Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur. „Die Literatur umfaßt beynahe das ganze geistige Leben des Menschen.“ (Fr. Schlegels Geschichte der alten und neuen Literatur.) 1816, im July. Erster Abschnitt. Die deutsche Literatur in ihrem Verhaͤltniß zum deutschen Buchhandel. §. 1. J edes, aus Roheit und Barbarey herausgetretene Volk liebt und ehrt seine Mutter-Sprache; es gab weder in alter noch in neuer Zeit eine Nation, die nicht mit Freude und Stolz geachtet haͤtte auf die in ihrer Mitte nach eigenthuͤmlicher Art aufbluͤhenden und gedeihenden Wissenschaften und Kuͤnste. Nur mit dem Verfall des Ansehens der Reli¬ gion, der Sitten, der Verfassung, nur mit dem Auf¬ hoͤren der National-Selbststaͤndigkeit vergehet auch die Achtung fuͤr eigne Sprache und Literatur. Bey den Deutschen war von jeher lebhafter Ei¬ fer fuͤr die Wissenschaften — und wenn die Bearbei¬ tung derselben in deutscher Sprache waͤhrend man¬ cher Zeitraͤume verabsaͤumt worden, so lebte doch stets in der Gelehrsamkeit vaterlaͤndischer Sinn fort und die Macht der eigenen Sprache brach, wie unter an¬ dern die Schriften des Taulerus beweisen, immer von neuem hindurch. Seit Luther besonders, wurde Kraft und Reich¬ thum deutscher Sprache allgemeiner erkannt und von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an, erhielt sie ihre hoͤhere, feinere, gewandtere Ausbildung. So bald die Sprache die ihr zukommenden Rechte durch die ganze Nation gewonnen, trat die Literatur in's Leben ein und verbreitete sich wirksam nach allen Richtungen. Es kann als ein Zeichen nicht zu zerstoͤrender Nationalitaͤt der Deutschen gelten, daß das wachsende Interesse an vaterlaͤndischer Sprache und Literatur zur naͤmlichen Zeit sichtbar wurde, als der Verfall bis¬ heriger Verfassung sich offenbahrte. Mit dem Ungluͤck des Vaterlandes wurde die Liebe fuͤr deutsche Art und Kunst immer reger, ja, man darf sagen, sie stieg zur Begeisterung, als das deutsche Reich durch franzoͤsische Uebermacht aufhoͤren mußte. Von der Zeit an betrachtete man unsere Litera¬ tur als den Gesammt-Ausdruck des geistigen Lebens deutscher Voͤlker und die gemeinsame Sprache als das unverletzliche Bindungsmittel deutscher Staͤmme — heilig zu halten fuͤr bessere Zeiten. Diese besseren Zeiten, die wir den Nachkommen beschieden glaubten, noch selbst zu erleben, hat Gott uns gewaͤhrt! Ein neuer aͤußerer Bund ist beschlossen und durch denselben sprach sich zu Wien der National- Wille aus, daß das so herrlich bewaͤhrte, so stark be¬ fundene innere Bindungsmittel: Deutsche Sprache und Literatur fuͤr die Folge geschirmt und geschuͤtzt werden solle! Dies wollen Fuͤrsten und Staͤnde; es will dies Adel und Volk. §. 2. Deutsche Literatur ist alles in Schrift Ver¬ faßte und durch den Druck Verbreitete, was in unse¬ rer Nation durch Nachdenken und Forschen zur Wissen¬ schaft gebracht worden ist; Alles was der Geist durch Anschauung und Phantasie entdeckt, bildet und auf¬ stellt, durch Witz und Scharfsinn erfindet, vergleichet, erhellet, durch Beredsamkeit klar und lichtvoll dar¬ stellet. §. 3. Um eine Literatur zu besitzen, bedarf es, insbe¬ sondere nach Lage und Verhaͤltniß der Deutschen, fol¬ gende aͤußere Bedingungen: 1) Aufbringen der Kosten zum Druck der Schriften. 2) Entschaͤdigung der Autoren fuͤr Bekanntma¬ chung und Herausgabe ihrer Schriften. 3) einer Anstalt um uͤber alle Laͤnder, wo das Deutsche Muttersprache ist, die Druck¬ schriften so zu verbreiten, daß allent¬ halben moͤglichst gleichartig lebhafter Antheil an Sprache, Wissenschaft und Literatur erregt und erhalten werde. §. 4. Erfuͤllung dieser aͤußern Bedingungen einer Lite¬ ratur gewaͤhrt: Der deutsche Buchhandel, ein auf sich selbst beruhendes, aus dem Eigensten deut¬ scher Geschichte und Verfassung hervorgegangenes In¬ stitut. §. 5. Der deutsche Buchhandel erfuͤllt die erste Be¬ dingung: Aufbringen der Kosten zum Druck der Schriften . Zur Deckung dieser Kosten ist ein Absatz von Exemplaren erforderlich, wie beygefuͤgte Anlage (Siehe erste Anmerkung) durch Beyspiele zeigt. Solcher Absatz eines wissenschaftlichen Buchs oder eines Werks von einigen Umfang wird weder in einer deutschen Haupt¬ stadt, noch in einer einzelnen Provinz bewirkt; nicht Nord-, Suͤd-, Ost- oder West-, sondern nur Ganz- Deutschland macht ihn moͤglich. Die Kosten zum Druck der Werke traͤgt in Deutschland keine Regierung, kein Goͤnner, keine Academie, kein Institut. Die Moͤglichkeit, daß Werke des Geistes erscheinen, bewirkt allein der deutsche Buchhandel, der, von einem Punkte, dem Stapel-Ort Leipzig, ausgehend, nach den verstecktesten Winkeln hin reicht und von da aus, auf jenen einen Punct ruͤckwirkend, das Gesammt-Publi¬ kum zu Erlangung literarischer Zwecke in Anspruch nimmt. Die zweyte Bedingung: Entschaͤdigung der Autoren fuͤr Be¬ kanntmachung und Herausgabe ihrer Schriften . An der Gerechtigkeit und Billigkeit einer Ent¬ schaͤdigung der Autoren ist wohl selten gezweifelt wor¬ den und es laͤßt sich geschichtlich und an Beyspielen anderer Laͤnder erweisen, daß es ohne dieselbe um die geistige Wuͤrde und Freyheit der Autoren gethan waͤre. Ehre und Unsterblichkeit ist Lohn fuͤr Geist, Talent und Anstrengung der daraus entspringenden Kraͤfte; aber die gelieferten Entdeckungen und Er¬ findungen, die gegebenen Aufklaͤrungen, Darstellungen, Erbauungen, Erhebungen, Erheiterungen sind die Zeit¬ genossen zu vergelten schuldig, denn der Autor opfert die Zeit, welche er zu seinem und seiner Familie Nutzen in Staats-Diensten, auf Handelswegen, oder zur Handarbeit hatte verwenden koͤnnen, der Foͤrde¬ rung von Wissenschaften und Kuͤnsten. Diese Verpflichtung des Publikums uͤbernimmt der deutsche Buchhandel durch Zahlung des sogenann¬ ten Honorars, obwohl grade durch dasselbe das eigent¬ liche Risico entspringt, wie die Anlage (Siehe erste Anmerkung) zeigt. Die dritte Bedingung: Ueber alle Laͤnder , wo das Deutsche Mut¬ tersprache ist , die Druckschriften so zu verbreiten , daß allenthalben moͤglichst gleichartig lebhafter Antheil an Spra¬ che , Wissenschaft und Literatur erregt und erhalten werde kann allein der Buchhandel, so wie er in Deutschland sich gestellt und eingerichtet hat, erfuͤllen. Da die Kosten des Druckes und die Honorare der Autoren fuͤr bedeutende Werke aus keiner beson¬ dern deutschen Provinz oder keinem einzelnen deutschen Staat gezogen werden koͤnnen; da Wien, Berlin, Ham¬ burg ꝛc. allenfalls nur entschaͤdigen fuͤr Tages- und Wochen-Pamphlets, die meist weder der Obrigkeit noch den Unterthanen nutz und heilsam sind, so lehrt die Noth dem deutschen Buchhandel von selbst, keinen Ort und keinen Stand, beym Vertrieb der Schriften unbeachtet zu lassen. Dadurch ist entstanden, daß wir eine allge¬ meine deutsche Literatur haben, waͤhrend Frankreich und auch England nur noch eine Pariser und Londner haben. So geschieht, daß waͤhrend in jenen Laͤndern außer den Hauptstaͤdten kein großer Schriftsteller mehr gedeiht, in Deutschland in Hunderten von Staͤdten und Oertern die herrlichsten Geistesbluͤthen und tief¬ sten Erforschungen entspringen; daß, waͤhrend man in London nur schwer Buͤcher aus Oxford, Cam¬ bridge und Edinburg findet, vergebens in Paris nach Buͤchern aus Bourdeaux, Lyon und Montpellier fragt und sucht, in Deutschland an vielen Orten und nicht allein in Haupt- und Residenzstaͤdten Buchhand¬ lungen getroffen werden, in welchen und durch welche man sich die Literatur der ganzen gebildeten Welt zu eigen machen kann. §. 6. Hieraus entspringen folgerecht nachstehende An¬ spruͤche an den deutschen Buchhandel; anstaͤndige Gestalt und correcter Druck der er¬ scheinenden Schriften und Werke; gerechte und ehrenhafte Behandlung und Ent¬ schaͤdigung der Autoren zur Bewahrung ihrer geistigen Wuͤrde und Freyheit; Aufbietung der Kraͤfte sowohl einzelner als ver¬ einigter Buchhaͤndler, damit kein wissenschaft¬ liches Unternehmen, welchen Umfang es auch habe, aus Mangel an Unterstuͤtzung unausge¬ gefuͤhrt bleibe; billige Preise der Verlagswerke und gleichmaͤßige Haltung der Fabrik- (Verlags-) Preise von Seiten der Verkaͤufer (Sortimentshaͤndler) durch alle deutsche Laͤnder, nur mit maͤßiger, von dem Verleger zu bestimmender, Erhoͤhung fuͤr die Gegenden, wo zu weite Entfernung oder der Muͤnzfuß es erfordern. §. 7. Der eigentlichste Beruf des deutschen Buchhan¬ dels aber ist: Einheit der deutschen Literatur zu erhalten und zu befoͤrdern, und Alles zu beseitigen, was diese stoͤren und gefaͤhrden koͤnnte. Geeignet zu solchem Beruf ist unser Buchhandel dadurch, daß er einen Stapel-Ort hat, wo eine jaͤhrliche Zusammenkunft aller Buchhaͤndler gehalten wird; daß ein halbjaͤhriges, allgemeines Verzeichniß der neu erscheinenden Buͤcher herauskommt; daß allgemeine , gute und richtige Buͤcher¬ cataloge, nebst andern literarischen Huͤlfs¬ mitteln, so wie endlich mehrere allgemeine , die ganze Literatur umfassende critische Institute vorhanden sind. §. 8. Diese in ihrer Art einzigen Vorzuͤge und Eigen¬ thuͤmlichkeiten des deutschen Buchhandels sind von selbst, wie durch einen nationellen Natursinn, entstan¬ den. Sie weiter auszubilden und die stattfindenden ein¬ gerissenen Mißbraͤuche, wodurch die Literatur gehemmt und das Publikum benachtheiligt werden moͤchte, zu heben und zu beseitigen, dies waͤre die jetzt zu losende Aufgabe, wovon im dritten Abschnitt weiter die Rede seyn soll. §. 9. Wollen die Deutschen an ihren Buchhandel solche Anspruͤche machen, so muß derselbe als ein National- Gut und -Institut geachtet und so weit der deutsche Bund sich erstreckt, gehegt, geschirmt und beschuͤtzt werden. §. 10. Der Buchhandel an sich bedarf, so wie jeder Handel, keiner weiteren Beguͤnstigung, als Frey¬ heit , wohl aber zur Aufrechthaltung derselben und Auseinandersetzung der dabey in Beruͤhrung kommen¬ den Intressen: eines positiven Gesetzes uͤber das Eigenthumsrecht der Autoren und Verleger, mit fester Bestim¬ mung des Umfangs und der Dauer dieser Rechte an den Schriften, so wie: einer Behoͤrde, durch welche diese Rechte geltend zu machen und aufrecht zu erhalten sind. §. 11. Welchen Inhalt die Weisheit der Gesetzgeber diesem Gesetze auch geben mag, so muß doch durch¬ aus darin bestimmt werden, daß auf eine gewisse Zeit der Autor und Verleger ein ausschließendes Eigenthumsrecht habe, wodurch von selbst aller weitere Streit uͤber den Nach¬ druck wegfaͤllt, da nach Ablauf der durchs Gesetz be¬ stimmten Zeit die Schrift zum Nationalgut wird und jede neue Auflage dann ein Ab- oder Wiederdruck ist, aber kein Nachdruck. §. 12. Wenn positive Gesetze vorhanden sind, moͤchte es wohl uͤberfluͤssig seyn, noch weiter zu eroͤrtern, ob der Nachdruck an sich unrechtlich sey. Das Unmoralische desselben ist kaum bestritten worden und die Verthei¬ digungen desselben beschraͤnken sich, mit Ausnahme einiger metaphysischer Versuche an naturrechtlichen Verhaͤltnissen, fast allein darauf, daß sie den Nach¬ druck als vortheilhaft fuͤr die Ausbreitung der Litera¬ tur schildern und ihn aufstellen als eine Straf- und Zucht-Anstalt gegen eigennuͤtzige Autoren und betruͤ¬ gerische Buchhaͤndler. Unter den neuern Vertheidigern ist wenigstens keiner, der den Nachdruck in einem geschlossenen Staat als ordnungs-, recht- und gesetz¬ maͤßig angaͤbe und es statthaft faͤnde, daß ein Unter¬ than oder Buͤrger ein und desselben Staates dem an¬ derem nachdrucke. Nur in so fern an dem Eigenthum eines Auslaͤnders oder Fremden (Barbaren) der Nach¬ druck veruͤbt wird, findet er Vertheidiger und doch ist keinem derselben zuzutrauen, daß er einen Fall, wie das Lust-Exempel (Siehe zweyte Anmerkung) auffuͤhrt, in Schutz nehmen sollte. §. 13. Es ist wohl geschichtlich anzunehmen, daß bis jetzt noch in keinem geschlossenen Staat, dessen Gesetz¬ gebung zu einiger Ausbildung gekommen war, der Nachdruck gestattet wurde. Es geschieht weder in Eng¬ land, noch in Frankreich, noch in Holland, noch in den vereinigten amerikanischen Staaten, noch in den in eine Monarchie verbundenen oͤsterreichischen Laͤndern. Auch in Deutschland war er nicht gestattet, so lange wir Kaiser und Reich hatten und wurde erst ein Gewerbe , nachdem schon laͤngere Zeit Haupt und Glieder einander fremd geworden waren. §. 14. Sobald die Glieder des Reichs sich wieder ge¬ sammelt hatten, wurde sogleich in dem zu Wien ge¬ schlossenen Bunde verheißen, daß das Eigen¬ thumsrecht der Autoren und Verleger innerhalb des Bundes geschuͤtzt werden solle und nachdem die hohen Bevollmaͤchtigten diesen Gegenstand einmal ihrer Auf¬ merksamkeit gewuͤrdigt, mußte es ihnen auch klar wer¬ den, daß, wenn uͤberhaupt eine deutsche Literatur beste¬ hen sollte, die Einheit derselben innerhalb des Bundes geschuͤtzt werden muͤßte, und daß ohne diesen Schutz, welcher verhindert, daß die Schriften der Autoren fuͤr vogelfrey erklaͤrt werden, ein Zustand der Anarchie ein¬ treten muͤßte, der Wissenschaften und Kuͤnste verdirbt und zur Anarchie fuͤhrt. (Siehe dritte Anmerk.) §. 15. Nachdem durch die Bundes-Acte zu Wien fuͤr die deutsche Literatur sich so Gluͤckliches ereignet hat, dessen Ausfuͤhrung auf den Bundestag zu Frankfurt verwiesen ist, waͤre nur noch zu erwaͤgen, was auf diese Ausfuͤhrung Bezug hat. §. 16. Der Nachdruck als oͤffentliches Gewerbe wurde bis jetzt innerhalb des deutschen Staaten-Bun¬ des ausgeuͤbt in Oesterreich, Baiern, Baden, Darm¬ stadt, Wuͤrtemberg und den Laͤndern, welche die jetzige preußische Rhein-Mark ausmachen. In der letztern muß er, zufolge des preußischen Landrechts, kuͤnftig aufhoͤren; in Baden und Darm¬ stadt wird er fortdauernd betrieben; in Wuͤrtemberg wurde der Nachdruck, laut Decret vom 15ten Fe¬ bruar 1815, gesetzlich erlaubt, indem man in letzte¬ rem alle nicht innerhalb der Wuͤrtembergischen Graͤn¬ zen erschienene Buͤcher fuͤr auslaͤndische erklaͤrte. §. 17. Die Verhaͤltnisse des Nachdrucker-Gewerbes in Oesterreich sind hauptsaͤchlich in Erwaͤgung zu ziehen. Da in der Bundes-Acte zu Wien so Guͤnstiges fuͤr deutsche Literatur erfolgte, welches sicheres Zeug¬ niß giebt, wie Oesterreichs Kaiser, das Vorbild deut¬ scher Biederkeit und Wohlgesinntheit, kein Opfer zu groß achtet, wenn Ehre und Nutzen der deutschen Nation es erfordert, so darf man nur verschaͤmt der Hindernisse erwaͤhnen, die dort der Unterdruͤckung des Nachdruckes sich entgegen setzen moͤchten, besonders auch, wenn man weiß, wie die Minister und Staats¬ maͤnner dieser Monarchie erlauchte und hohe Goͤnner deutscher Art und Kunst sind. So weit ein Nicht- Oesterreicher daruͤber Thatsachen auffuͤhren darf, moͤchte es Folgendes seyn. Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im noͤrdlichen protestantischen Deutschland geistreiche Buͤcher, mit Geschmack geschrieben, erschienen, war in Oester¬ reich die Ausbildung deutscher Sprache noch zu sehr vernachlaͤßigt, als daß man in Bearbeitung der schoͤ¬ nen Literatur haͤtte wetteifern koͤnnen, wohl aber er¬ wachte im alten Kaiserstaat Sehnsucht und Liebe zu diesen vaterlaͤndischen Fruͤchten. Da man dafuͤr nichts im Tausch zu geben hatte, so mußten diese Werke mit schwerem Gelde theuer erkauft werden und um dem begierigen Publikum diese ausbildenden Genuͤsse nicht entbehren zu lassen, gestattete man den Nach¬ druck der, wie man's nannte, auslaͤndischen Buͤcher. Es entstand hierdurch Abtrennung vom deutschen allgemeinen Buchhandel, da Nachdrucker mit ihren Waaren die jaͤhrlichen Zusammenkuͤnfte der Buchhaͤnd¬ ler nicht besuchen duͤrfen; doch war diese Trennung nicht durchgaͤngig, da die Wiener Verleger großer und wissenschaftlicher Werke, z. B. von Jacquin, Born, Sonnenfels, Plenk, Quarin, van Swieten, Vega ꝛc. bey Aufwendung der dazu noͤthigen Kosten das Nicht-Oesterreichische Deutschland nicht entbehren konnten, also gar nicht, oder nur sehr heimlich, sich mit Nachdrucken abgeben durften. Seit einem Jahrzehend, also eben in den Zeiten hoͤchster Bedraͤngniß, haben diese Verhaͤltniße sich gaͤnz¬ lich geaͤndert, und wenn die Balanz der Ein- und Ausfuhr literarischer Producte nicht schon jetzt ganz zu Gunsten Oesterreichs ist, so wird sie es doch ge¬ wiß in wenig Jahren seyn. Die hohen Erzherzoͤge sind Befoͤrderer vaterlaͤn¬ discher Literatur; unter Ihrer Hoͤchsteignen Leitung werden prachtvolle naturhistorische und militairische Werke ausgearbeitet und herausgegeben und Maͤnner vom hoͤchsten Rang treten als Schriftsteller auf. In den wissenschaftlichen Faͤchern hat das medicinische bey¬ nahe den Vorrang; in der historischen und schoͤnen Literatur glaͤnzen die Namen: Hormayer, Kurz, Riedel, Alxinger, Bruͤder Collin, Hammer, Pichler ꝛc. Oesterreich hat sich deutsche Gelehrte und Schrift¬ steller ersten Ranges wie Genz, Fr. Schlegel, Adam Muͤller, Werner angeeignet und in Wien erscheint eine allgemeine deutsche Literatur-Zeitung, die wenigstens keiner andern nachstehet. Alle Kuͤnste, die der Literatur dienen, als Kupferstechery, Landchar¬ ten-Fabrikation, Musikstich, streiten mit denen anderer Laͤnder um den Vorrang. Zu welchem Resultate wird diese so rasche Aus¬ bildung in kurzem fuͤhren? — Gewiß zu wahrer Ein¬ heit der gesammten deutschen Literatur! §. 18. Auch bey der deutschen Literatur und dem Buch¬ handel hat sich die Erfahrung bestaͤtigt, daß Abtren¬ nen und eignen Vortheil suchen kein Heil, jede Ver¬ einigung dagegen Segen bringt. 2 Die Schweitz bedurfte seit dem Erbluͤhen der neuern deutschen Literatur viel Buͤcher aus Deutsch¬ land, man druckte aber in diesem, als Staat, Deutsch¬ land fremden Lande nicht nach; sondern brachte dafuͤr Bodmers, Hallers, Gesners, Hirzels, Iselins, Sul¬ zers, Lavaters, I. G. Muͤllers ꝛc. Werke auf dem Leipziger Markt. Man druckte nicht im Elsaß nach; aber von Straßburg kamen, ausser andern, vortreffliche philolo¬ gische Werke, wie die von Brunk. Man druckte nicht in Liev- und Curland nach; aber in Riga waren bey dem ganz deutschen Buchhaͤndler Hartknoch Kants, Herders, Klingers ꝛc. Werke verlegt. §. 19. Wenn Oesterreich, in commercieller und finan¬ zieller Hinsicht am meisten in diese Angelegenheit ver¬ wickelt, fuͤr Einheit deutscher Literatur sich erklaͤrt, woran man seit Erscheinen der Bundes- Acte kaum zweifeln darf, so wird alles Andere leicht beseitigt werden koͤnnen, und so darf man mit getro¬ ster Hoffnung zu dem Gesetzes-Entwurf selbst uͤber¬ gehen. Erste Anmerkung. Ueber die Beschuldigung von unrechtmaͤ¬ ßigen und unbilligen Gewinn der Autoren und Verleger. Auf Erfahrung begruͤndete Beyspiele mit erfor¬ derlichen Belegen fuͤhren jeder Zeit am sichersten zu Verstaͤndniß. Die Vertheidiger des Nachdrucks, welche haupt¬ saͤchlich den großen Gewinn der Verleger in Anspruch nehmen, fuͤhren zwar auch Beyspiele an, aber immer nur ein oder das andere, aus dem Zusammenhange gerissene Verlags-Unternehmen, ohne zu bedenken, oder bedenken zu wollen, wie viel Mißgriffe und fehl¬ geschlagene Unternehmungen eine Verlagshandlung machen muß, ehe sie nun wirklich zu einem Werke gelangt, welches solchen Gewinn liefert, daß dadurch die fruͤhern Verluste gedeckt werden. Wer die deutsche Literatur kennt, wird sich er¬ innern: Wie viele Abhandlungen, Dissertationen und Ver¬ suche gemacht werden, bevor eine Entdeckung, Er¬ findung, oder ein Meister- und Kunst-Werk her¬ vortritt und daß diese nicht entstehen wuͤrden, wenn jene Bemuͤhungen nicht vorhergegangen waͤren. Wie lange und viel oft ein spaͤterhin viel gelesener Schriftsteller, z. B. Kant, Jean Paul ꝛc. schrieb, ehe sich derselbe, vielleicht blos durch Zufall, die Gunst deß Publicums erwarb und die bis dahin auf Kosten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre uͤberstanden hatte. Wie viele Buͤcher und Abhandlungen gedruckt wer¬ den, deren Kostendeckung den Absatz von zwey bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber nur 50 bis 100 Personen interessiren, grade diesen aber vom hoͤchsten Nutzen sind und sie veranlaßen und begeistern neues Leben und Streben in den Wissenschaften zu verbreiten. Und wenn nun auch ein Buch erworben ist, welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt es, bey dem lebendigen Aufstreben deutscher Literatur, in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen kann. Ist's ein Kunstwerk, wie aͤndert sich nicht der Geschmack durch weitere Ausbildung der Sprache? Ist's ein wissenschaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein besseres uͤberboten? Wo sind jetzt die Buͤcher, die gleich denen von Cellarius, Huͤbner, Hederich, oder von Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬ dert hindurch gebraucht wurden? Um so viel moͤglich Maͤnnern, die das Innere der Buchhaͤndler-Geschaͤfte nicht kennen, verstaͤndlich zu werden, sey angenommen, daß folgende Werke saͤmmtlich auf Kosten einer Buchhandlung gedruckt waͤren: Anmerkung fuͤr Buchhaͤndler. Wenn die Verlags-Handlungen der hier aufgefuͤhrten Werke die angegebenen Verhaͤltnisse hier oder da nicht richtig finden sollten, so werden sie doch, wenn sie aͤhnliche Tabellen mit Werken ihres Verlags aufstellen, dieselben Resultate finden. Obwohl hier alles willkuͤhrlich angenommen ist, so werden die Druckkosten doch wenig von der Wirk¬ lichkeit abweichen; das Honorar mag bey einigen nur 2 Ld'ors gewesen seyn, bey anderen war es 4, 5, auch 6 Ld'ors, und bey keinem dieser Werke wird man sagen, daß es unverdient oder die angegebene Auflage zu stark gemacht sey. Die Buchhandlung, die diese Unternehmungen saͤmmtlich gemacht haͤtte, wuͤrde man ehren wegen die¬ ses vortrefflichen wissenschaftlichen Verlags, man wuͤrde sie gluͤcklich preisen wegen des daraus entspringenden Gewinne und dadurch erworbenen Eigenthums. Dennoch wuͤrden — angenommen diese Werke waͤren saͤmmtlich in einem Jahre gedruckt — (auch ohne Nachdruck) 5 bis 10 Jahr erforderlich seyn, bevor die Kapitalien herausgezogen waͤren und Gewinn sich ergeben konnte. Es sind bey diesen Beyspielen nur solche Werke gewaͤhlt, an welchen die ganze gebildete Welt Theil nimmt und absichtlich Schul- und Lehr-Buͤcher und Local-Piecen weggelassen. Vorsaͤtzlich sind keine Unternehmungen aufgenom¬ men, die auf fuͤnfzig und hundert Jahre, ja fuͤr im¬ mer berechnet sind. Handlungen, die in dieser Art un¬ ternehmen, muͤssen wissen, warum sie lieber Kapita¬ lien, um sicherer Interessen willen, auf lange Zeit fest¬ legen, als kaufmaͤnnisch umwenden. Absichtlich sind unter den angefuͤhrten Werken solche Schriften ausgelassen, die uͤber einen, an der Tages-Ordnung stehenden Gegenstand, grade den rech¬ ten Zeitpunkt treffend, einen ungewoͤhnlich großen Ge¬ winn geben. Dieser Gewinn geht fast ohne Aus¬ nahme (wenigstens im Ganzen des Buchhandels) da¬ durch verloren, daß uͤber diesen Gegenstand fortgeschrie¬ ben und gedruckt wird, wenn er laͤngst abgestorben ist, ja, oft dann erst die gruͤndlichsten Schriften erscheinen, wenn Niemand mehr daran denkt, z. B. uͤber Illuminaten, Luftballons, Runkelruͤben, geheime poli¬ tische Verbindungen, Hamburgs Schicksale ꝛc. Man darf sicher annehmen, daß in den letzten 30 Jahren von 1785 bis 1815 (ein laͤngerer Zeit¬ raum, als dem Menschen in der Regel an Geschaͤfts¬ leben zugetheilt ist) in dem deutschen Buchhandel keine Kapitalien gewonnen, sondern vielmehr große verloren gegangen sind. Wer es weiß, welches bedeu¬ tende Grundvermoͤgen an bestehenden Verlagswerken im Jahr 1785 sich vorfand, das jaͤhrlich Aus¬ beute gab; wer untersuchen will, welche Kapita¬ lien durch neue Etablissements dem Buchhandel zu¬ flossen, wird schwerlich diese Anfuͤhrung bestreiten moͤgen. Die Beschuldigung, daß Autoren und Buch¬ haͤndler auf Kosten des Publicums unverhaͤltnißmaͤßig hohen und unbilligen Gewinn machten, laͤßt sich noch von andern Seiten aus Erfahrung und durch Bey¬ spiele widerlegen. Wo sind die Autoren, die seit funfzig Jahren durch ihre Schriften Vermoͤgen erwarben? Wahr ist's, es haben in diesem Zeitraum Auto¬ ren durch Honorare anstaͤndig gelebt, die ohne dasselbe Hunger gelitten oder nicht geschrieben haͤtten; mehr aber ist nicht zu erweisen. Blicken wir unter Ver¬ storbenen auf solche, die sich nicht allein der Achtung der Nation, sondern auch einer besondern Gunst des Publikums viele Jahre hindurch zu erfreuen hatten, auf die Klopstock, Wieland, Herder, Claudius, Schil¬ ler — starben sie reich? Und doch lebte keiner von ihnen allein von der Schriftstellerei. Ueber die Verhaͤltnisse Lebender hier oͤffentlich zu sprechen, waͤre unschicklich; eine Anfuͤhrung indessen sey hier erlaubt. Kaum ein Schriftsteller moͤchte von seinen Schrif¬ ten als Autor und Selbstverleger so viel Gewinn ge¬ zogen haben, als Hr. Rath Campe zu Braunschweig. Hat er aber nicht, als deutscher Gelehrter, dies Er¬ worbene bey Herausgabe seines deutschen Woͤrterbuchs groͤßtentheils wieder aufgeopfert? Und wenn Kritiker dasselbe noch nicht als ein Vollendetes ansehen, wird das Opfer nicht um so groͤßer, da es einem Versuch gebracht wurde, wodurch das Ideal nicht erreicht, nur naͤher geruͤckt ist? Und warum drucken diejenigen, die zum allgemeinen Besten Campe's Kinderschriften so oft nachdruckten, nicht auch dessen Woͤrterbuch nach, da fuͤr wohlfeilen Preis gewiß mancher Gelehrte in Wuͤrtemberg, Baden, Darmstadt und Oesterreich, zur Foͤrderung der Wissenschaften, sich's ankaufen wuͤrde? Ferner mag das Publikum nicht vergessen, daß Gelehrte, die jetzt in den bedeutendsten, einflußreichsten Staats-Aemtern stehen, sich Jahrzehende durch, bis zu hoͤherer Reife, durch Erwerb von ihren Schriften auf freyem, meist unabhaͤngigen, jugendlichen Stand¬ punkt erhielten. Gehen wir uͤber zu den Verlegern! Man frage, wie viele Buchhandlungen, die vor 30 Jah¬ ren reich waren, es noch sind; man erwaͤge die Zahl derer, die seit jener Zeit verarmten; man suche die Buchhandlungen auf, die in den letzten 30 Jahren reich, oder nur wohlhabend wurden; man lasse sich erzaͤhlen, wie viele Jahre redliche Buchhaͤndler in Angst, Kummer und Sorge hinbrachten, um nur ehrlich bestehen zu koͤnnen! — — — Die Billig¬ keit wird dann auch die haͤrtesten Vertheidiger des Nachdrucks zum Schweigen bringen. Fuͤr diese Anfuͤhrungen wird Niemand Beweise verlangen, weil sie zu sehr in den Vermoͤgensstand noch existirender Handlungen eingreifen. Da aber beym deutschen Buchhandel Rechtlichkeit, Thaͤtigkeit und guter Wille mehr gelten als Reichthum, wie ich im Lauf meines Schicksals dankbar erkennend selbst erfah¬ ren habe, so darf auch hier gesagt werden, was unwiderleglich wahr ist, und guten Eindruck machen kann. Sollte dem Verleger von Wielands, Klopstocks und Schillers Schriften und so vielen gangbaren Prachtwerken, sollte Goͤschen — dem gesegneten Fami¬ lienvater — nach vierzigjaͤhriger angestrengter, ver¬ staͤndiger Thaͤtigkeit die Wohlhabenheit, die er haben mag, nicht zu goͤnnen seyn? Sollte man sie einem Mann, wie Hartknoch beneiden, der, eine große Hand¬ lung vom Vater erbend, Verleger von Herders, Kants, und Klingers Schriften war? Man sehe zu, ob die Wohlhabenheit dieser Maͤnner eine andere ist, als die, wozu jeder Mensch, der ein halbes Jahrhundert redlich arbeitete, berechtigt ist? Betrachten wir die alten Handlungen, die in Leipzig laͤnger als ein Jahrhundert existirten; die un¬ tergegangenen nicht erwaͤhnend. Voriges Jahr starb Fritsch, ein unverheyratheter Mann von hoͤchst ein¬ fachen Sitten. Er ererbte vom Vater einen soli¬ den Verlag, war Mitverleger von Gellerts Schriften; die Zeune-, Schneider-, Heynischen Ausgaben classischer Autoren, die Schellerschen Woͤrterbuͤcher waren sein Eigenthum — und welchen Reichthum hinterließ die¬ ser wackere Mann? Man erforsche, wie vermoͤgend die Familien, de¬ nen die Weidmannsche Handlung gehoͤrt, seit einem Jahrhundert waren, wie groß die Kapitalien sind, die in diese Handlung verwendet wurden und welche Aus¬ beute sie seit 30 Jahren gab? Wenn dabey beachtet wird, daß hier der groͤßte Verlag von classischen Au¬ toren, von Gellerts, Wielands, Schroͤckhs Schriften sich befindet, so wird auch hier das Publikum sich nicht zu beschweren haben. Man durchblaͤttere den Verlags-Catalog von Crusius und man wird erstaunen, welche Masse gelehr¬ ter und gemeinnuͤtziger Werke bey ihm erschienen sind, und zu welchen niedrigen Preisen. Dieser Verleger, der nun seine hoͤhern Jahre in Ruhe verlebt, brachte ein Vermoͤgen von mehreren hundert tausend Thalern zum Buchhandel; er druckte was ihm, einem sehr unterrich¬ teten Manne, fuͤr die Wissenschaften und Kuͤnste foͤr¬ derlich schien, ohne Ruͤcksicht auf Gewinn. Einem solchen Mann sind wohl einige Verlagsartikel, wie Weissens Kinderfreund und Schillers Gedichte, deren Verfasser und ihre Erben gewiß mit ihrem Verleger jederzeit zufrieden gewesen sind, zu goͤnnen? Man frage, von welchen Zeiten das Vermoͤgen der großen Frankfurter Buchhandlungen Broͤnner und Varrentrapp u. Wenner herruͤhrt! Man erkundige sich, welche alte und reiche Buch¬ handlungen noch in Berlin bestehen! Oder soll ein Mann wie Nicolai, der eine schon ererbte Handlung nach 50jaͤhriger gluͤcklicher Thaͤtigkeit hinterlaͤßt, diese noch etwa unsicher hinterlassen? Man frage nach den alten großen Hamburger Buchhandlungen, wo sind sie? Man befrage Herrn Bertuch in Weimar, welche Resultate dieser vor allen andern thaͤtige Mann in einer langen Reihe von Jahren gefunden hat! Man frage Herrn Frommann, den Besitzer eines treff¬ lichen Schul-Verlags, ob es ihm leicht geworden ist, bis hierher zu kommen. Man frage Herrn Kummer, der nun Greis ist, ob er nach 50jaͤhriger unermuͤde¬ ter Thaͤtigkeit ruhen darf, — er, der gluͤckliche Ver¬ leger des vielgelesenen Kotzebue! Man frage weiter das ganze liebe Deutschland durch! Viel arbeitsame, sich abmuͤhende Buchhaͤnd¬ ler wird man finden, aber reiche trifft man nir¬ gends. Oder soll hier, statt aller Beyspiele die Cottasche Buchhandlung gelten? Kennt man auch die Kapita¬ lien, die seit 20 Jahren in dieser Handlung umgewendet wurden und bedenkt man in welchen Zeitlaͤuften es ge¬ schah? Nehmen wir an, daß diese Handlung in den letzten 20 Jahren nicht existirt haͤtte, welche Un¬ ternehmungen wuͤrde unsere Literatur dann entbehrt haben, wie viele gelehrte und Kunst-Betriebe wuͤrden unterblieben seyn? Doch, der Besitzer dieser Hand¬ lung bedarf der Vertheidigung Anderer nicht, er mag sich selbst vertreten gegen Vorwuͤrfe! Ueberhaupt bin ich sehr entfernt, Vertheidiger oder Lobredner der Buchhaͤndler zu seyn. Ich kenne die obwaltenden Uebel recht gut; aber des deutschen Buchhandels, wie er seit 30 Jahren gefuͤhrt wurde und noch gefuͤhrt wird, kann man sich vor Gott und seinem Gewissen annehmen, man fuͤhrt eine ge¬ rechte Sache. Zweyte Anmerkung. Ein unbenanntes und ein benanntes Lust- Exempel uͤber den Nachdruck . Wenn A. (der Autor) etwas fuͤr den Druck nie¬ dergeschrieben, so geht er, um das zu bewirken, wozu er selbst weder Zeit noch Geld hat, B. (den Buch¬ haͤndler) an. Haͤlt dieser das Dargebotene fuͤr gut und glaubt ( wissen kann er es nicht) daß das Pub¬ likum eben so urtheilen werde, so giebt er A. Hono¬ rar fuͤr das Manuscript und bezahlt Druck und Pa¬ pier fuͤr so viele Exemplare, als er absetzen zu koͤnnen meint. B. irrt sich, mit oder ohne Schuld, und be¬ haͤlt mehrere hundert Exemplare uͤbrig, wodurch ihm nicht allein der gehoffte Gewinn, sondern auch ein Theil des Kapitals entgeht. Dieselbe Erfahrung macht B. mehre Male und vielleicht erst im sechsten Fall gluͤckt ein Unternehmen, wobey durch Absatz von ein¬ tausend Exemplaren Gewinn und Ersatz fuͤr den vor¬ her erlittenen Verlust erworben werden koͤnnte. Da findet sich N. (der Nachdrucker) welcher die fehlge¬ schlagenen Unternehmungen von B. nicht beachtete, wohl aber die gegluͤckte sogleich bemerkt und von dem Buch eine neue Auflage zu wohlfeilerem Preise macht, welches er um so leichter kann, da er den fruͤhern Verlust nicht zu decken und A. kein Honorar zu geben braucht. Durch solches Verfahren bleibt bey B. die Haͤlfte der Auflage liegen und er wird abgeschreckt ferner etwas zu unternehmen; A. findet folglich kuͤnf¬ tig keinen Abnehmer seiner Arbeit; N. aber, der Lau¬ rer, hat seinen sichern Gewinn. Das Publikum hat allerdings durch den wohlfeilern Preis bey diesem ei¬ nen Falle scheinbaren Vortheil; ist aber der ein guter Haushalter, der sein Saat-Korn aufzehrt? Nachfolgendes benannte Exempel, obwohl nur Hypothese, wird ein solches Verhaͤltniß klaͤrer machen! Angenommen, Prof. Ebeling zu Hamburg giebt von seiner durch die Zeitlaͤufte unterbrochenen Erdbe¬ schreibung Amerika's einen neuen Band (Virginien) heraus. Der Autor hat fuͤr Buͤcher, Landcharten, Cor¬ respondenz und Beytraͤge an 800 Thaler Unkosten, eigene Arbeit und Zeitverlust nicht gerechnet. Der Buchhaͤndler‚ der dies Werk uͤbernimmt‚ muß an 1000 Exemplare absetzen‚ um die Kosten des Hono¬ rars‚ Drucks und Papiers zu decken; da hierzu nun keine Wahrscheinlichkeit ist‚ so macht er einen hohen Preis‚ um mit 750 Exempl. Ersatz zu haben. Das Buch wird nach seiner Erscheinung gepriesen und fin¬ det Kaͤufer; ein Hamburger Buchdrucker-Herr‚ z.B. Herr Nestler‚ der Nachdrucker von Schillers Gedich¬ ten‚ findet es dem Interesse seiner Officin gemaͤß‚ diesen Band der Erdbeschreibung nachzudrucken und weil er am Druck verdient‚ keine fruͤhern Verluste im Buch¬ handel zu decken hat und kein Honorar bezahlt‚ kann er das Buch um die Haͤlfte wohlfeiler geben‚ als der rechtmaͤßige Verleger‚ dem dadurch die Haͤlfte seiner Auflage Maculatur wird. Wenn nun kuͤnftig ein neuer Band dieses Werkes erscheinen sollte‚ wird der vorige Verleger ihn gewiß nicht drucken und der Nachdrucker‚ welcher wartet, bis er etwas ohne Risiko und Unko¬ sten unternehmen kann‚ auch nicht; das Publikum aber entbehrt dadurch ein schaͤtzenswerthes‚ die Wissen¬ schaften forderndes Werk. Der angenommene Fall kann zwar nicht eintreten, da innerhalb Hamburgs Mauern kein Buͤrger den andern so benachtheili¬ gen duͤrfte, allein es fragt sich‚ ob‚ wenn dies von Altona‚ Haarburg‚ Emden oder Leipzig aus geschaͤhe‚ fuͤr Deutschlands Literatur dies Verhaͤltniß anders und besser waͤre? Nach dem Sinn der Vertheidiger des Nach¬ drucks waͤre letzteres ein durchaus erlaubtes Ver¬ fahren. Dritte Anmerkung . Folgen fuͤr die deutsche Literatur, wenn der gesetzlose Zustand der Autoren und Buchhaͤndler fortdauert . Deutsche Schriftsteller schreiben fuͤr alle Laͤnder, so weit die deutsche Sprache reicht und der deutsche Buchhandel verbreitet die Druck-Schriften nach allen von Deutschen bewohnten Gegenden. Je sicherer der Buchhaͤndler unternimmt, je groͤ¬ ßer er die Auflagen machen kann, desto wohlfeiler kann er die Buͤcher geben. Man fand die von den Verlegern bestimmten Preise zu hoch; wollte fuͤr Buͤcher kein Geld aus dem Lande gehen lassen oder gar fuͤr nachgedruckte welches hereinziehen; deshalb erlaubte man in Oester¬ reich und in dem sonst sogenannten Reiche den Nach¬ druck und vollendete so die Trennung des deutschen literarischen Vereins . Fruͤher schon hatten die allgemeinen Buͤcher-Verzeichnisse, welche anfaͤnglich in Augsburg, dann in Frankfurt am Mayn heraus¬ kamen, so wie die Buchhaͤndler-Zusammenkuͤnfte sich nach Leipzig gezogen. Jetzt wird nachgedruckt in Oesterreich, Baden, Wuͤrtemberg, Darmstadt und in der preußischen Rhein- Mark; in allen diesen Staaten bluͤht die deutsche Gesammt-Literatur und in allen leben sehr große und bedeutende Verlags-Eigenthuͤmer, z. B. in Stutt¬ gardt, Cotta; in Heidelberg, Mohr und Winter; in Darmstadt, Heyer und Leske. Wenn nun in Wuͤr¬ temberg der Bayersche Verlag z. B. des Kanzelred¬ ners Reinhard Werke, Sulzbach bey Seidel, nach¬ gedruckt werden, warum nicht in Bayern Cotta's Verlag, Goethe's, Herder's, J. Muͤller's, Schiller's Werke? Wenn in Wien Hamburger Verlag z. B. Buͤsch, Claudius ꝛc. Schriften, warum nicht in Ham¬ burg Fr. Schlegels Vorlesungen, so wie die Werke der Pichler und Collins? Wenn in Carlsruhe der Berliner Verlag, z. B. A. W. Schlegel's Ueber¬ setzung des Shakespeare, warum nicht in Berlin dessel¬ ben Autors dramatische Vorlesungen, Heidelberg bey Mohr und Winter? Gegen die Berechtigung der Staaten, wie der Privatpersonen zu solchem gegenseitigen Verfahren moͤchte wohl nichts einzuwenden seyn, aber wenn man nur einigermaßen im erfahrungsmaͤßigen Nachdenken geuͤbt ist, wird man zugeben, daß bey solchem Gegen¬ einanderwirken der Buchhaͤndler, die Kraͤfte in we¬ 3 nig Jahren sich dergestalt aufreiben muͤssen, daß kein neues Buch verlegt, kein altes wieder gedruckt wer¬ den kann. Der Buchhandel wird aufhoͤren und mit ihm das Leben der deutschen Literatur; der Nach¬ druck wird ein gleiches Schicksal haben, und nur spaͤt, nach kostbaren, bittern Erfahrungen wird man ein neues, einigeres Leben beginnen. Vielleicht aber glaubt man, daß die Ausbildung in den deutschen Staaten so gedeihen werde, daß Au¬ toren wie Spittler, Storr, Plouquet ꝛc. nur fuͤr Wuͤrtemberg, Thibaut, Martin, Hebel ꝛc. nur fuͤr Baden zu schreiben brauchen, und diese souverainen Staaten auch die Kosten solcher Schriften und Werke allein und gaͤnzlich werden tragen koͤnnen? Das waͤre freylich vortrefflich! Dann haͤtten wir eine Koͤnigl. Wuͤrtembergische, eine Großherzogl. Badensche u. s. w. Literatur, jede fuͤr sich fest und geschlossen; allein dies Ziel scheint nicht so nahe zu liegen. Oder man sieht auch Privilegien, die ja immer gnaͤdigst ertheilt werden, als Sicherungsmittel des Verlags-Eigenthums an? Aber, selbst wenn es zu erlangen waͤre, daß diese Privilegien unentgeldlich ge¬ geben wuͤrden, so koͤnnte es doch auf keinen Fall spor¬ telfrey geschehen und diese Sporteln allein wuͤrden mehr betragen, als Honorar und Druck zusammen, da der Privilegien nicht etwan nur 17 (so viel als Stimmen auf dem Bundestage sind) sondern 36 (so viel als es Bundes- Glieder giebt) genommen werden muͤßten, und fuͤr deutsche Sprache, Literatur und Wissenschaft Anhalt mit Schwarzburg, Reuß mit Waldeck, oder Hamburg mit Frankfurt nicht den min¬ desten Zusammenhang haben. Waͤre ein Verleger so gluͤcklich und erwuͤrbe sich 35 Privilegien, haͤtte aber keines von der 36sten deutschen Monarchie oder Repu¬ blik, so wuͤrde hier nachgedruckt und jene 35 koͤnnten nichts helfen. Doch auch dies ist nur ein Lust-Exempel! Der Trieb der Einigung unter den Deutschen wurzelt tiefer und es kann dahin nicht kommen. Unser moralisches Gefuͤhl haͤlt den Grundsatz aufrecht: „Was du nicht willst, daß dir die Leute thun sollen, das thue ihnen auch nicht!” Die Darstellung der Verhaͤltnisse des deutschen Buchhandels sollte in drey folgenden Abschnitten weiter ausgefuͤhrt werden, es scheint aber raͤthlicher, dieß so lange zu verschieben, bis auf dem Bundestag die Verhandlungen uͤber diesen Gegenstand begonnen haben und daruͤber Gutachten und Berichte gefordert werden. Vor der Hand mag es hinreichend seyn, kurz anzugeben, was den Inhalt der letzten drey Abschnitte bilden sollte. Zweyter Abschnitt. Das Eigenthums-Recht der Autoren an ihren Schriften und ihr Recht dasselbe zu uͤbertra¬ gen in verschiedenen Laͤndern und bey verschie¬ denen Voͤlkern. Dritter Abschnitt. Gesetzes-Vorschlag uͤber das Eigenthums-Recht der Autoren in der deutschen Literatur. Vierter Abschnitt. Ausbildung der Organisation des deutschen Buch¬ handels, wodurch ohne die Freyheit des Han¬ dels zu beschraͤnken, Garantie geleistet wird gegen Beeintraͤchtigungen des Publikums und der Literatur durch eigennuͤtzige Autoren und betruͤgerische Buchhaͤndler.