Poetische S chriften von Friedrich Wilhelm Zachariaͤ . Fuͤnfter Band. Mit allergnaͤdigsten Freyheiten. Die vier Stufen des Weiblichen Alters. Ein Gedicht in vier Gesaͤngen. A 2 Vorbericht zu den vier Stufen des weiblichen Alters. D ieses Gedicht entstand auf einer Reise, wo ich von ohngefehr in einem kleinen Buchladen die vier Stu- fen des menschlichen Alters unter dem Titel: Quatuor humanae vitae aetates, A 3 Tu- Vorbericht. Turici MDCCLIIII. zu Gesichte bekam. Jch las die fließenden lateinischen Ver- se mit großer Begierde einigemal durch, und hielt sie, da ich auf den kurzen Vorbericht nicht aufmerksam gewesen, fuͤr das Original selbst. Nachdem aber meine vier Stufen des weiblichen Al- ters im Druck erschienen, wurde mir von dem wahren Erfinder mein Jr- thum benommen. Jch kan die Leser nicht besser hievon unterrichten, als wenn Vorbericht. wenn ich Jhnen den Brief dieses wuͤr- digen Mannes an mich abschreibe, und auch das Lob nicht unterdruͤcke, so mir derselbe darinn ertheilt; da Beyfall und Lob von edlen Gemuͤthern, und Ken- nern, unstreitig die angenehmste Beloh- nung ist, die ein Dichter sich wuͤnscht. Er schrieb mir von Zuͤrich folgendes: Mein Herr, J ch habe mit entzuͤckenden Freuden die vier Stufen des weiblichen Alters gelesen, oͤfters A 4 ge- Vorbericht. gelesen, und stets bewundert. Nicht ein ver- welklicher Lorbeer, sondern die Krone von Germaniens wuͤrdigen Toͤchtern, eine Frau, Jhrem Gemaͤlde gleich, muͤsse die Belohnung seyn fuͤr das edle Denkmal, welches sie der schoͤnen Haͤlfte unsers Geschlechts gestiftet ha- ben! Sie verdienen es mit Recht, mein Herr. Aber was hat ein redlicher Schwei- tzer bey Jhnen verschuldet, daß Sie seine Arbeit einem Jtaliaͤner beylegen, und der Welt wollen glauben machen, daß der Biblio- thekar der Ambrosianischen Bibliothek zu Mey- land, Vorbericht. land, ein Geistlicher, sich bemuͤht habe, Cha- raktere fuͤr freye Schweitzer zu schreiben, ihre Knaben zur Tugend anzufeuern, und Jhren Juͤnglingen patriotische Gesinnungen beyzu- bringen? Denn das ist und bleibt ausge- macht, daß die Bilder in den vier Stufen des menschlichen Alters einzig und allein fuͤr freye Staaten passen, die so eingerichtet sind, wie der unsrige; und daß die Moral, die dem Herzen eines Deutschen, eines Franzo- sen und Jtaliaͤners, eingepraͤgt werden soll, mit den Landesgesetzen, und mit dem Climat A 5 uͤber- Vorbericht. uͤbereinstimmen muͤsse, wenn jeder seinem Va- terlande nuͤtzliche Dienste leisten soll. Und wo finden sie sonst, mein Herr, als bey den Schweitzern, eine solche Staatsverfas- sung, wo der Buͤrger zugleich Gesetzgeber, Soldat, Richter und Unterthan ist? Allein ihre eigne Einsicht uͤberzeugt sie hievon; ich muß Jhnen also, mein Herr, nur noch sa- gen, wie ich auf den Einfall gerathen, die vier Stufen zu schreiben. Vor einigen Jahren hat ein gewisser Zufall mich genoͤthigt, mein Zimmer zu huͤ- ten; Vorbericht. ten; und da die Morgenstunden einsam vor- uͤber giengen, so habe ich, um meinem Sohn, einem Knaben damals von sieben Jahren, ei- nen kleinen Begriff von einem rechtschaffenen Republikaner zu geben, diese Charaktere zu Papier gebracht. Alle Nachmittag besuchten mich meine Freunde. Herr Canonikus Breitinger kam eins- mal unvermuthet und sehr fruͤh; er fand meine Ar- beit auf dem Tisch, alle meine Vorstellungen waren fruchtlos; ich lag im Bett, er nahm sie weg, und ich sahe sie nicht wieder, bis sie gedruckt, und ehe ich sie verbessern konnte, gedruckt wa- Vorbericht. waren. Ein Jahr hernach uͤbersandte mir ein Meylaͤnder, der sehr wohl deutsch redet, und mein Freund ist, das Manuscript von der zierlichen poetischen Uebersetzung des Herrn Doktor Oltrotschi, welche dann auch mit ei- ner Vorrede vom Herrn Canonikus Breitin- ger hier gedruckt wurde. Haͤtten Sie, mein Herr, die vier Stufen des menschlichen Al- ters einem andern Schweitzer, aus welchem Canton es auch immer gewesen seyn wuͤrde, zugeschrieben, mir waͤre es gleichguͤltig gewe- sen; denn um die Autorschaft bekuͤmmere ich mich Vorbericht. mich nicht viel; mein Pult verschließt, was ich zu meiner Belustigung schreibe. Aber ei- nem Jtaliaͤner, obgleich seine fließende roͤmi- sche Poesie, mein Werkgen ganz verschoͤnert hat, habe ich die vier Stufen des menschli- chen Alters nicht uͤberlassen wollen. Verzeihen Sie mir also, mein Herr, daß ich Sie mit diesem Bericht bemuͤht ha- be. Mein Dank, daß sie auf meinen Ge- danken ein so vortrefliches Gedicht gebauet, ist so groß, als meine Hochachtung. Koͤnnte ich es Jhnen, mein Herr, in der That be- wei- Vorbericht. weisen, so waͤre mein Vergnuͤgen vollkom- men. Jst unser Land gleich felsicht und hart; so gießt doch der Himmel Freyheit, Ruhe und Frieden, auf uns herab. Fuͤrchtet sich Jhre Muse vor dem Schwarm der Franzo- sen; hier ist eine Zuflucht fuͤr sie. Hier růhrt man die Trommel nur zur Freude, und die Ufer der See, die Huͤgel und Thaͤler wiederschallen frohlockend dem Donner der Kanonen. Liebreich und zaͤrtlich wuͤrden Breitinger, und Bodmer, und Gesner, und andre wuͤrdigen Freunde sie umfangen, und Vorbericht. und ich wuͤrde einen der groͤßten meiner Wuͤn- sche erfuͤllt sehn ꝛc. Johann Rodolf Wertmuͤller, des großen Raths der Republik Zuͤrich, und Stadtfendrich. Jch habe in dieser neuen Auflage mein Versehen verbessert; und uͤberdieses auch diesem Gedichte, in Ansehung der Versart, so viel Wohlklang zu geben gesucht, als mir moͤglich gewesen, und diese Versart im Deutschen erlaubt. Es ist also sowohl in diesem Gedichte, als auch in der Schoͤpfung der Vorbericht. der Hoͤlle, der Bestimmung gefallner En- gel, und den Vergnuͤgungen der Melan- choley, fast kein Vers unveraͤndert geblie- ben; welches das Publikum uͤberzeugen wird, wie sorgfaͤltig der Dichter bemuͤht ist, seinen bisher erhaltnen Beyfall immer noch mehr zu verdienen. Braunschweig den 8ten Jan. 1764. Das Das Maͤdchen. Das Maͤdchen. Erster Gesang. Muse, begeistert durch dich, sang von dem mensch- lichen Alter Uns Wertmuͤllers gluͤckliche Leyer. Mit roͤmischer Anmuth Wiederhohlte sein Lied Oltrotschi. Vergassen die Dichter Ganz, die andre schoͤnere Haͤlfte des Menschenge- schlechtes? Singe du sie Germaniens Toͤchtern! Sie lieben Gesange, Welche mit lehrendem Reiz die einsamen Stunden verkuͤrzen; Und das fuͤhlende Herz zur himmlischen Tugend er- heben. B 2 Lieb- Das Maͤdchen. Liebliches Maͤdchen! nahe dich mir! — Wie gleicht sie der Mutter Mit dem feinsten Gesicht! Jhr braunes offenes Auge Laͤchelt schon Sieg. Schon gluͤhen die Lippen in hoͤherem Purpur, Und zerstreuete Rosen bedecken die zaͤrtlichen Wan- gen. Aber noch warten des gelblichten Haars sanftwallen- de Locken Auf die siegende Farbe der Nacht, die kuͤnftig die Schoͤnheit Jhres blendenden Halses erhoͤht. Es flattert im Winde, Wenn sie mit kleinen gefluͤgelten Fuͤssen die Mutter ereilet, An das lange Gewand sich haͤngt, und stammelt, und schmeichelt, Bis ihr die Mutter zuruͤckegefolgt. Jetzt setzt sie die Puppe Vor den Theetisch, und wartet ihr auf. Mit klei- nen Gespraͤchen Unterhaͤlt sie sie lange, die Antwort erwartend, und weinet Ueber Erster Gesang. Ueber ihr eigensinniges Schweigen’; sie giebt ihr die Lehren, Welche die Mutter ihr gab, zuruͤck. Der Vater bemerkt es, Laͤchelt von seinen Buͤchern empor; erinnert sie wieder, Daß die Puppe nicht spricht, und troͤstet die kleine Betruͤbte. Dann koͤmmt auf dem muthigen Stecken, ihr juͤn- gerer Bruder, Ueber den Saal her geritten. Sie sieht mit furcht- samen Augen Zaͤrtlich ihm nach, und warnt ihn; umsonst! der voͤllige Knabe Zeigt sich bereits in jeglichem Schritt der kindischen Spiele. Pferd’ und Wagen ergetzen ihn nur, und der blin- kende Degen, Und der maͤnnliche Hut. Er kennet die Furcht nicht, und jauchzet, Wenn die kriegrische Trommel erschallt. Doch weib- liche Sanftmuth Herrscht ganz in dem fuͤhlenden Maͤdchen. Jetzt nimmt sie den Bruder B 3 Mit Das Maͤdchen. Mit sich allein, und flehet ihn an, sein Leben zu schonen, Und nicht der wallenden Fahne zu folgen. Der mu- thige Knabe Wird von den Thraͤnen erweicht, legt seine laͤrmen- de Trommel, Und sein blankes Husarenschwerdt ab, und spielt mit der Schwester Stillere Spiele; wird Kutscher und Koch, und laͤßt sich gefaͤllig Zu des Maͤdchens Geschmacke herab. Dann folgt sie der Mutter Haͤußlichem Schritt, und ahmet ihr nach in kindi- scher Wirthschaft; Oder ergreift mit zitternder Hand die Nadel der Mutter Und glaubt Blumen und Laub in ihren Versuchen zu sehen. Oftmals nimmt sie der liebende Vater mit zartli- chen Freuden Auf den schmeichelnden Schoos, und lehrt sie zeitig Begriffe Von dem guͤtigen Schoͤpfer der Welt. Steigt uͤber die Wellen Jm Erster Gesang. Jm Triumph die Sonne herauf; und haͤnget am Abend Ueber dem Walde der silberne Mond: so breitet die Andacht Schon den kindischen Arm voll Jnnbrunst gegen die Himmel. Huͤllt sich der Tag in duͤstere Nacht, und rollet der Donner Ueber dem Haupt; so bewahrt er ihr Herz beym dunkeln Gewitter Vor der sklavischen Furcht; gewoͤhnt sie, eben so zaͤrtlich Jhren Schoͤpfer zu lieben, ihn eben so edel zu fuͤrchten, Wenn er im Zephyr erfrischt, als wenn er in Stuͤr- men einhergeht. Jedes zarte Gefuͤhl, das in der empfindlichen Seele Sich entwickelt, das bildet er sanft, und edel und menschlich. So schlaͤgt sanfter ihr Herz. Der Grausamkeit kleineste Spuren Werden darinne vertilgt. Oft blinken ihr Thraͤnen im Auge, B 4 Wenn Das Maͤdchen. Wenn vor dem toͤdtenden Messer des Kochs die Taube dahin faͤllt, Oder der Henne sperbrichtes Kind. Sie lernet bey Zeiten Andrer Elend zu fuͤhlen; sie wird die christlichste Tugend Zur Vollkommenheit bringen, und wenn sie wider Verschulden Feinde hassen, die Feinde sogar als Menschen noch lieben. Wie erroͤthet ihr ofnes Gesicht, wofern sie nur muthmaßt, Jhren Vater beleidigt zu haben! Mit welchem Erschrecken, Und mit welcher befluͤgelten Angst umfaßt sie ihn kniend, Wenn sie wirklich gefehlt! Jhr rollen die brennen- den Thraͤnen Lange vom Auge, sie kan sich nicht troͤsten ob ih- rem Vergehen. Kan Versuchung wohl je solch eine Seele verfuͤhren, Welche, so fruͤh mit der Tugend bekannt, ihr immer getreu bleibt, Und Erster Gesang. Und den Namen sogar des niedrigen Lasters verab- scheut? Nein, ihr redender Blick, die laͤchelnden purpur- nen Lippen, Sind nicht Betruͤger. Die innere Schoͤnheit der weiblichen Seele Waͤchst mit der Anmuth der Jugend zugleich. Jhr schuͤtzender Engel Schwebet um sie auf guͤldenen Fluͤgeln; er wacht fuͤr die Unschuld Jhres unsterblichen Geistes, und hilft die Rosen der Schoͤnheit Auf den Wangen entfalten. Jhr leichter aͤtherischer Schlummer Fliegt mit der Morgenroͤthe dahin. Liebkosend er- weckt sie Jhren Vater, und faltet mit ihm die Haͤnde zum Himmel. Jhre stammelnden Seufzer erschallen umfonst nicht; die Engel Tragen sie uͤber die Wolken. — Dann lernt sie in kleinen Geschichten Und anmuthigen Fabeln die Tugend. Mit seuriger Neugier B 5 Fragt Das Maͤdchen. Fragt sie nach allem; verschlingt die Worte des guͤtigen Lehrers, Lernt der Christen wohlthaͤtig Gesetz; bewundert der Vorsicht Maͤchtige Hand in frommen Geschichten, und preißt mit Entzuͤckung Jede vortrefliche That. Oft auch versucht sie im Tanze Voller Anmuth zu schwimmen, und biegsame Glie- der zu uͤben. An ihr haͤnget das Herz der Eltern. Der Vater vermisset Jhrer Spiele Geraͤusch, und wuͤnschet sie um sich zu sehen, Ob er gleich in Arbeit versenkt, in Buͤchern ver- tieft ist. Eingehohlt unter den zaͤrtlichen Kuͤssen der lieben- den Mutter, Koͤmmt sie zum Vater zuruͤck; er kuͤßt sie. Stil- les Entzuͤcken Stroͤmt aus seinen Augen. Er sieht die Reize der Mutter Hier im Kleinen, prophetische Blicke durchdringen die Zukunft; Und Erster Gesang. Und von schmeichelnder Hofnung gestaͤrkt, wahrsagt er ihr kuͤnftig Jn der Liebe das Gluͤck, das ihn ietzt selber be- seeligt. Sinkt mit dem Abendroth nun die erste ruhi- ge Stille Auf die thauigte Welt; so neiget sie unter den Seufzern Kindischer Andacht ihr Haupt zu sanftem Schlum- mer. Gespenster, Melancholische Schatten, und blasse schreckende Larven, Flattern nicht um ihr heiteres Lager. Wohlthaͤtige Geister Fuͤhren die guͤldnen Traͤume zu ihr. Sie laͤchelt voll Unschuld Auch im Schlaf, und traͤgt im Gesicht den offenen Himmel. Also entschlaͤft auf Rosengewoͤlk ein reisender Engel, Der auf des Ewgen Befehl die weite Schoͤpfung durchwandert. Weicht nicht, ihr Beschuͤtzer der Unschuld, ihr treuen Gefaͤhrten, Mensch- Das Maͤdchen. Erster Gesang. Menschlicher Tugenden; himmlische Schaaren, o wei- chet nicht von ihr! Tragt sie auf euren olympischen Fluͤgeln, damit nicht ein Unfall Jhre bluͤhenden Jahre verkuͤrze! Sie waͤchset an Alter Und an Schoͤnheit und Tugend empor. O gluͤckliche Mutter, Die dich, holdseeliges Maͤdchen, gebahr! O gluͤck- licher Vater, Welcher dich einst des edelsten Juͤnglings Umarmun- gen zufuͤhrt. Und von dir ein zahlreich Volk von Enkeln ent- stehn sieht! Die Die Jungfrau. Die Jungfrau. Zweyter Gesang. S o wie am Morgen die schoͤnste der Rosen mit Perlen geschmuͤcket, Jhren verschloßnen jungfraͤulichen Busen am Strale der Sonne Schamhaft eroͤfnet; sie steht, die herrlichste Zier- de des Gartens, Unter schuͤtzenden Dornen; bey jedem Schmeicheln des Zephyrs Schauert sie in sich zuruͤck, und erroͤthet mit hoͤhe- rem Feuer; Sanfte Geruͤche duftet sie aus; sie ist die Mon- archin Aller Blumen, der Flora Geliebte, das Bildniß der Unschuld: So entfalten sich auch die wachsenden Reize der Jungfrau, Die Die Jungfrau. Die ietzt maͤchtger sich fuͤhlt. Mit braunen schwim- menden Locken Spielt der gauckelnde West, und von dem zierli- chen Bogen, Der mit der Farbe der Nacht ihr siegendes Auge bezirket, Schauen die Liebesgoͤtter herab. Die stralenden Pfeile Treffen die Herzen gewiß. Auf ihren reifenden Wangen Laͤcheln die Gratien. Anmuth und Hoheit eroͤfnen die Lippen, Jn den hoͤhesten Purpur getaucht; wie Perlen da- zwischen Steht der Zaͤhne geordnete Reih. So rein, wie der Aether, Jst ihr lieblicher Hauch; und weißer, als Lilienbluͤthe, Hebt sich die blendende schwellende Brust. Die Schoͤne bemerkt es Schamhaft; erroͤthet, und breitet die Blumen am Busen noch mehr aus, Jhre verraͤthrischen Reize zu decken. Mit zierlichem Anstand Geht Zweyter Gesang. Geht sie wie eine Goͤttin dahin. Des Juͤnglin- ges Augen Schauen ihr nach, und kommen so frey nicht wie- der zuruͤcke. Sie ist ihrer Gespielinnen Krone, die Schoͤnste der Schwestern, Nicht ein einziger stolzer Gedanke, nicht Eine Begierde, Niederer Wollust befleckt die immer heitere Seele. Neben ihr geht, wie ein schuͤtzender Engel, in weis- sem Gewande, Sicher die Unschuld einher; die unbeleidigte Keuschheit Kroͤnt sie, mit einem bluͤhenden Kranz. Jhr Antlitz erheitert, Wenn sie laͤchelt, die Nacht, und wuͤrde Barbaren entwafnen. Mit aufwallender Brust bemerken die gluͤcklichen Eltern Jhren einsamen Wandel, den sie mit Thaten der Tugend Heimlich bekroͤnt, den Augen der Welt im Stillen verborgen, V. Th. C Doch Die Jungfrau. Doch nicht dem Himmel, der Acht auf sie giebt. Jhr frommes Gebet steigt, Wie am Morgen ein Opfer ihm dampft, hoch uͤber die Wolken. Bald schwingt sich der Seraphim schoͤnster, ihr lie- bender Schutzgeist Von dem Olymp, und schwebet um sie; sein maͤchtiger Blick scheucht Jede Verfuͤhrung von ihr, verscheucht die eitle Begierde Zu ausschweifendem Putz, und Schmaͤhsucht, und alle die Laster, Die oft hinter dem Reiz der blendenden Schoͤnheit versteckt sind. Niemals laͤßt sie umsonst die muͤßigen Stunden entfliehen, Denn sie beschaͤftigt die Sorge der Wirthschaft; sie scheut nicht der Kuͤche, Von den Schoͤnen gefuͤrchteten, Rauch. Bald eilt sie zum Garten, Und begießt mit dem silbernen Quell ihr Bildniß, die Rose, Oder die bunte Ranunkel, und nennet mit Namen die Nelken. Oft Zweyter Gesang. Oft auch sitzt sie am Rahmen, und schaft auf dem Leeren der Leinwand Helle Gefilde, den schattichten Wald, und farbichte Blumen; Oder sie windet die glaͤnzende Seide zum einfachen Hauptschmuck Jhres Kastanienhaars, und macht sich allen den Putz selbst, Ungekuͤnstelt, natuͤrlich und schoͤn, den ihre Gespielen Wundernd beneiden, gezwungen erheben, nie selber erfinden. Sinkt nun vom Abend die Ruh und die Stille zum Erdkreis herunter, Und der freundliche Mond haͤngt uͤber den einsamen Thaͤlern: So toͤnt oft, am hohen Klavier, und zur silbernen Laute, Jhr bezauberndes Lied. Dann horchen die schweigen- den Linden Um ihr stilles Gemach; wetteifernd singet dazwischen Philomele; der murmelnde Bach fließt sanfter; der Westwind C 2 Lauscht Die Jungfrau. Lauscht auf Rosengewoͤlk; die angelockten Najaden Recken ihr Haupt aus der Fluth, und tanzen in froͤhlichen Reigen Nach dem harmonischen Schall, und heller und freund- licher blinket An dem Himmel der Mond, der ihre Taͤnze beschauet. Oft ergreift sie ein lehrendes Buch, und hoͤret die Lieder Eines unsterblichen Dichters, die großen harmonischen Lieder Tugendlehrender Barden. Jhr toͤnen nicht Lesbische Leyern, Oder das Tejische Lied. Der Sionitischen Musen Goͤttlichen Harfenklang hoͤrt sie entzuͤckt, und liebt die Gesaͤnge, Dir, ehrwuͤrdige Tugend, zum Ruhm; nicht jene, voll Wollust, Oder taumelnd von Wein, die den wilden entheiligten Saiten Jn die bezauberten Herzen entstroͤmen. Nicht schaale Romane Stecken Zweyter Gesang. Stecken sie an mit der Pest der lachenden Wollust. Pamela, Nur die heldenmuͤthge Clarissa, die wuͤrdige Byron, Werden zu ihrem Umgang gerufen. Zwar haben die Musen Mit dem kastalischen Quell sie selber getraͤnket; ihr selbst fließt Oft ein gluͤckliches Lied aus ihrer schoͤpfrischen Feder; Aber sie laͤßt sich zu leicht nicht blinde Schmeichler verleiten, Vor den Augen der Welt sich auf dem Pindus zu zeigen, Und den erzwungenen Kranz sich um die Schlaͤfe zu winden. So fließt sanft ihr Leben dahin, an schuldlosen Freuden, Und an stillen Ergetzungen reich. Die rauschenden Feste Schwaͤrmender Thoren sind nicht fuͤr sie. Sie liebet den Tanz zwar, Doch nicht die Mummereyen der Nacht, wo wilde Centauren, Frech durch Bosheit, und Wollust, und Wein, die Unschuld entfuͤhren. C 3 Auch Die Jungfrau. Auch laͤßt sie, die blutige Jagd, dem haͤrtern Geschlechte; Stuͤrzt nicht mit wuͤthendem Bley die fliehende Hindin im Walde, Und uͤberhohlt nicht mit Donner den Flug der steigenden Lerche. Sie besteigt nicht das muthige Roß; der drohende Mannshut Deckt nicht die offene Stirn. Warum soll weibliche Sanstmuth Furchtbar den Augen erscheinen, und glaͤnzend in Waf- fen daherziehn? Jst ihr Reiz nicht maͤchtig genug? Was sollen ihr Waffen? Jhr bescheidnes Gewand erhebt die weibliche Schoͤnheit Mehr, als der drohende Huth mit Straußengefieder bedecket. So mit Tugend geschmuͤckt, im stillen sittsamen Anstand Sieht sie ein edelmuͤthiger Juͤngling, die einzige Hofnung Eines glaͤnzenden Hauses. Er fuͤhlt die suͤsse Bezaubrung Jhres siegenden Augs. Jn seinen anbetenden Blicken Redet Zweyter Gesang. Redet die treueste Liebe fuͤr ihn. Die Schoͤne bemerket Seine verborgenen Flammen; die junge gluͤhende Wange Stralet mit hoͤherem Roth, und zaͤrtliche holde Ver- wirrung Hebet jeglichen Reiz, indem er mit feurigen Lippen Ganz in Entzuͤckung die Hand ihr kuͤßt. Sie wendet ihr Antlitz Schamhaft zur Seite; dann bebt ihr Verehrer erschro- cken zuruͤcke, Glaubt sie beleidigt zu haben, und kennt nicht seine Triumphe. Aber sein schmeichelndes Bild schwebt stets der Schoͤnen vor Augen. Wenn am Abend zum oͤden Gemach die Schwermuth sich nahet, Die zu Liebenden gern sich gesellt, und unter den Lauben Sich ihr irrender Schritt voll fuͤsser Gedanken verlieret, Dann erblickt sie, getaͤuscht von wachenden Traͤumen, den Juͤngling Vor sich stehn, und hoͤrt noch entzuͤckt die schmeichelnden Reden C 4 Sei- Die Jungfrau. Zweyter Gesang. Seiner Bewundrung; dann steigt in der Brust der heimliche Wunsch auf, Ganz die Seine zu werden. Der traurige Juͤngling indessen Bleibt lang ungewiß uͤber sein Gluͤck, und hoffet vergeblich Lange dunkele Tage mit fester Treue voruͤber. Endlich erklaͤrt sich die Lieb im Triumph. Der froͤhli- che Hymen Schwinget die Fackel; in Thraͤnen der Freude zerflies- sen die Eltern, Und, in Entzuͤckung versenkt, sehn die Verliebten am Altar Nun auf ewig ihr Buͤndniß verknuͤpft. Es treufeln die Himmel Ueber sie Seegen und Wonne. Die frohen jauchzen- den Reigen Schallen umher, und sagens der Stadt; bis endlich die Liebe Von dem Abendstern winkt, und von jungfraͤulichen Locken Jhr, nicht ohne Thraͤnen und Weigern, der Brautkranz geraubt wird. Die Die Frau. Die Frau. Dritter Gesang. W ohl dem Manne, dem Gott zum Geschenk ein tu- gendhaft Weib gab! Freude beseeligt sein Herz; und Reichthum fuͤllet sein Haus an. Sieh! wie reizend tritt sie einher in heiterer Anmuth, Gleich der Unsterblichen einer. Vor ihrem zaubern- dem Blicke Wei- Die Frau. Weichen die Sorgen, wie Nebel entfliehn vorm Stra- le der Sonne. Um sie haͤngen sich liebliche Kinder, wie Liebesgoͤtter An dem Guͤrtel Cytherens. Die suͤsse harmonische Rede Dringt mit Schmeicheln ins Herz des Mannes; er he- bet sein Aug auf, Preist sich begluͤckt, und danket der Vorsicht sein irdi- sches Eden. Schoͤn ists, wer an maͤchtigen Fluͤssen die eige- nen Segel Ueber den Ocean sendet, und an den fetten Gestaden Mengen von Heerden ernaͤhrt; schoͤn ists, die Schaaren der Schnitter Maͤhen zu sehn, auf eigenem Land, von Seegen bedecket; Oder die eignen ergiebigen Berge zu Schaͤtzen zu schmelzen. Schoͤn Dritter Gesang. Schoͤn ists, in dem Schooße des Ruhms, im Zirkel von Freunden, Aus Krystallen zu trinken; befreyt von der Sorge des Koͤnigs, Koͤnigsgnaden erzeigen zu koͤnnen, — und doch ist es schoͤner, Jn den Armen der weiblichen Tugend dem Himmel zu danken. So wie Aurora die Wellen verlaͤßt, verlaͤßt sie das Lager Jhres Gemahls, und geht, wie die Sonne, dem fro- hen Gesind auf. Keine gekuͤnstelten Wasser benetzen die bluͤhenden Wangen, Sondern sie taucht ihr holdes Gesicht in den lauteren Quell ein, Und sie ist schoͤn, wie Venus im Bade. Nicht Stun- den verfliessen Ueber dem Putze des fliegenden Haars. Sie stralet nicht praͤchtig Jm Die Frau. Jm Japanischen Stoff; die reine weisseste Leinwand Fließt um die marmornen Glieder, und eine thauigte Blume, Nur halbaufgebluͤht, schmuͤcket die Stirn. So weckt sie den Gatten Mit dem frischesten Morgenkuß auf. Am reinlichen Theetisch Sitzt sie mit ihm, und versammelt um sich die liebli- chen Kinder. Ruft die Sorge des Staats den Mann zu fruͤhen Ge- schaͤften, So entweicht sie unter die Schatten des laͤndlichen Gartens, Naͤht in der schattichten Laube von Linden; indes daß der Knabe Blumen sammelt, die Schwester zu kraͤnzen, im thauig- ten Grase Hinter dem Frosch her setzt, und nach dem Schmetter- ling haschet. Oder sie wandelt auch uͤber den Hof; betrachtet die Schaaren Jh- Dritter Gesang. Jhrer weissen gekroͤnten Huͤner; indes daß die Tauben Rauschend vom Dache sich stuͤrzen, und ihre Gebiethrin umringen. Dann ertheilt sie der Kuͤche Befehl, und steigt auch wohl selber Zu den Gewoͤlben des Weingotts hinab, und sorgt fuͤr die Aufsicht Jhrer Schaͤtze vom Rhein, und fuͤr die Tokayische Traube. Sie lehrt ihre Knaben die Tugend; das zaͤrtliche Maͤdchen Unschuld und Sittsamkeit, ihres Geschlechts erhaben- sten Vorzug. Nicht dem dienenden Poͤbel, und aberglaubischen Ammen, Laͤßt sie die Sorge, das fuͤhlende Herz der Jugend zu bilden; Sondern sie schildert ihnen beredt erhabene Thaten, Grosse Geschichte, welche die Seelen zur Tugend begei- stern. O wie Die Frau. O wie lebt sie ihr Leben begluͤckt! wie liebt sie den Mann nicht Unaussprechlich! Jhm werden die Jahre zu fluͤchtigen Tagen, Und die Stunden zu schnellen Minuten. Der Eifer- sucht Fackel Hat sein Herz nie entflammt, nie hat ein quaͤlender Zweifel Jhrer Keuschheit und Treu sein sanftes Lager umflattert. Goldbedeckte Verfuͤhrer der Unschuld, und witzige Narren, Plaudrer ohne Gehirn, umgeben nie ihren Caffeetisch. Sie auch blaͤht sich im Canapee nicht bey heiligen Schwestern, Welche mit Beten den Vormittag schaͤnden, mit Laͤstern den Abend. Sie weint gern mitleidige Zaͤhren beym Schicksal Zayrens, Oder sie lacht des phlegmatischen Orgons. Auch spielt sie am Fluͤgel Jhrem Dritter Gesang. Jhrem Mann Entzuͤckung ins Herz. Mit kleinen Ge- schichten, Die sie mit Anmuth zu schmuͤcken, und mit Geschmack zu erhoͤhn weiß, Lockt sie oft uͤber die Stirne des Mannes zufriedenes Laͤcheln. Er verehrt sie, er betet sie an; mit jeglichem Tage Scheinet ihr Aug ihm maͤchtger, und ihre Tugend ihm schoͤner. Seine Liebe vergroͤßert ihr Gluͤck; sie lebet in ihm nur, Und kein Wunsch herrscht staͤrker in ihr, als ihm zu ge- fallen. O welch eine Wolke von Thraͤnen bedecket ihr Antlitz, Wenn ihr die Pflicht den werthen Gemahl aus den Au- gen entreißet! Weinend sieht sie ihm nach, und haͤngt mit duͤsteren Blicken Lang am rollenden Wagen, bis ein beneidetes Thal ihn V. Th. D Ein- Die Frau. Einschlingt, oder ein waldichter Berg sich hinter ihm aufthuͤrmt. Traurig hofft sie alsdann die langsamen Stunden voruͤber, Und kaum kan ihr den Schmerz die Schaar der Kinder versuͤssen. Aber endlich erschallet das Horn, das Knallen der Peitsche; Und das rasselnde Rad steht still. Sie fliegt ihm entgegen, Druͤckt ihn fest an ihr schlagendes Herz, und bringt im Triumphe Jhn den versammelten Kindern zuruͤck. Gleich froͤh- lichen Festen Gehn die Tage vorbey. Sie heftet die zaͤrtlichen Blicke Fest auf ihn, und kan sich nicht saͤttgen am werthen Gesichte. Lange genießt sie des himmlischen Gluͤcks der treue- sten Liebe. Frische Gesundheit kraͤnzet ihr Leben; von guͤtigen Him- meln Stroͤmt Dritter Gesang. Stroͤmt der reichste Seegen auf sie. Jhr Mann ist die Stuͤtze Von dem dankbaren Staat; die ihn umringenden Ehren Stralen auf sie auch zuruͤck. Gleich jungen Engeln, erwachsen Schoͤne Kinder um sie; gerechte Hofnungen fuͤllen Jhre Seele, die oft mit Vergnuͤgen in schmeichelnder Aussicht Kuͤnftiger Zeiten sich sieht, und ihrer Familie Gluͤck denkt. Auf sie blickt der Seraphim Chor, denn ihre Gebete Steigen oft uͤber die Wolken; ihr Herz schlaͤgt feurige Seufzer, Hohe Gedanken, zu Gott empor; sie erhoͤret die All- macht, Und neigt ihren Seegen herab zu dem Flehen der Mutter. Wie ehrwuͤrdig hebt sie sich auf vom geheimen Gebete, D 2 Und Die Frau. Dritter Gesang. Und wie heiter laͤchelt ihr Blick, durch Thraͤnen der Andacht Aufgeklaͤrter! Wie zaͤrtlich umarmt sie den theuren Geliebten, Jetzt aufs neu von der Gottheit erfleht! So leben sie lange, Sind den verdorbenen Zeiten ein Beyspiel von zaͤrtli- cher Eintracht, Und bestaͤndiger Treu. Sie ist die Krone der Frauen, Beyfall folget ihr nach. So koͤmmt sie dem Abend des Lebens Jmmer naͤher und naͤher; sie wird in traurigen Stuͤr- men, Welche sich uͤber sie ziehn, nicht Muth und Staͤrke ver- lieren. Die Die Matrone. Die Matrone. Vierter Gesang. S chlage nun sanfter die Leyer, o Muse! Dein einsa- mes Lied auch Athme stille Melancholey, und Ruhe der Seele, Und Entfernung vom Wirbel der Welt. Wie Tage des Herbstes, Nicht mit dem Glanze des Sommers geschmuͤckt, die Erde besuchen, D 4 Doch Die Matrone. Doch fehlt Anmuth auch nicht dem grauen wolkigten Himmel, Welcher das Antlitz der Sonne verdeckt; die ganze Natur scheint Jn sich gekehrt, und voll Ernst, und majestaͤtischen Tiessinns: So verfliessen die Tage der frommen Matrone. Die Thraͤnen Frischer Wehmuth stroͤmen nicht mehr um die Urne des Mannes, Aber mit stillerer Schwermuth, und melancholischen Stunden Woͤlkt sich ihr Leben. Mit silbernen Locken bedecket das Alter Jhr ehrwuͤrdiges Haupt. Die alles zerstoͤrende Zeit hat Jn dem Gesicht noch blendende Truͤmmer von Schoͤn- heit gelassen. Ordnung und Reinlichkeit herrschen um sie, und der Anblick des Alters Wird dadurch milder und sanft. Jhr stiller bescheidener Anzug Trauert Vierter Gesang. Trauert noch immer geheim um den Mann. Entfernt vom Getuͤmmel, Und dem wilden Geraͤusche der Welt, verhuͤllt sie ihr Leben Vor dem Schwarme der thoͤrichten Freuden, vor leerer Gesellschaft, Und der Eitelkeit scheckigtem Zug. Nie hat sie der Tadel An dem Spieltisch gesehn, und unter den naͤchtlichen Reigen, Wo so viel verbluͤhte Gesichter ihr Alter entehren. Still und einsam lebt sie dahin. Die wuͤrdigen Toͤchter Hat sie schon lang an Maͤnner gegeben, und lange schon Enkel Von den Soͤhnen gesehn. Jhr reiches gesegnetes Haus liegt Tief in gluͤcklicher Ruhe vergraben. Die heilige Schmaͤhsucht Betender Furien murmelt nie drinn; auch schallt nie die Stimme D 5 Pra- Die Matrone. Pralender Andacht in horchende Gassen, und froͤhnet dem Himmel. Majestaͤtisch und ernstlich sitzt sie am ruhigen Abend Mitten unter dem Kreis der horchenden Enkel, und lehret Die noch ungebildeten Herzen mit Lehren der Tugend, Die ihr eigenes Beyspiel bestaͤrkt. Sie weiß die Ge- schichte Lange verflossener Zeit. Der Kreis umringet sie naͤher, Und haͤngt am erzehlenden Munde, bis uͤber die Erde Tiefe Mitternacht faͤllt, und suͤsser Schlummer herab- sinkt. Mit dem Tode bekannt, und mit der Zukunft beschaͤf- tigt, Betet sie oft, und besuchet voll Andacht die Tempel der Christen. Ueber ihr graues Haupt sind ihr in langer Erfahrung Jahre, Vierter Gesang. Jahre, nicht immer mit Freuden bemerkt, voruͤber ge- flossen. Doch auch Ungluͤck machte sie weiser; sie ist das Orakel Jhrer Gegenden. Bluͤhender stehn die Wiesen am Wasser, Und voll reicherer Aehren die Aecker. Am lachenden Huͤgel Beugt sich ihr Weinstock mit voͤlleren Trauben; sie fuͤrchtet den Hoͤchsten, Und der Himmel erhoͤret ihr Flehn. Oft hat sie dem Ehmann Eine zaͤrtliche Gattin gerettet, in traurigen Naͤchten Sie mit Trost und Beystand gestaͤrkt, wenn unter den Schmerzen Ganz sie erlag, und die Freude nicht fuͤhlte, nun Mut- ter zu heißen. Kluͤglich weiß sie zu rathen, wenn in den Sorgen der Wirthschaft Unerfahren, die juͤngere Frau in Fehlern verstrickt ist. Bald Die Matrone. Bald gewinnt das verworrene Haus ein gluͤcklicher An sehn, Durch die Ordnung der klugen Matrone. Die muthi- gern Rosse Ziehn mit dem Tage zum Acker. Die Haͤnde der fleis- sigern Maͤgde Fuͤllen nun wieder die staubichte Spindel, und machen die Anger Ringsum mit blendender Leinwand bedeckt. Die fei- steren Heerden Kommen mit vollen Eutern zuruͤck; und der treuere Schaͤfer Laͤßt die Scheere mit Jauchzen erklingen, und fuͤllet die Boͤden Mit der laͤngeren koͤstlichen Wolle. Es seufzen die Speicher Unter der Last des guͤldnen Getraides. So bringet sie Arbeit Jn des Muͤßiggangs Wohnung, und hilft durch Ord- nung dem Fleiß auf. Jhre Vierter Gesang. Jhre Schaͤtze verrosten nicht unter dem Riegel, sie braucht sie, Und sie gehoͤren den Armen. Sie sah ein bescheidenes Maͤdchen Jung und schoͤn. Es stand in Gefahr, in bitterer Armuth, Einem Verfuͤhrer zur Beute zu werden, da nahm sie es liebreich Jn ihr Haus auf zur Tochter, und gab sie mit reichen Geschenken Einem redlichen Mann, der ihr nun ewig sein Gluͤck dankt. Sie forscht nach dem bescheidneren Elend, das tiefer in Noͤthen Unbekannt traurt, im Kummer verschmachtet; sie weiß es zu finden, Und entreißt es der Schande des Bettelns. Der feu- rige Dank weiß Seine Wohlthaͤterin nicht, sie thats verborgen und edel. Also kroͤnt sie ihr Leben mit edelmuͤthigen Thaten. Jn Die Matrone. Jn der einsamen Nacht, wenn ihre goͤttliche Seele Ueber das Grab sich schwingt, und nach der Ewigkeit aufschaut, Hoͤrt sie oft in frommer Begeistrung seraphische Stimmen, Die zum Himmel sie fodern; auch duͤnkt ihr oͤfters, sie saͤhe Mit olympischem Schimmer geschmuͤckt, den Schatten des Mannes, Der vor ihr her in die Ewigkeit gieng, und ietzo die Gattin Unter die himmlischen Lauben beruft. Jhr wallet das Herz auf; Und nicht lange, so sinkt aufs letzte Lager ihr Haupt hin, Und sie bestimmt sich die Stunde des Todes prophetisch. Die Toͤchter Weinen um sie; auch sitzen am Fuß des traurigen Lagers Jhre wuͤrdigen Soͤhne, die Zierden des Staats, und benetzen Jhre Vierter Gesang. Jhre Haͤnde mit Thraͤnen. Sie sieht die Schaaren der Enkel Um ihr Bette versammelt, und alte treue Bediente Ganz in Wehmuth versenkt. Dann staͤrkt sie noch ein- mal mit Muth sich, Hebt die Hand auf, und segnet sie alle. Mit heiterm Gesichte Sieht sie den Todesengel sich nahn. Er ist ihr nicht schrecklich, Sondern fordert sie auf, und ihre willige Seele Scheidet sich sanft vom Koͤrper, und folgt ihm uͤber die Sterne Zu den Schaaren der jauchzenden Engel, die ietzt im Triumphe Zu dem Throne der Allmacht sie fuͤhren. Die glaͤnzen- de Krone Wird ihr geschenkt. — Jndessen erhebt sich die Stimme der Klage Laut durch die Stadt. Die Thraͤnen der Armen, die Thraͤnen der Waisen Mi- Die Matrone. Vierter Gesang. Mischen sich zu den Thraͤnen der Kinder und Enkel. Die Glocke Seufzt durch naͤchtliche Schatten. Der rollende Lei- chenwagen Eilet langsam ans Grab; die langen verschleyerten Reihen Folgen ihm nach. Die kuͤhle Gruft empfaͤngt ietzt den Koͤrper; Jhr Gedaͤchtniß aber bluͤht ewig. Der praͤchtige Marmor Sagt nicht ihr Lob, dies sagen die Herzen, in denen sie lebet. Die Die Schoͤpfung der Hoͤlle. V. Th. E Schreiben an den Koͤniglich Preußischen Oberamtsrath Freyherrn von Zedlitz in Breslau. E 2 Mein theurester Freyherr, K aum kan ich hoffen, daß Sie, mit- ten in den Unruhen der Waffen, und unter so vielerley Bekuͤmmernissen und Gefahren, noch Zeit oder Neigung haben sollten, Gedichte zu lesen. Jch E 3 wage wage es indessen, Jhnen ein Geschenk, aber ein sehr geringes Geschenk, von einigen poetischen Versuchen zu machen, die mich dazumal, als ich sie schrieb, nicht so sehr an das Ungluͤck des Krieges denken liessen, ob es mir gleich sehr nahe war. Vielleicht vergessen Sie gleichfalls, bey Lesung dieser Ge- dichte, dichte, auf einige wenige Stunden die Sorgen, die Sie in diesen unruhigen Zeiten bestaͤndig umringen; und dies allein schon wuͤrde ich fuͤr eine angeneh- me Belohnung meiner Arbeit halten. Die beyden ersten Stuͤcke dieser kleinen Sammlung sind Fragmente, die ich mit der Zeit in ein groͤsseres Ge- E 4 dicht dicht einzuschalten dachte. Als ich mich vor einigen Jahren mit der Ueber- setzung der ersten Gesaͤnge des verlohr- nen Paradieses beschaͤftigte, fuͤhlte ich meine Einbildungskraft von dem gros- sen Genie Miltons so erhitzt, und an- gefeuert, daß ich der Versuchung nicht widerstehen konnte, mich einmal in das Feld Feld der ernsthaften epischen Poesie zu wagen, und besonders eine Mate- rie auszuarbeiten, die bloß Erdichtung waͤre. Wie wenig ich mit mir selbst zufrieden gewesen bin, werden Sie dar- aus urtheilen, daß ich nach diesen Versuchen sogleich das Vorhaben, dieses ernsthafte epische Gedicht zu schreiben, E 5 aufgab, aufgab, und Jhnen diese Fragmente nur darum zu lesen gebe, um Sie zu- gleich zu versichern, daß Sie keine weitern Fortsetzungen zu fuͤrchten haben sollen. Die Vergnuͤgungen der Melan- choley sind aus dem Englischen des Herrn Thomas Warton uͤbersetzt, und werden Sie das Original in der Col- lection lection of Poems im IV. Tom. Seite 214. finden. Die Unterhaltungen mit der See- le sind gleichfals nur eine Probe von der Englischen Versart mit Reimen. Sie werden verschiedne Stellen aus den Pleasures of Imagination darin nachgeamt finden. Bey Bey dem allgemeinen Gebet ha- be ich, Popens allgemeines Gebet, vor Augen gehabt. Kaum darf ich mich also unter- stehn, theurester Freyherr, Jhnen eine Sammlung von lauter Fragmenten und Versuchen zuzueignen. Jch schmeich- le mir indessen doch, daß Sie nach der der besondern Gewogenheit und Freund- schaft, mit der Sie mich beehren, die- se kleine Sammlung von einem Dich- ter geneigt aufnehmen werden, der sich die groͤßte Ehre daraus macht, daß er auf dem beruͤhmten Carolino zur Bil- dung Jhres so vortreflichen Herzens und richtigen Geschmacks etwas bey- getragen getragen hat; und der niemals die Stunden vergessen wird, die Sie in seiner Gesellschaft zuzubringen wuͤrdigten. Jch habe die Ehre mit der groͤßten Hochachtung zu seyn Ew. Hochwohlgebornen Braunschweig den 24. Sept. 1760. unterthaͤniger Diener Friedrich Wilhelm Zachariaͤ. Die Schoͤpfung der Hoͤlle. — — in drey erschrecklichen Naͤchten Schuf er sie, und verwandte von ihr sein Antlitz auf ewig. Meßias Ges. II. 260. Die Schoͤpfung der Hoͤlle. R aphael schloß: Jch habe dir, Adam, nach deinem Verlangen, Dinge, die sonst dem Menschengeschlecht verborgen ge- blieben, Offenbart; den schrecklichen Zwist, die Schlachten im Himmel Zwischen den englischen Maͤchten; den Fall der Rebel- len, die thoͤricht Nach der Gottheit gestrebt, und sich mit Satan empoͤret, Mit dem Verworfnen, der ietzt dein irdisches Gluͤck dir beneidet, Und drauf sinnet, wie er auch dich vom Gehorsam versuͤhre, V. Th. F Daß Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Daß du seine schreckliche Strafe, sein ewiges Elend, Theilen moͤchtest mit ihm. Dies waͤr’ ihm die herr- lichste Rache, Dich zum Gefaͤhrten dereinst in seiner Verdamniß zu haben, Und dem Allmaͤchtgen so Hohn zu sprechen; doch folge du niemals Seiner Versuchung! Bewahre dein Herz; du hast es vernommen Durch dies schreckende Beyspiel, wie Ungehorsam be- lohnt wird. Unuͤberwindlich konnten auch sie im Guten verharren. Aber sie fielen! Denke daran, und fuͤrchte zu suͤndgen! So der Gesandte von Gott! Er ließ in der staunenden Seele Des aufmerksamen Adams Entsetzen, und tiefe Ver- wundrung Ueber so fremde Geschichte zuruͤck. Ein kuͤhner Gedanke Flog Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Flog ietzt voruͤber; er folgt ihm nach; drauf wagt’ er, voll Ehrfurcht So zum Engel zu sagen: Du hast uns, himmlischer Fremder, Unbegreifliche Dinge vertraut; du hast uns gewarnet Vor den Strafen der Suͤnden, und vor dem Ort der Verdamniß, Wo ietzt Satan, mit allen Rebellen hinuntergestuͤrzet, Ewigkeiten in Quaalen vollbringt. Doch darf ich es wagen, Dich der schrecklichen Scenen aufs neu zu erinnern; und darf ich Auch die Schoͤpfung der Hoͤlle von deinen Lippen zu hoͤren, Mich erkuͤhnen? — Sie schuf der Zorn des Allmaͤcht- gen unfehlbar Fuͤrchterlich praͤchtig, des Richters und der Gerichteten wuͤrdig. Straͤfliche Neubegier nicht, vielmehr die reine Begierde, F 2 Auch Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Auch in den dunkeln Wettern des Zorns dem Richter von ferne Nachzuschauen, erweckt den Gedanken, mit tiefer An- betung Gottes Gerichte zu hoͤren. Erfuͤlle den lauteren Wunsch dann! Noch hat die einsame Nacht, mit ihrem langsamen Wagen, Nicht die Haͤlfte des Himmels erreicht; der silberne Mond haͤngt Ueber Eden; die ganze Natur schweigt feyrend, und Stille, Heilige Stille beherrscht den um uns schlafenden Erdkreis. Also ersuchte den himmlischen Gast der Vater der Menschen, Und mit traurigem Ton gab ihm der Engel zur Antwort: Adam, was legst du mir auf? Und was verlangst du zu hoͤren? Du befiehlst mir, den Schmerz zu erneuern, der, un- aussprechlich, Meine Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Meine Seele zernagt, wenn ich ihn denke! Mit Abscheu Fahren die schwarzen Gedanken zuruͤck, so oft sie von neuem Jenen grimmigen Tagen der feurigen Rache sich nahen, Welche den flammenden Abgrund erschuf; ihn erschuf, Myriaden Ungluͤckseeliger Geister (ach! ehmals auch unsre Ge- faͤhrten!) Jn ihn nieder zu donnern. Zwar bey der Schoͤpfung der Hoͤlle War ich selbst, mit dem goͤttlichen Heer im Felde des Krieges, Wider Satan gelagert; doch, nach dem siegenden Einzug Unserer Schaaren im Himmel, hab ich vom Seraph Eloah Jn vertraulichen Stunden die schaudervolle Geschichte Von dem schrecklichsten Werke gehoͤrt, das jemals die Allmacht F 3 Als Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Als ein ewiges Denkmal des Zorns im Chaos gegruͤndet. Seraph Eloah, er fuhr mit hinab, und sah das Gefaͤngniß, Fuͤr die rebellischen Engel erschaffen; ein flammender Kerker, Unermeßlich. Doch kaum weiß ich noch Bilder zu finden, Fuͤrchterlich, schrecklich, scheußlich genug, dir Dinge zu zeichnen, Nie von seeligen Geistern gedacht — dir die Hoͤlle zu zeichnen. Doch ich wag’ es; mit Grausen, mit kaltem maͤchtigen Grausen Hoͤre die Rache des Herrn, und neige dein Antlitz zur Erde! Satan, (du weißt es) er hatte die freche Stan- darte des Aufruhrs Wider Gott, und wider den Sohn des Ewgen erhoben; Und schon sandte der Himmel sein Heer unzehlicher Starken Gegen Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Gegen ihn aus. Jch selbst in schimmernder kriegri- scher Ruͤstung Fuͤhrte die Myriade zum Streit dem Empoͤrer entgegen. Himmlische Thronen, und Fuͤrsten, und Maͤchte, so bald sie den Kriegshall Der Posaunen vernahmen, verliessen die goldenen Stuͤhle, Machten, wie ich, sich auf, und folgten mit muthigem Herzen, Jhres Sieges gewiß, den hierarchischen Fahnen, Die hochwallend die Himmel durchstroͤmten. Das Heiligthum Gottes Blieb indessen nicht leer, von treuen englischen Schaaren Unverfuͤhrter Geister. Bey tausend, und tausendmal tausend, Standen sie um des Ewigen Thron; olympische Harfen Sangen noch immer entzuͤckt, mit Hallelujagesaͤngen F 4 Gott Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Gott und seinen Gesalbten; es dampfte heiliges Rauch- werk Vor den Altaͤren, wie sonst, als noch der Name des Krieges Nicht im Himmel erscholl. Jndessen schaute der Ewge Von dem Throne herab, und zehlte die zahllosen Schaaren, Welche Satan verfuͤhrt; er sah die eisernen Stirnen Trotzig empor sich heben, und ihre verruchten Gemuͤther Aller Reue verschlossen, und aller Beßrung; und ewig Ungluͤckseelig. Da gab er sie hin dem gesuchten Verderben, Und verhuͤllte sein gnaͤdiges Antlitz. Die goldenen Lam- pen, Welche bestaͤndig vor ihm in seinem Heiligthum brennen, Wurden mit Wolken bedeckt, und Dunkel und schreck- liche Nacht hieng Um Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Um den erschuͤtterten Thron. Da fielen die Heiligen nieder Auf ihr Antlitz, und beteten an; die Cherubim deckten Jhre Gesichter mit allen Fluͤgeln; die Harfen ver- stummten, Und das Chor der Seraphim schwieg. Aus dampfen- den Wolken Sprachen ietzt laute Donner und Stimmen, und leuchtende Blitze Schossen umher. Jn bangen Erwartungen lagen die Engel Bis das dicke Dunkel sich trennte; die Wolken entwichen, Und hoch stand in flammenden Wolken des Hoͤchsten Gerichtsstuhl Sichtbar dem ganzen versammelten Himmel. Doch welches Erstaunen Faßte sie, da sie die Augen erhuben, und um den Ge- richtsstuhl Furchtbare Reihen von Geistern, zuvor nie gesehen, erblickten, F 5 Die Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Die aus Wettern Jehovah geschaffen, und welche den Wolken Jetzt sich erhuben, und dankbar ihr erstes Daseyn er- kannten. Jhrer Fluͤgel Getoͤs war wie das Rauschen von Was- sern, Und sie waren von Gott mit allen Schrecken geruͤstet, Flammen waren die Augen, und ihre toͤnenden Stim- men Laute Donner. So standen sie da, und umringten anbetend Gottes Gerichtsstuhl. Jndem die tiefe starre Verwun- drung Aller Augen emporhielt, durchstralte die Herrlichkeit Gottes Alle Himmel; der hohe Gerichtsstuhl erzitterte dreymal, Dreymal bebte der Grund des schuͤtternden Empyreum, Und der Allmaͤchtige sprach: Jhr Himmel, vernehmet die Worte Eures Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Eures Koͤnigs! Jch, Gott, der ich vom Anfang gewesen Euer Schoͤpfer, und Vater, und Herr; ich, Richter, ich lasse Heute zu euch mich herab; und will vor meinen Geschoͤpfen Mich vertheidigen. Kommt, ihr Heere des Himmels, und zeuget Zwischen dem frechen Empoͤrer, und mir! — Jch hatt’ ihn an Ansehn, Und an Hoheit und Macht, vor allen Geistern erhoben. Uebertraf nicht sein herrlicher Glanz die Morgensterne, Und fein Schimmer den himmlischen Tag? Wie stolz und erhaben Zog er nicht aus und ein zu den Thoren des Himmels; verehret Von der Unsterblichen Schaar. Er saß am Throne der naͤchste Auf dem goldenen Stuhl, und seine Krone war herrlich; Herrlich Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Herrlich vor allen Kronen der Engel, mein goͤttliches Antlitz Wandt’ ich vorzuͤglich auf ihn, und ruhte mit groͤsseren Gnaden Auf dem Erschafnen; dies sah das Chor der jauchzen- den Engel, Und prieß seelig sein Loos. — Und dennoch hat er, der Verruchte, Wider mich selbst und meinen Gesalbten sein Herz em- poͤret, Es auf ewig empoͤrt, und mit dem grimmigsten Hasse Scheußlich entstellt. Die frechen Gedanken sind nicht mehr Gedanken Eines Engels; er hebet voll Stolz die eiserne Stirn auf, Trotzt auf seine feurigen Wagen, auf Waffen und Schilde Seiner Myriaden, und will selbst Gott seyn. Ver- nehmt es, O ihr Himmel, vernehmts! Er will selbst Gott seyn! Er, den ich Wie Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Wie seit gestern erschaffen, und mit den maͤchtigen Armen Aus den Wolken gehoben, der will selbst Gott seyn! — Die Rache Folget ihm schon, ihr Auserwaͤhlten; sein herrlicher Name Werde nicht mehr im Himmel genannt! sein Name sey Satan! Wider ihn hab’ ich mein Kriegsheer geschickt; mit maͤchtigen Fluͤgeln Schwebt vor ihnen der Sieg; doch meine Rache be- wahr ich Dir, o mein Gesalbter, allein, du sollst sie vollenden. Sey der Herr von Leben und Tod! — Gefuͤrchteter Name Tod! — Zuerst ietzt im Himmel gehoͤrt, und du, Myriade, Todesengel! Jhr Soͤhne der Rache, geschaffen aus Wettern, Euer flammendes Schwerdt soll kuͤnftig, getaucht ins Verderben, Satan Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Satan verfolgen, und unter Geschoͤpfen, die stolz mich verkennen, Toͤdten, vom Aufgang zum Niedergang toͤdten; und Jammern und Winseln Wird weit in die Himmel ertoͤnen. Jm hohen Triumphe Wird es Satan vernehmen; doch endlich werden die Tage Seines Masses vollendet! Dann soll mein Sohn, und Gesalbter Jhn, und den Tod, in Ketten gefangen, zum Abgrun- de fuͤhren, Und den Abgrund auf ewig versiegeln. — Besteig dann, Geliebter, Mein allmaͤchtiges Wort, besteig den Wagen der All- macht Unter der Cherubim Flug, der Todesengel Begleitung; Eile hinab; erschaffe die Hoͤlle nach meinen Entwuͤrfen, Denn bald sollst du die stolzen Rebellen, so sagt Jehova! Nieder- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Niederdonnern in ewige Nacht, in den ewigen Abgrund. Schauder faßte der himmlischen Schaar, indem der Allmaͤchtge Dieses geredt. Jndes sie noch alle tief staunten, und schwiegen, Waͤlzten sich dichte goldne Gewoͤlke mit schimmernder Klarheit Um den Gerichtsstuhl. Es lagen darauf geschlossene Buͤcher Voller unsterblichen Namen; von einem brausenden Sturmwind Thaten die flatternden Buͤcher sich auf, und wallten wie Fahnen Hoch in den Wolken. Der furchtbare Richter auf sei- nem Gerichtsstuhl Winkte dem ersten der Todesengel; er machte sich fey- rend Zu dem Gerichtsstuhl, von da an die Buͤcher des Le- bens. Der Ewge Sprach: was siehst du? Er sprach: ich sehe Buͤcher des Lebens, Voller Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Voller stralenden Namen. Da sprachen schreckliche Donner: Es sind Namen verruchter Verbrecher, verworfene Namen, Tilge sie aus, ihr Gedaͤchtniß sey im Himmel verfluchet! Und der Engel des Todes trat zu, und strich durch die Namen Mit dem flammenden Schwerdt; die stralenden Lettern verloschen, Und die Wolken verfinsterten sich; da ward das Entsetzen Allgemeiner. — Der Sohn des Allmaͤchtgen erhub sich indessen Von dem Thron; indem er herabstieg, sangen die Choͤre So ihm nach: Wie furchtbar ist deine schreckliche Rache, O Jehovah! Richter der Geister! Wie toͤdtet dein Antlitz Jn den Tagen des Zorns! Vergieb uns, Richter, und Raͤcher, Diese Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Diese wehmuͤthigen Klagen; sie sind gefallen, gefallen, Die du geschaffen mit uns, mit uns zum Leben ge- schaffen, Und sie sind auf ewig gefallen! Dein goͤttlich’s Er- barmen Jst fern, fern von ihnen auf eilenden Fluͤgeln entflohen, Und sie stuͤrzen in ewige Pein. Jhr thoͤrichten Stolzen! Wider wen lehnt ihr euch auf? Jhr seht nicht die feu- rigen Wetter, Welche sich uͤber euch thuͤrmen; ihr geht mit klingen- der Ruͤstung Trotzig im Panzer daher, und deckt euch mit himmli- schen Schilden. Aber der Herr wird die Panzer zersplittern, die Schil- de zerbrechen, Und die Raͤder der Wagen zerschmeissen. Mit tiefem Geheule Wird das Reich der Nacht euch empfangen; die jauch- zenden Himmel V. Th. G Wer- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Werden sagen: der Herr, der Herr ist Gott! Halle- luja! Also klagte das Chor den Fall verworfener Bruͤder. Und des Allmaͤchtigen Sohn berief, der Cherubim Schaaren, Und die Todesengel um sich. Drauf stieg er, geruͤstet Mit der Allmacht des Vaters, auf seinen flammenden Wagen, Und zog hin in die Tiefen des Chaos, die Hoͤlle zu schaffen. Tausend Cherubim flogen voraus, den Weg zu bereiten; Tausendmal tausend umringten den Wagen; und zahl- lose Heere Flossen hinter ihm her. Die furchtbaren Engel des Todes Fuͤhrten auf ihren stuͤrmischen Fluͤgeln den schimmern- den Wagen, Schneller als Blitze. Die Ebnen des Himmels ver- wandten ihr Antlitz Vor Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Vor dem schreckenden Zug, und wurden dunkel, und traurten. Und nun empfieng ihn der Abgrund weit offen. Das stuͤrmische Chaos Bruͤllte voll Wuth, es braußte die Tiefe mit heulenden Wogen, Und sie sanken in schreckliche Nacht. Doch die Herr- lichkeit Gottes, Und der aͤtherische Glanz so vieler himmlischen Schaaren, Drang durch die Nacht, und ließ weit hinter sich leuch- tende Spuren Jhres maͤchtigen Wegs durch alle heulenden Tiefen. Als des Allmaͤchtigen Sohn den aͤußersten Grenzen des Chaos Jetzt sich genaht, stand ploͤtzlich sein Wagen. Die Che- rubim alle, Dicht versammelt um ihn, ergriffen die hellen Posaunen, Und verkuͤndigten rings um ihn her des furchtbaren Schoͤpfers G 2 Ge- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Gegenwart. Ploͤtzlich erscholl ein tausendstimmiges Echo Aus den hallenden Tiefen herauf; die ehernen Wellen Dieses stuͤrmischen Oceans wallten mit lautem Getoͤse Voͤllig in Aufruhr. Der Schoͤpfer gebot dem bruͤllen- den Sturmwind, Ueber die Wasser zu fahren; er fuhr mit duͤsteren Fluͤgeln Ueber sie hin, da braußten die Wasser mit wilderen Wogen, Unter einander. Da sprach der Allmaͤchtge: das Chaos gebaͤhre Welten voll Jammers und Nacht! Er sprachs, das schwangere Chaos Borst mit schmetterndem Krachen. Zehntausend fin- stere Kugeln Giengen hervor aus dem Chaos; sie waͤlzten sich un- ter einander Jn verschiedenen harmonischen Sphaͤren; doch waren die Flaͤchen Wuͤst Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Wuͤst und leer. Auf einigen lagen wie hohe Gebirge Naͤchtliche weinende Wolken, und dicke dampfende Nebel; Andere waren umhuͤllt von dicken stuͤrmischen Seen, Und noch andere lagen bedeckt mit drohenden Felsen, Und weit uͤberhangenden Bergen. So eilten sie, oͤde, Finster, und wild, die traurige Laufbahn. Die Choͤre des Himmels Sangen den ersten Morgen. Gott hatte beschlossen, die Hoͤlle Nur in Naͤchten zu schaffen; die erste schreckliche Nacht war Jetzo vergangen, obgleich im Abgrund der himmlische Morgen Schwach nur anbrach. Die Seraphim sangen dem schaffenden Richter: Furchtbarstrafender Gott! Herr, der du gerecht und allmaͤchtig G 3 Dei- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Deine Feinde verfolgst; der du im Schlund des Verderbens Jhre Kerker bereitest, sie dort mit ewigen Ketten An die Felsen zu fesseln, gerecht, Herr, sind sie die Wege Deines Zorns; wer darf sie tadeln, und fragen, was machst du? Vor dir schaudert die Tiefe zuruͤck; das brausende Chaos Stoͤßet Welten voll Elend hervor; nach deinen Befehlen Drehn sie sich unter einander, und warten auf ihre Bewohner. Ach! daß doch die stolzen Empoͤrer die trotzigen Waffen Von sich wuͤrfen! O beugt euch vor ihm, ihr stolzen Empoͤrer! Aber du hast sie dahin gegeben, die Fluͤgel der Rache Stuͤrmen schon hinter ihnen einher; und ewigs Ver- derben Schlin- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Schlinget sie ein. Erbarmen wird nicht, nicht Hofnung, den Abgrund Jemals besuchen, den ietzo fuͤr sie die Rache bereitet! So verflossen im Chaos tief unter dem seeligen Himmel Jhre Stunden in klagenden Liedern, und heiligen Hymnen. Und nun, da die zweyte der Naͤchte mit graͤßli- chen Schwingen Bruͤtend uͤber dem Abgrund saß; stand unter den Welten, Majestaͤtisch und ernst, der Sohn der Allmacht. Sein Antlitz Schaute gefuͤrchtet umher. Jetzt faßte die schreckliche Rechte Tausend zusammengekettete Donner; er warf sie auf einmal Jn die Welten hinab; die alles zerschmetternde Blitze Fuhren mit seelenbetaͤnbendem Knall in die zitternden Erden, G 4 Daß Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Daß die Engel, vom Krachen betaͤubt, mit wankenden Knieen Kaum sich hielten vor Schrecken und Furcht. Die be- benden Welten Rauchten, von maͤchtigen Blitzen gespalten, und wir- belten Flammen, Dicke Saͤulen vom Dampf und schwarze Wolken vom Rauche, Hinter sich her. Sie hatten sogleich die Laufbahn ver- aͤndert, Und bewegten sich nun in langen elliptischen Kreisen Unter einander. Die feurigen Schweife durchkreutzten sich oͤfters, Und es schien, als ob sich die Laufbahn naͤher und naͤher Gegen einander geneigt; und nun noch naͤher. So wallte Ueber die flammenden Welten die Glut; ein furchtba- rer Himmel Ganz mit brennenden Sternen bedeckt. Der andere Morgen Brach Die Schoͤpfuug der Hoͤlle. Brach ietzt an; die Choͤre des Himmels besangen ihn also: Feuer gieng aus vom Throne des Herrn! der zornige Richter Schoß die verzehrenden Flammen umher; die Lohe des Grimmes Schmelzte die Himmel, ergriff die Sterne! Wer kan es ertragen, Wenn Gott seiner Rache gebeut? Wer kan es ertragen, Wenn er den Abgrund entzuͤndet? aus ihm die Strafe heraufruft? Fuͤrchtet den Herrn ihr, seine Gerechten! Jhr Heili- gen, fallet Jn den Staub hin, und betet ihn an, den Richter, Jehovah! Und nun kam die dritte der Naͤchte. Viel schwaͤr- zer, und schwerer Hieng sie vom Himmel. Die wuͤtende Glut der ent- flammten Gestirne War vermindert. Der Sohn des Allmaͤchtgen berief ietzt die Engel G 5 Naͤ- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Naͤher herum um den leuchtenden Wagen. Mit blitzen- den Raͤdern Fuhr er empor, und ließ tief unter sich alle die Erden, Nur noch hier und da in halb verloͤschenden Flammen Glimmend. Mit Schrecken geruͤstet, und ernster, furcht- barer, stand er Auf dem Wagen, und schaute herab in die Tiefe. Dann sprach er: Welten der Nacht! Gestirne des Zorns, zur Strafe geschaffen, Stuͤrzet zusammen! Er sprachs, und ploͤtzlich stuͤrzten sie alle Krachend unter einander aus ihren donnernden Angeln. Und ietzt, glaub’ ich, waͤren die Engel vor Schauder und Schrecken, Jhrer Schimmer beraubt, in ewge Vernichtung gesunken, Haͤtte sie nicht die Allmacht erhalten, und ihre Gemuͤther Ueber Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Ueber zusammenstuͤrzenden Himmeln und Welten ge- staͤrket. Schaudert nicht, Adam, dein ganzes Gefuͤhl erschro- cken zuruͤcke! Wer kan hoͤren die schmetternden Donner, das heulen- de Krachen, Und des betaͤubenden Wiederhalls Seufzen, als tausend Gestirne, Jhren Gleisen entrissen, sich unter einander verschlangen! Ueber den niederrollenden Himmeln und fallenden Welten Stand, mit Allmacht umringt, der große Schoͤpfer, al- lein nur Unerschrocken; und schaute herab auf die dampfenden Truͤmmer Dieser zusammengesunknen Planeten. Sein schaffendes Wort sprach, Und ein Weltball wurde sogleich zehntausendmal groͤßer, Als die Erde, die ietzo mit uns im Dunkeln dahinschwebt, Aus Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Aus den Truͤmmern. Mit lautem Getoͤs begab der Planet sich Jn die angewiesene Bahn, und drehte sich furchtbar, Ohne Gesetze der Ordnung mit schweren schwankenden Achsen Unter dem Chaos herum. Jndem er den Schoͤpfer vor- beyflog, Hieß er ihn stehn; und er stand. Vor der Engel er- schrockenen Augen Lag die weit verbreitete Welt des ewigen Jammers Jn entsetzlicher Aussicht. O Adam, wo find ich die Farben, Dinge zu zeichnen, von seeligen Geistern zu denken kaum moͤglich, Wenn sie die Welt des Jammers und Elends, und sol- cher Verwuͤstung, Selbst nicht geschaut; und selb nicht gefuͤhlt die Schreck- nisse Gottes, Die auf ihr in Ewigkeit ruhn? Mit schaudernden Blicken Sah Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Sah man in rauchende Meere hinab von siedendem Feuer, Voll lautbrausender gluͤhender Wogen; die tobenden Wellen Spruͤhten Funken gen Himmel, wofern der naͤchtliche Luftkreis Himmel zu nennen, der voller Salpeter und schweflich- ten Duͤnste Um die Welt des Schreckens sich waͤlzte. Mit schlaͤngeln- den Stroͤmen Riß sich der Blitz aus eisernen Wolken, und schreckliche Donner Donnerten hinter ihm nach. Jn andern Gegenden stuͤrmten Von zertruͤmmerten Bergen Orkane mit heulendem Bruͤllen Ueber die traurigen Haiden. Da lagen Thaͤler des Todes, Scheußlich und oͤde; verdorrtes Gebuͤsch hieng wild und entwurzelt Von den gespaltnen Felsen herab, und ewige Nacht lag Ueber Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Ueber dem Thal; ein banges Klagen, und einsames Jammern Heulte der Sturm aus den Hoͤlen, und lange winseln- de Stimmen Weinten aus Kluͤften herauf, und gossen Schauder und Mitleid Ueber die Engel. An ihnen grenzten unwirthbare Berge, Ueber einandergestuͤrzte Ruinen zertruͤmmerter Welten, Ohne Schmuck von lebendgem Gestraͤuch und lieblichen Hainen; Sondern versengte verdorrte Waͤlder, halbumgestuͤrzt, lagen Jhre verwuͤsteten Ruͤcken herunter. Entflammte Vulkane Brannten viel Meilen lang fort, und waͤlzten aus schreck- lichen Schluͤnden Wolken mit Feuer und Dampf und Felsen vermischt in die Luͤfte. Unter der Erde vernahm man von fern ein prasselnd Getoͤse, Wie Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Wie das Getoͤs von eisernen Wagen; es bebten Provinzen Ueber den unterirdischen Wettern; die zagenden Meere Stiegen empor, und weite Gestade mit ganzen Gebirgen Stuͤrzten hinunter in flammende Seen, und Laͤnder verschwanden. Anderswo rauschten von Felsen hinab in traurige Laͤnder Baͤche des Todes, und maͤchtige Fluͤsse, die Reiche der Hoͤlle Kuͤnftig zu zeichnen. Hier war kein sanstes gemildertes Clima, Sondern die brennende Luft, und die Erde versengten entweder, Oder sie starrten in ewigem Eis; wohin sich der Blick wandt, Sah er Gefilde der Pein und Verzweiflung, erstorbene Fluren, Traurige Regionen des Kummers, des Jammers, des Elends, Eine Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Eine traurige Welt des Todes, in welcher das Leben Stirbt, und der Tod nur lebt, von Ungeheuern bevoͤlkert, Scheußlicher, schrecklicher, wuͤthender, wilder, als Loͤ- wen und Drachen, Haͤtte Blutdurst und Gift sie zum Verderben entflammet. Und Gott sah sie die Hoͤlle, mit allen ihren Be- zirken, Seiner Absicht gemaͤß, und zu dem strafenden Endzweck Groß und vollkommen. Es war bisher ein stralender Lichtweg Von dem himmlischen Tag durchs Chaos gedrungen; die Hoͤlle Hatte bisher noch den Ausfluß des hellen Glanzes ge- nossen, Der ietzt zum drittenmal schien; indem er leuchtete, sprach Gott: Schei- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Scheine zum letztenmal, Licht! Es werde Nacht! und es ward Nacht. Siebenfaͤltig senkte sie sich wie Lasten herunter, Duͤster und fuͤhlbar; der flammende Blitz zerriß sie oft schrecklich! Und sein fluͤchtiger Stral, und blasse schweflichte Flam- men, Machten sie sichtbarer noch. — Der Sohn der All- macht berief nun Zu sich die Engel des Todes, und sprach mit gebieten- dem Antlitz: Seht! Dies ist die traurige Welt des ewigen Todes, Euer sey ihre Bewachung! und uͤber sie sprechet den Fluch aus, Denn, ich hab’ im Zorn sie verflucht, ihr Name sey Hoͤlle! Also sprach des Allmaͤchtigen Sohn. Die Engel des Todes Lagern sich, in maͤchtgen Geschwadern, am Eingang der Hoͤlle V. Th. H Um Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Um die Pforten herum, die an dem aͤussersten Pole Jenseits der fernsten Grenzen des Chaos die Allmacht befestigt. Und Obaddon, der furchtbare Fuͤhrer der Engel des Todes, Schwang sich hoch auf rauschenden Fluͤgeln uͤber die Hoͤlle; Hielt in der Rechten das flammende Schwerdt, gleich einem Kometen, Und rief laut: Bey dem, der gerecht ist, und allen Empoͤrern Wider seinen Gesalbten der Finsterniß Ketten bereitet, Bey dem Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht sey dein Himmel! Jmmer muͤsse der Sturm in heulenden Luͤften sich waͤl- zen, Und der lauteste Schall der Donner die Wolken zerreissen! Niemals strale durch dein Gewoͤlbe der Schimmer des Tages, Grausen- Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Grausende, schreckliche, ewige Nacht verhuͤll es auf immer! Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht sey dein Boden; Jhn besuche kein Lenz; und keine Schoͤnheit und An- muth Schmuͤcke dein trauriges Land! Dein Meer sey immer in Aufruhr, Und dein Erdreich brenne bestaͤndig von siedendem Schwefel; Dein Gebirge rauche von Gluth; die Ebne zerspalte Von dem Feuer des Herrn; und Winseln und Aechzen und Heulen Schall’ in deinen Thaͤlern des Todes, und an den Ge- staden Deiner bellenden Seen, und deiner stuͤrmischen Fluͤsse! Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht sey die Wohnung Alles dessen, was in dir lebt! Verflucht sey der Fußtritt H 2 Jedes Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Jedes Geschoͤpfs, das wandelt in dir, in Feuer und Asche Geh es einher! sein Athem sey Pest. Weh! weh ihm! es stirbt hier, Stirbt den ewigen Tod! Hier spreite die schwarze Verzweiflung, Ueber den Suͤnder, die graͤßlichen Schwingen; und schreck’ ihn, und quaͤl’ ihn, Und zerreiß’ ihn, doch ohn’ ihn zu toͤdten; nie komme die Hofnung, Nicht die schwaͤcheste komme, zu ihm, die wildeste Quaal nur, Stechende Pein nur, und durstende Angst nur, und knirschende Rachsucht, Peinige, foltre, schmettre den nieder, der, Gott, dich gelaͤstert! Feyerlich hatte den Fluch der Todesengel gesprochen, Und so ward die Hoͤlle vollbracht. Gott hielt sie nicht laͤnger, Sondern stieß sie hinab zur Finsterniß; krachend betrat sie Jhre Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Jhre Laufbahn, schwankend und wild, und ohne Gesetze. Von ihr wandte der Schoͤpfer sich ab, und stieg auf den Wagen, Und, nachdem er die Choͤre der Geister dicht um sich versammelt, Sprach er: Jhr Soͤhne des Lichts! Jhr, die kein Stolz, kein Empoͤrer Wider Gott zu empoͤren vermocht! ihr, welche mein Vater So im Guten bestaͤtigt, daß keine Macht, noch Ver- fuͤhrung, Euch von Wege der Tugend wird leiten; ihr heiligen Schaaren, Ehret die Rache des Herrn, und sagt von Himmel zu Himmeln Seiner Gerechtigkeit Lob, und seines Zornes Verwuͤ- stung. Dieses Gefaͤngniß strecket bereits der Finsterniß Ketten Jenen Verruchten entgegen, die in den Feldern des Himmels H 3 Wider Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Wider eure Gefaͤhrten gelagert, mit hoͤllischen Waffen Unsre Legionen geschreckt. Doch lange soll nicht mehr Krieg den Himmel entstellen, so sehr sie zu siegen sich schmeicheln. Todesengel! wenn ietzo die Tiefe des untersten Chaos Von dem verfolgenden Donner erschallt; wenn bald durch die Nacht hin, Mit entsetzlichem Fall, Myriaden Geister sich stuͤrzen; Wenn ihr nunmehr den Kriegsklang vernehmt der ho- hen Posaunen, Und das Drommeten der Engel, das uͤber die Grenzen des Himmels Siegreich ertoͤnt: dann ruͤckt herzu, in geschlossenen Schaaren, Um die verriegelten Thore der Hoͤlle. So schrecklich der Fall auch Dieser Verworfnen gewesen, so wird die Zeit sich doch nahen, Daß Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Daß sie von ihrem Fall sich erhohlen, noch groͤßre Ver- brechen Ueber sich haͤufen, noch groͤssere Strafen dadurch sich erringen. Satan, ihr Fuͤhrer, wird listig sich einst der Staͤrke der Pforten Sich entreissen, ja selbst die offenste Wachsamkeit taͤu- schen; Also hat es mein Vater beschlossen, und fordert von euch nicht, Was er zulaͤßt, den grossen Betruͤger zu Schanden zu machen; Aber ihr sollt die Pforten allhier stets wachsam umrin- gen, Daß die Hoͤlle nicht einst von neuem zusammen sich rotte, Mit versammelter Macht die kuͤnftige Schoͤpfung zu stoͤren. Zwar dem Empoͤrer gelingt es zu sehr, Geschoͤpfe von Staube Wider Gott zu verfuͤhren; doch diese schwaͤrzeste That bringt H 4 Auf Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Auf sein Haupt die schrecklichste Strafe. Mit allen Verdammten dafuͤr Will ich ihn einst im Abgrund mit Ketten von Demant Binden, daß Zeit und Gewalt nie wieder die Fesseln ihm loͤse. Jetzo folget mir nach, ihr Helden und Krieger des Himmels, Thronen, Fuͤrsten und Maͤchte! seyd Zeugen der gros- sen Vollendung Gottes Gerichts uͤber Satan! So sprach er. Jm Augenblick rollte Sein krystallner Wagen zuruͤck durch das wallende Chaos, Und im hohen Triumph betrat er die Felder des Himmels. Hier, du weißt es, fand er sein Heer im muthgen Gefechte Wider Satan; wir jauchzten dem Wagen des kom- menden Siegers Jubel entgegen, und stiessen mit unsern geschlossenen Schaaren Zu Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Zu der Standarte des grossen Meßias. Die Feinde des Ewgen Trieb er bald, mit allmaͤchtigem Donner, zum Rande des Himmels, Und von da zum Abgrund hinab; mit schrecklichem Falle Stuͤrzten sie nieder zur untersten Hoͤlle; die Flamme des Zornes Brannte fuͤrchterlich nach bis in den Pfuhl des Ver- derbens. Also beschloß, der Gesandte des Himmels, die dunk- le Geschichte Von der Erschaffung der Hoͤlle. Jhn hatte der Erste der Menschen Mit Entzuͤcken und Grausen gehoͤrt, und grosse Gedanken Jn sich versammelt. Jetzt sprach er zu ihm mit dankba- ren Worten: Liebling des Himmels, wie hat dein Bericht die kuͤh- neste Neugier Uebertroffen! Mit kaltem Entsetzen erblick ich noch ietzo H 5 Vor Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Vor mir den flammenden Schlund. Doch hab ich die traurige Nachricht Recht vernommen; so ist dies Gefaͤngniß fuͤr Engel al- lein nicht, Sondern auch noch fuͤr andre Geschoͤpfe von Staube bestimmet. O wie vergaͤllt dies die Freude, die meine Seele da- hinreißt, Wenn ich so viel unzehlbare Sonnen, Planeten und Erden, Alle vielleicht mit Bewohnern mir denke, die alle sich dankbar Vor dem Thron des Allmaͤchtigen beugen, und reine Gebete Zu dem Himmel ihm senden; wie? sollten dann sei- ne Geschoͤpfe, Die er so guͤtig erschuf, mit solcher Unschuld gekleidet, Jhren Schoͤpfer so sehr, und ihre Pflichten verkennen, Und zu solchen Strafen ihn reitzen? — Der Engel versetzte: Des Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Des Allmaͤchtigen Sohn hat zwar die verborgnen Orakel Seines Vaters nicht ganz uns enthuͤllt: Doch wurde die Hoͤlle Nicht umsonst unermeßlich erschaffen; die weiten Bezirke Warten auf Myriaden verdammter Engel und Seelen. Ach! und moͤchten doch nicht die kuͤnftgen Bewohner der Erde Satans listgen Verfuͤhrungen folgen! Wie fuͤrcht ich zu sehr nur, Daß sie es sind, die Menschen vom Staube, die ihre Verbrechen Jns Verderben gestuͤrzt! — Die Welt des ewigen Todes, Die ich vor deinen Augen enthuͤllt, hat deine Gedanken Mit Entsetzen und Grausen getroffen; doch schreckli- cher, schwaͤrzer, Muß sie sich zeigen vor ihm, der mit dem kuͤhneren Geiste Jetzt Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Jetzt in ihre Grenzen sich schwingt, ietzt, da sie bewohnt ist Von Verdammten, wo jeder in sich die Hoͤlle verbirget. Als das Satanische Heer herunter zum Abgrund sich stuͤrzte, Sah ich auf ihrer Flucht sie verfolgt von der schwarzen Verzweiflung, Und von jedem wilden Affekt, der nie sonst geherrschet Jn unsterblichen Geistern. Der Stolz, der Neid, und die Zwietracht Mit dem Schlangenhaar, Rachsucht, und Wut, und der Haß, und die Falschheit, Stuͤrzten sich hinter ihnen einher, und haben auf ewig Jhre Wohnung bey ihnen genommen. Auch flog das Gewissen Mit zur Hoͤlle hinab. Da hat es in donnernden Wolken Seinen Thron sich gesetzt; die laute maͤchtige Stimme Toͤnt Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Toͤnt durch den Abgrund; kein Muth kan sich wafnen, kein Ohr sich verstopfen, Wenn es spricht, denn es spricht allmaͤchtig; bald stark, wie Posaunen, Und bald lispelnd, wie heimliche Stimmen; kein schnel- ler Gedanke Und kein Fluͤgel des Cherubs entflieht ihm; der schwar- ze Verdammte Laͤstert wider den Himmel, sich selbst, und seine Gefaͤhrten, Leidet unendlich, verfluchet sich selber, verdammet sich selber. Dieses, o Adam, ist Hoͤlle! — Doch laß uns die schaudernden Blicke Wieder entziehn von Scenen des ewigen Jammers! Bewahre Deinen ietzigen Stand der Unschuld! verharr’ im Ge- horsam, Und laß keine Versuchung, so stark sie auch sey, dich verfuͤhren, Eine Nachwelt von dir in ewige Quaalen zu stuͤrzen. Raphael Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Raphael schwieg. Durch Adams Herz lief kal- tes Entsetzen; Jhm, von schwarzer Ahndung bewegt, rann uͤber die Wange Ploͤtzlich ein Strom von Thraͤnen herab: doch faßt er von neuem Bey sich den festen Entschluß, des Schoͤpfers Gebote zu halten. Die Die Unterwerfung gefallner Engel und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern der Menschen. Die Unterwerfung gefallner Engel und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern der Menschen. F ern von Satans rebellischer Schaar bezog ietzt Orions Myriade, das einsame Lager. Er war der Standarte Satans gefolgt; doch schoß in ihn schnell ein goͤttlicher Lichtstral, Daß er das schwarze Verbrechen erkannte. Er riß in der Nacht sich V. Th. J Vom Die Unterwerfung gefallner Engel Vom satanischen Heer, und fuͤhrte die kriegrischen Haufen, Unter seinem Befehl, fern von des Empoͤrers Gezelten. Sicher kam er hier an. Es wurden Cherubische Feuer Rund um das Lager gestellt, auf Satans Bewegung zu wachen, Sollt’ er sie etwan verfolgen. Drauf rufte, mit festli- chem Klange, Die Posaune zur hohen Versammlung. Die Fuͤrsten und Helden Draͤngten sich um Orions Gezelt; der maͤchtige Fuͤhrer Trat ietzt unter sie hin, und versuchte zu reden; doch Thraͤnen Rannen ihm uͤber die Wangen; die tiefste Bekuͤmmer- niß herrschte Auf dem Antlitz aller umher; doch fanden zuletzt noch Also die Worte, mit Seufzern vermischt, den trauri- gen Ausgang: Fuͤr- und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Fuͤrsten, und Helden, und Krieger! O daß wir den Namen des Krieges Nimmer gehoͤrt! O daß wir doch nie die Schwerdter gezuͤcket! Wir Betrognen! Wir Armen, in welche Tiefe von Elend Haben wir selbst uns hinuntergestuͤrzt, und haben den Listen Eines Verfuͤhrers gehorcht? Jst’s moͤglich, sind es nicht Traͤume Unsers erschrocknen Gemuͤths? Abtruͤnnige sind wir? Gefallen? Haben uns wider Jehovah, und seinen Gesalbten, em- poͤret; Haben die Waffen ergriffen, und haben auf unsere Bruͤder, Engel auf Engel, den Angriff gethan? Und warum? Was vermocht’ uns Zu der schaͤndlichen That? — O! laßt es beschaͤmt uns bekennen; Einem Rebellen zu folgen, und einem Stolzen zu dienen. J 2 Sa- Die Unterwerfung gefallner Engel Satan, (so nennet ihn ietzt, den frechen Empoͤrer) wie hat er Uns mit dem Schall der Freyheit getaͤuscht! Er, welcher von uns schon Tiefern Gehorsam verlangt, als selbst der Allmaͤchtge. Was ist er, Daß wir so ihn verehren sollten? Und welche Verdienste Hat er, daß wir ihm selbst vielleicht den Kniefall bezeiget, Den wir dem großen Gesalbten versagt! Voll Schaam und voll Reue Muͤssen wir unser Antlitz bedecken! O daß wir gesuͤndigt, So uns versuͤndigt an Gott! und so vom Guten gefallen! Traurig und einsam, verlassen von allem, verfolget uns raͤchend Unser Gewissen; es muß es gestehn, wir haben gesuͤndigt, Schwer gesuͤndigt! wird Gott uns vergeben? und kan er vergeben, Kan und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Kan er solchen Verbrechern vergeben, die von ihm ge- wichen? Mit rebellischen Waffen um seine Heiligen stuͤrmten, Und mit Krieg den Himmel entstellt? — Erbarmer, Jehovah! Und du, den wir verschmaͤht, du, sein erhabner Gesalbter, Jst Erbarmung noch uͤbrig, fuͤr uns Gefallne noch uͤbrig: O! so verschmaͤh nicht die Thraͤne der Reu! — Jhr Helden und Krieger, Jeder sey still in seinem Gezelt die einsame Nacht durch; Und so oft ihr den Schall der hohen Posaune vernehmet, So werft euch aufs Angesicht hin; und suchet mit Thraͤnen, Und Gebeten der Reu, den Zorn des Allmaͤchtgen zu lindern, Ob er seiner gefallnen Knechte vielleicht sich erbarme. J 3 Die- Die Unterwerfung gefallner Engel Dieses Orion — mit thraͤnendem Blick und blutendem Herzen Machte sich jeder nach seinem Gezelt; so oft die Posaune Bey den Stunden der Nachtwacht ertoͤnte, da fielen sie alle Jn den Staub hin vor Gott, und weinten um Gnad und Erbarmung. Und der Allmaͤchtige sah von seinem heiligen Huͤgel, Auf sie hernieder, und sprach: Sollt ich vor meiner Geschoͤpfe Buͤssenden Seufzern mein Ohr verschliessen? und solte die Gnade, Noch bey Zeiten gesucht, zerschlagene Herzen nicht troͤsten? Als er noch sprach, erschienen im Himmel die frommen Gebete, Kinder der Demuth und Reu; sie giengen, mit Staub auf den Haͤuptern Zitternd einher, und huͤllten sich tief ins weisse Ge- wand ein; Blin- und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Blinkende Perlen standen im Aug’, und Schaam und Verwirrung Deckte die Stirn; fuͤr sie ist nie das Heiligthum Gottes Unzunahlich. Sie traten herzu; die Choͤre der Engel Theilten sich, da sie sie sahn, und liessen sie ungestoͤrt wan- deln Durch die langen anbetenden Reihn zum Throne der Allmacht. Als sie der Ewige sah, befahl er dem ersten der Engel, Gabriel, der naͤchst unter ihm stand, sie naͤher zu fuͤhren. Und er fuͤhrte sie naͤher; sie fielen nieder, und weinten Vor des Allmaͤchtigen Thron, und beteten an, und die Schaalen Jhres Raͤuchwerks dampften vor Gott mit Wolken von Duft auf, Jhm ein suͤsser Geruch. Er neigte sein guͤldenes Zepter J 4 Gegen Die Unterwerfung gefallner Engel Gegen sie nieder, und gnaͤdig erklang des Ewigen Stimme: Gabriel! eile hinab, zu diesen Gefallnen; ver- kuͤndge Jhnen Vergebung und Gnade von mir. Sie sollen in Zukunft Rein seyn; wem ich vergebe, dem hab ich vergeben. Doch soll noch, Eh sie meinem Throne sich nahn, zu neuem Gehorsam Einige Zeit der Pruͤfung sie laͤutern. Noch steht in dem Chaos Schaffend mein maͤchtiger Sohn; er hat der Erde gerufen, Und sie ist da. Die Bewohner der Erd’, er hat sie bestimmet, Einst nach ihren Tagen der Pruͤfung euch aͤhnlich zu werden. Diesem erwaͤhlten Geschlecht bestimmet, mein ewiger Rathschluß, Sie zu Fuͤhrern und Waͤchtern; sie sollen sie vor der Versuchung Sa- und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Satans bewahren, (denn Satan wird sich, so hab ichs beschlossen, Bald dem Abgrund entreissen; das Menschengeschlechte verfuͤhren, Und noch groͤßre Verdammniß dadurch sich erringen,) sie sollen Jhre Herzen zur Tugend erhoͤhn, und große Gedanken Jn den Seelen erschaffen, wenn unter den Fesseln des Koͤrpers Unter der wilden Zerstreuung und unter der Eitelkeit Taumel, Jhr vom Himmel stammender Geist, zum Laster ver- sucht wird. Wenn dann des Weltgerichts maͤchtge Posaune die Him- mel durchschallet, Und der neuen unsterblichen Schaar sich um mich ver- sammelt, Will ich sie gleichfalls versammeln, und ihnen die Treue belohnen, Die sie dem Menschengeschlecht’ erwiesen; dann sollen sie wieder, J 5 Thro- Die Unterwerfung gefallner Engel Thronen, und Fuͤrsten, und Kraͤfte, die alten Wuͤrden bekleiden, Und in ewiger Wonne mit mir, und den Seligen leben. Also der Ewige! Lautes Jauchzen durchschallte die Himmel; Und schnell machte sich Gabriel auf, die hohen Befehle Zu vollbringen, und flog mit sonnenstralenden Fluͤgeln Durch die aͤtherschen Gefilde; er ließ in daͤmmernden Schatten Einen langen stralenden Weg, so wie er dahinflog. Und so verfolgte der reisende Seraph die einsame Nacht durch, Jn den Feldern des Himmels, die Reise. Der lachen- de Morgen Stieg auf den leuchtenden Wagen mit empyreischem Golde Praͤchtig geschmuͤckt, und erhellte die Flur mit Schim- mer und Freude. Aber und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Aber die Freude besuchte nicht mehr das Lager der Engel, Das ietzt der Seraph von fern her entdeckte. Mit ei- lenden Schritten Naht er sich ihren glaͤnzenden Zelten. Die aͤussersten Schaaren, Die allein geruͤstet noch standen, das Kriegesheer Satans, So sie verfolgen moͤchte, zu spaͤhn, erhuben die Blicke, Sahn den hohen Gesandten von Gott, und neigten voll Ehrfurcht Jhre schimmernden Waffen vor ihm. Jn allen Gesichtern Fand er schwarze Melancholey, und tiefe Betruͤbniß. Und wie konnten sie anders, als ernst, und niederge- schlagen, An ihr Schicksal gedenken, das noch in drohenden Wolken Dunkel verhuͤllt hieng uͤber dem Haupt? Wie konnten sie anders Als Die Unterwerfung gefallner Engel Als mit traurigen Herzen den Blick ins Vergangene wagen, Oder in die noch schwaͤrzere Zukunft, von Strafen er- fuͤllet, Die sie zu sehr nur verdient, und mit Verderben geruͤstet? Durch das heitre Gesicht des glaͤnzenden Seraphs er- muntert, Nahte sich einer der Engel zu ihm, und sagte, sich neigend: Koͤmmst du, großer Gesandter des Himmels, zu unseren Huͤtten, Uns Vergebung, oder vielleicht das Urtheil des Todes Zu verkuͤndigen? Aber so sanft und heiter vermoͤchte Der auf uns nicht zu blicken, der unsre Verdammniß uns braͤchte. Nein! du koͤmmst, ein Bote der Gnade, das saget dein Auge, Und in deinen Haͤnden der Oelzweig. — Jch fuͤhr im Triumphe Dich und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Dich zu den unsrigen, truͤgt mich nicht anders der Hof- nungen schoͤnste. Gabriel gab ihm zur Antwort: Jch bin ein Bote der Gnade; Bringet mich zu dem Gezelt Orions, des maͤchtigen Fuͤhrers Eurer Schaaren, und hoͤret von mir die Befehle des Hoͤchsten. Also sprach er: Sie folgten ihm nach, und wand- ten die Schritte Nach dem einsamen Lager. Jn melancholischer Stille Lag es, und alles umher war stumm, und veroͤdet, und traurig, Aufgethuͤrmt lagen im Feld die hellen schimmernden Waffen, Oder hiengen zerstreut an den Aesten. Jn haͤufigen Schaaren Jrrten die kriegrischen Geister umher in Thaͤlern und Auen, Ohne Waffen, und hiengen bestuͤrzt, voll Kummer im Herzen, Jn Die Unterwerfung gefallner Engel Jhren finstern Gedanken nach, die helle Posaune Weckte zu Klagen allein; und von den schimmernden Staͤben Wehten die hohen Paniere nicht mehr vom Winde durchflattert. Einer der maͤchtigsten Thronen, Orion, der Fuͤhrer des Heeres, Saß im stillen Gezelt. Jhn druͤckten Lasten von Qualen Auf der Seele, mit Unruh und Reu, daß Satans Panieren Er gefolgt; ihn verzehrte der Gram; die brennenden Thraͤnen Rannen ihm uͤber die Wangen, ihm lag die Erwartung des Schicksals Ueber seine Gefaͤhrten, und sich, auf aͤngstlichem Herzen, Wie ein Gebuͤrge. Er hatte voll Schmerz die himm- lische Leyer, Sich zu betaͤuben, genommen. Die sanften guͤldenen Saiten Schall- und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Schallten in melancholische Klagen, und floͤßten der Seele Himmlische Linderung ein; denn welches Gemuͤth wird nicht leichter, Wenn es sich in Gesaͤngen ergießt? Und welche Betruͤbniß Hat nicht die Tonkunst, die Tochter des Himmels, be- zaubernd gelindert, Oder besiegt? Die goͤttlichen Lieder erklangen von fern schon Jn des entzuͤckten Gabriels Herz. Der stralende Teppich Rauscht vor dem Seraph ietzt auf. So bald ihn Orion erblickte, Sank ihm die Leyer bestuͤrzt aus der Hand, er erhub sich; betroffen Sprach er: Erhabner Seraph, Gesandter des Hoͤch- sten! unfehlbar Schickt der Allmaͤchtige dich zu seinen gefallenen Knechten. O daß endlich die Bothschaft des Himmels uns Arme besuchte, Die Die Unterwerfung gefallner Engel Die wir in Thraͤnen vergehn! Vielleicht daß unsere Thraͤnen Seinen verderbenden Zorn entwafnet! vielleicht! — doch, Geliebter, Laß uns nicht laͤnger in schwerer Erwartung, und laß uns mit Demuth Unser Urtheil vernehmen! — So sprach er. Der Seraph versetzte: Laß die Posaunen ertoͤnen, damit sich alle versammeln, Welche zu deinem Panier gehoͤren. Des Hoͤchsten Befehle Warten auf euren Gehorsam; er gab sie mit tiefem Erbarmen. Gluͤcklich bin ich, sie euch zu verkuͤndgen; — So sag- te der Seraph. Alsbald gab Orion Befehl, die Posaune zu blasen; Und ein maͤchtiger Cherubim stieß mit harmonischen Lippen Jn das aͤthersche Metall, die ganze Gegend erschallte Von und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Von dem Getoͤn. Mit fliegenden Schritten begaben sich alle Unter ihre Standarten und Fahnen. Die glaͤnzenden Schilde Draͤngten sich dicht an einander, und mit gehoͤrneten Spitzen Schloß sich das saͤmtliche Heer an seinen Fuͤhrer, Orion, Neben welchem der hohe Gesandte zum Sprechen be- reit stand. Ehrerbietige Stille beherrschte die wartenden Schaaren, Und mit auf ihn geheftetem Blick, und banger Erwar- tung, Standen sie, seine Worte zu hoͤren; — voll Anstand begann er: Thronen, Fuͤrsten, und Maͤchte! der Reu und Be- kehrung Gebete, Die zu Gott um Vergebung gefleht, sind vor ihn ge- drungen, Haben Vergebung erlangt, und den Zorn des Richters versoͤhnet. V. Th. K Heil Die Unterwerfung gefallner Engel Heil euch! daß ihr im Staube gekniet, und bittere Thraͤnen Zu dem Hoͤchsten geweint, die euch Vergebung erlanget! Heil euch! Begnadigte! daß fuͤr euch noch in Zeiten der Abzug Vom Satanischen Heer am Throne des Richters gezeuget, Daß ihr die Fahne des Aufruhrs verließt, und in Zeiten die Gnade Bey dem Allmaͤchtgen gesucht, die jenen Rebellen ver- sagt ist. Heitert euch auf, wie Begnadigten ziemt! Doch for- dert der Ewge Euren Gehorsam nunmehr, nicht ohne Pruͤfung. — Jhr wisset, Daß schon lang ein prophetisch Geruͤcht im Himmel ge- gangen Von der Erschaffung unzehliger Welten, mit herrlichen Geistern Und unsterblichen Seelen erfuͤllt; die hohe Bestimmung Von und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Von der geringern Erde, dem Schauplatz der goͤttlichen Gnade, Und der Erbarmung des Sohns, ist euch nicht gaͤnzlich verborgen, Da wir so oft in heiligen Stunden, mit kuͤhnen Ver- muthen, Uns von ihr unterredt. Jetzt sind die Tage gekommen. Gott steht noch in den Tiefen des Chaos, und winket den Welten Aus dem Nichts und der Nacht; er hat auch der Erde gerufen, Sie bey ihrem Namen genannt, und mit maͤchtiget Hand sie Um die stralende Sonne gefuͤhrt; er gab ihr den Mond dann Zum getreuen Gefaͤhrten der Nacht; der folgt ihr auf- wartsam, Und entzieht ihr sein Angesicht nie. Doch fehlt noch der Erde Was sie am herrlichsten macht, ein Geschoͤpf mit dank- barer Seele K 2 Wuͤr Die Unterwerfung gefallner Engel Wuͤrdig den Schoͤpfer zu preisen, und zu den jauchzen- den Hymnen Von unzehligen Welten auch seine Gesaͤnge zu fuͤgen. Doch Gott wird es erschaffen, so sprach er, er wird es erschaffen Herrlich, unsterblich, nach seinem Bilde. Der Mensch, (denn so nennet Kuͤnftig ihn unser frohlockendes Chor,) der Mensch wird der Gnade Seines Schoͤpfers vorzuͤglich genießen, und seiner Er- barmung, Unbegreiflich den Engeln und Himmeln, gewuͤrdiget werden. Diesem erwaͤhlten Geschlecht bestimmt des Ewigen Rathschluß Euch zu Fuͤhrern und Waͤchtern. Jhr sollt auf verwor- renen Wegen Diese neuen Unsterblichen leiten; sollt ihre Gemuͤther Vor dem verfuͤhrenden Laster verwahren, und hohe Gedanken Jn und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Jn den Seelen erschaffen, wenn unter den Fesseln des Koͤrpers, Unter der wilden Zerstreuung und unter der Eitelkeit Taumel, Jhr vom Himmel stammender Geist zum Laster ver- sucht wird. Wenn dann des Weltgerichts letzte Posaune die Him- mel durchschallet, Und der neuen Unsterblichen Schaar Gott um sich ver- sammelt, Will er euch gleichfalls versammeln, und euch die Treue belohnen, Die ihr dem Menschengeschlecht erwiesen. Dann sollet ihr wieder Thronen, und Fuͤrsten, und Kraͤfte, die alten Wuͤr- den bekleiden Und in ewiger Wonne mit ihm und den Seeligen leben! So der erhabne Gesandte von Gott. Ein leises Gemurmel Lief durch die ganze Versammlung. Als wenn frisch- wehende Luͤfte K 3 Durch Die Unterwerfung gefallner Engel Durch ein Gehoͤlz von silbernen Eschen sich kraͤuseln, und lispelnd Um die Locken des Wanderers spielen, der, ganz schon ermattet Von der flammenden Gluth, leichtathmender durch sie hindurch geht. Aber bald sank das frohe Geraͤusch in vorige Stille, Da mit freudeglaͤnzen der Stirn Orion so anhub: Preiß, und Ehre dem großen Allmaͤchtgen, er- habner Gesandter! Preiß ihm, daß er sich unser erbarmt, und seinen gefallnen, Seinen nunmehr begnadigten Knechten Versoͤhnung ge- sendet! Heil uns! daß er uns wuͤrdig erkannt, ihm wieder zu dienen, Und die Gebete der Reu, die wir in tiefer Betruͤbniß Jhm geopfert, nicht ganz verschmaͤht — Gott, Rich- ter, Erbarmer, Sey und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Sey gelobt, von Gefallnen gelobt! sie wollen nicht wieder Fallen; nicht wieder von dir und von dem Wege des Guten Weder zur Rechten, noch Linken entweichen! Mit wei- chem Entzuͤcken Wollen wir kuͤnftig zur Tugend die neuen Unsterblichen leiten, Fuͤhr uns, wir folgen dir nach, o großer Gesandter des Himmels, Fuͤhr uns zu unsrer Bestimmung; doch eh wir den Himmel verlassen, Unsern Geburtssitz, welchen wir einst nach Jahren der Pruͤfung Herrlicher wieder besuchen mit unserm Brudergeschlechte, Mit den Menschen; so falle vorher anbetend, und dankend, Jeder von uns in den Staub, und preise den Richter, Erbarmer! Und schnell fielen sie all’ aufs Antlitz, und netz- ten mit Thraͤnen, K 4 Jetzt Die Unterwerfung gefallner Engel Jetzt mit Thraͤnen der Freude, den Staub. Drauf schloß sich der Heerszug Hinter Orion, und Gabriel, an; sie zogen von dannen Nach der neuerschaffenen Welt; viel weite Bezirke Eilten sie durch; viel weiter, als dieser Erde Bezirke, Wenn sie sich auch in die Laͤng’ erstreckte; bis endlich des Himmels Hohe krystallne Mauren erschienen, mit Zinnen und Thuͤrmen Von hellleuchtenden Saphir geschmuͤckt. Die glaͤnzen- den Thore Thaten von selber sich auf, sie sahn erstaunend hinunter Jn die Reiche der Nacht und des Chaos. Ein stralen- der Weg gieng Durch die Tiefen des Chaos zur neuen Schoͤpfung her- nieder, Welcher von selbst vor dem Schoͤpfer entstand; so wie er dahin zog Jn und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern ꝛc. Jn die Tiefen der Nacht, die Erd’ und den Himmel zu gruͤnden. Da sie sich ietzo den Thoren genaht, da wandte noch einmal Traurig Orion sich um, und eine Zaͤhre der Wehmuth Rann ihm vom Antlitz, indem er sich nun vom Him- mel entfernte. Und sie zogen hinab. Mit welchem entzuͤckten Erstaunen Sah Orion der Schoͤpfung Gesicht, die stralenden Sonnen Und die hellen Planeten! mit welcher Begeistrung ver- nahin er Die Gesaͤnge der Sphaͤren! Sie flogen durch zahllose Welten Bis zu unserm Sonnensystem. Der silberne Mond hieng Leuchtend uͤber der Erde, Dies ist sie, die kuͤnftige Wohnung, Euch vom Schoͤpfer bestimmt, (sprach Gabriel;) bald wird, Orion, K 5 Gott Die Unterwerfung gefallner Engel ꝛc. Gott dich zur Erde herunter berufen, dem Ersten der Menschen Dich zum Schutzgeist zu geben; ich eile hinab nach der Erde Von des Allmaͤchtgen Sohn die fernern Befehle zu hoͤren. Also sprach er, und eilte sogleich zur Erde Be- zirken. Aber Orion, und seine Gefaͤhrten, voll tiefen Gehorsams, Liessen sich auf die hohen Gebuͤrge des Mondes hernieder. Die Die Vergnuͤgungen der Melancholey. Die Vergnuͤgungen der Melancholey. M utter der weisen Betrachtung, du Schoͤpferin ern- ster Gedanken, Deren Grotte sich hoch auf Teneriffs Gipfel gewoͤlbet, Wo oft mitten in schrecklicher Nacht der heulende Sturm- wind, Vom wildstroͤmenden Regen und prasselnden Hagel be- gleitet, Dein hinhorchendes Ohr ergetzt; indem du, erheitert, Mitten im Aufruhr, versenkt in tiefe Gedanken dich einhuͤllst: Oder indem in der Nacht ein Schleyer trauriger Wolken Alle Gestirne verbirgt, bis bald vom ruhigen Himmel Cyn- Die Vergnuͤgungen Cynthia traurig und blaß von ihrem silbernen Wagen Nieder zum Ocean schaut, da du voll Tiefsinn indessen Unverwandt mit dem starrenden Blick auf das Sternen- gewoͤlbe Angeheftet, dich ganz in frommer Entzuͤckung verlierest; Obgleich, mit verwirrtem Geraͤusch, die brausenden Wogen Unter dir wallen, und heisres Gemurmel die Felsen hinaufschlaͤgt, Wo du, begluͤckt, und in dich gekehrt, den tobenden Ausruhr Des empoͤrten Oceans hoͤrst; fern von dem Getuͤmmel, Fern von den Freuden der Menschen, und mit den himm- lischen Sphaͤren Unterhaltungen pflegst: — O! leite mich, maͤchtige Goͤttin, Zu dem heiligen Dunkel, mit meiner Seele, harmo- nisch, Un- der Melancholey. Unter den einsamen Gang von alten verfallnen Ge- maͤuern Zu den daͤmmernden Zellen und Lauben, und traurigen Schatten, Wo die Melancholey ihr werthe Gedanken hinausdenkt, Und am liebsten verweilt. Die lachenden Scenen des Fruͤhlings, Wenn um ihn her die Gratien scherzen, und Liebesgoͤtter Jhn umtanzen, und Blumen und Bluͤthen, Ambrosia duftend, Unter ihm mit verschwendrischer Hand auf Fluren herabstreun, Ruͤhren laͤnger mich nicht; ich wuͤnsche mir nicht mehr, o Tempe, Deine balsamischen Luͤfte zu athmen. Jhr gruͤnenden Thaͤler, Und ihr Wiesen, du bluͤhender Hain, um welchen der Feldbach, Murmelnd sich schließt, gehabt euch wohl! Jch folge dir, Schwermuth. Un- Die Vergnuͤgungen Unter jener verfallnen Abtey bemooßten Gewoͤlben, Will ich oft sitzen, allein, in jenen daͤmmernden Stunden, Wenn der traurige Mond in den suͤrchterlicheinsamen Kreuzgang Einen flimmernden Stral von stroͤmenden Lichte hinein- wirft, Und ein tiefes heiliges Schweigen auf allem umher herrscht, Außer der Eule klagendem Lied, die, unter dem Schutte Dumpfigter Hoͤlen verscheucht, ihr oͤdes Wohnhaus er- bauet; Oder der ruhig saͤuselnden Luft, die zwischen dem Laube Des breitblaͤttrichten Epheu rauscht, der an den Ge- maͤuern Eines hangenden Thurms sich an den Waͤnden hinauf- schlingt. Oder laß mich auch oft den nahen Tannengang irren, Wo der Melancholey. Wo die Moͤnche vordem in frommen Tiefsinn gewandelt. Wie ich, im unabsehlichen Leeren der hohen Gewoͤlbe, Kuͤhn einhergeh; fasset mich schnell im innersten Dunkel Heiliger Schauder, und huͤllet mein Herz in traurige Ruhe. Aber wenn ietzo die Welt in der Mitternacht Ra- bengewand sich Eingekleidet, dann laß mich auch oft im hallenden Beinhaus Jene zitternden Flammen erblicken, die uͤber die Haufen Duͤrrer Knochen und Schaͤdel mit blassem Schimmer sich breiten; Da indes die Mauer hinab aͤtherische Stimmen Jn den Kirchhof ertoͤnen, und Geistergestalten von ferne, Durch die langen gekruͤmmten Gewoͤlbe, die einsamen Schritte V. Th. L Zu Die Vergnuͤgungen Zu sich winken. — Voll Anmuth ist auch der Mitter- nacht Stille, Wenn ich ploͤtzlich erwacht mich von dem Lager erhebe. Siehe! wie todt ist alles um mich! Die ruhigen Winde Brausen ietzt nicht; die Soͤhne der Menschen, und alle Geschoͤpfe, Liegen in tiefer Vergessenheit da; die ganze Natur ist Jn den tiefesten Schlaf, in die tiefeste Stille, gewickelt. O wie grausend ist dann der Gedanke, daß außer mir, nichts sonst Auf der veroͤdeten Erde noch wacht! Bis mit dem Ge- danken Mein hinsinkendes Haupt der schleichende Schlummer besuchet. Dann auch muͤsse kein Traum, von froͤhlicher Thorheit erzeuget, Mich zur blumichten Au der gauckelnden Freude ver- fuͤhren; Son- der Melancholey. Sondern mir sende der Schutzgeist der Nacht so my- stische Traͤume, So erhabne Gesichter, wie ehmals Spenser gesehen, Wenn er voͤllig vertieft in Phantaseyen der Dichtkunst, Zu des Busirans schwarzen Palast den Britomart fuͤhrte: Oder als Milton gesehn, wenn er in hoher Begeistrung, Jm Tumulte des Kriegs, den ganzen Himmel sich dachte, Und in seinen entzuͤckten Gedanken der Seraphim Schaaren Vor ihm sich thuͤrmten, mit Waffen bedeckt von De- mant und Golde. Andre moͤgen am laͤchelnden Abend des Sommers sich weiden, Wenn sie am dumpfen Geraͤusch des murmelnden Ba- ches sich letzen, Oder das sanftere Roth des streifichten Westens be- trachten; L 2 Mich Die Vergnuͤgungen Mich ergetzt nur Nebel und Dunkel des blassen De- cembers. Wenn die Schatten sich dann des langen Abends ge- schlossen, Und ein schimmernder Stral der matten sterbenden Asche, Durch den daͤmmernden Raum, sich bricht: dann laß mich, entfernet Von dem Jauchzen des Unsinns, das ietzo mit festlichem Echo Durch die erleuchteten Zimmer ertoͤnt, dann laß mich im Winkel Sitzen, allein nur vergnuͤgt an der niedern klagenden Grille Schlummer erweckendem Lied; und laß mich mit mei- nen Gedanken Jn mich gekehrt, den Wechsel der Dinge, die leeren Vergnuͤgen, Und die vergebliche Muͤhe betrachten, die unsrer Er- kenntniß Forschen vereitelt, so wie wir die Wuͤste des Lebens durchirren. Diese der Melancholey. Diese gesegnete Stunde der Stille wird alles das Laͤ- cheln Schimmernder Thorheit entdecken, das, gleich des li- stigen Comus Falscher zaubrischer Kunst, die allzusicheren Augen Mit der verborgnen Verblendung getaͤuscht; den bezau- berten Becher Uns zu trinken verfuͤhrt, wodurch die Seele berauschet, Ganz sich vergißt, und der Mensch zum Ungeheuer herabsinkt. Gierig kosten wir ihn, doch in dem frohen Genuße Merken wir nicht die giftigen Hefen, die mit ihm ge- mischt sind. O wie wenige kennen den Werth der feineren Seele, Deren erhoͤhtes Gefuͤhl, in Scenen finsterer Schwer- muth, Schnellere Freuden genießt, als die der Schimmer des Hofes, L 3 Und Die Vergnuͤgungen Und die blendende Pracht des eitlen Stolzes ertheilet. Eloise, die lang in Schmerzen der Liebe geschmachtet, Fuͤhlte gewiß mehr hoͤhere Freuden, mehr wahres Ent- zuͤcken, Wenn, im flimmernden Kreis der Todtenkerzen, sie traurig An ein Grab sich gelehnt, vielleicht auch unter den Pfei- lern Gothischer Tempel und unter Altaͤren der heiligen Bilder Sie, als eine verschleyerte Nonne, voll Schwermuth herumgieng; Als im goldnen Palast, stolz auf die Reitze der Jugend, Flavia fuͤhlt, wenn unter den Soͤhnen des weichlichen Putzes Sie im Zirkel des festlichen Balles bezaubernd einher- schwimmt, Und vor allen versammelten Schoͤnen, die Schoͤnste, hervorstralt. Wenn der Melancholey. Wenn die Erde der blendende Stral des Mittags erheitert, Und in der hellen suͤdlichen Laube des goldenen Tages Guͤtger Regent sich freut, und alles unter ihm lachet: Wie hat dann mein Wunsch nicht der Nacht Zuruͤck- kunft gefordert, Die zum melancholischen Gemuͤth viel gleicher ge- stimmt ist. Sey mir willkommen, o heilige Nacht! mein einsa- mes Lied sey Dir auch geweyht! o Schwester der herrschenden He- kate, Heil dir! Heil dir! wenn du entweder, im dicken Dunkel ver- borgen, Deinen Wagen, verhuͤllt in schwangeren Wolken, da- hinrollst, Oder dein leuchtendes Haupt mit der silbernen Krone geschmuͤckt hast. Obgleich in der Finsterniß Schutz der Zauberer Schaaren L 4 Oft Die Vergnuͤgungen Oft in schrecklichen Hoͤlen von Lapplands beschneyten Gefilden Mit verworrenen Reimen den blutigen Kessel besprechen; Ob die Mordsucht gleich oft in deinen beschirmenden Schatten Jhre Verehrer zusammenberuft, ein heimliches Blutbad Auszudenken, indem bey blauer sterbender Lampe Jn dem scheußlichen Rathe vereint, die horchende Bande Sitzt; bey jedem saͤuselnden Wind, bey jedem Geraͤusche Auffaͤhrt, und mit wilden und starrenden Augen um- hersieht; Obgleich deinen entsetzlichen Pfad der Wandrer ver- fluchet, Wenn er, voͤllig verirrt in weiten Arabischen Wuͤsten, Rings um sich her das wilde Geheul blutduͤrstiger Thiere Durch der Melancholey. Durch die Wildniß vernimmt, indem der schwaͤrzeste Sturm ihn Unaufhoͤrlich verfolgt: so ist doch deine Zuruͤckkunft Angenehmer dem stillen Gemuͤth, als die Ankunft des Morgens, Wenn er auch jugendlich stolz im May frischbluͤhende Rosen, Und ambrosischen Thau, von den Pforten des purpur- nen Aufgangs Auf die Gefilde verstreut. — Doch ist die Ankunft des Morgens Angenehm, wenn er, verhuͤllt in troͤpfelnde Wolken, er- scheinet. Wenn in finsterer Luft der truͤbe Suͤdwind einherbraust, Und die traurige Landfchaft schwaͤrzt, daß Waͤlder und Huͤgel Sich, in einander vermengt, in dicken Nebeln verlieren. Kuͤmmerlich sitzen alsdann die Saͤnger des traurenden Waldes, L 5 Und Die Vergnuͤgungen Und begruͤssen die Dunkelheit nicht; die rauschenden Ulmen, Die mit majestaͤtischem Haupt in waldichten Reihen Etwan ein Landhaus umringen, sind stumm; und schal- len nicht wieder Von der Dohlen verwirrten Geschrey, da, triefend, zum Obdach Sich das Federvieh macht; in Sicherheit haͤnget der Landmann Ueber dem prasselnden Feuer, und wagt aus der ruhi- gen Huͤtte Nicht sich hinaus in den Sturm. Jn unvollendeter Furcht Feyert der Pflug; vom Getoͤne des Horns, und dem Rufe des Jaͤgers, Schallet der Forst nicht; in trauriger Stille liegt alles vergraben, Und die tiefste Betruͤbniß umhuͤllt die Flaͤche der Dinge. Obgleich Popens Gesang die sanftesten Gratien athmet, Und der Melancholey. Und die gluͤcklichste Kunst die attischen Blaͤtter geschmuͤcker: Dennoch gluͤht mein ernstes Gemuͤth in suͤßerm Ent- zuͤcken, Wenn ich manchmal, gelehnt an einen moosigten Eich- stamm, Jn dem wildanmuthgen Gesang des zaubrischen Spen- sers, Zitternd der Una irrenden Fuß in schrecklichen Wuͤsten Durch die Einsamkeit wandern gesehn; ganz matt und verlohren, Mehr, als wenn auf schimmerndem Busen der silber- nen Themse Die in ihr Ungluͤck eilende Schoͤne Die durch Popens Haarlockenraub beruͤhmte Belinde. im Glanz des Brokades Jn dem blendenden Stral der lachenden Sonne daher- schwimmt. Zarter Empfindung wird bald das muntre Gemaͤlde zum Eckel, Und Die Vergnuͤgungen Und trift nur das kalte Gemuͤth mit schwachem Ver- gnuͤgen. Juͤnglinge! die ihr den Kranz ungluͤcklicher Lie- be getragen, Welch Vergnuͤgen kan man der suͤssen Schwermuth vergleichen, Deren zaubrische Macht den sanfteren Seelen geschmei- chelt? Mahlt uns die stille bezaubernde Lust, bey der redenden Stimme Suͤssem Gesange zu schmelzen; in sanften thauigten Wiesen, Durch die Mitternacht hin, mit irrenden Schritten zu wandeln; Und dem vertraulichen Mond die Schmerzen der Liebe zu klagen, Oft vom Vogel der Nacht mit aͤhnlichen Seufzern be- gleitet, Oder im schattichten Wald am dunkeln Bache zu irren, Und allda die nichtigen Freuden der Welt zu vergessen. Da der Melancholey. Da indes ein gluͤcklicher Traum die erscheinende Schoͤne Vor euch mahlt, — nun hoͤrt ihr nicht mehr das Ge- murmel des Baches, Und das Auge dringet nicht mehr durch schauernde Gaͤnge Waldichter Linden, bis etwan im Forst vom faͤllendem Beile, Oder vom fernen Geklingel der Heerden, und von dem Geraͤusche Eines die Straͤuche durcheilenden Stiers, die betroge- nen Sinnen Sich ermuntern, und ploͤtzlich der Traum in die Luͤfte verflieget. Dieß sind Vergnuͤgen, zu denen mein Herz sich eh- mals gewoͤhnet, Als den verblendeten Blick die junge Saphira bezaubert, Und in schwarzer Entfernung von ihr, mein Leben mir hinfloß, Schoͤner als Flora lachte sie mir, wenn Zephyr sie auf- weckt, Und Die Vergnuͤgungen Und sie schamhaft erroͤthend aus duftenden Lauben heraus- geht, Mit den Kraͤnzen von Veilchen und Rosen die Felder zu schmuͤcken. Vor unheiligen Seelen sind diese Vergnuͤgen verborgen, Und sie kan nur ein Herz, gewoͤhnt zur Schwermuth, em- pfinden. Laß mich auch oft das erleuchtete Chor in der hei- ligen Stunde Des Gebets besuchen, wenn majestaͤtisch die Orgel Jn der Andacht Gesang von der Hoͤh vielstimmig erschallet, Bis die Seele sich ausser sich reißt, und zum Himmel hinauffliegt. Laß mich auch oft im inneren Dom, im einsamen Stuhle, Heilige Toͤne vernehmen, die feyerlichlangsam und prachtig Durch die gothschen Gewoͤlbe sich winden, und in der Entfernung Mein der Melancholey. Mein hinhorchendes Ohr mit hohem Gemurmel erreichen. Laß mich auch dann nicht zu bleiben vergessen, wenn ietzo die Lampe Unter den Schatten verloͤscht, und einsame Stille zu- ruͤckkehrt; Laß mich alsdann die schreckenden Schlaͤge der Glocke bemerken, Welche mit zitternder Zunge die fliehenden Stunden verkuͤndigt. Nie auch wolle die Seele sich schoͤner zu bilden versaͤumen Durch den sanften und ruͤhrenden Schmerz der tragi- schen Muse; Sie, Melpomene, die im Cothurn erhaben einhertritt, Jn dem Leichengewand; sie ist des hoͤheren Mitleids Pflegemutter, Jetzt mag mit thraͤnenstroͤmenden Augen Ueber Die Vergnuͤgungen Ueber befleckte verwundete Liebe Monimia Jn einem Trauerspiel des Otway. klagen; Oder laß Juliet Romeo und Juliet, ein Trauerspiel von Schakespear. ietzt im schwarzen Todtengewoͤlbe Jhres getreuen Romeo Lippen zum letztenmal kuͤssen, Seine Lippen, noch rauchend vom Brand des toͤdtli- chen Giftes. Laß um einen vergeblichen Blick den Jaffeir Jn einem Trauerspiel von Otway. im Staube Hinknien; oder laß auch auf Desdemonen Jm Othello von Schakespear. den Mohren, Seiner Eifersucht Wuth die haͤrtesten Drohungen schuͤt- ten. Ploͤtzlich rieselt der maͤnnliche Strom von schwellenden Augen, Auf der Melancholey. Auf die Wange herab, und bey dem Ungluͤck des Bruders Schmilzt mein zaͤrtliches Herz in sympathetischen Thraͤnen. O was ist der nichtige Pomp, der Hoͤfe Gepraͤnge? Gluͤcklicher scheint mir sogar der hohe Verbannte, der einsam Jn Siberiens Wuͤsten, in alten verfallnen Gemaͤchern Eines hohen Kastells, die langsamen Stunden zuruͤcklegt. Nichts entdecket sein Blick, als unabsehliche Haiden, Wo ein ewiger Winter den Wagen von Eise dahinrollt. Jn der Naͤh auch zeiget sich ihm stets einerley Aussicht, Feste schreckliche Mauern, die dicken dunkeln Basteyen, Und die hohen Spitzen des Dachs; indessen die Glocke V. Th. M Fern Die Vergnuͤgungen Fern vom hoͤhesten Thurm unwirthbare Wuͤsten durch- schallet; Und mit dem traurigen Schall auch neuen Kummer er- wecket. Und doch ist er begluͤckter, als jener verwoͤhnte Satrape, Den er hinter sich ließ in Moskaus goldnen Pallaͤsten, Da in schwelgrischer Ruh und lachenden Freuden zu leben. Herrliche Scenen treffen nur bloß mit schwachem Vergnuͤgen Das Gemuͤthe des Schauers; sie locken allein das Ge- sicht nur, Und erheben mit maͤchtigem Trieb das fuͤhllose Herz nicht. Also reizt die daͤdalische Landschaft das Auge des Schaͤfers, Der von der heiteren Stirn des hohen Hymettus herab- sieht. Hier stehn Waͤlder von Palmen, wo sonst die Stimme des Plato Lehr- der Melancholey. Lehrreich erschallt; dort hebt aus dunkeln geheiligten Gruͤnem Sich der Oelbaum, der nimmer hier welkt, mit silber- nem Haupt auf. Dort verbreiten Huͤgel voll Reben die purpurnen Schaͤtze, Und manch sonnichtes Thal erstreckt in langen Prospekten Fruchtbar sich weit in das Land; dort thuͤrmt, in Fluren voll Aumuth Schimmernd, Athen sich auf; allein obgleich durch die Gegend Seine zur Weisheit begeisternde Fluth Jlissus dahin rollt, Dessen krummes Gestade dickwallender Lorbeer be- schattet; Obgleich seinen herrlichsten Glanz der rosichte Morgen Ueber die heitre Scene verstreut: so fuͤhlet der Moͤnch doch Jn der ruhigen Brust mehr, und wahrhaftere Freuden, M 2 Wenn Die Vergnuͤgungen Wenn er vom hangenden Fels, der seine Hoͤhle bedecket, Das verfallne Persepolis sieht. Die sinkenden Pfeiler Sind auf die Ebnen umher in wilder Ordnung zer- streuet, Eine weite Verwuͤstung! Gleich einem verdorreten Eichbaum, Welchen der Donner zerschellt, steigt hier die modern- de Saͤule Gegen die Wolken empor; hier zeigen parische Schloͤsser Halb sich woͤlbende Hallen, mit dicken Dornen bewachsen, Wo der Raͤuber ietzt laurt; der Fledermaus oͤde Be- hausung, Welche des Abends von da in daͤmmernde Schatten hin- abfliegt, Und wo ihren fleckigten Schweif die Otter sich nachschleppt, Ehmals die Wohnung des feinsten Geschmacks, und der bluͤhenden Kuͤnste. Tem- der Melancholey. Tempel erheben sich dort; in ihren geheiligten Grenzen Waͤchst der Fichtenbaum auf, da die nun nackenden Straßen, Sonst vom fleißigen Kaufmann besucht, mit Grase be- deckt sind; Saͤulen liegen auf Saͤulen gestuͤrzt, heruntergerissen Von dem festen Gestell, und vermehren die modernde Masse. Weit umher erscheinen dem Blick die hangenden Truͤmmer, Von der verwuͤsteten Pracht, in einer verworrenen Scene Von Pallaͤsten, und Haͤusern, und Boͤgen, und Daͤm- men, und Tempeln, Wo der Ruin, und Schrecken, und Graus, im schwarzen Gezelt thront. Komm denn, du Koͤnigin ernster Gedanken, Me- lancholey, komm, Komm mit heiligem Blick, und festem bestaͤndigen Schritte M 3 Aus Die Vergnuͤgungen Aus der Hoͤle hervor, vom traurigen Epheu umschatter, Wo du dich bis zum Schall der Abendglocke verweilest, Komm, und bekraͤnze das Haar von deinem geweihten Verehrer Mit Cypressen; es muͤsse mir nie die lachende Freude Mein standhaftes Gemuͤth mit gauckelndem Scherzen verfuͤhren, Noch mit Kraͤnzen von Blumen von deinem Wege mich locken. Denn obgleich in ihrem Gefolge die laͤchelnde Hebe Jhre blendende Brust den liebenden Augen enthuͤllet, Obgleich Venus, die Mutter der Liebe, der Freuden, und Scherze, Mit ihr Bacchus, mit Weinlaub gekraͤnzt, am stroͤmen- den Nektar Sich in duftenden Lauben ergetzen, und selber der Himmel, Wenn der Melancholey. Wenn sie sich nahn, sich erheitert, indem durch blaue Gefilde Sich ein schoͤnerer Tag verbreitet: so sind doch die Freuden, Die du, Melancholey, mir ertheilst, viel reiner, viel wahrer, Als ihr fluͤchtiger Tand; die Freuden, tiefer gefuͤhlet, Die in einsamen Stunden die hohe Betrachtung uns einfloͤßt. Heil dir, also, geweyhte Betrachtung! o Goͤttin, mit dir hub Dieser Gesang sich an, mit dir auch soll er sich enden. Du bist schoͤner, als alle die Nymphen der Grotte von Cirrha, Und du kanst den Gedanken zu hoͤhern Entzuͤckungen wecken, Als die gepriesene Schaar von allen Goͤttern der Fabel. Heil dir, o Goͤttin! dich fand, so wie die Sage berichtet, M 4 Einst Die Vergnuͤgungen der Melancholey. Einst ein Druide, so wie er am Abend die Waͤlder von Mona Einsam durchirrt; er trug dich sogleich mit guͤtigen Haͤnden Zum beschirmenden Dach von seiner Laube von Eichen. Hier bemerkte gar bald der bewundernde Weise den An- bruch Deiner Schwermuth, den maͤchtigen Hang zu ernsten Gedanken. Noch als ein laͤchelndes Kind hast du am Ufer des Meinai, Diesem verewigten Strom der alten Druiden, gelegen, Und dich am wilden Geraͤusch von seinen Fluthen er- getzet. Un- Unterhaltungen mit seiner Seele . Unterhaltungen mit seiner Seele . D u Hauch von Gott, du wundervolles Wesen, Das in mir denkt, vom Nichts zu Seyn erlesen; Unsterbliche, durch die mein Auge wacht, Komm, nahe dich bey stiller Mitternacht! Dir Unterhaltungen Dir toͤnt mein Lied, o Seele! Losgewunden Vom Koͤrper, weih’ ich dir erhabne Stunden. Vielleicht zieht mein Gesang dich von der Welt, Die nur zu lang’ in ihrem Arm dich haͤlt. Wir sind allein, o Seele! Wirf die Huͤlle Der Nacht um dich, und laß die heilge Stille Dir theuer seyn, die mit Gedanken koͤmmt, Gedanken, die kein Lerm, kein Unsinn hemmt. Wir sind allein? Wie falsch sprach ich! Wir waren Nie weniger allein. Des Himmels Schaaren Umgeben dich, sind Zeugen uͤber dir, Und, mit seiner Seele. Und, (o fall in den Staub!) Gott selbst ist hier. Du bebst zuruͤck? Wie? wolltest du verzagen? Nein, ietzt sey muthig! Du auch darfst es wagen, Mit Geistern und mit Gott vertraut zu seyn; Doch sey, wie Engel, wie dein Schoͤpfer, rein! O Einsamkeit! Wie kan der Mensch dich flie- hen? Wie kan er sich um Zeitverderb bemuͤhen! Er ist betruͤbt, daß nicht Tumult und Tand Jhm ungenuͤtzt auch diesen Tag entwandt. Er fuͤrchtet sich, mit sich allein zu bleiben; Treibt mit dem Strom von nichtgen Zeitvertreiben Be- Unterhaltungen Bestaͤndig fort; und jede Kleinigkeit Und jedes Kinderspiel, das ihn zerstreut, Ruft er herzu, dem Ungluͤck zu entgehen, Das er so aͤngstlich scheut, — sich selbst zu sehen. Sey weise, du, mein Geist; sey ietzo dein! Mit sich vertraut, heißt in Gesellschaft seyn. Wenn zuͤgellos die Freuden um uns schwaͤrmen. Wenn Unsinn raßt, und wilde Saiten laͤrmen, Wenn, fortgeschwemmt von des Tumultes Fluth, Allein beherrscht von aufgebrachtem Blut, Der Mensch sich selbst betaͤubt; zum Kreis sich dringet, Wo mit seiner Seele. Wo Laͤstersucht die scharfen Dolche schwinget, Und wo gesalbt betrunkne Weise schreyn; Dann ist der Mensch, dann ist der Geist allein. Jm vollen Saal geht einsam dann die Seele, Und melancholischer, als in der Hoͤle Des Einsiedlers, irrt sie auf leerer Bahn, Und findet nichts, was ihr genugthun kan. Wie selig ist nicht der, der oft entfernet Vom Laͤrm der Welt, sich selber dulden lernet! Erkenne dann, o Seele, deine Kraft! Verschmaͤh den Tand von leerer Wissenschaft, Laß Unterhaltungen Laß nicht bloß Schall von Weisheit dich verfuͤhren, Sey weiser, wags, dich selber zu studiren! Du siehst erstaunt der Erde Wundern zu? Rund um dich her ist groͤsser nichts, als du. Wie ruͤhmlich ists, das Buch der Welt zu lesen, Geh weiter noch; schan tiefer — in dein Wesen. Du stolzer Geist, der Ewigkeiten mißt, Du Wurm, der lebt, und morgen nicht mehr ist; Geschoͤpf, das bald aͤthersche Freuden trinket, Und bald, zu schwer, zum Thier herunter sinket; Das ietzt die Wahrheit sucht, ietzt von sich stoͤßt; Du Unterhaltungen mit seiner Seele. Du Raͤthsel fuͤr dich selbst, nie aufgeloͤst; Versuch es, wirf die aufgeklaͤrtern Blicke Von allen um dich her, in dich zuruͤcke! Du Weiser, bist du selbst dir unbekannt; So ist Witz Unsinn; alle Weisheit Tand. Und wie, mein Geist? Jn Einsamkeit versunken, Vom suͤssen Traum gehoften Nachruhms trunken, Fliehst du den Schlaf, und sinnest auf ein Lied, Das nach der Muͤh dem Tadel nicht entflieht; Mit nichts dich lohnt, als nach mislungnem Wachen Auf lange Zeit die Muse scheu zu machen; Du folgst erhitzt der Weisheit heller Spur V. Th. N Jm Unterhaltungen mit seiner Seele. Jm weiten Reich der herrlichen Natur; Der Freude hold, und freundschaftlichem Schmerze, Vergraͤbst du dich; horchst bey einsamer Kerze, Den Barden zu aus grauem Alterthum, Und schmuͤckest dich mit einer Vorwelt Ruhm; Du eilst, vom Spiel und Wein dich zu entfernen, Von Albion, von Gallien zu lernen; Bewirbst noch spaͤt, mit Fleiß und mit Geduld, Am Saitenspiel dich um der Tonkunst Huld; Und du, mein Geist, hast unter allen Stunden Die Stunde nicht, den Augenblick gefunden, Wo du wahrhaftig weis’, in dich gekehrt, Ganz Unterhaltungen mit seiner Seele. Ganz dein, ganz Geist, einmal dich selbst gelehrt? Du weißt nicht, welche Gluth in dir verglimmet, Zu welchem Zweck die Gottheit dich bestimmet? Und glaubst, daß du des Geistes Rang erwirbst, Wenn du gebohren wirst, und lebst, und stirbst? Befreye dich von diesen Vorurtheilen! Du bist zu groß, im Staube zu verweilen; Zu goͤttlich groß, als daß nur eine Welt Jm engen Raum dich eingeschraͤnket haͤlt. Erkenne von dir selbst mit welchen Gaben Des Schoͤpfers Huld dich vor dem Thier erhaben. N 2 Der Unterhaltungen mit seiner Seele. Der hohe Geist, von seinem Werth entflammt, Fuͤhlt es zu sehr, daß er vom Himmel stammt. Verwandt mit Staub, weiß er ihn zu verachten, Da auf zu Gott die starken Fluͤgel trachten. Er steigt empor, sein Wesen heischet dies; Unwissenheit, der Seele Finsterniß, Haßt er, und sucht das Licht; der Weisheit Lehren, Der Tugend Ruf, wird er nie satt zu hoͤren. Selbst die Natur in aller Abwechslung Hat doch fuͤr ihn nicht Reitz, nicht Schoͤnheit gnung Er wagts, ins weite Reich der Luft zu dringen, Verfolgt Unterhaltungen mit seiner Seele. Verfolgt den wilden Sturm; schwebt auf den Schwin- gen Des Blitzes fort; steigt zu der Pole Hoͤh Jns Vorrathshaus von ewgem Eis und Schnee; Dann stuͤrzt er sich in hellgestirnte Kreise; Schwankt mit dem Mond durch seine schnellen Gleise; Sieht, wie die Sonn’ im Feuer uͤberfließt, Wie maͤchtig sie den Strom des Lichts ergießt, Mit eigner Kraft den Schwung um sich vollbringet, Und um sich her die Wandelsterne zwinget. Dann schießt er fort, spaͤht des Kometen Lauf, Wie schnell er laͤuft, durch alle Himmel auf: N 3 Sieht Unterhaltungen mit seiner Seele. Sieht schauervoll der Schoͤpfung Rad sich drehen; Und schaut zuruͤck auf alle Sternen Hoͤhen, Bis er erstaunt, weit dieser Welt entflieht, Jns weite Reich des Empyreum sieht, Wo ewges Licht und ewge Freude wohnen, Und ungestoͤrt begluͤckte Geister thronen. Auch hier nicht ist sein heisser Trieb gestillt, Da unter ihm die ewge Tiefe bruͤllt; Er stuͤrzt hinab, wo Dunkel ihn umringet, Und Unermeßlichkeit ihn ganz verschlinget. Hier ruhet erst sein Flug. So wollt’ es Der, Der, Unterhaltungen mit seiner Seele. Der, Seele, dich erschuf. Nicht irdisch, leer, Bestimmt er deine Lust. Jm Purpurkleide Der eitlen Macht nicht; noch der thierschen Freude Der Wollust, solltest du dich gluͤcklich sehn; Nur durch Unsterblichkeit, durch Weisheit schoͤn, Befahl er dir, von allen irdschen Dingen Zum hoͤchsten Gute dich empor zu schwingen, Daß du zuletzt, von Schranken ganz befreyt, Gluͤckseelig seyst in der Vollkommenheit. So schuf dich Gott, o du, die in mir denket, Unsterbliche, so frey, so unumschraͤnket, N 4 Erschuf Unterhaltungen mit seiner Seele. Erschuf er dich; so herrlich ausgeziert, Wardst du von ihm auf diese Welt gefuͤhrt; Ein Schauplatz, groß, bestimmt zu grossen Thaten; Jm Angesicht der Thronen, Potentaten, Und Tugenden des Himmels, handelst du; O handle recht, Gott selber schauet zu. Entweichet dann, ihr nichtgen Kleinigkeiten, Um die sich Koͤnige und Thoren streiten! Wie sollt ich mich bey todten Schaͤtzen freun, Und stolz auf leeren Schall, auf Nachruhm, seyn? Wie? sollt’ ich mir mit sklavischen Paͤanen, Durch Unterhaltungen mit seiner Seele. Durch feiles Lob den Weg zum Gluͤcke bahnen? Wie? sollt’ ich mich durch Spiel und Scherz zerstreun? Jm weichen Schooß der Wollust mich entweihn? Bloß Koͤrper seyn, den hoͤhern Geist verhuͤllen, Und meines Daseyns Zweck nicht ganz erfuͤllen? Nein, schwinge dich von allem Jrdschen los; Sey, was du bist, sey deiner werth, sey groß. Soll denn der Mensch die himmlischen Gedanken Nur stets verschliessen in der Erde Schranken, Und folgt er immer nur des Thiers Beruf, Da ihn sein Gott zum Sohn des Aethers schuf? N 5 Send Unterhaltungen mit seiner Seele. Send aus den Geist, der unterm Staube leidet, Nicht, wie der Koͤrper, sich durch Sinnen weidet, Auf! send ihn aus von Kleinigkeit und Tand Zur Welt der Geister, seinem Vaterland! Er sieht umsonst nicht hoͤhre Sphaͤren blitzen Und Sonnen gluͤhn; er soll sie einst besitzen; Soll einst verneut, verklaͤrt, den Engeln gleich, Nicht Staub mehr seyn in seines Schoͤpfers Reich; Soll einst, wie sie, zu seines Thrones Fuͤssen Unsterblich seyn, und ewges Gluͤck geniessen. Das bist du, Seele! dein Geschick ist dein, Du Unterhaltungen mit seiner Seele. Du kanst hoͤchst elend, und hoͤchst seelig, seyn. Sey nicht umsonst begabt mit Engels Kraͤften, Dich schuf dein Gott zu himmlischen Geschaͤften. Das herrlichste Geschaͤft’ ist Gottes Lob. Wenn er den Seraph aus den Wolken hob, Und er noch kaum sein ganzes Daseyn kannte, Fiel er schon hin vor seinen Gott, und brannte. Und du waͤrst stumm, indem der Seraph gluͤht, Und Welt an Welt vor ihrem Schoͤpfer kniet? Welch ein Gesicht! Jch sehe Millionen Aetherscher Kraͤfte, Tugenden und Thronen, Der Unterhaltungen mit seiner Seele. Der Geisterwelt unendlich lange Reihn, O Herr, von dir erfuͤllt, sie alle dein. Wie schimmern sie in deiner Allmacht Stralen! Wie wallt der Weyhrauchs Dampf aus goldnen Scha- len, Vor deinem Stuhl! die Himmel stehn erfreut, Und Lobgesang schallt durch die Ewigkeit. Der Mensch siehts, und erstaunt? O Sohn der Erde, Erstaune nicht, was du nicht bist, das werde! Zwar Engel nicht, doch auch ein Geist, wie sie, Schließ dich an ihre Reih, und beug’ deine Knie, Und bet ihn an; auch dir ist es gegeben, Zum Unterhaltungen mit seiner Seele. Zum Himmel auf den Seufzer zu erheben. Du stehst vor Gott mit in der Geister Reihn, Nimm deinen Platz in seiner Schoͤpfung ein; Dein Platz ist nicht gering; er ist voll Maͤngel, Und graͤnzt ans Thier, doch grenzt er auch an Engel. Jhm misfaͤllt hier des Staubes Stammeln nicht, Wenn dort entzuͤckt der Cherub vor ihm spricht. Wie seelig, (rufst du), sind der Engel Schaaren, Sie sehn Gott, wie er ist. Wir Menschen waren Zu arm, zu klein, fuͤr den, der ewig ist, Der uns geschaffen hat, und uns vergißt. Nein, Unterhaltungen mit seiner Seele. Nein, Mensch, auch du bist nicht von Gott verlassen, Kein Cherub kan den Unerschafnen fassen, Erzengel sehn ihn zwar in hellerm Glanz, Allein nur Gott, nur Gott selbst, sieht sich ganz. Und koͤnnst du naͤher seinen Blick ertragen? Der Erdkreis bebt, und seine Starken zagen, Wenn er im Donner spricht, auf Stuͤrmen geht, Und aus der Nacht des Blitzes Flamme weht. Und klagest du, er sey zu weit entfernet? O klage, daß der Mensch nicht sehen lernet! Jst er nicht jedem Theil der Schoͤpfung nah, Jst Unterhaltungen mit seiner Seele. Jst er nicht hier, ist er nicht dort, und da? Sehn wir ihn nicht, wenn Berge vor ihm schmelzen; Wenn Meere sich hoch uͤber Laͤnder welzen? Sehn wir ihn nicht, wenn nach der truͤben Nacht Das Morgenroth am heitern Himmel lacht? Jhm ist nichts klein, noch groß. Mit gleichen Gnaden Sieht er auf uns und auf die Myriaden Um seinen Thron; er fordert, ohne Zwang Von allen Geistern gleichen Lobgesang. Durch Demuth steigt der Mensch, der Cherub sinket! Dem Satan gleich, wenn er ein Gott sich duͤnket. Mit Unterhaltungen mit seiner Seele. Mit welcher Wuͤrdigkeit und Majestaͤt, Hat, Seele, dich, dein Gott zum Seyn erhoͤht! Jndem vor ihm des Himmels Choͤre singen, Jn hoher Harmonie die Sphaͤren klingen, Da ihn der niedrigste, der hoͤchste Geist Von allen Erden, allen Sonnen preist; Da ists auch dir erlaubt, fromm zu entbrennen, Nach ihm zu schaun, und Vater ihn zu nennen. Und, Seele, sprich, ist denn ein groͤßres Gluͤck, Als frey von Schuld, mit aufgeklaͤrtem Blick, Von dieser Unterwelt Wuth und Getuͤmmel, Hinauf Unterhaltungen mit seiner Seele. Hinauf zu schaun, zu einem gnaͤdgen Himmel? Liegt staͤrkrer Trost den Menschen noch bereit, Als im Gebet, in stiller Einsamkeit, Menn er die Hand nach seinem Schoͤpfer strecket, Und dem, der helfen kan, sein Herz entdecket? So sollst du dich zu deinem Dienste weihn, Sein Lob ist deine Pflicht, doch nicht allein — Gott setzte dich auch in die Welt zu lernen, Um einst geschickt zu seyn fuͤr hoͤhre Sternen. Fuͤr die wardst du bestimmt. Die kurze Zeit Jst nur der Eingang zu der Ewigkeit. V ter Theil. O Gebet Unterhaltungen mit seiner Seele. Gebet und Andacht muß die Seel entflammen, Doch nichts, als Beten, wuͤrde sie verdammen. Und glaubest du, daß um der Allmacht Thron Mit immergleichem Hallelujahton Der hohe Seraph seine Pflicht vollbringet, Bleibt, wie er ist, die Ewigkeit versinget; Unthaͤtig ruht in einer Seeligkeit, Und nicht, vom Trieb nach der Vollkommenheit Bewegt, beseelt, getrieben, hingerissen, Mit jedem Augenblick strebt mehr zu wissen? Nein, jeder Geist, vom Cherub bis zu dir, Verfolgt Unterhaltungen mit seiner Seele. Verfolgt die Weisheit, und lernt dort, wie hier, So laß dich doch die wahre Weisheit leiten, Und waͤhle, wenn du waͤhlst, fuͤr Ewigkeiten, Doch sey voll Demuth; vieler Naͤchte Fleiß Lehrt erst den Weisen, daß er wenig weiß, Laß keinen Stolz auf Klugheit dich verwirren, Vom wahren Pfad zum Himmel abzuirren. O Mensch, du Widerspruch, der Thorheit Raub, Jetzt Geist, und groß, und jetzt ein Wurm im Staub, Wie lange wird dein Stand der Blindheit waͤhren, Und welche Weisheit kan dich uns erklaͤren? O 2 Du Unterhaltungen mit seiner Seele. Du zoͤgerst noch, bey seiner Gnade Ruf; Dem Gott zu huldigen, der dich erschuf? Du bist zu stolz, den Ewgen zu erkennen, Den Einzigen, der’s werth ist, Herr zu nennen? Da du indes dich vor Tyrannen buͤckst, Des maͤchtgen Lieblings Bild mit Kraͤnzen schmuͤckst; Jm Staube kriechst, die Ehre zu erlangen, Als Sklav’ am Thron des Koͤniges zu prangen, Der, so wie du, um Ruhm und Beyfall wirbt, Der Mensch ist, so wie du, und morgen stirbt. Du Niedrer! steig empor! Den Durst nach Ruhme Still’ Unterhaltungen mit seiner Seele. Still’ im aͤtherschen Quell. Zum Eigenthume Gieb dich dem Herrn der Welt! Wer Sklav will seyn, Sey es vom Groͤssesten; die Ehr ist dein Wenn du voll Stolz dich, groß zu seyn, erkuͤhnest, Und wenn du dienst, nur dem Allmaͤchtgen dienest. Du herrliches Geschoͤpf, miskenne nicht Den himmlischen Beruf, des Geistes Pflicht. Frey, ohne Zwang der Tugend nachzuwandeln Nie anders, als Unsterbliche, zu handeln, Jn allem zu des Schoͤpfers Lob’ bereit, Macht Engel groß, und heisset Seeligkeit. O 3 Die Unterhaltungen mit seiner Seele. Die laß dir nichts, o meine Seele, rauben! Dein groͤßter Schmuck, sey dein Gebet, dein Glau- ben. Wenn aus dem Meer der guͤldne Morgen steigt, Wenn sich der Tag im kuͤhlen Westen neigt, Bey heilger Nacht, sey stolz vor Gott zu treten, Dem Seraph gleich zu seyn, und anzubeten. Ende des fuͤnften Bandes.