lieber will, eine pan- tomimische Situation enthalten; die Darstellung einer coexistirenden Handlung; keine Aufzaͤhlung der Akteurs. Ich wuͤrde es dem Raphael schlechten Dank wissen, wenn er die Philosophen in der Schule von Athen, oder die Kirchenvaͤter in dem Streit uͤber das heilige Testament, selbst den Apollo und die Mu- sen in seinem Parnaß mit getrenntem Antheile an einer aktuellen Beschaͤfftigung nur darum zusammengerei- het haͤtte, weil sie einen gemeinschaftlichen Nahmen fuͤhren, oder eine gemeinschaftliche Bestimmung ha- ben, wornach ich ihr Zusammenstreben nicht gegen- waͤrtig bemerke. Man Villa Albani. Man kann einwenden: die Musen und Apollo ruhen hier neben einander; es ist schon interessant ge- nung, zehn weibliche Figuren von verschiedener Schoͤnheit neben einem schoͤnen jungen Mann in schwesterlicher und bruͤderlicher Einigkeit zu erblicken: Allein dieses unbefangene Ruhen neben einander wuͤrde doch immer mit einem gewissen Ausdruck eines wech- selseitigen zaͤrtlichen Genusses vergesellschaftet seyn muͤssen, wenn nicht dem Endzweck, dem Auge schoͤne Formen darzubieten, auch der besondere, und der Mahlerei gewiß wichtigere, durch den Ausdruck des Antheils, den der Mensch an den neben ihm handelnden Menschen nimmt, mehrere Figuren zu einem Ganzen zu verbinden, aufgeopfert werden sollte. Die Musen haͤtten, — ein Bild der Harmonie zwischen Kuͤnsten und Wissenschaften — mit Rosen- kraͤnzen umwunden, sich im frohen Reihetanze dre- hen, oder mit Entzuͤcken auf die Gesaͤnge des Apollo horchen, oder einen ihrer Lieblinge, allenfalls den Cardinal Albani selbst zu ihren Geheimnissen ein- weihen, ihm den Becher angefuͤllt mit dem Wasser der heiligen Quelle reichen koͤnnen. Dann haͤtten die neben einander gestellten Figuren uns auf den Begriff des verschwisterten Bandes zuruͤckgefuͤhrt. So aber stehen sie, außer den beiden, die mit einan- der tanzen, wie einzelne Statuen, als Clio, als Melpomene, als Thalia, jede fuͤr sich, jede nur mit der Arbeit beschaͤfftigt, die ihnen der Dichter anwei- set, wenn er sie einzeln braucht. Aber selbst in dieser Ruͤcksicht ist nicht immer der allgemeine festgesetzte Charakter beibehalten. Die suͤßli- Villa Albani. suͤßliche Mine paßt sich nicht fuͤr die tragische Muse. Ueberhaupt kann man den mehresten Koͤpfen unsers Kuͤnstlers den Vorwurf machen, daß sie selten das Gefuͤhl großer hoher Seelen geben. Die mehresten haben eine Lieblichkeit, die an das Unbedeutende, Fade graͤnzt, und der Kopf des Apollo in diesem Bilde entgeht diesem Vorwurf gleichfalls nicht. Sollte nicht dieses uͤbertriebene Bestreben nach gefaͤlligem Reiz, welches ich auf die lange Ausuͤbung der Miniaturmahlerei, bei unserm Kuͤnstler setze, dem Ausdruck der Koͤpfe, die wir hier vor uns sehen, eine gewisse mißfallende Eintoͤnigkeit geben? Zwei darunter sind nach lebenden Personen gebildet: Die Muse, die sich auf den Ellnbogen stuͤtzt, stellt die Marquise Lepri vor; zu der Mnemosyne hat seine Frau gesessen. Beide sind Portraits in dem histo- riirten Bilde geblieben. Die Stellungen jeder einzelnen Figur sind sehr abwechselnd und sehr schoͤn gewaͤhlt, aber sie stehen zu einzeln, sie gruppiren mit den uͤbrigen nicht zu- sammen. Man sagt: Mengs habe wenig Werth auf den Theil der mahlerischen Erfindung gelegt, der mehrere Figuren in abwechselnden Lagen zu einem Ganzen verbindet, das dem Auge eine wohlgefaͤllige Form darbietet. Er habe nur in Ruͤcksicht auf den Vortheil gruppirt, den die Beleuchtung daraus zieht. Inzwischen, es ist nicht zu leugnen, daß die Grup- pirung noch eines von diesem independenten Reizes in Ruͤcksicht auf die Zeichnung der Formen groͤßerer Massen in einem Bilde faͤhig ist. Das Auge liebt seine Axe an den Umrissen der Figuren die neben ein- ander Villa Albani. ander stehen, ununterbrochen fortzudrehen, und von der einen zu der andern durch eine schickliche Ver- bindung geleitet zu werden. Es haßt alle Spruͤnge, die seine Aufmerksamkeit zerstreuen. Die Regel der Pyramidalgruppirung und des Contraposto, oder die gegen einander gestellten Gliedmaßen verschiede- ner Figuren unter eine Ansicht zu bringen, ist zwar oft uͤbertrieben worden, hat aber, wenn sie mit ge- hoͤriger Maͤßigung gebraucht wird, ohnstreitigen Anspruch auf unser Vergnuͤgen. Mengs, der den Mißbrauch seiner Vorgaͤnger in diesem Stuͤcke ein- sah, hatte dennoch Unrecht, den Grundsatz selbst zu verwerfen. Allerwaͤrts, wo ich das Werk unsers Mengs im Einzelnen betrachte, zieht es meine ganze Be- wunderung auf sich. Vielleicht ist nie in neuern Zeiten ein maͤnnlicher Koͤrper schoͤner gemahlet wor- den, als der des Apollo. Alle uͤbrige Figuren sind schoͤn gestellt, sehr fein und richtig gezeichnet, Bis auf die verkuͤrzten Beine der tanzenden Figu- ren, die dem Kuͤnstler nicht ganz gegluͤckt zu seyn scheinen. gut geruͤndet, und colorirt mit einer Staͤrke, die nur einem Mengs in Gemaͤhlden al Fresco moͤglich war. An einigen Orten duͤrfte diese zu schoͤn seyn. Z. B. in dem blauen Gewande der Mnemosyne, und uͤberhaupt in allen Figuren auf dem zweiten Plane, die nach den Regeln der Luftperspektive zu stark vortreten. Die Figuren dieses Parnasses sind gemahlt, als wenn sie in horizontaler Richtung gesehen werden sollten: Villa Albani. sollten: Hingegen die Gemaͤhlde zu den beiden Sei- ten dieses Plafonds stellen schwebende Figuren in der Verkuͤrzung vor, und contrastiren, wie man leicht denkt, durch diesen angenommenen Augenpunkt mit den Figuren in dem Mittelgemaͤhlde. Wenn man die Bestimmung eines Plafonds erwaͤgt, so kann man nicht leugnen, daß diese Figu- ren an ihrer Stelle mehr Wuͤrkung thun als die vori- gen: Moͤgen doch diese immerhin fuͤr sich betrachtet schoͤner seyn. Un bon propos sagt Montaigne n’est pas toujours à propos. Ich schließe mich daher an diejenigen an, die diesen Seitenge- maͤhlden, unter denen die Renommee besonders hoch- geschaͤtzt wird, viel Lokalverdienst beilegen: unbe- kuͤmmert uͤber nachstehenden Ausspruch unsers Win- kelmanns: „Durch pedantische Kuͤnstler ohne Em- pfindung, da diese theils durch das Schoͤne nicht ge- ruͤhret werden, theils dasselbe zu bilden unfaͤhig ge- wesen, sind die gehaͤuften und uͤbertriebenen Verkuͤr- zungen in den Gemaͤhlden an Decken und Gewoͤlbern eingefuͤhret, und diesen Plaͤtzen dergestalt eigen ge- worden, daß man aus einem daselbst ausgefuͤhrten Gemaͤhlde, wenn nicht alle Figuren wie von unten auf erblicket erscheinen, auf die Ungeschicklichkeit des Kuͤnstlers schließet. Nach diesem verderbten Ge- schmacke werden insgemein die zwei Ovalstuͤcke an der Decke der Gallerie in der Villa Albani dem mittleren Hauptgemaͤhlde von eben dem großen Kuͤnstler vor- gezogen, wie dieser in der Arbeit selbst voraussah, und auch in Verkuͤrzungen und im Wurfe der Ge- waͤnder nach Art des neuen und des Kirchenstils dem groͤberen Sinne Nahrung und Weide hat geben wollen. Villa Albani. wollen. Eben so wird der Liebhaber der Kuͤnste ur- theilen, wenn derselbe Bedenken hat fuͤr einen Son- derling gehalten zu seyn ꝛc.“ Winkelm. G. d. K. S. 381 und 382. W. E. Ob mein Urtheil durch eine aͤhnliche Furcht bestimmt sey, moͤgen die Gruͤnde zeigen, womit ich im ersten Theile meine Beurtheilung der Plafonds in den Logen des Vaticans unterstuͤtzt habe. Auf diese beziehe ich mich, und bemerke nun noch hier, einige kleinere Gemaͤhlde, die rund umher nach Zeichnungen von Mengs nach Art der Bas- reliefs grau in grau ausgefuͤhrt sind. Die eben beurtheilten Mahlereien scheinen das Urtheil zu bestaͤtigen, welches ich im ersten Theile bei der Beschreibung der Camera de Papiri im Va- tican uͤber unsern in mehrerer Ruͤcksicht merkwuͤrdigen Landsmann gefaͤllet habe. Mengs hat einzelne, vorzuͤglich jugendliche Fi- Bestaͤtigtes Urtheil uͤber das Ver- dienst des Mengs als Mahler. guren in einer Vollkommenheit gemahlt, die ich keinem andern Kuͤnstler kenne. Ich wuͤrde, wenn ich zu waͤhlen haͤtte, kein Bedenken tragen, Figu- ren, an denen liebliche Heiterkeit den Hauptzug im Charakter ausmacht, mir lieber von ihm, als von einem Raphael, Correggio oder Tizian mahlen zu lassen. Er zeichnete, ruͤndete, und colorirte so gut, als einer von ihnen. Hat sein Ausdruck nicht das Bedeutungsvolle des Raphael, so hat er mehr Reiz, und weniger Affektation als die laͤchelnden Figuren des Correggio. Ueber- Villa Albani. Ueberhaupt glaube ich, daß die Bildhauerkunst dadurch verlohren hat, daß er ihr seine Bemuͤhungen nicht widmete. Denn der Ausdruck einer Seele in einem Zustande der Ruhe ist ihm oft gegluͤckt, da ich ihm hingegen die aͤchte Darstellung der Seele in Thaͤ- tigkeit des Affekts selten kenne. Er hatte sich ein Ideal von der Mahlerei der Alten entworfen, auf welches er nur durch ihre Sculptur geleitet werden konnte. Vermoͤge dessel- ben ward ihm Schoͤnheit der Bildung des Koͤrpers hoͤchste Bestimmung der Mahlerei. Wir Neueren aber suchen diese in dem Interesse eines wohlgefaͤlli- gen Ausdrucks einer sichtbaren neben einander beste- henden Handlung. Sollten wir uns auch irren, so fuͤrchte ich doch, daß dieser Irrthum mit unserer Den- kungsart, mit unserer Weise das Schoͤne zu em- pfinden zu sehr zusammenhaͤnge, als daß wir je- mals fuͤr die entgegengesetzte Wahrheit Sinn erhal- ten sollten. Es ist nicht gleichguͤltig, zu eroͤrtern, wer von uns beiden Recht hat, ob Mengs, ob wir, die wir ei- nem Raphael und andern aͤlteren Meistern die Bildung unsers Geschmacks in der Mahlerei verdanken. Mengs ist das Haupt einer Schule geworden, deren Zoͤglinge in alle Theile der Welt ausgegangen sind. Seitdem hoͤrt man von der einen Seite von Idealen, von der nothwendigen Nachahmung der Antike pre- digen, von der andern uͤber Mangel an Ausdruck und Leben klagen. Man hoͤre wie die ersten declamiren: Schoͤnheit ist der Zweck aller bildenden Kuͤnste: und den Begriff dieser Schoͤnheit findet man nur in den Villa Albani. den Formen der alten Statuen: Wenn man sie durch den Pinsel auf das Tuch uͤbertraͤgt, so wird die Wuͤrkung ihrer Schoͤnheit durch den Zauber der Farben und der Beleuchtung noch erhoͤhet werden: Keine Suͤjets, deren Ausdruck das Ideal der schoͤ- nen Gestalt schwaͤchen muß: Keine heftige Affekten: Kein Contrast, keine Gruppen deren schoͤne Form im Ganzen die Schoͤnheit einzelner Theile versteckt: We- nige Figuren mit einem edeln Ausdruck ohne starke Bewegung der Gliedmaßen neben einander gestellt; so verfuhren Parrhasius und Apelles, so sehen wir die Basreliefs der Alten. Und nun die Grundsaͤtze der andern Parthei: Schoͤnheit ist uͤberhaupt sichtbare Vollkommen- heit, nicht blos Vollkommenheit der Umrisse in ihrer Uebereinstimmung gegen einander: Mahlerei ist nicht Sculptur: Wir wissen nichts von der Mahlerei der Alten: wenn wir von ihrer Sculptur fuͤr unsere neue Mahlerei erborgen, so laufen wir Gefahr, statt Ge- maͤhlde colorirten Stein zu liefern. Ich bin auf der Seite dieser letzten: ich will meinen Geschmack zu rechtfertigen, und beiher die Gruͤnde der gegenseitigen zu widerlegen suchen. Die bildenden Kuͤnste gewaͤhren uns ein doppel- Ueber den hoͤchsten Zweck der Mahlerei: ob die Alten uns darinn zum Muster die- nen koͤnnen. tes Vergnuͤgen. Einmal dasjenige, welches aus dem Anschauen schoͤner Gestalten entspringt: Dann dasjenige, welches bei der Gewahrnehmung einer interessanten Handlung zum Grunde liegt. Ganz etwas anders ist es von einer schoͤnen Bildung ange- zogen zu werden: ganz etwas anders bei dem Anblick Zweiter Theil. C eines Villa Albani. eines Koͤrpers, dessen Bewegungen eine thaͤtige Seele anzeigen, eine angenehme Unterhaltung zu finden. Der Eindruck einer schoͤnen Gestalt laͤßt sich ohne wuͤrkliche aktuelle Thaͤtigkeit der Seele mithin ohne merkliche Bewegung des Koͤrpers gedenken. In den mehresten Statuen der Alten finden wir nur die Faͤhigkeit zu handeln, den Charakter des wirkenden Wesens in der Gestalt in ruhiger Fassung angedeutet, und es scheint selbst, daß eine zu lebhafte Anstren- gung des Koͤrpers als eine Folge eines sehr interessir- ten Zustandes der Seele den Formen der Schoͤnheit nachtheilig sey. Hingegen das Interesse, welches wir an Dar- stellung der Handlung nehmen, ist von dem Aus- druck einer wuͤrklich thaͤtigen Seele, mithin eines Koͤrpers in Bewegung unzertrennlich. Denn die bildenden Kuͤnste haben kein anderes Mittel, die Ak- tivitaͤt der Seele deutlich zu machen, als die Aktivi- taͤt des Koͤrpers. So gut ich mir nun das Ideal, oder, wenn ich so sagen darf, das Summum von einer Darstellung eines schoͤnen Koͤrpers ohne das Ideal oder das Summum einer interessanten Handlung denken kann, so gut kann ich mir das Ideal einer interessanten Handlung ohne das Ideal einer schoͤnen Gestalt denken. Der heilige Andreas Corsini vom Guido, der mit dem Ausdruck gaͤnzlicher Hingebung seine Seele zu Gott erhebt, ist unstreitig dem Ideal einer in- teressanten Handlung naͤher, als der an Gestalt un- endlich vollkommenere Antinous im Belvedere. Aber Villa Albani. Aber wird man sagen: Der Kuͤnstler vereinige beide Vorzuͤge in ihrer hoͤchsten sichtbaren Vollkom- menheit: er mahle den heil. Andreas Corsini so schoͤn als den Antinous: Der Bildhauer gebe dem Anti- nous einen eben so interessanten Ausdruck als der Mahler dem heil. Andreas Corsini gegeben hat. — Kann er dies, so liegt seine Verbindlichkeit dazu aus- ser Zweifel. In dieser Vereinigung liegt Schoͤnheit, nicht in vollkommener Gestalt allein, nicht in voll- kommenem Ausdruck allein. Wenn er es aber nun nicht kann: wenn seine Kraͤfte, wenn die Graͤnzen seiner Kunst es nicht zu- lassen? Wenn er nicht im gleichen Grade interessant und schoͤn seyn kann, wo soll das Summum, wo das Minimum jeder Kunst liegen, soll er immer mehr interessant, oder immer mehr schoͤn seyn? Wol- len wir lieber die Figur auf dem Gemaͤhlde mit Auf- opferung des Bedeutungsvollen unter idealschoͤnen Formen, oder die Statue mit minder uͤbereinstim- menden Umrissen bedeutungsvoller sehen? Dies ist die Frage, deren Beantwortung nur die Regel giebt: Daß jede Kunst ihre eigenthuͤmlichen Vorzuͤge und ihre eigenthuͤmlichen Maͤngel hat; daß sie daher bei ihrer Annaͤherung zur sichtbaren Vollkommenheit sich denjenigen Theil derselben vorzuͤglich vor Augen setzen muͤsse, den sie am sichersten zu erreichen hoffen darf. Dieser ist ihr Hauptzweck, der andere Neben- zweck: und da wir ein Werk von sterblichen Haͤnden in der hoͤchsten sichtbaren Vollkommenheit zu sehen nicht hoffen duͤrfen, so nennen wir dasjenige schoͤn, was sich dem Hauptzweck am meisten naͤhert, ohne sich von dem Nebenzweck am weitesten zu entfernen. C 2 Mehr Villa Albani. Mehr als ein Grund scheint der Bildhauerei den Zweck anzuweisen, durch schoͤne Gestalten mehr als durch Darstellung interessanter Handlungen Ein- druck auf den Zuschauer zu machen. Denn wenn jede Kunst denjenigen Eindruck am liebsten hervor- bringen soll, den sie am vollstaͤndigsten hervorbrin- gen kann; so finden wir, daß die Sculptur den voll- staͤndigsten Genuß, die hoͤchste Illusion von demjeni- gen gewaͤhrt, was wir mit der Hand greifen, fuͤhlen, mit dem Auge lange und von allen Seiten in mehre- ren Profilen betrachten, mithin so gut als greifen koͤnnen. Dies sind die festen Formen des Koͤrpers. An ihnen lieben wir das Uebereinstimmende, das Wohlgeordnete, das Schoͤne zu uͤbersehen, im De- tail zu untersuchen, dann wieder im Ganzen gegen einander zu halten. Wenn wir Reiz von diesen For- men fordern, wenn wir sie in Bewegung sehen wol- len, so ist es doch hauptsaͤchlich in Ruͤcksicht auf die vortheilhaftere Art, wie die festen Formen, die Um- risse des Koͤrpers, das was wir greifen koͤnnen, sich dadurch darstellen; und in allen Faͤllen, wo wir ei- nen betraͤchtlichen Theil des Anziehenden der Gestalt aufopfern muͤssen, verlangen wir die Bewegung nicht. Diesen Grundsaͤtzen getreu haben die alten Bild- hauer ihre Figuren gemeiniglich mit ruhiger Fassung der Seele dargestellt. Die wenigen, die wir in ei- nem merklichen Grade von Thaͤtigkeit gebildet finden, sind es doch vorzuͤglich in Ruͤcksicht auf den Vortheil, den die Stellung ihres Koͤrpers daraus zieht. Ist es nun ausgemacht, daß Bildhauerei den hoͤchsten Genuß der schoͤnen Gestalt giebt, so lassen sie Villa Albani. sie uns untersuchen, ob sie in einem gleich hohen Grade der Darstellung interessanter Handlungen faͤhig sey. Zu dem Begriff und noch mehr zur Mitempfin- dung einer Handlung gehoͤrt zweierlei: eine deutliche Vorstellung des Zustandes, in welchem sich die Seele bei der Bewegung des Koͤrpers befindet, das Wie? Dann der Veranlassung dieses Zustandes, des Grundes der Bewegung: das Warum? In den mehresten Faͤllen laͤßt sich die Befriedigung dieses letzten Anspruchs in den bildenden Kuͤnsten nicht den- ken, ohne daß ich die Lage zeige, worin sich die handelnde Person zu den Gegenstaͤnden befindet, die sie umgeben. Eine Figur mit aufwaͤrts gekehrtem Blick und ausgestreckten Haͤnden giebt noch keine Vorstellung der Freude uͤber den Anblick der Sonne; und selbst bei Affekten, deren taͤgliche Erscheinung uns unbekuͤmmert uͤber deren gegenwaͤrtigen Ent- stehungsgrund macht, ist die Darstellung der be- stimmten Veranlassung derselben kein fuͤr unser Ver- gnuͤgen gleichguͤltiger Zusatz. Heliodor der vor der Erscheinung des Engels erschrickt, und ein erschrocke- ner Mann uͤberhaupt, werden in Ansehung des Ein- drucks, den sie auf den Zuschauer machen, in keine Vergleichung kommen koͤnnen. Beide Erfordernisse zu einer deutlichen und voll- staͤndigen Erkenntniß einer sichtbaren und coexistiren- den Situation oder Handlung scheint mir die Bild- hauerei in dem naͤmlichen Grade von Vollkommen- heit, womit sie Schoͤnheit der Formen giebt, nicht liefern zu koͤnnen. Einmal ist sie nicht im Stande, C 3 den Villa Albani. den Antheil, den die handelnde Person an einem Ge- genstande außer ihr nimmt, so deutlich und unver- kennbar zu geben, als ihre Schwester die Mahlerei. Das Anheften des Blicks, das feinere Muskelnspiel sowohl des Gesichts als der Haͤnde, die Veraͤnderung der Farbe hat der Meißel weniger in seiner Gewalt als der Pinsel. Alle diejenigen Affekte also, die eine Veraͤnderung auf den Koͤrper in der Absicht hervor- bringen, damit eine aͤußerliche Wuͤrkung auf andere daraus entstehe; die sich mit andern verbinden muͤs- sen; welche streben, das Uebel abzuwenden, oder das Gute zu erlangen; Zorn, Furcht, Verlangen, liegen besonders außer den Graͤnzen der Sculptur. Nicht zu gedenken, daß ein sehr heftiger Affekt, den doch manche Situation nothwendig macht, den For- men der Schoͤnheit zu nachtheilig ist, als daß sie sich daran wagen duͤrfte. Es giebt auch Affekte, die in ihren Aeußerungen von sehr kurzer Dauer sind, z. B. Zorn, wuͤthendes Leiden. Will die Sculptur die voruͤbergehende Aeußerung einer auf diese Art er- schuͤtterten Seele anheften, so entsteht daraus ein Widerspruch mit der harten festen Materie, der we- nigstens mich immer unbefriedigt gelassen hat. Die Sculptur liefert alles, was in der Natur fest, und einer Dauerhaftigkeit faͤhig ist, die uns zum Betasten einladet, so vollkommen illusorisch, daß sie uns in allen uͤbrigen Darstellungen, die sie unternimmt, eine aͤhnliche Treue zu erwarten berech- tiget. Eine Statue stoͤßt uns auf: Sie bleibt, wenn wir gleich das Auge, den Sinn, durch den wir am mehresten gewohnt sind, uns taͤuschen zu las- sen, zudruͤckten. Nie Villa Albani. Nie aber werden diese Maͤngel auffallender als wenn sich die Sculptur an Vorstellungen von Situa- tionen wagt, zu deren deutlicher Erkenntniß die Zu- sammensetzung der handelnden Person mit vielen an- dern, mit Nebenwerken, und nun gar mit Gegen- staͤnden erfordert wird, die sich nicht greifen lassen; z. E. mit Gebaͤuden, mit Gegenden u. s. w. Das Unnatuͤrliche faͤllt auf; außerdem habe ich schon im ersten Theile bei Gelegenheit des Farnesischen Stiers bemerkt, welche Schwierigkeiten sich weitlaͤuftigen Compositionen in der Bildhauerkunst entgegen setzen. Ich bemerke nur noch hier am Ende: daß eine ganze Composition von Gestalten, die den vollkommensten Eindruck der Schoͤnheit der Formen intendiren, ein- foͤrmig werden muͤßte, und ohne Nachtheil der Deut- lichkeit des Ausdrucks verschiedener Affekte sich nicht denken lasse. Ganz anders verhaͤlt es sich mit der Mahlerei. Diese hat zwar auch Schoͤnheit zum hoͤchsten Zweck, aber in einem viel weitlaͤuftigeren Verstande als blos Schoͤnheit der Umrisse, Vergnuͤgen an dem Ueber- einstimmenden, an dem Wohlgeordneten. Ihr ist Schoͤnheit sichtbare Vollkommenheit, die sie in einem wohlgefaͤlligen Ausdrucke einer coexistirenden Hand- lung suchet. Ich setze die Einschraͤnkung wohlge- faͤllig hinzu, weil sie den Ausdruck, der widrige Formen hervorbringt, scheuet, und die Schoͤnheit derselben zur Verstaͤrkung des Interesse braucht. Aber da sie auf das Anziehende einer schoͤnen Gestalt in Ruhe nicht den naͤmlichen Anspruch hat als ihre Schwester die Sculptur, so arbeitet sie auch weniger darauf los: und von jeher hat man diejenigen Mah- C 4 ler Villa Albani. ler am hoͤchsten geschaͤtzt, die die Darstellung des Eindrucks einer thaͤtigen Seele auf den Koͤrper zum Gegenstande ihrer Bemuͤhungen gemacht haben. Mich duͤnkt mit Recht! Eine schoͤne Figur in Ruhe in der Mahlerei, und in der Bildhauerkunst, welch ein Unterschied! Diese letzte giebt einen so voll- staͤndigen Genuß, wir treten um sie herum, wir be- schauen, wir betasten sie von allen Seiten; die Illu- sion, welche so hoch getrieben ist, als die bildenden Kuͤnste es zulassen, scheint uns so sehr an ihrer Stelle, so richtig angewandt, um die Anspruͤche auszufuͤllen, welche wir an Uebereinstimmung sichtbarer Theile zum sichtbaren Ganzen machen! Aber der gemahlten Fi- gur in Ruhe scheint, so schoͤn sie ist, noch immer etwas abzugehen. Ist es die wirkliche Ruͤndung, ist es der Anspruch den uns die Farbe, der Blick, die deutlichsten Zeichen des Lebens auf merkbarere An- deutung eines wuͤrksamen Wesens geben? Genung! die Erfahrung lehrt es, wo es auf Schoͤnheit der Gestalt ankommt, da vereinigen wir uns mit einem Werke in runder Bildnerei viel inniger als mit ei- nem andern auf der Flaͤche. Den Abgang dieses Genusses ersetzt die Mahlerei durch Darstellung der Gestalt in Handlung. Diese liefert sie in einer mehr befriedigenden Maaße als alle uͤbrige bildende Kuͤnste. Bei einzelnen Figuren, die getrennt von aͤußeren Verhaͤltnissen stehen, flie- ßen freilich Mahlerei und Bildhauerkunst zusammen, aber auch hier hat die erste den Vorzug einer groͤßeren Treue in Darstellung des Affekts. Wer sich davon uͤberzeugen will, darf nur den Kopf einer Niobe und einen Villa Albani. einen Magdalenenkopf vom Guido vergleichen. Der zum Himmel gekehrte Blick, die rollende Thraͤne, die Farbe, das fliegende Haar, die Haͤnde, denen man es ansieht, daß sie den schoͤnsten Busen schlagen, nicht blos betasten: Alles dies druͤckt die Bildhauerei nicht mit gleichem Gluͤcke aus. Große Compositio- nen aber, die mit dem Affekt der handelnden Person zugleich die Veranlassung der Handlung in ihrer Lage gegen andere zeigen, giebt die Mahlerei allein. Die Mahlerei ist privilegirt, uns zu taͤuschen. Wir erblicken ein Gemaͤhlde wie ein Phantom, wie eine Erscheinung an der Wand, die verschwindet, so bald wir darnach greifen. Alles, was daher in der Natur dem Scheine aͤhnlich ist, entweder der Geschwindigkeit wegen, mit der es uͤbergeht, oder weil wir nie durch das Gefuͤhl uns von dessen Wuͤrk- lichkeit haben uͤberzeugen koͤnnen, stimmt mit dem Umfang ihrer Hervorbringungskraft uͤberein. Da- hin gehoͤrt der fluͤchtige Eindruck der Seele auf den Koͤrper, dahin ein großer Umfang von Gegenstaͤn- den, die sich mit den Haͤnden nicht auf einmal umfas- sen lassen. Sollte sie daher auch bei Darstellung dieses blos Sichtbaren den Grad der Illusion nicht erreichen, auf den die Sculptur in Hervorbringung zu betasten- der Koͤrper Anspruch machen kann; wir verzeihen ihr. Sie liefert uns tausend Begebenheiten, die wir lieber mangelhaft als gar nicht sehen wollen, und zu deren versinnlichter Anheftung die runde Bild- hauerei ganz außer Stande ist; die flache aber mit groͤßerem Beduͤrfniß unserer Nachsicht. C 5 Lassen Villa Albani. Lassen Sie mich meine bisherigen Bemerkungen noch einmal unter einem Gesichtspunkt zusammen- fassen. Die Sculptur liefert den Genuß schoͤner Gestal- ten vollstaͤndiger als jede andere bildende Kunst: hingegen zur vollstaͤndigen Darstellung einer Hand- lung, zum Ausdruck einer wirklich thaͤtigen Seele, in der Lage, die diese Thaͤtigkeit rechtfertigt, ist sie weniger geschickt. Dieser letzte Vorzug gebuͤhrt der Mahlerei in einem Grade, den keine andere Kunst erreicht; dagegen gewaͤhrt sie den Eindruck einer schoͤ- nen Bildung mangelhafter als die Bildhauerkunst. Nun soll jede Kunst dasjenige am liebsten her- vorbringen wollen, was sie am vollstaͤndigsten her- vorbringen kann: mithin muß die Bildhauerkunst in allen Faͤllen, wo sich Schoͤnheit der Bildung und Ausdruck einer thaͤtigen Seele in gleicher Vollkom- menheit nicht erreichen lassen, lieber die Seele in Ruhe lassen, auf den Antheil, den wir an ihrem in- teressirten Zustande nehmen, in der groͤßten Vollkom- menheit Verzicht leisten, um das Anziehende einer schoͤnen Gestalt zu bewahren, und umgekehrt die Mahlerei lieber weniger vollkommen an Gestalt und desto wahrer im Ausdruck derjenigen Fassung der Seele seyn, welche die Handlung erfordert. Aber sollten sich nicht beide in einem gleich hohen Grade vereinigen lassen? Da die Alten auf dieser Stufe der Vollkommenheit gestanden haben, warum sollten nicht wir Neueren? — Wir wissen nichts gewisses von den historischen Compositionen der alten Mahler. Es hat sich kein vor- Villa Albani. vorzuͤgliches Werk dieser Art auf uns erhalten. Was wir von ihnen es sey an Beispielen oder an Grund- saͤtzen, fuͤr die Mahlerei erborgen koͤnnten, wuͤrde blos von der Sculptur zu borgen seyn: und von die- ser laͤßt sich so gut wie gar nichts borgen. Es scheint vielmehr, daß die Regel der Abwechselung in der Einheit; des Contrasts; der nothwendigen Ver- nachlaͤßigung der Nebenfiguren; der Streit zwischen dem Ausdruck eines lebhaften Affekts, und der Ueber- einstimmung der Umrisse unter einander, es zu aller Zeit unmoͤglich gemacht habe, die Darstellung einer Begebenheit, die mehrere Akteurs erfordert, mit lauter Idealen schoͤner Gestalten zu vollfuͤhren. Doch es sey! Die Griechen haben es gekonnt. Koͤnnen es darum die Neueren? Die Griechen waren von der schoͤnsten Natur umringt, alle ihre Erfah- rungen uͤber die Aeusserung der Seele auf den Koͤrper machten sie an den schoͤnsten lebenden Geschoͤpfen. Wo soll der neuere Kuͤnstler die seinigen machen? Nicht in der Natur? Am Stein, der in einer ganz andern Absicht bearbeitet, ruhig vor ihm steht, von alle dem, was ihn umgiebt so absticht, daß er hun- dertmal mehr Schoͤpfer als sein Vorgaͤnger der Grieche seyn muͤßte, um ihn ohne Nachtheil fuͤr Wahrheit in eine thaͤtige Lage zu uͤbertragen? Ich habe schon bei einer andern Gelegenheit ge- aͤußert, daß ich die Ursache, warum Raphael die schoͤnsten Ueberbleibsel der Alten in seinen Gemaͤhlden nicht nutzte, hauptsaͤchlich darinn suche, daß er den Punkt, wo die idealische Gestalt, die er in Ruhe sah, mit dem Ausdruck einer thaͤtigen Seele, die er, um treu Villa Albani. treu zu seyn, sehen wollte, zusammentrifft, zu fin- den verzweifelte. Wie viel leichter kann auch dem Griechen die Vereinigung des Ideals eines interessanten Ausdrucks und des Ideals der Gestalt geworden seyn? Dies Volk, so faͤhig der feinsten Empfindungen, durch hoͤheren Scharfsinn, und reizbarere Nerven, schloß vielleicht aus Bewegungen des Koͤrpers, deren Be- deutung uns entgehen wuͤrden, auf Affekte, zu deren Darstellung wir eine starke Anstrengung der Glied- maaßen verlangen. Es laͤßt sich aber auch ein von diesem verschie- dener Fall annehmen: Die Mahlerei der Alten war nicht die Mahlerei der Neueren. Diese Voraus- setzung ist gar nicht unwahrscheinlich: denn in keiner Kunst sind die Neueren so sehr original als in dieser, haben aus Mangel an Vorbildern ihre Beispiele, Regeln der Wuͤrkung und der dahin abzweckenden Mittel, so ganz sich selbst zu verdanken. Sind die wenigen Gemaͤhlde der Alten, die wir spaͤter aufge- funden haben, ihre Basreliefs, Copien nach ihren verlohren gegangenen Meisterstuͤcken, wenigstens in dem naͤmlichen Stile gedacht; so weichen die Grund- saͤtze ihrer dichterischen und mahlerischen Erfindung ganz von den unsrigen ab. Sie haben ihre Suͤjets weniger reich an interessantem Ausdrucke gewaͤhlt, weniger darauf geachtet, dem Nachdenken und der Mitempfindung Nahrung zu geben: Sie haben we- niger Ruͤcksicht darauf genommen, jeder einzelnen Figur einen unzuzertrennenden Antheil an der Haupt- handlung nehmen zu lassen, sie als Theil des Ganzen zu Villa Albani. zu betrachten: Sie haben sie weder nach den Regeln der Perspektive, noch der Gruppirung in Ruͤcksicht auf Form und Beleuchtung der Massen zusammen- gestellt: Allerwaͤrts haben sie den Eindruck der Schoͤnheit im Einzelnen besorgt: Kurz! die Mahle- rei und die Bildhauerkunst haben sich bei ihnen in Ab- sicht auf Erfindung und Anordnung keinesweges un- terschieden. Gesetzt wir naͤhmen dies an; enthaͤlt dies eine unbedingte Verbindlichkeit zur Nachfolge fuͤr die Neueren? Ich glaube nicht. Die Griechen hatten ein so feines Empfindniß fuͤr die Schoͤnheit der Ge- stalt, ihre Einbildungskraft, ihr Herz wurden durch jede Veranlassung so leicht in Bewegung gesetzt, daß wir noͤrdlichen Voͤlker auf ein aͤhnliches Vergnuͤgen in eben der Staͤrke keinen Anspruch machen duͤrfen. Wir verlangen viel staͤrkere Raͤder um unsere Auf- merksamkeit zu spannen. Die Meisterstuͤcke der Griechischen Buͤhne wuͤrden auf der unsrigen schlech- tes Gluͤck machen, und ich fuͤrchte, man muͤßte uns ein anderes Clima, andere Nerven, und vorzuͤglich unsern Begriffen von den Vorzuͤgen der Mahlerei eine ganz andere Richtung geben, damit auch die Gemaͤhlde der Alten uns gefallen koͤnnten. Sollten wir aber den Abfall des Genusses, den wir auf diesem Wege leiden, nicht auf einem andern wieder einbringen koͤnnen? So scheint es! Raphael und Correggio scheinen durch die Beduͤrfnisse der Na- tion, fuͤr die sie arbeiteten, geleitet, von selbst auf diesen Weg gekommen zu seyn. Seitdem diese gros- sen Meister unser Vergnuͤgen durch ihre Meisterstuͤcke besorgt, Villa Albani. besorgt, und wirklich bei Ermangelung von Vorbil- dern durch deren Zusammenhaltung wir die Aechtheit der neuen Verfahrungsart haͤtten pruͤfen koͤnnen, un- sern Geschmack erzogen haben, muß die Erfindung eines Gemaͤhldes nach ganz andern Grundsaͤtzen ge- pruͤfet werden, als ein Werk der runden und flachen Bildnerei. Uns ist ein Gemaͤhlde, ich rede von weitlaͤufti- gern Compositionen, ein Ganzes, das Herz, Kopf und Einbildungskraft, durch wahren und wohlgefaͤl- ligen Ausdruck einer Handlung unter Mitwuͤrkung der Faͤrbung und Beleuchtung zu interessiren im Stande ist. Wir wollen, daß die handelnden Per- sonen einen vollstaͤndigen Begriff der Situation ge- ben, in der sie sich befinden, daß die Gruͤnde, war- um diese Figur so und nicht anders sich gebaͤhrdet, aus der Gebaͤhrde der neben ihr stehenden erklaͤrbar sey. Wir leiden keinen Fehler, der die Illusion zerstoͤren kann, keine Vernachlaͤßigung der Nebenwerke, so bald die Hauptabsicht, den Ausdruck wahr zu ma- chen, darunter leidet. Wir vermeiden zwar sorgfaͤltig das Widrige, wir suchen die Schoͤnheit der Gestalt, aber sie ist allenthalben dem Ausdruck des Ganzen unterge- ordnet. Was den Ausdruck der Handlung auf eine wohl- gefaͤllige Art unterstuͤtzen kann, ist schoͤn. Muͤssen wir um die Hauptfigur herauszuheben, eine minder schoͤnere bei ihr hinstellen; wir machen uns daraus kein Bedenken: Muͤssen wir die Menschen an einem Orte zusammendraͤngen, muͤssen wir den Grad des Antheils Villa Albani. Antheils bestimmen, den verschiedene Menschen an einer Handlung zu nehmen im Stande sind; wir entziehen dem Auge oft die Theile des Koͤrpers, die an Gestalt die schoͤnsten sind, und zeigen ihm andere, die den Ausdruck des Ganzen besser unterstuͤtzen. Ja! zuweilen opfern wir den einzelnen Theil des Koͤrpers der Form der Masse mehrerer zusammen- gruppirten auf. Das Auge will Ruhe haben, wir halten eine schoͤne Figur im Schatten. Alles dies beweist, wie viel wir uͤber die Noth- wendigkeit einer schoͤnen Bildung einzelner Figuren zu Gemaͤhlden, die eine Handlung darstellen, an- ders denken als die Bildhauer und vielleicht auch die Mahler der Alten. Wir konnten nicht so schoͤn seyn, wie sie, moͤchte ich mit dem Apelles sagen, wir haben gesucht reicher zu werden, und wenn wir den Eindruck des Ganzen durch Schoͤnheit zu unterstuͤtzen suchen, so besorgen wir diese doch nur in so fern wir zugleich bedeutungsvoll bleiben koͤnnen; die Alten waren so bedeutungsvoll als sie sich schoͤn erhalten konnten. Unsere Mahlerei verhaͤlt sich zu ihrer Sculptur, als Kuͤnste, die das Coexistirende darstel- len, wie sich in Kuͤnsten, die das Successive schildern, die Pantomime zum Tanz verhaͤlt. Ja! wenn ich nur witzig seyn wollte, so moͤchte ich sagen, daß die Mahlerei den Begriff des Coexistirenden, die Bild- hauerei des einzeln Existirenden unter den bildenden Kuͤnsten am vollstaͤndigsten lieferen. Sind diese Voraussetzungen wahr, wie sie denn die Erfahrung bestaͤtigt, so folgt daraus, daß die Spur zur Vollkommenheit in der Mahlerei nicht von der Villa Albani. der Schoͤnheit zur Wahrheit des Ausdrucks, sondern umgekehrt ausgehe: daß daher die Befolgung eines Weges, den die Bildhauerei in Ruͤcksicht auf einen ganz andern Zweck einschlaͤgt, mit unendlichen Ge- fahren der Verirrung verknuͤpft sey. Welches ist die erste Regel, die man dem Schauspieler giebt, der durch seine Aktion ein deutli- ches Bild von dem Zustande seiner Seele in einer ge- wissen Situation geben soll? Er soll uͤber die Sorge fuͤr die Schoͤnheit seiner Gebaͤhrden, nie die Wahr- heit des Ausdrucks aus den Augen setzen. Und eine andere Regel, die von dieser abhaͤngt: Er soll nie dem Taͤnzer, und waͤre seine Stellung noch so wohl- gefaͤllig, diese sclavisch abborgen. Er soll auf die Natur um ihn herum, auf seine eigene Empfindung zuruͤckgehen, sie zuerst zu Rathe ziehen, die Aktion, die sie ihn lehrt, nach den Grundsaͤtzen der Schoͤn- heit, von denen seine Seele im Allgemeinen durch- drungen ist, ummodeln, nicht nach gegebenen Vor- bildern der Schoͤnheit im Einzelnen bestimmen. Mich duͤnkt eine gleiche Verbindlichkeit ruhet auf dem Geschichtsmahler. Wenn er seine erste Ruͤcksicht auf Schoͤnheit der Bildung einzelner Figu- ren nimmt, wenn er gar in dieser Absicht ganze Statuen der Alten in seine Gemaͤhlde uͤbertraͤgt; so wird er den Ausdruck, der der Situation angemes- sen ist, ganz gewiß verfehlen. Er wird nicht hoffen duͤrfen, die Schoͤnheit des Originals zu erreichen, und die Empfindung der Wahrheit wird in ihm erkalten. Die langsame mechanische Behandlung loͤscht ohnehin das Feuer der Einbildungskraft so leicht aus, und Villa Albani. und stumpft die Spitze des Gefuͤhles ab; wie viel groͤßer ist diese Gefahr, wenn wir Geschoͤpfen einer fremden Erfindung einen der selbst gedachten Situa- tion angemessenen Ausdruck geben sollen. Geschoͤ- pfen, die wir in einem Zustande der Ruhe vorgestellt sehen, welcher fuͤr die Wuͤrkung, die sie hervorbrin- gen sollten, vollkommen paßte, und die wir nun erst in einen leidenschaftlichen versetzen muͤssen! Aber wie soll es denn der Kuͤnstler machen? Soll er dem baͤrtigen Bettler die Rolle eines Apostels geben, der Buhlerin die Rolle einer Diana? Ich billige so wenig das Modell aufgerafft von der Straße, als das Meisterstuͤck hergeholt aus den Saͤlen des Vaticans: obgleich in Ruͤcksicht auf Wahrheit, die Bequemlichkeit das lebende Modell in die passende Stellung zu setzen, diesem einen un- streitigen Vorzug vor dem unbeweglichen Steine anweiset. Aber o! junger Mahler! wenn du Genie hast zur Darstellung handelnder Menschen unterstuͤtzt von einer wohlgeleiteten Ausbildung, du wirst nicht fra- gen, woher du deine Gestalten nehmen sollst! Du hast den Keim zu Affekten in dir selbst, du hast dir selbst und andern ihre Aeußerungen abgestohlen! Du wirst begeistert von einem heiligen Feuer, mit der Vorstellung einer Situation, die einer wohlgefaͤlligen sichtbaren Darstellung faͤhig ist, zugleich die Gestal- ten in deiner Seele aufsteigen sehen, die sie verlangt! Sie werden die ergreifende Wahrheit haben, die ein langes Studium der Natur deiner Erinnerung ein- gepraͤgt hat; Sie werden den Zusatz von Schoͤnheit Zweiter Theil. D haben, Villa Albani. haben, mit dem zu schaffen, durch deine lange Be- kanntschaft mit den Antiken, und durch dein stetes Streben, die Natur zum Ideal zu heben, dir zur Fertigkeit, zur andern Natur geworden ist! Geht ihnen etwas an Wahrheit, an moͤglicher Schoͤnheit ab, fuͤhre sie auf die Natur, auf die Antike zuruͤck; aber daß sie nie das Eigenthuͤmliche des Charakters verlieren, den die Situation fordert, den deine Em- pfindung ihnen mittheilte! Fortgesetzte Beschrei- bung derGallerie. Im ersten Zimmer zunaͤchst dem Saale. † Basreliefuͤber dem Camine Antiope zwi- schen ihren beiden Soͤhnen Zethus und Am- phion. Der Ausdruck des Trostes, den sie ihrer Mutter geben, ist unvergleichlich. Winkelm. G. d. K. S. 720. In dem letzten Zimmer. Zwei weibliche Buͤsten von gruͤnem Ba- salt, von gutem Charakter. Eine Buͤste aus weißem Marmor. Nebengebaͤude Casino. Im ersten Zimmer mit dem Billard. Mehrere Statuen in Nischen. Man findet nichts Außerordentliches darunter. In Villa Albani. In einem Nebenzimmer, das mit Arabes- ken gezieret ist, trifft man einen weiblichen Sa- tyr, und in einem kleinen Cabinet dabei ein Bas- relief im Etruscischen Stile an. Linker Hand von dem Billard sieht man in einem kleinen Hofe uͤber einer kleinen Fon- taine den Priester, von dem Winkelmann G. d. K. S. 158. W. E. glaubt, daß er ein Etruscisches Werk sey. Kuͤnstler und Liebhaber werden sich wohl nicht dabei aufhalten. Auf dem Wege von hieraus zum sogenann- ten Caffeehause oder zur Grotte. Eine Gruppe eines Satyrs, der den Apollo auf der Floͤte spielen lehrt, einen Ju- piter, und einen Paris. In dem Caffeehause oder in der Grotteselbst. † Eine schoͤne Vase von weißem Marmor, mit einem Bacchanal von gutem Stile. Pollux, der den Lynceus umbringet, Basrelief mit Figuren in Lebensgroͤße. Eine Vase, die zu dem Bassin einer Fontaine gedient zu haben scheint, mit schoͤnen Figuren von Faunen, Bacchantinnen, Hermaphroditen u. s. w. Sie sind von schoͤner Erfindung. Theseus, der seine Waffen unter einem Felsen findet. Basrelief. D 2 Ein Villa Albani. Ein Sarcophag mit der Hochzeit des Peleus. Winkelmann Geschichte der Kunst S. 498. spricht davon mit vielen Lobeserhebungen. Auch sind Zusammensetzung und Stil vorzuͤglich in Koͤpfen und Gewaͤndern des Lobes werth; aber die Ausfuͤhrung ist hin und wieder ver- nachlaͤßiget, und die Figuren sind ein wenig kurz. Mit wenig Muͤhe wuͤrde man ein vortreffliches Werk daraus machen. Noch bemerke ich der Seltenheit wegen, eine Phaͤdra, die von der Amme getroͤstet wird, welche nachher bei dem Hippolytus auf eben diesem Basrelief zur Unterhaͤndlerin wird. Unter den Statuen. Zwei Wiederholungen eines Amors der den Bogen spannt. Die Koͤrper, die antik sind, sehr schoͤn. Ein Alexander, ein sitzender August ge- harnischt. Eine sitzende Roma mit einem Gewande von schwarzem Marmor. Unter einer Fontaine. Eine Nymphe und zu beiden Seiten zwei colossalische Koͤpfe von Flußgoͤttern. Win- kelmann G. d. K. S. 293. haͤlt diese Koͤpfe fuͤr Tritonen. Floß- federn bilden ihre Augenbraunen. Sie unterschei- den sich von einem aͤhnlichen Kopfe in dem Museo Clementino durch einen gemeinern Charakter. Xystus Villa Albani. Xystus oder Hemicyclium. Aesop, eine Terme voller Charakter. Ein schoͤner Tiber, und ein Trajan. Buͤsten. Otto eine seltene Buͤste. Nase neu. Winkelmann G. d. K. S. 818. Eine Pallas wegen großer Sohlen merk- wuͤrdig. Eine Diana. Caligula als Priester, Winkelmann G. d. K. S. 796. schlecht, aber rar. Auf den Saͤulen einige Schauspieler mit Masken. Vitellius und Antonin der Fromme. Buͤsten. † Aesculap eine gute Statue. Winkel- mann G. d. K. S. 290. ruͤhmt vorzuͤglich den Kopf und bemerkt daran die gehobenen Haare, in welchem einzelnen Theile kein besonderer Unterschied sey zwischen dem Vater der Goͤtter und dessen Enkel. † Titus, Buͤste. Vespasian, Buͤste. Hadrian. Theophrast, Buͤste mit einem antiken Nahmen. Septimius Severus, Caracalla, Lucius Verus, Buͤsten. Ein Hercules Bibax oder trunkener Her- cules, Statue. Er stuͤtzt sich schwankend auf seine Keule. Auf diese Vorstellung ist man wahrscheinlich D 3 durch Villa Albani. durch die Bemerkung gekommen, daß Maͤnner von starker Natur nicht immer die enthaltsamsten zu seyn pflegen. Winkelm. Versucheiner Allegorie S. 45 bemerkt, daß er sein Wasser laͤßt. Thetis. † Thetis. In den Truͤmmern der Villa Antonini Pii gefunden. Der Kopf, ein Arm, beide Haͤnde, und ein Bein sind neu. Sie ist bis auf die Schenkel unbekleidet, und lehnt sich auf ein Ru- der, welches auf einem Triton stehet. Mit diesem hat sich ein Theil der Base erhalten, worauf drei Dolche erhoben gearbeitet sind, und die, wie Win- kelmann G. d. K. S. 849. behauptet, nicht, wie gemeiniglich an- genommen wird, am Vordertheile, sondern am Hintertheile der alten Schiffe befindlich waren. Nach dieser Idee ist die Base ergaͤnzt. Winkelmann geraͤth bei Beschreibung dieser Statue in eine Art von Entzuͤckung, die man seinem feurigen Gefuͤhle fuͤr das Schoͤne, und seiner dank- baren Anhaͤnglichkeit an dem Cardinal seinem Goͤnner zu Gute halten muß. — „Sie gehoͤre, sagt er, „unter die allerschoͤnsten des Alterthums.“ — „In keiner weiblichen Statue, die mediceische Venus kaum ausgenommen, erscheine die Jugend an der Graͤnze des reifern Alters so schoͤn, so zuͤchtig rein.“ — „Ihr Haupt gleiche der aufbrechenden Knospe einer Fruͤhlingsrose.“ — „Unter dem Gewande erblicke man die schoͤnsten Schenkel, die je in Marmor gebil- det worden.“ — „Der dichterische Meister dieser Nereide bringe sie aus den Wellen des Meeres her- aus, annoch ungeruͤhrt von Liebe“ ꝛc. — Ganz Villa Albani. Ganz so viel duͤrften unbefangene Augen wohl nicht in dieser Statue finden. Inzwischen gehoͤrt sie immer unter die schoͤnsten und seltensten dieser Sammlung. Ihr Charakter laͤuft mit dem Cha- rakter einer Venus zusammen. Galba, seltene und schoͤne Buͤste. Winkelmann G. d. K. S. 818. Ich vermuthe auch, daß hier die weibliche Statue mit einem maͤnnlichen Gesichte stehet, von der Winkelmann G. d. K. S. 860. als von der angeblichen Mutter des Heliogabalus redet, die ich aber uͤbersehen zu haben bekennen muß. An den Basen dieser Statuen sind Basreliefs angebracht, die fuͤr die Kunst wenig Merkwuͤrdiges haben. Hinter diesem Xystus findet sich ein Vorsaal, in dem man mehrere Aegyptische Figuren antrifft. Eine Aegyptische Priesterin aus weißem Alabaster mit Hieroglyphen. Der obere Theil ist modern. Winkelmann G. d. K. 113. spricht weitlaͤuftig davon. Sie gehoͤrt aber nicht in meinen Plan. Eine Isis aus schwarzem Basalt. Sie scheint eine Nachbildung des aͤlteren Stils zu seyn. Inzwischen verraͤth das zwischen den Bruͤsten zu- sammengeknuͤpfte Gewand den Kuͤnstler mit griechi- schen Ideen. Winkelmann G. d. K. S. 79. D 4 Eine Villa Albani. Eine Menschenfigur mit einem Loͤwen- kopfe. Winkelmann sagt: G. d. K. S. 73. der Kopf habe etwas von einem Loͤwen, einer Katze und einem Hunde zugleich, und nennt sie Anubis. Vermi- schung des Griechischen und Aegyptischen Stils aus rothem Mamor oder wie andere wollen, aus Lava. Den Bruͤsten nach sollte man diese Statue fuͤr eine Bubastis halten. Eine große Aegyptische Figur von Rosso antico. Scheint aus der Zeit des Hadrians zu seyn. Ein Aegyptischer Priester aus schwarzem Marmor auf den Hacken sitzend. Hinter diesem Vorzimmer folgt ein Saal. Er ist sehr schlecht decoriret, und der Plafond, der ein Bacchanal vorstellet, und nach einer Zeich- nung des Gulio Romano gemahlt ist, macht dem Meister wenig Ehre. Man sieht hier zwei Statuen von schwarzem Marmor, einen tanzenden Faun, und einen Ringer, der ein Oehlflaͤschchen haͤlt, Winkelmann erwaͤhnt beider. G. d. K. S. 517. an deren Fußgestellen aber † zwei sehr schoͤne Mo- saiken. Das eine soll eine Schule der Philo- sophie, das andere Hesione vorstellen, die Her- cules errettet. Auf dem letzten bemerkt Winkel- mann G. d. K. S. 419. den Schleier, womit Hesione ihr Haupt bedeckt, als den einzigen, der ihm bekannt ist. In Villa Albani. In der Mitte des Gartens eine schoͤne Fontaine, die aus einem großen Bassin von schwarzem Granit bestehet, welches vier Atlanten oder Sylenen tragen. Die Atlanten haben viel Charakter und Ausdruck, und die Masse des Gan- zen ist mahlerisch und wohl angeordnet. Ferner trifft man darin mehrere Sphynxe, eine große Chimaͤra, viele Statuen, Buͤsten, Sarcophagen, die zu Fontainen dienen, eine schoͤne gut erhaltene Meta Circi, ein wildes Schwein in einer Grotte, und einen Obelisk an. Diesen Obelisk bekam der Cardinal auf eine son- derbare Art. Er diente einer der Thuͤren des Pal- lastes des Prinzen Santa Croce zum Pfeiler. Ein Englaͤnder fand ihn, und der Cardinal hatte viele Muͤhe und Kosten, ihn zu erhalten. Unter der Terrasse vor dem Hause. † Zwei vortreffliche colossalische Buͤsten des Titus und des Trajans. Winkelmann redet von dem ersten G. d. K. S. 820. von dem zweiten ebendaselbst S. 829. Ein Flußgott aus schwarzem Marmor. Zwei Sphynxe aus Granit. Noch ein anderer Flußgott aus schwar- zem, und Ein dritter aus weißem Marmor. Alle in Nischen, die auf Caryatiden ruhen. D 5 Auf Villa Albani. Auf der Terrasse vor dem Hause selbst, eine vortreffliche Vase, die auf Greifen stehet; zwei Loͤwen aus weißem Marmor; einige Termen und Statuen. Winkelmann G. d. K. S. 489. erwaͤhnt einer erhobenen Arbeit in dieser Villa, worauf ein kindlicher Satyr oder Faun (er nennet ihn das schoͤnste Kind, welches sich aus dem Alterthume erhalten hat) mit solcher Wol- lust aus einem Schlauche trinke, daß die Augaͤpfel in die Hoͤhe gedrehet waͤren. Nach den Erkundigungen, die ich daruͤber in Rom einzog, sollte dieses Werk schon bei Lebzeiten des Cardinals abhanden gekommen seyn, ohne daß man den Ort feiner gegenwaͤrtigen Aufbewahrung wuͤßte. Jetzt finde ich in der neuen italiaͤnischen Uebersetzung der Winkelmannischen Geschichte der Kunst von Fea T. II. p. 122. n. B. daß es ins Museum Clemen- tinum gekommen sey, und daß man bei der Restau- ration dem Knaben eine Schaale in die Haͤnde gege- ben habe, in der Stellung, als wolle er sie zum Munde bringen, um daraus zu trinken. Ich habe dies Werk bei meiner Anwesenheit in Rom nicht gefunden. Winkelmann S. 285. gedenket auch eines als Bac- chus ergaͤnzten Apollo 9 Palme hoch, von der Mitte des Koͤrpers an bis auf die Fuͤße bekleidet, als eines Beweises, daß in einigen Statuen des Apollo dessen Villa Albani. dessen Bildung einem Bacchus sehr aͤhnlich sey. Ich habe diese Figur wahrscheinlich uͤbersehen, so wie zwei jugendliche Hermen S. 83. mit dem Felle eines Hundekopfs, wie Hercules mit der Loͤwenhaut be- deckt. Wahrscheinlich Lares, Penates oder Haus- goͤtter, und die Nemesis, nach Winkelmann Versuch einer Allegorie S. 54. die einzige Statue dieser Goͤttin in der Welt. Wenn auch der Antiquar in meiner Beschrei- bung etwas vermissen sollte, so fuͤrchte ich doch fuͤr den Liebhaber schon zu umstaͤndlich gewesen zu seyn. Ich muß uͤberhaupt bei dieser Gelegenheit meine Leser wiederholend erinnern, dies Werk nicht als eine Nomenclatur all und jeder Werke anzusehen, die vielleicht in verschiedener Ruͤcksicht verschiedenen Beobachtern merkwuͤrdig seyn koͤnnten. Ich schreibe uͤber Mahlerei und Bildhauerkunst in Rom, nicht uͤber jedes daselbst befindliche Stuͤck insbesondere. Was mein Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne rege gemacht hat, habe ich aufgezeichnet, und ich liefere es jetzt so wie- der, wie ich glaube, daß es jenes Gefuͤhl, und die Grundsaͤtze rechtfertigen kann, auf die ich es zu- ruͤckfuͤhre. Die Bildung des Geschmacks ist mein einziger Wegweiser: und nur dann verdiene ich Vor- wuͤrfe, wenn ich ein Stuͤck vorbei lasse, welches diese auf eine merkliche Art befoͤrdern kann. Pallast Pallast Colonna. Erste Reihe von Zimmern, die ehemals der Cardinal Pamfili und jetzt der Prinz d’ Avello Bruder des Con- netable bewohnet. Erstes Zimmer. I st von Pozzo Andreas Pozzo geb. zu Trient 1642. gest. 1709. Er trat in den Jesuiterorden. Sein Haupt- verdienst ist Perspektivmahlerei, die er bis zur hoͤchsten Illusion trieb. Schade, daß sein Ge- schmack in der Architektur, und vorzuͤglich in den Decorationen, weder simpel noch edel ist, und daß seine Farben so leicht verblichen. und Angelini Scipio Angelini von Peruzia geb. 1661. gest. 1729. ein geschickter Blumenmahler, mehr der Leichtig- keit als der Wahrheit wegen, die er in seine Werke brachte, merkwuͤrdig. in schlechtem Geschmacke decorirt. In dem zweiten Zimmer findet man einige Landschaften von Poussin Wenn bei der Anzeige des Meisters einer Land- schaft der Nahme Poussin schlechtweg genannt wird, in Wasserfar- ben. Sie sind vortrefflich gedacht. In Pallast Colonna. In einer Kammer darneben, eine Ma- donna auf durchsichtigen Alabaster gemahlt, uͤber einem Altar in einer Nische. Das Licht faͤllt hinten durch, und wenn das Zimmer vorn verdun- kelt wird, so ist der Effekt pikant. Nach einigen Zimmern, die mit Gobelins tapeziret sind, folgt ein anderes mit einer Auf- erstehung des Lazarus von Battoni. Dies Bild ist eigentlich ohne Wahrheit, aber es hat das Verdienst einer guten Anordnung und eines sehr pikan- ten Helldunkeln. Man sieht hier auch einige Landschaften von Lucatelli in der Manier des Salvator Rosa, den er uͤberhaupt nachzuahmen suchte. Zwei Landschaften des Claude Lorrain, die aber nicht zu seinen besten Werken gehoͤren. † Zwei ganz vortreffliche Marinen von Backhuysen. Ludolph Backhuysen geb. zu Embden gest. 1709. niederl. Schule. Geschickter Marinenmahler. In wird, so versteht man darunter den Caspre, oder Guaspro Poussin. Sein Vetter Nicolaus hat zwar auch Landschaften gemahlt: aber dann pflegt der Vornahme mit genannt zu werden. Bei histo- rischen Compositionen deutet hingegen der Nahme Poussin schlechtweg den Nicolaus an. Denn in dieser Art Mahlerei war der Caspre nicht sonderlich stark. Pallast Colonna. In einem darauf folgenden Saale. Zwei der besten Landschaften des Ori- zonte. Eine sehr schoͤne Marine von Lucatelli. Zwei Poussins in Wasserfarben. Die beruͤhm- te Cencia. † Die beruͤhmte Cencia. So nennt man einen weiblichen Kopf, der die Gewaͤhr fuͤr jene Worte eines unsrer beruͤhmtesten dramatischen Schrift- steller leistet: Die Natur wollte bei der Bildung des Weibes ihr Meisterstuͤck machen, aber sie nahm den Stoff zu fein. Wo waͤre der determinirteste Ehescheue, der gegen das Gluͤck, das ihm aus diesen Augen voll unaussprechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em- pfindbarkeit versprochen wuͤrde, nicht gern allen Vor- zuͤgen des ungebundenen Standes entsagte? Wo der Spoͤtter des weiblichen Geschlechts, dessen Pfeile an diesen Zuͤgen voll unbefangener Unschuld nicht stumpf zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes Gesetz, als das was die Natur ihrem Herzen ein- schrieb, hat dieses je in heftigere Bewegung gesetzt, und sind ihr Wuͤnsche uͤbrig geblieben; — sie wird die Gewaͤhrung mit Dankbarkeit, die Versagung ohne Murren tragen. Kurz! Cencia ist das Ideal der sanftesten, ge- fuͤhlvollesten, reinsten und duldsamsten weiblichen Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines hohen Ausdrucks. Man kann schoͤner seyn, viel- leicht interessanter, aber liebenswuͤrdiger ist man nicht. Diese Liebenswuͤrdigkeit, diese Liebenswuͤrdig- keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, ist die Ursache Pallast Colonna. Ursache gewesen, warum man die Gestalt, die sie in ihren Zuͤgen zeigt, so gern uͤberall hat um sich haben moͤgen. Von keinem Gemaͤhlde sieht man haͤufigere Copien als von diesem. Nimmt man den Nahmen, den man diesem Kopfe beilegt, als gewiß an, so gehoͤrt er einer Va- termoͤrderin. Man traͤgt sich naͤmlich in Rom mit einer Geschichte, nach welcher der Ort, wo gegen- waͤrtig die Villa Borghese befindlich ist, die Besitzung einer reichen Familie war, Cenci genannt. Das Haupt derselben, ein Ausbund aller Laster, hat, nach eben dieser Sage, wiederholte Angriffe auf die Unschuld seiner Tochter gewagt, denen zu entgehen, diese einige Moͤrder, den unnatuͤrlichen Vater umzu- bringen, bestellte. Als diese schon in der Kammer verborgen waren, hat die Tochter den Dolch ergrif- fen, und den Vater selbst im Schlafe erstochen. Mutter und Bruder haben darum gewußt: Sie sind alle drei vor der Engelsburg enthauptet worden, und die paͤbstliche Kammer hat ihr Vermoͤgen eingezogen, von dem der Cardinal Scipio Borghese, Neffe des damaligen Pabstes Paul des 5ten an dem Platze, dessen Besitzung einen Theil desselben ausmachte, die beruͤhmte Villa Borghese angelegt hat. Andere geben der Geschichte eine andere Wen- dung, glauben die Familie sey blos ein Opfer der Haabsucht der Familie Borghese geworden, und das angedichtete Laster eine Beschoͤnigung ihrer Bos- heit. Andere leugnen sie ganz ab, und gewiß ist es, daß sie nicht vielmehr, als die Autoritaͤt einer italie- nischen Novelle fuͤr sich hat, die im Manuscript in Pallast Colonna. in der Bibliothek des Prinzen Chigi aufbewahrt wird. Genung, der ersteren Behauptung nach, hat Guido Reni dieses Portrait nach der Moͤrderin in dem Aufzuge gemahlt, wie sie zum Richtplatz gefuͤhrt worden, und diese Nachricht ist in Deutschland durch Hrn. Lavaters physiognomische Fragmente besonders ausgebreitet worden. Mir scheint sie sehr verdaͤchtig. Nicht zu gedenken, daß die eben angefuͤhrte Novelle der Delinquentin am Tage ihrer Hinrichtung ein schwarzes Gewand giebt, und daß sie hier im weis- sen erscheint; daß zu Frescati in der Villa Mondra- gone ein Bildniß der Cencia haͤngt, das, den Ab- stand der Natur gegen das Ideal abgerechnet, mit dem unsrigen nicht die geringste Aehnlichkeit hat: wie lassen sich die heitere Ruhe, die reizvolle Unbefangen- heit, die sanfte Zaͤrtlichkeit, Hauptzuͤge in dem gegen- waͤrtigen Kopfe, mit der Fassung der Ungluͤcklichen am Tage ihrer Hinrichtung reimen? Auch bei dem hoͤchsten Bewußtseyn von Unschuld wuͤrde doch ihr Blick uͤber den Tod ihres Vaters, uͤber das Schick- sal ihrer Mutter und ihres Bruders ernster und einge- zogener geworden seyn. Kurz! ich glaube man geht am sichersten, wenn man schlechtweg sagt: es ist ein idealisirtes Portrait eines jungen Maͤdchens in dem angegebenen Charakter. So zweifelhaft wie die Bedeutung ist auch der Nahme des Meisters. Man schreibt dies Bild dem Guido Reni zu, aber die Behandlung ist ganz ver- schieden von derjenigen, die wir ihm kennen. Die Umrisse sind bis zur Ungewißheit verschmolzen, und die Pallast Colonna. die Schatten fallen ins braunroͤthliche. Wahrschein- lich ist es von spaͤterer Hand: Doch! es sey von wem es wolle, es bleibt immer ein sehr angenehmes Bild. Eine sehr interessante Frage wuͤrde es seyn: Wahrschein- lichkeit uͤber Wahrheit in den bilden- den Kuͤnsten. wenn dieser Kopf wirklich der Cencia gehoͤrt haͤtte, waͤre der Mahler, der sie in dem Augenblicke der Ermordung ihres Vaters haͤtte darstellen wollen, be- rechtigt gewesen, denselben beizubehalten, da er so sehr mit dem Charakter contrastirt, von dem wir eine so kuͤhne That erwarten duͤrfen? Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel, daß in den bildenden Kuͤnsten das Wahre dem Wahr- scheinlichen aufgeopfert werden muͤsse. Der Dichter koͤnnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocitaͤ- ten es vielleicht wahrscheinlich machen, daß auch das sanfteste Geschoͤpf endlich zu einem verzweifelten Ent- schluß gegen den Urheber seiner Tage gebracht worden waͤre; aber der Mahler, der die handelnde Person nur einmal zeigt, muß sie mit dem Charakter zeigen, der die gegenwaͤrtige Handlung am auffallendsten be- greiflich macht: so wie ich sie da sehe, wuͤrde sie den Stahl gegen sich selbst kehren, nicht gegen den Vater. Eine Saͤule von Rosso Antico. Die dar- an befindlichen Basreliefs sind mittelmaͤßig. Zur Wohnung des Prinzen d’Avello ge- hoͤren noch einige Zimmer im obern Geschoß. Hier findet man Den verlohrnen Sohn von Salvator Rosa. Ein Gassenjunge, der mit vieler Wahrheit darge- stellt ist. Zweiter Theil. E Meh- Pallast Colonna. Mehrere Landschaften von Poussin in Was- serfarben. Eine andere ebendesselben Meisters in Oehl, die einen Sturm vorstellet, ist von großem Effekt. Doch faͤllt die Faͤrbung zu sehr ins Gruͤne. Ein alter Kopf von Guido. Ein heiliger Hieronymus von Spagnoletto. Eine Familienscene, die man das Testa- ment nennet, von ebendemselben. In einem andern Zimmer trifft man meh- rere Gemaͤhlde vom Stendardo, Petrus van Bloemen, des Orizonte Bruder, geb. 1649. gest. 1719. mahlte gemeiniglich Feldschlach- ten, Caravanen, Pferdemaͤrkte, Roͤmische Feste ꝛc. und da er in diesen Aufzuͤgen haͤufig Fahnen an- brachte, so erhielt er daher den Nahmen Stendardo. Orizonte, und Guaspro degli Occhiali an. Brustbild der heiligen Magdalenavon Guido. In einem Schlafzimmer. † Eine heilige Magdalena, Bruststuͤck von Guido. Fuͤr mich der schoͤnste Weiberkopf, der je in neueren Zeiten gemahlt ist: das Kunstwerk, das ich unter allen in Rom waͤhlen wuͤrde, wenn ich nur eines mit einer einzelnen Figur zu waͤhlen haͤtte: der hoͤchste Punkt der Vereinigung des Ausdrucks einer thaͤtigen Seele, und der Schoͤnheit der Gestalt, den ich in der Mahlerei kenne, und annehmen mag. Eine Cencia unterscheidet sich von einer Magda- lena, wie die Gattin von der Geliebten. Jene koͤnnt Pallast Colonna. koͤnnt ihr achten, wenn ihr sie nicht anbetet. Diese ist euch alles oder sie ist euch nichts. Der hoͤchsten Tugenden faͤhig, wie der hoͤchsten Irrungen, zu denen heißes Blut und uͤberspannte Phantasie so leicht verfuͤhren koͤnnen, hat Magda- lena im Rausch der Sinne eine Zeitlang die Forde- rungen ihres leeren Herzens zu betaͤuben gesucht. Aber umsonst! Ihr liebeschwaͤrmerisches Auge er- hebt sich jetzt zum Himmel, den ihre Einbildungskraft an die Stelle des Irrdischen setzt, das die Wuͤnsche ihres pochenden Busens nicht hat befriedigen koͤnnen! Thraͤnen rollen jetzt uͤber ihre Wangen, Zeugen der Reue, daß sie ehemals durch eitle Freude entstellt sind! Jetzt fliegt unbekuͤmmert um den Beifall der Sterblichen das goldene Haar schmucklos um ihren Busen. Sie schlaͤgt die gefalteten Haͤnde darwider voll Zerknirschung, Innbrunst und Hingebung in die Gnade des Himmels. Welch ein Weib fuͤr den Mann, der ihre Einbildungskraft und ihre empfin- dungsvolle Seele auszufuͤllen im Stande gewesen waͤre! Wie sehr muͤssen selbst die uͤberwundenen Schwachheiten die Sicherheit zu der Staͤrke zu der Haltsamkeit erhoͤhen, mit der sie forthin an der Tu- gend haͤngen wird! So viel uͤber den Ausdruck. Und nun die Schoͤnheit der Form! Es ist nicht das Ideal der Antike, mit dessen Anblick uns zugleich alle Erinnerung und alle Hoffnung aͤhnlicher Erschei- nungen in der Natur verlaͤßt! Nein! Wir fuͤhlen wohl, daß die Zuͤge, aus denen dieser Kopf zusam- mengesetzt ist, uns nur einzeln in der Natur aufge- stoßen sind, allein wir verzweifeln nicht daran, sie einst in wirklicher Vereinigung anzutreffen. E 2 Viel- Pallast Colonna. Vielleicht duͤrfte man in einer Kunst, deren Hauptvorzug Ausdruck einer thaͤtigen Seele ist, das Ideal der Formen nicht treiben. Die Wahrschein- lichkeit, auf die es bei Darstellung des Affekts am meisten ankoͤmmt, duͤrfte groͤßer seyn, wenn die Ge- stalt, die sie ausdruͤckt, uns mit Huͤlfe einzelner Er- fahrungen begreiflich wird. Man behauptet inzwischen, daß Guido die gluͤck- liche Vorstellungsart der Magdalenen, die er so haͤu- fig wiederholt hat, nur dem haͤufigen Studio nach dem Kopfe der Niobe zu danken habe. So bald man dieser Behauptung die Erklaͤrung giebt, daß Guido Reni durch haͤufige Vergleichung der schoͤnen Natur mit dem schoͤnen Originale in Stein, die Ver- einigung von Wahrheit und Schoͤnheit gefunden habe, die wir in seinen Magdalenen Koͤpfen bewundern, daß er dieser Niobe die Bildung seiner Ideen uͤber- haupt verdanket habe: wohl! ich trete bei. Soll aber Guido Reni den Kopf der Niobe copirt, ihm den Ausdruck abgeborgt, nichts weiter gethan haben, als durch die Magie der Farben das Runde auf die Flaͤche zu uͤbertragen, so muß ich dieses leugnen. Im Detail haben beide Koͤpfe der Niobe und der Magdalena nichts Aehnliches als die Richtung des Kopfs in die Hoͤhe, und die Regelmaͤßigkeit der Zuͤge uͤberhaupt. Niobe ist eine majestaͤtische ernste Schoͤn- heit, mit dem Bewußtseyn ihres Werthes, und dem Gefuͤhl unverdienter Strafe: Magdalene die bekehrte Suͤnderin, die schoͤne Buͤßende, die warmes ju- gendliches Blut hat so gut als eine. An fuͤhlbarer Wahrheit des Ausdrucks ist Magdalene uͤber Niobe fuͤr uns noͤrdliche Voͤlker; an Schoͤnheit der Ge- stalt Pallast Colonna. stalt aber unter dieser, selbst fuͤr uns. Vielleicht koͤnnte eine Magdalene in Ruͤcksicht auf einzelne Figu- ren fuͤr die letzte Besitzung der Mahlerei gelten, eine Niobe fuͤr die gemeinschaftliche Graͤnze. Die Zeichnung ist aͤußerst richtig und bestimmt. Die Finger der Hand scheinen ein wenig zu lang, aber sie sind von schoͤner Form. Die Faͤrbung ist ein wenig schwach, und faͤllt ins Graue. Eine heilige Familie von Albano. Eine heilige Therese von Guido Cagnacci. Dieselbe Stellung und der naͤmliche Ausdruck, wie in der Statue des Bernini in der Kirche Santa Maria della Vittoria. Zwei Schlachten von Salvator Rosa. St. Peter der Maͤrtirer. Eine Skizze zu oder wie andre behaupten, ein Studium im Kleinen nach Dies letzte scheint mir wahrscheinlicher. dem beruͤhmten Gemaͤhlde dieses Meisters, welches zu St. Giovanni e Paolo in Venedig haͤngt. St. Paul der Maͤrtirer ward in Gesellschaft eines Moͤnchs beim Eingange eines Waldes von einem Moͤrder uͤberfallen. Der Moͤnch entfloh, aber St. Paul ward umgebracht. Dies ist die Geschichte, die der Pinsel des Tizians an dem angezeigten Orte vorgestellt hat. Sie macht das Suͤjet eines der be- ruͤhmtesten Gemaͤhlde in Italien aus, und dies steht gaͤnzlich seinem Ruhm. Der Auftritt giebt in drei Figuren einen interes- santen und abwechselnden Ausdruck der Wuth in dem E 3 Ver- Pallast Colonna. Verloͤbniß der heiligen Catharina von Pie- tro di Cortona. Eine angenehme Zusammen- setzung. Die Behandlung hat jedoch nicht das s f umato, das Verschmolzene, das Verblasene, welches sonst den Charakter des Pinsels dieses Mei- sters ausmacht. Vielleicht duͤrfte unser Bild eine Copie des Carlo Maratti nach einem Originale sei- nes Meisters seyn. In dem Moͤrder, der Resignation in dem Heiligen und des Schreckens in dem fliehenden Moͤnche. Das wahre Maaß in der Darstellung dieser ver- schiedenen Gemuͤthsbewegungen ist dem Mahler ohne alle Carricatur gegluͤckt. Mit Recht billigt man die Sparsamkeit in den Figuren, deren An- zahl die Verstaͤndlichkeit des Suͤjets erledigt. Sie sind gut mit einander verbunden. Die Formen, ohne schoͤn zu seyn, vorzuͤglich in Koͤpfen und Haͤn- den wohl gewaͤhlt. Die Zeichnung ist correkt, nur scheinen die Ver- kuͤrzungen nicht durchgehends natuͤrlich, woran aber das nachgeschwaͤrzte Colorit Schuld seyn kann. Aus eben dieser Ursach erklaͤre ich mir den Mangel an Haltung und Harmonie. Man wirft der Car- nation mit Recht vor, daß der Ton derselben zu sehr ins Rothe faͤllt: Sie bleibt aber demohngeach- tet tizianisch. Oben sieht man eine Glorie von En- geln: Kinder, wie sie Tizian mahlte, das heißt, die schoͤnsten der neueren Kunst. Die Landschaft ist schoͤn gedacht, und mit Leich- tigkeit behandelt, nur fehlt der Duft in der Ferne. Man war dazumal auf das Geheimniß der Luft- perspektive noch nicht gekommen. Pallast Colonna. In einem andern Zimmer trifft man unter mehreren Landschaften von Lucatelli, Orizonte, Sten- dardo auch eine von Poussin in Wasserfarben an, die eine Aussicht anf einen Fluß darstellet, und ehe- mals zum Deckel eines Claviers gedienet hat. Wieder in einem andern Zimmer sieht man eine Aussicht von Rom, und eine andere von Tivoli von Guaspro degli Occhiali. Untere Zimmer in der Wohnung des Connetable. Der Plafond des ersten Zimmers ist von Benedetto Luti. Martin der Fuͤnfte uͤberreicht dem heiligen Carl Barromaͤus die Schluͤssel des heil. Petrus. Das Verdienst dieses Gemaͤhldes besteht in der Harmonie und Annehmlichkeit der Farben, und der Vertheilung des Lichts. Uebrigens sehen sich die Koͤpfe alle aͤhnlich, und sind ohne Ausdruck. Auch ist die Zeichnung unrichtig und das Colorit ohne Wahrheit blos nach der Palette ausgedacht. Rund herum hat Battoni die Tugenden die- ses Pabstes allegorisch vorgestellt. Man merkt den Figuren an, daß sie nach kuͤnstlich gestellten Aca- demien gezeichnet, und in einem sehr conventionellen Colorit gemahlt sind. Diejenige, welche die Lampe haͤlt, ist eine der besten, und hat etwas von der Manier des Guido. E 4 Unter Pallast Colonna. Unter den Staffeleigemaͤhlden Eine Entfuͤh- rung der Europa. Ich gestehe, daß ich mich des Nahmens des Meisters so genau nicht mehr erin- nere. Die Composition ist gut, und zum Theil von einem alten Basrelief genommen; auch ist die Faͤr- bung sehr lieblich. Aber die Perspektiv ist nicht gut beobachtet, und der Ausdruck nicht der gluͤcklichste. Eine Madonna mit dem Kinde. Sie haͤlt ein Buch. Man schreibt dieses Bild dem Ra- phael zu, aber es scheint nur aus seiner Schule zu seyn. Es ist zu wenig Wahrheit und Richtigkeit in den Extremitaͤten, um es dem Meister selbst bei- zulegen. Ein Bauer, der Bohnen isset. Bambo- schade von Annibale Carraccio, voller Wahrheit. Ein Mann, der auf dem Claviere spielt, von Tintoretto. Eine heilige Magdalena und ein heiliger Petrus von Guido. Einige schoͤ- ne Gemaͤhlde von Tizian. † Cephalus und Procris oder vielmehr Venus und Adonis von Tizian. Ein Bild von dem man viele Wiederholungen findet. Dieses hier hat einen großen Charakter von Originalitaͤt. Den schlafenden Amor im Hintergrunde abgerechnet, ist das Bild sehr gut zusammengesetzt, und in Ansehung der Faͤrbung aus der besten Zeit des Meisters. Der Ruͤcken der Venus ist vorzuͤglich schoͤn. † Ganymeds Entfuͤhrung von Tizian. Die Stellung des Adlers ist nicht sehr natuͤrlich, in- zwischen wird durch seine schwarze Farbe des Kna- ben weißes Fleisch mehr gehoben. Ewig Schade! daß Pallast Colonna. daß Carlo Maratti den Hintergrund beim Aufmah- len zu blau gehalten hat. † Ein Priester, eins der schoͤnsten Bildnisse von Tizian. † Eine Magistratsperson. Bildniß des- selben Meisters. Christus erweckt den Lazarus von Salviati. Ein todter Christ zwischen zwei Engeln. Ein schoͤnes Gemaͤhlde von Leandro Bassano. Eine Madonna mit dem Christ und meh- reren Heiligen. Die Koͤpfe scheinen schoͤn, die Faͤrbung kraͤftig zu seyn, aber es haͤngt zu hoch, um mit einiger Zuversicht beurtheilt zu werden. Ecce Homo von Albano mit drei Engeln die uͤber ihn weinen, vom Albano. Traurige Vorstellungen gehoͤren nicht in das Fach dieses Mah- lers der Grazien. Inzwischen ist die Faͤrbung gut. Der heilige Paul und Moses, zwei Koͤpfe von Guercino aus seiner ersten etwas schwarzen Manier. David von Guido Cagnacci. † Eine heilige Familie mit mehreren Hei- Eine heilige Familie aus Raphaels er- ster Manier. ligen, und Gott der Vater in einer Glorie von Engeln. Zwei Gemaͤhlde, die ehemals ein einziges ausmachten, von Raphael, und zwar aus seiner ersten Manier. Ungeachtet des gothischen Geschmacks, der in diesem Gemaͤhlde herrscht, und den man vorzuͤglich an dem natuͤrlich aufgetragenen Golde wieder erkennt; ohngeachtet der Trockenheit in den Umrissen und der Faltenordnung bemerkt man schon vortreffliche Koͤpfe voller Ausdruck und die groͤßte Richtigkeit in der Zeichnung der Extremitaͤten. Die Faͤrbung ist zu dunkel. E 5 Zwei- Pallast Colonna. Zweites Zimmer. Bemerkun- gen uͤber den Stil der groͤßten Land- schaftsmah- ler: Claude le Lorrain, Caspar Pous- sin, und Sal- vator Rosa. In diesem Zimmer haͤngt eine Samm- lung von Werken der groͤßten Landschafts- mahler. Die vorzuͤglichsten unter diesen sind: Claude le Lorrain, Caspar Poussin und Salvator Rosa. Claude Gelee aus Lothringen, daher gemei- niglich Claude le Lorrain genannt, ward 1600 gebohren, und starb 1682. Er ist als der groͤßte Landschaftsmahler neuerer Zeiten bekannt: ihm allein gebuͤhrt das Lob, die Natur mit Wahl und doch immer mit Treue dargestellt zu haben: Meh- rentheils brachte er Architektur in den Vorgruͤnden an, und waͤhlte Gegenden und Tageszeiten, welche die Seele zu sanfter Feier erheben. Sein Baum- schlag ist sehr abwechselnd. Vielleicht ist die Form der Blaͤtter nicht immer hinreichend bestimmt, aber die Masse des Ganzen und die Faͤrbung ist vortrefflich. Die Fernen sind das Schoͤnste in seinen Gemaͤhlden, er mahlte sie aͤußerst duftig. Man behauptet, daß er das Geheimniß der Luftperspektiv, die er zu dem hoͤchsten Grade der Vollkommenheit brachte, dem Sandrart zu danken habe, den er einst bei einem Studio nach der Natur zu diesem Endzweck uͤber- raschte. Luftperspekti- ve, was sie ist. Luftperspektiv, ist die Wissenschaft der Regeln, nach welchen sich Licht und Schatten, und die davon abhaͤngende Faͤrbung, nach Maaßgabe der Entfer- nung der Gegenstaͤnde und der zwischen diese und un- ser Pallast Colonna. ser Auge tretenden Luft abaͤndern. Je entfernter ein Koͤrper von uns ist, je mehr verliert seine Farbe an Lebhaftigkeit. In großer Entfernung verliert sich die natuͤrliche Farbe ganz in der Farbe der Luft. Figuren verstand Claude le Lorrain nicht zu mah- len, sie sind alle spindelfoͤrmig, und in Proportion zu den Gegenstaͤnden, die sie umringen, zu groß. Allein diese Figuren sind fuͤr den eigentlichen Lebende Fi- guren in der Landschaft, bezeichnen- des Neben- werk. Landschaftsmahler nur Nebenwerk. Er ordnet die lebenden Figuren den unbelebten Gegenstaͤnden nur darum zu, um den Stil der Vorstellung zu bezeich- nen, und durch die Verschiedenheit des Charakters der Personen, die er in einer gewissen Gegend auf- treten laͤßt, auf die Gruͤnde zu fuͤhren, warum er bald eine sanfte, bald eine rauhe, bald eine kunstlose, bald eine angebauete Natur gewaͤhlt hat. Je nachdem der Eindruck der Landschaft blos Ueber den laͤndlichen und den he- roischen Stil in der Land- schaftsmah- lerei. liebliche oder hohe Empfindungen erregt, dem Her- zen Nahrung giebt, oder die Einbildungskraft befluͤ- gelt, theilt man den Stil der Landschaft in den laͤndlichen und den heroischen ab. Caspre Dughet, nach seinem Schwager und Lehrmeister Nicolaus Poussin gemeiniglich Guasparo Poussino genannt, war 1613 gebohren, und starb 1675. Er ist in der Ordnung der Landschafts- mahler der zweite. Seine Compositionen sind schoͤn, und lassen gemeiniglich gebirgigte Gegenden mit Waͤldern von Eichen, Wasserfaͤllen und Aussichten auf Ebenen von ungeheurem Umfange sehen. Seine Werke sind leicht wieder zu kennen: denn ob er gleich eine gute Art hatte, die Natur vorzustellen, so war diese Pallast Colonna. diese Art doch einfoͤrmig, das heißt: er war manie- rirt. Der Eindruck, den seine Werke machen, ist, sie leiten die Seele zum Nachdenken und versenken sie in Melancholie. Die Formen seiner Baͤume, zu denen er gemeiniglich Eichen waͤhlte, sind nicht son- derlich wahr, die Blaͤtter sind zu groß. Der Ton seiner Faͤrbung ist finsteres Gruͤn, uͤbrigens aber harmonisch. Die Fernen haben nicht das Luftige seines Vorgaͤngers. Salvator Rosa ist das dritte unter den großen Lichtern in der Landschaftsmahlerei. Er ward 1615 gebohren, und starb 1673. Auch er hatte nur eine Manier, und kann daher nur fuͤr gewisse Par- tien als Muster aufgestellt werden. Wenn die Faͤrbung des Poussins zu sehr ins finstere Gruͤn faͤllt, so faͤllt hingegen die Faͤrbung des Salvator Rosa zu sehr ins gelblich Graue. Sie ist ganz unwahr, zieht aber durch ihre Harmonie sehr an. Seine Landschaften scheinen Raͤuberhoͤhlen zu seyn, deren Bewohner, Spitzbuben, Banditen, Zigeuner, er mit Geist und Leben darstellte. Schrecken und Schaudern uͤberfaͤllt den Zuschauer bei dem Anblick seiner schroffen Felsen, deren herabhaͤngende Stuͤcke, von struppichten Tannen und verwachsenem Gebuͤsch bedeckt, das lumpichte Gesindel, das darunter Schutz sucht, zu begraben drohen. Zwei der schoͤnsten Landschaften Poussins. † Abraham ersteigt mit seinem Sohne Isaac einen waldichten Berg, auf welchem dieser geopfert werden soll. Rechts auf dem Vorgrunde der Aufgang auf den waldichten Berg, links in der Ferne uͤber eine weite Ebene hin, die Aus- Pallast Colonna. Aussicht aufs Meer. Die schoͤnste Landschaft, die man vom Poussin wenigstens in Rom kennt. Die Erfindung ist vortrefflich, und die Ausfuͤhrung ent- spricht ihr voͤllig. Der Mahler hat mit wenigen Pinselstrichen eine Ebene geschaffen, die der Zuschauer kaum mit dem Auge abreichen zu koͤnnen glaubt. Der Baumschlag ist vorzuͤglich in den Eichen wohl gerathen. Es ist ein Oehlgemaͤhlde. † Eine andere Landschaft eben dieses Meisters , gleichfalls in Oehl, wird von Kennern der vorigen beinahe gleich geschaͤtzt. Das historische Suͤjet ist die Verheißung Abrahams . Gott er- scheint in den Luͤften, und vor dem Schauer, der seine Gegenwart begleitet, beugen sich die Gipfel der Baͤume wie im Sturme. Der Gedanke ist erhaben, und die Ausfuͤhrung gluͤcklich. Zu beiden Seiten zwei Landschaften vom Orizonte . Diana mit ihren Nymphen , in einer Land- schaft mit reicher Architektur, von Claude le Lorrain . Ueber den beiden Fenstern zwei Landschaf- ten Poussins in Wasserfarben. Unter einer mittelmaͤßigen Landschaft aus der Bolognesischen Schule eine andere Land- schaft Poussins in Wasserfarben. Man sieht einen Wasserfall darauf. Sie ist vortrefflich gedacht. Darunter eine andere mit Bergen in der Ferne, die mit Schnee bedeckt sind , von eben demselben in Oehl. Noch Pallast Colonna. Noch von diesem Meister eine andere auf Holz . Die Faͤrbung ist sehr kraͤftig. Man sieht darauf tanzende Nymphen. Die Findung des Moses . Eine Landschaft von Salvator Rosa . Noch eine andere von demselben mit einem Manne, der ein Wasser durchwadet, und nach einem sehr erschrockenen Menschen mit dem Bogen zielt. Wahrscheinlich die Fabel des Reisenden, der durch das stuͤrmische Regengestoͤber, mit dem er un- zufrieden war, vom Tode errettet wurde, weil es die Sehne des Bogens erschlaffte, auf welcher der Raͤuber den Pfeil wider sein Leben gerichtet hatte. Ein heftiger Sturm erschuͤttert die Baͤume. Ueber den beiden Thuͤren zwei andere Landschaften von Salvator Rosa . Zur Seite zwischen den beiden Thuͤren drei Landschaften von Kaspar Poussin in Was- serfarben. Das Urtheil des Paris, Landschaft von Claude le Lorrain mit Figuren von Carlo Maratti . Grade gegen uͤber der Parnaß von Claude le Lorrain . Dido zeigt dem Aeneas das neu erbauete Carthago von demselben . Die gar zu reiche Architektur duͤrfte ein Verstoß wider die Zeitrech- nung seyn. Aeneas, der einen Hirsch schießt , von demselben . † Galathea mit ihren Nymphen vom Al- bano . Die Composition ist aͤußerst lieblich. Die weibli- Pallast Colonna. weiblichen Figuren sind sehr schoͤn gezeichnet. Die Gruppe der Galathea ist von der schoͤnsten Form und das Helldunkle von pikanter Wuͤrkung. In der Figur des Polyphems erkennt man den Schuͤler der Carracci. An der entgegen gesetzten Seite nach dem großen Fenster zu: Eine Bamboschade vom Michael Angelo dem Bamboschadenmahler. Mars koͤmmt zur Venus vom Albano . Venus schlaͤft, die Liebesgoͤtter entkleiden den Mars. Die Zusammensetzung ist allerliebst, die Ausfuͤhrung koͤmmt ihr nicht gleich. Zwei Landschaften vom Orizonte . Ein junger Held, der die Musen aufsucht, in einer Landschaft mit dem Tempel der Sybille zu Tivoli, und einer Aussicht aufs Meer von Claude le Lorrain . Ein Noli me tangere in einer Landschaft von Paul Brill . Große Gallerie . Zur Linken, Kroͤnung Christi von Carlo Maratti . Joseph und Potiphars Frau von dem- selben . Der heilige Petrus vom Engel geweckt von Lanfranco . † Herodias, die den Kopf Johannes des Taͤufers in ein Becken legt, welches ihr ein junger Mensch vorhaͤlt: Bei ihr einige Wei- Pallast Colonna. Weiber von ihrer Begleitung . Dieses große aber nicht ganz geendigte Bild ist vom Guido. Die Anordnung ist gut, aber die Stellung der Herodias gezwungen, und ihrem schoͤnen Kopfe fehlt es an Ausdruck. Die uͤbrigen Weiberkoͤpfe sind sehr lieb- lich. Den Gewaͤndern merkt man den Gliedermann an. Das Helldunkle ist mit Verstand behandelt. Die Faͤrbung faͤllt ins Graue. † Venus und Amor von Paul Veronese . Diese Gruppe ist gut gedacht. Amor hascht nach dem Bogen, den ihm Venus vorenthaͤlt. Aber dieß lehrt bloß die Stellung; die Koͤpfe sagen nichts, und nehmen gar nicht an der Handlung Theil. Die Faͤrbung ist schoͤn. Nur Schade, daß der aͤngst- lich fromme Besitzer dieser Gallerie den vorher zu entbloͤßten Busen der Venus mit einem Gewande hat bedecken lassen. Die Stoffe sind schoͤn, und das Helldunkle ist gut behandelt. Die Zeichnung ist incorrekt, das eine Bein der Venus laͤßt sich schlech- terdings aus dem Gewande nicht heraus finden. Venus und Amor , ein schlechtes Gemaͤhlde, das man dem Andrea Sachi zuschreibt. † Der verlohrne Sohn vom Guercino . Eben dieses Suͤjet hat der Mahler auch in dem Pal- last Doria behandelt, aber das Bild, das wir vor uns haben, hat ohnstreitig vor jenem viele Vorzuͤge. Die Zusammensetzung ist zwar nicht ohne Fehler. Der junge Mann, der zur Seite die Gardine auf- hebt, und wahrscheinlich den aͤltesten Sohn vorstel- len soll, nimmt gar keinen Theil an der Handlung. Der verlohrne Sohn hingegen vergießt wahre Thraͤ- nen Pallast Colonna. nen der Reue, und man sieht, daß das Andenken sei- ner Fehltritte schwer auf ihm ruht. Nur im Munde ist etwas Gezogenes, das man wegwuͤnscht. Seine Stellung druͤckt vortrefflich den Zustand seiner Seele aus, die sich ganz dem Schmerze uͤberlaͤßt. Ob er gleich beinahe ganz nackt ist, so hat ihm der Mahler doch einen Schnupftuch in die eine Hand gegeben, um sich die Thraͤnen abzutrocknen. Die andere Hand uͤberlaͤßt er seinem Vater, auf dessen Gesichte man den Ausdruck des geruͤhrten Vaterherzens liest. Liebkosend sucht er ihn zu troͤsten, und bedeckt zu gleicher Zeit mit einem Mantel seine Bloͤße. Die Zeichnung ist ziemlich richtig, die Faͤrbung aus sei- ner besten Zeit, und das Helldunkle wie gewoͤhnlich vortrefflich. † Das Verloͤbniß der heiligen Catharina . Ein großes Gemaͤhlde vom Parmeggianino , um so interessanter, weil es selten ist, von diesem Mei- ster Gemaͤhlde in dieser Groͤße zu finden. Ausdruck darf man hier nicht suchen, auch keine sonderlich gute Zusammensetzung. Waͤhrend, daß die heilige Ca- tharina den Christ beim Kinn ergreift, um ihn zu kuͤssen, und ihr erhabener Gemahl die Hand auf ih- ren Busen legt, sieht die Madonna nach einer andern Seite. Von den umher stehenden Heiligen nimmt keiner an der Handlung Theil, und einer von ihnen kuͤßt sogar — Wie werden unsere Critiker uͤber den Anachronismus schreien! — das Crucifix. Uebri- gens ist die Anordnung und die Gruppirung gut. Der Mahler hat den Koͤpfen und Stellungen das Liebliche des Correggio zu geben gesucht, aber es ist zur Affektation geworden. Die Zeichnung ist nicht Zweiter Theil. F ganz Pallast Colonna. ganz correkt; die Gewaͤnder sind von schlechter Wahl; die Schatten haben nachgeschwaͤrzt. † Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradiese vom Domenichino . Der Ge- danke ist vortrefflich, obgleich in Ansehung der Gruppe Gottes des Vaters zum Theil vom Michael Angelo entlehnet. Die Figuren unserer ersten El- tern sind voll Ausdruck. Der Faͤrbung fehlt es an Harmonie. Cimon im Anschauen schlafender Nym- phen verlohren , ein Gemaͤhlde des Nicolaus Poussin , in der Zeit, als er den Tizian nachzuah- men suchte. Man hat aber gleiche Muͤhe, das Vorbild und den Nachahmer zu erkennen. Opfer Caͤsars von Carlo Maratti . For- tuna bringt ihm eine Krone. Gedanke und Aus- druck sind verfehlt, auch mangelt es an Harmonie. Die Stellungen sind uͤbertrieben. Die Anordnung in Ruͤcksicht auf die gute Form der Gruppen, ist allein der Aufmerksamkeit des Kenners werth. Eine Heilige, die bei einem Grabe gestei- niget wird . David mit dem Goliathskopfe in Beglei- tung der Weiber, die seinen Sieg besingen . Beide vom Guercino aus seiner rothen Manier. Die Schatten sind uͤbertrieben. Uebrigens ist die Faͤrbung kraͤftig, und die Figuren treten gut hervor. Magdalena im Hause des Pharisaͤers vom Bassano . Man sehe nur das Fleisch des Halses und der Schulter der Magdalena, fuͤr das Uebrige kann man blind seyn. Der Pallast Colonna. Der heilige Johannes in der Wuͤsten, voͤllig nackt , von Salvator Rosa . Wahr- scheinlich hat der Prinz Colonna uͤber den heiligen Johannes des Salvator Rosa gedacht, wie die Magd beim Moliere uͤber den Tartuͤff: Ich koͤnnte sie nackt wie die Hand sehen, und sie wuͤrden mich nicht reizen. Denn er hat die Bloͤße dieser Figur nicht bedecken lassen. Zum Besten der Kunst waͤre die Bekleidung dieser ekelhaften Bloͤße statt der des Busens der vorhin angezeigten Venus zu wuͤnschen gewesen. Bilder von der Groͤße des gegenwaͤrtigen sind von diesem Meister rar. Dies ist sein groͤßtes Verdienst. Eben dieses kann man von einem andern Bilde eben dieses Meisters sagen, das den hei- ligen Johannes in der Wuͤste predigend vor- stellt . Die Figuren auf selbigem gleichen einem Haufen von Lazaroni. † Die Mutter Gottes mit dem todten Mutter Got- tes mit dem todten Christ vom Guerci- no. Christ , eins der schoͤnsten Bilder des Guercino , obgleich die Zusammensetzung sich nicht ganz rechtfer- tigen laͤßt. Der Leichnam Christi ist sitzend auf sei- nem Grabsteine abgebildet. Diese Stellung, die an und fuͤr sich selbst etwas Steifes hat, ist uͤberher einem todten Koͤrper unnatuͤrlich oder wenigstens un- gewoͤhnlich. Die Mutter außer sich vor Schmerz, stuͤrzt auf ihren Sohn zu, gleichsam als wollte sie auf ihn fallen. So wahr dieser Ausdruck des hoͤch- sten Schmerzens und muͤtterlicher Innbrunst ist, er enthaͤlt eine sichtbare Unwahrscheinlichkeit; und ein Koͤrper, den wir immer außer dem Gleichgewichte F 2 sehen, Pallast Colonna. sehen, ist fuͤr die Kunst eben so wenig ein schicklicher Gegenstand, als ein ganz unbeweglicher steifer Leich- nam. Dies abgerechnet, ist der Ausdruck edel, schoͤn und ergreifend wahr. Die Faͤrbung ist aus der schoͤnsten Zeit dieses Meisters, und die Figuren heben sich hoch vom Grunde ab. Hagar mit dem Engel und die Samarite- rin , zwei Gemaͤhlde des Mola . Zwei Bildnisse auf einem Gemaͤhlde vom Tintoret . Voll geistreicher Behandlung, aber nicht ohne Incorrektionen. Eine Bamboschade von Rubens . Sie ist von ihm, aber eins seiner schwaͤchsten Bilder. An- dere nennen Jordaens als den Meister. Eine Heilige, die das heil. Abendmahl aus den Haͤnden der Engel empfaͤngt von Carlo Maratti . Die Koͤpfe des Engels und der Heiligen haben eine gewisse Lieblichkeit ohne Bedeutung. Die Sucht, die Figuren in ihrer Stellung, und ihre ein- zelnen Gliedmaßen in ihrer Lage unter einander, recht abwechselnd zu machen, — das sogenannte Contra- posto der Italiener — hat den Meister zu den un- natuͤrlichsten und gezwungensten Drehungen verleitet. Ein heiliger Franciscus vom Muziano . Eben dieser Heilige vom Guido . Die Mahlerei und die Bildhauerkunst vom Guercino . Sehr verdorben. Einige Koͤpfe von Maͤnnern und Wei- bern auf demselben Gemaͤhlde , aus der Vene- tianischen Schule. Die Himmelfahrt Mariaͤ . Man schreibt sie dem Rubens auch dem Vandyck zu, wahrschein- lich Pallast Colonna. lich aber ist dies Bild eine Copie; die Farbe faͤllt zu sehr ins Graue. † Eine Flucht nach Aegypten vom Guido . Ein aͤhnliches Bild findet sich zu Neapel in der Kirche des heiligen Philippus Neri. Das Bild ist vortreff- lich gedacht. Vielleicht wuͤrden wir die Stellung der Maria, in der sie den Schleier uͤber ihr Kind zieht, gezwungen finden, wenn diese Handlung nicht einen gluͤcklichen Streifschatten hervorbraͤchte. Der Kopf der Madonna ist ohne Ausdruck. Desto schoͤ- ner ist der Kopf des heiligen Josephs, und aͤußerst reizend der Engel, welcher der Jungfrau eine Blume darbietet. In den Gewaͤndern ist zu viel Aengst- lichkeit. Die Faͤrbung ist aus seiner ersten Zeit, und faͤllt ins Schwarze. Das Bild hat sehr gelitten. Die Wuͤrkung des Helldunklen muß vortrefflich ge- wesen seyn. Man sieht noch jetzt, wie weise Licht und Schatten vertheilt sind. Theil der Gallerie, der durch Stu- fen abgesondert ist. † Hart am Fenster ein Ecce Homo von Ecce Ho- mo: das be- ste Gemaͤhl- de des Cor- reggio in Rom. Correggio . Halbe Figuren. Ueber die Origina- litaͤt ist kein Zweifel. Augustino Carraccio hat es unter seinem Nahmen gestochen. Man kann die Zusammensetzung dieses Gemaͤhl- des nicht als Muster anpreisen. Pilatus lehnt sich zum Fenster heraus, und zeigt den Christ, der unten steht. Die Madonna faͤllt in Ohnmacht, und der heilige Johannes empfaͤngt sie in seine Arme. Ein F 3 Soldat Pallast Colonna. Soldat steht in der Ecke. Die Figuren sind nicht gut gruppirt, und zu einzeln hingestellt. Der Christ hat den Ausdruck eines Mannes, dessen Schoͤnheit, die jedoch in ihrer Bluͤthe nie zum Ideal erhoben ge- wesen seyn kann, durch koͤrperlichen Schmerz und Krankheit gewelkt ist, und blos mit seinem eigenen Leiden beschaͤfftiget, sieht er nicht auf seine Mutter, die in Ohnmacht faͤllt. Diese hingegen zeigt durch Mine und Stellung sehr wohl den Schmerz, der ihr das Herz abdruͤckt. Es hat dem Mahler an Platz zur Anordnung seiner Figuren gefehlt, daher sind die Figuren so wun- derlich gestellt daß die Haͤnde der Madonna sogar auf einen Tisch gelegt sind. Ein sehr ungluͤcklicher Gedanke! Der heilige Johannes betrachtet die Mut- ter Gottes nicht mit der Theilnehmung des Mitleids, sondern mit dem Entzuͤcken eines Liebhabers. Der Kopf des Pilatus ist schoͤn, und die Hand, womit er den Christ zeigt, von trefflicher Verkuͤrzung. Auch ist der Kopf des Soldaten gut. Die Zeich- nung im Ganzen ist nicht uͤbel, aber die Haͤnde des Christs sind zu steif. Die Farbe hat sehr gelitten, sie faͤllt etwas ins Braune, und ist aus des Meisters erster Zeit. Dem ohngeachtet ist sie voll schoͤner Tinten. Der Hauptvorzug dieses Gemaͤhldes besteht in der schoͤ- nen Ruͤndung. Die Figuren heben sich hoch von der Flaͤche ab. Dies Bild ist das beste Werk des Correggio in Rom: allein zur Kenntniß des Werths dieses großen Kuͤnstlers bei weitem nicht hinreichend. Hierzu Pallast Colonna. Hierzu wird eine Reise nach Parma oder Dresden erfordert. Antonio di Allegris ward zu Correggio im Bemerkun- gen uͤber den Correggio. Modenesischen 1484 gebohren. Der Nahme seiner Vaterstadt ward die Bezeichnung des vorzuͤglichen Talents, das sie hervorgebracht hatte. Er starb wahrscheinlich 1534. Wie soll ich mir den Charakter des Mahlers denken, dessen Werke den allgemeinsten Anspruch auf den Beifall der Kenner, und zugleich des unge- lehrten Haufens haben? Dessen Werke beim ersten Anblick anziehen, und sich am haͤufigsten der Erin- nerung ungerufen wieder darstellen? Ich denke ihn mir mit der gutherzigen Unbefan- genheit des gluͤcklichen Alters, das nur von dem Schein der Dinge geruͤhrt wird: mit einem Herzen, das nur fuͤr sanfte Eindruͤcke Sinn hat, und mit einer Gleichheit des Humors, die durch keine heftige Er- schuͤtterungen von Freude und Traurigkeit unterbro- chen, auf die Unterscheidungszeichen der Dinge, die sie umgeben, nur in so fern achtet, als ihre Gestal- ten sie angenehm afficiren. Ist meine Vermuthung wahr, so muß Correg- gio einer der gluͤcklichsten Menschen gewesen seyn: gluͤcklich durch eine Einbildungskraft, die ihm wa- chend Bilder zufuͤhrte, wie man sie getaͤuscht von Morgentraͤumen eines gesunden Schlafes sieht, lieb- lich aber ohne hohe Bedeutung; oder gluͤcklich durch die fortdauernde Stimmung, die wir uͤbergehend an denen bemerken, welche die Wuͤrkung des Weins in wohlthaͤtiger Maaße empfinden: In ihrer Sorglo- F 4 sigkeit Pallast Colonna. sigkeit gleiten diese uͤber die Oberflaͤche der Dinge weg, ohne ihr Wesen zu durchdringen, ihr Herz wird offen, zutraulich, verbindet sich genau mit dem Gegenwaͤr- tigen, ihr Auge sieht die Umrisse, die Farbe, das Licht und den Schatten ohne genaue Bestimmung des Einzelnen in einander fließen, und druͤckt sich ihrer Seele mit dem Reize einer entkoͤrperten Erschei- nung ein. Ist die Mahlerei ein Schein; liefert sie die Ge- stalten nur wie sie in einer gewissen Entfernung gesehen werden, in der wir uͤber Richtigkeit der Umrisse, uͤber Wahrheit einzelner Tinten nicht mehr im Stande sind, zu urtheilen; wo lauter Massen von Farben, Massen von Licht und Schatten uns das Erkenntniß der Wuͤrklichkeit der Gegenstaͤnde außer uns geben: so hat Correggio die Geheimnisse dieser Kunst besser als jeder andere verstanden. Dieses Talent, die sichtbaren Gegenstaͤnde in einer gewissen Entfernung mit einer ergreifenden Wuͤrklichkeit darzustellen, die kein anderer Kuͤnstler in dem Grade erreicht hat, ist es, welches nebst dem Ausdruck einer gefaͤlligen Grazie dem Correggio die Bewunderung der Kenner zugezogen hat. Weniger wahr als Tizian in Darstellung des Koͤrperlichen; weniger wahr als Raphael in Darstellung der Seele; schoͤner als jener, oft gefaͤlliger als beide, hat er den Erscheinungen, die er hinzauberte, einen Reiz zu ge- ben gewußt, den wir fuͤr alle das Vergnuͤgen nicht hingeben wuͤrden, das bei naͤherer Untersuchung des Wahren und Bedeutungsvollen auf die Seite seiner Nebenbuhler tritt. Man Pallast Colonna. Man streitet von beiden Seiten mit guten Gruͤn- den uͤber die Frage: ob Correggio seine Talente allein der Natur, oder zu gleicher Zeit einer gebildeten Er- ziehung, und der Kenntniß der Werke seiner Vor- gaͤnger in neueren Zeiten, und der Antike zu danken gehabt habe? Diejenigen, die dies leugnen, setzen ihn in die niedrigste Classe des Poͤbels, und behaupten, daß er unter der Sorge fuͤr die nothduͤrftigsten Beduͤrf- nisse des Lebens erlegen sey. Die andern machen ihn zu einem wohlhabenden Mann von der besten Abkunft, und spuͤren in jedem Zuge seines Pinsels ein Vorbild aus aͤlteren Kunstwerken auf. Man geht auf beiden Seiten zu weit. Es scheint kaum wahrscheinlich, daß ein Mann, der von Kindheit an gegen Elend angekaͤmpft hat, das feine Empfindniß heiterer Schoͤnheit habe bewahren koͤnnen, das seine Werke auszeichnet. Ohnstreitig trifft man in den Werken des Andrea Mantegna, seines Zeitgenossen und wahrscheinlich seines Lehrers, jene Spuren des Re- flexes an, die er nachher bis zur hoͤchsten Vollkom- menheit ausgebildet hat; in den Werken des Leonardo da Vinci jene Idee von Grazie, der er das Gezwun- gene zu benehmen wußte; und in der Antike jene Groͤße der Formen, die er in seine Koͤpfe uͤbertrug, wenn er sie gleich durch einen Zusatz uͤbertriebener Ge- faͤlligkeit oft wieder verkleinert hat. Allein diese Wegweiser haben seinem Geschmack nur von weitem Richtung gegeben. Er scheint ihre Vorzuͤge dunkel und im Allgemeinen empfunden, und mit Huͤlfe der ihm eigenen Perceptionsart in die F 5 Erfah- Pallast Colonna. Erfahrungen uͤbertragen zu haben, die er aus der Natur entlehnte. Er nahm also seine Formen aus der Natur, die ihm sein Vaterland zeigte, aber er gab sie mit einem Zusatz seiner Einbildungskraft wieder: so wie der Weinstock, den man aus noͤrdlichen Laͤndern nach heißeren Gegenden verpflanzt hat, dort veredelte Fruͤchte traͤgt. Correggio verdient nicht als Muster fuͤr dichteri- che Empfindung aufgestellt zu werden. Er arbeitete fuͤr Kloͤster und Kirchen. Die Suͤjets wurden ihm aufgegeben: mehrestentheils waren es Versammlun- gen von Heiligen. Der Ausdruck, der ihm am besten gluͤckte, war der einer heiteren Ruhe und gefaͤlliger Froͤhlichkeit. Zu dem Ausdruck starker Leidenschaft scheint sein Pin- sel weniger geschickt gewesen zu seyn, nach den weni- gen Versuchen dieser Art zu urtheilen, die uns von diesem Meister uͤbrig sind. Seine Grazie hat hin und wieder etwas affektirtes, und zeigt zu viel An- maaßung, gefallen zu wollen. Von seiner Anordnung der Figuren, oder von der eigentlichen mahlerischen Erfindung will ich ganz zuletzt reden, wenn ich von seinem Hauptver- dienst: dem Helldunkeln, werde gesprochen haben. Jugendliche Figuren, vorzuͤglich Engel, sind seine schoͤnsten: Man erkennt seine Weiber an den großen mit hohen Augenliedern bedeckten Augaͤpfeln wieder, an einer etwas breiten senkrechten Nase, und an dem Munde, der zum Laͤcheln gezogen ist. Den Figuren der Gottheit gab er eine gewisse idealische Schoͤn- Pallast Colonna. Schoͤnheit, die inzwischen mehr den Ausdruck schwa- cher Guͤte als der Majestaͤt an sich traͤgt. In der Darstellung des reifen Alters, der Helden, der Cha- raktere, die Seelengroͤße und Hoheit voraussetzen, scheint er nicht seine Staͤrke gehabt zu haben. Correggio hatte den Grundsatz, seine Gegen- staͤnde so darzustellen, wie man sie aus einiger Ent- fernung erblickt. Die Umrisse wurden also nicht scharf angedeutet, sondern flossen mit der Luft mit dem Grunde zusammen. Was dadurch an Weich- heit und Lieblichkeit auf der einen Seite gewonnen wurde, das gieng auf der andern an Bestimmtheit und zuweilen selbst an Richtigkeit verlohren. Seine Linien sind alle ausgeschweift und schlaͤngelnd. In Verkuͤrzungen war er außerordentlich: er war der erste, der sie in Deckenstuͤcken einfuͤhrte: Bei der Wahl seines Faltenschlags dachte er hauptsaͤchlich dar- auf, große Massen auszufinden, die faͤhig waͤren, das Licht und den Schatten zusammen zu halten: Die Andeutung des Nackenden ward daruͤber oft aus den Augen gesetzt. So bald ich das Colorit des Correggio in einzel- nen Theilen seiner Gemaͤhlde untersuche, so ist es unwahr. In der Carnation sind die Lichter weißer an den weiblichen, gelber an den maͤnnlichen Figu- ren, als die Wahrheit des Fleisches es zulaͤßt. Seine Halbschatten bestehen aus einer gruͤnlichen Lage, die, so gefaͤllig sie ist, doch so rein und un- gemischt in der Natur nicht angetroffen wird. Seine Schatten sind zu braun. Wenn man aber die Farbe seiner Gemaͤhlde mit der Farbe vergleicht, welche den Gegenstaͤnden eigen ist, Pallast Colonna. ist, die in einer gewissen Entfernung gesehen werden, so erhaͤlt sie einen groͤßern Schein von Wahrheit. Sie wird naͤmlich so wahr, als sie seyn muß, um die Wuͤrkung des Helldunkeln oder der harmonischen Abwechselung heller und dunkler Partien hervorzu- bringen, aber nicht wahr genung, um das Gefuͤhl der wuͤrklichen Farbe bei naͤherer Untersuchung in der Maaße wie Tizian zu erwecken. Begriff des Helldunkeln: Versch ie den- heit desselben von Colorit, Ruͤndung, Beleuchtung, und willkuͤhr- lichem Spiel heller und dunkler Par- tien. Correggio ist der erste gewesen, der den Zauber des Helldunkeln in seinen Gemaͤhlden gezeigt hat: Viele nach ihm haben seine Grundsaͤtze befolgt, und zum Theil was die Vertheilung heller und dunkler Partien ohne Ruͤcksicht auf Wahrheit der Farbe anbetrifft, mit eben so vielem Gluͤck als er. Nur darin hat er einen von allen seinen Nachfolgern noch nicht erreichten Vorzug, daß er diese hellen, diese dunklen Partien durch Farben ausgetheilet hat, die kein anderer Beleuchter so lieblich und der Natur so nahe tretend zu mischen wußte. Nichts hat mir bei dem Studio der Kunst mehr Muͤhe gemacht, als den Unterschied eines vollkom- menen Colorits und eines vollkommenen Helldunklen zu begreifen, und noch schwerer wird es mir, ihn andern begreiflich zu machen. Alle Kunstbuͤcher, selbst Mengs nicht ausgenommen, lassen hier viel Schwankendes und Unbestimmtes in den Begriffen, die sie mit den Woͤrtern: Farbengebung, Colorit Beleuchtung und Helldunkles verbinden. In der That fließen auch diese Begriffe in dem einzigen eines vollkommenen Mahlers zusammen. Wenn wir aber die Theile der Mahlerei nach den Vorzuͤgen bestim- men, Pallast Colonna. men, die große Meister getrennt von andern besessen haben, so sind sie verschieden, und muͤssen von mir nothwendig abgesondert werden, wenn ich nicht in Lob und Tadel die groͤßte Unbestimmtheit bringen will. Diese Unbestimmtheit aber hat die nachthei- ligsten Folgen fuͤr unsere Art die Wahrheit der Nach- ahmung zu beurtheilen. Wir finden in den meh- resten Kunstbuͤchern einen Rembrandt, einen Ru- bens, einen Andrea Sacchi als gute Coloristen auf- gefuͤhrt, ob sie gleich bei Bekleidung der Gegenstaͤnde mit Farbe keinen andern Regeln als denen des Hell- dunkeln und der Harmonie gefolget sind: Man hat wohl gar das Colorit eines Carravaggio gepriesen, ob er gleich nur seine Koͤrper zu ruͤnden wußte. Das Wort Farbengebung ist seit einiger Zeit in einem so weitlaͤuftigen Verstande fuͤr die ganze Wuͤr- kung, die durch den Auftrag der Farbe erreicht wird, ja! sogar fuͤr Behandlung der Farbe genommen worden, daß man Gefahr laͤuft sich gar nicht mehr zu verstehen, wo man es braucht. Ich will daher lieber das Wort Colorit durch Faͤrbung, Farbenmi- schung geben, oder das auslaͤndische Wort Colorit selbst beibehalten, da es ohnehin laͤngst das Buͤrger- recht bei uns erhalten hat. Colorit also: Bekleidung eines Gegenstandes mit der Farbe, die ihn von andern sichtbaren Gegen- staͤnden in der Natur unterscheidet, ist vom Hell- dunkeln, von der Vertheilung heller und dunkler Par- tien durch Wahl der Farben und Beleuchtung nach weisen Grundsaͤtzen wesentlich verschieden. Die Ver- wechselung beider Begriffe hat einen doppelten Grund. Helle Pallast Colonna. Helle und dunkle Partien werden in einem Gemaͤhlde durch Anwendung von Koͤrpern, die ihrer Farbe nach des Eindrucks des Lichts mehr oder weniger faͤhig sind, oft allein gebildet, und immer sehr unter- stuͤtzt. Ihre Auswahl zur Hervorbringung des Helldunkeln setzt Kenntniß ihrer Eigenschaften in Ruͤcksicht auf Farbe zum Voraus. Man hat eines der Huͤlfsmittel, deren sich die Mahlerei bedient, helle und dunkle Partien in einem Gemaͤhlde erschei- nen zu lassen, fuͤr den Zweck selbst genommen, ohne zu bedenken, daß auch ungefaͤrbte Zeichnungen, Ku- pferstiche, der Wuͤrkung des Helldunkeln faͤhig sind, ob sie gleich der Farben ganz entbehren. Auf der andern Seite ist die Beobachtung der Veraͤnderung, die der Zufluß von Licht auf die Farbe eines Koͤrpers hervorbringt, ein nothwendiger Theil des Colorits, um runde Koͤrper auf einer Flaͤche er- hoben erscheinen zu lassen: Denn das Zuruͤckweichen der Theile, die sich vom Auge entfernen, wird haupt- saͤchlich durch Abschwaͤchung des zustroͤmenden Lichts ausgedruͤckt. Diese Veraͤnderung in dem Zufluß des Lichts, wodurch helle und dunkle Partien ent- stehen, die man eigentlich nur Ruͤndung nennen sollte, hat man mit dem Helldunkeln verwechselt. Und nur zu oft versteht man unter diesem letzten Ausdrucke weiter nichts als den Contrast von Licht und Schat- ten, wodurch flache Theile als erhoben erscheinen. Freilich kann ohne diese Ruͤndung der Mahler nicht mahlen, aber auch der Kupferstecher kann ohne sie nicht in Kupfer stechen, und beide koͤnnen gut ruͤnden, ohne das Helldunkle zu verstehen, d. i. die Veraͤn- derung des Hellen zum Dunkeln, die der Zufluß des Lichts Pallast Colonna. Lichts auf einen Koͤrper hervorbringt, ausdruͤcken, ohne die Abwechselung, die dadurch entsteht, nach kluger Einsicht ihrer Wuͤrkung im Ganzen aus- zutheilen. Um die Verschiedenheit des Colorits von der Abwechselung heller und dunkler Partien, wie sie durch die eigentliche Ruͤndung entsteht, und den Ab- stand dieser Ruͤndung von der weisen Vertheilung heller und dunkler Partien in einem Gemaͤhlde, (von dem eigentlichen Helldunkeln,) besser zu unterschei- den, bitte ich um einige Aufmerksamkeit auf folgende Bemerkungen. Der Italienische Nahme Chiaro oscuro, von dem das franzoͤsische Clair obscur und unser deutsches Helldunkle herstammt, bedeutete urspruͤng- lich Gemaͤhlde aus einer Farbe, deren hellere Mi- schung Chiaro, das Licht, die dunklere oscuro, den Schatten anzeigt: Der Zusatz von Weiß und Schwarz liefert in Gemaͤhlden aus einer Farbe die nothwendigen Mischungen, um die zur Ruͤndung er- forderliche Degradation des Lichts zum Schatten, mithin auch die daraus entstehende Abwechselung hel- ler und dunkler Theile, auszudruͤcken. In vielfar- bigen Gemaͤhlden kann man die Ruͤndung auch durch andere Mischungen begreiflich machen. Nicht blos der Zusatz von Weiß und Schwarz macht einen gewissen Theil hervorragend oder zuruͤckweichend, d. i. hell oder dunkel, sondern die reinen Farben tragen auch die urspruͤngliche Verschiedenheit an sich, das Auge bald mehr bald weniger anzuziehen, je nach- dem sie durch ihre lockere oder dichtere Consistenz mehr Pallast Colonna. mehr oder weniger Lichtstrahlen auffangen. Zum Beispiel, das Gelbe zieht das Auge mehr an als das Blaue, das Rothe mehr als das Dunkelvio- lette u. s. w. Nun nehme man den Fall an: Jemand wollte ein Gesicht mit lauter gelben, rothen, blauen und dunkelvioletten Farben bedecken: Waͤre es unmoͤg- lich, Ruͤndung damit hervorzubringen? Gewiß nicht. Das Gelbe wuͤrde die erhobensten, das Blaue die zuruͤckweichendern, und das Dunkelviolette diejenigen Theile andeuten, die sich im Schatten verlieren; das Rothe koͤnnte zum Reflex dienen. Ein solches Colorit koͤnnte noch so unwahr seyn, es wuͤrde dem ohngeachtet alle Vorzuͤge der Ruͤndung, selbst des Helldunkeln, haben. In der That, un- sere neuere Fechtelmahlerei beruhet auf keinen andern Grundsaͤtzen, und in einem weniger auffallenden Grade hat das an sich conventionelle Colorit der Niederlaͤnder kein anderes Verdienst. Abwechselung heller und dunkler Partien, welche die Ruͤndung der Flaͤche hervorbringt, und von dieser wieder her- vorgebracht wird, ist also von der Wahrheit des Colorits noch wesentlich unterschieden. Aber selbst eine vortrefflich colorirte Figur, eine Figur, die mit lauter wahren Farben das Erhobene und das Zuruͤckweichende, Licht und Schatten, mit einem Worte Ruͤndung darstellte, wuͤrde darum noch keinen Anspruch auf die Wuͤrkung machen koͤn- nen, die eine weise Vertheilung heller und dunkler Partien in merklicher Abwechselung und Vereini- gung zu einem beleuchteten Ganzen hervorbringt. Ein Pallast Colonna. Ein gutes Colorit erfordert Ruͤndung, aber Ruͤn- dung ist hier nur Ingredienz der Wahrheit, nicht Folge einer weisen Auswahl desjenigen, was ich dem Auge naͤher zu ruͤcken, was ich dem Auge entziehen zu muͤssen glaube. Tizians Werke sind immer mit wahren Farben geruͤndet, selten aber sind die ver- schiedenen geruͤndeten Koͤrper so zusammengestellt, daß sie eine von der Wuͤrkung des Hervorragens von der Flaͤche independente Wuͤrkung der Einheit und der Mannichfaltigkeit in hellen und dunkleren Par- tien, mit einem Worte, des Helldunkeln her- vorbringen. Dagegen haben die Kuͤnstler unter des Correggio Fahne bemerkt, daß in demjenigen, was urspruͤng- lich Behelf der Kunst, Beduͤrfniß der Wahrheit war, im Grunde eine Quelle neuer Schoͤnheiten liege: daß die poetische und mahlerische Wuͤrkung aus der weisen Vertheilung heller und dunkler Partien wahren und wesentlichen Vortheil ziehen koͤnne. Denn um einer Flaͤche nunmehro die gehoͤrige Abwechselung in Einheit zu geben, die sie zu einem schoͤnen Ganzen macht, haben jene Meister sich nicht blos genuͤgen lassen, die Koͤrper einzeln zu ruͤnden, sondern diese geruͤndeten Koͤrper nun auch, je nach- dem jeder durch seine Farbe mehr oder weniger Licht- strahlen aufzufangen im Stande war, in schicklicher Verbindung des Hellen und Dunkeln mit einander abwechseln lassen. Hier ist Wahl. Denn man kann zwei schwarze Koͤrper neben einander gestellt sehr wohl als runde Koͤrper erscheinen lassen, nur Zweiter Theil. G die Pallast Colonna. die Forderung des Geschmacks laͤßt dieses nicht wohl zu: es faͤllt nicht so gut ins Auge. Weiter: Der Kuͤnstler, der auf einer Flaͤche arbeitet, nimmt die Quelle de Lichts, womit er seine Figuren von dem Grunde abhebt, nicht außer dem Gemaͤhlde, sondern in demselben an: es sey die Helle des Tages, das Licht des Mondes, das Leuch- ten einer Flamme, der Wiederschein erleuchteter Koͤrper auf andere u. s. w. Ein Gemaͤhlde ist wie ein Theater anzusehen, auf welches der Zuschauer aus einem dunkeln Orte hinblickt, mithin das Licht nicht auffangen kann, wie er will, sondern so nehmen muß, wie es ihm der Decorateur von seinen angebrachten Laͤmpchen auf die vorgestellten Gegenstaͤnde fallen laͤßt. Dieses Licht also kann der Kuͤnstler nach Gefallen leiten: bald es hemmen, indem er gewisse Koͤrper vorruͤckt, bald zustroͤmen lassen, indem er andere Koͤrper wegraͤumt. Hier ist wieder Wahl, nicht blos Beduͤrfniß der Wahrheit. Der Held kann auch im Schatten ge- ruͤndet seyn, sich vom Grunde abheben, aber wir sehen ihn lieber im Lichte, darum leitet der Kuͤnstler dasselbe dahin. Dies heißt im eigentlichsten Ver- stande Beleuchtung. Dieser beiden Mittel, der Wahl unter hervor- tretenden und zuruͤckweichenden Farben, und der Leitung des zufallenden Lichtes, bedient sich nun der Kuͤnstler zum Wohlgefallen der innern und der aͤus- seren Sinne helle Partien mit dunkeln abwechseln, und zu einem Ganzen sich vereinigen zu lassen: mit einem Worte er unterstuͤtzt durchs Helldunkle mah- lerische und poetische Wuͤrkung. Will Pallast Colonna. Will er die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf den interessantesten Ausdruck richten, Hauptpersonen hervorheben, Nebenpersonen zuruͤckhalten; er wird helle Farben, hoͤheres Licht hieher bringen: So wird das Helldunkle ein Theil der poetischen Erfindung. Soll hingegen die mahlerische Wuͤrkung dadurch ge- winnen; er wird theils durch Wahl der Farben, theils durch die Beleuchtung mehrere der Form ihrer Umrisse nach verschiedene Koͤrper zu einer Masse, und diese wieder zu einem Ganzen verbinden, das sich mit Leichtigkeit uͤbersehen laͤßt, sich von selbst ord- net, und dem Auge bald Geschaͤfftigkeit bald Ruhe gewaͤhrt. Oft macht die bloße willkuͤhrliche Abwechselung heller und dunkler Massen dem Auge Vergnuͤgen, dies wird jedoch am vollstaͤndigsten, wenn sie mit Wahrheit verbunden und von Weisheit geleitet ist. Auch der Kupferstecher ist nicht ganz des Huͤlfs- mittels, durch die Abwechselung der natuͤrlichen Far- ben der Koͤrper helle und dunkle Partien zu bilden, entbloͤßt. Die verschiedene Form und Anzahl der Schraffirungen vertritt bei ihm die Stelle der Farbe. Und so waͤren wir denn auf den vollstaͤndigen Begriff des Geheimnisses des Helldunkeln geleitet: Es ist weise Vertheilung heller und dunkler Partien, nach wesentlicher Verschiedenheit der Farben der Koͤrper, in Ruͤcksicht auf ihre Faͤhigkeit das Licht mehr oder minder auf- zufangen, und der Masse von Licht, die der Kuͤnstler darauf zufließen laͤßt. Wir werden nun auch die Verschiedenheit fuͤhlen, die zwischen Helldunkeln und Colorit, zwischen Hell- G 2 dunkeln Pallast Colonna. dunkeln und Ruͤndung, zwischen Helldunkeln und Beleuchtung eintritt. Ein gutes Colorit besteht nicht ohne Ruͤndung, aber es besteht ohne Hell- dunkles; dies zeigt Tizian. Ein gutes Helldunkle besteht ohne gutes Colorit; dies zeigen viele Kupfer- stecher, dies zeigt beinahe die ganze niederlaͤndische Schule. Ruͤndung ist nur ein wesentliches Be- standtheil des Helldunkeln, Beleuchtung nur ein Mittel es hervorzubringen; dies zeigen viele Ge- maͤhlde, in denen blos die Wahl gewisser Farben die Haltung unterbricht, z. E. das dunkelblaue Ge- wand der Mnemosyne in dem Parnaß von Mengs: Endlich kann auch das bloße Spiel heller und dunkler Partien, nicht fuͤr eine weise Vertheilung derselben gelten; dies zeigt die neuere Venetianische und Nea- politanische Schule. Wie Correg- gios Staͤrke im Helldun- keln zu beur- theilen ist. Wenn wir also unsern Correggio groß im Hell- dunkeln nennen, so nehmen wir auf die Wahrheit und Weisheit seiner Vertheilung heller und dunkler Partien Ruͤcksicht: auf die Abwechselung derselben, die er durch Wahl der Farben, durch Wahl der Quellen und Gaͤnge des Lichts in seine Gemaͤhlde zu bringen wußte, ohne der Harmonie zu schaden. Weil das Auge Wahrheit liebt, so ist der Ursprung des Lichts, die Leitung desselben, immer in dem Ge- maͤhlde deutlich motivirt: Weil das Auge das Schoͤnste am auffallendsten zu sehen wuͤnscht, so sind diejenigen Farben, die es am meisten anziehen, da- hin gesetzt, das hoͤchste Licht dahin geleitet, wo er jenes hinzulenken wuͤnschte. (Schade! daß dies oft mehr mit Ruͤcksicht auf blos mahlerische als poeti- sche Schoͤnheit geschehen ist). Weil das Auge Abwech- Pallast Colonna. Abwechselung liebt, so ist das Helle mit dem Dun- keln in Contrast gebracht: Weil das Auge Ordnung liebt, so ist das Helle und Dunkle nicht zerstreuet, sondern in leicht abzusondernde groͤßere Massen ge- bracht: Weil aber das Auge auch Uebereinstimmung liebt, und das Abstechende, Schneidende haßt, so sind die Uebergaͤnge vom Hellen zum Dunkeln leicht, allmaͤhlig fortschreitend; und dies letzte Geheimniß hat er noch mehr der Auswahl durch sich selbst hervor- stechender und zuruͤckweichender Farben, als der Lei- tung des Lichts zu verdanken. Correggio ist aber auch darum doppelt groß im Helldunkeln, weil er zu gleicher Zeit im Colorit der Natur treuer geblieben ist, als alle andere Meister, die einer aͤhnlichen Wuͤr- kung nachgestrebt haben. Ganz wahr ist er nicht gewesen, immer hat die Ruͤcksicht auf die Wuͤrkung, welche die Tinte als helle oder dunkle Partie fuͤr das Ganze hervorbringen wuͤrde, die Ruͤcksicht auf oͤrtliche Wahrheit im Einzelnen, um etwas geschwaͤcht. Aber es fraͤgt sich noch: ob bei weitlaͤuftigeren Com- positionen die Wahrheit der Faͤrbung im Einzelnen, mit der Wahrheit der Faͤrbung im Ganzen bestehen koͤnne? Ich wuͤnschte Zeit zu haben, auseinanderzusetzen, Zweifel: ob man in groͤs- seren Compo- sitionen ein ganz wahres Colorit beibe- halten koͤnne? warum ich nicht glaube, daß es fuͤr sterbliche Kuͤnst- ler moͤglich sey, ein ganz wahres Colorit mit einem sehr guten Helldunkeln, in einem Gemaͤhlde das mehrere Figuren enthaͤlt, zu verbinden: warum dies, außer in einzelnen Figuren, fuͤr Ton, Harmonie, Haltung und Luftperspektiv mit vielen Gefahren ver- knuͤpft sey: warum endlich Correggio, um Correg- gio zu seyn, nicht wie Giorgione, Tizian, Vandyck G 3 und Pallast Colonna. und Mengs habe coloriren koͤnnen. Doch fuͤr den Liebhaber wuͤrde ich schwerlich verstaͤndlich werden, und fuͤr den Kuͤnstler? dem muß man nichts sagen, was ihn abhalten koͤnnte, so wahr im Einzelnen zu werden, als er es werden kann. Wer wie Tizian colorirt, wird bei unsern groͤßern Kenntnissen der- jenigen Theile der Kunst die groͤßere Gemaͤhlde zu ei- nem gefaͤlligen Ganzen machen, diesen leicht so viel an Wahrheit aufopfern koͤnnen, als die Zusammen- stimmung erfordert. Ueberhaupt verdanken wir dem Correggio Vie- les von der Kenntniß der Theile der Mahlerei, welche ein Gemaͤhlde von groͤßerer Composition zu einem gefaͤlligen Ganzen machen. Unstreitig hat er darin den nachfolgenden Mahlern wenigstens auf die erste Spur geholfen. Correggio er- ster Lehrer der Gruppirung, des Contra- posto, der Py- ramidal- gruppen. Wenn er bei der Anordnung seiner Gemaͤhlde, bei der Zusammenstellung seiner Figuren in Gruppen zuerst auf die Wuͤrkung des Helldunkeln Ruͤcksicht nahm, so konnte dies doch nicht geschehen, ohne daß er auch zugleich den Umriß dieser Gruppen besorgt haͤtte. Er mußte naͤmlich bald bemerken, daß solche zusammengestellte Figuren, wenn sie sich an Groͤße und Stellung gleich waͤren, eine unangenehme Ein- foͤrmigkeit hervorbringen wuͤrden. Er machte sie da- her an Groͤße verschieden, ließ die Stellungen der einzelnen Gliedmaaßen gegen einander abwechseln, und verband wieder das Ganze zu einer Form, deren Grundflaͤche sich unvermerkt gegen die Hoͤhe zu ver- schmaͤlert, und deren aͤußerer Umriß das Auge von einem Koͤrper zum andern fuͤhrt. Kurz! Correggio ward Pallast Colonna. ward auch Lehrer des Contraposto, der Pyramidal- gruppen, und aller der Regeln, die man bei der Gruppirung in Absicht auf Form und Zeichnung auf Kosten der Wahrheit und des Schicklichen in neueren Zeiten uͤbertrieben hat. Man lobt den Correggio oft des Schmelzes sei- Schmelz der Farben dieses Meisters. ner Farben wegen, und mit Recht. Unrecht aber wuͤrde man haben, wenn man dieses Lob blos von der Behandlung des Pinsels, von dem Vertreiben der Farben in einander verstehen wollte. Sehr oft hat er seine Tinten rein aufgesetzt und stehen lassen. Aber er wußte sie nach ihrer innern Uebereinstimmung so vortrefflich zu waͤhlen, daß in der einen immer der Uebergang zu der andern liegt. Daraus entstand jene Vermaͤhlung aller zur Bedeckung der Tafel ge- brauchten Farben, welche das Ganze wie den Guß eines Spiegels, wie den Fluß des Emails erscheinen laͤßt. Diese Harmonie ist es also, welche verbun- den mit einer geschickten Vertreibung der wohlge- waͤhlten Farben in einander, den Schmelz, das Ineinanderfließende der Farben des Correggio so be- wundernswuͤrdig macht. Man sieht in diesem Zimmer noch mehrere Bildnisse, die man dem Vandyck zuschreibt. Sie koͤnnen aus seiner Schule seyn. Einige sind Co- pien nach Venetianischen Meistern. Eine Magdalena, die man dem Guido bei- legt. Ein Ecce Homo vom Albano. Eine Wie- derholung des Gemaͤhldes im ersten Zimmer. Es hat Vorzuͤge vor jenem. G 4 † Eine Pallast Colonna. Grablegung Christi von Guercino. † Eine Grablegung Christi. Vielleicht die schoͤnste Composition, die jemals dem Guercino gegluͤckt ist. Der Mahler hat den Augenblick ge- waͤhlt, in dem der Christ ins Grab gelegt wird. Joseph von Arimathia haͤlt ihn bei den Fuͤßen, und der heilige Johannes umfaßt ihn von hinten zu. Zwischen diesen beiden Maͤnnern steht die Mutter Gottes. Halb bedeckt sie ihr Gesicht, und wagt kaum, den letzten Blick auf den Liebling ihrer Seele zu werfen, den die Erde nun bald umschließen wird. Magdalena hebt ihre Augen in Thraͤnen gebadet zum Himmel. Die Anordnung ist weise und der Handlung an- gemessen: Aber der Ausdruck ist der vorzuͤglichste Theil in diesem Gemaͤhlde. Der Christ hat zwar nicht die Hoheit eines Gottes, aber die Mine, die er noch im Tode beibehaͤlt, zeigt den sanften Schlum- mer des Gerechten. Welche Mischung von Trau- rigkeit und Ehrfurcht herrscht auf dem Gesichte des heiligen Johannes! Er scheint den Ausbruch seines Schmerzes zuruͤck zu halten, bis er sich dieser letzten Liebespflicht gegen seinen Freund und Lehrer entlediget haben wird. In dem Joseph von Arimathia be- merkt man einen Zug von Gutherzigkeit, der sich in der Sorgsamkeit aͤußert, mit der er seinen Herrn sanft zur Ruhe legen will. Die Mutter Gottes ist trefflich gedacht und ausgefuͤhret. Schuͤchtern blickt sie auf den Christ, indem sie ihr Gesicht halb aus den davor gelegten Haͤnden herauszieht. Die Magda- lena ist eins von den gewoͤhnlichen Gesichtern des Guercino. Sie hat den naiven Ausdruck des Schmerzes einer huͤbschen Baͤurin. Die Faͤr- bung Pallast Colonna. bung ist aus seiner besten Zeit. Das Helldunkle pikant. Ich leugne es nicht, es ist mir das liebste Gemaͤhlde in der Gallerie. † Der Tod des Regulus. Eine bisarre Composition des Salvator Rosa. Regulus steckt schon in der Tonne. Man entdeckt nur noch den hervorragenden Kopf. Die Carthaginenser, wah- rer Neapolitanischer Poͤbel, sind beschaͤfftigt, Naͤgel in die Tonne zu schlagen. Die Anordnung, das Helldunkle und die Behandlung verdienen uͤbrigens Aufmerksamkeit. Man kann dies Bild als ein Beispiel einer schlech- ten Wahl der Situation anfuͤhren, die eine Bege- benheit zur sichtbaren Darstellung darbietet. Laͤßt sich aus der ganzen Geschichte des Regulus ein Augen- blick herauswaͤhlen, der aͤrmer an interessantem Aus- druck waͤre, als dieser? Eine Schlacht des Bourgognone, und eine Jagd, von demselben. Man kann hier auf eine bequeme Art den Salvator mit dem Bourgognone vergleichen. † Eine Assumption der Madonna vom Lanfranco. Eins seiner besten Werke. Man sieht ihm an, daß er den Correggio nachzuahmen gesucht hat. Die Faͤrbung ist zu grau. Eine heilige Magdalena vom Guercino aus seiner guten Zeit. Der Busen im Halbschatten ist vortrefflich. Der Ausdruck ist nicht edel. Eine heilige Familie von Andrea del Sarto. Sie ist von ihm, aber keins seiner besten Werke. G 5 Eine Pallast Colonna. Eine Sybille und ein heiliger Hieronymus vom Guercino. Wahrscheinlich Copien, so wie eine andere heilige Magdalena, die man ihm gleich- falls zuschreibt. Eine Frau mit ihrem Kinde und einige andere Bildnisse auf demselben Gemaͤhlde. Man schreibt es dem Mola zu. Es hat viel von der Benetianischen Schule. Eine heilige Familie von Salviati. † Die Pest von Nicolaus Poussin. Die Wahl des Suͤjets ist uͤberhaupt nicht gluͤcklich. Hier Etwas uͤber die Art, wie er dasselbe behandelt hat. Die Scene geht in einer Straße vor, in der man mehrere Tempel sieht. In einem von diesen be- merkt man eine zerbrochene Statue, das Volk naͤhert sich derselben in Haufen, wahrscheinlich, weil sie die- sem Zufall die Ursach des Ungluͤcks zuschreiben, das sie heimsucht. Auf dem Vorgrunde stehen drei vor- zuͤgliche Gruppen. Ein junger Mann findet im Vor- beigehn seinen Vater todt hingestreckt, auf seinem Gesichte mahlen sich Entsetzen und Schmerz. Eine Mutter liegt todt zwischen zweien Kindern, von de- nen das eine gleichfalls todt, das andere aber noch am Leben ist. Der Mann, der sich uͤber sein Weib beugt, und sich die Nase zuhaͤlt, stoͤßt das lebende Kind zuruͤck, das sich seiner Mutter naͤhern will, und das aͤlteste, das hinzulief seine Mutter noch ein- mal zu umarmen, haͤlt der Grosvater auf. End- lich eine sterbende Frau, die ihr Kind einer Freun- din anbefiehlt, die es weinend von seiner Mutter trennt. Im Hintergrunde wird ein Todter begraben. Das Pallast Colonna. Das Bild ist voll des fuͤrchterlichsten Ausdrucks. Die Zeichnung ist richtig, aber den Gewaͤndern merkt man wie gewoͤhnlich den Gliedermann an. Faͤrbung und Helldunkel scheinen gut gewesen zu seyn, haben aber in der Folge der Zeit gelitten. Man trifft in der Gallerie einige Staruen an, aber sie sind ganz unbedeutend. Ich komme nun zu einigen Theilen des Palla- stes, die man gewoͤhnlicher Weise nicht sieht. So haͤngen in den untern Zimmern an der Erde einige Marinen von Tempesta, und einige Ge- maͤhlde al Fresco von Kaspar Poussin. Zu den Zimmern des Cardinals Pamfili gehoͤren einige andere Zimmer in dem obern Theile des Hauses. Man findet daselbst unter mehreren Ge- maͤhlden † Ein ganz vortreffliches Bildniß ei- nes Cardinals von Domenichino, ingleichen † Vier Koͤpfe von Tizian in einer Glorie. Ohngeachtet des gelben Grundes, worauf sie ge- mahlt sind, heben sich die Koͤpfe ungemein. Der Prinz und die Prinzessin bewohnen die sogenannten Mezzaninen. In dem ersten Zimmer finden sich eine Menge Landschaften von Placido Costanzi, Orizonte und andern, aber auch zwei von Claude Lorrain. Im Pallast Colonna. Im zweiten Zimmer . Zwei Landschaften von Salvator Rosa. Einige Heilige vom Garofalo, und meh- rere Niederlaͤnder. Im dritten . Ein Cardinal in einer Bibliothek. Man schreibt dies Bild dem Albert Duͤrer zu. Zwei kleine Landschaften von Salvator Rosa. Eine heilige Familie in der Manier des Baroccio. Polischinell und ein Soldat von Salva- tor Rosa. Viertes Zimmer . Zwei Landschaften mit Wasserfaͤllen von Poussin. Zwei andere von Salvator Rosa. Im fuͤnften Zimmer . Eine Herodias nach Tizian. Die Ma- donna im Ausdruck des Schmerzes uͤber ihren Sohn, (Mere de douleur) ein verdorbenes Gemaͤhlde von Tizian. Der Triumph des Bacchus und ein Be- graͤbniß, zwei Bilder, die dem Nicolaus Pous- sin zugeschrieben werden. Eine Pallast Colonna. Eine Magdalena von Feti. Eine angelegte Magdalena von Guido. Zwei Landschaften von Mola. Im sechsten . Zwei Poussins und zwei vortreffliche Sal- vator Rosas. Christ in den Limben von Venusti. Einige Schlachten von Bourgognone und Cerquozzi. Im siebenden Zimmer . Vier schoͤne Landschaften von Poussin in Wasserfarben. Noch eine mit einem Sturm von demselben. Eine Landschaft von Claude Lorrain. Zwei Marinen von Manglar. Im achten . Mehrere Perspektive von Vanvitelli, Lu- catelli und andern. Im neunten . Zwei kleine Landschaften von Domenichino und viele andere, welche Copien scheinen. Ueberhaupt ist die Menge der Gemaͤhlde in die- sen Zimmern unbeschreiblich. Es sind einige Bologneser, und vorzuͤglich einige Trevisanis darunter, die nebst einer Menge von Pallast Colonna. von Niederlaͤndern fuͤr die Liebhaber dieses Stils von Werth seyn koͤnnen: Ich habe sie aber in solcher Eile sehen muͤssen, daß ich kein Urtheil daruͤber zu faͤllen wage. In der Bibliothek ist die beruͤhmte Vergoͤt- terung Homers befindlich, ein Basrelief, wel- ches ich jedoch nur anzeige, weil ich versaͤumet habe, es zu sehen. Man sagt, der Werth desselben sey als schoͤnes Kunstwerk betrachtet, nicht außeror- dentlich. In dem Garten steht Marcus Antonius Colonna zu Pferde in Bronze. Dem Liebhaber schoͤner Friesen und architek- tonischer Zierrathen werden auch die Ruinen in diesem Garten nicht entgehen. Villa Villa Regroni . I ch wollte nur von Kunstwerken reden: und doch! Erleichte- rung des Be- griffs von: Mahleri- schen. die Natur in dieser Villa ist so voll mahlerischer Gegenstaͤnde, mahlerischer Wuͤrkung, ich verdanke ihr so heitere, gluͤckliche Stunden; ich kann sie un- moͤglich mit Stillschweigen uͤbergehen! Ehemals war diese Villa nach dem Zwange der Symmetrie eingerichtet, und diente zum Parade- platze der Repraͤsentation eines Cardinals. Aber schon seit langer Zeit hat die Vernachlaͤßigung ihrer gegenwaͤrtigen Besitzer die Natur in ihre vorigen Rechte wieder eingesetzt. Sie giebt nun wahreren Genuß. Wie einladend zu hoher Begeisterung sind nicht jetzt ihre verwachsenen Gaͤnge! Wie abwechselnd schoͤn ihre Lorbeern, Pinchen, Myrthen und Cy- pressen! So edel in ihrer Form, so melancholisch feierlich in ihrer Farbe! Das spricht, das fuͤhlt; es sind Seelen der Vorwelt, die nach hohem Leiden jetzt unter dieser Rinde von den Anfaͤllen des Schick- sals ruhen, und ihrer Schwermuth ungestoͤrt nach- haͤngen. Mein Blick heftet sich bald auf die Ruinen der Baͤder des Diocletians in der Ferne, bald auf eine halb verstuͤmmelte Statue eines Roͤmers vor mir, den seine Zeitgenossen groß nannten, und den wir nicht kennen. Aus dem gruͤnlichen Rachen eines bemooßten Loͤwens rieselt ein duͤnner Wasserstrang mit einfoͤrmigem Getoͤne, und indem dies meine Seele Villa Negroni. Seele in Nachdenken uͤber vereitelte Plane, uͤber verirrte Wuͤnsche und aufgegebene Hoffnungen ein- lullt; girrt die Turteltaube zu meiner Seite. Aber daß diese Stimmung nicht zur Schwer- muth werde, lebt Alles um mich herum. Hier eine Bauerhuͤtte, dort ein praͤchtiges Casino. Das Land ist einzeln an die Einwohner Roms aus- gethan. Sie nutzen es theils zu Gartengewaͤchsen, theils — so groß ist der Umfang dieser Villa mitten in der Stadt! — zu Weiden fuͤr Pferde, Kuͤhe und Schaafe. Der Hirt auf seinen Stab gelehnt spielt mit seinem Hunde; die Heerden draͤngen sich in Haufen zusammen, die Roͤmerin setzt ihr Koͤrb- chen neben sich nieder, ihr Kind an ihre Brust zu druͤcken, und ein Paar Liebende Arm in Arm ent- gehen der Wachsamkeit ihrer strengen Aufseher unter diesen Schatten. Wie verstaͤndlich dieser Ausdruck! Wie mahlerisch das Alles, wenn nun der markige Strahl der untergehenden Sonne daruͤber her faͤhrt! Die Gewohnheit, von Jugend auf Alles in der Natur wie ein Gemaͤhlde zu betrachten, jedes Ge- maͤhlde auf die Natur zuruͤckzufuͤhren, erregt meine Dankbarkeit in allen Faͤllen, wo ich entweder die Natur ohne Zusatz in einen Rahmen fassen koͤnnte, oder wo die huͤlfreiche Hand der Kunst mir in der Natur ein Gemaͤhlde zubereitet hat. Beides finde ich in der sogenannten Partie des Michael Angelo, dem nur die Verehrung der Italiener fuͤr ein so viel umfassendes, und mit gros- sen Ideen schwangeres Genie, die Erfindung dieses Huͤgels beilegen konnte, Eine Villa Negroni. Eine sitzende Roma in colossaler Groͤße mit weißen Extremitaͤten und schwarzem Gewande, thront auf einer Anhoͤhe unter einer Gruppe von Pinchen, Cypressen und Mandelbaͤumen. Mehrere Mahler haben sie in ihren Werken angebracht, und mich duͤnkt, ich kenne nichts, was mein Gefuͤhl fuͤr mah- lerische Wuͤrkung so ausfuͤllt, meinen Begriff daruͤber so sehr bestimmt. Ich sahe sie einst beim Untergang der Sonne, als der Mandelbaum gerade in Bluͤthe stand. Die Stufenleiter von Gestalten: erst die co- lossalische Roma, am einfachsten in Abwechselung ihrer Theile, dann der buschigte Mandelbaum, dann die fechtelartige Fichte und endlich die pyramidenfoͤr- mige Cypresse, deren Gipfel sich zu einer schmaͤleren Hoͤhe zusammenspitzte; die verschiedenen Mischungen von Farben, die sich im gelblichen Abglanz der nie- dergehenden Sonne zu einem Ton vermaͤhlten; die abwechselnden Lichter und Schatten, durch die der Baum mit der Statue, die Statue wieder mit dem Baume zu einer Masse vereinigt wurden, bald durch die dunkle Farbe verstaͤrkt, bald durch die helle ge- brochen, endlich doch in sanften Uebergaͤngen zusam- menflossen. Alles dies sage ich, gab mir das wahre Ge- fuͤhl des eigentlich Mahlerischen, des wesentlichsten Unterscheidungszeichen der Mahlerei von ihren ver- schwisterten Kuͤnsten: merkliche Abwechselung von Formen, merkliche Abwechselung von Farben, end- lich — selbst eine Art der Faͤrbung — merkliche Ab- wechselung von hellen und dunkeln Partien, welche die Nerven des Auges auf vielfache Art spannen, Zweiter Theil. H und Villa Negroni. und dennoch durch Uebereinstimmung ihrer Anstren- gung das Qualvolle nehmen. Nun zu den Kunstwerken, die in mehreren Ge- baͤuden stehn. In einem kleinen Casino mitten im Garten. Zwei in der Mauer befestigte Basreliefs. Das eine stellt ein Bacchanale vor, und ist in einem guten Stile gearbeitet, aber sehr ergaͤnzt. Sogenann- ter Marius. † Eine Consular Statue, welche unter dem Nahmen Marius beruͤhmt ist: eine Benen- nung, fuͤr die man keinen hinreichenden Grund anzu- geben weiß. Winkelmann G. d. K. S. 781. Der Kopf dieser Figur hat ungemein viel Charakter; die Stellung Natur und Wahrheit; das Gewand einen vortrefflichen Wurf. Die linke Hand ist neu. Auch in Ansehung des Costume ver- dienet diese Statue Aufmerksamkeit. Winkelmann G. d. K. S. 434. Eine andere Consular Statue. Gut; aber unter der vorigen. Neptun von Bernini. Eines der mittelmaͤs- sigsten Werke dieses Meisters. Es war auch nur zur Verzierung eines Springbrunnens verfertigt worden. Eine Statue, die als Gaͤrtner restaurirt worden, weil man ein krummes Messer in dem Leib- bande Villa Negroni. bande bemerkte, und dieses fuͤr ein Gartenmesser an- sah. Der Leibband ist von Seilen, die mehrmals um den Leib gewunden, und kuͤnstlich zusammenge- flochten sind. Winkelmann G. d. K. S. 856. erklaͤrt diese Figur fuͤr einen Sieger, der im Wettrennen auf Wagen im Circo den Preis davon getragen hat. Kopf und Arme sind neu. In dem Hauptgebaͤude. Unten auf der Diele und in einem Zim- mer darneben: ein großer Vorrath von Sta- tuen. Die mehresten darunter sind mittelmaͤßig. Ich hebe zwei heraus: weibliche Figuren mit Koͤr- ben auf dem Haupte, welche ehemals zu Caryati- den gedient zu haben scheinen. Ihre Koͤpfe sind rei- zend und ihre Gewaͤnder schoͤn geworfen. Die Haare fallen an beiden Seiten auf die Schultern herab. Sie tragen vielen weiblichen Schmuck, unter andern Ohr- gehaͤnge von Marmor, und Armbaͤnder uͤber den Knoͤcheln. Winkelmann Gesch. d. Kunst, S. 430 und 432. Eine weibliche Figur mit einem Diadem und guter Drapperie. Die Haͤnde sind schlecht restaurirt. Eine schoͤne Buͤste des Cardinals Mon- talti, von Algardi. Auf der Treppe . Eine wilde Schweinsjagd. Der Kampf eines Tritons mit einem Meerungeheuer. H 2 Ein Villa Negrom. Ein Bacchanal und noch eine Jagd. Bas- reliefs. † Unter mehreren schlechten Statuen be- merke ich eine die als Minerva restaurirt ist, wegen ihres schoͤnen Gewandes, das auch wegen der seltenen Art, womit es befestigt ist, merkwuͤrdig wird. Ein Rieme oder Guͤrtel, der uͤber der rechten Schulter unter den linken Arm durchgeht, haͤlt es zusammen. Kopf und Arme sind neu. Den einen derselben hebt sie in die Hoͤhe, wahrscheinlich um den Speer damit zu halten. Inzwischen fuͤrcht’ ich, daß es diese Figur ist, welche den Herrn Burckhard Von der Uebereinstimmung der Dichter und Kuͤnst- ler S. 76. veranlaßt, in dieser Villa eine donnerschleudernde Minerva zu fin- den. Denn ich wuͤßte uͤbrigens keine, die diese An- gabe rechtfertigen koͤnnte. Weiter hinauf noch einige gute Basreliefs. Eine Frauensperson, die sich auf den Arm eines Mannes stuͤtzt. Hocherhobene Arbeit von gutem Stile. Schoͤnes Basrelief. † Eine weibliche Figur, die einen Tem- pel mit Blumen kraͤnzt. Ein hocherhobenes Werk von sehr gutem Stile. Nur ein Arm und ein Fuß sind modern. Gesichtsbildung und Stellung sind so wie der Kopfputz sehr reizend. Das fliegende Gewand ist vortrefflich, und zeigt sehr gut das Na- ckende an. Dies Basrelief ist oft copirt worden. Drei Helden aus der Odyssee. Man er- kennt unter ihnen den Ulysses an der Muͤtze. Eine Villa Negroni. Eine Friese mit dem Triumphe des Bac- chus und der Ariadne. Von guter Composition und gutem Stile. Eine andere mit Amorinen, die mit Huͤlfe eines Fauns einen trunkenen Satyr tragen. Ein Satyr, der auf den Schultern eines Fauns haͤngt, waͤhrend daß ein anderer ihm Streiche auf den Hintern austheilt. Der Idee wegen merkwuͤrdig. In einem großen Saale. † Ein Amor von weißem Marmor, mit Amor auf ei- nem Leopar- den reitend. Weinreben bekraͤnzt, und eine Weintraube haltend, wird von einem Leoparden von schwarzem Marmor getragen, auf dessen Ruͤ- cken ein Ziegenfell von Rosso antico ausge- spreitet ist. Winkelmann Winkelmann G. d. K. S. 489. hat Recht, diesen Amor als eines der schoͤnsten Kinder des Alterthums anzufuͤhren. Der Kopf hat einen vortrefflichen Aus- druck, und das Fleisch ist sehr zart und weich. Die beiden Beine scheinen modern. † Ein junger Apollo mit einem Kopfe, der nach einer lebenden Person gebildet zu seyn scheint. Dieser Kopf ist voller Charakter, und scheint viel Aehnlichkeit mit dem einer Statue zu haben, die der Cavaliere Azara unter dem Nahmen eines Britanni- cus besitzt. Der Koͤrper ist so schoͤn, daß Mengs denselben bei seinem Apollo in der Villa Albani zum H 3 Vor- Villa Negroni. Vorbilde genommen zu haben scheint. Die Arme, die ihn zum Apollo machen sind neu. Winkelmann G. d. K. S. 502 druͤckt sich folgen- dermaßen uͤber diese Statue aus: Ein Apollo in der Villa Negroni, in dem Alter und in der Groͤße eines jungen Menschen von 15 Jahren, kann unter die schoͤnsten jugendlichen Figuren in Rom gezaͤhlet werden; aber der eigene Kopf desselben stellet kei- nen Apollo vor, sondern etwa einen kaiserlichen Prinzen aus eben der Zeit. Es fanden sich also noch einige Kuͤnstler, welche aͤltere und schoͤne Fi- guren sehr gut nachzuarbeiten verstanden haben. — Ich daͤchte, es duͤrfte schwer werden, den Beweis dieser Zeitrechnung zu fuͤhren. Mithras von schwarzem Marmor. Die Composition ist weitlaͤuftiger und die Ausfuͤhrung bes- ser als gewoͤhnlich. Begriff eines Mithras. Mithras, Genius der Sonne. Urspruͤnglich per- sische Idee, die aber Griechen und Roͤmer nach ih- rer eigenen Vorstellungsart umbildeten. Man sieht ihn gemeiniglich als Juͤngling mit einer phry- gischen Muͤtze, einem orientalischen Leibrocke mit engen Ermeln, die sich an den Knoͤcheln der Hand schließen, und einem uͤber die Schultern herabflie- genden Mantel. Er kniet auf einem niedergewor- fenen Stiere, den er mit der linken Hand bei den Hoͤrnern faßt, und mit dem Dolche in der rech- ten verwundet. Rund herum findet man symbo- lische Figuren z. B. Hund, Schlange, Scorpion ꝛc. bald mehr, bald weniger. Sie scheinen zwar jede fuͤr sich unerklaͤrbar, jedoch im Ganzen den Lauf und Einfluß der Sonne zu bezeichnen. † Kopf Villa Negroni. † Kopf eines Paris von vortrefflichem Cha- Schoͤner Kopf eines Paris: Be- weis der Moͤglichkeit auch unter schoͤnen For- men des Koͤr- pers eine feh- lerhafte Seele erra- then zu las- sen. rakter, obgleich ein wenig hart in der Ausfuͤhrung. Haͤtte Sulzer Allgemeine Theorie der schoͤnen Kuͤnste, Artikel: Allegorie. diesen Kopf gesehen, so wuͤrde er das, was Plinius von einem Gemaͤhlde des Eu- phranor sagt, nicht so unglaublich gefunden haben. Plinius bemerkt naͤmlich Lib. LXXXIV. 8. In einem Gemaͤhlde des Paris vom Euphranor werde vorzuͤglich bewundert, daß man zu gleicher Zeit den Schiedsrichter der Goͤttinnen, den Verfuͤhrer der Helena und den Meuchelmoͤrder des Achilles darin er- kannt habe. Dieses Lob geht auf den Ausdruck des Charakters in der Mine dieses verschmitzten Weich- lings, hinterlistig im Siege uͤber Maͤnner und Wei- ber, und diesen letzten zugleich theuer und gefaͤhrlich. Hier ist von einer Allegorie gar nicht die Rede, wovon Sulzer jene Worte zu verstehen scheint. Nicht jede Unterschied zwischen Ausdruck des Charak- ters, und Symbol ge- wisser Eigen- schaften der Seele. Bezeichnung dessen, wozu man sich von einem Men- schen zu versehen hat, ist Sinnbild oder Allegorie. Eine kleine Nymphe oder Muse mit einer Taube. Der Guͤrtel uͤber den Huͤften ist merk- wuͤrdig. Eine große bekleidete Figur. Auf dem Kopfe traͤgt sie einen Schleier und einen sonderbaren Kopfputz. Es scheint das Bildniß einer Kaiserin zu seyn. Diese Statue hat viel Wahrheit. Eine kleine Statue, als Hygea restaurir t . † Ein Pariskopf von schoͤnem Charakter bis an den Rand des Kinnes verhuͤllt. Winkelmann G. d. K. S. 352. behauptet, diese Tracht H 4 Eine Villa Negroni. Eine weibliche drappirte Figur. Der Kopf gleicht der juͤngern Faustina, sie ist durch die modernen Arme zur Ceres geworden. Eine Statue aus schwarzem Marmor mit silbernen Augen, dem Kopfputze nach ein Mauri- tanier, aber als Mars oder Gladiator restaurirt. Arme, Schenkel und Beine neu. Bei ihm eine Terme des Hercules. Einige Buͤsten. In dem Zimmer des Custos die- ser Villa. Beruͤhmte Gruppe zweier Kin- der. † Eine Gruppe von Amorinen, deren einer dem andern eine Larve vorhaͤlt, worauf dieser vor Schrecken ruͤcklings zur Erde stuͤrzt. Winkelm. G. d. K. S. 352. Gedanke und Ausdruck sind vortrefflich. Allein die Zeichnung scheint unrichtig, und die Aus- fuͤhrung vernachlaͤßiget zu seyn. Schoͤne Buͤste eines Cardinals. Im Garten. Eine colossalische Figur in einer Nische, und ein Basrelief daruͤber mit den neun Mu- sen. Beides mittelmaͤßig. Eine weibliche Figur als Flora ergaͤnzt. Die Stellung und das flatternde Gewand schei- nen Tracht sey den Phrygiern und angraͤnzenden Voͤl- kern eigen gewesen. Villa Negroni. nen eine Taͤnzerin anzuzeigen. Kopf und Arme sind neu. Winkelmann G. d. K. Vorr. S. 12 redet von ei- nem Apollo mit einer modernen Violine. Dieser ist nicht mehr vorhanden: S. 389. d. G. d. K. von einem Tyger aus Ba- salt, den ich mich nicht erinnern kann, gesehen zu haben. H. Volkmann histor. krit. Nachrichten uͤber Ita- lien S. 247. fuͤhrt drei Landschaften von Poussin an, die nicht mehr vorzufinden sind. Das Kind mit dem Schwane, welches er aus Burckhards Werke in der Note anfuͤhrt, steht auf dem Campidoglio. H 5 Pallast Pallast Doria. Große Gallerie. Wenn man rechter Hand hinein tritt. D as Verloͤbniß der heiligen Catharina. Aus der ersten Manier des Tizian. Die Umrisse sind etwas steif, und die Farben noch etwas roh, aber dennoch frisch und saftig. Die Stellung des Christus ist unschicklich. Die Landschaft ist schoͤn und sehr kraͤftig colorirt, aber mit Vernach- laͤßigung der Luftperspektiv. Der heilige Hieronymus von Spagno- letto. Die Grablegung Christi von Ludovico Carraccio, oder von Padoanino. Die Zu- sammensetzung dieses Gemaͤhldes ist sehr gut, und hat im Ganzen etwas Erhabenes und Edles. Nur scheinen mir die Figuren der Engel, deren einer den Christus beim Kinn faßt, der andre aber seine Fin- ger kreuzweise in die erstarrten Finger des Heilands legt, zu spielend und der Wuͤrde des Gegenstandes nicht angemessen. Der Ausdruck ist uͤbrigens gut, vorzuͤglich in den beiden Weibern. Die Zeichnung scheint hin und wieder etwas unbestimmt z. E. im Arme des Alten. Die Faͤrbung faͤllt zu sehr ins Graue. Ein alter Kopf mit einer weißen Rose auf dem Tische, von Tizian. Ein Pallast Doria. Ein anderer Kopf, den man auch dem Ti- zian zuschreibt, aber nicht in seinem Stile. Ein Weiberkopf, der nach Leonardo da Vinci copirt zu seyn scheint. † Aldobrandinische Hochzeit copirt von Poussin. Die Figuren sind etwas schwerfaͤlliger als im Original. Der junge sitzende Mann ist zu braun colorirt. Ein Fehler, den Poussin um so eher haͤtte vermeiden muͤssen, da das Original nur durch den Einfluß der Zeit so braun geworden ist. Denn das Bein, was sich erhalten hat, ist von guter Faͤrbung. † Eine heilige Magdalena, die vor Er- mattung von Schmerz eingeschlafen zu seyn scheint, von Michael Angelo Carravaggio. Wahrscheinlich diente ihm seine Magd zum Vorbilde. Man muß gestehen, daß er sie sehr treu copirt hat. So niedrig die Wahl der Formen ist, so bleibt dies Bild doch eins der besten dieses Meisters in Ansehung des Tons der Faͤrbung, der nicht, wie gewoͤhnlich, uͤbertrieben schwarz und gelb ist. † Ein alter Kopf mit Lorbeeren bekraͤnzt. Voller Wahrheit bis in den kleinsten Details. Viele Kenner halten dies Werk eines Tizians wuͤrdig. Bamboschade von Teniers. † Skizze von Correggio in Wasserfar- ben. Das Original ist in Spanien. Es stellet ein allegorisches Suͤjet vor, welches man schwerlich erklaͤren wird. Man erkennet den Meister in den Koͤpfen und den Haͤnden wieder. † Ein Juͤngling umarmt einen Bock, ne- ben ihm eine Taube auf einem Zweige von Carrg- Pallast Doria. Carravaggio. Man erklaͤrt dies Bild gemeini- glich fuͤr eine Allegorie der Geilheit und der Unschuld. † Opfer Isaacs. Mengs und viele Kenner halten es fuͤr Tizians Werk, andere schreiben es dem van der Eckhout Gerbrand van der Eckhout geb. zu Amsterdam 1621. gest. 1674. einer der besten Schuͤler Rembrands. zu. Die Composition ist nicht die beste, aber der Ausdruck ist nicht ohne Verdienst. Die Zeichnung ist weder unedel noch incorrekt genug, um den Tizian als Meister auszuschließen. Im Isaac sind eine Menge schoͤner Halbtinten. Zwei Apostelkoͤpfe von Guercino. Der weinende Petrus von Lanfranco. Petrus im Gefaͤngniß vom Engel geweckt von Lanfranco. Der Engel gleicht einem Stras- senjungen. Magdalena von Cambiasi. Zwei Gemaͤhlde von Breughel. Eins der- selben stellt die Schmiede des Vulkans vor. Der Ort der Scene ist aus den Ruinen von Tivoli ge- nommen. Magdalena in einer schoͤnen Landschaft von Annibale Carraccio. Die Formen sind zu groß fuͤr eine weibliche Gestalt. Simson von Guercino in einem Tone, der zwischen dem Rothen und Schwarzen die Mitte haͤlt. † Eine allerliebste Landschaft von Dome- nichino, mit Weibern und Kindern, die durchs Wasser waten. Die Composition scheint der Natur abgestohlen zu seyn. Schade, daß in der Ausfuͤh- rung Pallast Doria. rung nicht eben die Uebereinstimmung mit der Natur herrscht. Eine andere Landschaft von eben demsel- ben mit einem Wasserfall. Ein sehr angenehmes Bild. † Susanna mit den Alten von Annibale Carraccio. Zusammensetzung, Ausdruck und Zeichnung sind vortrefflich. Selbst die Faͤrbung ist gut; nur fallen die Formen der Susanna zu sehr ins Riesenmaͤßige. Verloͤbniß der heiligen Catharina von Lu- dovico Carraccio auf Schiever. Vortrefflich an- geordnete Gruppe. Bethlehemitischer Kindermord von Ma- zolino. Bauern, die ihre Processe vor Gericht mit klingender Muͤnze vertheidigen. Karri- katuren voller Ausdruck. Der harte und trockene Stil laͤßt auf die ersten Zeiten der niederlaͤndischen Schule schließen. Eine heilige Familie von Garofalo. Eine Zeichnung von Guido mit Kreiden von verschiedenen Farben. Eine Madonna und eine heilige Familie vom Sassoferrati. Beide Bilder haben ange- nehme Koͤpfe und liebliche Stellungen, wenn es ihnen gleich uͤbrigens an Ausdruck fehlt. Eine Landschaft von Torreggiani. Bethsabe mit einer Unterhaͤndlerin von Brunkhorst. Die Behandlung ist gut. † Drei Pallast Doria. † Drei Bilder von Guercino, aus denen man die verschiedenen Manieren dieses Meisters ken- nen lernen kann. Der heilige Johannes ist aus seiner ersten schwarzen Manier. Der verlohrne Sohn, der zu seinem Vater zuruͤck kehrt, ist aus der zweiten, die ins Rothe faͤllt, und endlich die heilige Agnes, die den Scheiterhaufen besteigt, ist aus seiner dritten hellen Manier. Alle diese Bilder zeigen eine ganz vortreffliche Behandlung, eine zwar etwas conventionelle, aber doch nicht uͤbertriebene Faͤrbung, und vorzuͤglich eine vortreffliche Wuͤrkung in der Abwechselung des Schattens und des Lichts. Aber alle sind schlecht componirt, und der Ausdruck fehlt entweder ganz, oder ist gemein. Ich nehme inzwischen den Kopf der heiligen Agnes aus, denn in diesem Kopfe ist viel edle Hingebung in den Willen des Himmels. † Die Madonna mit dem Kinde von Parmeggiano. Der Kopf des Christs hat viel von Correggio, und ist sehr angenehm; der Kopf der Madonna aber hat etwas gezogenes. Eine heilige Familie von demselben, eine Skizze voller Affektation. Ein Satyr, der einen jungen Faun auf der Floͤte spielen lehrt. Man schreibt dies Bild dem Ludovico Carraccio zu, ich halte es vom An- nibale. † Bildniß eines Pabstes von Velasquez. Es ist vortrefflich gemahlt, und voller Charakter, inzwischen faͤllt das Fleisch ins Rothe, und scheint zu weich, zu schlaff. † Eine Pallast Doria. † Eine Madonna, die uͤber dem schlafen- Mabonna betend uͤber dem schlafen- den Christ. den Christ betet, von Guido. Dieses beruͤhmte und so oft copirte Bild ist von der feinsten Zeichnung, und der Schlaf des Christs ungemein wahr. Nach meinem Geschmack aber hat der Kopf der Madonna nicht Ausdruck genug, die Farbe scheint mir zu schwach und gruͤnlich, und der Christ zu platt, zu wenig geruͤndet. Zwei Landschaften von Claude le Lorrain von seiner ersten Manier, ehe Sandrart ihn uͤber das Luftige der Fernen belehrt hatte. Zwei der besten Landschaften von Paul Brill. Santa Maria Aegittiaca von Feti. Bethlehemitischer Kindermord von Bo- nati, schlecht componirt. Christ im Oehlgarten von Venusti. Der heilige Johannes aus der Schule des Guercino. † Schoͤne Landschaft von Claude le Lor- rain, mit einer Flucht nach Aegypten. Der Baumschlag ist vortrefflich. Die dichtbelaubten Eichen darauf scheinen wahre Behausungen der Voͤ- gel. Die Ferne ist vortrefflich. Ehe man das Uebrige der Gallerie sieht, wird man gut thun, in die Nebenzimmer zu gehen. Nebenzimmer. Eine große Landschaft von Guaspro Poussin. Drei Pallast Doria. Drei Marinen von Manglar, vortrefflich componirt. Fruͤchte von Tamm. Dieser Kuͤnstler war aus Hamburg. Man nennt ihn auch Dappre, weil er immer von einem ta- pfern Pinsel sprach. Mann und Frau. Die Frau haͤlt einen Apfel. Die Composition ist schlecht. Dem ohnge- achtet giebt man das Gemaͤhlde fuͤr Tizians Ar- beit aus. Ein Mannskopf in eben dem Stile, den man an dem Schulmeister im Pallast Borghese be- merkt. Eine schoͤne Landschaft mit Figuren von Bourgognone in der Manier des Salvator Rosa. Einige Landschaften von Orizonte. Eine Flucht nach Aegypten von Nicolaus Poussin, schoͤn componirt, mit vielem Geist, aber ohne Wahrheit ausgefuͤhrt. Kreuzabnehmung von Salviati. Uebriger Theil der Gallerie. Das Paradies von Breughel. Andere hal- ten es von Savary. Man kann die Feinheit des Pinsels, die Sorgfalt in der Ausfuͤhrung, den Schmelz der Farben, und zu gleicher Zeit das Leichte der Behandlung nicht genug bewundern. St. Johannes von Guercino aus der Zeit, da er den schwarzen Ton in seinen Gemaͤhlden verließ, und in den rothen uͤbergieng. Land- Pallast Doria. † Landschaft von Claude le Lorrain mit Architektur, die nicht ganz an ihrer Stelle zu seyn scheint. Es herrscht Siroccoluft in dem Bilde, und die Waͤrme derselben ist vortrefflich ausgedruͤckt. St. Rochus, den ein Engel heilt, von Carravaggio. Gemeiner aber wahrer Ausdruck. Der Hund ist sehr gut. † Angelica findet Medor von Guercino. Ein sehr schoͤnes Bild, in dem vorzuͤglich die Extre- mitaͤten von aͤußerster Wahrheit sind. Die Farbe hat etwas Unwahres, und viel Aehnlichkeit mit der- jenigen, die man in dieses Meisters Fresco Gemaͤhl- den antrifft. Das Licht ist zu gelb, und die Schat- ten sind zu schwarz. Auch sind die hellen Partien zu willkuͤhrlich zerstreuet, zu flatternd ( les lumieres papillottent ). Kinder von Cignani, andere sagen von Ghezzi, von sehr falschem Colorit. Die maͤnnli- chen scheinen von Gold, die weiblichen von Silber. Ein Kopf von Baroccio, an dem die leichte Behandlung zu bewundern ist. Ein angelegter Kopf von Guido. Venus und Adonis von Paolo Vero- nese. Icarus und Daͤdalus soll von Albano seyn, wahrscheinlich nur Copie. Ein heiliger Franciscus, den zwei Engel unterstuͤtzen, schoͤnes Gemaͤhlde von Annibale Carraccio. Ein Concert von Palamedes. Zweiter Theil. J † Ein Pallast Doria. † Ein Paradies von Bassano. Es ist eins seiner schoͤnsten Bilder. Die Carnation ist seht wahr. Die Thiere sind voller Leben. Heil. Johannes von Valentin. Sechs Ova- le von Anni- bale Carrac- cio. † Sechs Landschaften von Annibale Car- raccio. Es sind halbe Ovale, die dazu bestimmt gewesen scheinen, von unten auf gesehen zu werden. Eigentlich nur Skizzen, aber von so vortrefflicher Composition, daß der Kuͤnstler ein eigenes Studium daraus machen kann. Die schoͤnsten sind Die Himmelfahrt Mariaͤ. Die Scene geht am Ufer des todten Meeres vor. Aufgenom- men durch Engel schwebt die Heilige uͤber dem Meere, an dessen Ufer die Juͤnger und Apostel neben ihrem Grabe ihr staunend nachsehen. Hin und wieder sieht man andere Monumente und Grabmaͤhler. Es liegt etwas unbeschreiblich Hohes in dem Gedan- ken dieses Bildes, nur duͤrfte die Handlung des heil. Johannes, der die Begebenheit in dem Augenblicke da sie vorgeht, aufzeichnet, nicht an der rechten Stelle stehen. Der Mahler hat diesen Gedanken im Großen in einer Capelle der Kirche della Ma- donna del Popolo ausgefuͤhrt, aber da ihn der enge Platz zu sehr beschraͤnkte, weniger gluͤcklich, als man nach diesem Entwurfe haͤtte vermuthen duͤrfen. Das zweite dieser Gemaͤhlde ist die Heim- suchung Mariaͤ. Die beiden Heiligen umfassen sich mit einem sehr wahren Ausdrucke von Zaͤrtlich- keit. Die Figur die das Buͤndel traͤgt, ist sehr rei- zend, und die Baͤurin bei der Frau mit dem Kinde von der einnehmendsten Unbefangenheit. Das Pallast Doria. Das dritte eine Flucht nach Aegypten. Tauben fliegen voran, und zeigen der Unschuld den Weg. Die heil. Familie ist uͤber einen Fluß gesetzt worden. Das alte Schloß auf dem Berge thut Wuͤrkung. Die drei uͤbrigen stellen die Anbetung der Koͤnige, der Hirten, und eine Grablegung vor. Sie sind von geringerem Werthe. † Eine Landschaft von Claude le Lorrain Vortreffliche Landschaft von Claud le Lorrain. mit der Aussicht auf einen Fluß, der sich kruͤmmend schlaͤngelt. Die schoͤnste Landschaft, die ich von die- sem Meister kenne. Die Ferne ist unvergleichlich. Alles ist Wahrheit und Natur. Die Luft wahre Luft, der Himmel durchsichtig, das Auge verliert sich in die Ferne. † Magdalena von Tizian. Vortreffliche Carnation. Der Arm ist wahres Fleisch. Der Kopf leider hier und da retouchirt. Alle Kenner halten einstimmig dies Bild fuͤr Original. Aber man sieht allerwaͤrts Copien und Wiederholungen desselben. Heimsuchung Mariaͤ von Garofalo. Es hat schoͤne Partien. Man muß vorzuͤglich die Lo- calfarben dieses Meisters bewundern, die sich bis auf diesen Tag frisch und unveraͤndert erhalten haben. Zwei Koͤpfe, Carricaturen aus der aͤlteren niederlaͤndischen Schule. Ein kleines Portrait einer Frauen im Schleier, von Holbein. J 2 Ein Pallast Doria. Einige Zimmer beim Herausgehen aus der Gallerie. Eine Carita Romana von Valentin. Die Schuͤler zu Emmaus von Lanfranco. Eine Magdalena angeblich von Guercino. Copie einer heil. Familie nach Raphael, deren Original in Frankreich ist, und von der sich eine bessere Copie im Pallast Albani findet. In einem andern. St. Peter findet den Groschen in dem Fische von Calabrese. Eine Landschaft von Mola. Zwei Bildnisse von Mierefeld. Ein junger Mensch aus der Schule des Parmeggiano. In einem andern. Die Mutter Gottes bei dem Leich- nam Christi, von A. Car- raccio. † Die Mutter Gottes bei dem Leichnam Christi von Annibale Carraccio. Sie haͤlt den Obertheil desselben auf ihrem Schooße. Ein Engel zu ihrer Seite haͤlt des Sohnes Hand, und zeigt die Naͤgel, mit denen er ans Kreuz geheftet war, der andere versucht mit der zuckenden Spitze des Fin- gers die Stachel der Dornenkrone. Dies Bild ist sehr beruͤhmt, und Winkel- mann S. 297. d. G. d. K. fuͤhrt es als eines der wenigen Gemaͤhlde an, Pallast Doria. an, in denen der Christ mit der Wuͤrde des Charak- ters und der Schoͤnheit der Bildung dargestellet sey, mit denen sich der Kuͤnstler den eingebohrnen Sohn Gottes denken muͤsse. Man kennt noch zwei Wiederholungen von die- sem Bilde, die eine in der Kirche zu St. Francesco a Ripa zu Rom, die andere in der Gallerie zu Capo die Monte bei Neapel. Die erste unterscheidet sich von der unsrigen durch mehrere in die Zusammen- setzung aufgenommene Figuren. Die letzte scheint mit der unsrigen sehr genau uͤbereinzustimmen, nur, wenn ich mich nicht irre, hat das Bild von Capo di Monte mehr Anzeigen des Caraccischen Stils. Das Colorit, welches an dem unsrigen ziemlich leb- haft ist, faͤllt dort mehr ins Graue. Die Zeichnung hier ist incorrekt, die Schulter des Christs scheint ausgesetzt zu seyn, und laͤuft nicht natuͤrlich genug in den Wirbelknochen. Auch ist die Haltung an jenem Bilde besser. An beiden scheint man der Er- findung vorwerfen zu koͤnnen, daß der eine Engel durch sein kindisches Versuchen des Stachels der Dornenkrone die ernsthafte Stimmung der Seele des Zuschauers unterbricht. Die Anordnung ist unvergleichlich. Eine der schoͤnsten Kegelgruppen, die man sehen kann. Der Ausdruck ist in den Figuren der Mutter Gottes und des Christs wahr, edel und anziehend. Die erste zeigt klagenden Schmerz: sie haben den erschlagen, den meine Seele liebt! Von dem Ausdrucke im Christ habe ich schon gesprochen. Hagar und Ismael von Vouet. J 3 Eben Pallast Doria. Eben dies Suͤjet von Mola. Cain und Abel von Salvator Rosa. Icarus und Daͤdalus von Andreas Sacchi. Zwei schoͤne Bildnisse auf einer Tafel, wahrschein- lich von Ra- phael. † Zwei Bildnisse auf einer Tafel. Jeder- mann gesteht, daß dieses Werk von Raphael zu seyn verdient, aber ob es von ihm sey, bleibt immer un- gewiß. Beide Koͤpfe haben viel Charakter. Die Zeichnung ist correkt und aͤußerst fest. Die Faͤr- bung naͤhert sich in Ansehung der Kraft derjenigen, die man in dem Bildnisse Raphaels in der Casa Al- toviti Avila in Florenz bemerkt. Aber da das Bild auf Leinwand gemahlt ist, und da Vasari nur ein einziges Gemaͤhlde auf Leinwand von diesem Meister, naͤmlich den heiligen Johannes, der jetzt zu Florenz befindlich ist, anfuͤhrt; so wollen Kenner aus diesem Grunde zweifeln, ob es diesem Meister beizule- gen sey. Ein anderes Bildniß von Tizian. † Ueber diesen Bildnissen ein anderes von einem Alten, mit einer Klocke vor sich auf dem Tische, von Tizian. Die Nachahmung der Natur kann nicht weiter getrieben werden. Bildniß einer Frauen mit einem Halskra- gen, dessen Weiße die Carnation des Gesichts sehr hebt. Aus der niederlaͤndischen Schule. Viele halten es fuͤr des Rubens Arbeit. Aber dazu ist die Behandlung zu furchtsam. Ein anderes Bildniß einer Frauen. Ke- cker und bestimmter. Heilige Familie von Mola. Eine Pallast Doria. Eine Kreuzabnehmung von Vasari. In diesem Bilde ist Alles uͤbertrieben: Vorzuͤglich die heilige Magdalena, deren Glieder alle verdreht scheinen. Die Zusammensetzung ist zum Theil vom Daniel di Volterra erborgt. Der Koͤrper des Christs und einige Gewaͤnder sind nicht ohne Ver- dienst. Isaacs Opfer von Calabrese. Heil. Familie von Garofalo. Kreuzabnehmung von Paolo Veronese. Endymion mit einem Sehrohr, angeblich von Guercino. Deutung der bekannten Fabel, deren allegorische Vorstellung fuͤr die Kunst schick- licher zu seyn scheint, als die vereinfachte Ent- wickelung. Ein Kopf, den man dem Tizian zuschreibt. Der Plafond ist von Bottani, lebenden Di- rektor der Gallerie von Mantua. In einem andern Zimmer. Eine sehr schoͤn gedachte Landschaft von Kaspar Poussin. Eine Madonna mit dem Kinde. Beide sind unter einem Concerte von Engeln einge- schlafen. Ein heiliger Johannes dient zum Pulte. Von M. A. Carravaggio. Ein Sturm von Tempesta. Ein Tuͤrk zu Pferde mit Wildpret, das er geschossen hat von Castiglione. J 4 Letztes Pallast Doria. Letztes Zimmer. Mehrere Landschaften von Kaspar Pous- sin, die ehemals auf einem Schirme befindlich ge- wesen sind. Vier Landschaften von Schwanefeld. Sie sind schoͤn, ob sie gleich gelitten haben. Man er- kennt darin das Studium dieses Meisters nach Claude le Lorrain. Villa Villa Medicis . D ie besten Statuen, die ehemals in dieser Villa standen, sind jetzt nach Florenz gebracht. Die vorzuͤglichsten Werke, die in neuerer Zeit von hier weggegangen sind, sind der Apollino, die Vase mit dem Opfer der Iphigenia , und die Gruppe der Niobe . Diese Gruppe ist bis jetzt nicht mit gehoͤriger Genauigkeit beschrieben, und wie ich glaube, mit zu vieler Partheilichkeit beurtheilet worden. Sie dient mir zum Beweise einiger Grundsaͤtze, die ich bei dem Genuß der Werke der Alten dem Liebhaber nicht genung empfehlen kann. Ich hoffe daher leicht Verzeihung zu erhalten, wenn ich in einer Note, die jeder, der nicht glaubt, daß sie an ihrer Stelle stehe, uͤberschlagen kann, die Bemerkungen mittheile, die ich uͤber dieses classische und be- ruͤhmte Werk in Florenz zu machen Gelegenheit ge- funden habe. Gruppe der Niobe . Gruppe der Niobe. Man hat vor wenigen Jahren eine Abhandlung uͤber diese Gruppe unter dem Titel: Dissertazio- ne sulle statue appartenenti alla Favola di Niobe in Firenze 1779. erhalten. Sie enthaͤlt in Folio Format eine Beschreibung mit Kupfern, welche die Statuen, die jetzt in einem Zimmer vereinigt ste- hen, die Ringer aus der Tribune, das Pferd in der Gallerie, und einige Basreliefs, welche zur Erlaͤu- J 5 Auf Villa Medicis. Erlaͤuterung der Statuen dienen, abbilden. Der Verfasser ist der Cav. Angelo Fabroni, provvedi- tore Generale dello Studio di Pisa. Außer eini- gen historischen Nachrichten, die vielleicht die Probe nicht aushalten, giebt diese Abhandlung nicht viel mehr als Auszuͤge aus dem Winkelmann. Die Lobeserhebungen sind, nach Art der Italiener, auch an das Unbetraͤchtlichste verschwendet. Die Zeich- nungen sind nicht immer richtig, und die Koͤpfe durchaus verfehlt. Da sie inzwischen zur Wieder- erkennung dienen, so will ich die Nummern der Kupfer meiner Beschreibung beifuͤgen. Die Figuren stehen jetzt jede einzeln an den Waͤn- den eines Saales herumgestellt, der ein laͤnglichtes Viereck ausmacht. Die eine der kuͤrzern Seiten nimmt die Mutter ein; vor ihr liegt der sterbende Sohn. An der gegen uͤber befindlichen kurzen Seite steht der Vater oder auch der Paͤdagog, und an den beiden laͤngern Seitenwaͤnden stehen die uͤbrigen Figuren, zwoͤlfe an der Zahl. Niobe die Mutter . In dem Augenblicke der Betaͤubung, in die sie durch das Gefuͤhl des erlit- tenen und des kommenden Uebels geworfen wird. Sie blickt gen Himmel, den Ort, von dem die Strafe der stolzen Mutter herabkoͤmmt. Ihre juͤngste Tochter sucht Schutz in ihrem Schooße, sie lehnt sich uͤber dies ihr Liebstes her, und ohne in ihrer Verwirrung zu bedenken, daß kein Mittel vor den unvermeidlichen Pfeilen der erzuͤrnten Gotthei- ten schuͤtze, greift sie nach dem unzulaͤnglichsten: Sie zieht den Schleier von hinten uͤber, ihr Kind zu bedecken. Der Eindruck des Ganzen ist feierlich schoͤn; die colossalische Gestalt unterstuͤtzt den Eindruck der er- greifen- Villa Medicis. greifenden Majestaͤt, ohne Nachtheil fuͤr das An- ziehende. Der Kopf ist der interessanteste Theil. Dievon Schmerz gezogenen Augenbraunen, der offene Mund, dessen Unterlippe schlaff herabhaͤngt, geben einen Ausdruck, von dem man sich nach Gypsab- druͤcken und Kupferstichen keinen Begriff macht, der keine auch der kleinsten Abaͤnderungen leiden darf, ohne zur Carricatur zu werden, und der so wie er da ist, das wahre Maaß der starren Furcht enthaͤlt, der entseelten Angst, des Uebergangs zur ohnmaͤchtigen schlaffen Verzweiflung. Es ist ein Charakter von unbeschreiblicher Groͤße uͤber diesen Kopf ausgegossen, und doch hat er schon gelitten und ist stark mit Gyps ausgebessert. Die Brust ist reif und voll, ohne haͤngend zu seyn. Von dem Gesichte der Tochter, welche die Mut- ter an sich gedruͤckt haͤlt, ist wenig zu sehen: Aber die Stellung ist reizend und dem Alter angemessen. Einige haben die Gewaͤnder getadelt, andere, und unter diesen Winkelmann, haben das Ge- wand der Mutter als ein Muster einer guten Be- kleidung gepriesen. Diesen letzten kann ich nicht beitreten. Das Gewand der Mutter liegt hart an, wie nasses Leinen. Die Falten sind zu gerad- linigt. Das Gewand der Tochter klebt dergestalt an den Koͤrper, daß die Streifen, welche die Fal- ten ausdruͤcken sollen, Striemen aͤhneln, die in die Haut geschnitten seyn koͤnnten. Neu sind an der Mutter: beide Arme, und der Theil des Schleiers, welcher uͤber den Arm gezo- gen ist. An der Tochter der rechte Arm und das linke Bein. Der hintere Theil ist nicht ausgear- beitet, und zeigt, daß die Figur hinten an einer Wand gestanden hat. Eine Villa Medicis. Eine Tochter der Niobe . Sie haͤlt das Ge- wand in die Hoͤhe, und dem vorgebeugten Koͤr- per nach zu urtheilen, scheint sie eines ihrer bereits erlegten Geschwister zu betrauren. ( Fabroni nr. 5.) Mich duͤnkt, der Kopf ist ohne Ausdruck, die neue Nase nicht recht ins Kreuz gesetzt; vielleicht liegt es daran, daß der Mund zu grimassiren scheint, vielleicht war derselbe aber auch urspruͤnglich an der linken Seite zu sehr geoͤffnet. Das Erhobene der. Bruͤste ist wenig angegeben. Das Gewand, welches uͤber den Schultern zusammengeheftet ist, wird unter der Brust durch einen Guͤrtel zusammen- gefaßt. Es ist weniger steif, als an der Mutter. Neu sind: die Nase, beide Arme, der Theil des in die Hoͤhe gehaltenen Gewandes, der rechte Fuß, verschiedene Falten. Eine andere Tochter . ( Fabr. nr. 13.) Der Aus- druck ist beinahe derselbe mit dem der Mutter, nur in geringerer Maaße. Ueberhaupt scheint sie der Mutter Bild im jungfraͤulichen Alter. Meinem Urtheile nach, ist sie die schoͤnste Figur der Gruppe. Schwerlich wird man ein vollkommeneres Oval fin- den. Sie hat nur schwellende Bruͤste. Auch ihr Gewand klebt zu stark an den Koͤrper. Arme und Fuͤße scheinen neu zu seyn. Man verlaͤßt diese schoͤne Gestalt nicht ohne Muͤhe. Der sterbende Sohn zwischen diesen drei Figu- ren sehr gluͤcklich in die Mitte gelegt, um den Aus- druck ihrer Empfindungen besser zu rechtfertigen. ( Fabroni nr. 3.) Es ist eine der schoͤnsten und ausdruckvollesten Figuren in Marmor. Der Pfeil hat ihn unter der Brust durch die Rippen getroffen, man bemerkt beide Oeffnungen, die er beim hinein und heraus- fahren geschlagen hat. Der Juͤngling scheint zu roͤcheln. Villa Medicis. roͤcheln. Der Mund ist offen, die matte Zunge klebt am Gaumen; die Augen sind halb geschlossen; die Brust hebt sich stark. Eine seiner Haͤnde, die sich in ihrer urspruͤnglichen schoͤnen Form erhalten hat, liegt unter der Brust. Der rechte Arm ruht uͤber dem Haupte. Die Muskeln haben die aͤus- serste Bestimmtheit ohne die geringste Haͤrte. Das untere Ohr ist tiefer ausgearbeitet, als das obere. Die Knoͤrpel der Knie scheinen beinahe ein wenig zu stark angegeben zu seyn. Neu sind; die Beine und der Arm uͤber dem Haupte. Ein fliebender Knabe . Er haͤlt den rechten Arm ausgestreckt in die Hoͤhe, um den Linken ist ein Theil des Gewandes geschlagen. ( Fabr. nr. 10.) Daß beide Arme neu sind, wird eingestanden. Wahrscheinlich ist nur der Rumpf alt, und der Kopf aufgesetzt, denn er ist gegen den Koͤrper zu klein, wenigstens ist er sehr beschaͤdigt. Ueberhaupt glaube ich nicht, daß diese Figur einen Theil der urspruͤnglichen Gruppe ausgemacht habe. Die Umrisse haben etwas wolluͤstiges, weich- liches, ausgeschweiftes, das mit der bestimmten Einfalt in den bisher angezeigten Statuen contra- stirt. Auch das Gewand ist in Vergleichung mit den uͤbrigen zu wolligt, und abwechselnd in dem Faltenschlage. Der Rumpf ist gut. Noch ein fliebender Sohn ( Fabr. nr. 8.) ist nicht recht gestellt. Man muͤßte ihn von hinten zu sehen, und man sieht ihn von vorn. Dieser vor- dere Theil ist vernachlaͤßigt. Das Gesicht ist haͤß- lich geflickt: Der rechte Arm ist neu. Er gehoͤrt zur Gruppe. Ein verwundeter Sohn , der sinkend sich zu halten sucht, das Knie auf den Boden, den rech- ten Arm in die Seite stemmt, und den andern Arm und Villa Medicis. und das Haupt gen Himmel richtet. ( Fabroni nr. 9.) Einige finden den Ausdruck eines edlen Unmuths uͤber die Ungerechtigkeit der strafenden Gottheiten in Mine und Stellung. Mir scheint mehr staunende Gewahrnehmung eines schnell uͤber- raschenden Uebels darin zu liegen, nebst einer Be- muͤhung dessen Folgen abzuwehren. Denn die Stirn ist nicht gerunzelt, und die Augenbraunen sind nicht zusammengezogen. Kopf und Leib sind schoͤn; die Statue gehoͤrt dem Stile und der Mar- morart nach zur Gruppe. Der unausgearbeitete Ruͤcken und das liegende Bein, das unterhalb der Huͤfte ohne Andeutung des Rests in den Marmor- block wie in einen Sumpf vergraben ist, zeigt, daß diese Figur an der Wand gestanden hat. Die Figur ist gut conservirt, nur vier Zehen des rechten Fußes, die Nase und die Oberlippe sind er- gaͤnzt. Der Marmor ist sehr gelb geworden. Eine weibliche Figur , die in gestreckter Stel- lung nach einem Gegenstande in der Luft zu greifen scheint, ( Fabroni nr. 15.) gehoͤrt nicht zur Gruppe. Es hat diese Figur mit der sogenannten Psyche im Campidoglio die groͤßte Aehnlichkeit, und man fin- det sogar auf dem Ruͤcken Spuren der abgesaͤgten Fluͤgel. Viele finden in der Stellung dieser Figur den Augenblick ausgedruͤckt, in dem der Gott, auf- gescheucht durch die unbedachtsame Neugier seiner Geliebten, von ihr fliehet. So viel ist gewiß: Gedanke und Behandlung passen nicht in den Stil der uͤbrigen Gruppe. Die Bruͤste sind viel ausgebildeter, das Gewand ist viel freier und leichter bearbeitet, und der Marmor von anderm Korne. Sonst hat diese Figur große Schoͤnheiten. Beide Arme und die Nase sind neu. Dann Villa Medicis. Dann folgen zwei Figuren, ein Sohn und eine Tochter . ( Fabroni nr. 7. und 14.) die weder dem Marmor noch der Behandlung nach zur Gruppe zu gehoͤren scheinen. Sie haben starke Ergaͤnzun- gen gelitten. Ein fliehender Sohn, der sich mit dem Ge- wande von hinten zu zu bedecken sucht , ( Fabr. nr. 6.) hat dagegen Gruppenrecht. Er ist schoͤn und der Ausdruck der Angst vortrefflich. Die Nase, die Haͤlfte des Arms, um den das Gewand gewor- fen ist, der ganze linke Arm, und die Unterlippe sind neu. Die Figur hat an einer Wand gestanden. Der Vater Amphion, oder der Paͤdagog , ( Fabroni nr. 1.) ist gewiß kein urspruͤnglicher Theil der Gruppe gewesen: es ist ein entlehnter Zusatz, bei dem man die Compositionen aͤhnlicher Vorstellungsarten auf Basreliefs vor Augen ge- habt hat. Die Statue ist gar nicht in Rom ge- funden. Der Kopf von gemeinem Charakter so wie beide Arme sind neu, und mit diesen Armen das Schwerdt, das er in der Hand haͤlt. Die Bekleidung paßt weder zu dem Costume noch zu dem Stile der uͤbrigen Gewaͤnder. Eine fliehende Tochter die den Mantel uͤber den Kopf zieht . ( Fabroni nr. 12.) Eine der schoͤnsten Figuren dieser Sammlung und zur Gruppe gehoͤrend. Die Nase ist angesetzt, vielleicht auf eine Art, die der hohen Schoͤnheit dieses Kopfes einigen Nachtheil bringt. Die linke Hand, der rechte Arm, und beide Fuͤße scheinen neu. Das Gewand ist wieder zu steif. Eine Statue eines Mannes, der einen Streich von oben abzuwehren scheint . Diese von einem der Aufseher der Gallerie Luigi Lanzi, einem Villa Medicis. einem gelehrten, und von Charakter vortrefflichen Manne hinzugefuͤgte Figur, ist von Fabroni nicht mit aufgezeichnet. Sie stand ehemals in der Großherzoglichen Gallerie unter dem Nahmen En- dymion. Allein sie scheint so wenig die aͤltere als die neuere Bestimmung auszufuͤllen. Die gemeine keinesweges heldenmaͤßige Natur, die starken Mus- keln bezeichnen den gewoͤhnlichen Ringer, nicht die Soͤhne der Niobe, die sich zur Zeit der Catastrophe im Ringen uͤbten. Der Kopf und der obere Arm scheinen neu. Lanzi hat die Figur nur hinzugefuͤgt, um den vierzehnten Sohn herauszubringen. Eine Ver- bindlichkeit, die ihm nicht einst die Autoritaͤt der Basreliefs, die aͤhnliche Vorstellungen liefern, auf- legte. Zuletzt bemerke ich noch eine weibliche Figur , ( Fabroni nr. 11.) an der alle Extremitaͤten neu zu seyn scheinen. Der bloße Anblick lehrt, wie wenig diese Figur bestimmt gewesen sey, mit den uͤbrigen ein Ganzes auszumachen. Man rechnet zu Theilen dieser Gruppe, das Pferd das in der Gallerie steht, und die Ringer in der Tribune. Das Pferd ist Meilenweit von den uͤbrigen Figuren gefunden, sonst wuͤrde es nach dem Basrelief in dem Museo Clementino, worauf bei der Vorstellung eben dieser Fabel das Pferd ange- troffen wird, gut hieher passen. Die Ringer gehoͤren nicht hieher. Nicht weil sonst sechzehn Soͤhne herauskaͤmen, denn die uͤbri- gen vierzehn sind sehr zweifelhaft, sondern weil Marmor und Stil nicht uͤbereinstimmen, und die Vorstellung aͤußerst unschicklich an sich selbst, und unpassend zu dem Augenblicke der Catastrophe waͤre. So ernsthaft meinten es doch wohl die Bruͤder nicht, Villa Medicis. nicht, wenn sie sich im Ringen uͤbten, daß sie sich wie hier die Arme aus der Kugel haͤtten beugen sollen. Ich begreife nicht, wie ein so eifriger Verehrer der Alten wie Winkelmann war, dadurch, daß er diese Idee wieder aufwaͤrmte, dem Urheber der Gruppe allen Anspruch auf einen vernuͤnftigen Zu- sammensetzer nahm. Diese beiden jungen Herren ringen geruhig fort, waͤhrend daß ihre Bruͤder und Schwestern rund um sie herum vor den Pfei- len der Gottheiten fallen. Unwahrscheinliche, laͤ- cherliche Idee! die dem Kuͤnstler darum nicht bei- gelegt werden kann, weil diese Figuren mit den uͤbrigen zusammengefunden sind. Wahrscheinli- cher ist es, daß der spaͤtere Besitzer, ein Midas, diese Figuren zusammensammelte, um successive Auftritte in einem coexistirenden zu vereinigen. Winkelmann in den Anmerkungen uͤber die Alterthuͤmer in Rom: Coburg, 1784. bemerkt, daß diesen Figuren schon von Alters her die meisten Koͤpfe eingesetzt worden. Ueberhaupt wird man jetzt einsehen, wie wenig aus der Nachricht, daß 13 Figuren (naͤmlich die Mutter mit der juͤngsten Tochter, und die beiden Ringer, jede fuͤr eins gerechnet) zusammenge- funden worden, fuͤr den urspruͤnglichen Zusam- menhang derselben zu einem Werke, zu einem Gan- zen nach der Idee des Kuͤnstlers bei der Verferti- gung, gefolgert werden koͤnne. Dieser wußte bes- ser, daß solche weitlaͤuftige Compositionen in run- der Bildnerei mit Schwierigkeiten in der Ausfuͤh- rung verknuͤpfet sind, welche die Wuͤrkung dersel- ben auf den Zuschauer nicht sattsam belohnet. Es findet sich auch auf den bekannten Basreliefs mit dieser Zweiter Theil. K Villa Medicis. dieser Vorstellung in Rom die Zahl von sieben Toͤchtern und sieben Soͤhnen nicht beobachtet, und man sieht nicht ein, was den Kuͤnstler zu deren arithmetischen Aufstellung haͤtte bewegen sollen. Er zeigte ihrer so viele als die Einbildungskraft des Zuschauers zur Vollstaͤndigkeit des Ausdrucks der verschiedenen Gemuͤthsbewegungen verlangt, die durch diese Catastrophe in den handelnden Per- sonen hervorgebracht werden konnten: Er zeigte ihrer so viel, als dieser Ausdruck Abwechselung in Stellungen, und Schoͤnheit der Bewegungen mo- tivirt. Vielleicht duͤrfte jetzt auch die Beantwortung der Frage: wie diese Figuren zu einer Gruppe haͤtten angeordnet seyn koͤnnen? so schwer nicht fallen. Ich rede aber nur von der Anordnung des ersten Urhebers. Sind von den anfaͤnglich zusammengehoͤrenden Figuren keine abgekommen, so haben die Mutter, vier Soͤhne und vier Toͤchter die urspruͤngliche Gruppe ausgemacht. Von diesen sind einige so ausgearbeitet, als wenn sie frei gestanden haͤtten, andere, als wenn sie an eine Wand gelehnt gewesen waͤren: einige, als haͤtte der Vordertheil ihres Koͤrpers, andere, als haͤtte der Hintertheil des- selben gesehen werden sollen. Weitere Merkmahle des Ineinandergreifens, des Zusammenhangs der Figuren bemerken wir nicht. Nun stelle ich mir vor, daß diese Figuren eine Wand ausgefuͤllet haben. Die Mutter mit der Tochter, die in ihrem Schooße Schutz sucht, stand in der Mitte: Vor ihr lag der sterbende Sohn: Auf der einen Seite frei, von der Wand ab, stand die Tochter, die ihn zu betrauren scheint, auf der andern die Tochter, die zum Himmel blickt, gleich- falls Villa Medicis. Auf dem ersten Treppenabsatz ein Apollo uͤber Lebensgroͤße, mit einem Schwan zu sei- nen Fuͤßen : in dem weichlichern Charakter, worin er dem Bacchus aͤhnelt. Er ist von Seiten des Gedankens und der Stellung nicht ohne Verdienst. Aber die Ausfuͤhrung ist mittelmaͤßig. Vielleicht eine Copie nach einem vortrefflichen Werke. In dem Porticus des Hauptgebaͤudes nach dem Garten zu sechs drappirte weibliche Figuren colossalisch . Sie verdienen alle Auf- merksamkeit vorzuͤglich in Ruͤcksicht der Gewaͤnder. Koͤpfe und Arme aber sind beinahe an allen neu. † Nur diejenige weibliche Figur, die beim Schoͤne Fi- gur eines Weibes, in nachdenken- der, schwer- muͤthiger Stellung. Eintritt in den Garten linker Hand steht, das Haupt auf den Arm gestuͤtzt , ist davon auszu- nehmen. Vielleicht duͤrfte uͤberhaupt diese Figur die K 2 beste falls frei. Weiter hin hart an der Wand, vom Ruͤcken zu gesehen, der fliehende Sohn, und ge- gen uͤber der Sohn in sinkender Stellung. Die beiden entgegengesetzten Enden haben der fliehende Sohn, und die fliehende Tochter ausgefuͤllt, beide wieder frei. Aus dieser Distribution der Figuren wuͤrde eine den besten Basreliefs der Alten aͤhnliche Disposi- tion von vortretenden und zuruͤckweichenden Figu- ren in gehoͤriger Abwechselung von Groͤße und Stellung erfolgen, die ohne Ruͤcksicht auf mahle- rische Gruppirung, als welche hier ganz wegfaͤllt, dem Auge ein anziehendes Ganze ohne die geringste Aufopferung einzelner Formen koͤnnte dargeboten haben. Villa Medicis. beste Statue unter denen seyn, die noch in dieser Villa befindlich sind. Der Kopf ist schoͤn. Die Haare fliegen zerstreuet um ihren Nacken, und so- wohl in Mine als Stellung herrscht Schwermuth. Die Stellung ist simpel und edel. Das Gewand ist gut gedacht, aber vielleicht nicht eben so gut ausgefuͤhrt. Der untere Theil des Arms, auf den sie sich stuͤtzt, ist restaurirt. Ueber die Bedeutung getraue ich mich nicht zu entschei- den. Koͤnnte es Elektra seyn? Nicht des Agamemnons, sondern eine der Toͤchter des Atlas und der Ple- jone; eine der Plejaden, die traurend uͤber das Schicksal von Troja stets mit haͤngenden Haaren und einsam gebildet wurde? Richardson nennt unsere Figur eine Matrona Sabina. † Zwei Loͤwen, deren einer antik, der andere modern ist , und zwar von der Hand des Flaminius Vacca . Der moderne hat den Vorzug einer getreueren Nachahmung der Natur. Aber der antike hat mehr Charakter von Kraft und Staͤrke. Richardson behauptet, der antike sey von einem Basrelief genommen, und von Giov. Scerano gerundet. Ich zweifle sehr an der Wahrheit dieser Nachricht. In dem Innern des Pallastes. Eine schoͤne Vase von Alabaster. Eine andere von Marmor . Junger Villa Medicis. Junger Faun mit dem Pan in der gewoͤhn- lichen schluͤpfrigen Stellung. Faun in der gewoͤhnlichen Stellung . Mit einem Arme ruht er auf einem Stamm, den andern stuͤtzt er in die Seite. Ihm gegen uͤber ein anderer in der naͤm- lichen Stellung . Beide sind mit Kornaͤhren be- kraͤnzt. Buͤste des Lucius Verus . Buͤste Antonins des Frommen . Zwei Statuen der Venus mit Amorinen zu ihren Fuͤßen . In der Stellung der medicei- schen, aber groͤßer und sehr restaurirt. Eine dritte den vorigen aͤhnlich, aber klei- ner . Der Rumpf ist allein alt und schoͤn. Eine Venus im Bade in jener Stellung, wo sie halb kniend mit vorgebogenem Koͤrper auf den Fersen ruhet. Siehe den Pallast Giustiniani. Die unsrige ist modern und wahr- scheinlich aus der Florentinischen Schule. Ein schoͤner Faun wieder mit dem einen Arm in die Huͤfte gestemmt, mit dem andern an den Stamm eines Baumes gelehnt. Ein Apollo mit dem Schwane dem Capito- linischen aͤhnlich. Er blickt in die Hoͤhe. Ein anderer scheint eine moderne Copie des vorigen zu seyn. Eine antike Copie des Farnesischen Hercu- les im Kleinen . Ein Pan, der den Apollo auf der Floͤte unterrichtet . Der Apollo ist schoͤn. K 3 Ein Villa Medicis. Ein Ringer, der sich mit Oehl salbet, mit einer modernen Nachahmung . † Ein sehr schoͤner Faun, der einem Leo- parden eine Weintraube zeigt . Ein anderer, als Bacchus ergaͤnzt , gleich- falls schoͤn. Mercur, oder vielmehr Ringer , mit einem schoͤnen Kopfe. Ein anderer Mercur sehr restaurirt. Ein Faun mit dem Leoparden , sehr re- staurirt. Einige Buͤsten . Zwei Soͤhne der Niobe . Ein schoͤner Panzer als Trophaͤe aufgerich- tet . Scheint modern. Noch ein Sohn der Niobe . Copie der Psyche zu Florenz, die man faͤlschlich unter die Toͤchter der Niobe zaͤhlt . Buͤste des Septimius Severus . Peleus und Thetis , ein Basrelief aus der Florentinischen Schule. Ich uͤbergehe einige Buͤsten und Vasen, die der Aufmerksamkeit weniger werth sind. An der Gartenfaßade des Hauptgebaͤudes sind mehrere Basreliefs eingemauert . Sie scheinen zum Theil von ehemaligen Triumphbogen genommen zu seyn, und sind von gutem Stile. Ich bemerke darunter vorzuͤglich: Apollo und Diana. Zwei schoͤne Opfer. Hercules, der einen Loͤwen erdruͤckt , und das Urtheil des Paris . Villa Medicis. Paris . Die Zusammensetzung des letztern ist sehr verwickelt. Wenn man einzelne Gruppen heraus- naͤhme, so koͤnnten sie einen guten Stoff zu einer ge- schmackvolleren Zusammensetzung abgeben. In den Nischen des Gebaͤudes stehen meh- rere Statuen und Buͤsten , die nicht ohne Werth zu seyn scheinen. Unten am Hause bemerke man: Einen barbarischen gefangenen Koͤnig . Das Gewand von Porphyr ist eben so schoͤn geworfen, als fleißig ausgefuͤhrt. Der Kopf von weißem Marmor ist an- tik, aber die Haͤnde sind nebst einem Theile des Arms modern. Er steht auf einem Piedestal, auf dem man in erhobener Arbeit eine Victorie bemerkt, die einen Gefangenen an eine Trophaͤe fesselt. An den Seiten stehen an der einen ein gefangener Bar- bar, und an der andern ein junger Held, gleichfalls erhoben gearbeitet. Ein anderer gefangener Koͤnig , dem vori- gen aͤhnlich, selbst in Ansehung der Ergaͤnzungen. Auch ist das Piedestal dem vorigen bis auf den einzi- gen Unterschied nach gleich, daß bei der Victorie keine Trophaͤe befindlich ist. Ein dritter gefangener Koͤnig , das Ge- wand gleichfalls von Porphyr. Er stuͤtzt das Haupt auf den Arm. Der obere Theil ist modern. Ueberhaupt ist die Arbeit daran geringer als an den vorigen. K 4 Ein Villa Medicis. Ein vierter gefangener Koͤnig von weißem Marmor. Er hat sehr gelitten. Der untere Theil scheint modern. Laͤngs dem Fluͤgel des Hauses stehen meh- rere Statuen , die zum Theil sehr ergaͤnzt sind. Ich habe schon mehrmals meine Gedanken uͤber die Art geaͤußert, wie man mittelmaͤßige Antiken ansehen muß. Wenn man gleich fuͤr den Augenblick wenig Genuß fuͤr die Empfindung des Schoͤnen zu erwarten hat; so gewoͤhnt man doch das Auge an den Stil der Alten, je mehr man von ihren Werken betrachtet. Man findet in allen eine große Simpli- citaͤt des Ausdrucks und der Stellung, richtige Ver- haͤltnisse und einen guten Geschmack in den Gewaͤn- dern, die das Nackte bedecken, ohne es dem Auge zu entziehen. Dies sind Grundlagen der Schoͤnheit; die Bekanntschaft damit unterstuͤtzet das Gefuͤhl der Vollkommenheit an andern Orten. Weiterhin koͤmmt man in ein Nebengebaͤude oder Casino , in dessen Nischen Statuen stehen. Mir sind darunter merkwuͤrdig gewesen: Eine weibliche Figur als Pallas restau- rirt mit einem Gewande von Porphyr ohne Guͤrtel . Das Nackende, dessen Umrisse sehr swelt sind, ist sehr gut angedeutet. † Neptun eine alte und seltene Statue. Win- kelmann erwaͤhnt ihrer. G. d. K. S. 292. „Neptunus ist in der einzigen „Statue Zu den Fuͤßen liegt ein Triton. Villa Medicis. Triton. Die Arme und das eine Bein sind modern. Der Kopf hat viel vom Charakter eines Jupiters aber weniger Majestaͤt. Eine Statue von der ersten Classe ist sie inzwischen nicht. August . Der Kopf ist modern. In einem Pavillon zur Seite. Eine maͤnnliche Figur auf einem Meer- pferde , scheint eine moderne Arbeit zu seyn. Eine moderne Copie des Borghesischen Sylens aus Bronze . Mars von Giovanni da Bologna . Diese Statue hat eine sehr gezwungene Stellung. Die Muskeln sind sowohl an Menge als Staͤrke uͤbertrie- ben. Sie haben nicht die wahre richtige Form, und sitzen nicht an ihrer Stelle. Ein großes Gefaͤß von Porphyr auf einem Fuße. In dem Pavillon nach der Villa Bor- ghese zu liegt † die beruͤhmte Cleopatra , die Sogenannte Cleopatra. man wohl, so wie die oben von mir beruͤhrte in der Clementinischen Sammlung (die ihr an Schoͤnheit K 5 weit „Statue desselben, die zu Rom ist, und sich in der „Villa Medicis befindet, etwas verschieden von „der Bildung des Jupiters: Denn es ist der Bart „krauser, und ein Unterschied in dem Wurfe der „Haare, die sich von der Stirne erheben.“ Dies muß so verstanden werden, daß sie struppigter und kuͤrzer sind. Villa Medicis. weit uͤbergeht) fuͤr eine schlafende Nymphe wird gel- ten lassen muͤssen. Wuͤrklich alt ist wahrscheinlich an dieser Statue nur der Torso bis auf die Mitte der Schenkel, und der obere Theil des linken Arms mit der Schlange. Der untere Theil ist unstreitig neu, so wie der Arm, auf den sie sich stuͤtzt, und die linke Brust; zweifelhaft aber der Kopf und der Theil des Arms, den sie uͤber den Kopf geschlagen hat. Winkelmann G. d. K. S. 359. Zu beiden Seiten stehen zwei sehr restau- rirte Musen, auch findet man in dem naͤmli- chen Pavillon einige Basreliefs. Unter an- dern eine Friese von trefflicher Arbeit . Zu meiner Zeit ward in einem Nebengebaͤude die ser Villa ein Sarcophag ausgebessert, der in der Vllla lange zur Badewanne gedient hatte. Er ist mit Basreliefs geziert von gar besonderer und weitlaͤuftiger Zusammensetzung. Eine wahre Be- handlung im Geist eines historischen Trauerspiels. Man sieht einen Prinz zur Welt kommen, zu sei- nem Vater gefuͤhrt werden, auf die Jagd gehen, regieren und heirathen. Die Ausfuͤhrung ist nicht außerordentlich, aber der Stil im Ganzen gut, auch trifft man einige einzelne Figuren an, die Ver- dienst haben. Es giebt noch mehrere Statuen in diesem Garten, unter denen ich zwei sitzende Figuren einer Roma bemerke, von denen die eine co- lossalisch, die andere kleiner mit einem Ge- wande von schwarzem Marmor bekleidet ist . Begriff einer Roma. Roma ist in ganzen Statuen von einer Mi- nerva wohl schwerlich zu unterscheiden, wenn sie steht. Denn Villa Medicis. Denn die Attribute einer Siegesgoͤttin auf der Hand, oder eines Legionenzeichens, die sie auf Muͤnzen be- zeichnen, sind gemeiniglich verlohren gegangen. Ob der freiere stolzere Blick der Gebieterin vieler Reiche, sie von der Pallas hinreichend auszeichne, wie Win- kelmann G. d. K. S. 303. glaubt, lasse ich dahin gestellt seyn. Wir nennen aber diejenigen Statuen, welche die Bekleidung der Minerva haben, wenn sie sitzend vorgestellet sind: Roma. In der Mitte des Gartens. Ein kleiner Obelisk . Zwei ungeheure Vasen von orientalischem Granit . Pallast Pallast Corsini . A uf der Diele des Hauses zwei Statuen von Gips, mit Gewaͤndern von wuͤrkli- chem Leinen, das nachher uͤbertuͤncht worden . Ich fuͤhre sie an als einen Beweis, wie sehr es zum Gefuͤhl der Wahrheit neben der Treue der Nach- ahmung zugleich mit auf die Wahl der Formen an- komme, an denen wir einen Gegenstand wieder zu erkennen gewohnt sind. Denn diese Gewaͤnder, ob sie wohl von Leinen sind, scheinen uns dennoch unna- tuͤrlich, weil ihr Wurf in der Natur zu selten vor- koͤmmt. In dem ersten Zimmer oben. Ein Sarcophag mit Tritonen , imgleichen Ein antikes Mosaik , welches einen Ochsen- treiber vorstellt. In der Gallerie . † Ein Christuskopf mit der Dornenkrone von Guercino . Der Ausdruck ist nicht sowohl edel als wahr; die Faͤrbung voller Kraft, ohne daß darum die Schatten uͤbertrieben waͤren. Das Bild hat gelitten, und ist vorzuͤglich an den Haͤnden retou- chirt. Dem ohngeachtet haͤlt man es fuͤr eins der besten von diesem Meister in Rom. Ein Pallast Corsini. Ein Kopf von Rembrandt , mit vieler Wahrheit und Ruͤndung gemahlt. Eine nackte Frau von Furini . Wenn man ein Gemaͤhlde dieses Meisters gesehen hat, hat man sie alle gesehen. Er war ein Florentiner, und trat in den geistlichen Stand. Geschah es um fuͤr die Nuditaͤten, die er so haͤufig vorgestellt hatte, zu buͤßen, oder um bequemere Gelegenheit zu natuͤrli- chen Modellen zu erhalten? Eine Nativitaͤt von Ludovico Carraccio , oder Passignani . Kuͤnstler schaͤtzen dies Gemaͤhlde wegen der Gewaͤnder. St. Peter, der die heil. Agathe heilt , von Lanfranco . Eine heilige Familie von Baroccio . Ein heiliger Hieronymus und eine Cleo- patra , zwei Copien nach Guercino von seinem Vetter dem Gennari . Eine Madonna mit dem Kinde . Sehr gemeine Natur von Carravaggio . Andere hal- ten sie vom Shidone. Dies letztere ist nicht wahr- scheinlich. Eine sehr schoͤne Landschaft von Both , die man fuͤr einen Berghem ausgiebt. Zwei angebliche Landschaften von Poussin . Eine alte Frau und ein Greis , zwei ange- legte Koͤpfe voller Ausdruck, die men dem Holbein zuschreibt. Madonna mit dem Kinde . Man nennt Vandyk als den Meister, ich halte aber dafuͤr, sie sind von Saltarolli seinem Schuͤler. Eine Pallast Corsini. Eine heilige Familie angeblich von Fra Bartholomeo . Allein um sie diesem Meister bei- zulegen, ist weder die Zeichnung correkt, noch die Drappirung schoͤn genung. Ich halte dies Bild fuͤr ein Werk der Sienesischen Schule. Christ und die Samaritanerin von Guer- cino , rothe Manier. St. Bartholomaͤus von demselben , schwarze Manier. Verloͤbniß der heiligen Catharina von Sassoferrati . Eine heilige Familie von Garofalo . Trauung Josephs und Mariaͤ von Paolo Veronese . Sehr schoͤn componirte Skizze. Einige schoͤne Niederlaͤnder . Apollo als Hirte von Albano . Ruhe auf der Flucht nach Aegypten , schoͤne Landschaft von Domenichino . Eine alte Copei nach dem Bildnisse Ju- lius des Zweiten von Raphael . Geschichte der Lucinda vom Lanfranco . Die Landschaft ist schoͤn. Philipp der Zweite von Tizian . Heiliger Bartholomaͤus von Lanfranco , von kraͤftigem Colorit. † Heil. Jacob von Annibale Carraccio , sehr schoͤnes Gemaͤhlde. Ecce Homo halbe Figur von Vasari . Eine heil. Familie von Sordo , einem Schuͤ- ler des Baroccio. Heil. Magdalena von Solmiena . Heil Martinus von Bourgognone . † In Pallast Corsini. † In dieser Gallerie steht auch eine schoͤne Sella Curulis von Marmor mit Basreliefs, die Krieger vorstellen . In dem folgenden Zimmer. † Noah bringt ein Dankopfer nach uͤber- standener Suͤndfluth, und der Regenbogen zeigt sich am Himmel von Nicolaus Poussin . Die Composition dieses Bildes ist unvergleichlich. Obgleich die Figuren des Noah und seiner Frauen nicht den edelsten Charakter haben, so ist doch uͤbri- gens der Ausdruck wahr. Die Faͤrbung ist auch kraͤftiger, und das Helldunkle besser beobachtet, wie in den meisten Stuͤcken dieses Meisters. Inzwi- schen traͤgt man sich in Rom mit der Anekdote: Es sey dieses Gemaͤhlde kein Original, sondern nur eine Copei; das Original habe ein franzoͤsischer Kuͤnstler nach Paris verkauft. Ich lasse die Wahrheit dieser Nachricht auf ihrem Werth und Unwerth beruhen. Es genuͤgt mir in dem Bilde, was wir vor uns ha- ben, das Verdienst eines Originals zu finden. † Herodias, die den Kopf Johannis des Taͤufers traͤgt , von Guido . Dies Bild ist sehr schoͤn: obgleich ein wenig schwach an Faͤrbung. Der Kopf der Herodias ist besonders schoͤn. Der heil. Johannes von Guercino . Ge- meine Natur voller Wahrheit, aus seiner besten Manier. Ein noli me tangere vom Baroccio . Der heilige Hieronymus von Muziano . Andere sagen von Tizian. † Ein Pallast Corsini. † Ein kleiner St. Georgens Kopf von Raphael , wie man behauptet. Die Zeichnung ist von aͤußerster Feinheit. Mehrere Gemaͤhlde von Callot , voller Er- findung und sehr geistreich ausgefuͤhrt. † Ein Kopf des Cardinals Farnese , der nachher unter dem Namen Pauls des Dritten den paͤbstlichen Thron bestieg. Man ist sich nicht einig, ob man dieses Bild dem Raphael oder dem Tizian beilegen soll. Beide Meister begegneten sich zuweilen in der Nachahmung der Natur. Inzwischen scheint mir doch das Gemaͤhlde nicht bestimmt genung ge- zeichnet, um es dem Raphael zuzuschreiben. Die Ehebrecherin wird dem Tizian zugeschrie- ben. Vielleicht ohne hinreichenden Grund. † Raphaels Geliebte als Magdalena von Giulio Romano . Die Zeichnung ist sehr correkt, und lieblicher, als sie es von diesem Meister zu seyn pflegt. Eine heilige Familie, die in einer Glorie mehrerer Heiligen erscheint , von Garofalo . Eine heil. Familie von C. Maratti . Grablegung von Ludovico Carraccio . Der heil. Franciscus von Annibale Car- raccio . Ein Haase wird Albert Duͤrern zugeschrieben. St. Peter von Nicolaus Poussin . Das Wunder der Brodtaustheilung , von Palma Vechio . Christus vor dem Pilatus wird dem Van- dyck ohne Grund zugeschrieben. Ein Pallast Corsini. Ein kleines Gemaͤhlde mit Figuren von Salvator Rosa . In einem Nebenzimmer. † Eine Landschaft mit einem Wasserfalle von Kaspar Poussin . Sehr schoͤn. Zwei Landschaften von Bourgognone schei- nen nicht Original zu seyn. St. Sebastian von Rubens . Christus lehrt im Tempel von Luca Gior- dano . Tygerjagd von Rubens . † Bildniß eines Gonfaloniere aus dem Hause Savelli von Domenichino . Die Zeich- nung ist sehr schoͤn. Aber die Faͤrbung scheint nicht ganz diesem Meister zu gehoͤren. In dem Zimmer, worin die Bild- nisse haͤngen. † Ein sehr schoͤnes eines deutschen Cardi- nals , von Albert Duͤrer . Vor ihm eine Glocke. † Ein anderes eines Cardinals , von Do- menichino . † Ein sehr schoͤner Kopf von Holbein . † Ein anderer von Albano . † Noch ein Bildniß von Giulio Romano mit einer schoͤnen Hand. † Ein Cardinal von Velasquez . Ein Kopf von Vandyck . Ein Pabst von Tintoret . Zweiter Theil. L Ein Pallast Corsini. Ein anderer Kopf , den man dem Giorgio- ne beilegt. In einem andern Zimmer. Einige Madonnen von Carlo Maratti und Sassoferrati . Ein Ecce Homo von Carlo Dolce . Note . Winkelmann spricht S. 775. seiner Geschichte der Kunst Wiener Edition von einem antiken silber- nen Becher, der in diesem Pallaste seyn soll. Dem Vernehmen nach ist er nicht mehr hier. Villa Villa Aldovrandini . D iese Villa gehoͤrt nicht dem Hause Doria, wie H. Dr. Volkmann Historisch kritische Nachrichten uͤber Italien Th. II. Seite 233. schreibt, sondern dem Hause Borghese, aus welchem der zweite Sohn sie unter dem Nahmen Principe Aldovrandini gegenwaͤr- tig im Besitz hat. Die Aldovrandinische Hochzeit , ein anti- Die Aldo- vrandinische Hochzeit, ein antikes Ge- maͤhlde. kes Gemaͤhlde. Es bleibt ausgemacht, daß es eine Hochzeit vorstellt, ob sich gleich so wenig der be- stimmte Nahme der Neuvermaͤhlten, als die Be- deutung jeder Figur im Einzelnen mit Gewißheit an- geben laͤßt. Winkelmann G. d. K. W. E. S. 561. haͤlt es fuͤr eine Vor- stellung der Vermaͤhlung des Peleus und der Thetis, bei welcher drei Goͤttinnen der Jahrszeiten, oder drei Musen das Brautlied singen und spielen. Die Figuren etwa zwei Palme hoch sind nach Art alter Basreliefs hinter einander auf einen Plan gestellt, und so wenig durch den Ausdruck eines un- getrennten Antheils an einer sichtbaren Handlung als durch die Gruppirung zu einem Ganzen verbunden. Man muß jede Figur fuͤr sich betrachten, so findet man große Schoͤnheiten, reitzende Stellungen, flies- sende Umrisse, schoͤne Gewaͤnder. Die Leierspielerin ist von mehreren neuen Mahlern in ihren Werken ge- nutzet worden. L 2 Das Villa Aldovrandini. Das Colorit hat sehr gelitten. Dies ist das beste antike Gemaͤhlde, das mir bekannt geworden ist, und es wird mir eine schickliche Veranlassung geben, meine Ideen uͤber das was wir von der Mahlerei der Alten wissen, auseinander zusetzen. Empfehlung einiger Be- hutsamkeit bei dem ver- gleichenden Urtheil des Verdienstes der alten Mahler ge- gen das Ver- dienst der neuen. Nichts ist gewagter, duͤnkt mich, als das Ur- theil, das wir uͤber den Werth antiker Mahlereien in Vergleichung mit den Werken unserer modernen Meister faͤllen: und doch ist nichts gewoͤhnlicher, als daß wir bald einen Apelles, einen Parrhasius, ei- nen Zeuxes weit uͤber alles hinaussetzen, was die Mahlerei in neueren Zeiten von großen Maͤnnern auf- zuweisen hat; bald den Griechen und Roͤmern selbst die ersten Grundbegriffe dieser Kunst absprechen. Wie kann man so verfahren! Haben wir hinrei- chende Data von der Mahlerei der Alten, um ein Urtheil, es sey nun zum Vortheil oder zum Nachtheil der Neueren, vollstaͤndig zu unterstuͤtzen und zu recht- fertigen? Unterscheiden, bestimmen wir genung die verschiedenen Erfordernisse zur Vollkommenheit, um die Grade derselben gehoͤrig abzustufen? Vergessen wir auch nicht, daß die Anspruͤche, die man an eine gewisse Kunst macht, nach Verschiedenheit der Be- griffe, des Geschmacks, durch Zeit und Raum ge- trennter Voͤlker verschieden, und eben daher die Werke, die sie unter andern Verhaͤltnissen liefert, etwas sehr Gutes seyn koͤnnen, ohne gerade das zu seyn, was wir von ihnen erwarten? Ich vermuthe sehr, keiner unserer kecken Dikta- toren geht mit dieser Behutsamkeit zu Werke: und doch scheint sie so noͤthig! Denn Villa Aldovrandini. Denn die Mahlereien der Alten die wir besitzen, gehoͤren, aller Vermuthung nach, nicht zu dem Vor- trefflichsten der alten Kunst, und vielleicht nicht ein- mal zu dem sehr Guten. Sie sind groͤßestentheils in den verschuͤtteten Pompeji, Herculanum und an- dern Landstaͤdten gefunden, wohin sich die Meister in der Kunst wahrscheinlich nicht verirret haben, die festen Waͤnde zu verzieren. Ich sage hieher gekom- men, die festen Waͤnde zu verzieren, weil die beweg- lichen Gemaͤhlde, die, so wie die dort aufgefundenen Statuen von vorzuͤglicherem Werthe, von andern Oertern haͤtten herbeigeschafft werden koͤnnen, wahr- scheinlich bei der Zerstoͤhrung und Verschuͤttung der Stadt verlohren gegangen sind. In der Hauptstadt, in Rom, haben sich zwar gleichfalls einige Gemaͤhlde erhalten, aber die Art, wie sie auf uns gekommen sind, berechtigt uns eben so wenig anzunehmen, daß zu den Zeiten des Flors der Kunst bei den Alten ein besonderer Werth auf sie ge- legt sey. Es sind gutentheils Gemaͤhlde in Mosaik, die, aus den Fußboͤden verschuͤtteter Gebaͤude ausgenom- men, fuͤr etwas anders als architectonische Zierrathen nicht gelten, und am wenigsten zum Maaßstabe des Werthes dienen sollten, welchen die Originalien koͤn- nen gehabt haben, nach denen sie verfertigt sind. Die Bluͤthe des Genies in allen Theilen der Kunst geht bei einer solchen Nachbildung verlohren. Mo- saiken sind die Graͤnze, wo die Arbeit des Handwer- kers sich von dem schoͤnen Kunstwerk trennet; und wer wird uͤberhaupt das Vorzuͤglichste dazu bestim- men, mit Fuͤßen getreten zu werden? L 3 Ande- Villa Aldovrandini. Andere Gemaͤhlde auf nassen Kalk oder trockenen Grund gemahlt, sind beinahe durchgehends aus den Waͤnden unterirrdischer Gemaͤcher ausgehoben. Wie haͤtten sie sich auch anders auf uns erhalten koͤnnen? In den obern Geschossen der Pallaͤste angebracht, wuͤrden sie mit diesen zu gleicher Zeit eingestuͤrzt, und zertruͤmmert seyn. Laͤßt sich aber wohl vermuthen, daß man an Orten, wo ein reines helles Licht zur Beleuchtung fehlt, etwas mehr als bloße Bekleidung der Waͤnde zur voruͤbergehenden Belustigung des Blicks, von der Mahlerei werde gefordert haben? Mich duͤnkt ich habe etwas vor mir, wenn ich vermuthe unter den Werken der Mahlerei, die sich auf uns erhalten haben, sind keine Meisterstuͤcke eines Parrhasius, Apelles und anderer großen Kuͤnstler der Alten zu suchen: Ist gar dasjenige wahr, was Winkelmann G. d. K. S. 581. behauptet, daß unter den Kaisern die Mahlerei bereits in Verfall gerathen sey, so wuͤrde der Werth, den man auf Stuͤcke legen duͤrfte, die beinahe alle in Gebaͤuden der Kaiser gefunden sind, noch geringer seyn, und meine Vermuthung dadurch einen hoͤheren Grad der Gewißheit gewinnen. Sind die Beweise, die wir aus wuͤrklichen Bei- spielen fuͤr die Vortrefflichkeit der alten Mahlerei hernehmen, aͤußerst mangelhaft, so sind diejenigen, welche die Zeugnisse aͤlterer Schriftsteller liefern sollen, aͤußerst unzuverlaͤssig. Diese werden nicht selten durch einen rednerischen und poetischen Schmuck verdaͤch- tig, mit dem der Schriftsteller mehr die Unterhaltung des Villa Aldovrandini. des Lesers als dessen Belehrung zum Zweck gehabt zu haben scheint. Oft verrathen sie einen gaͤnzlichen Mangel an Kenntnissen des Eigenthuͤmlichen der Mahlerei, und beinahe immer lassen uns die schwan- kenden Ausdruͤcke im Zweifel, ob die Einbildungs- kraft des Beschauers die mangelhafte Andeutung des Gebildeten nicht allein bis zur wuͤrklichen Darstellung ausgefuͤllt habe. Denn wie unbestimmt und vielfach ist der Be- griff, den sich das Auge von der Wahrheit und Schoͤnheit des Colorits machen kann, wenn das Ohr vernimmt, daß auf den Wangen einer Venus die Rosen mit den Lilien vermischt gelegen haben! Paßt dieser Ausdruck nicht so gut auf die geschminkte Puppe, als auf die Venus eines Tizians? Und wenn man von einem gemahlten Ochsen liest, daß, ob er gleich nur von vorn zu zu sehen gewesen waͤre, man dennoch auf seine ganze Laͤnge habe schließen koͤnnen; laͤßt sich aus diesem perspektivischen Probestuͤckgen des gering- sten unserer Anfaͤnger die kuͤnstliche Verschmelzung heller und dunkler Farben, die weise Vertheilung des Lichts und Schattens eines Correggio mit Sicherheit folgern? Truͤgerisch ist schriftstellerisches Lob, nicht blos in Theilen der Kunst die fuͤr das forum des Auges gehoͤren, nein! selbst in denjenigen an deren Beur- theilung der innere Sinn des Menschen den haupt- saͤchlichsten Antheil nimmt! Mit welchem Enthusiasmus redet Algarotti In seinem Saggio sopra la pittura. von der Marter der heiligen Agatha, einem Ge- L 4 maͤhlde Villa Aldovrandini. maͤhlde des Tiepolo in der Kirche di St. Antonio zu Padua! Man liest, sagt er, in dem Gesichte der Heiligen den Schmerz und die Hoffnung der Seelig- keit, u. s. w. Wer sich Staͤrke genung zutrauet, den ekelhaften Anblick einer Frauensperson zu ertragen. deren abgeschnittene Bruͤste blutig umherliegen, der gehe hin und sehe! der Ausdruck ist Carricatur, die Zeichnung unbestimmt und manierirt, das Colorit wahre Fechtelmahlerei, und das Helldunkle conven- tionell. Aber, hoͤre ich die Verehrer des Alterthums ein- wenden, wenn nun schon das Mittelmaͤßige, das Schlechte, das sich auf uns erhalten hat, das Vor- trefflichste der neueren Kunst so weit hinter sich laͤßt! — Aber, rufen mir die Anhaͤnger der Neueren entgegen, wenn nun in den Werken der Alten, sie moͤgen so schlecht seyn wie sie wollen, nicht einmal die Spur eines Begriffs von den eigenthuͤmlichen Vorzuͤgen der Mahlerei angetroffen wird! Die Spur muͤßte sich doch wenigstens finden, die Vermuthung eines ent- fernten Nachstrebens, vorzuͤglich in solchen Theilen, welche weniger von der mechanischen Uebung in der Ausfuͤhrung, als von der wissenschaftlichen Kenntniß in der Zusammensetzung abhaͤngen, und daher theils leichter beobachtet, theils leichter wieder gefunden werden. Selbst in dem gesudeltsten Conterfei unse- rer heutigen Meisterstuͤcke findet sich eine Andeutung des Helldunkeln, der Gruppirung, der Luft- und Linienperspektiv. Wenn wir nun aber in den Wer- ken der alten Sudler diese Theile nicht blos vernach- laͤssigt, gerade zu beleidigt sehen! — der Schluß folgt von selbst. Lieben Villa Aldovrandini. Lieben Maͤnner! wollen wir durchaus urtheilen, so laßt uns die verschiedenen Theile der Vollkommen- heit eines Gemaͤhldes unterscheiden; unterscheiden die verschiedenen Wuͤrkungen, welche die Alten und die Neueren von der Mahlerei erwarteten. Ich gestehe: die Gemaͤhlde der Alten erfuͤllen nicht die Forderungen, die ich an eine gute poetische Erfindung mache. Die Suͤjets, die darauf vorge- stellt sind, sind fuͤr mein Herz und meine nordische Einbildungskraft, welche gern ein wenig stark bewegt zu werden lieben von geringem Belang. Mehren- theils sind sie aus religioͤsen Vorstellungen hergenom- men. Vorzuͤglich aber vermisse ich in groͤßeren Compositionen den ungetrennten Antheil mehrerer Personen an einer Handlung, der fuͤr sich durch eine passende Pantomime einen vollstaͤndigen Aufschluß uͤber die dargestellte Situation enthielte. Gemeini- glich koͤmmt mir der Ausdruck fuͤr die Lage uͤbertrie- ben, oder unbedeutend vor. Physiognomie, Cha- rakter haben die Figuren, selbst zuweilen Ausdruck einer Gemuͤthsverfassung, welche durch die indivi- duellen Verhaͤltnisse der dargestellten Personen moti- virt wird; aber selten liegen diese Verhaͤltnisse im Bilde: gemeiniglich setzt der Kuͤnstler die Kenntniß derselben bei dem Anschauer zum Voraus, und stellt seine Akteurs auf eine Art vor, als haͤtten diese nicht sowohl den Auftrag, mich uͤber ihre Beschaͤfftigung zu verstaͤndigen, als mir die schoͤnsten Stellungen zu zeigen, in denen bei einer solchen Veranlassung sich einzelne Figuren denken lassen. Bei einzelnen Figuren mag uns denn selbst nach unsern heutigen Begriffen dies genuͤgen. Aber bei L 5 einer Villa Aldovrandini. einer groͤßeren Composition, die einen vollstaͤndigen Aufschluß uͤber die Lage der dargestellten Personen durch die Art geben soll, wie ein Akteur pantomimisch auf den andern wuͤrket, verlangen wir mehr; und diese Forderung, behaupte ich, wird uns in den auf uns gekommenen Mahlereien der Alten in einer Maaße versagt, die uns zu glauben berechtigt, daß selbst ihre Meisterstuͤcke diesen Weg fuͤr unser Vergnuͤ- gen zu arbeiten, nicht verfolgt haben. Je mehr ich uͤber die Sache nachdenke, je mehr halte ich mich uͤberzeugt, daß die Alten bei ihren groͤs- seren Compositionen weniger dramatisirten als wir; daß sie bei der Versammlung mehrerer Figuren an einem Orte weit weniger auf das Zusammenhandeln, als auf die Aufstellung mehrerer vereinigten Schoͤn- heiten Bedacht nahmen; daß daher das Vergnuͤgen des Auges an schoͤnen Formen immer hoͤchster Zweck ihrer Mahlerei war. Hieraus fließen nun zugleich andere Regeln fuͤr die mahlerische Anordnung. Sollen die Figuren einzeln gesehen werden, so muͤssen sie, die eine vor der andern, Raum haben, mithin nicht hinter, son- dern neben einander stehen. Beinahe alle Gemaͤhlde der Alten, die ich kenne, sind wie die besten ihrer Basreliefs angeordnet. Inzwischen sind mir zu Portici ein Paar Gruppen aufgefallen, deren Figu- ren einige tiefer, einige hoͤher, nach den gehoͤrigen Verhaͤltnissen der Naͤhe und Entfernung und mit schicklicher Abwechselung von Stellungen vorgestellet waren. Allein daraus laͤßt sich nicht folgern, daß die Alten die Wuͤrkung einer schoͤnen Anordnung auf eben Villa Aldovrandini. eben so gewisse Regeln, und in ihrer Anwendung es zu eben der Fertigkeit gebracht haben, als ein An- drea Sacchi, oder Annibale Carraccio. Ganz etwas anders ist es drei oder vier Figuren in eine Gruppe zu bringen, und zwanzig und mehr Figuren in verschiedene große Massen, dann wieder zu einem leicht zu uͤbersehenden Ganzen zu vereinigen. Jenes lehrt die getreue Nachbildung der Natur, hiezu wird Wahl, Erfahrung und Ueberlegung erfordert. Daß man doch uͤberhaupt Wahl von Zufall, das Wesentliche von dem Moͤglichen, groͤßere Com- positionen von Gemaͤhlden, die aus einer, zwei oder hoͤchstens vier Figuren bestehen, unterscheiden wollte! Man findet nicht allein Schattirung, Abwechselung von Licht und Schatten, sondern auch Spuren von Reflexen in den Gemaͤhlden der Alten. Ich erin- nere mich auf einem derselben in Portici ein Bein in der Verkuͤrzung gemahlt gesehen zu haben, auf dessen Knie und Fuß das Licht sehr richtig fiel, waͤh- rend daß eben so richtig der mittlere Theil des Beins im Schatten gehalten war. Was will man aber daraus folgern? Jeder Schuͤler, der zum ersten Mahle nach einem lebenden Modelle arbeitet, kann diese Wuͤrkung des Lichts wahrnehmen, und wenn er treu nachahmt, sie andeuten. Aber ist dies einerlei mit der weisen Austheilung des Lichts, mit dem ver- schmolzenen Uebergang derselben in den Schatten, die wir an dem Pinsel des Correggio bewundern? Kann der Schluß mit Sicherheit gelten, weil hier ein Klecker einmal eine Wuͤrkung der Abwechselung des Lichts und Schattens im Einzelnen angedeutet hat, so haben die Meister in der Kunst die ganze Magie Villa Aldovrandini. Magie des Helldunkeln in eben der Maaße wie die Neueren verstanden? Von dem Colorit der Alten wissen wir nur so viel, sie brauchten gute dauerhafte Farben. Aber dies gilt nur von den reinen ungemischten Hauptfar- ben. ( couleurs vierges. ) Fuͤr die Kunst ihrer Farbenmischung buͤrgt uns nichts. Es laͤßt sich aus dem was wir sehen, nichts fuͤr, nichts wider sie fol- gern. Es sind mittelmaͤßige Werke, Decorations- mahlereien, meistens schnell und auf den ersten Strich hingearbeitet; und was das schlimmste ist, alle verblichen. Es ist eine bekannte Erfahrung, daß Gemaͤhlde, welche Jahrhunderte durch in feuch- ten Gewoͤlbern verschlossen gewesen sind, wenn sie nachher an die Luft gebracht werden, immer verder- ben, und nicht selten ganz verzehret werden. Luft und Linienperspektiv ist in keiner mir bekann- ten groͤßeren Composition der Alten beobachtet, und wenn man nicht auf eine ganz unverantwortlich par- theiische Art Ruͤndung einzelner Figuren, Abstufung und Abschwaͤchung entfernterer Gegenstaͤnde gegen die naͤheren in einem geringen Raume, nach dem bloßen ungebildeten Augenmaaße, mit den kuͤnstlichen Re- geln der Optik vermengen will, so kann man dreist behaupten, daß die Alten sie nicht gekannt haben. Hingegen in einem auch fuͤr unsere heutige Kunst aͤußerst wichtigen Theile, in der Zeichnung, haben sie selbst nach dem, was wir von ihren Handwerkern, ihren Decorationsmahlern kennen, unsere Neueren uͤbertroffen. Wir finden in den armseligen Ueber- bleibseln ihrer Mahlerei, eine Wahl der Formen, eine Villa Aldovrandini. eine Zierlichkeit der Stellungen, eine Richtigkeit der Verhaͤltnisse, eine Weisheit in dem Wurfe der Ge- waͤnder und dem Schlage der Falten, eine Dreistig- keit und Fertigkeit der Hand, dergleichen in unsern neueren Zeiten kaum ein Raphael sich wuͤrde ruͤhmen koͤnnen. Kurz! alle die Vorzuͤge, die uns die besten Basreliefs der Alten so werth machen, finden sich auf einigen ihrer Gemaͤhlde wieder: Auf Gemaͤhl- den, die wahrscheinlich nur ein schwacher Abschatten von ihren verlohren gegangenen Meisterstuͤcken sind. Was folgt aus alle diesem? Die Vorzuͤge der Alten waren vermuthlich verschieden von den Vor- zuͤgen der Neueren, nach der Verschiedenheit der Wuͤrkung die sie intendirten. Sie wollten dem Auge gefallen: darum zeichneten sie so schoͤne For- men, darum koͤnnen sie so schoͤn colorirt haben, wel- ches wir aber nicht wissen. Den Verstand zu unterhalten, das Herz zu ruͤh- ren, die Einbildungskraft zu beschaͤfftigen, war ih- nen geringere Sorge: darum wandten sie auch weni- ger auf die poetische und mahlerische Anordnung. Sie mahlten auch dann, wann sie mehrere Fi- guren vereinigten, immer die einzelne menschliche Form neben der einzelnen menschlichen Form, darum ist es glaublich, daß sie das Helldunkle vernachlaͤßigt haben, und gewiß, daß sie in der Luft- und Linien- perspektiv bis zu keinen sicheren Regeln fortgeschrit- ten sind. So vermuthe ich: wenn ich vermuthen soll. Mein groͤßter Ruhm ist sonst hier mit einigen alten Philosophen zu sagen: das was ich weiß, ist, daß ich Villa Aldovrandini. ich gar nichts weiß. Finde ich ein altes Gemaͤhlde, das, als Gemaͤhlde, (im neueren Sinn) meine Forderungen befriedigt, so genieße ich im Stillen, ohne Anmaaßung aus einzelnen Beispielen generelle Saͤtze zu folgern. Gedanke uͤber den me- chanischen Theil der Mahlerei der Alten. Hier noch einige Gedanken uͤber den mechani- schen Theil der Mahlerei der Alten, woruͤber Win- kelmann G. d. K. S. 582. weder so viel gesagt hat, als der Liebha- ber wissen moͤchte, noch es so gesagt hat, wie es die Erfahrung bestaͤtigt. Wir wissen nicht mit Gewißheit, ob die Alten in Oehl und Miniatur gemahlt haben. Gewoͤhnlich geschah es auf trockenem Grunde mit Farben, die mit Leim, Gummi und Eierweiß zubereitet waren ( a Guazzo, detrempe ) auf nassen Moͤrtel ( al fresco ) und mit encaustischer Verfahrungsart. Die beiden ersten sind auch bei uns gewoͤhnlich. Die letzte wieder herzustellen haben sich der Graf Caylus, Bachelier, der Baron Taubenheimer, und ein gewisser Calau in Berlin, viele zum Theil ver- gebliche Muͤhe gegeben. Ich bin nicht im Stande, uͤber die Richtigkeit der verschiedenen Meinungen dieser Maͤnner zu urthei- len, da ich selbst gestehen muß, daß mir nie einer ihrer Versuche zu Gesichte gekommen ist. Inzwi- schen glaube ich, daß diejenigen, welche bei der Zu- bereitung der Farben ein fettiges Wachs gebrauchen, oder die mit Wachs trocken gemischten Farben ge- schmol- Villa Aldovrandini. schmolzen auftragen, sich am weitesten von der Ver- fahrungsart der Alten entfernen. Plinius versichert, daß getaͤfelte Waͤnde, ja! Schiffe ganzer Flotten mit der encaustischen Masse bestrichen worden, und daß diese zu einer unaufloͤs- lichen Festigkeit gediehen sey. Beides laͤßt sich kaum denken, wenn man ent- weder ein sehr fettiges Wachs annimmt, oder ein zaͤhes, das nur durchs Feuer waͤhrend des Auftrages zur Behandlung geschickt wird. Wahrscheinlicher ist es mir, daß die zaͤhe Ma- terie des Wachses oder gewisser Harze durch eine vor- laͤufige Aufloͤsung durchs Feuer der Vermischung mit dem fluͤßigern Oehle, oder gar mit Wasser und da- durch auf eine Zeitlang bei dem Auftrage des Aus- einandertreibens, ohne fernere Anwendung des Feuers, faͤhig geworden sey: Daß man nachher diese Farbe von sich selbst an der Luft trocknen lassen, oder daß man wenigstens erst nach dem Auftrage durch angebrachtes Feuer die Masse in den damit bedeckten Grund, so zu sagen, eingesenget habe. In diesem letzten Falle wuͤrde die Verfahrungsart mit unserer heutigen Porcellainmahlerei, in dem er- sten aber, mit dem Betheeren unserer modernen Schiffe einige Aehnlichkeit gehabt haben. Inzwischen dies sind Hypothesen, die ich dem Liebhaber nicht gern aufdringen moͤchte. Nur so viel scheint mehr als Hypothese zu seyn: Eine so zaͤhe Materie als das gewoͤhnliche Wachs, das nur durchs Feuer auf kurze Zeit fluͤßig wird, laͤßt sich nicht ohne die groͤßten Schwierigkeiten zur Farben- mischung Villa Aldovrandini. mischung, Vertreibung, und gleich ebenen Gruͤn- dung brauchen: eine so fettige, wie das Jungfer- Wachs ist einer reinen Behandlung nicht faͤhig, bleibt immer Schmiererei, und kann zu einer unaufloͤsli- chen Festigkeit nicht gelangen. Wahrscheinlicher ist also die encaustische Masse ein harziger Firniß ge- wesen, der vor dem Auftrage zu der gehoͤrigen Fluͤs- sigkeit und Consistenz zubereitet, in der Folge der Zeit verhaͤrtete. Wie das Feuer dabei angewandt wurde, ob vor dem Auftrage, ob nachher, ist bis jetzt noch nicht ausgemacht: nur so viel ist gewiß, bei dem Auftrage selbst, um der Masse die Behand- lungsfaͤhigkeit, das maniable, nur auf die Zeit des Auseinandertreibens zu geben, dazu kann dieses Ele- ment nicht gebraucht seyn: mithin ist der Begriff der Encaustik als: Einbrennungskunst, eine Chi- maͤre. Die Alten mahlten auf Moͤrtel, Holz, Metall, Haͤute, feine Leinwand, Elfenbein, Aegyptisches Papier u. s. w. Wenn wir diejenigen Farben abrechnen, die uns America in neueren Zeiten geliefert hat, so be- dienten sie sich, bis auf einige wenige nach, dersel- ben die wir noch jetzt haben. Was Plinius unter den vier Farben verstanden wissen wolle, deren sich die ersten Meister in der Kunst allein sollen bedient haben, ist noch nicht ausgemacht, und fuͤr den Lieb- haber eine Nachricht, die er auf ihren Werth und Unwerth bestehen laͤßt. Wichtiger wird ihm der Unterschied zwischen den Gemaͤhlden, die man Mo- nochrommen (Monochromata) und solchen, die man Poly- Villa Aldovrandini. Polychrommen (Polychromata) nennt, und uͤber diese will ich noch einiges hinzusetzen. Wem sind die schoͤnen Zeichnungen der Taͤnzerin- nen nicht bekannt, der Bacchantinnen, die in ihrer Wuth die gezaͤhmten Centauren mit den Fersen und Stoͤßen des Thyrsus antreiben, und in dem Museo zu Portici aufbehalten werden! Wer hat nicht mehr als einmahl in seinem Leben die Zeichnungen auf den Gefaͤßen von gebrannter Erde bewundert! Nirgends findet man Absaͤtze, von neuem angesetzte Linien, alles scheint mit einem Striche, ohne die geringste Verbesserung hingesetzt zu seyn. Wenn man nun bedenkt, daß der Thon sich aͤußerst schwer bemahlen laͤßt, daß er die Feuchtigkeit der Farben sogleich ein- zieht, und gemeiniglich in dem Pinsel nichts als Erde zuruͤcklaͤßt, so wird die Geschwindigkeit und Leichtig- keit, mit der jene so richtig, so keck hingesetzten Fi- guren gemahlt seyn muͤssen, zum unerklaͤrbaren Wunder. Winkelmann G. d. K. S. 212. hat daher auch die große Superioritaͤt der alten Zeichner uͤber die groͤßten un- serer Zeiten vorzuͤglich mit darauf gebauet, daß die Bemahler jener Gefaͤße aus Thon, welche wahr- scheinlich keine Apelles, Zeuxes, Parrhasius gewesen sind, einen Raphael an Fertigkeit, Zuverlaͤßigkeit und Richtigkeit der Zeichnung uͤbertroffen haͤtten. Allein wenn man die Natur dieser Monochrom- men etwas genauer untersucht, so wird das Wunder- bare zum Theil wegfallen. Die Zweiter Theil. M Villa Aldovrandini. Diese Monochrommen oder Monochromata sind naͤmlich Gemaͤhlde aus einerlei Farbe. Bald er- scheinen die darauf vorgestellten Figuren, mit einem hellen Umrisse auf dunkelm Grunde, und die lichteren Partien sind gleichfalls hell wie der Umriß: bald ist der Grund hell, die Umrisse sind dunkel, und dunkel sind auch die schraffirten Schatten. Auf den ersten Anblick glaubt man die Umrisse, die hellen oder dunk- leren Partien waͤren mit dem Pinsel aufgetragen, und dann wuͤrde das Wunderbare bestehen. Allein alle Erfahrungen widersprechen der Moͤg- lichkeit eines so geschwinden und doch richtigen Auf- trages auf eine so widerstrebende Masse. Man be- merkt nicht die geringste Erhoͤhung, welche die auf- getragene Farbe nothwendig veranlaßt haben muͤßte. An mehreren Gemaͤhlden ist die Figur abgesprungen, der untere Grund zeigt sich unbeschaͤdigt, welches bei der Impregnation desselben mit der feuchten Farbe, schlechthin nicht moͤglich gewesen waͤre. Es wird daher wahrscheinlicher, daß diese Zeich- nungen auf eben die Art verfertigt sind, wie unsere heutigen Sgraffiti. Es ist naͤmlich bekannt, daß Polydoro da Carravaggio und viele andere Italiener ihrem Moͤrtel eine schwarze Farbe gaben, und diesen nachher mit einem weißen Kalkanstrich uͤberzogen. Wollten sie nachher auf dieser auf solche Art zuberei- teten Flaͤche Figuren erscheinen lassen, so entbloͤßten sie den schwarzen Anwurf mit einem eisernen Stifte, und trattegirten, oder schraffirten die Schatten nach Art der Zeichnungen gleichfalls durch Aufkratzen. Ein solches Gemaͤhlde nennen die Italiener Sgraffito, oder Villa Aldovrandini. oder auch mit dem generellen Nahmen fuͤr alle Ge- maͤhlde aus einer Farbe Chiaro oscuro. Hier werden die Umrisse und die Schattenpartien schwarz: Grund und Lichter bleiben weiß. Unsere Kupferstecher verfahren beim Radiren auf eine aͤhnliche Art, nur daß sie den schwarzen Fir- niß aufkratzen, so daß Umrisse und Lichter hell wer- den, Grund und Schatten aber dunkel bleiben. Ich habe auch wohl Glastafeln gesehen, die hinten mit einem schwarzen Firniß bedeckt waren: Man hatte die Zeichnung mit dem Griffel in diesen Firniß hineingegraben, und die Glastafel sodann auf eine uͤbergoldete Platte gelegt: dadurch erschienen die Lich- ter und Umrisse auf einem schwarzen Grunde wie golden. Auf aͤhnliche Art stelle ich mir vor, ist man mit den Monochrommen der Alten verfahren. Man hat zwei Lagen von Farben auf eine Tafel gebracht, oder nur eine auf die natuͤrliche der Flaͤche. Man hat die oberste weggehoben, und bald die hellere, bald die dunklere Farbe zu den Umrissen, zu den Massen der Lichter und der Schatten gebraucht. Nur daß die trateggiamenti, die Schraffirungen der Schatten, nicht so kuͤnstlich wie auf unsern heutigen Sgraffiti sind. Da- durch wird nun die große Precision der Zeichnungen begreiflicher, weil die fehlerhaften Stellen durch eine neue Uebersetzung mit der obern Lage von Farbe leicht verbessert werden konnten. Man begreift ferner, M 2 warum Villa Aldovrandini. warum der Auftrag des Pinsels nicht zu spuͤren ist, und endlich laͤßt sich auch das erklaͤren, warum nach abgesprungenen Figuren, der Grund unversehrt er- scheinet. Denn wenn die ganze obere Lage abge- sprungen ist, so hat sich nothwendig auch die dadurch vorgestellte Figur verlieren muͤssen. Es ist mir wahrscheinlich, daß vorzuͤglich bei den Monochrommen auf Gefaͤßen aus gebrannter Erde, zu der obern Lage eine enkaustische Masse gebraucht sey, die nachher, wenn das Sgraffiren geschehen war, durchs Feuer eine unaufloͤsliche Fe- stigkeit erhielt. Polychrommen (Polychromata) waren Ge- maͤhlde in mehreren Farben. Es ist gar nicht un- wahrscheinlich, daß einige derselben, auf eben die sgraffirte Art, wie die Monochrommen, durch einen Zusatz von mehreren vielfarbigen Lagen uͤbereinander, verfertigt worden: gar nicht unwahrscheinlich, daß die sgraffirten Zeichnungen zum Theil nur durch den Auftrag, entweder enkaustischer oder anderer Farben colorirt, oder wenn man lieber will, angefaͤrbt sind; und bei den Gefaͤßen von gebrannter Erde, leidet diese Verfahrungsart bei mir keinen Zweifel. Aber aͤußerst unrecht wuͤrde man auch den Alten thun, wenn man behaupten wollte, ihre Mahlerei haͤtte nun weiter in nichts als in der Illuminirung solcher vorher in Schatten und Licht gebrachter Zeichnungen bestanden. Es ist wahr, Fra Bartholomeo hat auf diese Art seine vorher grau in grau gemahlten Zeichnungen gefaͤrbt: aber auch mit welchem Anspruch auf Wahrheit des Colorits? Colorit Villa Aldovrandini. Colorit ist Farbenmischung, nicht bloßes Anstreichen mit Farbe — doch! warum soll ich hier dasjenige wiederholen, was ich im ersten Theile uͤber Tizians Colorit gesagt habe. Diese Kunst der Farbenmi- schung den Alten ganz abzusprechen, dazu haben wir kein Recht: aber wahr ist es, viele ihrer auf uns in Fresco und enkaustischer Farbe erhaltenen Poly- chrommen sind weiter nichts als sgraffirte, in Licht und Schatten ausgearbeitete Zeichnungen, die nach- her illuminirt worden. Ich gehe nun zur Beschreibung der uͤbrigen in dieser Villa aufbehaltenen Kunstwerke fort. † Bacchus in Begleitung seines ganzen Zu- ges eilt zur verlassenen Ariadne sie zu troͤsten: von Tizian . Es hat sehr gelitten. Man bemerkt darauf einen Satyr, der als eine Carricatur des Laocoon, von Schlangen umwickelt ist. Ein Concert in der Manier des Parmeg- gianino . Arethusa und Alpheus, Sbozzo von dem- selben . Ein kniender Moͤnch von Annibale Car- raccio . Eine Landschaft mit Vieh von Rosa di Tivoli . Johannes der Taͤufer, und ein heiliger Sebastian , beide von Bronzino . Ein Portrait , angeblich von Giorgione . Ein anderes von Tintoretto . M 3 Eine Villa Aldovrandini. Eine heilige Familie , angeblich von A. del Sarto . Eine heilige Familie aus Raphaels Schule . Ein schoͤner Weiberkopf , von Benvenuto Garofalo . Einige Bassano’s . † Ein Bacchanal von Giovanni Bellini mit der Jahrszahl 1514 und seinem Nahmen. Man sagt, dies sey das letzte Werk dieses Meisters, wel- ches er in seinem 90ten Jahre anfieng, und, vom Tode uͤbereilt nicht endigen konnte. Es war fuͤr den Herzog von Ferrara bestimmt, und Tizian legte die letzte Hand daran. David und Goliath , von Cav. d’Arpino . Die Enthauptung Johannes des Taͤu- fers , von Agostino Carraccio . Eine schoͤne heilige Familie , von Perrino del Vaga . Die Zeichnung ist fein, obwohl etwas manierirt. Man findet hier noch außerdem eine Samm- lung von Gemaͤhlden der ersten Meister nach Wieder- herstellung der Mahlerei. Sie sind dem Litterator der Kuͤnste merkwuͤrdiger als dem Liebhaber. Statuen und Basreliefs. Eine schluͤpfrige Gruppe eines Fauns und eines Hermaphroditen . Eine Venus auf einem Schwane wahr- scheinlich neu. An Villa Aldovrandini. An der aͤußeren Seite der Mauer des Haupt- gebaͤudes † ein Basrelief, welches einen Juͤng- ling und einen Alten vorstellt, die mit den so- genannten Cestus , (Riemen von Leder, von deren Enden einer um die Hand gewickelt wurde, der an- dere aber zum Schlagen diente,) streiten . Einige andere , die von Triumpfboͤgen genom- men zu seyn scheinen. † Einige schoͤn gedachte und fleißig ausgefuͤhrte Friesen . † Eine Kuh in Lebensgroͤße aus Mar- mor . Sie ist beruͤhmt, und wuͤrde verdienen es zu seyn, wenn nicht so vieles daran neu waͤre. Sie steht im Garten. Eine Ziege . Ich habe sie nicht gesehen. Sie war zu meiner Zeit verschlossen. M 4 Pallast Pallast Quirinale oder auch del Monte Cavallo. † C apelle des Guido . Eins der weitlaͤuftig- sten Werke dieses Meisters. Stil des Guido Reni. Guido Reni ward 1575 zu Bologna geboh- ren: Waͤre Apelles dort und dazumals gebohren worden; ich glaube er wuͤrde wie Guido gemahlet haben. Kein Mahler der Neueren hat so sehr wie er im Geiste der Alten gedacht, und die Grundsaͤtze, die sie bei der Bildung der Schoͤnheit beobachteten, auf die Darstellung der Natur seines Landes, auf die Vor- wuͤrfe die den Pinsel des Kuͤnstlers in neueren Zei- ten hauptsaͤchlich beschaͤfftigen, anzuwenden gewußt: Mehr als jedem andern ist es ihm gegluͤckt, die edle Gestalt, den einfachen Reiz, der aus der Ueberein- stimmung der Zuͤge entsteht, mit einer hohen Bedeu- tung des Charakters, und einem erhabenen und wah- ren Ausdruck des Affekts zu vereinigen. Allgemein gilt inzwischen dieses Zeugniß nicht. Seine Engel, seine Johannes haben nicht die unbe- fangene Holdseligkeit, den himmlischen Liebreiz, (Kin- der des Wohlstands, der Freiheit, und des Clima bei den Griechen,) die wir an einem Bacchus, oder einem Apollino bewundern: Seine David, seine Erzengel Michael, nicht den Ausdruck von Helden- groͤße, mit dem ein Apollo im Belvedere, ein Ajax unsere Seele faßt. Die Denkungsart seines Zeit- alters, Pallast Quirinale. alters, die Begriffe seiner Religion, der Ort an dem er lebte standen ihm im Wege, die Idee eines thaͤtig großen Geistes in seiner Seele zu zeugen. Die Koͤpfe der jugendlichen maͤnnlichen Figuren sind auf seinen Gemaͤhlden gemeiniglich unbedeutend, und die Stellungen theatralisch gezwungen. Hinge- gen ist ihm die duldende Staͤrke der Helden seiner Kirche auszudruͤcken viel besser gegluͤckt: und wo zeigt sich diese mehr als in Kindern, Weibern, und Alten! Hier hat er Einfalt zur lieblichen Unschuld, unthaͤtige Duldung zum edeln Vertrauen auf die Vorsicht zur Ergebung in den Willen des Himmels, und froͤm- melnde Andaͤchtelei, zur Inbrunst, ja! zur voͤlli- gen Entkoͤrperung, und Vereinigung mit der Gott- heit gehoben. Aber auf die Vorstellung dieser Charaktere, und dieser Affekten war das Talent des Guido auch bei- nahe ganz eingeschraͤnkt. Darf ich vergleichen? Nicht sowohl der kuͤhne Odendichter war er, der in seiner Begeisterung Gottheiten vom Himmel herabzieht; vielmehr der Elegische der in feierlicher Stimmung den Menschen uͤber das Irrdische weghebt. Kann der dreiste aber passende Ausdruck verziehen werden? Guido war auch kein dramatischer Mahler. In groͤs- seren historischen Compositionen ist er selten gluͤcklich gewesen. Er hat sie geliefert, weil der Geschmack seines Zeitalters es mit sich brachte. Aber selten haͤn- gen die Personen durch einen gemeinschaftlichen Antheil an der Haupthandlung zusammen, und machen sie pantomimisch deutlich. Es ist immer die einzelne Figur, neben der einzelnen Figur zu ihrer Seite in Ruͤcksicht auf poetische Erfindung. Selbst der mah- M 5 leri- Pallast Quirinale. lerischen merkt man es an, daß er keine ganz sichere, auf wahre Kenntniß des Wesens dieser dramatischen Art von Mahlerei gebauete Begriffe hatte. Oft vermißt man in seinen groͤßeren Compositionen, Grux- pirung, Helldunkles, Harmonie, kurz! die Theile wodurch ein weitlaͤuftiges Gemaͤhlde zu einem schoͤ- nen Ganzen wird. In einzelnen Gestalten also hat Guido seine Groͤße. Man findet in ihnen die schoͤnste Natur seiner Zeit in die Form der Antike gegossen. Die Umrisse seiner Koͤrper sind aͤußerst swelt, vorzuͤglich mahlte er schoͤne Haͤnde. Die Gewaͤnder dieses Meisters werden sehr ge- schaͤtzt. Er fuͤhrte vielleicht zuerst die halbflachen Falten ein, die man im Franzoͤsischen plis formés d’une maniere méplate nennt. Wenn naͤmlich ein Gewand uͤber ein rundes Glied faͤllt, so pflegt es nicht immer rund anzuliegen, sondern es bildet in der Mitte eine halbrunde Flaͤche. Es nimmt durch seine eigene Consistenz und durch das Gesetz der Schwere noch eine andere Lage an, als diejenige die Plis formés d’ une ma- niere mé- plate. ihr die Impression des Koͤrpers giebt, an dem es ruht. Es ist rund durch das Glied, an welches es in der Mitte anstoͤßt, und es wird aus einander ge- zogen durch die Steifigkeit des Stoffs und durch den Fall auf andere Glieder oder andere Falten des Ge- wandes. Diese Art die Falten zu schlagen, ist sehr vor- theilhaft fuͤr die Beleuchtung, weil sie die hellen und dunkeln Partien nicht zu sehr unterbricht, und mit den eckigten oder auch ganz runden Falten angenehm contra- Pallast Quirinale. contrastirt. Guido Reni soll durch die Kupferstiche des Albert Duͤrers zuerst auf diese Entdeckung geleitet seyn, oder vielmehr das was dort schon im Keime lag, nur entwickelt haben. Seine Zeichnung war aͤußerst fein, aber nicht immer ganz richtig, und zuletzt verfiel er ins Ma- nierirte. Sein Colorit ist sich sehr ungleich. Zu- erst folgte er der Manier der Carracci, deren Schuͤ- ler er war, und dann ist es ziegelroth im Lichte und traurig grau im Schatten. Bald darauf scheint er sich den M. A. Carravaggio zum Muster genommen zu haben; da findet man die Lichter ins Gelbe, die Schatten ins Schwarze uͤbertrieben. Hierauf naͤ- herte er sich dem Correggio oder ward vielmehr selbst Original, und so ist sein Colorit aͤußerst lieblich, frisch, hell, und dennoch kraͤftig. Die Halbschat- ten fallen inzwischen ins Gruͤne. Endlich ward er sein eigener Copist, manierirter Handwerker, und nun zeichnen sich seine Gemaͤhlde kaum von colorirten Kupferstichen aus, sind kreideweiß in den Lichtern, und gruͤn in den Schatten. Doch auch dann zieht er noch immer durch die Harmonie der Farben an. Es ist immer nur ein Ton, in den das Ganze ein- stimmt, er mag traurig, finster, hell oder schwach seyn. Doch gilt dies wieder hauptsaͤchlich von seinen einzelnen Figuren, von seinen groͤßeren Compositio- nen kann man dies nicht durchaus behaupten. Zuweilen ist das Helldunkle vortrefflich beobach- tet; aber auf seine Gemaͤhlde mit mehreren Figuren kann dieses Lob nicht in seinem vollen Umfange aus- gedeh- Pallast Quirinale. gedehnet werden. Es ist oft viel zu willkuͤhrlich geleitet. Seine fruͤheren Werke sind wie des Carra- vaggio seine durch uͤbertriebene Verfinsterung der Schatten gerundet, die lezten sind zuweilen zu flach. Die Behandlung des Pinsels ist eines der groͤßten Verdienste unsers Meisters. Die dreiste zuverlaͤßige Art, mit der er ihn fuͤhrte; die kecken Zuͤge, womit er Haare, Runzeln des Fleisches, uͤberhaupt alle das Detail angab, welches nur durch den Schein des Ohngefehrs mit dem es da steht, als wahr er- greift, nur durch den Schein der Nachlaͤßigkeit, mit der es behandelt wird, dem Vorwurf der Trockenheit entgeht; werden diesem Kuͤnstler am ersten zum Wiedererkennungszeichen die- nen. Doch kann man auch hieher die Art rech- nen, wie er die hoͤchsten Lichter aufblickte, ohne sie zu vertreiben. Er starb 1642. Es ist schwer, den Guido in allen seinen ver- schiedenen Manieren von seinen Schuͤlern zu unter- scheiden. Allein in seiner besten Zeit wird man ihn an der Feinheit der Zeichnung vorzuͤglich im Auge und in den Haͤnden; an den schoͤnen Ovalen der Weiberkoͤpfe, die gemeiniglich in die Hoͤhe blicken; an der Erhabenheit des Ausdrucks der Affekten, die mehr weibliche Einbildungskraft als maͤnnliche Gei- stesstaͤrke voraussetzen; an den halbflachen Falten; an der frischen hellen Farbe; an den gruͤnlichen Halbschatten; an der Harmonie der Farben in ein- zelnen Pallast Quirinale. zelnen Figuren; und vorzuͤglich an der freien Be- handlung des Pinsels wieder erkennen. Ich muß hier von dem Bilde des weinenden Petrus Nachricht von dem wei- nenden Pe- trus, im Pal- last Zampie- ri, zu Bo- logna. im Pallast Zampieri zu Bologna sprechen, welches Cochin, voyage d’ Italie T. II. p. 172. sec. edit. nicht allein fuͤr das schoͤnste von Guido, sondern, weil er alle Vorzuͤge der Mahlerei darin vereinigt findet, auch fuͤr das vollkommenste in ganz Italien haͤlt. Man sehe hier, wie der bloße Kuͤnstler spricht! Der heilige Petrus, an sich eine unedle Figur, weint nicht wie ein Mann, sondern wie ein ungezogenes Kind, und kratzt sich dabei hinter den Ohren, waͤh- rend daß ein anderer Heiliger, von eben so niedri- ger Natur, ihn troͤstet. Die Extremitaͤten sind nichts weniger als schoͤn, nicht einst richtig gezeich- net, und die Schatten sind offenbar uͤbertrieben. Was hat denn dies Bild um so sehr anzuziehen? Fuͤr den rohen Betrachter einen um so faßlichern Ausdruck, als er an Carricatur graͤnzt, eine Ruͤn- dung, durch welche die Figuren sich von dem Grun- de herauszuheben scheinen; fuͤr den Kuͤnstler aber die kecke Behandlung, mit der die kraͤftigsten Far- ben in vollkommener Harmonie nicht einzeln auf- getragen, sondern zusammen gegossen scheinen. An der Kuppel der Capelle im Pallast Quirinale hat Guido die Himmelfahrt Mariaͤ vorgestellt. Sie ist sehr verdorben. Die Idee zur Figur Gottes des Vaters ist auch hier vom Michael Angelo entlehnt. Um ihn herum spielen Engel auf verschiedenen Instru- menten. Viele darunter haben reizende Koͤpfe und Stellungen. Im Ganzen ist die Glorie zu gelb. Dies Gemaͤhlde ist al Fresco. Ueber Pallast Quirinale. Ueber dem Altare eine Annunciation , in Oehl. Dem Kopfe der Madonna, der uͤbrigens sehr schoͤn ist, fehlt es an Ausdruck. Die Engel, die in der Glorie tanzen, sind gut gedacht. Die Drappe- rien scheinen ein wenig trocken, und zu aͤngstlich in Falten gelegt. Sie zeigen uͤbrigens das Nackte wohl an. In der kleinen Tribune des Pabstes: Die Madonna, die an den Windeln des Kindes naͤhet: Zwei Engel beten sie an . Der Ge- danke ist sehr artig, und die Madonna aͤußerst rei- zend. Die Engel, vorzuͤglich derjenige, der ihre Arbeit zu bewundern scheinet, sind zu affektirt. Das Colorit dieses Gemaͤhldes ist schwach, es ist so wie die folgenden al Fresco. Zu beiden Seiten Adam und ein Pa- triarch . An den Fensterwaͤnden einige Patriarchen und Engel . Es sind einige sehr angenehme Figu- ren darunter. In den Winkeln unter der Kuppel: vier Patriarchen , die mit zu vieler Eile, ohne die Na- tur zu Rathe zu ziehen, gemahlt zu seyn scheinen. † Die Geburt Christi, uͤber der Thuͤr . Es sind 18 Figuren auf diesem Gemaͤhlde, an wel- chem Zusammensetzung und Anordnung nicht zu loben sind. Die Kindbetterin sieht man in einer Ecke; zwei Engel fliegen durchs Fenster herein. Einige Weiber waschen das neugebohrne Kind, waͤhrend daß andere Geschenke herbeibringen. Diejenigen, die um den Christ beschaͤfftiget sind, machen die schoͤnste Pallast Quirinale. schoͤnste Gruppe aus. Unter den Koͤpfen dieser Wei- ber sind einige sehr reizende. Inzwischen bemerkt man weder idealische Schoͤnheit noch große Mannig- faltigkeit in der Wahl. Auch fehlt hin und wieder Ausdruck und Charakter. Guido’s Staͤrke bestand in Koͤpfen die in die Hoͤhe sehen: Niedergebuͤckte sind ihm weniger gegluͤckt. Uebrigens ist der Ge- schmack im Kopfputz und Gewaͤndern vortrefflich; die Zeichnung fein, und das Colorit weniger schwach, als in den uͤbrigen Gemaͤhlden dieser Capelle, die im Ganzen sehr gelitten haben. Auf diese Capelle folget eine Reihe von Zim- mern mit vielen Gemaͤhlden, die jedoch wenig be- traͤchtlich sind. Die besten darunter sind folgende: Im ersten . Eine heilige Familie , die man dem Tizian beilegt: Ist aber eher vom Paolo Veronese oder nur aus seiner Schule. Im folgenden . Ein heiliger Johannes der Taͤufer nach Raphael . Ein Bild, das man an so vielen Or- ten antrifft. Siehe den Pallast Borghese. Sowohl in diesem als in den folgenden Zimmern sind viele Friesen und Plafonds von Cavalliere Giuseppe d’ Arpino. In Pallast Quirinale. In einem andern . Eine Verkuͤndigung von Carlo Maratti . In dem Eßzimmer des Pabstes. † Eine Madonna mit dem Kinde von Carlo Maratti , die nachher an den Thurm des Schlosses in Mosaik gebracht ist. Der Kopf der Madonna und des Kindes haben beide viel reizendes. In einem andern . Ein Gemaͤhlde aus der ersten Manier des Raphael , wenigstens wird es dafuͤr ausgegeben, aber wahrscheinlich ist es nicht von ihm. Man tritt darauf in eine große Gallerie, die von Ciroferri, Bourgognone und andern vermahlt ist. Salvator Rosa hat einen Gi- deon darin vorgestellet, der den Thau aus dem Felle druͤcket . Von Carlo Maratti ist die Geburt der Maria . Man sieht diesem Stuͤcke an, daß der Meister den Guido hat nachahmen wollen. Unter allen diesen Gemaͤhlden ist nichts Be- sonders. Aus dieser Gallerie koͤmmt man in dieje- nigen Zimmer, worin die eigentliche Samm- lung von Staffeleigemaͤhlden befindlich ist . Im Pallast Quirinale. Im ersten . † Der heilige Sebastian von Tizian . Der heilige Sebastian von Tizian. Mehrere Heilige stehen in einer Reihe neben einander, ohne die geringste Verbindung. In der Glorie sieht man die Madonna mit dem Christ, und einigen En- geln die Maͤrtyrer Kronen halten. Die Koͤpfe haben alle Wahrheit, aber außer den zwei aͤltesten, beinahe gar keinen Ausdruck. Die Zeichnung der Koͤrper und Gewaͤnder ist schlecht. Aber was man in die- sem Gemaͤhlde bewundern muß, ist die Ruͤndung, die Wahrheit des Fleisches und der Stoffe. Der heilige Sebastian ist die schoͤnste Figur. Nach ihr fuͤhrt das Bild den Nahmen. Es ist aus seiner dunklern Manier, und dem Pabste von der Republik Venedig geschenkt. Der heilige Petrus und der heilige Paul . Zwei Gemaͤhlde, die viel von der Manier des Fra Bartholomaͤo haben. Sie koͤnnten von ihm seyn. Man hat in Rom von diesem Meister keine Bemerkun- gen uͤber den Stil des Fra Bartholo- maͤo di St. Marco. Werke, die uns in die Kenntniß seines Stils einfuͤh- ren koͤnnten. Was ich von Unterscheidungszeichen desselben in Florenz gesammelt habe, will ich hie- her setzen. Er wagte sich selten an große Compositionen, und wenn er es that, so begnuͤgte er sich die Figuren, die zu seinem Suͤjet gehoͤrten, symmetrisch neben ein- ander zu stellen. Seine Koͤpfe haben wenig Aus- druck, und scheinen alle von dem naͤmlichen Modelle genommen zu seyn. In der Zeichnung bemerkt man große Formen; seine Extremitaͤten sind sehr genau, und sogar mit zu scharfen Umrissen angegeben. Seine Zweiter Theil. N Gewaͤn- Pallast Quirinale. Gewaͤnder sind vortrefflich, und koͤnnen als Muster angesehen werden. Die Art, wie er seine Gemaͤhlde anlegte, war sehr sonderbar. Er zeichnete die Umrisse der Figuren mit scharfen Linien, schattirte sie grau in grau, und uͤberzog sie nachher mit durchsichtigen Farben. Dies giebt seinen Gemaͤhlden das einfoͤrmige Ansehen illu- minirter Kupferstiche. Seine Carnation faͤllt ins Braune. Vom Helldunkeln hatte er keinen Begriff. Fra Bartholomaͤo di St Marco lebte von 1469 — 1488. Er studirte nach Leonardo da Vinci, M. Angelo und der Antike. Von dem er- sten nahm er die fleißige Behandlung an, von den letzten entlehnte er die großen Formen und Massen. Den Zunahmen: Fra, bekam er, als er ein Domi- nicanermoͤnch wurde. David mit dem Kopfe Goliaths vor Saul , von Guercino in seiner violetten und dun- keln Manier. Thomas und der Christ aus Guercino’s Schule , oder eine Copie nach ihm. Ein heiliger Georg, der uͤber den Dra- chen siegt , ein großes Gemaͤhlde von Pordenone . Marter des heiligen Stephanus , aus der Florentinischen Schule . Kreuzigung des heil. Pe- trus von Guido. † Die Kreuzigung des heil. Petrus von Guido . Man kann von diesem schoͤnen Gemaͤhlde nicht zu viel Gutes sagen. Es besteht aus einer Gruppe von vier Personen, die vortrefflich angeordnet ist. Eben so so schoͤn sind Zeichnung und Ausdruck. Das Pallast Quirinale. Das Helldunkle thut die pikanteste Wuͤrkung. Die Faͤrbung ist aus der dunklern Manier des Meisters, kraͤftig, aber zu schwarz in den Schatten. Dies Gemaͤhlde findet man in der Sacristei von St. Peter in Mosaik gebracht. Zweites Zimmer . Fuͤnf Gemaͤhlde des Andrea Sacchi: Die heilige Helena, die einen Todten auferwecket; Die Marter des heiligen Andreas; Die Ent- hauptung eines Heiligen: Christus, der sein Kreuz traͤgt , und der heilige Gregorius, der einem Unglaͤubigen das mit Blut gefaͤrbte Kelchtuch zeigt . Das letzte ist in der Sanct Peters Kirche in Mosaik gebracht, und hat wie die uͤbrigen das Ver- dienst einer guten mahlerischen Anordnung. Die Farbe ist gut aufgetragen, kraͤftig und harmonisch. Aber genaue Uebereinstimmung mit der Natur sucht man in Ausdruck, Zeichnung und Wahrheit der Lo- calfarben vergebens. Die Gewaͤnder sind schlecht. Die Geburt Christi von Pietro da Cortona . Die Anordnung ist sehr gut, die Koͤpfe der Weiber haben das Gefaͤllige aber Einfoͤrmige, was diesem Meister eigen ist. Im dritten Zimmer. † Die Marter des heiligen Erasmus von Poussin . In Mosaik gebracht sieht man es in der Peterskirche. Ein Gegenstand wie dieser haͤtte nie N 2 gemahlt Pallast Quirinale. gemahlt werden sollen. Der auf der Erde liegende Heilige ist gebunden, man hat ihm den Bauch auf- geschnitten, und seine Eingeweide werden ihm aus dem Leibe gehaspelt. Die Anordnung hat Verdienst. Der Ausdruck ist wahr: Vorzuͤglich in dem heidni- schen Priester, der dem Heiligen die Statue des Her- cules zeigt, welcher zu opfern jener Maͤrtyrer sich ge- weigert hatte. Aber uͤbrigens sieht man leicht ein, daß der Ausdruck in einem Heiligen, den man aus- weidet, und in einer Menge von Henkern nur sehr widrig seyn koͤnne. Die Zeichnung ist correkt, aber etwas schwerfaͤllig, vorzuͤglich in den schwebenden Engeln. Die Faͤrbung ist wie gewoͤhnlich Weinhe- fenartig. Das Helldunkle ist sehr gut ausgesonnen gewesen, und wuͤrde einem Mahler, der die Halb- tinten wohl zu behandeln verstanden haͤtte, treffliche Zufaͤlle von Licht und Schatten dargeboten haben. Nach Poussins Ausfuͤhrung bleibt es freilich ohne Wuͤrkung. Die Anordnung so vieler Figuren in ei- nem kleinen Raume ist zu loben. Eine Transfiguration . Ich weiß, daß viele dieses Bild dem Andrea Sacchi beilegen, aber die Gesichtsbildungen, die Behandlung der Gewaͤn- der, die Faͤrbung, und vorzuͤglich die kecken Pinsel- striche in den Haaren und Extremitaͤten, scheinen mir den Guido Reni anzuzeigen. † Die Marter des heiligen Martinianus und des heiligen Processus von Valentin . Der Ausdruck und die Wahl der Formen sind gemein, und die Anordnung ohne Weisheit. Die Behand- lung, kraͤftige frische Farben und Ruͤndung, sind die Pallast Quirinale. die Hauptverdienste dieses Gemaͤhldes. Es ist in St. Peter in Mosaik gebracht. † Eine Madonna, die ihr schlafendes Kind mit einem Schleier bedecket von Guido. Ein schoͤner Gedanke; Eine reizende Gruppe; Schoͤne Formen; Ein Ausdruck eben so wahr als lieblich! Vielleicht fehlt es der Faͤrbung wider die Gewohnheit des Meisters bei so einfachen Compositionen, an Har- monie. Sie ist zu roth in den Lichtern, zu gruͤn im Schatten. Saul der den Wurfspieß auf David schleudert von Guercino aus seiner guten Manier. Die Zeichnung ist nicht die richtigste. Eine Flucht nach Aegypten, von Barroc- cio. Der heilige Joseph bietet dem Christ Kirschen an. Eine Wiederholung des Gemaͤhldes im Pallast Borghese, Siehe diesen Pallast. das aber vor diesem hier, — ein wah- res Fechtelgemaͤhlde, — viele Vorzuͤge hat. Eine der vorigen beinahe aͤhnliche Be- handlung desselben Suͤjets von Carlo Maratti. Der heilige Joseph bietet dem Kinde Erdbeeren an. Einige Engel kroͤnen die Madonna mit Blumen, an- dere singen. Der Gedanke ist sehr artig, und die Koͤpfe sind huͤbsch, wie gewoͤhnlich. Eine heilige Familie aus der Schule des Rubens. Eine heilige Familie aus der Schule des Andrea del Sarto. N 3 Ein Pallast Quirinale. Ein todter Christ zwischen Engeln, die Passionsinstrumente halten. Schule des Guercino. Ein heiliger Franciscus mit der Madonna, und dem Christ, aus der Schule des Pietro da Cortona. Viertes Zimmer. Die Madonna mit der heiligen Caͤcilia, der heiligen Agnes, dem heiligen Hubert, und dem heiligen Ludewig aus der Schule des Paolo Veronese. Noch einige andere, von denen die besten aus der Florentinischen Schule sind. Großer Saal. Sala paulina. Einige Gemaͤhlde al Fresco von Lanfranco und Carlo Veneziano. Mehrere Cartons von Carlo Maratti und andern, welche zu Mosaiken in der Peters Kirche gedient haben. Ein großes Basrelief von Landini, einem Florentiner. Es stellet das Fußwaschen vor. Eine mittelmaͤßige Copie von Raphaels Transfiguration. Die heilige Petronilla von Guerci- no. † Die heilige Petronilla von Guercino. Die poetische Erfindung in diesem Gemaͤhlde laͤßt sich nicht als Muster anpreisen. Unten wird der Koͤrper der Petronilla aus der Gruft gezogen, und oben kniet Pallast Quirinale. kniet sie schon vor Christo in einer Glorie. Die Hand, die man unten am Rande des Bildes wie abgeschnitten aus der Erde herausragen siehet, und welche einem Mann gehoͤren soll, der unten in der Grube dem Koͤrper nachhilft, macht einen uͤblen Ein- druck. Aber dies abgerechnet, hat das Gemaͤhlde sehr große Schoͤnheiten. Die Figuren sind wenig- stens in Ruͤcksicht auf Beleuchtung gut zusammen gruppirt. Die Koͤpfe haben viel Ausdruck, die Zeichnung ist wahr, obgleich ohne Feinheit und ohne edle Wahl der Formen. Was die Gewaͤnder be- trifft, so scheinen sie alle in einer Troͤdelbude zusam- mengesucht zu seyn. Die Faͤrbung ist sehr kraͤftig, nur faͤllt die Carnation ein wenig zu sehr ins Rothe, und die Schatten sind zu schwarz. Diesen letzten Fehler bemerkt man vorzuͤglich in den weißen Gewaͤn- dern. Das Hauptverdienst dieses Gemaͤhldes ist das Ergreifende der Darstellung, durch Ruͤndung der Figuren, die aus dem Grunde hervorzutreten scheinen. Die Luft ist zu blau. Man tritt darauf in die paͤbstliche Capelle, deren Decke nach den Zeichnungen des Al- gardi von Stuckaturarbeit, wiewohl in ziem- lich schlechtem Geschmacke, verzieret ist. Es giebt noch eine Capelle in diesem Pal- laste mit einem Gemaͤhlde, das den Christ unter den Kriegsknechten vorstellet. Es ist al Fresco, und scheinet aus der Schule des Guido zu seyn. N 4 Der Pallast Quirinale. Der Garten des Quirinale enthaͤlt einige Statuen, unter welchen folgende die merkwuͤrdig- sten sind: Apollo in einer Nische zur rechten Hand uͤber einer Fontaine. Scheint schoͤn zu seyn. Der Kopf der antik ist, hat einen gewissen melancholischen Zug, der vermuthen laͤßt, daß diese Gottheit entweder in einer besondern Situation z. Ex. Im Schmerz uͤber den Tod des Hyacinthus vorgestellet sey, oder, daß uͤberhaupt ein anderer Held dadurch bezeichnet werde. Dies letztere ist um so eher moͤglich, da der Arm, mit dem er sich auf die Leier stuͤtzt, so wie die Leier selbst, neu ist. Eine Statue der Juno Lucina mit einer schoͤnen Drapperie. Ein weiblicher colossalischer Kopf von gros- sem Charakter, der aber sehr gelitten hat. Ein Jupiter und unter demselben ein antiker Sarcophag, der zum Wasserbehaͤltniß dienet. Eine Urne, deren Form nicht sowohl, als die Verzierungen von artiger Erfindung sind. Sie stel- len Amorinen mit den Attributen der Venus vor. Oben auf dem Deckel schnaͤbeln sich Tauben. Es giebt auch einige Fontainen in diesem Gar- ten, die einen sehr mahlerischen Effekt machen. Wer sich einen Begriff von dem schlechten Ge- schmacke der Paͤbste im Anfange dieses Jahrhunderts machen will, muß einen Blick anf die Statuen werfen, die eine Schmiede des Vulkans dar- stellen sollen, und in der Grotte mit dem Wasser- werke stehen, das eine Orgel treibt. Waͤren diese elen- Pallast Quirinale. elenden Bilder auch wahre Meisterstuͤcke, wie sehr wuͤrde sich der betriegen, der von der Aufstellung stei- nerner Menschen in einer natuͤrlichen Grotte wahre und angenehme Illusion erwartete! In einem vom Pabst Benedict XIV er- baueten Casino finden sich zwei Cabinetter. In dem einen hat Battoni den Plafond ge- mahlt. Das Mittelgemaͤhlde stellet den heiligen Petrus vor, der die Schluͤssel empfaͤngt. Rund herum vier Evangelisten von derselben Hand. Man bewundert darin jene Harmonie des Tons und jene pikante Wuͤrkung abwechselnder Lichter und Schatten, die ohne richtig vertheilt zu seyn das Auge anziehen. Die Koͤpfe haben eine unedle Wahrheit. Der Christ ist ganz fremd bei der Handlung. Man sieht hier zwei Landschaften von Pla- cido Costanzi. In dem Cabinet linker Hand sieht man gleichfalls den heiligen Petrus, der die Schluͤs- sel empfaͤngt, von Agostino Masucci. Die For- men des Christs sind an sich gut, aber die Stellung ist schlecht. Die Koͤpfe der Apostel haben Ausdruck. Faͤrbung und Haltung sind nicht sonderlich. † Zwei schoͤne Aussichten von Pannini, die eine von Monte Cavallo, die andere von Santa Maria Maggiore. N 5 Villa Villa Ludovisi. Hauptgebaͤude. Vorplatz. C laudius. Eine Buͤste voller Ausdruck graͤmlicher Schwaͤche. Ajax oder Agamemnon. Ein Kopf von hocherhobener Arbeit, eingemauert uͤber die Thuͤr des Eingangs. Winkelmann, S. 720. G. d. K. † Apollo eine Statue uͤber Lebensgroͤße. Zu seinen Fuͤßen ein Hirtenstab als Zeichen seines Hirtenstandes. Winkelmann legt dem Kopfe ein Lob bei, das ich nicht ganz als verdient anerkennen kann. Winkelmann, S. 279. seiner Geschichte der Kunst: „Der schoͤnste Kopf des Apollo ist ohne Zweifel der „einer wenig bemerkten sitzenden Statue desselben „uͤber Lebensgroͤße. Es ist derselbe eben so un- „versehrt, als der des Apollo im Belvedere, und „einem stillen Apollo weit gemaͤßer. Diese Sta- „tue ist in Absicht eines dem Apollo beigelegten „Zeichens als die einzige, die bekannt ist, zu be- „merken, und dies ist ein krummer Schaͤferstab an „dem Steine liegend, worauf Apollo sitzet. Es „wird dadurch sein Hirtenstand abgebildet.“ Ein anderer Apollo gleichfalls sitzend. Eine Venus. Ein Aesculap. Ein Antonin der Fromme, nackend, an dem Kopf und Arme aber neu scheinen. In Villa Ludovisi. In dem großen Saale. † Der beruͤhmte Ludovisische Mars. Er Der Ludovi- sische Mars. hat ehemals den Theil einer Gruppe mit der Venus ausgemacht, denn man sieht auf den Schultern das Ueberbleibsel eines Stuͤck Marmors, welches wahr- scheinlich die Hand der Goͤttin gewesen ist. Um seine Beine windet sich ein Amor, an dem Kopf und Arme modern sind; aber auch das Antike ist mit- telmaͤßig. Mars ruhet. Er schlaͤgt sitzend beide Arme uͤber das gebogene Knie. Diese Stellung macht eine schoͤne Academische Figur, obgleich durch die ausge- streckten Arme, die natuͤrlicher Weise die Muskeln des Halses verlaͤngern, dieser Hals beim ersten An- blick von der Junktur der Arme zu weit entfernt scheint. Weder Kopf noch Koͤrper sind bis zum Ideal hoher Schoͤnheit hinaufgehoben. Inzwischen verdienen die fließenden Umrisse und die Weichheit des Fleisches, ohne Nachtheil fuͤr den Begriff von Staͤrke, den wir mit diesem Gotte verbinden, alles Lob. Neu sind: Nase, Hand und Fuß. Mars traͤgt den Charakter der Tapferkeit an sich, Charakter eines Mars. die man von dem Krieger erwartet, der den Befeh- len eines andern gehorchet. Wenn Mercur durch seine Geschmeidigkeit, Hercules durch rohe Staͤrke sich auszeichnen, so verbindet Mars hingegen beide Vorzuͤge in so fern mit einander, als sie zum Streit in der Schlacht nothwendig sind. Er ist Soldat, wo Minerva Feldherr ist; Bild des Muths, der fuͤr sich steht. Ideal eines jugendlichen aber reifen Heldens, Villa Ludovisi. Heldens, eines Kriegers der Mann fuͤr Mann kaͤmpft, und nicht wie ein Theil einer Maschine, in Reih und Glied unbeweglich dem Tode oder dem Siege entgegengeht. Eine andere Statue, gleichfalls als Mars restaurirt. Allein der Kopf gehoͤrt einem jungen Hercules, und dieser Kopf ist, der neu angesetzten Nase ungeachtet, schoͤn. Der Koͤrper stimmt mit dem Kopfe nicht uͤberein. Die Stellung ist unedel, und die Arme die sich kreuzen, bringen eine uͤble Wuͤrkung hervor. Ein Hercules, nach der schwankenden Stel- lung zu urtheilen, trunken. Ein junger Bacchus. Eine Venus, eine Cleopatra, die erste aus der Florentinischen Schule, die andere aus der Schule des Bernini. Zweites Zimmer rechter Hand. Papirius mit der Mutter. Gruppe von Marmor, Papirius mit der Mutter. Ehe ich mich darauf einlasse, eine der Erklaͤrungen anzunehmen, deren man so unzaͤhlige uͤber diese Gruppe giebt, — der eben angezeigte Nahme ist nur ein Wiedererkennungszeichen — frage ist zu- erst: Was ist neu, was ist alt an dieser Statue? Unstreitig neu sind beide Arme der Mutter, der eine Arm des jungen Mannes, und die eine Haͤlfte seines rechten Fußes. Aeußerst zweifelhaft wird mir uͤber- her: ob die Maske des Kopfes der Mutter alt sey? Denn 1) hat diese Maske keinen wahren antiken Cha- Villa Ludovisi. Charakter, 2) koͤmmt der Marmor des Vorder- theils des Kopfs mit dem Marmor des Hintertheils und der uͤbrigen Figur, so viel man bei der aͤußern Politur urtheilen kann, nicht uͤberein. 3) Sieht man deutlich die Fugen der Ansetzung. Wenn man nun diese Maske der Mutter, diese Arme der Mut- ter und des Sohns absondert, so bleibt eine weibliche Figur groͤßer als die maͤnnliche, die sie mit der noch alten Hand umarmt. Wahrscheinlich duͤrften diese Umstaͤnde das Interesse einer juͤngern Mannsperson an ein aͤlteres Frauenzimmer anzeigen. Auf dem Gesichte des jungen Mannes, welches unstreitig antik ist, sieht man unverkennbar einen traurigen Zug, der mit Zaͤrtlichkeit vermischt scheint. Ich folgere da- her mit ziemlicher Gewißheit, daß dieses nicht das Verhaͤltniß zweier Liebenden andeute, sondern daß der Ausdruck bruͤderlicher oder kindlicher Zaͤrtlichkeit die Absicht des Kuͤnstlers gewesen sey. Und daher finde ich die Erklaͤrung Winkelmanns, daß dies Werk den Orest und die Elektra vorstelle, nicht un- passend, jedoch nicht ausschließend. Denn diese Gruppe kann eben so wohl ihre Erklaͤrung aus jedem andern Sujet der Mythologie finden, wobei kindliche oder bruͤderliche Liebe zum Grunde liegt. Z. E. Merope und ihr Sohn. Iphigenia und Orestes ꝛc. Die Formen des jungen Mannes sind sehr schoͤn; die Drapperie der Frau ist vortrefflich; ob diese aber einen nicht ganz griechischen Charakter an sich trage, moͤgen andere entscheiden, welche die Gewaͤnder roͤmischer Villa Ludovisi. roͤmischer und griechischer Weiber besser als ich von einander zu unterscheiden wissen. Die griechische Innschrift zeiget, daß diese Gruppe vom Menelaus, des Stephanus Schuͤler, gearbei- tet worden. Winkelmann verwirft S. 804. s. G. d. K. mit Recht die gewoͤhnliche Erklaͤrung von der Mutter des Papirius mit ihrem Sohne, und seine eigene fruͤher gewagte, die aus der Geschichte der Phaͤdra und des Hippolytus hergenommen ist. Hippoly- tus verwarf den Antrag der Phaͤdra mit Abscheu, und diesen deutet der geruͤhrte Antheil in den Mi- nen, der um die Mutter geschlungene Arm, nicht an. Ob die kurzen abgeschnittenen Haare schlecht- hin auf eine Elektra und einen Orestes weisen muͤs- sen, getraue ich mir nicht zu entscheiden. Unge- woͤhnlich sind freilich die abgeschnittenen Haare bei weiblichen Figuren des Alterthums, und in der unsrigen mit dem Sandrart eine maͤnnliche wie- der zu erkennen — er haͤlt sie fuͤr den Aurelius und Lucius Verus, so wie Perrier schlechtweg fuͤr Bruͤder die sich umarmen — verhindert der bloße Anblick. Arria und Paͤtus. Arria und Paͤtus. Unter diesem offenbar falschen Nahmen geht die Gruppe eines Mannes, der sich mit einer Hand ersticht, und mit der andern eine Frauensperson haͤlt, die erstochen vor ihm kraft- los niedersinkt. Auf der Erde liegt ein Schild, und eine Degenscheide. Das Villa Ludovisi. Das sehen wir jetzt, das begreifen wir. Ueber eine andere Erklaͤrung lasse ich mich auch nicht einst bis zur Muthmaaßung ein. Denn diese Gruppe ist offenbar zusammengesetzt und restaurirt. Die Gruͤnde, woraus ich dieses schließe, in der Note. Unsere Gruppe muß stark ergaͤnzt und zusammen- gesetzt seyn, dies zeigt die Verschiedenheit des Stils in beiden Figuren, dies zeigt die erstaunliche Un- gleichheit des Werths zwischen dem Koͤrper der maͤnnlichen Figur, der mit so vieler Sorgfalt und Weichheit behandelt ist, und dem Koͤrper der weib- lichen, an dem die Ausfuͤhrung hart und vernach- laͤßiget ist. Der Kopf der maͤnnlichen Figur stimmt so wenig mit dem Koͤrper uͤberein, daß ich darauf schwoͤren wollte, er sey aufgesetzt, ob ich mich gleich demselben nicht bis zur genauern Untersuchuug habe naͤhern koͤnnen. Der Arm mit dem Schwerdte ist ganz neu, und kann theils in Ruͤcksicht seiner eigenen gezwungenen Lage, theils in Ruͤcksicht auf die Stellung des ganzen Koͤrpers, die der Handlung so wie wir sie jetzt sehen, ganz zuwider scheint, unmoͤglich der antiken, und ver- loren gegangenen Lage, aͤhnlich gewesen seyn. Winkelmann glaubt in dieser Gruppe den Tra- banten des tyrrhenischen Koͤnigs Aeolus zu sehen, „welchen dieser an seine Tochter absendete mit ei- „nem Degen, womit sich dieselbe entleiben sollte, „nachdem gedachter ihr Vater ihre Blutschande „mit ihrem Bruder erfahren hatte.“ Winkelmann gestehet, daß wir den fernern Ausgang der Ge- schichte nicht wissen, aber er findet es gar nicht unwahrscheinlich, „daß der Trabant, welcher ohne „Un- Daß Villa Ludovisi. Daß diese Gruppe mir zu einem neuen Beweise diene, wie die Kenntniß der bestimmten Veranlas- sung einer Handlung das Vergnuͤgen zwar erhoͤhe, aber nicht allein ausmache. Wir wissen nichts von den Schicksalen dieser beiden Ungluͤcklichen, aber wer setzt sich nicht selbst ihre Geschichte zusammen, und erklaͤrt daraus den Ausdruck? Es ist ein eifersuͤch- tiger Gemahl, der seine Gattin seiner Wuth geopfert hat, und sich nun selbst die verdiente Strafe giebt: Es sind zwei Liebende, die das grausame Verhaͤng- niß, das sie zu trennen drohet, nicht haben uͤberleben wollen. Kurz! es sind zwei Personen, die mit ein- ander sterben, von denen die eine den letzten Stoß bereits empfangen hat, die andere ihn sich giebt. Ist dieser Ausdruck wahr, so ist er interessant ge- nung an sich selbst, ohne daß wir die zufaͤlligen Ne- benumstaͤnde, die diese Begebenheit bestimmten Per- sonen an einem bestimmten Orte und zu bestimmten Zeiten beilegen, zu wissen brauchen. Wer ist uͤber diese Welt mit einem Herzen hingegangen, das nicht in der Heftigkeit einer gestoͤrten Leidenschaft nur im Tode Vereinigung mit einem andern gewuͤnscht haͤtte! Doch! so viel bei einem Werke in Stein zu fuͤhlen verlange ich nicht. Wie ist die Stellung? Bringt sie die Muskeln in eine vortheilhafte Lage? Das „Unterricht der Absicht seiner Absendung, den De- „gen mit betruͤbtem Gesichte uͤberbrachte, sich den- „selben in die Brust gestoßen habe, da er gesehen, „daß sich Camache mit demselben entleibte.“ Win- kelmann, G. d. K. S. 801. — Welch ein Edel- muth fuͤr einen Trabanten mit dem Knebelbarte! Villa Ludovisi. Das ist die erste Frage, nach der ich ein Suͤjet, das den Meißel beschaͤfftiget, pruͤfe; und ich kann mir in dem gegenwaͤrtigen Falle antworten: sie ist vor- theilhaft. Die Spannung der Muskeln, und das Stre- cken der Glieder in der maͤnnlichen Figur die sich er- sticht, contrastirt sehr gut mit der zusammensinken- den schlaffen Stellung der weiblichen, die schon er- stochen ist. Diese Stellung der weiblichen Figur ist in dem Werke dem Gedanken nach gut angegeben, uͤbrigens aber ist sie kaum aus dem groben gehauen und voller Incorrektionen in der Zeichnung. Beide Arme sind neu. An der maͤnnlichen ist außer dem Gedanken auch die Ausfuͤhrung sehr schoͤn; die Stellung in dem was alt ist, vortrefflich, der Umriß fließend, das Muskelnspiel bestimmt, und dennoch weich. Aber der Arm, mit dem sie sich ersticht ist von die- sem Lobe auszunehmen: Seine Lage ist gezwungen: Der Ort, an dem er sich die Wunde beibringt, un- natuͤrlich. Er stoͤßt das Schwerdt in die Junktur des Halses und der Brust, und noch dazu auf der rechten Seite. Ich halte ihn fuͤr neu, so wie den rechten Fuß. Ob der Kopf neu oder aufgesetzt sey, vermag ich nicht zu beurtheilen. So viel ist gewiß, der Stil in diesem Kopfe ist von dem in dem Koͤrper verschieden: Er traͤgt einen Knebelbart und ist uͤber- haupt von niedriger Natur. Die Geschichte des Paͤtus und der Arria ist be- kannt. In der Erwartung eines schimpflichen To- Zweiter Theil. O des Villa Ludovisi. des mit dem der Kaiser Claudius ihren Gemahl be- drohete, stieß sich Arria den Dolch in die Brust, und uͤberreichte ihn ihrem Gemahl mit den auffor- dernden Worten: Es schmerzet nicht. Welcher sichtbare Zeitpunkt aus dieser Begeben- heit ist wohl fuͤr die bildenden Kuͤnste der geschickteste? Unstreitig der, wo sich Arria bereits entleibt hat, und, — nicht wo sie ihm den Dolch mit den Wor- ten darreicht: es schmerzet nicht; sondern wo sie mit dem letzten Ausdruck zaͤrtlicher Empfindung auf den Paͤtus blickt, der sich nun auch ersticht. Hier ist der Augenblick, der den unzweideutigsten und reich- haltigsten Ausdruck liefert: Auch den wahrscheinlich- sten. Denn die Seelengroͤße, die das Sprechen der Worte begleiten muß, wird in den bildenden Kuͤnsten zur Unempfindlichkeit, und der erschrockene Mann zu ihrer Seite bei jeder Auslegung ein Feig- herziger. Fuͤr die Mahlerei wuͤrde der Augenblick, wo Arria in den Armen des Paͤtus liegend den Dolch in ihre Brust stoͤßt, gleichfalls einen interessanten Aus- druck liefern. West hat beiden den Augenblick der Ueberrei- chung des Dolchs vorgezogen. Ich kenne sein Bild nur aus dem Kupfer. Nach diesem zu urtheilen, ist die Mine der Arria unbedeutend, des Paͤtus, Carricatur erschrockener Schwaͤche. † Proserpinens Raub von Bernini. Wahrheit darf man in den Werken dieses Meisters nicht suchen. Die Figuren scheinen von Wachs, der Aus- Villa Ludovisi. Ausdruck ist uͤbertrieben. Aber die vortreffliche Behandlung des Marmors verdient unsere Auf- merksamkeit. In dem Zimmer linker Hand. Ein Mercur. Winkelmann Gesch. d. K. Vorrede, S. XII. sagt, die Rolle, die ihm in die Hand gegeben waͤre, sey neu. Er irrte sich, sie ist alt, scheint aber keine Rolle, sondern der Zipfel des zusammen genommenen Gewandes zu seyn. Bacchus. Eine schoͤne bekleidete weibliche Figur uͤber Lebensgroͤße, an der aber Kopf, Arme und Haͤnde neu und schlecht ergaͤnzt sind. Ueber dieser Statue haͤngt eine große Maske von Porphyr, im Profil, welche einen Bacchus vorzustellen scheint. In dem Casino des Gartens. In diesem Casino trifft man mehr Mahlereien Bemerkun- gen uͤber den Stil des Guercino. von Guercino an, als an irgend einem andern Orte in Rom. Giovanni Francesco Barbieri ward 1590 zu Cento bei Bologna gebohren, und weil er schielte, nannte man ihn il Guercino da Cento. Er starb 1666. Er lernte in der Schule der Carracci: die Ma- nier des M. Angelo Carravaggio war ihm fruͤh be- kannt; aber er ward mehr Schuͤler der Natur als irgend eines Meisters. O 2 Inzwi- Villa Ludovisi. Inzwischen er sahe diese Natur durch eine ihm allein eigene Netzhaut des Auges, (wenn ich so sagen darf,) die sich in Absicht der Farbe dreimal veraͤn- derte. Das heißt: man kennt ihm drei verschiedene Manieren: Die schwarze, die rothe, und die helle; oft ertappt man ihn auch auf den Uebergaͤngen von der einen zur andern. Seine Zusammensetzung, in Ruͤcksicht auf dich- terische und mahlerische Vorzuͤge, ist sich zu ungleich, als daß man ihm ein wesentliches Verdienst darunter beilegen koͤnnte. Ich habe im Pallast Colonna ein Gemaͤhlde vom ihn angefuͤhrt, das die erhabensten Empfindungen verraͤth. Allein dies ist eine Aus- nahme. Dasselbe Urtheil mag auch von der Art gelten, wie er seine Figuren stellte. Im Ganzen verdienet er nicht als Compositeur zum Muster auf- gestellt zu werden. Sein Ausdruck ist oft wahr, oft geziert, oft unbedeutend. Man kann ihn selten eines unedlen wegen tadeln, aber auch eben so selten eines edlen wegen loben. Laͤndliche Naivetaͤt, die zuweilen baͤurische Einfalt streifte, sproͤder Ernst, wie man ihn wohl bei bloͤden Landmaͤdchen antrifft, sind die Cha- raktere seiner Weiber. Seine maͤnnlichen jugendlichen Figuren sind Genossen der vorigen, Contadini, ehr- liche Bauerkerls, nur daß sie statt des flinken raschen Ausdrucks, den der niederlaͤndische in den Gemaͤhlden dieser Schule hat, gemeiniglich einen weinerlichen Zug auf dem Gesichte tragen, der auf den Druck, unter dem die paͤbstlichen Bauern leben, schließen laͤßt. Die Alten haben einen unvergleichlichen Charakter von Guther- Villa Ludovisi. Gutherzigkeit in allen Gemaͤhlden dieses Meisters. Große Verschiedenheit brachte er nicht in seine Koͤpfe; er scheint fuͤr jedes Alter und Geschlecht ein oder zwei Modelle gehabt zu haben. Die Formen der Koͤrper nahm er daher, wo er die Koͤpfe nahm, jedoch mit Wahl. Die Weiber sind schlanke Bologneser Bau- erdirnen, stark an Knochen und Muskeln, und wohl- behalten an Fleisch. So auch die Maͤnner. Seine Zeichnung ist schwerfaͤllig, aber gemeiniglich ohne auffallende Unrichtigkeiten. Sein Colorit ohne je- mals ganz wahr zu seyn, ist oft sehr angenehm, vor- zuͤglich in den helleren Stuͤcken, in denen er dem Guido gleich zu kommen trachtete. In den uͤbrigen aber wird man unnatuͤrliche schwarze oder rothbraune Schatten, violette Mitteltinten, und grellgelbe Lich- ter finden. Seine Frescogemaͤhlde sind voller Staͤr- ke, aber von conventioneller Farbe, zu gelb im Hel- len, zu schwarz im Dunkeln. Guercino bezaubert uns vorzuͤglich durch die Ruͤndung, die er seinen Figuren zu geben wußte. Sie treten stark hervor. Auch vertheilte er zuweilen das Licht mit Weisheit, aber oft beleidiget die Zer- streuung, das Schneidende desselben die Augen. Naͤchst dem Guido hat vielleicht niemand unter den Italienern den Pinsel so sehr in seiner Gewalt ge- habt, als Guercino. Seine Behandlung ist vor- trefflich. Mit einem Nichts wußte er seinen Extre- mitaͤten taͤuschende Wahrheit zu geben. Er hat hohle Haͤnde gemahlt, in die man greifen moͤchte. So viel vermag die weise Besorgung des Details ohne Nachtheil fuͤr das Ganze! O 3 Unser Villa Ludovisi. Unser Kuͤnstler verleugnet sich nie unter allen den abwechselnden Gestalten, in denen er sich zeigt. Denn diese Abwechselung war nicht der objektivischen Verschiedenheit zuzuschreiben, nach welcher sich die Gegenstaͤnde in der Natur, je nachdem sie unter an- dern Verhaͤltnissen, zu andern Zwecken wahrgenom- men werden, wuͤrklich verschieden zeigen; sondern der subjektivischen, nach welcher der Kuͤnstler die Gegenstaͤnde auf seinem Gemaͤhlde anders wollte er- scheinen lassen, um eine andere Art von mahlerischer Wuͤrkung hervorzubringen. Er verbesserte nur die Manier nicht die Kunst der Nachahmung nach den Regeln der Treue, und der individuellen Wahrheit. Er hatte also immer nur Manier, aber man muß es gestehen, er hatte sie mit einem Scheine von Wahr- heit, der uͤber die Abweichung von der Natur in dem Gemaͤhlde verblendet, oder wohl gar uns verleitet die Gegenstaͤnde in der Natur fernerhin mit dem Zu- fatze zu sehen, den wir aus dem Gemaͤhlde entlehnt haben. Man koͤnnte den Guercino einen verbesser- ten M. Angelo Carravaggio nennen. Weniger nie- drig in der Wahl der Suͤjets und der Formen, war er zugleich wahrer in den Theilen, die zu ihrer Dar- stellung gehoͤren: allein er waͤhlte so wie dieser nur aus der Natur um ihn herum, kleidete so wie dieser seine Figuren aus der Troͤdelbude, und setzte endlich so wie dieser den Haupteindruck, den er von seinen Gemaͤhlden erwartete, in den Zauber der Ruͤn- dung. Nun zur Beschreibung seiner Mahlereien in diesem Casino. Unteres Villa Ludovisi. Unteres Zimmer. † Das Gemaͤhlde in der Mitte des Pla- Mahlereien des Guerci- no. fonds stellet die Aurora vor, die dem Bette des Tithon entflohen, in ihrem Wagen daher faͤhrt, und Blumen auf die Erde streuet. Die Horen gehen vor ihr her, und vertreiben die Gestirne. Die Anordnung dieses Gemaͤhldes ist schoͤn, auch bewundert man mit Recht den kraͤfti- gen Pinsel, den schoͤnen Auftrag der Farben, die Leichtigkeit der Ausfuͤhrung und die pikante Wuͤr- kung der Ruͤndung; den Hauptvorzug in den Ge- maͤhlden dieses Meisters. Allein was Farbe und Zeichnung anbetrifft, so ist in beiden nur ein Schein von Wahrheit vorhanden, der eine genauere Pruͤ- fung nicht aushaͤlt. Der Tithon hat keinen edlen Ausdruck. Linker Hand sieht man den anbrechenden Tag unter der Figur eines gefluͤgelten Juͤng- lings mit brennender Fackel. Diese Figur tritt erstaunlich vor, ist mit vieler Wahrheit, und unbe- greiflicher Leichtigkeit gemahlt. Rechter Hand ist die Nacht unter der Fi- gur eines Frauenzimmers vorgestellet, das beim Lesen eingeschlafen ist. Sie sitzet in den Truͤmmern eines Gebaͤudes, die durch eine Lampe erhellet werden. Eine Eule guckt aus ihrem Loche hervor, und eine Fledermaus fliegt umher. Zu den beiden Seiten der Nacht schlafen zwei Knaben. Der Gedanke ist fein, die Abwechselung des Lichts und Schattens thut wie gewoͤhnlich viele Wuͤrkung; aber die Figuren sind aͤußerst unedel. O 4 Ueber Villa Ludovisi. Ueber der Thuͤre eine allerliebste Gruppe von Amorinen, die Voͤgel fangen. An Buͤsten findet man in diesem Saale: Eine Matidia, Winkelmann, G. d. K. S. 431. fuͤhrt sie an, we- gen der Loͤcher in den Ohren, die zu Ohrgehaͤngen bestimmt gewesen zu seyn scheinen. einen Septimius Severus, und einen Hercules. In einem Zimmer darneben stehet † ein colossalischer Kopf des Marcus Aurelius von Bronze mit einem Gewande von Por- phyr. Winkelmann redet davon G. d. K. S. 542. und Hr. Volkmann, der alles verwechselt, nennet ihn Hist. Kr. Nachrichten, S. 275. Edit. 1777. eine Statue von Porphyr mit einem Kopfe von Bronze. Beim Heraufgehen zu einem obern Zim- mer, trifft man auf der Treppe einen guten Kopf der Juno an. Im zweiten Geschoß. Ein Saal mit einem Plafond von Guer- cino. Es stellet eine fliegende Fama vor, die in die Trompete stoͤßt. Ein Genius, der einen Lorbeerkranz und eine Krone von Gold haͤlt, zeigt sie dem Apollo und der Bellona, die sich umarmt halten. Ein Phoͤnix fliegt vor der Fama voraus zur Sonne. Wahrscheinlich ein Villa Ludovisi. ein allegorisches Bild des Ruhms ohne Gleichen, den sich die Besitzer dieser Villa durch ihre Tugenden in Krieg und Frieden erworben haben. Ich ziehe die- ses Gemaͤhlde denen im untern Saale weit vor. Die Zeichnung ist edler, die Faͤrbung wahrer. Vorzuͤglich schoͤn ist der Kopf der Bellona, der Koͤr- per des Genius, der Arm der Fama, mit dem sie die Trompete faßt. Das Hauptverdienst dieses Werks, so wie der uͤbrigen dieses Meisters, bleibt aber immer die Wuͤrkung der Abwechselung in Licht und Schatten; die Ruͤndung; die vortreffliche Be- handlung; jene kecken breiten Pinselstriche; jener kraͤftige Farbenauftrag, durch den dieses Gemaͤhlde al Fresco die Waͤrme eines Oehlgemaͤhldes erhaͤlt. Bei so vielen Vorzuͤgen kann man immerhin Nach- sicht mit einigen Unrichtigkeiten haben, die man in diesem Gemaͤhlde antrift. So scheint z. E. der Koͤrper der Fama in der Mitte abgebrochen, und das eine Bein des Genius ist ganz verzeichnet. Unter den Buͤsten in diesem Zimmer: Antonin der Fromme. Hadrian. In einem dritten Casino dieses Gartens. Die Bibliothek. Worin noch einige Bild- hauerwerke stehen. Man sieht sie nur mit beson- derer Erlaubniß des Prinzen. † Ein colossalischer Kopf der Juno. Er Colossali- scher Kopf der Juno. stand ehemals am Eingange der Villa. Er wird mit Recht fuͤr den schoͤnsten Kopf dieser Goͤttin in O 5 Rom, Villa Ludovisi. Rom, und fuͤr einen der schoͤnsten des Alterthums gehalten. Winkelm. G. d. K. S. 302. Er hat den Charakter ernster majestaͤ- tischer Schoͤnheit, der dieser Goͤttin eigen ist. Ein anderer kleiner Kopf derselben Goͤt- tin, der nach derselben Idee gearbeitet zu seyn scheinet. Eine etwas schluͤpferige Gruppe eines Pans mit einem Faune. Mehrere Basreliefs in die Wand ge- mauert. Im Garten. Die zahlreichen Statuͤen im Garten sind vom Wetter stark beschaͤdigt. Merkwuͤrdig haben mir geschienen: Ein Jaͤger im Begriff ein wildes Schwein mit der Lanze zu durchbohren. Dieser Jaͤger hat viele Aehnlichkeit mit dem sogenannten Amphion der Gruppe der Niobe zu Florenz. Mehrere Fechter, und drappirte weib- liche Figuren. Eine Consular-Statue, in derselben Stel- lung, als der vermeintliche Marius in der Villa Negroni. Winkelm. G. d. K. S. 781. Eine colossalische Juno voller Majestaͤt. Zwei gefangene Koͤnige, mit mordernen Beinen. Ein mittelmaͤßiges antikes Grabmahl, auf einem hohen Gestell worunter ein Satyr steht, welcher Villa Ludovisi. welcher der schlechten Ausfuͤhrung ohngeachtet fuͤr das Werk des Michael Angelo ausgegeben wird. Ein Silen auf einem Schlauche liegend, in colossalischer Groͤße. An der Basis worauf er ruhet, eine Schlacht en Basrelief, woraus Raphael Einiges zu seiner Schlacht Constantins des Großen genommen zu haben scheint. Hr. Dr. Volkmanns historisch kritische Nachrich- ten uͤber diese Villa sind wieder voller Unrichtigkei- ten. Winkelmann redet S. 421. G. d. K. von einer Pallas uͤber Lebensgroͤße, welche Schuhe von Korkholz mit Leder uͤberzogen trage, von Antio- chus aus Athen verfertiget. Ich habe sie eben so wenig finden koͤnnen, als jene sitzende senatorische Statue von der Hand des Zeno, Sohn des Attis aus Aphrodisium, dessen Nahme auf dem Zipfel stehen soll. Eben dieser Schriftsteller erwaͤhnet ihrer S. 826. s. G. d. K. In der Vorrede zur G. d. K. gedenkt er eines Hercules mit dem Horn des Ueberflusses. Es kann seyn, daß diese Sta- tue unter den vielen kleineren Figuren in dieser Villa, die in Ruͤcksicht auf schoͤne Kunst wenig Aufmerk- samkeit verdienen, meiner Nachsuchung entgan- gen ist. Pallast Pallast Boccapaduli. Die Sacra- mente von Nicolas Poussin. D ie Sammlung von Gemaͤhlden in diesem Pal- laste verdient allein unsere Aufmerksamkeit durch die Sacramente des Nicolas Poussin, die darin befindlich sind. Bemerkun- gen uͤber die- sen Meister. Nicolas Poussin, ein Franzose, in der Nor- mandie gebohren, lebte von 1594 — 1665. Poussin ist der Mahler des Litterators. Wer auch keine Empfindung fuͤr das Schoͤne hat, findet dennoch in feinen Werken Genuß. Man kann dar- uͤber raisonniren, dreist seinen Witz spannen, man- nigfaltige und feine Bedeutung herauszusuchen, so leicht laͤuft man nicht Gefahr, mehr herauszufinden, als der Zusammensetzer hinein gelegt zu haben sich eingebildet haben mag. Poussin ward zu einer Zeit gebohren, als die Vorzuͤge seiner Vorgaͤnger und die Fehler seiner Zeit- genossen ihn in den Stand setzten, seine Kunst auf Grundsaͤtze zu bringen. Die Critik ward seine Kruͤcke. Alles was Nachdenken, Ueberlegung, Studium zu- sammen tragen koͤnnen, hat er geliefert, obwohl mit dem Gepraͤge, daß er nicht umsonst gelehrt gewesen sey. Er hatte selbst den Witz der Empfindung: die Gedanken zu vielen seiner Gemaͤhlde erwecken hohe Gefuͤhle, jedoch, fuͤrcht’ ich, oft mehr bei dem Zu- hoͤrer, als bei dem Beschauer. Dieser wird aus den Fehlern wider dichterische Wahrscheinlichkeit, wider das Schickliche, wider mahlerische Wuͤrkung gewahr Pallast Boccapaduli. gewahr werden, daß es ihm an der Einbildungskraft fehlte, die eine sichtbare Begebenheit wie eine Er- scheinung faßt, an dem Gefuͤhle, welches das We- sentliche von dem Unwesentlichen ausscheidet, endlich an den mechanischen Talenten der Hand, die den Ge- danken der Seele ohne merklichen Abfall auf das Tuch hinzaubern. Ich erinnere hier wieder, daß ich bei dem Urtheil uͤber den Stil eines Kuͤnstlers nicht auf einzelne Ausnahmen, sondern auf die Fehler und die Vor- zuͤge Ruͤcksicht nehme, die man gewoͤhnlich in sei- nen Werken findet. Poussin erzaͤhlte die Begebenheiten, die er aus der Geschichte oder Fabel waͤhlte, mit allen begleiten- den Umstaͤnden. Waͤre er ein Geschichtschreiber ge- worden, so ist zu glauben, daß er mit eben so viel Witz als Voltaire, den Vorzug einer groͤßeren histo- rischen Treue uͤber ihn gehabt haben wuͤrde. Einige Kunstrichter koͤnnen unsern Kuͤnstler we- Pruͤfung der Verdienste des Poussins um das Ueb- liche. gen der Sorgfalt, mit der er das Uebliche beobach- tete, nicht genung loben. Andere hingegen werfen ihm vor, daß er so viel Muͤhe darauf gewandt habe, die Scene zu bezeichnen, daß der Ausdruck der Handlung, die darauf vorgieng, daruͤber verlohren gehen muͤssen. In diesem Verstande gilt das Wort, das ich mich erinnere irgendwo beim Mengs gelesen zu haben: „Zu einem Gemaͤhlde, an welches die vorzuͤglichsten Mahler neuerer Zeit Hand anlegen wuͤrden, duͤrfte Poussin nur den Grund angeben.“ Mich Pallast Boccapaduli. Mich duͤnkt ich irre mich nicht, wenn ich be- haupte, daß die mehresten Schriftsteller, welche bis jetzt uͤber das Uebliche geschrieben haben, den Begriff desselben so wenig als den Grad des Verdienstes, den dessen Beobachtung fuͤr unser Vergnuͤgen hat, genau bestimmt haben. Die Eroͤrterung der Fragen: Was ist das Uebliche? Ist es mit der Wahrschein- lichkeit, mit dem Schicklichen, mit historischer Treue einerlei? Hat der Beobachter desselben wuͤrklich An- spruch auf unsere Dankbarkeit? In wie weit duͤrfen Fehler dagegen auf unsere Nachsicht Anspruch ma- chen? Kann eine gar zu große Sorgfalt in Bezeich- nung zufaͤlliger Bestimmungen unser Vergnuͤgen eher schmaͤhlern als befoͤrdern? Diese Eroͤrterung, glaube ich, kann nicht außer dem Zwecke dieses Werks lie- gen, und steht hier am rechten Orte. Lassen Sie uns nie vergessen, daß der einzige Weg, den die bildenden Kuͤnste haben, uns von der Absicht und der Meinung einer Composition zu unterrichten, das Auge ist: daß dieß allein eine voll- staͤndige Verstaͤndigung von dem dargestellten Vor- wurf geben muß. Gewisse Vorerkenntnisse werden bei dem Beschauer unstreitig vorausgesetzt: Allein diese muͤssen so allgemein ausgebreitet seyn, daß es eines besondern Unterrichts bei dem einzelnen Kunst- werke nicht bedarf, sondern daß die Faͤhigkeiten und Kenntnisse eines jeden, der auf den Genuß der schoͤ- nen Kuͤnste berechtiget ist, zu der Vollstaͤndigkeit des Begriffs der Darstellung zureichen. Es giebt viele Vorwuͤrfe der Darstellung, welche vollstaͤndig zu erkennen, es schlechterdings nur einer Auf- Pallast Boccapaduli. Aufmerksamkeit auf die Vorfaͤlle im menschlichen Le- ben bedarf, von denen jeder Mensch, entweder durch eigene Erfahrung oder durch die fuͤr eigene Erfahrung geltende Erzaͤhlung der Augenzeugen, waͤhrend der Zeit in der er uͤber diesen Erdboden hinwandelt, eine Vorstellung erhaͤlt: Vorwuͤrfe, die in der Natur zu allen Zeiten wieder kommen, weil sie ihren Grund in der unveraͤnderlichen Wuͤrkungskraft der Leiden- schaften, oder der Natur haben: mithin Vorwuͤrfe, die aus allen Zeiten, von allen Orten her entlehnt, jeder Menschenart beigelegt werden koͤnnen. Ob es Venus, Cleopatra, oder das Maͤdchen meiner Vaterstadt ist, deren Lilienarm den braͤunli- chen Nacken eines Mars, eines Caͤsars, oder eines modernen Kriegers umschlingt, was kuͤmmert mich das? Genung zu meinem Vergnuͤgen, genung zu meiner Verstaͤndigung, daß der Vorfall mir aus der alltaͤglichen Erfahrung bekannt ist, daß im Spiel der Minen und in Stellung der Ausdruck natuͤrli- cher, der ganzen Menschheit und jedem Geschlecht insbesondere gemeinen Empfindungen liegt. Das Auge eines jeden, sage ich mit einem erborgten Aus- druck: Das Auge eines jeden macht hier die Exposi- tion, das Herz die Erzaͤhlung. Wenn wir den Hauptgrund der aͤsthetischen Wuͤrkung einer Darstellung untersuchen, deren Vor- wurf aus der Geschichte oder aus der Fabel ent- lehnt ist, so werden wir finden, daß ohne jenen Ausdruck allgemein bekannter Empfindungen, sogar die Bezeichnung eines bestimmten Falls weder ver- staͤndlich, noch sehr interessant ist. Die Situation die Pallast Boccapaduli. die wir bekannten Personen beilegen, in einen be- stimmten Zeitraum, in ein gewisses Land versetzen, muß auch alsdann unserer Aufmerksamkeit werth seyn, wenn wir ohne weitere Vorbereitung in dem Augenblicke, den die Darstellung gewaͤhlt hat, zu deren Anblick hinzutraͤten: keine der dabei interessirten Personen kennten, nichts von ihren Lebensumstaͤnden wuͤßten, als daß sie Menschen sind, wie Menschen, die wir aus eigener Erfahrung kennen, handeln und empfinden. Ein Caͤsar der durchs Meer schwim- mend wichtige Papiere mit einer Hand in die Hoͤhe haͤlt, wird uns im Gemaͤhlde weniger verstaͤndlich seyn, weniger interessiren, als der Landmann in einer Landschaft des Domenichino, der sein furchtsames Maͤdchen durchs Wasser traͤgt. Inzwischen giebt es mehrere Faͤlle, in denen mein Vergnuͤgen auf keine gleichguͤltige Art dadurch erhoͤhet wird, daß ich die Personen, welche einen Ausdruck zeigen, der jedem, auch gar nicht unter- richteten Menschen verstaͤndlich und interessant ist, bestimmt wieder erkenne; daß ich mir sogleich ins Gedaͤchtniß rufe, wo sie gehandelt, zu welcher Zeit sie gelebt haben, die Begebenheiten, die der gegen- waͤrtigen vorausgegangen, und diejenigen, die ihr nachgefolgt sind. Ich finde naͤmlich bei allen Begebenheiten, die der Seltenheit wegen, mit der sie sich im Leben zu- tragen, aus der Reihe gewoͤhnlicher Vorfaͤlle heraus- treten, meine Neugierde gespannt, die naͤheren Um- staͤnde, unter denen sie sich zugetragen haben, zu er- fahren. Ein Mord, zum Beispiel, traͤgt sich wahr- scheinlich Pallast Boccapaduli. scheinlich waͤhrend der Lebenszeit eines jeden Menschen zu: Dieser ist entweder Augenzeuge desselben, oder er erhaͤlt doch von seinen Zeitgenossen eine so vollstaͤn- dige Erkenntniß von dem Eigenen und Besonderen in Minen und Stellungen der dabei interessirten Personen, daß er die Darstellung desselben bei dem ersten Anblick wird erkennen koͤnnen. Allein die Seltenheit des Auftritts macht ihn begierig die Ver- anlassung, die Folgen, sogar die Nahmen der Ak- teurs zu wissen, und die Versagung dieses Wunsches ist fuͤr ihn wuͤrkliche Schmaͤhlerung seines Ver- gnuͤgens. Ausserdem wird der Antheil, den ich an einer an sich interessanten Situation nehme, dadurch erhoͤhet, daß ich solche Personen in dieselbe versetzt sehe, die vorhero schon einen Anspruch auf meine Aufmerksam- keit hatten. Ja! mit dem Anblick ihrer gegenwaͤr- tigen Lage erinnere ich mich aller Vorfaͤlle ihres Le- bens die vorher und nachgegangen sind. Das Interesse an denen im Bilde dargestellten Personen dehnt sich durch die Erinnerung auf alle die verwandten Kuͤnste aus, die sich mit Darstellung ihrer Begebenheiten beschaͤfftiget haben. Ich sehe nicht den Aeneas von der Dido fliehen, ohne an das vierte Buch der Aeneide, nicht den sterbenden Ger- manicus, ohne an die Rede desselben beim Tacitus zu denken. Diese Verstaͤrkung des Vergnuͤgens durch die Vermaͤhlung der Ideen, scheint es dem Kuͤnstler zum Gesetz gemacht zu haben, beinahe immer bestimmten Personen aus der Fabel und Ge- schichte, einen an sich verstaͤndlichen Ausdruck allge- mein bekannter Empfindungen beizulegen. Zweiter Theil. P Die Pallast Boccapaduli. Die bildenden Kuͤnste haben nun kein anderes Mittel den Zuschauer von dem Besonderen und Ei- genen der Zeit in der, des Orts, an dem sich die Begebenheit zugetragen hat, der Personen, die da- bei interessirt gewesen sind, zu unterrichten, als daß sie die Verschiedenheit der Gebraͤuche, der Moden, des Geschmacks in Kleidung und Gebaͤuden, die ei- genthuͤmlichen Produkte eines jeden Landes andeuten, und zuweilen sogar ihre Zuflucht zu Sinnbildern neh- men. Diese zufaͤlligen Unterscheidungszeichen einer Begebenheit von andern, diese Andeutung des Moͤg- lichen bei dem Wuͤrklichen, setzt eine Kenntniß von Zeiten und Laͤndern zum Voraus, die sich weiter als der Kreis unserer taͤglichen Erfahrungen erstreckt. Hier aber bitte ich vorzuͤglich zu erwaͤgen, auf welche Kenntnisse der Kuͤnstler bei seinen Beschauern rechnen darf. Er arbeitet nicht fuͤr eine bestimmte Classe von Menschen, etwa fuͤr Gelehrte, fuͤr Ge- schichtsforscher; nein! er arbeitet fuͤr wohlerzogene Menschen uͤberhaupt, die durch Wohlstand und Muße auf den Genuß gesellschaftlicher Talente berechtiget sind. Um zu erfahren, welche Kenntnisse diesen ge- laͤufig sind, darf er nur auf die Art Ruͤcksicht nehmen, wie sie dieselben einsammeln, auf den Zweck, zu dem sie einsammeln. Sie suchen Nahrung fuͤr ihr Herz, fuͤr ihre Einbildungskraft, hoͤchstens Unterhaltung ihres Verstandes, und schoͤpfen diese nicht aus den Jahrbuͤchern der Critik, sondern aus den oft sehr unzuverlaͤßigen Quellen der Conversation, der Ge- maͤhlde-Gallerien, der Dichter und solcher Geschicht- schrei- Pallast Boccapaduli. schreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit, als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen gesucht haben. Ferner! Wie hoͤren, wie lesen diese wolluͤstigen Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win- kelmann! Was ihre Einbildungskraft spannt, was ihr Herz ruͤhrt, das druͤckt sich ihrem Gedaͤchtnisse ein: von dem Ueberfluͤßigen zu diesem Ver- gnuͤgen bewahren sie nur so viel auf, um die Begebenheit gelegentlich von andern aͤhnlichen aus- zuscheiden. Auf diese superficielle Kenntniß von dem Zufaͤlli- gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen, was diese von Vorfaͤllen, die taͤglich wieder kommen koͤnnen, unterscheidet, ist nun die Verbindlichkeit des Kuͤnstlers gegruͤndet, nichts darzustellen, was dieser widerspricht, was die Wiedererkennung erschweret: Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob- achten. Das Uebliche heißt also nichts weiter, als: Festsetzung des Begriffs den man mit dem Worte: das Uebliche, il Costume, verbinden muͤsse. die Andeutung solcher zufaͤlligen Unterschei- dungszeichen, die nach denen unter der Classe von Menschen, die auf den Genuß der Kuͤnste berechtiget ist, gelaͤufigen Begriffen dazu die- nen, eine Begebenheit, die mit allen Menschen, zu jeder Zeit, an allen Orten interessiren wuͤrde, bestimmten Personen, die zu einer gewissen Zeit an gewissen Orten gelebt haben, beizu- legen. P 2 Das Pallast Boccapaduli. Die fruͤheren Meister, die wider das Uebliche ge- suͤndiget ha- ben, verdie- nen unsere Nachsicht. Das Maaß der Kenntnisse uͤber Geschichte und Fabel, die unter den Zeitgenossen in Umlauf sind, bestimmt also die Verpflichtung des Kuͤnstlers wider die hergebrachten Begriffe in dem Zufaͤlligen nicht anzustoßen: und dies sollten wir nie vergessen, wenn die Vorwuͤrfe, die wir einem Paolo Veronese, einem Rembrandt uͤber die Verletzung des Costume nach unsern Begriffen machen, uns uͤber ihre uͤbrigen Vorzuͤge verblenden wollen. Fuͤr wen mahlten diese Kuͤnstler? Fuͤr Nationen, bei denen uͤber den Trieb nach klingendem Erwerb, die Bildung des Geistes groͤßesten Theils vernachlaͤßiget wurde. Diese wur- den nicht in ihrem Vergnuͤgen gestoͤrt, nicht in die Irre geleitet, wenn sie den edlen Venetianer, den Portugiesischen Juden bei der Hochzeit von Canaan statt der wahren Gaͤste sahen; der groͤßere Haufe dachte sich die Begebenheit mit Akteurs aus seiner Zeit, aus seinem Lande. Wie viel laͤßt sich nicht selbst fuͤr die Anachronismen sagen, die jene fruͤheren Mahler in der Darstellung geistlicher Geschichten be- gangen haben! Ein heiliger Franciscus mit dem Crucifix in der Hand, der eine Mutter Gottes mit dem Christkinde anbetet, scheint uns eine Absurditaͤt. Aber zur Zeit des verfertigten Gemaͤhldes war es keine. Damals waren nicht blos Legenden von der- gleichen Erscheinungen, welche Heilige gehabt haben sollten, gaͤng und gaͤbe; der Mahler sah auch der- gleichen Auftritte taͤglich um sich herum in den da- maligen Processionen, in den geistlichen Schauspielen oder Pantomimen. Will man den Mahler, der so viel mit der Hand arbeitet, kluͤger wissen als den Dichter, der seinen Kopf allein braucht? Eine Pallast Boccapaduli. Eine andere Ruͤcksicht sollte uns noch billiger machen. Rembrandt und Paolo Veronese kleideten ihre Figuren aus modernen Troͤdelbuden, oder mo- dernen Kramladen; aber dieser Anzug war dem einen zum Zauber seines Helldunklen, dem andern zur Ver- fuͤhrung durch glaͤnzende Farben unentbehrlich. Haͤt- ten sie uͤber die Beobachtung historischer Treue jene Vorzuͤge aufopfern muͤssen, und wahrscheinlich Nichts fuͤr mein Vergnuͤgen gethan; so weiß ich nicht, warum ich uͤber den Genuß, den sie mir einzig geben konnten, die Entbehrung desjenigen nicht verschmerzen sollte, der mein Vergnuͤgen nur erhoͤhet, nicht einzig und allein ausmaͤcht. Denn gewiß weder mechanische noch eigentliche Verschieden- heit des Ueb- lichen von mechanischer und dichteri- scher Wahr- scheinlich- keit, imglei- chen von dem Schick- lichen. dichterische Wahrscheinlichkeit, oder mahlerische Wuͤr- kung, haͤngen von der Beobachtung des Ueblichen ab: nicht einst das Schickliche ist mit dem Ueblichen ei- nerlei. Die mechanische Wahrscheinlichkeit beruhet in den Bewegungen des Koͤrpers nach den Gesetzen der Statik, des Gleichgewichts, in den Veraͤnderun- gen die Licht und Schatten auf die beleuchteten Koͤrper, nach den Regeln der Optik, hervorbringt. Die dichterische Wahrscheinlichkeit setzt Aeuße- rungen der Seele durch den Koͤrper zum Voraus, die wir nach den Erfahrungen beurtheilen, die wir uͤber die Abwechselung des Ausdrucks einer theilnehmenden Seele nach den Stuffen des Alters, nach der Ver- schiedenheit des Geschlechts, des Standes, und der Wichtigkeit des Gegenstandes, der sie beschaͤfftigt, gemacht haben. Diese beiden Wahrscheinlichkeiten, die in den bildenden Kuͤnsten nie getrennt seyn koͤn- P 3 nen, Pallast Boccapaduli. nen, setzen weiter nichts zum Voraus, als Aufmerk- samkeit auf die gewoͤhnlichen Vorfaͤlle des menschli- chen Lebens. Sie sind es, die wir in jede Vorstel- lung einer Begebenheit zuerst bringen, die man uns von entfernten Orten und Zeiten her erzaͤhlt, oder darstellt; erst wann wir in diesem Stuͤcke befriedigt sind, bekuͤmmern wir uns um die historische Wahr- scheinlichkeit, und vergleichen dasjenige was wir sehen oder hoͤren, mit demjenigen, was wir von dem Zu- faͤlligen bei aͤhnlichen Begebenheiten an entfernten Orten, zu verschiedenen Zeiten, gehoͤrt haben. Das Gefuͤhl der nothwendigsten Bestandtheile der Wahrheit bleibt also, wenn auch das Zufaͤllige zu deren Erkenntniß wegfaͤllt. Ist es nicht die Hochzeit zu Canaan so ist es eine jede andere. Der hoͤchste Nachtheil, der aus der Unbestimmtheit ent- stehen kann, ist dieser, daß unsere Neugier unbe- friedigt bleibt, indem wir einen an sich erklaͤrbaren Ausdruck gern bestimmten Personen beilegen moͤchten. Allein wie selten ist dies der Fall, wenn der Mahler sich an bekannte Vorwuͤrfe haͤlt? Wer erkennet nicht eine Judith, die dem Holofernes den Kopf abhauet, wenn gleich Kanonen vor Bethulia stehen? Wer nicht den Moses, der Wasser aus dem Felsen schlaͤgt, wenn gleich die Kinder Israel in spanischer Tracht einhergehen? Moͤchten doch unsere neueren Kuͤnstler, in deren Gemaͤhlden selten Fehler wider historische Wahrscheinlichkeit, und nur gar zu haͤufig wider dich- terische und mechanische angetroffen werden, das Nothwendige nicht dem blos Angenehmen auf- opfern! Auch Pallast Boccapaduli. Auch das Schickliche ist mit dem Ueblichen nicht einerlei. Das Schickliche ist das Ideal der dichte- rischen Wahrscheinlichkeit: es ist die Auswahl unter demjenigen, was nach dem Gange der Affekten sich an den theilnehmenden Personen bei einer Begeben- heit aͤußern kann. Es ist weder mechanisch noch dichterisch unwahrscheinlich, daß ein Aussaͤtziger sich krazt, waͤhrend daß Christus seinen Mitkranken hei- let: es ist auch nicht wider das Uebliche. Allein es paßt, es schickt sich nicht in den Eindruck, den die Darstellung einer heiligen Handlung auf mich machen soll, es ist wider meine Begriffe von Anstand, wider sittliche Wahrscheinlichkeit, mit einem Worte: wider das Schickliche. Daß diese Betrachtungen den Liebhaber billig machen moͤchten gegen Meisterstuͤcke aͤlterer Meister, die ein ganz anderes Uebliche hatten als wir! Die wenn sie unsre Forderungen in Ansehung des Zufaͤlli- gen der Wahrheit oft unbefriedigt lassen, denjenigen, die wir an die nothwendigen Bestandtheile derselben zu machen berechtiget sind, ein desto groͤßeres Ge- nuͤge leisten. Ich will damit aber keinesweges den jungen Die Gruͤnde zur Nachsicht fuͤr die aͤlte- ren Kuͤnstler koͤnnen den gegenwaͤrti- gen nicht zu Gute kom- men. Kuͤnstler zu einer Nachlaͤssigkeit in diesem Stuͤcke auf- fordern. Nein! er erhoͤhe mein Vergnuͤgen, indem er mir Gelegenheit giebt, viel mehr zu denken, als ich sehe. Allein davor warne ich ihn: kein Stolz auf diesen Nebenvorzug, keine uͤbertriebene Sorge fuͤr die Andeutung der historischen Wahrheit. Ehemals erforderte die Kenntniß des Ueblichen wenigstens einen gewissen Aufwand von Seelenkraͤf- P 4 ten, Pallast Boccapaduli. ten, die wenn sie nicht zum Talent des Kuͤnstlers ge- hoͤrten, dennoch Anspruch auf die Stelle eines Cere- monienmeisters haͤtten geben koͤnnen: ich meine Ge- daͤchtniß, und Fleiß im Nachforschen, wie es ehe- mals gehalten sey: Allein seitdem wir mehrere Werke uͤber das Uebliche haben, Die beiden brauchbarsten fuͤr den Kuͤnstler schei- nen: Costume des anciens Peuples par Bardon: und le Costume des Peuples de l’ antiquité, prouvé par les Monumens, par André Lens Peintre, zu seyn. Von diesem letzten ist die neue- ste Edition 1785. zu Dresden mit Zusaͤtzen und Be- richtigungen von G. H. Martini herausgekommen. in denen dem Kuͤnstler vorgearbeitet, fuͤr ihn zusammen getragen ist, so be- darf es um Meister in diesem Fache zu seyn, nur einer Fertigkeit im Nachschlagen, mithin ist die Be- obachtung des Ueblichen jetzt eine wahre Erbaͤrm- lichkeit. Man darf das Uebliche nicht mit hi- storischer Treue ver- wechseln. Bei allem Fleiße den aber der Kuͤnstler auf das Uebliche wendet, vernachlaͤssige er nie die Grundsaͤtze der Wahrheit und der Schoͤnheit, und verwechsele es nie mit historischer Treue. Er darf von dem als wahr erkannten nur dasjenige zur Anwendung brin- gen, was ohne Nachtheil fuͤr mahlerische Wuͤrkung, Verstaͤndlichkeit und Ruͤhrung, in Anwendung ge- bracht werden kann. Ich kann es nicht genung dem Kuͤnstler sagen, er mahlt weniger fuͤr den Verstand, als fuͤr das Herz und die Einbildungskraft der Zuschauer. Die untern Seelenkraͤfte sind es, auf die er wuͤrken soll, nicht Pallast Boccapaduli. nicht die oberen. Ich will von einem Gemaͤhlde unterhalten, geruͤhrt, gespannt, nicht belehrt seyn: werde ich es zugleich mit, desto besser! Allein dieser Vortheil ist zufaͤllig, liegt nicht in dem Wesen der Kunst. Sollte er wesentlich seyn, so muͤßten alle diejenigen, die sich der Betrachtung eines Kunst- werks nahen, nicht allein gleiche Kenntnisse und Faͤ- higkeiten hinzubringen, sondern auch ein allgemeines Interesse an der Belehrung nehmen. Dies ist aber nicht der Fall. Fuͤr einen Antiquar, fuͤr einen Ge- lehrten, der ein Gemaͤhlde kritisch untersucht, giebt es hundert Beobachter, die auf den ersten Blick von der Absicht des Werks verstaͤndigt, und, weil von der Wuͤrkung des ersten Blicks gemeiniglich die hoͤchste Ruͤhrung abhaͤngt, mit diesem zugleich ge- ruͤhrt seyn wollen. Der Kuͤnstler darf nur mit der groͤßten Behut- Verschiedene Regeln die bei der Be- zeichnung des historisch Wahren zur Anwendung kommen. samkeit von der einmal angenommenen Vorstellungs- art abweichen, wenn er mir nicht unverstaͤndlich wer- den will. Denn in allen Faͤllen, wo die Verstaͤn- digung durch den ersten Blick darunter leiden wuͤrde, daß er einen uͤblichen Irrthum durch eine kritisch er- wiesene Richtigkeit verbessert, verhaͤrte ich mich gegen das Verdienst der Genauigkeit bei dem zu gelehrten Kuͤnstler. Er darf daher nicht eher verbessern, als bis er uͤberzeugt ist, daß die Verbesserung entweder keiner erheblichen Mißdeutung unverworfen, oder doch, daß die Aufklaͤrung, auf der sie beruht, so ausgebreitet unter der Classe zwischen den Gelehrten und den Ignoranten ist, als es vorhero der Irr- thum war. P 5 Ob Pallast Boccapaduli. Ob ich dem Opfermesser in der Hand des Prie- sters diese oder jene Form gebe, ist im Grunde einer- lei. Genung daß ich das Messer zu dem bestimm- ten Gebrauche darin wieder erkenne. Sind wir, auf den Genuß der Kuͤnste Berechtigte, aber ge- wohnt nach der Bibeluͤbersetzung, die wir allein lesen, uns den juͤdischen Hohenpriester in gelber Kleidung zu denken; so darf der Kuͤnstler, der uns nicht in die Irre fuͤhren will, uns nicht eher diesen Hohenprie- ster im himmelblauen Gewande zeigen, bis er uͤber- zeugt ist, daß die juͤdischen Heiligthuͤmer des Lundius eben so allgemein gelesen werden, als jene Bibeluͤber- setzung; oder bis er durch andere Nebenumstaͤnde uns, ohngeachtet der ungewoͤhnten Farbe, auf den Begriff eines juͤdischen Hohenpriesters deutlich zuruͤck- fuͤhren kann. Ein Kunstrichter, von Hagedorn Betrachtungen uͤber die Mahlerei. Erster Theil, S. 230. von dem der Kuͤnstler und der Liebhaber mehr lernen wuͤrden, wenn er nicht seine guten Bemerkungen oft in einen unertraͤglich pretioͤsen Stil eingekleidet haͤtte, scheint ohngeachtet der Billigkeit mit der er an die Beobachtung des Ueblichen erinnert, dennoch den Begriff desselben mit historischer Treue zuweilen verwechselt zu haben. Wie wuͤrde er es sonst dem Kuͤnstler zur Nothwendigkeit gemacht haben, den Hohenpriester Caiphas, der seine Kleider zerreißt, in seiner gewoͤhnlichen Haus- kleidung, nicht in der feierlichen Tempelkleidung dar- zustellen. Ich weiß viel, wie diese ausgesehen ha- ben mag: woran soll ich meinen Mann erkennen? Ich Pallast Boccapaduli. Ich will um von der Absicht eines Gemaͤhldes ver- staͤndigt zu werden, nicht erst gelehrte Commentarien zu Rath ziehen. Immerhin moͤgen Koͤnige nur bei feierlichen Gelegenheiten Kronen tragen: Es ist ein Attribut, das nur ihnen zukoͤmmt, das mich ohne Zweideutigkeit allein auf ihre Bestimmung im buͤr- gerlichen Leben zuruͤckfuͤhrt. Ich wiederhole es noch einmal: Die bildenden Kuͤnste haben nur in einem Falle die Verbindlichkeit auf sich, dem Wuͤrklichen getreu zu bleiben, naͤmlich bei allem, was von dichterischer und mechanischer Wahrscheinlichkeit abhaͤngt; wo die Pruͤfung des Dargestellten, nach der Erfahrung, die mein Auge taͤglich macht, mich sogleich von der Falschheit uͤber- zeugen kann. In allem uͤbrigen richtet sich Wahr- heit immer nur nach Convention, und diese nach den Beduͤrfnissen des Angenehmen. Selbst bei uns ist das Uebliche weiter nichts als verabredeter Irrthum mit einem Scheine von Wahrheit verbunden, auf dem Theater wie in dem Gemaͤhlde. Wir ziehen unsern Roͤmern keine Reifroͤcke mehr an, aber wir unterscheiden doch gewiß nicht die Moden nach den verschiedenen Zeitpunkten vom Romulus an bis auf den Constantin. Was koͤnnten auch die Kuͤnste da- bei gewinnen; was der Eindruck, den sie auf unser Herz, auf unsere Einbildungskraft machen sollen? Die Moden auf dem Bilde sind dem Gesetze der Schoͤnheit zuerst unterworfen, sie sollten es billig auch auf dem Theater seyn, wie selten sind sie es im gesellschaftlichen Leben! Duͤ Pallast Boccapaduli. Duͤ Bos Reflexions critiques sur la Poesie et la I’einture. T. I. p. 251. legt dem Kuͤnstler die Verbindlich- keit auf, den Personen, deren Begebenheiten er aus der Geschichte entlehnt, die individuelle Bildung bei- zulegen, die uns Medaillen, wuͤrkliche Bildsaͤulen, sogar schriftliche Beschreibungen uͤberliefern. Ohne Einschraͤnkung kann ich diesen Satz nicht billigen. Vielleicht hat der Mahler keinen hoͤheren An- spruch auf den Nahmen eines Schoͤpfers, als wenn er beruͤhmte Maͤnner, die Jahrhunderte vor ihm ge- lebt haben, mit Bildungen wieder herstellt, die ihre Handlungen rechtfertigen; wenn er jedem Men- schenkenner den Ausruf abpreßt: hat der Weltuͤber- winder nicht so ausgesehen, so haͤtte er so aussehen muͤssen! So leicht darf sich der Kuͤnstler um diesen Vor- zug nicht bringen lassen, so leicht den Nahmen eines Schoͤpfers mit dem eines Copisten nicht austauschen: und seine Festigkeit in diesem Stuͤcke kann ihm um so weniger zur Hartnaͤckigkeit ausgelegt werden, wenn man auf die Unzuverlaͤßigkeit der Quellen, auf den Zweck der Kunst, und auf die großen Schwierigkei- ten, die sich dem Ausdruck bei entlehnten Gestalten, die nicht mit demselben in der Seele aufsteigen, ent- gegen setzen, Ruͤcksicht nimmt. Ich habe schon an einem andern Orte geaͤußert, wie wahrscheinlich es ist, daß die Gestalten beruͤhm- ter Maͤnner, die wir in wuͤrklichen Kunstwerken be- sitzen, Pallast Boccapaduli. sitzen, schon ehemals mehr nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit als der Treue gebildet wurden. Muͤnzen liefern nur selten eine vollstaͤndige Idee von Eigenthuͤmlichkeit: und die Beschreibungen! — Wer weiß es nicht, daß jeder Leser sich dabei sein besonde- res Bild denkt? daß nur koͤrperliche Fehler als auf- fallende Unterscheidungszeichen sich der Seele eindruͤ- cken? Daß aber der Kuͤnstler sich an diese genau halten solle, wird wohl niemand verlangen. We- nigstens zweifle ich, daß derjenige, der bei der Dar- stellung der beruͤhmtesten Philosophen des Alterthums die Nachrichten des Sidonius Apollinaris genau be- folgen wollte, sich um unser Vergnuͤgen sehr verdient machen wuͤrde. Per gymnasia pinguntur Zeusippus cervice cur- va, Aratus panda, Zenon fronte contracta, Epicurus cute distenta, Diogenes barba co- mante, Socrates coma candente, Aristoteles brachio exserto, Xenocrates crure collecto, Democritus risu labris apertis, Chrysippus propter numerorum indicia constrictis, Eucli- des propter mensurarum spatia laxatis, Clean- thes propter utrumque corrosis. Lassen Sie uns nie vergessen, daß der Zweck der Kunst nicht Ueberlieferung der Lebensumstaͤnde beruͤhmter Maͤnner, sondern Darstellung einer in- teressanten Begebenheit aus ihrem Leben ist; daß ich sie nur einmal sehe; daß dieses eine Mal, dieser eine Blick, mir daher die vollstaͤndigste Aufloͤsung uͤber ihre Einwuͤrkung auf die Begebenheit geben muͤsse; und daß es mithin mehr darauf ankomme, was Pallast Boccapaduli. was ich ihnen auf ihr ehrlich Gesicht von der sichtba- ren Handlung zutrauen darf, als auf das, was ich ihnen Kraft bewaͤhrter Zeugnisse an Eigenschaften zu glauben muß, wenn gleich ihre Gestalt luͤgt. Wie oft ist dies der Fall bei individuellen Bildungen; wie oft hat eine Verwahrlosung in der Jugend, oder ein Unfall bei reiferen Jahren, einem Agesilaus ein hin- ckendes Bein, einem Alexander einen schiefen Hals gegeben! In den Kuͤnsten, die fuͤrs Vergnuͤgen arbeiten, hat das Wahrscheinliche allemal den Vor- zug vor dem Wahren. Von der Schwierigkeit, eine fremde Gestalt mit einem selbst gedachten Aus- drucke zu beleben, habe ich schon an einem andern Orte geredet. Ich kann also die Regel des duͤ Bos nur in dem Falle als richtig gelten lassen, wenn die bestimmte Bildung so allgemein bekannt und gewoͤhnlich ist, daß der Mahler, ohne mich in die Irre zu fuͤhren, dieselbe unveraͤndert lassen muß. Z. E. die Stutznase des Socrates, die kurze staͤmmige Figur des heiligen Petrus. Wie wenig kommt dabei historische Treue in Anschlag? En imitation l’ idée reçuë, et generalement établie tient lieu de verité. Du Bos reflex. T. I. p. 251. Der hoͤchste Mißbrauch historischer Treue wuͤrde unstreitig in den bildenden Kuͤnsten dieser seyn, wenn der Kuͤnstler den Ausdruck der Affekten durch die sitt- liche Denkungsart der Vorwelt wollte motiviren lassen. Moͤgen immerhin die Alten vermoͤge ihrer politischen, moralischen und physischen Erziehung ihre Empfin- Pallast Boccapaduli. Empfindungen ganz anders geaͤußert, sich bei aͤhn- lichen Vorfaͤllen ganz anders genommen haben, als wir: wenn ich Wahrheit des Ausdrucks mit einem Blicke pruͤfe, so gehe ich in mich selbst zuruͤck, ich setze mich an die Stelle des Akteurs, ich will mich in ihm wiederfinden. Ein Zeno, der keine Mine verzieht, wenn man ihm das Bein zerschlaͤgt, ist fuͤr den Blick, der das Gemaͤhlde waͤgt, eine Statue. Umsonst sagt mir meine Erinnerung, daß dieser bestimmte Mann durch lange Uebung eine solche Oberherrschaft uͤber die jedem Menschen gewoͤhnlichen Affekte erhalten hatte, die bis zur Unempfindlichkeit gegen koͤrperlichen Schmerz gieng. Ich sehe den bestimmten Mann nur einmal, nur in einer Lage, ich sehe ihn als Mensch. Die Andeutung des Zufaͤlligen bei der Wahrheit des historisch Wahrscheinlichen hat keine andere Absicht, als die Verstaͤndigung des Zuschauers von der bestimm- ten Veranlassung eines an sich interessanten Ausdrucks. Alle Andeutungen, die dazu nichts beitragen, sind uͤberfluͤssige Nebenwerke, die, falls sie durch mahle- rische Wuͤrkung nicht gerechtfertiget werden, die Auf- merksamkeit nur zerstreuen. Wenn ich die Tochter des Pharao mit ihren Begleiterinnen den ausgesetzten Moses am Ufer eines Flusses finden sehe, so weiß ich, daß dieser Fluß der Nil ist: die Pyramiden im Hin- tergrunde sind zur Bezeichnung der Scene ganz uͤber- fluͤßig. Verbirgt gar ein unthaͤtiger Flußgott sein Haupt im Schilfe, so enthaͤlt die allegorische Andeu- tung eines laͤngst erklaͤrten Nebenumstandes, zugleich eine Unschicklichkeit. Vor- Pallast Boccapaduli. Vorzuͤglich aber muß ich den Kuͤnstler vor dem Mißbrauch bezeichnender Nebenwerke warnen, die nicht allgemein bekannt sind. Man betrachtet diese nur gar zu oft als Anschlagzettel zu einer pantomimi- schen Vorstellung, und will durch irgend ein Beson- deres, das nur gerade bei dieser Begebenheit vor- koͤmmt, auf den Begriff der vorzustellenden Bege- benheit fuͤhren. Recht wohl! wenn wir das Be- sondere kennen, wenn wir uns nie die Handlung ohne dasselbe denken. Aber wehe dem witzigen Kuͤnstler, wenn wir uns uͤber das Besondere mehr als uͤber die Begebenheit muͤssen unterrichten lassen! Er liefert uns Raͤthsel, die wir nicht aufloͤsen moͤgen. Von den Pflichten der Treue bei Familienbild- nissen, bei Volksmonumenten, Grabmaͤhlern, und Zugaben von erlaͤuternden Abbildungen zu Buͤchern, rede ich hier nicht. Ich betrachte hier die Kunst als Unterhaltung meines Herzens, meiner Einbil- dungskraft, nicht als darstellende Ueberlieferung in- teressanter Nachrichten. So wuͤrde meine Untersuchung uͤber das Uebli- che, die ohnehin wider meinen Willen ziemlich weit- laͤuftig gerathen ist, geschlossen werden koͤnnen. Das Resultat ist kurz dieses: Resultat der Eroͤrterung verschiedener Punkte, die bei der Be- stimmung des Begriffs Der Zweck des Ueblichen ist: Verstaͤrkung des Antheils, den ich an einer interessanten Begebenheit nehme, indem ich diese bestimmten Personen, an ei- nem bestimmten Orte, zu bestimmten Zeiten beizule- gen, durch Andeutung zufaͤlliger Nebenumstaͤnde authorisirt werde. Da die Beobachtung desselben kein wesentliches Bestandtheil meines Vergnuͤgens ausmacht, Pallast Boccapaduli. ausmacht, von mechanischer und dichterischer Wahr- vom Uebli- chen zur Frage ge- bracht sind. scheinlichkeit, imgleichen von mahlerischer Wuͤrkung unabhaͤngig ist, die Verbindlichkeit dazu sich nach dem Grade der minderen oder groͤßeren Aufklaͤrung veraͤndert; so haben die fruͤheren Beleidiger meiner gegenwaͤrtigen Begriffe in diesem Stuͤcke, allerdings Anspruch auf meine Nachsicht. Dem neueren Kuͤnst- ler kann sie weniger wiederfahren, inzwischen muß er aus der Besorgung des Ueblichen sich kein besonderes Verdienst beilegen, und sie nie mit historischer Treue verwechseln. Diese ist in allen Faͤllen schaͤdlich, wo die Verstaͤndlichkeit seines Werks dadurch erschweret oder nicht befoͤrdert wird; oder wo hoͤhere wesentli- chere Vorzuͤge der Kunst, es sey dichterische Wahr- scheinlichkeit, oder Schoͤnheit, oder mahlerische Wuͤr- kung derselben aufgeopfert werden muͤssen. Lassen Sie mich die Verdienste eines Poussin um das Uebliche auf diese Grundsaͤtze zuruͤckfuͤhren. Wie oft finden wir noch in seinen Werken Fehler Anwendung der fetzt fest- gesetzten Grundsaͤtze auf Poussins Vorzuͤge in Beobach- tung des Ueblichen. wider das Uebliche nach unsern heutigen Begriffen! Wie oft hat er historische Treue bis zur Unverstaͤnd- lichkeit getrieben! Wie oft hat er unsere Aufmerk- samkeit durch uͤberfluͤßige Nebenwerke nur zerstreuet! Wie oft unsere Neugier gereitzet, ohne sie zu befrie- digen! Und wie oft uͤber die Sorge fuͤr die Bezeich- nung des Zufaͤlligen, die wichtigere fuͤr das Noth- wendige zum Gefuͤhle der Wahrheit, dichterische Wahrscheinlichkeit, und das Schickliche verabsaͤumt! Der Ausdruck in Poussins Gemaͤhlden ist oft Fortgesetzte Pruͤfung der Verdienste unbedeutend, oft monoton, und liegt immer mehr in der Stellung, als im Spiel der Mine. Es Zweiter Theil. Q scheint, Pallast Boccapaduli. Poussins um die uͤbrigen Theile der Mahlerei. scheint, daß bei ihm von dem Auge ab bis in die Hand zu vieles verlohren gieng, und daß er kaum die Haͤlfte von dem ausfuͤhrte, was er sich dachte. Seine dichterische Anordnung war nicht immer fehler- frei, in Ansehung der mahlerischen aber kann er zum Muster dienen. In der Wahl seiner Formen hielt er sich an die Antike, aber er sammelte zu aͤngstlich, als daß das Schoͤne mit dem Leben, mit der Einheit einer Vor- stellung, in seiner Seele haͤtte aufsteigen koͤnnen. Es fehlt seinen Figuren an Freiheit und Adel: und wenn sein Geist durch Anstrengung sich zuweilen bis zu dem Begriff der Vollkommenheit erhob, so ward die Hand nicht gehorsam ihn zu versinnlichen. Poussin zeichnete nach richtigen Verhaͤltnissen, aber eckigt und steif. Seine Gewaͤnder sind zu aͤngst- lich gelegt, und das Trockene der Ausfuͤhrung deutet die Nachbildung eines nassen Gewandes an, das uͤber den Gliedermann geworfen war. Unser Kuͤnstler hat eine Zeitlang dem Tizian im Colorit nachgestrebt, aber es mangelte ihm zu sehr an mechanischem Talent, um ihn auch nur von fern zu erreichen. Seine Carnation ist schmutzig: wein- hefenartig im Hellen, nußbraun im Dunkeln. Die Farben sind durchaus verblichen, und veraͤndert. Das Helldunkle ist besser gedacht als ausgefuͤhrt. Dieses Urtheil im Allgemeinen mag durch nach- folgende detaillirte Beurtheilung seiner Hauptwerke in Rom gerechtfertiget werden. † Die Pallast Boccapaduli. † Die letzte Oehlung. Dies Suͤjet scheint Beurthei- lung der Ge- maͤhlde. durch die Verschiedenheit und Deutlichkeit des Aus- drucks der Affekten, die dabei in Bewegung kommen koͤnnen, zur mahlerischen Bearbeitung vorzuͤglich geschickt. Man denke sich in dem Sterbenden einen Andreas Corsini des Guido. Zum letzten Male hat er die Folge seiner Handlungen uͤberschauet, und voll des edelsten Zutrauens zu der Barmherzigkeit seines Schoͤpfers geht er muthig der Einweihung zum Tode entgegen. Er sieht den Priester begleitet von sei- nem Gefolge sich in einiger Entfernung naͤhern, und mit der letzten Anspannung seiner Kraͤfte, unterstuͤtzt von einem alten Diener, richtet er sich noch einmal in die Hoͤhe; heftet seine sehnsuchtsvollen Augen auf das Staͤrkungsmittel, das ihm dar- gebracht wird, und troͤstet durch den Druck seiner Haͤnde die verzweifelnde Gattin, die trostlose Mutter und die jammernden Kinder. Wie sehr wuͤrde dieser Ausdruck unserer geruͤhrten Theilnehmung werth seyn? In Poussins Bilde ist der Sterbende durch den unbeweglich liegenden halberstarrten Koͤrper, durch die gebrochenen Augen keines interessanten Ausdrucks weiter faͤhig. Der Priester an sich eine der unin- teressantesten Personen, die wir uns bei dieser Hand- lung denken koͤnnen, nimmt die Mitte des Bildes ein. Sein Koͤrper uͤber den Sterbenden hingebogen, in- dem er dessen Augen mit Oehl bestreicht, entzieht dem Zuschauer groͤßestentheils den Anblick des Ster- benden. Vielleicht gewinnen wir noch dabei, denn Q 2 das Pallast Boccapaduli. das Wenige, was wir davon erkennen, zeigt einen durch lange Krankheit abgezehrten Alten. Der Liebhaber, der in Ansehung der Hauptfigur in seiner Erwartung sich getaͤuscht findet, hofft durch den interessanten Ausdruck der umstehenden Personen schadlos gehalten zu werden. In der That! welcher mannichfaltigen Modificationen ist nicht die Aeuße- rung des Schmerzes faͤhig, die kindliche, elterliche, eheliche Liebe, Anhaͤnglichkeit langjaͤhriger Treue, nach Verschiedenheit des Alters und des Geschlechts uͤber die bevorstehende Trennung von dem Geliebte- sten auf Erden, hervorzubringen im Stande ist! Allein was findet man davon in diesem Bilde? Der Acolyth, der die Fackel haͤlt, der Chorknabe, neh- men den Vordergrund ein, die Amme, die das Kind auf den Armen traͤgt, zeigt nicht den gering- sten Antheil an der Handlung, Poussin hat die Vorstellung saͤmmtlicher sieben Sa- cramente wiederholt, und diese Werke befinden sich zu Paris. In dem Gemaͤhlde von der letzten Oeh- lung ist die Amme mit dem Kinde mehr mit der Haupthandlung verbunden: Sie naͤhert sich mit dem Kinde dem sterbenden Vater, und dies streichelt ihn in dem Augenblicke, da er die letzte Oehlung empfaͤngt. Ich gestehe, daß ich diesen Gedanken fuͤr den Ort und die Zeit unpassend halte. Er un- terbricht die Handlung, und es ist unnatuͤrlich, daß man das Kind in dem Augenblicke der Bei- bringung des Sacraments dem Vater sich so sehr habe naͤhern lassen. Uebrigens hat dieses Ge- maͤhlde in Ansehung der mahlerischen Anordnung und der Ausfuͤhrung Vorzuͤge vor dem unsrigen. und die Personen, die Pallast Boccapaduli. die aus und eingehen, sich Gefaͤße zureichen u. s. w. zerstoͤhren den Eindruck des Ganzen auf eine unschick- liche Weise. Das Interesse schraͤnkt sich also lediglich auf vier weibliche Figuren ein, von denen zwei jugendliche, in denen ich die Toͤchter des Sterbenden erkenne, mit nassen gen Himmel gerichteten Augen und gefalteten Haͤnden, Besserung fuͤr den Vater zu erflehen schei- nen; zwei mehr bejahrte Frauenzimmer aber, wahr- scheinlich Gattin und Mutter, verhuͤllen mit dem Gesichte zugleich den Ausdruck des Schmerzes. Nun ist zwar jener aus einem Gemaͤhlde des Timanthes entlehnte Gedanke: dem Zuschauer lieber gar keine Darstellung von dem hoͤchsten Gipfel des Schmerzes als eine mangelhafte geben zu wollen; einmal angewandt, ein sehr gluͤcklicher Behelf; aber oͤfterer wiederholt, Nicht blos in unserm Gemaͤhlde hat Poussin diesen Gedanken angebracht, man findet ihn auch auf dem Bilde des Todes des Germanicus im Pallast Barberini. Zeichen einer Armuth die uns unmuthig uͤber den Kuͤnstler macht. So viel uͤber die Erfindung dieses Gemaͤhldes. Des Kuͤnstlers Augenmerk scheint nicht auf Darstel- lung eines interessanten Auftritts aus den letzten Stun- den eines Christen gegangen zu seyn, der mit der letzten Oehlung den feierlichen Segen zu einer Wall- fahrt in ein besseres Leben erwartet, waͤhrend daß die- jenigen, die ihm in diesem Leben die Naͤchsten waren, Q 3 das Pallast Boccapaduli. das Graͤßliche des letzten Abschieds, der grauen- vollen Einweihung zum Tode fuͤhlen: Nein! er hat uns eine getreue Beschreibung der Umstaͤnde geliefert, die eine Ceremonie der Kirche zu begleiten pflegen. So wenig ich diese Wahl billigen kann, so sehr bewundere ich die mahlerische Anordnung in diesem Bilde. Die Figuren sind vortrefflich zusammen gruppirt, sie haͤngen sehr gut zusammen, und jede einzelne ist mit großer Weisheit gestellt. Man be- merkt durchaus schoͤne Koͤpfe, und gute Verhaͤltnisse, in der Zeichnung des Nackenden. Die Gewaͤnder sind gut gedacht, nur zu aͤngstlich und trocken ausge- fuͤhrt. Die Faͤrbung ist wie gewoͤhnlich verblichen, und duͤster. Bey dem Helldunklen hat der Kuͤnstler nicht die Natur zu Rathe gezogen; sonst wuͤrde er den Abglanz oder den Schein der Fackel angedeutet haben, die der Acolyth in Haͤnden traͤgt, und deren Licht gegenwaͤrtig nur einen hellen Fleck macht. Schon in diesem Bilde finde ich einen Beweis von Poussins wahrer Schwatzhaftigkeit im Herer- zaͤhlen desjenigen, was einem jeden deutlich war. Wen wird die Handlung selbst nicht darauf fuͤhren, daß hier ein Christ stirbt? Inzwischen Poussin war damit nicht zufrieden: er mahlt ein Schild an die Wand mit dem Anagramm pro Christo: den christlichen Streiter anzuzeigen. Ich weiß inzwischen nicht mehr genau, ob dieser Zug sich auf unserm Bilde, oder auf der Wieder- holung desselben Suͤjets in Paris befindet. St. Johannes tauft das Volk im Jordan. Das Suͤjet scheint keines sehr interessanten und ab- wech- Pallast Boccapaduli. wechselnden Ausdrucks faͤhig, es kann hauptsaͤchlich nur die Gelegenheit darbieten, einige academische Figuren zusammen zu gruppiren. Diese finden wir hier gut benutzet, auch einige ausdrucksvolle Koͤpfe: z. E. den Kopf des Pharisaͤers. Nur wird man die Figur wegwuͤnschen, die das Ungeziefer von dem Gewande sucht. Sie paßt auf keine Weise in die Vorstellung einer so heiligen Handlung: sie ist un- schicklich. Das Gewand ist ein leinenes Hemd nach heutiger Form. Wer uͤber historische Wahrheit chicaniren wollte! Die Zeichnung hat das Verdienst der Beobach- tung richtiger Verhaͤltnisse. Ueber Faͤrbung und Helldunkles kann man nicht mehr urtheilen. Die Landschaft ist gut gedacht. Die Taufe Christi. Ist es schicklich, ja! ist es nur wahrscheinlich, daß einige der Umstehen- den, die sich taufen lassen wollen, das Hemd und die Struͤmpfe abziehen, waͤhrend daß andere uͤber die Herabsendung des heiligen Geistes, uͤber die Stimme, die sich vom Himmel hoͤren laͤßt, in Er- staunen bis zur schweigenden Anbetung des Unbegreif- lichen gerathen? Ich bin mit der Erfindung und dem Ausdruck dieses Bildes im Ganzen hoͤchst unzu- frieden. Die Engel, die dem Heiland dienen, sind verworfene Sclaven, deren einer mit affektirter Dienstgeflissenheit sehr zierlich den Saum seines Klei- des auffaßt, damit es nicht ins Wasser tauche. Der Christ und der heilige Johannes sind beide nicht edel Q 4 genung. Pallast Boccapaduli. genung. Die Menschen, an denen der Kuͤnstler wahres Erstaunen ausdruͤcken wollte, spielen es nur durch uͤbertriebene Gebaͤrden. Inzwischen giebt es auch einzelne schoͤne Figuren auf diesem Bilde. Hie- her gehoͤrt der Mann, der anbetet, und in dessen Schooße sich ein schuͤchternes Kind verbirgt. Die mahlerische Anordnung dieses Bildes ist schoͤn. Die Gewaͤnder sind gut gedacht, aber trocken ausgefuͤhrt. Man merkt ihnen zu sehr den Glieder- mann an. Die Ehe, unter dem Bilde der Einseg- nung des heil. Josephs und der Maria. Was dem Poussin oft zu wiederfahren pflegte, ist ihm auch hier wiederfahren: Die beiden Hauptfiguren Jo- sephs und der Maria sind am wenigsten schoͤn, und am unbedeutendsten im Ausdruck. Unter den Zuschauern giebt es viel schoͤnere und viel interessantere Figuren. Vorzuͤglich wird man den Ausdruck andaͤchtiger Theilnehmung in der alten Anna, und der Neugierde in einigen jungen Maͤdchen mit Gefallen bemerken. Allein das Hauptverdienst dieses Gemaͤhldes be- steht in der vortrefflichen Anordnung. Es wimmelt von Figuren, und dennoch nicht die geringste Un- ordnung; uͤberall schoͤn zusammen gruppirte Par- tien, die sich wieder zu einem schoͤnen Ganzen ver- einigen. Es fehlt auch nicht an schoͤnen Koͤpfen und Stellungen. Die Drapperien sind sehr gut gedacht, aber auch hier zu aͤngstlich nach den Falten copirt, in die der Meister sie uͤber den Gliedermann gekniffen hatte. Die Pallast Boccapaduli. Die Firmelung. Der Kuͤnstler hat uns ein angenehmes Bild von kindlich schuͤchterner Anbe- tung, und weiblicher Froͤmmigkeit geliefert, und dadurch ungefaͤhr die Forderungen erfuͤllt, die wir an ein Suͤjet machen koͤnnen, das eines hoͤheren Interesses nicht faͤhig scheint. Die Episode des Kindes, das sich vor dem Priester fuͤrchtet, und dem die Mutter Muth einspricht, ist natuͤrlich und wahr. Die Anordnung ist auch hier zu loben, so wie die Wahl der Koͤpfe, der Wurf der Gewaͤn- der, die guten Verhaͤltnisse: Aber die eckigten stei- fen Falten, die Haͤrte in den Umrissen, das Schwer- faͤllige der Figuren uͤberhaupt, und die duͤstere Faͤr- bung sind auch hier, als gewoͤhnliche Fehler unsers Meisters, zu tadeln. Das Helldunkle ist schlecht beobachtet. Die Priesterweihe. Der Christ uͤber- giebt dem Apostel Petrus die Schluͤssel des Himmels. Poussin hat hier wieder gezeigt, daß ihm poetische Erfindung, als ein Talent das sich immer gleich bleibt, nicht eigen war. Wie haͤtte er sonst bei einer Handlung, die fuͤr alle Apostel so interessant war, weil einem unter ihnen ein so großer Vorzug vor den uͤbrigen eingeraͤumet wurde, den ei- nen Apostel hinter die andern sich auf die Knie wer- fen lassen koͤnnen, so daß diese ihm den Anblick des Vorganges gaͤnzlich entziehen? Die Gruppe ward dadurch pyramidal, aber die Wahrheit des Ausdrucks gieng daruͤber verlohren. Man vergleiche mit diesem Gemaͤhlde die Vorstellung eben dieser Handlung von Raphael in dem Pallast zu Hamptoncourt. Q 5 Welcher Pallast Boccapaduli. Welcher Unterschied! Dort zeigt jede Figur denjeni- gen Affekt, den der Charakter rechtfertiget. Auf- merksamkeit, freudigen Antheil, stillen verbissenen Neid, Ausbruch des Zorns u. s. w. Hier sind mehrere Apostel bloße Zuschauer, andere ganz un- interessirt bei dem, was sie wenigstens durch die Neu- heit des Vorfalls interessiren sollte. Der Christ hat die Figur eines schoͤnen Juͤnglings, aber sein Kopf ist ohne Ausdruck. Inzwischen verdient die Grup- pe, in welcher der sanfte theilnehmende Johannes mit dem erstaunten Andreas und dem neidischen Ju- das contrastirt, allerdings unsern Beifall. Nur wuͤnschte ich, der Kuͤnstler haͤtte bei dem letzten außer der bleichen Gesichtsfarbe nicht noch das ekelhafte brennende Haar so auffallend herausgehoben. Uebri- gens hat dies Bild die gewoͤhnlichen Fehler und Vor- zuͤge unsers Meisters. Warnung fuͤr den Misbrauch, Verworfen- heit der See- le durch ei- nen sehr ent- stellten Koͤr- per zu be- zeichnen. Bei Gelegenheit der Figur des Judas, die der Kuͤnstler bis zur Carricatur haͤßlich vorgestellt hat, muß ich vor einem Misbrauch warnen, der sich nur gar zu sehr eingeschlichen zu haben scheint. Unter dem Vorwande des Ausdrucks, in der Idee daß der Koͤrper das Gepraͤge der Haͤßlichkeit der Seele an sich tragen muͤsse, liefern uns die Kuͤnstler unter der Fahne des Leonardo da Vinci gemeini- glich entstellte Bildungen, die entweder Ekel oder Lachen erwecken. Nie kann die Verbindlichkeit, die Schoͤnheit dem Ausdruck aufzuopfern, so weit ausgedehnt werden, daß man uns unleidliche For- men vorstellen duͤrfe. Denn die unangenehme Em- pfindung eines widrigen Ausdrucks wird das ange- Pallast Boccapaduli. angenehme Gefuͤhl, das aus Gewahrnehmung des Wahren entsteht, weit uͤberwiegen. Der Ausdruck einer verworfenen Seele liegt weit mehr in den beweglichen Theilen des Koͤrpers, als in den festen. Man wird nicht allein alle schoͤnen See- len in einem entstellten Koͤrper durch Reproduction ihrer koͤrperlichen Fehler in einer scheußlichen Rolle beleidigen, man wird auch gegen die Erfahrung han- deln, die uns oft die schlechtesten Menschen unter an- genehmen Gestalten zeigt. Ja! oft ist es gerade zu unwahrscheinlich, daß eine Seele, die auf eine so auffallende Art am Koͤrper gezeichnet ist, sich das Vertrauen der mithandelnden Personen habe erwer- ben koͤnnen, z. E. im Judas Ischarioth. Ich ver- lange keine Schoͤnheiten, nur gleichguͤltige Gestalten, die durch ihre festen Theile nicht beleidigen, und durch ihre beweglichen die Verworfenheit ihres Cha- rakters deutlich genung an den Tag legen. Ich weiß, daß dies viel schwerer ist, als Carri- caturen zu mahlen, ich weiß, daß ein sehr feines Gefuͤhl dazu gehoͤrt, den Punkt zu treffen, wo Aus- druck mit dem Gesetz: nichts Widriges darzustellen, zusammentrifft. Aber so lange wir den Kopf des Carracalla im Pallast Farnese, die Koͤpfe eines Ra- phaels, und das Hoͤchste der Kunst in diesem Stuͤcke, die Koͤpfe des Paris, die sich auf uns erhalten haben, bewundern, so lange duͤrfen wir an der Moͤglichkeit nicht verzweifeln. Das Pallast Boccapaduli. Das heilige Abendmahl ist wahrscheinlich nur eine Copie. Inzwischen sieht man auch schon der Copie an, daß das Original schlecht angeordnet gewesen seyn muͤsse. Die Figuren sind zu symme- trisch neben einander gereihet. Die Buße. Die reuige Magdalena zu den Fuͤßen Christi in dem Hause des Phari- saͤers. Gleichfalls eine Copie, in der man jedoch eine bessere Anordnung wiederfindet. Villa Villa Pamfili. A n der aͤußern Seite des Hauses sind mehrere Basreliefs eingemauert, die aber nicht außer- ordentlich sind. Die drei vom Hrn. Volkmann angefuͤhrten, als der sogenannte Papirius mit der Mutter, nach der Gruppe in der Villa Ludovisi, Mars und Ve- nus, nach der Gruppe in der Villa Borghese, und die sogenannte Vermaͤhlung oder Alceste und Her- cules sind neu. In den Souterrains. † Die Plafonds sind mit Stuccaturarbeiten gezieret, zu denen Algardi die Zeichnungen hergege- ben hat, die unter seiner Aufsicht ausgefuͤhret sind. Sie stellen Arabesken mit untergemischten Basreliefs vor, und ob sie gleich nur leicht wegge- arbeitet sind, so fuͤllen sie doch ihre Bestimmung hin- reichend aus. Ueberhaupt kann man sie als Muster von Decorationen dieser Art betrachten. Sie sind nicht verschwendet, und nicht sehr erhoben ge- arbeitet. Man findet hier viel Statuen, und Bas- reliefs. Die besten sind: Jacob der mit dem Engel ringt, Gruppe, ein ganz rundes Werk aus der Schule des Al- gardi, mittelmaͤßig. † Ein Villa Pamfili. † Ein schoͤner Genius, Haͤnde und Arme gut ergaͤnzt. Ein Sarcophag mit der Jagd des Me- leagers. Ein anderer mit der Fabel des Endymion. Beide von mittelmaͤßiger Ausfuͤhrung. Eine weibliche Figur als Ceres restaurirt. Oben im ersten Geschoß. Erstes Zimmer. † Ein schoͤner Kopf des Jupiter Sera- pis. Winkelmann, G. d. K. S. 291. Er ist colossal. † Der Duca Pamfili und seine Gemah- lin Olympia von Algardi. Beide Koͤpfe haben viel Charakter und Wahrheit, sonderlich der letzte. † Ein schoͤnes Kind mit den paͤbstlichen Insignien, von eben diesem Meister. † Kopf eines schoͤnen Genius, den man Antinous nennt. Venus mit dem aufgesetzten Kopfe einer Julia di Tito. † Kopf des Pabsts Pamfili in Bronze von Algardi. Zweites Zimmer. Eine Vestalin. Ein Apollino. Ein kleiner Marsyas. Drit- Villa Pamfili. Drittes Zimmer. † Der sogenannte Clodius, dessen Arme neu sind. Der Kopf, der dieser Statue gehoͤrt, hat wuͤrklich wie Winkelmann sehr richtig bemerkt, Winkelmann, G. d. K. S. 806. in Ansehung der Haare Aehnlichkeit mit der vermein- ten Mutter des Papirius, oder Elektra in der Villa Ludovisi. Auch finden sich Spuren von Bruͤsten. Das Gewand ist sehr schoͤn. Der Abbate Visconti Museo Clementino, T. I. tav. 30. p. 62. behauptet: Diese Figur stelle einen Hercules in Weiberkleidern vor. Julia Severi sonst auch Julia Pia genannt. Im vierten. Unter den hier befindlichen Statuen ist nichts Erhebliches. Ein Bildniß eines jungen Maͤdchens. Nur angelegt, aber gut, und vielleicht vom Tizian. Triumph des Bacchus Zeichnung von Giulio Romano. Die Verfertigung des Kreuzes, eine Zeich- nung, die man dem Raphael beilegt. Im fuͤnften. † Eine schoͤne Buͤste der aͤlteren Faustina. † Ein schoͤner stehender Hermaphrodit. Kopf und Arme neu. In Villa Pamfili. In einer Rotunda sind die Statuen alle modern, und mittelmaͤßig. Im zweiten Geschoß. Marcus Aurelius. Eine sogenannte Praͤfica. Eine große Landschaft von Michael Angelo Cerquozzi. † Amor als Hercules. Arme und Beine sind ergaͤnzt. Der Leib hat sehr viel Verdienst. Ein kleiner Bacchus von Rosso d’ Egitto. In einem andern Zimmer. Eine liegende Venus, die dem Tizian zuge- schrieben wird, viel wahrscheinlicher aber von Pa- duanino ist. Psyche und Amor ein mittelmaͤßiges Ge- maͤhlde von Guido Cagnacci. In dem Garten stehen viele Statuen, von denen aber wenige Aufmerksamkeit verdienen. Das Basrelief mit der Figur und der Innschrift: Battoni, von der Winkelmann S. 859. redet, fin- det sich bei einem Nebengebaͤude. Es ist kaum noch die Spur einer menschlichen Figur darauf zu erkennen. Den Sclaven, der wie Seneca in der Villa Borghese gestaltet seyn soll, und von dem Winkel- mann S. 811. redet, steht jetzt im Museo Clemen- tino. Pallast Pallast Mattei. A n den Waͤnden der innern Seite des Gebaͤudes nach dem Hofe zu sind eine Menge von Basre- liefs eingemauert, welche Aufmerksamkeit verdienen. Ein Paar Maͤnner, die einen Ochsen zum Opfer fuͤhren. Figuren in Lebensgroͤße. Zwei Bacchanalien, mit vortrefflich gezeich- neten Figuren. Die Ausfuͤhrung ist mit Liebe besorgt. Ein Opferzug Aegyptisch-Griechischer Priester. Eine Loͤwenjagd des Kaisers Commodus. Andere Jagden nach wilden Schwei- nen ꝛc. Die Musen, Apollo und Minerva. Apollo scheint das Portrait eines Kaisers zu seyn. Ein Proserpinenraub. Die Jagd des Meleagers. Ajax und Cassandra. Der Fußgaͤnger in Rom kann durch den Hof dieses Pallasts einen Richtweg nehmen, und der Lieb- haber wird diesen nicht leicht versaͤumen, weil er im Voruͤbergehen einige Blicke auf diese Basreliefs wer- fen kann. Sie gehoͤren unter die besten von Rom, und dienen dazu, das Auge an den guten Stil der Alten zu gewoͤhnen. Solche Gelegenheiten, wo man beinahe wider seinen Willen mit jedem Schritt auf etwas stoͤßt, das den Sinn des Schoͤnen zu erweitern und zu schaͤrfen Zweiter Theil. R im Pallast Mattei. im Stande ist, findet man nur in Rom, und vor- zuͤglich dann, wann der Liebhaber nicht zu bequem und zu verzaͤrtelt ist, um zu Fuß seine Reisen in die Pallaͤste und Kirchen anzustellen. Die Verzierung der Mauern mit Basreliefs ist gewiß wider den guten Geschmack in der Architektur, und den Kunstwerken selbst nicht vortheilhaft, weil sie dadurch zu weit vom Auge fortgeruͤckt werden. Allein in dem gegenwaͤrtigen Falle sind wir ihr eini- gen Dank schuldig; denn durch sie sind die Basreliefs von dem Pallaste auf gewisse Weise unzertrennlich geworden, und die Besitzer haben Bedenken getra- gen, Stuͤcke, die dem Anblick aller Voruͤbergehen- den ausgesetzt waren, mit ihren uͤbrigen beweglicheren Schaͤtzen zu Gelde zu machen. Von den antiken Statuen, woran dieser Pallast ehemals so reich war, ist zwar vieles ins Museum Clementinum gekommen, und daher fuͤr den Liebha- ber nicht verlohren, vieles aber ist auch an Engel- laͤnder und andere Fremde verkauft, um in einsamen und entlegenen Landguͤtern zu modern. Die merkwuͤrdigsten Stuͤcke unter den noch vor- handenen sind: Vier Saͤulen, deren Capitaͤler Frucht- koͤrbe bilden. Eine Pallas. Die Goͤttin des Ueberflusses. Die Attri- bute, die ihr den Nahmen gegeben haben, sind neu. Vier antike Sessel, drei von Parischem Mar- mor, einer von Basalt, mit Kuͤssen von eben der Materie. Einige Pallast Mattei. Einige schoͤne Bruchstuͤcke. † Ein beruͤhmter Kopf des Cicero, in- Beruͤhmter Kopf des Cicero. teressanter der Schoͤnheit wegen als des Nahmens. Denn dieser ist großen Zweifeln unterworfen, und hat seinen ganzen Grund in der Warze, die in Ge- stalt einer Erbse ( Cicer ) der Backe eingesetzet ist. Die Vorfahren des großen Marcus Tullius haben zwar daher ihren Familiennahmen erhalten, allein wir finden keine Nachricht, daß er dergleichen selbst gehabt habe. Mahlereien. Ich uͤbergehe im ersten und zweiten Zimmer zwei Plafonds, die wahrscheinlich von Crespi oder Passignano und Pomerancio gemahlt sind, um ein Staffeleigemaͤhlde von Carravaggio: Die heilige Martha und Magdalena, anzuzeigen. Im dritten Zimmer: Ein heiliger Hierony- mus von Muziano. Eine Hirtenanbetung von Pasqualino Rossi. Im vierten: Joseph und Potiphars Weib, am Plafond, von Lanfranco. Judas verraͤth den Christ mit einem Kuß, von Carravaggio. Andere sagen von Honthorst, welches weniger wahrscheinlich ist. Fuͤnftes Zimmer: Joseph im Gefaͤngnisse mit Pharaons Hofbedienten, am Plafond, von Lanfranco. † Ein heiliger Petrus, schoͤner Kopf, von Guido. R 2 Der Pallast Mattei. Der Christ und der heilige Petrus von Baroccio. Eine heilige Familie. Man sagt vom Par- mesan. Sie scheint fuͤr diesen Meister zu schlecht zu seyn. Gallerie. Der Plafond stellt mehrere Suͤjets aus der Geschichte des Salomo vor. Man legt ihn dem P. da Cortona bei: Mengs soll ihn dem Gobbo da Cortona zugeschrieben haben. Die beiden mittelsten Stuͤcke: die Koͤnigin von Saba, und Salomons Abgoͤtterei haben viel von des erstbenannten Kuͤnstlers Manier, und eini- ges Verdienst. Gebt dem Caͤsar was des Caͤsars ist, und Der heil. Petrus, der den heil. Paulus zum letzten Mal umarmt, da beide zum Richt- platz abgefuͤhrt werden. Zwei Gemaͤhlde aus der ersten Manier des Rubens. Christus lehrt als Knabe im Tempel von Carravaggio. Ein Bild mit wahren Koͤpfen. Eine Hirtenanbetung von P. da Cortona, sehr beschaͤdigt. Das Opfer Isaacs, man sagt, von Guido. Besser, aus der Bolognesischen Schule. † Die Einsetzung des heiligen Abend- mahls von Valentin. Eins der besten Gemaͤhlde, die ich von diesem Meister kenne. Es ist voll Wahr- heit, und von dem pikantesten Effekt. Aber frei- lich, Charakter und Formen sind aͤußerst schlecht gewaͤhlt. † Die Pallast Mattei. † Die Ehebrecherin von P. da Cortona. Die Ehebre- cherin, von P. da Corto- na. Unstreitig das schoͤnste Gemaͤhlde in dieser Gallerie, und wenn ich es sagen darf, unter denen, die dieser Meister je hervorgebracht hat. Es ist wahr, die Composition verdient wenig Lob. Man wird sich der Begebenheit, die hier vorgestellt ist, erinnern. „Die Schriftgelehrten „und Pharisaͤer brachten ein Weib zu Christo, das „des Ehebruchs uͤberfuͤhrt war, und sprachen um „ihn zu versuchen: Moses hat im Gesetz geboten, „eine uͤberfuͤhrte Ehebrecherin zu steinigen. Was „sagft du? Christus buͤckte sich nieder, und schrieb „auf die Erde. Als sie nun anhielten ihn zu fragen, „richtete er sich auf, und sprach zu ihnen: Wer un- „ter euch ohne Suͤnde ist, der werfe den ersten Stein „auf sie, und buͤckte sich nieder und schrieb auf die „Erde. Da sie aber das hoͤrten, giengen sie hin- „aus von ihrem Gewissen uͤberzeuget ꝛc.“ Dies Suͤjet ist des reichen, abwechselnden, deut- lichen Ausdrucks wegen, zu dem es Anlaß giebt, aͤus- serst vortheilhaft fuͤr die Mahlerei. Die reuige Angst in der Suͤnderin, die Beschaͤmung, der laute und verbissene Aerger in den Pharisaͤern, der Ausdruck der Hoheit und der Milde im Christus, machen un- ter andern die Vorstellung dieser heiligen Geschichte von Agostino Carraccio im Pallast Zampieri zu Bo- logna, zu einem der interessantesten Bilder. Der Ausdruck in dem schuldigen Weibe ist auch unserm Kuͤnstler vortrefflich gegluͤckt. Der bloße Anblick ihrer Gestalt enthaͤlt die voͤllige Entschuldigung ihres Fehltritts. Mit so viel Reitzen die ganze Ver- R 3 fuͤhrungs- Pallast Mattei. fuͤhrungskunst der Maͤnner aufzubieten, mit so viel Ahndung einer brennenden Einbildungskraft und eines weichen Herzens in jedem ihrer Zuͤge, wie buͤßt der gesenkte Blick und die zitternde Lefze den ungluͤck- lichen Augenblick, den ersten und einzigen vielleicht, in dem sie schwach war. Hier ist keine gewoͤhnliche Suͤnderin werden wir uns sagen — Cette ame qui s’accuse, Fût foible fût coupable et non pas sans excuse. Wer sollte es aber nun glauben, daß der Kuͤnst- ler, statt den Christus aufgerichtet mit warnender aufgehobener Hand und vorgestrecktem Arme vorzu- stellen — Eine Aktion mit der er beim Carraccio die Worte begleitet: Wer unter euch ohne Suͤnde ist, der werfe den ersten Stein auf sie: — ihn sich niederbuͤcken, auf die Erde wuͤrde haben schreiben las- sen. Diese Stellung nimmt seiner Gestalt die ohne- hin nicht die edelste ist, alle Wuͤrde und Hoheit. Ueberhaupt ist der Augenblick vor der Antwort Christi ungluͤcklich gewaͤhlt. Er motivirt nur den einfachen wenig interessanten Ausdruck der Neugierde in den Pharisaͤern; und die Art wie er dargestellt wird, ist gar laͤcherlich: Sie setzen Brillen auf, das Ge- schriebene zu lesen. Aber diese Fehler in dem Gedanken werden durch große Schoͤnheiten in der Ausfuͤhrung wieder einge- bracht. An Kraft der Farben, und an pikanter Wuͤrkung des Helldunkeln koͤmmt es den besten Ge- maͤhlden des Guercino bei. Die mahlerische Anord- nung ist bei unserm Meister immer vortrefflich, und der eigenthuͤmliche Reitz seines Pinsels, das Duftige, das Pallast Mattei. das Verblasene der Behandlung, zeigt sich hier in aller seiner Lieblichkeit. Mengs schaͤtzte dies Gemaͤhlde sehr hoch, und kam oft hieher, es zu betrachten. In einem andern Zimmer. Ein Plafond von Domenichino, oder wie andere sagen von Albano. Er stellet den Traum Jacobs von der Himmelsleiter vor. Die Engel ha- ben reitzende Koͤpfe und die Gewaͤnder sind gut ge- dacht. Im Nebenzimmer. † Rahel und Jacob beim Brunnen. Dieser Plafond ist ganz ungezweifelt von Domeni- chino aber aus seiner ersten Manier. Schoͤn sind beide Figuren nicht, aber gefaͤllig durch den Aus- druck naiver Unschuld der diesem Kuͤnstler besonders gluͤckte. Rund herum sind Academische Figuren und Verzierungen grau in grau, und in einem guten Geschmack gemahlt. R 4 Villa Villa Olgiati , welche jetzt dem Russischen Consul Santini zugehoͤret. Mahlereien von Rapha- els Schuͤlern nach den Zeichnungen ihres Mei- sters. D ies war der Ort, an dem Raphael zuweilen in den Armen der Liebe von seinen Arbeiten in der Kunst ausruhete: Von einer Beschaͤfftigung, der er unzaͤhlige Reitze abborgte, den Genuß der Muse zu erhoͤhn. In einem der Zimmer dieses Pallasts findet man Mahlereien, die von Raphaels Schuͤlern nach den Zeichnungen ihres Meisters ausgefuͤhret, und von ihm hin und wieder retouchiret sind. Sie be- stehen in drei Gemaͤhlden, umgeben von Arabesken mit untergemischten Figuren. † Das erste dieser Gemaͤhlde stellet die Hochzeit der Roxane und des Alexanders vor. Es laͤßt sich nichts Reitzenderes als diese Composition denken. Amor und Hymen fuͤhren den Alexander zur Roxane, die auf ihrem Brautbette sitzt. Er bietet ihr die Krone an, die sie mit schuͤchterner Be- scheidenheit nicht anzunehmen wagt. Mehrere Amori- nen haben sich seiner Waffen bemaͤchtiget, einige schlep- pen seine Lanze, andere tragen einen ihrer Bruͤder auf seinem Schilde. Ein kleiner Amor hat sich in den Panzer gesteckt, und kriecht mit dieser Last wie eine Schnecke fort. Die Anordnung ist sehr gut, und der Ausdruck wie gewoͤhnlich vortrefflich. Inzwi- schen lassen einige Incorrektionen, und der Mangel an Villa Olgiati. an Bestimmtheit in der Zeichnung, auf die Ausfuͤh- rung dieses Bildes durch einen der Schuͤler des Ra- phaels schließen. Das Gemaͤhlde gegen uͤber stellet einige Maͤnner und Weiber vor, die, waͤhrend daß Amor schlaͤft, seine Pfeile gegen eine Scheibe verschießen, die an eine maͤnnliche Herme an- gelehnet ist. Viele unter diesen Figuren schweben in der Luft. Es haͤlt schwer, die Be- deutung dieses Bildes zu errathen. Die einzelnen Figuren haben die sweltesten und schoͤnsten Umrisse. Das dritte stellet Roxane an ihrer Toi- lette vor; ihre Weiber bringen ihr Gefaͤße mit Blumen. Außer diesen drei Gemaͤhlden mit weitlaͤuftigern Compositionen findet man mehrere einzelne Figu- ren in die Arabesken hineingewebt. Angefuͤllt mit dem Gegenstande, dem dieser Ort geheiligt war, hat der Kuͤnstler das Bild seiner Geliebten in mehreren verschiedenen Stellungen dargestellt. Schade! daß ihre Gesichtsbildung nicht den Charakter sanfter Feinheit an sich traͤgt, die man dem Frauenzimmer zutrauen sollte, an die sich Ra- phaels Herz zu haͤngen im Stande war. Die uͤbrigen Figuren sind eben so viel Traͤume einer suͤß schwaͤrmenden Einbildungskraft. Bald Sirenen deren Schwaͤnze sich in Blumen endigen, bald Maͤnner, die leicht uͤber Blumenstengel weg- schluͤpfen. Dann wieder Amorinen mit verschiedenen R 5 Spielen Villa Olgiati. Spielen beschaͤfftiget. Einige derselben wiegen sich auf Schaukeln, andere baͤndigen muthige Rosse, die ihre losen Bruͤder durch geschwaͤnkte Fahnen scheu machen. Kurz! alles kuͤndiget den Ort der Freu- den eines Mannes an, der auch die kleinsten durch die Feinheit seiner Empfindungen aufzufassen, und durch den Reitz der Einbildungskraft zu erhoͤhen wußte. Pallast Pallast Barberini. Souterrains. Erstes Zimmer. † S eptimius Severus von Bronze. Arme und Fuͤße neu. Hippolytus und Atalanta von Marmor; Fi- guren unter Lebensgroͤße. Nur der Torso ist an bei- den Statuen alt, und dieser ist an beiden schoͤn. Eine kleine Figur. Die Extremitaͤten von Bronze, neu: Das Gewand von Alabaster, alt. † Kopf des Septimius Severus, und des Hadrian im jugendlichen Alter. Beide von Bronze. Zweites Zimmer. Unter mehreren Kindern, auch eins mit Halb- stiefeln. Diese mit der untern Haͤlfte des Koͤrpers sind alt. Der Kopf ist neu. Man glaubt, der Koͤrper habe zur Statue des Kaisers Caligula im Knaben-Alter gehoͤrt. Ein anderes mit einem Vogel in der Hand, scheint eine Copie nach dem Kinde im Pal- last Borghese zu seyn. Hygea und Aesculap. Zwei Sarcophagen mit liegenden Figuren, die eine stellt den Bacchus (Kopf und Arme modern) die andere eine Frauensperson vor. An diesem letzten Pallast Barberini. letzten ist ein Basrelief mit Bacchantinnen be- findlich. Eine kleine Muse oberhalb der Huͤften um- guͤrtet. Buͤste des Pythagoras. † Eine Buͤste einer Dame, aus dem Hause Barberini von Bernini. Die Arbeit ist daran zum Erstaunen besorgt. Venus Victrix, Juno und Diana. An allen diesen drei Statuen sind die Koͤpfe neu. Die Juno ist die vorzuͤglichste: an dieser ist die Drapperie vortrefflich. Ein Silen scheint modern. Saal. Marc Aurel eine Statue, an der Fuͤße und Arme neu sind. August. † Eine große griechische Isis mit dem Harpocrates, schoͤn, obgleich mit derjenigen, die auf dem Capitol befindlich ist, nicht zu vergleichen. Sie traͤgt auf dem Haupte einen halben Mond, ei- nen Cirkel und zwei Federn. Dies kann aber auch ein neuer Zusatz seyn. Ein Schleier mit Franzen faͤllt ihr vom Hinterkopfe auf die Schultern. Sie traͤgt einen Unterrock und ein Oberkleid, das nur bis auf die Knie herunter geht; Dieses ist wie gewoͤhnlich mit den Zipfeln auf der Brust zusammen gebunden. Viele Buͤsten, unter denen einige modern sind. Unter den letzten bemerke man eine Nonne. Der Pallast Barberini. Der Christ als Kind auf dem Kreuze schlafend. Schule des Bernini. Der Kopf ist schoͤn und wahr. Aber der Koͤrper ein wenig wasser- suͤchtig. Ein Held mit Aepfeln in der Hand auf dem Ruͤcken; als Paris ergaͤnzt: Arme und Fuͤße neu. Basrelief mit Bacchantinnen, schoͤn. Alexander Farnese zu Pferde, kleines Mo- dell in Bronze von der Statue, die zu Piacenz steht. Zweiter Saal. Eine Frau mit dem Schleier. Sie hat mit einer Faustina Aehnlichkeit. † Schoͤne Colossalische Muse, von der Winkelmann redet. Winkelmann, G. d. K. W. E. S. 638. Ihre Augen sind ausgehoͤhlt. Der Kopf ist voll edeln Ausdrucks, auch die Stel- lung hat etwas Ehrwuͤrdiges. Die Falten fallen senkrecht, Zeichen eines sehr alten Stils. Sie haͤlt eine Leier, die groͤßestentheils alt ist. Nur der rechte Arm und die Finger, mit der sie die Leier haͤlt, sind neu. Eine andere drappirte Muse, schoͤn aber be- schaͤdigt. Mehrere Buͤsten, unter denen eine Juno in colossaler Groͤße, mit einem Diadem und einer Loͤwenhaut, die vorzuͤglichste ist. Ein junger Mensch im Bade, Kopf neu. Eine Gruppe auf einander liegender Kin- der, schlecht. Zimmer Pallast Barberini. Zimmer zur Seite. Eine Menge neuerer Buͤsten, in Marmor, gebrannter Erde und Bronze. Einige derselben sind sehr schoͤn. An Statuen. Eine schlafende Diana. St. Sebastian: wahrscheinlich aus der Schule des Bernini. Mehrere Sarcophagen: unter andern eins mit Musen, die Federn auf dem Kopfe tragen. Ein aͤhnliches findet man im Pallast Mattei. Im folgenden. Ein Bock mit einem neuen Kopfe. Eine Ziege. Ein Genius mit dem Fuͤllhorn in Bronze. Der Stil ist Etruscisch. Das Fuͤllhorn soll neu seyn, wie Winkelmann sagt. G. d. K. S. 274. Eine sitzende Aegyptische Figur mit einem Rocke, der sich gleich einer Glocke erweitert. Win- kelmann gedenkt ihrer. G. d. K. S. 80. Osiris mit einem Sperberkopfe. Winkelm. G. d. K. S. 72. Eine andere Aegyptische Gottheit in der Form, die man gemeiniglich dem Antinous zu- schreibt. † Ent- Pallast Barberini. † Entfuͤhrung der Europa, ein antikes Mo- saik. Es ist ziemlich fein. Es ward im Tempel des Gluͤcks zu Palestrina gefunden. Die Begleite- rinnen der Europa stehen am Ufer, und ihr Vater Agenor laͤuft herzu. Winkelmann G. d. K. S. 769. In einem andern Zimmer. † Venus mit einigen Amorinen, ein Gemaͤhl- Zwei antike Gemaͤhlde. de al Fresco, welches man fuͤr alt ausgiebt. Winkel- mann selbst erklaͤrt es dafuͤr. G. d. K. S. 560. Er behauptet je- doch, es koͤnne keine Venus vorstellen, weil die weib- liche Figur Warzen auf den Bruͤsten habe. G. d. K. S. 274. Man koͤmmt allgemein dahin uͤberein, daß der Kopf der Venus von Carlo Maratti uͤbermahlt und die Amo- rinen ihm hinzugefuͤgt worden. So erklaͤrt sich auch Winkelmann in den annota- zioni sopra le Statue di Roma, welche den Brie- fen an einen Freund in Liefland beigedruckt sind. S. 68. Duͤrfte ich mei- ner Empfindung trauen, so wuͤrde ich das ganze Ge- maͤhlde fuͤr neu, und aus der Florentinischen Schule halten. Obgleich die Gruͤnde womit ich diese Mei- nung unterstuͤtze, sich besser fuͤhlen als sagen lassen, so will ich doch den Betrachtenden hier auf die haͤngen- den mit starken Warzen versehenen Bruͤste, auf die ge- zwungene Stellung, auf die gedreheten Finger, die ohne allen Grund auseinander gerissen und gespannt sind, endlich Pallast Barberini. endlich auf die ganz ungewoͤhnlichen Verkuͤrzungen aufmerksam machen. † Eine sitzende Roma. Sie haͤlt eine Vi- ctoria. Gleichfalls ein antikes Gemaͤhlde, uͤber dessen Authenticitaͤt mir kein Zweifel uͤbrig bleibt. Das Gewand ist gut geworfen, doch sind die Falten etwas steif, die Umrisse etwas hart: Die Farbe ist verblichen. Zwei Basreliefs deren eines den Raub der Proserpina vorstellt, und ungeachtet der Verstuͤm- melungen schoͤn ist. Die drei Grazien, klein, scheinen von mo- derner Hand nach der Gruppe im Pallast Ruspoli copirt zu seyn. Ein schoͤner Kopf Jupiters. Buͤste des Bacchus von Bernini. Eine andere des Apollo von demselben. Ein schoͤner Kopf des Hercules. Meleagers Begraͤbniß, ein Basrelief in gutem Stile. Einige Personen, die bei einem Mausoleo versammelt sind. Basrelief. Eine kleine Figur eines Athleten. Der Koͤrper ist schoͤn. Das uͤbrige ist modern und mittel- maͤßig. Letztes Zimmer. Der schlafen- de Faun. † Der schlafende Faun. Die beiden Beine und der eine Arm sind aus Stucco von Bernini er- gaͤnzt. Der Ausdruck des Schlafs ist unvergleich- lich, uͤbrigens ist die Natur roh und baͤurisch, wie es Pallast Barberini. es der Charakter dieser Gottheit mit sich bringt. Die Stellung ist sehr natuͤrlich und wahr, und das Spiel der Muskeln vortrefflich. Diese Statue, welche ehemals auf dem Castel St. Angelo gestanden hat, ist bei der Belagerung der Gothen von den be- lagerten Roͤmern zur Vertheidigung nebst andern auf die Feinde herunter geworfen, und demnaͤchst bei Ausraͤumung des Grabens gefunden worden. † Adonis mit dem wilden Schweine. Eine Gruppe des Guis. Mazzoli Sinesi. Ein Schuͤler des Hercules Ferrata starb 1725. Der Kopf ist lieblich, die Stellung aber gezwungen. Die Behandlung des Marmors ist aͤußerst delicat. Mehrere Buͤsten, darunter ein Caracalla von Bronze, und eine Minerva. Nero, von dem Winkelmann sagt, daß er neu sey. G. d. K. S. 808. Ein schlafendes Kind al Fresco. Manier des Guido. Ein Jaͤger, der ein Hirschkalb haͤlt. Der Kopf ist neu. Es haͤngen in diesen Zimmern auch eine Menge von Gemaͤhlden, bei denen ich mich jedoch nicht aufhalte, da der groͤßte Theil derselben aus Copien zu bestehen scheint. In unbewohnten Zimmern zur Seite standen zu meiner Zeit mehrere moderne Buͤsten. Eine Zweiter Theil. S Pallast Barberini. Eine kleine Statue mit einem modernen Isiskopfe. Winkelmann G. d. K. S. 413. haͤlt sie des breiten Hauptbandes oder der Insula wegen, die auf die Schultern herunter faͤllt, fuͤr eine Vestalin. Eine andere weibliche Statue, die einen Anubis haͤlt, mit einem neuen Kopfe. Winkelm. G. der K. S. 72. Eine moderne Gruppe der Latona. Schoͤner an- tiker Loͤwe. Auf der Treppe, die zu den obern Zim- mern fuͤhrt † ein in die Wand gemauerter colossalischer Loͤwe. Er erscheint jetzt als hoch- erhobene Arbeit, aber wahrscheinlich war er ehemals ganz rund, und wie Winkelmann G. d. K. S. 385. glaubt, von einem Grabmale genommen. Ein hoͤherer Aus- druck von Majestaͤt und Staͤrke laͤßt sich nicht denken, und dennoch ist ein großer Theil der Schnauze und des Rachens neu. Plafond des Pi tro da Co. tona. In dem großen Saale, in den man zuerst tritt, hat Pietro da Cortona eine Decke gemahlt, die man fuͤr eine der ersten Frescomahlereien in der Welt haͤlt. Als Plafond betrachtet, hat man Recht, dieser Decke einen vorzuͤglichen Werth beizulegen. Sie soll den Triumph des Ruhms des Hauses Barberini darstellen. Die ganze Zusammensetzung besteht aus einer weitlaͤuftigen Allegorie, die gemei- niglich folgendermaaßen entziffert wird. In Pallast Barberini. In der Mitte der Decke wird das Barberinische Wappen durch die Tugenden in Gegenwart der Vor- sehung, der Zeit, der Parzen, und der Ewigkeit, die mit Sternen gekroͤnt ist, in den Himmel gehoben. Zur Seite schleudert Minerva Donnerkeile auf die Titanen. Gegenuͤber stehen die Religion und der Glaube zwischen der Wollust und einem Silen. Weiterhin toͤdtet Hercules die Harpyen. In den Wolken schweben die Gerechtigkeit und der Ueberfluß, unten steht die Menschenliebe. Dann bemerkt man wieder die Werkstatt Vulkans, und außerdem den Frieden, welcher den Tempel des Krieges verschlies- set; Mars liegt an Ketten; die Fama verkuͤndigt den Frieden. Alle diese verschiedenen Vorstellungen erscheinen auf einer Flaͤche; an einander haͤngend, in einander greifend; ohne Zwischenraum, ohne irgend etwas, das fuͤr eine Abtheilung gelten koͤnnte. Der Him- mel oͤffnet sich, als das Barberinische Wappen sich naͤhert, und da zeigen sich diese Meteore. Man preiset diesen Plafond als eine der reichsten Ob weitlaͤuf- tige Compo- sitionen der Mahlerei zu- traͤglich, und angemessen seyn moͤgen? Compositionen, die jemals aus einem Pinsel geflos- sen sind. Hat denn der Mahler, der ein Gemaͤhlde mit vielen Figuren ausstaffirt, einen wuͤrklichen An- spruch auf unsere Dankbarkeit? Loben wir nicht die Weisheit eines Kuͤnstlers, der mit wenigen Figuren den vollstaͤndigen Ausdruck einer Handlung, ein leicht zu uͤbersehendes Ganze liefert? Wird dasjenige, was wir an einem andern Orte uͤber weitlaͤuftige Werke in runder Bildhauerei festgesetzt haben, wo nicht seine voͤllige, doch eine verhaͤltnißmaͤßige An- S 2 wendung Pallast Barberini. wendung auf Gemaͤhlde finden? Nicht allerdings! Das Mahlerische scheint eine merkliche Abwechselung von Stellungen, Gruppen u. s. w. zu verlangen, zu der man bei weitlaͤuftigen Compositionen leichtere Veranlassung findet. Die Menschen lieben Auf- zuͤge, Pomp, uͤberhaupt zusammengedraͤngte Hau- fen von Menschen. Raphael hat uns gezeigt, daß Ausdruck und Zusammenhang sehr wohl mit einer Menge von handelnden Figuren bestehen koͤnne: mit- hin erhoͤhet derjenige, welcher der Wahrheit und dem Interesse unbeschadet, mehrere vereinigte Menschen darstellt, unstreitig mein Vergnuͤgen. Localverhaͤltnisse muͤssen hier freilich mit in An- schlag kommen, und die erste Sorge des Erfinders muß dahin gehen, solche Begebenheiten zur Dar- stellung zu waͤhlen, an der viele Personen einen sicht- baren und natuͤrlichen Antheil nehmen koͤnnen. Denn sonst werden viele muͤßige Personen, die nur zur Ausfuͤllung der Flaͤche dienen, meine Aufmerksam- keit zerstreuen, und den Eindruck der wuͤrklich thaͤti- gen Figuren schwaͤchen. Wenn man daher einen Kuͤnstler der Sparsamkeit wegen lobt, so ist dies von Faͤllen zu verstehen, wo der Reichthum zur Ver- schwendung wuͤrde. Plafonds scheinen der Groͤße des Feldes wegen, welches der Kuͤnstler auszufuͤllen hat, zu dergleichen weitlaͤuftigen Compositionen besonders geschickt. Al- lein eine Menge von einzelnen Handlungen, die nur einer unsichtbaren Beziehung wegen an einen Ort zu- sammen gedraͤnget sind, machen die vollgepfropfte Flaͤche noch keinesweges zu einem Ganzen. Dies Pallast Barberini. Dies ist hier der Fall. Die Mahlereien des Pietro da Cortona enthalten eine Gallerie von Ge- maͤhlden eines Meisters, denen nichts als der Rahme fehlt, um sich von einander abzusondern: Und es scheint wuͤrklich, der Rahme wuͤrde hier keinen un- wesentlichen Dienst geleistet haben, theils um die un- schickliche Durcheinanderwerfung heidnischer und christlicher Vorstellungen zu vermeiden; theils den Standort naͤher zu bestimmen, aus dem das Einzelne perspektivisch richtig und doch nicht unfoͤrmlich erschei- nen soll; uͤberhaupt aber, um aller Verwirrung vor- zubeugen. Die Allegorie haͤtte dadurch an Deutlich- keit nicht verlohren, weil das Mittelgemaͤhlde die Beziehung der uͤbrigen Gemaͤhlde hinreichend wuͤrde angedeutet haben. Freilich waͤre die Decke dann nur eine Gallerie geblieben, in der man zur Ehre des Besitzers Gemaͤhlde aufgestellt haͤtte, welche durch wuͤrkliche Beispiele die abgezogenen Begriffe seiner Tugenden versinnlichen sollten; und jetzt sieht man den Himmel offen, man sieht eine Erscheinung. Aber welchen Himmel? In dem personificirte Ab- stracta christlicher und heidnischer Tugenden, sogar bestimmte Charaktere von Gottheiten, durcheinan- der schweben, und auf die abentheuerlichste Art! Das Auge hat die groͤßte Muͤhe, die einzelnen Vorstellungen auseinander zu trennen. Nirgends findet es Ruhe. Ein Sturmwind scheint die Figuren an ihren Platz geworfen zu haben. Das Feuer des Mahlers zeigt sich in ungebaͤndigter Einbildungskraft. Die Stellungen sind uͤbertrieben: die Koͤpfe ohne Ausdruck S 3 und Pallast Barberini. und unter einander sich alle aͤhnlich. Die Zeichnung hat mehrere Incorrektionen. Das Colorit, welches sehr gelitten hat, kann glaͤnzend, kann gefaͤllig ge- wesen seyn, aber wahr war es nie. Das Licht ist aͤußerst willkuͤhrlich, und nur in der Absicht zu blenden vertheilt. Kurz! das ganze Gemaͤhlde ist ein schoͤner Schein, hinreichend den Blick in die Hoͤhe zu ziehen, aber nicht ihn anzuheften. Vielleicht ist dies Alles, was man von einem Plafond verlangen darf, und betrachtet man diese Mahlereien mit gehoͤriger Ruͤcksicht auf diese Bestim- mung, so wird man der Fruchtbarkeit an geistreichen Erfindungen, der Leichtigkeit der Behandlung, und vorzuͤglich der perspektivischen Wuͤrkung, die nie- mand besser verstand, als Pietro da Cortona, alle Gerechtigkeit wiederfahren lassen muͤssen. Moͤchte Pietro da Cortona doch nichts als Pla- fonds gemahlt haben! Dorthin gehoͤrt jenes wilde Feuer, jene handwerksmaͤßige Fertigkeit, welche die Italiener Spirito nennen, dort erwarten wir nur Schein nur Schminke. Allein wenn wir Ge- maͤhlde von ihm sehen, die auf naͤhere Pruͤfung be- rechtigt seyn sollten, so muͤssen wir ausrufen, was jener Spartaner dem Sophisten antwortete, welcher sich ruͤhmte, seine Zuhoͤrer alles glauben zu machen, was er wollte: Beim Himmel! es giebt keine Kunst, und es wird nie eine Kunst geben, deren Grund nicht Wahrheit sey! Pietro da Cortona, und sein Stil. Pietro Berettini ward 1596. zu Cortona gebohren, und lebte bis 1681. Er ist unstreitig der Stifter des falschen Geschmacks, der sich in der letzten Pallast Barberini. letzten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts auszubreiten anfieng, bis in die Mitte des jetzigen allgemein fort- gedauert hat, und bis jetzt noch nicht allgemein aus- gerottet ist. Die Carracci strebten nach Vereinigung aller Theile der Mahlerei, die ein Gemaͤhlde zu einem vollkommenen Ganzen machen koͤnnen. Sie wollten richts aufgeben, alles umfassen, was man sich in dem Ideale eines großen Mahlers vereinigt denken darf. Die Unmoͤglichkeit, diese Forderungen, die der Kuͤnstler an sich selbst macht, durch wuͤrkliche Erfuͤllung zu befriedigen, sah Pietro da Cortona ein, allein er traf einen Ausweg, machte der Menge glauben, daß sie erfuͤllt waͤren, und betaͤubte durch ihren Beifall sein eigenes Gefuͤhl, und das Gefuͤhl weniger Kenner. Wir haben vorhin dem Paolo Veronese einen aͤhnlichen Kunstgriff abgemerkt. Sophist fuͤr So- phist: Beide machten sich die Schwachheiten ihres Jahrhunderts zinsbar. Paolo bezauberte die groͤ- bern Sinne eines Volks, das unter Sorge fuͤr Er- werb und Herrschsucht zur Ausbildung der feineren keine Zeit uͤbrig behielt: Pietro brachte den Witz seiner Zeitgenossen in Schwingung, die zu gelehrt, um an bloßer Treue der Darstellung Unterhaltung zu finden, zu wenig aufgeklaͤrt, um das Einfache zu schaͤtzen, in der Mahlerei wie in der Poesie Con- cetti suchten. Herzen die das Bedeutungsvolle von dem Spitzfindigen, das Wahre von dem Schein, den Reitz von der Affektation zu unterscheiden wissen, sind von jeher seltener gewesen, als Augen die geblendet S 4 seyn Pallast Barberini. seyn moͤgen, oder Koͤpfe, die ihr Suͤmmchen von Kenntnissen durch Entraͤthselung verwickelter Ersin- dungen verzinsen wollen. Jeder Kuͤnstler, der gegenwaͤrtigen Ruf, Zu- neigung der Großen, wohlbesetzte Tafeln, dem Be- wußtseyn seiner Vollkommenheit, dem Beifall der Wenigen unter seinem Volke, die wuͤrklich sehen und waͤgen, und die Meinung kommender Jahrhundert- bestimmen, vorzieht; der folge der Verfahrungsart des Paolo und Pietro, der schicke sich in den herr- schenden Geschmack. Vielleicht ist dies allein wahre Klugheit des Weltbuͤrgers, allein fuͤr das Beste der Kuͤnste ist zu wuͤnschen, daß ihre Anhaͤnger stets arglose Erdenbewohner bleiben moͤgen. Alles was den Blick des Kenners auf einen Augenblick anzieht, und den unaufmerksamen Zu- schauer gerade so viel Augenblicke unterhaͤlt als er un- terhalten seyn will, findet sich in den Gemaͤhlden un- sers Meisters. Allegorien, die das Herz leer lassen, aber den Witz beschaͤfftigen: eine Menge von Figu- ren, die einzeln unrichtig gezeichnet, doch im Gan- zen durch keine auffallende Vernachlaͤßigung der Ver- haͤltnisse beleidigen: Eine Anordnung, die den Re- geln der poetischen Erfindung gemeiniglich zuwider, die mahlerische Wuͤrkung trefflich unterstuͤtzt: Nur ein Kopf fuͤr jedes Alter, fuͤr jedes Geschlecht, aber dieser gefaͤllig gewaͤhlt. Kein vollstaͤndiger Aus- druck, aber ein verstaͤndlicher durch uͤbertriebene Ge- baͤrden. Ein Colorit das ohne wahr zu seyn, die Tafel hell, lieblich, und aus einem Tone faͤrbt: Eine Beleuchtung endlich, die wenn sie gleich uner- klaͤrbare Pallast Barberini. klaͤrbare Wege nimmt, doch immer dem Auge durch Abwechselung des Lichts und Schattens Unterhaltung gewaͤhrt: Ich daͤchte ein Theil der zauberischen Kuͤnste waͤre erklaͤrt, wodurch das Blendwerk eines Pietro da Cortona den fluͤchtigen Beobachter anzieht. Aber worin liegt das Geheimniß, welches zu- gleich den Kuͤnstler, den aufmerksamen Liebhaber, jener Fehler wegen, beschwichtiget. Denn wenn gleich das Mittelmaͤßige den großen Haufen anfangs staͤrker ruͤhrt, als das sehr Gute, weil es ihm naͤher ist; so verlaͤßt er doch bald seine Creaturen, wenn der selbststaͤndige Mann ihm versichert, daß er sich laͤ- cherlich machen wuͤrde, sich ihrer ferner anzunehmen. Man mag sagen, was man will, das Ver- gnuͤgen, welches die nachahmenden Kuͤnste dem den- kendsten Kopfe gewaͤhren, als Kuͤnste gewaͤhren, haͤngt doch immer zum großen Theil von der Treue der Nachahmung, und von der Bewunderung der Geschicklichkeit des Kuͤnstlers ab. Wie natuͤrlich! wie kuͤnstlich! ist ein Ausruf, der von dem: wie schoͤn! noch ganz verschieden ist, und den gewiß der erste Anblick eines Blumenstraußes von van Huysum selbst einem Winkelmann, so voll sein Kopf auch immer von Idealen war, wird abgejagt haben. Allein die Darstellung eines Vorwurfs, so baar wie wir ihn taͤglich in der Natur finden, wird unsere Aufmerksamkeit vorzuͤglich alsdann wenig fesseln, wenn wir schon mehrere aͤhnliche Nachbildungen ken- nen, und die Geschicklichkeit des Kuͤnstlers, sollte er auch noch so viel Aufwand derselben gemacht haben, S 5 wird Pallast Barberini. wird uns nach einer gewissen Folge guter Nachahmer, wenig mehr auffallen. Bei einem Volke, das eine so versatile Einbil- dungskraft hat, als der Italiener, hat der Kuͤnstler keinen unbedeutenden Anspruch auf ihre Achtung, der ihnen schon gewoͤhnlich gewordene Vorstellungen in ei- nem neuen Lichte zeigt, und dadurch zu gleicher Zeit ihre Aufmerksamkeit auf den Vorwurf selbst, und auf die Geschicklichkeit des Kuͤnstlers, der ihn her- vorgebracht hat, gleichsam zu verstaͤhlen weiß. Erklaͤrung des Worts: il Spirito in der Mah- lerei. Diese Neuheit verbunden mit der Gabe seine Geschicklichkeit recht fuͤhlbar zu machen, ist es was die Italiener mit dem Worte con Spirito von ei- nem Werke, als hoͤchstes Anrecht auf ihre Bewun- derung ruͤhmen. Man sieht leicht, wohin das fuͤhrt. Die Schwierigkeiten neu zu seyn, werden mit jedem Jahre groͤßer. Man verfaͤllt endlich auf solche Extrava- ganzen — daß es einem Carraccio, einem Mengs durch Zuruͤckfuͤhrung auf Wahrheit, wieder neu zu werden gluͤckt. Das Gefuͤhl der Geschicklichkeit des Kuͤnstlers haͤngt vorzuͤglich von der Leichtigkeit der Behandlung ab. Um leicht zu mahlen, wird man anfaͤnglich nur unbestimmt, und hoͤrt damit auf zu klecksen. So sieht man noch jetzt die Werke der neueren Napolitaner und Venetianer: und um eben so witzig zu sprechen, wie sie mahlen: — uͤber das Geistreiche in ihren Erfindungen ist die gesunde Vernunft, und uͤber das Geistreiche der Behandlung das Koͤrperliche verlohren gegangen. Pietro Pallast Barberini. Pietro da Cortona der erste Vorgaͤnger auf die- sem Wege zu gefallen, nachdem die Carracci und ihre Schuͤler an Wahrheit wieder gewoͤhnt hatten, ist noch nicht bis zum Abentheuerlichen vorgedrungen; und man kann daher noch gerecht seyn gegen den Auf- wand von Erfindungskraft, und gegen die Leichtig- keit der Ausfuͤhrung, die er in seinen Werken zeigt. Sie scheinen wie ein Hauch auf die Tafel geblasen. Dies nennen die Italiener il Sfumato, und dieser Erklaͤrung des Worts: il Sfumato. Vorzug hat neben der vortrefflichen mahlerischen An- ordnung, den großen Kenntnissen der Linien-Perspektiv, und dem hellen, lieblichen, harmonischen Ton der Farbe, diesem Meister, selbst bei Kennern, das Lob des geistreichsten Handwerkers zu Wege gebracht. Seine Gewaͤnder sind in unbestimmte Falten, und vorzuͤglich die weißen in zu viel kleinliche, wie etwa Flor, gelegt. Daran kennt man ihn am leich- testen wieder. Doch! er ist sich stets so aͤhnlich, daß man keine Gefahr laufen wird, wenn man eins seiner Bilder gesehen hat, die uͤbrigen zu verkennen. In dem folgenden Saale. Eine Copie der Transfiguration Ra- phaels. Die Koͤpfe sind ohne Charakter; die Zeich- nung ist ohne Richtigkeit. Die Schatten sind nach- geschwaͤrzt. Mehrere Cartons zu Tapeten von Roma- nelli. Sie koͤnnen auch von einem Schuͤler des Pietro da Cortona seyn. Ein Pallast Barberini. Ein großes allegorisches Gemaͤhlde. Es hat viel von Valentin. Buͤsten: Vitellius Lucius Verus. Mar- cus Aurelius. Der Kaiser Aelius. Julia di Tita. † Ein sogenannter Marcus Brutus, sehr schoͤn. † Ein schoͤner Kopf eines jugendlichen Weibes, mit einer Hauptbinde. Ein Pabst. An Statuen. Ein junger schoͤner Hercules, die Arme modern. Eine Amazone mit modernen Armen. Mehrere weibliche Figuren, die als Ceres restaurirt sind. Zwei Kaiserinnen, deren eine eine Faustina, die andere eine Plotina zu seyn scheint. Ein kranker Faun, eine ekelhafte Vorstellung von Bernini. Eine Consular-Statue, die zwei Buͤsten auf den Haͤnden traͤgt. Man nennt sie den aͤltern Brutus mit den Soͤhnen. Sie ist mittelmaͤßig. In einem andern Saale. Zwei Gemaͤhlde von Romanelli. Das eine stellt ein Bacchanal, das andere ein Goͤtterfest vor. In Pallast Barberini. In einem daran stoßenden Zimmer. † Die heilige Magdalena, eine halbe Figur von Guido. Man glaubt es sey eine Copie nach dem groͤßern Gemaͤhlde in den obern Zimmern, aber es ist wahrscheinlicher eine Wiederholung desselben Gegenstandes von der eigenen Hand dieses Meisters: Denn einige Partien sind hier schoͤner, als in dem obern Gemaͤhlde. Der Ausdruck zerknirschter Reue ist vortrefflich. Die Zeichnung ist sehr fein, doch kann die linke Brust etwas zu tief liegen. Das Ge- wand scheint manierirt. Die Faͤrbung faͤllt ins Graue. † Die Spieler von Carravaggio. Dies Die Spieler von Carra- vaggio. Gemaͤhlde vereinigt viele Schoͤnheiten. Ein Paar falsche Spieler betriegen einen dummen Neuling. Die Mine von Einfalt in dem letzten ist unvergleich- lich. Einer der Schelme spielt mit ihm, und zieht hinten eine falsche Carte hervor, waͤhrend daß sein Geselle, der hinter dem Betrogenen steht, ihm mit den Fingern die Zahlen der Carten desselben zeigt. Der Ausdruck ist vortrefflich, die Zeichnung gut, die Faͤrbung kraͤftig, und das Helldunkle von sehr pikanter Wuͤrkung. Simson vom Calabrese, David vom Car- ravaggio. H. Petrus, erste Manier des Guido. Eine Lautenspielerin nach dem Originalge- maͤhlde des Carravaggio im Pallast Giustiniani. † Ein Portrait Raphaels mit der Jahrs- zahl 1518. Es ist zweifelhaft, ob es von ihm sey. Inzwi- Pallast Barberini. Inzwischen bleibt es allemal ein schoͤnes Gemaͤhlde, obgleich die Faͤrbung sehr verblichen ist. Carita man legt sie dem Guido bei. Es koͤnnte wohl eine Copie seyn. Ein todter Christ, in der Verkuͤrzung. Schule der Carracci. † Jacob, dem Rahel zu trinken reicht, von Poussin. Die Anordnung dieses Gemaͤhldes ist wie gewoͤhnlich, sehr gut. Die Weiber haben gute Formen. Die Figur Jacobs ist nicht edel genug, und die Gewaͤnder sind zu gesucht. Die Faͤrbung ist verblichen. Zwei Brustbilder aus Tizians Schule. Ein Kopf im Pelze, wahrscheinlich von Paul Veronese. Ein schoͤnes Bildniß eines Cardinals, von Scipio Gaetani. † Angelika und Medor zwei angenehme Fi- guren von Augustino Carraccio. Heil. Hieronymus von Gerhard della notte oder Honthorst. Zwei Skizzen von Poussin, aus der roͤmi- schen Geschichte. Opferung Isaacs, und eine heilige Ca- tharina, vom Carravaggio. Christ im Oehlgarten von Lanfranco. Heil. Familie, angeblich von Albano. In Pallast Barberini. In einem andern Zimmer. Daͤdalus und Icarus von Guercino. Drei alte Koͤpfe und ein Kind, das einen Apfel haͤlt, aus der Venetianischen Schule. Wohnzimmer des Prinzen. † Esther und Ahasverus. Dies schoͤne Bild Esther und Ahasverus von Guerci- no. ist durch den Kupferstich des Strange bekannt ge- worden. Die Anordnung ist gut. Der Ausdruck der in Ohnmacht fallenden Esther, und des Schre- ckens der Frauen die sie umgeben, wahr, aber nicht edel. Der Koͤnig sollte einen Ausdruck von Guther- zigkeit und Hoheit haben. Allein dieser ist misgluͤckt, und zur kleinmuͤthigen Repraͤsentation herabgewuͤr- diget. Die Faͤrbung, die sehr gelitten hat, faͤllt ins Rothe. Das Helldunkle ist der vorzuͤglichste Theil dieses Gemaͤhldes. † Tobias, der seinen Vater heilt. Wah- rer aber niedriger Ausdruck. Von Valentin. Zimmer der Prinzessin. Die Madonna, die uͤber dem schlafenden Christ betet, nach dem Originalgemaͤhlde des Gui- do im Pallast Doria. Heilige Familie von Carlo Maratti. Das Profil der Madonna ist reitzend. Wenn Pallast Barberini. Wenn man sich auf die andere Seite des Pal- lasts wendet, so trifft man noch einige Zimmer an, in denen Gemaͤhlde haͤngen. Vielleicht sagt man von diesen dasjenige mit Recht, was man im Gan- zen der Barberinischen Sammlung vorwirft: Daß viele gute Originale mit Copien ausgetauschet sind. Jedoch finden sich hier auch einige Originale, unter denen ich folgende auszeichne: In einem Zimmer mit lauter Bildnissen. † Eine Frau in schwarz gekleidet voller Wahrheit. Ein alter Mann gleichfalls in schwarzer Klei- dung. Sie scheinen beide aus der Venetianischen Schule zu seyn. † Eine Hagar mit dem Engel von Andrea Sacchi oder wie andere wollen, von Mola . Ein heil. Hieronymus von Guercino. Eine heilige Familie von Pietro da Cor- tona. Jacob mit den Engeln, von Lanfranco. Einige Bilder von Ciroferri, unter andern ein Opfer. Einige andere von Camassei. Andreas Camassei, Schuͤler des Domenichino. S. d’Argensville. Man sucht ihn vergebens beim Fueßli. In Pallast Barberini. In einem der Zimmer dieses Geschosses — ich will aber die Wahl haben, ob es nicht in einem der vorhergehenden auf der andern Seite sey — ist auch ein Plafond von Andreas Sacchi. Ich gestehe mit meiner gewoͤhnlichen Aufrichtig- keit, daß ich diesen Plafond uͤbersehen habe. Ich bin auch von meinen Fuͤhrern nie darauf aufmerk- sam gemacht worden, ob ich gleich diesen Pallast zu mehreren Malen besucht habe. Er soll meh- rere auf der Erdkugel triumphirende Tugenden vor- stellen, die den Inbegriff der goͤttlichen Weisheit des Pabstes ausgemacht haben. Richardson De- script. des tabl. etc. T. III. S. 264. spricht mit vielen Lobeserhebungen davon, und sagt: es sey eines der anziehendsten Werke, die er jemals gesehen habe; das Colorit zart und lieblich. Hingegen Volkmann Historisch kritische Nachrichten, Th. 2. S. 285. be- hauptet: die Zusammensetzung sey sehr mittelmaͤs- sig, das Colorit schwach, das Ganze thue keine Wuͤrkung, jedoch treffe man in einigen Koͤpfen ei- nen guten Ausdruck an. Zimmer, in dessen Mitte ein Spring- brunnen. Rund um diesen Springbrunnen stehen einige Statuen, unter denen ich einen kleinen Priester der Cybele und ein Kind bemerke. Die Priester der Cybele zeichnen sich aus, durch Wiederer- kennungszei- chen eines Priesters der Cybele. weibliche Formen, die ihre verschnittene Natur an- deuten, durch die phrygische Kleidung, und den un- bedeckten Unterleib. Auch Zweiter Theil. T Pallast Barberini. Auch sind in den Nischen der Wand Statuen und Buͤsten befindlich. Es schien mir nicht, daß etwas Außerordentliches darunter waͤre. Zimmer im obern Theile des Pallasts, welche zu meiner Zeit der Duca di Monte Libreto bewohnte. In dem ersten Zimmer ist nichts Merkwuͤr- diges anzutreffen. In dem zweiten. Tod des Germanicus von Poussin. † Der Tod des Germanicus von Poussin. Germanicus war vom Tiber an Kindes Statt angenommen. Er starb in Antiochia. Man glaubt, daß Tiber eifersuͤchtig auf seinen Ruhm, ihn durch einen gewissen Piso und dessen Weib Plancina habe vergiften lassen. Folgende Nachrichten von den letz- ten Stunden dieses großen Mannes liefert uns Tacitus. „Als er sein Ende herankommen sah, beschwor „er seine Freunde, ihn an seinen Feinden, dem Piso „und dessen Weibe der Plancina wegen der empfind- „lichen Kraͤnkungen zu raͤchen, die er im Leben von „ihnen hatte erdulden muͤssen; und die Verraͤtherei, „nicht ungeahndet zu lassen, mit der sie jetzt seinen „Tod auf die schaͤndlichste Weise befoͤrdert hatten. „Die erste Pflicht der Freundschaft, sprach er, „ist nicht den Abgeschiedenen mit muͤßigen Klagen zu „ehren, sondern seines Willens eingedenk, seine Auf- „traͤge Pallast Barberini. „traͤge auszufuͤhren. Auch Unbekannte werden den „Germanicus beweinen, ihr werdet ihn raͤchen, „wenn ihr anders an ihm, nicht an seinem Gluͤcke „gehangen habt. Zeigt dem roͤmischen Volke die „Enkelin des vergoͤtterten August, diese meine Gat- „tin: zaͤhlt ihm meine sechs Kinder vor. Erbar- „men wird den Anklaͤgern zur Seite stehen, und be- „rufen sich die Angeklagten auf einen schaͤndlichen „Befehl; man wird ihnen nicht glauben, oder keine „Entschuldigung darin finden. „Die Freunde ergriffen die Hand des Sterben- „den und schwuren: eher den Geist aufzugeben, als „den Vorsatz ihn zu raͤchen. „Darauf kehrte er sich zu seiner Gemahlin, und „bat sie bei seinem Andenken, bei der Zaͤrtlichkeit zu „ihren gemeinschaftlichen Kindern, ihre Erbitterung „zu unterdruͤcken, ihren Geist unter das widrige „Schicksal zu beugen, und nach ihrer Ruͤckkehr in „die Stadt durch keine Anmaaßung auf einen Antheil „an der hoͤchsten Gewalt diejenigen aufzubringen, „welche sie in Haͤnden haͤtten.“ So weit die Erzaͤhlung, aus der der Kuͤnstler drei verschiedene Zeitpunkte zur sichtbaren Darstel- lung herausheben zu koͤnnen scheinet. Einmal: denjenigen waͤhrend des Anfangs der Rede des Germanicus; Zweitens: denjenigen, in dem er seine Rede endigt, und seine Freunde herzueilen, ihm Rache zu schwoͤren; Drittens: denjenigen, wo er seine Frau zur Maͤßigung ihres hohen Geistes ermahnet. T 2 Alle Pallast Barberini. Unterschei- dungszei- chen des in- teressantesten Augenblicks einer Bege- benheit zur sichtbaren Darstellung in Ruͤcksicht auf Aus- druck. Alle Kunstrichter empfehlen dem Mahler den in- teressantesten Moment, Zeitpunkt, Augenblick, die interessanteste Situation in einer Begebenheit zu waͤhlen. Recht wohl! Aber welches ist hier der in- teressanteste Augenblick? Ist es derjenige, der den Geschichtschreiber am mehresten beschaͤfftiget hat, der Rede; oder derjenige, uͤber den er am geschwin- desten weggeht: die Freunde traten herzu und schwu- ren ꝛc. ꝛc.? Dies verdient eine Eroͤrterung. Ich nehme hier das Wort Interesse fuͤr Theil- nehmung des Beschauers an den Gedanken, an den Empfindungen, an denen davon abhaͤngenden Hand- lungen, der Personen, die im Bilde zur Darstel- lung einer Begebenheit vor uns aufgestellet sind. Ich rede also von der dramatischen Mahlerei, von groͤßeren historischen Compositionen; von dem In- teresse, welches der Ausdruck zu einem sichtbaren Zwecke thaͤtiger Personen giebt. Von dem Interesse, welches die einzelne Figur, die beschreibende Dar- stellung einer bestimmten Person in einer bekannten thaͤtigen Lage giebt, rede ich nicht: noch weniger von dem Interesse, welches die schoͤne Gestalt in Ruhe einfloͤßt, durch Uebereinstimmung der Zuͤge, Indi- vidualitaͤt des Charakters, Reiz der Stellung u. s. w. am allerwenigsten aber von dem Interesse, welches wir an der Geschicklichkeit des Kuͤnstlers bei der Aus- fuͤhrung nehmen. Von diesen Quellen des Interes- santen in den schoͤnen Kuͤnsten vielleicht ein an- dermal. Also hier einiges uͤber die Frage: welcher Au- genblick ist in Ruͤcksicht auf Ausdruck mehrerer zu einer Pallast Barberini. einer Handlung vereinigten Personen unserer Theil- nehmung am wuͤrdigsten? Und da antworte ich: der- jenige, der den vollstaͤndigsten, den bestimmtesten, und den abwechselndsten Ausdruck motivirt. Ich habe von jeher eine groͤßere historische Com- position als ein stillstehendes pantomimisches Drama betrachtet, das von der fortschreitenden Pantomime sich dadurch unterscheidet, daß es mit einem Male verstanden und empfunden werden muß. Das Interesse, welches wir daran nehmen, scheint, in Ruͤcksicht auf Ausdruck, auf dem naͤmli- chen Grunde zu beruhen, worauf das Interesse an jeder dramatischen Darstellung gebauet ist. Unsere Neugierde will zu gleicher Zeit unterhalten und be- friedigt, gereizt und gestillet seyn. Wir verlangen eine Verwickelung, einen Knoten, neben der Aufloͤ- sung; eine Schwierigkeit neben der Erklaͤrung, in dem angehefteten pantomimischen Auftritte, wie in dem pantomimischen Drama, worin sich mehrere Auftritte folgen. Sonderbar! wird man rufen; und doch ist nichts natuͤrlicher, nichts sicherer, nichts auf eine taͤgliche Erfahrung unumstoͤßlicher gebauet. War- um zieht ein Haufen zusammengedraͤngten Volkes den Blick des Mannes aus dem Fenster, oder aus einer andern Entfernung an sich? Die Scene ist be- reits geordnet, er hat sie nicht entstehen sehen, er hoͤrt nicht die Worte, welche die dabei interessirten Menschen sprechen; sie suchen nicht sich ihm verstaͤnd- lich zu machen: Aber ihre Thaͤtigkeit spannt seine Neugierde, er sucht nach dem Motive: Er findet es, er loͤset auf, er ist unterhalten. T 3 Also Pallast Barberini. Also der Ausdruck von Thaͤtigkeit, den der Be- schauer an denen im Bilde aufgestellten Personen be- merkt, ist, wenn ich so sagen darf, das Problem; die Entdeckung des Motivs, die Solution. Er liebt die Billigkeit des Affekts zu beurtheilen, das unterhaͤlt ihn: er findet ihn wahr, das muß ihn ruͤhren. Man koͤnnte die Sache umkehren. Der Mann im Fenster sieht einen Todten, einen Kranken auf der Gasse fallen. Wie werden sich die Umstehenden da- bei gebaͤrden? Das ist die Aufgabe: die Wahrneh- mung der Gebaͤrden, die Aufloͤsung. Ich bin es zufrieden. Ich bin es zufrieden, sage ich; aber mit der Einschraͤnkung: das stillstehende pantomimische Dra- ma gebe mir die Illusion eines wuͤrklichen Auftritts, den ich in der Natur aus der Ferne, ohne Verdoll- metschung durch Worte, durch den bloßen Blick er- kenne, so vollstaͤndig, als es nur immer sie zu geben im Stande ist: Der Mangel irgend eines Theiles, der zur Erklaͤrung noͤthig ist, erinnere mich nicht dar- an, daß es nur Aefferei ist; daß sich gewisse Perso- nen nur so hingestellet haben, um mir zu zeigen, wie sie da stehen koͤnnten, wenn ein Todter oder Kranker wuͤrklich vor ihnen laͤge, ob er gleich nicht da liegt. Mit einem Worte: Der Ausdruck der interessirten Personen sey nicht ohne das Motiv ihres affektvollen Zustandes in dem Bilde anzutreffen. Nur gar zu gewoͤhnlich ist der Misbrauch den man von der Mahlerei als einer bloßen Huͤlfskunst der Geschichte oder der dichterischen Fabel macht. Man Pallast Barberini. Man sieht ein Gemaͤhlde als einen erlaͤuternden Kupferstich an, der einem Buche beigefuͤgt worden; und fuͤr jeden Beschauer der nicht die Stelle des Ge- schichtschreibers oder Dichters gegenwaͤrtig hat, wor- aus das Suͤjet des Bildes genommen ist, bleibt es alsdann ein quaͤlendes Fragment, das weder Herz noch Geist befriedigt. Ein solcher Misbrauch ist dem Gange zuwider, den unsere Erfahrungen uͤber das Interesse eines Bil- des zu nehmen pflegen; dem Anspruch, den auch un- gelehrte, aber von Herz und Auge gebildete, Ge- nießer der schoͤnen Kuͤnste auf aͤsthetische Wuͤrkung von einem Gemaͤhlde zu machen berechtiget sind; und dem Begriff von Vollkommenheit eines Werks, die von Selbststaͤndigkeit unzertrennlich ist. Endlich zieht dieser Misbrauch auch den Verlust einer großen und der Mahlerei eigenthuͤmlichen Schoͤnheit nach sich. Der Liebhaber der in eine Gallerie tritt, sagt sich nicht: ich habe den Tacitus gelesen, ich bin doch neugierig, wie Poussin den sterbenden Germanicus wird vorgestellet haben! Nein, er sieht einen Kran- ken, der mit einer Hand auf sein weinendes Weib, auf seine jammernden Kinder zeigt, und die andere gegen Maͤnner ausstreckt, die sein Lager umringen, auf ihn zu eilen, Antheil an ihm nehmen, etwas ver- heißen. Warum sind sie so thaͤtig? Warum wei- chen ihre Koͤrper auf diese bestimmte Art von der Lage eines Koͤrpers in Ruhe ab? Dies sind die ersten Fragen, die die Neugierde thut. Sie entdeckt das Motiv: den Sterbenden, der seine Freunde um Beistand fuͤr seine Familie anruft; nun geht sie T 4 wieder Pallast Barberini. wieder auf den Ausdruck zuruͤck, und pruͤft dessen Wahrheit. Wehe dem Liebhaber des Schoͤnen, der den Tacitus nicht gelesen hat, wenn das Bild nicht sagt, warum sich die darauf vorgestellten Personen so und nicht anders gebaͤrden! Aber wehe auch dem gelehr- ten Kuͤnstler, der sich auf ein Buch beruft! Man wird dem Vorgeben nicht glauben, moͤchte ich mit dem Germanicus sagen, oder es als Entschuldigung nicht gelten lassen. Denn werden wir wohl selbst bei der bekanntesten Geschichte, die das Suͤjet eines fortschreitenden pon- tomimischen Dramas ausmacht, dem Compositeur die Exposition der Schicksale schenken, die seine han- delnden Personen in den Affekt versetzen, der uns durch Gebaͤrden verdollmetscht werden kann? Wuͤr- den wir es dem Noverre Dank wissen, wenn er uns einzelne abgerissene Scenen aus der Geschichte der Horazier und Curiazier geliefert, und sich uͤbrigens des Zusammenhangs wegen auf den Livius berufen haͤtte, der in den Haͤnden eines jeden wohlerzogenen Menschen ist? Ich kann nur dasjenige Werk der schoͤnen Kuͤnste fuͤr ein vollkommenes Werk gelten lassen, das fuͤr sich so vollstaͤndig ist, als es die Graͤnzen der Kunst zulassen: und so lange ich im taͤglichen Leben, auf dem Theater und in den Gemaͤhldegallerien Darstel- lungen von Handlungen finde, deren Ursache und Wuͤrkung ich ohne Dollmetscher mit einem Blicke waͤge und erkenne; so lange mache ich an jedes Werk, das auf Vollkommenheit Anspruch macht, dieselben Forde- Pallast Barberini. Forderungen. Welche Quelle neuer und der Mah- lerei eigenthuͤmlicher Schoͤnheiten in der gleichzeitigen Beaͤugung der Ursach und der Aeußerung der Af- fekten liege, davon noch weiter unten. Also der interessante Ausdruck eines dramatischen Gemaͤhldes muß vollstaͤndig seyn, das heißt: ich muß dessen Billigkeit nach der Ursach die ihn moti- virt, aus dem Bilde selbst beurtheilen koͤnnen. Und wie kann ich das, wenn er nicht zu gleicher Zeit aͤußerst bestimmt ist, wenn ich mir nicht sagen kann: der Mann der sich so und nicht anders ge- baͤrdet, muß nothwendig von einem Objekte die und keine andere Impression erhalten haben? Gedanken die der aufgestellte Akteur als Gedan- ken in seiner Seele bewahrt, lassen sich nicht mahlen. Denn die einzige Art wie die Mahlerei das was in dem Innern des Menschen vorgeht, sinnlich macht, ist die Veraͤnderung, die dadurch auf den Koͤrper hervorgebracht wird, und durch bloße Vorstellungen, Ideen, Begriffe, wird die Lage des Koͤrpers nicht besonders modificirt. Doch! sollte der Akteur im Bilde, der gemahlte Akteur nicht wiederum zum Mahler werden koͤnnen? Elender Behelf! der laͤngst von dem Theater proscribirt ist, und den wir auch im Rahmen nicht dulden sollten. Ein gemahl- ter Akteur, der auf ein anderes Gemaͤhlde im Bilde zeigt, das die Gedanken seiner Seele schildert, ist mir eben so frostig laͤcherlich und anmaaßend unwahr- scheinlich, als der Mimiker, der, wenn er die Welt bezeichnen will, den Arm in einen Cirkel herum wen- det. Man muß sich immer denken, daß die vor T 5 uns Pallast Barberini. uns aufgestellten Akteurs wuͤrklich reden, daß wir nur zu weit entfernt sind, sie zu hoͤren. Man gehe ans Fenster, in jeder Minute werden uns verstaͤnd- liche Auftritte erscheinen, wobei fuͤr uns kein Wort geredet wird, wobei man gar nicht die Absicht hat uns zu verstaͤndigen, und wo wahrlich die Gemaͤhlde die man uns in dieser Absicht vorhalten koͤnnte, ziem- lich weit hergeholt werden muͤßten. Gedanken also als Gedanken bringen keine merk- liche Veraͤnderung auf den Koͤrper hervor. Es ist wahr! selbst ernste Betrachtung, ruhiger Dialog, Raisonnement, lassen sich im Allgemeinen und in so fern versinnlichen, als das Herz daran unvermerkt Theil nimmt, und die Seele dadurch in eine gewisse Fassung gesetzt wird, die sich auf der Oberflaͤche des Koͤrpers aͤußert: Mithin laͤßt sich die Art, wie die Seele uͤberhaupt denkt, durch die Modification des Koͤrpers mahlen: Aber das was sie denkt, die ein- zelnen Gedanken keinesweges. Und wenn sich nun die einzelnen Gedanken nicht angeben und bezeichnen lassen, so ist der Ausdruck eines Betrachters, eines Redenden, eines raisonni- renden Philosophen ein elendes unbestimmtes Frag- ment, das weder unsern Verstand noch unser Herz zur theilnehmenden Mitempfindung aufzufordern im Stande ist: ein Ausdruck der von dem Zustande eines Koͤrpers in Ruhe so wenig abweicht, daß es fuͤr das theilnehmende Auge eben so gut waͤre, er wiche gar nicht davon ab. Er mag wohl sehr gute Sachen sagen, der Mann dort der demonstrirt, aber was habe ich davon? ich kann ihn nicht hoͤren. Die Pallast Barberini. Die beruͤhmte Landschaft des Poussin: et in Arcadia ego ist bekannt. Hier sieht man ein Grabmal. Auf dem Deckel des Sarcophags liegt die Statue eines jungen Maͤdchens in der Bluͤthe der Jahre. An der Urne selbst steht die Innschrift et in Arcadia ego (Auch ich war in Arcadien). Man setze den Socrates dabei, in der Fassung wie er die tiefsten Untersuchungen uͤber die Unsterblichkeit der Seele angestellt hat; Man setze die Todtengraͤber aus Shakespears Hamlet dabei mit dem Ausdruck den sie gehabt haben koͤnnten, wenn sie die feinen witzigen Gedanken, die ihnen der Dichter beilegt, wuͤrklich aus sich selbst herausgesponnen haͤtten; welch ein un- befriedigendes Schauspiel fuͤr das bloße Ange , ver- glichen mit den Juͤnglingen und Maͤdchen die in Poussins Bilde mit Rosen den Leib umwunden, aber mit Schwermuth in Stellung und Mine, das fruͤhe Grab ihrer Genossin betrachten. Das Herz! das Herz ist es, dessen Affekte sich am bestimmtesten, am deutlichsten auf der Oberflaͤche des Koͤrpers aͤußern, und uns durch ihre deutliche Bestimmtheit zur Theilnehmung einladen. Nicht die Operationen des Verstandes, nicht der Eindruck des bloßen Anschauens bringen eine so merkliche Ver- aͤnderung auf den Koͤrper hervor, daß sie von jedem durch den bloßen Anblick richtig ausgelegt, verstan- den, und weil sich kein Antheil denken laͤßt ohne Kenntniß dessen was ihn verdient, mitempfunden werden koͤnnten. Empfindungen also, Gefuͤhle, die koͤnnen wir mahlen, aber auch diese nicht alle mit gleichem Gluͤcke. Es Pallast Barberini. Es sind naͤmlich unter diesen Empfindungen und Gefuͤhlen einige, die, so zu sagen, mehr intensiv als extensiv, concentrisch als excentrisch wuͤrken: bei de- nen die Seele entweder ihre Kraͤfte zu sehr innerlich braucht, um sie nach außen zu wuͤrken zu lassen, oder die Umstehenden auf die sie wuͤrken will, durch die bloße Groͤße der Empfindung zu sehr erschuͤttert glaubt, um nicht der Mitwuͤrkung der Gebaͤrden uͤberhoben zu seyn. Vielleicht glaubt sie auch, daß die aͤußere Ruhe, den Begriff der Leichtigkeit erhoͤhe, mit der sie diese gewoͤhnlichen Menschen uͤbernatuͤrlichen Gesinnungen hegt; oder endlich, daß aͤußere Ruhe eine wesentliche Eigenschaft der Wuͤrde, der Hoheit des Geistes sey, deren Gefuͤhl sie den Umstehenden mittheilen moͤchte. Genung! Empfindungen die einen betraͤchtlichen Aufwand von Staͤrke, Festigkeit und Hoheit der Seele erfordern, suͤblime Empfindungen, aͤußern sich selten anders als durch Worte bei ruhigem Koͤrper; lassen sich daher nicht bestimmt deutlich durch das Ge- maͤhlde machen, und verlieren aus eben diesem Grunde ihre aͤsthetische Wuͤrkung. Die Worte des Corneille: qu’ il mourut, die er dem Vater der Horazier in den Mund legt, macht keine Pantomime deutlich. Der Anfang der Rede des Germanicus, die Empfindung: Unbekannte werden mich beweinen, ihr werdet mich raͤchen, kann der Pinsel nicht ver- sinnlichen. Hingegen alle die Empfindungen, die sich gerne durch Gebaͤrden mittheilen, diese als ein nothwen- diges Verstaͤrkungsmittel des Eindrucks, gleichsam als Pallast Barberini. als Symbolen des Anziehens und Zuruͤckstossens an- sehen: Empfindungen der Zaͤrtlichkeit, des Mitlei- dens, der Furcht, des Zorns, des Hasses u. s. w. sind fuͤr die Mahlerei aͤußerst geschickt. Sie sind deut- lich, weil die handelnde Person nicht der Mahler sich durch Gebaͤrden deutlich machen will; sie ruͤhren, weil die handelnde Person nicht der Mahler durch Gebaͤrden ruͤhren will. Dies waͤre also das zweite Erforderniß eines interessanten Augenblicks fuͤr die Mahlerei: er muß Empfindungen motiviren, die sich gern durch Ge- baͤrden deutlich machen, deren Ausdruck bestimmt ist, und deswegen das Herz zur Theilnehmung ein- laden kann. Ein drittes Erforderniß eines interessanten Au- genblicks fuͤr die Mahlerei, besteht darin: daß er bei den verschiedenen Personen, die zur Darstellung einer Handlung concurriren, einen abwechselnden Ausdruck motivire. An und fuͤr sich ist es schon eine Regel der sicht- baren Vollkommenheit, daß alle Einfoͤrmigkeit ver- mieden werde. Dazu tritt aber noch der Umstand, daß indem mehrere zusammen vereinigte Personen durch ihre verschiedene Lage gegeneinander ihre ab- wechselnden Gebaͤrden wechselseitig motiviren, die Aufloͤsung des gemeinschaftlichen Zwecks erleichtert, die Beurtheilung der Billigkeit und Wahrheit ihres Antheils im Einzelnen aber erschweret wird. Die Seele des Beschauers findet also zu gleicher Zeit eine groͤßere Unterhaltung ihrer Neugierde, und eine be- quemere Befriedigung derselben. Außer- Pallast Barberini. Außerdem wird die Vorstellung von dem Ein- druck, den die thaͤtige Lage der Hauptfigur auf die Umstehenden gemacht hat, an Lebhaftigkeit gewin- nen, wenn wir diese dadurch in thaͤtige Lage versetzt sehen: und endlich liegt in diesem Reichthum des Ausdrucks der einzige Ersatz fuͤr den Verlust an Staͤrke und Schoͤnheit des Ausdrucks, den der Mahler seiner Hauptfigur nicht in gleicher Maaße wie der Geschichtschreiber oder Dichter zu geben im Stande ist. Wenn Tacitus uns den Germanicus waͤhrend der Rede schildert, so geschieht es mit so interessanten Zuͤgen, daß die Vorstellung in dem Bilde nie der Idee gleich kommen kann, welche die Groͤße des Redners erweckt. Dagegen sehen wir in diesem Augenblicke bei dem Dichter die Agrippina, ihre Kinder, die Freunde, entweder gar nicht, oder als unbedeutende Maschinen. Inzwischen sie sind es an und fuͤr sich gar nicht. Agrippina koͤmmt beim Schlusse der Rede in eine sehr interessante Situation, und die Freunde in eine nicht viel minder interessante; nur Germanicus verliert in diesem Augenblicke bei dem Geschichtschreiber in etwas. Die Mahlerei aber waͤhlt dennoch diesen letzten, und macht dadurch, daß sie uns so verschiedene Menschen jeden fuͤr sich, und dennoch durch gleichzeitige Beschauung in derje- nigen Lage zeigen kann, worin er am mehresten un- serer Theilnehmung werth ist, auf gewisse Weise wie- der gut, daß wir die Hauptfigur bei ihr nicht so in- teressant sich gebaͤrden sehen, als bei den verschwi- sterten Kuͤnsten interessant reden hoͤren koͤnnen. Hieraus Pallast Barberini. Hieraus scheint nun so viel klar zu folgen: daß wir nicht denjenigen Moment am liebsten gemahlt sehen muͤssen, der sich am liebsten erzaͤhlt hoͤren laͤßt. Der Mahler ist nicht Ueberlieferer geschehener Begebenheiten, der uns fragen kann, was wir vor- zuͤglich gern von den Todesumstaͤnden des großen Germanicus erfahren moͤchten: sondern wir muͤssen ihn als einen Zauberer betrachten, der, da er die abgeschiedenen Gestalten des Germanicus, der Agrip- pina, ihrer Kinder, ihrer Freunde, zwar auf bestaͤn- dig, aber nur unter der Bedingung erwecken kann, daß wir sie immerfort in eben der Lage sehen sollen, worin wir sie den ersten Augenblick erblicket haben, uns nun die Wahl unter verschiedenen Augenblicken laͤßt. Auf welchen wird sie fallen? Gewiß! Wenn wir die wahren Graͤnzen der Kunst nicht verkennen, und nicht unser einzelnes Vergnuͤgen mit Aufopferung des allgemeinen besorgt wissen wollen, den, der den bestimmtesten, den vollstaͤndigsten und den abwech- selndsten Ausdruck motivirt. Waͤre die alte Art die Schauspiele aufzufuͤhren noch gewoͤhnlich, wo eine andere Person sprach, eine andere den Ausdruck durch Minen, Stellung und Bewegung unterstuͤtzte; so wuͤrden die Kennzeichen des Interessanten fuͤr die Mahlerei viel leichter anzu- geben seyn. Man haͤtte sich nur die Ohren versto- pfen duͤrfen, und den Zeitpunkt, wo der Ausdruck der stummen Akteurs zugleich dem Auge verstaͤndlich und dem Geiste unterhaltend gewesen waͤre, dreist als den wahren Zeitpunkt des Interessanten fuͤr die Mah- lerei angeben duͤrfen. Hat Pallast Barberini. Hat man Abziehungskraft genung, um bei dem Anblick eines Gemaͤhldes die bestimmte Geschichte, die es darstellt, zu vergessen; so wird man noch jetzt dieses Pruͤfungsmittel des sichtbar Interessanten mit Vortheil anwenden koͤnnen. Man darf sich alsdann nur fragen: wuͤrde ich den Ausdruck der dargestell- ten Personen deutlich, billig, und unterhaltend fin- den, wenn ich auch nichts von der vorgestellten Be- gebenheit wuͤßte? Verstaͤndiget der bloße Anblick der sichtbaren Lage der Akteurs solche Empfindungen, die mir interessant sind, wenn ich sie unvorbereitet in der Natur finde? Die Bekanntschaft mit den bestimmten Worten, welche die Personen gesprochen haben, wird alsdann mein Vergnuͤgen an der Vorstellung erhoͤhen, aber allein vollenden soll sie dieses Vergnuͤgen nicht. Der Dialog ist in der Mahlerei ein Commentar, eine Note zu den Gebaͤrden: die Gebaͤrden sind keine Com- mentare zu den Worten. Was aber von den Worten gilt, die der Dichter oder Geschichtschreiber den handelnden Personen in den Mund legt, gilt auch von allen denjenigen, die der Geschichtschreiber fuͤr sie redet, durch welche er uns mit ihren vorhergehenden und nachfolgenden Schicksalen bekannt macht. Ich wiederhole eine Regel, auf die ich nicht ge- nung zuruͤckfuͤhren kann: das Auge eines jeden mache sich seine eigene Exposition, das Herz eines jeden seine eigene Erzaͤhlung: wenn die Erinnerung des einzel- nen Beobachters hinzutritt, so vermehre sie nur das gegenwaͤrtige Interesse durch Association des vorher empfundenen, und erkannten! Wenn Pallast Barberini. Wenn diese Grundsaͤtze auf das Bild des Todes des Germanicus angewandt werden, so finden wir, daß Poussin sie genau beobachtet, daß er gut gewaͤh- let hat. Germanicus hat eben seine Rede geendigt, und noch zeigt seine Gebaͤrde den Eindruck an, den er durch seine letzten Worte auf seine Freunde hat her- vorbringen wollen. Sie sollten dem roͤmischen Volke sein Weib und seine Kinder zeigen: Dieser Anblick wuͤrde das Mitleiden uͤber jede Besorgniß vor hoͤhern Schutz der Bosheit siegen lassen. Den Ausdruck, den er einst von seinen Freunden bei ihren Klagen vor dem Volke verlangt, den nimmt er schon jetzt in Mine und Stellung an, und verstaͤrkt dadurch die Bewegungsgruͤnde, mit denen er die Aufforderung zur Rache an seine Freunde unterstuͤtzt. Ja! er braucht vielmehr die einzigen, die eine stumme Spra- che zulaͤßt. Denn wie wird er sie mit bloßen Ge- baͤrden an die Pflichten der Freundschaft erinnern koͤnnen; und wenn er es kann, etwa durch die An- deutung eines Gemaͤhldes des Achilles, der um seinen Freund Patroclus zu raͤchen den Leichnam des Hek- tors schleift, wird dies Bild im Bilde so ruͤhren wie diese lebenden Figuren, wenn gleich auf andere Art? Sehet diese Kinder, ruft er, diese Mutter! man hat ihnen ihren Vater genommen! Richardson Description des Statues, Tableaux etc. T. III. p. 270. sagt, man lese in der Mine des Germanicus mehr wehmuͤthiges Bitten an seine Freun- Zweiter Theil. U Pallast Barberini. Freunde, sich seiner Kinder anzunehmen, als Un- muth und Durst nach Rache: Das stimme mit der Geschichte nicht uͤberein. Wer heißt ihn aber auch den Germanicus im Anfange der Rede zu sehen? mit dem Ende derselben stimmt der Ausdruck sehr uͤberein. Gesetzt aber: es waͤre nicht. Was zwingt den Kuͤnstler mit der Begebenheit, die er von dem Ge- schichtschreiber entlehnt, zugleich die Art des Vortra- ges zu borgen? Poussin erzaͤhlt, die Sache auf diese, Tacitus auf eine andere Weise. Sind aber wuͤrklich der Dichter und der Ge- schichtschreiber so weit aus einander? Wenn Ger- manicus seine Freunde zur Rache aufforderte, so uͤbertrug er ihnen eine Pflicht, die nach der Moral der Alten seinen Kindern oblag. Ihr huͤlfloses Al- ter ließ dieses nicht zu: Der Vater bittet seine Freunde, sie derselben zu entledigen; so bat er sie doch wohl im Grunde, sich seiner Kinder anzu- nehmen. Richardson sagt: dieser Gedanke sey niedrig und gewoͤhnlich. Das Niedrige finde ich nicht, und das Gewoͤhnliche duͤrfte kein Vorwurf seyn. Wer sich jetzt dem Bilde naht, ohne den Tacitus und den Ger- manicus zu kennen, der sieht einen Sterbenden, der seinen Freunden sein Weib und seine Kinder empfiehlt. Dieser Vorfall, wenn er sich taͤglich zutragen kann, und daher von jedem Menschen von Gefuͤhl verstan- den wird, ist darum noch nicht so alltaͤglich gewor- den, daß er unsere Aufmerksamkeit ermuͤdet, wenn wir Pallast Barberini. wir ihn im Bilde wiederfinden. Haͤtte Poussin hingegen einen Mann mit einer Mine voll Unmuth zwischen betheurenden Freunden und weinenden Gat- tin und Kindern gemahlt, so wuͤrden ihn nur die Le- ser des Tacitus verstanden haben: Alle uͤbrigen wuͤr- den glauben er mache ihnen Vorwuͤrfe, er klage sie als Urheber seines Todes an, und man wuͤßte nicht warum. Dann waͤre es richtig, was Richardson sagt, daß man ohne Kenntniß der Geschichte von dem Suͤjet eines Gemaͤhldes nichts verstehen koͤnne. Inzwischen dies nur zur Rechtfertigung des Ge- dankens unsers Kuͤnstlers: Denn bei der Ausfuͤh- rung ist es ihm wie in mehreren seiner Werke gegan- gen: Die Nebenfiguren uͤbertreffen die Hauptfi- gur an Schoͤnheit der Formen, und Adel des Ausdrucks. Dem Germanicus zur Seite sitzt Agrippina, und verhuͤllt ihr Gesicht. Bei ihr das zweite ihrer Kinder, welches nur fuͤr den Schmerz der Mutter Empfindung zu haben scheint. Das Juͤngste wird von der Waͤrterin herbeigetragen, und der aͤlteste Sohn steht weinend hinter dem Bette des Vaters. Einer der vornehmsten Officiere hebt auf dem Vorgrunde die Hand in die Hoͤhe, gleichsam bei den Goͤttern Rache zu schwoͤren. Mehrere Kriegsleute draͤngen sich herzu, dem Sterbenden ewige Treue zuzusagen. Zwei andere, die in Schmerz versunken sich im Hintergrunde halten, scheinen Personen zu U 2 seyn, Pallast Barberini. seyn, die er zu seiner Bedienung im Leben am meh- resten um sich hatte. Hier faͤllt es dem Richardson bei, wieder eine sonderbare Critik zu machen. Verfuͤhre man nicht mit besonderer Nachsicht mit dem Meister, sagt er, so muͤßte man annehmen, daß Germanicus und seine Freunde zu gleicher Zeit gesprochen haͤtten. Poussin bedarf dieser seiner Nachsicht nicht. Germanicus hat seine Rede geendigt, und in dem naͤmlichen Au- genblicke fallen seine Freunde ein. So ist es der Staͤrke des Eindrucks angemessen, den seine Rede auf sie gemacht hat. Germanicus redet noch durch die ausdrucksvolle Gebaͤrde, aber nicht mehr mit dem Munde. Der Sterbende, den die Sprache schon verlassen hat, sucht noch durch Zeichen und Minen sich verstaͤndlich zu machen. Richardson ist in seiner Critik stets von dem Eindruck geleitet wor- den, den der Anfang der Rede des Germanicus auf ihn gemacht hatte. Er hat den Mahler uͤber den Geschichtschreiber vergessen. Die Anordnung dieses Bildes ist vortrefflich. Es sind 16 Koͤpfe darauf, die sich einer dem andern nicht im Wege stehen. Auch ist die Wahl der Bei- werke sehr weise. Ich habe schon von dem Ausdrucke der Figur des Germanicus geredet. Unter den Kriegern sind herrliche Koͤpfe. Die Zeichnung ist correkt, aber sie hat zu viel vom Basrelief an sich, und ist im Ganzen ein wenig steif. Die Gewaͤnder sind zu ge- sucht und zu aͤngstlich behandelt. Die Haltung muß vortreff- Pallast Barberini. vortrefflich in diesem Bilde gewesen seyn, auch war, wie ich glaube, die Faͤrbung gut. Beide Partien aber haben zu sehr gelitten, um mit Zuverlaͤßigkeit daruͤber zu urtheilen. Richardson wirft dem Bilde einige Incorrektio- nen in der Zeichnung, und einen Mangel an Hal- tung vor. Mehrere Romanelli’s und Vouet’s die ich uͤbergehe. Mehrere Bassano’s, unter denen einige Auf- merksamkeit verdienen. Zweites Zimmer. † Heilige Magdalena von Guido. Ganze Heil. Mag- dalena von Guido. Figur von vortrefflichem Ausdrucke und hoher Schoͤn- heit. Guido’s Magdalenen sind Suͤnderinnen hoͤ- herer Art, die durch ausschweifende Imagination fielen, nicht durch Eitelkeit oder zuͤgellose Sinnlich- keit. Die Zeichnung ist von hoͤchster Feinheit. Das Gewand hat nur etwas Trockenheit in dem Wurf der Falten. Die Faͤrbung faͤllt ein wenig ins Graue. † Der heilige Andreas Corsini, von dem- Heiliger An- dreas Cor- sini von dem- selben Mei- ster. selben. Es ist unmoͤglich einen wahreren Ausdruck religioͤser Schwaͤrmerei zu sehen. Der Heilige glaubt sich in seiner suͤßen Traͤumerei schon entkoͤrpert, und zu der Gemeinschaft mit den obern Geistern erhaben. Zugleich herrscht viel sanfte Guͤte auf dem Gesichte, nebst einer Ahndung von Kraͤnklichkeit. Die Zeich- U 3 nung Pallast Barberini. nung ist sehr correkt und fein: Die Faͤrbung wieder etwas schwach. Die vier Evangelisten von Guercino. Der heilige Hieronymus, angeblich von Spagnolet. Drittes Zimmer. Die Eitelkeit und Beschei- denheit von Leonardo da Vinci. † Die Eitelkeit und Bescheidenheit. Eins der schoͤnsten Gemaͤhlde von Leonardo da Vinci. Man kann die Idee des Mahlers nicht recht begrei- fen, also auch nicht den Ausdruck recht beurtheilen. Inzwischen bleibt der Kopf der Eitelkeit immer etwas zu manierirt. Die Zeichnung ist aͤußerst richtig, und bestimmt bis zur Haͤrte. Das Gewand und die Haare sind mit aͤußerster Sorgfalt behandelt: Man koͤnnte sagen: mit Trockenheit. Der Ton faͤllt in die Farbe des Weinhefens. Die Figuren haben viel Ruͤndung. Charakteri- stische Kenn- zeichen des Stils dieses Meisters. Leonardo da Vinci oder Vince ward 1445 in der Naͤhe von Florenz gebohren. Wir sind ihm aus einem doppelten Grunde Achtung schuldig: Als Kuͤnstler, und als Lehrer mehrerer Kenntnisse, wel- che als Grundlagen zu der Vollkommenheit anzusehen sind, zu der seine Nachfolger die Kunst gehoben ha- ben. Er brachte zuerst die Linien-Perspektiv und die Verhaͤltnisse des menschlichen Koͤrpers auf gewisse Regeln: er schaͤrfte zuerst die Nothwendigkeit ein, die Anatomie zu studieren: Er wagte es zuerst andere als bloße geistliche Suͤjets zu behandeln, und man bemerkt in seinen Werken zuerst den Begriff von dem hoͤchsten Pallast Barberini. hoͤchsten Zwecke der Mahlerei, die Affekten der Seele mit Wahrheit darzustellen. Man sieht wenig weitlaͤuftige Compositionen von diesem Meister, aber diejenigen die uns uͤbrig ge- blieben sind, verrathen einen uͤberdachten Plan, und die Absicht, jede Figur einen bestimmten Antheil an der Haupthandlung nehmen zu lassen. Seine Figuren haben Ausdruck: nur ist die Lieb- lichkeit seiner Weiberkoͤpfe Minauderie, gezwungene Lieblichkeit. Auch sehen sie sich an Form alle unter einander aͤhnlich. Alle haben gekniffene Augen, ge- zogene Lippen, Gruͤbchen in den Wangen. Wenn er Maͤnner von schlechtem Charakter hat schildern wollen, so hat er den Ausdruck bis zur Carricatur uͤbertrieben. Er zeichnete gemeiniglich richtig, und immer sehr bestimmt. Vielleicht zu sehr, so daß seine Um- risse daruͤber hart geworden sind. Seine Haͤnde sind wahr, und gewaͤhlt, aber doch zu knoͤchern. Die Gewaͤnder zeigen das Nackende gut an, allein der Faltenschlag ist im kleinlichten Geschmack geordnet, und zu trocken ausgefuͤhrt. Die Carnation faͤllt bei jugendlichen Figuren ins Weinhefenartige, bei aͤlteren ins Nußbraune. Wah- re Mezzotinten kannte er nicht: aber die Localfarben der Gewaͤnder sind rein, und noch jetzt frisch und wohl erhalten. Vom Helldunkeln, und der damit correspondi- renden Gruppirung hatte er keinen Begriff. Er rundete jede Figur durch Abschwaͤchung des Weißen, vertrieb Pallast Barberini. vertrieb die Umrisse nicht, und kannte keine Reflexe. Daher die geringe Wuͤrkung seiner Gemaͤhlde auf den großen Haufen. Der aͤußerste Fleiß, der an das Ueberfluͤßige wie an das Nothwendige verschwendet wurde, herrscht in der Behandlung: Daher das Kleinlichte, das Trockene. Er starb 1520 zu Fontainebleau in den Armen des Koͤnigs Franz des ersten. Man sahe ehemals sein Hauptwerk zu Mailand. Es stellte die Aus- theilung des heil. Abendmahls vor. Allein es ist jetzt so verdorben, so oft retouchirt, daß es nur einen sehr mangelhaften Begriff von demjenigen geben kann, was es ehemals war. Leonardo da Vinci war in vielen Wissenschaften stark, die mit seinem Hauptgeschaͤffte, der Kunst, in keinem genauen Verbande stehen. Er war fuͤr seine Zeit ein universelles Genie, und erlangte als solches bei denen die das Centrum kannten, in dem so ver- schiedene Vollkommenheiten zusammentrafen, einen erhoͤheten Grad von Achtung. Aber dem jungen Kuͤnstler kann man nicht genung einpraͤgen, daß die Nachwelt das Werk getrennt von dem Meister sieht, und dem Todten nichts weiter von seiner Geschick- lichkeit anrechnet, als was auf sie gekommen ist, und was sie gegenwaͤrtig sieht. Raphaels Geliebte: la Furneri- na. † Raphaels Geliebte, von ihm selbst ge- mahlt, wie es sein Nahme auf dem Armbande an- zeigt. Dies Bildniß ist unter dem Nahmen la Fur- nerina bekannt. Die Person die es vorstellt, ist nicht schoͤn, und hat einen ziemlich materiellen, ob- gleich Pallast Barberini. gleich wahren Charakter. In der Bestimmtheit der Contouren erkennt man den großen Zeichner wieder: Aber vielleicht sind sie nicht genung verschmolzen. Das Colorit hat sehr verlohren. Gerade gegen uͤber eine Copie dieses Bildes die man dem Giulio Romano zuschreibt. Fast duͤrfte sie zu schlecht fuͤr diesen Meister seyn. In den Mezzaninen trifft man eine Menge von Gemaͤhlden an, die alle anzufuͤhren außer den Graͤnzen meines Zwecks liegt. Hier sind einige der vorzuͤglichsten. Ein schoͤnes Bildniß einer Koͤnigin von England von Petrus Leli. Ein Bildniß des Garofalo. † Die letzte Oehlung, ein sehr schoͤnes Ge- maͤhlde aus der deutschen Schule, mit Koͤpfen voller Ausdruck und Bedeutung. Heil. Hieronymus von Guercino. Heil. Sebastian von Andreas Sacchi. In einem andern Zimmer. Eine heilige Familie. Skizze von Par- meggianino. Porcia die gluͤende Kohlen schluckt von Domenico Feti. Die Himmelfahrt des heil. Sebastian, scheint aus der Schule des Lanfranco zu seyn. Zweiter Theil. X Der Pallast Barberini. Der wunderbare Fischzug, nach dem Ge- maͤhlde Raphaels zu Hamptoncourt. Dieses Ge- maͤhlde ist so kraͤftig colorirt, daß man es dem Tizian beilegen moͤchte, und der Stil der Faͤrbung hat viel Aehnlichkeit mit dem heil. Abendmahl von Schia- vone im Pallast Borghese. In einem andern. † Herodias mit dem Henker, ganze Figu- ren, die man dem Leonardo da Vinci beilegt, und wahrscheinlich aus dessen Schule sind. Die Aus- fuͤhrung ist sehr besorgt. Es hat gelitten. Ein Kopf einer Heiligen, aus der Schule des Andrea del Sarto. In einem andern. † Zwei schoͤne Landschaften von Claude le Lorrain. Ein schoͤner Kopf von Holbein auf Kupfer. Mehrere Niederlaͤnder, unter denen einige Breughel, und ein sehr schoͤner Rembrandt befind- lich ist. In einem andern. † Zwei große vortreffliche Landschaften von Claude le Lorrain. Die eine stellt eine Ma- rine mit Architektur vor, die von der untergehenden Sonne erleuchtet wird. Die andere ein laͤndliches Fest. † Meh- Pallast Barberini. † Mehrere Landschaften von Albano, die mit Suͤjets aus der heiligen und profanen Geschichte ausstaffirt sind. Sie haben viel Verdienst vorzuͤg- lich in Ansehung der Zusammensetzung. Eine heilige Familie von demselben. Sehr reitzend. Eine Bamboschade mit mehreren Blinden, von Feti. Vier Landschaften, die man dem Claude le Lorrain beilegt. Sie sind aber von Johann Both, seinem Schuͤler. Eine Annonciation im Stil des Barroccio. Zwei schoͤne Landschaften von Salvator Rosa. Mehrere Niederlaͤnder worunter einige von Hoͤllen-Breughel sind. Letztes Zimmer. Ueber dem Camine. Der Hirt, der den Remus und Romulus seinem Weibe bringt, von Pietro da Cortona, oder aus seiner Schule. Man sieht eine aͤhnliche Vorstellung zu Paris im Hotel de Toulouse. Anmerkungen uͤber diesen Pallast. Man wirft den Besitzern vor, daß sie viele Ori- ginale der Gemaͤhlde-Sammlung verkauft, und Copien dafuͤr substituirt haͤtten. Dies kann nur von denen Gemaͤhlden gelten, die in den Souterrains befindlich sind, und in einigen der Kammern des X 2 ersten Pallast Barberini. ersten Geschosses. Die ehemals beruͤhmten Haupt- gemaͤhlde sind noch alle vorhanden, wie dieses die Vergleichung meiner Beschreibung mit derjenigen, die Richardson zu Anfange dieses Jahrhunderts von diesem Pallaste lieferte, deutlich zeigt. Aber koͤnnen nicht diese Hauptgemaͤhlde nur Co- pien seyn? Ich behaupte dreist, daß diese Vermu- thung weder auf die Magdalena des Guido, noch auf dessen Andreas Corsini, noch auf die Furnerina des Raphael u. s. w. zutreffen koͤnne: und bei dieser Ge- Unter wel- chen Ein- schraͤnkun- gen man be- rechtiget sey uͤber die Ori- ginalitaͤt ei- nes Gemaͤhl- des zu urthei- len? legenheit muß ich kurz die Frage beruͤhren: Kann der Kenner leicht hintergangen werden, die Nachah- mung mit dem Originale zu verwechseln? Unbedingt moͤchte ich die Frage nicht mit: Nein! beantworten. Man muß mehrere Faͤlle unter- scheiden. Der Kuͤnstler des Originals war selbst Nach- ahmer. Dies waren alle diejenigen, welche sich nach den Werken ihrer Vorgaͤnger bildeten, und nur dadurch neu wurden, daß sie die einzelnen Vorzuͤge derselben in einer Vereinigung zeigten, welche das Ganze als neu und nie vorher gesehen erscheinen ließ. Hier wird der Duft der Originalitaͤt, wenn ich so sagen darf, viel unmerklicher als in Werken solcher Meister die nur in einem besondern Theile der Kunst der Vollkommenheit nachstrebten. Denn einmal muß dieser Theil in einer besondern Schoͤnheit erscheinen, wenn er uns gegen die Maͤngel der uͤbrigen nachsichtig machen soll, und unserer Auf- merksamkeit die blos auf den einen Punkt gerichtet ist, Pallast Barberini. ist, entgeht selten die Anmaaßung, der Zwang, das Unbestimmte der Nachahmung. Inzwischen muß auch hier wieder unterschieden werden, ob der eigenthuͤmliche Vorzug eine große Fertigkeit in der Ausfuͤhrung oder nur Weisheit in der Composition voraussetzt. Poussin hat zum Bei- spiel viele eigenthuͤmliche Vorzuͤge in seiner Zusammen- setzung, wenige in der Ausfuͤhrung. Es wird viel- leicht nicht unmoͤglich seyn, mich mit einer Copie nach dem Tode des Germanicus von Poussin zu hinter- gehen, aber schwerlich mit einer Copie nach der Trans- figuration Raphaels. Der Copist hat selten denjenigen Theil, worin sein Vorbild Meisterstuͤck ist, besonders ausgebildet, und in neueren Zeiten ist die Methode, nur einem Vorzuge hauptsaͤchlich nachzustreben, ganz veraltet. Eine andere Bemerkung, die hier nicht aus der Acht zu lassen ist: Gemaͤhlde, die durch Wuͤrkung sehr abstechender Farben, oder sehr abstechender Lichter frappiren, lassen sich leichter nachahmen, als sehr hell und sanft gehaltene Gemaͤhlde. Unterschei- dungszeichen werden dort auffallender, mithin die Aehnlichkeit leichter zu erkennen, und unsere Aufmerk- samkeit weniger zum Auseinanderkennen gespannt. Ich kenne viele gluͤckliche Copien nach Rembrandt und keine einzige nach Correggio. Ferner: alle Meister die manierirt sind, wer- den leichter nachgeahmt als diejenigen, welche der Natur treu gefolgt sind. Jene haben nur eine Ver- fahrungsart, diese unzaͤhlige. Ich kenne viele gluͤck- X 3 liche Pallast Barberini. liche Copien nach Salvator Rosa, wenige nach Tizian. Das Schwerste in der Nachahmung ist Be- stimmtheit, und Freiheit in der Zeichnung und im Ausdruck. Wo das Original Aengstlichkeit oder Ungewißheit verraͤth, da hat der Nachahmer gut Spiel. Endlich muß man darauf Ruͤcksicht nehmen, ob das Vorbild ein Hauptwerk, d. i. ein solches ist, in dem der Kuͤnstler seine ihm eigenthuͤmlichen Vorzuͤge in merklicher Vollkommenheit angebracht hat: oder nur eines seiner mittelmaͤßigen Werke. Daß die letzten sich viel eher nachahmen lassen, ist be- greiflich. Und nach diesen Voraussetzungen behaupte ich nun dreist: daß in allen Faͤllen, wo das Gemaͤhlde einen eigenthuͤmlichen Vorzug eines gewissen Mei- sters in besonderer Vollkommenheit zeigt, und zwar in den Theilen der Mahlerei, die eine große Fertig- keit in der Ausfuͤhrung, Treue und Wahrheit in Nachbildung der Natur erfodern, mir nicht leicht eine Copie fuͤr ein Original aufgehangen werden koͤnne. Geschaͤhe es aber dem ohngeachtet! — nun ich bin zufrieden, die Copie fuͤr das Original hinzu- geben. Man traͤgt sich mit verschiedenen Anekdoten, nach weichen große Meister sich in den Copien und den sogenannten Pasticci, oder Original-Gemaͤhl- den in Geschmack anderer Meister, sollen geirret haben. So soll Giulio Romano einst die Copie des Pallast Barberini. des Andrea del Sarto nach dem Portrait Julius des Zweyten von Raphael fuͤr ein Original, le Bruͤn den Kopf einer Magdalena von Mignard im Ge- schmack des Guido verfertigt, fuͤr einen Guido ge- halten haben. Vortrefflich hat le Bruͤn dem Mignard nach der Erzaͤhlung geantwortet: Ei! so machen sie doch allemal Guido’s. Man muͤßte sehr genau die Local- verhaͤltnisse, unter denen die Verwechselung gesche- hen ist, den Charakter der Beurtheiler und der Werke wissen, um durch diese Erfahrungen meine Grundsaͤtze fuͤr widerlegt zu halten. Was ich von vortrefflichen Copien und Pasticci gesehen habe, hat mir nur unter den vorausgeschickten Bestimmungen ein Genuͤge gethan. Man halte die Copie der Fur- nerina des Raphael gegen das Original, um den Unterschied zwischen beiden zu fuͤhlen. Einige schoͤne Statuen sind ins Museum Cle- mentinum gekommen, und dort angezeigt. Hr. Dr. Volkmann ist voller Unrichtigkeiten. Zum Beweise mag dienen, daß er von der Treppe, die er doch bestiegen haben muß, anfuͤhrt, sie sey ohne Stufen. Sie hat deren allerdings. Der Knabe, der in den Arm eines andern beißt, Spielknochen in der Hand haͤlt, und wie Winkel- mann G. d. K. S. 654. glaubt den Patroclus vorstellen soll, der den Chrysonymus wider Willen toͤdtet, ist verkauft. Der Pallast Barberini. Der Kopf eines Marius, von dem er gleichfalls redet, G. d. K. S. 781. ist nicht mehr vorhanden. Das Gefaͤß von Glas, worin des Kaisers Alex- ander Severi Asche nach eben diesem Autor G. d. K. S. 38. ge- wesen, soll der Ritter Hamilton in Neapel an sich ge- kauft haben, und neuerlich finde ich in den oͤffent- lichen Blaͤttern, daß der Herzog von Marlborough es aus dem Museo der verstorbenen Herzoge von Portland erstanden habe. Der Aegyptische Antinous ohne Kopf, den er als im Barberinischen Garten befindlich anfuͤhrt, G. d. K. S. 61. ist nicht mehr vorhanden, so wie die Tafel von Orien- talischem Granit mit Hieroglyphen. G. d. K. S. 76.