Versuch eines Schulbuches , fuͤr Kinder der Landleute, oder zum Gebrauch in Dorfschulen. Difficile est, proprie, communia dicere. Hor . de Arte P. v. 128. Berlin, bey Friedrich Nicolai. 1772 . Einleitung . Wenn ich, ohne meinem Werke einen Grad von Wichtigkeit beyzulegen, den es vielleicht nicht hat, mir Leser verspre- chen darf: so muß ich mit ihnen uͤber gewisse Fragen und Einwuͤrfe mich vergleichen, die dieser Versuch, hoͤchstwahrscheinlich, ver- anlassen wird. Auf die erste Frage, „wer mich berufen „hat, mich zum Lehrer des Landvolks auf- „zuwerfen?„ ist meine kurze Antwort diese: Ich lebe unter Landleuten. Mich jam- merte des Volks. Neben den Muͤhseligkei- ten ihres Standes werden sie von der schwe- ren Last ihrer Vorurtheile gedruͤckt. Ihre Unwissenheit, in den noͤthigsten Kenntnissen, beraubt sie der Vortheile und Ersetzungen, welche die, fuͤr alle Staͤnde, gnaͤdige Vor- sehung Gottes auch dem ihrigen gegoͤnnt hat. Sie wissen weder, das, was sie haben, gut zu nutzen; noch, das, was sie nicht haben * 2 koͤn- Einleitung. koͤnnen, froh zu entbehren. Sie sind we- der mit Gott, noch mit der Obrigkeit zufrie- den. Gott tadeln sie durch Murren, uͤber die Einrichtung Seiner Welt, und halten Ihn fuͤr einen Stiefvater, der partheyisch mit Seinen Kindern verfaͤhrt. Die Obrig- keit aber sehen sie, bey jeder noͤthigen Ein- schraͤnkung ihrer eigennuͤtzigen Wuͤnsche und Handlungen, als einen harten Statthalter an, der das zur befohlenen Pflicht hat, ih- nen das Leben zu verbittern. Daher ist ihre Religion, meistentheils, der verderblichste Fatalismus. Die ganze vortrefliche Sittenlehre Jesu Christi und Seiner Apostel liegt ihnen ganz außerhalb der Sphaͤre der Ausuͤbung. Sie wollen zur Noth, wohl durch Christum selig, aber nicht durch Christum vorher fromm werden. Die Ursachen dieser saͤmmtlichen, den Staat in seinem wichtigsten Theile, zerstoͤ- renden Uebel, liegt an der vernachlaͤßigten Erziehung der laͤndlichen Jugend. Bringt man nichts in den Kopf, so koͤmmt auch nichts ins Herz; oder deutlicher zu reden: Ohne Begriffe und Grundsaͤtze entstehen keine Entschließungen — kein moralisches Urtheil, uͤber gut und boͤse, wird gefaͤllt — kein moralischer Vortrag verstanden — kei- ne Einleitung. ne Regel angewandt; sondern der Mensch bleibt sinnlich, und ist, ohne ein Wunder, (wozu aber die Verheißung fehlt,) keiner Art von moralischer Gluͤckseligkeit faͤhig. So fand ich die Landleute, und nun sah ich mich nach Huͤlfe um, wodurch diese Last weggehoben werden koͤnnte. Außer dem Catechismus und der Heils- ordnung, fand ich kein Schulbuch fuͤr den Landmann; und, außer dem Innhalte die- ser Buͤcher, keine Wissenschaft, die man dessen Kinder lehrte. Ich denke doch nicht, (um nicht bey die- ser Sache zu wiederholen, was andre schon vortreflich gesagt haben,) daß man den Verstand eines Bauerkindes und seine Seele fuͤr Dinge einer andern Gattung haͤlt, als den Verstand und die Seelen der Kinder hoͤ- herer Staͤnde? Aber denn ist mirs uner- klaͤrbar, wie, nach der herrschenden Lehr- art, aus diesen Leuten verstaͤndige Menschen und gar Christen gebildet werden sollen. Sie verstehen, (wie es die Erfahrung lehrt,) nicht die Worte des Catechismus, und sollen doch den Sinn fassen, und durch ihr ganzes Leben thaͤtig werden lassen. Da ich also nichts fand, was unmittelbar fuͤr den Landmann und seine Kinder mir zweck- * 3 dien- Einleitung. dienlich schien — so wagte ich diesen Ver- such, mit dem herzlichen Wunsch, daß bes- sere, weisere Menschenfreunde, als Arbei- ter, an diese Erndte sich machen moͤgten, und daß mein Versuch, bald, durch Mei- sterstuͤcke verdraͤngt werden moͤge. Dies vorhergesagte mag zugleich dem Einwurfe begegnen: „Ist denn aber auch „dieser Versuch ein dienliches Mittel, mehr „Erleuchtung in diesen Stand zu bringen?„ Nun will ich mich unmittelbar zu dem wichtigsten Einwurfe wenden. Man sagt nemlich: „Aber, ist es denn der Einrich- „tung des Staates nicht nuͤtzlich, wenn der „Bauer dumm bleibt; nicht schaͤdlich, wenn „er klug und verstaͤndig wird?„ Um diesen scheinbaren Einwurf zu wie- derlegen, ist es noͤthig, uͤber Worte sich zu verstehen. Klug und verstaͤndig werden, heißt bey mir nicht, arglistig, treulos, rebellisch, um der eingebildeten hoͤhern und bessern Ein- sichten wiedersprechend, ( raisonneur, ) neue- rungssuͤchtig, und seines Berufs uͤberdruͤ- ßig werden; sondern ich nenne nur denjeni- gen klug, der in jedem Stande sich so ver- haͤlt, daß ihm sein Leben keine Hinderniß, zu einer ewigen Gluͤckseligkeit, wird. In Einleitung. In solchem Sinne nimmt die Bibel das Wort Klugheit; und wir koͤnnen nicht ir- ren, wenn wir aus ihr Weisheit schoͤpfen. Nach dieser Erklaͤrung wird wohl die rechte Klugheit dem Landmanne nicht im Wege seyn; ein guter Arbeiter, ein treuer Dienstbote, ein tuͤchtiger und gehorsamer Soldat, u. s. w. zu werden. Was schadet also der Unterricht in der rechten Klugheit dem Staate? Aber, ach! welche Vortheile wuͤrde der Staat davon haben? Wenn Einsichten, in den Zusammenhang aller Wahrheiten, im Menschen entstehen; so giebt er Gotte recht — Er hat Lust an seinen Gesetzen — Man darf ihm nur die Pflicht zeigen, so thut er sie, um Gottes willen, der seinen Gehorsam, als ein ange- nehm Opfer, ansieht — Er gehorcht dem guten Herrn, und auch dem wunderlichen – Als Dienstbote, ist er treu; denn Gott sieht dahin, wo der Herr, oft, nicht hinse- hen kann — Als gedungner Arbeiter, ist er fleißig; er sucht wirklich das Beste desjeni- gen, der ihn lohnt; denn er weiß, daß ein solcher Mensch, von Gott, noch einen Gna- denlohn erwarten kann — Als Soldat, weiß er, daß gewisse Mitglieder der Gesell- * 4 schaft Einleitung. schaft seyn muͤssen, die, als Ausgesonderte, zum allgemeinen Besten, fuͤr die Sicherheit des Ganzen, wachen und streiten. Er sieht also seinen Soldatenstand fuͤr seinen Beruf an, und murret nicht wider den, der ihn dazu erkohr. Er weiß, daß ohne Gehorsam keine Ordnung erhalten wird — Er gehorcht also freywillig; Er sieht viel- leicht gar ein, daß man, um ein guter Sol- dat zu werden, gewisse koͤrperliche Fertigkei- ten erlangen muͤsse — daß Aufmerksamkeit auf die Befehle des Vorgesetzten unentbehr- lich sey — Er sucht also an Fertigkeit und Aufmerksamkeit vollkommen zu werden. Er weiß vielleicht, daß mehr Soldaten, durch Krankheiten, daran sie selbst schuld sind, umkommen, als durch Schlachten und Be- lagerungen — Er traͤgt also die noͤthige Sorge fuͤr die Gesundheit; damit, am Ta- ge des Streits, er nicht, zum Schaden des Staats, im Lazareth liege, und in seinem Gliede fehle. Weil Er, nach Gottes Be- fehl, gelernt hat, sich an seinem Solde, zu jeder Zeit, genuͤgen zu lassen — so pluͤndert und raubt Er, auch im Feldzuge, nicht. Er ist immer, da, wo Er seyn soll, und fuͤrchtet den Tod nicht, weil der Tod fuͤr den rechtschaffnen Mann, auf dem Schlacht- felde Einleitung. felde, nicht schrecklicher ist, als auf dem Bette. Wie, meine Herren! sollte mit diesen Leuten, sollte mit Soldaten, die auf diese Art klug waͤren, sich nicht gut marschiren und der Feldzug thun lassen? Ich daͤchte es wohl. Aber, vielleicht will man sagen: „Es ist „unmoͤglich — das haben wir, unter klug „werden, nicht verstanden; und wird denn „der gemeine Mann, schon aus diesem Ver- „such zum Schulunterricht, klug werden, „ohne weitere Lehrer?„ Das ist freylich ein Ungluͤck, daß so viel Woͤrter in unserer Sprache keine bestimmte Deutung, wenigstens bey manchen Leuten, haben. — Vors zweyte, so dient zur Antwort: daß dieser Versuch eines Schul- buchs nur eine Anleitung fuͤr den Schul- meister seyn soll, nach welcher er seine gan- ze Lehr- und Erfindungsfaͤhigkeit, doch noch uneingeschraͤnkt, anwenden kann. Auf die Methode koͤmmt alles an. Was von Methode in einem solchen Lehrbuche ste- hen kann, das habe ich wenigstens beruͤhrt, und auf den Ton hingewiesen. Als ich bis auf das Capitel von der Land- wirthschaft meinen Versuch vollendet hatte, * 5 er- Einleitung. erhielt ich des Herrn Hofrath Schlossers Catechismum fuͤr das Landvolk. Auf- fallend ruͤhrte mich die Aehnlichkeit unserer Absichten, die gleiche Lehrart und Gesin- nungen gegen den zahlreichsten aber verach- tetsten Theil unserer Mitmenschen. Wir sind, so dachte ich, einander voͤllig unbekannt, und schreiben fast zu einer Zeit, an entfernten Orten in Deutschland, uͤber einen Vorwurf — Vielleicht ist dieses ein Wink der Vorsehung — Ich will ihn nicht verachten — Und so entschloß ich mich, meinen Versuch durch den Druck bekannt zu machen. Nun sey es mir erlaubt, ei- nen kurzen Abriß und die Gruͤnde meiner Anlage dem Leser vorzulegen. Ich habe mit Aufmerksamkeit und Wißbegierde angefangen, und behaupte, daß mit diesem Capitel, welches auf un- zaͤhlige Arten veraͤndert werden kann, fast ein halbes Jahr lang, die Kinder geuͤbt werden muͤssen. Denn, haben sie erst, aufs Wort und auf Sachen, merken ge- lernt; so ist der uͤbrige Unterricht leicht, und eine Lust, fuͤr Lehrer und Lernende. Man denke aber nicht, daß es eine leichte Sache sey, den flatterhaften Sinn der Kinder dahin zu bringen. In die gute An- Einleitung. Anwendung dieses Capitels setze ich die ganze Kunst des Lehrers. Daß ich, gleich darauf, von Ursache und Wirkung handle, und diese Erkennt- niß unter die noͤthigsten zaͤhle, davon gebe ich folgende Gruͤnde an. Bey tausend Gelegenheiten braucht ein Kind, von der Wahrheit unterrichtet zu seyn, daß jede Wirkung ihre Ursache hat, und umgekehrt. Man sagt, der Gehorsam richtet dasselbe aus. Ich sage, nein; denn, alle Beweggruͤnde, der Selbstliebe z. E., kann ich viel staͤrker mit diesem Capitel verbinden, als mit dem Gehorsam gegen Befehle, ohne an- gefuͤhrte Ursachen oder Gruͤnde — Es wird also viel Schaden verhuͤtet werden. Und was schadet es denn, so fruͤh, als moͤglich, zum Gebrauch der Vernunft zu kommen? Die metaphysischen und ontologischen Capitel, die darauf folgen, sind, so wie das vorige, lauter Huͤlfsmittel, zur Vor- bereitung oder Zurechtstellung des Ver- standes, auf den Unterricht in der Reli- gion; der freylich, nach der jetzigen Ein- richtung der Welt, nicht so spaͤt, und nicht Einleitung. nicht auf die Art, erfolgen kann, als einige Schriftsteller wuͤnschen. Aber, um alles Guten willen! so ganz leer, von allem Menschenverstande, darf doch wohl der Kopf nicht seyn, den man den dogmatischen Theil der Religion, (und doch ist ein solcher Theil in allen Catechismen enthalten,) lehren soll. Daß man die abstraktesten Begriffe, durch sinnliche Gleichnisse und Behand- lung, in die Gemuͤther der Jugend brin- gen koͤnne, habe ich in einigen Capiteln ver- sucht. „Mit welchem Gluͤck?, Das ist ei- ne andere Frage. Genung, daß es doch moͤglich ist — Von dem Innhalte der Bibel scheint mir ein kurzer Auszug, fuͤrs Gedaͤchtniß des gemeinen Mannes, ein gutes Huͤlfs- mittel. Eine christliche Moral, (nicht ein Wortregister der Tugenden,) habe ich, so wie eine natuͤrliche Theologie, auf Bitten eines Freundes, gewagt; weil ich, als ein Laye, mich in dieses Fach nicht gern einlassen mogte. Doch sind diese Ca- pitel nicht so, mit dem Ganzen verbunden, daß nicht bessere, an ihre Stelle, gesetzt werden koͤnnten. Inzwischen habe ich alles das sorgfaͤltig vermieden, was zwi- schen Einleitung. schen den verschiedenen Sekten der Christen- heit streitig seyn kann, und uͤberlasse den Lehrern in jeglicher Kirche die Ergaͤnzung der ausgelassenen Stuͤcke mit gegruͤndeter Be- scheidenheit. Verhaͤltniß ist ein nuͤtzlicher, aber, selbst unter Gelehrten, nicht recht deutli- cher Begrif. Ich habe ihn durch ein Gleich- niß, das ein jedes Kind begreifen kann, er- laͤutert. Wer die Landwirthschaft versteht, wird mit mir einstimmen; daß, in den folgenden Capiteln viel, dem Landmanne nuͤtzliches, gelehrt werde. Zum Nagelschmieden, einem der sim- pelsten Handwerke, haͤlt man doch wenig- stens drey Lehrjahre fuͤr noͤthig; ist es nicht zu verwundern, daß man geringer von der Landwirthschaft zu denken scheint, und daß man von ihr glaubt: sie lerne der Bauer von selbst? Ja, er lernt sie; aber wie? Mit allen Irrthuͤmern und Vorurtheilen seiner Vor- fahren, und zu der geringsten Verbesse- rung, durch Nachdenken und Kenntnisse, unfaͤhig und auch unwillig. Ein Landesherr, der die wichtige Wahrheit glaubt, daß im Ackerbau die Grund- Einleitung. Grundkraft des Staates liegt, wird mit den besten Edicten zur Verbesserung tau- ben Ohren predigen, wenn Er nicht, fuͤr die bessere Einrichtung der Schulen, zur Bildung der Gemuͤther in der Jugend, durch Unterricht, in den nuͤtzlichsten oͤco- nomischen Erkenntnissen, Sorge traͤgt. Ich will kuͤrzlich meine Meinung sagen, was verbessert, und wie verbessert werden muͤsse. §. 1. Mit Handwerkern und unwissenden Bedienten muß keine Dorfschule mehr be- setzt werden: sondern, wo moͤglich, mit Candidaten der Theologie, und aus ih- nen wuͤrden die Dorfprediger hergenom- men. Den Nutzen brauche ich nicht zu sagen — Sollte dieses nicht angehen; doch mit geschickten und fleißigen Leuten, die der Prediger, mit dieser Lehrart, vertraut gemacht hat. §. 2. Sie muͤßten alle, auf 100 Thaler jaͤhrlich, wenigstens stehen; damit sie sich ganz dem Schuldienste weihen koͤnnten. §. 3. Es muͤßten Classen seyn, drey oder vier; damit kein Kind, laͤnger als eine Stunde, in der Schule bleiben muͤsse; doch Einleitung. doch koͤnnte es auch bleiben, wenn es darum ansuchte. §. 4. Die Schulgebaͤude muͤßten Vorzuͤge vor den uͤbrigen haben, die Stuben helle, und mit nuͤtzlichen und zweckmaͤßigen Bil- dern geziert seyn. §. 5. Lesen und Schreiben muͤßte diesem Un- terrichte vorgehen, und als eine Vorbe- reitung zu diesem anzusehen seyn. Man wuͤrde dabey wohl thun, den Kindern ausgesuchte Lieder und andre kurze Ge- dichte, die sehr gute Wahrheiten enthal- ten, lesen und schreiben zu lassen. Man erreicht, auf die Weise, zwey Endzwecke auf einmal, und erleichtert, der uͤbrigen Lehre, den Eingang. Muster solcher Gedichte sind in den Basedowschen Schrif- ten zu finden. Ihr Herren der Erde! moͤgtet ihr doch nichts gegen den zweyten Paragraphen einwenden! Hierauf kommt alles an. Und welche Ausgabe waͤre edler, oder wuͤrde reichere Zinsen tragen? Wo sehr arme Herrschaften sind, muͤßten Kirchen- cassen, ja selbst die Unterthanen, zusam- men schießen. Sonst aber schließe sich doch Einleitung. doch keiner aus, hier zuzulegen! Sind wir denn bloß — fruges consumere nati? Sind wir nicht Haushalter Gottes? Sol- len wir nicht Sein Reich vermehren, und das Reich der Finsterniß zerstoͤren helfen? Ach daß doch dieser edle Eifer in allen Seelen entbrennen moͤgte! daß allge- meine Menschenliebe hier keinen Stand ansehen; daß, durch Ausbreitung ein- sichtsvoller Tugend, in jedem Dorfe, Gluͤckseligkeit wohnen, und daß Gerech- tigkeit und Frieden sich uͤberall begegnen moͤgte! Den 20sten Januar 1772. Ver- Verzeichniß der Capitel. Erstes Capitel. Aufmerksamkeit und Wiß- begierde. Zweytes Capitel. Ursache und Wirkung. Drittes Capitel. Vom Ergruͤndlichen und Nichtergruͤndlichen. Viertes Capitel. Wahrheit, Gewißheit, Wahrscheinlichkeit, Irrthum. Fuͤnftes Capitel. Glauben, Unglaͤubig seyn, Leichtglaͤubig seyn, Aberglauben. Sechstes Capitel. Von der Religion, oder dem Verhaͤltniß des Menschen gegen Gott, in drey Abschnitten. Siebentes Capitel. Eine Tugendlehre nach der Bibel. Achtes Capitel. Von der Gesellschaft und der Obrigkeit, von Gesetzen und Soldaten. Neuntes Capitel. Vom Verhaͤltniß. Zehentes Capitel. Von der Hoͤflichkeit im Umgange, und im Reden, und vom noͤ- thigen Briefschreiben. Eilf- Eilftes Capitel. Etwas von der Rechen- kunst. Zwoͤlftes Capitel. Etwas von Ausmes- sung der Flaͤchen und Koͤrper; etwas Mechanik, dem ein Verzeichniß der ge- woͤhnlichsten Laͤngen- und Flaͤchen Maaße, Gewichte ꝛc. vorgesetzt ist. Dreyzehentes Capitel. Vom Augen- maaße und vom Betruge der Sinne. Vierzehentes Capitel. Von natuͤrlichen Dingen, zur Vermehrung nuͤtzlicher Er- kenntniß. Funfzehentes Capitel. Von Mitteln, die Gesundheit zu erhalten; und einige einfa- che Vorschlaͤge, die verlohrne wieder her- zustellen. Sechzehentes Capitel. Von der Land- wirthschaft, als einem Berufe; und Grund-Saͤtze, worauf es bey allen Arten der Landwirthschaft ankommt. Das Das erste Capitel . Aufmerksamkeit und Wißbegierde. L ieben Kinder! es war einmal ein Junge in einem Dorfe, der woll- te nichts lernen; weil erauf nichts Achtung gab, und wollte nicht einmal gerne in die Schule gehen. Die Ael- tern mußten ihn immer, vor sich her, in die Schule treiben; wie man ein Vieh vor sich hertreibt. Da seufzeten die Aeltern oft uͤber das Kind, und sagten: „Du boͤses Kind! aus dir wird nichts Gu- „tes —“. In der Schule hatte der Schul- meister seine Noth mit dem Jungen: entwe- der, er saß nicht stille und hinderte die an- dern Kinder, oder gab nicht Achtung, und war nicht aufmerksam auf das, was der Schulmeister lehrte. Erst ermahnte ihn der Lehrer oder Schulmeister mit aller Guͤte, da aber das nicht half, so strafte er ihn hart, mit allerley Strafen, die sehr wehe thaten. Er A blieb blieb aber, wie er war. Da sagte denn der Schulmeister oft, im Zorn uͤber seine boͤsen Streiche: „Junge! dir wird es dein Lebetage nicht „wohl gehen —‛. Ihr lieben Kinder! was geschah? Als der Junge aͤlter und staͤrker ward, da wollte er Niemand gehorchen, und sich keiner Ord- nung unterwerfen. Er diente bey vielen Herren, aber keiner konnte mit ihm fertig werden. Endlich bestohl er seinen Herrn; und da ihn dieser dabey betraf, so wehrte er sich, und schlug seinen Herrn so, daß er daran sterben mußte. Er wollte davon laufen; aber er ward ergriffen, und gefangen gesetzt. Die Obrigkeit ließ ihm, andern boͤsen Buben zum Schrecken, alle Glieder, bey lebendigen Leibe zerschlagen, und toͤdten; seinen Coͤr- per aber auf das Rad legen, wo ihn die Raben fressen. Lieben Kinder! haͤtte dieser Mensch, nicht in der Jugend, seinen Aeltern und Lehrern so viel Verdruß gemacht, so haͤtten sie nicht uͤber ihn geseufzt, und ihn verwuͤnscht. Ihr habt gehoͤrt, daß bey ihm eintraf, was Ael- tern und Lehrer vorhersagten; denn es ward nichts Gutes aus ihm; es gieng ihm sein Le- Lebetage nicht wohl; und er nahm ein schlech- tes Ende. Wollt ihr also, lieben Kinder! daß es euch in der Welt wohl gehen soll; so seyd aufmerksam und willig, was Gutes zu ler- nen! Macht euren Aeltern und Lehrern das Leben nicht sauer, durch Ungehorsam; da- mit sie euch mit Freuden, zum Guten an- halten koͤnnen, und nicht mit Seufzen: denn das ist euch nicht gut! Versprecht mirs alle, durch ein Ja, und durch einen Handschlag, daß ihr euch, in der Schule, so betragen wollet, als aufmerksame, lehrbegierige Kin- der. — Seht, Kinder! in dieses Buch will ich nun eure Nahmen einschreiben, und den Tag, an welchem ihr mir dieses Versprechen ge- than habt. Dieß Buch soll bestaͤndig vor euren Augen liegen, und euch an euer Ver- sprechen erinnern. Was man aber verspricht, daß muß man halten; sonst traut einem kein Mensch mehr. Du aber, gnaͤdiger und liebreicher Gott! siehe das Versprechen dieser Kinder! Du willst, daß sie zu Dir kommen sollen! Sprich Ja und Amen dazu! Seegne jede Wahrheit, daß sie in ihre Herzen eindringe; auf daß diese Kinder, durch Erkenntniß der Wahr- A 2 heit, heit, hier und dort gluͤckseelig werden! A- men. Das Erste also, geliebten Kinder! was ihr lernen muͤßt, ist, aufmerksam seyn, oder Achtung geben. Ihr muͤßt viel Dinge kennen lernen; aber ihr muͤßt auch die Dinge von einander unter- scheiden lernen. Den Unterschied der Dinge lernt man an gewissen Zeichen kennen. Nicht wahr, Kinder! ein jedes von euch, kennt seine Aeltern und Geschwister, so, daß ihr sie von andern Leuten unterscheiden koͤnnt? Ein jedes Kind kennt seinen Ball, oder den Koͤnig im Kegelspiel? Nun sagt mir einen Unterschied, oder Un- terscheidungszeichen, woran ihr sie kennt. — Nota. (Dieser Unterricht kann, so lange als moͤglich, fortgesetzt werden. Mit sehr viel Dingen, als Steinen, Pflan- zen, Thieren, Baͤumen, und Werken der menschlichen Kunst, ihren Arten, und den aͤußerlichen und innerlichen Kennzeichen derselben werden die Kin- der bekannt gemacht. Außer der Schu- le, wird jedem Kinde aufgegeben, Be- merkungen zu machen; und an dem Be- merkten wird die Lehrart fortgesetzt. Nach- Nachdem die Kinder sattsam hierin geuͤbt sind, ist erst der Uebergang, welcher hier anfaͤngt: Mein Sohn! du siehst ꝛc. ꝛc. anzurathen.) Mein Sohn! Du siehst nach dem Bilde des Hahns, das dort haͤngt. Sieht es nicht recht aus, als wenn er leibhaftig da stuͤnde, und kraͤhte? Giebts hier einen Hahn, der so aussieht? Aber, was ist fuͤr ein Unterschied, unter diesem gemahlten Hahn, und jenem Hahn im Dorfe? Nota. (Der Lehrer hilft hier den Kindern, nach Moͤglichkeit, auf die Unterschei- dungs-Kennzeichen des Bildes vom ab- gebildeten.) Recht, Kinder! Es ist also ein großer Unterschied, zwi- schen dem Bilde, und dem wirklichen Dinge, das abgebildet ist. Kinder! man kann auch Brodt abbilden; aber, wenn man hungrig ist, so ist doch wohl ein wuͤrkliches Stuͤck Brodt besser, als ein gemahltes, welches man zwar fuͤr Brodt ansehen, aber nicht, als Brodt, essen kann. — Was also nicht die Sache selber ist, son- dern ihr nur blos, dem Augenscheine nach, aͤhnlich sieht, das nennt man ein Bild. A 3 Je Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem Abgebildeten hat, je besser ist das Bild. Dieses Bild von dem Hahn, geliebte Kin- der! war mit Farben gemahlt, und also war es ein Bild fuͤr die Augen. Aber, wenn ich euch diesen Hahn mit Worten beschreibe, daß ihr die Aehnlichkeit meiner Beschreibung mit dem wirklichen Hahne findet; so ist dieß ein Bild fuͤr die Ohren, oder ein Bild in der Rede. Lieben Kinder! unsere Sprache ist voller Beschreibungen und Bilder. Wer gut be- schreibt, den versteht ein jeder leicht. Nicht alles, was man fuͤr gut und nuͤtz- lich ansieht und haͤlt, ist darum immer wuͤrk- lich gut. — Itzt, und wenn ihr groͤßer wer- det, so wirds oft geschehen, daß euch Dinge vorkommen, die euch gut scheinen, aber euch doch nicht gut sind. Z. E. Manches Kind kann denken: Heute ist schoͤn Wetter, wenn du doch die Stunde spielen koͤnntest, anstatt in die Schule zu gehen, das waͤre gut fuͤr dich. — Es ist ihm aber nicht gut, sondern schaͤd- lich; den es gewoͤhnt sich zum Ungehorsam gegen die gemachte Ordnung, und will, als ein unwissendes Kind, schon besser wissen, was ihm gut ist, als seine Vorgesetzten. We Wer sich nun nicht oft so betruͤgen will, der muß wissen, und kennen lernen, was wirklich gut und boͤse ist, und sich von er- fahrnen Leuten daruͤber belehren laßen. Also Gutes, und Boͤses oder Schaͤdliches, hat auch seine Unterscheidungszeichen. Mein ganzes Amt ist, euch, Kinder! diese Kennzeichen bekannt zu machen, und euch in den Stand zu setzen, daß ihr als verstaͤn- dige Menschen, das Gute waͤhlen, und das Boͤse oder Schaͤdliche verwerfen lernt. Solche Kinder, die, in der Schule, viel Aufmerksamkeit anwenden, die lernen diß balde, worin das Gute von dem Boͤsen oder Schaͤdlichen unterschieden ist. Die alten Leute sind solchen Kindern gewogen, und freuen sich uͤber sie. Denn man kann auch ein boͤses Kind bald von dem guten unter- scheiden. Ein boͤses Kind ist traͤge, unwil- lig, und ungehorsam; man muß es in die Schule treiben. Das gute Kind aber, ist gern in der Schule; munter, und willig zu allen Guten; giebt Achtung, oder merkt auf alles, was der Lehrer sagt. Wenn solche aufmerksame und willige Schulkinder groß werden, so geht es ihnen wohl; denn alle Menschen sind ihnen gewogen, und helfen ihnen fort. A 4 Das Das zweyte Capitel. Ursache und Wirkung . L ieben Kinder! wer auf alles Acht giebt, und aufmerksam ist, der wird bald gewahr, daß oft ein Ding um des andern Dinges willen geschieht. Z. E. Daß es Tag wird, wenn die Sonne aufgeht, des Morgens, und daß es, am Abend, dunkel wird, wenn die Sonne untergeht. Das heißt: Es giebt Ursachen und Wirkungen, oder Folgen. Habt ihr heute gefruͤhstuͤckt? Seyd ihr auch satt geworden? Nicht wahr? ihr seyd darum satt geworden, weil eure Aeltern euch genug Fruͤhstuͤck gegeben haben. Seht, Kinder! das reichliche Fruͤhstuͤck, was euch eure Aeltern gegeben, ist also die Ursache eurer Saͤttigung; und eure Saͤtti- gung ist die Wirkung von dem reichlich ge- nossenen Fruͤhstuͤck. Da wißt ihr nun, was Ursache und Wirkung heißt. Sage mir, mein Sohn! warum ist es warm, hier in der Schulstube? Nicht wahr? darum, weil es eingeheitzt ist, oder die Sonne herein scheint. Also ist die Sonne, oder oder der eingeheitzte Ofen, die Ursache von dieser Waͤrme, und die Waͤrme ist die Wirkung des eingeheitzten Ofens oder der Sonne. Kinder! wenn man erndten will, muß man nicht vorher saͤen? Recht, man muß vorher saͤen. Was ist nun hier die Ursache vom Erndten? Recht, Kinder! das Saͤen; und die Wirkung oder Folge, vom Saͤen, ist das Erndten. Ihr lieben Kinder! wenn ihr, in der Schule fleißig seyd, so ist es eben, als wenn ihr guten Saamen, oder gutes Korn in euch aussaͤetet. Wenn ihr groͤßer und aͤlter werdet, denn werdet, ihr von dieser Saat schoͤne Fruͤchte erndten. Das heißt: ihr werdet klug und verstaͤndig seyn; ein jeder wird euch lieb haben; und es wird euch wohl gehen. Welches ist nun die Ursache hiervon? Recht, mein Sohn! Das Fleißigseyn, oder der Fleiß in der Schule; und das klug und verstaͤndig werden, ist die Wirkung. Aber, Kinder! waͤre es nicht thoͤricht, wenn einer die Wirkung wuͤnscht, und will doch die Ursache, ohne welche diese Wir- kung nicht erfolgen kann, weglaßen? A 5 Z. E. Z. E. Wenn ein Kind satt werden will, und will doch nicht essen? — Wenn einer im Winter nicht frieren will, bekuͤmmert sich aber doch um kein Holz, oder will nicht einheitzen, oder in die Sonne ge- hen? — Wenn einer zwar sehen will, aber nicht will die Augen aufmachen? — Wenn einer zwar erndten will, aber nicht will den Acker bearbeiten, und guten Saamen herein saͤen? — Wenn ein Kind zwar wuͤnscht, daß man es liebe, und daß es ihm, wenn es aͤlter wird, wohl gehe; aber es will nicht gehorsam seyn, und will auch nichts nuͤtzli- ches lernen, und Achtung geben, was sein Lehrer sagt? Nicht wahr, Kinder? So thoͤricht und dumm ist keines unter euch: Und man muͤß- te den, mit Recht, auslachen, der so naͤr- risch, das ist, so unverstaͤndig thaͤte. Ein Mensch von der Art, wird daher ein Narr geheißen. Aber, Kinder, manchmal kostet es den Leuten gar das Leben, daß sie sich nicht um die Erkenntniß von Ursachen und Wir- kungen bemuͤht haben; oder aber, so naͤr- risch und eigensinnig sind, und wollen zwar die Wirkung, aber nicht die Ursache, sich gefallen laßen. In In dem Orte, wo ich her bin, waren einmal viele Kinder krank. In dem Hause aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind, das wurde ploͤtzlich sehr krank. Die Aeltern schickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt kam, und brachte Arzeney mit, von derselben Art, als er schon bey vielen Kranken mit Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es, zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren besser geworden. Dieses kranke Kind aber, wollte durchaus nicht die Arzeney einneh- men. Die Aeltern fragten dieses Kind, ob es denn nicht wuͤnschte, wieder gesund zu werden? „O ja! liebe Aeltern! ich wuͤnsche, recht bald gesund zu werden,“ sagte das Kind. „Nun, so mußt du auch die Arze- „neymittel brauchen, und sie einnehmen; da- „mit du gesund werden koͤnnest“ sprachen die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey sei- nem Eigensinn. Es wollte gern gesund werden; aber doch keine Arzeney, die die Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig Tagen mußte das Kind sterben. Zuletzt nahm es gerne ein, aber, da war es zu spaͤt, und die Krankheit hatte zu sehr zuge- nommen. Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh- mende Arzeney, die Ursache vom wieder ge- sund sund werden; und dieses war die Wirkung von der eingenommnen Arzeney. Die Wirkung wollte das Kind; denn es wollte gerne wieder gesund werden, aber die Ursache wollte es nicht, nemlich die Arzeney, zu rechter Zeit, einnehmen: und an diesem thoͤ- richten und naͤrrischen Eigensinn, mußte es sterben. Also, Kinder! alles das, warum etwas da ist, oder geschieht, nennen wir Ursache, und was aus dieser Ursache, da ist, oder geschieht, nennen wir Wirkung, oder die Folge, weil es auf die Ursache folgt. Alle Dinge aber, die man sehen, hoͤren, schmecken, fuͤhlen und riechen kann, sind Ursachen, oder Wirkungen von andern Din- gen, und, so wie man sie ansieht oder stellt, Ursache und Wirkung zugleich. Z. E. Die Waͤrme, hier in der Schulstube, ist die Wirkung des geheitzten Ofens, oder der in die Fenster scheinenden Sonne; aber diese Waͤrme ist zugleich die Ursache, daß ihr nicht friert. — Das Fruͤhstuͤck, welches euch eure Aeltern geben, ist die Ursache eurer Saͤttigung, aber zugleich die Wirkung von der Liebe, die eure Aeltern gegen euch tra- gen, und von ihrer Vorsorge fuͤr euch. Haͤtten aber eure Aeltern keinen Vorrath von Brodt im Schranke gehabt, so haͤtten sie euch euch auch kein Brodt geben koͤnnen. Daß sie also Brodt in Vorrath hatten, das war wieder die Ursache davon, daß sie euch Brodt geben konnten. Seht, Kinder! So kann man, wie auf einer Leiter, von Wirkungen zu Ursachen, und von Ursachen zu Wirkungen, herauf und herunter steigen. Wenn man aber auch alle moͤgliche Ursa- chen erforschte; so muͤßte man doch, am Ende, bey einer Ursache stehen bleiben, wel- che die erste Ursache waͤre. Und diese erste Ursache nennen wir Gott. Der Gott, zu dem eure Aeltern vor dem Tische beten, daß Er die Speise seegnen, und gedeyen laßen wolle, dieser Gott ist die erste Ursache aller Dinge. Eure Aeltern, ihr Kinder selbst, ich und alle Menschen, die Thiere, die Baͤume, die Gewaͤchse, die Steine, die Erde, der Him- mel, Sonne, Mond, und Sterne, kurz, alles, was da ist, alles hat dieser Gott hervorge- bracht. Ihm haben wir alles, auch selbst unser Leben, zu danken; Er ist die erste Ur- sache aller Wirkungen. Alles, was wir se- hen, hoͤren, und empfinden, nennen wir, mit Einem Worte, die Welt, oder den Innbe- griff aller Wirkungen Gottes, oder dieser er- sten sten Ursache. Denn Gott hat alles, was da ist, gemacht, und werden laßen. Von Gott, oder von dieser ersten Ursa- che aller Dinge, werdet ihr, in diesem Schul-Unterricht, taͤglich mehr erfahren. Denn es ist Sein Wille, daß wir Men- schen Ihn kennen lernen. Und diese Er- kenntniß, ist die Ursache aller menschlichen Gluͤckseeligkeit. Das dritte Capitel. Vom Ergruͤndlichen und Nichtergruͤnd- lichen. M ein Kind! hast du es schon gewagt, durch das tiefe Wasser, Muͤhlenteich, Fluß oder Pful, zu waten? — Warum nicht? Also meynst du, es sey kein Grund darin zu finden? Du irrest dich, liebes Kind! mit einer rechten langen Stange will ich schon den Grund finden; wer groͤßer ist, als du, kann auch vielleicht durchwaten, aber du bist noch zu klein. Wenn du nun aber, von einem boͤsen Menschen, oder von einem grimmigen Thie- re verfolgt wuͤrdest, und muͤßtest durch das tiefe tiefe Wasser, um dich zu erretten, wuͤrdest du nicht sehr gerne sehen, wenn ein großer Mensch kaͤme, und truͤge dich durch, und braͤchte dich in Sicherheit auf die andere Seite? Wuͤrdest du dich nicht gerne tragen laßen, und deinem Erretter herzlich danken? Seht, lieben Kinder! Euer Leben ist das tiefe Wasser, wodurch ihr gehen muͤßt. Eure Unwissenheit in aller noͤthigen Erkennt- niß, und die ungluͤcklichen Wirkungen da- von, sind die Feinde und grimmigen Thiere, die euch verfolgen. Wenn sich Niemand um euch bekuͤmmerte, und euch huͤlfe, so wuͤrdet ihr nicht gerettet, ihr wuͤrdet un- gluͤcklich seyn. Gott aber will euch retten laßen, und gluͤcklich machen. Darum hat Gott, Lehrer und Schulen verordnet. Ich bin dazu gesetzt, daß ich eurer Unwissenheit zu Huͤlfe kommen soll; ich soll euch, so lan- ge ihr Kinder, am Leibe und Verstande seyd, durch meine Lehre tragen, bis ihr euch selbst helfen koͤnnt, das ist, selbst den Grund erreichen koͤnnt, und nicht in Gefahr steht, durch Unwissenheit umzukommen. Ihr sollt also, durch den Schulunter- richt, oder die Lehre, verstaͤndig werden, und, so viel als moͤglich, in jeder wichtigen Sa- che, den Grund finden, worauf ihr vest stehen stehen koͤnnt, damit euch eure erlangte Kenntniß Nutzen schaffe. Weil aber alles darauf ankommt, lieben Kinder! daß ihr mich auch versteht, was ich sage; so erlaube ich euch, mich sogleich zu fragen, wenn ihr etwas nicht recht verstanden habt. Ja, ich will es, als ein Zeichen eines recht guten Kindes, dem an Erkenntniß recht viel gelegen ist, ansehen, wenn es mich fraͤgt — Wenn ihr nun die Lehre gehoͤrig versteht, so habt ihr den Grund gefunden. Aber alle Sachen laßen sich nicht ergruͤnden. Denn unsere Erkenntniß in dieser Welt, ist noch unvollkommen, und wir wissen nicht alle Ursachen und Wirkungen auf einmal, daher ist uns nicht alles ergruͤndlich. Aber wir sollen nicht Kinder bleiben, an Erkennt- niß; sondern, so wie unser Coͤrper waͤchst, so soll auch unser Verstand wachsen. Denn, uͤber manche Stuͤcke der Lehre, muß man, sein ganzes Leben lang, nachdenken, und kann immer mehr lernen, je laͤnger man sich damit beschaͤftigt. Wie thoͤricht aber waͤre es, lieben Kinder! wenn man darum, weil man nicht alles ergruͤnden oder begrei- fen kann, nun gar nichts lernen wollte? Waͤre das nicht eben so thoͤricht, als, wenn ein ein Bauer darum gar nicht pfluͤgen wollte, weil er nicht, in einem Tage, damit fertig wird, oder darum gar nicht saͤen, weil er nicht, den andern Tag, gleich erndten koͤnn- te? Manche Sachen sind daher wahr, und kein Mensch kann sie leugnen; aber man kann nicht den Grund zeigen das ist, nicht erklaͤren, wie das zugeht. Und denn sind sie unergruͤndlich. Z. E. Lieben Kinder! ihr habt im vorigen Capitel gehoͤrt: daß ein Gott sey, oder eine erste Ursache aller Wirkungen. Daß dieser Gott alles, was da ist, hat werden lassen, und gewirkt hat. Auch uns Menschen, habe Gott erschaffen, oder werden lassen. Wie nun das zugeht, oder wie es Gott macht, wenn Er alles, was da ist, werden laͤßt, das ist unergruͤndlich; und wer die Frage beantworten will, der muß Gott sel- ber seyn. Denn Gott ist sehr viel verstaͤn- diger, als der verstaͤndigste Mensch; Er kennt alle Ursachen und alle Wirkungen; und Gott allein, ist daher keine Sache un- ergruͤndlich. Man nennt deswegen solche Fragen vorwitzig. Man muß sich also, am meisten, um solche Dinge bekuͤmmern, davon man den Grund finden kann, und die man deswegen Wahrheiten nennet, weil B man man den Grund finden kann, warum sie so, und nicht anders sind, oder, weil uns ein andrer verstaͤndiger Mensch davon Ver- sicherung giebt. Das vierte Capitel. Wahrheit, Gewißheit, Wahrschein- lichkeit, Irrthum. V ier Nuͤße sind mehr, als zwey Nuͤße — Eure Kuh ist groͤßer, als eure Katze — Nicht wahr, Kinder? Seht! das ist also eine Wahrheit: daß vier Nuͤße mehr sind, als zwey Nuͤße — Und die Kuh groͤßer ist, als die Katze, das ist auch eine Wahrheit. Denn ihr duͤrft nur die Augen aufma- chen, so werdet ihr gleich gewahr, daß es sich so verhaͤlt, wie ich sage. Solche Wahrheiten nennt man, augen- scheinliche, oder in die Sinne fallende Wahr- heiten. Zwey Nuͤße sind mehr als vier Nuͤs- se — Eure Katze ist groͤßer als eure Kuh. Seht Kinder! wer das sagt, der sagt etwas, was nicht wahr ist, oder eine Un- wahr- wahrheit. Denn es ist wieder augenschein- lich, daß das nicht wahr ist. Aber, alle Wahrheiten sind nicht augen- scheinlich, oder in die Sinne fallend. Ueber manche Wahrheiten muß man sich besinnen, und eine Weile nachdenken, ehe man sie als wahr annehmen, oder ihrer Wahrheit Beyfall geben kann. Z. E. Gott verdient unsre hoͤchste Liebe, denn Er thut uns alle Tage Gutes. Gebt Achtung, Kinder! wie ich dis be- weise. Ihr wißt aus vergangnen Lehrstun- den schon, daß wir die erste Ursache aller Wirkungen, Gott nennen. Daß ihr lebt, gesund seyd, eßt, trinkt, schlaft; daß ihr Haͤuser habt, worin ihr euch vor dem Wet- ter decken koͤnnt, davon ist Gott die Ursa- che, das hat Gott, zu eurem Besten, veran- staltet. Wer uns aber so unzaͤhlig viel Gu- tes thut, verdient der nicht unsre hoͤchste Liebe? Recht, Gott verdient sie. Seht, Kinder! das war eine Wahrheit, die nicht, wie die vorigen, gleich in die Sinne fiel; sondern die erst durch den Verstand mußte erkannt und bewiesen werden. Denn auch unsre Sinnen koͤnnen zuweilen fehlen, wie ihr kuͤnftig hoͤren werdet; und nur mit Huͤl- fe des Nachdenkens, uͤber das was unsere B 2 Sin- Sinne uns als wahrscheinlich ansehen las- sen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha- ben oder nicht. Also, durch den Verstand erkennen wir die nuͤtzlichsten und wichtigsten Wahrheiten. Aber jede Wahrheit hat ein sicheres Kenn- zeichen, woran ich sie von der Unwahrheit unterscheiden kann. Durch Aufmerksamkeit wird das Kennzei- chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich werde entweder, durch meine Sinnen ge- wahr, daß es wirklich so ist, als es mir scheint, (als vorher bey der Kuh und bey der Katze, wenn nemlich die Katze in ein kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch kann,) oder, ich halte das, was mir als wahr angegeben wird, gegen andre Wahr- heiten, die ich schon weiß. Z. E. Wenn einer zu euch sagte: Kinder! geht ja nicht in die Schule! wer in die Schule geht, der stirbt den Augenblick. Wuͤrdet ihr nicht gleich denken? Ich bin so oft herein gegan- gen, und bin nicht gestorben; es wird wohl nicht wahr seyn, was der sagt. Oder, wenn ich euch sage; Kinder! lernt fleißig; so wißt ihr alle Tage mehr — Werdet ihr nicht, aus eurer eignen Erfahrung, zugeste- hen muͤßen: Das ist wahr, was unser Leh- rer rer sagt! Wir wissen jetzo vielmehr als den er- sten Tag. Oder endlich, ich nehme die Sache fuͤr wahr an, um des Zeugnißes willen, (ein Zeugniß aber ist: Was jemand von sich, oder von andern fuͤr wahr an- giebt,) desjenigen, der da spricht oder schreibt. Z. E: Wenn ihr einmal hoͤren solltet, lieben Kinder! daß die erste Ursache aller Wirkungen, oder dasjenige Wesen, welches wir, mit Einem Worte, Gott, nen- nen, euer Wohlthaͤter, von dem ihr Leben und alles habt, ich sage, wenn ihr einmal hoͤrtet, daß dieses guͤtige Wesen wichtige Nachrichten von sich selbst, den Menschen gegeben haͤtte, die sie, ohne diesen goͤttlichen Unterricht nimmermehr wißen konnten — Wuͤrdet ihr alle diese Nachrichten nicht fuͤr wahr annehmen, um des Zeugnißes Gottes willen? Recht, lieben Kinder! Denn was haͤtte Gott, der uͤber alles guͤtig ist, wohl vor Ursache, uns armen Menschen Unwahr- heit zu sagen, ober uns zu betruͤgen? und was haͤtten eure Aeltern und Lehrer fuͤr Vortheile davon, euch Unwahrheit zu lehren? Wie heißt du, meine Tochter! mit dem Taufnahmen? Ist das wahr? Bist du dessen gewiß, daß das wahr ist? Fuͤhre mir einen Grund, oder eine Ursache an, warum das B 3 wahr wahr ist! Maria, sagst du, so heißen dich deine Aeltern — Weißest du nicht mehr Gruͤnde anzugeben, warum du so heißest? Recht, mein Kind! ins Kirchenbuch bist du, unter dem Taufnamen, aufgeschrieben. Seht! dieß Kind wußte das gewiß, was sie sagte: denn sie konnte Gruͤnde anfuͤhren; also, ge- wiß ist alles das, was man sich und an- dern, durch Gruͤnde beweisen kann. Ihr lieben Kinder! das allein hilft euch nicht viel, daß ihr Wahrheiten hoͤrt, oder auswendig lernt. Nein die Wahrheiten muͤßen auch, in euch, zu Gewißheiten werden. Das heißt so viel: Ihr muͤßt euch zugleich den Grund an- geben koͤnnen, warum eine Wahrheit wahr ist. Alsdenn kommt euch die Erkenntniß der Wahrheit zu nutze, und wird lebendig in euch, so, daß ihr die Wahrheit liebt. Wer aber die Wahrheit liebt, der liebt auch Gott; denn alle Wahrheit koͤmmt von Gott. Wenn es erst ein paar Naͤchte gefroren hat, wagt ihr euch denn wohl, auf dem tie- fen Wasser zu glitschen, oder zu schlittern? Warum nicht? Weils also ungewiß ist, ob es euch haͤlt, oder, wie ihr es nennt, unsicher, so giengt ihr nicht auf das Eis. Es ist auch nicht zu vermuthen, daß, in ein paar Naͤch- ten, das Eis so stark und so dicke frieren soll- te, te, daß es einen Menschen traͤgt. Wenn es aber, im Winter, vier bis fuͤnf Naͤchte und Tage friert, so ist es wahrscheinlich, oder zu vermuthen, daß das Wasser dick genung Eis hat, daß ihr drauf gehen koͤnnt, ohne durchzu- brechen. Es kann aber doch eine warme Stelle seyn, die nicht recht veste gefroren ist, da ihr herein fallet, und Schaden nehmt. Seht, Kinder! das ist der Fehler der Wahr- scheinlichkeit, daß ich niemals gewiß bin, son- dern immer unsicher bleibe. Wer sich stets mit Wahrscheinlichkeiten behilft, den sichern Weg der Gewißheit verlaͤßt, und immer spricht: „Es koͤnnte doch wohl gut gehen! Vielleicht „gluͤckt es! Wir wollens probieren, es kommt „darauf an!„ Von dem sagen kluge Leute: er wagt. Es ist dieß ein gewoͤhnlicher Fehler junger Leute, die nicht viel Ursachen und Wir- kungen kennen. Huͤtet euch davor, Kinder! Denn wer wagt, begiebt sich in Gefahr, ohne daß es seine Pflicht erfodert, und kann zu Schaden kommen, oder irren. Behaltet aber, daß man das jenige wahrscheinlich nennt, dem noch viel Gruͤnde, zur voͤlligen Gewißheit fehlen. Sehr nahe bey der Wahrscheinlichkeit, ist der Irrthum. B 4 Wenn Wenn ihr, in der finstern Nacht, aufge- standen seyd, um zur Thuͤre heraus zu gehen, seyd ihr nicht oft vor der Thuͤre vorbey ge- gangen, und habt euch in der Stube verirrt, seyd an den Kachelofen gekommen, denn an den Schrank, ehe ihr die Thuͤre gefunden habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder im Irrthum stecken, wenn man anders denkt, als man sollte; anders urtheilt, anders thut und handelt, als man sollte. Ihr, (z. E.) suchtet die Thuͤre beym Ofen — War der Ofen noch heiß, so haͤttet ihr euch gar verbrennen koͤnnen; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich schaͤdliche Folgen. Warum aber verirrtet ihr euch damals in der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun- kele Nacht war, weil ihr nicht sehen konntet. Seht, Kinder! was das Tageslicht fuͤr un- sere Augen ist, das ist die Wahrheit fuͤr unsern Verstand. Wer die Wahrheit liebt, und nach Erkenntniß trachtet, in deßen Verstande ist Licht, er verirrt sich nicht leicht, oder kommt doch bald wieder auf den rechten Weg. Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und nichts Gutes lernen will, in dem ist Finsterniß; denn jeder Irrthum ist Finsternis im Verstan- de; und ein solcher Mensch irrt alle Augenbli- cke. cke. Wenn er nun, durch seinen Irrthum ver- kehrte Dinge gethan hat, so scheut er das Licht: denn seine Werke sind boͤse, und er will nicht, daß sie sollen offenbar werden, weil er die Verachtung der andern, und die Strafe seiner Thorheit fuͤrchtet. Also durch Aufmerksamkeit und Wißbegierde lernt ihr die Wahrheit kennen. Wenn ihr den großen Nutzen erfahrt, den euch die Erkenntniß der Wahrheit bringt, so lernt ihr sie auch lieben. Wenn ihr die Wahrheit liebt, so strebt ihr auch nach Gewißheit, das ist: Ihr betrachtet die nuͤtzliche Wahrheit so lange, bis ihr davon gewiß werdet, und euch und andre, durch Gruͤnde, uͤberzeugen koͤnnt. Alsdann aber kann auch die ungewisse Wahr- scheinlichkeit, nicht leicht betruͤgen, und in Irr- thum bringen. Denn ihr glaubt nichts ohne Gruͤnde, weil ihr wißt, daß alles, was man fuͤr wahr erkennt, entweder durch die Sinne, oder durch Gegeneinanderhaltung mit andern, schon bekannten Wahrheiten, oder um des Zeug- nißes willen, eines rechtschafnen und verstaͤn- digen Zeugen erkannt und geglaubt werden muß. B 5 Das Das fuͤnfte Capitel. Glauben, unglaͤubig seyn, leichtglaͤu- big seyn, aberglaͤubig seyn. L ieben Kinder! wenn Jemand die Erkennt- niß der Wahrheit zwar haͤtte, das ist: die Wahrheit zwar von der Unwahrheit unter- scheiden koͤnnte; aber sein ganzes Verhalten gar nicht darnach einrichtete, dem wuͤrde die bloße Erkenntniß wenig helfen, und er haͤtte ohne Nutzen die Schule besucht. Denn, Kinder! von allem, was man in der Schule lernt, muß man Vortheil und Nu- tzen haben, so daß man Zeit seines Lebens dadurch gebeßert wird. Man wird aber, durch die Erkenntniß der Wahrheit, nicht eher gebeßert, als bis man an die Wahr- heit glaubt. Wenn ihr aber der Wahrheit zutraut, daß es euch gut ist, sie zu wißen, und sie zum Rath und Fuͤhrer in eurem Leben anzunehmen, auch euer Thun und Laßen, nach der Wahrheit einzurichten; als- denn glaubt ihr an die Wahrheit. Und das heißt glauben, oder glaͤubig seyn. Also der Glaube, ist diejenige Entschlies- sung eines Menschen, die durch sorgfaͤltige Be- Betrachtung der Wahrheit gewirkt wird, nach welcher er der Wahrheit ferner Gehoͤr giebt, und sein Leben nach ihrer Vorschrift einrichtet. Ihr koͤnnt nun gleich einsehen, lieben Kinder, was unglaͤubig seyn heißt: Nem- lich, man ist unglaͤubig, wenn man der Wahrheit den angeruͤhmten Nutzen nicht zu- traut, und lieber im Irrthum bleibt, als sich Muͤhe giebt, die Wahrheit kennen zu lernen. Diese Gesinnung laßt ja ferne von euch seyn, lie- ben Kinder! Gott, der ein Gott der Wahr- heit ist, hat einen Abscheu vor solchen un- glaͤubigen Leuten. Und Er hat gleich von Anfang, Seine Welt so eingerichtet, daß es den Unglaͤubigen, auch hier in der Welt, nicht wohlgeht. Ich will euch eine wahre Geschichte erzaͤhlen von dem Nutzen, den der Glauben an die Wahrheit schafft, und von dem Schaden, den man davon hat, wenn man unglaͤubig ist, oder der Wahrheit nicht fol- gen will. In einem Dorfe wohnten acht Bauren und der Prediger. Der Prediger war ein verstaͤndiger, guter Mann, der viel Wahr- heiten wußte, und noch taͤglich mehr dazu lernte. Einst kam, im Winter, eine anste- cken- ckende hitzige Krankheit in das Dorf; und in allen Haͤusern waren Kranke. Da sagte der Prediger: „Lieben Leute! folgt meinem „treuen Rath, haltet die Kranken nicht so „heiß, mit Einheitzen und Zudecken mit De- ckebetten, sie haben doch Hitze genung; „braucht keine hitzige Arzeneyen, sie sind „schaͤdlich; schickt in Zeiten zum Doktor in „die Stadt; denn wenn ihr wartet, bis euch „der Othem ausgehen will, denn kann der „Doktor nicht mehr helfen. Laßt frische „Luft, alle Tage, durch die Fenster in die „Stuben; und trinkt, Gesunde und Kranke, „viel Wasser, mit etwas Weineßig, so wer- „den viel Kranke beßer werden, und viel „Gesunde werden vor der Krankheit be- „wahrt bleiben.‟ Drey Hauswirthe glaubten dem Prediger, daß er die Wahrheit lehrte; denn sie kannten ihn, daß er ein rechtschaffener verstaͤndiger Mann war, sie machten es so, wie er sagte; und fragten ihn um Rath, wo sie sich nicht zu rathen wußten. — In allen diesen Haͤu- sern nahm die Krankheit nicht uͤberhand. Die andern fuͤnfe aber waren unglaͤubig. Sie sprachen; „Das wollen wir wohl blei- „ben laßen! Warum ist denn eingeheitzt, „wenn man die Fenster aufmachen soll? „Das „Das Holz ist theuer. Hitze muß Hitze ver- „treiben! Unser Schaͤfer soll den Doktor „noch was lehren koͤnnen. Branntewein „und Pfeffer, (spricht er) wem das nicht „hilft, dem kann nicht geholfen werden. „Stark Bier muß der Kranke trinken, da- „mit er Kraͤfte kriegt: er ist ja schon so „matt, und soll noch Wasser mit Eßig trin- „ken?‟ Was geschah? Die fuͤnf unglaͤubi- gen Hauswirthe sturben, in kurzen, mit al- len Kindern und dem meisten Gesinde dahin; und es blieb, in der ganzen Gegend, dieß Dorf bekannt, wegen dieser Geschichte. So, wie dieser Prediger in seinem Dorfe that; so, lieben Kinder! hat Gott unzaͤhlige mal, die Menschen gelehrt, was ihnen gut oder schaͤdlich ist. Er, von dem alle Wahr- heit herkommt, hat, in verschiednen Zeiten, und durch viele rechtschaffne Men- schen, die Wahrheit verkuͤndigen lassen. Wir haben ein Buch, das heißt die Bibel, die heißt darum das Wort Gottes, weil die meisten und wichtigsten und auch die nuͤtzlichsten Wahrheiten, darin stehen. Alles, was in diesem Buche steht, das ist Wahr- heit, die muͤßt ihr glauben, das heißt, es ihr zutrauen, daß ihre Erkenntniß euch nuͤtz- lich ist; und nach ihrer Vorschrift euer Le- ben ben einrichten. Gott aber, muͤßt ihr, so oft ihr in der Bibel leset, herzlich danken, daß Er, uns armen Menschen, Sein Wort hat schenken wollen: denn dieß Wort ist Wahr- heit, und vertreibt alle Finsterniß im Ver- stande; es ist ein Licht auf unserm Wege; und wenn wir in diesem Lichte wandeln, das ist: nach dem Worte Gottes uns rich- ten; so haben wir uns der besondern Gna- de und Gemeinschaft, mit Gott, zu getroͤsten, wie ihr hernach mit mehrerem erfahren werdet. Also, lieben Kinder! haͤttet ihr gehoͤrt, und gelernt, was Glauben und Unglauben ist, und daß man nur der Wahrheit glau- ben muͤße. Denn seht! es giebt eine fehlerhafte Ge- sinnung, die Leichtglaͤubigkeit heißt; da glaubt man oft an Unwahrheit. Es ist besonders, lieben Kinder! daß die Unglaͤubigen gemei- niglich diesen Fehler haben. Der Wahrheit versagen sie ihren Glauben; aber es ist kei- ne Thorheit so unsinnig, der sie nicht Glau- ben geben sollten. Seht! das ist eine Stra- fe Gottes; dafuͤr, daß sie die Wahrheit nicht lieben, und sie nicht glauben wollen, laͤßt sie Gott, in ihrem verkehrten Sinne dahin gehen, gehen, und es ist ihrer Thorheit Frucht, das Uebel, welches ihnen wiederfaͤhrt. Ihr habt, wenn ihr Achtung gebt, schon an der vorigen Geschichte so etwas bemer- ken koͤnnen. Wer kann ein Exempel von Leichtglaͤubigkeit darin finden, und mir sa- gen? Recht, meine Tochter! Die fuͤnf Bauren glaubten dem Schaͤfer, der sich nie um Wahrheiten von der Art bekuͤmmert hatte, lieber, als ihrem Seelsorger, der sich Tag und Nacht, um ihr Bestes, Muͤhe gab. Ich will euch aber noch eine Geschichte von Leichtglaͤubigkeit erzaͤhlen. Ein Bauer hinterließ ein schoͤn Ackergut, und nur einen Sohn. Wie der Vater noch lebte, vermahnte er den Sohn oft zur Arbeit, und sagte: „Hans! wer fleißig arbeitet, der „hat Brodt; aber der Faule muß darben.‟ Hans aber ging lieber in die Schenke, und hoͤrte gerne was Neues. Als der Vater todt war, that Hans vollends gar kei- ne Ackerarbeit mehr, sondern kam nicht aus der Schenke eher weg, als bis er nach Hause zu Bette gieng.. Einst kam ein Bergmann in die Schenke, ein listiger Betruͤger. Hans sprach, und trank mit ihm; da merkte denn der Berg- mann mann bald, daß Hans dumm und einfaͤltig war. Er fieng also an, vom Schatzgraben zu reden, und ruͤhmte, daß er verschiedne Schaͤtze wuͤßte. Das gefiel Hansen wohl. Er bezahlte einen Krug Bier nach dem an- dern fuͤr den Bergmann. Beym Trunke wurden sie recht vertraut. Da erfuhr Hans vom Bergmanne, daß vor dem Dorf, im Busch ein Schatz stuͤnde. „Bruder! sagte der Bauer, „wenn du ihn weißt, warum hast du „ihn nicht schon gehoben? Ja, sagte der „Bergmann, das geht nicht sogleich. Ich „bin arm, wenn ich 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. „in Gold, Silber, und Kupfergelde haͤtte, „denn wollte ich ihn gleich heben.‟ Bruder! rief Hans voller Freuden, so viel habe ich eben in der Tasche, und wohl mehr. Ich habe heut ein Pferd verkauft — 11 Duka- ten, 3 Silbergroschen, und 1 Kupferdreyer — Nicht wahr? Das macht 33 Rthlr. 3 Gr. 3 Pf. und ist dreyerley Geld. Gut, sagte der Bergmann, um 12 Uhr in der Nacht, gehn wir hin, und du sollst die Haͤlfte vom Schatz haben, weil du das Geld hergiebst.‟ Sie giengen also hin in den Busch. Der Bergmann nahm die 33 Rthl. 3 Gr. 3 Pf. in Empfang, und stellte Hansen an einen Eichbaum, und verbot ihm, bey Lebens-Ge- fahr, fahr, zu reden, sondern gebot ihm, dort 3 Stunden stille zu stehen. Indeß der Bauer stille stand, so gieng der Bergmann, mit dem Gelde, uͤber die Graͤnze und davon. Am Morgen kam der Bauer, der lange gefroren und gewartet hatte, zu Hause, und wem er sein Ungluͤck erzaͤhlte, der lachte ihn aus. — Seht, Kinder! dieser Hans traute seinem eignen Vater nicht zu, daß er sein Bestes suchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und war unglaͤubig. Hernach aber, war er doch so leichtglaͤubig, daß ihn ein unbekannter Mensch betruͤgen und um das Seinige brin- gen konnte. Also leichtglaͤubig seyn, heißt solchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau- ben verdienen. Aberglaͤubisch ist man, wenn man Wirkun- gen erwartet, zu denen die Ursachen fehlen. Lieben Kinder! es giebt falsche Menschen in der Welt, die sich gewißer Kuͤnste ruͤh- men, die sie sehr geheim halten. Bald wol- len sie machen, daß das Fieber ausbleibt; bald, daß der Dieb das Gestohlne selber wiederbringen muß; daß die Kuͤhe keine Milch geben; daß jemand, der ihnen was zu Leide gethan hat, mit einemmal krumm C und und lahm wird, und wie die Poßen alle heißen. Seht! wer glaubt, daß er diese Kuͤnste kann; daß er durch bloße Worte und Zei- chen, dieß ausrichten kann, der ist aberglaͤu- bisch — Er erwartet eine Wirkung, ohne Ursache. Denn das bloße Wort eines schwa- chen Menschen, kann nicht die Ursache seyn, woraus solche Wirkungen entstehen. Und Gott, als ein hoͤchstguͤtiger Vater, hat die Menschen gewiß nicht der Gefahr aussetzen wollen, daß ein jeder boͤser und feindlich gesinnter Mensch, dem andern, bloß durch ein paar Worte, Gottes edelste Gabe, die Gesundheit rauben, oder ihn um sein Ver- moͤgen, heimlich und ungestraft, bringen koͤnnte. Der hoͤchstguͤtige Gott liebt ja die Menschen, seine Geschoͤpfe: Denn, wenn das nicht waͤre, so haͤtte Gott keine geschaf- fen. Wir sollen Gott fuͤrchten, weil alles, was geschieht, nach Gottes Willen geschieht; wie ihr hernach auch mit mehrern hoͤren werdet. Wenn ihr also, schlecht unterrich- tete Leute, von Gespenstern, die des Nachts die Leute erschrecken, von Kobolden und Hexen, die, auf den Besen, durch die Luft reiten; von Kirchhoͤfen, daß die Todten des Nachts darauf sich sehen laßen, und allen sol- solchen aberglaͤubischen Dingen, hoͤrt erzaͤh- len: so seyd nicht leichtglaͤubig, euch davor zu fuͤrchten, (wenn auch die Leute so gar sagten; „Sie haͤtten es mit ihren Augen „gesehen;‟ denn, entweder ihre Augen sa- hen vor Furcht, damals unrichtig, oder sie sagen mit Vorsatz Unwahrheit:) Sondern fuͤrchtet, das ist, ehret Gott uͤber alles, und folgt der Wahrheit, so duͤrft ihr euch nicht vor diesen thoͤrichten Luͤgen fuͤrchten. Das sechste Capitel. Vom Verhaͤltniß, worin die Men- schen mit Gott stehen, oder von der Religion. G eliebten Kinder! Was euch in allen vo- rigen Schul-Uebungen gelehrt worden ist, das war schon, bloß um dieses Capitels willen, noͤthig; weil ihr es sonst nicht ver- stehen konntet. Die Erkenntniß der Religion, oder des Verhaͤltnißes, worin der Mensch mit Gott steht, ist, unter allen Erkenntnißen, die wich- tigste. Daß dieses wahr sey, werdet ihr C 2 glau- glauben, so bald glauben, oder fuͤr wahr annehmen, als ihr von der Religion werdet unterrichtet seyn. Ihr seyd zu diesem Endzweck vorberei- tet worden. Erstlich: daß ihr die Huͤlfsmit- tel zu aller Erkenntniß, nemlich Aufmerk- samkeit und Wißbegierde, kennen gelernt, und euch, in deren Anwendung, geuͤbet habt. Zweytens: Ihr habt gehoͤrt, daß alle Dinge, die wir sehen, und empfinden, aus Ursach und Wirkung bestehen, und daß Gott die erste Ursach aller Dinge sey, oder daß alles seinen Anfang, Gott zu danken habe. Drittens: Daß ber Mensch zwar, seinen von Gott erhaltenen Verstand, dazu brau- chen muͤße, so viel Ursachen und Wirkun- gen, als moͤglich, einzusehen, und also weise und klug zu werden. Daß aber doch sich nicht alles, durch eignes Nachdenken, oder Belehrung von andern, ergruͤnden laße. Viertens: Ihr wißt, was Wahrheit ist, und habt, die Zeichen derselben zu kennen, eure Faͤhigkeit geuͤbt. Fuͤnftens: Ihr seyd belehret, daß man sich nach der erkann ten Wahrheit auch richten muͤße, oder der Wahrheit glauben; sowohl der Wahrheit, die man, aus eignen Nachdenken, fuͤr Wahrheit erkennt, als auch der Wahrheit, die man, auf das Zeug- Zeugniß eines unverwerflichen Zeugen, fuͤr wahr annehmen muß. Welcher Zeuge, geliebte Kinder! kann nun wohl unverwerflicher, und also glaubwuͤrdi- ger seyn, als die erhabne Ursache aller Wir- kungen? Gott, von dem wir Leben und alles Gu- te haben; der Wohlthaͤter, der allen Speise giebt, und Brodt aus der Erden, und Klei- dung wachsen laͤßt; der guͤtige Vater, der alles so veranstaltet hat, daß, wer Seinen Worten und Zeugnißen, in der Religion folgt, schon hier sehr gluͤcklich ist, und nach dem Tode, eine unaussprechliche Herrlichkeit zu gewarten hat; Gott hat uns nicht al- lein Verstand gegeben, daß wir aus der Erkenntniß aller Dinge Ihn finden, und Ihn, die erste Ursach aller Wirkungen nen- nen muͤßen: sondern Er hat auch Sich, aus erbarmender Liebe, den Menschen offenbart, und einen ganzen Schatz von Wahrheit, ih- nen geoͤfnet, den sie sonst nicht wißen konn- ten. Ein Buch, welches die heilige Schrift oder Bibel heißt, enthaͤlt diesen Schatz von Wahrheit. Gott selbst bezeuget, daß die heilige Schrift Wahrheit sey, und fordert von uns Gehorsam und Annehmung der Wahrheit oder Glauben. Also Also, geliebten Kinder! Gott, in allen Sei- nen Verhaͤltnißen, aus Seinen Werken und aus der Bibel kennen lernen, das heißt, in der Religion unterrichtet werden, oder wah- re Weisheit lernen. Hoͤrt deßwegen, mit aller Aufmerksamkeit, diesen Unterricht an! Bewahret, was ihr lernt, in einem feinen guten Herzen, und zeigt auch durch euer aͤußerliches Betragen, daß ihr das Verhaͤltniß wisset, worin ihr mit Gott steht! Erster Theil . Natuͤrliche Erkenntniß von Gottes Ver- haͤltniß gegen den Menschen; oder von den Eigenschaften Gottes. Lieben Kinder! Die erste Ursach aller Wirkungen, Gott! von dem alle Dinge ih- ren Ursprung haben, ist sehr maͤchtig, das ist: Gott ist staͤrker, als alle andere Dinge, Gott kann alles zwingen; kein Ding kann Gott widerstehen: denn da Gott die erste Ursache aller Wirkungen ist, so steht Ihm auch alles zu Gebote, und ein jedes Geschoͤpf, muß Gott fuͤr seinen Herrn erkennen. Weil Weil nun Gott alles thun kann, was Er will, so nennen wir das kurz, Gott ist all- maͤchtig. Wer alles so einrichtet, daß allenthalben Ordnung gefunden wird, wo er gewirkt hat, so, daß er seines Endzweckes niemals verfeh- let, der heißt hoͤchstweise. Seht, lieben Kinder! die ganze Natur zeugt davon, daß ein weiser Gott sie so ein- gerichtet hat. Tag und Nacht, Sommer und Winter, sind, unter unzaͤhligen Beyspie- len, diejenigen, die ihr am leichtesten einse- hen koͤnnt. Sonst will ich euch nur noch an eine Sache erinnern. Das Brodt, was ihr eßt, ist die gemein- ste Speise; man braucht nicht sehr reich zu seyn, um Brodt zu haben: Aber keine Spei- se bekommt dem Menschen so gut, als Brodt. Wir koͤnnen es alle Tage essen. Der meiste Roggen wird vor den Winter gesaͤet, und verdirbt nicht unter Eis und Schnee. Ist also nicht der Gott hoͤchstweise, der alles das, zu unserm Besten, so eingerichtet hat; unsern Leib zu der Nahrung des Brodts, und das Brodt zur Nahrung und Staͤrkung fuͤr unsern Leib? Also, Gott ist hoͤchstweise. C 4 Wenn Wenn die Weisheit, durch ihre Wirkung, den Nutzen und die Gluͤckseeligkeit aller an- dern Geschoͤpfe befoͤrdert; so heißt dieses die hoͤchste Guͤtigkeit. Lieben Kinder! Schon daß ihr das Le- ben habt, das ist: daß Gott euch auserse- hen hat, die Zahl der Geschoͤpfe zu vermeh- ren, ist eine große Guͤtigkeit. Was habt ihr Gott zu Gefallen thun koͤnnen, ehe ihr wart? Womit habt ihr Ihn zu dieser Wohl- that bewegen koͤnnen? Es ist Gottes freye Gnade und Guͤtigkeit, daß ihr lebt, und in Seiner schoͤnen Welt, taͤgliche Proben Seiner Vaterliebe genießt. Erinnert euch ja, wenn ihr am schoͤnen Fruͤhlingstage spielt, oder gute Speisen eßt, oder die Voͤgel singen hoͤrt, kurz; bey jeder frohen Empfindung, in eurem ganzen Leben, erinnert euch: Daß Gott hoͤchstguͤtig ist! Wer gar keinen Mangel, weder an Macht, noch Weisheit, noch Guͤtigkeit hat, der ist vollkommen, das ist: Alles Gute, was sich nur gedenken laͤßt, ist da beysammen. In Gott ist dieses einzig und allein zu finden: Denn es ist kein Grund anzugeben, wie, und wodurch Gott sollte unvollkommen wer- werden koͤnnen; da Er die hoͤchste Macht, Weisheit und Guͤtigkeit ist. Also, Gott ist vollkommen. Gerechtigkeit nennt man diejenige Guͤtig- keit, die einen Unterschied macht, zwischen gut und boͤse, gehorsam und ungehorsam. Heiligkeit aber, die mit Mißfallen begleitete Absonderung von aller Unvollkommenheit. Lieben Kinder! Wer weise ist, das ist: wer Ordnung erhalten will, wo er gewirkt hat, der muß also auch gerecht seyn; er muß einen Unterschied, zwischen dem gehorsamen, der sich die Ordnung gefallen laͤßt, und dem ungehorsamen, der der Ordnung widerstrebt, machen. Daß Gott dieses wirklich thut, wer- det ihr aus dem Worte Gottes, mit meh- rern lernen: Denn in der Bibel ist der ei- gentliche Beweis der Gerechtigkeit Gottes zu finden. Daß aber Gott heilig sey, oder an Sich selbst, oder andern nichts boͤses leiden, oder das Boͤse erlauben kann, ist schon in dem Beweise der Vollkommenheit Gottes mit enthalten: Denn, wer an sich selbst das Boͤse leidet, der ist nicht vollkommen. Also, Gott ist heilig und gerecht. Wer alle nur moͤgliche Einsicht in den Zusammenhang aller Dinge hat; wer alle C 5 Ur- Ursachen und Wirkungen kennt, und den Er- folg einer jeden Handlung vorhersieht, der ist allwißend, oder weiß alles. Weil aber Gott alle Dinge geschaffen, oder hervorgebracht hat, und allenthalben Weisheit, oder absichts- volle Ordnung, hervorblickt, und diese Ord- nung sich noch erhaͤlt; so schließen wir mit Recht: daß Gott alles weiß, weil er es sonst so ordentlich nicht haͤtte einrichten koͤnnen. Also, Gott ist allwißend. Wer alles vorher weiß, und die Macht hat, es so einzurichten, wie er es gut findet, der braucht seine Meynung nicht zu aͤndern, oder heute so, morgen anders, zu verfahren, und der ist unveraͤnderlich. Ihr habt gehoͤrt, daß Gott alles vorher- weiß, und die hoͤchste Weisheit und Macht besitzt, uͤberdem auch alle Vollkommenheit hat; was aber sich bestaͤndig veraͤndert, das ist nicht stets vollkommen. Also, Gott ist unveraͤnderlich. Was keinen Anfang braucht, um zu seyn, noch, wegen Verlust seiner Kraͤfte, zu seyn aufhoͤren muß, das nennt man ewig, oder immerwaͤhrend. Gott ist die erste Ursache aller Wirkungen; haͤtte nun Gott einen Ur- sprung noͤthig, so waͤre ja dieser die erste Ursach, und Gott waͤre die erste Wirkung, also also nicht vollkommen: Denn die Ursach ist eher, als die Wirkung. Kinder! dieses laͤßt sich nicht denken. Wenn also Gott die erste Ursach aller Wirkungen ist; so muß Gott ewig seyn, das ist: Gott muß immer gewe- sen seyn, und immer Gott bleiben. Was keinen solchen Coͤrper hat, den man sehen, fuͤhlen, und einschließen kann; was nicht durch Arbeit muͤde wird, noch Nah- rung und Schlaf braucht, um sich zu erho- len, das nennt man einen Geist, oder ein un- coͤrperliches Wesen. Denkt einmal, lieben Kinder! ob Gott nicht nothwendig ein solcher Geist seyn muͤße, wenn Ihm alle die Eigenschaften zukommen sollen, von denen ihr vorher gehoͤrt habt? Freylich, Gott ist ein Geist, der alles versteht, dem alles zu Gebote stehet, vor dem keine Macht mich schuͤtzen, und keine Finsterniß mich decken kann. Gott, der die ganze Welt, oder alles, was ist, geschaffen hat, und durch Seinen Befehl erhaͤlt, Gott kann im Augenblick die Welt verwandeln, und uns zu Staub zermalmen. Wasserflu- then, Donner und Sturm, Hagel und Schnee, dieß alles steht Gott zu Befehl. Aber nur ei- nes davon ist noͤthig zu diesem Endzweck: Denn, wenn es Gott als eine Strafe, brau- chen chen will: so muͤßen Menschen und Thiere verderben. Fuͤrchtet also, das ist: ehret Gott, lieben Kinder! von deßen Eigenschaften ihr unter- richtet seyd, uͤber alle Dinge, mehr als alle Menschen, und huͤtet euch, gegen Gottes Befehle wiederspenstig zu seyn: Denn das ist die rechte Furcht Gottes, wenn man Gott eh- ret und Hochachtung fuͤr Ihn empfindet, und wenn man es nicht wagt, ungehorsam zu seyn, oder Gottes Ordnung zu wieder- streben, sondern sich alle moͤgliche Muͤhe giebt, den Willen Gottes, seines Herrn, zu wissen, und, wenn man ihn weis, auch zu thun. Zweyter Theil . Geoffenbarte oder biblische Erkenntniß; von dem Verhaͤltniß Gottes gegen die Menschen, und von der Beschaffenheit des Men- schen selbst. Geliebten Kinder! Unsre Erkenntniß Got- tes wuͤrde sehr mangelhaft bleiben, und von unserer eignen Beschaffenheit und Bestim- mung auf dieser Erde, wuͤrden wir wenig wißen, wenn der hoͤchstguͤtige Gott nicht, durch durch Offenbarung, oder Bekanntmachung ge- wißer wichtigen Wahrheiten, unserm Ver- stande zu Huͤlfe gekommen waͤre. Gott hat dieses wuͤrklich gethan, und, von Anfang, den Menschen so viel Wahrheiten offenbart oder kund gethan, als noͤthig waren. Gott hat, entweder Selbst Wahrheit gelehrt, oder den Verstand guter Menschen so regiert, daß sie Wahrheit lehrten. Im Anfang ward die Lehre Gottes durch muͤndliche Erzaͤhlung erhalten, denn die Menschen konnten noch nicht schreiben. Endlich aber sammleten und schrieben, gute und verstaͤndige Menschen, alles in ein Buch, welches die Bibel, oder die heilige Schrift, auch das Wort Gottes, heißt. Diese Bibel ist nun der Schatz von Wahrheit, aus dem ein jeder Weisheit ler- nen kann. Gott Selbst erklaͤrt die Bibel fuͤr Sein Wort, und Sein Zeugniß ist un- verwerflich. So viele gute und verstaͤndige Menschen, bezeugen alle Tage, daß sie durch Betrach- tung des Wortes Gottes, ruhig und gluͤck- lich, verstaͤndig und weise geworden sind; dieß sind wieder Zeugniße, die Glauben verdienen. Ihr seyd also schuldig, gelieb- ten Kinder! dem Worte Gottes zu glauben, das das ist: es als Wahrheit anzunehmen, und euch darnach zu richten. Wenn ihr das thut, so werdet ihr, bey euch selbst, inne werden, und erfahren, daß die Lehre der Bibel von Gott ist, und daß, ohne Gott, kein Mensch solche Weisheit wißen, oder finden konnte. Seht, lieben Kinder! um die Bibel lesen und verstehen zu koͤnnen, habt ihr bisher muͤßen unterrichtet werden. Und, um eu- ren fernern Unterricht in der Religion zu erleichtern, will ich eurem Gedaͤchtniß, mit Nachfolgendem zu Huͤlfe kommen. Kurz gefaßter Innhalt der Bibel, bis auf die Himmelfahrt Christi. I m Amfang schuf, oder machte, Gott Himmel und Erde, und Alles, was da ist. Auch den Menschen schuf Gott, zum Bilde Gottes auf Erden, und gab ihm einen Koͤr- per aus Erde, der wieder zu Erde wird, und in diesen Koͤrper eine lebendige Seele, die nicht wieder vergeht. Die ersten Menschen hießen, Adam, der Vater, und Eva, die Mutter, aller Leben- digen. Gott Gott offenbarte sich ihnen gleich, das ist, Er that ihnen seinen Willen kund. Sie waren von Gott so geschaffen, daß, wenn sie Gott gehorsam waren, sie beyde sehr gluͤcklich blieben. Denn sie blieben als- denn frey von boͤsem Gewißen, von Sorge, Krankheit und Tod. Aber sie gehorchten nicht. Ihr Ungehorsam ward, von dem ge- rechten Gott, der einen empfindlichen Un- terschied zwischen dem Gehorsamen und Ungehorsamen machen muß, bestraft. Die Strafe der Suͤnde war der Tod, und der Verlust des hohen Grades zeitlicher Gluͤckseeligkeit, den ihnen Gott anfaͤnglich zugetheilt hatte. Daher wurde ihnen auch, der sonst so angenehme Landbau, wie alle Arbeit so sauer, daß sie oft sehr ungern daran giengen, und traͤge und faul dabey waren. Nach und nach vermehrten sich die Men- schen! Weil sie aber meistentheils sehr boͤse waren, und sich vor Gott gar nicht mehr fuͤrchteten, so ließ Gott wohlverdiente Stra- fen uͤber sie ergehen. Wasserfluthen schickte Gott, uͤber die Er- de; die lasterhaften Menschen ersoffen, und nur Ein Mann, Nahmens Noah, mit sei- ner Familie selb achten, ward, von Gott, in in einem Schiffe, das die Arche heißt, wun- derbar erhalten. Aus seinen Nachkommen entstanden die Voͤlker, und unter andern die Juden, da- von noch einige, zum Beweis aller dieser Wahrheit, unter uns wohnen. Dieses Volk waͤhlte Gott, unter andern Voͤlkern, aus, um durch sie, den uͤbrigen Menschen recht bekannt zu werden. Ihnen gab Er einen kurzen Auszug Seines Willens, in den zehn Geboten, offenbarte Sich vielen Personen unter ihnen, und belehrte sie, auf mancher- ley Weise, von dem Verhaͤltniß des Men- schen gegen Gott, oder von der Religion. Die zehn Gebote sind, noch heute zu Tage, in solchem Ansehen, und wir lernen, in un- sern Catechismus, diese Gebote auswendig, um sie immer im Gedaͤchtniß zu halten. Den Juden also offenbarte sich Gott, beson- ders durch Lehre, und bewundernswuͤrdige Wohlthaten; und erweckte aus Ihnen, Pro- pheten und Lehrer, welche viel, von einem verheißenen Erloͤser vorhersagten, durch wel- chen unter allen Voͤlkern Wahrheit und Er- kenntniß ausgebreitet werden sollte. Diese Juden zeichneten endlich auch die von Gott vorzuͤglich empfangenen Wahrheiten auf; und diesem Volke haben wir den groͤsten und er- sten sten Teil der Bibel, welchen wir das Alte Testament nennen, zu verdanken. Ob aber Gott gleich Sich den Juden so gnaͤdig erwies, so glaubten sie doch nicht immer Gott; sondern thaten, was Gott verbot, und richteten sich nicht nach Gottes Ordnung. Wenn sie denn Gott durch Krieg, Hunger und Krankheit strafte, so bekehrten sie sich zwar, oder sie aͤnderten ihre Gesin- nungen, aber nicht lange blieben sie gehor- sam. Denn von der Zeit an, da die ersten Menschen gesuͤndigt, das ist, ungehorsam ge- wesen waren, wurde des Abweichens immer mehr, die boͤsen Beyspiele pflanzten das Boͤ- se fort. Der Mensch liebte das Boͤse mehr, als das Gute, und hatte mehr Lust an sei- nem eignen Willen, als an dem Willen Got- tes. Endlich war die, von der Weisheit Gottes versehene Zeit, da durch eine beson- dre Person, dem Verderben des Menschen sollte gesteuret werden, erfuͤllet. Von einer juͤdischen Jungfrau, Namens Maria, ward der Verheißene geboren, den Gott den er- sten Menschen, als einen Tilger der verdien- ten Strafen und Wiederhersteller des, durch Ungehorsam verlohrnen Goͤttlichen Ebenbildes im Menschen, verheißen hatte, und auf den die Juden, durch ihre Lehrer, die wegen ih- D rer rer Gabe, das Kuͤnftige vorher zu wißen, auch Propheten heißen, so oft waren auf- merksam gemacht worden. Er wird in der Bibel, die in der damaligen Sprache geschrieben ist, genennt Meßias, Chri- stus, der Gesalbte, der Koͤnig, Jesus, das ist, ein Seeligmacher, ein Erloͤser, oder der große Leh- rer und Prophet, der in die Welt kommen sollte. Von Ihm sagt die Bibel: Er sey Gottes Sohn; Gott habe, bey der Taufe Christi, Selbst bezeuget: Dieser ist mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe; und der heilige Geist habe, in sichtbarer Gestalt, bey dieser Gelegenheit, uͤber Jes n Haupte ge- schwebt. Die Bibel legt Jesu Christo goͤtt- liche Eigenschaften bey. Er sey erschienen, oder gekommen, die Strafe, die sonst die Menschen leiden mußten, nemlich den Ver- lust der seeligen Gemeinschaft mit Gott, da- durch aufzuheben, daß Er Selbst, an ihrer Stelle, einen schmerzlichen Tod litte; zugleich aber, um den Menschen ein Muster, oder Vorbild zu seyn, wie sie leben muͤßten, um Gottes Gnade wieder zu erlangen. Von den Menschen aber forderte Gott, sie sollten diesem Verheißenen, goͤttliche Ehre erzeigen; an Ihn glauben, das ist: Ihn fuͤr den Lehrer, Suͤndentilger, und Versoͤhner des mensch- menschlichen Geschlechts annehmen, in Sei- nem Namen beten, und auf Ihn, die ganze Hofnung einer seeligen Unsterblichkeit gruͤnden. Christus Jesus lehrte die Menschen viel mehr Wahrheit als sie jemals gewußt hat- ten, verstehen, oder begreifen. Das wichtig- ste aber, was Er lehrte, war fuͤr die Men- schen: daß ein Leben nach dem Tode sey, oder daß, wenn gleich der Mensch stirbt, und in der Erde verweset, doch ein jeder Mensch, zu seiner Zeit, wieder aufersteht, das ist, wieder zu leben anfaͤngt, und daß, nach dieser Auferstehung, ein jeder Mensch gerich- tet werden, oder den verdienten Lohn seiner Thaten empfangen solle. Christus Jesus lebte eine Zeitlang, auf Erden, unter den Juden, war wohlthaͤtig gegen jedermann, und that solche Werke, die, nur Gott, aber kein bloßer Mensch, thun kann, und daher mit Recht Wunder genennt werden. Er wußte, was die Menschen dachten; ver- wandelte Wasser in Wein; heilte die gefaͤhr- lichsten Krankheiten durch ein bloßes Wort, und machte die Todten lebendig; auf Sei- nen Befehl gehorchte der Wind, und das Meer ward stille; dieß und noch mehr, that D 2 er, er, damit die Menschen glauben sollten: Er sey der verheißene Heiland der Welt. Seine Lehre war die vollkommenste Weis- heit, und enthielt alles, wodurch ein Mensch Rechtschaffenheit lernen; ein ruhiges Gewis- sen, oder Bewustseyn, daß Gott ihm gnaͤdig ist, erlangen, und also, hier auf Erden, gluͤck- lich seyn, und nach dem Tode, eine gluͤcksee- lige Fortdauer erwarten kann. Aber, so wie die Menschen vorher nicht alle Gott geglaubt hatten, so glaubten sie auch, dem von Gott verheißenen Erloͤser, nicht alle. Nur im Anfang, einige Leute ge- ringen Standes, waren Ihm treu ergeben, und fanden, daß in Seinen Worten etwas Goͤttliches, und ein Vorschmack des ewigen Lebens waͤre. Diese werden Apostel, d. i. Ge- sandten genannt, weil sie von Jesu unmittel- bar ausgesandt wurden, seine Lehre allen Voͤlkern der Erde zu predigen. Die meisten und maͤchtigsten im Volke der Juden waren Jesu Feinde, und konnten die aͤ n ßerliche Niedrigkeit seines Betragens, nicht mit denen Begriffen reimen, die sie sich nach der Pracht und Hoheit dieser Welt, von dem verheißenen Erloͤser gemacht hatten. An- statt, daß sie Christo Jesu danken, und an Ihn glauben sollten, so haßten sie Ihn ohne Ur- Ursach; bloß weil Er, bey aller Gelegenheit, sie zurechte wies, und ihre verkehrte Ge- muͤthsart tadelte. Sie haßten Ihn endlich so sehr, daß sie sich entschloßen, Ihn zu toͤdten. Wenn man aber einen Menschen zum Tode verdammen will, so muß man ihn vorher eines Verbrechens beschuldigen, und auch uͤberfuͤhren. Das Erste thaten die Juden, nemlich sie beschuldigten Jesum: Er sey ein Zauberer, das ist, einer, der mit des Teufels Huͤlfe, boͤse Dinge thut, hernach: Er wolle Koͤnig uͤber die Juden werden, endlich: Er habe Gott gelaͤstert. Aber, von allen diesen konn- ten sie Jesum nicht uͤberfuͤhren, oder bewei- sen, daß ihre Beschuldigungen wahr waͤren. Endlich stellten die Obersten unter den Ju- den falsche Zeugen auf, die versicherten, alle diese Beschuldigungen waͤren wahr. Und Jesus Christus ward zum schmerzlichsten Tode, nemlich, an Haͤnden und Fuͤßen an ein Holz, das, wegen seiner Gestalt, ein Creutz heißt, genagelt zu werden, und dar- an zu sterben, verurtheilt. Ohngefaͤhr um die Zeit im Jahre, da wir, zum Gedaͤchtniß dieser Begebenheit, Ostern feyern, ward also Jesus Christus gekreuziget; nach der Gewohn- D 3 heit, heit, nachdem Er am Creutz gestorben, in ein Grab gelegt, oder begraben; Aber, am dritten Tage stand Christus Jesus, aus eig- ner goͤttlicher Kraft, lebendig auf, und er- schien seinen, uͤber das Geschehene, sehr be- truͤbten Juͤngern. Zu ihrem Trost und voͤl- liger Belehrung, oͤfnete Jesus Christus ih- nen die Schrift, das ist: Er gab ihnen Ein- sicht in den ganzen Zusammenhang des Ver- fahrens Gottes mit den Menschen, und wie Er, Christus, der Sohn Gottes, habe ein Mensch geboren werden, und, als ein Mensch den Tod leiden muͤßen, um den Menschen Begnadigung bey Gott, wegen alles bisheri- gen Ungehorsams, zu verschaffen. Er be- stellte auch diese seine Juͤnger zu Lehrern der Menschen, und befahl ihnen, die Leute zu unterweisen, und sie denn, durch die Taufe, zu Christen einzuweihen. Durch diese Lehre und Unterricht wurde nun der Glaube der Apostel gestaͤrkt, und sie predigten dieses Evangelium, oder diese froͤliche Botschaft, auf Befehl Jesu, allen Voͤlkern, wo sie hinkamen, mit Freudigkeit. Als Jesus Christus nun, auf Erden, al- len Willen Gottes Seines Vaters, vollendet hatte; so kam eine Wolke, und umhuͤllte Ihn vor den Augen seiner Apostel, und vie- ler ler Menschen, und Er gieng wie b er ein, zu Seiner Herrlichkeit im Himmel. Aber, am Tage der großen Auferstehung oder des allgemeinen Gerichts, wird Er wieder er- scheinen, und diejenigen, die Ihn fuͤr das, was Er ist, gehalten, und Seiner Lehre gehorsam gewe- sen, Theil an Seiner Herrlichkeit nehmen laßen; die andern aber, die keinen Theil an Ihm haben wollten, von der seeligen Gemeinschaft mit Gott ausschließen. Geliebten Kinder! diese Apostel nun lehr- ten, wie es ihnen von Jesu Christo, ihrem und unserm Herrn, befohlen war, zuerst die Juden, denn auch die verschiedenen abgoͤtti- schen Voͤlker zu denen sie kamen. Und die- se Voͤlker nennt die Bibel Heiden, d. i. solche Leute, die keine richtige Begriffe von dem einigen wahren Gott und von der Religion (welches die Lehre von dem Ver- haͤltniße der Menschen mit Gott ist) haben. Eure Voraͤltern, Geliebten Kinder! wa- ren auch solche Heiden, voller Unwissenheit und Aberglauben, ehe sie in der christlichen Religion unterrichtet wurden; und es giebt noch ganze große Laͤnder voll solcher Hei- den — Preiset also und danket Gott da- fuͤr, daß Er eure Voraͤltern berufen hat von der Finsterniß zu dem herrlichem Lichte D 4 seines seines Evangelii. Haltet es fuͤr die groͤste Wohlthat Gottes, daß ihr Kinder christli- cher Aeltern seyd, also durch Lehrer in Schu- len und Kirchen in aller Erkenntniß des Willens Gottes unterrichtet werdet; und wendet auch den empfangenen Unterricht so an, daß ihr Gott den ihm wohlgefaͤlligen Dank, durch ein tugendhaftes und christli- ches Leben, opfert. Das siebente Capitel. Eine Tugendlehre nach der Bibel. Philipper im 4. Cap. v. 8. 9. W as wahr ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich ist, was wohl lau- tet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach — das thut! So, meine liebsten Freunde, redet euch die Bibel an, von welcher ihr gehoͤrt habt, daß sie Gottes Willen enthalte. Sie will in allen Stuͤcken, euch vollkommen haben. Ihr sollt nicht allein vor groben Lastern, das ist, vor solchen, die die weltlichen Ge- setze strafen, euch huͤten, sondern auch ver- borgene Suͤnden meiden; in allen Stuͤcken euch euch anstaͤndig, und ehrbar, und als solche bezeigen, die da wißen, daß Gott alle Din- ge sieht und weiß. Weil nun hierzu vor allen Dingen noͤthig ist, daß ihr gute Gedanken habt, gute Vor- saͤtze faßt, gute Mittel waͤhlt, sie auszufuͤh- ren; zu allen Diesen aber die besten Anlei- tungen in der Bibel findet: So will ich euch eine Anweisung geben, die euch nuͤtz- lich seyn wird. Wenn ihr in der Bibel lesen wollt, so betet allemal vorher zu Gott: Ach Herr, mein Gott! ich will in der Bibel lesen, oͤfne mir die Augen des Verstandes, daß ich in der Er- kenntniß Jesu Christi zunehme; Dein guter Geist bewahre mich vor Irr- thum, und fuͤhre mich auf richtiger Bahn! Amen. Ihr werdet in der Bibel zweyerley fin- den. Erstlich: Wie Gott Sich gegen die Menschen bewiesen hat. Anderntheils: Wie die Menschen gegen Gott sich bewiesen ha- ben. Herablaßend, gnaͤdig, treu, gerecht und gut, ist Gott; die Menschen aber, nicht aufrichtig, nicht dankbar durch Gehorsam, der einzigen Art von Dank, die gegen Gott moͤglich ist. Die meisten in der Bibel be- D 5 schrie- schriebnen Menschen, klebten mit ihren Her- zen an vergaͤnglichen Dingen, die nicht Gott sind; suchten Ruhe, und fanden sie nicht, weil sie außer Gott Ruhe suchten. Sie thaten weder als Unterthanen, noch als Obrigkeiten, ihre Pflichten, und fuͤrchteten sich hernach, wo nichts zu fuͤrchten war, weil sie mit ihren Herzen von dem Gott gewichen waren, der allein mit Recht sagen kann: Fuͤrchte dich nicht in der Noth, denn Ich bin bey dir. Lieben Kinder! Wenn ihr den aufrichti- gen Wunsch bey euch empfinden werdet: „Weil mich Gott zu einem verstaͤndigen „Wesen geschaffen hat, und mir Gesetze ge- „geben, das ist, Seinen Willen bekannt ge- „macht hat, damit ich gluͤcklich seyn koͤnne, „so will ich mich mit Fleiß huͤten, vor alle „dem, was Gottes Willen zuwider ist.“ Als- denn wird euch euer Gewißen erinnern, wenn ihr gefehlt habt. Wenn euch eure Aeltern, Lehrer oder wahren Freunde zeigen, wo ihr gefehlt habt, so werdet ihr nicht widerstreben, euern Fehler nicht entschuldi- gen, sondern ihnen Recht geben. Es wird euch leid seyn, daß ihr gefehlt habt, und die Reue wird euch behutsamer, und wach- samer auf euer Verhalten machen. Weil aber aber doch durch diese Reue allein, das ge- schehene Boͤse, vor dem heiligen Gott nicht gut gemacht werden kann: So werdet ihr die, in unserm Heilande Jesu Christo, euch angebotne Gnade herzlich annehmen, und euch dankbar freuen, daß es Gott gefallen, in Jesu Namen, die Versoͤhnung der bereu- eten Suͤnden zu stiften. Ihr werdet in Seinem Namen, eure Knie beugen, d. i. beten, und glauben, daß, nach Seinem Worte, welches Er mit Seinem Tod und Auferstehung versiegelt hat, ihr nicht mehr der Suͤnde Knechte seyn muͤßet, sondern in Ihm, Gerechtigkeit und Staͤrke habt, der Suͤnde zu widerstehen. Weil ihr auch den wahren Werth des vrrgaͤnglichen Lebens, und der irrdischen Guͤter, aus der Bibel habt kennen lernen, so werdet ihr euch nicht mit Unzufriedenheit plagen, sondern in der Wahrheit empfinden: daß, wer nach Gottes Gnade zuerst trachtet, zugleich in andern Dingen weise werde, und sich in den meisten Faͤl- len, nicht ganz huͤlf- oder rathlos befinde. Da aber euer Beruf in der Welt, sehr arbeitsam ist, und zu fuͤrchten stuͤnde, daß es euch an Zeit fehlen moͤgte, die Erkenntniße, so ihr in der Jugend gelernt habt, fortzusetzen: So ist von Gott der Sonntag zum Ruhetag, so so viel nur moͤglich ist, von aller Arbeit, eingesetzt worden. Bewundert, lieben Kin- der! die Guͤte Gottes in dieser Sache — Um euers Standes willen, hauptsaͤchlich, ist diese Einrichtung vermuthlich getroffen. Ihr beduͤrft bey eurer Lebens-Art, Ruhe; und damit euch diese Ruhe, durch Muͤßiggang, nicht schaͤdlich werde, hat Gott euch die Be- schaͤftigung dieses Tages nahe gelegt. Ihr sollt Ihm, in der Gemeine, danken, euch in Seinem Tempel lehren lassen; ihr sollt Gu- tes thun, allerley Last wegreißen. Die Suͤn- de ist die groͤßte Last, diese reißt am Feier- tage, aus euern Herzen, durch Pruͤfung eu- ers Wandels, durch Erinnerung an eure Pflichten, durch Wiederholung des Guten was ihr wißt, durch gute Vorsaͤtze, und ein aufrichtiges Gebet: So werdet ihr den See- gen Gottes in eure Haͤuser bringen, der da wahrhaftig reich macht, und werdet auf den Geist saͤen, und das ewige Leben erndten. Nichts aber ist noͤthiger, als sich selbst zu kennen: Denn, geliebte Kinder! ein jeder Mensch hat vor irgend einem Laster sich be- sonders zu huͤten, das ist, er hat einen be- sondern Hang zu diesem Laster. Wollt ihr also tugendhaft werden, so bemuͤhet euch ei- frig, euer Herz von dieser Seite kennen zu ler- lernen, um gegen diese Verfuͤhrung besonders zu wachen; und betet oft, wie David: Erforsche mich, mein Gott, und pruͤfe, wie ichs meyne, Entdecke mir mein Herz, und was ich hab im Sinn; Gieb, daß ich kuͤnftig nie, mir gut und redlich, scheine, Wenn in des Herzens Grund, ich doͤs und falsch noch bin! Christliche Tugenden werden solche Hand- lungen genannt, bey welchen man, um des Befehls Gottes und Jesu Christi, unsers Er- loͤsers willen, etwas thut, oder, um Seiner Warnung oder um Seines Verbots willen, etwas unterlaͤßt. Seht, meine lieben Kinder! ihr werdet, wenn ihr laͤnger lebt, oft in solche Umstaͤnde kommen, da ihr, von der Uebertretung irgend eines von den Gesetzen Gottes, einen schein- baren und gegenwaͤrtigen Vortheil haben werdet. Wenn ihr nun so denkt, „Diese Suͤn- „de braͤchte mir was ein, sie wuͤrde mir „Gunst zuwege bringen bey Menschen, wenn „ich sie nicht thue, so werde ich verspottet, „gehaßt, verfolget werden, ich werde zuruͤcke „kommen, in meiner Nahrung. Aber nein! „Gott „Gott hat sie verboten. Gott sagt: Wenn „du die ganze Welt gewoͤnnest, und littest „Schaden an deiner Seele, was haͤttest du „davon! Gott sagt: Fuͤrchtet euch nicht vor „Menschen, sondern vor Mir. Gott sagt: „Wenn sie euch verspotten und verfolgen, „darum daß ihr Mir nachfolgt, und gehorsam „seyd, so verzaget nicht, es soll euch wohl „belohnet werden! Ich will also Gott mehr „gehorchen, als den Menschen, als demjeni- „gen, was mein boͤses Herz und meine boͤse „Neigungen (welche in der Bibel oft Fleisch „und Blut heißen,) mir angenehm vorstel- „len‟ — Seht, Kinder! denn, wenn ihr so denkt und verfahrt, so seyd ihr christlichtu- gendhaft, denn ihr glaubt, daß Gott sey; daß Er Seine Zusage haͤlt; daß die Gnade Gottes hoͤher zu achten sey, als alles in der Welt, und daß also alles, was Jesus Chri- stus geordnet, wahr und gut sey. Dieß nennt die Bibel Gottseeligkeit, die zu allen Dingen nuͤtze ist; Fruͤchte des Geistes, wor- an man erkennen kann, wie an den Fruͤch- ten eines Baums, ob der Glaube rechter Art ist. Wenn die Bibel spricht: „Laßt euer „Licht leuchten vor den Leuten! Wandelt im „Lichte!‟ so meynt sie das damit. Ver- Verfahrt in allen euern Handlungen so, daß man sehen kann, ihr glaubt es Gotte zu, daß der Gehorsam gegen Seine Gebote eure Gluͤckseeligkeit ausmache. Das Verzeichniß aller christlichen Haupt- tugenden findet ihr in der Evangelisten und Apostel Schriften, theils als Reden des Hei- landes Selbst, theils als Lehren, die Seine Juͤn- ger, aus dem Unterrichte des Herrn Jesu, ge- sammlet, und nach Seinem ausdruͤcklichen Be- fehl, den Christen hernach verkuͤndigt, oder kund gemacht haben. Eine Sache will ich noch beruͤhren. Bey dem redlichen Vorsatz, den ihr faßen werdet, euern Leib und Seele Gott zu uͤbergeben, werdet ihr doch zuweilen auf Abweichungen gerathen, und nicht immer stark genung seyn, Versuchungen zu widerstehen, und Fehler zu vermeiden. Und die Bibel sagt uns: „Wer „kann merken, wie oft er fehle?‟ Aber lange vorbedachte Einwilligung in die Suͤnde, muß es nicht seyn. Die Suͤnde muß nicht herrschen in euch, ihr muͤßt keinen Gefallen daran haben; son- dern, so bald ihr sie an euch gewahr werdet, oder euere Lehrer und redliche Freunde euch erinnern, wo ihrgefehlt habt, so muͤßt ihr das Unrecht, so viel als moͤglich ist, wieder gut machen, und herz- lich betruͤbt werden, daß es geschehen ist, aber aber nicht verzweifeln. Denn in unserm Heilande Jesu Christo, in der glaͤubigen An- nehmung Seiner Erloͤsung, koͤnnt ihr euch reinigen, von der begangenen, aber bereue- ten, Suͤnde. Die Bibel nennt Ihn daher einen offnen Born oder Brunnen, wider die Ungerechtigkeit. Euer erkannter Suͤnden- fall aber, wird euch vorsichtiger machen, die Gelegenheit zur Suͤnde, sorgfaͤltiger als vorher, zu vermeiden; auch treiben, durch herzliches Gebet, euch mit euerm in Christo Jesu versoͤhnten Gotte, naͤher zu verbinden. Auch das, geliebte Kinder! haben wir der Lehre Jesu Christi zu verdanken, daß wir nun gewiß wißen koͤnnen, Gott sey un- ser rechter Vater, und wir Seine Kinder. Das ist: Gott habe alles, was geschiehet und geschehen ist, zu unserm Besten einge- richtet, weil Er uns liebt, als ein Vater seine Kinder, und unsre Gluͤckseeligkeit will. Denn, weil in Gott die hoͤchste Weis- heit ist, und wegen Seiner Macht, Ihm keine Absicht fehl schlagen kann; so wird Er auch gewiß, mit den Menschen, Seine Absicht nicht verfehlen. Wenn wir also, geliebten Kinder! von Gott wuͤrdiglich denken, Ihn sehr ehren und lieben, folglich Ihm gehorchen, so koͤnnen wir wir auch versichert seyn, daß alles uns zum Besten dienet, was uns begegnet. Wir koͤnnen daher unserm gegen uns vaͤ- terlich gesinnten Gott, alle unsere Schicksale ruhig anheim stellen; duͤrfen uns nicht mit Sorgen, und trostloser Verzweiflung uͤber un- ser Fortkommen, quaͤlen; sondern, bey Treue und Fleiß in unserm Beruf, (das ist, in der uns von Gott angewiesenen Stelle in seiner Welt,) und bey Gebet, koͤnnen wir das Kuͤnf- tige gelaßen erwarten. Auch diese Gesinnungen heißen in der Bi- bel, Gottseeligkeit. Denn ein so gesinnter Mensch ist seelig, oder gluͤcklich, weil ihm sein Gewißen sagt; er habe Gott zum Freun- de. Seeligkeit aber ist uͤberhaupt nichts anders, als Bewustseyn der Freundschaft Gottes. Und diese Gottseeligkeit ist das Reich Gottes, oder die Sinnesart, die, nach dem Willen Jesu Christi, in unserer Seele herrschen soll. Ein solcher gottseeliger Mensch, geliebte Kinder! ist froh und zufrieden, mit dem, was da ist. Er verlangt nicht viel von andern Menschen. Er ist maͤßig, und begnuͤgt sich mit seinem bescheidnen Theile. Er ist deß- halb auch gern gelitten, und kommt also viel leichter fort, als ein muͤrrischer, unzufriede- ner, der verdrießlich aussieht, und sich immer E uͤber uͤber Gott und die Menschen beklagt, daß ihm nicht Gluͤck genung begegne. Doch, auf lauter Rosen koͤnnen wir Men- schen, bey aller Gottseeligkeit, dennoch nicht gehen. Es giebt auch nothwendiges Lei- den. In Gottes Entwurf aller Ursachen und Wirkungen, gehoͤrte dieses mit — Wenn aber ein guter Vater seinem lieben Kinde zwar uͤbelschmeckende, doch heilsame, Mittel brauchen ließe, um es vor herrschenden Krankheiten zu verwahren; so thaͤte das Kind unrecht, wenn es glaubte, der Vater waͤre ihm deßhalb nicht gewogen. So macht es Gott, lieben Kinder! mit den Menschen. Das Leiden ist nuͤtzlich, aus vielen Gruͤnden. Oft dem, der es leidet; oft auch dem, der leiden sieht, oder mit leidet. Das gute Kind, das seine kranken Ael- tern oder Geschwister pflegt, wuͤrde diese schoͤne Tugend nicht uͤben koͤnnen, wenn kein Kranker zu pflegen da waͤre. Die Aeltern selbst sind vielleicht, durch die Krankheit, vor groͤßern Ungluͤck bewahret und davon abge- halten worden. Ich will euch eine Geschichte davon er- zaͤhlen. In In der Stadt waren einmal Schauspie- ler, die fuͤr Geld, in einem großen Hause, des Abends, ihre Kunst sehen ließen. Ei- ner von meinen Bekannten wollte, mit sei- ner Frau und zwey Kindern, hingehen, und hatte schon alles bestellt. Die Kinder freu- ten sich besonders sehr auf das Schauspiel, auf die vielen Lichter, die bunten Kleider, die Musik, und was ihnen sonst noch ange- nehm dabey vorkam. Auf den Mittag wird der Mann sehr krank, da mußte die Frau zu Hause bleiben, und ohne ihre Ael- tern sollten die Kinder nicht ins Schauspiel gehen. Da weinten die Kinder sehr, daß von ihnen diese Lust vergebens gehoft waͤre. Das eine Kind war so unwillig, daß es gar sagte: „Warum mußte der Vater eben heute krank werden? Eben heute, da wir ein- mal eine Lust haben sollten? Aber hoͤrt, Kinder! was geschah? Den Abend kam Feuer im Schauspielhause aus, es brannte bis auf den Grund, ab, und die meisten Zu- schauer wurden erdruͤckt im Gedraͤnge, oder erstickten vom Rauch, oder verbrannten in der Flamme. Da merkten die Aeltern, daß die Krankheit des Vaters eine wohlthaͤtige Schickung und Regierung Gottes gewesen, und lobten Gott E 2 da- dafuͤr. Ihre Kinder aber belehrten sie an diesem Exempel: daß Gott, auch bey zuge- schickten Leiden, die besten Absichten habe, und daß, wenn wir oft nicht so gleich wis- sen, wozu das Leiden uns gut ist, wir doch hernach erfahren werden, wie gut es unser himmlischer Vater mit uns meyne. Was uͤbrigens die Lehren der wahren Weisheit, die vor Gott gilt, betrift, so sind in den Spruͤchen Salomonis, dem Buch der Weisheit, und Jesus Sirach, alle die besten Lehren enthalten, die man erfinden kann, um einen Menschen klug zu machen; und im neuen Testament ist davon ebenfalls ein Vor- rath, der nicht zu erschoͤpfen ist, wie ihr, bey fleißiger Lesung der Schrift erfah- ren werdet. Nota. Von nun an koͤnnten die Schul- kinder, ohne Schaden von dem Seel- sorger oder Prediger des Ortes, in den gewoͤhnlichen Unterricht genommen werden, der vor der Confirmation von ihm gegeben zu werden pflegt. Das Das achte Capitel. Von der Gesellschaft und der Obrig- keit, von Gesetzen und Soldaten. G eliebte Kinder! Wenn ihr in eurer Ael- tern Hause seyd, muͤßt ihr euch nicht nach der Ordnung richten, die eure Aeltern einge- fuͤhret haben? Muͤßt ihr nicht, z. E. kom- men, wenn sie euch zum Eßen rufen; aufste- hen, wenn sie euch wecken; da oder dort hingehen, wenn sie euch schicken? — Also, ihr muͤßt euch die Befehle eurer Aeltern gefallen laßen, und der Ordnung nicht wi- derstreben, die eue Aeltern eingefuͤhrt haben. Das heißt: Eure Aeltern befehlen, und ihr muͤßt gehorchen. Welche Unordnung aber wuͤrde das im Hause seyn, wenn keiner befoͤhle, oder, wenn er befoͤhle, niemand gehorchte! Gewiß, Kin- der! ihr haͤttet keine warme Stube im Win- ter; kein Eßen, und kein Kleid auf dem Leibe; denn ein jeder wuͤrde fuͤr sich nur sorgen, und denn gienge alles zu Grunde. Gott sey also gelobet dafuͤr, daß Er, nach Seiner hoͤchsten Weisheit, die Welt so ein- gerichtet hat, wie sie ist, und auf Ordnung allenthalben, Gluͤckseeligkeit folgen laͤßt. E 3 In In der Welt Gottes sind verschiedne Staͤnde, das ist: Es giebt solche Menschen, die andern befehlen, und solche Menschen, die andern gehorchen muͤßen. Die, so be- fehlen, heißt man Aeltern, Herrschaften, Obrig- keit, Vorgesetzte; die, so gehorchen, sind, Kinder, Beanne, Unterthanen, oder Knechte. Wer dem einen befiehlt, muß doch auch, fuͤr seine Person, wieder andern gehorchen. Z. E. Ihr muͤßt euren Aeltern gehorchen; aber eure Aeltern muͤßen ihrer Gutsherrschaft gehorchen; und die Herrschaft muß wieder dem Landesherrn gehorchen; und Gott muͤs- sen alle Menschen gehorchen. Lieben Kinder! alle Menschen konnten nicht Herren oder Vornehme seyn. Stellt euch einmal die Welt, als eine Kirche vor. Nicht wahr? Auf der vordersten Bank konn- ten sie nicht alle sitzen: nur etliche haben Platz darauf, die andern sitzen auf der zweyten, dritten, und so weiter. Diese Ordnung hat der hoͤchstweise Gott gemacht. Wer tugendhaft ist, laͤßt sich Gottes Ordnung gefallen. Aber, wie mag es wohl zugegangen seyn, daß ein Mensch dem andern gehorcht, ihm dient, und mit ihm in Gesellschaft, oder in gewißen Verhaͤltniß lebt? Haͤtte nicht ein jeder jeder koͤnnen sein eigner Herr bleiben, und vor sich leben, ohne sich um den andern zu bekuͤmmern? Waͤre das nicht beßer ge- wesen? Nein! geliebte Kinder! Denn, wie die Gesellschaften, Gesetze, Obrigkeiten, und Sol- daten entstanden sind, das will ich euch kuͤrzlich erzaͤhlen. Anfaͤnglich war, wie ihr aus dem kurzge- faßten Innhalt der Bibel gehoͤrt habt, nur ein Paar Menschen, Adam, der Vater, und Eva, die Mutter aller Menschen, die nach ihnen gelebt haben, und noch leben. Ihnen gehoͤrte die ganze Erde: Denn Gott hatte ihnen die Herrschaft uͤber die Erde und al- le Thiere gegeben. Sie lebten in der Ehe, und hatten Kinder. So lange die Kinder klein waren, mußten der Vater und die Mutter, fuͤr ihren Unterhalt und fuͤr ihre Erziehung sorgen, weil sie sich selbst nicht helfen konnten, und die Kinder mußten den Aeltern unterthan seyn, das ist, gehorchen. Seht! das war die erste Gesellschaft oder Familie, nemlich von Aeltern und Kindern: und da war die erste Herrschaft oder Ge- walt, nmlich der Aeltern uͤber die Kinder; und die erste Unterthaͤnigkeit oder Gehorsam, nemlich der Kinder gegen die Aeltern. E 4 Wie Wie die Kinder groß wurden, und ihre Nahrung und Erhaltung selbst besorgen konn- ten, wollten sie auch Aeltern werden, oder Kinder haben, und eine Familie stiften. Die Aeltern gaben ihnen daher etwas Eignes, und ließen sie von sich. Als sich nun die Menschen immer mehr vermehrten; so gab es auch immer mehr Familien, und diese breiteten sich endlich uͤber die Erde aus. So lange Platz da war, gieng das wohl an. Ein Fleck aber war doch beßer, als der andre, gut Wasser, gute Aecker, gute Weide, gut Holz, war doch nicht allenthal- ben gleich gut zu finden. Eine jede Fami- lie wollte gerne das Beste besitzen. Wer aber was Gutes hatte, wollte es nicht mis- sen. Da entstand Feindschaft unter den Familien. Der Neid kam dazu, wie die Bibel sagt. Daß Gott den einen mehr ge- seegnet hatte, weil er froͤmmer war, das verdroß den andern; da ward aus Feind- schaft, Gewaltthaͤtigkeit, und einer schlug den andern todt; oder wenn die eine Familie staͤrker war, als die andre, so jagte die staͤrkere, die schwaͤchere Familie weg, und raubte ihnen das Ihrige. Wenn nun die, die vertrieben waren, Gelegenheit fanden, so raͤchten sie sich, und thaten den Raͤubern wie wieder alles zu leide, was sie konnten. Wenn aber dieses bestaͤndig so fortgedauert haͤtte, so waͤre das menschliche Geschlecht bald zu Grunde gegangen. Da traten viele Fami- lien zusammen, und sagten: „Wir wollen uns „vereinigen: Wir wollen gemeinschaftlich, uns „und das Unsrige, gegen unsre Feinde beschuͤ- „tzen; und wollen uns auch sonst gemeinschaft- „lich beystehen, in solchen Arbeiten, die zwar al- „len nuͤtzlich sind, die aber, eine Familie allein, „nicht zwingen kann.‟ Da entstanden die großen Gesellschaften, die man Voͤlker, Nationen, oder Staaten heißt. Die Leute merkten aber bald, daß sie, durch die bloße Vereinigung in eine groͤßre Gesellschaft, noch nicht viel gebeßert waͤren. Denn, wenn Noth war, so half der eine fleißig, der andre war faul, und that we- nig; der eine kam fruͤh, der andre spaͤt; und sie konnten auch nicht eins werden, was gethan werden sollte, weil ein jeder wieder seinen besondern Vortheil suchte, und das Beste der ganzen Gesellschaft, seinem eignen Nutzen, nicht vorzog. Als nun daraus, in der Gesellschaft, so viel Noth entstand, daß einem jeden die Augen aufgiengen; so wurden die Men- E 5 schen schen wieder eins, daß etwas vestgesetzt wer- de, was in jedem Fall, gethan oder nicht gethan werden sollte, oder was Recht und Unrecht waͤre, und ein jeder versprach, mit dem Vestgesetzten zufrieden, und ihm ge- horsam zu seyn. Da entstanden die Gesetze, oder die Verordnungen im Staate. Nun kam es noch darauf an, daß auch ein jeder den Ausspruch der Gesetze, wenn sie ihm, etwas zu thun, auflegten, oder, wegen eines Fehlers straften, sich gefallen ließe. Wer listig war, der sagte: „Das Gesetz „geht mich nicht an; ich verstehe das Gesetz „so nicht, wie ihr andern, sondern, wie es „mir Vortheil bringt.‟ Wenn das aber die Gesellschaft litte, so war es eben so gut, als wenn gar keine Gesetze gewesen waͤren, denn ein jeder that, was er wollte. Sie wurden also wieder eins, es sollten gewiße Leute un- ter ihnen seyn, die nach dem Gesetze urthei- len, und einem jeden, bey seinen Streitig- keiten, Recht sprechen, oder richten sollten. Denen wollten sie alle gehorchen, und sich von ihnen regieren laßen. Diese Leute soll- ten, durch gewiße Abgaben, von einem jeden der Gesellschaft belohnet, und erhalten wer- den, den, und keiner sollte, bey Lebensstrafe ihnen schaden duͤrfen. Da entstanden die Richter, Obrigkeiten, Fuͤrsten und Koͤnige. Aber eine jede große Gesellschaft, oder Volk hatte seine eigene Gesetze, und eigene Gebraͤuche, oder Verfaßungen. Darnach woll- ten sich denn die andern Gesellschaften oder Voͤlker nicht richten, wenn es ihnen Scha- den brachte, noch weniger sich den Ausspruch einer fremden Obrigkeit gefallen laßen. Wenn denn nun einige Gesellschaften oder Voͤlker uneins wurden, und sich nicht, uͤber die streitige Sache vergleichen wollten oder konnten, so handelten sie feindlich gegen ein- ander, fielen ein, und raubten die Erndte, Vieh und Menschen weg, und die Menschen behielten sie, als Knechte, und sie mußten ihnen umsonst dienen. Das ist: Es war Krieg unter ihnen. Weil aber ein jeder im Volk, gemeinschaft- lich, das ist: gleich viel thun sollte, um zu wachen, oder den Feind zu verfolgen, oder den Feind abzuhalten, wenn er einfiele; so konnte indeß keiner das Land bauen, und, im Sommer, Vorrath fuͤr den Winter und Fruͤhling sammlen: Denn es durfte keiner zuruͤck bleiben, ohne beschimpft, und aus der Ge- Gemeine gejagt zu werden. Dauerte nun der Krieg lange, so gieng in der Gesellschaft alles zu Grunde. Da wurden die Leute endlich eins; Es sollten die muntersten, juͤngsten und staͤrksten von ihnen, wachen, und im Kriege Dienste thun, auch in Frie- denszeit, sich in alle dem uͤben, was sie im Kriege, schon koͤnnen muͤßten: damit die an- dern indeß sicher zu Hause bleiben, und das Land bauen, und also das gemeine Beste be- sorgen koͤnnten. Und fuͤr deren Unterhalt, wollte die ganze Gesellschaft sorgen, weil doch ein jeder, Vortheil und Nutzen davon haͤtte. Daher sind die Soldaten entstanden. Seht, lieben Kinder! so ist es noch in der Welt. Laßt euch also diese Einrichtung, welche von Gott herkommt, und die beste ist, die gemacht werden konnte, gefallen! Danket Gott, daß ihr die Vortheile der Gesellschaft genießen koͤnnt! Macht euch um die Gesellschaft verdient, oder erwerbt die Liebe der andern, dadurch: daß ihr das all- gemeine Beste, oder den Vortheil der gan- zen Gesellschaft, sucht; und, so viel moͤglich ist, macht, daß andre von euch Vortheil haben! Haltet uͤber Gesetz und Ordnung, weil, eure eigne Gluͤckseeligkeit sowohl, als das allgemeine Beste, davon abhaͤngt. Be- tet tet fuͤr eure Obrigkeit, daß Gott sie seegnen und mit Weisheit erfuͤllen wolle, und ge- horcht, um Gottes Ordnung willen, als Bauern oder Soldaten, euren Herren und Vorgesetzten mit willigem Gehorsam! Das neunte Capitel. Vom Verhaͤltniß. L ieben Kinder! Ihr habt, in verschiednen Capiteln, viel vom Verhaͤltniß reden hoͤren. Es hieß: die Religion waͤre die Lehre von dem Verhaͤltniß, worinn die Menschen mit Gott stehen. Im vorhergehenden Ca- pitel aber, ward euch das Verhaͤltniß er- zaͤhlt, worinn der Mensch mit der Gesell- schaft steht, in welcher er lebt. Was kann also nun wohl das Wort, Verhaͤltniß, bedeuten, oder was meynt man damit, wenn man sagt: Diese Dinge stehen in Verhaͤltniß miteinander? Ein paar Gleichniße, geliebte Kinder! sol- len euch dieß schwere Wort erklaͤren. Nicht wahr? Ihr habt alle, eine Knall- buͤchse von Fliederholz gesehen, und ihr wißt alle, wie sie gemacht wird? Wenn ihr also eine eine Knallbuͤchse von Fliederholz haben wollt; so nehmt ihr einen geraden Schuß vom Flieder-Baum, bohrt das Mark heraus, und sucht euch einen geraden Stock von an- dern Holze, zum Stempel, und schneidet ihn so lange ab, bis er in die Roͤhre paßt. Warum muß der Stempel gerade seyn? Weil er sonst, zu der geraden Roͤhre, von harten Holze, das nicht nachgiebt, sich nicht schickte. Warum muß er nicht dicker seyn, als die Hoͤhlung in der Roͤhre? Weil der Stem- pel sonst nicht in die Roͤhre paßte. Seht, lieben Kinder! das heißt: der Stem- pel ist mit der Roͤhre in einem Verhaͤltniß, und denn kann daraus eine Knallbuͤchse wer- den. Oder, solche Dinge, die zu einander gehoͤren, die muͤßen sich zu einander schi- cken. Ein Spinnrad besteht, wie ihr alle wißt, aus vielen Theilen. Wenn diese Thei- le sich nicht so zusammen schickten; so koͤnn- te keiner damit Garn spinnen. Wenn aber alle diese Theile am Spinnrade, mit einan- der in richtigen Verhaͤltniße stehen, so kann man damit fertig werden, und spinnen. Der Pflug, oder die Heckerlingslade, wuͤr- de nicht zum Strohschneiden und Pfluͤgen, dienen koͤnnen, wenn alle Theile, die daran sind, sind, nicht mit einander im Verhaͤltniß stuͤn- den. Waͤre der Stiel oder Griff zu dick, oder zu lang, die Raͤder zu hoch, das Eisen zu kurz ꝛc. so koͤnnte kein Mensch damit handthieren. Seht, lieben Kinder! so viel kommt auf Verhaͤltniß in allen Dingen an. Wenn ich nun sage, der Mensch steht in gewißem Verhaͤltniß mit Gott; so heißt das so viel, als, Gott ist die Ursach, warum der Mensch da ist, oder Gott hat dem Men- schen das Leben gegeben, also, Gott ist un- ser Herr, und wir Menschen sind Untertha- nen Gottes. Ohne Gott, kann der Mensch nicht hoffen, gluͤcklich zu seyn, weil alles Gott zu Gebot stehet, und Gluͤck und Un- gluͤck in Seinem Willen beruht. Also muß sich der Mensch so verhalten, wie es Gott haben will, das ist, Gott gehorchen. Und wenn ich sage: der Mensch steht in Verhaͤltniß mit der Gesellschaft, worinn er lebt; so heißt das so viel, als, der Mensch hats noͤthig, mit andern Menschen in Ge- sellschaft zu leben: Er muß also sich zu der Gesellschaft schicken; ihre Erhaltung, durch Liebe zur Ordnung und den Gesetzen befoͤr- dern, und nicht seinen eignen Nutzen, dem gemeinen Besten vorziehen. Denn Denn, lieben Kinder! wenn ein jeder sei- nen Nutzen vorziehen duͤrfte, so ließen die Aeltern ihre kranken Kinder verhungern, die ihnen nichts, als Kummer machen; die Er- wachsenen schluͤgen ihre alten Aeltern todt, weil sie nicht mehr Brodt verdienen koͤnnen; der Faule naͤhme dem Fleißigen sein Brodt mit Gewalt; und keiner waͤre einen Augen- blick, des Seinigen sicher. Aber, die Dinge, die mit einander in Verhaͤltniß stehen, wirken auch, wechsels- weise, auf einander, und erhalten sich, durch gemeinschaftliche Kraͤfte. Daher kommts, lieben Kinder! daß viel Leute mehr thun koͤn- nen, als einer allein. Es war einmal ein Dorf, voll boͤser Bau- ern, die in Feindschaft mit einander lebten. An ihrem Acker floß ein Strom, der einst uͤberlief, und den Damm durchbrach. Des einen Bauern Acker lag gerade bey dem Lo- che des Damms, und litte großen Schaden. Er that sein Moͤglichstes, um das Loch im Damme zu stopfen: aber es war, fuͤr eine Familie, zu viel Arbeit; Und die andern wollten ihm nicht helfen, weil es ihnen noch keinen Schaden brachte, und keiner des an- dern Freund war, oder das gemeine Beste suchte. Endlich ward das Loch so breit, und so so tief, daß der ganze Fluß da herausstuͤrzte, und uͤber alle Aecker des Dorfes herfloß: Da gieng denn das ganze Dorf zu Grunde. Haͤtten nun die thoͤrichten Bauern einan- der bey Zeiten geholfen, so waͤre ihr Scha- de nicht so groß geworden, und sie waͤren im Wohlstande geblieben. Huͤtet euch ja vor solchen lieblosen Gesin- nungen, geliebte Kinder! Helft, wo ihr hel- fen koͤnnt, auch ungeheißen, Schaden verhuͤ- ten, oder Nutzen stiften: So wird euch ein jeder lieben! Und ihr koͤnnt das oft, wenn ihr nur wollt. Wie oft seht ihr Vieh in Schaden gehen, welches ihr wegtreiben koͤnnt! Wie oft seht ihr stehlen, welches ihr nicht verhehlen, sondern anzeigen muͤßt; damit nicht oͤfter gestohlen werde, oder damit derje- nige das Seine wiederbekomme, der bestoh- len wird! Wie oft koͤnntet ihr, wenn ihr muͤßig gehet, z. E. einen Baum pflanzen, oder von Wasserzweigen reinigen, wenn euch auch der Platz nicht gehoͤrte! Seht euch im- mer, von Jugend auf als Glieder der Ge- sellschaft an, mit welcher ihr in Verhaͤltniß steht, und sucht, bey allen Gelegenheiten, das gemeine Beste. Wenn ihr dieß redlich thut, so werden andere Leute wieder euer Bestes suchen. Ihr werdet nie ohne Huͤlfe bleiben: F Denn Denn Gott ist solchen edlen Seelen beson- ders gnaͤdig, die nicht blos ihren Nutzen su- chen, sondern auch andern gerne nuͤtzlich werden. Bey Gelegenheit des Wortes, Verhaͤltniß, geliebte Kinder! will ich euch auch die Woͤr- ter, groß, mittelmaͤßig, und klein, erklaͤren. Nachdem ihr wißt, was Verhaͤltniß ist: nemlich, Vereinigung vieler Ursachen zu ge- meinschaftlichen Wirkungen; so muß es euch nicht schwer werden, zu verstehen, daß an diesen Wirkungen, nicht eine jede Ursach gleich viel Antheil hat; daß es solche Ursachen giebt, die viel wirken, und solche, die weniger wirken. Was nun viel wirkt, oder wirken kann, nennt man groß, und das andere klein. Z. E. In euers Vaters Garten, steht ein großer Apfelbaum — Warum heiße ich den Baum groß? — Weil es auch klei- ne Aepfelbaͤume giebt, die diesem, an Staͤr- ke des Stammes oder der Aeste, nicht gleich kommen, und weil dieser große Apfelbaum mehr Aepfel tragen kann, als ein kleiner. Seht also, geliebte Kinder! darauf, daß ihr dieses behaltet, und richtig anwendet! Groß ist das, was in Vergleichung mit andern, viel wirkt, oder wirken kann, viel Theile hat, oder viel Raum einnimmt. Klein Klein ist das, was in Vergleichung mit andern Dingen, wenig wirkt, oder wirken kann, wenig Theile hat, oder wenig Raum einnimmt. Mittelmaͤßig ist das, was zwischen inne steht, und weder zum Großen, noch zum Kleinen, in seiner Art, gezaͤhlt werden kann. Wer nun alles recht ansieht, und recht benennt, von dem sagt man: Er denkt rich- tig; und das ist ein sehr großes Lob. Durch Uebung und Nachdenken erlangt man diese Richtigkeit. Lieben Kinder! es kommt sehr viel auf die Richtigkeit eurer Erkenntniß an. Wer stets das Kleine groß nennt, den heißt man einen Aufschnelder oder Prahler, und es ist der Anfang, ein Luͤgner zu werden. Ein Laster, liebsten Kinder, welches Gott und Menschen verabscheuen! Ich habe einen Menschen gekannt, der hatte diesen Fehler an sich. Wenn Ein Hund ihn anbellte, so erzaͤhlte er gleich: Bey hunderten waͤren die Hunde um ihn gewesen, und haͤtten so gebellt, daß er das Gewitter nicht haͤtte donnern gehoͤrt. Ihm glaubte endlich keiner mehr. Wer aber alles verkleinert, oder schlech- ter macht, als es ist, der ist gemeiniglich F 2 stolz stolz und aufgeblasen; und das ist der An- fang, ein Verlaͤumder zu werden. Denn wenn man alles geringer schaͤtzet, und ihm seinen Werth entziehet; so thut man das, aus Ge- wohnheit, auch an seinem Naͤchsten. An den Ort, wo ich sonst war, kam ein- mal ein junger Mensch hin, der hatte, mit seinem Herrn, eine weite Reise gethan. Dem Menschen war nichts gut genung. Er hat- te alles beßer gesehn, geschmeckt und gehoͤrt. Er verkleinerte alles, und verachtete alles. Die Kirche im Dorf hieß er, einen Vogel- bauer, die Bauerhaͤuser nennte er, Huͤner- staͤlle. Kurz, es war ihm alles zu schlecht. Es war ihm aber auch kein Mensch gut. Und keiner wollte solchen hochmuͤthigen Menschen in Dienst nehmen. Endlich gieng es ihm so schlecht, daß ichs euch nicht beschreiben kann. Gewoͤhnt euch also, geliebte Kinder! an Richtigkeit, und treft das rechte Verhaͤltniß der Dinge, auch in euern Gedanken und Gespraͤchen! Nennt alles bey seinem rechten Namen; vergroͤßert und verkleinert nichts; eure Rede sey, Ja und Nein: So wird euch ein jeder, als aufrichtigen verstaͤndigen Leuten, trauen. Das Das zehente Capitel. Von der Hoͤflichkeit im Umgange und im Reden; und vom noͤthi- gen Briefschreiben. L ieben Kinder! Es ist nichts, was einen Menschen in euerm Stande so beliebt macht, als ein bescheidnes Wesen. Wer bescheiden ist, der ist gegen seines gleichen, dienstfertig und freundlich; gegen hoͤ- here Personen, ehrerbietig; und gegen eine Obrig- keit, willig zum Gehorsam. Man kann es einem Menschen leicht aͤußerlich ansehen, oder aus seinen Reden merken, ob dieses al- les in seinem Gemuͤthe ist, oder ob er sich nach diesen Regeln richtet; und die aͤußerli- chen Zeichen davon, nennt man Hoͤflichkeit. Alle Voͤlker haben darinn etwas beson- dres, worinn sie sich von einander unterschei- den. Bey uns aber, geliebte Kinder! ist man uͤber folgende aͤußerliche Zeichen, eins geworden. Wenn man einander begegnet, so muß man sich gruͤßen, das ist, sich Gutes wuͤn- schen. Wenn dir ein Hoͤherer, als du bist, oder die Obrigkeit begegnet, so mußt du, beym Gruͤßen, stille stehen, das Gesicht nach F 3 dem dem Vorbeygehenden kehren, und den Hut oder die Muͤtze abnehmen. Wenn diese Person, oder deine Obrigkeit, dich anredet, so mußt du deutlich und verstaͤndlich ant- worten. Wenn sie dich an deine Schul- digkeit erinnert, die du thun sollst, so mußt du allemal, zu deiner Antwort, das Ver- sprechen hinzuthun, du wollest gehorchen. Wenn sie, wegen eines begangnen Fehlers, dich ernstlich ermahnet, so mußt du um Vergebung bitten, und durch Versprechen, ins kuͤnftige den Fehler zu vermeiden, ihren Unwillen besaͤnftigen. Lieben Kinder! das Sprichwort, „ein gut „Wort findet einen guten Ort‟ ist sehr ge- gruͤndet. Manchem Verdruß, der euch Schaden bringt, koͤnntet ihr entgehen, wenn ihr dem schaͤndlichen Rechthabenwollen, dem Wiedersprechen, und den so gewoͤhnlichen Entschuldigungen eurer Fehler, entsagtet. Gott und Menschen koͤnnen dieses nicht lei- den. Wenn ihr herzlich um Vergebung bit- tet, so ist kein Mensch so hart, der euch nicht solche Fehler vergaͤbe, die keiner oͤffent- lichen Strafe beduͤrfen. Warum der Wiederspruch so sehr belei- digt, das will ich euch kuͤrzlich erklaͤren. Der Der Wiederspruch verraͤth ein hochmuͤ- thiges Herz; denn wer wiederspricht, der will den andern uͤberfuͤhren, daß er kluͤger ist, und mehr einsieht, als der andre. Der Wiederspruch ist das Zeichen eines wiederstrebenden Herzens: Wer wiederstrebt, der ist ungehorsam. Ihr aber sollt gehor- sam seyn. Der Wiederspruch bringt Unwillen und Zorn in das Gespraͤche, und noͤthigt den Vorgesetzten, sich harter Mittel oder Stra- fen zu bedienen. Aus allen diesen werdet ihr leicht einse- hen, warum ich davor warne, und euch Hoͤflichkeit und Bescheidenheit anpreise. Denn meine Lehre soll euch klug, verstaͤndig und beliebt machen, und dadurch eure Ruhe und Zufriedenheit befoͤrdern. Das Uebrige der Hoͤflichkeit besteht mei- stentheils darinn, daß man einen jeden mit dem Namen nenne, der seiner Wuͤrde zu- kommt; daß man allen thoͤrichten Scherz vermeide, der gemeiniglich fuͤr Verachtung angesehen wird; sich immer des Verhaͤlt- nißes erinnere, worinn man mit Personen hoͤhern Standes, steht; und wenn ein sol- cher, oder die Obrigkeit, dir etwa gnaͤdig ist, dich nicht uͤberredest, oder dir einbildest, F 4 nun nun sey gar kein Unterschied mehr, zwischen Ihm und Dir. Wer dieses nicht beobachtet, den nennt man dummdreust, oder grob, und er wird gemeiniglich empfindlich gedemuͤthiget. Aber lieben Kinder! man muß auch mit solchen Leuten umzugehen wißen, die nicht gegenwaͤrtig sind. Das ist, man steht oft mit Personen in Verhaͤltniß, die abwesend sind, und mit denen man also nicht muͤnd- lich sprechen kann. Sollen nun diese Leute unsre Gedanken wißen, so schreibt man an sie, und das Ge- schriebene heißt ein Brief. Damit nun ein solcher Brief nicht von einem jeden, dem es nicht zukommt, gelesen werde; so wird er in ein ander reines Pap- pier eingelegt, dieses wird mit Siegellack oder Oblate zugeklebt, und ein Zeichen, wel- ches ein Petschaft heißt, darauf gedruͤckt. Auswendig aber wird der Name und Stand desjenigen, an den ich schreibe, darauf ge- schrieben, damit der Brief in die rechten Haͤnde kommt. Und die Posten oder Boten, sind dazu, daß dergleichen Briefe fortkommen. Der Innhalt der Briefe, die ihr zu schreiben habt, wird wohl hauptsaͤchlich zweyerley be- treffen. 1) Mel- 1) Meldungsbriefe, darinn ihr andern et- was meldet, oder ihnen Nachricht gebt. 2) Bittbriefe, darinn ihr von andern etwas begehrt. Ehe ich euch einige Beyspiele von solchen Briefen gebe, so muͤßt ihr kuͤrzlich noch lernen, wie das Aeußerliche, oder die Form eines Briefes, sonderlich an Hoͤhere, ausse- hen muß. Wenn ihr an Hoͤhere schreibt, so nehmt einen ganzen Bogen rein und gut Pappier; beschneidet ihn mit der Scheere am Rande, daß er gerade wird. Fangt, einen Daumen breit von oben und von der linken Seite an, den Titul zu schreiben. (Die Titel fin- det ihr in den Titular-Buͤchern.) Ihr thut wohl, wenn ihr in der Unge- wißheit, welcher von zweyen Tituln, dem zukomme an den ihr schreiben wollt: Ihr irrt nicht, sage ich, wenn ihr alsdenn den hoͤchsten oder vornehmsten waͤhlt. Auf die erste Blattseite, schreibt ihr nur etwa fuͤnf oder sechs Reihen, und bleibt zwey Finger breit, vom linken Rande, und eben so weit unten zuruͤck. Auf der zwey- ten und folgenden Blattseiten, bleibt oben, unten, und von dem linken Rande, auch F 5 zwey zwey Finger breit zuruͤck; und so fahrt fort, bis der Brief zu Ende ist. Vergeßt nicht, daß alle eure Briefe an Vornehme, so kurz seyn muͤßen, als es moͤg- lich ist. Denn Vornehme haben gemeinig- lich mehr Geschaͤfte, als unnoͤthig lange Briefe zu lesen, und man kann, mit wenig Worten, viel sagen. Am Ende schließt den Brief mit Versicherung eurer Unterthaͤ- nigkeit; setzt wieder den Titul desjenigen, an den ihr schreibt; und ganz unten, zur rechten Hand, euren Namen; unten, zur linken Hand aber, den Ort, und den Tag, da ihr schriebt, und das Jahr. Bey Briefen an eures gleichen, duͤrft ihr es in Ansehung des Pappiers und des Raums nicht so genau nehmen. Muster zu Briefen . Meldungsbriefe. 1) An Aeltern. Liebe Aeltern! Ich melde Euch hiermit, daß ich, in Got- tes Nahmen, den Dienst bey meiner jetzigen Herrschaft angetreten habe. Gottlob! ich bin bin gesund und vergnuͤgt: Denn ich habe den guten Vorsatz, daß meine Herrschaft Nutzen von mir haben soll. Es ist doch gar zu wahr, was Ihr immer sagtet, wer ein gut Gewißen hat, der ist froh. Meine Herr- schaft geht gut mit mir um; sie giebt mir das Meinige, und ich nehme das Ihrige in Acht. Nun, Gott helfe weiter, und erhalte Euch gesund! Betet auch, liebe Aeltern, fuͤr Euren gehorsamen und dankbaren Sohn. 2) An eine Herrschaft vornehmen Standes. Der Titul. Meiner gnaͤdigen Herrschaft melde ich, daß ich die mir befohlne Sache ausgerichtet, wie aus dem Angeschloßnen der Beylage mit mehrern zu erse- hen Die Wirthschaft betreffend, so ist: 1) 2) 3) 4) und so weiter. (Hier kann man aller- hand hand Nachrichten, die Kinder erfinden hel- fen, und den Raum fuͤllen.) Ich empfehle mich und die Meinigen, in meiner gnaͤdigen Herrschaft Gnade und Vor- sorge, als Der Titul Ort. den 15ten Merz. 1772. unterthaͤnigster treuer Knecht. N. S. Bittbriefe. 1) An Aeltern. Liebe Aeltern! Das leinene Zeug faͤngt mir an schadhaft zu werden; ich bitte Euch also herzlich, mich mit einigen neuen Stuͤcken, als Hemden ꝛc. zu versehen. Wenn ich das Neue, von Eurer Guͤtig- keit erhalte, so will ich das Schadhafte zu- ruͤck schicken, vielleicht kann es die liebe Mutter, fuͤr die juͤngsten Geschwister, noch brauchen. Liebe Aeltern! Ihr habt mich ja noch in keiner Noth verlaßen; darum habe das Zutrauen, Ihr Ihr werdet, auch dieses mal, die Bitte ge- waͤhren Eurem dankbaren und gehorsamen Sohne 2) An Vornehme. Der Titul. Ewr - - - -. wuͤrde mit meiner demuͤthi- gen Bitte nicht beschwerlich fallen, wenn ich nicht Ewr - - - Menschenliebe und Guͤtig- keit, von jeden haͤtte ruͤhmen hoͤren. Ich bin schon, seit einiger Zeit, ohne Dienst, und kann doch Zeugniße meines Wohlverhaltens aufweisen. Da es mir aber besonders wichtig ist, bey einem guten Herrn zu dienen; so wuͤnschte ich auch vorzuͤglich, in Ewr - - - - Dienste als - - - - zu treten. Meine Treue und Dankbarkeit, wird nie aufhoͤren, wenn die demuͤthige Bitte erhoͤrt wuͤrde Ews - - - - Ort. den 15ten Merz 1772. unterthaͤnigst gehorsam- sten Dieners N. Aber, Aber, Kinder! es giebt auch Briefe ver- mischten Innhalts: Wo ihr etwas meldet, und zugleich um etwas bittet. Z. E. Briefe, in welchen ihr jemanden, der unzufrieden mit euch ist, oder seyn koͤnnte, die wahren Umstaͤnde meldet, und ihn um Verzeihung des Fehlers bittet. Briefe, vermischten Innhalts. 1) An Aeltern. Liebe Aeltern. Ich hatte zwar versprochen, so bald, als ich hier ankaͤme, Euch Nachricht zu geben, aber es ist bis jetzo noch nicht geschehen. Nun habt Ihr zwar Recht, zu glauben, ich sey nachlaͤßig, und machte mich aus Euch nicht viel. Ich will Euch aber alles geste- hen, und denn werdet Ihr mir auch vergeben. Die ersten Tage gieng keine Post, hernach schickte mich mein Herr auf die Reise, und wie ich vorgestern wiederkam, war eben die Post abgegangen. Ich haͤtte freylich die er- sten Tage, im Vorrath schreiben sollen, und daran denken, daß hernach eine Hinderniß vorfallen koͤnnte: Aber das ist mir erst jetzo beygefallen. Ich will mich auch hierinn bes- sern, sern, und vorsichtiger werden. Vergebt mir also, liebe Aeltern! nach Eurer Guͤtigkeit, mei- nen Fehler, und zweifelt nicht an der treuen Liebe Eures Ort. den 15ten Merz 1772. dankbaren Sohnes. 2) An Vornehme. Der Titul. Ew. - - - - bekenne mit schmerzlicher Reue, den Fehler, in meinem Verhalten. Ich traute andern Leuten, die sich ehrlich stellen konnten, zu viel, und dadurch ist nun der Schade gesche- hen. Mit Bosheit habe nicht Ew. - - - - in Schaden gebracht, aber durch Nachlaͤßig- keit. Ich will mich beßern und vorsichtiger werden. Durch Wachsamkeit, und Treue, will ich wieder einzubringen suchen, was itzo verlohren gegangen ist. Ew. - - - - verzei- hen nur gnaͤdigst diesen Fehler, und erlau- ben mir, mein bekuͤmmertes Herz, durch diese Hofnung zu troͤsten, damit wieder mit Freu- den seyn koͤnne Ew. - - - Ort. den 15ten Merz 1772. unterthaͤnigst gehorsamster Knecht. Das Das eilfte Capitel. Etwas von der Rechenkunst, als ei- ne Uebung des Verstandes. W enn ich die Theile in einem Dinge zaͤh- le, und gegen andre, dieß Ding vergleichen will, so rechne ich. Geliebte Kinder! Wenn ihr nicht in euern Leben, durch den Schein, oder boͤse Leute, wollt betrogen seyn, so lernt rechnen. Zaͤhlen ( Numeri ren) so viel ihr braucht, koͤnnt ihr an den zehn Fingern eurer Haͤnde lernen. Die Finger an der linken Hand zaͤhlen vom Daum an, 1. 2. 3. 4. 5. und ruͤck- waͤrts, wenn sie eingeschlagen sind, bis 10. Die Finger an der rechten Hand, 10. 20. 30. 40. 50. und ruͤckwaͤrts, wenn sie ein- geschlagen sind, bis 100. Wer geschickt ist, kann dieß sehr brauchen. Zusammenzaͤhlen ( Addi ren) ist leicht. 47·5 354/ 829. Der Punkt bey der 7 bedeutet, daß ihr die zehne zur vorstehenden Zahl mitrechnet, denn denn, ihr zaͤhlt zusammen, von der Rechten zur Linken. ( Subtrahi ren) Abziehen, eine Zahl von der andern, ist: Wenn ich die groͤßte Zahl, von der abgezogen werden soll, oben setze, und darunter die kleine Zahl, welche ich von der andern abziehen will. Hier bedeutet der Punkt, daß ich von der Zahl, die linker Hand steht, borgen muß, weil die Zahl vor sich nicht zureicht, die nebenstehende aber was abgeben kann. Lieben Kinder! es geht in der Welt oft so, wenn der eine Nichts hat, so muß der andre, der mehr hat, etwas von seinem Ueberfluß abgeben. Ja, die Menschen sind sich eben das schuldig, in der Gesellschaft, worinn sie stehen, was sich die Zahlen, in einer Summa, schuldig sind. Multiplici ren, oder eine Zahl durch die andre vermehren, wird so gemacht. Oben setze ich die Zahl, so durch die andre ver- mehrt werden soll, und unten die vermeh- rende Zahl. G 240 \begin{array}{rr} 240\\ 8\\ \hline 1920 \& \mathrm{Scheffel.}\\ \end{array} \end{array} 240 Scheffel, sollen 8 mal da seyn, wie viel Scheffel sind nun da? Es versteht sich, daß die oben und unten- stehende Zahlen, Dinge von einer Art seyn muͤßen, sonst kann man nicht multiplici ren. Die- ses gilt bey allen Arten der Rechen-Aufga- ben. Z. E. 15 Scheffel Gerste und 18 Stein Wolle koͤnnen nicht in eine Summe gebracht werden. Eintheilen, (oder dividi ren) heißt, zuse- hen, wie oft ein bestimmtes Theil, in einer gewißen Summa zu haben ist. Wißt ihr wohl, warum \frac{6}{12} Theile so viel sind, als ½? Recht! weil die 6 die Haͤlfte von 12 ist. Aber alle Bruͤche, (denn al- les, was nicht eine ganze Zahl ist, heißt ein Bruch) laßen sich nicht so leicht aufloͤsen. Wer unter euch besondre Lust hat, von der Rechenkunst mehr zu wißen, den will ich solche, in besondern Stunden lehren. Das Das zwoͤlfte Capitel. Etwas von Ausmeßung der Flaͤ- chen und Koͤrper, und etwas Mecha- nik; dem ein Verzeichniß der ge- woͤhnlichsten Laͤngenmaaße und Gewichte ꝛc. vorgesetzt ist. Eine ordentliche Meile ist so weit, als ein Mann in zwey Stunden gehen kann. Eine halbe Meile ist eine Stunde Weges. Eine viertel Meile ist eine halbe Stunde Weges. Eine Ruthe ist 10 Fuß. Ein Fuß ist 12 Zoll, oder starke Daumen breit. Eine Berliner Ele ist 2 Fuß, oder 24 Zoll. (Sie wird eingetheilt, in halbe Elen, Viertel- und halbe Viertel-Elen.) Ein Centner ist 110 Pfund. (Fleischerge- wicht 100 ℔) Ein Pfund ist 32 Loth. Ein Loth ist 4 Quentchen. Eine Hufe ist 30 Morgen. Ein Morgen ist 180 □ Ruthen (ließ Qua- drat-Ruthen.) G 2 (Es (Es giebt aber auch alte Morgen, die groͤßer sind, weil man sie noch nicht nach der neuen Maaße gemeßen und eingetheilt hat.) Ein Winspel ist 24 Scheffel. Ein Scheffel ist 16 Metzen, oder 4 Viertel. Ein Faß ist 2 Tonnen. Eine Tonne ist 96 Quart. Ein Faden Holtz ist 8 Fuß breit, 8 Fuß hoch, und 3 Fuß tief. Ein Klafter ist 6 Fuß hoch, 6 Fuß breit, und 3 Fuß tief. Eine Pistole ist 5 rthl. Ein Dukaten ist 2 rthl. 18 gr. Ein Speciesthaler ist 1 rthl. 8 gr. Ein Reichsthaler ist 24 gr. Ein Gulden ist 16 gr. Ein Drittel Thaler ist 8 gr. Ein Groschen ist 12 Pfennige. Ein Pfennig ist 2 Heller. Weil aber eine Muͤnze beßeren Werth hat, als die andere, so giebt man Aufgeld, wenn man sie haben will, oder haben muß. Man nennt das Aufgeld, auch Agio. Nachdem ihr die wichtigsten Unterschiede, der Laͤngen- und Flaͤchen-Maaße, Gewich- te ꝛc. auswendig gelernt habt: So will ich euch euch auch die Anwendung davon in eurer Wirthschaft, begreiflich machen. Sage mir, mein lieber Sohn, welches Feld ist groͤßer: ein Feld, welches 100 Schritte lang, und 20 Schritte breit ist, oder ein Feld, welches 80 Schritte lang, und 30 Schritte breit ist? Dieß kannst du wißen, weil du multiplici ren kannst. Das zweyte ist also 400 Schritte groͤßer. Aber Aber eine Wiese zu tauschen oder zu theilen, die nicht allenthalben gleich breit ist? Das ist schon schwerer zu wißen. Seht! so wie diese Figur aussieht, so koͤnnt ihr euch helfen: Nemlich, ihr theilt die Wiese in so viel große Vierecke ein, als moͤglich ist; meßt mit der Ruthe, die Laͤnge und die Breite eines jeden Vierecks ab, und mul- tiplicirt, wie vorher, die Fuͤße, die heraus kommen; denn theilt ihr das, was sich in Vierecke nicht will theilen laßen, in Drey- ecke oder Triangel; und um die kleinen Streifgen, vertragt ihr euch guͤtlich; denn sie sind sicher keinen Proceß werth. Seht! so koͤnnt ihr manche Geldausgabe sparen, dadurch, daß ihr in der Schule fleis- sig gewesen seyd. Wenn einer unter euch, Holz kaufen will, und es steht in Klafterholz, zu 6 Fuß die Klobe; so ist 1 Klafter so viel Holz, als 2 Klaf- 2 Klafter, zu 3 Fuß die Klobe. Aber wenn nun einer in Faden kauft, der 8 Fuß Hoͤhe, und 8 Fuß Breite hat; wie viel Klafter, die nur 6 Fuß Hoͤhe, und 6 Fuß Breite haben, hat er in 4 Faden? 7\frac{1}{9} tel Klafter in 4 Faden, ist die Antwort. Da hier auch der schicklichste Ort ist, lieben Kinder, euch sowohl mit der nuͤtzli- chen Erkenntniß von Wirkungen, die aus der natuͤrlichen Kraft des Menschen entste- hen, bekannt zu machen, als auch von der Verstaͤrkung dieser Kraft, durch die Kunst, euch Nachrichten zu geben: So will ich euch hiermit, den Hebel, die Schraube, und den Kloben erklaͤren; zugleich aber sollt ihr alle diese Dinge sehen, versuchen, und euch von dem, was ich euch davon sage, selbst uͤberzeugen. Seht! Kinder, die Kraͤfte eines Menschen, welche sich im Heben und Tragen, oder G 4 Fort- Fortstoßen schwerer Lasten aͤußern, sind zwar sehr verschieden, und koͤnnen, durch Uebungen in der erwachsenen Jugend sehr verstaͤrkt werden; aber der staͤrkste Mensch pflegt es selten dahin zu bringen, daß er schwerer, als 800 ℔, heben, tragen oder fortstoßen koͤnnte. Weil es nun doch, bey vielen Gelegenhei- ten, noͤthig ist, sich mit weit schwerern Lasten abzugeben, so hat man darauf geson- nen, die menschlichen Kraͤfte, durch Kunst zu verdoppeln. Mein Sohn! hast du nicht gesehen einen beladenen Wagen schmieren? Was that der- jenige, der ihn schmieren wollte? Recht! er steckte eine starke Stange unter die Achse, und hob den Wagen in die Hoͤhe — Mehr brauchen wir nicht davon zu wißen. Diese Stange nun, heißt ein Hebel oder Hebe- baum. Hieran sind 3 Punkte zu bemerken. Erstlich, der Ruhepunkt des Hebels, ganz unten; zweytens, der Lastpunkt, da wo die Last Last auf ihm liegt; und drittens, der Hebe- punkt, wo der Mensch seine Hand oder Schulter ansetzt, um zu heben. Die wichtigsten Regeln beym Gebrauch des Hebels, sind diese. 1) Sucht, unter der Last, dem Hebel ei- nen vesten Ruhepunkt zu schaffen. 2) Entfernt den Ruhepunkt, von dem Lastpunkt, nicht zu weit. 3) Je weiter ihr den Hebepunkt, von dem Lastpunkt entfer- nen koͤnnt, je leichter werdet ihr heben. Nun probirt selbst, bey dem großen Blocke vor jener Thuͤre, die Richtigkeit dieser Regeln. Ihren Nutzen werdet ihr kuͤnftig, bey sehr vielen Sachen inne werden. Die Schraube dient eben auch, (wenn man will) Lasten zu bewegen; aber auch, viel andre Wirkungen hervor zu bringen. Sie hat uͤberdem den Nutzen, daß sie die Last sehr allmaͤhlig ihre Stelle veraͤndern laͤßt, wobei ich Zeit behalte, sie in jeder Stellung zu behandeln, und hat noch den Vor- theil, daß sie ohne Unterstuͤtzung traͤgt. Hier ist eine Wagenwinde, von welcher der Deckel abgenommen ist, daß ich euch das Inwendige sehen laßen kann. Mit ihr koͤnnt ihr mehr heben, als mit dem Hebel. Diese Schraube da, nennt man ohne Ende, und G 5 sie sie unterscheidet sich von allen andern Din- gen dieser Art, weil alle andere Schrauben, sehr bald zu tief herein geschroben werden, und alsdenn unbeweglich stecken: Bey die- ser aber, faͤngt das Schrauben immer wie- der von vorn an. Eben eine solche ist an den Garnhaspeln. Wer einmal eine solche Schraube gesehen hat, kennt sie gleich. Der Kloben, welcher da vor euch liegt, ist eigentlich ein Rad, welches sich um eine Spille bewegt, und darum ausgehoͤhlt ist, damit der Strick nicht herausglitsche. Man braucht ihn zum in die Hoͤhe heben schwe- rer Lasten, auch zum Fortziehen derselben. Je mehr Kloben sind, je schwerere Last kann man ziehen, oder in die Hoͤhe schaffen. Ich will euch die Kloben anhaͤngen: Nun ver- sucht einmal, wie leicht ihr den schweren Stein, den ich angebunden habe, werdet in die Hoͤhe bringen koͤnnen. Bey dem Kloben ist zu merken, daß, je leich- ter er sich um die Spille bewegt, je groͤßer und je runder er ist, desto leichter wird es dem, der damit arbeiten soll. Je hoͤher, oder je weiter von der Last, er anzubringen ist, desto laͤnger muß der Strick seyn, und desto leichter koͤnnt ihr die Last damit heben, oder fortziehen. Wenn Wenn ihr, lieben Kinder, werdet Wirthe seyn, so freue ich mich, was fuͤr nuͤtzliche Verbeßerungen ihr werdet, in euern Geraͤ- the machen. Z. E: Am Wagen; Wie viel leichter wuͤrden die Pferde ziehen, wenn die Deichsel lang und stark gemacht, auch zwi- schen viel laͤngern Achsschenkeln bevestigt waͤre, als jetzt geschieht; wenn die Raͤder recht rund, und die Achse recht ins Rad paßte, auch die Hinterraͤder viel hoͤher, als die Vorderraͤder waͤren; ingleichen die Pfer- de, zwey und zwey, oder zwey an die Stange, und nur eins vorne, gespannt wuͤrden? Seht! alles dieses habt ihr hieraus ler- nen koͤnnen. Die Deichsel ist ein Hebel; die Raͤder sind Kloben; das Langspannen ist die nuͤtzliche Entfernung von der Last, um desto beßer ankommen und fortziehen zu koͤnnen. Das dreyzehnte Capitel. Vom Augenmaaß und Betruge der Sinne. E s ist sehr nuͤtzlich, lieben Kinder, daß ihr diejenige Vollkommenheit euch anschaffet, die man Augenmaaß nennet. Das Das Augenmaaß ist diejenige Geschicklich- keit, da man vom Verhaͤltniß derer Dinge schnell, aber richtig, urtheilt; einen Raum im Augenblick uͤberschlaͤgt, ohne Instrumente zum Meßen, noͤthig zu haben; da man es einem Coͤrper ansieht, wie viel Staͤrke dazu gehoͤrt, ihn zu bewegen, und sich dabey so wenig, als moͤglich irret. Diese Geschicklich- keit wird erlangt, durch Uebung. Bey eu- ern Spielen selbst, lieben Kinder, braucht ihr schon Augenmaaß, ohne es zu wißen. Wenn ihr Kegel schiebt, so richtet ihr eu- ern Wurf stark oder schwach ein, nachdem ihr glaubt, daß es noͤthig ist. Wer unter euch, am besten Kegel schiebt, der hat das richtigste Augenmaaß. Wenn ihr eine Schlit- terbahn habt, so richtet ihr den Anlauf so ein, daß ihr zu Ende kommt. Wenn ihr ei- nen Stein seht, so wißt ihr meistentheils vorher, ob ihr ihn heben koͤnnt, oder nicht. Je aͤlter ihr werdet, desto nuͤtzlicher wird euch diese Uebung werden; bey Verfertigung euers Ackergeraͤthes, bey Ladung eurer Wa- gens, und bey unzaͤhligen Vorfaͤllen kann es euch dienen, Augenmaaß zu haben. Aber eure Sinne sind nicht untruͤglich. Ich ermahne euch daher, das Augenmaaß nur in denen Faͤllen zu gebrauchen, da keine Zeit, Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit sich findet. In der Ferne scheint alles kleiner, als es wirklich ist. Wenn es neblicht ist, so laͤßt alles groͤßer, als es ist. Seht diesen Stock, in dem Glase mit Wasser! Ist er gerade, oder krumm? Du irrst, mein Sohn: Er ist nicht krumm, sondern gerade; aber im Wasser schien er dir krumm. Wenn die Luft absteht, duͤnken dir die Glocken, welche gelaͤutet werden, viel weiter als sie sind. Und wenn du krank werden willst, so schmecken dir die Speisen sauer oder bitter. Wenn ihr euch beschaͤdigt habt, so glaubt ihr, man faße euch sehr hart an, und wenn das Glied gesund waͤre, so wuͤrdet ihr kaum fuͤhlen, daß man euch anruͤhrt. Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen sind nicht immer ganz richtige Richter, uͤber die Wahrheit einer Sache. Die Bibel nennt deswegen diejenigen, sinnliche oder natuͤrliche Menschen, die sich bloß, in ihren Handlun- gen, nach ihren Sinnen richten, und daher keine wahre Weisheit besitzen. Ihr wuͤrdet also Zeitlebens in Gefahr ge- blieben seyn, euch zu irren, wenn euer Ver- stand nicht waͤre, durch die Erziehung in der der Schule, in den Stand gesetzt worden, euern Sinnen zu Huͤlfe zu kommen. Wenn also eure Sinne euch rathen wer- den: das ist gut, das ist boͤse; so braucht allemal euern Verstand dazu, daß ihr erfahrt, ob die Sinne recht haben. Im folgenden Capitel, werdet ihr wichtige Dinge davon hoͤren. Das vierzehnte Capitel. Von natuͤrlichen Dingen, zur Ver- mehrung nuͤtzlicher Erkenntniß. I hr wißt, lieben Kinder! daß Gott alles, was ist, geschaffen hat, oder, daß Gott die erste Ursach aller Dinge ist. Der Himmel und die Erde — erzaͤhlen uns Wunder von ihrem Schoͤpfer. Dadurch, daß die Menschen ihren Ver- stand zu nuͤtzlichen Dingen angewendet haben, wißen wir: daß die Sonne sehr viel groͤs- ser ist, als sie uns scheint, weil sie sehr weit von uns entfernt ist. Ihr wißt aber, daß in der Entfernung, große Dinge in unsern Augen, klein scheinen. Sie hat so viel Licht und Waͤrme in sich, daß sie uns erwaͤrmen und und erleuchten kann, ob sie gleich so weit absteht. Nach der Sonne berechnen wir un- sre Tage. Der Mond ist, an und fuͤr sich, dunkel, wird aber von der Sonne beschienen; und da dieses, wegen seiner verschiednen Stellung gegen die Sonne, und die Erde, nicht im- mer gleich ist, so hat er auch bald mehr, bald weniger Licht. Nach dem Monde wer- den die Wochen berechnet. Die Sterne sind theils Sonnen, theils Monde. Es ist euch unglaublich, lieben Kin- der, und doch, durch richtige Berechnung, wahr, wie groß diese verschiednen Himmels- koͤrper sind; wie viel ihrer an der Zahl sind, und welchen Raum sie einnehmen. Denkt also, so oft ihr den gestirnten Him- mel seht, an die unbeschreibliche Macht eu- res Gottes, der alle diese Dinge gemacht hat; an Seine Weisheit, nach der Er, alle diese ungemein großen Koͤrper, in Bewegung gesetzt hat, und in Ordnung erhaͤlt. Denn alle diese Koͤrper bewegen sich um einander, nach richtigen Verhaͤltnißen, das ist: Welche zusammen gehoͤren, die schicken sich auch zu einander. Diejenigen, zu denen unsre Erde gehoͤrt, sind so eingerichtet, daß, nach der goͤttlichen Verheißung, nicht aufhoͤrt, Som- mer mer und Winter, Kaͤlte und Waͤrme; daß Saatzeit und Erndte erfolgen kann; daß, wenn viel Arbeit ist, lange Tage, und wenn weniger Arbeit ist, kurze Tage sind. Das Licht der Sonne ist so gemaͤßigt, daß wir Menschen sowohl, als die Thiere, dabey sehen koͤnnen. Der Mensch ist von Gott wunderbar be- reitet; das Auge zum Sehen, das Ohr zum Hoͤren; die Haut ist mit empfindlichen Ner- ven versehen, zum Empfinden. Die Augen stehen vorne im Gesicht, damit der Mensch, von weiten gewahr werden koͤnne, was vor ihm ist; den Kopf aber kann er drehen, um nach allen Richtungen hinzusehen. Im Au- ge mahlt sich das Bild einer jeden Sache. Die Ohren stehen an jeder Seite, um durch jedes Geraͤusch, den Menschen aufmerksam zu machen; Im Ohr prellt der Schall, das ist, die auf verschiedne Art bewegte Luft, ge- gen ein Haͤutchen an, das die Trommel heißt. Die Nerven sind allenthalben in der Haut verbreitet um jede Beruͤhrung zu empfinden und durch eben diese Nerven entsteht in der Nase der Geruch, und im Munde der Geschmack. Durch den Mund nehmen wir die Speise zu uns, und nachdem wir die Speise mit den Zaͤh- nen zerkauet, und mit der Feuchtigkeit im Munde, zum Hinunterschlucken tuͤchtig ge- macht macht haben, so empfaͤngt sie, durch den Hals, der Magen. Im Leibe sind, uͤber dieß, das Herz, welches das Blut allent- halben herumtreibt, die Leber, welche das Grobe in dem Blute von dem Feinen schei- det; und die Lunge, welche, wie ein Blase- balg, die innerliche Hitze abkuͤhlet. Außer dem sind noch, die Galle, welche die Spei- sen im Magen aufloͤsen hilft, dle Milz und die Nieren, welche die untauglichen Feuch- tigkeiten abfuͤhren, bis endlich das, was der Koͤrper von den Speisen nicht braucht, durch die gewoͤhnlichen Wege seinen Ausgang nimmt. Seht, lieben Kinder, wie wunderbarlich ist dieß alles eingerichtet! Die Erde, zu denen Himmels-Koͤrpern, die zu ihr gehoͤren; der Mensch, zu der Erde, die er bewohnet; sei- ne Gliedmaßen, zu der Ernaͤhrung durch Speisen; und die Speisen, zur Verdauung durch diese Gliedmaßen! Dieses Verhaͤltniß zeugt allein von der großen Weisheit des Schoͤpfers; und heißt uns Ihn in Demuth anbeten. Die Haͤnde und Fuͤße sind ebenfalls so genau, zu allen menschlichen Verrichtungen geschickt. Durch die Haͤnde koͤnnen wir uͤber die Thiere herrschen, und uns alles H das das Noͤthige verschaffen, oder verfertigen; durch die Fuͤße, uns von einem Orte zum andern bewegen. So oft ihr eure Glieder anseht, lieben Kinder, so dankt dem Schoͤpfer, der euch so herrlich bereitet hat. Und da ihr sowohl als alle eure Glieder, Gottes Eigenthum seyd, so huͤtet euch, daß ihr eure Glieder nicht zur Suͤnde gebraucht, sondern wendet sie, durch rechtmaͤßigen Gebrauch, zur Ehre Gottes an. Die Thiere, deren eine unzaͤhlbare Men- ge, groß und klein, auf der Erde, oder im Wasser leben, sind zu eurem Nutzen da. Ihr duͤrft sie toͤdten, aber huͤtet euch, daß ihr sie nicht unnoͤthig martert. Der Ge- rechte erbarmet sich auch seines Viehes, sagt die Bibel. Ich weiß gewiß, daß es euch schaͤdlich ist, wenn ihr unbarmherzig mit den Thieren umgeht. Die boͤsen Kinder pflegen im Fruͤhling und Sommer die Vo- gelnester zu zerstoͤren; Laßt das nicht von euch gesagt werden. Die Voͤgel singen euch ihren Gesang, und die meisten darunter schaffen die Raupen und anderes Gewuͤrme weg, die Fruͤchten und Menschen schaͤdlich werden koͤnnten, wenn sie sich zu sehr ver- mehrten. In allen Theilen der Welt giebt es andre Thiere. In den warmen Laͤndern andre andre, als in den kalten. Einige Voͤgel fliegen auch, wenn der Sommer aufhoͤrt, nach solchen Laͤndern hin, wo es waͤrmer ist, als hier. Denn, lieben Kinder! Die Erde, oder der Himmelskoͤrper, den wir be- wohnen, wird in vier Haupttheile eingetheilt: Europa, so heißt der Theil, in dem wir woh- nen. Asia, darinn liegt das gelobte Land, oder Judaͤa. Afrika, darinn liegt Egypten, von woher, Gott die Kinder Israel wunder- bar, nach dem verheißenen Lande fuͤhrte. Und Amerika, dieser letzte Theil liegt uͤber die See, und ist vor nun bald 300 Jah- ren, von einem Seefahrer entdeckt, der Co- lumbus hieß. Es giebt noch viel Land, was nicht ganz entdeckt ist. Was nun nicht Land ist, das ist Wasser. Alles zu- sammen aber, ist eine mehrentheils runde Kugel. Und die Luft haͤlt alles zusammen, weil sie die Erde umgiebt. Ihr werdet erstaunen, wenn ich euch sage, daß es Leute giebt, die uns die Fuͤße zukehren. Hier ist die Abbildung der Erdkugel: stellet euch vor, daß hier eine Fliege kroͤche, und da unten auch eine, so werdet ihres einigermaßen begreifen. Die Gewaͤchse sind eben auch verschieden, so wie die Farben der Haut, an den verschiedenen Menschen, die die Erde bewohnen. H 2 In In den waͤrmeru Laͤndern wachsen andre Fruͤchte, Baͤume und Kraͤuter, so wie es andre Thiere, und anders aussehende Menschen giebt. Es ist erstaunlich, lieben Kinder, daß aus einem so kleinen Korne, so große, und in einem Erdboden so verschiedene Gewaͤchse wachsen koͤnnen. Vor allen Dingen aber muͤßen wir Gott preisen, daß Er das Korn zur Haupterhaltung und Nahrung des Men- schen, geschaffen hat; es, als Saat, unter Frost und Schnee nicht verderben laͤßt, und daß daraus eine Speise werden kann, die wir Brodt nennen, und die man alle Tage leiden kann. Die allerwenigsten Gerichte, lieben Kinder, sind von der Art, und wenn es die allerkostbarsten waͤren, daß der Mensch sie alle Tage vertragen kann: Aber Brodt kann er alle Tage eßen, und es bekommt ihm wohl. Haltet daher das Dankgebet vor und nach Tische, fuͤr eure Schuldigkeit; und weil der Brodtmangel die groͤßte Landesnoth ist, so bittet Gott, daß Er euch mit taͤglichem Brodte segnen, und vor der Geringschaͤtzung Seiner Gaben behuͤten wolle. In der Welt hat alles seinen Nutzen. Was dem einen schadet, das hilft dem an- dern. Der Tod ist das Ende aller vergaͤng- lichen Dinge: Aber der Tod des einen, dient zur zur Erhaltung des anderen. Wenn der Baum lange genug getragen hat, so stirbt er ab; man braucht ihn zu Brenn- oder Bau-Holz, oder macht hoͤlzern Geraͤthe davon. Wenn das Schwein fett ist, so wird es geschlachtet, und dient den Menschen zur Speise. Der Tod ist also kein Uebel! denn es ist das Loos aller erschaffnen Dinge, daß sie sich veraͤndern muͤßen; und der Tod ist nur eigentlich, eine Veraͤnderung der Gestalt ei- nes Dinges. Die Raupe stirbt, aber es wird ein Schmetterling daraus. Und die Verwesung selbst, oder der Mist, waͤchst von neuen, in vielen Gestalten auf. Nur dem Menschen ist der Tod etwas mehrers, weil wir eine Vergeltung unserer Thaten, sie seyn gut oder boͤse, nach Gottes Wort glauben. Die nicht gut gelebt haben, fuͤrchten sich al- so vor den Tod. Und weil vor dem Tod schmerzliche Krankheiten hergehen, an deren vielen wir Schuld haben, das ist, die wir hatten vermeiden koͤnnen, wenn wir weiser gewesen waͤren, so ist uns der Tod auch um deßwillen zuwider. Von den Mitteln, wie ihr, so viel moͤg- lich gesund bleiben koͤnnt, wollen wir im folgenden Capitel handeln. H 3 Das Das funfzehnte Capitel. Von den Mitteln, die Gesundheit zu erhalten; und einige einfache Vor- schlaͤge, die verlohrne Gesund- heit wieder herzustellen. L ieben Kinder! wer ist unter euch, der nicht wiße, wie dem zu muthe sey, der krank ist! Nicht wahr, mein Sohn, wenn man krank werden will, denn thut einem dieß und das wehe, der Kopf ist traͤge; man hat em- pfindliche Hitze oder Frost? Seht! wenn man alles dieses nicht fuͤhlt, munter und froh ist, denn ist man gesund. Wie ihr wißt, so besteht der Koͤrper des Menschen aus vie- len Theilen, und keine Uhr ist so kuͤnstlich eingerichtet, als eben diese Theile zu einan- der eingerichtet sind. Bey euch, in eurem arbeitsamen Berufe, wird es wohl hauptsaͤchlich auf 4 feindsee- lige Dinge ankommen, wodurch die meisten in Krankheit verfallen. Zum ersten ist Erhitzung. Seht, lieben Kinder! wenn ihr spielt, oder wenn ihr er- wach- wachsen arbeiten werdet, so kann es nicht fehlen, daß ihr nicht warm werden solltet. Dieses nun wuͤrde euch wenig schaden, wenn ihr nicht oft, den daraus entstehenden Durst zu stillen, kaltes Getraͤnke zu euch naͤhmet. Hiervor huͤtet euch sorgfaͤltig, denn dadurch, daß ihr euch innerlich so ploͤtzlich abkuͤhlet, entsteht eine Verhaͤrtung an Lunge und Le- ber, die sich in Geschwuͤre und Auszehrung, bald aber mit dem Tode, endigt. Wartet also eine Zeitlang, brockt Brodt ins Getraͤnk, laßt es weichen, und eßet es allmaͤhlig; so wird euch der Durst vergehen, und ihr er- haltet eure Gesundheit. Die zweyte Feindinn eurer Gesundheit, ist Erkaͤltung. Kuͤhle Tage und Abende im Sommer nach heißen Tagen; das Liegen auf der kuͤhlen Erde nach Erhitzungen; die ungebuͤhrlich heißen Stuben im Winter, in denen man doch nicht stets bleiben kann, das sind ohngefehr die gewoͤhnlichsten Ursa- chen der Erkaͤltung. Seht, lieben Kinder! ein jeder Mensch muß bestaͤndig durch die Haut eine feine Feuchtigkeit wegduͤnsten. Wenn sie Schweiß wird, durch heftige Bewegung, denn kann man sie sehen und fuͤhlen. So lange Waͤr- me genung in der aͤußern Haut ist, sind die H 4 Schweiß- Schweißloͤcher offen; so bald aber eine Er- kaͤltung die Haut betrifft, wird der Schweiß in den Schweißloͤchern zaͤhe, und gerinnt. Alsdenn koͤnnen die feinen Feuchtigkeiten nicht mehr durchdringen; sie stocken, und haͤufen sich; im Blute sind sie nichts nutze, denn davon sind sie schon einmal abgeschie- den worden. Denn entstehet Traͤgheit in den Gliedern, Husten und Schnupfen, Zahn- schmerzen und andre Plagen; oft aber Schlagfluͤße, und ein ploͤtzlicher Tod. Wenn ihr also, in der Erndte, oder sonst, warm geworden, so zieht mehr Kleidung uͤber den Leib; setzt euch nicht warm auf die kuͤhle Erde; hitzt im Winter, nicht zur Ungebuͤhr eure Stuben. So werdet ihr manchem schweren Anstoß entgehen. Der dritte und gewoͤhnlichste Fehler ist, die Uebermaaß in Eßen und Trinken, oder Ueberladung des Magens. Lieben Kin- der! wenn ihr groͤßer werdet, so werdet ihr viel Leute sehen, die da eßen, als aͤßen sie nur einmal in ihrem Leben, und die nicht eher aufhoͤren zu trinken, als bis sie ohne Verstand hinfallen. Verabscheuet solche! Huͤ- tet euch vor Uebermaaß in den Nahrungs- mitteln, sie kommen euch nicht zu gute. Der Magen giebt die meisten unverdauet von sich, und und ihr habt also die edle Gabe, davon ein Nothleidender haͤtte koͤnnen satt werden, verderbet. Ueberdem schadet euch der Ueber- fluß; euer Magen kann das nicht recht ver- dauen; er druͤckt und schmerzt — Kopfweh, unruhiger Schlaf, und ein Eckel vor dem Eßen, sind die Wirkungen davon. Wenn ihr also satt seyd, so hoͤrt auf zu eßen. Als- denn werdet ihr stets, mit Dankbarkeit, die Gabe Gottes ansehen, und genießen koͤnnen. Der vierte Feind der Gesundheit bey euch, ist der Gram und Kummer des Gemuͤths. Wenn Aergerniß und Nahrungssorgen, den Menschen quaͤlen und nagen, so wird er un- muthsvoll, und verdroßen zu Allem: Und weil, so lange der Mensch lebet, Koͤrper und Seele genau verbunden sind; so leidet der Koͤrper mit, wenn die Seele sich graͤmt. Daraus kann Raserey, und die unseelige Narrheit entstehen, daß ein Mensch Hand an sich selbst legt, und sich toͤdtet, weil er den Verdruß nicht laͤnger ertragen mag. Gottesfurcht, aus welcher wahre Weis- heit in allen Dingen entspringt, kann euch, lieben Kinder, am sichersten vor Gram und Kummer bewahren. Wenn ihr das Eure thut, so wird Gott schon das Seine thun. Ihr sollt nicht sorgen, wie die, die von Gott H 5 nichts nichts wißen, sagt die Bibel. Alle eure Sorgen werft auf Ihn, denn Er sorgt fuͤr euch. Vielmehr freuet euch allewege der Gnaden und Wohlthaten Gottes, und weh- ret damit der Traurigkeit uͤber irrdische Din- ge, welche, wie ihr nun wißt, den Tod bringet. Aber, es ist damit nicht gesagt, lieben Kinder, daß ihr gar nicht solltet krank wer- den koͤnnen. Man kann in Umstaͤnde kom- men, wo man nicht Herr uͤber alles ist, was geschieht: Durch Ansteckung von an- dern kann man krank und auch, ohne Schuld, verwundet werden. Ich will euch also aufrichtig wohlfeile Mittel, und eine Verfahrensart bey euern Krankheiten rathen, die euch nuͤtzlich seyn wird; zuvoͤrderst euch aber mit gewißen Kenn- zeichen der Krankheiten bekannt machen, so daß ihr, wenn ihr keinen Arzt haben koͤnnt, (denn sonst ist es eure Pflicht, seines Raths euch zu bedienen,) euch zur Noth, wo nicht helfen koͤnnt, doch nicht schadet. Wenn ihr Ziehen in den Gliedern, Kopf- weh, bald Frost, bald Hitze, habt, so habt ihr ein Flußfieber. Alsdenn trinkt kein an- der Getraͤnk, als eine Handvoll rein gewa- schene Gerste, auf Ein Maaß Wasser gekocht, bis bis die Gerste platzt, und denn in jedes Maaß davon, wenn es laulicht, Einen Loͤffel Weineßig gethan. Hiervon trinkt, je mehr, je beßer. Eßet nichts, als bis ihr wieder rechten Hunger habt, und denn doch maͤßig, und haltet euch maͤßig warm, daß ihr schwi- tzet. Wenn die Kinder die Pocken noch nicht gehabt, und krank werden, so ist dieses Ge- traͤnk unvergleichlich. Wird der Hals, bey Pocken, Masern ꝛc. schlimm, so thut Einen Loͤffel Honig in vier Loͤffel Eßig, und gebt dem Kranken alle Viertelstunde eine Meßer- spitze voll davon. So bald sie aber krank werden, so laßt alt und jung, mit einem Brech- und Purgiermittel, dergleichen etliche ein jeder Hausvater im Hause haben muß, den Leib reinigen. Macht denn die Stube nicht sehr heiß; deckt den Kranken nicht heiß zu; und laßt ihn sehr duͤnne Habergruͤtze trinken: Ihr werdet euch uͤber die Beßerung vieler freuen. Ein Dreytaͤgiges Fieber, (das ist, wo ein guter Tag, zwischen zwey Fiebertagen ist) hat Kaͤlte, und denn Hitze. Wenn ihr es Einmal gehabt habt, so nehmt ein Brech- und Purgiermittel ein, denn gewoͤhnlich ha- ben diese Fieber ihren Sitz im Magen oder Ge- Gedaͤrmen,) hilft dieß nicht, so ist es Zeit, den Arzt zu fragen. Ein Viertaͤgiges Fieber ist, wo zwischen zwey Fiebertagen, zwey gute Tage siud. Bey dem Viertaͤgigen und taͤglichen Fieber sowohl, als bey dem, welches in einen fort mit Hitze anhaͤlt, und daher hitziges Fieber genennt wird, muß sogleich der Arzt gefragt werden. Das Getraͤnk, wie oben, aber schadet nicht, so wenig, als die Verordnung, die Kranken nicht mit Hitze zu quaͤlen. Die Ruhr, welche gewoͤhnlich die rothe Ruhr heißt, entsteht gemeiniglich von Ver- kaͤltung, und ist mit heftigen Leibschmerzen begleitet; es geht Gebluͤt durch den Stuhl- gang ab; und muß in Zeiten bey dem Arzt, Huͤlfe gesucht werden. Im Anfang ein Brech- und Purgiermittel, ist sehr noͤthig, sonderlich, wenn sich eine Beaͤngstigung und Druͤcken in der Herzgrube aͤußert. Das Ge- traͤnk ist duͤnne Habergruͤtze, so viel als moͤg- lich, und Klistiere von laulichten Wasser, wo- zu ein paar Loͤffel Leinoͤhl gethan werden. Das beste Purgier-Mittel vor die Ruhr, wird in der Apotheke aus Tamarinden zubereitet, und kann oͤfter, als einmal, gebraucht werden. Wenn faule Fieber, das ist, solche, die dem Patienten gleich Anfangs alle Kraͤfte be- neh- nehmen, sich aͤußern; so ist der Trank von Gerste, mit etwas Weineßig saͤuerlich ge- macht, anzurathen; aber die Huͤlfe eines Arztes sehr bald noͤthig. Das Hauptsaͤchlichste bey allen Krankhei- ten, ist, daß der Kranke nicht in einer dum- pfigen Stube gehalten werde; sondern daß man, in der Mittagsstunde, die Fenster alle Tage oͤffne, den Kranken so lange wohl zudecke, und auf die Art, die Luft in der Stube rei- nige, daß man die Duͤnste heraus, und rei- ne Luft herein, laße. Vor Quetschungen ist, kalt Wasser mit Eßig oft aufgelegt, das Beste; vor Wunden aber, mit Lappen, in kalt Wasser getaucht, alle Tage zweymal verbunden, und die Ma- terie ausgewaschen, so heilen sie ohne Pfla- ster. Wenn Hitze in eine Wunde kommt, welches aber bey diesem Verfahren nicht leicht geschieht, so sind die Blaͤtter von Weg- breit aufgelegt, sehr gut; im Winter aber, da man diese nicht haben kann, Sauerteig zwischen zwey Lappen gethan, und aufgelegt. Wenn ein Geschwuͤr sich zusammen zieht, und sich nicht zertheilen will, (welches sonst mit warmen trocknen Kraͤutersaͤcken, von Camillenblumen, zu helfen ist,) so kocht man Leinsamen in Milch, und schlaͤgt es zwischen zwey zwey Lappen, so warm man es an der Ba- cke leiden kann, oft auf. Ist Materie im Geschwuͤr, welches an der Weiche desselben und am Pochen in demselben zu spuͤren ist, so laͤßt man es mit einer Fliete aufmachen; wenn die Materie herausgelaufen, so ist auch Linderung da. Vor allen Dingen aber wartet nicht mit dem Gebrauch aller Mittel, bis zum dritten oder vierten Tage der Krankheit; sondern gleich im Anfange, wenn noch Kraͤfte da sind, kommt der Natur in Zeiten zu Huͤlfe, da- durch, daß ihr die Hauptursache der Krank- heit, nemlich den angehaͤuften Unrath im Magen oder Gedaͤrmen, durch Brechen und Purgieren wegschaffet; oder bey Erwachsenen, wenn viel Hitze da ist, die Vollbluͤtigkeit, durch Weglaßung eines gehoͤrigen Theils des Blutes, vermindert; und huͤtet euch, als vor Gift, vor allen hitzigen Mitteln, die von Un- wißenden gerathen werden; denn sie schaden euch sicherlich, und es waͤre ein Mord, den ihr an eurem eigenen Leben begienget, wenn ihr hierinn leichtsinnig verfahren wolltet. Das Das sechzehnte Capitel. Von der Landwirthschaft, als einem Berufe, und Grundsaͤtze, worauf es bey allen Arten der Landwirth- schaft ankommt. E in Stand, den man nicht selbst erwaͤhlet, heißt ein Beruf, oder als wenn man sagte: Gott hat mich, ohne mein Zuthun, in diesen Stand durch Mittel und Wege, die Ihm allein bekannt, gefuͤhret: Also will ich ge- trost, auf diesem mir von Gott gewiesenen Wege, fortgehen, und Seines Schutzes und See- gens gewaͤrtigen. Solch ein Stand ist der Eu- rige, lieben Kinder! Ihr habt ihn nicht selbst gewaͤhlt, und sehr viel Ursachen ver- hindern es, daß ihr ihn nicht, gegen einen hoͤhern, vertauschen koͤnnt. Ihr thaͤtet aber auch Unrecht, lieben Kinder, wenn ihr euch euern Stand nicht gefallen ließet. Sehr vieles von seinen Muͤhseeligkeiten koͤnnt ihr vermindern, sowohl durch Weisheit, Arbeit- samkeit, Treue, Gehorsam, Bescheidenheit uͤberhaupt, als auch durch Erlangung aller- ley nuͤtzlicher Erkenntniße, in der Landwirth- schaft, als euerm Berufe. Die ersten Stuͤ- cke sind Tugenden, die alle Staͤnde zieren wuͤr- wuͤrden, und also auch eure Pflichten aus- machen; dieß letzte Stuͤck aber ist von sol- cher Wichtigkeit, daß wir es, in diesem Ca- pitel, besonders betrachten wollen. Wenn irgend ein Stand der Gesellschaft nuͤtzlich, ja unentbehrlich ist, so ist es der Stand der Ackerleute oder Bauern; und es ist außerordentlich wichtig fuͤr euch, meine Freunde, die ihr zur Landwirthschaft sowohl, als zu der damit verknuͤpften Hauswirth- schaft, geboren seyd, daß ihr lernt und wißt, was eigentlich von euch gefordert wird. Ein rechtschaffner Landwirth, Ackersmann oder Bauer, Koßaͤte oder Halbhuͤfner, Tag- loͤhner oder Haͤusler, muß viel Erkentnisse besitzen — Ihr werdet euch wundern, lieben Kinder, daß ich hier auch die Tagloͤhner oder Haͤusler mitrechne. Da aber sehr oft ein Tagloͤhner, durch Heyrath oder Verguͤnstigung seiner Herrschaft, selbst eine Ackerwirthschaft be- koͤmmt, oder doch als Knecht oder Meyer, andern in solcher Ackerwirthschaft dient; so schadet es ihm nicht, so viel Erkenntnisse, als noͤthig, davon zu haben, und in dieser Schu- le, wo die Kinder gleichen Unterricht genies- sen, dazu angewiesen zu werden. Der Der Kornbau, von allen Arten ist nun die Hauptsache des Ackerbaues. Das Korn wird in die Erde gesaͤet, nachdem vorher uͤberdacht ist, in welchen Erdboden sich ei- ne jede Art Korn am besten schicke. Wei- tzen ist das theuerste von allen Korn, aber deßwegen nicht das nuͤtzlichste, und erfor- dert sehr guten Boden, viel Duͤnger oder Mist, und oͤfteres Pfluͤgen und Eggen, das ist Lockermachen des Ackers, und Reinigung vom Unkraut, vornemlich von Quecken oder Paͤden. Von dem Weitzen wird Semmel und Kuchen gebacken, auch Bier gebrauet. Warum der Weitzen nicht das nuͤtzlichste Getreyde ist, werdet ihr gleich, bey dem Rocken hoͤren. Rocken ist nicht voͤllig so theuer im Verkauf, als Weitzen, aber doch weit nuͤtz- licher, weil erstlich aus ihm, wenn er zu Mehl gemahlen ist, unsere hauptsaͤchlichste und unentbehrlichste Nahrung, das Brodt, gebacken wird, da wir doch Semmel und Kuchen entbehren koͤnnen; ferner, der Ro- cken auf allerley Erdboden, gemeiniglich waͤchst, also nicht so gut Land noͤthig hat, als der Weitzen, auch einer so muͤhsamen Bearbei- tung und Reinigung des Landes, als der Weitzen, nicht bedarf, ob er sie gleich ohne I Scha- Schaden vertraͤgt, und endlich sein Stroh und seine Abgaͤnge, (Aehr - Futter, Kaff) ein viel beßeres Futter fuͤrs Vieh, geben, als vom Weitzen. Diese beyden Arten Korn pflegt man Wintergetreyde zu nennen. Die folgenden sind Sommergewaͤchse. Gerste, die zum Bierbrauen unter andern pflegt gebraucht zu werden, und gewoͤhnlich weniger gilt, als der Rocken. Von der Gerste hat man vielerley Sorten; Große oder Zweyreihigte, weil an der Aehre zwey Reihen Koͤrner sitzen; und Kleine oder Vier- reihigte, weil vier Reihen Koͤrner an jeder Aehre sind. Außerdem hat man auch Win- tergerste, die an wenig Orten uͤblich, und sehr gut Land erfordert. Die Gerste uͤber- haupt, will guten, geduͤngten Erdboden, der weder zu naß noch zu trocken ist, haben, und erfordert eine fleißige Bearbeitung, durch Pflug und Egge. Haber, dieses Getreyde ist gewoͤhnlich das wohlfeilste unter allen Arten Getreyde; nimmt mit dem schlechtesten Lande, und mit der we- nigsten Bearbeitung, vorlieb. Es giebt aber beßern und glatten Haber, wenn man ihn in gutes und wohlbeackertes Feld saͤet, sonst artet er bald aus, und wird rauh. Neben sei- nem Gebrauch, bey gewißen Arten von Bier, und und zu Gruͤtze, ist er das gewoͤhnlichste Pferd futter. Sommerrocken, wird auf solch Land gesaͤet, wo der Haber nicht recht wachsen will. Er zehret aber das Land noch mehr aus als der Haber. Lieben Kinder! im Erdboden sind ge- wiße naͤhrende Theile, fuͤr jede Art Pflanzen, doch in manchem Erdboden, fuͤr die eine Pflanze mehr, als fuͤr die andre, daher ent- stehen die Redensarten: „Dieser Fleck Acker „traͤgt nicht gut Winterkorn; der nicht gut „Sommerkorn, das Korn hat keine Art ꝛc.“ Wenn ich nun oft einerley Getreydeart, auf einen Fleck saͤe, so erschoͤpft sich der Vor- rath von naͤhrenden Theilen, fuͤr diese Art Samen, und er waͤchst schlecht; und daher sind die drey Felder entstanden, als Winter- feld, Sommerfeld, und Brache: denn durch die Abwechselung mit Getreydearten, kann das Feld immer tragbar bleiben, und die Brache ist die Zeit der Ruhe. Waͤhrend der Brachezeit sammlet der Acker wieder Fruchtbarkeit und naͤhrende Theile, und kann sein Gewaͤchs geben. Diese Kenntniße sind dem Landwirth von besondrer Wichtigkeit. I 2 Erb- Erbsen und Bohnen sind Schotenfruͤchte, das ist, ihre Koͤrner liegen in Schoten; sie sind oft dem Weitzen an Preise gleich; sie brauchen gutes und lockeres Land, und pfle- gen in die Brache gesaͤet zu werden. Buchweitzen pflegt mit der Gerste wvhl an Preise gleich zu seyn, und vertraͤgt schlech- tes hohes Land. Die Naͤße und das Wet- terleuchten sind ihm sehr zuwider. Man hat gewoͤhnlich den besten Nutzen von diesem Getreyde, wenn man Land damit besaͤet, welches in langer Zeit nicht geackert wor- den. Zu Gruͤtze wird er am meisten ge- braucht. Hirse und Mohn sind sehr unterschieden, denn die Hirse giebt Mehl, und der Mohn Oehl: Sie werden gewoͤhnlich in die Brache, in gegrabenes Land gesaͤet; wohin man auch Lein, (woraus das Flachs wird,) gelbe Ruͤ- ben, weiße Ruͤben, und Erdtoffeln zu brin- gen pflegt, um sie doch einiger maßen zu nutzen. Ihr seht also, lieben Kinder, daß es vie- lerley Arten Getreyde und Erdfruͤchte giebt, die auf dem Acker gewonnen werden. Ich habe nur die gewoͤhnlichsten genannt; denn jedes Land hat deren noch mehrere. Weis- ser und brauner Kohl, oder Kopfkohl und Blaͤt- Blaͤtterkohl, rothe Ruͤben, Wasserruͤben oder Knollen, Kichererbsen und Linsen, Fuchs- schwanz, (eine Art Hirse,) und Manna, (ein kleines Gesaͤme, welches wohlschmeckt) auch Faͤrbekraͤuter und Toback, werden an andern Orten, auch auf dem Acker gebauet; und koͤnnten vielleicht auch hier mit Nutzen ge- bauet werden, wenn es versucht wuͤrde. Alles dieses ist angefuͤhrt worden, damit ihr einsehen lernt, mit wie viel nuͤtzlichen Dingen sich der Ackerbau beschaͤftigen koͤnne. Dieß ist es aber noch nicht alles. An sol- chen Oertern, wo die Huͤtung oder Vieh- weyde nicht uͤberfluͤßig ist, oder wo man so klug gewesen, die Huͤtung, als Wiesen, zu nutzen, und Acker genung oder solchen hat, der sich dazu schickt; da hat man auch auf dem Acker, kuͤnstliche Wiesen gemacht. Ich will euch von vielen Futterkraͤutern, nur den rothen Hollaͤndischen Kleesaamen nennen, weil er der nutzbarste ist: Den hat man auf den Acker, der wohl geduͤngt und gepfluͤgt ward, gesaͤet und untergeegget, welcher vie- le Jahre dauert, und im zweyten Jahr et- liche mal kann abgemaͤht werden. Hiermit hat man die Kuͤhe auf dem Stall, im Som- mer, mit Gras oder Heu vermengt, gefut- tert, und außer dem Duͤnger, der nicht auf I 3 der der Weide verschleppt wurde, so viel erhal- ten, daß vier Kuͤhe so viel Milch gaben, als vorher, (da das Vieh ausgetrieben wurde,) zehn Kuͤhe. Nach diesem Vorberichte, von dem, wo- mit sich der Ackerbau beschaͤftigt, wollen wir weiter gehen, lieben Kinder, und sehen, was denn nun eigentlich der Landwirth da- bey thun muͤße. Erstlich. Er muß, so oft er kann, Mist oder Duͤnger in seinen Acker bringen. Der Mist macht das Land fruchtbar, durch die Fettigkeit, die er in sich hat. Denn ihr wißt, lieben Kinder, daß der Mist warm ist, und einen Geruch von sich giebt; nun, je staͤrcker er riecht, je fetter ist auch der Mist. Dieser Geruch entstehet, aus dem Oehl und Salz, welches er in sich hat; wenn dieß mit der Erde sich vermengt, so klebt es der Er- de an, und die Erde wird warm und frucht- bar. Ihr seht nun von selbst ein, lieben Kin- der, wie thoͤricht es ist, wenn man a) Den Mist nur auf den Acker faͤhret, und auswendig herum streuet, aber nicht bald in die Erde bringet: Denn da verraucht der Mist, das ist, sein Geruch oder die kleinsten Theile, worinn eigent- eigentlich die rechte Fruchtbarkeit steckt, verfliegen in die Luft. b) Wenn man Stroh, das noch nicht recht verfault, und mit dem Urin und Mist der Thiere sich verbunden hat, fuͤr rechten Mist haͤlt, und damit den Acker betruͤgt. c) Zu wenig Mist auf den Acker faͤhrt, um mit dem vorraͤthigen Miste, desto weiter zu langen: Denn da wird nir- gends eine rechte Verbeßerung ge- stiftet. Zweytens. Der Landwirth muß zu rech- ter Zeit pfluͤgen, das heißt, den Acker locker machen, damit das Unkraut Zeit zu versto- cken oder zu verwesen habe, welches durch den Pflug abgeschnitten, und unter der Fah- re liegt. Also, der Landwirth muß, wenn er dreymal zum Winterkorn pfluͤgen will, in Zeiten Brache pfluͤgen, damit er bey der zweyten Pflugart, die darum Wendfahre heißt, nicht das Kraut wieder oben bringt, welches, weil es nicht Zeit gehabt, zu ver- stocken, noch lebendig waͤre, und bald wieder anwachsen wuͤrde. Hat er zur rech en Zeit Brache gepfluͤgt, so wird er auch zur rechten Zeit zur Saat pfluͤgen koͤnnen, denn er kann bald nach der Wendfahre zur Saat pfluͤgen, I 4 weil weil das Land locker genung seyn wird. Das Sprichwort: „ Je mehr Fahren, je mehr Ahren, ist wahr; nur hat nicht ein jeder Zeit, mehr als drey Pflugarten zur Wintersaat, vorzunehmen, wer aber kann, hut wohl daran. Drittens. Er muß auch tief genung pfluͤgen, wenn es der Erdboden zulaͤßt. Es ist ein schaͤdlicher Fehler bey der Acker-Wirth- schaft, wenn man nur so oben hin, dem Lande die Haut abschindet. Die Ursachen, ieben Kinder, sollt ihr gleich begreifen. a) Wird, durchs flache Pfluͤgen, bey dem Brach- und Wendfahrepfluͤgen, kein Un- kraut recht ausgewurzelt, welches doch sehr wichtig ist. Denn es ist bekannt, daß das Unkraut uͤberhaupt sehr tiefe Wurzeln schlaͤgt. b) Kriegt das Korn nicht lockere Erde, oder Krume genung, worinn es sich recht bestauden kann. Es ist also dem Verdorren oder Verscheinen, sonderlich im leichten Lande, sehr ausgesetzt; c) Weil die Wurzel des Korns oben auf liegt, so kann der Wind, im leichten Lande, die Wurzel bald bloß wehen. Wenn denn das Korn einmal doch ge- raͤth, so giebt es leicht, Lagerkorn, das heißt, heißt, das Korn legt sich um, und wird taub, oder hat wenig Koͤrner in den Aehren. Und die Ursach, warum es sich umlegt, ist, weil der Halm nicht tief genung in der Erde steckt, also von dem Regen und Winde schief gedruͤckt wird, und nicht wiederstehen kann. Viertens. Der Landwirth muß auch den Acker recht klein und klar eggen. Durch das Eggen wird der Saamen, mit Erde be- deckt, und zugleich allenthalben gleich ver- theilet, damit er fein gleich und ordentlich aufgehen koͤnne, auch werden die Erdkloͤße klein gemacht oder gebrochen; endlich aber, so wird das durch den Pflug losgerißne Un- kraut, mit der Egge zusammen gebracht, daß man es hernach, wenn es trocken, von dem Acker wegfahren oder verbrennen koͤnne. Die Egge muß deßhalb lange Zaͤhne von Eisen oder Holz haben, und oft geluͤftet (aufgehoben) werden, wenn sich viel Un- kraut vorgesetzt hat, weil sie sonst nicht ihre Wirkung thun kann. Fuͤnftens Der Landwirth muß guten Saamen aussaͤen, das ist, solch Korn, das nicht multricht oder schimmlicht, durch Feuch- tigkeit geworden, welches oft geschieht, wenn I 5 man man Korn naß in die Scheune faͤhrt, oder nicht lange genung im Felde trocknen laͤßt. Er muß, als Saͤemann betrachtet, den Saa- men nicht zu dicke saͤen, denn da bleibt der Halm kurz, und die Aehre klein; doch rich- tet sich dieses nach Erfahrungen, von der Guͤte des Ackers. In dem besten Acker pflegt man aber, an Wintergetreyde nicht uͤber anderthalb Scheffel, auf den Morgen von 180 Ruthen, auszusaͤen. Gar zu duͤnne ist auch nicht gut; doch wenn eins seyn muͤßte, (welches doch nicht ist, da man die Mittelstraße halten kann,) so wuͤr- de bey duͤnner Aussaat Vortheil seyn: Denn das Korn bestaudet sich aus der Wurzel, oder treibt viel Halme, zieht viel Nahrungs- saft an sich, und waͤchst stark und lang. Weil nun aber der Kornbau, wie ihr ge- hoͤrt habt, nicht leicht mit Nutzen getrieben werden kann, ohne Zugvieh und ohne Duͤn- ger oder Mist; der Mist aber von Vieh meistens entsteht: So seht ihr selbst, lieben Kinder, daß der Landmann auch Vieh hal- ten muͤße. Des Viehes giebt es nun ver- schiedene Arten: Rindvieh, Pferde, Schafe, und Schweine, sind die vornehmsten Arten, von welchen auch der beste Mist oder Duͤn- ger fuͤr den Acker gesammlet wird. Vom Rind- Rindvieh sind die Kuͤhe dem Wirthe sehr nuͤtzlich mit ihrer Milch, denn von ihr wird Butter und Kaͤse gemacht; auch wird sie als Milch, verspeiset. Der Landwirth thut wohl, wenn er auf starkes Kuhvieh haͤlt, und fuͤr Bullen, oder Rinder, von großer Art, lieber mehr giebt, als sich mit kleinen, wohlfeiler behilft. Der Nutzen ist ungemein. Groß Rindvieh bringt auf alle Weise, mehr ein, und kostet nicht mehr zu erhalten, als kleines. Die Ochsen sind das nuͤtzlichste und beste Spannvieh; sie sind wohlfeiler zu erhalten im Futter, als die Pferde; ziehen gut im Wagen und Pflug, zur Noth auch in der Egge; und wenn sie alt sind, gelten sie, beym Schlaͤchter, mehr, als da sie jung wa- ren, welches letztere bey den Pferden schon nicht zutrift. Auch ist ihr Duͤnger beßer, als der von Pferden. Es ist daher eine große Thorheit, lieben Kinder, wenn ein Ackersmann gar zu viel Pferde haͤlt, da er mit Ochsen weit leidlicher fertig wuͤrde, und manches ersparen koͤnnte. Die meisten thun es um des Fuhrwerkes willen, und Lohnfuh- ren zu verdienen. Es ist aber meistentheils das Zeichen eines schlechten Wirthes, wenn sich Jemand mit solchen Nebendingen zu viel ab- abgiebt, und die Wirthschaft geht gemeinig- lich dabey zu Grunde. In einem Dorfe nahe bey der Stadt, war einmal ein Bauer, der hielt sich vier starke Pferde, und hatte ein treflich Ackergut. Da kamen die Leute aus der Stadt, haͤufig hin, und handelten mit ihm, daß er Lohnfuhren thun sollte, sie boten ihm viel Geld, und er fieng an zu fahren. Dem Knecht gaben sie Biergeld, und schenkten ihm manch Glas Branntewein, daß er geschwind zufahren sollte. Dem Knecht gefiel das beßer, als die Acker- arbeit. Wrnn nun noͤthig zu pfluͤgen, zu eggen, Heu zu fahren ꝛc. war, und es kam eine Lohnfuhre, so rieth der Knecht immer zu: Der Herr sollte das schoͤne Geld mitnehmen, es wuͤrde wohl Wet- ter bleiben; zum Pfluͤgen waͤre immer Zeit genug ꝛc. Der Herr hatte schon auf hun- dert Thaler verdient, und das gefiel ihm: Er ließ sichs also ferner gefallen. Die Pfer- de waren oft uͤberjagt worden, wenn der Knecht zu viel gesoffen hatte, nun sollten sie auch noch alle versaͤumte Ackerarbeit nach- thun. Aber es fiel Regenwetter ein, das Heu verdarb; es kam ein fruͤher Winter, der Acker blieb unbesaͤet, oder eilig und schlecht bestellt. Als der Winter kam, fielen die Pfer- Pferde alle nacheinander um. Und wollte der Bauer vier andre haben, so mußte er zu den mit den Lohnfuhren verdienten hun- dert Thalern, noch funfzig Thaler aus seinem Vermoͤgen zulegen, und litt doch noch an der kuͤnftigen Erndte Schaden. Durch Scha- den klug gemacht, schafte er den untreuen Knecht ab, und keiner in der Nachbarschaft wollte ihn wieder annehmen; denn er hatte sich bey den Lohnfuhren, das Saufen ange- woͤhnt. Doch Pferde muͤßen zum Hofdienst, Vor- spann ꝛc. von jedem Ackerwirth, dem derglei- chen oblieget, gehalten werden. Aber der kluge Wirth haͤlt deren nur so viel, als er noͤthig hat; um nicht in Futtermangel zu ge- rathen, und dem uͤbrigen, viel nuͤtzlichern Vieh, nicht die Nothdurft zu entziehen. Man thut beßer, mittelmaͤßig große, und dabey starke Pferde, zu halten, als sehr große, oder sehr kleine; die Mittelsorte thut gemeiniglich die besten Dienste, und haͤlt sich beßer am Leibe, als sehr große Pferde. Von den klei- nen kann man wenig Arbeit fordern, und kosten doch fast so viel Futter, als starke Mittelpferde. Wenn der Ackerwirth fleißig ist, und zu rechter Zeit aufsteht, kann er mit vier Pfer- den den, oder einem Spann, in Mittellande ganz gemaͤchlich ein Gut vou fuͤnf Hufen Acker, Jahr aus Jahr ein, bestellen, und noch viel Tage frey behalten. Es versteht sich, daß dergleichen Pferde gut gefuttert und gewar- tet werden muͤßen. Acht Pfund gutes Heu, zwey Haufmetzen Haber, zwey Haufmetzen Heckerling, sind zum taͤglichen Futter fuͤr ein solch Arbeitspferd hinlaͤnglich, oder Ahrfutter, und kein Futterkorn. Auf die Wartung aber kommt viel an. Warten heißt so viel als pflegen. Ein Pferd braucht sowohl Pflege, als ein Mensch. Die besten Mittel, ein Pferd gut zu pfl gen und zu warten, sind folgende: 1) Gesundes, nicht stinkendes Futter, hin- laͤnglich und zur rechten Zeit, und ja nicht, wenn das Pferd warm und erhitzt ist, ge- geben. 2) Nicht getraͤnkt, wenn das Pferd noch warm ist, und wo moͤglich, das Wasser im Winter im Stall etwas stehen laßen, daß ihm die groͤßte Kaͤlte vergeht. 3) Alle Tage wenigstens einmal, das ganze Pferd gestriegelt, und mit der Kartet- sche gebuͤrstet, daß der Staub und freßende Schweiß herunter kommt, und das Pferd ruhig wird, wenn ihm nichts juͤckt und schmerzt. 4) Im 4) Im Sommer den Stall kuͤhl, und wegen der Fliegen finster, im Winter aber warm gehalten, ist den Pferden sehr heil- sam. 5) Unter dem Pferde, wo moͤglich, al- les trocken gehalten, sonst werden ihm die Huͤfe weich, und die Fuͤße werden von der Feuchtigkeit schadhaft, daß es leicht lahm wird, oder bloͤde geht. Auch dem Pferde, wenn es ruhen soll, reines Stroh unter- gestreut. 6) Vom Pferde in der Arbeit nicht mehr gefordert, als es thun kann Im Sande, Morast und bergauf, nicht getrieben, oder scharf gefahren. Ein jedes Pferd nach sei- ner Staͤrke an den Wagen gespannt; die fleißigsten links, und die, so sich treiben laßen, auf die rechte Hand, weil sie da bes- ser zu treffen sind. Die Fohlenzucht ist gemeiniglich fuͤr den hiesigen Landwirth mit Schaden verknuͤpft. Vor dem vierten Jahre kann ein Fohlen ohne Schaden nicht stark gebraucht werden, und denn hat es gewiß mehr gekostet, als es werth ist; oder es ist wohl gar verbuttet und verdorben. Man thut also beßer, auf den Maͤrkten sich mit guten brauchbaren Pfer- den zu versehen, und die Muͤhe nebst dem Fut- Futter, an Rindvieh oder Schafen zu wen- den. Schafe sind, wegen ihres Duͤngers, Wolle Milch, und Verkaufs vortreflich, aber we- gen der Gefahr, verhuͤtet zu werden, an den meisten Orten (sonderlich wo niedrige, oder Gruͤnde mit Hoͤhen vermischt sind,) in die Laͤnge selten nuͤtzlich. Doch uͤberwiegen die Vortheile einiger guten Jahre, an Nutzung, den Schaden meistentheils; sonderlich, wo ein guter Hirte ist, der die Weide kennt, und die Heerde verstaͤndig huͤtet. Schweine sind in der Hauswirthschaft nuͤtzlich; ihren Duͤnger haͤlt man fuͤr den be- sten im Acker, wo Eich- und Buchwaͤlder sind, werden sie in die Mast gethan, denn von der Frucht der Eiche und Buͤche neh- men sie am Leibe sehr zu, und werden fett. Hernach werden sie geschlachtet, und geben Schinken, Speck und Wuͤrste, welche ihr Kin- der kennt, und oft gegeßen habt. Die Schweine gedeyen am besten in trocknen warmen Staͤllen, und wenn ihnen alle vier- tel Jahr etwas rohes Spiesglas gepuͤlvert im Trank geruͤhrt wird. Man bekoͤmmt die ses in der Apotheke, und um Einen Gro- schen ist fuͤr vier große Schweine genung. Seht Seht! lieben Kinder, das sind die Hauptar- ten von Thieren, womit sich der Landmann be- schaͤftiget. Außer ihnen giebt es Gaͤnse, die an solchen Orten, wo große Wasser und schlechter Erdboden sind, sowohl, als Enten, mit Nutzen gehalten werden. Wo aber guter Boden und wenig Wasser ist, da sind diese Arten Thiere ge- meiniglich schaͤdlich. Huͤner halten fast alle, und es sind, wegen der Eyer, die Huͤner sehr nuͤtzlich. Die Truthuͤner und Tauben sind nicht aller Orten, dem Landmann, zu halten erlaubt. Die Wiesen sind solche Oerter, wo das Gras zum Winterfutter gemaͤht, getrocknet, und als Heu, hernach weggefahren und verwahret wird. Auf diese hat allerdings der Landmann zu se- hen, daß er durch seinen Fleiß, sie in tragba- rem Stande erhalte, weil davon, daß er viel Heu, und gutes Heu gewinnt, alles abhaͤngt. Die Wiesen werden verdorben: 1) Durch Mooß; dieses Gewaͤchs uͤberzieht den ganzen Boden, so daß kein Gras durch- wachsen kann. Dieses muß der Landmann im Herbst, sorgfaͤltig abharken oder eggen, wenn die Wiese trocken ist. 2) Durch Huͤllen, oder Erdhuͤgel, die theils von Maulwurfshaufen entstehen, die bewach- sen sind, theils auch von Behuͤten mit dem Vieh, bey naßen Zeiten: Denn da tritt das K Vieh Vieh tief ein, und was zwischen ihren Tritte stehen bleibt, das bewaͤchst, und wird dichte. Endlich wird die Wiese so huͤgelicht und un- gleich, daß niemand glatt maͤhen kann, ohne sich die Sense zu verderben; man muß alsdenn das Gras hoch abhauen, also sehr viel stehen laßen. Dieß wird verhindert, wenn man die Maulwurfhaufen auseinander wirft, und nicht bewachsen laͤßt, auch kein Vieh auf sehr wei- chen Wiesen weiden laͤßt. 3) Durch gar zu oͤfteres Abmaͤhen in einem Jahre; denn, Kinder! auf der Wiese stehen vielerley Kraͤuter, und Grasarten. Viele zwar schlagen jaͤhrlich aus der Wurzel, oder dem Stiele aus; viele darunter aber tragen Samen, welcher ausfaͤllt, und eine neue Pflanze bringt. Laͤßt man diesen nicht reif werden, sondern maͤht das Kraut ab, ehe es reif wird, so kann er nicht ausfallen, und keine neue Pflanze kann daraus wachsen. Sehr gut ist es den Wiesen, wenn sie zu solchen Zeiten uͤberschwemmt werden koͤnnen, da es ihnen keinen Schaden bringt, als im Fruͤh- linge und Herbst, oder Winter. Trockne Wie- sen werden mit Asche, oder andern Duͤnger, wenn ihn der Acker entbehren kann, mit Nutzen geduͤngt. Alle Arten von Vieh freßen nicht einerley Art Heu: Pferde, Rind- und Schaf- Vieh Vieh lieben ihre besondere Arten Heu, und die Kunst des Landmanns aͤußertsich darinn, wenn er diese Arten zu kennen und zu waͤhlen weiß. Diß sey genung, lieben Kinder, von diesen Hauptstuͤcken des Landbaus. Nun muͤßt ihr auch wißen, wie der Ackersmann in seinem Hause die gehoͤrigen Pflichten ausuͤbt, ohne welche seine Wirthschaft nicht bestehen kann. 1) Er muß auf Ordnung halten. Jedes Stuͤck Haus- oder Ackergeraͤthe, muß an sei- nem Orte seyn, nicht krumm und verworfen, uͤber einander herliegen. Jedes muß verwahrt, oder doch so aufgehoben seyn, daß es nicht vor der Zeit abgaͤngig wird, und wieder ersetzt wer- den muß. Das hoͤlzerne und eiserne Geraͤthe muß vor Faͤulniß und Naͤße; und Leder und Leinen Zeug, auch vor Beschaͤdigung verwahrt werden. Ich will euch davon eine Geschichte erzaͤhlen. Ein gewißer Bauer war verarmt, und kei- ner wußte, wie das zugieng. Da war ein verstaͤndiger Mann im Dorfe, der sagte: „Kin- „der! das will ich euch wohl sagen; den Mann „,hat das Lohn an die Handwerker zu Grunde „gerichtet. Er mußte Holz kaufen, das war „theuer. Alles hoͤlzerne Ackergeraͤthe aber ließ „er im Schnee und Regen, auf der naßen Er- „de stehen und liegen, das war denn allezeit K 2 „ver- „verstockt, und schadhaft; Lederzeug und Ge- „schirr lag auf dem Fußboden im Stall, das „fraßen die Ratzen; die Straͤnge ließ er an „den Pfluͤgen, die verfaulten in weniger Zeit. „Alles sein eisern Geraͤthe hatte der Rost gefres- „sen, denn er sahe nicht mehr darnach, wenn „ers aus der Hand legte. Denn mußte er „neues schaffen; und so ist er verarmt.‟ Die Leute gaben dem Mann recht, und nahmen das Ihrige, beßer als vorher, in Acht. 2) Er muß alles mit moͤglichster Sparsam- keit eintheilen, daß es zureicht, und noch Ueber- schuß ist. Dieses ist bey dem Futter besonders eine hoͤchstnoͤthige Sache, wie ihr aus folgen- der Geschichte merken koͤnnt. Es war einmal ein Schaͤfer, der hatte, um Lichtmeßen, noch viel Heu auf dem Stalle. Da kamen Fruͤhlingstage; die Lerche sang; die Sonne schien warm; und es wuchs allerley Gras auf dem Anger. Hui! dachte er, was soll das Heu auf dem Stalle, nun will ich die Schafe recht pflegen! Er holte ein Beil, und hieb die Schlieten entzwey, worauf das Heu lag, so, daß alles Heu in den Stall fiel, wie ein großer Haufen. Die Schafe kamen nach Hause, und fraßen, so viel sie wollten; weil aber zu viel auf einmal da war, so suchten sie das beste aus, das fraßen sie; das andere aber, wel- welches sie sonst wohl gefreßen haͤtten, traten sie in den Mist. Der Schaͤfer freute sich, daß die Schafe so zunahmen. Seine Freude waͤhrte aber nicht lange. Im Maͤrz kamen Nachtfroͤste, und es fiel ein Schnee, der uͤber eine Ele hoch lag, und wohl vierzehn Tage lie- gen blieb. Nun konnte der Schaͤfer nicht aus dem Dorfe kommen. Gefuttert im Stall muß- te werden, aber das Heu war alle, oder in den Mist getreten. Nun wollte der Schaͤfer verzweifeln, und mußte, mit schweren Kosten Haber und Heu kaufen; sonst waͤren alle Schafe gestorben. Seht, Kinder! solchen Nutzen hat die Spar- samkeit; Man hat in außerordentlichen Faͤllen eine Zuflucht, und braucht nicht Noth zu leiden; und solchen Schaden bringt die Verschwendung; denn was man heute nicht braucht, kann man morgen wohl gebrauchen, ja recht noͤthig haben. 3) Er muß fleißig seyn, das heißt die Ar- beit lieben, und alle andre dazu anhalten, die zu seinem Hause gehoͤren: Denn durch seinen Fleiß erwirbt er sich das Vermoͤgen; und die Erfahrung lehrt, daß der Spruch wahr ist: „Laͤßige Haͤnde bringen Armuth, aber wer fleis- „sig ist, kommt empor. 4) Er muß jede Arbeit zu ihrer Zeit thun, das ist, er muß im Winter solche Arbeiten thun, K 3 wo- wozu er im Sommer oder Herbst keine Zeit hat, als Ausbeßern der Zaͤune, Gebaͤude, Holzfuh- ren, Verfertigung des Ackergeraͤthes ꝛc. Wie schoͤn waͤre es, lieben Kinder, wenn ihr das lerntet! wenn ihr euer hoͤlzern Ackergeraͤthe euch selbst machen lerntet! Wie lustig ist der- gleichen Arbeit! Manches Geld und Muͤhe wird erspart, wenn man sich selbst helfen kann. Vor eurer Zeit war ein Mann, der konnte gar nichts, als hinter dem Pfluge hergehn, und fahren; er war so unwißend, daß er nicht einmal einen Pflug stellen konnte. Wenn nun viele zusammen waren, so lief er immer hin, und bat einen, daß er den Pflug stellen mußte. Ein jeder lachte, und sie hießen ihn nur den dummen Michel. Brach ihm etwas, so zog er nach Hause; und es mogte noch so gering seyn, so gieng oder fuhr er damit nach der Stadt, und versaͤumte die Zeit. 5) Er muß eine fromme und arbeitsame Person zu heyrathen suchen; und dieses, so bald er Wirth wird. Denn, Kinder, wenn ihr seht, wie noͤthig eure Muͤtter im Hause sind, so werdet ihr leicht begreifen, daß eine Landwirthschaft, ohne Hausmutter nicht lange gut geht. Auf eine gute Wirthin kommt vie- les an. Euer Wohl und Weh haͤngt von die- ser Wahl ab. Bittet daher Gott um Weis- heit heit zu dieser Wahl; und wenn ihr groͤßer werdet, so sehet nicht zuerst nach Reichthum oder Ansehen, sondern nach gottesfuͤrchtigen und arbeitsamen Personen. Denn durch eine fleißige und ordentliche Wirthin, wird der Mann reich. Leset deßhalb die Spruͤchwoͤr- ter Salomons, Jesus Sirach, und das Buch der Weisheit, an vielen Stellen, nach. Nun will ich auch von den Dienstpflichten des Landmanns gegen seine Obrigkeit, handeln. Was Obrigkeit ist, wißt ihr; was verschiede- ne Staͤnde sind, und was Gehorsam gegen die Einrichtung Gottes in der Welt, ist, wißt ihr auch. Es kann euch auch nicht unbekannt seyn, daß eure Aeltern gewiße Dienste und Ga- ben an die Obrigkeit thun und abgeben. Hier- bey aber ist noch noͤthig, daß ihr auch lernt, was es mit diesen Diensten vor eine Bewand- niß hat, und wie es gekommen ist, daß ihr dienen und Pacht geben muͤßt. Seht! Kinder, eure Voraͤltern haben die Guͤter, die sie jetzt besitzen, die Stellen, die sie als Haͤusler, oder Tagloͤhner, bewohnen, un- ter der Bedingung von der damaligen Obrig- keit erhalten, daß sie der Obrigkeit gewiße Ta- ge lang, mit Spanndiensten oder Handdiensten dienen, auch Paͤchte und Gaben geben sollten. Wollten sie diese Bedingungen sich nicht gefal- K 4 len len lassen, so wurden sie nicht angenommen sondern abgewiesen. Sie versprachen es also schriftlich oder muͤndlich; und daher kommen die Dienste, Paͤchte, und andere Abgaben; nemlich, eure Vorfahren haben angelobt, wenn man ihnen dieses Gut, oder diese Stelle, ein- raͤumen wollte, so uͤbernaͤhmen sie dafuͤr die geforderten Dienste, Paͤchte, und Gaben, zu thun und zu geben. Ihr, als ihre Nachkom- men auf dem Gute oder in der Stelle, seyd auch in eben der Verbindlichkeit, das zu hal- ten, was eure Vaͤter gelobten, sonst wird euch das Gut genommen, oder ihr werdet der Stra- fe nicht entgehen, und uͤberdem noch euer Ge- wissen beflecken. Der Dienst muß ehrlich geschehen; die Pacht ehrlich gegeben werden; ihr muͤßt der Herr- schaft Bestes, bey dem Hofdienste, wirklich su- chen; sie nicht darum betruͤgen; den Hofdienst nicht saumseelig und schlecht thun; als schlecht pfluͤgen, eggen, saͤen, maͤhen, kleine Fuder la- den, wenig Holz zerhauen, wenig Futter und grob schneiden, und wie die Dienste alle heißen koͤnnen, dazu ihr an den Hoftagen gebraucht werdet. Ihr muͤßt den Tag nicht verkuͤrzen, daß ihr spaͤt kommt, und zu lange Mittag macht, und fruͤh wieder abgeht: sondern, so wie der Dienst abgeredet ist, muͤßt ihr dienen. Wer Wer dadurch zum Betruͤger wird, der ladet ein schwer Gewißen auf sich, und es geht ihm in seiner eignen Haushaltung gemeiniglich nicht gut. Die Paͤchte und Gaben muͤßt ihr ehr- lich abgeben, nicht das Schlechteste aussuchen, sondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben. Eure Guͤter, als Aecker, Wiesen und Gaͤrten, muͤßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der Obrigkeit, vergroͤßern, noch eure Graͤnze ver- ruͤcken, und weiter machen, zum Schaden des- sen, der an euren Aeckern oder Wiese, und Gaͤr- ten graͤnzt. Gott hat in Seinem Wort einen Fluch darauf gesetzt und will den nicht unge- straft lassen, der seinen Fluch verachtet. Ich habe von einem Ackermanne gehoͤrt, der wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege diente, und in vielen Jahren nicht zu Hause kam. Die alte Mutter des Herrn wirthschaf- tete indeß, und hatte einen Meyer, der war des Ackermanns Bruder. Diese beyden wur- den eins, die Herrschaft zu betruͤgen. Der Ackermann pfluͤgte alle Jahr, wo er an herr- schaftlichem Acker graͤnzte, etwas Land ab, und den Graͤnzpfahl von den Wiesen, die an seine Wiese stießen, schlug er alle Jahr einen Schritt weiter. Als er aber einst an der Wiese Weiden kroͤpfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf den Graͤnzpfahl, den er dahin verruͤckt hatte. K 5 Die Die Rippen waren entzwey, und er litte große Schmerzen; da ließ er den Prediger kommen, und bekannte ihm die Sache, daß er just auf den verruͤckten Graͤnzpfahl haͤtte fallen muͤßen, der sonst nicht da gestanden, wenn er ihn nicht so weit verruͤckt gehabt haͤtte. Er starb, und der Meyer ward hart gestraft, und als ein Schelm und Betruͤger, auf die Vestung gefangen gesetzt. Ihr muͤßt auch nicht mehr Freyheiten und Rechte begehren, als wie euch zukommen: Wenn ihr etwa selbst kein Holz habt, und die Herr- schaft verstattet euch das Holzlesen und aufraf- fen dessen, was abfaͤllt, so muͤßt ihr nicht ab- hauen; denn das kommt euch nicht zu. Ihr muͤßt nicht weiter schreiten, als eure Erlaub- niß geht; sonst seyd ihr straffaͤllig. Denn wie wollte sonst die Herrschaft sorgen koͤnnen, daß bestaͤndig das Holz im Stande bliebe, so wohl fuͤr sie jaͤhrliche Einkuͤnfte abzugeben, als zum Bau und zur noͤthigen Feuerung, fuͤr sie und fuͤr euch auf immer zuzureichen. Wenn aber ein jeder hauen koͤnnte, was ihm gefiele, so wuͤrde ein jeder nach dem Besten greifen, und keiner wuͤrde ans Sparen denken: Endlich wuͤrde al- les Holz ausgehen, und die Herrschaft mit sammt den Unterthanen wuͤrden Holz kaufen muͤßen. Aber Aber, Kinder, man kann auch gewiße Ar- ten von Baͤumen verderben, daß sie unbrauch- bar werden, ohne, daß man sie abhauet. Z. E. Wenn man an den jungen Fichten, Tannen und Kiehnen, nur die Aeste abschneidet oder verhauet, so wird nimmer ein starker Stamm daraus; denn der Saft dringt aus dem Hiebe, und der Baum hoͤrt auf zu wachsen. Auch bey der Holzwirthschaft ist die Sparsamkeit vortreflich. Das hoͤlzerne Geraͤthe in Acht ge- nommen; nach den Gebaͤuden zu rechter Zeit gesehen; die Gehege verwahrt; die Hoͤfe mit steinernen Mauern zugemacht; weniger Backoͤfen gehalten; die noͤthigen Backofens mit Spar- famkeit geheitzt, die Stubenofens nicht zur Un- gebuͤhr heiß gemacht — So kann viel Holz ge- spart werden. Es ist aber nicht genung, we- nig Holz zu verbrauchen, sondern man muß auch wieder viel anlegen, weil es sonst doch alle wird. An die Gehege, Grabens, wuͤste Oerter, sind immer Gelegenheiten genung, Holz zu pflanzen, oder Holzsamen zu saͤen. Es ist loͤblich, lieben Kinder, auf solche Weise wohl- thaͤtig zu seyn; denn wer einen Baum pflanzt, der thut, auch noch nach seinem Tode, der Welt gutes. Von seiner Frucht, oder in seinem Schatten, wird einmal einer gelabt, oder erfrischt, und seegnet dafuͤr den, der den Baum Baum pflanzte. Sehr nuͤtzlich sind daher die- jenigen Leute, die Gefallen an der Gaͤrtnerey haben, und Obstbaͤume pflanzen, auch durch Pfropfen und Oculiren, die wilden Staͤmme verbeßern. Seht! Kinder, fast ein jeder, der auf dem Lande wohnt, hat einen Garten, und koͤnnte nuͤtzliche Baͤume darinn haben, wenn er wuͤßte damit umzugehen. Ein Baum traͤgt oft viel ein, und braucht nur einen kleinen Platz. Ein Bauer hatte einst vielen Schaden an Vieh gelitten, und brauchte dreyßig Thaler, um sich wieder in Stand zu setzen. In seinem Garten standen zwey große Apfelbaͤume, von der Art, die man Borsdoͤrfer nennt, die hatte noch sein Vater gepflanzt. Seit einigen Jah- ren hatte der Bauer viel Fleiß an den Baͤu- men gewendet, weil einmal der Prediger von dem Nutzen der Obstbaͤume mit ihm geredet hatte. Er hatte das schlechte Holz ausgehauen, die Raupennester vertilget, und die Baͤume geduͤnget. Das Jahr, wie es dem Bauer so schlecht gieng, fiengen die Baͤume wieder an, zu tragen, und brachten uͤber zwoͤlf Scheffel große schoͤne Aepfel. Sie waren nicht uͤberall gerathen, und der Mann konnte sie, zu zwey Thaler, zwoͤlf Groschen den Scheffel, los wer- den. Da hatte er die dreyßig Thaler, die er brauch- brauchte; und so halfen ihm ein Paar Baͤu- me aus der Noth. Pfropfen heißt, in den abgesaͤgten und ge- spaltenen wilden Stamm, ein keilsoͤrmig ge- schnittenes gruͤnes Reis, von einer guten Obst- art, stecken, es mit Baumwachs verschmieren, und zubinden, daß es darinn anwaͤchst. Oculiren , aber heißt, ein oder mehr Augen von guter Art, in die Rinde des Stammes, die vorher geoͤfnet wird, einschieben, und ver- binden, daß sie einwachsen. Die Handgriffe koͤnnt ihr bald lernen, wenn ihr Achtung gebet, und vorher hier an abge- schnittnen Weidenstoͤcken, probieren wollt, bis ihr es recht gut versteht. Nun will ich mit euch, geliebten Kinder, die ihr die Schule verlaßt, den Beschluß machen, und euch danken, daß ihr mir mein Amt, durch eure Aufmerksamkeit und Willigkeit, erleichtert habt. Die Wahrheiten, die ihr in der Schule gelernt habt, werden euch durch euer ganzes Leben begleiten, und entweder vor vielen Fehl- tritten bewahren, oder doch, wenn ihr ja fehlt, euch wieder zurechte weisen und aufhelfen. Dieß Buch, nach welchem ich euch gelehrt habe, soll nun ein jeder abschreiben, und als eine Erinnernng an den Schulunterricht, und um an den Zusammenhang der Wahrheiten, in der der Folge denkeu zu koͤnnen, behalten und ver- wahren. Wenn ihr zuweilen in erwachsenen Jahren, in diesem Buche nachschlagen werdet, so kann es nicht fehlen, es wird eure Einsicht vermehren, und berichtigen helfen. Das Uebrige muß nun an euern Seelen durch Predigten, Lesung der heiligen Schrift, eignes Nachdenken, und Gebet zu Gott um Weisheit und Kraft, Seinem Worte gehorsam zu seyn, gewirkt werden, Dem Gott der Weisheit, des Raths, und der Staͤrke von dem alle rechte Erkenntniß kommt, empfehle ich euch herzlich!