Ludwig Theoboul Kosegarten's Poesieen . Dritter Band . Leipzig , bey Heinrich Gräff , 1802. An die Zeitgenossen. V ereidet keiner Schule, keiner Rotte Verkauft um schnöden Hohn und feiles Lob, Gehorchend einzig dem gewalt'gen Gotte, Wagt' ich zu singen, was die Brust mir hob. Die Katarakte schoss den Felshang nieder; Rauh klangen, herzlich doch, des Jünglings Lieder. Gezündet durch das Heilige und Hohe, Entstoben Funken der verborgnen Glut; Das Schlechte nur, das Niedrige und Rohe Verschmähte zürnend die geweihte Wuth. Ich sang die Liebe meiner Rosenjugend: Gott , die Natur , die Schönheit und die Tugend . Doch andre Zeiten brachten andre Lehren, Ein neues Licht entblitzt der alten Nacht. Man heisst uns neue fremde Götter ehren; Was heilig war den Vätern, wird verlacht. Euch, meines Liedes inhaltreiche Themen, Verhöhnen sie als wesenlose Schemen. „Lasst einmal doch die breitgetretnen Spuren, „Verlockte Dichter! Thoren, die ihr seyd, „Wisst, nur Bedarf prosaischer Naturen „Sind Gott, die Tugend und die Ewigkeit. „Es schöpft aus reichern, aus den eignen Tiefen „Der Genius, der kühn sich selbst begriffen. „Verschmähend, fremder Macht uns hinzugeben, „Frohlockend in dem heisserrungnen Licht, „Thun wir Verzicht auf euer ewig Leben, „Auf eure Tugend, euren Gott Verzicht. „Uns, die wir gar in eignen Feuern glühen, „Rauscht der Krystallstrom ächter Poesieen.“ So schallen rechts und links der Meister Sprüche. Der Jünger Echo hallt sie wiehernd nach, Und mühsam windet sich durch Moor und Brüche Der Dichtung dunkler schlammgetrübter Bach, Der über Goldsand sonst, von Cynoglossen Umduftet, ätherklar dahingeflossen. Zum neuen Glauben, zu den neuen Zungen Mich zu bekehren, bleibe fern von mir! Was ich gesungen hab, hab' ich gesungen. Wir haben auch den Geist des Herrn, auch wir ! Seyd ewig dann, ihr Genien meiner Jugend, Mein hohes Lied: Gottheit , Natur und Tugend ! Inhalt des Dritten Bandes. Siebentes Buch . Seite An die Lyra 3 Hymne an das Eisen 7 Aristoteles Hymne an die Tugend 16 Congreve's Hymne an die Harmonie 18 Drydens Alexanderfest 26 Gray's Barde 37 Der Dorfkirchhof 48 Das nussbraune Mädchen 54 Die Königskinder 70 Königinn Anne 75 Die Gefangenen 81 Eleonora und Gutta 84 Seite Er und Sie 88 Admiral Hosier's Geist 93 Odin's Höllenfahrt 98 Klage um Hoël 103 Das Sehnen 105 Die Ahnung 108 Sunium 111 Die Blumenchiffre 115 Elegie 118 An Allwina 126 Erinnerungen 132 Agathon an Thelxione 138 Atlantis 143 Das neue Jahrhundert 147 Endymion 149 Narcissus 150 Edmunds Lieder . Erster Anhang. Apologie 153 Wohin? Wohin? 156 Öd und leer 160 Das Lenzgefühl 163 Ihre Flur 165 Die Mondnacht 168 Idens Nachtgesang 170 Edmunds Nachtgesang 172 Seite Der transparente Mondschein 176 Gruss in die Ferne 180 Ihre Blumen 183 Seine Blumen 186 Die Zweifel 189 Die Nacht der Liebe 193 An die Nacht 196 Das Andenken 198 Das Abendroth 201 Die Sterne 204 Epicedion 208 Biankens Lieder . Zweyter Anhang. Der Abschied 213 Strada della Luce, Strada della Croce 215 Candore et Odore 217 Die Blumenchiffre 219 Die Errettung 221 Die Ekstase 223 Müd' und matt 225 An den Schatten des Numan 227 Das Lebewohl 231 Lobgesang 234 O Liebe 237 Himmelan 239 Am Ziele! 242 Zugabe älterer gänzlich oder grösstentheils umgearbeiteter Gedichte. Seite Die Unsterblichkeit 247 Der Nachtsturm 255 Elegie 258 Elegie 263 Elegie 267 Abschied von Ida 271 Die Erscheinung 278 Das Andenken 281 Das Ermannen 284 Epilog . Der Schwan. Ein Gesicht. 291 Druck- und Schreibfehler. Dritter Band . Seite 3. Zeile 7. das Schöne lies das Höchste. - 14. - 14. aufthat l. aufthut. - 26. - 11. der Tugend l. der Jugend. - 54. - 8. Treue l. Treu. - 65. - 5. Gemeint mich und geminnt l. geminnt mich und gemeint. - 104. - 15. nur l. nun. Siebentes Buch. 3 A An die Lyra. Güldne Lyra, dir gebühret, Dir, der Ersten, Preis und Ruhm. Ward ich je von fern geführet Zu der Schönheit Heiligthum; Merkt' ich auf der Göttinn Lehre, Brannt' ich für das Schöne — dein Sey das Lob und dein die Ehre, Liedertönend Elfenbein! A. 2 Zwang ich Tyche dir zu dienen, Brach mir Bahn durch Bruch und Schluft; Seh' am Belt ein Tempe grünen, Athm' auf Rugien Joniens Luft; Zaubr' ich mir aus Eis und Schlossen Einen Frühling blüthenweiss, Lehr aus Urnen Rosen sprossen — Lyra, dir gebührt der Preis! Schwing' ich mit der Ahnung Schwingen Aus dem Eitlen mich empor, Hör' entzückt die Sphären singen Mit des Geistes leiserm Ohr, Schwellt der Götter ew'ge Jugend Meine Adern, lächelt mir Mit Hetärenreiz die Tugend — Güldne Lyra, Dank sey dir! Wie du einst, o güldne Leyer, Thraciens Gewürm bezwangst, Über Hellas Ebentheuer Glorreich manchen Sieg errangst; Also auch des Wahns Chimären, Auch die Sphynx der Leidenschaft Hilfst du siegreich mir beschwören Durch des Liedes Zauberkraft. Wie du einst den frommen Dichter Rettetest aus herber Noth Von dem Schwert der Bösewichter, Aus der Fluthen nassem Tod; Also hast du oft den Zagen Aller Angst und Qual entrückt, Hast auf der Begeist'rung Wagen Zum Olympus ihn entzückt. Wie gehorsam deinen Lauten, Still befolgend dein Gebot, Ilions Mauern leicht sich bauten Sonder Richtscheid, Schnur und Loth; Also lehrst die wilden Triebe Ordnung du und Symmetrie, Lockst' hervor aus Zorn und Liebe Ebenmaass und Harmonie. Wie vom Gott und dir begeistert Jason kühn das Salz durchschnitt; Drach und Lindwurm übermeistert, Und das güldne Vliess erstritt; So lass auch von günst'gen Winden Meiner Argos Segel blähn, Mich der Wahrheit Colchis finden, Und der Schönheit Vliess erspähn. Wie du Eurydicens Gatten Ruhm verliehst im Reich' der Nacht; Alle Larven, alle Schatten Fühlten deines Zaubers Macht; Charon horcht entzückt dem Tone; Lauschend ruhte Cerberus; Lächelnd weinte Persephone; Selig war der Erebus — So, o Heroldinn des Schönen, Alles Zorns Vermittlerinn, Wollst du einst auch mir versöhnen Des Avernus strengen Sinn; Dass ich, an des Orkus Schwelle Aller Schuld und Sorg entstrickt, Zu den Sängern mich geselle, Die Elysiums Ruh erquickt. Hymne an das Eisen. H eil dir, Mark der Natur, der gabenspendenden Erde Stilles Erzeugniss, doch gross von Kraft und herrlich an Thaten. Nimmer rühmt' ich das Gold, und dein, jungfräuli- ches Silber, Dacht' ich nimmer im Liede. Dir aber, Preis der Metalle, Will ich Ehre verleihn, und deine Tugenden singen. Heil dir, ältestes Kind der Gebürg'! und ihr edel- stes Kleinod, Erstgeborner im Reiche der vielgestalteten Erze. Schon in der Dinge Beginn, als die uranfänglichen Wasser Jegliches Stoffes trächtig die kraysende Erde noch deckten, Schwebtest du in dem unendlichen Meere, geselltest dich traulich Zu dem Gesäme des Quarz, zu des Feldspath binden- dem Mörtel; Schwärztest den ernsten Schörl, durchblinktest die spielende Mica, Härtetest, heilige Kraft, die Granitgerippe des Erdballs. Aber zu rasten vermochtest du nicht mit dem Quarz und dem Spathe. Nicht zu bändigen taugte den Trotz des Titanen der Anden. Noch der Sudeten Gewicht, das schwer auf die Brust ihm gewälzt war. Tief aufstöhnend enthobst du der Last dich; aus dampfendem Crater Quollst du hervor, ein Feuerstrom, gerannst zum Basalte, Pflastertest Riesenweg', und wölbetest Grotten des Fingal. Rastlos gährt' es indess in des Meers arbeiten- dem Schoosse. Niederschlugen die Lager der Erden, des Thons und des Kalkes Wechselnde Schichten. Wer sprengte die Mächtigen? Welche der Kräfte Höhlt' im gediegenen Flötz der Gäng' und Minen und Adern Labyrinthisch Geklüft? Du thatest es, Heros! Und lüstern Dich zu entwinden dem spähenden Blick helläugiger Neugier, Wähltest du dir zum geheimeren Sitz das verborgne Gekämmer, Lauschest dort in des Dunkels Schirm in mancher Vermummung. Bald gelüstet es dich, als Druse zu blinken. Be- scheidner Birgst du ein anderes Mal dich in unscheinbarer Stuffe; Tropfest itzt 'gar die Teufe herab ein nichtiges Wasser, Blühest als Blume dann, und schossest ein ästiges Bäumchen. Tausend sind deiner Launen und deiner Verlar- vungen tausend. Dennoch fessl' ich dich, Proteus, mit mächtigem Zau- ber des Liedes; Dich ertapp' ich im wilden Gestein, in der bläulich- ten Schlacke, Dich in des Schmirgels zäherem Korn, im flüchtigen Bleyglanz. Freundschaft pflegst du mit jedem Genossen der wu- chernden Sippschaft. Willig gesellen sich dir die minder edleren Brüder. Aber nur ungern gehorcht dir der Sol; die züchtige Luna Wegert sich lang; es sträubt sich verschämt die keu- sche Platina. Kühner Ares, du steigst hinab in der schüchter- nen Nais Heimliche Grotte. Verwegen umschlingst du die Blö- de. Bezwungen Sinket sie dir in den brünstigen Arm. Der Umar- mung entsprudeln Heilende Quellen. Des Heiltranks schlürft sehnsüch- tig der Sieche, Fühlt sich das Herz erfrischt und gestählt die erschläf- fende Fiber. Heil, Dämonischer, dir dir danket Tellus das bunte Regenbogengewand und der Farben magische Gaukel. Dir verdanket die glühenden Tinten die schillern- de Steinwelt, Dir der Saphir den Lasur, der Amethyste den Purpur, Dir der Smaragd sein spielendes Grün, sein Gold der Topase, Dir der Rubin die leuchtende Gluth, die wechseln- den Schimmer Danket dir der Opal, drinn des Aethers Launen sich spiegeln. Treflicher Künstler, wie mahlst, wie schattirst du die Schöpfung der Pflanzen! Dir nur danket der lachende Frühling sein duftiges Saftgrün, Dir den brennenden Kranz die Feuerblume. Des Veilchens Duftkelch glühet durch dich. Der chalcedonischen Lychnis Lodernde Flammen zündest du an. Der züchtigen Rose Leihst du den Incarnat, der Götter entzücket und Menschen. Glanz und Heitre verleiht dein fröhlicher Pinsel der Thierwelt Edleren Formen. Das Rad des Pfauen, des Schmet- terlings Schwingen Tauchst du in nimmer verblassende Tinten. Es dan- ket die Taube Dir den smaragdenen Hals, den schimmernden Fittig das Goldhuhn. Jedes Kügelchen färbst du des lebennährenden Blutes, Glühest herauf auf brauner Wange des rüstigen Jünglings, Hauchest die Jungfrau an mit des Frühroths leisesten Schimmern. Heil, Dämonischer, dir! Nicht bloss der schaf- fenden Mutter Dienst du ein frommerer Sohn in ihrer geheimeren Werkstatt. Auch der Cultur, der Lebenverschönernden, streben- den Fortschritt Förderst du unverzagt, ein tausendrädriges Trieb- werk. Heil dir, nutzendes Erz! Aus des Schachtes täu- schendem Dunkel Mühsam zu Tage gefördert, zerrieben im hammern- den Pochwerk, Reingeschmolzen durch Ofengluth von jeglicher Schlacke, Wer mag zählen die Formen, die nutzenden, schmük- kenden, blanken, Die durch der Esse Gewalt, durch des Hammers Schläge, der Feile Nagenden Zahn aus dir die Hand des Fleisses her- vorruft. Dein ist, friedliches Erz, die Pflugschaar, welche die Scholle Lockert, den strengeren Kloss bereitet, dass er des Saamens Goldenen Regen empfang', und ihn getrenlich be- wahre. Dein die blinkende Sense, von deren Klinge getroffen Niederrauschet der Schwad des vollgekörneten Weitzens. Dein des Winzers Hippe, die leise vom blutenden Rebstock Löset die glühende Traube, den Quell nektarischen Heilsafts. Du, vom magnetischen Strom ergriffen, geleitest den Steurer Sicher durch Meere, die Cook nicht kannte, nicht Magellan ahnte, Birgt gleich der Nordstern sich, und des Wagens strahlende Deichsel. Dein ist, schützendes Erz, das Schwert, das das Vaterland rettet, Dein das donnernde Rohr, mit dessen Toden die Freyen Niederschmettern der Feigen Volk in brüllender Feldschlacht. Jedes Geräth' ist dein, des wundenkundigen Mannes Jegliches, welches die Plagen des Siechenden mildert; das Länzchen, Welches die schwellende Ader erleichtert; der lüf- tende Bohrer, Welcher des Denkens Organ des Drucks entbürdet; die Nadel, Die in des Auges Tiefe den wölkenden Tropfen hinabdrückt, Dass dem entflorten Stern der Weltbau strahlend sich aufthat. Heil dir, verschönerndes Erz, auch der Kunst, der menschlichern, mildern, Welche den Stoffen Gestalt verleihet und Seele dem Todten; Auch der Lieblichen jüngrer, wiewohl tiefsinng'rer Schwester, Auch der Wissenschaft dienst du, ein ewig ändern- des Werkzeug. Dein gehöret der Stahl, der Apollons göttliche Schönheit, Der Laokoons stöhnenden Schmerz aus dem Marmor hervorruft; Dein der Meissel, durch den aus rohem Blocke der Säule Zierlich schlanke Gestalt mit krausem Schnirkel em- porsteigt; Dein der Griffel, der dreist auf sprödem Kupfer Allegri's Weichesten Reiz nachahmt, und Guido's frischeste Anmuth. Dein der Verfinsterer Schrecken, die tausendzüngige Letter, Welche des Weisen Wort den lauschenden Völkern verkündend, Mächtig am Throne rüttelt des Despotism und der Dummheit. Heil dir, Kronions Geschenk, der Gesellschaft förderndster Segen, Erstes der Erze und Letztes! Vor deinen strahlen- den Brüdern Will ich singen dein Lob und deiner Preise gedenken! Aristoteles Hymne an die Tugend. D ie du, o heil'ge Stärke, der Sterblichen Mühselige Geschlechter zu Thaten spornst, O Tugend, unsrer schwülsten Schweisse Köstlicher Preis und gewünschtes Kleinod. Entbrannt in deiner Schöne, Holdselige, Von deinem Blick begeistert, Jungfräuliche, Trotzt Hellas Jugend jeder Arbeit, Lacht der Gefahr, und frohlockt im Tode. So schmeichelt nicht dem Auge des Goldes Glanz, So mundet nicht dem Müden der süsse Schlaf, So kos't die Annne nicht dem Säugling, Wie du dem ewigen Geiste kosest. Um deinetwillen stürzte Heracles sich In endelose Mühen; es stürzten sich Um deinetwillen Ledens Söhne Freudigen Muthes in Noth und Arbeit. Nach dir verlangend, wallte Patroklos Freund Und Rächer jung noch nieder zur Schattenwelt; Nach dir verschmachtend, zu des Ais Düstrer Behausung der starke Ajas. Dein werth zu werden, Brünstigumschlungene, Verschmäht' Acharnens Zögling der Knechtschaft Schmach, Verschmähte selbst des süssen Lichtes Wonnegenuss und des Aethers Heiltrank. Nur dir gebührt der Hymnus. Es huldigen Nur dir die ew'gen Töchter Mnemosynens. Zevs Xenios ist ihres Liedes Inhalt. Ihr Päan ist heil'ge Freundschaft. 3 B Congreve's Hymne an die Harmonie. I. W em tönt des Hymnus Feyerklang? Wem rauscht der Lyra Hochgesang, Gleich Nachtigallenschlag itzt schmetternd und itzt leise? Wen meinen unsers Päans Preise? Dich meinen sie, Allmächtige Harmonie. Heil dir, dir huldigt die Natur! Beschworen, Himmlische, von deinem Zauberschwur Tanzt lustberauscht der Wald, hüpft lüstern rings die Flur — Und jene, die in nimmer müden Kreisen Rings um das Herz des All's melodisch tönend reisen, Wer lenkt, wer zäumt, wer bändigt sie? Chor. Du thust's, allmächtige Harmonie! II. Dein süsses Tönen, Harmonie, erscholl Und laut aufklangen des Abyssus Schründe. Des Lichtes nie erforschter Quell erschwoll Die alte Nacht erschrack; tief in des Abgrunds Schlünde Versteckte, jeder Kraft beraubt, Das Chaos sein geängstet Haupt. Hervor, o Harmonie, auf dein melodisch Werde Sprang lächelnd der Olymp, sprang thaubeperlt die Erde. Rings reihte sich der Sterne güldner Kranz. In nimmer-lassen, nimmer-stummen Chören Begannen ihren Reigentanz Rund um den Quell des Lichts die ewig- schönen Sphären. Chor. Dein hehtes Tönen, Harmonie, erscholl, Und Nacht und Chaos floh und Lieb' und Licht erquoll. III. Wer hat des Rythmus Heimlichkeiten Dem blöden Sterblichen enthüllt? 3 B Wer hat aus Maass und Zahl und Zeiten Den Zaubertrank gemischt, der alle Schmer- zen stillt? Warst du es nicht, Holdselige, Die Lätos hohen Sinn begeisterte, Die Melpomenens Kehle regte, Und Polyhymnien mit Muttersorgfalt pflegte? Horch, horch, Urania singt, Apollon's Lyra klingt. Den süssen Tönen lauscht das trunkne Chor der Musen, Entzücken schliesst ihr Aug', und selig schwillt ihr Busen. Chor. Horch, horch, Urania singt, Apollon's Lyra klingt. Geschlossnen Auges lauscht um ihn der Chor der Musen, Und süsse Trunkenheit schwellt ihre keusche Busen. IV. Steig' nieder, Huldinn, Himmlische, Und mildt' erbarmend unser brennend Weh. Sieh, wie uns Übel tausendfach umringen, Die Sorgen uns mit Drachenschweif um- schlingen. Itzt zappeln wir an banger Zweifel Schaft. Itzt wühlt in unserm Mark der Tyger Lei- denschaft. Die Phantasie schwingt ihre Pfauenflügel, Entringt der säumenden Vernunft die Zügel, Beherrscht den Willen unbeschränkt, Den keine Vorsicht zäumt und keine Rücksicht lenkt. Wer zügelt den verwildernden Gedanken? Wer wiegt das nimmersatte Herz in Ruh? Wer mischt den Heiltrank dem Verzweif- lungskranken? Du thust es, Huldinn, du. Chor. Wer zügelt den verwildernden Gedanken? Wer wiegt das nimmersatte Herz in Ruh? Wer mischt den Heiltrank dem Verzweif- lungskranken? Du thust es, Huldinn, du! V. Beginnt das heil'ge Lied, geweihte Neune, Und Lipp' und Laut' ertön' in lieblichem Vereine. Flösst Frieden, Eintracht, Edenslust In jede sanftgehobne Brust. Lasst Schwermuth den gesunknen Nacken heben, Der Ruhe Ahnung lasst das bange Herz durchbeben! Kühlt das entflammte Blut, Entwaffnet Grimm und Wuth, Entreisst der Rachgier die gezuckte Waffe, Die straffe Muskel sink', und jeder Nerv' er- schlaffe! — — Es ist geschehn, Getröstet schweigt der Kummer. Es schweigt der Leidenschaft Tumult. Von süssen Tönen eingelullt Sinkt aufgelöst die Welt in vielwillkommnen Schlummer. Chor. Sieh es geschieht. Getröstet ruht der Kummer. Es schweigt der Leidenschaft Tumult. Von süssen Tönen eingelullt Sinkt aufgelöst die Welt in vielwillkommnen Schlummer. VI. Doch ach zu schnell entschlüpft die schöne Stille. Zu neuen Mühen rafft der Mensch, der Thor, sich auf. Fluchwerther Ehrgeiz, frecher Eigenwille, Ihr rüttelt rings die Welt zu blut'gen Fehden auf. Horch, horch, das Schlachthorn brüllt, Zum Tode ruft die schmetternde Drommete. Die dumpfe Trommel rollt, die helle Pfeife schrillt. Wo bist du hin, des Hirten Abendflöte! Wo seyd ihr hin, des Friedens Melodieen? Geheul zerreisst die Luft und wilde Frenesieen. Chor. Wohin, wohin, friedsel'ge Melodieen? Statt eurer gährt die Luft in wilden Frenesieen! VII. Sieh die verlass'ne Schöne! Ihr Liebling zog ins Feld, Verödet ist der Armen nun die Welt. Mit jammerndem Gestöhne Ruft sie des Tages ihm, durchwacht In ungekühlter Angst die öde Mitternacht, Umschlingt ihn träumend, sehnt mit heissen Zähren Nach Freuden sich, die, wähnt sie, nimmer kehren. Ach lindert ihren Harm Mit euren weichsten Tönen, Bis die ergrimmten Völker sich versöhnen. Und treu und siegreich ihr in Arm Der Liebling wiederkehrt, um nimmer sie zu lassen, Um ihr an treuer Brust einst liebend zu er- blassen. Chor. Ach mildert ihren Harm Mit euren weichsten Tönen, Bis die ergrimmten Völker sich versöhnen, Und treu und siegreich ihr in Arm Der Liebling wiederkehrt, um nimmer sie zu lassen, Um ihr an treuer Brust einst liebend zu erblassen. VIII. Genug, Urania, Himmlische! Magst nun zurück zum Regiment der Sphären, Zurück zur Sternenheymath kehren. Cäcilia kommt, die Hochbegeisterte, Cäcilia, die göttlichste der Musen, Und zündet Himmelsglut in jedem Menschenbusen. Melpomene reicht ihr den Preis, Ihr Polyhymnia das Lorbeerreis, Selbst Cynthius, der Meister hoher Lieder, Legt Harf' und Kranz zu ihren Füssen nieder, Der Lyra weichlicher Gesang erstummt. Aus zehnmal tausend regen Kehlen summt, Haucht, wehet, schwillt zum schmetternden Orkan Der Melodieen Sturm und brauset himmelan. Cäcilia, erhabne Meisterinn, Nie wird der Hymnus deines Ruhms verklingen. Für immer wird dein Lob, des Tonreichs Königinn, Der Zungen Myrias, die du vereintest, singen. Grosses Chor. Willkommen, Hochbegeisterte! Willkommen, göttlichste der Musen, Geweihte Jungfrau, Reine, Züchtige, Du zündest Himmelsglut in jedem Menschenbusen. Melpomene reicht dir den Preis; Dir Polyhymnia ihr Lorbeerreis, Selbst Cynthius, der Meister hoher Lieder, Legt Harf' und Kranz zu deinen Füssen nieder, Der Lyra weichlicher Gesang erstummt. Aus zehnmal tausend regen Kehlen summt, Haucht, wehet, schwillt zum schmetternden Orkan Der Melodieen Sturm, und brauset himmelan. Cäcilia, erhabne Meisterinn, Nie wird der Hymnus deines Ruhms verklingen. Für immer wird dein Lob, des Tonreichs Königinn, Der Zungen Myrias, die du vereintest, singen. Dryden's Alexanderfest. I. P ersia war besiegt. Den hohen Triumph zu feyern Gab Philipp's Sohn ein königliches Mahl. Hoch prangt' auf güldnem Stuhl In hehrer Majestät Der göttergleiche Held; Rings um ihn seines Reiches Grosse, Mit Myrthen die Stirne bekränzt, die Scheitel um- schattet mit Rosen. (Also geziemt es den Siegern nach blutiger Müh.) Neben ihm lehnt' in der Blume der Tugend, Im Glanze der Schönheit die freundliche Thais , Mit des Aufgangs köstlichsten Steinen ge- schmückt — Preiset die Herrlichen, Heldensöhne. Ares und Küpris umarmen sich hier. Tapfrer, nur dir Tapfrer, nur dir Tapferer, dir nur gebühret das Schöne Chor. Preiset die Herrlichen, Heldensöhne. Küpris und Ares umarmen sich hier. Tapfrer, nur dir, Tapfrer, nur dir, Tapferer, dir nur gebühret das Schöne. II. Timotheus , der vielberühmte Meister, Sass hoch auf klingender Bühne, Rührte mit flüchtigem Finger die Leyer; Himmelan schwellten die schwellenden Töne Der Hörer trunkene Seelen. Er sang, wie Vater Zevs Die seligen Sitze verliess (Dir, mächtige Lieb', erliegend). Ein flammender Drache fuhr er herab, Auf schlängelndem Blitze schoss er daher Zu Philipps schöner Gattinn, Zur jungen Olympia. Umschnäbelnd ihre Schneebrust, Den Marmelleib umringelnd, Vertraut' er sein Ebenbild ihr, des Erdballs künftigen Herrn — Er sang's. Dem hohen Liede Lauschten die Zecher bewundernd. Heil dem erscheinenden Gott! scholls auf aus den Kreisen der Zecher. Heil dem erscheinenden Gott! scholl's wieder vom dröhnenden Dome. Entzückten Ohrs Vernahms der Held, Und wähnte sich Gott, Und nickt ein Gott Und meint: es bebten die Sphären. Chor. Entzückten Ohrs Vernimmt's der Held Und wähnt sich Gott, Und nickt ein Gott Und meint: es beben die Sphären. III. Nun sang der holde Sänger Bachus Preise, Des Ewigjungen und des Ewigschönen; „Er kömmt, er kömmt, der fröhliche Gott, „Dem Ernst ein Hohn, dem Gram ein Spott. „Schmettere, muntre Drommete! „Er kömmt und purpurne Röthe „Verklärt sein blühend Gesicht, „Die Augen unsterbliches Licht. „Lasset das luftige Hifthorn hallen, „Lasst wirbeln die Pauke, Schallmeyen erschallen. „Er kommt holdselig und froh „Io Io Io! „Bachus jung und schön und froh „Presste Trauben, mischte Wein, „Führte des Zechens Freuden ein, „Bachus spendet süsse Weide, „Zechen ist des Kriegers Freude. „Süss die Weide, „Reich die Freude, „Süss ist Freude nach der Pein.“ Chor. „Bachus spendet süsse Weide, „Zechen ist des Kriegers Freude. „Reich die Freude, „Süss die Weide; „Müden mundet bass der Wein.“ IV. Des Lobes froh erschwillt des Königs Herz. Noch einmal ficht er alle seine Schlachten über. Dreymal noch schlägt er den Feind; dreymal noch fallen die Schaaren. Des steigenden Wahnsinns gewahret der Meister, Gewahret der glühenden Wangen, Gewahret des funkelnden Auges, Sieht Fehde ihn der Erd und selbst dem Him- mel bieten. Er wandelt schnell die Weise Und hemmt des Jünglings Stolz, Er schmelzt mit Trauerlauten In süsses Leid das Herz. „Darius, singt er, gross und gut, „Verfolgt von Heimarmenens Wuth, „Darius ist gefallen! „Gefallen! gefallen! gefallen! „Vom höchsten Punkt des Erdenglücks „Ist er im Huy des Augenblicks „In Schmach und Noth gefallen! „Es liegt der König gross und gut „Und wälzet sich in seinem Blut, „Verlassen ach von allen; „Verlassen selbst vom treusten Freund, „Den er am redlichsten gemeint, „Liegt er auf nackter Erde bloss. „Ist keiner, der auf liebem Schooss „Das Haupt ihm stützet, keiner? „Ist keiner, der das Aug' ihm schliesst? „Ein' arme Thrän' um ihn vergiesst? „Ach keiner! auch nicht Einer!“ Gesunknen Blickes sass der schnellerweichte Sieger, Den ringsumwölkten Geist durchzuckten Ernstgedanken. Er sah das Rad des Schicksals Sich nimmerrastend drehn; Ein tiefes Ach entfuhr ihm, Und eine Thräne quoll. Chor Wohl mag die Thräne quellen, Dein Geist sich wölken, Held! Denn nimmerrastend rollet Des Schicksals kreisend Rad. V. Der mächt'ge Meister lächelte. Die Liebe, sah er, traf zunächst die Reihe. Den nächst verwandten Ton nur durft' er rühren, Denn Mitleid stimmt das Herz zur Liebe. Lockend, flötend, girrend Gleich der Nachtigall Schmettern Scholl das Lydische Lied. „Krieg ist Tollheit, Fechten Rasen; „Ehr' und Ruhm sind Wasserblasen. „Stets beginnend, nimmerendend, „Stets zerstörend, nie vollendend, „Dünkt die Welt dich werth des Krie- gens, „Werth des Kämpfens, werth des Sie- gens? „O vergiss nicht des Genusses, „Nicht des Bechers, nicht des Kusses. „Thais thront dir lächelnd zur Seiten, „Geneuss was dir die Götter bereiten!“ Stürmendes Beyfallgeschrey scholl rings im Kreise der Zecher. Nicht länger mächtig seiner Schmerzen blickte Der Heros die Heroinn an, Die süsse Feindinn seiner Ruhe. Er blickt' und seufzt', und seufzt' und blickte, Und blickt' und seufzt' und blickte wieder. Übermannet zuletzt von Wein und sehnender Liebe Sank der besiegte Sieger ihr an die schwellende Brust. Chor Sieh, sieh, er blickt und seufzt und blickt, Und blickt und seufzt und blicket wieder. Überwältiget schon von Wein und von sehnender Liebe Sinkt der besiegte Sieger ihr an das schlagende Herz. VI. „Mächtiger greift in der Lyra Gold! „Horch, wie es braust, wie es zürnt, wie es grollt! „Weckt mir ihn auf wie mit Schlacht- gerassel, „Rüttelt mir ihn auf wie mit Donner geprassel! — „Erwache, Schläfer, erwache! „Horch, horch, es gellt ihm ins Ohr. „Er hebt das Haupt empor, „Wie aus dem Grab' erwacht, „Starrt er hinein in die Nacht. „Rache, König, Rache! „Siehst du im bläulichten Licht „Die grinzenden Furien nicht? „Hörst ihre Schlangen nicht zischen, „Die schweflichten Blitze nicht gischen, „Die den rollenden Augen entsprühn? „Auf, König, stark und kühn! „Rette der Schuldlosen Sache! „Rache, König, Rache! — „Siehst du die nichtige Schaar „Mit lodernden Fackeln in Händen! „Sie raufen das straubigte Haar, „Sie ringen die Hände. Sie wenden „Sich seitwärts. Siehe, sie weinen, „Es sind die Geister der Deinen, „Es sind der Griechen Schatten. „Sie fielen auf Mediens Matten, „Sie liegen unbegraben, „Ihr Fleisch verspeisen Raben. 3 C „Die Luft bleicht ihre Knochen, „Noch liegen sie ungerochen. „Räche der Tapferen Sache — „Rache, König, Rache! „Siehe, sie schwingen die Fackeln, die Rächer, „Zielen auf der Könige strahlende Dächer, „Winken auf die Tempel der feindlichen Götter, „Sie treffe der Rache versöhnendes Wet- ten.“ — Wüthendes Beyfallgeschrey durchtobte die gährenden Lüfte. Zerstöhrunglüstern sprang der König auf. Er griff zur knisternden Fackel, Zur Fackel die Trunkenen alle. Thais stürmte voran, Mit lodernder Fackel voran. Der zweyten Helena sank das zweyte Troja in Asche. Chor Wohin, Wuthtrunkner, wohin? Sieh, sieh, er greift zur Fackel. Die Rasenden greifen zur Fackel. Thais stürm't voran, Mit lodernder Fackel voran. Dir, zweyte Helena, sinkt das zweyte Troja in Asche. VII. So wusste schon in grauer Vorwelt Tagen, Als luftgeschwellte Bälge noch nicht hauchten Und noch der Orgel Kehlen alle schliefen, Der Saitenkundige Timotheus Die Seele mächtig zu beherrschen, In süsse Wehmuth itzt sie einzugirren Mit leiser Flöten sanftem Klageton, Zu Raserey sie dann emporzustürmen Mit jedem Dämon, den die Lyra bannt. Doch itzt erschien Cäcilia, Cäcilia, die Gottbegeisterte, Erfand den Pallast heil'ger Harmonieen, Erweiterte mit eingepflanzter Weisheit Und hoher Kunst des Tonreichs enge Gränzen, Verlängerte die vollen Feyertöne, Liess einzeln itzt des Prachtbau's Kehlen gurgeln, Liess tausendstimmig nun den heilgen Päan brausen. Reiche, Timotheus, dann der heiligen Jungfrau die Palme, Oder ihr Kämpfenden theilt beyde den ehren- den Kranz. C 2 Einen Sterblichen hob des Griechen Lyra zum Himmel. Selige Geister herab ziehet Cäciliens Lied. Chor Reiche, Helene, besiegt der heiligen Jungfrau die Palme, Oder ihr Kämpfenden theilt beyde den ehrenden Kranz. Einen Sterblichen hob Timotheus Lyra zum Himmel. Himmlische Geister herab ziehet Cäciliens Lied. Gray's Barde. I. 1. „ V erdirb, verruchter Fürst! „Verderben treffe deine frechen Rotten! „Birst, langmuthmüde Erde, birst! „Nicht dulde Frevler mehr, die aller Duldung spotten. „Fürst, deine grasse That soll keine Busse sühnen! „Keim Helm, kein Harnisch, keine Eisenschienen, „Selbst nicht die eh'rne Schaar, die um dein Bette wacht, „Soll retten dich vom Graun der kalten Mitternacht. „Dich sollen Cambriens Flüch' aus tiefem Schlum- mer schütteln. „Dich Cambriens Wehgeheul aus grausem Traum aufrütteln. „Sieh, um dein Lager wankt der Schatten bleiche Schaar. „Entsetzen eis't dein Blut und Grausen sträubt dein Haar.“ — So scholl's, als Edward's Heer des Snowdon schroffen Nacken Sich mühsam niederwand vom steilsten Felsenzacken. Ein Donner scholl's herab. Von kaltem Graun er- fasst Vernimmt den strengen Fluch der König und erblasst. Der kecke Gloster fühlt der Sehnen Kraft erschlaffen. Den Speer schwingt Mortimer, und ruft: Zun Waf- fen! Zun Waffen! I. 2. Hoch auf der Klippe, deren stolze Braue Ernst niederschaut auf Conway's hohlen Strand, Stand Leofric, der Hagre, Grause, Graue. In langen Falten floss um ihn sein Schneegewand. Es flog im Sturm, nach Meteorenart, Sein straubicht Haar, sein wildverwachsner Bart. Mit Meisterhand und mit Prophetenfeuer Regt er den tiefsten Gram der scherzentwöhnten Leyer. „Horch, horch, wie nieder in des Waldstroms Schluft „Die Rieseneiche stöhnt, mit ihr die Uferkluft. „Dich fasst sie, König, mit Gigantengrimme, „Dir rauscht sie Rache zu mit dumpfer heis'rer Stimme. „— Melodisch nimmer — ach! seit Cambrien's jüng- stem Tage „Verstummt Llewellyn's Lied, und Hoel's holde Klage.“ I. 3. „Kalt ist Cadwallo's Lippe, „Die sonst des Sturmwinds Wuth beschwor. „Gemäht ist Urrin von der Feldschlacht Hippe. „Nie sieht mein Auge, nie vernimmt mein Ohr „Dich, Modred, dessen magischer Gesang „Den stolzen Plinlimmon sein Haupt zu neigen zwang. „Bleich, eiskalt, halbverscharrt im blut'gen Ufersande, „Fault ihr an Arvon's leichenvollem Strande. „Es dunkelt schon die Luft der Raben gier'ge Schaar. „Raublüsternd scheust herab vom Felsenhorst der Aar — „O Dichter, Freunde, köstliche Gefährten, „Mir, wie das Lüftchen süss, das meine Schläfe kühlt, „Mir, wie die Strahlen lieb, die einst mein Auge klärten, „Die ihr für 's Vaterland und mit ihm kämpfend fielt — „Sprecht, schlaft ihr itzt? „Nein, nein, ihr sitzt „Auf jenen Hügeln, leert den Honigbecher. „Ihr sitzt und singt „Und plötzlich springt „Ihr auf, des Vaterlandes Rächer. „So helft dem Sänger denn sein kühnes Ziel er- streben, „Ein schwarz Verhängniss helft mit blut'ger Hand ihm weben.“ II. 1. „„Schiesst den Einschlag durch das Fach! „„Lasst das Webschiff lustig fliegen! „„Lustig, lustig, Schlag auf Schlag! „„Lasst sich's fein und zierlich fü- gen! „„Webt ein stattlich Leichentuch, „„Webt es lang und breit genug, „„Dass es fasse Edward's Kinder, „„Seiner Kinder Kindeskinder, „„Ihre Tugend, ihre Tücke, „„Und ihr ganzes Missgeschicke; „„Wirkt hinein das Jahr, die Nacht, „„Wo Mordgeschrey durch Berkley's Bogen kracht, „„Wo um den Severn Todesröcheln weht — „„Ein König ist's, der um sein Leben fleht! „„Heil Frankreich's Wölfinn dir, Heil dir, der Nimmersatten, „„Die kalt das Herzblut schlürft des hingewürgten Gatten. „„Aus deinem Schooss' entspringt, der seinen Ty- gerzahn „„Ins Herz der Mutter haut. Sieh, sieh den Furcht- har'n nah'n. „„Furcht, Flucht, Entsetzen fliegt vor seinen Rot- ten her, „„Und hinter ihm bleibt rings dein Frankreich öd' und leer.““ II. 2. „„Mächtiger Fürst, der Helden Held; „„Da liegst du nun vom stärkern Tod gefällt. „„Kein Busen klopft, es rinnet keine Zähre „„Zu deines nie besuchten Grabmaals Ehre. „„Wo ist der schwarze Krieger? Wo dein Sohn? „„Dein Sohn ist hin! der nimmer floh geflohn, „„Schläft mit den Schlafenden und schweigt mit den Verstummten. „„Die Schwärme, die noch jüngst in seinen Strahlen summten, „„Umgaukeln schon den neugebornen Tag. „„Holdlächelnd blüht er auf, im Jubel wird er wach. „„Sieh, wie gefacht von lindem Zephyrflügel „„Die güldne Gondel stolz des Meeres Lasurspiegel „„Hinuntergleitet! Horch, wie jauchzt die trunkne Schaar! „„Wie, wird denn keiner des Orkans gewahr, „„Der unglückdrohend schon am fernsten West aufschauert, „„Und auf den Abendraub in stiller Tücke lauert?““ II. 3. „„Schmücket zum festlichen Schmause den Saal! „„Füllet den Becher! bereitet das Mahl! „„Die Krone nahmen sie dir. — So schmause denn, Richard, schmause! „„Wer seyd ihr Furchtgestalten? Grause „„Gerippe, die der Tafel grinzend nahn, „„Mit berstender Lippe du? — Du mit entfleisch- tem Zahn? „„Sieh! sieh! sie spotten des Gastes mit schaden- froher Lache! „„Rache! Schicksal! Rache! — „„Sie säumet nicht. In lichte Flamme facht „„Die Zwietracht Albion's Volk. Rings brüllt die Bürgerschlacht. „„Sie säumet nicht! Das Mark verwandter Schaaren „„Düngt Englands Blumenflur in hundert Jam- merjahren. „„Ihr Thürme Cäsar's, London's lange Schmach, „„Ihr Mauren, drinn so oft die Unschuld trau- rend lag, „„Ihr, die ihr mitbewusst so manche Schand- that decktet, „„Zu feigem Meuchelmord so oft den Schläfer wecktet, „„Ehrt seines Vaters Ruhm, der Gattinn Hel- denmuth „„Und spart des frommen Kronenräubers Blut — „„Ach nein! ach weh! „„Im blut'gen Schnee „„Der Zwillingsrosen trauren England's Matten. „„Es watet schwer „„Der borst'ge Bär „„Im Blut der Kinder unter Dornenschatten. „„Gebt Flügel, Brüder, nun, gebt eurer Spuhle Flügel. „„Auf unsre Rache drückt und Edward's Qual das Siegel!““ III. 1. „„Edward, Edward, schau hinter- wärts! — „„Es fliegen die Spuhlen. Das Garn ist ver- sponnen. — „„Schon rollt sich zum Sprunge die Natter Schmerz. — „„Die Spuhlen sind ledig, die Fäden verron- nen. — „„Edward, wir opfern dein halbes Herz! — „„Das Werk ist vollendet! das Ziel ist ge- wonnen!““ „Ach säumet, säumt noch! — Wie? verachtend, spottend, schnöde, „Wollt ihr mich lassen, mich? in dieser Jammer- öde? — — „Sieh, sieh im fernen West die Strasse voller Glanz! „Sie schmelzen, schwinden hin im luft'gen Wol- kentanz! „Schau Snowdon's Gipfel glühn in rosenrothem Lichte! „Wer seyd ihr glorievolle blendende Gesichte? „Ach, schont des Blöden, schont! ach nicht zu rasch, zu wild „Umstürmt mich, Zeiten, die der Zukunft Schooss noch hüllt — „Heil, Heil, um Arthur fliesst nicht mehr der Sehn- sucht Thräne! „Heil euch Gesalbte, Heil! Britannien's ächte Söhne!“ III. 2. „Umringt von mächtigen Baronen, „Von ehrfurchtswürdigen Matronen, „Von Räthen, deren Bart zum Gürtel niederwallt, „Thront ihr in Herrlichkeit! — Doch diese Huld- gestalt, „Wer ist sie? diese Göttergleiche, „Die Reiz mit Würde paart, des Mädchenherzens Weiche „Mit Löwenmuth! mit jungfräulicher Schaam „Die Majestät, die ihr von ihren Ahnherrn kam! „Rings um sie tönen, horch! in sel'gen Sympho- nieen „Die Geister des Gesang's, des Liedes Melodieen. „Es tönt, es klingt hinab in Taliessin's Kluft: „Erwach, Gesangesfreund, erwach aus stiller Gruft. „Schau! die Begeist'rung hebt die Regenbogen- schwingen, „Ihr Falkenauge blitzt und ihre Flügel klingen.“ III. 3. „Noch einmal singt die goldne Leyer „Den grimmen Krieg, der Liebe süsse Qual. „Die Wahrheit lächelt durch der Dichtung Schleyer, „Wie durch ein Thaugewölk der Sonne Flam- menstrahl. „Mit kaltem Graun, mit leisem Schmerz, „Mit süssem Gram, der sich zu trösten zau- dert, „Mit starrer athemloser Angst durchschaudert „Des Avoniden Lied das Herz. „Horch, es schwimmen „Cherubstimmen „Aus Edens Blüthenschatten säuselnd her. „Fernhin schwirrend, „Leiser girrend „Verliert der Töne Fluth sich in der Zukunft Meer — — „Verruchter, wähntest du des Tages Strahlen- quelle „Durch deinen Drachenhauch auf ewig ausge- löscht? „Sie, die ihr leuchtend Haupt itzt in den Fluthen wäscht, „Hebt morgen es empor in glorievoller Helle. „Triumph! Triumph! „Dein Pfeil ist stumpf. „Tyrann! Geschliffen sind der Rache Waffen. „Verzweiflung dir! „Und Ruhe mir! „Zeuch deines Wegs! Ich sehne mich zu schla- fen — — — Er sprach's. Er sprang hinab vom schroffen Fel- senrande, Und weit aufbraust die Fluth, und dumpf auf dröhnt's vom Strande. Der Dorfkirchhof. Elegie. Z u Grabe sinkt der abgeschiedne Tag, Die Heerden wanken blökend übers Feld. Der müde Pflüger sucht sein friedlich Dach, Und räumt der Dunkelheit und mir die Welt. Die Landschaft dämmert in dem Abendduft, Rings waltet Stille, die die Brust beklemmt. Nur summst der Käfer brausend durch die Luft. Nur pfeift der Junge, der die Pferde schwemmt. Nur heult die Eul' im alternden Gestein Und klagt ihr Leid dem mitbewussten Mond, Wenn etwa Frevler den Bezirk entweihn, Den seit Jahrhunderten ihr Volk bewohnt. Hier, wo die Ulme mit dem Tax sich paart, Wo grünbewachsen Sod' an Sode ragt, Hier ruhn des Dorfes Ahnen wohlverwahrt, Und keinem ward sein enges Haus versagt. Der würzereichen Frühe frisches Kühl, Der Schwalbe Zwitschern, die den Gatten weckt, Des Hiefhorns Schall, des Tages froh Gewühl Weckt nicht die Schläfer, die der Rasen deckt. Es flammt nicht mehr der traute Heerd für sie. Kein kosend Weib scheucht ihren Überdruss, Kein schmeichelnd Kind erklimmt ihr schaukelnd Knie, Und bettelt um ein Mährchen, einen Kuss. Wie oft zerbröckelt' ihres Pfluges Rad Den strengen Kloss, der von der Dürre borst. Von ihrer Sichel sank das güldne Schwad, Den Streichen ihrer Axt erlag der Forst. Nicht spotte, Stolzer, ihr bescheidnes Loos, Ihr stilles Treiben, ihr geräuschlos Thun, Ihr friedlich Leben, das so klar verfloss. Lass unverhöhnt die Arbeitmüden ruhn. Auch deiner harrt der ernste Augenblick, Der, was die Schönheit, was die Macht dir gab, Dein glänzend Elend, dein erträumtes Glück Mit sich hinabreisst in das düstre Grab. 3 D Nicht tadle diese, wenn der Zeitenstrom Sie namenlos und unberühmt verschlingt, Wenn durch den Kreuzgang, den gewölbten Dom Kein Mausoläum ihre Thaten singt. Ruft wohl die Urne, bannt der Sarkophag Den Hochgepriesnen aus der Nacht hervor? Drommetet wohl der Ruhm den Schläfer wach? Rührt wohl die Schmeicheley des Tauben Ohr? Gewiss verwest in dieser Mauren Ring Manch edles Herz, das hohen Ahnens voll Am Busen der Natur süsstrunken hing, Und von den Fluthen der Begeistrung schwoll. Doch nie entfaltet ihm die Wissenschaft Ihr Buch, bereichert mit dem Raub der Zeit. Früh knickte Mangel seines Geistes Kraft, Den Strom des Genius eiste Dürftigkeit. Wie mancher theure Edelstein versprüht Den Glanz in Tiefen, die kein Loth ermisst! Wie manche Blum' erröthet und verblüht In öden Schrunden, die kein Lichtstrahl küsst! Wie mancher Hampden , welcher unverzagt Den Dränger seines Dorfs zu Boden schlug, Wie mancher Milton , der kein Lied gewagt, Wie mancher Cromwell , nie verfolgt vom Fluch, Mag hier vermodern! Ihr Geschick verbot Mit Rednerkraft zu herrschen im Senat, Zu trotzen draussen und daheim dem Tod, Sich zu verew'gen durch Gesang und That. Sie kränkte nie verrathner Liebe Gram, Sie quälte nie zu früh entlarvter Trug; Nie bog den Nacken ihnen Schuld und Schaam, Nie scheuten sie des innern Richters Spruch. Nie schüttelte sie der Begierde Sturm. Sie wateten durch Blut zu keinem Thron, Zertraten nicht den Menschen wie den Wurm, Und sprachen frech dem Heiligsten nicht Hohn. Fern von der tollen Menge Neid und Groll, Schwang ihr bescheidner Wunsch sich nie zu hoch, Verglitt ihr Leben schlichter Freuden voll, Im Schooss des Thals, das sie gebar und zog. Jedoch auch ihr zerfallendes Gebein Schützt ein gebrechlich Maal vor frevelm Hohn. Der rauhe Reim, der rohgeschnitzte Stein Erfleht für sie des Seufzers armen Lohn. Vernimm, wer einst die morsche Bürde trug, Vernimm die Jahre, die ihm Gott beschert! Vernimm den mühsam buchstabirten Spruch, Der fromm und ernst den Wandrer sterben lehrt. D 2 Denn wer des ängstlichen Vergessens Raub Entsagt wohl je des Daseyns bangem Glück, Steigt wohl hinunter in den kalten Staub, Und wirft nicht zaudernd einen Blick zurück? Umsinkend lehnen wir an Freundesbrust, Erblindend tappen wir nach Freundeshand. Auch in der Urne glüht noch Lebenslust, Fort in der Asche glimmt der Hoffnung Brand — — Und du, der hier in schlichtem Liede preist, Was sonst zu preisen nie das Lied gewagt, Vielleicht, wenn einst ein dir verwandter Geist Hieher verirrend sehnend nach dir fragt, Dass dann der grauen Hüttner einer spricht: „Wir sahn ihn öfter in der Dämmrung Graun „Den Berg erklimmen, der das Echo bricht, „Und stieren Augs der Sonn' entgegen schaun. „Dort unterm Buchbaum, an des Bächleins Rand, „Wo Schatten winkt und grüne kühle Ruh, „Warf er sich hin im schwülen Mittagsbrand „Und sah des Bächleins Rieseln sinnig zu. „Oft irrt' er murmelnd längst des Haynes Saum, „Bleich wie die Liebe, wie der Gram gebückt. „Itzt fuhr er auf, wie aus dem tiefsten Traum, „Itzt starrt' er hin, als wär' sein Geist verzückt. „Ein's Morgens misst' ich auf dem Hügel ihn, „Ihn auf der Hayd',ihn unterm Buchendach. „Der zweyte Morgen dämmert'; er erschien „Nicht auf dem Berg, im Busch nicht, nicht am Bach. „Am dritten trugen sie mit Sang und Klang „Den Kirchweg ihn daher durchs hohe Korn „Du kannst ja lesen — lies dann den Gesang „Auf jenem Stein mir unterm Hagedorn.“ Die Grabschrift. Dem Glücke nicht, und nicht dem Ruhm bekannt, Schläft hier ein Jüngling in dem stillen Staub. Sein Herz hat für die Weisheit früh gebrannt, Doch frühe ward sein Geist der Schwermuth Raub. Fromm war sein Sinn, und harmlos sein Gemüth, Und süss das Loos, das ihm der Himmel gab. Er gab dem Himmel, was er hatt', ein Lied! Ihm gab der Himmel, was er wünscht, ein Grab! Nicht ferner decke seine Tugend auf, Nicht seine Schwächen, nicht sein trübes Loos. Bangharrend ruht er nach durchmessnem Lauf In seines Gottes, seines Vaters Schooss. Das nussbraune Mädchen. Er . F alsch oder wahr . . . So viel ist klar, Dass alle Welt itzt spricht: Aprillendunst, Sey Frauengunst Und wandelnd Mondenlicht! Wirb treu und wahr, Wirb Tag und Jahr Um ihre Huld und Treu. Wohl kos't ihr Mund: Des Herzens Grund Ist dennoch nicht dabey. Ein Schön'rer traun! Ist kaum zu schaun, Spricht kaum sie freundlich an — Hin bist du, hin Aus ihrem Sinn, Bist ein gebannter Mann! Sie . Wohl ist es klar Und leider wahr, Dass man itzt schreibt und spricht: Aprillendunst Sey Frauengunst, Und wandelnd Mondenlicht. Doch wird nach Brauch der Männer auch Uns vieles nachgesagt, Ohn' allen Grund Mit falschem Mund — Gleich der nussbraunen Magd, Die streng und hart Geprüfet ward; Sie aber klar und rein Wie lautres Gold Blieb treu und hold Dem Liebsten ganz allein. Er . So lass uns dann So Magd als Mann Abhören Reih' um Reih', Lass uns das Leid der zarten Maid Erwägen ganz getreu. Ich bin der Mann Ich fange an, Danächst antworte du. Und Freunde ihr, Die ihr allhier Zugegen seyd, hört zu — Ich komm' bey Nacht So leis' und sacht Als ich nur immer kann. Ich sprech: o weh! Mein Schatz Ade! Mich trafen Acht und Bann. Sie . Mein Herr, was ihr Begehrt von mir Will ich euch nicht abschla'n. Hier auf dem Fleck Behaupt' ich keck Dass Männer Unrecht ha'n. Ohn allen Scheu Erklär' ich frey Dass Frauen wohl zu traun. Beginnt und gleich Antwort ich euch, Vertheidige die Frau'n — Ach herbe Post! Sprich Herzenstrost, Was giebt es, Trauter mein? Doch sey was sey; Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein. Er . Treu Lieb, hör' an! Ich hab gethan Ein Ding, bös' und verrucht! Deshalb bedroht Mich bittrer Tod Zu meiden nur durch Flucht. Eins muss geschehn. Von hinnen gehn Muss ich, weit weit von hier: Sonst faht man mich Und grausamlich Nimmt man mein Leben mir. Drum Trauteste, Ade! Ade! Weil ich nicht weilen kann. Ich flücht' alsbald In wilden Wald, Ich ein gebannter Mann. Sie . O Herzeleid! O Erdenfreud! Wie wechselt ihr so bald! Der Tag so blau, Die Luft so lau, Und plötzlich schwarz und kalt. Du sprichst: Fahr wohl? Du meinst ich soll Von dir mich scheiden, Freund! Ich mich von dir? Du dich von mir? Nein so ist's nicht gemeint! Fährst du dahin, Fällt zum Gewinn Nur Jammer mir und Pein. Drum sey was sey, Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein. Er . Ich glaube zwar Du redest wahr Für morgen und für heut. Du trägst um mich Wie ich um dich Wohl Anfangs grosses Leid. Doch lass vergeh'n Ein'n Tag und zwe'n Und anders wird uns seyn. Was hülf auch dir Der Gram und mir, Es wär' verlorne Pein! Thu du wie ich Drum bitt' ich dich So herzlich ich nur kann: Lass mich alsbald In wilden Wald Mich den gebannten Mann. Sie . Wohl hast du frey Und sonder Scheu Dein Herz mir aufgedeckt. So sey denn auch Mein Sinn und Brauch Dir klar und nicht versteckt. Gehst du von hier So folg ich dir Getrost begleit' ich dich. Nicht seys gesagt Die nussbraun' Magd Liess ihren Freund im Stich. Ich bin gefasst. Lass dann in Hast Uns flüchten in den Hayn. Sey was da sey Dir hold und treu Bleib ich und dir allein. Er . Mein Kind bedenk' Wie sehr es kränk' Des Leumunds Ziel zu seyn. Gehst du von hier Entführt von mir — Wie wird die Welt nicht schrein! „Sie gehn in Wald, Spricht Jung und Alt, „Zu büssen schnöde Lust. „O schnöde Flucht! Von Ehr und Zucht „Ist dieser nichts bewusst!“ So heisst es, so Und nimmer froh Würd' ich der Liebsten dann — Drum lass allein Mich in den Hayn Mich den gebannten Mann. Sie . Mag doch die Welt, Wenns ihr gefällt, Mag doch der Klätscher Schwarm Um mich allein Sich heiser schrein. Es bringt mir wenig Harm. Treu Lieb' fürwahr Ist makelbar Und fleckenrein gewiss. Dich Freund in Stich Zu lassen, dich — Dies wäre Schande, dies: Wer solches kann Steht mir nicht an. Sein Lieb' ist Heuchelschein. Sey was da sey, Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein. Er . Glaub', Liebste mir: Nicht ziemt es dir Mit mir davon zu gehn. An Achtlings Hand Durch Stadt und Land Zu schwärmen, steht nicht schön! Es muss gespannt In deiner Hand Der Bogen immer seyn; Nach Diebesart Das Mädchen zart Umlagern Angst und Pein. Drum bleibe hier, Ich rath' es dir, So treu ich rathen kann. Lass mich allein In grünen Hayn, Mich, den gebannten Mann. Sie . Wohl hast du Recht. Wohl steht es schlecht Mit Männern durchzugehn. Doch Treu' und Huld Tilgt alle Schuld, Macht, was nicht schön ist, schön. Sey dann gespannt In meiner Hand Der Bogen für und für. Bey Tag und Nacht Ergötzt die Jagd, Herzliebster, mich mit dir. Doch fern von dir Gerinnet mir Das Herz zum Kieselstein. Denn sey was sey, Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein! Er . Kind, Ächtlings Theil Ist Strick und Beil. Wer ihn erschaut, der fasst Ihn auf der Stell', Und henkt ihn schnell Am nächsten besten Ast. Beträfe mich Solch Unglück, sprich, Wie wehrt' ihm deine Hand? Was frommte dir, Was dir und mir Der Bogen wohlgespannt? Gewiss du flöhst Und mich erlöst' Kein Mensch von Acht und Bann. Drum lass mich bald In grünen Wald, Mich den gebannten Mann. Sie. Wohl hast du Recht. Wohl zum Gefecht Sind Frauen allzuzart. Auch ziemet traun! Den zarten Fraun Nicht wilder Männer Art. Doch in Gefahr Hielt ich fürwahr Dich, Freund, in treuer Acht. In meiner Hand Trüg' ich gespannt Den Bogen Tag und Nacht. Wohl manches Weib Wagt Blut und Leib Den Trauten zu befreyn. Drum sey was sey Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein. Er. Doch sorg' ich sehr, Der Flucht Beschwer Erträgst du nicht so leicht. Bedenk' die Flucht Durch Wald und Schlucht, Sey's trocken oder feucht, Kalt oder heiss. . . In Schnee und Eis Ruhn wir auf nacktem Plan. Uns schirmt kein Fach, Uns deckt kein Dach; Ein Busch mag uns umfahn. Gar bald gewiss Verdröss dich dies; Du wünschtest gerne dann Ich wär' allein Im grünen Hayn, Ich der gebannte Mann. Sie. Hab' ich bisher Getheilt mit dir All' Lust und Fröhlichkeit; So ziemt sich auch Nach altem Brauch Zu theilen itzt dein Leid. Es bleibt allzeit Mir Eine Freud', Und diese Freud' ist die: In deinem Arm Rührt mich kein Harm, Quält mich die Reue nie. Drum Freund genug! Lass ohn Verzug Uns flüchten in den Hayn. Sey was da sey Dir hold und treu Bleib ich, und dir allein. Er. Noch frommt es, noch! Bedenke doch, Es giebt im grünen Hayn Nicht Tisch noch Bank, Nicht Speis' noch Trank, Nicht Bier, noch Meth, noch Wein! Kein Himmelbett Mit Decken nett Mit Tüchern blank und rein! Zur Lagerstatt Dient Halm und Blatt Zum Kissen dient ein Stein. Solch Leben ach! Macht krank und schwach; Gern meidet wer es kann. Drum lass allein Mich in den Hayn, Mich den gebannten Mann. Sie. Im Wald, du weisst, Ist Wild; auch preist Man dein Geschoss mit Fug. So finden wir Dann im Revier Der süssen Kost genug. Des Bächleins Nass Erquickt mich bass, Als Wein und Bier und Meth. In deinem Schooss Auf Laub und Moos Zu ruhen, welch ein Bett! Genug! Genug! Lass ohn Verzug Uns flüchten in den Hayn! Sey was da sey, Dir hold und treu Bleib ich, und dir allein. Er. Nun höre, nun! Noch eins zu thun Ziemt jetzt dir oder nie. Kürz' ab zuvor Dein Haar ums Ohr, Dein Röcklein übers Knie! Dann greif geschwind Zum Bogen Kind, Und spann' ihn alsobald. Und eh' es tagt, Noch diese Nacht Gehts fort in wilden Wald. Gefällt dir dies, So eil' und wiss Es bricht der Tag schon an. Sonst lass allein Mich in den Hayn, Mich den gebannten Mann. Sie. Unziemlich traun! Ist züchtgen Frau'n Herzliebster dein Begehr. Mein braunes Haar, Mein Röcklein gar Zu kürzen, fällt mir schwer. Nun immer zu! Herzmutter du Nur machst das Herz mir gross. . . Jedoch Ade! Ich geh', ich geh', Wohin mich führt mein Loos. Komm, Freund geschwind. Die Nacht verrinnt. Es bricht der Tag herein. Sey was da sey, Dir hold und treu Bleib' ich, und dir allein. Er. Sacht Liebchen, sacht! Mag fliehn die Nacht. Du sollst nicht mit mir gehn. Denn leichten Muths Und heissen Bluts Bist du. Ich merk' es schön. Was du gesagt Zu mir, behagt, Mich nicht, so süss es klingt Was mir so leicht Gelang, vielleicht Ein'm andern auch gelingt. Leichtfert'gen Frau'n Ist nicht zu traun — So lass mich, lass mich dann! Lass mich allein In grünen Hayn, Mich den gebannten Mann. Sie. Hilf guter Gott! Es thut nicht Noth So schnöder Worte, Freund. Ohn' allen Dank Hast du gar lang Geminnt mich und gemeint. Du warbst um mich Nicht ich um dich. Ich bin nicht schlecht gesinnt, Bin hohen Muths Und edlen Bluts, Bin ein Baronenkind. Viel wählten mich; Ich wählte dich, Wiewohl gering' und klein. Doch blieb ich hold Und treu wie Gold, Herzliebster, dir allein. Er. Ich arm und klein! Du zart und fein, Und ein Baronenkind! Ein Ächtling ich! Und sollte dich Verderben, schlecht gesinnt? Solch Ungebühr Sey fern von mir! Wohl nur aus niederm Blut, Wohl nur ein Knecht, So schlecht und recht, Trag' ich doch hohen Muth. Bleib' süsse Maid! Es wird dir Leid, Was du um mich gethan. Lass mich allein In grünen Hayn, Mich den gebannten Mann. 3 E Sie. In Ewigkeit Wird mir nicht Leid Was ich gethan um dich. Doch gehst du fort Und brichst dein Wort; Dann, dann verderbst du mich. Vernimm mich, Freund: Ists so gemeint, Wie es dein Mund besagt; Willst du böslich Verlassen mich, Die arm' nussbraune Magd — Das Tageslicht Soll nimmer nicht Die Arme mehr erfreun; Denn treu und hold Gleich lauterm Gold Bleibt sie nur dir allein. Er. Bleib Mädchen hier. Ich rath' es dir. Wiss' es, du bist mir alt. Mein Herz erfreut Ein' andre Maid. Sie harrt im grünen Wald. Mehr als von dir Halt ich von ihr; Ich darf es wohl gestehn. Denn diese ist Was du nicht bist, Gar sittsam lieb und schön. Bleib wo du bist! Denn Zank und Zwist Hass ich wie Acht und Bann. Lass mich allein Zur Liebsten mein, Mich den gebannten Mann. Sie. Mag seyn, dass dein Im grünen Hayn Ein ander Mädchen harrt; Geliebt es dir, So dien' ich ihr Nach treuer Knappen Art. Ihr unterthan, Will ich sie ha'n Allzeit in guter Acht, Will zu Gebot In Noth und Tod Ihr stehn bey Tag und Nacht. Hab' eine Schaar! Hab' hundert gar! Die hundert erste seyn Lass mich, und hold Und treu wie Gold Bleib' ich dir ganz allein. Er. O Lust o Schmerz! Komm an mein Herz Du edle treue Magd. Wie du erprobt, Wie du belobt, Ward nimmer Weib noch Magd. Lass süsse Maid, Lass alles Leid, Lass fahren allen Gram. Mich übermannt Hat allzuhand Dein' Huld und holde Schaam. Sey munter und froh. Es ist nicht so, Was ich von Acht und Bann Dir vorgesagt. Ich, edle Magd, Bin kein gebannter Mann. E 2 Sie. Wohl wär' ich froh, Wenn dem also, Wie eine Königinn. Doch sorg' ich sehr Und ahnt mich schwer, Du tragest Trug im Sinn. Wenn euch gereut Der theure Eyd; So glatt sind Mien' und Wort. Drum sorg' ich sehr Und ahnt mich schwer, Du schleichest heimlich fort. Ist das dein Sinn, So fahre hin, Es wird mein Tod dich reun. Denn treu und hold, Wie lautres Gold, Bleib' ich dir ganz allein. Er. Lass liebes Herz, Lass Sorg und Schmerz, Lass fahren alle Pein. Mein Lieb', mein Weib, So gut als Leib Verschreib ich dir allein. Nach Westmoreland, Mein Erb' und Land, Führ' ich dich, süsse Braut. In Westmoreland Durch Priesterhand Wirst du mit mir getraut. Nein ich beging Kein böses Ding, Mich traf nicht Acht noch Bann. Eines Grafen Sohn Ward dir zum Lohn, Nicht ein gebannter Mann! Sie. So seht ihr nun, Dass übel thun, Die Lästrer frommer Fraun! In Angst und Noth, In Jammer und Tod Ist Frauen wohl zu traun. Ach wärt nur ihr So treu als wir, So guter, ächter Art! Das Widerspiel Gar oft und viel Sich leider offenbahrt. Doch sey es drum! Gar bald ist um Hienieden uns're Zeit. Gott lieben, diess Geziemt gewiss, Und wahrt in Ewigkeit. Die Königskinder. E s waren einmal zwey Königskinder, Frisch junges frommes Blut. Es war dem Knaben das Mägdlein, Dem Mägdlein der Knabe gut. „Sag an allerschönste Jungfrau, „Wie mag ich kommen zu Dir? „Ein grosses wildes Wasser „Fliesst zwischen dir und mir.“ — „Zieh aus die Kleider, zieh aus die Schuh. „Rudre frisch mit Fuss und Hand. „Ich will in der Leuchten ein Licht anstecken, „Das leuchtet dich sicher ans Land.“ — Ein Schalk vernahm die Rede, Trug arge List im Sinn. „Der Liebschaft will ich steuren, „Dieweil ich lebend bin.“ — Dass Gott dich strafe du arger Schalk! Dass Gott dich verderbe zur Stunde! — Er blies das Licht in der Leuchten aus. Der Königssohn ging zu Grunde. Ein Hofbursch trat zur Thür herein, Wohl vor die Tafelrunde. Es war ein Bürschchen hübsch und fein, Und flink von Sinn und Munde. „Gott grüss' euch, ihr Frauen und Fräulein, „Gott gesegn' euch Essen und Trinken. „Ich sah einen wackern Königssohn, „Ich sah ihn schwimmen und sinken.“ Die Frauen und Fräulein sie fuhren auf Von ihren scharlachenen Sesseln. Gar übel sich die schöne Königstochter gehub. Sie sass wie auf Disteln und Nesseln. „Ach Mutter, herzliebe Mutter, „Spatzieren mögt' ich gehn. „Vergönnt mir zu gehn in den grünen Wald „Wo die schönen Blümlein stehn.“ — „Du magst wohl gehn in den grünen Wald „Wo die schönen Blümlein stehn.“ — „Doch wecke dein jüngstes Schwesterlein auf „Und lass es mit dir gehn.“ — „Ach Mutter, herzliebe Mutter, „Gar lustig ists am Strand. „Vergönnt mir zu gehn an das Wasser, „Auf dem schönen weissen Sand.“ — „Du magst wohl gehn an das Wasser, „Auf dem schönen weissen Sand. „Doch wecke dein jüngstes Brüderchen auf „Und nimm es mit an Strand.“ — „Mein Bruder und meine Schwester „Sie haben noch keinen Verstand. „Sie pflücken die schönsten Blumen ab „Und füllen die Schuhe mit Sand!“ Die Jungfrau schied von dannen Ging traurig an den Strand. Da fand sie wohl einen Fischer Der fischete hart am Land. „Gott grüss euch, herzlieber Fischer, „Was bracht' euch euer Fang? „Habt ihr nicht gefischt einen Königssohn, „Den die wilde Fluth verschlang?“ — „Ich hab' gefischt den ganzen Tag, „Die Nacht so schwarz und lang. „Ich hab' gefischt einen Königssohn, „Der hier zu Grunde sank.“ — „Gar übel gehub sich die Königstochter; „Sie weinte, sie klagte, sie sprach: „Ist mein Herzliebster todt und hin, „Nicht mehr ich leben mag.“ „Sie nahm das goldene Kettlein vom Hals, „Vom Arm die Spange noch warm; „Gab Spang' und Kettlein dem Fischer, „Und nahm ihren Liebsten in Arm.“ „Gute Nacht nun herzliebe Mutter, „Gute Nacht, lieb Vater und Brüder. „Gute Nacht ihr süssen Schwesterlein, „Ich seh' euch nimmer wieder.“ „Ich grüss euch zu tausendmalen, „Und bitt' euch, habt nicht Harm! ! „Ich versenke mich ins Meeres Grund „Mit meinem Liebsten im Arm. „Fahr wohl, fahr wohl, du schnöde Welt, „Ich muss itzt von dir scheiden. „Ich muss zu meinem Herzliebsten gehn „Ins Reich der ewigen Freuden.“ — Und als die Mähr' am Land erscholl, Da war gross Leid und Jammer; Es haben getraurt Kanzel und Altar, Getrauert Saal und Kammer. Die Königstochter und sie war todt, Ins Meeres Grund versunken. Der Königssohn und er war todt, In wilder Fluth ertrunken. Nun Gott gedenk' es dem argen Schalk, Der schuld daran gewesen! Gedenk' es jedem noch heut zu Tag, Der treue Liebe will lösen! Königinn Anne. K öniginn Anne liegt zu Rimsted krank, Nach Redby man bringen sie musste. Man musste ihr holen die klügsten Fraun, So viel man in Dännemark wusste. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Holt diese mir her, holt jene mir her. „Ach holt mir die klügste der Frauen. „Holt mir Herrn Ralambs Schwester her, Mich verlangt lieb Trudchen zu schauen.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Lieb Trudchen trat herein zur Thür, Mit züchtigem lieblichem Wesen. Gar freundlich die Kranke willkommen sie hiess, Sie freut' sich als sey sie genesen. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Ach könntest du lesen, ach könntest du schreiben, „Ach könntest du enden mein Leiden. „Ich wollte dir schenken mein schönstes Ross, „In rothe Scharlaken dich kleiden.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Ach könnt' ich lesen, ach könnt' ich schreiben, „Ach wäret der Bürden ihr ledig. „Erlös' euch Gott ins Himmelsthron! „Er ist barmherzig und gnädig.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Schön Trudchen, sie las im Psalterbuch. Sie schaut herüber, hinüber. Die Buchstaben liefen ihr all' in Eins. Es gingen die Augen ihr über. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Sie führten die Kranke hinaus und herein. Es ward nur schlimmer und schlimmer. „Ist niemand denn, der meinen Herrn beschickt. „Genes' ich doch nimmer und nimmer.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Das wurde dem flinken Leibburschen gesagt. Er eilte zum Stalle geschwinde. Er nahm vom Balken den Sattel blank, Und sprang auf den Klepper behende. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Der König spatzierte auf Skoneborgs Schloss. Er sah ihn reiten von weiten. „Hilf Gott wie mag es um Annen stehn! „Was wird mir dies Reiten bedeuten?“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Der Leibbursch trat zum Saal herein, Wohl vor die Tafelrunde. Es war ein Bürschchen hübsch und fein Und flink von Art und Munde. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Herr König, ihr sitzt und schmaus't und zecht, „Dass die goldenen Becher erklingen. „Königinn Anne liegt zu Rimsted krank. „Nach Redby liess sie sich bringen.“ Zu Rimsted ruht Königin Anne. „Königinn Anne liegt zu Rimsted krank. „Nach Redby man bringen sie musste. „Man musste ihr holen die klügsten Frau'n, „So viel man in Dännemark wusste.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Der König schlug kräftig auf den Tisch Dass erklangen die Schüsseln von Golde. „Barmherziger Gott im Himmelsthron, „Lass Annen nicht sterben, die Holde.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Der König ritt eilig aus Skoneborg, Ihm folgten dreyhundert Reiter, Und als er nahe bey Schloss Redby kam Ritt er sacht und einsam weiter. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Er ritt zum steinernen Thor hinein, Er band sein Pferd an die Mauer. Er stieg frisch die steinernen Treppen hinan, Halb freudig halb voll Trauer. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Er streichelt die Wangen ihr, leichenblass, So rosig sonst waren die blassen. Ach frommer Gott ins Himmelsthron, Wollst Annen, die Fromme, mir lassen!“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Helft herzige Frauen, ach helfet, helft! „Ach seht nur die Blasse, die Kalte. „Betet laut, betet kräftig, betet brünstiglich, „Dass Gott mir die Fromme erhalte.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Die Frauen, sie knieten in Einen Kreis Wohl um die Blasse, die Kalte, Sie beteten brünstig sie beteten stark, Dass Gott sie dem König erhalte. Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Königinn Anne schlug die Augen auf, Aufrecht im Bett sie sich setzte. „Gott tröst euch mein herziger Herr und Gemahl, „Vernehmet meine Bitte die letzte.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Das Erste, warum ich euch bitten thu, „Ihr werdet mir's gerne gewähren. „Das Knäblein, das man aus dem Schooss mir schnitt, „Ihr haltet's in Würden und Ehren.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Das Zweyte, warum ich euch bitten thu, „Ihr werdet mir's nicht versagen. „Das Knäblein, das heute beschert euch ward, „Pflegt sein zu allen Tagen.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Das Dritte, warum ich euch bitten thu, „Ihr werdet die Bitt' nicht verachten. „Lasst los die Gefangenen allzumal, „Die in Ketten und Banden schmachten.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Das Vierte, warum ich euch bitten thu, „Ich hoffe, es wird euch gefallen. „Lieb Trudchen lasst euch befohlen seyn, „Ich war ihr hold vor allen.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Verzeihe mir Gott die Sünde mein! „Nichts wüsst' ich zu bereuen und beklagen, „Als dass ich einst des Sonntags früh „Gestärkt meinen weissseidenen Kragen.“ Zu Rimsted ruht Königinn Anne. „Nun herziger Herr, gehabt euch wohl. „Ich höre schon die himmlischen Glocken, „Die mich aus aller Angst und Qual „Zur himmlischen Freude locken.“ — Zu Rimsted ruht Königinn Anne. Die Gefangenen E s liegen drey Junggesellen Gefangen auf den Tod. „Was haben wir denn Böses begangen? Wir liegen, wir liegen gefangen. Erbarmt euch unsrer Noth!“ Ein Jungfräulein ging vorüber. Es hört der Gefangnen Schreyn. Es gehet ihm tief zu Herzen, Es machet ihm bittre Schmerzen, Dem zarten Jungfräulein. 3 F Ihr Gefangnen, ich will für euch bitten, Bittet ihr indessen Gott. Ich will die Herren schön grüssen, Ich will ihnen fallen zu Füssen, Euch lösen vom bittern Tod.“ „Gott grüss euch, grossgünstige Herren! Eine Bitte mir gewährt: Die Gefangnen haben nichts begangen. Lasst sie los, lasst los die Gefangnen, Dass Gott euch wieder erhört.“ — „Was du willst kann dir nicht werden, Du junge zarte Maid. Die Gefangnen müssen sterben. Gottes Reich müssen sie ererben, Dazu die ew'ge Freud. „Was die Gefangenen haben begangen, Der Tod nur büssen mag. Schwer drücken der Sünde Lasten! Lass sie ruhen, lass sie risten, lass sie rasten Bis an den jüngsten Tag.“ Das Mädchen ging von dannen In bitterm Herzeleid. „Ihr Gefangnen, ihr müsst sterben, Gottes Reich müsst ihr ererben, Dazu die ew'ge Freud. Ihr Gefangnen, was ihr begangen, Das büsset nur der Tod. Schwer drücken der Sünde Lasten. Süss lässt sichs risten und rasten. Ihr Gefangnen befehlt euch Gott!“ Und als die Gefangenen kamen Wohl auf den Richteplatz, Das Mägdlein stand in dem Kreise. Sie winkten, sie grüssten sie leise. Fahr wohl, allerschönster Schatz.“ Und als das Schwert sie gerichtet, Das Mägdlein machtlos lag. „Mich ängstigen des Lebens Lasten. Lasst mich ruhen, lasst mich risten, lasst mich rasten Bis an den jüngsten Tag!“ F 2 Eleonore und Jutta. L aut jammerten am klaren Rudborn Bach Zwey Mägdlein. Thränen nässten ihre Wangen. Um ihre Trauten scholl ihr jammernd Ach, Die in Sanct Albans Schlacht die Speere schwangen. Eleonore die Nussbraune sprach Zur blonden Jutta, während Blitz und Schlossen Aus ihres schwarzen Aug's Gewitternächten schos- sen. Vernimm die Zeitung, Schwester, die mich schreckt: Mein Trauter ist mit York ins Feld gezogen. Wenn nur kein Blut die weisse Rose fleckt! Bis, heil'ger Cuthbert, meinem Freund gewogen! Von grausen Larven wird mein Geist geneckt. Sieh sieh; er liegt auf leichenvoller Hayde. Flösst Lebenssaft ihm ein, dass nicht mein Freund verscheide! Jutta. O süsse Schwester, gleicher Jammer presst Auch dieses Herz. Lass denn vereint uns trauern, Vom Morgenthau, vom Dunst der Nacht ge- nässt, Wie Thränenweiden über Gräbern schauern. Vernimm, wie rings, wo vormal Fest für Fest Gesang und Reigen tobt', jetzt Uhu's ächzen, Die Eule grausig heult, und Raben ängstlich krächzen! Eleonore. Nicht pfeift der Minstrel mehr den Hirten wach, Nicht geigt der Geiger mehr zum raschen Tanze. Kein Hifthorn hallt; und keines Hufes Schlag Stört mehr den Fuchs aus seiner sichern Schanze. Ich irr' im Hayn den lieben langen Tag. Die Nacht durchirr' ich auf dem Gottesacker Und mein schwermüthig Lied stöhrt alle Geister wacker. Jutta. Wenn bleich der Mond durch Silberwolken weint Und nicht'ge Schatten mir vorüber beben, Wenn süsse Träume, die der Tag verneint, Aus Seid' und Gold' die luft'gen Elfen weben; Wenn Richard dann mir bleich und kalt erscheint — Wohl bleich und kalt will ich ihn doch um- fassen, Will ihm im kalten Arm auf bleicher Lipp' er- blassen. Eleonore. Krystallner Strom, wie mancher Knapp' und Knecht Mag bald vielleicht an deinen Ufern bluten! Ach dann heisst Rudborn Rudborns-Strom mit Recht. Das Blut der Helden färbt die rothen Fluthen. Lass, Schwester, eh' zu sehr der Gram uns schwächt, Das Schicksal unsrer Trauten uns ergründes. Lass uns, wenn nicht sie selbst, doch ihre Leichen finden — — Sie schwankten auf. Sie streiften durch das Land, Zwey Hagelwolken, die die Stürme jagen. Sie kamen, sahn Sanct Albans heil'gen Strand, Und fanden jed' ach ihren Freund erschlagen! Sie kehrten um zu Rudborns Blumenrand, Wo sie umschmiegt sonst von den Trauten ruhten; Sie schlangen Arm in Arm und sanken in die Fluthen. Er und Sie. Er. T rautes Kind, kehr um! kehr um! Schau der Sonne duft'ger Strahl Hat noch nicht den Thau vom Thal Weggetrunken; drum kehr um! Sie. Glatter Schwätzer lass mich gehn! Lass mich, wilder Knab', in Ruh! Mit den Täubchen, lieb und schön, Wandr' ich dem grünen Hölzchen zu! Er. Liebchen, sieh, im klaren Bach Mahlt sich jedes Blümchen nach. Setze dich, Traute, neben mir, Süsses Kind, bleib hier! bleib hier! Sie. Lass mich gehn! Herzmutter spricht: Jungen Mädchen ziemt es nicht Im schönen May, im grünen Hayn Mit wilden Knaben allein zu seyn. Er. Bleib doch, Herzchen! Bis nicht bang! Hör'st du wohl den Lerchensang? Wie der Hänfling lustig singt, Wie der Drossel Kehl' erklingt! Sie, Hör' ich doch den Sing und Sang Den lieben langen Tag entlang, Den Sing und Sang, der immer spricht: Traut, Mädchen, glatten Schwätzern nicht! Er. Schau entlang den Wiesengrund, Von Viol' und Maasslieb bunt, Niemand sieht uns. Lämmlein nur Grasen auf der stillen Flur. Sie. Lass den Latz mir; lass das Tuch, Schäfer, oder ich muss schreyn. Lass mich, Robyn, schon genug Ist des Scherzes. Lass mich seyn! Er. Siehe, wie des Geisblatts sich Die gewalt'ge Eich' erbarmt; Wie der Epheu brünstiglich Den erhab'nen Ulm umarmt. Liebchen komm an meine Brust, Bis nicht blöde! Bis nicht scheu! Um uns jubeln Lieb' und Lust; Um uns scherzt je zwey und zwey. Seiner Sie hofirt der Spatz, Und das Täubchen kos't und girrt. Sie. Nur das Mägdlein sey Niemands Schatz, Bis es beringt vom Priester wird. Muthe mir nichts Schnödes an! Niemands Schätzchen will ich seyn, Bis mich trau't ein geweihter Mann. Sprichst du Ja, so sprech ich Nein. Er. Ich verpfände dir Seel' und Leib. Morgen bevor der Tag ergraut, Sollst du seyn mein ehlich Weib, Mir durch Priesters Hand vertraut. Sie. Morgen ist gut, doch besser heut. Heut noch lass' uns zum Priester gehn. Edel und flüchtig ist die Zeit. Itzt gleich lass uns vor'm Altar' stehn. Er. Was du willst, das geliebt auch mir. Hand und Herz verpfänd' ich dir. Trautchen, komm zu Sanct Cuthberts Schrein, Werde mein und ich bin dein. Beyde. Nur gering ist unser Loos Und wir sind nicht reich noch gross. Doch des Liebens Überschwang Frommt statt Reichthum, Stand und Rang. Admiral Hosier's Geist. S paniens Heersmacht war geschlagen. Neben Portobello lag Triumphirend Englands Flotte. Heiss und glorreich war der Tag. Vernon nun und seine Braven Ruhten nach der schwülen Schlacht. Wimpel strömten, Becher klangen, Siegsgeschrey durchscholl die Nacht. Plötzlich gellt' ein grässlich Heulen Aus der dunkeln Fluth hervor. Geister schwärmten graunlich wimmernd Rechts und links und rings empor. Statt der Leichentücher hüllten Hangematten jeden ein. Jeder schien mit scheelen Blicken Portobello zu bedräun. Mondstrahl flittert' auf den Wogen; Auf dem matterhellten Meer Hob sich Hosier 's tapfrer Schatte, Musterte das nicht'ge Heer, Schwebte dann zu Vernon's Grusse An des Burford Bord heran. Dreymal tausend Geister schwärmten Rings um ihn und er begann: Höret, höret Hosier's Rede! Hosier's irrer Geist bin ich. Hier, wo ihr euch Ruhm erwandet, Hier traf das Verderben mich. Euch bringt Portobello Ehre, Mir bringt's bittres Herzeleid. Portobello! Portobello! Wehe dir in Ewigkeit. Seht ihr diese nichtgen Schaaren. Krieger waren's brav und stark. Feuer füllt' einst ihre Adern, Ihre Knochen Löwenmark. Seht ihr jene höhern Schatten Mit den Blicken starr und stier? Feldherrn waren's, wackrer Vernon, Tapfre Feldherrn einst, wie wir. Her kam ich mit zwanzig Segeln, Lag dem Feind im Angesicht. Doch was stand in meiner Order: „Schlagen, Feldherr, sollst du nicht!“ Hätt' ich dich ins Meer geschleudert, Unglücksorder, brav gekämpft, Stadt und Land hätt' ich erobert, Spanien, deinen Stolz gedämpft. Fürchten durft' ich nichts vom Feinde, Den die Feigheit schon bezwang. Zwanzigen wär' leicht gelungen, Was selbstsechstem dir gelang. Nimmer hätte diese Küste Unsre Schande dann geschaut. Nimmer wären unsre Leiber Dann dem öden Meer vertraut. Spaniens stolze Gallionen Hätt' ich glorreich heimgeführt, Hätte dann als Hochverräther Willig das Schaffott verziert. Besser mit dem Ruhm gestorben: „Hosier fällt fürs Vaterland!“ Als für Herzleid hier verdorben, Ungerühmt und ungenannt. Nicht verdreusst uns deines Ruhmes, Nicht beneiden wir dein Glück. Aber denk' an unsern Jammer, Denk' an unser Missgeschick. Feldschlacht nicht hat uns gefället; Nutzlos, ruhmlos, namenlos Senkt' uns Gram und Grimm und Krankheit In des nassen Grabes Schooss. Aus dem nassen Grabe steigen Wir nachtnächtlich nun empor, Gähren aus dem Wogenbruche, Schäumen aus dem Schaum hervor, Wandern durch das Schauerdunkel, Weiden uns an unserm Gram, Fluchen der verfluchten Küste, Die uns Ruhm und Leben nahm. Fahrt nun wohl, geliebte Brüder! Eilet heim ins Vaterland! Wir ach irren ruh- und rastlos Ewig am verbannten Strand; Ewig, wenn nicht ihr erbarmend Unsers Bannes Fesseln brecht, Und dereinst mit Englands Braven Unsr' und Englands Unbild' rächt. G Odins Höllenfahrt . R asch auf sprang der König gross, Sattelte sein kohlschwarzes Ross, Reitet die Schlücht' und Schründ' hindurch, Gelangt zu Helens düstrer Burg. Sein gewahrt der Höllenhund; Weit aufsperrt er den grimmen Schlund. Dem Rachen grauss, den Hauern stark Entgeifert Schaum und Menschenmark. Er schnaubt, er schnarcht den König an. Nichts irr't den zauberkundigen Mann. Mit funkelndem Auge, mit knirschendem Fang Mit lautem Geklaff verfolgt er ihn lang. Der König schreitet raschen Schritts, Die Erd' erdröhnt der Kraft des Tritts. Furchtlos schaut er herab herauf, Der Hölle Pforten thun sich auf. Rechts ein Pfeiler am östlichen Thor, Der König ihn zum Sitz erkohr, Wo tausend Jahr im Grabe tief Die zukunf t kundige Drude schlief. Der König schaut zum starren Nord. Dreymal raunt er das Runenwort. Dreymal schreibt er den Spruch in Sand, Der die Todten aus den Gräbern bannt. Nun säuselt's aus hohler Tief hervor. Dumpf murmelt's in sein lauschend Ohr. Drude. Welches Zaubers strenge Macht Bannt mich aus der langen Nacht, Stört mich in der tiefen Rast? Wer bist, wer bist du, frecher Gast? Tausend Jahr mein Gebein schon ruht In Winterschnee und Sommergluth, In nässendem Thau, in stöberndem Regen. Lass schlafen mich, mich schlafen legen. Ruchlos stöhrst du der Todten Rast. Wer bist, wer bist du, fremder Gast? G 2 Odin. Ein Pilger bin ich, du kennst ihn nicht. Eines Kriegers Sohn, du nennst ihn nicht. Was droben vorgeht, meld' ich dir. Was drunten begegnet, melde mir. Für wen ist der schimmernde Tisch bereitet, Für wen das güldene Bette gebreitet? Drude. Siehst du nicht im Becher blank Schäumen der Biene süssen Trank? Drüben hangt der goldne Schild. Für Baldern ist der Becher gefüllt. Balders Haupt ist dem Tode gegeben. Auch enden muss der Asen Leben. Ungern red' ich, fremder Gast, Stöhre nicht ferner der Müden Rast. Odin. Ich beschwör' und banne dich. Auf, Prophetinn, auf und sprich. Wer ist, der Odin's Sohn bedroht, Wer ist es, der ihm bringt den Tod? Drude. Hoder ists, der Baldern droht, Dem Bruder bringt der Bruder den Tod. Die müden Lippen schliess ich nun. Lass mich, Stöhrer, lass mich ruhn. Odin. Ich beschwör' und banne dich. Wach' auf, Prophetinn, wach' auf und sprich: Von wem wird Balders Mord gerochen? Von wem des Mörders Nacken gebrochen? Drude. Fern im West in Grotten tief Odin ein Mägdlein frech beschlief. Nun windet sich aus Rinda's Schooss Ein Wunderknabe knirschend los. Er wird sein Rebenhaar nicht kämmen, Die Glieder nicht im Strome schwemmen, Den Speer nicht an die Mauer stemmen, Bis Hoders Leib im Staube modert Oder hoch vom Scheiterhaufen lodert. Die schweren Lippen schliess ich nun. Lass mich, lass mich endlich ruhn. Odin. Einmal noch beschwör' ich dich. Einmal noch erwach und sprich: Wer sind sie, die trübsinnig schweigend, Ihr Haupt zur Erde niederneigend, Ihr Flachshaar, ihre silberweissen Schleyer zu stiebenden Fetzen zerreissen. Nenne mir der Mägdlein Wehn. Magst dann, magst dann schlafen gehn. Drude. König, ha! du täuschtest mich. Starker, ich erkenne dich. Schrecklicher, warum betrogst du mich? Odin. Lügnerinn, warum belogst du mich? Hexe, du weissagst nicht gut, Schnöde Mutter der Riesenbrut. Drude. Fort von hier an deinen Ort, Und kein Frevler komm hinfort, Stöhre fragend meinen Geist, Bis Lok die dreydoppelten Ketten zerreisst; Bis wieder die alte öde Nacht Ringsum regiert in schwarzer Tracht; Bis zusammenbrechend der Bau der Welt In Schutt und Graus und Graun zerfällt. Klage um Hoël. H ätt ich nur des Waldstroms Kraft Mit grimmiger wüthiger Leidenschaft Zu stürzen auf Deïra 's Rotten Und aus der Welt sie wegzuspotten. Mein Freund, mein Hoël sank dahin, Gestemmt auf seinen tapfern Sinn. Von Madoch , den das Alter bückt, Kein schnödes Gold er heischt. Geschmückt Mit seiner Jugend Herrlichkeit Erwarb er sich die schönste Maid. Rüstig zum Kampf, geschürzt zum Siegen Vierhundert wackre Krieger stiegen Hinab in Cattrack 's fettes Thal. Wie blitzten die Reihen im Sonnenstrahl! Gluthroth brannten der Jünglinge Backen. Es schmückte jedes Kriegers Nacken Ein Kettlein schön aus Gold geschlungen. Zu rasch ach! tranken die braven Jungen Des Nektars, den die Biene braut, Des Rauschsafts, den das Ausland baut. Sie jauchzen, sie taumeln, sie sinken nieder. Aus Cattrack's Thal kehrt keiner wieder. Keiner als Arron , Conan und ich. Hindurch uns hauend wüthiglich Leben wir nur (die Schlechtsten von allen) Und singen, wie die Helden gefallen. Das Sehnen. W ehmuth, die mich hüllt, Welche Gottheit stillt Mein unendlich Sehnen? Die ihr meine Wimper nässt, Namenlosen Gram entpresst, Fliesset, fliesset Thränen! Mond, der lieb und traut In mein Fenster schaut, Sage, was mir fehle? Sterne, die ihr droben blinkt, Holden Gruss mir freundlich winkt, Nennt mir, was mich quäle. Leise Schauer wehn, Süsses Liebeflehn Girrt um mich im Düstern. Rosen und Violenduft Würzen rings die Zauberluft. Holde Stimmen flüstern. In die Ferne strebt, Wie auf Flügeln schwebt Mein erhöhtes Wesen. Fremder Zug, geheime Kraft, Namenlose Leidenschaft, Lass, ach lass genesen! Ängstender beklemmt Mich die Wehmuth, hemmt Athem mir und Rede. Einsam schmachten, o der Pein! O des Grams, allein zu seyn In des Lebens Öde. Ist denn ach kein Arm, Der in Freud' und Harm Liebend mich umschlösse? Ist denn ach kein fühlend Herz, Keines, drinn in Lust und Schmerz Meines sich ergösse? Die ihr einsam klagt, Einsam, wenn es tagt, Einsam wenn es nachtet, Ungetröstet ach verächzt Ihr das holde Daseyn, lechzt, Schmachtet und verschmachtet. Ahnung. S chau, das junge Jahr erlau't, Und der Ströme Grundeis thau't. Dampfend stehn die Triften. Horch, der Turteltauber girrt, Und der Lerche Brautlied schwirrt In den mildern Lüften. Bringt des Frühlings Erstlinge, Krokos mir und Glockenschnee, Dass mein Herz sich labe. Wenn das junge Jahr verbleicht, Streift der Abendwind vielleicht Über meinem Grabe. Satt des langen Zwangs zerreisst Sein Gespinnst der ew'ge Geist — Fleusst in lauen Wellen Nicht mein Leben purpurn fort? Fühl' ich nicht zerschlitzt den Ort, Den die Seufzer schwellen? Sonne, nie erlahmt dein Schwung, Ewig frisch und ewig jung Grün'st du, schöne Erde. Über Land und Wasser schwebt Gottes Hauch. Das All belebt Sein erbarmend Werde. Wir nur, wir . . . gefärbter Schaum . . . Einer Lenznacht nicht'ger Traum . . . Kommen und verschwinden. Kaum vom schweren Schlummer wach, Schaun wir mühsam in den Tag, Blinzeln und erblinden. — — Doch der dunkle Tropfe sinkt Und des lautrern Aethers trinkt Der genes'ne Sieche. Los des düstern Sarkophags, Freut sich des entflorten Tags Die erlös'te Psyche. — Bringt des Jahres Erstlinge, Krokos mir und Glockenschnee, Dass mein Herz sich labe! Eh des Frühlings Wang' verbleicht, Triumphirt erlöst vielleicht Psyche überm Grabe! Sunium. D ein, o Sunium, denk' ich, und deiner romanti- schen Fluren. Manchen lebendigern Tag hast du den Jüng- ling gehegt. Mancher Abend verfloss ihm in deinen gastlichen Hallen, Unter ernstem Gespräch, unter vertraulichem Scherz. Deine Fluren sind schön, o Sunium. Deine Ge- büsche Schatten so kühlend, so frisch duftet der Kal- mus des See's. Horch, wie die Nachtigall schlägt in der blüthen- regnenden Wildniss. Schau wie die güldene Saat wogt das Gelände hinan. Gellend erschallt aus dem goldenen Bette die Flöte der Wachtel, Dumpfer des Rohrspatz Ruf aus dem Geröh- richt des Sumpfs. Dein o Sunium denk' ich und deines vergötterten Weisen, Welcher entschleyerten Blicks jetzund die Wahr- heit erschaut. Mancher gesellige Abend, und manche der nächtli- chen Stunden, Hold ist dem Denken die Nacht, hab ich dem Denker gelauscht, Über das Leiden und Thun, und über Verhängniss und Freyheit, Über des Endlichen Kampf mit dem unendli- chen Geist. Aber dem Denker voran flog immer die Ahnung des Dichters. Zürnend dem zögernden Gang, sprengt' ich der Schlüsse Gespinnst, Stürmte hinaus in die Nacht, in die heilige. Über der Scheitel Rolleten Leyer und Schwan, blitzten Arktur und Centaur, Jeglicher funkelnde Stern und jegliche rollende Sonne, Jegliches Rauschen im Busch, jedes Geflüster des Schilfs, Jegliches Echo der Nacht, die Stimm' aus andern Welten, Haucht in dem lechzenden Geist Ahnung des Bessern empor. Dein gedenk' ich, Theone . Auf Suniums blühen- den Fluren Wandelst du künftig. Betritt schauernd den heiligen Grund. Dieser Grund ist geweiht, und dieser Boden ist heilig. Heilig und hehr ist der Platz, welcher die Asche bedeckt, Die einst dient' als gegliederte Hülle dem Geiste der Weisen. Dieser entschwang sich zu Gott — Jene zer- stiebt mit dem Staub. Theuer und werth ist das grünende Maal dem En- kel der Enkel. Theuer und werth sey auch dir, Freundinn, das grünende Maal. Lebe, Theone, wohl! Gleich ferne von Dünkel und Zagheit — Diese zermalmt das Geschick, jene der Nemesis Grimm — 6 H Wandl' einfältigen kindlichen Sinnes dein Leben hinunter Auf dem romantischen Pfad, welchen die Vor- sicht dich führt, Weiser Mässigung hold, bescheiden die Mitte be- hauptend, Gnügsam im Schoosse des Glücks, gilt es zu dul- den, getrost! Nimmer erlösch' in deinem Gemüthe die Ahnung des Rechten , Welche uns aufrecht erhält unter den Stürmen der Zeit, Welche empor uns hebt aus der Nichtigkeit gähren- dem Strudel, Und den geretteten Geist einst zu den Göttern gesellt. Die Blumenchiffre. E ine Eugenia sah ich, vermählt dem edlen Pla- tanus. Froh des vertraulichen Schirms, blüheten Blu- men umher; Jegliche anders gefärbt, und jegliche anders ge- stalter, Jegliche anders begabt von der Natur und dem Gott. H 2 Schwermuthduftend entgegen der strahlenden Son- ne der Schönheit, Wendend den ahnenden Blick, schosste der Heliotrop. Blendender blüht' und brannte zugleich die schöne Ixora. Stilleren Reizes zunächst senktest du blöde den Blick, Holde Mimosa. Es hing der gedankenhauchende Diptam Schweigsam das sinnige Haupt. Göttern und Menschen geliebt, Funkelt' im Schmelz des Rasens die tausendblättri- ge Bellis. Ein Schneeglöckchen entspross keimend dem grünenden Grund. Schlanke Eugenia, dir, gestützt auf deinem Platanus, Danket der schimmernde Strauss reinen harmo- nischen Sinn. Streb' empor in freudiger Kraft, getränkt von Au- rorens Duftigsten Thränen, von Gä's kräftigstem Mar- ke genährt. Spat lass sinken, Geliebte, die liebesäuselnden Blätter. Spat einst welkend, verstreu welkend den süs- sesten Duft. Schön und bedeutend verwallt der Blum' unschul- diges Leben. Friedlich durchblüht sie des Seyns freundlich beschlossenen Kreis, Giebt nach verströmtem Duft und verstreutem Saa- men dem Aether Farb' und Gestalt, den Stoff ruhig der Tellus zurück. Elegie. N eunmal blühten die Rosen, seit wir uns fanden, Geliebte. Nimmer vergess ich des Tags, wo ich, Gelieb- te, dich fand. Immer noch seh' ich dich, Holde, in deiner knospen- den Schönheit. Immer noch schwebst du vor mir leisen zephi- rischen Tritts. Immer noch strömt dir das ringelnde Haar um die blendenden Schultern. Immer noch hebt sich die Brust unter dem ro- sigen Band. Immer noch seh ich dein heiliges liebverheissendes Auge, Sehe noch immer den Blick, welcher mich fass- te so scheu Und so ergreifend zugleich. Ich versank in däm- merndes Ahnen. Dieser, so sprach ich, fürwahr, sind die Un- sterblichen hold. Wahrlich, es haben die Musen an ihrer Wiege ge- lächelt; An der ambrosischen Brust hat sie die Schön- heit getränkt. Jegliche Grazie wiegt' auf weichem Schoosse das Mägdlein. Jeglicher höhere Reiz schmücket die Jungfrau dereinst. Also gedacht ich, und öde nicht mehr, nein selig und preislich Däuchte die Flur mir, die dich, edele Blume, gebar. Neunmal blühten die Rosen, seit wir uns fanden, Geliebte. Prüfend berührte der Blick, liebend umschlang dich der Sinn. Auch in der Fern' umschwebte den Träumer die holde Erscheinung. Traulich umschmeichelte mich, Süsse, dein lieb- liches Bild. Fast zu sorglos gewährt' ich zu glimmen dem heim- lichen Funken; Achtend gering die Gefahr nährt' ich den freund- lichen Hang. Glimmender Funke du wuchsest zu nimmererlöschen- der Flamme, Nimmerermattender Zug wurde der freundliche Hang . . . Wer hat edel geliebt? Wer hat mit Andacht und Inbrunst Angebetet? um Gunst nimmer und Gabe ge- fleht? Wer hat jeglicher Habsucht Feind, nach Besitz nicht gerungen? Nimmer geworben um Lohn? nimmer gegeizt nach Genuss? Wer hat reinen Sinns das Göttliche nimmer ent- göttert? Auch mit geheimerem Wunsch nimmer das Heil'- ge entweiht? Eines Blickes froh, begeistert von Einer Umar- mung, Höhen erflogen, die sonst nimmer der Fittig erprobt. Hochverehrte, du weisst es. Ich habe mit reinem Gemüthe Rein dich umfangen, um Gunst nimmer noch Gabe gefleht. Habe mich anschaunsselig an deiner Schönheit ge- weidet, In dem belebenden Strahl mich aus der Ferne gesonnt. Habe Jahre gedient um Einen Moment des Entzük- kens, Habe den süssen Moment wieder mit Jahren bezahlt; Habe von deinem Kuss entflammt, von deinem Um- fangen, Höhen erflogen, wohin nimmer der Geist sich gewagt. Wären uns anders die Loose gefallen — ach lass es mich denken, Welches zu denken gleichwohl schaudern und schwindeln mich macht — Wären die Loos' uns anders, uns schöner gefallen, Geliebte, Wäre, mit deinem gepaart meines der Urne ent- rollt — Nicht zum Beglücktesten nur, nein auch zum Er- sten der Menschen Hätte der freundliche Wurf deinen Gefährten erhöht. Feuernd von deinem Kuss, von deiner Umarmung begeistert, Hätt' ich mit göttlichem Thun jeden der Tage bekränzt. Dir an die duftende Brust geschmiegt, dich innig umflechtend, Wär' im edenischen Traum selig verschwunden die Nacht; Jeden erwachenden Tag wär' ich verjüngt und ver- göttert Deiner Umarmung enttaucht, göttliche Thaten zu thun — — Frecher Traum, zerflattre! verweh' unheiliges Wähnen! Irdischen Wesen geziemt Wonne der Himmli- schen nicht. Anders sprangen die Loos' aus der schicksalentschei- denden Urne. Zu den Schatten hinab führt uns gesondert der Gott. Dennoch gelinge dem Schicksal es nie, die Gemü- ther zu trennen, Dennoch entfremde der Stoff nimmer dem Gei- ste den Geist. Dennoch liebe mich, Edle, mit zarter ätherischer Liebe. Wende nicht spröderen Sinns von dem Getreuen dich weg. Siehest du lechzend ihn stehn in seiner bescheide- nen Ferne, Siehst in die Fern' ihn gedrängt von der Be- wunderer Schwarm: O so reiss auf Momente dich los aus dem flattern- den Schwarme, Reiche ihm tröstend die Hand, lächle erbar- mend ihn an; Dass nicht gänzlich in ihm der Liebe Ahnung erlösche, Dass nicht schauernder Frost lähme den stre- benden Geist; Dass sein Leben verglüh' im Rosenschimmer der Liebe, Und in Elysium einst liebend die Schatten ihm nahn. Neunmal blühten die Rosen, seit wir uns fanden, Geliebte; Werden hienieden noch oft, Traute, die Rosen mir blühn? Solches ruhet im Schoosse der Götter; dies Eine nur weiss ich, Auch zu den Schatten hinab nehm ich die Lie- be zu dir. Und wenn jenseit der Urne noch Liebe, die Selige, lächelt, Jenseit der Urne fürwahr lieb' ich noch inni- ger dich; Inniger noch und zarter, und nicht mit den Qualen der Sehnsucht, Nein mit dem ruhigen Sinn, welcher den Ma- nen geziemt. Erstes der Mädchen, der Lenz ist hin, der Sommer verfärbt sich; Blatt auf Blatt entsinkt schon dem erschöpfte- ren Baum. Kommen einst werden die Söhne der Fremde, auf Tura 's Gefilden Werden sie eilenden Tritts suchen den Sohn des Gesangs. Wo ist der Sohn des Gesangs? so werden die Su- chenden fragen. Wo ist Temorens Schwan, Tura 's ertönen- der Aar? Tura's Aar ist gehemmt in seinem tönenden Fluge; Stumm ist Temorens Schwan, nimmer erschallet sein Lied. — Und es erseufzen die Söhne der Fremde: „So bist du gefallen, Trefflicher Sänger, erstummt ist dein melodi- scher Mund!“ — Ja ich weiss es, ich werde nicht fallen, wie Blätter zur Herbstzeit. Mit den Vortrefflichen wird einstens mein Na- me genannt. O des süssen Gedankens, zu leben im Lobe der Nachwelt, Theuer der Enkelinn noch, theuer dem Enkel zu seyn. O des tausendmal süssern, zu leben in deinem Ge- dächtniss! O des Trostes, noch spat theuer dir, Theure, zu seyn! Ja ich weiss es, Geliebte — denn unter der Miene des Leichtsinns Trägst du ein fühlendes Herz; unter verhüllen- dem Scherz Birgst du die ewige Wund' im tiefempfindenden Busen, Lächelst die Thränen hinweg, welche entquol- len der Brust — Weinen wird Ebba fürwahr dereinst um ihren Ver- lohrnen! Trauren wird sie noch lang' um den entflohenen Freund, Denken wirst du an ihn, Verlassne, wenn Abends das Spatroth, Denken an ihn, wenn der Mond Nachts in die Fenstern dir weint — Neunmal blühten die Rosen und bis dir die letzten verblüht sind, Wirst du betrauren den Freund, welcher dich liebend entfloh. An meine Tochter Allwine Louise. E rstlingstochter heil'ger Liebe, Meine Hoffnung, meine Freude, Meiner Augen liebste Weide, Mein Juwel, mein köstlichst Gut; Dich beschwör' ich bey dem Herzen, Draus du sprosstest, bey den Schmerzen Jener, die dich trug und tränkte, Bleibe schuldlos, bleibe gut! Holde Tochter, noch beschämet Deines Auges Glanz und Helle Den Krystall der Gletscherquelle, Noch Golkondens schönsten Stein. Mögst du nie im Hauch der Sünden, Funkelnder Brilliant, erblinden! Mögst du ewig lautrer Spiegel Einer lautern Seele seyn! Wie um Blumen Bienen gaukeln, Wie durch Blüthen Weste streifen; Also schweif mit leichtem Schweifen Durch das Leben froh dein Fuss. Nie beflügle dieser Tritte Reinen Rythmus freche Sitte. Nimmer lähm' ihn träge Sorge, Nie der bleyerne Verdruss! Welches Glöckleins hellem Klingeln, Welcher Flöte, welcher Laute Klarem Klang' vergleich ich, Traute, Deiner Stimme Silberschall. Nie verfälsche dumpfes Grollen, Finstres Zürnen, düstres Schmollen, Feiges Wimmern dieses Glöckleins Silberhaltiges Metall. Holde Tochter, spross und schosse, Fröhlich, wie die Bins' am Teiche, Wie die Feldros' im Gesträuche, Wie der Waizenhalm im May. Aber rastlos sey dein Sorgen Spät am Abend, früh am Morgen, Dass der Leib nur schöne Fassung Einer schönern Seele sey. Nie von hohlem Schein geblendet, Noch vom Netz des Trug's umwoben, Noch von falschem Wahn verschroben, Bleibe frommer Einfalt treu. Feindinn jedes Rollenspieles, Jedes lügenden Gefühles, Wie der Äther klar und offen, Wie der Lichtstrahl frank und frey. Höre, Tochter, was ich bitte: Wahr' in kindlichem Gemüthe Lebenslänglich deine Güte, Deine Wahrheit, Zucht und Huld, Deine Ehrfurcht für das Sollen, Deine Gnügsamkeit im Wollen, Deine Innigkeit im Lieben, Deine schweigende Geduld. Um den Taumel lauter Freuden, Die betäuben und ermüden, Tausche nie den tiefen Frieden, Der nur stilles Wirken liebt. Seliger, als in der Menge Herzerkaltendem Gedränge, Fühle dich im engen Zirkel, Der bescheidne Pflichten übt. Süsser, als umringt vom Schwarme, Als entflammt vom Bachanale, Im getümmelvollen Saale Dich in trunknen Schleifern drehn; Süsser sey dir's, still und leise In der Deinen trautem Kreise Gutes schaffen, Freuden stiften Künft'ger Erndten Saaten sä'n. Tochter, unsers Geistes Sehnen Strafft ein nieermattend Trachten; Unsern Busen schwellt ein Schmachten, Welches diese Welt nicht stillt. Dieses Sehnen, dieses Ahnen, Dieses ferne, leise Schwanen Deutet auf das dunkle Jenseits, Das sich keinem Aug' enthüllt. 3 I Tochter, unsre Blüthen fallen. Eine Weile kos't und tränket Uns die grosse Mutter, senket Freundlich lullend uns ins Grab. Reifes, Grünes mäht der Schnitter, Fühllos wirft das Ungewitter Dürre Blätter, Blüthenkronen Von dem Lebensbaum herab. Unsre Julie keimt' und knosp'te. Ihre Knospen sind gebrochen. Wenig trübe Winterwochen Weint' und lacht' und lallt' Emil. Als das junge Jahr erlau'te O des Jammers! sank der Traute Von der Mutter warmen Busen In des Grabes schaudernd Kühl. Tochter, wähne nicht, auf immer Werde dich der Arm beschirmen, Welcher in des Lebens Stürmen Itzt noch deine Schwäche stützt. Einsam durch die Wildniss wanken, Stablos wirst du niederschwanken, Wenn dich nicht der Trost der Unschuld, Und der Unschuld Retter stützt. Drum beschwör' ich bey dem Frieden Deiner Zukunft, bey dem Herzen, Draus du sprosstest, bey den Schmerzen Jener welche dich gebar; Ich beschwöre dich und bitte: Bleib getreu der schönern Sitte! O mein Erstling, o mein Liebling, Bleibe schuldlos, gut und wahr! I 2 Erinnerungen. K omm, Schwester meines Herzens, Lass von des Rugard Höh'n Uns staunend in die Ferne, Ins Ungemessne sehn. Sieh wie im Abendschimmer, Von dunkler Fluth umkränzt, Dein mütterliches Eyland Uns hold entgegen glänzt. Sieh, sieh im Kranz der Berge Die Stadt, die dich gebar; Dich, Schwester, und das Mädchen Mit goldbestäubtem Haar. Am donnernden Visurgis Wallt, die ich meine, nun; Und Friede soll und Tröstung Auf ihrer Scheitel ruhn. Wo rauscht ihr, heil'ge Hayne, Wo ich im Mondenblitz Und Sterngedämmer schwärmte, Ihr Hayne Boldewitz . Mir hat in euren Schatten Urania sich verklärt, Hat mir in ernsten Nächten Manch hohes Lied gelehrt. Sieh, sieh im fernen Süden Die Berge Granitz blau'n. In jener Berge Schründen, In jener Waldnacht Graun, Im Rund der Hünenmale, Wo Hirsch und Hindinn gras't, Hab' ich im Stolz der Jugend Der Monden viel verras't Wo glänzen deine Wellen, Friedsel'ger Karow -See, An dessen Kalmusufern Ich sinnend wandelte, Wo ich der Hellas Weisen, Und Cona 's Barden las, Und lauschend ihren Tönen Von allem Harm genass. Wo säuseln deine Pappeln, Kleeduftend Casnewitz , In dessen Thymiangründen, Der Einfalt stillem Sitz, Ein blödes Mägdlein sprosste, Das schüchtern mich umschlang, Und liebend mir verschönert Den rauhen Lebensgang. Sieh dort, am Saum des Osten, Umschürzt vom Ozean Hebt Jasmund seine Scheitel Titanisch mondhinan. Wohl seyd ihr, Quoltitz Berge, Hoch Seelow 's Wolkenheerd, Gewalt'ge Stubbenkammer , Wohl unsers Preises werth. Doch werther noch des Preises Ist euer Schwesterland, Wo nach verklungnen Stürmen Ich süssen Frieden fand. Hast du nicht, stilles Wittow , Des Schwärmers Geist gezähmt, Und seine Kraft gezügelt, Und seinen Trotz gelähmt? Sey mir gegrüsst im Liede, Vertraulich Uferland! Geheime Kräfte walten An deinem öden Strand. In deinen Uferschründen Wohnt namenlose Ruh, Und Stein und Staud' und Welle Spricht mir vertraulich zu. Dort wo umschäumt Arkona Die Brust den Wogen beut, Schaut glanzberauscht das Auge In die Unendlichkeit. Erhabnes Ahnen schwellet Des ernsten Schauers Brust, Und Hohngelächter däucht uns Der Erde Schmerz und Lust. Dort, wo am flachern Strande Die Welle leiser grollt, Wallt, Schwester, unsre Traute, Umglänzt von Hespers Gold. Schürzt, Zephyrs, eure Hüften, Bringt ihr Mariens Kuss. Rollt rascher, rege Wellen, Rauscht ihr des Dichters Gruss. Dort wo aus Espenwipfeln Begeistrung niederbraust, Wo güldne Träume gaukeln, Und süsse Schwermuth haust; Dort üb' ich schöne Pflichten, Und pfleg' erhabner Ruh; Dort schleusst mir einst die Wimper Der Horen schönste zu. Auch schläft im Ring der Weiden Schon ein holdselig Paar. Es schläft mein süsses Mägdlein Mit Augen sternenklar. Es schläft zu Juliens Linken Mein freundlicher Emil . Schlaft, Lieblinge. — Bald säuselt Auch uns die Palm' am Ziel! Auf Schwester meines Geistes! Die Sonne sank ins Meer. Schwer wälzt der Sturm und grollend Die düstre Fluth daher. Verwehte Wolken trüben Des Himmels Lasurblau, Und Inseln und Gewässer Umflort ein neblicht Grau — — — O Insel meiner Liebe, O Heimath meiner Ruh, O Amme meines Geistes, Gedeih' und grüne du, Bis du am Tag der Tage Wie Gold im Ofen glühst, Und einst, ein schön'res Eden, Aus Schlack und Asch' erblühst. Agathon an Telxione. Z auber, welcher neunmal mich umwunden, Talisman, der meine Kräfte band, Welches Dämons Hauch' bist du zerschwunden, Bist gesprengt von welches Heros Hand? Weggeblasen ist der Kerkerbrodem, Welcher schwül und ängstend auf mir lag Lebensluft umweht mich, Lebensodem; Golden glänzt mir der entflorte Tag. Wo sind nun die täuschenden Gebilde, Wo die Gaukel meiner Fantasie? Wo die Füll' und Frisch' und Huld und Milde, Falsche, die des Dichters Wahn dir lieh? Wo des hohen Ideales Züge, Das sein Rausch in dir verwirklicht sah? Mit dem Rausche schwand des Rausches Lüge, Und entzaubert stehst du vor mir da. Wie? dem Geist Praxiteles entrungen Hätte sich süssschmerzend diese Frau? Aus dem Meissel Polyklet's entsprungen Wär' unsträflich dieser Gliederbau? Diese Formen trotzten jedem Tadel? Dieses Auge sonder Ruh und Glanz, Diese Stirne sonder Sinn und Adel Kämpften mit Niobens um den Kranz? Dieses, wähnt' ich, sey der Wuchs Dionens? Dies der Flug, den Atalanta flog? Dies der Marmorbusen Hermionens, Draus Orest Heroen-Frohheit sog? Dies der Honigreiche Mund Athenens, Dem Verständigkeit und Güt' entquoll? Dies die Tinten Anadyomenens, Als sie blendend dem Geschäum' entschwoll? Also lächelten die Charitinnen Jedem Horcher durch das Ohr ins Herz? Also wechselten die Pierinnen Spielend frohen Ernst und weisen Scherz? Aus des Aethers reinstem Duft gewoben Wäre diese Seele, dieser Leib? — Nein, die Göttinn ist in Dunst zerstoben, Und geblieben ist ein sterblich Weib. Dejanirens Lieb', Ismenens Güte, Iphigeniens himmelklarer Sinn, Jede Unschuld, jede Schöne blühte, Wie ich wähnt', in dieser Heuchlerinn! Jeder Tücke, wähnt' ich, jedes Zwanges Sey sie ledig; blank und frank und frey Sey nicht Daphne werther des Gesanges Als es diese meines Hymnus sey. Wie der Künstler an dem Ideale Seines Geistes hängt mit süssem Hang, Wie aus Hebens nektarvoller Schale Der Alcide die Vergött'rung trank; Also hing an ihr ich mit Entzücken, Ihr verlobt, vertraut mit Schwur und Eyd. Lüstern schöpft ich aus den falschen Blicken Die Verdammniss und die Seligkeit. Ihr zu dienen sonder Dank und Spende, Ihr zu frohnen sonder Sold und Lohn, Ihr zu huld'gen sonder Ziel und Ende, Däucht' ein Loos mir wie kein Königsthron. Was an Schätzen mir die Vorzeit lehnte, Draus zu zinsen an die Afterzeit, Zinst' und zahlt' ich einzig ihr und wähnte Anspruchfrey mich für die Ewigkeit. Und sie zahlt' auch mir mit manchen Blicken, Manchem meinungreichen Wink und Gruss, Manchem heuchlerischen Händedrücken, Manchem halbgewehrten, halbvergönnten Kuss. Kärglich zahlte sie. Und was die Schlaue Gestern zahlte, nahm sie heut zurück. Willig trug ich ihre Laun' und Laue; Glaubt' ich doch an ihrer Liebe Glück! Ihrer Liebe? Nimmer noch geliebet Hat dies Weib, und nun und ewiglich Wird von diesem Weibe nichts geliebet, Als sein eignes armes hohles Ich. Nein, zerronnen ist der Traum, zerronnen, Welcher funfzig Monden mich bethört, Und das Netz das magisch mich umsponnen, Zauberinn, ist durch dich selbst zerstöhrt. Von den wundgeriebnen Hüften fallen Schon die rost'gen Ketten klirrend ab. Freudiger des Lebens Bahn zu wallen, Raff' ich auf mich aus der Knechtschaft Grab; Prüfe schon mit wollustvollem Dehnen Der gelähmten Muskeln Federkraft, Übe schon die kampfentwöhnten Sehnen, Von der langen Sklaverey erschlafft. Dem Entscharrten sey gesegnet, Sonne! Dem Entschwommnen sey willkommen, Strand! Angezogen von des Wettkampfs Wonne Schreit' ich rüstig in den Schrankensand; Wie Alkmäons Sohn, der Niegezähmte, Sich dem Arm der Lyderinn entschlang, Hydern würget', Ais Doggen zähmte, Und gewaltig den Olymp errang Atlantis . I nsel der Uranionen, Wo in Thetis blauer Schooss Die Heroen selig wohnen, Harmlos, mühlos, wandellos; Heymath unbescholtner Triebe, Freystatt, die kein Zwist entweiht, Wo sich nimmer mit dem Triebe Störrig das Gesetz entzweyt; Wo sich schliessen alle Wunden, Jede Quetschung sich vernarbt — Hab' ich, Insel, dich gefunden, Wo nicht Sinn noch Seele darbt? Welche Kühle, welche Frische In der balsamreichen Luft! Welches Säuseln im Gebüsche! Welches Hauchen! welch ein Duft! Murmelnd durch beblümte Matten Schlängelt sich des Bachs Krystall, Rings erklingt aus grünen Schatten Wachtelschlag und Drosselschall. Wahrlich, dieses Äthers Schimmer Wölkte nie des Nebels Grau. Nimmer trübten Stürme, nimmer Dieser Fluthen spiegelnd Blau. Schmeichellüfte, lau und linde, Lullen Sinn und Seel' in Rast; Und dem Aug' entrollt die Binde, Und vom Nacken sinkt die Last. In dem reinern Elemente Wölbet mächt'ger sich die Brust. Aus dem labenden Nepenthe Schlürft der Geist Dämonenlust. Jedes Jammers wird vergessen, Jeder Sorge Dunst verfliegt. Alle Schranke ward durchmessen, Und das Kleinod ist ersiegt. Höher schlägt das Herz und freyer, Wer den schwülen Kampf bestand. Wahrheit lüpft den Wolkenschleyer, Schönheit ihm ihr Duftgewand. Jedes Dunkel ist gelichtet, Gar zerflattert Trug und Wahn. Jede Zwietracht ist geschlichtet, Aller Hader abgethan. In den Frohsinn leichter Jugend Grollt nicht hie des Alters Harm, Und der Wollust sinkt die Tugend Liebend in den Schwesterarm. Nein, der Schönheit Heiligthume Naht kein Feind des Erebus. Des Genusses zarte Blume Knickt nicht hier der Überdruss. Nie wird Wehmuth hier zur Schwermuth. Das Entzücken nie zur Pein; Nie verfälscht der Reue Wermuth Unsrer Freuden edlen Wein. Nein, die Frucht der Hesperiden Hütet hier kein Höllenhund; Und die furchtbarn Eumeniden Scheuen den geweihten Grund. 3 K Insel der Uranionen, Wo in Thetis sel'gem Schooss Die Heroen ewig wohnen Harmlos, mühlos, wandellos. Heymath unbescholtner Triebe, Zarter Sehnsucht Zufluchtsort, Freystatt achterklärter Liebe, Süsser Ruhe sichrer Port, Insel, die kein Strabo kannte, Kein Nearchos uns genannt — Gottgeliebte Atalante , Selig, wer dich ahnt' und fand! Das neue Jahrhundert. S ey o Jungfrau gegrüsst, du jüngste Tochter des Chronos! Freudigen Muthes betritt, Heldinn, die stäu- bende Bahn! Manche zwar sind schon gewonnen der Preise. Den Apfel der Schönheit Raubte dir Phidias Zeit, Luthers die Keule der Kraft ; K 2 Aber noch schimmert in dämmernder Ferne der Kranz der Vollendung . Selige, schimmert er einst dir in dem wehenden Haar! Endymion. S chöner Jüngling du schläfst? Und nicht das Ko- sen der Göttinn, Nicht ihr ambrosischer Kuss scheuchet den se- ligen Traum? Schlafe, Beglückter! Nur schlafend besuchen die Götter den Menschen; Wachend fällt er sofort, herbes Verhängniss, dir heim Narcissus. E cho, die Zarte, verschmäht' er verstockt. In sich selber entbrennend, Fasst' ihn bethörender Wahn, deckt' ihn die stygische Nacht. Scheut, ihr Vergöttrer des Ich, Adrastäen . Die Echo des Herzens Dürft' euch erstummen, den Geist Dünkel und Dunkel umfahn. Edmunds Lieder. Erster Anhang. Apologie. „ L iebe girret dein Lied? Schon wieder Liebe? Nur Liebe Girrt' es und hat es gegirrt. Weiss es das Eine denn nur?“ Ja, ich bekenn' es: das Eine nur weiss es, und mag nur das Eine. Ja, ich gesteh' es: nur Sie hat mir genommen das Herz. Untergegangen in Sie, versunken in Sie und ver- lohren, Athmet nur Liebe der Geist, hauchet nur Liebe das Lied. Höheres, Heiligeres hat nie dem Geiste geschwanet! Süsres, Entzückenderes zündete nie den Ge- sang! . . . Liebe, Liebe, begeisternder Drang nach dem Höch- sten und Schönsten, Nimmer ermattender Zug, Trefflichstes, dir sich zu nahn, Nimmerversiegende Kraft, Unendliches, dich zu umfangen, Flamme, die nimmer erlischt, Schwinge, die nimmer erschlafft, Sehne des Geistes, und Seele des Liedes, und Mark der Heroen . . . Dich nur weiss ich, nur dich mag ich, und singe nur dich! Frühling duftet. Der Busch ist grün. Es blühen die Schlehen. Durch die ambrosische Nacht schallet der Nach- tigall Lied. Horch wie es schallt, wie die Sängerinn lockt, wie sie flötet und schmettert! Leiser und leiser nunmehr sterben die Töne dahin. Wiederum lockt sie, und flötet von neuem, und schmettert noch einmal. Wiederum stirbet dahin leiser und leiser der Ton. Immer das Eine nur weiss sie, und singt nur das Eine. Nur Liebe Wirbelt ihr schmetterndster Schlag, schmachtet ihr leisester Laut. Nimmer müde gleichwohl dem ewigen Einen zu lauschen, Wallt im melodischen Busch Psyche , die Edlere, hin. Dämmerndes Ahnen, unsterbliches Sehnen, erha- bene Wehmuth Reget das ewige Eins ihr in der liebenden Brust. Edlere Psyche , nur dir erschwillet die Kehle Aödi's. Schönere Psyche , nur dir huldigt der Schwan des Gesangs. Dir an die duftende Brust sich schmiegend, ent- weht ihm im Liede Jeglicher lechzende Schmerz, jegliche irdische Angst. Ja, er gesteht es, er hat es nicht heel: Dich Eine nur meint er, Dich nur weiss er, nur dich mag er, und tönt nur von dir. Wohin? wohin? W ohin, wohin, O junges Blut, O frischer Muth, O leichter Sinn, Wohin, wohin? Über Berg und Thal In Lust und Qual, Über See und Land, Von Strand zu Strand, Von Scherz zu Schmerz, Strebt mir das Herz, Drängt mein Gemüth Zum lauen Süd; Wo leis' und linde Im Abendwinde Die Pinie flüstert, Die Myrthe düstert, Aus dichtem Laube Granat und Traube Und Feige funkeln; Wo rings im Dunkeln, Ach Zitterklang Und Mädchensang Und Liebesdrang Aus Busch und Wald Erschallt, erschallt — Dahin, dahin Strebt lechzend mein verliebter Sinn. Doch fort, ach fort Zum rauhen Nord, Auf finstern Meeren, Durch Klipp' und Scheeren, Zum öden Staden, Wo gift'ger Schwaden Die Matten nässt, Die Brust beklemmt, Den Athem hemmt, Das Herz zerpresst; Wo Scherz und Schwank Und Zitterklang, Und Liebesdrang, Und Liederschwung, Und all was jung, Und warm und zart, Im Eis' erstarrt; Dahin, dahin Bannt mich des Schicksals strenger Sinn. Doch junges Blut Hat frischen Muth Und leichten Sinn. Mag immerhin Durch Fichtenwälder Und nackte Felder Der Nordsturm rasen, Der Eiswind blasen, Und rings das Meer das Land verglasen — Ein ewger Süd Wärmt mein Gemüth, Und Joniens Luft, Campaniens Duft, Italiens May Bleibt mir getreu: Und Lüftlein lau, Gekühlt durch Thau, Am fernen Staden Mit Duft beladen Umwehn mich zart; Ob rings um mich die Welt auch starrt. Öd und leer. L eere des Sinns und der Seele, wie wend' ich, Wie füll' ich dich, ängstendes, schauerndes Leer! Es treibt mich, es jagt mich, es hetzt mich un- bändig — — Sage mir,Himmel, wonach? Sagt es mir, Fluren und Meer! Nennt mir diess nimmer ersättigte Sehnen! Nennt mir die würgende Ungeduld! Deutet mir diese heissstürzenden Thränen! Lehrt mich, ach lehrt mich sie sühnen, die rastlos verfolgende Schuld! Funkelnder Sirius , schimmernder Rigel , Bergt ihr das Gut, das dem Lechzenden fehlt? Ergreift mich, Stürme der Nacht, und tragt mit gewaltigem Flügel Zu Welten mich empor, wo keine Sehnsucht quält! Liegt in des Abgrundes Schooss es begraben, Was die schmachtende Seele letzet — Hinab, Hinab in chaotisches Graun! Hinab, es zu finden, zu haben! Hinab in das grausige klaffende Grab! Fasste dein Strudel mich, alte Charybde! Braust' ich mit Ossians Geistern umher! Löst' ich, ein Büsser, mein sühnend Gelübde! Glüht' ich im lybischen Sand! gefrör' ich im arkti- schen Meer! Umstrickten mich nur der Begierden Empusen! Schäumte mir Wollust dein Kelch! Blinkte mir Rache dein Stahl! — Aber im Herzen der Frost! die schaudernde Öde im Busen! — — Acherontische, stygische, folternde Qual! Wohl lockt vom Leukadischen Fels der Sprung in die schäumenden Fluthen! Wohl böt' ich die Deciusbrust den brüllenden Schlünden der Schlacht! 3 L Wohl schürt' ich alcidischen Sinns des Rogus ver- götternde Gluthen — — Aber wer harret dahinten? — — Erebische ewige Nacht! — — Hörst du sie rasseln, des Tartarus Ketten? Siehst du die Larven im Schwefelgefild? Wohin denn sich bergen, sich flüchten, sich retten? Dem keine Lethe rinnt, dem kein Nepenthe quillt! Das Lenzgefühl. D er Lenz, der Lenz ist erschienen. Es ergrünen die Maale der Hünen, Es belaubt sich der heilige Hain. Es erhellt sich der dunkele Eppich. Ein grüner geschorener Teppich, Gestickt mit güldenen Blumen, So funkelt der Anger, der Rain. Die Blumen stehen wie trunken Herab auf die Erde gesunken, Umarmt sie der bräutliche May. Entgegen dem Brünstigen bebet Ihr schwellender Schoos. Es entstrebet Der Kraisenden drängend die Fülle Der Leben jung und neu. L 2 Auf brechen die Brunnen der Tiefen. Es erwachen die Seelen, die schliefen. Es bevölkern sich Matten und Wald. Wie brausen die Käfer! Wie schwirren Die zarten Libellen! Wie girren Die Täubchen, derweil in den Lüften Der Lerche Brautlied schallt. Vom Hauche des Frühlings geschwollen, Vom Athem der Liebe gequollen, Schwelgt jeglicher Busen in Lust. Nur mir will das Herz sich nicht weiten. Nur mir sich der Busen nicht breiten. Wann, ach, wann füllt sich die Leere In dieser verschmachtenden Brust. Ich späh' in die Näh' und die Ferne, Ich frage die sinkenden Sterne, Ich rufe die Blumen der Flur, Ich belausche die Echo der Haine. Wo wandelt, wo hauset die Eine, Die das schmerzliche Sehnen befriedigt? — Ach zeigt mir der Einzigen Spur! Ihre Flur. D er Abend blüht. Arkona glüht Im Glanz der tiefgesunknen Sonne. Es küsst die See Die Sinkende, Von Ehrfurcht schauernd und von Wonne. Ein grauer Duft Durchwebt die Luft, Umschleyert Wittow's güldne Auen. Es rauscht umher Das düstre Meer, Und rings herrscht ahnungreiches Grauen. O trautes Land! O heil'ger Strand! O Flur, die jede Flur verdunkelt. Flur, deren Schooss Die Blum' entspross, Die alle Blumen überfunkelt. Paart nicht den Schnee Der Lilie Die Holde mit der Glut der Rosen. Die Au', Ein Kranz Voll Duft und Glanz Reicht ihr den Preiss, der Tadellosen. Ihr Ambraduft Durchweht die Luft, Und würzet rings die Näh' und Ferne. Und stirbt das Licht Des Liedes nicht, So reicht ihr Nam' einst an die Sterne. O trautes Land, O hehrer Strand, Sey stolz auf deiner Blumen Blume. Das heil'ge Meer Und rings umher Die Inseln huld'gen deinem Ruhme — — Nacht hüllt den Strand. Arkona schwand. Verlodert sind des Spatroths Gluthen. Das Weltmeer grollt, Und gluthroth rollt Der Vollmond aus den düstern Fluthen. Die Mondnacht. S iehe, wie die Mondenstrahlen Busch und Flur in Silber mahlen! Wie das Bächlein rollt und flimmt! Strahlen regnen, Funken schmettern Von den sanftgeregten Blättern, Und die Thauflur glänzt und glimmt. Glänzend erdämmern der Berge Gipfel, Glänzend der Pappeln wogende Wipfel. Durch die glanzberauschten Räume Flüstern Stimmen, gaukeln Träume, Sprechen mir vertraulich zu. Seligkeit, die mich gemahnet, Höchste Lust, die süss mich schwanet, Sprich, wo blühst, wo zeitigst du? Sprenge die Brust nicht, mächtiges Dehnen; Löschet die Wehmuth, labende Thränen. Wie, ach wie der Qual genesen? Wo, ach wo ein liebend Wesen, Das die süssen Qualen stillt. Eins ins andre gar versunken, Gar verloren, gar ertrunken, Bis sich jede Öde füllt — Solches, ach, wähn' ich, kühlte das Sehnen; Löschte die Wehmuth mit köstlichen Thränen Eine weiss ich, ach nur Eine, Dich nur weiss ich, dich, o Reine, Die des Herzens Wehmuth meint. Dich umringend, von dir umrungen, Dich umschlingend, von dir umschlungen, Gar in Eins mit dir geeint — — Schon', ach schone den Wonneversunknen. Himmel und Erde verschwinden dem Trunknen, Idens Nachtgesang. V ernimm es, Nacht, was Ida dir vertrauet, Die, satt des Tags, in deine Arme flieht. Ihr Sterne, die ihr hold und liebend auf mich schauet, Vernehmt süsslauschend Idens Lied. Den ich geahnt in liebevollen Stunden, Dem sehnsuchtkrank mein Herz entgegenschlug, O Nacht, o Sterne, hörts, ich habe ihn gefunden, Dess Bild ich längst im Busen trug. Um seine Wiege lächelten die Musen, Urania kost' ihm auf dem keuschen Schooss, Die Schönheit tränket' ihn an ihrem Nektarbusen, Und jede Charis zog ihn gross. In seinen Augen blitzt prometisch Feuer. Gerecht entbrennt sein Herz in Lieb und Zorn. Es lüpft dem Schmachtenden die Wahrheit ihren Schleyer; Ihm sprudelt Phöbus heil'ger Born. Freund, du bist mein, nicht für die kurze Reise, Die durch das Labyrinth des Lebens führt; Sieh, sieh die Sphären dort, die ewig schönen Kreise, Wo fester unser Band sich schnürt. Freund, ich bin dein, nicht für den Sand der Zeiten, Der schnellversiegend Chronos Uhr entfleusst; Dein für den Riesenstrom heilvoller Ewigkeiten, Der aus des Ewgen Urne scheusst. Edmunds Nachtgesang. N ein, es ist kein täuschend Sehnen, Nein, mich neckt kein eitler Traum. Wohl vermag ich Seyn und Wähnen, Wohl zu scheiden Zeit und Raum. Prägt nicht itzt noch diesen Boden Ihres Trittes Rehenspur? Würzt nicht ihr Ambrosiaodem Rings die amaranthne Flur? Fühlt' ich nicht, wie leis' und bange Mich ihr Lilienarm umwand? Flammt nicht noch auf dieser Wange Ihrer Wange keuscher Brand? Bin ich nicht des Weins noch trunken, Der auf ihren Lippen glüht? Dessen Gluthstrom Lebensfunken Mir durch Mark und Adern sprüht? Schäumt nicht noch der Becher über, Dess ich bis zum Taumeln trank? Bebt nicht noch in Nerv' und Fiber Des Entzückens Überschwang? Nein, mich trügt kein täuschend Sehnen; Nein, mich neckt kein nicht'ger Traum. Noch vermag ich Seyn und Wähnen, Noch zu scheiden Zeit und Raum. Und so wär' ein Kranz errungen, Wie er keinen noch gekrönt? Und die Möre wär' bezwungen, Und die Nemesis versöhnt? Ihn, den Matten, ihn, den Kranken, Lezte Labsal, reich und kühl, Und nach kühn durchmessnen Schranken Wär' erreicht der Ziele Ziel? Dennoch hüllt mich leise Wehmuth, Mich umflort Melancholie. Ich versink' in Schaam und Demuth. Edle, dich verdien' ich nie — — Lass, Geliebte, lass gewähren — — Nieder sink ich kraftberaubt, Und gebadet gar in Zähren, Neigt verzagend sich das Haupt — — Weg jedoch mit feigen Thränen! Genius, gürte dich zum Streit! Spanne die erschlafften Sehnen, Ringe nach Vortrefflichkeit. Weggeschmelzt sey jede Schlacke, Die dein reines Gold versehrt! Kühn erklommen jede Zacke, Die dem Flug des Adlers wehrt. Nein, Erhabne, nie erröthen Sollst du über deinen Freund! Mag Apollons Pfeil mich tödten, Eh dein Liebling dich verneint, Eh der Treffliche mich tadelt, Eh sich Pflicht und Ich entzweyn — Der, den Ida's Wahl geadelt, Muss der Menschen Erster seyn. Sinken nur, lass nimmer sinken, Der durch dich so hoch sich hob! Kräft'ge mich mit Blick und Winken: Lohne mir mit süssem Lob. Reiche mir zum tapfern Kriege Schleiff' und Schärpe, Band und Tuch, Und wenn ich erlieg' im Siege, Kränze meinen Aschenkrug. Der transparente Mondschein. S ey mir gegrüsst, sanftdämmernde Landschaft, im täuschenden Zwielicht! Siehe, wie rollet der Mond über den Bergen daher. Glänzende Wolken verschleyern des Wandelnden freundliches Antlitz, Siehe, sie wallen hinweg, glänzender wandelt er hin. Rings erschimmern die Häupter der Berge, die Wipfel des Waldes, Silberne Strahlen durchsprühn flitternd das säu- selnde Laub. Schau, es glänzet der Bach, und jegliche zitternde Welle Spiegelt dein leuchtendes Bild, freundliche Lu- na, zurück — — Komm, Geliebte, mit mir in die traulich dämmernde Gegend, Hier durch die thauige Flur, dort durch das grasichte Ried, Hier an den blumigen Rand des kalmusduftenden Sees, Dort in den dämmernden Hayn, drinnen die Nachtigal schlägt. Horch, wie sie schlägt! Wie dämmerts im Hayn! Hellsilberne Tropfen Regnen die Wipfel herab. Kühl ists und schau- rig im Hayn. Inniger, meine Geliebte, umflicht mich, noch inniger, enger. Schaurig und kühl ist der Hayn, einsam und schaurig die Nacht — — Bey den Schatten des Hayns, bey des Waldes hei- ligen Mächten, Bey den Gestalten, die blass wanken im ra- schelnden Hayn, Bey den Schauern der Nacht, bey jenem rollenden Monde, 3 M Welcher dein Antlitz bestrahlt, welcher dein Auge verklärt — Wie ich dich liebe, Geliebte, so liebte dich keiner, so liebet Keiner in Ewigkeit dich, ewiglich lieb ich dich so. Bey den Düften des Hayns, bey dem Ambraathem der Matten, Bey den Stimmen, die rings flüstern im säuseln- den Hayn, Bey den Gewalten der Nacht, bey jenem rollenden Monde, Der in der Thräne glänzt, die in den Wimpern dir bebt — — Liebe, liebe auch mich, wie ich dich liebe, Ge- liebte, Herzlich und schmerzlich und wahr liebe, Ge- liebte, auch mich! Inniger, Traute, umflicht mich, noch brünstiger, inniger, enger! Beben Entzückungen nicht rings durch das Herz der Natur? Zittern nicht funkelnde Thränen auf Gräsern und Blättern und Blumen, Strömt nicht edenischer Glanz, magische Hel- lung um uns? Weinet nicht lächelnd der Mond? erschauert nicht liebend die Landschaft? — — — Ach, die Landschaft erblasst! Ach, es er- löschet der Mond! Ausgestorben ist alles, und alles erloschen und öde — — Ewig im Innersten nur glänzet und glühet es mir. M 2 Gruss in die Ferne. W oher, o laues Wehen, Das schmeichelnd um mich kost? Streifst du von Jasmunds Höhen Daher aus fernem Ost? Verschönt das Land der Hünen Nicht itzt Elwinens Fuss? Ach bringst du von Elwinen Mir etwa süssen Gruss? Flog sie vielleicht den Hügel Der Hindinn rasch hinan? Und staunt den Lasurspiegel Des Meers anbetend an? Sieht sie im Abendschimmer Ihr heimisch Wittow glühn, Und fern im Spatrothschimmer Arkona Funken sprühn? Ich seh', ich seh' die Holde In ihrer Schönheit Licht. In Hespers mattem Golde Wie glänzt ihr Angesicht! Schwer rollen ihre Locken. Wild schwirrt des Huthes Band. Gleich frischgefallnen Flocken Fliesst blendend ihr Gewand. Im Hauch der Abendkühle, Im sanften Abendlicht, Verklärt vom Hochgefühle, Wie strahlt ihr Angesicht. In ihren Wimpern zittert Der Rührung heil'ger Thau, Und eine Thrän' umflittert Der Augen heitres Blau. Zurück, o schmeichelnd Wehen, Das freundlich um mich kost! Zurück zu Jasmunds Höhen, Zum sanftgefärbten Ost! Berühr' Elwinens Wange Mit leichtem Zephyrkuss, Und flüstr' ihr leis' und bange: Es ist des Dichters Gruss! Ihre Blumen. I hr Blumen, welche Sie geweiht, Und die ich sorgsam aufgespart, Ihr zaubert die Vergangenheit Mir um zu lichter Gegenwart. Sieh, Traute, diesen Kornblumkranz , Einst deiner Locken schlichte Zier. Du flogst dahin in leichtem Tanz, Sahst trüb mich stehn und gabst ihn mir. Kennst du noch die Leukoje wohl? Hoch schwellte sie dein schlagend Herz. Es schien der Mond. Der Abschied scholl. Diess Blümchen brach des Abschieds Schmerz. Sieh dieses Rosenzwillingpaar. Einst strömt' es süsse Düfte dir. Es welkt', es starb; und undankbar Warfst du es hin. Ich barg es mir. Diess güldne Sternchen funkelte Auf meiner Zilie grünem Mahl. Du pflücktest es, Holdselige, Und gabst es mir im Abendstrahl. Dort, wo am Strand die Fluth sich bricht, (Du ruhtest auf dem mächt'gen Stein) Gabst du mir diess Vergissmeinnicht — Nein, Traute, nie vergess ich dein. Und als ich auf Delmora 's Höh'n Dir flehend in das Auge sah, Erhörtest du das stumme Flehn, Und nicktest ein erbarmend Ja. Doch wenn ich euch, Cyanen, seh, Ihr schmücktet jüngst noch Ihre Brust, So überschwemmt mich selig Weh, Mich überdrängt qualvolle Lust — — O Blümchen, eurer jedes ruft Erinnerungen mir ins Herz. Zwar farbelos und arm an Duft, Tränkt ihr mich doch mit Wonn' und Schmerz. Ach, treuer Lieb' ist nichts gering, Was sie durch treue Lieb' erwand. Nicht feil ist ihr um Stern und Ring Ein Blümlein aus geliebter Hand. Seine Blumen. T ausend der Blumen blühn in meinem Garten. Schon durch des Jennerschnee krystallne Rinde Drängen sich frühlingahnend des Galanthus Silberne Glöckchen. Tief im Gesträuche schwillt die Anemone. Rings auf den Beeten glänzt der güldne Krokos. Heimlich erröthend strömt das blöde Veilchen Köstliche Düfte. Lockt dich der Schmelz der vielgefärbten Primel? Freut dich der Silberstaub der Sammtaurikel? Liebst du vielleicht der liebesiechen Echo Blendenden Günstling? Tausend der Blumen funkeln in dem Kranze, Welcher des Sommers glüh'nde Schläffen kühlet, Lilie du, und Nelk', und du, o Rose, Zypriens Brautschmuck. Tausend der Blumen blühn in meinem Garten, Oftmal pflückt' ich die duftigsten, die schön- sten, Barg sie zunächst ans Herz mir, wahrte sorgsam Tief sie im Busen. Dir sie zu geben, wenn der Abend wehte, Dir sie zu reichen, wenn der Abschied schallte, Dass sie ein leises Gedenke mein! dir hauchten, Schmachtet' und brannt' ich. Aber mich hielt die Angst, die arme Gabe Ach, verschmäht zu sehn von der Hochver- ehrten. Traurig entwand ich dir mich, meine Blumen Welketen traurig. Klein und gering ist die Gabe treuer Liebe. Aber verschmäht zu sehn die arme Gabe, Knicket des Lebens Blume, stösst den Mordstahl Tief in den Herzschlag. Die Zweifel. E inmal noch, o Auserwählte, Sink' ich an dein athmend Herz. Dir vertraut der Tiefgequälte Seine Sorgen, seinen Schmerz. Dir am Busen wimmernd liegend, Werd' ich alles Zagens los. Dich umflechtend, dich umschmiegend Fühl' ich stark mich, kühn und gross. Auf des Zweifelmuthes Wellen Schwankt der Hoffnung leichter Kahn; Stürme geisseln, Strudel schwellen Den geschwärzten Ozean; Schleudern itzt den morschen Nachen Schäumend bis zum Sirius, Stürzen dann mit lautem Krachen Nieder ihn zum Erebus. Manches schmeichlerische Hoffen Flüstert leisen Trost mir zu, Und Elysium steht mir offen, Und der Orkus schliesst sich zu. Um mich säuseln Edenslüfte, Um mich lispelt Lautenklang. Fernher wehn Violendüfte, Fernher flötet Brautgesang. Seligkeit, die mich durchschaudert, Ahnung, die mich himmelwärts Flügelt, dir zu glauben, zaudert Des Verzagten zweifelnd Herz. Nein, den Blöden, nein, den Armen Meint Adelens Liebe nicht. Nein, nicht Lieb' ists, nur Erbarmen, Was Adelens Auge spricht. Ihm, dem Schlichten, Schimmerlosen, Dem Cytherens Stern nicht glänzt, Den nicht schmücken Heben's Rosen, Den der Charis Kranz nicht kränzt, Ihm beschieden, ihm, dem Armen, Wär' der köstliche Gewinn? Nein, nicht Liebe, nur Erbarmen Schmelzt Adelens strengen Sinn. Sie, die Eine, Wunderbare, Hochbegabt an Leib und Geist, Sie, die Holde, Reine, Klare, Die kein Lied nach Würden preist; Ihm, dem Schlichten, Anmutharmen, Hätte diese sich gespart? Nein, sie kennt nur das Erbarmen, Nicht Gefühle zartrer Art. Zwar, das Herz, das Liebe fodert, Pflegt das Mitleid zu verschmähn. Ich auch pflog, von Stolz durchlodert, Sonst wohl mächtig mich zu blähn. Aber ach, des Stolzes Nacken Beugt der Liebe heilge Scheu. Schaamroth glühn der Frechheit Backen, Und ein Lämmlein wird der Leu. Dir gelang es, dir, das Fieber Meines Stolzes zu zerstreun. Dir, erhabne, gegenüber Fühl' ich mich gering und klein. Meiner alten Habsucht Prasser Fass' ich zitternd deine Hand, Und dem nimmersatten Prasser Gnügt dein streifendes Gewand. Sey es Liebe, seys Erbarmen, Was in deiner Brust sich regt, Wenn umstrickt von Edwins Armen Mächtiger dein Herz dir schlägt; Auch der Zarten, Sanften, Weichen, Weiss die treue Liebe Dank, Auch der Huld- und Mildereichen Dien' und huldg' ich lebenlang. Immer dann, und immer schneller Gleite, leichtes Schifflein, fort. Immer näher, immer heller Schimmert der gewünschte Port; Wo kein Wogenbruch mehr brandet, Wo kein Riff, kein Strudel dräut, Wo, wer einmal angelandet, Sich bestandner Kämpfe freut. Die Nacht der Liebe. T ief Mitternacht Ist rings im Walde. Der Sturm erwacht. Aus grauser Wolke der Donner rollt. Aus dunkler Ferne das Weltmeer grollt. Das Weltmeer grollt Aus dunkler Ferne. Der Donner rollt. Des Hirschen Brüllen den Forst durchschallt. Des Sturmwinds Rauschen durchbraust den Wald. Dumpf braust der Wald. Des Hirschen Brüllen den Forst durchschallt. Der Hagel rasselt. Der Regen schwirrt. Die Sparren ächzen. Das Fenster klirrt. 3 N Das Fenster klirrt. Der Hagel rasselt. Der Regen schwirrt. Die Nacht ist schaurig. Doch lieb und warm Liegt mir die Holde im trauten Arm. Im trauten Arm Liegt, ach, die Holde mir lieb und warm, Mich fest umflechtend. Die Zauberluft Durchwürzt ihr Athem mit Veilchenduft. Mit Veilchenduft Durchwürzt ihr Athem die Zauberluft. Von süssem Ahnen die Brust erschwillt. Ambrosisches Labsal der Lipp' entquillt. Der Lipp' entquillt Ambrosisches Labsal. Ihr Busen schwillt Von süssem Ahnen. Ihr schlagend Herz Durchströmen Schauder von Lust und Schmerz. Ach, Lust und Schmerz Durchströmen schaudernd ihr schlagend Herz. Ihr süsses Girren, ihr Nektarkuss Verschönt zum Olymp den Erebus. Den Erebus Verschönt zum Olymp ihr Nektarkuss — — — — O weh, es dämmert. Der Tag erwacht. Ach säume, säume, zu süsse Nacht. Zu süsse Nacht! Ach säume, säume, der Tag erwacht. Die Feuerblume der Früh' entglimmt. In wallenden Gluthen der Osten flimmt. Der Osten flimmt, Die Feuerblume der Früh' entglimmt. Erwach, Geliebte, erwach! erwach! Der Liebe Freuden verräth der Tag. Erwach! erwach! Der Liebe Freuden verräth der Tag. O Tag, wo des Lauschers Auge wacht, Weich' eilend der süssen verschwiegnen Nacht. N 2 An die Nacht. H eilige Nacht, du kühlst mit leisem Fittig Jede versengte Wange, trocknest jede Thränende Wimper, lullst in süssen Frieden Jeglichen Jammer. Fächl', o gewünschte Nacht, auch Ihre Wangen, Schleuss ihr die seidnen Wimper freundlich lullend; Lispel' in süssem ahnungreichem Traum ihr Schmeichelnde Tröstung, Dass sie des Trostes froh im Schlafe lächle, Lächelnd die seidnen Wimper wieder öffne, Schöner erröthend, als des jungen Morgens Züchtige Schimmer — — Heilige Nacht, mit deinem Rabenfittig Fächel' auch mir die mattgesengte Schläffe, Tauch' in des Schlummers Lethe dieses Herzens Lechzende Sehnsucht. Oder umgaukle, Fantasus, mich tröstend. Wiege mich ein in ihre Feenarme, Lass auf dem Schwanenflaum des edlen Busens Nieder mich schlummern. Schlummern zu dürfen, ach, in ihren Armen, Opferten Könige gern die Diademe, Gerne der Held sein Schwert, der Dichter gerne Leyer und Lorbeer — — Heilige Nacht, du linderst jeden Kummer, Kräftigest jeden Nerv, stählst jeden Muskel. Sey denn, Gewünschte, auch dem frommen Fleher Hold und gewärtig! Das Andenken. I ch denk' an Dich, Geliebte, Vom frühsten Dämmerstrahl, Bis Kron' und Leyer funkeln Am ew'gen Himmelssaal. Im lichten Mittagsglanze, Im Graun der Mitternacht, Stehst Du mir klar vor Augen In jedes Reizes Pracht. Mir winkt das Lied des Dichters, Mich lockt des Denkers Buch. Süss klingt des Sängers Harfe, Und ernst des Weisen Spruch. Umsonst. Hinweggezogen Folgt der entzückte Geist Dem Strom, der ihn magnetisch In seine Wirbel reisst. Wenn Nachts aus halbem Schlummer Der Sehnsucht Sturm mich weckt, Wenn mich der Schlag der Wachtel Aus süssen Träumen neckt, Breit' ich den Arm und drücke Dich wähnend an mein Herz; Der Wahn zerrinnt, und einsam Bin ich mit meinem Schmerz. Ich flüchte sehnsuchtmüde Zum Busen der Natur. Doch ach, Dein Bild, Geliebte, Folgt mir auf jeder Spur. Es flötet Deinen Namen Das Vöglein auf dem Zweig. Ihn schwirrt die Grill' im Grase, Ihn ruft die Unk' im Teich. An Deines Auges Bläue Mahnt mich des Äthers Blau; An Deiner Locken Fülle Des Nebels strömend Grau. Mich mahnt an Deine Wangen Der Rose keusche Gluth. Mich an den Wein der Lippen Der Beere quellend Blut. Beschämt dein Schwanenbusen Nicht der Narzisse Schnee? Weicht nicht der Milch der Arme Die Milch der Lilie? Umhaucht mich nicht Dein Athem Im Nachtviolenduft? Ists nicht Dein süsser Name, Den jedes Echo ruft? — — Wohin, wohin mich retten Vor der verborgnen Macht, Die mich verfolgt vom Morgen Bis in das Graun der Nacht! — — Bey Dir, bey Dir nur, Traute, Ist Rettung mir bewusst — — Ach, nur in Deinen Armen, Ach, nur an Deiner Brust. Das Abendroth D er Abend blüht! Der Westen glüht! Wo bist du, holdes Licht, entglommen? Aus welchem Stern herabgeschwommen? Ein lichter Brand Flammt See und Land. Es lodern in dem rothen Scheine Die Fluren rings, und rings die Hayne. Wie sieht so hehr Das düstre Meer! Die Welle tanzt des Glanzes trunken, Und sprüht lusttaumelnd Feuerfunken. Es mahlt der Strahl Das liebe Thal, Das sie bewohnt, der Holden Holde Mit Rosengluth und mattem Golde. Geuss Hesperus Mit leisem Gruss Auf sie den Inhalt meiner Lieder, Die schönsten deiner Rosen nieder. Viel schöner blüht, Viel wärmer glüht Die blasse Rose ihrer Wangen, Und weckt inbrünstiges Verlangen. Von ihr Ein Blick, Ein trauter Nick Durchzuckt elektrisch Mark und Leben, Und macht den feinsten Nerv erbeben. Drum, Hesperus, Beut Gruss und Kuss Der Herrlichen, der Tadellosen, Und opfr' ihr deine schönsten Rosen. Bewunderung Und Huldigung Heischt nur das Schön, das ewig lebet, Weil Huld und Heiligkeit es hebet. Die Sterne. N iedergeschlummert war die müde Sonne. Feyerlich wallte der Nacht lasurner Mantel Schön besäumt von schimmergelockter Sterne Güldenem Stickwerk. Unter dem blauen golddurchwirkten Teppich, Halbverhüllt von des Dunkels trautem Schleyer Standen und staunten wir, und schauten liebend Auf zu den Sternen. Über der Holden vollgelockter Scheitel Strahlte Cassiopega, blitzte Cepheus, Funkelte Perseus Schwert, flog Andromedens Glänzender Gürtel. Tönenden Fittigs stieg empor der Adler, Melodieen ergoss der Schwan des Himmels, Wonnegesang entlispelte der Lyra Bebenden Sayten. Und von der Majestät der Nacht durchschaudert, Jeder Blöde vergessend, jede Feigheit Gross verschmähend umschlang ich die Geliebte Feurigern Armes. Und den Umschlingenden umschlang die Edle Leisestöhnend, es stürmte Herz an Herzen, Wange brannte an Wange. Trunken glühte Lippe an Lippe — — Und als ich auftaucht' aus der Wonnen Abgrund, Siehe, da glänzten alle Sterne güldner. Lodernder brannte Cassiopega. Funken Sprühte Cepheus. Tönendern Schwunges stieg empor der Adler. Liebesgesang entquoll dem Schwan des Himmels, Liebesgelispel girrte von der Lyra Bebenden Sayten. Selig erklangen alle Sphären. Alle Glocken der Weltharmonika ertönten. Feuriger pochten, Liebe klopften alle Pulse des Weltalls. Trunken noch immer ach des Nektarbechers, Der mit Entzücken Sinn und Geist berauschte, Wandl' ich dahin seitdem in süsser Liebe Heiligem Wahnsinn. Aber verklungen längst in Ihrem Herzen Ist des süssen Momentes süsser Nachhall; Mir vorüber, dem sie den Brand ins Herz warf, Wandelt sie achtlos, Würdiget ihn, der ach nach ihr verschmachtet, Keines holderen Blicks, noch süssern Wortes, Schwebet dahin mit leichtem Muth, wirft, Freude, Dir in den Arm sich — — Heilige Sterne, ahnen wahr die Weisen, Ward geschrieben in euch der Menschen Schicksal — O wer öffnet den Sinn, wer liest mir eure Güldenen Chiffern? Frech zu erspähn der Zukunft Schauerdunkel, Lüstet mich nicht; mich lüstet nur, das Eine Zu ergründen — — nur — — Ida, deines Herzens' Dämmerndes Räthsel! Epicedion. E dmund und Ida sind hin. Sie haben des schö- neren Lebens Bis auf die Hefen geschlürft. Lasset in Frie- den sie ziehn. Wenige bittere Hefen nur blieben im güldenen Becher. Dem, der des Weines geschmeckt, widert der schaalere Rest. Lasset hinüber sie ziehn zur Insel der Uranionen, Wo um Phaon nicht mehr Sappho die Zärt- liche stirbt, Wo um Narcissus nicht mehr die liebende Echo verschmachtet, Um Iphigenien nicht trauert der starke Achill . Wo gelöst von den Banden des Stoffs, vom Stachel des Triebes, Höchste Schönheit, an dir sich die Vergötter- ten freun, Froh des erhöheten Seyns, sich selig fühlend im Anschaun, Ruhig im heitern Genuss, ledig des Sporns der Begier. Schönere Psyche , auch uns empfängt die elysische Insel. Edlere Psyche , auch uns tränkt der lethäische Strom. Jede Erinn'rung verblasst des gemeineren irdischen Lebens. Alles erlischt, was uns mahnt an die Gewalt der Natur. 3 O Du nur schimmerst beglaubigt, o Ahnung erhabne- ren Daseyns, Die uns durchblitzte, wenn uns Eros berührte, der Gott. Biankens Lieder. Zweyter Anhang. Der Abschied. I hr gottgeweihten Mauern, Ihr, deren ernster Ring, Durchweht von heil'gen Schauern, Eilf Sommer mich umfing; Ihr klösterlichen Klausen, Wo Ruh und Andacht hausen, Die ich jetzt lassen soll — Gehabt euch wohl! Ihr immer grünen Bäume, Die ihr mir freundlich lauscht Und oft in süsse Träume Die Schwärmende gerauscht; Ihr duftenden Gebüsche Voll Kühlung und voll Frische, Voll Lispeln und Gesang, Habt Dank! Habt Dank! Ihr Blumen und ihr Quellen, Ihr Rasen, seideweich, Ihr kleinen Murmelwellen, Nie, nie vergess ich euch. Wohl aus dem Weltgedränge, Dem lästigen Gepränge Schaut sehnend einst der Blick Nach euch zurück. Ihr heiligen Jungfrauen, Die selig Tag und Nacht Das Antlitz Gottes schauen, Habt mich in guter Acht! Urbild der Huld und Güte, Madonna, ach behüte Vor eitelm Wahn den Sinn Der Sünderinn! Strada della Luce, Strada della Croce. D urch das Kreuz zum Glanz! Wem gebührt der Kranz? Wer getrost gelitten, Wer mit Kraft gestritten, Dem gebührt der Kranz. Durch das Kreuz zum Glanz! Durch die Nacht zum Licht! Herz, verzage nicht, Ob von Nacht umschauert, Erd' und Himmel trauert — Schau der Ost erglüht, Und das Dunkel flieht. Durch den Schweiss zum Schlaf! Stach die Sonne, traf Dich des Mittags Schwüle; Abends lullt die Kühle In gewünschten Schlaf, Wen die Schwüle traf. Durch den Kampf zum Sieg! Krieg geboten, Krieg Sey der Welt, der Schnöden! Schande deckt den Blöden. Drum sey bis zum Sieg Krieg die Losung, Krieg! Durch den Krieg zum Kranz! Durch das Kreuz zum Glanz! Durch Gehenna's Grauen Hin zu Zions Auen! Selig, wer beharrt, Ob das Herz auch starrt! Candore et Odore. S iehst du der Lilie weisses Kleid Aus dunkler Ferne winken? Ihr Licht besiegt die Dunkelheit, Wie Lunens Silberblinken. O Blume, die in Eden spross, In Eden sich zuerst erschloss, Dich trübet keine Makel. Die ihr der Giglio's Blume führt In Wappen und Panieren; Begnügt euch nicht, was jene ziert, In Schild und Ring zu führen. Der Giglio's Sinn ist lilienklar Und lilienrein! Seyd treu und wahr Auch ihr in Red' und Thaten. Spürst du der Lilie Ambraduft Von dort herüberschweben? Spürst rings um dich in lauer Luft Die Wohlgerüche weben? O Blume, die das Aug' entzückt, O Blume, die das Herz erquickt, O Blume, sey gepriesen! Der Giglio's Söhne, offenbart Der Giglio's Seelenadel! Der Giglio's Töchter, ach bewahrt Der Giglio s Ruf vor Tadel! Lasst eurer Tugend süssen Duft, Des Vaterlands, des Auslands Luft Bis an die Sterne würzen! Die Blumenchiffer. B lick auf, blick auf zur Sonne O Auge, durch den Thränenflor! Dem Gram entknospt die Wonne. Aus Thränen keimt der Trost empor. Der Iris Farbenfeuer Durchstrahlt den grauen Duft, Es hebt die Brust sich freyer In abgestürmter Luft. Süss mundet uns die Wonne, Die wir mit Quaal bezahlt, Und schöner strahlt die Sonne, Die nach Gewittern strahlt. Der Sonn' entgegen breitet Die Lilie ihre weisse Brust. Von Hoffnung aufgeweitet, Ahnt die Verzweiflung Himmelslust. Die Erde täuscht das Hoffen. Der Durst bleibt ungestillt. Doch steht die Heimath offen, Für die das Herz erschwillt. Was mich ergötzt blüht droben. Nur droben grünt mein Glück. Nach oben drum, nach oben Schaut der bethränte Blick. Die Errettung. V orüber ist der schwere Traum, Vorüber, und ich glaub' es kaum. . . . Ich lebe! Ich lebe ja! und unentweiht Blieb meiner Unschuld weisses Kleid. Ich hebe, Ihr heil'gen Jungfraun, nach wie vor Den Blick zu eurem reinen Chor Rein empor! Es drohte namenlose Noth, Und Schande, herber als der Tod, Der Armen! — „Die ihr die Unschuld schirmt und schützt, „Den Frevler zürnend niederblitzt, „Erbarmen! „Ach rettet, rettet! Grimmiglich „Umgrinsen Höllenlarven mich! „Rettet mich!“ — Und nieder von dem Sitz der Ruh, Aus Christus Armen schautest du, Madonne! Es weinte laut der Jungfraun Chor, Und gnädig neigte Gott sein Ohr. O Wonne! Er schalt. Die Höll' entsetzte sich. Die Larven grass und grauerlich Liessen mich. Du, deren Flehn den Sohn bezwang, Madonna, lass mich meinen Dank Dir weinen! Die ihr mein Antlitz nicht beschämt, Des Treuen treulich euch annehmt, Ihr Reinen, Euch soll Biankens Lobgesang, Euch strömen soll Biankens Dank Lebenslang. Die Ekstase. V erlohren! Verlohren! O Lustgeschrey in meinen Ohren! Es singt um mich wie Brautgesang; Es klingt der Hochzeitharfen Klang; Es lodern schon die Kerzen. Die muntern Jungfraun scherzen. Ihr Jungfraun, habt ihr Oels genug? Ach füllt die Lampen, füllt den Krug. Die Nacht ist süss und schaurig, Die Braut so froh und traurig! Welch Flüstern, So lüstern Raunt mir ins Ohr im Düstern! „Komm, holde Taube, süsse Braut. „Der Priester harrt. Der Priester traut. „Der Teppich ist gebreitet. „Das Bette ist bereitet. „Uns winkt des Lagers weicher Flaum „Zu süssem Schlaf und süsserm Traum. „Kommst, kömmst du bald, du Fromme?“ — Ja, Bräutgam, ja, ich komme! Müd und matt. O Thränen, Die ihr mich überschwemmt; O Sehnen, Das meine Brust beklemmt; O Schmachten, Davon mein Herz erschwillt; O himmelstrebend Trachten. . . . Wann, wann wirst du gestillt! 5 P Mich lasten Der Erde Quaal und Lust. Zu rasten, Genügt der müden Brust. Nur Jammer Daucht mir die Pracht der Welt. O dunkle lezte Kammer, Du bist's, die mir gefällt. Ich lechze, Und meine Kraft wird schwach. Ich ächze Nach der Erlösung Tag. Wie lange Soll ich mich quälen noch! Wie lange und wie bange Ziehn an dem herben Joch! Die Bande Der Erde pressen mich. Am Rande Löst jede Fessel sich. Am Rande Schwank' ich; und schau' hinab, Und ledig aller Bande, Sink' ich ins düstre Grab! An den Schatten des Numan. N uman, dein gedenkt das Herz, Nimmer werde dein vergessen! Oft noch soll der herbe Schmerz Mir um dich die Wange nässen. Lange noch sey dir mein Leid, Lange noch mein Lied geweiht. P 2 Du, den in der grausen Noth Mir der Gott zum Retter sandte; Du, der von mir herben Tod, Und noch herbre Schande wandte; Den der Thaten Edelste Ach sein Herzblut kostete. . . . Dunkles Schicksal, ach warum Musste so mein Numan enden? Giovanni, ach warum Musstest du den Freund vollenden? . . . Doch das Schicksal, ernst und stumm, Achtet störrig kein Warum! . . . Numan, dein entseelter Staub Liegt im Schooss des Meers, und modert . . . Oder ward vielleicht der Raub Düstre Fluth dir abgefodert? Hat vielleicht am öden Strand Ihn verscharrt des Fremdlings Hand? Nun getrost! dein bessrer Theil, Numan, bleibet unverlohren. Ward nicht Christus, Aller Heil, Numan, auch für dich gebohren? Dennoch sollte, rein und schön, Numans Seele untergehn? Numan, nein, war fromm und gut. Nein, auch Numan ward getaufet, Ward durch Wasser und durch Blut Vom Verderben losgekaufet. Numan, Numan auch für die Starb, der mich erlöste, mich! Einstens, wenn die Wage klingt, Wenn der ernste Richter richtet; Wenn die Rache blitzbeschwingt, Die verruchte Schaar vernichtet; Wenn die Gnade, blutversöhnt, Mich und Giovanni krönt; Giovanni dann und ich Fassen Numan in der Mitten, Und der Richter neiget sich Huldreich zu der Sünder Bitten. Ja der Richter wird versöhnt, Und auch Numan wird gekrönt. Dann mit Numan Arm in Arm Wird mein Giovanni wallen. Aller Hader, aller Harm Endet sich in Wohlgefallen. Froh wird dann Bianca stehn, Froh die Freunde wandeln sehn. Das Lebewohl. F ahret wohl, ihr grünen Matten, Die der Murmelbach durchrollt. Fahret wohl, ihr trauten Schatten, Die ihr zwiefach Labsal zollt. Fahret wohl, beblümte Triften, Die ein ew'ger Frühling schmückt, Die ihr, reich an Schmelz und Düften Mehr denn einen Sinn erquickt. Fromme Kinder dieser Fluren, Die ihr freundlich mich umfingt, Die ihr, liebende Naturen, Euch vertraulich an mich hingt; O ihr Guten, o ihr Frommen, Denket mein, und lebet wohl: Denn das Stündlein ist gekommen, Wo ich euch verlassen soll. Der du meine Seele schmücktest, Edler Theodosius, Mich mit manchem Trunk entzücktest Aus der Schönheit Silberfluss. Dem für Tugend, dem für Wahrheit Himmelhoch die Seele schwoll, Jüngling, reich an Sinn und Klarheit, Edler Jüngling, fahre wohl. Dorothea, zarte Rose, Schlummre süss, Unschuldige, Keusche züchtige Mimose, Unentweihte Lilie, Luft und Licht und Thau entfalte Liebend deines Kelches Zier. Schlummre süss und schirmend walte Gottes Engel über dir! Holde Fluren, traute Matten, Murmelbach voll Melodie, Bunte Triften, grüne Schatten, Euch vergisst Bianka nie. Theure Menschen, euer denken Wird Bianka lebenslang. Bis sie in die Gruft sie senken, Kühlt sich nie Biankens Dank. Lobgesang. S chwebt empor, Lispel meiner Lieder! Hallt sie wieder, Nacht und Sternenchor! Wer hat die Bange, Blöde In schauerlicher Öde Geschirmet und gewahrt? Wer in den Felsgerippen, Im Riss geborstner Klippen Ihr manchen Trunk gespart? Wer sparte, sie zu nähren, Des Strauches rothe Beeren, Das Ey im Adlerhorst? Wer liess, für mich zu quellen, Des Isards Euter schwellen, Als meine Lippe borst? Jauchze laut, Laut, mein Lied und fröhlich! Selig, selig, Wer dem Herrn vertraut! Wenn meine Füsse wankten, Die müden Kniee schwankten, Wer hat mich treu gestützt? Wer in den Finsternissen Mich vor der Natter Bissen, Des Wolfes Zahn geschützt? Wer in des Waldes Schlüften, Wer in den Felsenklüften Beschied mir süssen Schlaf, Und breitete die Rechte Um mich im Graun der Nächte, Dass mich kein Unfall traf? Strömt empor, Jubel meiner Lieder — Hallt sie wieder, Nacht und Sternenchor! O Liebe. O Liebe! Die mich bis in den Tod geliebt, Die schmerzlich sich um mich betrübt, Die für mich lebt' und litt und starb, Und sterbend mir das Heil erwarb . . , O Liebe, Sieh, wie ich mich betrübe, Dass ich nicht gnug dich liebe. O Liebe, Die du für mich der Thränen Fluth, Für mich verströmt dein rothes Blut, Für mich dein Leben ausgestöhnt, Den Vater sterbend mir versöhnt . . . O Liebe, Sieh, wie ich mich betrübe, Dass ich nicht gnug dich liebe. O Liebe, O du in deinem Dornenkranz, In deines Blutes Purpurglanz, O sündebüssend Opferlamm, Mein König und mein Bräutigam . . . O Liebe, Sieh wie ich mich betrübe, Dass ich so lau dich liebe. O Liebe, Entzünd' in mir der Liebe Gluth, Lass in der Wunden rother Fluth Mich untergehn, gar untergehn, Um nimmer, nimmer zu erstehn . . . O Liebe, Tilg' alle niedre Triebe, Dass ich nur dich! dich! liebe! Himmelan. H immelan Strebt die müde Seele. Herzlich ach verlangt der Satten Aus dem kalten düstern Schatten Nach der Heymat grünen Matten — Brünstig strebt die Müde Himmelan. Himmelan Strebt die satte Seele. Welt, du Eitle, Welt, du Schnöde! Wie so fremde, wie so blöde Fühlt sie sich in deiner Öde. Die Verbannte schmachtet Himmelan. Himmelan Strebt die ew'ge Seele. Was die Andern höchlich schätzen, Kann nicht ihren Sinn ergötzen, Mag nicht ihr Verlangen letzen. Ihr Verlangen schwingt sich Himmelan. Himmelan Strebt die müde Seele. Nie geletzt ward hier ihr Sehnen, Nur verlacht ihr süsses Wähnen, Nur verhöhnt die heil'gen Thränen Darum strebt die Müde Himmelan. Himmelan Strebt die Gebundne. In die freyen weiten Räume, In die Heymat süsser Träume, In das Kühl der Lebensbaume, Dorthin strebt sie, strebet Himmelan. Himmelan Strebet die Verlassne, Zu den heimgegangnen Lieben, Die in ihrer Ruhe drüben Um die Schwester sich betrüben, Dorthin strebt sie, strebet Himmelan! Himmelan Schwingt sich die Erlöste. Schau der Sehnsucht heil'ge Flammen Schlagen über ihr zusammen, Und verflüchtigt in den Flammen, Schwingt sich die Erlöste Himmelan! 3 Q Am Ziele. A m Ziele, Ganz nah bin ich am Ziele. Es glänzt das glorievolle Ziel. Die Palme weht; sie weht so kühl. Die Krone strahlt. Die Krone blinkt. Der Trauring blitzt. Der Bräut'gam winkt. Es rauschen Saytenspiele. Ganz nah bin ich am Ziele! Am Ziele, Ganz nah bin ich am Ziele. An des Krysallstroms Silberrand, In blutbesäumtem Schneegewand, Wallt schimmernd Athanasius, Und labt sich am krystallnen Fluss. Mich ängstet noch die Schwüle, Doch bin ich nah am Ziele! Am Ziele, Ganz nah bin ich am Ziele. Der Erde Luft ist schwer und schwul. Vor Gottes und des Lammes Stuhl Kniet selig Athanasius. Ihn letzt unsterblicher Genuss. Ihn drückt nicht mehr die Schwüle. Er ist, er ist am Ziele! Am Ziele, Ganz nah bin ich am Ziele. Ists Wahrheit, oder träumt es mir? Mich dünkt, es rauscht schon vor der Thür. Mich dünkt, es klopft! es rufet schon! Ich höre schon den süssen Ton Der holden Saytenspiele. Ganz nah bin ich am Ziele! Q 2 Am Ziele, Ganz nah bin ich am Ziele. Wie strahlt das Ziel so hehr, so hell. Versiegt ist meiner Thränen Quell. Ich schöpfe der krystallnen Fluth. Ich flamm' empor in heil'ger Glut Seraphischer Gefühle — Ich bin, ich bin am Ziele! Zugabe älterer gänzlich oder grösstentheils umgearbeiteter Gedichte. Die Unsterblichkeit. D ie ihr des freundlichen Lichts Euch daseynsselig erfreuet, Tröstet euch, Brüder, ihr werdet Ewig des Lichtes euch freun. Was wir ersehnten, Mit des Jünglings Sehnsucht Nach dem Kuss der Geliebten, Es ist, es ist mir erschienen. Was wir ersehnten, erflehten, Es hat, es hat mich ergriffen, Wie den Jüngling die Eidschwurgewissheit, Dass, die er liebet, ihn liebe. Wie den Sünder die Gnade ergreift, Wie den Büsser der Vergebung Gefühl, So ergriff den Vernichtungscheuen Unsterblichkeit, dein grosses Gefühl. Ich ahnet', ich hofft' es, jetzt glaub' ich, dass ich bin! Ich glaub' es, ich schau' es, dass ich ewig bin! — Neige deine Wipfel, Eiche! Ein Unsterblicher wandelt unter dir. Ründe die silberne Scheibe, Mond! Entblinket dem Nachtgedüft, schimmeräugige Sterne! Sirius, wälze dein Flammenrad! Glanzge- gürteter Orion, Wandle stattlich den Riesengang! Minder, ihr Stolzen, als ich, Seyd ihr, ihr seyd vergänglich! Mehr als die Eich' und der Mond, mehr als Orion und Sirius Bin ich — bin unvergänglich. Himmel und Erde vergehn! Nimmer vergehet das Ich! — Ha, wenn das Ich verginge, Was wäre diess nichtige Seyn? Eines Traumes Schatten, Geträumt im zweifelnden Zwielicht, Zerschwunden mit des Tages Dämmerung, Wäre diess nichtige Seyn! Ärmer noch wär' ich, als der Halm und das Gras; Verächtlicher noch, als der Kiesel der Gasse. Des Daseyns Entzücken empfanden sie nicht; Dein Grauen Vernichtung empfinden sie nimmer. Ach, wenn ich ewig nicht wäre, So ächzt' ich dem kommenden Tag' Entgegen, so ächzt' ich, käme die Nacht, Und verhüllte mich, und schwiege ver- traurend. So würd' ich unter die Blumen des Frühlings Mich strecken, und die Blume beneiden. Du, o blühende Erde, däuchtest mir ein offnes Grab; Die Menschen zerfliessende Schatten. Dich, herrliches Vorrecht des Geistes, Unergrundliches hohes Bewusstseyn, Dich wird' ich ersticken in Taumel und Rausch, Dass mich nicht träfe der Gedanke der Vernichtung. Aber er träfe mich doch, Mich umspukten grinsende Larven, Blöketen fletschenden Zahnes mir zu: Was jauchzest du, Schatten? Zerflattre! Es ersinkt der Kelch der zitternden Hand; Es entsprudelt dem blinkenden Schierlingsschaum! Die Rose duftet Verwesung; Die Musik tönt Gräbergeheul! Rühret mich nicht an! Umarmet mich nicht So brünstig, meine Geliebten! Ach, druckt den Vergänglichen nicht so fest an euer Herz; An eurem Herzen dürft' er zerfliessen! Der Vernichtung Fittige sausen daher. Sie sausen, sie rauschen mich an. — Ach ret- tet, Liebende rettet! — Wohin, Verirrte, wohin? Ermanne dich, Seele! Ein Schall ist's, Ein hohler Schall, der dich ängstet. Ist hienieden auch Tod? Auch Untergang hienieden, und Vertilgung? Ist, was Tod wir nennen und Untergang, Nicht Enthüllung nur, Entwicklung, Ver- edlung? Mag auch das edlere Selbst, Das denkende, wollende, hoffende Selbst Versiegen mit dem Öl, das den Nerven tränkt, Verstieben mit der Asche, die den Grä- bern entstiebt? Löscht auch der Becher der Lust, des Ruhms, der Wollust, der Liebe, Stillt auch die Fülle des Glücks, der Brust un- nennbares Sehnen? Warum dann seufzen, Beglückter, wann dämmert der Mond, Wann das Spätroth schimmert, und die Sterne funkeln? Mag auch Gott der Liebe, Gott der ewigen Liebe, Des Bösen Bösestes, was nur die Allmacht vermag, Des Bösen Bösestes wollen: Vernich- tung? Schreitet nicht mächtigen Schritts, fliegt unermüd- lichen Fluges Das All der Vollkommenheit strahlendem Ziel Nicht näher mit jeglichem Nu, mit jegli- chem kehrenden Pulsschlag? — Und wir — die Einzigen, schwindelten endlos zurück? O Wahrheit! o Schönheit, o Tugend! Hochheiliges Drey in des Geistes Einheit, Du zweyte Welt in der ersten, Du zeugest wer wir sind, und wer wir werden! Ihr Guten und Weisen und Reinen. Ihr Seelen ohne Schuld und ohne Freude, Ihr Erquetschten in der Knospe! ihr Er- stickten in der Blüthe! Ihr bürget wer wir sind, und wer wir werden! Ja wahrlich, wahrlich, ich bin! Ich weiss, ich glaube, ich bin! Und werde ewig seyn — Ewig! ewig! Wie ertragen die Wonne? Wie dich fassen Entzücken? Wie genügen der lastenden schreckenden Seligkeit? Ich werde ewig seyn! Frohlock', begnadigter Geist, hinauf zum wölbenden Himmel. Du bist unsterblich! Frohlock' hinab in die Nacht, in das Land der Stummen und Stillen; Sie sind unsterblich! Frohlock' am Saume der offenen Gruft. Du bist unsterblich! Frohlocke, wenn wieder sich füllet die Gruft, Und der grünende Hügel sich wölbet. Thaut, Frühling', auf meinen Hügel! Regen, säusl' auf ihn herab! Ich bin unsterblich! Brause Herbststurm um mein blätterbesäe- tes Haus. Ich bin unsterblich! Die ihr weint an meinem Hügel, jauchzet laut! Ich bin unsterblich! Schwinget, schwinget die Fittich, und ei- let mir nach! Wir sind unsterblich! Der Nachtsturm. S turm der gellenden Nacht, fürchterlich klingt und schön Durch die Nacht dein Geläut, klingt mir begeis- ternder, Als der lydischen Flöte Weiche Wirbel im Abendkühl. Rabenschwarz ist die Nacht. Durch die Erebische Wälzt der Mächtige sich säuselnden Schwungs daher, Beugt die Grossen der Schöpfung, Stäupt die Höhen und zaust den Wald. Orkan, Orkan, gegrüsst sey mir in deiner Kraft. Orkan, Orkan, dir lauscht gerne des Jünglings Ohr, Wenn Allfadern dein Päan Auf der Harfe der Waldnacht singt. Minder feyerlich fürwahr wallet anbetender Myriaden Gesang rings durch des Münsters Schiff, Als dein Hymnus im Dunkeln Durch den Tempel der Schöpfung wallt. Schön und fürchterlich ists, wenn du die Wei- zensaat Niedermähst, wenn dein Arm geisselt den stolzen Forst, Und mit Pappeln und Eiche, Wie ein Knabe mit Diesteln, spielt. Schön und fürchterlich ists, wenn du das Meer er- wühlst, Sein Vermögen zerstäupst, Schiffe, wie Kräusel drehst, Masten knickest, wie Binsen, Taue reissest, wie mürben Zwirn. Schön und fürchterlich ists, wenn du die Wolken ballst. Manches Riesengebild segelt in weiter Luft. Lunens Silber verblasset. Rings erblindet der Sterne Gold. Westgesäusel behagt lüsternen Weichlingen. Bass behagt mir, Orkan, dein dithyrambisch Lied. Jeden glimmenden Funken Fachst du, straff'st den erschlafften Nerv. In das Dunkel hinaus stürm' ich, in schwarzer Nacht Klimm' ich Felsen hinan, schaue vom stickeln Fels In das gährende Chaos, In die wühlende Nacht hinaus. Erd' und Himmel und Meer zittern dir, Freudiger! Freudigeres, denn du, hebet des Menschen Brust, Triumphirt in des Daseyns Stürmen, frohlockt im Untergang. 3 R Elegie. W elche fremde Gefühle durchschaudern mich! Welche Verwirrung Wölket die Sinne! Mich fasst wechselnd Ent- zücken und Schmerz. Itzt hebt seliges Ahnen empor zu den Sternen die Seele; Tödtliches Zagen sodann senkt in den Hades den Geist. Mächte, die mich befehden, ihr feindlichen fremden Gewalten, Sagt, was verbrach ich? was ists, dass ihr mich rächend verfolgt; Dass ihr mit dieser Erynnis mich straft, die Frie- den und Frohsinn Bösslich mir raubet, mit Gift wechselnd und Nektar mich tränkt! Lass, lass ab von mir, gefürchtete Liebe! Nicht mag ich Kosten des Kelches, der einst selbst den Alci- den entmannt'. Lass, lass ab von mir. Von deinem Athem be- rauschet Taumel' ich, schwindel' ich schier. Schone, Gefährliche, mein! Nein du willst nicht schonen. Mit jeglichem sie- genden Reitze, Jeder gewinnenden Huld hast du die Feindinn geschmückt, Diese zu freundliche Feindinn — dich, meine Ida! Vergönne, Dass die Seinige dich grüsset das liebende Herz. Freundliche Ida, du bist so hold, wie die Schim- mer im Osten, Wenn der erwachende Tag röthet das dämmern- de Grau. Bläue des Himmels umrieselt dein schimmerrollen- des Auge; Röthe des Aufgangs verklärt, Huldinn, dein blühend Gesicht. R 2 Dunklere Tinten verschönern den Mund, und lich- tre die Wange. Schwelgrisch umwallt dich die Fluth goldenen ringelnden Haars. Abgewogen aufs strengste ward dieser Glieder Ver- hältniss. Dieser Formen Kontur ward von Apelles be- stimmt. Doch wer redet es aus, was diese Formen veredelt, Diese Züge verklärt, dieses Gebilde beseelt! Wer die rährende Huld, die herzgewinnende Milde, Wer die Ruh im Blick, wer in den Augen den Sinn! Wer die Einfalt und Demuth, die Zucht und Zart- heit und Reinheit, Welche dir jegliches Herz, erstes der Mädchen, gewinnt. Also fand ich dich, Ida. So siegtest du, wenig es ahnend, Wenig es wollend fürwahr, über des Sicheren Herz. Ach zu sicheres Herz, wird dir auch Ihres begegnen? Allzuvermessenes, wird Ida nicht stolz dich ver- schmäh'n? Wirst du mich lieben, Geliebte? Dein schmach- tendes Auge bekennet, Dein Erröthen verräth, dass du zu lieben ver- magst. Liebe, liebe mich dann! Wohl arm an Schönheit und Gaben Ward mir doch Reichthum gewährt, Reichthum des Herzens und Sinns. Liebe des Schönen büsst für den Mangel eigener Schönheit, Zartheit des Sinns ersetzt, was sonst versagte der Gott. Liebe, liebe mich, Ida. Es ist der Tugenden Schönste, Treu zu lieben, das Herz einzig dem Einzigen weihn. Liebe mich, meine Erwählte. Es ist die höchste der Freuden, Innig zu lieben, geliebt von dem Geliebten zu seyn. Ach, dass du mich liebtest! Wie würde das freund- liche Leben Ein Elysischer Traum, Traute, so lind uns ent- fliehn! Arm geschlungen in Arm, und Seele verlohren in Seele Würden wir wandeln den Pfad, welcher zum Cocytus führt, Würden vom grauenden Tag bis zu den Schatten des Abends Irren im flisternden Busch, kosen am kosenden Bach, Würden, wenn thaute die Nacht, zu ambrosischem Schlummer uns lagern, Meine Rechte dich gürtend, die deinige mich! Würden jede Sekunde mit Küssen beflügeln, und jede Fesseln mit reinem Genuss, würden in Einem Moment Beyd', in Einem inbrünstigen Kuss, in Einer Um- armung, Zu den Liebenden über den Sternen entfliehn. Elegie. K rank für Liebe zu seyn, getroffen vom Pfeil des Verlangens Speis' und Trank zu verschmähn, Menschen und Freuden zu fliehn — Thorheit däuchte mich dies. Ich spottete strenge des Thoren; Aber ich büsse verdient für den unheiligen Spott. Krank bin ich, wie keiner gewesen, vor sehnender Liebe. Schier aus den Röhren das Mark zehret die sengende Glut. Nicht die Gaben der Ceres vermögen zu stärken den Matten, Jacchos erlesenster Most löscht nicht den dur- stenden Gaum. Denn es fehlt mir der Einen belebende Nähe, sie fehlt mir, Deren ambrosischem Mund heilendes Labsal entquillt. Siebenmal thaute die Früh', und siebenmal wehte die Dämmrung, Seit du, Geliebte, mir fehlst, seit ich ver- schmachte nach dir. Ja ich verschmachte nach dir. Nicht länger zu mis- sen vermag ich Deinen erheiternden Blick, deinen erquicken- den Kuss. Siehe die Aue draussen. Auch ihr ist die freund- liche Sonne Untergegangen; schon längst birgt sie ein nei- discher Flor. Glanzlos liegt nun die Flur und traurend der An- ger. So traur' ich Seit ich dein sonnig Gesicht, freundliche Ida, nicht sah. O so strahle denn wieder hervor aus dem hüllen- den Dunkel, Morgenröthliches Licht, kläre die Seele mir auf. Tritt hervor, o siegende Sonn', in schimmernder Schönheit. Bringe mir Klarheit und Glanz, Kraft und Ge- nesung zurück. Die du zu lange verzogst, erscheine, Geliebte, er- scheine, Stille das schlagende Herz, letze den lechzen- den Durst, Dein beraubt verschmachtet das Herz, wie die wel- kende Blume In der Schwüle des Tags schmachtet nach Abend und Thau. Lieber entbehr' ich des Lichts, als deines begei- sternden Anschauns, Lieber des Liedes Besuch, als dein entzücken- des Nahn. Silberner klingt mir dein Gruss, als der Lyra Lis- pel; ich höre Lieber von dir mich genannt, als von der Zun- ge des Ruhms. Seliger ruht es sich, Edle, an deinem steigenden Busen, Als in der Mutter Natur blüthenbeschneyetem Schooss. Glücklicher bin ich, umweht von deinen goldenen Locken, Als von des röthlichen May's schimmernden Blüthen beschneyt. Tausend sind der Blüthen des May's, und tausend- mal tausend Würzige Düft' entwehn seinem balsamischen Hauch. Aber du bist die schönste von allen, die frischeste, schönste, Duftendste Blüthe. Nur säumt, Traute, zu lange dein Kelch Sich zu erschliessen. Ach eile! dir winken der Lenz und die Liebe, Dir der erlauende Hauch, dir der belebende Strahl. Eil', hochschwellende Knospe, verbreite die Krone der Blätter, Öffne den duftenden Kelch, würze die schmei- chelnde Luft. Lass, zu Säumige! lass den ambrosiaduftenden Torus, Zeige dem Harrenden dich, lächel' erbarmend ihn an. Eines Grusses nur würdige ihn, nur Eines Hand- drucks, Eines bedeutenden Winks, Eines liebkosenden Lauts, Und genesen der Quaal, von unsterblichem Leben durchfluthet, Strebt er empor zum Olymp unter den Göttern ein Gott. Elegie. F reundinn, der Frühling ist da! Ich sah ihn in röthlichen Wolken Über den blumigen Höh'n schweben. Die Hö- hen herab Sah ich ihn wandeln tanzenden Schrittes. Ein buh- lendes Lüftchen Haucht' um den rosigen Hals sein hyacinthenes Haar. Gräschen und Blümchen entsprossen des Schreiten- den luftigem Tritte, Schnee und Reif zerschmolz seinem erlauenden Hanch. Silberstiebende Bächlein durchrieseln schon schwat- zend die Fluren, Blitzen im Sonnenstrahl, spiegeln die Sonne zurück. Rascher schon zirkelt das Blut, beschleuniget schla- gen die Pulse. Freundlicher lacht uns die Welt, heitrer das Leben uns an. Denn der Frühling beginnt. Wer wollte des keh- renden Frühlings Sich nicht erfreuen, verjüngt mit der verjüngten Natur, Nicht die ergrünende Flur beschreiten erweiterten Herzens, Nicht mit Gesang und Tanz grüssen den keh- renden Lenz! Ida, der Lenz beginnt. Komm, Tochter sanfterer Freuden, Komm' mit mir in das Feld. Siehe, der Frost ist dahin, Und der Schnee ist zerschmolzen. Es rötheln die Äste der Haseln, Fröhlicher sieht des Gebürgs alterergrauetes Moos. Was den Schlaf der Erstarrung geschlafen, in Ta- gen des Winters, Fühlt sich ins Leben geweckt, drängt an die Wärm' und das Licht. Schau, es wimmelt im Sumpf. Es beseelt sich die Scholle. Auf schlanken Halmen wieget sich sanft schillernder Käfer Ge- schlecht. Hoch in den Lüften erschallt das Lied der frohlok- kenden Lerche, Mit des werdenden Tags spriessendem blasse- sten Strahl Schwingt sich die Sängerinn himmelempor, und singt, bis die Dämmrung Berg' und Thale verhüllt, fröhlich das fröhliche Lied. Komm, Holdselige dann, der Natur zartfühlende Freundinn, Komm mit mir ins Feld. Lass an des rieseln- den Bachs Saum uns lagern. Ihn stickt die tausendblättrige Bellis, Welche das werdende Jahr, welche das schei- dende kränzt. Horch' es locket die blödere Sie der flötende Sprosser. Schau, im Haselgebüsch polstert die Amsel ihr Nest. Hoch auf dem Halmdach drüben sitzt neben dem Tauber das Täubchen, Girret sein zärtliches Lied, liebeverlohren, ihr vor — Lenz und Liebe fürwahr, gebarst du als Zwillings- geschwister Gütige Mutter Natur. Unter den Blumen des Hayns Sah ich das trauliche Paar oft spielen. Dann lehr- ten sie Liebe, Liebe den Bach und die Flur, Liebe den Busch und den Wald. Abschied von Ida. D ich verliehren soll ich? dir entsagen, Die ich mir aus einer Welt erkohr? Die in jenen ewig schönen Tagen Frey und willig sich an mich verlor? Deinem Arme soll ich mich entwinden, Der aus Millionen mich umwand? Deines Flammeneides dich entbinden, Der für Zeit und Ewigkeit dich band? Ida, kannst du Demantketten brechen, Wie dein Finger schwache Fäden bricht? Ida, wird sich nicht die Liebe rächen, Der rebellisch sich dein Arm entflicht? Willst du einsam durch das Leben irren, Willst du stablos seinen Sturm bestehn, Ungetröstet deine Klagen girren, Unbeklagt ins Reich der Schatten gehn? Oder kannst du deine Liebschaft ändern, Leicht und luftig, wie ein Sonntagskleid? Spielen Mädchen, wie mit Flor und Bändern, So mit Treu und Schwur und Ewigkeit? Finden magst du in der Freyer Reihe Einen schönern, klügern, reichern leicht; Doch auch einen, Ida, dem an Treue, Dem an Zartgefühl dein Liebling weicht? Hab' ich einzig nicht an dir gehangen Mit Begriff, Gefühl und Fantasey, Mit des Herzens innigstem Verlangen, Mit des Geistes höchster Schwärmerey? Hab' ich nicht dem Schönen, Guten, Wahren Aufgeschlossen deinen treuen Blick? Hab' ich nicht, um dich nur, dich zu sparen, Aller Ruh entsagt und jedem Glück? Gar in dich verlohren und versunken Schwand mir Aussenwelt und Zeit und Raum; Überseliger Gefühle trunken, Taumelt' ich umher im wachen Traum. Früh und spat, du weisst es, nah und ferne Galt mein Denken, Dichten, Sehnen dich. Auf und unter gingen Mond und Sterne, Fanden voll von dir, und selig mich. Wahrlich, Ida, so von dir durchdrungen, So voll Andacht und Religion, Solche Opfer, solche Anbetungen Endlos spendend sonder Sold und Lohn, So verschenkt an dich, an dich vergeben, Ach, auf Gnad' und auf Barmherzigkeit, Liebt in diesem, liebt in jenem Leben, Liebt dich keiner mehr in Ewigkeit. Und, o Seligkeit von kurzer Dauer! Du auch liebtest mich. Dein knospend Herz Öffneten des Ahnens leise Schauer, Schütterte des Sehnens süsser Schmerz. Zartre Tinten färbten deine Wangen, Deine Augen sprachen zartern Sinn, Schwankend zwischen Zagheit und Verlangen, Mied den Träumer lang die Träumerinn. 3 S Doch dein Lied verrieth des Herzens Wunde. Deine Laute girrte süssen Schmerz — Und in unsrer trunkensten Sekunde Sankst du liebewimmernd mir ans Herz, Wandest los dich, flohst und sahst im Fliehen Auf den Trunknen weinend noch zurück, Blitze sah ich durch die Thränen sprühen. Binden Eyde wohl, wie so ein Blick? Und auch Eyde fehlten nicht dem Bunde. Lebend, sterbend, schwurst du mein zu seyn, Kamst in mancher unbelauschten Stunde, Unsers Bundes dich mit mir zu freun. In der Mitternächte heil'gem Grauen Warfst du sorglos dich in meinen Arm. Schöne Unschuld, rührendes Vertrauen, Du durchschauerst mich mit süssem Harm. Aber nun des Argwohns Lauerblicke Unsers Bundes heilge Nacht durchspähn, Nun mich Vorurtheil und Stolz und Tücke Hochverräther, Kirchenräuber schmähn, Soll ich Wort und Schwur zurück dir geben? Soll, von dir — von Licht und Luft verbannt, Einsam schleichen durch das dunkle Leben? Einsam irren an des Lethe Strand? Ida, Ida, dein mich werth zu zeigen, Böt' ich aller Bosheit Hohn und Spott, Und verschmähend mich dem Stolz zu beugen, Trotzt' ich Kerker, Ketten und Schaffott; Würde keck um dich mit Tausend hadern, Unverwandten Blicks zum Tode gehn, Und mit Ruh aus allen meinen Adern Mein wegfliehend Leben bluten sehn. Aber Ida jammert, Ida trauert Deine Feigheit, Weib, entmannet mich, Und den Schritt drob meiner Menschheit schauert, Thu' ich, und verlass' auf ewig dich. Deiner Eyde sey von mir entbunden. Sey, die du gewesen, froh und frey — Aber ach, durch wen soll ich gesunden, Wie entfliehn der schnöden Sklaverey? Ausgelöscht sind meine Flammenkräfte, Meines Geistes Sehnen abgespannt, Gar versiegt sind meiner Wurzel Säfte, Meiner Röhren Mark ist ausgebrannt. Fahret wohl, ihr schimmernden Entwürfe! Fahre wohl, süssschmeichelnder Betrug! Kelch, aus welchem ich Betäubung schlürfe, Sey geleert mit einem langen Zug! S 2 Nimm, Verzagte, denn, nimm alles wieder, Was ich Köstliches von dir besass. Deine Schleifen, Locken, Briefe, Lieder; Auch dein Herz nimm wieder, kannst du das. Lebe glücklich und damit die Ahnen Dein sich rühmen, o so freye ja Solche Farben nur und solche Fahnen, Die Arkona noch turnieren sah. Lebe glücklich. Wohl geziemts hienieden, Herzlos, seellos und glückselig seyn. Lebe glücklich; und wenn es dem Frieden Deiner Seele frommt — vergiss auch mein! Nicht so leicht fürwahr mag der vergessen, Der der Erde Edelstes verlohr, Wenig Mädchen traun! sind würdig dessen, Den der Mädchen Trefflichstes erkohr. Auch den Hefenrest von meinen Tagen Will ich dir und meiner Trauer weihn, Will des Schicksals Eigensinn verklagen, Und das Mitleid und die Tröster scheun. Brechen wird die Schwermuth meiner Jugend Kaum erschlossne Blüthen, mich geschwind Einer Welt entwinken, wo die Tugend Und das Glück in ewgem Kriege sind. Ruhig wahrlich, reuelos und müde Werd' ich in die enge Wohnung gehn! Langer Schlummer wird und tiefer Friede Um den früherhöhten Hügel wehn! Und wer weiss, ob nicht der immerwache Argwohn dann sein Meisterstück bereut, Ob nicht selbst die spätversöhnte Rache Ihrem Opfer dann ein Thränchen weiht. Selig, wessen Flug das Land erflieget, Wo der Seelen Scheidewand zerfällt; Wo sich Herz an Herz vertraulich schmieget, Und gesellig Geist zu Geist sich hält; Wo kein Vorurtheil die Treuen tadelt, Und kein Wahn sie auseinander reisst; Wo nur Güte hebt, wo Kraft nur adelt, Und der Trefflichste der Erste heisst! Die Erscheinung. I ch lag auf grünen Matten, An klarer Quellen Rand. Mir kühlten Erlenschatten Der Wangen heissen Brand. Ich dachte diess und jenes, Und träumte sanftbetrübt Viel Süsses mir und Schönes, Das diese Welt nicht giebt. Und sieh dem Hayn entschwebte Ein Mägdlein sonnenklar. Ein weisser Schleyer webte Um ihr nussbraunes Haar. Ihr Auge feucht und schimmernd Umfloss ätherisch Blau. Die Wimpern nässte flimmernd Der Wehmuth Perlenthau. Ein traurend Lächeln schwebte Um ihren süssen Mund. Sie schauerte, sie bebte. Ihr Auge thränenwund, Ihr Hinschaun liebesehnend, So wähnt' ich, suchte mich. Wer war wie ich so wähnend, So selig wer, wie ich! Ich auf sie zu umfassen — Und ach! sie trat zurück. Ich sah sie schnell erblassen, Und trüber ward ihr Blick. Sie sah mich an so innig, Sie wies mit ihrer Hand Erhaben und tiefsinnig Gen Himmel, und verschwand. Fahr wohl, fahr wohl Erscheinung! Fahr wohl! dich kenn' ich wohl! Und deines Winkes Meinung Versteh' ich, wie ich soll! — Wohl für die Zeit geschieden Eint uns ein schönres Band. Hoch droben, nicht hienieden Hat Lieb' ihr Vaterland. Das Andenken. F reund, in welchen fernen Regionen, Welchen sterngestickten Himmelszonen, Schwebst du itzt auf unerspähter Bahn? Schaust im ungeheuren Weltenraume Ebentheuer, welche selbst im Traume Kepler nicht, noch Galiläi sahn. Schwärmst du etwa mit des Strahles Schwinge Hie und dorthin in dem Schlangenringe, Den des Ew'gen Finger trägt und hält? Forschest lüstern nach dem Quell der Schwere, Schiffst auf Andromeden 's Nebelmeere Untersuchest Mira 's Wunderwelt? Landest itzt am Ufer der Hyaden , Itzt am Archipelag der Plejaden , Am Gestad' itzt des Eridanus ? Stürzest jetzt dich in des Kochab Gluthen, Schwimmst hinunter dann des Milchstroms Fluthen, Bis zum glorievollen Sirius ? Oder flüchtetest du wallfahrtmüde Zu des Angelsternes sicherm Friede, Pflegst auf seinem Söller stolzer Ruh? Siehst der Welten Labyrinthentänzen Sonder Stillstand, sonder Ziel und Gränzen In erhabener Bewundrung zu? Schwebe, wo du schwebst, in welchen Fernen, Walle, wo du wallst, auf welchen Sternen — Weiss ich doch, dein wonnetrunkner Blick Schauet oft aus jenen Glanzgefilden Wehmuthdämmernd nach dem blassen milden Mutterstern, der dich gebar, zurück, Wo du viermal sieben Sommer säumtest, Deiner Kindheit holde Träume träumtest, Deiner Jugend Auen froh durchflogst. Wo du lüstern aus dem Nektarbusen Der Natur, dem Honigmund' der Musen Freude, Freyheit und Begeistrung sogst; Wo des Wissens Kelch dich itzt erquickte, Itzt der Dichtung Zauber dich entzückte, Itzt der Ahnung Schauder dich durchdrang; Manch befreundet Herz sich an dich schmiegte, Manch verwandter Geist sich zu dir fügte, Mancher Arm vertraulich dich umschlang. Ja, ich weiss, du schaust mit sanftem Sehnen Oft hinunter nach dem Stern von Thränen, Aus des Empyräums heilger Nacht. Reifte doch dein Geist in seinen Strahlen, Wird doch dein in seinen stillen Thalen Lange noch mit Lieb' und Leid gedacht! Das Ermannen. E rmanne dich, mein Geist! Entraffe dich der Nacht, Die bleyern dich bedeckt. Der Schwermuth Trauer- tracht Beschämt das Rosenroth von Gottes schöner Welt. Mit Helden sey ein Held! Bist gegen Tausend du gleich klein und na- menlos; Bist du vor Tausenden doch herrlich auch und gross, Bist vor Zehntausenden trotz aller Quaal und Noth Begünstigt von dem Gott. Spannt deine Muskel nicht noch ungeschwäch- te Kraft? Schwellt deine Adern nicht die Woge Leiden- schaft? Giebt dem Begeisterten der Schönheit Genius Nicht manchen Liebeskuss? Liegt offen nicht vor dir des Wissens Blumen- flur? Drückt an ihr Herz dich nicht erbarmend die Natur? Nimmt dich die Freundschaft nicht in jedem Le- bensharm Sanfttröstend in den Arm? Ward nicht zur Letze dir das süsse Lied ver- liehn? Braust nicht dein Hochgesang daher gewitterkühn? Schmelzt nicht dein leisres Lied, das warm vom Herzen kam, Das Herz in süssen Gram? Gelang im Dunkeln dir nicht manche bessre That, Die keine Zeugen hier, die Zeugen droben hat? Hast du der ernsten Pflicht, die kalt der Neigung lacht, Nicht Opfer gnug gebracht? Sind dir nicht nah und fern die Guten hold und freund? Schmäht dich der Pöbel nicht? Sind Schurken dir nicht feind? Und schliesst nicht manches Herz, das nirgends halten kann, Sich liebend an dich an? Ermanne dich, mein Geist! Entraffe dich der Nacht, Die bleyern auf dir drückt. Der Schwermuth Trauertracht Lass jenem, dem der Born der Hoffnung gar ver- rann — Du aber, sey ein Mann! Nicht würdig deines Grams ist diese Spanne Zeit. Nicht deines Schmachtens werth ist die Vergäng- lichkeit! Wen Erdenlust entzückt, wen Erdengram verzehrt, Ist Hohngelächter werth! Im Strom der Jahre schmilzt des Busens hoher Schnee; Zu gelbem Krokos welkt des Halses Lilie; Der Lippen Rosenkelch wird ein verschrumpftes Blatt; Des Auges Blitz wird matt. Der Erde Ruhm ist Hauch, der durch die Luft verwallt; Der Erde Freundschaft Schall, der hohlem Fass' enthallt; Der Erde Ewigkeit währt Wendung einer Hand; Ihr Glaub' ist Ufersand. Die Sonne sinkt und steigt; einst wird ihr Bett ihr Grab. Der Himmel wirft sein Heer, wie dürre Blät- ter ab. Der Elemente Band zerfasert und zerstäubt. Das Ich, das Ew'ge bleibt! Es bleibt und schwingt getrost hoch über Wahn und Trug Des Staubes sich empor, erfleugt mit Adlerflug Der Wahrheit Flammenborn, der jeden Durst er- löscht, Und jede Makel wäscht; Erfleugt das schönre Land, wo keine Gier uns plagt, Wo keine Sehnsucht lechzt, und keine Reue nagt, Kein schnödes Vorurtheil das Herz von Herzen reisst — Ermanne dich, mein Geist! Empor Unsterblicher! verschmäh' den bunten Tand, Der Blödlinge entzückt! Erfleug das Vaterland! Durch Dulden und durch Thun erring' die bessre Welt! Mit Helden sey ein Held! Epilog. 5 T Der Schwan. Ein Gesicht. I ch ging der Warne schönbeblümten Strand Entlang. Wie duftet' er! Wie funkelte Sein blumiges Gestad' im sanften Strahl Der Abendsonne. Rechts beschattet' ihn Der stimmenvolle Hayn; ihn säumte links Das Gold des Waizens. Droben wölbte sich, Reinausgeheitert durch des Eurus Hauch, Der ewge Himmel, spiegelte sich treu Mit jeder Purpurwolke, die empor Aus Westen flattert', in der reinen Fluth. So spiegelt Gott der Herr sich selbst mit Lust In einer Menschenseele, die noch rein Und unverfälscht und gut und redlich ist. Ich lagerte mich an des Flusses Saum, Von Kalmus rings umduftet. Gottes Hauch Umsauste mich. — Da rudert' aus dem Schilf, Voll hohen Anstands, Adels, Majestät, Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar, Hervor ein königlicher Schwan. Er war Weiss angethan, so blendend weiss, als sey Sein glänzendes Gefieder aus dem Schaum Des Meers geblasen. Langsam rudert' er Und ernst einher. Sein melancholisch Haupt Auf seine reine Brust gesenkt. So fand Ich Iden einst das Auge thränenvoll, Den Schwanenhals auf ihre Schwanenbrust In stiller Schwermuth einsam hingeneigt. Ich lag und lauschte. Stille war umher: Die Sonne sank; die Lerche senkte sich Tiefkreisend auf ihr Nest im Waizenschlag; Und Gottes Odem hauchte leiser. — Horch! Da weht' es süss, wie Liebeslispel wehn, Und seeleschmelzend, wie ein Sterbelied, Das Heil'ge singen, über Strom und Flur. Ich schmolz in süsse Wehmuth. Zwar vernahm Ich nicht des Liedes Worte; doch sein Klang Durchschütterte mich mächtig, wiegte mich In tiefe Träumereyen ein. Ich sah, Ich hörte Mütter, die dem Grabe nah, Die Kinder ihres Herzens segneten, Und Jungfraun, die zu ew'ger Reinigkeit Sich Gott gelobten; Bräut' und Jünglinge, Die Lipp' auf Lippen ihren Lebensgeist Ins All der Liebe heiss ausathmeten. So däucht' es mir; so klang dem Schwärmenden Des Schwanes melancholischer Gesang. Und stiller ward der Schwärmer, lauschete Und athmete noch leiser, dass ihm nicht Des Liedes schwächster Laut entschlüpfte. — Schau! Da stieg ein Schwarm von Geyern, Kranichen, Von Störchen, Raben, Kibitz, und was sonst Unreinen Viehs im blauen Äther schwimmt, Lautkreischend in die Luft. Den klaren Tag Verdunkelte der Schwarm; des Schwarms Gekreisch. Sein Rufen, Krächzen, Klappern überschrie Des schönen Sängers schmelzenden Gesang. Und ich ergrimmt' im Geist. Unmuthig schwoll Das Herz im Busen mir, dass ungestraft Der dummen Kläffer höhnendes Geschrey Das heil'ge Lied verschrie; dass dem Gezücht Der geistigen Eunuchen, die, entmannt In Mutterleibe schon, dem Genius, Des Genius göttlichsten Ausblitzungen Hass und Verfolgung schwuren — dass der Brut Ihr kirchenschändend gottverläugnend Thun Auch auf Momente nur frommt' und gedieh. Ich irrt' entlang den blumenvollen Strand, Ertrat Violen und Vergissmeinnicht, Entrauft erzürnt dem wilden Rosenstrauch Sein grünes Haar, und streut' es in den Wind. Nicht so der Schwan. Gross, schweigend und in Ruh Des Selbstbewusstseyns rudert' er dahin. Sein Schneegefieder glänzte durch die Nacht Der Frevler rings um ihn, wie durch die Welt Voll Bosheit eine gute Seele glänzt. Dess grollten ärger noch die Frevelnden, Und neue Bosheit keimte, wuchs und reift' Im Hui! in ihrer neidgeschwollnen Brust. Sie brausten eilig zum verwandten Koth, Sie tauchten unter in den zähen Schlamm, Belasteten Schweif, Schnabel, Schwing' und Krall' Mit ekelhafter Beute, rauschten schwer Beladen auf, umstürmten links und rechts Den silberweissen Schwan, und schüttelten Und klatschten wüsten Schmuz — wie aus der Ess' Ein schwärzrer Brodem wirbelt, und die Luft Verdunkelt — nieder auf den reinen Schwan. Da wölkte sich sein blendendes Gewand, Die Lilienweisse der gewölbten Brust, Der klare Spiegel seiner Schwingen ward Entstaltet, wie durch Tück' ein schön Gesicht, Entadelt, wie ein Herz durch Bosheit wird. Und heisser noch ergrimmt' ich, tiefer noch Gekränkt, dass so verächtliches Gezücht, Zufrieden nicht, des Sängers hohes Lied Ruchlos verhöhnt zu haben, frecher itzt Auch seinen Leumund, seiner Sitten Zucht, Den lautern Sinn, das tadellose Thun, Des Geistes Einfalt und Rechtschaffenheit, Dreist zu begeifern sich erfrechen thät. Entrüstet wandelt' ich den Strand entlang. Ich schauet' auf zum amethystnen Dom, Ich nahm zum Zeugen solcher Ungebuhr 3 U Ihn, der das heil'ge Lied dem Menschen gab Zum Trost in seinen Mühen, ihn, der selbst Rein, schuldlos, makellos, des Reinen nur Sich annimmt, alles Trugs und Schmutzes Feind. Es fehlte wenig und ich forderte Heraus den Gott im rohen Ungestüm, Zurückzuschleudern die verruchte Brut In ihr Geklüft', zu rein'gen Licht und Luft Von ihrer Gegenwart Vorwurf und Quaal. Nicht so der Schwan. Gross, schweigend und in Ruh Der Unschuld tauchete der Herrliche Hinunter in die Fluth, verzog in ihr Von Athemzug zu Athemzug, und sieh! Nur schimmernder, nur reiner noch, denn vor, Enttauchet' er der Fluth. Hinweggespühlt War jeder Makel, jedes Schmuzes Spur. Die dummen Neider sahn ihn, rauschten auf In ihrer Ohnmacht knirschendem Gefühl, Und floh'n zum Aas im nächsten Thal zurück. Der Vogel Gottes aber schwamm getrost, Voll hohen Anstands, Adels, Majestät, Doch alles Dünkels, alles Wahnes baar, Hinab die blauen Fluthen. Angeweht Von Gottes Hauch, vom letzten rothen Strahl Des Tags umgoldet, rudert' er dahin In stillem Ernst. Sein melancholisch Lied Durchwallte fey'rlicher den dunkeln Forst, Und stillte siegend mein empörtes Herz. Erweicht, beschämt, genesen jeder Quaal Stand ich erröthend, wie der ferne West, Und thränend, wie der nahe Rosenbusch Im Abendthau — „Unsterblicher Gesang, Rief ich begeistert aus, zu dämpfen dich, Wie zu vermailigen des Sängers Ruf, Versucht umsonst der Neider dumme Wuth, Umsonst der Sykophanten Hohngeschrey. Sein Grimm verschnaubt und ihr Geschrey verstummt. Du aber, heil'ges Lied, des Gottes voll, Tönst nieder zu den Enkeln, rührst, entzückst, Und nennst des Sängers Namen, der vorlängst Verschwunden, der gerechtern Afterwelt. O süsse Gabe, rief ich inbrunstvoll Und sehnsuchtvoll, des Liedes Gabe sey Gewährt mir für das Leben! Öfter noch Heb' aus der Wirklichkeit beschränktem Kreis, Heb' über eitles Lob und schnöden Hohn', Heb' über alles, was den Sinn verwirrt, Und ängstiget den Geist, den Strebenden Hinüber in der Dichtung güldnes Land, Das Land der Fabel und des Ideals. O süsse Gabe! rief ich tiefer noch Erschüttert. Ruhig sank und grossgeaugt Die Sonne nieder. Feyernd lag umher Der Wald, die Flur, der Strand. Der klare Fluss Glitt purpurfarbig zwischen Blumen hin. Froh der Erscheinungen, von Licht und Glanz Durchstrahlt mein Innerstes, leis' angehaucht Von ungebohrner Lieder lindem Wehn, Schied ich erweicht von dannen und erstarkt!