Ueber die buͤrgerliche Verbesserung der Juden von Christian Wilhelm Dohm. Zweyter Theil. Mit Koͤnigl. Preußischer Freyheit. Berlin und Stettin, bey Friedrich Nicolai . 1783 . M it dem besten Grunde und ohne in die dem Plato vorgeworfene Suͤnde zu verfallen, koͤnnen in einer politischen Abhandlung selbst die unvermeidlichsten Hindernisse unberuͤhrt gelassen werden, um nur desto genauer zu be- stimmen, was seyn solte. Das ist schon ein Großes, das vollkommenste Principium zu wissen; Vorurtheil und Mißbrauch stehen dann in ihrer Bloͤße da, und man naͤhert sich, so viel man kann, dem Wahren, wenigstens entfernt man sich nicht mehr davon mit gu- tem Willen. Sind Worte des franzoͤsischen Staatsministers d’Ar- genson; s. deutsches Museum 1783, S. 102. Inhalt . Einleitung. uͤber Absicht und Plan dieser Fortsetzung S. 3 1. Hrn. Michaelis Beurtheilung des ersten Theils S. 31 2. Anmerkungen uͤber dieselbe von Hrn. Moses Mendelssohn S. 72 3. Hrn. Michaelis Beurtheilung von Manasseh Ben Israel S. 77 4. Hrn. Schwagers Gedanken S. 89 Auszuͤge aus Briefen S. 112 Hauptschrift. Pruͤfung der Gruͤnde, welche der Gleichmachung der Juden mit andern Buͤrgern des Staats uͤber- haupt entgegengesetzt sind. I. Das den Juden verliehene Buͤrgerrecht, die ihnen ertheilte Faͤhigkeit Land zu besitzen und sich zu naͤh- ren, wie sie koͤnnen, ist kein Unrecht fuͤr die Nach- kommen der aͤltern Buͤrger, ist wahrer Vortheil fuͤr diese. S. 154 II. Die in dem itzigen juͤdischen Religionsbegriff noch wirklich befindliche Vorurtheile, die trennende Unterscheidung von andern Menschen, die Erwar- tung eines Meßias und seines irrdischen Reichs, das Temperament der Juden sind keine unuͤber- windliche Hindernisse der buͤrgerlichen und sittli- chen Umbildung derselben. Alle religioͤse Lehrbe- griffe veraͤndern sich almaͤhlig nach den Beduͤrf- nissen des Staats, sobald ihre Bekenner zahlrei- cher und nur nicht gedruͤckt werden. Beyspiel des christlichen. S. 171 III. Fortgesetzte Beantwortung des Einwurfs, daß die Juden nicht zu Kriegsdiensten faͤhig seyn wuͤr- den. Wichtigkeit aber verschiedene Staͤrke dessel- ben in verschiedenen Laͤndern. S. 222 Unter- Untersuchung der wichtigsten Hindernisse , welche die Ausfuͤhrung des Plans zwar nicht unmoͤglich machen, aber doch sie sehr erschweren und be- schraͤnken koͤnnten. I. Schwierigkeit wegen des Ackerbaues. Sie ist nicht so groß als man sie vorstellt. An Land fehlt es nirgend, aber allenthalben mehr oder weniger an Haͤnden um es noch vollkommner, als bis itzt, zu benutzen. Die Concurrenz juͤdischer Land- bauer kann den christlichen nie schaͤdlich, muß ih- nen vielmehr vortheilhaft seyn S. 246 II. Schwierigkeit wegen der Handwerke. Urtheil uͤber die Zuͤnfte. Ungereimtheit der Ausschlies- sung wegen sogenannter unehrlicher Geburt. Mit- tel die Juden zu Handwerkern, entweder mit oder ohne Aufnahme in die Innungen, zu ma- chen. S. 266 III. Beweis, daß die Juden einen den Christen ab- gelegten Eyd nicht fuͤr unverbindlich halten. Widerlegung der Eisenmengerschen Gruͤnde fuͤr diese Anklage. S. 300 Nacherinnerungen. Verschiedene litterarische zu der Einleitung S. 349 Ueber die Deisten in Boͤhmen S. 363 Einlei- Einleitung . I ch bin so gluͤcklich gewesen, die Absicht, welche ich bey dieser Schrift mir vor- gesetzt, so vollkommen zu erreichen, wie es vielleicht nicht oft der Fall eines Schriftstellers seyn mag. Diese Absicht war keine andere als das Publikum auf einen sei- ner Aufmerksamkeit sehr wuͤrdigen, aber der- selben bisher entgangenen Gegenstand zu lei- ten und uͤber denselben, wo nicht durch eige- ne, doch durch veranlaßte Untersuchungen Anderer das Licht zu verbreiten, welches ich fuͤr das Gluͤck einer seit so vielen Jahrhunder- A 2 ten ten sittlich und politisch herabgewuͤrdigten Nation und fuͤr das Interesse der Mensch- heit uͤberhaupt so wie aller einzelner Staa- ten, nuͤtzlich hielt. Der gluͤckliche Zu- fall, daß ein erhabener Monarch gerade in eben dem Augenblick einen Versuch machte, den Juden einen Theil der Rechte des Men- schen und Buͤrgers wiederzugeben, da ich zu beweisen suchte, wie dieses eben so menschlich als politisch nuͤtzlich sey, — dieser mir sehr angenehme Zufall mußte natuͤrlich meiner klei- nen Schrift noch mehr Interesse geben, als meine Ausfuͤhrung ihr mitzutheilen faͤhig ge- wesen waͤre. Und so wurde mein Zweck uͤber meine Erwartung erfuͤllt. Ich habe den er- munterndsten Beyfall im hoͤherm Grade, als ich nach meiner Empfindung ihn verdiente, erhalten. Viele der erleuchtetsten und beß- ten meiner Zeitgenossen, — unter ihnen auch einige der erhabensten und allgemein geliebte- sten sten unserer Fuͤrsten — haben mir ihre Beystimmung zu meinen Grundsaͤtzen be- zeugt. Ich habe neue Untersuchungen scharf- sinniger Maͤnner veranlaßt, wie ich es wuͤnsch- te; ich habe Widerspruch erfahren, wie ich ihn voraus sah. Zum Theil ist mir derselbe hoͤchst willkommen und belehrend, zum Theil wenigstens nicht befremdend gewesen, da ich von dem tiefgewurzelten Vorurtheil ihn gera- de so erwartete. Die Gewohnheit macht oft, daß gewisse Dinge auf den gesunden Verstand und das Menschengefuͤhl auch mancher denkender und redlicher Maͤnner nicht solche Eindruͤcke ma- chen, als sie ihrer Natur nach sollten, — bloß weil diese Dinge schon lange, wie sie itzt sind, waren. Mancher ehrliche und ver- staͤndige westindische Plantagenbesitzer kann sich vielleicht gar keinen Begriff von einer A 3 Gesell- Gesellschaft machen, in der nicht einige Men- schen, aller ihrer Menschheit ohnbeschadet, von den Uebrigen wie das Vieh erbeigen- thuͤmlich besessen und behandelt werden. Und so sind auch unter uns viele aufgeklaͤrte, recht- schaffene Maͤnner der festen Meynung, daß das Wohl unserer buͤrgerlichen Verfassungen schlechterdings erfordere, die Juden nach Grundsaͤtzen zu behandeln, die sie gegen alle uͤbrige Menschen eben so unbillig als unpoli- tisch finden, die ihnen aber bey den Juden ganz in einem andern Lichte erschei- nen, bloß weil sie gegen diese schon seit Jahr- hunderten ausgeuͤbt worden. Solche Ge- wohnheitsideen muͤssen indeß sicher allmaͤhlich verschwinden, wenn man sich nur uͤberwin- den kann, eine genaue und strenge Pruͤfung derselben anzustellen, ihre Gruͤnde aufzusu- suchen, und besonders bis zu der ersten Ent- stehung derselben heraufzugehn. Das beste Mit- Mittel den Besitzstand eines Vorurtheils kraͤf- tig zu unterbrechen, ist, den Mitteln nach- spuͤren wie er erworben worden. Die Grund- saͤtze der gesunden Vernunft und des natuͤrli- chen Billigkeitsgefuͤhls treten alsdann wieder in ihre Rechte ein, und es giebt Wahrheiten, die nur gesagt und verstanden werden duͤrfen, um eine allgemeine Beystimmung zu erhal- ten. Manche derselben koͤnnen sogar denen, die von ihnen uͤberzeugt sind, so einleuchtend und klar scheinen, daß sie es uͤberfluͤßig und unnuͤtz halten, daruͤber sich oͤffentlich zu er- klaͤren; aber dieses hat denn gerade die Fol- ge, daß alle die mannichfachen Vorurtheile, Bestimmungen und Reservationen sich un- gestoͤrt bey dem groͤßern Theil erhalten und wenigstens die wirkende Kraft der im Allge- meinen anerkannten Wahrheit aufhalten. So mochten vielleicht manche Gelehrte zu Thomasius Zeit es fuͤr eine sehr uͤberfluͤßige A 4 Sache Sache halten, ernsthaft zu beweisen, daß es keine Hexen gebe; aber haͤtte jener ewig ruhmwuͤrdige Mann diesen Beweiß nicht ge- fuͤhrt, so waͤre vielleicht noch itzt manche un- schuldige Matrone nicht vor dem Scheiter- haufen sicher und manches Vorurtheil waͤre vielleicht noch unerschuͤttert, das erst nach dem Umsturz eines solchen Hauptpfeilers des Aberglaubens fallen konnte. — Das Ver- dienst Untersuchungen der Art zu veranlassen, ist also von Seiten der dazu gehoͤrigen Talen- te meistens klein, aber es kann fuͤr die menschliche Gesellschaft oft nuͤtzlicher und wohlthaͤtiger werden, als die scharfsinnigsten und muͤhsamstin Arbeiten der Gelehrten. Daß die Juden Menschen , wie alle uͤbri- gen, sind; daß sie also auch, wie diese , be- handelt werden muͤssen; daß nur eine durch Barbarey und Religionsvorurtheile veranlaß- te te Druͤckung sie herabgewuͤrdiget und ver- derbt habe; daß allein ein entgegengesetztes, der gesunden Vernunft und Menschlichkeit gemaͤßes Verfahren sie zu bessern Menschen und Buͤrgern machen koͤnne; daß das Wohl der buͤrgerlichen Gesellschaften erfodere, kei- nen ihrer Glieder den Fleiß zu wehren und die Wege des Erwerbs zu verschließen; daß endlich verschiedene Grundsaͤtze uͤber die Gluͤck- seligkeit des kuͤnftigen Lebens nicht in die- sem, buͤrgerliche Vorzuͤge und Lasten zu Fol- gen haben muͤssen: dieß sind so natuͤrliche und einfache Wahrheiten, daß sie richtig verste- hen und ihnen beystimmen, beynahe eins ist. Indeß so geneigt man auch seyn mag, diese Grundsaͤtze im Allgemeinen zuzugeben, so ist man doch einmal an die ihnen entgegengesetz- ten Meynungen schon so lange gewoͤhnt, und die denselben widersprechende Einrichtun- gen scheinen so innigst in unsre ganze Ver- A 5 fas- fassung verflochten, daß man sich nicht leicht uͤberwinden kann, sie so ganz fehlerhaft zu glauben; wenigstens duͤnkt es uns, daß Dinge, die schon so lange auf eine gewisse Art gewesen sind, nicht ohne die nachtheilig- sten Folgen wuͤrden anders seyn koͤnnen. Man nimmt also lieber in diesen besondern Faͤllen Ausnahmen von den Grundsaͤtzen an, deren Richtigkeit im Allgemeinen man nicht verkennen kann. Und allerdings hat es wohl fuͤr Jeden, der die Welt nicht bloß aus Buͤchern, son- dern so wie sie wirklich ist und seyn muß, kennt, seine nicht zu bezweifelnde Richtigkeit, daß alle oft auch noch so nuͤtzliche und nothwen- dige Abaͤnderungen in manchem einzelnen Lan- de und unter gewissen bestimmten Umstaͤnden Schwierigkeiten finden, die mehr oder min- der und oft gar nicht uͤberwunden werden koͤn- koͤnnen. Die mannigfachen Verbindungen, worinn die verschiedenen Staatseinrichtun- gen mit einander stehn, die gegenseitigen Ein- wirkungen derselben, machen dieß nothwen- dig. Wenige politische Reformen koͤnnen daher gerade so in bestimmten Laͤndern aus- gefuͤhrt werden, wie sie ein auch noch so gut entworfener Plan im Allgemeinen ohne auf Local-Hindernisse Ruͤcksicht zu nehmen, an- gegeben, und die genaueste Copie einer sehr vollkommnen politischen Verfassung in einem Staat kann in einem andern sehr fehlerhaft seyn und gerade die entgegengesetzten Folgen hervorbringen. Wenn der Arzt Panaceen die unter allen Umstaͤnden gleiche Wirkun- gen hervorbringen, verwirft, so hat der Po- litiker gewiß gleichen Grund sich gegen sie zu erklaͤren. Seine ganze Wissenschaft besteht in der genauesten Kenntniß der Umstaͤnde, unter denen er handeln soll, und der Erfor- schung schung der Mittel, die nach ihnen die besten sind. Einen großen Regenten oder seine weisen Rathgeber nachahmen , heißt nicht ge- rade thun , was sie thaten , sondern den Ver- stand beweisen , den sie in unsrer Lage be- wiesen haben wuͤrden . Aber Niemand wird hieraus die Folge ziehen, daß es nicht nuͤtzlich sey, gute Ein- richtungen in fremden Staaten zu kennen und zu studiren, oder allgemeine Plane zu poli- tischen Verbesserungen zu entwerfen. Nur muß man hier das Geschaͤft eines Jeden un- terscheiden. Der Ausfuͤhrer in einem beson- dern Lande muß die Modificationen zu finden wissen, die sein bestimmtes Local nothwendig macht; aber der Entwerfer, der Schriftstel- ler, der nicht einen besondern Staat im Au- ge hat, kann diese Modificationen nicht in seinen Plan bringen. Er darf es nicht weil sein sein und des Lesers Blick durch diese mannich- fache einzelnen Theile zu sehr aufgehalten und verwirrt wird. Jeder, wessen Geschaͤft ist, eine Sache im Großen zu uͤbersehn und zu bearbeiten, muß fuͤr den doppelten Fehler sich huͤten, das Detail nicht genug zu kennen, und daher unrichtige Abstractionen zu ma- chen, oder sich zu lange bey ihm zu verwei- len, und dem Theile die Aufmerksamkeit zu widmen, die nur dem Ganzen gehoͤrte. Wer einen allgemeinen Plan entwirft, darf nur die Schwierigkeiten, die in diesen Ein- fluß haben koͤnnen, berechnen, kleinere nur von besondern Umstaͤnden abhaͤngige, muß er uͤbersehn, wenn sie auch seinem Nachdenken entgegen kommen. Ihre Betrachtung zer- streuet ihn; sie heben sich von selbst, wenn das Ganze des Plans ausfuͤhrbar ist. Dem Schriftsteller, der einen politischen Plan ent- wirft, muß es also genug seyn, die Vorthei- le, le, welche derselbe in allen Staaten hervor- bringen muͤßte, und die allgemeine Moͤglich- keit seiner Ausfuͤhrung zu zeichnen, und nur Mittel anzugeben, wie die allgemeinsten und wichtigsten Schwierigkeiten zu uͤberwinden seyn duͤrften. Ich schmeichle mir diese Pflich- ten in meiner Schrift erfuͤllt zu haben, in der, nur in den Schranken des allgemeinen poli- tischen Unterfuchers mich zu halten, mein Zweck war. Ich wollte nach denselben nur uͤber die bessere Bildung der Juden fuͤr die buͤrgerliche Gesellschaft uͤberhaupt mei- ne Gedanken eroͤfnen, ohne auf diesen oder jenen Staat besondere Ruͤcksicht zu nehmen. Alle besondere Local-Hindernisse lagen ausser- halb meines Plans. Aber ein wesentlicher Nutzen, den ich mir von meiner Schrift ver- sprach, war dieser, daß andere denkende Maͤnner veranlaßt wuͤrden, diese besondere Hindernisse und Schwierigkeiten einzelner Laͤn- Laͤnder oder auch allgemeinere, als ich geglaubt hatte, genau darzustellen und die Mittel, ihnen zu begegnen, entweder selbst anzuzei- gen oder hiezu wieder Andern Gelegenheit zu geben. Je genauer, strenger, vielseitiger eine politische Materie in allen ihren Theilen, mit allen Beziehungen, deren sie faͤhig ist, auf - gehellt, je mehr sie bis in ihre einfachste Ele- mente aufgeloͤßt wird; desto besser fuͤr die Wahrheit und das Wohl der Menschheit, und nur diese waren mein Ziel, unbekuͤm- mert ob ich selbst oder Andre, deren Lauf ich veranlaßte, ihm naͤher geruͤckt seyn moͤchten. Mehrere wuͤrdige Maͤnner haben gerade auf diese Art, wie ich es wuͤnschte, meine Untersuchungen weiter fortgefuͤhrt, sie ge- nauer bestimmt, berichtigt und auch mir zum neuen neuen Nachdenken Stoff gegeben. Wenn das Resultat desselben, welches ich hier mittheile, ei- nigermassen erheblich gefunden werden sollte; so ist dieß das Werk der einsichtsvollen und er- leuchteten Maͤnner, welche theils auf meine Bitte und aus persoͤnlicher Freundschaft, theils aus reiner Wahrheitsliebe und ohne daß ich Ihnen bekannt zu seyn, vorher das Gluͤck hatte, mir Ihre Gedanken uͤber meine Schrift mitzutheilen die Guͤte gehabt haben. Es ist dieses zum Theil in Privatbriefen geschehen; aus verschiedenen derselben finde ich es rathsam diejenigen Stellen, welche Anmerkungen uͤber mein Buch enthalten, hier mitzutheilen, da die eignen Worte so verschiedener, denkender Maͤnner ihre Ge- sichtspunkte und Ideen deutlicher und ge- treuer darstellen werden. Ich will dabey noch bemerken, daß die meisten Verfasser die- ser Briefe Maͤnner von Geschaͤften sind. Un- sere sere zahllosen Journale und gelehrten Blaͤtter haben meistens nicht Raum zu ausfuͤhrlichen Beurtheilungen neuer Buͤcher. Die mei- sten haben das meinige nur zu guͤtig angezeigt, viele, auch einzelne Bemerkungen gemacht, die ich mit Dank erkenne und von denen keine, die mir zu Gesicht gekommen, bey mir unge- nutzt geblieben ist. Aber zwey meiner Be- urtheiler sind vorzuͤglich recht tief in das Ganze meiner Ideen eingegangen; sie haben mit mir fortgedacht, die Moͤglichkeit der Ausfuͤhrung meines Plans erforscht, die Schwierigkeiten, die ihm entgegen stehn, abgewogen, mich und das Publikum belehrt und vorzuͤglich Stoff zum weitern Nachdenken geliefert. Der eine dieser Maͤnner ist der Herr Ritter Mi- chaelis welcher in dem 19ten Theile seiner Orientalischen Bibliothek eine ausfuͤhr- liche Beurtheilung meiner Schrift gegeben hat; der andere, der Verfasser der Recension B in in der allgem. deut. Bibl. L ter B. I. St. S. 301. Letztern bezeichnen seine Bemerkungen als einen Mann von vieler practischen Ge- schaͤftskenntniß, die er mit einem hohen Gra- de von Scharfsinn und Menschlichkeit verbin- det. Seine Beurtheilung ist gerade eine sol- che, wie ich sie mir wuͤnschte. Die Art, wie er Schwierigkeiten scharfsinnig bemerkt, be- weiset sein Verlangen sie gehoben zu sehen, und sein Widerspruch hat mir die groͤßte Ach- tung fuͤr ihn eingefloͤßt. Ich werde auf den- selben vorzuͤglich Ruͤcksicht nehmen, und ich ersuche alle meine Leser, diese Beurtheilung mit Aufmerksamkeit zu lesen, ehe sie mit mir weiter fortgehen. Die Beurtheilung des Hrn. Ritter Mi- chaelis ruͤcke ich hier ganz ein, da sie in ei- nem nur fuͤr orientalische Gelehrte bestimmten Journal wahrscheinlich den wenigsten Lesern mei- meiner Schrift so bekannt werden duͤrfte, als sie verdient. Ich bin diesem beruͤhmten Ge- lehrten fuͤr die Aufmerksamkeit, der er meine Schrift wuͤrdigen wollen, und fuͤr die vielen scharfsinnigen Bemerkungen den verbindlich- sten Dank schuldig, und meine Hochachtung fuͤr seine gelehrten Verdienste ist dadurch noch vermehrt worden. Ich fuͤge diesen Beurthei- lungen noch eine dritte bey, welche der schon durch mehrere Schriften bekannte Hr. Predi- ger Schwager in den Mindenschen In- telligenzblaͤttern geliefert hat, und die mir besonders wegen der guten practischen Bemer- kungen einer weitern Bekanntmachung sehr werth schien. Ausserdem hat meine Schrift auch noch zwey andere sehr wichtige und schaͤtzbare ver- anlaßt, den Anhang welchen Hr. Moses Mendelssohn in seiner vortreflichen, wei- B 2 sen sen Vorrede zu Manasseh Rettung der Juden geliefert und die Anmerkungen von J. C. U. (Hr. Prof. und D. Unzer ) welche zu Altona herausgekommen sind. Ich em- pfehle beyde Allen, denen sie bisher unbekannt geblieben seyn moͤchten, und denen diese Ma- terie der genauern Untersuchung werth scheint. Alle die wuͤrdigen Maͤnner, die ich bis- her genannt, stimmen mit mir in dem Grund- satze uͤberein, daß die Juden, Menschen, wie wir uͤbrigen, auch sind; sie glauben mit mir, daß ihre Verderbtheit und Herabwuͤrdi- gung wenigstens vorzuͤglich von den aͤussern Umstaͤnden, in denen sie sich bisher befunden, herruͤhren, und daß es hoͤchst wichtig sey, sie zu bessern und gluͤcklichern Menschen, zu brauchbarern Gliedern der Gesellschaft zu ma- chen. Nur uͤber die Moͤglichkeit diese ungluͤck- liche Nation so umzubilden und uͤber die Mit- tel tel der Ausfuͤhrung denken sie mehr oder weni- ger von mir verschieden. Mit diesen Maͤn- nern kann ich also die Untersuchung weiter fort- fuͤhren, mich naͤher erklaͤren, das vorher Ge- sagte genauer entwickeln, bestimmen, das Un- richtige verbessern kurz entweder ihre Ideen zu den meinen, oder meine zu den Ihren ma- chen, — auch vielleicht die Wahrheit in der Mitte von beyden finden. Sonderbar genug habe ich aber auch Geg- ner gefunden, welche jenen Grundsatz von der allgemein gleichen Beschaffenheit der menschlichen Natur nicht anerkennen, welche die Juden — gewiß ein fuͤrchterlicher Gedan- ke — fuͤr unverbesserlich , fuͤr Geschoͤpfe halten, die durch ihre unabaͤnderliche Natur dazu bestimmt sind, immer und ewig dem uͤbrigen menschlichen Geschlecht Schaden und sich selbst sittliches und politisches Elend zu B 3 berei- bereiten, die nur gerechter Zwang und Druck anhalten kann, das mindeste Boͤse zu thun. Mit diesen Gegnern kann ich nicht streiten; unsere Principia sind einander so gerade ent- gegen, daß unsere Resultate sich nie naͤhern koͤnnen. Wenn diese Maͤnner Recht haben, so muß man die Juden von der Erde vertil- gen, damit sie nicht laͤnger, ein redender Ein- wurf, der weisen Guͤte Dessen widerspre- chen, der sie gemacht und bisher geduldet hat. Eine Versperrung dieser ungluͤcklichen Ab- art des Menschengeschlechts (einer unbegreifli- chern als aller, die der Naturkuͤndiger bisher aufgezaͤhlt hat) auf eine wuͤste Insel ist viel- leicht schon eine Verletzung der Selbsterhal- tung, welche der groͤßere Theil des menschli- chen Geschlechts sich schuldig ist. Leider! muß ich unter diesen Gegnern auch einen sonst achtungswuͤrdigen Gelehrten be- mer- merken, den Beurtheiler meiner Schrift in den Goͤttingischen gelehrten Anzeigen (Zug. 1781. St. 48.) Er beantwortet meine Frage: „Ob es nach den allgemeinen „Gesetzen der menschlichen Natur moͤglich „sey, daß der Jude, wenn ihm gleiche La- „sten und Rechte mit seinen Mitbuͤrgern be- „willigt wuͤrden, diese noch immer so wie itzt, „unter so ganz verschiedenen Umstaͤnden, has- „sen werde?“ bejahend , weil der Jude, Jude sey. — Alles also, was Erziehung, Aufklaͤrung, aͤussere Lage sonst vermoͤgen, ist bey ihm umsonst. Ich gestehe, daß ich mir von einer durchaus unverbesserlichen Menschen- Ra ç e (denn von Individuis ist natuͤrlich die Rede nicht, und ich habe selbst die Folgen der mildern Behandlung der Ju- den erst auf die kuͤnftigen Generationen be- stimmt) keinen Begriff machen kann; sie scheint mir ein Widerspruch wider alle Psy- B 4 cholo- chologie, wider alle Geschichte und Erfah- rung. — Eben dieser Gelehrte fuͤhrt die Sehnsucht der alten Israeliten nach den Fleischtoͤpfen Egyptens als einen Grund an, um ihre heutigen Nachkommen der Rechte des Menschen und Buͤrgers un- wuͤrdig und ihrer Pflichten unfaͤhig zu hal- ten. — Einem solchen Argument kann ich freylich nichts entgegensetzen, nur wuͤnsche ich uns uͤbrigen Europaͤern Gluͤck, daß unsere Geschichte nicht so weit hinaufgeht, und man wenigstens nicht so alte Thorheiten unserer Vorfahren uns zum Verbrechen rechnen kann. Aber wie groß muß noch die Macht des Vor- urtheils seyn, da es in einem so hellen Kopfe noch solche fast unglaubliche Spuren zuruͤck- gelassen hat. Eine ausfuͤhrliche dieser Materie gewid- mete Schrift: Unter- Untersuchung ob die buͤrgerliche Freyheit den Juden zu gestatten sey von F. S. Hartmann. Berlin 1783. 8. hat meine Erwartung getaͤuscht. Da sie nach der meinigen erschien und auch derselben vorzuͤglich entgegen gesetzt ist, so haͤtte ich gewuͤnscht, daß der Hr. Verfasser Gruͤnde und Gegengruͤnde unpartheyisch und strenge gepruͤft, das Fehlerhafte meiner Vor- schlaͤge entwickelt und bessere an ihre Stelle gesetzt haͤtte. Er hat dieß nicht gethan, und nach meiner Einsicht, die Untersuchung nicht weiter gebracht, da die erheblichen Einwuͤrfe schon von andern mit weit mehr Staͤrke und Bestimmtheit dargestellt sind. Seine Ideen duͤnken mich noch nicht entwickelt und hell ge- nug zu seyn, und ich verzeihe es ihm daher gern, daß er mich unaufhoͤrlich mißversteht, den Geist meiner Schrift ganz verfehlt und mir Be- B 5 haup- hauptungen Schuld giebt, an die ich nicht gedacht habe und nach dem ganzen Zusam- menhang meiner Grundsaͤtze und nach dem gesunden Menschenverstande unmoͤglich den- ken konnte So z. B. ist Hr. H. S. 133 um nur das ge- lindeste Wort zu gebrauchen — uͤbereilt — ge- nug, mich zu beschuldigen, „ich haͤtte die ab- „scheuliche Gewohnheit der Juden , ihre „Todten am Sterbetage zu begraben und damit „viele Lebendige dem grausamsten Tode zu uͤber- „liefern vertheidigt, weil es eine alte Sitte und „Statut sey.“ Natuͤrlich gehoͤrte, wer dieß be- hauptete, ins Irrhaus. Wer wollte also gegen eine solche Beschuldigung sich rechtfertigen? Von der ersten bis zur letzten Seite meiner Schrift steht kein Wort von dieser abgeschmackten juͤdi- schen Gewohnheit, weil mein Plan nicht war, alle gute und boͤse Gebraͤuche der Juden zu un- tersuchen. . Ich verlasse mich hierinn ge- trost darauf, daß mein kleines Buch da ist, und daß billige Leser mich nur nach dem, was ich ich wirklich gesagt habe, nicht nach dem, was ein Dritter sagt, daß ich gesagt haͤtte, beurthei- len werden. Beleidigender ist es mir aufge- fallen, daß Hr. H. in seiner ganzen Schrift Abneigung und Haß gegen die ungluͤckliche Nation zeigt, wovon doch ein unpartheyischer Wahrheitsforscher sich vorzuͤglich rein halten sollte; daß er von ihren Vertheidigern (wie er sie nennt) die ihm doch nichts gethan ha- ben, als daß sie nicht der Meynung des Hrn. H. sind Wenigstens habe ich vor Erscheinung dieser Schrift Herrn H. auch nicht dem Nahmen nach gekannt, also ihn durch nichts beleidigen koͤn- nen, als daß ich meine Meynung gesagt, die nicht die seine war. , immer in einem beleidigenden Tone spricht, und daß er uͤberall nicht mit dem Ernst und Wuͤrde redet, die eine Ma- terie fodert, welche fuͤr die Menschheit so wichtig ist. Zu dem Letztern rechne ich auch das das Spoͤtteln uͤber gewisse Geschichten der al- ten juͤdischen Nation, die mit einer Untersu- chung uͤber die buͤrgerliche Besserung der itzi- gen Juden gerade so viel Verbindung haben, als die Begebenheiten unter Koͤnig Numa mit Polizeyanstalten fuͤr die heutigen Roͤmer. Eine in Prag mit ausdruͤcklich auf dem Titul bemerkter Bewilligung der K. K. Cen- sur gedruckte Schrift: Ueber die Unnuͤtz- und Schaͤdlichkeit der Juden im Koͤnigreiche Boͤ- heim und Maͤhren. verdient kaum eine Erwaͤhnung. Sie ist nichts als ein Gewebe poͤbelhafter Schimpf- reden in dem niedrigsten Tone ausgeschuͤttet. Chronikenmaͤßig zaͤhlt der V. Brunnenver- giftungen, Aufruhr und Verjagung Der Verjagung der Juden aus Boͤhmen im Jahr 1744, die ich in meiner Schrift S. 96 be- merkt, der Juden Juden her, giebt ihnen alles Ungluͤck seines Vaterlandes Schuld und haͤuft die haͤrtesten Vorwuͤrfe gegen die ungluͤcklichen Hebraͤer ohne um die Ursachen derselben, wenn sie auch in Manchem gegruͤndet seyn moͤgen, sich zu bekuͤmmern. Ich finde es indeß gar nicht unrecht, daß es erlaubt worden, diese Schrift zu drucken, nur wundert es mich ein wenig, daß eine Censur , die noch so viele der vor- treflichsten deutschen Schriften von den oͤster- reichischen Graͤnzen abhaͤlt, die, aller so sehr gepriesenen Preßfreyheit ohngeachtet, nur all- maͤhlig auf besonderes Ansuchen, einzelnen klassischen Werken den Eintritt und die Allge- meine merkt, erwaͤhnt der Verfasser auch, und giebt Verraͤtherey als ihre Ursache an, aber ohne den mindesten Beweis derselben zu fuͤhren, so wenig als er einen Grund anfuͤhrt, warum er die Regierung tadelt, welche im folgenden Jah- re die Unschuld der Juden erkannte und sie zuruͤckrief. meine deutsche Bibliothek nur continuan- tibus erlaubt, — daß eben diese Censur bey ei- ner so elenden, auf die Unterhaltung menschen- feindlicher Gesinnungen abzweckenden Schrift ihre Bewilligung ausdruͤcklich zu erklaͤren gut gefunden hat. — Ich liefere nun zuerst die Anmerkungen wuͤrdiger Maͤnner uͤber meine Schrift und denn diejenigen, zu denen diese und andere vorher angefuͤhrte Beurtheilungen mich ver- anlasset haben. 1. Hr. 1. Hr. Ritter Michaelis Beurtheilung. Ueber die buͤrgerliche Verbesserung der Ju- den von Christian Wilhelm Dohm. E in wichtiges und sehr wohlgeschriebenes Buch (dis sagt einer, der in vielen Stuͤcken verschie- den denket) daß die Absicht hat, den Juden voͤllig gleiche Buͤrgerrechte mit uns in unsern Staaten zu verschaffen. Herr Kriegesrath Dohm glaubt, die Moral des juͤdischen Volks koͤnnte, wenigstens in drey bis vier Menschenaltern, wenn sie nicht so un- terdruͤckt, und dabey blos auf die Handlung einge- schraͤnkt wuͤrden, sondern ihnen alle Gewerbe offen staͤnden; gebessert und das Volk allgemeinnuͤtzlicher werden. Diese moralische Besserung eines ganzen Volks, das unter uns wohnt, wuͤrde Guͤte und Menschenliebe seyn, dabey aber auch wahre Politik, denn auf Bevoͤlkerung und Reichthum des Staats beruhe seine Macht, man suche, oft mit großen Ko- sten, die Volksmenge durch Colonisten zu vermehren, die die aber gemeiniglich wieder davon giengen: es sey ja besser, einem thaͤtigen und nahrhaften Volk, das man schon im Lande hat, und sich sehr vermehret, Acker einraͤumen, und seine Vermehrung auf keine Weise einschraͤnken oder hindern. Dabey gehet seine Absicht nicht eigentlich auf die reichen Juden, die werden, wie er selbst bemerkt, noch so ziemlich aufge- nommen, den Armen hingegen selbst der Sitz im Lande verweigert; sondern gerade auf diese Armen, die doch brauchbare Haͤnde haben, und eben so gut, als wir, Menschen sind. Dis unterscheidet seine Schrift sehr von dem in England vorgewesenen Na- tionalisations-Project, von dem ich freilich glaube, es wuͤrde nun schon schaͤdliche Folgen haben, wenn es nicht wiederrufen waͤre: auch faͤllt dadurch der Verdacht weg, daß dis eine von reichen Juden be- zahlte Schrift sey, und wenn Herr D. der Advocat des aͤrmern Theils der Juden mit Vorbeygehung der reichen wird, so kann man wohl nicht anders den- ken, als er schreibt aus Ueberzeugung. Nach dieser kurzen Ueberblickung des Ganzen gehoͤrt, wie jeder sieht, dis Buch nicht sowohl in eine orientalische, als politische Bibliothek, die ausser meinem Gesichtskraiß ist: weil aber verlangt ward, daß ich meine Meynung daruͤber sagen sollte, (et- wan wan aus dem Zutrauen, daß ich die juͤdische Religion genauer kennete, oder, weil ich uͤber das Mosaische Recht geschrieben habe) sagen, ob in der Verfassung und Religion des juͤdischen Volks etwas sey, das Herrn D. Vorschlag unthunlich machte, oder beguͤn- stigte, so thue ich es freymuͤthig, aber zugleich mit der zweifelnden sorgfaͤltigen Aufmerksamkeit, die die Wichtigkeit der Sache erfodert: denn es ist moͤglich daß Staͤrke oder Schwaͤche großer Reiche von dem den Juden ertheilten vollem Buͤrgerrechte die Folge sind, aber langsam, und denn unhintertreiblich. Nur recensire ich das Buch nicht eigentlich, gebe nicht einen vollstaͤndigen Auszug, sondern meine Meynung, und wer die verstehen will, muß es selbst lesen. Zuvoͤrderst einige Hauptsaͤtze, in denen wir ei- nig sind, und die in das folgende Einfluß haben. Herr D. gestehet aufrichtig, was bisweilen ei- nige Vertheidiger der Juden nicht zugeben wollen, daß das juͤdische Volk lasterhafter und verdorbener sey, als andere Europaͤer: allein er sucht die Ursache davon in den Umstaͤnden, in denen es lebt, verach- tet, gedruͤckt, und gezwungen fast blos von der Handlung zu leben. Herr D. kann schwerlich wis- sen, wie genau wir hier uͤbereinstimmen, und daß C ich ich eben dis vor 30 Jahren a n einer Stelle, die ich selbst nicht einmahl wieder auffinden kann, in den Goͤttingischen gelehrten Anzeigen gesagt habe. Ich will meine Meinung sagen, wie ich sie damals hatte, und noch jetzt habe; sie geht aber noch um einen Schritt weiter, als Herrn D. seine, der von Be- truͤgereyen der Juden redet. Daß die Juden lasterhafter sind als, wenigstens wir Deutschen, zeiget sich am staͤrksten aus den Die- bes-Inquisitions-Acten. Vielleicht die Haͤlfte der zu den Diebesbanden gehoͤrigen, oder doch um sie wis- senden, sind Juden, und schwerlich machen die Ju- den den fuͤnfundzwanzigsten Theil der Einwohner Deutschlands aus: giebt nun dieser 1/25 Theil eben so viel Spitzbuben, als die ganze deutsche Nation aufstellen kann, oder gar noch mehr, so folget, daß die Juden, wenigstens in Absicht auf dis Laster, das wir fuͤr das niedrigste halten, 25 oder noch mehr mal lasterhafter sind, als andere Einwohner Deutsch- lands. Aber die Sache laͤßt sich auch gar wohl be- greifen: ein Volk das, nicht blos von Handlung, (das waͤre meiner Meynung nach nicht gefaͤhrlich, denn der grosse Handel macht ehrliche Leute, de- ren Wort wie baar Geld ist, und hierin bleibe ich einen Schritt hinter Herr D. zuruͤck, der von Hand- lung lung Ich habe doch S. 106 den Einfluß der Beschaͤfti- gung bey dem großen und kleinen Kaufmann deut- lich unterschieden. D. uͤberhaupt redet) sondern von der kleinen Hand- lung leben muß, noch dazu von der Troͤdelhandlung, bey der taͤglich die Versuchung eintritt, gestohlne Waare zu kaufen, wird lasterhafter werden als wir, sonderlich, wenn bey ihm dadurch, daß er sich alle Verachtung gefallen lassen muß, die Ehre ganz aus- geloͤschet wird. Man nehme einem die Ehre, und das noch dazu einem Armen, fuͤr den sein Vermoͤ- gen nicht Geissel stellt, so hat man den vollkommen- sten lasterhaften, den hominem perditum der Lateiner. — — Auch noch diese Anmerkung sey mir erlaubt: die sehr lasterhaften, die haͤufigen Genossen der Spitzbubenbanden, findet man im juͤdischen Volk meistens nur unter den Armen, wenigstens armge- bohrnen, wenn sie sich auch durch ihren Zusammen- hang mit grossen Spitzbubenbanden so viel Reich- thum erwerben, daß hernach fromme christliche Fuͤr- sten ihnen fuͤr einige tausend Thaler Schutz gegen auswaͤrtige Inquisitionen verleihen: aber wirklich unter reichen, das ist reichgebohrnen Juden, oder auch nur unter mittelmaͤßigen, findet man selten die- selbe Lasterhaftigkeit. Sie ist also wohl bey jenen desto klaͤrer Folge der tiefen Armuth, die schon nach C 2 der der Bibel (Spruͤche Sal. 30, 8. 9.) und nach den Erfahrungen der Vorsteher der Armenkassen, gar nicht der Weg zur Tugend seyn soll. Auch in dem bin ich mit ihm einig, was er S. 91 und 92 von der vortheilhaften Seite des Na- tionalcharacters der Juden sagt, wiewohl einiges vom Scharfsinn in Handlungssachen auf das curis acuens mortalia corda, auf ihre jetzige Unterdruͤckung zu rechnen ist, und wegfallen wuͤrde, wenn sie bequemer leben koͤnnten. Ich setze nur noch eins hinzu: die Juden haben sehr viel Nationalstolz, wozu ihr Begriff von sich als dem Volke Gottes wol nicht wenig beytraͤgt, ich will aber auch nicht widersprechen, wenn man einen Theil davon auf das Temperament der Nation, das un- veraͤndert bleibt, weil sie sich nicht mit andern ver- mischt, rechnete. Dis ist nun wieder kein veraͤcht- licher Character, eine Nation soll sich selbst schaͤtzen: aber es hat auch eine widrige Seite, und der groͤßte Theil der Juden wird unertraͤglich, sobald er zu Eh- ren kommt. Es giebt Ausnahmen, ich habe selbst sehr bescheidene Juden von grossen Mitteln gesehn: aber sie sind doch selten. In den Jahren, da die Franzosen zu Goͤttingen waren, und Generals, auch der strenge aber grosse de Vaux, auch Mar- schaͤlle schaͤlle von Frankreich, jedem mit Hoͤflichkeit zuvor kamen, besuchte uns einmal ein bey der Armee ge- brauchter beruͤhmter Jude, (aus Schonung nenne ich ihn nicht) und der dankte nicht, wenn ihn die hiesigen Professoren gruͤsseten. Dieser Theil des Na- tionalcharacters hat nun in die voͤllige Naturalisation der Juden wenigstens so fern einen Einfluß, daß der Landesfuͤrst gegen seine angebohrnen Buͤrger hart handeln wuͤrde, den Juden vornehme Bedienungen anvertrauete, oder sie nur deren auf die Zukunft faͤ- hig machte. Durch und durch zeiget sich, daß Herr D. gar nicht, wie wol einige andere, solchen Juden meh- rere Rechte zu verschaffen sucht, die blos dem Na- men und Geburt nach Juden sind, von der juͤdi- schen Religion aber nichts glauben, wie man es nen- net, Deisten, aber auch vielleicht das nicht sind. Auch hierin stimme ich sehr bey: wenn ich einen Ju- den, wol eigentlich zum Affront seiner Religion, Schweinefleisch essen sehe, so ist es mir, der ich nicht in sein Herz blicken kann, unmoͤglich, mich auf seinen Eid zu verlassen; beym Juden Eide ist schon ohnehin seit 1800 Jahren so viel zu erinnern gewesen, wenn er aber nicht einmal die juͤdische Re- ligion glaubt, und dis, wo es niemand zu wissen C 3 verlangt, verlangt, oͤffentlich ausruft, wie kann man wissen, was er vom Eide denkt? ob er uͤberhaupt glaubt, daß Gott den Eid annimmt, und irgend in einer Welt, dieser oder jener, den Meineid straft? Ist dis der seltene Fall bey einem einzigen, so ist das Ungluͤck nicht so groß, und bey einem wichtigen Proceß wuͤr- de allenfalls der Advocat gegen den Eid eines solchen Juden Einwendungen machen und gehoͤrt werden: gienge es aber in die Hunderte und Tausende, so wuͤrde es grosse Haͤrte gegen unsere alten eidfuͤrchti- gen Buͤrger seyn, ihnen Fremde, auf deren Eid man sich nicht verlassen kann, gleich zu machen, denn zu diesem Gleichmachen gehoͤrt doch vorzuͤglich die Gleich- heit im Gericht, und daß des neuen Buͤrgers Eid so viel gelte, als des alten seiner. Auf die Weise hat Herr D. schon sehr vielen Ein- wendungen vorgebeuget, die man gegen seinen Vor- schlag machen koͤnnte. Auch in dem gebe ich ihm Recht, was er gegen Eisenmengers entdecktes Ju- denthum sagt, darnach er die Juden nicht beurtheilt haben will. Ich halte Eisenmengers entdecktes Ju- denthum fuͤr ein gelehrtes, aus vielem Fleiß und gros- ser Belesenheit entstandenes Buch, und ich lerne daraus sehr oft, wenn ich nachschlage: aber dabey ist es aͤusserst feindseelig und ungerecht, und wenn einer gegen gegen eine der drey im roͤmischen Reich eingefuͤhrten Religionen etwas dergleichen schriebe, so wuͤrde man es eine Laͤsterschrift nennen. Wie wenn einer ein entdecktes Pabstthum oder Lutherthum schreiben, und mit Vorbeylassung des Guten, wohl der allge- mein angenommenen Saͤtze, und der Widerspruͤche gegen Irrthuͤmer, alles auszeichnen wollte, was je- mals irgend einem der schlechtesten Schriftsteller ent- fahren, oder, was beym Disputiren unter Gelehr- ten auch nur muͤndlich einmal gesagt ist? Was man alsdenn den Catholiken schuld geben koͤnnte, daran doch ihre Religion unschuldig ist, weiß ein jeder: aber gewiß wir Lutheraner wuͤrden eben so schlecht wegkommen, und so wenig im roͤmischen Reich Dul- dung verdienen, als die Muͤnsterischen Widertaͤufer. Was auch Herr D. wegen der Anfuͤhrungen aus dem Talmud S. 22 sagt, ist richtig, und ich will es lieber deutlicher und vollstaͤndiger mit eigenen Wor- ten sagen. Im Talmud findet man die Meinungen verschiedener Rabbinen uͤber einerley Sache ange- fuͤhrt, sie widersprechen und disputiren oft mit ein- ander, da ist nun nicht gleich alles, was Eisenmen- ger aus dem Talmud buchstaͤblich anfuͤhrt, Glaube und Lehre des ganzen juͤdischen Volks, nicht einmal des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die C 4 Karai- Karaiten nehmen ihn bekanntermassen nicht zur Er- kenntnißquelle an) sondern nur einiger Lehrer. Je- der vernuͤnftige und mittelmaͤßig gelehrte Leser der Bergpredigt weiß das: sie ist der boͤsen Moral der Pharisaͤer entgegengesetzt, aber nicht aller, denn es gab auch besser denkende Pharisaͤer, daher findet man bey den Commentatoren, die das N. T. aus dem Talmud und Rabbinen erlaͤutert haben, zwar Stellen angefuͤhrt, in denen die gottlosen von Chri- sto bestrittenen Saͤtze stehen, aber auch wieder an- dere, die gerade Christi Moral, bisweilen fast mit eben den Worten enthalten. Nach so mancher Beystimmung in Hauptsachen werden meine Leser vermuthen, daß ich von der Na- turalisation der Juden voͤllig so denken werde, als Herr Dohm: das thue ich aber doch nicht, und nun muß ich auch meine Zweifel sagen. Das Gesetz Mosis sieht Herr D. (zugleich mit Anfuͤhrung meines Mosaischen Rechts) als vortref- lich an, und glaubt nicht, daß es etwas menschen- feindliches enthalte, oder den Juden Haß gegen an- dre Voͤlker einpraͤgen koͤnne. Niemanden wird er hier mehr auf seiner Seite haben, als mich; allein dabey sey mir erlaubt, eine andere Frage aufzuwer- fen: enthalten die Gesetze Mosis etwas, das die die voͤllige Naturalisation und Zusammen- schmelzung der Juden mit andern Voͤlkern, unmoͤglich macht, oder erschweret? Dis sollte ich fast denken! Ihre Absicht ist es, sie als ein von andern Voͤlkern abgesondertes Volk zu erhalten, und die ist so durch und durch in seine Gesetze selbst bis auf die von reinen und unreinen Speisen, einge- webt, daß sich das Volk nun, wider alles was wir bey andern Voͤlkern sehen, in seiner Zerstreuung 1700 Jahr lang als abgesondertes Volk erhalten hat, und so lange die Juden Mosis Gesetze halten, so lange sie z. E. nicht mit uns zusammen speisen, und bey Mahlzeiten oder der Niedrige im Bierkrug vertrau- liche Freundschaft machen koͤnnen, werden sie (von einzelnen rede ich nicht, sondern von m groͤßten Theil) nie mit uns so zusammenschmelzen, wie Ca- tholike und Lutheraner, Deutscher, Wende und Fran- zose, die in Einem Staat leben. Ein solches Volk kann uns vielleicht durch Ackerbau und Manufactu- ren nuͤtzlich werden, wenn man es auf die rechte Weise anfaͤngt, noch nuͤtzlicher wenn wir Zuckerin- seln haͤtten, die bisweilen Entvoͤlkerung des europaͤi- schen Vaterlandes werden, und bey dem Reichthum den sie bringen ein ungesundes Clima haben: aber unsern Buͤrgern wird es doch nicht gleich zu schaͤtzen C 5 seyn, seyn, also auch nicht voͤllig einerley Befreyungen mit ihnen geniessen sollen, weil es nie die Liebe gegen den Staat, das volle mit Stolz auf ihn, (da wo Herr D. schreibt, mit Stolz darauf, ein Preusse zu seyn) durchdrungene Buͤrgerherz bekommt, und ihm nie in gefaͤhrlichen Zeiten so zuverlaͤßig wird. Aber nun noch etwas aus der Bibel, an das Herr D. nicht gedacht zu haben scheint, und das die voͤllige feste Zuneigung zum Staat, die gaͤnzliche Zusammenschmelzung mit ihm, kaum hoffen laͤßt. Die Juden werden ihn immer als Zeitwohnung an- sehen, die sie einmal zu ihrem grossen Gluͤck verlas- sen, und nach Palaͤstina zuruͤckkehren sollen, fast so, wie ihre Vorfahren den Egyptiern verdaͤchtig waren (2 B. Mo , 10). Stellen der Propheten, ja Mo- sis selbst, haben das Ansehen, als wenn sie den Israeliten eine kuͤnftige Ruͤckkehr nach Palaͤstina ver- hiessen, und wenigstens die Juden erwarten sie da- raus: das thut nicht blos der gemeine Haufe, son- dern die groͤssesten nach so viel hundert Jahren in allgemeinem Ansehen bleibenden Erklaͤrer der Bibel, Raschi, und die von Fabeln reinern, die ich ohne Hochachtung nicht nennen kann, Abenesra und Da- vid Kimchi. Unsere Lutherischen Ausleger in Deutsch- land leugnen es zwar haͤufig (nicht alle, nicht der dessen dessen Responsa bey den Juristen beynahe Rechts- kraft haben, der sehr vernuͤnf t ige Philipp Jacob Spener) auch wohl manche von andern Confessionen: aber uͤberzeugen werden sie die Juden schwerlich, sonderlich da Philosophen vom ersten Range, nicht etwan ein zu apocalyptischer Newton, sondern Locke, die Stellen eben gerade so verstehen. Ein Volk, das solche Hofnungen hat, wird nie voͤllig einhei- misch, hat wenigstens nicht die patriotische Liebe zum vaͤterlichen Acker, ja steht, wenn es besonders woh- nete (und juͤdischen Colonisten, die Aecker urbar machen sollen, muͤßte man doch wohl eigene Doͤrfer einraͤumen, und sie nicht unter Christen stecken) gar in Gefahr, einmal von einem Enthusiasten aufge- wiegelt, oder vom Hamelschen Rattenfaͤnger in die Irre gefuͤhrt zu werden. Aber nun folgt mein einer Hauptzweifel. Herrn D. Vorschlag, den Juden, noch dazu den armen Juden, die nicht einmal Geld in das Land bringen, voͤllig gleiche Buͤrgerrechte mit uns zu geben, und ihnen alle Gewerbe, Ackerbau, Handwerker u. s. f. zu oͤfnen, waͤre zwar fuͤr sie Wohlthat, koͤnnte aber den Staat aͤusserst ohnmaͤchtig machen, selbst in dem eben nicht zu erwartenden Fall, wenn die Juden Geld und Reichthuͤmer entweder unmittelbar hinein- braͤch- braͤchten, oder doch in der Folge der Zeit hinein zoͤ- gen. Die Macht des Staats beruhet nicht blos auf Gold und Silber, sondern zur weit groͤssern Haͤlfte auf Arm und Bein, auf Soldaten, und die kann man aus dem juͤdischen Volk, so lange es nicht seine jetzigen Religionsgedanken geaͤndert hat, nicht ha- ben: dis aus mehrern Ursachen, die erste, weil sie des Sabbaths nicht fechten, wenigstens nicht unan- gegriffen fechten duͤrfen. Die Juden vermehren sich, wenn es nicht gehindert wird, ausnehmend: einige Ursachen davon sind in die Augen fallend, ihre fruͤ- hen Heyrathen, und die Pflicht von Eltern und Brodherren fuͤr fruͤhe Heyrathen der Kinder und des treuen Gesindes zu sorgen, auch noch diese, (die vielleicht bey voͤlliger Naturalisation wegfallen wuͤr- de) daß sie sich etwas mehr vor Hurerey huͤten muͤs- sen, weil mit einer Christin zu thun gehabt zu ha- ben in einigen Laͤndern viel Geld kosten moͤchte, das dem Juden uͤber alles lieb ist, und hiedurch meistens vor der Krankheit bewahrt werden, die auch nur Einmal gehabt zu haben dem Kinderzeugen nicht vor- theilhaft seyn soll. Beyde Ursachen ganz loͤblich, und wenn die Vermehrung der Juden immer zuneh- men koͤnnte, ohne daß der Christen weniger, oder doch ihre Vermehrung gemindert wuͤrde, so waͤre gar gar kein Bedenken dabey. Aber das wird wohl nicht der Fall seyn. Eine Nation vermehrt sich geschwind, wenn viel Gewerbe viele und fruͤhe Heyrathen ma- chen, (z. E. im Koͤnigreich Preussen zwischen 1757 und 1762 erstaunlich, weil der Krieg, und die Russi- sche Armee, ohne Recruten zu heben, viel Gewerbe machten) oder auch Auslaͤnder herbey ziehen, (bey- des in den englischen Colonien in Amerika, bis auf die Zeit der Rebellion,) wenn nun aber in eben dem Staat Juden viel Gewerbe, Ackerbau und Handwerker, an sich ziehen, so wird wenigstens die Vermehrung des deutschen, kriegerischen Volks ge- mindert. Aber das schlimmere ist, die deutschen Buͤrger moͤchten gar beym Zunehmen der neuen juͤdi- schen abnehmen, und verdraͤngt werden, denn un- sere Handwerkspursche und Bauren heyrathen nicht so fruͤh als Juden, die bey angewoͤhnter Armuth auch mit sehr wenigem zufrieden sind, bald wuͤrden also die Juden immer mehr von den Handwerkern in dem Lande der Nationalisation an sich bringen, und die Soͤhne der deutschen Handwerker entweder noch laͤnger unverheyrathet bleiben, oder sich in aus- waͤrtigen Laͤndern setzen muͤssen, es seyn nun, an- dere deutsche Laͤnder, die den Juden nicht so guͤnstig waͤren, oder Holland, auch England, wo man schon schon jetzt so viel deutsche Handwerker antrifft. Da- zu kommt noch, daß bey schweren Kriegen, wie der von 1756—1763 fuͤr die Preußischen Staaten war, die Soͤhne des Bauren und Buͤrgers Soldaten wer- den muͤssen; in einem solchen Kriege wuͤrde der mit Kriegesdiensten verschonte Jude sich sehr ausbreiten, und fast lauter juͤdische Handwerker wuͤrde man am Ende des Krieges sehen. Staͤnde gar den Juden frey, Aecker, oder adeliche Guͤter an sich zu kaufen, und reiche Juden, die in andern Laͤndern nicht der- gleichen Rechte haͤtten, wuͤnschten ihr Geld anzule- gen, so wuͤrden sie unsere Deutschen auskaufen, und denn haͤtten wir den wehrlosesten veraͤchtlichsten Ju- denstaat. Die volle Kraft dieses Einwurfs wird Herr D. besser fuͤhlen, als der groͤsseste Theil meiner Leser, sonderlich in Absicht auf den etwan 6 Millionen Menschen habenden Preußischen Staat, fuͤr ihn darf ich ihn also gewiß nicht weiter erlaͤutern. Es ver- steht sich aber auch von selbst, daß er ihn vor- her gesehen hat. Er antwortet darauf unter an- dern aus meinem Mosaischen Recht, wo ich gezeiget habe, das Gesetz Mosis verbiete das Fechten am Sabbath auf keine Weise, und daß ehedem die Ju- den gefochten, und sehr tapfer gefochten haben. Wenn Wenn die Juden meine Auslegung des Mosaischen Rechts fuͤr richtig annehmen, und zwar nicht blos die Aufgeklaͤrteren unter ihnen, (unter denen ver- spraͤche ich mir wol einigen Beyfall) sondern auch der gemeine Haufe der Rabbinen, und die Ungelehrten, so waͤre der Sache ziemlich geholfen, (nicht voͤllig, denn, daß Fechten am Sabbath erlaubt sey, denke ich bewiesen zu haben, aber uͤber das Exerciren wuͤrde ich nicht gern aus dem Mosaischen Recht antworten wollen; und unsere Regimenter wuͤrden sich doch we- gen der Exerciertage nicht nach untergesteckten Juden richten, auch nicht eigene Regimenter von bloßen Juden errichtet werden sollen:) aber wer wird sie davon uͤberzeugen? sonderlich da bey einer Frage von der Art mancher nicht gern uͤberzeugt seyn, und lie- ber sein Gewiss e n zum Befreyungsbriefe von Krie- gesdiensten behalten will. Von dem aus der Geschich- te angefuͤhrten moͤchte auch wohl noch einiges weg- fallen, und, wenigstens bleibt das gewiß, daß sich schon zu des wirklich grossen juͤdischen Helden, Jo- hann Hyrkans, Zeit, die damals so tapfern Juden ein Gewissen machten, am Sabbath anzugreifen, und die Syrer den von ihm angefuͤhrten juͤdischen Huͤlfsvoͤlkern zu Gefallen am Sabbath nicht mar- schirten. Die S. 144 angefuͤhrte Stelle aus Mai- moni- monides, die Herrn D., wie er sagt, von einem grossen juͤdischen Gelehrten mitgetheilet ward, ist sei- ner Hofnung gerade zuwider. Hier ist sie mit sei- nen eigenen Worten: nach Maymonides ist es die Pflicht eines jeden Juden, eine vom Feinde belagerte Stadt, in so fern auch nur Eines Menschen Leben dabey in Gefahr ist, am Sab- bath zu vertheidigen, und nicht erlaubt, sol- ches aufzuschieben, So ist eines jeden Juden Pflicht, am Sabbath alle Arten von Arbeit ohne Unterscheid zu verrichten, wenn eines Menschen Leben dadurch gerettet werden kann. Dis ist weiter nichts, als was wir laͤngstens wissen, und im Mosaischen Recht gesagt ist, daß die Juden erlauben, sich am Sabbath zu verthei- digen, wenn man angegriffen wird, und ihr Leben in Gefahr ist: also wo dieser Fall nicht ein- tritt, und der Feind so klug ist, als Pompejus da er Jerusalem belagerte, am Sabbath gar nicht anzu- greifen, darf der Jude nicht fechten, nicht selbst den Angriff, nicht einen Ausfall aus der belagerten Stadt thun, die Approchen und Belagerungswerke zu zerstoͤren, nicht den fluͤchtigen Feind verfolgen, nicht marschiren, dis alles voͤllig der juͤdischen Ge- schichte von Johann Hyrkans Zeit an gemaͤsse Ca- suistik. suistik. So gar, der sonst am vernuͤnftigsten den- kende Josephus, einer nicht von der aberglaͤubischen neupharisaͤischen, sondern von der bessern Secte der alten Pharisaͤer, selbst Anfuͤhrer der Juden im Krie- ge, haͤlt es fuͤr eine Entheiligung des Sabbaths, daß die Juden, da Cestius Gallus sich mit der roͤmi- schen Armee Jerusalem naͤhert, einen Ausfall thun, die Roͤmer schlagen, so daß 515 Roͤmer und nur 22 Juden bleiben, und dis noch dazu, da dieser Aus- fall so nahe dabey war, den Ausschlag des ganzen Krieges zu geben, denn er sagt selbst, wenn nicht die roͤmische Reuterey eben zu rechter Zeit zu Huͤlfe ge- kommen waͤre, so wuͤrde Cestius mit der ganzen Ar- mee in Gefahr gewesen seyn. ( de bello Jud. II, 19; 2.) Was koͤnnten wir mit solchen Soldaten, die noch dazu durch National- und Religionsbande mit einander verbunden waͤren, anfangen? Besser ha- ben wir sie gar nicht, wenn sie auch nach dieser uͤber 2000 Jahr alten wunderlichen Auslegung des bessern Mosaischen Gesetzes dienen wollten. Haͤtte der ge- lehrte Jude, der Herrn Dohm Maymonides Stelle mittheilte, auch voͤllig so gedacht, wie ich im Mo- saischen Recht, so hat er doch meine Meynung mit keiner ihr beystimmenden juͤdischen Authoritaͤt belegen koͤnnen; sie bleibt also blos meine, und ist nicht der Juden Meynung. D Aber Aber gesetzt, die Juden naͤhmen nun uͤber alle Erwartung meine Erklaͤrung vom Sabbathsgesetz an, so waͤren sie doch deswegen fuͤr uns zu Solda- ten nicht brauchbar, so wenig ich ihnen auch, wenn sie nur nicht unterdruͤckt und zu Beschimpfungen von Jugend auf gewoͤhnt werden, persoͤnliche Tapferkeit abspreche, von der sie, sonderlich in der Rebellion gegen die Syrer, so erstaunliche Proben gegeben ha- ben. So lange sie noch die Gesetze von reinen und unreinen Speisen haben, ist es doch kaum moͤglich, sie unter unsere Regimenter zu mischen: besondere Regimenter aber aus ihnen zu machen, wird wohl niemand anrathen, sonderlich da der Judeneid noch immer die haͤcklichste Sache von der Welt ist, denn daß man bey dem viel Zweifel haben kann, ob der Jude das, was in unsern Augen Eid ist, fuͤr Eid haͤlt oder nicht, ist keine von den ungerechten Klagen Eisenmengers. Dazu kommt aber noch, doch blos hypothetisch, ein physikalischer Umstand, an den Herr D. nicht gedacht zu haben scheint. Man behauptet, unser jetziges Kriegswesen erfodere eine gewisse Sol- datengroͤsse, ob mit Recht, kann ich nicht sagen: aber in den beyden grossen kriegerischen Staaten Deutschlands nimmt man es doch an. Ist es rich- tig, so wird man unter den Juden ungemein weni- ge ge finden, die das Soldatenmaaß haben, und zu Kriegesdiensten angenommen werden koͤnnen. Viel- leicht ist es die Folge der sehr fruͤhen Ehen, vielleicht der ungemischten Race eines suͤdlichern Volks: aber es komme, woher es wolle, so ist doch klar, daß un- ter den Juden wenig wohlgewachsene Maͤnner sind. Diese Unbrauchbarkeit der Juden zu Krieges- diensten hat je nach der besondern Beschaffenheit des Staats einen mindern oder mehreren Einfluß in die Frage, ob es politisch gut sey, Juden in das Land zu ziehen? mehr als Einem Sohn eines angesessenen Juden den Schutz zu verleihen? und ihre Vermeh- rung zu beguͤnstigen? Herr D. schreibt zunaͤchst fuͤr den Preußischen Staat Ich habe dieses nirgends geaͤussert, und in der That nur im Allgemeinen meine Meynung uͤber diese Materie sagen wollen, ohne im Mindesten auf irgend einen besondern Staat Ruͤcksicht zu nehmen. D. , er beruft sich beym Be- schluß auf das Geruͤcht von dem damals noch erwar- teten Toleranzedict fuͤr die Juden im Oesterreichi- schen. Dis ist zwar von seinen Vorschlaͤgen sehr und wesentlich verschieden, und scheint ganz andere End- zwecke zu haben. Aber davon nichts zu sagen, weil ich Edicte nicht recensire, so ist gerade in Absicht auf Beguͤnstigung der Juden zwischen beyden Staaten D 2 ein ein sehr grosser Unterschied. Ich will annehmen, was man gemeiniglich sagt, es seyn jetzt fuͤnf Mil- lionen Juden auf dem Erdboden, (ich daͤchte zwar, noch etwas mehr) und was Herr Prof. Schloͤzer in seinem Briefwechsel aus ziemlich sichern Nachrichten hat, in den saͤmmtlichen Oesterreichischen Laͤndern wohnen uͤber 26 Millionen Menschen Ist wohl sehr uͤbertrieben. D. : im Preußi- schen waren, das Militaire nicht mitgerechnet, vor 1756 noch nicht volle fuͤnf Millionen, denn der Ge- bohrnen waren nach einem Durchschnitt jaͤhrlich et- was uͤber 150000 (wovon ich die genauen Tabellen habe) jetzt scheinen etwan, nachdem die Zahl der Einwohner sich vermehrt hat, und Westpreußen da- zu gekommen ist, sechs Millionen darin zu wohnen, wieder das Militare ungerechnet. Nun stelle man sich vor, eine ganze Million Juden zoͤge aus an- dern Laͤndern in das Oesterreichische, so waͤre dis gegen 26 Millionen eine Kleinigkeit; in Ungarn, auch im Banat Temeswar, von dem Herr D. er- waͤhnt, daß man dort sogar Zigeunern, (die jedoch vorhin daselbst herumschweifend gewohnt hatten) Aecker gebe, koͤnnte man ihnen genug fruchtbare und unbebauete Aecker unter einem milden Himmelsstrich anweisen, braͤchten sie gar Geld mit, desto besser, sie sie wuͤrden gewiß der Vermehrung der fechten koͤn- nenden Oesterreichischen Unterthanen nicht hinder- lich werden. Vielleicht koͤnnte der Staat ohne sei- nen Schaden zwey, drey Millionen Juden aufneh- men. Aber nun welche Proportion von einer Mil- lion neuer Juden im Preußischen? wuͤrde die nicht wenigstens der Vermehrung deutscher Buͤrger, die die Waffen tragen koͤnnen, hinderlich seyn? Braͤch- ten sie viel Geld ins Land, desto schlimmer, denn so koͤnnten sie Aecker und Gewerbe an sich ziehen. Gerade an Gelde hat der Preußische Staat zur Zeit des Krieges nicht eben Mangel gelitten: aber nach Verhaͤltniß seiner Unterthanen hat er eine sehr grosse Armee, sehr viele Haͤnde, unentbehrlich noͤthig. An- geworbene Auslaͤnder sind, wie Herr D. selbst ge- steht, doch angebohrnen Unterthanen nicht gleich zu schaͤtzen, desertiren auch mehr; aber es koͤnnen Zei- ten kommen, sonderlich wenn Deutschland noch mehr Buͤrger in andern Welttheilen verliert, da die aus- waͤrtige Werbung schwer oder unmoͤglich wird. Also scheinen es zwey sehr verschiedene Fragen zu seyn, soll Oesterreich? soll Preußen? und noch eine dritte sehr verschiedene Frage wuͤrde es seyn, soll Groß- britannien thun, was Herr D. raͤth? D 3 Aber Aber nun noch ein Zweifel von anderer Art ge- gen den fuͤr die Juden wirklich wohlthaͤtigen und menschenfreundlichen Vorschlag. Auf dieser wohl- thaͤtigen Seite schaͤtze ich ihn hoch, aber moͤchte nicht mit der Wohlthat Beleidigung und Unrecht gegen die angebohrnen Buͤrger verbunden sehn? Der ge- meine Haufe der armen Juden ist lasterhafter, als wir, das gesteht Herr D. selbst ein, die Haͤlfte der Spitzbubenbanden besteht aus ihm, das sagen die Criminalacten, im ersten und zweyten Menschenal- ter wird der moralische Character der Juden wohl noch nicht gebessert werden, das gesteht Herr D. freywillig ein, und hoffet die gewuͤnschte Besserung erst im dritten oder vierten Menschenalter, das heiß t , in hundert oder hundert und vierzig Jahren. Ob sie im dritten oder vierten Menschenalter oder noch viel spaͤter, erfolgt, waͤre ein Problem: aber bis ins dritte Menschenalter sollen wir nach ihm selbst warten. Waͤre nun etwan von moralischen Krank- heiten die Rede, die dem juͤdischen Volk selbst schade- ten, so koͤnnte man den Versuch an sie wagen, aber die Krankheit ist gerade, daß aus ihnen die Spitz- bubenbanden bestehen, oder sie doch Hehler und Ver- kaͤufer sind. In den Gegenden Deutschlandes, in denen Fuͤrsten (oft aus Gewinnsucht und wegen des ein- eintraͤglichen Schutzgeldes) viel Juden dulden, kla- gen die Unterthanen, daß sie vor Diebereyen und naͤchtlichen Einbruͤchen nicht sicher sind: selbst hier in Goͤttingen hat doch zur Sicherheit der Einwohner vor Diebstaͤhlen den saͤmtlichen unsere Jahrmaͤrkte besu- chenden fremden Juden verboten werden muͤssen, ungerufen auch nur zum Anbieten ihrer Waare und Handels in die Haͤuser zu kommen. Soll nun ein Landesherr seinen guten Unterthanen ein solch Volk in der Hofnung, es im dritten oder vierten Ge- schlecht zu bessern, aufdringen? Wie? wenn ein Vater einen liederlichen diebischen Betteljungen, der ihn nicht angehet, um ihn zu bessern, seinem Sohn zum Schulkameraden ins Haus naͤhme? Der Va- ter kann allenfalls, wenn er sich um das Urtheil der Welt nicht bekuͤmmert, ohne Verletzung der Rechte seines Sohns thun, was er will: er ist Herr, hat dem Sohn das Daseyn gegeben, und schaft ihm Brodt. Aber der Fuͤrst thut keins von beyden, hat nach dem natuͤrlichen Recht seine Gewalt am Ende vom Volk, ist dessen erster Bedienter, wird von dem reichlich dafuͤr besoldet, und nicht der Fuͤrst, sondern das Volk schuͤtzt den Staat und ihn selbst, Er lenkt blos den Schutz. Selbst souveraine Koͤnige aͤussern diesen Gedanken frey in ihren Schriften. Hier schie- D 4 ne ne es nun nicht blos Haͤrte, sondern eigentliches Un- recht gegen das Volk zu seyn, wenn der Fuͤrst seine allgemeine Menschenliebe so weit triebe, die Armen eines solchen Volks, das ihn weiter nicht angeht, und ein so unbequemer Nachbar ist, seinen wehr- haften Unterthanen, von denen er alle Macht nebst der Pflicht hat, fuͤr ihr Bestes zu sorgen, und von denen er so reichliche Bezahlung annimmt, zum Nachbar, noch dazu mit gleichen Buͤrgerrechten auf- zudringen. Ein anderes ist es, wenn von Colonien, die man in wuͤste Laͤnder fuͤhren will, die Rede waͤre, wohin man auch wohl die Maleficanten oder lieder- liche Leute, wie es in Wien hieß, den Schub, schickt, (wiewohl doch zuletzt die Amerikanischen Colonien auch daraus eine Beschwerde machten, daß England seine nicht am Leben gestraften Missethaͤter ihnen zuschickte.) Doch nun noch etwas von dem, was Herr D. zur voͤlligen Gleichmachung der Juden mit andern Buͤrgern rechnet. Die Nahrungszweige, die er ih- nen geoͤfnet wissen will sind, wie er selbst sagt, alle, Ackerbau, Handwerke, und Studien, auch wohl der Zugang zu Bedienungen, doch dieser ihm selbst zweifelhaft. Gegen Gegen das Zulassen zu Handwerken habe ich vor- hin schon meine Zweifel gesagt: einige treffen auch ihre Zulassung zum Ackerbau, aber wenn ein Staat wirklich wuͤste Gegenden haͤtte, so trete ich in dem Fall Herrn D. bey, daß man einen Versuch machen koͤnnte, Juden als Colonisten zu gebrauchen: sogar, wenn auch ein reicher Jude eine voͤllig wuͤste Gegend urbar machen wollte, glaube ich, auch der Versuch waͤre zu machen, nur dergestalt, daß er entweder lauter Haͤnde armer Juden, oder, wenn er Chri- sten noͤthig haͤtte, verheyrathete Christen gebrauchen und ihnen zu leben geben sollte, damit nicht durch Dienste bey ihm die Bevoͤlkerung des Landes mit fech- ten koͤnnenden Buͤrgern vermindert wuͤrde. Dabey kommt mir, da es doch erst Versuch ist, von dem man ohne Erfahrung nicht weiß, wie er ausschlaͤgt, das kayserliche Toleranzedict weise vor, das den Ju- den die Aecker auf eine Zeit von 20 Jahren giebt, und denn erst auf ewig, wenn sie Christen werden. Nur habe ich einen grossen Zweifel, ob die des herum- laufens bisher gewohnten, sich vor Handarbeit so sehr scheuenden Juden, zum Ackerbau Lust haben werden. Auch werden christliche zu Kriegesdiensten brauchbare Colonisten, selbst aus andern Laͤndern, wenn man sie haben kann, dem Staate vortheilhaf- ter seyn, als juͤdische. D 5 Wenn Wenn Herr D. hingegen den Juden auch erlau- ben will, Aecker zu kaufen, so denke ich anders, weil dadurch die Anzahl deutscher Bauren, aus denen wir die besten Soldaten haben, gemindert, und der Staat geschwaͤchet wuͤrde: ferner auch darin, wenn er sie mit unsern Bauren vermischt in einerley Doͤrfern wohnen lassen will. In den drey bis vier Genera- tionen, in denen der arme Jude noch nicht gebessert ist, kommt mir diese Nachbarschaft als Unrecht ge- gen unsern Bauren, den natuͤrlichen Vertheidiger und Macht des Staats, vor. Wegen der Wissenschaften, die insgesammt den Juden, wie allen freyen Menschen, auch als Ge- werbe offen seyn sollen, verstehe ich Herrn D. nicht voͤllig. Mich duͤnkt, hier haben sie schon alles, was sie nur wuͤnschen koͤnnen, und ich weiß nicht was er selbst noch hinzuthun wollte. Medicin, Philosophie, Physic, Mathesis sind ihnen ja auf keine Weise ver- schlossen, die erste uͤben viele Juden, auch unter dem academischen Titel Doctor, oder einem noch hoͤhern; unsere Rechtsgelehrsamkeit ist keine Wissenschaft fuͤr sie, denn dem Buͤrger wird Herr D. nicht ein aus- waͤrtiges Volk zum Richter geben wollen, da er selbst mit Recht darauf dringet, daß die Juden in ihren Streitigkeiten unter einander, von Rabbinen nach eige- eigenen Gesetzen gerichtet werden sollen; unsere Theo- logie werden sie noch weniger studiren wollen, oder lehren sollen. Dagegen lernen sie aber ihre eigene Theologie und Rechte, und dis ist bey ihnen Nah- rungszweig, die Rabbinen leben davon. Sie zum Studiren zu ermuntern, wird doch wohl Herrn D. Vorschlag nicht seyn, da gerade die uͤbergroße Men- ge der Studirenden dem Staat so nachtheilig wird, daß schon Koͤnige daran gedacht haben, die Anzahl zu mindern, wenn es nur ohne zu viel Einschraͤn- kung der menschlichen Freyheit moͤglich waͤre. Diese Menge der Studirenden ist wirklich ein großes po- litisches Uebel, raubt andern Gewerben so viel Haͤn- de, und unter dem pedantischen Vorwand, der habe einen guten Kopf, er muͤsse studiren, die besten Koͤ- pfe, auch dem Soldatenstand so viel Haͤnde; uͤber- laͤstigt den Staat mit Leuten, die ernaͤhrt werden wollen, macht sie selbst ungluͤcklich, weil sie bey ih- rer Menge erst spaͤt befoͤrdert werden koͤnnen, und hindert eben wegen der aus der Menge entstehenden spaͤten Befoͤrderung auf eine fuͤrchterliche Weise die Ehen. Dis Uebel soll doch nicht noch vermehrt wer- den! Je mehr Studirende, je spaͤtere Befoͤrderung, je weniger, oder endlich gar keine Ehen der Studi- renden. Den Den Vorschlag, die Juden auch zu oͤffentlichen Aemtern zu lassen, thut zwar Herr D. S. 118 ver- wirft ihn aber wenigstens vors erste aus hinlaͤnglichen Gruͤnden. Es sey mir erlaubt, noch folgendes hin- zu zu setzen. Zu vornehmen Bedienungen ohne Noth Auslaͤnder, oder auch Maͤnner von anderer Religion als im Lande die allgemeine ist zu nehmen, kann dem Unterthan unmoͤglich angenehm seyn, und ist an einigen Orten gar wider die Grundgesetze Wo Grundgefetze sind, muͤssen sie beobachtet wer- den. Sonst, duͤnkt mich, muß bey Anstellung von Staatsbedienten von nichts Anderm die Frage seyn, als von der — Faͤhigkeit. D. . Dis tritt hier desto mehr ein, wo die Religionen ei- nen so großen nie zu aͤndernden politischen ewigen Unterschied Dies eben ist die große Frage: ob ein solcher nie zu aͤndernder, ewiger, politischer Unterschied da sey? Ich glaube es nicht. D. machen. Christen, die schuͤtzenden Buͤr- ger, die das Vaterland und auch den Juden mit dem Degen vertheidigen, Juden, Unterthanen die dem Staat nichts geben koͤnnen, als Geld, auch nicht einmahl bis ins zehnte und spaͤtere Geschlecht, Kin- der zu Vertheidigung des Vaterlandes zeugen, wenn die Kinder nicht die vaͤterliche Religion verlassen sol- len. len. Auch hat Moses durch seine Gesetze, sonder- lich von reinen und unreinen Speisen, genug dafuͤr gesorgt, daß sie, so lange sie diese halten, auch nach mehreren Geschlechten nie voͤllig mit uns als Ein Volk zusammenfliessen koͤnnen: die meisten genauen Freundschaften entstehen gemeiniglich beym Essen und Trinken. Welches Volk nicht mit uns essen und trinken kann, bleibt immer ein in seinen und unsern Augen sehr abgesondertes Volk. Dazu kommt der Nationalstolz der Juden, der es, wenigstens Deut- schen und Englaͤndern unertraͤglich machen wuͤrde, sie zu Obern zu haben. Vielleicht hat, ungeachtet alles Widerspruchs der Gegenparthey, und aller ein- zelnen nicht ganz zu leugnenden Fehler, kein Koͤnig von Großbritannien, ein so kluges, alle Kraͤfte des Reichs gegen viele Feinde aufbietendes Ministerium gehabt, als das jetzige ist Herr Ritter Michaelis meynt hier das im Maͤrz 1782, nach dem einstimmigen dringenden Verlangen der Nation verabschiedete Ministerium. D. ; aber wenn in ihm ein oder zwey nationalisirte Juden waͤren, die redlichsten und einsichtsvollesten Maͤnner von der Weit, und sie thaͤ- then alles was das jetzige Ministerium thut, oder noch mehr: wuͤrde nicht bey dem Widerspruch gegen gewisse Maasregeln, oder auch bey gewissen Fehl- trit- tritten, eine Rebellion entstehen? Der muͤßte die Englische Nation nicht kennen, der hier auf die Ant- wort lange nachsoͤnne. Die Bedienung eines Hof- juden, Cammerjuden u. s. f. die sich auf Handlung und Wechsel beziehet, bleibt dem Juden doch immer, und ist vortheilhaft. Sogar gegen die niedrigen Bedienungen von Zolleinnehmern, die man bisweilen den Juden an- vertrauet, moͤchte noch wohl etwas zu erinnern seyn. Es ist nicht blos fuͤr das herrschende schuͤtzende Volk ein uͤbel Compliment, sie Auslaͤndern, die sich im- mer als ein fremdes Volk unterscheiden, und doch durch ihre Bedienung viel Rechte bekommen, so zu unterwerfen, (der alte verdiente Soldat von unserm eigenen Volk, der uns einmahl vertheidiget hat, schickt sich besser, und dem goͤnnen wir alle dankbar diesen Unterhalt) auch muß man, nach der Beschrei- bung die Herr D. selbst von den Juden macht, von ihnen Chicanen und Erpressungen erwar- ten: sondern es schwaͤcht auch in der Folge die Anfangs zunehmenden Einkuͤnfte des Staats. Je widriger man gegen Zoll- und Accise-Einnehmer ge- sinnet ist, desto hoͤher steigen die Defrauden, und ihre unuͤbersehliche Kunst, die jetzt die Schwaͤche ei- niger deutschen Staaten, und die Last fuͤr ehrliche, die die Abgaben gewissenhaft entrichtende Buͤrger wird. Das Gegenmittel gegen sie anzugeben, gehoͤrt hier nicht her, wohl aber dis, daß man das Uebel nicht durch juͤdische Zoͤllner vermehren muß Mich duͤnkt daß Herr M. hierin so wohl im Allge- meinen, als auch in Absicht der Juden, so lange sie nicht voͤllig nationalisirt sind, sehr recht habe. D. . Zu derjenigen Guͤte oder Billigkeit, die Herr D. den Juden von unsern Fuͤrsten verschaffen will, ge- hoͤrt auch, daß sie zwar alle Abgaben der Christen, aber keine mehrere, kein Schutzgeld geben, wie er sich ausdruͤckt, nicht ihre Existenz bezahlen sol- len . Dis Schutzgeld koͤmmt mir doch billig vor, da sie dem Staat blos Geld, nicht ihr Blut, nicht ihre Haͤnde, zur Vertheidigung geben koͤnnen, und wol- len. Hier bin ich aber nicht im Widerspruch gegen Herrn D. denn er sagt selbst S. 147 bis sie zu mi- litaͤrischen Diensten eben so willig als faͤhig sich erprobt haben werden, ist nichts gerechter, als daß sie fuͤr diese Nichtleistung ihrer Pflicht besondere Abgaben entichten . Der Unterschied unserer Gedanken besteht nur darin, daß ich glaube, die Juden werden nie, nicht im zehnten Geschlecht, zu Kriegesdiensten so willig und koͤrperlich-tuͤchtig seyn als Deutsche, und die Auflage werde also ewig seyn. seyn. Dabey glaube ich auch, das Schutzgeld, das Juden zu geben pflegen, sey gegen unser, der schuͤ- tzenden oder schuͤtzende Kinder zeugenden Nation, Blut, der noch dazu das Land gehoͤret, und von der der Landesherr seine Rechte hat, nicht unmaͤßig. Soll Gleichheit zwischen Deutschen und Juden in den Auflagen seyn, so ist es duͤnkt mich, nicht ge- nug, das der Jude, der keine Kriegesdienste thun kan, einen Soldaten fuͤr sich stellet; ein frem- der Soldat, oft viel fremde, sind nicht so gut wie Ein Landeskind, und mancher Bauer giebt im Krie- ge mehr als Einen Sohn her, aber denn tritt noch der große Unterschied ein, daß der Deutsche auch auf die Zukunft Kinder und Kindeskinder zeuget, die Haͤnde haben, und schuͤtzen koͤnnen, der Jude aber nichts zum Schutz brauchbares zeuget, sondern blos geschuͤtzt seyn will. Was Herr D. von S. 125 an saget, daß Ju- den, ich verstehe es, in Streitigkeiten unter einan- der nach ihrem eigenen Recht gerichtet werden sollen, halte ich fuͤr die groͤsseste Billigkeit: aber in vielen Laͤndern ist dis keine Bitte, sondern schon erfuͤllet, z. E. im Hanoͤverischen. Dis geht so weit, daß, wenn auch der Proceß an ein hoͤheres Landesgericht kaͤme, von demselben nicht einmahl, wie ehedem ge- braͤuch- braͤuchlich war, Professoren der orientalischen Spra- chen, sondern im Lande bestellete Rabbiner befraget werden: und diese Billigkeit ist allgemeiner Nachah- mung werth. Rabbinen muͤssen ohne Zweifel ihr hergebrachtes Recht viel besser verstehen, und leich- ter beantworten koͤnnen, als der beste und gelehrte- ste Professor der orientalischen Sprachen, denn der hat sich mit ganz andern Dingen zu beschaͤftigen, und Rechtskunde, sonderlich die etwas verworrene juͤdische Rechtskunde, erfodert ihren eigenen Mann. Wir Christen fragen ja auch den Professor Eloquen- tiaͤ nicht, wenn uͤber Acten nach roͤmischem Recht zu urtheilen waͤre. — — — — Aber Einen Gedan- ken, der mir mehrmahls aufgefallen ist, und den zu sagen ich noch nie Gelegenheit gehabt habe, kann ich hier nicht unterdruͤcken: wirklich er geht, das wird Herr D. wohl kaum von mir erwarten, auf eine Verhinderung der Juden in einem gewissen Stuͤck nach ihrem Gesetz zu leben Ich habe es in meiner Schrift durchaus nicht damit zu thun, daß die Juden strenge nach ih- rem Gesetze leben, sondern nur damit, daß und wie sie bessere und gluͤcklichere Glieder der Gesellschaft werden moͤgen . Fuͤr die ihnen in ; und doch glaube ich, am E am Ende wird er mir beystimmen. Sollte man nicht aus Guͤte die Juden, die man duldet, abhalten, Juden, in der Absicht ihrer Seele Ruhe zu verschaf- fen, lebendig zu begraben. Das uͤbereilte Begraben der Juden kann nicht anders, als verursachen, daß viele lebendig begraben werden, bey der kleinen Ju- denschaft zu Goͤttingen hat man schon zu meiner Zeit Ein durch Dieberey ruchtbar gewordenes Beyspiel ge- habt, (die meisten bleiben verborgen) neulich las man auch eins in den politischen Zeitungen, mit der wohl- gemeynten Anmerkung des uͤbel unterrichteten Zei- tungsschreibers, Moses habe recht gethan, in einem suͤdlichen Clima das fruͤhe Begraben zu befehlen, aber in Deutschland sollte man es abstellen. Moses hat kein Wort davon verordnet, zu seiner Zeit begrub man noch viel spaͤter, als bey uns, es ist rabbini- sche Verordnung, freylich schon eine zu Christi Zeit eingefuͤhrte, wie man aus dem N. T. und Josepho siehet, und vermuthlich, so wie manche andere Ge- braͤuche in Absicht ihres Gesetzes zu verstattende Frey- heit bin ich also nur in so fern es diesem Zwecke nicht widerspricht. Ich stimme daher der Abschaf- fung des abscheulichen Mißbrauchs, von dem Herr M. hier redet, von Herzen bey und wuͤrde dieses thun, wenn er auch wirklich in dem juͤdischen Ge- setz gegruͤndet waͤre. D. braͤuche jener Zeit aus Annehmung des Aberglau- bens der herrschenden Nation entstanden; denn so wie Griechen und Roͤmer sagten, der Unbegrabene werde vom Charon nicht uͤbergesetzt, so glauben die Juden, die Seele koͤnne nicht zu Gott kommen, bis der Leib zur Erde gekommen sey. Waͤre es nicht fuͤr Juden Wohlthat, ihr Leben zu sichern? nicht, daß man ihnen befoͤhle, wider ihr Gewissen zu handeln, und spaͤter zu begraben, beyleibe nicht! so wenig als man dem Quacker, der in die Koͤnigl. Zimmer zu St. James geht, befiehlt den Huth abzunehmen, sondern daß man, wie diesem die Wache den Huth abnimmt, auch den Juden ihre Leiche abnaͤhme, und bis auf den dritten Tag in einem dazu verordneten Zimmer unter guter Aufsicht aufbewahrte? Nun noch ein paar Anmerkungen zum histori- schen Theil des Buchs. S. 38. wo von dem Briefe die Rede ist, den die Juden zu Worms, Ulm und Regensburg, 1348 vorwiesen, in dem ihnen die Juden in Palaͤstina von Jesu Nachricht gegeben, ist vermuthlich ein Nicht durch einen Druckfehler ausgelassen, und es soll ( meo periculo legen- dum censeo ) heissen: „ von den diplomatischen „Kenntnissen dieser Zeit laͤßt es sich Nicht er- „warten, daß man eine solche Urkunde fuͤr E 2 „aͤcht „aͤcht halten, und durch sie bewogen werden „koͤnnte, uͤber die Juden etwas guͤnstiger zu „denken .“ Ich wuͤrde Gruͤnde anfuͤhren, wenn ich nicht ganz klar zu sehen glaubte, daß es ein Druckfehler ist Es ist dieses kein Druckfehler, und das Nicht wuͤr- de meinen ganzen Sinn gerade umkehren. Die Kuͤrze meines Ausdrucks muß Schuld seyn, daß diese Stelle einem Michaelis dunkel seyn koͤnnen, und diese Kuͤrze war also Fehler. Die Urkunde, von der hier die Rede, ist natuͤrlich falsch, nur weil man im 14ten Jahrhundert so wenig Geschichts- und di- plomatische Kenntnisse hatte, konnte man vielleicht sie fuͤr aͤcht annehmen, und wenn man also hiernach die Vorfahren der deutschen Juden an dem Tode Christi unschuldig glaubte, bewogen werden, besser von diesen zu denken und sie menschlicher zu behan- deln. Dies war mein Sinn. D. , deren ich noch einen den ganzen Sinn veraͤndernden, auf eben dieser Seite wahrge- nommen habe Ich habe diese Seite mehrmalen mit Aufmerksam- keit durchgelesen, aber keinen Druckfehler finden koͤnnen. Die Bemuͤhung verschiedener Freunde ist eben so vergeblich gewesen. D. . Daß die Griechisch-Syrischen und Aegyptischen Koͤnige die Juden fuͤr sehr gute Unterthanen ansa- hen, hen, und ihnen ausserordentliche Freyheiten verlie- hen, ist historisch wahr: nur die Sache gewinnet bey dieser Anempfehlung der Juden zu vollem Buͤr- gerrecht eine andere Gestalt. Wir wissen erst die Facta eigentlich blos von einem Juden, Josepho; aber aus dessen eigener Erzaͤhlung zeigt sich, daß die- se Koͤnige juͤdische Colonien, die sie in feste Staͤdte fuͤhrten, als eine Art von Besatzung gegen die alten Einwohner gebrauchen wollten. Solche Juden-To- leranz moͤchten wir nun wohl nicht gern haben, man- chos europaͤische Volk wuͤrde die Haͤnde haben, daß der Fuͤrst, der seinen Unterthanen zu trauen keine Ursache mehr faͤnde, bey einer solchen Juden-Guarde nicht gut fuͤhre. Ueberhaupt, auswaͤrtige Besatzun- gen, die Unterthanen in Gehorsam zu halten, sind nicht das Gute: der gute Fuͤrst ist unter seinen Un- terthanen, der Herzog Eberhard von Wuͤrtenberg unter freyem Himmel oder im Walde schlafend, im Schoos jedes Unterthaus, und ein Koͤnig von Eng- land wenn ihm ein Higwayman begegnet, und ihn erkennet, ganz sicher Es versteht sich von selbst, daß der Fuͤrst Unrecht haben wuͤrde, der die Juden zu Unterdruͤckung sei- ner uͤbrigen Unterthanen gebrauchte; aber soll die- ser . E 3 Was Was Herr D. von den gluͤcklichen Umstaͤnden der Juden unter den Roͤmern sagt, ist nicht blos rich- tig, sondern liesse sich noch mit ansehnlichen Zusaͤtzen, die ihm angenehm seyn wuͤrden, vermehren: die Ge- schichte, wie ihnen Rechte, die sie einmahl hatten, selbst nach zwey Rebellionen behalten hatten, un- ter christlichen Kaysern genommen sind, kann man nicht wohl ohne Misbilligung lesen. Aber nun et- was wichtiges mit Herrn D. eigenen Worten, S. 50. In diesem Zustande befand sich die juͤdische Nation, als die verschiedenen nordischen Voͤl- ker in das Roͤmische Reich einfielen, und in den Provinzen desselben eigene neue Staaten errichteten. Da die freygebohrnen Roͤmer von diesen ihren neuen Beherrschern fast als Sclaven behandelt wurden, so muß- ten die Juden u. s. f. Wenn ich dis lese, faͤllt mir der Gedanke als natuͤrlich auf: es war unrecht, wenn die christlichen Kayser den Juden nahmen, was sie hatten, aber wenn die Sieger, und deren Nach- kommen, den Juden Rechte nicht von neuen geben, die ser bloß moͤgliche (bey einer so lange Zeit ganz unmilitaͤrischen Nation gewiß sehr unwahrschein- liche ) Fall, die Regierung abhalten, zu thun, was Philosophie und Politick einstimmig verlangen? die sie zur Zeit der Eroberung nicht hatten, so ist es nicht unrecht. Koͤnnen wir mit Vortheil, oder oh- ne Schaden, den Juden mehr einraͤumen als sie ha- ben, so ist es Menschenliebe und Politick . Ich habe auf dieses Letztere vor- zuͤglich gedrungen, weil in Sachen der Art, die- ser Beweggrund am meisten faͤhig ist, Aufmerksam- keit und wirkliche Thaͤtigkeit hervorzubringen. Sonst bin ich fest uͤberzeugt, daß in diesem, wie in jedem Falle, Menschlichkeit und aͤchte Politick gerade ein und Dasselbe sey. D. , dis zu thun: aber was eingeraͤumt werden soll, kommt auf die Frage an, was kann ihnen mehreres, als sie jetzt haben, ohne Nachtheil des Staats, (sollte der auch noch so spaͤt erfolgen) und ohne Nachtheil des Einheimischen, Recht an das Land habenden, und es vertheidigenden, deutschen Buͤrgers, dessen Vater, Vormund und hoͤchster Bedien- ter der Fuͤrst ist, eingeraͤumt werden ? E 4 2. An- 2. Anmerkungen uͤber diese Beurtheilung von Hrn. Moses Mendelssohn Der wuͤrdige Hr. Verfasser schickte mir diese An- merkungen sogleich, als er die Michaelische Recen- sion gelesen hatte und mit seiner Erlaubniß mache ich sie itzt bekannt, ob sie gleich eigentlich dazu nicht bestimmt waren. . D er Hr. Ritter Michaelis scheint keine andere Laster zu kennen, als Betrug und Spitzbuͤberey. Wenn aber die Lasterhaftigkeit eines Volks geschaͤtzt werden soll, so kommen, wie ich glaube, Moͤrder, Stras- senraͤuber, Landverraͤther, Mordbrenner, Ehebrecher, Hurerey, Kindermord ꝛc. mit in den Anschlag. Selbst wenn die Lasterhaftigkeit blos nach der Menge der Diebe und Diebeshehler geschaͤtzt werden soll, muͤssen diese nicht mit der Volksmenge uͤber- haupt in Vergleichung gesetzt, sondern Kleinhaͤndler und Troͤdler unter den Juden mit Leuten dieses Ge- werbs unter Andern verglichen werden. Ich wette, daß nach dieser Vergleichung die Proportion ganz anders ausfallen soll. Ich berufe mich keck auf die nem- nemlichen juristischen Acten, ob nicht nach dieser Rechnungsart 25 mal so viel deutsche Diebe und Diebeshehler unter den Troͤdlern sind, als juͤdische. Nicht zu gedenken, daß der Jude diese Lebensart aus Noth ergreift; die andern aber Feldmarschaͤlle und Minister werden koͤnnen, und aus freyer Wahl Kleinhaͤndler, Troͤdler, Mausfalltraͤger, Schatten- spiel- und Raritaͤtenkraͤmer ꝛc. geworden sind. Diebshehler finden sich allerdings unter den juͤdi- schen Troͤdlern nicht wenige; aber eigentliche Diebe sehr wenige, und diese sind groͤßtentheils Leute ohne Schutz, die nirgend auf dem Erdboden unterkommen koͤnnen. Sobald sie zu einigem Vermoͤgen gekom- men sind, kauffen sie sich von den Landesfuͤrsten ein Schutzprivilegium, und verlassen ihr bisheriges Ge- werbe. Dieses ist notorisch, und mir selbst sind in meinen juͤngern Jahren manche bekannt gewesen, die in meiner vaͤterlichen Heimat ein ganz unbescholtenes Leben gefuͤhrt haben, nachdem sie einige Jahre mit- gelauffen, und so viel zusammengescharrt hatten, als zu Erkauffung eines Schutzes erfordert wird. Ein Unwesen, das man blos der feinen Politick zu verdanken hat, den armen Juden allen Schutz und Aufenthalt zu verweigern, und sie mit offenen Ar- men aufzunehmen, wenn sie sich reich gestohlen ha- E 5 ben ben . So sehr auch Hr. Ritter M. wider die Ar- muth, nach Anleitung der Schrift, eingenommen ist; so habe ich bey meiner Nation wenigstens unter den Armen vergleichungsweise weit mehr Tugend ge- funden, als bey den Reichen. Die gehofte Ruͤkkehr nach Palaͤstina, die Herr M. so besorgt macht, hat auf unser buͤrgerliches Ver- halten nicht den geringsten Einfluß. Dieses hat die Erfahrung von jeher gelehrt, an allen Orten, wo Juden bisher Duldung genossen, und ist eines Theils der Natur des Menschen gemaͤß, der, wenn er nicht Enthusiast ist, den Boden liebt, auf welchem ihm wohl ist, und wenn seine religioͤse Meynungen da- wider sind, diese fuͤr die Kirche und die Gebetsfor- meln versparet, und weiter nicht daran denkt; an- dern Theils aber der Vorsorge unsrer Weisen zuzu- schreiben, die uns den Verbot im Talmud sehr oft eingeschaͤrft, an keine gewaltsame Ruͤkkehr zu den- ken ; ja ohne die in der Schrift verheißene große Wun- der und außerordentliche Zeichen, nicht den gering- sten Schritt zu thun, der eine gewaltsame Ruͤkkehr und Widerherstellung der Nation zur Absicht haͤtte. Diesen Verbot haben sie auf eine etwas mistische, doch sehr einnehmende Weise, durch den Vers im Hohenliede ausgedruͤckt (Cap. 2, v. 7. und C. 3, v. 5.) Ich Ich beschwoͤre euch, Toͤchter Jerusalems! Bey den Hirschen, Bey den Hinden des Waldes, Daß ihr nicht wecket Und nicht rege machet Die Liebe, Bis es ihr gefaͤllt. daher sind auch alle Anschlaͤge, die die Projectma- cher, Langallerie u. a. seines Gelichters auf die Beutel der reichen Juden gehabt haben, noch immer ohne Wirkung, und wenn sie selbst auch anders aus- gesagt haben, leerer Wind gewesen. Was Herr M. von unserer Untauglichkeit zum Kriegesdienste sagt, lasse ich dahin gestellt seyn. Will er, daß die Religion den Trutzkrieg gut heiße; so nenne er mir die unselige, die es thut. Die christ- liche sicherlich nicht. Und werden nicht Quacker und Menonisten geduldet, und mit weit andern Vorrech- ten und Freyheiten geduldet, als wir? Anstatt Christen und Juden bedient sich Herr M. bestaͤndig des Ausdrucks Deutsche und Juden . Er entsiehet sich wohl, den Unterschied blos in Reli- gionsmeynungen zu setzen, und will uns lieber als Fremde betrachtet wissen, die sich die Bedingungen gefal- gefallen lassen muͤssen, welche ihnen von den Land- eigen thuͤmern eingeraͤumt werden. Allein erstlich ist dieses ja die vorliegende Frage: ob den Landeigenthuͤ- mern nicht besser gerathen ist, wenn sie diese Gedul- deten als Buͤrger aufnehmen, als daß sie mit schwe- ren Kosten andere Fremden ins Land ziehen? — Sodenn moͤchte ich auch eroͤrtert wissen: wie lange, wie viel Jahrtausende dieses Verhaͤltniß, als Land- eigenthuͤmer und Fremdling fortdauern soll? Ob es nicht zum Besten der Menschheit und ihrer Cultur gereiche, diesen Unterschied in Vergessenheit kommen zu lassen? Mich duͤnkt ferner, die Gesetze sollen uͤberhaupt keine Ruͤcksicht auf besondere Meynungen nehmen. Sie sollten ihren Weg unaufhaltsam fortgehen, und das vorschreiben, was dem allgemeinen Besten zu- traͤglich ist, und wer zwischen seinen besondern Mey- nungen und den Gesetzen eine Collision findet, mag zusehen, wie er diese heben kann. Soll das Vater- land vertheidiget werden; so muß jeder hinzueilen, dessen Beruf es ist. Die Menschen wissen in sol- chen Faͤllen schon ihre Meynungen zu modificiren, und so zu wenden, daß sie mit ihrem buͤrgerlichen Berufe uͤbereinstimmen. Man suche ihnen nur die- sen Widerspruch nicht zu auffallend zu machen. In eini- einigen Jahrhunderten hebt, oder vergißt er sich von selbst. Auf diese Weise sind die Christen, der Lehre ihres Stifters ungeachtet, Weltbezwinger, Unter- druͤcker und Sklavenhaͤndler geworden, und so koͤn- nen auch Juden zum Dienste tauglich gemacht wer- den, — es versteht sich, daß sie das Maas haben muͤssen, wie Hr. M. weislich erinnert, wo man sie nicht etwa blos gegen feindliche Pigmaͤen oder Ju- den, brauchen will. 3. Des Hrn. Michaelis Beurtheilung des Anhangs Menasseh Ben Israel Rettung der Juden, aus dem Englischen uͤbersetzt. Nebst einer Vorrede von Moses Mendelssohn Des Zusammenhangs wegen lasse ich auch diese Recension hier abdrucken. . I ch erwaͤhne diese Bogen blos deshalb, weil sie ein Anhang der Dohmischen Schrift ist, ohne sie eigentlich zu recensiren, denn nur ent- fer- fernter Weise gehoͤrt sie in diese Bibliothek. Die uͤbersetzte Schrift des R. Manasse ist in der Historie merkwuͤrdig, weil sie veranlassete, daß die vorhin vertriebenen Juden unter Cromwel wieder in Eng- land aufgenommen wurden; wiewol freylich, wie die Geschichte sagt, nicht blos diese Schrift, sondern auch wichtigere Gruͤnde, den Protector gelenkt ha- ben sollen. „R. Manasse,“ sagt Herr Mendels- sohn in der Vorrede, „war ein Mann von vieler „Rabbinischen Gelehrsamkeit, und auch andern Wis- „fenschaften, und von einem sehr brennenden Eifer „fuͤr das Wohl seiner Mitbruͤder. Er erhielt zu Am- „sterdam, allwo er als Chacam der portugiesischen „Judenschaft lebte, die noͤthigen Reisepaͤsse, und „ging in Begleitung einiger seiner Nation nach Lon- „don, um die Sache seines Volks bey dem Protec- „tor, bey dem er wohl gelitten war, und bey dem „Parlament zu unterstuͤtzen. Er fand aber mehr „Schwierigkeit, als er sich anfangs vorstellete, und „diesen Aufsatz schrieb er zu einer Zeit, da er die „Hofnung, in seinem Geschaͤfte gluͤcklich zu seyn, fast „aufgegeben hatte. Endlich aber gelang es ihm den- „noch, und die Juden wurden unter leidlichen Be- „dinguugen wieder aufgenommen.“ In In der Englischen Geschichte ist dis, wie schon gesagt, immer ein sehr wichtig Stuͤck: denn wenn auch der Protector noch andere eintraͤgliche Ursa- chen der Wiederaufnahme der Juden hatte, und an- dere scheinbare vorgab, unter denen selbst die Hof- nung einer Judenbekehrung, und die Pflicht der Christen an ihnen zu arbeiten, war, so ist es doch dem denkenden Leser der Geschichte gar nicht gleichguͤltig, zu wissen, was diesem sehr klugen Kopf, der ein vom Religions-Enthusiasmus wuͤtendes Volk zu beherrschen und zu lenken hatte, fuͤr Mittel ge- geben sind, alte thoͤrichte Anklagen des Aberglaubens und Religionseifers gegen die Juden zu beantwor- ten. Herrn Dohms Project betrift Manasses Brief eigentlich nicht; denn Manasse forderte fuͤr die Ju- den nicht das, was Herr D. ihnen goͤnnete, und sie wuͤnschten hauptsaͤchlich wegen der Handlung in Eng- land zu seyn: auch verdienen die meisten Anklagen gegen die Juden, die Manasse beantwortet, jetzt wenigstens im noͤrdlichen Deutschland keine Beant- wortung mehr, weil sie niemand mehr erhebt, son- dern das Publikum sie als bloße Pfaffen- und Moͤnchs-Laͤsterungen verachtet. Wichtiger und Herrn D. Zweck naͤher betref- fend ist hingegen Herrn Mendelssohns Vorrede. Weil Weil sie aber nichts in die orientalische Litteratur einschlagendes neues enthaͤlt, oder enthalten kann, wird man hier keine eigentliche Recension erwarten, sondern sie selbst lesen. Doch einen die Hauptsache betreffenden Mendelssohnischen Gedanken, der sehr von Herrn Dohm abgehet, kann ich nicht unbemerkt lassen. Herr Dohm rechnete zur Autonomie, die er den Juden eingeraͤumt wissen wollte, auch die kirch- liche, insonderheit dieses, daß sie das Recht der Ausschliessung auf gewisse Zeiten, oder auf im- mer haben, und im Fall der Widersetzung das Erkenntniß des Rabbinen durch obrigkeitliche Beyhuͤlfe unterstuͤtzt werden sollte . Dis ver- langt nun Mendelssohn nicht allein nicht fuͤr sie, son- dern glaubt, es gebe gar keine solche kirchlichen Rech- te uͤberhaupt, (der Nahme klingt ihm schon unver- staͤndlich) jede Gesellschaft habe das Recht der Aus- schliessung, nur die kirchliche nicht, die solle nieman- den versagen, an der gemeinschaftlichen Erbauung, und Unterricht Theil zu nehmen, dis sey ja Besse- rungsmittel fuͤr ihn. Er setzt noch hinzu: auch einer, der nicht alles glaubt, was die Kirche annimmt, wolle doch nicht gern ohne alle aͤusserliche Religion seyn, ja es koͤnne Schimpf kaum so ganz davon ge- trennet werden. — — In die Frage, ob es uͤber- haupt haupt kirchliche Rechte gebe, soll ich mich hier wohl nicht einlassen, sie gehoͤrt an einen ganz andern Ort: ich glaube sie, (und das werden die meisten Leser auch thun) dabey wissen meine Zuhoͤrer in der Moral, daß ich der Kirche uͤber Layen wenig Rechte verstatte, (uͤber ihren besoldeten Diener, den Lehrer, muß sie mehr haben) daß ich gegen die frommen Wuͤnsche ei- ner strengen Kirchenzucht rede, und das gefaͤhrliche der Kirchenzucht zeige, sie mag nun aristocratisch von Geistlichen oder democratisch geuͤbt werden, daß ich sogar dem Geistlichen kein Recht gebe, einen so be- kannten Boͤsewicht, als Judas Ischarloth war, vom heiligen Abendmahl auszuschliessen, weil Christus es nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spoͤtter und Entehrer der Handlung, hinzugehen will: daß unsere Kirche von ihrem Gottesdienst, sofern er in Gesang, Gebet, und Unterricht besteht, keinen aus- schließt, weiß jeder und ich billige es von ganzem Her- zen. Und nun wird wohl niemand zu wissen verlan- gen, was ich bey dem Widerspruch zwischen D. und M. denke, sondern als gewiß zum voraussetzen; ich sey auf der guͤtigern Seite Mendelssohns. Das bin ich doch nicht, sondern gewissermassen in der Mitte. Die Kirche des herrschenden Volks handelte thoͤricht und hart, wenn sie einen Irrglaͤubigen, Unglaͤubi- F gen, gen, oder Lasterhaften, von ihrem Gottesdienst aus- schloͤsse, es hieße so viel als, dem Kranken die Apo- theke verbieten; ihn bloß woͤrtlich zur Beschimpfung auszuschliessen, hat sie kein Recht, es muͤßte denn der Staat es ihr ausdruͤcklich verliehen haben, vom bruͤderlichen Umgang ausschliessen, ist bey ihr ein Nichts, denn die allgemeine Kirche des Volks ist Welt , und der Unterschied des Umgangs mit Ne- benmenschen und Nebenchristen wird unsichtbar. Aber ein anderes ist es mit einer kleinern bloß gedul- deten, und vom herrschenden Volk geschuͤtzten Kirche. Hier treten folgende Umstaͤnde ein, die das Recht der Ausschliessung, bisweilen gar der bezeugten ge- meinschaftlichen Verabschenung, zu ihrer Existenz nothwendig machen. 1) Durch gewisse Verbrechen eines Mitgliedes kann die kleine Kirche in den Augen des Volks beschimpft werden, welches glaubt, es sey nach ihrer Moral, und Folge ihrer Religion. Wenn jetzt ein Christ seine Stiefmutter heyrathete, und ein schaͤndlicher Prediger verrichtete noch sogar die Trauung: so waͤre das Christenthum nicht in den Augen des Volks beschimpft, denn wir alle sind Christen, und wissen, dis ist nicht nach unserer Religion, hier ist also die Strafe der der Obrigkeit allein uͤberlassen: aber anders 1 Cor. 5, 1 — 5. So lange die Corinthier den Blutschaͤnder nicht ausschlossen, mußte ihre Re- ligion den Heiden aͤusserst schwarz vorkommen. 2) Gewisse Verbrechen eines Einzelnen koͤnnen die Rache des herrschenden Volks gegen sie reitzen, wenn dieser Einzelne noch als Mitglied ihrer Ge- meine angesehen wird. Gesetzt, ein juͤdischer Enthusiaste haͤtte um die Zeit, da Cromwel die Juden wider aufnahm, oͤffentlich Christum ge- laͤstert, (das er nach der besten juͤdischen Moral nicht thun soll, selbst den Capitolinischen Ju- piter nicht) haͤtten nicht die Juden ihn auf das oͤffentlichste ausstossen muͤssen, wenn sie, ich will nicht sagen ihrer Duldung, sondern ihres Lebens sicher seyn wollten? 3) Durch gewisse Verbrechen eines Einzelnen kann die kleine Kirche einen Theil oder das Ganze ihrer Gewissensrechte oder Duldung verlieren. Jeder weiß, was in England der Fall seyn wuͤrde, wenn ein Quaker im Gerichte eine Luͤge begienge, sein Ja nicht Ja, und sein Nein nicht Nein, nicht so heilig als der Eid waͤre: ihre ganze Befreyung vom Eide hoͤrte damit auf. Gesetzt der Fall truͤge sich zu, koͤnnte man es F 2 den den Quakern verdenken, wenn sie ihn aus ihrer Gemeine stiessen? Doch dis wuͤrde die Sache noch nicht bessern! koͤnnte man es ihnen verden- ken, wenn sie also noch weiter gingen, und zu Verhuͤtung des Ungluͤcks einen auch aussergericht- lichen Luͤgner von ihrer Gemeine ausschloͤssen? 4) Das herrschende Volk schuͤtzt und duldet die kleine Kirche, unter der Zumvoraussetzung, daß sie gewisse Lehren habe, oder nicht habe. Z. E. die eben genannten Quaker, sind vom Eide frey, weil sie glauben und bekennen, ein blosses Ja und Nein sey so heilig als ein Eid: gesetzt sie glaubten dis nicht, sondern hielten falsiloquia fuͤr erlaubt, kann ihre Befreyung fortdauren? In Deutschland werden jetzt Wi- dertaͤufer geduldet, weil man weiß, sie haben die rebellischen Lehren der Muͤnsterischen Wider- taͤufer nicht; wuͤrde aber diese Duldung immer fortdauren, wenn sie jene Lehren haͤtten? Soll- te nun ein Mitglied der kleinen Kirche Irrthuͤ- mer von dieser Art haben, so ist doch wohl der Kirche das Recht unentbehrlich, es feyerlich aus- zuschliessen, und von seinem Gottesdienste nicht nur, sondern auch von Freundschaft und Um- gang zu entfernen. Auf Auf solchen Faͤllen muͤßten ja denn auch billig die, neue Rechte erwerbenden Juden, das alte Recht der Ausschliessung aus ihrer Gemeine behalten, und im Fall der Noth von der Obrigkeit unterstuͤtzt werden; so wenig ich es meiner Kirche anrathen wuͤrde, dis Recht zu uͤben, so rathsam koͤnnte es doch fuͤr Juden seyn: ja vielleicht hat der ihnen neue Rechte einge- stehende Staat Ursache zu verlangen, daß sie es uͤben. Es erleichtert ihre Nationalisation. Darf ich dis mit ein paar Beyspielen erlaͤutern. Betruͤglicher Eid, und Diebstahl, oder Zusammenhang mit Die- besbanden, ist die Hauptsache, die eine Nationali- sation, ja oft die Duldung der Juden bedenklich macht: man hat auch den Verdacht einer boͤsen Leh- re vom Eide, und dem an Christen begangenen Dieb- stahl, und so unschuldig die Gelehrtern hier sind, so schleichen doch unter dem Poͤbel, sonderlich unter dem mit Spitzbubenbanden zusammenhaͤngenden, solche Irrthuͤmer herum. Wie wenn nun ein Jude dergleichen Irrthuͤmer aͤusserte, bey denen selbst die Duldung der Juden be- denklich wird, sollten nicht die nationalisirten Juden das Recht haben und gebrauchen, ihm zu sagen, du bist kein Jude, du hast unsere Lehre nicht, und ihn von ihren Synagogen auszuschliessen? Sollten sie nicht F 3 auch auch zu ihrer Ehre das Recht haben, eben so mit dem von der weltlichen Obrigkeit uͤberfuͤhrten Meineidi- gen oder Diebe zu verfahren? und koͤnnte der Staat nicht wuͤnschen, daß dis geschehe? Wirklich ohne so etwas wird diese Schwierigkeit, die ich gegen Buͤrger rechte der Juden erwaͤhnt habe, immer groß bleiben: aber wenn sie, wie die Quaker in England wegen der gerichtlichen Luͤge, also sie wegen Meineides und Dieberey alle fuͤr Einen stehen muͤßten, so waͤre der Zweifel gehoben. Nur diese Bedingung moͤchte zu hart seyn: aber die gelindere, die uns ehrliche Ju- den ins Land bringen, und die Sitten des Volkes wirklich bessern wuͤrde, waͤre diese; diejenigen juͤdi- schen Gemeinen, die Buͤrgerrechte erlangen, schlies- sen jeden aus ihrer buͤrgerlichen und kirchlichen Ge- meinschaft aus, der einen falschen Eid gethan, oder an einem Diebstahl, mittelbar oder unmittelbar An- theil genommen hat, halten ihn fuͤr keinen Juden, und haben keine Gemeinschaft mit ihm. Dis waͤre das gerade entgegengesetzte dessen, was selbst die blosse Duldung der Juden in manchen kleinen Herr- schaften Deutschlands den Unterthanen so fuͤrchter- lich macht: sie beklagen sich, diese Juden, (gemei- niglich Arme, doch bisweilen ein Reichgeworde- ner darunter) waͤren Mitglieder oder Absetzer der Spitz- Spitzbubenbanden, und wenn nun solche, auch selbst auf Einbruͤchen, oder wo sonst Carl des fuͤnften pein- liche Halsgerichts-Ordnung den Strang setzt, er- griffen wuͤrden, kaͤmen sie doch los, denn die Ju- den, die sich es zur Pflicht machten, einem Juden das Leben zu retten, sonderlich aber zu hindern, daß er nicht gehangen wuͤrde, legten Vorbitten ein, und begleiteten sie mit Geld, das bey einem armen Fuͤr- sten mehr wiegt, als das Wohl und die Sicherheit der Unterthanen. Ob ihre Klagen wahr sind, die man mir erzaͤhlt hat, will ich nicht untersuchen: allein so lange nur der Verdacht dauret, waͤre eine Juden-Nationalisation schrecklich. Dis schreck- liche kann bloß durch gute Uebung des Kir- chenbannes wegfallen: der Jude, der gestohlen, der falsch geschworen hat, sey kein Jude mehr, die juͤdische Gemeine verliere alle ihr verliehene Rechte, wenn sie Judenliebe gegen ihn beweiset, und sich auch nur mittelbar verwendet, ihn vom Stran- ge los zu machen. Juden, die sich nicht so vom Meineidigen oder Spitzbuben lossagen wollten, wo- fuͤr sollte man die halten? und wie koͤnnte man ih- nen mehr Rechte geben? da die blosse bisherige Dul- dung gerade durch die besondere uͤber Menschenliebe F 4 so so sehr hinausgehende Judenliebe dem herrschenden und schuͤtzenden Volk so gefaͤhrlich wird? Aber nun auf der andern Seite: ich glaube nicht, daß M. gegen eine Ausschliessung dieser Art etwas einwenden wuͤrde; die deren Recht er den Rabbinen nicht goͤnnen will, ist wohl von einer andern Art. Es gehen da Misbraͤuche und Tyranneyen vor, von denen Christen bisweilen hoͤren, er aber vielleicht mehr wissen mag, und die wollte er u n terdruͤckt wis- sen. Damit bin ich sehr einstimmig. Das Recht der Ausschliessung, daͤchte ich also, bliebe, und die Tyrannen wuͤrde abgesondert: wie das geschehen soll ist hier zu weitlaͤufig zu sagen, es ist aber auch leicht zu errathen, ohne daß ich mehr Papier verschwende. 4. Des 4. Des Hrn. Prediger Schwager Ge- danken, bey Lesung dieser Schrift. M it Ehrfurcht betracht’ ich jeden Versuch eines Menschenfreundes, den Unterdruͤckten das Wort zu reden, und dem Unterdruͤcker ein Wort an’s Herz zu legen. Weit bin ich immer davon entfernt gewesen, eine ungluͤckliche Nation zu hassen, weil sie Gott auf eine andere Art verehrt, als ich, ande- re Sitten und Gebraͤuche hat, als ich in meiner Re- ligion vorfinde, und mir ihren Himmel verschließt, weil ich unbeschnitten bin, und Schweinefleisch esse. Ich hab’ es immer beklagt, daß wir die Juden durch ein druͤckendes, politisches Joch zwingen, uns be- truͤgen zu muͤssen, denn wie sollen sie es anders ma- chen, um leben zu koͤnnen? woher anders ihre schweren Abgaben bestreiten? und wie sich anders an der Ver- achtung raͤchen, womit wir die Menschheit in ihnen beleidigen? Ich gehoͤre nicht zu denjenigen, die ihre F 5 Be- Bestaͤndigkeit, mit der sie an dem Gesetz ihrer Vaͤ- ter hangen, Halsstarrigkeit nennen; denn es ist ge- rade der beste Theil dieser Voͤlkerschaft, die ihre An- haͤnglichkeit am Gesetze Mosis am unerschuͤttertsten beybehaͤlt, und wir duͤrfen selten auf die Proselyten stolz seyn, die von ihnen zu uns uͤbergegangen sind. Ihre Erziehung ist religioͤser, als die unsrige, weil sie unter dem Drucke sind, ihre Erwartung wird aufs hoͤchste gespannt, und die Lebhaftigkeit ihres Genies verleitet sie weit eher zum Fanaticismus, als uns unser groͤßeres Pflegma. Und was thun wir, ihnen die Vorzuͤge der christlichen Religion vor der ihrigen einleuchtender zu machen? Leben wir gewis- senhafter nach unsren religioͤsen Grundsaͤtzen, als sie? Sind wir weniger in Rotten und Secten getheilt, als sie? Verfolgen sich christliche Religionspartheyen weniger, als die Thalmudisten und Karaiten unter einander? Eben deswegen, weil wir in unserm Le- ben so wenig Christen sind, eben deswegen, weil so wenig Bruderliebe unter uns herrscht, eben deswe- gen, weil wir mehr uͤber die Wahrheit der christli- chen Religion disputiren, als nach dem Geiste dersel- ben leben, eben deswegen kann ein ehrlicher Jude mit seinen Vorurtheilen nicht zu uns uͤbergehen, wir erschweren ihm selbst diesen Schritt. Und sollte sich die die christliche Religion wohl durch Druck und Ver- achtung empfehlen? Die Religion der Christen in ihrer urspruͤnglichen Reinigkeit kennt freylich keinen Verfolgungsgeist, sie empfiehlt gegenseitige Liebe und Duldung, und ihrem Stifter war ein rechtschaffe- ner Samariter lieber, als ein rechtglaͤubiger Jude der ein Schurke war. Aber woher soll der Jude dis reine Urchristenthum kennen lernen, da wir’s selbst alle nicht mehr kennen? Kann er anders, als nach unserm eigenen Leben und Wandel auf unsere Reli- gion zuruͤckschließen? und kann sie sich da empfeh- len? Gesetzt nun, sein Irrthum ist ihm da ver- dammlich, von wessen Haͤnden wird sein Blut gefor- dert werden? Von den Seinigen allein? oder auch von den Unsrigen? von uns, die wir ihn durch un- ser schlechtes Leben zwangen, schlecht von unserm Glauben zu denken? die wir in ihm durch poͤbelhafte, blinde Verachtung den Menschen schaͤnden, und Den entehren, der den Menschen geschaffen hat? Kann der Jude Vertrauen zu demjenigen haben, der ihn geringer haͤlt, als einen Hund? In meinem Leben hab ich mir’s nicht erlaubt, einen Juden schlecht zu behandeln, ich hab’ in ihm den Menschen geehrt, der Fleisch ist von meinem Fleisch, und Bein von meinem Bein. Mit seinem Irrthum hab’ ich Ge- dult dult gehabt, weil ich vielleicht, bey seiner Erzie- hung, in seiner Verfassung, eben sowohl ein Jude wuͤrde gewesen und geblieben seyn, als er. Den rechtschaffenen Juden, (und es giebt gewiß welche) hab ich immer mehr geliebt, als den sogenannten Christen, der seinen Glauben durch sein Leben schaͤndet; denn ich weiß es von Petro, daß Gott die Person nicht ansiehet, sondern in al- lerley Volk, wer ihn fuͤrchtet und recht thut, der ist ihm angenehm . Apost. Gesch. 10, 34. 35. Dadurch hab’ ich manchen Juden von einer bessern Seite kennen gelernt, als andere ihn kennen lernen wollten, ich habe gefunden, daß sie edler Empfin- dung faͤhig sind, und weiß gewiß, daß, wenn ich unter Moͤrder fallen wuͤrde, und ein Jude, der mich kennte, kaͤme des Weges, er nicht bey mir voruͤber gehen wuͤrde. Kein Religionsirrthum, der unverschuldet ist, entbindet mich von der allgemeinen Pflicht, meinen Naͤchsten zu lieben, und wie kann ich’s beurtheilen, daß der Irrthum des Juden verschuldet oder unver- schuldet war? Ich kann mich nicht ganz in seine Lage hinein denken, mich nicht ganz in seine Stelle setzen. Es gehoͤrt schon ein genauer Beobachter dar- zu, der seine eigene Seelengeschichte kennen und recht wissen wissen sollte, wie und durch welche Veranlassung er nach und nach zu seinen Ueberzeugungen gekommen sey? Und beynahe moͤgte ich sagen, es giebt solche genaue Beobachter gar nicht, wenn keine gewisse Re- volution bey ihnen vorgegangen ist, von der sie ihre Seelengeschichte an datiren. Um wie viel weniger bin ich also im Stande, die Selengeschichte eines andern zu beurtheilen und zu kennen. Wir wollen das Wort Ueberzeugung nicht im strengsten Ver- stande nehmen, da es freylich eine unpartheyische Pruͤfung voraussetzt; denn in diesem Falle wuͤrden wir manche sogenannte Ueberzeugung der Christen gleichfalls ausrangiren muͤssen, und wie wuͤrd’ es dann unsern Fanatikern und Geistersehern gehen? Sondern ich nehme das Wort Ueberzeugung nach der Moͤglichkeit eines Subjects, seiner Meynung gewiß zu seyn. Diese wird durch tausenderley Zu- faͤlligkeiten eingeschraͤnkt oder subjectivisch vernichtet. Wie selten ist die Faͤhigkeit , einer Sache so tief nachzudenken, als solche Pruͤfungen, wenn sie wei- ter bringen sollen, erfordern! wie sehr fehlt es tau- send Menschen an den erforderlichen Datis, Zeit, Unbefangenheit und Lust ! Sorgen fuͤr Leibes- nahrung und Nothdurft nehnen bey den meisten Menschen alle Zeit weg, besonders bey den Juden, dem dem groͤßten Theile nach, und ein Geist, der so sehr niedergedruͤckt wird, als der ihrige, ist wohl zum Philosophiren wenig aufgelegt, wenn er nicht aus der hoͤhern Classe menschlicher Seelen ist. Alles, was Seelen taͤglichen Schlages thun koͤnnen, ist sich von ih- ren Meynungen zu uͤberzeugen, und da giebts leichte Arbeit, die man noch auf den Feyerabend thun kann. Ein aͤngstiges Gewissen haͤlt eine unzaͤhlbare Menge der Christen von weiterm Forschen zuruͤck, sollten die Juden diesen menschlichen Schwachheiten und Unvollkommenheiten weniger unterworfen seyn? Der groͤßte Theil unserer Religionslehrer hat sich nicht bis zu dieser Pruͤfung verstiegen, und wir dulden sie doch, ja sie koͤnnen ein weit ruhigeres Leben fuͤh- ren, als die Pruͤfer; warum sollten wir denn die Juden uͤber Unterlassuugssuͤnden anfeinden, die wir selbst auf dem Gewissen haben? Zu dem leitet die groͤßere Lebhaftigkeit der Juden eher zum Fanaticis- mus, als zum kalten Nachdenken, und wer mit je- nen bekannt ist, wird sich’s leicht erklaͤren koͤnnen, warum der Jude unsere Gruͤnde nicht pruͤfen will, die uns freylich nicht einleuchtend sind, aber um kein Haar einleuchtender, als ihm die Seinigen, die ihn bestimmen, unsere Gruͤnde nicht einmal anzuhoͤren Philosophische Ueberzeugung kann ich von wenig Men- Menschen erwarten, und manchmal von denen am wenigsten, die sie sich zu verschaffen am meisten be- muͤht sind. Dies wundert mich gar nicht mehr, (wenn ich es sagen darf,) da ich den Menschen an mir selbst habe suchen naͤher kennen zu lernen. Un- sere Ueberzeugung und Nichtuͤberzeugung haͤngt von so vielen Zufaͤlligkeiten ab, daß ich, um doch ein Beyspiel zu geben, bey schlechter Verdauung oft noch etwas bezweifele, wovon ich bey besserm Befinden und groͤßerer Heiterkeit, vollig uͤberzeugt bin. Daß die Juden ihre Kinder mit ungleich groͤßerm Fleiße in ihrer Religion erziehen, als die Christen nach Maß- gabe, bedarf, denk ich, nicht erst erwiesen werden. Meinetwegen moͤgen’s alles Vorurtheile seyn, wo- rinn sie dieselben von Kindesbeinen an zu bestaͤrken su- chen; so viel ist doch wohl ausgemacht, daß dergleichen so tief eingedrungene Vorurtheile hoͤchst schwer auszu- rotten sind, und bey einigen Subjecten ist es, nach ihrer Lage, schlechtweg unmoͤglich. Wir haben so viele Christen, die ein beredter und gelehrter Jude so sehr in die Enge treiben koͤnnte, der Messias sey noch nicht gekommen, daß sie ihn nicht widerlegen koͤnnten; aber Juden wuͤrden sie deswegen gewiß nicht werden. Der Jude haͤtte eben so sehr ein Recht, den Christen deswegen halsstarrig zu nennen, als wir wir ihn so nennen; aber was wird damit ausge- macht? Nichts, denn widerlegen und uͤberzeugen ist zweyerley. Diese Wahrheiten sind, denk ich, von der Art, daß sie sich jeder sagen koͤnnte; ich will und kann sie also nicht fuͤr neu ausgeben. Aber warum hassen, verfolgen und unterdruͤcken wir denn die Juden? Weil sie uns vervortheilen? Daran sind wir selbst Schuld, wir zwingen sie zum Wucher, um die Ab- gaben bestreiten zu koͤnnen, die uns sonst, bey blei- benden Staatsbeduͤrfnissen, selbst mit treffen wuͤr- den. Oder weil sie Christum gekreuzigt haben? Bat doch Christus selbst fuͤr sie, weil sie nicht wusten, was sie thaten , und Petrus rechnete es den Moͤr- dern selbst nicht einmal an. Nun lieben Bruͤder, ich weiß es; daß ihr’s durch Unwissenheit ge- than habt, wie auch eure Obersten . Apost. Ge- schichte 3, 17. Sollten wir es denn eine ungluͤckli- che Nachkommenschaft noch nach mehr als 1700 Jah- ren entgelten lassen, die vielleicht nicht einmal von jenen Juden abstammen, die Christum ermordeten? Ein Sohn soll nicht tragen die Missethat des Vaters , und wir solltens ungluͤckliche Enkel thun lassen, die schon durch 50 und mehr Generationen von jenen entfernt sind? Oder sollen wir sie etwa des- wegen ausrotten, weil sie keine Christen sind? Wa- rum laͤßt sie aber Gott leben? Ja, sagt ihr, aber Gott druͤckt sie auch um ihres Herzens Haͤrtigkeit wil- len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, sondern Menschen thun es, und viele unter ihnen glauben, daß sie Gott einen Dienst daran thun . Aber sie hassen doch die Christen. Freylich, wenn wir’s darnach machen, nicht aber, weil wir Christen sind. Und laßt sie es auch aus Sectirerey thun — wer hebt den ersten Stein auf ? Man giebt ihnen Schuld, daß sie Christen Kinder ermorden und ihnen das Blut aussaugen. Aber wer kann mir ein einziges Beyspiel davon zeigen? Pfui, solcher Fabeln sollten wir uns doch endlich einmal schaͤmen! Sie nehmen den Christen die Nahrung weg. Meynt ihr, daß sie nicht eben so gut einen Magen haͤtten, als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde blos fuͤr Christen erschaffen haͤtte? In dem Falle wuͤrde er schon selbst dafuͤr sorgen, daß sie nicht da waͤren. Die Erde ist allenthalben des Herrn, die Juden sind sowohl seine Geschoͤpfe als wir; er hat, daͤcht’ ich, also auch das Recht, da er sie gemacht hat, sie zu erhalten — oder siehest du darum so scheel, daß er so guͤtig ist ? G Wie Wie kann aber ihr Zustand verbessert werden? So herzlich ich ihnen auch ein besser Schicksal wuͤn- sche; so find ichs doch nicht so leicht, als der wuͤrdige Herr Kriegesrath Dohm , der sie allen uͤbrigen Buͤr- gern des Staats gleich gemacht haben moͤgte. Nicht als wenn ich ’s nicht billig faͤnde, nicht als wenn ich nicht mit der Zeit den besten Willen dazu von den gerechten Gesinnungen unserer Fuͤrsten erwartete — sondern ich finde die Hauptschwierigkeit in den Ju- den selbst. Ich kann sie in diesen Blaͤttern nicht so weitlaͤuftig auseinander setzen, als wenn ich ein Buch daruͤber schriebe; aber auch einige Einwuͤrfe in der Kuͤrze koͤnnen den Patrioten schon zum Nach- denken bringen. Herr Dohm hat einige dieser Schwierigkeiten selbst gefuͤhlt, und ich glaube nicht, daß er sie so gehoben hat, daß er selbst vollkommen damit zufrieden seyn koͤnnte, und eine der wichtig- sten ist ihm sogar entwischt. Die Juden erhalten sich unter uns noch immer als eine voͤllig fremde Nation , ihre Lebhaftigkeit ist weit groͤßer, als die unsrige, ihre Sitten und Gebraͤuche sind ganz andere, und lassen sich wirklich nicht so modificiren, daß sie mit uns fuͤglich ein ganzes ausmachen koͤnn- ten. Sie sind allerdings faͤhig, einen großen Theil der Pflichten der Buͤrger unserer Staaten auszu- uͤben, uͤben, aber nicht alle; folglich koͤnnen sie auch nicht aller Vortheile faͤhig seyn. Ich will einige nennen, nicht den Herrn Ver- fasser zu widerlegen, sondern mich freundschaftlich mit ihm uͤber eine Angelegenheit zu besprechen, die mir gewiß eben so warm am Herzen liegt, als ihm. Er ist mein Freund, und wird mich so beurtheilen, wie ich beurtheilt zu seyn wuͤnsche — und wer kann es besser als er? Eben die uͤberwiegende Lebhaftigkeit, die kein Druck, kein Sklavenjoch voͤllig daͤmpfen konnte, macht sie unfaͤhig, so gute und allgemein nuͤtzliche Buͤrger unter unserm noͤrdlichen Himmels- striche und mit uns gemeinschaftlich zu werden, als sie es in Asien, und als eine abgesonderte Nation, haͤtten seyn koͤnnen. In einem blos Handlungtrei- benden Staate koͤnnen sie weit eher noch einrangiert werden, als in einem Staate, der vorzuͤglich Acker- bau treibt. Fuͤr ihre Lebhaftigkeit koͤnnte kein Ge- setz weiser seyn, als dasjenige ist, daß sie bloß auf die Handlung einschraͤnkt. Ein stilleres, eingezoge- neres Leben, eine sitzende Lebensart, schickt sich fuͤr ihr Feuer nicht Aber diese veraͤnderte Lebensart wuͤrde sicher dieß Feuer laͤngst gemaͤßigt haben. Es ist eine allgemei- ne . Ich kenne freylich Staaten, wo G 2 sie sie Handwerker seyn duͤrfen, aber ich hab’ es auch gefunden, daß sie, als Handwerker nicht in ihrer rechten Sphaͤre waren, und was ihr Feuer noch daͤmpfen konnte, war Gewinnsucht, der Staat ge- wann nichts dabey, und die juͤdischen Handwerker waren nichts weniger als gluͤcklich. Der Judenjun- ge, der in Amsterdam mit seiner Schuhbuͤrste her- um laͤuft, oder sein Sechsgroschenmagazin feil bie- thet, gewinnt vielleicht nicht so viel, als der Schu- ster; aber er zieht sein Gewerbe vor, und ist gluͤck- licher. Der Jude zeigt durch seine Haare und Ge- sichtsbildung, wie weit er von uns abstehe, (uͤber uns oder unter uns? ist hier die Frage nicht,) und eben so verschieden ist auch sein Geist von dem un- srigen. Er taugt also zum Ackerbau nicht. Der Bauer ist gewissermaßen an seinen Acker festgebunden; keine Jahrszeit, oder sie fordert seine Gegenwart und Auf- sicht, und will er ein ehrlicher Kerl bleiben; so darf er ne Eigenschaft der menschlichen Natur, daß sie in jedes Clima sich paßt, und faͤhig ist allmaͤhlig zu werden, was fuͤr dasselbe sich schickt. Mich duͤnkt es liegt bey diesem und aͤhnlichen Raisonnemtnt im- mer eine Verwechselung der Wirkung mit der Ur- sache zum Grunde. D. er sich seinen Geschaͤften nicht entziehen. Ich hab’ es aus der Erfahrung, daß die lebhaften Bauren bald ausgehaushaltert hatten, ihr unruhiger Geist riß sie von ihrer Arbeit weg, und durch Versaͤumen wurden sie immer eher arm, als durch Verschwen- dung. Der Jude kann durch nichts, als durch Ge- winnsucht zur Induͤstrie angehalten werden, die Gewinnsucht pflanzten wir aber durch schwere Ab- gaben in ihn, und wenn wir ihm die erlassen; so duͤrfte die Induͤstrie auch abnehmen. Der Jude als Jude betrachtet, kann sein Bauerngut nicht so hoch nutzen, als der Christ; ich nehme die einzige Schwei- nezucht, die ihm sein Gesetz untersagt, und die ei- nem Christen schon ein ehrliches aufwirft. Und wo- mit soll er seine Hausgenossen bey schwerer Arbeit ernaͤhren? Nach unserer Verfassung, (und er soll doch mit uns vermischt leben,) wuͤrde er die Nah- rungsmittel weit theurer kaufen muͤssen, als der Christ, dem seine Schweine die nahrhaftesten und wohlfeilsten sind, der die Kuh und das Kalb ganz verzehren darf, und speiste er sein Gesinde schlechter, so wuͤrde er auch weniger Arbeit von ihm haben. Der Bauer kann ohne gemeinschaftliche Huͤlfe nicht bestehen, sein Nachbar muß ihm aushelfen und er dem Nachbaren. Der christliche Bauer wird sich G 3 sei- seinem juͤdischen Nachbarn entziehen, er hat Vorur- theile wider ihn, und wer ist so beredt, sie ihm neh- men zu koͤnnen? Und nun fragt sich’s nicht allein, ob der Jude ein besserer Bauer seyn wuͤrde? son- dern, ob wir ohne ihn nicht Haͤnde gnug haben, den Ackerbau zu betreiben? Wenn der Jude in un- serer Gegend nicht fruͤher das Recht haben sollte, ein Erbe an sich zu bringen, bis es an eben so guten christlichen Subjecten fehlte; so wuͤrd’ er in Ewigkeit keins erhalten. An andern Orten mag’s anders seyn. Oder sollen die Christen etwa zuruͤck stehen? Das waͤre Ungerechtigkeit auf der andern Seite. So sehr uns die Juden von den ersten Beinkleidern an in der Handlungsinduͤstrie uͤbertreffen, so sehr uͤbertreffen unsre Baurenjungen wieder sie in dem, was zum Ackerbau erfordert wird. Jeder also in seinem Fa- che. Wir muͤssen die Menschen nehmen, wie sie sind, und nicht wie wir sie uns wohl modeln moͤg- ten, und da wuͤrd’ es kein christlicher Bauer in ei- nem christlichen Staate, in dem er einheimisch, und der aͤlteste Einwohner ist, einem Juden vergeben, wenn er das Erbe auch seines entferntesten Verwand- ten an sich braͤchte. Wir haben die Feyertage so viel abgeschaft, als wir konnten, aber den Sonntag ha- ben wir den Christen doch gelassen, und den Sab- bath bath werden wir den Juden auch lassen muͤssen. So lange unser Staat noch ein christlicher Staat Diese Benennung, „ christliche, mahometanische Staaten “ so gemein sie auch ist, scheint mir doch den richtigen Begriffen von der Natur der buͤrgerli- chen Gesellschaft widersprechend. Diese kann mehre- re religioͤse umfassen, sie ihren Zwecken unterord- nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der- selben gehoͤrt zum Wesen des Staats und der Be- griff einer religioͤsen Gesellschaft (zahlreich oder nicht thut nichts zur Sache und ist veraͤnderlich) muß nie in den Begriff der buͤrgerlichen gemischt werden. D. blei- ben wird und soll, wird man den Juden nicht erlauben, unsern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; sind sie aber erst Bauren, so wird der Ausfall von zwey Tagen unter sieben zu stark fuͤr sie seyn, und der Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng- land ist der Jude immer noch auf den Handel allein eingeschraͤnkt, und schon da leidet er durch diesen Aus- fall von 2 Tagen, worauf scharf gehalten wird, un- endlich. Ich moͤgte aber nicht gern, daß man die Juden von diesem Gesetze dispensirte. Freylich ließ’ es sich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den Vorurtheilen unserer Christen, wenn es welche seyn sollen; und dann giebt es Vorurtheile, die selbst die G 4 Fuͤr- Fuͤrsten Ursache haben, zu respectiren. Fremde Co- lonisten arten unter den Eingebohrnen nicht, wie wenig werden es die Juden thun, die noch so vieles in Absicht der Religion wider sich haben! Soldaten koͤnnen und wollen die Juden auch nicht seyn. Es koͤmmt hier nicht sowohl darauf an, was sie vormals gewesen sind, als was sie jetzt noch sind; ob ihnen, nach des Herrn Ritter Michaelis Erklaͤrung ihr Gesetz Kriegesdienste und Entheiligung des Sabbaths erlaube, oder ob’s ihnen ihre eigene Erklaͤrung untersage? Ich glaube, daß der Jude sich an seinen Rabbinen und an seinen Talmud hal- ten, und sich noch eben so unexegetisch wuͤrde todt- schlagen lassen, als zur Zeit der Maccabaͤer. Viel- leicht gewoͤhnte man ihn nach und nach dazu, (viel- leicht auch nicht) sein Gewissen uͤber die Entheili- gung des Sabbaths zu beruhigen; aber ich moͤgte nicht gern ein Volk gleichguͤltig gegen seine Religion machen, wenn ich ihm keine bessere substituiren koͤnn- te; denn ich wuͤrd’ es zuverlaͤßig schlimmer machen, als ich’s fand. Ich setze also voraus, daß der juͤdi- sche Soldat auch im Felde eben so religioͤs und ge- wissenhaft seinen Sabbath wuͤrde feyren wollen, als zu Hause, wie vielen Collisionen wuͤrde sich da nicht ihr General aussetzen! Ein Judeneorps wuͤrde ent- weder weder am Sabbathe bestaͤndigen Naͤckereyen ausge- setzt seyn, oder es muͤßte sein Gesetz uͤbertreten und sich vertheidigen. Beydes wuͤrde kein gutes Gebluͤte setzen, und auf jeden Fall koͤnnte man dem juͤdischen Soldaten auf die Dauer nicht mehr trauen. Ich glaube aber nicht, daß man, um des juͤdischen Con- tingents willen ein neues Krieges- oder Voͤlkerrecht wuͤrde machen wollen. Haͤtte man nur einseitig Ju- den unter dem Heer, so ließe sich vielleicht noch et- was von ihnen erwarten: aber Juden werden gegen Juden schlechte Soldaten seyn, und um unserer Christen Zwiste willen kein Bruder Blut vergießen wollen. Und was darf man von ihrer Tapferkeit erwar- ten? sehr wenig. Die Juden sind nach Maßgabe feige Memmen, und wuͤrden sich eher zu Banditen schicken, als ihrem Feinde das Weiße im Auge zu sehen. Es kommt hier immer nicht drauf an, was sie waren, als sie noch ein eigenes Volk ausmachten und wußten, wofuͤr sie Soldaten waren, sondern was sie jetzt sind. Damals waren ihre Kriege Krie- ge des Herren, der Religionsenthusiasmus machte sie tapfer, und sie waren eine wirklich kriegerische Nation, das sind sie aber jetzt nicht mehr. Sie konnten es auch noch einige Zeit nach ihrem zerstoͤhr- G 5 ten ten Staate bleiben, aber sie sind es nicht bis auf unsere Zeit geblieben. Es fragt sich also, ob es sich der Muͤhe verlohne, die Probe mit ihnen zu machen? Freylich koͤnnte man sie fuͤr Geld von Kriegsdiensten dispensiren; aber Leben und Geld sind sich nicht gleich am Werthe. Haben die Juden erst alle buͤrgerliche Rechte, so wird jeder ihrer Mitbuͤrger auch von ih- nen erwarten, daß sie alle buͤrgerliche Lasten in Na- tura mit ihnen gemeinschaftlich tragen, und sauer darzu sehen, wenn die Juden sich fuͤr Geld frey kau- fen koͤnnen. Die Instanz von den Quaͤkern ent- scheidet hier nichts, sie sind nach Proportion, was die Juden mit der Zeit der Anzahl nach seyn koͤnnen, nur eine Handvoll Leute, die im Ganzen nicht be- merkt werden. Freylich wuͤrde die Bevoͤlkerung zusehends ge- winnen, wenn den Juden das Heyrathen nicht er- schwert wuͤrde, da der Jude aus Religion gern fruͤh heyrathet, um vielleicht, wenn das Gluͤck gut geht, der Vater des Messias zu werden. Aber es fragt sich, ob dem Staate mit einer solchen Bevoͤlkerung gedient sey? Ich setze voraus, daß der Ackerbau und der Militaͤrstand recht gut ohne Juden bestehen koͤnne, daß wir an Handwerkern eher Ueberfluß als Mangel haben, und daß sich die Christen, wenig- stens stens auf dem Lande, schon immer dichter zusammen draͤngen, und taͤglich fleißiger werden muͤssen, wenn sie bleiben und leben wollen. Diese Bemerkung kann ich wenigstens in den Preußischen Staaten voraus setzen, und dafuͤr sey die Weisheit Friedrichs heut an seinem Geburtstage (den 24. Jan.) gesegnet! Warum wollen wir uns denn mehr Gaͤste aufladen, als Wir beherbergen koͤnnen? mehr Maͤuler, als Wir zu ernaͤhren im Stande sind? warum unsere Soͤhne, wenn sie ihr Blut fuͤr’s Vaterland und der ihnen gleichbeguͤnstigte Jude nur Geld geben sollen, zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine Wohnung leer zu machen? Was haben uns unsere bisherigen Buͤrger gethan, daß wir ihnen das Brodt halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter der Bedingung nicht verlangen? Warum sollen die Juden es wagen, sich auf Aemter und Ehrenstellen zuzubereiten, so lange wir noch Candidaten in Men- ge haben, die lange gnug auf Versorgung warteten? Warum wollen wir den Geist der Juden mit Ge- walt umschaffen, um sie in Stellen einzuschieben, fuͤr die wir schon Leute gnug mit dem erforderlichen Geiste haben? Sollen wir ungerecht gegen tausend seyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen? Also Also sollte der arme Jude im Elende liegen blei- ben? noch ferner uͤber Haͤrte und Unterdruͤckung klagen? Mit meiner Schuld wenigstens nicht. Man lerne den Juden erst kennen, wozu er gut ist, waͤge die Beduͤrfnisse des Staats dagegen ab, und behalte ihrer so viel bey, als ohne Praͤjudiz der al- ten, ersten Einwohner, uͤber die wir nicht zu kla- gen haben, bestehen koͤnnen. Man nehme das schwe- re Joch der Sklaverey von ihren Nacken, lasse sie in Absicht der Abgaben andern Buͤrgern gleich seyn und dann erst hat man Ursache, ihrem Wucher zu steuren. An den meisten Orten sind ihrer jetzt schon gnug, aber Staͤdte, die leere Haͤuser und wuͤste Hausstellen anzubiethen haben, koͤnnen noch mehrere aufnehmen, wenn die Juden sich auf neue Fabriken legen wollen, die bis dahin noch nicht im Gange waren, oder doch nicht aufkommen konnten. Hier ist der Jude in seinem Elemente, er handelt die ro- hen Producte ein, laͤßt sie durch Weiber und Kinder verarbeiten, und setzt sie auch selbst wieder ab. In diesem Falle, und ich glaube in diesem einzigen Falle koͤnnen wir noch bis auf einen gewissen Grad mehr Juden ansetzen, und sie die Rechte der Menschheit genießen lassen. In den Preußischen Staaten koͤn- nen wir auch wenig mehr, oder gar nichts mehr fuͤr sie sie thun, oder wir muͤssen die alten Bewohner emi- griren lassen, um den Juden Platz zu machen. Aber es giebt noch Laͤnder gnug, wo Raum, mehr Raum als bey uns ist, und unsere Segenswuͤnsche sollen ihnen folgen, wenn sie dort eine bessere Auf- nahme finden werden. Ich glaube in der That von unserm Zeitalter, daß das Elend der Juden am laͤngsten gewaͤhrt hat, und eine tolerantere Den- kungsart, die immer mehr Land gewinnt, wird auch sie in Schutz nehmen. Es kommt nur sehr auf das gute Betragen der Juden selbst an, ihr Gluͤck fest zu gruͤnden, wenn ihnen die Sonne aufgeht; sonst trift sie das alte Elend wieder, wenn erst un- sern erleuchteten Fuͤrsten schwaͤchere folgen sollten, deren Ohr die neidische Bigotterie eher haben duͤrfte, und dis muͤssen sie in katholischen Staaten beson- ders fuͤrchten. Der Herr Kriegesrath Dohm hat seine Mey- nung gesagt und zwar mit recht vieler Einsicht, und, was noch besser ist, mit einer edlen Absicht. Ich habe die meinige auch gesagt, und gewiß mit einem warmen Mitleiden fuͤr eine ungluͤckliche Nation, der ich von Herzen ein besseres Schicksal wuͤnschen moͤgte. Aber großen Trost konnt’ ich ihr nicht geben, wenigstens nicht so große Erwartungen, als Herr Dohm. Dohm. Mein ist die Schuld nicht, sie liegt in un- sern politischen Verhaͤltnissen laͤngst und fest gegruͤn- deter Staaten, die dieser Nation einmal nicht guͤn- stig sind, und diese Verhaͤltnisse lassen sich einmal nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht zum Nachtheile der Staaten selbst. Will der Jude ein Ackersmann werden; so glaub ich, daß noch Steppen, Heiden und Wuͤsten gnug zu seinen Diensten stehen, er wird sich aber fuͤr dis Geschenk bedanken. Will er seine Handlungsinduͤstrie weiter treiben; so duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen, wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich seyn koͤnnen, und das waͤre, wie gesagt, sein Ele- ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga- ben, so wird er, bey seiner Frugalitaͤt, ohne den bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer- den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit ist die andere Natur; ich fuͤrchte also, daß viele auch in verbesserten Umstaͤnden der Neigung zum Wucher nicht werden widerstehen koͤnnen; denn ich bin schon unglaubiger in diesem Stuͤcke, als Herr Dohm . Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall ihrer moralischen Verbesserung, ohne welche sie einer buͤr- buͤrgerlichen Verbesserung unfaͤhig Diese muß jene bewirken, so wie die politische Herabwuͤrdigung die sitrliche bewirkt hat. Die- sen Gesichtspunkt, glaube ich, muß man nie verlas- sen; sonst wird das wahre Verhaͤltniß der Dinge gerade umgekehrt. D. sind, hoffen laͤßt, ist ihre willige Unterwerfung gegen ihre Religions- lehrer und Aufseher, von denen ich Einsichten und Patriotismus gnug erwarte, ihr Beßtes zu thun, dieser ungluͤcklichen Nation eine bessere, moralische Richtung zu geben, um sich nicht selbst in der Son- ne zu stehen. Aus- Auszuͤge aus Briefen . 1. — I ch stimme also von ganzem Herzen Ihrem ganzen Plan und Ihren Vorschlaͤgen bey. Nur einige Erinnerungen, die mir noch uͤbrig blei- ben. Die Religionsgesetze, sowohl der caͤrimo- nialische als der dogmatische Theil, sind doch auch wohl Mitursachen der Verachtung, welcher die Ju- den so allgemein sich ausgesetzt haben, und mich duͤnkt, die Obrigkeit waͤre wohl befugt, eine Ver- aͤnderung derselben, wenigstens was das Verhaͤlt- niß zum Staat betrift, zu veranlassen. Diese Re- ligionsgrundsaͤtze sind auch, wie Sie in Absicht der Sabbathsfeyer sehr richtig bemerken, durch talmudi- sche und rabbinische Zusaͤtze von der mosaischen Ori- ginalitaͤt so abgekommen, daß ich glaube der groͤs- sere Theil der Ursachen von der heutigen Gering- schaͤtzung des Geschlechts, die nun gleichsam natio- nal in Europa ist, sey eben in diesen Neuerungen zu suchen. Auch durch die mancherley Schriften der Proselyten sind die heutige durch die Rabhinen von Zeit Zeit zu Zeit nach politischen Convenienzien mehr und mehr uͤberladene, juͤdische Schulen dergestalt mit Recht oder Unrecht, blamirt, daß es sehr schwer halten wird, sie geradezu unseren buͤrgerli- chen Gesellschaften anzupassen. Dahin gehoͤren be- sonders die ihnen Schuld gegebene Lehre von der Unverbindlichkeit der vor christlichen Obrigkeiten ge- schwornen Eide, und was die Caͤrimonien betrift, ihre Strenge in den Speisen, die zwar auf eine an sich lobenswuͤrdige Nuͤchternheit und Maͤßigkeit hin- auslaͤuft, aber auch den Juden in Stand setzt, den weniger nuͤchternen Christen im Handel zu uͤber- schauen und zu uͤberlisten, auch eine Luͤcke in der Consumtion des Staats macht, da der Jude sich den indirecten Auflagen durch seine groͤssere Maͤssig- keit und Sparsamkeit entzieht, auf eine Art, die zwar freilich nicht straͤflich, aber doch auch dem Staate nicht nuͤtzlich ist. Ist Ihnen bekannt, daß zu Heidingsfeld bey Wuͤrzburg eine eigene Juͤden-Commune ist, die sehr gut fortkoͤmmt und uͤber deren Betragen weniger Klagen als uͤber die unter den Christen vermischt woh- nende Juden gehoͤrt werden? Auch Fuͤrth , wo be- kunntlich und wie Sie auch angefuͤhrt, die Juden zahlreich sind, und viele Freyheiten haben, ist einer H der der volkreichsten und nahrhaftesten Oerter der Ge- gend, der hierinn manche der ehemals wegen In- duͤstrie und Reichthum beruͤhmten Reichsstaͤdte uͤber- trifft. Vielleicht werden Sie in kurzem auch bey uns von einer eigenen Judenstadt hoͤren, ich habe wirklich schon den Auftrag erhalten, eine solche Idee ins Werk zu setzen. B. den 26. Oct. 1781. S. 2. — E s muß schlechterdings mit den Juden noch da- hin kommen, daß ihnen erlaubt wird, das Juden- thum ganz zu verlaßen, ohne das Christenthum an- zunehmen, das heißt bey der natuͤrlichen Religion, oder uͤberhaupt bey einer Gottesverehrung, die den Juden wahr scheint und dem Staate nicht schadet, stehn zu bleiben. S. 24. scheinen Sie zu sagen, daß ohne Re- ligion ein Staat durchaus nicht bestehen koͤnne. Ich kann aber gar nicht einsehen, wie das Wohl des Staats und Buͤrgers damit nothwendig zusammenhaͤngt? Einfluß haben Religion und Staat allerdings in einander, aber dieser kann sehr wohl ohne jene be- stehen, stehn, die zu seinem Wesen gar nicht gehoͤrt. Die Staaten sollten sich um den Glauben nicht mehr be- kuͤmmern, als insofern Jemand dadurch die Ruhe seiner Mitbuͤrger stoͤrt Ich schmeichle mir diesen wichtigen Grundsatz in meiner Schrift deutlich und stark genug ausgedruͤckt zu haben. D. . Sie sagen sehr wahr, daß die itzige sittliche Ver- dorbenheit der Juden eine Folge des Druckes ist, worinn sie leben. Aber zu Kolorirung des Gemaͤl- des und zur Milderung der Vorwuͤrfe fuͤr die Ju- den, wuͤrde auch eine Schilderung der sittlichen Verdorbenheit der Christen sehr nuͤtzlich gewesen seyn. Diese ist gewiß nicht geringer, als die juͤdische, und vielmehr deren Ursache . S. 117 wollen Sie den Juden, der ein Be- truͤger ist, aufs haͤrteste bestraft und von allen Frey- heiten ausgeschlossen wissen? Nach Ihren Vor- schlaͤgen wird doch ein Jude, der ein Verbrechen be- gangen, nicht haͤrter, als jeder andere bestraft wer- den koͤnnen? Ich kann versichern, daß der Hr. Verf. dieses Briefes, kein Jude sey. D. . M. den 18. Nov. 1781. D. H 2 3. 3. — I l seroit fort à souhaiter, qu’on pourroit engager un Sçavant entre les Juifs à nous donner du moins l’extrait de Maimonides, qui fut leur Luther, \& plus encore, \& qui est instructif aussi pour nous autres Incirconcis. Je pense, que le changement de l’esprit primitif de cette nation date de la fondation d’Alexandrie; alors ils sont devenus courtiers, des lors ils se sont repandus. Chez nous (en Suisse) il n’y a des Juifs que dans le baillage de Baden \& seulement en deux Villages. Comme ce baillage n’est pas superieu- rement bien gouverné \& les Suisses, comme dit Voltaire, ne sont pas le plus delié des peuples, ces Juifs ont fait de tous les habitans leurs debi- teurs \& les ruinent de toutes les manieres. P. 13. En 1344 les Chretiens à Lindau pre- noient 216 pour cent. Voy. Schinz Han- delsgeschichte der Stadt Zuͤrich. P. 52 Vous vous rencontrez içi avec Montes- quieu , qui a aussi dit, que de toutes les loix bar- barbares celle des Visigoths etoit en general la plus barbare. Jl l’a dit avec une energie singuliere. P. 59 Le Gouvernement de Lucern fit le mê- me dans les tenêbres de moyen age, que Vous racontez içi de Palatin en 1682. V. Balthasar Gemaͤhlde auf der Bruͤcke, livre mal fait, mais curieux. P. 63 Il paroit par Tshudy, que les Juifs ne furent point attaqués de cette peste, parce- qu’ils entendoient mieux que les autres, la medecine \& qu’ils sçurent se preserver; comme le même arrive aujourdhoui aux Francs dans la Turquie. Mais probablement cette circonstance a augmenté les soupçons contre les Juifs. J’aurois souhaité, que Vous auriez reçu les notes dans le texte. Au moins en France nous ne sommes pas accoutumés a ces longues notes. On a introduit de les mettre separés a la fin de l’Ou- vrage \& d’y renvoyer le Lecteur. Mais cela est aussi incommode, \& ou y risque, que beau- H 3 coup coup de personnes ne lisent point du tout les notes. Vous pourrez toujours Vous justifier avec l’exemple de Bayle. C. 18. Nov. 1781. M. 4. — I ch war immer gegen die Aufnahme der Ju- den; weil man sie nach der Art wie man sie auf- nimmt, schlechterdings noͤthiget, schlechte Mitglie- der des Staats zu werden, und ich der Meinung bin, lieber keine als schlechte Buͤrger zu haben; hin- gegen hatte ich die Idee geaͤußert, den Juden voͤllige Freyheit und Toleranz zu gestatten und sie andern Buͤrgern gleich zu machen. Ihr Tractat hat mich in meiner Idee bestaͤrkt und solche rectificiret. Nur in einem Stuͤck bin ich nicht mit Ihnen einig, wenn Sie den Vorschlag verwerfen „daß „man den Juden ganz abgesonderte Districte und „Orte anweisen und von den andern Unterthanen „getrennt erhalten soll.“ Sie meynen „hiedurch „werde die religioͤse Trennung noch merkbarer und „dau- „daurender, die Juden in ihren Borurtheilen gegen „die Christen und diese in den ihrigen, vielmehr ge- „staͤrkt werden.“ Ich muß gestehen, ich glaube gerade das Ge- gentheil und vielmehr daß die Geselligkeit zwischen Juden und Christen gemeiner wuͤrde und leichter zu bewirken waͤre, wann den Juden eine eigene Stadt anzulegen erlaubet wuͤrde. Nur muͤsten ihnen in derselben 1. alle Municipal-Gerechtsame ertheilet, und ver- verstattet werden den Magistrat aus ihren eige- nen Mitteln zu waͤhlen. 2. Der Magistrat muͤste wie in andern Staͤdten aus Buͤrgermeistern und Rathsherren bestehen, die Namen Rabbi, Baͤnoßen u. d. g. wegfal- len; diese obrigkeitliche Personen Herren heißen, Degen tragen ꝛc. 3. Der einzige herrschaftliche Jurisdictions-Be- amte haͤtte zwar die Gerichtsbarkeit wie die Voͤigte in andern Staͤdten, nehmlich Criminal- Buß- und Frevel-Sachen, doch muͤste, der auch in fuͤrstlichen Pflichten stehende Actuarius ein Jude seyn. 4. Civilsachen, Verbalinjurien u. d. g. gehoͤrten nur dem Magistrat allein, deren Stadtschreiber H 4 oder oder Expeditor das buͤrgerliche Recht auf einer protestantischen Universitaͤt muͤste gehoͤret haben. 5. Wer eine Klage in Civilsachen oder Verbal- injurien gegen einen Juden anzubringen haͤtte, muͤste es bey dem Magistrat thun, welcher sich der nehmlichen Titulatur zu erfreuen haͤtte, als die obrigkeitlichen Personen in den andern Staͤdten. Die Appellation gienge an die Ober- aͤmter oder an die Regierung. 6. Alle Protocolla und uͤberhaupt alle gerichtliche Verhandlungen waͤren in teutscher Sprache ab- zufassen. 7. Policeysachen wuͤrden durch den Jurisdictions- Beamten und Buͤrgermeister und Rath unter des Oberamts Aufsicht angeordnet. 8. Alle Einnehmer koͤnnten unzuͤnftig alle Hand- werker treiben, dazu 9. Ihnen erlaubt waͤre, christliche Diener, Ge- sellen, Jungen, Knechte und Maͤgde zu halten. 10. Zu Buͤrgern aber koͤnnten keine andere als Ju- den aufgenommen werden. 11. Es waͤren zwey christliche Schulmeister einer fuͤr die Jungens und einer fuͤr die Maͤdgens zu halten, welche bloß in der deutschen Sprache Un- Unterricht ertheilten; beyde wuͤrden von dem Magistrat gesetzt und unterhalten. 12. Alle Wochen waͤre ein Markt zu halten an welchem die Landleute Lebensmittel und derglei- chen Feilschaften zum Verkauf zu bringen haͤtten. 13. Alle halbe Jahre aber wuͤrde ein Hauptmarkt 8 Tage lang, wo in- und auslaͤndische Kauf- Handels- und Handwerksleute feil halten duͤrf- ten, so wie 14. auch die Juden der Stadt alle Jahrmaͤrkte im Lande ungestoͤret besuchen koͤnnten. Hinge- gen 15. waͤre das so schaͤdliche Hausiren so wohl der Fremden als Einheimischen in der Judenstadt durchaus verbothen, wie denn auch den In- wohnern derselben untersagt waͤre in andern Or- ten des Landes zu hausiren. 16. Den Juden waͤre schlechterdings untersagt, Guͤter, Felder, Wiesen u. d. gl. von den Unter- thanen zum Verkauf zu uͤbernehmen oder dabey als bloße Unterhaͤndler zu dienen, indem sie nicht noͤthig haͤtten sich mit einen so verhaßten und veraͤchtlichen Gewerbe abzugeben, da ihnen alle andere buͤrgerliche Handthierungen frey stuͤnden. H 5 17. Um 17. Um den Verkehr mit Auswaͤrtigen zu befoͤr- dern, muͤßte ein mit einem Christen besetztes Wirthshaus in der Stadt seyn; der Wirth waͤre Buͤrger und stuͤnde als solcher unter dem Magi- strat. Meine Absicht ist hier keinesweges einen ganzen Plan zur Errichtung und Einrichtung einer neuen Judenstadt, sondern bloß einen kleinen Grundriß da- zu zu entwerfen, denn ich glaube es komme hiebey hauptsaͤchlich darauf an, einmal den Juden eine Ehr- begierde einzufloͤßen und sie sich selbst hochschaͤtzen zu lehren, und denn sie vor der Verachtung der Chri- sten zu bewahren. Das Erste wuͤrde der 1, 7, 8, 9, 11 und 17te Punkt, das Andere der 3, 4, 5, 8, 10, 15 und 16te ziemlich leisten, das Band der Gesel- ligkeit aber durch die Nro. 4, 5, 9, 11, 12, 13, 14, 17 bemerkte Verkehre auch nach und nach mehr ge- knuͤpfet werden. Die unumschraͤnkte buͤrgerliche Freyheit und To- leranz der Juden in den Staͤdten wo sie unter Chri- sten wohnen, ist so vielen beynahe unuͤberwindlichen Schwierigkeiten unterworfen, daß solche zu heben, mehr als ein menschliches Alter erforderlich seyn moͤg- te; was wuͤrde es erst kosten ihnen Toleranz und Freyheit da zu verschaffen wo sie noch gar keine Nie- der- derlaßung gehabt haͤtten? Alle diese Hindernisse wuͤrden sich bey Anlegung einer neuen Stadt nicht finden. H. den 12. Jan. 1782. v. W. 5. S ie haben vollkommen recht, daß eine Commune die zugleich eine Seete ist, etwas Widriges hat. Ich behaupte aber, daß die Absonderung der Juden von den Christen beyde eher vereinigen wuͤrde, als wenn sie gleichsam unter einem Dache wohnten. Denn wer weiß nicht, daß Verachtung, Verfolgung, Druck (und diesem allen sind die Juden in den teutschen Staͤdten ausgesetzt) die Halsstarrigkeiten der Secten mehr erhalten als die Ueberzeugung? Die Gleich- heit und in der Folge die Theilnehmung an den buͤr- gerlichen Ehrenstellen, wuͤrden mehr Proseliten ma- chen, als alle Controverspredigten in der Welt. Der große Abt Jerusalem hat es abgeschlagen an der Vereinigung der drey Religionen zu arbeiten. Er hatte recht! Aber der Kaiser hat wuͤrksamer da- zu zu beygetragen: er haͤlt die drey Religionspartheyen gleich, und nimmt den Pfaffen das Objectum litis — das Gold. Woruͤber sollten sie also mehr streiten? Mit einem Wort! der Unterschied, den man im buͤrgerlichen Leben zwischen den verschiedenen Reli- gionspartheyen macht, ist seiner Folgen wegen der groͤßte Grad der Intoleranz. Man sagt: der Jude ist von Natur ganz Wu- cher. Dieses kommt mir vor als wenn man sagte: der Advocat ist ganz Prozeß, der Kaufmann ist ganz Handel. Womit soll sich denn der arme Israelit er- naͤhren? Ich habe selten einen schelmischen Judenhandel gesehen, hinter dem nicht ein schurkischer Christ gestecket Ich muß hiebey bemerken, daß dieses ein angese- hener Geschaͤftsmann sagt, der gewiß viele Gelegen- heit gehabt hat, hieruͤber Erfahrungen zu machen. D. . Und diese ist eine der Hauptursachen warum sich diese Haupteigenheit der Juden in christlichen Staͤd- ten erhaͤlt, in ihren Mauern aber groͤstentheils weg- fallen wuͤrde. Es ist richtig, daß das Halten der Gesellen, Jun- gen und Dienstboten aus der juͤdischen Nation selbst, sie zu einer ruhigern Lebensart gewoͤhnen wuͤrde, weil es sie noch mehr noͤthigte sich auf Handwerker und und Kuͤnste zu legen, allein wenn sie Christen dazu nehmen, so hat es den Nutzen, daß der Subordina- tionsgeist der Ersten gegen die Letztern aufhoͤren, beyde zu einer gewissen Gleichheit folglich zu weniger Verachtung gegen einander gebracht wuͤrden. Es wuͤrde nicht fehlen, daß Eltern und Verwandte ihre bey den Juden dienende Angehoͤrigen besuchen soll- ten; es wuͤrde sich eines an des andern Sitten ge- woͤhnen, einer vor des andern Gebraͤuchen weniger Abscheu bekommen, und am Ende sich unvermerkt eine wechselsweise Vertraulichkeit einschleichen, die, wenn sie sogar in Laster ausschlagen sollte, nuͤtzlich werden koͤnnte, denn auch diese muß der weise Ge- setzgeber zu nutzen wissen. H. den 10. Maͤrz 1782. v. W. 6. — U eberhaupt wuͤnsche ich von ganzer Seele, daß Ihre menschenliebende Absichten erfuͤllt, ja noch weit mehr zum Besten der Juden geschehen koͤnnte, doch unter hoͤchstnothwendigen und hoͤchstbilligen Be- dingungen, die sich die Juden gefallen lassen muͤsten, weil derjenige, der auf Toleranz Anspruch machen will, selbst tolerant seyn muß oder der Toleranz unwuͤrdig bleibt; bleibt; nur besorge ich, daß die Juden, zumalen ihre Rabbinen eben so wenig, wie Jesuiten und Domini- kaner faͤhig sind tolerante Gesinnungen anzunehmen. Da moͤchte man denn auch mit mehrerem Rechte und in strengerm Verstande von den Juden sagen: sint ut sunt aut non sint . Die Toleranz, die meiner Mey- nung nach als eine Conditio sine qua non, abseiten der Juden zngestanden und ausgeuͤbt werden muͤste, bestuͤnde in Folgendem: 1) daß auch uͤber den groͤbsten Suͤnder kein Bann ausgesprochen werden duͤrfe, der selbigem ausserhalb der Synagoge im mindesten nachtheilig seyn koͤnn- te; verlangt der Suͤnder in diese eingelassen zu werden, so mag der Rabbi ihn in einen Sack krie- chen oder andere Narrenspossen mit ihm vornehmen lassen, nur daß selbige ausserhalb der Synagoge kei- ne weitere Folgen haben. 2) Wenn sich die Rabbiner uͤber ihre Glaubens- artikel nicht vereinigen koͤnnen, so sey es Ihnen er- laubt sich in so viele Secten zu theilen als es ihnen beliebt; 3) findet sich ein Jude, der so vernuͤnftig ist, keinen Rabbi zur Beruhigung seines Gewissens noͤ- thig zu haben, der keine Synagoge besuchen mag, Schweinfleisch zu essen Lust hat, am Sabbat Briefe schreibt schreibt und dergleichen Todsuͤnden mehr begeht, je- doch sich nicht von seiner Nation absondern mag, so steht es ihm frey sich zu ihr zu zaͤhlen, wenn Er nur zum Unterhalt der Synagoge und des Rabbi der Secte seinen Antheil erlegt, und die buͤrgerliche Pflichten als ein redlicher Mann gegen Juden, Christen und Heyden erfuͤllt. 4) Endlich, welches der wichtigste und noth- wendigste Punkt ist, der aber auch den meisten Wi- derspruch finden wird; so muß kein Rabbi sich mit Erziehung der Jugend abgeben, ehe sie daß 15te Jahr erreicht, bis dahin muͤssen die Kinder nur nuͤtzliche Unterweisungen erhalten, ohne daß Ihnen Vorurtheile weder von der einen noch von der andern Religion beygebracht werden duͤrfen. Dagegen dann auch abseiten der Christen redlich zu Werke gegan- gen, und nicht die geringste Hinderung der Ju- gend in den Weg gelegt werden muͤßte, den Glau- ben ihrer Eltern vorzuͤglich zu waͤhlen; im Fall sie aber selbigen nicht beypflichten, und doch auch nicht getauft seyn wollten, so muͤsten Sie voͤllige Freyheit haben als Separatisten zu leben; die Beschneidung muͤste bleiben, denn diese befriedigt juͤdische Eltern, eben so wie die Taufe die christlichen, schadet den Kindern nichts, und ist in der That ein der Gesund- heit heit dienliches Vorbauungsmittel, durch welches die von den christlichen Heydenbekehrern aus der neuen Welt glaubbar uͤberbrachte Lustseuche sehr gemindert werden kann. Daß Sie in diesen Stuͤcken mit mir einstimmen werden, darf ich mir schmeicheln; um aber die Bil- ligkeit dieser Forderungen darzuthun, will ich uͤber je- den Artikel einige Anmerkungen beyfuͤgen. Den 1ten betreffend, so haben Sie sich schon selbst deshalb meiner Meynung gleichfoͤrmig erklaͤrt, es wuͤrde auch zu denen Paradoxien des menschli- chen Geschlechts gehoͤren, wenn zu einer Zeit da der Kirchenbann bey den Christen, ja sogar bey den eifrig- sten Catholiken, veraͤchtlich und laͤcherlich geworden, derselbe von Juden annoch auf eine im Privatleben Einfluß habende Weise, ausgeuͤbt werden duͤrfte; schlimm genug wenn es bisherv geschehen, ohne daß es denen Regierungen bekannt worden, wie Herr Crantz noch ganz neuerlich ein Beyspiel davon, so sich in Altona zugetragen, dem Daͤnischen Hofe an- gezeiget hat, welches auch gleich die gute Wuͤrkung gehabt, daß itzt die noͤthige Verfuͤgungen gegen diese hierarchische Tyranney getroffen werden. Boͤse Handlungen, die die menschliche Gesellschaft, den Staat und die Mitbuͤrger beleidigen, ahndet die welt- weltliche Obrigkeit, und kein Priester muß sich da- mit befassen; uͤbertritt aber jemand die Satzungen der Kirche zu der er sich bekennt, und verlangt des Prie- sters Beystand sich desfalls zu beruhigen, so mag der Priester ihm die Versoͤhnung zu einem Preiße setzen wie er will; wenn z. E. ein katholischer Christ an Fasttaͤ- gen Fleisch essen, des Sonntags nicht in die Messe gehn will, dabey aber so schwach ist, daß Er große Suͤn- den begangen zu haben glaubt, fuͤr den Teufel bange wird, also zu den Heiligen und ihren Reliquien sei- ne Zuflucht nehmen will, Weyhwasser, Absolution ꝛc. begehrt, dann geschieht ihm freylich ganz recht wenn der Pfaffe ihm seine Schaͤtze so lange vor- enthaͤlt, bis der Suͤnder in der Einbildung, dem geistlichen Stolze den gehoͤrigen Zoll bezahlt, und sich als ein gehorsamer Sohn der Kirche demuͤthiget, da mag denn der Pfaffe in der Kirche ihn auf allen Vieren kriechen lassen oder was ihm beliebt vornehmen, wenn es nur keine Folgen haben kann. Nur uͤber die Schwelle des Tempels muß die Macht des Priesters und Rabbiners sich nicht erstrecken . Hat der Jude Schweinefleisch gegessen, die Tphillin nicht 4 Ellen von dem Ort abgelegt, wo er seine Noth- durft verrichtet, oder dergleichen grobe Suͤnden mehr begangen; so bleibe er aus der Synagoge, laͤßt sein J Aber- Aberglaube dieses nicht zu, so muß er sich gefallen lassen, was fuͤr Comoͤdie der Rabbi mit ihm spielen will; aber spielen muß der Rabbi nur, so wie der Pabst ganz weislich that, da er des großen Heinrichs Abgesandten mit Ruthen strich; aufs Blut peitschen muß auch in der Synagoge nicht erlaubt seyn, oder der Rabbi der es so weit treibet, muß mit haͤrtern Ruthen oͤffentlich gezuͤchtiget werden. Wie sehr aber die Vorurtheile der Juden hier Hinderungen in den Weg legen werden, laͤßt sich aus der Stelle pag. 193 Ihrer Schrift muthmaßen, da der Verfasser des gut geschriebenen Mémoire sagt: „il est des Esprits in- „dociles \& qu’un frein leger ne pêut contenir, les „preposés generaux conjointement avec les Rabbins „obligés alors d’user d’une severité salutaire, ont „recours a la peine d’Anatheme ou de Ban. — — haben Sie diese Stelle beherziget? finden Sie nicht daß es hoͤchstnoͤthig sey, Juden, die wie die- ser Verfasser, schon so viel Einsicht und Beurthei- lung aͤußern, zuvoͤrderst richtigere Begriffe beyzu- bringen, ehe man ihnen Vorzuͤge gestattet, die selbst zu ihrem Nachtheil gereichen wuͤrden? Freylich wird mit den Leviten und Pharisaͤern nichts auszurichten seyn, die werden lieber sehen daß die Juden in der Unterdruͤckung bleiben in der sie jetzo sind, als daß der Bann Bann und ihre darauf gegruͤndete hierarchische Ty- ranney ein Ende nehme; und wer die Schwaͤche des menschlichen Herzens kennt, wuͤrde sich nicht wun- dern, selbst unter christlichen Theologen solche ortho- doxe Maͤnner zu finden, denen es leyd thaͤte, wenn nicht wenigstens unter den Juden noch eine solche geistliche Macht beybehalten wuͤrde. ad 2) Waren Pharisaͤer, Sadducaͤer, Essenaͤr ꝛc. alle Juden, sind noch unsere Juden von den Portu- giesen und den Caraiten unterschieden, warum solte man nicht zulassen daß sie sich noch in viel mehrere Secten theilten, wie es sich vor etliche 30 Jah- ren schon dazu anließ, da der Ober-Rabbiner in Al- tona im Verdacht kam ein juͤdischer Ketzer zu seyn, und großen Anhang hatte. Ist es nicht laͤcherlich daß man auch sogar der Ortodoxie des juͤdischen Aber- glaubens Beystand leistet, anstatt den weisen Julian nachzuahmen, der es gerne sahe wenn unter den Chri- sten viele Secten entstanden, weil man alsdann unani- mantem plebem weniger zu fuͤrchten hat. Aus eben dieser Ursache wuͤnsche ich sehr, daß uns Gott behuͤte fuͤr der Vereinigung der protestantischen Kirchen mit der ka- tholischen, da wuͤrde das arme Menschengeschlecht bald wieder unter das Joch der Geistlichen gebracht wer- den; bis hieher hat der ortodoxe Eigensinn, die gute J 2 Folge Folge gehabt, daß sich Lutheraner und Reformirte nicht einmal vereinigen koͤnnen; wenn aber die ka- tholische und protestantische Geistlichkeit sehen wird, daß, um ihr Ansehn zu erhalten und theils zu ver- groͤßern, kein besseres Mittel sey, als daß sich die drey christlichen Secten vereinigen, so werden sie es in Ansehung der Glaubensartikel schon gut Kauf ge- ben, wenn nur die reichen Pfruͤnden bleiben, und die protestantischen G — und P — — bischoͤfliches An- sehen und Gewalt erhalten, gegen Socinianer und Deisten aber alsdenn nach Herzenslust wuͤten koͤnnen. Denn bey diesem theologischen Friedenscongreß wer- den keine Spaldinge, Resewitz, Jerusalem und ih- res gleichen admittirt werden; Teller, Steinbart und solche Art Ketzer aber dabey zum Lustfeuer fuͤr die heilige Synode dienen, wenn es die großen Her- ren nur zulassen wolten; was aber in Anfange sich nicht thun ließe, wuͤrde nach der Vereinigung sich schon finden, und die Koͤnige selbst bald die boͤsen Folgen derselben empfinden. Weit besser und billi- ger waͤre es, mit den Priestern es eben so wie mit den Aerzten zu halten; wer nicht selbst fuͤr seine Gesund- heit sorgen mag, keine Diaͤt haͤlt, sich den Magen und die Saͤfte verdirbt, alsdann glaubt daß der Arzt helfen kann, und in vollen Vertrauen Saͤfte und Pillen Pillen hinterschluckt, nun der kann ja nach Belie- ben einen Arzt waͤhlen den er will, er sey aus Boer- havens, Hoffmanns, Stahls oder einer andern Schule, ja sogar Marktschreyer und Scharfrichter gebrauchen. So lasse man denn eben diese Freyheit in Ansehung der Seelenaͤrzte, fuͤr den, der da glaubt daß er sie noͤthig hat; nur offenbahre Giftmischer leide man nicht im Lande, also auch nicht Jesuiten (auch denn nicht, wenn sie sich Ex-Jesuiten oder — oder — nennen) und Rabbiner, oder sehe ihnen scharf auf die Finger. Statt der Priester muͤßten Sittenlehrer bestellt werden, und Hr. Schlossers kleiner Kate- chismus fuͤr das Landvolk wuͤrde weit bessere Menschen zuziehen als der große und kleine Lutheri, der Heidelbergische und alle andere die je geschrieben worden. ad 3) Der freydenkende Jude muͤßte besonders in Schutz genommen werden, damit er weder der Ver- folgung der Rabbiner bloß gestellt bliebe, noch auch genoͤthiget wuͤrde, einen Aberglauben gegen den an- dern zu vertauschen; auch hier werden die christlichen Ortodoxen nicht beystimmen. Juden, die doch ih- ren Gott gekreutziget haben, die koͤnnen sie wohl dul- den; Socinianer und Deisten aber sind ihnen ein Greuel und freylich wuͤrde der juͤdische Freydenker ein J 3 Deist Deist seyn, in der That ein aͤchter Juͤnger und Nachfolger Jesus , den Gott bestimmt hatte, die groͤsten und einfachsten Wahrheiten bekannt zu ma- chen, die aber bis diese Stunde von dem groͤßten Theile verkannt werden, ob er gleich selbige mit so deutlichen Worten in vielen Gelegenheiten angekuͤn- diget hat, daß sie gar keiner Auslegung beduͤrften, wenn theologische Sophisterey sie nicht verdunkelt haͤtte. Diese Wahrheiten sind: Daß Gott der Vater sey, den die Welt und be- sonders die Schriftgelehrten nicht kennen, den nur der Sohn, der ihn liebt, nicht aber der Knecht der fuͤr ihn zittert, kennen kann. Daß der Glaube an diesen Vater, das ist kindli- ches Vertrauen zu ihm, allein seelig oder gluͤck- lich mache, weil ein solches Vertrauen, ohne den Vorsatz ganz und recht gut zu seyn, nicht be- stehen kann. Daß derjenige, der diesen Vorsatz faßt, und auf- richtig befolgt, gewiß seyn koͤnne, daß er keiner weiteren Versoͤhnung noͤthig habe, um von dem himmlischen Vater als ein Kind aufgenommen zu werden, mithin ihm seine Suͤnden vergeben sind. ad 4) ad 4) Man spricht vieles von Freyheit, und doch benimmt man den Menschen die allerschaͤtzbarste gleich in der zartesten Jugend; da wird der Verstand zum Sklaven der verschiedenen dogmatischen Thor- heiten gebildet. Dem Juden wird uͤberdem der hoͤchst gefaͤhrliche Stolz eingepraͤgt, er gehoͤre zu einem Volke, welches sich Gott vor allen andern auser- waͤhlt haͤtte; Stolz und Vorurtheile, wovon Jesus sie abbringen wolte, die Christen aber bestaͤrken helf- fen. So lange das, was man Religion nennt, mit der Erziehung verbunden bleibt, muß Herz und Ver- stand verdorben werden. Nicht die erdichtete Erb- suͤnde, sondern die theologische Erziehung ist an der Boßheit oder vielmehr Thorheit der Menschen schuld; Der Theolog sey Jude, Christ, Tuͤrke oder Heyde. Der Verderb der Sitten ist gaͤnzlich ein Werk dieser fast durchgaͤngig aberglaͤubischen Erziehung. Wie viel Macht dieselbe uͤber den Verstand habe, zeigt die un- laͤugbarste Erfahrung. Der Bramine, der Verehrer des Lama, der Mahometaner und der Jude werden nie von diesen ihnen in der Kindheit angelegten Fes- seln erloͤßt; die kleine Anzahl getaufter Juden und Tuͤrken beweißt nichts, und den Werth der Heyden- bekehrungen kennt Jedermann. Ein Glas Brand- wein, Glaskorallen oder fromme Betriegereyen be- J 4 wegen wegen sie sich taufen zu lassen, und sie bleiben im Grunde was sie waren. Die besten neueren Schrif- ten uͤber die Erziehung erkennen es, daß man mit Kindern nicht von Glaubensartikeln sprechen muͤsse. Der Verfasser des Mémoires fur l’Etat des Juifs en Alsace behauptet pag. 196 selbst diese Wahrheit, wi- derspricht sich aber gleich darauf „s’il est des cas, sagt er, ou la puissance patèrnelle doît etre sans force contre la volonté des enfants lors qu’il s’agit de salut, il faut sans doute que la violence ou la ruse n’y ayent aucune part, l’acte le plus essentiel ne doit etre que l’effet de la reflexion“ und wenn er die ergangenen Verord- nungen anfuͤhrt, hinzusetzt: „toutes ces autorités se „reunissent au voeu de la nature pour laisser aux pe- „res \& meres l’autorité qu’ elle leur donne sur leurs En- „fans.“ Welche Violence und Ruse kann wohl staͤrker wuͤrken, als diejenige, die sich des schwachen Verstan- des der Kinder bemeistert; welche Reflexion kann man von solchem Kinde erwarten, und das im 12ten Jahre? Nicht vor dem 15ten sollte den jungen Leu- ten von Glaubensartikeln vorgesprochen werden, und wenigstens nicht vor dem 18ten verlangt werden, daß sie eine Wahl treffen, unter den verschiedenen Reli- gionen . Ich muß dieses Wort brauchen, welches ich sehr ungerne thue, weil es wenige giebt die mehr Zwey- Zweydeutigkeit in sich fassen, keines woruͤber so Vie- les geschrieben worden, und das doch bis diese Stun- de nicht definirt ist; wenigstens ist noch keine ein- zige Definition dieses Wortes mit dem vielfaͤltigen Gebrauch uͤbereinstimmend. Da es lateinischen Ur- sprunges ist, so sollte wohl Cicero derjenige seyn, der es am besten erklaͤren koͤnnte, und er derivirt es von relegendo, und nennt religiosi diejenigen qui omnia quae ad Cultum Deorum pertinerent diligenter pertra- ctabant \& quari relegabant; so sollte also wohl in diesem Sinn ein Juͤnger Jesus billig ein Mann ohne Religion seyn. Pl. den 20. Jan. 1782. Gr. v. S. 7. — D es Kaisers Edict fuͤr die Juden, welches Sie nun auch gesehen haben werden, wird wohl Ihre Erwartung nicht ganz erfuͤllen. Es ist wohl eigent- lich ein politischer Versuch zu religioͤser Verbes- J 5 serung serung der Juden, und hat die natuͤrliche Tendenz sie in 20 oder hoͤchstens zweymal 20 Jahren, also mit Ablauf dieses Menschenalters, zu Christen zu machen. Ich zweifle aber, ob es seinen Zweck erreicht, ein groͤs- ser Theil der Juden koͤnnte wohl gar bey einem sol- chen Toleranz-Edict Lust bekommen, aus dem Lande zu gehn. G. den 23. Febr. 1782. M. 8. — I ch habe nur dieses noch bey Ihren Vorschlaͤ- gen, denen ich sonst vollkommen beytrete, zu erin- nern: 1) Die Armenanstalten der Christen und Ju- den muͤssen, wie auch Sie zu billigen scheinen, voͤllig mit einander verbunden werden. Gleiche Lasten erzeugen Freundschaft und Liebe. 2) Den Bann wuͤnschte ich bey allen moͤglichen Re- ligionspartheyen, also auch bey den Juden, weg. 3) Die juͤdischen Civilgesetze muͤßten in vielen Dingen mit neuen auf ihren itzigen Zustand mehr passenden vertauscht werden, so wie man in manchen Staa- Staaten das roͤmische Recht abschaft. Am besten sie wuͤrden den allgemeinen Landesgesetzen, wie alle uͤbrige Buͤrger unterworfen. Dieß waͤre gewiß dem ganzen Geist Ihres Plans am gemaͤßesten? Freylich kann dieß nur allmaͤhlig geschehen, aber einmal muß doch der Anfang gemacht werden. Haben doch auch die Juden das Opfern ausser Palaͤstina suspendiren muͤssen? Manche ihrer Gesetze sind in unsern noͤrdli- chen Landen noch weniger passend, als dieses Opfern Zu S. 23 habe ich noch einen Einwurf. Sollte es da nicht statt Religion deutlicher Religions- Systeme, Par- theyen heissen. Von diesen allen ohne Ausnahme kann man freylich mit vollkommenem Rechte sagen, „daß sie ihren Anhaͤngern Abneigung in mehr oder „mindern Grade, gegen die Andersdenkenden einfloͤs- „sen,“ daß sie „die natuͤrlichen Bande der Mensch- „heit zerreissen.“ — Aber der natuͤrlichen Reli- gion (die unter dem Worte jede doch auch mit be- griffen ist) aber auch freilich nur dieser, kann man dieses doch nicht Schuld geben? — D. den 8. May 1782. C. 9. 9. — N ur in dem einen Punct bin ich nicht uͤber- zeugt worden, daß Sie den S. 134 angefuͤhrten Zweifelsgrund durch die nachstehende Gruͤnde geho- ben haͤtten. Es scheint mir vielmehr, daß die Ju- den bey dem Ackerbau und Handwerken zu Grunde gehn muͤßten, wenn sie zwey Arbeitstage in der Wo- che verliehren sollten, die andern Festtage nicht ein- mal gerechnet. Die herrschende Religion und der Wohlstand koͤnnen doch nicht verlangen, daß ein An- drer, der mit ihren Religionsbekennern gleiche Ge- wissensfreyheit haben soll, zu Grunde gehe, und et- was noch immer fuͤr eine Unbequemlichkeit seiner Re- ligion ansehe, die er doch nicht heben kann, so lange er seinem Glauben treu bleibt. Wie kann dieses mit der ihm gegebenen Gewissensfreyheit bestehn? Ich wuͤrde mich auch gar nicht aͤrgern, wenn ich einen Juden an unserm Sonntage arbeiten saͤhe; denn ich wuͤrde denken, er hat keinen Feyertag, nur wuͤrde ich die Policeyverfuͤgung machen, daß ein Jude, der ein laͤrmendes Handwerk triebe, nicht gar zu nahe an einer christlichen Kirche wohnte. Diese kleine Unbe- quemlichkeit koͤnnte der Jude leicht erdulden, und um ganz unpartheyisch zu seyn, wuͤrde ich der Synagoge gern gern gleiche Beguͤnstigung ertheilen, und uͤberhaupt von den Versammlungsorten des oͤffentlichen Gottes- dienstes, alle gar zu laͤrmende Beschaͤftigungen ent- fernen. — B. den 17. Aug. 1782. C. 10. — N icht allein in Ansehung der Juden, sondern auch der Christen, finde ich nichts intoleranter als daß man Kindern von der zartesten Jugend an die Vorurtheile ihrer Eltern einpraͤgt; man sieht ja deut- lich, daß dieser Eindruck von solcher Wuͤrkung sey, daß fast keiner bey erwachsenen Jahren, davon zu- ruͤckkommen kann. Ein Neligionssystem, das vor der gesunden Vernunft bestehen kann, muß eine un- eingenommene Untersuchung in reifern Alter nicht fuͤrchten. Es haben dahero unsere Philantropisten sehr recht gehabt, (vornaͤmlich unser redlicher Hr. Basedow ,) zu behaupten, daß man Kindern von kei- ner als der natuͤrlichen Religion vorsprechen solle. Noch besser ist der Gedanke den Mercier in seinem 2440 Jahre Cap. XXI aͤußert. Sie Sie scheinen noch immer etwas ungewiß, ob es billig sey, die Juden zu zwingen, die Freydenker zu ihrer Synagoge zuzulassen, und glauben daß dieses ein Eingriff in die gesellschaftliche Rechte sey? Geht der juͤdische Freydenker in die Synagoge, um zu bespot- ten, was darinnen vorgenommen wird, oder betraͤgt er sich darinnen nicht friedfertig und vernuͤnftig, so thut man recht ihn hinaus zu weisen, so wie den christlichen Freydenker, der die Predigt stoͤhren oder uͤber dieses oder jenes spotten wollte; geht aber seine Freydenkerey nicht so weit daß er alles was in der Synagoge vorgenommen wird, als unnuͤtz oder gar schaͤdlich ansieht, sondern es ihm noch von den ein- gepraͤgten Vorurtheilen der Jugend anhaͤngt, daß er glaube sein Herz besser zu Gott zu erheben, wenn er in der Gemeine sich findet, also ein Vergnuͤgen und Trost darinnen findet, warum wollte man ihm solches versagen? In den christlichen Gemeinen laͤßt es sich allenfals noch ehender rechtfertigen, den Ketzer und Freydenker nicht in der Gemeine dulden zu wollen. Denn die Christen haben ihre Sakramente, die sie fuͤr Perlen halten, die nicht anders als Rechtglaͤubigen mitgetheilt werden sollen, dem ungeachtet wird der Ein- gang in die Kirche und das Beten und Singen Nie- manden verwehrt, noch weniger das Anhoͤren der Pre- Predigten; warum sollten denn die Juden ihren Freydenkern nicht ein gleiches verstatten? ja die ka- tholischen Priester lernen schon mit ihren Sakramen- ten nicht mehr so sproͤde thun, sie haben es sich gesagt seyn lassen was jener Franzos daruͤber schrieb: Vous refusés les Sacrements — — — Vous etes trop heureux qu’on veuille bien les prendre. Warum sollte denn der Rabbi nicht wenigstens angehalten werden, eben so tolerant in der Synagoge gegen seine juͤdische Freydenker zu seyn, als es die christlichen Priester anjetzo seyn muͤssen; recht und billig ist es, daß wir gegen die Juden so tolerant seyn wie moͤglich, allein die Toleranz muß nicht so weit gehn ihnen eine In- quisition zu verstatten, und was ist es anders als eine Inquisition, wenn Kinder und Gesinde verpflich- tet sind, ihre Eltern und Herrn anzuklagen, wenn sie et- wa Schweinefleisch aͤßen oder den Sabbath nicht ge- nau hielten? Diese Abscheulichkeit muß bey schwerer Strafe denen Radbinen verboten werden, so daß es ihnen nicht mehr vergoͤnnt sey, aus solcher schaͤndli- chen Verraͤtherey eine Glaubenspflicht zu machen. In Ansehung der Kinderunterweisung, waͤren zwey Wege moͤglich, der eine daß man bey Erthei- lung großer Vorrechte an die Juden, ihnen die Be- dingung mache, daß sie vor dem 15ten Jahre keines von von ihren Kindern, zu einem Rabbiner gehen lasse, sondern in besonders fuͤr sie errichtete Schulen, da weder christlicher noch juͤdischer Catechismus gelehrt wuͤrde, die Kinder bloß zu rechtschaffenen Maͤn- nern erzogen wuͤrden. Nur solchen Juden, die sich dieser Ordnung unterworfen, oder die nachdem sie auf die Weise erzogen worden, nach Verlauf des 15ten Jahres die Religion ihrer Eltern zu befolgen sich entschloͤssen, nur solchen sollte es erlaubt seyn, Eigen- thum im Staate zu besitzen, und zu Bedienungen zu gelangen Mich duͤnkt doch immer, man sollte nie politische Vortheile an religioͤse Bedingungen knuͤpfen. D . . Das andere Mittel waͤre, daß wo in einer Provinz Juden auf dem Lande ansaͤßig werden, nur in einer Stadt eine Synagoge erlaubt wuͤrde, wo die Rabbiner blieben ohne Erlaubniß zu haben die im Lande vertheilte Juden zu besuchen, sondern diesen bliebe es frey nach der Stadt alle Jahr ein- mal zu wandern, so wie es in Palaͤstina die alten Juden nach Jerusalem thaten Scheint mir gleichfalls nicht billig. Meiner Mey- nung nach muß der Staat sich schlechterdings um die innere Einrichtung einer religioͤsen Gesellschaft nicht bekuͤmmern. D. . Zum Richter aber muͤßte ein christlicher Gelehrter denen Rabinern zu- gege- gegeben werden, und selbige keine Urtel exequiren, die dieser nicht gut faͤnde. Diejenigen Juden die sich dieses nicht gefallen lassen wollten, die moͤgten denn bleiben, wie sie sind, muͤßten aber auf keine groͤßere Vorzuͤge Anspruch machen, noch auf Besitz von Land- stuͤcken. Denn haben sie einmal diese Erlaubniß, Be- sitzer von Guͤtern zu werden, und behalten zugleich ihre hierarchische Verfassung bey, so waͤre kein Zwei- fel, daß in ein paar hundert Jahren die ganze Welt zum Erstaunen juͤdisch seyn wuͤrde, und die schreck- lichsten Greuel daraus entstehen muͤßten. Pl. den 23. Oct. 1782. G. v. S. 11. — F reylich kann man auf das, was die Proselyten von der Unverbindlichkeit der juͤdischen Eyde vorgeben, und Manche ihnen und Eisenmenger (dem Sie voll- kommne Gerechtigkeit widerfahren lassen) nachschwa- tzen, im Mindsten nicht rechnen. Auch kann man das, was einzelne Juden in Criminal-Processen an- gegeben, und die Nachrichten die im juͤdischen K Bel- Baldober und aͤhnlichen Buͤchern hieruͤber stehen, mit Billigkeit nicht anfuͤhren, wenn von den Grund- saͤtzen und dem Glauben der ganzen Nation die Re- de ist. Wie denken nicht viele Christen uͤber den durch den haͤufigen Gebrauch so sehr profanirten Eyd? Und was wuͤrden wir sagen, wenn man un- sere Religion nach dem beurtheilen wollte, was ver- worfene Verbrecher von ihren Religionsbegriffen eingestehn? Nach dem Verhaͤltniß, daß die Juden uͤberhaupt moralisch verderbter sind, wie die Christen (ein Satz, den Sie indeß vielleicht noch zu freygebig zu- gestanden) mag unter ihnen auch eine groͤssere Ge- ringschaͤtzung des Eydes herrschen, welches bey ih- rer schlechten Erziehung und ihrem fast gaͤnzlichen Mangel an Unterricht in Religion und Moral nicht zu verwundern waͤre. Ausser Criminalprozessen sind mir auch von Concursen Faͤlle bekannt, wo die juͤ- dischen Weiber ihre illata beschworen haben, von de- nen nachher bewiesen worden, daß sie sie nicht ein- gebracht hatten. — Aber was ist hiebey zu thun? — Nichts, als was Sie verlangen, die Juden zu bessern . Gewiß giebt es auch schon itzt viele unter ihnen, die solche Grundsaͤtze aufrichtig verabscheuen, ich selbst habe deren gekannt, und von Juden solche Proben uneigennuͤtziger Freundschaft erfahren, die ich ich von meinen besten christlichen Freunden kaum erwarten koͤnnen. Ob die Juden indeß durch die Unbequemlichkeit ihrer Verfassung nach einigen Generationen sich be- wogen finden werden, ihre Religionsvorurtheile ganz zu verlassen, so wie die heidnische Religion ganz vergangen ist, daran moͤchte ich doch, mit Ihrer Er- laubniß, noch sehr zweiflen. Den Bart und manche andere Caͤrimonien abzuschaffen, — das thut dem Ganzen noch nichts. So lange die Juden sich nicht zu Handwerken anschicken (ganz stimme ich Ihren Gedanken bey, daß diese das beste Mittel zu einer vortheilhaften Umbildung des juͤdischen National-Characters sind) so lange werden sie zur Handelschaft ihre Gebraͤuche und Caͤrimonien keinesweges undequem finden, viel- mehr scheinen sie dazu mir hoͤchstbequem, um uͤber die Christen das Ascendant zu erhalten. Der gemeinste Jude bildet sich ein, den schlauesten Christen uͤber- schauen zu koͤnnen, und nur fuͤr den hat er Respect, dem er im besondern Verstande, Witz und Wach- samkeit zutrauet. Die Ursachen, warum die Ju- den ihre Grundverfassung nie aus eigner Bewegung aͤndern werden, kann man selbst bey den Christen per combinationem idearum finden. Ein Jeder der K 2 sich sich geschickt zu seyn glaubt, die Kaufmannschaft oder bloße Kraͤmerey zu lernen, oder auch ohne foͤrmliche Erlernung zu treiben, der wird gewiß kein Handwerk lernen, sondern bey diesem Stande sich uͤber die ansehnlichsten Staͤnde der Menschen hin- ausdenken, und dieser Stand der Kaufmannschaft ist auch der Stand der Juden. Den uͤbrigen Druck fuͤhlen sie nicht, weil sie ihn so sehr gewohnt sind, sehn ihn vielmehr, wie die Herrnhuter und Prote- stanten in Frankreich als ein ehrenhaftes Maͤrtyr- thum an. Sogar genießt der Jude in buͤrgerlichen sichtbarlichen Verhaͤltnissen grosse Vorzuͤge vor den Christen. Er ist bey allen christlichen Religionsver- wandten gelitten, hat Zutritt an Hoͤfen und in Ca- binetten, den er verliert, sobald er sich taufen laͤßt. Ich weiß ein Beyspiel, daß im siebenjaͤhrigen Krie- ge die Frau eines juͤdischen Admodiateurs sogar an die Tafel eines grossen Prinzen gezogen wurde, wo- ruͤber die adelichen Damen zwar scheel sahen, aber eine christliche Kaufmannsfrau gewiß nicht gelitten haͤtten. Es sind ja auch Juden vom Kayser nobili- tirt worden, und unter K. Carl VII. hatte sogar ein Jude das Jus nobilitandi, indem er Adelsbriefe ver- kaufte, wo der Nahme vom Kaͤufer ausgefuͤllt wur- de. Ich glaube also nicht, daß die Vornehmen und Reichen Reichen den Druck sehr fuͤhlen, und der Poͤbel un- ter den Juden ist gegen ihn so abgestuͤmpft, wie un- sere Leibeigene Bauren gegen den Druck ihrer Herrn. Sie werden freylich antworten: eben dieses abge- stumpfte Gefuͤhl ist ein desto groͤßerer Beweis von Elend, und die Vorzuͤge der reichern Juden taugen eben so wenig, als die Unterdruͤckung der andern Freilich ist diese Antwort ganz in meinem Sinn. D. . — Aber lassen Sie mich noch etwas von den Vor- zuͤgen anfuͤhren, den der Jude in der itzigen Ver- fassung wirklich vor den Christen voraus hat. Ueber- all ist er frey von allen Arten von Frohndiensten, theils weil die Christen-Sklaven nicht mit den be- schnittenen Sklaven in Gesellschaft arbeiten wollen, theils weil man ihn fuͤr zu ungeschickt zu schwerer Arbeit haͤlt, die er auch nicht gewohnt ist. Einen Umstand muͤssen wir auch nicht vergessen, der die Juden stolz macht und uͤberredet uͤber die Christen hinschauen zu koͤnnen, das ist nicht nur die Patro- cinanz der reichen Juden, durch Geldleihen sogar an die ersten christlichen Haͤuser im Lande, auch an Hoͤfe — sondern vornehmlich auch die freywillige Knechtschaft der Christen, den Juden am Sabbath zu dienen. Ich erinnere mich keines Landes, wo hieruͤber ein Verboth existirte, das doch allein hin- K 3 rei- reichend waͤre, die Juden zu zwingen, ihre aͤngstli- che, unnatuͤrliche Sabbathsfeyer abzuschaffen. Aus den angefuͤhrten Gruͤnden scheint es mir sehr wahrscheinlich, daß wenn man den Juden heute alle Zuͤnfte oͤfnete, doch nur wenige von dieser Frey- heit Gebrauch machen, sondern lieber bey der Han- delsschaft bleiben wuͤrden, die ihnen Gewohnheit, Erziehung und die damit verbundene oder doch ein- gebildete Vorzuͤge nebst der Hofnung eines großen Gluͤcks und bequemen Lebens, weit angenehmer ma- chen. Und da Sie selbst diese ausschliessende Be- schaͤftigung mit dem Handel als die Hauptquelle der sittlichen Verderbtheit mit Recht angegeben; so sehe ich noch nicht, wie sie sobald duͤrfte verstopft wer- den, da nun noch die Hindernisse, welche in unse- rer Zunftverfassung liegen, dazu kommen. B. den 26. Oct. 1782. S. Miß- M ißverstanden und nach dem Mißverstand un- richtig beurtheilt zu werden, ist ein Unfall, dem Jeder, der seine Gedanken oͤffentlich sagt, sich aussetzt und den auch alte und neuere Schriftsteller immer erfah- ren haben. Er ist eine Folge der unendlich verschie- denen Begriffe, die jeder Leser zu einer Schrift mit- bringt, der verschiedenen Grade von Aufmerksam- keit, der er sie wuͤrdigt, seiner Faͤhigkeit in die Ideen eines Andern einzudringen, so wie der Talente des Schriftstellers, seine Begriffe deutlich zu entwickeln. Ueber ein allgemeines Schicksal muß man nicht kla- gen, sonst haͤtte ich allerdings Ursache die gerechte Beschwerde zu fuͤhren, daß die Hauptabsicht meiner Schrift von so Vielen verfehlet ist. Diese war nicht sowohl die Sache der unterdruͤckten Hebraͤer, son- dern der Menschheit und der Staaten zu fuͤhren. K 4 Ich Ich wollte nicht Mitleiden fuͤr Jene erregen, nicht von diesen eine bessere Behandlung derselben erbit- ten , sondern zeigen, daß gesunde Vernunft und all- gemeine Menschlichkeit, so wie das Interesse der buͤr- gerlichen Gesellschaft, diese bessere Behandlung fo- dern . Diese Absicht, duͤnkte mich, war so deutlich angegeben, daß ich mir schmeichelte, man werde sie nicht verfehlen koͤnnen. Es mußte mich daher aller- dings sehr befremden, wenn man zuweilen meine Schrift eine Rettung, Apologie der Juden nen- nen, und mich bloß fuͤr ihren Vertheidiger neh- men koͤnnen. Und doch sagt schon der Titel meiner Schrift, daß ich nicht die itzigen Juden vertheidi- gen wollte, und ihr ganzer Inhalt, diesem Titul getreu, hat es nur damit zu thun: Ob und durch welche Mittel die Juden sitt- lich und politisch besser als sie itzt sind, wer- den koͤnnen? Diese Frage setzt die itzige fehlerhafte Beschaffenheit der Juden voraus, und nur in dem einzigen Punkte ha- be ich diese vertheidigt, daß sie Menschen sind ; faͤhig durch aͤussere Lage und Umstaͤnde (wie die un- ter denen sie bis itzt lebten,) verderbt und herabgewuͤr- digt, und durch eine bessere Behandlung, wieder veredelt und zu guten und brauchbaren Gliedern der Gesellschaft erhoben zu werden. Dieser Dieser Mißverstand hat veranlaßt, daß man die itzigen Fehler der Juden, die ich nicht laͤugne, gegen mich gebraucht, um zu beweisen, daß sie auch, wenn meine Vorschlaͤge ausgefuͤhrt werden, keine bessere Menschen und Buͤrger seyn wuͤrden. Man vergißt hier, daß mit der Ursache auch die Wirkung aufhoͤ- ren muͤsse, und daß man von dem, was die Juden itzt sind, durchaus nicht auf das schliessen koͤnne, was sie kuͤnftig unter ganz andern Umstaͤnden, allen psychologischen Gesetzen gemaͤß, seyn werden. Daß bey den Juden keine Ausnahmen dieser Gesetze ein- trete, daß sie keine unabaͤnderliche, unverbesserliche Menschen sind, — diesen Beweis werde ich, wie ich schon erklaͤrt habe, nicht fuͤhren. Ich entferne vielmehr die niederschlagende Erfahrung, daß es noch unter uns sonst hellsehende Maͤnner giebt, die so ei- nes sonderbaren Gedankens faͤhig waren. Aber auch andere Untersucher, die keinem ihrer Bruͤder die menschlichste aller Faͤhigkeiten — Verbesserlichkeit — absprechen, glauben doch bey den Juden und in den durch ihre Religion bestimmten Verhaͤltnissen ganz besondere Umstaͤnde und Gruͤnde zu bemerken, welche sie auf immer unfaͤhig machen, mit den uͤbrigen Buͤrgern unserer Staaten voͤllig gleich, diesen voll- kommen einverleibt zu werden, gleiche Lasten der Ge- K 5 sell- sellschaft zu tragen, und gleiche Pflichten zu erfuͤllen die nur allein zu gleichen Vortheilen berechtigen koͤn- nen. Andere finden zwar hiebey keine gaͤnzliche Un- moͤglichkeit, aber doch große und wichtige Schwierig- keiten, welche die Sache lange behindern und verzoͤgern, wenigstens die Ausfuͤhrung eines auch im Allgemeinem politisch richtigen und guten Plans in besondern Laͤn- dern nicht verstatten wuͤrden. Wieder Andere ha- ben nur fuͤr diese Ausfuͤhrung, die sie als moͤglich und nuͤtzlich ansehen, einzelne besondere Modificationen vorgeschlagen. Diese drey Hauptclassen von Ein- wuͤrfen , welche von wahrheitsliebenden Forschern meinen Vorschlaͤgen entgegengesetzt sind, bilden eine natuͤrliche Abtheilung meiner Beantwortung, nach der ich die verschiedenen oft in einander lauffenden Begriffe desto richtiger abzusondern und genauer zu entwickeln hoffe. Die Gruͤnde , welche man uͤberhaupt einer allgemeinen Gleichmachung der Juden mit an- dern Buͤrgern des Staats entgegengesetzt hat, sind soviel ich weiß, folgende: I. Jeder Staat, besteht urspruͤnglich, aus den Landeigenthuͤmern, die nur allein auf die Rechte und uneingeschraͤnkte Wohlthaten der buͤr- buͤrgerlichen Gesellschaft Anspruch machen koͤnnen. Die Juden sind nur aufgenommene fremde Fluͤchtlinge, die Schutz, aber nicht Rechte verlangen koͤnnen. Wolte man sie den aͤltern, einheimischen Gliedern der Gesellschaft gleich machen, so wuͤrden sie sich zu sehr ver- mehren und diese verdraͤngen. Unsere meisten gegenwaͤrtigen Staaten sind von erobernden Voͤlkern gestiftet worden, die alten Einwoh- ner derselben, unter denen auch die Juden wa- ren, koͤnnen also nicht mehr Rechte verlangen, als sie bey der Eroberung besaßen. Wenn ich nicht sehr irre, beruhet dieser Ein- wurf auf nicht genug entwickelten Begriffen von der Natur und dem Wesen einer buͤrgerlichen Gesell- schaft, von ihrem Zweck und Interesse und dem wahren Wohl ihrer Glieder. Auch ich halte es fuͤr eine ausgemachte Wahrheit, daß der Staat nur aus denen bestehe, welche das Eigenthum des Landes, in dem er errichtet ist, besitzen oder Rechte an dassel- be erworben haben. Land ist das sicherste und dau- erudste Eigenthum, daher erscheinen dessen Besitzer vorzuͤglich als die wichtigsten, ersten und bleibendsten Buͤrger. Sonst muͤssen freylich auch die, welche uͤberhaupt Vermoͤgen im Staate besitzen, seine Lasten tragen tragen und einen bleibenden Aufenthalt in demselben haben, nicht ausgeschlossen werden. Alle diese ma- chen eigentlich die buͤrgerliche Gesellschaft aus, nur ihnen gehoͤrt also die hoͤchste Gewalt dieser Gesellschaft, sie moͤgen nun die Ausuͤbung derselben unmittelbar sich selbst vorbehalten oder sie gewissen Verwesern uͤbertragen haben. Ein Regent , der nicht fuͤr seine hoͤchste Wuͤrde und erhabensten Titel es haͤlt, erster Bedienter des Staats zu seyn , der nicht auch oh- ne alle foͤrmliche Grundgesetze sich heiligst verpflichtet haͤlt, die ihm anvertrauete Gewalt nur zum groͤßt- moͤglichsten Wohl des ihm vertrauenden Volks anzu- wenden, der irgend ein anderes Interesse, als das der Gesellschaft kennt, der sein Interesse von diesem zu trennen, es der Befriedigung seines Ehrgeitzes oder irgend einer andern Leidenschaft aufzuopfern faͤhig ist; — der verdient nicht den Nahmen eines Regen- ten Dank sey es der fortschreitenden Aufklaͤrung unse- rer Zeiten, daß diese große und erste aller politi- schen Wahrheiten nicht nur, auch in den monar- chichsten Staaten frey und offen gelehrt werden darf, und daß das goͤttliche Recht der Koͤnige , auch so- gar wenn ihm ein Wieland das Wort redet, kei- nen . Alles Recht koͤmmt nur vom Volke und ist nur nur Mittel, um dieses Gluͤck zu befoͤrdern, und wenn gleich in monarchischen Staaten die erbliche Nach- folge unstreitig das beste Mittel ist, um innere Un- ruhen zu verhuͤten, dem Staate von innen und aus- sen Festigkeit und Consistenz zu verschaffen und das Interesse des Verwesers desto inniger mit dem des Volks nen Beyfall mehr findet, sondern daß auch selbst unsere Regenten ihre wahre Wuͤrde und Bestim- mung laut anerkennen. Ohne den Verdacht auch nur der kleinsten Schmeicheley — von dem Jede meiner Schriften und vorzuͤglich diese u n befleckt zu erhalten mein eifrigster Wunsch ist, — zu besorgen, darf ich kuͤhn es sagen, daß kein Monarch von Eu- ropa sich hievon waͤhrend seiner langen Regierung mehr durchdrungen gezeigt habe, als der, den wir den unsern zu nennen, so gluͤcklich sind. Aber viel- leicht ist es auch Er, der als Schriftsteller unter den ersten in neuern Zeiten diesen Gedanken mit Energie und Klarheit ausgedruͤckt und in Umlauf gebracht hat. Gleich im Anfang des Anti-Machiavels ( p. 3. edit. de la Haye 1741) giebt der erhabene Verfasser von dem Ursprung der Gewalt der Fuͤrsten folgende Idee: Les peuples ont trouvê necessaire pour leur repos, et leur conservation d’avoir des juges pour regler leurs differends, des protecteurs pour les mainte- nir Volks zu verweben; so laͤßt doch nie ein erbliches Eigenthumsrecht, wie bey Privatbesitzungen, sich den- ken; ein Staat kann seiner Natur und Wesen nach, nie als ein Grundstuͤck besessen werden. Diese Wahrheit setze ich voraus, knuͤpfe aber nun an sie eine andere eben so unumstoͤßliche, diese, daß das hoͤchste Wohl der ganzen Gesellschaft und aller ihrer Glieder in der nach allen Verhaͤltnissen eines Landes groͤßtmoͤglichsten Zahl seiner Bewohner be- stehe. Nur durch diese wird die vollkommenste Cul- tur des Bodens, so wie des Geistes bewirkt, und die Gesellschaft in Stand gesetzt alle ihre Zwecke von aussen und innen zu erfuͤllen, Sicherheit, Wohlstand und uͤberhaupt Gluͤckseeligkeit in moͤg- lichst hoͤchstem Grade zu erreichen. Je mehr Men- schen, nir contre leurs ennemis dans la possession de leurs biens, des Souverains pour reunir tous leurs diffe- rens interets en un seul interet commun; ils ont donc dabord choisi d’entre’eux, ceux qu’ils ont cru les plus sages, les plus equitables, les plus desin- teressés, les plus humains, les plus vaillants pour les gouverner. — C’est donc le bien des peuples, que le souverain doit preferer à tout autre interet, — Le Sonverain bien loin d’etre le maitre absolu des peuples, qui sont sous sa domination, n’en est lui mênte, que le premier domestique . schen, desto mehr und vervielfaͤltigte Nahrungswege desto mehr Schaͤrfung der Industrie, mehr Auf- klaͤrung, mehr Benutzung aller physischen und poli- tischen Vortheile, die Boden und Lage darbieten, desto mehr Kraft um aͤussern Anfaͤllen zu widerstehn, desto mehr Ruhe und Festigkeit der innern Einrichtun- gen. Jeder Staat muß also immer bemuͤhet seyn die Zahl seiner Buͤrger sowohl durch die natuͤrliche Vermehrung der Eingebohrnen, als durch willkom- mene Aufnahme der Fremden, die sich ihm anschlies- sen, unaufhoͤrlich bis zu dem hoͤchsten Maaße, das seine physische Beschaffenheit und seine Lage erlauben, zu vergroͤßern Wenn zwischen demjenigen, was ich hieruͤber im Anfange meiner Schrift und Hr. Moses Mendels- sohn in der Vorrede zu Manasseh S. 22 bemerkt, ein Widerspruch zu seyn scheint, so ist er in der That nur scheinbar, und wir denken hieruͤber ganz einstimmig. Meine Absicht war den Satz der Be- voͤlkerung mit Bestimmtheit darzustellen. Es giebt bekanntlich politische Schriftsteller, welche die zu vermehrende Volksmenge fuͤr den letzten Zweck der Gesellschaft halten; dieß scheint sie mir nicht, son- dern nur das in den meisten Faͤllen zweckmaͤßigste Mit- . Dieses aber kann er nur dann , wenn wenn er allen Eingebornen und Fremden den voll- kom- Mittel diesen Zweck — das allgemein groͤßtmoͤglich- ste Wohl — zu erreichen, aber auch dieses nur hy- pothetisch, weil doch der Fall sich denken laͤßt, da ein Land gerade so viel Menschen hat, als es nach allen seinen physischen und politischen Verhaͤltnissen ernaͤhren kann. Alle unsere groͤßere Staaten sind von der Wirklichkeit dieses Falls noch unendlich weit entfernt, und vielleicht erreichen sie ihn nie; aber da er moͤglich ist, erfordert doch die philosophische Genau- igkeit der Begriffe ihn nicht zu uͤbersehn, und die un- auf hoͤrliche Zunahme der Bevoͤlkerung ist also nicht absolut , sondern nur unter einer Bedingung, die aber in allen unsern groͤssern Staaten eintritt , das zweckmaͤßigste Mittel zu Befoͤrderung der Wohl- fahrt des Staats. Dieses Raisonnement scheint mir noch itzt sehr richtig, aber auch eben so sehr, was Hr. Moses bemerkt, „daß der Regent durchaus hier- auf keine Ruͤcksicht nehmen, die zunehmende Be- voͤlkerung nie verhindern, sondern der Natur ganz ihren Lauf und das Gefaͤß sich anfuͤllen lassen muͤsse, bis es uͤberlaͤuft.“ Diese Meynung ist um so mehr auch die meinige, da ich sehr zweifle, ob vielleicht einer unserer Staaten das ihm erreichbare Maaß von Bevoͤlkerung je erreichen werde, weil eben die Vermehrung immer neue Beschaͤftigungsmittel, also neue Quellen einer fortgehenden Zunahme eroͤfnet. kommensten und freyesten Genuß aller Rechte der Buͤrger verstattet. Ausschließende Vorzuͤge und Rech- te einer gewissen Classe sind allemal mehr oder weniger Hinderniß der Bevoͤlkerung und also des zu erreichen- den moͤglichst groͤßten Wohlstandes. Die Erfah- rung vereinigt sich hier mit dem Raisonnement Immer waren die Staaten die gluͤcklichsten, reichsten an Fleiß, Production und Gelde, so wie die geliebtesten von ihren Buͤrgern, die mit Ertheilung ihres Buͤrgerrechts am freygebigsten, jedem Fremdling, der unter ihrem Schutze sich nie- derließ, nicht nur mit diesem Schutz, sondern auch mit dem sichersten Genuß aller gesellschaftlichen Rechte entgegen kamen, ihm die freyeste Aeusserung seiner Kraͤfte und Talente gestatteten. Diese Frey- gebigkeit gegen Fremde ist kein Unrecht fuͤr die alten Einwohner, das heißt, fuͤr die Buͤrger des Staats, deren Vorfahren schon seit einem gewissen Zeitraum in diesem Lande wohnten, — sie ist Wohlthat fuͤr sie, und fuͤr die Regierung ist es Pflicht diese Wohlthat zu erweisen. In eben dem Verhaͤltniß wie die Zahl ihrer Mitbuͤrger sich vermehrt, erhal- ten auch diese aͤltern Einwohner mehr Mittel sich zu naͤhren, ihren Wohlstand zu erweitern, ihr Leben sich bequemer und angenehmer zu machen. Der L Werth Werth ihrer Arbeit wird erhoͤhet, ihr Erfindungs- geist geweckt, ihre Einsicht, so wie ihre Staͤrke ge- mehret. Freylich wo gewisse positive Grundgesetze nur ei- ner oder mehrern besondern Classen von Buͤrgern einen Antheil an Regierungsrechten gestatten, muß dieser ihnen erhalten; wo besondere Vorthei- le und Benutzungen einmal durch Vertraͤge erwor- ben sind, muͤssen diese unverletzt bleiben, wenigstens bis dahin, daß die richtigere Einsicht von dem groͤßern Vortheile des allgemeinern Genusses dieser Rechte und Benutzungen fuͤr das Ganze sowohl, als in den meisten Faͤllen, auch fuͤr die bisherigen aus- schliessenden Besitzer selbst, bis, sage ich, diese Ein- sicht mehr verbreitet ist und die Aufhebung dieser Ein- schraͤnkungen abdringt. Sonst ist jede ploͤtzliche Ver- aͤnderung meistens gefaͤhrlich, und einmal wohl er- worbene Rechte und Besitzungen, auch unter dem nicht ungegruͤndeten Vorwande des gemeinen Besten (drin- gende Faͤlle ausgenommen,) irgend Jemand zu neh- men, — wird kein Freund der Menschen anrathen. Aber seine Kraft und Thaͤtigkeit zu aͤußern, sich zu naͤhren wie man kann und will, — sollte uͤberhaupt nie ein ausschließendes Recht Einzelner seyn. Der Vortheil des Monopolisten ist dem der Gesellschaft wider widersprechend und auf Kosten aller uͤbrigen erwor- ben. Diese gewinnen dabey, je freyere Induͤstrie ihnen allen verstattet ist und je mehr sie alle Beschaͤf- tigungen und Nahrungswege frey waͤhlen duͤrfen. Zu dieser vollkomnen Freyheit, duͤnkt mich, ge- hoͤrt auch dieses, daß Jeder, bey dem nicht besondre Umstaͤnde eintreten, die seine Buͤrgerannahme wie- derrathen, ein gleiches Recht habe, Landeigenthum zu erwerben. Nur wo dieses gestattet ist, darf der Staat die vollkommenste Cultur seines Bodens hof- fen, weil er nur dann immer an Besitzer koͤmmt, die am meisten Faͤhigkeit und Willen haben, alle moͤgliche Fruͤchte dieses Bodens hervorzulocken! Auch fuͤr die Landeigenthuͤmer selbst ist diese verstattete Freyheit sicherer Gewinn; denn je groͤsser die Zahl der Kaͤufer ihrer Grundstuͤcke ist, desto mehr wird der Werth derselben erhoͤhet und desto vollkomner koͤnnen sie dieselben benutzen, sie veraͤussern sie nun oder nicht. So gewiß es ist, daß die Besitzer des Landeigenthums vornaͤmlich den Staat ausma- chen, so ist doch desselben vollkommenste Veraͤusser- lichkeit und die den Besitzern gestattete freyeste Dispo- sition uͤber dieses Eigenthum, wahrer Vortheil des Staats, weil diesem nicht daran gelegen seyn kann, daß sein Boden unabaͤnderlich von den Nachkom- L 2 men men derer besessen werde, die ihn vor einigen Jahr- hunderten besaßen, sondern nur daran , daß er auf das vollkommenste bereitet und in seinem moͤglichst hoͤch- sten Werth erhalten oder zu demselben erhoben wer- de moͤge. Den Fall, wo in einigen Laͤndern an ein ge- wisses Landeigenthum Antheil an der Regierung ge- bunden und dieser auf eine Classe von Buͤrgern be- schraͤnkt ist, habe ich schon vorher ausgenommen. Wenn diese Grundsaͤtze auf das Wesen und den Zweck der buͤrgerlichen Gesellschaft gegruͤndet sind, so muß vor ihnen der aus der Entstehung unsrer itzi- gen Staaten abgeleitete Unterschied zwischen ehema- ligen Siegern und Besiegten , wenn er nicht schon ohnedem sich verlohren haͤtte, voͤllig verschwinden. Moͤgen die Nachkommen der erstern immer die ur- spruͤnglichen einheimischen Landeigenthuͤmer seyn, — wenn sie nur zu ihrem eigenen und des Staats Beß- ten das Recht haben, ihre Besitzungen zu veraͤussern. Die Fremden, an die sie ihre Rechte uͤbertragen, treten alsdann in ihre Stelle. Je mehr derer sich finden, an welche diese Uebertragung geschehen kann, desto besser fuͤr diese Landeigenthuͤmer; jener Anlockung ist kein Unrecht, ist Vortheil fuͤr diese. Ueberhaupt, duͤnkt mich, laͤßt eine Anwendung der Grundsaͤtze, nach welchen vor zwoͤlf Jahrhunderten einige nordi- sche sche Voͤlker die verschiedenen Provinzen des roͤmischen Reichs eroberten und neue Staaten in ihnen errichteten, bey der Stufe unserer itzigen europaͤischen Cultur und unserer erleuchtetern (wenigstens andern) Politick sich nicht denken. Kein Staat unsers Welttheils macht itzt Eroberungen, um die alten Einwohner in denselben auszurotten oder zu Sclaven zu machen, und deren Eigenthum unter seine siegende Heere zu vertheilen. Eine eroberte Provinz wird der Classe der bisherigen zugesellt, ihre Einwohner behalten ihre Besitzungen und Rechte und werden den alten Buͤrgern associirt und gleich gemacht. Im Elsaß, in Liefland, in Schlesien sind nicht Franzosen, Russen und Preus- sen herrschende Nationen und die alten Einwohner diesen unterworfen geworden; jene Provinzen wur- den nur den Staaten einverleibt, die durch Erobe- rung und Abtretung sie erworben hatten. Selbst die Pforte beobachtet diesen Grundsatz, und macht die Einwohner eroberter Laͤnder nur zu Unterthanen des Staats, nicht zu Sclaven der siegenden Nation. Wie viel weniger kann also noch in unsern itzigen Staa, ten auf den alten laͤngst abgeschliffenen Unterschied zwischen Siegern und Besiegten, urspruͤnglichen Besitzern und Fremdlingen Ruͤcksicht genommen werden, deren Nachkommen sich laͤngst vermischt L 3 und und in der allgemeinen Masse der Voͤlker verlohren haben. Der gemeinschaftliche Vortheil Aller erfor- dert, dergleichen Unterschiede nie wieder aufleben zu lassen, vielmehr die Zahl aller Buͤrger moͤglichst ver- mehrt zu sehn, und hierzu ist die vollkommenste Freyheit in Absicht der Besitzungen, Beschaͤftigun- gen und Nahrungswege eine wesentliche Bedingung. Diese Freyheit vorzuͤglich allen im Lande Ge- bohrnen zu bewilligen, erfordert sowohl die natuͤr- liche Billigkeit als auch der groͤßere Vortheil, der von ihnen zu erwarten ist. Sie kennen das Land, sind an Clima, Boden, Sitten, Lebensart gewoͤhnt und passen also besser in die Gesellschaft, von der sie Daseyn und Erziehung erhalten haben. Will der Staat zu Bebauung eines bisher noch unbenutzten Bodens, oder zu neuen bisher noch fehlenden Arten von Induͤstrie durch Wohlthaten ermuntern; so duͤnkt mich, haben also die im Lande Gebohrnen, aber noch nicht mit Beschaͤftigung Versehenen, auf die- se Wohlthaten den gerechtesten Anspruch und sind auch die faͤhigsten seine Zwecke zu erfuͤllen. Fremde indeß, die freywillig sich den aͤltern Buͤrgern beyge- sellen, muͤssen jedem Staat willkommen seyn, und sein, so wie Jener Interesse erfordert es, ihnen das neu gewaͤhlte Vaterland durch verschafte Leichtigkeit der der Beschaͤftigung und Nahrungswege, angenehm zu machen; sie dadurch, daß sie ihr Gluͤck nach ei- gener Einsicht sich bilden koͤnnen, zu fesseln und bald moͤglichst zu naturalisiren. Fremde durch Wohl- thaten anzulocken scheint mir indeß nur in zwey Faͤl- len rathsam. Erstlich , wenn diese Fremde ihr Va- terland zu verlassen durch politische und religioͤse Druͤckung veranlaßt sind; Hugenotten, Salzburger, Pfaͤlzer waren allenthalben die besten Colonisten und dankbarsten Unterthanen. Zweytens , wenn ein Staat viel unurbares Land hat, oder durch seine La- ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen oder Handlungsverhaͤltnissen erwarten kann, wozu es ihm an eigenen Haͤnden fehlt, die er durch die na- tuͤrliche Vermehrung nicht sobald erwarten kann. Sonst muß ich gestehen, denke ich uͤber die gewoͤhn- lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge- lockten Colonisten noch immer so, wie ich bereits in dieser Schrift mich uͤber sie erklaͤrt habe, und der Staat der sie aufnimmt, muß, duͤnkt mich, immer den groͤßten Vortheil erst von ihren Kindern und Enkeln erwarten. Alle diese Grundsaͤtze koͤnnen nun meiner Ein- sicht nach auch auf die Juden angewandt werden, da ich dieselben fuͤr faͤhig halte, voͤllig brauchbare L 4 Glieder Glieder der Gesellschaft zu werden, sobald man sich ent- schliessen wird den gleichen Genuß ihrer Vortheile ihnen zu bewilligen. Diese Bewilligung waͤre kein Unrecht fuͤr die uͤbrigen Buͤrger, sondern verspraͤche ihnen alle die nuͤtzlichen Folgen, die sie von der vermehrten Volkmenge uͤberhaupt erwarten duͤrfen. Die im Lande gebohrnen Juden verdienten, aus dem vorher angefuͤhrten Grunde, allemal noch vor Fremden den Vorzug, ob ich gleich auch diese, meinen Grundsaͤtzen gemaͤß, nicht nachgesetzt und eigentlich uͤberall keinen Vorzug Versteht sich in Absicht der eigentlichen buͤrgerli- chen, nicht der auf Grundverfassung beruhenden Regierungs-Rechte, welches ich, um allen Mißver- stand zu verhuͤten, lieber auch zum Ueberfluß wie- derhole. wuͤnsche. Bey den Juden koͤmmt noch der Grund hinzu, daß sie, wenigstens ein grosser Theil derselben, sich wahr- scheinlich als vorzuͤglich gute und dankbare Buͤrger, (der auch in ihnen gleich wuͤrkenden menschlichen Na- tur gemaͤß) des Staats, beweisen wuͤrden, der ih- nen zuerst den Genuß der Menschenrechte verstattete und sie zu einem hoͤhern Werth dadurch erhoͤbe, daß er sie zu wirklichen Gliedern der politischen Gesell- schaft machte. Fremde sich selbst anbietende Ju- den den wuͤrden meiner Meynung nach, angenommen und zu gleichen Freyheiten, wie die uͤbrigen zugelas- sen, aber auf keine Weise wuͤrden sie geruffen und angelockt werden muͤssen. Da die Juden durch die lange Herabwuͤrdigung, in der sie Jahrhunderte gelebt, nun einmal politisch verderbter sind und erst in einigen Generationen ganz brauchbare Glieder der Gesellschaft werden koͤnnen, so wuͤrde es unpolitisch seyn, gerade mit diesen noch zu bildenden und erst in ihren Nachkommen die Muͤhe eigentlich belohnenden Fremdlingen, die Zahl der alten Einwohner vermeh- ren zu wollen, die allerdings uͤber eine solche Be- guͤnstigung noch nicht so tauglicher und durch ihre Fehler ihnen nachtheiliger Menschen (so wie anderer Herumlaͤufer auch) sich zu beschweren gerechte Ursa- che haͤtten. Ich hoffe man wird mich hier unpar- theyisch und von aller mir gewiß mit Unrecht beyge- legten Vorliebe fuͤr die Juden, frey finden. So sehr ich die bessere Behandlung derselben wuͤnsche, so glaube ich doch, daß, so lange sie noch immer die sind, zu denen freylich wir sie gemacht haben, ein Staat der sich veranlaßt findet, Fremde durch Vor- theile und Wohlthaten anzuziehen, besser thue jede andere Colonisten zu waͤhlen, als juͤdische . Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn nur ein Staat L 5 die die bessere Behandlung der Hebraͤer anfienge, und die Juden aus andern Laͤndern ihm zu haͤufig zu- stroͤmten; so, glaube ich, wuͤrde er nicht Unrecht thun, auch die freywillig sich anbietenden abzuweisen, we- nigstens so lange, bis noch verschiedene Schwierig- keiten ihrer vollkomnen buͤrgerlichen Brauchbarkeit (besonders die von den Kriegsdiensten und der Colli- sion des Sabbaths mit den buͤrgerlichen Verhaͤltnis- sen) voͤllig durch die Erfahrung (denn diese nur ver- mag es) gehoben seyn werden. Indeß schmeichle ich mir noch immer mit der angenehmen Aussicht, daß die Wahrheit, der ich Eingang zu verschaffen suche, vielleicht in nicht zu entfernter Zeit, in mehrern Lan- den sich verbreiten und eine bessere Behandlung der einheimischen Juden eines jeden bewirken, also den Fall einer zu grossen Auswanderung nach einem be- stimmten Lande verhindern werde. Auch koͤmmt hie- bey, wie Hr. Michaelis sehr richtig bemerkt, die Verschiedenheit der Laͤnder und ihre groͤßere oder ge- ringere Bevoͤlkerung in Betrachtung. Eine halbe oder ganze Million Juden wuͤrde freylich in Frank- reich, das 26 Milllonen Einwohner hat, ganz andere Folgen hervorbringen, als in Schweden bey 2 und einer halben Million; auch andere in den noch mit wuͤsten und unurbarem Lande versehenen oͤsterreichi- schen schen und russischen Staaten, als in den ungleich mehr cultivirten preußischen. Mir ist es genug, nur dieses entwickelt zu haben, daß die Sorge fuͤr die Rechte der sogenannten aͤltern Einwohner die Regierung nicht abhalten duͤrfe, den im Lande gebornen Juden gleiche Rechte mit Je- nen zu bewilligen, und wenn es mir gelungen ist, nach den Grundsaͤtzen einer wahren Politick zu zei- gen, daß diese Gleichmachung kein Unrecht, viel- mehr ein Vortheil fuͤr die uͤbrigen Buͤrger sey. Na- tuͤrlich setze ich hiebey voraus, daß man die Faͤhig- keit der Juden, nuͤtzliche Glieder der Gesellschaft zu werden, zugestehe, und ich hoffe die Gruͤnde fuͤr diese Behauptung werden durch die folgende noch ver- staͤrkt und einleuchtender erscheinen. II. Die Juden koͤnnen nie unsern Staaten als voͤllig gleiche Glieder derselben einverleibt und als diese behandelt werden, so lange sie ein Ge- setz beobachten, welches seiner ganzen Einrich- tung nach, bestimmt ist, sie als eine fuͤr sich bestehende Nation, von allen uͤbrigen Voͤlkern zu trennen, so lange sie Vorurtheile und we- nigstens Erklaͤrungen ihres Gesetzes beybehal- ten, ten, welche eine solche Trennung verewigen, so lange sie durch aͤußere Unterscheidung in der Lebensart sich absondern. Wer nicht mit an- dern ißt und trinkt, kann ihnen nicht voͤllig gleich werden. Auch selbst ihr zu lebhaftes, unruhiges Temperament paßt nicht fuͤr unser Clima, und fuͤr feste, bindende Beschaͤftigun- gen. Ueberdem naͤhren die Juden noch immer die Hofnung eines eigenen besondern Reichs, und erwarten einen Retter, der es auf den Truͤmmern der uͤbrigen erreichten soll. Sie koͤnnen also nie treue Buͤrger unserer Staaten werden, sie sind keiner wahren patriotischen Theilnehmung und Buͤrgertugend faͤhig, son- dern immer unsichere Unterthanen, die mit fanatischer Sehnsucht den Augenblick erwar- ten, da sie als offenbare Rebellen sich zeigen duͤrfen. Jeder einzelne Jude naͤhrt den stol- zen Gedanken in seiner Brust, vielleicht einst Vater des raͤchenden Heilands und Koͤnigs zu werden. Wenigstens kann diese Schwaͤrme- rey von unruhigen Koͤpfen benutzt, und alle- mal dem Staate gefaͤhrlich werden . Dieser Einwurf hat eine sehr scheinbare Staͤr- ke, und er muß sie behalten, so lange man nicht in den den Gesichtspunkt zuruͤck tritt, aus dem allein diese Sache richtig angesehen werden kann. Allerdings hat es seine Richtigkeit, daß die Juden, so wie sie jetzt sind , mit ihrem trennenden Gesetz, absondern- den Gebraͤuchen und mancherley Vorurtheilen nicht vollkommen gute Buͤrger seyn koͤnnen. Aber diese Hindernisse bestehen nur deshalb, weil man durch die druͤckende Lage, in der man die Juden gehalten, sie gezwungen hat, sich immer als ein von allen uͤbri- gen Erdebewohnern getrenntes Geschlecht in sich zu vereinigen; Lehren und Gebraͤuche mit desto waͤr- merer Anhaͤnglichkeit zu umfassen, je mehr die uͤbri- ge Welt sie ihnen zu entreissen sich verschworen hatte- Druͤckung und Verfolgung sind der fruchtbarste und naͤhrendste Boden des Aberglaubens und geheiligter Vorurthelle. Ohne sie wuͤrde von manchen Secten kaum noch der Nahme uͤbrig seyn, und gewiß auch der juͤdische Glaube sich laͤngst schon mit andern ver- schmolzen oder wenigstens, welches uns hier schon genug ist, seine schneidende Ecken abgeschliffen und sich in die politische Verfassungen besser eingepaßt ha- ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem christ- lichen, von diesem unaufhoͤrlich so abschreckende Er- innerungen der Verschiedenheit (welche eben die nahe Verwandschaft noch beleidigender macht) erhalten haͤtte. haͤtte. Wird diese Erinnerung endlich einmal unter- brochen, werden die Juden menschlich und wie an- dere Glieder der Gesellschaft behandelt; so darf man nicht zweiflen, daß ihre religioͤse Anhaͤnglichkeit in eben dem Maaße abnehmen werde, in welchem sie durch buͤrgerliche sich fester an den Staat verbinden. Man darf hier sicher auf die immer sich gleiche Na- tur des Menschen vertrauen. Die Juden werden von selbst das Laͤstige, Unbequeme und Unangeneh- me auffallender aͤusserer Unterscheidungen, gehemm- ter politischer Thaͤtigkeit fuͤhlen und sie werden schon sehen, wie sie dieser Fesseln sich entledigen. Der Staat kann es immer ruhig ihren Lehrern und Gruͤb- lern uͤberlassen, die heiligen Meynungen so zu modi- ficiren, daß sie mit dem zeitlichen Wohl und buͤrger- lichen Verhaͤltnissen zusammenstimmen. Die Syna- goge wird nach dem Staat sich bequemen muͤssen, oder sie koͤmmt in Gefahr von ihren Besuchern ver- lassen zu werden. „Aber dann werden die Juden aufhoͤren „eigentliche Juden zu seyn?“ — Moͤgen sie doch! Was kuͤmmert dieses den Staat, der nichts weiter von ihnen verlangt, als daß sie gute Buͤrger werden, sie moͤgen es uͤbrigens mit ihren Religionsmeynun- gen halten, wie sie wollen? In der That ist es sonder- sonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der Sache des Staats und gar nicht mit dem juͤdischen Lehrbegriff es zu thun habe, hat so verstehen koͤnnen, als verlangte ich, daß die Juden immer gerade sol- che Juden blieben, wie sie itzt sind, und daß man dann, diese widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be- weis entgegensetzt, daß sie auch in jeder Zukunft fuͤr den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieser Mißver- stand ist geschehn, ob ich gleich so deutlich mich er- klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor- schlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr- gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ- ren, solche Juden zu seyn, wie sie bisher waren. Es ist also noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und genauer zu erklaͤren. Allerdings haben die Juden in ihrer Religion Vorurtheile, die sie in gewissem Grade unfaͤhig ma- chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von seinen Buͤrgern verlangt, und bey denen sie diesen nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Diese Vorurthei- le entstehen zum Theil daher, weil die Juden noch immer streng ein Gesetz beobachten, welches freylich die Absicht hatte, sie von allen andern Nationen zu trennen, sie in einen eigenen fuͤr sich bestehenden Staat Staat und in ein ungemischtes Geschlecht zu verel- nen, und welches itzt, nachdem dieser Staat laͤngst zerstoͤrt ist und die Juden in alle uͤbrige Staaten zer- streuet sind, nicht mehr paßt, unsern buͤrgerlichen Gesellschaften, dem europaͤischen Clima nicht mehr angemessen ist. Andre Vorurtheile sind aus den Spitzfindigkeiten und Grillen entstanden, mit denen die Rabbinen in spaͤtern Zeiten das urspruͤnglich freyere Gesetz uͤberladen haben. Der Scharfsinn des denkenden Theils der Nation wurde ganz auf diese Seite gezogen, weil es ihm an besserm Stoffe fehlte; und der Hebraͤer, einmal dem buͤrgerlichem Verhaͤlt- nisse gewaltsam entruͤckt, wurde diesem allmaͤhlig so fremde, daß seine Speculationen auf dasselbe durch- aus nicht mehr Ruͤcksicht nehmen, vielmehr immer dahin zielten sich noch enger in seine religioͤse Verbin- dung einzuschliessen und von der politischen, die ihn zuerst ausgestoßen, immer feindseeliger zu trennen. Freylich waͤre es fuͤr unsre Staten zu wuͤn- schen, daß die Juden, so wie sie itzt sind, gar nicht da seyn moͤchten , das heißt mit andern Worten, daß die Regierungen schon vor vielen Jahr- hunderten gethan haͤtten, was ich wuͤnsche, daß sie wenigstens itzt, ihrem Interesse gemaͤß, thun moͤch- ten. Sicher wuͤrden die Juden ihren ehemaligen Staat Staat und die nur auf ihn sich beziehende Gesetze laͤngst vergessen haben, wenn man sie den buͤrgerli- chen Gesellschaften, in denen sie lebten, voͤllig ein- verleibt und gluͤcklich in denselben gemacht haͤtte; die Vorurtheile, die diese Druͤckung hervorgebracht hat, waͤren dann nie entstanden. Die Ge- schichte aller Zeiten beweißt, daß polltische oder religioͤse Schwaͤrmerey und Anhaͤnglichkeit nur durch die Verfolgung verewiget werden, und daß Gleichguͤltigkeit, Duldung und Unaufmerksam- keit ihr sicherster Tod sind. Den Einwurf, daß die Juden hierinn eine ganz besondere Ausnahme ma- chen wuͤrden, kann ich wenigstens so lange nicht zu- geben, bis eine noch nie gemachte Erfahrung ihn bestaͤtiget, oder bis man mir bis itzt un- moͤglich scheinende Beweise gegeben hat, daß die menschliche Natur in den Juden anders, als auf ihre sonst bekannte Art, wirke. Bis dahin wird man mir erlauben, an die allgemeine Regel zu glauben. Dem Staate muß es genug seyn, wenn die Ju- den durch die bessere Behandlung dahin gebracht wer- den, ihre Vorurtheile abzulegen, sie moͤgen es nun uͤbrigens mit ihren religioͤsen Meynungen halten wie sie wollen. Dieß war der Hauptgrundsatz meines bisher entwickelten Plans; aber da man nun uͤber M dieses dieses Ablegen und dieses Wie naͤhere Erklaͤrungen verlangt, so will ich auch hieruͤber meine Meynung freymuͤthig und offen sagen. Die Umbildung des religioͤsen Systems der Juden koͤnnte, duͤnkt mich, auf drey verschiedene Arten geschehen, und vermuth- lich wird jede derselben wirklich bey den einzelnen Personen eintreten. Entweder die Juden bleiben wirkliche Juden, dem Wesen ihres Gesetzes getreu, fuͤgen aber demselben alle die naͤhern Bestimmungen hinzu, welche ihre itzige Lage und neue buͤrgerliche Verhaͤltnisse nothwendig machen und werfen alles weg, was diesen hinderlich seyn kann. Wahrschein- lich wird diese Modification nicht allenthalben auf gleiche Art geschehen; es werden also verschiedene reli- gioͤse Partheyen entstehen, die aber dem Staat gleich lieb und vielmehr angenehm seyn muͤssen, weil ge- rade die Verschiedenheit der Meynungen, der Unter- suchung Lust machen, die Wahrheit, Aufklaͤrung und gegenseitige Duldung beguͤnstigen wird: oder sie werden Bekenner der reinen Religion der Ver- nunft: oder sie gehen zu einer der christlichen Partheyen uͤber, bilden auch vielleicht eine neue . In jedem dieser Faͤlle kann der Zweck sie zu bessern Buͤrgern zu machen, erreicht werden, und dem Staat muß es also ganz gleichguͤltig seyn, was sie hierinn fuͤr eine Wahl Wahl treffen moͤgen? Die beyden erstern Wege duͤrften vermuthlich von dem groͤßern Theile der Ju- den vorgezogen werden, und der dritte kann, wenn man sich unpartheyisch in ihre Stelle denkt, nur das Anlockende haben, sich dem groͤßten Haufen ihrer Mitbuͤrger gleich zu machen. Ich gestehe aber, daß ich einen nicht allmaͤhlig durch laͤngere Vermischung und Umbildung vorbereiteten Uebergang der Juden zu einein der christlichen Religionssysteme selten fuͤr aufrichtig und daher die, welche sich zu ihm entschlies- sen koͤnnen, nicht fuͤr die Bessern der Nation halte. Welt natuͤrlicher und leichter wird es dem Juden seyn, seinen bisherigen Glauben zu reformiren, ihn zu seiner urspruͤnglichen Simplicitaͤt zuruͤckzufuͤhren, und die ihm in seinen itzigen Verhaͤltnissen laͤstigen Verbindlichkeiten wegzuerklaͤren, oder ganz bis zu der in seinem vaͤterlichen Glauben schon begriffenen Ver- nunftreligion zuruͤckzukehren. Er darf in diesen bey- den Faͤllen nur einen Theil seiner bisherigen Mey- nungen ablegen, ohne an ihre Stelle gerade wieder andere diesen widersprechende zu setzen, gegen die von fruͤher Jugend an sein Herz eingenommen worden. Auch denn, wenn die Juden mit voͤlliger Verlassung ihres bisherigen Glaubens, nur bey der natuͤrlichen Religion stehn blieben, duͤrfen sie doch von keiner M 2 neuen neuen (noch weniger von einer bisher fuͤr durchaus falsch gehaltenen) Lehre sich uͤberzeugen. Die Reli- gion der Vernunft ist auch die des Juden. Sie rein und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die Zusaͤtze, womit sie bisher fuͤr ihn beladen war, von ihr absondern, ist also kein neuer Glaube, kein schwerer Uebergang fuͤr ihn. Er hoͤrt dann nur auf Alles zu glauben, was er bisher glaubte, aber ohne anzufangen etwas Neues zu glauben. Und hoffent- lich wird man ihm doch dieses nicht uͤbel deuten und nicht verlangen, daß er, wenn er seinen bisherigen Irrthum verlaͤsset, nun auch gerade so denke wie wir, durchaus das und nicht mehr noch weniger, fuͤr Wahrheit halte, als was uns nun einmal (sey es bloß durch Autoritaͤt der Erziehung und Lehrer oder nach eigener Pruͤfung) Wahrheit ist. Gewiß laͤßt sich der Fall denken und er scheint nach allen psychologi- schen Gesetzen der wahrscheinlichste, daß die Juden zwar ihre bisherige Meynung, aber darum nicht we- niger auch noch ferner eine andere, fuͤr Irrthum hal- ten koͤnnen. Und sehr unbillig wuͤrde es dann doch seyn, sie gewaltsam anzuhalten, wenigstens aͤusser- lich so lange sich zu einer von ihnen fuͤr falsch gehal- tenen Lehre zu bekennen, bis sie von der Wahrheit einer gewissen bestimmten andern Lehre uͤberzeugt seyn koͤnnen. Son- Sonderbar genug hat man zwar bisher allenthalben, England ausgenommen, nur allein den Verehrern der doch von allen Partheyen anerkannten und als das Wichtigste und Wesentlichste ihrer besondern Lehrbegrif- fe behaupteten natuͤrlichen Religion, die Freyheit ver- sagt, fuͤr sich eine kirchliche Gesellschaft auszumachen und sich ohne Einmischung von ihnen fuͤr irrig gehaltener Grundsaͤtze zu erbauen; eine Freyheit, die man so oft den Bekennern auch der ungereimtesten Lehren (freylich mit Recht) verstattet hat. Aber vieleicht liegt die Ursache darinn, daß die Bekenner der Vernunftre- ligion sich bisher nicht so zahlreich an einzelnen Or- ten gefunden haben, um an eine Vereinigung zu denken, und ich habe das Vertrauen zu der Erleuch- tung unserer Zeiten, daß man auch bloß auf reine Wahrheiten der natuͤrlichen Religion und Sittenleh- re gerichteten Unterricht und Erbauung (versteht sich ohne alles Beleidigende der andern Partheyen) wil- lig verstatten werde. Wenigstens wuͤrde die Nicht- verstattung dieser Freyheit aͤußerst inconsequent und ein Beweis seyn, daß die Begriffe von Toleranz in ihrer ganzen Klarheit bisher nur noch in einigen Schriften, aber noch nicht in den Koͤpfen Derer aufgehellt sind, denen die Menschen die Be- sorgung ihrer Angelegenheiten anvertrauet ha- M 3 ben. ben Eine hieher gehoͤrige Nachricht, die ich so eben in den oͤffentlichen Blaͤttern finde, ist so merkwuͤr- dig und so niederschlagend, daß es wohl der Muͤhe verlohnen wird, einige Leser auf die innern Wider- spruͤche derselben, welche sie fuͤr aͤcht zu halten nicht erlauben, aufmerksam zu machen. Nach derselben „sollen gewisse Bauern in Boͤhmen, „die man anfangs fuͤr eine Secte von Juden, Abra- „hamiten oder Adamiten genannt, und zuletzt fuͤr „Deisten, ausgegeben, nicht ferner in diesem Rei- „che geduldet, sondern von Haus und Hof vertrie- „ben, an die tuͤrkische Graͤnze verschickt, daselbst in „verschiedene Doͤrfer vertheilt und als Soldaten „gebraucht werden. Binnen acht Tagen sollen sie „sich erklaͤren, ob sie bey dem falschen und unge- „rechten deistischem Glaubenbleiben oder entweder zu „dem alleinseeligmachenden katholischen Glauben „oder zu einer der andern rolerirten Religionen sich „bekennen wollen. Sollten sie sich erst nach diesem „Termin zu Letzterem entschliessen, soll es ihnen doch „nicht helfen, sondern sie muͤssen durchaus in dem „bestimmten kurzen Zeitraum sich erklaͤren, oder „widri- . Ich gestehe daß ich es auch noch fuͤr eine neue gluͤckliche Folge der bessern Behandlung der Juden halten wuͤrde, wenn dadurch die Zahl der oͤffentlichen freyen Bekenner der natuͤrlichen Reli- gion gion gemehrt und hiedurch die Veranlassung ihrer religioͤsen Vereinigung gegeben waͤre, welches, wie mich duͤnkt, kein geringer Fortschritt zu der Verbes- serung und Aufklaͤrung des menschlichen Geschlechts M 4 uͤber- „widrigenfalls, mit ihren Weibern und Kindern in „dieser Welt ungluͤcklich und in der kuͤnftigen der „Seeligkeit beraubt seyn .“ Gewiß das sind Verfuͤ- gungen, die dem Begriffe, den uns Joseph II. bis itzt von seinem erhabenen Geiste gegeben hat, zu geradezu widersprechen, als daß man sie fuͤr die sei- nigen anerkennen koͤnnte. Er , der seine Untertha- nen auf eine so edle Art wieder in den Genuß der natuͤrlichen Rechte des Gewissens setzen will, sollte sie itzt so grausam unterdruͤcken, die Natur aller Ueberzeugungen des Verstandes so ganz verkennen wollen, daß er eine Frist von acht Tagen zu An- nehmung eines religioͤsen Lehrbegriffs festsetzen koͤnn- te? Er , der mit so entschloßnem, eines deutschen Kaisers so wuͤrdigem Muthe, seinen Staat und sei- ne Unterthauen von dem Druck der Hierarchie be- freyen wollen, sollte in buͤrgerlichen Verordnun- gen von einem allein seeligmachenden Glauben reden, und denen seiner Unterthanen, welche ihn nicht annehmen, nicht einmal erlauben, nach ihrer eignen Einsicht, sondern nur nach gewissen bestimm- ten Formeln, nicht seelig zu werden? Untertha- nen, uͤberhaupt seyn duͤrfte. Die Lehrer der auf eine unmittelbare Mittheilung der Gottheit gegruͤndeten Systeme koͤnnten hiebey immer fortfahren, die Un- zulaͤuglichkeit der Vernunftwahrheiten und die Noth- wendigkeit einer hoͤhern Bestaͤtigung oder Vermeh- rung derselben mit der Vernunft unerreichbaren Wahr- nen, die in Boͤhmen keine gute Buͤrger sind, sollen es doch in Siebenbuͤrgen seyn, sollen sogar hier die Graͤnze des Staats gegen einen Nachbar, der vielleicht nicht immer ein freundschaftlicher ist, vertheidigen? Und diese Vertheidigung soll Menschen anvertrauet wer- den, die von Haus und Hof verjag: sind, denen man ankuͤndigt, daß man ihre Weiber und Kinder in dieser und jener Welt ungluͤcklich machen wolle, und denen man nach verlaufnen acht Tagen nicht einmal den Uebergang zu einer beguͤnstigtern Lehre und die Ruͤckkehr in ihr Vaterland gestatten will? — Vereini- ge wer da kann, diese Widerspruͤche; ich werde mich, ohne die unwiderlegbarsten Beweise, nie uͤberzeu- gen, daß eine von jedem Freunde der Menschheit so gepriesene Duldung sich außer dem alleinseeligma- chenden Glauben (ein Ausdruck, der des Canzleystils einer aufgeklaͤrten Regierung ganz unwuͤrdig ist) nur auf wenige besonders autorisirte Religionspar- theyen einschraͤnke, und dann — bedauern, daß auch Wahrheiten, zu behaupten; nur duͤrften sie die nicht stoͤren, welchen nun einmal das erste Geschenk der Gottheit — die Vernunft — gen u g ist, und welche sich außer ihr von keiner weitern Erkenntnißquelle uͤeberzeugen koͤnnen. Waͤren nur beyde Partheyen von dem natuͤrlichsten aller Gefuͤhle, dem der Einge- M 5 schraͤnkt- auch hier wieder eine so schoͤne Morgenroͤthe ohne Tag geblieben sey. Ohne Zweifel gehoͤrt diese Nachricht entweder zu den voͤlligen Erdichtungen, mit denen so oft die Zeitungen angefuͤllt sind, oder Joseph weiß nichts von diesen Verordnungen, die seines großen Nah- mens so unwuͤrdig sind, oder die Sache haͤngt ganz anders zusammen, als man sie vorgestellt hat. Letz- teres scheint mir der wahrscheinlichste Fall. Die Erscheinung selbst, daß unter boͤhmischen Bauern sich seit so vielen Jahrhunderten wirkliche Verehrer der reinen Vernunftreligion, ununterdruͤckt durch Intoleranz, unverfuͤhrt durch Schwaͤrmerey, die ge- rade in diesem Lande so lange einheimisch waren, erhalten haͤtten, — diese Erscheinung hat in der That sehr wenig Wahrscheinlichkeit fuͤr sich, ver- dient aber sehr die Aufmerksamkeit und naͤhere Un- tersuchung, und wer hieruͤber naͤhere und zuverlaͤs- sige Aufklaͤrung geben kann, ist sie dem Publikum und Joseph II. schuldig. schraͤnktheit menschlicher Kraͤfte und Einsichten, von reinem Wahrheitseifer durchdrungen; so wuͤrde ein solcher nie zu hindernder, nuͤtzlicher Streit ohne alle Bitterkeit, vielmehr mit innigster gegenseitiger Bru- derliebe, gefuͤhrt werden muͤssen. Der , welcher seine Wahrheit aus einer noch hoͤhern Quelle zu schoͤpsen glaubt, wuͤrde den nicht hassen, der nun einmal nach seiner Lage und Faͤhigkeiten sich von der Aechtheit einer solchen Quelle nicht versichern kann, und dieser wuͤrde jenen nicht anfeinden, weil er fuͤr die ihm auch so theure Wahrheit, noch neue und staͤrkere Be- weise zu sehen glaubt. Die Wichtigkeit dieser Wahr- heit fuͤr jeden denkenden Menschen, und die Kennt- niß der fuͤr viele unuͤberwindlichen Schwuͤrigkeiten, sich von den Eindruͤcken der Erziehung ganz zu be- freyen, muͤssen nothwendig einen treuen Verehrer der reinen Vernunftreligion duldend und nachsichts- voll gegen den, wie es ihm scheint, irrenden Bru- der machen. Intoleranz und natuͤrliche Religion sind ihrem Wesen nach unvereinbare Begriffe. Zu dieser Intoleranz muß aber auch schon beleidigender Tadel und kraͤnkende Verhoͤhnung der Meynungen eines Andern allerdings gerechnet werden. Wenn sich Naturalisten desselben zuweilen schuldig ge- macht, so beweißt dieses, daß auch sie, wie andere Men- Menschen, inconsequent und wider ihre Grundsaͤtze handelten. Leichtsinniger Spott dessen, was An- dern ehrwuͤrdig ist und mit ihrer Tugend und Gluͤckseeligkeit zusammenhaͤngt, ist wider die Wuͤrde jedes edeln und rechtschaffenen Mannes. Oft wur- de derselbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg- nung mancher ohne Verstand eifernder Gegner ge- reitzt. Aber wahrscheinlich wuͤrde die Vernunftreli- gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere ( herrschende wird sie nie heissen und seyn wollen) Parthey ausmachen sollten, sich von aller Verfolgung und Druͤckung rein erhalten, die wenigstens bis itzt noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren Mittheilung der Gottheit, einer ausschliessend beseeligenden Wahrheit , ihre vornehmste Stuͤtze hatten, und nur bey diesen Lehren consequent seyn koͤnnen. Daß die Religion der Juden, wenn sie auch nicht bis zur natuͤrlichen sich reinigen sollte, doch wenig- stens nach und nach sich so weit modificiren wuͤrde, um alle nachtheilige Einfluͤsse auf buͤrgerliche Ver- haͤltnisse zu verliehren, beweißt die Geschichte aller Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen sich ihre Bekenner befanden und die Fortschritte der uͤbri- gen Cultur derselben, solche Umwandlungen erfah- ren ren haben. Die nicht mehr passenden Lehren bleiben oft in Buͤchern zuruͤck, aber sie haben keinen Ein- fluß mehr auf die Handlungen, und verliehren sich allmaͤhlig so sehr aus dem Verstande und selbst dem Gedaͤchtniß der Bekenner, daß man am Ende zwei- felt, ob sie auch wirklich je zu dem heiligen Glauben gehoͤrt haben moͤchten? Auch die christliche Religion liefert hievon ein auffallendes Beyspiel. Ehe sie von den Beherrschern und dem groͤßten Theil im roͤmi- schen Reiche angenommen wurde, und nur der Glau- be einer kleinen verachteten Secte war, wurden auch von ihren groͤßten Lehrern sittliche Grundsaͤtze be- hauptet, die mit dem Wohl der buͤrgerlichen Gesell- schaft ganz unvertraͤglich waren, und die eine Ver- muthung, daß die Christen nie ganz brauchbare Glie- der derselben werden koͤnnten, rechtfertigten. Aber diese Grundsaͤtze verlohren sich almaͤhlig, als der groͤßere Theil der Buͤrger sich taufen ließ. Der Staat haͤtte nicht bestehen koͤnnen, wenn Grundsaͤtze (wie ich deren einige anfuͤhren werde) waͤren befolgt worden. Die Religion mußte also dem Vortheil des Staats gemaͤß umgebildet werden, und dieß wird allemal der Fall seyn, wenn nur der natuͤrliche Lauf der Dinge nicht gehemmt wird. Merk- Merkwuͤrdig ist es, daß gerade eben die Vor- wuͤrfe, welche man itzt den Juden macht, auch von den Gegnern der Christen, so lange diese noch nicht die groͤßere Zahl ausmachten, gebraucht wurden, um zu beweisen, daß das Christenthum mit dem Zwecke und Wohl des Staats unvertraͤglich sey. So wenig auch noch diese Schriften der Gegner unver- faͤlscht erhalten sind, so finden wir doch selbst bey den aͤltesten und angesehensten Lehrern der ersten Christen und in den Vertheidigungsschriften gegen jene Geg- ner Beweise genug, daß diese Vorwuͤrfe nicht unge- gruͤndet waren. Man erlaube mir hievon nur ei- nige Beyspiele anzufuͤhren, welche fuͤr die meisten Leser immer die staͤrkste Beweiskraft haben, und am faͤhigsten sind, ihnen allgemeine Wahrheiten deutlicher aufzuhellen. Ist irgend ein religioͤser Grundsatz sowohl dem Interesse der Menschheit uͤberhaupt, als besonders der buͤrgerlichen Gesellschaft gerade zuwider, so ist es un- streitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr- heit ihrer Meynungen sich so fest uͤberzeugt haͤlt, daß sie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver- achtung und Abneigung betrachtet, sondern dieselben sogar verdammt, und die Gluͤckseeligkeit des kuͤnfti- gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit ausschließ- lich lich nur an ihre Ueberzeugungen geknuͤpft glaubt. Verachtung und Abneigung gegen Andere, das Gefuͤhl eigner hoher Vorzuͤge und ausgezeichneter Wohlthaten der Gottheit sind ohne Zweifel wichtige auch von mir anerkannte Fehler der Juden; aber das Verdam- men aller anders denkenden und die damit verbunde- ne aufdringende Bekehrungssucht haben sie sich nie zu Schulden kommen lassen, vielmehr ist diesem schon der ausschließende Geist ihrer nur fuͤr sie bestimmten Nationalreligion entgegen S. hieruͤber Hrn. Moses Mendelssohn Schrei- ben an Hrn. Lavater . S. 17. 19. . Die christliche Reli- gion aber hat fast zu allen Zeiten diesen fuͤrchterli- chen Lehrsatz behauptet und aus ihm die gewaltsame Ausbreitung des allein seeligmachenden Glau- bens und die abscheulichste Intoleranz und Inquisition , allerdings logisch richtig gefolgert. Blutig ist die Bahn, die dieser den Religio- nen des Alterthums unbekannte Lehrsatz durch die neuere Geschichte bezeichnet hat und zur Schande der menschlichen Vernunft werden die Scheiterhau- sen, die ihm gelodert, und die Mordgeruͤste, die ihm errichtet sind, ewig unvergeßlich bleiben. Ich weiß sehr wohl, daß diese schreckliche Verirrung nicht in dem Geiste des Stifters der christlichen Re- ligion ligion war, aber es ist doch unleugbar, daß schon von den aͤltesten Zeiten her die Verdammung der Andersdenkenden , Lehrsatz wenigstens eines sehr großen Theils der Kirche gewesen. Es ist bekannt, wie die beruͤhmtesten Kirchenvaͤter die Begriffe von der Gottheit so entstellt und herabgewuͤrdigt haben, daß sie es wagten, uͤber alle die Millionen Men- schen, welchen es doch unmoͤglich gewesen, von dem zum Theil erst nach ihnen entstandenen christlichen Glauben Kenntniß zu haben, doch bloß wegen die- ser ihnen abgehenden, obgleich fuͤr sie unmoͤglichen, Kenntniß, ein Verdammungsurtheil zu sprechen, dem auch ein Socrates selbst nicht entgehn konnte. Ich verweise hier auf das vortrefliche Werk des Hrn. Prof. Eberhard: Neue Apologie des So- crates , wo man umstaͤndlich und mit der ausge- breitetsten Gelehrsamkeit den Beweis findet, „daß „die Verdammung der Andersdenkenden, Lehrsatz „der alten Kirche war, der auch von den Reforma- „toren beyder protestantischen beybehalten und sich „bis auf die neuesten Zeiten im Besitzstande erhal- „ten hat,“ — und den, kann ich leyder hinzusetzen, auch selbst die maͤchtigen philosophischen Angriffe eines Eberhards noch nicht sehr merklich haben er- schuͤttern koͤnnen. S. besonders Th. I. S. 18 — 28. . Man denke, was diese in so fast unglaublichem Gra- de de unvernuͤnftige und ungereimte Behauptung auf edle und verstaͤndige Roͤmer fuͤr Eindruck machen mußte und was diese fuͤr den Staat von Leuten sich versprechen konnten, die eines solchen bis dahin in der Welt noch unerhoͤrten Unsinns faͤhig waren? Und wie mußte der große Haufen gegen die Christen gesinnt werden, die schon zum Voraus uͤber die Qualen frohlockten, die ihren Mitbuͤrgern in einem kuͤnfti- gen Zustande bevorstehen sollten, und deren Lehrer oͤffentlich sagten „daß sie sich freuten bald ihre Augen „an dem Schauspiel weiden zu koͤnnen, da so viele „Koͤnige, von denen man faͤlschlich geruͤhmt, daß sie „sich im Himmel befaͤuden, selbst in Gesellschaft des „Jupiters in der Hoͤlle seufzen; da die Obrigkeiten, „in noch schrecklichern Flammen brennen wuͤrden, „als die, denen sie die Christen uͤberliefert; da die „Weltweisen, welche die Fortdauer der Seele gelaͤug- „net, sich in gleichem Feuer mit ihren betrogenen „Schuͤlern ihres Irrthums schaͤmen, und sogar die „armen Dichter, welche Minos und Rhadamantus „besungen, nicht vor dieser sondern Christi Richter- „stuhl zittern wuͤrden Tertullianus de Idololatria c. 30. p. 84. edit. Rigaltii . At enim supersunt alia spectacula, ille ultimus \& perpe- .“ Gewiß Gewiß nur die Dunkelheit einer nicht zahlreichen Secte konnte sie, bey solchen die Menschlichkeit empoͤ- renden und alle Bande der Gesellschaft trennenden Gesinnungen, einer gerechten Ahndung des Staats entziehen, die freylich nicht, wie es im roͤmischen Reich geschah, in allemal ungerechten und unzweck- maͤßi- perpetuus judicii dies, ille nationibus insperatus; ille derisus, cum tanta seculi vetustas \& tot eius natiuitates uno igne haurientur ! Quae tunc specta- culi latitudo? quid admirer! quid rideam ! ubi gan- deam ? ubi exultem ? tot spectans reges, qui in coe- lum recepti nuntiabantur, cum ipso Jone \& ipsis suis testibus in imis tenebris congemiscentes? item præsides, persecutores Dominici nominis, saeuiori- bus, quam ipsi contra Christianos saeuierunt, flam- mis insultantibus liquescentes; praeterca sapientes illos philosophos coram discipulis suis unà confla- grantibus erubescentes, quibus nihil ad Deum per- tinere suadebant, quibus animas aut nullas, aut non in pristina corpora redituras adsirmabant; etiam poëtas non ad Rhadamanti, nec ad Minois, sed ad inopinati Christi tribunal palpitantes, Tunc ma- gis tragoedi audiendi, magis scilicet vocales in sua propria calamitate, tunc histriones cognoscendi so- lutiores multo per ignem tunc spectandus auriga, in flam- N maͤßigen Verfolgungen, aber in Ausschließung oder wenigstens sehr großen Einschraͤnkungen sich haͤtte aͤussern muͤssen. Diese verfolgenden Grundsaͤtze haben, nachdem die christliche Religion die herrschende geworden, sich nur zu thaͤtig bewiesen, haben allen Staaten von Euro- pa flammea rota totus ruber, tunc xystici contemplan- di, non in gimnasiis, sed in igne jaculati nisi quod nec tunc quidem illos velim visos, ut qui malim ad eos potius conspectum insatiabilem conferre, qui in Dominum desaeuierunt. Hic est ille (dicam) fa- bri aut quaestuariae filius, sabati destructor, Sama- rites, \& daemonium habens. Hic est quem à Juda redemistis, hic est ille arundine \& colaphis diuer- beratus, sputamentis dedecoratus, felle \& aceto potatus. Hic est, quem clam discentes subripuerunt, ut ressurrexisse dicatur, vel hortulanus detraxit, ne lactucae suae frequentia commeantium adlaederen- tur. Ut talia spectes, ut talibus exultes, quis tibi praetor, aut consul, aut quaestor, aut sacerdos de sua liberalitate praestabit? \& tamen haec jam quo- dammodo habemus per fidem, spiritu immaginante r epræsentata. pa und durch sie auch andern Welttheilen zu empfind- liche Wunden versetzt, als daß es noch eines Bewei- ses ihrer Fortdauer beduͤrfte. Noch itzt befinden sie sich in dem Lehrbegriffe der zahlreichsten christlichen Religionsparthey, und auch bey fast allen andern ha- ben sie mehr oder weniger Spuren hinterlassen. So sehr sie auch immer dem wahren Geiste des urspruͤng- lichen Christenthums und des Protestantismus wi- dersprechen moͤgen, ist es doch noch gar nicht lange her, daß auch in den protestantischen Kirchen So sehr die Reformatoren auch fuͤr ihre Abwei- chungen von dem h errschenden Lehrbegriff Duldung bedurften und foderten, so konnten sie doch fast alle zu den aͤchten Grundsaͤtzen einer allgemeinen Dul- dung sich nicht erheben. Sie machten fuͤr sich auf die- selbe, nicht als ein gemeines Recht aller Menschen Anspruch, sondern weil sie allein glaubten, die Wahrheit gefunden zu haben. Sie wollten nicht bloß geduldet seyn, sondern bekehren, und konnten also, wenn sie zusammenhaͤngend denken wollten, ihren Gegnern, die ihrer Wahrheit eben so gewiß waren, nicht veruͤbeln, wenn sie von diesen eben so verfolgt wurden, als sie wieder Andere, welche von ihren Begriffen abgiengen, verfolgten. Die Geschichte des Servets, der Haß der Lutheraner und Calvini- sten die N 2 Grund- Grundsaͤtze der Verfolgung feyerlich behauptet und leyder! auch nur zu sehr geuͤbt wurden. Und noch bis itzt sind nicht wenige beruͤhmte Lehrer derselben, entschiedene und, wo sie koͤnnen, thaͤtige Vertheidi- ger dieser Grundsaͤtze. Kaum seit einigen Jahrze- henden wagen es einzelne Gottesgeiehrte die wah- ren Begriffe der Duldung geradezu einzugestehn, und ohne Umschweife und aͤngstliche Bestimmungen auch die Heyden und Nichtglaͤubigen der Gluͤckseelig- keit des kuͤnftigen Lebens faͤhig zu erklaͤren, oder viel- mehr sten und so manche fast unalaublich harte Aeusserun- gen der reformirenden Theologen aller Partheyen lie- fern nur zu redende Beweise, wie sehr sie zu Letztrem ge- neigt waren. Ich bemerke dieses gewiß nicht in der Absicht, um die Achtung gegen Maͤnner zu schwaͤ- chen, denen wir unsere itzige gereinigtern Begriffe und wirklichen Genuß von Gewissensrechten so sehr mit verdanken; sondern nur um zu zeigen, wie tief die dem gesu n den Verstande doch so unbegreifliche und widersprechende Lehre der Verfolgung, in dem christlichen Lehrsystem gegruͤndet war, da Maͤuner, welche so hell sahen und so viele Vorurtheile weg- warfen, doch von diesem sich nicht loswickeln und nicht sehen konnten, wie ohne von diesem einen frey zu seyn, alle ihre Angriffe der uͤbrigen inconsequent waͤren. mehr zu gestehen, daß das Urtheil uͤber den mit Ge- wißheit zu bestimmenden Werth und das kuͤnftige Schicksal unserer Bruͤder — nicht uns gebuͤhre. Ich weiß, daß man nun freylich die Begriffe eben dieser Duldung aus dem richtiger verstandenen Chri- stenthum abgeleitet hat, und ich erkenne es, daß nichts unbegreiflicher sey, als der Uebergang von der liebevollen, duldenden, friedsamen Lehre seines Stif- ters, zu den Scheiterhaufen, die man ihm zu Ehren angezuͤndet, und zu dem Verdammungsurtheil, das N 3 man waren. Zwingli war vielleicht der einzige, der die- ses anerkannte, aber dafuͤr auch von Luthern sehr harte Vorwuͤrfe leiden mußte. „Sage nun,“ sind seine Worte in der Schrift vom H. Sacrament, „wer ein Christ seyn will, was darf man der Tanfe, „Sacrament, Christus, des Evangelii oder der Pro- „pheten und heiligen Schrift, wenn solche gottlose „Heiden, Socrates, Atistides, ja der grewliche „Numa, der zu Rom alle Abgoͤtterey erst gestifft „hat, durchs Teufels Offenbahrung, wie St. Au- „gustinus schrybt, und Scipio der Epicurus, selig „und heilig sind, mit den Patriarchen, Propheten „und Aposteln im Himmel, so sie doch nichts von „Gott, Schrift, Evangelio, Geiste, Taufe, Sa- „erament oder christlichen Glauben gewußt haben? „Was man uͤber alle ausgesprochen hat, die tausend Jahre vor ihm und tausend Jahre nach ihm, seinen Nah- men nicht hoͤrten, seine auf diese oder jene Art er- klaͤrte und vorgestellte Lehre nicht glauben konnten . Aber ich hoffe nicht, man werde hieraus es ableug- nen wollen, daß die verfolgenden Grundsaͤtze doch wirklich in den christlichen Religionssystemen, so wie sie bisher in der Welt waren , sich befunden haben. Mit Recht hat man gesagt: es koͤmmt nicht darauf an, was in dem mosaischen Gesetz der Juden wirk- lich enthalten ist, sondern was die Juden und ihre Lehrer „Was kann ein solcher Schreiber, Prediger und „Lehrer anders glauben von dem christlichen Glau- „ben, als daß er sey allerley Glauben gleich, und „koͤnne ein jeglicher in seinem Glauben selig wer- „den , auch ein abgoͤttischer und Epicurer, wie Nu- „ma und Scipio?“ Ich habe mich nicht enthalten koͤnnen, diese merkwuͤrdige Stelle hieher zu setzen, die ich gerade in Hrn. Prof. Meisters beruͤhmten Zuͤrichern , I. S. 249 angefuͤhrt finde. Sie zeigt, wie roh und wenig aufgehellt die Begriffe des sonst so großen Mannes in dieser wichtigen Sache waren. Auch aus der Schrift von den Juden und ihren Luͤgen , die Luther 1543 schrieb, und worinn er den Obrigkeiten deren Duldung mit seiner bekannten Heftigkeit vorwirft, koͤnnte ich hievon noch mehr Be- weise anfuͤhren, wenn es deren beduͤrfte. Lehrer darinn enthalten oder daraus abzuleiten sich berechtiget glauben . Gleiche Unpartheylich- keit muß man auch hier beweisen. Moͤge die Ver- folgung dem Geiste des Christenthums noch so sehr zu- wider seyn, moͤgen einzelne Lehrer dieß noch so deut- lich anerkannt haben; genug wenn der große Haufe seiner Verehrer, wenn die oͤffentlichen Lehrbegriffe der Kirchen, und die angesehensten Lehrer sie darinn fanden, und, wo sie konnten, darnach handelten. Die roͤmische Obrigkeit konnte nicht untersuchen, ob die Schluͤsse, welche die Christen ihrer Zeit aus der Lehre ihres Stifters ableiteten, richtig gefolgert waͤ- ren oder nicht; sie konnte diese Lehre nur nach den Aeusserungen ihrer Anhaͤnger beurtheilen. Und wenn sie dieses that, duͤrfen wir sie tadeln, wenn sie die- jenigen, nie eines voͤlligen Genusses buͤrgerlicher Rech- te faͤhig erklaͤret haͤtte, welche alle ihre andersdenken- de Mitbuͤrger verdammten, uͤber deren kuͤnftiges Elend frohlockten und sobald sie die Oberhand bekom- men wuͤrden, sich durch ihr Gewissen verbunden hiel- ten, auf das schmerzhafteste den Leib zu toͤdten, um die Seele zu retten ? — Ich gestehe es, daß ich keinen Grundsatz kenne, der eine religioͤse Gesell- schaft einer unbeschraͤnkten Duldung mehr unfaͤhig machte — als die geglaubte Pflicht der Unduldsam- N 4 keit. keit. Die Sicherheit aller Buͤrger des Staats macht es nothwendig, diejenigen, welche sobald sie die Uebermacht errungen haben, sich verbunden halten, alle uͤbrige zu unterdruͤcken, — zwar nicht wieder zu unterdruͤcken, aber sie doch in den Schranken einzu- schließen, daß sie jene Uebermacht nie erhalten moͤgen. Vermuthlich waͤre es ein Gluͤck fuͤr die Menschheit, wenn die roͤmischen Kaiser diese weise Politick nicht versaͤumt haͤrten und wenn die christliche Religion nie eine sogenannte herrschende (eine eben so politisch unnatuͤrliche, als dem aͤchten Geist des Christen- thums widersprechende Benennung) und nicht eher der Glaube des groͤßten Haufens geworden waͤre, bis ihre Begriffe von der Duldung gereiniget und den Grundsaͤtzen ihres Stifters wider waͤren naͤher ge- bracht worden. Wirklich wurde der Mangel der Aufmerksamkeit auf diese neue religioͤse Gesellschaft, in der Folge den roͤmischen Monarchen sehr nachthei- lig. Sie vermehrte sich in der ihr vortheilhaften Dunkelheit, der so oft von den kirchlichen Geschicht- schreibern uͤbertriebenen und gewiß nicht immer un- verdienten Verfolgungen ungeachtet, so sehr, daß sie bald selbst der Regierung fuͤrchterlich wurde, allmaͤh- lig eine politische Parthey bildete, und daß der Ueber- gang zu ihr schon nach kaum verfloßenen drey Jahrhun- derten derten der Weg zum Throne war. Edelmuͤthi- ge und gelehrte Forscher der Kirchengeschichte, de- nen die Wahrheit lieber als irgend ein System ist (und wen koͤnnte ich hier schicklicher nennen als den so ruhmvoll unpartheyischen Hrn. D. Semler ?) ha- ben es schon lange eingestanden, daß ein ansehnli- cher Theil der ersten Christen sich dieses groͤßten ge- sellschaftlichen Vergehens, — der Auflehnung und Verbindung gegen die einmal eingefuͤhrte Verfassung des Staats, schuldig gemacht, und daß sie dieses als Christen , gethan haben, da sie von den Grund- saͤtzen ihrer ersten Lehrer so weit abwichen, daß sie die Herrschaft einer Regierung, die nicht ihres Glaubens war, fuͤr unrechtmaͤßig hielten, und durchaus die oͤffent- lich buͤrgerlich herrschende Parthey werden wollten. Noch fruͤher und allgemeiner wurde ihnen der Vor- wurf gemacht, daß sie sich weigerten, dem gemeinen Wesen zu dienen, und daß also ein aus lauter Chri- sten bestehender Staat sich nicht erhalten koͤnne. Die Apologeten gestehen auch dieses als eine christliche Lehre, gerade ein. Nach ihnen, „muͤssen Christen „nur die Wuͤrden der Kirche bekleiden und auch so- „gar zu diesen, wegen ihrer bescheidenen Demuth, nur „sich zwingen lassen; sie werden durch buͤrgerliche „Gesetze befleckt, und wer nach einer buͤrgerlichen N 5 „Ehre „Ehre trachtet soll aus der Gemeine ausgestoßen „werden Nos etiam ad magistratus pro patria gerendos hor- tatur Celsus, si ad tuendas leges pietatemque id fa- cto opus est. Sed nos qui scimus in singulis civitati- b u s aliam esse patriam à verbo Dei constitutam , eos ut Ecclesias regant hortamur, qui potentes sermone et quorum mores sani sunt. Qui dignitates amant, eos repudiamus; cogimus vero illos qui prae multa mo- destia communem Ecclesiae curam in se facile reci- pere nolunt. Itaque qui nobis sapienter præsunt, id illi coacti faciunt; coacti inquam à magno illo Re- ge, quem Dei filium Deumque verbum esse per- suasum nobis est. Quod si qui in Ecclesia praesunt, hoc est Ecclesiae vocati Antistites, illi, quae secundum Deum est, patriae, recte praesunt, aut ex praescriptis à Deo legibus praesunt, propterea illi nullo modo ab hu- manis contaminantur legibus . Neque etiam ea causa Christiani magistratus recusant, quod publica vitae munia refugiant, sed quod se diviniori et magis ne- cessario Ecclesiae ministerio ad hominum salutem ser- vent. Origenes contra Celsum L. VIII. c. 75. edit. de la Rue p. 798. .“ Eben so nachdruͤcklich haben die beruͤhmtesten Kirchenvaͤter es eingestanden, daß sie die Kriegsdien- ste ste ihren Glaubensgenossen unerlaubt halten, und versprechen nur allenfalls mit ihrem Gebet fuͤr das Wohl ihrer Mitbuͤrger zu kaͤmpfen Quod si velit Celsus duci etiam à nobis exercitum ad tutandam patriam, sciat id ipsum quoque à no- bis fieri, sed non ut ab hominibus videamur \& inde gloriolam captemus. Nam in abscondito nostro \& intima mente , quasi sacerdotes, fundimus ad Deum preces pro concivium nostrorum salute. Quin patriae magis prosunt Christiani, quam reliqui homines . Suos enim cives erudiunt \&c. Origenes contra Celsum L. V. ed. cit. p. 797. . Die Gruͤn- de die sie fuͤr diese Meynung anfuͤhren, sind theils die bey dem roͤmischen Kriegsdienste eingefuͤhrte, den christlichen Religionsmeynungen widersprechende Ge- braͤuche, theils aber aus den eigenthuͤmlichen Lehren des Christenthums entlehnt, z. B. „daß wer das „Schwerdt gebrauche, dadurch umkommen werde, „daß der Christ nicht einmal stretten, noch weniger „also sich ins Treffen begeben duͤrfe.“ Es wird da- her ausdruͤcklich die Nothwendigkeit, lieber den Maͤr- tyrertod zu sterben, als sich zum Kriege zwingen zu lassen hergeleitet, ja sogar den Soldaten, der nach seinem abgelegten Kriegeseide, Christ geworden, die Desertion angerathen . Der fromme Mann der es angiebt setzt hinzu, daß dieses auch schon von vielen ge- geschehen sey Et enim, ut ipsam causam coronae militaris ag- grediar, puto prius conquirendum, an in totum christianis militia conneuiat ? Quale est alioquin de accidentibus retractare, cum a praecedentibus cul- pa sit? Credemusne humanum sacramentum diui- no superduci licere \& in alium dominum responde- re post Christum? \& eierare patrem ac matrem, \& omnem proximum, quos \& Lex honorari, \& post Deum diligi praecipit, quos \& Evangelium solo Christo pluris non faciens, sic quoque honorauit? Licebit in gladio connersari, Domino pronuntiante, Gladio periturum, qui gladio fuerit usus? Et prae- lio operabitur filius pacis, cui nec litigare conneniet? Et vincula \& carcerem \& tormenta \& supplicia ad- ministrabit, nec suarum ultor iniuriarum? jam sta- tiones, magis faciet quam Christo? aut \& Do- minico die, quando nec Christo? \& excubabit pro templis, quibus renuntiauit? \& coenabit illic ubi Apostolo non placet? \& quos interdiu exorcis- mis fugauit, noctibus defensabit, incumbens \& re- quiescens super pilum, quo perfossum est latus Chri- sti? vexillum quoque portabit aemulum Christi? \& signum postulabit à principe, qui iam à Deo acce- pit? mortuus etiam tuba inquietabitur aeneatoris, qui excitari à tuba angeli expectat? \& cremabitur ex . Nach einem andern Kirchenlehrer ist ist es einem Christen schlechterdings unter allen Um- staͤnden ex disciplina castransi Christianus, cui oremare non licuit; cui Christus merita ignis indulsit? Quanta alia in delictis circumspici possunt castrenstum mu- nium, transgressioni intorpretanda? Ipsum de ca- stris lucis in castra tenebrarum nomen deferre, transgressio est. Plane si quos militia praeuentos fides posterior inuenit, alia conditio est, ut illorum quos Joannes admitebat ad launerum, ut Centurio- num fidelissimorum, quem Christus probat, \& quem Petrus catechicat; dum tamen fuscepta fide atque signa- ta, aut deserendum statim sit, ut à multis actum: aut omnibus modis cauillandum, ne quid aduersus Deum committatur, quae nec ex militia permitun- tur, aut nouissime perpediendum pro Deo quod aeque fides pagana condixit. Nec enim delictorum impunitatem, aut martyriorum immunitatem mili- tia promittit. Nusquam Christianus aliud est. Unum euangelium, \& idem Jesus; negaturus omnem ne- gutorem, \& confessurus oinnem confessorem Dei; \& salvam facturus animam pro nomine eius amis- sam, perditurus autem de contrario aduersus no- men eius lucri habitam. Apud hunc tam mites est, paganus fidelis; quam paganus est, miles infidelis. Non admittit starim fidei necossitates. Nulla est ne- cessitas delinquendi, Nam \& ad sacrificandum \& directe staͤnden so sehr unerlaubt, das Leben eines Menschen anzugreifen, daß er nicht nur nicht kriegen , sondern auch nicht einmal einen Verbrecher, der die To- desstrafe verwirkt hat, angeben darf , Ita neque militare justo licebit, cujus militia est in ipsa justitia, neque vero accusare quenquam crimine capitali , quia nihil distat utrum ne ferro, an ver- bo potius occisio ipsa prohibetur. Itaque in hoc Dei precepto nullam prorsus exceptionem fieri oportet, quia occidere hominem sit semper nefas, quem Deus sanctum animal esse voluit. Lactantius de vero cultu. L. VI. c. 20. edit. Thysii p. 426 . woraus also auch die Unrechtmaͤßigkeit der Todesstrafen fuͤr christliche Obrigkeiten folgen wuͤrde, welche Mey- nung auch noch mehrere Stellen der Kirchenvaͤter be- guͤnstigen. Diese Lehren der angesehensten Maͤnner, deren von einem Kenner der patristischen Theologie und Mo- ral gewiß noch weit mehr wuͤrden gefunden werden Ich weiß wohl, daß man zuweilen diese in unsern Zeiten , waren directo negandum, necessitate quis premitur, tor- mentorum sine poenarum: tamen nec illae necessitati disciplina conniuet; quia potior est necessitas ti- mendae negationis \& obeundi martyrii, quam eua- dendae passionis \& implendi officii. T ertullianus de Corona c. 11. edit. cit. p. 117. waren unstreitig dem ersten Zweck der buͤrgerlichen Gesellschaft entgegen, deren Ordnung ihre Befol- gung ganz aufheben und deren Bande sie zerreißen muͤßte. Zeiten so beleidigend auffallende Aeusserungen damit hat entschuldigen wollen, daß man sie nur fuͤr besonde- re Meynungen einzelner Kirchenvaͤter ausgegeben, nach denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht beurtheilen duͤrfe. Aber woher soll man dann rich- tigere Begriffe von den Grundsaͤtzen dieser Parthey hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer groͤßten und verehrtesten Lehrer, wie die sind, wel- che ich angefuͤhrt habe, sie nicht entlehnen kann? Man darf auch nur einige dieser Schriften im Zu- sammenhange lesen, um sich zu uͤberzeugen, wie der Geist jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart ihrer Verfasser angemessen ist. Ich will indeß gern zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an- gefuͤhrten Saͤtze behauptet haben und daß man un- ter den aͤltern Christen (wie dieses Hr. D. Semler mit Recht oft erinnert) sehr unterscheiden muͤsse. Aber soviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem Wohl der buͤrgerlichen Gesellschaft schlechterdings unvertraͤgliche Saͤtze sich wenigstens in dem christ- lichen Religionssystem der angesehensten Lehrer, also auch ohne Zweifel eines betraͤchtlichen Theils der Christen uͤberhaupt, befunden, und doch itzt sich aus demselben ganz verlohren haben. muͤßte. Es laͤßt sich also wohl ohne alle Uebertrei- bung behaupten, daß wenigstens ein ansehnlicher Theil der Christen in den ersten Jahrhunderten die Pflich- ten guter Buͤrger zu erfuͤllen unfaͤhig und also der Staat berechtigt war, gegen Menschen, die sich durch ihre goͤttliche Lehren so gewaltsam von ihm loßrissen, immer ein gewisses Mißtrauen zu naͤhren und ihre Vermehrung zu hindern. Dieses mißkennen oder be- streiten wollen, und doch noch immer den Juden ihre lange nicht so weit gehende, ungesellige trennende Grundsaͤtze vorwerfen, wuͤrde eine Partheylichkeit an- zeigen, die eines philosophischen Untersuchers unwuͤr- dig ist. Aber bey allen diesen mit dem Wohl der Gesell- schaft durchaus unvertraͤglichen aͤltern christlichen Leh- ren, haben doch nun schon seit Jahrhunderten die Chri- sten sich in Staaten vereinigt, ohne in ihren buͤrger- lichen Pflichten durch die Befolgung jener Lehren ge- hindert zu werden, die nur noch in der Dunkelheit einiger kleinen Secten Der Quacker und Mennoniten , welche diese Lehren noch itzt in den heiligen Buͤchern aller Chri- sten finden und auch mit der angefuͤhrten Autoritaͤt der Kirchenvaͤter unterstuͤtzen, und sich der Erhal- tung des aͤltesten christlichen Glaubens ruͤhmen. Bar- sich erhalten haben, welche auch auch gerade wegen dieser Grundsaͤtze in unsern Staa- ten nur geduldet aber zu einem vollkommenen Genuß buͤrgerlicher Rechte nicht zugelassen werden koͤnnen. Diese im Ganzen kaum bemerkbare kleinen Reli- gionspartheyen der Christen ausgenommen, wo fin- der man itzt in den groͤßern, jene ehemals mit so vie- lem Ernst und Nachdruck gelehrte Grundsaͤtze? Wo ist itzt die christliche Abneigung vor buͤrgerlichen Dien- sten und Wuͤrden geblieben? wo die Demuth die nur zu kirchlichen Aemtern sich allenfalls zwingen laͤßt? wo Barelay in seiner Apology for the true Christian Divinity \&c. 1678, p. 397 fuͤhret auch eine Menge Stellen der Kirchenlehrer fuͤr die Unrechtmaͤßig- keit aller Eyde an. Von dem Lehrbegriff der Menno- niten hat Hr. Consist. Rath Walch (in seiner neue- sten Religionsgeschichte Th. VIII. ) neuerlich eine sehr genaue und zuverlaͤßige Nachricht gegeben. Nach der- selben S. 443 und 459 haͤlt ein Theil dieser Par- they die Verwaltung obrigkeitlicher Aemter einem Christen schlechterdings, und die Vertheidigung ge- gen Unrecht oder den Gebrauch der Waffen so sehr unerlaubt, daß selbst in einer Rechtssache die obrig- keitliche Huͤlfe zu suchen oder seine Waaren auf mit Geschuͤtz versehene Schiffe zu laden, unerlaubt ist. O wo die Pflicht keine Kriegsdienste zu thun? wo die abscheuliche Lehre einer geheiligten Desertion? wo ein goͤttliches Verbot der Todesstrafen? — wie sind alle diese Lehren so ganz verschwunden? — Ich habe sie mit Muͤhe aus den Werken einiger dem großen Haufen unserer itzigen Christen ganz unbekannten Kirchenvaͤter, aufsuchen muͤssen, und manche mei- ner Leser werden vielleicht dergleichen Behauptungen mit verwunderndem Zweifel itzt zum erstenmal er- fahren. So sehr haben sich diese religioͤsen Grund- saͤtze nach und nach verlohren, daß auch selbst ihre Spur verloͤscht und ihr ehemaliges Daseyn beynahe unwahrscheinlich geworden ist. Schon unter der Re- gierung der heidnischen Kaiser, haben die zahlreicher gewordenen Christen sich nicht mehr geweigert dem Staate buͤrgerliche und Kriegsdienste zu leisten. Vor- urtheile, die der Erhaltung der Gesellschaft so gerade zu widersprechen, mußten schlechterdings verschwin- den, sobald die christliche Religion ausgebreiteter wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß sich noth- wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anhaͤnger groͤßer wird. Ihr Glaube muß es sich gefallen las- sen, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzustei- gen, und er mag noch soviel Anweisungen auf jenen geben, so wird er sich doch nie dem Gluͤck, der Ruhe der der Gesellschaft, und der zu ihrer Erhaltung noth- wendigen buͤrgerlichen Tugend mit Erfolg widersetzen koͤnnen. Einzelne Menschen koͤnnen durch Religions- lehren ungesellige Schwaͤrmer und Feinde ihrer Bruͤ- der werden, aber eine sehr ausgebreitete Religion kann in diesem und vielleicht in keinem andern Sinn nicht schwaͤrmerisch bleiben. Selbst der Glaube der Quacker hat hievon noch ein ganz neues Beyspiel ge- liefert. So entschieden es nach demselben auch im- mer seyn mochte, daß alle Vertheidigung seines Le- bens oder seiner Rechte gegen Gewalt und aller Ge- brauch der Waffen, unter allen Umstaͤnden unerlaubt sey; so konnte dieser Lehrsatz doch nicht laͤnger bestehen, als nur so lange er blos von einzelnen kleinen Gesell- schaften angenommen und auch noch nicht durch die buͤrgerlichen Verhaͤltnisse ins Gedraͤnge gebracht war. Sobald aber die Quacker sich in Pensylvanien ver- mehrten, und die große nunmehr vollendete Revolu- tion alle Bewohner von Nordamerika zwang, sich nur als Buͤrger zu vereinen und mit Vergessen jeder uͤbrigen Trennung nur fuͤr die gemeinschaftliche Frey- heit und Rechte zu kaͤmpfen; so mußte auch jener re- ligioͤse Grundsatz erschuͤttert werden. Eine heftige Trennung unter den Quaͤckern ist davon die Folge gewe- sen, deren groͤßerer Theil indeß sich fuͤr die Rechtmaͤßig- O 2 keit keit des Krieges erklaͤrt und daher den Nahmen In- dependant Quackers erhalten hat. Leider kann ich nicht sagen, daß auch die Grund- saͤtze der Verfolgung sich so bald aus dem christlichen Religionssystem verlohren haͤtten. Sie wurden viel- mehr durch die Verflechtung des Interesse dieses Sy- stems mit einer politischen Parthey, und besonders dadurch nur zu sehr befestigt, daß man auf den wi- dernatuͤrlichen Gedanken kam, den Religionslehrern ein anderes Ansehen, als das ihrer eigenen sittli- chen Wuͤrde zu geben, ihnen buͤrgerliche Rechte und Gewalt zu verleihen, auch endlich gar zu einer eige- nen mitregierenden Classe im Staate sie zu erheben. Die Priester fanden nun die Intoloranz nothwendig, um ihre erworbene aͤußere Gewalt und Herrschaft immer fester zu gruͤnden. Alle unsere Staaten haben durch diese religioͤse Druͤckung einen unermeßlichen Schaden gelitten; tausende ihrer Buͤrger sind ihr aufgeopfert, die blu- tigsten Kriege von ihr angefacht, die unnatuͤrlichste Zwietracht im Innern ist durch sie genaͤhret, und alle diese Staaten sind durch sie mehr oder weniger in der Benutzung ihrer Kraͤfte gehemmt worden. So ungluͤcklich diese Folgen fuͤr das menschliche Ge- schlecht sind, so halte ich doch fuͤr eine der wichtig- sten sten und noch immer in gewissem Maaße fortdauren- de, diese , daß der Grundsatz von einem allein seelig- machenden Glauben und einer goͤttlich befohl- nen Verfolgung der Andersdenkenden , alle wah- ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltnissen der buͤrgerlichen zu der religioͤsen Gesellschaft und von den Rechten der Menschen in Absicht ihrer Meynun- gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge- bracht hat, daß wir mit befremdenden Erstaunen es ansehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge- fuͤhl ihrer Rechte erwachen und sie gegen die grau ge- wordenen Usurpationen geltend machen wollen. Und noch wirken diese Vorurtheile zu stark, als daß wir Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver- breiteten Glanz des Tages zu sehen, da nur zu oft auch in unserer neuesten Periode, eine taͤuschende Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme- rung sich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po- litische Interesse verstanden und beherzigt wird, desto mehr muß auch das religioͤse System ihm unterge- ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann gewiß auch der groͤßte Vortheil fuͤr die wahre und aͤchte Religion seyn wird. O 3 Und Und eben dieses muß dann auch sicher der Fall mit dem Glauben der Juden seyn. So wie die an- gefuͤhrten ungeselligen Vorurtheile der Christen sich verlohren haben; so werden auch die ihren sich ver- liehren, wenn man nur einmal sie zu Gliedern der Gesellschaft erhoben hat, und nicht mehr sie zwingt, die hartnaͤckige Anhaͤnglichkeit an ihre ererbten Leh- ren als das einzige Interesse anzusehen, das sie in der Welt haben. Aber freylich muß die buͤrgerliche Verbesserung der sittlichen und religioͤsen vor- gehen . Man muß nicht zu den Juden sagen: wir wollen euch gleiche Vortheile der Gesellschaft bewilli- gen, wenn ihr zufoͤrderst Euch faͤhig machet, dem Staate voͤllig so, wie andre, zu dienen, sondern man muß mit Jenem anfangen, um Dieses zu er- halten, gerade wie es mit den Christen eben der Gang war. Freylich waͤre es, wie ich schon bemerkt, bes- ser, wenn die Juden mit ihren Vorurtheilen gar nicht mehr da waͤren, — aber da sie nun einmal da sind, koͤnnen wir wohl zwischen dem: sie (wenn sich so et- was in unsern Zeiten noch denken laͤßt,) gerade- zu oder durch dahin zielende Einrichtungen allmaͤhlich, von der Erde zu vertilgen ; oder sie unaufhoͤrlich solche schaͤdliche Glieder der Gesellschaft bleiben zu lassen, als sie bisher wa- ren , ren; oder sie zu bessern Buͤrgern der Welt zu machen , — noch waͤhlen wollen? Kann der Fehler der ehemaligen Regierungen ein Grund fuͤr die itzi- gen seyn, diesen Fehler fortzusetzen? Der Gedanke, daß die Juden noch immer einen Retter erwarten, der sie aus ihrem bisherigen Elend erloͤsen, ein eignes Reich fuͤr sie errichten, und an- dere Nationen ihnen unterwerfen soll, darf uns auch gewiß nicht fuͤr die Ruhe unserer Staaten besorgt machen. Ich beziehe mich deshalb auf dasjenige, was Hr. Moses Mendelssohn schon S. 74 hier- uͤber sehr richtig bemerkt hat, dem ich nur noch ei- nige Anmerkungen beyfuͤgen will. Die Christen ha- ben von den aͤltesten Zeiten an gleichfalls eine glaͤn- zendere Wiederkunft des Messias erwartet, der alle uͤbrige Staaten zerstoͤren und ein irrdisches tausend- jaͤhriges Reich fuͤr seine treuesten Anhaͤnger errichten wuͤrde. Die ersten Kirchenvaͤter, welche noch an den Unterricht der Stifter des Christen- thums reichten, behaupteten diesen Lehrsatz Justinus Martyr (im Dialogo cum Tryphone c. 80.) sagt ausdruͤcklich, daß er und viele Christen diese Hofnung naͤhrten, ohgleich Andere, die doch auch wahre , und er hat durch alle Jahrhunderte in der O 4 Kirche Kirche sich erhalten, obgleich nachdem die christliche Re- ligion allgemein verbreitet worden, und ihre Anhaͤnger und besonders ihre Lehrer keines andern Reichs und Herrschaft zu beduͤrfen glaubten, als die sie schon wirklich besassen eine solche Meynung sich natuͤrlich aus dem Sy- stem der zahlreichen Kirchen verliehren mußte und nur von kleinern Partheyen, die sich durch jene unterdruͤckt hielten, und einzelnen spekulativischen Koͤpfen un- terhalten werden konnte. Noch neuerlich hat ein beruͤhmter Gottesgelehrter, diesen Lehrsatz in den hei- ligen Buͤchern des Christenthums zu finden geglaubt Herr Lavater in seinen Aussichten in die Ewig- keit , Th. I. S. 191: „die Lehre von dem tausend- „jaͤhrigen Reiche verdiente wohl schon darum eine „Untersuchung, weil die Kirchenlehrer der drey er- „sten Jahrhunderte sie ohne Bedenken angenom- „men und geglaubt haben; sie glaubten sie in den „Schriften des alten sowohl als des neuen Testa- „ments zu finden. Die Vaͤter welche naͤchst an die „ayostolischen Zeiten reichten, reden mit einer sol- „chen . Ein Theil der Christen stimmt also hierinn mit den wahre Christen waͤren, ihr nicht beypflichteten. Ire- naͤus ( L. V. c. 32. 33.) leitet gleichfalls diese Mey- nung aus dem Unterricht des Papias , eines Schuͤ- lers Johannis , ab. den Juden zusammen, daß beyde noch ein irrdisches Reich erwarten, an dem auch letztere, selbst nach dem Glauben der erstern, versteht sich wenn sie vor- her bekehrt worden, Antheil nehmen sollen. Der Unterschied besteht bloß darinn, daß die Juden die bevorstehende Ankunft des neuen Koͤnigs fuͤr die erste , die Christen aber schon fuͤr die zweyte halten; der Zweck dieser Ankunft aber ist nach beyden derselbe. O 5 So „chen Bestimmtheit und Gewißheit von dieser Lehre, „daß man unmoͤglich begreifen kann, wie sie, ohne „wichtige Gruͤnde dafuͤr in der Schrift zu finden sich „so entscheidend und einstimmig hieruͤber haͤtten „ausdruͤcken koͤnnen. Es sind die beruͤhmten Nah- „men eines Justinus Martyr, Irenaͤus, Ter- „tulian, Lactantius, Sulpitius u. a. m. Allein „man darf auch nur einige von den Schriftstellen, „worauf sich diese Lehre gruͤndet, unpartheyisch an- „sehen, um sich zu uͤberzeugen, daß sie nichts we- „niger als eine blos menschliche Hipothese, oder ein „grundloser Einfall sey.“ Wenn ich nicht irre, ist auch ein anderer beruͤhmter Bibel-Erklaͤrer, den man weniger, als vielleicht Hr. Lavater , einer zu regen Einbildungskraft beschuldigen wird, Hr. Michaelis , bloß aus exegetischen Gruͤnden dieser Meynung geneigt. So alt diese Meynung indeß ist, und so schwaͤr, merisch oft, besonders unter den Christen, die Koͤpfe waren, in denen sie sich festgesetzt hatte; so hat sie doch selten die Ruhe der Staaten unterbrochen und nie ist dieses auf eine erhebliche Weise geschehn. Die verschiedene Versuche der angeblichen Messiasse sind meistens nur unter einem nicht zahlreichen Haufen des Poͤbels verborgen geblieben, wie dieses auch noch mit den allerneuesten unserer Gegend , in der Berli- nischen Monathschrift ( Januar und Maͤrz 1783) beschriebenen, der Fall ist. David Alroi oder Eldavid in Persien und Zabathai Tzevi im tuͤr- kischen Reich haben noch die groͤßte Bewegung un- ter den Juden erregt, indeß kostete es der Regierung nur geringe Muͤhe, sie zu unterdruͤcken. (S. Basnage Hist. des Juifs T. V. p. 1639 und 1934.) Die Ge- schichte des erstern, welcher im zwoͤlften Jahrhundert lebte, ist mit Fabeln bedeckt, die uns ihre wahre Be- schaffenheit nicht erkennen lassen. So groß die Gaͤh- rung auch war, welche der Letztere unter einem Theile der Juden hervorbrachte, so wurde er doch nur mit verachtender Gelindigkeit behandelt. Mich duͤnkt, die Regierungen haben immer das sicher- ste Mittel in Haͤnden, allen aus dieser religioͤsen Chimaͤre zu besorgenden Revolutionen zuverlaͤßig zu- vor- vorzukommen. Die Idee eines Heylandes und Retters setzt einen Zustand des Elends und der Un- terdruͤckung voraus, aus dem die Juden gerettet und erloͤset werden sollen. Man verwandle also nur die- sen Zustand in Gluͤck und Wohlstand, man mache die gegenwaͤrtige Lage angenehm; man knuͤpfe da- durch die Herzen der Unterthanen an den Staat; so werden sie nicht mehr verlangen gerettet zu mer- den, und den verheissenen Heyland nach und nach ganz vergessen. Der sicherste Weg den Aufruhr ganz zu verhindern, ist — gut zu regieren. Freylich wird es keiner Regierung gelingen, alle ihre Unterthanen zufrieden zu machen; Beschwerden, auch gerechte, bleiben immer uͤbrig, Ehrsucht und Eigennutz wer- den diese immer zu ihren Absichten zu benutzen stre- ben. Es ist also auch allerdings moͤglich, daß ein- mal ein Schwaͤrmer oder taͤuschender Volksverfuͤhrer sich der Meynung des versprochenen Heylandes be- diene, und dadurch Unruhen errege. Aber die An- stalten unserer itzigen Staaten sind einer solchen Un- ternehmung zu sehr zuwider, als das man einige ernstliche Folgen besorgen duͤrfte. Das sicherste Mit- tel allenfalls sie niederzuschlagen, wuͤrde ohne Zweifel seyn, Jeden, der sich als Heiland angaͤbe, so lan- ge einzusperren, bis er sich zu dem Rechte seiner er- sten sten oder zweyten Ankunft vor der Obrigkeit zu legi- timiren im Stande waͤre. Auch selbst der unmilitaͤ- rische Geist der Juden wuͤrde es einem Betruͤger schwer machen, sie zu einem Aufstand zu reitzen. Und werden einst die Juden kriegerischer geworden seyn, so kann man sicher sich darauf verlassen, daß gegen diese Zeit der Messias ganz vergessen seyn wer- de, der auch schon itzt nicht so sehr Glaubensartikel bey ihnen ist, daß nicht schon viele Rabbinen (wie z. B. der beruͤhmte Lehrer Albo ) diese Erwartung des großen Haufens fuͤr ungegruͤndet halten sollten. Das asiatische Temperament wird gleichfalls nicht, wie mich duͤnkt, die Juden abhalten gute Glieder der Gesellschaft zu werden, und wenn Hr. Schwa- ger dasselbe fuͤr ein bleibendes Hinderniß des Acker- baues haͤlt, so, duͤnkt mich, hat dieser Gelehrte sich nicht erinnert, daß die Juden ehemals in ihrem asia- tischen Vaterlande fast ganz vom Ackerbau lebten und ihren ganzen Staat auf denselben gegruͤndet hatten. Unsere heutigen Juden haben ihr itziges Tempera- ment, ihre Liebe zum Herumschweifen und Muͤssig- gang sicher nicht aus Asien mitgebracht, sondern durch die politische Lage in der sie sich seit Jahrhunderten in Europa befinden, unter uns und durch uns erhalten. Ist diese veraͤndert, so kann man sicher erwarten, daß das Clima Clima , in dem unsere Hebraͤer wirklich sich befin- den , und nicht das , in dem ihre Vorfahren vor zwey- tausend Jahren lebten , ihren Character bestimmen werde. Sie sind laͤngst Europaͤer geworden, und nur ihre bestaͤndige Verheyrathungen unter sich und die gleichfoͤrmige Beschaͤftigung haben ihnen noch ge- wisse charakteristische Eigenheiten und eine National- physionomie erhalten, die sich, wenn sie erst unter die uͤbrigen Menschen sich zerstreuen und allmaͤhlig das Unterscheidende ihrer Meynungen und Gebraͤu- che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge- selligkeit, welche manche dieser Gebraͤuche hervorge- bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von ewiger Dauer seyn. Und dieses muß allerdings ge- schehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der Gesellschaft werden sollen. Denn, wie Hr. Michae- lis richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Gesell- schaft sich vereinigen. Aber immer komme ich darauf zuruͤck: Man muß anfangen die Juden, wie andere Menschen und Glieder des Staats zu behandeln, wenn man diese aus ihnen machen will. III. III. Die Juden bleiben, so lange sie ihr Gesetz beobachten, immer unfaͤhig zu Kriegsdiensten. Auch wenn sie die Erklaͤrung einzelner Gelehr- ten annaͤhmen, nach welchen die Vertheidigung aber nicht der Angriff, am Sabbath erlaubt ist, wuͤrden sie doch sehr schlechte Soldaten seyn. Hiezu koͤmmt noch ihre Absonderung im gesellschaftlichen Leben von andern Glau- bensgenossen; ihre Lehre von unreinen Spei- sen; ihr Verbot weiter Maͤrsche und anderer Arbeit am Sabbath, also auch des Exercirens; ihre Ungewohnheit zu koͤrperlichen Beschwer- den und Arbeiten; auch selbst die fehlende koͤr- perliche Groͤße. Alle diese Umstaͤnde ma- chen daß die Juden entweder gar nicht, oder doch nicht so gute Soldaten, wie andere seyn koͤnnen. Sie wuͤrden also in Kriegszeiten sich zu sehr vermehren, allmaͤhlig zum Besitz des Landes kommen, dessen vormalige Eigenthuͤ- mer fuͤrs Vaterland gestorben waͤren und end- lich den Staat, der zu nachsichtig sie aufge- nommen, veraͤchtlich und wehrlos gegen seine Nachbarn machen. Durch bloße hoͤhere Ab- gaben laͤßt sich dieses nicht heben. Denn es giebt giebt Faͤlle, wo Geld nicht Menschen aufwiegt, und man kaͤme dadurch wieder in den vorigen Cirkul, und muͤßte eingestehn, daß Buͤrger, welche nicht die Gesellschaft zu der sie gehoͤren, vertheidigen, keine Buͤrger wie andere seyn, nicht gleiche Rechte verlangen koͤnnen und druͤ- ckende Unterschiede sich gefallen laßen muͤssen. Ich habe es selbst gesagt, daß dieser Einwurf der wichtigste von allen sey, und ich bin noch itzt der Meynung, daß die Juden, so lange sie nicht zu Kriegsdiensten sich eben so willig als faͤhig bewiesen haben, nicht auf gleiche Rechte mit den uͤbrigen Glie- dern der Gesellschaft Anspruch machen koͤnnen. Ein Staat, dessen Buͤrger einem Angriff ihrer Ruhe und Besitzungen, mit Gewalt zu wehren, sich durch Ge- bote des Himmels untersagt halten, laͤßt sich nicht denken und kann nicht bestehen; die Erhaltung der gemeinen Sicherheit gegen fremde Gewalt ist der erste und Hauptzweck jeder politischen Vereinigung, wer von jenem sich loßsagt, kann zu dieser nicht ge- hoͤren; wenigstens wer nicht gleiche Lasten tragen will, kann nicht gleiche Vortheile verlangen; der bloß Beschuͤtzte darf nie mit dem Beschuͤtzer in ganz glei- cher Reihe gehen. Dieß sind Wahrheiten, die dem ge- sunden Menschenverstande einleuchten, die er zu allen Zeiten Zeiten anerkennen muß, und die keine Schwaͤrme- rey jemals auf eine merkliche Art unterdruͤcken kann. Die Anhaͤnger religioͤser Secten, die den Krieg fuͤr unerlaubt halten, muͤssen sich bloß denen uͤberlassen, die ihre Vertheidigung uͤbernehmen und dafuͤr Be- dingungen, wie sie es gut finden, festsetzen. Eine buͤrgerliche Gesellschaft koͤnnen diese Glaubensgenossen allein nie ausmachen und sobald sie sich ausbreiten, muͤs- sen sie nothwendig ihre Grundsaͤtze ablegen, weil eine große Zahl Menschen, welche erklaͤren, daß sie sich nie vertheidigen wollen, unstreitig bald unterdruͤckt werden muͤßte. Bey der itzigen politischen Lage von Europa ist es fuͤr jeden Staat, der nicht bloß in der Convenienz und Eifersucht anderer seine Sicherheit hoffen darf, noch mehr wie ehemals nothwendig, durch die moͤglichst vollkommenste Kriegsverfassung sei- nen fortschreitenden Wohlstand zu sichern. Zwar ist es mir wahrscheinlich, daß der Kriege in der Zukunft weniger wie bisher seyn werden, und daß vielleicht eine Zeit kommen duͤrfte, wo Traͤume von einem zwar nicht ewigen, aber doch seltner unterbrochnem Frie- den nicht ganz mehr Traͤume seyn werden. Ich hoffe dieses nicht von groͤßerer Cultur, groͤßerer Mensch- lichkeit oder auch Erschlaffung der Sitten; denn die Men- Menschen bleiben in allen Jahrhunderten dieselben. So lange ihr Interesse verschieden ist, ihre Leiden- schaften an einander stoßen, werden deren thaͤtliche Aus- bruͤche unvermeidlich seyn. Die weichlichen Asiater haben Kriege gefuͤhrt wie die staͤrkern Nordlaͤnder. So lange es Schwaͤchere giebt, wird keine Cultur bey den Staͤrkern die Begierde jene zu unterdruͤcken, ganz abschleifen. Auch keine Heiligkeit der Vertraͤge wird je ein Gleichgewicht der Staaten gruͤnden koͤn- nen, das laͤnger bestuͤnde, bis einer unter ihnen sich die Kraͤfte fuͤhlt, es umzustuͤrzen. Der Friede ist meistens nur Waffenstillstand, Ausnahme von der Regel, die nicht laͤnger dauert, bis die Erschoͤpfung ersetzt ist, die sie hervorbrachte. Aber laͤßt sich nicht ein Zustand denken, in welchem alle Staaten ihre Kraͤfte so erhoͤhten, so klug benutzten, daß Jeder im Stande waͤre, mit Huͤlfe anderer, die mit ihm gleiches Interesse haben, sich zu vertheidigen, aber nicht hoffen duͤrfte, einen Nachbar der gleich ihm ge- waffnet waͤre zu unterdruͤcken? Mich duͤnkt, dieser Zustand lasse sich denken, und wir naͤhern uns ihm merklich. Jeder europaͤische Staat wuͤnscht zwar auf Kosten anderer sich zu vergroͤßern, aber noch mehr als dieses, die Vergroͤßerung jedes andern zu verhindern. Natuͤrliche Alliirte P aus- ausgenommen Natuͤrliche Alliirte sind Staaten, deren Interesse nach ihrer Lage und Verhaͤltnissen nicht leicht in Col- lision kommen kann, aber gleichmaͤßig die Einschraͤn- kung eines dritten fodert, dessen Uebermacht bey- den gefaͤhrlich seyn wuͤrde. Nur diese koͤnnen die ge- genseitige Zunahme ihrer Staͤrke wuͤnschen. , kommen alle darinn uͤberein, daß nicht einer zu maͤchtig werde, und wenn sie selbst, nicht gewinnen koͤnnen, wuͤnschen alle die itzige Lage der Dinge fortdauernd zu sehen. Die Erhaltung des Gleichgewichts von Eu- ropa ist in einem gewissen Sinn nicht die Chimaͤre, fuͤr die man sie auszugeben sich schon dadurch haͤtte abhalten lassen sollen, weil sie die Idee eines so gros- sen Kopfes, Wilhelms III. von England, war, und Kriege fuͤr diese Erhaltung unternommen, koͤn- nen sehr gerecht und vernuͤnftig seyn, weil es erlaubt und klug ist, mit kleinerer Gefahr eine sonst unver- meidlich groͤßere abzuwehren. Aber dieses Gleichge- wicht kann nur denn erhalten werden, wenn alle Staaten ihre Kraͤfte auf das vollkommenste be- nutzen, und sich in einem Vertheidigungsstande be- finden, der den gluͤcklichen Ausgang jedes Angrifs hoͤchst unwahrscheinlich macht. Von Alliirten allein ist kein bedeutender Beystand zu erwarten, wenn man ihn ihn nicht wieder zu leisten und durch eigene Kraͤfte sich Achtung zu erwerben auch wenigstens den ersten Angriff selbst abzuhalten, faͤhig ist, wie wir dieses noch in einem ganz neuen Beyspiel gesehen haben. Ehe noch die stehenden Armeen allgemein einge- fuͤhrt, die Kriegswissenschaft ihre itzige Ausbildung erhalten hatte, war es sehr moͤglich, daß der krie- gerische Staat seinen Nachbar gaͤnzlich zu uͤberwaͤlti- gen hoffen konnte, der in seiner militaͤrischen Ver- fassung noch nicht soweit gekommen war. Stehen- de Heere waren immer die Ueberwinder bloßer Land- militzen, und die geuͤbtere staͤrkere Militz eines ro- hen Volkes uͤberwand gewoͤhnlich die weniger geuͤb- te und schwaͤchere eines civilisirten, besonders eines Manufactur- und Handelsstaats. Bey einigermas- sen gleich gut disciplinirten stehenden Truppen muß der Ausgang ihrer Kriege nothwendig weniger gewiß seyn. Auch die ungleich geringere Kosten eines Krie- ges mit Soldaten, die nachher wieder zum Pfluge zuruͤckkehrten; die geschwindere Einscheidung, und die geringere Einsicht von den gegenseitigen Kraͤften konnten ehemals den Regenten es beynahe eben so leicht machen, sich zum Kriege zu entschliessen, als ihre Vasallen sich untereinander befehdeten. Itzt P 2 sind sind unsere Kriege unendlich kostbarer an Gelde und Menschen; eine in vielen Friedensjahren vollgehaͤufte Schatzkammer kann in einer oder zwey Campagnen ausgeleeret werden, unsere Waffen und ganze Art zu streiten machen die Kriege langwieriger Man findet uͤber den Unterschied der alten und itzigen Kriegskunst sehr interessante Bemerkungen in einem ohnlaͤngst erschienenem Werke des Hrn. Hauptmann Manvillon: Essay sur I’Influence de la poudre à Canon dans l’Art de la guerre mo- derne, welches auch fuͤr den forschenden Geist eines unmilitarischen Lefers sehr viele Nahrung enthaͤlt, und, nach dem Urtheil der Kenner, in seiner Art classisch ist. , man kann viele Bataillen gewinnen und doch verliehren; auch kennen unsere itzige Staaten ihre eigene und fremde Kraͤfte so gut, daß es nicht leicht ist, durch vorgege- bene Staͤrke zu taͤuschen, oder durch eingebildete Schwaͤche den Angreifer zu locken. Alle diese Um- staͤnde machen, daß die Kriege in unsern Zeiten nicht sowohl Ausbruͤche von Leidenschaft als Sache des Calcuͤls sind. Wir haben in dem so eben geendigtem Kriege groͤßere Flotten, als bisher das Meer getragen hatte, nebeneinander vorbeyseegeln und sorgfaͤltig eine Schlacht vermeiden sehen, und aͤuf jeder gestand man man, daß dieses bloß daher geschehe, weil man wisse, daß die Staͤrke des Feindes der eigenen gleich oder uͤberlegen sey. Nur noch einen Schritt weiter, so koͤnnte man auch die Kosten der Ausruͤstung sparen. Man duͤrfte nur wohlbeglaubte Etats von dem Da- seyn dieser Flotten und des erforderlichen Geldes, um sie einige Jahre zu gebrauchen, sich zuschicken — und die Ruhe wuͤrde erhalten. Ihre Unterbrechung wird wahr- scheinlich kuͤnftig seltener seyn, wenn jeder Staat von einem Versuche derselben mehr Schaden als Vortheil voraussehen kann, und ich wage es einen dauerhaf- tern Frieden fuͤr Europa um so eher zu hoffen, da ich nicht von groͤßerer Tugend und Aufklaͤrung, son- dern bloß von den veraͤnderten Verhaͤltnissen der Din- ge und ihrer genauern Kenntniß ihn erwarte. Aber eine nothwendige Bedingung ist, daß die Kriegswis- senschaft immer zu groͤßerer Vollkommenheit ausge- bildet, ihre Ausuͤbung immer verwickelter und schwe- rer werde. Je mehr und mannigfachere Talente zu dem Kriege erfordert werden; je mehr Aufwand von Geld und Menschen er nothwendig macht; je mehr die Zeit der Entscheidung hinausgesetzt und der Aus- gang ungewiß gemacht werden kann; je mehr die wirksamsten Mittel, sich den groͤßimoͤglichsten Scha- P 3 den den zu thun vervielfaͤltigt werden Hr. Mauvillon behauptet in dem angefuͤhrten Werke S. 170 mit Recht, daß auch die moͤrderisch- sten Erfindungen im Kriege eine wahre Wohlthat fuͤr die Menschheit waͤren, weil sie den Krieg furchtba- rer machen und erschweren, und daß es ein ungegruͤn- detes Vorurtheil sey, welches nur die einmal herge- brachten, aber nicht neue und bisher unbekannte Waffen und Mittel dem Feinde zu schaden, fuͤr er- laubt halte. In der That ist diese letzte Meynung sehr gemein, aber es gehoͤrt nur wenig Nachdenken dazu, um sich wider sie zu erklaͤren. Ist das Schieß- pulver dadurch unschuldiger gemacht, daß es seit Jahrhunderten gebraucht worden, und war der er- ste, der eine Flinte oder Kanone abfeuerte, ein groͤßerer Menschenfeind, als die itzt eben dasselbe thun? Und in welchem Zeitpunkt ist das Recht neue Mittel des Angriffs oder der Vertheidigung zu erfinden, erloschen? Der Zweck des Krieges ist, seinem Feinde den moͤglichst groͤßten Schaden zu thun; alle Mittel, die zu diesem Zwecke dienen, sind gut; und je groͤßer, je sicherer und unvermeid- l icher der Schaden ist, den Jeder im Kriege zu er- warten : desto seltener werden die Fuͤrsten sich zum Kriege entschliessen und desto fester wird der Friede der Voͤlker gesichert seyn. seyn. Man darf dieses hoffen, wenn alle und besonders die groͤßern Staaten, sich unaufhoͤrlich in dem besten Vertheidigungsstande, den ihre natuͤrliche Kraͤfte erlauben, befinden, und wenn die durch ge- P 4 mein- warten hat, desto mehr wird der Krieg vermieden werden. „Die Erfindung des Geschuͤtzes, sagt ein „vortreflicher englischer Schriftsteller, (Hr. Smith Untersuchung der Natur und Ursachen von Natio- nalreichthuͤmern, II. S. 396) „die bey dem ersten „Anblick so verderblich zu seyn scheint, beguͤnstigt „gewiß sowohl die Fortdauer, als die Ausbreitung „der Civilisation.“ Einer der groͤßten Maͤnner und Feldherrn unsers Jahrhunderts, der letztverstorbene Graf von Schaumburg-Lippe stimmt diesem Grundsatze bey. „Je vollkommner, (sind seine Wor- te, nach Hrn. Schmalz Denkwuͤrdigkeiten des- selben S. 71) „die Kriegswissenschaften sind, desto „seltner werden Kriege gefuͤhrt, desto mehr entfernt „sich die Art sie zu fuͤhren vom wilden Erwuͤrgen.“ Die Menschlichkeit unsers Kriegesrechts muß sich also nicht durch den Gebrauch unvollkomnerer oder schwaͤcherer Waffen auszeichnen; dieß waͤre gerade am wenigsten menschlich, sondern durch mildere Be- handlung der Gefangnen, Schonung der nicht krie- genden Unterthanen, Verabscheuung zweckloser Ver- heerung u. s. w. meinschaftliches Interesse nothwendig gemachte Ver- bindung Mehrerer allemal einen Widerstand bereit hat, der den Gedanken, ein Eroberer seyn zu wol- len, zu einem Fehler wider die Rechenkunstmacht. Die bisherige Erfahrung wird die Nothwendigkeit eines guten Vertheidigungsstandes immer einleuch- tender machen, und die Einsicht, wie der Vortheil Aller die Erhaltung des gegenwaͤrtigen Verhaͤltnis- ses der Staaten fodere, wird vieleicht allmaͤhlig eine Verbindung gegen jeden Angriff bilden, zu der die Association verschiedener Staaten zu gemeinschaftli- cher Vertheidigung ihrer Rechte und natuͤrlichen Frey- heit waͤhrend des itzt geendigten Seekriegs, von der Nachwelt als eine gluͤckliche Vorbereitung betrach- tet werden duͤrfte. Aber wenn diese schoͤne Hofnung nur auf eine gute Militaͤrverfassung gegruͤndet werden kann; wenn immer zum Kriege geruͤstet seyn, das einzige Mittel ist, Frieden zu erhalten; wenn nur der Staat, die ununterbrochenste Ruhe hoffen darf: dessen Truppen die geuͤbtesten, und in der kuͤr- zesten Zeit zum Ausmarsch die bereitesten sind, und dessen Finanzen die laͤngste Unterhaltung des Heers waͤhrend des Kriegs erlauben: so ist eine natuͤrliche Folge, daß Glieder der Gesellschaft, welche zu die- sem sem wesentlichsten Wohl derselben, der Sicherheit nicht beytragen wollen, auch nicht auf alle Vortheile derselben Anspruch machen duͤrfen. Ich halte indeß auch noch aus andern Gruͤnden, als dem angefuͤhrten wichtigsten, es fuͤr einen Vortheil der Staaten, wenn sie in einem gewissen Verstande des Ausdrucks, militaͤrisch , nicht erobernd , sind, ihre Untertha- nen naͤmlich bestaͤndig in den Waffen uͤben und ne- ben einer guten Landmilitz, ein mit ihren Kraͤften und Bevoͤlkerung in richtigem Verhaͤltniß stehendes Heer unterhalten. Man hat sehr viel gegen die ste- henden Armeen geredet, und es ist unstreitig, daß sie aͤußerst nachtheilig und das groͤßte Ungluͤck der Menschheit sind, wenn das Verhaͤltniß derselben zu der Bevoͤlkerung des Staats, der sie unterhaͤlt, uͤber- schritten und der Cultur des Bodens und uͤbrigen Induͤstrie dadurch zu viele Haͤnde entrissen werden Der Beweis dieses Satzes ist sehr einleuchtend und soviel ich weiß, am besten in einer interessanten Ab- handlung gefuͤhrt, die sich in dem Magazin der Regierungskunst S. 182 befindet. . Aber man hatte bisher uͤbersehen, (was praktische Erfahrung seit Koͤnig Friedrich Wilhelms von Preussen Zeit schon lange gelehrt, unter den Schrift- stellern aber einer unserer ersten Politicker, Hr. Prof. P 5 Buͤsch Buͤsch neuerlich vieleicht zuerst bemerkt hat S. Abh. vom Geldumlauf , II. S. 101 ꝛc. , daß naͤm- lich wo diese Fehler vermieden werden, die Unterhal- tung eines verhaͤltnißmaͤßigen stehenden Heers die Cir- culation des Geldes auf eine ungemein vortheilhafte Art vermehre, eine Menge Beschaͤftigungen veranlasse, und eine neue Quelle von Induͤstrie und Nahrung werde. Ausserdem entwickelt nicht nur der Krieg selbst Tugenden, die freylich mit seinem Elend zu theuer erkauft werden; sondern der kriegrische Stand giebt auch im Frieden zu Uebung von Kraͤften, zu Entwickelung von Faͤhigkeiten Anlaß, die ohne ihn nicht seyn wuͤrden und doch fuͤr die Menschheit wich- tig und wohlthaͤtig sind. Ich rechne hieher nicht nur das feinere Gefuͤhl von Ehre, den geuͤbtern Ver- stand, den richtigern Blick, wodurch der hoͤhere Kriegsbediente von Andern seines Standes sich vor- theithaft auszeichnet Freylich koͤnnten diese Vorzuͤge noch vollkommner ausgebildet und vortheilhafter erhoͤhet werden, wie dieses auf eine vortrefliche Art von einem Manne ausgefuͤhrt ist, der durch sein eignes Muster am be- sten beweißt, zu welcher Wuͤrde und wahrem Adel sein Stand erhoben werden koͤnne, ich meyne von dem ; auch der gemeine Mann wird wird durch den Kriegsstand so wie zu koͤrperlichen Uebungen und Arbeiten gestaͤrkter und abgehaͤrteter, so auch mehr zur Ordnung, Praͤcision, Thaͤtigkeit und Subordination gewoͤhnt, und mit einem erwei- terten Kreise von Ideen versehen. Der Bauer, der nur einige Jahre in den Waffen geuͤbt ist, wird ge- woͤhnlich ein besserer Bauer, als der welcher nie sei- nen Pflug verließ, und der Gedanke eines großen Mannes, des Freyherrn von Fuͤrstenberg , war vortreflich, alle junge Leute des Hochstifts Muͤnster , sowohl auf dem Lande als in den Staͤdten, an den Sonn- und Feyertagen in den Waffen uͤben zu lassen und also eine gute und zahlreiche Landmilitz zu bil- den. dem Hrn. Obersten von Scholten, in der Ab- handlung: was muß ein Officier wissen, wenn er die Pflichten seines Standes erfuͤllen will ꝛc. Dessau 1782. Ueberhaupt verdiente die noch moͤg- liche Verbesserung der itzigen Einrichtung der ste- henden Armeen, vorzuͤglich die Mittel, sie aus sich selbst zu rekrutiren und den Soldaten fester an das Vaterland zu binden — die reifeste Erwaͤgung aller großen Staaten. Aber diese Materie fodert eine eigene Untersuchung, und ich darf hier um so weni- ger in dieselbe eingehen, da ich durch das Inter- ressante des Gegenstandes schon vielleicht zu einer Ausschweifung von meinem Hauptzweck verleitet hin. den. Gewiß wuͤrde eine solche Einrichtung auch aus- ser der dadurch bewirkten Sicherheit noch andere wohlthaͤtige Folgen haben, zu denen ich auch diese rechne, daß junge Buͤrger und Bauern dadurch mehr zu koͤrperlichen Spielen (die bey den Alten und auch noch im mittlern Zeitalter so gewoͤhnlich und so nuͤtz- lich waren, itzt aber fast ganz abgekommen sind) ge- reitzt und von den fuͤr ihre Gesundheit und Vermoͤ- gen schaͤdlichen Wirthshaus-Gelagen wuͤrden ent- fernt werden. Es bleibe also Grundsatz, daß die Juden nicht voͤlliger Buͤrger-Rechte faͤhig sind, wenn sie nicht voͤllige Buͤrger-Pflichten erfuͤllen und den Staat, so gut wie andere, vertheidigen wollen. Und aller- dings muͤssen sie auch der in ihrem urspruͤnglichen Gesetz nicht gegruͤndeten Ungereimtheit entsagen, am Sabbath nicht angreifen, sondern nur gegen den feindlichen Angrif sich wehren zu wollen. Und so richtig Hr. Moses (S. 75) bemerkt, daß eine ver- nuͤnftige Religion den Trutzkrieg nicht gut heißen koͤnne, den auch Vernunft und Naturrecht mißbilli- gen; so wuͤrde es doch ein Mißbrauch dieser Wahr- heit seyn, wenn ein Buͤrger nur in einem Kriege, den er selbst fuͤr einen Defensiven erkenne, sich ge- brauchen lassen wollte. Das Urtheil hieruͤber gehoͤrt nicht nicht fuͤr den Unterthan und Soldaten, sondern fuͤr die, denen die Regierung des Staats anvertrauet worden. Fast bey jedem Kriege sucht jede Parthey die Welt zu uͤberreden, daß sie der angegriffene Theil sey. Es laͤßt sich auch der Fall denken, daß beyde Recht haben; aber gewoͤhnlich ist die Frage zu ver- wickelt, als daß sie von dem großen Haufen der Un- terthanen entschieden werden koͤnnte. Die Geschich- te enthaͤlt Beyspiele, daß ein Krieg, dem ersten An- blick nach das Ansehn eines offensiven haben und doch ein sehr abgedrungener und im strengsten Sinn defensiv seyn koͤnne. Man hat also Recht, auch von den Inden ganz unbeschraͤnkte Kriegsdienste zu fo- dern. Itzt koͤnnen sie dieselben freylich nicht leisten, weil die Unterdruͤckung, in der sie so lange gelebt, den kriegerischen Geist und persoͤnlichen Muth bey ihnen erstickt und ihre religioͤsen Spekulationen auf so ungesellige Paradoxen geleitet hat. Sie hatten seit anderthalb Jahrtausenden kein Vaterland, wie konnten sie also fuͤr dasselbe fechten und sterben? Aber ich bin uͤberzeugt, daß sie dieses mit gleicher Faͤhig- keit und Treue, wie alle andere, thun werden, sobald man ihnen ein Vaterland gegeben hat. Die Bey- spiele, die ich aus der aͤltern Geschichte angefuͤhrt, sind deutlich und ich sehe nicht warum die Juden nicht nicht in unsern Armeen sich eben so gut betragen wuͤr- den, als ehemals in griechischen und roͤmischen? Auch die neuere Geschichte liefert aͤhnliche Beyspiele, von denen Basnage Hist. des Juifs L. 9. c. 34 \& 35 manche gesamlet hat. So vertheidigten die Juden 1648 Prag wider die Schweden, 1686 Ofen wider die Oesterreicher. In Litthauen waren sie wenigstens ehemals dem allgemeinen Aufgebot so gut wie andere unterworfen Stat. Lithuanicum c. 12. art. 9. „Die in Litthauen „wohnende Tartarn und Juden duͤrfen von Niemand „mit Geld zu Soldaten geworben werden; muͤssen „aber bey dem allgemeinen Aufgebot mit zu Felde „ziehn.“ . Wie die Juden den Kriegsdienst mit ihren religioͤsen Meynungen vereinigen werden ist ihre Sache, um die der Staat sich nicht bekuͤmmern darf. „Wenn das Vaterland vertheidigt werden soll, sagt Hr. Moses (S. 76) vortreflich, so muß jeder hinzu eilen, dessen Beruf es ist.“ Keiner darf diesen Beruf nach sei- nen Meynungen modificiren wollen, sondern er muß diese nach jenem umbilden. Das neuerliche Beyspiel der pensylvanischen Quacker, die noch weit entschie- dener, als die Juden wider den Krieg waren, habe ich schon angefuͤhrt, und ich kann demselben noch ein paar Beyspiele von dieser Nation selbst beyfuͤgen. In Suri- Surinam haben die Juden, so gut wie andere das Recht Plantagen zu besitzen, und auch wirklich ver- schiedene angelegt. Außer denselben befindet sich da- selbst ein Dorf, Sav a ane, welches bloß von Juden bewohnt wird. Alle freye Einwohner von Surinam sind in 12 Compagnien Landmilitz eingetheilt, wo- von eine bloß aus Juden besteht. Ein hollaͤndischer Schriftsteller Hartsincks Beschryving van Guiana. Amst. 1770. T. 2. p. 706. meldet dieses Factum, dem ich noch eins aus der neuesten Geschichte an die Seite setzen will. In der merkwuͤrdigen Schlacht vom 5ten August 1781 zwischen den Englaͤndern und Hollaͤn- dern befand sich auf der Flotte der Letzteren ein por- tugiesischer Jude, der mit ausnehmender Tapferkeit focht. Dieß Beyspiel reitzte noch mehrere seiner Glaubensgenossen, welche dem Staate, der ihnen vor allen andern buͤrgerliche Rechte bewilligt hatte, ihre Theilnehmung an seinem Wohl beweisen woll- ten. Eine betraͤchtliche Anzahl derselben entschloß sich freywillig auf der Flotte zu dienen, und erhielt von dem Ober Nabbi zu Amsterdam eine ausdruͤckli- che Billigung dieses Vorhabens. Er ertheilte ihnen seinen Seegen und nur diese Vorschrift, daß sie den Sabbat und alle andere Gesetze und Religionsge- braͤuche braͤuche beobachten sollten, insofern es die Umstaͤn- de und der Dienst erlauben wuͤrden . Hier ist also eine vollkommne Erfuͤllung der Hofnung, die ich geaͤußert habe, eine feyerliche Billigung der Wahr- heit, daß die Buͤrgerpflichten auch bey noch unvoll- kommnen Buͤrgerrechten den geheiligten Pflichten vorgehn muͤssen. Verdient dieß Beyspiel nicht Be- wunderung und Achtung, und wuͤrde es nicht gro- bes Vorurtheil seyn, wenn man noch immer von der Unfaͤhigkeit einer Nation zum Kriegsdienste reden wollte, deren Glieder sich ganz aus eigenem Gefuͤhl zum Tode fuͤr das Vaterland erboten haben, — eine doch gewiß auch unter Christen nicht gemeine Erschei- nung? Wenigstens waͤre es aͤußerst unbillig, immer nur diese Unfaͤhigkeit zu demonstriren, ohne sie je auf die Probe zu setzen. Man uͤberlasse es doch den Juden, sich von ihren Sabbathsgesetzen, ihren unreinen Speisen u. s. w. zu dispensiren, — andere Juden, als bisher, Dei- sten, Abrahamiten oder was sie wollen in Absicht der Re- ligion zu seyn, genug wenn sie nur gute, auch den Staat mit Leib und Leben vertheidigende Buͤrger werden. „Aber, sagt man, um dieses zu werden, „wird Zeit erfordert, und bis dahin koͤnnen „ste doch nicht als voͤllig gleiche Glieder der Ge- „sellschaft angesehen werden, da sie die wichtigste „Pflicht „Pflicht zu leisten weigern.“ Diese Zeit wird nicht so lange waͤhren, als man sich vorstellt, und die Vermehrung der Juden wird nicht so geschwind fort- gehen, daß sie ihrer Faͤhigkeit zum Kriegsdienste zu- vorkommen und den Staat in Gefahr bringen sollte, so viele wehrlose Buͤrger zu bekommen. Man fange nur erst damit an, dem Juden die buͤrgerliche Ge- sellschaft lieb zu machen, ihm Interesse fuͤr sie bey- zubringen, ihn sein Verhaͤltniß zu derselben und die Pflichten, die er ihr schuldig ist, zu lehren. Man gewoͤhne ihn dabey vorzuͤglich zu Handwerken und Ackerbau, um seine koͤrperliche Staͤrke zu vermehren, man leite ihn von dem herumschweifenden Kleinhan- del ab; und man sehe, was die Folge seyn wird. Noch ein Vorschlag waͤre dieser, daß alle junge Ju- den, welche ihre Besitzungen zu Kriegsdiensten ver- pflichten, zu gewissen Zeiten in den Waffen geuͤbt wuͤrden. Wenigstens muͤßte man jedem Juden, der Grundstuͤcke ankaufte, von denen Kriegsdienste gelei- stet werden muͤssen, diese Verbindlichkeit erklaͤren. Waͤre er selbst, wie dieses anfangs der Fall seyn duͤrf- te, unfaͤhig sie zu erfuͤllen, so muͤßte er entweder eine verhaͤltnißmaͤßige Abgabe erlegen, oder, wenn dem Staate das Geld nicht den Werth eines Menschen haͤtte, seinen Mann stellen, und dieser, koͤnnte man Q wohl wohl mit Recht verlangen, duͤrfte kein Landskind seyn. Immer indeß muͤßte es noch dahin kommen, daß der Jude selbst diente, weil dem Staate die fuͤr das Geld seiner Unterthanen geworbenen Fremden nicht iu allen Faͤllen und wenn ihre Zahl zu groß wird, jene ersetzen; und es wird dahin kommen, wenn man nur den Plan zu Veredelung der Nation im Ganzen, nicht bloß in einzelnen Theilen, aus- fuͤhrt, — eine freylich nothwendige Bedingung. Wo Localhindernisse dieses nicht erlauben, da darf man natuͤrlich auch nicht die ganze Wirkung erwar- ten. Truͤgt mich meine Hofnung und sollten die In- den wider alle moͤgliche Wahrscheinlichkeit, auch bey dem vollkommensten Genuß buͤrgerlicher Rechte, noch immer, wenn es auf die Vertheidigung der Ge- sellschaft ankoͤmmt, ein Verbot des Himmels vor- schuͤtzen, — nun so habe ich nichts dagegen, daß man sie wieder aus dem Lande weiset, oder wenigstens sie wie Quaͤcker und Mennonisten nur in geringer An- zahl und unter gewissen Einschraͤnkungen duldet. Auf die Bedenklichkeit, daß der Jude nicht gegen seine Glaubensbruͤder um des Zwistes der Christen willen, werde fechten wollen, antworte ich, was ich schon oft gesagt habe: man mache den Juden zum Buͤrger, und bringe es dahin, daß sein Buͤrger- Bruder Bruder ihm lieber werde, als der, mit dem er nichts, als einige spekulative Meynungen gemein hat. Und wir haben ja der Beyspiele genug, daß zwischen den durch diese Gemeinschaft der Meynungen vereinten Voͤlkern, doch recht ernstliche Kriege gefuͤhrt sind, so wie zwischen denen, die zu einer Hauptnation ge- hoͤren, eine Sprache, gleiche Sitten haben. Wie oft haben nicht Katholiken gegen Katholiken, Deut- sche gegen Deutsche gefochten. Man muß in Unter- suchungen dieser Art sich nie die Wirkung einer Ur- sache abgesondert und einzeln, sondern immer, wie sie in der Natur sind, mehrerer vereint und eine die an- dere bestimmend denken. Hrn. Michaelis Einwurf wegen des den Ju- den abgehenden Soldatenmaases duͤrfte sich dann auch wohl heben lassen. Ich habe nicht genug Ju- den gesehen, oder beobachtet, um zu wissen, ob die Bemerkung richtig sey; waͤre sie es, so habe ich zu der bessern Behandlung und voͤlligen Umbildung der Nation auch das Vertrauen , daß sie, wie in allen buͤrgerlichen Vollkommenheiten, so auch in der Lei- beslaͤnge zunehmen werde. Bis dahin darf der He- braͤer freylich auf die Stelle eines Fluͤgelmanns kei- nen Anspruch machen, aber die Ehre fuͤrs Vater- land zu sterben, kann ihm darum doch werden. Sie Q 2 ist ist auch itzt nicht nothwendig an gewisse Zolle gebun- den, und es giebt Arten von Truppen, die auch klei- ne Leute gebrauchen koͤnnen. Wichtiger ist die Bemerkung, auf die mich eben dieser Gelehrte geleitet hat, daß die Schwierigkeit, von der hier die Rede ist, auch anfangs nicht fuͤr alle Staaten gleich seyn werde, nachdem naͤmlich es ihnen mehr oder weniger leicht faͤllt, die stehenden Truppen, welche ihre politische Verhaͤltnisse erfodern, aus ihren Eingebornen zu unterhalten. In einigen unsrer groͤßern Reiche ist gar keine Zwangwerbung nothwendig, die Armee besteht bloß aus Freywilll- gen. Frankreich koͤnnte ohne Druͤckung und vielmehr zum Vortheil des Landes, wenigstens noch 40000 Mann Landtruppen mehr halten, als es itzt hat: hier koͤnnte also eine sehr große Menge Juden, auch wenn sie in funfzig Jahren noch nicht zu Kriegsdien- sten faͤhig waͤren, nicht den mindesten Nachtheil brin- gen, und in den oͤsterreichischen und russischen Staaten wuͤrde dieses ohngefehr derselbe Fall seyn. Aus dem entgegengesetzten Grunde tritt er auch in den kleinern Staaten, z. B. fast allen deutschen, ein, welche nicht durch ihre eigne Macht, sondern bloß durch Verbin- dungen und die gegenseitige Eifersucht sich vor der Unterdruͤckung der Maͤchtigern schuͤtzen koͤnnen, und bey bey denen es eine fuͤr manche dieser Laͤnder nur zu trau- rige Thorheit ist, mehr Truppen zu haben, als sie aus ihren eignen Einkuͤnften und ohne sie von Zeit zu Zeit zu verkaufen, unterhalten koͤnnen Ihrem wahren Vortheil gemaͤß sollten alle diese Staaten sich nur zum Zweck machen, eine vorzuͤglich gute Landmi- litz zu haben, und, nach dem schon angefuͤhrten Muͤnste- rischen Beyspiel, ihre junge Mannschaft fleißig in den Waffen uͤben, um immer zur Vertheidigung bereit zu seyn; von regulirten Truppen aber sollten sie nicht mehr halten, als die innere Sicherheit und der von denselben durch vermehrte Induͤstrie nach vernuͤnftigem Calcul zu erwartende Wohlstand erforderten, aber dabey eine durch keine eingeschraͤnkte Eifersucht unterbrochene, feste Association unter sich bilden und mit derselben sich an diejenigen großen Maͤchte anschließen, deren eig- nes natuͤrliches Interesse ihre Vertheidigung erfor- dert und von denen sie nur Schutz, nicht Unterdruͤckung erwarten duͤrfen. Sollten unsere deutsche Regenten diesen in der Natur der Sache gegruͤndeten Plan noch mehr als bisher befolgen, und mich duͤnkt man darf es von der immer mehr verbreiteten Erleuchtung und der durch Erfahrung begruͤndeten genauern Kennt- niß ihres wahren Interesse erwarten; so duͤrfen sie, wenn auch die Juden in betraͤchtlicher Zahl sich bey Q 3 ihnen ihnen einfinden sollten, durch sie keinen Abgang an Vertheidigern besorgen. Wenn sie nur gleich andern in den Waffen geuͤbt werden; so kann ein kleiner Staat es ruhig abwarten, daß sie anfangs zur Land- militz und allmaͤlig zu den ordentlichen Truppen faͤ- hig werden. Aber freylich einem Regenten, der den Werth seiner Unterthanen nur darnach berechnet, wie er sie in baares Geld umsetzen kann, duͤrften die Hebraͤer vors erste noch keine gangbare Waare seyn. Die bisher angezeigten Gruͤnde sind, soviel ich weiß, diejenigen, welche man der Moͤglichkeit die Juden zu voͤllig gleichen und nuͤtzlichen Gliedern der Gesellschaft zu erheben, uͤberhaupt entgegen gesetzt hat. Ich gehe nun zu denen uͤber, durch welche man zwar nicht diese Moͤglichkeit hat bestreiten, aber die mit der Sache verbundne große und die Ausfuͤhrung meines Plans mehr oder weniger beschraͤnkende Schwierigkeiten hat beweisen wollen. I. Die Juden sind zum Ackerbau nicht wohl faͤhig. Erstlich haben wir in den meisten eu- ropaͤischen Staaten nicht genug unbebauetes Land mehr, welches man ihnen dazu anwei- sen sen koͤnnte, und haͤtten wir es, so wuͤrde die- ses mit großen Vorschuͤssen fuͤr den Staat ver- bunden, und diese an die nachgebohrnen Soͤh- ne der itzigen Bauern oder auch an fremde Christen besser verwandt seyn. Dann sind die Juden auch an den unausgesetzten Fleiß und die starke Arbeit nicht gewoͤhnt, welche der Ackerbau fodert. Ihr Geist ist dazu zu unru- hig, und es fehlt ihnen an Leibesstaͤrke. Das Gesetz, welches ihnen nicht erlaubt, mit Chri- sten zu essen, wuͤrde einen juͤdischen Landwirth noͤthigen, entweder bloß christliches oder bloß juͤdisches Gesinde zu waͤhlen, und den armen Juden hindern, sich als Knecht bey einem christlichen zu vermiethen, und dieß waͤre doch sehr nuͤtzlich, um die Nation nach und nach zu wirklicher eigener Feldarbeit, nicht bloß zu deren Direction, womit dem Staat nicht so- viel gedient ist, zu gewoͤhnen. Auch laͤßt sich keine Landwirthschaft ohne die vortheilhafte Schweinzucht denken; womit soll der Jude sein Gesinde speisen, wenn er kein Schweine- fleisch ihnen geben darf? was soll er mit dem Fleisch anderer Thiere machen, bey deren Schlachtung nicht der gesetzlich bestimmte Q 4 Schnitt Schnitt beobachtet ist? Alle diese Dinge muͤß- ten wenigstens die Landwirthschaft fuͤr einen Juden ungleich kostbarer und schwieriger ma- chen, als sie es fuͤr den Christen ist, ihn also noͤthigen, entweder seine Producte theurer im Preiße zu halten, oder nicht so gut, wie dieser, zu bestehen . Wenn ich den Wunsch aͤußerte, daß man den Juden auch den Ackerbau erlauben moͤchte, so war ich weit entfernt zu verlangen, daß man sie in die- ser, so wie in irgend andrer Absicht, vorzuͤglich und vor andern beguͤnstigen moͤchte. Nur die Freyheit, Grundstuͤcke zu kaufen oder zu pachten u nd zu bear- beiten, war alles, was ich glaubte, daß der Staat ihnen bewilligen muͤßte, wenn er von ihnen gleiche Vortheile, wie von andern Buͤrgern, erwarten wollte. Sicher darf man bey einer solchen freyen Concurrenz nicht besorgen, daß die Juden, welche des Landbaues ungewohnt sind und seine staͤtige, bin- dende Beschaͤftigung nicht lieben, den Bauer von dem Boden, auf dem er geboren ist und an dem seine ganze Neigung haͤngt, verdraͤngen werden. Um allen Nachtheilen zuvorzukommen hatte ich schon selbst bemerkt, daß große juͤdische Guͤterbesitzer nicht die vortheilhaftesten fuͤr den Staat seyn wuͤrden, und um um zu verhindern, daß nicht zu vieles Land an ein- zelne reiche Hebraͤer kaͤme, ehe noch die Nation zu allen buͤrgerlichen Pflichten gereift waͤre, den Vor- schlag gethan, daß man jedem juͤdischen Landbauer zur Pflicht machen solle, eine gwisse Anzahl juͤdischer Knechte zu halten. Auch die Einschraͤnkung, welche so lange die Nation nicht zu Kriegsdiensten sich durch- aus faͤhig erprobt habe, besonders dem Erwerb des Bodens gesetzt werden muͤsse, habe ich mehr als ein- mal in Erinnerung gebracht. Den Juden auf Ko- sten des Staats zum Ackerbau vor andern zu ermun- tern, habe ich nicht verlangt, nur, versteht sich nach meinen Grundsaͤtzen von selbst, alsdann Gleichheit fuͤr ihn ausbedungen, wenn der Staat zur Cultur bisher noch unbebaueten Landes, zum Bau gewisser bisher noch nicht gewoͤhnlicher Producte, oder uͤber- haupt zu jeder Erweiterung der Cultur, durch Be- lohnungen die Buͤrger zu reitzen gut finde. Nur fuͤr dem gewoͤhnlichen fremden Colonisten, glaube ich, muͤßte hier der einheimische Jude, der uͤbrigens festgesetzte Bedingungen erfuͤllt, den Vorzug haben; auswaͤrtige Juden aber durch Vortheile zum Acker- bau oder irgend einer andern Beschaͤftigung ins Land zu locken, wuͤrde ich, wie ich schon erklaͤrt habe, nie anrathen. Daß auch bey Unternehmungen, wo der Q 5 Staat Staat, um nicht zu verlieren, vorzuͤgliche Kenntnisse und Erfahrung im Landbau bey dem Ausfuͤhrer fo- dern muß, der den Vorzug verdiene, welcher sie be- sitzt und der Jude, der guten Willen nicht mit noͤ- thiger Kenntniß vereint, wenn er zu solchen Versuchen sich draͤngen wollte, abgewiesen werden muͤßte, ver- steht sich von selbst. Mich duͤnkt, bey diesen genauen, nicht in Will- kuͤhr sondern in der Natur der Sache liegenden Be- stimmungen, duͤrfen die bisherigen Besitzer des Lan- des im mindsten nicht besorgen, durch die den Ju- den auch ertheilte bloße Faͤhigkeit , Land zu bauen, verdraͤngt oder auf einige Weise gefaͤhrdet zu werden. Heißt das dem Ackerbau schaden, wenn man die Zahl derer, die ihn treiben koͤnnen, vergroͤßert? wird den itzigen Besitzern der Grundstuͤcke dadurch leyd gethan, wenn sich Mehrere finden, die sie ihnen abkaufen oder pachten koͤnnen? Muß nicht die vermehrte Concurrenz die wohlthaͤtige Folge haben, den Werth liegender Gruͤnde zu erhoͤhen? wird nicht die groͤßere Zahl Haͤn- de, die mit der Cultur zu beschaͤftigen sich draͤngen, sie zu hoͤherer Vollkommenheit leiten? Ist hier nicht bloß der Vortheil fuͤr Staat und einzelne zu erwar- ten, den zunehmende Bevoͤlkerung uͤberall gewaͤhrt? Diese Folgen fließen so natuͤrlich ab, die Richtigkeit dieser dieser Saͤtze, sobald man sie nur deutlich denkt, ist so unverkennbar, daß ich mich unmoͤglich laͤnger bey ihnen verweilen kann, auch schon das Gesagte fuͤr uͤberfluͤßig gehalten haben wuͤrde, wenn nicht die ge- machten Einwuͤrfe das Gegentheil bewiesen. Ich darf indeß itzt wohl voraussetzen, daß ein den Juden er- theiltes Recht, die Erde zu bauen, kein Unrecht, vielmehr eine Wohlthat fuͤr ihre Mitbuͤrger sey. Nun noch etwas uͤber die Frage: ob die Juden faͤhig seyn werden, dieses Recht, wenn man es ihnen be- willigte, wirklich zu benutzen? „In unsern meisten Staaten, sagt man, ist Gott- „lob! der Ackerbau schon so bluͤhend, daß wenig oder „gar kein unurbares Land mehr uͤbrig ist, das man „den Juden uͤberlaßen koͤnnte?“ Gut, wo dieses der Fall ist, koͤnnen freylich die Juden keine Grund- stuͤcke erwerben. Die ihnen dazu ertheilte Freyheit wird also keine weitre Folge habe, als daß in einzelnen Faͤllen des Verkaufs und Verpachtung der Guͤter auch Juden die Concurrenz vermehren, oder daß sie als Knechte und Tagloͤhner sich vermiethen. Ist hiezu gar keine Gelegenheit, so werden die Juden sich zu andern Nahrungswegen wenden. Der Staat kann hiebey ruhig zusehen, die natuͤrliche Verhaͤlt- nisse der Dinge thun hier alles. Diese allein, keine Verfuͤ- Verfuͤgung der Regierung, muͤssen, einzelne Faͤlle ausgenommen, die Zahl der Arbeiter jeder Art ver- theilen, einschraͤnken, vergroͤßern. Man gebe nur jedem die Freyheit das und soviel zu arbeiten, als La- ge und Umstaͤnde erlauben; so wird alles am besten gehn. Aber sollte es auch wohl mit der Voraus- setzung, daß in den meisten europaͤischen Staaten kein Land mehr zum Ackerbau uͤbrig und er schon so weit getrieben sey, um keine Haͤnde mehr zu beduͤr- fen, seine Richtigkeit haben? Ich gestehe, daß ich mich hievon nicht uͤberzeugen kann. Ich will nicht von Rußland und Schweden reden, wo in gewissen Provinzen die Natur vieleicht der hoͤchsten Cultur des Bodens immer entgegen seyn wird; nicht von den großen Provinzen der oͤsterreichischen Monarchie, wo ein besserer Boden nur Haͤnde erwartet, welche die Weisheit der Regierung ihm itzt durch alle Mittel zu verschaffen sucht; nicht von Spanien, Portugall, manchem Theile Italiens, Pohlen, wo Aberglaube Unwissenheit der Regierung, genaͤhrte Traͤgheit der Einwohner und gekraͤnktes Menschenrecht, den schoͤn- sten Theil der Erde zur Wuͤste machen. Aber auch selbst in den fruchtbarsten, bebautesten Laͤndern von Europa, deren Bevoͤlkerung die verhaͤltnißmaͤßigst groͤßte, deren Regierung schon seit Jahrhunderten thaͤtig thaͤtig und a u fgeklaͤrt, auf die bestaͤndige Erhoͤhung ihres Wohlstandes gerichtet ist, sollte auch in diesen Laͤndern der Ackerbau schon zu der Vollkommenheit gebracht seyn, deren er faͤhig waͤre? Werden in diesen Landen schon alle Producte erzeugt, die der verstaͤndi- ge Bearbeiter dem Boden ablocken koͤnnte? werden diese Producte in der moͤglichsten Menge und Voll- kommenheit hervorgebracht? traͤgt jeder Boden das, was nach allen Verhaͤltnissen ihm zu entziehn der groͤßte Vortheil waͤre? ist jedes von Natur nicht fruchtbare Grundstuͤck durch Kunst so verbessert, als es zu werden empfaͤnglich ist? — wo ist das Land, wel- ches dieses stolzesten Ruhms sich ruͤhmen koͤnnte? und wo ist also das , welches Haͤnde, die seinen Landbau erweitern und erhoͤhen wollen, abweisen, welches sie nicht dankbar einladen duͤrfte? So lan- ge noch nicht alles Land, in der Vollkommenheit be- arbeitet ist, wie es beym Gartenbau geschieht, we- nigstens so lange es nicht alle Producte hervorbringt, welche die groͤßtmoͤglichste Bevoͤlkerung, deren er faͤ- hig ist, und alle erreichbare Handelsverhaͤltnisse kon- sumiren koͤnnen; so lange hat ein Staat auch noch nicht seinen Landbau zu einer unuͤberschreitbaren Stu- fe von Vollkommenheit erhoͤhet. Und mit Sicher- heit kann ich behaupten, daß noch kein Staat in Europa Europa diese Stufe erstiegen habe; sogar ist keiner, der nicht noch mehr oder weniger ganz unbebauetes Land in seinem Umfange einschloͤße. England hat unstreitig den bluͤhendsten Ackerbau, den die gluͤckliche buͤrgerliche Freyheit, weise Gesetze, durch Erfahrung gereifte und durch Reichthum unterstuͤtzte Einsichten hervorbringen mußten. Und doch klagen seine Pa- trioten uͤber die Menge wuͤsten oder wenigstens noch nicht genug bebaueten Landes; Klagen, in denen, wenn man auch abrechnet, was zuweilen der Geist der Parthey uͤbertreiben mag, doch immer noch viel wahres bleibt. In Frankreich , diesem durch Clima, Boden und Lage schoͤnsten Reiche von Europa, liegt nach der Schilderung eines neuern einheimischen Schriftstellers Dupont du Commerce des Indes, p. 36. , ein Viertel des Landes voͤllig ungebauet; zwey Viertel brin- gen den vierten Theil von dem hervor, was sie her- vorbringen koͤnnten, wenn sie besser angebauet waͤ- ren; und das letzte Viertel welches den besten Bo- den und die beste Cultur hat, koͤnnte doch noch ein- mal so gut bebauet werden, also noch einmal so viel hervorbringen, als itzt. Freylich ist der Mann, von dem diese Bestimmung sich herschreibt, ein eifri- ger Anhaͤnger des physiokratischen Systems, und es ließe ließe sich denken, daß er aus wohlwollender Absicht, die Vermehrung des reinen Ertrags zu empfehlen, den itzigen Zustand der Dinge schlimmer, als er wirklich ist, vorgestellt habe; indeß laͤugnet doch auch selbst die Gegenparthey nicht, daß es noch viel unbebauetes Land in Frankreich gebe, wenn sie gleich die Vorstellungen der Oekonomisten fuͤr uͤbertrieben haͤlt S. Galliani Dialogue sur le Commerce de bled p. 142. , die aber doch Jedem, der die neuere Geschichte und bisherige innere Regierung von Frankreich kennt, nicht so sehr unwahrscheinlich duͤnken koͤnnen. Und in unserm Deutschland duͤrfen wir es laͤugnen, daß wir noch eine Menge ganz unbebauetes Land haben? Machen nicht die weitlaͤuftigen Distrikte, welche die wohlthaͤtige Weisheit des letztern und noch mehr des itzigen Preußischen Monarchen urbar gemacht hat, eine wichtige Provinz aus, durch die der Staat ver- groͤßert worden? wird nicht noch in dem Augenblick, da ich dieses schreibe, in diesem Staat mit dieser edel- sten aller Vergroͤßerungen fortgefahren? und haben die meisten uͤbrigen deutschen Laͤnder der Wuͤsten we- niger, wenn sie gleich nicht durch deren Wegschaf- fung uns an ihr Daseyn auf eine so ruͤhmliche Art erinnern? Und dann in welchem Theile unsers ge- meinschaftlichen Vaterlandes wird der Landbau, ich sage sage nicht mit der Vollkommenheit, deren er faͤhig waͤre, sondern nur wie in England (versteht sich in einiger Allgemeinheit) getrieben? In welchem wer- den nur alle die Verbesserungen wirklich benutzt, die schon die Erfahrung bewaͤhrt gesunden hat? Welche ganz neue Aufnahme duͤrfte sich nicht der deutsche Landbau versprechen, wenn nur erst die leyder! noch immer fortdauernde Leibeigenschaft des Bauern in allen ihren Gattungen und Stuffen, und die Frohndienste, nach dem vortreflichen Muster der Chur- Hannoͤverischen und Oesterreichischen Lande, allgemein verbannt waͤren; wenn in manchen deutschen Staa- ten nicht ein unverhaͤltnißmaͤßiger Militaͤretat den Landmann niederdruͤckte und entkraͤftete! Und welch eine Menge von Menschen wuͤrde der Ackerbau noch beschaͤftigen, welch eine erweiterte Production ließe sich erwarten, wenn man einmal anerkennte, daß die Landesherrlichen Domainen nicht vortheilhafter, (auch bloß im cameralistischen engern Sinn nicht vortheilhafter) benutzt werden koͤnnen, als wenn man sie in Bauerguͤter vertheilt und diese in Erbpacht uͤberlaͤßt. Nicht nur die Theorie hat diese Vortheile bewiesen, das große Muster in Boͤhmeit Diese wichtige, die Aufmerksamkeit aller Staaten ver- hat sie fast fast uͤber alle Zweifel erhoben. Noch weit fruͤher zwar, naͤmlich bereits im Anfange dieses Jahrhun- derts, und vielleicht unter allen deutschen Landen zu- erst, hatte man diese vortrefliche Einrichtung in den Preußischen Staaten eingefuͤhrt Man findet hievon eine sehr lehrreiche und authen- tische Nachricht in den historisch- politisch- geo- graphisch-statistischen, militaͤrischen Beytraͤgen die Koͤnigl. Preußische und benachbarte Staa- ten betreffend , II, p. 26 u. s. w. Gruͤnde und Ge- geng uͤnde sind hier genau gesamlet; letztere haben damals obgesiegt, sie ruͤhren unstreitig von sehr praktischen Geschaͤftsmaͤnnern her, ich bin aber von ihnen nicht uͤberzeugt worden, ob es mir gleich sehr angenehm gewesen, sie in ihrer ganzen Staͤrke ken- nen zu lernen. , und vermuth- lich verdienende Unternehmung ist umstaͤndlich beschrie- ben in einer im Jahr 1777 zu Wien gedruckten Schrift: Unterricht uͤber die Verwandlung der K. K. Boͤhmischen Domainen in Bauerguͤter . 4. aus der ich einen vollstaͤndigen Auszug in meinen Materialien fuͤr die Statistick ꝛc. II, p. 252 u. s. w. geliefert habe. Lehrreiche Anmerkungen uͤber die- selbe findet man in des Hrn. Buͤsch vortreflichem Werke uͤber den Geldumlauf II, S. 402 u. f. R lich ist der Mann, der dieses veranlaßte, ein Herr von Luben , der erste Erfinder dieser nach meiner Einsicht fuͤr das Wohl unserer Staaten und die Gluͤckseeligkeit der Menschen aͤußerst wichtigen Idee. Ihre Ausfuͤhrung wurde unter K. Friedrich I. bald wieder unterbrochen, und ein noch in neuern Zeiten gemachter aͤhnlicher Versuch ist gleichfalls nicht von Dauer gewesen und nicht allgemein geworden Von den Gruͤnden werden uns vermuthlich die Hrn. Verfasser der Geschichte der Koͤnig!. Preuß. Do- mainen in der Fortsetzung der angefuͤhrten Beytraͤ- ge unterrichten. . Ist also der Ackerbau noch einer solchen hohen Vollkommenheit und Erweiterung faͤhig, darf er die- selbe gewiß erwarten, wenn nur die beruͤhrten und andere Hindernisse gehoben sind; so duͤrfen wir auch nicht besorgen, daß wir der Haͤnde fuͤr ihn sobald zu viel bekommen moͤchten. Gerade die Vermehrung der Haͤnde ist nothwendige Bedingung, wenn jene Vollkommenheit je erreicht werden soll. Die immer fortschreitende Vertheilung des Bodens in kleinere Guͤter, befoͤrdert dessen bessern und sorgfaͤltigern An- bau, und so wie sie zunehmende Bevoͤlkerung her- vorbringt, kann sie ohne deren verhaͤltnißmaͤßige Groͤße nicht angefangen werden. Die zuletzt er- waͤhnte waͤhnte Umschaffung der Domainen ist nicht moͤg- lich, wenn nicht Menschen da sind, welche die neuen Bauerguͤter erwerben und anbauen wollen, und je mehr Menschen, desto hoͤherer Werth dersel- ben und also desto mehr Antrieb zur bestmoͤglichsten Cultur. In keinem Lande werden der Menschen hie- rinn zu viel seyn, aber in manchen koͤnnen sie seh- len, so wie itzt in Ungarn und Temeswar dieß wirk- lich der Fall ist, da man in Deutschland zum Anbau der dort zertheilten Domainen Haͤnde sucht. Sicher wird es also in unsern meisten Staaten den Juden nicht an Gelegenheit fehlen, den Landbau sey es als eigene Guͤterbesitzer, Paͤchter, Tageloͤhner und Knech- te, zu treiben, wenn nur erst das Recht dazu ihnen ver- liehen ist und dieses almaͤhlich die bisher unterdruͤckte Faͤhigkeit und Neigung bey ihnen weiter angefacht hat. Die erforderliche Leibesstaͤrke und der staͤtige Fleiß werden sich in ein paar Generationen zuverlaͤßig ein- finden. Man kann dieß wenigstens nicht ableugnen, so lange nicht die Probe der Erfahrung gemacht ist. Den Hindernissen, die man aus den juͤdi- schen Religionsmeynungen auch besonders fuͤr den Ackerbau erwartet, setze ich wieder meine allgemeine Antwert entgegen: dieß ist nicht Sache des Staats, sondern bloß der Juden. Mag ihnen immer ihr Un- R 2 terschied terschied der Speisen, die Kostbarkeit derselben und besonders des Unterhalts des Gesindes, ihre Sab- bathsfeyer, den Landbau schwieriger als Andern ma- chen; dieß darf die Regierung nicht kuͤmmern, die deshalb gleiche Pflichten, wie von jedem andern Land- bauer, auch von dem juͤdischen, fodern muß. Zwey Wege sind immer seiner Wahl frey. Entweder der Jude leidet diese Unbequemlichkeiten, ist mit einem durch groͤßern Aufwand verminderten Gewinn seines Fleißes zufrieden, schraͤnkt sich in seiner Lebensart und seinem Genuß mehr ein, und ist dabey durch den Gedanken getroͤstet, das heilige Gesetz seiner Vaͤter tren befolgt zu haben; oder er modificirt das Gesetz nach seiner aͤußern Lage und hoͤrt auf ein Jude, oder wenigstens ein solcher, als er bisher war, zu seyn. Auch im erstern Falle werden indeß die Schwie- rigkeiten zwar immer laͤstig, aber doch nicht in dem Grade seyn, wie man es sich gemeiniglich vorstellt. Darf der Jude gleich kein Schweinfleisch essen, so ist ihm doch die Schweinezucht ganz unverboten. Es ist ein sehr unrichtiger und durch ein gemeines aber falsches Sprichwort unterhaltener Begriff, daß eine Sau schon das Haus eines Juden verunreinige, wie dieses Hr. Michaelis bemerkt hat Siehe Mosaisches Recht IV. Th. §. 202, wo ge- zeigt und auch das Neue Neue Testament es beweiset, nach welchem in Palaͤ- stina zahlreiche Heerden Schweine, ohne Zweifel zum Handel mit Fremden oder nicht israelitischen Landeseinwohnern, sich fanden. Der Schweine- handel wird auch itzt unter uns von Juden getrieben, und dieser ihre Landwirthschaft wuͤrde also der Schweinezucht gar nicht entbehren duͤrfen. Sie koͤnnten vielmehr das Schweinefleisch so wie die ihnen verbotenen Theile anderer Thiere zur Speisung ihres nicht juͤdischen Gesindes gebrauchen, und sie wuͤrden hiebey sogar den Vortheil haben letztere, die eine bloß juͤdische Haushaltung nicht gebrauchen kann, nutzen zu koͤnnen. Die Schwierigkeit, ein gemisch- tes juͤdisches und christliches Gesinde auf verschiedene R 3 Art zeigt wird, daß der Unterschied reiner und unrei- ner Thiere nichts anders, als die bey allen Voͤlkern sich findende Sitte in Absicht zur Nahrung gewoͤhn- licher und nicht gewoͤhnlicher Thiere sey, die bey den Juden von Moses durch gesetzliche Bestaͤtigung bin- dender und bleibender gemacht worden, und sich theils aus Nachahmung aͤhnlicher aͤgyptischer Sitte, theils einer im Clima von Palaͤstina gegruͤndeten Diaͤte- tick, oder auch aus der Absicht des Gesetzgebers, sein Volk von den benachbarten immer abgesondert zu erbalten, erklaͤren lasse. Art speisen zu muͤssen, duͤrfte auch wahrscheinlich nicht viel groͤßer seyn, als sie es in vermischten pro- testantisch katholischen Landen ist, wo der protestan- tische Landwirth seinem katholischen Gesinde, an den woͤchentlichen und uͤbrigen vielen Fasttaͤgen, auch be- sondere Speisen bereiten lassen muß. Das gemein- schaftliche Essen der Christen und Juden ist uͤbrigens nicht verboten, wenn nur letztere ihre reine Speisen haben, an denen die erstern Theil nehmen oder neben ihnen an derselben Tafel andere genießen koͤnnen. Bey den juͤdischen Knechten, die bey christlichen Landwirthen sich vermiethen, duͤrfte die Schwierig- keit groͤßer seyn, als umgekehrt, weil die Herrschaf- ten sich nicht gern so sehr durch das Gesinde wuͤr- den einschraͤnken laßen. Es koͤmmt aber hiebey auf das Beduͤrfniß der Knechte oder Tagloͤhner an, welche die Landwirthschaft erfodert, da entweder christliche Herrn auch diese kostbaren Arbeiter gebrau- chen oder letztere sich einen geringern Lohn wuͤrden gefallen lassen muͤssen, um ihre Mahlzeit nach dem mosatschen Gesetz zubereitet zu erhalten. Ich bin in dieses Detail nur eingegangen, um zu zeigen, daß die Schwierigkeiten uͤberwindlicher sind, als man geglaubt hat. Immer aber muß man es dem Juden allein uͤberlassen, es mit ihnen zu hal- ten ten wie er will. Es gehoͤrt mit zu der Freyheit, die Jeder in der buͤrgerlichen Gesellschaft mit Recht fo- dern kann, Lasten und Unbequemlichkeiten, die er sich selbst ans irgend einem Grunde aufzulegen fuͤr gut findet — tragen zu duͤrfen, wenn er nur dabey ein brauchbares Glied der Gesellschaft bleibt. Dieß kann der Jude, er mag es mit seinen Speisen und Gebraͤuchen halten wie er will; sein Acker wird gleich gut bestellt werden, wenn es auch mit etwas mehr Beschwerden und groͤßern Kosten fuͤr ihn geschieht. Daß der Jude seine Producte im hoͤhern Preiße hal- ten werde, duͤrfte die Folge dieser groͤßern Kosten, meiner Einsicht nach, nicht seyn. Die Concurrenz der uͤbrigen Landbauer wird dieses nicht erlauben, und der Jude wird den groͤßern Aufwand, den sein Gesetz nothwendig macht, nur sich selbst anrechnen, desto sparsamer leben und sich mit einem geringern Gewinn begnuͤgen muͤssen. Der Jude ist auch zu einer sehr weit gehenden Sparsamkeit schon gewoͤhnt, und es ist eine Bemerkung, die man nicht uͤbersehen muß, daß diese oͤkonomische Tugend des Hebraͤers ihn in Stand setze, manche Schwierigkeiten und Aufwand, welche die Beobachtung seines Gesetzes hervorbringt, leichter zu ertragen. Es ist dieses schon itzt wirklich der Fall. Ein juͤdischer Haushalt R 4 kostet kostet unter ganz gleichen Umstaͤnden in unsern Laͤn- dern allemal ein betraͤchtliches mehr als ein andrer, sowohl wegen der hoͤhern Abgaben und mannigfachen druͤckenden Einschraͤnkungen als auch wegen der Kost- barkeit der nur erlaubten oder an Festtagen vorge- schriebnen Speisen. Und doch bestehn verhaͤltniß- maͤßig und gewoͤhnlich die Juden besser in ihrer Oeko- nomie als die Christen. Ihre außerordentliche, erfin- derische oft uͤbertriebene, Sparsamkeit, ihre ungleich einfachere Lebensart, ihre g r oͤßere Entfernung vom Luxus auch bey den Wohlhabendern, sind hievon nebst ihrer klugen Benutzung aller, auch der kleinsten Vor- theile, der Grund. Wenn man ihre politische Un- tugenden herzaͤhlt, sollte man nicht vergessen, auch diese wichtige politische Tugend dagegen wieder in Anschlag zu bringen, die zuverlaͤßig sowohl bey dem Ackerbau als jedem andern Nahrungswege manche Schwierigkeit, die wir in der Spekulation voraus- zusehen glauben, wieder ausgleichen wird. Ueber die Hindernisse, welche die juͤdische Sabbathsfeyer dem Ackerbau entgegensetzen moͤchte, werde ich mich, weil sie uͤberhaupt bey allen Arten von Arbeit eintrit, unten noch in einem besondern Artikel erklaͤren. Der wuͤrdige Mann, welcher meine Schrift in der allgem. deutschen Bibliothek beurtheilt hat, bemerkt, bemerkt, „daß die Juden im Preußischen immer „Molkenwirthschaft getrieben und Hollaͤndereyen ge- „pachtet haͤtten, welches ihnen aber nachher sey ver- „boten worden, und wuͤnscht zu wissen, ob dieß Ver- „bot aus Besorgniß der Unterschleife, oder wegen ih- „rer Ungeschicklichkeit zur Sache gegeben sey?“ Ich habe deßhalb Nachricht eingezogen und gefunden, daß weder das eine noch das andere, die Ursache die- ses Verbots, sondern dasselbe allein in der allgemei- nen Judenverfassung dieser Lande gegruͤndet gewesen. Nach dieser sind die Juden bloß auf gewisse bestimm- te Gewerbe eingeschraͤnkt und besonders ihnen alle landwirthschaftliche Arbeiten untersagt. Sie haben also auch nie Molkenwirthschaft treiben duͤrfen, aber es heimlich oft gethan, weil die Besitzer und Paͤch- ter der Guͤter, gerade wegen der angefuͤhrten groͤßern Oekonomie den Juden, es vortheilhafter fanden sie hierzu und eben so auch zum Brantweinbrennen (welches ihnen daher auch wirklich, im Dienst Andrer erlaubt geblieben) zu gebrauchen. Diese Schleich- Boschaͤftigung beweiset also nur ein vorzuͤgliches Ver- trauen zu der Induͤstrie der Juden, welche aber freilich, dem einmal bestehenden Gesetz gemaͤß, nicht geduldet werden konnte. R 5 II. II. Die Juden sind nicht wohl faͤhig Hand- werke zu erlernen und auszuuͤben, und die Schwierigkeiten, die sich hiebey finden, schei- nen kaum uͤberwindlich. Ich kann diesen Einwurf nicht unpartheyischer in seiner ganzen Staͤrke, nicht in einem lichtvollen Detail darstellen als es in der eben angefuͤhrten Beurtheilung geschehen ist, daher ich die ganze diesen Gegenstand be- treffende Stelle hier einruͤcke: „Die uralten Gerechtsa- „me“ sagt sener Recensent, „lassen sich nun freylich den „christlichen Zuͤnften sogleich nicht nehmen! Gesetzt „aber man wollte zum Besten des ganzen Staats „uͤber diese Gerechtsame der alten Buͤrger hinaus- „gehen; wie wuͤrde es nun anzufangen seyn, daß die „jungen Juden Handwerke lernten? Sie mußten „doch bey Christen in die Lehre, denn wo sind schon „juͤdische Handwerker? oder wie wenig sind deren? „und von wie wenig Handwerken? Es wuͤrde in „der That schwer seyn, uͤber die Vorurtheile des christ- „lichen Handwerkers wegzukommen; zumal wenn er „merkt, daß ihm und seinen Kindern die alten Ge- „rechtsame genommen werden sollten! Jedoch auch „zugegeben, man braͤchte es durch Ueberredung und „Belohnungen dahin, daß ein christlicher Meister, „seinen „seinen eignen Vorurtheilen entsagte, den ihn sicher „erwartenden Haß und Verachtung aller seiner Gil- „degenossen — groͤßtentheils seiner Verwandten — „nichts achtete; wie soll das Lernen des jungen Ju- „den eingerichtet werden? Soll er ordentliche Lehr- „jahre unter der erforderlichen strengen Zucht und „Subordination unter christlichen Meister und Gesel- „len aushalten? Dazu wuͤrde ein Jude seinen Kna- „ben nicht hergeben. Soll er aber gelinder und be- „quemer gehalten werden, als der christliche Lehr- „jung? Der Vorzug wuͤrde den jungen Juden selbst „gewis zu einem schlechten Handwerker machen. „Soll er bey dem Meister wohnen, schlaffen und „essen? Die Einrichtung der meisten Handwerke „macht dieses unumgaͤnglich erfoderlich, die Verfas- „sung des juͤdischen Ceremonialgesetzes aber unmoͤg- „lich. An seinen vielen Feyer- und Fasttagen darf „er ohnehin nicht, und an unsern Sonn- und Fest- „tagen kann er, wenigstens im Hause des Meisters, „gleichfalls nicht arbeiten. Soll er mit christlichen „Jungen zugleich lernen, oder nur mit seinen Glau- „bensgenossen? Welches Unheil, und welche unauf- „hoͤrliche Zaͤnkereyen wuͤrden im ersten Fall entste- „hen, und der andere wird schwer moͤglich zu ma- „chen seyn. Und welche Handwerke soll der junge „Jude „Jude lernen? Zu allen denen die viel Leibeskraͤfte „erfordern, fehlt es ihm gewoͤhnlich, wie der Verf. „selbst gesteht, an diesen. — Aber, die Nation soll „durch die Uebung und staͤrkere Nahrung, allmaͤhlig „staͤrker werden. — Wo aber ist dann anzufangen? „und wie vertragen sich die vielen Fasten, auch an „Tagen wo die Juden arbeiten duͤrfen, mit den Ge- „schaͤften des Schneiders, des Zimmermanns, des „Tischlers? — Inzwischen wenn der junge Jude „aus einem Lehrlinge ein Geselle wird? — Daß die „christlichen Gesellen ihn nie an ihren Arbeiten und „Einrichtungen werden Theil nehmen lassen, wird „jeder zugestehen, der Handwerksgesellen kennet, „und weiß, daß Vorurtheile durch keine Verordnun- „gen koͤnnen abgestellt werden. — Also bleiben die „juͤdischen Gesellen wieder isolirt; und da sie theuer „zu bekoͤstigen sind, wird es Muͤhe kosten, daß er „bey christlichen Meistern Arbeit erlangt. Wandern, „welches doch bey vielen Handwerken so nuͤtzlich ist, „kann der juͤdische Gesell auch nicht wohl, wenn kei- „ne Gildenverfassung fuͤr ihn da ist; und also wird „er schwerlich viel Geschicklichkeit und Kenntniß ge- „winnen. Aber dem allen ungeachtet werde nun der „junge Jude Meister. Daß er in die Gilden nicht „aufgenommen werden kann, giebt der Verfasser „selbst „selbst zu; aber er soll voͤllig frey arbeiten, und noch „Freyjahre von Abgaben und Unterstuͤtzungen ge- „nießen. Aber scheint es nicht, als wenn man hier „mit der besten Absicht eine Ungerechtigkeit begehe, „wenn man diese neue Ankoͤmmlinge besser setzen woll- „te, als die alten Buͤrger? Was oben wegen der „doppelten Festtage und theurer Bekoͤstigung gesagt „ist, tritt nun bey dem juͤdischen Meister in vollem „Maaße ein. Ein großer Meister, der viele Arbeiten „uͤbernimmt, kann er ohnehin nicht werden. Dazu „gehoͤrt bey den meisten Handwerken, die Einrich- „tung des Wanderns der Gesellen, wodurch er deren „mehr oder weniger nach Maaßgabe der Arbeit erhal- „ten kann. Christliche Gesellen werden nicht leicht „bey ihm arbeiten. Also wird Jude unter Juden „bleiben, ihre Nationalabsonderung wird bleiben. „Und die Schwierigkeit wegen der Gerechtsamen der „Zuͤnfte, wird in manchen Laͤndern immer groß blei- „ben, wo der Landesherr, nach der Verfassung sie „nicht aufheben kann , wenn er auch wollte. In „den Preußischen Landen, wo man zum Besten der „Manufakturen schon außer den zuͤnftigen Wollen- „und Seidenwebern auch unzuͤnftige Arbeiter dieser „Art zulaͤßt Dieß ist nicht ganz richtig. Auch in den Manu- faktu- , wird die Sache schon leichter seyn, „und „und man koͤnnte da eher dem Juden solche unzuͤnf- „tige Manufakturarbeiten verstatten, so wie daselbst „einige von ihnen freye und Mechanische Kuͤnste „ausuͤben.“ Dieser Einwurf ist meiner Einsicht nach, unter allen von dieser Classe, der wichtigste; er ist es um so mehr, je fester und tiefer die Hauptschwierigkeit, auf die es hier ankoͤmmt, in der Verfassung der meisten unserer Staaten gegruͤndet ist und je gewisser doch die Beschaͤftigung der Handwerke, nach meiner Mey- nung, auf die gewuͤnschte Umbildung der Juden den gluͤcklichsten und baldigsten Einfluß haben wuͤrde. Ich will es versuchen, meine Gedanken uͤber die Mittel, die man den beschriebenen Schwierigkeiten entgegensetzen koͤnnte, zu entwickeln, zweifle aber nicht, daß die Erfahrung bald noch ungleich bessere darbieten und die Sache mehr erleichtern werde, als man es der Spekulation nach voraussehen kann, wie dieß schon oft der Erfolg politischer Unterneh- mungen der Art gewesen ist. Die Beschraͤnkung des Rechts zu arbeiten, wel- che fakturen arbeiten nur solche Unzuͤnftige, deren Ge- schaͤft ohnedem nicht zuͤnftig ist. Aber eigentliche unzuͤnftige Weber koͤnnen auch hier nicht mit zuͤnf- tigen arbeiten. che durch die Zunftverfassung in verschiedenen Ge- werben und Handwerken hervorgebracht worden, ist, duͤnkt mich, nach allgemeinen Grundsaͤtzen betrach- tet, sowohl den natuͤrlichen Rechten der Glieder des Staats als dessen wahrem Wohl in gleichem Grade zuwider, und schwerlich duͤrfte ein erleuchteter Staas- verstaͤndiger in irgend einem Lande, das die Zuͤnfte noch nicht kennt, oder in Gewerben, die von ihnen frey geblieben, ihre Einfuͤhrung anrathen. Mit Recht glaube ich, kann man behaupten, daß die Zunfteinrichtung kein Gewerbe vollkommner gemacht, vielmehr oft gerade das Gegentheil hervorgebracht habe, und daß kein Grund diese Einschraͤnkung bey gewissen Gewerben nothwendig erfodere, da andere nicht weniger schwere und verwickelte Kuͤnste ohne sie, gleiche, wo nicht hoͤhere Vollkommenheit er- reicht haben. Die Besorgniß, daß bey verstatteter Freyheit, einige Beschaͤftigungen zu viele, andere zu wenige Haͤnde finden moͤchten, scheint mir kein großes Gewicht zu haben, da die natuͤrliche Conkur- renz hier die Graͤnzen meistens besser reist, als es der Klugheit auch der aufmerksamsten Regierung moͤglich ist. Die Unordnung, daß ein Mensch zu viele und verschiedene Gewerbe anfangen, also in keinem etwas leisten, durch keines sich naͤhren wuͤr- de; de; daß Andre zu den verschiedensten Beschaͤftigun- gen abwechselnd uͤberspringen; daß der Schmidt die Nadel des Schneiders wuͤrde fuͤhren wollen, scheint mir zu wenig in der Natur des Menschen gegruͤndet, um sie mit Recht besorgen zu duͤrfen. Daß dieses von einer ploͤtzlichen mit Geraͤusch angekuͤndigten Ab- schaffung der Zuͤnfte, die erste Folge seyn koͤnne, laͤug- ne ich nicht, aber hievon gilt kein Schluß auf den natuͤrlichen Zustand der Dinge, wenn man ihn nicht gestoͤrt haͤtte; und was in Frankreich bey Tuͤrgots Reformation, die nur fuͤnf Monate waͤhrte Im Maͤrz 1776 wurden von Tuͤrgor die Zuͤnfte aufgeboben, im August desselben Jahrs aber von seinem Nachfolger, Cluͤgny unter gewissen Modi- fikationen wieder hergestellt. Ich habe von dieser wichtigen Veraͤnderung eine umstaͤndliche Nachricht gegeben in meinen Materialien fuͤr die Statistik u. s. w. II, p. 32 u. f. , ge- schah, giebt keinen Beweis von dem, was gesche- hen seyn wuͤrde, wenn die erste Gaͤhrung sich gesetzt haͤtte oder noch mehr, wenn die Reformation gar nicht noͤthig gewesen waͤre. Die Menschen besorgen die Angelegenheiten, die ihr eignes Wohl angehen, meistens dann am besten, wenn man sie nur machen laͤßt. Der wichtige Vortheil von Vertheilung der Arbeit Arbeit; die Festsetzung einer gewissen Lehrzeit (die freilich nach Verschiedenheit der Faͤhigkeiten des Lehr- lings und nach der Muͤhe und den Kosten des Mei- sters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen Privatvergleich, immer verschieden bestimmt werden muͤßte); der Nutzen des Wanderns der Gesellen, die Pflege derselben in Krankheiten; endlich die Verhin- derung schlechter Arbeit und Erhaltung des Credits besonders in den Handwerken, welche fuͤr auswaͤr- tigen Markt arbeiten: — diese, wie es mich duͤnkt, vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung liessen sich auch ohne dieselbe erreichen. Denn es versteht sich von selbst, daß wenn auch keine Zuͤnfte waͤren, doch dem Staat seine Oberaufsicht und Leitung der Ge- werbe und Nahrungswege bleiben muͤsse, wie er die- se auch itzt wirklich bey unzuͤnftigen, wie bey zuͤnfti- gen ausuͤbt und auch immer (nur, wie ich glaube, nicht zu haͤufig, und eigentlich nur in ausserordent- lichen Faͤllen) ausuͤben muß. Ohngeachtet dieser Ueberzeugung indeß halte ich doch in unsern meisten, besonders aber den deutschen Staa- ten, eine voͤllige Abschaffung der Zuͤnfte fuͤr sehr bedenk- lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbraͤuche verbannen wollen, hat schon gezeigt, wie schwer es sey, in diesem Fache zu reformiren. Unsere buͤrgerliche staͤd- S tische tische Verfassung ist zum Theil (vorzuͤglich in den Reichsstaͤdten) mit der zuͤnftigen genau verflochten; unser Volk ist einmal an sie gewoͤhnt, hat sogar ge- wisse Begriffe von Ehre an sie geheftet; jeder Staat haͤngt hierin so sehr von seinen Nachbarn ab, daß eine ploͤtzliche Abschaffung wahrscheinlich sehr nach- theilige Folgen, vieleicht auf lange Zeit, vieleicht wich- tigere, als man vermuthen sollte, hervorbringen duͤrfte. Mir scheint also in dieser, wie in den mei- sten politischen Unternehmungen, eine almaͤhlige, planmaͤßige Verbesserung, successive Abschaffung ein- zelner Mißbraͤuche, und eine gleichsam sich selbst bil- dende Umwandlung, das Rathsamste. Die Ideen des Volks koͤnnen denn mit den Reformen der Re- gierung gleichen Schritt halten; man wird nicht ta- deln, was man kaum, da es geschah, gewahr ward, und die Zuͤnfte werden nicht mehr seyn, ohne daß man sie vermißt. Hier ist nicht der Ort einen sol- chen Plan genauer zu entwickeln; verschiedene Ver- fuͤgungen, die zu ihm gehoͤren, sind schon in meh- rern Staaten, auch durch die bekannten Reichsschluͤsse von 1731 und 1772, und in einzelnen de u tschen Landen, besonders im Preußischen durch noch bestimmtere Ver- ordnungen gemacht; aber ich glaube, man muͤßte noch einige Schritte mehr thun Ueber das fuͤr und wider dieser Materie ist schon sehr . Wenn Wenn indeß die Zuͤnfte in den meisten Laͤndern noch bestehen, auch, wie ich glaube, vors erste und unter gewissen Bestimmungen noch bestehen muͤssen; so ist nur die Frage, ob und wie bey dieser Ein- richtung die Juden zu Handwerken zugelassen werden koͤnnen ? S 2 Einer sehr viel Gutes und auch praktisch Brauchbares ge- sagt, aber erschoͤpft und auf bestimmte, in den mei- sten unserer itzigen Staaten anwendbare Grundsaͤtze gebracht, schei n t sie mir noch nicht. Die wichtigen Gruͤnde wider die Zunfverfassung sind in neuern Zeiten vorzuͤglich von den Physiokraten, und unter den Deutschen von Hr. Schlettwein mit sehr viel Einsicht und Nachdruck entwickelt worden. Unter ihren Gegnern zeichnen sich besonders Hr. Schlos- sers Aufsaͤtze in den Ephemeriden der Menschheit 1776 und 1777 durch aͤchten Scharfsinn und prakti- sche Bemerkungen aus. Die Gruͤnde beyder Par- theyen und auch aͤlterer Schriftfteller findet man mit vielem Fleiße und sehr gutem eigenen Urtheil ge- sammlet in Hr. Firnhabers historisch-polit. Be- trachtung der Innungen . Hannover 1782. 8. Auch in Hr. D. Kruͤnitz oͤkonom. Encyclopaͤdie Th. XXI, ist der Artikel von den Handwerkern mit vielem Fleiß und der bekannten Belesenheit die- ses Gelehrten ausgearbeitet. Einer der wichtigsten, wenn gleich noch nicht uͤberall in der Ausuͤbung, doch in den meisten Laͤn- dern durch Gesetze laͤngst abgeschaften Handwerks- Mißbraͤuche ist unstreitig, die bey den Zuͤnften her- gebrachte Ausschliessung gewisser durch ihre eigene oder ihrer Eltern Lebensart fuͤr unehrlich gehalte- ner Menschen. Ich weiß es, daß Maͤnner von Einsicht, unter denen ich keinen groͤßern, als Hrn. Moͤser S. Patriotische Phantasien I. S. 287 u. s. w. II, S. 285 und an mehrern Orten. , nennen kann, dieser Einrichtung aus dem Grunde das Wort geredt haben, weil sie die Reinigkeit der Sitten und ein gewisses Gefuͤhl von Ehre bey den Handwerkern erhalte, welche durch die Gleichmachung aller Art Menschen und die Her- absetzung der bisherigen Wuͤrde verlieren muͤßten. Gewiß ein Grund, der so wie jede sittliche Folge ei- ner politischen Verfuͤgung, die aͤußerste Aufmerksam- keit der Regierung verdient. Eine etwas vermehrte Induͤstrie kann sicher den Schaden nicht ersetzen, den die Verminderung der auf Sitten und Recht- schaffenheit gegruͤndeten Ehrliebe des Volks ohnfehl- bar hervorbringen muß; und diese Ehrliebe fodert um destomehr Achtung, je schwerer sie, einmal erstickt, von dem Gesetzgeber wieder belebt werden kann. Ich glaube glaube also allerdings, daß man die Handwerker nicht zwingen sollte, Verbrecher oder auch uͤberhaupt unsittliche Personen gewisser Art, in ihre Verbin- dung aufzunehmen; ich schaͤtze sogar ihre Delicatesse, wenn ihnen auch schon ein sehr starker, obgleich nicht rechtlich erwiesener, Verdacht grober Verbrechen (wo indeß doch Mißbraͤuche durch die obrigkeitliche Auf- sicht zu verhuͤten waͤren) hinlaͤnglicher Grund zur Ausschliessung ist; ich moͤchte sogar die Nichtaufnah- me der unehlichen Kinder kaum tadeln, weil die Be- foͤrderung und Ehre des Ehestandes und der Nach- theil der Ausschweifung besonders unter den gemei- nen Staͤnden ein zu wichtiger Gegenstand fuͤr den Staat ist, daß ihm nicht das Interesse einiger, ob- gleich schuldlosen Personen aufgeopfert werden sollte Freylich erscheint diese Materie aus einem andern Gesichtspunkte, nach sehr wichtigen Gruͤnden, in einem andern Lichte. Die Begriffe sind hier noch nicht bis zu der Deutlichkeit aufgehellt, die ihre Wichtigkeit verdiente, und zu der ein philosophischer Kopf, der die Menschen in verschiedenen Lagen und Verhaͤltnissen gruͤndlich kennte und ohne vorgefaßte Meynung lange und genau beobachtet haͤtte, sie lei- ten koͤnnte. Mein Zweck erlaubt mir hier nicht, auch nur in die kleinste Eroͤrterung dieses so viel umfassenden Gegenstandes auszugleiten. . S 3 Mit Mit dem Laster und auch mit der Frucht des Lasters, Schande oder wenigstens Unehre und Unbequemlich- keit in mehrern Abstuffungen verbinden, — ist fuͤr das Gluͤck und die Sittlichkeit der Menschen noth- wendig. Aber hier duͤnkt mich, muß auch feste, nicht zu uͤberschreitende Graͤnze seyn. Laster, Ver- gehen, Unmoralitaͤt muß schaͤnden, trennen, dem, der damit befleckt ist, laͤstig fallen. Niemand ruͤh- re diese Schutzwehr der Tugend an! Sogar durch ungebuͤhrliche Verbindung geboren seyn — bleibe eine Art von Ungluͤck fuͤr den, den es trift, wie physi- sche Mißgestalt, weil das sittliche und politische Gluͤck der Meisten durch dieses Vorurtheil — wenn es eins ist — gewinnt. Aber keine Art der Arbeit, keine Beschaͤftigung, kein Dienst dem gemeinen Wesen und Mitmenschem geleistet, keine Abstammung aus diesem oder jenen Land und Volk muß schaͤnden, muß entehren, muß von dem ersten aller Rechte — dem, Kopf und Haͤnde nach eigner Wahl zu gebrau- chen , ausschliessen koͤnnen. Ungereimt und keiner Ent- schuldigung faͤhig scheint es mir, wenn die Zuͤnfte noch itzt nicht, die Kinder der Leineweber, Muͤller, Schaͤfer, Trompeter, Pfeiffer und Zoͤllner zu- lassen wollen, weil diese Beschaͤftigungen zu des deut- schen Koͤnig Heinrich I. Zeiten, aus denen sich un- sere sere staͤdtische Zunftverfassung herschreibt, von Leib- eigenen getrieben wurden; wenn sie Bader, Wund- aͤrzte und andere Beschaͤftigungen theils aus gleichem Grunde, theils auch, weil sie im zehnten Jahrhun- dert noch nicht in Deutschland waren, ausschließen; wenn sie endlich mit gewissen Verrichtungen, die auf Befehl der Obrigkeit und zum gemeinen Nutzen ge- schehn, Schande verbinden, obgleich der Staat, fals sich Niemand dazu faͤnde mit Geld und Ehre, die Gerichtsknechte, Bettelvoͤgte, Todtengraͤber, Nachtwaͤchter und Nachrichter wuͤrde bezahlen mus- sen. Mag immerhin, ehemals das Wort Unehre einen ganz andern Begriff, als itzt, gehabt und nur die Ausschliessung vom Heerbann angedeutet; mag immer jeder Stand seine nur ihm gehoͤrige Ehre ge- habt haben, von der er freylich alle, welche ausser ihm waren, ausschloß, ohne ihnen deshalb Unrecht zu thun: es koͤmmt hier nicht auf den ehmaligen Sinn jener Worte, sondern auf die Bedeutung an, welche unser itziger Sprachgebrauch ihnen untergelegt hat; nicht auf die Verfassung, in denen jene Aus- schliessungen passend und nothwendig seyn mochten, sondern auf die unsrigen, iu denen sie schaͤdlich sind. Ich kann daher nicht, wie Hr. Moͤser , die Verfasser des Reichsschlusses von 1731, beschuldigen, daß sie S 4 den den Sinn des Worts: Unehrlichkeit verfehlt haͤt- ten, die sie so vielen damit bisher bloß ihrer Lebens- art wegen Befleckten abnahmen. Sie mochten die altdeutsche Bedeutung dieses Worts aus der Geschich- te noch so gut wissen, so mußten sie als Gesetzgeber auf dieselbe durchaus keine Ruͤcksicht nehmen, und sie nicht sich abhalten lassen, den fuͤr unsere Zeiten nothwendigen und wichtigen Grundsatz fest zu setzen, daß kein Geschaͤft oder Arbeit irgend Jemand schaͤnden und in dem heutigen Sinn des Worts unehrlich machen koͤnne . Sie konnten auch hie- rinn um so weniger Bedenken finden, da in Absicht der meisten sogenannten Unehrlichen ihnen schon aͤltere Reichsgesetze Naͤ m lich die Reichsabschiede und Policeyord- nungen von 1530, 1548 und 1577. vorgegangen waren, deren Verfuͤgung die Reichsschluͤsse von 1731 und 1772 nur bestaͤtigt und erweitert haben. Nicht eher als in dem letztern hat man es gewagt, auch den Kin- dern der Nachrichter die Erlernung der Handwerke zu gestatten, doch mit der Clausul, daß sie die Lebens- art ihrer Eltern nicht getrieben haben muͤssen, — eine Nachgiebigkeit, die vieleicht ein zu allgemeines Vorurtheil noch erforderte, da der Reichsschluß von 1731 1731 nur erst die zweyte Generation dieser Classe von Menschen zunftfaͤhig Sogar noch mit der Bestimmung, daß die erste Generation wenigstens 30 Jahre lang eine soge- nannte ehrliche Lebensart getrieben haͤtte. Siehe Keichsschl. wegen Abschaffung der Handwerks- Mißbraͤuche de 1731. Art. 4. Eine Einschraͤnkung, die allerdings die Sache unmoͤglich zu machen schien, denn wie sollte diese erste Generation zu dieser drey- sigjaͤhrigen ehrlichen Beschaͤftigung kommen, da ihr der Zugang zu derselben versagt war? Denn wenn gleich die unzuͤnfrigen Gewerbe diese Closse nicht geradezu ausschliessen, so macht doch auch hier das gar zu maͤchtige Vorurtheil ihre Duldung beynahe unmoͤglich. Diese Betrachtung hat in dem Reichs- schlusse von 1772 die bemerkte Veraͤnderung bewirkt. zu erklaͤren wagte. Ohne zu untersuchen, ob vieleicht diese Nachgie- bigkeit nicht noch zu weit gehe Einige Reichsstaͤnde waren wirklich der Meynung, daß auch diejenigen zu Handwerken zugelassen werden sollten, welche die Arbeit der Nachrichter schon ge- trieben haͤtten, aber sie verlassen wollten. Man vereinigte sich indeß am Ende fuͤr ihre Ausschlies- sung, (jedoch mit Vorbehalt ihrer Ehrenhaftmachung und alsdenn obrigkeitlich zu verfuͤgenden Annah- me) weil man die gemeine Meynung zu empfind- lich anzugreiffen, und wegen der Verbindung der Zuͤnfte glaube ich doch ge- S 5 wiß wiß behaupten zu koͤnnen, daß es dem Vorurtheil zu viel eingeraͤumt waͤre wenn man den Zuͤnften noch ferner gestatten wollte, sich durch die Annahme der Juden befleckt zu halten, denen doch Wissenschaften, schoͤne und freye Kuͤnste nebst der Handlung in ihrem weite- Zuͤnfte mit der staͤdtischen Verfassung zu viele In- convenienzien besorgte, der Fall auch ohnedem nur selten vorkommen wuͤrde. Auch mir scheinen diese Gruͤnde das Uebergewicht zu haben, nur, muß ich gestehen, wuͤnschte ich aus dem Reichsschluß und den meisten sich darauf gruͤndenden deutschen Lan- desgesetzen den Ausdruck: die verwerfliche Arbeit ihrer Eltern , weg, weil dem Gesetzgeber eine so unentbehrliche Arbeit nicht verwerflich seyn darf. Auch will ich noch eine interessante Erfah- rung hier anfuͤhren, welche die Besorgniß wider- legt, man moͤchte einen Mangel an Abdeckern und Nachrichtern haben, wenn man nicht die ungluͤck- lichen Nachkommen der itzigen auf immer an dieses Geschaͤft fesselte, das, glaubt man, freywillig Nie- mand uͤbernehmen wuͤrde. — Die Erwaͤhnung die- ses Grundes auf dem Reichstage veranlaßte im Jahr 1771 in der Mark Brandenburg eine Untersuchung uͤber das Herkommen dieser Leute, und man fand, daß die Haͤlfte derselben nicht Nachrichter zu Vaͤtern gehabt, weitesten Umfange offen stehen und die so oft eines besondern Vertrauens der Fuͤrsten in Muͤnz- und an- dern Geschaͤften, nicht immer zum Vortheil der Un- terthanen, gewuͤrdigt sind. Wenn die Gesetze es bis- her den Zuͤnften nicht zur Pflicht gemacht haben, auch juͤdische Knaben anzunehmen, so liegt der Grund davon ohne Zweifel darinn, daß von der einen Seite die Juden bis itzt eben so wenig Lust als Faͤhigkeit zu den Handwerken bezeugten, und von der andern Seite, diese ihnen in den meisten Laͤndern ausdruͤcklich untersagt waren. Denn so gut ich auch die Staͤrke des Vorurtheils kenne, kann ich mich doch nicht uͤber- zeugen, daß eben die Gesetzgeber, welche die Unge- reimtheit anerkannten, die Soͤhne der Leinweber, Muͤller, Schaͤfer, Nachrichter, fuͤr unehrlich und zur Arbeit unfaͤhig zu halten, doch noch immer in Absicht der Juden hierinn, wie der Poͤbel, gedacht und sie geflissentlich uͤbergangen haben sollten. Die Gesetzgebung hat auch in manchen Laͤndern in der That gehabt, sondern aus Noth, Verzweiflung und Lie- derlichkeit dieß Geschaͤft freywillig uͤbernommen ha- be; dagegen hatten viele Soͤhne der hiesigen Ab- decker sich in die Fremde verlaufen, wahrscheinlich in der Absicht dort unbekannt das Geschaͤft, zu dem die Geburt sie hier verdammte, zu verlassen. That bewiesen, daß sie diesen Verdacht auf keine Weise verdiene, da sie sogar die Zigeuner, eine in dem Gedauken unsers Volks noch weit mehr verach- tete und allerdings auch verwildertere Menschenart, der Handwerkszuͤnfte faͤhig erklaͤrt hat, wie dieses schon durch ein Chur-Braunschweigisches Edict vom Jahr 1712 Herr D. Kruͤnitz fuͤhrt dasselbe an in der Oeco- nom. Encyclopaͤdie , XXI, S. 502. geschehen ist. Ich sehe also keinen Grund, warum man nicht die Zuͤnfte anhalten wollte, auch juͤdische Knaben in die Lehre zu nehmen. Anfangs muͤßte man freylich einigen Widerstand erwarten, aber er wuͤrde sich verliehren, wie er in Absicht der durch die aͤlteren Ge- setze erst zuͤnftig erklaͤrten Personen sich allmaͤlig ver- lohren hat. In Deutschland wuͤrde hiezu freylich ein allgemeiner Reichsschluß erfodert werden, und wenn derselbe, wegen des Antheils, den in den Reichs- staͤdten die Zuͤnfte an Regierungsrechten haben, nicht zu bewirken waͤre, muͤßte zunaͤchst eine Association mehrerer Staͤnde seine Stelle vertreten. Die großen Staaten, (vorzuͤglich die weitlaͤuftige und wohl ar- rondirte oͤsterreichische wie auch die preußische Mo- narchie koͤnnten hierinn schon mit groͤßerer Freyheit fuͤr sich handeln, da sie der Verbindung ihrer Hand- werker werker mit fremden weniger beduͤrfen Es ist uͤbrigens bekannt genug, daß auch ohne Reichsschluß und Association jeder Reichsstand diese, so wie andere Versuͤg n ngen in Handwerkssachen, in seinem Lande allein zu treffen, vollkommen befugt ist, da dieses Recht allerdings mit zur Landesho- heit gehoͤrt, und nur wegen der Schwierigkeit der Ausfuͤhrung in einzelnen und besonders kleinen Staaten, ohne Concurrenz der uͤbrigen und benach- barten, zu einem Gegenstande der reichstaͤglichen Berathschlagung gemacht ist. Die Staͤnde haben sich nicht nur diese ihre Befugniß, nach Befinden besondere Ordnungen und Einrichtungen wegen der Handwerke zu machen, sondern auch das Recht die Zuͤnste ganz abzuschaffen , ausdruͤcklich vorbehal- ten, wie dieses noch 1672, da das Project des erst 1731 mit der Kayserlichen Ratifikation versehenen Reichsschlusses entworfen wurde, geschehen ist. Merkwuͤrdig, wie ich aus den Comitialacten dieses Jahrs ersehen habe, ist, daß damals mehrere Stim- men sehr nachdruͤcklich sich fuͤr die gaͤnzliche und allgemeine Abschaffung der Zuͤnfte erklaͤrten, die sie der Induͤstrie und Nabrung der Unterthanen sehr nachtheilig bielten. . Sollte man indeß hiebey noch anfangs Bedenken finden, so wuͤr- de zunaͤchst noch der gelindere Weg offen bleiben, den ich ich schon im ersten Theile bemerkt habe, daß man juͤdischen Handwerkern das Arbeiten erlaubte, auch ohne in eine Innung aufgenommen zu seyn, gegen die Bedingung, versteht sich, daß gleiche Lasten, wie von den Zunftgenossen, auch von ihnen getragen wuͤrden. Ich habe sogar, weil ich es fuͤr so sehr wichtig halte, die Juden bald zu dieser Beschaͤfti- gung zu leiten, einige Ermunterungen fuͤr die juͤdi- schen Handwerker vorgeschlagen. Man hat dieses fuͤr die zuͤnftigen unbillig finden wollen; ich kann aber nach folgenden Gruͤnden nicht so urtheilen. Die Anstellung neuer unzuͤnftiger Meister kann den aͤltern keinen groͤßern Nachtheil bringen, als die sie auch von neuen zuͤnftigen im gleichen Grade er- warten muͤssen. Dieser Anzahl kann bey allen soge- nannten ungeschlossenen und auch bey den geschlos- senen Handwerken nach dem Gutfinden des Lan- desherrn vermehrt werden, ohne daß die Innungen es wehren duͤrfen. Es ist eine sehr gewoͤhnliche Sa- che, daß bey allen Handwerken sogenannte Frey- meister , welches gewoͤhnlich solche Leute sind, denen an den Erfordernissen der Zunft etwas abgeht, an- gestellt werden, und in vielen Landen haben die Soldaten das Recht alle Arten von Gewerben und Handwerken zu treiben, ohne daß sie einmal die Ab- gaben gaben der uͤbrigen Buͤrger und Handwerker entrich- ten. Um so weniger koͤnnen diese also sich beschwe- ren, wenn der Staat auch juͤdische Arbeiter zu Frey- meistern erklaͤrte, und ihnen dabey eine Gewerb- und Nahrungssteuer auflegte, die den Abgaben der zunftmaͤßigen Handwerker gleich kaͤme. Dieses Mit- tel gehoͤrt uͤberhaupt vorzuͤglich zu denen, durch wel- che die Zunftverfassung almaͤhlig abgeaͤndert und vors erste weniger nachtheilig gemacht werden koͤnnte. Wer zur Innung gehoͤrt, genieße ihre Vortheile in Absicht des gegenseitigen Beystandes, des bessern Fortkommens in allen Laͤndern, wo noch Zuͤnfte sind, der Unterstuͤtzung bey der Wanderschaft, des groͤßern Vertrauens des Publikums, wenn anders die Zunft- verfassung es einfloͤßen kann. Nur das Recht zu arbeiten werde, wenn es noch nicht allgemein freu gegeben werden kann, doch wenigstens ohne Schwie- rigkeiten Allen verliehen, die auch ohne ihre Geschick- lichkeit zunftmaͤßig erprobt zu haben, auf ihre Ge- fahr sich von derselben naͤhren wollen. Geschickte und fleißige zuͤnftige Arbeiter werden durch diese ver- mehrte Concurrenz nicht leiden, und wuͤrde auch ihr Vortheil etwas gemindert, so muß er dem des ge- meinen Beßten nachstehen. Eine zu große Vermeh- rung in einzelnen Handwerken darf man nicht be- sorgen. sorgen. Wo Freyheit und eine weise, gemaͤßigte Aufsicht der Obrigkeit ist, entsteht bald das richtige Verhaͤltniß jeder Art Arbeiter von selbst, wie es La- ge und Umstaͤnde jedes Orts erlauben. So nuͤtzlich mir die haͤufige Anstellung der Frey- meister zu Belebung der durch die Zuͤnfte beschraͤnkten Induͤstrie scheint; so billig und noͤthig halte ich es von der andern Seite, diesen unzuͤnftigen Arbeitern (wie es doch in manchen Laͤndern geschieht) durch- aus keine Vorzuͤge und Erleichterungen vor den zuͤnf- tigen zuzugestehen, sondern sie nicht groͤßern und ge- ringern, sondern gerade denselben Abgaben und La- sten zu unterwerfen. In einzelnen Faͤllen koͤnnen indeß besondere Gruͤnde Ausnahmen von dieser Re- gel anrathen, und es scheint mir, daß der Zweck, die Juden zu der Arbeit des Handwerkers zu gewoͤh- nen und dadurch sie zu bessern Gliedern der Gesell- schaft umzubilden, eine solche Ausnahme rechtfer- tige. Ich habe deshalb nicht bloß die Erlaubniß auch außer der Zunft zu arbeiten, sondern auch Frey- jahre von Abgaben und andere Ermunterungen fuͤr den anfangenden juͤdischen Handwerker gewuͤnscht. Die aͤltern Buͤrger haben in ihrem zuͤnftigen Ge- werbe so Vieles durch groͤßere Geschicklichkeit, Kund- schaft, meistens groͤßern Wohistand voraus, und die Juden Juden, welche zuerst einen Versuch mit Handwer- ken machen, werden dagegen mit so vielen Schwie- rigkeiten, Hindernissen, die sie selbst und andere ihnen bereiten, zu kaͤmpfen haben, daß nur dadurch einige Gleichheit zwischen beyden Theilen entstehen kann, wem der Staat zutritt und letztere bey ihren groͤßern Lasten unterstuͤtzt. Ohne diese Unterstuͤtzung wuͤrden sie schwerlich bestehen koͤnnen und auch mit derselben werden sie gewiß noch lange den zuͤnftigen Handwerkern nicht merklichen Abbruch thun. Wenn die buͤrgerliche Verbesserung einer Classe von Men- schen, die im Lande geboren sind, fuͤr dasselbe noch wichtiger ist, als die Vermehrung der Einwohner durch fremde Colonisten, welche bloß durch Wohl- thaten und Vorzuͤge vor den alten Einwohnern, ge- lockt werden; so ist der Staat gewiß noch eher berech- tigt, jenen als diesen sie zu billigen, und die uͤbrigen Un- terthanen koͤnnen dieses nicht als ein Unrecht fuͤr sie ansehen, da ohne dieses Mittel der Zweck des allge- meinen Wohls nicht erreicht werden koͤnnte. Daß indeß diese Ermunterungen nur zu Ueberwindung der Schwierigkeiten des Anfangs und nur wenn sie nicht entbehrt werden koͤnnen, bewilligt werden, daß sie mit diesen also aufhoͤren und die juͤdischen Handwer- ker bald moͤglichst den uͤbrigen, auch in Absicht der T Abga- Abgaben, voͤllig gleich gesetzt werden muͤssen, ver- steht sich von selbst. Es bleibt noch der Einwurf, „daß die Juden, „man moͤchte sie nun in die Zuͤnfte einfuͤhren, oder „neben denselben ihnen die Handwerke verstatten wol- „len, doch durch die Beobachtung ihres Ceremonial- „gesetzes sich unfaͤhig machten, von diesen Vorthei- „len Gebrauch zu machen. Der Junge kann nicht „vom Tische seines Meisters essen, nicht alle Tage „arbeiten; der Geselle nicht wandern; der Meister „nicht Lehrlinge halten u. s. w.“ Ich antworte hie- rauf wieder zuerst, daß es des Staats Sache nicht ist, ob und wie die Juden die Rechte, die er ihnen anbietet, gebrauchen werden, und daß er dieses allein ihnen uͤberlassen muͤsse. Itzt kann ein Jude kein Handwerker werden, wenn er nicht zuvor den heilt- gen Glauben seiner Vorfahren feyerlich abschwoͤrt, seinen Eltern und Bruͤdern feindseelig entsagt. Ganz anders wird der Fall seyn, wenn man ihn in die Werkstaͤtte aufnimmt, ohne sich zu bekuͤmmern, wie er mit seinem Glauben es halte? Er wird dann, wie ich schon oft gesagt habe, aufhoͤren ein solcher Jude , wie er bisher war, zu seyn, aber almaͤhlig und unbemerkt. Mag es mit dieser Metamorphose gehn, wie es wolle, genug, wenn er nur ein guter Hand- Handwerker und Buͤrger wird. Freylich wird hie- bey anfangs die Schwierigkeit etwas groͤßer seyn, als beym Ackerbau, weil die Bestimmung zum Hand- werk in fruͤhen Jahren geschehen muß, auch mit groͤßerer Abhaͤngigkeit verbunden ist, und ein juͤdi- scher Vater nicht leicht seinen Sohn bey einem christ- lichen Meister in eine Lage setzen wird, wo er sein Gesetz nicht beobachten koͤnnte. Indeß moͤchte es doch auch der juͤdischen Vaͤter geben, denen es eine angenehme Aussicht seyn duͤrfte, daß ihre Nachkom- men von den Lasten, die sie gedruͤckt, befreyet, in einem bessern Zustande, als der ihre war, sich befinden werden. Andere koͤnnten mit dem Meister, dem sie ihren Sohn anvertrauen, wegen dieser Dinge einen besondern Vergleich schließen, und so wie man gan- ze Lehrjahre abkaufen kann, muͤßte auch das Necht- arbeiten am Sabbath durch Geld, oder laͤngere Lehr- zeit, oder auch durch Arbeiten und haͤusliche Dien- ste am Sonntage, erkauft werden. Weit wirksamer indeß wuͤrde diesen Schwierigkeiten dadurch begegnet werden, wenn man bald anfangs aus den Laͤndern, wo die Juden schon itzt Handwerke treiben, einige Meister verschriebe und durch sie mehrere anziehen ließe. Der Vortheil, den der Staat sich versprechen duͤrfte, wenn er seine Juden von dem Kleinhandel T 2 zu zu Handwerken leiten koͤnnte, scheint mir so groß, daß ich glaube, solche fremde juͤdische Handwerker verdienten alle die Ermunterungen, welche man sonst fremden Arbeitern, die man noch gar nicht oder nicht in gehoͤriger Menge hat, zu bewilligen pflegt. Frei- lich muͤßte man suchen, diese Handwerker so geschickt als moͤglich zu erhalten, indeß im Nothfall, um nur den Hauptzweck zu erreichen, auch mit weniger ge- schleckten vorlieb nehmen, wie die meisten juͤdischen Handwerker in Polen seyn sollen. Ihre Zoͤglinge wuͤrden dann schon in einem Lande, wo Gewerbe und mechanische Arbeiten uͤberhaupt zu einer gewissen Vollkommenheit gebracht waͤren, bald ihre Meister uͤbertreffen und dann waͤren die Schwierigkeiten des Anfangs gehoben. Die einheimischen Lehrlinge zu fremden juͤdischen Meistern zu schicken waͤre gleichfalls ein, obgleich we- niger vortheilhaftes Mittel, daß also der Staat dem freyen Willen der Eltern uͤberlassen aber nicht befoͤr- dern muͤßte. Die meisten Schwierigkeiten wuͤrden von selbst aufhoͤren, wenn nur erst viele Juden den Ackerbau oder auch mechanische freye Kuͤnste und unzuͤnftige Arbeiten bey Manufarturen oder einzeln getrieben haͤtten. Diese wuͤrden denn schon von manchen buͤr- gerlich nachtheiligen Vorurtheilen frey werden, und weni- ger Bedenken haben, auch ohne aͤngstliche Restrictio- nen ihre Kinder einem christlichen Handwerker in die Lehre zu geben. Ich halte es daher sowohl um dieser Folge als an sich selbst fuͤr vorzuͤglich wichtig, die Juden soviel moͤglich zu allen nicht zuͤnftigen Be- schaͤftigungen durch Ermunterungen und einige Er- schwerung in Absicht des Handels, hinzuleiten. In manchen schoͤnen Kuͤnsten haben es einzelne Juden schon weit gebracht Ich habe ein Beyspiel gehoͤrt, wie der unerleuch- tete Religionshaß oft auch dieß erschwere. Vor ei- nigen Jahren kam ein junger Jude, der die Mahle- rey gelernt hatte, nach einer beruͤhmten Stadt Deutschlands, um durch den Gebrauch der dorti- gen Gallerie es in seiner Kunst noch weiter zu brin- gen. Aber man verstattete ihm nicht den Besuch der Gallerie, weil er beschnitten war. . Indeß koͤnnen diese nicht viele Menschen beschaͤftigen, und die mechanischen Kuͤnste sind in politischer Absicht wichtiger. Beson- ders sollten die Juden bey den unzuͤnftigen Arbeiten der Fabriken gebraucht werden. Es geschieht dieses noch bis itzt sehr wenig, und selbst juͤdische Entre- preneurs großer Manufacturen, haben wenige Ar- beiter ihrer Nation, welches theils eine Folge des T 3 einmal einmal zur Gewohnheit gewordenen Hanges der Ju- den zum herumschweifenden Troͤdel-Handel theils des Vorurtheils des gemeinen Volks unter den Christen, welches nicht gern mit Juden arbeitet, ist. Die Regierung wuͤrde bey diesen Umstaͤnden wohl nicht uͤbel thun, wenn sie, so wie dem juͤdischen Caltiva- teur einige juͤdische Knechte, so auch dem juͤdischen Fabrikanten, eine verhaͤltnißmaͤßige Zahl juͤdischer Arbeiter zur Bedingung machte. Hielte er sie nicht so wuͤrde er (fals er nicht die Unmoͤglichkeit beweisen koͤnnte) eine gewisse Abgabe bezahlen, dagegen aber fuͤr eine die gesetzmaͤßige Norm uͤberschreitende Zahl eine Belohnung erhalten muͤssen. Vielleicht koͤnnte man auch so weit geben, jeden neuen Fabrikanten, der irgend Vortheile vom Staate genoͤße (denn ohne diese waͤre die Einschraͤnkung unbillig) zu verpflichten, einige juͤdische Arbeiter zu halten, so wie auch jedem Freymeister fuͤr das Recht außer den Zuͤnften zu ar- beiten, die Verbindlichkeit aufzulegen, einen juͤdi- schen Lehrjungen anzuziehen oder einen Gesellen die- ser Nation zu ha ten. Man hat es mir als etwas meinen allgemeinen Aeusse ungen Widersprechendes vorgeworfen, wenn ich zuweilen einschraͤnkende Zwangsmittel vorschlage. Freilich halte ich uͤberhaupt es fuͤr das Beßte, die Men- Nenschen in ihren Beschaͤftigungen und in der Be- sergung ihres Gluͤcks meistens sich selbst zu uͤberlas- sen und die natuͤrlichen Rechte so frey und unbeschraͤnkt, als nur irgend moͤglich ist, zu erhalten. Auch zu große Freyheit kann selten schaden, zu wenige schadet ge- wiß. Aber einige Einschraͤnkung dieser Freyheit ist in unsern buͤrgerlichen Gesellschaften nun einmal nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma- chen, das seit so vielen Jahrhunderten sich gebildet hat, sind auch zuweilen gewaltsamere Mittel nicht ganz entbehrlich. Was unsere Kunst nun einmal verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder zurechte gebracht werden. Besonders ist dieses bey lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei- len der Fall, wie die, von denen hier die Rede ist. Ich bin uͤberzeugt, daß diese in Absicht der Juden bey uns und ihnen selbst in der Folge gewiß ver- schwinden werden, und daß sie, wenn man ihnen nur buͤrgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera- tionen sich auch derselben vollkommen wuͤrdig machen und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe so tuͤchtig wie andere seyn werden. Nur zuerst wird der unnatuͤrliche Zustand, in welchem die Nation sich itzt befindet, durch einige nicht ganz natuͤrliche Mittel unterbrochen werden muͤssen. Ist dieses ein- T 4 mal mal geschehen, so versteht sich, daß alsdann jene nur fuͤr eine Zeit und aus Noth gemachte Verfuͤgungen wieder aufhoͤren, und Alles wider sich selbst uͤberlas- sen werden muͤsse. Wer gegen alle kuͤnstliche und zuwei- len sogar gewaltsame Mittel sich erklaͤrt, bedenkt nicht, daß wir uns nicht mehr im natuͤrlichen Zustande be- finden, daß vielmehr unsere so mannichfach verwik- kelte Verfassungen uns laͤngst an kuͤnstliche Mittel ge- woͤhnt haben und diese uns wirklich natuͤrlich ge- worden sind. Die Umbildung einer so betraͤchtlichen Menge bisher der Gesellschaft nicht nur laͤstiger, sondern wirk- lich schaͤdlicher und fuͤr sich ungluͤcklicher Menschen zu brauchbaren und begluͤckten Buͤrgern, ist ein so wichtiger Vortheil, daß er, duͤnkt mich, auch durch noch groͤßere Einschraͤnkungen und beschwerlichere Zwanggesetze, als ich vorgeschlagen habe, nicht zu theuer erkauft wuͤrde. Ich vertheidige deshalb diese Einschraͤnkungen, nicht an sich , also auch nicht in andern Umstaͤnden , auch nicht fuͤr immer , sondern nur als Mittel zu diesem besondern Zweck, nur, wenn man will, als kleineres Uebel , um ein groͤßeres abzuwenden. Aus diesem Gesichts- punkte halte ich es alle dings fuͤr billig, die Juden durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer- kern kern zu bilden, wenn es auch auf Kosten und mit ei- nigem Nachtheil der aͤltern Buͤrger geschehen sollte; und so auch diese hiebey zur Mitwirkung anzuhalten. Eben so wuͤrde ich, weil ich die Handwerke fuͤr ein so wesentliches Mittel zur Besserung der Juden an- sehe, anfangs nicht wider einigen Zwang bey ihnen selbst seyn. Ein Vater, der mehrere Soͤhne haͤtte, muͤßte wenigstens einen einer mechanischen Kunst oder einem Handwerk widmen, und besonders muͤßte der uͤbertriebenen Neigung zum Handel wirksam entge- gen gearbeitet werden. Vieleicht waͤre es noch nicht genug, wie ich schon vorgeschlagen, die Zahl der handelnden Juden zu beschraͤnken oder wenigstens durch Abgaben zu erschweren; ich wuͤrde vielmehr rathen, auf dem Lande (wenn er bisher erlaubt war) und in allen kleinern Staͤdten, den Juden den Kleim handel almaͤlig ganz zu verbieten, sobald naͤmlich erst diejenigen ausgestorben seyn werden, welche nun einnal mit nichts anderm sich naͤhren koͤnnen. Sollte es einer Regierung gelingen, die Juden von einer Beschaͤftigung ganz abzuleiten, durch die sie vornem- lich verderbt geworden sind, und die sie fast nicht an- ders als zum Nachtheil ihrer Mitbuͤrger treiben koͤn- nen, und waͤre es moͤglich in etwa funfzig Jahren den groͤßern Theil der Juden zu Landbauern, Hand- T 5 werkern werkern und Kuͤnstlern umzuschaffen; so, glaube ich, wuͤrde das Problem ihrer sittlichen und buͤrgerlichen Verbesserung ganz aufgeloͤßt seyn. Ich gestehe, daß diese Umschaffung schwer sey, Zeit und Nachdenken fodere, aber unmoͤglich halte ich sie nicht, wenn man die Reforme der bisherigen Jadenverfassung im Ganzen vorzunehmen, sich ein- mal entschließen wollte. Durch die angegebenen Mittel wuͤrde sicher der Zweck erreicht werden koͤn- nen. Die Bahn, die zu ihm fuͤhrt, wird immer mehr sich ebnen, wenn man nur einmal die Schwie- rigkeiten sie zu finden, uͤberwunden und sie zu gehn sich entschlossen hat. Nur noch ein Wort von ein paar oben angefuͤhrten speciellen Einwuͤrfen will ich hinzusetzen. Der juͤdische Lehrling muß unstreitig unter glei- cher Stronge und Subordination, wie der christliche, gehalten werden. Ich sehe keinen Grund, warum hier ein Unterschied statt finden sollte. Der arme Judenjunge ist zu einer knechtischen Behandlung ge- wiß nicht weniger geuͤbt, als der christliche, da er sie so oft noch als Mann erdulden muß. Der wohlha- bendere Jude koͤnnte, wie es auch bey dem Christen nicht ungewoͤhnlich ist, unbedenklich wegen besserer Be- handlung sich mit dem Meister vergleichen. In diese Details Details darf die Regierung sich nicht einlassen, ob sie gleich freilich in den meisten Laͤndern an der Ein- richtung der Lehrjahre und an der Behandlung der Lehrlinge noch zu bessern haͤtte. Wandern, duͤnkt mich, koͤnnte der juͤdische Geselle allerdings und muͤßte es, um die noͤthige Geschicklichkeit zu erwerben. Waͤre er erst zuͤnftig, haͤtte es kein Bedenken, aber auch unzuͤnftig, duͤrfte er in der Fremde nur bey juͤdischen oder andern Freymeistern arbeiten. Ist nur erst die Hauptschwierigkeit wegen des Lernens bey einem christlichen Meister uͤberwunden und werden zugleich die angezeigten und andere Mittel von der Regie- rung angewandt, so wird es bald an juͤdischen Ge- sellen und Lehrlingen nicht fehlen, die denn zunaͤchst und ehe die Unterscheidungen sich ganz abgeschliffen haben, einen Meister ihrer Nation vorziehen werden. — Doch gerade dieses ist eine Materie, wo die Aus- uͤbung einiger Jahre und die richtige Beobachtung und Benutzung der Local-Berhaͤltnisse uns gewiß weiter bringen wird, als alles Theoretisiren, wel- ches denn doch auch, wenn es gluͤcklich genug waͤre fruͤh oder spaͤt jene practische Versuche hervorzubrin- gen und zu leiten, seinen guten Werth behalten wird. III. III. Es ist sohr wahrscheinlich, daß unter den Juden die Lehre von der Nichtverbindlichkeit eines Eydes vor christlichen Richtern oder uͤberhaupt einem Christen abgelegt, wenn auch nicht allgemein, doch sehr herrschend sey. Was Eisenmenger hieruͤber sagt, gehoͤrt nicht zu seinen ungerechten Klagen. Hieraus allein folgt schon das Unrecht, welches ein Staat seinen uͤbrigen Buͤrgern durch Gleichmachung der Juden mit ihnen, zufuͤgen wuͤrde. Denn wer sich berechtigt glaubt, die feyerlichsten Anrn- fungen des hoͤchsten Wesens gebrauchen und durch dieselben Jeden, der nicht mit ihm zu einer kirchlichen Gesellschaft gehoͤrt, hinterge- hen zu duͤrfen, ist fuͤr alle seine Nebenmenschen gefaͤhrlich; schon der Verdacht einer solchen alle oͤffentliche Treue zerstoͤrenden Lehre muß immer mißtrauisch gegen die Juden machen und wird nie erlauben ihnen gleiche Rechte mit denen zu bewilligen, die keine Verhaͤltnisse kennen, in denen ihre Luͤge von dem Himmel selbst gebilligt und geheiligt waͤre. So wichtig dieser Einwurf allerdings, wenn er einigermaßen bewiesen waͤre, seyn wuͤrde, so unbe- deu- deutend, muß ich gestehen, schien er mir doch bey meinen vorigen Untersuchungen, dadurch zu werden, weil er segar keinen Beweis fuͤr sich hatte, der zur Widerlegung nur reitzen koͤnnte, der nicht schon in sich selbst jedem denkenden und nicht ganz partheyt- schen Mann sich widerlegen muͤßte. Ich glaubte also diesen Vorwurf mit denen von Vergiftung der Brun- nen und vom Schlachten der Christenkinder auf gleiche Weise behandeln, das heißt, seine Ungereimtheit nicht zeigen zu duͤrfen. Diese, hoffte ich, wuͤrde schon dadurch Jedem, der auch nicht tiefer in die Sache eingehn wollte, einleuchtend werden, daß die Obrigkeiten aller Staaten, in denen itzt Juden le- ben, sie zum Eide zulassen und nach demselben er- kennen, welches sie doch, ohne die Rechte der uͤbri- gen Buͤrger auf eine unverantwortliche Art zu ver- letzen, nicht thun koͤnnten, waͤren sie nicht von der Falschheit jenes Vorgebens uͤberzeugt. Eisenmenger ist es, der diese schwarze Anschuldigung vorzuͤglich geltend gemacht und in den Umlauf gebracht hat, in dem sie sich noch immer, gleich so mancher unge- pruͤften Verlaͤumdung des einzelnen Menschen oder einer ganzen Nation, erhalten hat, und nun noch mehr erhalten duͤrfte, da selbst ein Michaelis , so sehr er auch sonst Eisenmongern Gerechtigkeit wie- derfah- derfahren laͤßt, doch dieser Anklage desselben beyzu- stimmen scheint. Eine so wichtige Autoritaͤt legt mit die Verbindlichkeit auf, zu zeigen, daß Eisenmen- ger auch gerade in diesem Puncte sich ganz als Ei- senmenger zeige. Ich hatte gehoft, daß Jeder, der sein hieher gehoͤriges Capitel mit einiger Aufmerk- samkeit lesen wuͤrde, dieses von selbst fuͤhlen muͤßte und nie haͤtte ich geglaubt, daß einem Michaelis die Schwaͤche der angefuͤhrten Beweise entgehen koͤnnte. Es ist mir dieses um so mehr befremdend, da diese Schwaͤche schon von mehrern wuͤrdigen Maͤnnern, sowohl Rechtsgelehrten, als der neuern juͤdischen Religionslehren vorzuͤglich kundigen Orien- talisten mit ganz uͤberzeugender Gruͤndlichkeit darge- stellt worden, von denen ich unter den ersten nur ei- nen Stryck In Dissert. de interr. inept. §. 48, wo er das roͤ- mische Gesetz, welches einen Juden unfaͤhig erklaͤrt, gegen einen Christen ein Zeugniß abzulegen, gerade- zu und gewiß mit gukem Recht ungereimt nennt. , Wolfart Im Tract. jurid. de Juramentis Judæorum. Frft. \& Lips. 1748. und Heisler In einer kleinen Schrift: Beantwortung der Frage, ob die Zulassung eines Juden- eyde- , anfuͤh- anfuͤhren will, daher ich um so mehr eine schon gethane Arbeit noch einmal zu thun uͤberfluͤßig halten mußte. Ich gestehe, daß ich auch noch einen gewisser- maßen sittlichen Grund hatte, der mich geneigter machte, diesen Vorwurf lieber mit Verachtung vor- beyzugehen, als durch eine umstaͤndliche Widerlegung ihm eine Aufmerksamkeit zu beweisen, die theils un- verdient war, theils auch, wie es mir schien, nach- theilige Folgen hervorbringen konnte. Oeffentliche Treue, Heiligkeit des feyerlich gegebnen Worts und Zeugnisses, — sind fuͤr die buͤrgerliche Gesellschaft so wie fuͤr den ganzen sittlichen Werth des Menschen so eides wider einen Christen bedenklich sey ? Halle, 1778. — Aus einer zu Mantua im Jahr 1775 gedruckten Schrift: Lettera Apologetica nell' occasione di certo libro sotto il titolo di Dissertazione del- la Religione e del Giuramento degli Ebrei. 4. welche mir ohnlaͤngst in die Haͤnde gefallen, habe ich ge- lernt, daß auch in Italien die Eisenmengerischen Anklagen gemacht, aber auch dort eben so buͤndig und fast mit denselben Gruͤnden, wie es schon laͤngst in Deutschland geschehen, beantwortet sind. Auch dieser Verfasser bemerkt, daß die groͤßten Kenner des juͤdischen Religionssystems immer die Falschheit dieser Beschuldigungen anerkannt haben. so wichtig, daß ich immer ungern das gerade Gefuͤhl des ehrlichen Mannes durch spitzfindige Eroͤrterun- gen einer casnistischen Moral unterbrochen, und die- se Angelegenhelt des Gewissens und Herzens zu dem Gegenstande einer sophistischen Gruͤbeley herabgewuͤr- diget sehe. Eben dadurch hofte ich die Juden gegen eine so schaͤndliche Anklage am besten zu retten, und bey denen unter ihnen, die etwa meine Schrift lesen moͤchten, das sittliche Gefuͤhl und den Werth, den sie auf sich selbst setzen muͤßten, zu beleben, — wenn ich sie hier, nicht vertheidigte . Alle diese Betrachtungen werden indeß durch die itzige Ernenerung eines so wichtigen Vorwurfs uͤber- wogen. Denn allerdings koͤnnen die Juden nie bes- sere Menschen und Buͤrger werden, wenn sie die Heiligkeit des in unserer Gesellschaft nun einmal unentbehrlich geglaubten Eides nicht anerkennen und uns doch durch dessen Schein betruͤgen, wenn es ih- nen religioͤse Vorschrift ist, den Staat, der sie schuͤtzt, den Mitbuͤrger, dessen Leben, Ehre und Eigenthum von ihrem beschwornen Worte abhangen kann, durch die feyerlichsten Anrufungen der Gottheit zu hinter- gehn. Weg denn mit diesen Unmenschen, und wenn sie noch so gute Soldaten werden, noch so viel Geld in die Cassen unserer Fuͤrsten liefern koͤnnten! Sie spotten spotten der allgemeinen Gefuͤhle der Menschheit, zerreißen ihre festesten Bande, bereiten sich einen schaͤndlichen Gewinn aus der verhoͤhnten Tugend ih- rer Bruͤder! Weg mit ihnen auf irgend eine wuͤste In- sel, damit sie selbst in ihrem Verbrechen sich aufreiben oder durch die bitterste Erfahrung um gebildet werden. So gewiß ich diesem Verbannungen theil beystim- men wuͤrde, wenn jenes Vorgeben gerechrfertigt wer- den koͤnnte, so natuͤrlich wird man auch hier die Waͤrme finden, mit der ich gegen diese Anklage eine ungluͤckliche Nation vertheydigen werde. Sicher aber soll diese Waͤrme der Ruhe der Untersuchung nicht nachtheilig werden. Hat der bisherige Gang derselben einigen Eindruck bey dem Leser hinterlassen, so muß er ihn von meinem Streben nach Unparthey- lichkeit fuͤr jede Gattung von Menschen, sobald es auf Wahrheit ankoͤmmt, uͤberzeugt haben, und so muß er mir es zutrauen, daß ich in einer so interes- santen Sache nicht als Apologet mich zeigen wuͤrde, wenn ich nicht nach einer reifen Pruͤfung mich dazu verpflichter glaubte. Ehe ich die Beweist dieser Beschuldigung selbst naͤher auseinander lege, koͤmmt es zuvoͤrderst auf ihre genauere Bestimmung an. Nicht davon naͤmlich ist die Frage, daß es unter den Juden viele unmorali- U sche sche Menschen gebe, die sehr leichtsinnig uͤber den Eyd denken, und die wirklich sich des Meyneyds oft schuldig machen. Es giebt deren gewiß nicht wenige unter den Juden, so wie unter den Christen, und ist, so wie die ganze Verderbtheit der ersten, bey beyden eine Folge theils der politischen Verfassung, theils der mangelhaften sittlichen Erziehung, deren der groͤßere Theil der Beschnittenen und Unbeschnit- tenen genießt. Eine Hauptursache dieses gewiß gros- sen politischen Uebels ist unstreitig die ungluͤckliche Vervielfaͤltigung der Eyde; die unschickliche Fode- rung derselben in Faͤllen, wo ein Zeugniß nicht ab- gelegt, eine Pflicht nicht geleistet werden kann, und doch beschworen werden muß; endlich die der Feyer- lichkeit dieser Handlung so wenig angemessene Art der Abnahme Man findet diese Materie umstaͤndlich und sehr gut von zwey wuͤrdigen Maͤnnern ausgefuͤhrt, dem Hrn Hofrath Oesfeld in seiner Schrift von den Eidesleistungen Berlin 1779 und von Hrn. Assi- stenzrath Klein in seinen vermischten Abhand- lungen uͤber Gegenstaͤnde der Gesetzgebung und Kechesgelebrsamkeit , Leipz. 1780 1tes Stuͤck. Ein neueres ausfuͤhrliches mit Gelehrsamkeit und philo- sophischem Geist geschriebenes Werk haben wir von Hrn. Prof. Malblanc erhalten; Doctrinæ de Jure- jura- . Ob diese Gruͤnde bey den Juden eine eine groͤßere Geringschaͤtzung der Eyde als bey den Christen hervorbringen? kann ich nicht beurtheilen, und ohne genaue schwer zu machende Erfahrungen (ohne die man indeß in mehrern Dingen der Art nicht urtheilen sollte) laͤßt sich hierinn wohl kein Verhaͤlt- niß bestimmen. Von einer Seite koͤnnten die un- zaͤhligen, in hundert Faͤllen nicht genau zu beobach- tenden, Diensteyde bey den Christen, von der andern die verhaͤltnißmaͤßig noch mangelhaftere moralische und religioͤse Bildung der Juden, staͤrker wirken. Auch schon der Umstand , daß man in gewisse Faͤl- len die letztern zum Eyde in einigen Laͤndern nicht U 2 zu- jurando e genuinis legum \& antiquitatis fontibus illu- strata, Norimb. 1781 in welchem gleichfalls eine weise Einschraͤnkung der Eyde sehr empfohlen wird. Auch in Hrn. von Sodens Entwurf zu einem peinli- chen Gesetzbuch , Dessau 1782, 2tes Heft S. 23 u. f. finder man uͤber diese Materie und fuͤr die Abschaf- fung des Eydes uͤberhaupt, nur die Zeugeneyde ausgenommen, Gruͤnde, denen man bey ruhiger Untersuchung und eigner Welteifahrung schwerlich seine Beystimmung wird versagen koͤnnen. Moͤchte doch nur die Aufmerksamkeit der Regenten endlich auf ein Uebel geleitet werden, das ihrer heilenden Hand eben so beduͤrftig, als durch sie geheilt zu werden faͤhig ist! zulaͤßt Die Ungerechtigkeit und Inconsequenz dieser Ge- setze, welche die Inden nicht zum Erfuͤllungseyde ge- gen Christen zulassen wollen, hat selbst den unbilligen Haß des Gesetzgebers gegen die ungluͤckliche Nation vora n sgesetzt, der vorhin angefuͤhrte philosophische Rechtsgelehrte Hr. Klein in den erwaͤhnten Ab- handlungen S. 80 und f. auf eine uͤberzeugende Art gezeigt. Einen gleichen Zweck hat eine im vo- rigen Jahre zu Wittenberg herausgekommene Dis- sertation des Hrn. D. Menken de Judao jurisjuran- di suppletorii haud incapace, wo auch ein neuerli- ches Urtheil der dasigen Juristenfacultaͤt angefuͤhrt wird, das einen Juden zum Erfuͤllungseyde zuge- lassen hat, dem mehrere gleichfoͤrmige Erkenntnisse ansehnlicher Gerichtshoͤfe und Facultaͤten beygefuͤgt werden koͤnnten. Diese neuern Schriften sind mir um so mehr angenehm gewesen, da oft auch noch von unsern ersten und sonst uͤber jede Partheylichkeit erhabenen Rechtsgelehrten diesem Vorurtheil, ob- gleich ohne weitern Beweis, practisch beygestimmt wird. S. z. B. Puffendorff Observat. II, p. 294. Con- stat , koͤnnte sie in Absicht derer, welche die Ge- richte ihnen verstatten, weniger gewissenhaft machen. Zu wissen, daß man in manchen Faͤllen fuͤr einen schlechten Menschen gehalten werde, hat oft die Fol- ge, einen ohnedem Schwankenden wirklich schlecht zu machen; die Tugend, die man uns oft nicht zutrauet, ver- verliehrt sich am ersten, weil noch mehr Staͤrke da- zu gehoͤrt, rechtschaffen zu seyn, wenn alle Welt, die uns umgiebt, uns fuͤr Nichtswuͤrdige haͤlt und als solche behandelt. Ich will also zugeben, daß unter den Juden der Eyd verhaͤltnißmaͤßig noch mehr als unter den Christen gering geschaͤtzet werde; ich will sogar einen Schritt weiter gehen und es auch als eine bewiesene Wahrheit einmal annehmen, daß es unter dem Poͤbel der Juden manche gebe, die zwar den Meyneyd an sich fuͤr ein großes Verbre- chen, aber nicht so in Absicht der Christen halten. Gewiß giebt es auch unter dem Poͤbel der letztern da- gegen wider eben so viele, die einen zum Schaden U 3 eines stat, heißt es daselbst, Judæos religioni non ducere, Christianos decipere damnoque afficete. Merito igitur Iudex cavet, ne Judœum contra Christianum ad jusjurandum suppletorium admittat \&c, Indeß streiten, wie ich schon bemerkt habe, gleich wichtige Autoritaͤten (auf die es doch nicht sehr ankommen kann) fuͤr die gegenseitige billige Meynung, unter denen ich keine groͤßere, als die Praxis des Kaiserl. Reichs-Cammergerichts anfuͤhren kann, nach wel- cher die Juden zum Erfuͤllungseyde allerdings ge- lassen werden. S. Mynsinger Observat. Centur. V, Obs. VI. p. 382. eines Hebraͤers abgelegten falschen Eyd, so wie eine an diesem veruͤbte Betruͤgerey, wenn auch nicht ge- radezu erlaubt, doch eben auch kein grobes Verbre- chen glauben. Was ist bey dieser ungluͤcklichen Fol- ge der gegenseitigen Verbitterung zu thun, die Men- schen von Menschen losreißt, Treue und Redlichkeit aufhebt? — Nichts anders, als beyde Classen von Menschen durch Unterricht zu bessern, durch gerech- tere Behandlung der bisher gedruͤckten sie einander zu naͤhern, mit der Strenge der Gesetze jeden Betrug, er sey begangen an wem er wolle, zu ahnden, und es der Zeit und guten Anstalten zu uͤberlassen, daß so schaͤdliche Vorurtheile nach und nach sich ab- schleifen. Diese noch itzt unter den Juden sich fortschleichen- de schlechte Grundsaͤtze in Absicht der Eyde beweisen nichts, als was nur schon zu sehr bewiesen ist, daß diese Nation durch die druͤckende Lage in der sie sich so lange befunden, sittlich herabgewuͤrdigt und verderbt sey. Aber da on ist itzt die Rede nicht, es koͤmmt hier allein auf Untersuchung der Anklage an, daß es bey den Juden ein durch ihre neuere Religionslehre gebilligter Grundsatz sey, vor christlichen Gerichten oder einem Christen einen falschen Eyd schwoͤren zu duͤrfen. Man Man kann noch itzt keine andere Beweise dieser Be- schuldigung vorbringen, als die, welche Eisenmen- ger umstaͤndlich und mit Anfuͤhrung aller hieher ge- hoͤriger Stellen sowohl aus rabbinischen als den feind- seeligen Schriften juͤdischer Ueberlaͤufer, ausgefuͤhrt hat S. Entdrecktres Judenthum Th. II, Cap. 9. p. 489—515. . So viel ich weiß, hat kein neuerer Schrift- seller diesen Gruͤnden noch andere bengefuͤgt und ge- noͤhulich hat man sich, wie auch Hr. Michaelis thut, begnuͤgt, nur in allgemeinen Ausdruͤcken die durch das Vorurtheil gerechtfertigte Bedenklichkeiten und das Haͤckliche bey den Juden-Eyden, mit Be- ziehung auf Eisenmengern , zu bemerken Ich habe Estors Schrift von der Mißlichkeit der Judeneyde nicht zur Hand, kann aber nach dem, was ich daraus angefuͤhrt finde, nicht vermu- then, daß dieser Gelehrte den Eisenmengerischen Gruͤnden neue hinzugesetzt habe. . Ich werde also dieß Vorurtheil in seiner Quelle angegrif- fen, und wenigstens, bis bessere Beweise beygebracht werden, es entkraͤftet haben, wenn ich Eisenmen- gers Gruͤnde in ihrer ganzen Staͤrke darstelle und zeige, daß sie eine unpartheyische Pruͤfung nicht aus- halten. U 4 Dieser Dieser Schriftsteller fuͤhrt zuerst zwey Gruͤnde an, die von abgefallenen Juden als sehr wichtig vor gestellt worden, die er aber selbst mit einer bey seiner durchaus polemischen Absicht wirklich seltenen Unpar- theylichkeit, als offenbar grimdlos darstellt. 1) Die Juden haben ein gewisses Gebet, von seinen Anfangsworten: Cobniddre, genannt, das sie am großen Versoͤhnungstage in der Sy- nagoge absingen, und durch welches alle fal- sche Geluͤbde und Schwuͤre (die, nach einiger M ynung, von ihnen im abgelaufenen Jahre ge- schworen sind, oder gar, wie Andre behaupten, die sie im bevorstehenden Jahre noch schwoͤren wollen) ihnen erlasse und gaͤnzlich aufgehoben werden . Es sind bloß abgefallene Juden, welche ihren verlas- senen Bruͤdern diesen schaͤndlichen Vorwurf machen, und entscheidend behaupten, daß die Juden im Ver- trau n auf diese Loͤsung ihrer Eyde, sich kein Beden- ken machen die feyerlichsten, die man verlangt ab- zuschwoͤren. „Und wenn,“ druͤck der von Eisen- m nger citirte Verfasser des feurigen Drachen- gifts und wuͤtigen Otterngalls sich aus, „der „Teufel selbst mit dem ganzen hoͤllischen Heere leib- „haftig dabey stuͤnde, so fuͤrchten sie sich doch im Ver- „trauen auf Col niddre nicht dafuͤr.“ Vorzuͤglich aber aber soll dieses Gebet die Kraft haben, sie von allen Eyden loszusprechen, die sie den Christen ein ganzes Jahr durch gethan haben, obgleich in demselben der Christen gar nicht besonders erwaͤhnt wird. 2) Auch außer diesem allgemeinen Entbin- dungstage kann auch Jeder, den eines getha- nen Geluͤbdes oder Eydes gereuet, von einem Rabbinen oder wenn dieser nicht zu haben ist, von drey gemeinen Maͤnnern, dessen entbun- den werden, welches denn auch vorzuͤglich in Absicht der fuͤr Christen und deren Gerichten abgelegten Eyde genutzt wird . Beyde Einwuͤrfe werden durch einen Grund ent- kraͤftet, den Eisenmenger redlich beybringt und mit den ausdruͤcklichsten Stellen der bewaͤhrtesten Rab- binen belegt. Allerdings hat es seine Richtigkeit, daß der Jude am großen Versoͤhnungstage oder auch sonst durch einen Rabbinen oder drey redliche Maͤn- ner unter gewissen Umstaͤnden und bey bezeugter Reue entbunden und befreyet werden koͤnne — von Geluͤbden und allen Arten von Schwuͤren, durch welche er bloß sich selbst zu irgend etwas verbundenhat , (nach 4 B. Mose XXX, 3. ein Ge- luͤbde oder ein Eyd, durch welchen einer seine eigne Seele verbindet) aber durchaus nicht U 5 von von denen, welche ihn gegen irgend einen dritten verpflichten, nicht von Eyden, bey de- nen irgend fremde Rechte und Vortheil inte- reßirt sind, sie moͤgen nun vor Gerichte oder außer demselben abgelegt seyn . Diese natuͤrliche auf dem Wortverstande und dem Ansehn der groͤßten juͤdischen Lehrer beruhende Erklaͤ- rung ist der gesunden Vernunft, und dem natuͤrli- chem Gefuͤhl von Recht und Billigkeit gemaͤß. Da Moses die Geluͤbde nicht eingefuͤhrt hatte, sondern nur, weil er sie schon im Herkommen fand, duldete, wie Hr. Michaelis richtig bemerkt Mosaisches Recht III, §. 144. , so sorgte er vorzuͤglich daͤfuͤr, daß unvorsichtig eingegangene, dem Gelobenden unmoͤgliche, wenigstens im hohem Grade beschwerliche Der vorher angefuͤhrte anonymische italiaͤnische Ge- lehrte behauptet in der Lettera Apologetica p. 63, daß die Entbindung allemal nur denn statt finde, wenn ein Geluͤbde nicht erfuͤllt werden koͤnne . , oder gar ihm und Andern nachtheilige Geluͤbde wieder aufgehoben und der, welcher dadurch gefehlt hatte, gegen Gemissensunruhen gesichert wer- den konnte. Die folgenden juͤdischen Lehrer sind auf diesem Wege fortgegangen, und haben es auf eine angeblich muͤndliche Tradition gegruͤndet, daß statt der der Priester, welche ehemals von Geluͤbden befreyen konnten, dieses itzt, da sie nicht mehr existiren, durch Rabbinen oder auch drey rechtschaffene Maͤnner ge- schehen moͤge oder daß an dem allgemeinen Versoͤh- nungstage, auch die, durch uͤbereilte Geluͤbde, durch leichtsinnige Erwaͤhnung des goͤttlichen Nah- mens und im gemeinen Leben geschehene Betheurun- gen begangene Suͤnden, vergeben werden koͤnnten. Dieß war bey einem Volcke, das einmal an Geluͤbde gewoͤhnt ist, eine sehr nothwendige sittliche und poli- tische Vorsorge, und Hr. Michaelis scheint mir sehr buͤndig und scharfsinnig zu folgern, daß wo Geluͤbde sind, auch eine sie unter gewissen Umstaͤnden loͤsende Macht seyn muͤsse, und daß gerade, weil die natuͤr- liche und protestantische Religion eine solche Macht In der roͤmisch-katholischen Kirche hat diese erlas- sende Macht unstreitig einen weit groͤßern Umfang und mehrere Freyheit, als ihr nach dem juͤdischen System je zugestanden worden. nicht kennt, auch nach ihnen uͤberall keine Verbind- lichkeit der Geluͤbde statt finde, weil ohne jene Be- dingung der Mißbrauch und Nachtheil zu groß und unvermeidlich seyn wuͤrde. Aber wirkliche vor oder außer Gericht zum Vor- theil oder Schaden Anderer abgelegte Eyde , jaͤhr- lich lich an einem Tage oder auch außerdem nach dem Gutfinden einzelner Menschen unverbindlich er- klaͤren — dieß waͤre eine Ungereimtheit, bey der keine menschliche Gesellschaft bestehn koͤnnte, die selbst das menschliche Gefuͤhl derer, denen sie eine so ge- meinschaͤdliche Freyheit ertheilte, empoͤren muͤßte, — eine Ungereimtheit also, die man ohne die unumstoͤß- lichsten Beweise denen nicht zutrauen muß, welche sonst Menschenverstand und Gefuͤhl fuͤr Recht und Billigkeit beweisen. Offenbar haͤtten die Rabbinen durch ihr Col niddre und ihre Dispensations-Faͤhig- keit diese verletzt, wenn bey demselben von einer Auf- hebung der Eydschwuͤre die Rede waͤre. Denn da weder in dem Gebet des Versoͤhnungstages, noch in der Verordnung wegen der rabbinischen Geluͤbden- befreyung, irgend eines Unterschiedes zwischen Ju- den und Nicht-Juden erwaͤhnt wird, so folgt, daß jeder Hebraͤer von jedem Eyde, auch seinem Glau- bensgenossen abgelegt, von einem Rabbinen oder an dessen statt von drey Maͤnnern seiner Nation be- freyet werden koͤnne, — ja es folgt, daß die saͤmt- lichen im verwichnen Jahre abgelegten oder gar im kuͤnftigen noch abzulegenden Eyde aller Juden , so viel ihrer am Versoͤhnungstage in der Synagoge das Col niddre absingen, ohne ihr Verlangen fuͤr null und und nichtig erklaͤrt werden. — Darf es mehr, als diese Ungereimtheit zu hoͤren, um sie fuͤr das, was sie ist, zu erkennen? Und habe ich Unrecht gehabt, Anklagen wie diese, in unsern Zeiten und fuͤr Regie- rungen, welche die Juden taͤglich Eyde schwoͤren, und doch ihren Versoͤhnungstag feyern laßen, nicht widerlegen zu wollen? Zum Gluͤck kann ich indeß fuͤr die, welche auch Sachen, die sich von selbst verstehen, doch gern mit Autoritaͤten belegt sehn, noch mit den ausdruͤcklich- sten Stellen der Rabbinen beweisen, daß ihnen Un- sinn wie dieser, nie in den Sinn gekommen ist. Der groͤßte Lehrer der Juden, Moses Maimoni- des , ein Mann der gewiß unter die scharfsinnigsten und ersten Menschen nicht nur seiner, sondern aller Zeiten gehoͤrt, theilt alle Eyde in vier Classen In der Schrift: de Juramentis secundum Leges Hebræorum, edit. Miegii. 1672. 1) Juramentum futile seu temerarium . 2) Juramentum vanum . 3) Juramentum Depositi . 4) Juramentum Testimonii . Die beyden letztern erlaͤren sich durch ihren Nahmen. Unter der ersten Gattung werden alle Arten von un- nuͤtzen Betheurungen, Mißbrauch des goͤttlichen Nah- mens mens und was auch wir im uneigentlichen Sinn Schwur nennen, verstanden; unter der zweyten , eydliche Versicherungen von Sachen, deren Seyn oder Nichtseyn Jedermann weiß und die keiner Ver- sicherung beduͤrfen, z. E. daß zwey zwey sey, — oder auch beschworne Vorsaͤtze von Verbrechen und ver- botenen Handlungen. Nur diese beyden letztern Gat- tungen uneigentlicher und schon an sich unerlaubter Eyde koͤnnen, wie Maimonides ausdruͤcklich lehret, wider aufgehoben oder vielmehr ihre Suͤnde kann vergeben werden; nicht aber die beyden ersten, non adeo, sind seine Worte, \& judiciale aut quod jura- mentum depositi vel testimonii nuncupant, quorum nulla datur reiaxatia. Ich will dieser schon allein entschei- denden Stelle, noch einige von Eisenmengern aus den beruͤhmtesten juͤdischen Gesetzlehre r n angefuͤhrte, fuͤr die, welchen sein Werk nicht zur Hand ist, unter den Text setzen Der Rabbi Salmon Zevi schreibt (sind Eisen- mengers Worte) in seinem Buche, dem juͤdischen Theriat , gegen Brenzens abgestreiften juͤdischen Schlangenbalg , die lanere Wahrheit, wenn er sich also verlauten laͤßet: Ich will hier auch Gnuͤgen bringen, daß der Abgefallene luͤget, und daß Col niddre nicht auf einen . Nach ihnen kann nun uͤber diese Sache Sache kein weiterer Zweifel mehr seyn, und fast un- nuͤtz einen Eyd geher, welchen ein Jude dem andern, oder ein Jude gegen einen Goi thut. Es geher allein auf die Geluͤbde, die einer auf sich nimmt, mit einem Geluͤbde, oder mit einem Eyd, wie die Schrift (Nummer. 30, v. 3.) sagt: wann jemand dem Herrn ein Geluͤbde thut, oder einen Eyd schwoͤret, daß er seine Seele (das ist sich selbsten) verbindet. Wann einer ein Ge- luͤbde thut, als Fasten, oder anderes, so hilft Col niddre darzu, daß er sich darvon durch einen fuͤrtreflichen Mann, das ist, durch einen, der im Gesetz sehr wol erfahren ist, oder durch drey schlechte Maͤnner kann entbinden laßen. Siehe die Aufloͤsung (uͤber Col niddre) in den Machsoren, oder in allen Gelehrten, die daruͤ- ber geschrieben haben, daß Col niddre auch nicht zu den Geluͤbden etwas hilft, wann sich einer darauf verlaͤßet, und an Col niddre ge- denket, ehe er das Geluͤbde thut, und thut das Geluͤbde doch, so muß er es halten. Aber kein Mensch in der Welt kann sagen, daß Col nid- dre einen Eyd, (welchen man einem andern thut) aufloͤse, sonsten moͤgte ein Jude gegen den andern auch falsch schwoͤren. Es stehet ja kein Christ noch Jude darinnen ausgeschlossen . In nuͤtz ist es noch anzufuͤhren, daß auch schon im vori- gen In dem Buche Arba Turim heißt es: Es nutzet aber diese Vernichtung (eines Ge- luͤbdes und Eydes und die Entbindung davon) zu nichts anders, als nur zu den Geluͤbden, die einer von sich selbsten thut, und zu dem Eyd, welchen einer von sich selbsten schwoͤret. Was aber das Geluͤbde angehet, welches einen sein Nebenmensch (oder Naͤchster) geloben ma- cher; oder den Eyd, welchen eines Nebenmensch, oder das Gericht einen schwoͤren laͤßer, so nutzet denselben die Vernichtung und Lossprechung nichts . Der Rabbi Mordechai Jephe sagt: Es nutzet diese Vernichtung nichts, als zu denjenigen Geluͤbden, die man von sich selbsten gelobet, und zu dem Eyde, den man von sich selbsten schwoͤret. Zu demjenigen Geluͤbde aber, das einen sein Naͤchster geloben laͤßet, oder dem Eyde, welchen einen sein Naͤchster, oder das Gericht zu schwoͤren, auferleger, nutzer we- der die Vernichtung, noch einiges Beding: Dann siehe, er gelobet und schwoͤret nach der Meynung seines Naͤchsten, und nach der Mey- nung des Gerichts . In gen Jahrhundert die gelehrtesten Kenner der neuern juͤdischen Lehre unter den Christen, als Mieg In seinen Noten zu dem vorhinangefuͤhrten Trac- tat des Maimonides de Juramentis . , Buxtorff In Synag. Jud. p. 530 \&c. der Edition von 1661, denn in der ersten von 1641 p. 370 hatte dieser Ge- lehrte noch der ungereimten Erklaͤrung des Col nid- dre beygepflichtet, sie aber nach reiferer Einsicht verworfen. , Wuͤlffer In Animadvers. ad Theriaoam Judaicam Salamo- nis Zevi, p. 183. und andere dieselbe immer aus dem richtigen Gesichtspunkte angesehen haben. Auch Eisenmenger kann dieser zu hellen Wahr- heit nicht widerstehen, er erkennt, daß jene Beschul- digung In dem zu Sultzbach, (setzt Eisenmenger hinzu,) gedruckten Machsor wird auch also gelesen: die Ent- bindung nutzet zu nichts, als zu den Geluͤb- den, die einer von sich selbsten thut; aber nicht zu dem, was einen sein Naͤchster oder das Gericht geloben, und schwoͤren laͤßet . So wird auch in dem alten Prager Machsor in dem Com- mentario, oder der Auslegung uͤber gedachtes Col niddre, die ganze Sache von nichts anders als den Geluͤbden erklaͤret. X digung abgefallener Juden, (von denen allein sie sich herschreibt) durchaus grundlos sey, und daß die von ihm angefuͤhrte sie widerlegende Rabbinen, nach sei- nem Ausdruck, die lautere Wahrheit schreiben, — aber kein Wort entfaͤllt ihm, wie solche Nichtswuͤr- dige es verdienten, die bloß in der Absicht, ihre ehe- malige Glaubensgenossen verhaßt zu machen, solche grobe Unwahrheit, wider ihr besseres Wissen erdich- ten konnten; kein Wort, das seinen Unwillen ge- gen diese Verlaͤumder, sein hierauf gegruͤndetes billi- ges Mißtrauen auch in andern Faͤllen andentete. Diese unedle Partheylichkeit ist es, die mir die- sen Schriftsteller auch dann, wenn er Recht hat, so widerlich macht Diese Partheylichkeit ist so groß, daß sie auch jedem ge- nauern Untersucher dieser Materie auffallen muͤssen, wie dieses besonders Wolfart und Heisler in den angefuͤhrten Schriften bezeugen. Auch der beruͤhmte und gewiß unpartheyische aͤltere Boͤhmer ( in jure Eccl. Protest. L. V. tit. 6. §. 50) bemerkt sehr richtig: Ut plurimum tales fabulæ ab iis originem traxere, qui a judaica superstirione ad nos transierunt, qui- bus non facile credendum, quippe qui odio sectæ ejuratæ inanissima sæpe commenta proferunt, ut ægre iis faciant, quorum odia non sine ratione me- tuunt, . Er Er glaubt indeß noch andre Gruͤnde zu sehen, welche die Unverbindlichkeit juͤdischer Eyde in Absicht der Christen, besser wie die widerlegten, erhaͤrten sollen. Es sind folgende: 1) „ Die eigne Klage der Rabbinen uͤber den „Leichtsinn ihrer Nation bey Eyden und die „Menge derer, welche sich des Meyneydes „schuldig machen „ eine Klage, die gerade das richtige moralische Gefuͤhl und den redlichen Ernst dieser Rabbinen und derer, welche nach dem Gesetze leben, beweiset, die von christlichen Theologen und Moralisten gewiß mit eben so gutem Grunde gefuͤhrt wird, also wenn sie beweisen sollte, was Eisen- menger hier bewiesen haben will, auch dem Chri- stenthum den Vorwurf, daß es den Meyneyd erlau- be, mit gleichem Rechte zuziehen muͤßte; man fuͤhlt die Ungereimtheit einer Anklage am beßten, wenn sie auch gegen uns selbst gerichtet ist. Ich wer- de also wohl nach dem, was ich oben zu genauer Be- stimmung der Streitfrage gesagt habe, hieruͤber nichts weiter hinzusetzen duͤrfen. X 2 2) Es tuunt. Nirgend trifft dieses mehr zu, als bey der Beschuldigung, mit der ich es hier zu thun habe, da Eisenmenger , wie auch schon Heisler erinnert, keine einzige Stelle juͤdischer Lehrer, sondern bloß Ueberlaͤufer zu ihrem Beweise anfuͤhrt. 2) „ Es giebt ein Buch, Sepher Chesidim, worinn „steht: daß vier Suͤnden nicht ungestraft blei- „ben, wenn man aber Buße thue, werde man „doch in dieser Weit fuͤr dieselbe gestraft, dage- „gen aber von der Strafe der Hoͤlle befreyet .“ Ich kenne das Buch Sepher Chesidim nicht, weiß auch nicht, in welchem Ansehnes bey den itzigen Juden stehe, welchen practischen Einfluß es auf sie haben koͤnne? Eisennienger selbst sagt, daß sich viel gute Dinge darinn finden, und wenn das Angefuͤhrte eine Pro- be des Boͤsen drinn seyn soll, so duͤnkt mich, duͤrfte es eben nicht so verwerflich seyn, wenigstens werden wir von ihm keine Befoͤrderung unmoralischer Grund- saͤtze zu besorgen haben. Der Glaube, daß der Meyneyd auch im Fall der Buße , doch zeitlich bestraft werde, (ein allerdings auch im mosaischen Gesetz gegruͤndeter Glaube) wird auch den rohesten Menschen nicht leichtsinniger machen, als er ohne- dem ist, vielmehr ein gerade fuͤr ihn am meisten pas- sender Abhaltungsgrund seyn, und so viel wirken, als es nach dem ganzen uͤbrigen Umfange seiner Er- kenntniß moͤglich ist. Wehe dem Menschen, den nichts als ewige Hoͤllenstrafe von einem so schaͤndlichen Verbrechen abhalten kann! Schwerlich wird auch diese den Elenden schrecken, wenn die, auch im Fall der der Buße, doch gewisse, zeitliche goͤttliche Strafe es nicht kann. Gerade diese Lehre hat bey den aͤltern Voͤlkern Besonders von den Roͤmern s. Malblane de Jureju- rando L. III. c. 37, 38. und besonders auch bey den Juden (bey wel- chen nach dem mosaischen Gesetze der Meyneydige gar keine buͤrgerliche, aber die ohufehlbare goͤttliche Ahn- dung zu befuͤrchten hatte S. Michaelis, mosaisches Recht , V. §. 256. die Heiligkeit des Eydes befoͤrdert. Auch unter dem christlichen gemeinen Mann herrscht der Glaube, daß der Meynend auch noch in diesem Leben, vorzuͤglich vor andern Lastern, von der Gottheit sichtbar bestraft werde. Und sollte dieser Glaube nicht auf eine wohlthaͤtige Art zu dem Abscheu mitwirken, der wenigstens unter dem Land- volk und in kleinen Staͤdten sich Gottlob! noch er- halten hat. Gewiß wird er wenigstens diesen Ab- scheu nicht mindern und die Hofnung der Erlassung dieses Verbrechens in einem kuͤnftigen Leben, die der Christ mit dem Juden gemein hat — kann bey eini- gem vernuͤnftigen Unterricht diese Folge unmoͤglich haben, wie ich sogleich noch naͤher zu zeigen hoffe. 3) „ Am Versoͤhnungtage werden den Ju- „den, nach ihrer Lehre, alle, auch die schwer- „sten Suͤnden erlassen und sie wieder ganz en- „gelrein gemacht; also wird hier auch , schließt Eisenmenger, „ der falsche Eyd, also auch beson- X 3 „ders „ders der einem Christen geschworne, erlassen .“ Dieser Grund scheint noch weit mehr zu beweisen, als hier bewiesen werden soll. Wenn am Versoͤh- nungstage alle Suͤnden ohne Ausnahme vergeben worden; wenn die Juden im Vertrauen auf diese Vergebung, sie zu begehen wagen: so ist dieß uͤber- haupt ein Grund, der ihre sittliche Besserung zuruͤck- halten muß, so ist man berechtigt, jedes Laster von ihnen zu erwarten. So ganz unrecht ist nun freylich wohl diese Folge in dem eben angegebenem allgemeinern Sinn nicht abgezogen. Allerdings ist die Lehre von der Ver- gebung der Suͤnden und der durch gewisse Heil- mittel urploͤtzlich zu bewirkenden Seelen-Reinigkeit und Gewisheit der ewigen Seeligkeit, in der juͤdi- schen und wohl noch mehr in der christlichen Theolo- gie oft so vorgestellt worden, daß sie den gesunden Menschenverstand und das gerade Gefuͤhl von Recht und Unrecht irre fuͤhren, auf die Moralitaͤt des ge- meinen Mannes einen schaͤdlichen Einfluß beweisen und seine ohnedem wenig entwickelte Begriffe von dem, was eigentlich in diesem und einem andern Leben ihn gluͤcklich machen koͤnne , noch mehr verwirren muͤssen. Die leyder nur noch immer zu sehr herrschende Lehre von der alleinseeligmachenden Kraft Kraft eines gewissen Glaubens , eines fremden uns angerechneten Verdiensts , von der Entbehr- lichkeit, Schaͤdlichkeit sogar der guten Werke ; die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfensten Menschen durch Beobachtung gewisser religioͤsen Cere- monien und die an Gottes statt erhaltene Suͤnden- vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge- fallens der Gottheit unendlich versicherter zu werden, als den tugendhaftesten Heyden es moͤglich war, de- nen diese sogenannte Gnadenmittel abgiengen; die noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichsten christli- chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen des Lasters, auch selbst noch des kuͤnftig zu begehen- den, sicher auszuweichen: — diese Lehren haben allerdings die sonst so natuͤrlichen Begriffe von Mo- ralitaͤt und Gluͤckseeligkeit sehr verwirret; haben oft Menschen bis zu einem unglaublichen Grade von Verderbtheit geleitet, sie zu Lastern gereitzt, weil sie die Mittel sich von ihnen zu reinigen noch, ehe sie begangen waren, darboten; haben, so undenkbar es scheinen moͤchte, sogar in protestantische Erbau- ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „ daß man um „ein wahres Kind Gottes zu seyn, zuvor recht „gottlos seyn muͤsse; “ ja sie haben die moͤrderische Hand der Verbrecher geleitet, die sich selbst der Ge- X 4 rechtig- rechtigkeit uͤberlieferten und ihr bekannten, daß sie nur allein dem Wunsch, recht gruͤndlich bekehrt zu werden und ganz gewiß seelig zu sterben, das Leben eines unschuldigen Mitmenschen geopfert haͤtten. So wie die Regierung (wenigstens die Preußi- sche) um diese letztre Abscheulichkeit zu hemmen, zu- getreten und die so auffallend unschickliche, prahleri- sche Bekehrung der Verbrecher untersagt hat; so duͤnkt mich, ist hier uͤberhaupt der Fall, wo der Staat sich um Religionslehren bekuͤmmern muß, die so schaͤdliche moralische Folgen aͤußern. Freilich ver- bieten kann er so tief eingewurzelte, so heilig geach- tete Vorurtheile nicht, aber wohl durch den Unter- richt der Jugend, richtigere Kenntnisse von dem Werth und den Folgen menschlicher Handlungen verbreiten, und dadurch wenigstens die werdende Generation vor dem Fortdauern so unnatuͤrlicher Verwirrungen sichern. Auch waͤre der Staat aller- dings berechtiget, den Religionslehrern aller Par- theyen eine weisere und vorsichtigre Behandlung dieser Materien aufzugeben, und wenigstens muß er die Wuͤr- digen unter ihnen beguͤnstigen, welche in protestanti- schen und itzt auch in katholischen Laͤndern, jene Vor- urtheile schon mit so gluͤcklichem Erfolg bestritten und die Menschen wider zu der so einfachen, aber so wich- tigen tigen Wahrheit: „daß ohne Tugend in dieser und „einer andern Welt keine Gluͤckseeligkeit moͤglich sey,“ zuruͤckzuleiten gesucht haben. Vorzuͤglich scheint es, koͤnnte ohne die ganze theologische Lehre von Suͤn- denvergebung zunaͤchst angreiffen zu duͤrfen, dieselbe dadurch gereinigt werden, wenn nur immer die wirkliche Besserung und der feste Vorsatz nicht wie- der die itzt erlassenen Suͤnden zu begehn, zu einer nothwendigen und wesentlichen Bedingung dieser Er- lassung gemacht wuͤrde. In dem juͤdischen so wie in dem christlichen Re- ligionssysteme findet sich diese Bedingung, aber sie ist in dem erstern vielleicht nicht so oft uͤbersehn und ganz verkannt worden, als im letzterm, welches uͤber- haupt die Lehre von der Suͤndenvergebung auf eine fuͤr die Moralitaͤt ungleich schaͤdlichere Art aus- gebildet hat, als es von den Lehrern der Juden je- geschehen ist. Alle die vorhin bemerkte das gerade Menschengefuͤhl entweder empoͤrende oder verderbende Saͤtze werden nur in den Schriften christlicher Theo- logen, nicht der Rabbinen gefunden. Diese kennen keinen zu erkaufenden, eine wirkliche Besserung ent- behrlich machenden Ablaß; keine durch Geld zu be- wirkende, also nur den Reichen moͤgliche, Abkuͤr- zung der reinigenden Strafen jenes Lebens; ihnen sind X 5 die die guten Werke der Seeligkeit nie schaͤdlich gewe- sen; sie haben nie einen Glauben gekannt, der die Tugend entbehrlich machen koͤnnte; sie sind nicht durch die Zurechnung des Verdienstes eines Frem- den auf den Wahn gebracht, selbst des Verdiensts nicht zu beduͤrfen. Nie ist der juͤdische Lehrbegrif bis zu diesem Gra- de verderbt worden, zu dem der Eigennutz der Hie- rarchie und die Hitze theologischer Streitigkeiten den christlichen herabgewuͤrdigt haben. Da die Juden itzt keine Opfer mehr haben, und kein Bock mehr am Versoͤhnungstage ihre Suͤnden in die Wuͤste weg- traͤgt; so ist, wie ihre Lehrer ausdruͤcklich sagen, itzt kein Mittel mehr fuͤr sie, dieser Suͤnden Vergebung zu erhalten, als Buße . Die ganze erlassende Kraft des Versoͤhnungstages ist nothwendig an diese Be- dingung geknuͤpft, und auch die Erinnerung ist nicht vergessen, daß wer in der Hofnung einer kuͤnftigen Vergebung suͤndige, eben dadurch ihrer verlustig werde. Bey diesen Bestimmungen scheint es mir nicht, daß die juͤdische Lehre von der Suͤndenverge- bung einen nachtheiligen Einfluß in die Moralitaͤt beweisen duͤrfte, wenigstens immer in geringerm Maaße als die christliche, wie sie noch von so vielen Lehrern dargestellt wird, besorgen laßen muß. Ge- wiß wiß aber hat man dabey nichts in Absicht der Eyde und besonders der den Christen abgelegten, deren mit keinem Unterschiede erwaͤhnt wird, zu besorgen, da wie schon bemerkt ist, auch sogar die Buße den Meyneydigen nicht von der goͤttlichen Strafe in diesem Leben, nach der Lehre des Juden, befreyet . 4) „ Die Rabbinen lehren, daß ein Eyd, zu „dem man gezwungen werde, nicht verbind- „lich sey, wenn man nur bey dessen Ablegung „den Worten einen andern Sinn gebe, als sie „ihrer gewoͤhnlichen Bedeutung nach haben. „Hieraus folgt, daß die Juden alle Eyde, die „sie vor der christlichen Obrigkeit ablegen, als „Zwangeyde ansehn, und sie also nicht erfuͤllen „zu duͤrfen glauben .“ Der Vordersatz dieses Grundes hat allerdings seine Richtigkeit, aber durchaus nicht die Folgerung, die Eisenmenger aus ihm abgeleitet hat. Ich will, damit man das Folgende besser verstehen koͤnne, die rabbinischen Stellen unter den Text setzen In dem Rechtsbuche Schulchem Aruch heißt es: Wann einer einem Gewaltthaͤtigen (oder Zwang gebrauchenden) ein Geluͤbde thut, oder einen , auf wel- che es hier ankoͤmmt. Nach Nach denselben wird es allerdings fuͤr erlaubt ge- halten, einen durch Zwang abgedrungenen Eyd , durch reservationes mentales unverbindlich zu machen. Es ist bekannt, daß weder Moralisten noch Rechts- lehrer hieruͤber in allen Faͤllen einstimmig entscheiden, und daß der gewoͤhnliche Volksglaube, der auch in eine spruͤchwoͤrtliche Redensart uͤbergegangen, sich gegen die Verbindlichkeit des Zwangeydes erklaͤrt. Der Talmud und die Rabbinen treten dieser Erklaͤ- rung bey, und es koͤmmt also nur darauf an, was unter einem gezwungenen Eyde von ihnen verstan- den werde? Nach einen Eyd schwaͤret, so ist es kein Geluͤbde, und kein Eyd. Deswegen thut man den Moͤrdern und Zoͤllnern ein Geluͤbde, wann es ein Zoͤll- ner ist, der ohne Befehl des Koͤnigs stehet, oder wenn er von einem mehr (Zoll) nehmen will, als ihm gesetzt, (und zu nehmen verord- net) ist, und kann man ihm ein Geluͤbde thun, oder einen Eyd schwoͤren, daß man frey von ihm komme, und sagen, alle Fruͤchte in der Welt sollen mir (zu essen) verboten seyn, wenn ich nicht von des Koͤnigs Hauß bin, damit er des Moͤrders loß werde: oder, wann nicht dasjenige, das ich bringe, von des Koͤ- nigs Nach dem Talmud, dem Majemonides , und allen andern Rabbinen heißt auch ihnen gezwunge- ner Eyd nichts anders, als was er Jedem, der diese Worte hoͤrt und nicht auf casuistische Sophiste- reyen ausgeht, heißen muß, ein Eyd , den Jemand uns durch Drohung oder wirklich angethane Gewalt abdringt, ohne daß er irgend ein Recht ihn nigs Hauß ist, damit er von dem Zoll frey wer- de. Er gedenker aber in seinem Herzen, sie sol- len mir nur heut verboten seyn, wiewohl er es schlechthin aus seinem Munde redet: denn es ist bey uns fest und gewiß (und erweißlich) daß die Worte, welche im Herzen seynd, vor keine Worte gehalten werden, und daß solches bey einem Zwang-gebrauchenden zu thun erlaubet sey, wann derselbe auch schon von einem nicht begehret, daß er ein Geluͤbde thun soll, und er von sich selbsten ein Geluͤbde thut, oder er ein mehrers angelobet, als derselbe erfodert hat: oder wann derselbe von ihm begehret hat, daß er ein Geluͤbde thun soll, und er schwoͤret ihm, so ist solches fuͤr nichts zu halten, dieweil er alles, was er thut, nur wegen des Zwanges thut, und damit er seine Worte gegen den Ge- waltthaͤtigen bekraͤftigen moͤge, doch aber alles nach der Nothwendigkeit der Sachen . ihn uns abzufodern haͤtte; aber ein von der Obrigkeit oder jedem andern dazu Berechtig- ten, uns abgenommener Eyd , kann nie als ein gezwungener angesehen werden. Auch die in der Stelle des Schulchen Aruch , auf welche Eisen- menger sich bezieht, angefuͤhrte Beyspiele, bewei- sen dieses. Es ist in derselben von einem Moͤrder oder einem Zoͤllner, der mit Unrecht einen Zoll verlangt , die Rede. Vorzuͤglich koͤmmt es auf das Wort Anass an, gegen den allein naͤmlich die Rab- binen reservationes mentales erlauben. Eisenmenger uͤbersetzt dieß einen Gewaltthaͤtigen, einen Zwang- gebrauchenden. Es heißt aber Anass , wie mich Hr. Moses Mendelssohn belehrt hat, ein Usurpa- tor, ein Rechtsraͤuber , ein Mensch der sich uͤber mich gewaltsamer Weise ein Recht anmaßt, das ihm nicht zukoͤmmt, ein Rebelle oder Straßenraͤuber, Moͤrder, unbefugter Zoͤllner, Freybeuter u. d. gl. wie dieses alle Stellen, in denen dieses Wort vor- koͤmmt, erweisen. Aber von einem befugten Rich- ter oder irgend einer obrigkeitlichen Person wird es nie gebraucht, und von einem Rechtshandel ist nie die Rede, wenn die Zwangfaͤlle bestimmt werden, unter denen reservationes mentales gestattet sind. Der so eben von mir genannte edle Mann glaubt, daß nach nach genauer Vergleichung aller hieruͤber in den Rabbi- nen vorkommenden conereten Faͤlle, in welchen sie ihren Unterricht vorgetragen, die allgemeinen Saͤtze, auf die sie reducirt werden muͤssen, folgende sind die ich mit seinen Worten hieher setze: 1. „Eine Aussage, die der innern Ueberzeugung „widerspricht, aber keines Andern Recht kraͤnket, „heißt eine Unwahrheit .“ 2. „Wird aber eines Andern Recht dadurch ge- „kraͤnkt, so ist es eine Luͤge .“ 3. „Es ist erlaubt, sich einer Unwahrheit zu „seinem Vortheil zu bedienen, aber nicht einer Luͤge ; „auch ist nicht erlaubt, eine Unwahrheit zu be- „schwoͤren . Denn dieses waͤre ein Misbrauch „des goͤttlichen Nahmens .“ 4. „Wenn Jemand sich gewaltsamer Weise das „Recht anmaßt, mir ein Gestaͤndniß abzufodern, „das er zu meinem oder eines Andern Schaden mis- „brauchen will; so bin ich verbunden die Wahrheit „zu verschweigen oder auch die Unwahrheit zu „sagen, und diese allenfalls durch ein Geluͤbde „oder durch einen Eyd zu bekraͤftigen, dem ich im „Herzen einen andern Sinn gebe. Es ist zwarsonst „die allgemeine Regel der Rabbinen, daß Worte, „die man bloß im Sinne hat, nicht als Worte „anzu- „anzusehen sind ; allein ein solcher Nothfall macht „eine Ausnahme.“ 5. „Zwingt man mich zu solchen Ausbruͤcken, „denen ich keinen andern Sinn geben kann, so bin „ich verbunden, die Wahrheit zu gestehen und den „Schaden, der daraus entstehen, zu ertragen oder „zu ersetzen. 6. „Ist der Schade unersetzlich, so kann ich den „Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falschen Eyd „hintergehen. 7. „Hat aber Jemand ein Recht, von mit ein „Gestaͤndniß zu verlangen, so wird jede Unwahr- „heit , deren ich mich bediene, zur Luͤge , jeder Eyd , „bey dem ich die Worte in einem andern, als ge- „woͤhnlichen Sinn nehme, zum Meyneyde .“ Nach diesen Grundsaͤtzen kann also ein auch von einem Christen mit Recht geforderter Eyd, fuͤr einen Juden nie zu den Faͤllen Heisler ist vermuthlich durch die bemerkte zwey- deutige Eisenmengerische Uebersetzung des Worts: Anass, verleitet worden (S. l. c. p. 26) auch den Fall mit zu den erlaubten zu rechnen „wenn Jemand „einem offenbaren Unrecht , so ihm ein Anderer „thun will, nicht anders als durch einen Eyd ent- „gehn gehoͤren, wo die Rab- binen binen reservationes mentales erlauben. Der Einwurf, auf den es hier ankoͤmmt, wuͤrde also gleichfals ge- hoben seyn und die Obrigkeit koͤnnte auf den End ei- nes Juden sich sicher verlassen, der den Grundsaͤtzen seines Gesetzes getren bliebe. Indeß gestehe ich gern, daß mir obige rab- binische Bestimmungen nicht ganz gefallen, und daß ich sie allerdings schaͤdlicher Folgen faͤhig halte. Das reine Gefuͤhl fuͤr Aufrichtigkeit und strenge Wahrheit ist zu wichtig, als daß es nicht bedenklich seyn sollte, es auf irgend eine Art zu sthwaͤchen, und dieses scheint mir leicht moͤglich, wenn man einmal die Menschen an zu feine Distin- ctionen und casuistische Abtheilung der Faͤlle gewoͤhnt, und es ihrem eignen Gewissen erlaubt, sich zuwei- len „gehn kann.“ — Diese Erlaubniß koͤnnte allerdings sehr gemißbraucht werden, da fast in jedem Rechts- handel jede Parthey ihr Recht fuͤr offenbar haͤlt, also wenn sie nicht anders es erhalten koͤnnte, sich einen falschen Eyd erlauben wuͤrde. Nach den hier entwickelten Grundsaͤtzen gehoͤrt aber dieser Fall durchaus nicht zu denen, in welchen es verstattet ist, seinen Worten einen andern Sinn zu geben, welche vielmehr allein auf die unrechtmaͤßige Gewalt Dessen , der uns einen Eyd abdringt, beschraͤnkt sind. Y len von der Pflicht zu dispensiren — ganz redlich und wahr zu seyn. Besonders scheint mir die Befugniß, die Worte in einem andern Sinn, als der, welcher ih- nen trauet, sie nimmt, nehmen, sie bey sich selbst durch heimlich zugedachte Worte vernichten zu duͤrfen , — immer fuͤr die moralische Wuͤrde zu gefaͤhrlich, als daß sie durch irgend einen Vorwand gerechtfertigt werden koͤnnte. Ich vermuthe daß die juͤdischen Lehrer diese Unterscheidungen nicht so- wohl erfunden, als da sie einmal durch die schon herr- schende Sittenverderbniß eingefuͤhrt waren, nur nach- gegeben und um die Heiligkeit des Eydes desto mehr zu sichern, so genau wie moͤglich bestimmt haben. Sie dachten vielleicht nicht daran, wie eben diese Bestimmungen dem Betrug und Eigennutz zu noch mehrern Anleitung werden muͤßten und wie kein Schade so groß sey als der, die Menschen zu Ver- letzung der Wahrheit zu gewoͤhnen. Die Distinction zwischen Luͤge und Unwahrheit ist oft im wirk- lichem Leben zu sein, als daß nicht zuweilen im Ge- draͤnge der Leidenschaft diese Begriffe verwechselt wer- den sollten; auch ein ersetzlicher Schade kann zu- weilen als ein unersetzlicher betrachtet werden; und es koͤnnen sich Faͤlle ergeben, wo wir auch eine rechtmaͤßige Gewalt uns einen Eyd abzufodern, der der fuͤr unser Interesse wichtig ist, nicht dafuͤr er- kennen, und auch itzt mit Reservationen, die eine zu leichte Moral uns in einigen Faͤllen nachsieht , unser Gewissen zu beruhigen suchen. So pflegen Menschen zu handeln und ich zweifle nicht, daß diese uͤble Folgen bey den Juden wirklich eingetreten sind, und daß diese, einmal an eigenmaͤchtige heimliche Selbstvernichtigung des gegebenen Worts gewoͤhnt, diese auch da, wo sie nicht solten, sich gestattet ha- ben, dadurch uͤberhaupt zum Leichtsinn in Absicht der Eyde verleitet sind Sogar in der vorhin angefuͤhrten Stelle findet sich hievon ein Beweis, da nicht nur gegen den, der nicht Zoͤllner ist, sondern auch gegen den wirkli- chen Zoͤllner, wenn er nur zuviel fodert , die Selbst- vernichtigung des Eydes erlaubt wird, da doch nicht dem, der Zoll giebt , sondern dem dazu be- stellten oͤffentlichen Bedienten , der Tarif , nach welchem Zoll gefodert wird, am besten bekannt seyn muß, und Jenem nur, wenn er sich berechtigt haͤlt, eine Beschwerde bey dieses Obern uͤbrig bleibt. Noch bedenklicher sind die S. 511 von Eisenmenger angefuͤhrte rabbinische Stellen, nach welchen sogar einem Simeon erlaubt ist, eydlich zu erhaͤrten, daß er von dem bey ihm niedergelegten Gelde des Raͤu- bers . Sehr natuͤrlich daß auch Y 2 Manche Manche die christliche Obrigkeit fuͤr eine unrechtmaͤßi- ge Gewalt angesehen und auch gegen sie die Reser- vationen sich moͤgen erlaubt gehalten haben. Der na- tuͤrliche Gang der menschlichen Ideen und Empfin- dungen, die schlechte sittliche Bildung des groͤßern Haufens der Juden; thre Erbitterung wider die sie druͤckende Christen, macht die Folgerung sehr wahr- scheinlich, und es kann Faͤlle gegeben haben, wo sie verzeihlich seyn mochte, weil es vielleicht nicht leicht war, die christliche peinigende Obrigkeit von einem gewaltsamen Rechtsraͤuber zu unterscheiden. Gewiß haben die juͤdischen Lehrer diese Folgerung nicht vor- aus gesehen, noch weniger sie genehmiget; ihre Er- klaͤrungen von der Heiligkeit des Eidschwurs und von dem jeder Obrigkeit schuldigen Gehorsam sind hier- uͤber zu deutlich. Aber da sie doch natuͤrlich und fast unvermeidlich ist, so duͤnkt mich, fodert die Wichtigkeit der Sache, sie ganz unmoͤglich zu machen. Reser- bers nichts wisse, wenn der Koͤnig es mit Unrecht wegnehmen will. Man sieht wie gefaͤhrlich es seyn wuͤrde, die Erkenntniß uͤber dieses Unrecht dem, der Parthey ist, zu uͤberlassen, und wie geschwinde man sich immer weiter verirren koͤnne, wenn man einmal durch die allemal schaͤdlichen casuistischen Sophistereyen von dem geraden Wege der Wahr- heit abgeleitet ist. Reservationes mentales sollten mit den Jesititenalls allen menschlichen Gesellschaften verbannt und durch- aus in keinem Falle mehr geduldet seyn. Hier, scheint es mir, muͤßte die Regierung zutreten und den juͤdi- schen Lehrern begreiflich machen, wie nachtheilige Folgen es haben koͤnne, wenn man den Menschen erlaube, ihre Worte zuweilen in einem andern Sinn zu nehmen, als sie von dem, welcher sie von uns verlangt, genommen werden koͤnnen, und wie sie, um die moralische Berderbtheit ihrer Nation zu ver- huͤten, und ihre Treue nicht verdaͤchtig zu machen, durchaus bey dem Satze, daß im Sinne behaltne Worte nichts gelten , in allen Faͤllen bleiben und davon schlechterdings keine Ausnahme gestatten und lehren muͤssen. Diese Ausnahme ist auch in der That ganz unnoͤthig; fuͤr die wenigen und in unsern Staa- ten so seltenen Faͤlle, um derentwillen sie erdacht wor- den, ist schon sonst durch die juͤdische Religion ge- sorgt worden, indem nach derselben ein gezwun- gener Eyd erlaßen werden kann. Dieses ist ohne Zweifel ein weit unbedenklicheres Mittel weil es hiernach nicht dem eignen Urtheil eines Jeden uͤberlassen wird, einen ihm abgeforderten Eyd fuͤr gezwungen zu halten, sondern ein gewissenhafter Lehrer entscheidet. Noch besser aber wuͤrde der Aus- Y 3 weg weg seyn, wenn die Gesetzgebung, (wie dieses auch schon durch das roͤmische sowohl als canonische Recht wirklich geschehen ist) uͤberhaupt alle Eyde, zu denen auch Juden von einer unrechtmaͤßigen Gewalt ge- zwungen worden, fuͤr unverbindlich erklaͤrte, die Er- kenntniß aber, ob in einzelnen Faͤllen wirklich Zwang vorhanden gewesen oder nicht ? allein der ordentlichen Obrinkeit, allenfalls mit Zuziehung eines juͤdischen Religionslehrers, gehoͤrte, wenigstens dieser niemals ohne vorhergegangenes obrigkeitliches Urtheil einen Eyd aufheben duͤrfte. Hiedurch wuͤr- den auf einmal alle reservationes mentales schlechter- dings unnoͤthig gemacht, die oͤffentliche Treue und Heiligkeit des feyerlich gegebenen Worts blieben un- geschwaͤcht. Die Juden koͤnnten auch gegen eine solche Verfuͤgung der Regierung nichts einwenden, da ihre aus Noth nachgelaßene Befugniß sich selbst zu dispensiren, hiedurch unnuͤtz gemacht und der Zweck, einen Zwangeyd unverbindlich zu machen, weit siche- rer und ohne Nachtheil fuͤr die Gesellschaft und Mo- ralitaͤt erreicht waͤre. Die Regierung wuͤrde also mit Recht verlangen und auch darauf halten muͤssen, daß in den juͤdischen Schulen ohne Ausnahme alle falsch Eyde fuͤr Meyneyde, alle Luͤgen und Reser- vationen fuͤr unerlaubt erklaͤrt wuͤrden und kein an- der der Mittel von einem Zwangeyde befreyet zu werden, uͤbrig bliebe, als eine von der Obrigkeit genehmigte Dispensation des Religionslehrers. Nur um nachtheilige Folgerungen zu verhindern, wuͤrde diese Modisication der juͤdischen Lehre vom Eyde noͤthig seyn, aber ich wiederhole es nochmals, diese einhaͤlt auch itzt nichts, was einen dem Christen abgelegten Eyd des Juden auf einige Weise unver- bindlicher als einen andern machte. Haben einzelne Juden ihn so angesehn, so ist es bloß Mißbrauch und unrichtig abgeleitete Folgerung dieser Lehre. Ich glaube dieses deutlich dargethan, und alle von Eisenmengern angefuͤhrte Gruͤnde auf eine je- dem unpartheyischen Untersucher vollkommen befrie- digende Art widerlegt zu haben. Ich kann die- sem negativen Beweise, zu dem ich eigentlich hier nur verbunden war, nun noch dieses hinzu- setzen, daß auch bey den bewaͤhrtesten Lehrern der Ju- den sich die ausdruͤcklichsten Stellen finden, worinn sie jeden falschen Eyd, auch wenn er einem Goi oder Nichtjuden abgelegt worden, fuͤr eine der haͤrtesten Suͤnden halten, deren Bestrafung, nach dem mosai- schen Rechte, sich die Gottheit selbst, vorbehalten und auch im Fall der Buße nicht erlaßen hat. Sie pflegen sich in Absicht der bey den Goi gleich eintre- Y 4 tenden tenden Verbindlichkeit auf das Beyspiel des Koͤnigs Zedekia zu beruffen, der auf Anrathen des juͤdischen großen Raths seinen dem heidnischen Koͤnig Nebud- cadnetzar geschwornen Eyd brach und deshalb nach der juͤdischen Geschichte mit dem Untergange bestraft wurde. Ein allerdings passendes Nationalbeyspiel! Ich will einige von Eisenmenger selbst angefuͤhrte rabbinische Stellen noch unter den Text setzen Der Rabbi Bechai sagt: Welcher einen Eyd uͤbertritt, der verlaͤngnet das Fundament (nemlich Gott,) und schliesset sich selbsten aus von der Summa des Eydes, und hat kein Theil an dem ewigen Leben. Welcher einen Eyd uͤbertritt, der thut eben so viel, als wenn er den gebenedeyeten Gott verleugnete, und demselben absagte, dann der zweck eines Eydes bestehet darinnen, daß, gleich wie Gott wahrhaftig ist, also soll auch sein (nemlich des Menschen) Wort wahrhaftig seyn. Wenn er aber sein Wort nicht haͤlt, siehe so verlaͤugnet er den gebenedeyeten Gott. Es ist unter allen Suͤnden keine so schwer, als wenn man einen Eydschwur uͤbertritt. Wer einem Goi, oder Heyden, (das heißt ei- nem der kein Jud ist,) schwoͤret, und den Eyd uͤber- : diese in in Verbindung mit allen vorher angefuͤhrten Gruͤn- den werden, wie ich hoffe, alle nur moͤgliche Zweifel- so lange keine neue und ganz uͤberzeugende Gruͤnde vorgebracht sind, jedem vorurtheils-freyen Leser ganz befriedigend beantworten. Meinem Gefuͤhl nach wenigstens sind die Begriffe uͤber diese Materie nu r Y 5 so uͤbertritt, derselbige entheiliger den Nachmen Gottes; und lernen wir solches (Ezechiel 17, v. 13 ꝛc.) von dem (Koͤnig) Zidkia, welcher dem Nebucad-Nezar geschworen, und seinen Eyd uͤbertreten hat, und deswegen bestraft ist wor- den, (wie 2 Reg. 25, v. 7. und Jeremiaͤ 39, v. 6. zu lesen ist,) und dieses ist, was der Ezechiel (im 17 Capitel v. 5) gesagt hat: Er nahm auch von dem Saamen des Landes, und setzte ihn in einem fruchtbaren Boden ꝛc. Hieraus kann man lernen, was fuͤr eine schwere Sache es sey, wann man einem Goi von den Voͤl- kern einen Eyd schwoͤrer, und seinen Eyd uͤber- tritt, wie groß seine Strafe sey, daß sie bis an den Himmel reichet, und das wegen der Entheiligung des Nahmens Gottes. Deswe- gen auch saget die Schrift, (Levit. 19, v. 12.) Ihr sollet nicht falsch schwoͤren bey meinen Nahmen (dann) ich bin der Herr, der dich deswe- so deutlich einwickelt, als es ihre Natur erlaubt, und ohne bisher voͤllig unbekannte Beweise vorzubringen, wird kuͤnftig Niemand mehr in den Indeneyden etwas Haͤckliches finden, oder Eisenmengers An- klagen in Absicht dieses Puncts von seinen uͤbrigen vortheilhaft auszeichnen duͤrfen. deswegen strafet, wann du auf einige Wei- se, ja auch einem Goi, falsch schwoͤrest, dieweil du den Nahmen (Gottes) entheili- gest. Der Rabbi Isaac Abuhaf . Wir lernen in dem Medrasch-Tanchuma, daß ein jeder, welcher mit Eyden sich versuͤndiget, (und dieselbe uͤbertritt) den heiligen gebenedeye- ren Gott verlaͤugne, und in Ewigkeit keine Vergebung zu gewarten habe, dieweil (Exodi 20, v. 7.) gesagt wird: Dann der Herr wird den nicht unschuldig halten, der seinen Nah- men vergeblich nimmt. Hier Hier breche ich diese Untersuchungen ab, da die wenige Muße abgerißener Stunden, welche ich den- selben widmen koͤnnen, und der Wunsch meines schaͤtzbaren Freundes, der diese Schrift verlegt, die- sen bereits angekuͤndigten Theil nicht zu spaͤt zu lie- fern, mir nicht erlauben noch die letzte Hauptabthei- lung, welche von verschiednen Modificationen der buͤrgerlichen und sittlichen Umbildung der Juden handeln wird, beyzufuͤgen. Nie haͤtte ich geglaubt noch einmal einen zweyten Theil zu liefern als ich den ersten herausgab, und itzt sehe ich mich sogar zu einem dritten nicht ganz willig hingeleitet, der indeß gewiß, so bald es mir moͤglich ist, erscheinen soll, wenn ich anders einen fortdauernden Beyfall des Publikums hoffen darf. Man wird die Mate- rien, welche diesem Theile vorbehalten sind, ziemlich nach dem voraussehen koͤnnen, was ich von mir ge- machten Einwuͤrfen noch unbeantwortet gelaßen ha- be, und ich will nur anfuͤhren, daß die Untersu- chung der Feyertage , des Kirchenrechts und der Autonomie der Juden vorzuͤglich unter denselben ihren Platz finden werden. Nichts Nichts wuͤrde mir angenehmer seyn, als durch baldige mit Festigkeit fortgefuͤhrte practische Versu- che, die theoretischen Entwuͤrfe berichtiget, bestaͤtigt und entbehrlich gemacht zu sehen. Nach- Nacherinnerungen zu der Einleitung . W aͤhrend des Abdrucks dieser Schrift sind zu den in der Einleitung genannten Schriften einige andere hinzugekommen, die ich hier noch kurz bemerken will. Herr Canzleydirektor Diez (ein Mann, den schon andere Schriften als freymuͤthigen Philosophen und denkenden Rechtsgelehrten auf eine sehr vortheil- hafte Art auszeichnen,) hat in einer lesenswuͤr- digen kleinen Schrift (die zuerst in den Berichten der Buchhandlung der Gelehrten 3tes St. 1783, S. 320 f. und hernach auch besonders Ueber Juden. Dessau. 8. 1783. ge- druckt ist) meinen Grundsaͤtzen auf eine mir sehr schaͤtzbare Art Beyfall gegeben, und auch noch mit neuen Gruͤnden sie zu verstaͤrken gesucht. Er hat besonders die aus der Religion besorgte Schwierig- keiten heben wollen, „weil, wie er hinzusetzt, ich „diesen Punkt mit gewisser Zuruͤckhaltung behan- „delt habe, welche mir verboten, Alles zu sagen, „was ich gewußt haͤtte.“ Ich gestehe, daß diese Zuruͤckhaltung bey mir allerdings Grundsatz ist, nach Z nach welchem ich glaube, daß ein Schriftsteller frey- lich nicht Alles, was er weiß , sondern jedesmal nur das sagen muß, was er zu einem bestimm- ten Zweck nuͤtzlich und wichtig haͤlt . Hier- nach habe ich uͤber diesen und andere Punkte mit gutem Bedacht gerade nicht mehr , noch weni- ger gesagt, als geschehen ist, und ich fuͤr denkende Leser, die Mittel-Ideen zuzusetzen, klare Folge- rungen abzuziehn wissen, (und nur fuͤr diese darf der Schriftsteller sorgen) noͤthig hielt. Eine andere Zuruͤckhaltung als diese durch meinen Zweck be- stimmte, habe ich nicht beobachtet, auch bekanntlich in dem Staat, der meinen Freund und mich ein- schließt, uͤber Materien der Art nicht beobachten duͤrfen. Indeß hat Hr. Diez doch Recht gehabt, daß ich zuweilen manchen Lesern zu Vieles selbst zu denken uͤberlassen, und mich nicht uͤberall vollstaͤndig und lichtvoll genug erklaͤrt habe. Da ich dieses auch aus andern Urtheilen gelernet, so habe ich nun die- sem Mangel abzuhelfen gesucht. Hrn. D. Gedan- ken, in Absicht des wichtigen Punkts, „daß man „durchaus den Juden keinen Uebergang zu irgend „einer andern religioͤsen Parthey auf einige Art vor- „schreiben, oder auch nur ihn beguͤnstigen, vielmehr „von der eignen Verbesserung ihres Religionssystems „und dessen Erhebung bis zu der reinen Vernunft- „religion „religion das Meiste erwarten muͤsse,” stimmen voͤllig mit den itzt von mir S. 172 ꝛc. geaͤusserten uͤberein. Ich schmeichle mir, daß mein wuͤrdiger Freund darinn eine unpartheyische Freymuͤthigkeit nicht vermissen werde. Sie in einem Lande, wo man darf, und bey einem Anlaß, wo es noͤthig ist, nicht bewiesen zu haben, wuͤrde mir, wenn er ver- dient waͤre, der empfindlichste aller Vorwuͤrfe seyn. Aber schwer ist es hier den Mittelweg zu finden und nie von ihm auf die eine oder andere Seite abzu- gleiten, die Grundsaͤtze auch der wuͤrdigsten und aufgeklaͤrtesten Maͤnner sind hierinn nicht gleich. Ich strebe darnach ihn zu treffen, und nach meiner itzigen Einsicht glaube ich gerade so freymuͤthig ge- wesen zu seyn, als es hier mein Zweck und die Ma- terie foderten. — Ganz stimm ich Hrn. D. in dem Wunsche bey, daß die Juden auch bald durch sich selbst sich bessern und dadurch die gerechtere Be- handlung, mit der freylich der Staat ihnen zuvor- kommen sollte, diesem noch dringender abfodern moͤgen; Sehr zu wuͤnschen ist es, daß die weisen und menschlichen Ermunterungen des unter den Juden sehr beruͤhmten Gelehrten Hrn. Wessely in den Worten der Wahrheit und des Friedens an die gesammte juͤdische Nation, vorzuͤglich an die- jenigen, mit Ihm wuͤnsche ich, daß so viele den- Z 2 kende kende Maͤnner, die sich itzt unter ihnen in einem Verhaͤltniß, das man nicht vermuthen sollte, wirk- lich befinden, Spinoza, wohl verstanden (wie auch Hr. D. erinnert) nicht in seinem philoso- phischem System, sondern in seiner Freyheit zu denken , zum Muster nehmen moͤchten Hr. D. hat auch neulich den so unrecht ver- gessenen Tractatus theologico-politicus dieses gros- sen Mannes wieder in Erinnerung gebracht und dessen Vorrede in den erwaͤhnten Berichten 5tes St. S. 564 u. f. uͤbersetzt. Hr. D. bemerkt mit Recht, daß unsere Zeit Spinoza’n noch nicht hin- ter sich denken muͤsse; sie ist allerdings mehr, als die seinige, faͤhig ihn zu verstehen, zu nutzen und zu berichtigen, ohne ihn zu verdammen. . Der bloß leidende Zustand, welchen diese Nation seit so vielen Jahrhunderten ihren Unterdruͤckern ent- gegengesetzt hat, das ganz abgestumpfte Gefuͤhl fuͤr eignes Elend, der Mangel aller Aufklaͤrung bey dem großen jenigen, so unter dem Schutze des Kaisers Joseph II. wohnen. Berlin 1782. bey den Glaubensgenossen des vortreflichen Verfassers Ein- druck machen moͤgen, dessen Einsicht und Herzen diese kleine urspruͤnglich hebraͤische Schrift sehr viel Ehre macht. Bey der Staͤrke des noch zu herrschenden Vorurtheils ist es nicht befremdend, daß Gesinnungen, wie diese, Hrn. Wessely von einigen juͤdischen Eiferern einen sehr heftigen Ta- del und Verdammungsurtheile zugezogen haben. großen Haufen, sind freylich, wie Hr. D. bemerkt, sonderbare, aber doch gewiß sehr erklaͤrliche Erschei- nungen, wie ich oft erinnert habe, und Jedem die Geschichte dieses Volks beweisen muß. Die Vorrede zu Manasse Ben Israel hat Hrn. Moses Mendelssohn eine neue Aufforde- rung Das Forschen nach Licht und Recht in einem Schreiben an Hrn. Moses Mendelssohn . Berlin 1782. zugezogen, die zwar, nach meinem Gefuͤhle, sowohl buͤndiger als anstaͤndiger und schicklicher, wie ehemals die Lavaterische abgefaßt ist und zu der wenigstens eine ungleich natuͤrlichere Veranlassung gegeben war, die indeß Niemand ganz billigen wird, der es fuͤr unrecht haͤlt, durch Folgerungen, die man aus geaͤusserten Grundsaͤtzen zieht, einen Schrift- steller in Verlegenheit zu setzen und ihm Erklaͤrun- gen, sogar Bestreitungen abzudringen, denen er ohne Zweifel aus guten Gruͤnden auszuweichen suchte. Kaum wird indeß der Freund wichtiger Wahrheit eine auch allenfalls zudringliche Aufforderung tadeln koͤnnen, die uns ein so herrliches Meisterstuͤck Jerusalem oder uͤber religioͤse Macht und Judentum von Moses Mendelssohn. Berlin 1783. be- wirkt hat, das ich gewiß keinem meiner Leser mehr Z 3 bekannt bekannt machen darf. Immer wird es mir ein an- genehmer Gedanke seyn, die erste Veranlassung zu einer Schrift gegeben zu haben, in der so viele vor- trefliche Ideen, so reicher Stoff zum Denken und weitern Untersuchungen, so viele lichtvolle Auf- klaͤrung und so viel edle Gesinnung, mit so viel Geist und Verstande geordnet da liegen. Moͤchte nur das Licht dieser Wahrheit bald auch ausser den Kreisen speculirender Gelehrten, die recht erleuchten, — welche handeln koͤnnen; moͤchte besonders die truͤ- gerische Duldung , die nur auf Religionsver- einigung gegruͤndet ist, mit der wir itzt bedrohet werden, kuͤnftig keinen Menschenfreund mehr taͤu- schen, der den herrlichen Schluß dieser Schrift ge- lesen hat: — dann, edler Weise , den ich meinen Freund nennen zu duͤrfen, stolz bin, dann, haͤtten Sie auch nichts weiter fuͤr die Aufklaͤrung Ihres Zeit- alters gethan, wuͤrden Sie doch immer als einer der wichtigsten Wohlthaͤter dieses Zeitalters genannt wer- den, das zwar Ihr ihm ungewohntes Verdienst an- staunt, aber so kalt, — daß selbst seine Bewunde- rung, Beleidigung ist, das — Doch kein Wort mehr weder von Ihrem Zeitalter noch von Ihrem Werke, theurer Mann. Jenes gehoͤrt nicht in eine Schrift, die noch auf weit groͤßeres und wich- tigeres Unrecht, das Ihr Volk und die es ihm anthun, anthun, dulden, aufmerksam zu machen bestimmt ist; ein Unrecht gegen das die Mißkennung auch des hoͤchsten persoͤnlichen Verdiensts, — auch des Ihrigen — Kleinigkeit ist! Und Ihr Werk, wem duͤrft ich seinen Werth noch anpreisen? Meine Gedanken, da, wo sie sehr merklich und wesentlich von den Ihrigen abweichen, weiter zu entwickeln, sie Ihrer und des Publikums Pruͤfung vorzule- gen; dies behalte ich dem kuͤnftigen Abschnitt vom Kirchenbann und vielleicht noch einem an- dern vor. Eine sehr gute Idee ist ohnlaͤngst in einer zu Tuͤbingen unter dem Vorsitz des beruͤhmten und philosophischen Publicisten Hrn. Pr. Maiers her- ausgekommenen Dissertation: Stark de Judaeorum tolerantia Legum Series temporum ordine di- gesta. 1782. ausgefuͤhrt. Man findet in derselben alle roͤmische, fraͤnkische, paͤbstliche, und allgemeine deutsche die Juden betreffende Gesetze in chronolo- gischer Ordnung zusammengestellt. Eine sehr nuͤtz- liche und sicher jedem denkenden Leser angenehme Sammlung, die ich mir uͤber jede wichtige Materie der Gesetzgebung und Politik wuͤnschte. Wer sie durchlaͤuft, wird gewiß nicht selten Bestaͤtigung und Veranlassung meiner Urtheile finden und ihnen noch Z 4 mit mit innigerm Gefuͤhl beystimmen. Denn man darf nur recht wissen, was mit den Juden bisher vorgegangen , um zu begreifen, wie sie werden muͤssen , was sie sind , und um auf das geleitet zu werden, was geschehen muß , wenn es anders mit ihnen werden soll. So viel ich diese Sammlung mit der, welche ich mir zu meinem Privatgebrauch gemacht habe, vergleichen koͤnnen, ist sie sehr genau und vollstaͤndig gemacht. Noch will ich hier eines Wunsches erwaͤhnen, den ein andrer beruͤhmter Gelehrter, Hr. Prof. Beckmann in Goͤttingen, (s. physik. oͤkonom. Bibl. XII, S. 125) bey Gelegenheit meiner Schrift geaͤussert hat, daß naͤmlich der Schaden und Vor- theil, den die verschiedenen Staaten von der itzigen Verfassung der Juden bisher gehabt, genauer ge- kannt und unpartheyisch beschrieben werden moͤchte; daß, so wie Howard eine Reise um der Gefaͤngnisse willen machte, ein andrer eben so guter Beobach- ter Europa blos in der Absicht durchreisete, um die politischen Folgen der verschiedenen Judenverfassun- gen zu studiren. Ich wuͤnsche mit Hrn. Beckmann , daß diese Idee ausgefuͤhrt wuͤrde und ich habe ohnlaͤngst einige Reisende ermuntert, auch dies zum Gegenstande ihrer Aufmerksamkeit zu machen, von von deren Beobachtungsgeist und fuͤr Alles, was Menschen angeht, fuͤhlendem Herzen ich mir sehr viel versprechen darf. Ich selbst habe nicht Zeit mich in das historische Detail der ehemaligen und itzigen Judenverfassung verschiedener Laͤnder weiter einzulassen, obgleich der Materialien dazu schon nicht wenig vorhanden sind. Aber doch duͤrfte in der Fortsetzung noch wohl ein schicklicher Ort sich finden, um den sittlichen und politischen Schaden, den die uͤbrige Menschheit und die Staaten bisher durch die Unterdruͤckung der Juden gelitten, noch anschau- licher zu machen. — Ein interessanter Aufsatz uͤber Gallizien und Lodomerien in Hrn. Zoͤllners Lesebuch fuͤr alle Staͤnde , Th. IV. S. 135 enthaͤlt auch merkwuͤr- dige Nachrichten uͤber die dort so zahlreichen Juden, unter andern diese, „daß die Karaiten sich ganz „polnisch wie der Landmann tragen, gerade wie die- „ser das Feld bauen und auch ihm in den Abgaben „voͤllig gleich gesetzt und von allen Lasten der uͤbri- „gen Judenschaft befreyet sind.” Hr. Prediger Zoͤllner merkt hiebey an, „dieses Factum rede so „sehr fuͤr meine Theorie, daß es sich der Muͤhe ver- „lohnen wuͤrde zu untersuchen, ob die Grundsaͤtze „der Karaiten die buͤrgerliche Verbesserung der Ju- „den besonders beguͤnstigen, oder ob nur Eigensinn Z 5 „der „der Regierung oder Zufall gerade diesen Vorzuͤge „einraͤume.” So sehr man auch allenfalls berech- tigt seyn moͤchte, von der ehemaligen polnischen Re- gierung dieser Lande das letztere zu vermuthen; so ist es doch wohl nicht zweifelhaft, daß allerdings die religioͤsen Grundsaͤtze der Karaiten schon weniger Hindernisse ihrer buͤrgerlichen Verbesserung ent- gegensetzen als die der uͤbrigen Juden. Es ist naͤmlich bekannt, wie jene sich wesentlich da- durch unterscheiden, daß sie keinen Talmud , keine muͤndliche Ueberlieferungen, sondern lediglich das schriftliche Gesetz Mosis und von demselben keine allegorischen Deutungen, sondern blos dessen Wort- verstand nach vernuͤnftigen Auslegungsregeln an- nehmen. Man findet von ihnen eine kurze und deutliche Nachricht in Hrn. O. C. R. Buͤschings Ge- schichte der juͤdischen Religion , §. 52, nebst An- zeige der Quellen, sich weiter zu belehren. Hier- nach sind ihre zehn vornehmste Glaubensartikel, in denen man nichts finden wird, was die Karai- ten verhinderte gute Buͤrger zu seyn, folgende: 1) Alle Weltkoͤrper und was in denselben ist, sind erschaffen. 2) Der Schoͤpfer derselben ist uner- schaffen; 3) er hat nicht seines gleichen; 4) er hat seinen Knecht Moses gesandt; 5) durch denselben hat er sein vollkommenes Gesetz gegeben; 6) ein Glaͤu- biger Alle aus dem Talmud und seinen Aus- legern legern entstandene Gruͤbeleyen, alle casuistische So- phistereyen und die ganze Reihe von aͤngstlich peini- genden, micrologischen Vorschriften, fallen also bey ihnen weg; jener Wall, den die Rabbinen um das Gesetz aufgefuͤhrt haben, und der weit trennender, wie dieses die Juden von ihren Mitmenschen son- dert, ist hier nicht vorhanden. Allerdings waͤre also wohl zu wuͤnschen, daß unsere Juden vors erste wenigstens Karaiten werden moͤchten, weil die meisten Unbequemlichkeiten ihres Religionsbegriffs aus dessen spaͤtern Zusaͤtzen entstanden sind, und im- mer in dem Maaße verschwinden muͤssen, je mehr sie der urspruͤnglichen Reinigkeit des mosaischen Ge- setzes sich wieder naͤhern und endlich bis zu der Ein- sicht biger muß die Sprache des Gesetzes, und die Aus- legung desselben verstehen, es muß aber der Wort- verstand des Gesetzes durch vernuͤnftige Regeln der Auslegungskunst bestimmet werden; 7) der hochgelobte Gott hat auch die uͤbrigen Propheten durch den prophetischen Geist regieret; 8) der hochgelobte Gott wird die Menschenkinder am Tage des Gerichts wieder lebendig machen; 9) und einem jeden nach seinen Werken vergelten; 10) er hat sein Volk in seiner Gefangenschaft nicht verworfen, ob er es gleich gezuͤchtiget; es gebuͤhret sich also, daß es an einem jedem Tage sein Heil durch den Meßias, den Sohn Davids annehme. sicht kommen werden, daß dieses Gesetz, so wohl an- gemessen es auch dem Staat und dem Klima, fuͤr die es gemacht war, seyn mochte, nun diesen relativen Werth und seine Guͤltigkeit laͤngst verlohren habe, seit jener Staat aufgeloͤßt ist und die Nachkommen seiner Buͤrger unter ganz andern Himmelsstrichen, die Glieder ganz anderer politischer Gesellschaften geworden sind, in denen nun von jenem Gesetz nichts mehr, als die auch in demselben bestaͤtigte, in allen Zeiten und Climaten immer gleich wohlthaͤtige Re- ligion und Sittenlehre der Vernunft noch brauch- bar geblieben sind. Diese Einsicht , ich hoffe es ge- wiß, wird sich allmaͤhlig unter den Juden immer weiter verbreiten, sobald sie nur nicht mehr, wie bisher, gewaltsam zuruͤckgehalten wird. Wenn nur der Jude erst ganz Buͤrger seyn darf, und weiter nichts, als daß er dieses sey, von ihm gefodert wird; so kann nichts jene Einsicht mehr aufhalten, selbst die Stimme Mendelssohns nicht, S. Jerusalem . Zweyter Abschnitt. S. 128 u. f. der nur hier seine Bruͤder nicht gehorchen muͤssen, und, wird nur jene Bedingung erfuͤllt, auch nicht gehorchen werden. — Jene polnische Karaiten, um noch ein Wort von ihnen zu sagen, sind ohne Zweifel durch ihr freyeres Gesetz schon faͤhiger gemacht, den uͤbrigen Buͤrgern gleich gleich zu werden, Ackerbau zu treiben u. s. w. Wahr- scheinlich haben sie auch dieses zum Beweggrunde gemacht, bey ihrer Ankunft aus Asien, von da sie vermuthlich abgesondert von den uͤbrigen Hebraͤern nach Polen gekommen, die Befreyung von den sonst uͤblichen Juden-Lasten sich auszubedingen. Wenn uͤbrigens der Hr. Verf. jenes Aufsatzes S. 155 auch die Erthellung des Buͤrgerrechts an Juden, fuͤr eine der Ursachen der schlechten Verfas- sung der polnischen Staͤdte angiebt, so bemerkt Hr. Prediger Zoͤllner sehr treffend, „daß nicht dieses „Buͤrgerrecht an sich selbst, sondern der Juden Lage „uͤberhaupt und der Mißbrauch, den sie von jenem „Buͤrgerrecht machen muͤssen, dem Vortheil der „staͤdtischen Einwohner in den Weg trete.“ Aller- dings ist es immer Unrecht eine Classe von Men- schen, sie sey, welche es wolle vor den uͤbrigen zu beguͤnstigen, — aber dieses Unrecht ist als- dann nicht diesen Beguͤnstigten , sondern den un- politischen und ungerechten Beguͤnstigern beyzu- messen. Sicher sind es in Polen nicht die Juden, als Juden, welche den Buͤrgerstand druͤcken, son- dern, wie es auch aus dieser ganzen Beschreibung deutlich genug erhellet, bloß die Edelleute, — die den Juden nur deshalb, zum Nachtheil der staͤd- tischen Bewohner, groͤßern Gewinn verstatten, weil sie sie ihn hier mit mehrerer Leichtigkeit wieder ab- pressen koͤnnen. Dieses beweiset schon allein der auch von dem geschickten Verfasser bemerkte elende Zustand, in welchem sich die Juden in Polen, sehr wenige ausgenommen, befinden. Man druͤcke nur den unnatuͤrlichen Despotismus des Adels nieder; man fuͤhre Justitz Wem dieser Ausdruck zu hart scheint, dem will ich, wenn er auch sonst nichts von Polen wuͤßte, nur aus dem erwaͤhnten Aufsatze S. 177 das Factum aufuͤhren, daß durch ein Gesetz von 1517 die Canz- leytaxen bey Processen nur fuͤr den Adel be- stimmt, in Absicht der Buͤrger aber, arbitrio et voluntati Cancellariae lediglich uͤberlassen sind. und Sicherheit des Eigenthums ein; man mache es den Buͤrgern moͤglich , sich zu naͤhren , und hebe die ihnen nachtheiligen Vorrechte der Edelleute und ihrer Juden auf, lasse aber uͤbri- gens letzteren alle gleiche Rechte mit den christlichen Buͤrgern: so werden beyde gewiß neben einander bestehn koͤnnen und der Zustand dieses Landes wird bald verbessert erscheinen. Nach- Nachschrift zu der Anmerkung S. 182 . D iese Anmerkung wurde schon im Maͤrz d. J. ge- schrieben, die darinn beruͤhrte merkwuͤrdige Bege- benheit intereßirte mich so sehr, daß ich mir Muͤhe gab, uͤber dieselbe einige zuverlaͤßigere Auskunft zu erhalten. Ich bin so gluͤcklich gewesen, sie noch vor dem vollendeten Abdruck dieser Schrift zu bekom- men, und ich habe das Vergnuͤgen gehabt, meine Vermuthung, daß die Sache anders, als sie in den Zeitungen vorgestellt war, zusammenhangen muͤsse, vollkommen bestaͤtigt zu sehn. Hier ist das gewiß auch meinen Lesern interessante Schreiben ei- nes sehr unterrichteten Mannes, der in der Nach- barschaft von Boͤhmen wohnt, und sich Josephs II, mit der edlen und ungeschmeichelten Waͤrme an- nimmt, welche dieser bewundernswuͤrdige Mo- narch waͤhrend seiner kurzen Regierung auch denen, die nicht seine Unterthanen sind, einzufloͤßen gewußt hat: *** *** den 2ten Jul. 1783. — „ S ie haben sehr Recht, wenn Sie die Ge- „schichte mit den boͤhmischen Deisten , so wie „sie in den Zeitungen gestanden, ganz unglaublich „finden, und Sie zeigen sich als einen wahren Ver- „ehrer des großen Kaisers, wenn Sie die Welt auf- „merksam darauf machen, wie unwuͤrdig diese Er- „zaͤhlung Josephs II. sey, welches vielleicht oder „vielmehr gewiß, eine Menge Zeitungsleser nicht „einmal gefuͤhlt haben. Aber ganz erdichtet ist die „Sache doch auch nicht. Man hat wirklich in „Boͤhmen eine ganz betraͤchtliche Menge Bauer- „familien gefunden, welche wegen deistischen Glau- „bens auf Befehl des Kaisers nach einigen entfern- „tern Provinzen abgefuͤhrt sind. Daß dieses aus „bloßem Religionseifer, aus Verfolgungssucht und „Bigotterie geschehn seyn sollte, war freylich bey „einem Monarchen, der sich schon gezeigt hat, wie „ dieser , ganz undenkbar. Die eigentlichen Be- „weggruͤnde, den ganzen Zusammenhang kann ich „Ihnen zwar noch nicht mittheilen, allein doch et- „was Licht Ihnen geben und Sie koͤnnen sich auf „die Zuverlaͤßigkeit dessen, was ich Ihnen sagen „werde, verlassen. Die Sonderbarkeit des Fac- „tums hat meine Wißbegierde, wie die Ihre, ge- „reitzt und ich habe mir alle Muͤhe gegeben, sie „aus unverdaͤchtigen Quellen zu befriedigen.” „Viel- „Vielleicht ist Ihnen nicht unbekannt, daß vor „einigen Jahren noch waͤhrend der vorigen oͤster- „reichischen Regierung in einigen Gegenden von „Boͤhmen unter den Bauern Unruhen entstan- „den, die zwar bald gedaͤmpft wurden, aber „vielleicht doch noch einiges Mißtrauen der Regie- „rung rechtfertigten. Gerade in eben diesen Ge- „genden standen itzt wieder unwissende Bauern auf, „erklaͤrten sich gegen allen bisherigen Glauben auf „eine nicht sehr verstaͤndliche Art, wurden anfangs „durch nicht leicht zu verstaͤndigende Priester und „Beamte verhoͤrt, die die Sache nicht deutlicher „machen konnten — oder wollten. Sie verdiente „indeß Aufmerksamkeit, es war zu vermuthen, daß „die ungewoͤhnlichen religioͤsen Grundsaͤtze dieser „Menschen mit ihrem ehemaligen Aufstande zusam- „menhaͤngen koͤnnten. Hiezu kam, daß der Mo- „narch nicht gleich anfangs in jeder seiner Provin- „zen mit gleicher Energie seine Wuͤnsche, allge- „meine Duldung zu verbreiten, realisiren konnte. „Ungarn und Siebenbuͤrgen sind dazu durch die „Menge der dissentirenden Partheyen, durch die „in letztrem Lande selbst Socinlanern schon laͤngst „ertheilte buͤrgerliche Rechte weit mehr vorbereitet, „als Boͤhmen, in dem eine gar zu ploͤtzliche, zu all- „gemeine Duldung — vielleicht anfangs Unord- „nungen, Sittenlosigkeit hervorbringen, — viel- A a „leicht „leicht schlummernde Keime des Fanaticismus wecken „konnte. Der Kaiser fand also besser, diesen Men- „schen die Rechte des Gewissens lieber in den Thei- „len seiner Monarchie zu gestatten, wo es auf die „fuͤr das Ganze unschaͤdlichste Art geschehen konnte.“ „Ueberhaupt ist es freylich nicht zu leugnen, daß „im Oesterreichischen in Absicht der Duldung noch „lange nicht Alles geschieht, was geschehen koͤnnte, — „was, wie ich gewiß uͤberzeugt bin, der Kaiser „wuͤnscht und auch sicher noch zu Stande bringen „wird. Aber wer die Schwierigkeiten seiner Un- „ternehmungen nur einigermaßen uͤbersieht, von „denen man in protestantischen Laͤndern kaum eine „Idee hat, wer da weiß, was es heißt, mit Dumm- „heit und geheiligtem Vorurtheil, mit Bosheit und „Eigensinn, mit Traͤgheit und Unverstand, und „was das aͤrgste ist, mit gekraͤnktem Eigennutz „und Stolz zu kaͤmpfen, der wird gewiß nicht sich „wundern, daß nicht noch mehr geschieht , aber „staunen wird er uͤber das, was seit zwey Jahren „ wirklich geschehen ist . Ich wenigstens, der „ich die Oesterreichischen Staaten, besonders die „Großen und die Geistlichen seit vielen Jahren ge- „nau kenne, gestehe Ihnen, daß ich Josephs „Thaten, wodurch er Toleranz und Aufklaͤrung ver- „breitet, waͤr’ ich nicht von ihrer Wahrheit uͤber- „zeugt, unglaublicher als des fabelhaften Herkuls „Ar- „Arbeiten finden wuͤrde. Ja ich wuͤrde ohne Be- „denken den fuͤr wahnsinnig erklaͤrt haben, der mir „vor 20 Jahren so etwas haͤtte voraussagen wollen. „Hat also der Kaiser auch mit diesen sogenannten „Deisten (wie es freylich nicht zu laͤugnen ist) „nicht so verfahren, wie es geschehn seyn wuͤr- „de — wenn unsere Zeit schon reif genug waͤre, „um nicht mehr Toleranz , sondern allgemeines „Recht der Gewissen einzufuͤhren; so seyn Sie „gewiß versichert, daß Er nach den Umstaͤnden „nicht anders hat handeln koͤnnen . Soviel kann „ich Ihnen auch versichern, daß diese Leute bloß „aus ihrem Vaterlande nach Ungarn, Siebenbuͤr- „gen, Gallizien, der Bukowina, transportirt und „von einander getrennt aber uͤbrigens im mindsten „nicht uͤbel behandelt sind. Alles, was weiter in „den Zeitungen gesagt worden, ist falsch. Das „Vermoͤgen dieser Menschen ist gar nicht confiscirt, „sondern ihren Kindern unter 15 Jahren, oder in „Ermangelung derselben den naͤchsten Erben zuer- „kannt worden. Nur die Dienstfaͤhigen sind zum „Soldatendienst angehalten, die Alten, Weiber und „Kinder aber sind von dem militaͤrischem Departe- „ment verpflegt, zum Theil als Krankenwaͤrter und „zu andern Geschaͤften bestellt, andere aber, beson- „ders die unverheyrathete Weibspersonen, bis sie „einen Dienst gefunden, unentgeltlich erhalten wor- A a 2 „den. „den. Ausdruͤcklich ist untersagt, ihnen auf einige „Weise uͤbel zu begegnen; auch sollen Eheleute nicht „getrennt werden, und die Geistlichen zwar sie zu „bekehren suchen, aber ohne alle Zudringlichkeit ; Wird es nur moͤglich seyn, diese in der Aus- uͤbung wirklich zu verhindern? „auch ist ihnen die Ruͤckkehr in ihr Vaterland und „zu ihren Guͤtern nicht verwehrt, wenn sie ihren „Lehren entsagen und an eine der bis jetzt nur noch „allein tolerirten religioͤsen Partheyen sich anschlies- „sen wollen. Ich habe dies Alles aus der Ver- „ordnung des Hof-Kriegsraths , welche am „11ten Maͤrz d. J. wegen dieser Sache ergangen „und von dessen Praͤsidenten Haddick unterzeichnet „ist, treulich excerpirt und Sie koͤnnen gewiß seyn, „daß diese Befehle puͤnktlich vollzogen werden.“ „Weniger befriedigend kann ich Ihre Frage: „ was es eigentlich mit dem System dieser Leute „fuͤr eine Bewandniß habe? — und wie Dei- „sten unter boͤhmische Bauern kommen ? „beantworten. Sie finden in Hrn. Meusels „historisch. Litter . 1783, 1tes und 5tes St. „hieruͤber einige Nachrichten, die, wie ich ver- „sichern kann, sehr authentisch sind und zu denen „ich vor itzt nichts weiter zuzusetzen weiß. Sie „werden freylich wohl mit mir finden, daß in „diesem Religionsbegriffe nichts enthalten sey, was „dessen „dessen Anhaͤnger unfaͤhig machte, gute Buͤrger zu „seyn. Es muß also in speciellen Umstaͤnden liegen, „daß man sie in Boͤhmen nachtheilig gefunden und „lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das „schon mehr an Verschiedenheiten der Meynung ge- „woͤhnt ist.” * * * Nicht nur die Nachrichten dieses Briefes schei- nen mir interessant, sondern mich duͤnkt auch, mein wuͤrdiger Correspondent hat die Sache gerade aus dem richtigen Gesichtspunkt gefaßt. Allerdings ist bey jeder sittlichen und politischen Reforme nichts sorgfaͤltiger zu vermeiden, als zu rasche, zu unvor- bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der vollkommne Genuß der menschlichen Gewissensrechte, so wichtig und wohlthaͤtig sie an sich selbst sind, koͤn- nen doch unter bestimmten Umstaͤnden und Lo- cal-Bedingungen , mehr nachtheilige als gute Folgen hervorbringen; und auch die weiseste Regie- rung kann durch gewisse Verhaͤltnisse gezwungen werden, ihre Wohlthaten zu beschraͤnken, um nicht aufzuhoͤren wohlthaͤtig zu seyn. Es giebt nun einmal Classen von Menschen, mit denen es so weit gekommen ist, daß sie ganz vollkommne Geistesfrey- heit nicht ertragen koͤnnen, so wie oft die in der Sclaverey Geborne sie sich nicht nehmen laß ol- A a 3 len. len. Man muß also sich begnuͤgen durch allmaͤlige Fortschritte erst kuͤnftigen Generationen das Gluͤck zu bereiten, dessen die itzige noch nicht empfaͤnglich ist, und dem Vorurtheile etwas weichen, wenn man ohne dieses es nie bezwingen wuͤrde. Aber selbst im Weichen muß man den Sieger erkennen, der einst zuruͤckkommen und den geschwaͤchten Feind ganz baͤndigen wird. Auch im Kriege gegen die Vorurtheile ist Fabius der Zaudernde oft der wei- sere und gluͤcklichere, aber auch gewoͤhnlich von den Zeitgenossen verkannt, um von der Nachwelt, die das Ganze, das er bildete , nun gebildet uͤbersieht, desto mehr verehrt zu werden. Einzelne Menschen koͤnnen, nach dem Ein- geben brausender Leidenschaften eine Reforme begin- nen, die, wenn sie nicht von Zeitumstaͤnden ausser- ordentlich beguͤnstigt wird, selten wichtige Folgen haben wird. Aber nach einem festen, sich selbst immer nach den Zeitumstaͤnden entwickelnden Plane mit Ruͤcksicht nicht auf einige , sondern auf alle Beduͤrf- nisse, alle Verhaͤltnisse des Staats, mit Schonung auch des nun einmal unter dem Schutz und mit Bey- huͤlfe des Staats aufgewachsenen Vorurtheils, re- formiren; dies ist das Werk einer weisen und auf- geklaͤrten Regierung, welche die Menschen und die Art, sie zu behandeln kennt und weiß, daß, um wirk- wirklich Gutes und Großes hervorzubringen, man es nicht in einem Jahre wollen muͤsse. Ein wahr- haft großer Regent arbeitet nicht fuͤr die Zeitung , sondern fuͤr die Geschichte ; die Groͤße und der innere Werth seiner Thaten kann nur dann empfun- den werden, wenn wir ihr schoͤnes Ganze, ihren bin- denden Zusammenhang zu uͤbersehn vermoͤgen. Ein- zelne Theile koͤnnen auffallen, aber sie gehoͤrten ins Ganze, — das dann freylich auch nicht schoͤner seyn kann, als der Stoff, in den es gearbeitet wurde, zuließ. — Jeder Leser wird es fuͤhlen, daß dies der Ge- sichtspunkt ist, aus dem man das Verfahren einer weisen Regierung betrachten muͤsse; er wird meinen Unglauben billigen, mit dem ich die Aechtheit jener Ihrer unwuͤrdiger Nachrichten bezweifelte, und das Vergnuͤgen theilen, mit dem ich itzt richtigere be- kannt mache. Der von meinem Hrn. Correspondenten ange- fuͤhrte Befehl des Hof-Kriegsraths ist in dem mir so eben zugekommenen 2ten St. des 54sten Ban- des der Allgem. deutschen Bibl. abgedruckt, und stimmt mit dem was daraus angefuͤhrt worden, voll- kommen uͤberein. Es ist demselben aber auch ein aͤusserst merkwuͤrdiges Verhoͤr beygefuͤgt, welches ein protestantischer Geistlicher zu Preßburg mit einem dieser Deisten angestellt hat. Ich darf voraussetzen, A a 4 daß daß Keiner, den diese Sache intereßirt, es ungele- sen lassen wird und ich will deshalb nur bemerken, daß mir der Entstehungsgrund des boͤhmischen Deismus, den dieser Mann, der es sehr aufrichtig gemeynt zu haben scheint, angiebt, ungemein auf- fallend gewesen ist. Weil den guten protestantischen Bauern ehemals ihre Bibel und andere Erbauungs- buͤcher immer genommen wurden, so kamen sie end- lich auf den simpeln Gedanken, ihre Erbauung und Erkenntniß ihres Gottes — der vermuthlich nicht von ihnen aus Buͤchern erkannt seyn wolle — nur aus dem Buche zu schoͤpfen, das ihnen kein Prie- ster und Beamter nehmen konnte, — dem der Na- tur und Vernunft . — Wirklich eine unerwartete Wendung, und ein Gedanke, der dem ungekuͤnstelten menschlichen Gefuͤhle Ehre macht. Auch liefert dieses Protocoll noch einen neuen Beweis, daß die Absicht des großen Kaisers keine andre als die Versetzung dieser neuen, die Vorur- theile zu sehr erschuͤtternden Religions-Parthey, aber wie es sich von selbst verstand, keine Unterdruͤckung derselben gewesen sey. Nolo, waren seine Worte zu den nach Wien abgeordneten Deputirten, vestris conscientiis vim inferre . Ferner sieht man aus diesem Protocolle, daß die anfaͤngliche Verwirrung in der Benennung dieser Leute daher entstanden sey, weil sie wirklich sich in zwey verschiedene Partheyen abtheil- abtheilten. Einige waren von der protestantischen Religion zum reinen Deismus uͤbergegangen; andere waren Juden geworden, gerade aus eben dem Grunde, weil sie sahen, daß die Juden sich nach eignem Gewissen aus ihren Religionsbuͤchern er- bauen durften, die den Protestanten genommen wurden. Das kuͤrzere boͤhmische Protocoll setze ich aus Hrn. Meusels Journal hieher: 5. Maͤrz 1783. „ Wie heißet Ihr? Martin Barta , aus dem „Dorfe Jaroßow. Was habt Ihr sonst fuͤr eine „Religion gehabt ? Die Katholische, und dann „die Helvetische.“ „ Was fuͤr einen Glauben habt Ihr jetzt ? „Den goͤttlichen, sonst den Israelitischen genannt, den „naͤmlich Abraham vor der Beschneidung gehabt.“ „ Worinn besteht jetzt eure Religion ? Ich „glaube an einen Gott; und sonst nichts. An die „Dreyfaltigkeit Gottes glaube ich nicht. Gott ist im „Himmel; Ich bin Gottes Sohn und den heiligen „Geist habe ich in mir. Ich glaube weder an die „Taufe noch an die Beschneidung. Mein Geist ist „unsterblich. Was in der Bibel von einem Gott „steht, das glaube ich; sonst nichts. Denn Moses „hat hineingeflickt ( NB. neptaczal heißt es im A a 5 „Boͤh- „Boͤhmischen, welches auch bedeuten kann; viel Un- „sinn hinzu setzen) was er gewollt; er war ein „Mensch, wie ich, und der Buchdrucker in Halle „hat erst in seiner Hallischen Bibel, mit den lan- „gen Citationen aus dem alten Testament ins Neue, „und aus dem neuen ins alte, das Ding recht ver- „wirrt; denn es ist alles eins, was im neuen Te- „stament steht, wie im alten. Aus dem alten Te- „stament glaube ich die zehen Gebote, und aus dem „neuen das Vater unser, das uͤbrige, daß der Sohn „Gottes gebohren worden und dergl. glaube ich „nicht.” „ Wer hat euch zu dieser Religion angefuͤhrt ? „Der Geist des Herrn, den ich in mir habe.” „ Wollet ihr zu eurer vorigen Religion zu- „ruͤckkehren ? Ich will durchaus nicht. Die Helve- „tische Verwirrung steht fuͤr nichts. Wenn nur „Gott diese Helvetische Verwirrung nicht uͤber uns „geschickt haͤtte.” „ So muͤsset ihr euch beschneiden lassen, und „muͤsset fort aus eurem Vaterlande . Wegen un- „sers einzigen Gottes wollen wir gern das Vaterland „und alles verlassen; wir wollen fortgehen. Aber „beschneiden wollen wir uns nicht lassen; denn „es ist nicht moͤglich, daß Gott der Herr, der den „Menschen ganz erschuf, befohlen haͤtte, man sollte „sich in der Schaam beschneiden lassen.” So So interessant diese Nachrichten sind, so verdienen sie doch noch mehr Aufklaͤrung. Denn immer bleibt es sehr sonderbar, wie gemeine Bauern zu so richtigen, hellen Begriffen kommen konnten, als in den beyden Protocollen von ihnen dargelegt werden. Freylich sind sie mit einigen Sonderbarkeiten gemischt, aber ich wundere mich nur, daß dieser so wenige sind, und daß Menschen, in deren Kopfe Moses und der Hallische Buchdrucker so nahe bey einander Ue- gen, die großen Hauptwahrheiten der Vernunft, so rein abzutrennen wußten, und da sie in ihrem alten Glauben so eine Totalreforme vornahmen, ge- rade nicht mehr oder weniger wegwarfen und be- hielten, als geschehen ist. Ich gestehe, daß die Aussagen dieser Menschen, wenn sie aͤcht vorgetra- gen sind, und selbst ihre offene Simplicitaͤt mir Ach- tung fuͤr sie eingefloͤßt haben, und daß ich nichts in ihnen finde, was sie unfaͤhig machte, treue Buͤrger und Unterthanen zu seyn. Was bedarf es hiezu mehr als das Daseyn und die Vorsehung Got- tes, Unsterblichkeit und Vergeltung des Gu- ten und Boͤsen zu glauben? Ist dieß nicht genug, um uns zu guten und rechtschaffenen Menschen zu machen? und kann — muß es dem Staat nicht ge- nug seyn, uns diese zu wissen — Freylich koͤn- nen, wie ich schon bemerkt ha e, Verhaͤltnisse seyn, unter denen dieses nicht genug ist; Verhaͤltnisse, welche welche die Regierung noͤthigen, vors erste noch mehr zu fodern, weil die Vortheile der vollkommensten Gewissensrechte, so groß sie an sich sind, doch in diesem Augenblick, unter diesen Umstaͤnden von Inconvenienzen andrer Art uͤberwogen werden. Ich zweifle nicht, daß dieses hier der Fall war, ich bedauere vielmehr, daß Umstaͤnde, wie mein Correspondent sie angegeben, es fuͤr itzt rath- samer gemacht haben, eine unter der gemein- sten Klasse der Unterthanen unerwartet auf- keimende Religion der Vernunft nur da zu dulden, wo sie weniger ungewohnt sich zeigen konnte. Aber hoffentlich wird Josephs durch keinen Widerstand zu ermuͤdende Thaͤtigkeit, Ihm noch das hohe Gluͤck bereiten, daß reine Vernunftreligion in dem ganzen Umfang seiner weiten Monarchie sich frey zeigen kann, und daß Glaube an Gott und ein ver- geltendes kuͤnftiges Leben, nebst treuer Erfuͤllung aller seiner Pflichten in diesem Leben Alles seyn wird, was Er von seinen Unterthanen fodern darf! —