Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten, vom Professor Hugo in Goͤttingen. Berlin, bey August Mylius 1790 . Vorrede . S o wenig man auch bisher Ursache gehabt hat, uͤber den Mangel gelehrter Compendien der Rechtsge- schichte zu klagen, so glaube ich doch nicht, daß irgend jemand, der mit die- sem hier allenfalls zufrieden waͤre, den Verfasser blos deswegen tadeln wird, weil andere Buͤcher schon eben dasselbe enthielten. Die zweyerley Arten von Rechtsgeschichten, die ich kenne, wei- chen im Plane wesentlich von der gegen- waͤrtigen ab. Die meisten beschaͤfftigen sich, wie die von Heineccius, Bach, Selchow u. a. nur mit der Geschichte der Quel- len und der Rechtsgelehrten, sie lassen also gerade den Punkt hinweg, welchen ich uͤberhaupt, und besonders in Ruͤcksicht auf meine uͤbrigen Collegien, fuͤr den allerwichtigsten halte, naͤhmlich die Ge- schichte der Lehren selbst. Diese letztere haben erst zwey Schrift- steller mit der Geschichte der Quellen )( ver- Vorrede . verbunden, Herr Professor Reite- meier in Frankfurt, und ganz neuer- lich Herr Professor Tafinger in Erlan- gen. Aber sie breiten sich uͤber alle Theile der Rechtsgelehrsamkeit aus; sie sagen also schon deswegen sehr vieles, was ich nicht sagen wollte, und als blos- ser Civilist auch nicht sagen durfte, sie uͤbergehen aber nicht weniger Detail, das ich zu uͤbergehen mir nicht getraute, wenn meine Zuhoͤrer mit der Geschichte des Roͤmischen Rechts hinlaͤnglich be- kannt werden sollten. Von dieser war es meine Absicht im Collegium alles vorzutragen, was muͤnd- lich vorgetragen zu werden verdient, und im Lehrbuche auf alles dieses, theils vorlaͤufig, theils bey der Wiederholung, aufmerksam zu machen. Zum Nach- schlagen soll dieses Compendium nicht seyn; dazu empfehle ich einmahl fuͤr al- lemahl das Bachische , und deswegen habe ich es auch fuͤr sehr uͤberfluͤssig ge- halten, Citaten abzuschreiben, oder mich in Fragen einzulassen, die in Be- ziehung auf das Ganze doch nur Micro- logie Vorrede . logie gewesen waͤren, so angenehm auch ihre Eroͤrterung seyn mag. Eine Zugabe zu der Geschichte des Roͤmischen Rechts ist hier die kurze Ge- schichte der ganzen Rechtsgelehrsamkeit im heutigen Europa, und diese endigt sich natuͤrlich mit einer Uebersicht der jetzigen Art zu studieren. Aus beyden, sowohl aus der juristischen Litterairge- schichte, als auch aus der Encyclopaͤdie und Methodologie, kann man eigene Collegien machen, die vielleicht nuͤtzlicher sind, als manche andere. So lange dieß aber gar nicht oder selten ge- schieht, so ist es doch unleugbar schon Gewinn, auch nur einige muͤndliche Anleitung zum eigenen Studium dieser Faͤcher zu erhalten. Man hat mir gesagt, daß in bey- den Theilen des Buchs gar manche Stelle fuͤr Juristen noch zur Zeit viel zu freymuͤthig sey, daß ich von Justi- nian und von Leyser lange nicht mit genug Ehrfurcht geredet habe. Theils kann ich mir aber nicht vorstellen, daß die Juristen die Wahrheit weniger er- )( 2 tra- Vorrede . tragen sollten, als die Theologen, bey denen es doch schon lange keine Suͤnde mehr ist, Kirchenvaͤter und Verfasser von symbolischen Buͤchern so ungenirt zu beurtheilen, wie andere Menschen; theils wenn es wahr waͤre, daß uns jetzt die Theologen auch hierin beschaͤ- men, so wuͤßte ich doch kein anderes Mittel, als mit aller moͤglichen Resigna- tion mich darein zu ergeben, weil ich sonst nicht nur gegen meine Ueberzeu- gung sprechen, sondern auch noch die groͤßte Gefahr laufen muͤßte, es ganz umsonst zu thun. Es wird mir niemand zumuthen, daß ich die Geschichte Ju- stinians mit Jam noua progenies \&c. anfangen sollte, wer je gelesen hat, oder sich erinnert, was fast alle neueren Historiker von dem Kaiser unserer Com- pilatoren sagen. Einige dieser Aeuße- rungen stehen woͤrtlich hier abgedruckt, und schon gegen diese, die gewiß nicht die staͤrksten sind, wuͤrde das Beywort: der große Justinian seltsam abstechen. Goͤttingen im December 1789. §. 1. §. 1. D a die Rechtswissenschaft sich nicht blos mit Gesetzen, sondern uͤberhaupt mit Zwangsrechten und Zwangspflichten, sie moͤ- gen aus ausdruͤcklichen Gesetzen, oder aus Gewohnheit, oder Raisonnement entstanden seyn, beschaͤftigt; so ist die Geschichte des Rechts auch nicht blos die Erzaͤhlung der Ver- aͤnderungen, die sich mit den ausdruͤcklichen Gesetzen zugetragen haben. §. 2. Es sind vorzuͤglich drey Punkte, die in der Rechtsgeschichte verbunden werden koͤn- nen: 1. Geschichte der Quellen des Rechts, — von wem und wie Veraͤnderungen bewirkt wor- den sind, wohin natuͤrlich auch die Geschich- te des Staats selbst gehoͤrt, soweit sie auf das Recht Einfluß hat; gleichsam das Aeusserliche der Rechtsgeschichte; A 2. Vorbereitung . 2. Geschichte des Rechtssystems, — Inhalt der Quellen systematisch geordnet. 3. Geschichte des Studiums, der Bearbei- tung durch Rechtsgelehrte. §. 3. Eine solche Rechtsgeschichte kann in der Jurisprudenz gerade eben so nuͤtzlich werden, als die Kirchengeschichte und die Geschichte der Dogmen in der Theologie es ist. Ohne sie laͤßt sich durchaus kein gruͤndliches Stu- dium gedenken, aber man kann sie voͤllig ent- behren, wenn man nur das lernen will, was sich unmittelbar in der Praxis anwenden laͤßt. §. 4. Von den in Deutschland geltenden Rech- ten ist die Geschichte keines einzigen so bear- beitet, und eines juristischen Vortrags so be- duͤrftig, als die des Roͤmischen Rechts. Denn die Urheber des Canonischen und Deutschen Rechts hatten entweder gar kein Rechtssy- stem, oder blos das Roͤmische gelernt. Oh- nehin wird ja auch noch jetzt die meiste und die erste Zeit der academischen Jahre auf die- ses Recht verwendet, und da man die Rechts- geschichte nicht ohne Grund unter die Anfangs- Collegien rechnet, da man uͤber die Geschich- te Vorbereitung . te des Deutschen Staatsrechts ein eigenes Collegium, die Reichshistorie, hoͤrt, da auch die Geschichte des Kirchenrechts in Verbin- dung mit den wichtigsten Lehren desselben be- sonders vorgetragen werden wird: so ist hier der erste Theil, die Geschichte des Roͤmischen Rechts in seinem Vaterlande (Constantinopel als Neu-Rom mit dazu gerechnet) ausfuͤhr- licher, als der zweyte, der die Geschichte der Rechtsgelehrsamkeit von Justinian an bis auf unsere Zeiten enthaͤlt. Erster Theil . Geschichte des Roͤmischen Rechts im Roͤmischen Staate. §. 5. J o. Aug. Bach historia jurisprudentiae Ro- manae ist bey weitem das Hauptwerk, ob er gleich noch oͤfter und oft auch in wichtigern Dingen von Brunquell , der sonst als Re- pertorium verschiedener Vorstellungsarten sehr brauchbar ist, und von Heineccius haͤtte ab- gehen koͤnnen und sollen. A 2 Ter- Theil I. bis Justinian. Terrasson histoire de la jurisprudence Romaine ist nicht im Geiste der alten grossen franzoͤsischen Civilisten geschrieben. Christian Thomasius de naevis jurispruden- tiae Romanae characterisirt sich schon durch den Titel. Ed. Gibbon’s historische Uebersicht des Roͤmischen Rechts soll auch Nicht-Ju- risten mit den wichtigsten Ideen auf eine an- genehme Art bekannt machen. §. 6. Das Fragment von Pomponius I. 2. fr. 2. hat, unter Justinian und seit Justinian, eben die Schicksale gehabt, wie viele andere, d. h. es ist falsch excerpirt und falsch erklaͤrt wor- den. Wer aber seinen eigenen Weg sucht, der wird mit Vergnuͤgen sehen, daß Pompo- nius richtig verstanden oft eben das sagt, was sich schon ohnehin ergab. Einzele Beytraͤge liefern fast alle juristi- schen und nicht juristischen Classiker. Von den letztern sind natuͤrlich diejenigen die glaub- wuͤrdigsten, die in den aͤltern Zeiten nicht am meisten wissen wollen, also Tacitus mehr als Dionys von Halicarnaß und Plutarch . Daß historische Ausspruͤche von Justinian keine Gesetze sind, giebt man jetzt allgemein zu. Theil I. bis Justinian. zu. Aber weit noͤthiger ist noch in der Rechts- geschichte die Warnung: nicht alles Revolu- tionenweise vorgehen zu lassen . §. 7. Die 1300 Jahre von Roms Erbauung, bis auf unser Corpus Juris lassen sich fuͤr die Rechtsgeschichte ziemlich bequem in vier bey- nahe gleich lange Abschnitte vertheilen: I. Anfang — II. Erweiterung — III. hoͤchster Flor — und IV. Verfall des Roͤ- mischen Staats, der Roͤmischen Litteratur und des Roͤmischen Rechts. I. Der Staat ziemlich roh und klein, die Verfassung gemischt aus Monarchie (bis 250), Erb-Aristocratie und Democratie, — das Recht unausgebildet. II. Der Staat groͤsser und maͤchtiger, die Verfassung gemischt aus Erb-Aristocra- A 3 tie Theil I. bis Justinian. tie und Democratie, nachher aus Wahl-Ari- stocratie. Das Recht auf geschriebene Haupt- punkte gegruͤndet, verbessert und practisch ge- lernt. III. Der Staat weltherrschend und hoch cultivirt, die Verfassung geht von der Re- publik zur Despotie, durch vielfache Abwechs- lungen voruͤbergehender Tyranney, und blei- bender gemaͤßigten Monarchie uͤber, die Jurisprudenz wird von den Classikern wissen- schaftlich und philosophisch bearbeitet. IV. Der Staat zerstuͤckt und aus seinem Urlande verdraͤngt, die Verfassung sogar uͤber Meynungen despotisch, die Jurisprudenz durch Launen der Despoten und durch das er- schwerte mechanische Studium zerruͤttet. Erste Erste Periode , von der Erbauung Roms bis auf die 12 Tafeln. Quellen des Rechts . §. 8. R om entstand aus Trojanern, mit denen sich alte Einwohner des Landes vermisch- ten. Vielleicht legten diese schon den Grund zur Stadt, die aber erst unter Romulus (400 Jahre nach Troja) durch die Aufnah- me vieler Fremden sich betraͤchtlich vergroͤsser- te. Es waren zum Theil Exulanten, aber darum nicht gerade Verbrecher, und zum Theil Haͤupter von ganzen Staͤmmen *. Tacit . Ann. IV. 65. dux gentis Etruscae — sedem eam acceperat. Svet . in Tib. I. Romam recens conditam cum magna clientum manu commigravit. §. 9. Sehr natuͤrlich war also Erb-Adel , aus welchem damahls allein der Senat bestand, und das Verhaͤltniß der Clienten zu einem Patron. Auch gehoͤrte es zur Grundverfas- A 4 sung Theil I. bis Justinian. sung des Staats, daß er sich nicht blos durch die Geburt, sondern auch durch Aufnahme der Fremden, besonders der Kriegsgefange- nen, wenn diese erst eingewoͤhnt seyn wuͤrden, vermehren sollte. Aber eben deswegen paßt die Unveraͤusserlichkeit der Grundstuͤcke hier nicht, und eben so wenig die vielen Verord- nungen uͤber das Privatrecht, die Romulus gemacht haben soll. Im Gegentheil laͤßt sich einiges daraus erklaͤren, daß man annimmt, im Hausrechte habe es jeder gehalten, wie vorher auch, einer so, der andere anders. §. 10. Eine Eintheilung des ganzen Volks muß- te schon wegen der bestaͤndigen Kriege ge- macht werden; wahrscheinlich war dies eben die in 30 Curien, wornach das Volk uͤber einen Antrag sich erklaͤrte, dieser mochte ein so genanntes Gesetz, oder einen anderen Be- fehl betreffen: lex curiata. Es kann seyn, daß man erst in der Folge, da der Staat sich vergroͤsserte, und da die comitia curiata eine bloße Ceremonie wurden, die Stadt auch in tribus eintheilte. Wenigstens benutzte man diese Eintheilung wohl nicht fruͤher. §. 11. Periode 1. Quellen. §. 11. Waͤhrend der friedlichen Regierung des zweyten Koͤnigs Numa wurden genauere re- ligieuse Gebraͤuche, Meynungen und Perso- nen erfunden, oder vielmehr nach dem Bey- spiele anderer Voͤlker eingefuͤhrt. Wenig- stens spaͤtherhin waren besonders die Auspi- cien und das Collegium der Auguren, ein wesentlicher Bestandtheil der ganzen Staats- verfassung. §. 12. Der Zufluß von Fremden veranlaßte schon den fuͤnften Koͤnig Tarquinius I. neue Senatoren oder Patricier aufzunehmen. Aber erst sein Nachfolger Servius Tullius richte- te eine Art, die Stimmen zu sammeln ein, wobey der Einfluß jedes Einzelen nicht von seiner Geburt, sondern von seinem jedesmah- ligen Vermoͤgen, also davon, was er mit dem Staate zu erhalten oder zu verlieren hat- te, abhing: comitia centuriata nach dem cen- sus. Nun waren also nicht mehr blos die Patricier von den Plebejern, sondern auch die Reichern von den Aermern, in der Staats- verfassung getrennt. A 5 §. 13. Theil I. bis Justinian. §. 13. Die Vertreibung der Koͤnige war nicht sowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con- sul war Koͤnig, und auch von den Koͤnigen hatte man wahrscheinlich sollen an das Volk provociren duͤrfen, wie nun auch von den Con- suln erlaubt ward. Aber die Gewalt des Senats und des Volks mußte nicht nur ge- sichert, sondern vermehrt werden, als die Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich, und alle Jahre abwechselnd ward, und jeder Consul einen Collegen hatte. Den Nachtheil, welcher aus dieser allmaͤhlichen, aber unaus- bleiblichen, Schwaͤchung der Gewalt des er- sten Staatsbedienten, fuͤr dringende Faͤlle zu befuͤrchten war, verhuͤtete man durch das Recht des Consuls, sich uͤber die Gesetze weg- zusetzen *, und durch das Recht, einen Dicta- tor zu ernennen. Illis salus reip. suprema lex esto. Cic. de Leg. III. Auf diesen so sehr mißverstande- nen Satz gruͤndete sich der Ausspruch des Senats, nun sey dieser Nothfall vorhan- den: Videant Consules ne quid detrimenti capiat respublica. Der Senat allein konnte den Consuln kein neues Recht uͤber das Volk geben, aber die invidia (ich weiß kein deut- sches Wort fuͤr diesen Begriff, den wir in Deutschland nicht haben) der Consuln war kleiner, wenn sie den Senat fuͤr sich anfuͤh- ren konnten. §. 14. Periode 1. Quellen. §. 14. Das Verfahren der Glaͤubiger gegen ih- re Schuldner war zwar bey einem Volke, das Sklaverey aber keine Armenanstalten hatte, nichts weniger als ausserordentlich, aber doch gerade bey einem kleinen, rohen und kriege- rischen Staate sehr druͤckend. Die Einfaͤlle der Feinde, die fast allgemeine Pflicht aller Buͤrger zu Felde zu ziehen, und die natuͤrlich hohen Zinsen machten es oft unvermeidlich nexus zu werden, und das Schicksal eines nexus hing ganz von seinem Glaͤubiger, oder allenfalls noch vom Consul ab. Selbst die Tribunen, welche sich der aͤrmere Theil des Volks erzwang, waren nur in einzelen Faͤllen unmittelbare Huͤlfe, aber ihre Versammlun- gen des Volks nach Tribus * wurden dem Adel und den Reichen gefaͤhrlich, und veran- laßten die Abfassung eines großen Grundge- setzes. Die Eintheilung in Curien, die auch, wie diese anfangs, nur nach den Koͤpfen war, scheint in Verfall gerathen zu seyn, da man sie nicht auf die tribus rusticae ausdehnte, und eine Curie ein zu kleiner Theil des Volks gewesen waͤre. §. 15. Ausser dem Drucke der Erb-Aristocraten wirkte vielleicht auch das Beyspiel der culti- vir- Theil I. bis Justinian. virtern griechischen Staaten in Unter-Italien, daß man in Rom darauf bestand, die Haupt- sache von der ganzen Verfassung einmahl zur Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß Gesandte nach Athen geschickt wurden, ist nicht glaublich, und warum die aus den Erb- Aristocraten gewaͤhlten Decemviren zugleich die einzige und unumschraͤnkte Obrigkeit seyn sollten, sieht man nicht wohl, da sie doch bloße legislatores im Roͤmischen Sinne des Worts waren, und alles von dem Gutfinden des versammelten Volkes abhing. So wur- den zu Ende des ersten Jahrs zehn Tafeln genehmigt. Fuͤr das zweyte Jahr wurden neue Decemviren, und unter diesen auch Ple- bejer, ernannt, aber der gesetzwidrige Aus- spruch des Appius Claudius hatte die Fol- ge, daß wieder Consuln die Versammlung hielten, worin das große Grundgesetz der 12 Tafeln seine volle Kraft bekam. §. 16. Die zwoͤlf Tafeln waren kein Gesetzbuch, wie man in unsern Tagen Gesetzbuͤcher macht, um bestrittene wissenschaftliche Saͤtze, durch einen Machtspruch von oben herab, zu be- stimmen. Die Fragmente, wie sie der juͤn- gere Godefroi * zusammengestellt hat, ent- halten, aus sehr natuͤrlichen Ursachen, bey wei- Periode 1. Quellen. weitem nicht alles, was vom Staatsrechte in den 12 Tafeln vorgekommen seyn muß, sondern viel vollstaͤndiger die ersten und groͤb- sten Grundsaͤtze des Privatrechts. Einen großen Theil der ganzen, an sich sehr maͤßi- gen, Urkunde nahm die Lehre von Verbrechen und von Polizey-Sachen ein. Es waren uͤbrigens nicht lauter neue Verordnungen, sondern es kam auch vieles, aber nicht gera- de alles, Alte auch in die zwoͤlf Tafeln, weil man durch Vergleichung mit dem Griechischen Rechte, das Hermodorus erklaͤrte, darauf aufmerksam geworden war. Fontes quatuor juris civilis auctore Jacobo Gothofredo. §. 17. Die erste Tafel handelt von der Art, wie eine Sache vor den Staatsbedienten, der hier praetor heißt, gebracht werden soll, die zweyte vom Verfahren vor dem Pri- vatmanne, den der Staatsbediente ernennt, und schwerlich auch vom Diebstahle, die dritte von den Rechten gegen Schuld- ner, die vie rt e von der Ehe und vaͤterlichen Gewalt, die Theil I. bis Justinian. die fuͤnfte von Erbschaft und Vormund- schaft, die sechste vom Eigenthume, die siebende von Verbrechen, die achte von der Polizey, besonders bey Grundstuͤcken, die neunte von den Staatsbedienten, die zehnde von religieusen Gebraͤuchen, die elfte und zwoͤlfte sind Ergaͤnzungen. System des Rechts am Ende dieser Periode . §. 18. W enn man das ganze Recht in publicum und priuatum eintheilt, so gehoͤrt die Lehre von der Religion und von Verbrechen unstreitig zu ersterm, bey welchem man auf die hoͤchste Gewalt uͤberhaupt, und auf ihre einzelen Gegenstaͤnde sehen kann. §. 19. I. Ius publicum . A. Staatsrecht, oder Grundgesetze. Die hoͤchste Gewalt war beym Senate und beym Volke. Der Periode 1. System. Der Senat bestand aus lauter Erb-Ari- stocraten §. 9. und 12. die nicht einmahl durch Heyrathen sich mit den Plebejern, ihren Clienten verbinden durften; an seiner Spitze waren die zwey Consuln, welche Quaͤstoren unter sich hatten, oder ein Dictator mit dem magi- ster equitum. Die Consuln ernannte das Volk, den Dictator ein Consul. — Die Gewalt des Oberhaupts vom Senate begriff die Rechte, welche ehemahls der Koͤnig ge- habt hatte, und welche in der Folge zum Theil fuͤr den Censor und den Praͤtor abgesondert wurden. Aber eingeschraͤnkt war sie der Re- gel nach durch intercessio paris potestatis, pro- vocatio an das Volk oder die Tribunen, die Auspicien und die invidia, vor welcher der kuͤnftige Privat-Mann sich fuͤrchten mußte. — Jeder erwachsene Patricier scheint Senator gewesen zu seyn. Die Volkstribunen hatten keine Stimme als ihr Veto. §. 20. Das Volk versammelte sich nach Centu- rien, oder nach Curien oder nach Tribus. Comitia centuriata §. 12. hielt der Chef des Senats mit Auspicien §. 11. theils um uͤber irgend einen Antrag §. 10. stimmen zu lassen, theils zur Wahl neuer Consuln, wo- bey Theil I. bis Justinian. bey die centuria praerogativa, die wenigstens zum Theil durch das Loos bestimmt ward, immer den Ausschlag gab. Comitia curiata waren wohl schon eine Antiquitaͤt, und 30 Lictoren stellten das Volk vor. Comitia tributa wurden von den unver- letzlichen Volkstribunen gehalten, ohne Au- spicien, theils uͤber irgend einen Antrag, theils um neue Tribunen zu waͤhlen. An die- sen Comitien nahmen die Patricier keinen An- theil, es war also nicht populus sondern nur plebs beysammen. §. 21. Das Ius ferendi legem (verschieden von Gesetzgebung weil lex nicht immer ein Gesetz , und ferre legem nicht ein Gesetz geben heißt) hatten nur die obrigkeitlichen Personen, die Volksversammlungen halten durften. Der Regel nach sollte die Sache schon im Senate vorgekommen seyn. — Der Ausdruck pri- vilegia ne irroganto ist mit der Verordnung wie uͤber das caput (Leben, Freyheit, Buͤr- gerrecht und Familie) eines Buͤrgers votirt werden sollte, nicht leicht zu vereinigen. Die Rechte gegen Auswaͤrtige verwalte- ten die Oberhaͤupter, der Senat und das Volk. §. 22. Periode 1. System. §. 22. B. Regierungsgesetze, oder Staats-Polizey- Recht. 1. Recht der Aemter und Wuͤrden. Je- ne ertheilte bald das Volk, bald ein vom Volke gewaͤhltes Oberhaupt. Die Wuͤrden, den Erb-Adel, ertheilte, aber selten, der Senat. 2. Abgaben wurden nach dem Census von Senat und Volk aufgelegt. 3. Die Religion war mit dem Staate innigst verbunden. Ueber die Begraͤbnisse hatte man Aufwandsgesetze, und die Wei- hung einer im Processe stehenden Sache ward mit doppeltem Ersatze bestraft. 4. Militair. Vielleicht waren die aͤrmern Buͤrger schon damahls von den fuͤr sie so druͤckenden Diensten frey. 5. Die Civil-Justiz administrirte ( jus dicebat ) der Praͤtor d. h. damahls der Con- sul, oder der Dictator, also der erste Mann im Staate. Eben deswegen konnte dieser sich aber nicht mit der genauern Auseinanderset- zung einzeler Processe beschaͤftigen, sondern nur die Sache einleiten und Thaͤtlichkeiten verhindern. Sehr natuͤrlich war es auch, daß der Particulier, dem er die naͤhere Unter- suchung auftrug, bald das ganze Urtheil schon B vor- Theil I. bis Justinian. vorgeschrieben erhielt ( judex ), bald aber ei- ne ausgedehntere Vollmacht ( arbiter ), je nachdem es naͤhmlich, bey dem ganzen Pro- cesse, auf den Beweis einer einzelen That- sache ankam, oder nicht. Uebrigens beruhte die jurisdictio sehr viel auf Willkuͤhr, der 12 Tafeln ungeachtet, welche nur die aller- ersten Grundsaͤtze enthielten. §. 23. C. Strafgesetze. Das Verfahren gegen Verbrecher war wohl anders im Kriege, als im Frieden, und wahrscheinlich nahm sich im Nothfalle der Consul der Sache an, auch wenn kein accusator sondern nur ein index da war, also es hatte wohl zuweilen Inquisition ex officio (nach dem unlateinischen heutigen Ausdrucke) Statt. — Die hoͤchste Instanz war beym versammelten Volke. Die Verbrechen, welche als Angelegen- heit des ganzen Staats betrachtet wurden, mußten diesen auch ziemlich unmittelbar ange- hen: Hochverrath, Conspiration, Feuer- anlegen, Ermordung eines Buͤrgers, gericht- licher Meyneid, Zauberey, Schaden an Ge- traide, Untreue des Patrons, Pasquill, und zuweilen Entwendung. Sonst war es Geist Periode 1. System. Geist des Roͤmischen Rechts, daß von einer strafbaren Handlung derjenige Vortheil hat- te, dem dadurch geschadet werden sollte. Als Strafen kommen mannichfaltige Hinrichtungen, und Schlaͤge vor; sie sind nach dem Alter und auch darnach verschieden, ob der Verbrecher ein Buͤrger oder ein Skla- ve war. §. 24. II. Privatrecht . Wenn es auf die Vorstellung des ganzen Roͤmischen Privatrechtssystems ankommt, so laͤßt sich vermuthen, daß der Plan der juri- stischen Classiker der beste seyn werde. A. Personen-Recht, oder Verhaͤltnisse der Menschen gegen einander, die sich geden- ken ließen, wenn nichts als Menschen in der Welt waͤren, ohne Ruͤcksicht auf Mein und Dein. Diese Verhaͤltnisse waren alle, wie sie bey einer rohen Nation immer sind, sich aͤhn- lich und sehr strenge, so daß sie beynahe alle fuͤr Theile des Vermoͤgens galten. §. 25. 1. Herrn und Sklaven. Der Sklave hatte, so viel man weiß, gar keine Rechte B 2 ge- Theil I. bis Justinian. gegen seinen Herrn, aber dieser baute mit ihm das Feld und lief oft Gefahr, auch Skla- ve zu werden. Nicht blos die Kinder einer Sklavinn, sondern alle Kriegsgefangene und manche verarmte Buͤrger wurden Sklaven. Der Sklave ward frey, wenn sein Herr es zugab, daß ihn das Oberhaupt des Staats fuͤr frey erklaͤrte: manumissio per vindictam, oder wenn der Herr ihn in das Verzeichniß der Buͤrger eintragen ließ: per censum, oder wenn er ihm im Testamente die Freyheit er- theilte. Die Freygelassenen hatten noch alle gleiche Rechte, sie wurden plebejische Buͤrger, aber der Patron konnte Ehrfurcht, und in ei- nigen Faͤllen ihre Verlassenschaft fordern. §. 26. 2. Vaͤterliche Gewalt. Sie war beyna- he unumschraͤnkt, und das dreymahlige Ver- kaufen (tres emancipationes), wodurch sie aufhoͤrte, war noch kein Spiel, wie manche glauben, die sich nicht aus unsern Sitten heraus, in die Lage des armen Roͤmischen Staats (§. 14.) hineindenken koͤnnen, und die nicht wissen, daß ein in Rom verkaufter Roͤ- mer immer nur verpfaͤndet war, und wieder ausgeloͤst werden konnte. — Man ward Vater durch die eheliche Geburt, aber eben so gut durch Periode 1. System. durch Adoption, bey welcher der Souverain nur gefragt werden mußte (arrogatio) wenn ein Familienhaupt weniger werden sollte. Daß die vaͤterliche Gewalt nicht aufhoͤrte, wenn gleich der Sohn heyrathete, war in Rom gerade so wie in jedem Staate, wo es keine Handwerker sondern nur Ackerbauer giebt. §. 27. 3. Ehe. Es gab wohl noch keine andere, als die, wodurch die Frau eine Tochter, also beynahe eine Sklavinn, des Mannes ward: per conventionem in manum mariti. Aber die Feyerlichkeiten dieser Ehe waren verschie- den, je nachdem religieuse Gebraͤuche (con- farreatio) oder ein bloßer Kauf (cöemptio) vorging, oder die Frau gar nur, wie anderes bewegliche Eigenthum, durch jaͤhrigen Besitz erworben ward. Von einer dos war noch keine Rede, aber hoͤchst wahrscheinlich von verbotenen Graden. Die Erb-Aristocraten verbanden sich weder mit Freygelassenen noch mit andern Plebejern. Die Scheidung hing vom Manne ab, sie war zwar lange nicht so haͤufig wie nach- her, aber doch schwehrlich unerhoͤrt. B 3 §. 28. Theil I. bis Justinian. §. 28. 4. Tutel. Auch dieses Recht war nicht blos zum Besten des Schutzbeduͤrftigen. Es erstreckte sich wohl schon damahls nicht blos uͤber Unmuͤndige, und unter dem Nahmen cura uͤber Wahnsinnige, und erklaͤrte Ver- schwender, sondern auch uͤber das ganze weib- liche Geschlecht, so oft diese Personen keinen Vater und keinen Ehemann hatten. Es kommt nur Tutel aus einem Testamente des Vaters, und kraft der Verwandschaft vor, wohin zwar auch Freylassung, aber nicht ge- meinschaftliche Herkunft durch Weibspersonen, gehoͤrte, und das Recht des ersten Staats- bedienten einen Vormund zu ernennen war noch unbestimmt. Die Tutel wegen des Alters hoͤrte mit der Pubertaͤt voͤllig auf, fuͤr welche man aber noch keine allgemeine Regel hatte. §. 29. B. Sachen-Recht, oder Mein und Dein, und was dazu gehoͤrt. 1. Jus in rem. Viele Sachen konnten kein Theil eines Privatvermoͤgens werden, weil sie einem Gotte gewidmet (sacrae), oder sonst unverletzlich (sanctae), oder ein Begraͤb- niß (religiosae) waren, oder auch nur weil sie Periode 1. System. sie dem ganzen Staate gehoͤrten. Sonst war aber die Classe der Sachen in so ferne groß, weil auch die Verhaͤltnisse aus dem Personen- Rechte wenigstens zu den unkoͤrperlichen Sa- chen gehoͤrten. Das strenge Recht des Eigenthuͤmers, seine Sache von jedem, auch dem durch kein Versprechen und durch keine von ihm zuge- fuͤgte Beleidigung verbindlich gemachten, In- haber zuruͤckzufordern, war wie billig bey den Roͤmern sehr eingeschraͤnkt. Ein solches buͤr- gerliches Eigenthum (dominium quiritarium) erlangte man an koͤrperliche Sachen und an Rechte auf Grundstuͤcke, nur auf folgende Arten, wenn man die Wirkung vom jus per- sonarum und die Verlassenschaften wegrech- net: 1. mancipatio, oder mancipium, Uebergabe vor 6 Buͤrgern gegen wirkliche oder fingir- te Zuwaͤgung des Kaufpreißes; dadurch hoͤrte das Recht des wahren Eigenthuͤmers nicht auf, aber der, welcher emancipirte, mußte den durch die Eviction erlittenen Schaden doppelt ersetzen, 2. cessio in jure, addictio durch das Ober- haupt des Staats, 3. adjudicatio Ausspruch des von ihm er- nannten Theilungs-Commissairs, B 4 4. vsus Theil I. bis Justinian. 4. vsus oder vsucapio, ununterbrochener Be- sitz einer beweglichen Sache binnen einem Jahre, einer unbeweglichen binnen zweyen, wenn eine der vorigen Arten nicht mit dem wahren Eigenthuͤmer vollzogen worden war, oder wenn man die Sache auf der Jagd, oder im Kriege, oder durch simple Uebergabe ex justa causa praecedente, da wo Mancipation noͤthig gewesen waͤre, er- halten hatte. Die vindicatio einer res fun- gibilis war also nach allem diesen sehr schwer. Das Recht des Pfandglaͤubigers war noch einerley mit dem widerruflichen Eigenthume, fiducia. Jedes jus in rem ging verloren, theils durch Abtretung, theils durch Verlassung, theils dadurch, daß die Sache ganz aus dem commercium kam. §. 30. 2. Jus in personam obligatam. Dies war natuͤrlich um so wichtiger, je seltener das jus in rem zureichte. Die obligatio ging vor sich entweder durch eine rechtmaͤßige oder durch eine unrechtmaͤßige Handlung. a. Obligatio ex contractu. Die Entste- hung eines unwiderruflichen Zwangsrechts auf Periode 1. System. auf alles, was je ein Anderer zugesagt hat, ist im Natur-Rechte so schwer zu beweisen, daß man es nicht fuͤr unnatuͤrlich oder fuͤr ein Zeichen eines treulosen National-Characters halten sollte, wenn die Roͤmer, so wie fast alle andern Voͤlker, zu einer Verabredung, wodurch jemand ein Zwangsrecht nicht etwa blos zu modificiren oder aufzuheben, sondern ganz erst von neuem zu gruͤnden suchte, noch entweder eine foͤrmliche Anfrage an den Ver- sprecher, oder aber einen wirklichen Verlust des Andern, der schon etwas gethan oder ge- geben hatte, erforderten. Der Satz: ex nu- dis pactis non oritur actio sed exceptio waͤre einer sehr klugen Gesetzgebung wuͤrdig, wenn sich solche Dinge durch Gesetze machen ließen, und nicht fast immer von selbst machten. Real-Contracte waren: mutuum bey ei- ner verbrauchbaren Sache mit hoͤchstens 8⅓ ProCent (vsura vnciaria), commodatum, depositum und pignus, und alle ungenannten Contracte, als zu deren Wesen ein schon vollendetes Geben oder Thun gehoͤrt. Ob alle andere Contracte durch eine Sti- pulation geschlossen wurden, oder ob Kauf fuͤr Geld, Miethe, Societaͤt und Mandat schon damahls ausgenommen waren, laͤßt sich nicht bestimmen. B 5 §. 31. Theil I. bis Justinian. §. 31. b. Obligatio ex delicto. Sie ging fast immer auf mehrfachen Ersatz und sie konnte darauf gehen, weil in einem Lande, wo Skla- verey Statt findet, auch der aͤrmste Verbre- cher an seinem eigenen Koͤrper ein Capital hat. Sehr viele unerlaubte Handlungen wurden gar nicht so angesehen, als ob der Staat un- mittelbar dabey interessirt sey, es war bloß Sache des Beleidigten, der daruͤber Verab- redungen traf, welche er wollte. So bey Dieb- stahl und Raub, (furtum) Verwundung u. s. w. Noxia eines filiusfam. oder Sklaven und pauperies eines Thiers. §. 32. 3. Verlassenschaften. Letzter Wille und gesetzliche Erbfolge waren sich so entgegenge- stellt, daß letztere nicht Statt fand, so bald im mindesten etwas giltig disponirt war. Da- her der Grundsatz: Nemo potest pro parte testatus, pro parte intestatus decedere, weil schon nach den Worten der XII Tafeln die Intestaterbfolge bloß subsidiarisch war. — Uebrigens ist von keinem Erbrechte die Rede, wenn nicht ein Hausvater gestorben ist. a. Testamente. Ueber ihre Form war gar nichts verordnet, und man weiß nicht, ob noch Periode 1. System. noch jetzt in comitiis calatis nach Curien, und in procinctu ein Testament gemacht ward. Aber die Form, welche noch bis auf die spaͤthe- sten Zeiten, freylich kaum mehr erkennbar sich erhielt, hatte zur Grundlage einen wider- ruflichen Erbvertrag, eine Auflassung des ganzen Vermoͤgens an den Erben, oder bald nachher an einen Dritten. Der Inhalt des Testaments scheint ganz von der Willkuͤhr des Testirers abgehangen zu haben, Enter- bung und Uebergehung der Kinder so gut, als Tutel der Schutzbeduͤrftigen, die er in seiner Gewalt hatte, Legate, und Freylassungen. §. 33. b. Gesetzliche Bestimmung wenn keine in- dividuelle da war. Erst der heres suus, im Gegensatze dessen, der aus der Familie seines leiblichen Vaters in eine andere uͤber gegangen war, auch wohl dessen, der schon beym Leben des Vaters fuͤr sich Vermoͤgen erworben hat- te. Vermuthlich sah man schon damahls hierin nicht auf die Naͤhe des Grades, aber wohl auf die unmittelbare vaͤterliche Gewalt. — Sobald kein suus vorhanden war, kam es darauf an, ob der Verstorbene einst selbst ein Sklave gewesen war, oder etwa nur seine Voraͤltern. In jenem Falle succedirte der Patron, in diesem, so wie wenn gar keine Skla- Theil I. bis Justinian. Sklaverey vorkam, der naͤchste Agnate, oder die von derselben gens. §. 34. Die Hypothese, daß das weibliche Ge- schlecht noch gar nicht geerbt habe, erklaͤrt vollkommen, warum alle Verwandten durch Weibspersonen, alle Cognaten, nicht erbten, warum so sehr lange das weibliche Geschlecht in der Erbfolge dem maͤnnlichen nicht ganz gleich war, warum die Roͤmerinnen sich da- mahls noch zur strengen Ehe entschlossen, und warum von einer Erblasserinn gar nichts vor- kommt. Nimmt man noch die ganze Lage des weiblichen Geschlechts bey einem kriegeri- schen und uncultivirten Volke dazu, so scheint es dagegen nichts zu beweisen, daß 700 Jah- re spaͤther die Classiker sagen, der Unterschied zwischen agnatus und agnata stehe nicht in den 12 Tafeln, und daß ein Griechischer Kaiser im Mittelalter sich ruͤhmt, er habe eine un- natuͤrliche und beynahe suͤndliche Ungleichheit abgeschaft, die auch die 12 Tafeln nicht ge- kannt haͤtten. §. 35. Unter mehrern Erben waren die Activ- und Passivschulden durch bloße Rechnung ver- theilt, das uͤbrige Vermoͤgen durch 3 arbitri fami- Periode 1. System. familiae erciscundae. Wer das Meiste er- hielt mußte auch die gottesdienstlichen Gebraͤu- che uͤbernehmen, die der Verstorbene beobach- tet hatte. §. 36. C. Proceß. Es ist schon oben erinnert worden, daß bey eben dem Manne, der auf ein Jahr lang gewaͤhlt worden war, um die Armee zu fuͤh- ren, und das Oberhaupt des ganzen Staates zu seyn, auch die Streitigkeiten aus dem Pri- vatrechte angebracht werden mußten. Das Roͤmische Recht kennt, schon in diesen Zeiten, die Selbsthuͤlfe so wenig, als moͤglich. Ge- gen diesen Satz beweißt es gar nichts, daß jeder Klaͤger den Beklagten auffordern durf- te, mit ihm vor den Regenten (in jus) zu gehen, und daß er ihn im Weigerungs-Falle, mit dem Beystande oder in Gegenwart ande- rer Glieder der gesetzgebenden Gewalt, sogar dazu zwingen konnte, ohne erst eine einseitige Anzeige davon gemacht, und dadurch einen Befehl erhalten zu haben. Der Staat war noch klein und die Schreibkunst selten, also persoͤnliches Erscheinen fast unumgaͤnglich noͤ- thig, oder wenigstens nicht laͤstig. Der Con- sul entschied den Besitz bis zu Austrag der Sache (vindicias dabat) bey Realklagen und bey Theil I. bis Justinian. bey Streitigkeiten uͤber Freyheit oder Sklave- rey. Aber wer den Besïtz widerrechtlich er- langt hatte, sollte die Fruͤchte doppelt ersetzen, oft ward auch unter den Partheyen eine andere Strafe, etwa wie unsere Succumbenzgelder, aber, wie immer, zum Vortheil des Gegners durch Stipulation (stipulatio Praetoria) be- stimmt. Nun reducirte sich also auch die Real- klage auf eine obligatio, und bey allen persoͤn- lichen Klagen, die nicht offenbar ungerecht waren, gab der Consul einen Richter, dem er, je nachdem die Parrheyen sich gegen einander erklaͤrt hatten (litis contestatio) eine Vor- schrift ertheilte, worauf es hauptsaͤchlich an- komme, und wie auf jedem Fall gesprochen werden muͤsse (actio). Dabey waren denn bald zum Besten des Beklagten, bald aber auch des Klaͤgers * noch modificirende Clau- seln (exceptio, praescriptio). Cic. de Oratore I. 37. — — vetus atque vsitata exceptio — — quod petitoris causa comparatum esse non intelligebat. §. 37. Nun war der Gegenstand des Processes res litigiosa, die bey Strafe des doppelten Ersatzes nicht geweiht werden durfte, und nun hing es von den Partheyen ab, ob die Sache gleich vorgenommen werden sollte, oder ob Periode 1. Studium. ob sie sich uͤber Termine verglichen (vadimo- nium). Der Auftrag des Particuliers war zu Ende, sobald er gesprochen hatte, die Exe- cution war wieder eine Sache des Regenten, dem man gerade so viel und nicht mehr uͤber- ließ, als man ihm uͤberlassen mußte. Studium des Rechts. §. 38. I n dieser ganzen Periode war zwar Justiz in Rom, aber noch keine Jurisprudenz. Man dachte so wenig daran, Begriffe und Grundsaͤtze aufzusuchen und wissenschaftlich zu bearbeiten, nach welchen ein rechtschaffener und vernuͤnftiger Consul oder Richter handeln muͤsse, als man uͤberhaupt an gelehrte Logik oder Moral dachte. Es gab eben so wenig Juristen in Rom, als es bey andern rohen Voͤlkern Juristen giebt. Ob Papirius bald nach Vertreibung der Koͤnige alle ihre Gesetze, oder nur die Regeln fuͤr den Gottesdienst gesammelt, ob er diese Sammlung geschrieben, oder nur muͤndlich durch Tradition fortgepflanzt habe, ist sehr bestritten. Zwey- Theil I. bis Justinian. Zweyte Periode , von den zwoͤlf Tafeln bis auf Cicero von 300 bis 650. Quellen des Rechts. §. 39. U eber die Bestrafung der Verbrechen, uͤber die Polizey, und uͤber das Privatrecht hatte man nun einige Bestimmungen mehr, und mancher Punkt der alten Staatsverfas- sung und des alten Privatrechts war nun ge- gen Zweifel und Widerspruͤche gesichert. Aber die Erb-Aristocratie, von jeher die verhaßte- ste Regierungsform, ward darum den Roͤ- mern nicht angenehmer, sie mußte im Gegen- theil immer druͤckender werden, da die Zahl der Aristocraten vielleicht an sich, aber ganz gewiß im Verhaͤltnisse zu den Plebejern, wo- hin alle Freygelassenen gehoͤrten, immer ab- nahm; da der Unterschied immer mehr ver- altete, und sehr leicht der Nachkoͤmmling ei- nes der angesehensten Gefaͤhrten des Romu- lus aͤrmer seyn konnte, als mancher, der Ple- bejer ward und Plebejer blieb, weil die Erb- Aristo- Periode 2. Quellen. Aristocraten zu viel Stolz oder zu wenig Klug- heit besaßen, um ihre Parthie oft genug durch neue Mitglieder zu verstaͤrken. Die Plebejer hatten nun ihre Anfuͤhrer, deren ganzes In- teresse auf der Demuͤthigung des Erb-Adels beruhte; oft war auch ein Patricischer Consul edel oder niedertraͤchtig genug, ihre Forde- rungen zu beguͤnstigen. Kein Wunder also, daß der Zusatz von Democratie in der Ver- fassung immer staͤrker ward, und daß die Aristocratie wenigstens aufhoͤrte, gesetzmaͤßig erbliche Aristocratie zu seyn. §. 40. Gleich zu Anfang dieser Periode mußten die Erb-Aristocraten zugeben, daß ein Schluß, den die Plebejer auch ohne sie gefaßt haͤtten (plebisscitum) nicht etwa eine lex, — ein Antrag an das Volk, seyn und heißen, son- dern voͤllig eben so kraͤftig seyn sollte, als eine andere lex. Da man dies oͤfters, und noch zu Ende des fuͤnften Jahrhunderts, wiederhol- te, und da man doch nicht sieht, daß die Tri- bunen mit ihren Volksversammlungen ohne Patricier und ohne Auspicien, alles durchge- setzt haͤtten, was allein den Patriciern unan- genehm war, so ist es schwehr zu entscheiden, welche Einschraͤnkungen den Worten nach, oder doch dem Herkommen nach, sich bey die- C sem Theil I. bis Justinian. sem neuen Grundsatze fanden; und man darf hier, so wie bey andern oft wiederholten Ge- setzen, zweifeln, ob nicht manche Verordnung uͤber einen einzelen Fall fuͤr eine ganz allge- meine Regel gehalten worden sey. §. 41. Ein Sieg uͤber die Erb-Aristocratie er- leichterte immer den andern, und nachdem einmahl die Ehe eines Plebejers mit der Toch- ter eines Patriciers erlaubt war, so konnte das ausschließende Recht des Adels, zu den ersten Staatsbedienungen, sich nicht mehr lange erhalten. Aber auch diese Veraͤnde- rung ging Stufenweise, und wer das Ende des vierten Jahrhunderts (387) zur Epoche machen will, weil da endlich das Consulat ein Monopol zu seyn aufhoͤrte, der sollte doch nicht vergessen, daß die Censoren, der Praͤ- tor, die Pontifen und die Auguren noch laͤn- gere Zeit blos aus den alten Familien gewaͤhlt werden durften. §. 42. Die Entstehung neuer Regenten-Aemter war eine nothwendige Folge von der Ver- groͤßerung des Staats, wenn gleich die Pa- tricier sehr gerne solche Gelegenheiten benutz- ten, um sich fuͤr diese oder jene Aufopferung we- Periode 2. Quellen. wenigstens eine Zeitlang zu entschaͤdigen. Be- sonders wichtig waren die Aemter, welchen man theils die Composition der regierenden Corps, die Verpachtung der oͤffentlichen Ein- kuͤnfte (vectigalia, nicht gerade der Zoͤlle) an reiche Roͤmer, die keine Senatoren waren (equites), und die nicht justizmaͤßige Bestra- fung schlechter Buͤrger, theils die Verhuͤtung von Gewaltthaͤtigkeiten bey Rechtssachen uͤber- trug. Die neuen Regenten, welche in jenen Stuͤcken an die Stelle der Consuln traten, hießen von einem ihrer Geschaͤfte Censoren, und der untergeordnete College der Oberhaͤup- ter des Staats fuͤr letzteres behielt den allge- meinen Nahmen eines Praͤtors, nur mit dem Zusatze vrbanus, weil seine Bestimmung war, in der Stadt zu bleiben, wenn die Consuln an die Grenze zoͤgen. §. 43. Unter den Censoren muß man sich nicht bloße Sittenrichter denken; sie hatten das Recht Senatoren zu ernennen (legere), und da der Aemter noch so wenige waren, welche Sitz und Stimme im Senat gegeben haͤtten, so war ihre Wahl um so weniger eingeschraͤnkt. Sie formirten die Centurien, und sie muͤssen selbst die Tribus formirt haben, weil im sechsten Jahrhunderte ein Censor vielleicht die C 2 Haͤlf- Theil I. bis Justinian. Haͤlfte aller Buͤrger in vier Tribus zusam- mensteckte, die vorher durch alle 35 vertheilt gewesen waren a). Die Gewalt der Censo- ren war sehr groß, denn noch zu Cicero’s Zeiten stießen sie einen gewesenen Consul aus dem Senate, und sehr fruͤh dachte man dar- auf, ihren Despotismus unschaͤdlich zu machen. Cic . de Oratore I . 9. §. 44. Der neue Praͤtor war so wenig, als die Consuln selbst, ein Richter wie die unsrigen; nicht einmahl auf jurisdictio war er einge- schraͤnkt, er konnte in allen Stuͤcken Gehuͤlfe und Stellvertreter der Consuln seyn, aber die Consuln hatten auch ihre jurisdictio nicht verloren, ob sie gleich seltener Gebrauch da- von machten. Als der Staat sich vergroͤßer- te, ward noch ein Regent (praetor) gewaͤhlt, der hauptsaͤchlich außerhalb der Stadt ge- braucht werden sollte (peregrinus) a) . In der Folge hatte man noch mehr Gouverneure noͤthig, am Ende dieser Periode waren es sechs, und weil die peinlichen Gerichte sich mehr ausgebildet hatten, so war es eine weise Einrichtung, daß jeder Buͤrger, indem er einer entfernten Provinz ihren Regenten waͤhl- te, nicht wissen konnte, ob dieser nicht durch das Periode 2. Quellen. das Loos praetor vrbanus uͤber ihn selbst wer- den, oder welches Criminaldepartement er bekommen wuͤrde. Entweder die jurisdictio oder eine quaestio beschaͤftigte jeden Praͤtor ein Jahr lang in der Stadt, ehe er in sein Gouvernement abreisen durfte. I. 2. fr. 2. §. 27. — — qui vrbanus ap- pellatus est quod in vrbe jus redderet. §. 28. — — non sufficiente eo Praetore, quod multa turba etiam peregrinorum in civita- tem veniret: creatus est et alius Practor, qui peregrinus appellatus est, ab eo quod plerumque inter peregrinos jus dicebat. Gewoͤhnlich versteht man in civitatem wie wenn es hieße in vrbem . Indessen ist frey- lich ein eigenes Gastgericht der Analogie nicht ganz zuwider, und in der Folge we- nigstens kommt ein eigener Praͤtor vor, cui inter cives et peregrinos jurisdictio evene- rat. Tac. Ann. I. 15. §. 45. Die neuen, Anfangs blos Patricischen Aedilen ( curules, im Gegensatze derjenigen, welche schon vorher Subalternen der Tribu- nen gewesen waren) hatten die Polizey unter sich, und dazu gehoͤrte auch die kostbare Ehre, oͤffentliche Schauspiele zu besorgen. Die Zahl der Quaͤstoren, die man nicht mit den Quaͤ- sitoren oder Inquisitoren verwechseln muß, und die von jeher Adjutanten der Generale C 3 ge- Theil I. bis Justinian. gewesen waren, vermehrte sich, und einigen war das aerarium (nicht blos der Schatz, sondern auch das Archiv) anvertraut. Die Volkstribunen bekamen Sitz und Stimme im Senate, und mußten nachher aus den plebejischen Senatoren gewaͤhlt wer- den. §. 46. Die theils voruͤbergehenden theils weni- ger bedeutenden Aemter der tribuni militum consulari potestate, und der Triumviri capi- tales, monetales u. s. w. interessiren bey der Rechtsgeschichte weniger, als die Privatper- sonen, aus welchen die Criminal und Civilge- richte besetzt wurden. In peinlichen Sachen wurden die Urtheiler aus Decurien ausgesucht, in welche anfangs nur Senatoren, nachher gegen das Ende dieser Periode auch equi- tes kamen. Ueber Civilprocesse, bey welchen mehr Rechtssaͤtze, als nur einzele Thatsachen, oder als der Besitz, streitig waren, erkannten Gerichte, die der Praͤtor oder ein Decemvir litibus judicandis aus dem Corps der 105 Centumviri bestellte, oder dirigirte (consi- lium, hasta centumviralis). Es ist aber in dieser ganzen Lehre noch vieles dunkel. §. 47. Periode 2. Quellen. §. 47. Die meisten der bisher erzaͤhlten Veraͤn- derungen gingen durch feyerliche Volksschluͤs- se (leges); es ist also kein Wunder, wenn Livius oder Tacitus von einer ungeheuern Menge leges sprechen, die seit den zwoͤlf Ta- feln bis auf ihre Zeit gemacht worden seyen. Aber beynahe unbegreiflich ist es, wie man solche Stellen anfuͤhren kann, um zu bewei- sen: erst ein Griechischer Kaiser im Mittelalter habe das Roͤmische Privatrecht, — ein Chaos zur Zeit der schoͤnsten Bluͤthe der Litteratur, — in Ordnung bringen muͤssen. Eine kurze chro- nologische Uebersicht aller Volksschluͤsse, die man in dieser Periode aufuͤhrt, kann am be- sten zeigen, wie wenig man sich in den Volksversammlungen mit juristischen Lehrsaͤt- zen abgab, und eben diese Uebersicht kann vielleicht zur naͤhern Kenntniß des Staats manchen Beytrag liefern. §. 48. Aus dem vierten Jahrhunderte kommen folgende leges vor: 1. allgemeine Verbind- lichkeit der Plebissciten, — 2. Verbot je einen Regenten von der Provocation zu befreyen, — 3. Unverletzlichkeit (sanctio) der Tribunen, Aedilen, judices, decemviri, dadurch, daß C 4 der Theil I. bis Justinian. der Verbrecher sacer seyn sollte, — 4. Le- bensstrafe gegen jeden, der die Ernennung der Tribunen hindern wuͤrde, — 5. sie sol- len zehen, und lauter Plebejer seyn, — 6. Pa- tricier und Plebejer duͤrfen sich heyrathen, — 7. die Gewalt der Censoren waͤhrt nur 1½ Jahre, — 8. gegen den ambitus, — 9. Ein- schraͤnkung der mulctae dictio, — 10. nie- mand soll uͤber 500 jugera besitzen, — 11. gegen den Wucher, eine vermuthlich nur tem- poraire Verordnung, — 12. Zulassung der Plebejer zu der Stelle eines decemvir sacro- rum, — 13. zum Consulat 387, — 14. Rechte des praetor vrbanus, — 15. das erste Strafgesetz gegen unerlaubte Mittel einer von den Regenten des Staats zu wer- den, — 16. Zinsen zu 8⅓ Procent bestaͤtigt, — 17. Abgabe zu 5 Procent von manumittirten Sklaven, — 18. Verbot bey Lebensstrafe keine Volksversammlung in der Entfernung von Rom zu halten. §. 49. Aus dem fuͤnften Jahrhunderte: 1. tem- poraire Anstalten zur Erleichterung der Schuldner, — 2. uneingeschraͤnkte Aufnah- me in den Senat, — 3. vsurae semiunciariae und Termine, also vielleicht nur voruͤberge- hend, — 4. keine Militairperson soll will- kuͤhr- Periode 2. Quellen. kuͤhrlich verabschiedet werden, und wer ein- mahl tribunus militum gewesen ist, darf nicht als Subaltern dienen, — 5. Zinsen ganz verboten, — 6. niemand darf zwey Re- gentenstellen zu gleicher Zeit, — 7. niemand dieselbe Stelle binnen zehn Jahren zweymahl begleiten, — 8. beyde Consuln duͤrfen Plebe- jer seyn, — 9. die allgemein verbindliche Kraft der Plebissciten bestaͤtigt, — 10. eine lex centuriata muß der Senat vorlaͤufig gut heißen, sie mag ausfallen wie sie will, — 11. einer von beyden Censoren soll ein Plebejer seyn, — 12. das Privatgefaͤngniß der Schuld- ner hat, der Regel nach, nur noch bey einer obligatio ex delicto Statt, — 13. der prae- tor vrbanus mit Zuziehung der Tribunen, die aber diesmahl nicht alle uͤbereinzustimmen noͤthig haben, darf Tutoren ernennen: lex Ati- lia, — 14. kein Tempel oder Altar soll ohne Einwilligung des Senats und der Pluralitaͤt der Tribunen geweiht werden, — 15. Zahl der Pontifen und Auguren vermehrt, und Zulassung der Plebejer zu diesen Wuͤrden, — 16. wer an das Volk provocirt, darf nicht hingerichtet werden: lex Valeria, eingeschraͤnkt durch die Mutinybill, — 17. allgemeine Ver- bindlichkeit der Plebissciten zum letzten mahle erneuert, — 18. Jurisdiction an nundinis verordnet, — 19. die Unabhaͤngigkeit der Co- C 5 mitien Theil I. bis Justinian. mitien vom Senate erneuert, — 20. uͤber die Zahl der Quaͤstoren und ihre Geschaͤfte (provinciae), — 21. niemand darf zum zweyten mahle Censor werden, — 22. der Praͤtor soll Leute, die zwar puberes sind, aber das 25ste Jahr noch nicht zuruͤckgelegt haben, gegen nachtheilige Verbindungen in integrum restituiren: lex Laetoria. §. 50. Im sechsten Jahrhunderte, also waͤhrend der Punischen Kriege und waͤhrend der schoͤn- sten und am Ende schon welkenden Bluͤthe des Freystaats: 1. uͤber die Vestalinnen, — 2. (vielleicht) Aenderungen an den 12 Ta- feln: lex Aebutia, — 3. gegen Knaben- schaͤnderey, — 4. (vielleicht) uͤber die Se- natsversammlungen, — 5. ein Aufwands- gesetz, — 6. gegen den Seehandel der Se- natoren und ihrer Soͤhne, — 7. gegen den Luxus der Roͤmerinnen: lex Oppia, — 8. gegen die heimlichen Geschenke: lex Cincia, die nicht imperfecta war, — 9. gegen die vsucapio rei furtivae wiederholt, — 10. kein Roͤmer darf mehr hingerichtet, oder mit sklavischen Strafen belegt werden: lex Por- tia, — 11. Ausdehnung der Wuchergesetze auf socii und Latini, — 12. gegen den am- bitus, — 13. ein Aufwandsgesetz, — 14. uͤber Periode 2. Quellen. uͤber den Ersatz widerrechtlicher, auch aus Un- vorsichtigkeit zugefuͤgten, Beschaͤdigungen: lex Aquilia, de damno injuria dato, — 15. uͤber das erforderliche Alter zu einer Regentenstel- le, — 16. Entfernung der Nicht-Roͤmer aus der Stadt, — 17. kein Roͤmer darf ir- gend einem Frauenzimmer, auch seiner ein- zigen Tochter nicht, eine Erbschaft oder ein sehr betraͤchtliches Legat im Testamente zu- wenden: lex Voconia, — 18. uͤber Grenz- streitigkeiten, — 19. ein Aufwandsgesetz, — 20. gegen den ambitus, — 21. uͤber die Au- spicien, — 22. uͤber die Tage, an welchen dem Volke ein Antrag gemacht werden duͤrfe. §. 51. Aus der ersten Haͤlfte des siebenten Jahr- hunderts, wo der Staat sich einer Revolu- tion schon unaufhaltsam naͤherte: 1. gegen Erpressungen der Gouverneure (de pecuniis repetundis), — 2. gegen den Luxus, — 3. wer in Staatsangelegenheiten abwesend ist, darf nicht angeklagt werden, — 4. geheime Stimmen oder Ballotiren (lex tabellaria) bey Wahlen, — 5. bey peinlichen Gerichten, Hochverrath ausgenommen, — 6. bey jedem Antrage an das Volk, — 7. eine annalis, — 8. die Tribunen erhalten Sitz und Stimme im Senate, — 9. Heimweisung der Nicht- Roͤ- Theil I. bis Justinian. Roͤmer, — 10. eine agraria (so wie die fol- genden acht, von Gracchus), — 11. Stras- senbau auf Kosten des Staats, — 12. eine frumentaria, — 13. Kleidung der Buͤrger im Kriege auf Kosten des Staats, — 14. uͤber das caput eines Roͤmers soll nicht an- ders, als auf Befehl des Volks gerichtet wer- den, — 15. die centuria praerogativa soll aus allen Classen herausgeloost werden, — 16. kein Senator sondern nur Ritter sollten in Criminalgerichten sitzen, — 17. die De- partemens sollen bestimmt werden, noch vor der Wahl der neuen Regenten, — 18. ge- gen Complotte in Processen, — 19. Rechte der Generale gegen die Einwohner des Latium gemildert, — 20. zwoͤlf neue Colonien, jede von 3000 Hausvaͤtern, — 21. vectigal nach- gelassen, — 22. gegen den ambitus, — 23. gegen den Luxus, — 24. Einfuͤhrung wilder Thiere zu Schauspielen erlaubt, — 25. de incestu, — 26. Ballotiren auch bey Hoch- verrath, — 27. eine agraria, — 28. Be- setzung der Gerichte aus Senatoren und Rit- tern, — 29. de pecuniis repetundis, — 30. sacerdotes aus den Plebejern. §. 52. In diese Periode gehoͤren noch folgende, die sich nicht chronologisch genau bestimmen las- Periode 2. Quellen. lassen: 1. Niemand soll bey dem Volke dar- auf antragen, daß man ihn selbst, oder seine Collegen, zu Commissarien ernennen moͤchte, — 2. die scribae sollen keinen Handel treiben, — 3. (vielleicht) Cornelia testamentaria, das Te- stament des Roͤmers, der in der Kriegsge- fangenschaft, als Sklave starb, soll gelten, — 4. Fabia de plagiariis, — 5. Furia testa- mentaria, Einschraͤnkung eines Legats auf 1000 asses, doch mit Ausnahmen, — 6. Remmia de calumniatoribus gegen Chicanen in Criminalsachen, — 7. gegen Hazardspie- le, — 8. de furtis, — mehrere agrariae, frumentariae, viariae, militares und trium- phales. §. 53. Es war sehr weitlaͤuftig und sogar ge- faͤhrlich, den Souverain, das heißt, alle Roͤmer zu versammeln und ihnen Antraͤge zu thun. Die Sache sollte doch wenigstens vor- her von dem Corps, das aus den einsichts- vollsten Buͤrgern bestand, und dessen Mey- nung, zumahl beym Votiren nach Centurien, fast immer durchging, vom Senate, uͤberlegt und genehmigt werden. Aber eben dieser Senat hatte auch die Besorgung sehr vieler Regierungsgeschaͤfte, uͤber welche fast gar kein Volksschluß vorhanden war, und schon hier tritt Theil I. bis Justinian. tritt der Satz ein, den wir bald noch mehr brauchen werden: daß jeder, der im einzelen Falle nach seiner Einsicht handeln darf, auch um so mehr das unstreitige Recht hat, zum voraus zu erklaͤren, wie er handeln werde. Alle hoͤhere magistratus waren Mitglieder des Senats, seine Schluͤsse verbanden sie al- so, schon wie die Schluͤsse und Verabredun- gen jedes Corps den verbinden, der sie hat machen helfen, und sobald kein Tribun sich widersetzte, so haͤtte es ein sehr verdaͤchtiges Ansehen gehabt, wenn etwa ein Consul oder Praͤtor gegen ein Senatus-Consult gehandelt haͤtte, blos deswegen, weil an der Foͤrmlich- keit etwas fehle, weil es nicht von der Ver- sammlung bestaͤtigt worden sey, die es hoͤchst wahrscheinlich ohne allen Anstand bestaͤtigt haͤtte. Es ist also wohl kein Zweifel, daß auch Senatsschluͤsse eine Quelle des Roͤmi- schen Staats- und Privatrechts schon zu die- ser Zeit waren, da Cicero a) dies ausdruͤck- lich sagt, da Pomponius b) es als eine Veraͤnderung erzaͤhlt, die lange vor August sich zugetragen habe, und da die entgegenge- setzte Meynung nur auf einem groben Miß- verstande dessen beruht, was mit den Ma- gistratswahlen unter Tiber vorging. — Frey- lich kounte der Senat einseitig keine Grundge- setze machen, und freylich hielt er es hoͤchst sel- Periode 2. Quellen. selten fuͤr noͤthig, Saͤtze des Privatrechts zu bestimmen. Die Senatus-Consulte, die Bach , der Vater der bessern Meynung, anfuͤhrt, sind fast alle Regierungsgesetze, aber die le- ges, die keine Grundgesetze waren, enthielten ja auch fast alle nur einzele Verordnungen zum gemeinen Besten, und nicht blos Saͤtze des Privatrechts, wobey es nur auf Gewißheit angekommen waͤre. Cic . Top. ad Trebat. 5. — si quis jus ci- vile dicat id esse, quod in legibus, senatus- consultis , rebus judicatis, juris peritorum auctoritate, more, aequitate consistat. I. 2. fr. 2. §. 9. Deinde quia disficile plebs convenire coepit, populus multo dif- ficilius in tanta turba hominum: necessitas ipsa curam reip. ad senatum deduxit. Ita coepit senatus se interponere, et quidquid constituisset observabatur, idque jus appel- labatur senatusconsultum. §. 10. Eodem tempore die edicta magistratuum und erst §. 11. Novissime der erste August. §. 54. Saͤtze des reinen Civilrechts, bey welchen dem Staate nichts daran liegt wie sie sind, sondern nur daß sie sind, bey welchen das Hauptverdienst Gleichfoͤrmigkeit und Zutrauen zu dieser Gleichfoͤrmigkeit ist, kann der Sou- perain ruhig ihrer natuͤrlichen und wissenschaft- lichen Theil I. bis Justinian. lichen Bildung uͤberlassen, ohne deswegen sich selbst, oder ein ganzes Corps von seinen Stellvertretern, in Bewegung zu setzen. Es ist immer schon Gewinn, wenn nur Gewalt- thaͤtigkeiten dadurch verhindert werden, daß ein unpartheyischer, zum voraus durch die Stimmen der Buͤrger ernannter, Dritter da ist, an den man sich wenden kann, und dessen Einsicht mehr physischen Nachdruck hat, als die Einsicht der Partheyen. Dieser Dritte braucht gar keine besondre Instruction; es ist nur noͤthig, daß uͤber die ganze Anstalt, als Regierungs-Sache, das wichtigste verabredet oder festgesetzt werde, z. B. wie man den Gegner zwingen koͤnne, sich vor der Obrig- keit zu stellen (de in jus vocando), ob die Obrigkeit selbst untersuchen, oder einem Pri- vatmanne die Untersuchung auftragen duͤrfe oder muͤsse u. s. w. Entstehen Regierungs- gesetze, Verordnungen, die Einfluß auf die Civiljustiz haben, so muß der Richter diese befolgen; aber dies sind nur einzele Modifi- cationen, die Regel bleibt immer aequitas, das was die Nation fuͤr Recht und Unrecht haͤlt a) , diese Meynung mag sich bestimmt haben, wie sie will, nur daß sie sich sehr sel- ten durch einen feyerlichen Volksschluß bilden wird. Selbst dazu, daß ein Volksschluß sie bestaͤtigt , gehoͤrt eine besondre Veranlassung, wie Periode 2. Quellen. wie die, durch welche bey den Roͤmern die 12 Tafeln entstanden. Diese bestimmten nur die allerersten Grundsaͤtze, z. B. sie sagten, es sollte nach Testamenten gesprochen werden, aber wie der Praͤtor dies thun wuͤrde, was zu einem Testamente gehoͤre u. s. w., war dem Menschenverstande dessen uͤberlassen, dem ja noch viel wichtigere Dinge, die Anfuͤhrung im Kriege und die persoͤnliche Repraͤsentation des Souverains in hundert andern Faͤllen anvertraut war. Im Nothfalle halfen auch hier die Tribunen. — Da die Billigkeit des Praͤtors im einzelen Falle entschied, so war es noch weniger zweifelhaft, daß er zum vor- aus seine Grundsaͤtze bekannt machen, und sich darnach richten duͤrfe. Die Zeit und die naͤhere Veranlassung zu dieser Anstalt, ist unbekannt; aber es laͤßt sich vermuthen, daß es nicht sehr fruͤh geschah, weil es Mißtrauen und Cultur voraussetzt, und daß der Praͤtor sich dadurch gegen Vorwuͤrfe von Partheylich- keit sichern wollte b). So entstand das jus honorarium. Cic . de Or. I. 34. Sit ergo in jure civili finis hic, legitimae atque vsitatae in rebus causisque civium aequabilitatis conservatio. I. 2. fr. 2. §. 10. Eodem tempore et ma- gistratus jura reddebant, et vt scirent cives quod jus de quaque causa quisque dicturus esset, seque praemuniret , edicta proponebant, D quae Theil I. bis Justinian. quae edicta praetorum jus honorarium con- stituerunt. §. 55. Diese Bekanntmachung hatte den allge- meinen Nahmen aller Bekanntmachungen: edictum, und geschah, wie alle, durch Aus- ruf und Ausstellung (in albo proponere). Sie unterschied sich aber von andern durch den Nahmen ordinarium und weil sie immer zu Anfang des Jahrs erfolgte. Vor Cicero kennt man keine Lex daruͤber, und das Sena- tus-Consult von 580 ist unaͤcht. Aber na- tuͤrlich war es, daß der Nachfolger alles bey- behielt, was er nicht glaubte viel besser ma- chen zu koͤnnen, (edictum tralalitium) und natuͤrlich war es ferner, daß das neuere Recht mehr galt, als das Alte a) , und daß man anfing, nicht mehr die zwoͤlf Tafeln sondern das Edict bey dem ganzen Studium zum Grunde zu legen. I. 1. fr. 7. ( Papinian .) §. 1. Jus praeto- rium est, quod praetores introduxerunt ad- juvandi vel supplendi vel corrigendi juris civilis gratia propter vtilitatem publicam. — fr. 8. ( Marcian .) nam et ipsum jus hono- rarium viva vox est juris civilis. Etwa eine Proceßordnung. Der Praͤtor befiehlt nicht, er sagt nur was er thun werde: dabo, ser- vabo, Praetor pollicetur. §. 56. Periode 2. Quellen. §. 56. Dies find nicht die Ideen der Leute, wel- che zum Grundsatze in der ganzen Rechtswis- senschaft annehmen, man muͤsse nicht nur nie gegen foͤrmliche Vefehle und Verordnungen, sondern auch immer nach ihnen entscheiden, hoͤchstens koͤnne noch das Natur-Recht aus- helfen, weil dies Verordnungen Gottes ent- halte, die sich zu den Gesetzen jedes einzelen Staats verhalten, wie Reichsgesetze zu Lan- desgesetzen. Da sie sahen, daß im praͤtori- schen Rechte nicht blos Lexe und allgemeines Naturrecht enthalten sey, und da sie wissen, daß der Praͤtor nicht das Recht hatte, Grund- Regierungs- und Strafgesetze zu machen, so bleibt ihnen kein anderer Ausweg als alle Praͤtoren fuͤr meyneidige Betruͤger a) , und alle Nicht-Praͤtoren, auch die, welche selbst es gewesen waren, und auch die Rechtsgelehr- ten, fuͤr die einfaͤltigsten Kinder zu halten, die man glauben machen konnte was man wollte, sobald man der Sache einen neuen Nahmen gab, oder eine Fiction brauchte, oder mit Exceptionen und Restitutionen sie blendete. Noch scharfsinnigere Koͤpfe bemer- ken, daß eigentlich nur die Plebejer betrogen wurden, obgleich die 30 ersten, also die ein- zigen blos patricischen, Praͤtoren schwerlich schon ein edictum ordinarium gehabt haben, D 2 und Theil I. bis Justinian. und obgleich nicht eine einzige Aenderung des neuern oder praͤtorischen Rechts die Patricier vorzuͤglich beguͤnstigt; oder sie sprechen vom Verfalle der alten Tugend, der die alten Ge- setze verhaßt machte. Alle Praͤtoren gaben Edicte, wenn sie an- ders jurisdictio hatten; nicht Einer wollte sich dadurch beym Volke empfehlen, daß er keines machte. Die schlechten Leute unter ihnen brauchten gerade das Edict, und sogar alte vergessene Volksschluͤsse, zum Vorwan- de. So Verres mit der lex Voconia. §. 57. Doch dies moͤchte alles noch so hingehen, das Edict des Praͤtors moͤchte als Gewohn- heitsrecht, und als eine stillschweigend geneh- migte Lex eine Quelle des Privatrechts seyn, aber wie in aller Welt laͤßt es sich erklaͤren, daß die Meynungen, die Begriffe und Grund- saͤtze der Rechtsgelehrten, Einfluß auf die Wissenschaft gehabt haben, daß sie eine vier- te Quelle des Roͤmischen Rechts ausmachen, die noch gar vorzugsweise jus civile heißt? Koͤnnen denn Particuliers Gesetze geben? Die Gesetzgebers-Patente, die August auszu- theilen anfing, sind spaͤther, aber die juri- stischen Kirchenversammlungen im Tempel Apolls (disputatio fori) gehoͤren hierher, und Periode 2. Quellen. nnd wenn es mit diesen auch nicht richtig waͤ- re, so ist ja doch bey jeder lex eine interpreta- tio moͤglich und noͤthig. Also Ausleger der Gesetze waren die Rechtsgelehrten, freylich gewaltthaͤtige Ausleger, daran war aber wie- der die Tyranney der ErbAristocraten Schuld. Hierher rechnet man die Einrichtung mit dies fasti und nefasti, so wie die Foͤrmlichkeiten bey allen wichtigern Rechtshandlungen. — Es war aber wohl ohne alle herrschsuͤchtigen Absichten der Vornehmen sehr natuͤrlich, daß sich gewisse hergebrachte Gebraͤuche (solenni- tates) bildeten; es war sehr vortheilhaft, und bey den unbezahlten Rechtsgelehrten ganz un- schaͤdlich, daß niemand einen Proceß anfing, ohne einen Mann von Einsichten, zu dem er Zutrauen hatte und haben mußte, vorher zu fragen; es war unumgaͤnglich noͤthig, wenn ein einzeler Mann mit der jurisdictio in allen Sachen unter Roͤmern fertig werden sollte, daß man ihm den Punkt, worauf es ankam, so kurz als moͤglich vortrug; und endlich brachte es die ganze Lage des Staats, dessen reichste Buͤrger in der Stadt, die blos wohl- habenden in Municipien und die Aermsten wieder in der Stadt lebten, mit sich, daß man weder die vom Mittelstande noch die Aermsten fragte; jene hatten keine Erfah- rung, und diese waren meist gebohrne Aus- D 3 laͤn- Theil I. bis Justinian. laͤnder. — Nimmt man noch einen gewissen Grad von Pedanterey und Steifheit dazu, der in dem guten National-Character, der an strenge Kriegszucht gewoͤhnten, nicht durch Industrie abgeschliffenen Roͤmer lag, so kann es wohl nicht schwer seyn, die Entstehung der legis actiones zu begreifen, man mag diese mit actus legitimi a) fuͤr gleichbedeutend hal- ten, oder auf das, was im jus vorgenom- men werden mußte, einschraͤnken. In einem andern Sinne wird actio legis sehr haͤufig fuͤr das Recht genommen (wie jurisdi ctio , testamenti fa ctio ) gewisse Hand- lungen zu autorisiren, oder etwas anzuord- nen, was eine Lex von gewissen Regenten angeordnet haben will. Es fragt sich als- dann: ob ein magistratus gerade diese oder jene legis actio habe. Brisson sel. antiqu. IV. 20. — Wer legis actio dem actus legi- timus zu sehr entgegensetzt, der scheint lege und judicio agere zu verwechseln, was die Alten unterscheiden Vlpian. XI. §. 27. und die actio, die der Praͤtor gibt, fuͤr ei- nerley zu halten, mit dem, was man bey ihm selbst braucht. System Periode 2. System. System des Rechts am Ende dieser Periode . §. 58. I. Staatsrecht . A. G rundgesetze, oder eigentliches Staats- Recht. Die hoͤchste Gewalt hatte das Volk, das nun die Censoren componirten, und wozu nicht mehr alle freye Hausvaͤter im Staate gehoͤrten, sondern nur die eigentlichen Buͤrger, im Gegensatze von socii und nomen Latinum. Die allgemeine Verbindlichkeit der democrati- schen Volksschluͤsse war in dieser Periode wie- derholt anerkannt worden, so wie uͤber die Form neuer Antraͤge, z. B. die promulgatio per trinundinum und uͤber das Ballotiren, mehrere Lexe vorkommen. Der Senat oder der wichtigste Theil des Volks hatte an seinen Rechten verloren, weil er immer zum voraus einwilligen mußte (in incertum comitiorum eventum auctor fiebat). Aber er hatte gewonnen, so wie das Volk immer groͤßer, also dessen Versammlungen D 4 im- Theil I. bis Justinian. immer weitlaͤuftiger, wurden. Die Tribunen waren nun ordentliche Senatoren, und wenn sie nicht widersprachen, so trug man eine Sa- che dem Volke oft gar nicht vor. Aber alles konnte vorgetragen und vom Volke geaͤndert werden, auch die auswaͤrtigen Angelegenhei- ten nicht ausgenommen. — Noch wichtiger war aber die Veraͤnderung, daß nun der Se- nat kein Corps von Erb-Aristocraten mehr war; neben den Patriciern saßen nun laͤngst auch Plebejer, und unter diesen waren schon nobiles und novi homines getrennt. — Die Senators-Wuͤrde hing von den Censoren ab. §. 59. Die Oberhaͤupter des Volks und des Senats, also ihre Stellvertreter, so lange das Corps nicht versammelt war, sind: zwey Consuln (oder ein Dictator und ein magister equitum) zwey Censoren, 6 Praͤtoren, 2 ae- diles curules (Oberaufseher der Polizey, die sich durch Schauspiele empfehlen mußten) mehrere Quaͤstoren und 10 Tribunen. §. 60. B. Regierungsgesetze. 1. Die Aemter besetzte das Volk, oder der vom Volke Gewaͤhlte. Die Patricier hat- ten Periode 2. System. ten hier fast gar keine Vorrechte mehr. Im Militair war eine Art von Anciennetaͤt. 2. Die Einkuͤnfte beruhten auf den Abga- ben der agri vectigales in den Colonien, und auf den Steuern, Zoͤllen u. s. w. aus den Provinzen. Die Censoren verpachte- ten sie an equites. — Die Einwohner der Stadt waren nun frey von Abgaben. 3. Die Religion hatte sich fast gar nicht ge- aͤndert. 4. Beym Militair erhielten die Buͤrger Sold und Kleidung, aber ganz Arme nahm man, der Regel nach, nicht in Dienste. Roͤ- mer und Nicht-Roͤmer waren bey dem Heere nun sehr verschieden. 5. Fuͤr die buͤrgerliche Justiz, sowohl juris- dictio als legis actio waren in der Stadt zwey Praͤtoren, vrbanus und peregrinus, und in den Provinzen die Gouverneurs. Als Ausnahme auch der Consul selbst. Der Praͤtor, der selten ein eigentlicher Rechtsgelehrter war, und von dem es al- lein abhing, ob er Rechtsgelehrte in sein consilium nehmen, und ihren Rath befol- gen wollte, entschied uͤber den Besitz und leitete den Proceß ein. Die Untersuchung der streitigen Thatsachen hatte ein Parti- D 5 culier. Theil I. bis Justinian. culier. Aber wo weder der bloße Besitz, noch das Factum, sondern die Rechtsfrage streitig war, da wandte man sich an die centumviri und decemviri litibus judican- dis. Vervielfaͤltigung der Instanzen, dieses hoͤchst unvollkommene Mittel gegen eine andre Unvollkommenheit, kannte man in Rom noch wenig. Die appellatio tribuno- rum war gar nicht unsre Appellation, son- dern das was in jedem Staate seyn muß. §. 61. C. Strafgesetze. 1. Die Strafgewalt war ganz getrennt von jurisdictio, sobald man die Sache criminal behandelte; aber viele Vergehen gaben noch blos dem Beschaͤdigten ein Recht. Bey Criminalsachen kam es auf imperium an, und Sherif war der kuͤnftige Gouver- neur, den das Loos gerade dieser Art von Verbrechen getroffen hatte (cui ea quae- stio obvenerat). Die Geschwohrnen (ju- dices) waren zahlreich genug, um als Re- praͤsentanten des Souverains angesehen zu werden; sie entschieden also nicht blos uͤber das Factum, sondern sie begnadigten auch. Jede lex uͤber ein judicium publicum be- stimm- Periode 2. System. stimmte die Zahl, den Stand und die Ver- werfung der Richter. — Der Regel nach mußte ein Anklaͤger auftreten, und wenn dieser fuͤr einen Calumnianten erklaͤrt ward, so bestrafte man ihn. Aber non probasti und calumniatus es waren immer verschie- den. In außerordentlichen Faͤllen nahm sich der Souverain selbst, oder der Senat, oder der Consul, oder der commandirende General der Bestrafung eines Verbrechens an. Wenigstens waren die Censoren zur Ergaͤnzung der Strafgewalt da. 2. Die Verbrechen waren nun auch noch außer den vorigen: ambitus, nefanda venus und pecuniae repetundae. 3. Als Strafen waren die Lebensstrafen ge- gen Roͤmer seit der lex Porcia abgeschaft, und eine Hinrichtung more majorum war sehr selten. Der Verbrecher, der waͤh- rend des Processes nie ins Gefaͤngniß ge- worfen ward, hatte das Recht, jeder Stra- fe durch freywillige Verbannung zu entge- hen, und er behielt sein ganzes Vermoͤgen, wenn nicht lis aestimabatur und dadurch ein Theil abging. §. 62. Theil I. bis Justinian. §. 62. II. Privatrecht . Meynung der Nation von dem, was Recht und Unrecht sey unter ihren einzelen Gliedern. A. Jus personarum. Diese Verhaͤltnisse hatten sich mehr entwickelt, und die Abstu- fung unter ihnen war nun merklicher. 1. Herren und Sklaven. Dieses Ver- haͤltniß war, dem Rechte nach, dasselbe ge- blieben, aber in der That bey dem steigenden Luxus, der Menge und dem geringen Preiße der Sklaven haͤrter geworden. Ergastula. Sklave ward das Kind einer Sklavinn und der Kriegsgefangene, aber nicht mehr der Schuldner und noch nicht der Verbre- cher. Der Sklave ward frey durch einen Aus- spruch des magistratus, durch den Census und durch das Testament seines Herren. Eine simple Erklaͤrung des letztern befreyte ihn nur von sklavischen Arbeiten. Die Freygelassenen hatten noch alle, die vollen Rechte eines Roͤmers in Privatsachen: jus Quiritium. Aber in Ansehung der Tri- bus, der Mißheyrathen und der Regierungs- stellen, waren sie geringer, und ihr Patron hatte Successions-Rechte, Geschenke und meist auch Periode 2. System. auch bestimmte Dienste zu fordern, daher vielleicht schon jetzt die assignatio libertorum. §. 63. 2. Vaͤter und Kinder. Den Rechten nach war dieses Verhaͤltniß noch ganz das alte, aber wahrer Verkauf war nun wohl so selten, als Hinrichtung. Das Vermoͤgen des Sohnes gehoͤrte noch ganz ohne Unter- schied dem Vater. Man erlangte die vaͤterliche Gewalt noch wie vorher durch eine Roͤmische Ehe, und durch Adoption und Arrogation, aber noch nicht durch Legitimation. Alumni kommen noch nicht vor. Die vaͤterliche Gewalt waͤhrte Zeitlebens, wenn nicht eine Emancipation, jetzt eine bloße Ceremonie, sie endigte; obgleich die natuͤrliche Veranlassung zu der langen Dauer aufgehoͤrt hatte. §. 64. 3. Mann und Frau. Die alte strenge Ehe mußte seltener werden, da keine Frauens- person, die eigenes Vermoͤgen hat, bey ver- derbten Sitten sich leicht entschliessen wird, beynahe die Sklavinn ihres Mannes zu seyn. Die Rechte der Ehe wurden nun verabredet, es Theil I. bis Justinian. es hing von der Frau ab, wie viel von dem Ihrigen sie dem Manne anvertrauen wollte (dotem dicere). Fast in jeder Familie wa- ren zweyerley Guͤter, weil man beynahe dar- auf rechnen konnte, daß diese Verbindung nicht lebenslaͤnglich seyn wuͤrde. Die Ehe zur linken Hand (concubinatus) war noch nicht ausgebildet. Bey dem Anfange der laxen Ehe waren gar keine Feyerlichkeiten noͤthig. Eben so war die Scheidung eine bloße Privat-Sache. Nicht selten war nun von Entwendungen (res amotae) und Schenkun- gen waͤhrend der Ehe, die Rede. §. 65. 4. Vormund und Schutzbeduͤrftige. Auch hier hatte das weibliche Geschlecht nun mehr Freyheit. Zwar bey sehr wichtigen Handlun- gen brauchte jede Frau, die nicht filiafamilias ihres Vaters oder ihres Mannes war, die feyerliche Einwilligung (auctoritas) ihres Tu- tors. Aber oft hatte sie das Recht, ihn ab- zudanken und einen gefaͤlligern anzunehmen. Zu der Ernennung im Testamente, oder in den 12 Tafeln selbst, welche man nicht nur auf Agnaten, sondern auch auf Patronen zog, kam noch die in Gemaͤßheit der lex Atilia Periode 2. System. Atilia vom Praͤtor und den Tribunen, und die blos Praͤtorische, wenn der Tutor gegen seinen Pflegbefohlnen Parthie war. Die ex- cusationes hatten sich noch nicht ausgebildet; aber die stipulatio rem pupilli saluam fore war schon gewoͤhnlich. Das Ende der Tutel war die Roͤmische Wehrhaftmachung (toga virilis) bey Manns- personen, doch konnte noch nachher bis nach zuruͤckgelegtem 25sten Jahre durch die lex Laetoria leicht geholfen werden. Die Rech- nung legte der Tutor nicht jaͤhrlich, sondern nach der pubertas ab. — Die Tutel der Frauenspersonen konnte durch Cession uͤber- gehen. §. 66. B. Jus rerum. 1. Jus in rem. Die Eintheilungen der Sachen waren noch dieselben, der Unterschied zwischen res mancipii und nec mancipii hatte sich nun ganz ausgebildet, und traf noch we- niger, als vorher, mit unbeweglich und be- weglich zusammen, weil auch Grundstuͤcke res nec mancipii waren, sobald sie in einer Pro- vinz lagen. — Agri vectigales oder posses- siones existirten nun, aber durchaus keine Familienguͤter. Die Theil I. bis Justinian. Die Erwerbung des harten Rechts gegen jeden Dritten, des Roͤmischen Eigenthums (dominium civile, Quiritarium) erforderte bey den wichtigsten Sachen (res mancipii) eine Publicitaͤt, die aus feyerlicher Uebergabe vor einem dazu erbetenen Ausschusse des Volks, aus Cession vor dem Praͤtor, aus adjudica- tio, oder aus langem Besitze entstand. Nur bey einer res nec mancipii war jede traditio ex causa praecedente hinreichend. In allen andern Faͤllen, vielleicht donatio ausgenom- men, bekam man fuͤrs Erste (bis die vsuca- pio verflossen war), nur das Recht, was ei- nige Lehrer des Naturrechts allein sich ge- trauen, aus allgemeinen Gruͤnden zu bewei- sen, ( dominium naturale oder bonitarium ). Von den Servituten wurden Wegegerechtig- keiten und Graͤben (servitutes praediorum ru- sticorum) als res mancipii angesehen, die andern gaben kein Recht gegen jeden Besitzer. Der vsusfructus verbrauchbarer Dinge fand noch nicht Statt. Das Pfandrecht war auch kein Recht, das der Glaͤubiger gegen einen Dritten verfolgen konnte, wenn es nicht als Verkauf mit ausbedungenem Wiederkaufe ( emancipatio mit fiducia ) eingekleidet war. §. 67. Periode 2. System. §. 67. Die Klagen, womit man sein Eigenthum verfolgte, waren so verschieden, als das Ei- genthum selbst. Aus dem Roͤmischen Eigen- thum klagte man gegen jeden Dritten, es war hauptsaͤchlich um den Besitz zu thun, (rei vindicatio) uͤber dessen Rechtmaͤßigkeit nachher ein neuer Proceß entstand, wenn der Beklagte den vierfachen Ersatz der Nutzun- gen, oder was sonst in der stipulatio Praeto- ria enthalten war, forderte. Hingegen aus dem natuͤrlichen Eigenthume entstand, viel- leicht schon jetzt, eine Klage nach dem neuern Rechte, eine actio die doch in rem ging, aber nur gegen denjenigen dritten Besitzer, der noch weniger Recht hatte, als der Klaͤger, mithin nicht gegen den, welchem die Sache mancipirt worden war. — Wem seine Sa- che evincirt d. h. gerichtlich abgesprochen ward, der hielt sich an seinen auctor, und sehr ge- woͤhnlich machte sich dieser, gleich bey der Ver- aͤußerung, zum doppelten Ersatze verbindlich (duplae stipulatio). Wenn der Roͤmische Eigenthuͤmer die Sache von demjenigen vin- diciren wollte, auf welchen er selbst das natuͤr- liche Eigenthum gebracht hatte, so stand ihm exceptio rei venditae et traditae im Wege, nach der Regel: Quem de evictione tenet actio, hunc agentem repellit exceptio. In E die- Theil I. bis Justinian. diesem Falle ward sein jus in rem unbrauch- bar, ohne erloschen zu seyn, denn kein ande- rer hatte es bekommen, und die Sache war nicht herrnlos. §. 68. 2. Jus in personam oder ex obligatione. In Ansehung derjenigen Menschen, welche blos in Ruͤcksicht auf einen Dritten, ihren Herrn oder Vater in Betracht kamen, galten folgende Regeln: 1. der Sklave und der fi- liusfam. koͤnnen dem Herrn und Vater alle moͤgliche Rechte erwerben. 2. Sie machen ihn aber nur so weit verbindlich, als ihr pe- culium reicht, ( de peculio und tributoria ) wenn nicht sein allgemeiner oder besonderer Befehl, oder sein Nutzen bewiesen wird (quod jussu, exercitoria und institoria, und de in rem verso), oder er wegen eines Verbrechens derselben, wenigstens zur noxae datio genoͤ- thigt werden kann. Eine obligatio macht sich: a. ex contractu, wenn zu der Uebereinkunft beyder Theile noch eine causa kommt: res, verba und litterae; ausgenommen bey vier Geschaͤften, wo dies nicht wesentlich ist, sondern der bloße Consens zureicht. Con- Periode 2. System. Contractus reales sind: mutuum (mit den vielen Zeitgesetzen uͤber den Zinsfuß) com- modatum, depositum und pignus. In die- sen drey letzten Faͤllen fordert der Eigenthuͤ- mer auch seine Sache mit einer persoͤnlichen Klage, weil der Beweis leichter ist, und das ganze jus in rem eigentlich nur zur Aushuͤlfe erfordert wird, wenn der Gegner nicht beson- ders verbindlich gemacht ist. — Ferner ge- hoͤren hierher alle innominati, wobey aber der, welcher allein seine Verbindlichkeit er- fuͤllt hat, eben sowohl die Sache zuruͤckfor- dern, als die Erfuͤllung des Andern betreiben kann ( condictio ob causam datorum, und actio praescriptis verbis ). Contractus verbales , d. h. solche, wobey nothwendig gesprochen werden muß, sind: dictio dotis, und stipulatio worauf die pro- missio nicht gerade in continenti folgen darf. Eine Art davon ist fidejussio, noch ohne Un- terschied des Geschlechts, und noch ohne be- neficia. Was zum contractus litteralis gehoͤrt ha- be, koͤnnen wir kaum errathen, denn die Schriftsteller, welche von ihm als einer bloßen novatio sprechen, lebten zu einer Zeit, wo die Roͤmischen Banknoten eine bloße Antiquitaͤt waren. E 2 Als Theil I. bis Justinian. Als Contractus consensuales , oder bey welchen das ganze Geschaͤft verbindlich ist, sobald beyde Theile einig sind, kommen jetzt schon vor: Kauf mit den Polizeybestimmun- gen aus dem aedilitium edictum auf redhibi- tio und quanti minoris, Miethe und Pacht, mandatum (vor Gericht noch selten) und so- cietas besonders fuͤr die Finanzen. §. 69. b. ex delicto, noch wie vorher, nur mit der Ausdehnung durch lex Aquilia auf Beschaͤ- digungen und Verwundungen aus Unvor- sichtigkeit, daß der Beleidigende nie mehr Sklave des Andern ward, wie vorher bey Dieben geschehen konnte, und daß Be- schimpfungen nicht mehr nach der alten laͤngst unbrauchbaren Taxe verguͤtet wur- den. Raub scheint noch zum furtum ge- hoͤrt zu haben. c. ex variis causarum figuris. Auf eine ob- ligatio, die sich einem Contracte naͤhert, geht condictio indebiti, actio testamenta- ria, tutelae, negotiorum gestorum u. a. Mehr Aehnlichkeit mit einem delictum hat actio de effusis et dejectis, de receptis, quadrupedaria, noxalis u. s. w. Pacta praetoria und legitima waren noch sehr sel- Periode 2. System. selten, doch klagte man vielleicht schon aus einem constitutum, und sogar aus einer pollicitatio an eine Gemeinde. Jede obligatio erloͤscht durch solutio, compensatio, acceptilatio oder mutuus dis- sensus und novatio, besonders expromissio. — Sie erloͤscht ipso jure oder durch eine exceptio. §. 70. 3. Succession vorzuͤglich Verlassenschaf- ten, obgleich auch von einem noch Lebenden das ganze jus in rem, jus in personam und debitum ex obligatione auf einen Andern uͤbergehen konnte, bey der arrogatio, con- ventio in manum und sectio bonorum. Bey einem Verstorbenen, der aber nun nicht ge- rade ein maͤnnliches Familienhaupt mehr seyn mußte, kommt vor: a. die allgemeine Succession in alle seine Rechte. Hier stoͤßt das Edict des Praͤtors mit dem alten Systeme am auffallendsten zu- sammen, und nach der gewoͤhnlichen Mey- nung sagt man: der Unterschied zwischen bo- norum possessor und heres liege blos im Nah- men, mit dem der Praͤtor sein illegales Verfahren masquirte, und man gibt keine Regel, was in der Collision vorgegangen sey, Civil- oder Praͤtorisches Erbrecht. Aber es war ein wesentlicher Unterschied in der Er- E 3 klaͤ- Theil I. bis Justinian. klaͤrung; denn nach dem Civilrecht war dar- uͤber gar nichts bestimmt, den Fall ausge- nommen, wo der Erblasser selbst dies cretio- nis verordnet hatte. Nach dem neuern Rech- te wird jedem Praͤtendenten eine Zeit ge- setzt, innerhalb welcher er sich bey dem Praͤtor melden mußte (agnoscere bonorum possessionem) weil in den meisten Faͤllen sein ganzes Recht, in den uͤbrigen wenigstens mancher Vortheil davon abhing, daß kein Anderer ihm zuvorkam, oder an seine Stelle trat. Es ist die dreisteste Behauptung, die sich nur gedenken laͤßt, zu sagen: die bono- rum possessio habe nur solche Personen ange- gangen, die nach dem Civilrechte unfaͤhig ge- wesen seyen. Durchaus niemand konnte je wirklicher Erbe werden, fuͤr den der Praͤtor nicht gesorgt hatte; durchaus niemand konn- te Erbe werden, wenn der Praͤtor ihm in seinem Edicte einen andern vorzog; aber wenn dieser Andere zugleich Erbe nach dem alten Rechte war, so konnte er das Vermoͤ- gen bekommen, ungeachtet nicht er, sondern der, welcher im Edicte nach ihm kam, die bonorum possessio wirklich gesucht hatte. Jede bonorum possessio war unwirksam, sine re, die ein Erbe nach altem Rechte wuͤrde haben hindern koͤnnen, sobald er sich gemel- det haͤtte. §. 71. Periode 2. System. §. 71. Die Ordnung des Edicts ist also die wah- re Regel: 1. contra tabulas fuͤr einen suus oder emancipatus, der im Testamente stillschwei- gend uͤbergangen war. Der suus war Civil- Erbe, der emancipatus nicht; dieser durfte also nicht, wie jener, die bonorum possessio versaͤumen. Wer ausdruͤcklich enterbt war, focht das Testament mit der querela inoffi- ciosi an, uͤber welche die centumviri erkann- ten. Auf jeden Fall war der Emancipirte schuldig, wenn er die Nachtheile der Eman- cipation nicht dulden wollte, auch die Vorthei- le aufzugeben, und seinen Bruder an allem, was er sich erworben hatte, Theil nehmen zu lassen (Collatio). 2. secundum tabulas, auch wenn keine mancipatio familiae vorgegangen war, so- bald sich so viele Siegel fanden, als das Ge- setz, man weiß nicht welches? erforderte. Ein solches Testament konnte nur ein Roͤmer, ein paterfamilias pubes machen, oder eine Roͤmerinn mit Zuziehung ihres Tutor’s. Auf die lex Voconia, also auf das Geschlecht des Erben, sah man nicht mehr. 3. ab intestato. Vnde liberi, wie contra tabulas. E 4 Vnde Theil I. bis Justinian. Vnde legitimi, welche die 12 Tafeln fuͤr sich hatten, also suus noch einmahl, agnatus proximus aber schwerlich gentiles. Jede ca- pitis deminutio hob dieses Erbrecht auf, und von der alten Ausschließung der Frauensper- sonen war noch das Ueberbleibsel, daß keine agnata zugelassen ward, die nicht consangui- nea gewesen waͤre. Ohne conventio in ma- num beerbten auf diese Art selbst Muͤtter und Kinder einander nicht. Vnde cognati alle Blutsverwandte, ohne Ruͤcksicht auf capitis deminutio, der Naͤchste, der sich melden wollte. Die Naͤhe hing, bild- lich zu reden, blos davon ab, wie kurz der Weg von einer Person zur andern war; ob er steil sey oder nicht, machte nichts aus. Vnde vir et vxor, bey der laxen und kurzen Ehe. §. 72. War der Verstorbene ein Freygelassener, so hatte sein Patron jetzt mehr Rechte, als nach den 12 Tafeln, und selbst die Cognaten und der Patron des Patrons wurden zuge- lassen. Die bonorum possessio, in quam quis mittitur, entweder ventris nomine oder ex edicto Carboniano, gehoͤrt in den Proceß. Die Periode 2. System. Die laͤstigen sacra gingen noch auf den Erben uͤber; als ein Ausweg dagegen kom- men senes coëmptionales vor, die man noch nicht erklaͤren kann. — Sonst war die An- tretung einer Erbschaft noch immer gar sehr be- denklich, weil der Erbe auch diejenigen Schul- den bezahlen mußte, wozu das Vermoͤgen nicht hinreichte. Daher die weitlaͤuftigen Lehren von der Annahme, der Substitution u. s. w. Erbvertraͤge kannte das Roͤmische Recht auch jetzt noch nicht. Man hielt ein Rechts- geschaͤft fuͤr aͤußerst unschicklich, das so offen- bar nur darauf gegangen waͤre, den jetzigen guten Willen eines Roͤmers zu benutzen, zu machen, daß er diesen nicht aͤndern koͤnnte, auch wenn man ihn weit nicht mehr verdiene. §. 73. b. Andere Verordnungen hingen davon ab, daß das Testament ganz foͤrmlich gemacht war, und daß sich ein Erbe dazu fand. Co- dicilli waren noch bloße Billets, und was der Generositaͤt des Erben uͤberlassen war (fidei commissum) darauf konnte man nicht klagen. Außer den Befehlen uͤber die Tutel, auch des weiblichen Geschlechts, und außer den Manumissionen enthielt ein Testament gewoͤhnlich auch Legate, und so lange das Recht E 5 noch Theil I. bis Justinian. noch nicht weitlaͤuftig war, so lange blieb man sehr genau bey den Ausdruͤcken: per vindicationem — das Recht zu vin- diciren, das Roͤmische strenge Eigenthum, konnte der Testirer nur geben, wenn er es selbst gehabt hatte. sinendi modo — dieser Ausdruck begriff auch die Sachen des Erben und erforderte kein Roͤmisches Eigenthum. per damnationem — ein jus in perso- nam gegen seinen Erben konnte der Testirer auf alle moͤglichen Dinge und auf Handlungen geben. per praeceptionem — was einer der Miterben voraus haben sollte. Das legatum per damnationem war in so ferne dem Legatar weniger vortheilhaft, weil er nur eine Forderung gegen den Erben dadurch erhielt; aber vortheilhafter war es wegen seines weiten Umfangs, und weil zwey verschiedene Legatarien dieselbe Summe oder dieselbe Sache jeder ganz fordern, aber nicht beyde zugleich jeder ganz vindiciren oder wegnehmen konnten. §. 74. Periode 2. System. §. 74. C. Proceß. Die Vorladung geschah noch ohne den Staatsbedienten zu fragen, ausgenommen wo venia noͤthig war. Einen Andern statt seiner zu schicken hatte noch Schwierigkeiten, der procurator war wohl meist der Inten- dant. Was in der Folge actio praejudicialis und realis hieß, war meist noch keine actio, sondern vindiciae, wobey der Praͤtor selbst den Besitz bestimmte, doch so daß der, wel- cher ihn erhielt, seinem Gegner, durch eine sti- pulatio praetoria, Succumbenzgelder verspre- chen mußte. Daraus entstand denn, wie aus jeder obligatio, eine actio personalis oder ei- ne wahre actio, eine Instruction, die der Praͤ- tor einem oder mehrern Particuliers gab, mit Clauseln ( exceptiones oder praescriptio- nes ). Jede restitutio in integrum, durch die allein schon der Praͤtor einen Vorwand gehabt haͤtte, ganz willkuͤhrlich zu verfahren, und jedes interdictum ertheilte er ebenfalls selbst (decernebat) . Uebrigens waren die so genannten actiones perpetuae es noch wirk- lich, doch muß man an die Dauer der Klage ex contractu Italico sich erinnern, und die praetoriae gingen wohl schon alle von einem Jah- Theil I. bis Justinian. Jahre in das andere, von einem Praͤtor auf seinen Nachfolger, uͤber. Die Execution besorgte auf jeden Fall der Praͤtor, und dahin gehoͤrt pignora capere, mittere in possessionem ex primo et secundo decreto und addicere, weil das beneficium cessionis bonorum noch ein beneficium war. Bey dem Praͤtor, bey dem judex und bey den Centumviren ward alles muͤndlich ver- handelt. Der Sachwalter (orator, patronus) war meist kein Rechtsgelehrter, und oft so- gar vornehmer, als der Praͤtor selbst, so wie oft auch bey uns der, welcher Gruͤnde vortraͤgt was man thun solle, vornehmer ist, als der welcher die Entschließung darnach faßt. Advocatus hieß ein Jurist, den man persoͤnlich fuͤr seine Meynung aufuͤhrte. §. 75. Es laͤßt sich durchaus nicht erklaͤren, wie der Praͤtor, der nicht jeden Tag seine Tribuͤne besteigen durfte, und auch nicht im- mer wollte, wenn er durfte, der Praͤtor, der noch oft durch Senatsgeschaͤfte abgehalten ward, doch Zeit fand, alle Processe unter Roͤmern einzuleiten. Es laͤßt sich selbst da- durch nicht erklaͤren, daß ihm diese Einlei- tung durch die vorhergehenden Anfragen bey Rechts- Periode 2. System. Rechtsgelehrten sehr erleichtert wurden. Aber da man einmahl wußte, der Praͤtor wuͤrde einen judex in einer Sache geben, so gehoͤrte eben nicht viel Maͤßigung von beyden Seiten dazu, daß sich die Partheyen lieber selbst ihren Richter waͤhlten, als es auf den Zufall ankommen ließen, wer ihr Richter werden sollte. Sehr viele Processe wurden also abgethan, ohne daß der Praͤtor damit sich beschaͤftigte, und da er keine Sporteln dabey verlor oder gewann, so be- guͤnstigte er die Compromisse, die Unterwer- fung unter einen Schiedsrichter mit einer conventionellen Strafe (compromissa pecu- nia) auch dadurch, indem er den, der das arbitrium uͤbernommen hatte, zwang einen Ausspruch zu thun (de receptis) . Studium des Rechts. §. 76. U m die Geschichte der Rechtsgelehrsamkeit bey den Roͤmern vernuͤnftiger zu finden, als wenn man von nichts als Tyranney der Aristocraten spricht, muß man den Character der Nation nicht vergessen, bey welchem eine gewisse Pedanterey unumgaͤnglich noͤthig war, um Theil I. bis Justinian. um irgend Grundsaͤtze gegen die Schaaren von Auslaͤndern, die der Staat von jeher aufgenommen hatte und noch immer aufnahm, zu behaupten. Man muß die Lage und Cul- tur nicht vergessen, mit welcher in dieser Pe- riode die wesentliche Veraͤnderung vorging, daß nun auch absichtlicher und schriftlicher Un- terricht an die Stelle der bloßen Erfahrung trat *. Bey jener ward eine groͤßere Verbrei- tung unvermeidlich, da bey dieser auch Kennt- nisse in Familien beynahe erblich hatten seyn koͤnnen. Man muß endlich den Sturz der Erb-Aristocratie nicht vergessen, der diese Periode auszeichnet. Alsdann wird es sehr begreiflich, wie zur Zeit der 12 Tafeln der gemeine Mann, der Plebejer, von den Vor- nehmen, die noch das Monopol aller Kennt- nisse hatten, von den Pontifen, von den Pa- triciern, auch im Civilrechte abhing, theils wegen des religieusen Unterschieds von dies fasti und nefasti, theils wegen der erheblich- sten Rechtsgeschaͤfte (actiones legis), die man, ohne die aͤußerste Verwirrung, nicht jeden zum Roͤmer gewordenen Auslaͤnder nach sei- ner vaͤterlichen Sitte vornehmen lassen konn- te. Es wird begreiflich, warum diese Ab- haͤugigkeit nicht druͤckender oder gefaͤhrlicher war, als das Patriciat uͤberhaupt, warum man sie aber, so wie dieses, in der Folge un- ange- Periode 2. Studium. angenehmer fuͤhlte, und warum die Bekannt- machung des Calenders und einiger Formula- re zu Contracten, Testamenten, Klagen u. s. w. ( jus Flavianum um 450.) so wichtig war. Man wird begreifen, daß Cicero nicht von Hieroglyphen verstanden seyn wollte, die man nachher erfunden habe, und daß, wenn er von absichtlichen Dunkelheiten und Formalitaͤten spricht, dies nur fuͤr sein Ta- lent beweist, jede Sache so vorzustellen, wie er sie gerade brauchte. Die Notariatskunst mußte weitlaͤuftiger und mannichfaltiger wer- den, wie sich die Sitten verfeinerten und das Verkehr zunahm. Aelius Catus konnte um 550. der erste seyn, der noch mehr Formula- re niederschrieb, so wie jetzt uͤberhaupt das Buͤcherschreiben in Rom anfing; aber darum waren die Rechtsgelehrten um nichts entbehr- licher, es entstanden ganz unabsichtlich immer neue Clauseln ( leges, actiones **, formulae, ) und man mag schreiben so viel man will, so wird doch nicht jeder Laye ein Jurist. Vortrefliche Bemerkungen uͤber die Wichtig- keit dieses so klein scheinenden Umstands siehe bey Mendelssohn uͤber rel. Macht und Judenthum , II. S. 60 u. f. Zum Beweise, daß actio auch fuͤr ein Con- tracts-Formular gebraucht ward, ist die Stelle bey Varro R. R. II. 5. 11. hinrei- chend wo die leges Manilianae , die gewiß keine Theil I. bis Justinian. keine Klagen waren, actiones heißen. Eben so waren die actiones Hostilianae bey Cic . de Or. I. 57. Formulare zu Testamenten. Ernesti hat dies in der clau. Cic. bemerkt, aber nicht benutzt. Beydes ist sehr oft sein Fall. §. 77. Merkwuͤrdiger als das erste Buch uͤber Civilrecht ist vielleicht die Veraͤnderung um 500, da zuerst ein Plebejer, der also keine eigentlichen Clienten hatte, der aber Consul und siegreicher Feldherr gewesen war, Tib. Coruncanius anfing, jedem seiner Mitbuͤrger Belehrungen uͤber Rechtssachen zu geben ( publice jus professus est ). Natuͤrlich ließ dieser Plebejer leichter andere Plebejer, die sich bilden wollten, zuhoͤren, als die Aristo- craten vorher gethan hatten, und natuͤrlich brauchte auch nicht mehr jeder Plebejer einen Patron aus den Aristocraten, weil man eben so leicht und eben so nuͤtzlich an jeden Juris- consultus sich wenden konnte, da diese an oͤffentlichen Orten ( in transverso foro ambu- lantes ) oder zu Hause ( in solio sedentes ) im- mer sehr gerne sich fragen ließen, um sich da- durch fast eben so viele Glieder des Souverains verbindlich zu machen, als wenn sie im Krie- ge, oder als Redner sich hervorthaten. Fuͤr Rechtspflege und Rechtsgelehrsamkeit hatte dies die gluͤcklichsten Folgen, und es ist einer der Periode 2. Studium. der Nachtheile der monarchischen Verfassung, daß es sich bey uns so sehr geaͤndert hat. §. 78. Bey den einzelen Beschaͤftigungen der Ju- risten: respondere, scribere, cavere (denn postulare und judicare gehoͤrte, vielleicht zum Gluͤcke, noch nicht dazu) war der Anfragen- de ( consultor ) entweder die Parthey, oder der Redner, oder der Richter, oder selbst der Praͤtor. Daß der Jurisconsultus meist nur entschied, ohne uͤber seine Gruͤnde eine Dissertation zu halten, daß er den Menschen- verstand brauchte oder extensive erklaͤrte, was offenbar so erklaͤrt werden mußte, daß seine Antwort nicht eigentlich verband, aber doch von Gewichte war, daß auch bey dieser Wis- senschaft, wie bey jeder noch nicht gefesselten, verschiedene Meynungen und Streitigkeiten vorkamen, dies alles versteht sich wohl ziem- lich von selbst. Das Notariatswesen war noch nicht von den edlern Arbeiten getrennt, und es erstreckte sich auch auf das, was eine Parthey nach der alten nicht unvernuͤnftigen Sitte muͤndlich hersagen mußte. §. 79. Die Art zu studieren war noch nicht wis- senschaftlich, denn die Bekanntschaft mit der F grie- Theil I. bis Justinian. griechischen Litteratur machten die Roͤmer uͤberhaupt erst kurz vor dem Ende dieser Pe- riode. Anfangs lernte man die 12 Tafeln auswendig, nachher studirte man nur das Edict des Praͤtors, weil die 12 Tafeln nun schon gar zu sehr schienen, sich von selbst zu verstehen. Auch das Auswendiglernen der Formulare war eine Hauptsache; dies geschah, indem der junge Rechtsgelehrte zusah und es sich merkte, wie der alte Jurisconsultus seine Bescheide und seinen Rath gab. Es war die einzige Wissenschaft, die man lernte, denn in der Beredsamkeit ward noch wenig nach Regeln unterrichtet, und hoͤchstens tha- ten es griechische Rhetoren; hingegen hier lernte man von den ersten Staatsmaͤnnern. Die meisten Juristen dieser Periode hatten wenigstens ein Jahr lang das Volk regiert, von dessen Gnade so mancher Koͤnig abhing. Waͤre dies nicht gewesen, so waͤre die Kunst gewiß zu schulgerecht und spitzfindig geworden, zu einer Zeit wo man seine Begriffe noch so wenig durch Lectuͤre erweiterte. §. 80. Uebrigens dachte man nicht daran, einen Jurisconsultus zu fragen, wenn von der Ver- fassung, der Religion ( jus pontificium und augurale ) oder von Bestrafung der Verbre- chen Periode 2. Studium. chen die Rede war; oder vielmehr man dach- te nicht daran, daß ein Jurisconsultus dies besser wisse, als ein anderer Staatsmann. Privatrecht, eigentliches jus civile, war al- lein ihr Monopol, obgleich schon damahls es Juristen gab, die behaupteten, das Civilrecht sey zu allen Dingen nuͤtze. In diesem glaͤnz- ten um 450. Appius Claudius Coecus, der erste, der Formulare aufschrieb, bekannt durch Flavius und Pyrrhus , — um 500. Coruncanius, — um 550. S. Aelius Catus dessen tripertita die zwoͤlf Tafeln, eine Erklaͤ- rung davon, und ein Formularbuch enthiel- ten, — Cato Censor, der Rechtsfaͤlle mit den Nahmen der Partheyen herausgab, und sein Sohn, dem man die bekannte Regel zu- schreibt, — nach 600. die 3 großen Juristen P. Mucius Scaevola, Junius Brutus und Ma- nilius, — ein Scaevola von welchem Cicero lernte, — und der Redner Crassus . Pompon. § 35. Juris civilis scientiam pluri- mi et maximi viri professi sunt: sed qui eorum maximae dignationis apud populum Romanum fuerunt, eorum in praesentia ratio habenda est, vt appareat a quibus et a qualibus haec jura orta et tradita sint. F 2 Dritte Theil I. bis Justinian. Dritte Periode , von Cicero bis auf Alexander Sever von 650 bis 1000, oder von 100 vor Christus bis 250 nach Christus. Quellen des Rechts. §. 81. D ie ungeheure Ausdehnung, welche der Staat theils schon zu Ende der Perio- de hatte, theils zu Anfang der gegenwaͤrti- gen erhielt, war allein schon hinlaͤnglich, ei- ne Revolution zur Monarchie erst nothwendig zu machen, und dann wirklich hervorzubrin- gen. Eben daraus entstand, und eben dahin wirkte, die Cultur und das Sittenverderbniß, denn ein Freystaat muß, sich selbst uͤberlassen, zu Grunde gehen, sobald seine vornehmsten Glieder eine Menge Beduͤrfnisse und Vergnuͤ- gungen kennen, welche von dem Flore des Staats und von der Achtung ihrer Mitbuͤr- ger ganz unabhaͤngig sind. In der ersten Haͤlfte des siebenten Jahr- hunderts wurden in Rom gewaltsame Ver- suche Periode 3. Quellen. suche gemacht, dem großen und uͤppigen Frey- staate seine vorige Tugend wieder zu geben; aber in der zweyten Haͤlfte eben dieses Jahr- hunderts gelangen die noch gewaltsamern Versuche weit besser, welche einzele Große machten, selbst Monarchen oder Despoten des Volks zu werden, das Monarchen wuͤnschen und anfangs Despoten bekommen mußte. Sulla erhielt durch eine foͤrmliche lex die despotische Gewalt, aber so wie man oft mehr thut, als man thun darf, so darf man auch oft mehr thun, als man thun mag oder kann. Sulla’s Dictatur ging voruͤber, ohne daß der Staat wieder frey geworden waͤre. Nur kaͤmpften jetzt wieder mehrere Partheyen ge- gen einander, aber die Coalition zwischen Pompejus und Caͤsar gab dem Staate zwey Herren, bis endlich Caͤsar durch den buͤrgerlichen Krieg der Einzige ward. Nach seinem Tode waͤre die Wiederherstellung der Republik doch nicht mehr, als ein schoͤner Traum gewesen, wenn auch Anton seinen Dictator, seinen Koͤnig, nicht uͤberlebt, und den Senat nicht genoͤthigt haͤtte, ihm den jungen Caͤsar Octavian entgegenzusetzen. Dieser war als triumvir reipublicae ordinan- dae weit mehr Despot, als nach der Schlacht bey Actium. F 3 §. 82. Theil I. bis Justinian. §. 82. Daß in diesem Zeitraume da die Demo- cratie in Monarchie durch solche Gaͤhrungen uͤberging, mehr Antraͤge an das Volk ge- macht und genehmigt wurden, als in irgend einem andern, ist sehr natuͤrlich, denn gerade dies war der Beweggrund zu jedem buͤrgerli- chen Kriege, daß man im Stande seyn woll- te, das Staatsrecht und die einzelen Anstal- ten nach Willkuͤhr und ohne Widerspruch zu aͤndern, und nach jedem buͤrgerlichen Kriege mußte dem Sittenverderbnisse, das er ver- mehrt, der Zerruͤttung, die er hervorge- bracht hatte, durch Strafgesetze und durch Verordnungen zum Besten der verarmten Buͤrger einigermaßen abgeholfen werden. So wichtig solche leges fuͤr die politische Geschich- te dieser Zeiten sind, so ruhig kann man doch in der Rechtsgeschichte fast alle diejenigen uͤbergehen, die gleich nachher abgeschaft, oder durch die Monarchie unbedeutend wurden. Also selbst die Revolution die mit dem Tribu- nate vorging, gehoͤrt nicht hierher, und die erste lex majestatis wird nur durch die Be- merkung interessant, wie entfernt dieser Be- griff damahls noch von dem war, was ihn nachher so sehr ausgezeichnet hat. Drey Strafgesetze von Sulla: Cornelia de sica- riis, de falso und de injuriis kommen noch in Periode 3. Quellen. in unsern Fragmenten classischer Juristen vor, und es kann seyn, daß die bekannte fictio le- gis Corneliae im zweyten voruͤbergehend er- waͤhnt war. Spaͤther, und nicht von Sulla ist eine Cornelia, welche die Praͤtoren an ihr Edict bindet, aber alles, was sie gewiß ver- ordnet, scheint sich schon von selbst verstanden zu haben. Von der lex Pompeja de parrici- diis wissen wir auch nur, daß sie die letzte uͤber diesen Gegenstand war, aber nicht wel- che neue Bestimmungen sie enthielt. Die lex Scribonia uͤber den Straßenbau ist wahrschein- lich dieselbe, welche, auch wieder im Vorbey- gehen, die vsucapio servitutum verbot. Caͤ- sar’s Strafgesetze zeichnen sich durch die Ein- ziehung wenigstens eines Theils vom Vermoͤ- gen der Verbrecher aus, eine Neuerung, die bey den seltenen Todesstrafen eben so vernuͤnf- tig war, als sie in der Folge unnoͤthig hart geworden ist. Die Patricier, welche durch die lex Cassia gemacht wurden, erhielten fast nur einen hoͤhern Titel. Die lex Falcidia ist ei- ne von den wenigen, die fast reines Privatrecht enthielten, sie sollte blos den letzten Willen des Roͤmers sichern, der Vermoͤgen hinter- ließ, aber durch Legate es ganz oder beynahe erschoͤpft hatte. Eben die politische Absicht, wie bey der Furia und Voconia war hier wohl nicht mehr. Die lex Julia et Titia erstreckte F 4 die Theil I. bis Justinian. die Sorgfalt des Staats, fuͤr Schutzbeduͤrf- tige ohne Tutoren, auch auf die Provinzen. Der wichtigste Senatsschluß in dem An- fange dieser Periode war die Abschaffung der Dictatur. Welche Stellen in das Edict zu- erst eingeruͤckt wurden, welche Saͤtze des Pri- vatrechts sich jetzt gerade ausbildeten, wisseu wir nicht. §. 83. Daß Caͤsar Octavian in der ununter- brochenen Reihe der Monarchen der Erste ward, daran hatte der Zufall vielleicht den meisten Antheil. Haͤtte er die Schlacht bey Actium nicht um 42 Jahre uͤberlebt, oder waͤre er unter andern Umstaͤnden gestorben, so wuͤrde jetzt schwerlich daruͤber gestritten werden, in welchem Jahre denn eigentlich, und durch welche Begebenheit Rom aufgehoͤrt habe, eine Democratie zu seyn. Man wuͤrde nicht so aͤngstlich die Epoche suchen, von wel- cher an Octavs Herrschaft gesetzlich geworden sey. Man wuͤrde bemerken, daß sein Nah- me August (729, der einzige neue und aus- schließende Titel der Monarchen Roms, dazu kaum weniger hinreichte, als irgend eine an- dere einzele Bewilligung des Senats. Aber weil das Kind am Leben blieb, so moͤchte man nun gerne die Minute wissen, in der es zuerst Periode 3. Quellen. zuerst lebte: weil durch die Laͤnge der Zeit und die vielen beguͤnstigenden Umstaͤnde die lebenslaͤngliche hoͤchste Gewalt der Auguste so rechtmaͤßig ward, als die hoͤchste Gewalt der meisten Regenten uͤber ein Volk, das nicht immer Regenten hatte; so will man wenig- stens das Jahr wissen, in welchem die Ge- walt des ersten Augusts anfing, rechtmaͤßig zu seyn, oder dafuͤr gehalten zu werden. Bach der die lex regia in das Jahr 727 setzt, und doch gesteht, daß der Nahme viel juͤnger sey, scheint darin zu fehlen, daß er glaubt Tribo- nians Zeugniß beweise, sobald Tribonian keine Absicht, die Unwahrheit zu sagen, ge- habt habe, daß er bey der Einwilligung des Senats und Volks gerade an foͤrmliche Schluͤsse denkt, daß er den alten Sinn von imperium vergißt, und daß er imperium und cuncta principibus solita unterscheidet, die bey Tacitus nicht verschieden sind. Mancher mag auch bey der potestas leges, quas vellet, ferendi gar an die gesetzgebende Gewalt ge- dacht haben. Die sogenannte lex regia zu Gunsten Vespasians ist ein Senatsschluß, und uͤbertraͤgt lauter einzele Rechte zugleich, welche Octav, Tiber und Claudius nach und nach erhalten hatten. F 5 §. 84. Theil I. bis Justinian. §. 84. So viel ist gewiß, der erste August be- kam, oder eigentlich behielt noch vom Trium- virate her, ein ganz uneingeschraͤnktes Mili- tair-Commando uͤber seine 44 Legionen Ve- teranen, er bekam oder behielt es selbst in Rom, wo er seine Garde hatte, und der gan- ze Senat legte den militairischen Eyd ab. Jeder Senator hatte von jeher Dienste neh- men muͤssen, und nun war im ganzen Staate nur ein imperator, nur ein General, der nicht von einem andern abhing. Bey Au- gusts Tode konnte kein Senator gedient ha- ben, als unter ihm, und warum haͤtte man den Dienst verlassen sollen, da man dasselbe, als Urlaub, eben so leicht haben konnte? Man erneuerte den Eyd jedem neuen Augu- ste; man erneuerte ihn so oft derselbe August alle 5 oder alle 10 Jahre sein Commando aus der Ursache niederlegte, weil ehemahls fast keine Gewalt laͤnger als ein Jahr gedauert hatte. Der erste August bekam, oder eigentlich behielt noch vom Triumvirate her, das ober- ste Gouvernement uͤber alle Provinzen, und daß er die Haͤlfte davon dem Senate oder dem Volke uͤberließ, war eine Großmuth, die ihn nicht viel kosten konnte. Seine Casse ( fis- Periode 3. Quellen. ( fiscus ) hatte natuͤrlich mehr Ausgaben, und brauchte mehr Zufluͤsse, als die Casse irgend eines andern Roͤmers, aber sie war noch nicht dasselbe mit der Staats-Casse ( aera- rium ), und auch noch nicht wichtiger, als dieses. Sehr fruͤh hatte er als Censor das Recht bekommen, den Senat, seinen Reichsrath zu formiren, und eben so erhielt er wie Caͤsar die tribunitia potestas, weil er als Patricier nicht Tribun seyn konnte. Der Staat war nun unstreitig keine Re- publik mehr, aber die meisten deutschen Schriftsteller sollten doch an die Verfassung ihres Vaterlandes und an die Rechte ihres gnaͤdigsten Herrn denken, ehe sie so republi- canisch schon den ersten August einen Despo- ten nennen, und den despotischen Staat doch noch nachher mehr als einmahl erst despotisch werden lassen. §. 85. Die Regierungsform, die unter August sich bildete, erhielt sich meist bis in das dritte Jahrhundert, wo militairischer Despotismus und die orientalischen Sitten sie verdraͤngten, noch ehe Constantin die seinige einfuͤhrte. Die Theil I. bis Justinian. Die alten magistratus blieben, nicht weil August die Roͤmer wollte glauben machen, es sey noch ganz die alte Verfassung, sondern weil er keinen Grund hatte, alles zu aͤndern. Selbst die Wahl derselben ( comitia ) ließ er dem Volke, und obgleich seine Empfehlung eben so viel vermochte, als seines Groß- Oncle’s Empfehlung vermocht hatte, so uͤber- ließ er doch auch manches dem guten Willen des Volks, bey dem jeder Candidat sich noch wie ehemahls beliebt machen mußte a ). Je wichtiger die Rechte einer Stelle gewesen wa- ren, desto mehr verlor sie durch den Monar- chen b ). Die Consuln wurden nun fast immer noch waͤhrend des Jahrs, das von ihnen den Nah- men hatte, durch suffecti abgeloͤst; wohl nicht deswegen weil August sich fuͤrchtete, je- mand, dessen Wahl er dirigirt hatte, ein Jahr lang im Senate praͤsidiren zu lassen, sondern weil er desto mehr Gnadenbezeugun- gen austheilen konnte; eben dadurch entstan- den ja auch die bloßen ornamenta consularia . Uebrigens hatten jetzt die Consuln mehr Zeit, ihre jurisdictio und legis actio auszuuͤben. Schon weniger sanken die Praͤtoren, weil sie nicht so hoch standen. Ihrer wurden meist zwoͤlf ernannt, und zur jurisdictio und quae- stio bekamen sie auch das aerarium . Die Periode 3. Quellen. Die Censoren waren nicht mehr dazu da, den Senat zu formiren; dies that August selbst. Die Volkstribunen behielten ihre Rech- te c ), aber diese gegen den Willen des Mo- narchen auszuuͤben war freylich nicht rathsam. Die erste Wuͤrde fuͤr junge Vornehme war Vigintiviratus, wozu auch die Decemvi- ri litibus judicandis gehoͤrten. Die decuriae judicum machte August. Tac . Ann. I. 15. Etsi potissima arbitrio principis, quaedam tamen studiis tribuum fiebant. — Largitionibus ac precibus sordi- dis —. Tac . Ann. IV. 6. sua consulibus, sua prae- toribus species: minorum quoque magistra- tuum exercita potestas. Tac . Hist. IV. 9. tribunus pl. intercessit. Ann. XVI. 27. se intercessurum SCto: nam tribunus plebis erat. Plin . I. Ep. 23. IX. Ep. 13. §. 86. Die neuen Chargen waren noͤthig, so bald mehr fuͤr die oͤffentliche Ruhe und Sicherheit gesorgt werden sollte, als in der Republik moͤglich gewesen war. Sie entstanden meist in den buͤrgerlichen Kriegen, der August er- nannte dazu, und es war nun keine Gefahr mehr dabey, sie auf Lebenszeit zu ertheilen. Der Theil I. bis Justinian. Der Gonverneur der Hauptstadt ( prae- fectus vrbi ) immer ein ehemahliger Consul, hatte eine Gewalt in Polizey-Sachen, die sich sogar auf Criminal-Untersuchungen er- weiterte, worin er mit den Praͤtoren und dem Senate, der nun auch ein Criminalgericht ward, concurrirte. Die Commandeurs der Garde ( praefecti praetorio ) waren urspruͤnglich nur zwey equi- tes. Aber Tiber’s Favorit Sejan war ei- ner von diesen Officieren; dieser Umstand fing an, die Gewalt der Praͤfecten zu ver- groͤßern, und je mehr der Staat sich in der Folge zum militairischen Despotismus neigte, desto wichtiger waren die Garderegimenter, und desto natuͤrlicher war es, ihren Chef als Premier-Minister anzusehen. Papinian, Ulptan und Paulus erhielten diese gefaͤhrli- che Stelle. Minder wichtig sind der neue praefectus vigilum, praefectus annonae, und die Adju- tanten des Augusts Quaestores candidati prin- cipis . In den Provinzen waren entweder noch Proconsules im Nahmen des Volks, oder Legati im Nahmen des Augusts. Neben beyden Arten von Gouverneurs war noch ein Intendant: procurator. Egypten hatte Au- gust Periode 3. Quellen. gust erst erobert, dahin schickte er keinen Se- nator, sondern nur einen praefectus Augusta- lis, und fuͤr die ehemahlige Residenz den ju- ridicus Alexandrinus . §. 87. Daß der August eben so viele Rechte hat- te, als irgend ein magistratus, daß er juris- dictio ausuͤben konnte, und daß er dabey, wie ein anderer magistratus, den Rath seiner Freunde oder anderer Maͤnner von Ansehen sich ausbat ( consilium woraus nachher ein foͤrmlicheres consistorium und auditorium principis sich bildete) ist wohl sehr natuͤrlich. Und eben so wenig braucht es eine eigene lex regia um zu erklaͤren, wie es kam, daß seine Urtheile, seine Cabinetsschreiben, seine In- structionen und seine Bekanntmachungen ( de- creta, rescripta, mandata, edicta ) so viel und mehr noch galten, als aͤhnliche Dinge von Seiten eines Oberhaupts der Republik schon ehemahls gegolten hatten. Aber es gehoͤrten Jahrhunderte dazu, ehe solche con- stitutiones principis die einzige neue Rechts- quelle wurden, und noch mehr Jahrhunderte, ehe man behauptete, jede constitutio sey eine Rechtsquelle, sobald sie dies seyn koͤnne. Daß die constitutiones erst unter Hadrian an- gefangen haben, weil im Codex keine aͤltere stehen, Theil I. bis Justinian. stehen, folgt gerade eben so, wie wenn man aus Cicero’s Briefen beweisen wollte, in Rom habe man vorher keine Briefe geschrie- ben. Aber ausgelernte Politiker waren die Auguste, denn daß sie keine constitutiones machten, haͤlt ein Compendienschreiber fuͤr Po- litik, wenn der andere eine noch groͤßere darin sieht, daß sie welche machten, und gerade ihre haͤrtesten Aenderungen so einkleideten. Wer keinen so uͤbermaͤßig feinen politischen Tact hat, der kann etwa glauben, August habe viele Veraͤnderungen gemacht, weil er lange regierte, und weil er uͤber ein cultivirtes und verdorbenes Volk regierte; er habe den Geist der Monarchie zuweilen befolgt, so wie ihn die meisten Monarchen befolgen, d. h. ohne es deutlich zu wissen; vor das Volk seyen die wichtigsten neuen Verordnungen ge- bracht worden, und nicht blos die angenehm- sten, so wie man von jeher die wichtigsten Verordnungen vor das Volk gebracht habe, ohne deswegen gar keine andere zu machen. §. 88. Die Volksschluͤsse unter August sind fuͤr uns, besonders wegen der vielen Commenta- re, welche im zweyten Jahrhundert daruͤber ge- Periode 3. Quellen. geschrieben wurden, merkwuͤrdig, weil wir aus diesen Commentaren noch so herrliche Bruchstuͤcke haben. Hierher gehoͤrt die lex Julia de adulteriis wodurch die Anklage wegen Verfuͤhrung, und nicht wegen Ehebruchs im heutigen Sinne, so bestimmt ward, wie die alten Strafgesetze jede einzele Art von Ankla- ge bestimmten. Die Untreue eines Ehemanns war kein adulterium, aber jede Verfuͤhrung einer Ehefrau, oder einer vidua, im Roͤmi- schen Sinne, oder eines freyen Knaben konn- te, nur von keiner Weibsperson, zur Unter- suchung gebracht werden. Die Personen, welchen Selbstrache zustand, der Ehemann und der Vater, hatten auch ein vorzuͤgliches Klag-Recht, und dieses war in so ferne aus- schliessend, daß dem Ehemanne erst ein leno- cinium bewiesen werden mußte. Die Natur des Verbrechens machte haͤusliche Zeugen, also Anstalten fuͤr ihre Wahrhaftigkeit noͤthig. Die Strafe bestand in Verbannung auf eine Insel, die jetzt sehr gewoͤhnlich ward, und der publicatio (nicht Confiscation) eines Theils vom Vermoͤgen. Vielleicht um letzte- res immer anwendbar zu machen, verbot das- selbe Gesetz die Veraͤußerung eines fundus dotalis, die uͤberhaupt mit der Sorge fuͤr die Befoͤrderung der Ehen damahls besser be- G stand, Theil I. bis Justinian. stand, als die neuern Privilegien mit dem Geiste des christlichen Rechts. §. 89. Die lex Aelia Sentia athmete den aͤchten Geist der Monarchie, im Gegensatze des al- les gleichmachenden Despotismus. Den Fall der Republik hatten die Heere freygelassener Sklaven, unter denen so viele schlechte Men- schen Roͤmer wurden, gewiß beschleunigt. Jetzt sollte ein vinctus und propter noxam tor- tus nur ein dedititius werden, — ein Sklave unter 30 Jahren nur nach vorgaͤngiger Un- tersuchung die Rechte eines Roͤmers erhal- ten, — die Kinder der aͤrgern Hand folgen, — ein Herr unter 20 Jahren nicht ohne Unter- suchung, — ein Banqueroutier nicht anders, als um einen Erben zu haben, durch den sein Testament bestehe, manumittiren, — die Freylassungen auf Speculation kein Patronat- recht geben, — ein Freygelassener die Rechte seines vorigen Herrn nicht verkuͤrzen. Außer- dem ward das Strafrecht des Patrons be- stimmt, und fuͤr den Unterhalt der armen Frey- gelassenen gesorgt. Die lex Julia de vicesima hereditatum war eine Abgabe zu 5 ProCent auf den Fuß unserer Lach-Erbengelder, zum Besten der neu- Periode 3. Quellen. neuerrichteten Kriegs-Casse, aus der nun so große Armeen, ohne Proscriptionen, unterhal- ten werden mußten. Die lex Fusia Caninia bestimmte die An- zahl der Sklaven, die in einem Testamente freygelassen werden durften, nach Verhaͤltniß derjenigen, welche der Herr hatte, sehr weise und sorgfaͤltig. §. 90. Die lex Julia et Papia Poppaea de mari- tandis ordinibus und de caducis ist bey wei- tem die wichtigste unter allen, welche Quellen des Rechts zur Zeit der Classiker waren, und die, welche sich August am meisten angelegen seyn ließ. Sie betraf die zwey Hauptgegen- staͤnde seiner Regenten-Sorgfalt: Bevoͤlke- rung und Einnahme fuͤr die Kriegs-Casse. Deswegen hielt ihn auch der mißlungene erste Versuch nicht ab, sie von neuem einzubringen, und die Unzufriedenheit seiner Unterthanen veranlaßte nur Modificationen, aber durchaus nicht die Abschaffung, dieses Volksschlusses. Die einzelen Verordnungen haben Godefroi, Ramos , und Heineccius aus den vielen Bruchstuͤcken von Commentaren der Classiker gesammelt und geordnet. Ihre Werke enthal- ten herrliche Materialien fuͤr einen kuͤnftigen philosophischen Bearbeiter. G 2 Je- Theil I. bis Justinian. Jeder Roͤmer, der das 60ste, und jede Roͤ- merinn, die das 50ste Jahr noch nicht zuruͤck- gelegt hat, soll heyrathen, sonst trifft ihn die Strafe der Ehelosigkeit, ausgenommen wenn er zu jung oder unvermoͤgend, oder nicht blos zum Scheine verlobt ist. Aber die Strafe der Ehelosigkeit bleibt, wenn die Ehe schimpflich ist, und dies geschieht leich- ter bey Senatoren und Senatormaͤßigen, als bey andern. Wo keine Ehe Statt findet, da ist Ehe zur linken Hand ( concubinatus ) er- laubt, sonst nicht. Eine Freygelassene darf ihren Patron weder als Frau noch als concu- bina wider seinen Willen verlassen. Heyrathet sie mit seiner Erlaubniß, so ist sie von allen versprochenen Diensten frey. Die Zahl der Kinder gibt dem Consul und jedem Candidaten ein Vorrecht; 3, 4 oder 5 Kinder am Leben befreyen von persoͤnlichen Lasten. Eines oder mehrere macht den Lati- nus zum Roͤmer mit vollem Rechte, ver- schafft dem Freygelassenen einen allgemeinen Nachlaß der Dienste, die sein Patron zu for- dern hatte, und einem Frauenzimmer, selbst einer Freygelassenen, die Unabhaͤngigkeit von ihrem Vormunde. Ein Ehegatte kann von dem andern im- mer 1/10 erben, und jedes lebende Kind aus einer Periode 3. Quellen. einer andern Ehe macht noch eines Zehntels faͤhig, eben so ein verstorbenes Kind aus derselben Ehe. Ferner kann immer ⅓ zum lebenslaͤnglichen Genuß hinterlassen werden, und, sind Kinder erzeugt, sogar als Eigen- thum. Eheleute koͤnnen alles von einander erben, wenn sie noch zu jung sind, oder sehr lange verehelicht waren, oder als nahe Verwandte, oder wenn der Mann im Dienste des Staats verreist, oder wenn aus dieser Ehe ein Kind am Leben, oder als schon erwachsen gestorben ist u. s. w. §. 91. Wer Vater ist kann von jedem Fremden alles erben; eben so eine Frau mit 3 oder 4 Kindern. Ein coelebs gar nichts, als von Verwandten, und wer in kinderloser Ehe lebt, nur die Haͤlfte. Die Bedingung und der Eyd nicht zu heyrathen schaden nichts. — Der praetor vrbanus kann Aeltern zur Verheyrathung ih- rer Kinder zwingen. Wer die Scheidung durch mehr oder min- der schlechte Auffuͤhrung veranlaßt hat, wird durch fruͤhere oder im Gegentheil durch ver- minderte Herausgabe der dos bestraft. G 3 Je Theil I. bis Justinian. Je mehr ein Freygelassener Kinder hat, desto weniger ist er, auch bey einem ansehnli- chen Vermoͤgen ( centenarius ) durch das Sur- cessionsrecht des Patrons genirt. Durch Kinder wird die Patroninn einem Patron, die Tochter einem Sohne gleich. Von dieser lex kann dispensirt werden, man kann das jus liberorum erhalten, oder das Recht jemand zu heyrathen, den man sonst nicht heyrathen duͤrfte. Wenn einer Person mehr hinterlassen ist, als sie nach dieser lex erhalten kann, oder wenn eine Erbschaft oder ein Legat anfangs giltig ist, aber ohne daß der Testirer seinen Willen aͤndert, zur Zeit der Eroͤfnung des Testaments nicht mehr Statt findet, oder ausgeschlagen wird, oder wegfaͤllt, weil man die Bedingung nicht erlebt hatte, oder weil man indignus wird, so kommt es darauf an, ob sonst der Erbe eines von den Kindern oder Aeltern des Erblassers ist, oder auch nur uͤberhaupt Kinder habe, oder nicht. In die- sem letzten Falle wird das Vermaͤchtniß oder der Antheil der Erbschaft vom aerarium weg- genommen ( caducum, in causa caduci, bo- num vacans ) jedoch mit allen darauf haften- den Lasten. Hingegen jene privilegirten Per- sonen haben jus antiquum in caducis . Wer Periode 3. Quellen. Wer ein tacitum fideicommissum uͤber- nimmt, d. h. wer sich dazu gebrauchen laͤßt, diese lex zu eludiren, der verliert auch was er selbst aus dem Testamente haͤtte bekommen sollen. Wer ein caducum angibt, bekommt ei- nen Theil davon zur Belohnung. §. 92. Durch die lex Junia Velleja ward die Einsetzung eines noch nicht gebornen Kindes in manchen Faͤllen erlaubt, und in manchen fuͤr geschehen angenommen. Aus einem te- stamentum ruptum fielen ja keine caduca ab. Die lex Julia de vi publica schraͤnkte wahr- scheinlich die Roͤmische Mutinybill, nach wel- cher die lex Porcia bey der Armee wegfiel, ein, um die Provocation zu beguͤnstigen. Die lex Julia Majestatis ward schon unter August auch auf Pasquillanten angewendet durch welche sehr vornehme Personen ange- griffen worden waren a ). Tac . Ann. I. 72 . Primus Augustus cogni- tionem de famosis libellis specie legis ejus tractavit — nicht Tiber. G 4 §. 93. Theil I. bis Justinian. §. 93. August setzte noch mehrere Antraͤge an das Volk durch, die Senatsschluͤsse waren noch nicht haͤufiger, als sie, aber auch nicht selten. Die Volksversammlungen mußten nach und nach unter den Kaisern aufhoͤren, denn wozu diese Weitlaͤuftigkeit, wenn der Senat mit dem Monarchen einig war? Die Senatsschluͤsse mußten eben deswegen mehr emporkommen, es war das Corps, von wel- chem jeder August sich seine Rechte ertheilen ließ, das Corps, das im Interregnum re- gierte, das Corps, welches den vorigen Kai- ser zum Divus machen, aber auch alle seine Befehle vernichten konnte. Man muß wenig Schriftsteller dieser Zeit gelesen haben, wenn man ein Senatus-Consult immer nur fuͤr ei- nen masquirten Befehl des Augusts halten will. Das erste Senatus-Consult, welches sei- nen Nahmen vom Consul erhielt, war das Silanianum um die Ermordung des Herrn auch an denjenigen Sklaven zu raͤchen, die sie nicht gehindert hatten. Es ward noch oft naͤher bestimmt. Unter Augusts Edicten §. 87. sind die merkwuͤrdigsten: Wer verdiene Soldat zu seyn, koͤnne nicht mit Recht enterbt werden, und Periode 3. Quellen. und die Buͤrgschaft einer Frau fuͤr ihren Mann sey sehr mißlich. Die Abolition der alten Eriminalsachen war nach den buͤrgerlichen Krie- gen sehr weise. Woͤhl schwerlich durch irgend einen aus- druͤcklichen Befehl, sondern nach und nach durch beguͤnstigende Umstaͤnde und Herkom- men a ) erhielten unter August die bloßen Bil- lets eines Verstorbenen ( codicilli ) und seine bloßen Bitten ( fidei commissa ) eine verbin- dende Kraft. Bisher gehoͤrte zu der gering- sten Verordnung ein foͤrmliches und durch keinen Zufall unkraͤftig gewordenes Testament, und manche Verordnung war doch gar nicht moͤglich. Die ganze Jurisprudenz hatte einen Hang, von der aͤngstlichen Beobachtung der Foͤrmlichkeiten sich zu entfernen, und wo der Staat keine Absichten hatte, da ward man immer geneigter, jede Willensaͤußerung des Verstorbenen gelten zu lassen. Dies war der Geist der lex Junia Velleja, des SCtum Ne- ronianum, und der Beraͤnderung, daß derje- nige, zu dessen Vortheil der Erbe einen Be- fehl erhalten hatte, sich immer haͤufiger und immer gluͤcklicher an den August oder an einen Consul wandte, um den Erben “bey diesen Umstaͤnden” zur Erfuͤllung seiner Pflicht zu zwingen. G 5 a ) Theil I. bis Justinian. Inst . II. 23. §. 1. Quod quia justum vi- debatur et populare erat, paulatim conver- sum est in assiduam jurisdictionem — 25. pr. Cum et Labeo codicillos fecisset, jam nemini dubium erat, quin codicilli jure optimo admitterentur. §. 94. Man erzaͤhlt gewoͤhnlich noch eine Ein- richtung die August getroffen haben soll, und die man fuͤr einen aͤußerst schlauen Kunstgriff haͤlt, durch welchen er, ohne daß ein Mensch es gemerkt habe, Gesetzgeber geworden sey. Das Recht, auf civilistische Anfragen zu ant- worten, habe von dem Auguste gesucht und erhalten seyn muͤssen, und dieser habe es nur denjenigen ertheilt, deren Meynungen mehr monarchisch als republicanisch gewesen waͤren. Bis unter Hadrian sey diese Nothwendigkeit eines kaiserlichen Patents, um Jurisconsultus zu seyn, geblieben. — Nach Andern schaff- te August nicht die Privat-Juristen ab, sondern er machte nur seine patentirten zu un- truͤglichen Orakeln aller Magistrate und aller Richter. Allein kein gleichzeitiger Geschicht- schreiber bemerkt diese Veraͤnderung; in den Fragmenten der elassischen Civilisten wird von einem responsum nie anders gesprochen, als man zur Zeit der Republik auch davon haͤtte sprechen koͤnnen; man hat keine Spuhr im Pri- Periode 3. Quellen. Privatrechte von royalistischen Grundsaͤtzen; die Pflicht der Richter, einen Ausspruch zu befolgen, erzaͤhlt blos Justinian, und selbst dieser nur vielleicht, und wenn man diese Idee nicht zu der Stelle des Pomponius mit- bringt, so ergibt sich daraus nur so viel, daß ein gar nicht vornehmer Rechtsgelehrter, der sogar erst in seinem Alter Ritter ward, eine besondre Aufmunterung oder Erlaubniß vom August erhielt, um desto mehr Zutrauen bey dem Publicum zu finden. Es mag in der Folge ein sehr gewoͤhnliches Compliment gewesen seyn, das auch Senatoren dem Au- guste, ohnehin ihrem Chef, machten, wenn sie bey ihm anfragten, ob er sie zu dieser Be- schaͤftigung geschickt genug finde; aber daß selbst ehemahlige Praͤtoren dies als eine Gna- de suchten, war, wie Hadrian sagt, schon vor ihm ungewoͤhnlich, und ward also nicht erst unter ihm uͤberfluͤssig a ). I. 2. fr . 2. §. 47. Primus D. Augustus vt major juris auctoritas haberetur, consti- tuit vt ex auctoritate ejus responderent, et ex illo tempore peti hoc pro beneficio coe- pit: et ideo optimus princeps Hadrianus cum ab eo viri praetorii peterent, vt sibi liceat respondere, rescripsit eis, hoc non peti sed praestari solere . — Ergo Sabino concessum est a Tiberio Caesare vt populo responderet, qui in equestrem ordinem jam gran- Theil I. bis Justinian. grandis natu et annorum fere quinquaginta receptus est . §. 95. Die Gewalt Tiber’s war unstreitig groͤs- ser und fester, als die seines Vorgaͤngers, die Garde ward von den Buͤrgern abgeson- dert und in weitlaͤuftige Casernen ( castra prae- toriana ) zusammengezogen, die Majestaͤts- verbrechen wurden viel haͤufiger; aber auch Tiber war nicht nur in der ersten Haͤlfte sei- ner Regierung kein Despot, sondern selbst als sein stolzer und finsterer Character, durch Sejans Einfluß und durch Sejans Treulo- sigkeit, zur Grausamkeit gestimmt, und durch ein, sogar in diesen Zeiten, schaͤndliches Pri- vatleben verschlechtet worden war, selbst da blieb die Constitution, und mancher Senator freute sich des Winkes, den etwa Tiber zum Todesurtheile uͤber beneidete Große gegeben hatte. — Gleich nach dem Tode Augusts wurden die Magistrats-Comitien dem Volke entzogen, und welche Rivalitaͤt der Kaiser nicht entschied, daruͤber cabalirte man nun nur im Senate. Auf die Versammlungen uͤber neue Antraͤge an das Volk geht die Stelle in Tacitus gewiß nicht a ), obgleich selbst Bach sie davon versteht, der doch schon vorher Senatsschluͤsse, als Rechtsquellen, und Periode 3. Quellen. und noch nachher Volksschluͤsse, als Rechts- quellen, so vortreflich bewiesen hat. Aber sehr natuͤrlich war es wohl, daß man von den Versammlungen des Volks immer mehr entwoͤhnt ward; eine lex war nur eine Cere- monie mehr als ein Senatsschluß, und die Zeit, wenn diese zum letzten mahle mitge- macht worden seyn mag, ist unwichtig und ungewiß. — Tac . Ann. I . 15. §. 96. Als foͤrmlicher Volksschluß kommt unter Tiber vor die lex Junia Norbana, um die Rechte derer zu bestimmen, welche bisher durch eine Art von Manumission nur von Sklavendiensten befreyt waren. Sie erhiel- ten beynahe ganz den Stand eines andern Latinus, und nur in Ansehung des Testa- ments war der Latinus Junianus zuruͤckgesetzt, aber auch sie konnten jus Quiritium als Gna- de erhalten, oder, besonders durch Beytraͤge zur Bevoͤlkerung, verdienen. Auch die lex Visellia enthaͤlt eines dieser Mittel. Eine lex uͤber den flamen Dialis interessirt uns nur wegen des offenbaren Unterschieds von einem Senatsschlusse a ). a) Tac . Theil I. bis Justinian. Tac . Ann. IV . 16. de roganda nova le- ge disseruit Caesar — Medendum senatus decreto aut lege — placitum — sed lata lex . — §. 97. Die wichtigsten Senatsschluͤsse unter Ti- ber betreffen theils, wie das SC. Libonia- num und noch andere, eine Ausdehnung der lex Cornelia de falsis auf andre Urkunden, als Testamente, und auf falsche Zeugnisse, theils eine Einschraͤnkung des Rechts, sich der lex Julia de adulteriis durch Angabe bey der Polizey zu entziehen, theils das peinliche Verfahren gegen Sklaven, die hierin voͤllig den Roͤmern gleich gesetzt wurden, theils die Frist von 10 Tagen nach jedem Todesurthei- le, wie nach jedem andern Schlusse des Se- nats, theils die Verantwortlichkeit der Gou- verneurs fuͤr ihre Gemahlinnen, theils die Befreyung eines kaiserlichen Gouverneurs ( legatus Caesaris ) von Anklagen, theils daß eine Ehe nach dem 60sten und 50sten Jahre nicht mehr die rechtlichen Vortheile der Ehe verschaffen sollte — SC. Persicianum . End- lich ward der quasi vsusfructus durch ein Se- natus-Consult bestimmt. — Erhebliche con- stitutiones kommen nicht vor. §. 98. Periode 3. Quellen. §. 98. Cajus Caͤsar war den groͤßten Theil sei- ner kurzen Regierung hindurch wirklich ver- ruͤckt, und deswegen ist weder sein Project, dem Volke sein Stimmrecht bey den Wahlen wieder zu geben, noch seine Versicherung, keine Appellation anzunehmen, sehr wichtig. Daß er der einzige Jurist in ganz Rom wer- den wollte, darf man nicht fuͤr einen rasenden Einfall halten, so lange man ganz aͤhnliche Grundsaͤtze sehr natuͤrlich findet oder gar be- wundert. Caligula sah die Nothwendigkeit einer bestaͤndigen Ergaͤnzung und Festsetzung des Rechts von oben herab — —. §. 99. Claudius war im Senate nicht so ver- aͤchtlich, als in seiner Familie. Er gab das erste Beyspiel eines Augusts, der alles was sein Vorgaͤnger gethan hatte, cassiren ließ. Unter ihm stieg die Zahl der Praͤtoren auf 18, weil zwey fuͤr Fidei-Commisse in Rom hin- zukamen. Die Senatsschluͤsse unter ihm sind: Largianum uͤber die Erbfolge in das Vermoͤ- gen eines Latinus, — eines uͤber die assigna- tio libertorum, — ein oft widerholtes ne aedisicia negotiationis causa diruerentur, — ein Claudianum, daß ein Sachwalter, der nun Theil I. bis Justinian. nun nicht mehr auf die Stimme seines Clien- ten rechnen konnte, dena sestertia (etwa 500 Thaler) fuͤr einen Proceß annehmen duͤrfe, — SC. Macedonianum, — eines uͤber die Ehe mit des Bruders Tochter durch die letzte Vermaͤhlung des Augusts veranlaßt, so wie vielleicht ein Claudianum, daß die Ehe eines Mannes uͤber 60 Jahre, wenn nur die Frau juͤnger sey, Belohnung verdiene, — noch ein Claudianum uͤber Ausschweifungen mit einem fremden Sklaven, vielleicht auch uͤber den betruͤgerischen Verkauf eines freyen Menschen, — uͤber die Kraft der Ausspruͤche eines kaiserlichen Finanzbedienten (procurator Caesaris), — uͤber die Belohnungen der, we- gen des Getraides so wichtigen, Schiffarth, — und das Vellejanum gegen alle intercessiones mulierum . Vielleicht war die lex Claudia, welche allem Ansehen nach, die Vormund- schaft der Agnaten uͤber eine freygebohrne Roͤmerinn aufhob, auch nur ein Senatus- Consult. Durch Edicte gab er ausgesetzten kranken Sklaven die Freyheit, und seinen Truppen das jus liberorum . Vielleicht war auch die Veraͤnderung mit dem Consense des Curators bey der Arrogation, und das Vorrecht des peculium, wenn der fiscus das Vermoͤgen wegnahm, ein Edict. §. 100. Periode 3. Quellen. §. 100. Nero hob durch ein Senatus-Consult, das unter seinem Vater gemachte, uͤber die Bezahlung der Sachwalter, wieder auf, und eben so durch das Calvisianum die Rechte der ungleichen Ehe eines alten Mannes oder ei- ner alten Frau. Durch das Pisonianum ward das Silanianum ausgedehnt. Zu Ehren des Senats sollte eine ungegruͤndete provocatio an ihn a privatis judicibus so gefaͤhrlich seyn, als eine appellatio an den Kaiser. Das Tur- pillianum bestrafte Chicanen und Praͤvarica- tionen. Das Trebellianum machte, daß anch der heres fideicommissarius Schulden uͤbernehmen mußte. Das Neronianum hob den Unterschied in den Ausdruͤcken der Legate nur in so weit auf, als er unbillig scheinen konnte. — Nero’s Edicte betreffen meist nur Polizey-Sachen. §. 101. Nachdem, etwa 100 Jahre nach der Schlacht bey Actium, der letzte Nachkomme Augusts , um dem gegen ihn ausgesproche- nen Todesurtheile zu entgehen, sich selbst entleibt hatte, entstand der erste buͤrgerliche Krieg in Rom, bey welchem niemand leugne- te, daß es nur darauf ankomme wer Mo- H narch Theil I. bis Justinian. narch seyn sollte. Mit Vespasian bekommt der Staat wieder eine regierende Familie. Die beyden ersten Flavier waren wuͤrdige Nachfolger Augusts, unter dem Vater er- holte sich der Schatz nach den verschwenderi- schen und pluͤndernden Regierungen wieder, und der Bau des Capitols beweist, daß Vespasian nicht geizig war. Das SC. Pega- sianum fuͤhrte das ein, was wir quarta Tre- bellianica nennen , der fideicommissarius ward einem legatarius partiarius gleichgesetzt. Ein Plancianum bestrafte die fideicommissa tacita . Ein anderes Plancianum sorgte fuͤr die Aecht- heit eines nach der Scheidung gebohrnen Kin- des. Unter Titus ward die Vervielfaͤltigung einer Criminalanklage unter andern Nahmen verboten, und zur Untersuchung des status eines Verstorbenen ein Termin gesetzt. Dies wiederholte und bestimmte man noch oft, eben so wie das Edict uͤber die Testamente der Militair-Personen. §. 102. Domitian ist nicht sowohl wegen des SC. Junianum gegen Betruͤgereyen in causis ingenuitatis, oder wegen seiner Edicte merk- wuͤrdig, als weil er nun bis auf Commodus , d. h. bis gegen das Ende des folgenden Jahr- hunderts der letzte schlechte Kaiser war. Es folgt Periode 3. Quellen. folgt nun einer der schoͤnsten und seltensten Anblicke in der Geschichte, 5 Regenten hin- ter einander, welche gar nicht unumschraͤnkt regieren, ob sie gleich die Macht dazu, und das Beyspiel mancher von ihren Vorgaͤngern fuͤr sich gehabt haͤtten. Dies ist der Zeit- raum wo das menschliche Geschlecht das Gluͤck einer sanften und weisen Staatsverwaltung im vollsten Maaße genoß, der Zeitraum, dem wir die letzte Ausbildung des Roͤmischen Rechts verdanken. §. 103. Von Nerva , dem Sohne und Enkel großer Rechtsgelehrten, kommt eine lex agra- ria vor, gegen Verfaͤlschung der Grenzsteine, und ein Edict, wodurch das Testament uͤber das peculium castrense gestattet ward. Sein adoptirter Sohn Vlpius Trajanus war der letzte August, der ganz neue Pro- vinzen eroberte, und sein Nahme blieb noch nach Jahrhunderten das hoͤchste Ideal eines guͤtigen Monarchen. — Unter ihm machte der Senat drey Schluͤsse uͤber fideicommissa- riae libertates, einen uͤber fideicommissa civi- tati relicta, einen uͤber die subsidiarische Klage gegen die Obrigkeit, welche einen Vormund ernannt hat, und wahrscheinlich die lex Ve- H 2 ctibu- Theil I. bis Justinian. ctibulici uͤber die Manumission durch eine Landstadt. Vielleicht gehoͤren auch die un- gewissen Senatsschluͤsse gegen institutiones captatoriae, und daß ein Pasquillaut intesta- bilis seyn sollte, hierher. — Durch ein Edict wurden diejenigen gelinder bestraft, die sich freywillig angaben, daß sie dem aerarium et- was schuldig seyen, die also das verhaßte Geschlecht der Delatoren entbehrlich mach- ten, — und das jus Quiritium, das ein La- tinus ohne Einwilligung seines Patrons als Gnade erhielt, sollte diesem nichts schaden. Wegen des testamentum militare kam von nun an eine eigene Stelle in alle Instructio- nen. §. 104. Eben so lange als Trajan regierte auch sein angenommener Sohn Hadrian , der die neuen Eroberungen jenseits des Euphrats freywillig verließ, und seine Thaͤtigkeit mehr in sorgfaͤltiger persoͤnlichen Aufsicht uͤber die Gouverneurs und uͤber die Professoren, und in neuen Anstalten im Innern des Staats aͤußerte. Er ernannte zuerst einen eigenen advocatus fisci, da schon Nerva einen prae- tor fiscalis aufgestellt hatte. Italien, außer Rom, das sonst uͤber seine MunicipalObrig- keiten niemand hatte, als den Kaiser und Se- Periode 3. Quellen. Senat, theilte er unter vier Consularen. Als schoͤner Geist war er der erste August, dessen Briefe in haͤuslichen und Regierungsangele- genheiten man sammelte, und davon haben wir noch Ueberbleibsel im Dositheus und im Codex. Aber daß er der erste Kaiser gewe- sen sey “welcher voͤllig souverain und despotisch regierte” folgt daraus noch nicht, und wird im Gegentheil durch das den Senatoren ver- sicherte Recht, von niemand, als von ihren Mitbruͤdern, gerichtet zu werden, durch die Achtung welche er dieser Wuͤrde bestaͤndig be- wies, durch den ganzen Ton seines Hofes, wo ein Secretaͤr aus dem Ritterstande noch etwas neues war, durch das Verbot vom Senate an ihn zu appelliren, und viel- leicht am meisten dadurch widerlegt, daß der Senat seinem Sohne und Nachfolger die Apotheose Hadrians wegen einzeler verhaß- ten Schritte so sehr erschwerte. §. 105. Hadrian soll als ein zweyter Numa eine allgemeine Gesetzgebung vollendet haben, die man den 12 Tafeln an die Seite setzt. Aus allen bisherigen Edicten habe er, sagt man, dieses neue Rechtssystem sammeln und aus- waͤhlen lassen, um das Jahr 131 sey diese Arbeit von Salvius Julianus zu Stande ge- H 3 bracht Theil I. bis Justinian. bracht worden, und von nun an haͤtten neue Rechtssaͤtze nicht mehr vom Praͤtor sondern nur vom Kaiser bestimmt werden duͤrfen. Allein Spartian , der ausfuͤhrliche Biograph Hadrians , weiß von dieser, fuͤr so wichtig gehaltenen, Veraͤnderung nichts, und Eu- trop erwaͤhnt sie nur bey Didius Julianus . Pomponius , der von Hadrian und Salv. Julianus spricht, vergißt das edictum perpe- tuum, und in den Fragmenten der spaͤthern Classiker ist eine einzige gewisse Spuhr eines Zusatzes, den Julian zum Edicte gemacht ha- be, XXXVII. 8. fr. 3. denn IV. 2. fr. 1. und XIII. 6. fr. 1. §. 1. koͤnnen gar wohl auf etwas anderes gehen. Und doch, wenn die Veraͤnderung so wichtig gewesen waͤre, wie oft wuͤrde ein spaͤtherer Classiker, der ei- nen fruͤhern citirte und widerlegte, sich auf das Edict berufen haben, wie nur XLIX. 14. fr. 1. §. 1. geschieht, und wie zum Gerichts- gebrauche ganz uͤberfluͤssig waͤren diese fruͤ- hern Classiker, die wir sogar in den Pandecten haben, geworden? Es kam gar nicht darauf an, aus mehreren vorhandenen Edicten (wenn man nicht einzele Stellen des Edicts edicta nennen will) eines zu machen, denn da schon zu Cicero’s Zeit der groͤßte Theil des Edicts laͤngst hergebracht war, so konnten wohl unter den Augusten schwerlich die Edicte der ver- schie- Periode 3. Quellen. schiedenen Jahre merklich von einander ab- weichen, und der neue Praͤtor Julian nahm bey seinem Edicte wohl nur das seines unmit- telbaren Vorgaͤngers zu Huͤlfe, es war die neuste Ausgabe, die natuͤrlich alles enthielt, was in den vorigen neues und brauchbares sich fand. Die Bestaͤtigung des Edicts durch den Kaiser und Senat haͤngt vielleicht mit den vier Consularen zusammen, und perpe- tuum, wenn auch dieses Beywort nicht blos den alten Gegensatz von extraordinarium oder repentinum ausdruͤckte, waͤre alsdann von allen Orten, und nicht von ewigen Zeiten, zu verstehen. Wenigstens ist es ganz unwi- dersprechlich bewiesen, daß Hadrian neue Zusaͤtze der Magistrate nicht verbot, sondern erwartete a ). Von einem ganz neuen voll- staͤndigen Rechtssysteme ist gar keine Rede, da im Edicte keine Grund-Regierungs- oder Criminalgesetze enthalten waren, sondern bloßes Civilrecht, und auch dieses bey weitem nicht vollstaͤndig, sondern mit sehr haͤufiger Verweisung auf die andern Rechtsquellen. Es war eine gar nicht sehr weitlaͤuftige, kaum von neuem revidirte Proceßordnung. Die Veraͤnderungen, welche man diesem Edictum perpetuum zuschreibt, sind theils fruͤher, theils haben sie andere Ursachen. So schrieb man schon vor Hadrian Commen- H 4 tare Theil I. bis Justinian. tare uͤber das Edict, so war es schon zu Ci- cero’s Zeit die naͤchste Quelle des Privat- rechts. Daß die Secten sich einander naͤher- ten, war eine Folge der eclectischen Lehrart, die sich damahls auch in der Philosophie aͤus- serte, und keine Folge der Arbeit Julians, denn in dieser waren die meisten Streitigkei- ten doch nicht entschieden. Daß man in den folgenden Jahrhunderten sich haͤufiger auf die Rechtsgelehrten nach Hadrian, als vor ihm, berief, war sehr natuͤrlich; noch 100 Jahre lang waren die Classiker ihrer Lehrer werth, und in jeder Wissenschaft muß, bey uͤbrigens gleichen Umstaͤnden, derjenige Schriftsteller der brauchbarere seyn, der die Entdeckungen des andern benutzen und erwei- tern kann. I. 17. const. 3. §. 18. Divus Hadrianus piae memoriae , quando ea quae a praetori- bus quotannis edicta fuerant, brevi com- plexus est libello , adsumpto ad id optimo Juliano, in oratione, quam in commune habuit in seniore Roma, hoc ipsum quoque ait: ut si quid praeter id quod jam ordina- rum est emerserit, conveniens eos, qui in magistratu sunt, illud conari decidere et re- medium imponere secundum eorum quae jam ordinata sunt consequentiam . §. 106. Periode 3. Quellen. §. 106. Ob nun aber gleich was unter Hadrian geschah, diesem nach weit weniger wichtig ist, als es den Schriftstellern scheinen mußte, die bis auf diese Zeit das ganze Edict fuͤr ein Werk der Usurpation halten, und obgleich kein eigenes edictum perpetuum provinciale und aedilitium gemacht ward, so verdiente doch die Ordnung des Edicts, wie es zuletzt war, sorgfaͤltiger studirt zu werden. Man sollte sich nicht mit Godefror’s Versuche be- gnuͤgen, und das Project von He neccius haͤtte durch seinen Tod nicht auf so lange Zeit hin unterbrochen werden muͤssen. Die Ord- nung ist keine metaphysischsystematische, son- dern die ganz simple und schon von den 12 Tafeln her jedem Praͤtor gelaͤufige, daß auf die allgemeinen Lehren von der jurisdictio die Contracte, dann Ehe, Vormundschaft und Verlassenschaften folgen, und endlich ein Anhang von Interdicten, Exceptionen und Cautionen den Beschluß macht. §. 107. Neue Rechtssaͤtze ließ Hadrian, wie an- dre Kaiser, auch durch den Senat bestimmen, oder er bestimmte sie selbst. Von der ersten Art ist eine Ergaͤnzung des Gesetzes uͤber ca- H 5 duca, Theil I. bis Justinian. duca, in Ansehung des Zuwachses und der Zinsen einer Erbschaft, — das Tertullianum zum Besten einer Mutter mit jus liberorum, deren Kinder nicht testirt hatten, und auch oft nicht testiren konnten, — das Kind eines Latinus und einer Roͤmerinn ward ein Roͤ- mer, — die Staͤdte konnten Legate erhalten. Unter seine merkwuͤrdigern constitutiones ge- hoͤrt das bekannte Edictum D. Hadriani, daß der Testaments-Erbe einstweilen in Besitz gesetzt werden soll, — das Verbot Guͤter der Schiffbruͤchigen zu pluͤndern, — die Strafen der relegati und deportati, die vor der Zeit wieder kaͤmen, — das beneficium divisionis unter Buͤrgen, — der Zwoͤlftel fuͤr die Kin- der eines proscriptus, — das Recht des the- saurus, — und die Sicherung der Sklaven vor willkuͤhrlicher Hinrichtung oder Mißhand- lung. §. 108. Die 22 Jahre der Regierung von Anto- ninus Pius waren so gluͤcklich, daß sie zur Geschichte wohl wenig Stoff lieferten, auch wenn unsre Nachrichten besser waͤren. Se- natus-Consulte wurden unter ihm gewiß ge- macht, weil wir wissen, daß er die Rechte des Senats noch vermehrte. Aber wir ba- ben nur Edicte von ihm, eines uͤber die arro- gatio Periode 3. Quellen. gatio eines Unmuͤndigen, eines wodurch un- ter nahen Verwandten, selbst bey wichtigen Schenkungen, keine Foͤrmlichkeit erfordert ward, und eines, das alle legata poenae no- mine relicta verbot. §. 109. Marc Aurel, sein adoptirter Sohn, war das erste Beyspiel eines Augnsts, der die hoͤchste Wuͤrde voͤllig mit einem andern theil- te. Er und Lucius Verus heißen Divi fratres; eine Zeitlang regierte er nach des letztern Tode allein, und zuletzt nahm er sei- nen unwuͤrdigen Sohn zum Mitregenten an. So viel Ehre als Marc Aurel der stoischen Philosophie machte, hatte sie nicht von allen ihren Zoͤglingen, wenigstens wird es aus den Spoͤttereyen der Juristen wahrscheinlich, daß es nun am Hofe eben so gut philosophische Scheinheilige gab, als es von jeher Henchler unter einem religieusen Monarchen gegeben hat. — Durch Senatsschluͤsse, die auf einen Antrag ( ad orationem ) des Augusts erfolg- ten, ward Sicherheitsleistung auch bey sol- chen Tutoren noͤthig, die eine Obrigkeit er- nannte, die Ferien wegen der wichtigsten Ge- schaͤfte des Landbaus wurden bestimmt, zu einem Vergleiche uͤber Alimente gehoͤrte ge- richtliche Bestaͤtigung, Sklaven durste man uͤber- Theil I. bis Justinian. uͤberall auch in den Landguͤtern des Augusts oder eines Senators aussuchen, eine Schuld wegen der Reparatur eines Hauses erhielt eine stillschweigende Hypothek, die Kin- der sollten nun auch von ihrer Mutter ohne Testament erben ( Orphitianum), und einige Mißheyrathen wurden null und nichtig. — Durch ein Edict besahl er allen Minderjaͤhrigen Curatoren zu geben, sobald ihr Gegner darum bitte, auch wenn er gar keine besondere Ur- sachen anfuͤhre, er verordnete regelmaͤßige Geburtsregister, und befoͤrderte den bestaͤn- digen Hang des Rechts, von dem, was nur einen historischen Grund hatte, abzuweichen. Seine Bestrafung der Selbsthuͤlfe, die unter dem Nahmen des decretum D. Marci so be- kannt ist, enthielt nichts neues. §. 110. Ueber 80 Jahre lang hatte der Roͤmische Staat das Gluͤck einer ununterbrochenen Rei- he vortrefflicher Regenten so genossen, wie wohl nie ein Reich in der Welt. Dieses Gluͤck mußte aufhoͤren; es war in der Regel, daß es gerade bey einem zum Throne gebohr- nen Auguste, eher als bey einem andern, aufhoͤrte, und wenn man vom Sohne Marc Aurels nicht erwartet haͤtte, daß er ein zwey- ter Nero seyn wuͤrde, so vergißt man, daß Commodus auch der Sohn von Faustina war. §. 111. Periode 3. Quellen. §. 111. Nach 12 Jahren einer, erst aus Schwaͤ- che und dann aus Gewohnheit, grausamen Regierung ward er ermordet, und nun muß- te wieder ein buͤrgerlicher Krieg entscheiden wer August werden sollte, denn von dem Stamm der Antonine war niemand mehr uͤbrig. Pertinar und Didius Julianus, der praefectus urbis und der reichste Senator fallen beyde durch die Praͤtorianer. Septi- mius Severus uͤberwindet zwey Nebenbuler, tyrannisirt uͤber den Senat, der ihm abge- neigt gewesen war, und vernichtet die alte Garde. Von den Legionen aller Provinzen hebt er die tapfersten Veteranen aus, und sie bilden die neue Garde von 50000 Mann, da die alte nur den vierten Theil so stark ge- wesen war. Er bereitete das Ungluͤck seiner Nachfolger durch seinen Grundsatz, nur den Truppen zu schmeicheln, nur sie, durch Ge- schenke und ausschweifende Nachsicht, fuͤr sich zu gewinnen, vor. Es ist weit richtiger, mit den Historikern bey ihm die Epoche des militairischen Despotismus zu setzen, als mit den heutigen Juristen bey August oder Sa- drian . Auch ein Großvezir erscheint jetzt; der neue praefectus praetorio bekam auch die Finanzen und die Justiz unter sich, und die persoͤnlichen Verhaͤltnisse von Plautian hat- ten Theil I. bis Justinian. ten Aehnlichkeit mit Sejan. Aber die ganze Verfassung von Algier war in Rom noch nicht; mit wenigen deutschen Regenten, zu- mahl wenn sie Juristen waͤren, wie Septi- mius Severus es war, duͤrfte ein Justiz- Minister so frey sprechen, als Paullus mit diesem sprach. Der vierte nach ihm war wie- der der Antonine wuͤrdig, aber dies war auch der letzte etwas anhaltende Schimmer der alten Freyheit. Neue Rechtssaͤtze wur- den noch vom Senate beschlossen, so daß die Veraͤusserung der sichern Grundstuͤcke eines Minderjaͤbrigen nicht blos von seinem Vor- munde abhaͤngen sollte; so das SC. ad ora- tionem Antonini, welches Schenkungen un- ter Eheleuten nicht verbot, sondern vielmehr wieder etwas beguͤnstigte. §. 112. Dieser Antoninus Bassianus, den die Nachwelt unter dem Nahmen Caracalla ver- abscheut, ermordete seinen Bruder Geta, und ließ den Freund seines Vaters, seinen Vormund Papinian hinrichten. Durch bloße Edicte ertheilte er allen Freygebohrnen im ganzen Staate das Roͤmische Buͤrger- recht, um sie einer Abgabe zu unterwerfen; setzte er die vicesima hereditatum auf die de- cima, und wandte er alle caduca aus dem aera- Periode 3. Quellen. aerarium seinem fiscus zu. Die Intestaterb- folge schraͤnkte er auf diejenigen ein, welche von der decima frey seyen, aber man kennt die Form und den Inhalt dieser Veraͤnderung nicht genug. §. 113. Macrin sein Nachfolger wollte dem, mit dem Despotismus immer hoͤher sieigenden, Ansehen kaiserlicher Cabinetsschreiben steuern; aber wenn alle rescripta von Commodus und Caracalla so waren, wie die, welche von ih- nen noch uͤbrig sind, so war seine Verbesse- rung sehr unnoͤthig. §. 114. Der kurzen und unsinnigen Regierung ei- nes jungen Asiatischen Priesters, Elagaba- lus, eines entfernten Verwandten, und, wie er sagte, eines Bastards von Caracalla, verdanken wir es, daß sie den Tugenden von Alexander Sever den Weg zum Throne bahnten. Ulpian war beynahe Vormund, und nach ihm Paullus erster Minister dieses vortrefflichen Regenten; des letzten, unter dem der Senat seine Rechte ausuͤbte, und des letzten, unter dem classische Juristen lebten. Wahrscheinlich gehoͤrt unter diese Regierung noch ein Senatsschluß uͤber fugitivi, und ei- ner Theil I. bis Justinian. ner uͤber die Adoption ex tribus maribus; vielleicht auch der, woraus die sogenannte lex Julia Miscella zum Theil bestand. Ale- xander ward von den Soldaten 235 ermor- det, so wie vor ihm Ulpian . System des Rechts gegen das Ende dieser Periode . (siehe Lehrbuch des Pandecten-Rechts.) Studium des Rechts. §. 115. I n diesen vierthalb Jahrhunderten lebten alle wissenschaftliche Bearbeiter des Roͤ- mischen Rechts, alle die Staatsmaͤnner, durch deren Bemuͤhungen es mehr ausgebildet ward, als je das Recht irgend eines andern Volks sich ausbildete, alle die Schriftsteller, (spaͤ- there Excerptenmacher sind keine Ausnah- me) deren Bruchstuͤcke man jetzt Gesetze nennt. Der Aelteste von ihnen ist Cicero’s Leh- rer Mucius Scaevola, von dem die cautio Muciana den Nahmen hat. Aqui- Periode 3. Studium. Aquilius Gallus erfand die Stipulation, wodurch jede Schuld sich in eine Schuld ex stipulatione verwandeln ließ, er setzte zuerst in die Contracte Clauseln auf den Fall, daß ein Theil einen dolus malus begehe, und in ein Testament des Großvaters eine Verord- nung zum Besten der nachgebohrnen Enkel ( stipulatio Aquiliana, formulae doli mali Aquilianae, postumi Aquiliani ). §. 116. Cicero selbst war kein Juris consultus , aber ein Jurist; die Stellen in seinen Reden koͤnnte er andern zu danken haben, und in seinen Buͤchern de leg bus spricht er von leges im Roͤmischen Sinne, d. h. meist nur von Grund-Regierungs- und Strafgesetzen. Aber man sieht, daß er stolz auf seine civilistischen Kenntnisse war, in seinem Werke de oratore erfordert er sie zum Ideale eines großen Red- ners; seine topica ad Trebatium sollen einem großen Juristen die ersten Grundsaͤtze der Logik mit Beyspielen aus seiner eigenen Wis- senschaft begreiflich machen, und das System des Civilrechts, das Cicero geschrieben hat- te, rechnet man unter die vor Justinian mißlungenen Versuche. J §. 117. Theil I. bis Justinian. §. 117. Der erste Jurist, dem Cicero selbst das Lob der wissenschaftlichen Bearbeitung gab, war Servius Sulpicius, und es ist ein sonder- barer Zufall, daß schon damahls die Juris- prudenz dem Gelehrten am meisten verdaukte, der nicht von Jugend auf sich ihr gewiedmet hatte, weil er ganz ungewoͤhnlich viele andre Kenntnisse in der ganzen Litteratur mit ihr verband. Daß er sehr oft von seinen Vor- gaͤngern, besonders von Scaͤvola abwich, und daß er uͤber das Edictum commentirte, ist beydes sehr natuͤrlich, obgleich jenes nicht vor August, und dieses erst seit Hadrian Mode geworden seyn soll. Unter seinen vielen Schuͤlern ist der be- ruͤhmteste Alfenus Varus, der zweyte Jurist nach Scaͤvola, von welchem uns Justinion Fragmente gerettet hat, weil Paullus ihn epitomirte. Das Werk hieß Digesta, ein nachher sehr gewoͤhnlicher Titel fuͤr ausfuͤhr- liche Systeme uͤber das Civilrecht. Trebatius Testa ward zwar nicht Consul wie Alfenus, aber August fragte ihn in Rechts- sachen um seinen Rath. Trebatius war ein Epicuraͤer und Stifter einer juristischen Schu- le, da er doch nach den Compendien weder zu jenem noch zu diesem ein Recht hatte. §. 118. Periode 3. Studium. §. 118. Die Standhaftigkeit, die Cascellius im Triumvirate bewies, sollte alle Juristen be- schaͤmen, die jeden Despotismus befoͤrdert haben oder noch befoͤrdern. Nach denselben Grundsaͤtzen, aber unter Umstaͤnden, wo diese Grundsaͤtze nicht so unbedingtes Lob ver- dienten, handelte Antistius Labeo, der be- ruͤhmteste von allen aͤltern Rechtsgelehrten. Seine republicanischen Gesinnungen zeigte er zuweilen noch weniger edel, als da er das Consulat, welches August ihm anbot, aus- schlug, aber nicht gerade darin, daß er im Civilrechte kein Nachbeter war. Freylich po- litischer und litterarischer Muth haͤngen zu- sammen, aber Labeo haͤtte nach seiner An- haͤnglichkeit an die alte Verfassung, auch Neuerungen in seiner Wissenschaft verwer- fen koͤnnen. Daß er es nicht that ist Zufall, und daß sein Nebenbuler um desto mehr auf das strenge Recht hielt erklaͤrt sich natuͤrlicher daraus, daß er der Gegner von Labeo, als daß er ein Freund von August war. Noch weniger laͤßt sich behaupten, Patriotismus und Gefuͤhl fuͤr Billigkeit sey bestaͤndig das Characteristische der Schuͤler Labeo’s gewe- sen, und ihre Gegner haͤtten sich immer durch Sclaverey und Haͤrte ausgezeichnet. Der naͤchste Schuͤler von Labeo war der J 2 Ver- Theil I. bis Justinian. Vertraute Cibers; von seinen beruͤhmte- sten Gegnern kam einer erst spaͤth nur in den Ritterstand, und der andre war ein erklaͤr- ter Republicaner. Aber man stellt sich die ganze Trennung der beyden Schulen viel zu gefaͤhrlich vor, von keinem einzigen Juristen laͤßt es sich auch nur aus seinen Fragmenten beweisen, daß er zu der einen oder der an- dern Seite geschwohren gehabt habe. Alle treffen eine Auswahl, lange vor der Zeit wo man erst angefangen haben soll, eine Auswahl zu treffen. Schon dieß ist ein Be- weis gegen ihre Nachbeterey, daß jede Schu- le nicht von ihrem ersten Stifter, sondern von einem seiner Nachfolger benennt wird, und daß der Nahme sich zuweilen aͤndert . Labeo’s Schuͤler hiessen Proculejani, aber der wahre Sinn dieses Worts ist wohl nur: Proculus und die welche hierin seiner Mey- nung sind. Daß in den Anmerkungen zum Hauptschriftsteller der Gegenpartie oft seine harten Saͤtze naͤher bestimmt werden, ist sehr natuͤrlich, weil ja die Commentatoren spaͤ- ther lebten, als der Verfasser des Textes, und weil das Roͤmische Recht, so wie jedes Recht in der Welt, einen Hang hatte, sich vom bloß positiven zu entfernen, und der na- tuͤrlichen Billigkeit zu naͤhern. — Aus La- beo’s Schriften haben wir Excerpten, viel- leicht Periode 3. Studium. leicht deswegen weil aus seinen libri πειϑανων Javolenus, und aus seinen libri posteriores Paullus einen Auszug gemacht hatte. Sei- ne libri praetoris vrbani waren entweder Rechtsfaͤlle, oder ein Commentar uͤber das Edict. §. 119. Atejus Capito war zuverlaͤssig ein Freund Augusts, der ihn zum Consul machte, und ein Rival von Labeo, aber daß er auch ein niedertraͤchtiger Mensch gewesen sey, wuͤr- de daraus noch nicht folgen, wenn man nicht naͤhere Nachrichten haͤtte, die ihm freylich keine Ehre machen. Wichtiger als Aelius Gallus ist Capi- to’s Schuͤler Masurius Sabinus , zwar we- der durch seinen Reichthum, da er meist nur von dem Danke seiner Zuhoͤrer lebte, noch durch die Wuͤrde, die er bekleidete, denn er ward erst sehr spaͤth eques, und brauchte deswegen Cibers Empfehlung um als Iuris- consultus Zutrauen zu finden; aber durch sei- ne libri 3 de jure ciuili, deren Ordnung so viele andre Schriftsteller befolgt haben. Sein System war, die Rechte welche Verlassen- schaften angingen, ganz zu trennen und vor den andern, welche keinen Todesfall voraus- setzen, abzuhandeln. Ausser diesem Werke schrieb er auch uͤber das Edict. J 3 §. 120. Theil I. bis Justinian. §. 120. Coccejus Nerua war von Labeo’s Par- tie, aber dieß hinderte ihn nicht Consul und der ganz ausgezeichnete Vertraute Cibers zu werden. Sein Sohn gleiches Nahmens war der Vater des Kaisers Nerva, und seine Schriften werden oft von Andern an- gefuͤhrt. Von Proculus, einem Schuͤler des aͤl- tern Nerua hat eine eigene Schule den Nah- men, die also zuletzt die Schule Labeo’s war. Eben diese Ehre, einer Schule den Nah- men zu geben, genoß auch Cassius Longinus, von dem damahls wohl niemand gedacht haͤtte, daß man ihn einst fuͤr einen sehr mo- narchisch gesinnten Rechtsgelehrten halten wuͤrde, weil er ein Zuhoͤrer von Masurius Sabinus gewesen war. Domitius Afer ist mehr als Redner be- kannt, aber unter der Flavischen Familie ge- langten Coelius Sabinus und Pegasus zu den hoͤchsten Wuͤrden, ohne daß jenem die An- haͤnglichkeit an Masurius Sabinus geholfen, oder diesem der Vorzug den er oft den Mey- nungen Labeo’s gab, geschadet haͤtte. §. 121. Periode 3. Studium. §. 121. Unter Trajan lebte Juuentius Celsus, der Sohn, von welchem wir Fragmente aus seinen Digesta haben, und dessen Antwort an Domitius, als Motto zu mancher Preiß- fragenbeantwortung, zu empfehlen ist. Auch Neratius Priscus stand in sehr gros- sem Ansehen, so daß ein Geruͤcht ihn sogar zum August bestimmte. Aus einer Anecdote, die Plinius von Iauolenus Priscus erzaͤhlt, hat man so tri- umphirend bewiesen, der Verfasser so man- cher Stelle in den Pandecten sey von jeher verruͤckt gewesen, daß mehr als ein Verthei- diger des Roͤmischen Rechts die ganze Stel- le verdrehen zu muͤssen geglaubt hat. Aristo , den Plinius so sehr lobt, muß auch den Fehler gehabt haben, die Ausspruͤ- che keiner Partie fuͤr untruͤglich zu halten; wenigstens schrieb er Anmerkungen, das heißt Berichtigungen zu Labeo, wie zu Sa- binus . §. 122. Dieß sind die wichtigsten unter denjenigen Rechtsgelehrten, welche vor Hadrian leb- ten, welche also fast ganz unbrauchbar haͤt- ten werden sollen, wenn Hadrians Veraͤn- derung so wichtig gewesen waͤre, und welche J 4 doch Theil I. bis Justinian. doch verhaͤltnißmaͤßig eben so gangbar blie- ben, als die Ersten nach dem edictum per- petuum. Erst denen, welche zwischen Ha- drian und Alexander lebten, wirft man vor, daß sie Auslaͤnder gewesen seyen, und schlechtes Latein geschrieben haͤtten, aber erst an ihnen lobt man auch, daß sie zwischen den Secten eine Mittelstraße trafen. Jene Vorwuͤrfe sind wohl so ungegruͤndet, als die- ses Lob, denn auch von den bisher Ange- fuͤhrten verdienen viele oder gar alle den Nahmen Miscelliones oder Herciscundi, den erst wir und zwar Letztern aus einem au- genscheinlichen Mißverstaͤndnisse, erfunden haben. Wenn nun viele Juristen keine ge- bohrnen Italiaͤner waren, wenn man die Wor- te: vnde mihi origo est vom Geburtsorte versteht, so beweist dieß doch weiter nichts, als was man schon lange weiß, naͤhmlich daß die Roͤmische Litteratur nun auch in die Provinzen verpflanzt war. Ueber das La- tein dieser Schriftsteller haben wir das ganz bestimmte Zeugniß eines voͤllig competenten und so unpartheyischen Richters, daß man gewoͤhnlich die Juristen gegen ihn vertheidi- gen zu muͤssen glaubt. Laurentius Valla sagt von den Autoren der Pandecten: His __ nihil est, mea sententia, quod addi adimiue posse videatur non tam eloquentiae (quam qui- Periode 3. Studium. quidem materia illa non magnopere pati- tur) quam Latinitatis atque elegantiae . Es laͤßt sich auch sehr wohl erklaͤren, warum sie weit besser schrieben als ihre Zeitgenossen; sie waren die ersten Koͤpfe, die angesehensten Staatsmaͤnner ihrer Nation, denn durch Kriegsruhm konnte man sich unter den ruhi- gen Regierungen weniger auszeichnen, und Beredsamkeit, die Wissenschaft, welche sonst der Jurisprudenz noch vorging, war nur im Freystaate ganz unentbehrlich gewesen. Die- se Maͤnner nun bearbeiteten einen Theil der Gelehrsamkeit, der allein das Latein zu sei- ner Muttersprache hatte, waͤhrend daß alle andere wenigstens eben so gut aus Griechi- schen Werken studiert werden konnten, und wenn schon damahls eine gewisse Anhaͤnglich- keit an das Alte zur Jurisprudenz gehoͤrte, so mußte gerade die Ursache, wegen welcher in unsern Zeiten die Rechtsgelehrten meist schlechter sprechen, als ihre Zeitgenossen, bey einer Sprache, die im Sinken war, da- zu beytragen, daß die Juristen besser schrie- ben, als ihre Zeitgenossen. §. 123. Saluius Julianus, der zweymahl das Con- sulat bekleidete, war entweder ein Nachfol- ger der alten Decemviren, oder er war nur J 5 der Theil I. bis Justinian. der letzte Praͤtor, der am Edicte etwas aͤn- derte. Er schrieb Digesta daruͤber in 90 Buͤchern, und die Art, wie er oft von spaͤ- thern Schriftstellern citirt wird, scheint nicht zu beweisen, daß er als ihr Gesetzgeber an- gesehen worden sey. Von Aburnus Valens und Caecilius Afri- canus haben wir mehr Fragmente, als Nach- richten: Terentius Clemens und Junius Mau- ricianus schrieben uͤber die lex Julia \& Papia Poppaea, Taruntenus Paternus, so wie nach- her Arrius Menander, uͤber das Kriegsrecht, Papirius Justus sammelte die Entscheidungen MarcAurels und seines Bruders. Sextus Pomponius ist der Verfasser der ersten Rechts- geschichte, aber keiner hat so lange auf das ganze juristische Studium so vielen Einfluß gehabt, als Cajus, nicht wegen seines δωδε- καδελτον uͤber die zwoͤlf Tafeln, sondern we- gen seines kleinen Lehrbuchs, von welchem Justinian den Titel Institutiones, den Plan und sehr viele Stellen geborgt hat. Dieß ist zu- gleich das erste Werk wovon sich noch sehr betraͤchtliche Fragmente zwar auch nicht we- nig vermehrt und verbessert, aber doch nicht durch Justinian, erhalten haben. §. 124. Periode 3. Studium. §. 124. Volusius Maecianus war der Lehrer Marc Aurels , und Ceruidius Scaeuola der Lehrer von Septimius Severus . Vlpius Marcel- lus wird fuͤr einen scharfen Proculejaner aus- gegeben, ein Umstand der wenigstens beweist, daß nicht alle Streitigkeiten durch das Edic- tum perpetuum beygelegt waren, wenn es anders eines Beweises fuͤr das bedarf, ohne was Justinian keine 50 Decisiones gemacht haͤtte. Aemilius Papinianus war der zweyte Großvezier, denn nach Plautian ward er Chef der neuen großen Garde, und nach dem Tode seines Freundes des Kaisers Sep- timius Severus , Vormund Caracalla’s und Geta’s . Er hielt die Probe aus, in welcher Seneca untergelegen war, und er verdiente also auch von Seiten des Characters die Ehre, die ihm 200 Jahre nach seinem Tode widerfuhr, daß seine Stimme entschei- dend seyn sollte, und die Ehre, daß ange- hende Juristen stolz darauf waren, sich nach ihm zu nennen. — Seine Grabschrift ist unaͤcht. §. 125. Tertullianus, Tryphoninus und die bey- den Saturnine , Venulejus und Claudius die beyde uͤber das peinliche Recht schrieben, Furi- Theil I. bis Justinian. Furius Anthianus und Rutilius Maximus, interessiren uns alle weit weniger, als Do- mitius Vlpianus, denn von keinem Schrift- steller haben wir so viele Fragmente in den Pandecten, von keinem haben wir ein so großes gar nicht interpolirtes Werk, und keiner hat im Staate so lange eigentlich re- giert, als er. Ulpian war von einer Phoͤ- nicischen Familie, wie Papinian , und viel- leicht trug bey beyden eine Verwandtschaft mit der Gemahlinn von Septimius Seve- rus zu ihrem Gluͤcke bey. Ulpian ward erklaͤrter Premier Minister des 17jaͤhrigen Alexander Sever , aber in den Armen sei- nes Kaisers ward er von den Soldaten er- mordet, wie von nun an beynahe alle tugeud- hafte Regenten. Er hatte ein Werk von 80 Buͤchern uͤber das Edict, eines von 50 ad Sabinum, eines von 20 ad leges, viele be- richtigende Anmerkungen selbst zu Papi- nian , und viele Anweisungen fuͤr einzele obrigkeitliche Stellen geschrieben. Von sei- nem liber singularis regularum haben wir Fragmente, die gewiß nicht von Anian oder Gojarich excerpirt, gewiß nicht von Si- chard sondern von du Teil (Tilius) zuerst herausgegeben worden sind, mit dem ganz falschen Titel: Tituli ex corpore Vlpiani XXIX. Cujas hat den Text verbessert, aber Periode 3. Studium. aber auch Conjecturen gewagt, die erweis- lich falsch sind, und in einigen Ausgaben, doch gar nicht von dem aͤchten Ulpian ge- trennt werden. Hoͤchst wahrscheinlich mach- te aus demselben Werke ein griechischer Sprach- meister Dositheus eine Uebersetzung, von welcher ein Fragment unter dem Titel de juris speciebus \& manumissionibus zuerst von Pithou und am besten von Roͤver heraus- gegeben worden ist. §. 126. Vielleicht ist es bey einem Juristen, der in allen damahls gangbaren Arten von civi- listischen Schriften sich versucht hat, nicht un- schicklich, diese Arten selbst zusammenzustel- len. Sammlungen von Rechtsfaͤllen, Ab- handlungen uͤber einzele Materien oder Com- mentare uͤber einen Volksschluß interessiren uns nicht so sehr, als die Ordnung der gan- zen Systeme, wenigstens uͤber das Privat- recht, denn man weiß kein Werk, worin auch zngleich alle Theile des ius publicum ab- gehandelt worden waͤren. Der Systeme uͤber das Privatrecht waren drey: das aͤltesie war dasjenige, welches aus dem Edicte kam, und welches nach dem Zwecke des Edicts hauptsaͤchlich auf das Verfahren vor dem Praͤtor ging. Proceß war der Anfang und das Theil I. bis Justinian. das Ende, an diesen Faden ward alles an- geknuͤpft z. B. die ganze Lehre von legitimi heredes an das Edict vnde legitimi. — Das zweyte System hatte Sabinus einge- fuͤhrt, die ganze erste Haͤlfte betraf die Leh- ren, welche einen Todesfall voraussetzen, aber hier war CivilRecht und Praͤtorisches Recht getrennt. Die uͤbrigen Materien stan- den in einer Ordnung, wozu wir wenigstens den Schluͤssel nicht mehr haben, gesetzt auch, daß Sabinus nicht blos zufaͤllig erst von Sclaverey und vaͤterlicher Gewalt, dann von einigen Contracten, der dos, der Tutel, den Vergehungen, nachher erst vom Eigenthume und der Stipulation, endlich von den In- terdicten geredet, und zuletzt noch etwas vom ius publicum angehaͤngt haͤtte. Diese bey- den Systeme sind in unsern Pandecten com- binirt, das Erste schlaͤgt vor, aber es ist nicht das Einzige. — Das dritte System, unstreitig das genauste, begriff nichts als Privatrecht, also selbst das gerichtliche Ver- fahren nur sehr unvollstaͤndig, und ward, wie es scheint, nur bey kurzen Grundrissen, wie wir sagen wuͤrden nur bey Compendien, in der damahligen Sprache Institutiones, li- bri Regularum u. s. w. befolgt. Hatten et- wa schon die Roͤmer die Idee, daß bey groͤs- sern Werken eine weniger metaphysische Ord- nung Periode 3. Studium. nung hinreiche, weun nur jede einzele Ma- terie ungetrennt bleibe? Dieses dritte Sy- stem ist in unsern Institutionen angenom- men, und einige Neuere haben geglaubt, daß sich auch das Staatsrecht nicht anders vortragen lasse, waͤhrend daß andere es noch lange nicht abgezirkelt genug finden. Be- kanntlich geht das ius personarum voraus, aber zu diesem rechnete ein Schriftsteller bald mehr bald weniger von den Lehren, die schon Mein und Dein voraussetzen, z. B. von der dos. Ob unter dem Nahmen res und actio- nes das ganze ius rerum vom Processe, oder nur das ius in rem, wohin auch Verlassen- schaften gerechnet wurden, von dem ius in personam getrennt waren, ist streitig; je- nes hat die meisten Stimmen, und dieses die meisten Gruͤnde fuͤr sich. §. 125. Ulpians Zeitgenosse und Nachfolger, vielleicht auch sein Rival war Julius Faullus, dem man es zum Fehler anrechnet, daß er auch von den beruͤhmtesten seiner Vorgaͤnger abzugehn sich erlaubte. Wenn man die ein- zelen Buͤcher seiner Werke zusammenzaͤhlt, so kommen bey 300 heraus, ein kurzer und ein ausfuͤhrlicherer Commentar uͤber das Edict, einer uͤber die leges, ein Auszug aus Labeo Theil I. bis Justinian. Labeo , und 6 Buͤcher facta, oder Erzaͤh- lungen von Rechtssachen, die im hoͤchsten Ge- richte, unter Direction des Kaisers selbst, untersucht und entschieden worden waren. Seine 5 Buͤcher receptae sententiae schraͤnk- ten sich auf ausgemachte Rechtssaͤtze ein, und deswegen wurden sie nachher allgemein als Entscheidungs Norm vorgeschrieben. Wir ha- ben noch Fragmente davon mit Gojarichs Paraphrase, von Sichard, Cujas, Rit- tershusen und Schulting bekannt gemacht. §. 128. Auch Callistratus, Aelius Marcianus, Florentinus, Licinius Rufinus, Aemilius Macer, und Herennius Modestinus, ein Schuͤler Ulpians , von welchem wir auch griechische Fragmente haben, lebten vor und unter Alexander , denn nach seiner Zeit kommt kein großer Rechtsgelehrter mehr vor. Die Ursache, dieses Phaͤnomens hat man darin gesucht, daß nun die Auguste so haͤu- fig die Stelle der Juristen vertreten, und auf juristische Anfragen geantwortet haͤtten. Allein wenn es auch wahr waͤre, daß die Auguste, welche so gerne neue Gesetze ga- ben, auch fuͤr Privatleute in einzelen Sa- chen sich am zugaͤnglichsten zeigten, so koͤnn- te doch ein neuer oder gewoͤhnlicherer Weg, Beleh- Periode 3. Studium. Belehrungen zu erhalten, ein Mann mehr, der jus respondirte, unmoͤglich andere Consu- lenten entbehrlich gemacht haben. Der wah- re Grund des Verfalls liegt wohl eher darin, daß wirklich Papinian, Ulpian und Pau- lus ihre Wissenschaft bis auf einen so hohen Grad der Vollkommenheit cultivirt hatten, von welchem sie nun nach dem Verhaͤltnisse zu andern Theilen der menschlichen Erkennt- niß nicht mehr steigen konnte, sondern von welchem sie eben deswegen wieder sinken muß- te. Der hoͤchste moͤgliche Grad von Voll- kommenheit war erreicht, wenigstens hat nie ein Volk sein Privatrecht schoͤner ausgebil- det, und es ist noch nicht im Reinen, ob die Vorzuͤge, worin viele Neuere die Classiker zu uͤbertreffen glauben, auch wahre Vorzuͤge sind, ob es z. B. wirklich besser gewesen waͤ- re wenn der praefectus praetorio, als Chef der Gesetz Commission, seine Meynung be- fohlen haͤtte, als da er sie wie ein Privat- schriftsteller vortrug. Es fanden sich wenig- stens in den zahlreichen civilistischen Schrif- ten so unzaͤhlige Faͤlle entschieden, daß schwa- che Menschen sehr natuͤrlich glauben mußten, es komme nun nur darauf an, im Nachschla- gen recht geuͤbt zu seyn, so koͤnne man das eigene Nachdenken und die Muͤhe, aus Grundsaͤtzen zu schließen gar wohl entbehren. K End- Theil I. bis Justinian. Endlich beschaͤfftigten sich seit Constantin die thaͤtigsten und besten Koͤpfe nicht mehr mit der Jurisprudenz sondern mit der Theologie, denn diese schien sich in dieser und in jener Welt weit besser zu belohnen. Kurz man sollte eigentlich eher fragen, wie es kam, daß das Roͤmische Recht noch so lange sich bluͤ- hend erhielt, als warum es endlich, wie alle andre Wissenschaften und Werke des Ge- schmacks, in dem undankbaren Boden, zu der Zeit da nur Bischoͤfe und Verschnittene Mi- nister wurden, verwelkte. Viele guͤnstige Umstaͤnde hatten zusammengewirkt, es noch bisher zu erhalten, fast alle Umstaͤnde tru- gen in der folgenden Periode dazu bey, es zu unterdruͤcken. Vierte Periode , von Alexander Sever bis Justinian Jahr Roms 1000 — 1300, nach Christus 250 — 550. §. 129. S o elend die Quellen fuͤr diese Periode sind, so angenehm ist es unter den Bear- Periode 4. Quellen. Bearbeitern Gibbon’s history of the decline and Fall of the Roman empire und die be- sten Werke uͤber die Kirchengeschichte anfuͤh- ren zu koͤnnen. Quellen des Rechts. §. 130. I n den 50 ersten Jahren dieser Periode wechseln die Kaiser so schnell, daß die- ses allein hinreichend gewesen waͤre, man- ches in Verwirrung zu bringen, und doch waren uͤberdieß meist noch zu gleicher Zeit mehrere Auguste neben einander und sogar gegen einander. Die Regierung von Ma- ximin , den beyden Gordianen , und von Maximus und Balbinus sind nur voruͤber- gehend, aber Gordian 3 regiert wieder vol- le sechs Jahre. Nicht viel kuͤrzer, aber viel schlechter regiert, Philipp , der Roms zehn- tes Jubileum feyerte. Decius blieb bald gegen die Gothen, und nach dem schnellen Sturze von Gallus und seinen Collegen, ward zwar Valerian von Senate anerkannt, aber bey weitem nicht von allen Souverneuren. Ihrer warfen sich so viele zu Kaisern auf, daß man den Nahmen der 30 Tyrannen, was die Zahl betrifft nicht ganz so ungluͤck- K 2 lich, Theil I. bis Justinian. lich, wie in jeder andern Ruͤcksicht, auf sie anwendete. Gallien ließ seinen Vater in der Persischen Sclaverey sterben, und re- gierte 7 Jahre allein, wie er 7 Jahre mit ihm regiert hatte. Auf Claudius folgte Aurelian , der Ueberwinder der Zenobia . Viel gelinder und menschlicher, als er, wuͤr- de wohl Tacitus regiert haben; ihn ersetz- te Probus ziemlich, auf welchen, nachdem Carus und seine Soͤhne Carin und Nu- merian abgetreten waren, endlich wieder ei- ne bleibende Regierung folgte, die in man- cher Ruͤcksicht Epoche macht. §. 131. Diocletian naͤhmlich ist der erste Kaiser, der orientalische Etiquette an seinem Hofe bleibend einfuͤhrte; er ließ die Praͤtorianer eingehen und erhob die Jouiani und Hercu- liani an ihre Stelle; er nahm nicht nur ei- nen Collegen in der Person Maximians , sondern auch zwey Unterkaiser und Thronfol- ger ( Caesares ) Galerius und Constantius ab, und mit diesen theilte er die Geschaͤfte nach den Provinzen; er entfernte sich von Rom, und waͤhrend daß er in Nicomedien residirte, erwaͤhlte sein College Mayland; endlich gab er das erste Beyspiel eines Au- gusts, der die Krone ganz niederlegte. Se- verus Periode 4. Quellen. verus und Maximin, Maxentius und Licinius regieren in mannichfaltigen Combi- nationen mit den vorigen Caͤsaren, mit dem Ex- Auguste Maximian und mit dem, der endlich sie alle uͤberlebt oder uͤberwindet, mit dem, durch welchen die christliche Religion herrschend und bald auch verfolgend wird, mit Constantin . §. 132. Wer weiß es nicht, daß er NeuRom, oder Constantinopel baute, in einer Lage die fuͤr die Hauptstadt der Welt nicht besser ge- waͤhlt werden konnte, naͤher der Grenze, wel- che damahls, seitdem das Parthische Reich durch das Neu-Persische gestuͤrzt war, weit mehr ausgesetzt schien, als die, von welcher die Sieger nachher einbrachen? Die Roͤmi- sche Sprache und das Roͤmische Recht muß- ten darunter leiden, das Roͤmische Recht mußte nun schneller als sonst aufhoͤren, Roͤ- misches Recht zu seyn, schneller als sonst mehr dem vermeynten Vernunftrechte sich naͤhern, denn die Residenz war in einer Grie- chischen Provinz, die neue Religion, von nun an fuͤr den Kaiser die Hauptsache, kam aus griechischen Provinzen. Der Senat in Rom verlor nun vollends allen Einfluß, sie waren ja Heyden, und wenn Rom noch im- K 3 mer Theil I. bis Justinian. mer die groͤßte Stadt im Reiche war, so lag diese nun doch in einer Provinz, und gar nicht in der wichtigsten, sondern in der, welche am meisten entvoͤlkert, doch ihre Ein- wohner nicht naͤhren konnte. Der Senat in Constantinopel war folgsamer; fast alle seine Mitglieder nahmen die Religion an, welche ohne die Lehre vom passiven Gehorsam sich schwerlich so lange unter dem Drucke erhal- ten haͤtte, und welche Einbildungskraft ge- hoͤrte nicht dazu, diese Versammlnng fuͤr dieselbe zu halten, deren erste Bevollmaͤchtig- ten die Antonine hatten seyn wollen, oder gar fuͤr dieselbe, welche ehemahls so manchen Koͤnig gemacht oder gestuͤrzt hatte! — Con- stantin behielt die Eintheilung des Staats bey, welche Diocletian gemacht hatte, aber jeder der Theile stand nur unter einem prae- fectus praetorio, dem sogar das Commando der Truppen entzogen ward, um 30 kuͤnsti- ge Tyrannen unmoͤglich zu machen. Er er- nannte Patricier, als eine blos persoͤnliche Wuͤrde, mit welcher zwar oft, aber nicht immer, auch ein Gouvernement verbunden war. Sein Hofstaat glich immer mehr der Pracht eines orientalischen Despoten: der Intendant des ersten Augusts war ein Frey- gelassener gewesen, jetzt ragte der quaestor palatii uͤber die meisten Generale und Mini- ster Periode 4. Quellen. ster hervor, und es waͤhrte nicht sehr lange bis die Stelle des praepositus sacri cubiculi zu den allerersten im Staate gehoͤrte. Eine Folge der Pracht die bey Hofe herrschte, waren wohl die neuen Abgaben, deren eini- ge z. B. das aurum lustrale die Industrie so gedruͤckt haben sollen. §. 133. Erst kurz vor seinem Tode nahm Constan- tin die Taufe an, und wenn man die Vor- urtheile seines Zeitalters und die Flecken sei- nes Characters kennt, so muß man es aller- dings billigen, daß er recht sicher gehen woll- te. Aber schon als Catechumen hatte er ei- ne neue Branche von Gesetzgebung entdeckt, womit alle seine Nachfolger sich weit mehr und eifriger beschaͤfftigten, als August sich mit der Bevoͤlkerung und dem Flore des Reichs beschaͤfftigt hatte. Es war nicht ge- nug, die christliche Religion zur herrschenden und bald beynahe zur einzigen zu machen; noch wichtiger war es festzusetzen, welche Meynungen man haben muͤsse, um bey der christlichen Religion nicht noch mehr Gefahr zu laufen, als bey der heidnischen. Einen Anhaͤnger der alten Gebraͤuche des Landes dultete man viel eher, als einen Ketzer, aber wer gerade unter dieser Regierung das Recht, K 4 sei- Theil I. bis Justinian. seine Gegner als Ketzer zu verfolgen genießen, wer in Hoffnung besserer Zeiten sich von den sogenannten Rechtglaͤubigen verfolgen lassen sollte, — dieß entschied nicht immer der Kaiser fuͤr sich, sondern meist ein Senat von Bischoͤfen, und kein Mensch stieß sich daran, daß so was vorgeschrieben ward, denn fuͤr ein entnervtes Zeitalter ist freye wissenschaft- liche Untersuchung so laͤstig in jedem Zweige der menschlichen Erkenntniß, als fuͤr ein schwaches Individuum. Weit weniger wich- tig schienen nicht nur fast dem ganzen Zeit- alter, sondern waren auch schon allein des- wegen die nicht theologischen Gegenstaͤnde der Regierung, und die Zweifel oder Streitig- keiten der Rechtsgelehrten. Diese entschied der Kaiser allein, und von nun an erst ist beynahe jede constitutio eine Verordnung, waͤhrend daß selbst Diocletian fast immer nur erklaͤrt hatte, was, seiner Einsicht nach, ohnehin Rechtens ( manifesti juris ) sey. Con- stantin verbot die alte Landesreligion, aber ohne sie gleich auszurotten, er befahl die Fey- er des Sonntags, er gestattete die Kirchen im Testamente zu bedenken, und in den Kir- chen Sclaven frey zu lassen, er schraͤnkte den Concubinat ein, und suchte, durch die Vor- theile der vaͤterlichen Gewalt, zur Verwand- lung desselben in eine vollkommene Ehe zu be- wegen Periode 4. Quellen. wegen. Die Fechterspiele sollten aufhoͤren, und die Einschraͤnkung der Veraͤusserung von Pupillenguͤtern ward auf alle liegende Gruͤn- de, und selbst auf kostbare bewegliche Dinge ausgedehnt. Eine Folge und ein Beweis des Drucks durch die neuen Abgaben sind die Verordnungen uͤber den Verkauf der neu- gebornen Kinder, uͤber das was dem Land- manne duͤrfe weggenommen werden, vielleicht auch uͤber die lex commissoria. §. 134. Die drey Soͤhne Constantins, Con- stantin, Constans und Constantius wer- den oft verwechselt, und die Aehnlichkeit in ihren Nahmen ist kaum groͤßer, als die Aehnlichkeit ihrer schwachen, argwoͤhnischen und theologisirenden Regierungen. Der letz- tere, der anfangs nur den Orient erhalten hatte, blieb allein uͤbrig, aber er war ein Arianer und verdient also kein Mitleiden, daß er auf dem Zuge gegen den Ueberwin- der der Deutschen starb. Die erneuerten Be- fehle gegen die alte Religion sollen den Nah- men pagani veranlaßt haben, und die Stel- le von Constantius II. 58. const. 1. wird an- gefuͤhrt um die Epoche zu bestimmen, von welcher an die genaue Beobachtung herge- brachter Ausdruͤcke unnoͤthig geworden sey. K 5 Aber Theil I. bis Justinian. Aber wahrscheinlich kam diese Zeile nur ge- legentlich vor, und der Kaiser erinnerte ei- nen Gouverneur nur an das, was nach dem ganzen Geiste des Zeitalters, zumahl in Asien, sich von selbst zu verstehen scheinen mußte. §. 135. Julian der Neffe Constantins war ein Gegner der christlichen Religion, vielleicht weil es die Religion seiner Verfolger gewe- sen war, vielleicht aus Eitelkeit, aber ge- wiß aus Aberglaube. Daß er seine Meynung ausbreiten wollte, kann niemand, ohne in- consequent zu seyn, an ihm tadeln, wer die Verordnungen Constantins fuͤr die seinige lobt, und daß selbst Julians , des gelehr- ten und tapfern Julians Meynung so un- vernuͤnftig war, ist ein deutlicher Beweis, wie viel mehr das Zeitalter auf das Chri- stenthum, als dieses auf jenes nachtheiligen Einfluß gehabt hatte. Julian konnte die Erfahrung nicht vollstaͤndig machen wie we- nig sich durch Befehle erzwingen lasse, was in der gedruͤckten Kirche von selbst entstanden war, z. B. Armenanstalten und Unterricht der Jugend; er blieb nicht ganz zwey Jahre nach dem Tode seines Vetters gegen die Perser. §. 136. Periode 4. Quellen. §. 136. Die Familie Constantins war nun wie- der erloschen, und Jovian starb bald nach dem ersten Frieden, worin die Grenzen des Reichs verengt wurden. Valentinian I. und sein Bruder Valens , dem Eutrop ein so naives Compliment macht, zeichnen sich etwa durch ihre Grausamkeit aus. Letzterer re- gierte mit seinen Neffen Gratian und Va- lentinian II. bis in der Schlacht bey Adria- nopel, die er gegen die Gothen verlor, die Kirche von dem Arianer befreyt ward, und bis Theodos den Thron bestieg, um das Reich zu retten. Theodos , der zuletzt nach- dem er mehrere voruͤbergehende Gegenkaiser uͤberwunden hatte, allein regierte, und seine Soͤhne zu Mitregenten annahm, Theodes , der orthodoxe und folgsame Verehrer der Bi- schoͤfe, verdient den Beynahmen des Großen in keiner Ruͤcksicht besser, als wenn man ihn mit seinen Nachfolgern vergleicht, denn eine solche Reihe der duͤrftigsten Regenten, die nun im Oriente den Feinden des Reichs die schoͤnsten Provinzen und Rom selbst preiß geben ließen, — eine solche Reihe von Re- genten, deren Nahmen nur dazu dienen wuͤr- de, die Zeitrechnung zu bestimmen, wenn ihre Guͤnstlinge nicht so viele Constitutionen uͤber Rechtssaͤtze gemacht haͤtten, — eine solche Theil I. bis Justinian. solche Reihe von Regenten, wo immer der Nachfolger noch schwaͤcher war, als sein aͤus- serst schwacher Vorgaͤnger, — ist ein selte- nes Schauspiel in der Geschichte. §. 137. Die Theilung des Reichs zwischen Ar- cadius und Honorius , zwischen dem Muͤn- del von Rufinus und dem von Stilicho ist keine sehr wichtige Epoche, denn getheilt ward schon vorher sehr oft eben so, und ei- ne Theilung auf ewig war auch diese nicht. Auf Arcadius folgte sein Sohn Theodos der Juͤngere , und dieser konnte, als sein Oheim, der Moͤrder Stilicho’s , den Ala- rich dafuͤr gezuͤchtigt hatte, starb, seinen ei- genen Schwiegersohn Valentian 3 zum Au- gust im Occident machen. Beyde veranstal- teten eine authentische Sammlung der Con- stitutionen der christlichen Kaiser d. h. der Kaiser, deren Constitutionen nicht mehr meist nur Urtheile des hoͤchsten Richters waren. Die aͤltern standen schon in zwey Sammlun- gen, ( Codex Gregorianus und Hermogenia- nus ) die wahrscheinlich von Zeitgenossen Con- stantins gemacht worden waren, ohne hoͤ- hern Befehl, weil es keinen braucht um Ur- kunden zusammen abzuschreiben, die man bisher einzeln abgeschrieben hat. Auch der Co- Periode 4. Quellen. Codex Theodosianus sollte eine bloße Samm- lung seyn und die Compilatiren nahmen sich nicht mehr Freyheit, als wohl jeder Compi- lator sich erlaubt, der nicht alles in extenso abschreibt; sie kuͤrzten ab, und machten aus einer constitutio so viele Stuͤcke als sie glaubten zum bequemen systematischen Ordnen noͤthig zu haben. 438 ward diese Samm- lung in 16 Buͤchern fertig, wovon nur etwa das 2te bis 5te eben die Gegenstaͤnde, wie das Praͤtorische Edict behandeln, sie ist stu- fenweise durch die Bemuͤhungen von Si- chard , du Teil und Cujas fast ganz wieder hergestellt, und die Ausgabe, welche der juͤngere Godefroi ausarbeitete und Mar- ville besorgte, Ritter aber noch mit Zu- saͤtzen bereicherte, ist ganz so, wie sie seyn mußte, um diese Quelle der Geschichte und des Rechts fuͤr alle, die sie brauchen wollen, recht brauchbar zu machen. §. 138. Durch den Codex Theodosianus war nur eine Entscheidungsquelle etwas be- richtigt, aber die Rechtssaͤtze, die nicht auf Constitutionen beruhten, haͤtten noch wie vor- her wissenschaftlich bewiesen werden sollen, und wurden es durch bloßes Citiren, weil man schon damahls Autoritaͤten bequemer und Theil I. bis Justinian. und sicherer fand, als Gruͤnde. Ungluͤckli- cherweise wichen aber die Autoritaͤten oft von einander ab, wie dieß wohl bey allen Schrift- stellern uͤber Wissenschaften der Fall seyn wird, und dann behauptete der Gegner auch sehr oft, das Citat sey vtelleicht unaͤcht, das Original gar zu alt, und durch die immer unwissendern Abschreiber gar zu oft veraͤn- dert. Wahrscheinlich hatten schon vorher- gehende Kaiser hierauf Ruͤcksicht genommen, aber die wichtigste Verordnung hieruͤber im Codex Theodosianus I. 4. const. vn. ist von Valentinian III. Fuͤnf Classiker: Papi- nian, Paulus, Cajus, Ulpian und Mo- destin sollten citirt werden duͤrfen auf das Ansehen einer einzigen Handschrift hin; hin- gegen die Schriftsteller, welche sie anfuͤhren, gelten in andern Stellen nur, wenn mehre- re Handschriften uͤbereinstimmen. Unter die- sen ist Sabinus genannt ganz an der Seite von Julian . Wenn nun die Meynung jedes an- gefuͤhrten Classikers mit oder ohne Verglei- chung von Handschriften klar ist, und sie wei- chen unter sich von einander ab, so sollen die receptae sententiae von Paulus immer be- folgt werden, weil sie nur ausgemachtes Recht enthalten; entscheiden diese nicht so zaͤhlt man nicht die Stellen, sondern die Au- toren, ihre Majoritaͤt entscheidet, bey glei- chen Periode 4. Quellen. chen Stimmen gibt Papinian den Aus- schlag; sonst steht es dem Richter frey, wel- cher Meynung er beytreten will, uur die No- ten von Ulpian oder Paulus uͤber Papi- nian gelten gar nicht a). Dieser Verord- nung merkt man das fuͤnfte Jahrhundert an, sie war eine Folge des tiefen Verfalls der Litteratur und des Roͤmischen Rechts, das, noch hundert Jahre weiter ins Mittelalter hinein, die hoͤchste Stufe der Vollkommen- heit erreicht haben soll. Papiniani, Pauli, Gaji, Vlpiani atque Modestini scripta vniuersa firmamus ita, vt Gajum atque Paulum, Vlpianum \& cae- teros comitetur auctoritas lectionis, quae ex omni opere recitatur. Eorum quoque scientiam, quorum tractatus atque senten- tias praedicti omnes suis operibus miscue- runt, ratam esse censemus, vt Scaeuolae, Sabini, Juliani atque Marcelli, omnium- que quos illi celebrarunt: Si tamen eorum libri propter antiquitatis incertum, codi- cum collatione firmentur. Vbi autem di- uersae sententiae proferuntur, potior nu- merus vincat auctorum: vel si numerus aequalis sit, ejus partis praecedat auctori- tas, in qua excellentis ingenii vir Papi- nianus emineat, qui vt singulos vincit ita cedit duobus. Notas etiam Pauli atque Vlpiani in Papiniani corpus factas ( sicur dudum statutum est ) praecipimus infirmari. Vbi autem pares eorum sententiae recitan- tur, quorum par censetur auctoritas, quod sequi Theil I. bis Justinian. sequi debeat eligat moderatio judicantis , Pauli quoque sententias semper valere \& caetera: (426). §. 139. Von den beyden Kaisern, deren Nah- men diese Verordnung traͤgt, von dem Kai- ser Martian im Orient, von Majorian, Severus und Anthemius im Occident sind auch Verordnungen vorhanden, welche in Ruͤcksicht auf den Codex Theodosianus neu sind, und Nouellae Constitutiones oder kurz Nouellae heißen. Die Kaiser in Ravenna waren ein Spiel der Deutschen, welche als Feinde oder als Miethsoldaten so lange die- jenigen absetzten, welchen sie selbst oder der Griechische Hof die Krone gegeben hatten, bis endlich um 476 Odoaker der Meynung war, wenn er Koͤnig sey, so brauche man keinen andern Kaiser, als den in Constanti- nopel. §. 140. Alle abendlaͤndischen Provinzen, selbst Italien nicht ausgenommen, das unter der Anfuͤhrung der Roͤmer die Welt sich unter- worfen hatte, waren nun von Deutschen ero- bert und wurden von Deutschen regiert. Die Menschen, welche nun bey einander wohnten machten den seltsamsten Contrast; die alten Einwohner ( Romani ) hatten alle Stufen der Cultur durchlaufen und waren eben deswe- gen Periode 4. Quellen. gen so entnervt, als je eine Nation gewesen ist; die Eroberer ( Barbari ) brachten ihre al- te Tapferkeit, aber auch fast ganz ihre alte Roheit und Unwissenheit mit. Unmoͤglich konnten so sehr verschiedene Menschen in po- litischer und juristischer Ruͤcksicht einander gleich gesetzt werden, ehe die Zeit und der taͤgliche Umgang sie veraͤhnlicht, die Roͤmer noch unwissender aber staͤrker, die Barba- ren lasterhafter aber etwas cultivirter ge- macht hatte. Anfangs war es wenigstens eben so wesentlich zu wissen, ob jemand ein Gothe oder ein Roͤmer sey, als zu welchem Geschlechte man gehoͤre; nachher wurden es zwey verschiedene Staͤnde, die man sich waͤhl- te wie man den geistlichen oder den weltlichen Stand sich waͤhlt, der jure Romano viuens war nicht in allen Stuͤcken schlechter, als der jure Salico viuens, und am Ende amalga- mirte sich das Recht, im ganzen Umfange des Worts, wie die Sprache, die Religion, und die Sitten. Von diesen Bestandthei- len bekam keiner das Uebergewicht ganz, es war ja auf der einen Seite zwar das Recht und die Sprache des Siegers, der herrschen- den gluͤcklichen Nation, aber das Recht und die Sprache der Ueberwundenen war aus- gebildeter und geschrieben, es war das Recht und die Sprache bey weitem des groͤßern, L zahl- Theil I. bis Justinian. zahlreichern einheimischen Theils der Mi- schung, und beydes war endlich der Reli- gion, welche die Sieger schon angenommen hatten oder doch gleich annahmen, viel gemaͤß- er. §. 141. Sehr natuͤrlich mußte das Roͤmische Recht, welches mit dem Deutschen kaͤmpfte, dasjenige seyn, welches die Roͤmer zuletzt gehabt hatten, also die 3 Sammlungen von Constitutionen und die Schriften besonders der spaͤthern Classiker. Aber wenn schon zu Anfang des fuͤnften Jahrhunderts, schon un- ter Valentinian III. der Verfall der Littera- tur eigene Maaßregeln noͤthig gemacht hatte, so konnte es nun wohl nicht anders kommen, als daß man unter einem Gothischen Koͤnige im sechsten Jahrhundert das dringendste Be- duͤrfniß fuͤhlte, die Quellen des Studiums reducirt, und die Sprache der Classiker durch Uebersetzungen in damahls gangbares Latein erlaͤutert zu haben. Dazu gab Koͤnig Ala- rich in Toulouse einem Gojaricus Comes den Auftrag, aber der arme Gojarich hat nicht nur die Ehre, seinem Auszuge den Nahmen zu geben, an den Canzler Anian verloren, sondern kein Mensch denkt anch nur daran, vielleicht blos weil Gojarich selbst nicht dar- an dachte, von ihm oder seinem Koͤnige zu ruͤh- Periode 4. Quellen. ruͤhmen, daß durch sie ausgefuͤhrt worden sey, was Cicero, Caͤsar und Pompejus ver- geblich gewuͤnscht haͤtten, wie von ihren juͤn- gern Zeitgenossen Justinian und Tribonian beynahe in allen Compendien geruͤhmt wird. Es war dasselbe Beduͤrfniß und man schlug denselben Weg ein: auch Gojarich sorgte fuͤr das Practische und nicht fuͤr die Gelehr- samkeit, auch er verbesserte die Classiker so gut er es verstand. Daß er nicht ganz so viele vor sich hatte, als Tribonian, setzt ihn noch nicht so sehr zuruͤck, denn auch dieser hatte wahrscheinlich nicht alle, die er citirt, und sonst unterscheidet sich Gojarich nur durch die Interpretation, die wohl kein Feh- ler ist, und durch die Sorgfalt, jeden Schrift- steller beysammen zu liefern. Es ist merk- wuͤrdig, aber sehr erklaͤrbar, daß auch hier das gewoͤhnliche Compendium, die Institu- tionen von Cajus, am meisten verbessert oder doch veraͤndert wurden. Auf allen Fall verdient Gojarich wohl den Dank eines je- den, der nicht die Classiker uͤber Justinian ver- gißt; und wer weiß, ob wir nicht eher den Griechischen als den Gothischen Compilator missen koͤnnten, wenn letzterer so vollstaͤndig, als jener, auf uns gekommen waͤre. Min- der wichtig ist die Burgundische Sammlung, L 2 wel- Theil I. bis Justinian. welche von dem ersten Excerpte Papiani (Pa- piniani) responsa heißt. Interpretatio ad C. Th. I. 4. const. vn. ‒ ‒ Scaeuola, Sabinus, Julianus atque Marcel- lus in suis corporibus non inueniuntur, sed in praefatorum opere tenentur inser- ti. ‒ ‒ Sed ex his omnibus juris consulto- ribus, ex Gregoriano, Hermogeniano, Gajo, Papiano \& Paulo quae necessaria causis praesentium temporum videbantur, elegi- mus. Von Ulpian ist gar keine Rede. §. 142. Waͤhrend der Revolutionen im ehemah- ligen abendlaͤndischen Reiche, und wahrschein- lich eben deswegen, weil der Sturm dieses traf, hatten die Kaiser in Constantinopel Muße, juristische und theologische Gesetze zu machen. Anf Theodos II war Martian, der TitularGemahl Pulcheriens gefolgt; nach 6 Jahren kam Leo I. aus Thrazien an seine Stelle, der befahl, wer kein catho- lischer Christ sey, sollte auch nicht advociren duͤrfen. Eben so lange, als er, d. h. 17 Jahre regierte Zeno, anfangs als College seines Sohns Leo’s II, dann 27 Jahre Anastas, dessen Finanzen wenigstens sehr gut waren. Nach seinem Tode erkaufte mit fremden Gelde ein Thrazier Justin I. den Thron. Er hob die Gesetze gegen die Miß- hey- Periode 4. Quellen. heyrathen auf, als seiner Schwester Sohn, der sein Nachfolger ward, im 40sten Jah- re die Tochter eines der Leute bey der Thier- hetze sich zur Gemahlinn erwaͤhlte. Dieß ist Justinian unser großer Gesetzgeber, von dessen langer Regierung von 527 — 565 so viele Gesetze im CorpusJuris, und so viele Rechtsgelehrte, alles moͤgliche Gute sagen, daß es kaum erlaubt ist, an die abweichen- den Nachrichten gleichzeitiger Schriftsteller, und an das Urtheil der juristischen Ketzer und der nicht juristischen Historiker zu erinnern. §. 143. Uprauda, so hieß er mit seinem ersten Nahmen, war der Sohn eines Illyrischen Bauers, aber dieß hatte auf seine Erzie- hung keinen Einfluß. Vermuthlich sorgte sein Oheim, schon damahls einer der ersten Officiere, dafuͤr, daß Uprauda oder Ju- stinian alles lernte, was man damahls zu einem Gelehrten von Stande erforderte, und wahrscheinlich las er eben so lehrbegierig theo- logische Polemiken, als er die Vorlesungen uͤber seinen Cajus anhoͤrte. Es that ihm wehe, wenn der Professor sich mit dem leidi- gen alten Rechte aufhielt, und im vsus mo- dernus sagte, dieß sey alles unbrauchbar; es that ihm wehe, auch wenn man es uͤber- L 3 schlug, Theil I. bis Justinian. schlug, denn wofuͤr stand es im Compendium, und warum machte man den alten Plunder nicht ganz entbehrlich? Wie er dieß auszu- fuͤhren suchte, als er Kaiser ward, werden wir gleich sehen, jetzt fuͤrs Erste die nicht-juri- stischen Begebenheiten seiner Regierung. §. 144. Er ließ seiner Gemahlinn schwoͤhren, wie sich selbst, und wenn Theodora gleich, als Befoͤrderinn der Ketzerey, einen uͤblen Nahmen hat, so verdiente ihr Muth im Nika-Tumulte diese Belohnung; denn sie war es, die den Kaiser rettete, als er aus Furcht vor der zur Verzweiflung getriebenen gruͤnen Faction fliehen wollte. Dieß ist frey- lich nicht die glaͤnzendste Stelle in Justinians Leben und der schreckliche Druck mit Aufla- gen war noch trauriger, als Erdbeben und Pest. Dagegen verewigte sich aber auch der Kaiser durch die noch jetzt bewunderte So- phienkirche, und durch eine Menge Festungen an der Grenze. Sein Gluͤck gegen auswaͤr- tige Feinde ist fast unerklaͤrbar, denn blin- des Gluͤck, selbst nur im Auffinden mehrerer großen Feldherren hinter einander, muß man so selten als moͤglich annehmen, und Justi- nian aͤrndete doch auch eben nicht was ganz vortreffliche Regenten vor ihm gesaͤet gehabt haͤt- Periode 4. Quellen. haͤtten. Der elende Zustand der Staaten, die er erobern ließ, that freylich sehr viel, denn Cosroes I oder Nushirvan erhielt doch in jedem Frieden Tribut, aber es waͤre un- gerecht daraus dem Kaiser einen Vorwurf zu machen, der weder wenn er schlug, noch wenn er geschlagen ward, sich persoͤnlich bey der Armee befand. An dem kurzen gluͤckli- chen Kriege gegen die Vandalen, und an dem hartnaͤckigen gegen die Ostgothen, wodurch znm letzten mahle der Roͤmische Kaiser Herr von Rom und Carthago ward, hatte Ju- stinian nicht einmahl allen den Antheil, welchen er, seiner Entfernung ungeachtet, haͤtte haben koͤnnen, und Belisars uner- schoͤpfliches Talent, Huͤlfsquellen zu entdek- ken, seine rastlose Thaͤtigkeit, Rebellionen zu daͤmpfen, wuͤrde sich weniger glaͤnzend aus- zeichnen, wenn er von seinem Hofe z. B. bey der Belagerung Roms durch die Gothen bes- ser unterstuͤtzt, wenn die neue Eroberung durch habsuͤchtige Gouverneurs weniger miß- handelt worden waͤre. Schon im Novem- ber 533 konnte Justinian sich Vandalicus nennen, aber Gothicus beruhte noch auf blos- sen Projecten und Hoffnungen, und wie konn- te er schon damahls auch nur hoffen, daß nach zwanzig Jahren der Sieg bey Casilinum, L 4 den Theil I. bis Justinian. den Narses erfocht, ihm einiges Recht zu Francicus und Alemannicus geben wuͤrde? §. 145. Die Eroberungen der Generale Justi- nians muͤßten seine Regierung fuͤr Histori- ker wichtig machen, aber daß auch Perso- nen, die von der Geschichte sonst so wenig wissen, doch seinen Nahmen mit Ehrfurcht nennen, kommt daher, weil unter ihm die Sammlungen gemacht wurden, woraus wir jetzt das Roͤmische Recht am meisten studie- ren sollten, und oft ganz allein, mit Zuruͤckset- zung reinerer Quellen, studieren. Eben die Ursachen naͤhmlich, welche Valentinians III. Citirgesetz veranlaßt, und welche das Breuia- rium Alaricianum noͤthig gemacht hatten, wirkten noch jetzt: Verfall der Litteratur uͤberhaupt und des Roͤmischen Rechts insbe- sondre, die Seltenheit der classischen Werke, und die Ungewißheit bey ihrer Anwendung, nach so vielen Constitutionen der Kaiser seit Constantin, und bey dem Abstande, den man in so vielfacher Ruͤcksicht zwischen der Lage des Volks, bey welchen dieses Recht sich gebildet hatte, und des Volks, welches nun darnach leben sollte, findet. Die aͤltere ConstitutionenSammlung war 200 Jahre, die neuere 100 Jahre alt; war es nicht eine Idee, Periode 4. Quellen. Idee, die bey einiger Thaͤtigkeit mehr als einem Privatschriftsteller haͤtte kommen sol- len, aus diesen Sammlungen das Brauch- bare, um dieses bekuͤmmerte man sich da- mahls doch allein, herauszuheben und durch die spaͤthern Verordnungen zu ergaͤnzen? Justinian war kaum 6 Monathe Kaiser, als er zu einem solchen Werke den Befehl gab. Vier Patricier, vier der vornehmsten Justizbedienten und zwey Advocaten sollten es verfertigen, unter diesen hatte Tribonian nicht den ersten, sondern den sechsten Platz. Er, dessen Nahmen so bekannt ist, als der Nahme Justinians, vereinigte mit der Ge- lehrsamkeit eines Polyhistors, mit der schoͤn- sten juristischen Bibliothek im ganzen Reiche, nicht nur die Gabe, bey seinen Herrn sich be- liebt zu machen, sondern, wenn dazu seine ganz unglaubliche Schmeicheley hingereicht haͤtte, auch die Kunst, seine Mitbuͤrger durch Herablassung mit seiner niedertraͤchtigen Hab- sucht beynahe auszusoͤhnen, darin ganz das Gegentheil seines Collegen Johanns von Cappadocien, der zugleich mit ihm beym Nikatumult abgesetzt werden mußte. Haͤtte Tribonians Entfernung laͤnger gewaͤhrt, so wuͤrden wir vielleicht weniger Verordnungen Justinians haben, die nicht blos aus Un- L 5 wis- Theil I. bis Justinian. wissenheit, sondern selbst absichtlich zweydeu- tig und unbillig sind. §. 146. Daß Justinian seinen Leuten erlaubte, nach Willkuͤhr an den Constitutionen der alten Kaiser zu aͤndern, hielt er gewiß fuͤr den groͤßten Beweis, den er von seiner Sorgfalt, nicht dlos sie zu sammeln, sondern auch zu verbessern, geben koͤnnte, und vielleicht wa- ren in seinem ganzen Reiche kaum zwey Ge- lehrte, denen die Constitutioneu auch ohne Ruͤcksicht auf das Practische interessant ge- schienen haͤtten. Wie schlecht wuͤrde aber der Hauptzweck Justinians, die Eintracht in der Lehre, der Vortheil, fuͤr welchen er weit mehr Sinn hatte, als fuͤr wissenschaft- liche Untersuchung, wie aͤußerst schlecht wuͤr- de dieser erreicht worden seyn, wenn nun den alten unveraͤnderten Editionen ihr gericht- licher Gebrauch geblieben waͤre? Diesen ver- bot er dießmahl, und bey seinen nachherigen Sammlungen, wo immer dieselben Gruͤnde eintraten; er drohte die Strafe der Falsarien jedem, der vor Gerichte von dem, was nicht von ihm selbst edirt sey, Notitz nehmen wuͤr- de, und er fuͤgte dadurch der Litteratur we- nigstens mittelbar einen unersetzlichen Scha- den zu. Es war gerade eben der Erfolg, wie wenn Periode 4. Quellen. wenn er die aͤchten Schriften haͤtte verbren- nen lassen, denn seine Zeitgenossen studirten nun die Quellen auch nicht einmahl mehr fuͤr sich, was sie doch ohne Falsum thun durften. §. 147. In Zeit von einem Jahre war die Samm- lung von Constitutionen fertig, das Werk, welches der Kaiser des Nahmens Codex Ju- stinianeus wuͤrdig hielt, weil noch nie ein Codex alles Brauchbare aus den Constitutio- nen vereinigt, und doch nur das Brauchbare, Nahmen und Datum allein waren eine Zu- gabe, enthalten haͤtte. Der Kaiser mochte sehen, daß eine solche Hercules-Arbeit im Grunde leichter sey, als man glauben sollte, znmahl da nie ein Schlosser ihm die Freu- de verdarb; Er selbst kam auf die Idee, oder Tribonian, der sich bey der ersten Ar- beit ausgezeichnet haben muß, und der keine Leidenschaft seines Herrn so gut benutzen konn- te, als diese Juristische, brachte ihn darauf, es sey gar nichts unmoͤgliches, wenigstens unter einer so augenscheinlich vom Himmel gesegneten Regierung, auch die andern Ge- setze in einen solchen vermehrten und verbes- serten Auszug zu bringen. So sehr war die Latinitaͤt und die Jurisprudenz gesunken, daß man nun schon laͤngst auch das ein Gesetz nann- Theil I. bis Justinian. nannte, was doch in jeder Ruͤcksicht von ei- ner alten lex so wesentlich verschieden war: ein Allegat aus einem classischen Juristen. Aus diesen koͤnnte man ein großes Gesetz machen, ohne Wiederholungen und ohne Wi- derspruͤche, und dagegen muͤßten natuͤrlich die zwoͤlf Tafeln und das Edictum perpetuum wahre Kinderspiele seyn. Aber Gehuͤlfen ge- hoͤrten dazu, und Zeit, und eine ausgedehn- te Vollmacht, — Tribonian erhielt 16 Rechtsgelehrte, worunter 4 Professoren, aber, eben nicht zum Ungluͤcke, keiner aus Rom, und auch nicht der geschmacklose Sylbenste- cher Priscian, sich befanden; er erhielt ei- ne Frist von 10 Jahren und die Constitu- tion: Deo auctore, welche Valentinians Citirgesetz, wenn es damahls noch galt, in Ansehung der Pluralitaͤt und der Vorrechte Papinians vernichtete. Die Arbeit ward frey- lich dadurch ungemein erleichtert, daß man nicht immer die Quellen selbst, sondern oft nur einen Epitomator z. B. Hermogenian excerpirte, in solchen Buͤchern fand man die Auszuͤge aus Classikern schon nach den Ma- terien zusammengestellt, und vielleicht schon mit Weglassung mancher Antiquitaͤt. In- dessen Justinians Leute hatten noch vieles zu aͤndern, und es ist keine Eitelkeit des Kai- sers, wenn er sagt, es seyen multa \& nu- me- Periode 4. Quellen. meratu non facilia nicht blos abgeschrieben, sondern auch nach bester Einsicht corrigirt worden, es ist aber auch keine leere Einbil- dung, wenn man von vielen Emblemen Tri- bonians spricht. Um davon uͤberzeugt zu seyn, darf man nur an die Muͤhe denken, welche Tribonians Gehuͤlfen sich gaben und geben sollten, alle Spuhren von dominium Quiritarium, und alle von den caduca zu ver- tilgen; man darf nur an die 50, mehr oder weniger, Decisionen denken, wozu Justi- nian durch seinen treuen Exquaͤstor Gelegen- heit erhielt, so oft in den Schriften der Clas- siker etwas aufstieß, was durch eine recht prunkvolle Constitutiou entschieden werden konnte. Die Ehre der kleinern Verbesserun- gen behielt Tribonian doch noch fuͤr sich. §. 148. Diese Sammlung von Excerpten, die denn freylich manchmahl etwas enthielten, woran der Classiker, dessen Nahmen gerade uͤber dieser Stelle sich findet, nicht gedacht hatte, obgleich auch das Werk und die Zahl des Buchs ausgedruͤckt sind, ward ohngefaͤhr so wie die 12 Tafeln, wie das Edict und wie so mancher Commentar daruͤber geordnet, Erst kam die Lehre vom Gerichtswesen und Proceß, dann die Contracte, nachher Ehe und Theil I. bis Justinian. und Tutel, und auf die ganze Materie von Verlassenschaften folgt die Theorie des Ei- genthums. Eine Art von Anhang enthaͤlt, noch vom Edicte her, die Stipulationen und Interdicte, und was dort nicht vorkam: das Criminalrecht und die Appellationsordnung. Dagegen waͤre nun nichts zu crinnern, denn theils braucht es keine metaphysische Tabelle, theils laͤßt sich diese allenfalls doch daraus machen. Aber Justinian begnuͤgte sich nicht mit dem von ihm gleich anfangs gegebenen Befehle, es muͤßten gerade 50 Buͤcher wer- den, sondern aus wichtigen Gruͤnden a) ver- theilte er diese wieder in 7 Theile, und um sie einander gleich zu machen, ward hier und da eine Lehre untergesteckt, so daß man jetzt noch allgemeiner uͤber die Ordnung dieses Werkes klagt, als man sie befolgt. Cujas lobt sie zwar sehr kraͤftig, aber was lobte Cujas nicht, wenn seine Gegner es tadelten oder besser machen wollten? Const. Dedit nobis §. 1. '‒ ‒ idque non perperam neque sine ratione, sed ad nu- merorum naturam atque harmoniam res- picientes. ‒ ‒ §. 149. Weder das Excerpirenlassen so vieler Schriften, noch die Entscheidung so mancher Streitfrage von oben herab, genuͤgte dem Kai- Periode 4. Quellen. Kaiser” dessen Eitelkeit in jeder Regentenbe- schaͤfftigung Nahrung fand.” Selbst das Compendium fuͤr die ersten Anfaͤnger sollte sein Werk seyn, dieß war sein Project, als man die ExcerptenSammlung anfing a), und noch ehe sie vollendet war, fuͤhrte er es aus. Auch diese Arbeit dirigirte Tribo- nian; er hatte zwey Professoren Theophi- lus, den Verfasser der griechischen Para- phrase, und Dorotheus unter sich. Die an- gehenden Juristen sollten nicht nur das Gluͤck haben, gleich im ersten Jahre uͤber eine con- stitutio, und nicht blos uͤber einen Classiker zu hoͤren, sondern ob die Verfasser gleich bey jeder Lehre auch das alte Recht historisch erzaͤhlten, weil ein altes Compendium zum Grunde lag, so ließen sie doch dasjenige ganz weg, was gar keinen practischen Nutzen hat- te, weil sie glaubten fuͤr den ersten Unter- richt tauge nur das Practische, weil nur das Practische schon an sich interessire b). Waͤ- ren zur Zeit von Justinian keine Sklaven mehr gewesen, so wuͤrde von diesen gewiß nichts in den Institutionen stehen, den Fall ausgenommen, daß erst der Kaiser die Skla- verey abgeschafft haͤtte, denn die Versuchung von sich selbst zu sprechen, machte ihn oft sei- nem Grundsatze ein wenig ungetreu, und freylich am Ende seiner gesetzgeberischen Re- gie- Theil I. bis Justinian. gierung war manches Antiquitaͤt, was im Jahre 533 practisch war. Die Institutio- nen sind nach dem Plane der Classiker, der am meisten systematisch war, gearbeitet, aber sie enthalten, den letzten Abschnitt de publi- cis judiciis ausgenommen, nichts als Privat- recht, die Rechtsgeschichte und das christliche Kirchenrecht fehlt ganz, manche Lehre, welche im Systeme des alten Recht gar nicht ent- behrt werden kann, ist absichtlich weggelassen, und manche, die noch immer sehr practisch war, ist vergessen z. B. Transaction, Re- stitution, Eid, Zeugen, Urkunden, Appel- lation, Concurs, das SC. Vellejanum, das Meiste von der dos, collatio bonorum, Zin- sen, aedilitium edictum, Evictionsleistung u. s. w. Const. Deo auctore §. 11. Ideo jubemus duobus istis codicibus omnia gubernari: uno constitutionum, altero juris enuclea- ti ‒ ‒ ‒ vel si quid aliud fuerit, a nobis promulgatum institutionum vicem obtinens, vt rudis animus studiosi simplicibus enu- tritus \&c. VII. 25. eonst. vn. ‒ ‒ ‒ per quod ani- mi juuenum, qui ad primam legum veni- unt audientiam, perterriti ex primis eorum cunabulis inutiles legis antiquae dispositio- nes accipiunt. Prooem. Inst. §. 3, nihil inutile, nihilque perperam positum, sed quod in ipsis rerum obtinet argumentis, ac- cipiant. §. 150. Periode 4. Quellen. §. 150. Die Institutionen wurden fruͤher fertig, als die Pandecten oder Digesten, aber auch diese konnten schon 3 Jahre nachdem sie an- gefangen worden waren, zugleich mit jenen confirmirt werden. Um die Wissenschaft recht zu fixiren, oder um zu machen, daß sie keine Wissenschaft mehr sey, verbot Ju- stinian alle Commentare, damit nicht wieder das Gesetz unter den Schriften der Gelehr- ten begraben werde. Er sorgte fuͤr die Un- veraͤnderlichkeit seines Werks durch Befehle an alle Abschreiber; indessen erfuhr er doch selbst, daß es mit der ewigen Dauer aller menschlichen Anstalten nicht so leicht gehe, als mit ihrer Veraͤnderung. Der codex Ju- stinianeus war noch 529 so vortrefflich ge- wesen; schon 534 gestand Justinian, daß erst die zweyte Ausgabe, (Codex repetitae praelectionis) welche Tribonian, der nun auch Ex-Consul heißt, Dorotheus, der zu seinerProfessur auch den Character und Rang als Quaͤstor erhalten hatte, und drey Ad- vocaten, besorgten, ganz vollstaͤndig und fehlerlos sey, und daß, wer die erste Ausga- be anfuͤhre, auch als falsarius bestraft werden muͤsse, weil in derselben viele Constitutioneu fehlten, manche, die er jetzt selbst fuͤr uͤber- fluͤssig halte, stuͤnden, und weil uͤberhaupt M sie Theil I. bis Justinian. sie den Pandecten und Institutionen oft wi- derspreche. §. 151. Ungluͤcklicher Weise hat man aber ge- funden, daß selbst die zweyte Ausgabe, die voͤllig mit den Pandecten und Institutionen uͤbereinstimmen sollte, hier und da von ih- nen abweiche, und daß auch Institutionen und Pandecten unter einander zuweilen unei- nig seyen. Mannichfaltige Regeln hat man aufgestellt, um zu bestimmen, was vorgehe, wenn ein Regent bey der Absicht dasselbe zu sagen, was er schon gesagt hat, aus mensch- licher Schwachheit gerade das Gegentheil er- klaͤrt. Justinian selbst sagt N. 89. C. 7. es stuͤnden Constitutionen im Codex blos we- gen der alten Processe, und N. 158. C. 1. scheint er doch vorauszusetzen, daß alles, was in derselben Sammlung enthalten sey, gleiche Kraft habe. So viel ist wohl gewiß, daß eine Abhandlung uͤber die Rangordnung die- ser drey Werke nicht das Mittel gewesen waͤ- re, bey Justinian sich zu empfehlen, so we- nig als eine Abhandlung uͤber die Frage, ob nun alles lauter Gesetze seyen was er hat- te sammeln lassen. §. 152. Klar ist die Absicht zu aͤndern bey denje- nigen Verordnungen Justinians, welche er nach Periode 4. Quellen. nach geschlossenem Corpus juris bekannt mach- te. Fuͤr seine Unterthanen waren diese un- streitig von der groͤßten Wichtigkeit, denn erst wenn keine neue Verordnung die Sache entschied, galt das aͤltere in den drey Samm- lungen enthaltene Recht. Aber in Ruͤcksicht auf ihren innern Werth sind die Novellen schlechter, als alles vorhergehende, nicht blos wegen ihrer aͤußerst schwuͤlstigen Spra- che, sondern auch schon deswegen weil die feh- lerhaften Anstalten darin nicht durch den Gebrauch und das Nachdenken mehrerer Jahrhunderte gepruͤft und abgeschliffen wa- ren. Bey diesen Umstaͤnden kann man sich daruͤber troͤsten, daß gestritten wird ob alle 168 Novellen (nicht alle sind von Justinian, und nicht alle von Justinian sind darunter be- griffen) oder nur die 98 glossirten bey uns gelten; ob das griechische Original oder die elende, nur von Cujas gelobte Uebersetzung vorgehe; und ob endlich in der Collision nicht die Novelle dem Auszuge daraus, welcher noch spaͤther im Mittelalter gemacht ward, weichen muͤsse. §. 153. Es kann nun nicht schwer seyn zu bestim- men, in welcher Ruͤcksicht das Justinianeische Rechtsbuch ein Meisterstuͤck des menschlichen Verstandes, und in welcher es ein warnen- M 2 des Theil I. bis Justinian. des Beyspiel fuͤr alle, welche Gesetzbuͤcher machen wollen, genennt zu werden verdie- ne. Die eigenen Gesetze Justinians sind viel- leicht am besten dadurch characterisirt, wenn man die Worte eines Kirchenhistorikers auch aus diesen Theil seiner Regierung anwendet: “Ein solcher halbgelehrter Theologe, wie der Kaiser nothwendig seyn mußte, war eben daher von beyden Partheyen zu lenken, und aus Liebe zum Kirchenfrieden wurde er der Orthodoxie schaͤdlich, aus Eifer fuͤr Ortho- doxie dem Kirchenfrieden nachtheilig.” Als halbgelehrter Jurist waren seine zwey Zwecke Simplicitaͤt und Billigkeit: Bald opferte er diese jener, bald jene dieser am unrechten Or- te auf. System des Rechts am Ende dieser Periode . §. 154. I. Ius publicum A. Eigentliches StaatsRecht oder Grund: gesetze. Der Staat voͤllig despotisch in der Art wie die Kaiserliche Wuͤrde erlangt ward, und in der Kraft jeder Willenserklaͤrung des Kai- sers, Periode 4. System. sers, selbst in Religions- und Rechts-Saͤt- zen. Die Religion war noch keine sehr be- deutende Einschraͤnkung; denn obgleich der Kaiser in Glaubens-Sachen nur der Inte- rims-Repraͤsentant der Kirche und der Stell- vertreter der Concilien war, so hing es doch von ihm ab, diese zu versammeln, und selbst der Bischof von Rom konnte noch, wie Vi- gilius erfuhr, vom Kaiser mißhandelt wer- den. Der Senat war ein bloßer Gerichts- hof. §. 155. B. Staats Policey-Recht oder Regierungs- gesetze 1. Aemter. Im Senate, der in der hoͤchsten Instanz Rechtssachen untersuchte, um dem Kaiser einen Antrag zu thun, votirte erst der praefectus vrbi, dann alle Patricier, hernach die Consulen, und zu- letzt alle uͤbrigen praefecti, magistri mili- tum und illustres. Das Consulat war sehr kostbar, daher die Zeitrechnung nach den letzten vorhergehenden Consulen. Un- ter Justinian erhielt zum letzten mahle ein Particulier diese theure und uunuͤtze Ehre. — Bey Hofe der quaestor sacri palatii, magistri libellorum u. s. w. — In den Provinzen praesides welche zwar M 4 einen Theil I. bis Justinian. einen fuͤrchterlichen Eid ablegen sollten, daß sie ihre Stelle nicht gekauft haͤtten, aber dieß ging nur auf außerordentliche Be- zahlung, nicht auf den gewoͤhnlichen selbst gesetzlich bestimmten Preiß. Sie mußten auch, und vielleicht war dieß die Haupt- sache, fuͤr die Revenuͤen stehen, und hatten die allgemeine Gerichtbarkeit in der Pro- vinz und selbst das Commando uͤber die Truppen; ihre Subalternen waͤhlten sie sich. 50 Tage nach niedergelegtem Amte konn- ten sie in der Provinz vor ihrem Nach- folger belangt werden, so lange mußten sie noch bleiben, denn waͤhrend ihrer Ge- walt war die Anklage sogar nur selten er- laubt. Ihre Controle waren die Bischoͤffe. — Die Municipalobrigkeit in den Staͤdten hat- ten die decuriones, aber ihre Stelle war viel laͤstiger, als man einsieht daß sie haͤtte seyn muͤssen. §. 156. 2. Einkuͤnfte. Bey den Verschwen- dungen Justinians ward nicht nur der Schatz, den Anastas gesammelt hatte, er- schoͤpft, sondern es waren auch eine Menge neuer Quellen noͤthig. Abgaben der man- nichfaltigsten Art, sogar das Aërion ein jaͤhrliches Praͤsent, das der praefectus prae- Periode 4. System. praetorio dem Kaiser machen, und wofuͤr er sich wieder zu entschaͤdigen suchen mußte, ein neuer Zoll im Hasen der Hauptstadt, Monopolien, Reductionen bey Hofe und bey der Armee, selbst die Municipal- Cas- sen fuͤr Posten, Aerzte und Erleuchtung mußten dem Geldmangel abhelfen. Da- hin gehoͤrten auch die immer steigenden Privilegien des Fiscus im Privatrechte. §. 157. 3. Religion. Dieß ist so sehr der LieblingsGegenstand der Gesetzgebung Ju- stinians, daß ein System des Justinia- neischen Rechts, worin das ReligionsRecht ganz uͤbergaugen wird, wohl nicht vollstaͤn- dig seyn kann. In der Religion uͤberhaupt verbot Ju- stinian, wie schon seine Vorgaͤnger gethan hatten, alle Abweichungen von seiner eige- nen Meynung, und gar sehr oft hat es auf Mein und Dein Einfluß, ob jemand ein Ketzer oder ein Rechtglaͤubiger sey. Indes- sen war Justinian nicht intoleranter, nur viel- leicht offenherziger, als manche andere: so sagt er Nou. 144 . er nehme die Bauern von einem Strafgesetze gegen gewisse Ketzer aus idque non ipsorum gratia sed propter con- M 4 flitu- Theil I. bis Justinian. stitutionem praediorum quae ab ipsis colun- tur, propterque reditus \& tributa, quae ex- inde inferuntur publico. — Die Sacra- mente sollten nicht in Privathaͤusern admini- strirt werden, und uͤber die Betgaͤnge ( lita- niae ) machte er eine genaue Verordnung, wie sie seyn muͤßten, um dem Himmel wohl zu gefallen. Von den Personen , welche sich mit der Religion beschaͤfftigten wurden die Moͤnche, noch keine wohlthaͤtigen Benedictiner, nicht so eingeschraͤnkt, wie es geschehen muß, wenn man die Anhaͤufung des Vermoͤgens in der toden Hand hindern will. Das Kloster be- erbte sie, und zum Besten des Klosters erb- ten sie noch immer fort: oft mußte man zur Strafe ins Kloster gehen, und ein entlaufe- ner Moͤnch ward das zweytemahl zum Recru- ten genommen. Die Bischoͤfe mußten aus den Geistlichen oder Moͤnchen gewaͤhlt wer- den, 35 Jahre alt und keine curiales seyn, auch keine Frau noch Kinder mehr haben. Die Wahl hing von der Gemeinde ab, we- nigstens wurden die Vornehmsten noch zuge- zogen, aber Simonie war streng verboten. Der Bischof war von der vaͤterlichen Gewalt frey, er stand, ohne besondre Ordre vom Hofe, nicht unter dem Gouverneur, vor ihm Periode 4. System. ihm mußten seine Geistlichen und Moͤnche, und durften auch andre Personen belangt werden ( episcopalis audientia ). Aber er durfte nur uͤber sein voriges Vermoͤgen te- stiren, das Uebrige gehoͤrte der Kirche, er durfte nie uͤber ein Jahr abwesend seyn, oh- ne Urlaub vom Patriarchen nicht nach Hof kommen, seine jaͤhrliche Synode nicht unter- lassen, kein Frauenzimmer bey sich haben, keine Vormundschaft uͤbernehmen, keinem Candidaten, der ihm vom Patron praͤsentirt ward, ohne Ursache die Ordination verwei- gern, ohne Untersuchung niemand excommu- niciren u. s. w. Die Rechte und Pflichten der uͤbrigen Geistlichen sind im Kleinen diesen aͤhnlich. Sie duͤrfen nach der Ordination nicht mehr heyrathen. Die der Religion gewidmeten Sachen, wohin auch das Vermoͤgen der Spithaͤler u. s. w. gehoͤrte, konnten nur in seltenen Faͤl- len, wegen Schulden und zu Werken der Barmherzigkeit, nur auf bestimmte Art und nicht an bestimmte Personen veraͤußert wer- den. §. 158. 4. Das Militair hatte sinken muͤssen, denn die Zahl und das Ansehen der Moͤnche war gestiegen, verlaufene Moͤnche wurden zum Dienste gezwungen und doch M 5 droht Theil I. bis Justinian. droht Justinian zuweilen mit dem Abschie- de. Die besten Truppen waren die per- soͤnlich an einen Pascha z. B. an Beli- sar und nicht an den Kaiser oder den Staat attachirten. Zu dem Militair kann man auch die vielen Arsenaͤle unter den scholae fabricensium und dem magister offi- ciorum rechnen. Gegen die Erpressungen der Generale sind Gesetze gemacht, von welchen es ungewiß ist ob sie dem Uebel ab- halfen, welche aber die Existenz desselben sicher beweisen. 5. Die Gerichtbarkeit verwalteten nun im- mer die vom Hofe ernannten Personen, wel- che aber ihren Gehuͤlfen nicht ganz das uͤber- lassen durften, was ehemahls der magistratus dem Judex uͤberlassen hatte. — Die ver- schiedenen Instanzen, wovon der Kaiser selbst die letzte war, sind nun voͤllig bestimmt. §. 159. C. CriminalRecht oder Strafgesetze. Durch die argwoͤhnischen und furchtsa- men Despoten war das CriminalRecht erstau- nend hart geworden, und es erstreckte sich auf alles, was die Obrigkeit bestrafen woll- te, ohne Ruͤcksicht ob ein Anklaͤger auftrat oder nicht. Justinian hat das Verdienst hier mil- Periode 4. System. mildere Grundsaͤtze befolgt zu haben, wenig- stens in Ansehung der ehemahligen Crimi- nalSubalternen ( violentiae inhibitores ) der Confiscation, und der Strafe des Diebstahls. Manche seiner Novellen sind wahre Bußpre- digten, so z. B. die gegen Blasphemie und Knabenschaͤnderey. Ueberhaupt wurden die Vergehungen aus Wohllust hart bestraft, der Ehebrecher ward hingerichtet, und die Selbstrache des Ehemanns ging weiter als vorher. Castration ward verboten, aber die Castraten am Hofe blieben und mußten blei- ben. Aussetzung der Kinder und muͤßiges Herumstreichen sind nun auch ein Gegenstand der Strafgewalt. §. 160. II. Jus priuatum. A. PersonenRecht 1. Die Sclaverey, so wenig sie auch zur christlichen Religion paßte, war noch ziem- lich dieselbe, wie unter den Antoninen . Man erwarb dieses Recht auf das Kind der Sclavinn, auf den gefangenen Feind, auf den freyen Menschen, der sich um zu betruͤ- gen hatte verkaufen lassen, aber nicht mehr auf die Liebhaberinn des Sclaven oder auf ein ausgesetztes und aufgenommenes Kind, obgleich dieses seine Schuld abverdienen muß- te. Man verlohr sie durch Aussetzung, zur Stra- Theil I. bis Justinian. Strafe daß man eine Bedingung nicht erfuͤll- te, zur Belohnung des Sclaven fuͤr Ver- dienste, und durch Manumission im Testa- mente, wo nun die Einschraͤnkungen wegfie- len, in der Kirche, und unter Particuliers. Alle Freygelassene waren sich gleich, und al- le waren so gut wie Freygebohrne, bis auf das Verhaͤltniß zum Patron, welches nur etwas gemildert ward. §. 161. 2. Die vaͤterliche Gewalt hatte unter den Despoten, die noch dazu eine neue Reli- gion befoͤrdern wollten, sehr abgenommen, obgleich im Sachenrechte die Wirkungen z. B. die vnitas personae, die substitutio pupilla- ris blieben. Das Vermoͤgen des filius fa- milias war isein Eigenthum, sobald es nicht vom Vater herkam, und hoͤchstens hatte die- ser die Administration und die Nutznießung. Dem peculium castrense war nun auch das quasi castrense gleich gesetzt. — Man er- warb die vaͤterliche Gewalt auf Kinder aus einer rechtmaͤßigen Ehe, aber nicht einmahl auf naturales, ferner durch Arrogation beym Kaiser, aber nicht immer durch Adoption bey der Obrigkeit, nicht wenn man ein Frau- enzimmer oder nur kein Ascendente des Adop- tirten war, endlich Legitimation des Kindes einer Periode 4. System. einer Concubine indem man ihre Mutter hey- rathete, die Kinder zu curiales machte, oder indem der Kaiser die Gnade erwies. Man verlohr sie nun auch durch hohe Wuͤrden des Sohnes, sobald diese von der Gefahr de- curio zu werden befreyten, durch Emancipa- tion bey dem Kaiser oder der Obrigkeit, wo- bey nun erst von Belohnung des Vaters und hoͤchst wahrscheinlich auch nun erst von Ein- willigung des Sohnes die Rede seyn konn- te, — nicht immer durch gestattete Adop- tion und noch nie durch bloße Trennung des Haushaltes. §. 162. 3. Die Ehe ward nach den mißverstan- denen Religionsbegriffen nicht mehr beguͤn- stigt; an die Stelle der lex caducaria trat die Verordnung, daß wer zweymahl heyra- the nicht Bischof werden koͤnne, und daß wer es thue, wenn er schon Kinder habe, auch ohne Ruͤcksicht auf das Trauerjahr, die freye Disposition uͤber sein eigenes Vermoͤgen zum Theil, und das Eigenthum an dem, was vom verstorbenen Gatten herruͤhrte, ganz verlieren sollte. Das Verhaͤltniß beyder Ehe- leute gegen einander war nun beynahe unauf- loͤslich, und doch behielt Justinian im Sa- chenrechte die Grundsaͤtze, welche bey der willkuͤhrlichen Scheidung consequent gewesen wa- Theil I. bis Justinian. waren, er uͤbertrieb die Beguͤnstigung der dos ganz unvernuͤnftig, und nur in der Suc- cession aͤnderte er ein wenig. — Eine Ehe konnten nur freye Menschen, und solche die die Pubertaͤt erreicht hatten, eingehen; die Unfaͤhigkeit zur Zeugung war nur bey einem Castraten ein Hinderniß. Einander durften nicht heyrathen der Tutor und seine Pupille, der Gonverneur und seine Provinzialinn, der Tanfzeuge nnd seine Pathe, Buͤrger und Nicht- Buͤrger, Christen und Juden, der Ehebrecher und seine Mitschuldige, der Ent- fuͤhrer und die Entfuͤhrte, wohl aber Per- sonen ungleichen Standes. Die verbotenen Grade waren noch fast ganz die vorigen. Außer der Einwilligung eine Ehe schon jetzt einzugehen, denn Sponsalien geben kein Klagrecht, gehoͤrt zum Wesen der Ehe bey einem illustris, wenn er kein Auslaͤnder ist, auch eine Ehestiftung; aber die kirchliche Ce- remonie war noch willkuͤhrlich, so lange so- gar der Concubinat nicht verboten, sondern von den Gesetzen bey der Succession bemerkt ward. — Die Trennung der Ehe erschwer- te Justinian sehr, selbst mit Einwilligung beyder Theile erlaubte er sie nur, wenn Ur- sachen da waren, wegen welcher ohnehin der eine Ehegatte sich, ohne daß der Andere ein Verbrechen begangen hatte, trennen durfte ( bona Periode 4. System. ( bona gratia ) d. h. wenn man ins Kloster ge- hen wollte, wenn der Mann drey Jahre lang zum Beyschlafe unfaͤhig gewesen war, wenn man von einem Gatten in der Gefangenschaft 5 Jahre lang nichts hoͤrte, und wenn er ein Sklave ward. Die Ursachen, welche zu ei- ner Scheidung als Strafe berechtigten, such- te Justinian genau zu bestimmen, ohne im mindesten zu ahnden, daß sie sich vielleicht nach der Natur des Gegenstandes nicht ge- nau bestimmen ließen. Zuletzt konnten bey- de wegen MajestaͤtsVerbrechen und Lebens- gefaͤhrlicher Nachstellungen, die Frau auch noch wegen Ehebruchs, verdaͤchtigen Um- gangs mit Mannspersonen bey Gastmaͤhlern und im Bade, wegen naͤchtlicher Abwesen- heit von Hause, und wegen der Besuchung der oͤffentlichen Schauspiele; der Mann aber wegen Debauchen mit oͤffentlichen Maͤdchen in Gegenwart der Frau, wegen Verkuppe- lung derselben, weil er sie eines Ehebruchs vorsaͤtzlich falsch anklagte, und weil er den Umgang mit einer fremden Ehefrau aller Warnungen ungeachtet, fortsetzte, verstoßen werden. Der Verstoßene verlor die dos oder die donatio propter nuptias, die Ehebreche- rinn noch ⅓ weiter aus ihrem uͤbrigen Ver- moͤgen; der Mann, welcher seine Frau miß- handelte verlor ebenfalls ein solches Drittheil, ob Theil I. bis Justinian. ob dieß gleich keine Ursache zur Scheidung mehr war. Der unschuldige Ehegatte er- hielt entweder das Eigenthum oder die Nutz- nießung an diesem Vermoͤgen. §. 163. 4. Die Tutel war noch nicht viel mehr, als vorher, unter der Aufsicht der Obrigkeit; die Erlaubniß zur Veraͤußerung war bey al- len Immobilien noͤthig, aber jaͤhrliche Rech- nung und allgemeine Bestaͤtigung kennt das Justinianeische Recht nicht. Ueber die An- wendung des baaren Geldes machte der Kai- ser ein wunderliches Gesetz. Die feyerliche Einwilligung des Tutors ( auctoritas ) und die Tutel wegen des Geschlechts waren Anti- quitaͤten. Der Anfang der Tutel beruhte noch auf drey Gruͤnden; ein Glaͤubiger oder Schuldner des Pupillen konnte nicht Vor- mund werden; Geistliche nie oder selten, aber nun sogar die Mutter oder Großmutter der Pupillen, wenn nur jene nicht wieder heyrathet. Die Tutel endigte sich mit der Pubertaͤt, und ob man bis ins 25te Jahr oder bis zur venia aetatis einen Curator hat- te, hing noch immer von dem Zufalle ab, daß man ihn selbst oder daß ihn jemand der nicht traute, z. B. der gewesene tutor sich ausbat. §. 164. Periode 4. System. §. 164. B. Sachenrecht I. Jus in rem. Von den verschiedenen Eintheilungen der Sachen waren nun die res sacrae nicht mehr so ganz von den uͤbrigen getrennt, als ehe- mahls. Der Unterschied zwischen res man- cipii und nec mancipii hatte sich verlieren muͤssen, so wie sich der Roͤmische Staat aus Italien in ehemahlige Provinzen hinzog. Die Stelle dieses so weisen Unterschieds ward durch einzele Verordnungen, worin bewegli- che und unbewegliche Guͤter getrennt waren, schlecht ersetzt. Eine eigene Art von Guͤtern waren die verkaͤuflichen MilitairChargen ( militiae ). §. 165. 1. Das Eigenthum war von einerley Art, und mit dem Unterschiede zwischen do- minium bonitarium und Quiritarium verlo- ren auch die Erwerbungsarten ex jure gen- tium und ex jure ciuili ihre wesentliche Un- aͤhnlichkeit. Man erwarb das Eigenthum noch im- mer durch occupatio, die nicht durch fiscali- sche Grundsaͤtze eingeschraͤnkt war, obgleich kein Jaͤger Justinians Entscheidung uͤber Jagd- streitigkeiten billigen wird, durch Beute noch wie vorher, durch die mancherley Arten von N acces- Theil I. bis Justinian. accessio, durch traditio ex causa praeceden- te, welche nun immer so gut war, als man- cipatio, durch vsucapio und longi temporis possessio wobey nun 3, 10 oder 20 Jahre, mit Ruͤcksicht auf den Aufenthalt beyder Par- theyen in verschiedenen Gouvernements, fest- gesetzt wurden, durch donatio, wobey keine obligatio praecedens ist, aber statt der man- cipatio erfordert Justinian bey wichtigen Schenkungen Insinuation, — durch Arten, die einen Todesfall voraussetzen, denn SC. Claudianum und die adquisitio per arroga- tionem fallen weg, durch einen rechtskraͤftigen Ausspruch des Richters bey Theilungen oder Realklagen, oder auch unmittelbar durch ein Gesetz; eine Art, die Justinian mehr liebte, als man sie ehemahls geliebt hatte. — Man erwirbt das Eigenthum durch sich selbst oder durch die Personen, welche man in potestate hat, wenn nicht bey dem filiusfamilias das peculium es hindert. Man verfolgt sein Eigenthum durch rei vindicatio und publiciana in rem actio. Beyde werdeu noch verschieden vorgetragen, aber zwischen beyden ist im Processe kein Un- terschied mehr, und man erlangt durch er- stere nichts, was letztere nicht auch verschaffte. Man verliert sein Eigenthum wenn man die Sache veraͤußert oder herrnlos macht. Die Periode 4. System. Die Veraͤußerung der unbeweglichen Dotal- guͤter ist eingeschraͤnkt, obgleich der Ehe- mann noch Eigenthuͤmer heißt. Die Ver- aͤusserung der Pupillenguͤter und der Pfaͤn- der geht auch nach eigenen Regeln. §. 166. 2. Die Servituten sind nicht veraͤndert, als daß zu den wesentlich persoͤnlichen auch eine eigene unter dem Nahmen habitatio kommt. Bey ihrer Erwerbung ist der ge- setzliche vsusfructus aͤußerst haͤufig; bey ih- rem Verluste ist confusio und non vsus dem Rechte an eine fremde Sache eigen. 3. Das Pfandrecht entsteht aus dem RealContracte ( pignus ) aus der bloßen Ver- abredung ( pactum hypothecae ) und wieder sehr haͤufig durch ausdruͤckliche Verordnun- gen. Justinian machte auch einige uͤber die Verpfaͤndung einer militia und der Grund- stuͤcke eines Bauern. §. 167. II. Jus in personam. Es entsteht durch eine obligatio 1. aus einem Contract. Die RealContracte, sowohl die benannten als unbenannten, sind noch wie vorher. Nur das mutuum erhielt neue Bestimmungen we- N 2 gen Theil I. bis Justinian. gen der Zinsen, nach der Person des Capi- talisten 4, 6, oder 8 ProCent, nach der gegebenen Sache aber und nach der uͤbernom- menen Gefahr zuweilen 12. Selbst die ein- zeln bezahlten Zinsen duͤrfen das Capital nicht uͤbersteigen, aber ein einzeler Fall ward aus: genommen, weil es da annui reditus seyen. Das depositum ward vom Privatarreste frey; beym pignus fiel lex commissoria weg. Der contractus innominatus suffragii characteri- sirt den Hof zu Constantinopel. — Von den VerbalContracten war weder dictio dotis noch jurata promissio operarum, aber, nicht voͤl- lig consequent, die stipulatio noch uͤbrig. Bey der Buͤrgschaft durch Stipulation ( side- jussio ) machte Justinian durch das beneficium excussionis zur Regel, was vorher bey dem fidejussor indemnitatis nur als etwas beson- deres Rechtens gewesen war. Das benefi- cium diuisionis dehnte er auf alle correi aus. Das SC. Vellejanum, welches von jeher nicht blos auf Verbal- Contracte ging, schaͤrf- te er besonders auf den Fall, daß der Ehe- mann den Vortheil von der intercessio habe, und er dachte wohl nicht daran, daß man sei- ne weise Sorgfalt einst eludiren wuͤrde. — An die Stelle des alten contractus litteralis kam ein neuer, der blos aus den Bestim- mungen, wie lange exceptio non numeratae pecu- Periode 4. System. pecuniae Statt finde, entstand. — Die Consensual Contracte waren geblieben, nur hatte sich, nach den Beduͤrfnissen vorzuͤglich der Kirchen und Kloͤster, zwischen dem Kaufe und der Pacht der contractus emphyteutica- rius ausgebildet, und selbst der KaufCon- tract erforderte nun oft zu seinem Wesen ei- nen schriftlichen Aufsatz. §. 168. 2. Aus einem Vergehen. Auch diese Quelle der obligatio blieb un- veraͤndert, obgleich schon zu dem Criminal- Rechte dieser Zeit einfacher Ersatz viel besser gepaßt haͤtte, als die PrivatPoͤnalklagen. 3. Ex variis causarum figuris. Die quasi ex contractu und quasi ex de- licto blieben, eben so die ex pacto praeto- rio, und die aus Urtheilen und Befehlen. Die pollicitatio war nun auch bey der dos verbindlich, die pacta legitima wurden mit dem pactum de donando, und dem pactum de vsuris bey einem argentarius, vermehrt, und die obligationes immediatae ex lege wur- den auch haͤufiger, wie die juristischen Gesetze selbst es wurden. Auch ein jus in personam konnte man durch seinen Sklaven oder filiusfamilias er- werben: aber fuͤr ihre Verbindlichkeiten brauch- N 3 te Theil I. bis Justinian. te man, so wenig als vorher, immer zu ste- hen. Ein jus in personam erloͤscht noch eben so wie nach dem Pandectenrechte, entweder ipso jure oder durch eine exceptio; aber der Unterschied war wegen des alten Processes wichtig, und der alte Proceß hatte aufge- hoͤrt. §. 169. III. Verlassenschaften. Dieß ist die einzige Art von successio vni- versalis welche Justinian abhandeln laͤßt, und man sieht es wohl an der Menge Streit- fragen, welche man in dieser Lehre hat, daß sie ein Lieblingsgegenstand seiner Gesetzge- bung war. Die delatio und adquisitio hereditatis gehen noch nach dem alten Rechte, nur daß keine cretio mehr vorkommt, und daß die bonorum possessio am Ende der Regierung Justi- nians wohl schwerlich mehr eine, ihrer Form nach verschiedene, Art Erbe zu werden war. Die transmissio der noch nicht acquirirten Erbschaft ist etwas erleichtert, aber lange nicht so sehr, als nach der neuen, wirklich weisen, Verordnung Justinians uͤber das beneficium inuentarii, nun ohne Nachtheil haͤtte geschehen koͤnnen. In Periode 4. System. In der Intestat Erbfolge wird das weib- liche Geschlecht dem maͤnnlichen, und die Cog- naten werden den Agnaten voͤllig gleichgesetzt. Die vaͤterliche Gewalt hat wenig Einfluß mehr, und die collatio , welche auch bey Te- stamenten Statt finden soll, bezieht sich nicht mehr auf sie. Alle Descendenten conferiren, aber nur dasjenige, was sie von dem Ver- storbenen erhalten haben. Uebrigens wird wahrscheinlich nicht darauf gesehen, wo das Vermoͤgen dieses Letztern herruͤhre. Justi- nian vermuthet auch noch, daß jedermann seine Descendenten vor allen andern liebe; die Ascendenten und vollbuͤrtigen Geschwister stellt er zusammen, und die halbbuͤrtigen Ge- schwister kommen nur vor den uͤbrigen Sei- tenverwandten. Aber die Frage, ob das Vorwegsterben schaden soll oder nicht, ob auf die Naͤhe des Grades der noch Lebenden, oder auf die Naͤhe derer, von welchen sie abstammen, zu sehen sey, hat Justinian gar nicht gleichfoͤrmig beantwortet. Bey Descen- denten bewirkt das Vorwegsterben gar nichts; bey Ascendenten bewirkt ein entfernterer Grad Ausschließung durch einen Naͤhern, aber nicht Ungleichheit der Theile nach der ungleichen Zahl der Großaͤltern; bey Bruͤdern macht das Vorwegsterben nicht, daß ihre Kinder ausgeschlossen werden, aber wohl ihre Enkel, N 4 und Theil I. bis Justinian. und ihre Kinder allein succediren nach ihrer Anzahl, und nicht nach ihrer Abstammung. Bey den uͤbrigen Seitenverwandten ist gar kein Repraͤsentations Recht mehr. Der Ein- fluß der L egitimation ist bey einer Art nicht wie bey der andern; uneheliche Geburt scha- det, der Regel nach, nur in Ansehung des Va- ters, und die Adoption verliert zuweilen durch Emancipation ihre Kraft. — Das Erb- recht der Ehegatten ist lange nicht so geaͤn- dert, als es die Unaufloͤslichkeit dieser Ver- bindung zu verlangen scheint. — Ein Frey- gelassener hat nach seinen Kindern nur den Patron zum Intestaterben. §. 170. Die letzten Willen werden, vielleicht aus Religionsabsichten, immer mehr beguͤnstigt. Der Patron schraͤnkt diese Freyheit nur in Ansehung eines Drittheils, und nur bey ei- nem betraͤchtlichen Vermoͤgen, ein. Nahe Verwandte haben zwar eiue groͤßere legitima, als vorher, bey welcher Verordnung nicht bedacht worden ist daß 1/10 mehr sey als 1/12; die Ursachen der Enterbung sind genau, nach der Natur des Gegenstandes, wo es auf Schaͤtzung der Moralitaͤt ankommt, wohl zu genau bestimmt, und muͤssen ausdruͤck- lich im Testamente benannt seyn; aber sehr haͤu- Periode 4. System. haͤufig kann nur auf Ergaͤnzung des Pflicht- theils geklagt werden, und das ganze Te- stament soll deswegen, was die Legate be- trifft, seltener oder vielleicht nie seine Kraft verlieren. Die legitima viuentis, welche bey der inofficiosa donatio oder dos vorkommt, ist wohl kein Vorzug des spaͤthern Rechts vor dem zur Zeit der Classiker. — In An- sehung der einzelen Verordnungen eines letz- ten Willens schien der Unterschied zwischen Legaten und Fidei Commissen, und zwischen den Legaten nach den gebrauchten Ausdruͤk- ken und der Natur der vermachten Sache, ei- ne unnoͤthige Spitzfindigkeit. Justinian schaffte beydes ab, und in der Verordnung, worin er bey jedem Legate so freygebig mit dem stillschweigenden Unterpfande ist, und die Eigenthumsklage verstattet, liegt die Ein- schraͤnkung nicht, womit man sie versteht, um sie nicht hoͤchst unvernuͤnftig zu finden. — Den Abzug der quarta Falcidia kann der Erb- lasser verbieten, eine Neuerung, die wegen der geringen Gefahr bey Antretung einer Erbschaft, nicht inconsequent ist. §. 171. C. Proceß. Die vocatio in jus geschah nun nie mehr ohne besondern Befehl der Obrigkeit, also was Theil I. bis Justinian. was vorher Ausnahme gewesen war, ward nun Regel. Der magistratus ist nun auch Judex , denn der Judex pedaneus, welcher noch unter und nach Justinian vorkommt, ist ein wahres Untergericht, von welchem an den, welcher ihn gegeben hat, appellirt wird, und dessen Ernennung ganz von diesem ab- haͤngt. Es fallen nun also eine Menge ge- nauer Bestimmungen des Pandecten Rechts weg; jede vindicatio und selbst jedes Inter- dict ist nun eine actio, wie eine persoͤnliche Klage, und wird im Wesentlichen eben so behandelt. Das Justinianeische Recht kennt noch keine Patrimonialgerichte, aber obgleich die relationes verboten wurden, und wohl nur dann erlaubt blieben, wenn man die Sa- che auf Ungewißheit in den Gesetzen reducir- te, so sind dagegen die Hofcommissionen in Justizsachen desto haͤufiger, und es wird ge- nau bestimmt, wie von diesen appellirt wer- den soll. Die Frist von 10 Tagen zur Ap- pellation wird nun eingefuͤhrt. Sonst unter- scheidet sich der Proceß in diesem Zeitraume durch die ungeheure Menge von Eiden, die jede Parthey und jeder Zeuge schwoͤren muß. Zum Zeugenbeweise sind nicht immer zwey Personen genug, und bey Urkunden kommen nun Notarien vor. Des Schreibens ist bey Processen mehr als sonst, aber der muͤndli- che Periode 4. Studium. che Vortrag bleibt doch daneben. Die togati oder scholastici sind mehr unsern Advocaten als den ehemahligen Rednern aͤhnlich; die Procuratoren werden in vielen Faͤllen sogar erfordert. Studium des Rechts. §. 172. I n dieser Periode des Verfalls der Juris- prudenz sind die drey juristischen Univer- sitaͤten zu Rom, Constantinopel und Beryt merkwuͤrdig, denn aͤhnliche Anstalten, von Hadrian an, waren vielleicht noch nicht so aus- gebildet. Daß Beryt bald nach Alexander Sever empor kommt, koͤnnte auf die Ver- muthung leiten, daß dieser Kaiser der Stif- ter von etwas sey, was sein Vaterland Sy- rien auszeichnet; aber schon vor ihm waren ja Papinian und Ulpian eben daher, und es scheinen also unbekannte kleine Umstaͤnde zusammengewirkt zu haben, um gerade diese Provinz zum Sitze der Jurisprudenz zu ma- chen. Junge Juristen fingen mit der Advoca- tur an, und gelangten noch immer, und fast noch ausschließender als vorher, zu Gouver- ne- Theil I. bis Justinian. nements. Aber diese Aufmunterung konnte nicht laͤnger der einreissenden allgemeinen Varbarey widerstehen, da jetzt Gelehrsam- keit zum roͤmischen Rechte weit noͤthiger war, als da man noch manches alle Tage sah, was man jetzt nur aus Buͤchern lernen konn- te, und meist gar nicht lernte. Eine Men- ge Schriftsteller, mehr als ein Kaiser, und selbst Justinian bemerkt den elenden Zustand des ganzen Studiums. In seiner Constitu- tio de ratione \& methodo jus docendi ad An- tecessores beruft er sich auf ihr eigenes Zeug- niß, ob man von so vielen juristischen Schrif- ten, die doch bisher lauter leges gewesen seyen, mehr als sechs Buͤcher deutlich erklaͤrt habe, ob es nicht Sitte sey, selbst in diesen vieles zu uͤberschlagen, und ob von den uͤbri- gen Schriften ein Mensch etwas lese, wenn nicht etwa gerade die Praxis darauf fuͤhre, oder wenn nicht ein Professor Lust habe, doch ein wenig mehr zu wissen, als seine Schuͤler a )? §. 1. Et antea quidem, quemadmodum \& Vestra seit prudentia ex tanta legum mul- titudine, quae in librorum quidem duo mil- lia ‒ ‒ ‒ extendebatur, nihil aliud nisi sex tantummodo libros \& ipsos confusos \& jura vtilia in se perraro habentes a voce ma- gistra studiosi accipiebant, caeteris jam de- suetis jam omnibus inuis ‒ ‒ ‒ ‒ \& tunc- tantummodo ex aliqua minima parte reci- tan- Periode 4. Studium. tandis, quoties vel judiciorum vsus hoc fieri coegerit, vel ipsi magistri legum ali- quid ex his perlegere festinabatis , vt sit vo- bis aliquid amplius discipulorum peritia. §. 173. Diesem klaͤglichen Zustande des juristi- schen Studiums glaubte Justinian mit ei- nem mahle abzuhelfen, wie er so vielem durch eine einzige Verordnung abzuhelfen glaubte, nicht wenn er die alte Litteratur befoͤrderte, sondern indem er sie durch sein Corpus juris entbehrlich machte, und den juristischen Cur- sus von 5 Jahren darnach einrichtete. Im ersten Jahre sollten die Studierenden uͤber seine Institutionen (natuͤrlich uͤber den Text, denn das Compendienschreiben war ja, aus Liebe zur Einigkeit im Glauben, untersagt) und uͤber die 4 ersten Buͤcher seiner Excerp- tensammlung ( Prota ) hoͤren, vor allen Din- gen aber sollten sie nicht Dupondii sondern Justinianistae heißen. Im zweyten Jahre hoͤrten sie, als Edictales, entweder das 5 te bis 11te Buch (de judiciis), oder das 12te bis 19te (de rebus), wie es die Reihe, die schon vorher eingefuͤhrt war, mit sich bringe, und außerdem immer auch das 23te, 26te, 28te und 30te Buch (1 von den 3 de dotibus, 1 von den 2 de tutelis, 1 von den 2 de testa- mentis, 1 von den 7 de legatis ). Im drit- ten Theil I. bis Justinian. ten Jahre kam nun das Pensum, welches im zweyten nicht gelesen worden war, und zu- dem das 20te, 21te und 22te Buch ( de hy- pothecaria actione, de aedilitio edicto und de fructibus ). Darin stuͤnde viel von Pa- pinian , sie koͤnnten also immer hin sich Pa- pinianisten nennen, und das hergebrachte Fest feyern, wenn gleich das Beste aus dem ganzen Papinian in alle Buͤcher zerstreut sey. Im vierten Jahre hießen sie lytae und hoͤrten nicht mehr uͤber den Paulus , son- dern uͤber die 10 Buͤcher, welche im zwey- ten Jahre zuruͤckgeblicben waren. Damit kamen sie nun bis an das 37te Buch, das Uebrige, (die ganze Lehre von der bonorum possessio, von der Verjaͤhrung, das ganze Criminalrecht u. s. w.) koͤnnten sie fuͤr sich studieren, wenn sie nur im fuͤnften Jahre als Prolytae noch uͤber den Codex Consti- tutionum hoͤrten, so koͤnne es nicht fehlen, sie muͤßten juuenes perfecti \& nostro tempore non indigni werden. Und wirklich leidet das letztere keinen Zweifel. Uebrigens ward Beryt durch ein Erdbe- ben zerstoͤrt, hingegen sorgte Justinian von neuem fuͤr die Juristenfacultaͤt in Rom. §. 174. Periode 4. Studium. §. 174. Die merkwuͤrdigern Rechtsgelehrten zwi- schen Alexander und Justinian sind die bey- den Sammler von constitutiones, aber nicht einmahl ihr Nahme ist außer Streit, ob sie selbst Gregorius oder Gregorianus, Hermo- genes oder Hermogenianus geheißen haben, und ihre Anhaͤnglichkeit an die alte Landesre- ligion ist gar mit nichts bewiesen. Letzterer hatte auch in seinem Epitome den Compila- toren der Pandecten vorgearbeitet. Julius Aquila, von welchen wir einige Zeilen haben, gehoͤrt vielleicht auch in diese Periode, und mit mehr Gewißheit Aurelius Arcadius Cha- risius, der Letzte welcher excerpirt ward Wich- tiger sind zwey Werke ungenannter Verfasser, nicht wegen des Aufwands an Genie und Fleiß, den sie gekostet haben moͤgen, als vielmehr deswegen, weil sie uns unveraͤnderte Fragmente gerettet haben, von Werken, die leider nicht ganz gerettet worden sind. Die collatio legum Mosaicarum \& Romanarum ist nichts weniger, als eine philosophische Vergleichung des Geistes der Gesetze beyder Voͤlker, unter eine Stelle aus Moses sind blos Stellen aͤhnlichen Inhalts aus Classikern abgeschrieben. Von Licinius Rufinus ist die- se Compilation nicht, denn sie enthaͤlt Ver- ordnungen christlicher Kaiser. Die erste Aus- gabe Theil I. bis Justinian. gabe hat Pithou besorgt, und Schulting hat sie, sowohl als ein von Cujas bekannt gemachtes Stuͤck: Consultatio veteris ICti de pactis, eigentlich eine kleine Sammlung mehrerer Gutachten, wie billig aufgenom- men. §. 175. Unter den Zeitgenossen Justinians ver- dienten hier alle diejenigen, welche am Cor- pus juris arbeiteten, genannt zu werden. Am meisten zeichnet sich aber noch außerdem Theo- philus aus, dessen griechische Uebersetzung der Institutionen so frey ist, und bey man- chen schaͤtzbaren Nachrichten doch auch so vie- le Fehler enthaͤlt, daß es lange zweifelhaft schien, ob dieß eben der Theophilus seyn koͤnne, der einer der Verfasser des lateini- schen Textes gewesen war. Die beste Ausga- be hat man von Reiz . Von der Ueberset- zung der Pandecten sind nur Bruchstuͤcke auf uns gekommen. — Die Fragmente von Thalelaͤus und Stephanus hat Ruhn- ken edirt. Des Verbots von Justinian ungeach- tet, konnte man sich nicht mit dem bloßen Uebersetzen und Citiren begnuͤgen; manche seiner Aenderungen mußte sich erst noch aus- bilden, und dazu waren Schriftsteller noͤthig, etwa wie Theodorus Hermopolites, und man- Periode 4. Studium. mancher der noch in den Bibliotheken begra- ben liegt, oder wie Philoxenus, dessen Glos- sae Nomicae ein juristisches Woͤrterbuch seyn sollten. Die Epitome Nouellarum von Julia- nus Antecessor, welche lange Zeit die Stelle des Texts vertrat, ist wohl erst nach Justi- nians Tode gemacht, aber was hindert uns als Anhang hier gleich die Schicksahle des Roͤmischen Rechts bis zum Umsturze des griechischen Kaiserthums mitzunehmen, die uns doch nicht weiter, als wegen einiger Schrif- ten wichtig sind? Hierher gehoͤrt nicht blos der Brachylogus legum, den Senkenberg drucken ließ, sondern selbst die Basiliken, das neue Corpus juris, welches etwa 300 Jah- re nach Justinians Tode von Basilius Mace- do angefangen, von seinem Sohne Leo So- phus zu Stande gebracht, und von Constan- tinus Porphyrogeneta revidirt ward. Aus den Institutionen, Pandecten, dem Codex, und den vielen Novellen machte man ein ein- ziges Werk von 60 Buͤchern oder 6 Theilen, das zur Ergaͤnzung manches Titels, und noch mehr zur Bezaͤhmung der Emendatoren ge- dient hat, das aber auch wieder mißbraucht worden ist, wenn man vergaß, daß die Ue- bersetzung gar nicht woͤrtlich seyn sollte. Die Basiliken sind nach und nach gedruckt wor- den, die große Ausgabe von Fabrot ent- O haͤlt Theil I. bis Justinian. haͤlt nur 41 Buͤcher vollstaͤndig, diese hat Meermann noch mit 4 andern ergaͤnzt; aber von 15 sind blos Auszuͤge uͤbrig. — Die Novellen eben dieses Kaisers Leo stehen in vielen Ausgaben des Justinianeischen Cor- pus juris, und wenn es Rechtsgelehrte gibt, die dieß tadeln, so gibt es dagegen andere, welche behaupten, daß sie in den Gerichten zum Theil angewendet wuͤrden. Auch von Leo ist ἐκλογη των νομων, die nicht mit sei- nes Vaters Procheiron verwechselt werden duͤrfen. Den Basiliken fehlt es nicht an Scholien, zumahl da fruͤhere Anmerkungen uͤber Justinians Compilationen dazu abge- schrieben sind, aber den Scholiasten fehlt es, so wie den Glossatoren, gar sehr an den noͤ- thigen Kenntnissen. Aehnliche Werke sind die Glossae Basilicorum und die Synopsis oder Ecloga Basilicorum. In den letzten Zeiten des Griechischen Reichs kann man noch un- ter die Juristen rechnen: Photius , den Ver- fasser eines Nomocanon, woruͤber Balsa- mon eommentirte, Psellus und Attaliata , die in Versen schrieben, und Constantinus Harmenopulus aus dem 14ten Jahrhundert. Zwey- Zweyter Theil . Geschichte des Rechts im heutigen Europa . §. 176. H ier ist die Geschichte des Studiums ei- gentlich allein unser Gegenstand, und von den Quellen oder dem Systeme, der nun erst sich bildenden nicht-Roͤmischen Rechte, soll nur so viel hier vorkommen, als fuͤr jene Absicht unentbehrlich ist. Also selbst die Nachrichten von den aͤltern deutschen Ge- setzbuͤchern, den Capitularien u. s. w. koͤnnen andern Theilen der Geschichte uͤberlassen wer- den, weil sie auf den heutigen Zustand der Jurisprudenz keinen directen Einfluß haben. Bach verlaͤßt uns hier voͤllig, und Net- telbladt ( Initia historiae litterariae juridicae uniuersalis ) kann ihn allein schon deswegen noch nicht ersetzen, weil es hier erst darauf ankam, die Faͤcher zu machen, welche in Zukunft die pragmatischen Bemerkungen, welche sich zum Theil aus Schmidts Ge- O 2 schich- Theil II. seit Justinian, schichte der Deutschen, oder Spittlers Kir- chengeschichte nehmen lassen, enthalten sollen. §. 177. Man koͤnnte folgende Perioden machen: I. Geschichte des Nichtroͤmischen Rechts bis zum Anfang des zwoͤlften Jahrhunderts d. h. bis zur Entstehung der Universitaͤten, nm die Materialien zu kennen, welche man zu bearbeiten anfing, als das Roͤmische Recht wieder auflebte. II. Geschichte der Rechtsgelehrsamkeit bis ins 16te Jahrhundert, d. h. bis zur Wiederherstellung der alten Litteratur. Wenn man Nahmen haben will: Zeitalter der Scholastiker und Glossatoren, von Irnerius und Gratian , bis Luther und Cujas . III. Geschichte der Rechtsgelehrsamkeit von der Reformation an bis auf unsre Zeiten. Aber die letzte kuͤrzeste Periode ist, nach unserer Absicht, bey weitem die wichtigste. §. 178. Das Roͤmische Recht erhielt sich, wie wir gesehen haben, auch unter der Herrschaft der Deutschen, aber das Justinianeische Recht konnte sich nicht erhalten, es haͤtte erst muͤs- sen eingefuͤhrt werden, und dieß geschah nur in Italien. Die Eroberungen der Longobar- den bis auf unsere Zeiten. den verdraͤngten es hier nicht mehr, als die Eroberungen der Gothen das Theodosia- nische verdraͤngt hatten. Aber durch die bis ins 11te Jahrhundert immer steigende Bar- barey mußte ein so ausgebildetes, so viele Gelehrsamkeit erforderndes Recht fast ganz unbrauchbar machen. Hingegen das Cano- nische und Lehen Recht war gegenwaͤrtiges Beduͤrfniß. Die christliche Kirche, eine zum Bekennt- niß und zur Ausbreitung gewisser Lehrsaͤtze geschlossene, vom Staate gedruͤckte Gesell- schaft, war ein so ganz neues Phaͤnomen, daß sehr bald eine Menge neuer Grundsaͤtze und Vorschriften nothwendig werden mußte. Die Lehrsaͤtze selbst, die Art sie vorzutragen, die Personen, welche dazu bestimmt wurden, die Annahme neuer Mitglieder, die Bestra- fung der Gefallenen, die Ausschließung der Unwuͤrdigen, alles dieses waren Gegenstaͤn- de, die schon deswegen wesentlichen Einfluß auf das Gluͤck so vieler Menschen hatten, weil so viele diesen Einfluß glaubten, und doch waren weder daruͤber, noch uͤber die Ehe- sachen, welche sehr bald, zum Theil natuͤr- lich zum Theil zufaͤllig, hieher gezogen wur- den, genug Bestimmungen vorhanden. Auß- er der Bibel hielt man sich an das, was die Lehrer der Gemeinden einer Provinz oder des O 3 gan- Theil II. seit Justinian ganzen Reichs in ihren Versammlungen (Sy- noden, Concilien) beschlossen hatten (Cano- nes); oder an die Belehrungen einzeler ehr- wuͤrdigen Bischoͤfe, welche in ihren Decreta- len, so wie die Auguste in ihren constitutio- nes anfangs selten etwas neues vorschrieben, und noch seltener etwas neues vorschreiben wollten. Solche Vorschriften sammelte man, um sie allgemeiner brauchbar zu machen: ent- weder schrieb man einen bloßen Codex Ca- nonum, wie Dionys der Kleine , ein Zeit- genosse Justinians , oder man stellte in ei- nem Nomocanon auch die Gesetze des Re- genten daneben. §. 179. Je mehr die Gesellschaft sich bildete, de- sto mehr entstanden neue Fragen, deren Entscheidungen das Canonische Recht aus- machen. Die Subordination der Bischoͤfe unter die Erzbischoͤfe, der Erzbischoͤfe unter die Patriarchen, ward immer merklicher, und nach manchem Wechsel gluͤcklicher und un- gluͤcklicher Begebenheiten, erhob sich der Pa- triarch von Rom zum Pabste, zum Herrn der Kirche, und zum unabhaͤngigen Regen- ten. Wirkungen der Hierarchie waren Ap- pellationen und Absetzungen, die Lehre von Legaten und dem Pallium. Als Benedict von Nursia , auch ein Zeitgenosse Justi- nians bis auf unsere Zeiten. nians , das Moͤnchswesen nach dem Occident verpflanzte, und zu einem der wohlthaͤtigsten Institute umschuf, fingen nach und nach die verschiedenen Reformationen an, welche aus den erlangten Reichthuͤmern und dem einge- rissenen Verfall der Klosterzucht entspran- gen, und wieder neue Reichthuͤmer und neuen Verfall nach sich zogen: daher Exemptionen und Privilegien. Auch der Bischof sollte mit seinen Clerus so ordentlich, wie ein Abt mit seinen Moͤnchen, leben, Chrodegang von Metz gab das erste Beyspiel, das im Fraͤnkischen Reiche allgemein befolgt ward, aber bald fanden diese Canonici es beque- mer, sich nicht wechselseitig zu geniren, und die Einkuͤnfte nur unter die aͤltesten zu ver- theilen. Die Praͤbenden, ihre Verleihung und Resignation, die Wahl der Bischoͤfe waren so wie die Kirchenguͤter, besonders die Zehnden, die Grenzen der Dioͤcesen und Parochien, das Patronatrecht u. s. w. Ge- genstaͤnde genug, die erst nach und nach ihre Regeln bekamen. Unter diesen Regeln ist die untergeschobene Sammlung von Isidor besonders deswegen wichtig, weil sie dazu beytrug, eine Quelle von Regeln, die Be- lehrungen der Paͤbste, so viel ergiebiger und unverletzlicher zu machen. In der Maynzer Dioͤcese fuͤhlte jemand ein Beduͤrfniß, mehr unter dem Pabste, als unter dem Erzbischo- O 4 fe Theil II. seit Justinian, fe zu stehen, weil jener entfernt, und dieser nahe war. Deswegen gab er sich die Muͤhe, im Nahmen der aͤltesten Bischoͤfe von Rom Decretalen zu schreiben, und darin diese Saͤt- ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif- lich, aber man sollte sich nicht wundern wie das Publicum so lange sich taͤuschen ließ: gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey- lich den Centuriatoren nachsagen, das ganze Werk sey untergeschoben, die es aber nicht ins 9te Jahrhundert setzen lassen wollen, weil ja der Betruͤger in der Vorrede ganz deut- lich selbst sagt, es sey schon im achten be- kannt gewesen! §. 180. Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili- tair, die sich nach und nach, bey den Eroberungen Roͤmischer Provinzen, zum Landeigenthum bil- dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um so noͤ- thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach, und nicht durch eine einzele Verordnung Con- rads II. , aufkam. Sie vermehrten sich ins Un- endliche wegen der Afterlehen, und wegen der durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das Beduͤrfniß nach einem maͤchtigen Beschuͤtzer nothwendig gemachten Anerkennung eines Le- heusherrn uͤber Guͤter, die man schon besaß. Ob das Lehnssystem und die damit zusammenhaͤn- genden Privatkriege ein so großes Ungluͤck wa- ren, bis auf unsere Zeiten. ren, als wir glauben, oder ein so großes Gluͤck, als die damahligen Ritter glaubten, gehoͤrt nicht hierher, wo es nur darauf an- kommt, die vielen Fragen zu bemerken, aus deren hergebrachter Entscheidung das Lehen- recht sich bildete. Sie betrafen die Person eines tuͤchtigen Lehnfolgers, die Ausschließung oder Zulassung der Toͤchter und Geistlichen, die Verwaltung des Lehens waͤhrend der Un- muͤndigkeit, die Belehnungen, damit der Herr seine Recruten oder der neue Herr seine Sol- daten kennen lernte, die Disposition uͤber das Lehen, den Verlust desselben wegen Felonie, die Pflicht zu dienen und das Mannengericht, weil immer auch die Anstalt, um Streitigkei- ten auszumachen, eine Quelle von neuen wird. §. 181. Ueber das Lehnrecht schrieb man spaͤter, als uͤber das Canonische, weil jenes nicht so eigenthuͤmlich die Sache derer war, die al- lein lesen und schreiben konnten. Aber ehe eines von beyden, und ehe auch wieder das Roͤmische Recht, muͤndlich vorgetragen wer- den konnte, mußten Universitaͤten entstehen, denn die bloßen Dom- und Klosterschulen wa- ren dazu nicht geschickt. Das neue Institut bildete sich, wie die wichtigsten Institute sich bilden; aus kleinen unmerklichen Anfaͤngen, O 5 wel- Theil II. seit Justinian, welchen endlich der Geist des Zeitalters auf- half, welchen besonders der Consociations- geist ihre Form und Haltbarkeit gab. Als zu Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts die westlichen Europaͤer ihren Verstand zu Spe- culationen zu gebrauchen lernten, war eine Sucht zu disputiren und zu subtilisiren bey ihnen characteristisch, weil dieses uͤberhaupt eine nur der untersten Stufen von Geistesbil- dung ist. Sollte davon die Rechtsgelehrsam- keit ausgeschlossen bleiben, sie die recht eigent- lich aus entgegengesetzten Interessen und Mey- nungen entsteht? Aber wenn man uͤber Rechts- fragen speculiren und streiten wollte, so muß- te man erst eine Entscheidungsquelle haben, die den Gelehrten leichter bekannt, und an sich mehr ausgebildet waͤre, als das bloße GewohnheitsRecht das nur die Schoͤffen wußten, und die Schoͤffen doch nicht docirten. Aeußerst natuͤrlich fiel man also, zumahl da die Universitaͤt, welche neben der Pariser sich am meisten hob, die zu Bologna in Ita- lien war, darauf, das alte, in Italien ent- standene, in Italien so wenig und noch weni- ger als in andern Laͤndern je ganz vertilgte und unbekannte, sondern von den Geistlichen von Zeit zu Zeit fuͤr sich benutzte, Roͤmische Recht vorzutragen. Niemand dachte wohl daran, daß dieß mehr ein neues Recht sey, als bis auf unsere Zeiten. als man in der scholastischen Theologie eine Neuerung sah; man war uͤberzeugt, es ge- schehe jetzt was von jeher haͤtte geschehen sol- len, und was ohne die allgemeine Unwissen- heit schon laͤngst geschehen seyn wuͤrde. Fuͤr die einzige Norm hielt niemand das Roͤmi- sche Recht, aber in dem, was die Kirchen- schluͤsse und die Gewohnheiten nicht deutlich anders entschieden, in dem, wovon das Roͤ- mische Recht doch offenbar die Quelle sey wie z. B. von den Testamenten, in dem was das Roͤmische Recht gerade so bestimme, wie ein scharfsinniger und unpartheyischer Dritte es von selbst bestimmt haͤtte, warum sollte man es darin nicht als Regel gelten lassen? Hatten es denn nicht die Roͤmischen Kaiser gemacht, waren diese nicht die Oberherrn von Italien gewesen, und erkannte Italien nicht noch jetzt einen Roͤmischen Kaiser? §. 182. Wenn diese natuͤrliche Zusammenstellung mehrerer Umstaͤnde die Geschichte vom Wie- deraufleben des Roͤmischen Rechts ist, so kann man errathen, daß der grosse Haufe sic uͤbersehen, und dagegen eine schneidendere und Revolutionenartigere gesucht und gefun- den haben wird. So trug man sich lange mit der Nachricht, unter Lothar 2. seyen zu Theil II. seit Justinian, zu Amalphi die Pandecten, wohl gar das Original Justinians, entdeckt worden, und gleich habe der Kaiser befohlen, uͤber sie zu lesen und kein anderes Recht mehr zu gebrau- chen. Auch als dieses Maͤhrchen unter an- dern von Calixt in seiner theologischen Mo- ral widerlegt war, vergaß man lange den ehrlichen Pepo , der in Bologna das Roͤ- mische Recht erklaͤrte, noch ehe Irnerius aufhoͤrte, die artes uͤberhaupt zu lehren. Die Reise dieses Letztern nach Constantinopel, der Streit uͤber das Wort as, die Aufmunte- rung von Seiten der Markgraͤfinn Mathil- de , alles dieses sind hoͤchstens kleine Ancc- doten, durch die allein das Studium des Roͤ- mischen Rechts nicht entstanden, und ohne die es doch entstanden waͤre. Die Fragmen- te eines unstreitig unaͤchten Calendarium archigymnasii Bononiensis beweisen gar nichts, weder hier noch in der Geschichte des Ca- nonischen und Lehenrechts, und wir Deutsche waͤren doch fast zu gutmuͤthig, wenn wir uns laͤnger auf eine Urkunde beriefen, die in Deutschland so vortrefflich widerlegt, und von den neusten Geschichtschreibern der Uni- versitaͤt und der StadtBologna keiner Widerle- gung wuͤrdig gehalten worden ist. §. 184. bis auf unsere Zeiten. §. 183. Die scholastischen Civilisten, die sogenann- ten Glossatoren, haben dasselbe Schicksahl gehabt, wie die scholastischen Philosophen nnd Theologen; sie sind oft von Leuten am meisten verachtet worden, die nichts von ih- nen gelesen hatten, und um gar weniges bes- ser waren, als sie. Jetzt ist man darin ei- nig, daß es ihnen nicht an Scharfsinn und nicht an Fleiß fehlte, sondern nur an Kennt- niß der uͤbrigen alten Litteratur und an Ge- schmack, ein nur, dessen Wichtigkeit nicht uͤberall fuͤr gleich groß gehalten wird. — In ihrem Corpus juris waren keine Griechische Novellen, sondern eine lateinische elende, aber von Cujas gelobte Uebersetzung ward um diese Zeit gemacht, und Auszuͤge daraus setzte zum Theil Irnerius selbst unter die abgeaͤnderten Stellen im Codex, sie hießen Authenticae, weil man die Novellen selbst so nannte, und mit ihnen trug man auch ei- nige Verordnungen der Hohenstaufischen Kai- ser ein. — Wenn uͤbrigens die Exemplare von den Sammlungen Justinians , deren sich die Glossatoren bedienten, nicht gleichfoͤr- mig abgetheilt waren, so hatten sie einen Grund mehr, nicht nach Zahlen sondern nach Ueberschriften und Anfangsworten zu citiren, eine Gewohnheit die dadurch verbessert wor- den Theil II. seit Justinian, den ist, daß man angefangen hat, die Zahlen damit zu verbinden, und die endlich ganz aufhoͤren wird, wenn es erst allgemeiner Mo- de ist, das Corpus juris nicht aͤngstlicher zu citiren, als irgend ein anderes Buch, und mit Citaten aus dem Corpus juris nicht mehr Staat zu machen, als mit Citaten aus irgend einem andern Buche. §. 184. Zu eben der Zeit als Vorlesungen uͤber das Roͤmische Recht wieder anfingen, und die Buͤcher, welcher man sich nach der Ab- sicht Justinians dabey zu Compendien bedien- te, in die Gerichte brachten, zu eben der Zeit, also schwerlich schon aus Furcht vor den im Grunde doch eben nicht so gefaͤhrlichen Folgen, die das Kaiserliche Recht fuͤr die Verfassung des Staats und der Kirche haben wuͤrde, sondern wohl mehr aus Nachah- mung und weil dieselbe Veranlassung auch hier war, entstanden auch in Bologna Colle- gien uͤber das Canonische Recht. Der Leh- rer mußte sich aber sein Buch erst selbst com- piliren, und daher bekam hier das Compen- dium aus der ersten Haͤlfte des 12ten Jahr- hunderts beynahe so großes Ansehen, als die Compilationen Justinians. Grattan , kein Camaldulenser und wohl auch kein Benedicti- ner bis auf unsere Zeiten. uer Moͤnch, schrieb, nicht auf Anrathen Bernhards von Clairvaux ein Werk, das wahrscheinlich nicht er selbst Concordia dis- cordantium Canonum nannte, so passend auch der Nahme wenigstens fuͤr seine Absicht war, uͤber welches aber wahrscheinlich er selbst Vorlesungen hielt, ohne eine Erlaubniß des Pabstes dazu zu gebrauchen. Dieß ist das Decretum Gratiani, dessen Lehrer, die De- cretisten, doch durch die dem Pabste angeneh- mere Decretalisten nicht ganz verdraͤngt wur- den, obgleich im Anfange des 13ten Jahr- hunderts Gregor 9. durch seinen Tribonian Raymund von Pennaforte 5 Buͤcher Ex- travaganten sammeln ließ, und Bonifaz 8 seinen nachher so genannten liber sextus , so wie Clemens V seine Clementinen den Univer- sitaͤten bestens empfahl. §. 185. Nicht viel spaͤther, als Gratians Decret, wurden die libri feudorum aus fruͤhern Wer- ken uͤber das Longobardische LehenRecht com- pilirt, um sie wenigstens als vsus modernus der Lehre von der Emphytense zu erklaͤren. Sie bekamen ihre Stelle hinter dem Roͤmi- schen Rechte, als die 10te Sammlung von Novellen. §. 186. Theil II. seit Justinian. §. 186. Sehr natuͤrlich war es, daß die Grund- saͤtze des Roͤmischen, Canonischen und Longo- bardischen Rechts von allen denen angewen- det wurden, welche, vielleicht auch nur des- wegen, weil sonst so viel in Bologna zu ler- nen sey, dahin reisten, diese Vorlesungen etwa mitnahmen, und an welchen nun geist- liche und weltliche Regenten die Leute gefun- den hatten, die ihre gegenseitigen Anspruͤche recht gelehrt vertheidigen konnten. Der aͤlteste Ritter, der erfahrenste Schoͤffe mochten noch so viel davon sprechen, daß es von jeher nicht so gewesen sey, wie der Italiaͤnische Rechtslehrer oder Rechtsgelehrte sage, daß es seyn muͤsse, bey jedem Streite zogen sie nothwendig den Kuͤrzern, sie waren keine Gelehrte , sie kannten die Disputierkuͤnste nicht, und wenn gar der Doctor sie fragte, was denn zur consuetudo gehoͤre, und wie sie einen rechtskraͤftigen Beweis davon fuͤh- ren wollten, so konnten sie ihm vollends nicht antworten. Ein Gluͤck war es noch fuͤr sie, daß, damahls noch weniger als jetzt, im- mer das Recht behielt, dessen Deduction nicht widerlegt worden war. §. 187. bis auf unsere Zeiten. §. 187. Sehr natuͤrlich war es auch, daß die Collegien-Hefte oder die schriftlichen Anmer- kungen eines gelehrten, oder fuͤr gelehrt ge- haltenen Professors noch mehr galten, als der Text selbst, zumahl als der Text des Roͤmischen Rechts, das so alt war, daß gar manches nicht mehr geradezu angewendet werden konnte. In der Glosse war immer der neuste Gerichtsgebrauch, und wer Latein sprach, wie dieses Malo pro me glossam quam textum, quia subtilis ratio non ita intrat in caput iudicis sicut glossa, der mußte schon deswegen mehr mit den Glossatoren, als mit den Classikern, sympathisiren, weil er jene allein verstand. Daher kam es denn auch, daß der Gerichtsgebrauch oͤfter mit dem Ca- nonischen Rechte uͤbereinstimmte, es war das neuere Recht aus demselben Zeitalter, und die Glossatoren konnten vom Pabste, aber nicht von Justinian gefragt werden. §. 188. Noch ehe man im 14ten Jahrhundert auch in Deutschland selbst Universitaͤten be- kam, fing man an, deutsche Rechtsgewohn- heiten zu sammeln, auch wieder vielleicht mehr aus Nachahmung, weil man nun haͤu- figer schrieb, als um dem einreißenden frem- P den Theil II. seit Justinian, den Rechte sich entgegenzusetzen. So ent- standen im 13ten Jahrhundert der Sachsen- spiegel Epko’s von Repkow , und die bey- den unter dem nicht ganz richtigen Nahmen Schwabenspiegel und Kaiserrecht bekannten Werke. Wichtiger und zum Theil auch aͤl- ter sind die Stadtrechte, denn hier sammel- te nicht immer nur ein Privatmann was oh- nehin Rechtens war, sondern man machte auch absichtlich neue Bestimmungen uͤber Ge- genstaͤnde, die man vorher nicht gekannt hat- te, weil die Staͤdte sich jetzt erst recht hoben, ihr Verhaͤltniß zum Herzoge oder Bischofe, ihr Privatrecht uͤber Zuͤnfte, Brauerey, Handlung u. s. w. nun erst sich bildete. Es war viel gewonnen, wenn eine Stadt von ihrem Herrn eben die Privilegien erhielt, die etwa Magdeburg hatte. Das Privat- recht nahm man als Zugabe mit, und frey- lich paßte es zu dieser Verfassung; so ent- standen die Oberhoͤfe, und so ward das Mag- deburgische Weichbild, das Soestische und Luͤbeckische Stadtrecht, das Muster sehr vie- ler andern. Die Rechtsgeschichte der einze- len deutschen Staaten ist uͤbrigens noch so we- nig pragmatisch bearbeitet, als die uͤbrige Geschichte derselben, und die Mannichfaltig- keit und Kleinheit dieser Theile, welche daran Schuld ist, hinderte auch so sehr lange den Vor- bis auf unsere Zeiten. Vortrag des deutschen Rechts auf Universi- taͤten. §. 189. Unstreitig war der Mangel an einem academischen Vortrage des einheimischen Rechts, ein Hauptumstand, um den fremden Rechten das Uebergewicht desto leichter zu verschaffen. Fast ganz eben so ging es auch im uͤbrigen suͤdwestlichen Europa. Aber ob die Einfuͤhrung eines alten, gelehrten Rechts ein Gluͤck oder ein Ungluͤck fuͤr uns war, laͤßt sich so leicht nicht entscheiden, als dieje- nigen wohl glauben, welche es stoͤßt, daß nicht jedermann ein Jurist seyn kann, und welche den Vortheil fuͤr gering schaͤtzen, den die ganze alte Litteratur davon gehabt hat, daß doch bisher fuͤr eine sehr zahlreiche Clas- se unter den hoͤhern Staͤnden, das Latein ei- ne von den Sachen war, deren Nutzen man mit Haͤnden greifen konnte. — Alles be- rechnet moͤchte es doch wohl nicht zu wuͤnschen gewesen seyn, daß Friedrich III. das Roͤmi- sche Recht verdraͤngt haͤtte, und Maximi- lian I. konnte immerhin dem Cammergerich- te befehlen, auch nach des Reichs und ge- meinen Rechten zu urtheilen, weder er noch die Staͤnde dachten daran, hier etwas neues zu verordnen, und die gesetzliche Kraft je- der einzelen Entscheidung Justinians blieb P 2 da- Theil II. seit Justinian, damit doch noch unausgemacht. Eine Wis- senschaft ist noch nie durch einen Reichsschluß, und nie durch eine Cabinets: Ordre, verbessert worden, so wenig als die Theologie durch ein Concilium. Der Geist des Zeitalters macht alle Befehle entweder unwirksam oder entbehrlich. §. 190. Zu Ende des 15ten und zu Anfang des 16ten Jahrhunderts fing endlich die Gaͤh- rung an, welche schon vorher einzele Gelehr- te so sehnlich gewuͤnscht hatten. Nicht die Erfindung der Buchdruckerey allein, die schon 1499 ein ganzes Corpus iuris lieferte, nicht die fluͤchtigen Griechen allein, die die Basiliken und andere juristische Schriften ih- rer Landsleute mitbrachten, waͤren im Stan- de gewesen, uns dem Ideale Valla’s naͤher zu bringen; aber tausend kleinere Umstaͤnde erweckten einen allgemeinern Eifer fuͤr die al- te Litteratur, die besten Koͤpfe waren uͤberall auf der Seite der Humanisten, und wenn ein Humanist an das Roͤmische Recht gerieth, so konnte es nicht fehlen, er mußte die Clas- siker verehren, und uͤber die Glossatoren und Bartolisten spotten. Gewoͤhnlich setzt man die Epoche der bes- sern Jurisprudenz erst bey Alciati , aber es waͤre bis auf unsere Zeiten. waͤre doch ungerecht, Maͤnner wie Zasius und Haloander und die ersten Herausgeber der nicht durch Justinian auf uns gekomme- nen Fragmente Bouchard und Sichard , mit Martinus, Bulgarus, Azo, Accur- sius, Barrolus, Baldus, Jason und den andern Verfassern der Glosse oder des Tractatus Tractatuum in eine Reihe zu stel- len. Besonders Hofmann ( Haloander ) hat dieß nicht um uns verdient, der zuerst die Pandecten mit Auswahl der Lesarten und ohne sclavische Anhaͤnglichkeit, weder an ei- ne sogenannte nirgends existirende Vulgata, noch an das Manuseript zu Florenz, edirte, und der zuerst den griechischen Text der No- vellen mit einer bessern Uebersetzung drucken ließ. §. 191. Hingegen die peinliche Gerichtsordnung Carls V. verdiente nicht in einer hellern Pe- riode erwaͤhnt zu werden, auch wenn sie chro- nologisch nicht so sehr entschieden fruͤher waͤ- re, als der Einfluß der neuen Art die Wis- senschaft zu behandeln. Sie sollte die Schoͤs- fen in Ordnung bringen, das heißt ihnen das, was gemeines Recht sey, bekannt ma- chen, oder ihnen zeigen, wenn und wo sie darnach anfragen muͤßten. Der Vorwurf ist also wohl sehr ungerecht, den man ihr we- P 3 gen Theil II. seit Justinian, gen ihrer Unbestimmtheit, in Ansehung der Strafen selbst, gemacht hat, denn welche Proceßordnung enthaͤlt ein Rechtssystem? und gewiß wuͤrde Johann von Schwar- zenberg sich eben so sehr wundern, wenn er hoͤrte, daß nun die Rechtsverstaͤndigen selbst jedes seiner Worte abwaͤgen, und gerne noch aus der Bambergischen Gerichtsordnung Be- lehrung schoͤpfen, so sehr als Carl V. sich wundern muͤßte, daß von allen seinen Anstal- ten fast keine sich erhalten habe, als diese. Kann man die Haͤrte der Halsgerichtord- nung tadeln, da sie so weise dem Einflusse anderer Sitten und anderer Meynungen Platz ließ? So wie die Rechtsverstaͤndigen spraͤ- chen, so sollte es Recht seyn, wessen Schuld ist es nun, wenn diese sich nur mit Chi- canen zu helfen wissen, um die Faͤlle der poena extraordinaria recht haͤufig zu machen? §. 192. Es ist schwer, die Menge der Rechtsge- lehrten, die wir aus der letzten Periode seit dem Winderaufleben der alten Litteratur ken- nen, ohne große Unbequemlichkeiten zu ord- nen. Weder das Vaterland, noch die Jahr- zahl, noch das Fach sind ganz bestimmte Cha- ractere, und am schwersten muͤßte es seyn, sie nach den Methoden zu stellen. Was ist wich- bis auf unsere Zeiten. wichtiger, der Ort der Geburt, oder der Ort wo man wirkt? Soll das erste oder das letzte Lebensjahr entscheiden, da oft eines so unwichtig als das andere ist? Und wie we- nige Rechtsgelehrte waren von jeher so be- scheiden, nur ein Fach sich zu waͤhlen, oder wie wenige so gluͤcklich, dieß zu duͤrfen? Allenfalls kann man aus den Rechtsge- lehrten, die bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts gelebt haben, einen eigenen Abschnitt machen, und weil dieß die Fran- zoͤsische Periode ist, so nimmt man die spaͤ- thern Schriftsteller dieser Nation auch mit. Die Periode der Hollaͤnder (im weiten Sin- ne) kann man auch bis auf unsre Zeiten her- abfuͤhren, nur muß man die deutschen Rechts- gelehrten des 18ten Jahrhunderts trennen, die besonders das Nicht- roͤmische Recht cul- tivirten. Fuͤr die Jetztlebenden muß ich es der Nachwelt uͤberlassen, eine eigene Epo- che anzunehmen. §. 193. Alciati verdient es an der Spitze der glaͤnzendsten Periode der Jurisprudenz zu ste- hen, weil er schon fruͤh Gefahr lief, ein Maͤrtyrer seines Eifers zu werden. Bour- ges nahm ihn auf, die bluͤhendste Universi- taͤt unter den bluͤhenden franzoͤsischen. Bu- dé Theil II. seit Justinian, dé war mehr Humanist als Rechtsgelehrter, Ferret , auch ein nationalisirter Franzose, ist der Lehrer Govea’s , den Cujas so sehr erhebt. Ant. Augustinus , Erzbischof von Tarragona that im Roͤmischen Rechte so viel als im Canonischen. Connan, Baron, Tiraqueau sind nicht so merkwuͤrdig als Duaren , Alciati’s Nachfolger in Bourges, oder als Dumolin , der stolze Ausleger der einheimischen Provinzialrechte, oder der Me- taphysiker Matth. Wesembek , dessen Me- thode in Deutschland mehr Nachfolger fand, als Baudouins historische Untersuchungen uͤber Tribonians Fehler. Die beyden Cau- relli thaten mehr fuͤr das Florentinische, von ihnen so verehrte Manuscript, als Le Con- te , den erst seine Streitigkeiten zum Ge- lehrten machten. Unsre Landsleute Schnei- dewin, Gail und Mynsinger hatten Hot- man’s Kenntnisse von der alten Litteratur nicht, sie stellten aber auch keine Paradoxen auf, wie er. §. 194. So viele große Rechtsgelehrte hatte Cu- jas zu Zeitgenossen oder zu Vorgaͤngern, denn er starb erst 1590: der Ruhm gebuͤhrt ihm also nicht, daß er die bessere Behandlungs- art der Wissenschaft erst eingefuͤhrt habe, und wenn er der groͤßte unter dem gelehrten Juri- bis auf unsere Zeiteu. Juristen war, wenn man seine Thaͤtigkeit in Benutzung unbekannter Quellen so hoch an- rechnen will, so kann man es doch nicht lo- ben, daß er einem Robert, Hotmann, Doneau so heftig, und sich selbst, wie Me- rille gezeigt hat, so oft widersprach, daß er so verwegen einendirte, und ein System fuͤr ein so unnuͤtzes Werk hielt. Auch Grego- rius von Toulouse schrieb eines, aber weder dieses noch Mercier’s Emendationen noch Loͤwenklau’s Uebersetzungen noch selbst Labitte’s Verzeichniß lassen sich mit Bris- sons unsterblichen Werken, besonders dem Le- xicon vergleichen, das sein gewaltsamer Tod unterbrach, ohne daß Tabor, oder Itter, oder Heineccius im Stande gewesen waͤren, es ganz zu vollenden. Jul. Pacius, Panzi- volli, Menochius, Mantica, Farina- cius lebten in Italien waͤhrend daß von Gif- fen an Conr. Rittershusen in Altdorf ei- nen Schuͤler hatte, der nicht nur die No- vellen systematisch erlaͤuterte, sondern auch die Fragmente der zwoͤlf Tafeln und des Julius Paulus herausgab. Denys Godefroi , der Vater, ist durch sein Corpus iuris, mit den Noten aus den Glossatoren und seinen Lands- leuten, beruͤhmt. Es ward so oft nachge- druckt, daß man seine Lesart fuͤr die vul- gata haͤlt, ob er gleich die Abweichungen von P 5 der Theil II. seit Justinian, der vulgata selbst bemerkt. Die beyden Pi- thou bearbeiteten das Canonische Recht, und der aͤltere Bruder edirte die Collatio. Oisel, Labbé, Maran, Gurhier, a Co- sta, Herault, Anton Favre , der Praͤsi- dent in Savoyen (Peter, der Verfasser der semestria war es in Toulouse) Merille ge- hoͤren alle zu dem zahlreichen Corps der großen franzoͤsischen Civilisten, das noch recht wuͤr- dig mit Jacob Godefroi , dem Sohne (ein Genfer ist in Deutschland doch ein Franzose) und mit Fabrot aufhoͤrt. Selbst der spitz- sindige Galvani bewunderte sie, und sie stellte er seinen Landsleuten zum Muster auf, obgleich Perez, Ramos del Manza- no, de Retes und der Commentator der Decretalen Gonzalez Tellez , durch ihre Ge- lehrsamkeit, auch Spanien Ehre machten. §. 195. Unter den neuern Franzoͤsischen Rechts- gelehrten verdienen Doujat, Domat , der in Deutschland fast gar nicht gekannte Ver- fasser der loix civiles dans leur ordre natu- rel, des Handbuchs aller seiner Landsleute, die beyden Ferriere und Bouhier genannt zu werden. Das große System des Letztern wird nun wahrscheinlich gedruckt. So lan- ge aber die Franzoͤsischen Universitaͤten das blei- bis auf unsere Zeiten. bleiben, was sie jetzt sind, so lange die sonst recht gut eingerichtete practische Bildung der jungen Rechtsgelehrten so sehr die Hauptsa- che ist, so lange wird man auch mehr auf das unmittelbar zu gebrauchende, als auf diejenigen Kenntnisse sehen, deren Vernachlaͤßi- gung sich zwar unausbleiblich, aber erst in der Folge, raͤcht. Es wird ein Verdienst seyn, auch nur seinen Terrasson zu studieren. §. 196. In dieser ersten Periode der neuern Ju- risprudenz gewann unstreitig das Roͤmische Recht am meisten durch die wieder aufleben- de alte Litteratur, und ob man gleich criti- sche Reinigung des Textes vielleicht zu stark trieb, so vernachlaͤßigte man doch das Sy- stem nicht, man wuͤrde auch wohl in den Geist des Rechts eingedrungen seyn, wenn damahls schon ein Montesquieu auf den Geist des Rechts aufmerksam gemacht haͤtte. — Das Canonische Recht verlor durch die Reforma- tion sehr viel von seinem Ansehen bey den Protestanten, und es wuͤrde auch in den Sachen, welche nicht durch Kirchenordnun- gen bestimmt sind, weit mehr verloren ha- ben, wenn man den Gerichtsgebrauch, der in das Canonische Recht gekommen ist, nicht fuͤr eine bloße Folge des Canonischen Rechts und Theil II. seit Justinian, und fuͤr einen Beweis von dem Ansehen des- selben hielte. Das Corpus iuris Canonici ward durch die Correctores Romani revidirt, aber Lancellotti’s Institutionen waren nicht so gluͤcklich als die von Tribonian verfertig- ten. Auch die neue Eintheilung des Lehen- rechts von Cujas kam nun zu spaͤth. Die Quellen des einheimischen Rechts wurden nun bekannter und es entstanden immer neue, aber es war was unerhoͤrtes, wenn Godenius seinen Zuhoͤrern uͤber die Kaiserwahl etwas vortrug “vt discant aliquid de cursibus mun- di.” §. 197. Die zweyte, Niederlaͤndische Periode mag mit Hugo Grotius anfangen, nicht wegen seines Werks uͤber das Hollaͤndische Recht, sondern weil das Buch, worin er nur die Absicht hatte, ungerechte Kriege zu verhindern, die Veranlassung zu einer neuen, nach und nach immer mehr ansgebreiteten , Branche der Jurisprudenz geworden ist. Nur freylich verstand sich Grotius nicht ge- nug auf das Demonstriren, um die Geschich- te entbehren zu koͤnnen. Groͤnewegen ist dadurch bekannt, daß er sehr leicht einzele Saͤtze des Roͤmischen Rechts fuͤr nicht ange- nommen hielt. Vinnius soll der erste von den großen humanistischen Juristen in Hol- land bis auf unsere Zeiten land gewesen seyn, er versetzte die nicht mehr schwache Pflanze in einen sehr guͤnstigen Bo- den. Um eben diese Zeit stritt Conring ge- gen die erdichtete Verordnung Lothars, ge- gen die Anwendbarkeit des Roͤmischen Staats- rechts in Deutschland, und dafuͤr daß unsre Regenten das Roͤmische Recht aͤndern duͤrf- ten und sollten. Er haͤtte voͤllig frey von Irrthuͤmern daruͤber seyn koͤunen, und waͤre doch fuͤr den großen Haufen lange nicht so wichtig gewesen, als Mevius , dessen Bey- nahine fabricator praxeos jeden Juristen vor sklavischer Anhaͤnglichkeit an den Gerichts- gebrauch bewahren muß, oder als Brun- nemann , der das Ansehen Carpzov’s schwaͤchte, oder gar als die Compendien- schreiber Lauterbach und Struv . Der Plan des letzteren war gewiß zu einer Zeit, da man weder uͤber das germanicum noch uͤber das Criminalrecht hoͤrte, da die latei- nische Sprache noch die Sprache aller Vor- lesungen war, und auf einer Herzoglich-Saͤch- sischen Universitaͤt, so uͤbel nicht. Aber Struv, der die Unvollkommenheit seines Werks mit seinen uͤberhaͤuften Geschaͤfften entschuldigte, wuͤrde sich gewiß freuen, wenn er wuͤßte, daß jetzt dieses alles sich geaͤndert habe, nur nicht der academische Gebrauch der iurispru- dentia Romano-Germanica. Wissenbach war Theil II. seit Justinian, war auch von Geburt ein Deutscher, man nimmt ihm seine Meynung von dem Emble- men mehr uͤbel, als daß er die obligatio zum ius personarum rechnete. Sein Schuͤler Ulr. Huber ruͤhmte von sich, daß er die sterilen Untersuchungen uͤber das alte Recht aufgegeben habe. Die positiones, woraus sein Commentar erwuchs, waren wohl an- fangs auch nur einige Bogen, man sieht darin, daß Grotius schon geschrieben, und Pufendorf das Naturrecht schon zum eige- nen Collegium gemacht hatte. In den Haͤn- deln mit seiner Facultaͤt war Huber’s Geg- ner der viel juͤngere van Eck , dessen Pan- decten Compendium doch wenigstens beque- mer war, als Vorlesungen uͤber den Text selbst. Die beyden Voer stehen in Holland noch in großem Ansehen und uͤber Boͤkel- manns Institutionen liest man dort noch jetzt. Noodt , und sein Vetter Schulting gehoͤren zu den verdientesten Rechtsgelehrten, aber die Sammlung, wodurch der Nahme des Letz- tern mehr bekannt ist, als durch seinen vor- trefflichen Beweis, daß die Jurisprudenz nicht bloße Speculation sondern eine histori- sche Wissenschaft sey, und durch mehrere ihm ganz eigene Schriften, diese Sammlung muͤß- te jetzt sehr leicht uͤbertroffen werden koͤnnen, weil man bey der Bearbeitung der Alten uͤber- bis auf unsere Zeiten. uͤberhaupt jetzt manchen neuen Vortheil an- wendet. Brencmanns Wallfarth zu dem Florentinischen Manuscripte wird wohl die letzte dieser Art seyn. Westenberg war auch ein Deutscher; d’ Arnaud lebte zu kurz, um je das Gewicht von Bynkershoek zu bekommen, der durch seinen Streit mit Pa- genstecher sich sehr fruͤh, aber nicht ganz zu seinem Vortheile, bekannt machte, und der unter uns vielleicht deswegen so viel genannt wird, weil er ein Zeitgenosse unserer Com- pendienschreiber war. Wieling ist einer der letzten großen Rechtsgelehrten in den Niederlanden, denn Meermann war meist nur Sammler, und aus Dank fuͤr manches schaͤtzbare spanische oder franzoͤsische Werk, darf man es nicht zu sehr ruͤgen, daß bey weitem nicht alles, was er abdrucken ließ, den wahren Reichthum seines Schatzes vermehr- te, so wie man bey seiner Schrift, worin er die Lehre von den res mancipii zum Theil durch die Chemie erlaͤutert, und worin er, wie es scheint, gerade die Hauptsache uͤber- sieht, nicht vergessen muß, daß es seine Doctordisputation war, und daß eine solche doch selten so viel zusammengetragene Mate- rialien liefert. Ruͤcker und Voorda wuͤrden durch ihre Emendationen beruͤhmter gewor- den Theil II. seit Justinian, den seyn, wenn man jetzt dadurch so beruͤhmt wuͤrde, als ehemahls. §. 198. Im Roͤmischen Rechte ist diese Periode von der vorhergehenden nicht sehr unterschie- den, wenigstens nicht sehr zu ihrem Vorthei- le, denn die Blicke auf das Ganze sind bey den Hollaͤndern beynahe seltener, als bey den großen franzoͤsischen Civilisten. Aber ein Vortheil war es immer, daß sie blos Civi- listen waren, und daß die Professoren nicht durch Facultaͤtsarbeiten in ihren gelehrten Untersuchungen gestoͤhrt wurden. Die alte Literatur trieb man uͤberhaupt mit vielem Fleiße, obgleich oft mit wenig Geschmack; und das Roͤmische Recht ist ja doch nichts anders, als ein Theil der alten Litteratur. In Deutschland blieb alles so ziemlich wie vorher, es bildete sich ein Gerichtsge- brauch, den die sogenannten accuraten Ju- risten erst nachher aus den Schriften der Hol- laͤnder verbesserten; das Naturrecht ward eine eigene Disciplin, und seit dem Westfaͤ- lischen Frieden fehlte es nun gar nicht an Publicisten, die die deutsche Freyheit gegen den Kaiser muthig vertheidigten. Doch ge- wann dabey der Despotismus der Landes- herrn oͤfter, als die Freyheit der Untertha- nen. §. 199. bis auf unsere Zeiten. §. 199. Von den Rechtsgelehrten des achtzehn- ten Jahrhunderts sind die franzoͤsischen und hollaͤndischen schon als Anhang zu ihren Lands- leuten erwaͤhnt, wenn man also von den Ita- liaͤnern den einzigen Gravina , vorzuͤglich wegen seiner Latinitaͤt, ausnimmt, so blei- ben nur Deutsche uͤbrig. Bey aller Aus- wahl, die hier um so noͤthiger ist, je mehr wir noch die ganze Menge von Nahmen uͤbersehen, darf doch Schilter nicht verges- sen werden, der in so vielen Faͤchern Ver- dienste hat, daß man es ihm verzeihen muß, wenn er die Ordnung des Roͤmischen Privat- rechts, aus metaphysischen Gruͤnden, auch im Staatsrechte fuͤr die beste hielt. Beyer ist als der Erste merkwaͤrdig, der uͤber das deut- sche Privatrecht las, hingegen Samuel Strvk , der erste von den Hallischen Juri- sten, trug das Deutsche Provinzialrecht als vsus modernus der Pandecten vor. Sein Sohn Joh. Samuel hat ihn nicht uͤbertrof- fen, wie Henrich Cocceji , der im Natur- rechte arbeitete, und das Deutsche Staats- recht in der aͤltesten Geschichte fand, von dem seinigen an Ruhme uͤbertroffen worden ist. Ludovici verdankt seinen Ruf einem Pandecten-Compendium und einer Einlei- tung in die verschiedenen Arten des Processes. Q Von Theil II. seit Justinian, Von Lynker in Jena, dem heftigen Gegner der Hallischen Professoren, haben wir eine Biographie, worin nichts vergessen ist, als was Schroͤckh bey seinem Leben des Thoma- sius wissen wollte und nicht erfuhr, die Fra- ge: was der Mann fuͤr Einfluß auf seine Wissenschaft gehabt habe. Bey diesem letz- tern war ihre Beantwortung um so schwe- rer, da noch jetzt viele und wohl die meisten anderer Meynung uͤber den Gerichtsgebrauch des Roͤmischen Rechts sind, als er, ob es gleich auf der andern Seite nicht an solchen fehlt, die mit ihm uͤber die Annahme des Roͤmischen Rechts, das von jeher nichts ge- taugt habe, klagen, und die sich mit einem Naturrecht behelfen wollen, das sie erst aus dem Roͤmischen bereichern. Uebrigens schraͤnk- te auch Thomasius sich bey weitem nicht auf ein bestimmtes Fach ein, so wie auch Gund- ling nicht blos Publicist seyn wollte. Pfef- fingers Excerpte werden noch lange und oft die Stelle der Quellen selbst vertreten muͤssen, und Bergers Oeconomie wird noch lange und oft zum Muster dienen. Griebner las zuerst uͤber das Privatrecht der Fuͤrsten; Brunquell starb zu fruͤh, um in Goͤttingen Schuͤler zu hinterlassen. Burcard Gott- helf Struv zeichnet sich in der deutschen Ge- schichte und dem Privatrechte der Fuͤrsten aus, bis auf unsere Zeiten. aus, aber durch seine Bibliothek werden ei- gene Werke uͤber die publicistische, civilisti- sche ꝛc. Litteratur, nichts weniger als entbehr- lich. §. 200. Ludolph in Wetzlar konnte durch seine Verdienste um das CameralRecht lange nicht so beruͤhmt werden, als Heineccius , denn so viele Compendien als dieser, schrieben wohl wenige seiner Zeitgenossen. Daß er sich durch seinen Styl von den meisten Juristen vor- theilhaft unterschied, leugnen selbst diejenigen nicht, die doch auch ihn nicht zum Fuͤhrer haben moͤgen; daß er ganze Werke und vie- le einzele Ideen der Auslaͤnder in Circulation brachte, ist ein eben so unbestrittenes Ver- dienst. Hingegen seinen Antiquitaͤten wirft man vor, daß sie aus Sigonius und Schul- ting compilirt, und in einer fuͤr diesen Zweck, wie der appendix zeigt, ganz unschicklichen Ordnung compilirt seyen. Daß der Unter- richt im alten Rechte aber viel nuͤtzlicher und leichter werde, wenn man einen bestimmten Standpunkt, die Zeit der juristischen Clas- siker waͤhle, hat sein Nebenbuler auch nicht gefuͤhlt, sonst haͤtte man nicht uͤber ein Com- pendium der Rechtsalterthuͤmer, die Antiqui- taͤten fuͤr Humanisten lesen koͤnnen. Ob Heineccius in seinen Institutionen wohl ge- than Theil II. seit Justinian, than habe, sich der axiomatischen Methode zu bedienen, und ob er sich ihrer so haͤtte bedienen sollen, daruͤber ist jetzt Streit zwi- schen denen, die uͤber den veraͤnderten, und denen, die uͤber den aͤchten Heineccius lesen. Er selbst aͤnderte bey neuen Auflagen fast nichts. Seine Pandecten haben weniger Gluͤck gemacht, und seine Rechtsgeschichte ist jetzt nur wegen Kitters berichtigender An- merkungen schaͤtzbar. Auch im germanicum mußte er, und zwar hier ohne seine Schuld, verdraͤngt werden, aber sein Commentar uͤber die lex Julia \& Papia Poppaea ist noch nicht uͤbertroffen, so wie der uͤber das Edict noch nicht vollendet. Wernher hat sein An- sehen unter den Practikern besser behauptet, als Kreß das seinige im Criminalrecht, oder der Kanzler von Ludewig seine Hypothe- sen in der Lehre von der deutschen Staatsver- fassung. Die Urkunden, die letzterer heraus- gab, sind wohl sein bleibendstes Verdienst, eben dieses machte sich auch von Meiern. Schaumburg schrieb ein PandectenCompen- dium, Hombergk uͤbersetzte die Novellen, Kopp stellte im Germanicum, Conradi im alten Roͤmischen Rechte, und Claproth im NaturRecht Untersuchungen an. Der Kanz- ler J. H. Boͤhmer wuͤrde, wenn er auch nicht vor 85 Jahren das noch jetzt gangbare Pan- bis auf unsere Zeiten. PandectenCompendium geschrieben haͤtte, nicht nur wegen seiner andern Schriften, als der gelehrteste Canonist unter den Protestan- ten, sondern auch wegen seiner Soͤhne un- vergeßlich seyn, von welchen hier aber nur Samuel Friedrich von Boͤhmer , der classische Schriftsteller im peinlichen Rechte, angefuͤhrt werden kann. §. 201. Es verdient eine eigene Untersuchung, warum Augustin von Leyser so beruͤhmt ge- worden ist. Gewiß nicht durch seine juristi- sche Orthodoxie, denn so verwegen hat wohl noch niemand den Vorurtheilen oder den bes- sern Einsichten seines Zeitalters Hohn ge- sprochen, als er; auch nicht durch seine Schuͤ- ler, denn wer den ganzen juristischen Cursus von 1½ Jahren bey ihm machte, der hatte von dem alten Rechte gar nichts gehoͤrt; viel- leicht eher dadurch, daß er so viele Anecdo- ten und so wenig civilistische Gelehrsamkeit hat, daß er sich uͤber alle Theile der Juris- prudenz verbreitet, und daß der Index von Jenichen so vollstaͤndig ist. Glafey, Knor- re, Engau , und Wahl haben seinen Ruhm lange nicht erworben, aber Sam. v. Coc- ceji ward Preußischer Großkanzler, wenig- stens so lange er lebte mußten seine Controver- Q 3 sen Theil II. seit Justinian, sen so gut als seine Justizreformen gelobt werden. Otto ist nicht blos als Sammler merkwuͤrdig, und eben dieses gilt auch in ganz andern Faͤchern von Schmauß . Das gruͤndliche Studium des Roͤmischen Rechts haͤtte gewiß dabey gewonnen, wenn Bach nicht schon im 37ten Jahre gestorben waͤre, von mancher Entdeckung wuͤrde er noch selbst die natuͤrlichen Folgen fuͤr andere Saͤtze ge- sehen haben; doch vielleicht haͤtten auch ihn practische Beschaͤfftigungen der Gelehrsam- keit entzogen. Ritter , sein wuͤrdiger Vor- gaͤnger im Streite gegen Heineccius, uͤber- lebte ihn noch lange. Solche Civilisten wur- den nun immer seltener, Heumann, Jo- hann Jacob Mascov, Scheid, Buri bearbeiteten das deutsche Staats- und Privat- Recht, und wenige verbanden damit so viel Kenntniß des alten Roͤmischen, als Grupen . Er widerlegte Senkenbergs Ideen vom so- genannten Kaiserrechte, aber Cramer war in seiner Controvers fuͤr die Regredient-Erb- schaft weniger gluͤcklich, und selbst seine Ver- suche, die Wolfische Lehrart in der Juris- prudenz einzufuͤhren, wuͤrden ihn nicht der Vergessenheit entreissen, wenn er nicht Ver- fasser der Wetzlarischen Nebenstunden waͤre! §. 202. bis auf unsere Zeiten. §. 202. Um diese Zeit starb Seyberth zu fruͤh, als daß er die Hoffnungen, wozu seine Thaͤ- tigkeit und sein Eifer fuͤr die alte Litteratur berechtigte, haͤtte erfuͤllen koͤnnen. Den Nah- men Gebauers wird das hiesige Corpus iu- ris auf die Nachwelt bringen, aber Ayrer waͤre wohl vergessen worden, auch wenn er den Ruf zum Gesetzgeber Rußlands ange- nommen haͤtte. Riccius war im deutschen Rechte so beruͤhmt, als Meister im peinli- chen, oder Gustav Bernhard Becmann in den Pandecten. Dieser eifrige Crusianer, der nur deswegen durchaus nichts von der demonstrativen Methode wissen wollte, weil sie nicht die synthetische hieß, — zeichnete sich weit mehr durch muͤndlichen Unterricht, als durch Schriften aus. Auch der ange- fangene Commentar uͤber Boͤhmer beweißt, daß seine Staͤrke in Distinctionen und Tabel- len, uͤberhaupt in der aͤußersten Genauigkeit des Details, und nicht in einer großen Ue- bersicht des Ganzen beruhte. Habernickel wuͤrde fuͤr Verbesserung des Studiums mehr geleistet haben, wenn er das academische Leben nicht so bald verlassen, wenn er den Sprachgebrauch der Classiker mehr studirt, und nicht nur das Roͤmische Recht vom Nicht- roͤmi- Theil II. seit Justinian, roͤmischen, sondern auch in jenem die verschie- denen Perioden abgesondert haͤtte. Aus dem neusten Necrolog anderer Uni- versitaͤten ist in Jena Hellfeld merkwuͤrdig, weil er ein neues Compendium nach einem laͤngst fuͤr fehlerhaft erkannten Plane schrieb; in Marburg Estor , in Tuͤbingen Hofmann , in Helmstaͤdt Eisenhard , und der volumi- neuse Haͤberlin , und in Leipzig, wo wegen mancher LocalUrsachen die Roͤmische Juris- prudenz noch Freunde behalten mußte, als sie sonst hier und da vergessen zu werden schien, Carl Ferd. Hommel , der alle Frag- mente der classischen Juristen eigentlich nicht herausgab, sondern herausgeben ließ. Jo- hann Jacob Moser , der so viele Buͤcher geschrieben, und so mancherley Schicksahle erfahren hat, macht im Staatsrechte, durch seine Freymuͤthigkeit, und durch die Tren- nung des Practischen vom bloß Gelehrten, Epoche. §. 203. Alle Juristen sind darin einig, daß die Rechtsgelehrsamkeit noch nie in dem Grade gebluͤht habe, wie in unsern Tagen. Von dem Roͤmischen Rechte wuͤrde man dieß nicht vermuthen, wenn man nur darauf saͤhe, wie viele und wie erhebliche civilistische Schriften in Deutschlaud erscheinen, oder wenn man die bis auf unsere Zeiten. die juristischen Dissertationen auf den meisten Universitaͤten laͤse, die freylich meist von ei- ner traurigen Vernachlaͤßigung selbst der Sprache, worin das Roͤmische Recht geschrie- ben ist, zeugen. Die neuen Gesetzbuͤcher sind vielleicht auch ein Beweis, daß die ge- lehrte Kenntniß des Rechts in eben dem Maaße abgenommen hat, in welchem das Raisonniren uͤber Rechtssaͤtze allgemeiner ward, denn sonst haͤtte man kein Beduͤrfniß nach ihnen gefuͤhlt, und sonst wuͤrden sie auch anders ausgefallen seyn. Selbst dieß koͤnn- te eine nachtheilige Vermuthung bewirken, daß gerade das Roͤmische Recht von derjeni- gen Nation nicht bearbeitet wird, nach de- ren Beyspiele die deutsche Litteratur sich seit einem halben Jahrhundert am meisten ge- bildet hat. Auf der andern Seite ist es doch aber auch beynahe unmoͤglich, daß das Roͤmi- sche Recht keinen Vortheil davon haben soll- te, wenn die alte Litteratur mit unendlich mehr Geschmack unter uns getrieben wird, als ehemahls; wenn die Philosophie frey von allem Sectengeiste und ganz auf Beob- achtungen gegruͤndet ist; und wenn man in der Geschichte so viel pragmatischen Zusam- menhang, und so psychologische Entwicklung der Charactere findet, daß diejenigen geneigt seyn koͤnnen, sie fuͤr einen Roman zu halten, R die Theil II. seit Justinian, die nicht wissen, wie unermuͤdete Geschichtfor- scher gerade auch unsre besten Geschichtschrei- ber sind, und daß oft die Zeile, die man nur fuͤr einen glaͤnzenden Einfall haͤlt, das Resultat von zwanzig Urkunden ist. Alles dieses mußte nothwendig auch auf das Ci- vilrecht den gluͤcklichsten Einfluß haben, wenn man gleich den Weg, den Montesquieu zeigte, lange nur im Staats- und Criminal- Recht betrat, wo so viele gelehrte Data nicht noͤthig sind, und wenn gleich Michaelis sehr lange alle Juristen beschaͤmte. §. 204. Dessen ungeachtet behaupten einigeSchrift- steller noch immer “daß gerade das Civilrecht die Wissenschaft sey, die in unsern Zeiten durch die Begierde nach blos unmittelbar Practischen und Geldverdienst Erzeugendem am meisten zu sinken, und am meisten Koͤpfe zu verderben scheine,” oder “daß gerade die bessern Koͤpfe, der Regel nach, den groͤß- ten Ekel daran haͤtten.” Sie erinnern, daß dieß doppelt schaͤdlich sey, einmahl weil in Deutschland so viele politische Bedienungen, wo die Justiz gar nicht, oder doch nicht als Hauptsache vorkommt, mit Juristen besetzt wuͤrden, und dann weil selbst in Civilproces- sen ein Streit uͤber die Thatsachen und die ver- bis auf unsere Zeiten. vernuͤnftige Auslegung der Worte weit haͤu- figer vorkomme, als ein Streit uͤber Rechts- saͤtze, also oft ein wissenschaftlich gebildeter Verstand weit noͤthiger sey, als Tabellen und Autoritaͤten. Sie gehen den ganzen ci- vilistischen Cursus durch, die Antiquitaͤten enthalten ihrer Meynung nach zu vieles aus den Zeiten der Republik, das so ausfuͤhrlich wohl zur alten Litteratur uͤberhaupt, aber nicht gerade zunaͤchst fuͤr die Jurisprudenz nuͤtz- lich sey; die Rechtsgeschichte ist als bloße Geschichte der Gesetze nicht wichtig genug, und wenn man die Geschichte aller Rechte verbinde, so lerne man manches zu fruͤh, und von der Geschichte des Roͤmischen Rechts zu wenig. Das InstitutionenCollegium tadeln sie deswegen, weil so vielerley Rechte darin vorkommen, und doch von keinen ein- zigen ein vollstaͤndiges System, es sey gar keine Grenzlinie zwischen diesen Vorlesungen und dem Unterrichte, der die Ordnung der Pandecten befolge, sogar altes Recht kom- me ja auch in diesen letztern vor, z. B. die Lehre vom Processe, weil Justinian darauf rechnete, daß neben seinen Institutionen auch noch die vier ersten Buͤcher der Pandecten im ersten Jahre erklaͤrt werden sollten. Diese Unordnung erschwehre das Lernen außeror- dentlich, daher komme es, daß man so oft fuͤr Theil II. seit Justinian, fuͤr noͤthig finde, dasselbe Collegium von neu- em zu hoͤren, und am Ende noch aus dem sogenannten kleinen Struv Trost zu holen. §. 205. Der Erfolg muß lehren, ob diese Kla- gen gegruͤndet sind, und ob ein Versuch ei- nes civilistischen Cursus gelingen wird, wodurch man ihnen abzuhelfen sucht. Dieser Cursus besteht aus drey oder vier einfachen Colle- gien, womit man also die gewoͤhnlichen In- stitutionen und Pandecten verbinden, und doch fuͤr die immer haͤufiger und unentbehr- licher werdenden andern Wissenschaften noch Zeit gewinnen kann. Der erste civilistische Unterricht wuͤrde das heutige Roͤmische Recht begreifen, alles was vom Roͤmischen Rechte anwendbar ist, und alles Anwend- bare, was aus dem Roͤmischen Rechte kommt. Die Geschichte und der Beweis jedes einzelen Satzes bleibt hier noch weg. Diesen Vorle- sungen zur Seite laͤuft die Rechtsgeschichte nach dem Plane des gegenwaͤrtigen Lehrbuchs, also neben der Geschichte der Quellen auch ei- ne historische Uebersicht des Systems selbst, zur Zeit der zwoͤlf Tafeln, Cicero’s und Ju- stinians. Das System zur Zeit der classi- schen Juristen, aus deren Schriften die Pan- decten gezogen sind, oder das Pandecten - Recht bis auf unsere Zeiten. Recht verdient einen eigenen und ausfuͤhrli- chen Vortrag, und nun erst koͤnnen exegeti- sche Vorlesungen uͤber eine Chrestoma- thie der wichtigsten Texte von Nutzen seyn, wenn man nicht mehr Gefahr laͤuft, einer Stelle einen ganz andern Sinn beyzulegen, als der ist, den sie nach der Verbindung mit dem ganzen Systeme des Rechts hatte. §. 206. Das deutsche Staatsrecht wird jetzt auf allen bessern Universitaͤten fuͤr unentbehrlich angesehen, denn obgleich das Band, welches alle deutsche Staaten wieder zu einem Staa- te verbindet, immer loser, also das Staats- recht des ganzen Reichs weniger wichtig wird; so verdient das Staatsrecht der einzelen Laͤn- der nur um so mehr studiert zu werden, und bisher verbindet man noch beydes. Die Ge- genstaͤnde sind hier wieder die Regierungsge- walt uͤberhaupt, und ihre einzelen Rechte. Jene steht in den Laͤndern entweder einem erblichen oder gewaͤhlten, durch Landstaͤnde eingeschraͤnkten oder uneingeschraͤnkten Mo- narchen, oder einem aristocratischen Corps, oder der ganzen Gemeine zu. Die Lehre von der Erbfolge in diesen Monarchien ist ein Haupt- stuͤck des ius priuatum principum, und die von der Wahl eines Monarchen oder seines kuͤnf- Theil II. seit Justinian, kuͤnftigen Nachfolgers traͤgt man im ius Ca- nonicum vor. Desto ausfuͤhrlicher ist man bey dem Wahl-Monarchen uͤber das ganze Reich, seinem Thronfolger, seinen Vica- rien, und den langweiligen Deliberationen sei- ner Staͤnde. Die einzelen Rechte: Aemter und Wuͤrden, Finanzrechte, (Steuern, Muͤnzen, Posten) die Civil- und Criminal- justiz, und das Militair werden einzeln durch- gegangen, und das Verhaͤltniß zwischen der Reichsregierung und Landesregierung, dem Reichsregenten und den Reichsstaͤnden, dem Landesregenten und den Landstaͤnden gezeigt. Einiges davon kommt aber in dem Reichs- processe vor. Eine Ruͤcksicht, die durch das ganze Staats-Recht großen Einfluß hat, ist die Religion, das im Ganzen gleiche Ver- haͤltniß der Catholiken und Protestanten, welches in jedem einzelen Falle vom Normal- tage und Normaljahre abhaͤngt, und die Verfassung jeder Kirche fuͤr sich, wo man bey den Protestanten zwischen dem Episco- pal- und dem CollegialSysteme, bey den Ca- tholiken zwischen den Erzbischoͤfen auf der ei- nen, und dem Pabste mit den Bischoͤfen auf der andern Seite, waͤhlen kann. §. 206. bis auf unsere Zeiten. §. 207. Ein Collegium, dessen Existenz nicht aͤl- ter ist, als der Anfang dieses Jahrhunderts, auf welches also in den uͤbrigen noch nicht vie- le Ruͤcksicht genommen wird, und welches seinen verhaͤltnißmaͤßigen Umfang noch nicht erhalten hat, ist das deutsche Privatrecht , theils das allgemeine ohne naͤhere Ruͤcksicht auf einen bestimmten Theil von Deutschland, theils das besondere Landrecht der meisten Studierenden gerade auf dieser Universitaͤt. In dem SachenRechte sind besonders dieje- nigen Dinge wichtig, bey welchen Privat- Eigenthum und Landeshoheit collidiren, Fluͤsse, Straßen, Waldungen, Bergwerke u. s. w.; von den uͤbrigen aber kommen theils neue Contracte (Lotterien, Leibrenten, Ster- bethaler u. a.) und neue Bestimmungen der Roͤmischen (Abtrieb, gerichtliche Auflassung, Dienstboten u. a.) theils auch besonders neue Servituten, die Zwang Gerechtigkeiten, vor. Im PersonenRechte machen die buͤrgerlichen Verhaͤltnisse des Judigenats, des Adels, des BuͤrgerRechts und der mannichfaltigen Ar- ten von Bauern, eine Menge Rechtssaͤtze noͤthig; in den Familienverhaͤltnissen hat die Ehe, in ihrer Entstehung, ihren Rechten und ihrer Trennung, vieles gar nicht Roͤmi- sche; bey der aͤlterlichen Gewalt verdienen die Theil II. seit Justinian, die unehelichen Kinder eine eigene Ruͤcksicht, und die Vormundschaft geht mehr nach Reichs- und Landesgesetzen, als nach dem Roͤmischen Rechte, aus welchem die Lage verschiedener Religionsverwandten wohl auch nicht beur- theilt werden darf. In der Erbfolge erschei- nen die Erbvertraͤge, neue Bestimmungen uͤber Testamente und IntestatErbrecht vor- zuͤglich den Ehegatten, und die Stammguͤ- ter. Im Processe muß sowohl die Gerichts- verfassung, als die Art des Verfahrens, hier gelehrt werden, wenn man sie nicht hoͤchst unschicklich unter die Roͤmische mischen will. §. 208. Das Lehenrecht ist, so wie das Cano- nische , noch immer im Besitze, ein eigenes vollstaͤndiges Collegium auszumachen. Ge- gen letzteres, unter welchem man jetzt Ca- tholisches und Protestantisches Kirchenrecht begreift, hat man erinnert, daß es fuͤr Ca- tholiken nicht befriedigend sey, und daß Pro- testanten mehr Nutzen davon haben wuͤrden, wenn man es mit einem Unterrichte in der Kirchenhistorie verbaͤnde. Diese mehr hi- storische Behandlung ist auch fuͤr das Cri- minalrecht vorgeschlagen worden, statt daß es jetzt nur philosophische Lehren uͤber die Moralitaͤt der menschlichen Handlungen, ei- ne bis auf unsere Zeiten. ne genaue Classification jedes Verbrechens, und den peinlichen Proceß enthaͤlt. Eharacteristisch sind fuͤr den neusten Zustand der Rechtsgelehrsam- keit die vielen speciellen Collegien, welche jaͤhrlich entstehen, wovon mehrere sich mit der Bildung kuͤnftiger Staatsmaͤnner beschaͤfftigen, und die practischen Uebungen, welche sich nicht mehr blos auf Proceßschriften, oder auf bald concentrirte bald weitlaͤuftige Relationen in JustizSachen, son- dern auf alles, was je einem Geschaͤfftsmanne vorkommt, erstrecken sollen. §. 209. Die Huͤlfswissenschaften werden auf den bessern deutschen Universitaͤten jetzt eifriger getrieben, als je, und es ist wohl nicht wahrscheinlich, daß die Coexistenz nicht auch am Ende sich in wahren Ein- fluß verwandeln sollte. Den Einfluß der Philoso- phie wuͤrde es gewiß erleichtern, wenn die schola- stische Methode, mit ihr den Anfang zu machen sich noch mehr verloͤre, denn eine Logik, die nicht bloße Terminologie ist, paßt wohl besser fuͤr Zuhoͤ- rer welche im Nachdenken schon mehr geuͤbt sind. Auch das NaturRecht scheint dadurch, daß es recht practisch werden sollte, eine ganz falsche Stel- le erhalten zu haben. Seine wichtigsten Lehren, von den letzten Gruͤnden des Zwangsrechts und von den Rechten und Pflichten der hoͤchsten Gewalt, koͤnnen wohl, so wenig als die Politik, welche man sehr schicklich damit verbindet zur Vorbereitung auf das RoͤmischeRecht dienen, und wenn man al- le Definitionen aus diesem oder gar aus allen Theilen des positiven Rechts unter dem Nahmen des NaturRechts vorausschicken will, so kann dieß einmahl den Nachtheil haben, daß man manches blos zufaͤllige fuͤr allgemein nothwendig haͤlt, und R 5 dann Theil II. seit Justinian, ꝛc. dann ist es wohl vernuͤnftiger, Ordnung und Rai- sonnement in das positive Recht selbst zu bringen, als beydes abzusondern. Man kann im Natur- Rechte viel gruͤndlicher beweisen, wenn man nicht das ganze Roͤmische Recht darin beweisen soll, und fuͤr den ersten Unterricht wird immer das Histori- sche leichter seyn, als das Abstracte. §. 210. Keine Art von Kenntnissen, die znr Ausbil- dung des Geistes beytraͤgt, ist fuͤr die Jurispru- denz ganz gleichgiltig, und bey sehr vielen Bedie- nungen wird der Unterricht uͤber Oeconomie und Cameralwissenschaften ein ganz vorzuͤgliches Be- duͤrfniß. Aber so innig ist doch mit dem Studi- um des Roͤmischen Rechts durchaus nichts ver- bunden, als Roͤmische Sprache, Geschichte und Litteratur. Von dem Grade des Eifers, womit diese unter uns getrieben werden, haͤngt zuverlaͤs- sig die Stelle ab, welche uns die Nachwelt ein- mahl in der Litterairgeschichte des Rechts einraͤu- men wird, und wer den Unterricht im Lateini- schen nur auf das schlechterdings unentbehrliche einschraͤnkrn will, sollte doch nie vergessen, daß wenigstens fuͤr einen Juristen recht sehr viel La- kein schlechterdings unentbehrlich ist. Druckfehler und Verbesserungen. S. 5. Z. 11. 13. 15. u. 17. statt Jahr lies Jahre. S. 47. Z. 13. ist nach iuris peritorum auctoritate aus- gelassen edictis magistratuum. S. 64. Z. 20. muß der Satz: “die andern gaben kein Recht gegen jeden Besitzer” ausgestrichen werden. Es ergibt sich schon aus dem vorhergehenden, daß er falsch ist, denn das Roͤmische Eigenthum geht ja auch auf res nec mancipii.