Die Jobsiade . Ein komisches Heldengedicht in drei Theilen von D. C. A. K. Dritter Theil . Dortmund in der Buchhandlung der Gebruͤder Mallinckrodt. 1799. Sie tranken des Mondes Silberschein Und das Flimmern der lieben Sternelein Kap. XI. V. 26. Leben, Meinungen und Thaten von Hieronimus Jobs , Exkandidaten , Exnachtwaͤchter, Ohnwitzer Expfarrherr Und endlich zu Schoͤnhain gar Herr Dritter Theil . Abermals mit viel schoͤnen Gebilden: Nachtstuͤcken, Portraͤten, Monumenten und Schilden; Verfertigt von des Autors eigner Hand Nach Poussin, Raphael, Rubens und Rembrand \> Kontrakt fuͤr etwaige Nachdrucker der Jobsiade. D enjenigen, welche diese Schrift durch Nach- druck vervielfaͤltigen wollen, erlauben wir dieses gegen gleich baare Verguͤtung von 2000 Rthlr in Louisd’or à 5 Rthlr. fuͤr jeden Theil, und gegen Erstattung aller gerichtlichen und ausser- gerichtlichen Kosten nebst Uebernahme aller bei uns noch vorraͤthigen Originalexemplarien im Ladenpreise, doch darf die Auflage des Nach- drucks nicht uͤber 2000 Exemplarien stark seyn. Wer uns einen geheimen Nachdrucker namhaft macht, und ihn der That gerichtlich uͤberfuͤhren kann, hat von uns eine Praͤmie von vierzig Louisd’or zu erwarten. Auf Auf alle Faͤlle nehmen wir an, daß ein jeder, welcher dieses Buch nachdruckt, ohne sich mit uns vorher auf obige Art abgefunden zu haben, in die gemachten Bedingungen eingewil- ligt, und uns dafuͤr gerecht zu werden, sich ver- bindlich gemacht habe. Dortmund, den 1sten Maͤrz 1799. Gebruͤder Mallinckrodt . Inhalt . Erstes Kapitel . Wie der Autor noch einmal den Gaul Pegafus zaͤumet und ihn nach der Hippokrene reitet, welche ist eine Poetenschwemme in der Land- schaft Boetia. Nebst mancherlei Praͤlimina- rien zum dritten Theile der Jobsiade. Zweites Kapitel . Darin wird ausfuͤhrlich gehandelt von dem bra- ven Betragen des Herrn Jobs in seinem Pfarramte. Drittes Kapitel . Fortsetzung des vorigen. Viertes Kapitel . Wohlstand in Ohnewitz. Fuͤnftes Kapitel . Dieses Kapitel handelt von des Herrn Pfarrers Jobs haͤuslichem Leben. Sech- Sechstes Kapitel . Wie Herr Jobs auch sein Hauskreuz hatte, ob er gleich keine Frau hatte; und von seiner Schwester Krankheit. Siebentes Kapitel . Wie auch der junge Herr von Ohnewiz krank ward, und wie ihm keine medicinische Fakul- taͤt helfen konnte, wie dieses wohl oft in Krankheiten der Fall seyn thut. Achtes Kapitel . Wie man den jungen Herren, um ihn zu kuri- ren, mit der Fraͤulein Judith verheirathen will, und wie er diese Medicin nicht nehmen will. Neuntes Kapitel . Wie eine Liebschaft sich angesponnen hat zwi- schen dem jungen Herrn und der Jungfer Esther. Zehntes Kapitel . Wie die Liebschaft weiter gehen und zu einer foͤrmlichen Liebeserklaͤrung kommen thut. Eilftes Kapitel . Wie aus obgedachter Liebschaft endelich gar ein Siegwartsfieber entsteht. Zwoͤlf- Zwoͤlftes Kapitel . Wie die Buhlschaft ganz inkognito getrieben ward, ohne daß wenigstens der Herr Pfarrer Jobs etwas davon merken kunnt. Dreizehntes Kapitel . Wie Herr Jobs die Liebenden in der Laube atrapiren that, zur Nacht und Unzeit. Vierzehntes Kapitel . Wie Herr Hieronimus mit seiner Schwester ein Kapitel haͤlt, ohne jedoch so niedertraͤchtig zu schimpfen, wie mancher anderer in seiner Stel- le wuͤrde gethan haben und hier anfangs zu lesen ist. Funfzehntes Kapitel . Wie Herr Jobs den jungen Herrn gleichfalls coram nimmt; item wie er Loͤschanstalten des Liebesbrandes macht, nach den Regeln einer guten Policei. Sechszehntes Kapitel . Wie die alte Herrschaft zu Ohnwiz ihre silberne Hochzeit feiert mit allen Solennitaͤten. Siebenzehntes Kapitel . Wie der junge Herr das Eisen schmieden will, weil es noch warm ist, und wie es ihm damit nicht ganz nach Wunsch erging. Acht- Achtzehntes Kapitel . Enthaͤlt allerlei Anstalten pro und contra. Neunzehntes Kapitel . Dieses Kapitel enthaͤlt manche schoͤne Betrach- tung uͤber Liebesbriefe in Genere. Zwanzigstes Kapitel . Anweisung zum neuesten verliebten Briefstile, in feinen Exempeln, nach Siegwart und Wer- ther; oder von der Liebeskorrespondenz des jun- gen Barons und der Mamsel Esther in Specie. Ein und zwanzigstes Kapitel . Ade! der junge Herr reiset ab. Zwei und zwanzigstes Kapitel . Hier wird kuͤrzlich erzaͤhlet, was sich auf der Rei- se, mit dem jungen Herrn haͤtte zutragen koͤn- nen. Drei und zwanzigstes Kapitel . Wie die Korrespondenz der beiden Liebenden an Tag kommt, und wie Juͤrgen nach Rudels- burg verschickt wurde. Vier und zwanzigstes Kapitel . Wie die Revolution der Neufranken einen Ein- fluß hat auf das Schicksal des Herrn Jobs und und der adlichen Herrschaft zu Ohnwiz, und wie sie emigriren muͤssen. Fuͤnf und zwanzigstes Kapitel . Wie Herr Jobs aͤrmlich herumwandert, und wie er endlich im Dorfe Schoͤnhain ankommt. Sechs und zwanzigstes Kapitel . Wie Herr Jobs eine alte bekannte Freundinn an- trift. Eine wunderbare Geschichte. Sieben und zwanzigstes Kapitel . Worin unter andern die im ersten Theile gestor- bene Amalia ihren fernern Lebenslauf erzaͤhlet. Acht und zwanzigstes Kapitel . Wie die Frau van der Tangen dem Herrn Jobs all ihr Vermoͤgen schenket, und wie sie stirbt, und wie Herr Jobs ihr ein Monument errich- tet, und wie dieses Kapitel sehr traurig zu lesen ist. Neun und zwanzigstes Kapitel . Wie Herr Jobs nun ein reicher Mann war, und wie er sich nach dem Tode der Frau van der Tangen beging. Dreißigstes Kapitel . Ein Brief von Mammesel Esther an Herrn Herrn Jobs, worin viele neue Maͤhre enthalten ist von von dem alten Herrn von Ohnwiz, wie auch von dessen Herrn Sohne; und so weiter. Ein und dreißigstes Kapitel . Wie Herr Jobs und die herrschaftliche von Ohn- wizische Familia sich des Wiedersehens ge- freuet han, und wie Herr Jobs seinen lieben Gaͤsten alles zum besten giebt als waͤre es ihr proͤperliches Eigenthum, und wie man da alle Kriegesplage vergessen hat, und auf einen freundschaftlichen Fuß gelebt hat, und daß es Ueberfluß sey, die Freude des Hieronimus be- sonders zu beschreiben. Zwei und dreißigstes Kapitel . Fortsetzung des funfzehnten Kapitels, und wie Umstaͤnde die Sachen veraͤndern und wie die Liebe des jungen Barons und seiner Stehre ei- nen guten Fortgang zu gewinnen scheinet. Drei und dreißigstes Kapitel . Nachricht von der Jobsischen adlichen Familie, welche anfangs von Schoͤps hieß. Vier und dreißigstes Kapitel . Genealogie der Frau Senatorin Jobs nach auf- steigender Linie. Fuͤnf Fuͤnf und dreißigstes Kapitel . Wie nunmehr nach wohlerwogenen Umstaͤnden der Konsens zu der Vermaͤhlung des jungen Herrn Barons mit seiner Stehra erfolgt ist. Sechs und dreißigstes Kapitel . Die Vermaͤhlung des jungen Barons und der Esther gehet wirklich hier vor sich, wie im Kupfer artig zu sehen ist. Sieben und dreißigstes Kapitel . Wie sich die junge gnaͤdige Frau von Ohnwitz beging, und wie sie nach neun Monaten eines Soͤhnleins genaß. Acht und dreißigstes Kapitel . Wie Herr Jobs seine Schildburger Verwandten reichlich bedenket, und Schwester Gertrud den Schoͤsser heirathet. Neun und dreißigstes Kapitel . Wie man allerseits wegeilet; die adliche Gesell- schaft nach Ohnwitz und der Autor nach dem Ende des Buͤchleins. Sehr traurig zu lesen. Vier- Vierzigstes Kapitel . Wie Herr Hieronimus zum zweitenmal von Freund Hein einen Besuch bekam, welcher fuͤr diesmal laͤnger dauert als der erste. Erstes Kapitel . Wie der Autor noch einmal den Gaul Pegasus zaͤumet und ihn nach der Hippokrene reitet, welche ist eine Poetenschwemme in der Landschaft Boetia. Nebst man- cherlei Praͤliminarien zum dritten Theile der Jobsiade. 1. N och einmal will ich den Gaul Pegasus zaͤumen Und um’nen dritten Theil zusammen zureimen, Reiten in die Traͤnke Hippokrene hinein, Und damit soll es dann Punktum seyn. A 2. Weil 2. Weil seit dem zweiten Theil von Hieronimi Leben Sich manche Veraͤnderung mit ihm hat be- geben; Denn in der Welt uͤberhaupt wechselts sich, Besonders in unsern Tagen, gar wunderlich. 3. An meinem guten Willen soll es nicht fehlen, Alles ausfuͤhrlich und anmuthig zu erzaͤhlen, Und mit diesem dritten Theile steht Also die Jobsiade komplet. 4. Auch viel huͤbsche in Holz geschnittene Bilder, Monumente, Portraͤte, Wapenschilder, Imgleichen ein gar niedliches Nachtstuͤk, Siehet man hier aus neuer Fabrik. 5. Mit dem zweiten Theil bin ich, wie ich ver- nommen, Bei den Lesern ziemlich gut weggekommen, Und das machte natuͤrlicher Weise dann, Daß ich gleich den dritten zu fabriziren be- gann. 6. Zwar konnte freilich mein Buͤchlein allen Und jeden nicht eben gleich gut gefallen; Allein, daß nicht allen alles gefaͤllt, Ist ja, wie bekannt, so der Lauf der Welt. 7. Ich wollt auch nicht fuͤr alle und jede schreiben; Wers nicht lesen will, kanns ja lassen bleiben, Mancher ist doch der die Finger darnach lekt, Was einem andern so delikat nicht schmeckt. 8. Es 8. Es kommt leider! auf unserm Erdenrunde Manche truͤbe und verdruͤsliche Stunde, Theils durch eigne, theils durch fremde Schuld; Davon entstehen im Herzen Ungeduld, 9. Finsterniß in der Seele, Grillen im Hirne, Runzeln auf den Wangen, Furchen auf der Stirne, Im Systeme der Vena Porta Symptomata Hypochondriaca, 10. Gallenkrankheiten und allerlei Malhoͤren Welche nach und nach die Kraͤfte zerstoͤren, Und endlich heißts: Ade Partie! Er ist gestorben und nicht mehr hie! 11. Da wolt ich nun gern ein Scherflein bei- tragen, Um einige dergleichen truͤbe Stunden zu ver jagen; Warlich! dieses und etwas anders nicht, War bei der Jobsiade meine Absicht. 12. Ich selbst habe, indem ich sie geschrieben, Mir manche Grillen aus dem Kopfe vertrieben, Und wenn ich war bei dieser Reimerei, Ging mir oft das Hypochonder vorbei, 13. Ist mein Zweck erreicht, so wirds mich er- freuen, Und mein Buͤchlein soll mich nicht gereuen, A 2 Po- Posito, es enthielt solches auch nur Eine blosse Palliativkur. 14. Nebenbei suchte ich nuͤzliche Kleinigkeiten, Wo es geschehen konnte, hier und da zu ver- breiten, Und wo ich Dummheit und Bosheit fand, Gab ich wohl ’nen Hieb en passant. 15. S’ kann seyn, daß ein oder andrer griesgram- met, Und mich wegen dieser Hiebe hart verdammet, Und denket: Ich glaube sicherlich, Der haͤmische Autor meinet mich; 16. Ich fuͤr mein Theil aber kanns vertragen, Daß er dieses moͤge gedencken oder sagen; Denn ich versicher’s ihm ins Gesicht: Ich meine nur seine Handlungen, ihn nicht. 17. Ich lasse es uͤbrigens auch gern geschehen Daß Recensentenwetter uͤber mich ergehen, Denn der Autor’n Haut ist bekanntlich dick Und fragt heuer nicht viel nach Kritik. 18. Aber dem unbedeutenden Geklaͤffer Kleiner Geister und elender Kaͤffer Gehe ich mitleidig und laͤchelnd vorbei, Und achte nicht auf das leere Geschrei. 19. Alles, woruͤber man etwa kritisiret, Hab ich mir schon selbst zu Gemuͤthe gefuͤhret, Denn Denn ich fuͤhl es unerinnert gar wohl, Das Ding ist nicht, ganz wie es seyn soll. 20. Ich will auch forthin mit Knuͤttelversschreiben Die Zeit nicht mehr mir und andern vertreiben, Und nehme hiemit foͤrmlich von Den geneigten Lesern Dimission. Zweites Kapitel. Darin wird ausfuͤhrlich gehandelt von dem bra- ven Betragen des Herrn Jobs in seinem Pfarramte. 1. W elch schoͤnes Exempel in Lehr und Leben Herr Pfarrer Jobs den Ohnwitzern gegeben, Das haben wir, obgleich kurz und in Eil Schon gesehn Kapitel 32, im zweiten Theil. 2. Es glich ihm im ganzen Schwabenlande Kein Amtsbruder an Froͤmmigkeit und Ver- stande, Und keiner streuete so wie Er Den Saamen des Guten um sich rund her. 3. An 5. An seinen vortreflichen Kanzelgaben Konnten nicht bloß die Ohnwitzer sich laben, Sondern auch aus der Ferne durch Dick und Duͤnn Gieng man Sonntags, um ihn zu hoͤren, hin. 4. Denn seine Reden waren kraͤftig und ruͤhrend, Seine Spruchbeweise aͤcht und uͤberfuͤhrend, Und Ausfuͤhrung und Applikation Alles im populaͤren Ton. 5. Seine Antecessores im Pfarramte Hatten geschriebene Predigten fuͤr gesammte Sonntaͤge im ganzen Jahr, Auch fuͤr jedes hohe Fest ein Paar. 6. Da brauchten sie also sich nicht zu scheniren, Um auf neue Predigten zu studiren, Sondern sie hielten jene Jahr aus Jahr ein, Von Neujahr bis zu den unschuldigen Kin- derlein. 7. Auch fuͤr ausserordentliche Begebnissen, Kopulationen, Taufen und Begraͤbnissen, Hatten sie in ihrem Pulte fruͤh und spat Einige huͤbsche Reden im Vorrath. 8. Diese wusten sie dann nach Standesgebuͤhren, Nach Proportion der Zahlung zu extendiren; Denn wo es nur wenig Gebuͤhren gab, War die Rede meist etwas schaal und knapp. 9. Ei- 9. Einige trieben ihre Kunstgriffe noch weiter, Und nahmen so gar, als ruͤstige Reiter, Aus der Postille sich dann und wann Sonntags eine Predigt zum Vorspann. 10. Herr Pfarrer Jobs hatte aber gar nicht noͤthig Seine Predigten zu haben vorraͤthig, Denn sein geistliches Rednertalent War, wie wir schon wissen, excellent. 11. Er brauchte nur einmal am Ermel zu ruͤtteln, So konnte er gleich ’n halb Duzend heraus schuͤtteln; Das heißt: Ihre Verfertigung that gar nicht weh, Er konnte sie machen ex tempore. 12. Ohne sich an gewoͤhnliche Texte zu binden, Pflegte er immer solche zu waͤhlen und zu finden, Welche die Gelegenheit oder sonst’ges Be- duͤrfnis Ihm als nuͤzlich fuͤr die Leute anwies. 13. Seine Bibliothek war schoͤn und auser- lesen, Groͤsser als je bei einem Dorfpfarrer gewesen Jedoch unter allen seinen Buͤchern traf man Keine einzige Postille an. 14. We- 14. Wenigstens in seinen oͤffentlichen Reden und Lehren Ließ er nie etwas heterodoxes hoͤren, Und er wiche keinen Fingerbreit von Der augsburgischen Konfession. 15. Er vergab sich nicht die allerkleinsten Par- tickeln Von den einmal beschwornen schmalkaldschen Artickeln, Und daran handelte er kluͤglich gewiß, Denn er vermied dadurch manches Aerger- niß. 16. Zwar war er Punkto der symbolischen Buͤcher Hier und da nicht so ganz feste und sicher, Doch hielt er sich bei solchem Dubium Gegen andere gewoͤhnlich dumm. 17. Wenn ein Schaf seiner Heerde abwaͤrts wiche, Oder auf verbot’nen Wegen herumschliche, So war er immer auf seiner Hut, Und lokte es wieder mit Pfiffen der Sanft- muth. 18. Er betrachtete im Strafen keine Personen, Achtete nicht auf Stand, Wuͤrden und Kon- nexionen, Sondern schor jedes Ohnwitzer Schaaf und Lamm Unparteiisch uͤber einen Kamm. 19. Ob- 19. Obgleich diejenigen, welche Bockstreiche mach- ten, Ihm ansehnliche Kuͤchengeschencke brachten, Nahm er sie drum nichts desto weniger Privatim unter vier Augen her. 20. Der Herr Amtmann so wie der Kuͤchenschrei- ber, Der erste Schulze so wie der Kuͤhtreiber, Galten ihm alle, in so weit, eins, Denn er schonte wo’s noͤthig war, keins. 21. Selbst der gnaͤdigen Frau und dem gnaͤdigen Herren Gab er scharfe Vermahnungen und derbe Leh- ren, Wenn er etwa an ihrem Seelenzustand Eine Kleinigkeit auszuflicken fand. 22. Doch pflegte er niemals oͤffentlich zu schmaͤh- len, Und jeden Unfug des Sonntags zu erzaͤhlen, Schlug auch nie im geistlichen Eifer und Wuth Seine Hand und das Kanzelbaͤnkchen kaput. 23. So gewann er vollkommene Liebe und Ver- trauen Im Dorfe bei allen Mannen und Frauen, Und sein gutes Geruͤchte erschall Im ganzen Lande rund uͤberall. 2.4 Die 24. Die Ohnwitzer alle, Grobe und Feine, Alte und Junge, Grosse und Kleine, Waͤren allenfalls gerne kuͤhn Aus Liebe durchs Feuer gelauffen fuͤr ihn. 25. Die Bauern machten gemeinlich schon von ferren Einen Krazfuß fuͤr den lieben geistlichen Herren, Und jede Baͤu’rin war schnell und fix Wenn sie ihn sahe, mit ihrem Knix. 26. Ja so gar die kleinen Maͤdchen und Knaben Wenn Herr Jobs ihnen begegnete, gaben Ihm mit allem moͤglichen Anstand Verehrungsvoll und freundlich die Kußhand. 27. Ehmals waren, leider! die Ohnwitzer Kinder Erzogen, schlimmer wie Boͤcke und Rinder; Aber seit Pfarrers Hieronimi Zeit Lernten sie Zucht und Ehrbarkeit. 28. Denn Er machte es zur Pflicht bei ihren Alten, Sie fleissig zu Schulen und Sitten anzuhalten, Und ließ es seiner seits auch ermangeln nicht An ’nem guten christlichen Unterricht. 29. Er gab oͤfters in der Schule Visiten Um bei dem Dorfschulmeister zu verhuͤten, Daß seine kuͤnftige Paͤdagogei Nicht so pedantisch wie vormals sey. 30. Denn 30. D enn ehmals gabs von der Ruthe und dem Bakel Aufm Hintern und Ruͤcken manchen blauen Makel, Oft wurden gar Rippen und Atme krumm, Und die Kinder vom Lernen vollends dumm. 31. Diesen Uebeln in der Schule auszuweichen, Pflegten sie vormals gerne vorbei zu schleichen, Und sie sahn das in die Schule Gahn Als ihr groͤßtes Kreuz und Ungluͤck an. 32. Aber jezt wurden die Pruͤgel abgeschaffet Und die fehlenden Kinder mir Worten be strafet, Drum Drum giengen sie nunmehro sittig und fein Gern in die Schule, um zu lernen, hinein. 33. Da thaten sie also maͤchtig profitiren Im Schreiben, Lesen und Buchstabiren, So daß ein unmuͤndiges Kind von acht Jahr Jezt gelehrter wie der alte Dorfschulz war. 34. Auch die vorigen Ohnwitzer Herrn Pastores Bekuͤmmerten sich nicht viel, wie es um die Mores Ihrer anvertrauten Heerde stand, Wenn sich sonst nur alles in statuquo befand. 35. Drum war im Dorf Haß, Streit, Fressen, Sauffen, Buͤberei, Unzucht, Balgen und Rauffen, Dieberei, Prellerei, Neid und Betrug Sehr gemein und schier taͤglich genug. 36. Fast alle Sonntage war in der Schencke Schlaͤgerei, Schimpfen, Laͤrm und Gezaͤncke, Und immer in jeder folgenden Woch Musten ein Paar zur Strafe ins Hundeloch. 37. Auch gabs dabei viele ansehnliche Bruͤchten In die Kanzleikasse gewoͤhnlich zu entrichten, Und in so weit sahn die Justizherrn Dergleichen Unfug eben nicht ungern; 38. Aber seitdem Herr Jobs die Pfarre bekommen, Hat man wenig oder wohl gar nicht vernommen, Daß Daß es Bruͤchten gab oder einer ins Hun- deloch Wegen veruͤbeter Excesse kroch. 39. Denn seine vortrefliche Kanzellehren Musten fast jeden Suͤnder bessern und bekehren, Besonders sein eigenes Leben war Ein aͤchtes Tugenden Exemplar, Drittes Kapitel. Fortsetzung des vorigen. 1. S eine Vorgaͤnger thaten bei gutem Muthe Sich gerne bei andern bene und zu gute, Und waren mit Weib und Kindern viel, Wo was zu essen oder trincken vorfiel. 2. Er aber gieng hoͤchstselten zum Schmause Und geschah es, so eilte er doch fruͤh nach Hause, Denn er haßte alle Schmarozerei Und blieb seiner geistlichen Wuͤrde getreu. 3. Er war auch zu Hause kein heimlicher Prasser, Trunk wie Timotheus nur wenig Wein, doch mit Wasser, Bei der Tafel, und sonsten nur fuͤr Den Durst ein leichtes Hausmannsbier. 4. Bei 4. Bei gewissen hochfeierlichen Gelegenheiten Pflegte er wohl bis zum halben Raͤuschlein zu schreiten, Aber er behielt doch immer den Verstand rein Stank uͤbrigens nie nach Tobak und Brand- wein. 5. Auch war er kein Leckermaul noch Fresser, Sein Magen- und Mundbeduͤrfnis war selten groͤsser Als Suppe, ein Suͤckchen Fleisch und Zu- gemuͤß Oder sonst wo ’ne Kleinigkeit zum Anbiß. 6. Die etwaigen Tafeluͤberflusse Hatten immer die Armen zum Genusse, Und diese hielten Jahr ein, Jahr aus Of’ne Tafel in seinem Vorhaus. 7. Besonders geschah dieses seit den Jahren, Als seine Mutter Schnaterin Todesverfahren; Denn die liebe, gute, seelige Frau War zuweilen etwas aͤngstlich und genau. 8. Hatte Er dann und wann selt’ne Leckerbissen, So pflegte Er selbst nur wenig davon zu geniessen, Sondern duͤrftige Krancken bekamen davon Meistens die groͤsseste Portion. 9. Ueberhaupt war er voll Mitleid und Erbarmen Fuͤr alle und jede Nothleidenden und Armen, Und Und war mit moͤglichstem Rath und That Ihnen zu helfen immer parat. 10. Er unterließ nicht mit vollen Haͤnden Almosen den Huͤlfsduͤrftigen auszuspenden, Und wo Er einen nakt und unbekleidet sah, War Er gleich mit Hemd, Rock, Schuh, Hosen, da. 11. Morgens war oft seine Kasse und Ficke Von eingekommenen Geldern voll und dicke, Aber Abends beim Zubettegehn War kein Batzen mehr drin zu sehn. 12. Er gab aber alles in groͤssester Stille Ohne Pralerei, Vorwuͤrfe oder Gebruͤlle, Und immer blieb gleichsam der linken Hand Was die rechte Hand machte, unbekannt, 13. Er war stets freundlich und dienstfertig Und gleich bei Tag und bei Nacht gegenwaͤrtig Zur Menschenliebe und zur Dienstpflicht, Und so kommod wie sein Antecessor nicht. 14. Besonders achtete Er weder Frost noch Hitze Wind und Regen, Donner und Blitze, Wenn Ihn etwa dringende Noth Zu einem Krancken zu eilen gebot. 15. Nie war Er kriechend oder niedertraͤchtig, Aber doch in Reden und Aeusserungen bedaͤchtig, Und im Umgang kein pietistischer Murrkopf Noch in Gesellschaften ein Sauertopf. 16. Viel- 16. Vielmehr suchte Er im Umgang mit Leuten Frohsinn um sich her zu verbreiten. Denn Er gedachte: das aͤchte Christenthum Besteht nicht im Kopfhaͤngen oder Gebrumm. 17. Doch Possen und zweideutige Narrenthei- dungen Trieb Er nie bei Maͤdchen und bei jungen Weibern, sondern Er bezaͤhmte sein Fleisch Und blieb durchaus ehrbar, zuͤchtig und keusch. 18. Deswegen konnten mannbare Toͤchter und Frauen Ihm sicher alle Geheimnisse anvertrauen, Und weder Vater noch Ehmann sahen dazu, Wenn Er bei jenen allein war, jaloux. 19. Entfernt vom geistlichen Stolz und Hochmuthe Blieb Er vor wie nach bei kaltem Blute, Wenn man ihn just nicht: Herr Doktor, hieß, Sondern es beim simpeln: Herr Pfarrer, ließ. 20. Drum will auch ich beim gewohnten Stil bleiben Und nicht Doktor, sondern Pfarrer Jobs, meist schreiben, Weil ohnehin heut zu Tag der Doktorgrad Eben nicht hoch ansehnlich mehr staht. 21. Al- 21. Allen Eigennutz und Geiz haßt’ Er Als ein haͤßliches ungeistliches Laster, Und gab viel lieber als daß Er nahm, Wenn Geben und Nehmen in Kollision kam. 22. Deswegen wollte Er auch nie wegen der Pfarr- pfaͤchten Mit seinen Pfarrkindern krakelen oder rechten, Und Er that nie mit seinen Schuldnern so Wie der Schalksknecht im Evangelio. 23. War wo ’ne Kleinigkeit zu repariren, So gieng Er nicht gleich betteln und kollektiren, Und enthielt sich von jeder Prellerei, Sie mag Namen haben, wie sie wolle, frei. 24. Seine Vorgaͤnger suchten durch Plusmachen sich zu bessern, Und die Pfarreinkuͤnfte jaͤhrlich zu vergroͤssern, Und hatten immer bald hinten bald vorn Etwas zu tadeln an Beichtpfennig und Korn. 25. Zwar geschah dieß nicht immer ohn Ursach aus Geize; Denn viele Ohnwitzer waren schlimme Kaͤuze, Und hielten es eben fuͤr kein Skandal, Wenn man den Pfarrer betrog oder bestahl. 26. Drum gaben sie manchen falschen Beicht- dreier Und Huͤhner, die den Pips hatten, und faule Eier, Jobsiade 3ter Theil. B Und Und bei dem Getreide das mehreste mal, Fehlte es an Maas, Qualitaͤt und Zahl. 27. Nie mischte Er sich in fremde Haͤndel und Sachen, Dachte vielmehr an die Lehre des alten Sirachen; Was deines Amts nicht ist zu Ohnwiz Da laß, liebes Kind! deinen Vorwitz. 28. Ehestiftungen und niedertraͤchtige Kuppeleien Haßte Er besonders bis zum Verabscheuen, Obgleich dieß Geschaͤft seinem Amtsvorfahr, Durch manchen Kuppelpelz eintraͤglich war. 29. Ge- 29. Gegen andre Religionsverwandten, Bezeigte Er sich immer als einen Toleranten, Und schlug bei geringen Ketzerei’n Nicht gleich mit dem Pruͤgel des Anathema drein, 30. Er hielte sowohl Katholicken als Kalvinisten, Fuͤr seine lieben Mitbruͤder und Mitchristen, Und verdammte keinen mit kaltem Blut, Waͤrs auch gewesen Tuͤrk, Heid, oder Jud. 31. Kurz, Er machte seinem Amte und seiner Lehre, Als ein aͤchter Religionsprediger, Ehre, Und in der ganzen Gegend umher, War ein so braver Pfarrer nicht mehr. Viertes Kapitel. Wohlstand in Ohnewitz. 1. G leichwie waͤhrend Hieronimi Nachtwaͤchter- stande, In Schildburg sich alles ruhig und wohl be- fande, Und, so viel ich sicher weiß, alda Weder Einbruch noch Raͤuberei geschah; B 2 2. So 2. So und dermaßen, als nun geistlicher Huͤter, Stimmte Er die Ohnwitzer Seelen und Ge- muͤther, Obgleich unter manchem Seufzer und Schweis, Zur Rechtschaffenheit, Ordnung und Fleiß. 3. Sie hatten zwar, wie wir schon wissen, harte Haͤute, Und wurden doch in kurzer Zeit die besten Leute, Und jeder wunderte sich schier sehr zu sehn, Der Ohnewitzer vernuͤnftigs Begehn. 4. Sie heiratheten und urbarten wuͤste Raͤume, Zeugten fleissig Kinder und pflanzten Baͤume, Giengen oft in die Kirch und aufs Feld, Hatten Verstand und Kurasche und Geld. 5. Arbeiteten auch sonst wacker im Berufe, Baueten manche neue Scheune und Hufe, Und im ganzen Ohnwitzer Dorfe blieb, Kein einziger muͤssiger Bettler, noch Dieb. 6. Sie zahlten die Martinspfaͤchte ohne Fehle, Thaten auf Zinse manche neue Kaptaͤle, Und so stieg im kurzen im schoͤnsten Flor, Das kleine Dorf ansehnlich empor. 7. Zwar wuchsen auch mitlerweil Luxus und Moden, Auf dem bisher altfraͤnkisch laͤndlichem Boden, Und Und statt gesundem Bier und Milchbrei, Trank man Kaffee und Zucker dabei. 8. Die reichsten Maͤnner spazierten in Pantoffeln, Assen Braten und Blumenkohl statt Speck und Kartoffeln, Und trunken statt Kovent alten Pontak, Und rauchten vom allerbesten Tobak. 9. Auch die jezigen Ohnwitzerinnen, Statt Kaͤse zu machen und Flachs zu spinnen, Lasen Romanen und strickten Filet, Hielten Visiten und trugen sich nett. 10. Sogar die stolzirenden Dorfmaͤdchen, Zierten sich wie Jungfern in kleinen Staͤdtchen, Trugen Kattun und Zitz statt Leinwand Und aufgesteckte Muͤtzen mit fein Band. 11. Die jungen Kerls verliessen oft Pflug und Flegel, Giengen des Nachmittags und schoben Kegel Und trunken in der Schenke firnen Wein Und luden zum Tanzen die Dirnen ein. 12. Doch ward darin eben nichts uͤbertrieben, Sondern alles ist in Fuhrmannswegen geblieben, Denn Herr Pfarrer Jobs hielte Tag und Nacht Ueberall getreu seine geistliche Wacht; 13. Und 13. Und steuerte uͤberhaupt an seinem Theile, Aller boͤsen Neuerung und jedem Unheile, Er hielt also wenigstens in Essentialibus Alles auf dem alten Deutschen Fuß. 14. Auch der gnaͤdige Herre auf dem Schlosse, Geruhten zu haben eine sehr grosse Freude und Wohlbehagen dran Wenn Hochdieselben diesen Wohlstand sahn. 15. Sie entschlossen sich von nun an, zu ver- schonen, Die Bauern mit den bisher beschwerlichen Frohnen, Und haben auch die uralte Leibeigenschaft Bei denselben allergnaͤdigst abgeschafft. 16. Das mehrte nun natuͤrlich der Unterthanen Liebe Und minderte die Zahl der Bettler und Diebe, Denn jeder konnte gemaͤchlicher nun, Fuͤr sich selbst arbeiten und gehoͤrig ausruhn. 17. Zuweilen gab der Herr laͤndliche Feste Und da waren die Bauern saͤmtlich seine Gaͤste, Und immer gienge lustig die Gei- ge und der ernste Brummbaß dabei. 18. Die gnaͤdige Frau hielt es nicht zu geringe, Mit dem Dorfschulzen zu machen einige Spruͤnge Und Und der gnaͤdige Herr oͤffnete jedesmal Mit der artigsten Baͤurin den Bal. 19. Besonders gern tanzte der junge Herre, Mit den huͤbschesten Maͤdchens ins Kreuz und die Queere, Manches Menuet und englisches Stuͤck, Nach allen Regeln der Tanztik. 20. Kam er mit Mamsel Esther an den Reihen, So that sich sein Herz vorzuͤglich erfreuen, Und es geschah alsdenn hinc inde da, Mancher Ausglitscher und Faux pas. 21. Da es nun zugieng in allen Ehren, So mochte Herr Pfarrer Jobs es auch nicht wehren, Ja vielmehr billigte er ganz Einen unschuldigen laͤndlichen Tanz. 22. Haͤtt’ auch wohl selbst eins moͤgen mitmachen, Aber er enthielt sich gerne, um den Schwachen, Nicht zu geben ein Aergernus; Welchs man dann auch von ihm ruͤhmen muß. 23. Auch ich meinerseits kann keine Suͤnden, In dergleichen Leibesuͤbungen finden, Wenn nur das Exercitium der Tanzkunst, Geschieht ohne Anstrengung und Brunst. 24. Wir werden uͤbrigens in der Folge sehen, Was fuͤr gute Fruͤchte daraus entstehen, Wenn Wenn regierender Herr und Unterthan Sich fein freundlich zusammen begahn. Fuͤnftes Kapitel. Dieses Kapitel handelt von des Herrn Pfar- rers Jobs haͤuslichem Leben. 1. N un will ich auch von Herrn Jobs haͤusli- chem Leben, Noch eine etwas vollstaͤndige Nachricht geben, Und wir sehen dann auch zugleich dabei Ob auch auf’m Schlosse noch alles richtig sey; 2. Denn beider Schicksal verwebt sich enger, Mit einander desto mehr, je laͤnger, Die Erzaͤhlung der Geschichte waͤhrt Und man geduldig zu lesen fortfaͤhrt. 3. Herr Jobs that, wie gesagt, mit aller Treue, Alles was gehoͤrte zu seiner Pfarreie; Auch in seiner Oekonomie befand sich, Alles fein sauber und ordentlich. 4. Er konnte sich zwar selbst damit nicht befassen, Muste sie also seiner Schwester uͤberlassen, Denn sie war, nachdem die Mutter storb, Das Fac totum und allein Henne im Korb. 5. Er 5. Er befand sich dabei auch gar nicht uͤbel, Und seine Buͤcher, besonders das Studium der Bibel, Vertrieben ihm angenehm die Zeit, In seines Musaͤi Einsamkeit. 6. Er gieng auch, um sich zu divertiren, Bei guter Witterung zuweilen spazieren; Wobei Er dann fein gesund blieb Und verhuͤtet wurde das Malum Hyp. 7. Auch pflegte Er sich oft persoͤnlich zu erkunden, Nach der herrschaftlichen Familie Wohlbefunden, Und sowohl die gnaͤdige Frau als beide Herrn, Sahen ihn jedesmal herzlich gern. 8. Er 8. Er war auf dem freiherrlichen Ohnwitzer Schlosse, Gleichsam Spiritus familiaris und Hausge- nosse, Und wenigstens jeden Sonntag fast, Nach geendigtem Gottesdienst Gast. 9. Auch hat sich der junge Baron oft zu ganzen Stunden, Zum Besuche im Pfarrhause eingefunden, Und es vergienge kein einziger Tag, Daß er nicht wenigstens en passant einsprach. 10. Doch, was diese Besuche betrifft, so scheinet, Daß er eben nicht immer damit den Bruder gemeinet; Denn es kuͤmmerte ihn nicht, wenn er vor der Hand, Nur bloß die Schwester zu Hause fand. 11. Er gieng am liebsten in der Pfarrgegend jagen, Auch der huͤbsche Garten da that ihm behagen, So daß er bestaͤndig einen Vorwand, Zu seinen frequenten Visiten erfand. 12. Zum Exempel: Abends fand er in diesem Reviere, Das sanfte Wehen der kuͤhlen Zephyre, In den Baͤumen daselbst sehr angenehm, Und das Waͤldchen da zum Spazieren bequem. 13. Oder 13. Oder, er hatte uͤber gewisse gelehrte Sachen, Mit Herrn Doktor Hieronimus etwas zu sprachen; Oder er brachte ein Haͤschen oder Rebhuͤhn- lein, Das er geschossen, in die Kuͤche hinein; 14. Oder er pflegte ins Pfarrhaus zu eilen, Angenehme Neuigkeiten dort zu ertheilen; Oder er kam, und es war noch zu fruͤh, Zum sonntaͤglichen Gottesdienst hie; 15. Oder er hatte Auftraͤge und Freundschafts- pflichten, Von seinen Eltern an Herrn Jobs zu entrichten; Oder er erkundigte sich auch wohl bloß, Ob nichts zu bestellen sey fuͤrs Schloß. 16. Die Ohnwitzer haben mit Verwunderung gesehen, Ihn so ofte ins Pfarrhaus hinein gehen; Denn es begab sich, daß er Gelegenheit nahm Und taͤglich wohl zwei- bis dreimal kam. 17. Kurzum, auch im haͤuslichen Geschicke, Laͤchelte dem Herren Pfarrer Jobs das Gluͤcke. Besser als manchem Prinzen und Rex, Oder in neuerer Zeit einem Pontifex. Sech- Sechstes Kapitel. Wie Herr Jobs auch sein Hauskreuz hatte, ob er gleich keine Frau hatte, und von seiner Schwester Krankheit. 1. I ndessen das Erdengluͤck hat hinten und vornen, Doch immer etwas von Stacheln und Dornen, Und nach diesem Spruͤchwort gieng es auch so, Dem Doktor und Pfarrer Hieronimo. 2. Seine Haushaͤlterin, die geliebte Schwester, Das sonst muntre Maͤdchen, die gute Esther, Nahm, Nahm, dies bemerkte Er schon einige Zeit, Augenscheinlich ab an Lebhaftigkeit. 3. Zwar versah sie ziemlich alle Geschaͤfte, Es fehlten Ihr auch eigentlich dazu keine Kraͤfte Und sie befolgte treulich spaͤt und fruͤh, Die beste Aufsicht in der Oekonomie. 4. Allein, sie schien oft in Gedanken zerstreuet, Ward durch gewoͤhnliche Sachen nicht erfreuet, Und man sah, daß sie nicht so gar flink, Wie vormals, in allem zu Werke gieng. 5. Auch Seufzer so wohl publice als im Stillen, Entstiegen oft der Brust ohne ihrem Willen, Wenn sie bei ihrem Spinnraͤdchen saß, Oder gar indem sie trank oder aß. 6. Ja, man sah nicht selten auf ihrem Backen- paͤaͤrchen, Hangen einige perlfarbene Zaͤhrchen, Und ihre klaren blauen Aeugelein, Waren oft roth, naß und unrein. 7. Auch hoͤrte man einigemal in ihrer Schlafkam- mer, Des Nachts ein heimliches Stoͤhnen und Ge- jammer; Und dennoch sagte oder klagte sie, Ihr dringendes heimliches Anliegen nie. 8. Auch 8. Auch die frische Farbe ihrer runden Wangen, Ist nach und nach verlohren und vergangen; Vormals war sie schoͤn rosenroth, Und nun ward sie schier blaß wie der Tod. 9. Ehmals war sie immer bei gutem Aptite Dies setzte bei ihr natuͤrlich gesundes Gebluͤte; Aber nun war Aptit, Durst, froher Sinn, Naͤchtliche Ruhe, et cetera dahin. 10. Auch hatte sie zuweilen mit Nervenkraͤmpfen, Und kleinen Anfaͤllen von Ohnmachten zu kaͤm- pfen Und die allergeringste Kleinigkeit, Erregte Vapoͤrs und Uebelheit. 11. Sie suchte sich allen Vergnuͤgungen und Kompagnien, So oft es der Wohlstand nur litte, zu ent- ziehen, Und ihre beste Unterhaltung blieb, Wenn sie einsam etwa was las oder schrieb. 12. Dies alles merkte, wie gesagt, Herr Jobs lange, Drum ward Er ob ihres Zustandes sehr bange, Und dachte, sie laborire an der Atrophie, Und Freund Hein kriegte in seine Klauen bald sie. 13. Um ihre Krankheit zu erklaͤren und zu kuriren, That Er oft studirte Leute konsuliren, Und Und mancher beruͤhmter Aeskulap, Gab druͤber seine Meinung und Recepte ab. 14. Der eine suchte den Quell des Uebels im Magen, Und gab Vomitive, ihn draus zu verjagen, Aber es begab sich daß’s mit dem Vomitiv, Immer schaͤdlich fuͤr die Patientin ablief. 15. Andre riethen auf vorhandene Wuͤrmen, Und suchten sie mit Wurmmitteln zu bestuͤrmen; Einer wagte so gar einen schrecklichen Land- sturm, Auf einen vermeinten langen Bandwurm. 16. Andre suchten das vorhand’ne Uebel zu stillen, Mit Aloe, Galbanum, Stahl und Polychrest- pillen. Denn sie leiteten die ganze Krankheit perfekt Aus einem gewissen weiblichen Defekt. 17. Andre suchten sie mit starken Purganzen, Wegen vermeinter Verschleimung zu kuranzen; Andre kurirten grade zu auf Schwindsucht nur, Und riethen Islaͤndisches Moos und Milch- kur. 18. Andre meist alte praktische Polypheme, Suchten der Krankheit Sitz im Nervensysteme Und Und nach reiflicher Erwaͤgung riethen sie an, Moschus, Teufelsdreck, Bibergeil und Bal- drian. 19. Andre versicherten dem Herrn Jobs aufrichtig, Jedoch sub Rosa, sie wuͤrde wassersuͤchtig, Und sagten, seiner Schwester Krankheit sey, Wiß und wahrhaftig eine Kachexei. 20. Aber alle ihre haͤufig verschrieb’ne Arzneien, Wollten nicht bei ihr anschlagen noch gedeihen, Und sie ward nach deren Gebrauch vielmehr Taͤglich schlimmer und kraͤnklicher. 21. Einige alte ehrbare sachkundige Dorffrauen, Sagten sich eine der andern im Vertrauen, Die Krankheit der Mamsel Esther waͤre nur klein, Und haͤtte Leben, Kopf, Hals, Arm und Bein. 22. Aber wir werden’s kuͤnftig finden und sehen, Daß dem guten Maͤdchen drin zu viel geschehen, Denn die Folge bewieß es genung, Daß jene Sage nur sey Verleumdung. 23. Dem Pfarrer Jobs daͤuchte es unerhoͤrbar, Daß seiner Schwester Krankheit so verschieden erklaͤrbar Bei den Kennern der Arzneikunst sey Und dachte heimlich das Seine dabei. 24. Er 24. Er hielt es darum fuͤr klug und vernuͤnftig, Daß sie gar keine Arznei mehr brauche kuͤnftig, Und daß man sie fortan in Gotts Namen nur Bloß uͤberließ ihrer eigenen Natur. 25. Und das war ihm dann auch gewiß gerathen, Denn unter den Haͤnden der Herrn Hippokraten Waͤre sie bei dem gesundesten Blut, Doch endlich unfehlbar gemachet kaput. 26. Er suchte aber sie moͤglichst aufzuheitern, Und damit sich das Uebel nicht moͤchte erwei- tern, Rieth Er als ein vernuͤnftiger Mann, Spazieren und angenehmen Umgang ihr an. Jobsiade 3ter Theil. C Sie- Siebentes Kapitel. Wie auch der junge Herr von Ohnwitz krank ward, und wie ihm keine medicinische Fakul- taͤt helfen konnte, wie dieses wohl oft in Krankheiten der Fall seyn thut. 1. S onderbar ists zu vernehmen und zu hoͤren, Daß auch bei dem jungen adlichen Herren, Von Ohnwitz, jedoch mutatis mutandis Sich eine aͤhnliche Krankheit anwieß. 2. Er war sonst ein herzlieber edler Junge, Hatte grossen Verstand und ’ne gelaͤufige Zunge, Und ein gar vornehmes adliches Ansehn, Und war von Angesicht braͤunlicht und schoͤn. 3. Auch hatte der junge Herr Ihro Gnaden, Ziemlich runde Wangen und passable Waden, Und uͤbte mit seinen Muskeln voll Kraft, Immer eine gute Ritterschaft. 4. Ich will hier zur Ergoͤzung und zum Vergnuͤ- gen, Sein Portraͤt einsweilen beifuͤgen; Es gleicht ihm zwar nicht, doch stelle ichs her, Man muß sich nur vorstellen, als wenn er es waͤr. 5. Aber 5. Aber, wie gesagt, seit einigen Zeiten, War auch er geplagt mit Uebelkeiten, So daß er weder aptitlich trank noch aß, Und dabei verginge wie Laub und Graß. 6. Er schlich traurig oft weg ins Geheime, Hatte Nachts allerlei beschwerliche Traͤume, Und weder sein Lakei noch Reitknecht, Konnten ihm je etwas machen recht. 7. Weder Musik, Spiel oder Studiren, Konnten ihn aufmuntern oder amuͤsiren, Denn, gleich dem aͤrgsten Hypochondrikus, Hatte er an allem und jedem Verdruß. C 2 8. Er 8. Er verfiel dabei taͤglich augenscheinlich, Sein Embonpoint wurde mehr und mehr kleinlich, Das machte dann viel Sorge beim Herrn Papa, Und noch mehr dito bei der Frau Mama. 9. Manche Arztfakultaͤt ward zu Rath gezogen, Da hat man den Zustand kollegialisch erwogen, Aber in Methodo medendi war, Einer dem andern directe contrar. 10. Der eine focht mit medicin’schen Sophismen, Der andre mit Hippokratis Aphorismen, Ein andrer berief sich mit guter Art, Auf langjaͤhrige Praxis und grauen Bart. 11. Der eine verschrieb Pulver und Mixturen, Der andre Latwergen und Tinkturen, Der eine rieth zum Purgiren und Schweiß, Der andre zu einer Brunnenreis’. 12. Doch nach langem Fechten und Disputiren, Und pro et kontra Deliberiren, Kam man nach geendigtem gelehrten Zank, Drin uͤberein: der junge Herr sey krank. 13. Aber ob diesem Laͤrm, Disputiren und Zanken, Haͤtte Patient schier mehr moͤgen erkranken Drum that derselbe weislich und klug, Daß er alles Einnehmen rund abschlug. 14. Er 14. Er nahm indeß taͤglich an Munterkeit abe, Schien fast zu stehn mit einem Fuß im Grabe, Obgleich weder an Lunge noch sonst innerlich, Eigentlich befande kein Fehler sich. 15. Es schien doch, als koͤnn’ er seine melanchol’- sche Grillen Am besten damit wegjagen und stillen, Wenn er ein Bischen spazirte aus, Nach dem Ohnewitzer Pfarrerhaus. 16. Sintemal nun fuͤr junge kraͤnkliche Naturen, Die Heirathen oft sind die zutraͤglichsten Kuren, So fielen auch seine gnaͤd’ge Eltern fuͤr ihn, Auf diese besondre Art von Medicin. 17. Es waren aber im Distrikt von rund um ei- nigen Meilen, Viele mannbare sehr artige Freiinnen und Fraͤulen, Welche wohl eine schier baldige Heirath, Gleichfalls gehalten haͤtten fuͤr’ne Wohlthat. 18. Ihm ward also von den Eltern dringend em- pfohlen, Sich ein Fraͤulen daher bald heimzuhohlen, Und sie gaben ihm gerne im voraus, wenns Nur ritterbuͤrtig sey, ihren Konsens. 19. Denn sie hielten große Stucke auf ihren Adel, Der war auch bisher blieben ohne Tadel, Und Und von allem unsaubern buͤrgerlichen Blut, Noch unvermischt und durchaus kerngut. 20. Alles andre hielten sie fuͤr Kleinigkeiten, Welche bei Konvenienzehen nichts bedeuten; Es war ihnen sogar durchaus einerlei, Ob die kuͤnftige Schwiegertochter reich oder arm sey. Ach- Achtes Kapitel. Wie man den jungen Herrn, um ihn zu ku- riren, mit der Fraͤulein Judith verheirathen will, und wie er diese Medicin nicht nehmen will. 1. E s wohnte aber an der Ohnewitzer Graͤnze, Eine freiherrliche Witwenexcellenze, Auf einer alten ehmals festen Burg, Welche jetzt verfallen war durch und durch. 2. Ihre Ahnenzahl war laͤngst uͤbervollwichtig. Und der Stammbaum bis zur Wurzel aͤcht und richtig; Aber (nichts ist ja vollkommen in der Welt) Es fehlte ihr am Besten: an Geld. 3. Sie hatte deswegen nicht viel zu verzehren, Aber erzog doch in allen Zuͤchten und Ehren, Eine einzige Fraͤulein Tochter zart, Sehr reizend und von englischer Gemuͤthsart. 4. Sie war eine aͤchte Perle des Landes, Sehr geehrt wegen ihrer Schoͤnheit und ihres Verstandes, Und mancher Kavalier hatte wohl Appetit, Zu der angebeteten Fraͤulein Judith. 5. Aber 5. Aber weil diese sonst nicht verwerfliche Sachen, Doch das wesentlichste bei der Heirath nicht ausmachen, So hatte auch eigentlich keiner dafuͤr Sinn, Sie zu waͤhlen zu einer Gemahlin. 6. Sie fuhr oft, in Ermang’lung ’ner ordentli- chen Kutsche, Nach Ohnwitz mit ihrer Mutter in ’ner schlech- ten Birutsche, Weil fie daselbst sehr dick und groß stand, War auch von Noah her noch etwas ver- wandt. 7. „Denn 7. (Denn, ich bemercke solches nur beilaͤufig, Die Ohnwitzer Von’s befanden sich sehr haͤufig, Unter dem Adel uͤberall hier und da, Zerstreuet im Lande Germania.) 8. Sie weilten daselbst gemeinlich viele Tage, Vergaßen pro tempore ihre sonst duͤrftige Lage, Assen und tranken allda wohlgemuth, Und befanden sich auch im uͤbrigen gut. 9. Ihre saͤmtliche mitgenommene Domestiken, Konnten sich gleichfalls daselbst mal erquicken; Es war zwar ihrer keine grosse Schaar, Sondern in toto nur ein einziges Paar, 10. Nemlich: Johann, Jaͤger und zugleich Kut- scher, Gaͤrtner, Kellermeister und Schuhputscher, Geheimer Kammerdiener, Lakei, Frisoͤr, Und bei Ihro Excellenz sonst noch allerlei mehr. 11. Nebst dem das 46 jaͤhrige Kaͤthchen, Sie war Koͤchin und zugleich Kammermaͤdchen, Flickte die Struͤmpfe und kehrte die Flur, War Viehmagd und zugleich Dame D’atour. 12. So gar das Pferdegespann, zwei magere Gerippe, Wieherte froh zu Ohnewitz an der Krippe, Denn Denn sie assen, da vom vielen Fasten matt, Im Marstall in Haber und Haͤksel sich satt. 13. Auch der Fraͤulen Judith Schooshund, ein schmaͤchtiger Pudel, Affe sich da bald rund wie eine Nudel, Bekam Suppe, Braten und fettes Butter- brod, Und vergaß alle seine vorige Noth. 14. Der junge Herr sahe von Kindesbeinen An, gern die Judith zu Ohnwitz erscheinen, Und auch sie spielte und taͤndelte schon, Als Kind gerne mit dem jungen Baron. 15. Auch in ihren Juͤnglings- und Maͤdchens- Jahren, Thaten sie noch gern sich zusammen paaren, Ja man sahe auch spaͤter ex post, Auf der alten Liebe noch keinen Rost. 16. Indeß, seit Herr Jobs die Pfarre bekommen, Hat sich der junge Herr ganz kurios benommen, Denn er zog sich mit guter Manier, Unvermerkt, nach und nach zuruͤcke von ihr. 17. Papa und Mama haͤtten allenfalls gern ge- sehen, Eine Mariage zwischen beiden entstehen, Denn Denn sie liebten, wie gesagt, die Fraͤulen Judith Wegen ihrer Artigkeit und dem guten Ge- muͤth. 18. Allein der junge Herr wolte davon nichts hoͤren, Suchte uͤberhaupt alle Vermaͤhlung abzukehren, Ob er gleich an und fuͤr sich, eben zwar, Kein Feind des schoͤnen Geschlechtes war. 19. Den Schluͤssel zu allen diesen Kuriositaͤten, Und zu der Brunnquelle der Leibesnoͤthen Des jungen Herrn und der Mamsel Esther, Zeigt das folgende Kapitel naͤher. Neun- Neuntes Kapitel. Wie eine Liebschaft sich angesponnen hat zwi- schen dem jungen Herrn und der Jungfer Esther. 1. W ir muͤssen jezt auf einige Augenblicke, In der Geschichte wieder ein wenig zuruͤcke, Und fangen nachher aufs neue dann Wo wir eben aufhoͤrten, wieder an. 2. Moͤchte wohl wagen eine ansehnliche Wette, Daß mancher es laͤngst schon gemerket haͤtte, Oder Oder es wenigstens doch jezo begreift, Daß das Ding auf ’ne Liebesgeschichte auslaͤuft. 3. Schon habe ich wohlbedaͤchtlich im zweiten, Theile, Kapitel 33, suchen vorzubereiten, Den geneigten Leser, auf den Roman, Der sich mit dem jungen Herrn und Esther anspann. 4. Nun wollen wir, um methodisch zu gehen, Stuͤck vor Stuͤck ordentlich besehen, Wie alles vom ersten Anfang, Nahm den gewoͤhnlichen Romangang. 5. Schon auf der Akademie hatte der Baron viele, Dunkele angenehme Vorgefuͤhle, Fuͤr Esther, und gab dem Hieronimus, Wenn er nach Haus schrieb, an ihr ’nen Gruß. 6. Denn mit Buͤcherschreiben und Verlieben, Wird manches seltnes Abentheuer getrieben, Beides kostet heuet wenig Muͤh, Und man kommt dazu und weiß nicht, wie? 7. Und weil Hieronimus seine Schwester sehr schaͤtzte, Und an ihrem Andenken sich sehr ergoͤzte, So So sprach er von Ihr dem Baron oft vor, Und das hob sein Gefuͤhl noch mehr empor. 8. Als sie nachher selbst nach Ohnwitz gekommen, Hat seine Liebe mehr uͤberhand genommen, Und flammte und brannte lichterloh, Aerger als Flachs und trocknes Stroh. 9. Denn sie hatte ein Gesichtchen wie ein Engel, Eine Taille schlank wie ein Rohrstengel, Rabenschwarzes Haar, einen schoͤnen Mund, Und Wangen er cetera, zart und rund. 10. Er muste es so fort bei sich gestehen, Daß er so ein Maͤdchen noch nie gesehen, Und durch ihren himmlischen Verstand, Ward er vollends noch aͤrger verbrannt. 11. Er hielte zwar lange seine verliebte Grillen, Fuͤr sich allein, incognito und im Stillen, Und wagte es durch Liebeserklaͤrung nicht, Von sich zu waͤlzen das schwere Gewicht. 12. Auch Esther, als sie zuerst den Baron sahe, Wuste nicht recht, wie und was ihr geschahe; Denn ein unbekanntes Etwas innerlich, Bemaͤchtigte Ihrer gewaltsam sich. 13. Sie hatte noch nie eigentlich geliebet, War auch in Romanenlektuͤre nicht geuͤbet, Sonst haͤtte sie es wohl gleich gewust, Was da so wurmte in ihrer Brust. 14. Nach 14. Nach und nach entwickelten sich ihre Triebe, Wuchsen, und sie merkte, es sey die Liebe, Und sie gestand sich, sie haͤtte nie gesehn, Einen jungen Herrn so artig und schoͤn. 15. Aber sie suchte die Gefuͤhle zu bestreiten, Und die aufwachsende Liebe auszureuten; Jedoch sahe sie immer den jungen Herrn, Wenn er zu ihnen ins Pfarrhaus kam, gern. 16. Und oft, wenn sie ihn in der Naͤhe erblicket, Ward ein aufsteigender Seufzer in ihr zerdruͤcket, Und es ging hervor aus ihres Herzensschrein, Manchmal ein gewagtes Wuͤnschlein klein. 17. Allein, sie war bemuͤht in kaͤltern Augenblicken, Alle diese Wuͤnsche in der Geburt zu ersticken, Denn als ’ne vernuͤnft’ge Person gedachte sie: Die Wuͤnsche wuͤrden doch realisiret nie. 18. Freilich fuͤr ’nen Herrn solch hohen Standes, Einz’gen Sohn des reichsten Kavliers des Lan- des, War sie zur Abkuͤhlung fuͤrs adliche Blut, Nur hoͤchstens allenfalls als Maitresse gut. 19. Aber sie ware seit ihrer fruͤhen Jugend, Eine Bewahrerin unverdorbener Tugend, Und haͤtte so was selbst keinem Koͤnigssohn, Fuͤr jaͤhrlich Lohn von tausend Dukaten ge- thon. 20. Auch 20. Auch der junge Herr konnte sich nicht bequemen, Die Sache auf einen solchen Fuße zu nehmen, Denn er hielte es fuͤr eine grosse Suͤnd, Zu verfuͤhren andrer Leute Kind. 21. Auch haͤtte er alles in der Welt lieber, Gesehen gehen darunter und daruͤber, Als seinem lieben Freunde Hieronimus, Zu machen einen so bittern Verdruß. 22. Er wuste aber mit vollkommenster Ueberzeu- gung, Seiner freiherrlichen Eltern Eckel und Abnei- gung, Gegen jede Beschmutzung des Stands Durch eine niedrige Mesallianz. 23. Saße folglich mit seinen zaͤrtlichen Gefuͤhlen, Gleichsam geklemmt zwischen zweien Stuͤhlen, Und so gienge er lange und trug sich stumm, An seiner Liebe fast lahm und krumm. 24. Was sonst hinc inde noch passiret, Wird in jedem Romanbuche recitiret, Darauf beziehe ich mich, weil jedermann Es umstaͤndlich und genau da lesen kann. Zehntes Kapitel. Wie die Liebschaft weiter gehen und zu einer foͤrmlichen Liebeserklaͤrung kommen thut. 1. I ndessen konnt’ es nicht immer so seyn und bleiben, Amor muste das Spiel weiterhin treiben, Und so kam’s binnen einem Vierteljahr, Zu einer Liebeserklaͤrung baar. 2. In welcher Form dergleichen Erklaͤrungen ge- schehen, Kann man in Romanbuͤchern gleichfalls nach- sehen, Denn, sie besonders zu beschreiben hier, Verduͤrbe nur die Zeit und’s Papier. 3. Daß der Baron am ersten sich erklaͤret, Sich Esther aber anfangs sehr gewehret, Und alles geschah mit herzbrechendem Weh, Versteht sich von selbst als Latus per se. 4. Den Zeitpunkt, in welchem ers erst gewaget, Und ihr sein Herzensanliegen geklaget, Weiß ich nicht genau, doch mein’ ich, es sey Ohngefaͤhr gewesen Anfangs May. Jobsiade 3ter Theil. D 5. Denn 5. Denn in diesem wonniglichen Monate, Geschehen Liebesantraͤge fruͤh und spate, Theils an Toiletten, theils in Buͤschen, theils im Stall, Von jungen Herrn bis zu Kater und Nach- tigall. 6. Esther hoͤrte zwar mit vielem Entzuͤcken, Den schoͤnen Baron so zaͤrtlich sich ausdruͤcken, Und wurde innerlich so tief geruͤhrt, Als haͤtte sie Mesmer magnetisirt. 7. Aber sie fuͤhrte ihm vorab zu Gemuͤthe, Daß ihr buͤrgerliches und sein adliches Gebluͤte, Zu einem ernsthaften Liebesverein, Sich so wenig fuͤgten wie Wasser zu Wein. 8. Und sie gegen jede andre Art der Verbindung, Und unerlaubte Leidenschaft und Empfindung, Bei aller sonstigen Seelenharmonie, Haͤtte eine ewige Antipathie. 9. Um sich also der Liebe zu entschlagen, Suchte sie allerlei Vernunftgruͤnde vorzutragen, Jedoch mitlerweile sie also sprach, Floß aus ihren Aeuglein ein Thraͤnenbach. 10. Sie hatte noch allerhand gewoͤhlinche Aus- fluͤchte, Theils vom groͤssern, theils geringern Gewichte, Fuͤhrte Fuͤhrte auch manches von der Untreu, Und dem Wanckelmuth des maͤnnlichen Ge- schlechts bei. 11. Er aber versicherte hoch und theuer: Er sey kein Luͤgner oder Alltagsfreier, Und noch vielweniger wolle er, Ueber ihre jungfraͤuliche Unschuld her; 12. Schwor gar, daß die Baͤume haͤtten moͤgen krachen: Bei Kavlierparol und derlei zuverlaͤssigen Sa- chen, Er wuͤrde seine heftige Liebe und Sie, So lang er athmete, quittiren nie; 13. Redete auch von Verzweiflung, Degen und Pistolen, Von Halsbrechen, ja gar von Teufelhohlen, Und andern Dingen, welche ruͤhrend schoͤn, In Werthers Leiden beschrieben stehn. 14. Von diesen so fuͤrchterlichen Schwuͤren, Ließ sich Esther endelich ruͤhren, Denn sie dachte, sie moͤcht’ den verliebten Baron, Sonst wirklich bringen zur Desparation. D 2 Eilf- Eilftes Kapitel. Wie aus obgedachter Liebschaft endelich gar ein Siegwartsfieber entstehet. 1. D ie Liebe des Barons und der Mammesel Esther, Wurde nun tagtaͤglich staͤrcker und fester, Nachdem man auf der schluͤpfrigen Liebesbahn Den ersten und schweresten Schritt gethan. 2. Schon gleich auf die wechselseitigen Entschluͤsse, Sich ewig zu lieben, folgten einige Kuͤsse, So wie nach dem gemeinen Spruͤchwort auf A. B. Wie schon die Kinder wissen, folgt das C. D. 3. Man hat alle Gelegenheit wahrgenommen, Oft bei einander und zusammen zu kommen, Und der junge Herr hatte fortan nun, Immer was im Pfarrhaus zu thun. 4. Es traf sich bei seinen Besuchen auf der Pfarre, Daß Herr Jobs meistens nicht zu Hause ware, Oder daß er auf seiner Studierstube saß, Und fuͤr sich andaͤchtig studierte oder las. 5. Aber der artige, liebe, junge Herre Bat ausdruͤcklich, daß man ihn ja nicht stoͤre, Viel- Viel weniger daß er es uͤbel nahm, Wenn Herr Jobs nicht ’runter zu ihm kam. 6. Denn die eigentliche importante Sachen, Welche er im Pfarrhause hatte auszumachen, Gehoͤrten wenigstens das meiste mal, In des Gotts Amors Kameral. 7. Auch Jungfer Esther hat fast alle Wochen, Mehrmals ins herrschaftliche Schloß einge- sprochen, Wenn etwa ein Geschaͤft sie dazu veranließ, Und hatte sie kein Geschaͤft, so machte sie’s. 8. Man conferire uͤber diesen besondern Titel, Die Verse 9 bis 16, im fuͤnften Kapitel, Woselbst ich schon lang und breit beschrieb, Wie der Baron seine Besuche betrieb. 9. Um ja im Liebeswandel nichts zu versaͤumen, Thaten sie gar des Nachts von einander traͤumen, Und da wurde dann was des Tages passirt, Des Nachts weitlaͤufiger ausgefuͤhrt. 10. Er, um seiner noch besser zu gedenken, Ueberreichte ihr manche schoͤne Geschencken, Zum Beispiel: einen herrlichen Brillantring, Und viele andre Galanterie-Ding’. 11. Weil es ihr aber an Golde und Juwelen, Vielleicht dermalen mochte fehlen, So So flochte sie ihm dafuͤr fein und rar, Einen Ring von ihrem eignen Haar. 12. Er gab ihr auch eingesaßt im goldnen Rah- men, Sein Portrait, nebst dem Zug von seinem Namen, Nahm dagegen beim Lichte an der Wand, Ihre Silhouette mit eigner hoher Hand. 13. Viele Liebende muͤssen sich bequemen, Mit solchen Kleinigkeiten vorlieb zu nehmen, Denn eine Kopie ist doch allenfalls, Ein Behelf in Ermanglung des Originals. 14. Apro- 14. (Apropos! ich will einmal probiren, Druͤber ein bischen zu physiognomisiren, Denn in diesem tiefsinnigen Studium, Bin ich so wenig als Herr Lavater dumm. 15. „Man sieht in dem etwas zuruͤckstehenden Hute, „Gar deutliche Zuͤge vom Edelmuthe, „Und es zeugt die gerundete grosse Stirn, „Vom drinliegenden guten Gehirn. 16. „Die etwas hervorstehende Augbraunen, „Beweisen ein Maͤdchen von muntern Launen, „Und das Naͤschen etwas mehr stumpf als spitz, „Zeigt eine kuͤnftige Frau von Ohnewitz. 17. „Das hier kaum bemerkbare Backengruͤbchen, „Beweiset ein immer freundliches Liebchen, „Und der ein wenig geoͤfnete Mund, „Machet suͤsse Gespraͤchigkeit kund. 18. „Die ein wenig haͤngende Unterlippe, „Zeigt an, daß sie sey keine Xantippe, „Sondern daß etwas Hang zur Schwaͤr- merei, „In ihrem sanften Temperamente sey. 19. „Die nette Rundung und das Puͤnktchen am Kinne, „Deutet auf etwaigen Hang zur Minne, „Und „Und die ziemliche Staͤrcke des Hinterkopfs, „Zeiget deutlich an eine noch Jungfer Jobs. 20. „Das hangende Haar auf Nacken und Ruͤcken, „Scheint ein je ne sais quoi auszudruͤcken, „Und des Halses und der Brust Contour, „Deutet auf eine gute Natur.) 21. Der Baron machte also, wie leicht zu er- messen, In seiner Liebe erstaunliche Progressen, Verfertigte auch manches Schaͤfergedicht, Wo beim Lesen einem das Herz schier bricht. 22. Oft wandelten sie in einsamen Feldern, Oder spazirten in schattichten Waͤldern, Hand in Hand und Arm in Arm, Und wurden inner- und aͤusserlich warm. 23. Auch an sanft rieselnden Silberbaͤchen, Pflegten sie uͤber ihre Liebe sich zu besprechen, Und, siehe da, ihr zaͤrtlichs Gespraͤch ergoß, Sich so sanft und glatt, wie der Bach floß. 24. Oder sie sanken aufs weiche Moos nieder, Hoͤrten des Haͤnflings und andrer Voͤgel Lieder, Und ahmten ihnen in der zaͤrtlichen Klag, So viel als es nur menschmoͤglich war, nach, 25. Am zaͤrtlichsten waren ihre Wechselgefuͤhle, Auf den Wanderschaften in der Abendkuͤhle, Bei Bei dem melodisch ruͤhrenden Schall, Der Philomel, sonst genannt Nachtigall. 26. Sie sassen auch in mancher Abendstunde, Unterm blauen Himmel mit ofnen Munde, Tranken des Mondes Silberschein, Und das Flimmern der lieben Sternelein. Man sehe das Titelkupfer. 27. Oder sie saßen und liebelten in der Laube, Wie ein trauter Tauber und eine zaͤrtliche Taube, Und dann schmolzen ihre Herzen stracks, In einander wie Unschlitt und Wachs. 28. Oder sie weilten in der abgelegnen Grotte, Spielten daselbst fast den Werther und die Lotte, Und handthierten und koseten so suͤß, Wie vielleicht Adam und Eva im Paradies. 29. Kurz, das Liebesleben gieng je laͤnger je lieber, Ward endlich ein ordentliches Siegwartsfieber, Denn diese gar naͤrrische Krankheit, Grassirte ohnedem damals weit und breit. 30. Oft traf der Baron sein Maͤdchen bei der Toilette, Einmal uͤberraschte er sie gar im Bette, Jedoch bei aller dieser verdaͤchtigen Liebschaft, Behielte Esther ihre Jungferschaft. 31. Ueber- 31. Ueberhaupt versichere ich’s hoch und theuer: So groß auch ware ihrer Liebe Feuer, So ward doch dadurch in der Tugendpflicht, Kein ungluͤcklicher Brand angericht’t, 32. Bei allem dem war die Aussicht ihrer Liebe, Im ganzen genommen sehr neblicht und truͤbe, Denn man kam mit allem diesen Spiel, Doch nicht zum reellen Zweck und Ziel. 33. Denn Hieronimus konnte dies Buͤndniß nicht billigen, Die gnaͤdige Eltern noch weniger einwilligen, Es blieb also bloß bei den Praͤliminarien, Ohne im Hauptartickel weiter zu gehn, 34. Da kann man nun leicht bei sich gedenken, Wie sehr das den guten Kindern muste kraͤnken, Und wie allgemach ein heimlicher Gram, Bei dem einen und der andern uͤberhand nahm, 35. Der arme junge Herr, wie weiland Werther, Besuchte einsame melancholische Oerter, Und die noch aͤrmere Esther weinte baß, In der Einsamkeit ihre Aeugelein naß. 36. Indessen war nichts uͤbrig als sich zu fassen, Und das Ende dem Schicksale zu uͤberlassen, Und man kam darinnen uͤberein, Sich auf kuͤnft’ge bessere Zeiten zu freun. 37. So 37. So kann man nun hier das Raͤthsel loͤsen, Was die Kapitel 6 und 7 beschrieb’ne Krankheit gewesen, Von der kein studirter Arzt den Grund fund, Und noch weniger sie kuriren kunnt. Zwoͤlftes Kapitel. Wie die Buhlschaft ganz inkognito getrieben ward, ohne daß wenigstens der Herr Pfar- rer Jobs etwas davon merken kunnt. 1. E s geht den Liebhabern wie den Gaudieben, Beide pflegen ihr Gewerb im Geheimen zu uͤben, Und nach dieser wohlhergebrachten Manier, Verfuhren auch unsre Liebenden hier. 2. Herr Hieronimus hat in einigen Jahren, Vom ganzen Handel nichts mindeste erfahren, Denn, nach dem Spruͤchwort, gewoͤhnlich sind, Die Menschen in den naͤchsten Sachen blind. 3. Aber Esthers Mutter war pfiffiger und schlauer, Und sie merkte es endlich und auf die Dauer, Daß ein verliebtes Geschaͤfte vorgieng, Denn sie kannt’ noch aus alter Erfahrung das Ding. 4. Sie 4. Sie ließ, ohne die Sache selbst zu verstaͤrken, Sich doch gegen andre davon nichts merken, Denn sie uͤbertraf an Verschwiegenheit, Alle andre Frauen, alt und jung, weit. 5. Auch im Dorf war schon lange ein Geruͤchte, Von des Barons und der Esther Liebesgeschichte, Und es hatte so gar fast jedes Kind, Von den geheimen Haͤndeln Wind. 6. Selbst die alte Herrschaft merkte diese Haͤndel, Und aus manchem verstohlnen Getaͤndel, Was ihr Herr Sohn mit Esther gemacht, Schoͤpften sie allgemach Verdacht. 7. Zwar hielten diese ihre verliebten Blicke, In Gegenwart der Schloßherrschaft moͤglichst zuruͤcke, Und ratione ihres Betragens und Gesichts, Haͤtt’ man sollen denken: mir nichts, dir nichts. 8. Aber Veriiebte koͤnnen just in allen Faͤllen, Nicht andre taͤuschen und sich immer verstellen; Das Ding waͤhret hoͤchstens eine Zeitlang; Denn Naturtrieb gehet vor Zwang. 9. Besonders erregten die Besuche und Gaͤnge, Nach dem Pfarrhause, wegen ihrer Menge, Aufmerksamkeit und gerechten Argwohn, Ueber Jungfer Esther und den jungen Baron. 10. Aber 10. Aber daß es Ernst sey mit dieser Minne, Stieg ihnen nie zu Gedancken oder zu Sinne, Vielmehr glaubten beiderseits sie, Es sey nur ’ne spashafte Galanterie. 11. Der alte Herr wuste aus juͤngern Zeiten, Wie wenig dergleichen Buhlschaften bedeuten, Denn er hatte selbst manch temporellen Roman, Mit unadlichen Maͤdchen gesponnen an. 12. Und die gnaͤdige Frau that mit allem Ver- trauen, Auf die hochadliche Gesinnung ihres Sohnes bauen, Der nie durch eine Mesallianz, Verdunkeln wuͤrde des Geschlechtes Glanz. 13. Hatte uͤbrigens einen baumstarcken Glauben, Der Herr Sohn wuͤrde Esthern ihr Kraͤnzchen nicht rauben, Sondern daß alles nur angeseh’n sey, Auf eine Platonische Loͤffelei. 14. Man ließ also diese Liebesgeschichten, Ohne den Herrn Jobs davon zu benachrichten, Als ein Bagatell auf sich beruhn, Wie wir dann vor der Hand auch thun. Drei- Dreizehntes Kapitel. Wie Herr Jobs die Liebenden in der Laube atrapiren that, zur Nacht und Unzeit. 1. P hoͤbus hatte vollbracht auf gewoͤhnliche Weise Um die Erde herum seine Tagereise, Und die Postpferde schon abgeschirrt, Und die Raͤder fuͤr morgen eingeschmiert. 2. Verschlossen waren Kramlaͤden und Buden, So wohl bei beschnittenen als christlichen Juden, Und im Dachstuͤbchen im Hinterhaus, Bließ ein Philosoph sein Thranlaͤmpchen aus. 3. Auf den Schneidertischen lagen pèle mèle Gestohlne Lappen, Scheere und Ehle, Und muͤssig in des Schreiners Werkstaͤtt, Saͤge und Hobel aufs halbfert’ge Brett. 4. Vom Armenwaͤchter bis zum Staatsminister, Vom Erzbischof bis zum Hundekuͤster, Vom Profoß bis zum General hinzu, Hatte alles von der Amtspflicht Ruh. 5. Gott Morpheus streuete Schlummerkoͤrner, Luna zeigte ihre glaͤnzenden Hoͤrner, Und Und manchem abwesenden Ehemann, Ward ein Horn zu Hause zu gethan. 6. Ueberall herrschte feierliche Stille, Nur hier und da scirpte eine Grille, Oder ein wachsamer Kettenhund, Machte in ihrem Beruf gehende Diebe kund. 7. In der unermeßlichen weiten Ferne, Schimmerten droben tausend freundliche Sterne, Und das azurne Himmelblau, Ward durch kein Woͤlkchen noch Nebel grau. 8. Auf des verflossenen Tages Schwuͤle, Folgte eine sanfte erquickende Kuͤhle; Ich erinnere mich, es war grade just, Um die Mitte des Monats August. 9. Das Mondlicht fiel hell durch Ritzen und Fenster, Manches Sonntags Kind sah Phantomen und Gespenster, Die Eule flog auf die Fledermaͤus-Jagd, Mit einem Wort: Es war Mitternacht. 10. Wer gewohnt ist seine Menschenpflichten, Des Tages durch gehoͤrig zu verrichten, Und dabei satt gegessen und getrunken hat, Dem ist die Nacht eine wahre Wohlthat. 11. Denn 11. Denn weder sein leerer Magen noch volles Gewissen, Plagt ihn mit Druͤcken und peinlichen Bissen, Und nach ausgezogenen Pantoffel oder Schuh, Kommt er im Bette so fort zur Ruh. 12. Herr Hieronimus hat baß als manche Grossen, In seinem Pfarrstande dieß Gluͤcke genossen, Denn kein Hunger noch Gewissensgewicht, Druͤckte seinen Unterleib noch Kopf nicht. 13. Jedoch hat es sich einsmalen zugetragen, Daß er, vielleicht wegen uͤberladenen Magen, Die obenbeschriebene Augustnacht, Etwas schlaflos hat zugebracht. 14. Er entschloß sich so fort aufzustehen, Und im Garten ein wenig spaziren zu gehen, Um durch diese kleine Motion, Zu foͤrdern den Schlaf und die Konkoktion. 15. Er fand die Hinterthuͤr seines Hauses offen, Und ward davon zwar ein wenig betroffen, Doch glaubte er, die Hausmagd habe dieß, Vielleicht gethan gestern per Abuͤs. 16. Er wandelte im Schlafrok mit langsamen Schritte, Ohngefaͤhre bis zu des Gartens Mitte, Wo Wo unfern davon, linker Hand, Sich eine kleine dichte Laube befand. 17. Aber ploͤtzlich ward sein Spazieren unterbro- chen, Denn es wurde in dieser Laube laut gesprochen, Und es daͤuchte so gar, indem er horchte, Ihm, Es sey seiner Schwester Esther Stimm. 18. Er schlich naͤher, sehr langsam und leise, Ohngefaͤhr wie Katzen nach dem Gerispel der Maͤuse, Und hoͤrte drauf im wohlbekannten Ton Auch die Stimme vom jungen Herrn Baron. 19. Er erstaunte natuͤrlicher Weise daruͤber, Ja sein Erstaunen ging in Erstarren gar uͤber Als er fuͤrder zur Laube kam, Und den Inhalt des Gespraͤchs vernahm. 20. Denn er hat da nun deutlich erfahren, Daß man schon seit mehrern Jahren Diese Laube hatte gewaͤhlet zu ’nem naͤchtlichen geheimen Rendezvous. 21. Er hat sogar mit Schaudern vernommen, Daß die Sache sehr weit mit beiden gekommen, Und daß vielleicht eine Entfuͤhrung gar, Wie es schiene, aufm Tapete war. Jobsiade 3ter Theil. E 22. Ohne 22. Ohne vorerst weiter was anzufangen, Ist er stille zuruͤck ins Haus gegangen, Um zu uͤberlegen bei kaltem Blut, Wie das boͤse Ding sey zu machen gut. 23. Wie lang das Rendezvous in der Laube ge- waͤhret, Druͤber bin ich so genau nicht belehret; Es kann dieses, lieber Leser mein! Dir und mir auch wohl gleiche viel seyn. Vierzehntes Kapitel . Wie Herr Hieronimus mit seiner Schwester ein Kapitel haͤlt, ohne jedoch so niedertraͤch- tig zu schimpfen, wie mancher andere in sei- ner Stelle wuͤrde gethan haben und hier an- fangs zu lesen ist. 1. „ S chaͤmst du dich nicht du luͤderliche Metze! „Du et cetra! du schmutzige Petze! „Ist dann all’ Ehre, Reputation und Re- spekt „In deinem jungfraͤulichen Herzen verreckt? 2. „Pfui dich! ba! du garstige Esther! „Es verdreußt mich zu han eine solche Schwester, „Die wider alle Regeln der Moral „Treibet ein solch aͤrgerlich Skandal! 3. „Was 3. „Was wird nun ’s Publikum davon sagen „Daß sich bei mir so ’n Aergernuß zugetragen? „Giebt es nicht fuͤr den Pfarrer zu Ohne- witz „Wegen seines Amtes Stank und Praͤjudiz? 4. „Ich soll, wird man nun sagen, als Paster „Bestrafen andrer Leute Fehler und Laster, „Und doch treibts in meinem eig’nen Haus „Meine Schwester so malhonnet und kraus! 5. „Du hast doch die Kinderschuh schon ver- schlissen „Muͤßtest laͤngst weg seyn uͤber Taͤndein und Kuͤssen, „Und bist nach richtiger Rechnung bald „Sechs und zwanzig Jahr oder gar was druͤber, alt! 6. „Oder meinest du etwa, daß ich es glaube, „Daß ein Maͤdel mit ’nem Buhler allein in der Laube „Besonders zur Nachtzeit, was gutes uͤb’? „Es heißt ja: Gelegenheit machet Dieb! 7. „Aber warte, ich will es schon verfuͤgen, „Daß ihr sollt, ehe ihrs vermuthet, kriegen, „Du sowohl als dein verliebter Hasenpfot, „Die hunderttausend Element Sakerlot! 8. So haͤtte vielleicht mancher in Zorn und Eifer Seine Drohung, Gift, Galle und Geifer E 2 Ueber Ueber das arme Maͤdchen ausgeschuͤt’t; Aber das that Herr Pfarrer Hieronimus nit. 9. Er hielt es zwar fuͤrs erste noͤthige Mittel Mit seiner Schwester zu halten ein geheimes Kapitel, Aber es geschah doch mit moͤglichstem Glimpf, Ohne alle obige Drohung und Schimpf. 10. Nemlich, Herr Jobs hatte verbracht unter viel Sorgen Den Rest der Nacht und entbot gleich am Morgen Die Schwester zu sich nach der Studier- stub Wo er das geheime Examen anhub. 11. Sie vermuthete nur bloß haͤusliche Auftraͤge, Denn sie glaubte ihr Bruder haͤtte durch keine Wege, Von ihrer Liebe zum jungen Baron, Die geringste Nachricht noch Suspicion. 12. Sie erschien vor Ihm etwas schuͤchtern, Ihr Auge blickte noch ein wenig truͤbe und nuͤchtern, Wegen der naͤchtlichen Assamblee Und sie war noch im Negligee. 13. Herr Jobs wollte sie nicht zu sehr erschrecken Noch das erfahrne Abentheuer ploͤtzlich aufdecken, Denn Denn er fuͤrchtete vorerst davon Eine gar zu heftige Alteration. 14. Sprach erst uͤberhaupt von ihrem Lebens- wandel, Kam allgemach naͤher zum Liebeshandel, Ging aber so vorsichtig herum dabei Wie die Katze um einen heissen Brei. 15. Vorab must’s ihm am meisten interessiren Sich ausdruͤcklich bei ihr zu informiren, Ob bei verloffenen Haͤndeln, Sie Noch aͤcht seye in Puncto Puncti? 16. Da versicherte sie nun unter vielen Thraͤnen Mit unterbrochnem Schlucksen, Haͤnderingen und Stoͤhnen, Daß bei aller geschehenen Liebelei Noch res integra in Puncto Puncti sey. 17. Ich wette, jedes andre Maͤdchen haͤtte Noch alles uͤbrige geleugnet an ihrer Staͤtte, Nach der wohlerfundenen prima regula juris: si fecisti, nega. 18. Aber Esther hatte ein zu gutes Herze, Das gar bei gegenwaͤrtiger Schaam und Schmerze, Doch haßte jeden Lug und Betrug Und fuͤr Wahrheit und Tugend schlug. 19. Sie 19. Sie gestund, daß schon seit vier Jahr und sechs Wochen Sich der Baron ehelich mit ihr versprochen, Und daß sonst in allen Zuͤchten und Treun Gemeinet sey ihr geheimes Verein. 20. Zwar kenne sie laͤngst gar wohl und wisse Die große Schwierigkeit bei ihrem Buͤndnisse, Doch habe der Baron und sie oft Auf kuͤnft’gen guten Ausgang gehofft. 21. Ihr Gewissen gebe ihr uͤbrigens das Zeugniß, Daß nichts strafbares sey in diesem Ereigniß Und daß der Baron so wohl als sie Diese Liebe wuͤrden quittiren nie. 22. Sie sagte auch noch manches specielle Ueber die hiebei vorgekommene Faͤlle, Kurz, sie that aufrichtig Konfession Ueber den ganzen Handel mit dem Baron. 23. Waͤhrend der Relation ihrer Geschichte Stieg manche Roͤthe auf in ihrem Gesichte, Und von ihren gluͤhenden Wangen floß Manche Thraͤne wie ’ne Haselnuß groß. 24. Herr Jobs zeigte ihr mit vernuͤnftigen Gruͤnden Welche Obstacula vor ihrer Liebe stuͤnden; Obgleich er froh war, als er befand, Daß die Sache selbst nicht noch aͤrger stand. Funf- Funfzehntes Kapitel . Wie Herr Jobs den jungen Herrn gleich- falls coram nimmt; item wie er Loͤschar- stalten des Liebesbrandes macht, nach den Regeln einer guten Policei. 1. A ls nachher der junge Herr gekommen Hat Herr Jobs ihn gleichfalls coram genom- men, Und erschoͤpfte seine ganze Redekunst, Um zu loͤschen seine zaͤrtliche Brunst. 2. Er suchte ihn besonders zu belehren, Daß, wenn er sie auch meinte in allen Ehren, So So koͤnne doch seine Schwester nie Fuͤr ihn seyn eine schickliche Parthie. 3. Sintemal nach des Kirchenlehrers Ovids Spruche, Besser sey, daß gleich und gleiches sich suche, Und im Gegenfalle manch Leid und Unheil Entstehe fuͤr den einen oder andern Theil. 4. Gesetzt auch, man koͤnne in den ersten Tagen Sich gut mit einander begehen und betragen, So waͤre nach verfloß’ner Flitterwoch Immer der Henker loß doch. 5. Der junge Baron aber hatte dagegen Viele Exceptiones einzulegen, Und zeigte, daß hoch, gering, arm und reich, In der Liebe, so wie in der Natur, sey gleich. 6. Bewieß auch aus der Geschichte alt- und neuer Haͤuser Daß nicht nur Edelleute, sondern auch Koͤn’ge und Kaiser Aus niedrigem Stande sich eine Braut Mit gluͤcklichem Erfolge haͤtten angetraut. 7. Bat auch und beschwor ihn, daß er von seiner Seite Ihm kein Hinderniß in der Liebe bereite, Sondern zur Erfuͤllung des Wunsches viel- mehr So viel ihm moͤglich, behuͤlflich waͤr. 8. Er 8. Er versprach auch bei seinen gnaͤdigen Eltern Den Konsens dereinst heraus zu keltern. Aber, was that dann Herr Jobs? Je nu! Er schuͤttelte vor wie nach den Kopf dazu. 9. Und gleichwie man bei guten Policeianstalten Es uͤberall also pfleget zu halten, Daß, bei einer heftigen Feuersbrunst, Wenn sie nicht zu loͤschen ist durch Kunst, 10. Man das benachbarte Gebaͤude einreisse Und das brennende selbst zusammenschmeisse, Und so der Flamme Ausbreitung stoͤr’ Damit der Brandschaden sich nicht vermehr; 11. So that auch Herr Jobs, als er befande, Daß bei obgedachtem heftigen Liebesbrande Durch die Brandspruͤtze der Moral und Ver- nunft Wenig Huͤlfe sey fuͤr die Zukunft. 12. Denn er gab von nun an, naͤchtlich und taͤg- lich Auf seine Schwester Achtung, so viel ihm moͤg- lich, So daß wenigstens der Laubenbesuch Sich bei Nacht und Unzeit etwas verschlug. 13. Aber ein verliebtes Maͤdchen zu bewachen Dazu gehoͤren 50 Riesen und 20 Drachen Und Und eine viermal ummauerte Burg, Und wenn es will, so geht es doch durch. 14. So knuͤpfte auch die Liebe den Baron und die Esther Bei allen Hindernissen nur enger und fester; Jedoch ward alles von Stunde an In noch strengerm Geheime gethan. Sechszehntes Kapitel . Wie die alte Herrschaft zu Ohnwitz ihre sil- berne Hochzeit feiert mit allen Solennitaͤ- ten. 1. W ir wollen nun in den naͤrrischen Liebes- sachen Auf ein Weilchen eine Pause machen, Und einmal hinuͤber aufs Schloß gehn, Denn da gibts was neues zu besehn. 2. Dort war ein Gewuͤhl, Treiben und Rennen, Als saͤh man irgendwo ein Gebaͤude brennen, Und vom Kammerdiener bis zum Kuͤchen- jung War alles gestimmt zu Laufen und Sprung. 3. Von 3. Von der Kammerzofe bis zur Viehmagd be- fande Sich alles geputzt im festlichen Gewande, Und vom Schweinhirten bis zum Leiblakei Prangte jeder in Sonntagslivrei. 4. Alle Schornsteine des Schlosses schmauchten, Mehr als hundert Kochtoͤpfe dampften und rauchten, Und dreißig Braten, theils zahm, theils wild, Wurden am Feuer gahr und mild. 5. Auch viel Flaschen stunden mit allerlei Weine Aus Ungarn, Frankreich, Spanien und vom Rheine Theils leicht bestoͤpfelt, theils verpitschirt In zierlicher Ordnung aufrangirt. 6. Ein Chor fruͤh versammelter Violinisten, Floͤtisten, Hautboisten, Waldhornisten, Saß bei Schnaps und Notenmusik Und machte im Vorhaus zur Probe ein Stuͤck. 7. Kurz, alle Anstalt schien zu prophezeien Ein großes Triumphiren und Jubeleien; Denn die gnaͤdige Herrschaft feierte heut Ihre sogenannte silberne Hochzeit. 8. Es 8. Es erschienen zu diesem herrlichen Feste Fruͤhzeitig viele eingeladene Gaͤste Vom benachbarten Adel, zu Kutsch und zu Roß, Auf das freiherrliche Ohnwitzer Schloß. 9. Der ganze Vormittag ging schier zu Ende Mit Scharrfuͤßmachen und Kuͤssen der Haͤnde, Und Komplimenten und Gratulation, Nach dem gewoͤhnlichen vornehmen Ton. 10. Mittlerweile ward auf dem gepflasterten Saale Alles bereitet zum hohen Mittagsmahle Und der Hoͤrner und Trompeten Schall Gab zum Sitzen das frohe Signal. 11. Es wurde da alles recht fuͤrstlich gehalten, Man aß herrlich und trank bloß alten; Herr Doktor Jobs, der vor allen mit aß Sprachs Benedicite und Gratias. 12. Auch konnten an einigen Nebentischen Sich noch andre eingeladene Gaͤste erfrischen, Sie waren alle nur von Buͤrgerart Saßen folglich, wie billig war, a part. 13. Zum Exempel: der Hausadvokate, Welcher sein Glas fleißig leeren thate, Und nebst dem dicken Justitiar Am ersten von allen berauschet war; 14. Auch 14. Auch einige geistliche Freunde des Hauses Gleichfalls keine Veraͤchter eines guten Schmauses, Item der herrschaftliche Sekretaͤr, Und der gnaͤdigen Frauen Leibaccoucheur. 15. Alle leerten als bekannte brave Zecher Fleißig ihre gefuͤllten großen Becher, Und trunken im hochedlen Rebensaft Aufs hohe Wohl der gnaͤdigen Herrschaft. 16. Da hatten nun der gnaͤdige Herr und gnaͤ- dige Frau, beide, Ihren tausend Spaß und uͤbergroße Freude, Denn ein jeder Betrunkner war Auf seine eigne besondre Art ein Narr. 17. Auch ein in der Nachbarschaft wohnender Poete Hatte von dieser bevorstehenden Fete, Durch die Posaune der Fama, Wind, Und verfertigte drauf ein Carmen geschwind; 18. Kam also, kurz vor der Mahlzeit, herbei- schleichen, That das Carmen mit tiefster Reverenz uͤber- reichen Und empfing hoͤchst gratioͤs davor Ein Almosen von zwei blanken Louisd’or; 19. Wurde dabei aus uͤberschwenglichen Gnaden Mit an die Nebentafel eingeladen, Saß Saß aber, wie man leicht denken kann, Wegen seines kahlen Rockes, unten an. 20. Man schenkt’ ihm oft ein und er ward trunken; Dies erregte nun sehr seine poetischen Funken, Und man transportirte ihn mit guter Ma- nier, Weil er zu laut wurde, vor die Thuͤr. 21. Der Rest des Tages verstrich unter Tanz und Springen Und derlei zeitvertreiblichen schoͤnen Dingen; Abends war schoͤne Illumination Wobei man eine Tonne Oel verbronn. Siebenzehntes Kapitel . Wie der junge Herr das Eisen schmieden will, weil es noch warm ist, und wie es ihm damit nicht ganz nach Wunsch erging. 1. N ach und nach verloren sich vom Balle Gaͤste und Gaͤstinnen, meist paarweise, alle, Stammelten ihren schuldigen Dank; Die meisten waren berauschet und krank. 2. Frau Hochzeiterin und Herr Hochzeiter Waren heute ausserordentlich heiter; Doch Doch zweifle ich sehr, obs ganz so war, Wie heute vor fuͤnf und zwanzig Jahr. 3. Diese Stimmung schien in puncto und von we- gen Seiner Liebe, dem jungen Baron sehr gele- gen; Denn er dachte, nach dem Spruͤchwort sey’s gut Das Eisen zu schmieden, wenn’s ist in Glut. 4. Er schritt also, obgleich aͤngstlich und bloͤde Bei seinen Eltern zur noͤthigen Vorrede, Und bate sie ausserordentlich sehr Um ein geneigtes geheimes Gehoͤr. 5. Man ist drauf ins Apartement gegangen, Und da hat der junge Herr den Text angefan- gen, Und machte ihnen den schrecklichen Brand Seines Herzens zu Mamsel Esther be- kannt. 6. Der alte Herr wurde hoͤchst sehr frappiret, Fast haͤtte ihn die Apoplexie geruͤhret, Und die gnaͤdige Frau von Ohnewitz Fuhr zusammen, als traͤf sie der Blitz. 7. Allgemach hat man sich ein wenig gesammelt Ihm etwas Zweideutiges als Trost zugestam- melt; Denn Denn man merkte aus seiner Sprache wohl Die Sache sey zu ernsthaft und toll. 8. Er ist bald nach dem Schlafgemach geschieden; Die Sache war zwar noch nicht nach Wunsch entschieden, Aber sein Herz war doch ein Centner und mehr Leichter, als es gewesen vorher. 9. Aber seiner Eltern zaͤrtlichen Herzen Erregte diese neue Maͤhr heftige Schmerzen; Denn eine solche buͤrgerliche Heirath War ihnen eine unverantwortliche That. 10. Ihr Sohn hatte sich seit seinen Kindestagen Immer gehorsam und vernuͤnftig betragen, Nun aber wollte er was fangen an, Was kein Herr von Ohnwitz noch je gethan. 11. Versalzen ware nunmehro bei beiden Die Suppe ihrer heutigen großen Freuden, Und der froh angefang’ne Hochzeitstag Nahm ein End mit Schrecken und Unge- mach. 12. Aber so gehts, auf einen hellen und frohen Morgen Folgt oft ein Abend neblicht und voll Sorgen, Und wo ein Heilgen-Haus ist, hat auf der Stell Nahe dabei der Schwarze eine Kapell. 13. Was 13. Was weiter hinter der Gardine passiret, Und wie man uͤber die Sache deliberiret, Nemlich, wie solche anzugreifen sey Weiß ich nicht, denn ich war nicht dabei. Achtzehntes Kapitel. Enthaͤlt allerlei Anstalten, pro und contra. 1. H err Jobs ward Tags drauf zu Rath gezogen Und da hat man alles vernuͤnftig erwogen, Und es folgte zuletzt der Schluß: Weit davon seye gut fuͤr’n Schuß. 2. Das heißt: aus Erfahrung hat man oft ge- lernet, Daß, wenn man Stroh vom Feuer entfernet, Nicht so leicht ein Ungluͤck oder ein Brand In Scheunen und Herzen nimmt uͤberhand. 3. Das Beste sey folglich die Liebenden zu trennen, Vielleicht wuͤrde es dann wohl aufhoͤren zu brennen; Weil eine persoͤnliche Abwesenheit Oft tilget die Freundschaft und Zaͤrtlichkeit. Jobsiade 3ter Theil. F 4. Der 4. Der Baron sollte also nicht lange anstehen Italien, England und Frankreich zu besehen, Mittlerweile wuͤrde er in seinem Gefuͤhl Fuͤr Mammesel Esther vielleicht kuͤhl. 5. Eine Signora, Ladi oder Marquise, Die das Ohngefaͤhr ihm irgendwo anwiese, Wuͤrde in Rom, London oder Pareis Ihn dann vollends bringen ins rechte Ge- leis. 6. Er hat deswegen von seinen lieben Alten Den Befehl zur Reise vorlaͤufig erhalten; Es ist leicht zu denken, wie delikat Ihm diese Ankuͤndigung schmecken that. 7. Aber um diese Pille zu vergulden, Rieth man ihm sich wegen Esthers zu gedulden, Bis etwa zu seiner Zuruͤckkunft Frist Einst geschehen moͤchte, was Rechtens ist. 8. Aller Umgang und ferners Karessiren Muͤsse indessen zwischen ihnen cessiren. Dieses versprach der Baron nun wohl, Doch eben nicht auf Kavaliersparol. 9. Drum hat er vor wie nach, vor der Abreise Auf verschiedene klug ersonnene Art und Weise, Meist aber Abends und bei der Nacht, Bei Esther einige Augenblicke zugebracht. 10. Das 10. Das gab dann ein Gewimmer und Lamen- tiren, Daß es einen Stein haͤtte moͤgen erbarmen und ruͤhren, Denn die Trennung ist ein sehr bitteres Kraut, Und verwundet der Liebenden Herz und Haut. 11. Es ward auch zu beiderseitigem Erquicken Verabredet, sich fleissig Brieflein zu schicken, Und ’nen ehmaligen Diener des Baron Waͤhlte man zum Liebespostillion. 12. Dieser hatte seit sehr geraumen Jahren, Die Kutsche der Herrschaft zu Ohnwitz gefah- ren, Und nun ohnlaͤngstens als Veteran Seine eig’ne kleine Wirthschaft gefangen an. 13. Schon zu des alten Herren Jugendzeiten Besaß er in Bestellung der Liebesangelegen- heiten, Zu aller Menschen Verwundernuß Eine besondere Fertigkeit und Habitus. 14. Er hieß Juͤrgen und war nun in allen Ehren Auch willig zu des jungen Herrn Liebesbegeh- ren, Und uͤbernahm in diesem Fall der Noth Gegen gute Geschenke den Briefdepot. F 2 15. Uebri- 15. Uebrigens qualificirt sich dieser Titel Der Liebesbriefe zu ’nem neuen Kapitel Ich will darum mit moͤglichstem Fleiß Alles Noͤthige sagen, was ich davon weiß. Neunzehntes Kapitel. Dieses Kapitel enthaͤlt manche schoͤne Betrach- tung uͤber Liebesbriefe in Genere. 1. I n Genere ists um die verliebte Briefsprache Eine gar kuriose und sehr naͤrrische Sache, Denn durchgehends gebraucht man hie Eine eigene besondre Terminologie. 2. Da schlagen oft gar fuͤrchterliche Flammen, Ueberm Kopfe der Verliebten zusammen; Und wenn man’s eigentlich besieht bei Licht, So brennts nur auf dem Papier, sonst nicht. 3. Man spricht drin von sich todt stechen und sterben Und von vielem Weinen, wovon die Augen verderben; Und eigentlich verspruͤtzt man doch kein Blut, Und die Augen verbleiben klar und gut. 4. Da laͤßt man’s an Pretiosis nie fehlen, Da sind in Menge Perlen und Juwelen Und Und suͤßer Nektar und Ambrosia Und Gold aus Peru und Arabia. 5. Da finden sich Muͤndchen von Karmin und Korallen, Und Aeuglein heller wie geschlif’ne Krystallen, Haͤlse von Alabaster und Elfenbein, Herzen von Demant und Marmorstein. 6. Man spricht von Sympathien und Magne- ten, Anziehenden Kraͤften und Elektricitaͤten, Und bei jedem dieser physischen Dingen hat Eine besondere mysterioͤse Deutung statt. 7. Da giebts Veilchen, Rosen und schoͤne Nel- ken, Vergißmeinnichtchen, die nie verwelken, Tausendschoͤn, Maybluͤmelein, Jesmin, Sonnenblumen und die schwere Meng Im- mergruͤn. 8. Bei etwa geringern Liebesprogressen Spricht man jaͤmmerlich von Mirthen und Zypressen, Von Todtenkraͤnzen, Ysop und bitterm Wermuth, Und was man bei Leichen gebrauchen thut. 9. Es kommen auch nach der allgemeinen Regel Drin vor allerlei Gethiere und Gevoͤgel, Vor- Vorzuͤglich die bekannte Philomel Ist darin des Sommers ohne Fehl. 10. Item, anmuthiggirrende Turteltaͤubchen Auch Sperlinge, Haͤnflinge, Maͤnnchen und Weibchen, Auch wohl ein Zeisig oder Distelfink, Imgleichen mancher bunter Schmetterling. 11. Zuweilen gar grausame Loͤwinnen Und unbarmherzige Tigerinnen, Aber doch meist manch Schaͤfchen und Lamm Sanftmuͤthig, dumm, geduldig und zahm. 12. So gar Geschoͤpfe aus hoͤhern Regionen, Engel und Sylphen zu Millionen, Und selbst der kleine blinde Gott Amor, Kommen in derlei Briefen oft vor. 13. Sonne, Kometen, Nordlicht und Sterne Gebraucht man in den Liebesbriefen auch gerne; Besonders aber wird der liebe Silbermond Am wenigsten von allen Planeten geschont. 14. Noch tausend und mehr andre Hieroglyphen Sehr gebraͤuchlich in Liebesbriefen, Trift man in jedem bekannten Roman Der aͤltern und neueren Zeiten an. 15. Man haͤlt es auch nicht fuͤr sehr uneben Seiner Schoͤnen einen zartern Namen zu ge- ben, Oder, Oder, ist der Taufname etwa zu dumm So aͤndert man ihn wohl ganz und gar um. 16. Da sagt man zum Exempel: statt Karo- line, Line, Statt Leopoldine Poldchen oder Dine, Imgleichen Trina statt Katarein, Item Beta statt Elsabein. 17. Da kommt oft vor: Stella, Minna, Reta, Imgleichen Bella, Zinna und Meta; Namen, welche bisher in Deutschland, Ausser in Romanen, sind unbekannt. 18. Ferner lieset man statt Klara, Klaͤre, Und wie im gegenwaͤrt’gen Casu, statt Esther, Stehre ; Statt Wilhelmina, Mina und sofort, Wie zu sehen am gehoͤrigen Ort. Zwan- Zwanzigstes Kapitel . Anweisung zum neuesten verliebten Briefstile, in feinen Exempeln, nach Siegwart und Werther; oder, von der Liebeskorrespondenz des jungen Barons und der Mamsel Esther in Specie. 1. I n dem vorherbeschriebenen Kraftstile Klagte nun auch der Baron seine Gefuͤhle, Und der vorstehenden Trennung Ungemach Mit untermengtem manchen O! und Ach! 2. Denn er hatte viele Romanen studiret, Hier und da auch vielleicht excerpiret, Wo Wo er was herzzerbrechendes las, Und dieses kam ihm nun trefflich zu paß. 3. Esther aber, nicht in dergleichen belesen Machte mit ihren Briefen weniger Wesen, Und antwortete gewoͤhnlich kurz nur Ohne Kunst, bloß nach der Natur. 4. Hier erfolgen einige genaue Kopeien; Der Leser wird mir dieses hoffentlich verzeihen, Weil mancher verliebter junger Mann Sie als Briefmuster weiter gebrauchen kann. 5. „Ach, meine Stehra ! Auserwaͤhlte! Ge- liebte! „Denke wie mich der Donnerantrag betruͤbte: „Meine Eltern sagten mir gestern, ich soll mich „Trennen, o wer weiß wie lange? von dich! 6. „Mir ist zugleich der Blitzbefehl ernstlich ge- schehen: „Dein Engelsgesicht nicht mehr so oft zu se- hen — „Dich meine Beste! — Du Einzige! „Gar nicht mehr persoͤnlich zu sprechen — Au weh! 7. „Aber ich wills hoch und theuer beschwoͤren; „Dich ewig zu lieben soll mir niemand wehren, „Und „Und meines Herzens treue Sympathie „Soll fuͤr dich — du Himmlische! verloͤ- schen nie.“ 8. Antwort : Mein Schatz! was du mir hast geschrieben, Thut mich innerlich in der Seele betruͤben, Denn ich halte der kuͤnft’gen Trennung Graus Gewißlich keine acht Tage dir aus. 9. Mein Herz ist krank und meine Augen fliessen, Ich thue dich hunderttausendmal begruͤssen, Und bleibe immer und ewig dabei: Lieber gestorben als ungetreu. 10. „O mein Engel! mein Seraph! meine Stehre! „Vormals schwamm ich in ’nem Wonnemeere, „Und ein Blick aus den blauen Augen von Dir „War mehr als Gold und Seligkeit mir. 11. „Aber bald, ach bald soll ich dich verlassen „Mein banges Herz vermag dies nicht zu fassen, „Es tobt wuͤthend und ich erliege fast, „Unter dieser schweren Centner-Last. 12. „Draussen wall ich in Waͤldern auf und nie- der, „Horche nicht mehr auf der Voͤgel zaͤrtliche Lieder. „Mir „Mir duftet nicht mehr das Bluͤmchen im Thal, „Mir laͤchelt nicht mehr der freundliche Mondstrahl.“ 13. Antwort : Wenn der ganze Himmel Pa- pier waͤre, Und alle Sternen Schreiber und Sekretaͤre, Und schrieben fort bis zum juͤngsten Gericht, So klecksten sie doch zur Beschreibung mei- ner Liebe nicht. 14. Darauf kannst Du Dich gar sicher verlassen, Wir wollen uns also in Geduld fassen, Du bleibest, trotz aller Trennung! mein, Und ich will ewig deine Stehra seyn. 15. „O wie war die Nacht so schlaflos, so trau- rig! „Wie heulte der Sturm draussen so schaurig! „In meiner geaͤngstigten Seele bruͤllt „Ein Sturm, noch weit schauriger und wild. 16. „Ach, meine einzige Goͤttin! meine Cythere! „Du, mir mehr als Himmmel ! meine Stehre! „Schwebst im reizenden Bilde immer vor mir — „Ach waͤr ich heute ein Stuͤndchen bei Dir — — 17. Ich 17. „Ich wollte gerne, um dich persoͤnlich zu se- hen, „Durchs Feuer und uͤber Eisgebirge ge- hen — — „Denn Dein lieblich laͤchelndes Angesicht „Erquickt mich mehr als des Monds Sil- berlicht.“ 18. Antwort : Mein Liebster! freilich die Nacht war boͤse, Ich hoͤrte auch des Sturms Bruͤllen und Ge- toͤse, Und ich habe auch, wie Du, die ganze Nacht An Dich denkend, schlaflos zugebracht; 19. Komme heute Abend um eilf Uhr in Garten, Da will ich Dich mit ofnen Armen erwarten; Brauchst da nicht uͤber Eisgebirge zu gehn, Denn der Weg dahin ist gruͤn und schoͤn. 20. „Amor huͤpft um mich mit seinen Gehuͤlfen, „Goͤttliches Maͤdchen! mich umtanzen Syl- phen „Und wie der silberne Wasserquell „Ist nun meine duͤstre Seele hell. 21. „Der heil’ge keusche Mond wird uns laͤcheln „Zephyr wird uns in den Abendstunden faͤcheln; „Ich eile auf der Liebe schnellen Fittich „Und bin um eilf Uhr praͤcis bei dich. 22. „Hoch 22. „Hoch pocht mein Herz voll von tausend Dingen „Ich kann Dir meine Gefuͤhle nicht alle sin- gen; „Aber dann sink ich fuͤr seligen Schmerz „Du meine Auserwaͤhlte! an dein Herz.“ 23. Antwort : Ich hoff’, es werd nicht an Ge- legenheit fehlen, Mich langsam aus dem Pfarrhause zu stehlen, Es bleibet dabei: mein Schatz! komm nur Im Garten zu mir um eilf Uhr. 24. „Schon in beinah anderthalb bangen Tagen „Habe ichs Dir muͤndlich nicht koͤnnen sagen „Wie, meine Grazie! Dein goͤttliches Bild „Meine liebevolle Seele erfuͤllt. 25. „Kronen und Reiche wollte ich gerne hin- geben, „Um mit Dir ewig verbunden zu leben, „Und weder Teufel noch die ganze Hoͤll „Tilget Dein Bild aus meiner Seel — — 26. „Ach! die Fuͤhllosen! Ach! die Tyrannen! „Die mich von Deiner Seite wollen verban- nen!! „Aber posito man trennte auch Dich und mich, „So schlaͤgt doch immer mein Herze fuͤr Dich — — 27. Ant- 27. Antwort : An Deiner Liebe hab ich keinen Zweifel, Aber ich bitte Dich, sprich nicht so viel vom Teufel, Denn mir grauset jedesmal recht sehr, Wenn ich seinen Namen nur nennen hoͤr. 28. Hofnung auf guͤnstige kuͤnftige Zeiten, Sollen uns in der Liebe immer begleiten; Das uͤbrige sag ich diesen Abend muͤndlich, Und erwarte an gewoͤhnlichem Orte Dich. 29. „Morgen — ach! Morgen droht die fuͤrch- terliche Stunde „Lange Trennung unserm zaͤrtlichen Bunde, „Denn, himmlisches Maͤdchen! Ach! es ist „Alles zur Abreise zugeruͤst’t. 30. „Laß mich noch einmal beim keuschen Mond- lichte „Sehn Dein unvergeßlich Seraphinsgesichte, „Und gieb, weil es nun so seyn muß, „Mir zur Staͤrkung den Abschiedskuß. 31. Antwort : Ach! ach! werd ichs auch koͤn- nen ertragen, Dir das letzte Lebewohl muͤndlich zu sagen Ohne daß mein empfindliches Herze nicht In hunderttausend Stuͤcke zerbricht!! 32. In- 32. Indessen, mein Geliebter! ich will im Gar- ten Dich zur gewoͤhnlichen Stunde erwarten Und da nehm ich, weils so seyn muß, Deinen zaͤrtlich getreuen Abschiedskuß. 33. Es sind dergleichen Billetsdoux noch mehre Gewechselt zwischen dem Baron und seiner Stehre; In des Barons seinen ware lauter Unsinn, Und in Stehrens ihren nicht viel Ver- nuͤnftiges drin. 34. Ich will also diese Materie enden, Und mich lieber zu einer andern wenden, Und verweise allenfalls uͤber dies Stuͤck Auf Siegwart, Werther und Kon- sorten zuruͤck. Ein Ein und zwanzigstes Kapitel. Ade! der junge Herr reiset ab. 1. N icht immer kann man in Rosen sich baden Man muß auch oft durch dick und duͤnne wa- den, Denn so ist es auf unsrer Lausewelt Leider! von Alters her, bestellt. 2. Das heißt: Wir koͤnnen manch angenehmen Bissen In unserm Erdenleben hier und da geniessen, Und der thut gar nicht uͤbel dran Ders gute mitnimmt, wenn ers kriegen kann; 3. Aber es ist uns auch manches bitteres Essen, Mancher Kummer, manches Leid zugemessen, Und da ist nun mein Rath unmasgeblich, Daß man geduldig drin ergeb’ sich. 4. Auf diese sehr vernuͤnftige Reflexiones Hat mich zum Gluͤck die Abreise des Barones Und seine Trennung von Stehre gebracht; Ich haͤtt’ sie sonst nicht aus mir selbst ge- macht. 5. In der Nacht vor seiner Abreise Hatte er und seine Geliebte verstohlnerweise Noch Noch eine Zusammenkunft zu guter Letzt, Wie wir oben gehoͤrt haben, angesetzt. 6. Da gabs hinc inde ein Gewimmer, ein Gewim- mer, Ein Gewimmer, wie es vielleicht nimmer Zwischen zwei Verliebten je geschehn, Welche sich zu Nachts alleine sehn. 7. Ich vermags nicht in extenso zu beschreiben, Wie weinerlich es sie allda mochten treiben, Meine Augen wuͤrden dabei zu naß, Und zu leer an Dinte mein Dintenfaß 8. Es ward da noch einmal mit den feierlichsten Eiden Die ew’ge Treue befestigt zwischen beiden, Und Frau Echo mit ihrem Widerhall Bekraͤftigte alles dazu noch dreimal. 9. Auch hat man unverbruͤchlich abgesprochen Sich Briefe zu schreiben wenigstens alle vier Wochen Durch die bishero gebrauchte Adreß, Damit einer den andern nicht vergeß. 10. Schon oͤfnete die alte Jungfer Aurore Droben die schoͤnblauen Himmelsthore Und erschien im Rosenkleide huͤbsch und fein Und Herr Phoͤbus kutschirte hinter drein. Jobsiade 3ter Theil. G 11. Das 11. Das ist verdolmetschet in der gewoͤhnlichen Sprache: Man blieb beisammen bis der Morgen an- brache, Und endlich unter vielem Ach und Weh Erfolgte das schmerzlichste Adieu. 12. Ach! ach! das letzte Kuͤssen und Umarmen War eine Scene jaͤmmerlich und zum Erbar- men, Bis zuletzt ein jeder fuͤr sich Mit roth geweinten Augen nach Hause schlich. 13. Als hernach circa ein Viertel nach neun auf der Uhre, Der junge Baron von Ohnewitz wegfuhre Und Esther ihm im Wagen nachsah, Fiel sie in eine Ohnmacht beinah. 14. Sie ist auf ihr Zimmer alleine gegangen, Thraͤnen rollten reichlich von ihren Wangen, Ein Schnupftuch verhuͤllte Stirn und Ge- sicht Und sie aß und trank den ganzen Tag nicht. 15. Klagte auch schrecklich uͤber Kopfschmerzen, Und winselte uͤber Druͤcken und Noth am Her- zen, So daß ihr Bruder fast drob erschrack, Obgleich er merkte was dahinter stack. 16. Auch 16. Auch der junge Herr im Reisewagen War similiter sehr zu beklagen Denn man sah’s ihm gar deutlich an, Es sey ihm innerlich was angethan. 17. Ich selbst habe ihn zwar nicht gesehen, Doch kann ich es wohl von selbst verstehen, Und jeder andrer Vernuͤnftiger schließt dieß Aus den vorhergegangenen Praͤmissis. 18. Indessen bekam er bald wieder Kurasche, Denn er hatte eine schoͤne Equipasche, Und gutes Reisewetter, und saß bequem, Und hatte in seiner Schatulle noch ausser- dem 19. Nicht allein baares Geld wie Haͤcksel, Sondern auch manche wichtige Wechsel Samt und sonders so eingericht’t, Daß sie gleich bezahlt wurden nach Sicht. 20. Ja so gar schriftliche Rekommendationen An viele hohe und beruͤhmte Personen; Und so haͤtte ich ohne eigenes Geld Mit ihm reisen moͤgen durch die halbe Welt. G 2 Zwei Zwei und zwanzigstes Kapitel. Hier wird kuͤrzlich erzaͤhlet, was sich auf der Reise, mit dem jungen Herrn haͤtte zutragen koͤnnen. 1. H ier koͤnnte ich nun vieles herleiern Von seinen auf der Reise gehabten Abenteuern, Und was er in jeder fremden Stadt Merkwuͤrdigs gehoͤrt und gesehen hat. 2. Ich koͤnnte, um dieses Kapitel gemaͤchlich zu fuͤllen, Aus manchen alten und neuen Reisepostillen, Und aus Berkenmeyer und Buͤsching Hervorsuchen manch geographisches Ding. 3. Ich koͤnnte erzaͤhlen daß er zum Vergnuͤgen In der Schweiz die gefaͤhrlichen Gletscher be- stiegen, Und daß er in diesem arkadischen Land Manche reizende Alpenschaͤferin fand. 4. Ich koͤnnte erzaͤhlen von praͤchtigen Kunstwer- ken, Welche damals in Rom waren zu bemerken, Ob sie gleich von den Herrn Franken nach der Hand Wurden nach Paris ins Musaͤum gesandt. 5. Ich 5. Ich koͤnnte erzaͤhlen von Kardinaͤlen und Praͤ- ten, Von schoͤnen Saͤngerinnen und von Kastra- ten, Von dem großen Sankt Peters Dohm Und raren Antiquitaͤten in Rom. 6. Ich koͤnnte erzaͤhlen von den pomtinischen Suͤmpfen Und von den italiaͤnischen Freudennymphen Und vom feuerspeienden Berg Vesuv, Alle drei im ungesunden und schmutzigen Ruf. 7. Ich koͤnnte erzaͤhlen von Redouten und Mas- keraden, Wozu man ihn zum oͤftern eingeladen, Und von Gondelfahrten und vom Karneval, Und manchem praͤchtigen Concert und Bal. 8. Ich koͤnnte erzaͤhlen von großen Bibliotheken, Von gelehrten Denkmaͤlern und alten Schar- teken, Welche er im Lande Italia, Oder sonst wo, mir nichts dir nichts, besah. 9. Ich koͤnnte erzaͤhlen, wie er nach anderthalb Jahren Erst nach Frankreich, dann nach England ge- fahren, Und Und wie er nach manchem begafften Ding, So klug als vorher, wieder nach Hause ging. 10. Ich wuͤrde noch viel mehr erzaͤhlen koͤnnen, Allein ich muß es offenherzig bekennen, Daß ich waͤhrend seiner ganzen Reis’ Von dem jungen Herrn nichts weiter weiß, 11. Als daß er fleissig an seine Stehre geschrie- ben, Ihr auch abwesend immer getreu verblieben, Und daß in langer Zeit kein andrer Mensch Etwas erfuhr von dieser Korrespondensch. Drei und zwanzigstes Kapitel. Wie die Korrespondensch der beiden Liebenden an den Tag kommt, und wie Juͤrgen zur Ver- antwortung gezogen wurde und Esther nach Rudelsburg verschickt wurde. 1. J edoch fiele einmal von ohngefaͤhre Ein Brief des Barons an seine liebe Stehre Dem alten Herren in seine Hand, Und da wurde die Korrespondenz bekannt. 2. Er 2. Er muste drin mit großem Verdrusse lesen, Daß alles noch war, wie es vormals gewesen, Und daß der Briefwechsel je laͤnger je mehr Die Liebe des einen zur andern naͤhr. 3. Der Veteran Juͤrgen muste sein Vergehen Vorab bereuen und umstaͤndlich gestehen, Und er kam zum Liebesbotenlohn Mit achttaͤgigem Arreste davon. 4. Um aber den fernern Briefwechsel bei Stehren Fuͤr die Zukunft voͤllig abzuwehren, Beschloß man dieselbe heimlich alsofort Zu verschicken an einen andern Ort. 5. Zwoͤlf Meilen von Ohnwitz lag ein kleines Guͤtchen, nahe am Ufer disseits des Rheines, Wo mit dem Ohnwitzer Hause verwandt Frau von Rudelsburg sich seßhaft befand. 6. Dahin ward dann Esther rekommandiret (Ihr Herr Bruder selbst hat sie eskortiret) Als eine Jungfer Gesellschafterin, Und Esther ergab sich geduldig drin. 7. Ob alle Fehde sich hiemit geendet, Oder das Blatt sich etwa anders gewendet Und was sonst wichtiges noch geschehn, Das alles wird man in der Folge sehn. Vier Vier und zwanzigstes Kapitel Wie die Revolution der Neufranken einen Einfluß hat auf das Schicksal des Herrn Jobs und der adlichen Herrschaft zu Ohn- witz, und wie sie emigriren muͤssen. 1. N ichts ist wunderlicher als das menschli- che Gluͤcke, Es veraͤndert sich oft in einem Augenblicke, Es ist, nach dem Spruͤchwort, kugelrund Und bald oben bald unten, bald weiß bald bunt. 2. Das haben, besonders seit ein halb Dutzend Jahren, Viele große Herren hier und da erfahren, Koͤnige, Prinzen, Grafen und Duͤc’s Fuͤhlten bekanntlich den Wechsel des Gluͤcks. 3. Es erniedrigt und stuͤrzt bald jenen bald diesen, Macht Sprachmeister aus ehmaligen Mar- quisen Und aus Comten, Chevaliers und Messioͤrs Tanzmeister, Frisoͤrs und Servitoͤrs. 4. Es necket Großmeister, Dogen und Hohe- priester, Favorittinnen und fromme Staatsminister, Und es ist ihm durchaus einerlei, Wes Standes oder Wuͤrden jemand sey. 5. Ja, 5. Ja, warlich! man muß billig erstaunen Ueber der Frau Fortunens Wechsellaunen; Wir machen indessen nur hievon Auf Herrn Pfarrer Jobs Applikation. 6. Daß dieser ein wahrer Gluͤcksball gewesen, Haben wir im ersten und zweiten Theile gelesen Und dasselbe ist nun abermal Im jetzigen dritten Theile der Fall. 7. Nemlich es war damals die Epoche der Ohne- hosen, Und in Deutschland hausete ein Heer von Fran- zosen Auch predigte man zu derselbigen Zeit Ueberall von Freiheit und Gleichheit. 8. Auch in Ohnwitz schien unter einigen Leuten Sich der Sanskuͤlottismus hier und da zu verbreiten, Und Herr von Ohnwitz fuͤrchtete fuͤr sein Theil Daraus endlich ein großes Unheil. 9. Hat drum dem Herrn Pfarrer Jobs aufgetra- gen, Auf der Kanzel einmal der Gemeine zu sa- gen, Sie sollten sehn den biblischen Spruch an: Ein jeder sey der Obrigkeit un- terthan . 10. Die- 10. Dieser hat dann auch dergestalten Bald drauf eine scharfe Predigt gehalten, Welche als einzig stark in ihrer Art, Gleich auch im Drucke gegeben ward. 11. Nicht allein in der Ohnwitzer Gemeine, Sondern auch in der ganzen Gegend am Rheine Wurde dieselbe verbreitet im Land Folglich auch den Herren Franken bekannt. 12. Sie haben sich dieses ad notam genommen, Und als sie ex post nach Ohnwitz gekommen, So hieß es: le Diable emportera Le Curé d’Ohnviz ce Coquin la! 13. Kaum konnte er in diesen dringenden Noͤthen Sich eilig genug aus dem Dorfe retten, Und brachte nichts auf der Flucht davon, Als mit genauer Noth seine eig’ne Person. 14. Haͤtte man ihn damals selbst gefangen, Er waͤre guillotinirt oder aufgehangen, Doch vorlaͤufig pluͤnderte man das Pfarr- haus Von oben bis unten rein und gar aus. 15. Auch Herr von Ohnwitz war damals in Großer Gefahr mit seiner Gemahlin, Denn auch, ihm wenigstens, haͤtte man Vielleicht am Halse was angethan. 16. Aber 16. Aber seine Unterthanen wagten Leib und Leben Fuͤr ihre gute liebe Herrschaft hinzugeben, Und retteten sie mit Gewalt fuͤr diesmal, Denn der Franken war keine große Zahl. 17. Indessen ware keine Zeit zu verlieren, Herr und Frau musten schleunig emigriren Und hoͤchstens ein Paar hundert Gulden baar War alles, was noch mitzunehmen war. 18. Die Franken sind bald staͤrker wieder gekom- men, Haben die Ohnwitzer erschrecklich mitgenom- men, Und auf dem Schlosse ward unversaͤmt Alles was vorraͤthig war, ausgeraͤumt. 19. Auch wurde ein Freiheitsbaum aufgepflanzet Und lustig ein Runda darum her getanzet Und jeder im Dorfe nahm alsdann Theils gern, theils ungerne, Theil daran. 20. Auch alle uͤbrige Guͤter und Schloͤsser Des Herrn von Ohnwitz hatten’s nicht besser, Man machte es uͤberall, in groß und klein, Wo er was besasse, besemrein. Fuͤnf Fuͤnf und zwanzigstes Kapitel. Wie Herr Jobs aͤrmlich herumwandert, und wie er endlich im Dorfe Schoͤnhain an- kommt. 1. W eil Herr von Ohnwitz sich im neutralen Lande Mit seiner Gemahlin bald sicher befande Und nun auch, wie gesagt, mit einem Paar Hundert Gulden baar noch versehen war; 2. So wollen wir diesmal von ihm abbrechen Und nur vorerst vom Herrn Pfarrer Jobs sprechen, Denn dieser war bei seiner Flucht, durch- aus So blutarm wie eine Kirchenmaus. 3. Er setzte tagtaͤglich seinen Wanderstab weiter, Blieb aber dabei immer ruhig und heiter, Schlief sanft und troͤstere damit sich: Der Himmel laͤßt die Seinen nicht im Stich. 4. Erst besuchte er auf der Reise hin und wieder Die Herren Geistlichen als seine Amtsbruͤder, Aber fast alle schickten ihn ohn Geld und Kost fort, Bloß mit einem geistlichen Trostwort. 5. Drum 5. Drum suchte er hernaͤchst die Priester und Le- viten Auf seiner Wanderung moͤglichst zu verhuͤten, Denn er traf durchgehends beim Samari- tan Groͤßers Mitleid und mehr Theilnahme an. 6. Auch fand er in kleinen laͤndlichen Huͤtten, Ohne lange drum zu betteln oder zu bitten, Ein freundlicher Gesicht und besser Quartier Als beim reichen Buͤrger oder Kavalier. 7. Zwar versaͤumte er nicht in Schloͤssern und Staͤdten Bei Vornehmen anfaͤnglich einzutreten, Und bote seine Dienste als Kapellan Oder etwa als Informator an. 8. Aber er hat nirgend Aufnahme gefunden Man hielt ihn vielmehr fuͤr ’nen Vagabunden, Fragte nach seinem Reisepaß, Und sagte ihm, ich weiß nicht alles was. 9. Am sechszehnten Tage der Jobsischen Hegire Kam er Nachmittags zwischen drei und viere, Bei einem an der Thuͤr sitzenden alten Mann Hungrig und durstig in ’nem Dorfe an. 10. Der hat ihn sehr treuherzig invitiret, Ihn zu seiner Gattin ins Haͤuslein gefuͤhret Und Und diese machte freundlich alsbald Zu seiner Erquickung einige Anstalt. 11. Erbekam Milchsuppe, Brod und gekochte Eier, Erzaͤhlte mittlerweile seine Abenteuer, Und so wohl der Mann als seine Frau Horchten drauf, was er erzaͤhlte, genau. 12. Beide waren schon grau von Haaren, Hatten selbst manches Ungemach erfahren, Und lebten hoͤchst einfoͤrmig und knapp Von dem, was ihre kleine Hufe gab. 13. Doch baten sie ihren Gast, sich zu beque- men Auch das Nachtquartier bei ihnen zu nehmen, Und daß eine sammetweiche Moosstreu Ihm in ihrer Huͤtte schon zu Dienste sey. 14. Dies hat er ihnen dann auch zugesaget, Weil ihm ihr Betragen ausserordentlich be- haget; Ja, es kam ihm natuͤrlich vor, es sey dies Ein Paar wie weiland Philemon und Baucis . 15. Der fromme Greis mit seinem guten Weibe Erzaͤhlten ihrem Gaste zum Zeitvertreibe Manches aus alter und neuerer Zeit, Auch sprach man von des Dorfes Gelegen- heit. 16. Beson- 16. Besonders vom Schloß Schoͤnhain, das man in der Naͤhe Zwischen dem Lindengebuͤsch aufm Huͤgel dort saͤhe, Und daß allda der vorige Schoͤssermann Den Bauern viel Herzeleid angethan. 17. Aber der jetztzeitige Herr Amtsschoͤsser Sey kein solcher Schinder noch Bauernfresser; Sondern grade als wenn man seines glei- chen sey, Koͤnne jeder Bauer mit ihm sprechen frei. 18. Als Herr Jobs nach dem Gutsbesitzer ge- fraget, Haben die alten Leutchen ihm zur Antwort ge- saget: Eine Dame von gar vortrefflichen Sinn Seye davon die Besitzerin. 19. Sie erzaͤhlten zu ihrem Ruhme und Lobe Manche preiswuͤrdige schoͤne Probe, Versicherten ihm dabei zugleich Man halte sie fuͤr unermeßlich reich. 20. Aber, leider! sey sie schon lange kraͤnklich, Und ihr Zustand werde taͤglich mehr bedenklich Und schon habe man ein Vorgeschaͤft gesehn, Daß sie bald wuͤrde von hinnen gehn. 21. Herr 21. Herr Jobs spuͤrte die herzlichste Theilnahme An dem Schicksale dieser so wuͤrdigen Dame, Und nahm sich alsbald fest fuͤr, Morgen einen Besuch zu machen bei ihr. 22. Er vermied zwar gern große Haͤuser und Schloͤsser, Trauete auch keinem herrschaftlichen Schoͤsser; Aber man hat doch nie eine Regulam Oder sie leidet wohl eine Ausnahm. 23. Unter solchen und dergleichen Gespraͤchen Sah man endlich die Nacht hereinbrechen, Und Hieronimus ruhte auf der Streu von Moos. So sanft als laͤg er in Abrahams Schoos. 24. Als er Morgens etwas spaͤte erwachet, Hat er sich aus dem Moose aufgemachet, Ergriff seinen knotichten Wanderstab, Druͤckte dem Wirth die Hand dankbar und reisete ab. 25. Er wandte sich zum Schlosse zwischen den Linden, Um sich wegen der Dame naͤher zu erkuͤnden, Denn es ware als zoͤge ihn Ein unwiderstehlicher Trieb dahin. Sechs Sechs und zwanzigstes Kapitel. Wie Herr Jobs eine alte bekannte Freundin antrift. Eine wunderbare Geschichte. 1. E s haben uͤberall die Vornehmen und Rei- chen Ihre mancherlei eigne Sitten und Gebraͤuchen, So daß ein gemeiner ehrlicher Mann Sich drin so gar gut nicht finden kann. 2. Zum Exempel: wenn man zu ihnen will ge- hen, Muß man erst lange im Vorzimmer stehen, Und dann laͤßt Ihre Gnaden oder Excellenz Einen endlich gnaͤdigst zur Audienz. 3. Ohne diese Bemerkung weiter zu treiben Mag es meinethalben immer so bleiben; Wenigstens mach ich jetzt nicht davon Auf gegenwaͤrt’gen Casum Applikation. 4. Denn als Herr Jobs ins Schloß gekommen Und man sein Begehren kuͤrzlich vernommen, Liesse ihn die Frau Gebieterin Sofort noͤthigen in ihr Zimmer herin. 5. Er fand sie im Kanapee einsam sitzend, Nachdenkend den Kopf auf’m Arme stuͤtzend, Jobsiade 3ter Theil. H Geklei- Gekleidet in ’nem weissen Negligee Und vor ihr stund aufm Tischchen der Thee. 6. Herr Jobs fing an, gleich im Hereintreten Seine Entschuldigung und Kompliment her- zubeten; Sie blickte auf, erhob ein großes Geschrei; Auch Herr Jobs stuͤrzte naͤher zu ihr herbei. 7. Beide haben sich alsofort erkennet, Sich voll Erstaunen mit ihren Namen genen- net; Denn die gute liebe Dame da, War des Herrn Jobs alte Amalia . 8. Sie ist fast in Ohnmacht dahin gesunken, Herr Jobs taumelte als waͤr er betrunken, Und so wohl ihr als ihm erschien Alles vor den Augen blau, gelb und gruͤn. 9. Nach dem ersten sehr angenehmen Schrecken Suchte einer den andern allgemach zu wecken, Und eine trauliche Umarmung war Der Beweiß ganz uͤberwundner Gefahr. 10. Mir daͤucht, ich hoͤr hier den Leser mich fra- gen: „Herr Autor, wie kann Er doch so etwas sagen? „Er meint gar, er haͤtte ein Kind vor, „Daß Er uns da macht solchen Wind vor! 11. „Haben 11. „Haben wir nicht im ersten Theile gelesen, „Daß Amalia lange nicht mehr gewesen, „Sie starb ja dem vier und dreißigsten Ka- pitel nach, „Als sie in den Kindbetterwochen lag? 12. Ich will mich zwar eben jetzt nicht entschul- digen, Bitte aber vorlaͤufig, sich zu geduldigen; Denn was ich erzaͤhlte war ja weiter nicht, Als ein damals von mir geglaubtes Geruͤcht. 13. Zudem hat man ja an Herrn Jobs schon ge- sehen, Daß Leute sterben und wieder auferstehen, Und in jedem alten und neuen Roman Trift man noch weit groͤßere Wunder an. H 2 Sie- Sieben und zwanzigstes Kapitel. Worin unter andern die im ersten Theile gestor- bene Amalia ihren fernern Lebenslauf erzaͤhlet. 1. S ie sind darauf naͤher zusammen geruͤcket, Haben sich am Thee und Fruͤhstuͤcke erquicket, Und erfreueten beiderseits sich Des Wiedersehens gar inniglich. 2. Was zwischen beiden vormals war geschehen, Wollen wir nach christlicher Liebe uͤbergehen; Aber jetzt passirte im mindesten nicht, Was nicht haͤtte koͤnnen vertragen das Licht. 3. Zwar 3. Zwar Herr Jobs hatte nichts verloren, War von guter Positur wie zuvoren, Ja sein Korpus ware vielmehr Seit dem Pfarrerstande ansehnlicher. 4. Aber Amaliens Reize waren verblichen, Seitdem ohngefaͤhr jene 15 Jahre verstrichen, Und es sproßte schon hier und dar Auf ihrem Kopfe ein graues Haar. 5. Auch an Koͤrperkraͤften und Taille War sie nicht die vor’ge schoͤne Amalie Vormals war sie rund, roth und dick Und nun ein leibhaftig Bild der Hektik. 6. Ihre Augen vormals glaͤnzend von Liebe, Waren nun eingefallen, dunkel und truͤbe Und in ihrer ganzen Physionomie Herrschte eine stille Melancholie. 7. Nicht allein gegen Herrn Jobs war sie sehr guͤtig, Sondern auch im ganzen Wesen sanftmuͤthig, Und sie ertrug ihr koͤrperliches Leid Ohne Murren und Verdruͤslichkeit. 8. Sie fuͤhlte taͤglich die Kraͤfte mehr schwinden, Hatte laͤngst bereut ihre vorigen Suͤnden, Und brachte nun in voͤlliger Gewissensruh Ihre noch uͤbrigen Lebenstage zu. 9. Ei- 9. Eigentliche sogenannte Liebessachen Waren also nicht weiter bei ihr zu machen, Auch Herr Jobs fand laͤngst nicht mehr Geschmack. An jedem unschicklichen Liebesschnack. 10. Er muste jedoch die Versicherung ihr geben, Nicht weiter zu reisen, sondern bei ihr zu le- ben, Und dieses wuͤnschte sie um desto mehr Weil er ein geistlicher Doktor waͤr. 11. Auch muste er, ohn das geringste zu verhehlen Ihr seine ganze Lebensgeschichte erzaͤhlen, Besonders was er von ihrer Trennung an In den letzten funfzehn Jahren gethan. 12. Er that dies auch alles sehr ausfuͤhrlich, Seine Erzaͤhlung war aufrichtig und manier- lich, So daß Amalia sogleich drin fand, Er sey nun ein Mann von großem Verstand. 13. Die Erzaͤhlung selbst koͤnnen wir gut missen, Sintemal wir seine Geschichte schon wissen, Und man hoͤrt ohnedem auf keinen Fall Eine so naͤrr’sche Geschichte gern zweimal. 14. Sie gabe gleichfalls von ihrer Geschichte Folgende kurze aufrichtige Berichte Seitdem sie aus dem Schauspielerstand Mit einem reichen Herren verschwand: 15. „Der 15. „Der Herr, mit welchem sie davon gegangen, „Habe geheissen Herr van der Tangen ; „Er habe, als ihre Person ihm gefiel, „Ihr Antrage gemachet oft und viel. 16. „Aber sie habe gar nicht darnach gehoͤret, „Und Anfangs mit ihme gar nicht verkehret, „Weil sie entschlossen gewesen sey, „Ihrem Hieronimo zu bleiben getreu. 17. „Erst damals habe sie den Vorsatz gebrochen, „Als Herr van der Tangen ihr die Ehe ver- sprochen; „Es sey auch am folgenden Tage schon „Erfolgt eine heimliche Kopulation. 18. „Nachdem sie nun gedachten Herrn van der Tangen „Einmal im ehlichen Netze habe gefangen, „So habe sie mit ihm in der ganzen Zeit „Gelebet in treulichster Einigkeit. 19. „Sie habe von ihrem Gatten, dem Herrn van der Tangen „Nach zwei Jahren einen kleinen Sohn em- pfangen, „Habe aber auch damals gefaͤhrlich krank „Gelegen fast sieben Wochen lang. 20. (Nota bene: Daher entstand das Geruͤchte Von ihrem Tode im ersten Theil der Geschichte; Denn Denn Frau Fama machet zu jeder Frist, Immer ein Ding groͤßer als es ist.) 21. „Was im uͤbrigen thaͤte anlangen „Die Umstaͤnde ihres Gatten des Herrn van der Tangen, „So sey er gewesen der einzige Zweig „Des alten Herrn van der Tangen und er- schrecklich reich. 22. „Er sey zwar gewesen nur vom buͤrgerlichen Stande, „Aber fast der reichste Privatmann im Nie- derlande, „Weil sein seeliger Vater durch Kauffarthei „Ausserordentlich gluͤcklich gewesen sey. 23. „Mancherlei Gruͤnde haͤtten ihn bewogen, „Daß er aus seinem Vaterlande weggezogen, „Und er haͤtte auch bald darauf „Das Gut Schoͤnhain hier erstanden durch Kauf. 24. „Ihre Bekanntschaft mit dem Herrn van der Tangen „Habe bewustermaßen damals angefangen, „Als er sich eine Zeitlang in Deutschland „Zum Vergnuͤgen auf der Reise befand. 25. „Ihre Ehe habe zwoͤlf Jahre lang gewaͤhret, „Darauf haͤtte Freund Hein dieselbe gestoͤret „Und „Und Herrn van der Tangen zu ihr’m groͤ- sten Leid „Geholet aus dieser Zeitlichkeit. 26. „Auch ihr Sohn sey nach fuͤnf Viertel-Jahren „Seinem Vater in Elysium nachgefahren, „Und seitdem lebe sie hoͤchstbetruͤbt „Kinderlos und zugleich verwittibt. 27. „Zwar besitze sie jetzt sehr große Guͤter, „Aber doch sey ihr des Lebens Rest bitter „Und sie mache zur großen Reise nach jenseit „Sich nun taͤglich immer mehr bereit; 28. „Denn sie empfinde es, daß sie laborire „An einem innerlichen Lungengeschwuͤre, „Spuͤre „Spuͤre auch daß jede gebrauchte Arznei „Zu ihrer Heilung unwuͤrksam sey. 29. „Sie suche schon laͤngst mit tugendhaften Werken „Sich zu einem seligen Abschiede zu staͤrken „Und gebe als eine bekehrte Suͤnderin „Ihrem Schicksale sich willig hin.“ 30. Herr Jobs suchte nun bestmoͤglichstermaßen Alles dasjenige beisammen zu fassen Was ein vernuͤnftiger geistlicher Mann In solchem Fall zur Troͤstung nur sagen kann; 31. Blieb folglich auf ausdruͤckliches Verlangen Nun auf dem Gute bei der Frau van der Tangen, Und seine traurige Exulantenschaft Hatte fuͤr diesmal ihre Endschaft. 32. Es fand auch wuͤrklich die Frau van der Tangen In des braven Herrn Jobsens Umgang man- chen Christerbaulichen Beruhigungsgrund, Den sie vorher nicht so gut verstund. Acht Acht und zwanzigstes Kapitel. Wie die Frau van der Tangen dem Herrn Jobs all ihr Vermoͤgen schenket, und wie sie stirbt, und wie Herr Jobs ihr ein Mo- nument errichtet, und wie dieses Kapitel sehr traurig zu lesen ist. 1. E ines Morgens kam mit reputirlichen Schrit- ten, Ein bejahrter Herr in den Schloßhof geritten, Und stieg nach geendigtem successiven Trab Etwas muͤhsam auf eine nahstehende Bank ab 2. Er 2. Er saß auf dem Pferde steif wie ein Schnei- der, Trug am Leibe altmodische Kleider, Hatte graue wollene Kamaschen an, Und pro Forma Sporen ohne Raͤder dran. 3. Eine Perrucke mit einem kleinen Haarbeutel Und ein plattgespitzter Hut deckte den Scheitel, Und an seiner linken Huͤfte, etwas hoch, hing Ein langer Degen, der Griff war von Messing. 4. Seine Person schien etwas wichtiges zu be- deuten, Das merkte man an seinem Wesen schon von weiten, Und er war weder zu mager noch zu fett Aber uͤbrigens voll Gravitaͤt. 5. Er wurde gleich von der Frau van der Tan- gen Gar hoͤflich bewillkommet und empfangen; Sie schlosse sich sofort mit ihm ein Und blieb bei ihm den ganzen Tag allein. 6. Herr 6. Herr Jobs konnte sich nicht besinnen, Was sie beide beisammen wohl moͤchten begin- nen Und dachte allenfalls, der altfraͤnksche Knab Sey vielleicht ein beruͤhmter Aeskulap. 7. Aber er irrte; denn der Herr, welcher heute Mit seinen Kamaschen, und dem Spieß an der Seite, Den ganzen Tag mit Amalien allein war, War ein Caͤsareus publikus Notar. 8. Nachdem derselbige ware weggeritten Ließ Frau van der Tangen Herrn Jobs ins Zimmer bitten; Er fand sie am Pult sitzend, und vor ihr Lag ein zusammengesaltenes Papier, 9. Herr Jobs zeigte sich etwas bloͤde und verlegen, Aber sie laͤchelte ihm beim Eintritt entgegen, Und als er sich naͤher bei ihr befand Reichte sie ihm liebreich die hagere Hand. 10. Sie schien seit dem Geschaͤfte mit dem Reuter Hoͤchst vergnuͤgt und ungewoͤhnlich heiter Und Und hielte, obgleich mit schwaͤchlicher Stimm, Nun folgende kurze Oration zu ihm: 11. „Schon habe ich es dir gesagt, mein Lieber! „Ich geh nun bald jenseits hinuͤber, „Und habe deswegen vor meinem End „Heute gemachet mein Testament. 12. „Schon laͤngstens ware ich von wegen „Eines Erben meiner Guͤter besorgt und verle- gen, „Denn meines Wissens ist nirgend jemand „Mit mir durch Blutsfreundschaft ver- wandt. 13. „Der Gedanke quaͤlte mich vor allen, „Daß mein Gut in schlechte Haͤnde koͤnnt fal- len; „Ich habe darum mit Wohlbedacht „Dich zum Universalerben gemacht. 14. „Ausser ein Paar tausend Lausedukaten „Ad pios Usus und andere Legaten, „Gehoͤrt meine ganze Haabe fortan „Nur dir meinem alten Freunde, an. 15. „Willst 15. „Willst du meine gute Meinung nicht ver- schmaͤhen, „So werde ich ruhig aus dieser Welt gehen, „Und du erleichterst mittlerweile mir, „So viel du kannst, die Reise von hier. 16. „Du wirst aber auch die Freundschaft haben „Mich zu lassen dort bei den drei Linden be- graben, „Und du pflanzest zu meinem Andenken auch „Auf mein Grab eine Laube von Rosenstrauch.“ 17. Herrn Jobs flossen hier haͤuffig die Thraͤnen; Er antwortete nur mit Schlucksen und halben Toͤnen; Acceptirte uͤbrigens utiliter Die vorliegende Donation ohnschwer. 18. Von nun an verließ er seine Freundin fast nimmer, Denn ihr Zustand wurde augenscheinlich schlimmer, Und Frau van der Tangen und Herr Hie- ronimus Lebten auf bruͤder- und schwesterlichen Fuß. 19. Er 19. Er unterließ nichts an Troͤstung und Pflege, Suchte ihre Linderung auf alle moͤgliche Wege, Hat so gar selbst fast in jeder Nacht In ihrem Krankenzimmer gewacht. 20. Endlich war doch alle Hoffnung des Lebens Und alle Muͤhe und Arznei bei ihr vergebens, Weil Freund Hein wuͤrklich hereinkam Und ihren letzten Athemzug wegnahm. 21. Herr Jobs beklagte ihren Tod aufrichtig, Und sein Schmerz war weder verstellt noch fluͤchtig, Sondern er hat laͤnger und mehr geweint, Als mancher Mann um seine todte Frau greint. 22. Am Gartenende dort bei den drei Linden, Kann der geneigte Leser ihr Grab finden, Wenn er etwa von ohngefaͤhr vorbei passirt Oder nach Schoͤnhain expres hinspazirt. 23. Ueber ihrem dort nun modernden Staube Steht eine gar niedliche Rosenlaube, Und Vergißmei nicht und weissen Jasmin Sieht und riecht man da des Sommers bluͤhn. 24. Auch fieht man bei einem marmornen Asch- topfe Die Figur von einem weissen Todtenkopfe Dabei Dabei steht ein großes lateinisches A , Und es bedeutet solcher Buchstabe Amalia . 25. Herr Jobs ging um dieses Monuments willen Abends und Morgens oft dahin im Stillen, Und da fielen ihm gemeiniglich mancherlei Erbauliche und traurige Gedanken bei. Jobsiade 3ter Theil. J Neun Neun und zwanzigstes Kapitel. Wie Herr Jobs nun ein reicher Mann war, und wie er sich nach dem Tode der Frau van der Tangen beging. 1. B esage der vorhandenen Annotationsbuͤcher Fand Herr Jobs 2800000 Reichsthaler sicher Zu Amsterdam, London und Hamburg blank Als Kapitalien stehen in der Bank. 2. Das uͤbrige Gut an Wechseln und Obligatio- nen Betrug mit obigen ohngefaͤhr drei Millionen, Und der Werth von dem Gute Schoͤnhain War, bei meiner Treue! auch nicht klein. 3. Er war bemuͤht der Frau van der Tangen letz- ten Willen Ratione der Legaten puͤnktlich zu erfuͤllen, Und alles uͤbrige in einer Summ War nun sein rechtmaͤßiges Eigenthum. 4. Er ehrte zwar dies uͤbergroße Vermoͤgen Als einen unverhofften, nicht verwerflichen Segen, Hielt sich aber doch weder gluͤcklicher, Noch groͤßer, als er ware vorher. 5. Er 5. Er befand sich vielmehr bei seinem Gelde und Gute Lange nicht so behaglich noch bei gutem Muthe, Als er im Ohnwitzer Pfarrstand Sich noch vor einigen Monaten befand. 6. Es ist ihm damals vor andern allen Sein Eintritt in Schoͤnhain eingefallen Und da gedachte er an das alte Paar, Deren Gast er bei seiner Ankunft war. 7. Um sie in ihrem Alter baß zu erfreuen, Kaufte er eine der schoͤnsten Meiereien, Und gab seiner Baucis und ihrem Phile- mon Dieselbe fuͤr damalige Bewirthung zum Lohn. 8. Er hat auch an seine Schwester Esther ge- schrieben, Damit sie es wisse wo er sey geblieben, Und daß sie bei ihm in seinem Schoͤnhain Naͤchstens wuͤrde willkommen seyn. 9. Auch seinen Schildburger Anverwandten Und den daselbst wohnenden Bekannten Machte er seinen jetzigen Wohlstand Zu ihrer freudigen Nachricht bekannt. 10. Auch hielt ers fuͤr eine der groͤßten Pflichten, Dem Herrn von Ohnwitz sein Gluͤck zu berich- ten, J 2 Bekam Bekam aber gar keine Antwort; Denn bekanntlich war der Herr von da fort. 11. Was er sonst gutes zu Schoͤnhain verrichtet, Davon bin ich nicht genau unterrichtet, Wir sind also nun darauf bedacht Zu sehen, was seine Schwester Esther macht. 12. Aus folgendem Briefe laͤßt sich ersehen, Wie auch alle uͤbrigen Sachen sonst stehen; Er lief mit der Post nach Schoͤnhain Als Antwort von Mammesel Esther ein. Dreißigstes Kapitel. Ein Brief von Mammesel Esther an Herrn Herrn Jobs, worin viele neue Maͤhre enthal- ten ist, von dem alten Herrn von Ohnwitz, wie auch von dessen Herrn Sohne; und so weiter. 1. „ M ein theuerster Bruder ! Dein gutes Geschicke „Gereicht mir zum groͤssesten Vergnuͤgen und Gluͤcke, „Auch noch mehrere Deiner Freunde sind hier „Und alle freuen sich herzinnig mit mir. 2. Denn 2. „Denn es haben zu Rudelsburg, vor einigen Wochen, „Der alte Herr von Ohnwitz und seine Ge- mahlin eingesprochen, „Und hieselbsten eine sichere Zuflucht „Fuͤr die Verfolgung der Feinde gesucht. 3. Auch ist vorgestern wider alles Verhoffen „Der junge Herr von seiner Reise eingetroffen, „Denn ihm ward schon der traurige Zustand „Von Ohnwitz, an der Graͤnze bekannt. 4. „Entbloͤßt von Geld und andern Nothduͤrf- tigkeiten „Erwarten sie hier alle zwar bessere Zeiten; „Aber ich denke, bei Dir zu Schoͤnhain „Werden sie besser als in Rudelsburg seyn. 5. „Es ist Dir also, mein bester der Bruͤder! „Ihr Besuch doch angenehm und nicht zu- wider? „Ein Brief noch von Dir, und alle Wir „Machen uns auf die Reise zu Dir. 6. „Tausend Gruͤsse und herzliche Empfehlungen „Von der gnaͤdigen Frau und dem alten und jungen „Baron. Ich verbleibe nach altem Ge- brauch, „Deine treue Schwester bis zum letzten Hauch. 7. Die- 7. Dieser Brief verursachte gewaltige Regung Bei Herrn Jobs und ohne lange Ueberlegung Packte er ein Paar tausend Thaler ein Nebst einer Invitation nach Schoͤnhain. 8. Er sandte alles durch eine Staffette Und als wenn es irgendwo gebrennet haͤtte, Jug dieselbe Tag und Nacht durch Bis sie ankam zu Rudelsburg. 9. Ohngefaͤhr nach verstrichenen vierzehn Tagen Trafe in einem gemaͤchlichen Wagen Die Ohnwitzer Familie, zu Schoͤnhain, Und Mamsel Esther zugleich mit ein. Ein Ein und dreißigstes Kapitel. Wie Herr Jobs und die herrschaftliche von Ohn- witzische Familia sich des Wiedersehens ge- freuet han, und wie Herr Jobs seinen lieben Gaͤsten alles zum besten giebt, als waͤre es ihr proͤperliches Eigenthum, und wie man da alle Kriegesplage vergessen hat, und auf einem freundschaftlichen Fuß gelebet hat, und daß es Ueberfluß sey, die Freude des Hieronimus be- sonders zu beschreiben. 1. W ie man sich des Wiedersehens gefreuet Und zu Schoͤnhain ein jeder gejubeleiet, Und besonders die Freude des Herrn Hie- ronimus Hier zu beschreiben, waͤre Ueberfluß. 2. Er gab seinen angenehmen Ohnewitzer Gaͤsten Alles, was er hatte, dermaßen zum besten, Als waͤre zu Schoͤnhain rund herum Alles ihr proͤperliches Eigenthum. 3. Man vergaß gerne in dieser froͤhlichen Lage Die vorherige erlittene Kriegesplage, Und lebte auf dem Gute des Hieronimus Zusammen auf dem freundlichsten Fuß. Zwei Zwei und dreißigstes Kapitel. Fortsetzung des funfzehnten Kapitels, und wie Umstaͤnde die Sachen veraͤndern, und wie die Liebe des jungen Barons und seiner Steh- re einen guten Fortgang zu gewinnen scheinet. 1. W ir wollen jetzt einmal wieder zuruͤckkehren Zum jungen Herrn von Ohnwitz und seiner Stehren, Damit der geneigte Leser seh, Ob die Liebe noch beim alten besteh. 2. Seit Stehrens Rudelsburger Aufenthalte Entstund in dem Romane zwar etwas Halte, Weil Weil auf jeden Brief, den der Baron schrieb, Von Ohnewitz die Antwort ausblieb. 3. Er kam also auf den fatalen Gedanken, Stehrens Liebe moͤchte vielleicht etwas wanken, Oder, welches gar noch schlimmer sey, Sie moͤchte ihm voͤllig seyn ungetreu. 4. Nachdem er nun seine Reise hatte geendet, Und sich nach Rudelsburg aus Noth gewendet, Welch Gluͤck, als er unvermuthet da Seine geliebte Stehra hier wieder sah! 5. Ware gleich ihre Liebe einige Zeit gehindert So war sie doch um kein Quentchen schwer ge- mindert, Und so fing der abgebroch’ne Roman Zu Schoͤnhain wieder de novo an. 6. Manches Spiel mit zaͤrtlich gegnenden Blik- ken, Heimliches Seufzen, verstohlnes Haͤndedruͤcken; Einsames Spazieren, abendlicher Konvent Bei den Linden und Amaliens Monument, 7. Wandeln Hand in Hand durch blumichte Thale, Sich erquicken am keuschen silbern Mondstrahle, Girren und Taͤndeln und verliebte Sprach, Hatte alles seinen Fortgang vor wie nach. 8. Der 8. Der alte Herr hat dies nun zwar gesehen, Ließ es aber diesmal tacite geschehen; Auch die vernuͤnftige gnaͤdige Frau Nahm dies Ding nicht mehr so genau. 9. Denn Umstaͤnde pflegen in menschlichen Sa- chen Mancherlei wichtige Veraͤnderungen zu machen, Und nach dem latein’schen Spruͤchwort heißt es: Circumstantiae variant res . 10. Auch Herr Jobs hat dazu stillgeschwiegen, Mochte die Liebenden nicht kraͤnken oder ruͤgen, Und dachte vielleicht in seinem Herzen dabei, Daß es alles so der Wille des Himmels sey. 11. Als der junge Herr noch einmal bei den Alten Um die Einwilligung in seine Liebe angehalten, Nahm man ihm solches so uͤbel nicht mehr, Als man es hatte genommen vorher. 12. Es entstanden doch noch zuweilen abseiten Der gnaͤdigen Eltern einige Schwuͤrigkeiten; Denn ein buͤrgerliches Maͤdchen zu trau’n War ihrem Magen noch schwer zu verdau’n. 13. Herr Jobs ward dieses mehrmalen inne Und nun kam ihm von ohngefaͤhr im Sinne, Daß er von seinem Vater es mehrmals ver- nahm, Die Joͤbse waͤren vom altadlichen Stamm; 14. Auch 14. Auch daß die Vorfahren muͤtterlicher Seite Waͤren gewesen gar ansehnliche Leute; Und davon ein schriftliches Dokument In Schildburg bei seinem Bruder sich faͤnd. 15. Er hat darum so fort an ihn geschrieben, Auf Uebersendung der gedachten Schrift getrie- ben, Und der sandte dann auch des Dokuments Original, ihm nach Schoͤnhain eilends. 16. Es enthielt die Jobsschen Familiennachrichten Und manche drin vorgekommene Geschichten; Ich liefere davon kuͤrzlich und exakt Im folgenden Kapitel einen Extrakt. Drei Drei und dreißigstes Kapitel. Nachricht von der Jobsischen adlichen Familie welche anfangs von Schoͤps hieß. 1. E rstlich ist zu merken, daß die maͤnnlichen Joͤbse; Anfangs hießen die Herren von Schoͤpfe ; Draus ward hernach der Name von Schops Ex post Schops und endlich gar Jobs. 2. Aber der Stammbaum der Herren von Schoͤpfe Oder der nachherigen Herren Joͤbse War unwidersprechlich sehr alt, Und ihr Geschlechtswappen von guter Ge- stalt. 3. Denn es ist laͤngst irgendwo zu lesen, Daß in Noahs Arche schon ein Schoͤps gewe- sen; Weil aber damals noch niemand war Ba- ron, So schrieb sich derselbe auch nicht Herr von . 4. Ja, wollte man der Geschichte weiter nach- spuͤren So wuͤrde sich leicht der Schoͤpsen Ursprung verlieren In das allergraueste Alterthum, Vielleicht gar bis ins erste Weltsekulum. 5. Aber 5. Aber dieses genauer auszumachen, Wuͤrde zu viel Untersuchung verursachen, Und zu einem ganz kompleten Stammbaum Der Schoͤpsen-Familie waͤre kaum Raum. 6. So viel ist gewiß, daß die Vorfahren Dieses Geschlechts ansehnliche Personen waren, Und so wohl im Lehr- als im Wehrstand Viel wichtige Stellen bekleideten im Land. 7. Die authentisch eingezogenen Nachrichten, Aus alten Geschichtschroniken berichten, Daß schon zur Zeit des Major domus Pipin Mancher Schoͤpse bei Hofe erschien. 8. Auch zu Kaisers Caroli magni Zeiten Thaten ihn einige Schoͤpfe im Kriege begleiten, Und einer, genannt Germann von Schoͤps , war, Titularhofrath beim ersten Lothar . 9. Dessen Sohn Bruno heirathete an Lud- wigs Hofe Eine artige kaiserliche Kammerzofe, Und bekam im ersten Vierteljahre schon Von ihr einen unerwarteten Sohn. 10. Die Geschichte verschweiget seinen Taufna- men; Aber zur Zeit als die Hunnen nach Deutsch- land kamen, Lebte Lebte er auf einem eignen Gut Und zahlte geduldig Schatzung und Tribut. 11. Er hinterließ einen Sohn, der war Faͤhnrich Unterm beruͤhmten Vogelfaͤnger Kaiser Hen- rich ; Ob er vielleicht weiter avancirt, Wird in der Stammgeschichte nicht beruͤhrt. 12. Er hieß Wilhelm und blieb unter zwei Ottonen Ruhig und still auf seinem Gute wohnen; Im uͤbrigen weiß man von ihm gewiß: Er erzielte mit seiner Gemahlin Margaris. 13. Verschiedene Kinder so wohl Soͤhne als Toͤch- ter; Davon entsprossen viele Nebengeschlechter Des uralten Schoͤpsenstamms, die nach der Zeit Sich durchs ganze Europa befinden zerstreut. 14. Dieser obgedachte Herr Wilhelmus Hatte unter andern ’nen Sohn, genannt An- selmus ; Diesem gab man aus dringender Noth, schon fruͤh Eine kluge Gattin zur Kompagnie; 15. Denn nach dem Bericht des Stammbaums befande Er sich sehr schwach und elend am Verstande, Dieses Dieses war dann auch wohl mehrmal In der von Schoͤpsschen Familie der Fall. 16. Herr Anselm ließ, ohne sich zu scheniren, Von seiner Frau in allem sich leiten und fuͤh- ren, Und aus dieser Ehe kam ein Sohn herfuͤr Den nannte man in der Taufe Casimir . 17. Dieser half dem Kaiser im Feldzug gegen die Vandalen Durch Verproviantirung der Armee damalen Mit zweihundert Stuͤck fetten Haͤmmeln aus, Er fuͤr seine Person blieb aber zu Haus; 18. Kam deswegen sehr beim Kaiser in Gnaden Hat ihn gar einmal selbst zu Gaste geladen, Und dieser that ihm dafuͤr die Ehr Dem Schoͤps im Wappen zu geben ein Horn mehr. 19. (Denn im uralten Familienschilde War auf’m rothen Balken ein Schoͤpsgebilde Zierlich bis zur Haͤlfte aufgestellt, Von schwarzer Farbe im silbernen Feld.) 20. Die- 20. Dieser Vorzug laͤßt, jedoch in allen Ehren, Sich vielleicht aus Nebenursachen erklaͤren, Denn die Geschichte sagt, Casimirs Haus frau Seye gewesen sehr schoͤn und schlau. 21. Des- 21. Dessen Sohn Guido war fast immer kraͤnk- lich; Dies machte nun das Kinderzeugen etwas be- denklich, Jedoch der brave gesunde Burgpastor Sorgte mittlerweile davor. 22. Denn Guido’s Gemahl Hedwig war desto gesuͤnder Und sie brachte ein Stuͤck oder sieben Kinder, Ausser dem aͤltesten Sohne Christheld , Ohne sonderliche Wehen zur Welt. 23. Christheld ist vorzuͤglich im Stammbaum wichtig Denn er wog im vier und vierzigsten Jahre richtig 328 Pfund und weder vor noch nachher Ward kein Schoͤps erfunden so schwer. 24. (Zwaren war’s der Familie schier eigenthuͤm- lich, Denn alle aus ihr, besonders die Maͤnner, waren ziemlich Fett, und diese Konstitution Erbte immer vom Vater aufm Sohn.) 25. Sein Bauch glich schon fruͤh einem Brau- kessel; Er trauete sitzend in einem Polstersessel Jobsiade 3ter Theil. K Die Die durch ihre Schoͤnheit beruͤhmte Gor- doin , Aus welcher Ehe ein Sohn erschien, 26. Namens Peter , ihm fast gleich an Dicke; Seine Gemahlin aber hieße Friderike , Welche ihm einen Sohn hinterließ Der ebenfalls wie sein Vater Peter hieß. 27. Ich kann uͤbrigens von diesen beiden Helden Eben nichts ruͤhmliches sagen oder melden, Als daß des letztern Gemahlin ’nen Sohn gebahr Der Großvaters und Vaters Bilde aͤhnlich war. 28. Er hieß Florenz und war ein Gebieter Ueber verschiedene sehr ansehnliche Guͤter, Lebte, aß, trank, schlief, als ein Dynast, Und war andern und sich selbst zur Last. 29. Doch erweckte er seiner Hausfrau Magda- lene Nebenbei einige Toͤchter und Soͤhne; Vor allen bemerkt die Geschichte davon Den aͤltesten Sohn, genannt Gideon . 30. Der ging als Schildknapp zum Herzog Welfen Um dem Pabst wider die Gibelliner zu helfen, Er Er machte auch jenen beruͤhmten Ritt Auf einem Maͤdchen aus Weinsberg mit. 31. Dieser Ritt war lieblich anzuschauen; Er nahm es hernach zu seiner Hausfrauen, Denn das Maͤdchen war zaͤrtlich und fein Und gebahr ihm gar bald ein Toͤchterlein. 32. Er hinterließ auch noch vor seinem Abster- ben Einen Sohn, genannt Reimarus , zum Erben; Der ward getauft, nahm eine Gemahlin Und ward versammelt zu seinen Vaͤtern hin. 33. War aber bei Leibes Leben lustig und gutes Muthes; Seine Gattin, eine adliche Wittwe, hieß Gertrudes , Und er zeugte mit ihr auf gewoͤhnliche Art Einen gesunden Sohn genannt Gerhard . 34. Dieser saß gern bei vollen Humpen und Kannen, Hatte im Solde viele streitbare Mannen, Vermehrte, wo er konnte, stattlich sein Gut, Und vergoß durch Faustkriege vieles Blut. 35. Er beraubte aus- und innerhalb seiner Veste So wohl reisende Fremde als einkehrende Gaͤste, K 2 Und Und wurde deswegen zugenannt: Junker Gerhard mit der eisernen Hand . 36. Er entfuͤhrte einst zu seinem Ehebette Ein sehr huͤbsches Fraͤulein, genannt Hette , Vergaß eine Zeitlang das Waffengeklirr Und zeugte mit ihr den Sohn Lodomirr . 37. Gerhard war sonderlich ein Feind der Pfaf- fen Machte benachbarten Kloͤstern viel zu schaffen Fing mit Nonnen allerlei Streiche an, Und kam daruͤber so gar im Bann. 38. Um nun wegen begang’ner vielen Suͤnden Beim annahenden Alter Absolution zu finden, Ergriff er in der Angst den Pilgerstab Und wallte nach Jerusalem zum heil’gen Grab 39. Mittlerweil er wiederkam von der Pilger- straßen, War, ausser dem Sohn den er hinterlassen, Mirakuloͤser Weise von Frau Hetta Noch ein vierteljaͤhriges Soͤhnlein da. 40. Lodomirr war ein gar frommer Herre, Stiftete viel Heilgen-Haͤuser und Altaͤre, Gab Moͤnchen und Nonnen reichlich Brod. Und litte darob fast selber Noth. 41. Seine 41. Seine adliche Hausfrau Anna mit Namen, Ware gleichfalls eine der froͤmmsten Damen, Und hielt’ fuͤr ihren Leibs- und Seelenzu- stand ’nen Beichtvater auf ihre eig’ne Hand. 42. Aus dieser gar frommen Ehe entsprosse Florian mit dem Zunamen der Große ; Denn er maß richtig 14 Zoll Und war taͤglich toll und voll. 43. Dieser hatte mit seiner Gemahlin Otilie Eine ziemlich zahlreiche Familie, Und unter andern einen artigen Sohn, Der ward genannt der galante Leon . 44. Er pflegte sich in Waffen und Turnieren Fleißig in damaliger Zeit zu exerciren, Und zerbrach dem schoͤnen Geschlecht zur Ehr In Scherzritterspielen manches Speer. 45. Dieses, so wie sein Tanzen und Courtesiren Muste die Schoͤnen der Zeit sehr charmiren, Und ob er gleich weiter nichts verstand, Bekam er doch eines reichen Fraͤuleins Hand. 46. Denn in einer reizenden Schaͤferstunde Gab ihm die extraordinaͤrschoͤne Kunigunde Mit Mit allen ihren Guͤtern zugleich ihr Herz. Der Sohn aus dieser Ehe hieß Adel- berts . 47. Der hatte nach und nach vier Gemahlinnen, Sie schieden aber alle zeitig von hinnen; Von der ersten, genannt Rosemon Blieb ein Sohn zuruͤck, der hieß Anton . 48. Nach dem Absterben seiner letzten Frauen, Ließ Adelberts ein Noͤnnchenkloster bauen, Und hat dasselbe reichlich begabt, Und starb drinnen als der Nonnen Abt. 49. Man sprach viel von seiner Kanonisirung, Aber bei der geistlichen Proceßfuͤhrung Hinderte Advokatus Diaboli Durch manchen wichtigen Einwand sie. 50. Von Herrn Anton kann ich nichts sonders melden; Er gehoͤrte nicht unter die Kriegshelden, War auch weder Abt noch Bischof, Weiß auch nicht, daß er uͤbermaͤssig soff. 51. Er blieb immer in der adlichen Huͤtte, Heirathete nach der vaͤterlichen Sitte, Sorgte fuͤr seinen eigenen Mund Und starb nach dem bewusten alten Bund. 52. Er 52. Er hinterließ einen Sohn, der hieß Steffen , Dieser blieb zu Muͤhldorf beim bekannten Treffen Unter Seyfried Schweppermann , als Officier, Weil ers Fieber hatte, ruhig im Quartier; 53. Verließ gleich darauf gaͤnzlich die Fahnen, Kehrte zuruͤck zum Heerde seiner Ahnen, Schritte demnaͤchst fort zur Heirath, Und einer seiner Soͤhne hieß Vollrath . 54. Von diesem Vollrath sagen die Stamm- baumsautoren, Daß er seine untergebene Bauern baß gescho- ren, Und uͤbrigens unterm Kaiser Wences- las Nichts thate, als daß er soff und fraß. 55. Seine Gattin, die gute Adelheide , Hatte mit ihm in der Ehe wenig Freude; Denn er pruͤgelte sie oft und viel, Und trieb mit andern Weibern sein Spiel. 56. Sein Sohn Balthsar ware zwar fruͤm- mer Aber bei dem allen doch ungleich duͤmmer: Er theilte Moͤnchen und Kloͤstern reichlich mit Und starb endlich im Franciskanerhabit. 57. Seine 57. Seine gottesfuͤrchtige Gemahlin Susanne Lebte gar friedlich mit dem frommen Manne, Und aus dieser keuschen Ehe erschien Ein wackerer Sohn, genannt Augustin . 58. Dessen Gemahlin hieß Frau Petronelle , Den mit ihr erzielten Sohn hieß er Noͤlle , Und er starb im neunzigsten Jahre als Greis, Dies ist das einzige, was man von ihm weiß. 59. Aber sein gedachter Herr Sohn Noͤlle Bekleidete eines Landvogtes Stelle, Und zog diese Einkuͤnfte wohlgemuth Ruhig wohnend auf seinem Landgut. 60. Er hatte durch Umgang mit einer Landschoͤne Zwar verschiedene unaͤchte Toͤchter und Soͤhne, Hinterließ aber doch einen Sohn ohnehin, Von Frau Irmgard, seiner Gemahlin. 61. Der ward nach seiner Geburt genannt Heine , War ein Liebhaber vom Wildpret und vom Weine, Und obgleich sonst nicht zur Arbeit geneigt Hat er doch einen Sohn, Philipp , ge- zeugt. 62. Seine Gemahlin, die Dame Sophie , Verstund sich baß auf Oekonomie, Hielt Hielt alles im Hause sauber und rein Trank auch wohl ein Glaͤschen Brandewein. 63. Herr Philipp war ein guter Haushalter Ward so gar geizig in seinem Alter, Trieb oft mit eig’ner Hand den Pflug Und trank sich, und aß sich, kaum satt ge- nug. 64. Seine Gattin, die geduldige Frau Juͤtte , Starb an der Zehrung in ihrer Jahre Bluͤthe, Hinterließ doch, der Familie zum Gluͤck, Nach ihrem Tode einen Sohn zuruͤck. 65. Indeß heirathete der junge Wittwer Philipp Abermals, und zwar eine alte Wittib, Die hungerte er bald hin zur andern Welt Und erbete ihre Guͤter und Geld. 66. Sein Sohn hieß Weinreich mit der kup- fernen Nase , Der trank viel und ehlichte seine Base Kaͤthe , und kaum war Robert sein Sohn, da, So starb er am Zuruͤcktritt des Podagra. 67. Gedachter Sohn Robert bekam Lust zum Kriege, That als Freiwilliger einige Feldzuͤge, Und ließ in ’nem Scharmuͤtzel ritterlich Den Haarzopf und ’nen halben Finger im Stich. 68. Um 68. Um nun nicht noch was mehr zu verlieren That er sich auf seine Guͤter retiriren, Heirathete im sechs und zwanzigsten Jahr, Und starb als er dreißig und ein halbes alt war. 69. Seine Ehegenossin hiesse Frau Ide Er hatte gelebt ziemlich mit ihr in Friede, Denn er war von tolerablem Gemuͤth, Sein hinterlaß’ner Sohn hieße Siegfried . 70. Siegfrieds Umgang mit den Bauern war vertraulich, Und mit den Baͤuerinnen noch mehr erbaulich Und nie waren im Revier des von Schoͤps’- schen Gebiets So viel Hahnreihe als zur Zeit Siegfrieds. 71. Doch suchte er auch mit seiner Hausfrauen Sein grades adliches Geschlecht zu erbauen, Denn seine Gattin Fredegund gebahr Einen wohlgebildeten Sohn ihm dar. 72. Dieser war ein sehr gewaltiger Jaͤger, Hubertus , zugenamset der Schlaͤger , Denn er erschlug einst einen Wilddieb, Welcher das verbotene Jagen trieb. 73. Seine Gattin die schmutzige Gertrude War sehr filzig und karg wie ein Jude, Sie Sie molke die Kuͤhe und fegte den Stall Und ihre Hand war im Hause uͤberall. 74. Huberts Sohn Werner erbte Flinte und Buͤchse Nebst den uͤbrigen Guͤtern, prellte Fuͤchse, Und verdarb mit Hasenjagen rund herum Der Bauern Aecker und Eigenthum. 75. Aber seine Ehefrau, die baͤrtige Trine , Machte ihm zu Hause manche boͤse Miene, Und fing oft mit ihm Gezaͤnke an, Und er blieb ihr gehorsamster Unterthan. 76. Jedoch erzeugte mit ihr Herr Werner Erst einige Toͤchter, und demnaͤchst ferner Einen artigen Sohn, und dieser ward In der Taufe genennet Eberhard . 77. Auch dieser blieb treu der vaͤterlichen Sitte, Und heirathete eine Frau, genannt Brigitte , Bekam unter andern den Sohn Johann , Der war ein stattlich gelehrter Mann. 78. Er ist der erste des von Schoͤps Geschlechts gewesen, Der da selbst konnte schreiben und lesen, Hat auch durch dieses Stammbaums Ge- schrift Sich bei der Nachwelt ein Denkmal gestift’t. 79. Vor- 79. Vormals war es wenigstens unerhoͤret, Daß man in der Familie haͤtte schreiben geleh- ret, Und selbst bei Dokumenten klekste man Statt Unterschrift bloß ein Wachssiegel an. 80. Er konversirte gern mit studirten Leuten, Machte gar zu gewissen launichten Zeiten Bei seiner Hausfrau Lina daheim Einen nach damal’ger Art feinen Reim. 81. Er laß Zeitungen und hatte eine große Kenntniß von Staatssachen, und schlosse Im Großvaterstuhl fuͤr sich als Politikus Den beruͤhmten westphaͤlischen Friedens- schluß. 82. Nota bene! als ein vernuͤnft’ger Gelehrter Haßte er den Schoͤpsnamen, darum kehrt’ er Das Das oͤ im Wort Schoͤps, in o ohne Strich Und schrieb am ersten von Schops sich. 83. Er zeugte successive nicht mehr noch minder, Als sieben und zwanzig eheliche Kinder, Sowohl Toͤchter als Soͤhne; davon Erwaͤhn ich nur Kunz den aͤltesten Sohn. 84. Dieser ward gleichfalls gelehrt unterweiset, Und nachdem er viel Geld hatte verreiset, Brachte er mit nach Hause als Gemahlin Eine großvornehme Donna Italiaͤnerin. 85. Sie liebte hohe Spiele und Assambleen, Hatte viele Lakeien und Sicisbeen, Praͤtendirte auch im gemeinen Umgang Ueber alle andre Damen den Rang. 86. Zu dieser hochgedachten Donna Zeiten Entstunden schon allerlei Verdruͤslichkeiten, Denn es ging manches Familiengut Durch die zu große Verschwendung kaput. 87. Herr Kunz, um sich aus dem Verderben zu ziehen, Spielte fleissig hoch in Lotterieen, Suchte auch hier und da uͤberall In neuangelegten Bergwerken Metall. 88. Das war aber noch lange nicht das Schlimmste; Sondern unter allen war dies das Duͤmmste, Daß Daß er sich mit Advokaten abgab, Denn diese brachten ihn noch tiefer herab. 89. Auch legte er sich mit vielen Kosten und Wa- chen Auf den Stein der Weisen und das Goldma- chen, Und verwendete also des Vermoͤgens Rest Vergeblich auf’m chimischen Alkahest. 90. Er kam also im kurzen um das Seine Und ware nunmehr gar blank auf das Reine, Und im unersetzbaren Ruin Sank dies sonst reiche Geschlecht dahin. 91. Sein Sohn Fritz waͤhlte das Militaͤre, Erlangte wegen seiner Bravour viel Ehre, Bis er zuletzt gar ein Bein und ein Ohr Ehrenvoll in einer Schlacht verlohr. 92. Er bekam drauf den Abschied und einen Orden, Ist aber dabei arm und duͤrftig geworden Und er ernaͤhrte ex post kuͤmmerlich Auf einem gar kleinen Guͤtchen sich. 93. That jedoch, obgleich mit hoͤlzernem Beine, Bei der Fortpflanzung des Geschlechts noch das Seine, Und erzeugte zu seines Alters Trost Einen Sohn mit seiner Suse , den nannte er Jost . 94. Der 94. Der ist noch dem Adelstande getreu geblieben Und hat keine buͤrgerliche Nahrung getrieben, Denn noch im Jahr tausend sieben- hundert acht , Hatte Jost eine kleine Hufe im Pacht 95. Er war uͤbrigens der leibliche Vater Von dem beruͤhmten Schildburger Senater, Hielt indeß auf gute Oekonomie Mehr als auf die adliche Genealogie. 96. Vergaß deswegen bei seiner Frau Maria- nen Seinen vornehmen Stand und alle seine Ah- nen, Und wandelte den bisherigen Namen von Schops, In den schlichtbuͤrgerlichen Namen Jobs . 97. Als ein Feind aller Pracht und neuen Mode Zeugte er nach der wohlbekannten Methode Eines jeden andern buͤrgerlichen Mann’s Den gedachten Schildburgschen Senater Hans . 98. Dieser wurde sehr gut buͤrgerlich erzogen War klein, hat aber schwer gewogen, So wie seine meisten Ahnen, denn es war dies, Wie schon oben bemerkt ist, ein Fideikom- miß. 99. Daß 99. Daß Herr Hieronimus sein Sohn gewesen Und seine Frau mehrerer Kinder genesen, Das alles, wie auch sein Rathsherrnstand, Ist uns allerseit’gen Lesern bekannt. 100. Ich habe die Geschichte der Jobsschen Le- benslaͤuffen Mit zu viel Nebensachen nicht wollen haͤuffen, Weil ich beim naͤhern Nachsehen sind’, Daß schon hundert Verse druͤber da sind. Vier Vier und dreißigstes Kapitel. Genealogie der Frau Senatorin Jobs nach auf- steigender Linie. 1. D ie Ehegenossin des schildburgschen Sena- ters, Als unsers Herren Hieronimi wuͤrdigen Vaters, Der notorie mehr Kinder hatte, war Eine geborne Mammesel Plapelplar . 2. Ihre Stammtafel ist weniger weitlaͤusig Und die Merkwuͤrdigkeiten drin sind nicht so haͤufig, Indessen wollen wir doch ordentlich gehn, Und dieselben in diesem Kapitel durchsehn. 3. Ihre Familie war zwar nicht von Adel, Aber doch ohne allen Vorwurf und Tadel, Und unter dem schwaͤbischen Plebejerstand Eine der ersten im ganzen Land. 4. Sie war ansehnlich, groß und lang von Leibe, Und ein Muster von ’nem schoͤnen und guten Weibe, Und ihr eheleiblicher Vater war Der Konsistorialrath Herr Plapelplar. Jobsiade 3ter Theil. L 5. In 5. In seinen Handlnngen und Reden war er eifer- muͤthig Von Temperament etwas cholerisch und voll- bluͤtig, Er zerklopfte oft im Affekt die Kanzelbank Denn er war von Person robust und lang. 6. Er war maͤchtig in Lehr und reich an Worten, Stund erst als Pfarrer an verschiednen Orten, Ward im vierzigsten Jahr Konststorial, Und starb im funfzigsten Knall und Fall. 7. (Von seiner Suade im Peroriren Scheint es als Erbtheil herzuruͤhren, Daß die ehmalige Mamsel Plapelplar, Nachherige Frau Jobs, so wortreich war; 8. Auch daß sie an dem geistlichen Stande Ein so ausserordentliches Vergnuͤgen fande, Und den Hieronimus den sie gebar, Schon fruͤh bestimmte zum Dienst der Pfarr.) 9. Er hinterließ nicht bloß Kindertuͤcher Oder eine Sammlung alter Schriften und Buͤ- cher; Sondern auch viel Gut immobil und mo- vent, Denn er war ziemlich reich und potent. 10. Von seinen sonstigen Lebensumstaͤnden Habe ich nicht viel Nachricht in Haͤnden, Doch Doch merke ich noch von ihm an, daß Er gerne gebrat’ne Truthaͤhne aß. 11. Daher entstand vermuthlich die Sitte und Regel, Daß man die Truthaͤhne Konsistorialvoͤgel Seitdem im schwaͤbischen Lande heißt, Und sie gern, bei Pfarrschmaͤusen speißt. 12. Doch, dem sey uͤbrigens wie ihm seye, Er verwaltete sein Amt mit aller Treue Und sein eheleiblicher Vater war Fuͤrstlicher Amtmann und Justitiar. 13. Der war in seinen Aemtern und Pflichten strenge Machte weder große Umstaͤnde noch Gepraͤnge, Wenn einer nicht gleich seinem Mandat Oder der Citation pariren that. 14. Er stund wegen seinem ernsthaften Amtsge- sichte Rund herum in sehr gutem Geruͤchte, Und sein eheleiblicher Vater war Fuͤrstlicher geheimer Consiliar. 15. Man muß aber eben nicht meinen oder traͤu- men, Es haͤtte der Fuͤrst wegen ’s Praͤdikats ’nes Geheimen L 2 Ra- Rathes, nichts ohne ihn gethon; Er kannte nicht einmal seine Person. 16. Er starb als ein treuer Diener des Staates Ohngeachtet des Titels eines geheimen Rathes, Und sein eheleiblicher Vater war Bei ’ner verwittweten Fuͤrstin Leibhusar. 17. Dieser stand bei Hofe sehr hoch in Gnaden, War ein huͤbscher Husar von Bart und Waden, Und sein eheleiblicher Vater war In Schildburg der zweite Consular. 18. Im Stadtarchiv findet man oft seinen Na- men; Er sagte zu allen Rathsdekreten: Amen! Und sein eheleiblicher Vater war Seligen Andenkens Landcommissar. 19. Jedoch zur Zeit seines Commissariats stand es Eben nicht zum besten um die Wohlfarth des Landes, Und sein eheleiblicher Vater war Kommerzienrath titular. 20. Der legte sein ganzes vaͤterliches Erbe An Fabriken und weitlaͤufiges Gewerbe, Brachte es aber durch Ehrlichkeit Anfangs bei aller Muͤhe nicht weit. 21. Er 21. Er rettete sich jedoch noch bei Zeiten Wie es Sitte ist bei viel Handelsleuten, Denn ein starker honnetter Bankrot Half ihm aus aller seiner Noth. 22. Man saget aber, seine Kreditoren Haͤtten dabei mehr als er verloren, Und sein eheleiblicher Vater war Adlicher Verwalter und Sekretar. 23. Der konnte successive etwas Vermoͤgen Extra per fas et nesas zuruͤcke legen, Und sein eheleiblicher Vater war Der sieben freien Kuͤnste Baccalar. 24. Dieser muste sich sehr kuͤmmerlich ernaͤhren, Hatte blutwenig oder nichts zu verzehren, Und sein eheleiblicher Vater war Ein kaiserlicher gekroͤnter Poete gar. 25. Zwar erfahren in allen Dichterkuͤnsten Hungerte er doch bei seinen Verdiensten, Und wohnte mit Frau und Kinderlein In einem kleinen Dachstuͤbelein. 26. Seinem leiblichen Vater ging es noch trister; Er war der Weltweisheit Magister, Wovon er sich hoͤchsterbaͤrmlich ernahr; Wer aber des Magisters Vater war, 27. Da- 27. Davon schweigen die vorhandne Nachrichten, Ich kann also davon weiter nichts berichten, Als daß er auch ein Herr Plapelplar Und vermuthlich ein redlicher Mann war. Fuͤnf und dreißigstes Kapitel. Wie nunmehr nach wohlerwogenen Umstaͤnden, der Konsens zu der Vermaͤhlung des jungen Herrn Barons mit seiner Stehra erfolgt ist. 1. M an fande bei wohlerwogenen Umstaͤnden Nun wegen der Heirath nichts weiter einzu- wenden, Denn aus dem gelesenen Bericht war klar, Daß Jungfer Esther von beruͤhmter Fami- lie war. 2. Um damit zum erwuͤnschten Ende zu kommen, Hat Herr Jobs seiner Schwester Ausstattung uͤbernommen, Und diese fiele weit reichlicher aus, Als bei manchem Fraͤulen aus ’nem großen Haus. 3. Der beiden Liebenden Wonne und Entzuͤcken Vermag meine Feder nicht auszudruͤcken; Sie Sie haͤtten, von ihrem Gluͤcke berauscht Mit keinem Monarchen der Erde getauscht. 4. Denn es ist durchaus den Verlobten so eigen Zu sehen den Himmel voll Floͤten und Geigen, Und als waͤre in dieser argen Welt Alles fuͤr sie aufs beste bestellt. 5. Dennoch folget nach geschloß’ner Ehe Auf den ersten Jubel meist Reue und Wehe, Und nach verschwund’nem Rausch denkt man gar: Ich war, als ich heirathete, ein Narr. 6. Zu den Vermaͤhlungsfeierlichkeiten Suchte man nun alles vorzubereiten, Und es war wuͤrklich vierzehn Tage hernach Der laͤngst erseufzete Hochzeitstag. Sechs Sechs und dreißigstes Kapitel. Die Vermaͤhlung des jungen Barons und der Esther geht wuͤrklich hier vor sich, wie im Kup- fer artig zu sehen ist. 1. G leichwie der Seefahrer den Tag hoch fei- ert, Wenn sein Schiff nun in den Hafen steuert, Nachdem er auf der langen nassen Bahn Erfahren manchen Sturm und Orkan; 2. Und 2. Und wie der Wanderer, wenns regnet oder schneiet Oder die Sonne brennet, sich hoch erfreuet, Wenn er Abends hungrig und muͤd Das lockende Schild des Wirthshauses sieht; 3. Und wie nach dreijaͤhrigem Wachen und Fleisse, Und vielem, nicht fruchtlos vergossenem Schweisse, Ein auf der hohen Schul gewes’ner Student Sich freuet uͤber seines Studiums End; 4. Und wie der thaͤtige Kaufmann sich baß ent- zuͤcket, Wenn er beim Schlusse eines Jahres erblicket, Daß er nach richtigem Calcul und Stat Abermal ein Kapital in Salvo hat; 5. So pflegen auch Verlobte nach langem Schmachten Ihren Hochzeitstag freudig zu betrachten, Und der wird nach viel uͤberwundner Hin- derniß Nun erst destomehr schmackhaft und suͤß. 6. Grade so beschaffen, wie ich sage, war es Mit den Gefuͤhlen unsers lieben Brautpaares Als jetzt des Priesters segnende Hand Sie auf ewig zusammen verband. 7. Von allen merkwuͤrdigen Hochzeitsscenen Dieses Tages, will ich nur einer erwaͤhnen; Man Man sagt des Herrn Jobs alter Philemon Seye gewesen der Erfinder davon. 8. Nemlich, die Schoͤnhainer hatten seit ein Paar Wochen Sich zu einem glaͤnzenden Aufzuge abgesprochen, Und dieser ging dann auch feierlich Am besagten Hochzeitstage vor sich. 9. Drei Tage vor der Hochzeit kuͤndete die Trom- mel Im Dorfe, durch ihr schnarrendes Gerommel, Allen Einwohnern alt und jung, Die Losung an zur Vergaderung. 10. Laͤngst lag sie vergessen im Hintergehaͤuse War eine ruhige Wohnung der Ratten und Maͤuse, Denn im Dorf herrschte seit undenklicher Zeit Stolze Ruhe und Friedlichkeit. 11. Jedoch bei ihrem ungewoͤhnlichem Allarme Ward alles reg gleich einem Bienenschwarme, Und mit allerlei Unter- und Obergewehr Zog man zum gewaͤhlten Waffenplatz her. 12. Jedem Komparenten ward da unverweilet Seine Charge nach Verdienst und Faͤhigkeit ertheilet, Und Und der alte Philemon uͤbernahm die Muͤh, Und uͤbte im Marschieren und Feuern sie. 13. Er verstund gar herrlich das Manoͤvriren, Hatte die Schlacht bei Rosbach helfen verlie- ren, Denn er war ein ganzes Jahr lang damal Beim Kreiskontingente Korporal. 14. Man sah fruͤh Morgens in zwei Kompagnien Die schoͤnhainer Mannschaft in Parade ziehen Mit Trommel und Pfeiffe und wehender Fahn, Und den alten Philemon als Oberster vor- an. 15. Zwei auf dem Schloßplatz gepflanzte klei- ne Kanonen Geladen mit ein halb Loth schweren Patronen, Gingen zur Losung fuͤrchterlich loß, Daß schier erbebt haͤtten die Fenster am Schloß. 16. Die saͤmmtliche Mannschaft gab eine Salbe, Es war aber eigentlich doch nur eine halbe; Denn manches Gewehr versagte den Schuß, Und ging aufs Kommando: Gebt Feuer! nicht luß. 17. Doch 17. Doch gabs beim Aufmarschieren und Kriegs- gewimmel Ein allgewaltiges Laͤrmen und Getuͤmmel; Man schrie vivat ! als waͤre man toll Und jeder Jagdhund des Schlosses boll. 18. Es schien, als ob sich alle Elementen Bewegten und in einem Krieg befaͤnden, Und als ob in dem Dorfe Schoͤnhain Wuͤrklich der juͤngste Tag braͤch ein. 19. Nach dreimal wiederholten Vivat und Char- giren Ließ man’s ganze Heer aufm Schloßplatz cam- piren Und vom Obersten bis zum Musketier Bekam jeder zu essen, und Brandwein und Bier. 20. Als endlich die Nacht hatte angefangen, Ist jeder seines Weges nach Hause gegangen; Auch das Brautpaar entschliche schon fruͤh, Ich weiß nicht: wohin? warum und wie? 21. Dieses Wohin, Warum, Wie und Weswe- gen, Zu wissen, dran ist uns nichts gelegen; Genug, Esther war von diesem Abend an genau, Eine leibhaftige gnaͤdige Frau. Sie- Sieben und dreißigstes Kapitel. Wie sich die junge gnaͤdige Frau von Ohnwitz beging, und wie sie nach neun Monaten eines Soͤhnleins genaß. 1. I ch muß es der jungen Frau zum Ruhm nachsagen, Daß sie sich immer gar zaͤrtlich betragen, Und es dem jungen Herren noch zur Zeit, Sie zur Gattin zu haben, nicht gereut. 2. Gar nach schon jetzt verfloßnen vier Jahren Habe ich nicht das mindeste davon erfahren, Daß Daß der boͤse Ehegeist Asmodees Angestiftet haͤtte Streit oder Getoͤß. 3. Sie fanden darin ihr vorzuͤglichstes Entzuͤcken, Sich durch getreue eheliche Liebe zu begluͤcken, Und die junge gnaͤdige Frau hatte schon Nach neun Monaten einen kleinen Sohn. 4. Sie ist also, wie man deutlich siehet, Ihrer Seits ernstlich drauf aus und bemuͤhet, Daß der Ohnwitzer Name besteh’ Und sein Stamm nicht so bald vergeh’ 5. Sie hielte nichts von fremden Saͤugammen Wie sonst uͤblich ist bei vornehmen Madam- men, Sondern glaubte, ihn von eigner Milch Zu ernaͤhren, sey menschlich und bill’g. 6. Sie blieb dabei nicht allein viel gesuͤnder Sondern ihre Reize wurden eher groͤsser als minder; Denn eine so suͤsse schuldige Mutterpflicht Schadet der Gesundheit und Schoͤnheit nicht. 7. Auch die Kleinen pflegen baß zu gedeihen, Daß sich Gott und Menschen drob erfreuen, Auch der sonstige Nutzen dabei Ist unwidersprechlich noch mancherlei. 8. Sie 8. Sie ward auch in allem uͤbrigen Verhalten Fuͤr ’n Muster einer braven Dame gehalten, Und jeder schoͤnhainer Unterthan Betete sie gleichsam als ihre Goͤttin an. 9. Noch immer fuͤhrete sie das Steuerruder Der Oekonomie bei ihrem lieben Bruder, Und hielte auf dem großen Gute Schoͤnhain Alles fein ordentlich, sauber und rein. 10. Ihre Schwiegereltern thut sie hoͤchlich ehren, Handelt in allem nach ihrem Rath und Be- gehren, Und diese lieben sie dafuͤr fast mehr Als wenn sie ihre leibliche Tochter waͤr. Acht Acht und dreißigstes Kapitel. Wie Herr Jobs seine schildburger Verwandten reichlich bedenket, und Schwester Gertrud den Schoͤsser heirathet. 1. M an denke aber nicht als ob indessen Herr Jobs seine andre Verwandten haͤtte ver- gessen; Er hat vielmehr auch sie kraͤftig itzt Mit Gelde in Schildburg geunterstuͤtzt. 2. Zum Exempel: Er ließ große Kapitalen Per Wechsel an seinen einen Bruder auszahlen, Und dieser wurde schleunig also Aus ’nem Kraͤmer ein großer Kaufmann en gros. 3. Auch sein aͤlt’ster Bruder ward durch ihn gluͤck- lich, Denn sein geiziges Weib starb augenblicklich, Fuͤr uͤbermaͤssigem Freudenschreck Als sie sah die uͤbersandten Geldsaͤck. 4. Sein Herr Schwager der schildburger Kuͤster Bekam gleichfalls einen grossen Tornister Voll von Geschenken und Geld, und ward gleich Reicher als ein Kuͤster im roͤmischen Reich. 5. Die 5. Die andre Schwester brauchte auch dem Alten Nun laͤnger nicht zu dienen und hauszuhalten, Denn Herr Jobs machte ihr, Jahr ein Jahr aus Eine ansehnliche Rente zu verzehren aus. 6. Seine noch uͤbrige Schwester die Gertruͤde , Ein Frauenzimmer von sehr gutem Gemuͤthe, Invitirte er zu sich nach Schoͤnhain, Um ihm in der Wirthschaft behuͤlflich zu seyn. 7. Versprach auch sonst, sie heute oder morgen Reichlich und christbruͤderlich zu versorgen; Sie gab also ihre bisherige Geschaͤfte dran, Und kam verlangter massen bald drauf an. 8. Nun war zwar besagte Schwester Gertruͤde Eben nicht mehr in der besten Jahrblute, Aber doch fuͤrs Haus, Bette und Tisch Noch ziemlich munter, gesund und frisch, 9. Auch nicht unangenehm im Umgange; Drum waͤhrte es auch zu Schoͤnhain nicht lange, Daß der Schoͤsser, der sich Wittwer befand, Anhielte um ihr Herze und Hand. 10. Was vormals mit Prokrater Geyer gesche- hen, Das konnte niemand ihr weiter ansehen, Drum willigte Herr Hieronimus drin, Und sie ward richtig Frau Schoͤsserin. Jobsiade 3ter Theil. M Neun Neun und dreißigstes Kapitel. Wie man allerseits wegeilet; die adliche Gesell- schaft nach Ohnwitz und der Autor nach dem Ende des Buͤchleins. Sehr traurig zu lesen. 1. Z war der Franken siegreiche Kriegsheere Verbreiteten sich weiter gleich dem fluthenden Meere, Und wohin sie kamen, ward Knall und Fall Ueberall alles gleich und egal. 2. Aber auf dem sichern schoͤnhainer Gute War man freudig und bei gutem Muthe, Und durchlebte ein Paar Jahre Zeit In ununterbrochener Einigkeit. 3. Indessen ward durch einen Separatfrieden Das Schicksal von Ohnwitz gluͤcklich mit ent- schieden, Und der alte Herr und Frau von Ohnwitz Kehrten zuruͤck nach ihrem vorigen Sitz. 4. Sie fanden da fast alles jaͤmmerlich zerstoͤret, Und die Guͤter zum Theil vernichtet und ver- heeret, Indessen ward doch durch Herrn Jobsens Geld Alles bestmoͤglichst wieder hergestellt. 5. Aber 5. Aber die junge Frau nebst ihrem Barone Blieben beim Herrn Jobs, mit ihrem Sohne, Weil sich dieselbe vor der Hand Abermals einer Niederkunft nahe befand. 6. Sie kam auch gluͤcklich zum zweitenmal wie- der Mit einem lieben jungen Baroͤnlein nieder, Und man nannte dasselbe nach seinem Ohm Und Pathen, in der Taufe Hieronom. 7. Nach den zuruͤckgelegten Kindbetterwochen Sind auch sie nach Ohnwitz aufgebrochen, Aber der Abschied vom guten Schoͤnhain Ging ihnen beiden durch Mark und Bein. 8. Herr Jobs hat auf herzliches Bitten Sie auf der Reise nach Ohnwitz beglitten Und uͤbergab zur einstweiligen Obhut Sein Gut dem Schwager Schoͤsser und der Gertrud. 9. Denn auch er konnte dem Trieb nicht wider- stehen Seine lieben Ohnwitzer mal wieder zu sehen Und sein Herz blutete, als er fand Ihren dermaligen traurigen Zustand. 10. Er gab ihnen gerne die noͤthigsten Gelder Zur Reparirung der Haͤuser und verdorb’nen Felder, Kaufte Kaufte ihnen Schaafe, Pferde und Kuͤh Und unterstuͤtzte aufs mildeste sie. 11. Seitdem ihn der Krieg von da vertrieben, War die Pfarrstelle unbesetzet geblieben, Aber sie war vom Herrn von Ohnwitz jetzt Wieder durch ’nen treflichen Mann besetzt. 12. Das that Herrn Jobs ungemein gaudiren Denn es wollt sich ja hinfort nicht mehr gebuͤh- ren, Daß er die Pfarrstelle wieder uͤbernaͤhm Und als Herr von Schoͤnhain nach Ohnwitz kaͤm. 13. Als er ein Paar Wochen noch da verweilet, Hat er wieder nach seinem Schoͤnhain geeilet; Aber dieser sehr bittere Abschied Erschuͤtterte innerlich sein Gemuͤth. 14. Eine Ahndung wollte schier bei ihm entste- hen Als wuͤrde er Ohnwitz nie wieder sehen, Doch er ergab sich endelich drein, Und kam gluͤcklich wieder an zu Schoͤnhain. Vier- Vierzigstes Kapitel. Wie Herr Hieronimus zum zweiten mal von Freund Hein einen Besuch bekam, welcher fuͤr diesmal laͤnger dauert als der erste. 1. W ir Menschen pflegen in unsern Erdensa- chen Manche kluge Plaͤne und Entwuͤrfe zu machen Aber ein unvermutheter Queerstrich Ist uns gar oft daran hinderlich. 2. Auch Herr Jobs gedachte mit seinem Vermoͤ- gen Noch vielfaͤltig zu stiften Nutzen und Segen Und Und auf seinem lieben Gute Schoͤnhain Sich eines laͤngern Lebens zu freun. 3. Aber es hat ihn neulich wider alles Verhoffen Eine grassirende boͤse Krankheit betroffen, Und er selbst prophezeite im ersten Anfang Sich davon einen toͤdtlichen Ausgang. 4. Er befahl ernstlich auf seinem Krankenlager Drei Dinge seiner Schwester und seinem Schwager: Erstlich , daß man ihn ja nicht eher be- gruͤb, Bis er wuͤrklich faul zu werden anhuͤb; 5. Man sollte waͤhrend der Zeit mit ihm experi- mentiren Ob sein Leichnam etwa sich wieder wuͤrde ruͤh- ren Und es sollte bei demselben bei Tag und bei Nacht Fuͤnf Tage lang jemand halten die Wacht. 6. Zweitens , ihn dann ohne Leichengetuͤmmel Begraben unter Gottes freien Himmel, Und neben Amaliens Leichenstein Bei den Linden, sollte sein Begraͤbniß seyn, 7. Drit- 3. Drittens , sollte nach seinem erfolgten Ab- sterben Kein Gezaͤnk entstehen zwischen seinen Erben, Sondern sie sollten bruͤder- und schwesterlich Darein alle egal theilen sich. 8. Man war bemuͤht, diesen seinen letzten Willen In allen drei Stuͤcken puͤnktlich zu erfuͤllen; Denn er beschloß nun wuͤrklich seinen Lebens- lauf Und stund zum zweitenmal nicht wieder auf. Bei den Verlegern sind noch ferner er- schienen: Abhandlungen, zwey, uͤber das Entstehen der Westfaͤ- lischen Leibeigenschaft, und uͤber eine in der Grafschaft Mark sehr gewoͤhnliche Art der Bauernguter, den Pacht- hof , dessen Verhaͤltnisse gegen den Staat, den Hof- herrn und den Bauer. 8. 9 ggr. Arzt , der, fuͤr alle Menschen, ein Huͤlfsbuch fuͤr Freun- de der Gesundheit und des langen Lebens. 1r Band. 8. 1797. 1 Rthlr. 2 ggr. — — 2r Band. 98. 1 Rthlr. 4 ggr. Baͤderer , Pastor, Versuch eines kurzen faßlichen Un- terrichts in der einfachen Obstbaumzucht fuͤr die Land- jugend. 8. 4 ggr. Bindseil , Dr. C. H., Laune und Herzensguͤte, ein Lust- spiel in 3 Aufzuͤgen. 8. 8 ggr. — — Wiedervergeltung, ein Schauspiel in 3 Aufzuͤ- gen. 8. 8 ggr. — — Haͤuslichkeit und Welt, ein Schauspiel in 5 Auf- zuͤgen, nebst einem Lied mit Musik. 8. 12 ggr. Daulnoy , J. B. franz. Geistlichen, neue franzoͤsische Sprachlehre. gr. 8. 1 Rthlr. — — franzoͤsische sinnverwandte Woͤrter, ein Auszug aus Girard und Beauze etc. als Anhang zur groͤßern fran- zoͤsichen Sprachlehre. gr. 8. 4 ggr. — — kleine franz. Sprachlehre fuͤr Kinder und junge An- faͤnger. Eine Einleitung zu des Verfassers groͤßern franz. Sprachlehre. gr. 8. 10 ggr. Gierig , Prof. G. E., uͤber den moralischen und litterari- schen Charakter des juͤngern Plinius. 8. 14 ggr. Handlungsrecht , allgemeines Preußisches, eine systema- tische Sammlung alles desjenigen, was in dem allge- meinen Landrechte und der Gerichtsordnung auf Hand- lungsrecht Bezug hat. gr. 8. 1 Rthlr. 4 ggr. Heusinger , (J. H. G. Verfasser der Familie Wertheim) die Kreutzzuͤge, ein angenehmes und nuͤtzliches Lese- buch fuͤr die Jugend 1r Th. 8. 1799. 20 ggr. Kirchenrecht , allgemeines, der Koͤnigl. Preuß. Staaten, ein systematischer Auszug desjenigen, was im Landrecht und der Gerichtsordnung auf Kirchenrecht Bezug hat. Neue ganz umgearbeitete mit einigen Anhaͤngen ver- sehene Auflage. gr. 8. 1 Rthlr. 4 ggr. Kortum , Dr. C. G. T., vollstaͤndige physikalisch-me- dicinische Abhandlung uͤber die warmen Mineralquellen und Baͤder in Aachen und Burdscheid. gr. 8. 1 Rthlr. Moral , christliche, fuͤr den Kanzelgebrauch in alphabeti- scher Ordnung. Angehenden Predigern und Kandidaten des Predigtamts gewidmet. 1ter Th. gr. 8. 20 ggr. — — 2ter Th. 1 Rthlr. 16 ggr. — — 3ten Theils 1ste Abtheilung 21 ggr. Kurze aber getreue Erzaͤhlung der so lange die Welt steht unerhoͤrten Geschichte einer Somnambuͤle, genannt Elsabe Schlunz, welche von vornehmen und geringen, maͤnnlichen und weiblichen, alten und jungen, gelehrten und ungelehr- ten, einheimischen und fremden Personen, sorgfaͤltig un- tersucht ist und bezeugt werden kann. Ein Anhaͤngsel zur Jobsiade . Von Dr. C. A. K. Preis 4 gGr. Schildburg , gedruckt in diesem Jahr . (Zu haben: Hamm , bei Schultz u. Wundermann.) Einleitung . E s werden in unsern Tagen so viele Geschichten von Somnambuͤlen muͤndlich und schriftlich auf- getischt, daß einem der Appetit vergeht. In ehemaligen Zeiten hat man kaum etwas davon gewußt und man wuͤrde solche gewiß auch nicht geglaubt haben. Unserm aufgeklaͤrten Jahr- hundert aber ist es aufbehalten sie groͤßtentheils zu glauben. Auch ist die Anatomie und Phy- siologie durch manche neue Entdeckung bereichert worden, welche man vorher nicht geahnet haͤtte. Wer haͤtte es vermuthet, daßsich im menschli- chen Koͤrper, den doch unsere Kunstverstaͤndigen so gut innerlich und aͤusserlich zu kennen sich be- ruͤhmen, noch Organe befinden, deren Existenz bisher ihrer Aufmerksamkeit entgangen war, ver- mittelst welchen man ohne Augen, Ohren, Na- se und Zunge, sehen, hoͤren, riechen und 1 * schmecken koͤnnte? Wer haͤtte es fuͤr moͤglich gehalten, daß eine verborgene Kraft entdeckt werden wuͤrde, genannt Magnetismus , die durch Beruͤhrung, ja bloß durch Ansehen und Blicke, dermassen in den menschlichen Koͤrper und Geist zu wuͤrken vermoͤge, daß einem vor Erstaunen die Haare zu Berge stehen muͤssen? Und doch ist es ausgemacht, daß solches alles wahr sey, so unbegreiflich es auch dem schlichten Menschenverstande scheint. Alle Geschichten, welche man davon erzaͤhlt, in billigen Ehren gehalten, will ich doch jetzt eine mittheilen welche jede andere weit uͤber- trifft: im Voraus uͤberzeugt, daß sich viele meiner Leser daran erbauen werden, denn sie macht in der Lehre vom Somnambulismus und Magnetismus Epoche. Geburt und Taufe der Elsabe Schlunz . E lsabe Schlunz wurde in Schildburg gebo- ren und zwar am ersten Sonntage des jetzigen Jahrhunderts. Ihre Eltern, nemlich ihr angebli- cher Vater Peter Schlunz und ihre Mutter Juͤtte Flapps waren Buͤrgerleute und zwar der Vater ein geschickter Schlotfeger, dem von sei- nem Großvater und Vater dieses Handwerk schon angeerbt war, womit er sich zwar kuͤmmerlich, aber doch in so weit ehrlich ernaͤhrte. Die Mutter war die einzige Tochter einer renommirten Waͤ- scherin. Ich fand diese Familiennachrichten in einer uralten Hausbibel verzeichnet, welche zu- gleich zu einer Chronik des Orts diente und manch wichtige historische Anekdoten enthielt. Hierin war nun auch das Jahr und der Tag der Geburt unserer Elsabe Schlunz , unter der obgleich etwas unleserlichen Hand ihres Vaters genau verzeichnet, mit folgenden Worten: “Ein und ein Viertel auf 6 Uhr, am ersten „Sonntage 1800, wurden ich und meine Frau er- „freuet mit der Geburt eines Toͤchterleins, welche „Gottlob leicht erfolgte, ohngeachtet grade keine „Hebamme zur Hand war. Sechszehn Tage „nachher wurde das liebe Kind, nach christloͤb- „lichen Gebrauch, vom Pater Josten in der „groͤßten Eil getauft, weil dasselbe urploͤtzlich „das Gefraisch bekam, so das der Exorcis- „mus nicht einmal vorher gehen konnte. Die „geschwind herbei gerufenen Gevattern waren „unsere naͤchsten Nachbarinnen und Nachbarn: „die Frau Wind , Wittwe des seeligen Cas- „par Wind, weiland wohl bestallten Baͤlgentre- „ters in der hiesigen Medardus-Kirche; meine „Muhme die eheleibliche Frau des Schwefel- „holzhaͤndlers Joͤrgen Stripps ; ferner, „ Meicher Kehr , Besenfabrikant, und mein „Busenfreund Theodor Kneif , Mitglied „der ehrsamen Schusterinnung hieselbst. Gott „gebe, daß das junge Wichtchen zu seinem Gluͤcke „und unserer Freude aufwachsen moͤge, wie eine „Ceder zu Livanon.“ Der Taufackt haͤtte nach der Regel wohl fruͤher geschehen muͤssen; weil es aber dem Va- ter damals am Gelde fehlte, um den Brandwein und andere Taufzechskosten zu bestreiten, auch Pater Josten dieses Geschaͤft schlechterdings nicht umsonst oder auf Borg verrichten wollte, so mußte zur Bezahlung der Kosten, ein zwar alter, jedoch noch brauchbarer Spiegel vorher verkauft werden, uͤber dessen Ankauf Jude Mo- ses lange handelte ehe man damit fertig wurde. Erstes Kinderjahr der Elsabe Schlunz. D as Kind bekam seinen Namen von der Frau Muhme Stripps , welche Elisabeth hieß, und durchaus verlangte, daß dasselbe diesen und keinen andern fuͤhren sollte; sie setzte auch ihren Plan mannhaft durch, trotz allen Widerspruͤchen und Protestationen der Frau Wind . Das Kleine war uͤbrigens gut gebildet, dabei auch nach seiner Art munter, ausgenommen daß es manchmal die Gesichtszuͤge verzog und weinte, welches vermuthlich von dem nicht genug abge- fuͤhrten Kindspech und daher entstehenden Bauchgrimmen, auch zuweilen wohl vom Man- gel der erforderlichen Nahrung herruͤhren mogte, denn es fehlte der Mutter oft an Milch zum Saͤugen; indem sie selbst kaum Atzung genug zum eigenen Bedarf hatte, und meistens mit etlichen Tassen Roggenkaffee und einer Kruste Schwarzbrodt den Hunger stillen mußte. Es wuͤrden Mutter und Kind wohl endlich gar ver- schmachtet seyn, wenn nicht der menschenfreundli- che Gevatter Schuster Kneif ihrem Beduͤrfnis- se zuweilen zu Huͤlfe gekommen waͤre. Mit die- sem stund die Mutter, so wohl vor als nach ih- rer Verheirathung, im vertraulichen Umgange. Das letzte mogte vielleicht die Ursache seyn, daß sich die Mutter an ihm versehen, und daher das Kind selbst, weniger mit Schlunz als mit Kneif Aehnlichkeit im Gesicht, auch fuchsrothe Haare wie dieser hatte; wie solches gleich Anfangs schon die Gevattern bemerkten. Waͤhrend des Taufschmauses fielen nun un- ter den Gevattern manche Diskurse und Debat- ten vor, welche einigemal, nachdem der Brand- wein hoͤher zu Kopfe gestiegen war, in Personali- taͤten auszuarten drohten, aber doch gluͤcklich von seine Wohlehrwuͤrden dem Herrn Pater Josten noch beigelegt wurden. Besonders bemerkte Muhme Stripps , welche im Geruche einer klugen Frau stand und die Krone aller Spinnweiber im Staͤdchen war: wie es sonderbar sey, daß das Kind Elsabetchen grade im Anfange des neuen Sekulums und noch dazu an einem Sonntage geboren sey; so wie auch, daß es uͤber zwei Sonntage ohne Taufe gelegen habe. Sie behauptete, daß solche Sonn- tagskinder von der Natur die Gabe haͤtten, Vor- geschichten und Gespenster zu sehen. Sie be- staͤtigte ihre Meinung zugleich aus Erfahrung und sagte; daß sie selbst eine Verwandte gehabt habe, welche nolens volens zu gewissen Zeiten, besonders des Nachts aus dem Bette aufstehen muͤssen, da sie dann auf der Straße, bald ein Eulengeschrey, bald ein Katzenmiauen gehoͤrt habe, und daß dann gewoͤhnlich binnen Jahr und Tag im Orte entweder ein Todesfall oder ein Hochzeitsfest erfolgt sey. Die andern Taufgaͤ- ste widersprachen jener nicht, sondern hielten solche Folgen der Sonntagsgeburten fuͤr ganz natuͤrlich, obgleich sie es nicht begreifen konn- ten. Genug, sie wußten einmal, daß Frau Gevatterin Stripps mehr als gemeine Weis- heit besitze; denn sie verstand auch das Wahrsa- gen aus Kaffee und Karten, so wie besonders die Kunst aus den Linien der Haͤnde die Pla- neten zu lesen, welches letztere sie von einer Zi- geunerin erlernt hatte, die sehr beruͤhmt war, und nachher als Maͤrtirerin ihrer Wissenschaft verbrannt wurde. Die Frau Kindbetterin kehrte sich zwar nicht sonderlich an diese Sage der Frau Stripps , behielt aber doch ihre Worte in einem feinen gu- ten Herzen. Der Kindsvater Peter Schlunz aber erklaͤrte alles rundaus fuͤr Dummerey; denn er war ein halber Freigeist, ging weder zur Messe, noch zur Kirche, achtete weder Qua- tember noch Fasttage, sondern fraß ohne Unter- terschied, was ihm vorkam, sof sich auch, wenn er es haben konnte, selbst auf Sonn- und Hei- ligentagen toll und voll, trieb dabei seine Schlot- fegerskunst oft sehr nachlaͤssig und machte ne- benbei sich kein Gewissen daraus, wenn er ge- legentlich aus den Schorsteinen Wuͤrste und Speckseiten, oder von den Kornboͤden und Vor- rathskammern Getraide und trocknes Obst mau- sen konnte. Elsabens Erziehung. E lsabe bekam nach und nach mehr Geschwister, welche alle dem Bilde des Meisters Kneif aͤhnlich waren. Ihre Erziehung war eben nicht die Beste. Denn ein Philantropin konnte sie schlechterdings nicht besuchen, und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil keins im Lande vor- handen, und die Kosten, sie nach Dessau, Marsch- lins, Tuͤrkheim oder sonst in eine beruͤhmte Pension zu schicken, leider fehlten. Jedoch lern- te sie von einem Vetter, einem jungen Men- schen, welcher Unterlehrer in der deutschen Schu- le des Orts war, zur Noth etwas Buchstabie- ren und lesen, wie auch ein wenig mit der Fe- der kritzeln, was ohngefaͤhr wie Buchstaben aus- sah. Die meiste Zeit brachte sie mit herumwan- dern in den benachbarten Doͤrfern zu, wo man ihr oft Brod und sonstige Lebensmittel mittheil- te; oder auch mit Exkursionen in fremden Fel- dern und Gaͤrten, vorzuͤglich zur Herbstzeit wenn die Kartoffeln und das Obst reif waren. Das Erworbene theilte sie gewoͤhnlich mit ihrer Mut- ter und den Geschwistern; denn der Vater konnte sich anderweitig selbst helfen. Ihre Kinderjahre verstrichen uͤbrigens leid- lich, auch die gewoͤhnlichen Kinderkrankheiten gingen gluͤcklich voruͤber; jedoch litt sie von den Blattern viel, denn die Vaccination sahe man noch als eine unerlaubte Pfuscherei in die goͤtt- liche Vorsehung an. Ihre Gesichtsbildung blieb indessen unversehrt und sie konnte fuͤr ein huͤbches Laͤrvchen passiren. Große Widerwaͤrtigkeiten erlebte sie auch in ihrer Jugend nicht: denn die Eltern ließen ihr alles hingehen, wenn sie auch oftmals Scha- bernack anrichtete. Als sie 15 Jahre alt war und anfing sich zu fuͤhlen, daß sie weiblichen Geschlechts sey, bekam sie doch einmal eine Tracht Pruͤgel, die ihr gewiß, wegen den Pa- thos, womit sie aufgeladen wurden, im unge- segneten Andenken lebenslang bleiben werden; und zwar bei Gelegenheit: da der Vater eines jungen Menschen sie mit demselben des Abends spaͤt auf dem Heuboden ertappte. An Geistesgabe und natuͤrlichem Verstande fehlte es ihr gar nicht. Sie konnte schon fruͤh luͤgen, wie ein Kalenderdrucker, auch schwoͤren, daß die Baͤume haͤtten krachen moͤgen und es war pur unmoͤglich, daß sie uͤber etwas haͤtte erroͤthen koͤnnen. Sie versuchte es einmal als Kindermaͤdchen zu dienen, fand aber diese Sklaverei bald unbequem, quittirte stillschwei- gend den Dienst, nahm einige Kleinigkeiten zum Abschiede mit sich und that, als ob solche ihr zugehoͤrt haͤtten. Elsabe wird Somnambuͤle. P oeten muͤssen geboren werden, und Diebe brin- gen die Disposition zum Stricke mit auf die Welt. Alles muß sich uͤbereinstimmig dazu fuͤ- gen, wenn einer in seiner Art groß oder klein werden soll. Das gilt nun auch von unserer Elsabe. Sie war, das kann ja der Einfaͤltig- ste aus ihrem bisherigen Lebensgange sehen, einmal vom Schicksale bestimmt eine ausseror- dentliche Somnambuͤle zu werden. Darum ward sie an einem Sonntage geboren; darum lag sie uͤber zwei Sonntage als Heidin unge- tauft; darum vergaß Pater Josten bei der Tau- fe den Exorcismus, und so blieb der unsaube- re Geist zum Theil bei ihr; darum hatte sie die Frau Stripps zur Pathin, welche ihren Wahrsagergeist dem Paͤthchen mittheilte; dar- um war ihr Geburtsort grade Schildburg , wel- ches wegen seiner klugen Buͤrger schon laͤngst beruͤhmt ist, und dessen Klima folglich auf sie Einfluß hatte; darum war der Hang zum Luͤ- gen etwas zu ihrer Natur gehoͤriges, welch es die schlechte Erziehung hoͤher ausbildete; darum mußte sie auch eben um den Anfang des 19 ten Jahrhunderts geboren werden: weil um diese Zeit der Magnetismus und Somnambulismus an der Tagesordnung kommen sollte. Bisher hatten alle diese Darums sich bei Elsabe Schlunz noch nicht entwickelt. Jetzt aber war sie 17 Jahre alt, und da erst lernte sie die Wichtigkeit ihrer Bestimmung kennen, und wurde in kurzer Zeit groͤßer, als alle Som- nambuͤlen vor ihr gewesen waren und bis zum juͤngsten Tage nach ihr seyn werden. Die Veranlassung dazu war folgende: Unfern von Schildburg wohnte seit einiger Zeit eine junge Frauensperson welche oft mit Kraͤmpfen elendiglich behaftet war, auch zuwei- len stark delirirte. Sie erregte wegen der trau- rigen Nervenzufaͤlle, die unter mancherlei Ge- stalt auftraten und lange anhielten, endlich Auf- sehen. Sie verkuͤndigte in den Paroxismen ihres wuͤrklichen Wahnsinnes zuweilen etwas das zufaͤllig eintraf und der einfaͤltige Zuschauer als was uͤbernatuͤrliches bewunderte. Weil sie arm war, so wuͤrde sie aus Mitleiden oft reich- lich beschenkt. Ein zwar noch junger aber sehr geschickter Arzt erbarmte sich ihrer, gab ihr nervenstaͤrkende und wurmabtreibende Mittel, heilte sie auch damit in der Folge wuͤrklich. Er machte auch einigemal mit ihr zur Zeit der Anfaͤlle einige magnetische Versuche ohne jedoch davon aberglaͤubische Wuͤrkungen zu erwarten. Weil der Zulauf zu der Patientin groß war, so ging auch einmal Elsabe Schlunz aus Neugier zu ihr hin, beobachtete alle wunderbaren Phaͤno- mene ihrer Krankheit, so wie auch die Arbei- ten des magnetisirenden Arztes. Sie fand den Hokus Pokus drollicht und das Ding selbst eintraͤglich. Sofort fing sie zu Hause an, sich in Verdrehungen der Glieder zu uͤben und manches zu sehen, was andere nicht sahen. Der Mutter, welche dieses zuerst bemerkte, fiel es nun auf einmal ein, daß Elsabe ein Sonn- tagskind sey. Sie bewunderte zuerst ihre Kunst- gabe und dann bestaͤrkte sie dieselbe darin, gab auch der Muhme Gevatterin Stripps davon Nachricht, welche nicht ermangelte das Aben- theuer weiter auszubreiten. Einige Experimen- te, welche Elsabe machte, gluͤckten ihr Anfangs ziemlich und ihre gute Mutter half ihr ein, wenn sie sich etwa verschnappte. Nun ging das Ding weiter. Sie aß und trank zuweilen ganzer Wochen lang nicht das mindeste, wenn man auch genau auf sie Ach- tung gab, oder die leckersten Nahrungsmittel ihr anbot; aber des Nachts steckte ihr die Mut- ter die Speisen und Getraͤnke heimlich zu- In Gegenwart der sie bewundernden Leute schnitt sie allerlei Gesichter und Grimassen, brumm- te oft wie ein Rohrdommel, oder bellte wie ein Hund, fuhr auch zur Abwechselung einem ins Gesicht oder in die Haare. Wenn sie vermeintliche lucida intervalla hatte, gab sie auch auf manche ihr vorgelegten Fragen vernuͤnf- tige Antworten die jedoch, wie leicht zu denken ist, doppeltsinnig und zweideutig waren. Elsabens fernere Fortschritte in der Hellseherkunst. B isher hatte sie ihre Kuͤnste noch immer mit offnen Augen gemacht, obgleich im anscheinenden Schlafe, oder als wenn sie erstarrt waͤre; aber mit ihrer steigenden Celebritaͤt stieg nun auch ihr Kunstvermoͤgen. Jetzt ließ sie sich die Augen verbinden und konnte dennoch manches sagen, was vorging. Einstens hoͤrte sie auf der Straße ein Posthorn blasen und sie sagte, der Blasende habe einen blauen Rock an und saͤße vorne auf ei- nem Wagen. Als ein Jagdhorn ertoͤnte sprach sie: Ey da kommt einer mit einem gruͤnen Rocke bekleidet der genau aussieht wie unser herrschaftlicher Jaͤger Hans Hubert ; er hat seinen Waldmann bei sich. So hoͤrte sie auch im vorigen Winter, als es gefroren hatte, nicht weit von ihrem Hause erbaͤrmlich schreien und sie wuste gleich daß es ein Kind sey welches gefallen waͤre. Als einer mit einer Peitsche knallend vorbei fuhr behauptete sie bestimmt, der Knall ruͤhre von einem Manne her, wel- cher einen leinenen Kittel uͤber seinen Rock ha- be; und siehe da! es war wuͤrklich ein Fuhrmann. Einst fragte man, was Pater Josten jetzt an- fange? Antwort: Er ist bei seiner Koͤchin, sitzt bei der Weinflasche und hat ein Buch neben sich aufgeschlagen liegen mit lateinischen Buch- staben. Auch dieses traf ein, denn es war Nachmittags vier Uhr, und nach seiner Gewohn- heit laß der geistliche Herr um diese Zeit seine Horas und trank abwechselnd dazwischen. Die Geruͤche suͤßer junger Herren witterte sie auf sechs Schritte. Vom Vater, wenn er des Abends 2 aus der Schenke kam, wuste sie genau wie viel Geld er noch in der Tasche habe; nemlich — nichts. Sie konnte auch unfehlbar angeben, was jetzt der Sultan zu Konstantinopel in sei- nem Harem anfange, besonders wenn es in der Zeit der Abenddaͤmmerung war. Jedes- mal prophezeite sie eine Stunde vorher, wenn ihr Schlaf eintreten und wenn er aufhoͤren wuͤrde. Abwechselnd sagte sie auch wohl in ihrem festen Schlafe, wenn sie nemlich des Dinges muͤde war, daß man sie wecken sollte. Ein Glas Wasser welches durch Anhauchen oder gar nur durch Beruͤhren mit dem Finger magnetisirt war und ihr gereicht wurde, schmeck- te nach ihrer Versicherung salzig oder auch ei- senhaft. Im magnetischen Schlafe pflegte sie sich selbst Mixturen zu verordnen, welche fast immer aus Wein, Zucker und Gewuͤrzen be- standen und sie ruͤhmte dann: daß sie sich nach dieser Arznei sehr gestaͤrkt befaͤnde. Elsabe macht ihre Kuͤnste immer besser. K ranke nehmen oft Zuflucht zu ihr und fragen sie fuͤr sich und andere um Rath. Einem, welcher die Swindsucht hatte, rieth sie einmal zum Gebrauch die Wurzel Pramsi als ein un- fehlbares Heilmittel an; aber kein Apotheker kannte dieselbe und sie war auch im ganzen Re- gister der Materia medica nicht zu finden; der Patient blieb also ungeheilt und starb. In andern Kuren war sie gluͤcklicher. Einem der keine Eßlust hatte, ordinirte sie: sich fuͤr einen Batzen Magentropfen zu kaufen und solche mit Schnaps zu trinken. Einem andern, welcher sehr verstopft war, gab sie den vernuͤnftigen Rath eine Purganz einzunehmen. Als sie we- gen eines hartbaͤuchigen Kindes konsulirt wurde, sagte sie: es sey angewachsen und man muͤsse es mit dem Daumen tuͤchtig unter den kurzen Rippen streichen, bis es laut schrie. Einem Podagristen rieth sie sich fleißig zu bewegen und eine wilde Kastanie auf das Knie zu bin- den; einem Wassersuͤchtigen in einen heißen Backofen zu kriechen damit das Wasser aus- trockne, und einem der das kalte Fieber hatte, dreimal um den Kirchhof zu laufen. Einer jungen Frau welche gern Kinder gehabt haͤtte versicherte sie, daß unfehlbar ihr Wunsch wuͤr- de befriedigt werden, wenn sie sich magnetisi- ten ließe. Diese und aͤhnliche treffliche Rathschlaͤ- 2 * ge zur Heilung der Krankheiten, machten sie in kurzer Zeit so beruͤhmt, daß kein ordentli- cher Arzt gegen sie schier mehr aufkommen konn- te, und diese genoͤthigt wurden eine Klage wi- der sie beim Kollegio Sanitatis einzugeben, worauf jedoch bisher nicht reflektirt worden ist. Zuweilen war sie eigensinnig und wollte in ihrem Schlafe nicht antworten, besonders wenn sie merkte, daß man gegen sie mißtrauisch war, oder ihr die Beantwortung zu schwer fiel. Die- sem Eigensinne bleibt sie auch noch bis auf den heutigen Tag getreu; deswegen kann sie auch gewisse Personen nicht leiden und versagt ihnen die Audienz. Wird sie des Fragens und Vexi- rens muͤde und ist niemand da, der sie auf ihr ausdruͤckliches Verlangen aus dem Schlafpa- roxismus weckt, so erwacht sie von selbst mit einem tiefen Seufzer. Seit etwa dreiviertel Jahr hat sie sich auf ihre eigene Hand einen Magnetiseur angeschafft, nemlich einen jungen Friseurgesellen mit welchem sie im engsten Rapport steht, und von dem sie zuweilen sagt, daß sie ihn mit einem Lichtglanze umgeben oder gar im weißen, blauen, gruͤnen und rothen Feuer stehen saͤhe; sie ist jedoch gerne allein mit ihm. Meistens fuͤhlt sie sich in ihrem magnetischen Schlaf sehr behaglich, zuweilen wuͤnscht sie aber zu sterben und stellt sich so klaͤglich, daß es einem Stein in der Erde erbarmen moͤchte. Dann ist jedoch gleich ihr Helfer bei der Hand, der sie mit ein Paar Manipulationen so fort be- ruhigt. Dieser haͤlt ein genaues Tagebuch von ihren Thaten und Symptomen und wird, wie mir versichert ist, es einst in Druck geben, wenn er dafuͤr einen Verleger findet. Hoͤchster Grad von Elsabens Exaltation. A lles bisher Gesagte ist nur Kinderspiel gegen dasjenige was ich jetzt noch erzaͤhlen will. Seit sechs Wochen ist ihr Somnambulis- mus aufs hoͤchste gestiegen und der Zulauf zu ihr uͤbertrifft alle Beschreibung. Das Hellse- hen ist nun bei ihr so habituell, daß sie es einem schon im Schlafe und mit den am festesten und sorgfaͤltigsten verbundenen Augen anse- hen kann, was man ihr fragen will . Sie antwortet dann schnell und so bestimmt, wie nie das Orakel zu Delphis, oder eine der zwoͤlf beruͤhmten Sybillen jemals gethan ha- ben. Zweideutige Antworten womit sich allen- falls gemeine Somnambuͤlen zu behelfen wis- sen, finden hier gar keine Statt mehr. Legt man unter einem zwei Fuß dicken Klotze, ein beschriebenes Papier, so kann sie im Augenblick ohne stammeln lesen was darauf steht, und zwar nicht allein Deutsch von der groͤßten Fraktur an bis zur Nonpareilfraktur, sondern auch latein, franzoͤsisch, englisch, spa- nisch, portugiesisch, griechisch, hebraͤisch, chal- daͤisch, samaritanisch, koptisch, arabisch, syrisch, armenisch, persisch, aͤthiopisch, illirisch, russisch, sinesisch, malabarisch, tamulisch, kurzum alle moͤgliche Sprachen und Schriften. Das Geld was in einer verschlossenen Kiste sich befindet, weiß sie bis zum letzten Heller anzugeben, so wie auch die Muͤnzsorten selbst; imgleichen wie viele beschnittene Dukaten, leich- te Louisd’ors und falsche Kronenthaler und Groschen darunter sind. In der letzten Ziehung des Lotto gewann sie 2000 Reichsthaler, weil sie es vermittelst ihrer Divinationsgabe wußte, welche Nummern herauskommen wuͤrden. Sie sieht nicht allein mit dem Bauche, sondern spricht auch mit demselben in aller- lei unbekannten und bekannten Sprachen, wie der beste Bauchredner. Sie unterhaͤlt sich mit Verstorbenen sehr vertraulich trotz weiland Schwedenborg und hat noch vor 14 Tagen ein Gespraͤch mit der Hexe von Endor, welche bekanntlich ebenfalls eine Somnambuͤle war, gehalten, das sehr in- ressant war, aber wollte solches aus besondern Ursachen nicht mittheilen. Das Ende der Welt bestimmt sie aus pro- phetischem Geiste auf das Jahr 1920 den 1. April , grade um Mittag, es muͤßten aber noch mancherlei unangenehme Dinge: Krieg, Theurung, Seuchen, vermehrte Abgaben, Blitz, Donner und Hagel, Kometen u. d. g. vorher gehen. Jeder ist neugierig ob diese Weissa- gung eintreffen werde. Ihr Magnetiseur hat sie ganz in seiner Gewalt und kann mit ihr machen was er will. Er braucht nur ein Schnipfchen zu schlagen, so macht sie die possirlichsten Spruͤnge daß man sich halb krank lachen sollte, wenn man nicht billiges Mitleiden mit der armen Patientin haͤtte. Er kann, wenn er mit seiner Opera- tion bei ihr an den Fuͤßen anfaͤngt, sie bis an die Stubendecke, mit seinem kleinsten Finger, in einer Entfernung von zehn Schritten, in die Hoͤhe heben und sie stundenlang daselbst schwe- bend erhalten; mit einem Augenwinke sie uͤber einem Tisch der acht Fuß breit ist springen, auch sie auf seinen Fingerspitzen wie ein Eichhoͤrnchen herumtanzen lassen. Mehrmahls hat er sie durch eine geringe Manipulation auf den Kopf gestellt so lange es ihm und ihr gefiel, und bloß mit einem Anhauchen aus der Ferne stell- te er sie wieder auf die Fuͤße. Er darf sie nur anblasen, so laͤuft sie im Kreise herum wie eine Windmuͤhle, daß sie schwitzen muß wie ein Baͤr. Die anziehende Kraft ist so groß, daß wenn der Operateur in der Entfernung von zwanzig Schritten, ihr seine beiden Daumen entgegen streckt, sie mit ihren Daumen sofort fest gegen dieselben hinfliegt, wie Feilstaub gegen den Mag- neten, und nur mit aͤusserster Gewalt wieder los gemacht werden kann, Einmal hob er sie mit einem einzigen Dau- menstrich bis an den Mond herauf, so geschwind als ob sie auf Mahomets Borak geritten haͤt- te, und mit einem Kontrastrich brachte er sie auch wieder auf die Erde. Dieses alles ist Thatsache und ich verbuͤrge als Anonymus mich dafuͤr. Sie hat eigenes Gesichtsorgan unter dem Nabel inwendig im Bauche. Ein Anatomi- ker welcher daran schlechterdings nicht glauben wollte, ließ ihr solches von einem geschickten Wundarzte, kuriositatis gratia, ausschneiden. Nota bene! der Magnetiseur hatte sie vorher durch seine gewoͤhnliche Manipulation in tiefen Schlaf versetzt. Der Zweifler, von der Wahr- heit nunmehr uͤberzeugt, schaͤmte sich; denn das Organ fand sich wuͤrklich am benannten Orte. Es glich vollkommen einem Auge, war aber wenigstens viermal so groß wie ein gebraͤuchli- ches Menschenauge. Es wurde wieder an seine vorige Stelle mit allen noͤthigen Kautelen ein- gesetzt und durch ein Paar magnetische Striche und einem, eine halbe Minute lang fortgesetz- ten Anblasen des Magnetiseurs, war die Wun- de augenblicklich wieder heil ohne die geringste Narbe nachzulassen. Diese merkwuͤrdige Versuchsoperation wo- durch nunmehr das Sehen mit dem Bauche als allerdings moͤglich, einmal fuͤr allemal ent- schieden ist, geschah am 24. September dieses Jahrs (1818). Wegen der Wichtigkeit und Seltenheit derselben, waren ausser ein Paar Aerzten auch der ganze wohlloͤbliche Magistra- tus Loci gegenwaͤrtig; so wie auch einige durch- reisende Herren welche nach Aachen hin wollten, um die Zusammenkunft der hohen Monarchen zu sehen, wegen Mangel an Postpferden sich aber beinahe einen ganzen Tag in Schildburg auf- halten mußten und mittlerweile von jener vor- zunehmenden Operation gehoͤret hatten. Diese Herren waren: der polnische Major Crabuzki ausser Diensten; der Lord Heri- wort und Baronet Tymphan aus London; der Marquis Senange und Vicomte Lery aus Paris; Don Stefano de Gordez , Ritter vom Calatravaorden , aus Madrid; Mijn Heer Buribort, Theeverkooper uijt Amsterdam; Monsignor Pontichini , Rathsherr von Urbino; Mulei Cuprulei Effendi aus Adrianopel; Kuli Thamasp ein Verschnittener aus dem Serail des Koͤnigs von Persien; der Sinesische Mandarin Han- tieng-hi nebst seinem Dollmetscher Kin- song-tu ; der gelehrte und weltberuͤhmte Rabbi Schemuel Ben Isaac , aus Smir- na; imgleichen noch ein Bischof in partibus infidelium dessen Namen ich vergessen habe. Sie theilten alle reichlich Geschenke aus. Der Major gab 6 Gulden; jeder Englaͤnder zwei Guineen; jeder Franzose ein 5 Frankenstuͤck; der Hollaͤnder ein halbes Pfund Thee fuͤr Frau Schlunz und ein Pfund Knaster fuͤr Meister Schlunz ; der Spanier zwei Pistoletten; der Italiaͤner 50 Scudi, zur Verpflegung der ar- men Patientin; der Tuͤrk 18 Zechinen nebst einem Flaͤschgen mit aͤchten Balsam von Mekka, welcher wunderbare Heilkraͤfte hat; der Persia- ner verehrte 80 Loͤwenthaler nebst einem schoͤ- nen Tabackspfeiffenrohr vom Bambus, welches wohl 50 Thaler berl. Cour. fuͤr einen Liebha- ber, unter Schwestern und Bruͤdern werth ist; der Sinese uͤberreichte durch seinen Dollmetscher eine Goldstange 16 Loth schwer; der Rabbi aus Smirna gab einen Wechsel von 200 Dukaten und der hochwuͤrdige Bischof seinen geistlichen Segen. Der Magistratus Schildburgensis gab gar nichts; denn seine Gegenwart war ex officio. Alle diese von mir benannte Herren koͤnnen noͤthigenfalls, meinenthalben gerichtlich, uͤber diese Sache als Zeugen vernommen werden; wenn man mir selbst auf mein Wort nicht glau- ben will, da ich doch uͤbrigens nicht das minde- ste Interesse dabei habe. Elsabens und ihrer Familie jetzige Verhaͤltnisse. E lsabe, die Heldin dieser Geschichte, faͤhrt noch immer in der Kunst des Hellsehens fort und ihr Magnetiseur setzt ebenfalls, so oft es die Gelegen- heit erfordert seine Kuren fort. Der genaue Rapport worin derselbe seit beinahe dreivier- tel Jahr mit seiner Klientin gestanden hat ist schuld, daß sich diese nunmehr gesegneten Leibes befindet. Sie hat das Ziel ihrer Schwan- gerschaft um das Ende Oktobers prophezeiet, mit dem Zusatze: das Kind werde mit dem Helme gebohren werden und zu hohen Dingen bestimmt seyn. Sie ist uͤbrigens nicht abgemagert, sondern so fett wie ein Dachs im Herbste; bricht aber, um das Pudlikum bei guter Laune zu erhalten und bei ihm im Andenken zu bleiben, dann und wann, mirakuloͤser Weise, Nadeln. Naͤgel und dergleichen Dinge zur Nachtzeit aus. Vor 8 Tagen gab sie ein neues Hufeisen von sich, mußte sich aber dabei entsetzlich wuͤrgen; eben so auch einen Gewichtstein welcher 3¼ Pfund wog und gegenwaͤrtig von einem Spezereiehaͤndler als vollwichtig vierpfuͤndig benutzt wird; imgleichen einen Haarzopf 2 Ellen lang, und eine Alon- geperuͤcke mit zwei Knoten, welche ihr Magne- tiseur nach gehoͤriger Reinigung wieder aufge- kaͤmmt und an einen Prokurator verkauft hat. Ein Paar Naͤchte nachher folgten per inferiora ein Puderquast und die Haͤlfte einer alten Baͤ- renmuffe, imgleichen ein großer Haarbeutel aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die uͤbrigen Ausleerungen sind durchaus natuͤrlich, nur daß mit dem Urin zuweilen allerlei hete- rogene Sachen abgehen, z. B. Pfeiffenkoͤpfe, Tabacksbeutel, Baßgeigen, Radspeichen, Ofen- gabeln, Besemen, Dreschflegel et cetera , je- doch ohne Schmerzen. Ihre Vermoͤgensumstaͤnde sind jetzt ziemlich erwuͤnscht. Sie laͤßt ihre Kuͤnste nicht mehr jedem sehen und hoͤren, sondern nur Vorneh- men und Standespersonen; welche des Vor- mittags um 10 und Nachmittags um 4 Uhr zu ihr kommen muͤssen, als welche Zeit sie zu ihrem somnambulistischen Paroxismus bestimmt hat. Zum Entree muß ein Gulden bezahlt werden, den ihre an der Kammerthuͤr aufpas- sende Mutter in Empfang nimmt, die auch ih- re zweite Tochter schon in der Kunst des Hell- sehens unterrichtet, obgleich solche nicht so pfif- fig ist wie die Aelteste. Wenn die Hellseherkunst ferner ihren guten Fortgang behaͤlt und wie zu hoffen steht, sich weiter ausbreiten sollte, so wird Frau Schlunz ein besonderes Institut zur Bildung junger Somnambuͤlen anlegen. Der Vater Schlunz trinkt nunmehr taͤg- lich ein Noͤssel mehr und statt des gemeinen Fu- sels jetzt Kuͤmmel und Anis, haͤlt sich auch fuͤr sein Handwerk einen Gesellen, und steigt nicht mehr selbst in die Schorsteine. Was endlich von Elsabe und ihrem kuͤnf- tigen Treiben und Wesen noch zu sagen seyn moͤchte, wird und soll, wenn es der Muͤhe werth ist, in der Folge aufrichtig mitgetheilt werden.