S chaͤfererzaͤlungen. Favete lingvis. Carmina si prius Audita, Musarum sacerdos, Virginibus puerisque canto. Horatius. 1742 . An den Herrn Hofrat und Re- sidenten von Siepmann. J ch las Ew. Hochedelgebornen vor einiger Zeit einige Stuͤcke von mei- nen Schaͤfererzaͤlungen vor. Sie wa- ren so gluͤcklich Jhnen nicht zu misfallen, und erhielten dadurch auch von mir erst denjenigen Beifall, welchen ich selbst, one die vorhergegangene Beurteilung eines waren Kenners des Geschmacks und der Dichtkunst uͤberhaupt, ihnen zu geben mich nicht getrauete. Ew. Hochedelge- bornen, haben bei so vielen andern edlen Wißenschaften, nicht vergeßen, Sich auch die Poesie eigen zu machen; deswegen unterwerfe ich Jhrer Pruͤfung diese klei- ne Sammlung von Hirtengeschichten mit dem groͤßten Zutrauen. Jhre Kennt- niß und Einsicht versprechen mir zwar ei- A 2 nen nen strengen, Jhre uͤbrigen Vorzuͤge aber auch einen unparteiischen Richter. Ein jeder vernuͤnftiger Verfasser kann seinen Schriften kein groͤsseres Gluͤck wuͤn- schen. Jch habe mich bemuͤhet das schalk- hafte mit dem unschuldigen und unge- zwungenen zu verbinden; Und da mei- ne Absicht nur zu belustigen gewesen ist: So wird es mir ser gleichguͤltig sein, wenn mich einige noch hier und da seuf- zende Tartuͤffen verdammen sollten. Keine groͤssere Ere koͤnnte mir wieder- fahren, als, wenn man mir vorwuͤrfe, daß die Zal dieser gedruckten Bogen zu klein waͤre. Mein Wunsch ist niemals gewesen in dem Vielschreiben ein Held zu werden, sonst wuͤrde ich das leichteste Mittel gewaͤlet, und die Zal der Wort- reichen Uebersetzer in Deutschland ver- mehret haben. Horaz, Catull und Gal- lus wuͤrden auch sein verewiget worden, wenn sie mer geschrieben haͤtten: Allein der der meiste Teil unser neueren Poeten wuͤr- de die Ere seines Vaterlandes weit gluͤck- licher behauptet haben, wenn er nicht mer, als uns von den Gedichten des Gallus uͤbrig geblieben, geschrieben haͤtte. Alles, was ich Ew. Hochedelgebornen noch zu sagen habe, ist eine Bitte, mir zu verzeihen, daß ich Jhren Namen vor diese Bogen gesetzt. Ein kleiner Ehrgeiz, eine besondere Hochachtung und ein Abscheu vor dem Scheine der Zueignungschrif- ten haben lange Zeit in mir gestritten: Allein da sich die beiden ersten vereiniget hatten, so wurde der letzte dennoch uͤber- wunden. Jch bin mit aller Ergebenheit Ew. Hochedelgebornen Jn Berlin am 24 des Hornungs 1742 . gehorsamster Diener Die eilfertige Schaͤferinn. D er junge Schaͤfer Titirus Empfand, was jeder fuͤlen muß. Er ward der Macht der schoͤnen Schaͤferinnen, An mancher unruhvollen Nacht, Die er mit Wuͤnschen zugebracht, Und die ein Traum, sonst nichts, oft wargemacht, Zu seiner schoͤnsten Marter innen. Er raͤumte Silvien allein An Schoͤnheit und an Witz den groͤßten Vorzug ein. Erst wuͤnscht er, sie nur immer zu erblicken. Doch dieser Wunsch ist viel zu leer: Wer zaͤrtlich liebt, der wuͤnschet bald noch mer; Die Liebe weiß ein Herz weit staͤrker zu beruͤcken. Er wuͤnschte, sie zu sehn. Und seine Zaͤrtlichkeit, mit bitten und mit klagen, Der jungen Silvie zu sagen. Doch dieß war leichter noch gewuͤnschet, als ge- schehn: Sie und Likoris trieben beide, Als Schwestern, stets zugleich die Herden auf die Weide. Oft schleicht sich Titirus zu ihren Triften hinn, Vielleicht ist sie allein, die schoͤne Schaͤferinn? O nein! Er koͤmmt und irrt und bleibt ganz traurig stehen. Man fragt ihn, was er will? Es weiß es wol, doch schweigt er still, Und weil er gar nichts sagt, heißt man ihn wieder gehen. So kert der Schaͤfer oft zuruͤck, Und one Kuß und one Blick; Nur mit Verdruß; nur mit vergeblichem Bemuͤhen. So ist die Zeit, So ist das Gluͤck und die Gelegenheit, Kein Mensch sieht sie so stark als ein Verliebter fliehen. Man nennt oft, uͤbereilt, die Liebe seine Last. So hatte Titirus auch den Entschluß gefaßt, Erst Silvien nnd denn die Liebe zu vergessen. Jedoch wer dieses will, der hat es nicht ermessen. Kaum hat er einen Augenblick gesessen, So rauscht der Zefir durch den Wald. Dieß hoͤrt der junge Schaͤfer bald. Er horcht, warum? Er springet auf, weswegen? A 4 Vielleicht Vielleicht, weil sich die Blaͤtter stark bewegen? O nein! Er meint es kaͤme Silvia, Er meint noch mer, er meint, sie sei schon da. Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe! Vergiß erst Silvien, vergiß hernach die Liebe. Haß du den Augenblick nicht diesen Schluß gefaßt? Wie koͤmmt es, daß du ihn zu erst vergessen hast? Man nennt oft, uͤbereilt, die Liebe seine Last. Doch weil sein schmeichelhafter Sinn Jhm schon von seiner Schaͤferinn Oft viel gesagt, und oft gelogen, So streckt er sich nun ganz verdrießlich bei seinem Baume wieder hinn. Er dachte. Vielleicht was Silvie bei ihrer Heerde machte? O nein! dieß dacht er nicht. Was aber sonst? Wer liebt, wird dieß von mir nicht fragen: Was ein verliebter denkt, kann er oft selbst nicht sagen. Jtzt springt er noch einmal von seinem Lager auf. Doch nun betruͤgt der Zefir ihn nicht wieder, Kein rauschend Blatt ermuntert seine Glieder: Er Er siehet Silvien, in vollem Lauf, Die nichts als ihren Hilax mitgenommen, Von ihrer Flur nach seinen Triften kommen. Er siehet sie, drum springt er hurtig auf. Ach! Silvie, geliebte Schaͤferinn, Dulaͤufst, wo koͤmmst du her? Du eilst, wo willst du hinn? O mache mir einmal die Freude, Und bleib ein wenig hier wo ich die Herde weide. So redet sie der junge Schaͤfer an: Allein sie sagt, daß sie nicht bleiben kann. Nein, spricht sie, Titirus, mir ist befolen Ein Schaf von Dafnens Trift zu holen. Likoris huͤtet itzt die Schafe ganz allein, Deswegen muß ich nun bald wieder bei ihr sein. Ja, wenn du mir sogar die Herde schenken wolltest, So glaube, daß du mich doch nicht bereden solltest. Er bittet nur um einen Augenblick. Umsonst, sie gehet fort. Er haͤlt sie gar zuruͤck. Sie schreiht und faͤnget an mit ihm zu ringen; Jhr Hilax will auf den verwegnen Schaͤfer springen. Allein sie sieht es noch zu grossem Gluͤck, Drum stoͤsset sie den boͤsen Hund zuruͤck. A 5 Dieß Dieß fodert auch das Mitleid von den Schoͤnen. Jhr Maͤdchen, nemt dieß allemal in Acht, Den kleinen Hund, der eure Schoß bewacht, Muͤßt ihr zum beissen nie gewoͤnen. Der Schaͤfer saͤrt mit bitten fort. Ach! spricht er, Silvie, so hoͤre nur ein Wort. Sie hoͤrt. Er faͤnget an zu klagen: Mich qvaͤlen Zeit und Gluͤck seit mer als sechszehn Tagen. Kaum hat er dieß gesagt, so will sie wieder gehn. O da dich Zeit und Gluͤck seit sechszehn Tagen qvaͤlen, So, spricht sie, kann ich zum Voraus verstehn, Du hast mir allzuvieles zu erzaͤlen. Er bittet noch um einen Augenblick. Er kuͤsset ihre Hand. Haͤlt sie nicht dieß zuruͤck? Sie bleibt. Die Liebe laͤßt ihn itzt viel kuͤrzer sprechen. Er blickt sie zaͤrtlich an; Wie viel hat nicht ein Blick oft kund getan. Er druͤckt die schoͤne Hand; Ein sanfter Druck macht oft das ganze Herz bekañt. Jhr Auge faͤngt nun schmachtend an zu brechen. Nein, spricht sie, laß mich gehn! Sie Sie sprichts und dennoch bleibt sie stehn. Ach! liebst du mich? faͤngt er recht zaͤrtlich an zu fra- Wie nun betroffne Silvia? gen. Der Eigensinn verbeut dir, ja, Und die Empfindung, nein zu sagen, Doch fuͤr ein Maͤdchen sind auch dieß die schwersten Fragen. Gieb Acht, verliebter Titirus, Jch wette drauf daß sie nun wieder eilen muß. Ein Maͤdchen laͤßt sich nicht so leicht gewinnen, Und wenn es halb gewonnen ist, So sucht es doch, mit angeborner List, Zu fliehn und dem Bekenntniß zu entrinnen. Auch Silvie will sich davon befrein, Drum faͤllet ihr das Schaf auf einmal wieder ein, Und dieser Vorwand heißt sie fliehen, Sich dem Triumf der Liebe zu entziehen. Sie geht, doch nein, sie sagt erst, daß sie gehen will. So, spricht der Schaͤfer, kannst du mich verlassen? So willst du mich, weil ich dich liebe, hassen? O schweig doch, Titirus, mit diesen Klagen still! Sie geht ja nicht, sie sagt nur, daß sie gehen will. Ein Ein Kuß, Den ihr nur Titirus, Und sonst kein andrer reichen muß, Zieht ihre fluͤchtigen und schoͤnen Glieder Ganz kraftlos und in den Schatten nieder. Hier sank die Ueberwundne hinn. Was war der Sieg? dieß hat mir niemand wollen sagen. Genug es war die schoͤnste Schaͤferinn, Drum schaͤmt ich mich, hier mer zu fragen. Die Die bezauberte Fillis. E in Kluger zeigt sich nie bei der Gefar verzagt: Hier hilft nur guter Rat, hier hilft nicht daß man klagt. Dort, in den reizenden so oft beschriebnen Gruͤnden, Wo man kein sremdes Volk und wenig Laster keñt; Wo man den Witz Verstand, die Einfalt Tugend nennt; Wo sich die Herzen noch aus Zaͤrtlichkeit verbinden, Dort ist das schoͤne Land, das nur die Dichter finden. Jn diesen Gegenden pflanzt sich durch jeden Ort, Mit den Geschlechten noch ein altes Maͤrchen fort. Jch halte zwar nicht viel von erblichen Geschichten, Jedoch, ich will davon, was ich gehoͤrt, berichten. Die junge Fillis wuchs heran. Sie war bereits in den so schoͤnen Jaren, Wo sie sonst Lieb und Wunsch den Herzen offenba- ren. Allein, ihr sah man noch der Jugend Unschuld an. Jhr Auge war noch one List; Jhr Putz ein Hirtenkleid das one Schleifen ist. Kein Band durchflocht ihr braunes Har. Worauf der Zierrat nur ein kleiner Stroh hut war. Sie Noch sang sie wenig Hirtenlieder, Und stimmte sie zuweilen eines an, So wars ein Loblied auf den Pan, Dieß sang sie oft aus frommer Andacht wieder. Sie tanzte gern, doch one Kunst; Sie suchte keines Schaͤfers Gunst Durch ihre Stellung zu erlangen. Zu reizen war ihr unbewußt; Sie hatte nur zu ihrer Lust Den Tanz mit andern angefangen. Jedoch dieß ist die Art der Liebe, Zuweilen mischt sie sich nicht gleich in unsre Triebe. Sie zeigt sich nie den Herzen nah; Wenn man sie spuͤrt ist sie schon da. Sie weiß uns zeitig gnug zu finden, Drum eilt sie nicht uns zu entzuͤnden. So gings der jungen Fillis auch. Die Schaͤfer hatten den Gebrauch, Nach der Gewonheit ihrer Alten Der Pales alle Jar ein Freudenfest zu halten. Hierbei war es geschehn Daß sie das erstemal den Licidas gesehn. Durch diesen Anblick fiel der jungen Schaͤferinn, Ruh Ruh, Freiheit und was mer? der Unschuld Haͤlste hinn. Hier sah sie einen Schaͤfer an; Dieß hatte sie sonst auch getan: Allein, hier tat sie es mit unverwandten Blicken, Hier that sie es mit heimlichem Entzuͤcken, Hier tat sie es, warum? Man hat sie nicht gefragt, Sonst haͤtte sie wol selbst, sie wuͤßt es nicht, gesagt. Jhr schoͤnen Maͤdchen helft mir dieses offenbaren: Was Filles nicht gewußt, habt ihr vielleicht erfaren. So oft der Schaͤfer mit ihr sprach, So schlug sie erst die Augen nieder Und denn erhob sie nur dieselben furchtsam wieder, Die Worte folgten langsam nach. Der Schaͤfer war zu wild dieß deutlich zu verstehen, Drum ließ er sie, Mit leichter Muͤh, Als eine sproͤde Nimfe gehen. Kaum war dieß Fest vorbei, So fuͤlte Filles erst die nie gefuͤlten Triebe. Sie fuͤlte zwar nichts mer als nur die erste Liebe, Doch dieß Empfinden war fuͤr sie noch viel zu neu. Die fremde Glut, die ihren Koͤrper brannte, Die Die Regung, die sie Marter nannte, Die Wuͤnsche, die sie noch nicht kannte, Die machten ihr anitzt die sonst vergnuͤgte Zeit Zur ungewonten Qval, zur groͤßten Bangigkeit. Jhr Mund verschwendete die Klagen, Und konnte nie sein Ungluͤck sagen. Kein Ort war ihr mer angenem; Kein Fleck zur Weide mer beqvem. Oft ging sie nach den kuͤlen Schatten, Doch da sie Sonn und Luft hier nicht erhitzet hatten, So war es auch fuͤr sie im Schatten noch zu heiß. Jhr unverdroßner Fleiß War bei den Schafen itzt nicht mer wie sonst ge- schaͤftig. Sie ließ die Herde vor sich gehn, Wenn diese stund, so blieb sie stehn; Wenn diese ging, so ging sie mit. Man konnte keinen muntern Schritt An dieser jungen Nimfe spuͤren; Sie ließ sich von der Herde fuͤren. Sie wuͤnschte sich nur stets, und was? Den Hirten Licidas. Was aber wollte sie mit diesem Schaͤfer machen? Dieß Dieß waren damals ihr, Wie mir Vor ziemlich langer Zeit, noch unbekannte Sachen. Kein Licidas erscheint, Dieß hoffet sie auch nicht, sie klaget nur und weint. Sie weint aus Unzufriedenheit, Sie klagt, was klagt sie denn? Ein Herz voll Bangigkeit. Doch mußte noch bei diesem allen Die Schuld von ihrer Angst auf diesen Schaͤfer fallen. Ach, spricht sie, Licidas quaͤlt mich durch Zauberei! Sie sprichts, die Qual bleibt da, sie schweigt und weint dabei. So ist bei Nacht und Tage Jhr erst und letztes Wort die jaͤmmerlichste Klage. O! Fillis, stelle doch die leeren Seufzer ein, Der Schmerz muß nicht beweint, dir muß geholfen sein. Die Angst nam taͤglich uͤberhand. Jhr Herz geriet so stark in Brand, Daß ihre Traͤnen schon der Schoͤnheit Abbruch taten. B Des- Deswegen war es hohe Zeit, Der Nimfe mit Behutsamkeit, Ein Mittel fuͤr die Qual zu rathen. Sie klagte Silvien, die ihre Freundinn war, Des jungen Schaͤfers Zaubereien. Die Freundinn schrieh: Hier ist Gefar! Kein Mensch kan dich davon befreien, Als Licidas, der dir den Streich getan, Drum hoͤre meinen Vorschlag an: Du mußt zu diesem Schaͤfer gehen, Erst nur um seinen Rat und denn um Huͤlfe flehen. Doch sprich kein Wort bei ihm von seiner Zauberei, Er macht dich sonst aus Furcht nicht von der Marter frei. Wirst du die Qual ihm nur bescheiden klagen, So hilft er dir gewiß, du wirst mirs wieder sagen. Gut, Fillis ging zum Schaͤfer hinn, Und, wo ich recht berichtet bin, So hat sie ihm kein Stuͤck von ihrer Angst verschwiegen. Doch, welcher Kranke wird auch seinen Arzt beluͤgen? Er Er war zum Helfen gleich bereit. Ein Schaͤfer laͤßt sich leicht erbitten. Er sah und pruͤfete der Fillis Bangigkeit, Und merkte gleich, was sie gelitten. Drum nam er sie mit sich in seine Schaͤferhuͤtte. Hier wiederholte sie nun noch einmal die Bitte. Er fing die Mittel an; Allein ob die Gefar Durch seine Kunst gehoben war, Hat Fillis Silvien niemals bekennen wollen. Jhr Maͤdchen, sagt einmal hierbei, Was hat man von der Zauberei Und ihrem Mittel denken sollen? B 2 Der Der bloͤde Schaͤfer. O ft sind die Schaͤferinnen sproͤde Und fliehn aus Eigensinn des Hirten Zaͤrt- lichkeit; Oft aber machen sie zur Lust Gelegenheit Und da ist oft der Schaͤfer gar zu bloͤde. Doch, welcher dieses ist, Sein Gluͤcke nur aus Furcht vergißt, Und nichts bei seiner Liebe waget, Der ist hernach nicht wert, daß ihn ein Mensch beklaget. Ein junger Hirte, Filimen, War von Natur verliebt, auch zum Gefallen schoͤn; Es eiferten die Schaͤferinnen, Die Gunst des Juͤnglings zu gewinnen. Wie mancher Straus, wie manches Band Ward seinet wegen nicht zum Putzen angewandt. Die eine sang ihm oft ein zaͤrtlich Hirtenlied, Die andre war bemuͤht, Sein Sein Herze durch den Tanz zu fangen: Allein zuletzt bereuten sie, Doch alle die verlorne Muͤh, Nebst dem verratenen Verlangen. Die Furchtsamkeit Hielt jederzeit Den Antrag Filimens zuruͤcke. Kaum sprach sein Herz noch durch die Blicke. Er ging zu mancher Schaͤferinn, Oft mit dem festen Schlusse hinn, Jhr nichts als zaͤrtliches zu sagen. Umsonst, er konnt es niemals wagen. Und haͤtt ihn eine nur um seine Gunst gefragt, So haͤtt er, glaub ich, ja gesagt, Doch welche Nimfe wird hierum den Schaͤfer fragen? Nur Dafne war zu ser in ihm verliebt, So, daß sie auf die staͤrksten Mittel dachte, Wodurch sie sich den Schaͤfer eigen machte. Was sie beschloß, ward standhaft ausgeuͤbt. Das, was die Schoͤnen sonst nur zu erwarten pflegen, Vergaß sie ihrer Liebe wegen. Was allemal die Hirten selbst getan, Tat sie und redete den bloͤden Schaͤfer an. B 3 Sie Sie sagt ihm, daß er unter allen Jhr einzig und allein gefallen; Nichts fiel ihr zu bekennen schwer, Sie sagt ihm dieß, wer weiß, ob nicht noch mer. Er dankt ihr fuͤr die Zaͤrtlichkeit, Und war vergnuͤgt und tat erfreut. Allein zu mererem sich zu entschluͤssen Fiel ihm zwar oͤfters ein, Jedoch sein Mut war viel zu klein, Sie auf das erste mal zu kuͤssen. Was dachte Dasne wohl hierbei? Sie sprach ihm zwar nicht von dem Feler frei, Doch glaubte sie, an statt ihn hoͤnisch zu verlachen, Jhr Umgang wuͤrd ihn wol noch endlich herzhaft machen. Umsonst, er kam, sprach nichts, ging furchtsam wie- der fort, Und was er ja noch sprach, war ein erfragtes Wort; Doch ließ er stets die laͤcherliche Klage hoͤren, Wie grausam das Geschick und seine Dafne waͤren. Man mußte hier so stark als Dafne zaͤrtlich sein, Jhm statt der Rache noch bestaͤndig zu verzeihn. Sie nam sich endlich vor, das letzte zu probieren, Und Und ihn durch eine kleine List, Die in der Liebe sonst ein sichres Mittel ist, Zu seinen Pflichten anzufuͤren. Einst warf die junge Schaͤferinn Sich, noch bevor er kam, bei ihrer Herde hinn, Als waͤre sie bei ihren Schafen, Fuͤr Hitz und Muͤdigkeit ein wenig eingeschlafen. Jhr runder Arm macht ihr das harte Lager weich, Und ihre Hand vor ihren Augen Schatten, Die mehr zu lauschen als zu schlummern hatten. Dem Busen war mit Fleiß das Oberkleid zu kurz; Jhr kleiner Schaͤferschurz Ward noch daneben Der warmen Mittagsluft zum Spielen uͤbergeben. Sie hatte sich die Stellung ausgedacht, Die bloͤde Schaͤfer klug und kluge luͤstern macht. Sie lag und lernte schon, wie sie erschrecken wollte, Wenn Filimen sie kuͤssend wecken sollte. Er kam, doch weil er sie in diesem Schlummer sah, So trat er ihr kaum noch mit leisen Schritten nah. Der Anblick war zu schoͤn, sein Herz fing an zu schmachten, Er konnte hier die Nimfe nicht genug betrachten. B 4 Jhr Jhr meinet, daß er nun einmal verwegner war? Er machte Dafnen nicht sein Dasein offenbar. Er sprach nichts mer als dieß: Wie sanft ist ihre Ruh! Jhr schoͤnen Augen bleibt in euerm Schlummer zu. Jhr Blaͤtter rauschet nicht, und bloͤket nicht ihr Herden, Die schoͤne Dafne muß durch nichts gestoͤret werden. Und hierauf schlich er sich nun one Kuß und Wort Mit leisen Schritten wieder fort. Doch Dafne, die er hatte schlummern lassen, Fing ihn auf einmal an zu hassen. Die felgeschlagne List hielt sie fuͤr ihre Schmach, Drum sprang sie auf und schickt ihm diese Worte nach: Du hast dein eignes Gluͤck vermieden, Und bist der Lust nicht wert, die Dafne dir beschie- den. Er hoͤrte dieß und lief zuruͤck, Doch ein versaͤumter Augenblick Wird keinem Hirten wieder kommen. Auch Dafne hatte hier bereits die Flucht genommen. Die Die gepruͤften Mutter- leren. J hr Maͤdchen, dieses Werk hab ich fuͤr euch bestimmt. Was, euch zum besten, jetzt mein Eifer unternimmt, Jst mir bezalt genug, wofern ihr meine Leren Nur in der Stille wollt durch euern Beifall eren. Jch sehe, daß euch oft der Muͤtter Grausamkeit, Mit List und Tirannei die schoͤnste Lust verbeut: Jhr folget und entbert, drum sollt ich euch verla- chen, Allein ich will euch jetzt viel lieber kluͤger machen. Zwar weiß ich, glaubt es mir, daß oft, durch eure List, Die kluͤgste Mutter schon genug betrogen ist; Jedoch ich will auch nur die Leren denen geben, Die unter euch vielleicht noch in der Unschuld leben. Euch bitt ich noch einmal, ihr Maͤdchen, hoͤrt mir zu, Was ich erzaͤlen will befoͤrdert eure Ruh. B 5 Was Was euch kein Vater sagt, sollt ihr von mir erfaren; Wo kann euch, denket nach, ein Freund mer offen- baren? Corinne war, von ihrer Jugend an, Der Liebe niemals feind gewesen. Was manches Maͤdchen erst muß aus den Buͤchern lesen, Das hatte Chorilas ihr selber kund getan. Aus Liebe ward sie oft von ihm gekuͤsset. Aus Liebe blickten sie einander zaͤrtlich an. Jhr Schoͤnen, sagt ob ihr schon wisset, Was sie aus Liebe mer getan? Jhr schweigt, drum hoͤrt von mir die euch so frem- den Sachen: Aus Liebe ließ sie sich von ihm zur Mutter machen. Doch fragt nicht um die Art, wie dieses wol geschehn. Corinne war zu schlau, kein Mensch hat zugesehn. Gnug dieß bewies die kleine Lesbia; Von ihrer Zaͤrtlichkeit war diese Tochter da. Die Mutter schonte kein Bemuͤhen Die kleine Nimfe zu erziehen. Sie wuchs, die Schoͤnheit nam mit ihrem Koͤrper zu. Jhr Jhr junges Herz voll muͤtterlicher Triebe. Blieb fuͤr der Macht der starken Liebe Noch uͤberdieß nicht lang in Ruh. Das, was die Dichter Liebe nennen, Empfand sie on es recht zu kennen. Denn daß ihr Auge stets an Tirsis haften blieb, Dieß macht ein zaͤrtlicher ob gleich noch fremder Trieb. Hier wirkte schon der Stamm zur Wollust das Gefuͤle; Allein die Unschuld war doch stets dabei im Spiele; Was kluge Maͤdchen gut verstehn, Der Mutter Wachsamkeit geschickt zu hintergehn; Den Gegenstand verstolen anzublicken, Jn dieses konnte sich die Nimfe noch nicht schicken. Corinne war zu klug, Zur strengen Mutter alt genug, Drum durfte sie hier gar nicht lange raten: Die jungen Toͤchter tun, was ihre Muͤtter taten. Jhr meinet nun, sie sah dieß mit Gelassenheit? O nein, der Muͤtter Strengigkeit Pflegt selten dieß den Toͤchtern zu verstatten, Was sie doch selbst vor dem am liebsten hatten. Sie Sie sprach zu Lesbien: Der frommen Toͤchter Pflicht Vereret was der Rat getreuer Muͤtter spricht. Ein Kind muß stets den Ungehorsam hassen Und seiner Aeltern Leren fassen. Nimm jetzt von mir die kluge Regel an, Die dir die beste Mutter geben kann: Ein junges Maͤdchen muß, mit eifrigem Bemuͤhen, Den Umgang junger Hirten fliehen. Auf ihr Gespraͤche folgt ein Blick Hierauf bleibt nie der Kuß zuruͤck, Und lassen sich die Maͤdchen einmal kuͤssen, So wisse daß sie alle sterben muͤssen. Gespraͤche, Blick und Kuß Sind dieß wofuͤr sich stets ein Maͤdchen huͤten muß. Die junge Lesbie gehorchte diesen Leren. Vom Tode kan kein junges Maͤdchen hoͤren; Oft werden sie, aus blosser Furchtsamkeit, Schon krank, wenn nur die Katze schreiht. Jhr Muͤtter, wollt ihr eure Toͤchter huͤten, So jaget ihnen nur ein blindes Schrecken ein, Sie moͤgen noch so wilde sein, Sie lassen sich hierdurch, was ihr nur wollt, ver- bieten. Jedoch Jedoch, ihr Schoͤnen, gebt auf alles fleißig Acht, Vielleicht das Lesbia den Satz zu Schanden macht. Die junge Schaͤferinn ging einst allein spazieren. Die Liebe wußte gleich den Tirsis herzufuͤren. Er kam und gruͤßte sie Und fragte sie nur was sie machte, Doch da sie gleich an ihre Mutter dachte, So lief sie fort und schrieh. Wer aber sagt, warum sie jetzt schon schreihen wollte? Vielleicht weil sie hernach nicht schreihen sollte. Doch wenn ein Maͤdchen laͤuft, so laͤuft ein Kluger nach; Auch Tirsis holte sie gar hurtig ein und sprach: Eh wirst du nicht von diesem Flecke kommen, Bevor ich nicht den Ursprung deiner Flucht ver- nommen. Weil nun die Schaͤferinn hier keine Huͤlfe sah, So war auch ihr Entschluß gleich zu der Antwort da. Fleuch, sagte sie, sonst bist du mein Verderben, Denn, wo du reden wirst, so blickst du mich auch an, Drauf folgt dein Kuß den ich dir nicht verweren kann, Alsdenn Alsdenn muß ich vor deinen Augen sterben. Dieß ist der Rat, den mir oft meine Mutter giebt, Sie hat mir diß vertraut weil sie mich treulich liebt. Drei Dinge sind mein Tod: Gespraͤche, Blick und Kuß. Fleuch, Tirsis, denn ich weiß, was ich vermeiden muß. Dieß sagte sie mit Furcht und Zittern. Jhr Maͤdchen merkt ihr bald die List von euren Muͤttern? Doch gut, gebt auf den Tirsis Acht, Ein Schaͤfer hat gar oft ein Maͤdchen klug gemacht. Er sprach, es ist, als wenn ich ihn itzt reden hoͤrte: Wenn deine Mutter dir nicht alle Lust verwerte So glaubt ich, daß sie dich dieß nur aus Einfalt lerte. Doch siehe, Lesbie, jetzt ihre Falschheit ein, Sie goͤnnt dir nicht vergnuͤgt zu sein. Du mußt dich mer fuͤr ihr als fuͤr den Kuͤssen huͤten, Wofuͤr sie dich gewarnt, das will sie dir verbieten. Jch spreche ja mit dir geliebte Schaͤferinn, Und also faͤllt die Furcht fuͤr dem Gespraͤche hinn. Nun laß uns noch zur Lust probieren Ob dich mein Biick wol wird zum Tode naͤher fuͤren. Dieß Dieß aber wollte doch die junge Nimfe nicht, So gehts, wer alles glaubt, was eine Muter spricht. Sie schrieh, sie bat, die Traͤnen halfen bitten; Ach, sprach sie, soll ich unsre Schaͤferhuͤtten Denn niemals wieder sehn? Blickst du mich einmal an, so ists um mich geschehn. Gut, sagte Tirsis drauf, willst du mir gar nicht glauben, So mag die Probe mir zu erst das Leben rauben. Wenn man durch einen Blick verdirbt, Wenn man von einem Kusse stirbt, So will ich beide von dir leiden. Jch weiß gewiß ich sterbe nicht, Du glaubst es darum nur, weils deine Mutter spricht. Ein kleiner Vorwitz bleibt doch stets den Maͤdchen eigen; Wie konnte Lesbia sich leichter uͤberzeugen, Ob auch so viel Gefar Hierbei zu fuͤrchten war? Sie dachte, Tirsis will doch dieß an sich probiren, Ja, dachte sie, er wagt, sein Leben zu verlieren; Jedoch, sie dachte wieder, nein, Er wuͤrde doch nicht so verwegen sein. Sie Sie blickt ihn an, doch ihn zu kuͤssen, Konnt ihre Furchtsamkeit sich lange nicht entschluͤs- sen. Doch endlich ward er auch von ihr gekuͤßt Er hielt mit Großmut still und bat sie, fortzufaren. So stark auch ihre Kuͤsse waren, So starb er dennoch nicht. Wo bleibt der Mut- ter List? Die Tochter war betrogen, Drum fand sie sich gar bald, jedoch recht schoͤn belogen. Sie ließ mit Lust an sich die zwote Probe machen. Die Tochter half nun selbst der Mutter List ver- lachen. Sie kuͤßten sich, und wie viel mal? Wer dieses fragt, Der sage mir vorher die groͤßte Zal. Allein, bald haͤtt ich noch das wichtigste verschwie- gen: Die Mutter sollte sie doch nicht zu stark beluͤgen, Denn da sie sich zu zaͤrtlich kuͤssen ließ, Und, wenn er aufgehoͤrt, ihn wieder kuͤssen hieß; So uͤberfiel die Onmacht ihre Glieder, Sie sank mit starren Augen nieder. Man Man sagt, daß sie bier starb, jedoch hat man ge- irrt, So sprach sie wenigstens: Jch weiß nicht wie mir wird. Doch da ich wieder weiß, daß man sie nicht begraben, So muß die junge Schaͤferinn, Wenn ich der Liebe kundig bin, Die Onmacht uͤberstanden haben. C Das Das Zeisignest. E in Greiß von mer als hundert Jaren War in Geschichten sehr erfaren. Jhm folgte stets ein Chor von jungen Hirten nach, Zu hoͤren was der alte Schaͤfer sprach. Er wußte rechte Wunderdinge, Und diese tat sein unverdroßner Mund, Der unerfarnen Jugend kund. Einst sprach er von dem Zauberringe, Durch dessen Kraft einmal ein Hirt, Der bei den Schaͤfern noch hierum vereret wird, Sich, wenn er wollt, unsichtbar machte, Und ein Geheimniß oft erfur, Daß mancher Schaͤfer in der Flur Noch so geheim zu halten dachte. Dieß hoͤreten sie mit Verwundrung an, Und jeder wuͤnschte sich den Ring, der es getan. Hier Hier ging es eifrig an das Fragen: Stack denn im Steine diese Kraft? Wie, oder war es nur des Goldes Eigenschaft? Der alte Schaͤfer sprach, ich will euch alles sagen. Jm Golde kann die Krast nicht sein, Sonst thaͤt es jeder Ring; dieß wirkte nur der Stein. Fuͤr uns hat die Natur oft eine Kunst verstecket, Und schlechten Tieren nur entdecket. Der Zeisig baut sein Nest, und flicht stets einen Stein, Den er nur finden kann, in Reiß und Moos mit ein. Dieß hat ihn die Natur geleret, Damit man seine Brut nicht findet, und nicht stoͤret. Er bauet nur in einen Weidenbaum, Der nah am Wasser steht, doch ist kein Nest zu sehen, Es muͤßte denn im Schatten dieses Baums geschehen. Allein man daͤcht es kaum, Wie viele sind nicht schon darnach gegangen; Die Weiden sahen sie, doch keine Nester hangen. C 2 Nun Nun sagt man, daß ein solcher Wunderstein Jn diesem Ringe soll damals gewesen sein. Dieß hoͤrt und merkte sich der junge Damaren, Ein Zeisignest einst zu entdecken, Kann, dacht er, dir vielleicht von statten gehn. Er ließ sich keine Muͤhe schrecken. Jedoch so groß sein Vorsatz war, So macht er ihn doch keinem offenbar. So, daß es nur die junge Chloris wußte, Die ihm oft suchen helfen mußte. Kein Ort, wo eine Weide stand, War diesen beiden unbekannt. Sie redten ab, daß er im Schatten suchen sollte, Sie aber nach dem Neste steigen wollte. Einst sah er einen Baum von dem ein Zeisig flog, Der in der Bach den Kropf voll Wasser zog, Und wieder in den Baum zuruͤcke kehrte, Wo er vielleicht die junge Brut ernaͤrte. Hier, schrieh er, muß das Nest von diesem Vogel sein. Sie stieg hinauf, und er sah in die Bach hinein. Doch Doch waͤre dieß mit mir geschehen, So haͤtt ich ganz gewiß wo anders hinngesehen. Jm Schatten sah er was, das einem Neste glich, Und war bereits fuͤr Freuden ausser sich. Greiff, ruft er, und sie griff, das Bild verschwand im Schatten, Weil sie drei Blaͤtter traf, die es gezeuget hatten. Er aber meinete, sie haͤtte schon das Nest, Drum lief er eilig zu, und rufte, halt es fest. Allein sie schwur bei allen Goͤttern, Es waͤre weiter nichts, als ein Betrug von Blaͤttern. Jedoch der Argwon gab dem jungen Schaͤfer ein, Es koͤnnte Chloris leicht zu eigennuͤtzig sein, Und aus Verlangen nach dem Steine Behielte sie wol gar das Nest fuͤr sich alleine. Drum gab er ihr fuͤr grosser Ungeduld Den allergroͤßten Undank schuld. Er sprach, du suchst mit List zu widerstreben, Das Zeisignest heraus zu geben. Gut, Chloris, bist du so gesinnt? Jst dieß der Lon den meine Redlichkeit gewinnt? Werd ich dir kuͤnftig wieder glauben, C 3 So So fresse mir der Marder meine Dauben! So mag der Wolf die Haͤlfte meiner Herde rauben! Die arme Schaͤferinn, die one Falschheit war, Macht ihm durch einen Eid noch einmal offenbar, Daß er sie one Grund verdachte. Jedoch, da dieses nur den Argwon groͤsser machte, So wurde sie des falschen Vorwurfs satt, Und fing aus Eifer an, die Kuͤnste zu verfluchen. Damit du siehst, ob dich mein Mund belogen hat, So kannst du selbst bei mir nach deinem Neste suchen. Den Vorschlag nam sogleich der Schaͤfer an; Jch haͤtte dieses auch gethan, Und schwoͤre, wenn ich so die Nester suchen sollte, Daß ich sie hurtig finden wollte. Sie hielt den oft verwegnen Haͤnden still. Er suchte, doch umsonst, er kriegt kein Nest zu fassen. Ja, sprach er, darf ich auch wol suchen wo ich will? Aus Unschuld wollte sie auch dieß geschehen lassen. Er Er griff, wohinn? Die schoͤnen Oerter Verloͤren ihren Werth durch die bekannten Woͤrter. Die Liebe macht ihm hier zur Straf ein Blend- werk vor, So, daß der suchende sich oͤfters selbst verlor. Jedoch, damit ichs kurz erzaͤle, Wer dahinn greift, wohinn er griff, Der greift den Maͤdchen an die Seele. Ob es der Cbloris weh getan, Das weis ich nicht, genug, sie fing zu lachen an. Dieß Zeichen hielt er fuͤr das groͤßte, Drum fuͤlt er noch einmal nach dem vermeinten Neste. Gelt, sprach er, endlich hat doch meine Hand entdeckt, Was mir dein falsches Herz mit so viel List versteckt? Die junge Nimse schwur, daß es das Nest nicht waͤre, Er aber sagte trotzig nein, Jch will der Luft nicht wuͤrdig sein, Wenn ich mich laͤnger noch an deine Worte kere. C 4 Es Es waͤre nicht das Nest? Dieß mache mir nicht weiß, Die Sinne truͤgen nicht, ich fuͤle ja das Reiß. Mit Worten war der Eigensinn nicht abzuspeisen, Er drang darauf, ihm das, was er gefuͤlt zu weisen. Was sollte Chloris tun? Mir faͤllt kein Mittel ein, Sie suchte sich hier vom Verdachte zu befrein, Verzeiht es ihr darum ihr Schoͤnen, Sie wies es endlich Damarenen. Jch weiß daß manche spricht, daß Chloris Unrecht tat; Allein, ich bitte, gebt ihr einen bessern Rath. Wie unaussprechlich war nicht dieses Schaͤfers Freude, Er schrieh, o Wundernest! o seltsames Gebaͤude! Doch Chloris wandte wieder ein: Du irrst, waͤr es das Nest, wie koͤnnt es sichtbar sein? Er aber sprach, vielleicht hast du den Stein Aus Unvorsichtigkeit bereits verloren. Dieß ist der Lon dafuͤr, daß du so falsch geschworen. Hier Hier zog der kleine Cipripor, Den dieser Zank verdroß, den aͤrgsten Pfeil hervor, Und dachte, Damaren verdienet itzt zur Rache, Daß ich ihm durch den Schuß ein Glied gelaͤmet mache. Er schoß, und traf den jungen Schaͤfer gut. Des Pfeiles starker Gift drang ihm durch Nerv und Blut. Der Schaͤfer hatte nun ein Elend an dem Leibe, Wovon ich selbst nicht ungeruͤret bleibe. Allein wie ging es denn dem kranken Damaren? Wie, ließ ihn Chloris wol ganz one Mitleid stehn? Kein Mensch soll seinen Feind in seinem Elend hassen, Und ohne sie war Damaren verlassen. Sie nam sich also gleich des armen Schaͤfers an, Und tat weit mer an ihm als eine Muttev kann. Allein womit, und wie, darf niemand von mir fragen; Man hoͤrte weiter nichts, als oft den Schaͤfer sagen: C 5 Wer Wer Zeisignester sucht, der neme sich den Stein, Und liefre stets an mich die leeren Nester ein. Jch sollte zwar die Kunst der schoͤnen Nimfe loben; Allein die Krankheit war nicht ganz und gar gehoben: Wenn Damaren hernach nur eine Nimfe sah, So war auch allemal die Laͤmung wieder da. Die Die Schaͤferstunde. H omer, Virgil, Lukan und wer ihr alle seid, Dringt durch ein Heldenlied bis zur Un- sterblichkeit! Singt goͤttlich, laßt die Welt bis an ihr Ende lesen, Daß eure Helden groß, ihr groͤsser noch gewesen. Mir praͤgt kein stolzer Trieb erhabne Lieder ein, Mein Rum mag immerhinn gleich mir vergaͤnglich sein, Jch er euch one Neid, denn soll mein Lied er- schallen, So such ich nur dadurch den Schoͤnen zu gefallen. Was ich besingen will ist groͤßer als der Held, Den jeder Dichter noch fuͤr schwer zu finden haͤlt. Die Schaͤferstunde hat die Helden selbst be- zwungen; Wer sie besingt, der hat den groͤßten Held besungen. Jhr Jhr Schoͤnen zoͤrnet nicht, Daß meine Muse stets mit euch von Schaͤfern spricht. Den Helden einen Stand zu waͤlen, Steht allemal dem Dichter frei; Fontaine nam die Koͤnige der Lombardei, Von jungen Hirten laͤßt sich noch weit mer erzaͤlen. Amintens Herz empfand schon laͤngst den starken Trieb, Von dem der grosse Pan selbst nicht verschonet blieb; Den Trieb, der diesen Gott zu einem Schaͤfer machte; Den Trieb, der diesen Gott um seine Sirinx brachte. Amintas war verliebt, der jungen Doris Blick Versprach ihm mit der Zeit das groͤßte Schaͤfer- gluͤck. Allein so viel er auch der suͤssen Hoffnung glaubte, So felte jedesmal doch die Gelegenheit, Die seiner Zaͤrtlichkeit Mer als den blossen Wunsch erlaubte. Den Den Wunsch, den er so oft getan, Den sah er auch der Doris an, Ob sie denselben gleich vor ihm verbergen wollte, Vielleicht, daß ihn Amint nur staͤrker wuͤnschen sollte. Sie liebten sich und wußten dieß, Noch eh sie sichs gesagt, gewiß. Doch, eine Liebe will nicht nur die andre wissen, Die Sensucht nach den ungezaͤlten Kuͤssen; Die Wollust, sich auch da noch schmachtend an- zusehn, Wenn der verlangte Wunsch geschehn; Die Freiheit, sich das zaͤrtlichste zu sagen; Die Hoffnung, das was man noch nie gewagt zu wagen, Dieß alles war an ihrer Ungeduld Nach mererer Erfarung schuld. Doch in der Liebe koͤmmt das Gluͤcke Zwar meistenteils, nur nicht im ersten Augenblicke. Jhr Schoͤnen eilt mit mir nach jener Gegend hinn, Und weil ich nur im Geiste gegenwaͤrtig bin, So darf euch kein Bedenken qvaͤlen, Mich zum Begleiter zu erwaͤlen. Jhr Jhr sollet den Amint bei seiner Schaͤferinn, Jn der gewuͤnschten Stunde sehen. Was euer Blick hierbei zu fuͤrchten hat, Wird im Gebuͤsche nur geschehen. Doch sollte hier und da ein Blatt Vom Zefir weggewehet werden, So messet mir die Schuld nicht bei; Seht weg, seht hinn, es steht euch alles frei. Jch kan den Winden nicht gebieten, Doch fuͤr dem Zefir hat man sich nicht stark zu huͤten. Einst trieb die Schaͤferinn die Herde weiter fort, Sie fand und nicht umsonst, den angenemsten Ort, Wo Blum und Graß die schoͤnsten Farben mischten. Das Wasser, das sich hier von steilen Felsen goß, Die es durch ihren Grund erfrischten, Wo es inn eine Bach, mit schnellen Rauschen, floß; Das Volk verbulter Nachtigallen Wo bald der Sprosser schmetternd rief, Und bald, mit Steigen und mit Fallen, Durch die verliebten Toͤne lief; Die Luft die mit den Blaͤttern spielte, Auf die erhitzte Flaͤche stieß Und in den frischen Blumen wuͤlte, Wovon Wovon sie den Geruch durch diese Gegend blies; Dieß alles ließ die Schaͤferinn nicht gehen, Sie blieb mit ihrer Herde stehen. Sie warf sich auf die Weide hinn; Hier lag die schoͤne Schaͤferinn. Sie daͤnte sich und sprach mit zaͤrtlichem Ver- langen: Ach! koͤnnt ich doch Aminten hier umfangen! Sprach sie nichts mer? O ja, ein halb verschluck- tes, Ach! Ein matter Blick, der aus den blauen Augen brach, Ein Busen, welcher sich aus Ungeduld empoͤrte, Die sagten dem genug, Der hier im Busche lag, und so verliebt, als klug, Jch weiß nicht, ob mer sah als hoͤrte. Kurz, da die Schaͤferinn sich dessen nicht versah, So stund Amintas schon vor ihren Augen da. Doch, wie er in den Busch gekommen, Hab ich noch nie gefragt und auch noch nie ver- nommen. Fuͤr Schrecken glaubte dieß die junge Doris kaum, Sie hielt den Anblick erst fuͤr einen leeren Traum. Sie Sie dacht ein Schlummer wollt ihr diese Freude machen, Drum furchte sie nichts mer als ploͤtzlich aufzu- wachen. Jhr Schoͤnen hat euch nie von einer Lust getraͤumt, Die euer Mund oft dem mit Ungestuͤm versagte, Der es sie wachend zu erbitten wagte, Und die ihr ihm oft traͤumend eingeraͤumt? Jhr Schoͤnen, habt ihr dieß erfaren, So darf ich euch nichts mer Von ihrer Lust zu traͤumen offenbaren. Was aber tat Amint? Jst dieß wol Fragens wert? Ein Schaͤfer, der den schoͤnsten Augenblick begert, Bedienet sich der vorteilhaften Zeit Zur zaͤrtlichsten Verwegenheit. Er sprach, sie sprach, und was? dieß koͤnnt ihr leicht erraten, Jch sag euch itzt nichts mehr als was sie taten. Ein halb gegebener und halb geraubter Kuß War des verliebten Schaͤfers Gruß. Drauf Drauf folgten schon die zaͤrtlichsten Geberden, Die leichter nachgemacht, als hier beschrieben werden. Sie blickte den Amint mit Furcht und Schalk- heit an, Mit Schalkheit, weil er ihr noch nichts getan; Mit Furcht, damit er ihr nichts tuen sollte. Kurz, Doris wollte nicht und wollte. Jhr Auge sprach mer, als ihr Mund verschwieg; Er seufzte nur, indem der schoͤne Busen stieg. Hier warf Amint, mit neuer Lust, Die Finger auf die warme Brust, Worauf er, wie er zaͤrtlich glaubte, Die Freiheit, mer zu rauben, raubte. Sein Mund erwaͤlte diesen Ort; Mit jedem Kusse gieng ein lauter Seufzer fort; Mer Schaͤtze wurden hier entdeckt und ausge- graben, Als Erd und Meer in ihren Gruͤnden haben. Die kleine schoͤne Hand Tat zwar dem Schaͤfer Wiederstand, D Doch Doch so, damit Amintas fuͤlte, Daß ihr beredter Griff mer spielte, Als ihm nach den verliebten Waffen zielte. Doch, was Amint bisher getan, Dieß sahe Doris noch fuͤr nicht gefaͤrlich an. Allein jetzt hielt er sie an beiden Haͤnden; Jetzt schlang er seinen Arm um die gewoͤlbten Lenden; Jetzt macht er sich zu dem geschickt, Was keinem Schaͤfer leicht so hurtig gluͤckt. Jedoch die Nimfe riß sich los. Jhr Eifer war so groß, Daß sie Aminten hieß aus ihren Augen gehen. Sie sagte dieß, allein sie sagt es mit Verdruß. Jedoch ein kluger Schaͤfer muß Die Worte nicht, die Blicke nur verstehen. Er blieb und fing sogar das Werk verwegner an. Jhr Schoͤnen fragt, wie er verwegner scherzen kann? Er Er scherzte so, damit sie merken sollte, Daß er im Ernste scherzen wollte. Kurz er entbloͤssete der jungen Doris Knie; Er sah es, doch mit so viel Lust als Muͤh. Jhr Maͤdchen, zoͤrnet nicht, daß er ihr Knie ge- sehen, Sonst sag ich nichts, von dem was mer geschehen. Genug, daß Doris wiederstritt, Und was er tat, erst uͤberwunden, litt. Allein er wußte sie mit hundert kleinen Sachen So luͤstern als erhitzt zu machen. Die Augen funkelten; die Zunge selbst ward schwer; Die Lippen zitterten; die volle Brust weit mer; Der Athem ward mit Schlucken eingefangen; Fuͤr Hitze gluͤten ihre Wangen; Sie rief, Amint, ach geh! Sie schrieh, Amint, ach nein! Hier wurden ihr die Augen klein, Jetzt mangelte die Kraft zu wiederstreben, Drum mußte sie sich dem Amint ergeben. Doch eh sie sich ergab, rief sie die Goͤtter an: Tut mir anitzt, was ihr den Nimfen oft getan, D 2 Und Und lasset mich Die Woltat der Verwandlung spuͤren. Verwandelt diesen Ort in einen finstern Wald, Doch schonet hier der menschlichen Gestalt. Denn diese mochte sie am wenigsten verlieren. Jhr Bitten ward erhoͤrt. Ein dichter Rosenstrauch Wuchs neben ihr hervor, und der verbarg sie auch. Allein dieß war kein Wald; jedoch ich muß nur lachen, Die Goͤtter muͤßten ja Die Erde voller Waͤlder machen. Genug sie wurden doch durch diesen Busch be- deckt, Jhr meint sie lagen hier nun ganz und gar ver- steckt? Der Busch verbarg sie nur den neidischen Ge- sichtern, Doch aber nicht vor den verschwiegnen Dichtern. Jhr Schoͤnen bleibet hier, Und waget noch den letzten Blick mit mir. Seht hinn, ich sehe schon die leichten Blaͤtter weichen, Jch sehe den Amint sein schoͤnstes Gluͤck erreichen; Sagt Sagt, ob ihr dieses sehen koͤnnt? Jhr schweigt, doch mir ist mer als euch zu sehn vergoͤnnt. Jhr blickt aus Vorwitz hinn, drum kann es euch nicht gluͤcken: Jhr koͤnnt die Doris nicht vor dem Amint er- blicken. D 3 Die Die gewissenhafte Schaͤ- ferinn. E s ist ein einzig Ding, dem an Gewalt nichts gleichet, Dem alle Welt gehorcht, die Weißheit selber weichet, Durch dieses Ding koͤmmt oft der kluͤgsten Schaͤ- ferinn, Zu ihres Schaͤfers Wunsch der Beifall in den Sinn. Jedoch wer wollte sich wol seiner Schwachheit freuen? Ein kluges Maͤdchen wird, was es versehn, bereuen. An Heloissen lobt noch selber Abelard, Daß sie aus Buss und Reu die froͤmmste Nonne ward. Allein, Allein, ihr Schoͤnen duͤrft nicht stets im Kloster buͤssen: Ein jedes Maͤdchen hat ein anderes Gewissen. Jetzt hoͤret, was man einst von Amarillen sprach; Gefaͤllt euch ihre Reu, so folgt der Nimse nach. Mirtill war oft bei Amarillen, Und ließ, um dieser Nimfe Willen, Fast jeden Tag die Herd allein, Kaum sah man noch den faulen Hilax Hirten sein. Drum buͤsst er manches Stuͤck von seinen Scha- fen ein. Jedoch es war ihm nur um Amarillen, Drum litt er den Verlust getrost um ihret willen. Wo diese Nimfe war, war auch der Schaͤfer da, Er legt es endlich ihr so nah, Daß, als er einst zu zaͤrtlich klagte, Jhm Amarillis freundlich sagte: Er sollte ganz allein Der Schaͤfer, den sie liebte, sein. D 4 Doch Doch mußt er ihr zugleich bei der Diane schwoͤ- ren, Was heut zu Tage noch den Maͤdchen wol gefaͤllt, Wenn man es schwoͤrt, und doch nicht haͤlt. Jedoch die Goͤtter, die dergleichen Schwuͤre hoͤren, Belachen sie, dem Jupiter zu eren; Verliebten ists erlaubt, bisweilen falsch zu schwoͤ- ren. Kaum hatt er diesen Eid getan, So fing sich schon der Meineid an, Daß oft die Schaͤferinn die Goͤtter bitten musste, Dem frechen Hirten zu verzeihn, Und ihrer Unschuld Mut und Kraͤfte zu ver- leihn. Doch da er selbst zu viel von seinen Goͤttern wusste, Und in der Flur schon etwas offenbar Von dem Endimion und der Diane war: So dacht er, was die Goͤtter treiben, Wird auch an dir wol ungestrafet bleiben. Man Man sagt, daß Jupiter hieruͤber selbst gelacht, Und oft, aus Scherz, hiermit Dianen rot gemacht. Zudem war selbst die Nimfe nicht von Stein. Man bilde sich einmal ein junges Maͤdchen ein, Das sich von fetter Milch die Backen rund gegessen, Das, wenn es oft allein gesessen, Der Ziege zugesehn, mit der der Bock gespielt, Und jedesmal sich selbst dabei gefuͤlt; Die Mutter oft behorcht, wenn sie bei spaͤter Nacht, Die Tochter schlafen hieß, die ihr zu lang ge- gewacht; Kurz zwo Personen von den Jaren, Wie Piramus und Tisbe waren. Jch spreche sie aus Menschen Liebe frei, Und jeder Schaͤfer stimmt mir bei. Sie ließ sich von Mirtillen kuͤssen, Und welcher wird das uͤbrige nicht wissen? Wer seine Schoͤne kuͤßt und nicht das andre raubt, Der ist den Kuß nicht wert, den ihm ihr Mund erlaubt. D 5 Hiervon Hiervon hat Naso laͤngst in seiner Kunst zu lieben, Jm ersten Buche selbst geschrieben; Und welche sich in seinen Leren uͤben, Die haben mir vertraut, daß sie dieß oft getrieben, Und daß die Regel auch bestaͤndig war geblieben. Genug, daß dieß Mirtill verstund, Denn was uns Naso sagt, tat ihm die Liebe kund. Auch den gewissen Punkt nam er der Schaͤferinn, Und Amarillis gab dem Raͤuber alles hinn. Doch das Gewissen schlaͤft nicht lange, Teils wurd ihr um Mirtillen bange, Der seinen Eid so schaͤndlich brach; Teils um sie selbst, weil sie bedachte, Daß sie auch sich des Meineids schuldig machte. Dem allen sann sie nun mit warer Reue nach. Die Wolken durften kaum den Horizont bedecken, So meinte sie schon voller Schrecken, Jetzt wuͤrd ein Blitz die Luͤfte teilen, Und jetzt ein Donnerschlag nach ihrem Herzen eilen. Sie furchte sich vornemlich fuͤr der Opferzeit, Die Goͤtter moͤchten sie, bei der Gelegenheit, Viel- Vielleicht vor alt uud jung beschaͤmen, Und zu beleidigt sein ihr Opfer anzunemen. Dieß ließ der Nimfe keine Ruh. Jedoch ihr Kummer nam durch groͤßre Sorgen zu: Die Goͤtter liessen noch an ihr ein Zeichen sehen, Wie an den Nimfen oft geschehen, Die es vorher zu schlecht bedacht, Daß jeder, der sie sieht, auch weiß was sie ge- macht. Sie wuͤnschte sich, im tiefsten Wasser zu ersau- fen; Doch wer ist stark genug in seinen Tod zu laufen? Darum behielt noch der Verstand Bei Amarillen auch zuletzt die Oberhand. Ein kluges Maͤdchen wird sich in dergleichen Faͤllen, Aus Ungeduld nicht ganz und gar verzweifelt stellen: Man trage seine Last, und ist sie noch so groß, Zuletzt macht uns die Zeit der schweren Buͤrde los. Dieß Dieß ruͤmt man auch an Amarillen, Die sanfte Nimfe ging gelassen zu Mirtillen, Und sprach, wir beide sind es wert, Daß uns die groͤßte Strafe wiederfaͤrt. Fuͤr meine Schuld empfind ich schon die Rache; Wer weiß, mit was fuͤr Not Der Himmel dir vielleicht schon droht, Wenn ich die Goͤtter nicht hierdurch versenet mache. Die Traͤnen rollten hier von ihren Wangen ab, Sie stuͤtzte sich betruͤbt auf ihren Hirtenstab, Und sah Mirtillen an, als ob sie sagen wollte, Daß er ihr wieder helfen sollte. Allein der listige Mirtill, Jhr Schoͤnen, wurde nicht geruͤret. Er tat das, was ich euch aus Freundschaft sagen will, Damit euch doch mein Mund mehr bessert als verfuͤret. Der Meineid, sprach er, geht mir deinetwegen nah, Jedoch noch ist ein Rat zu warer Reue da. Wer Wer etwas stielt, kann niemals ruhig leben, Er muͤsse denn, was er gestolen, wiedergeben. Auch wir sind one dieß nicht von der Marter frei, Die Buße bleibt bei allen Suͤnden einerlei; Hier hast du deine Kuͤsse wieder. Und hiermit gab er nun der frommen Schaͤfe- rinn, Die Kuͤsse zehnfach wieder hinn. Die halbbekerte warf sich hier aus Reue nieder; Und der betruͤgliche Mirtill, Vor dessen gleichen ich die Maͤdchen warnen will, Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung wieder, Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo ergetzte, Als er das erste mal den schweren Eid verletzte. Der Zweifel, sprach er, wird nun wol gehoben sein. Doch Amarillis sagte, nein, Noch ists, als laͤg auf mir der allergroͤßte Stein. Sie blieb mit herzlichem Vergnuͤgen, Aus Reue noch ein wenig liegen. Doch Doch endlich sah der Schaͤfer klar, Daß ihr Gewissen leichter war, Und er und sie, kurz alle beide Zerschmelzeten fast fuͤr Gewissensfreude. Der Der verliebte Alte. P alemon war kein junger Schaͤfer mer. Es fiel bereits den steifen Fuͤssen schwer, Den alten Koͤrper fortzutragen. Ein welkes Haupt, worauf das duͤnne Har So weiß als Schnee und fast noch weisser war, Bewegte sich fuͤr Schwachheit hinn und wieder, Und senkte sich bis auf die Brust hernieder. Palemon war ein abgelebter Mann, Wie uns die Malerei den Winter bilden kann. Allein was meint ihr wol, ihr Schoͤnen? Er sollte sich nach einem sanften Tode senen, Und sente sich, so war ich hierzu juͤnger binn, Nach Cintien, der schoͤnsten Schaͤferinn. Die Die Liebe die oft Wunder tut, Begeisterte des alten Schaͤfers Blut. Er wuͤnschte wieder jung zu werden, Drum zwang er sich zu munteren Geberden. So alt und schwaͤchlich als er war, So glaubt er doch, er saͤhe klar, Daß ihn der Goͤtter Gunst an Kraͤften staͤrker machte, Und Reiz und Anmut noch aus seinen Augen lachte. Genug er war verliebt, und auch noch reich dabei, Drum, dacht er, stuͤnd es ihm, gleich jungen Hirten, frei, Von seiner Zaͤrtlichkeit den Nimfen zu erzaͤlen, Und sich die schoͤnste zu erwaͤlen. Die Wal traf, wie gesagt, die junge Cintia. Er liebte sie, so bald er sie nur sah, Und sah sie kaum, als er ihr schon entdeckte, Daß sie den staͤrksten Trieb in seiner Brust er- weckte. Die Herd, auf die er gleich mit seinem Finger wies, Bevor er Cintien zur Antwort kommen ließ, Sprach Sprach dieser schlaue Greis, soll halb die deine sein, Wenn du mich liebst; hier fiel die Furcht dem Alter ein, Drum setzt er noch hinnzu: Jedoch mich ganz allein. Was sollte Cintie dem alten Schaͤfer sagen? Jhr Schoͤnen seid gerecht, und helst mir sie bekla- gen: Drei Ziegen und ein Schaf, hieraus bestund ihr Vieh, Und mer besaß sie nicht, und hiervon lebte sie. Er schenkt dir, dachte sie, die halbe Herde gleich, Dieß galt bey Cintien ein halbes Koͤnigreich. Welch freies Maͤdchen wird sich lange noch be- denken, Aus Hofnung reich zu sein, sein Armut wegzu- schenken. Sie gab dem Nutzen nach, doch sagte sie dabei: Jch fuͤrchte daß dein Herz zu kalt zur Liebe sei. Palemon aber schwur zu seines Alters Ere, Sie sollte sehn, wie jung er in der Liebe waͤre. E Palemon Palemon schwur nicht falsch: Zu jung und auch zu alt; Jn beiden ist man noch zur Liebe viel zu kalt. Ein jeder Stand hat seine Pflichten, Und ein Verliebter hat die schwersten zu entrichten. Dieß stellte sich der Alte selber vor, Vielleicht daß er den Mut und auch die Lust verlor? O nein! Er meint die Kunst zu wissen, Die durch der schlauen Maͤnner List Erfunden, ost versucht, doch nie bewaͤret ist: Mit Worten und mit leeren Kuͤssen Der Zaͤrtlichkeit genug zu tun; Bei seiner Cintie, durch scherzen und durch spielen, Sich zu erwaͤrmen nicht zu kuͤlen, Und unverdient in ihren Armen auszuruhn; Die schoͤnste Nimfe zu besitzen; Die Perl zu haben, nicht zu nuͤtzen. So denkt der Greis, jedoch die junge Schoͤne nicht. Woran Woran ein Maͤdchen stets vor seiner Hochzeit denket; Wovon es oft verbluͤmt mit seiner Freundinn spricht; Warum der Maͤnner Tod die treuen Weiber kraͤnket; Kurz, was ihr Schoͤnen schaͤtzt und kennt, Wenns auch kein Maler malt, und auch kein Dichter nennt, Dieß fiel der Nimfe stuͤndlich ein, Und darum suchte sie der Alte zu betruͤgen. Doch konnte dieses moͤglich sein? Erfarung und Natur und Liebe muͤßten luͤgen. Hier sag ich oͤffentlich, zu eurer Ere, nein. Sie geben sich den Handschlag sich zu lieben, Und beider Name wird in einen Baum ge- schrieben. Die Schaͤferinn verert den Greis, An dem sie nichts zu lieben weiß, Doch schade, dacht er fuͤr die Ere, Wenn ich kein zaͤrtlich Wort aus ihrem Munde hoͤre. E 2 Allein Allein er hoͤrt es zeitig gnug. Einst kuͤßt er sie, und dacht, er kuͤßte sie recht klug; Ser stark, ser langsam, ser bedaͤchtig, Denn dieß zu tun ist auch das Alter maͤchtig. Er nam sie zaͤrtlich in den Arm, Sie ward erhitzt und er kaum warm. Jedoch ein Kuß, ein Druck, mer war ihr nicht beschieden; Und damit suchte sie der Alte zu ermuͤden. Allein ihr Weiber sagt, womit seid ihr zufrieden? So zaͤrtlich auch der Greis sie kuͤßt und druͤckt und spricht, So sagte Cintia doch stets: Du liebst mich nicht. Er schwoͤrt, ihr Glaube fodert Zeichen, Den weder Kuß, noch Druck, noch Worte gleichen. Was sprach er willst du mer? Dieß zu bekennen fiel den jungen Lippen schwer. Jn ihrem Auge wars zu lesen. O! waͤr ich doch fuͤr ihn bei ihr gewesen, Wie haͤtte mich die Schoͤne nicht geruͤrt. Wie hurtig haͤtte mich ihr Auge nicht verfuͤrt! Wie emsig haͤtt ich nicht darinnen buchstabiert! Doch Doch wer nichts merken will, dem muß mans deutlich sagen. Jhm sagt es ihre lose Hand, Und wie? das ist mir zwar bekannt, Doch ihr koͤnnt auch einmal etwas zu raten wagen. Der Alte, welcher nur fuͤr Angst erroͤten kann, Spricht augenblick: horch! mich duͤnckt, Melanp schlaͤgt an; Es ist mir immer so, als hoͤrt ich etwas bellen. Das Zeichen ist nicht gut, wenn mir die Oren gaͤllen. Und hierauf eilet er zu seiner Herde hinn, Und spricht auch nicht: komm mit, zu seiner Schaͤferinn. Sie konnte sich nicht besser raͤchen, Als ihrer Liebe Buͤndniß brechen. Sie sprach, mit zaͤrtlicher Gewalt: Was hilft mir deine halbe Herde, Wenn ich dafuͤr nur halb von dir geliebet werde? Verliebter Alter, deine List, E 3 Zeigt Zeigt, daß du zu der Lust zu alt, Doch aber noch zu jung mich zu betruͤgen bist. So bald sie dieß gesagt, verließ sie gleich den Ort, Und trieb vergnuͤgt und frei die kleine Herde fort. Der alte Schaͤfer ward verspottet und ver- lacht, Und einmal trug man in der Nacht, Jhm einen Strohmann vor die Tuͤre, O wenn doch, wer ihm gleicht, auch seinen Schimpf erfuͤre!