Der Paria . Trauerspiel in einem Aufzuge von Michael Beer . Der Paria. Trauerspiel in einem Aufzuge von Michael Beer. Zum Erstenmale dargestellt auf dem koͤniglichen Theater zu Berlin, den 22. December 1825. Stuttgart und Tuͤbingen , Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1829. Seiner geliebten Mutter Amalia Beer gewidmet vom Verfasser. Der Paria. Trauerspiel in einem Aufzuge. Beer’s Paria. 1 Personen. Gadhi, ein Paria. Maja, sein Weib. Ihr Kind. Benascar. Ein Bramine. Indianer. Ort: Huͤtte des Paria. Das Innere der aͤrmlichen Huͤtte des Paria. Der Stamm einer Banane ist sichtbar, an welche sich die Huͤtte lehnt. Die mit Moos belegten Wurzeln bilden einen Sitz. Links eine mit Matten belegte Ruhebank. Im Hintergrunde eine niedrige Thuͤre. Die zeltartige Seitenwand laͤßt rechts noch einen zweyten Raum ver- muthen. Es ist Nacht. Eine am Baumstamme befestigte bren- nende Fackel erhellt das duͤrftige Gemach. — Wenn der Vorhang aufgezogen ist, herrscht mehrere Sekunden lang eine tiefe Stille auf dem Theater; dann folgt ein starker Blitz, begleitet von einem heftigen Donnerschlage. Erster Auftritt. Gadhi. Maja. ( Gadhi ist beschaͤftigt, mit Matten und Buschwerk eine Luͤcke der Hinterwand zu verstopfen). (erschreckt und aͤngstlich ausrufend). Mein Kind! (Sie eilt in die Kammer, und kommt bald etwas beruhigter zuruͤck). Geliebtes Weib! schlaͤft unser Knabe? Er schlaͤft. Horch, wie die Stuͤrme brausen! Fuͤrchterlich Draͤut das Gewitter, und der Regen gießt In Stroͤmen nieder. Was die schwache Hand Des Menschen baut, kann heute nicht beschuͤtzen. Wie ich’s vermocht, hab’ ich die Wand gesichert Ein ew’ges Dach woͤlbt uns der heil’ge Baum; Sein greises Haupt hat oft das Flammenauge Des Blitzes unversehrt geschaut. Der Donner Rollt machtlos uͤber ihm, — ich zittre nicht. O waͤr’ ich stark wie Du, und schluͤge frey Sich keiner Schuld bewußt dieß bange Herz! Dein edler Blick, der in die reinen Tiefen Der eignen Brust geschaut, darf muthgestaͤhlt Sich zu des Himmels dunkelm Antlitz wenden. Ich aber zittre, wenn die Erde zittert; Und wie der Sturmwind durch die Wipfel saust, Bewegt ein nimmer schlummerndes Gefuͤhl Dieß schuld’ge Herz. — Geliebte, frevle nicht! Wer nennt sich rein, wenn Du dein edles Selbst Mit strengem Worte unbedachtsam schmaͤhst? Nicht, was Du Frevel nennst, erschuͤttert Dich Bey dieses Donners Schlaͤgen; nicht den Muth, Der freudlos mich beseelt, ersehne Dir. Den herben Keim zu dieser bittern Frucht Hat Schmach gesaͤt auf oͤden Lebens-Steppen. Ihr Thau sind Thraͤnen, und dem Jammer nur Waͤchst sie zum blutigen Genuß empor. Nicht die gemeinen Schrecken der Natur, Gleichmaͤßig draͤuend jeglichem Geschoͤpf, Nicht feindlich offene Gewalt befuͤrcht’ ich. Hinausgetrieben aus des Lebens Reihen, Geschleudert aus der Welt gesell’gem Strome, Bin ich befreundet in der Waͤlder Nacht, Wo die Hyaͤne und das Panterthier In friedlich blutiger Gemeinschaft hausen. Mein Leben wag’ ich taͤglich, es zu fristen, Und furchtlos, nicht der Felsen steile Hoͤh’, Nicht list’ger Tiger blut’ge Naͤhe scheuend, Jag’ ich der Beute nach: doch tief entsetzt Erbebt mein Herz, wenn des Maquarah Schall In diesem graͤßlich ungeheuern Kampf Des Menschen fuͤrchterliche Naͤh’ verkuͤndigt, Die Trommel droͤhnt, und von verborgner Senne Des list’gen Jaͤgers schwirrt der ehrne Pfeil, Das Unthier schreckend mit durchbohrten Weichen Da theilt’s noch einmal die bewegten Luͤfte, Ein zweyter Pfeil, — er trifft mein zuckend Herz — Der Jaͤger jauchzt und schlaͤgt den Freudenwirbel; Denn Brama laͤchelt, wenn ein Paria faͤllt. (Heftiger Blitz und Donner). O Gadhi! Donn’re nicht, gewalt’ger Gott! Dein Zorn ist furchtbar. Furchtbar! Weine, weine, Ungluͤcklich Weib, und dank dem Himmel noch, Daß er Dir Thraͤnen ließ, — ich habe keine. Mein Leben ist ein elendes Gewimmer, Der leise Seufzer des getretnen Wurms, Den vor dem Daseyn schon ein ew’ger Fluch Verdammt, im Staub sich aͤchzend hinzuwenden, Indeß vor seinem Blick in Sonnenhoͤhe Die Mitgeschoͤpfe, reich befluͤgelt, schwinden Laß diese Thraͤnen der Erinnrung fließen; Einst hast auch Du des Lebens Glanz geschaut, Und deine Kindheit sah begluͤckte Tage. Nicht jene Tage sehn’ ich mir zuruͤck; Dein ist dieß Leben, das Du mir gerettet; Und saͤh’ ich Dich zufrieden, waͤhnst Du wohl, Mich druͤckten diese niedrigen Beschwerden? Was kuͤmmert mich der aͤußern Guͤter Schein? Des Weibes Herz kennt nur ein Gluͤck auf Erden; Dieß Gluͤck heißt: lieben und geliebt zu seyn. O meine Liebe ist ein elend Gluͤck! Verworfen — Du — verworfen? — Bin ich’s nicht? Ist’s nicht das Kind, das deine Bruͤste saͤugten? — Wird’s nicht der Enkel mit gebeugtem Haupt, Wird’s nicht mit heißen Thraͤnen der Bedruͤckung Ein ganzes folgendes Geschlecht beweinen, Daß unsre Liebe ihm das Daseyn gab? — Wenn deine Stimme Donner ist, dein Name Gerechtigkeit und Langmuth, großer Brama, Gieb Antwort: warum folgt dein ew’ger Haß Dem ungluͤcksel’gen Stamm, der mich erzeugt? Weil einst vielleicht in grauer Fabelzeit Ein Paria die Huld’gung Dir geweigert, Den Gott verhoͤhnt, der zu der Erde Pruͤfung Sein lichtes Daseyn mit Gestalt umguͤrtet, Lehrt Deiner Priester Schaar, so weit die Fluth Des Ganges wogt, daß unsre Naͤhe schaͤndet, Daß sich allein von uns in Zornes Gluth Dein heilig, Gnade stroͤmend Antlitz wendet. Nein, nein! das Meisterwerk der Schoͤpfung ist Ein Herz, das edel fuͤhlt wie Deines. — Der Schoͤpfer nicht Wird solch ein Herz mit seinen Fluͤchen druͤcken; Die Priester luͤgen. Ja, sie luͤgen, Maja, Und glaubt’ ich’s nicht, mein Glaube wuͤrde irr’ An dem, dem ihre Opfer Laͤstrung dampfen. Brama ist gut und freundlich: stroͤmt sein Blick Nicht den befruchtend segensreichen Strahl? Hat seine Hand mit sturmesfesten Zweigen Nicht der Banane schuͤtzend Dach gewoͤlbt? Ist er der Vater nicht der ew’gen Mutter, Der allumfassend liebenden Natur? Ihr heiliges Gesetz heißt Lieb’ und Duldung, Und was sie gleich gebildet an Gestalt, Knuͤpft friedlich auch ein gleiches Band der Seele. In ihrem Reich ist nichts gering und fremd: Das weite Meer verschmaͤht den Tropfen nicht, Den dieser Regen gießt aus truͤben Wolken; Mit bruͤderlichen Armen waͤlzt der Strom Ihn fort und fort in seinen ew’gen Wellen, Gleich seiner bergentstuͤrzten Silberfluth. Der Mensch allein zerstoͤrt mit frecher Hand Den gleichen Spiegel seines edeln Wesens, Und Glauben, — Glauben nennt er seinen Wahn. Doch Brama laͤchelt schonend, sich in’s Licht Der Wahrheit tauchend, bis auch wir zum Tag Des Wissens aus der Nacht des Irrthums scheiden. So will ich Dich, mein Gadhi! Du entbehrst Das Schlechtre nur; des Lebens beßre Guͤter Sind Dein in unvergaͤnglichem Besitze? Dein edler Glaube und mein treues Herz, Das mit Dir fuͤhlt und mit Dir glaubt und leidet. (sie umfassend). Zwey Edelsteine unschaͤtzbaren Werths, Die ich gefunden in dem Schacht des Elends. Ihr Glanz erleuchtet meine dunkle Bahn, Begluͤckt mein Herz, erfuͤllt, was ich bedarf Als Mensch; doch ich bin Mann — der Mann will mehr. Im Maͤnnerbusen draͤngend wohnt die Kraft, Die nur am Licht der That sich kann entfalten. Duͤrft’ ich nur Mensch seyn unter Menschen! — ach! Es ist so wenig doch begehrt, so wenig! Sie schmeicheln ihrem Hund und ihrem Rosse Und scheuen uns, als haͤtt’ uns die Natur Zur Larve Menschenbildung nur gegeben. Stellt mich Euch gleich und seht, ob ich Euch gleiche! (Mit steigender Kraft). Ich hab’ ein Vaterland, ich will’s beschuͤtzen. Gebt mir ein Leben und ich zahl’s mit Wucher, Wo die Gefahr der Schlacht mit ehrnen Zungen Die Opfer heischt, und an des Lebens Fuͤlle Sich bis zur Uebersaͤtt’gung naͤhrt und stirbt. Wagt’s und erprobt des Unterdruͤckten Kraft! Schon seh’ ich mich mit thatensuͤcht’gem Muth Hinstuͤrzen in das toͤdtlichste Gewuͤhl, Umsaust von Speeren und umblitzt von Pfeilen, Fest steh’ ich, wie beym Donner des Gewoͤlk’s. Mir nach, mir nach! — Seht Ihr den Knaben mir Zur Seite stehn? Das ist mein Kind — mein Kind! Aus meinem Blut ist er entsprossen; seht, Wie er die Lanzen wirft! getroffen sinkt Der Feind, ihm fluchend: — segn’ ihn, Vaterland, Es ist mein Kind; es hat fuͤr dich gestritten, Sein Vater ist fuͤr dich gefallen. — Nein, Du bleibst — verlaß mich nicht — Du kannst nicht fort, Und wenn Du’s koͤnntest, nimmer solltest Du’s. Was ist Dir, Maja? was ergreift Dich? Weh! Dich aͤngstet nur ein Traum — ein Paria bin ich, Ich darf nicht streiten fuͤr mein Vaterland. Kein Traum — mich aͤngstet Wirklichkeit — ich kann Ich darf Dir’s laͤnger nicht verschweigen — mich Ergreift die Ahnung von Gefahren — Rede, rede! Erzitt’re und vergieb mir, mein Geliebter. — — Dieß Felsenthal, das unsre Huͤtt’ umschließt — Das ich Dich nimmer zu verlassen bat? Verlassen hab ich es — (in hoͤchster Angst). Und wardst gesehen. (bejaht es schweigend). (wendet sich mit einem Laute des Entsetzens ab). (nach einer Pause). Kaum sind sechs Sonnen unter — und ich ging In’s nahe Gaͤrtchen, Fruͤchte suchend. Ruhig Ließ ich den Knaben, auf der Matte schlummernd, In unsrer Huͤtte. — Als ich wiederkehre, Ist Matt’ und Huͤtte leer, das Kind ist fort. Umsonst durchsuch’ ich Thal und Garten, ruf’ umsonst Den theuren Namen, leer bringt mir die Luft Die eignen Jammertoͤne nur zuruͤck. Da, mich ergriff die fuͤrchterlichste Angst, Mit scheuem Blick rings an der Felswand spaͤh’ ich — Wir sind verloren! Wir? Fragt eine Mutter, Was außer ihrem Kind noch lebt und wuͤnscht, Wenn sie ihr Kind vermißt? — Ein steiler Pfad Fuͤhrt aufwaͤrts; raschen Schritts erklimm’ ich ihn, Und finde jenseits mich des Thals, umschattet Von einem Hain, der seine Palmendaͤcher Weit uͤber viel verschlungnen Wegen breitet. Nicht Muͤhe scheu’ ich noch Gefahren, winde Mit durch’s Gebuͤsch, und ploͤtzlich vor mir seh’ ich Mein Kind — und einen Jaͤger neben ihm Vom Stamm der Rajahs, Fruͤchte mit ihm theilend. Hin stuͤrz’ ich, meinen Knaben fest umschlingend, Und halt’ ihn lang’ — bis des Entzuͤckens Gluth Den Quell des Aug’s, den mir die Angst erstarrte, In reichen Stroͤmen heißer Thraͤnen loͤste. Aufblickend endlich trifft mein feuchtes Auge Das gluͤhende des Jaͤgers; Angst ergreift mich; Dank stammelnd, meinen Knaben fassend, will Ich fliehn; er aber, fest mich haltend, ruft: „Weib! wunderbar ergriff dein Anblick mich, „Mein Herz durchzucken nie gefuͤhlte Flammen, „Wer Du auch seyst — Du folgest mir.“ Hoͤrst du’s, Brama! Ich aber ihm erwiedernd: „Herr! mein harrt „Und meines Kindes der besorgte Gatte „In ferner Huͤtte“ — will entwinden mich Den starken Armen, doch nur fester druͤckt Der Rasende mich an sein wallend Herz, Bestuͤrmend mich mit frechen Liebesworten. Die Angst der Mutter — jetzt der Gattin Qual — Ein Nebel deckte mir die Sinne — da Zischt eine Natter aus dem Grase auf, Die giftigste von allen — streckt das Haupt Mit Gier nach dem Kinde aus: ich seh’s, Und Mutterliebe giebt mir Riesenkraft. Weit von mir schleudr’ ich den gewalt’gen Mann, Und hoch mein Kind mit beyden Haͤnden schwingend, Flieh’ ich das Unthier deutend dem Verwegnen. Nichts hemmt die Eil’ der Flucht, und als ich scheu Die Blicke wende, den Verfolger fuͤrchtend, War er entschwunden in der Nacht des Waldes. Entschwunden! wenn er’s nicht auf immer waͤre? Wenn ihn die List der wuͤthenden Begier Den Weg zu unsrer Huͤtte finden lehrte! Halt’ fest, mein Herz — ich kenne diese Rajahs, Sie scheuen uns, gleich wie der Pest Beruͤhren; Doch wallt ihr Blut von frecher Lust durchgluͤht, Gleich gilt es diesem rasenden Geschlecht, Ob es Befried’gung findet im Pallast, Ob in des Paria fluchbeladner Huͤtte. Er komme nur — er wag’ es nur zu nahen! Es raͤcht ein Gott mit unverhofften Blitzen, Doch wenn er dem verworfnen Bettler droht Sein letztes Gut zu rauben — — (ihm in die Arme sinkend). Soll’s der Tod Eh’ als der Raͤuber unsers Gluͤcks besitzen. Mein Weib! mein theures, heißgeliebtes Weib! (aus seinen Armen aufschreckend). Horch, Gadhi! hoͤrst Du nichts? Das dumpfe Rollen Des fernen Donners. Schrecklicher als Donner Schallt’s naͤher mir und naͤher — Beer’s Paria. 2 Stimmen! horch, Und Tritte naher Menschen! (von Außen). Hierher! Licht! Wir sind verloren! schuͤtz’ uns, großer Brama! In jener Kammer, theures Weib, verbirg Dich. Nicht ohne Dich. Hier will ich weilen. Nimmer! Schnell reizt die Rohen der unsel’ge Anblick Des Paria zu rascher Wuth. — Verbirg Dich! Ein Blick auf diese Huͤtte wird sie’s lehren, Wer sie bewohnt, und wenn ihr Auge nicht Dem Wirth begegnet, fliehn sie rasch von dannen. Wenn sie verirrt — Nicht der erzuͤrnte Himmel, Nicht das Entsetzen oͤder Wildniß schreckt Sie mehr, als deine unheilvolle Naͤhe. Hinweg! sie nah’n! Dort sind wir sicher. (ihr mit Widerstreben folgend). Sicher? Entsetzenvolle Sicherheit der Schmach! (Beyde ab ins zweyte Gemach). Zweiter Auftritt. Man hoͤrt von Außen ein verworrenes Geraͤusch; kurz darauf stuͤrzen mehrere Indianer, einer nach dem andern, in die Huͤtte, scheu umherblickend. Indianer. Gleich darauf Benascar. (hereinstuͤrzend). Hier Licht und Niemand hier — kommt alle — kommt! Wir sind geborgen. (nachdem er sich umgesehen und die Bauart genau betrachtet). Fort, wir sind verloren! Hier wohnt ein Paria. Hilf, Brama, hilf! (gegen den Eingang fliehend). Ein Paria! ein Paria! (an der Thuͤre). Flieh’, Herr! hier muß ein Paria hausen. (von zwey Indianern gefuͤhrt, am linken Arm verwundet, erschoͤpft eintretend). Laßt mich! Und muͤßt’ ich auch hier begegnen Dem Geist des Unheils selbst; ich kann nicht weiter, Mein Blut entstroͤmt und meine Kraft verlaͤßt mich. (Er sinkt auf den Sitz ermattet nieder). Schmerzt dich die Wunde, Herr? Sie brennt wie Feuer. Die Jagd war heiß, und grimmig war der Tiger. Fehl ging des Speeres Wurf, und gierig schnappte Das Unthier nach der vorgestreckten Rechten; Ich stieß dafuͤr ihm bis an’s Heft das Schwert In den verruchten Schlund. Er sank getroffen — Und sank, denk’ ich, nie wieder aufzustehn. Jetzt aber geht und schaut, wohin die Nacht Die dunkelstuͤrmende uns irr’ geleitet. Die Haͤlfte Eurer Schaar umstellt die Huͤtte, Daß sie mich schuͤtze vor Verrath; die andre Durchstreife spaͤhend dieser Felsen Grund; Und bietet Euch ein Mann von reinem Stamm Ein gastlich Dach, so fleht fuͤr mich um Huͤlfe. Hier willst Du weilen, Herr? Ich kann nicht weiter. Doch nicht um meinetwillen sollt Ihr Euch Beflecken mit des gottverhaßten Naͤhe. Ich selber will — wenn anders nicht der Tod Den Willen mit dem morschen Leben bricht — Mich neunmal tauchen in die heil’gen Fluthen Und streng’ es buͤßen, wie man’s buͤßen kann, Daß ich geruht, wo die Verworfnen ruhten. Doch Herr! allein, verlassen — Krank und huͤlflos — Geht, sag’ ich, geht! — jedweder Augenblick Haͤuft Eure Schmach und mein Vergehn an Euch. Thut, wie ich Euch gesagt — ich bleibe hier. (ziehen sich besorgt zuruͤck). Dritter Auftritt. (allein). Wenn Du’s beschlossen, Brama, jetzt die Bluͤthe Des Lebens, eh’ sie Fruͤchte trug, zu brechen, Wenn mir der Tod bereitet ist, — er komme! Nicht scheut’ ich ihn in dem Gewuͤhl der Schlachten; Doch eins nur fleh’ ich, eins, Gewaltiger: In deinem Zorn nicht rufe mich zu Dir, Nicht in des Paria Huͤtte laß mich sterben! Weh’! welche Schmerzen, wehe! wehe! weh’! Vierter Auftritt. Gadhi. Benascar. (leise auftretend). Fort sind sie alle, und doch schien es mir, Als hoͤrt’ ich aͤchzen — ( Benascar erblickend und den Bogen spannend). Ha! dort! dort — ein Kranker, Verwundet, huͤlflos und allein. — Hinab In deinen Abgrund, dunkler Geist der Rache! (die Senne abspannend). Hernieder perlenhelles Mitleid, loͤsche Mit Himmelsthau die Flammen dieser Brust. Vergebung, Herr — — Fort, Ungeheuer! Fort! Nimm dieß fuͤr deine gottverhaßte Brust! (Er schleudert einen Dolch nach ihm, der vor Gahdi niederfaͤllt). (den Dolch emporhebend). Sieh, Herr! so schwach, so machtlos bist Du, daß Des Hasses Waffe, die mich toͤdten sollte, Zur Wehr in meiner Hand wird gegen Dich. Mit diesen Faͤusten selbst zerreiß’ ich Dich, Wenn Du dich nahst. Befuͤrcht’ es nicht, Du sollst Mit meinem Blute nicht die Hand beflecken. (Ihm den Dolch zuruͤckschleudernd). Nimm deinen Stahl zuruͤck und lohn’ mit Mord Dem Wirth, der Dir ein gastlich Dach gewaͤhrt. Vergebend scheidet er, und seine Rache Traͤgt in sich selbst des Undanks schwarze That. (der sich aufrichtete, den Dolch zu verbergen, sinkt nun in großer Erschoͤpfung auf den Sitz zuruͤck). Du zitterst und erbleichst; der nahe Tod Loͤscht von den Wangen deines Zornes Gluth. Sey mild und scheide mit versoͤhntem Blick. Ich lebe noch; willst Du mich hoͤhnen? Hoͤhnen? Dir helfen moͤcht’ ich, wenn — — (er hat sich Benascar genaͤhert und seinen Arm ergriffen). Ja, noch, ich seh’ es, Gelobt sey Brama! noch ist Huͤlfe moͤglich; Noch rettet Dich ein Balsam, den mein Weib Aus segensvollem Kraut des Thals bereitet. In wen’gen Augenblicken ist’s zu spaͤt, Schon faͤrbt dein Blut ein Tod verkuͤndend Schwarz. Wenn Du zu retten mich vermagst, — so rette. (fuͤr sich). Nicht Edelmuth und Wohlthat nicht verkehrt Zu Taubensinn der Schlangen gift’ge Art. Dem Feinde meines Stamms erzeig’ ich Gutes! Ob’s weis’, ob’s thoͤricht ist, ich weiß es nicht; Doch folgen muß ich dem gewalt’gen Drang, Dem lauten Schlag des tiefbewegten Herzens. (Er eilt in die Kammer). Fuͤnfter Auftritt . (allein). Er geht, und — (sich muͤhsam emporrichtend und in die Scene rufend). Auf! Gefaͤhrten! (von Außen). Herr! Seyd wachsam, Gewaͤrtig meines Rufs — mir droht Verrath! (Man hoͤrt zum Zeichen der Antwort Schwerter an einander schlagen). Sechster Auftritt . Gadhi tritt ein, Maja fuͤhrend, die verschleyert ist, und ein Gefaͤß und Linnen in der Hand traͤgt). Benascar. Gadhi. Maja . (zu Gadhi ). Was thatest Du! wenn’s jener Fremdling — Straft Mit gleichem Blitz der Himmel Schuld und Wohlthat? Ich will’s nicht denken — nein — er wird’s nicht seyn. (zu Benascar ). Sieh, Herr, mein Weib, das mit dem kund’gen Blick Das Kraut erspaͤht, das heilende, im Thale; Sie wird den Balsam traͤufeln in die Wunde Und Dich mit sanfter Hand vom Schmerz befreyn. So komm! (fuͤr sich). Er ist’s! gerechter Brama! Fassung! (Sie ermannt sich und geht mit schnellen Schritten zu Benascar , der auf dem Sitze ruht, indeß sie vor ihm hinknieet und die Wunde verbindet). Wenn Ihr Verrath und List, Verworfne, sinnt, Und jetzt vielleicht mit heißem Gift mein Blut Zu Leben fressender Empoͤrung reizt, So wisset: eine Schaar umstellt die Huͤtte, Mir unterthan, die das Verbrechen raͤcht Und Euern Mord mit tausendfachem Tod Euch lohnen wird. Sucht den Verrath bey Euch! Verworfen nennt Ihr uns — erkennet jetzt, Ob wir es sind. (zu Maja , die von sichtbarer Angst bewegt wird). Was zitterst Du? — (hat den Verband vollendet und will sich entfernen). (ihre Hand ergreifend). Dein Balsam Kuͤhlt lindernd mir den Schmerz; doch fuͤhl’ ich mich Erschoͤpft, mich duͤrstet. — Ach! nur einen Trunk! (will gehen). Weh’ mir! Verworfner, bleib! der Trank, Den Du mir reichst, kann mir nicht Labsal seyn. Die Quelle ist verflucht, aus der Du schoͤpfst, Und die krystallene Erquickung truͤbt Zu schnoͤdem Gift sich in verworfner Hand. Dank sey’s dem Himmel! hier bewahr’ ich mir Noch eine Frucht, die ich im Walde pfluͤckte; Sie labe mich — (ihm die Frucht entreißend). Ungluͤcklicher, halt ein! Du bist des Todes! giftig ist die Frucht. Was hoͤr’ ich! welche Stimme! Ja, sie ist’s! Das ist die hohe, reizende Gestalt! Den Schleyer nieder, daß ich bebend schaue Den Blick der, wie der Sonn’ umwoͤlktes Licht Das Leben weckt im tiefen Schoos der Erde, Von Thraͤnen schwer, dieß Herz entflammend traf. Herab den Schleyer — Was ergreift Dich, Herr? Dieß ist mein Weib! Dein Weib, Verworfner? Fort! Den Schleyer nieder — Gadhi, schuͤtze mich! Er ist’s. Der Fremdling. Wehe! weh! er ist’s. Du bist’s, und wieder kennst Du mich, und birgst Voll Schauder dein Gesicht? Ich habe Dein In flammend heißer Sehnsucht stets gedacht, Und will Dich schauen, kostet es mein Leben. Hinweg, sag’ ich, Verwegener! dieß Weib Ist mein, und keiner soll es wagen Die freche Hand an dieses Haupt zu legen. Es gab den Schwaͤchsten Waffen die Natur, Und diese schwache Hand hier wird zur Keule, Die Dich zerschmettern soll, wenn Du dich nahst. Mir trotzest Du, Verworfner, feiger Sclave! So nimm den Tod — (er will den Dolch nach ihm schleudern). (sich zwischen Beyde werfend). Halt’ ein! mich schauen willst Du? (sich entschleyernd). So schaue, Wuͤth’rich, die unsel’gen Zuͤge; Und legte jetzt erbarmend die Natur Des Basilisken Mord-Kraft mir in’s Auge, Erwidern wollt’ ich Dir mit raschem Blick Die freche Gluth, die Dich durchflammt. Sie ist’s! Und Liebe fordert mit gewalt’gem Schlag Dieß tief bewegte Herz. Begehrst Du Liebe, Du — Du von mir, Wahnwitz’ger, so vernimm, Daß ich Dich hasse wie die Nacht der Suͤnde. Und wie ich hier mit bangen Armen fest Den Heißgeliebten an den Busen druͤcke, So bin ich sein auf ewig. Meine Liebe Folgt treu, nach Bramas heiligem Gebot, Wie durch das Leben ihm, bis in den Tod. Wie dieses Zornes Purpur, gleich dem Roth Des Morgens, das der Sonne Glanz erhoͤht, Mit unnenbarem Reize Dich verklaͤrt! Wie schoͤn bist Du! wie fuͤhl’ ich ganz zu Dir Mit schwellendem Gefuͤhl mich hingezogen! (Mit erwachendem Stolze). Doch war’s nicht Haß, was Du mir zugeschworen? Verschmaͤhst Du nicht des freyen Mannes Triebe? So siege denn Gewalt, wenn nicht die Liebe! Zu meiner Sclavin hab’ ich Dich erkoren! (In die Scene rufend): Herbey, Gefaͤhrten! Was beginnt er — (mit einem Blick gen Himmel). Brama! Jetzt waͤr’s zu donnern Zeit — und Du bist stumm! Siebenter Auftritt . Die Indianer. Die Vorigen . (zu den eintretenden Indianern, die sich beym Anblick des Paria nicht zu naͤhern wagen). Ergreift dieß Weib! Des Paria Weib?! Wer murrt hier? Zum Sclavendienst erkor ich sie. Hinweg! (zu Maja ). Umklammre Dich nur fester, fester noch. (zu den Indianern, indem er Maja aus ihres Gatten Armen reißt). Was zoͤgert Ihr! Beer’s Paria. 3 (vor ihm niederstuͤrzend). Barmherzigkeit! ich flehe; Ich lieg’ im Staub vor meines Gluͤckes Raͤuber. Ich habe Haß mit Liebe Dir vergolten, Und wie vergiltst Du meine Liebe mir? Eindringst Du in des Bettlers arme Huͤtte, Das letzte Kleinod ihm hinweg zu stehlen. Nichts nenn’ ich mein auf dieser weiten Welt, Als dieß geliebte Weib — — Du nennst nichts Dein! Du bist ein Paria. Ha! ist’s dieß allein, Was Dir zur Schandthat Muth gibt, so vernimm — (zu Gadhi ). Was willst Du thun? Dich retten und mich toͤdten. Vernehmt, sie ist aus meinem Stamme nicht. Frey laßt sie, Sclaven, werft Euch bebend nieder Und fleht im Staube, daß sie Euch vergebe: Denn eines Rajahs Tochter nennt sie sich. Was hoͤr’ ich! — Wahrheit — und die Wahrheit toͤdtet: Denn wie die Flamme der verschwiegnen Erde Den Mutterschooß zerberstend auf sich waͤlzt, So wird das Wort der lang verschloßnen Brust, Das jetzt verraͤthrisch von den Lippen flieht, Mich selbst verdammend, mir den Tod bereiten. Sprich! sprich! mich foltert grauenvolle Ahnung. Ihr seht dieß Weib — (von Ruͤhrung uͤberwaͤltigt). O komm an dieses Herz! Vergoͤnnt mir nur noch einmal sie zu druͤcken An diese Brust. O mein geliebter Freund! Mein Weib! — einst hatt’ ich Muth, Dich zu erretten; Dich zu verlieren, fuͤhl’ ich mich zu schwach. (gefaßter zu Benascar ). Verflucht ist mein Geschlecht. Wo sich das Leben In friedlicher Gemeinschaft froͤhlich eint, Wo Haus an Haus, wo Mensch an Mensch sich reiht, Wo sich der Tempel heil’ge Daͤcher woͤlben, Darf nimmer ein Verworfener sich nahn. Mir hat der Tag nur in der Waͤlder Nacht, Nur in der Hoͤhlen dunkelm Grund geleuchtet, Doch draͤngend zog mich’s zu des Lebens Freuden; Denn menschlich wie mein Antlitz ist mein Herz Und wenn des Tags verraͤtherischer Glanz Erlosch, die Nacht sich huͤllend niedersenkte, Dann schlich ich bebend in der Staͤdte Naͤhe Und weilte gern, wo auf dem Feld des Friedens Die Menschen schlummern sonder Lieb und Haß, Den Schlaf des Todes in dem dunkeln Bette. Einst — — Weh’ uns! Heil uns, ruf’ ich, Heil! Wir haben einen kurzen Tag gelebt, Doch war’s ein Tag an heißer Liebe reich. Einst ruht’ ich so; die Nacht war rein und mild, Und vor den Blicken weitgebreitet lag Das herrliche Benares, leicht verhuͤllt Vom Silberschleyer der gestirnten Nacht. Erstorben war das tosende Gewuͤhl, Und tiefe Stille herrschte rings umher. Selbst die geschwaͤtz’ge Luft entfuͤhrte leise Dem vollen Kelche reich durchwuͤrzte Duͤfte. Nur ferne her aus leuchtenden Pagoden Klang der Braminen naͤchtliches Gebet, Und friedlich an die bluͤhnden Ufer trieb Des Ganges edler Strom die Silberwellen, Treu in der vielbewegten Wogenbrust Das ew’ge Bild des bleichen Lichtes tragend. So trug auch ich ein ewiges Gefuͤhl In dem zerrißnen Herzen. Sehnsucht war’s Nach Liebe und Erbarmen. Diese Schoͤpfung, Die mich verwarf, war so unendlich schoͤn! Ich war ein Fremdling unter gleichen Wesen, Und doch vertilget, wie mit einem Hauch, War all mein Haß — mein ganzes Wesen Liebe. Ein Thraͤnenstrom drang aus dem heißen Aug’, Da blickt ich auf, und vor mir hingegossen In tiefem Schmerz, auf einem Grabe seh’ ich In namenloser Schoͤnheit — dieses Weib. Halt ein! Die Wunden bluten der gequaͤlten Brust. Entsetzliche Erinn’rung! Meine Mutter! Auf ihrem Grabe war’s, wo er mich sah. Verloren fruͤh hatt’ ich die Eltern beyde, Und war verbunden einem greisen Gatten, Dem Pflicht, nicht Liebe mich zu eigen gab. Krank lag er mir daheim. Ein graͤßlich Uebel Brach ihm die morschen Glieder, und der Tod Traf uns, nach furchtbarem Gesetz, vereint. Ich sah das Flammengrab, die frische Jugend Dahingegeben graͤßlicher Verwesung, Und in der stillen Nacht, mit heißen Thraͤnen, Verzweiflungsvoll, netzt’ ich der Mutter Grab. Da sah ich ihn. — Nur einen Augenblick Entsetzte mich die angeborne Scheu Vor der Verworfnen Stamm. Der Wahrheit Licht Traf sonnenhell den nachtumhuͤllten Blick. Bald, bald erkannt’ ich dieses schoͤne Herz. Und wie den innersten Gedanken schnell Das Wort zuruͤckgibt mit beredtem Fluͤgel, So leuchtete die Liebe wahr und hell Aus seines Auges demantreinem Spiegel. Allnaͤchtlich schmuͤckt’ er mir mit frischen Blumen Der Mutter theu’res Grab, und bebend wand ich, Bethaut vom Perlenschmucke meines Jammers, Die stillen Zeichen edler Lieb’ zum Kranz, Mein elend Haupt zu kroͤnen in der Stunde, Die mich zum Tode rief mit gluͤhndem Munde. Neun Naͤchte harrt’ ich — und die Stunde kam, Mein Gatte starb — Und Du, Ungluͤckliche, Du lebst? Entsetzlicher! klagst Du sie an, Daß sie des Daseyns allgewalt’gem Ruf, Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’schen Brust? Durchspaͤhe die Natur: welch ein Geschoͤpf Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung Der Selbsterhaltung angeborne Wehr? — Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild Des bluͤhenden Entsetzens. Dunkle Locken, Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand, Umschlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Brust, Und hoch auf wallte der empoͤrte Busen, Und schlug im Wettstreit mit den frechen Luͤften Zuruͤck des Hauptes fessellose Zier. Das gluͤh’nde Auge starrte kalt und todt In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten Die bleichen Lippen — da erblickt sie mich, Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerschrey Loͤst sich der starre Schmerz — „Mein Gatte starb!“ Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter, Ich sterbe mit ihm!“ (zu Benascar ). Zuͤcke deinen Dolch, Zeig mir den Tod in jeglicher Gestalt; Was ich empfand bey jenem Schreckenswort, Empfind’ ich nie mehr — nie. Kein Laut, kein Wort, Erschuͤtterte die grauenvolle Nacht; Mit stummen Thraͤnen netzten wir das Grab. Da schwand das Dunkel, — und mit gluͤhnden Sohlen Und Purpurwangen, wie ein festlich Kind Beschritt der Tag die Hoͤhn, mit heißen Lippen Hinweg die naͤcht’gen Thraͤnen alle kuͤssend Der lichtberaubten Erde. Wir allein Wir blickten weinend noch empor — da strahlte Mit blut’gem Schein, das heitre Licht entsetzend, Ein zweyter, ferner, dampfumhuͤllter Tag. Der Holzstoß flammte, er schlug empor, Und schien hochlodernd zu begehren Die koͤstliche Beute zu verzehren. — Schauerlich hallten die Todtengesaͤnge, Aber schon wogte in graͤßlichem Chor Fernher die Opfer suchende Menge Listige Priester mit heiligem Munde Luden segnend zum feurigen Bunde, Und die Weiber mit jubelndem Schreyn, Drangen sich in die entsetzlichen Reihn, Alle umschlungen die wallenden Locken Mit dem froͤhlichen Immergruͤn. Aber wir sehen sie naͤher ziehn, Und fuͤhlen das Blut uns wie Flammen gluͤhn, Und fuͤhlen’s wie Eis in den Adern stocken. Sie erbleichte und wankte und stoͤhnte: „Erbarmen!“ Da rief ich ihr zu: „Genuͤgt Dir ein Herz Voll unendlicher Lieb’ und ein Daseyn voll Schmerz, So trag’ ich Dich fort mit maͤnnlichen Armen.“ Sie blickte empor, sie sprach keinen Laut, Doch fuͤhlt’ ich’s lebendig, sie hatte vertraut, Fest umschlang ich den sinkenden Leib, Rettend entfuͤhrt’ ich die Flammengeweihte, Und mir gehoͤrte, mir die Befreyte, Sie ward mein — ward mein liebendes Weib. Sie ward dein Weib, und Bramas Rache schwieg! Wie durch des Himmels Plan die Wetterwolke, Durchzieht ein Unheil kuͤndendes Gefuͤhl Die ahnungsvolle Brust. — Verworfner, nenne Den Namen ihres Vaters mir — Halt ein! In dunkeln Kreisen waͤlzet nah und naͤher Sich die Erinn’rung lang vergangner Zeit. Die Ahnung ist ein draͤuendes Gespenst, Sie ist der Tod, wenn sie die Wahrheit ist. O schweig’, Geliebter! nenn’ den Namen nicht! (zu Gadhi ). Nenn’ ihn! soll ich nicht eitel Truggespinnst Die list’ge Rede halten. So vernimm: Die ich mein Weib mit stolzer Liebe nenne, Des Rajahs Tochter ist’s — Delhi-Benascar. (stoͤßt einen Schrey des Entsetzens aus). (wenden sich bestuͤrzt ab). (verhuͤllt sich). (zu Benascar ). So groß einst — jetzt so elend, und Du willst Sie tiefer stuͤrzen in unnennbar Leid? Dich ruͤhrt, ich seh’s, der Treue heil’ge Macht, Du bist geruͤhrt — Geruͤhrt? — es ist die Wuth Die auf den Lippen mir das Wort erstarrt. (zu Maja ). Verruchte, rede: lebt denn keiner Dir, Der Rechenschaft von deinem Handeln fordern Und deiner Vaͤter Ehre raͤchen darf? Was fragst Du? Die Eltern starben fruͤh; den einz’gen Bruder Entfuͤhrte mir in fruͤher Kindheit schon Ein ferner Krieg, ich sah ihn niemals wieder. Wenn Du ihn wiedersaͤhest, wenn er kaͤme Und fragte: „Weib! was hast Du mir gethan? Wo ist das Kleinod meiner Ehre? wo Der unbefleckte Name meiner Vaͤter? Mein Blut erstarrt. Laß seine rothen Wellen Den Frost des Todes uͤberfliegen. Rede, Gieb Antwort, wenn Du kannst, — ich bin dein Bruder. (stuͤrzt zu Boden). (nach einer Pause zu Benascar ). Herr, ich bin schuldig, toͤdte mich! Das will ich. Doch rasch, eh’ sie erwacht! Der Rath ist gut, Er sey dein letztes Wort! (Indem er mit gezuͤcktem Dolche auf Gadhi eindringen will, er- wacht Maja ). (abwesend, starr auf Benascar blickend). Wo bin ich? weh! Die Graͤber geben ihren Raub zuruͤck, Mit bleichem Antlitz, zuͤrnend naht mein Vater, Das ist sein Geist! (mit zuruͤckkehrendem Bewußtseyn). Mein Bruder — ja — mein Bruder! O wie so suͤß der ungewohnte Klang Des theuern Namens mir zum Herzen dringt! Mein Bruder, Du wirst menschlich seyn — (den Dolch in seiner Hand erblickend). Weh’ mir! Dein Herz ist Eisen, deine Blicke Mord, Und dein Umfangen Tod. (zu Benascar ). Was zoͤgerst Du? Ich bin bereit zu sterben. Ich zu toͤdten. Empfange deinen Lohn! (sich zwischen Beyde werfend). Entsetzlicher! Halt’ ein! was willst Du thun? Die Gottheit raͤchen, Die Du geschaͤndet hast, wie meine Ehre. Entweiht’ ich diesen Gott durch Lieb’ und will Er Blut dafuͤr, so sag’ Dich los von ihm Und stell’ Dir in dein goldnes Heiligthum Ein friedlich Lamm, es knieend anzubeten. Es ist mehr Goͤttliches in ihm, als in Dem Racheduͤrstenden, den Du verehrst. Weh! Fluch Dir! Ja, auf mich die Fluͤche! Auf mich die Rache! mein ist das Verbrechen! Und freveln werd’ ich, ist die Liebe Suͤnde, So lang’ ein Hauch des Lebens mich beseelt! Denn dieses Herz ist ein unsterblich Buch, Deß voller Inhalt Liebe ist fuͤr ihn, Fuͤr ihn, fuͤr den Verworfnen. Hoͤrst Du’s, Bruder? Triff rasch und raͤche deine Schmach. (zu Benascar ). Sie ras’t. O hoͤre sie nicht an! Mein ist der Frevel. Beredet hab’ ich sie und uͤberlistet, Verfuͤhrt zum Bruch des heiligen Gesetzes, Gekettet an mich mit den Zauberbanden Verwegner Lieb’, und deiner Rache Donner. Entlade sich auf dieses Haupt. Sey gnaͤdig Und toͤdte rasch! (Er wirft sich vor ihm nieder). (sich ebenfalls vor Benascar hinwerfend). Du wirst barmherzig seyn Und nicht die einz’ge Gunst der Schwester weigern. Der Rasende mit thatensuͤcht’ger Wuth Stuͤrzt sich in diesen Tod: ich aber lebe, Ein traurig Angedenken deiner Schmach. Du bist entehrt, wenn nicht im stummen Grabe Mit meinem Daseyn meine Schande schlaͤft Drum end’ es, — waͤhle — — (einfallend). Waͤhle mich zum Opfer. Ich bin’s, nur ich bin schuldig. Beyde seyd Ihr’s. (zu Maja ). Draͤngst Du dich zu dem Tod der Schande? Lebe, Ein stilles Leben reuevoller Buße, Und dank’ es meiner unnennbaren Liebe, Dem maͤchtig ungeheueren Gefuͤhl, Das auf fuͤr Dich in diesem Busen flammte, Seit ich zum ersten Mal Dich sah. (zu Gadhi ). Du stirbst! Und wie sich hier vor den Gefaͤhrten frey Die Schmach enthuͤllt, die mein Geschlecht getroffen, So will ich auch, daß sichtbar jedem Auge Das Schreckensbeyspiel meiner Rache sey. (zu seinen Gefaͤhrten). Nicht mich allein, Gott selbst hat er geschaͤndet, Und wenn er faͤllt, und wenn er blutig endet, Sey’s am Altare durch des Priesters Beil. (sinken einander in die Arme und halten sich fest umschlungen). (zu den Indianern). Der Morgen graut. Ihr eilt hinweg und sucht Den Diener Brama’s in dem nahen Tempel. Bescheidet ihn hierher; aus meiner Hand Empfang’ er dieses Opfer. (gehen ab). (fuͤr sich). Fassung, Herz! Er ist gekaͤmpft, der schwere Kampf der Pflicht. Achter Auftritt . Gadhi. Maja. Benascar . (zu Maja ). Ungluͤckliche. Kein Wort des Trostes, Bruder! Geschehen muß, ich fuͤhl’ es, was geschieht. Nur eine Bitte hab’ ich. Ich bin Mutter. O woran mahnst Du mich! mein Kind! mein Sohn! Sein Sohn — doch auch der meine. Rett’ ihn mir. Du wirst ihm Vater werden, wirst ihn lehren Erkennen deinen Gott und sein Erbarmen Beer’s Paria. 4 Mein Gatte sterbe, nur den Knaben nicht Gieb Preis dem opferlechzenden Braminen. Was willst Du ihm ein traurig Leben fristen? Laß den Verwaisten sterben. Nein, er lebe! Ich soll ja leben; goͤnne mir den Trost. (zu Benascar ). Dort schlaͤft das Kind den sorgenlosen Schlummer. Und ahnet nicht, daß um die bluͤhnde Stirne Der Todesengel schon den Fittig schlaͤgt. O sey barmherzig, Bruder, rett’ ihn mir; Durch treue Diener send’ ihn rasch hinweg, Eh’ der Bramine naht. Welch ein Gefuͤhl Hat in der starken Brust mein Herz gewandelt! — Die Stimme der Natur, der Menschlichkeit Spricht laut zu Dir; vernimm den heil’gen Ruf Und rette mir den Sohn. (in die Kammer eilend). Ich will ihn retten. Neunter Auftritt . Vorige , ohne Benascar . Was thatest Du! (die sich mit der Freude eines gelungenen Entwurfes aus ihres Gatten Arm gerissen). Was mir der Himmel eingab. (Die brennende Fackel vom Baumstamme reißend). Die Fackel schleudern will ich in die Kammer, Und Vater, Mutter, Kind und Feind verderben. (ihr die Fackel entreißend). Weh’ Dir! das ist des Ungluͤcks hoͤchster Jammer, Daß es zur Rettung das Verbrechen ruft. (die Fackel umstuͤrzend). Stirb, Flamme! wie ich lebte, will ich sterben. Versoͤhnt und rein geh’ ich hinab zur Gruft. Großherziger! Gewalt’ger! (Die giftige Frucht am Boden erblickend; fuͤr sich): Dank dir, Himmel! So bleibt ein andres Mittel, wir sind frey. (Sie verbirgt die Frucht, ohne daß es Gadhi bemerkt). Zehnter Auftritt . Vorige. Das Kind. Benascar . (von Innen). Wer loͤscht das Licht? Der Tag ist angebrochen, Die Nacht ist aus, was braucht’s der Leuchte mehr? (vor Benascar fliehend). O! Vater! Mutter! Gott! mein Kind! Mein Sohn! Schnell! Schnell! Verzug ist Tod, nur Eile rettet. (den Knaben fest umklammernd). Weh’ mir! Ich will nicht mit dem fremden Manne. Folg’ ihm: Er fuͤhrt Dich in das helle, gruͤne Thal Des Lebens ein. Wie hold es ist und schoͤn, Weiß der allein, der es verlassen soll. (hat sich indessen entfernt und kehrt nun zuruͤck). (ihn erblickend). Er kommt! er kommt! er will ihn mir entreißen. Der Tag bricht an, und Bramas Diener naht: Gebt mir den Knaben. (niedersinkend und das Kind an sich pressend). Meine Kraft verlaͤßt mich. (ihr den Knaben entreißend). So toͤdtest Du dein Kind. Mein Kind! ( Benascar mit dem Knaben ab). Eilfter Auftritt . Gadhi. Maja . (ausspringend). Jetzt Muth! Was hast Du vor? (ihm die Frucht zeigend). Sieh, Gadhi, diese Frucht: Entrissen hab’ ich sie dem Wuͤtherich, Den die Natur zum Bruder mir gegeben. Mitleidig goͤnnt’ ich ihm ein feindlich Leben. Ich saͤ’te Liebe, und ich aͤrnte Tod. Versteh’ ich Dich — Du waͤhntest doch wohl nicht, Ich koͤnnte leben ohne Dich? mein Freund, Das — sage nein — das hast Du nie geglaubt. In dieser kleinen Frucht ist fuͤr uns Beyde Des Todes gnug. Ich theile sie mit Dir. Weib! heldenmuͤth’ges Weib! Und ich — ich murrte. Wem neid’ ich jetzt das schoͤnste Daseyn noch, Wenn solch ein Tod der Wonne mir beschieden! (hat den Saft der Frucht in einen Becher gedruͤckt; ihn emporhebend). Willkommen, Tod der Wonne! nur die Schuld Erbleicht, wenn sich die dunkle Stunde naht. Mit hellem Blick und muthvoll stirbt die Treue Auf Wiedersehn, mein Freund! (Sie trinkt). O Gott! (ihm den Becher reichend). Und dieß fuͤr Dich. (leert den Becher). Dank! (Sie sinken einander in die Arme). Zwoͤlfter Auftritt . Vorige. Benascar . Geborgen ist der Knab’ — So fliege muthig Aus deiner dunkeln Haft, gebeugte Seele, Du wandelst Dich zu glaͤnzender Gestalt, Und schwebst mit schuͤtzend hellen Fluͤgeln dann Um des geliebten Kindes Haupt. Jetzt — trennt Euch! Der Priester naht, und Eurer Huͤtte Wand Stuͤrzt nieder unter schnell geschaͤft’ger Art; Daß nicht beflecke auf verworfner Schwelle Den reinen Fuß der Diener des Gewalt’gen Der neunmal deinem Stamm und Dir geflucht. Dein Gott des Fluches ist ein Gott des Abscheus. Ich glaub’ an seine Lieb’; von seinem Haß Spricht Bloͤdsinn, Habgier oder Frevel nur. Wer sich’s von seinen Priestern uͤberliefern, Von ihren Ammenmaͤhrchen lehren laͤßt, Was Glaube sey und Gott, der schmaͤht sich selbst. Er ist unlaͤugbar, wie sein himmlisch Licht; Des eignen Busens flammende Erkenntniß. Macht seine Welt zum Spiegel seines Wesens. Und hast Du ihn erkannt, — mußt Du ihn — glauben; Nothwendiger ist Daseyn nicht und Tod. Ich war verworfen, und mit reinem Herzen Blick’ ich zuruͤck auf meines Lebens Bahn. Gefunden hab’ ich, was des Bettlers Huͤtte Zum Paradiese stiller Lust geschaffen; In treuer Brust fuͤr mich ein gluͤhend Herz … (droht zu sinken). Weh’ mir! Die Gluth wird kalt. Wie bleich Du wirst! (zu Benascar ). Was starrst Du so? es war dein eigner Wille. Du waͤhnst, ich liebte, und ich koͤnnte nicht Fuͤr meine Liebe sterben — — Welche Ahnung! Die Frucht — die gift’ge — Die Du mir entrissen? Sie giebt uns Beyden jetzt den Tod. (zu Gadhi ). Ha, Ungeheuer! das hast Du gethan! Ich selbst — ich selbst — oh, wie das schmerzt — wie’s brennt! (Schleyer und Stirnband abreißend). Hinab den ird’schen Tand — ah! Freyheit! Luft! Das Leben ist ein Feuermeer und sprengt Gewaltsam mir die Adern, um hinaus, Hinauszustroͤmen in die ew’gen Luͤfte. Mir wird die Welt zu eng. (in die Huͤtte stuͤrzend). Nieder mit des Paria Huͤtte! Nieder mit dem Paria selbst! Heil Brama! Heil! (Die Huͤtte wird niedergerissen. Man erblickt ein reizendes Thal. Morgenroͤthe. Aus dem Hintergrunde naht langsam, unter rau- schender Musik der Zug mit dem Braminen ). Mein theurer Freund, Du schauderst! — O geliebte Sonne, komm, Laß Deiner goldnen Wangen Purpurglanz Erroͤthen mir das bleiche Angesicht; Daß ihn der Tod, den er erleiden soll, In dieser Ungestalt nicht schrecke. Gott! Es war ein kurzer Kampf — es ist vorbey! Kein Schmerz — Entzuͤcken — Freyheit — Licht — Mein Gadhi — folge mir — — (Sie stirbt). Ich folge bald — ich fuͤhle schon — den Tod. — — So recht — laßt unter diesem Dach das Leben Sich schmerzenfreyer loͤsen; diese Luft Und dieses Licht ist allen gleiche Wohlthat. Ueberall Nur Liebe, Lieb’ — und Ihr seyd nichts als Haß. So dunkel — Nacht — dort! dort! das Licht, Und alle — alle — gleich — mein Kind — (an Maja’s Leiche, von seinem Gefuͤhl uͤberwaͤltigt, ihm die Hand reichend). Ich schuͤtz’ es Dir. (heftet den Blick starr auf ihn und stirbt). Letzter Auftritt . Vorige . Der Zug mit dem Braminen , der auf einem Palankin getragen wird, ist in den Vorgrund gekommen. Wo ist das Opfer? Zwey fuͤr eins, Bramin’: Frag’ Deinen Brama, ob sie ihm gefallen! Druck der J. G. Cotta ’schen Buchdruckerey.