LEHRBUCH DER PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN VON C. LUDWIG, PROFESSOR AN DER JOSEPHSAKADEMIE. ZWEITER BAND. AUFBAU UND VERFALL DER SÄFTE UND GEWEBE. THIERISCHE WÄRME. LEIPZIG und HEIDELBERG . C. F. WINTER'SCHE VERLAGSHANDLUNG. 1856. Vorrede . In dem Ziele des Arztes, den Gang des leiblichen Lebens nach dem Belieben der menschlichen Vernunft zu lenken, geht auch das Streben des vorliegenden Lehrbuches auf. Diesem praktischen Zwecke gemäss würde es seinen Antheil an jener Aufgabe für gelöst an- sehen, wenn es Regeln aufzustellen vermöchte, wie man eine jede Lebensäusserung ableiten könnte aus einer gegebenen Zahl mecha- nischer und chemischer Massenelemente, aus ihren Spannkräften, der Geschwindigkeit und Richtung ihrer Bewegung und dem Orte, welchen sie einnehmen. Da der thierische Körper ein Gemenge endlich aus- gedehnter Massen ist, die unter sich an Atomgewicht, an Verwandt- schaft, an Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung verschieden sind, so muss eine Theorie von dem eben mitgetheilten Inhalte allen Anforderungen Genüge leisten, welche der Arzt an die Physiologie zu stellen berechtigt ist. Um diese Behauptung anschaulich zu machen, genügt es, ein jedes beliebige Beispiel aus der ärztlichen Ausdrucksweise in die unserige zu übersetzen. So würde doch offen- bar Jedermann, der ein Geschwür erkennen und heilen will, befriedigt sein, wenn man ihm sagen könnte, welche Anziehungen die Atome der Zellen und Faserbündel in Bewegung gesetzt, so dass sie sich aus ihren alten Verbindungen lösen und in das Blut begeben muss- ten; und welche Anziehungen die Atome des Blutes, aus denen Vorrede. Zellen- und Faserbündel entstehen können, verhindern, sich in den Geschwürsboden zu legen, um sich dort zu normalen Geweben auf- zubauen. Von einer vollendeten Durchführung einer solchen Theorie ist nun allerdings die Wissenschaft und damit unsere Darstellung weit entfernt, aber trotzdem sind wir nicht minder gehalten, in der Rich- tung unseres Zieles fortzuschreiten. Denn grundsätzlich verschiedene Wege können in der Wissenschaft nicht gleichmässig zum Rechten führen. Der einzige Unterschied, der zwischen heute und einer besseren Zukunft besteht, kann nur darin gelegen sein, dass wir, statt mit den einfachsten, mit zusammengesetzten Begriffen zu Werke gehen, indem wir die Erscheinungen ableiten aus den Eigenschaften complexer Atome, Formen und Bewegungen, während dieses geschehen sollte mit Hilfe der elementaren. Wer nun unserem Ziele die Anerkennung nicht versagt, der wird auch zugeben müssen, dass im Vortrage, wie in der wissenschaftli- chen Verfolgung unseres Gegenstandes, keine Willkührlichkeit mehr herrschen kann. Die häufig umhergetragenen Worte, es sei eine morphologische im Gegensatze zur chemisch-physikalischen Phy- siologie, oder auch das Umgekehrte möglich, beruht entweder auf einem gänzlichen Missverständnisse, oder aber man begreift unter Physiologie etwas ganz anderes als wir, die wir im Dienste der Arznei- kunde stehen. Wenn unter den Bedingungen, aus denen die Lebens- prozesse abzuleiten sind, der Ort eingeht, welchen die Massenelemente einnehmen, so ist damit ausgesagt, dass der Physiologe ohne die Kenntniss der Anatomie nicht weiter schreiten könne. Zu gleicher Zeit weist dieser Ausdruck aber auch darauf hin, wie unvollkommen die Anatomie ist, welche sich einzig damit befasst, die Anordnung der Massenelemente an den Grenzen gewisser Atomcomplexe auszumit- teln, die dem Auge (bewaffnet oder unbewaffnet) zugänglich sind, dagegen gänzlich vernachlässigt die innere Anatomie jener Massen, die uns der polarisirte Lichtstrahl, die Leitung der Wärme und Elektri- zität, die chemische Analyse, die Elastizität, das spez. Gewicht u. s. w. aufschliesst. Denn wenn z. B. die Lehre von den sichtbaren Grenz- flächen bestimmter Atomcomplexe von wesentlicher Bedeutung ist für alle die Bewegungen, welche ebensowohl von jenen Oberflächen ab- Vorrede. gewiesen oder auch in sie aufgenommen werden, so ist begreiflich die Lagerung der Atome innerhalb jener Grenzen von bestimmendem Ein- fluss für die durchgehenden Bewegungen des Lichtes, des Schalles, der diffundirenden Flüssigkeiten u. s. w. — Bedenkt man dazu, dass die Anatomie im weiteren (physikalische Eigenschaften) und im en- geren Sinne (Morphologie) gar keine Aussage macht über die che- mische Natur der Atome und über die Kräfte, welche zwischen den letzteren wirksam sind, so ist gleich einleuchtend, dass der Morpho- loge die anderen Erklärungsarten der Lebensprozesse gar nicht ver- nachlässigen könnte, wenn er auch wollte. Die ärztliche Physiologie kann sich nun wohl unter gar keinen Umständen der Anatomie entrathen, aber noch weniger ist es ihr mög- lich oder erlaubt, von einer jeden anatomischen Beschreibung, selbst wenn sie noch so gewissenhaft wäre, Gebrauch zu machen. Ein Lehrbuch wenigstens kann nur die anatomische Beschreibung herbei- ziehen, welche mit Rücksicht auf das physiologische Bedürfniss ent- worfen ist, die das Merkmal trägt, dass man unmittelbar aus den ge- schilderten Formen die Eigenschaften ableiten kann, welche eine be- kannte Bewegung oder Spannung annimmt, die in oder auf die Gren- zen jener Formen wirkte. Solche Beschreibungen können nun aber aus naheliegenden Gründen erst dann entworfen werden, wenn die Wissenschaft eine Anschauung der physiologischen Funktionen jener Formen besitzt. An der Richtigkeit dieser Behauptung wird der nicht zweifeln, welcher die Geschichte der bis zum physiologischen Standpunkte gediehenen Beschreibungen, z. B. der Syndesmographie und Osteographie kennt, die, obwohl sie seit Jahrhunderten kultivirt, doch erst seit den Arbeiten der beiden Weber eine dem physiologischen Lehrbuch brauchbare Gestalt gewonnen haben, und wenn man im Gegen- satze hierzu sich klar macht, dass die Beschreibung der Muskeln und Gefässe, wie sie jetzt noch in den meisten Lehrbüchern der Anatomie gefunden wird, dem vollendetsten Mechaniker und Hydrauliker zu nichts dienlich ist. Denn der erstere wird ebensowenig angeben können, wie ein bekanntes Maass von Kraft, welches sich in den beschriebenen Muskeln entwickelte, zur Bewegung und Pressung der Knochen ver- wendet würde, als der Hydrauliker aus den bekannten Beschreibun- gen der Gefässe ableiten könnte, wie sich ein Strom, dessen Eigen- Vorrede. schaften an der Aortenmündung vollkommen bekannt wären, bei dem Durchgang durch das Gefässsystem verhalten würde. Bei einer genaueren Vergleichung dessen, was die anatomische Beschreibung bisher geleistet, mit dem, was die Physiologie von ihr zu verlangen hat, wird man bald gewahren, dass nur der geringste Theil des Inhaltes aller anatomischen Werke dem Physiologen wirk- lich nützlich ist. Dieses gilt insbesondere auch von dem anatomi- schen Material, welches mit dem Namen der Entwickelungsgeschichte bezeichnet wird. Das physiologische Lehrbuch wird es, abgesehen von allem übrigen, so lange der reinen Anatomie überlassen müssen, bis mehr oder weniger klare Andeutungen darüber vorliegen, wie die primitiven Formen des entstehenden Thieres oder Organes sich be- theiligen an dem Hervorgehen der sekundären Gebilde. Die Behauptung, dass ein grosser Theil der Resultate anatomi- csher Forschung noch nicht zu einem Platze in einem physiologischen Lehrbuche geeignet sei, kann begreiflich ihrem Urheber nicht den Vorwurf zuziehen, dass er diese anatomische Thatsache überhaupt, wie z. B. für die Operationslehre, gering anschlage, und noch weni- ger, dass er das Talent oder gar den Charakter eines Anatomen nicht zu würdigen wisse, der mit eingeborenem Blicke das Ungleichartige im Aehnlichen und das Gleichartige im Verschiedenen wiederfindet, dessen Ausdauer in einer ebenso schwierigen als monotonen Technik nicht ermüdet. Diesen Anatomen muss die physiologische Wissenschaft ehren als den ersten Vorboten der hereinbrechenden physiologischen Cultur. Es bedarf keiner Ausführung, dass das, was für den Anatomen gilt, mit demselben Rechte angewendet werden kann auf die che- mische und physikalische Untersuchung des Organischen, und dass darum auch nach jener Seite hin die Grenze gezogen ist für das, was sich für ein physiologisches Lehrbuch eignet. Bei den reichlichen Klagen, welche die Pathologen über die un- praktische Richtung der sog. physikalischen Physiologie äussern und noch mehr bei dem gänzlichen Mangel des vorliegenden Buches an pathologischen Ausführungen, wird es vermuthlich vielen auffällig sein, dass der hier innegehaltene Gang der Forschung und des Unter- richtes durch das ärztliche Bedürfniss geboten sei; diesen Zweiflern Vorrede. geben wir zu bedenken, dass die Physiologie der Pathologie doch nur dann nützlich werden kann, wenn sie die primitiven Bedingun- gen, aus denen das gesunde Leben fliesst, mit möglichster Schärfe feststellt. Wenn dieses geschehen, so wird der Arzt die Grenze des Kranken und Gesunden finden, er wird, wenn er einen kranken Prozess ebenso zergliedert hat, wie der Physiologe den gesunden , erkennen, welche Bedingungen zu ändern sind, damit die normalen Resultirenden wieder zum Vorscheine kommen u. s. w. u. s. w. Da Alles dieses so vollkommen klar und unwidersprechlich wahr ist, so kann offenbar die genannte Klage der Pathologen nur in einem Missverständnisse ruhen, ähnlich dem, das früher die prak- tischen Bergleute, Hydrauliker, Chemiker u. s. w. veranlasste, die Bemühungen der theoretischen Mechanik und Chemie für unprak- tische Spielerei zu erklären. Wenn es erst den unablässigen Bemü- hungen der Physiologen gelungen sein wird, die Theorie der Lebens- erscheinungen im physikalischen Sinne weiter, als es heute gesche- hen, zu fördern, und wenn erst die Pathologen ihre Methoden schär- fen, wenn die Bemühungen von Traube, Frerichs, Virchow, Oppolzer, J. Vogel, Skoda, Buhl u. a. Wenigen nicht mehr vereinzelt stehen, so wird sich dieser Zwiespalt auf demselben Wege wie in der Technik lösen. Soviel möge aber der ärztliche Prak- tiker uns einstweilen auf das Wort hin glauben, die physikalische Schule wird niemals die guten pathologischen und therapeutischen Erfahrungen verdächtigen, wenn ihre Aussagen sich auch im schnei- dendsten Gegensatze zu unserer Theorie finden sollten. Denn wir sind selbst Männer der Erfahrung, und wissen darum, dass der That- sache immer das letzte Wort gebührt. Zum Schlusse noch einen Zuspruch an die Anfänger, welche die physikalische Physiologie schwerer als die gemüthlichen Erörte- rungen einiger Morphologen finden. Unläugbar ist diese Klage be- gründet; aber sie enthält keinen Vorwurf für die Darstellung; denn die Schwierigkeit ist darum vorhanden, weil die physikalische Phy- siologie in der That in alle Verwickelungen des Lebens einzudringen sucht. Wir erwiedern Euch darum: die geringe Anstrengung, die Ihr dort gemacht habt, ist verloren, weil das Resultat nicht zur ge- wünschten Einsicht führt, während die grössere, die Ihr hier leistet, Vorrede. auch ganz gewonnen ist. Wer darum sich kräftig und für seinen hohen Beruf begeistert fühlt, wird die Schwierigkeiten überwinden, und je öfter dieser Prozess in verschiedenen Individuen vor sich geht, um so rascher wird es sich ereignen, dass das vorliegende Buch für man- gelhaft in den Thatsachen und unbeholfen in der Darstellung gilt und durch ein besseres ersetzt wird. Wien , im September 1855. C. Ludwig . Inhalt des zweiten Bandes . Sechster Abschnitt . Seite Physiologie der Ernährung 1 I. Blut. Blutzusammensetzung 1 Blutbewegung 28 II. Absonderungen 141 Epithelien 165 Nägel 170 Haare 173 Elastisches Gewebe 177 Bindegewebe 178 Seröse Häute 182 Hornhaut 185 Augenwasser 186 Glaskörper 187 Linse 187 Knorpel 189 Knochen 192 Zähne 199 Fettzellen 202 Nervenröhren 205 Hirn und Rückenmark 207 Muskeln 209 Blutgefässwandungen 211 Milz 212 Leber 217 Speicheldrüsen 234 Schleimdrüsen 240 Thränendrüsen 240 Bauchspeicheldrüsen 241 Magendrüsen 245 Inhalt. Seite Fettdrüsen 251 Schweissdrüsen 253 Nieren 254 Männliche Geschlechtswerkzeuge 278 Weibliche Geschlechtswerkzeuge 284 Milchdrüsen 289 Athmungsflächen 297 Lungenathmung 306 Hautathmung 352 Umsetzung des Blutes in den Gefässen 361 III. Blutbildung 362 Aufsaugung aus den Geweben 363 Aufsaugung von den Blutgefässen 364 Aufsaugung durch die Lymphgefässe 367 Zufuhr durch die Speisen (Verdauung) 374 IV Vergleichung des Verlustes und Gewinnes an wägbaren Stoffen 430 Siebenter Abschnitt . Thierische Wärme 459 Sechster Abschnitt. Physiologie der Ernährung . I. Blut. Zusammensetzung des Blutes. Die Gefässröhren, die vom Herzen aus und zu ihm zurückgehen, sind im Leben mit einem verwickelten Gemenge fester und flüssiger Stoffe, dem Blute, gefüllt, das nach Zusammensetzung und Eigenschaf- ten, mit der Zeit und dem Orte seines Aufenthalts wechselt; um eine Uebersicht zu gewinnen, werden wir zuerst die am besten gekannte Blut- art möglichst genau beschreiben und dann die Abweichungen der übrigen angeben. Hautaderblut der Erwachsenen . Die anatomische Zergliederung zerlegt das Blut des Lebenden in Flüssigkeit, das Plasma, und in Festes, Aufgeschwemmtes, welches, je nach seiner Gestalt, Blut- und Lymphkörperchen, Elementarkörnchen, Faserstoffscholle u. s. w. genannt wird. A. Blutflüssigkeit, Plasma . Die bekannten Bestandtheile desselben sind: Faserstoff, Eiweiss, Caseïn, Oxyproteïn, Lecithin, Cerebrin, Oleïn, Margarin, Cholestearin, Zucker, Margarin-, Oel-, Butter-, Milch-, Hippur- und Harn-Säure, Kreatin, Harnstoff, braune Farbstoffe, Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd, Wasser, Salz-, Schwefel-, Phosphor-, Kiesel- und Kohlensäure, Sauer- stoff- und Stickgas. — 1. Faserstoff . Aus 100 Theilen Blut gewinnt man ungefähr 0,19 bis 0,3 Theile desselben. — Der Faserstoff fällt ohne weiteres Zu- thun aus dem Plasma des Blutes, welches die Adern verlassen hat, her- aus, wobei er meist die Form zusammenhängender Häute oder Faser- netze annimmt. — Obwohl wir seit den Versuchen von J. Müller Handbuch der Physiologie. 4. Auflage. I. Bd. p. 117. darüber nicht mehr im Zweifel sind, dass sich der Faserstoff aus der Blutflüssigkeit und nicht aus den Körperchen abscheidet, so sind wir doch im Unklaren, ob er schon vor der Gerinnung in aufgelöstem Zu- stande anwesend war, oder ob er sich aus irgend welchem andern Blut bestandtheil bei der Gerinnung erst bildete. Ludwig, Physiolog. II. 1 Faserstoff. Zur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Ent- weder man lässt das aus der Ader getretene Blut ungestört gerinnen; da in diesem Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutflüssigkeit und Blutkörperchen in sich schliesst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss man dasselbe nachträglich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zer- schneidet man den Blutkuchen in kleine Stücke, füllt diese in ein leinenes oder sei- denes Tuch und spült sie so lange mit Wasser aus, als dieses noch eine Spur rother Farbe zeigt; durch Aufhängen des Beutels in destillirtes Wasser sucht man endlich auch die letzten Spuren löslicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch oft wegen der eintretenden Fäulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele geführt werden kann. — Oder man schlägt auch mit einem Glasstab das aus der Ader gelassene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene Blut filtrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zurückbleibenden Faser- stoff von den anhängenden übrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von beiden Arten gewonnenen Faserstoff spült man vorsichtig von der Leinwand ab, trock- net ihn bei 120° C. mit aller für hygroskopische Stofle nöthigen Vorsicht. Darauf pulvert man denselben, zieht eine gewogene Menge mit Aether aus und trocknet von Neuem; der Gewichtsunterschied vor und nach dem Aetherauszug gibt den Fettge- halt des Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen Aschengehalt festzustellen. Diese Methode, selbst mit aller Sorgsamkeit ausgeführt, gibt nur ungenaue Ergebnisse, weil durch das Leinwandfilter feine Flocken dringen, und weil der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und Lymphkörperchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden können. Dieser Einschluss bedingt es, dass man aus demselben Blute verschiedene Werthe des Faserstoffgehaltes erhält, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem Blutkuchen gewonnen (v. Gorup, Hinterbeger, Moleschott ) v. Gorup , Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850 p. 8. — Moleschott , Physio- logie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 232 u. 236. — Lehmann , physiolog. Chemie I. 366. . Die Versuche von J. Müller , auf die oben hingewiesen wurde, bestehen darin, dass man zu dem Blute einen die Faserstoffgerinnung verlangsamenden chemischen Körper fügt und dann durch Absetzen oder Filtriren die Körperchen von der Flüssig- keit des Blutes scheidet. Man sieht dann die Gerinnung in der körperfreien Flüs- sigkeit. Die Behauptung, dass der Faserstoff als solcher im Blut aufgelöst sei, und bei der Gerinnung einfach abgeschieden werde, macht für sich geltend den Umstand, dass unter den verschiedensten Bedingungen aus demselben Blut auch dieselbe Faser- stoffmenge abgeschieden werde; einmal bestreitet man dieses, indem u. A. Mole- schott angibt, dass aus einem bei 55 bis 60° C. geronnenen Blute mehr Faserstoff ausgeschieden werde, als in niederer Temperatur. Aber gesetzt, es würde auch, wie Lehmann Physiolog. Chemie II. 213. angibt, immer gleich viel Faserstoff gewonnen, so könnte dieses im günstigsten Falle beweisen, dass die im Blut vorhandenen, sich in Fibrin umwan- delnden Stoffe ebenfalls in bestimmter Menge vorhanden seien. Ein zweiter Beweis für die obige Behauptung sollte darin liegen, dass die Gerinnung in einer so sehr beschränkten Zeit vor sich gehe; dieses ist aber bekanntlich nicht einmal der Fall, indem die Gerinnungszeit mit sehr mannigfachen Umständen wechselt; wir zählen das in dieser Richtung Beobachtete hier auf, obwohl wir nicht einsehen, inwiefern der Gegenstand besonderes Interesse gewährt. Die Beobachtungsmethoden, welche die Gerinnungszeiten feststellen, lassen zudem manches zu wünschen übrig. α. Sauerstoffreiches Blut gerinnt schneller als sauerstoffarmes, wie man daraus schliesst, dass das Blut der Thiere die in einer Atmosphäre von reinem Sauerstoffgas Albumin. athmeten, früher gerinnt ( Beddocs, Schröder v. d. K.). — β. Ausgehreitete Berührung des gelassenen Blutes mit Sauerstoffgas beschleunigt die Gerinnung; auch innerhalb der Adern tritt leicht Gerinnung ein, wenn man Blasen atmosphärischer Luft in dieselben bringt. Sie verzögert sich dagegen beim Abschluss des Sauerstoff- gases; so namentlich wenn man das aus der Ader gelassene Blut unter Oel oder in dem luftleeren Raum auffangt. Andern Gasen als Sauerstoff scheint keine die Gerin- nung beschleunigende Wirkung zuzukommen. — γ. Kali- und Natronsalze, insbeson- dere kohlensaure, Zucker, Gummi, grosse Quantitäten von Wasser, verzögern die Gerinnung. — δ. Die Gegenwart von unebenen Flächen, insbesondere auch die des geronnenen Faserstoffs beschleunigt innerhalb und ausserhalb der Ader die Gerinnung. — ε. Hemmung der Bewegung des Blutes innerhalb der Adern führt zur Gerin- nung. — η. In niederen Temperaturen geht die Gerinnung langsamer vor sich, als in höhern; namentlich kann man Blut, ohne dass es gerinnt, gefrieren lassen; der Faser- stoff fällt dann erst nach dem Aufthauen aus. H. Nasse H. Nasse , Artikel Blut in Wagners Handwörterbuch d. Physiologie I. p. 158. . — Demgemäss lässt sich kein feststehender Zeitpunkt angeben, in welchem die Gerinnung im Blut ein- tritt. Die allgemeine Bemerkung kann aber als giltig angesehen werden, dass das aus der Ader gelassene Blut unter den die Gerinnung begünstigenden Bedingungen seinen Faserstoff viel rascher ausfallen lässt, als das in der Ader befindliche. Diese Behauptung gilt auch noch für die Leiche, indem in ihren Gefässen das Blut nur sehr allmählig zur Gerinnung kommt. Unter diesen Verhältnissen ist jedenfalls jede besondere Annahme über die Na- tur der Verbindung, aus der der Faserstoff sich hervorbilde, voreilig. Solche An- nahmen sind aufgestellt von Denis und C. Schmidt Schmidt , Charakteristik d. epid. Cholera 1850. 150. ; sie setzen voraus, dass der Faserstoff mit Eiweiss identisch sei, eine Behauptung, welche bekanntlich selbst noch der Controverse unterliegt. 2. Albumin . Das Eiweiss soll auf zweierlei Art in der Blutflüs- sigkeit vorkommen, als freies und als neutrales Natroneiweiss. — Als freies Eiweiss bezeichnet man dasjenige, welches durch Erhitzung der Blutflüssigkeit ohne vorgängigen Säurezusatz zum Gerinnen gebracht wer- den kann. Dieses Eiweiss enthält, nach den übereinstimmenden Angaben von Rüling und Mulder , 1,3 pCt. Schwefel und ist somit um 0,3 bis 0,4 pCt. schwefelarmer als das Hühnereiweiss. Durch Erwärmen mit Kali ist aus dem Bluteiweiss die Hälfte des Schwefels abscheidbar aus dem Hühnereiweisse dagegen kaum ein Viertel, so dass das letztere fast noch einmal so reich an festgebundenem Schwefel ist, als das erstere. — Als Natronalbuminat (eiweisssaures Natron) sieht man die Eiweiss- menge an, welche aus dem Blutserum erst durch Erhitzung abscheidbar ist, nachdem man die alkalisch reagirende Blutflüssigkeit genau neutra- lisirt hat. Die Behauptung von C. Schmidt l. c. p. 150. , dass das freie Eiweiss in der Blutflüssig- keit mit dem Chlornatrium in einer Verbindung ähnlich dem Kochsalz-Zucker vorhan- den sei, stützt er darauf, dass der geronnene Faserstoff in einer wässerigen Lösung von Kalisalpeter zu einer dem Bluteiweiss ähnlichen Substanz umgewandelt werde, und dass das Blut nach der beträchtlichen Entleerung seiner salzartigen Bestandtheile, welche es in der epidemischen Cholera erleidet, von seinem NaCl noch ungefähr so 1* Andere Eiweissstoffe der Blutflüssigkeit. viel zurückhält, als nach gewissen wenig begründeten Annahmen nöthig ist, um mit dem Eiweiss die bezeichnete hypothetische Verbindung zu bilden. Der Gehalt der Blutflüssigkeit an Eiweiss freiem und an Natron ge- bundenem schwankt zwischen 7,9 bis 9,8 pCt. Das Eiweiss wird aus der Blutflüssigkeit entweder durch Gerinnung in der Hitze oder mittelst des Polarisationsapparates quantitativ bestimmt. — Bedient man sich der ersteren Methode, so muss das Blut, bevor es erhitzt wird, durch Essigsäure genau neutralisirt werden ( Scherer ). Das Coagulum wird filtrirt, gewaschen und bei 120° C. getrocknet; darauf wird ein Antheil gepulvert mit Aether ausgezogen, um seinen Fettgehalt zu ermitteln, und endlich verbrannt, wodurch der Aschenrück- stand gegeben wird. Die Anwendung dieser Vorsichtsmassregeln schützt aber doch noch nicht vor Fehlern, weil das Eiweiss bei seiner Gerinnung, ausser Na Cl, 2 NaO PO 5 Roser , Liebig Annalen. Bd. 73 p. 334. und Fetten, auch noch andere, von dem Gerinnsel nicht mehr zu sondernde Stoffe einschliesst, wie z. B. die Hüllen der Lymphkörperchen, organische Salze, Farbstoffe u. s. w. Die Gerinnungsmethode würde aber als ganz unsicher zu ver- lassen sein, wenn sich die Angabe von Lieberkühn Poggendorf , Annalen. 86. Bd. p. 117 u. 298. bestätigte, wonach nicht allein Albumin, sondern auch Caseïn aus neutralen oder sauren Salzlösungen durch Kochen gefällt wird. — A. Becquerel bedient sich zur Analyse des Eiweisses in der Blutflüssigkeit des Biots chen Polarisationsapparates. Gegen diesen ausserordent- lich einfachen Weg hat Lehmann Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 215. den Einwand erhoben, dass er wegen des im Blute vorhandenen Zuckers unanwendbar sei; es wäre sehr zu wünschen, dass die- ser, in der That bestehende, aber technisch gewiss leicht zu hebende Uebelstand be- seitigt, und dann genauer geprüft würde, wie sich die verschiedenen in der Blut- flüssigkeit enthaltenen Eiweissstoffe gegen polarisirtes Licht verhalten, da diese Be- stimmung die höchste Genauigkeit verspricht. 3. Anderweite Eiweissstoffe der Blutflüssigkeit Mulder , Versuch einer allg. phys. Chemie. Braunschweig 1851 p. 1107. — Moleschott , Physiologie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 240. — Panum , Archiv für patholog. Anatom. v. Virchow . III. Bd. 251. . In der Flüssigkeit, aus der man noch so vorsichtig und vollkommen nach den angegebenen Verfahren Faserstoff und Eiweiss herausgeschlagen, blei- ben Stoffe zurück, die nach den Resultaten der Elementaranalyse und ihren Reactionen zu der Gruppe der eiweissartigen gehören. Ueber die besondere Natur derselben hat man sehr verschiedene Meinungen aufge- stellt, bald hält man sie für Natronalbuminat, bald für Käsestoff, bald für Proteïnbioxyd und endlich erklärt man sie auch für ein Gemenge der genannten und noch anderer eiweissartiger Stoffe. Bei dem sich stets klarer herausstellenden Mangel an unterscheidenden Kennzeichen zwischen den einzelnen Gliedern der Eiweissgruppe und den wenigen genauen Untersuchungen über die fraglichen Körper scheint eine Ent- scheidung zwischen den Tagesmeinungen sehr gewagt. — Nach eigenen Untersuchungen kann ich versichern, dass zu allen Zeiten ein Stoff in der Blutflüssigkeit vorkommt, von der prozentischen Zusammensetzung wie sie Bd. 1. p. 38. C. angegeben wurde. Der in diesem Stoffe enthal- Fette und Extracte. tene Schwefel ist gleich demjenigen des Proteïns durch Erwärmen in Kaliauflösung nicht abscheidbar. — 4. Fette Marcet in Liebig u. Kopp Jahresbericht für 1851. 587. , wahrscheinlich fette Säuren, werden nur in sehr ge- ringer Menge aus der Blutflüssigkeit gewonnen; sie sind, wie man ver- muthet, entweder an die Alkalien des Bluts, mit denen sie Seifen dar- stellen, gebunden gewesen, oder sie sind Zersetzungsprodukte der phos- phorhaltigen Fette ( Gobley ). Man erhält sie, wenn man die Flüssig- keit, welche nach Gerinnung des Eiweisses durch die Hitze zurückbleibt, filtrirt, eindampft und mit Aether auszieht. — Ausserdem enthalten, wie erwähnt, Faserstoff und Eiweiss, wenn sie niedergefallen sind, Fette, über deren Ursprung wir im Unklaren sind; vielleicht waren sie in den Blut- und Lymphkörperchen eingeschlossen, welche jene Stoffe beim Coaguliren mit sich rissen. — 5. Fettähnliche Stoffe Verdeil u. Marcet in Liebig und Kopp Jahresbericht für 1851. p. 588. — Gobley ibid. . Das Cholestearin, welches in der Blutflüssigkeit vorkommt ( Marcet ), soll in den Seifen derselben gelöst sein. — Das Gemenge fettartiger, für sich in Wasser unlöslicher Kör- per, welchem Boudet den Namen Serolin gab, ist später häufig wieder- gefunden; über seine Zusammensetzung und die Art, wie es im Blut- wasser gelöst ist, fehlt eine Angabe. Gobley zählt unter die Bestand- theile des Serolin: Lecethin, Cerebrin, Oleïn, Margarin, eine Angabe, die eine weitere Bestätigung erwartet. — 6—12. Kreatin, Kreatinin, Harnstoff, Zucker, Harn-, Hippur- und Milchsäure enthält das Blutwasser in sehr geringer Menge; nur der Zucker ist zuweilen reichlich vorhanden. Die hier auf- gezählten Stoffe machen wesentlich das aus, was man als spirituose Blutextracte bezeichnet, ein Namen, der darum aufzugeben ist; weil die einzelnen Glieder des Gemenges, weder quantitativ, noch qualitativ sich gleich bleiben. — 13. Die Mineralischen Bestandtheile der menschlichen Blut- flüssigkeit hat man bis dahin meist aus der Asche ihres eingetrockneten Rückstandes bestimmt, aus diesem Grunde müssen den Angaben Fehler anhaften über den Gehalt an Chlor, Schwefel- und Phosphorsäure; und da man bei der Aschendarstellung die Vorsichtsmassregeln nicht in Anwen- dung brachte, welche nach den Versuchen von Erdmann, Strecker Liebigs Annalen. 73. Bd. , H. Rose , Poggend . Annalen. 79. Bd. Mitscherlich und Heintz Zoochemie, Berlin 1853. p. 868. nothwendig sind, so ist auch der Gehalt an Kalium und Natrium fehlerhaft bekannt geworden. Die Veränderungen, welche mit den Blutmineralen bei der Aschenbereitung vor sich gehen, bestehen darin, dass die Menge der SO 3 und unter Umständen die der Ph 2 O 5 vermehrt wird, in Folge einer Oxydation des Schwefels der eiweisshaltigen Minerale. und des Phosphors der fettartigen Körper. Die überschüssige Schwefelsäure wird aber Cl austreiben, was auch schon durch die überschüssige Kohlen- und die bei der Verbrennung sich bildende Cyansäure geschehen kann. In höheren Temperaturen ver- flüchtigen sich die Chloralkalien. Die vorhandenen phosphorsauren Salze, mit zwei Atom fixer Basis, werden durch die neugebildete Schwefelsäure zum Theil in saure verwandelt, aus denen die Phosphorsäure durch die Kohle zu Phosphor reduzirt und dann verflüchtigt wird; oder es kann auch in höheren Temperaturen das er- wähnte phosphorsaure Salz sich in ein solches mit 3 Atom fixer Basis umwandeln, wenn nämlich gleichzeitig ein kohlensaures vorhanden ist. Verfahrungsarten, die Salze ganz oder theilweise ohne Einäscherung zu bestim- men, geben Millon Annales de chimie et de physique 3iême ser. XIX. (de la présence normale etc.) und Heintz l. c. 858. an. Aus der grossen Anzahl bekannt gewordener Aschenanalysen von Denis, Lecanu, Marcet, Marchand, Nasse, Weber, Verdeil und Schmidt l. c. p. 19. p. 31. wählen wir die des letztern Beobachters aus; sie kann, wie die übrigen, nur als eine Annäherung an die Wahrheit ange- sehen werden; denn die ihr zu Grunde liegende Asche ist nach einem Verfahren gewonnen, welches dem älteren Rose ’schen Poggendorf , Annalen 76. Bd. u. 81. Bd. 410. sehr ähnlich sieht. Immerhin scheint sie aber doch die zuverlässigste. Nach Schmidt gewinnt man aus 100 Theilen Blutflüssigkeit 0,85 Theile Asche; diese bestehen aus: Cl = 0,533 , SO 3 = 0,013 , PhO 5 = 0,032 , CaO = 0,016 , MgO = 0,010 , Ka = 0,031 , Na = 0,341 , O = 0,045 . Diese Asche zählt nicht zu denjenigen, welche alle die mineralischen Bestandtheile enthält, die schon von andern Chemikern in der Blutflüs- sigkeit gefunden sind. Namentlich fehlen die häufig vorgefundenen CO 2 und Eisenoxyd und die seltener vorhandenen Kieselsäure Kieselsäure fand Weber im Ochsen-, Henneberg, Enderlin u. Gorup im Vogelblut. Da unter die Bestandtheile des Menschenhaars Kieselsäure gehört (v. Laer), so muss sie auch im Menschenblut vorkommen. , Mangan, Kupfer, Blei, und endlich das von Marchand angegebene Ammoniak. Diese Bestandtheile werden nun nach bekannten Prinzipien zu Sal- zen zusammengeordnet; man gibt nämlich der stärksten Säure die stärkste Base bei, und berechnet ausserdem die phosphorsauren Salze als solche mit 3 Atomen fixer Basis. So erhält man KO SO 3 = 0,028 ; KCl = 0,036 ; Na Cl = 0,554 ; 3 NaO PhO 5 = 0,032 ; 3 CaO PhO 5 = 0,030 ; 3 MgO PhO 5 = 0,022 ; NaO = 0,093 Da diese Berechnung namentlich in Beziehung auf die Verbindun- gen der Phosphorsäure mit Alkalien ganz willkührlich ist, so kann sie nicht in der Absicht angestellt worden sein, um den wahren Ausdruck des Salzgemenges in der Blutasche zu geben. Aber dennoch ist sie von Wichtigkeit, denn sie zeigt 1 ) dass die fixen Säuren SO 3 , PhO 5 , ClH nicht hinreichen, um alle Basen zu sättigen. Dieses Resultat ist nicht in Uebereinstimmung mit den Angaben andrer Aschenanalytiker; denn wenn man auch niemals saure Blutaschen beobachtete, so fand man aber Minerale. doch öfter solche, in denen die Basen grade zur Neutralisirung der an- gegebenen Säuren hinreichten. 2 ) die Natronsalze überwiegen ausser- ordentlich, und unter diesen wieder das NaCl, in der Art, dass die Summe aller übrigen sich zu dem Kochsalz wie 3 und 5 verhält. — Auf dieses Verhalten hat, wie es scheint, Denis zuerst die Aufmerk- samkeit gelenkt. Hiernächst entsteht nun die viel wichtigere Frage, in welcher Ver- bindung die in der Asche gefundenen Minerale in der Blutflüssigkeit enthalten sind. Leider befinden wir uns nicht in der Lage, über die- sen wesentlichsten Theil der Aufgabe Aufschluss zu geben; denn 1 ) wis- sen wir überhaupt nicht, in welchen gegenseitigen Anziehungen sich die Bestandtheile mehrerer Salze befinden, die neben einander gelöst sind, mit andern Worten, ob z. B. ClKa und 2 NaO PhO 5 , und wenn sie in ein und derselben Flüssigkeit gelöst werden, in dieser noch als solche befindlich sind. — 2 ) Kennen wir die Verbindungen der organischen Säuren des Blutes nicht, insbesondere ist uns die Stellung der eiweiss- artigen Stoffe, welche nach Wurtz und Lieberkühn schwache Säu- ren darstellen, zu den Basen unbekannt. — 3 ) Ist bis jetzt noch keine Angabe geschehen, ob in der Blutflüssigkeit SO 3 Salze vorkommen und in welcher Menge. — 4 ) Wie mehrt sich mit der Verbrennung die Menge der Phosphorsäure? Angesichts dieser Bedenken lässt sich nur Folgen- des aussprechen. Ein Theil des KO oder NaO ist mit den eiweissartigen Stoffen ver- bunden, da wie schon erwähnt, diese zum Theil durch Zusetzen einer Säure zum Serum und zwar entweder sogleich, oder nach vorgängigem Kochen gefällt werden. Die phosphorsaure Kalk- und Bittererde ist mit den Eiweisskörpern verbunden, und zwar wahrscheinlich als dreibasisch phosphorsaure. Diese Annahme gründet sich darauf, dass in einer alkalisch reagirenden Flüs- sigkeit, wie sie das Blut darstellt, die erwähnten Salze nur dann löslich sind, wenn sie mit Eiweissstoffen verbunden vorkommen; die mit dem Eiweissstoffe des Blutserums verbundene phosphorsaure Kalkerde (und Magnesia?) ist aber nach Heintz dreibasische. Die Blutflüssigkeit enthält wahrscheinlich kohlensaure Alkalien. Denn wenn man aus der Blutflüssigkeit durch Kochen und die Luftpumpe alle mechanisch eingemengte CO 2 entfernt hat, kann durch eine zugesetzte Säure eine neue Quantität CO 2 unter der Luftpumpe aus ihr erhalten werden Marchand , Journ. für pr. Chemie 37. Bd. p. 321. — Ueber die Controverse siehe ausser der alten Literatur von Gmelin, Tiedemann, v. Ensehut u. s. w. — Liebig , Annalen. 57. Bd. 126. — Lehmann , Jour. für pr. Chemie. 40. Bd. 133. — Mulder , Scheik, Onderzoek, V. Deel 435. . Die Gründe, aus denen Liebig und Enderlin die Anwesenheit der kohlen- sauren Salze läugneten, scheinen widerlegt zu sein. Jene Chemiker stützten sich Minerale. darauf, dass die Blutasche des Menschen und der Fleischfresser (wohl aber die der Grasfresser) mit Säuren übergossen, nicht brausst. Wir haben schon angegeben, dass die kohlensäurehaltige oder kohlensäurenfreie Asche weder die Abwesenheit, noch Anwesenheit von kohlensauren Salzen in der Blutflüssigkeit beweisen kann. — Liebig macht ausserdem geltend, dass die gekochte und filtrirte Blutflüssigkeit bei Einträufeln von fixen Säuren keine CO 2 entwickle. Diese Thatsache ist aber eben- falls nicht schlagend, weil die CO 2 freie Flüssigkeit begierig die in ihr entwickelte CO 2 absorbirt, wie Marchand und Mulder darthaten, indem sie zeigten, dass, selbst wenn ein Zusatz von NaO CO 2 zum Blut gemacht war, starke Säuren keine Kohlensäure aus ihr frei machten. Von dem phosphorsauren Natron der Blutflüssigkeit behauptet man bald, dass es zweibasisches (PhO 5 , 2NaO, HO), bald, dass es dreiba- sisches (PhO 5 , 3 NaO) sei. Für die letzte Meinung spricht die Asche, welche kein pyrophosphorsaures Natron enthält. Hiergegen lässt sich einwenden, dass das zweibasisch phosphorsaure sich beim Glühen mit kohlensaurem Salze in dreibasisches umwandelt, woraus sich zur Genüge die Abwesenheit von pyrophosphorsaurem Natron in der Asche erklärt, selbst wenn zweibasisches Salz in der Flüssigkeit vorkommt. Die Ver- theidiger des zweibasisch phosphorsauren Natrons behaupten noch dazu, dass im Blut, d. i. in einer mit Kohlensäure geschwängerten Flüssig- keit, gar kein dreibasisch phosphorsaures Natron bestehen könne, indem es augenblicklich in zweibasisches und kohlensaures Salz zerfalle. Da auch diese letztere Behauptung nicht durch unwidersprechliche That- sachen erwiesen ist, so muss die ganze Frage dahin gestellt bleiben. Die Gegenwart von NaCl und KaCl ist wohl niemals geläugnet wor- den. Die Kieselsäure muss, wenn sie vorhanden, in Verbindung mit Al- kalien vorkommen. Ueber die Art und Weise, wie die Metalle, namentlich die häufigen Eisen und Mangan und die seltenen Blei und Kupfer, gebunden sind, wissen wir nichts. Den hier angezweifelten Beweis für die Zusammenordnung der einfachen Be- standtheile zu complizirten glaubt C. Schmidt durch Vergleichung des beobachte- ten und des hypothetischen spezifischen Gewichtes der Flüssigkeit gegeben zu haben. Das hypothetische spezifische Gewicht der Blutflüssigkeit lässt sich aber nach seinen Voraussetzungen ableiten, wenn man weiss, um wie viel die bekannten Volumina des Wassers und eines löslichen festen Stoffs bei wirklich geschehener Lösung dieses letzteren abnahmen, mit andern Worten: wenn man die Verdichtungscoefficienten kennt. Nachdem er diese letzteren bestimmt hat für alle die Stoffe, welche seiner Voraussetzung nach in dem Blutwasser gelöst sind, macht er die weitere Annahme, die Verdichtung bleibe dieselbe selbst für den Fall, dass die einzelnen Stoffe, statt in Wasser, in einem solchen Salz-Gemenge, wie es die Blutflüssigkeit darstellt, ge- löst seien. — Diese Voraussetzung ist nun freilich willkührlich; man könnte sie je- doch diessmal eine glückliche nennen in Anbetracht der von ihm gefundenen Ueber- einstimmung zwischen dem hypothetischen und dem wirklich beobachteten spezifischen Gewichte. Bei genauerer Ueberlegung ist aber gerade diese Uebereinstimmung ge- eignet, Misstrauen zu erregen. Denn es sind die von ihm angenommenen Stoffe der Blutflüssigkeit: KO SO 3 ; KaCl; NaCl; 2 NaO PhO 5 ; NaO; 3CaO PhO 5 ; 2MgO PhO 5 ; Kohlensäure und Sauerstoff. Albumin, Fibrin. — Wie man sogleich sieht, sind diese Stoffe zum Theil offenbar gar nicht im Blnte vorhanden, wie z. B. KO SO 3 ; NaO, und andere übersehen wie das Albumin-Natron, die Fette u. s. w. Umstände, welche im günstigsten Falle beweisen, dass für die Salzbestandtheile die vorgeschlagene Controle nichts leistet. 14. Die Kohlensäure nimmt der Menge und ihres besonderen Verhaltens wegen den ersten Platz unter den diffusibeln Gasarten der Blutflüssigkeit ein. Auf die Menge schliessen wir in Ermangelung einer gründlichen Analyse aus dem grossen Absorptionsvermögen der (faser- stofffreien) Blutflüssigkeit Nachdem sie vorher durch Stehen an der Luft ihre verdunstbare CO 2 verloren? , welche unter dem Atmosphärendruck mit CO 2 gesperrt das anderthalbfache bis doppelte ihres Volumens von dem Gas aufnimmt. Scherer Liebigs Annalen. 50. Bd. p. 30. , Mulder Physiolog. Chemie, Braunschweig 1185, . Da H. Nasse diese Beob- achtung dahin erweitert hat, dass ein Blut um so mehr CO 2 absorbirt, je reicher seine Asche an NaO CO 2 ist; da nach der vollkommenen Sät- tigung mit CO 2 die Flüssigkeit noch alkalisch reagirt, und da die gesät- tigte Blutflüssigkeit mit fixen Säuren versetzt, die Hälfte ihrer CO 2 selbst in einer kohlensäurehaltigen Atmosphäre verliert, so kann man nicht im Zweifel darüber sein, dass durch eins der alkalisch reagirenden Blutsalze NaO CO 2 oder 2 NaO PhO 5 die CO 2 aufgenommen und verdichtet wird, so dass sie sich nicht im Zustande einfacher Diffusion findet. Diese Ver- dichtung durch die erwähnten Salze verhindert aber die CO 2 nicht, zu verdampfen, da, wie bekannt, eine Lösung von NaO 2 CO 2 sich bei län- gerem Stehen in einer kohlensäurefreien Luft in NaO CO 2 verwandelt. H. Rose, Becher . 15. Die Gegenwart des Stick- und Sauerstoffs vermuthen wir, weil die Blutflüssigkeit als eine wässerige Lösung beide Luftarten in ge- ringen Mengen aufnimmt. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass die Gasarten anders als diffundirt enthalten seien. 16. Der Wassergehalt der Blutflüssigkeit ist im Mittel auf 90 bis 93 pCt. gefunden worden. Serum . Derjenige Antheil der Blutflüssigkeit, welcher zurück- bleibt, nachdem der Faserstoff ausgeschieden ist, wird altem ärztlichem Herkommen gemäss Serum sanguinis genannt. Dieses Serum ist von praktischer Bedeutung für die Blutanalytiker, weil nur es nicht aber das gesammte Plasma der Untersuchung so weit zugänglich ist, dass spez. Gewicht, Farbe, Consistenz u. s. w. beobachtet werden können. Da in der That die Menge des ausfallenden Faserstoffs sehr gering ist, und die Eigenschaften desselben, so lange er in Lösung befindlich, soweit wir wissen, sich nicht von denjenigen der übrigen Eiweissstoffe unterscheiden, so würde eine Uebereinstimmung in den physikalischen Verhältnissen von Plasma und Serum statuirt werden dürfen, wenn die- Serum. ses letztere nur hinreichend rein erhalten werden könnte. Dies ist aber nur selten der Fall. Das Serum gewinnt man entweder so, dass man das aus der Ader gelassene Blut sogleich gerinnen lässt. Der durch die ganze Masse des Blutes vertheilte Faser- stoff schliesst bei seiner Gerinnung sämmtliche Blutkörperchen sammt der Blutflüssig- keit ein, so dass unmittelbar nach derselben das Blut einen zusammenhängenden, sehr lockeren Kuchen bildet. Nach einiger Zeit aber beginnt die Zusammenziehung des Faserstoffs, so dass nun die uncompressibele Blutflüssigkeit aus dem Kuchen aus- getrieben wird, während ein sehr grosser Theil der Körperchen des Blutes, welcher auf dem Faserstoffbalken aufgelagert ist, den Bewegungen derselben folgt und in dem Kuchen eingeschlossen bleibt. So unternimmt das Blut selbst eine Filtration, die wir vergeblich künstlich nachzuahmen versuchen. — Begreiflich ist aber auch diese Fil- tration keine vollkommene und namentlich tritt ein aufgeschwemmter Bestandtheil, der dem Faserstoff weniger stark zu adhäriren scheint, die sog. Lymphkörperchen, mit dem Serum aus dem Kuchen. Diese Körperchen sind nun entweder spez. leich- ter als das Serum, sie treten nach oben (und können zum Theil wenigstens abgeho- ben werden?) oder sie sind von gleicher Eigenschwere; diese verunreinigen also das Serum. Da das Filter, welches dem Blutserum noch den Durchtritt gestattet, sie nicht zurückhält, so werden sie nicht von der Blutflüssigkeit getrennt und bilden immer vorkommende Verunreinigungen derselben. — Zuweilen zieht man es vor, das Blut nach dem Austritt aus der Ader sogleich zu schlagen zur Abscheidung des Faser- stoffs, und die zurückbleibende Flüssigkeit sich selbst zu überlassen; bei vollkomme- ner Ruhe derselben senken sich dann die rothen Körperchen desselben allmählig zu Boden. Das auf die eine oder andere Art geschiedene Serum hebt man dann vor- sichtig mit der Pipette vom Bodensatz oder dem Blutkuchen ab. Das spez. Gewicht des meist gelblich gefärbten Serums wird im Mittel zu 1028 , das des Wassers = 1000 gesetzt, angegeben. B. Aufgeschwemmte Blutbestandtheile . Zu ihnen gehören die Blutscheiben, die Lymphkörperchen, die Mo- lekularkörnchen und Faserstoffschollen. a. Die Blutscheiben sind im Blute ungemein zahlreich vertre- ten, indem nach den Zählungen von Vierordt Archiv f. physiol. Heilkunde. XI. 26. 327. 854. XIII. 259. und H. Welker Prager Vierteljahrschrift. XLIV. 11. in einem Cubikmillimeter Blut 4 bis 5,5 Millionen Stück enthalten sind. Die Zählung der Blutkörperchen, welche in einem genau gemessenen Blutvolu- men enthalten sind, ist zuerst von Vierordt ausgeführt; diese mühsame Arbeit ist durch die Welker ’schen Verbesserungen der Technik wesentlich vereinfacht wor- den. Sie würde nach diesem letzteren Autor zu einer verhältnissmässig sehr leich- ten werden, wenn sich die Annahme desselben bestätigte, dass die färbende Kraft des Bluts in einer festen Beziehung zu der Zahl seiner Körperchen stände. Aus den Beobachtungen Welkers kann aber nur so viel geschlossen werden, dass bei einem gesunden Menschen die Färbekraft des Bluts mit der Zahl seiner Körperchen gleichen Schritt hält, so dass man aus der Tiefe der Farbe, welche ein genau abgemessenes Volumen Blut einem und demselben Volumen einer farblosen Flüssigkeit ertheilt, schliesst, ob der Gehalt beider Blutproben an Körperchen ungleich sei. In den Fäl- len, in welchen diese Voraussetzung erfüllt ist, kann durch die Färbekraft des Bluts auch sogleich die Zahl seiner Körperchen bestimmt werden. Welker versuchte Blutscheiben. dieses folgendermassen auszuführen: er bestimmt die Anzahl der Blutkörperchen in einem C. Mm. und verdünnt dann ein bestimmtes Volumen dieses Bluts mit einem bestimm- ten Volumen einer farblosen Flüssigkeit, z. B. verdünntem Alkohol; will er nun den Blutkörperchengehalt einer andern Blutprobe ermitteln, so verdünnt er diese so lange mit derselben Flüssigkeit, bis sie die Farbe der ersten angenommen. Die Blutkör- perchenzahlen verhalten sich wie die Volumina der Zusatzflüssigkeiten. 1. Anatomisches Verhalten Kolliker , Handbuch der Gewebelehre. 5. 68. — Vierordt , Archiv f. phys. Heilk. XI. 854. . Die Blutscheiben sind kleine Zellen, deren Inhalt roth oder grün ( Brücke ) gefärbt ist; obwohl ihre Form keineswegs als eine beständige anzusehen ist, so stellt doch die weitaus grösste Zahl derselben Rundscheiben dar, die auf der Fläche liegend, sich wie eine oben hohle Linse ausnehmen, während sie auf dem Rande stehend das Ansehen eines Biscuits darbieten. Auf eine Vertiefung der obern Fläche schliessen wir aus der Vertheilung, die hier das Licht eines Büschels erfährt, welches von der untern Fläche her mit parallelen Strah- len in die Blutscheiben eingedrungen ist; bekanntlich erscheint beim durchfallenden Licht die helle Mitte des Blutkörperchens von einer leich- ten Verdunklung umgeben, auf die nach aussen ein heller Ring folgt; analysirt man aber den Gang der parallelen Strahlen 1234 Fig. 1. durch Fig. 1. die planconcave Linse aa., so wird man sogleich sehen, dass auf der obe- ren Fläche die Mitte hell, der ausge- bogene Theil lichtschwach, und der Rand wieder lichtstark erscheinen muss. — Die Biscuitform der auf der Kante stehenden Blutscheiben beweist, dass der Rand nicht überall gleich breit ist, denn sonst müsste diese Ansicht ein Rechteck darstellen. — Ausser dieser häufigsten Gestalt kommen noch andre vor, zuweilen steht die Vertiefung excentrisch, oder die Scheibe ist auf beiden Flächen erhaben, oder die Ränder tragen Zacken. Die Blutkörperchen der ersten Form kann man in ein kugeliges Gebilde verwan- deln, wenn man die Blutflüssigkeit, in der sie schwimmen, mit Wasser verdünnt, wo- durch wahrscheinlich in Folge einer Diffusionsströmung der Inhalt vermehrt wird. — Die Zackenform erhalten die Körperchen, wenn sie in eine concentrirte Lösung von Glaubersalz, Zucker u. s. w. gebracht werden. Ueber andere Formveränderungen siehe bei Lindwurm Zeitschrift v. Henle u. Pfeuffer . VI. Bd. 266. , Donders, Moleschott Holland , Beiträge p. 360 u. Illustr. med. Zeitg. III. 79. , Staunius Beobachtg. über Verjüngungsvorgänge. Rostock 1853. , Leh- mann Physiolog. Chemie. II. 164. . Der Inhalt der Blutscheiben ist bald mehr, bald weniger tief ge- färbt, bald ist er klar, bald noch mit Körnchen und Krümeln gefüllt. Blutscheiben. 2. Chemische Beschaffenheit. Das Blutkörperchen ist noch niemals rein dargestellt worden. Versuche zur Darstellung der Blutkörperchen. Zur Reindarstellung der Blut- körperchen hat man den direkten und indirekten Weg eingeschlagen. 1. Filtration . Versetzt man ein von Faserstoff befreites Blut mit seinem mehrfachen Volum einer concentrirten Glaubersalzlösung, und leitet durch dasselbe, nachdem es auf ein Papierfilter gebracht worden, Sauerstoffgas, so wird nicht allein die Mehrzahl der Körperchen zurückgehalten, sondern es lässt sich auch durch Glauber- salz der Rückstand so vollkommen auswaschen, dass die Waschflüssigkeit kein ClNa und keine organischen Bestandtheile, namentlich kein Eiweiss mehr enthält. Berze- lius, Dumas Compt. rend. XXII. 900. , Lecanu ibid. XXV. 11. . Diesen ausgewaschenen Rückstand haben einzelne Chemiker für reine Blutkörperchen angesehen, eine Meinung, welche sowohl die phy- sikalische Ueberlegung wie auch das optische Verhalten als unrichtig erweist, indem die Körperchen, wie wir schon erfuhren, unter dem Einfluss der Salzlösung ver- schrumpfen und ihre Form ändern; diese Formänderung, namentlich das Schrumpfen derselben, ist nothwendig, wenn man bedenkt, dass der Inhalt durch die für wässrige Lösungen durchgängige Membran auf diffusivem Wege der Glaubersalzlösung einen Theil seiner Bestandtheile abgeben und dafür andere empfangen muss. Einen weiteren Beweis für diese Behauptung wird man zu liefern im Stande sein, wenn man eine solche mit Glaubersalzlösung gewaschene Blutkörperchenmasse einige Zeit in dieser Lösung aufbewahren und diese auf ihre Bestandtheile untersuchen würde. Diese Einwendungen können natürlich dem Filtrationsverfahren seinen grossen Werth für die qualitative Untersuchung des Blutkörperchens nicht rauben. 2. Man behauptete zu verschiedenen Zeiten ( Dumas-Prevost, C. Schmidt l. c. p. 18. , dass ein oder der andre Stoff nur der Blutflüssigkeit oder dem Serum, nicht aber den Körperchen eigen sei; auf diese Annahme lässt sich nun ein einfaches Verfahren gründen, um die Zusammensetzung der Blutkörperchen festzustellen. Offenbar nem- lich ist in einem Gemenge aus unbekannten Quantitäten von Blutkörperchen und Se- rum, die Quantität dieses letztern und aller seiner Bestandtheile sogleich bestimmt, wenn man aus dem Gemenge das Gewicht eines dem Serum allein zugehörigen Stoffes bestimmen könnte und zugleich das Verhältniss weiss, in dem alle andern Serumbe- standtheile zu diesem besondern Stoff stehen. Mit der Kenntniss der Menge und der Zusammensetzung des Serums in einem Gemenge von Blut und Blutkörperchen ist aber natürlich auch die Zusammensetzung dieser letzteren gegeben, indem diese ge- geben ist durch den Rest, welchen die Blutanalyse nach Abzug des Serums lässt. So hielten Dnmas -Prevost dafür, die Blutkörperchen seien mit Serum durch- tränkte und gefüllte Säcke; indem somit das Eigenthümliche der Blutscheibe nur in ihrer Haut bestehen sollte, sprachen sie ihr natürlich allen Wassergehalt ab. Diese Annahme Ist aber durch mancherlei Thatsachen, insbesondere durch die Untersuchung der filtrirten Blutkörper widerlegt. — C. Schmidt l. c. p. 18. nimmt an, dass das Chlor der Blutscheiben mit Kalium, das des Serums mit Natrium verbunden sei, so dass also dem einen Bestandtheil das Chlorkalium, dem andern das Kochsalz abgehe. Diese Annahme ist aber vollkommen willkürlich, weil selbst nach seinen Beobachtungen neben NaCl und KaCl noch die Anwesenheit von NaO in den Blutscheiben und von KaO in dem Serum feststeht. — Endlich hat man auf den Faserstoff des Plasma’s aufmerksam gemacht ( Zimmermann Archiv f. physiolog. Heilkunde. XI. 298. , der sich unzweifelhaft eignen würde zu Blutscheiben. obigen Bestimmungen, wenn man nur ein blutkörperchenfreies Plasma mit unverän- dertem Faserstoffgehalt zur Analyse bringen könnte. 3. Zimmermann und Vierordt haben vorgeschlagen, ein Gemenge von Serum und Scheiben einem Stoff von beliebiger Zusammensetzung beizumischen, für welchen die Blutscheibenhülle undurchdringlich sei und der, obwohl er sich im Wasser löse, weder Wasser, noch irgend einen andern Bestandtheil des Blutscheibeninhaltes an sich ziehe. Gäbe es einen solchen Körper, so würde die Aufgabe gelöst sein: den Gehalt einer beliebigen Blutmenge an Serum und Scheiben, um daraus die Zusammensetzung der letztern zu bestimmen. Denn man hätte zu einem bekannten Gewicht Blut eine gewo- gene Menge des fraglichen Stoffs zu setzen, aus diesem Blut Serum zu gewinnen und den prozentischen Gehalt desselben an dem zugesetzten Stoff zu bestimmen; offenbar würde dann aus der eingetretenen Verdünnung die Masse des anwesenden Serums gefolgert werden können. Dieser einfache Vorschlag scheitert aber daran, dass es schwerlich einen Stoff von den verlangten Eigenschaften giebt; nach den bis dahin vorliegenden Thatsachen über Diffusion, würde nur der Zusatz die verlangten Eigenschaften besitzen, dessen Zusammensetzung mit der des Serums zusammenfielen, mit andern Worten: ein solcher, der sich schon diffusiv mit dem Inhalt der Blut- körperchen ausgeglichen. Dieser Zusatz würde uns aber nichts helfen, denn damit würde die prozentische Zusammensetzung des Serums nicht umgeändert und auf die- ser Umwandlung beruht die Brauchbarkeit des Verfahrens. 4. Man hat auch den Versuch gemacht, das Volum der Blutkörperchen oder des Serums zu bestimmen, entweder, indem man die Blutkörperchen eines bekannten Vo- lums Blut zählte und die Zahl mit dem Volum eines Blutkörperchens multiplizirte, dessen Durchmesser man unter dem Mikroskop bestimmt hatte, oder indem man Schei- ben aus dem Blutkuchen schnitt und die Zwischenräume zwischen den einzelnen Blut- körperchen zu messen suchte u. s. w. Man kann kaum der Meinung sein, dass es mit diesem Vorhaben Ernst gewesen sei. Als besondere den Blutscheiben zukommende Bestandtheile sind mit Bestimmtheit ermittelt. Der Hüllenstoff . Obwohl er bis dahin nicht rein dargestellt ist, so scheint es erlaubt, ihn zu den Gliedern der Eiweissgruppe zu zählen; keinenfalls aber ist es, wie man gethan, erlaubt, ihn als eine Abart des geronnenen Faserstoffs anzusehen. Die wenigen sichern Nach richten, welche man besitzt, sind von der mikrochemischen Reaction ge- liefert. Donders und Moleschott Holland , Beiträge p. 40 u. ebendaselbst p. 360. — Lehmann , physiolog. Chemie. II. Bd. 165. . Haematin . Seit den im I. Bd. 36. gemachten Mittheilungen hat Wittich Journ. f. prakt. Chemie. 61. Bd. 11. — Pharmaz. Centralbl. 1854. Nr. 22. den Farbstoff reiner, als es bis dahin geschehen, darzu- stellen gelehrt, und Brücke Sitzungsbericht d. Wiener Akademie. XI. Bd. 1070. Pharmaz. Centralbl. 1854. Nr. 14. weisst nach, dass derselbe in einer an kohlensaurem Alkali reichen Lösung sich als ein doppelfarbiger erweise, der bei auffallendem Licht (in sehr dicken Schichten) roth, bei durchfal- lendem Licht (in sehr dünnen Schichten) aber grün erscheint. Der Dichroismus ist darum im venösen Blut deutlich, während er dem arte- riellen fremd ist. Globulin ; diesen Stoff hat Wittich ebenfalls reiner als bis da- Lymphkörperchen. hin dargestellt, indem er ihn in Aether löste; er gehört unzweifelhaft zu den eiweissartigen Stoffen. Haematin und Globulin im Gemenge (Haemin und Haematocrystallin) sind neuer- dings vielfach auf ihre Krystallisationserscheinungen untersncht worden von Leh- mann Leipziger akadem. Berichte. 1852 p. 23 u. 78. 1853 p. 111. Ausgezog. im Journ. f. prakt. Chemie. — , Teichmann Zeitschrift, Henle u. Pfeuffer N. F. III. 375. , Meckel Ueber Haematoglobelin, Deutsche Klinik 1852. . Die zahlreichen Untersuchungen, so in- teressant sie nach andern Richtungen hin sein mögen, haben aber noch wenig zu dem, was uns über die Natur der Stoffe aufzuklären vermögte, hinzugefügt. — We- sentliche Fehler in den Resultaten der Lecanu schen Pharmaz. Centralbl. 1852. 708. Untersuchung über die Eigenschafteu desselben Gemenges weist Wittich nach; dem entsprechend verlie- ren auch die Dumas’ schen Elementaranalysen der filtrirten und getrockneten Kör- perchen ihren letzten Werth. Ein phosphorhaltiges Fett ; der ätherische fettartige Auszug der mit Glaubersalz filtrirten Scheiben hinterlässt 22 pCt. einer sauren phosphorsauren Kalkasche. Die Asche der Blutkörperchen ist reicher an Eisenoxyd und phos- phorsauren Alkalien und reicher an Kali (H. Nasse Wagners Handwörterbuch. I. Bd. 177 u. 180. , Schmidt l. c. p. 30. , Weber Pogg . Annal. 81. Bd. 91. und die Summe der Kalien und Erden ist in gleichen Ge- wichtstheilen Blutkörperchen geringer als in dem Serum. Die Blutkörperchen enthalten endlich auch diffusibele Gase ; insbesondere ist dieses gewiss vom Sauerstoffgas, da die Volumeinheit eines Gemenges von Körperchen und Serum mehr Sauerstoff zu absor- biren vermag als die des Serums. J. Davy, H. Nasse l. c. 177. . Da die Volumeinheit des Gesammtbluts noch weniger CO 2 aufnimmt als das Se- rum, so beweist dieses, dass die Körperchen entweder wenig oder gar keine CO 2 aufsaugen. Wie sie sich zu dem Stickgas verhalten, ist unbekannt. b—d. Lymphkörperchen, Molekularkörnchen, Faser- stoffschollen finden sich neben den farbigen Körperchen im Blut aufgeschwemmt; da weder über die chemische Zusammensetzung und noch weniger über die physiologischen Beziehungen dieser Stoffe etwas bekannt geworden, so unterlassen wir es hier ihre Form darzustellen; welche ausführlich in den Lehrbüchern der mikroskopischen Anatomie behandelt wird. — Die Zahl der farblosen Körperchen ist viel geringer als die der far- bigen; nach den Zählungen von Welker l. c. p. 34. sind in 1 Cubikmillimeter Blut zwischen 8000 bis 13000 enthalten, so dass nach zwei vergleichen- den Zählungen auf 350 bis 500 rothe 1 farbloses kam. Ueber die wech- selnden Mengenverhältnisse der Lymphkörperchen sind einige der folgen- den Mittheilungen und über die Beziehung zwischen Blut und Lymph- körperchen ist die Lymphe nachzusehen. Blutanalyse. C. Gesammtblut . 1. Eine erschöpfende quantitative Analyse des Gesammtbluts kann erst dann zur Ausführung kommen, wenn es gelungen ist, die Blutkör- perchen von der Blutflüssigkeit scharf zu trennen und wenn uns nicht allein alle Blutbestandtheile, sondern auch eine quantitative Bestimmungs- methode jedes einzelnen bekannt ist. — In Ermangelung einer solchen begnügt man sich nun mit der annährend richtigen Bestimmung einzel- ner Bestandtheile des Bluts, und namentlich ermittelt man den Wasser- gehalt, die Summe der im kochenden Wasser unlöslichen Bestandtheile (Hüllen der Blutkörperchen, Eiweissstoffe der Körperchen und der Flüs- sigkeit mit eingeschlossenen Salzen), der in Aether, in kochendem Alko- hol und in Wasser löslichen und der unverbrennlichen Bestandtheile. Aus diesen Beobachtungen kann niemals die ganze Bedeutung des Bluts und seiner Veränderungen gefunden werden. Damit ist nicht ausge- schlossen, dass die Beobachtungsresultate über diesen oder jenen Punkt Aufschluss gewähren. Unter den Methoden zu den erwähnten Gewichtsbestimmungen zeichnet sich, nach übereinstimmenden Angaben, das Verfahren von Prevost und Dumas , welches Scherer Scherer , patholog. chemische Untersuchungen. Haesers Archiv 1848. — A. Otto , Beitrag zu den Analysen des gesunden Bluts. Würzburg 1848. — Gorup-Besanerz . Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850. verbessert hat, aus. Er fängt zwei Portionen Blut, jede von ungefähr 60 Gr. gesondert auf. Aus einer derselben gewinnt er Serum und bestimmt in diesem das Wasser, das Eiweiss, die Extrakte und die in Wasser löslichen Bestandtheile der Asche, aus der andern das Wasser, den Faserstoff, das Gemenge der in kochendem Wasser unlöslichen Bestandtheile der Blutkörperchen und des Serums, die Extracte, das Fett und die in Wasser löslichen Bestandtheile der Asche im Gesammtblut. — Indem er dann der Annahme von Prevost und Dumas folgt, dass die Blutkörperchen aus unlöslichen Stoffen bestehen, welche von Serum durchdrungen in dem Blute schwimmen, berech- net er aus dem bekannten Wassergehalt des gesammten Bluts und des Serums diese sogenannten Blutkörperchen. Obwohl schon dargethan ist, dass diese letztere Berech- nung nicht mehr zulässig ist, so wollen wir doch noch einmal in ganz populärer Form unsern Gegenbeweis wiederholen. Wenn die Flüssigkeit, welche die Blut- scheiben durchtränkt, eine andere Zusammensetzung als die des Serums besitzt, so kann aus dem bekannten Wassergehalt des Serums und des Blutes derjenige der Blutkörperchen nicht abgeleitet werden. Offenbar nemlich kann z. B. ein Blut, das in 100 Theilen 20 Theile Rückstand und dessen Serum in 100 Theilen 10 Theile Rückstand lässt, auf millionfache Weise zusammengesetzt gedacht werden und so u. A. einmal in der Art, dass 100 Theile aus 25 Theilen Serum und 75 Theilen Blut- körperchen mit 23,33 pCt. Rückstand oder aus 75 Theilen Serum und 25 Theilen Blutkörperchen mit 54,0 pCt. Rückstand bestehe. In beiden Fällen würde aber das Serum 10 pCt. und das Gesammtblut 20 pCt. Rückstand gegeben haben. — Dieser Einwurf behauptet also, dass innerhalb eines Serums von gleicher Zusammensetzung Blutkörperchen des allerverschiedenartigsten Wassergehaltes schwimmen können. — Dieser Einwurf ist aber nicht im entferntesten unwahrscheinlich, einmal, weil ein und dasselbe Blutkörperchen von seinem Auftreten in dem Blut bis zu seinem Ver- schwinden wahrscheinlich mancherlei Umänderungen in seiner Zusammensetzung er- Blutanalyse. fährt und dann, weil selbst unter der Voraussetzung, dass alle gleichzeitig vorhan- denen Blutkörperchen mit einer wässrigen Flüssigkeit von derselben Zusammensetzung durchtränkt wären, doch das Verhältniss dieser Flüssigkeit zu den Fetten und der Hülle sehr veränderlich sein kann. Darum gilt auch die Ausflucht nicht, welche man zur Festhaltung der Dumas-Prevost ’schen Berechnung benutzt hat, die nemlich: dass wenn das Serum gleich zusammengesetzt wäre, so müsste auch jedes Blutkör- perchen gleiche Zusammensetzung tragen und demgemäss könnten, wenn die Rück- standsprozente zweier Blutarten mit gleich zusammengesetztem Serum verschieden ausfallen, die Unterschiede nur bedingt sein durch die ungleiche Zahl der Blutkör- perchen. Dies vorausgesetzt, geben die Analysen allerdings keinen Aufschluss über die absolute Quantität dieser letztern, wohl aber über das Verhältniss derselben zwischen den beiden Blutarten, und somit sei die Berechnung auch von relativem Werth. — Diese erst noch zu beweisende Annahme wird aber ganz willkührlich, wenn wie gewöhnlich gar auch noch Blutarten verglichen werden, deren Serum von ungleicher Zusammensetzung ist. In diesem Fall kann unbezweifelbar die Auslegung auf verschiedene Weise geschehen, auf die nemlich, dass bei gleicher Zusammen- setzung die Zahl, oder bei gleicher Zahl die Zusammensetzung, oder dass Zahl und Zusammensetzung der Scheiben in den beiden Blutarten abweiche. Dem Vorschlag von Vierordt Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. 24 u. 547. folgen wir, da er unausführbar ist, nicht in seinen vielfältigen Verwicklungen, sondern begnügen uns, die theoretische Grundlage desselben an einem Beispiel klar zu machen; der Einfachheit wegen denken wir uns statt des Serums reines Wasser und statt der Blutkörperchen eine mit Wasser ge- füllte Seifenblase in ihm schwimmend, von so zarter Constitution, dass sie ohne zu zerreissen nicht aus dem umgebenden Wasser genommen werden könnte . Um zu bestimmen, wie viel Wasser ausser- und innerhalb der Seifenblase gelegen wäre, hätte man nach Vierordt so verfahren, dass man einen beliebigen Stoff in dem äussern Wasser auflöste, der die Eigenthümlichkeit besässe, weder durch die Seifen- haut hindurch in das innere Wasser zu dringen, noch auch durch diese Wasser an sich zu ziehen. Gäbe es einen solchen Stoff, so würde dies Verfahren einfach zum Ziele führen; denn hätte man z. B. 1 Gr. des Stoffs in die äussere Flüssigkeit ge- worfen und nähme man, nachdem dieses Gramm gelöst und gleichmässig vertheilt wäre, einen gewissen Antheil, z. B. 20 Gr. aus der Flüssigkeit heraus und fände bei der Untersuchung derselben 0,25 Gr. des Satzes darin, so müsste die ganze Menge der Flüssigkeit 79 Gr. betragen haben. — Nun ist aber sogleich ersichtlich, dass es aus bekannten Gründen der Diffusion einen solchen Stoff nicht geben kann, vorausgesetzt, dass er nicht mit der umgebenden Flüssigkeit gleich zusammengesetzt wäre. Ein solcher Stoff müsste nemlich die widersinnige Eigenschaft tragen, zu dem Wasser der Blase keine, zu dem der flüssigen Umgebung aber Verwandtschaft zu zeigen. Vierordt , der in der That auch keinen kennt, schlug zuerst vor, einen Zusatz von gleicher Zusammensetzung zur äussern Flüssigkeit, in unserm Fall also von Serum zu machen. Wie man aber daraus die Menge des ursprünglichen die Blutscheiben umgebenden finden könne, bleibt vollkommen räthselhaft. — Wem es anliegt eine vollkommene Einsicht in die Unzulänglichkeit der bis dahin gebrauchten Methoden zu gewinnen, den verweisen wir auf die gediegene Diskussion unseres Gegenstandes, welchen P. du Bois Henle u. Pfeuffers Zeitschrift. N. Folge IV. Bd. vom ganz allgemeinen Standpunkt angestellt hat. Wir fühlen uns ausserdem noch veranlasst zu bemerken, dass wir auf die Arbeiten von Becquerel und Rodier keine Rücksicht genommen haben, den Grund dafür findet man auf Seite 4 ihrer neuen Untersuchung, übersetzt von Eisenmann Erlangen 1847. Blutanalyse. a) Zusammensetzung des Gesammtblutes. Indem wir die Resultate, welche von Scherer und Otto erhalten sind, mittheilen, haben wir die Grundzahlen der Analyse wieder hergestellt. Scherer: Otto : Als Mittelzahlen der Wägungen von Scherer und Otto berech- nen sich: Diese Beobachtungen lassen erkennen, dass in 100 Theilen das Ge- sammtblut sehr viel mehr feste Bestandtheile enthält, als das Serum, dass diese Vermehrung aber nicht gleichmässig für alle Stoffe gilt, und dass namentlich das Blut relativ weniger lösliche Salze und Extracte ent- halte, als das Serum. — Bei der geringen Ausbeute, die diese Thatsachen für die Physiolo- gen liefern, übergehen wir die ähnlichen Arbeiten von Popp, Andral u. s. w. u. s. w. — Eine Zusammenstellung findet sich in Henle’s rationeller Pathologie II. Bd. b. Die Asche des Gesammtblutes hat Verdeil Liebigs Annalen. 69. Bd. 89. nach einer nicht Ludwig, Physiolog. II. 2 Blutanalyse. vollkommen tadelfreien Methode dargestellt und analysirt. 100 Theile Asche bestehen nach ihm aus: Die Asche I. war aus dem Blute eines Mannes, die II. aus dem eines Mädchens bereitet. Verdeil hat, um die Asche darzustellen, das Blut bei nicht zu hoher Tempe- ratur an der Luft verkohlt, die Kohle in der Muffel geglüht und den Rest derselben endlich durch Zufügen von salpetersaurem Ammoniak verbrannt. c. Die Gasarten des Gesammtblutes sind noch zu erwähnen, weil hierüber am Blute, wie es aus der Ader kommt, die wichtigsten Beobach- tungen angestellt sind. J. Müller , Lehrbuch d. Physiologie. IV. Aufl. I. 248. — Das venöse Blut enthält Kohlensäure (J. Davy, Enschut ), Stickgas ( Enschut ), Sauerstoffgas (H. Davy, Magnus ), welche entweder durch Vermehrung ihres Ausdehnungsbestrebens, oder durch Verminderung des auf ihnen lastenden Druckes ( Enschut, Bi- schoff ) entfernt werden können. Das Ausdehnungsbestreben der Gase wird bekanntlich durch Erwärmung dersel- ben erhöht und somit können durch die Erwärmung des Blutes die erwähnten Luft- arten ausgetrieben werden. Den Druck, unter dem die Gase stehen, mindert oder vernichtet man entweder, wenn man das Blut in den luftleeren Raum bringt, oder eine Gasart über dasselbe schichtet, welche nicht schon in ihm enthalten ist. S. Bd. I. p. 52. Von den Beziehungen des Blutes zu der Kohlensäure, dem Sauer- stoffgas und Stickgas ist nun durch genaue Versuche von Magnus Poggendorf , Annalen. 40. Bd. p. 588. und 66. Bd. p. 177. bekannt, α. dass 100 Vol. Blut, von allem aufgelösten Sauerstoff und Stick- gas befreit, bei mittlerer Temperatur und unter dem Atmosphärendruck ungefähr 150 Vol. Kohlensäure verschlucken und ferner, dass die gleiche Menge Blut, wenn sie von aller CO 2 befreit ist, 10 bis 12 Vol. Sauer- stoffgas und 1,7 bis 3,3 Vol. Stickgas aufsaugt. Zur Feststellung dieser Thatsache befreite Magnus das Blut von Rindern, Käl- bern oder Pferden vollkommen entweder von CO 2 und imprägnirte dasselbe dann bis Gasarten des Bluts. zur Sättigung mit atmosphärischer Luft, oder er entzog ihm alles Stick- und Sauer- stoffgas und erfüllte es vollkommen mit Kohlensäure. Wenn er z. B. die Fähigkeit des Blutes, Kohlensäure zu verschlucken, erfahren wollte, so schüttelte er das frische, die drei Gasarten enthaltende Blut mit reiner Kohlensäure; war in dieselbe eine merkliche Menge von Sauerstoff- und Stickgas abgedunstet, so erneuerte er die Koh- lensäure und zwar so oft, als das Blut noch merkliche Mengen der beiden andern Gase abgab. Darauf schüttelte er bis zur vollkommenen Sättigung mit CO 2 . Diese Versuche berechtigen nicht zu der Annahme, dass das lebende Blut in 100 Theilen 150 Vol. CO 2 , 10 bis 12 Vol. Ogas und 2 bis 3 Vol. Ngas enthalte. Denn in der That füllt sich das lebende Blut, wie wir noch sehen werden, unter ganz andern Bedingungen mit Luft. β. Annähernd können wir angeben, in welchen Volumverhältnissen die drei Gasarten in einer Volumeinheit des lebenden Blutes enthalten sind. Nach Versuchen von Magnus besitzt ein aus dem venösen Blute eines Pferdes ausgetriebener Luftantheil in 100 Volumtheilen die Zusam- mensetzung 72,1 CO 2 ; 18,8 O; 9,1 N; und der aus dem ve- nösen Blute des Kalbes 76,7 CO 2 ; 13,6 O und 9,7 N. Magnus liess, um die Luft des lebenden Blutes zu gewinnen, dieses aus der Ader unmittelbar in eine mit luftfreiem Quecksilber gefüllte Flasche steigen, in der es bis zur Entfernung des Faserstoffs geschüttelt wurde. Auf diese Flasche wurde eine andere luftleere aufgeschraubt, dann eine Kommunikation zwischen beiden Flaschen hergestellt, so dass vom Blute Gas in den luftleeren Raum entweichen konnte; dieses Gas, welches seiner Menge und Zusammensetzung nach untersucht werden konnte, war unzweifelhaft nur ein geringer Theil desjenigen, welches überhaupt im Blute enthalten war. Die obigen Zahlenverhältnisse haben darum nur unter der Vor- aussetzung einen Werth, dass die Luft im Vacuum ungefähr dieselbe Zusammen- setzung hat, wie im Blute. Diese Annahme, obwohl sie von ausgezeichneten Physi- kern gebilligt wird, könnte aber noch angefochten werden, weil die Gase im Blute nicht einfach diffundirt sind. Man dürfte es unter diesen Umständen wahrscheinlich finden, dass das eine der beiden Gase inniger gebunden sei, als das andere. γ. Die Kohlensäure und das Sauerstoffgas sind im Blute zum Theil einfach diffundirt, zum Theil in irgend einer andern Weise festgebunden Dieses schliessen wirnach Magnus daraus, dass die innerhalb des Blu- tes enthaltenen Gasarten nicht mehr dem Mariotte ’schen Gesetz ent- sprechend, mit dem Wechsel des auf dem Blut lastenden Druckes sich ausdehnen oder zusammenziehen. Die CO 2 ist, wie wir schon bei dem Serum wahrscheinlich fanden, zum Theil wenigstens entweder mit dem NaO chemisch, oder mit dem phosphorsauren Natron adhäsiv verbunden. Auf welche Art das Sauer- stoffgas im Blute verdichtet wird, ist dagegen noch vollkommen unklar. Als Magnus den Absorptionscoeffizienten des Bluts für ein Gas zu bestimmen suchte, mit andern Worten, welches Volum eines beliebigen Gases die Volumeinheit Blut aufzulösen vermöge, ergab sich, dass in diesem Sinne unserer Flüssigkeit kein Absorptionscoeffizient zukomme. Denn es wechselte, dem Dalton ’schen Diffusions- 2* Gasarten des Bluts. gesetze entgegen, das Volum des aufgelösten Gases mit dem Druck, unter dem es sich befand. Die nächste Aufgabe einer die Blutgase betreffenden Untersuchung dürfte demnach darin bestehen, zu ermitteln, von welchen Zustän- den und von welcher Zusammensetzung des Bluts seine Absorptions- fähigkeit abhängt. Das spezifische Gewicht des Bluts giebt man im Mittel zu 1055 (das des Wassers = 1000 ) an. — Die Bestimmung dieser Eigenschaft ist bei einem so complizirten Gemenge wie das Blut im Allgemeinen von untergeordnetem Werth, da bei gleichem spez. Gewicht eine ungeheure Variation in der chemischen Zusammensetzung eintreten kann, je nach- dem sich spez. leichte und spez. schwere Bestandtheile mit einander ausgleichen; und ebenso kann ein Ab- oder Zunehmen des Eigengewich- tes zahlreiche Auslegungen erfahren. Der Wärmegrad des Blutes in den Hautvenen schwankt um mehre Grade der hunderttheiligen Scala; wir werden hierauf erst bei der thierischen Wärme eingehen, wo wir überhaupt auch die Wärme der an- dern Blutarten behandeln. — Die Wärmekapazität des Blutes ist von J. Davy Schweigger ’s Journal für Chemie u. Phys. XV. 462. nach der Mischungs- und Abkühlungsmethode bestimmt wor- den und nach der ersteren zu 0,83 und nach der zweiten zu 0,93 ge- funden. Die Versuche scheinen aber kaum mit der nöthigen Vorsicht ausgeführt zu sein. Die chemischen Pathologen beschäftigen sich vielfach noch mit einigen Erschei- nungen, z. B. wie fest und wie rasch der Blutkuchen geronnen sei, auf welches Vo- lum er sich zusammenzieht, wie rasch die Blutkörperchen sinken u. s. w. Unzweifel- haft deuten diese Erscheinungen auf besondere Zustände des Bluts; aber es gewäh- ren uns die bis dahin gewonnenen Erfahrungen keine Einsicht in das Innere des Blu- tes. Henle Rationelle Pathologie. II. 15. und Lehmann Physlolog. Chem. II. 147. sind hierüber nachzusehen. Vergleichung anderer Blutarten . Um festzustellen, ob die Abweichungen, welche das Blut der aus verschiedenen Gefässen, Altersstufen, Geschlechtern u. s. w. von dem so eben geschilderten bietet, in Wahrheit abhängig sind von dem Fundort und den andern so eben berührten Verhältnissen, mussten begreiflich entweder alle übrigen Bedingungen, die auf die Blutzusammensetzung Einfluss üben, gleich gemacht werden, oder es müsste das Mittel so zahlreicher Analysen verglichen werden, dass man mit Wahrscheinlich- keit die Annahme machen könnte, es sei die jeder Blutart unwesentliche Eigenthümlichkeit, durch gegenseitige Compensation eliminirt worden. Diese Forderungen sind nicht überall erfüllt und es bleibt schon aus diesem Grunde in den folgenden Mittheilungen manches Schwankende. Arterienblut. Arterienblut . Das in den Arterien enthaltene Blut des Menschen kann nur selten gewonnen werden; alle ausführlichen Untersuchungen sind darum am Thiere unternommen worden. Die Blutflüssigkeit der Arterien ist nach übereinstimmenden Anga- ben Nasse , Artikel Blut, Wagners Handwörterbuch. I. Bd. 168. — Lehmann , physiolog. Chemie. II. Bd. 228. — Wiss, Virchow , Archiv. I. Bd. 256. — Funke, Henles und Pfeuffers Zeit- schrift, Neue Folge. I. Bd. 172. — Clement compt. rend. XXI. 289. in 100 Theilen reicher an Fibrin, an Extractivstoffen, Salzen und Wasser, ärmer dagegen an Eiweiss und Fetten, als die Blutflüssigkeit aus den Hautadern. Das venöse Fibrin ist durch seine Löslichkeit in Salpeterwasser vor den arteriellen ausgezeichnet. Diese Angaben stützen sich vorzugsweise auf die Untersuchungen von Nasse , von Lehmann , (das Blut der Verzweigung der a. carotis und vena jugularis des Pferdes) und von Wiss (das Blut der a. carotis und vena renalis vom Hunde). Ab- weichende ältere Angaben finden sich bei Lecanu, Denis, Hering u. s. w. — Die Unterschiede in den einzelnen Bestandtheilen sind wie folgend gefunden worden: 100 Theile des Blutes der Arterien vom Pferde enthalten 0,68 pCt., aus der Drosselvene aber 0,54 pCt. Faserstoff (Lehmann) ; 100 Theile des Bluts vom Hunde, (Carotiden), enthalten 0,20 bis 0,22 pCt. und die Nierenvene 0,16 Faserstoff ( Wiss ). Dasselbe bestätigt Nasse aus Untersuchungen am Menschen. — 100 Theile Serum vom Pferde- blut gaben aus der Arterie 11,43 pCt., aus der Vene 7,22 pCt. Eiweiss (Leh- mann) . — In 100 Theilen festen Rückstandes vom Serum des Pferdes erhielt Leh- mann aus den Arterien 5,37 pCt., aus der Vene 3,62 pCt. Extractivstoffe . — 100 Theile festen Serumsrückstandes vom Pferde gaben aus der Arterie 1,46 bis 2,47 pCt., der aus der Vene 2,22 bis 2,98 pCt. Fette . — 100 Theile Serum des Pferdebluts gaben aus der art. temporalis 89,33 pCt. und aus der Jugularvene 86,82 pCt. Wasser. Die Behauptung, dass die arteriellen und venösen Blutkörperchen sich rücksichtlich ihrer Zusammensetzung von einander unterscheiden, ist nicht erwiesen, da noch niemals ein reines Blutkörperchen untersucht werden konnte. Lehmann giebt an, dass sie sich in ihrem Eisen-, Salz- und Fettgehalte von einander unterscheiden sollen; der obige Einwurf gilt gegen diese Behauptungen eben- sowohl, wenn sie sich auf die Untersuchung der nach der Dumas schen Methode dargestellten oder der nach der Schmidt schen Angabe berechneten Blutkörperchen beziehen. Das Gesammtblut der Arterien enthält ungefähr 0,5 pCt. mehr Was- ser, als aus den Venen. — In 100 Volumtheilen Luft, welche Magnus aus dem arteriellen Blute des Pferdes austrieb, dessen wir schon Er- wähnung gethan, waren enthalten CO 2 55,1 ; Nagas 25,5 ; Ogas 19,3 und in 100 Volumtheilen Luft aus dem arteriellen Blute des schon erwähnten Kalbes CO 2 64,7 ; Ogas 24,1 ; Ngas 11,0 . Aus einem Vergleiche des venösen und arteriellen Milzaderblut. Blutes geht somit hervor, dass das letztere im Verhältniss zu den übri- gen Gasarten mehr O enthält, als das erstere, und das erstere mehr CO 2 im Verhältniss zum Sauerstoff enthält, als das letztere. Die von den Autoren angegebenen Differenzen zwischen dem Gehalt des venösen und arteriellen Blutes an Blutkörperchen sind thatsächlich nicht festgestellt. Die Farbe der venösen Blutkörperchen ist bei durchfallendem Lichte grün, bei auffallendem dunkelroth, die der arteriellen dagegen immer hellroth. Die Veranlassung dieser Farbenumänderung giebt un- bezweifelt die grössere Menge Sauerstoff ( Bruch ) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IV. 373. und die geringere Menge von Kohlensäure ( Brücke ), welche das arterielle Blut im Ver- gleich zu dem venösen enthält. Durch die Beobachtungen von Bruch und durch die noch schlagenderen von Brücke , welche diese Farben- veränderungen auch an wässerigen und weingeistigen Lösungen des Blut- roths mittelst der erwähnten Gase hervorbringen konnten, ist die alte Meinung, welche die Farbenveränderung von einer Verdichtung und Ver- dünnung der Blutkörperchenhüllen abhängig machen wollte, beseitigt. Welche innere Veränderung das Blutroth unter dem Einfluss der er- wähnten Gasarten erfährt, ist zur Zeit noch unbekannt. Die Beweissätze, auf welche sich die obigen Behauptungen gründen, sind einfach die, dass das dunkle Blut hellroth wird, wenn es mit Sauerstoff in Berührung kommt und von diesem einen Antheil aufnimmt. Dieser Vorgang geht nun auch in der That bei der Umwandlung des venösen in arterielles Blut vor sich, indem es in der Lunge der eingeathmeten Luft dargeboten wird. — Das helle Bluth oder die Blutrothlösung wird aber dunkel oder dichroitisch, wenn ihm der Sauerstoff wieder entzogen wird, oder wenn es mit CO 2 in Berührung kommt. — Man hat öfter darüber gestritten, ob die Verbindung des Blutroths mit dem Sauerstoff eine chemische oder physikalische sei; dieser Streit hat keinen Sinn, so lange man nicht definirt, worin der Gegensatz beider Verbindungsweisen ruht. Ausser den erwähnten wirken auch noch andere Gase, und die Lösungen vieler Salze verändernd auf die Blutfarbe. Die weitere Unter- suchung dieser Veränderung hat vorerst keinen physiologischen Belang. Blut der Milzader Funcke , Henle und Pfeuffers Zeitschrift. N. F. I. 172. — Beclard , Annales de ehim. et phys. 3. ser. XXI. 506. . Beim Pferde ist nach Funcke das Blut der Milzvene reicher an Faserstoff, als das der Milzarterie; in der erstern schwankte es zwischen 0,5 bis 0,4 , in der letzteren zwischen 0,2 bis 0,17 . Eine vergleichende Untersuchung des Serums ergab: Pfortaderblut. Zucker, Harnstoff, Harnsäure, Gallenbestandtheile wurden in den Extracten nicht gefunden. Die gefärbten Blutkörperchen der Vene waren kleiner, als die gewöhnlichen des Pferdes, ihr Inhalt krystallisirt vor- zugsweise leicht; farblose Zellen sind in sehr grosser Zahl vorhanden und daneben Körnchenzellen und Faserstoffschollen. — Das Gesammtblut beider Gefässe verglichen, ergab: Die Beobachtungsobjekte waren von 2 Pferden genommen, die 5 Stunden nach der Fütterung getödtet waren. Beclard verglich bei Hunden das Milzblut mit dem der v. jugularis Blut der Pfort- und Leberader Lehmann, Leipziger Bericht mathemat. physik. Klasse. III. 131. . Beim Pferde enthält nach Lehmann das Pfortaderblut 0,42 bis 0,59 pCt. Faserstoff, während das der Lebervene ganz frei davon sein soll. — Das Serum beider Blutarten verglichen, ergab: Die Extracte der Pfortader enthalten, wie Cl. Bernard entdeckte und Lehmann bestätigt, nur sehr wenig oder keinen Zucker, während die der Leberader sehr reich daran sind. So fand Lehmann in 100 Theilen trockenen Rückstandes vom Pfortaderblut höchstens 0,01 bis 0,05 pCt. Zucker, während gleiche Menge trockenen Rückstandes der Leberader 0,63 bis 0,89 pCt. gaben. Dieser Punkt findet noch einmal eine ausführlichere Berücksichtigung bei der Leber. Die farbigen Zellen des Lebervenenblutes sind kleiner und mehr kugelig, als die der Pfortader; sie werden vom Wasser weniger leicht Dünndarm- und Nierenaderblut. ausgedehnt. Neben diesen veränderten farbigen kommen im Leberader- blut sehr viele farblose Zellen vor. Das Gesammtblut der Thiere, von dem die Serumanalyse mitgetheilt wurde, enthielt: Der Eisengehalt in 100 Theilen Rückstand des Gesammtbluts schwankte in der Pfortader zwischen 0,213 bis 0,164 pCt., in der Leberader zwi- schen 0,140 und 0,112 . Der Fettgehalt desselben Rückstandes betrug im Mittel aus der Pfortader 3,4 pCt., aus der Leberader 2,1 pCt. Blut der Dünndarmader Virchow’s Archiv. I. 256. . Vergleichende Bestimmungen des Hundebluts aus der vena jugularis und mesaraica gaben ( Wiss ) Blut der Nierenader. Der Wasser- und Faserstoffgehalt des Blutes der Nierenader (beim Hunde), verglichen mit dem der Carotis und der Nierenarterie gaben ( Wiss ) Die Veränderung der Blutzusammensetzung mit der Nahrung Nasse, Ueber den Einfluss der Nahrungsmittel auf das Blut. 1850. Poggiale, compt. rend. XXV. 110. Verdeil, Liebigs Annalen. 69. Bd. p. 89. — Thomson, London medical, Gazette. 1845. . Bei den Worten Vermehrung und Verminderung ist fortlaufend der prozentische Werth zu suppliren. Veränderung der Blutzusammensetzung mit der Nahrung. Der Faserstoffgehalt des Hundeblutes nimmt nach Fleischge- nuss in den ersten sieben Stunden eher ab als zu ( Andral, Nasse ). Nach anhaltender Fleischnahrung wird der Faserstoff beträchtlich ver- mehrt ( Lehmann, Nasse ), rein vegetabilische vermindert ihn ( Leh- mann ). Hungern soll nach Andral ihn vermehren, nach Nasse ver- mindern; der letztere Autor leitet den Widerspruch zwischen diesen Beobachtungen aus den häufigen (Faserstoffvermehrung bewirkenden) Aderlässen her, welche Andral an seinen Thieren behufs der Unter- suchung ausführte. Der Serumr ückstand (Eiweiss, Salze und Fett) nimmt einige Zeit nach der Anfüllung des Magens mit verdaulichen Stoffen zu. Nach an- haltender vegetabilischer Nahrung und besonders nach Zucker ist er höher, als nach ausschliesslicher Fleischnahrung. Durch Hunger vermin- dert. Nasse. Nach Fleischnahrung enthält das Serum den aus dem verdünnten Blut durch Essigsäure fällbaren Eiweissstoff in grösserer Menge ( Nasse ). Der Fettgehalt des Serums steigert sich vorzugsweise nach dem Genuss von Schweinefett, Knochenmark und Butter; weniger nach Oel, Seife, Talg. — Schliesst man aus der Trübung des Serums durch Fettpartikelchen (Serums-Rahm) auf vermehrten Fettgehalt, so beginnt die Vermehrung des Fettes eine halbe Stunde nach der fettreichen Mahl- zeit; nach 12 Stunden ist das Ansehen des Serums wieder zu seiner normalen Beschaffenheit zurückgekehrt. Zusatz von Mineralsäuren und kohlensaurem Natron verspätet, von phosphorsaurem Natron beschleunigt den Eintritt der Serumstrübung nach fettreicher Nahrung. — Das klare Serum kann aber auch fettreich sein; das Fett des trüben ist flüssiger und verseifbarer, als das des klaren Serums. Nach Genuss von Brod erscheint im Blute Traubenzucker; kurze Zeit nach dem Essen ist Zucker deutlicher nachweisbar, als sonst. ( Thomson ). Die Zahl der Lymphkörperchen nimmt bei hungernden Frö- schen im Verhältniss zu den rothen Blutkörperchen ab ( Wagner, Don- ders und Moleschott ); ebenso bei Kaninchen; bei Menschen steigert sich die Zahl nach der Mahlzeit und nimmt wenige Stunden nach der- selben beträchtlich ab ( Harting, Kolliker ). Der Wassergehalt des Gesammtbluts ist nach einer Fleischkost ge- ringer, als nach Brod- und Kartoffelnahrung. Im Mittel betrug der Wassergehalt nach Fleischdiät 78,4 pCt. und nach Pflanzenkost 79,2 pCt. — Entziehung jeglicher (fester und flüssiger) Nahrung vermindert in den ersten Tagen den Wassergehalt. Entziehung der festen Nahrung bei Wassergenuss vermehrt in den ersten Tagen den Wassergehalt, später aber vermindert er sich bei dieser Lebensweise ebenfalls ( Simon, H. Nasse ). — Vermehrung des Wassergenusses bei gleichbleibender Blut verschiedener Geschlechter und Lebensalter; Blutmenge. Menge fester Nahrungsstoffe ist ohne Einfluss auf den Wassergehalt des Blutes. Durch Vermehrung der festen Nahrungsbestandtheile soll der Wassergehalt des Bluts zu vermindern sein. — In den ersten acht bis neun Stunden nach der Mahlzeit soll der Wassergehalt im Abnehmen und dann wieder im Zunehmen begriffen sein (H. Nasse ). Nach Poggiale und Plouvier soll durch reichlichen Kochsalzgenuss der Wassergehalt bei den Wiederkäuern und dem Menschen abnehmen, eine Thatsache, welche Nasse für das Hundeblut ungültig fand. Der Fettgehalt des Gesammtbluts verhielt sich der Nahrung ent- sprechend folgendermassen beim Hunde: nach 4 tägigem Hungern 0,26 ; nach Brodnahrung 0,31 ; nach Fleisch 0,38 ; nach Schmalz und Stärke- mehl 0,41 (H. Nasse ). Diese Angaben findet Boussingault bei Vö- geln nicht bestätigt. — Nach Pflanzenkost ist das Blutfett fester und weisser, als nach Fettnahrung ( Nasse ). Das Kochsalz vermehrt sich nach Kochsalzgenuss; dieser Salzüber- schuss verschwindet bald wieder ( Poggiale, Nasse ); die Phosphor- säure ist reichlicher nach Fleischkost, als nach Pflanzennahrung ( Verdeil, Nasse ); Magnesia und Kalk mehr nach Pflanzen-, als nach Fleischkost. Durch Hunger werden der Kalk und die kohlensauren Alkalien nicht ge- ändert. — Der Salzgehalt im Ganzen ist bei der Fleischnahrung grösser als bei Pflanzennahrung. — Ueber relative Veränderungen des Salzge- haltes in der Asche siehe Verdeil l. c. Die Angaben von H. Nasse beziehen sich sämmtlich auf das Hundeblut; die Vorsichtsmassregeln, die bei den Untersuchungen über die Variation der Blutzusam- mensetzung mit der Nahrung zu nehmen sind, siehe bei diesem Schriftsteller. Die Veränderungen des Bluts nach Entziehung desselben sind hier noch nament- lich der Untersuchungsmethoden des Bluts wegen zu erwähnen. Es soll hierdurch der Wasser- und Faserstoffgehalt des Bluts vermehrt werden; die Verdünnung des Bluts soll namentlich so rasch vor sich gehen, dass schon die verschiedenen Portionen des- selben Aderlass-Bluts eine abweichende Zusammensetzung darbieten. ( Zimmer- mann, Nasse, Popp ). — Die Lymphkörperchen sollen sich im Verhältniss zu den farbigen Körperchen sehr vermehren ( Remak ) und die Zahl der farbigen ab- solut abnehmen. ( Vierordt ) Archiv f. physiol. Heilkunde. XIII. 259. . Blut verschiedener Geschlechter und Lebensalter. Das Blut im kindlichen Alter soll am reichsten, das im höhern Alter am ärmsten an festen Bestandtheilen sein. Das Blut der Frauen fand man im Allgemeinen reicher an Wasser und Fett und ärmer an löslichen Salzen, als das der Männer. In der Schwangerschaft soll das Blut faserstoff- und wasserreicher, dagegen eiweissarmer als gewöhnlich sein. Blutmenge. Die Menge des Bluts, welche ein Mensch enthält, muss voraussicht- Blutmenge. lich eine Funktion zahlreicher Umstände, z. B. des Körpergewichts, der Vollsaftigkeit u. s. w., sein. Wir sind nicht im Stande, auch nur für einen Fall eine sichere Angabe über die Blutmenge zu machen, geschweige, dass wir sie in ihrem Abhängigkeitsverhältniss zu den bezeichneten Um- ständen darstellen könnten. Bei direkten Beobachtungen an enthaupteten Menschen fand Ed. Weber und Lehmann Physiolog. Chemie. II. 259. die Blutmenge zu 1/8, nach einer Versuchsreihe an lebenden Hunden schätzt sie Valentin Physiologie. 2. Aufl. I. 494. — auf ¼ bis 1/5, Welker l. c. p. 63. dagegen nach einer Versuchsreihe an Kinder- und Säugethierleichen auf 1/12 bis 1/19 des Körpergewichts. Die Bestimmungsmethode von Valentin beruht auf folgender Betrachtung. Ge- setzt, es sei X die Menge des Rückstandes, welchen das gesammte eingetrocknete Blut eines Thieres hinterlassen würde, und Y das Wasser dieses Bluts, so würde Y + X die Blutmasse dieses Thieres darstellen. 100 Theile dieses Bluts würden ein- getrocknet hinterlassen . Das R der Gleichung (1) kann aber auf bekannte Weise empirisch bestimmt werden. Fügt man nun zu der Blutmasse X + Y ein bekanntes Gewicht destillirten Wassers a, so wird die in den Blutgefässen vor- handene Flüssigkeit jetzt = X + Y + a. u. R′ = . In dieser Gleichnng ist aber R′ abermals nach bekannten Regeln zu bestimmen und wir hätten somit X = und Y = . Um die Grösse R und R′ zu gewinnen, machte man dem zu untersuchenden Thiere einen kleinen Aderlass, injizirt darauf in die geöffnete Vene eine bekannte Gewichtsmenge destil- lirten Wassers und entzieht nach einiger Zeit abermals Blut. Dann bestimmt man durch Eintrocknen den Gehalt beider Blutarten an festen Bestandtheilen. — Valen- tin und Veit Observationum de sanguinis quantitate recensio. Halle 1848. führten eine Reihe solcher Untersuchungen an Hunden, Katzen, Schafen, Ziegen und Kaninchen aus. Da sich die Blutmengen der Hunde ziemlich übereinstimmend zu ¼ bis 1/5 des Körpergewichts berechneten, und da die Lebens- weise dieser Thiere unter allen untersuchbaren sich am meisten der des Menschen anschliesst, so glaubte sich Valentin berechtigt, das Verhältniss ihres Blut- und Körpergewichtes auf den Menschen übertragen zu dürfen, eine Annahme, die immer- hin etwas Willkührliches hat. — Abgesehen hiervon hat man aber der Methode auch noch 2 Einwürfe gemacht. Einmal glaubte man, dass das blutverdünnende Wasser in den Gefässen nicht zurückgehalten werde, sondern durch die Nieren, Speicheldrüsen, serösen Häute u. s. w. austrete. Dieser Vorwurf ist nicht so gegründet, wie er auf den ersten Blick erscheint; mindestens geht in der ersten halben Stunde nach der Was- sereinsprützung keine Steigerung jener Absonderungen und somit auch keine Steigerung der Conzentration des Blutes vor sich, selbst wenn das Blut bedeutend verdünnt worden war ( Veit, Kierulf. ) — Gewichtiger erscheint der zweite Einwand, dass nemlich die Mischung von Blut und Wasser nicht eine überall innige sei, weil das Blut in den verschiedenen Abtheilungen seiner Bahn von ungleicher Geschwindigkeit ist. Wir haben in der That schon gesehen, dass in den verschiedenen Gefässen Blut von ungleichen Rückstandsprozenten enthalten ist. Ueber die Einzelheiten der Aus- führung dieser Versuche siehe Veit. Blutbewegung; physikal. Einleitung. Ed. Weber liess die Verbrecher vor und nach der Enthauptung wägen. Der Unterschied gab das nach der Enthauptung entleerte Blut und zu gleicher Zeit be- stimmte er den prozentigen Werth des festen Rückstandes in dem ausgeflossenen Blut. Ausserdem aber sprützte er so lange in die Arterien des Kopfs und Rumpfs Wasser, als aus den Venen noch eine rothgefärbte Flüssigkeit drang. Diese Flüs- sigkeit verdampfte er zur Trockne und wog ihren Rückstand. Aus dem Gewicht dieses letztern und dem bekannten Gehalt des Bluts an festen Bestandtheilen konnte berechnet werden, wie viel Blut durch das eingesprützte Wasser ausgespült war. H. Welker benutzte zu seinen Bestimmungen die Färbekraft des Blutes; nach- dem er sich eine Probe des normalen Bluts von dem zu untersuchenden Thiere zu- rückgestellt, sprützt er in die Gefässe desselben so lange lauwarmes Wasser, bis aus denselben die Flüssigkeit vollkommen farblos hervordringt und presst endlich die Organe, in welche etwa Blut aus den Gefässen gedrungen ist, sodass es durch das Wasser nicht ausgespült werden konnte, mit Wasser durch. Nachdem er diese roth- gefärbten Flüssigkeiten vereinigt hat, misst er ihr Volum und verdünnt nun die zu- rückgehaltene Blutprobe so lange mit Wasser, bis sie genau die Tinte der Auswasch- flüssigkeit hat. In dieser letzteren wird nun dasselbe Verhältniss zwischen Wasser und Blut bestehen, das sich in der verdünnten Blutprobe und zwar als ein bekann- tes findet; es wird sich somit durch einen Proportionssatz die Blutmenge, welche aus- gewaschen ist, finden lassen. Wir müssen erwarten, ob sich dieses Verfahren auch auf grössere Säugethiere anwenden lässt; wenn möglich, so dürfte es ein schätzbares Hilfsmittel abgeben. Andere Methoden zur Ermittelung des Blutgehaltes sind entweder sichtlich un- vollkommen, oder sie führen zu etwas ganz anderem, als beabsichtigt. — Dahin gehört die Wägung einer erstarrenden Masse, welche in das Gefässsystem eingesprützt ist; man erhält hieraus begreiflich nur eine Aussage über die Räumlichkeit der Gefässe bei einer bestimmten Spannung der Wände. Blutbewegung. Physikalische Einleitung. Mechanische Anordnung der Flüssigkeit. Die Flüssigkeit ist dem Frühern nach bekannt, als eine Zusammensetzung kleinster Theilchen, die durch massenfreie Zwischenräume von einander getrennt waren; diese kleinsten Theilchen standen unter dem Einflusse anziehender und abstossender Kräfte, welche den Grad der Näherung und Entfernung, mit andern Worten den Durchmesser des Zwischen- raums bestimmten. Einem jeglichen bestimmten Verhältniss dieser anziehenden und abstossenden Kräfte entspricht nun ein bestimmter Abstand, so dass mit der einsei- tigen Steigerung der anziehenden oder der in diesem Sinne wirkenden die Flüs- sigkeit dichter, und mit derjenigen der abstossenden weniger dicht wurde, wäh- rend dieselbe Dichtigkeit der Masse, oder derselbe Abstand der Molekeln bestehen kann, bei einem sehr verschiedenen absoluten Werth der Kräfte; denn es muss die Flüssigkeit denselben Raum behaupten, wenn in dem Maasse ihre Temperatur und damit das Ausdehnungsbestreben gesteigert wird, in dem ein sie zusammenpressen- der Druck zunimmt. Da nun die Abstände, in welchen sich die Molekeln von einander befinden, in jedem Falle fest bestimmt sind durch die wirksamen Kräfte; da sie gleichsam aus- Frankenheim, Die Cohäsion. 1835. — Krystallisation und Amorphie. Breslan, ohne Jahrzahl (1851). — Dove, Repertorium. I. Bd. 85. 98. 112 u. f., ibid. VII. Bd. — Berliner Berichte. II. Jahrg. p. 14 u. f. — Poisson, equations génerales de l’équilibre et du mouvement etc. Jour- nal de l’ecole polylechnique. 20, Heft, — P, du Bois, Untersuchungen über die Flüssigkeiten, Berlin 1854. Mechanische Anordnung der Flüssigkeit. einander gehalten werden, so ist es erlaubt, als Grund ihrer Stellung eine Spannung zu setzen, ohne weiter darauf einzugehen, woher diese Spannung rührt. Diese Ausdrucksweise führt nun auf natürlichem Wege zu einigen andern Bezeichnungen, nemlich zu der der natürlichen Spannung (des Ruhezustandes der Normalspannung) und zu der der erhöhten oder erniedrigten Spannung (Pressung, Druck, Ausdehnung). Diese Eintheilung der Spannungen bezieht man auf zweierlei Dinge: einmal darauf, ob die Mittel, welche die Spannung bedingen, auch ohne unser Zuthun wirksam sind, ob also z. B. die inneren Zustände einer Flüssigkeit nur durch ihr Gewicht, ihre latente Wärme, die Lufttemperatur u. s. w. bestimmt werden, oder ob wir sie noch durch andere Mittel zusammenpressen oder ausdehnen; dann aber versteht man unter Normalspannung einen ganz bestimmten Werth der Spannung, wie z. B. den, welchen das Wasser bei einer Temperatur von 0° oder 4°, bei einem ganz bestimm- ten Barometerstand u. s. w. besitzt. In diesem Falle muss natürlich jedesmal ange- geben werden, welche Bedingungen es sind, die die Normalspannung bestimmen. Der absolute Werth der Wege, welchen die Molekeln der Flüssigkeit bei einer Veränderung ihrer Spannungen vornehmen, sind nur, wie wir aus der Beobachtung sehen, unter allen Umständen sehr gering, denn das Wasser ist z. B. selbst durch bedeutenden Druck wenig compressibel und durch die steigende Wärme wenig aus- dehnbar. Die Kräfte, welche zwischen den Molekeln wirksam sind, weisen diesen inner- halb der Masse wohl einen bestimmten Abstand, keineswegs aber einen bestimmten Ort an; sie erlauben jedem einzelnen Theilchen noch beliebig viele Stellungen ge- gen seine Nachbarn einzunehmen, vorausgesetzt nur, dass diese in der Entfernung liegen, welche der jeweiligen Spannung der Flüssigkeit entspricht; mit andern Wor- ten, die flüssigen Molekeln sind aneinander verschiebbar; in der innigsten Beziehung zu dieser Eigenschaft steht die andere, dass die Ausdehnbarkeit und Compressibilität der Flüssigkeit nach allen Richtungen hin gleich gross ist. Diese Erscheinuugen be- deuten nun offenbar nichts anderes, als dass das Molekel innerhalb der Flüssigkeit nach allen Richtungen hin gleich stark angezogen und abgestossen wird, so dass es aller Orten sich in der Gleichgewichtslage findet. — Diese allseitig gleiche Wirkung der flüssigen Theilchen (und somit auch ihre Verschiebbarkeit) ist jedoch weder eine vollkommene, noch eine unter allen Umständen gleiche. Denn in der That bestrebt sich das Molekel, in vielen Fällen die einmal eingenommene Stellung zu behaupten, ein Umstand, welcher sich durch die Zähigkeit oder Klebrigkeit der Flüssigkeiten ausdrückt. Diese Klebrigkeit wechselt aber erfahrungsgemäss nicht allein mit der Temperatur, sondern auch mit der Zusammensetzung der Flüssigkeit; namentlich aber kann die Zähigkeit ein und desselben flüssigen Stoffes durch Zusatz löslicher fester Körper sehr erhöht werden, wie insbesondere die des Wassers durch Auflösung von Zucker, Eiweiss, Schleimstoff, Seifen u. s. w. Diese Verschiebbarkeit, wäre sie auch noch so vollkommen, schliesst jedoch die Cohäsion der flüssigen Molekeln nicht aus, sondern lässt sie sogar unserer Entwicke- lung nach als nothwendig erscheinen. Ihr entsprechend konnte zwar das Molekel beliebig viele Stellungen zu seinen Nachbarn annehmen, jedoch mit der Beschränkung, dass es in direkter Linie ihnen weder näher, noch entfernter treten konnte, wo- fern die spannenden Kräfte unverändert bleiben. Diese Cohäsion zeigt sich nun auch deutlich genug an den Flüssigkeiten. Von allen Erscheinungen, durch welche sie bewiesen wird, sind am geläufigsten die der Capillarität. Bei diesen erhebt sich eine flüssige Säule über das Niveau der übrigen Flüssigkeit der Schwere entgegen; es hängt also an der obersten Schicht der emporgehobenen Flüssigkeit, ein langer Cylinder derselben, der durch seine Schwere von den an der Röhrenwand haftenden Partikeln abgezogen wird; wäre also keine Cohäsion vorhanden, so müsste die Flüs- Wirkungen eines Stosses oder Zuges auf eine Flüssigkeit. sigkeitssäule zerreissen. — Mit diesen Angaben steht es nur scheinbar im Wider- spruch, dass ein in der Luft freischwebender Wasserfaden so leicht zerreisst und sich in einzelne Tropfen auflöst, ohne dass irgend welche merkliche zerreissende Kraft vorhanden gewesen. Es kann hier nur erwähnt werden, dass eine genauere analytische Betrachtung diesen Widerspruch vollkommen hebt, indem sie die Er- scheinung gerade als eine Folge der nach allen Seiten gleichen Anziehung darstellt. Die Cohäsion der Flüssigkeit ist bekanntlich ebenfalls ihrem Werth nach va- riabel und insbesondere wechselt sie mit der Temperatur. — Wirkungen eines Stosses oder Zuges auf eine Flüssigkeit . Ein Stoss (Zug), der auf eine Flüssigkeit trifft, kann ebensowohl ihre Spannung verän- dern, als er sie auch zu bewegen vermag. Ein und derselbe Stoss bewirkt das eine oder andere, je nachdem die Flüssigkeit in der Richtung des Stosses, der mangelnden oder vorhandenen Widerstände wegen, frei ausweichen kann oder nicht. Der Grund für diese Erfahrung ergiebt sich sogleich, wenn man z. B. die Erschei- Fig. 2. nungen zergliedert, die in einer beliebigen Molekelreihe 1 2 3 (Fig. 2) eintreten, nachdem man auf 1 in der Richtung des Pfeils einen Stoss hat geschehen lassen. Die bewegende Kraft des Stosses wird zunächst das Molekel 1 nach 2 hintreiben und zwar so lange, bis die zwischen 1 und 2 vermöge der An- näherung sich entwickelnden Spannungen gerade gross genug sind, um den bewegenden Kräften, welche dem Molekel mitgetheilt wurden, das Gleichgewicht zu halten. In diesem Augenblick werden die Spannkräfte zwischen 1 und 2 grösser als zwischen 2 und 3 sein, so dass, wenn nun 2 von 1 gestossen wird, dieses sich nach 3 hin bewegen muss und zwar so lange, bis die Abstossung zwischen 1 und 2 denselben Werth beträgt, wie zwischen 2 und 3; darauf wird sich 3 von 2 entfernen; gesetzt, es träte diesem Bestreben kein Hinderniss entgegen, so würde nun 3 in dem Raume fortschreiten, wobei es wegen der Cohäsion mit 1 und 2 diese beiden Molekeln in derselben Geschwindigkeit mit sich ziehen würde, die es selbst besitzt. Setzen wir nun voraus, dass 3 gar keinen Widerstand fände, so würde es offenbar schon in Bewegung gekommen sein, als 2 auch nur im Begriff war, sich ihm zu nähern, mit andern Worten, es wäre niemals zu einer erhöhten Spannung zwischen 2 und 3 gekommen, und somit auch keine Spannung zwischen 1 und 2 eingetreten, da ja dann ebenfalls 2 in jedem Augenblicke, in welchem sich 1 ihm näherte, hätte ausweichen können. Diese Auseinandersetzung zeigt mithin, dass die ganze bewegende Kraft des Stosses zur Bewegung der Flüssigkeit verwen- det wird, wenn ihre Grenzflächen keinen Widerstand erfahren. Geschieht dieses dagegen, und namentlich in einem solchen Grade, dass dadurch jede Bewegung irgend einer Grenzschicht der Flüssigkeit unmöglich gemacht wird, so wird die ganze Stosskraft dazu verbraucht werden, um die Spannung zwischen den Molekeln zu mehren, wie dieses aus einer der vorigen ähnlichen Zergliederung hervorgeht. — Eine weitere Folgerung aus dem Satze, dass derselbe Stoss, ganz unabhängig von den ihm zukommenden Eigenschaften, die ganzen Werthe seiner bewegenden Kräfte bald zur Erzeugung einer Spannung, und bald zur Erzeugung von Geschwin- digkeit verwendet, ist nun offenbar diejenige, dass er mit einem Theile seines Ge- sammtwerthes eine Bewegung, mit einem andern Theile aber Spannung der Flüssig- keit herbeiführen könne. Dieser Fall wird, wie man sogleich übersieht, eintreten, wenn das Molekel 3, bevor es in Bewegung kommen kann, noch einen Widerstand zu überwinden hat, der nicht stark genug ist, um der ganzen bewegenden Kraft des Stosses das Gleichgewicht zu halten; es braucht kaum bemerkt zu werden, dass jedes- mal, wenn dieses eintritt, die Summe der Kräfte, welche zur Bewegung und zur Gemeinsames Maass der Spannung und Geschwindigkeit Spannung verwendet werden, gleich sei der bewegenden Kraft, welche der Stoss an die Flüssigkeit abgegeben hatte. — Deutlich ist es endlich, dass ein der Flüssigkeit mitgetheilter Spannungszustand sich in eine Bewegung desselben umsetzen wird, wenn der Widerstand, der diese letztere hemmt, sich entfernt, und ebenso ist es natürlich, dass sich die Span- nung mehrt, wenn sich in eine bewegte Flüssigkeit plötzlich ein Widerstand ein- schiebt, der die Bewegung hemmt. Es bedarf kaum der Bemerkung, dass auch hier die Regel giltig sei, dass gerade so viel an bewegenden Kräften verloren geht, als an Spannkräften gewonnen wird, und umgekehrt. Nennen wir also die dem Mo- lekel zukommenden bewegenden Kräfte p, so würden diese immer gleich einer Summe = s + g sein, voransgesetzt , dass wir mit s die zur Spannung, mit g aber die zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendeten Kräfte bezeichnen. Daraus ergiebt sich, wie schon gefolgert ist, dass, wenn p unveränderlich bleibt, mit dem wachsenden s das g, oder umgekehrt, mit dem wachsenden g das s abnehmen muss. Dieser Zusammenhang macht es nothwendig, ein Maass aufzustellen, an welchem Spannung und Geschwindigkeit gemeinsam gemessen werden können. Die Hydrauli- ker sind übereingekommen, hierzu die senkrechte Höhe einer Flüssigkeit von bekann- tem spez. Gewicht, z. B. des Wassers, Quecksilbers u. s. w. zu wählen. Dieses ist aber erlaubt, weil die einmal zu Stande gekommene Spannung oder Geschwindig- keit sich nicht unterscheidet, je nach der Art, wie sie erzeugt wurde, und sie somit ihrer Grösse nach immer verglichen werden kann mit derjenigen, welche durch die Schwere einer drückenden Wassersäule hervorgebracht wird. Man setzt also in Ge- danken jede andere Wirkung in die einer drückenden Flüssigkeitssäule, in eine sog. Druckhöhe um. Die gesammte Höhe zerlegt man dann für eine strömende Flüs- sigkeit, deren Molekeln sich in einer Spannung befinden, in eine Geschwindigkeits- und in eine Spannungs- (oder Widerstands-) Höhe; dieses will also bedeuten, dass von der gesammten Höhe H ein Theil (w) verbraucht wird um die Spannung und ein anderer Theil (h) die bestehende Geschwindigkeit zu erzeugen. Es bleibt nach dieser Uebereinkunft zu ermitteln, wie sich w und h zu H verhalten. Die Spannung einer Flüssigkeitsschicht wächst nun geradezu mit der Summe der senkrecht über ihr lie- genden Massentheilchen; sie wird also geradezu durch eine senkrechte Flüssigkeits- säule ausgedrückt. Die Geschwindigkeit einer Flüssigkeitsschicht wächst wie die Quadratwurzel der auf ihr in senkrechter Richtung aufgelagerten Massentheilchen, und mit der beschleunigenden Kraft, welche die Schwere in der Zeiteinheit ausübt. Nennen wir diese letztere für eine Sekunde g, so wird für die Höhe h die Ge- schwindigkeit sein. Wäre also der Raum, welchen eine Flüssigkeits- schicht in der Zeiteinheit durchläuft, oder, was dasselbe bedeutet, die Geschwindig- keit v bekannt und zugleich auch die Beschleunigung der Schwere g, und wären beide Werthe in einem Längenmasse ausgedrückt, so würde auch die zur Erzeugung dieser Geschwindigkeit nöthige Flüssigkeitssäule h gefundensein; denn wenn ist, so wird sein. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wird nun zu untersuchen sein, wie sich die ruhenden und die bewegten Flüssigkeiten im Besondern verhalten. Fortpflanzung der Spannung in einer ruhenden Flüssigkeit nach Richtung und Stärke. Zu den die Flüssigkeit bezeichnenden Eigenschaften ge- hört es, nach allen Richtungen hin der Ausdehnung und Zusammenpressung gleichen Widerstand entgegenzusetzen, und ferner, dass der Widerstand, den sie entgegen- setzt, wächst mit der Verminderung ihres Volums. Daraus schliessen wir, dass sich die Molekeln nach allen Richtungen hin mit gleicher Kraft abstossen, und dass sie Fortpflanzung der Spannung in einer ruhenden Flüssigkeit. somit auch innerhalb der Flüssigkeiten an allen den Orten in gleichen Abständen stehen, an welchen ihre Spannung dieselbe ist. Hiernach ist nun zuerst zu erörtern, wie sich in einer ruhenden, sich selbst überlassenen Flüssigkeit die Spannung verhalten mag. Da alle uns bekannte Flüssig- keiten Molekeln enthalten, welche mit Schwere begabt sind, so folgt die von der Er- fahrung bestätigte Thatsache, dass eine Flüssigkeitsschicht von endlicher Höhe, in der mehre Molekelreihen übereinander liegen, eine von oben nach unten hin zu- Fig. 3. nehmende Spannung besitzen muss. Betrachten wir (Fig. 3) wieder die übereinander geschichteten Molekeln 1 2 3, so wird sich 1, vermöge seiner Schwere, abgesehen von der Anziehung, die zwischen 1 und 2 besteht, 2 nähern und einem Theil der zwischen 1 und 2 wirksamen Ab- stossung das Gleichgewicht halten; 2, welches nun 1 trägt, wird also jetzt mit einem Drucke, der der Summe der Schwere von 1 und 2 gleichkommt, auf 3 lasten, d. h. 2 wird einem doppelt so grossen An- theil der abstossenden Kräfte, die zwischen 2 und 3 bestehen, das Gleichgewicht halten, als 1 u. s. w. — Da nun die Flüssigkeiten, und namentlich das für uns besonders wichtige Wasser, ausserordentlich wenig zusammendrückbar sind, so darf man, wenn die Drücke nicht allzu beträchtlich sind, die in der Flüs- sigkeit vor sich gehende Verdichtung vernachlässigen, mit andern Worten, man darf unterstellen, dass in Wasserschichten von gleicher Höhe gleichviel Molekeln über- einander liegen, welchem Drucke sie auch unterworfen sind. Eine Zusammenhaltung dieser und der vorhergehenden Betrachtung liefert nun aber den Schluss, dass inner- halb einer gleichartigen Flüssigkeitssäule die Spannung in dem Maasse zunimmt, wie der senkrechte Abstand der in das Auge gefassten Flüssigkeitsschicht von dem obern Spiegel wächst. Wenn nun aber auf eine, rings von unnachgiebigen Wänden umschlossene Flüs- sigkeit ausser der Schwere noch ein Druck wirkt, so pflanzt sich dieser nach allen Richtungen innerhalb der Flüssigkeit mit gleicher Stärke fort, mit andern Worten, die Spannung, welche derselbe zwischen zwei benachbarten Molekeln erzeugt, ist innerhalb der Flüssigkeit überall dieselbe, gleichgültig wo und in welcher Richtung gegen den Druck auch die Molekeln gelegen sein mögen. Um diesen Satz, den man gewöhnlich als einen durch die Erfahrung gewonnenen Grundsatz hinstellt, in seiner Nothwendigkeit einzusehen, kann man verschiedene Wege einschlagen; entweder nemlich theilt man von vornherein den Molekeln in der Flüssigkeit eine bestimmte An- ordnung zu, oder man sieht von einer solchen ab und nimmt auf die leichte Be- weglichkeit derselben aneinander Rücksicht. Wir werden nur eine von beiden Anschauungsweisen hier vorführen, da man es immerhin noch für sehr gewagt halten muss, auf die denn doch in der That unbekannte Anordnung der Molekeln Fig. 4. die theoretische Darstellung des erwähnten Ertahrungssatzes zu gründen. Somit scheint vorerst die andere Ableitung die vorzüglichere, welche sich auf die erwiesenermaassen bestehende Verschiebbarkeit der Molekeln stützt. Mögen nem- lich die Molekeln in irgend welcher Weise angeordnet sein, jedenfalls lassen sie sich durch gerade Linien verbinden, von denen eine oder die andere in der Richtung des Druckes liegen muss. Denken wir uns nun, Fig. 4. sei eine Flüs- sigkeitsmasse, auf die bei 1 ein Druck in der Richtung des Pfeils wirkt, so werden die Glieder der Reihe 1 2 3 in die- ser Richtung zunächst eine grössere Spannung empfangen, als in jeder andern 4,1,7; 5,2,8; 6,3,9. Da sie somit nach den zuletzt bezeichneten Richtungen hin einen geringen Spannkraft und Summe der Spannkräfte; allgem. Maass derselben. Widerhalt erfahren, so wird die geringste Erschütterung hinreichen, wie sie denn doch schon mit jeden Druck verbunden sein muss, um die Molekeln 1, 2, 3, aus der gepressten Lage nach der Seite hin herauszuschleudern, so dass sich dann die Spannung in einer auf den Druck senkrechten Richtung fortpflanzt. Nachdem wir gesehen, dass sich eine Spannung, die zwischen zwei benachbar- ten Molekeln durch irgend welchen Druck eingeführt wurde, sich nicht allein in der Richtung des Drucks, sondern auch nach allen möglichen andern fortpflanzt, kehren wir noch einmal zurück zu derjenigen Spannung, welche in einer Flüssigkeit durch die Schwere der sie zusammensetzenden Molekeln erzeugt wurde, um noch die Be- merkung hinzuzufügen, dass alle in einer beliebigen Horizontalebene einer flüssigen Masse liegenden Molekeln in der horizontalen Richtung dieselben Spannkräfte be- sitzen, welche ihnen in der vertikalen zukommt. Da nun diese letztern nur abhän- gig waren von dem senkrechten Abstand, in dem sie unter dem Wasserspiegel la- gen, so folgt daraus, dass, wenn nur die Höhe einer Wassersäule unveränderlich bleibt, die Ausdehnung und Gestalt ihrer Horizontalschnitte beliebig wechselvoll sein kann, ohne dass sich damit die Spannung zwischen den Molekeln verändert. Spannkraft und Summe der Spannkräfte; Allgemeines Maass derselben. Dieser Umstand nöthigt uns den Begriff Spannung noch genauer zu bezeichnen, indem wir Stärke oder Intensität der Spannung (die Spannkräfte der Flächeneinheit) sondern von der Summe der Spannkräfte (Spannkräfte in der Summe der Flächeneinheiten). Die erste dieser Beziehungen weist auf die Stärke der Spannkraft hin, welche zwischen den Molekeln einer Flüssigkeit bestehet, abgese- hen davon, wie gross die Anzahl der in dieser Spannung befindlichen Molekeln sei. Als Maassstab für dieselbe, mag sie erzeugt sein durch immer welchen Druck, haben wir nach früherer Uebereinkunft schon die Höhe einer Flüssigkeitssäule von bekann- tem spezifischen Gewicht angesehen, welche nothwendig ist, um die gerade vorhan- dene Spannung zu erzeugen, oder anders ausgedrückt, diejenige Flüssigkeitssäule, welche den vorhandenen Spannkräften das Gleichgewicht zu halten im Stande ist. Die Summe der Spannkräfte nimmt dagegen neben der zwischen den einzelnen Molekeln bestehenden Spannung auch noch Rücksicht auf die Anzahl der gespannten Molekeln; indem sie das Produkt aus beiden Werthen darstellt. Im Gegensatz zur Intensität der Spannkräfte wechselt also, wenn auch die Druckhöhe unverändert bleibt, die Gesammtspannung mit der Ausdehnung, welche die Fläche gleicher Spannung er- fährt, oder sachlicher ausgedrückt, bei unveränderlicher Höhe einer Flüssigkeitssäule mit dem Wechsel ihres horizontalen Querschnitts. Fig. 5. Fig. 6. Aus den bis hieher gewonnenen Erfahrungen und theoretischen Ableitungen lässt sich also erkennen, dass man mit ein und derselben Flüssigkeitsmasse ganz verschiedene Spannungssummen erzeugen kann, je nach der Anordnung, die man jener giebt. Den- ken wir uns u. A. zwei Molekelreihen, oder wenn man lieber will, zwei ausserordentlich dünne Wasser- schichten, einmal so angeordnet (Fig. 5.), dass jedes- mal nur zwei Molekeln übereinander liegen, so wird wenn h dem Gewicht eines Molekels entspricht, 2 h multiplizirt mit der Ausdehnung der Grundfläche A, die Gesammtspannung = 2 A h in dieser Grundfläche geben; wenn man nun aber eine der beiden Mole- kelreihen senkrecht aufrichtet (Fig. 6.), so wird die Spannung in der untersten Schicht jetzt dem Ge- wicht von 3 Molekeln = 3 h entsprechen; da aber Ludwig, Physiologie. II. 3 Verhalten einer strömenden Flüssigkeit. die Grundfläche unverändert blieb, somit übertrifft jetzt das die Gesammtspannung in ihr ausdrückende Produkt die frühere. Verhalten einer strömenden Flüssigkeit. 1. Die Uebertragung der lebendigen Kräfte innerhalb einer strömenden Flüssig- keit muss den allgemeinen Regeln der Mechanik unterworfen sein; die einmal empfan- gene Geschwindigkeit verbleibt somit einem Flüssigkeitstheil unverändert, so lange er sie nicht anderswohin überträgt. Geschieht dieses aber, so wird auch hierbei die bewegende Kraft (das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit) unverändert erhalten. Von den unzähligen Ableitungen, welche hieraus möglich sind, heben wir zuerst die hervor, dass ein Strom, der durch eine Röhre von wechselndem Durchmesser Fig. 7. fliesst (Fig. 7. und 8.), in allen engern Ab- schnitten rascher strö- men muss, als in einem weitern; und es muss, genauer ausgedrückt, die Geschwindigkeit, Fig. 8. welche an verschiedenen Orten der Röhre besteht, sich umgekehrt verhalten, wie der in ihnen vorhan- dene Querschnitt. Ueberträfe also der quadratische Inhalt des Querschnitts von B den von A um das 4fache, so würde sich die Geschwindigkeit des durch A und B gehenden Stroms wie 4 : 1 verhalten, und insbesondere würde diese Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Querschnitt un- abhängig sein von der Form dieses letztern und namentlich auch davon, ob das weitere Stück getheilt, wie in Fig. 8, oder ungetheilt, wie in Fig. 7. verläuft. — Der Zu- sammenhang, der zwischen dem allgemeinen Gesetz der Kraftübertragung und un- serem Strömungshergang besteht, ist einleuchtend; damit aber auch das behauptete Verhältniss der Geschwindigkeiten, wenn man die Vorstellung annimmt, dass in der Röhre der Strom dadurch bestehe, dass sich in der Masse die bewegenden Kräfte von Querschnitt zu Querschnitt fortpflanzten. — Nun liegt aber dieser Annahme die unwahrscheinliche Fiction unter, dass die auf einem Querschnitt vorhandene Flüssig- keit wie eine zusammenhängende Scheibe zu betrachten sei. Um unsern Beweis da- für zu verallgemeineren, ist er auch unter der Voraussetzung zu führen, dass sich in- nerhalb gewisser Grenzen in der strömenden Flüssigkeit jedes Molekel für sich be- wege, wie dieses in einem Sandwurfe der Fall ist. Nehmen wir nun an, es sei das in Fig. 7. dargestellte Rohr mit Wasser gefüllt, und es werde ein Strom bei A in der Richtung nach B erregt, so dass die Strömung überall mit der Wand gleichläufig sei, so würde der Strom unter der Annahme leicht aneinander beweglicher Flüssigkeitstheil- chen innerhalb der Röhre B ungefähr so weiter laufen, wie in der Fig. 7. durch b b b b angedeutet ist. Mit andern Worten, es würde der aus A und B eintretende Strom hier die Gestalt behalten, welche er in A besass, so dass die Flüssigkeit eines jeden Querschnitts von B sich in eine ruhende und in eine bewegte scheide. Da nun aber die bewegte nach Geschwindigkeit und Masse dieselbe wie in A ist, so sind, wie behauptet wurde, auch die bewegenden Kräfte gleich, welche zu derselben Zeit auf einen beliebigen Querschnitt von A und B wirksam sind. — Nächstdem machen wir darauf aufmerksam, dass in zwei communizirenden, auf- rechtstehenden Röhrenschenkeln, welche Flüssigkeit enthalten, die Spiegel derselben nicht wie in der ruhenden Flüssigkeit denselben senkrechten Abstand vom Boden ha- ben müssen, vorausgesetzt, dass der Röhreninhalt in Bewegung gesetzt wird. — Diese Erscheinung gewinnt unter folgenden Bedingungen etwas Ueberraschendes. Ge- Gekrümmte Strombahn. setzt, wir hätten ein Gefäss von der Form des Beistehenden (Fig. 9.), in welchem Fig. 9. der Röhrenschenkel A den von B an Weite beträchtlich über- trifft; an der Verbindungsstelle von A und B soll ein Hahn mit einer weiten Oeffnung angebracht sein, durch den die beiden Schenkel verbunden und abgeschlossen werden kön- nen. Füllen wir nun bei geschlossenem Hahn die Röhre A mit Wasser, während B leer bleibt, und öffnen wir dann ganz plötzlich den Hahn, so wird die Flüssigkeit beim ersten Aufsteigen im B beträchtlich über den Punkt hinausgehen, den sie erreicht, wenn sich mit eingetretener Ruhe die bei- den Säulen in das Gleichgewicht gesetzt haben; dieses ist aber nicht der Fall, wenn der Hahn sehr allmählig geöffnet wird. Füllt man dagegen B zuerst und allein mit Flüssig- keit, so wird dieselbe nach raschem Oeffnen des Hahns in A nur um ein Geringes den Gleichgewichtspunkt übersteigen, dagegen in B beträchtlich unter ihn sinken. Da auf diesem Prinzip auch der oft erläuterte hydraulische Widder ruht, so ver- weisen wir zur weitern Unterrichtung auf die physikalischen Lehrbücher J. Müller, Lehrbueh d. Physik. I. Bd. 4. Aufl. 273. . 2. Ein Strom, der einmal in den Beharrungszustand gelangt ist und der im luft leeren Raume, ohne also von irgend welcher Wandung begrenzt zu sein, verlaufen würde, könnte allerdings durch Uebertragung an körperliche Massen keinen Verlust an lebendiger Kraft erleiden, aber es würde je nach der Form, die den Stromlauf annimmt, zu einer Umsetzung von Geschwindigkeit in Spannung, und durch innere Reibung auch zu einem Verlust an Kräften überhaupt kommen. — Dieser eben an- gedeutete Fall tritt u. A. ein, wenn der Strom, wie in Fig. 10., eine Kreisbahn be- Fig. 10. schreibt. In einem solchen Strom müssen, der Fliehkraft wegen, alle Theilchen, welche auf den Abtheilungen des Querschnitts laufen, die dem Mittelpunkt zugewendet sind, eine grössere Geschwindigkeit haben, als diejenigen, welche sich auf der entgegengesetzten Seite befinden Deschwanden, Ueber die in den Beharrungszustand gelangte Bewegung der Flüssigkeiten. Zürich 1848. . Denn da bekanntlich die Fliehkraft den Theilchen an allen Orten ihrer Bahn eine Geschwindigkeit von dem Mittel- punkt nach dem Umfang des Kreises mittheilt, so werden sie alle gegen den Kreisumfang dräcken, und damit muss ein in der Richtung von M nach u steigender Druck ent- stehen, der die Strömung der Flüssigkeit um so mehr hem- men wird, je mehr sie nach u hin gelegen ist. Hätten also alle Theilchen des Stroms bei ihrem Eintritt in A auch gleiche Geschwindigkeit be- sessen, so würde dieselbe doch bald ungleich geworden sein, woraus, wie gleich des weitern zu erwähnen, auch ein Kraftverlust entstanden sein würde. 3. Hagen, Poggendorfs Annalen XLVI. 423. — Poiseuille, ibid. LVIII. 424. — Derselbe Annal. de chim. et physiq. 3. Ser. VIII. 50. — Volkmann, Haemodynamik. p. 50. — Ausser- dem siehe d. Lehrbücher d. Hydranlik v. Gerstner, Eytelwin, d’Aubuisson, Weiss bach u. s. w. Ein Strom, der von Wandungen umschlossen verläuft, erleidet unter allen Umständen einen Verlust an Kräften und zugleich setzen sich lebendige in Spann- kräfte um. a. Der Verlust kann geschehen durch Stösse, die gegen die Wand erfolgen, durch Reibung der Flüssigkeit an der Wand und der Flüssigkeit gegen sich selbst. — Die Stösse, welche die Flüssigkeit gegen die Wand ausübt, werden, alles übrige gleich, einen um so grösseren Verlust an Kräften erzeugen, je heftiger und je häu- 3* Strömung innerhalb einer festen Umgrenzung. figer sie erfolgen (je zahlreicher die getroffenen Unebenheiten der Wand sind, um so senkrechter sie der Stromrichtung entgegentreten, je grösser die Geschwindigkeit des Stroms) und je leichter die Umgrenzung im Stande ist, die auf sie übertragenen Erschütterungen weiter zu verpflanzen, d. h. um so unelastischer um so leichter beweglich und um so ausgedehnter ihre Berührung ist mit andern beweglichen Theilen. — Die Reibung raubt den wägbaren Stoffen bekanntlich dadurch leben- dige Kräfte, dass sie die diesen zukommende Bewegung auf den Aether überträgt, mit andern Worten, dadurch, dass sie Wärme erzeugt. Der Verlust an lebendigen Kräften, den die Reibung herbeiführt, steigt darum nach den Versuchen von Joule in dem Maasse, in dem die erzeugte Wärme zunimmt. Erfahrungsgemäss ist bei der Berührung von Flüssigkeit und festen Körpern die Wärmeerzeugung aber abhängig von der Kraft ihres Zusammenstosses von der chemischen Beschaffenheit der in Berührung gebrachten Stoffe und von ihrer Temperatur. — Die Reibung einzelner Parthien der Flüssigkeit aneinander ist natürlich nur dann möglich, wenn ihre Geschwindigkeiten verschieden sind, so dass die rascheren an den langsameren vorbeistreichen und sich von ihnen los- reissen müssen. Somit wird hier der Kraftverlust steigen mit den Unterschieden in der Geschwindigkeit der nebeneinander strömenden Schichten, dann aber abhängen von der chem. Zusammensetzung und der Temperatur, insofern nemlich dadurch die Klebrigkeit der Flüssigkeit bedingt ist. b. Die allgemeine Bedingung für die Umsetzung der lebendigen in Spann- kräfte (der Geschwindigkeit in Spannung) findet sich ein, wenn von zwei hinter- einander folgenden Flüssigkeitsschichten die hintere in Abwesenheit der vordern ra- scher strömen würde, als es ihr bei der Gegenwart derselben möglich ist. Der Antheil von der Gesammtkraft der strömenden Schichten, welcher sich nicht als Geschwindigkeit erweisen kann, wird nun als Spannung auftreten. Daraus folgt all- gemein, dass sich der ganze Kraftverlust, den die am meisten vorgeschrittenen Ab- schnitte eines Stroms aus irgend welchem Grund erlitten haben, sich in den am we- nigsten vorgeschrittenen als Spannung geltend macht, vorausgesetzt, dass der Werth der lebendigen Kräfte, welche die strömenden Theilchen besassen, der gleiche war. 4. Vertheilung der Geschwindigkeiten. Auf den verschiedenen Orten eines je- den beliebigen Schnitts, welcher senkrecht geführt wird gegen einen von Wän- den begränzten Strom, ist die Geschwindigkeit verschieden. Der Grund hierfür liegt in der ungleichen Hemmung, welche die flüssigen Schichten des Schnitts erfahren und in der Leichtbeweglichkeit der Flüssigkeitsschicht aneinander, welche den we- niger gehemmten erlaubt, sich loszureissen. — Bis dahin hat nun weder die Theorie, noch der Versuch es vermocht, uns allgemeine Gesichtspunkte aufzustellen, aus denen abzuleiten wäre, wie mit der Form der begrenzenden Wände, dem Durchmesser und der Geschwindigkeit des Stroms, und mit den Eigenschaften der Flüssigkeit dies Verhältniss der Geschwindigkeiten auf einen solchen Querschnitt veränder- lich sei. Wir müssen uns darum damit begnügen, einen einfachen, für uns Fig. 11. aber wichtigen Fall zu zergliedern, den nemlich, wie die Geschwindigkeit von der Peripherie zum Centrum in dem kreisförmigen Querschnitt eines cylindrischen Stroms zu- nehme. Da in diesem Falle eine allseitige Symmetrie herrscht, so genügt es, das Verhältniss der Geschwindigkeit auf einen einzigen Radius festzustellen. Gesetzt, es sei in Fig. 11. der Querschnitt eines Stromes dargestellt, der in einem cylindrischen Rohr nach der Längenachse desselben fortschreitet, so wird offenbar die der Wand zunächst an- liegende Schicht a die bedeutendste Hemmung erfahren, einmal, weil sie sich an den kleinen Hervorragungen der Wand stösst und dann, weil sich flüssige und feste Kör- Partielle und mittlere Goschwindigkeit eines Stroms. per beträchtlicher reiben als flüssige untereinander. Die zweite nach dem Centrum hin folgende Schicht wird nächstdem den bedeutendsten Kraftverlust erleiden, indem sie sich von der sehr langsam strömenden Wandschicht losreissen muss, und so fort, bis endlich die im Centrum gelegene ( d ) die geringste Hemmung erfährt. Dächte man sich (Fig. 12.) auf dem Radius a d als Abszissenachse die vorhandenen Geschwin- Fig. 12. digkeiten als Ordinaten ( y ) aufgetragen, so würde, wie es nach Darcy compt. rend. Bd. 38. p. 1109. scheint, ungefähr eine Curve von der Form Fig. 12. zu Stande kommen. Unzweifelhaft wech- selt die Gestalt dieser Curve mit der Länge des Radius, in- dem z. B., wenn er nur die Länge a c besässe, das dem Abschnitt c d entsprechende Stück wegfiele; ebenso ist es gewiss, dass sie mit der Geschwindigkeit des Stroms und der Klebrigkeit der Flüssigkeit u. s. w. sich ändert. Wir sind aber ausser Stand, hiervon im Einzelnen Re- chenschaft zu geben. Bei dem Wechsel der Geschwindigkeit auf demselben Querschnitt, und bei der Unmöglichkeit, die Geschwindigkeit auf jedem beliebigen Ort zu bestimmen, ist man genöthigt, den Begriff einer mittlern Geschwindigkeit aufzu- stellen; hierunter versteht man aber diejenige Geschwindigkeit, welche, wenn sie auf den ganzen Querschnitt gleichmässig wirksam wäre, dieselbe Flüssigkeitsmenge durch ihn fördern würde, als in der That bei den verschiedenartigen Geschwin- digkeiten aus ihm hervorströmt. Diese mittlere Geschwindigkeit kann jedesmal einfach bestimmt werden, wenn man das Volum der Flüssigkeit v kennt, welches in der Zeiteinheit durch den bekannten Querschnitt des Rohres Q ging. Offenbar ist, wie die physikalischen Lehrbücher des Weiteren erörtern, die mittlere Geschwindig- keit G ausgedrückt durch , da GQ das Volum der ausgeströmten Flüssigkeit darstellt. Mit der Länge des Rohrs ist die Geschwindigkeit ebenfalls veränderlich, wenn die Grösse des Durchmessers wechselt. Wie die Veränderung der mittlern Ge- schwindigkeit in einem solchen Rohr beurtheilt werden müsse, ist schon vorhin ent- wickelt worden; sie verhält sich umgekehrt, wie der Rauminhalt des Querschnitts verschiedener Orte. Die weitaus interessanteste und schwierige Fragen, wie sich die Partialgeschwindigkeiten des Querschnitts mit einer Formveränderung desselben um- gestalten, ist noch gar nicht in Angriff genommen. 5. Vertheilung der Spannungen. Die Theorie behauptet Deschwanden , l. c. , dass innerhalb eines Stroms nur senkrecht auf die Stromrichtung Gleichheit der Spannung existire. Die Beobachtung scheint dieses insofern zu bestätigen, als alles Uebrige gleich- gesetzt die Spannung eines Stroms abnimmt, wenn der Durchmesser zunimmt. Der Zusammenhang zwischen den Behauptungen der Theorie und dieser Erfahrung ist aus der folgenden Betrachtung einleuchtend. Nehmen wir an, es unterschieden sich die beiden Ströme (Fig. 13. u. 14.) von röhrenförmiger Begrenzung nur dadurch Fig. 13. Fig. 14. Ausgleichung der Spannungen. voneinander, dass in der ersten 1 und in der andern aber 6 Reihen von Molekeln auf einem Durchmesser Platz fänden, so sollte man erwarten, dass die Spannung zwischen den Molekelreihen beider Röhren, welche unmittelbar an der Wand gele- gen sind, dieselbe sei, da sie denselben Hemmungen ausgesetzt sind; wenn dieses aber nicht der Fall ist, wie die direkte Messung nachweist, indem sie in dem Strom, welchen Fig. 15. darstellt, geringer ist, als in dem der Fig. 14., so kann der Grund hiefür nur darin liegen, dass die gegen die Mitte der Röhre (Fig. 15.) gelegenen Molekeln, deren Geschwindigkeit grösser und deren Spannung darum geringer ist, ihre Spannung mit dem Wandstrom ausgeglichen haben, mit andern Worten, den in diesen Strom verlaufenden gespannten Theilchen erlauben, gegen die Mitte hin auszuweichen. Nach der Länge des Rohrs können die Spannungen dagegen sehr verschieden aus- fallen, so dass ganz unzweifelhaft keine Gleichheit derselben nach der Richtung des Stroms stattfindet. Es ist hervorzuheben, dass, wenn die mittlere Geschwindigkeit in den verschiedenen aufeinanderfolgenden Querschnitten eines Stroms wesentlich variirt, die Spannung im Verlauf desselben ebenfalls zu- und abnehmen kann, während sie, wenn die Geschwindigkeit gleichbleibt, jedesmal vom Anfang gegen das Ende des Rohrs abnimmt. 6. Ueber die Messung des Kraftverlustes und der Spannung. — Diese Bestim- mung geschieht auf zweierlei Art, entweder durch Vergleichung der wahren und der hypothetischen mittleren Geschwindigkeit, oder durch den Manometer. Da die erstere Methode nur selten und in der Physiologie gar nicht zur Anwendung kommt, so wenden wir uns sogleich zur letztern. Unter dem Manometer versteht man hier ein grades oder heberförmig gebogenes Glasrohr, dessen eine Mündung senkrecht auf dem Strom steht. In seiner einfachsten Form ist es in Fig. 15. dargestellt. Der Sinn seiner Anwen- Fig. 15. dung ist folgendermassen darzu- zuthun: Wir denken uns in dem Rohre A eine Reihe hintereinan- derliegender Molekeln 1, 2, 3 bis 11, von denen ein jedes beim Ein- tritt in den Anfang A der Röhre gleiche Geschwindigkeit besass; jedes derselben soll aber auf sei- nem Wege einen beliebigen An- theil seiner Geschwindigkeit ein- büssen, ein Antheil, der genau mit der Länge des Wegs wächst, den ein Flüssigkeitstheilchen zurückgelegt hat. Demnach wird 11, welches weiter als 10 fortgeschritten, mehr als dieses von sei- ner Geschwindigkeit eingebüsst haben, sodass es dem rascher fortschreitenden 10 eine Hemmung bietet; es wird also eine Spannung zwischen 10 und 11 eintreten; gegen dieses verlangsamte 10 wird nun auch 9 anstossen, und da dieses noch ge- schwinder ist als 10 zur Zeit, wo es gegen 11 anfuhr, so wird die zwischen 9 und 10 entstehende Spannung auch grösser sein, als die zwischen 10 und 11 und zwar in dem Verhältniss grösser, in dem 9 das 10 an lebendigen Kräften übertrifft. Indem man in diesen Betrachtungen fortfährt, erkennt man, dass die Geschwindigkeit durch die ganze Molekelreihe gleich, die Spannung dagegen von dem Ende des Rohrs ge- gen seinen Anfang hin in einer Zunahme begriffen sein wird. Die Spannung, welche sich nun zwischen je zwei Molekeln findet, pflanzt sich dem früher entwickelten ge- mäss senkrecht gegen die Stromrichtung fort und es wird demnach, wenn man an den beliebigen Stellen O oder P das Rohr öffnet, aus dieser Oeffnung Flüssigkeit austreten; setzte man aber in die Mündungen senkrechte Röhren, so würde in diesen die Flüssigkeit aufsteigen so lange, bis der Druck, den die senkrechte Flüssigkeits- säule gegen den in der Mündung von O liegenden Theil ausübt, an Werth gleich ist Ströme in cylindrischen Röhren. der Spannung, die zwischen den strömenden Molekeln dieses Ortes in Folge der Widerstände besteht. Kennt man nun die Spannung und die Geschwindigkeit, welche an jedem Quer- schnitt des Rohrs besteht, Grössen, deren Bestimmung nach dem vorhergehenden keine prinzipielle Schwierigkeit entgegensteht, so hat man damit den ganzen Werth der Kräfte auf diesem Querschnitt. Der Unterschied in den Kräften zweier mit- einander verglichener Querschnitte ist nun geradezu der Verlust des Stroms an le- bendigen Kräften auf dem Weg von dem einen zum andern Ort. Erörterung der Ströme in cylindrischen Röhren von besonderer Anordnung . 1. Gerade, gleichweite, horizontalliegende Stromröhren . In diesen Röhren läuft der Strom nach Girard und Poiseuille Memoires de l’Institut 1813—15. 285. — Poggendorf , Annalen. l. c. sehr verschieden, je nach dem Verhältniss, welches zwischen ihrer Länge und ihrem Querschnitt be- steht. Wenn bei gegebenem Durchmesser die Länge der Röhren von Null an all- mählig zunimmt, so erreicht sie einen Punkt, bei welchem für die in ihn vorkom- menden Ströme, das von Euler entwickelte Gesetz gradliniger Flüssigkeitsbewe- gungen giltig ist, d. h. es geht dann aller Orten der Strom der Wandung paralell, während in Röhren unterhalb dieser Länge die Bewegungen sehr unregelmässig wer- den. Die Länge, welche ein Rohr besitzen muss, damit der Strom den Charakter der gradlinigen Bewegung annehme, nimmt nicht im geraden Verhältniss mit dem Durchmesser, sondern rascher als dieser ab, so dass z. B. bei einem Durchmesser von 0,029 MM. die gradlinige Bewegung schon bei der Länge von 2,1 MM. ein- trat, während bei einem Durchmesser von 0,65 MM. die Länge 384 MM. betragen musste u. s. w. Wir werden uns darauf beschränken müssen, die Gesetzmässigkeit der gradlinigen Ströme zu verfolgen. a. Rücksichtlich der Geschwindigkeit ist hervorzuheben, dass: 1) in solchen Röhren die Geschwindigkeit steigt, wie die Druckhöhen, welche auf den Flüssig- keiten lasten, so dass entgegen dem Ausfluss aus Mündungen durch dünne Platten bei einem Aufsteigen der Druckhöhen von 1 zu 4 zu 9 zu 16 u. s. w. die Ge- schwindigkeiten wie diese Zahlen und nicht wie 1, 2, 3, 4 u. s. w. anwachsen. — 2) Alles andere gleichgesetzt, nimmt die mittlere Geschwindigkeit ab, wie die Län- gen der Röhren zunehmen, ein selbstverständliches Resultat, da genau in dem Ver- hältniss wie die Länge auch die reibende Fläche wächst. — 3) Weniger einfach ist die Beziehung der mittleren Geschwindigkeit zu dem Durchmesser; im Allgemeinen ist durch mannigfache hydraulische Beobachtungen, insbesondere durch die von Gerstner, Young, Girard, Poiseuille und Volkmann festgestellt, dass in weiten Röhren die Geschwindigkeit geradezu abnimmt wie der Durchmesser, in sehr engen aber wie das Quadrat des Durchmessers; in Röhren mittleren Kalibers nimmt die Geschwindigkeit nach irgend einer andern Potenz des Durchmessers, die in der Mitte zwischen den erwähnten liegt, ab. Die Grenzen der Durchmesser, für welche die eine oder andere Angabe giltig ist, sind nicht ermittelt worden. — 4) Die Geschwindigkeit nimmt zu, wenn die Temperatur der Flüssigkeit wächst, und zwar in engen Röhren beträchtlicher, als in weiten. Diese Beobachtung Gerst- ners Gilberts Annalen der Physik. V. Bd. 160. — Die Uebereinstimmung zwischen dem Coeffizien- ten von Hagen und Poiseuille ist dargelegt in Doves Repertorium. 7. Bd. p. 135. ist von Girard , insbesondere aber für sehr enge Röhren von Hagen und Poiseuille erweitert worden, welche für Wasser, in Glas und Kupfer strömend, den empirischen Coeffizienten des Wachsthums gefunden haben. Dieser letztere kann jedoch nur auf die erwähnten Stoffe und nur für sehr enge Röhren angewendet wer- den, da nach Girard mit der Flüssigkeit und bei weiten Röhren (dem Durchmesser) sich auch der von der Temperatur abhängige Reibungscoeffizient ändert. — 5) Die Gleichweite, gerade cylindrische Röhren. Geschwindigkeit ist ferner veränderlich mit der Zusammensetzung der Flüssigkeit; Dubuat, Girard Memoires de l’Institut. 1816. , Poiseuille Annales de chim. et physique. III. Ser. Bd. 7. . Wesentlich unterscheiden sich die Flüssigkei- ten, je nachdem sie die Röhrenwand benetzen, oder dieses nicht thun. Wir berücksich- tigen nur die letzteren. Für sie ist festgestellt: a) die Geschwindigkeit in jeder Flüs- sigkeit (unter Voraussetzung gleicher Druckhöhen und Röhrenweiten) ist unabhängig von dem Stoff, aus dem die Röhrenwand besteht; namentlich hat Poiseuille Glas, Metall und die Membranen der Blutgefässe hierauf untersucht. — b) Die Reibung einer Flüssigkeit ist unabhängig von dem spezifischen Gewicht, der Dünnflüssigkeit, der Capillarattraction u. s. w. — c) Die Reibung des Wassers oder Blutserums wird wesentlich geändert durch geringe Beimengung von Salzen, Basen oder Säuren. — Von den besonderen Bestimmungen Poiseuille’s heben wir hervor: das Serum des Ochsenbluts fliesst, alles übrige gleichgesetzt, nahebei noch einmal so lang- sam, als reines Wasser, und faserstofffreies (Blutkörperchen haltendes) Ochsen- blut fliesst dreimal langsamer, als Serum. — Im Allgemeinen erniedrigt ein Zusatz von Neutralsalzen zum Wasser die Reibung, während sie durch Zusätze von Basen und von Säuren (eine Ausnahme machen unter letztern nur Blausäure und Schwefel- wasserstoff) erhöht wird; ein Zusatz von Ammoniak zum Serum erniedrigt dagegen die Reibung desselben. — 6) Nach den Erfahrungen von Girard und Poiseuille wächst der Verlust an lebendiger Kraft geradezu mit der Geschwindigkeit des Stroms, wenn die Flüssigkeit die Röhrenwand benetzt; mit dem Quadrat der Ge- schwindigkeit dagegen, wenn die Röhrenwand nicht benetzt wird. Wir machen bei diesem Anlass den Anfänger besonders aufmerksam auf die Folgerung aus dem letzten Satz, dass nur, wenn Geschwindigkeit besteht, Reibung vorkommen kann. Ueberblicken wir nun noch einmal die bis dahin vorgeführten Erscheinungen, so sehen wir, dass der Widerstand w, den ein Strom im Rohre zu überwinden hat, wächst mit der Länge (l), dem Durchmesser (d), respective der Peripherie π d oder mit einer Potenz desselben (d x ), ferner mit der Geschwindigkeit (v) und endlich mit gewissen Veränderungen der Temperatur und mit der chemischen Constitution der Flüssigkeit; die beiden letztern Einflüsse bezeichnen wir mit a. Mit unsern Zei- chen ausgedrückt ergiebt sich w = a l d v. Diese den Strom hemmenden Einflüsse müssen nun aber, da innerhalb des Rohres der Strom mit gleichmässiger Geschwin- digkeit verläuft, gerade so gross wie die beschleunigenden sein. Wären diese letz- tere gegen die erstern überwiegend, so müsste der stetig von dem den Stromerre- genden Einfluss (z. B. von der drückenden Wassersäule) ausgehende Stoss die Be- wegung der Flüssigkeit in eine steigende Beschleunigung setzen und ebenso offen- bar müsste sich das umgekehrte ereignen, wenn die hemmenden Umstände die stromerzeugende Kraft überwögen. Die beschleunigenden Einflüsse würden aber, vorausgesetzt, dass eine drückende Wassersäule den Strom veranlasst, dargestellt durch die Höhe derselben (h) und die Intensität der Schwere (g) (denn hiervon ist die Kraft des Stosses abhängig, welche das flüssige Molekel erhält), und endlich von dem Querschnitt des Rohres, , denn dadurch wird die Zahl der gestossenen Mo- lekeln bestimmt, somit ist also, wenn wir φ die beschleunigenden Kräfte nennen φ = ; und da nun φ = w ist, so ist auch a l π d v = ; oder auch a l v = , oder a v = . Dieses letzte Resultat ist durch Girard und Poiseuille vollkommen bestätigt. Die Angaben der beiden Gelehrten unterscheiden sich nur dadurch, dass der letztere bei seinen Versuchen d 2 statt d erhalten hat, Geschwindigkeit und Spannung in denselben. was, wie wir erwähuten, herrührt von dem viel geringeren Durchmesser der Röhren, welche Poiseuille anwendete. Für die Theorie und für unsere spätern Betrachtungen ist es von Interesse, zu wissen, dass die Formel für den geradlinigen Strom in Röhren eine etwas andere Gestalt annimmt, wenn die Flüssigkeit die Wandung nicht benetzt; es ist durch Girard empirisch festgestellt, dass dann der Widerstand proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit geht, wobei der Coeffizient a zugleich seinen Werth ändert. Nennen wir diesen Coeffizient b, so wird also jetzt die Formel b v 2 = . Diese Verschiedenheit des Ergebnisses erklärt man sich dermassen. Zufolge einer Untersuchung von Coulomb Expériences destinées à déterminer etc. Memoires de l’Institut. 3. Bd. glaubt man sich zu der Annahme berechtigt, dass die verzögernde Kraft zu gleicher Zeit wachse wie die Geschwindigkeiten und wie die Quadrate der Geschwindigkeiten. Denn einmal müssen sich die Molekeln, welche in dem Flüssigkeitsfaden verschiedener Geschwindigkeit laufen, um so häufiger voneinander losreissen, je geschwinder der Strom geht; somit muss also, wenn a der Widerstand genannt wird, der sich dieser Trennung entgegensetzt, die Summe die- ser Widerstände bei der Geschwindigkeit v = a v sein; zugleich aber wird sich die Flüssigkeit an den Erhabenheiten der Röhre stossen und zwar um so stärker mit, je- mehr Kraft, resp. Geschwindigkeit, sie strömt und auch um so häufiger, je grösser die Geschwindigkeit ist. Bedeutet also b die Hemmung eines einzigen Stosses bei der Geschwindigkeit, so wird sie bei v = b v 2 sein. Der Gesammtwerth der Hem- mungen w müsste also durch die Summe w = a v + b v 2 ausgedrückt werden. In einem geraden Rohre, das so lang ist, dass die Bewegung paralell mit den Wan- dungen geht, muss das zweite Glied wegfallen, vorausgesetzt, dass an den Wandun- gen des Rohrs die Flüssigkeit unbeweglich anhängt, so dass die bewegte Flüssigkeit eigentlich nur in einem Mantel von unbewegter läuft; wenn dagegen die Flüssigkeit den Wandungen nicht anhängt, so werden annähernd alle Molekeln, die auf einem Querschnitt des Rohrs befindlich sind, gleiche Geschwindigkeit haben, und es wird somit das erste Glied (a v) wegfallen, dagegen werden die Stösse der Flüssigkeit an der Wandung vorhanden sein und somit das zweite Glied (b v 2 ) bestehen bleiben. b. Die Spannung der Flüssigkeit beim Strömen in den bis dahin betrachteten Röhren muss, entsprechend unserer früheren allgemeinen Bemerkung, zunehmen vom Ende zum Anfang der Röhre. Stellt man also auf ein Rohr, A B (Fig. 16), in wel- Fig. 16. chem ein Strom nach der Richtung des Pfeils geht, mehrere Mano- meter 1, 2, 3 auf, so wird sich das Niveau der in den verschiede- nen Druckmessern auf- gestiegenen Flüssigkeit durch eine gerade Li- nie a b c verbinden las- sen. — Die Steilheit dieser Linie ist, wie nach dem Frühern selbstverständlich, be- deutender in engen, als in weiten Röhren, bei rascher Strömung bedeutender als bei langsamer; sie steht end- lich in inniger Beziehung zum chemischen und thermischen Verhalten der Flüssig- Gleichweite gebogene Röhren. keit. — Der thatsächliche Beweis hierfür ist durch die Versuche von Volkmann geliefert worden. 2. Gleichweite, gebogene Röhren . Zu den bei geraden Röhren be- trachteten Hemmungen der Geschwindigkeit kommen noch die Stösse, welche der Strom gegen die Wandungen ausübt und die von der Centrifugalkraft herrührenden Pressungen. Der Einfluss dieses letztern Momentes wächst bekanntlich wie das Quadrat der Geschwindigkeit, und umgekehrt, wie der Durchmesser des durchlaufe- nen Kreisbogens. Die Grösse der Hemmung aber, welche von dem Stoss gegen die winklig gebogene Wandung abhängt, ist veränderlich a) mit der Gradzahl der Win- kel, in der Art, dass, wenn er von 0° auf 180° steigt, der Widerstand von einem Maximum auf ein Minimum abfällt. Mit welcher Funktion des Winkels dieses aber geschieht, ist unbekannt Siehe hierüber für einzelne Fälle empirischer Gesetze: von du Buat , bei Eytelwein , Hand- buch der Mechanik und Hydraulik. 3. Aufl. 1843. 172. — Volkmann , Haemodynamik. p. 51. — Weissbach , Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik. I. Bd. 1850. 548. ; b) zum zweiten wächst aber die Stromhemmung in der Winkelbiegung mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, was nach dem Frühern keiner Erörterung bedarf. — Die Hemmung ist eine beträchtlich geringere, wenn die Bie- gung statt eine plötzliche zu sein, sehr allmählig geschieht. Der Grund für diese Erscheinung liegt darin, dass bei plötzlichen Biegungen (2 3 in der Röhre A E Fig. 17.) Fig. 17. hinter der vorspringen- den Kante eine wir- belnde Stelle entsteht, die an der Strömung keinen Antheil nimmt; es verengert sich dem- nach das Stromrohr gleichsam. — Dieser verlangsamten Bewegung entsprechend wird sich das Steigen der Flüssigkeit in den auf die Röhre gesetzten Manometern einfinden, und zwar werden, wenn man die Manometer aufsetzen würde in 1, 2, 3, 4 die Steigungen nach dem Gesetz der unter der Röhre gezeichneten Curve abnehmen. Beginnen wir vom Ende des Rohrs (E) , so würde von 4 nach 3 dem Frü- hern gemäss, je uach der Röhrenweite und Stromgeschwindigkeit, das Aufsteigen mehr oder weniger allmählig auf der geraden Linie a b erfolgen, dann würde plötz- lich in der Winkelbiegung von b nach c ein sehr rasches Aufsteigen geschehen, in Folge der besondern Widerstände, die sich hier häufen, und hinter dieser Bie- gung, wenn das Rohr wieder gerade fortläuft, wird sich auch das allmählige Auf- steigen c d wieder einstellen. In dem Gang, der Linie, welche die Niveaus der Flüssigkeit in den verschiedenen Manometern verbindet, findet sich also ein plötzli- cher Knick, oder wie man auch sagt, ein ausgezeichneter Punkt. — 3. Ungleichweite Röhren . Wir beschränken uns auf die Betrachtung der beiden Fälle, wo eine Erweitung in eine Verengung übergeht, und wo eine Er- weiterung von zwei verengten Stellen eingeschlossen wird. a. Die Erweitung mit darauffolgender Enge (Fig. 18.). Die mittlere Geschwin- digkeit im Rohrstück B wird zu der in A in dem umgekehrten Verhältniss ihrer Ungleichweite Röhren. Querschnitte stehen. Diese verhalten sich aber wie die Quadrate der Durchmesser. Die grösste Geschwindigkeit kommt aber dem Querschnitte in dem Theil c d der Fig. 18. Röhre B zu, wo sich eine Stromenge bildet, die da- durch hervorgebracht wird, dass aus der Erweitung A die Flüssigkeitsstrahlen allseitig zusammenschies- sen; aus diesem Grunde schliesst sich die Strömung gegen Ende des weiten Rohrs den Wandungen des- selben nicht mehr an, so dass sich in den Win- keln f f stehende Flüssig- keitswirbel bilden. — Die Curve der Spannung auf- getragen auf die Röhren- achse wird in B von e bis d gleichmässig auf- steigen, von d bis b ungleichmässig, aber rascher als in d e , wegen des erwähnten Zusammenstosses der Theilchen und von b bis a gradlinig, aber viel allmähliger, als in e d . — Der absolute Werth, welchen die Spannung in dem Abschnitt d b ge- winnt, ist abhängig von der Triebkraft der Flüssigkeit und von dem Verhältniss der Querschnitte von A und B . b. Erweitung zwischen zwei Verengerungen (Fig. 19.). Die mittlere Geschwin- Fig. 19. digkeit in den Röhren- stücken A B C ist nach bekannten Grundsätzen zu beurtheilen. Druck- messer, welche man in a b c d e f aufsetzt, ge- ben die angegebenen re- lativen Höhen der auf- steigenden Flüssigkeit. Der Gang der Curve, der hierdurch angeden- tet wird, bietet von f bis d nichts Ungewöhn- liches; er fällt, wie man sieht, zusammen mit dem der vorigen Figur; ebenso zeigt sich das Stück von a bis c nach den ge- wöhnlichen Regeln gebildet. Sehr eigenthümlich verläuft dagegen die Curve in dem erweiterten Stücke B , indem der Druck statt am Ende ( d ) desselben höher, als am Anfang ( c ) zu stehen, vom Ende gegen den Anfang abfällt. Der genauere Gang der Curve, und namentlich, ob sie sich der Linie g oder h annähert, ist durch die Beob- achtung noch zu ermitteln. — Der Grund für die niedere Spannung in der Gegend von c muss offenbar gesucht werden in der raschen Ausbreitung, welchen der aus der engen Mündung b dringende Strahl erfährt. — Bemerkenswerth ist hierbei eine andere Erscheinung, die nemlich, dass der Strom, welcher die Richtung des Pfeils verfolgt, von einem Orte niederer Spannung zu einer solchen höherer dringt. Erweiterung zwischen zwei Verengerungen. Die Thatsache, dass die stärker gespannten und darum nach allen Seiten hin kräfti- ger auseinanderfahrenden Theilchen des Querschnitts d vorwärts geschoben werden von den weniger gespannten Theilchen in c , kann nur darin ihre Erklärung finden, dass den letztern Theilchen bei c noch mehr bewegende Kraft zukommt, als den bei d , so dass die erstern einen grössern Antheil ihrer Gesammtkraft zur Erzeu- gung von Geschwindigkeit verwenden. Die erstere dieser Behauptungen rechtfertigt sich dadurch, dass die im Querschnitt c enthaltene Masse in der That in Folge der geringern Reibung weniger Kraft verloren, als die in d vorhandene. Die andere An- nahme ist aber die folgerechte Ableitung aus der auf Seite 31. angestellten Betrach- tung, wonach die gesammte bewegende Kraft eines Theilchens dargestellt werden kann durch eine Summe, von der ein Theil als Geschwindigkeit und ein anderer als Spannung auftritt. — Anschaulicher ist vielleicht noch der folgende Ausdruck: indem die Theilchen von c zu den Punkten höherer Spannung übergehen, büssen sie plötz- lich einen grossen Theil ihrer Geschwindigkeit ein; sie werfen sich also selbst in Gegenden höherer Spannung. Aus diesen Mittheilungen lassen sich mancherlei Folgerungen ziehen, von denen wir zwei wegen ihrer praktischen Bedeutung hervorheben. Sie beziehen sich auf die Veränderungen, welche ein Strom in einer Röhre erfährt, dessen Aus- oder Ein- flussmündung verengert worden ist. Setzen wir also, es sei in einem überall gleichweiten Rohr Spannung und mittlere Geschwindigkeit bestimmt worden, und es werde nun plötzlich die Aus- flussmündung letztere verengert, während die am Einfluss des Rohrs wirksa- men Kräfte unverändert erhalten würden, so wird offenbar in dem Rohr die Stromgeschwindigkeit abnehmen und dafür sich die Spannung erhöhen. In der verengten Ausflussmündung muss dagegen die Geschwindigkeit steigen, jedoch nicht in dem Verhältniss, in welchem der Querschnitt abgenommen hat, so dass der nun raschere Strom aus der engen Oeffnung nicht soviel Flüssigkeit fördert, als die- ses der langsamere aus der weiten vermochte. Die Nothwendigkeit dieses letztern Ergebnisses sieht man gleich daraus ein, weil in dem Theil der Röhre, dessen Durchmesser unverändert erhalten wurde, die Stromgeschwindigkeit abgenommen hat. Der physikalische Grund hierfür ist aber darin zu suchen, dass die Flüssigkeit in der engen Mündung durch Reibung mehr an ihrer lebendigen Kraft einbüsst, als die- ses in der weiten geschah. — Verengert man aber, während in dem Rohr von den bezeichneten Eigenschaften die Ausflussmündung unverändert erhalten würde, die Ein- flussmündung, so wird in dem unveränderten Stück Spannung und Geschwindigkeit abnehmen, und zwar darum, weil die lebendigen Kräfte jedes einzelnen eintretenden Theilchens durch Reibung mehr, als früher abgeschwächt werden, und weil zugleich die Masse der Flüssigkeit, welche an der Einflussmündung bewegt wird, abnimmt. 4. Verzweigte Röhren . Von den zahlreichen Formen, welche durch die Verzweigung der Ströme hergestellt werden können, berücksichtigen wir nur dieje- nigen, bei denen ein ursprünglich einfaches Rohr sich theilt und dann wieder in ein einfaches zusammenläuft. Vergleicht man die Erscheinungen eines Stroms im verzweigten Rohr mit denen im unverzweigten, so kann man behaupten, dass ein und dieselbe Menge Flüssigkeit, welche mit gleichen lebendigen Kräften begabt, an der Einflussmündung anlangte, auf ihrem Lauf durch ein gleich langes Wegstück des verzweigten Rohrs mehr von ihren lebendigen Kräften einbüsst, als in einem unverzweigten. Dieses ergiebt sich so- gleich, wenn man bedenkt, dass im verzweigten Rohr im Verhältniss zum Iuhalt eine grössere Wandfläche vorhanden ist, als im unverzweigten, und ferner, dass im ver- zweigten Rohr nothwendig Winkelbiegungen vorhanden sein müssen, die dem unver- zweigten fehlen können. Dieser einfachen Betrachtung entsprechend wird die Hem- Verzweigte Röhren. mung in einem Röhrensystem von gleichem Querschnitt und gleicher Länge in einem raschen Verhältniss steigen mit der Anzahl der Einzelröhren, auf welchen dieser Querschnitt vertheilt ist. Rücksichtlich des Verhältnisses der Geschwindigkeit gilt in einem verzweigten Röhrensystem alles das, was für das unverzweigte behauptet wurde, d. h. es nimmt in dem Strom die Geschwindigkeit ab, wenn der Querschnitt zunimmt und umgekehrt. a. Ebenmässig verzweigte Röhren (Fig. 20.). Wir nehmen an, dass die einzelnen Stromglieder A B C D von überall gleichem Querschnitt seien und dass die Schenkel B und C gleiche Krümmung und gleiche Länge besitzen. — Da der Strom in B C ein noch einmal so grosses Bett, als in A oder D hat, so wird Fig. 20. er in dem letzten Abschnitt doppelt so geschwind wie in B und C laufen. — Verfolgen wir die Curve der Spannung, indem wir hierbei vom Ende des Stückes D ausgehen, so werden wir finden, dass sie in D allmählig anwächst (von f bis e ), dann hinter der Mündungsstelle beider Röhren in dem einfachen Rohr (bei d e ) plötzlich ansteigt, weil hier die Ströme zusammenstossen; durch C und das gleichartige D wächst sie allmählig wegen der geringen Geschwindigkeit ( d bis c ). Bei b c kreuzen sich nun die Einflüsse; einmal nemlich stösst sich der aus A kommende Strom an die entgegenstehende Wandung und darum muss die Spannung hier steigen, dann aber erweitert sich auch der Strom plötzlich und darum muss an diesem Orte die Spannung sinken; je nach dem Ueber- gewicht des einen oder andern Momentes muss also hier eine Steigerung oder ein Sinken der Spannung resultiren. In der gezeichneten Curve ist darum dieser Ab- schnitt mit einer horizontalen Linie dargestellt. In dem Stücke A endlich muss die Spannung wieder wie in D anwachsen. b. Assymetrische Röhrenverzweigung (Fig. 21. und Fig. 22.). — In dem ersten Fall geben wir allen Röhrenstücken gleiche Weite. Um Wiederholungen Fig. 21. zu vermeiden, betrachten wir nun das ver- zweigte Stück von dem Punkt a bis zu b , d. h. von den Stellen, wo sich die Ströme trennen, bis zu den, wo sie aufeinander- stossen. — An den beiden Enden der Schlinge ist offenbar die Spannung der aus beiden Röhren kommenden Flüssig- keitsmassen ausgeglichen. Gesetzt, es sei uns der Werth dieser Spannung bei a und b gegeben, so würden wir uns zwei Abszissenachsen von der Länge der Röhren B und C = a b und a b′ legen, und auf den Endpunkten a, b, b′ die gegebenen Span- nungen auftragen. Eine Verbindungslinie von ′b und b′ nach a würde eine unge- fähre Vorstellung von dem Verlauf der Spannung auf dem langen und kurzen Rohr- stück geben. Wir sagen eine angenäherte Vorstellung, weil in dieser Curve einige besondere Punkte nicht berücksichtigt sind, welche sich durch Zusammenstoss und Auseinanderweichen der Flüssigkeiten u. s. w. bilden. — Das Verhältniss der Ge- schwindigkeit in den beiden Armen ist dadurch bestimmt, dass die Curve der Span- nung in dem Rohrstück C steiler ausfällt, als in B ; sie muss in C grösser sein, als Verzweigte Röhren. in B , weil im Rohre von gleichem Querschnitt die Steilheit der Spannungs-Curve wächst mit der Geschwindigkeit. In dem andern Fall (Fig. 22.) ist den verzweigten Stücken gleiche Länge, aber ein ungleicher Durchmesser gegeben worden. Fig. 22. Bei einer ähnlichen Anordnung, welche Volkmann beobachtete, fiel die Curve der Seitendrücke von a nach d in B zuerst allmählig und gegen das Ende des Rohrs sehr steil ab; in C fiel sie zuerst sehr steil, dann langsamer als in B und schliesslich wieder sehr steil, aber abermals weniger rasch als in der entsprechenden Stelle von B ab. Dieses Verhalten erklärt sich daraus, dass sich in d ein ausgezeichneter Punkt findet, hervorgebracht durch das Ineinanderströmen aus den beiden Armen; die hier erzeugte Hemmung wird am stärksten auf B fallen, da der Strom in C durch Reibung weniger als der in B verloren hat, so dass der letztere von dem ersteren an lebendiger Kraft übertroffen, auch am bedeutendsten aufgehalten wird. Darum muss nach B hin die Spannung höher steigen. Von c an erhebt sich nun, der stär- kern Reibung entsprechend, der Druck rascher in B als in C , so dass am Anfang der Röhre bei b die Spannung in B viel höher ist als in C . — Nun ist aber die Spannung in a , an der Theilungsstelle beider Ströme, unbezweifelt abhängig von der Spannung in B und C ; sie muss also niedriger werden, als sie sein würde, wenn der Strom allein durch B ginge, und höher, als wenn die Flüssigkeit ihre Spannung von C aus erhielt. Mit einem Wort, sie wird irgend welche mittlere zwischen c b und B C sein. Von a nach b in C wird nun aber ein rascher Abfall der Spannung zu Stande kommen, weil jenseits a die aus dem Rohr B stammende Spannung hier nicht wirkt und die Flüssigkeit durch C leicht abfliessen kann. — Die mittlere Geschwin- digkeit in C wird wegen der geringeren Reibung beträchtlicher, als in B sein müssen. Die vorliegenden Betrachtungen genügen nun, abzuleiten, was eintritt, wenn man in einem verzweigten Rohr plötzlich einen Ast verstopft, oder einen bis dahin verstopften öffnet; vorausgesetzt, dass die Kräfte, welche an der Einflussstelle wirksam sind, unverändert bleiben. Wir wollen zur beispielsweisen Betrachtung ein symmetrisches Rohr (Fig. 24.) wählen Wenn dem Strome beide Röhren geöffnet sind, so wird die Curve der Spannung bekanntlich (siehe Fig. 21.) wie das durch a b c d dargestellte Gesetz, inne halten, wobei das Stück b c gleichmässig für die bei- den Aeste B und C gilt. Verschliesst man darauf den Anfang von C bei z , so muss der Strom nun durch B gehen und die Flüssigkeit in C zur Ruhe kommen; in die- sem letztern Schenkel wird demnach die Spannung überall einen gleichen Werth an- nehmen und zwar denjenigen, welchen der Strom A B D an der Stelle besitzt, wo der todte Schenkel C in ihn mündet; er wird sich ganz wie ein Manometer verhalten. Elastische Röhren. Fig. 23. In dem Rohr A B D wird nun der Strom, da er in einem über- all gleichweiten Bett fliesst eine Spannung annehmen, die annä- hernd vom Anfang bis zu Ende noch einer geraden Linie etwa wie a d abfällt; das einzige unbestimmte, welches nun noch bleibt, liegt in der Steilheit, mit welcher a d ab- steigt. Die Erfahrung hat nun dafür entschie- den ( Volkmann ), dass, wenn im unverstopften Rohr die Spannungscurve wie a b c d , sie im verstopften wie a d läuft, d. h. es ist nach der Verstopfung die Spannung in allen den Röhrenstücken, die zwischen der Einflussmündung und dem verstopften Orte liegen, erhöht, und es erstreckt sich diese Erhöhung auch noch ein Stück jen- seits der letzten Stelle; von da ab fällt dann die Spannung unter diejenige, welche der Strom im unverstopften Rohr besass. Die theoretische Rechtfertigung hierfür ist dadurch gegeben, dass die Stromgeschwindigkeit in dem unverstopften Rohr wegen der relativ geringeren Menge von Hemmungen grösser als in dem verstopften ist. Blei- ben sich aber in beiden Fällen die an der Einflussmündung wirkenden Kräfte gleich, so muss der Kraftantheil, der zuerst auf die Geschwindigkeit verwendet wurde, nun als Spannung auftreten. Bei einigem Nachdenken dürfte es nun gelingen, auch andere verwickelte Fälle abzuleiten, wenn die Bedingungen derselben mit hinreichender Genauigkeit gege- ben sind. 5. Ströme durch elastische, leicht dehnbare Röhren E. H. und W. Weber , Wellenlehre nach Versuchen. Leipzig 1825. — H. Frey , Versuch einer Theorie der Wellenbewegung. Müllers Archiv. 1845. — Volkmann , Haemodynamik. p. 80. — E. H. Weber , Ueber Anwendung der Wellenlehre. Leipziger Berichte. Mathemat. physische Classe. 1851. 164. . Bis dahin sind nur Ströme durch Röhren in Betracht gezogen, deren Wandungen, wenn auch elastisch, doch so wenig ausdehnbar angenommen werden konnten, dass die Verän- derung des Durchmessers, welche sie durch die Spannung der strömenden Flüssig- keit erfuhren, vernachlässigt werden konnte. Anders verhalten sich die Ströme, welche im Rohr mit ausdehnharen Wandungen verlaufen. Indem wir zu diesen letz- tern übergehen, werden wir aber nicht, wie bisher, unsere Untersuchung beschrän- ken auf Ströme von einer während der Beobachtungsdauer gleichbleibenden Spannung und Geschwindigkeit, sondern zugleich Ströme, in denen diese beiden Eigenschaften veränderlich sind, in Betracht ziehen. a. Gleichmässige Ströme in ausdehnbaren Röhren . Wenn wir vor- aussetzen, dass das elastische Rohr vor Beginn des Stroms in Ruhe gewesen sei, mit andern Worten, dass es den Durchmesser und die Länge angenommen habe, welche ihm in Folge seiner elastischen Kräfte zukommt, so muss mit dem Beginn des Stro- mes sich der Durchmesser und die Länge des Rohrs ändern, und zwar in Folge der Spannung, welche sich jedesmal in einer Flüssigkeit entwickelt, die sich in einem von Wandungen umgebenen Raum bewegt. Der Umfang dieser Ausdehnung wird Ungleichmässiger Strom in dehnbaren Röhren. aber abhängen von der Grösse der Spannung, der Ausdehnung der Wandung und dem Werth ihres Elastizitätscoeffizienten. Die Grösse der Spannung in der Flüssigkeit ist, wie wir wissen, zu bemessen nach den Triebkräften, welche die Flüssigkeit in Bewegung setzen, ihrer Reibung, ihrem Anstoss gegen die Röhrenwand u. s. w. — Die Ausdehnung der Röhrenflächen kommt aber in Betracht, weil hierdurch die Summe der Drücke, oder anders aus- gedrückt, das Gewicht bestimmt wird, welches die Röhrenwand nach Länge und Quere zieht; denn es ist dieses Gewicht gleich dem Produkt der Spannung in der Flächenausdehnung, auf welche der Druck wirkt. — Dass schliesslich die Ausdehn- barkeit in Betracht gezogen werden muss, versteht sich von selbst. Insbesondere ist aber auch noch Rücksicht zu nehmen auf die Veränderlichkeit derselben mit der wachsenden Spannung (siehe Bd. 1. p. 46.) und auf die Ungleichheit der Ausdehn- barkeit nach verschiedenen Richtungen (der Länge und dem Umfang des Rohrs), wie sie sich in ungleich angeordneten, festen Massen immer vorfindet. — Von dem Augenblick an, in welchem der Strom in dem ausdehnbaren Rohr zu seinem Beharrungszustand, d. h. zu der Spannung und Geschwindigkeit gelangt ist, welche ihm während seiner Dauer gleichmässig eigen sein soll, wird er sich nun verhalten wie in einem festen Rohr von gleichen Dimensionen und gleichem Reibungs- coeffizienten. — Der Unterschied zwischen einem Strom und der ausdehnbaren und nicht ausdehnbaren Röhre bezieht sich also wesentlich auf die den Strom sich an- passende Ausdehnung des Rohrs. Dieses schliesst die Folge in sich, dass das Aus- strömen aus dem Röhrenende nicht in dem Momente erfolgt, in dem das Einströmen in den Röhrenanfang geschah, und ebenso, dass nicht in dem Augenblick das Aus- strömen aus dem Röhrenende aufhört, in dem das Einströmen in den Röhrenanfang unterbrochen wird. Man sieht den letzten für uns bemerkenswerthen Erfolg sogleich ein, wenn man erwägt, dass der Strom aus der Röhre auch nach geschlossener Ein- flussmündung erst dann aufhören kann, wenn sich dasselbe wieder umsoviel ver- kürzt und verengert hat, als es durch den von der Einflussmündung her erregten Strom erweitert und verlängert worden war. b. Ungleichmässiger Strom in ausdehnbaren Röhren . Ein Strom in leicht dehnbaren Röhren kann aus vielerlei Gründen und auf mannigfache Art un- gleichförmig werden. Indem wir uns vom physiologischen Bedürfniss leiten lassen, beschränken wir uns auf die Betrachtung der Fälle, in denen eine rhytmisch wieder- kehrende Steigerung oder Minderung der an der Ein- oder Ausflussmündung des Rohrs wirkenden Kräfte, die Geschwindigkeit, Spannung und den Querschnitt des Stroms nach einer regelmässigen, wiederkehrenden Zeitfolge ändern. Unsere etwas verwickelte Betrachtung zergliedern wir in der Art, dass wir die Erscheinungen, welche an der Wandung beobachtet werden, gesondert schildern von denen, welche der Flüssigkeit eigen sind. Hierbei behandeln wir jedesmal gesondert die Vorgänge, welche in zeitlicher Reihenfolge in ein und demselben Wandumfang oder Stromquer- schnitts auftreten und darauf diejenige, welche gleichzeitig an verschiedenen Orten des Stromrohrs sich geltend machen. α. Die Voraussetzungen, die wir zuerst als erfüllt annehmen, bestehen darin, dass in die Einflussmündung eines am Ausflussende stets offenen Rohrs eine mit der wachsenden Zeit veränderliche Flüssigkeitsmenge einströme. Insbesondere soll die einströmende Menge mit der Zeit so veränderlich gedacht werden, dass während der beliebigen Zeiteinheiten, in welche die ganze Stromdauer zerfällt werden kann, die in das Rohr gelangende Flüssigkeitsmenge mit dem Beginn einer jeden Zeiteinheit Null ist, von da bis zur Hälfte der Zeiteinheit zu einem Maximum anwächst, und dann in der zweiten Hälfte der Zeiteinheit wieder bis zu Null abnimmt. Die Kraft, welche während dieser Zeit jeder in das Rohr geworfenen Masseneinheit zukommt, Wellenbewegung im elastischen Rohr. soll, wenn nicht das Gegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. — Die hier verlangten Bedingungen würden u. A. verwirklicht sein, wenn man einen horizontalen Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife Röhre gebunden hätte, welche in einen grossen Wasserbehälter mündete. Das Verbindungsstück zwischen dem Wasserbehälter und dem Kautschouk müsste noch mit einem Hahn ver- sehen sein, der in regelmässiger Zeitfolge geöffnet und geschlossen würde, während das Niveau der Flüssigkeit in dem Behälter unveränderlich bliebe. Erfahrungsgemäss erweitern und verlängern sich die der Einflussmündung zu- nächst gelegenen Röhrenabschnitte , während ein solches Einströmen geschieht mit dem Ansteigen der eingeworfenen Flüssigkeitsmenge; sie verkürzen und verengern sich dagegen wiederum bis zu ihrem ursprünglichen Umfang, wenn in der zweiten Hälfte der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf die- ser letztern Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen Stoss aus derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheil- chen von dem Ort, den sie bisher einnahmen, zu einem andern und ihrer Rückkehr zu der alten Stelle, verändert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zunächst gelegenen Theilchen und zwar, wie selbstverständlich, entsprechend der Ausdehnung und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten Wandungen. — Die so eben geschil- derte Bewegung in den Wandtheilchen, welche der Einflussmündung zunächst ge- legen sind, pflanzt sich nun allmählig durch das ganze Rohr hindurch fort in der Art, dass die von der Einflussmündung entfernten Theilchen immer etwas später gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher die vor ihnen liegenden gingen, so dass nach der Ausflnssmündung hin die Wand immer noch in Bewegung begriffen ist, wenn sie an der Einflussmündung schon zur Ruhe kam. Bekanntlich nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine Wellenbewegung dessel- ben, die Gesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleichzeitig in Bewegung gesetzter Theilchen aber eine Welle. — Die Länge des Wegs (der Schwin- gungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung zurück- legt, wächst mit der Nachgiebigkeit der Röhrenwand, mit der Geschwindigkeit und dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit (d. h. der Stärke des Stosses, den das Theil- chen empfangen kann) und den Widerständen für die Fortbewegung der letzteren im Rohre. — Obwohl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein einzel- nes Theilchen ausführt, mit der Zeit verbreitet über alle übrigen, so erreicht sie doch nicht überall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die Röhrenstücke, welche von der Flüssigkeit zuerst gestossen werden, eine grössere Ausdehnung er- fahren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmündung liegen; oder anders aus- gedrückt, es nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussmündung des Rohrs allmählig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in engen und gespannten Röhren merklicher, als in weiten (E. H. Weber ). — Die Zeit, welche vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen Orte und einem andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit) scheint nur innerhalb enger Grenzen abhängig zu sein von der Spannung der Wan- dung. Man schliesst hierauf aus den Beobachtungen von E. H. Weber , wonach in einem vulkanisirten Kautschoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellen- bewegung in der Sekunde durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig, ob das Rohr unter dem Druck einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassersäule gespannt war. In einem Schaafdarm fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so gering, dass der Weitergang der Welle mit dem Auge beobachtet werden konnte; ähnlich wie im letzteren Fall verhält sich auch die Sache in einer weiten, dünnwan- digen Kautschoukröhre. — Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders hervorzuheben, an den dickwandigen Kautschoukröhren unabhängig von dem Volum Ludwig, Physiologie. II. 4 Bewegung der Wassertheilchen in den Schlauchwellen. und der Geschwindigkeit der in das Rohr gestosseuen Flüssigkeit. — Die Länge der Welle, oder der Abstand jener Wandtheilchen, welche genau in derselben Bewe- gungsphase, z. B. auf dem Maximum ihrer Erhebung, begriffen sind, ist abhängig von der Zeitdauer, während welcher der Stoss wirksam ist, und der Fortpflanzungs- geschwindigkeit. Die Richtung, nach welcher sich die Wassertheilchen in Folge des wellen- erzeugenden Stosses in der Röhre bewegen, kann niemals der Längenachse dieser letzteren parallel laufen, weil sich die Röhre erweitert und verengert, indem die Flüssigkeit in sie und aus ihr dringt; die Abweichung der Bewegungsrichtung von der gradlinigen wird aber nur in dem besondern Fall bedeutend sein, wenn die Widerstände, welche die Flüssigkeit nach der Längenachse des Rohrs findet, auf- fallend sind, während zugleich die Wand sehr nachgiebig ist. — Die Geschwindig- keit, welche dem einzelnen Theilchen, während es in einer Welle schwingt, zu- kommt, ist eine mit der Zeit veränderliche. In allen Fällen nimmt die Geschwin- digkeit der Wassertheilchen an der Grenze zwischen dem elastischen und dem steifen Zuflussrohr mit der steigenden Oeffnung des Hahns zu und mit der beginnenden Schliessung wieder ab. Diese von Null zu einem Maximum aufsteigende und von da wieder zu Null abfallende Geschwindigkeit verbreitet sich nun allmählig durch den Inhalt des Rohrs und zwar den Gesetzen der Stossübertragung entsprechend, so dass in dem Maasse, in welchem neue Massen nach der Seite der Ausflussmündung hin in die Bewegung eintreten, andere bisher in ihr begriffene zur Ruhe kommen. Indem sich nun die Bewegung vom Anfang zum Ende des Wellenrohrs fortpflanzt, ändern sich aber die Unterschiede in der Geschwindigkeit, welche dem einzelnen Theilchen zu verschiedenen Zeiten zukommen, und zwar beobachtungsgemäss in der Art, dass mit dem Fortschreiten der Bewegung das Maximum der erreichten Geschwindigkeit geringer wird, mit andern Worten, es nähert sich die ungleichförmige Bewegung mehr und mehr der gleichförmigen an; diese Umwandlung der Bewegungsart ge- schieht, soweit wir wissen, in engen Röhren vollkommener, als in weiten. — Die Grösse des Wegs, welchen ein Theilchen nach der Längenachse des Rohrs zurücklegt, ist abhängig von dem Verhältniss des eingeworfenen Flüssigkeitsvolums zu der Räum- lichkeit des Röhrenquerschnitts. Da nun das über die Wellenlänge und der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Wandtheilchen Ausgesagte zusammenfällt mit demjeni- gen des Röhreninhalts, indem die betreffenden Verhältnisse der letzteren die der ersteren bedingen, so ist es klar, dass die einzelnen Flüssigkeitstheilchen in der Zeit- einheit einen viel kürzeren Weg zurücklegen, als die Welle selbst. So wird zum Beispiel, wenn wir annehmen, es sei in einer Sekunde soviel Flüssigkeit in das Rohr, wie es Weber benutzte, geworfen, dass sein Inhalt um 0,1 M vorwärts ge- schoben worden wäre, in dieser Zeit die Bewegung durch Mittheilung des Stosses von einem zum andern Querschnitt um 11,7 M. fortgeschritten sein. — Mit der Bewe- gung der Flüssigkeitstheilchen findet sich aber zugleich auch eine Spannung zwischen ihnen ein, die aus bekannten Grundsätzen mit der steigenden Geschwindigkeit zu- nimmt. Somit wandert auch durch die Flüssigkeit allmählig eine zu- und abnehmende Spannung, wenn eine Wellenbewegung durch dasselbe läuft. Nachdem wir uns das Wesentlichste des Thatsächlichen bemerkt haben, welches in einem möglichst einfachen Wellenschlauch vorgeht, wenn er von einer sog. Berg- welle durchlaufen wird, wollen wir den inneren Zusammenhang der Erscheinungen, insofern es für die Welle des Schlauchs ein besonderer ist, klar zu machen suchen. — Die erste Frage, welche wir uns vorlegen, besteht darin, warum und wie erwei- tert sich durch die eingeworfene Flüssigkeit der Schlauch, und auf welchem Wege kommt das Fortschreiten der Erweiterung zu Stande, während die zuerst bewegten Stellen annähernd in ihre erste Lage zurückkehren, um dort in Ruhe zu verharren. Theorie der Schlauchwellen. Fig. 24. Nehmen wir an, es sei in die schon angefüllte Röhre a a, k k, (Fig. 24.) von Neuem Flüssigkeit eingestossen, wel- che im Beginn des Einflusses über den ersten, in horizon- taler Richtung nicht verschieb- baren Querschnitt a a. hinaus nach e e, gedrungen sei, so muss sich aus bekannten Grün- den eine von e nach a zunehmende Spannung entwickeln. Dem entsprechend wird sich das Wandtheilchen a auf den Weg nach c hin begeben und nach Beendigung des ersten Augenblicks etwa in b angelangt sein. Dringt nun im zweiten Augenblick abermals ein Strom durch den Querschnitt b b , so muss sich zwischen b und e die Flüssigkeit beträchtlich mehr spannen, als dieses im ersten Augenblick der Fall war. Denn einmal besteben alle frühern Gründe für das Entstehen der Spannung und dann aber ist auch jetzt die Wand schräg gegen die Stromrichtung gestellt. Indem also b wiederum gegen c aufsteigt, wird es während derselben Zeit in dieser Richtung einen grössern Weg zurücklegen, als vorher; wir wollen annehmen, es gelange auf c c, . Die nothwendige Folge des andauernden Einströmens von a her ist aber die, dass sich die Flüssigkeit über e e, etwa nach h h, hin verbreitet; auch in diesem Ab- schnitt des Stroms wird sich eine Spannung einstellen, welcher im zweiten Augen- blick des Stroms ungefähr der Werth zukommen wird, den b b, e e, im ersten besass. — Gesetzt, wir hätten nun aber, als das Rohr in Fig. 25. die Gestalt c f h c f h angenommen hatte, die Einflussmündung bei c c geschlossen, so ist es zunächst klar, Fig. 25. dass ein Strom in der Richtung des Pfeils statt finden muss, da bei c c, eine beträcht- liche, bei h h, aber gar keine Spannung statt findet. Ueberlegt man sich aber genauer, wie sich die Kräfte verhalten in den Quer- schnitten, die man durch die Punkte c c, f f, h h , des Rohrs legen kann, so sieht man ein, dass die Unterschiede der Spannungen zwischen f f, und c c, grösser, als zwischen h h, und f f, sind. Da sich nun auch zugleich das Rohr von c nach h verengt, so ist auch die Mündung, durch welche die Flüssigkeit von c nach f strömt, weiter als die, durch welche sie von f nach i ausfliesst. Es sind also hinreichende Gründe dafür vorhanden, dass mehr Wasser nach f hin-, als von f wegströmt. Wenn sich somit die Flüssigkeit in f anhäuft, so muss auch der Punkt f nach g hin steigen, während c gegen a hin zurückgeht. — Dieses Zurückgehen des Punktes von c nach a und das Aufsteigen des Punktes f nach g hin muss aber so lange dauern, bis in dem Querschnitt f f die in der Richtung von a e wirksamen Kräfte denen in der Richtung e h thätigen das Gleichgewicht halten. Dieses ist aber offenbar noch nicht eingetreten, wenn die elastische Spannung des Kreisumfangs, auf dem f f lie- gen, gleich ist derjenigen, welcher c c angehören. Denn es haben dann noch die Punkte c c eine Geschwindigkeit nach der Röhrenachse hin, während die Punkte f f eine solche nach g g hin besitzen, so dass demnach wegen der Beharrung beide Stücke noch eine Zeitlang in entgegengesetzter Richtung gehen. Dem entsprechend wird sich die Röhre der Form a g i annähern. — Hat nun aber einmal das Rohr diese Stellung (Fig. 26.) angenommen, so wird die Vertheilung der Kräfte in ihm etwa folgende sein. Auf dem Querschnitt b b kommt der Flüssigkeit wegen des ursprünglich 4* Theorie der Schlauchwellen. Fig. 26. empfangenen Stosses eine Geschwindigkeit zu in der Richtung des Pfeils, und ausserdem hat sie eine Spannung, vermöge derer sie ebensowohl nach a a , als nach c c getrieben wird. Die Strömung nach a a wird gehemmt durch die in entgegengesetzter Richtung wirkende Geschwindigkeit, die Strömung nach c c wird dagegen durch dieselbe Geschwindig- keit unterstützt und es wird somit ein beschleunig- ter Strom nach c c gehen, während die Flüssigkeit in a a zur Ruhe kommt. Die an diesem Ort beruhigte Flüssigkeit wird jedoch einen merklichen Grad von Spannung mehr besitzen, als er ihr vor Einleitung des Stroms eigen war, und darum wird auch das Rohr hier um etwas weiter bleiben, wenn auch die Bewegung von da nach dem Röhrenende weiter fortgeschritten ist. Eine zweite Erscheinung, auffallend für eine Beugungswelle des Wassers, besteht darin, dass die Fortbildungsgeschwindigkeit unabhängig von dem Volum der eingestossenen Flüssigkeit, von der Geschwindigkeit des einzelnen Flüssigkeitstheil- chens, und in weiten Grenzen auch unabhängig von der Wandspannung ist. Wir sind hiermit gezwungen, das Rohr und seinen Inhalt als ein zusammengehöriges Stück aufzufassen, in dem die Welle nach Art der Schallwellen fortschreitet. Wie man sich das Zustandekommen dieser Erscheinung aber zu denken habe, ist schon früher Bd. I. p. 265. auseinandergelegt. Wenn aber das Rohr sehr nachgiebig wird, sodass gleichsam das in ihm enthaltene Wasser mit einer freien Oberfläche versehen ist, so müssen nun auch auf das Fortschreiten der Welle im Wasser die Gesetze giltig sein, welche E. H. und W. Weber in ihrer Wellenlehre p. 166. dafür entwickelt haben. Die Gründe, aus denen sich die Welle während ihres Fortgangs durch das überall gleichgestaltete Rohr abflacht, können allgemein nur darin liegen, dass die Geschwin- digkeit der Wassertheilchen, welche sich jeweilig an einer Welle betheiligen, in einer Abnahme begriffen ist, denn nur hiervon kann eine Aenderung in der Span- nung abhängig sein Diese Verminderung der Geschwindigkeit kann und wird, wie es scheint, auf zweifache Weise zu Stande gebracht werden. Einmal verlangsamt sich das schwingende Theilchen darum, weil sich die Welle beim Fortgang durch das Rohr verlängert; eine Verlängerung der Wellen bedeutet aber natürlich nichts anderes, als dass sich die Zahl der ihr angehörigen Theilchen vermehrt hat; da nun aber die Welle nur über ein bestimmtes Kraftmaass disponirt, so muss nothwendig die Geschwindigkeit des einzelnen Theilchens abnehmen, wenn die Zahl der beweg- ten zunimmt. Neben diesem Grunde, der auf einer andern Vertheilung der lebendi- gen Kräfte beruht, steht ein anderer, der sich von einem Verlust an Kräften her- schreibt. Dass bei der Bewegung des Wassers in einem Wellenschlauch Verlust an Kraft stattfinden muss, ergiebt sich daraus, weil auch hier eine Fortbewegung des Wassers an den Wandungen, also Reibung, statt findet, weil sich die einzelnen Was- sertheilchen im Innern des Rohrs mit ungleicher Geschwindigkeit bewegen, sie sich also voneinander losreissen müssen und endlich, weil sich die Theilchen der Wan- dung gegeneinander bewegen, wobei ebenfalls Kräfte durch innere Reibung verbraucht werden. Bei der ungeheuren Complikation der Vorgänge, die hier stattfinden, wird es der Rechnung noch für lange Zeit unmöglich sein, eine Theorie derselben zu lie- fern. — In Ermangelung einer solchen hat Volkmann Versuche angestellt, um die Beziehungen zu ermitteln, welche bestehen zwischen der mittleren Spannung und der mittleren Geschwindigkeit. Zu diesen bediente er sich der in Fig. 27. dargestellten Mittlere Spannung und Geschwindigkeit der Schlauchwelle. Fig. 27. Einrichtung. K stetlt einen Wasserbehälter vor, in dessen einer Seitenwand nahe über dem Boden ein mit einem Hahn verschliessbares Rohr H eingefügt ist; an dieses Rohr ist ein Darmstück D eingebunden, in dessen Seitenwand eine senkrechte Glasröhre deren Lumen sich in der Darmhöhle öffnet. An das Ende des Darms S ist ein messin- genes Ausflussrohr eingefügt. Nachdem der Behälter bis zu einer beliebigen, aber genau bekannten Höhe mit Wasser gefüllt ist, öffnet und schliesst man in regelmässiger Wiederkehr den Hahn, sodass das Wasser in steigender und abnehmender Menge in den Darm eindringt. Wenn der Spiegel des Wassers auf gleicher Höhe erhalten wird und die Umdrehung des Hahus nach einer sich gleichbleibenden Regel geschieht, so geht durch den Schlauch eine Reihe gleichgearteter Wellen, und in Folge dessen wird die Spannung, welche in H abgelesen werden kann, und der Ausfluss aus der Mün- dung S innerhalb bestimmten Grenze schwanken. Kennt man nun das Flüssigkeitsvolum, welches in der Zeiteinheit aus dem Rohr strömt, so erhält man daraus auch sogleich die mittlere Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der Oeffnung. Indem man die Mitte nimmt aus dem höchsten und niedersten Stand der Flüssigkeit in der spannungsanzei- genden Glasröhre, erhält man auch zugleich die mittlere Spannung in dem Darm, an der Stelle, in welcher die Glasröhre eingefügt war. Indem Volkmann diese bei- den mittleren Werthe bei verschiedenen mittleren Geschwindigkeiten, oder was dasselbe bedeutet, für ungleich hohe Wasserstände in dem Kasten verglich, kam er zu der Regel, dass sich für jedes Darmrohr zwei Coeffizienten a und b finden lassen, welche die Spannung in diesem angeben, wenn man den einen von ihnen mit der einfachen Geschwindigkeit und den andern mit dem Quadrat derselben multiplizirt. Mit Zei- chen ausgedrückt war also, wenn w die mittlere Spannung und v die mittlere Ge- schwindigkeit bedeutet, w = a v + b v 2 . Es kann demnach, wie man sieht, der Zusammenhang zwischen Spannung und Geschwindigkeit auf scheinbar denselben Aus- druck gebracht werden, welcher ihn auch für steife Röhren und paralelle Ströme dar- stellte (siehe p. 41). Diese Uebereinstimmung hat insofern nichts Auffallendes, als hier wie dort die hemmenden Ursachen (Reibung und Stösse) zugleich in dem ein- fachen und dem quadratischen Verhältniss der Geschwindigkeit steigen. Der Unter- Thalwellen. schied zwischen beiden Vorgängen muss dagegen in dem Coeffizienten gelegen sein. Mit Rücksicht hierauf wäre also zn versuchen, wie sich, alles übrige gleichgesetzt, die Coeffizienten in einem Rohre verhalten, durch das man einmal einen gleichblei- benden und das anderemal einen wellenförmigen Strom schickte, während die mitt- lere Geschwindigkeit unverändert geblieben wäre. β. Die zweite Bedingungsreihe, durch welche wir eine Flüssigkeitsbewegung in einem dehnbaren Schlauche ungleichmässig zu machen gedachten, würde z. B. erfüllt sein durch die Anwesenheit eines durch Flüssigkeit ausgedehnten elastischen Schlauchs, der an beiden Enden verschlossen wäre, aber an einem von beiden auf beliebige Weise, z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vorübergehend geöffnet werden könnte. Oder auch dadurch, dass man an der Ausflussmündung eines elastischen Rohres, welches von einem constanten Strom durchflossen wird, wechselnd eine Erweite- rung oder Verengerung von beträchtlichem Umfang anbringt. Der Einfachheit wegen wenden wir uns zu dem Apparat mit ursprünglich ruhender, aber gespannter Flüs- sigkeit. Gesetzt, es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 28.) bei Fig. 28. B B plötzlich geöffnet, und nachdem eine kleine Flüssigkeitsmenge ausge- flossen sei, wieder geschlossen wor- den, so nimmt das Rohr erfahrungs- gemäss während der kurzen Zeit des Ausfliessens die Form A A C C an. Nach dem Schluss der Mündung strömt nun aus dem nächst gelegenen Stück des Rohrs, welches höher als das Ende gespannt ist, Flüssigkeit in dieses abgespannte Ende, sodass, während sich dieses letztere wieder anfüllt, das erstere zusam- menfällt. Es geht somit, wie es in Fig. 29. dargestellt ist, die Abspannung in der Fig. 29. Richtung des Pfeils A A durch die Röhrenwand fort, während die Flüs- sigkeit durch das Rohr in der ent- gegengesetzten Richtung nach der des Pfeils B weiter bewegt wird. Diese Welle, welche im Gegensatz zu der früher beschriebenen mit einer Ein- biegung des Rohrs verbunden ist, nennt man die negative oder die Thalwelle. Die Erscheinungen, welche diese Welle ausserdem noch bietet, und somit auch die Theorie derselben, treffen ganz zusammen mit denen der Bergwelle, wie man nach einer kurzen Ueberlegung einsehen wird. Da auf die Wellen des Schlauches alle allgemeinen Grundsätze, nach welchen die Wellenbewegung zu beurtheilen ist, anwendbar sind, so müssen nothwendig auch die Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderschreiten beobachtet werden. In dem letztern Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des Thals eintreten können, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige (Berg- und Thalwellen) laufen. E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs . — Nach allem diesen wird es, bevor wir die Erscheinungen des Blutlaufs selbst schil- dern, noch von Nutzen sein das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber gegeben hat, zu erklären. Dieses (Fig. 30.) setzt sich aus zwei elastischen Röhren zu- sammen, einer kürzeren a c und einer längeren b d e . Jede dieser beiden Röhren ist an dem einen ihrer Enden mit einem Röhrenventil versehen, dessen Einrichtung durch Fig. 31. dargestellt wird. Ein solches Ventil wird hergestellt, indem man zwei steile Röhren a und b ineinander steckt; an die innerste derselben a a ist ein Darm- E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. stück c augebunden, von dessen freiem Rand die Fäden ausgehen, die an der äussern Fig. 31. Röhre angeknüpft sind; verläuft in den Röhren ein Wasserstrom, so wird er je nach seiner Rich- tung das Ventil c c schliessen oder öffnen, und zwar wird das letz- tere geschehen, wenn der Strom nach der Richtung des Pfeiles f , das erstere, wenn er in umgekehrter Richtung geht. Damit bei diesen verschiedenen Strömen der Rand des Ventils nicht in b eingestülpt, oder genau an b b angepresst werde, sind die Fäden an Ränder angeknüpft, welche dem Spielraum der Bewegung gewisse Grenzen anweisen. Kehren wir nun zurück zu Fig. 30. Die beiden Darmstücke, Fig. 30. das kürzere und das längere, werden so ineinander gesteckt, dass die Ventile einen fortlaufenden Strom durch den in sich zurücklaufenden Bogen a c d gestatten, wie ihn in unserer Figur die kleinen Pfeile anzeigen. Darauf wird durch eine ver- schliessbare Seitenöffnung, z. B. den Trichter bei a , der Darm bis zu einem be- stimmten Grade mit Wasser gefüllt. Drückt man, nachdem dieses geschehen ist, das freiliegende Stück v der kurzen Darmabtheilung zusammen, so wird sein Inhalt, da er nach e hin nicht ausreichen kann, durch c in die grosse Röhre treten und in dieser eine fortschreitende Bergwelle erzeugen, welche in der Richtung des Pfeils nach a hin laufend succesiv die Flüssigkeit in dieser Richtung weiterführt. Lösst man nun aber den Druck, welchen man auf v angebracht hatte, plötzlich, so wird die Flüssigkeit in diesen Raum von der gesammten Umgebung eingedrängt; dieses wird aber, wegen der Ventile, nur von a nach e gelingen, und dadurch wird eine Beugungswelle erzeugt, die von a durch d nach c fortschreitet und demnach die Flüssigkeit in der Richtung von c nach a fortführt; d. h. in derselben, in welcher sie auch durch die Bergwelle, die von c nach a lief, getrieben wurde. So kann also durch eine Wellenbewegung die Flüssigkeit in einer in sich geschlossenen Röhre herumgeführt werden. Vorausgesetzt nun, dass das Lumen des Darmrohrs überall von normaler Weite sei, so werden sich die in ihm erregten Wellen sehr rasch durch das ganze Rohr hindurch verbreiten und sich somit auch die Ungleich- heit in der Spannung, welche durch das Zusammenpressen von v eingetreten war, ausgleichen. Bringt man dagegen irgendwo im Lichten eine Verengerung an, z. B. dadurch, dass man bei d einen Badeschwamm einlegt, so wird die von c her- kommende Flüssigkeit nur sehr allmählig über die verengerte Oeffnung hinausdrin- gen; die Welle aber wird, wenn die Oeffnungen in dem Badeschwamm eng und wenig zahlreich sind, sich gar nicht über d fortpflanzen. Wenn aber die Flüssig- keitsmenge, welche in das Röhrenstück e d geworfen ist, sich nicht sogleich wieder aus ihm entleeren kann, so muss sie sich in seinem Raum vertheilen und die Span- nung seiner Wand erhöhen. Umgekehrt muss dagegen in dem Stück d e die Span- nung abnehmen, weil dieses einen Theil seines Inhalts in das vorhin entleerte v geworfen hat. Vermöge dieses Spannungsunterschiedes wird nun auch ein Strom durch d hindurch, von c d nach d e gehen und zwar so lange, bis die Spannung E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. beider gleich geworden ist, ein Strom, der somit auch noch fortdauert, wenn längst die Welle verschwunden ist. In dem Rohr besteht, bevor irgend eine Welle darin erregt worden ist, durch die Anfüllung desselben eine Spannung, die in jedem Ort der Röhre und somit auch überall in der Wandung gleich ist. Die Summe dieser Spannungen, welche auf der Wand lastet, wird demnach zu finden sein, wenn der auf ihrer Flächeneinheit lastende Druck (p) multiplizirt wird mit der Anzahl der Flächeneinheiten (q), die sie enthält. Wird nun eine Welle erregt dadurch, dass die Wand an einer Stelle zusammengepresst wird, so muss sich diese an andern erweitern; und weil eine Ausdehnung oder ein Zusammendrücken der Wand gleichbedeutend ist mit einer Ent-, resp. einer Belastung, so müssen nun die Spannungen, die auf verschiedenen Orten der Wandung liegen, ungleich werden. Belegen wir nun die verschiedenen Spannungen mit p′, p″ u. s. w. und die Wandflächen, auf denen die bezeichneten Spannungen vorkommen, mit q′, q″ u. s. w. — so wird die Summe der veränderten Spannungen gleich sein der Summe q′ p′ + q″ p″ u. s. w. — Es ist nun die Frage, ob q′ p′ + q″ p″ p q sei, oder mit Worten, ob die Summe der Spannungen in dem Rohre nach der eingeleite- ten Wellenbewegung im Vergleich zur früher bestandenen sich unverändert erhalten, vergrössert oder verkleinert habe. Diese Frage ist leicht zu entscheiden. Da die wässerigen Flüssigkeiten sich nicht merklich zusammendrücken lassen, so wird das Volum derselben vor und nach ihrer Lagenveränderung unverändert geblieben sein. Setzen wir also voraus, dass R der mittlere Durchmesser des Rohrs vor der Um- lagerung der Flüssigkeit gewesen sei, und dass L die Länge desselben sei, dass aber R + r und l die gleichen Bedeutungen für das durch die Umlagerung erweiterte; R — ϱ und l′ aber derjenige für das abgespannte Stück tragen, so muss (R—ϱ) 2 πl′ + (R + r) 2 πl = R 2 π L sein. Nehmen wir nun der Einfachheit wegen an, dass l = l′ Eine Unterstellung, die wegen der annähernd gleichen Länge des Venen- und Arteriensystems für das Schema des menschlicheu Kreislaufs gemacht werden darf. und somit L = 2l sei, so ändert sich nach Weglassung von l und π, welche allen Gliedern zukommen, die Gleichung in (R — ϱ 2 ) + (R + r) 2 = 2R 2 . Setzt man in diesem Ausdruck ϱ = r, so führt derselbe zu der widersinnigen Be- hauptung, dass o = 2r 2 sei. Daraus geht also hervor, dass die Zunalime der Pe- ripherie in der gespannteren Seite nicht so gross sein kann alsdie Abnahme in dem ab- gespannten. Führt man nun die Betrachtung in ähnlicher Weise weiter, so kommt man auf die Folgerung, dass wenn die Radien der beiden Stücke von Anfang an ungleich gewesen sind, und dann aus dem engeren Rohr Flüssigkeit in das weitere geworfen wird, in diesem letzteren eine absolut geringere Zunahme des Umfangs stattfindet, als die Abnahme des engern Rohrs beträgt, während im umgekehrten Fall (bei grossen Unter- schieden) natürlich das Umgekehrte Statt finden kann. Setzt man nun die Elastizitätscoef- fizienten der Wandung des engern und weiteren Rohrs einander gleich, so würde daraus folgen, dass beim Uebertritt der Flüssigkeit aus dem engen in das weite Rohr jedenfalls weniger spannende Kräfte verbraucht wurden, als im umgekehrten Fall. Aus dieser Betrachtung werden wir demnächst ableiten, dass beim Uebertritt des Bluts aus dem weitern Venensystem in das engere arterielle ein beträchtlicher Antheil der Herz- kraft zur Spannung des Bluts verbraucht werden muss. In den zunächst folgenden Stücken werden im Gegensatz zu einer natürlichen Anordnung des Stoffs, das Herz und die Gefässe vorab, los- getrennt aus dem logischen Zusammenhang behandelt. Da dieses ohne Eintrag für das Verständniss geschehen kann, so mögen Gründe der Zweckmässigkeit die Inconsequenz entschuldigen. Inhalt der Herzkammern. Das Herz und seine Bewegungen . 1. Inhalt der Herzkammern . Das Blut, welches die beiden Herzkammern eines Erwachsenen im erschlafften Zustand fassen kann, schätzt man nach den genauesten Messungen von Krause Krause , Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Aufl. I. 787. zu 150 C.C. Volkmann Haemodynamik nach Versuchen. Leipzig 1850. p. 206. bestimmt dagegen die Blutmenge, welche durch eine Zusammenziehung von mittlerem Umfang aus einem Ventrikel in die Ge- fässe entleert wird, bis zu 175 C.C. — Den Inhalt der Kammern bestimmt man meistentheils durch Anfüllung derselben mit Flüssigheit. Da das Herz einen elastischen Beutel darstellt, so wird sein Inhalt veränderlich sein mit dem Druck, unter dem es gefüllt ist, der Ausdehnung, der Dicke, dem Elastizitätscoeffizienten seiner Wandung und endlich mit dem Wider- stand seiner Umgebung. Sollten also die Ausmessungen des Cubikinhaltes seiner Höhle werthvoll sein, so müssten sie am todten Herzen als eine Funktion dieser Um- stände bestimmt werden und darauf müsste man zu ermitteln versuchen, unter wel- chem Druck u. s. w. das lebende Herz gefüllt wird, wenn man die Ergebnisse des todten auf das lebende Herz übertragen wollte. Dieses ist bis dahin nicht gesche- hen, somit geben die Beobachtungen nur entfernt augenäherte Werthe. — Volk- mann Haemodynamik nach Versuchen. Leipzig 1850. p. 206. , der, wie wir erfahren werden, die mittlere Geschwindigkeit des Blutes in der Aorta schätzen lehrte, benutzte diese Beobachtung zur Ermittelung der wich- tigeren Frage, wieviel Blut mittelst eines jeden Herzschlags aus der linken Kammer getrieben wird. Kennt man nun die Weite der Aorta, die Geschwindigkeit, mit wel- cher sich das Blut in ihr bewegt, so weiss man natürlich, wie viel Blut das Herz in einer gegebenen Zeit, z. B. in der Minute, entleert; daraus berechnet sich nun auch gleich die Menge, welche jeder einzelne Herzschlag liefert, wenn man die Zahl der Herzschläge in dieser Minute gezählt hat. Nachdem er eine grössere Zahl von sol- chen Beobachtungen an Hunden, Schafen, Ziegen und Pferden ausgeführt hatte, ver- glich er das Gewicht einer Ventrikelentleerung mit dem eigends ermittelten Gesammt- gewicht der Beobachtungsthiere. Diese Vergleichung führte zu dem Ergebniss, dass mit Ausnahme von zwei ganz abweichenden Fällen das aus dem linken Ventrikel entleerte Blutgewicht den 0,003 bis 0,002ten im Mittel also den 0,0025ten Theil vom Gesammtge- wicht des Thiers ausmachte. Erlaubt man sich nun diese Verhältnisszahl auf den mittlern erwachsenen Menschen zu übertragen, dessen Gewicht zu 70 Kilogramm angenommen werden kann, so gelangt man zu obiger Annahme. Diese Angabe ist aber begreiflich auch nur eine angenäherte und keine allgemein giltige, selbst wenn man alle Data der Volkmann schen Untersuchung für fehlerfrei erklärte. Denn einmal scheinen, wie wir aus den Resultaten der Sektionen schliessen, das Herzvolum und das Kör- pergewicht nicht proportional zu wachsen, und dann ist die Geschwindigkeit des Stroms in der Aorta nicht allein von der Zahl der Herzschläge abhängig. Dieses letztere schliesst aber nichts anderes, als die leicht vorauszusehende Behauptung ein, dass die Herzschläge je nach der Geschwindigkeit ihrer Folge sehr verschiedene Blutmen- gen ausgeben. Ueber das Verhältniss des Rauminhaltes der beiden Kammern eines und desselben Herzens lässt sich mit Wahrscheinlichkeit aussagen, dass die rechte Kammer etwas mehr Blut zu fassen vermöge, als die linke. Hierfür sprechen wenigstens die Ausmessungen des todten Herzens, denn wenn die beiden Herzhälften selbst unter Wasser, also mit Vermeidung Anordnung und Wirkung der Muskelröhren des Herzens. alles Druckes, gefüllt wurden, so ergab sich doch constant ein Ueber- gewicht des rechten Inhaltes über den linken. — Dagegen muss der Theil des Inhalts, welcher während des Lebens in das Gefässsystem strömt, für beide Ventrikel derselben sein; denn es entleert sich ja mit mancherlei Umwegen schliesslich der eine Ventrikel in den andern, und somit würde eine Anhäufung des Bluts rechts oder links geschehen, wenn nicht fortwährend aus beiden Höhlen gleichviel ausgestossen würde. — 2. Anordnung und Wirkung der Muskelröhren C. Ludwig, Henle u. Pfeuffers Zeitschrift. VII. 189. — Donders in seiner und Bauduin’s Handleiding tot de Natuurkunde von den gezonden Mensch. Deel II. Utrecht 1853. p. 14. u. f. — Kölliker , mikroskopische Anatomie. II. Bd. 483. . Die Vorhöfe werden bekanntlich von einer dünnen, nicht überall vollstän- digen Lage von Muskelmasse umzogen, die an keinem Orte in die Mus- keln der Kammern übergeht ( Donders ); an einzelnen Stellen läuft die Faserung annähernd parallel, an andern senkrecht mit der Längenachse des Herzens, nur an wenigen Orten kommen gleichzeitig Fasern von beiden Richtungen vor. Die Fasern beider Vorhöfe gehen an der vor- dern Fläche ineinander über. An den Venenmündungen finden sich Ring- fasern. Nach allen diesen müssen bei der Muskelverkürzung die Vor- höfe zusammengezogen werden; die Höhle eines jeden einzelnen Vor- hofs kann nicht überall in zwei aufeinander senkrechten Ebenen veren- gert werden; der Durchmesser der Venenmündungen wird verkleinert, derjenige der arteriellen (ostia atrioventricularia) bleibt dagegen unverändert. Die Kammern . a. Ihre Fasern gehen nur in Sehnen über, ent- weder geradezu in dem fibrösen Kranze, welcher die an der Kammer- basis gelegenen Oeffnungen umgiebt, oder in solche, welche in diesem Kranze ein Ende nehmen. Zwischen diesem Anfang und Ende umspan- Fig. 32. nen sie jedesmal eine, öfter auch zwei Kam- mern, sie bilden also Schleifen, die, wie die freilich unvollkommene Herzpräparation wahrscheinlich macht, häufig sogar in sich zurücklaufen, indem Ursprung und Ende einer Faser an demselben Ort zu liegen scheinen. — b. Für sehr viele Fasern ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nicht bloss mit einfacher, sondern mit doppelter Schlinge den Herzkegel umschliessen, indem sie einen 8 förmigen Umgang machen (Siehe Fig. 32. a b c d ). Die von links nach rechts gehen- den Richtungen dieser Fasern liegen im Allgemeinen näher gegen die äussere Herz- oberfläche, die umgekehrt laufenden aber Muskeln der Ventrikel. näher gegen die Höhlenoberfläche. Zu dem scheint noch die Anordnung zu gelten, dass die oberflächlichsten Fasern, welche rings an der Herzbasis (gleichgiltig, ob von dem Rand des ostium venosum dextrum, oder sinistrum) entspringen, durch den an der Spitze des linken Herzens gelegenen Wir- bel hindurch auf die innere Oberfläche des linken Ventrikels dringen, und an diesen emporlaufen. — c. Die zunächst den Herzoberflächen gelege- nen Fasern laufen am meisten steil, und sie sind die einzigen, welche die Herzspitze erreichen, die Fasern aber, welche mehr im Innern der an der Basis dickern Herzwand liegen, verlaufen weniger steil. d. Aus dem bisher angegebenen Verhalten folgt, dass an allen Orten der Kammerwandung sich Fasern von der verschiedensten Richtung fin- den, wie dieses an dem in Fig. 33. dargestellten Schema durch die Fa- Fig. 33. sern a b c d e f versinnlicht wird. Die Fasern von der Richtung, welche a einhält, verlaufen zunächst unter dem Pericardium, diejenigen, welche dem Zuge f folgen, grenzen an das Endocardium an. — e. Ein grosser Theil von den Fasern, welche der Herzhöhle zunächst laufen, erreicht sein Ende in Sehnen, welche erst durch die Klappen hin- durch zu den sehnigen Rändern der venösen Kammermündungen gelangen. Mehrere solcher auf der innern Herzfläche frei hervorragende Muskelenden (Papillarmuskeln), deren Zusammen- hang mit den äussern Fasern Fig. 34. erläutert, convergiren gegeneinander ( a b ). Sie können Fig. 34. somit als Stücke eines unvollkommen vorhan- denen inneren Herzkegels angesehen werden, der seine Spitze nach der Basis des äussern kehrt. Die Sehnen dieser Muskeln, welche in die Klappen dringen, fahren nach verschiede- nen Richtungen hin auseinander und enden niemals sämmtlich in einer, sondern jedesmal in zwei benachbarten Klappen, wie dieses durch Fig. 35. dargestellt ist. Jeder Hauptlappen einer Klappe empfängt somit aus zwei Papillarmus- keln seine Chorden, auf denen er im ausge- spannten Zustand wie auf einem Kniegebälke ruht. (Fig. 35. a a im Durchschnitt). — f. Der bei weitem grösste Theil der Fasern, welche sich in der freien Wand des rechten Ventrikels vor- finden, ist schon einmal Bestandtheil der freien Wand des linken Ven- trikels gewesen, sodass die Muskelschleifen, welche sich um die rechte Kammer begeben, auch die linke einschliessen. Dieses Verhalten wird schon klar durch die Betrachtung der gegenseitigen Lagerung beider Zusammenziehung der Ventrikularmuskeln. Fig. 35. Herzhöhlen; auf einem zur Län- genachse des Herzens senkrech- ten Querschnitt erscheint nem- lich die rechte um die linke herum gekrümmt. Die auf der der rechten Herzhöhle zugewen- deten Scheidewandfläche verlau- fenden Fasern verhalten sich aber zum linken Herzen wie diejenigen, welche auf der Herz- oberfläche verlaufen. Ein System so verwickelter Mus- kelröhren, wie das beschriebene, wird bei seiner Zusammenziehung je nach der Vertheilung seiner Mas- se, der relativen Verkürzung ein- zelner Theile u. s. w., die man- nigfachsten Erscheinungen bieten, die sich bis in ihre Einzelheiten in keinem Falle werden voraussagen las- sen, theils weil die Verflechtung der Fasern zu complizirt, theils auch noch zu wenig bekannt ist, um sie mittelst der mechanischen Theorie zu be- handeln. Wir sind darum auf die Beobachtung des lebenden Herzens angewiesen, wenn wir erfahren wollen, wie es sich, während es im Kreis- lauf thätig ist, bewegt. Die Beobachtung dieser Bewegung wird aber, weil die Untersuchung rein im technischen Interesse unternommen wird, nur dann werthvoll sein, wenn sie unter den mittleren Bedingungen des normalen Lebens angestellt ist. Dahin zählen wir aber: einen unge- störten Kreislauf des Bluts, eine ungeschwächte Muskelkraft und eine der Norm möglichst angenäherte Lage. Die Erscheinungen, die das bewegte Herz für sich, abgesehen von der Veränderung seiner Gesammtlage, bietet, sind: a. die Herzkammer übt bei ihrer Zusammenziehung auf ihren Inhalt überall, ausgenommen von der arteriellen Mündung her, einen Druck aus. Die Möglichkeit, dass das zusammengezogene Herz auch von seiner venösen Mündung her gegen den Inhalt drückt, ist durch die Papillarmuskeln und deren Anheftung an die venösen Klappen gegeben. Denn da der Papillarmus- kel frei in die Herzhöhle ragt, so wird er bei seiner Verkürzung sich gegen die Wand zurückziehen und somit einen Zug von innen und oben nach aussen und unten gegen die Klappen üben. Da aber jede Klappe zwei Papillarmuskeln besitzt, welche einander gegenüberstehen, so wird der aus beiden Zügen resultirende Weg der Klappe gerade gegen die Mitte der Herzhöhle fallen. Wenn z. B. in Fig. 36. A A einen freien Klap- penrand der linken venösen Herzmündung darstellt, so werden sich die Formveränderung des zusammengezogenen Ventrikels. Fig. 36. beiden Papillarmuskeln mit zwei einander entspre- chenden Sehnen nach dem Schema a b und c d an ihn festsetzen. Ziehen sich die Papillarmuskeln zu- sammen, in der Art, dass sie ihren Sehnen in der Richtung von b nach a und d nach e einen Zug ertheilen, so wird die Klappe in der Richtung des Pfeils p gehen, wie dieses der Grundsatz vom Pa- ralellogramm der Kräfte verlangt. Das, was hier für die zugehörigen Sehnen zweier Papillarmuskeln bewie- sen wurde, gilt bei dem symmetrischen Ansatz der- selben aber auch für alle übrigen. Die Papillarmus- keln werden aber durch ihre Sehnen den Klappen nur dann einen Zug mittheilen können, wenn diese letzteren in einer an- nähernd senkrechten Richtung zur Längenachse des Herzens stehen, wenn also, um mit den Aerzten zu reden, die Klappen gestellt sind. Denn nur in diesem Falle spannen sich die winklig abgehenden Sehnen (zweiter und dritter Ordnung) zwischen Klappe und Papillarmuskel aus. — b. Indem sich das Herz allseitig verkürzt und verschmälert, sucht es dabei aber zugleich eine ganz bestimmte Form anzunehmen. Die Basis des Herzens wird nemlich auf dem Querschnitt annähernd kreisförmig, die Spitze sucht sich dagegen dem Mittelpunkt dieses Kreises in einem ganz bestimmten Abstand gegenüber zu stellen, mit einem Worte, das Herz zieht sich selbst überlassen zu einem regelmässigen Kegel zusam- men. Hierbei wird das Herz zugleich sehr hart, so dass nur durch be- trächtliche Drücke die Form des zusammengezogenen Herzens merklich geändert werden kann. — Der Grund für die Erhärtung des zusammen- gezogenen Herzens liegt in der besonderen Muskelanordnung, vermöge derer die einzelnen Fasern sich nach einer Richtung hin unterstützen, nach der andern aber hemmen, oder anders ausgedrückt, sich gegen- seitig spannen. Diess ist ohne weitere Auseinandersetzung sogleich ein- leuchtend, wenn man die Wirkungen zweier oder mehrer nebeneinan- derliegender Fasern des Schemas (Fig. 33.) zergliedert. — Die Kegel- gestalt des zusammengezogenen Herzens wird wahrscheinlich dadurch veranlasst, dass vom ganzen Umfang der Herzbasis Fasern gegen die Spitze zusammenlaufen, welche durch ihre Gegenwirkungen dieser letz- teren eine bestimmte Stellung zu der ersteren anweisen müssen. Zu- gleich darf im Allgemeinen vorausgesetzt werden, dass die mehr gegen die Spitze liegenden Muskelmassen das Herz verkürzen, während die an der Basis gelegenen seinen Umfang mindern, denn dort läuft die über- wiegende Zahl annähernd parallel und hier annähernd senkrecht gegen die Längenachse des Herzens. — Die Zusammenziehung beengt, soweit er- sichtlich, die arteriellen Mündungen nicht; es ist noch nicht klar, wie diess geschieht. Herzstoss. Da die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der zusammengezogene Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anhält, so ist es unmöglich, die Form des zusammengezogenen Säugethierherzens anders aufzufassen, als mittelst Einrichtun- gen, welche alle oder einige Punkte desselben graphisch fixiren. Eine der vielen möglichen solcher Einrichtungen ist von mir zur Feststellung der obigen That- sachen benutzt worden. Ein ungefähres Bild des Hergangs kann man sich auch an einem frisch herausgeschnittenen, noch schlagenden Säugethierherzen verschaffen. Hebt man ein solches schwebend, indem man es mit der Pinzette an dem Vorhofe oder den grossen Gefässen fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis nähert; legt man es dagegen auf die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern herabfällt, so entfernt sich jedesmal bei der Zusammenziehung die Spitze von der Basis, sodass sie sich steif emporstellt. Legt man es aber auf eine ebene Unterlage, wobei in der Erschlaffung die Wandungen an der Peripherie zusammenfallen, sodass sich der Durch- messer der Basis nach der einen Richtung verlängert und nach der andern verschmä- lert, während die Spitze schief gegen die Unterlage fällt, dann wölbt sich während der Zusammenziehung die zusammengefallene Wand an der Basis, indem ihr Quer- schnitt aus der elliptischen Form in die runde übergeht und zugleich hebt sich die Spitze um etwas von der Unterlage ab. — Die Angaben, welche das blutleere, aus der Brusthöhle geschnittene, oder auf besondere Weise in ihr befestigte Herz über die Form macht, welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch für das normal gelagerte und gefüllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die Herzfasern gegenseitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige Voraussetzung, welche von den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die, dass die Erregbarkeit des Herzens auf einer normalen Stufe steht. Bei seiner Zusammenziehung erfährt das Herz auch eine Verände- rung seiner Lage zu den Nachbargebilden. Die einzige, welche uns unter den gewöhnlichen Lagerungsverhältnissen sicher bekannt ist, äussert sich durch einen mehr oder weniger stärkern Druck (Herzstoss), den das schlagende Herz auf die Brustwand in der Regel zwischen der 5 . und 6 . Rippe ausübt. Dieser Stoss wird an der Brustwand unter sonst gleichen Verhältnis- sen stärker empfunden in der Exspirationsstellung des Brustkorbs, und bei kräftigeren Zusammenziehungen des Herzens. Bei Säugethieren kann man jederzeit mit Sicherheit entscheiden, welcher Theil des Herzens sich während des Herzstosses so innig an die Brustwand andrängt, dass diese erschüttert, oder gar emporgehoben wird; man hat hierzu nur nöthig, lange Nadeln durch den am kräftigsten getroffenen Wandtheil in das Herz zu stossen und dann die Thiere zu tödten ( Kiwisch ), oder aber man kann sich bei einem Menschen vor dessen voraussichtlichem Tode die emporgeho- bene Stelle anmerken und nach demselben Nadeln durch diese Stelle in die Herzwand einbohren ( Jos. Meyer ) Virchow’s Archiv. III. Bd. 265. . Aus diesen Versuchen geht hervor, dass meist die Spitze, zuweilen aber auch die Basis der Ven- trikel es ist, welche die Wölbung des Intercostalraums bedingt. — Diese Beobachtungen lassen nun, je nachdem der eine oder andere Fall ein- trat, zwei Erklärungen zu. — Zuvörderst ist zu bemerken, dass die Herzstoss. schlaffen und weichen Wandungen den nicht zusammengezogenen Kammern innerhalb weiter Grenzen gestatten, verändernden Einflüssen zu folgen, und dass die letzteren insbesondere in dem menschlichen Brustraum ge- formt werden durch den Druck des einströmenden Bluts, die eigene Schwere und die drückenden und ziehenden Wirkungen der umgebenden Brustwand. Nehmen unter diesen Einwirkungen die einzelnen Theile eine andere Lage zu einander an, als sie ihnen durch die Zusammen- ziehung des Herzens geboten wird, und stellen sich zugleich die Brust- wandungen den Formveränderungen entgegen, welche das Herz in Folge sei- ner Zusammenziehung anzunehmen strebt, so wird letzteres bei seiner Ver- kürzerung, wenn es sonst nicht ausweichen kann, die Brustwand vor sich hertreiben. Dieser Druck gegen den Zwischenrippenraum wird, alles übrige gleichgesetzt, um so fühlbarer sein, je inniger sich das Herz an die Brust anlegt; aus diesem Grund wird in der Inspiration (wobei die Lun- gen die vordere Herzfläche zum grossen Theil von der Brustwand trennen), der Stoss diese letzteren weniger heftig treffen, als in der Exspiration. — Nach den von Kiwisch, Jos. Meyer u. A. gemachten Angaben und aus der bekannten Form des zusammengezogenen Herzens muss man sich das Fig. 37. Zustandekommen des Herzstos- ses nun auf folgende Art den- ken. — a. Stoss durch die Kammerbasis . Das schlaffe Herz wird durch die Brustwan- dung (Fig. 37 .) B B so zusam- mengedrückt, dass seine Peri- pherie eine Ellipse H H dar- stellt, deren kleiner Durchmes- ser kürzer ist, als derjenige des Kreises K , welchen der Kammer- grund bei seiner Zusammen- ziehung einzunehmen strebt; es muss dieser also die Brustwand auf- wölben. Auf diese Art hat Fr. Arnold zuerst den Herzstoss erklärt. — b. Spitzenstoss . Drückt dagegen (Fig. 38 .) die Brustwandung die Herzspitze während der Erschlaffung nach unten und hinten, so dass sie nicht mehr senkrecht über dem Mittelpunkt der Kammerbasis steht, so wird, indem bei der Zusammenziehung die Herzform aus H H S in H H P überzugehen sucht, die Spitze sich gegen die Brustwand mit Ge- walt andrängen (C. Ludwig ). Ausser dieser Erhebung der Längenachse des Herzens erwähnt man auch noch Dre- hungen der Querachse, welche nach Eröffnung der Brusthöhlen oder abnormen Lage- rungen des Herzens vor der Brustwand beobachtet wurden. Es ist zweifelhaft, ob sie in der geschlossenen Brusthöhle und bei normal gelagerten Herzen sich ereignen. Bei Thieren könnten Versuche mit Nadeln darüber Aufschluss geben. Siehe über die- sen Punkt die Lehrbücher von J. Müller, Valentin, Donders . Reihenfolge der Herzbewegung. Fig. 38. 3. Rhythmus der Herzbewegung Volkmann , Haemodynamik. p. 369. — Ludwig und Hoffa, Henle u. Pfeuffer’s Zeit- schrift, IX. Bd. 102. — Stannius, Müllers Archiv. 1852. p. 85. — Bidder , ibidem. 1852. p. 163. — Wagner , Handwörterbuch d. Physiologie. III. Bd. 1. Abthl. 407. — Heidenhain , Disquisitiones de nervis etc. centralib. cordis. Berlin 1854. . Die Muskeln des leben- den Herzens gerathen nach einer ganz bestimmten, örtlichen und zeit- lichen Reihenfolge in Zusammenziehungen, welche von Zeiten der Er- schlaffung unterbrochen werden. a. Reihenfolge der Bewegungen. Der Schlag des Herzens von einem vollkommen lebenskräftigen Thiere beginnt nach vorausgegangener Ruhe aller seiner Theile mit der gleichzeitigen Zusammenziehung beider Vorhöfe; nach der Beendigung oder kurz vor der Beendigung ihrer Bewegung tritt dann jedesmal die Zusammenziehung beider Kammern ein. Diese ver- lassen darauf ebenfalls nach kurzer Zeit den verkürzten Zustand, so dass schliesslich wieder ein Zeitraum besteht, in welchem alle Theile des Herzens, Vorhöfe und Kammern, sich in Ruhe befinden. Den Act der Zusammenziehung belegt man gewöhnlich mit dem Namen der Systole (Vorhof- und Kammersystole), den der Erschlaffung mit dem der Diastole oder Pause. Diese ebengeschilderte Reihenfolge der Bewegungen ist jedoch Dauer der Verkürzung und Erschlaffung des Herzens. eine nothwendige; denn es können sich erfahrungsgemäss, namentlich wenn das Herz im Absterben begriffen ist, entweder mehrere Bewegungen der Vorhöfe hintereinander folgen, ohne von einer Bewegung der Kammern unterbrochen zu werden, so dass in gleichen Zeiten die Vorhöfe zwei-, drei- und mehrmal so viel schlagen, als die Kammern; oder es kann gar auch vorkommen, wie namentlich nach Einträufeln von Opiumtinktur in die Höhlen, dass nach der Ruhe des ganzen Herzens zuerst die Herz- kammern und dann erst die Vorhöfe in Zusammenziehung kommen, so dass sich die Reihenfolge der Bewegungen umkehrt ( Hoffa, C. Ludwig ). Die Gründe sind nicht anzugeben, aus welchen die Nothwendigkeit der einen oder andern Reihenfolge der geschilderten Bewegungen hervorginge. b. Dauer der Bewegungen. Da das Herz in der Minute eine be- trächtliche Zahl von Schlägen ausführt, so wird die Dauer eines jeden einzelnen Bewegungsaktes sehr kurz ausfallen, und offenbar im Allge- meinen um so kürzer, je häufiger die Herzbewegung in der Zeit- einheit wiederkehrt. Wegen der so sehr verschiedenen Zahl der Herzschläge in der Zeiteinheit, ist es unmöglich, eine allgemein gil- tige Angabe über die absolute Dauer der Zusammenziehung und der Erschlaffung zu machen. Es bleibt darum nichts anders übrig, als die relative Zeit der einzelnen Bewegungen zu messen. Volkmann , der in dieser Richtung genaue Beobachtungen am Menschen angestellt hat, giebt an, dass die Zeit, während welcher die Ventrikel im zusammengezogenen Zustand verharren, genau so gross ist, als diejenige, welche die Zu- sammenziehung der Vorhöfe und die Erschlaffung des ganzen Her- zens umfasst. Diesem Beobachtungsresultat dürfte jedoch, wenn die hier in Betracht kommenden Erscheinungen bei Menschen und den Säugethieren annähernd sich gleich verhalten, keine allgemeine Giltigkeit zugeschrieben werden dürfen, da sich bei letztern mit einem Wechsel in der Beschleunigung des Herzschlags dieses Verhältniss ändert, indem bei langsamem Herzschlag die Zeit der Herzpause beträchtlich überwiegt über die der Ventrikularkontraktion, während umgekehrt, bei sehr beschleunigter Herzbewegung auch die Zeit der Kammerzusammenziehung die der Herz- pause übertreffen kann (C. Ludwig ). Mit andern Worten, es schwankt, wenn sich die Zahl der Herzschläge beträchtlich ändert, der Zeitraum der Diastole viel bedeutender, als derjenige der Kammernsystole. — Die Dauer der Vorhofssystole ist immer nur ein kleiner Bruchtheil von derjenigen der Kammerzusammenziehung. Volkmann benutzte zu seinen Messungen die Töne, welche das Herz bei sei- nen Bewegungen hervorbringt; ein anwendbares Verfahren, da der erste beim Herz- schlag hörbare Ton gerade so lange anhält, als die Kammersystole. Die Dauer des ersten Tons maass er aber dadurch, dass er einen Pendel mit verschiebbarer Linse so lange einstellte, bis seine Schwingungszeit gerade so lang war, als die des (mit dem Stethoskop) gehörten Tons. — Eine andere Methode (Fühlhebel und rotirender Ludwig, Physiologie II. 5 Erregungsursachen der Herznerven. Cylinder), welche am blossgelegten Herzen des Thieres angewendet wurde, siehe bei Ludwig l. c. p. 108. . ‒ c. Bedingungen, welche die Erregung der Herznerven erzeugen . — Das Herz enthält in sich alle die Gründe, von welchen die beschriebenen Bewegungen abhängig sind, wie sich widerspruchslos daraus ergiebt, dass das ausgeschnittene Herz, dessen Höhlen blutleer sind, seine Schläge noch fortzusetzen im Stande ist, selbst wenn es unter Umstände gebracht wird, in denen Muskeln und Nerven nicht erregt werden. Innerhalb des Herzens muss also ein automatisch erregendes Organ gelegen sein. Die Wirksamkeit desselben knüpft sich an die Ge- genwart von sauerstoffhaltigem Blut in den Herzgefässen, an die Erhal- tung einer bestimmten Temperatur und wahrscheinlich an die Anwesen- heit der in die Herzsubstanz zerstreuten Ganglien. Ein ausgeschnittenes Herz oder das in der Brusthöhle befindliche Herz eines Säugethiers, dessen Hirn und Rückenmark abgestorben ist, schlägt, sich selbst über- lassen nur noch kurze Zeit fort; die Zeitdauer seiner Bewegungen kann aber be- trächtlich vergrössert werden, wenn man entweder in die Lungen des getödteten Thieres Luft einblässt, oder aber wenn man durch die Kranzgefässe des ausgeschnit- tenen Herzens einen arteriellen Blutstrom leitet (C. Ludwig ) Henle und Pfeufer . 1. Reihe. V. Bd. p. 76. . Ein ausgeschnit- tenes Froschherz erhält dagegen seine Bewegungen stundenlang auch mit Zuthun des Bluts oder der Ernährungsflüssigkeit, welche in seinem Gewebe enthalten ist. Bringt man ein solches Herz in eine reine Sauerstoffatmosphäre, so schlägt es um viele Stunden länger und kräftiger, als in der atmosphärischen Luft ( Castell ), führt man es dagegen in den luftleeren Raum ( Fontana, Tiedemann Müllers Archiv. 1847. 490. , Pickford ) Henle und Peufer . Neue Folge. I. Bd. 240. Wasserstoffgas ( Schulz De motu cordis canae. Berlin 1849. , Castell ) Müllers Archiv. 1854. 226. , Stickgas, Kohlensäure, Schwefelwas- serstoff und luftleeres Wasser ( Castell ), so hört das Herz früher zu schlagen auf. Während seines Aufenthaltes in den beruhigenden Mitteln haben die gewöhnli- chen Erreger der Nerven ihre Wirkungskräfte verloren; bringt man aber dann das Herz, dessen automatische Erregung und dessen Erregbarkeit ganz verloren, wieder an die atmosphärische Luft, so beginnt die selbstständige Bewegung von Neuem. Beiläufig ist hier noch zu bemerken, dass die erwähnten Umstände und Gase nicht in gleichen Zeiten die Bewegung unterbrechen. Am längsten dauert der Herzschlag in Stick- und Wasserstoffgas, sehr kurz aber nur in Kohlensäure und Schwefelwasserstoff; diese Erscheinung deutet noch auf spezifische Einflüsse der einzelnen Gasarten hin. Die Gegenwart der Ganglien hält man für bedeutungsvoll, weil, wenn man ein Froschherz durch einen Cirkularschnitt, welcher etwas unter der Basis des Ven- trikels geführt wird, in zwei Stücke theilt, das obere (Vorhof und eine ringför- mige Parzelle der Ventrikularbasis) noch lebhaft fortschlägt, während das un- tere, meist ohne noch einmal in Bewegung zu kommen, abstirbt. Das obere ent- hält aber vorzugsweise die Ganglien. Dieser Versuch ist jedoch nicht vollkommen beweisend, denn einmal ist sein Erfolg nicht constant, da auch das untere Stück zu- weilen lebhaft schlägt; dann aber enthält das untere Stück immer auch noch Gang- Beschleunigung des Herzbewegung. Vaguserregung. lien, und endlich hat man ausser den Ganglien auch noch andere Theile verstümmelt. Eine etwas elegantere Form des Versuchs siehe bei Heidenhain l. c. p. 45. u. f. . d. Die Beschleunigung der Herzbewegung . — Die Schlag- folge ist unter vielfachen Umständen veränderlich: α. Die Zahl der Schläge des Herzens verändert sich mit irgend welchen nicht näher bestimmbaren Zuständen seiner Nerven und Muskeln; wie man sich ausdrückt, mit seiner Erregbarkeit. Diese Annahme rechtfertigt sich da- durch, dass der Herzschlag langsamer wird, oder dass Mittel, die ihn zu be- schleunigen im Stande sind, an ihrer Wirksamkeit einbüssen, wenn das Herz den Einflüssen entzogen wird, durch welche sich Muskeln und Nerven in ihren Lebenseigenschaften erhalten, wie namentlich, wenn es abkühlt und nicht mehr von dem arteriellen Blut durchströmt ist. Wie hier das Herz den auf dasselbe angewendeten Erregern zum Trotz langsam schlägt, so schlägt es nun zuweilen rascher ohne Zuthun solcher. Im erstern Fall schliessen wir auf erniedrigte, in dem letztern auf erhöhte Erregbarkeit. — β. Die Zahl der Herzschläge mindert sich, wenn der n. vagus, be- vor er in das Herz tritt, erregt wird ( Ed. Weber ). Hier sind die Thatsachen zusammenzustellen, welche sich auf eine Veränderung des Herzschlags durch Erregung des Vagus beziehen. — 1 .) Die Bewegungen des Herzens werden um so anhaltender unterbro- chen, je intensiver die Erregungen des n. vagus sind. Diese Behauptung begründet sich dadurch, weil ein Erregungsmittel von sehr geringer Stärke, das, auf den ungeschwächten n. vagus angewendet, noch eine Verlängerung der Pause erzeugt, sich in dem ermüdeten nicht mehr als wirksam erweist; weil innerhalb enger Grenzen je nach der Stärke des Erregers eine kürzere oder länger dauernde Pause erzeugt wird, weil dasselbe Erregungsmittel von immer gleicher Intensität, wie z. B. die elektrischen Schläge, zuerst so lange das zwischen den Drahtenden liegende Nervenstück noch unver- sehrt ist, die Pause des Herzens beträchtlich verlängert, während mit an- dauernder Erregung, d. h. mit steigender Veränderung des durchströmten Nervenstückes die Herzpause mehr und mehr an Dauer abnimmt u. s. w. Demnach kann man bei einer passenden Anordnung der Erregungsmittel die Herzpause bis zur Dauer vieler Sekunden verlängern, z. B. wenn man an einem langhalsigen Hunde den nerv. vagus dermaassen in den Kreis eines Induktionstroms bringt, dass man das vom Strom durchflossene Stück ganz allmählig und stetig verlängert, so dass fortwährend neue von der durchströmenden Elektrizität noch nicht umgewandelte Nervenelemente in den Kreis aufgenommen werden. — 2 .) Die gleichzeitige Erregung der beiden n. vagi scheint, alles andere (Stärke des Erregers der Erregbar- keit und der Länge des erregten Nervenstückes) gleichgesetzt, die Zu- sammenziehung des Herzens anhaltender zu unterbrechen, als die eines 5* Vaguserregung. einzigen. Zur Bestätigung dieses Satzes bedarf es jedoch noch genauerer Versuche. 3 . Hat man die n. vagis eines Säugethiers 6 bis 15 Minuten mittelst des elektrischen Induktionsstromes erregt, so hört mit der Ent- fernung der stromführenden Drahtenden nicht momentan die in Folge der Erregung vorhandene Verlangsamung des Herzschlages auf, sondern es verbleibt noch eine mehrere Minuten andauernde Nachwirkung, so dass erst nach Verfluss derselben die Herzschläge wieder mit derselben Geschwin- digkeit einander folgen, die sie vor aller Erregung besassen ( Hoffa ). — 4 . Erregt man mittelst des Induktionsstroms den Vagus nach seinem Eintritt in das Herz, so verlängert sich nicht die Pause aller Herztheile. In unveränderter Geschwindigkeit schlagen nemlich die Theile, welche ihre Nerven aus dem Stücke des n. vagus erhalten, das oberhalb des erregten Ortes liegt, während die Pausen aller der Herzabtheilungen sich verlängern, deren Nerven erst unterhalb des erregten Ortes aus dem Stamme treten ( Hoffa ). — 5 . Wenn man während einer durch die Er- regung des n. vagus verlängerten Pause die Herzoberfläche drückt, elek- trisch schlägt u. s. w., so erfolgt jedesmal eine Systole. Daraus folgt auch, dass, wenn man durch die Oberfläche des Herzens elektrische Schläge dringen lässt, die hierdurch hervorgerufenen Bewegungen durch Vaguserregung nicht beruhigt werden können. — 6 . Im gewöhnlichen Verlauf des Lebens ist bei Hunden, Pferden u. s. w. innerhalb des Hirns der n. vagus einer gelinden Erregung ausgesetzt. Wir schliessen hierauf, weil bei den erwähnten Thieren nach Durchschneidung des n. vagus, oder nach Durchleitung eines constanten elektrischen, also lähmenden Stroms ( Heidenhain ) der Herzschlag plötzlich ausserordentlich viel rascher wird, als vor derselben. — 7 . Bindet man einen Faden um das Froschherz an der Grenze zwischen Vorhof und Hohlvenensack, so schlägt der Hohlvenensack weiter, während Kammern und Vorhöfe minutenlang in der Pause verharren ( Stannius, Volkmann, Heidenhain ); bringt man in dieser Zeit ein Erregungsmittel auf die äussere Wand des Herzens, so erfolgt eine Reihe von Herzschlägen, welche durch Erre- gung des Vagusstamms ausserhalb des Herzens nicht wieder beruhigt werden kann. Legt man aber, nachdem man das Herz durch die er- wähnte Unterbindung beruhigt hatte, einen zweiten Faden an die Grenze zwischen Vorhof und Herzkammer, so geräth letzterer in Zusammenzie- hungen, die längere Zeit hindurch anhalten können ( Stannius ). Die- ser auf den ersten Blick sehr überraschende Versuch dürfte sich erläu- tern, wenn man die an und für sich nicht unwahrscheinliche Voraus- setzung macht, dass der umgelegte Faden als dauerndes Erregungsmittel (zuerst des n. vagus und dann des automatische Bewegungsapparates des Herzens) wirkt. γ. Die Zahl der Herzschläge mehrt sich, wenn diejenigen Einflüsse, welche früher als nervenerregende bezeichnet wurden, wenn auch be- Unmittelbare Erregung des Herzens. schränkt auf das Herz wirken, also nach elektrischen, mechanischen, einer bestimmten Zahl chemischer Angriffe, Temperaturerhöhungen u. s. w. Der Beweis, dass die angegebenen Mittel das Herz zur Bewegung anregen, ist entweder nur so zu geben, dass sie zu einer Zeit ihre Wirksamkeit für das Herz ent- falten, in der das Herz ohne ihre Gegenwart still stehen würde (z. B. in der lan- gen Pause während die Vaguserregung, oder kurz vor dem vollkommenen Absterben des Herzens), oder dass sie die Zahl der Herzschläge für längere Zeit beträchtlich zu vermehren im Stande sind. — Mit Rücksicht auf die Wirkung der genannten Er- reger ist noch zu bemerken: 1. Der Werth ihrer erregenden Wirkung wechselt mit dem Ort, auf den sie angewendet werden; so erzeugt, namentlich nach Bidder , ein Nadelstich sicherer eine Herzbewegung, wenn er auf die äussere Fläche der Ventrikel, als auf die der Vorhöfe angewendet wird; im Allgemeinen erweckt ein Erregungsmittel, auf die inneren Flächen des Herzens gebracht, leichter Bewegung, als von den äussern her. — 2. Eine einmalige, sehr vorübergehende Erregung des Her- zens (auch wenn es ausgeschnitten und blutleer ist) ist nicht allein im Stande eine einmalige Zusammenziehung desselben zu erregen, sondern auch längere Zeit hindurch die Pause zu verkürzen, mit anderr Worten, die Zahl der Herzschläge in der Zeit- einheit zu vermehren. Diese Erscheinung tritt in sehr auffallender Weise öfter an dem Ventrikel des Froschherzens auf, der in der Querfurche von den Vorhöfen ge- trenut ist. Ohne Zuthun eines Erregers liegt derselbe meist vollkommen ruhig; be- streicht man ihn aber mit der Spitze einer Nadel, so geräth er in viele rasch auf- einanderfolgende Zusammenziehungen. Wie hier ein rasch vorübergehender Erreger eine Nachwirkung hinterliess, so kommt diese unter andern Umständen erst zum Vor- schein, wenn der Erreger das Herz längere Zeit hindurch angegriffen. So muss ein möglichst lebenskräftiges Herz anhaltend, mehrere Sekunden hindurch von den Schlä- gen eines starken Induktionsstromes getroffen werden, wenn auch das Herz nach der Entfernung desselben die ausserordentliche Zahl von Schlägen (bis zu 600 in der Minute) zeigen soll, die der Strom bei seiner Anwesenheit erweckt. — 3. Eine an- dauernde elektrische Erregung, die in allen andern Muskeln tetanische Krämpfe er- zeugt, bringt das Herz im Ganzen nur zu schnelleren Bewegungen, aber nicht in eine tetanische Zusammenziehung. Dagegen wird die Muskelsubstanz in einem beschränk- ten Umfang an den Berührungsstellen des Herzens mit den Poldrähten zu einer teta- nischen Zusammenziehung veranlasst, welche sich noch viele Minuten nach Entfer- nung des Erregungsmittels erhält. — 4. Die Auflösung vieler chemischer Stoffe, na- mentlich des Opiums, Strychnins, des Alkohols u. s. w., welche in die Herzhöhle ge- bracht wurden, beschleunigt für kürzere Zeit den Herzschlag, verlangsamt ihn aber dann, indem sie endlich das vollkommene Absterben des Herzens bedingt. — Ein Froschherz, welches in eine reine Sauerstoffatmosphäre gebracht wird, schlägt ra- scher ( Castell ). Ein Gemenge von CO 2 und atmosphärischer Luft soll den Herz- schlag kräftigen ( Brown-Sequard ). δ. Eine auffallende Beschleunigung des Herzschlags soll erzeugt werden durch Erregung der in das Herz tretenden Zweige des n. sym- pathicus, oder seiner noch problematischen Ursprünge in dem Hirn und Rückenmark. Diese Behauptung stützt sich auf Thatsachen sehr zweifelhaften Werthes. Mit Sicherheit lässt sich behaupten, dass eine Erregung des Grenzstrangs am Halse und in der obern Brustgegend beim Kaninchen den Herzschlag nicht beschleunigt ( Weinmann ). Beim Men- chen glaubt Henle Henle in seiner und Pfeufers Zeitschrift. Neue Folge. II. Bd. p. 300. dagegen Beschlennigung gefunden zu haben. Die ent- Häufigkeit des Herzschlags beim Menschen. gegengesetzte Ansicht, welche R. Wagner Göttinger gelehrte Anzeigen. 1854. 5121. vertritt, die nemlich, dass die Erregung des Sympathicus eine Verlangsamung erzeugen kann, ist weder durch Weinmann , noch durch Heidenhain auf dem Wege des Versuchs bestätigt worden. Die älteren Versuche, welche in der Absicht angestellt wurden, um den Beweis zu liefern, dass mit der Bewegung des Hirns, Rückenmarkes, oder des sympathischen Grenzstranges die Herzbewegung beschleunigt, oder mit Zerstörung der erwähnten Theile verlangsamt, resp. vernichtet werde, leiden an so vielfachen Fehlern, dass es vollkommen unmöglich ist, ihnen noch irgend welchen Einfluss auf die Bildung eines Urtheils zu gestatten. Zunächst übersah man meist, dass das blosgelegte Herz eines absterbenden, mangelhaft oder gar nicht mehr athmenden Thieres aus Gründen, die zunächst in der veränderten Zusammensetzung des einströmenden Bluts liegen, in sehr unregelmässiger Weise schlägt. Volk- mann Müllers Archiv. 1845. hat hierauf zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt. — Da nun auch ausserdem den Vivisectoren bis auf Ed. Weber und Budge die besondere Art des Einflusses, welche der n. vagus auf das Herz übt, entgangen war, so befanden sie sich ausser Stande, zu entscheiden: ob die Veränderung, welche nach Erregung oder Zerstörung einzelner Theile des Hirns, Rückenmarkes oder des peripherischen Nervensystems eintritt, die Folge einer direkten Beziehung zwischen jenen Theilen und dem Herzen waren, oder ob sie es nur mit einer Veränderung zu thun hatten, welche an den Ursprungsstellen des n. vagus auf irgend welchem Umweg erzeugt war. Eine ausführlichere Besprechung der älteren Versuche von Hum- boldt, Legallois, Brachet u. s. w. siehe bei Joh. Müller und Longet Longet , Traite de physiolog. II. Bd. deux. p. 192. 211. 374. — Anatomie et physiologie au system. nerveux. II. 597. . Ueber die Häufigkeit des Herzschlags beim Menschen . — Da die Orte des Hirns, aus welchen der n. vagus seinen Ursprung nimmt, durch Seelenzustände, Reflexe oder Veränderungen in der Blut- zusammensetzung in vielfach abgestufte Erregung kommen können, da die wechselnde Zusammensetzung des Bluts, die Bewegung des Brust- kastens, der verschiedene Widerstand des vom und zum Herzen strömen- den Blutes u. s. w. mannigfache Grade der Erregung und Erregbarkeit des Herzens selbst bedingen können, so lässt sich voraussehen, dass die Zahl der Schläge, welche das Herz des lebenden Menschen in gegebener Zeit vollführt, keine sich gleichbleibende sein wird. Eine sorgsamere Beobachtung der Herzschläge des lebenden Menschen hat nun in der That nicht allein die Schwankungen in den Zahlen der Pulsschläge er- wiesen, sondern auch diese zu gewissen Lebensverhältnissen in Bezie- Tägliche Schwankung des Pulsschlages. hungen zu bringen gewusst, so namentlich, dass die Beschleunigung des Pulses veränderlich sei mit dem Genuss der Nahrungsmittel, der Muskel- bewegungen, dem Alter, Geschlecht, der Körpergrösse, dem Blutgehalt u. s. f. — Nach dem Mechanismus, durch den diese Umstände den Herzschlag umändern, hat man bis dahin nicht weiter gesucht, und es ist darum nicht zu entscheiden, durch welche der eben bezeichneten Weisen sie wirksam sind und ob dieselben die einzigen sind, welche den Herzschlag eines lebenden Menschen umändern können. Da der Pulsschlag für den Arzt von grosser Bedeutung ist, so wird die Angabe der Regeln, nach welchen die Pulsveränderung zu beurthei- len ist, gerechtfertigt erscheinen. — 1. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit dem Genuss der Nahrungsmittel. Fröhlich und Lichtenfels Wiener Akadem. Denkschriften. III. 121. geben an, dass nach dem Genuss eines Frühstücks aus Kaffee der Puls rasch ansteige, dann allmählig bis zum Mittagsessen sinke, von hier wieder, jedoch nicht so hoch wie früher, ansteige, bis zum Abendbrot falle, nach diesem abermals steige u. s. f. Dieser Gang wird durch die Curve (Fig. 39.) genauer dar- gestellt. In dieser Curve sind auf der Achse X die Zeiten nach Stunden aufgetragen, in der Art, dass zugleich die Zeiten des Essen angegeben sind; auf die erste 0 fällt das Frühstück, auf die zweite das Mittagsessen, auf die dritte der Abendkaffee und auf die letzte das Nachtessen; unter diesen die Essenstunde bezeichnenden Zahlen sind die fortlaufenden Tagesstunden aufgetragen von 7,5 Uhr Morgens bis 11,5 Uhr Abends. Auf der Achse Y ist die Anzahl der Schläge aufgezeichnet, um welche sich in der Minute der Puls zu der bezeichneten Zeit vermehrt oder vermindert hatte. Um die ganze Zahl der Pulsschläge zu finden, muss man also jedesmal diejenigen zu denen in der Curve verzeichneten zufügen, welche sich nach 10stündigem Enthalten von aller Nahrung vorfand. In dem vorgerechneten Beispiel betrug dieselbe aber 69,3 Schläge. Aehnliche Beobachtungen giebt Vierordt Vierordt , Physiologie d. Athmens. 1845. p. 69. . Fig. 39. Mit einer Verlegung der Mahlzeiten muss diese Curve natürlich sehr verschiedene Gestalten annehmen; unter diesen verdient die hervorgehoben zu werden, welche beim Hungern sich vorfindet (Fig. 40.). Auf X sind die Zeiten in Stunden nach dem Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzustände u. s. w. letzten Genuss von Nahrung und in Y die Zahl der Schläge aufgetragen, welche zu den bezeichneten Zeiten abgezogen werden müssen von der Pulszahl 69,3, von der- Fig. 40. jenigen nemlich, welche frühmorgens, 10 Stun- den nach dem letzten Essen, der beobachtete Mensch in der Minute darbot. Da diese und die vorhergehende Curve von demselben Individuum genommen sind, so sind beide geradezu ver- gleichbar. — Ein jedes Nahrungsmittel wirkt aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnah- rung soll der Puls rascher sein, als bei vege- tabilischer ( Guy ). — Nach dem Genuss von Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den er- sten Minuten die Zahl der Pulsschläge weit unter diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch über die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt wieder, und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu der alten Zahl zurück. — Kohlensäure (nach Genuss von Brausepulver) bringt den Puls ge- gen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zunächst stei- gen macht u. s. w. — Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe bei Lich- tenfels und Fröhlich, Blacke Archiv. general. 1839. VI. Bd. , Stannius Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd. , Lenz Experimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853. , Brunner Ueber mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854. und Traube Annalen des Charitékrankenhauses. 1851 u. 1852. . Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen den Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen, her- vorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eine eigen- thümliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen in den Kreislauf eingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erläu- tert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondern Ver- wandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. va- gus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer Erregungsmittel, das Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass das Herz im erstern Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztern unter dem Einfluss des Vagus schlüge, der seiner normalen Erregung entzogen wäre. — Diese Erklärung wird bestätigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch be- sitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die Versuche von Stannius und Traube bestätigen. 2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zuständen aller übrigen Muskelmassen des zugehörigen Individuums, resp. mit ihrer Ruhe, Zusammen- ziehung, Ermüdung. — Fröhlich und Lichtenfels geben an, dass, wenn die Muskelmasse des Armes durch das Anhängen eines Gewichtes von 10 Pfund ausgedehnt worden, der Puls um ein weniges steigt; um mehr, wenn man den Arm bis zur Ermüdung gestreckt hält; und noch beträchtlicher, wenn man ein schweres Gewicht möglichst rasch hin- und herschwingt. Diese Steigerungen erhalten sich nur Kraft der Herzzusammenziehung. kurze Zeit, minutenlang, während sie stundenlang andauern nach starken Ermüdun- gen der Muskulatur des Gehapparates. Daraus ergiebt sich, dass der Puls im Stehen ein anderer ist, als im Sitzen und hier ein anderer, als im Liegen. Bei vielen Men- schen ist schon durch Kieferbewegung der Pulsschlag zu beschleunigen. — Nach Guy Valentins Jahresbericht über Physiologie. 1848. p. 123. soll mit passiven Bewegungen des Körpers die Zahl der Pulsschläge wach- sen und durch Niederhängen des Kopfes abnehmen. Im Schlaf nimmt zum Theil aus hier entwickelten Gründen die Zahl der Pulsschläge ab. 3. Nach Volkmann Haemodynamik. p. 433. und Guy nimmt in den ersten Jahren die mittlere Puls- zahl rasch ab, dann aber allmählig bis zur Zeit der Pubertät zu, von da an erhält sie sich constant, bis in das höhere Greisenalter, wo sie sich wieder um etwas hebt. Die Beobachtungen, welche diesen Behauptungen zu Grunde liegen, sind sämmtlich im Sitzen vor dem Mittagsmahl genommen; wie lange nach dem Genuss von Nah- rung oder nach Bewegungen, ist nicht angegeben. 4. Mit der Körperlänge nimmt der Puls ab, so dass namentlich das grössere unter zwei gleich alten Individuen einen langsameren Puls hat, als das kleinere. Versuche, Pulszahl und Körperlänge durch eine empirische Formel in Zusammenhang zu bringen, siehe bei Volkmann l. c. p. 430. , Rameaux und Serrus Bulletin de l’academie de Bruxelles . 1839. etc. 5. Der Puls der Frauen ist im Allgemeinen schneller, als der der Männer bei Gleichheit des Alters, der Lebensart und Körpergrösse. Im Kindesalter tritt die Differenz weniger zu Tage, als im spätern. 6. Nach einem voluminösem Aderlasse steigt die Geschwindigkeit des Herz- schlags ( Volkmann ) l. c. p. 371. — Die andere hierhergehörige Litteratur siehe in der sorgsamen Handleiding von Donders und Bauduin . II. Bd. 102. . 4. Die Kraft , mit welcher sich der Herzmuskel zusammen- zieht, kann zwar, wie aus früher entwickelten Gründen I. Bd. p. 342. hervorgeht, nicht gemessen werden; aber es ist immerhin möglich, grobe Unter- schiede zwischen der von ihm zu verschiedenen Zeiten entwickelten Kraft aufzufassen. Denn einmal ändert sich mit den Umständen ebensowohl der Umfang der Verkürzung, indem z. B. ein stark mit Blut erfülltes Herz sich mehr oder weniger vollständig entleert, und anderweit ändert sich auch bei gleichem Umfang der Zusammenziehung die Härte des zusammengezogenen Herzens, oder anders ausgedrückt, die Spannung, in welche die Herzmuskeln gerathen. Da diese verschiedene Leistungs- fähigkeit abhängig sein kann von dem Erregungswerth, welchen der auto- matische Apparat aussendet, von der gleichzeitigen Anwesenheit ander- weiter Erreger und endlich von dem Erregbarkeitsgrad der Nerven und Muskeln des Herzens, so würde man sich eine unlösbare Aufgabe stellen, wenn man den Antheil der verschiedenen Bedingungen an der jeweiligen Er- scheinung angeben wollte. Statt dessen müssen wir uns beschränken auf die Angabe einiger Umstände, in denen die Kraft der Bewegungen veränderlich wird. Hierher zählen wir: a. Der Umfang der Zusammenziehung wird geringer, wenn das Herz abgekühlt, wenn der Blutstrom in ihm ge- Gleichzeitige Zusammenziehung der einzelnen Muskelröhren. schwächt oder nur venöses Blut durch dasselbe getrieben wird. — b. Die Kraft der einzelnen Zusammenziehung nimmt beträchtlich ab, wenn das Herz durch einen Induktionstrom zu sehr raschen Bewegungen veranlasst wird. — c. Die Kraft der einzelnen Bewegung ist sehr bedeutend, wenn die n. vagi durchschnitten wurden. — d. Die einzelnen, durch lange Dia- stolen getrennten Herzschläge, welche bei Säugethieren während der Vaguserregung zu Stande kommen, sind sehr energisch, während sie unter gleichen Umständen bei Fröschen sehr wenig umfangreich sind. — e. Wenn sich der Entleerung des Bluts unter sonst für die Herzernäh- rung günstigen Umständen Widerstände entgegensetzen, so nimmt die Härte des zusammengezogenen Herzens beträchtlich zu. Von dem Nutzeffect des Herzens für den Blutlauf wird bei einer spätern Gelegenheit die Rede sein. 5. Ueber die Gleichzeitigkeit der Bewegung in den Elementartheilen der einzelnen Abtheilungen des Her- zens . — Da das Herz aus einer grossen Zahl getrennter nur in Berüh- rung befindlicher nervöser und muskulöser Elementartheile besteht, so kann die gleichzeitige Bewegung der beiden Vorhöfe und der beiden Kammern sich nur erläutern aus einer gegenseitigen Mittheilung der in- neren Zustände der Elementartheile, aus welchen sich die erwähnten Abtheilungen zusammensetzen. Die Bedingungen, welche zum Zustande- kommen dieser gegenseitigen Mittheilung gehören, bestehen: a. In der unmittelbaren Berührung der einzelnen Theile. Schneidet man nemlich ein schlagendes Froschherz in mehrere Theile, so pulsirt jeder dersel- ben zwar fort, aber die einzelnen Stücke bewegen sich nicht mehr gleich- zeitig ( Volkmann Müllers Archiv. 1844. — Bidder , ibidem. 1852. p. 163. ). — b. Die einzelnen Abtheilungen müssen sich in annähernd gleichem Erregungszustande finden; denn es verlieren auch an dem unversehrten Herzen die einzelnen Muskelbündel der Kammern die Gleichzeitigkeit ihrer Bewegung, wenn man schädliche Einflüsse in beschränkter Ausdehnung auf sie wirken liess. Namentlich geschieht dieses, wenn man anhaltend elektrische Schläge durch die Kammern sen- det; hierdurch zieht sich bald dieser und bald jener Theil der letztern zusammen, ohne Betheiligung der übrigen. — c. Die Orte, an denen diese Uebertragung stattfindet, lassen sich nicht angeben; es ist nur zu behaupten, dass sie sehr verbreitet im Herzen vorhanden sein müssen, da jedes Stück eines zerschnittenen Herzens in Folge einer beschränk- ten Berührung, z. B. eines Nadelstichs, noch in eine totale Zusammen- ziehung gerathen kann. 6. Herztöne Kiwisch v. Rotterau , mediz. physikal. Berichte. Würzburg. I. Bd. 9. — Nega , Beiträge zur Kenntniss u. s. w. Breslau 1852. . — Das mit Blut erfüllte, noch in normaler Verbin- Herztöne. Blutgefässe. dung mit seinen Arterien befindliche Herz, erzeugt bei seiner Zusammen- ziehung zwei Töne, welche ebensowohl bei unversehrter Brustwandung gehört werden, wenn man das Ohr in der Nähe des Herzens auf die Brustwand legt, als auch, wenn man nach eröffneter Brusthöhle das Ohr mit dem freigelegten Herzen in Berührung bringt. — Der erste dieser Töne, von dumpfem Klang, hält gerade so lange an, als die Zusammenziehung der Kammern währt, der zweite aber ist höher und kürzer und erscheint als ein heller Nachschlag zum ersten, also gerade nach Schluss der Kammersystole. Die beiden Töne ändern sich, wenn die venösen und arteriellen Klappen der Ventrikel irgend welche Umwandlung ihrer Form oder ihrer Elastizität erfahren haben, und namentlich soll der erste mit der Veränderung der venösen, der zweite mit derjenigen der arteriösen (Semilunar-) Klappe in seinem Klang und seiner Höhe wechseln. Daraus schliesst man, dass der erste Ton entstehe durch Wellenbewegungen, welche das strömende Blnt in den Klappen und Chorden einleitet, welche die venösen Mündungen decken, der zweite aber durch das plötzliche Zusammenschlagen der arteriellen Klappen, die, wie wir später erfahren werden, in der That am Ende der Systole entfaltet werden. Diese Annahmen werden auf exclusivem Wege bestätigt durch die Erfahrung, dass sich innerhalb eines Stroms tropfbarer Flüssigkeit, der in steifen Wänden durch unebene Oeffnungen dahin geht, nur sehr schwer Töne erzeugen; im Herzen liegt somit gar keine andere Möglichkeit des Tönens vor. Zudem finden sich, wie es scheint, die Sehnen und Klappen in einer zum Tönen hinreichenden Spannung. Blutgefässe . Vom hydraulischen Gesichtspunkte aus sind die Wandungen und die Binnenräume der Gefässe bedeutungsvoll. 1. Wandungen . — Sie sind, wenn ihr Bau die grösste Compli- kation zeigt, ein Gefüge aus elastischem, zelligen und muskulösem Ge- webe, das auf der dem Lumen zugekehrten Fläche mit Epithelien ver- sehen ist ( Henle ). — α Das elastische Gewebe ist insofern der Grundtheil der Gefässwandungen, als es keiner Abtheilung desselben fehlt und einzelne, wie z. B. die meisten Capillaren, nur aus demselben ge- bildet sind. — Dieses Gewebe zeichnet sich durch seine Dichtheit, Dehn- barkeit und seine Fähigkeit aus, sowohl in Faser- als in Plattenform er- scheinen zu können. Unter Dichtheit (oder Porosität) verstehen wir den Widerstand, den es den Durchtritt von Flüssigkeit entgegenstellt, welche auf dem Wege der Filtration, also in Folge eines beliebigen Druckes, durch das Gewebe getrieben werden sollen. Rücksichtlich dieser wichtigen Eigenschaft ist es noch niemals einer genauen Untersuchung unterwor- fen worden, die mit besondern Schwierigkeiten verknüpft ist, weil wir bis jetzt noch keinen Fundort ermittelt haben, an dem man grössere Gefässhaut; elastisches und muskulöses Gewebe. Stücke homogener, nicht von groben Löchern durchbrochener Platten gewinnen konnte. Wir wissen nur, dass selbst sehr dünne Platten der sog. innersten Arterienhaut einen nicht unbeträchtlichen Druck einer über- stehenden Wassersäule vertragen, bevor Wasser mit einer merklichen Ge- schwindigkeit durch sie dringt, und dass bei gleichen Drücken die Durch- gangsfähigkeit der Membran mit der chemischen Zusammensetzung der Flüssigkeit wechselt und dass namentlich Salz- und Eiweisslösungen schwieriger filtriren, als reines Wasser. — Die elastischen Eigenschaften des homogenen Gewebes haben ebenfalls aus Mangel desselben noch nicht unter- sucht werden können. Aus Versuchen, die mit möglichst reinen Faser- netzen angestellt worden sind, darf man schliessen, dass das durchfeuch- tete elastische Gewebe Theil nimmt an den bemerkenswerthen Eigen- thümlichkeiten vieler durchtränkter thierischer Substanzen, bei niedrigen Spannungen ausdehnbarer zu sein, als bei höhern, so dass auch die Curve der ihm angehörigen Elastizitätscoeffizienten bei wechselnder Span- nung die Form annimmt, welche Fig. 4. p. 47. des I. Bdes. verzeichnet ist. — Mit der Abnahme des Wassergehalts, oder der Gegenwart von Salzlösung in seinen Poren ist der absolute Werth der Coeffizienten in einer Zunahme begriffen. — Bei der Beurtheilung der elastischen Eigen- schaften eines besondern Stückes unseres Gewebes kommt es natürlich auch darauf an, ob dasselbe aus einer homogenen Platte, oder aus Fa- sern besteht; in dem letzten, dem häufigst vorkommenden Falle, wird namentlich zu berücksichtigen sein, nach welchen Richtungen die Fasern verlaufen, und wie die Unterbrechungen angeordnet sind. — Da endlich das elastische Gewebe ebensowohl als eine vollkommen gleichartige Platte wie auch als ein Netz von Fasern der verschiedenartigsten Feinheit er- scheinen kann, so ist dasselbe geeignet, einerseits vollkommen geschlos- sene Röhren von beliebigem Durchmesser und andrerseits auch ein die Wandungen derselben verstärkendes Netzwerk darzustellen. β. Die Muskelschicht Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 1852. p. 555 u. f. der Gefässe besteht überall aus der muskulösen Faserzelle; da die Eigenschaften derselben schon abge- handelt sind (I. Bd. p. 349. ), so werden wir uns hier zu beschränken haben auf die Folgen, welche aus der besondern Anordnung derselben an den Gefässen hervorgehen. Zunächst ist hervorzuheben, dass die Mus- keln nicht an allen Gefässen vorkommen; namentlich fehlen sie vielen Venen und durchgreifend den allerfeinsten Röhren. Wo sie erscheinen, kommen sie entweder nur als Ringlagen, wie in den Arterien ( Henle ), oder nur als Längsschicht, wie in den Venen, oder zugleich in beiden Lagerungen vor, wie in den meisten mitteldicken Venen ( Kölliker ). — Die Stellung dieser Muskeln zu den Gefässnerven ist meistentheils un- klar; nur die Muskeln in den Gefässen der Gesichtshaut und der Augen Gefässnerven. Anordnung der Wandelemente. werden nachweislich von Rückenmarksnerven zur Verkürzung veranlasst, die durch den Grenzstrang des Halses geführt werden; man kann, wie Bernard, Budge und Weller lehren, die Gefässe erweitern, wenn man den Halstheil des Sympathicus durchschneidet, und umgekehrt auch wieder verengern, wenn man den peripheren Stumpf der durchschnitte- nen Nerven, oder bei unverletzten Nerven die Grenze des Hals- und Dorsalmarkes erregt. Das Bindegewebe und die Epithelien der Gefässe geben zu keiner weitern Betrachtung Veranlassung. Auf die schwierige Frage, wie diese Baumittel in der Gefässwand zusammengefügt sind, hat zuerst Henle Allgemeine Anatomie. Leipzig 1841. p. 490 u. f. — Donders und Jansen , Archiv für phy- siolog. Heilkunde. VI. Bd. 361. Antwort gegeben. Alle Gefässe, weite wie enge, Arterien und Venen, enthalten eine Lage gleichartiger elastischer Substanz, welche an das Lumen der Röhre entweder unmittelbar angrenzt, z. B. in den Arterien ersten Ranges oder nur durch das Epithelium von ihm geschieden ist; sie stellt gleichsam das Grundrohr dar, an welches sich die andern Stoffe anlehnen. Zu diesen kommen in den Arterien noch weitere Lagen von elastischen Netzen und Muskeln. Die elastischen Netze enthalten um so breitere Fasern und demnach um so geringere Mengen von Oeffnungen, je weiter nach dem Innern sie liegen; diese dichten Lagen sind im Ganzen als innere Gefässhaut beschrieben und ihre einzelnen Blätter hat man als Fensterhäute u. s. w. bezeichnet. Je grösser der Durchmesser der Gefässe, um so stärker ist auch im Allgemeinen diese Haut. Weiter gegen den Umfang hin finden sich weitmaschige Fasernetze, welche zuerst von Mus- keln und dann weiter nach aussen von Bindegewebe durchzogen sind. Bekanntlich nennt man die eine dieser Schichten die mittlere Arterien- haut, oder auch t. musculo-elastica; die andere aber die Zellhaut oder auch t. elastico-conjunctiva. Die Mächtigkeit dieser beiden letztern Ge- webeabtheilungen zusammengenommen, wächst im Allgemeinen mit dem Durchmesser der Arterienhöhle, eine Regel, die nur dann eine Ausnahme erleidet, wenn das Gefäss, statt wie gewöhnlich in einer Umgebung von lockerem Bindegewebe, durch steife, widerstandleistende Substanzen, z. B. durch Knochen dahin läuft. Im Einzelnen soll dagegen die Dicke der beiden Schichten im umgekehrten Verhältniss stehen, so dass, wenn die mittlere Haut abnimmt, die äussere im Zunehmen begriffen ist ( Kölliker ). — Schliesslich sind die Schwankungen in den relativen Mengen der Mus- keln und elastischen Substanz zu erwähnen. Im Allgemeinen überwiegt in den Arterien geringsten Durchmessers in der mittlern Haut die Mus- kelsubstanz in einem solchen Grade, dass man, ohne merklichen Fehler, sie geradezu als eine Muskelhaut bezeichnen kann, während in den stär- keren Gefässen die elastische Schicht ebenfalls beträchtlich vertreten ist. Eigenschaften der gesammten Gefässhaut. In den letztern Gefässen, den sog. Arterienstämmen und Zweigen erster Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten; nach Don- ders und Jansen überwiegt in den aa. aorta, anonyma, carotidae, subclaviae, axillares und iliacae die elastische, in den aa. vertebrales, radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, renales, crurales, popliteae die muskulöse Substanz. Die feinsten Gefässe, oder Capillaren enthalten ausser der Grund- haut nur noch eine Epithelienschicht. In den Venen Schrant , over de aderligke bloetvaten u. s. w. — Wahlgren , framstalenig af Venensystems allmanna anatomie. Beide in Henles Jahresbericht für 1851. p. 31. u. 38. sind die elastischen und muskulösen Bestand- theile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien von ent- sprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel, dass die Wan- dungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der Durchmesser des Lu- mens wächst. Zudem sind die Wandungen der Venen in der unteren Körperhälfte im Allgemeinen denen in der obern überlegen. Die weiten Venen enthalten auch verhältnissmässig weniger Muskeln, als die engern; nach Wahlgren haben in allen grössern Venen die nach der Länge des Ge- fässes laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die vena portarum, pulmonalis und die grösseren Extremitätenvenen merkliche Lagen von Quermuskeln tragen. Alle Venen unter 1 MM. Durchmesser sind dagegen von Längsmuskeln vollkommen entblösst. Muskelfrei sind nach Kölliker die Venen und Sinus in der Retina und der Schädelhöhle, der corpora cavernosa penis und der Milz. Der Bau der Klappen, welche allen Venen zukommen, mit Ausnahme der in den Lun- gen, dem Darm und dem Hirn vorhandenen, kann als bekannt voraus- gesetzt werden. Da die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der einzelnen Bestandtheile nicht geschehen kann, so hat man zuweilen ver- sucht, die der Gefässhaut insgesammt zu bestimmen und namentlich — den Reibungscoeffizienten , der zwischen der innern Membran und einer vorübergleitenden Flüssigkeit besteht. Man vermuthet, dass er bei der Glätte und der vollkommenen Dehnbarkeit derselben nicht beträcht- lich sei. — Die Cohäsion der Venen fand Werthheim viel be- trächtlicher, als die der Arterien, doch hat er beim Menschen nur die vena saphena und arteria femoralis verglichen; da er die Untersuchung begann, als die Muskeln schon in Fäulniss begriffen waren, so möchten seine Angaben gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen widerspricht auch Volkmann Haemodynamik. 289 u. 290. . — Das Gesetz des Elastizitäts- coeffizienten fand Werthheim mit dem durchweichter Thierstoffe übereinstimmend. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere der Aorta fand Harless Valentins Jahresbericht für 1853. p. 154. nach Länge und Breite gleich gross, wäh- Eigenschaften der gesammten Gefässhaut. rend andere Beobachter und namentlich Volkmann die Arterienhaut nach der Länge ausdehnbarer antrafen, als nach der Quere. Die abso- luten Werthe der Dehnbarkeit müssen begreiflich mit der Zusammen- ziehung der Muskeln in der Gefässhaut sehr wechselnd sein; darum sind alle vorliegenden Angaben derselben werthlos. — Sichere Angaben über die beiden letzten Verhältnisse würden übrigens noch nicht hin- reichen, um einen Schluss auf die Widerstandsfähigkeit der Röhren innerhalb des Körpers zu ermöglichen, da offenbar diese auch noch durch die mehr oder weniger grosse Nachgiebigkeit der Umgebung des Gefässes bedingt ist. Aus allen diesen Thatsachen kann aber mindestens das abgeleitet werden, dass die Arterien von grösserem Querschnitt, bevor sie zer- reissen, einen stärkern Druck zu ertragen im Stande sind, als alle übri- gen Gefässe, und zugleich werden sie den filtrirenden Flüssigkeiten den bedeutendsten Widerstand entgegensetzen. Eine von dem Druck des Inhaltes und der Umgebung unabhängige Veränderung ihres Durchmessers werden nur die Gefässe erleiden kön- nen, welche mit Muskeln versehen sind Hildebrandts Anatomie, Ausgabe von E. H. Weber . III. Bd. 79. — E. H. u. Ed. Weber, Müllers Archiv. 1847. 232. — Kölliker u. Virchow in den Würzburger Verhandlungen. V. Bd. 20. . Dem anatomischen Befunde entsprechend, verengern sich nun in der That unter dem Einfluss der elektrischen Schläge eines Induktionsapparates die Capillaren gar nicht (vorausgesetzt, dass sie nicht im muskelhaltigen Gewebe sich verbreiten), wenig die Venen und grossen Arterienstämme, am meisten aber die en- geren und engsten Arterienstämme, welche sich bis zum vollkommenen Verschwinden ihres Lumens contrahiren können (E. H. und Ed. Weber ). Diese Zusammenziehungen der Gefässe treten, den Eigenschaften der Mus- keln entsprechend, in Folge der erregenden Einwirkungen nur sehr all- mählig ein und erhalten sich auch noch lange Zeit nach Entfernung des Erregers. — Die Muskeln sind übrigens nicht allein von Bedeutung durch ihre Fähigkeit, sich zu verkürzen, sondern auch durch ihre elastischen Kräfte; dieses ergiebt sich daraus, weil die vorzugsweise muskelhaltigen Gefässe durch denselben Blutdruck in ganz verschiedener Weise ausge- dehnt werden, je nachdem ihre Muskeln in Folge einer heftigen und an- haltenden Zusammenziehung ermüdet waren, oder je nachdem sie im vollkommen erregbaren Zustand sich befanden. Entsprechend der Beob- achtung, dass der Elastizitätscoeffizient der ermüdeten Muskeln niedriger ist, als der erregbaren, dehnt sich in den erstern der bezeichneten Fälle das Gefäss durch denselben Druck viel weiter aus, als in letzteren (E. H. und Ed. Weber ). — Indem aber die Muskeln zeitweise in den Zustand der Zusammenziehung treten, werden sie zugleich die blei- bende Verlängerung oder Reckung aufheben, welche in allen elastischen Gefässräumlichkeit; ihr Verhältniss in Arterien und Venen. Stoffen vorkommt, die einem constanten Druck ausgesetzt sind; denn während einer Zusammenziehung der Muskeln werden die elastischen Gewebe gleichsam entlastet, und es wird ihnen somit Zeit gegeben, sich wieder auf ihre wahre Länge zu verkürzen. Alle Gefässe, deren Mus- keln, respektive Nerven, den natürlichen Erregern entzogen sind, wer- den darum sich allmählig erweitern. Gefässräumlichkeit; Umfang derselben . Die Frage nach dem Gesammtraum, den die Gefässwandungen einschliessen, und in wel- cher Weise mit dem steigenden Druck und zunehmender Muskelzusam- menziehung das von ihm umfasste Volum veränderlich sei, ist noch nie- mals Gegenstand einer Untersuchung gewesen; auf diese Frage und namentlich auf den ersten Theil derselben, würde man auch bei den zahllosen individuellen Abweichungen keine allgemein giltige Antwort er- halten. — Wichtiger dürfte es sein, diese Fragen dahin zu richten: wie verhält sich der Inhalt der einzelnen Gefässarten, der Arterien zu den Capillaren, zu den Venen; oder wie stellt sich zueinander die Räumlich- keit der einzelnen Abtheilungen des Gefässsystems, z. B. der Lungen- zu den Körpergefässen, zu den Darm-, den Nieren-, Leber-, Hirn- u. s. w. Gefässen; in welchem Verhältniss variirt die Räumlichkeit der einzelnen Gefässarten und Abtheilungen mit dem veränderlichen Drucke der ein- strömenden Flüssigkeit. Die hier berührten Fragen sind wiederholt aufgeworfen, zum Theil ist sogar ihre Lösung versucht, aber mit nicht hinreichenden Hilfsmitteln. Namentlich hat man öfter die Gefässe mit erstarrenden Massen ausgesprützt und aus der Menge und dem spezifischen Gewicht des hierzu verbrauchten Materials das erfüllte Volum be- rechnet. Diese Versuche, die man meist zu andern Zwecken angestellt hat, würden für den vorliegenden brauchbar sein, wenn man darauf bedacht gewesen wäre, ent- weder das ganze, oder nur eine bestimmte Abtheilung des Gefässsystems vollkom- men zu füllen und wenn man den Druck, unter dem die Füllung geschehen wäre, gemessen hätte Litteratur siehe bei Valentin , Lehrbuch. I. Bd. 2. Aufl. p. 494 u. 495. und Abegg in Va- lentins Jahresbericht über Physiologie für 1848. p. 120. . — Dem Augenschein nach ist im Körperkreislauf ganz unzweifelhaft das Gesammtlumen der venösen Gefässe ausserordentlich dem der Arte- rien überlegen, da die Länge der beiden Abtheilungen zukommenden Ge- fässe mindestens gleich, die Stämme und Aeste im Venenbereich aber zahl- reicher vorhanden und zugleich von grösserem Durchmesser sind; da die Venen, mit den Arterien verglichen, dünnwändiger sind, und da ein sehr beträchtlicher Theil derselben in der Haut, d. h. in ein sehr nachgiebiges Gewebe eingebettet ist, so werden hydrostatische Drücke von gleichem Werth die Venen weiter ausdehnen, als die Arterien. — Im Lungenkreis- lauf sind dem Augenschein nach die Unterschiede zwischen dem Venen- und Arterieninhalt nicht so beträchtlich; nach den Messungen von Abegg Lumenveränderung mit der Gefässvertheilung. soll hier sogar die venöse Abtheilung weniger räumlich, als die arte- rielle sein. Wie sich die Räumlichkeiten der Capillaren verhalten mögen, liegt ganz im Unklaren. Jedenfalls muss die Veränderlichkeit derselben in der innigsten Beziehung stehen zu der Nachgiebigkeit des Gewebes, in dem sie verlaufen, da sie sich an das Lager eng anschliessen, in das sie ein- gebettet sind. Veränderung des Lumens mit der Vertheilung der Ge- fässe . Eine dem Hydrauliker nützliche Beschreibung der Gefäss- lumen fehlt noch gänzlich; es lassen sich nur wenige wichtigere Bemer- kungen aus den bis dahin gelieferten Beschreibungen ziehen. α. Die mittlere Länge eines Gefässes ist im Allgemeinen um so geringer, je kleiner sein mittlerer Durchmesser ist. — Aus diesem Gesetz folgt, dass die Capillaren nach beiden Seiten hin in kurze Stämmchen zusammen- laufen, welche möglichst rasch zu immer weitern und längern sich verei- nigen; die relative Länge der einzelnen Stücke ist noch nicht gemessen wor- den. — β. Bei der Verästelung der Arterien gilt die Regel, dass jeder Zweig, der aus einem Stamme hervortritt, einen geringeren Durchmesser besitzt, als dieser. Zählt man dagegen die Querschnitte sämmtlicher Aeste zusammen, welche von einem Stamme abgehen, so ist die hieraus hervorgehende Summe grösser, als der Querschnitt des Stammes vor der Verästelung. Von dieser ziemlich allgemein giltigen Regel kommen je- doch Ausnahmen vor, wie die nachstehende kleine Tafel zeigt, die sich auf die Messungen von Paget, Donders und Jansen Donders u. Bauduin , Handleiding tot de natuurkunde. II. a. p. 91. gründet. Die Zahlen drücken das Verhältniss der Querschnitte aus. — Bogen der Aorta zu den Aesten = 1 : 1,055 Carotis communis „ „ „ = 1 : 1,013 Subclavia „ „ „ = 1 : 1,055 Iliaca commun. „ „ „ = 1 : 0,982 Inominata „ „ „ = 1 : 1,147 Carotis extern. „ „ „ = 1 : 1,190 Aorta abdominalis über den Iliacae „ „ „ = 1 : 0,893 Iliaca extern. „ „ „ = 1 : 1,150 Das Lumen verengert sich also von der Aorta aus gegen die Iliaca. Donders und Jansen geben an, dass diese Ausnahme in der Crura- lis wieder zum Verschwinden kommt, indem hier der Querschnitt mit der Verästelung wieder steigt. — Der Gesammtquerschnitt der Capilla- ren übertrifft höchst wahrscheinlich den des Arteriensystems von Beginn um ein sehr Beträchtliches. In den verschiedenen Körpertheilen stellt sich aber offenbar das Verhältniss der Querschnitte zwischen den zuführenden Ar- Ludwig, Physiologie. II. 6 Methode, die Lumina zu messen. terien und den der aus ihnen hervorgehenden Capillaren sehr verschie- den. Innerhalb des Capillarensystems selbst, d. h. so lange jedes ein- zelne Gefäss seinen mittleren Durchmesser nicht verändert, finden sich, wie später im Einzelnen dargethan werden soll, offenbar ebenfalls Schwan- kungen im Gesammtquerschnitt. — Bei der Sammlung der vielen Einzel- querschnitte in die wenigen der grössern Venen sollen sich die Ver- hältnisse gestalten wie in den Arterien, d. h. es sollen in der Richtung nach den grössern Venenstämmen hin die Gesammtquerschnitte in einer Abnahme begriffen sein. Zur Ermittlung des mit den Verästelungen veränderlichen Querschnitts sind zwei Methoden versucht worden. Die erstere besteht einfach darin, den Durchmesser des geschlossenen oder die Peripherie des aufgeschnittenen Gefässes mit einem Maass- stab zu ermitteln. Dieser Weg führt aber nur dann zu einem für die physiologische Betrachtung brauchbaren Resultate, wenn man zufügt, welcher besondere Zustand der elastischen und muskulösen Bestandtheile der Gefässhaut vorhanden war, als man die Messung unternahm, oder noch besser, wenn man bestimmt, innerhalb welcher Grenzen der Durchmesser schwankt, während der gemessene Umfang verschiedenen in Gewichten ausdrückbaren Spannungen ausgesetzt und seine Muskeln von einem Minimum bis zu einem Maximum erregt sind; mit einem Worte, wenn man auf die von der elastischen Spannung und Muskelzusammenziehung herrührende Veränderlichkeit des Durchmessers Rücksicht nimmt. Auf diesen Umstand hat man freilich bei fast allen Gefässmessungen hingewiesen, ihn aber dennoch nicht berücksichtigt, indem man meistens nur todte Gefässe, die entweder vollkommen entleert, oder die mit er- starrenden Flüssigkeiten unter unbestimmtem Druck angefüllt worden waren, ge- messen hat. Diese Beobachtungen sind also immerhin noch mangelhaft. — Die zweite Methode zieht den Satz zu Hilfe Vierordt , Archiv für physiolog. Heilkunde. 1848. p. 184. , dass sich innerhalb eines Röhrensystems von veränderlicher Weite an den verschiedenen Abschnitten desselben die Geschwin- digkeiten eines sie durchkreisenden Stromes umgekehrt verhalten müssen, wie die Querschnitte. Würde also die mittlere Geschwindigkeit in der Aorta oder einem be- liebigen Arterienstamm bekannt sein, und ferner der Durchmesser, der ihr während der beobachteten Stromgeschwindigkeit zukommt, und zugleich die Geschwindigkeit eines Stroms, welcher zu derselben Zeit in allen Aesten der Aorta oder des beliebi- gen Stammes vorkäme, so könnte man daraus die Gesammtquerschnitte dieser Aeste berechnen. Alle diese Vorkenntnisse, so weit sie vorhanden, sind aber mit so grossen Fehlern behaftet, dass faktisch die Methode nicht anwendbar ist. γ. Die kleinen Abtheilungen des thierischen Körpers (Organe und Gliedstücke) erhalten aus verschiedenen Stämmen oder Aesten der Arte- rien gleichzeitig Gefässe; diese Gefässe verbinden sich nun entweder (wie im Hirn, der Hand, den Mesenterien), bevor sie zur Capillar- vertheilung schreiten, so dass aus den grossen Anastomosenbogen erst die Arterien der letztern Ordnungen ausgehen, oder es verästeln sich die einzelnen Arterien isolirt bis zu den letzten Zweigen, die dann erst unmittel- bar vor oder innerhalb des Capillarensystems sich verbinden. In der ausgedehntesten Weise stehen dagegen die Capillaren und die Venen in Verbindung miteinander. — δ. Da nur von einem Ort aus der Blutstrom Spannung des ruhenden Blutes. ausgeht und wieder zu ihm zurückkehrt, da die Aeste auf ihrem Wege noch anastomosiren, so müssen in dem Gefässsystem unzählige Bogen und Winkel liegen, deren Werthe veränderlich werden mit den Körper- stellungen und den Spannungen innerhalb des Gefässsystems. Man muss sich darüber verständigen, dass diese Bogen und Winkel und deren Va- riationen mit den bezeichneten Verhältnissen mit wenigen Ausnahmen nicht messbar sind, dass aber die Bestimmung dieser wenigen zu keinen für die physiologische Hydraulik wichtigen Aufschlüssen führen kann. — Von dem Verhalten des Blutes in den Gefässen . 1. Spannung des ruhenden Blutes in den Gefässen . — Wenn alle Bewegungsursachen des für gewöhnlich bestehenden Blut- stroms ausser Wirksamkeit gesetzt sind, so muss nach Verfluss einer gewissen Zeit unzweifelhaft im Gefässsystem ein Zustand der Ruhe ein- treten, der sich dadurch markirt, dass die Spannung des Blutes, inso- fern sie nicht von der Schwere abhängig ist, überall die gleiche ist. Es fragt sich nun, ob nach dem Eintritt dieser Ruhe sich das Blut an jedem beliebigen Ort in der Spannung befinde, welche ihm vermöge der Schwere, resp. der auf ihm lastenden Blutsäule, zukommt, oder ob diese Spannung eine höhere oder niedrigere sei. — Diese wichtige Frage, welche E. H. Weber angeregt hat, kann einer bestimmten Erledigung am lebenden Thier entgegen gehen, wenn man im Stande ist, die Span- nung des Bluts zu messen, während man die Bewegung des Brustkastens, des Herzens und der Gliedmaassen zum Stillstand gebracht hat. Annä- hernd gelingt dieses, wenn man die unteren Enden der durchschnittenen nervi vagi mittelst der elektrischen Schläge erregt, während die Thiere durch Opium oder Chloroform in den Schlaf versetzt worden sind. — Die Ausführung dieses Versuchs lässt nun unzweifelhaft erkennen, dass das Blut auch in der Ruhe noch einer Spannung unterworfen ist, welche aber nach den Ergebnissen der Beobachtung und der Ueber- legung keineswegs für ein und dasselbe Thier von gleichem Werthe ist ( Brunner ) Ueber die mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854. . — Der Grund dieser Spannung ist nemlich nur darin zu suchen, dass der Cubikinhalt des inneren Gefässraumes, vorausge- setzt, dass seine Wandungen ohne alle Spannung sind, kleiner ist als das in Wirklichkeit in ihnen enthaltene Blutvolum, so dass dieses letz- tere nur nach einer vorausgegangenen Ausdehnung der Gefässwand im Gefässraum Platz finden kann. Unter dieser Voraussetzung ist die Grösse der Spannung in den Gefässen abhängig a) von dem Verhältniss des Ge- fässraums und des Blutvolumens, und insbesondere muss bei ein und demselben Thier die Spannung mit seiner Blutmenge abnehmen. Die Beobachtung ergab in der That, dass die Spannung des Bluts in der 6* Veränderlichkeit der ruhenden Spannung. Carotis eines Hundes, dessen Vagi erregt worden, während er mit Opium narkotisirt war. Die Blutmenge, die wir nun aber beherbergen, muss in der Zeit veränderlich sein, weil zu dem vorhandenen Blute mittelst der Ernährung stets neue Massen zugeführt und aus ihm auf dem Wege der Absonderung andere entfernt werden. Je nach dem Uebergewicht des einen oder an- dern Hergangs wird also auch die Blutmenge variabel sein. — b. Die Spannung in der Ruhe ist bei gleicher Anordnung der Gefässröhren von der Ausdehnbarkeit der Röhrenwand abhängig, indem sich nach dieser die für die verlangte Ausdehnung nöthigen Drücke bestimmen. Weil nun die Gefässwandung im engern und weitern Wortsinn wegen ihres Gehal- tes an Muskeln die verschiedenartigste Dehnbarkeit darbietet, je nachdem diese letzteren zusammengezogen oder erschlafft sind, und je nachdem wir den Gliedmaassen diese oder jene Stellung gegeben haben, so kann die Spannung des Bluts bei unveränderter Menge sich nicht unverändert erhalten. Die Aufgaben des Versuchs mit Rücksicht auf diese Fakten stellt sich also dahin, die Spannung zu bestimmen, einmal während die Gefässhöhle durch Muskelwirkung, soweit als dieses überhaupt möglich, beengt und zugleich die Wandungen möglichst widerstandsfähig sind und das anderemal während gerade das Gegentheil beider Umstände vorhan- den ist, weil mit diesen Angaben die Grenzen der möglichen Spannung gegeben wären. Die Bedingungen für diesen Versuch sind aber nicht mit genügender Schärfe zu erhalten und zudem würde sein Ergebniss doch nur individuelle Giltigkeit haben. — Aus diesen und ähnlichen Gründen müssen wir es ableiten, wenn bei ein und demselben Thier, während seine Blutmasse ungeändert bleibt, der Werth der Spannung wechselt, je nachdem es nur mit Opium, welches die Nerven nicht lähmt, oder mit Chloroform in den Schlaf gebracht, oder, durch letzteres Mittel ge- tödtet, dem Versuch unterworfen würde. Wir müssen wegen der Einzelheiten des Verfahrens auf die Brunner’ sche Arbeit verweisen. Hier soll nur der allgemeinen Wichtigkeit wegen die Bestimmung Bestimmung des Blutdrucks. des Blutdrucks überhaupt angegeben werden. — Hales , welcher den Blutdruck zu- erst bestimmte, bediente sich des Verfahrens, welches die Hydrauliker bei Wasser- strömen gewöhnlich anwenden, eine einfache, gerade Glasröhre. Diese etwas gröbliche Methode wurde von Poiseuille zuerst dahin verbessert, dass er die in das Gefäss eingefügte Glasröhre ( a b c Fig. 41.), deren Schenkel a b und b c gleichen Durchmes- Fig. 41. ser besassen, heberför- mig bog. In die Schen- kel füllte er, etwa so weit der schwarz bezeich- nete Inhalt des Rohres geht, Quecksilber, und auf dieses in dem kür- zern, dessen Ende mit einem Messinghahn ver- sehen ist, kohlensaures Natron. Darauf fügt er die Dille d , während der Hahn geschlossen ist, in das Blutgefäss, in dem er die Spannung messen will, stellt das Rohr senkrecht und öffnet nun den Hahn, so dass das Lumen des Gefässes und des gebo- genen Rohres communizi- ren. In diesem Moment suchen sich auch die Span- nungen der Flüssigkeiten in beiden Röhrensystemen in das Gleichgewicht zu setzen, so dass, wenn die Spannung des Blutes hö- her als die des Röhren- inhaltes ist, Blut aus dem Gefäss in das gebogene Messrohr eindringt, und das Quecksilber aus dem kurzen in den langen Schenkel eintreibt. Man erhält dann, mit Hilfe einiger Correkturen, aus dem Niveau- unterschied des Quecksilbers in beiden Schenkeln den Druck, den das Blut ausübt. — Da nun aber der Blutdruck im Verlaufe der Zeit sehr beträchtliche Veränderun- gen erfährt, dass das Auge der auf- und absteigenden Quecksilbersäule nicht zu fol- gen vermag, so verband C. Ludwig mit den Messröhren eine Schreibvorrichtung, vermöge derer die in der Zeit veränderlichen Quecksilberdrücke sich selbst aufzeich- neten. Diese Einrichtung beruht auf einem Prinzip, welches der berühmte Mechani- ker Watt zuerst in Anwendung gebracht haben soll. Man setzt nemlich auf den Spiegel des im Schenkel b c vorhandenen Quecksilbers einen schwimmenden Stab e f auf, dessen freies Ende an einem Querholz einen Pinsel g trägt, der sich sanft ge- gen einen Cylinder h h anlegt; dieser wird mittelst des Uhrwerkes i i in gleichmässi- ger und bekannter Geschwindigkeit herumgedreht. Da der mit Papier überzogene Cylinder während des Umgangs fortlaufend andere Orte mit dem Pinsel in Berührung Richtung eines dauernden Blutstroms. bringt, so schreibt dieser seine etwaigen auf- und absteigenden Bewegungen in Form einer Curve auf. Das Genauere dieses Verfahrens, das in seinen Einzelheiten zahl- reicher Modifikationen fähig ist, siehe bei Volkmann Haemodynamik. p. 148. , der einige wesentliche Ver- besserungen in der ersten Angabe angebracht hat. — Bei der besonderen Anwendung für die Spannung der Ruhe muss man annehmen, dass das Gleichgewicht im Gefässsysteme hergestellt ist, wenn entweder der Pinsel längere Zeit hindurch eine horizontale Linie auf das Papier des Cylinders anschreibt, oder, was wegen der langsamen Ausgleichung niederer Drücke durch die Capillaren hin- durch sicherer ist, wenn der Druck in einer Vene und Arterie, die beide dem Her- zen möglichst nahe liegen (carotis und vena jugularis), derselbe geworden ist. 2. Von der Richtung, welche ein dauernder Strom im Gefässsystem nehmen muss . Das Gleichgewicht der Spannung, von dem soeben die Rede war, besteht im Blute des Lebenden niemals, da fortlaufend Umstände auf dasselbe einwirken, welche seine Spannung an verschiedenen Orten ungleich machen. Diese Ungleichheiten, wie und wo sie auch entstanden sein mögen, können zur Ausgleichung gelangen durch einen Strom von nur einer Richtung, eine Richtung, die demge- mäss ein jeder in dem Gefässsystem erregter Strom einschlägt. Diese Erscheinung ist begründet in der Anwesenheit von Klappen, welche sämmt- lich so gestellt sind, dass sie durch den Stoss nach der einen Richtung geöffnet und durch den entgegengesetzten zugeschlagen werden. Diese Richtung geht nun, wenn wir von der linken Herzkammer a (Fig. 42. ) Fig. 42. beginnen, durch die grosse Blutbahn, d. h. die Capillaren und Venen des Körpers, zu dem rechten Vorhof b und tritt dann in die kleine Blutbahn über, indem sie in die rechte Kam- mer c und von dort durch Arterien, Capil- laren, Venen der Lungen zurück in den lin- ken Vorhof d kommt. — Indem man das beistehende Schema betrachtet, in welchem der Einfachheit wegen die Venenklappen weg- geblieben und nur die gleichgerichteten Ven- tile der Herzmündung α β γ δ dargestellt sind, sieht man, dass sich diese letztern sämmt- lich nach der Richtung des Pfeils öffnen. Würde also durch irgend welchen Umstand ein Strom in der entgegen- gesetzten Richtung eingeleitet, so würde sich dieser nur bis zur näch- sten Klappe erstrecken können, da durch diese Strömung jene geschlossen würde. Der Strom würde dann von dieser Klappe reflektirt werden und in umgekehrter Richtung, durch nichts gehindert, weiter schreiten, so lange noch eine Strömungsursache vorläge. Gewöhnliche Veranlassungen zur Störung des Gleich- gewichts der Spannung . — Zu den wichtigeren zählt man die Be- Störungen des Gleichgewichts der Spannung. wegungen des Herzens, der Brust und Bauchwandungen, zu den weniger eingreifenden die Bewegungen der Gliedmaassen und Gefässwandungen, die Schwere und den Lymphstrom aus dem ductus thoracicus. 3. Herzbewegung . Indem wir die Bedeutung des Herzens für den Blutstrom erläutern, gehen wir von den Voraussetzungen des le- benden Zustandes aus. Dieser verlangt aber, dass ein stetiger Strom von Seiten der Venen gegen die Vorhöfe gehe und dass die Aorta stets mit Blut gefüllt sei. a. Vorkammern. Die Erscheinungen, welche sich während des Blut- kreislaufs innerhalb der Vorhöfe ereignen, sind für beide nur bis zu einem gewissen Punkte dieselben. — Nachdem sie während ihrer Dia- stole durch den Venenstrom strotzend mit Blut gefüllt sind, ziehen sie sich in der früher beschriebenen Weise zusammen und treiben damit ihren Inhalt sowohl gegen die venösen wie gegen die ventrikulären Mün- dungen. Dieser Stoss erzielt an beiden Orten verschiedene Effekte. — In den venösen Mündungen trifft unser neuer Strom, der vom Vorhof gegen die Venen dringt, auf den alten entgegengesetzt verlaufenden, und es wird darum jedenfalls die Flüssigkeit am äussersten Ende der Venen in eine gesteigerte Spannung gerathen. Zu gleicher Zeit wird auch ihre Strömung verändert und zwar jedenfalls in der Geschwindigkeit, viel- leicht auch in der Richtung. Denn es wird, selbst wenn der Vorhofs- stoss unbedeutend ist, jedenfalls die Geschwindigkeit des alten Venen- stroms vermindert; sind dagegen die Kräfte des Vorhofs bedeutend, so wird das Blut in die Venen zurückgeschleudert und es kehrt sich also die alte Stromrichtung um. Erfahrungsgemäss dürfte häufiger das letz- tere als das erstere eintreten, und es würde sich für gewöhnlich der Rückstrom des Bluts bedeutend geltend machen, wenn sein Quer- schnitt nicht beschränkt würde. Dieses besorgen aber die muskulösen Ringe der Venen, welche, indem sie sich mit den Vorhofsmuskeln gleich- zeitig zusammenziehen, die Mündungen jener verengern. Die Wirkung dieser Verengerung, also die Hemmung des Rückstroms, wird an dem rech- ten Herzen durch die Klappen unterstützt, welche entweder, wie in der vena cava superior, etwas entfernt vom Herzen in dem Venenlumen liegen, oder, wie an der vena cava inferior und coronaria cordis, unmittelbar im Herzen sitzen. Diese letzteren beiden Klappen sind namentlich darauf berechnet, die Mündungen der erwähnten Venen zu schliessen, wenn die- selben schon um einen gewissen Antheil ihrer Weite verengert sind, und ausserdem sind sie mit kleinen Heftfäden versehen (gewöhnlich beschreibt man sie als durchlöchert), welche es verhüten, dass der Vorhofstoss die Falten in die Venenöffnung hereintreibt. — Wir gehen nun zur Betrach- tung der Vorgänge über, welche die Vorhofszusammenziehung gegen die Ventrikularmündungen veranlasst. Die Kammern sind, wenn die Zusam- menziehung des Vorhofs beginnt, ebenfalls schon mit Blut angefüllt, und Zusammenziehung der Vorhöfe. zwar muss das Blut aus naheliegenden Gründen in den Vorhöfen und Herzkammern dieselbe oder wenigstens annähernd dieselbe Spannung be- sitzen. Wenn nun plötzlich das Blut in den Vorhöfen eine höhere Pres- sung erleidet, so wird ein Strom von diesem gegen die Herzkammer ge- schehen, der eine merkliche Dauer haben wird, weil die Kammerwan- dungen ausdehnbar sind. Er kann also so lange anhalten, bis die ela- stische Spannung, in welche diese Wandungen durch die Ausdehnung gebracht werden, gleich dem Druck ist, den die Muskeln des Vorhofs dem Blute mittheilen. Da aber die Ausdehnbarkeit mit der Dicke der Wandung abnimmt und umgekehrt mit dem Querschnitt des Muskels die von seiner Zusammenziehung ausgehende mechanische Leistung wächst, so ist es von Bedeutung, dass der linke Vorhof, der den dickwandigern linken Ventrikel auszudehnen hat, auch stärkere Muskelmassen besitzt, als der rechte Vorhof, der auf die dünnwandige rechte Kammer wirkt. — Die Zusammenziehung der Vorhöfe wird nun, entsprechend allen uns bekannten Muskelwirkungen, nicht während der ganzen Dauer ihres Be- stehens mit einer gleichen Kraft geschehen; sie wird im Gegentheil all- mählig gegen ein Maximum anwachsen und ebenso allmählig von die- sem Maximum absinken; demgemäss wird sie ihrem Inhalt eine allmählig steigende und dann auch wieder abnehmende Spannung mittheilen, und somit wird zuerst das Blut in den Ventrikel einströmen, dann wird, wenn die Vorhofskontraktion nachlässt, die elastische Spannung des Ventrikels das Blut wieder gegen den Vorhof zurücktreiben, wobei sich aber die Zipfelklappen der Ventrikelmündungen schliessen werden (A. Baumgar- ten ) Commentatio de mechanismo quo valvulae venosae etc. Marburgi 1843. . Hierbei wird also ein geringer Theil des Blutes, der aus dem Vorhofe in die Herzkammer getrieben wurde, wieder in sie zurückgehen. Die Bedeutung, welche den Vorhöfen gegenüber den Herzkammern zu- kommt, wird also eine zweifache sein. Sie machen nemlich einmal den Füllungsgrad dieser letztern unabhängig von der bald grössern oder gerin- gern Geschwindigkeit und Spannung, welche dem Strom zukommt, der von den Venen in das Herz hinein geschieht, so dass von diesem Ge- sichtspunkt aus mit E. H. Weber die Vorhöfe als Regulatoren der Kammerfüllung angesehen werden dürfen. Zum andern aber besorgen sie den Klappenschluss an der Venenseite der Ventrikel, so dass sogleich mit dem Beginn der Ventrikularzusammenziehung sein Inhalt auch eine Pressung von Seiten dieser Mündung erfahren kann. Wenn nun die Zusammenziehung der Vorhöfe ganz nachlässt, so wird sich mit der Entleerung eines Theils von ihrem Inhalt auch ihre elastische Spannung erniedrigt haben, so dass dann die in den Venen gespannte Flüssigkeit mit Leichtigkeit in den Vorhof einströmt. Diese plötzliche Entleerung wird aber eine Beugungswelle in den Venen er- Zusammenziehung der Herzkammern. zeugen, die sich von dem Herzen gegen die Peripherie fortpflanzt. Diese Beugungswelle soll später behandelt werden. b. Herzkammern. Bei der Betrachtung der Ventrikel gehen wir von dem Zeitpunkt aus, in welchem sie durch die Vorhofskontraktion in das Maximum ihrer Anfüllung gebracht waren und in welchem zu- gleich die Klappen der venösen Mündung horizontal von derselben aus- gespannt sind, so dass die winkelförmig gebogenen Sehnen, welche aus den Papillarmuskeln in das Klappensegel treten, ausgespannt sind. In diesem Augenblick sind während des Lebens auch die halbmondför- migen Klappen geschlossen, da von der Arterienseite her noch ein stärkerer Druck auf ihnen lastet, als von der Herzseite. So wie dieser Zustand eingetreten ist, beginnt aber sogleich auch die Zusammenziehung der Kammermuskeln, welche dem Inhalt von überall her, mit Aus- nahme der arteriellen Mündung, einen erhöhten Druck mittheilt. Diese Pressung öffnet bald die halbmondförmigen Klappen, worauf der Inhalt in die Arterie geschleudert wird; ob sich hierbei der Ventrikel ganz ent- leert, wird abhängig sein einerseits von dem Umfang oder der Kraft sei- ner Zusammenziehung und andrerseits von dem Widerstand, den das Blut in der Arterienmündung findet. Wenn dann die Zusammenziehung nachlässt, so werden, weil in den Arterien nun die Spannung des Bluts grösser, als in den Ventrikelhöhlen ist, die Semilunarklappen zum Schluss kommen, so dass aus den Arterien kein Rückfluss in den Ventrikel ge- schieht. Von Seiten der Vorhöfe wird dagegen mit dem Eintritt der Erschlaffung des Ventrikels ein Strom in dieselben gelangen; denn ein- mal haben sich die Zipfelklappen, nachdem das ausspannende, von den Ventrikeln gegen die Vorhöfe drängende Blut entfernt ist, geöffnet, und dann hat sich das Blut in den Vorhöfen während der Ventrikularkon- traktion angesammelt, so dass jene nur im Maximum ihrer Füllung sich befinden. Die ausgedehnten Vorhöfe treiben somit das Blut in den schlaf- fen, widerstandslosen Ventrikel ein. Die Annahme, dass sich die Höhle der Herzventrikel, bevor diese in die Todten- starre übergegangen sind, beim Eintritt der Diastole auch ohne Beihilfe des einströ- menden Bluts, etwa in Folge der Elastizität ihrer Wandungen, erweitern kann, ist am bündigsten durch L. Fick L. Fick , Müllers Archiv. 1849. p. 283, widerlegt. Im wahren Wortsinn genommen, giebt es also keine Aspiration der Vorhöfe. Die Erscheinung, welche zu ihrer Annahme führt, und die neuerdings genauer von Weyrich und Bidder untersucht wurde, wird noch Berücksichtigung finden. — Das tuberculum Loweri, ein Muskelhöcker, der an der Scheidewandsfläche zwischen vena cava superior und inferior liegt, soll durch Ablenkung des ursprünglich senkrechten Stroms beider Venen aufeinander be- deutsam sein; er soll verhüten, dass wenn, wie wahrscheinlich, eine Ungleichheit in der Geschwindigkeit und Spannung des Bluts in den beiden Strömen besteht, ihre Resultane der Geschwindigkeit nicht in eine der beiden Venenlumina, sondern gegen den Vorhof gerichtet ist. Diese Annahme steht auf zweifelhafter Basis. — Folgen der Herzbewegung in den Gefässen. c. Folgen der Herzbewegung in den Gefässröhren. Die Blutmengen, welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, werden nun in dem Gefässystem einen Strom erzeugen, der die in Fig. 42 . gegebene Rich- tung einhält. Da sich die beiden Herzkammern immer gleichzeitig zu- sammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ursache innerhalb des Gefässystems immer zugleich an zwei Orten, nemlich dem Anfang der grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer solchen Anordnung stellt sich, abgesehen von allen übrigen Eigenschaften, die Forderung, dass aus jeder Herzhälfte immer gleichviel Blut ausströmen müsse, weil der eine Ventrikel dem andern die Flüssigkeit zusendet, so dass, wenn dieser Forderung nicht Genüge geleistet würde, sehr bald die eine Abtheilung ihren Gesammtinhalt in die andere entleert haben würde. Der Strom, welcher vom Herzen aus erregt wird, pflanzt sich in der entsprechenden Gefässabtheilung bis zurück zum Herzen auf zweier- lei Art fort; nemlich durch Wellenbewegungen und Spannungs- unterschiede . Obwohl diese beiden Vorgänge, namentlich in den Arterien, durcheinander greifen, so müssen sie doch gesondert behandelt werden. Zunächst wenden wir uns zu den Wellen. Da an der Grenze des Herzens und der grossen Gefässe die Be- dingungen für die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche wir bei der theoretischen Auseinandersetzung (p. 49 .) für ihre Entstehung ver- langten, so müssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich eine Berg- welle in den Arterien gegen die Capillaren, hinter der im Arteriensystem keine Thalwelle herschreitet; in den Venen dagegen bildet sich eine Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine Spannungswelle auf sie folgte, gegen die Capillaren hinschreitet. Der Grund, aus dem die Thalwelle nach der Arterienseite hin ausbleibt, liegt aber darin, dass die Semilu- narklappe die Höhlung der Arterien und des Herzens abschliesst, sodass keine Entleerung der Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann; nach der Venenseite kann aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt wer- den, weil das in die Ventrikel eingestürzte Blut nicht wieder direkt in die Vene zurückgeschleudert werden kann, wegen des Schlusses der Zipfelklappen. Das Hervorstechende für die Bewegung der Flüssigkeit in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in dem elastischen Rohr enthaltene Theilchen in der Richtung der Längenachse des Rohrs eine Geschwindigkeit erhielt, die von einem Minimum zu einem Maximum anwuchs und dann wieder absank. Diese verschiedenen Stadien der Geschwindigkeit erlangten nun aber die Theilchen nicht sämmtlich gleich- zeitig, sondern successive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zunächst gelegenen Flüssigkeitsabschnitte eine Beschleunigung empfangen haben, diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umgekehrt, dass, wenn die vom Herzen entfernteren noch mit irgend welcher schwächeren oder stärkeren Geschwindigkeit begabt sind, die dem Herzen näher liegenden Blutwellen, Spannungsunterschiede. schon zur Ruhe gekommen waren. Durch eine solche Welle rücken nun alle Theilchen um eine gewisse Wegstrecke in den Lumen der Gefässe weiter, und zwar gelangen sie durch die Bergwelle in den Arterien von dem Herzen gegen die Capillaren, durch die Thalwelle in den Venen aber von den Capillaren gegen das Herz hin. Obwohl demnach beide Wellen eine Bewegung der Flüssigkeit in gleichem Sinne erzeugen, reichen sie doch erfahrungsgemäss nicht zur Erhaltung des Stromes in den Ge- fässröhren hin, da sie auf ihrem Wege durch dieselben vernichtet wer- den. Der Grund dieser Vernichtung kann aber nur in dem Kraftverlust liegen, der durch den Stoss an den Winkeln und die Reibung an den Wandungen bedingt wird. Da in unserem Röhrenwerke aber die Theilungen und Wandflächen gegen die Capillaren hin in ausserordent- licher Zunahme begriffen sind, so müssen auch die in der Welle vor- handenen Bewegungen der Flüssigkeit in den unmittelbar an die Capilla- ren grenzenden Arterienstücken auf gleich langen Stücken viel beträcht- licher abnehmen, als in den grössern Gefässen. Und weil die Kräfte, welche die Welle in der Arterie erzeugen, sehr viel bedeutender sind, als die, welche das Zusammenfallen der Venenanfänge erzeugt, so wird die arterielle Welle kräftiger sein, als die venöse, und diese somit auch eher (d. h. entfernter von den Capillaren) schwinden, als die erstere. — Wenn die Wellenbewegungen, welche den Theilchen des Inhalts in den grossen Arterien eigen war, gegen die Capillaren hin erlöschen, so müsste offenbar, wenn die Blutbewegung allein abhängig wäre von der Wellenbewegung, der Herzinhalt nur bis zu den Capillaren, aber nicht durch sie hindurchdringen; und aus demselben Grunde könnte die Beugungswelle das Blut, welches sie schliesslich in das Herz wirft, nicht aus den Capillaren beziehen. Beides trifft nun aber nicht ein, indem thatsächlich in den Capillaren ein ruhiger und gleichmässiger (nur unter ganz besondern Umständen ungleichförmig beschleunigter) Strom von den Arterien zu den Venen dringt. Die Triebkräfte dieses Stroms liegen aber in den Spannungsunterschieden, welche den Flüssigkeitstheil- chen auf den verschiedenen Abschnitten der Bahn vom Herzen aus bis zurück zu ihm zukommen. Dieselben entstehen aber folgendermassen: Durch die Herzmündung dringt mit jeder Zusammenziehung der Kammer- muskeln in einem kurzen Zeitraum, also mit grosser Geschwindigkeit, der Herzinhalt ein; und da dieser auf seinem Wege bis zu den Capilla- ren, wie wir schon sahen, seine Geschwindigkeit einbüsst, so muss er sich in dem arteriellen System anhäufen. Dieses kann nun aber nur durch eine Ausdehnung ihres Höhlenraums, oder durch eine Ausspannung der Wandungen geschehen. Diese letztere muss aber relativ eine sehr beträchtliche sein, da der Inhalt der Arterien im Verhältniss zu dem der Ventrikel nicht gerade bedeutend ist; bedenkt man nun noch, dass der bedeutendste Theil der arteriellen Gefässwandung wegen ihrer Dicke Spannungsunterschiede. weniger ausdehnbar ist, so ist ersichtlich, dass Kräfte von einem nicht unbedeutenden Werthe dazu gehören, wenn sie die arteriellen Röhren- werke bis dahin erweitern sollen, um es zu befähigen, zu seinem nor- malen Inhalt auch noch den des Herzens anfzunehmen. Mit andern Worten, es werden die ausgedehnten Membranen, weil sie nach der Aus- dehnung wieder ihren ursprünglichen Flächenraum einzunehmen streben, einen Druck auf ihren Inhalt ausüben, der den Druck im ruhenden Blut beträchtlich übersteigt. — Im umgekehrten Verhältnisse finden sich nun gerade die Venen. Durch die Blutmenge, welche nach der Herzkon- traktion aus ihnen strömt, wird ihre ursprüngliche Spannung vermindert, eine Verminderung, die nach einer einmaligen Zusammenziehung aller- dings nicht auffällig sein kann, da der Inhalt des Herzens im Vergleich zu dem der Venen sehr unbeträchtlich ist. Aus bekannten Gründen kann nun aber in einem zusammenhängenden Röhrenwerk kein ungleicher Druck, ohne das Bestreben einer Ausgleichung desselben, bestehen, d. h. ohne dass die gespanntere Flüssigkeit gegen die minder gespannte hinströmte, und somit muss von den Arterien durch die Capillaren hindurch eine Strömung eintreten, welche auch dann noch fortdauert, wenn schon die Herzkontraktion beendet ist. In diesem Sinne können wir nun die Spannungsunterschiede in den Wandungen (oder in den Flüssigkeitsschichten) als die wesentlichen Bedingungen des Stroms ansehen, und es wird demnach zunächst die Untersuchung schärfer auf diesen Punkt hinzuführen sein, namentlich ist genauer darzustellen, wie an jedem Orte des Gefässystems, in der Zeit während und nach dem Herzschlag, mit der Häufigkeit und dem Umfang der Herzzusammen- ziehung sich die Spannungen ändern. d. Spannungsunterschiede im Blute. Die Spannung, die in einem jeglichen Gefässabschnitt herrscht, ist unzweifelhaft abhängig von der Ausdehnbarkeit seiner Wandung und der Ausdehnung, die seine Wandung wirklich erfahren, mit andern Worten, bei gegebenem Elastizitätscoeffi- zienten von dem Umfang des Flüssigkeitsvolums, den es mehr enthält, als es im Ruhestand fassen kann. Die Ausdehnbarkeit wechselt an dem- selben Gefässquerschnitt mit dem Zustand (der Erschlaffung oder Zu- sammenziehung) der Wandmuskeln und noch mehr in dem Verlauf des Systems von einem Ort zum andern. Das Volum des Flüssigkeitszu- wachses ist abhängig von dem Verhältniss zwischen Zufluss und Abfluss. — Der erstere ist bedingt durch die Zahl und den Umfang der Herz- zusammenziehungen, der letztere durch die Widerstände in dem betref- fenden Abschnitt und an den Grenzen desselben, das will sagen: durch die Spannungsunterschiede, welche bestehen an der Einfluss- und Aus- flussmündung des betrachteten Abschnitts. Aus allem diesen, in Combination mit dem, was schon über den Bau des Gefässsystems, die Herzschläge und deren Variation beigebracht Spannung in dem Anfang des Arterienwerkes. ist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Spannungen, welche in dem Gefässsystem eines Menschen entweder gleichzeitig an verschiedenen Orten, oder an demselben Orte zu verschiedenen Zeiten erzeugbar sind, unendlich sein können; zugleich ist ersichtlich, dass eine theoretische Voraussicht der einzelnen Fälle unmöglich ist. Sehr zahlreiche Erfahrungen, die über die durch den Herzschlag veränderten Spannungserscheinungen vorliegen, erlauben aber demnach einige allgemeine Bemerkungen von praktischer Wichtigkeit; wir wer- den bei ihrer Aufzählung den Weg einschlagen, dass wir an verschie- denen Orten der Reihe nach die mit den Herzzuständen wechselnden Spannungen in das Auge fassen. — Die Thatsachen werden in der an- schaulichen Form, in der sie gewonnen sind, der Betrachtung zu Grunde gelegt, nemlich als Curven, wie sie der in Fig. 42 . dargestellte Span- nungszeichner lieferte. Die Achse der X von dem Coordinatensystem, in das sie eingetragen sind, giebt die Zeit, die der Y dagegen die Spannun- gen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedrückte Höhe einer Quecksilbersäule. A. Anfang des arteriellen Systems ; insbesondere a. caro- tis oder a. cruralis . Zuerst werden wir den Fall behandeln, in welchem sehr kräftige Herzschläge in langen Pausen einander folgen, wie man sie erhält, wenn man die nervi vagi in eine gelinde Erregung versetzt; und zwar darum, weil die Folgen der Herzwirkung an ihnen am deutlichsten hervortreten. Mässigt man, nachdem die n. vagi so an- haltend und kräftig erregt sind, dass das Herz längere Zeit vollkom- men stillstand und das Quecksilber des Manometers endlich auf einer Höhe, die sich für längere Zeit constant erhielt, anlangte, die Schläge des Induktionsapparates, so zeichnet der Schreibmanometer die Curven von beistehender Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt sich der Druck, von dem der Ruhe (Fig. 43 .) y ′, und zwar zuerst sehr Fig. 43. rasch, dann aber allmähliger, bis er auf das Maximum seines Wer- thes angelangt ist, von hier fällt er dann, und zwar zuerst rasch, dann aber immer langsamer, je näher er der Höhe kommt, von welcher der Druck bei Beginn des Herzschlags ausging, wie dieses an den Unterschieden der Ordi- naten a b c d e f g in den gleichen Zeitabständen 1 2 3 4 5 6 7 zu sehen ist. Folgen nun die Herz- schläge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander, so werden, bevor die Einwirkungen des ersten von ihnen verschwunden sind, die des zweiten Spannungswechsel bei verschiedener Schlagfolge des Herzens. eintreten und das Ansteigen, das der zweite veranlasst, somit von einem höhern Druck beginnen. Bleibt sich nun der Umfang und der zeitliche Abstand dieser und der folgenden Zusammenziehungen gleich, so wird dieses auch mit den im zeitlichen Verlauf erscheinenden Drücken der Fall sein. Genauer ausgedrückt wird also die constante Gefässspannung von y ° bis y ″ vorhanden sein, so dass sie unter diesen Werth zu keiner Zeit herabsinkt; ausserdem aber wird in constanten Grenzen von y ″ bis y ⁗ ein variabler Ueberdruck vorhanden sein, dessen Maximum und Mi- nimum für jeden Pulsschlag dasselbe bleibt, und endlich wird die mitt- lere Spannung Mittlere Spannung bedeutet also hier die Spannung, welche man erhalten würde, wenn man die in den einzelnen Zeittheilchen bestehende Spannung addirte und durch die Summe der Zeit- theilchen dividirte. — y ° y ‴, die sich aus den Spannungsschwankungen von einem zum andern Herzschlag berechnen lässt, für alle Herzschläge o t, t t ″ u. s. w. gleich sein. Wenn sich nun die Herzschläge statt des bisher innegehaltenen Rhythmus sehr beträchtlich beschleunigen (was jedesmal eintritt, wenn man nach den vorigen Versuchen die Erregung des n. vagus beendet), so erscheint die Curve, welche Fig. 44 . wiedergiebt. Bei einer Ver- gleichung derselben mit der vorhergehenden ist sogleich einleuchtend, Fig. 44. dass der constante Druck y ° y ″ ganz ausser- ordentlich gewachsen ist im Vergleich zum va- riablen; die Folge davon ist u. A. auch die, dass die Werthe des Mitteldrucks und des constan- ten Drucks sich sehr nahe kommen, indem die Grenzen des schwankenden Ueberdrucks überhaupt sehr nahe bei einander liegen. — Was die Form der Curvenstücke, die während je eines Herzschlags erzeugt werden, anlangt, so bemerkt man, dass sie sich sehr derjenigen des Gipfels in Fig. 43 . annä- hert; denn der kurze aufsteigende Theil wird so- gleich stark convex nach oben und der absteigende besitzt nur den steil abfallenden Abschnitt. Die zwischen diesen beiden Extremen liegenden Pulszahlen erzeugen Curven, welche sich mehr und mehr von der letz- tern zur erstern Form annähern, so dass man, wenn die Zahl der Puls- schläge gegeben, ungefähr die Reihenfolge der in der Zeit wechselnden Spannungen angeben kann. Wir haben demnach die allgemeine Form der zeitlichen Spannungs- curve abhängig gefunden von der Zahl der Herzzusammenziehungen; anders verhält es sich mit den absoluten Werthen der Spannungen und namentlich derjenigen, welche wir mit dem Namen der mittleren belegt haben; sie wechselten an demselben Thier trotz einer gleichen Zahl von Absolute Werthe der mittleren Spannung. Herzschlägen. Mit Sicherheit lässt sich nun angeben, dass der Werth der mittlern Spannung, alles übrige gleichgesetzt, steige, wenn sich die Anfüllung des Gefässsystems mit Flüssigkeit überhaupt mehrt; wenn die Widerstände zwischen der beobachteten Stelle und den Capillaren zu- nehmen; wenn der Umfang oder die Intensität der Herzzusammenziehun- gen sich steigern. Den Nachweis für diese Behauptungen kann man sehr leicht führen, weil man mittelst einer vorsichtig geleiteten Erregung der n. vagi die Zahl der Schläge annähernd auf einer bestimmten Zahl festhalten, zugleich aber durch Ablassen oder Einfüllen des Bluts aus den Gefässen, durch Unterbindung einiger Arterienstämme u. s. w. die Normalspannung und den Widerstand in einem Thier verändern kann. Weil nun aber trotz gleichbleibendem Widerstande und unverändertem Normaldruck und gleicher Zahl der Herzschläge die mittlere Spannung steigt, so schliessen wir daraus, dass auch der Umfang der Zusammen- ziehung des Herzens wechselvoll sein möge. Wenn ein Mitteldruck von bestimmtem Werth, welcher während einer gewissen Zeit hindurch unverändert bestand, übergeht in einen solchen von anderm Werth, so muss nothwendig während dieser Uebergangszeit der Mitteldruck von einem Herzschlag zum andern in einer Schwankung be- griffen sein; dieser Uebergang, so mannigfaltig er auch sein kann, führt aber doch jedesmal zu einem neuen Zustand dynamischen Gleichge- wichts, bei dem nemlich der Mitteldruck für die Zeit eines einzelnen Herzschlags gleich ist; demnach darf man behaupten, es bestehe für eine jede Combination von Herzzusammenziehungen, Widerständen und Gefässfüllungen ein Zustand, in dem die Menge der in der Zeiteinheit zu den Arterien strömenden Masse das Gleichgewicht hält der ausströmenden, so dass mit der Geschwindigkeit des Zuflusses auch die des Abflusses steigt. B. Ende des arteriellen Systems . Wie sich in den feinen Arterien während der einzelnen Phasen des Herzschlags die Spannungs- curve gestaltet, hat noch nicht untersucht werden können. — Mit Sicher- heit ist dagegen ermittelt, dass die der Systole und Diastole des Herzens entsprechenden Maxima und Minima der Spannungswerthe sich einander immer mehr nähern, je enger die Arterien sind, in welche der Strom eindringt, bis endlich in den Capillarnetzen die Unterschiede ganz schwinden, so dass an diesem Ort während der ganzen Herzschlagsdauer die Spannung unverändert dieselbe bleibt. Um eine Vorstellung von dieser Thatsache zu erhalten, hat Volkmann die nebenstehende Curve (Fig. 45 .) entworfen. Es ist dieselbe in ein Coordinatensystem eingetragen, dessen Abszissenachse A x die Achse eines Gefässrohrs darstellt von seinem Beginn am Herzen bis zu den Capillaren hin, so dass z. B. bei A der Mittelpunkt des Durchmessers von einem beliebigen Stück Aorta, bei D derjenige eines kleinsten Arterienastes gelegen wäre. — Die Ordinata Y Ende des Arterienwerkes. Umsetzung des variablen Stroms in einen constanten. bedeuten die Spannungen nach der schon früher festgestellten Ueber- einkunft. Wenn nun die Spannung in der Aorta in Folge einer Herz- zusammenziehung auf A Y gestiegen wäre, so würde sie in einem Aste Fig. 45. ersterer Ordnung hierdurch etwa auf B Y , in einem Aste dritter Ordnung aber nur auf C Y und in einem Aste letzter Ordnung endlich nur auf D Y kommen. Während der darauf fol- genden Herzpause würde in A die Spannung bis auf A y herab gehen, in den Aesten erster Ordnung schon um weniger und in den daranf fol- genden noch weniger, bis endlich bei D die Spannungen der Systole und Diastole zusammenfallen. — Mit die- ser Abnahme der Spannungsdifferen- zen nimmt aber zugleich die mittlere Spannung ab. Die ungefähre Lage dieser Mittelspannung ist durch die Ordinaten A M, B M, C M angedeutet. — Mit Rücksicht auf diese Thatsachen wäre nun zuerst zu überlegen: Woher rührt dieses Verschwinden der Spannungsunterschiede, oder anders ausgedrückt, warum strömt in den Querschnitt bei D zu jeder Zeit so viel ein, als aus, obwohl am Röhrenanfang ein unterbrochenes Einströmen stattfindet. Wenn die Spannungsunterschiede daher rühren, einmal, dass plötzlich alle Theilchen eines Querschnitts einen Stoss bekommen, der sie gegen diejenigen eines nächstgelegenen hineinzudrängen suchte, und ausser- dem daher, dass in einen Querschnitt plötzlich mehr Flüssigkeit einge- schoben werden konnte, als aus ihm austreten konnte, so wird unsere Erscheinung erklärt sein, wenn sich zeigen lässt, dass die Wellenbewe- gung, d. h. die von Molekel auf Molekel fortgepflanzten Stösse, im Ver- lauf des Röhrensystems verschwinden, und wenn ausserdem nachgewiesen wird, wie sich das tumultuarische Einströmen der Flüssigkeit in den Beginn des Arteriensystems in diesem allmählig in einen gleichförmigen Strom umwandelt. — Beides ist aber in der allgemeinen Betrachtung der Flüssigkeitsbewegung durch elastische Röhren geschehen (vgl. p. 50 u. f.). Denn es ergab sich dort schon, dass die lebendige Kraft, welche die Welle besass, von Beginn gegen das Ende des Rohrs hin abnehmen musste, weil die Welle mit einer Bewegung der in ihr enthaltenen Theil- chen verknüpft war, so dass eine Reibung und damit ein Verlust an Kräften entstand. — Zugleich ist aber auch ersichtlich, dass eine jede Geschwindigkeit, bevor sie in dem Rohr eine constante geworden ist, sich bei Verlauf der Flüssigkeit durch die Röhrenlänge verlangsamen muss; dieses würde also die nothwendige Folgerung in sich schliessen, Die Abnahme der mittleren Spannung. dass wenn ein und dasselbe Flüssigkeitsquantum durch denselben Quer- schnitt strömt, es am Ende des Rohrs hierzu längere Zeit nöthig hat, als am Beginn desselben. Wendet man diese Betrachtung auf die arte- riellen Röhren an, so würde die eben vorgelegte Thatsache nichts ande- res sagen, als: es ist die Geschwindigkeit der Flüssigkeit am Ende des Arteriensystems so verlangsamt, dass vom Beginn eines Herzschlags zum andern durch den viel grössern Gesammtquerschnitt gerade so viel strömt, als während der Dauer einer Herzzusammenziehung durch die Aortenmündung floss. Indem dieses geschieht, muss aber endlich eine Geschwindigkeit der in einen beliebigen Querschnitt einströmenden Flüs- sigkeit erreicht werden, welche gerade so gross ist, als die der ausströ- menden. — Der Ort im Gefässsystem, an welchem sich der Strom mit steigender und fallender Spannung umsetzt in einen solchen mit gleich- förmiger, hat nun erfahrungsgemäss keine feste Lage; er rückt unter Umständen nicht allein weiter hinaus, z. B. in das Capillarensystem hinein, sondern es kommt zuweilen ein Ort gleichförmiger Spannung gar nicht zu Stande. Die Theorie behauptet, es müsse das Hinausrücken des Ortes von gleichmässiger Spannung geschehen, entweder wenn bei gleichbleibenden Verhältnissen an der Herzmündung die Widerstände, die sich dem Abfluss in die Capillaren und Venen entgegensetzen, vermehrt werden, oder wenn bei gleich bleibenden Widerständen an letzterer Stelle der Umfang und die Geschwindigkeit der Herzschläge in der Weise sich ändern, dass in gleichen Zeiten mehr Flüssigkeit in die Aorta dringt. In der That wird dieses von der Erfahrung bestätigt, insofern z. B. Ar- terien plötzlich zu pulsiren beginnen, die es vorher nicht thaten, wenn entweder ihre Abflussröhren verstopft sind (bei sog. Entzündungen), oder wenn das Herz in grosser Aufregung sich bewegt. — Die Erscheinung, dass irgendwo im Gefässrohr ein Ort gleichbleibender Spannung zum Vorschein kommt, muss dagegen ganz ausbleiben, wenn die Herzschläge so spärlich aufeinanderfolgen, dass es Zeiten giebt, in denen überhaupt keine Bewegung im Gefässrohr mehr statt findet. Dieses tritt aber ge- wöhnlich erst beim Absterben eines Thieres ein, weshalb auch dort noch ein, wenn auch schwacher, Puls in den Capillaren beobachtet wird. Die Curve (Fig. 45 .) thut demnächst dar, dass die mittlere Span- nung in den Arterien von der Aorta nach den Capillaren in Abnahme begriffen sei. Diese Thatsache ist sogleich begreiflich, wenn man er- wägt, dass die mittlere Spannung nichts anderes ist, als ein Ausdruck für das Maass der spannenden Kräfte, welche in dem gerade betrachte- ten Querschnitt von einer zur andern Zeit wirksam sind. Dass sie die- ses aber bedeutet, geht aus der Definition der mittleren Kraft selbst hervor. Denn sie wird gefunden, wenn man alle die verschiedenen Span- nungen addirt, welche an einem Ort während einer bestimmten Summe von Zeiteinheiten bestehen, und die hieraus gebildete Gesammtzahl dividirt Ludwig, Physiologie. II. 7 Spannung in den Capillaren und Venen. durch die Summe der genannten Zeiteinheiten. Nun sind aber alle Ordinaten unserer Curve aus gleichen Zeiten abgeleitet, d. h. es sind alle die Spannungssummen dividirt worden durch dieselbe Zahl; das Verhältniss zwischen den mittleren Spannungen verschiedener Orte ist also gleich demjenigen der Spannungssummen. In einem jeden Strom nehmen aber die lebendigen und damit auch die spannenden Kräfte von dem Anfang zum Ende hin ab, wegen des Verlustes durch Reibung u. s. w. Der Verlauf dieser mittleren Curve bedeutet also, dass der Strom im Arteriensystem unter dieses allgemeine Gesetz fällt. Wir kom- men hierauf bei einer andern Gelegenheit noch zurück. Unsere Curve lässt endlich schliessen, dass es Zeiten geben müsse, in welchen die Spannung in den vom Herzen entfernter liegenden Ge- fässabschnitten eine höhere sei, als diejenige, welche gleichzeitig in den dem Herzen näher liegenden Theilen vorkommen. Wir brauchen nur an- zudeuten, dass diese Erscheinung mit der Wellenbewegung in Verbin- dung steht, indem sie die Folge einer raschen, durch das System fort- sehreitenden Stossbewegung ist. C. In den Capillaren und den Venen , welche nicht allzunahe am Herzen liegen, leitet die Herzbewegung einen gleichmässigen Strom ein, der nach allgemeingiltigen Regeln in seinem Verlaufe mehr oder weniger rasch an Spannung verliert, je nach den Widerständen, die er in den einzelnen Abtheilungen findet. Der absolute Werth der Span- nung in jedem Querschnitt wird natürlich bestimmt durch die lebendi- gen Kräfte des Stroms am Beginn des Capillarsystems. — In den Ve- nen dagegen, welche nahe am Herzen gelegen sind, wird jedesmal während der beginnenden Herzerschlaffung eine Thalwelle erregt, welche nach der Peripherie hin fortschreitet. Sie wird, offenbar weil ihre lebendigen Kräfte gering sind, rasch zerstört, so dass sie selbst mit feinen Mitteln nicht jenseits der grossen Kopf- und Armvenen sicht- bar ist. Diese Thalwelle hat man gewöhnlich von einer sog. Aspi- ration des Herzens ableiten wollen, indem man annahm, dass sich das Organ nach seiner Zusammenziehung vermöge seiner elastischen Kräfte erweitere. Diese Eigenschaft kommt aber in der That dem Herzen nicht zu, und zudem liegt eine andere Erklärung auch nahe. Während der Vorhofszusammenziehung sind die Venen, weil sie sich nicht entleeren können, bedeutender gespannt worden. Löst sich nun die Zusammen- ziehung des Vorhofs und rasch hinterher die der Kammern, so wird die gespannte Flüssigkeit in den wenig Widerstand bietenden Raum plötz- lich entleert werden, wodurch ein ganz ähnlicher Effekt erzielt wird, als ob sich das Herz erweitert habe. Ueber die Geschwindigkeiten, welche dem vom Herzen aus erregten Strom eigen sind, besitzen wir keine gesonderten Erfahrungen. Einfluss der Brustbewegung auf den Blutstrom. 2. Bewegungen des Brustkastens und seiner Einge- weide Donders, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. 287. und dessen wichtige Abhand- lung. ibid. IV. Bd. 241. — Handleiding. II. Bd. a. 396. — C. Ludwig, Müllers Archiv. 1847. p. 242. — Ed. Weber , Leipziger Berichte; mathemat. physik. Classe. 1850. p. 29. . Da das Herz und die grossen Gefässe von den Lungen und demnächst von den Brustwandungen umschlossen werden, so müssen deren Spannungen und Bewegungen von einem wesentlichen Einfluss auf den Blutlauf sein. — a. Die Beziehung der elastischen Kräfte der Lungensubstanz auf den Blutstrom erläuterten wir zunächst für den Zustand des Brustkastens, in welchem er sich findet, nach der Ex- und vor der Inspiration, in welchem er also die Stellung eingenommen hat, die ihm vermöge der elastischen Kräfte seiner Bestandtheile zukommt. In dieser Zeit wird auf die Lungen- oberfläche von Seiten der Brustwand kein Druck ausgeübt; denn es fehlt jede selbstständige Bewegung des Brustkastens, und es ist ausserdem die Wandung desselben steif genug, um nicht bewegt zu werden von einem mässigen Unterschied des Luftdrucks, der auf der innern und äussern Fläche der Brustwand etwa vorhanden wäre. Die Lungenoberfläche, welche an der Brustwand anruht, ist darum nur zwei Kräften aus- gesetzt: dem Luftdruck und den elastischen Spannungen der Lungensubstanz. Diese beiden Kräfte wirken aber in entgegenge- setzter Richtung. Die Luft nemlich, die nur durch die Trachea, nicht aber von Seiten der innern Brustfläche drückt, entfernt die Ober- fläche von der Wurzel der Lunge, indem er die Lunge entfaltet. Die elastischen Kräfte der Lungensubstanz wirken dagegen von der Ober- fläche der Lunge gegen die Wurzel hin; sie suchen die entfaltete Lunge zusammenzudrücken. Der Beweis dafür, dass diese Kraft, und zwar in der angegebenen Richtung, wirkt, liegt darin, dass eine möglichst gesunde Lunge, welche man aus der Brusthöhle herausgenommen und zu dem Volum ausgeblasen hat, das sie in der Brusthöhle einnimmt, augenblick- lich zusammenfällt, sowie man die Trachea öffnet, d. h. den Luftdruck aller Orten gleich macht. Die Lunge kann in ihrer natürlichen Lage also nur darum ausgespannt erhalten werden, weil der Luftdruck das Uebergewicht besitzt über die elastischen Kräfte der Lunge. Dieses Uebergewicht ist nun auch noch durch Messungen nachgewiesen, indem Donders durch ein besonderes Verfahren ermittelte, dass, im hydrostatischen Maasse aus- gedrückt, die elastischen Kräfte der Lunge im Maximum 30 MM . Quecksilber betragen, während der Luftdruck in den bewohnten Gegenden sich meist über 500 MM . hält. — Aus allem diesen folgt nun, dass die Theile, welche innerhalb des Brustkastens an der von der Pleura umkleideten Lungenfläche anliegen, einen geringern Druck, als den der Luft zu er- tragen haben, und zwar einen um das Maass der elastischen Lungenkräfte verminderter Luftdruck. Diese Verminderung des Druckes wird sich an 7* Saugkraft der Lunge. der Grenze zwischen Brustwand und Lunge nur als Spannung äus- sern können, da jene, wie erwähnt, zu steif ist, um durch einen Druckunterschied von wenigen MM. Hg bewegt zu werden. — An- ders gestalten sich dagegen die Dinge an der Grenze zwischen den Lungen und dem Herzen mit seinen Gefässausläufern. Der Inhalt die- ser hohlen Organe steht nemlich unter dem Luftdruck, da er in un- mittelbarer Berührung steht mit dem Blut, welches sich in den Gefässen ausserhalb des Brustkastens findet, die diesem Drucke zugänglich sind, und ausserdem ist er noch in einer Spannung, welche von der Ueber- füllung der Gefässröhren mit Blut herrührt. Von diesen Kräften wirkt nun der Luftdruck demjenigen entgegen, welcher von der Längenober- fläche her auf das Herz trifft; sie würden sich also aufheben, voraus- gesetzt, dass beide Drücke gleichen Werth besässen. Da nun aber der von der Lunge her treibende Luftdruck vermindert ist um den Werth der elastischen Kraft in der Lunge, so gewinnt der von dem Blutbehälter her wirkende Druck das Uebergewicht. Er sucht somit diese letztern auszudehnen. Da zu diesen ausdehnenden Kräften sich auch noch die hinzuzählen, welche von der Spannung des Bluts in den Gefässen her- rühren, so müssen unzweifelhaft die in den Lungen eingebetteten Blut- behälter ein Ausdehnungsbestreben besitzen. Diesem Bestreben kann aber in diesem Falle Folge geleistet werden, da die Wandungen der Herz- und Gefässhöhlen in der That sehr nachgiebig sind. Der Bewe- gung, welche durch diese Mittel eingeleitet wird, ist erst dann Grenze gesetzt, wenn unsere Gefässe so weit durch Blut ausgedehnt sind, dass die elastische Spannung, in die ihre Wandungen treten, den ausdehnen- den Kräften das Gleichgewicht hält. Zu diesem Grade der Span- nung scheinen aber die venösen Wandungen der Gefässe niemals zu kommen, indem aus ihnen nach jeder Herzbewegung schon wieder Blut entleert wird, bevor es sich in dem verlangten Maasse aufge- häuft hat. Wir schliessen hierauf, weil im Leben immer Luft durch die vena jugularis in das Herz eindringt, wenn man sie blosgelegt und ihre Wand so durchschnitten hat, dass die Oeffnung klaffen kann; es muss also die Spannung, welche ihrem Inhalt zukommt, niedriger sein, als die der Luft. Um diese für den Kreislauf bedeutungsvolle Einrichtung zur Anschauung zu bringen, ist die Fig. 46 . gezeichnet worden, welche ohne weitere Erklärung verständlich sein muss. Die Pfeile in der Herzhöhle und auf der Lunge deuten die Richtung an, nach welcher die elastischen Kräfte der Lunge wirksam sind, den Lungeninhalt pressen und den Herz- inhalt auseinanderziehen. Diese Saugkraft der Lunge muss aber den Blutstrom, welcher schon in Folge der Herzthätigkeit besteht, modifiziren, und zwar dadurch, dass sie alle Strömungen aus dem Brustkasten hemmt, indem sie die Zu- sammenziehung der Aorta hindert, dagegen alle Strömung nach dem Einathmungsbewegung. Fig. 46. Brustkasten fördert, indem sie in die Venen desselben den Ort der niedrigsten Spannung legt, wohin selbst dann noch Flüssigkeit läuft, wenn auch die vom Stoss des Herzens und der Spannung der Gefäss- wände herrührenden Kräfte verzehrt sind. — Nun ist aber nicht zu verkennen, dass der letztere Effekt seinem Werth nach das Uebergewicht über den ersteren hat; denn da die Venen eine grössere Flächenaus- dehnung haben, als die Arterien, so muss ihr Inhalt durch dieselben Zugkräfte, die an mehreren Orten wirken, offenbar vielmehr erweitert werden, als die der Arterien; zudem sind die Arterienwandungen auch viel steifer, als die der Venen. Man kann also sagen, es werde die Blutströmung durch diese Einrichtung unterstützt. b. Einathmungsbewegung. Bei dieser Bewegung verbreitert und verlängert sich der Brustraum. Diese Bewegung wird auf verschiedene Weise für die grossen Blutbehälter in der Brust wirksam.. 1 ) Da das Herz und die Gefässe an der Brustwand selbst angewachsen sind, so werden sie geradezu durch die Bewegungen ausgespannt. 2) Die Lungen- oberfläche folgt der innern Brustfläche, und damit mindert sich noch Ausathmungsbewegung. der Widerhalt, den die Lunge den grossen Gefässen bietet. Diese Ver- minderung des Widerhalts rührt nun nicht etwa daher, dass während der Einathmung eine merkliche Differenz der Dichtigkeit in der äussern und innern Luft vorhanden wäre. Denn in der That ist die Verbindung der äussern mit der Lungenluft ergiebig genug, um es dahin zu brin- gen, dass in dem Moment, in welchem eine Luftverdünnung in den Lun- gen eintritt, sie auch durch Nachströmen aus der Atmosphäre ausge- glichen wird. — Es rührt die Verminderung des Widerstandes, welche die äussere Gefässfläche erfährt, vielmehr von der grössern Ausdehnung der Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre zu- sammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen grössern Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfläche hindurch auf die äussern Gefässflächen wirkt. Diese beiden Gründe vereinigen sich somit wiederum, den Strom des Bluts aus der Brust zu hemmen und den nach der Brusthöhle hin zu fördern. — Donders hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Folge ebenso giltig ist für den kleinen, als für den grossen Kreislauf, da in beiden Fällen die Capillaren desselben in Flächen laufen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind. — Von besonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung für den Kreis- lauf in den Unterleibshöhlen, weil mit der Erweiterung der Brusthöhle der Inhalt der Unterleibshöhle zusammengepresst wird, so dass hier- durch vorzugsweise die Entleerung der Bauchvenen begünstigt wird. c. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz zur Inspiration den Brustkasten zusammendrückt, so wird sie auch für die grossen Blutbehälter der Brust im entgegengesetzten Sinne wirken, in- dem sie nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit derselben beschränkt, son- dern auch geradezu dieselben auspresst. In Folge davon wird das Blut aus dem Brustkasten durch die Arterien mit gesteigerter Kraft geworfen und zugleich auch in die Venen zurückgeschleudert, resp. wegen den an- wesenden Klappen gestaut werden. — Unter günstigen Umständen kann durch diese Stauung eine so vollkommene Unterbrechung des Einströmens von Blut in die Brusthöhle stattfinden, dass dadurch für längere Zeit eine vollkommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt nach Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze schliesst und dann eine kräftige Ausathmungsbewegung ausführt. Die comprimirte Luft kann die Venen vollkommen zuschliessen. Man wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die Be- wegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz dasselbe lei- sten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie pumpen das Blut aus den grossen Stämmen gegen die Peripherie. Neben dem un- wesentlichen Unterschied, dass für gewöhnlich die Brustbewegungen län- ger anhalten und seltener wiederkehren, als die des Herzens, besteht aber noch der eingreifendere, dass sie an den Arterien und Venen jedes- Bauchwände; Schwerkraft. mal in gleichem Sinn die Spannung ändern; denn die Inspiration min- derte, die Exspiration mehrte sie in beiden, während das Herz für beide gerade im ungleichen Sinne wirksam war. — Die besondern Her- gänge, welche die durch die Brustbewegung veränderten Spannungen in den Blutstrom einleiten, sind nach den früher mitgetheilten Regeln zu beurtheilen. Versuche, die den Einfluss der Respirationsbewegung auf das Blut, gesondert von der des Herzens, bestimmen, sind nicht aus- geführt. 3. Die Verkürzung oder Erschlaffung der Bauchmuskeln, wodurch der Inhalt der Unterleibshöhle sehr verschiedene Spannungen erfährt, muss natürlich auch unterstützend oder hemmend auf den Blut- strom wirken, da durch die Unterleibshöhle grosse Gefässe eingeschlos- sen sind. Die Beurtheilung der Verhältnisse bietet keine Schwierigkeit. Auf einige kleine Besonderheiten werden wir noch später die Rede brin- gen, z. B. bei der Leber. 4. Die Schwerkraft. Man sollte auf den ersten Blick denken, dass durch eine Lagenveränderung einzelner Theile eines Röhrenwerks von den Ei- genschaften des Blutgefässsystems gar keine Bewegung erzeugt werden könnte. Betrachten wir in der That ein System (Fig. 47. ), welches sich dadurch Fig. 47. hervorhebt, dass von demselben Punkte, dem Herzen H aus, Röhren ausgehn und zu ihm zu- rückkehren, so kann, vorausgesetzt, dass die Wandungen unnachgie- big sind, keine Bewe- gung dadurch einge- leitet werden, dass die einzelnen oder die Ge- sammtzahl der Röhren in eine andere Lage übergehen. Setzen wir z. B., dass der Röhren- bogen A V aus der ge- hobenen Lage I in die gesenkte II übergeht, so wird nun allerdings die Flüssigkeit der Spitzen bei II , die vor- her keine Last von Seiten der Schwere zu ertragen hatte, gedrückt werden durch eine Säule von der senkrechten Höhe o q. Aber dieser Druck wird mit gleichem Werth ebensowohl durch den Zweig A als durch den Muskeln der Gefässwand. von V hindurch auf die Spitze ausgeübt, und somit ist die Bewegung unmöglich. Wenn aber, wie in unserm Röhrensystem, die Wandungen ausdehnbar sind, so muss beim Uebergang aus der einen in die andere Stellung unzweifelhaft eine Bewegung auftreten, denn in der ersten Stel- lung lastete auf der Spitze des Röhrensystems kein Druck, wohl aber auf dem Beginn desselben ein solcher von dem Werthe o p . Gerade um- gekehrt verhält sich die Sache bei der Stellung von II , wo die Spitze unter dem grössern und der Anfang der Schlinge unter dem geringeren Druck steht; somit wird sich in dem erstern Fall der Anfang, in dem letztern die Spitze erweitern, und dieses geschieht dadurch, dass beim Uebergang aus I in II ein Strom von dem Anfang gegen das Ende der Schlinge und bei Ueberragung aus II in I das umgekehrte eintritt. Die- ser Strom kann jedoch nur so lange andauern, bis die betreffende Stelle zu einer dem Druck entsprechenden Erweiterung oder Verengerung ge- kommen ist. Ebensowenig kann, wenn die neue Vertheilung des Inhalts einmal geschehen ist, durch den eben betrachteten Uebergang aus einer in die andere Stellung einer andern Bewegungsursache, die an der Mün- dung eines Rohrs wirkt, eine Hemmung oder Begünstigung zugefügt werde, da die Schwere immer nur gerade so viel die andern treiben- den Kräfte in dem absteigenden Röhrenstück steigert, als sie dieselben in dem aufsteigenden mindert. 5. Verkürzerung der Muskeln in der Gefässwand und in den Umgebungen der Gefässe. Die Wirkungen dieser Mus- keln können trotz ihrer verschiedenen Lagerung doch gemeinsam behan- delt werden, da sie in ihren Folgen zahlreiche Analogien bieten. — Die Zusammenziehungen dieser Muskeln erzeugen zunächst in allen Fällen eine Verengerung des Gefässlumens, und insofern müssen durch dieselbe, vorausgesetzt, dass sie sich nicht über das ganze, sondern nur über einen grössern oder kleinern Theil der Gefässe erstrecken, Blutbewegun- gen eingeleitet werden, welche ganz den Charakter der durch die Herz- bewegung eingeleiteten tragen. Denn es ist ersichtlich, dass durch eine mehr oder weniger plötzliche Verengerung, die die Gefässe in beschränk- ter Ausdehnung erleiden, eine Welle entstehen muss, dass ferner wegen eintretender Spannungsungleichheit ein Strom entsteht, und endlich dass wegen der Ventile, die in das Röhrenwerk gelegt sind, der Strom die der Blutbewegung allgemein zukommende Richtung annehmen muss. — Trotz alle dem muss aber doch dem Strom aus diesen Gründen eine nur untergeordnete Bedeutung zugeschrieben werden. Denn einmal er- folgen diese Bewegungen zu unregelmässig, und namentlich fehlen sie oft lange Zeit, wie z. B. im Schlaf u. s. w. — Dann aber erfolgen die Be- wegungen der Gefässe, da sie von glatten Muskeln ausgeführt werden, sehr allmählig, und noch mehr die einmal eingetretene Verkürzung bleibt, wie die nun schon sehr zahlreichen Erfahrungen an blosgelegten Gefässen Flüssigkeitsströme durch die Gefässwand. erweisen, sehr lange stabil, so dass eine dauernde Veränderung des Lu- mens besteht. Endlich aber, und dieses ist besonders zu betonen, hem- men die verengerten Stellen den von dem Herzen ausgehenden Strom, so dass die Zusammenziehungen eher als Beschränkungs-, denn als För- derungsmittel des Blutstroms anzusehen sind. Damit ist aber nicht ge- sagt, dass die physiologischen Folgen der muskulösen Gefässverengung nicht von beträchtlicher Wichtigkeit seien. 6. Ein- und Austritt von Flüssigkeiten in den Gefässlumina. Während des Lebens treten ununterbrochen in die Gefässröhren Flüssigkei- ten; am hervorragendsten geschieht dieses durch einen bald stärkern, bald schwächern Einfluss in die venae jugulares aus den Lymphgängen, und durch Diffusion in die Darmvenen während der Verdauung. Nicht minder entlässt auch, insbesondere durch Verdunstung auf Lungen und Haut und durch flüssige Entleerung in den Nieren-, Speichel-, Schweissdrüsen u. s. f., das Gefässlumen einen merklichen Theil seines Inhalts. Durch den Ein- tritt wird unzweifelhaft an dem einen Orte die Spannung erhöht und durch den Austritt an dem andern erniedrigt, und somit müsste auch ohne Zuthun anderer Hilfsmittel ein Strom von den ersteren zu den letz- teren Stellen gehen. Diese Strömungen können aber neben den andern intensiven Störungen des Gleichgewichts nur von untergeordneter Be- deutung werden, um so mehr, als der Zu- und Abfluss, den sie veran- lassen, nur sehr allmählig geschieht. Sie sind dagegen, wie schon oben bemerkt wurde, von hervorragender Bedeutung für die Erhaltung der Gesammtspannung der Stromröhren, resp. für die Anfüllung derselben mit Flüssigkeit überhaupt. Ausser diesen Hilfsmitteln, welche mit messbaren Kräften zur Erhaltung des Kreislaufs beitragen, glauben viele Schriftsteller älterer und neuerer Zeit noch zu der Annahme anderer gezwungen zu sein. Sie begründen diese Forderung entwe- der mit einem physikalischen Missverständniss, oder durch meist sehr verwickelte, zum Theil pathologische Vorgänge. Dem physikalische Missverständniss, auf welches hier angespielt wird, liegt der Behauptung zu Grunde: dass die Kräfte des Herzens und des Brustkastens nicht hinreichen, um die Reibungs- und sonstigen Widerstände zu überwinden, welche sich dem Blutstrom in den kleinsten Gefässen entgegensetzen. Indem man dieses aussprach, bedachte man nicht, dass alle Widerstände, welche sich in einem beliebigen Röhrenlumen einem Strom entgegenstemmen, mit den le- bendigen Kräfte dieses letztern steigen und fallen, so dass ein langsam und mit ge- ringer Spannung fliessender Strom auch geringe Widerstände zu überwinden hat. Darum kann behauptet werden, dass die Bewegungen der Herz- und Brustmuskeln, auch wenn sie tausendmal weniger Kraft entwickelten, als sie in der That ausüben, doch einen Strom vom Herzen bis zurück zu ihm erzeugen würden, vorausgesetzt nur, dass diese Bewegungen hinreichten, um einen Spannungsunterschied der Flüssigkeit im arteriellen und venösen System hervorzurufen. Der Strom würde dann freilich mit einer viel geringeren Geschwindigkeit und Spannung dahin gehen. — Eine andere Reihe von Autoren giebt jenen Grund preis, beruft sich aber auf den reichlicheren Zufluss von Blut, welcher zu den Körpertheilen zu Stande kommt, in denen eine ver- mehrte Absonderung von Flüssigkeit, eine gesteigerte Neubildung von Gewebsbe- Ueber andere Strömungsursachen. standtheilen, oder eine Entzündung vorkommt. Man glaubt diese Steigerung der Blutzufuhr erklären zu müssen aus einer Anziehung, welche sich entweder zwischen dem thätigern Gewebe und dem Blute neu entwickelt hat, oder aus einer Steigerung einer schon bis dahin nur im schwächeren Grade bestehenden Verwandschaft. Wenn man nicht in ganz willkührliche Annahmen verfallen will, so kann man mit dieser Verwandtschaft entweder nur eine partielle Stockung des Blutstroms erklären, oder eine sehr unbedeutende Vermehrung des Stroms von den Arterien zu den Capillaren, verbunden mit einer Schwächung desselben von den letztern Gefässen zu den Venen. Das erstere würde eintreten, wenn die auf das Blut wirkende Anziehung ihren Sitz an der innern Wandfläche des Gefässes besässe; sie würde die unmessbar dünne Wandschicht des Stromes hemmen, die Mittelschicht desselben dagegen ungestört strömen lassen, da alle chemischen Anziehungen nur in unmessbar kleinen Entfer- nungen wirken. — Der andere Fall aber würde eintreten, wenn die anziehende Sub- stanz an der äussern Wandfläche gelegen wäre; sie würde dann aus der Wand die betreffenden, in sie eingedrungenen Blutbestandtheile anziehen, und ihre Wand würde sich dann wieder aus dem Blute mit Flüssigkeit tränken und somit einen Zweig- strom durch die Wand hindurch bedingen. Hierdurch würde die Spannung des strö- menden Bluts an der Stelle des Rohrs erniedrigt, an welcher der Austritt von Flüs- sigkeit stattgefunden, und somit auch der Widerstand, welcher sich dem vom Herzen nachrückenden Blut entgegensetzt. Zugleich aber würden mit der Wegnahme beweg- ter Flüssigkeit aus dem Rohr die lebendigen Kräfte der Flüssigkeit innerhalb der ab- sondernden Röhren vermindert und damit die Triebkraft für den Strom von dieser Stelle aus geschwächt. — Wollte man beides einen gesteigerten Zu- und Abfluss er- klären, mit Hilfe solcher Kräfte, die an und in der Wand thätig sind, so wäre man genöthigt, ins Blaue hinein anziehende und abstossende Wirkungen in kurz aufeinan- derfolgenden Zeiten abwechselnd von demselben Orte ausgehen zu lassen. — Bevor man nun die einfacheren Wege, welche zu einer Erklärung führen konnten, verlässt und sich zu dunklern wendet, wäre, wie billig, der Hergang, der zu solchen Annah- men führte, genauer zu untersuchen gewesen. Da man diese Bedingung bis dahin nur sehr mangelhaft befriedigt hat, so lässt sich der einen nur die andere Hypothese entgegenstellen. Indem man sich hierzu versteht, kann man wahrscheinlich machen, dass die Anziehungen (ihr Bestehen vorausgesstzt) gar nicht im Stande sind, den Blustrom in der auffallenden Weise zu verändern, in der dies meist in entzündeten, hypertrophischen, stark absondernden Organen geschehen ist. — Zuerst übersehen wir, indem wir die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Stromwandung und anziehen- den Kräften überlegen, dass der Strom in den Arterien in dem Maasse an Geschwin- digkeit zunehmen musste, in welchem durch die Anziehung Flüssigkeit aus dem Ge- fässlumen herausgezogen wird. Wir sehen nun aber sogleich, dass in den meisten Fällen, besonders in allen Entzündungen fester Theile, die aus der Gefässhöhle ge- führte Flüssigkeitsmenge nur sehr gering sein kann und dass sie unter allen Um- ständen verschwindét gegen das Flüssigkeitsvolum, was aus andern Gründen durch das Stromrohr geführt wird. Also muss auch die geschwindigkeitsvermehrende Wir- nung der Anziehung verschwinden. — Dann aber ist ersichtlich, dass die Spannung in der zuführenden Arterie in den erwähnten Fällen immer niedriger als im Normalzustande sein müsste, wenn in Folge der Anziehung Blutflüssigkeit aus den Capillaren entleert würde, und dass sie nur um ein unmessbares erhöht sein dürfte, wenn durch die Anziehung die stockende Wandschicht des Stroms an Durchmesser zunähme. Nun sehen wir aber, dass auch Absonderungen, insofern sie von einer Aenderung des Blutstroms begleitet sind, immer eine erhöhte Spannung in den zuführenden Arterien mit sich bringen. Diese Er- scheinung macht also sogleich die Anziehungshypothese unwahrscheinlich, indem sie ihren Folgerungen widerspricht. — Viel annehmbarer erscheint darum die Behauptung, dass Wesentliche und unwesentliche Triebkräfte. die Veränderung des Stroms sich erst einfindet, wenn aus irgend welchen Gründen eine Verengerung oder Erweiterung der leicht beweglichen Gefässröhren des entzün- deten oder absondernden Organes eingetreten ist. Dass aber hieraus wesentliche Veränderungen des gewöhnlichen Stromes entstehen können, werden wir, soweit die- ses nicht schon geschehen ist, demnächst noch zu sehen Gelegenheit haben. Wir haben einem alten Gebrauch zufolge Volkmann, Haemodynamik, p. 292. wesentliche und un- wesentliche Triebkräfte des Blutstroms unterschieden. Nach unseren Mittheilungen kann sich diese Trennung nur beziehen auf den Antheil, welchen die einzelnen Bewegungsursachen an der Gesammtkraft des Stromes besitzen, so dass wir die Kräfte, denen der Strom den grössten Theil seiner Spannung und Geschwindigkeit verdankt, die wesentlichen nennen. Wir haben nun als wesentliche bezeichnet die Herz- und Brust- bewegung, weil erfahrungsgemäss der Blutstrom den bei weitem gröss- ten Theil seiner Spannung und Geschwindigkeit verliert, so wie diese bewegenden Kräfte ausfallen. Die Versuche, auf welche sich dieser Aus- spruch stützt, sind vollkommen beweisend, wenn sie auch nicht bis zu dem Grade von Genauigkeit geführt werden können, um den Einfluss eines jeden einzelnen Einflusses in scharfem Maasse anzugeben. — Denn wenn man z. B. durch Vaguserregung das Herz zum Stillstande zwingt, so sinkt alsbald die Spannung in den Arterien fast bis zur Spannung der Ruhe, der Strom in den Capillaren wird so langsam, dass in ihnen keine Be- wegung zu sehen, selbst wenn die etwa bestehende Geschwindigkeit durch das Mikroskop um mehrhundertfach vergrössert wird, und die Spannung in den Venen mehrt sich in der Ruhe, Spannungsunterschiede und Geschwindigkeiten kehren aber wieder zurück, in dem Maasse, in wel- chem die Herzschläge wiederkehren. Nichts ähnliches tritt ein, wenn wir die Gliederbewegung aussetzen, die Diffusionen und Absonderungen beschränken, während das Herz schlägt. — Nächst dem Herzen setzten wir den Brustkorb, einmal darum, weil für gewöhnlich dieses Gebilde in die Gefässbahn einen Ort von sehr niederer Spannung bringt, dann aber auch, weil die Bewegungen des Brustkastens, wenn sie energisch sind, dem Blut sehr kräftige Stösse zu geben im Stande sind, wie uns das die Messungen noch zeigen werden. Wir sind leider nicht im Stande, die kräf- tigen einander rasch folgenden Brustbewegungen herbeizuführen, wenn der Herzschag steht. — Aehnliche, aber schon untergeordnetere, Wirkungen zeigen die Bewegungen der Muskeln am Bauch, den Gliedmaassen und den Gefässwänden. — Wenig einflussreich können der Natur der Sache nach auch die Kräfte sein, welche durch die Gefässwandungen hindurch Flüssigkeit aus dem Gefässsystem ausziehen oder in dasselbe treiben. Wie gross diese Kräfte auch an und für sich sein mögen, sie sind für den Blut strom nur in so fern von Bedeutung, als sie im Stande sind, den Inhalt der Gefässröhren zu mehren oder zu mindern, oder anders Absolute Werthe der Stromspannung. ausgedrückt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang des Stroms, welchen sie durch die Gefässwandung führen, denn es kann von den übrigen Gefässprovinzen in die absondernden nur so viel einfliessen, als aus diesen letzteren durch die Absonderung entfernt wird. Nun treten in der That aus den Nieren oder den Lungen täglich nur einige Tausend Cubikcentimeter Flüssigkeit aus, der Blutstrom führt durch diese Organe, wie uns eine überschlägliche Rechnung zeigt, aber täglich viele Millionen Cubikcentimeter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen den, welchen die andern Kräfte erzeugen. Man hat zuweilen neben diesem hier hervorgehobenen Unterschied die erzeugen- den Kräfte des Blutstroms auch danach geschieden, ob sie im Stande wären, den Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl., oder auch sämmtliche Abschnitte des Gefässsystems zu führen. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth beizulegen, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System herbeiführen muss. Es würde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als die Stosskraft des Herzens hinreichen, weil im kommunizirenden Röhrensystem sich die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen. Die absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom. Die Versuche, welche die Spannungen im Blutstrom und die Ver- änderungen in der Zeit zu messen oder zu schätzen trachteten, sind meist so angestellt worden, dass der Antheil, den die einzelnen stromerzeugen- den Kräfte an ihnen nehmen, nicht gesondert dargestellt werden kann. — Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen zu Rathe ziehen kann, um den Werth der bestehenden Spannung zu messen, sind so unvoll- kommen, dass sie niemals mehr als ganz grobe Unterschiede zweier ver- schiedenen Werthe erkennen lassen; über die absoluten Werthe der ver- glichenen Spannungen erhalten wir aber durch sie gar keinen Aufschluss. Genaue aber weitaus nicht überall genügende Messungen dieser Verhält- nisse lassen sich durch das Manometer bei Thieren gewinnen. — Gewisse Eigenthümlichkeiten der zeitlichen Veränderungen in den Drücken sind dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei Thieren scharf zu bestimmen. Die beim Menschen anwendbaren Mittel, um den Grad der Gefässspannung zu erkennen, beschränken sich auf den mit dem Fingerdruck zu schätzenden Widerstand, den ein Gefäss der Zusammenpressung entgegenstellt, oder auf die sichtbare Ausdeh- nung und Farbenveränderung gewisser Gefässregionen. Diese Beobachtungsweise hat man verschiedentlich zu vervollkommnen getrachtet. Einmal durch die Anwendung eines Glasröhrchens, das an seinem obern Ende zu einer offenen Capillare ausgezo- gen, an seinem untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen war. Man soll dieses Gefäss mit Flüssigkeit füllen, die Blase auf die Haut setzen, welche über eine Arterie wegläuft, andrücken, und das Spiel der Flüssigkeit, welches durch das Klopfen der Arterie herbeigeführt wird, in dem engen Ausläufer vergrössert beobach- ten. Oder man hat auch auf die Haut, welche ein sich ausdehnendes und dann wie- der zusammenziehendes Gefäss bedeckt, den kurzen Arm eines Fühlhebels aufgesetzt, Ueber die Messung der Spannungen. ( Vierordt ) Archiv für physiologische Heilkunde. XIII. 284. und die Exkursion des längern beobachtet. Wollte man nun aus diesen Beobachtungen Schlüsse auf die in dem Gefäss wirksamen Spannungen ziehen, so dürfte man nicht vergessen: 1) dass die Ausdehnung eines Gefässes um denselben Werth durchaus nicht einen gleichen Zuwachs von Spannung bedeutet, denn wenn der Durchmesser eines und desselben Gefässes das einemal von 1 CM. zu 2 CM. und das anderemal von 2 CM. zu 3 CM. zugenommen hat, so müssen die Spannungen, welche in den beiden Fällen gleiche Durchmesservergrösserung erzeugten, ganz un- gleichen Werth besessen haben, und zwar in dem letzteren Fall einen grösseren, als in dem ersteren. Und dieses muss darum statt haben, weil die Arterienhäute die allgemeine Eigenschaft durchfeuchteter Thiergewebe besitzen, mit steigender Spannung ihre Elastizitätscoefficienten zu erhöhen. Da nun aber die obigen Verfahren in beiden Fällen gleichen Ausschlag geben würden, so sind ihre Angaben keine vergleichbaren Werthe. — Diese Eigenthümlichkeiten der Gefässhaut verlangen es nun auch, wenn nicht alle ihre auf Spannungswerthe bezügliche Angaben illusorisch werden sollen, dass man jedesmal die Werkzeuge unter demselben Druck auf die das Gefäss be- deckende Haut aufsetzt. Denn wenn man das einemal sie mehr und das anderemal weniger zusammendrückt, so muss dieselbe Spannungsveränderung einen ganz verschie- denen Ausschlag geben. Diese Forderung ist aber nicht zu erfüllen, wo es sich um so feine Veränderungen handelt, welche nun durch das Instrument (mit allen Fehlern versehen) vergrössert angegeben werden. — 2) Die obigen Instrumente werden nicht auf das Gefäss, sondern auf die dasselbe bedeckenden Gebilde (Bindegewebe, Schei- den und Haut) aufgesetzt. Jede während des Versuchs veränderte Spannung dieser Theile, sei diese durch die in ihr eingewebten Muskeln oder durch eine Anfüllung ihrer Blutcapillaren erzeugt, muss einen Fehler geben, denn hierdurch wird die Nach- giebigkeit dieser Theile und damit, unabhängig von der Spannung des Bluts, die Wir- kung der Arterie auf das Instrument verändert. 3) Endlich dürfte es namentlich bei Anwendung des Fühlhebels schwer zu vermeiden sein, dass derselbe bei der Erwei- terung des Gefässes nicht so weit von der Haut abgeschleudert wird und bei dem Rück- gange, je nach der Geschwindigkeit desselben, mehr oder weniger tief eingedrückt werde, dass die wesentlichsten Ungenauigkeiten erzeugt werden mussten. — Wenn sich somit diese Instrumente als Mittel zur Vergleichung der Spannungen unbrauch- bar erweisen, so sind sie dagegen werthvoll zur Bestimmung gewisser zeitlicher Ver- änderungen, z. B. des Abstandes zweier Pulsschläge von einander. Um diese Angaben zu gewinnen, genügt es, die Auf- und Abgänge des langen Hebelarms auf einen mit bekannter Geschwindigkeit rotirenden Cylinder aufschreiben zu lassen ( Vierordt ). — In einzelnen Fällen ist es auch vortheilhaft gewesen, das Metronom zu gebrauchen, um ein un- gefähres Maass für den zeitlichen Abstand zweier Pulsschläge zu erhalten. Don- ders stellt das Instrument so ein, dass die Schläge desselben mit denen des Pulses zusammenfallen. Wird nun durch irgend welchen Umstand die Schlagfolge des Her- zens vorübergehend geändert, so ist aus der Vergleichung mit dem Metronom leicht anzugeben, ob die Herzpausen verlängert oder verkürzt sind. Zur Messung der Spannungen bei Thieren hedient man sich auch hier des Druck- schreibers (Fig. 42.). Er hat vor allen übrigen denkbaren lustrumenten den Vorzug, dass die Blutspannung durch eine Flüssigkeit gemessen wird; es muss bei der Gleich- artigkeit des messenden und gemessenen Mediums die vollständigste Ausgleichung stattfinden, und es sind die Angaben des Messinstruments sogleich brauchbar, ohne irgend welchen Umsatz in ein anderes Maass erfahren zu müssen. — Aber trotz die- ser Vorzüge ist das Instrument nicht vollkommen, weil es nicht im Stande ist, mo- mentane Spannungsveränderungen des Bluts richtig anzugeben. Denn da das Princip Mängel des Druckzeichners. der Messung eine Bewegung der Flüssigkeit in dem gebogenen Rohr verlangt, so müssen bei sehr raschen Spannungsänderungen in den Gefässen, wie sie in der That beobachtet werden, Fälle eintreten: 1) in welchen die spannungsanzeigenden Exkur- sionen im Manometer grösser sind, als die Spannungen in den Gefässen selbst. Die- ser Fall wird nur eintreten, wenn man die Spannungswechsel in den Arterien misst, weil er ein rasches und sehr beträchtliches Auf- und Absteigen des Druckes verlangt. In diesem Fall empfängt das Quecksilber des Manometers eine solche Beschleunigung, dass es über das verlangte Ziel hinausschiesst. 2) Die Exkursionen des Instruments werden aber auch kleiner sein können, als die des Gefässes; im Extreme muss sich dieses ereignen, wenn die Spannungen sich in der Zeit rasch in verschiedenem Sinne ändern, indem sie z. B. rasch aufsteigt, plötzlich aber wieder absteigt, wobei zugleich das Auf- und Absteigen einen beträchtlichen Weg zurücklegt. Da die Spannung zwi- schen Arterie und Manometer sich nur durch Einströmen von Blut ausgleichen kann und dieses Einströmen Zeit erfordert, so muss unter den beschriebenen Umständen die Zeit zur vollen Ausgleichung fehlen. Kehrt nun aber, weil im Gefässsystem die Spannung wechselt, die Bewegung von oben nach unten um, so wird die Ausgleichung nach der entgegengesetzten Seite hin fehlerhaft sein, so dass das Instrument durch gegenseitige Aufhebung der Fehler das wahre Mittel der im Gefäss bestehenden Span- nung angibt. Man kann indess durch mancherlei Hilfsmittel die Spannung eines Instru- ments und das Gefäss einander sehr nahe bringen. 3) Ein unvermeidlicher, aber an grösseren Thieren bis zum Unmerklichen herabzudrückender Fehler liegt in dem manometrischen Verfahren darum, weil die gemessene Stelle während der Messung in das Instrument Flüssigkeit giebt und aus ihm nimmt, sie spannt sich also, unabhängig von dem hinter und vor ihr gelegenen Blut, auf und ab. Aus diesem Grunde muss man die Dimension des Instruments richten nach denen des ab- und zuführenden Gefässes. 4) Die Zeit der Spannungsumänderung in dem Instrument und in dem Gefäss ist end- lich nicht genau dieselbe, sondern es geht die Umkehr nach oben oder nach unten im Manometer etwas hinter der im Gefäss her, des Beharrungsvermögens wegen; ausserdem ist aber der Zeit nach die Bewegung im Instrument ein genauer Abdruck von der in dem Gefässe. — Ueber die Verbindungen des Manometers mit dem Gefäss, je nach der Messung des Seiten- oder Achsendrucks und je nach der Messung in Ar- terien und Venen, siehe C. Ludwig und Volkmann Mogk, Henle u. Pfeufer’s Zeitschrift. III. Bd. — Haemodynamik. 145. Beobachtete Spannungen in der grossen Blutbahn. Arterien. 1. Puls. Jede Zusammenziehung des Herzens bedingt in den Arte- rien eine rasch vorübergehende, durch das ganze System fortlaufende Erweiterung, welche als Folge der Welle angesehen werden muss, die vom Herzen erregt wird. — Die Ausdehnung der Arterie geschieht, wie dieses namentlich an einem blos gelegten Gefässe sichtbar wird, eben so wohl nach der Länge als nach dem Durchmesser. Die Anschwel- lung nach der letztern Richtung ist jedoch weniger augenfällig, als die Verlängerung, welche sich durch eine Bewegung der bisher gestreckten Gefässe besonders einleuchtend äussert. Dieser Unterschied ist einmal begründet in der meist geringen Dehnbarkeit nach der queren Richtung und nächstdem dadurch, dass das blos gelegte Gefäss nach der Länge hin mehr Maasseinheit sehen lässt, als sie der Peripherie der Arterie Beobachtete Spannungen in den Arterien. zukommen; wenn also die Ausdehnung, welche die Arterienwand nach beiden Richtungen hin erfährt, relativ gleich gross ist, so wird doch die nach der Länge absolut bedeutender sein. Poiseuille Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 2. Auflage. I. p. 448. hat in einigen Fällen bei Thieren die Vermehrung der Räum- lichkeit gemessen, welche ein aliquoter Abschnitt einer Arterie erfährt; leider fehlen gleichzeitige Druckbestimmungen, so dass das Resultat auf kein allgemeines Interesse Anspruch machen kann. — Ueber den Streit, ob die Ausdehnung nach der Länge allein, oder nach beiden Richtungen erfolge, siehe E. H. Weber Hildebrand’s Anatomie. III. Bd. p. 73. . Wenn die Erweiterung der Arterien beim Puls die Folge der fort- schreitenden Wellenbewegung ist, so muss derselbe, wie dieses auch that- sächlich der Fall, in jedem dem Herzen näher gelegenen Arterienabschnitt früher erscheinen, als in den entfernteren. Kennt man nun die Zeit, welche nothwendig, damit das Maximum der Erweiterung von einem Ort zu einem andern von bekannter Entfernung fortschreitet, so ist damit die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Welle im Arteriensystem ge- geben. E. H. Weber Leipziger Berichte. Mathematisch-physische Classe. 1851. 196 u. 118. hat mit der Tertienuhr eine solche Bestim- mung an sich ausgeführt und gefunden, dass die Welle in 1 Sekunde um 11,250 Meter = 34,5 Fuss fortschreitet. Bemerkenswerther Weise stimmt diese Fortleitungsgeschwindigkeit mit der von ihm am Kautschouk - rohr beobachteten überein. — Macht man nun die Annahme, dass in einer Arterie die Wellen von einem zum andern Herzschlag andauern, so muss die Wellenlänge gefunden werden, wenn man diese Zeit mit der Fort- leitungsgeschwindigkeit multiplizirt. Aus einer solchen Betrachtung geht hervor, dass selbst bei einem sehr rasch auf einander folgenden Herz- schlag die Arterienwelle den menschlichen Körper an Länge sehr über- trifft. 2. An einer und derselben Gefässstelle erscheint die Widerstands- fähigkeit der pulsirenden Arterie dem drückenden Finger veränderlich mit der Blutfülle des ganzen Gefässsystems, mit der Zahl und Kraft der Athem- und Herzbewegungen, mit dem Eintritt von Stromhemmnissen im Allgemeinen, oder solchen, die diesseits und jenseits der untersuchten Stelle gelegen sind. Den genauen Ausdruck für diese Thatsachcn liefert der Druckzeich- ner; die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf die art. carotis, wenn nicht das Gegentheil bemerkt wird. a. Veränderlichkeit des Mitteldrucks eines Blutstroms mit der Blutfülle Volkmann, Haemodynamik. p. 464. — Goll, Henle u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. p. 78. — Brunner, l. c. . Nach einer Injection von erwärmtem und ge- schlagenem Blut eines Thiers in die Adern eines gleichartigen andern pflegt, wie Volkmann, Goll u. A. erwiesen haben, die mittlere Spannung des Stroms in der Carotis zu steigen, während sie abnimmt nach grossen Veränderlichkeit der Stromspannung mit der Blutfülle. Aderlässen. Dieser Erfolg muss jedoch nicht nothwendig eintreten, da eine Vermehrung oder Verminderung in der Beschleunigung und in dem Umfang der Herzschläge compensirend auftreten kann. Diese Compen- sation muss jedoch innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen sein, die sich aber vorerst nicht näher bezeichnen lassen. — Während eines Ader- lasses muss nach den Versuchen, welche Volkmann an starren Röhren anstellte, die Spannungsabnahme am grössten sein in den Gefässen, welche der Oeffnung zunächst liegen, und namentlich in denjenigen, welche zwischen diesen letztern und den Capillaren sich befinden. b. Wie sich unter dem Einfluss der veränderten Herzbewe- gung die Spannung ändert, ist schon früher mitgetheilt worden, siehe pag. 93 f. c. Veränderlichkeit der Spannung mit den Athembewe- gungen C. Ludwig, Müller’s Archiv. 1847. — Donders an den angeführten Orten. . Der Einfluss der Athembewegung auf die Spannung des arteriellen Blutes fällt bei verschiedenen Thiergattungen und bei densel- ben unter abweichenden Umständen sehr verschieden aus. Wir betrach- ten hier als Prototype die Erscheinungen beim Hund und dem Pferd. Hund. Hier ist zu unterscheiden: α. Jeder einzelne Akt einer Athembewegung eine (In- und eine Exspiration), besitzt die Dauer meh- rer Herzschläge; die Zahl dieser letztern in der Minute ist eine mittlere (keine beschleunigte). — In diesem Fall gewinnt die Spannungscurve das Fig. 48. in Fig. 48. wiedergegebene Ansehen. Mit der beginnenden Exspiration fol- gen die Zusammenziehungen des Herzens einander sehr rasch ( 1 bis 6 ). In dieser Zeit ( E bis R ) steigt die mittlere Spannung sehr beträchtlich, so dass selbst während der zwi- schen zwei Zusammenziehungen ge- legenen Erschlaffung des Herzens entweder gar kein oder ein nur sehr unbedeutendes Sinken der Spannung zu Stande kommt. Jeder neu ein- treffende Herzschlag trifft also eine höhere Spannung an, als der vorher- gehende. Mit Vollendung der Exspirationsbewegung ( R ), wenn der ver- engte Thorax zu seiner normalen Weite zurückkehrt, tritt nun plötzlich eine lange Herzpause ein, während welcher die Spannung sehr beträcht- lich herabsinkt; auf diese folgen dann die Herzschläge seltener. In der darauf eintretenden Inspiration ( I ) ereignet es sich nun, dass während jeder Herzsystole die Spannung weniger steigt, als sie in der zugehörigen Diastole sinkt, so dass jeder folgende Herzschlag die Spannung auf einem Einfluss der Athembewegung beim Hunde. niederern Grade antrifft, als der vorhergehende. — Um eine Vorstellung davon zu erhalten, wie sich der Mitteldruck von einem Herzschlage zum andern in einer vollendeten Respirationsbewegung ändert, ist es noth- wendig, die Curve M M aus der unmittelbar gewonnenen dadurch zu con- struiren, dass man aus den während einer Herzzusammenziehung beste- henden Spannungen das Mittel nimmt, diese mittleren Werthe auf die halbe Zeit zwischen Anfang und Ende der Herzbewegung aufträgt und darauf die Punkte durch eine Linie verbindet. Diese Veränderung in dem Werthe der mittleren Spannungen ist nun nachweisslich von zwei Umständen abhängig, einmal von den Herzkräften und dann von dem Spannungszuwachse, welchen das Blut in der Brust- höhle durch die Bewegungen der Brustwandungen erhält. Der Beweiss für die Behauptung, dass den Bewegungen der Brustwandung ein Antheil an den Veränderungen der mittleren Spannung zugeschrieben werden müsse, liegt schon darin, dass eine Proportionalität besteht zwischen den Spannungsveränderungen des Inhalts der Brust und der Arterien; denn erfahrungsgemäss steigt die arterielle Spannungscurve gerade so lange an, als die Exspirationsbewegung anhält, und dann erhebt sich oder sinkt dieselbe um so beträchtlicher, je umfänglicher die Aus- oder Einathmung geschieht. — Den Zuwachs, welchen die mittlere Spannung des Bluts während der Dauer einer Ausathmung erfährt, kann man sich aber nicht allein abhängig denken von dem Druck der zusammenfallenden Brust. Dieses vorausgesetzt, müsste offenbar die Spannung, welche während der Exspiration zwischen Brust und der äussern Fläche der Gefässwand be- steht, gleich sein dem Zuwachs der Spannung in den Binnenräumen der Gefässe. Dieses ist aber nicht der Fall; denn eine Messung dieser Span- nung in dem verschlossenen Brustkasten ergab, dass diese immer geringer als der Spannungszuwachs in den Arterien war (C. Ludwig ). — Die Veränderung in der Zahl der Herzschläge kann bedingt sein entweder von einem erregenden Einfluss, welchen der zusammenfallende Brustraum auf das ausgedehnte Herz übt, oder von reflektirten Erregungen des n. vagus. Die Annahme, dass der zuletzt erwähnte Nerv hierbei im Spiel sei, wird durch die Thatsachen des folgenden Satzes bestätigt. β. Jeder einzelne Akt einer Athembewegung besitzt die Dauer meh- rerer Herzschläge, die Zahl der letzteren ist eine beschleunigte. Diesen Fig. 49. Fall kann man künstlich erzeugen, wenn man die n. vagi durchschneidet. Die Erscheinungen, welche in Fig. 49. dargestellt sind, unterschei- den sich von den vorhergehenden dadurch, dass sich die Dauer und die Intensität der einzelnen Herzschläge in der Ausathmung von denen in der Einathmung nicht unterscheiden; der Spannungszuwachs ist somit nur abhängig Ludwig, Physiologie. II. 8 Einfluss der Athembewegung beim Pferd. von dem Druck der Brustwandung, was die direkten Messungen bestä- tigen. γ. Die Athem- und Herzbewegungen sind ungefähr gleich an Zahl; bei dieser Combination sind an der arteriellen Spannungscurve die ein- zelnen Phasen der Athembewegung nicht mehr zu unterscheiden, obwohl ihr Einfluss offenbar noch vorhanden sein muss. Pferd. Bei diesem Thiere gestalten sich die Erscheinungen darum sehr viel einfacher, weil die regelmässige Wiederkehr des Herzschlags durch die Bedingungen, welche die Athembewegungen einleiten, nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Es beziehen sich demnach die durch die letzteren erzeugten Veränderungen in der arteriellen Spannungscurve nur auf eine Steigerung oder Minderung der durch die Herzkräfte erzeug- ten Drücke, so dass während der Herzpause die Spannung beträchtlich abnimmt, wenn sie sich zu einer Inspirationsbewegung gesellt, während keine oder nur eine geringe Abnahme bemerklich ist, wenn eine Herz- pause und eine Exspirationsbewegung zusammentreffen. Das Umgekehrte aber gilt von dem Steigen während der Herzzusammenziehung. — Diese Alteration der arteriellen Spannungscurve ist nun aber bemerkenswerther Weise nur dann wahrzunehmen, wenn die Herzzusammenziehungen wenig umfangreich sind und rasch aufeinander folgen und zugleich die Athem- bewegungen sehr intensiv werden. Im andern Falle ist ein Einfluss der Bewegungen der Brustwandung nicht bemerklich. Wendet man sich nun nach diesen Erfahrungen zu den Erschei- nungen, welche der Puls beim Athmen des Menschen zeigt, so findet man, dass durch die gewöhnlichen Athembewegungen und insbesondere bei Männern die Pulsschläge weder in der zeitlichen Folge noch auch in der Härte irgendwelche merkliche Veränderung erfahren. Die einzige schon früher hervorgehobene Beziehung zwischen dem Kreislauf und der Athem- bewegung, vorausgesetzt, dass der Umfang ihrer einzelnen Akte den mitt- leren Werth nicht überschreitet, liegt darin, dass sich mit einer Beschleu- nigung der Athemfolge auch der Herzschlag häufiger einstellt. — Bei tieferen Athembewegungen macht sich aber noch ein anderer Einfluss geltend, der sich ebensowohl durch eine Veränderung in der Folge als auch der Kraft der Herzschläge äussert. Bei sehr tiefer Inspiration wird der Puls langsamer und weniger fühlbar, indem häufig der Herz- schlag so schwach wird, dass man mittelst des aufgelegten Ohrs seine Töne nicht mehr zu hören vermag. Diese Erscheinungsreihe wird beob- achtet, gleichgültig, oh Mund und Nase während der Erweiterung des Brustkorbs geschlossen oder geöffnet war. — Geht nun eine Inspiration in eine Exspiration über, so wird der Pulsschlag schneller und voller, vorausgesetzt, dass aus dem verengerten Brustkorb die Luft entweichen konnte. Schliesst man dagegen während einer solchen Exspiration, die nach einer tiefen Inspiration gemacht wird, Mund und Nase, und presst Einfluss der Athembewegung beim Menschen. man somit die Luft in der Brusthöhle zusammen, ohne dass sie ent- weichen kann, so wird der Puls zwar ebenfalls schneller, aber die Herz- schläge werden dabei so schwach, dass bei vielen Individuen Puls und Herztöne gänzlich zum Verschwinden kommen. Der innere Zusammenhang, der den zuletzt mitgetheilten Thatsachen gemäss zwischen Athem- und Herzbewegungen besteht, ist noch nicht überall klar, so viel scheint jedoch festzustehen, dass er zum grossen Theil bedingt wird durch die veränder- ten Pressungen, unter welche die Blutbehälter des Brustkastens gesetzt werden. — In der tiefen Inspiration werden die Saugkräfte der Lungen vermehrt; indem sich nun das Herz zusammenzieht, muss der linke Ventrikel nicht allein die Gewalt überwinden, mit welcher das in der Aorta gespannte Blut die arterielle Mündung zupresst, sondern auch noch den Unter- schied des Luftdrucks, welchem die äussern Herzflächen und der Aorten- inhalt ausgesetzt sind. Es ist denkbar, dass die Summe dieser beiden Drücke gross genug wird, um die Entleerung des Herzens unmöglich zu machen. — In der Exspiration, und insbesondere wenn die Zusammen- ziehung des Brustkastens energisch ist, während die Stimmritze geschlos- sen und die Lungen mit Luft erfüllt sind, wird eine so starke Pressung auf die grossen Körpervenen in dem Brust- und Bauchraum ausgeübt, dass er denjenigen des Bluts in den grossen Kopf- und Extremitäten- venen übertrifft; das Blut wird also aus ihnen nicht mehr nachströmen können, und wenn dann das Herz den Vorrath an Blut, den es in der Brusthöhle findet, erschöpft hat, so wird es bei weiteren Zusammen- ziehungen kein Blut mehr aus der Brusthöhle entleeren können, so dass dann der Pulsschlag verschwinden muss. Die Beschleunigung, welche die Herzschläge erfahren, kann man sich abhängig denken zum Theil von den Erregungen, welche das Herz durch das Zusammendrücken des Brustkastens empfängt, zum Theil aber auch durch Reflexe, welche der n. vagus in Folge der veränderten Erregungs- verhältnisse seiner peripheren Enden auslösst. — Diese Aufklärungen über die Einwirkung der respiratorischen Bewegungen auf den Kreislauf des Menschen verdanken wir der Aufmerksamkeit und dem Scharfsinn von Donders und Ed. Weber . d. Die Veränderung des Mitteldruckes Spengler, Müller’s Archiv. 1844. — Volkmann , l. c. p. 446. — Goll , l. c. p. 94. mit einer gleich- zeitigen Veränderung der Arterienlumina muss an zwei verschie- denen Orten untersucht werden; einmal in dem Gefäss, welches verengert oder erweitert ist, und dann in den übrigen Röhren, welche keine Verände- rung ihres Durchmessers erfahren haben. — Als Goll die Messung in dem letztern Sinne führte, d. h. als er die Spannung in der Carotis bestimmte, während eine grössere Zahl bedeutender Arterien unterbunden war, ergab sich eine Steigerung der Spannung im arteriellen System. So erhob 8* Einfluss der veränderten Arterienlumina. sich z. B. bei einem Hunde nach Unterbindung der a. cruralis, carotidae, subclavia sinistra und transversa colli der Mitteldruck von 122 auf 157 MM . Hg; nach Lösung der Ligaturen ging derselbe wieder auf 129 MM . zurück. Der Theorie entsprechend ist im Allgemeinen der Druck im Wachsen begriffen mit der vermehrten Zahl und der Grösse des Kalibers der unterbundenen Röhren. — Versuche über die Folgen des Gegen- theils (der Erweiterung des Collateral-Kreislaufs) liegen nicht vor. Setzt man dagegen den Druckmesser in eine Arterie, welche verengert ist zwischen der gemessenen Stelle und den Capillaren, so muss der Theorie entsprechend unter allen Umständen eine Steigerung der Spannung an dem beobachteten Orte eintreten, weil bei unverändertem Zufluss der Abfluss ge- hemmt wird. Erfahrungsgemäss ist nun aber diese Spannungsvermehrung viel merklicher in kleineren als in grösseren Arterien. So fanden u. A. Speng- ler und Volkmann die Spannungen nicht merklich verschieden, moch- ten sie dieselben messen bei vollkommen durchgängiger oder bei voll- kommen geschlossener Carotis. Kleine Arterien, welche im Normal- zustande niemals pulsiren, schlagen dagegen sehr heftig, wenn ihr zu- gehöriges Capillarensystem geschlossen oder verengt ist, die Spannung ist also gesteigert. Der Grund für dieses abweichende Verhalten grösserer und kleinerer Gefässe scheint in der zum Theil erfahrungsgemäss fest- stehenden Bedingung gesucht werden zu müssen, dass die Differenz der Spannungen, welche bei ungestörtem Kreislauf zwischen zwei in einander übergehenden Arterien grössern Kalibers bestehen, geringer ist, als zwi- schen zwei solchen kleineren Durchmessers. Setzen wir z. B. in dem Stück Röhrenwerk, welches Fig. 50 . wiedergiebt, die Spannung in A = Fig. 50. 100 MM . Hg, in B = 99 MM . Hg, in C = 90 MM . Hg, in D = 60 MM . Hg, so wird offenbar, wenn der Ausfluss aus B gehemmt wird, die Span- nung in diesem Stück nur um ( 100 — 99 ) = 1 MM . Hg steigen können, während, wenn der Aus- fluss aus D gehemmt wird, die Spannung um 30 MM . steigen muss. Diese Schlussfolgerung be- gründet sich dadurch, dass bei der Verschliessung eines Astes in diesem die ganze oder nahebei die ganze Spannung des nächsthöher gelegenen ein- treten muss, wie ohne weiteres ersichtlich, da das folgende Gefäss ein blinder Anhang des vorher- gehenden wird. e. Veränderlichkeit des Mitteldrucks mit der Entfer- nung des Arterienquerschnitts vom Herzen C. Ludwig , l. c. p. 224 und 300. — Volkmann , Haemodynamik. p. 173 u. f. . Die Versuche, durch welche man festzustellen sucht, welche Spannungen gleichzeitig in Veränderung des Mitteldrucks mit der Entfernung vom Herzen. verschiedenen Arterien bestehen, gehören zu den schwierigern; nach eige- nen vielfachen Erfahrungen ist nur denjenigen Resultaten ein Werth bei- zulegen, welche mittelst des Druckzeichners gewonnen sind, und, wie sich von selbst versteht, nur denjenigen, bei welchen die untersuchten Arterien in gleichem Niveau gelegen sind, so dass die von der Schwere des Bluts herrührenden Spannungsungleichheiten als eliminirt anzusehen sind. Die unter diesen Bedingungen gewonnenen Erfahrungen sind noch sehr wenig zahlreich. — Aus ihnen scheint aber mit Sicherheit hervor- zugehen, dass in den grossen Arterien mit der wachsenden Entfernung vom Herzen die Spannung sehr wenig abnimmt, während in den Arterien kleinen Kalibers dieselbe sehr merklich abnimmt im Vergleich zu der in den grössern. Insbesondere ist festgestellt, dass die Spannung in der art. cruralis trotz ihrer beträchtlichen Entfernung vom Herzen doch eben so gross ist, als in der art. carotis. Die Erläuterung dieser Erscheinung hat keine Schwierigkeit, wenn man erwägt, dass der Strom in den Arterien weder sehr rasch ist, noch auch, dass die Stösse und die Reibungen in der Aorta bis zur art. cruralis hin sehr beträchtlich sind. In Anbetracht der Thatsache, dass das Blutgefässwerk ein sehr komplizirtes Zweigsystem darstellt, lässt es sich sogar denken, dass der Druck in der Cruralis noch höher als in der Carotis sei, wie dieses in der That wiederholt beobachtet wurde. In den kleinen Arterien findet sich dagegen nach Volkmann die Spannung constant sehr viel niedriger als in den grössern; aber auch hier fällt sie keineswegs in dem Maasse, in welchem der Abstand das Gefässes vom Herzen zu- nimmt. Beispielsweise führen wir an, dass bei einem Kalb der Mittel- druck in der a. carotis 165,5 MM . und gleichzeitig in der a. metatarsi 146 MM . Quecksilber betrug. f. Ueber die Ergebnisse des Pulsfühlens . Ein geübter Beobachter soll mit dem Finger ausser der Häufigkeit der Wiederkehr an dem Puls unterscheiden: ob er rasch oder allmählig anschwillt (p. celer und tardus); wie weit dabei die Arterie ausgedehnt sei (plenus und vacuus) und in welchem Grade von mittlerer Spannung sich hierbei das Gefäss befindet (p. mollis und durus). Wenn der Arzt das Zugeständ- niss macht, dass selbst ein sehr feiner Finger nur grobe Unterschiede feststellen kann, so wird derjenige, welcher den Strom mit scharfen Mit- teln zu messen gewöhnt ist, in der That nichts einwenden gegen die Glaubwürdigkeit der Behauptung; um so weniger, weil die obigen An- gaben Bezeichnung wirklich vorkommender Zustände enthalten. — Denn celer oder tardus kann der Puls werden, wie die Curven des Druck- zeichners darthun; der ansteigende oder absteigende Curvenast braucht zu einer gleichen Erhebung oder Senkung oft sehr verschiedene Zeit. Der Puls muss aber darum celer oder tardus werden können, weil z. B. das Herz erfahrungsgemäss einen gleichen Umfang der Ver- Pulsfühlen. kürzung zu verschiedenen Zeiten in ungleich langen Zeiten durchläuft. — Dass die pulsirende Arterie bald gefüllt und bald leer sein kann, ver- steht sich nach einer ganzen Reihe von Mittheilungen über den Puls von selbst. Dass aber die Arterien in gefülltem Zustande auch weich und im leeren auch hart sein können, lässt sich nicht bestreiten, weil der Span- nungsgrad, abgesehen von der Füllung, auch abhängig ist von dem Ela- stizitätscoeffizienten der Wandung, so dass, wenn die Gefässwandung schon an und für sich steif ist, auch die wenig gefüllte Arterie sich sehr hart anfühlen kann. g. Ueber die zeitliche Abhängigkeit der Herz- und Puls- schläge; pulsus dicrotus . Alle Betrachtungen, die wir bis dahin anstellten, führten darauf, dass in bestimmten Zeitabschnitten die grössern Arterien mindestens so vielmal pulsiren müssen, als während derselben das Herz geschlagen hat. Diese Behauptung wird so sehr durch die Er- fahrung bestätigt, dass alles, was früher über die Schlagfolge des Her- zens angemerkt ist, auch für die Pulsfolge der Arterien gilt. Diese Be- hauptung schliesst aber die Möglichkeit nicht aus, dass auf einen Herz- schlag mehrere Pulsschläge fallen, eine Möglichkeit, die erfahrungsgemäss besteht, indem sehr häufig bei einzelnen Thieren (z. B. beim Pferd) und zuweilen wenigstens beim Menschen auf je einen Herzschlag zwei Pulsschläge beobachtet werden, von denen der eine gewöhnlich weni- ger kräftig und kürzer dauernd ist, als der andere. Diese Erscheinung ist unter dem Namen des pulsus dicrotus berühmt. — Diejenigen Eigen- thümlichkeiten dieses Doppelschlags, welche bekannt sein müssten, wenn der Mechanismus ihres Zustandekommens erklärt werden sollte, sind leider noch nicht beobachtet. Es bleibt also nichts übrig, als einige Mög- lichkeiten zu erörtern und daraus abzuleiten, auf welche Eigenthümlich- keiten sich künftighin die Aufmerksamkeit zu richten hat. Mit Hilfe des Apparats, der Seite 53 abgebildet wurde, lassen sich für eine Hahnöff- nung auf verschiedene Weise Doppelschläge in dem pulsirenden Rohr hervorbrin- gen. 1) Die zweite Erhebung des Doppelschlags ist die Folge der elastischen Nach- wirkung des ersten. Diese Nachschwingung ereignet sich jedesmal in einer ausgepräg- ten Weise, wenn man den Wasserbehälter bis zu der Höhe von ungefähr 1 Meter mit Wasser gefüllt, das elastische Rohr und den Wass erbehälter mittelst eines Hahns von weiter Oeffnung in Verbindung gebracht und diesen letzteren sehr rasch geöffnet hat. Den auf den Seiten 34 u. 35 entwickelten Grundsätzen gemäss muss die Flüssigkeit in der Schlauchwelle zu einer höhern Spannung als in dem Wasserbehälter gelangen. In Folge hiervon wird sich die Schlauchwand mit einer grossen Geschwindigkeit aus- dehnen und ebenso rasch wieder zusammenfallen; wenn nun die Schlauchwand nach der einen Seite hin vermöge der Beharrung sich über den Grad von Ausdehnung spannte, der ihr vermöge des Drucks aus dem Wasserbehälter her zukam, so fällt sie auch bei dem Rückgang aus dieser Spannung beträchtlicher zusammen, als es ihr, ohne die grosse Geschwindigkeit ihrer Bewegung, die Widerstände der umliegenden Wandtheile möglich machen würden. Hat sich aber die Geschwindigkeit eben in Folge dieser Widerstände erschöpft, so wird sie durch die Spannung der Umgebung Pulsus dicrotus. nun wieder aufwärts getrieben; dann erst entleert sich das Röhrenstück, vorausge- setzt, dass der Hahn geschlossen bleibt, allmählig. Der zweite Schlag ist also jedesmal weniger energisch, als der erste. — Würde nach Analogie dieses Vorgangs der pul- sus dicrotus auftreten, so müssten: die Herzschläge nicht allzurasch einander folgen, da- mit sich die Arterie während der Herzpause bedeutend abspannen könnte, so dass die Be- wegung der Arterienwand vom Beginn bis zum Ende des Herzschlags eine grosse Geschwin- digkeit zu erlangen vermögte; die Herzzusammenziehung selbst müsste aber sehr um- fänglich und dabei rasch vollendet sein; der zweite Schlag müsste den ersten an Kraft nachstehen und in den vom Herzen entfernteren Arterienstücken schwächer als in den ihm näheren gefühlt werden. — 2) In dem elastischen Rohr erfolgt ein Doppel- schlag, wenn die Geschwindigkeit, mit welcher der Hahn geöffnet wird, eine un- gleichförmige ist. Also z. B. wenn man die erste Hälfte der Hahnmündung geschwind öffnet, dann sehr kurze Zeit langsamer weiter dreht und darauf zur frühern Um- drehungsgeschwindigkeit zurück kehrt. In Folge dieser Art zu drehen, steigt die Spannung in dem Röhrenumfang in kurzer Zeit zuerst sehr bedeutend, dann vermin- dert sich die Plötzlichkeit derselben, um beim letzten Akt der Hahndrehung wieder rasch zu steigen. Damit erhält der Schlauchpuls eine fühlbare Einbiegung, die unter günstigen Umständen einen deutlichen Doppelschlag zum Vorschein bringt. — Wenn sich im menschlichen Kreislauf dieses ereignen sollte, so müsste die Zusammenzie- hung der Kammern mit einer während ihrer Dauer variablen Geschwindigkeit erfolgen; die Erscheinung würde wahrscheinlich sehr deutlich hervortreten. Man würde auf die- sen Mechanismus des pulsus dicrotus schliessen dürfen, wenn der erste Schlag desselben die Arterien zu einer geringern Spannung führte, als der zweite, so dass er gleich- sam als ein Vorschlag des ersten erschien. Eine Bestätigung für die Annahme, dass der pulsus dicrotus auf diese Weise erzeugt sei, würde darin liegen, wenn der erste Herzton, der durch die Zusammenziehung der Kammern entsteht, sehr anhaltend und mit schwankender Intensität gehört würde. — 3) Endlich kann man durch Wellen- reflexion einen Doppelschlag hervorbringen, vorausgesetzt nemlich, dass man in das Rohr einen Widerstand, z. B. einem das Lumen desselben zum grossen Theil erfüllen- den und zugleich feststehenden Körper einfügt, der die Bergwellen zurückzuwerfen vermag. Auch in diesem Fall ist der zweite Schlag schwächer, als der erste, er folgt aber diesem um so rascher, je näher das Röhrenstück an dem reflektirenden Widerstand liegt. Durch diese letztere Eigenschaft, durch den Nachweis des reflekti- renden Widerstandes, und schliesslich dadurch, dass der pulsus dicrotus nur einzel- nen, nicht aber allen Arterien zukäme, würde sich im Leben diese Art von Entstehung eines Doppelpulses erkennen lassen. — Volkmann Haemodynamik, 118 u. f. hat die unter den Bedingungen 1) und 2) entstehenden Doppelschläge vermuthungsweise abgeleitet aus Interferenzen zweier ungleich geschwinder Wellensysteme, deren Vorhandensein er im Schlauche statuirte. Der eine von diesen Wellenzügen sollte in der Schlauchwand, der andere in der Flüssigkeit fortschreiten. Abgesehen davon, dass überhaupt kein Grund zur Annahme gesonderter Wellensysteme vorliegt, bleibt dieselbe immer noch die Erklä- rung dafür schuldig, warum nur unter den geschilderten Bedingungen die Welle des Schlauchs und der Flüssigkeit unabhängig von einander werden. — Die älteren Pa- thologen, welche der Ansicht zuneigten, dass die Muskeln der Gefässwand sich eben- so rythmisch contrahirten, wie die des Herzens, erklärten den pulsus dicrotus aus einem eigenthümlichen Rythmus der Gefässbewegung. Diese Annahme bedarf keiner Widerlegung mehr, seitdem die Bewegungen, welche in der arteriellen Gefässwand vorkommen können, genauer untersucht worden sind. — 2. Ueber den absoluten Werth der mittleren Span- Verzeichnung der absoluten Spannungswerthe. nung des Bluts in der art. carotis Volkmann , l. c. p. 177. — Beutner, Henle und Pfeufer’s Zeitschrift. Neue Folge. II. Bd. . Aus zahlreichen Beobach- tungen, welche sich meist auf eine minutenlange Beobachtungszeit be- ziehen, geht hervor, dass der Mitteldruck schwankte beim Pferd zwischen 321 bis 110 MM . Hg, beim Schaaf zwischen 206 bis 98 MM ., beim Hund von 172 bis 88 MM . Hg, bei der Katze von 150 bis 71 MM . Hg, beim Kaninchen von 90 bis 50 MM . Hg. Dem weniger Geübten wird der beträchtliche Werth der Drücke, um die es sich handelt, viel- leicht lebhafter werden, wenn er sich den Quecksilber- in den Wasserdruck übersetzt, was in jedem Fall geschieht, wenn er die obige Zahl mit 13,5 MM. multiplizirt. . — Diese Erfahrungen leh- ren, dass zwar im Allgemeinen die Grösse des Thiers und der mittlere Blutdruck in der a. carotis abnehmen, aber keineswegs so, dass das bei einer kleinern Thierart beobachtete Maximum unter das bei dem grösse- ren gefundenen Minimum herabsinkt. Die auf den ersten Blick auf- fallende Erscheinung, dass Thiere von sehr verschiedener Grösse, wie Katzen und Pferde, einen so annähernd gleichen Blutdruck darbieten, beweist, dass in ihnen die den Blutdruck bestimmenden Umstände: Herz- kraft, Blutmenge, Gesammtblut der Arterien, Wandungsdicke im Verhält- niss zum Lumen, Widerstände u. s. w. in den Kreislaufsapparaten der einzelnen Thiere jedesmal in der Weise gegeneinander geordnet sind, dass aus ihnen ein annähernd gleicher Werth des mittleren Druckes resultirt. Es darf nun als wahrscheinlich angenommen werden, dass der absolute Werth des Mitteldrucks in der a. carotis des Menschen ebenfalls in die für die Säugethiere festgestellten Grenzen fällt; indem man dieses anerkennt, wird man aber zugleich die Unmöglichkeit des schon öfter unternommenen Beginnens einsehen, eine für den Menschen allgemein giltige Zahlenan- gabe zu machen; denn offenbar wird beim Menschen gerade wie in den einzelnen Thiergattungen der Spannungswerth innerhalb sehr weiter Gren- zen schwanken können. — Ueber Spannungsminderungen nach dem Ein- führen von Arzneistoffen (Neutralsalzen, Digitalin, Chloroform, Brech- weinstein) geben die schon erwähnten Arbeiten von Blake, Brunner und Lenz Aufschluss. Haargefässe . Ihre durch Gesicht und Gefühl bestimmbare Ausdehnung, oder was dasselbe sagt, die Spannung ihres Inhalts in ein und derselben Provinz, wechselt mit dem Blutdruck in den Arterien und Venen, mit dem Durch- messer der Arterien und Venen und namentlich der zu- und abführen- den, mit der Widerstandsfähigkeit und den Bewegungen der sie um- schliessenden Gewebe. Dem entsprechend strömt wahrscheinlich für ge- wöhnlich das Blut in den verschiedenen Abtheilungen des Capillaren- systems unter verschiedenen Spannungen. a. Wenn die Spannung in den Arterien steigt, so ist damit zu- Spannung in den Haargefässen. gleich die Kraft gewachsen, welche den Einfluss in die Capillaren be- stimmt, und damit die Spannung des Bluts in diesen selbst nach be- kannten Grundsätzen. Bestätigungen hierfür finden wir an leicht aus- dehnbaren Gefässregionen; so dehnen sie sich aus, d. h. die von ihnen versorgten Hautstücke röthen sich, wenn das Herz rascher und inten- siver schlägt, oder wenn in anderen als den zuführenden Arterien der Strom unterbrochen ist; nach einem Aderlass dagegen werden die Ca- pillarenprovinzen blass u. s. w. — Gestützt auf die Theorie, dürfen wir vermuthen, dass die Spannung in den Capillaren nicht direkt propor- tional mit derjenigen in den Arterien steige, sondern immer weit hinter derselben zurückbleibe. Denn wenn in Folge eines Spannungszuwachses in den Arterien das Einströmen in die Capillaren auch beschleunigt wird, so kann dieses doch nicht in dem Maasse geschehen, in dem der Druck gestiegen ist, da in den engen und gebogenen Zuleitungsröhren (den feinsten Arterien) der Widerstand mit der steigenden Stromgeschwindig- keit ungeheuer wächst. b. Steigt dagegen die Spannung in den Venen, so muss in dem- selben Verhältniss auch diejenige in den Capillaren wachsen, welche die betreffenden Venen als Abflussröhren benutzen. Dieses ist sogleich ein- leuchtend für den Fall, dass alle Venen, die den Abfluss aus einem Ca- pillarenrevier besorgen, verstopft sind, denn dann werden offenbar die Capillaren ein blindes Anhängsel an den zuführenden Arterien darstellen und es muss darum hier die Spannung so hoch steigen, als sie in der Arterie selbst steht. Da wir nun aus der Theorie schliessen dürfen, dass im normalen Zustand in den Capillaren die Spannung eine viel niedrigere sei, als selbst in den letzten Arterienästen, so muss unter den bezeichneten Umständen die Spannung in den erstern sehr beträchtlich anwachsen. In vollkommener Uebereinstimmung hiermit sehen wir denn auch, dass, wenn einigermaassen beträchtliche Hemmungen in den ab- führenden Venen eines Capillarensystems eintreten, die Spannung in die- sem ungemein ansteigt; so schwellen z. B. die Finger nach Umlegung einer Ligatur um dieselben sehr beträchtlich an. c. Mit der Verengerung des Durchmessers der kleinen in das Capil- larensystem führenden Arterien muss unzweifelhaft die Spannung in den erstern niedriger werden, weil unter diesen Umständen die in dasselbe strömende Blutmasse abnimmt; der Grund hierfür liegt in der bekann- ten Thatsache, dass eine strömende Flüssigkeit beim Durchgang durch enge Röhren an ihren lebendigen Kräften mehr einbüsst, als beim Flies- sen durch weite. Diese theoretische Folgerung hat man gewöhnlich be- stritten unter Anführung der ebenfalls feststehenden Beobachtung, dass, wenn man innerhalb eines Röhrensystems statt eines vorher vorhandenen weiten Stückes ein enges einfügt, während man die Kräfte, welche die Flüssigkeit in den Anfang des Röhrensystems eintreiben, unverändert er- Abnahme der Spannung bei verengerten Zuflussröhren. hält, in dem engen Stück die Flüssigkeit nun geschwinder fliesst. Die obige Behauptung steht nun aber in gar keinem Widerspruch mit die- ser letzten Thatsache; denn die aus dem engen Stück hervortretende Flüssigkeitsmenge ist ein Produkt aus dem Querschnitt der Röhre in die Geschwindigkeit des in ihnen vorgehenden Stroms, und sie behauptet darum nur, dass die Geschwindigkeit nicht in dem Maasse steigt, wie der Röhrenabschnitt abnahm, eine Annahme, welche durch die hydrau- lischen Untersuchungen als vollkommen feststehend anzusehen ist. — Hieraus müsste man nun folgern, dass, wenn eine Verengerung in den kleinen Arterien einträte, die zu ihnen gehörigen Capillaren leerer und die von ihnen durchsetzten Gewebe somit blasser werden müssten. Die- ser Erfolg würde unmöglich ausbleiben können, wenn das Blut statt eines Gemenges aus flüssigen und festen Stoffen von ungleicher Eigenschwere eine homogene Flüssigkeit darstellte. Bei der berührten mechanischen Zusammensetzung kann aber eine verminderte Spannung, selbst wenn sich die Zuflussröhren verengert haben, nur kurze Zeit bestehen, und zwar bis zu einem gewissen Grad um so kürzere Zeit, je beträchtlicher die kleinen Arterien verengert sind. Denn in dem langsamen Strom, der dann durch das Capillarsystem geht, müssen sich die schweren Blutkör- perchen anhäufen und zusammendrängen. Da nun aber zwei oder mehre aneinanderliegende Blutkörperchen leicht dauernd zusammenkleben, so wird sich unter diesen Umständen ein Blutpfropf bilden, der die Capil- laren selbst verstopft; so wie dieses geschehen, muss die Spannung wie- der steigen. Diese für die Entzündungsvorgänge wichtige Folgerung ist zuerst von Brücke Ueber die Mechanik des Entzündungsprozesses. Archiv f. physiolog. Heilkunde. IX. Bd. 493. gezogen worden, obwohl schon Poiseuille Recherches sur les causes du mouvement du sang dans les vaisseaux capillaires. Paris 1835. den Hergang mit dem Mikroskop beobachtet hat, als er künstlich den Zufluss in ein Capillarsystem minderte. Mit der Erweiterung der kleinen Arterien muss dagegen die Spannung des Bluts der Capillaren zunehmen, da hiermit sich die Menge der in sie einströmenden Flüssigkeit mehrt. Doch wird diese Steigerung der Spannung, analog derjenigen, welche von einem Spannungszuwachs in den Arterien herrührt, niemals eine sehr beträchtliche werden können. — Verbinden sich Arterienerweiterungen und ein kräftiger Herzschlag, wie dieses bei Uebernährung des Herzens beobachtet wird, so ereignet es sich zuweilen, dass sich der Pulsschlag noch bis in die Capillaren fortsetzt, so dass jedesmal unmittelbar nach einer Herzzusammenziehung eine vermehrte Röthung derjenigen Hautstellen eintritt, in welche sich die Capillaren mit erweiterten Zuflussröhren begeben. Die Erscheinungen werden sich nun, wie ohne weiteres klar sein wird, gerade in umgekehrter Weise einfinden müssen, wenn sich die kleinen Venen, in die die Capillaren übergehen, verengern oder erwei- Durchmesserveränderungen kleiner Arterien und Venen. tern; denn offenbar wird in dem erstern Fall der Abfluss beschränkt, in dem letztern begünstigt und somit die Spannung in dem einen stei- gen, in dem andern aber sinken müssen. Bei den wichtigen Folgen, die eine veränderte Spannung des Bluts in den Capillaren für die Absonderungserscheinungen und den Wärme- verlust mit sich führt, ist es von Bedeutung, dass gerade die den Capil- laren zunächst gelegenen Arterien und Venen mit Muskelfasern begabt sind, mit deren Zusammenziehung und Erschlaffung der Durchmesser dieser Gefässe beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist; hierdurch ist ein regulatorischer Apparat gegeben, der den Stromlauf in der einen oder andern Capillarenabtheilung bis zu einem gewissen Grade unabhän- gig von allen übrigen erhalten kann; und in Wirklichkeit deutet manche Erscheinung darauf hin, dass er diese Aufgabe auch erfüllt. Die Unter- suchung dieses Apparates in den verschiedenen Gefässprovinzen ist darum eine der nächsten Aufgaben für den Bearbeiter des Kreislaufs, denn bis jetzt wissen wir über denselben nur 1 ) dass er während des Lebens wirksam wird, indem plötzlich eine ganz beschränkte Hautstelle erblasst oder erröthet, ein Zustand, der ebenso rasch verschwindet, als er aufge- treten war. Die Oertlichkeit der Erscheinung lehnt den Einwand ab, dass die Veränderung der Gefässfülle Folge einer allgemeinen Kreislaufsverän- derung sein möchte; und das plötzliche Entstehen und Verschwinden beweist, dass die Erscheinung nicht von einer örtlichen Verstopfung der Gefässlumina durch Faserstoff, Blutkörperchen u. s. w. herrühren kann. 2 ) In einzelnen Regionen, insbesondere in der Haut, stehen die Mus- keln nachweislich unter dem Nerveneinfluss, hierauf deutet bei Menschen das Erröthen und Erblassen der Haut des Kopfes und Halses in Folge leidenschaftlicher Erregung; die verbreitete Gänsehaut, welche nach lo- kaler, sensibler Affektion eintritt. Die Nerven, die zu diesen Gefässen treten, sind nur erst an der Gesichtshaut bekannt; sie verlaufen nach den Versuchen von Bernard und Budge aus dem untern Halsmark durch den Grenzstrang an die Kopfgefässe. — Nach dieser Mittheilung darf man nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass trotz mannigfacher besonders darauf gerichteter Versuche keine andern, den Gefässdurch- messer verändernden Nerven entdeckt worden sind. — 3 ) Neben der Nervenerregung werden namentlich die Gefässmuskeln verkürzt durch eine geringe Erniedrigung ihrer Temperatur und durch elektrische Schläge, während sie durch eine geringe Steigerung derselben erschlaffen. d. Die steigende oder abnehmende Widerstandsfähigkeit der Gewebe, in welchen die Capillaren verlaufen, ändert nothwendig den Durchmesser ihres Querschnitts und dem entsprechend nach bekannten Grundsätzen ihren Strom. Beispiele für diese Verhalten liefert die Gänsehaut, Ver- lust der Epidermis, Erschlaffungen der Haut, Wasserergüsse in das Binde- gewebe u. s. w. Spannung in der vena jugularis. Die Annahme, dass an den verschiedenen Orten desselben Capillaren- systems, und noch mehr, dass in verschiedenen Capillarensystemen die Span- nungen wechseln, gründet sich weniger auf messende oder schätzende Ver- suche am Strom selbst, als auf die Vergleichung der Formen der Capil- laren und auf die Anwendung hydraulischer Prinzipien für diese; bei den einzelnen Organen werden wir des genauern hierauf eingehen. Zu Messungen über den absoluten Werth der Spannung des Blutes in den Haargefässen fehlt es bis dahin an einer Methode. Venen . Die Spannung in den Venen ist erfahrungsgemäss veränderlich mit der Blutfülle, der mittleren Spannung im arteriellen System und ausser- dem noch mit den Herzschlägen, den Respirationsbewegungen, den Be- wegungen und Stellungen der Glieder; da aber diese Umstände nicht in jeder Vene sich gleich geltend machen, so werden wir ihre Folgen zu- nächst in einer derselben, der vena jugularis externa angeben und darauf die Variation der Erscheinung, so weit sie an andern Venen beobachtet ist, folgen lassen. Wir bemerken im Voraus, dass über die Folgen der veränderlichen Blutfülle zu den wiederholt mitgetheilten Bemerkungen nichts Weiteres zuzufügen ist. Vena jugularis . a. Wenn die vena jugularis sich in mittlerer Füllung befindet und die Herzschläge kräftig sind, so ist an ihr jede Vorhofsbewegung sichtbar, indem mit der beginnenden Zusammenziehung die Vene anschwillt, während sie mit der eintretenden Diastole zusam- menfällt; in allen, selbst in den günstigsten Fällen, ist die sichtbare Veränderung in dem Gefässdurchmesser nicht eben beträchtlich. Wey- rich De cordis adspiratione experimenta. Dorpat. 1853. fand, dass die Spannungsabnahme, welche während der Diastole des Herzens eintrat, höchstens einigen MM. Quecksilber entspricht. Ham- mernik Prager Vierteljahrschrift. 1853. III. Bd. p. 68, giebt an, dass die Erweiterung der Venen bei der Vorhofs- zusammenziehung am Halse niemals merklich sei, vorausgesetzt, dass die Klappen in den Gefässen hinreichend schliessen. b. Die analogen Wirkungen der Brustbewegungen treten bedeutsamer hervor, indem die Vene bei kräftiger Exspiration jedesmal deutlich anschwillt, während sie in der vorhergehenden Inspiration ebenso bedeutend zusammenfällt. Das Uebergewicht dieser Schwankungen über die vorhergehenden prägt sich nun anch in dem mit dem Lu- men der Venen communizirenden Manometer aus. Es schwankt nemlich bei einer gewöhnlichen Einathmung der Druck um das doppelte und bei einer tiefen Inspiration um mehr als das vierfache von dem, um welche ihn die Herzbewegung veränderte. Schwerlich dürfte es jedoch gelingen, den absoluten Werth der Druckschwankungen zu erhalten, da Einfluss der Brust- und Herzbewegung. sie meist in zu rascher Folge wechseln, als dass eine vollständige Aus- gleichung der Spannung im Manometer und in der Vene erreicht werden könnte. c. Die eben erwähnten Wirkungen des Herzschlags und der Athem- bewegung geschehen offenbar unmittelbar durch die hohlen und unge- nannten Venenstämme auf die Drosselvene. Von der anderen Seite her durch die Capillaren und die Venenzweige niederer Ordnung müssen sich dagegen beide Bewegungen geltend machen, insofern sie die Spannung in den Arterien bestimmen. Auf diesem Wege erzeugen sie allerdings ebenfalls Druckveränderungen in dem Blute der Jugularvene, jedoch keineswegs solche, welche zeitlich oder der Grösse nach genau den in den Arterien beding- ten entsprechen, so dass man noch die einzelnen Herzschläge und Re- spirationsbewegungen unterscheiden könnte. Im Allgemeinen ändert sich nur, wenn während längerer Zeit hindurch eine mittlere Spannung in der Arterie constant bleibt, auch diejenige der Vene. Als eine im we- sentlichen richtige Regel kann hier nach den Untersuchungen von Brun- ner angegeben werden, dass, wenn längere Zeit hindurch die Spannung in den Arterien absinkt, sie in der Jugularvene zunimmt und umge- kehrt; der absolute Werth, um welchen die Spannung in den Venen hie- bei geändert wird, ist immer sehr gering gegen den, um welchen sie in den Arterien schwankt. So wurde z. B. der mittlere Druck in der art. carotis eines Hundes, dessen n. vagi durchschnitten waren, auf 122,4 MM . Quecksilber, der gleichzeitige in der Vene über dem Sternum zu 1 bis 1,9 MM . Quecksilber bestimmt. Als nun die mit den Herzen in Ver- bindung stehenden Enden der n. vagi ungefähr 30 Sekunden hindurch erregt wurden, so dass in dieser Zeit gar keine Herz- (und auch keine Athem-) Bewegung zu Stande kam, fiel der Druck in der Arterie auf 13,3 MM ., in der Vene stieg er aber auf 3,8 MM . Während er also in der Carotis um 109,1 MM . gesunken, hatte er sich in der Vene nur um 2,8 bis 1,9 MM . erhoben. Diese Erscheinung ist daraus erklärlich, dass die Anfüllung des arteriellen Hohlraums nur auf Kosten des venösen geschehen kann und umgekehrt; es muss also, wenn der Druck in dem einen System sinkt, nothwendig im andern ein Steigen eintre- ten ( Ed. Weber ). Dieser Verlust der einen Seite kann aber den Ge- winn auf der andern nicht gleich sein, weil das arterielle Gesammtlumen im Vergleich zum venösen eng ist, so dass, was dort eine beträchtliche Quote des Gesammtinhalts darstellt, hier nur als eine geringe betrachtet werden muss, und weil eine Ausdehnung des arteriellen Lumens wegen seinen starken elastischen Wandungen mehr Kraft erfordert, als die dünne Venenwand verbraucht. d. Die Bewegungen der Muskeln in den Fortsätzen des Rumpfs, dem Hals, Arm u. s. w., bringen eine merkliche Steigerung der Span- nung in der Jugularvene hervor; diese ist um so bedeutender, je gefüllter Spannungen anderer Körpervenen. die Venen der bewegten Körpertheile sind, und je rascher und je mehr ihre Lumina durch die Bewegungen zusammengedrückt werden. Die Spannungserscheinungen in den übrigen Venen . Die mittlere Spannung nimmt in den Venen von den Zweigen gegen die Stämme hin nach Versuchen an Pferden, Kälbern, Ziegen und Hunden ab. In der Hohlvene des Hundes selbst ist die mittlere Spannung gerin- ger als der Luftdruck gefunden worden ( Volkmann, C. Ludwig ) Haemodynamik. p. 355. , eine Thatsache, die in vollkommener Uebereinstimmung steht mit der von Donders gegebenen Entwickelung über die Spannung in der Brust- höhle ausserhalb der Lungen (p. 101 .); beim Hunde schwankt nach zahl reichen Versuchen der Mitteldruck in der vena jugularis von 2 bis zu 15 MM . Hg, in den venae brachialis und cruralis von 10 bis MM . Hg Mogk Henle und Peufer . III. Bd. p. 73. , Volkmann l. c. p. 173. fand ihn in der ven. facialis der Ziege zu 41 MM . Hg und gleichzeitig in der vena jugularis desselben Thiers aber zu 18 MM . Hg. Die Wellen, welche der Herzschlag von den Vorhöfen her erzeugt, erstrecken sich beobachtungsgemäss niemals weit in die Zweige der obern Hohlader hinein; sie sind z. B. nur in seltenen Fällen bis in die vena axillaris zu verfolgen. — In grösserer Ausdehung sind aber die von den Brustbewegungen abhängigen Spannungen nachweisslich, namentlich be- obachtet man sie an andern Thieren noch in den Hirnvenen ( Ecker Physiologische Untersuchungen über die Bewegungen des Gehirns etc. Stuttg. 1845. ), Donders ) De bewegingen der hersenen. Nederl. lancet 2. Serie. 1850. und in der vena cruralis, wobei wahrscheinlich die mit dem Athmen zusammenhängenden Bewegungen der Baucheingeweide ver- mittelnd wirken. Dass ihre Wirksamkeit sich beim Menschen nicht weni- ger weit erstreckt, geht daraus hervor, dass die Kopf- und Halsvenen bei tiefer Exspiration anschwellen und bei tiefer Inspiration zusammen- fallen. Das Volum des Arms soll ebenfalls bei tiefer Inspiration geringer werden. Hammernik l. c. p. 57. . — Zusammenpressungen der Venen durch die Muskeln der Glieder, in welchen sich dieselben verbreiten, müssen selbstverständlich vorzugsweise in den Venen der Extremitäten und der Rumpfwandungen vorkommen. Diese Pressungen werden nun offenbar den Röhreninhalt zugleich nach dem Herzen und den Capillaren hin- treiben; dieser letzte Weg wird dem Strom aber durch die Klappen ab- geschnitten, die in den erwähnten Venen besonders zahlreich vorkommen. Beobachtete Spannungen innerhalb der kleinen Blut- bahn . 1. Die Spannungswerthe des Blutes in den Lungen können begreif- lich entweder erst dann gemessen werden, wenn der Brustkasten eröffnet Spannungen in der kleinen Blutbahn. ist und der zum Leben nothwendige Luftwechsel in den Lungen durch einen in die Luftröhre eingesetzten Blasebalg (künstliche Athmung) er- halten wird ( Beutner ) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. II. Bd. , oder nur dann, wenn zufällig der Beobach- tung ein Thier zu Gute kommt, dessen Herz in Folge eines Bildungs- fehlers ausserhalb des Brustkastens, in der Luft, gelegen ist ( Hering ). Da diese Umstände den Beobachter ausser Stand setzen, Aufschluss zu erhalten über die Einwirkungen des Brustkastens auf den Blutstrom in den Lungen, so gewinnen wir augenscheinlich durch jene Versuche nur Kenntnisse über einen Strom, der allein durch das Herz erregt ist. Aus diesem Grunde ist es räthlich, neben den wirklich gefundenen Zahlen immer auch ihr Verhältniss zu den gleichzeitig gefundenen Spannungs- werthen in der a. carotis anzugeben. Als Beutner den Druckmesser gleichzeitig in den art. pulmonalis und carotis einsetzte, fand er das Verhältniss des Mitteldrucks in der a. pulmo- nalis zur a. carotis bei Kaninchen wie 1 : 4 , bei Katzen wie 1 : 5 , bei Hunden wie 1 : 3 . — In diesen Versuchen näherte sich die Spannung in der a. carotis derjenigen sehr an, welche man auch bei uneröffneter Brusthöhle erhält; darum darf angenommen werden, dass mindestens die Herzkräfte keine Schwächung erlitten hatten; dagegen war durch Ein- setzung der Canule in einen grossen Ast der Pulmonalarterie offenbar die Spannung in dieser weit jenseits der normalen Grenzen gesteigert. Demnach kann man wohl, ohne einen zu grossen Fehler zu begehen, behaupten, dass er eine über das gewöhnliche Mittel gesteigerte Span- nung in der Lungenarterie, so weit diese von der Herzkraft abhängig ist, sich verglichen habe mit der annähernd normalen in der Carotis. — Die absoluten Zahlen für den Mitteldruck betrugen an Kaninchen 22 MM ., an Katzen 17 MM ., an Hunden 29 MM . Quecksilber. Beutner hat auch für einen Fall die Spannung in den Lungen- venen der Katzen untersucht und sie zu 10 MM . Hg gefunden. Hering , welcher seine Beobachtungen an einem Kalbe anstellte, das die angegebene Bildungshemmung (ectopia cordis) zeigte, brachte seine Messröhren unmittelbar in die linke und rechte Herzkammer. In diesen Röhren, welche dicht von der Muskelsubstanz umschlossen wurden, stieg die Flüssigkeit in einem Verhältniss von 1 : 1,7 , die grössere Zahl gehörte dem linken Ventrikel an. Da nun der Einfluss der Brustbewegung auf den Lauf des Lungen- blutes dem Versuch noch nicht zugängig gewesen ist, so können wir zur Aufhellung dieser wichtigen Verhältnisse nur gelangen durch theoretische Schlüsse über die Veränderungen, welche die Athembewegungen an dem Verhalten der Gefässe erzeugen. Mit Rücksicht hierauf ist nun aber zweierlei zu unterscheiden. Einmal nemlich ändert sich die Länge der Archiv für physiolog. Heilkunde. IX. Bd. Geschwindigkeit des Blutstroms. Gefässe und insbesondere der Capillaren dadurch, dass sich die Lungen- bläschen bei der Inspiration ausdehnen, während sie bei der Exspiration zusammenfallen; die wesentliche Frage, ob sich hierbei die Räumlichkeit des Gefässinhalts steigert oder nicht, ist noch nicht festgestellt; sie kann auch nicht einmal vermuthungsweise entschieden werden, da sich mög- licher Weise der Durchmesser der Gefässe verengert, während ihre Länge zunimmt. — Nächstdem ändert sich aber auch mit der Brustbewegung die Spannung der grossen Lungengefässe, welche ausserhalb des Pleura- sackes gelegen sind. Auf sie ist nemlich offenbar alles das anwendbar, welches für die grossen Gefässe des Aortenwerkes innerhalb der Brust- höhle galt, so dass in den Venen und Arterien der Lungen die Span- nung mit der Exspiration steigt, mit der Inspiration aber abnimmt. 2. Verbindung zwischen Lungen und Körperkreislauf. Eine beson- dere Hervorhebung verdient schliesslich noch die eigenthümliche Verbin- dung, welche zwischen dem Aorten- und Lungenwerk besteht durch die a. bronchialis; sie bezieht, wie bekannt, ihr Blut aus der Aorta und liefert es theilweise wenigstens unmittelbar in die v. pulmonalis. Diese Gefässe dürften vielleicht angesehen werden als Mittel, durch welche rela- tive Ueberfüllungen der einen oder andern Abtheilung ausgeglichen werden können. Ueber die Geschwindigkeit des Blutstroms . Die Geschwindigkeit, welche den einzelnen im Blutstrom kreisenden Theilchen zukommt, wechselt mit der Zeit und dem Ort. — Zunächst ist es offenbar, dass von den Theilchen, welche gleichzeitig in einen und demselben Stromquerschnitte enthalten sind, diejenigen, welche an der Röhrenwand laufen, sich langsamer bewegen, als die in der Mitte gele- genen, weil ausnahmslos in allen Röhren die Wandschicht an Geschwin- digkeit der Mittelschicht unterlegen ist. Zudem ist die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes auf den Blutlauf erfahrungsgemäss festgestellt. — Ein und dasselbe Theilchen wird aber eine verschiedene Geschwindigkeit empfangen, je nachdem es in den Stämmen oder Aesten der Arterien und Venen, oder in den Capillaren sich bewegte, und dieses wird selbst noch gelten, wenn auch das Theilchen immer in derselben relativen Stel- lung zu den Wänden, z. B. in der Mittelschicht, bleibt. Denn da die Querschnitte der gesammten Blutbahn auf ihrem Verlauf bald grösser und bald kleiner werden, da trotzdem durch jeden Querschnitt der Ge- sammtbahn immer gleich viel Blut strömen muss, so wird nothwendig in den grössern Querschnitten die Geschwindigkeit sich vermindern müs- sen. — Mit der Zeit verändert sich aber die Geschwindigkeit, weil die treibenden Kräfte, oder anders ausgedrückt, die Spannungsunterschiede zweier unmittelbar aufeinanderfolgender Querschnitte wechseln. Dieser Wechsel ist nun aber für die einzelnen Gefässabtheilungen, wie wir wissen, nicht gleich. Im normalen Blutstrom sind diese Unterschiede Geschwindigkeitsmessung nach E. H. Weber . in merklichster Weise und zwar ununterbrochen vorhanden in den grossen Arterien, insbesondere des Aortensystems, dann in den grossen Körper- venen, am wenigsten ausgesprochen sind dagegen die erwähnten zeitlichen Veränderungen in den Capillaren. Wenn man also den Blutstrom messen will, so muss man sich vor Allem darüber verständigen, ob man eine Partialgeschwindigkeit, d. h. die an einem Ort und zu einer begrenzten Zeit bestehende, oder ein Mittel aus den zeitlichen und örtlichen Variationen zu bestimmen gedenkt. Dieses hervorzuheben ist um so weniger unnütz, als in der That die Beobachter der Blutgeschwindigkeit nicht immer darauf aufmerksam ge- macht haben, und als die verschiedenen bis dahin bekannt gewordenen Methoden bald das eine und bald das andere Ziel verfolgen. a. Methode von E. H. Weber Müllers Archiv. 1838. . Sie ist nur anwendbar für durchsichtige Capillaren, indem sie unter dem zusammengesetzten Mikroskop, in dessen Okular ein Glasmikrometer gelegen ist, geradezu die Zeit beobachtet, welche ein rothes Blut- körperchen nöthig hat, um den Raum zwischen einer bestimmten Zahl von Theilstri- chen zu durchlaufen. Aus dieser Bestimmung leitet sich die Geschwindigkeit des Blutkörperchens sogleich ab, wenn man die beobachtete Geschwindigkeit dividirt durch die Vergrösserungszahl des angewendeten Linsenwerkes, da offenbar genau in demselben Maasse die wirkliche Geschwindigkeit erhöht ist, in dem der durchlaufene Raum vergrös- sert wurde. — Weil nun erfahrungsgemäss die rothen Körperchen in der Mitte des Stroms schwimmen ( Poiseuille ), so erhält man durch das Weber’ sche Verfahren nur eine Angabe über das Maximum der im Capillarrohr vorhandenen Geschwindigkeit. — Die Versuche sind bis dahin zudem nur an Kaltblütern gelungen, inwiefern aber die Geschwindigkeit des Blutstroms bei diesen Thieren vergleichbar mit dem der Warmblüter sei, ist nicht anzugeben, da bei beiden der Durchmesser der Gefässe und Blutscheiben, die Blutzusammensetzung, die Temperatur und die Spannungsunter- schiede des Bluts abweichen — Am Menschen wäre eine Bestimmung vielleicht mög- lich beim sog. Funkensehen, welches bekanntlich von den in den Capillaren der art. centralis retinae strömenden Blutkörperchen abhängt; an Säugethieren ausserdem in den feinsten Gefässen der Conjunctiva oder einer entzündeten Cornea u. s. w. b. Volkmann Haemodynamik. p. 185. — In Beziehung auf die Zeitmessung ist das Verfahren Volkmann’s von Bidder verbessert worden. Siehe Lenz, experimenta de ratione inter pulsus frequentum etc. Dorpat 1853. p. 11. wendete zur Bestimmung der Geschwindigkeit ein von ihm er- fundenes Instrument, das Haemadromometer, an, welches in ein durchschnittenes Ge- fäss eingeschoben wird; das Schema dieser Einrichtung ist in Fig. 51. dargestellt. In ihr bezeichnen A A die Enden des durchschnittenen Gefässes, in welche das Haemo- dromometer B C D B C eingebunden ist. Dieses letztere hat einen geraden Schenkel B C C B aus Messing und einen gebogenen C D C aus Glas. An den Orten C C , wo die Arme des gläsernen Rohrs in das gerade münden, sind zwei Hähne mit andert- halbfacher Durchbohrung angebracht, die in der Zeichnung im Grundriss dargestellt sind; die durchbohrten Gänge sind schwarz schraffirt. Man erkennt, dass, wenn die durchbohrten Theile der Hähne die gezeichnete Stellung einnehmen, das Blut aus dem Gefässe A unmittelbar durch den geraden Schenkel B C C B dringt, während der gebo- gene abgeschlossen ist; werden nun dagegen die Hähne um 90° gedreht, so ist um- gekehrt der gebogene Schenkel für den Blutstrom eröffnet und der gerade ihm ver- schlossen. An diesen Hähnen ist endlich noch die hier nicht angegebene Einrichtung Ludwig, Physiologie. II. 9 Geschwindigkeitsmessung nach Volkmann . Fig. 51. angebracht, dass immer mit dem einen Hahne sich der andere zugleich umdrehen muss, so dass in sehr kurzen Zeiten der Strom B C C B in den von B C D C B umgesetzt werden kann. — Will man eine Messung ausführen, so füllt man das Haemadromo- meter mit Wasser und bringt einen seiner Hähne in eine solche Stellung, dass das einströmende Blut durch den geraden Schenkel B C C B dringen muss. Hierauf dreht man zu einer genau bestimmten Zeit die Hähne plötzlich um, so dass nun das Blut nur durch den gläsernen Schenkel einen Ausweg findet, Das in ihn eindringende Blut treibt das Wasser vor sich her. Dieses geschieht jedoch nicht der Weise, dass un- mittelbar die dunkle Farbe des Bluts sich absetzte gegen die helle des Wassers, son- dern es mischen sich beide, so dass auf einer Wegstrecke hierdurch alle möglichen Abstufungen des Blutroths vom Wasser bis zum reinen Blut hin vorkommen. Da die Längenausdehnung dieser Mischung keineswegs verschwindet gegen die von dem Blut während der Beobachtungszeit durchlaufene Bahn, so muss man sich darüber verstän- digen, welche Tinte man als Marke wählen will, oder anders ausgedrückt, wie tief die Farbe der am Ende des Rohrs ankommenden Mischung sein muss, wenn man die Beobachtung für geschlossen erklären will; Volkmann wartete jedesmal so lange, bis die tiefste Farbe, die des ungemischten Blutes, an dem Grenzstrich angelangt war. Er versichert, dass unter Berücksichtigung dieses Umstandes und bei der von ihm gewählten Art, die Zeit zu bestimmen, die Geschwindigkeit in der Röhre bis auf 0,9 ihres wahren Werthes genau gemessen werden kann, so dass von dieser Seite der Fehler in die Grenzen ± eines Zehntheils vom ganzen Werth eingeschlossen sei. Gesetzt nun aber, es sei die Geschwindigkeit, welche im Dromometer während der Beobachtung bestand, mit hinreichender Schärfe gemessen worden, so bleibt noch zu erforschen, in welchem Verhältniss die Geschwindigkeit des Blutstroms in der Glas- röhre zu derjenigen steht, welche in dem Blutgefäss vorhanden gewesen wäre, ohne dass die Einführung des Instruments stattgefunden hätte. Gleich kann die Geschwin- digkeit in beiden Umständen nicht sein, da das Verhältniss zwischen Widerstand und Triebkraft nicht dasselbe geblieben ist. — Die Triebkraft des Bluts ist nemlich für Geschwindigkeitsmessung nach Hering . beide Fälle gleich, das will heissen, die lebendigen Kräfte, welche auf dem Quer- schnitt der Arterie vorhanden sind, aus welcher das Blut jetzt in das Dromometer und früher in den nun durchschnittenen Arterienraum ging, sind einander, wenn auch nicht ganz aber doch sehr annähernd gleich. Wir schliessen dieses aus den Ver- suchen von Spengler , wonach die Spannung in den grossen Arterien nicht messbar geändert wird, selbst wenn sie auf ihrer Capillarenseite ganz verschlossen sind. — Dagegen sind die Widerstände, die diese lebendigen Kräfte in dem Strome finden, geändert; denn es hat sich mit der Einsetzung des Instruments die Blutbahn nach den Capillaren hin verlängert und auch verengert, weil unter allen Umständen das Lumen der eingebundenen Glasröhre dem der Arterien nicht gleich kommen kann. Damit steigert sich der Widerstand, und es muss die Flüssigkeit langsamer strömen. Zu dieser Betrachtung fügt nun aber Volkmann die Behauptung, dass die Ver- langsamung des Stroms nicht sehr bedeutend sei, weil der Wiederstand in den Ca- pillaren in beiden Fällen gemeinsam sei und gegen diesen der in der Glasröhre ver- schwinde. Zur Kräftigung seiner Annahme l. c. p. 233 u. f. hat er den Widerstand ermittelt, der sich in einem Dromometer entwickelt, welcher in eine Arterie eingefügt ist; dieses geschah auf die gebräuchliche Weise, indem er einen Druckmesser am Beginn und am Ende des Dromometers einsetzt. In der That bestätigte sich seine Ansicht durch den Versuch mindestens in so weit, dass der Widerstand im Dromometer gering ist gegen den jenseits desselben. Zu gleicher Zeit gewinnt man aber auch bei diesen Beobachtungen die Ueberzeugung, dass die Röhren des Dromometers nicht wohl länger und enger hätten sein dürfen. Aus den Erläuterungen zu Volkmann’s Verfahren ist es wohl schon deutlich geworden, dass dieses das Mittel aus den verschiedenen zeitlichen und örtlichen Ge- schwindigkeiten misst, und zwar ist das von dem Instrument erworbene Mittel um einen kleinen Bruchtheil niedriger, als das wahre, was namentlich noch für den Fall gilt, wenn man wie Volkmann als Grenze des vorschreitenden Blutes den dunkelsten Theil der Grenzmischung ansieht. c. Hering Versuche, die Schnelligkeit des Blutlaufs zu bestimmen. Zeitschrift für Physiol. von Tiede- mann und Treviranus . III. Bd. — ibidem. V. Bd. — Archiv für phisiolog. Heilkunde. XII. Band. p. 112. bedient sich zur Bestimmung der Blutgeschwindigkeit eines sehr sinnreichen Mittels; wenn seine besondere Anwendung noch weitere Verbesserungen erfährt, so dürfte ihm das Uebergewicht über alle anderen Methoden nicht abzuspre- chen sein. Er fügt nemlich an einem Orte in den Blutstrom ein leicht erkennbares, das Blut nicht wesentlich veränderndes Salz, z. B. Blutlaugensalz, ein und fängt an einem andern Ort sehr vorsichtig in kleinen Zeitintervallen Blut auf, bis in letzterem das Salz nachgewiesen werden kann. Kannte man nun den räumlichen Abstand der beiden Versuchsorte, so ist damit die Geschwindigkeit des Stromes zwischen beiden sogleich gegeben. Da dieses Verfahren nur Anwendung finden kann für zwei nicht unbeträcht- lich von einander abstehende Orte, so giebt es das Mittel aus den verschiedenen Ge- schwindigkeiten, die in den einzelnen Abschnitten des dem Versuch unterworfenen Stromes bestehen. Dagegen dürfte es vielleicht gelingen, durch das Hering’ sche Verfahren auch die Mittel aus sämmtlichen Wand- und Achsenströmen gesondert zu gewinnen; denn offenbar giebt, wenn der Querschnitt des Arterienstroms gleichmässig mit Salz durchtränkt wird, der zuerst an dem andern Querschnitt anlangende salzhal- tige Tropfen einen Werth für das Maximum der zwischen beiden Orten bestehen- den Geschwindigkeit (d. h. der mittlern Achsengeschwindigkeit), während der zu- letzt anlangende ein Maass für das Minimum der Geschwindigkeit (derjenigen des Wandstroms) giebt. — Ueber die allerdings noch sehr zu verbessernde Anwendung 9* Mittlere Querschnitts- und Längengeschwindigkeit. dieses unübertrefflichen Prinzips siehe die zuletzt erwähnte Abhandlung von Hering . d. Häufig macht man auch noch von einem Princip Anwendung, das an sich aller- dings unverfänglich ist; leider ruht die Ausführung desselben auf zu unsichern Unter- lagen. Hätte man nemlich ermittelt: die Zahl der Herzschläge z in der Zeiteinheit, die Menge von Blut v, welche der Ventrikel bei jeder Zusammenziehung ausstösst, und endlich einen beliebigen Querschnitt der gesammten zum rechten oder linken Ven- trikel gehörigen Blutbahn q, so würde offenbar die mittlere Geschwindigkeit g gleich sein der in der Zeiteinheit aus dem Ventrikel entleerten Blutmenge v z, dividirt durch den Querschnitt der Bahn also g = . Von den verlangten Werthen sind aber v und q entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft zu ermitteln. 1. Ueber die verschiedenen Einzelgeschwindigkeiten der Bluttheilchen, welche gleichzeitig einen und denselben Stromquerschnitt erfüllen, wie z. B. über das Verhältniss der Geschwindigkeit vom Wand- und Achsen- strom, ist nichts bekannt. Wir sind darum auf die Betrachtung der mitt- leren Querschnitts- und der mittleren Längengeschwindigkeit angewiesen. Die eine derselben ist begreiflich das Mittel aus allen verschiedenen gleichzeitig auf einem und demselben Querschnitt vorhandenen Geschwin- digkeiten, und die zweite ist das Mittel aus den verschiedenen mittleren Querschnittsgeschwindigkeiten, welche auf einer Reihe hintereinander- folgender Querschnitte eines Rohres vorhanden sind. Die mittlere Geschwindigkeit eines Stroms durch einen beliebigen Röhrenabschnitt empfing, wie wir aus dem früheren kurz wiederholen, ihre Bestimmung: 1) durch das Maass von Triebkräften, welchen die Flüssigkeit an dem ersten Röhrenquerschnitte (am Beginn des Stro- mes) besass. Hierbei war es gleichgiltig, ob diese Kräfte in der Form von Spannung oder Geschwindigkeit vorhanden waren. Denn wenn sie in einer Geschwindigkeit der einströmenden Masse bestehen, so wird der zweite Querschnitt um so kräftiger gestossen werden, je geschwinder der erste auf ihn eindringt; sind aber die Triebkräfte Spannungen, so wird wegen der allgemeinen Eigenschaft der Flüssigkeiten, eine Verschieden- artigkeit ihrer Spannungen auszugleichen, mit der Spannung die Ge- schwindigkeit wachsen. Denn es wird die Flüssigkeit höherer Spannung um so rascher gegen diejenige niederer dringen, je grösser die Kraft ist, welche die Ausgleichung verlangt. — 2) Bei gleichen Triebkräften muss aber die Geschwindigkeit der Flüssigkeit beim Vordringen von einem zum Querschnitte um so mehr steigen, je geringer der Gegenhalt ist, den der Inhalt des zweiten Querschnitts dem Stoss des ersten entgegensetzt. Dächte man sich alle Triebkräfte des ersten Querschnitts unter der Form des Druckes dargestellt, so würde unser Satz auch so ausgedrückt werden können, die Geschwindigkeit zwischen zwei Querschnitt steigt, alles andere gleichgesetzt, mit den Spannungsunterschieden ihrer Flüssigkeit; dieser Ausdruck ist nemlich darum richtig, weil der Widerhalt der Flüssigkeit im zweiten Querschnitt nur durch eine Spannung derselben möglich ist. — Die Geschwindigkeit des Blutstroms steigt mit dem Druckunterschied. 3) Die Geschwindigkeit des Stromes muss endlich, wenn der Wider- halt des zweiten Querschnitts und die Triebkräfte im ersten gleichgesetzt werden, um so mehr steigen, je geringer der Verlust an Triebkräften ist, den die Flüssigkeit auf dem Wege von einem zum andern Quer- schnitt erleidet. Dieser Verlust ist aber auf der einen Seite durch die Eigenschaften des Röhrenlumens, der Röhrenwand und des flüssigen Stof- fes bedingt und auf der andern Seite durch die Geschwindigkeit und die Spannung der strömenden Flüssigkeit, indem der Verlust durch Reibung und Stoss um so bedeutender wird, je kräftiger der Stoss ist und unter je stärkerm Druck die Reibung vor sich geht. Da nun der Blutstrom doch unbezweifelt ein Strom und zwar ein solcher in Röhren ist, so müssen diese fundamentalen Sätze auch ihre Anwendung auf ihn finden. Die ausserordentliche Verwickelung der Ver- hältnisse und insbesondere der Umstand, dass alle die Geschwindigkeit bestimmenden Umstände meist gleichzeitig variabel sind, hindern uns, im Genauern die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen festzustellen. So weit nähere Einsichten aber reichen, sind die Thatsachen mindestens nirgends im Widerspruch mit den obigen Grundsätzen. Denn: a. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit steigt nicht mit der Spannung auf einem Querschnitt, wohl aber mit Unterschied der Span- nung zweier aufeinanderfolgender Querschnitte. — Für diese Behauptung sind mancherlei Belege beizubringen. Wir haben gesehen, dass mit der steigenden Blutfülle des gesammten Gefässwerks die Spannung des Bluts stieg, denn ein Aderlass mindert den Druck des Bluts, gleichgiltig ob dieses in der Ruhe oder in der Bewegung war, und eine Einsprützung von Blut in das Gefässsystem mehrte ihn; unter diesen Umständen mehrt oder mindert sich aber nach Volkmann und Hering die Geschwindigkeit nicht. Eine kurze Ueberlegung zeigt sogar, dass die Geschwindigkeit des Stroms Null werden müsse, wenn die Anfüllung der gesammten Ge- fässhöhlen mit Blut zu einem gewissen Werthe angestiegen wäre. Dieser Werth würde aber dann erreicht sein, wenn das Gefässsystem so weit durch seinen Inhalt ausgedehnt wäre, dass die aus dieser Ausdehnung her- vorgehende Spannung der Gefässwände hinreichend wäre, um allen den Drücken das Gegengewicht zu halten, welche vom Herzen, dem Brust- kasten u. s. w. ausgehend dieselben noch weiter auszudehnen oder zu- sammenzupressen strebten. — Lenz hat eine grosse Zahl von Beobach- tungen gesammelt, aus welchen der Druck und die Geschwindigkeit in einem Dromometer bestimmt wurden; er bestätigte ebenfalls die oben ausgesprochene Behauptung. Das auffallendste Beispiel für die Unabhängigkeit der Geschwindig- keit von dem absoluten Werthe der Spannungen eines oder des andern Querschnitts eines Gefässes gewährt die Betrachtung des Lungen- oder Körperkreislaufs. In den Anfängen beider, in der a. pulmonalis und der Spannungs- und Geschwindigkeitsunterschiede im Blutstrom. a. aorta, muss die Geschwindigkeit gleich sein, weil der Durchmesser beider Gefässe nicht wesentlich von einander abweicht und beide gleich viel Blut aus dem Herzen befördern müssen. Und dennoch sind die Spannungen in beiden Gefässen so ungemein verschieden. Anders aber verhält sich die Geschwindigkeit, wenn man die Span- nungsunterschiede in zwei aufeinander folgenden Gefässabschnitten zu ändern versteht. So sinkt bekanntlich die Spannung in den Arterien nach einer Erregung der nervi vagi sehr bedeutend, und sie nimmt in den grossen Venen zu, während nach Durchschneidung der erwähnten Nerven das umge- kehrte eintritt. Dem entsprechend fand Lenz die Geschwindigkeit in der Ca- rotis verlangsamt im ersten und erhöht im zweiten Fall. — Augenscheinlich beschleunigt jede Zusammenpressung einer oberflächlichen Vene den Strom aus derselben und umgekehrt strömt mit grosser Geschwindigkeit das an- liegende Blut in eine entleerte Vene. — Mit Rücksicht auf den Spannungs- unterschied zweier aufeinanderfolgender Querschnitte verhalten sich nun, wie bekannt, die Gefässe unseres Körpers sehr verschieden. In den grossen Arterien und Venen ist dieser nemlich mit der Zeit ununterbro- chen veränderlich, in den Röhren kleinern und kleinsten Lumens giebt es dagegen wenigstens Zeiten, in denen die Spannungsunterschiede, die im Verlauf derselben bestehen, unabhängig von der Zeit sind. Wir haben dieses ausführlicher schon früher auseinandergesetzt. Unsere Behauptung verlangt also, dass in den Gefässen grössern Durchmessers auch die Ge- schwindigkeit einem stetigen Wechsel unterworfen ist, während sie in den kleinsten Gefässen eine gleichförmige sein muss. So verhält sich die Sache auch in der That, wie man sieht, wenn man die kleinsten Gefässe mit dem Mikroskop betrachtet und in die grössern ein Dromo- meter einfügt. In dieses Instrument stürzt das Blut mit ab- und zuneh- mender Beschleunigung, welche der Zeit nach den Herz- und Athem- bewegungen entspricht, während in den Capillaren der Strom gleichmäs- sig dahinfliesst. Diese Erfahrungen eröffnen, wie es scheint, die Aussicht, auch im Blutstrom die gesetzmässige Beziehung zwischen der Geschwindigkeit und dem Spannungsunterschiede zweier Querschnitte festzustellen; aber leider trübt sich dieselbe sogleich, wenn man bedenkt, dass mit einer veränder- ten Spannung auch alle andern Verhältnisse, die auf die Geschwindigkeit einen Einfluss üben, sich umgestalten, und so insbesondere die Weite und Länge der Röhren. So lange man nun weder die Grösse dieser Umgestaltung noch den Einfluss derselben auf den Widerstand festzu- stellen vermag, wird es unmöglich sein, die soeben hingestellte Aufgabe zu lösen. b. Die Geschwindigkeit in den verschiedenen Durchschnitten des ge- sammten Stromlaufs verhält sich umgekehrt wie der Flächeninhalt der- selben. Wenn also ein Querschnitt durch den Aortenbeginn einen gerin- Geschwindigkeitsänderung mit dem Querschnitt, der Reibung etc. geren Flächeninhalt besitzt als ein solcher durch alle Aeste der Fort- setzung des Stammes, so muss die mittlere Geschwindigkeit in diesem letzteren um so viel geringer sein, als ihr Flächeninhalt den des erwähn- ten Aortenquerschnitts übertrifft. Diese Behauptung findet ihre Bestäti- gung in den Beobachtungen von Volkmann , welcher die Geschwindig- keit bedeutender in der a. carotis als in der a. facialis, und in dieser wieder grösser als in der a. metatarsea fand; in der vena jugularis, wo sich das Strombett wieder verengt hat, war dagegen die Geschwindigkeit wieder gestiegen. — Ein ähnliches Resultat, wie diese Versuche mit dem Dromometer, giebt auch die Betrachtungen derjenigen Stromabtheilungen, welche der mikroskopischen Untersuchung zugänglich sind, nemlich die der kleinsten Arterien und Capillaren. Man erkennt sogleich auch ohne genaue Messungen, dass der Achsenstrom, dem die rothen Blutkörperchen folgen, sich in den kleinen Arterien viel rascher als in den Haargefässen bewegt. — Alles dieses ist aber die nothwendige Folge der allgemeinen Bewegungsgesetze, wonach bei demselben Vorrath an lebendiger Kraft die Geschwindigkeit abnimmt, wenn die bewegte Masse zugenommen hat. c. Mit einer Veränderung in den Bedingungen, welche die Reibung bestimmen, verändert sich auch die Geschwindigkeit im Blutstrom. Zu den Beweisen für diesen Satz wären zu zählen die Erfahrungen von Poiseuille , wonach in erkalteten Gefässen die Geschwindigkeit viel geringer ausfällt, als in denjenigen von normaler Temperatur. Diese Er- scheinung muss nach den Beobachtungen von Poiseuille Sur les causes etc. p. 58, u. f. abgeleitet wer- den aus der bekannten Erfahrung, dass die kalte Flüssigkeit sich bedeu- tender reibt als die warme, und zwar ist dieses darum nothwendig, weil während der durch die Abkühlung eines beschränkten Gefässreviers er- zeugten Verlangsamung nicht auch gleichzeitig eine Veränderung im Durch- messer der beobachteten Gefässe zu Stande kam. — Cl. Bernard verdan- ken wir ebenfalls eine hierher einschlagende Bemerkung. Er fand, dass das Venenblut, welches aus den Capillaren der Gesichtshaut zurückkommt, deren zuführende Arterien erweitert sind in Folge der Durchschneidung des sympathischen Grenzstranges, noch arterielle Eigenschaften besitzt; es scheint demnach, als ob das Blut so rasch durch die erweiterten Ge- fässe geflossen sei, dass ihm die Zeit zu seiner Umwandlung gefehlt habe. d. In einem so vielfach verzweigten System, wie das der Blutge- fässe, müssen unzweifelhaft Beziehungen bestehen zwischen den Geschwin- digkeiten der einzelnen Abtheilungen in der Art, dass, wenn dieselbe in einem oder einigen Aesten der Aorta sinkt, sie in andern zunimmt, und umgekehrt. Andeutungen für das Bestehen solcher Verhältnisse besitzen wir in der That; so blieb z. B. bei einem Kaninchen, an dem einseitig der Grenzstrang des Halses durchschnitten war, der Druck in beiden Ca- Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Herzschlag. rotielen derselbe, trotzdem nimmt die Anfüllung der Gefässe auf der Seite des durchchnittenen Nerven zu und in der andern ab. Diese Erscheinung ist nur daraus erklärbar, dass durch die Verbindungsäste beider Gesichts- hälften der Strom von der Seite des unverletzten auf diejenige des ver- letzten Nerven geht. Cl. Bernard . — In gleicher Weise kann man die Gefässfülle aller übrigen Theile mindern, wenn man durch Anlegung einer Saugpumpe um ein Glied, z. B. durch Anbringung des sog. Schröpf- stiefels, den Luftdruck auf dieses Glied herabsetzt. Indem sich damit die Gefässe des Gliedes erweitern, nimmt der Widerstand in den Strom- bahnen desselben ab, und darum beschleunigt sich der Strom hier, wäh- rend er anderswo sich verlangsamt. Er würde unbezweifelbar von grosser Wichtigkeit sein, das Verhältniss der mittleren Geschwindigkeit in den einzelnen grösseren Gefässabtheilungen, z. B. den Darm-, Nieren-, Hirn-, Muskelarterien zu kennen, weil uns mit Berücksichtigung des Querschnitts daraus mannigfache Aufschlüsse erwachsen würden über den Stoffwech- sel in den von diesen Gefässen versorgten Organen. Leider sind wir aber hierüber noch vollkommen im Unklaren. 2. Ueber die Abhängigkeit der mittleren Geschwindigkeit des Bluts von der Schlagfolge des Herzens und den Athembewegungen. Man hört häufig die Bemerkung, dass die Geschwindigkeit des Blutstroms durch die Zahl der Herzschläge in der Zeiteinheit bestimmt werde. Dieser Be- hauptung liegt begreiflich nur dann ein Sinn unter, wenn sie die Vor- aussetzung einschliesst, dass in allen Fällen der Ventrikel gleich viel Blut entleert und dass auf dieses Blut gleich viel lebendige Kraft übertragen werde. Denn nur in diesem Falle werden die treibenden Kräfte propor- tional den Herzschlägen sein. Diese Voraussetzungen treffen nun aber höchst selten ein, und somit ist auch die obige Aussage nicht mehr gil- tig, wie dieses im Besonderen Lenz und Hering durch dromometri- sche Versuche bewiesen haben. Je nach dem Umfang und der Schnellig- keit der einzelnen Herzzusammenziehungen können bei gleichen Puls- zahlen sehr verschiedene und umgekehrt bei ungleichen Pulszahlen ganz dieselben Geschwindigkeiten bestehen. — Aehnliches gilt für die Athem- bewegungen. Hering . 3. Ueber die absoluten Werthe der Geschwindigkeit. Der Weg, welchen das Blut mit mittlerer Querschnittsgeschwindigkeit in der Sekunde zurücklegt, ist in folgender Tabelle verzeichnet: Absolute Werthe der Blutgeschwindigkeit. Aus den Versuchen von Hering kann eine Angabe über die Ge- schwindigkeit nicht abgeleitet werden, da er den Weg nicht gemessen hat, den das von ihm in den Kreislauf gebrachte Blutlaugensalz zurück- legte. Dennoch sind seine Angaben, die sich sämmtlich auf Pferde bezie- hen, nicht ohne Interesse. Um aus den Schienbeinarterien bis in den Anfang der vena saphena zu kommen, braucht das Blutlaugensalz 5 bis 10 Sekunden und zuweilen noch weniger; um aber aus einer Jugular- vene durch das Herz in die Lungen, von da zum Herzen zurück durch ein beliebiges ihr zugehöriges Capillarensystem in die andere vena jugularis zu gelangen, waren nach 41 Versuchen 15 bis 45 Sekunden nöthig. In wie weit diese Resultate mit denjenigen von Volkmann vergleichbar sind, lässt sich nicht sagen, denn abgesehen davon, dass man die Weg- strecke nicht kennt, ist auch darüber nichts anzugeben, in welchem der vielen ungleich geschwinden Flüssigkeitsfäden eines jeden Querschnitts die Geschwindigkeit gemessen ist. Wir versäumen nicht, noch auf ein Resultat der Untersuchungen von Volkmann und Lenz aufmerksam zu machen; darauf nemlich, dass die Geschwindigkeit in der a. carotis bei den verschiedenen Säuge- thieren, ähnlich wie dieses auch für die dortige Spannung galt, sich in engen Grenzen bewegt. Verhältniss der Spannungs- und Geschwindigkeitshöhe. Ueber die zum Stromlauf verwendeten lebendigen Kräfte . 1. Eine Vergleichung der hydrostatischen Werthe, welche der Span- nung und Geschwindigkeit entsprechen, oder wie sich die Hydrauliker ausdrücken, der Widerstands- und Geschwindigkeitshöhe, giebt das vor- aussichtliche Resultat, dass die hydrostatische Druckhöhe, welche die Spannung ausdrückt, im Vergleich zu derjenigen, welche die im Strom vorhandene Geschwindigkeit erzeugen kann, im Aortensystem vom Herz bis wieder zu ihm beträchtlich abnimmt. — Wir brauchen, indem wir diese Vergleichung für die a. carotis und vena jugularis des Hundes ausfüh- ren, kaum daran zu erinnern, wie man aus der bekannten Geschwindig- keit eines Stroms die sie erzeugende Druckhöhe finden kann. Siehe hierüber p. 31 . Zieht man aus allen bis dahin an der art. carotis unter- nommenen Versuchen das Mittel, so erhält man für die Spannung in derselben einen Werth von 110 MM . Quecksilber und für die Geschwin- digkeit in der Sekunde einen Weg von 292 MM . Berechnet man für diese letztere Zahl die Geschwindigkeitshöhe, und drückt man sie in Queck- silber aus, so wird sie = 0,44 MM . Das Verhältniss von 0,44 : 110 ist aber gleich 1/250. — Die beobachtete Mittelspannung in der vena jugularis ist dagegen = 8,5 MM . Quecksilber; die Geschwindigkeit = 225 MM . und die daraus berechnete und in Quecksilber ausgedrückte Geschwindigkeitshöhe = 0,26 ; diese Zahl verhält sich nun zur Span- nungshöhe = 1/32,5. Diese Verhältnisszahlen haben nun, wie schon erwähnt, gar keinen allgemein giltigen Werth, weil die Spannung auch noch von mancherlei andern Dingen, als von der Geschwindigkeit, abhängt. Ihre Betrachtung gewährt uns dagegen vollkommenen Aufschluss darüber, warum in dem Spannungsmesser das Quecksilber immer gleich hoch stieg, mochten wir einmal seine Mündung gegen das Herz und das anderemal gegen die Capillaren kehren. Denn wenn auch in dem erstern Fall das Blut auf das Quecksilber mit seiner Spannung und seiner Geschwindigkeit zu- gleich drückte, während es in dem letztern das Quecksilber nur mit seiner Spannung zu heben suchte, so war doch der Unterschied beider Wirkungen so gering, dass er mit unseren Verfahrungsarten nicht mehr herausgestellt werden konnte. 2. Ueber die Summen aus den lebendigen und spannenden Kräf- ten des strömenden Blutes. — Um die gesammte Kraft kennen zu lernen, die einem gegebenen Abschnitte des arteriellen Systems zuge- führt werden musste, damit sich das Blut darin in dem wirklich vor- handenen Zustande (Bewegung unter einer gewissen Spannung) befinde, hat man zweierlei Kraftgrössen zu untersuchen. Erstens nemlich die vor- handene lebendige Kraft der Strömung, welche bekanntlich ihren Aus- Die Summe der lebendigen und spannenden Kräfte. druck findet in dem halben Produkte aus der strömenden Masse (m) und dem Quadrate der Geschwindigkeit (c) = ½ mc 2 , wo die Masse m nach den in der Mechanik üblichen Einheiten auch durch bezeichnet werden kann, wenn p das Gewicht der betreffenden Masse und g die Beschleunigung der Schwere während einer Sekunde (=9,8 Met.) bedeutet. Zweitens aber ist die Kraftgrösse zu betrachten, welche nöthig wäre, um dem in dem Arterienabschnitte befindlichen Blute die Spannung zu ertheilen, unter wel- cher es gerade gefunden wird. Nach den Grundprinzipien der Mechanik, d. h. nach dem Prinzip der Erhaltung der Kraft, muss diese Kraft auch als le- bendige wieder hervorgehen, wenn man sich vorstellt, die in einem Ge- fässring gespannt vorhandene Blutmasse wäre in Ruhe und käme nun unter dem Einflusse der Spannung in Bewegung. Sie würde offenbar alsdann nur so lange abfliessen, bis der Gefässring sein normales Lumen wieder erlangt hätte und zwar würde die Geschwindigkeit des Abflusses im Verlaufe desselben ab- nehmen, da ja die Spannung selbst offenbar mit der Entleerung abnimmt. Theilt man nun die ganze Zeit dieses gedachten ungleichmässigen Abflusses in sehr kleine Abschnitte, so dass während eines solchen die Ausflussge- schwindigkeit für constant gelten darf, multiplizirt man dann die halbe Masse, die während jedes einzelnen Abschnittes ausfliesst mit dem Qua- drate der Geschwindigkeit, mit welcher sie ausfliesst, und summirt alle diese Produkte, so hat man den Ausdruck der lebendigen Kraft, welche die fragliche Spannung hervorzubringen vermag und die folgeweise auch erfordert wurde, um sie zu erzeugen. Jede Spannung misst man nun durch die Höhe einer Säule derselben Flüssigkeit, die durch ih- ren hydrostatischen Druck derselben das Gleichgewicht hält, und ist diess Maass auch namentlich geeignet, in der eben ausgeführten Betrachtung sofort verwandt zu werden. Denn man weiss, dass ein Flüssigkeitstheil- chen unter dem Drucke einer Säule von der Höhe h ohne Widerstand sich selbst überlassen mit einer Geschwindigkeit entweicht, die gleich der ist, welche es erlangt haben würde, wenn es von der Höhe h herabge- fallen wäre. Sie ist aber nach den Fallgesetzen = , oder wenn die Flüssigkeitsmasse, welche unter dem Drucke h, also mit dieser so- eben berechneten Geschwindigkeit abfliesst = m ist, so hat sie beim Abflusse die lebendige Kraft ½ m. 2g h, die folglich unmittelbar, wenn man für m wie- der seinen Werth setzt, dargestellt werden kann durch p h. Jedenfalls ist die Flüssigkeitsmenge, die wirklich unter dem Druck h ausfliesst, wel- cher jetzt die anfänglich in dem Gefässring vorhandene Spannung bedeuten mag, nur unendlich klein, also mag ihr Gewicht durch d p im Geiste der der höheren Analysis eigenen Bezeichnungsweise vorgestellt werden. Dann wäre h. d p die Kraft, welche beim Ausflusse während des ersten kleinen Zeit- abschnittes wieder lebendig wird. Bei diesem Ausfluss ist aber der Ge- Summe der lebendigen und spannenden Krafte. fässdurchmesser kleiner geworden, und folglich hat die Spannung, die mittels der Elastizitätscoeffizienten der Wandungssubstanz von diesem Durchmesser abhängt, um etwas abgenommen, mag sie h 1 \< h gewor- den sein, nun fliesst also eine zweite Quantität d p unter der neuen Spannung h 1 ab und es ergiebt sich die Kraft d p. h 1 . Indem dadurch der Durchmesser von neuem vermindert wird, geht die Spannung über in h 2 \< h 1 und im folgenden Zeitabschnittchen bekommen wir eine le- bendige Kraft d p. h 2 u. s. w., bis das Gefäss auf sein normales Lumen gekommen und die Spannung = 0 geworden ist, daher nichts mehr ausfliessen macht. Die Summe aller dieser Grössen, oder die der gan- zen ausfliessenden Menge mitgetheilte lebendige Kraft wäre demnach = d p [h + h 1 + h 2 ......... + h n ], wo n die sehr grosse Anzahl der Zeitabschnitte ist, in die wir die ganze Ausflusszeit getheilt haben, die letzte Spannung jenes h n unterscheidet sich dann von 0 nur unendlich wenig, d p ist bei dieser Annahme der n te Theil der ganzen ausfliessen- den Menge, die leicht so berechnet werden kann: sei L die Länge Es wurde zwar vorhin die Länge unveränderlich gesetzt, indessen mag hier der Allgemeinheit wegen auch diese grösser und kleiner werden, je nach der Spannung. und R der Halbmesser der unter der Spannung h ausgedehnten Arterie, l und r die Länge und Halbmesser der ungespannten Arterie und s das spez. Gew. des Blutes, dann ist die ausfliessende Menge die Differenz zwischen dem Inhalte der ausgedehnten und ungedehnten Arterie also π. R 2 L s — π r 2 l s oder π s. (R 2 L — r 2 l) setzt man für d p jetzt seinen Werth, nem- lich den n ten Theil dieser Grösse, in die Formel für die Gesammtkraft, so hat man π s (R 2 L r 2 l). , d. h. die leben- dige Kraft, die der Spannung in der Arterie aequivalent ist, ist gleich dem Inhaltsunterschied der gedehnten und ungedehnten Arterie, multi- plizirt mit dem arithmetischen Mittel aus allen den Spannungen, welche beim Ausfliessen der Reihe nach Platz greifen würden. Da uns nun die Geschwindigkeiten des Stroms nur in sehr weni- gen Gefässen bekannt ist, der Inhaltsunterschied der gedehnten und ungedehnten Gefässe, das arithmetische Mittel aus allen Spannungen da- gegen unbekannt ist und demnächst auch nicht werden wird, so ist wenig Hoffnung zu einer allgemeinen Lösung der Aufgabe vorhanden, und noch weniger haben wir die Aussicht, die lebendigen Kräfte allerwärts auf ihre Quellen (das Herz, die Brustmuskeln u. s. w.) zurückzuführen. Nur in einem einzigen, aber glücklicher Weise sehr bemerkenswer- then Fall, ist eine angenäherte Auswerthung der lebendigen Kraft mög- lich; es ist dieses die Kraft der Blutmenge, welche in der Zeit vom Anfang einer bis zum Anfang einer zweiten Herzzusammenziehung durch das ringförmige Stück eines beliebigen Querschnitts der aufsteigenden Aorta strömt, um welches sich dieser Querschnitt erweitert hat in Folge Die Absonderungen. der Entleerung des Herzens. Da wir uns nemlich für berechtigt halten dürfen, die mittlere Spannung des Bluts von einem Herzschlag zum an- dern in der Carotis und Aorta gleichzusetzen, und da wir annehmen können, dass die von Volkmann abgeleitete Zahl für die mittlere Ge- schwindigkeit des Bluts in der Aorta auch annähernd die Geschwindig- keit in dem soeben bezeichneten Ring des Aortenquerschnitts darstelle, so sind alle Bedingungen zur Berechnung vorhanden, weil der Inhalt des Rings eben nichts anderes war, als das durch einen Herzschlag entleerte Blut. J. R. Mayer Archiv für physiolog. Heilkunde. IX. Bd. p. 373 und X. Bd. p. 40 u. 512. und nach ihm Vierordt haben eine solche Auswer- thung vorgenommen. — Indem wir die in diesem Werke aufgeführten Mittelzahlen zu Grunde legen, wonach der in der Aorta entleerte Kammer- inhalt = 0,175 Kilogr., die Geschwindigkeit des Bluts in der Aorta = 0,4 Meter, die Mittelspannung in der a. carotis (u. Aorta) = 2,240 Me- ter Blut betragen, so gelangen wir zu dem Ergebniss, dass die lebendige Kraft des durch die Aorta tretenden Herzinhaltes = 0,406 Kilogrammeter ausmache. — Diese Zahl hat natürlich nur die Bedeutung einer ange- näherten Schätzung. II. Von den Absonderungen. Die Bewegungen der flüssigen Bestandtheile des Blutes beschrän- ken sich nicht bloss auf die Bahnen, welche ihnen durch die Gefäss- röhren vorgezeichnet sind, sondern sie durchbrechen auch die unverletzte Gefässwand. Diesem Vorgang, den man als Absonderung (secretio) be- zeichnet, steht ein anderer, die Außaugung (resorptio), entgegen, wel- cher Flüssigkeiten, die die Gefässröhren umspülen, in diese selbst hinein- führt. Diese beiden Bewegungen von entgegengesetzter Richtung erscheinen häufig gleichzeitig an demselben Orte, häufig auch getrennt von einander. Die Vermischung und Sonderung derselben ist wohl Veranlassung ge- worden, dass man diese Prozesse zum Theil vereint, zum Theil getrennt, gerade wie sie im Organismus erscheinen, abgehandelt hat. Wir werden im Nachfolgenden, dem Gebrauch der physiologischen Lehrer folgend, zwar vorzugsweise die Hergänge besprechen, welche mit einer Bewegung der flüs- sigen Blutbestandtheile von der innern auf die äussere Gefässwand ver- bunden sind; dabei beschränken wir uns aber nicht auf diese Betrach- tung, sondern wir verfolgen auch die ausgetretenen Säfte in ihren wei- teren Schicksalen und nehmen zugleich die Untersuchung einer um- gekehrten Saftbewegung, einer Außaugung, mit auf, wenn sie innig mit der Absonderung verbunden sein sollte. Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen. Allgemeiner Theil . Die allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Einsicht in die Eigenschaften des Gefässinhalts gestellt werden müssen, wenn wir die Absonderungserscheinungen begreifen sollen, verlangen: dass wir zu er- fahren trachten die Eigenschaften der Flüssigkeit (Säfte, Sekrete), welche auf der äussern Gefässwand zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit der Wege, auf welchen die Säfte durch die Gefässwand dringen, und endlich die Wirkungsweise der Kräfte, welche die Säfte aus den Gefäss- röhren herausbefördern. Ueber die Eigenschaften der Säfte lässt sich, wie es scheint, nichts allgemein giltiges sagen, vorausgesetzt, es wollte die Aussage darüber hinausgehen, dass dieselben tropfbar oder gasför- mig sein müssten. Anders verhält es sich dagegen mit den beiden andern Punkten. 1. Die Häute, durch welche die Absonderung statt finden soll, müssen unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weil sonst der Durch- gang einer Flüssigkeit geradezu unmöglich sein würde. Die Umstände, durch welche die Häute auf die Absonderung von Einfluss werden, lassen sich somit zurückführen auf die Eigenschaften der Poren. Weiter geführte Ueberlegungen zeigen nun sogleich, dass in diesem Sinne zu berücksich- tigen ist: Durchmesser und Längen der Kanäle, resp. die Umstände, durch welche diese Dimensionen innerhalb einer und derselben Haut veränderlich werden; ferner die Zahl der Poren in der Flächeneinheit der Haut; und endlich die chemische Besonderheit der innern Porenwand, resp. Einflüsse, durch welche jene veränderlich werden. In früherer Zeit pflegte man die Streitfrage zu behandeln, ob die Häute und insbesondere die der Gefässe mit feinen Oeffnungen, Poren, versehen oder nicht ver- sehen seien. Dieser Streit muss aber als ein vollkommen unnützer angesehen wer- den, so lange nicht jene zahlreichen in diesem Werke wiederholt vorgetragenen Gründe widerlegt sind, welche die Annahme bedingen, dass alle wägbaren Körper aus einer Zusammenhäufung von einzelnen sehr kleinen gewichtigen Theilchen bestehen, die durch Zwischenräume von einander getrennt sind, und so lange, bis man es be- greiflich machen kann, wie durch ein zusammenhängendes, den Raum gleichartig erfüllendes Gefüge wägbarer Massen andere auf gleiche Weise gebildete Stoffe drin- gen sollen. a. Porenweite . Die Durchmesser der Poren sind nicht bekannt; geradaus sind sie nicht zu messen, weil sie selbst dem Auge, das mit sehr starken Vergrösserungen bewaffnet ist, unsichtbar bleiben, ein indirekter Maassstab ist aber noch nicht gefunden. Immerhin aber lässt sich behaupten 1 ) dass die eine Membran engere Poren besitzt, als die andere; denn es gehen beim Filtriren durch die eine Mem- bran feine, in der Flüssigkeit aufgeschwemmte Körperchen hindurch, welche von einer andern zurück gehalten werden. Der Punkt, auf den Oesterlen Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. p. 434. die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist durch H. Meyer Poren der Häute. und Donders Ibidem. N. F. I. p. 406. weiter verfolgt worden. Nach ihnen dringen feinstes Kohlenpulver, Stärkekörnchen, Quecksilbertröpfchen aus dem Darm- kanal in die Blutgefässe und werden von dort wieder ausgeschieden, ohne dass Spuren von Gefässverletzung beobachtet werden konnten, die zudem auch schwerlich durch die Stärkekörnchen hätten veranlasst werden können. Die ärztliche Erfahrung behauptet (man weiss freilich nicht mit welchem Recht), dass auch unter gewissen Umständen Blutkörperchen durch die unverletzten Gefässwände hindurch gelangen könnten. Kann in der That der Durchtritt aller dieser Stoffe ohne die Gegenwart einer Wunde zu Stande kommen, so müssen natürlich die Poren der Häute denen des gewöhnlichen Filtrirpapiers an Grösse gleichkommen. — 2 ) Ein und dieselbe Membran, welche durch eine Nebeneinanderlegung verschiedener, gleichgiltig ob gleichartiger oder ungleichartiger, Gewebs- elemente gebildet ist, wird Poren von ungleichem Durchmesser besitzen müssen; bei einer solchen Zusammensetzung müssen nemlich ausser den Poren zwischen den kleinsten Theilchen des homogenen Stoffes auch noch solche an den Grenzen zweier Gewebselemente zu Stande kommen. Aus diesem Grunde ist es sehr zu beachten, dass an so vielen, sonst gleich- artigen Häuten und namentlich an den Wandungen der Capillargefässe kleine Zellen, Kerne u. dgl. eingelagert sind. Eine solche Einrichtung muss nemlich den Thatsachen, die im I. Bd. p. 60. über Quellung aufgeführt sind, für den Durchtritt der Flüssigkeiten durch Membranen von Bedeutung werden. — 3 ) Dieselben Poren einer Membran müssen endlich mit der Spannung dieser letztern von veränderlichem Durchmes- ser sein. Dieses folgt daraus, weil ein elastisches Gebilde bei seiner Ausdehnung eine Volumvermehrung erfährt. Diese Erfahrung erläutert sich am einfachsten aus der Annahme, dass bei der Ausdehnung die wägbaren Atome in eine grössere gegenseitige Entfernung treten, weil es nicht wohl denkbar ist, dass die festen Theile selbst, soweit sie den Raum continuirlich erfüllten, sich ausdehnen könnten. Wir sind um so mehr geneigt, unsere Annahme festzuhalten, weil wir sogleich bei den Filtrationserscheinungen Bestätigungen derselben lernen werden. — b) Die Länge der Poren dürfte, alles andere gleichgesetzt, proportional der Dicke der Häute sein, welche sie durchbrechen; demnach müssen sehr dünne Häute, wie z. B. diejenigen der Capillargefässe, die kürzesten Po- ren besitzen. — c) Ueber die Porenzahl in der Flächeneinheit einer Membran lässt sich vielleicht aussagen, dass sie mit der Abnahme des spezifischen Gewichtes steigt. — d) Zu den Thatsachen, die wir über die verwandtschaftlichen Eigenthümlichkeiten der Poren- wand unter dem Artikel Quellung mitgetheilt haben, ist hier nichts Neues hinzuzufügen; wir erinnern nur daran, dass diese Eigenschaften nicht Die absondernden Kräfte. Filtration. allein von der chemischen Zusammensetzung der Wand, sondern auch von der Natur der Flüssigkeiten abhängig waren, welche den Porenkanal erfüllten. 2. Die Kräfte, welche die Flüssigkeiten und Gase des Bluts durch die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunterschieden der Flüssigkeit auf den beiden Seiten der Gefässhaut (Filtration und Gas- diffusion), in Anziehungen zwischen den Stoffen, die ausserhalb und inner- halb der Gefässe liegen (Hydrodiffusion), und endlich in eigenthümlichen Wirkungen der erregten Nerven auf den Gefässinhalt. Daraus, dass uns keine weiteren Absonderungskräfte bekannt sind, schliessen wir natürlich nicht, dass ihre Aufzählung mit diesen dreien erschöpft sei. a. Filtration . Da die Gefässwand von feinen Oeffnungen durch- brochen ist, so muss auch sogleich Flüssigkeit durch dieselben sickern, wenn die Spannung der Säfte, welche sie innen und aussen umspülen, eine ungleiche ist. Denn es wird sich diese ungleiche Spannung durch die Oeffnungen, mittelst der die beiden Flüssigkeiten in Verbindung stehen, aus- zugleichen streben. Die Geschwindigkeit eines solchen Stromes muss aber abhängig sein: α. von dem Spannungsunterschied der beiden durch den Porus verbundenen Flüssigkeiten, oder anders ausgedrückt, von der Kraft, mit der an dem einen Porenende die Flüssigkeit getrieben wird, und dem Widerstand, den an dem andern Ende die dort liegende Flüs- sigkeit entgegengesetzt. Die gesetzlichen Beziehungen zwischen den zur Bewegung verwendbaren Drücke und der im Porus bestehenden Geschwin- digkeit, werden sich auf dem Wege der Erfahrung schwerlich ermitteln lassen, da sich nothwendig mit einer Steigerung des einseitigen Druckes auch die Poreneigenschaften ändern. — In den normalen Verhältnissen des Blutstroms überwiegt nun gewöhnlich der Druck auf der innern Ge- fässfläche denjenigen auf der äusseren; somit ist also eine aus dem Ge- fässlumen in die Gewebe wirkende Triebkraft vorhanden. Diese letztere wird nun nicht allein gesteigert mit dem Wachsthum des Blutdruckes, sondern auch bei gleichem Blutdruck mit einer Erniedrigung der Span- nung in den Gewebssäften. Demgemäss sehen wir, wenn nicht be- sondere Vorrichtungen vorhanden sind, dass der Strom aus den Blut- gefässen den umgekehrt gerichteten überwiegt. Und nächstdem ist die Absonderung im Steigen begriffen, wenn der Blutdruck zunimmt, sei es, dass die Blutmenge sich gemehrt, oder einzelne Abtheilungen des arteriellen Systems verengert oder gar zugeschnürt sind, oder den secernirenden Gefässabtheilungen eine relativ niedrigere Lage zugetheilt ist u. s. w. Zugleich steigert sich aber auch die Sekretion bei un- geändertem Blutdruck, wenn Umstände in die secernirenden Organe eingeführt werden, durch welche der dem Blut geleistete Gegendruck ge- mindert wird, z. B. nach der Entleerung gespannter Flüssigkeiten (der Filtration, Porenweite, Natur der Flüssigkeit. wässerigen Augenfeuchtigkeit, der Cerebrospinalflüssigkeit u. s. w.) der Abhebung des Epitheliums, der Erniedrigung des Luftdrucks u. s. w. — β. Die Geschwindigkeit in dem Porenkanal ändert sich, der Theorie gemäss, mit der Länge und Weite desselben, weil hier, wie bei einer jeden Strömung in Kanälen von den Dimensionen derselben die Wider- stände für die Bewegung abhängig sind. Aus diesem Grundsatz ist es abzuleiten, dass durch dünne Häute bei gleichem Filtrationsdrucke und gleichem Flächeninhalt mehr Flüssigkeit dringt, als durch dicke, und fer- ner, dass die durch ein und dieselbe Membran ausfliessende Menge rascher wächst, als der Druck, indem durch den Druck wahrscheinlich zugleich die Poren erweitert werden. Eine der vorliegenden ähnliche Betrachtung hat auch zu der Behauptung geführt, dass durch eine ho- mogene Substanz die Filtration unmöglich sei. Man nimmt, wie es scheint, hierbei an, dass die intermolekularen Poren zu eng seien, um einer Flüssigkeit den Durchgang zu gestatten, in Folge eines solchen Druckes, wie ihn eine Haut, ohne zu zerreissen, ertragen kann. Dieser wichtige Gegenstand ist durch neue Versuche aufzuhellen. — γ. Die Geschwindigkeit Liebig, Untersuchungen über einige Ursachen der Saftbewegung. 1848. 6. — Wistinghau- sen, experimenta quaed. endosmotica. Dorp. 1851. — C. Hoffmann, über die Aufnahme des Quecksilbers und der Fette. Würzburg 1854. ändert sich mit der chemischen Zusammensetzung der durchgetriebenen Flüssigkeit. Wistingshausen stellt die Regel auf, dass der Druck, welcher nothwendig sei, um in gleichen Zeiten eine merkliche Menge von Flüssigkeit durch eine Haut zu treiben, in dem Maasse abnehme, in welchem das Quellungsverhältniss zunehme. In der That ist es eine bekannte Erfahrung, dass man den Druck der Reihe nach steigern muss, wenn man durch Harnblasenwand oder Peritonnal- haut in gleichen Zeiten annähernd gleich viel Wasser, Salzlösung, Oel, Alkohol (Quecksilber?) hindurch treiben will. Wie aber Wasser zur Filtration den niedrigsten, Alkohol den höchsten Druck verlangt, so quel- len auch die erwähnten Membranen viel mehr in Wasser als in Alkohol auf. — Diese Erscheinung erklärt sich mindestens theilweise dadurch, dass die Porenöffnungen um so weiter werden müssen, je mehr die Haut, in der sie enthalten sind, durch die eingedrungene Flüssigkeit aus- gedehnt wird. — Hier ist auch zu erwähnen, dass durch die Anwe- senheit einer Flüssigkeit in den Poren der Durchtritt einer andern er- schwert oder erleichtert werden kann; so giebt z. B. die Anwesenheit von Oel in einer Harnblasenwand eine Hemmung für den Durchgang von Was- ser, und umgekehrt hindert das eingedrungene Wasser den Durchtritt des Oels. Der Grund dieser Erscheinung wird zum Theil wenigstens ab- hängig sein von der Spannung, in welche die einander zugekehrten Oberflächen zweier sich berührenden, aber nicht mischenden Flüssigkei- ten gerathen müssen, weil die auf der Berührungsfläche gelegenen Theil- Ludwig, Physiologie. II. 10 Filtration; Dauer derselben, chemische Scheidung. chen von Seiten der gleichartigen einen stärkern Zug empfangen, als von Seiten der ungleichartigen. Diese Spannung drängt die Theil- chen der Oberfläche zusammen, so dass jede derselben gleichsam mit einer Haut überzogen ist, welche ihr den Eintritt in den Porus ver- wehrt. Die Festigkeit dieser Haut wird sich aber steigern mit dem Unterschied der Züge nach der einen und der andern Richtung; indem diese alle möglichen Werthe zwischen einem Maximum und einem Mini- mum annehmen kann, je nachdem die beiden Flüssigkeiten entweder gar keine oder eine merkliche Anziehung zu einander zeigen, wird auch die Oberflächenspannung sehr verschiedenartig ausfallen. Es scheint nun, als ob auf diesem Wege eine Veränderung in der Dichtigkeit der einan- der berührenden Oberflächen zweier sich nicht mischender Flüssigkeiten, z. B. des Oels und Wassers, dadurch erzeugt werden könnte, dass man in dem Wasser gewisse Salze, z. B. gallensaures Natron, auflöst. Denn es sollen Fette durch eine mit einer wässerigen Lösung dieses Salzes ge- tränkte Haut hindurchtreten können ( Ochlenowitz, Hoffmann ). — δ. Endlich erleidet auch, gleichen Druck vorausgesetzt, die Geschwindig- keit des Filtrationsstroms eine Veränderung mit der Dauer desselben, und zwar in der Art, dass die Geschwindigkeit entweder steigt, oder ab- nimmt. Das erstere tritt gewöhnlich ein, wenn reine, leicht bewegliche Flüssigkeiten, das letztere, wenn salzige, vorzüglich aber wenn klebrige (z. B. eiweisshaltige) Flüssigkeiten durch die Poren hindurchgehen. Man vermuthet, dass sich in dem Falle, in welchem sich der Widerstand mit der Dauer der Filtration mehrt, sich die Poren allmählig verstopfen durch einen Absatz aus der durchgehenden Flüssigkeit. Das andere Ergebniss ist noch nicht hinreichend untersucht; es wäre namentlich interessant, zu wissen, in welcher Weise die Geschwindigkeiten mit der Zeit zu- nehmen. Die Geschwindigkeit eines Filtrationsstromes durch eine thierische Haut wird unter allen Umständen aber gering sein, weil in den ausser- ordentlich engen Kanälen, selbst wenn sie sehr kurz sind, sich doch be- trächtliche Widerstände finden müssen. Diese Behauptung wird be- kanntlich durch die Erfahrung bestätigt. Die Frage, ob mittelst der Filtration durch eine thierische Haut in einer homogenen Flüssigkeit eine chemische Scheidung veranlasst werden könne, ist durch die bisherigen Versuche verneinend entschieden wor- den. Jedesmal zeigte die durch das Filter gedrungene Flüssigkeit die Zusammensetzung der ursprünglich aufgegossenen. Diese Erscheinung ist besonders dann auffallend, wenn man die Flüssigkeiten auf die Mem- bran bringt, welche von dieser scheinbar gar nicht aufgenommen werden können, wie z. B. conzentrirte Lösungen von Glauber- und Kochsalz. Diese Thatsache scheint in Verbindung mit anderen einmal zu erweisen (Bd. I. p. 62. ), dass die in die Poren der aufquellenden Häute einge- Diffusion. drungenen Flüssigkeiten dort auf eine verschiedene Weise angeordnet sind, und dann, dass die Drücke, welche man zur Erzeugung des Fil- trationsstromes angewendet hat, gerade nur hinreichen, um die Mittel- schicht, nicht aber die Wandschicht der eingedrungenen Lösung zu be- wegen. Sollte sich in der That ein allgemeiner Beweis für die Behaup- tung erbringen lassen, dass die Drücke, welche thierische Häute, ohne zu zerreissen, ertragen können, nicht genügten, um die Wandschicht in Bewegung zu setzen, so würde damit dargethan sein, dass überhaupt die Filtration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung veranlassen könnte. Jedenfalls müssen wir aber, so lange ein empiri- scher Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz festhalten. Mit dieser Vorsicht ist man freilich nicht immer zu Werke gegangen, indem man sich auf die Ergebnisse der Filtration durch Kohle, Ziegelsteine u. s. w. berief, bei denen in der That die Zusammensetzung der durchgegange- nen und der aufgegossenen Flüssigkeit verschieden sein können. Man übersah aber hierbei, dass die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu den im Filtrat fehlenden Bestandtheilen jene Scheidung erzeugt. Denn der Stoff, welcher der durchgelaufenen Flüssigkeit fehlt, ist, wie die che- mische Untersuchung des Kohlenfilters erweist, in ihm zurückgehalten worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige Menge von Kohle auch nur so lange als Scheidungsmittel brauchbar, als sie sich nicht mit je- nem Stoff gesättigt hat; so wie dieses geschehen, geht auch die aufge- gossene Flüssigkeit unverändert durch dieselbe. Käme nun in der That den thierischen Häuten eine ähnliche Eigenschaft, dem Blut oder andern Flüssigkeiten gegenüber, zu, so würde dadurch doch keine chemische Scheidung bewirkt werden können. Denn die thierischen Häute, welche sich an der Sekretion betheiligen, sind sehr dünn, und die Filtrations- ströme gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit durch sie hindurch, so dass der Stoff ihrer Porenwandungen sehr bald mit dem Stoffe, den sie zurückhalten könnten, gesättigt sein würde. Dauernd würde sie nur dann als chemisches Scheidungsmittel zu benutzen sein, wenn ihnen die Eigenschaft zukäme, gewissen Bestandtheilen einer aufgegossenen Flüssig- keit geradezu den Eintritt in ihre Poren zu verwehren. b. Diffusion . Auf dem Wege der Diffusion müssen unzweifel- haft Blutbestandtheile aus den Gefässröhren in die umgebenden Gewebe geführt werden, weil diese letztern mit wässerigen Flüssigkeiten erfüllt sind, deren Zusammensetzung von der Blutflüssigkeit abweicht. Ueber diese Strömungen lässt sich allgemein angeben 1 ) Sie werden nach den Prinzipien für die endosmotischen Strömungen zu beurtheilen sein, weil die beiden Flüssigkeiten durch eine thierische Haut getrennt sind. — 2 ) Die Ströme werden während der ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbe- stehen, weil nemlich zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es verhüten, dass die Flüssigkeiten zu den beiden Seiten der Membran eine 10* Nervenerregung. gleiche Zusammensetzung erlangen. Diese ununterbrochene Dauer des Stroms schliesst aber natürlich ein Steigen oder Fallen in seiner Ge- schwindigkeit nicht aus, im Gegentheil, es verhält sich aus verschie- denartigen Gründen die mittlere Geschwindigkeit der Diffusionsströme sehr wechselvoll. — 3 ) Die Flüssigkeit, welche sich in dem Strom bewegt, kann niemals die Zusammensetzung des Blutes haben; denn es besitzen die einzelnen Blutbestandtheile eine ganz ausserordent- lich ungleiche Diffusionsgeschwindigkeit, ein Unterschied, der namentlich zu gross zu sein scheint, als dass er durch die ungleichen Prozentge- halte wieder compensirt werden könnte. — 4 ) Die Ströme, welche an verschiedenen Orten des thierischen Körpers vorkommen, werden Flüs- sigkeiten von ganz abweichender Zusammensetzung führen. Dieses ge- schieht nachweislich darum, weil die auf der äussern Gefässfläche dem Blute entgegengesetzten Stoffe nicht überall dieselben sind. So ist z. B. an dem einen Orte das Gefäss von Luft, an dem andern aber von wäs- seriger Feuchtigkeit umgeben und demnach tritt dort eine Gas- und hier eine Hydrodiffusion ein. Dabei bleibt aber der Unterschied nicht be- stehen, sondern es finden sich auch bedeutende Abweichnungen in den die Gefässhaut umgebenden wässerigen Lösungen. Je nachdem also der eine oder andere Stoff in der Lösung vorkommt, wird auch bald dieser oder jener Blutbestandtheil lebhafter angezogen werden oder auf seinem Wege durch die Haut mehr oder weniger Widerstand finden. — Zu die- sen nachweislichen Gründen für eine grosse Mannigfaltigkeit in der Zu- sammensetzung der aus dem Blute tretenden Säfte fügt man vermuthungs- weise noch einen andern, den nemlich, dass die verschiedenen thierischen Häute wegen der ursprünglichen Abweichung in ihrer Zusammensetzung oder in ihrer sonstigen molekularen Anordnung eine ungleiche Durch- gangsfähigkeit für dieselben Flüssigkeiten besitzen sollen. Diese Vermu- thung stützt man auf die im I. Bd. p. 67. 3. angeführten Versuche, welche allerdings noch einer weitern Bestätigung bedürfen. — 5 ) Die auf Diffu- sion beruhenden Absonderungen sind jedesmal mit einem Strom im um- gekehrten Sinn, mit einer Resorption, verbunden. c. Nervenerregung C. Ludwig in Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. I. Bd. . Eine beschränkte Zahl von Drüsen brin- gen die Absonderung ihrer Säfte zu Stande unter Mitwirkung der in sie eintretenden Nerven. Der Mechanismus, durch welchen der erregte Nerv die Absonderung einleitet, ist unbekannt; keines Falls aber ist der Nerv dadurch wirksam, dass er den Blutdruck innerhalb der Ge- fässe, welche die Drüse durchsetzen, partiell steigert, indem er die Durchmesser jener Gefässe verändert. Dieses wird darum zur Gewiss- heit, weil der Druck, unter welchem der abgesonderte Saft in den Drü- sengang einströmt, weit grösser ist, als der, unter welchem gleichzeitig Messung des Absonderungsdruckes. der Inhalt der Blutgefässe gespannt ist; ja noch mehr, es kann der er- regte Nerv auch noch zu einer Zeit die Absonderung hervorrufen, in welcher das in der Drüse enthaltene Blut weder strömt, noch überhaupt gespannt ist. Fig. 52. Der Absonderungsdruck wird dadurch gemessen, dass man in den Ausführungsgang einer Drüse A (in der sche- matischen Fig. 52.) ein Manometer B einbindet. Dringt Flüssigkeit durch die Poren der Drüsenwand hh in das In- nere des Drüsenbläschens, so wird sie allmählig auch in das den Ausführungsgang verschliessende Manometer drin- gen und das Quecksilber desselben so lange emporhe- ben, bis der Druck, den die Quecksibersäule ausübt, gross genug ist, um der Gewalt, mit welcher der Drü- sensaft durch die Poren strömt, das Gleichgewicht zu halten. Der Absonderungsdruck ist also nichts anderes, als die in einer beliebigen Flüssigkeit ausgedrückte Druckhöhe, unter welcher die abgesonderten Säfte in die Drüse gepresst werden. Den Eigenschaften der Nerven entsprechend wird die von ihnen abhängige Absonderung keine stetige, sondern eine durch längere oder kürzere Zeiten unterbrochene sein, sie wird nur ein- treten, wenn der Nerv erregbar ist. In der That tritt sie aber, die Er- regbarkeit der Nerven vorausgesetzt, nur dann ein, wenn der Drüsennerv wirklich erregt wird; dieses geschieht aber, soweit wir wissen, ganz unter denselben Umständen, unter denen auch der Muskelnerv zur Erregung kommt. — Besteht nun einmal die Absonderung, so wächst, alles andere gleichgesetzt, die Geschwindigkeit derselben mit der gerade vorhandenen Intensität der Erregung. Die Säfte, welche durch dieses Hilfsmittel dem Blute entzo- gen werden, sind erfahrungsgemäss durchaus anders zusammengesetzt, als die Blutflüssigkeit. Ob sie aber in allen dem Nerveneinfluss unterworfenen Drüsen gleich oder ungleich sind, lässt sich nicht angeben. Allerdings weicht die Zusammensetzung der einzelnen Ner- vensekrete, wie zum Beispiel Thränen und Speichel, von einander ab, aber es kann diese Thatsache nicht als ein Beweis dafür angesehen werden, dass durch Vermittelung des Nerven in die beiden Drüsen ver- schiedenartige Säfte geführt worden seien, und zwar darum nicht, weil es sich nicht darthun lässt, ob nicht noch andere Sekretionsursachen, z. B. eine Diffusion, sich an der Bildung von Thränen oder Speichel be- theiligt haben. 3. Weitere Veränderungen der abgeschiedenen Säfte. — Die Flüssig- keiten, welche durch irgend eine der bezeichneten Kräfte aus dem Blut- strom auf die äussere Fläche der Gefässhaut befördert sind, gelangen nun, je nach dem Organ, in welchem die Absonderung vor sich ging, unter besondere Bedingungen, welche bei aller sonstigen Verschiedenheit Chemische Umsetzung der ausgeschiedenen Säfte. doch darin übereinstimmen, dass sie eine Veränderung der ausgeschiede- nen Säfte anbahnen und vollenden; diese Veränderungen betreffen eben- sowohl die chemische Zusammensetzung, als auch den Aggregatzustand derselben. a. Chemische Umsetzungen der ausgeschiedenen Stoffe . Die Thatsachen, auf welche eine theoretische Uebersicht derselben gebaut werden könnte, sind gegenwärtig noch in keinem Falle mit genügender Schärfe festzustellen. Hierzu gehörte vor Allem eine genaue Einsicht in die Zusammensetzung ebensowohl der ursprünglich ausgeschiedenen als auch der später veränderten Flüssigkeiten, und nicht minder eine Kennt- niss aller der Umstände, durch welche der jedesmal in Betracht gezogene Ort eine chemische Umwandlung einzuleiten vermöchte. Der organischen Chemie kann es nicht zum Vorwurf gereichen, dass sie die Schwierig- keiten, welche sich der Lösung einer solchen Aufgabe entgegenstellen, bis dahin nicht zu heben vermochte. Wir vermuthen mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit, dass die chemischen Umsetzungen, welche in den ausgeschiedenen Blutbestand- theilen vor sich gehen, sich erstens vorzugsweise beziehen auf die orga- nischen Substanzen derselben und insbesondere auf die eiweiss- und fett- artigen Stoffe. Diese Vermuthung entspringt aus der nicht unbeträcht- lichen Zahl von Erfahrungen über die Zusammensetzung einzelner in den thierischen Geweben vorkommender Stoffe; diese letztern bestehen nem- lich fast sämmtlich aus Atomen, welche nur mittelst des Eiweisses oder der Fette in die Gewebe gelangt sein können. Die einzigen Ausnahmen von dieser Regel bilden, so weit wir wissen, die Salzsäure des Magens und einige Verbindungen organischer Säuren mit Natron, welche durch die Zersetzung des Chlornatriums und des kohlensauren Natrons entstanden sein müssen. Wir geben nun sogleich ein Verzeichniss derjenigen Stoffe, deren Entstehung aus einer Umsetzung des Eiweisses und der Fette abgeleitet werden muss. Aus dieser Aufzählung schliessen wir jedoch aus alle die- jenigen Produkte, die uns, wie das Thymin, Lecithin, Cerebrin, Oleo- phosphorsäure(?), einige Farbstoffe u. s. w., nur nach ihren Verwandt- schafts- oder Crystallisationseigenschaften, nicht aber nach ihrer Zusam- mensetzung bekannt sind. Die in die Tabelle aufgenommenen Stoffe sind in zwei Spalten ge- ordnet, von denen die eine alle diejenigen Atomgruppen enthält, welche man mit Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit als Abkömmlinge des Ei- weisses ansieht, während die andere die Abkömmlinge der Fette ent- hält. — Die Reihenfolge der komplizirten Atomgruppen ist bestimmt wor- den nach ihrem relativen Gehalt an Stickstoff, in der Art, dass dieje- nigen, welche arm an diesem Elemente sind, vorangestellt wurden. Abkömmlinge der Fette und des Eiweisses. Die Arbeiten der Chemiker haben uns nun die wichtige Aufklärung verschafft, dass zwischen den verschiedenen Gliedern dieser grossen Reihe eine eigenthümliche Beziehung besteht, die darin liegt, dass alle Abkömm- linge des Eiweisses innerhalb des thierischen Leibes, so verschieden sie auch ursprünglich gewesen sein mögen, sich doch schliesslich verwandeln in Harnstoff, Ammoniak, Stickgas, Schwefelsäure, Kohlensäure und Wasser, und diejenigen der Fette in Kohlensäure und Wasser. Diese zuletzt er- wähnten Stoffe haben nun eine physiologische Eigenthümlichkeit gemein, welche darin besteht, dass sie sämmtlich in die Organe (Lunge, Haut, Niere) abgesondert werden, deren Inhalt im regelmässigen Verlaufe des Lebens aus dem thierischen Körper wieder entleert wird. Darum ist Abkömmlinge erster und zweiter Ordnung. man auch übereingekommen, sie mit dem Namen der Auswürflinge zu bezeichnen. Zwischen den Fetten und dem Eiweiss einerseits und den Auswürf- lingen oder den letzten Produkten des thierischen Stoffwechsels ander- seits liegt somit eine grosse Zahl von Atomgruppen in der Mitte, welche man als die allmähligen Uebergänge der wesentlichen Bestandtheile des Bluts in die des Harns, der Lungen und des Hautdunstes ansehen kann. Diese Mittelprodukte verdienen hier noch einige Aufmerksamkeit. Rücksichtlich ihrer Entstehung kann als gewiss angesehen werden, dass die Bedingungen für diese Umsetzungen erster Ordnung, wie wir sie nennen wollen, sich nicht gleichmässig durch den ganzen Körper hindurch vertheilt finden, so dass in einem jeden Organe ein jedes dieser Produkte zum Vorschein kommen könnte, im Gegentheil, es knüpfen sich an bestimmte Organe auch ganz bestimmte Umsetzungsprozesse. In die- sem Sinne kann also ein jedes Organ als ein spezifischer chemischer Herd betrachtet werden. So wird u. A. gebildet: im Hirn Cerebrin, Lecithin, Oleophosphorsäure, Cholestearin(?) ( Fremy und Gobley ); in den Muskeln die niedern Glieder der Fettsäurenreihe von der Butter- säure abwärts, Milchsäure, Inosinsäure, Kreatin, Kreatinin und Muskel- zucker ( Liebig und Scherer ); in der Leber Biliphain und Biliverdin ( Heintz ), Glyco- und Taurocholsäure ( Strecker ), Tyrosin und Leucin ( Frerichs und Staedeler ), Traubenzucker ( Bernard ); in der Milz und dem Pankres Leucin ( Frerichs, Staedeler, Virchow ), Hypo- xanthin und Harnsäure ( Scherer ); in der Lunge neben andern cry- stallinischen S und N haltigen Produkten Harnsäure ( Cloetta ); in den Synovialsäcken, Schleim- und Speicheldrüsen Schleimstoff; in den Milch- drüsen Casein und Milchzucker; in dem Bindegewebe und den Knochen Collagen; in dem elastischen Gewebe elastischer Stoff; in den Knorpeln Chondrin (J. Müller ); in den Epithelialzellen und den Haaren eine sehr schwefelreiche Atomgruppe ( Mulder ) u. s. w. Der Mechanismus, durch welchen in den bezeichneten Orten die Umsetzung eingeleitet wird, ist nun freilich noch in Finsterniss ge- hüllt, welche, so tief sie auch sein mag, uns doch wenigstens er- kennen lässt, dass die aufgezählten Produkte aus Fetten und Eiweiss gebildet wurden, entweder mittelst einer blossen Umlegung ihrer Atome ohne gleichzeitige Veränderung ihrer Zahl, oder durch eine einfache Spal- tung, oder durch eine Spaltung mit nachfolgender Wiedervereinigung ein- zelner Spaltungsprodukte, oder endlich durch eine Spaltung, welche von einer theilweisen Oxydation begleitet wurde. Es wird erst die Aufgabe der besondern Absonderungslehre sein können, im einzelnen Fall auf die wahrscheinlichste Entstehungsweise hin zu deuten; im Allgemeinen lässt sich aber hier gleich einsehen, dass das gleichzeitige Erscheinen von stickstofffreien und stickstoffreichen oder schwefelfreien und schwefel- Oxydation der sekundären Abkömmlinge. reichen Atomgruppen in einem und demselben Organe sich am einfachsten erklärt durch eine Spaltung der Eiweissatome. Die Zusammensetzung der Auswürflinge oder derjenigen Stoffe, welche als Abkömmlinge aus diesen Umsetzungsprodukten ersten Ranges anzu- sehen sind, deutet auf eine einfachere Entstehungsweise. Sie tragen nemlich sämmtlich den Stempel des Oxydationsprozesses, indem sie ent- weder, wie das HO, CO 2 , SO 3 und Harnstoff, selbst sehr sauerstoffreiche Atome darstellen, oder, wie NH 3 und N gas, zu den Produkten gehören, welche bei einer energischen Oxydation der eiweissartigen Stoffe immer auftreten. Da nun die gesammten aus dem Blut ergossenen und dem Umsatz anheimgegebenen Eiweiss- und Fettstoffe schliesslich in diese Verbrennungsprodukte übergehen, so ist es erlaubt, den thierischen Stoff- umsatz im Ganzen mit einem Verbrennungsprozess zu vergleichen; dieser Oxydation muss aber immer erst eine anderweite Zerlegung der wesent- lichen Blutbestandtheile vorausgegangen sein, welche ihr die Brennstoffe liefert. Dieser letzte Akt des thierischen Stoffumsatzes, die Verbrennung, findet ihre Bedingungen demnach auch im thierischen Körper häufiger vor als der, welcher die Bildung jedes einzelnen der Zersetzungsprodukte erster Ordnung veranlasst; denn es muss überall, wo überhaupt eine Zersetzung statt findet, auch die Verbrennung sich einfinden, vorausgesetzt nur, dass dem mit Sauerstoff geschwängerten Blutstrom Zutritt zu dem Herde der Umsetzung gestattet ist. Aber selbst die erstere der eben auf- gestellten Bedingungen braucht nicht einmal erfüllt zu sein. Denn es werden auch Zersetzungsprodukte nach den Orten, welche selbst keine erzeugen konnten, hingeführt werden müssen; viele derselben sind nicht allein löslich, sondern sie diffundiren auch leicht durch die Gefässhäute, so dass sie mit dem Blute überall hindringen. Möglicher Weise finden sich sogar in diesen Orten die Bedingungen für die weitere Umsetzung günstiger entfaltet als in den Ursprungsstellen, so dass man sagen kann, es führe das zweite Organ die Zersetzung weiter, welche das erste ein- geleitet hatte. Diese allgemeinen Betrachtungen können nun aber vielleicht zu zwei irrthümlichen Schlussfolgerungen verleiten; man könnte erstens zu der Annahme verführt werden, dass erst dann eine Zersetzung der wesent- lichen Blutbestandtheile möglich sei, nachdem sie ausserhalb des Ge- fässraums getreten wären. Dieses ist aber weder zu beweisen noch auch wahrscheinlich, denn wenn man auch von allen andern Gründen absieht, die erst später verständlich sind, so ist doch mindestens sogleich ein- leuchtend, dass im Blute die leicht oxydablen Abkömmlinge der Fette und des Eiweisses eben so gut der Verwesung anheimfallen müssen, als in diesem oder jenen Organe. — Im Gegensatz hierzu könnten die obigen Bemerkungen zu der Behauptung veranlassen, dass alles Veränderungen des Aggregatzustandes in den Säften. Eiweiss und alle Fette, welche einmal die Blutgefässe verlassen hätten, auch nothwendig eine Beute des Umsatzes würden, so dass die Atome, welche dieses Eiweiss zusammensetzten, nicht eher wieder in das Blut zurückkehren könnten, bis sie sich zu Zersetzungsprodukten erster oder zweiter Ordnung umgestaltet hätten. Diese Annahme würde aber mit der Erfahrung nicht übereinstimmen, dass aus allen Organen, und ins- besondere aus deren Bindegewebsräumen, eigenthümliche Kanäle, die Lymphgefässe, entspringen, welche neben andern Stoffen auch Eiweiss und Fett aus den Geweben in das Blut zurückleiten. b. Veränderungen im Aggregatzustande der ausge- schiedenen Säfte . Die flüssigen Bestandtheile der Säfte nehmen je nach ihrer Natur und den Umständen, in die sie gelangen, den gasför- migen oder den festen Aggregatzustand an. Die erstere Umformung er- folgt unter den einfachen Bedingungen, die wir jedesmal bei einer Ver- dunstung auftreten sehen. Da diese aller Orten und namentlich auch wiederholt schon in diesem Werke mitgetheilt sind und noch mitgetheilt werden sollen, insofern sie sich eigenthümlich gestalten, so wird ihnen hier keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Anders verhält es sich aber mit dem Festwerden des Flüssigen. Der feste Aggregatzustand, wo er auch entstehen mag, führt im thie- rischen Körper jedesmal zur Bildung eigenthümlicher Formen. So weit dieselben mit unseren Vergrösserungsgläsern zerlegt werden können, sind dieselben so beschaffen, dass sie aus allgemein wiederkehrenden Massen- anordnungen, die man gemeinhin als Korn, Faser und Haut bezeichnet, aufgebaut sind. Körner, Fasern und Häute sind nemlich, entweder jedes für sich oder in Verbindung mit einander und zugleich mit Flüssigkeit, benutzt zur Herstellung eigenthümlich begrenzter Gebilde, der Zellen, Röhren, Fasernetze u. s. w., welche immer noch von mikroskopischer Grösse von den Anatomen als Elementarformen der Organe oder als Ge- webselemente bezeichnet werden. Solche Elementarformen gruppiren sich endlich in sehr verschiedenartiger Weise zu Organen. Wir wenden unsere Blicke zuerst zu den Elementarformen; indem wir dieses thun, gewahren wir zunächst, dass einer jeden derselben eine besondere Lebensgeschichte zukommt, deren sichtbarster Inhalt zunächst darin besteht, dass sich ein jedes Gewebselement aus der Flüssigkeit allmählig hervorbildet und sich dann unter stetiger, wenn auch oft sehr langsamer, Veränderung seiner Form wieder auflöst; zu dieser Erfah- rung über das Auftreten der Gewebselemente fügt der Chemiker die Be- obachtung, dass mit der Form sich auch gleichzeitig die Mischung ändert. Indem die Anatomen bis vor Kurzem gänzlich absehen mussten von den Einzelheiten des Mechanismus, der diese Bildungen und Umwand- lungen einleitet, bedienten sie sich genereller Bezeichnungen für denselben, und setzten ihn, was weniger vorsichtig war, entweder in die Flüssig- Fester Aggregatzustand, Formfolge. keit, aus welcher das Gebilde hervorwuchs, oder in die Stoffe selbst, welche die einmal dargestellte Form in sich schloss; mit einem Worte, sie spra- chen von einem Bildungsvermögen der Flüssigkeit, die sie u. A. Keim- flüssigkeit oder Blastema nannten, oder von einem Entwickelungsbestre- ben der Elementargebilde. Noch weiter detaillirend bestimmten sie nun mit einer gewissen Willkührlichkeit einige hervorleuchtende Stadien der Formfolge, je nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens, der Daner ihres Be- stehens oder der grössern und geringern Zahl ihrer wohl unterscheid- baren Merkmale, als Keim, aufsteigende, vollendete, rückgängige Entwicke- lungsstufen. Unzweifelhaft ist es eine schöne und schwierige Aufgabe für den Anatomen, alle die Veränderungen festzustellen, welche eine Form während ihres gesammten Bestehens anzunehmen vermag. Denn erst wenn dieses geschehen, wird die weiterschreitende Untersuchung den Mechanis- mus ihrer Erzeugung und Umbildung in Angriff nehmen können. Würde diese endlich dahin führen, angeben zu können, welche Kräfte in jedem Falle die Atome bestimmen, den festen mit dem flüssigen Aggregatzustand zu vertauschen, und weiter, welcher Art die Anziehungen sind, die ihnen jedesmal ihre Stellung zu allen benachbarten anweisen, so würde damit eine Entwickelungsgeschichte der Elementarformen im wahren Sinne des Worts gegeben sein. Diesen Ausdruck hat man nun aber, wie bekannt, zur Bezeichnung des Inhalts einer andern Beobachtungsreihe gewählt, für die nemlich, welche die zeitliche Folge der einander abwechselnden Formen eines Ge- bildes darstellt. Wenn man damit sagen wollte, dass die Lagerungsver- hältnisse, welche die Atome annehmen, als sie in eine zuerst auftretende Form gebannt waren, zugleich bestimmend wirken für ihre Anordnung in einer darauf folgenden Phase, so ist gegen eine solche Bezeichnung nur einzuwenden, dass der Ausdruck zu vielsagend ist. Man konnte nemlich denselben auch so auffassen, als ob er bezeichnen wollte, die erste Anordnung der Atome enthält sämmtliche Bedingungen, aus denen die spätern hervorgehen müssen. Um allen Missverständnissen vorzubeugen, werden wir in Zukunft statt des von den Anatomen gebrauch- ten Ausdrucks einen andern, die Formfolge , einführen. Der Physiologe, welcher es unternimmt, nach dem Grunde für die Entstehung, Umformung und Auflösung der Elementargebilde zu forschen, wird sich zu fragen haben: wie wird der feste Aggregatzustand in jedem Falle möglich; warum nehmen die festgewordenene Massen die von den Anatomen erkannten Formen an; und endlich, was bedingt die Verän- derungen derselben. α. Aus welchen Gründen entsteht in den Flüssigkeiten des thieri- schen Leibes ein Niederschlag? Indem wir zur Aufzählung der Hülfs- mittel schreiten, welche der Organismus besitzt, um den flüssigen Aggre- gatzustand seiner Bestandtheile in den festen zu verkehren, darf die Be- Entstehung des festen Aggregatzustandes. merkung nicht unterdrückt werden, dass sie uns, so weit wir sie kennen, nicht etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gegentheil nur ein beiläufiger Er- werb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Bestandtheilen des Thierleibes inner- und ausserhalb dieses letzteren angestellt wurden. Diese Mittheilung bürgt hinlänglich dafür, dass die folgenden Angaben nur einen sehr kleinen Theil der wirklich vorhandenen Mittel umgreifen. Die Salze mit alkalischer und ammoniakalischer Basis, ferner Ca Cl, Mg Cl, Zucker, Milchsäure, Harnstoff, Kreatin, die niedern Glieder der Fettsäurenreihe, sind immer flüssig im thierischen Organismus vorhanden; dieses steht in Uebereinstimmung mit unseren Einsichten in die chemi- schen Eigenschaften der aufgezählten Körper, da wir in der That keine Veranlassung anzugeben wussten, warum das überall vorhandene Wasser sein Vermögen, sie zu lösen, einbüssen sollte. Da die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur in Säuren löslich sind, so müssen sie aus ihren Lösungen ausfallen, so wie die freie Säure neutralisirt oder gar übersättigt wird. — Die gewöhnliche Verbindung mit eiweissartigen Stoffen, in der die phosphorsaure Kalk- erde in den thierischen Säften gelöst vorkommt, ist nur flüssig mit Hülfe eines alkalischen oder schwachsauren Zusatzes. Um sie zu fällen, genügt also eine Neutralisation der einen oder andern Reaktion. Die Fette und ihre Säuren werden entweder fest, indem aus einem Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Theile (die Oelfette) entfernt werden, so dass nur noch die zurückbleiben, welche bei der Temperatur des thierischen Körpers erstarren; oder es werden durch stärkere Säuren die löslichen Kali- und Natronverbindungen der an und für sich unlöslichen fetten Säuren zersetzt, so dass nun diese letztern ausgeschieden werden. Die Eiweisskörper, welche vorzugsweise in Betracht kommen, da aus ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten thierischen Formen zum weitaus grössten Theil bestehen, können auf sehr vielfältige Art zur Entstehung des festen Aggregatzustandes Veranlassung geben. Einmal ereignet sich dieses, wenn sie in unlösliche Modificationen verwandelt werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem Lebens- hergang erfahren. Als Beispiele hierfür sind vorzuführen die Entstehung des festem aus dem gelösten Faserstoff, die Umwandelung des Eiweisses in das sog. Proteinbioxyd, in den leimartigen und in den elastischen Stoff. Dann kann die Fällung geschehen durch eine Veränderung in den Eigenschaften der lösenden Flüssigkeit. Hierher wäre zu rechnen die Ausfällung des Eiweisses aus alkalisch oder schwach sauer reagirenden Flüssigkeiten durch Neutralisation, durch Zusatz von conzentrirten Salz- lösungen oder auch durch sehr reichliche Verdünnung mit Wasser. So wird z. B. durch Zusatz einer beliebigen verdünnten Säure zu Lösungen von Casein und Natronalbuminat, durch Zusatz von fetten Säuren zu Gefüge des festen Aggregatzustandes. Hühnereiweiss und Blutserum (Wittich) Liebigs Annalen. 91. Bd. 334. ein Niederschlag gebildet; fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu Blutserum und noch mehr zu dem Inhalt seröser Säcke eine Fällung (Virchow) De hymenogenia albuminis. Regiomontii 1850. , und endlich trübt eine reichliche Beimengung reinen Wassers das Blut- serum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugeln (Bischoff) . — Drittens ist es möglich, die eiweissartigen Stoffe unlöslich zu machen durch Herbeiführung einer Verbindung derselben mit andern chemi- schen Körpern. Fälle, welche unter dieser letzten Rubrik aufzuzählen wären, sind uns in den Vorkommnissen des thierischen Lebens nicht bekannt. β. Wovon sind die Gestalten der primären Niederschläge abhän- gig? Die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche einen Nieder- schlag begrenzen, müssen entweder hervorgerufen sein von Kräften, welche innerhalb seiner Masse thätig sind, also von innern, oder von Umständen, welche mit Rücksicht auf die Masse, aus welcher der Nieder- schlag besteht, äussere zu nennen sind. Da im erstern Fall der Nieder- schlag, wie gross und klein er auch erscheinen mag, immer mit einer bestimmten Form auftreten muss, weil diese ja von den Eigenschaften seiner (wäg- und unwägbaren) Substanz abhängig ist, so nennt man alle Massen, zwischen deren Molekeln formbestimmende Kräfte sich geltend machen, geformte, alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Um- ständen richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose. Die Erfahrung hat nun längst Kennzeichen aufgestellt, aus welchen ent- schieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder andern Kate- gorie zu stellen sei. Die Richtkräfte nemlich, welche die Molekeln der geformten Masse anordnen, führen jedesmal zur Bildung von Krystallen, d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche unter bestimmten Winkeln zusammenstossen, begrenzt sind; zugleich sind die Molekeln innerhalb der Krystalle mindestens in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche durch die sog. Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen An- ordnung enthalten, vermöge deren die Widerstände, welche sich dem Durchgang des Lichtes, der Wärme und Elektrizität entgegensetzen, und ebenso die Cohäsion und Elastizität nach der einen der bezeichneten Richtungen grösser sind, als nach den andern. — Gerade umgekehrt verhalten sich die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, Wärme und Elektrizität den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise ge- bahnt, und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch Elastizität und Cohäsion bevorzugt. Die Zahl der festen am Menschen vorkommenden Stoffe, deren Ge- füge sich unzweifelhaft bestimmen lässt, ist gering; sie besitzen sämmt- lich ein krystallinisches Gefüge. Zu ihnen gehören krystallinische Fette Krystallinisches und amorphes Gefüge. und Fettsäuren, die zuweilen in dem Inhalte der Fettzellen befindlich sind, das Cholestearin in serösen Flüssigkeiten und in Gallensteinen, einige Farbstoffkrystalle, die Harnsäure, phosphorsaures Ammoniak, Magne- sia und der kohlensaure Kalk (Gehörssteine). Diese Aufzählung weist schon hin auf die untergeordnete Bedeutung der unzweifelhaften Krystall- bildung für die Physiologie. Eine nach Zahl und Verbreitung weitaus grössere Menge von festen Thierstoffen, insbesondere die niedergeschlagenen Eiweisskörper, die leim- gebenden und elastischen Gewebe, die Gemenge von mehreren neutralen Fetten, besitzen dagegen ein Gefüge, von dem es vorerst noch ungewiss bleiben muss, ob es krystallinisch oder amorph sei. Für eine krystalli- nische Struktur spricht nemlich nicht allein die Eigenschaft einzel- ner aus den genannten Stoffen erzeugter Gebilde, das Licht doppelt zu brechen (Boeck, Erlach) Müller’s Archiv. 1847. 313. , sondern auch die Befähigung einiger Stoffe, z. B. des Fibrins, beim Festwerden in Fasern zu gerinnen, eine Bildung, welche darauf hindeutet, dass die in der Masse wirksamen An- ziehungskräfte nach der einen Richtung hin bevorzugt sind. Sie unter- scheiden sich dagegen von dem geformten Gefüge dadurch, dass die Be- grenzung der niedergeschlagenen Massen durch gebogene Flächen geschieht, und dadurch, dass, so weit wir wenigstens wissen, ihre Elastizität und ihr Leitungsvermögen für Wärme und Elektrizität nach allen Richtungen hin dasselbe ist. Da nun offenbar ein Gefüge nicht krystallinisch und amorph zugleich sein kann, so wird man bei der Gegenwart positiver Beweise für die krystallinische Struktur geneigt sein, sie dieser beizuzählen, vor- ausgesetzt, dass sich bei dieser Annahme ein Ausweg findet, die Abwei- chungen von der Erscheinungsweise einer krystallinischen Struktur zu erklären. Dieser würde aber nach Frankenheim Crystallisation und Amorphie. Breslau 1831. einfach darin lie- gen, dass die Stoffe aus einem sehr innigen Gemenge verschiedenartiger und zugleich ausserordentlich kleiner Krystallindividuen von gleicher Eigen- schwere beständen, welche eine grosse Adhäsion zu einander besässen. Indem wir es bei den wenigen Untersuchungen, welche die genann- ten Baustoffe unseres Leibes nach dieser Richtung erfahren haben, un- entschieden lassen müssen, ob sie im Sinne der Physiker amorph oder krystallinisch seien, halten wir fest, dass zwischen ihnen und den aus- geprägten krystallinischen ein wesentlicher Unterschied bestehe, rück- sichtlich der aus ihnen geformten Gestalten. — Die Form eines Krystalls ist wesentlich abhängig nur von der chemischen (und thermischen) Con- stitution seiner Masse, die Gestalt jener Thierstoffe, wie sie im Men- schen vorkommen, ist dagegen von andern Umständen abhängig. Hier- her zählt u. A. die Form, welche ein solcher Stoff besitzt, bevor er fest wurde, die Menge desselben, welche in einer festwerdenden Lösung ent- Prägung der formlosen Massen. halten wäre, die Gestalt der Umgrenzung, in welcher der Niederschlag geschah u. s. w. — Zur Erläuterung des Gesagten heben wir hervor, dass die Krystallformen des Margarins, Stearins, des kohlensauren Kal- kes u. s. w. in keinem Fall sich ändern mit den Gestalten des Tropfens oder der Dichtigkeit der Lösung, aus der sie herauskrystallisirten; alles dieses hat aber Einfluss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder der Faserstoff beim Gerinnen annehme, aus verdünnten Lösungen fallen Flocken, aus conzentrirten compakte Massen heraus; sie gerinnen haut- artig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach der Zahl, der An- ordnung und dem zeitlichen Wirken der Berührungspunkte des Eiweisses mit einer andern Flüssigkeit, welche die Gerinnung erzeugt; Eiweiss und Faserstoff nehmen beim Gerinnen die Gestalt der Gefässe an, in der dasselbe vor sich ging u. s. w. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondern Gestal- ten, welche jene Stoffe beim Festwerden im Thierleib annehmen, die Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen kurz sagen, einer Prägung , sein müssen. Um diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe hergeleitet ist, welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen Formen verwendet sind, aus dem Bereich der Probabilität zu heben, müssten wir im Stande sein, die besondern prägenden Einrichtungen, die bei der Gewebsbildung thä- tig sind, nachzuweisen. Aus Mangel an genügenden Beobachtungen ist dieses freilich bis dahin nicht möglich; darum mag es gestattet sein, von allgemeinen Gesichtspunkten aus mindestens den Nachweis zu ver- suchen, dass solche Einrichtungen dem thierischen Körper nicht fehlen. Gehen wir aus von den einfachsten Bedingungen zur Bildung des Körnchens, der Faser und der Platte, so ist sogleich einleuchtend, dass der Niederschlag einer amorphen Substanz als Körnchen erscheinen muss, wenn die Fällung desselben unter Umständen geschieht, welche entweder das Zusammenkleben zweier in unmittelbarer Nachbarschaft niederfallender Massen verhüten, oder wenn die Lösung, aus der die Fäl- lung entsteht, in sehr kleinen Tröpfchen, die nicht unmittelbar auf einan- der folgen, in das fällende Medium einströmt. — Die Faser muss dage- gen zu Stande kommen, wenn sich ein feiner zusammenhängender Strahl von der Flüssigkeit, welche die amorphe Substanz aufgelöst enthält, in die fällende ergiesst, oder wenn die beiden Flüssigkeiten an einer feinen Spalte in Berührung treten. — Die Platte endlich, wenn die Grenzen der beiden aufeinanderwirkenden Flüssigkeiten eine grössere Ausdehnung besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Berührung erfolgt, sodass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Ver- mischung der beiden Flüssigkeiten gehemmt ist. — Diese ganz einfachen Bedingungen werden oft genug erfüllt sein in dem formenreichen Organis- mus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich verschiedenartig zu- Körner, Fasern, Platten. sammengesetzten Flüssigkeiten durchtränkt ist. Nun lehrt aber zu dem noch die anatomische Beobachtung, dass ausser diesen einfachsten Mög- lichkeiten für die bezeichneten Massenanordnungen andere complizirtere bestehen müssen. Denn es sollen plötzlich da Platten oder Fasern auf- treten, wo kurz vorher noch Körnchen vorhanden waren; diese müssen also, indem sie aneinander lagerten, Eigenschaften angenommen haben, die ihr Zusammenkleben ermöglichten; oder umgekehrt, es sollen Platten in Fasern und diese wieder in Körnchen zerfallen, ein Vorgang, der ein Lösungsmittel irgend welcher Art verlangt, welches entweder partiell wirkt, oder welches in der Platte oder Faser einen mit ihrem Ort wech- selnden Widerstand findet, sodass die Auflösung der Faser oder Platte nicht gleichmässig und gleichzeitig vor sich gehen kann. Die thierischen Elementarformen sind nun aber, wie bekannt, meist eigenthümlich angeordnete Platten, Fasern und Körnchen; denn die Platte stellt den Mantel eines kugelartigen, röhrenförmigen u. dergl. Gebildes vor, die Fasern sind zu Bündeln und Netzen zusammengebracht u. s. w. Demnach müssen auch Veranstaltungen getroffen sein, um die Platte und Faser in diese Formen zu prägen. Da es uns hier offenbar zu ermü- denden, breiten und ausserdem auch noch wenig fruchtbringenden Erör- terungen führen würde, wenn wir alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen wollten, so ziehen wir es vor, nur einen Fall, der bis dahin die Anato- men am meisten beschäftigt hat, zu erörtern. Wir meinen die Zellen- bildung. Die Gestalt und die chemische Zusammensetzung der Zellen dieses verbreiteten Formelementes ist so verschieden, dass eine allgemein pas- sende Bezeichnung derselben nur aussagen kann: die Zellen bestehen aus einer dehnbaren, porösen Haut, welche einen kleinen, Flüssigkeit ent- haltenden Binnenraum umgrenzt, dessen verschiedene Durchmesser nicht gar zu beträchtlich voneinander abweichen Um diese noch immerhin vage, aber einzig mögliche Definition zu zertrümmern, hat man neuer- lichst angefangen, noch das Bläschen und die Zelle zu trennen. Man setzt den Unterschied dieser beiden in die Eigenschaft, dass das Bläschen ein in der Zeit unveränderliches, die Zelle ein veränderliches, entwicklungsfähiges Gebilde sei. Mit diesem Kennzeichen ist aber nichts ge- than, wenn nicht zugleich bewiesen wird, dass der Grund für dieses verschiedene Verhalten in der Zelle selbst gelegen sei. Denn dann könnte man auch zwei Stücke reinen Eisens für verschie- den erklären wollen, wenn man die Absicht hegte, das eine in luftfreies Wasser und das andere in Salpetersäure zu werfen. . — Die Anatomen geben an, beobachtet zu haben, dass an den Orten, an welchen sich Zellen entwickeln, eine grosse Reihe verschiedener Einrichtungen vorhanden sind, welche in innigster Beziehung zu jenem Bildungsakte stehen. 1 ) In einer Flüssigkeit schwimmen feine Tröpfchen einer andern; ein häutiger Nie- derschlag an der Berührungsstelle beider Flüssigkeiten führe zur Zellen- bildung. — 2 ) Eine grössere oder kleinere Menge von Körnchen ballt sich zu einem Häufchen; es erfolge in die Unebenheiten der äussern Begrenzung ein zusammenhängender Niederschlag, und damit würde eine Zelle gebildet sein. — 3 ) Einige Körnchen lagern sich in der Art zu- Bildung der Zelle. sammen, dass sie einen mit Flüssigkeit erfüllten Hohlraum umschliessen; wenn sie verschmelzen, so ist eine Zelle fertig. — 4 ) Fertig gebildete Zellen sind vorhanden, um welche auf der innern und äussern Oberfläche Niederschläge aus der umgebenden Flüssigkeit geschehen, die an der Wand der vorhandenen Zelle entweder gar nicht oder nur an wenigen Punkten haften. — 5 ) Zwei gegenüberstehende Wandungen einer Zelle nähern sich einander, bis sie auf dem Querschnitt die Form einer 8 an- nehmen; trennt sich der eingeschnürte Theil, so sind aus einer zwei Zel- len gebildet worden. Diese anatomischen Erfahrungen decken uns nun in der That nichts anderes auf, als Mechanismen, wie man sie sich nicht naheliegender hätte denken können, wenn man eine Zelle innerhalb einer Flüssigkeit hätte bilden wollen; sie sind in der That zum grössten Theile so einfach, um nicht zu sagen gewöhnlich, dass man unter Berücksichtigung des Scharf- sinns und der Feinheit in allen übrigen Werken der Natur geneigt sein konnte, sie für Erfindungen menschlicher Einbildungskraft zu halten. Gesetzt nun aber, diese Mechanismen bestehen wirklich, so müssen, damit in ihnen die Veranlassung zur Zellenbildung gefunden werden kann, noch eine Reihe chemischer Bedingungen hinzu treten, welche entweder die Fällung einer elastischen Haut ermöglichen, oder die Substanz der zu- sammengeballten Körnchen veränderen. Wir müssen eingestehen, dass uns eine Aufklärung über dieselben in jedem einzelnen Fall noch vollkommen fehlt. Dieses genügt aber nicht, um ihr Bestehen für unmöglich, ja nicht einmal, um es für unwahrscheinlich zu halten. Denn jene Mechanismen sind in Flüssigkeiten enthalten, deren aufgelöste Bestandtheile in stetigen Umwandlungen begriffen sind, welche sich sehr häufig mit Veränderungen des Aggregatzustandes paaren. Die hieraus fliessende Wahrscheinlichkeit wird aber noch wesentlich erhöht durch den Umstand, dass die Zellen- bildung gewöhnlich, wo nicht immer, an Orten vorgeht, an denen zwei verschiedene Flüssigkeiten durch eine Haut getrennt sind, welche nur sehr allmählig die Vermischung beider zulässt. Bei dieser Auffassung der Dinge gewinnt auch die Erfahrung Bedeutung, dass in Flüssigkeiten, in denen man ihrer chemischen Zusammensetzung nach eine Entstehung von Zellen erwarten sollte, diese doch nur dann eintritt, wenn andere noch in Veränderung begriffene Zellen in sie gelangen. Denn mit der Einführung dieser letzteren ist eben die Möglichkeit einer eigenthümlichen chemischen Umwandlung von beschränkten Herden aus gegeben. Die anatomische Erfahrung lehrt nun weiter, dass die einmal ent- standene Zelle nicht unter allen Umständen ihre erste Form bewahrt, sondern dass sie dieselbe unter gewissen Bedingungen verändert, wie dieses namentlich unter dem Einfluss bestimmt vorgezeichneter Tempera- turgrade und einer ebenso bestimmten chemischen Zusammensetzung der Ludwig, Physiologie. II. 11 Veränderung der fertigen Zelle. sie umspülenden Flüssigkeiten geschieht. Diese Veränderungen, worin sie auch bestehen mögen, lassen sich, so weit sie die Zellenhaut angehen, zurückführen auf einfaches Aufquellen, auf eine totale oder partielle Auf- legung neuer Stoffe oder auf eine partielle oder totale Auflösung derselben. Im Inhalt dagegen können neue Formbestandtheile entstehen, früher be- standene untergehen, oder es kann der flüssig gebliebene Inhalt sich meh- ren oder mindern. So bemerkenswerth, um nicht zu sagen sonderbar, die Umwande- lungen oft genug ausfallen, so stellt sich doch nirgends einer Erklä- rung derselben aus den gewöhnlichen Molekularkräften eine prinzipielle Schwierigkeit entgegen. Man weiss allgemein, dass die Wandungen nie- mals aus einer einzigen stabilen chemischen Verbindung aufgebaut sind, sondern dass sie jedesmal ein Gemenge aus festen und flüssigen Massen zugleich darstellen; ihre festen Massen sind von Flüssigkeit durchtränkt. Warum soll also eine Zelle sich nicht ausdehnen können, wenn in ihren Flüssigkeiten Niederschläge erfolgen? In der That lag diese Hypothese für die Erklärung der einfachen und allseitigen Vergrösserung der Zellenhaut so nahe, dass Schwann , dem wir so viele anatomische Entdeckungen über die thierischen Elementartheile verdanken, nicht allein sogleich auf sie verfiel, sondern sie auch zugleich so wahrschein- lich zu machen wusste, dass dieselbe allseitig Eingang gewann. — Für die Erklärung der partiellen Lösungen oder Auflagerungen ist uns frei- lich keine Hypothese von ähnlicher Tragweite und Einfachheit bekannt, aber jedenfalls ist doch einzusehen, dass die chemische Natur der Haut, wenn sie auch ursprünglich überall dieselbe war, doch mit der Zeit von Ort zu Ort variabel werden kaun . Denn die Haut hat doch immer- hin eine endliche Ausdehnung, mag dieselbe auch sehr klein sein; dazu ist sie in allen uns bekannten Fällen, in denen sie eine theilweise Veränderung erfährt, so gelagert, dass die Einflüsse, welche die eine oder andere Stelle erfahren müssen, nothwendig verschieden sind von denjenigen auf alle übrigen. Denn sie sitzen, durch Adhäsion ver- bunden, in anderen Geweben fest und kehren verschiedenen Flächen Ge- webstheile von untereinander abweichender Zusammensetzung zu. Diese Darlegung zeigt uns zur Genüge, wie nothwendig neue Unter- suchungen über die Entstehung und Weiterbildung der Zelle sind. Sollen diese aber mit Erfolg angestellt werden, so müssen Beobachtung und Versuch sich die Hand reichen. Die Beobachtung der Anatomen muss vor Allem darauf ausgehen, noch schärfer als bisher die Formfolge fest- zustellen, indem sie einmal die Zahl der zeitlichen Beobachtungen, welche ein und dasselbe Gebilde betreffen, vervielfältigt, so dass man in Wahr- heit sicher sein kann, alle Uebergangsstufen gesehen zu haben, welche bei der Umformung der einen in die andre Gestalt zum Vorschein kom- men, dann aber muss sie aus der Lage oder irgendwelchen andern Umstän- Gedanken über die Art der Entstehung den Kennzeichen für das relative Alter eines Zellenindividuums aufdecken. Denn da man gewöhnlich an einem und demselben Orte Zellen findet, welche von ähnlichen Ausgängen zu sehr verschiedenen Endpunkten ge- langen, so bleibt der Willkühr oft genug die Verknüpfung der Formen untereinander überlassen. Kein einsichtiger Anatom wird die Bedeutung dieser Anforderungen unterschätzen. — Die chemische Beobachtung, welche an diesem Punkte noch alles zu leisten hat, wird gleichzeitig mit der Stofffolge in einem seiner Form nach veränderlichen Gebilde auch alle die Umwandlungen zu studiren haben, welche die umspülenden Flüs- sigkeiten während dieser Zeit erleiden. — Die Befriedigung solcher An- forderungen, welche sich sehr bequem aussprechen aber sehr schwer er- füllen lassen, würde aber nach unsern jetzigen Einsichten noch nicht einmal genügen, um eine vollendete Entwickelungstheorie aufzustellen, vor- ausgesetzt, dass sie, wie billig, uns Aufschluss geben sollte, in wie weit und in welcher Art und Weise jede der vorhandenen chemischen und mechanischen Bedingungen sich an einer jeden Form- oder Stoffverände- rung betheiligte. Dieses könnte offenbar nur durch einen Versuch gelöst werden, welcher willkührlich an den ursprünglich gegebenen Formen und Stoffen ändert und daraus entspringende Entwickelungsabweichungen feststellt. Die Nothwendigkeit des Versuchs wird um so mehr erkannt werden, wenn man die Möglichkeit erwägt, dass unter den zahlreichen Stoffen und Formen, welche gleichzeitig in den Orten vorhanden sind, die wir Entwickelungsstätten nennen, mannigfache vorhanden sein können, welche sich einer gerade eingeleiteten Zellenbildung gegenüber ganz gleich- giltig verhalten. Diese Beobachtungen und Versuche können selbst dem nicht voll- kommen überflüssig erscheinen, welcher behauptet, dass die anziehenden und abstossenden Kräfte der Masse bei der Zellenentwickelung beherrscht werden durch ein regulatorisches Prinzip, durch eine Lebenskraft. Denn diese selbst, mag sie wirken wie sie will, geht doch nur als eine be- sondere Bedingung in einen Prozess ein, in dem neben ihr noch viele andere thätig sind. Dieses kann um so weniger geläugnet werden, als es eine allbekannte Erfahrung ist, dass schon sehr zarte Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung aller zur Zellenbildung verwendeten Flüssigkeit, wie namentlich in ihrem Gehalt an CO., Salzen, Wasser u. dergl., im Stande sind, die Zellenbildung ganz zu hemmen, oder min- destens sehr zu modifiziren. Die Vertheidiger der Lebenskräfte, jener Kräfte, welche die Form der Zelle abhängig machen von einem instinktiven, den organischen Gebilden eingeborenen Willen, werden aber vielleicht die von einer einfacheren und strengeren Gedankenfolge vorgeschlagenen Versuche für zu mühselig halten im Vergleich zu dem aus ihnen bevorstehenden Erwerb. Sie werden uns vorhalten, dass ein und dieselbe wie es scheint überall gleich- artige Zelle oft genug nur an beschränkten Theilen ihres äussern oder innern 11* und Veränderung der Zelle. Umfangs Veränderungen erleidet, obwohl sie an allen Orten von einer gleich zusammengesetzten Flüssigkeit umspült werde. Steht eine solche Thatsache fest, so wird man es immer erst noch zu gewärtigen haben, ob nicht schon bei der ersten Bildung jene nachträglich besonders ver- änderten Stellen durch eigene Anordnungen bevorzugt waren, welche viel- leicht weder durch die chemische Zerlegung noch durch das Mikroskop festgestellt werden können. Denn diese Hilfsmittel sind auch nicht be- fähigt, die abweichende Lagerung der Molekeln in zwei aufeinander senkrechten Krystallachsen ans Licht zu bringen, und doch ist diese vor- handen und in zahlreichen Fällen von bedeutendem Einfluss auf physika- lische Vorgänge. — Der Theoretiker aus der alten Schule wird uns ferner entgegensetzen, dass gewisse Zellen sehr verschiedener Thiere in ihrer Ent- wickelung sehr annähernd dieselbe Formfolge durchlaufen; und dass um- gekehrt bei einem und demselben Thiere in einem und demselben Organe zwei aneinander grenzende Gebilde, die ursprünglich einander sehr ähn- lich, wenn nicht gleich, waren, doch ganz verschiedene Formfolgen wäh- rend des Lebens erfahren. Er wird in diesen allerdings sehr gewöhnlichen Vorkommnissen den Beweis finden, dass die Formbildung von den um- spülenden Säften vollkommen unabhängig sei. Diese Thatsachen erlauben aber noch andere viel näher liegende Deutungen; wer weiss nicht, dass die verschiedensten Componenten zu ganz denselben Resultirenden füh- ren können. Und wenn dieses der Fall, so muss es auch möglich sein, dass Frosch und Menschen trotz aller Abweichung ihrer Ernäh- rungssäfte Deck- und Drüsenzellen und Tochterformen derselben von an- nähernd gleicher Form erzeugen. — Wenn aber umgekehrt die ursprüng- lich ganz ähnlichen Gebilde eine verschiedene Formfolge erfahren, so beweist dieses nur, dass dem Organismus eben so zahlreiche als feine Hilfsmittel zu Gebote stehen, um auf beschränktem Raume zahlreiche chemische Prozesse einzuleiten, ohne dass sie sich gegenseitig stören oder gar aufheben. In dem Ei, einer chemischen Werkstätte von rela- tiver Einfachheit, ist doch schon ein so häufiger Wechsel von Fetten und in Wasser löslichen Bestandtheilen gegeben, in ihm geht wegen der ge- ringen Diffussibilität seiner Bestandtheile eine so langsame Ausgleichung chemischer Differenzen von Statten, dass es uns nicht auffallen kann, wenn sich an dem einen Ende desselben durch das Eindringen von Wärme oder Flüssigkeiten Produkte bilden, welche dem andern Ende fehlen. Wie viel leichter muss dieses aber in einem Organe möglich sein, das aus zahlreichen Zellen, Fasern und Röhren gebaut ist und dazu noch in mikroskopischen Zwischenräumen von Blut- und Lymphgefässen durchzogen wird. Welche Widerstände werden die vielen Häute der Verbrei- tung eines eindringenden und neugebildeten Stoffes entgegensetzen, und wenn diese endlich überwunden sind, so wird der diffuntirte Stoff von den Epithelien. Blut- und Lymphgefässen aufgeleckt und aus den Organen ganz entfernt werden. Bedenkt man, dass die in unmittelbarer Berührung mit den Ge- fässen befindlichen Gewebstheile von dem Blute ganz anders angegriffen werden müssen, als die entfernteren, zu welchen die Blutflüssigkeit erst gelangen kann, nachdem sie andre auf ihre Zusammensetzung verändernd wirkende Atomhaufen durchsetzt hat; bedenkt man ferner, wie langsam die meisten chemischen Umwandlungen im Organismus geschehen und wie häufig aus denselben unlösliche Produkte hervorgehen; erwägt man endlich, dass wegen der schlechten Leitungsfähigkeit der thierischen Ge- webe für Wärme und Elektrizität in nahe aneinander grenzenden Partien höhere und niedere Temperaturen, schwächere und stärkere Ströme mit einander wechseln können, so wird es unsere Verwunderung nicht mehr erregen, dass solche Unterschiede in den Wirkungen scheinbar gleicher Einflüsse zum Vorschein treten. — Der Anhänger der Lebenskraft wird endlich darauf hinweisen, dass trotz alle dem doch immer noch tausender- lei räthselhaft bleibt; warum beschränkt sich das Wachsthum der Ele- mentarformen auf mikroskopische Grenzen? warum ordnen sich ganz analoge Zellenformen in der ersten Entwickelung zu Gruppen von den verschiedensten Formen und Grössen an und geben damit Veranlassung zur Entstehung der Organe? und was dergl. Dinge mehr sind, die wir heute nur anstaunen aber nicht deuten können. In der That, jeder, der vor den ungeheuren Schwierigkeiten, welche hier zu überwinden sind, nicht muthlos die Arme sinken lässt, kann nicht zweifelhaft sein über den Weg, welchen er demnächst zu betreten hat. Auf der einen Seite steht eine Hypothese, welche nichts erklären kann und will, weil sie die Gewebsbildung von vorne herein der Wirkung gewöhnlicher Naturkräfte entrückt, auf der andern die Aussicht, durch mühevolle Arbeit einzudringen in die verschlungenen Wege der thieri- schen Kräfte, mit der Gewissheit, dass mit dem erreichten Ziele uns entweder die volle Herrschaft gegeben ist, die organischen Prozesse zu leiten nach unserm Belieben, oder dass uns mindestens die Klarheit ge- worden, wie die Natur jene Formen bildet und umbaut, welche uns aufgedeckt wurden durch die vereinten Bemühungen eines reichen Kran- zes von hervorragenden Anatomen, deren Reigen durch C. v. Bär, Pur- kinje, J. Müller, E. H. Weber, Schwann, Henle, Bischoff und Kölliker angeführt wird. Spezieller Theil. Oberhäute, Epithelien . Die anatomischen Elemente der Oberhäute sind Zellen, deren Form sich der kugeligen, cylindrischen oder plattenartigen annähert. Geschichtete Pflasterhäute . Sie bedecken die Cutis und die Fortsetzungen derselben in die Mund-, After-, Harn- und Geschlechtsöffnung. Anatomischer und chemischer Bau der Epithelien. 1. Anatomische Eigenschaften Krause , Haut in Wagner’s Handwörterbuch. II. Bd. — Harting , Recherches mikrome- triques. Utrecht 1845. p. 47. — Kölliker , Mikroskop. Anatomie. II. Bd. 1. Abth. p. 45. — Henle , Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1850. p. 20. . Um ihre Aufhellung hat sich Henle besondere Verdienste erworben. Die geschichteten Pflasterhäute enthalten cylindrische, kugelige und plattenförmige Zellen. Die zuerst genannte Formation, welche meist mit länglichen Kernen versehen ist, sitzt unmittelbar auf der Cutis auf (Kölliker) . Ueber dieser finden sich mehrere Lagen von kleinen Kugelzellen, die immer einen relativ grossen Kern einschliessen, welcher nahebei den ganzen Binnenraum der Zellen ausfüllt; in den noch weiter nach aussen gelegenen Schichten trifft man dann grössere Zellen, deren Form die Mitte hält zwischen der Ku- gel und Platte, und endlich sind die äussersten Lagen aus Plättchen ge- bildet; der geringe Binnenraum in diesen platten Zellen ist durch einen Kern ausgefüllt, welcher an Grösse den der kugeligen kaumü bertrifft. — Zwischen den Zellen der tieferen Schichten findet sich noch etwas Flüs- sigkeit ergossen, die zwischen den oberflächlicheren fehlt. Die Gesammtzahl der Zellen, welche in einem senkrecht gegen die Cutis geführten Schnitte übereinander liegen (oder die Dicke der Epider- mis), und ebenso die Verhältnisszahl zwischen cylindrischen und kugeli- gen einerseits und plattenförmigen andererseits ist veränderlich mit den Hautstellen, deren Bedeckung sie bilden. Diese mit dem Standort veränderlichen Verhältnisse prägen sich schon im fötalen Leben aus (Al- bin, Krause) , so dass sie als eine Folge der eingeborenen Bildungs- mechanismen angesehen werden müssen. Die Messungen von Krause, Kölliker und Wendt stellen heraus, dass die Dicke der gesammten Oberhaut am mächtigsten in der Fusssohle und den Handtellern, am ge- ringsten an dem Kinn, den Lippen, der Stirn, den Wangen, den Augen- lidern und dem äussern Gehörgang ist. In einzelnen Fällen übertrifft die Zahl der übereinander geschichteten Cylinder und Kugelzellen (rete Malpighi) diejenige der plattenförmigen (Hornschicht); für gewöhnlich gilt jedoch das umgekehrte. Die Grösse der einzelnen Zellen ist unabhängig vom Lebensalter, diejenigen des Neugeborenen sind eben so gross wie die des Erwachsenen. Harting . 2. Chemische Zusammensetzung Mulder , Versuch einer allgemeinen physiolog. Chemie, Braunschweig. p. 548. . Die vorliegenden Untersuchun- gen beziehen sich vorzugsweise auf die Hornschicht; die aus ihnen ge- wonnenen Resultate genügen nicht, um eine Vorstellung über die quali- tative, geschweige denn über die quantitative Zusammensetzung zu gewinnen. a. Hornschicht. Kaltes Wasser zieht aus derselben eine salzhaltige, sauer rea- girende Flüssigkeit aus, welche nach ältern Analysen aus Verbindungen von Ammo- niak, Natron, Kali, Eisenoxyd mit Essigsäure, Milchsäure, Phosphorsäure und Chlor bestehen sollen (Berzelius) . Kochendes Wasser löst unter Schwefelwasser- Quellungserscheinungen der Epithelien. stoffentwicklung einen leimartigen Körper auf ( John ); Alkohol und Aether entziehen ihm Fett. — Die nach dieser Behandlung zurückbleibende Masse (der sog. Hornstoff) gab bei der Verbrennungsanalyse von Scherer und Mulder in 100 Theilen: C 50,3; H 6,7; N 17,2; O 27,0; S 0,7. — Dass diese Zahlen nicht die Zusammensetzung einer geschlossenen Atomgruppe angeben, folgert sich daraus, weil durch Behandlung mit Kali und ebenso durch Ammoniak und Salpetersäure die analysirte Zellenmasse in drei verschieden reagirende Stoffe zerlegt werden kann Mit Salpetersäure gewinnt man die sog. Xanthoproteinsäure (Bd. I. p. 40.) aus derselben; bei der Auflösung der Epidermiszellen in Kali bildet sich SH und NH 3 und ein durch Essigsäure fäll- barer, dem Protein nach prozentischer Zusammensetzung und Reaktionen ähnlicher Stoff. Beim Verbrennen entwickeln sie den Geruch eiweissartiger Stoffe. Aus allem diesen ist der Schluss erlaubt, dass die Hornschuppen einen zur Eiweissgruppe gehöri- gen Bestandtheil enthalten. — Die verbrannten Hornzellen hinterlassen eine Asche, welche bis zu 2 pCt. der trockenen Substanz ausmacht und aus 3 CaO PO 5 und Fe 2 O 3 besteht. b. Von den Zellen der Schleimschicht wissen wir, dass sich ihre Hüllenmem- branen im Gegensatz zu denen der Hornschicht (mit Hinterlassung des Kerns) in kalter Essigsäure nuflösen. 3. Quellungserscheinungen Krause , l. c. 153. — Kölliker , l. c. p. 59. . Reines Wasser dringt sehr schwierig in die Epidermis ein; legt man dickere Stücke derselben in Wasser, so findet man selbst nach tagelanger Einwirkung nur die obersten Lagen der Hornschicht aufgeweicht. In einer auf diese Weise behandelten Deckhaut ist der Zusammenhang zwischen den Zellen gelöst, der Umfang dieser letzteren selbst aber nur um ein Unbedeutendes vergrössert. — Bindet man einen mit Epidermis bedeckten Hautlappen über die eine Mündung eines Glasrohrs und füllt dieses letztere bis zu beträchtlichen Höhen mit Wasser an, so dringt dieses durch die Lederhaut und hebt die Epidermis von derselben ab, so dass sich die letztere in Form einer Blase auftreibt. — Als endosmotische Scheidewand aufgestellt, verwehrt die Epidermis, so weit wir wissen, durchgreifend die Ausgleichung zwi- schen Wasser und wässerigen Salzlösungen; sie erlaubt dieselbe dagegen zwischen Wasser und verdünnten Säuren; wie zwischen Alkohol, alko- holischen oder ätherischen Salzlösungen und Wasser; in beiden Fällen geht der stärkere Strom vom Wasser zum Alkohol ( Krause ). Die Epidermis ist im trocknen und feuchten Zustand für Gase jeder Art durchgängig, Krause reinigt die zur Filtrations- oder Diffusionsmembran angewendete Epider- mis mit Wasser, Seife und Aether; es könnte auffallend erscheinen, dass die Schweiss- kanälchen (die von ihm angewendeten Stücke waren aus dem Handteller genommen) sich nicht eröffnet und einen raschen und beliebigen Diffusionsstrom erlaubt haben. Dieses ge- schah wahrscheinlich darum nicht, weil Krause den Flüssigkeitsdruck auf der einen Seite höher, als auf der andern machte, wodurch die schief laufenden Gänge zusam- mengepresst werden. Ueber den Durchgang der tropfbaren und gasartigen Flüssigkeiten durch die unverletzte Epidermis des lebenden Menschen in die Flüssigkeiten Durchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden. resp. die Blutgefässe der Cutis, sind zahlreiche Versuche von Aerzten Die älteren Beobachtungen von Young, Madden, Collard, Emmert u. s. w. siche bei Krause l. c. Ausserdem Oesterlen in Henle ’s und Pfeufer ’s Zeitschrift. V. Bd. 434. angestellt. Der Unterschied zwischen diesen und den erwähnten Versuchen von Krause leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die endosmotische Scheidewand zwischen den auf die Körperoberfläche gebrachten Stoffen und den in der Lederhaut enthaltenen Flüssigkeiten offenbar nicht mehr allein dargestellt wird durch die Epidermis, sondern dass auch durch die mit Schweiss und andern Flüssigkeiten erfüllten Schweisskanälchen die Ausgleichung erfolgen muss. — Die hierhergehörigen Versuche bie- ten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sich für gewöhnlich mit einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche wohl etwas über das Zustandekommen, nichts aber über die Geschwindigkeit des Durch- gangs der betreffenden Substanzen aussagte. — Aus den vorliegenden Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass von aussen nach innen eindringt: Wasser, und zwar laues besser als heisses, die in der Fleisch- brühe und Milch gelösten Stoffe (?), verdünnte Schwefel-, Salz-, Salpeter- säure, verdünnte Lösungen von Chlorbaryum, Brechweinstein, Quecksil- berchlorid, Blutlaugensalz, Jodkalium, Crotonöl, aromatische Oele, Can- tharidin, Jod und Quecksilber. Umgekehrt gehen aus der Haut in ein Wasserbad über Kochsalz; nach Barral hatte ein Bad aus 174 Kilogr. von 37 ° C. während einer Stunde 1 Gr. dieses letztern Salzes aus der Haut ausgewaschen. Dem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut in Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand entgegen, als die von ihr losgelöste. Der Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen lässt sich jedesmal leicht feststellen, wenn er im Beginnen des Versuchs entweder im Or- ganismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die che- mische Reaktion meist genügende Hilfsmittel, und wo diese nicht mehr anwendbar, tritt oft eine physiologische an ihre Stelle; dieses gilt z. B. unter den oben ange- führten Stoffen für Crotonöl, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigen- thümliche Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis für den Ueber- tritt solcher Stoffe, welche schon im Organismus vorkommen, oder gar die genaue quantitative Bestimmung der übergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie z. B. die des übergehenden Wassers, muss man entweder Gewichtsverlust des Bades oder die Gewichtszunahme des thierischen Körpers feststellen. Beide Wägun- gen sind aber mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn einmal nimmt der mensch- liche Körper während des Bades auch an Gewicht ab durch die Lungenausdünstung, diese müsste also während des Bades bestimmt werden, was bis dahin noch nicht geschehen ist, und nächstdem möchte man einem Menschen wohl schwerlich die Haut gerade soweit wieder abzutrocknen im Stande sein, wie vor dem Bade. Die Wä- gung des Bades führt Unsicherheit ein, wegen der Verdunstung der Flüssigkeit wäh- rend des Abtrocknens, des Hängenbleibens derselben an der Haut u. s. w. 4. Auch ohne dass eine besondere Untersuchung vorliegt, können Ernährung der Epidermis. wir behaupten, dass die Epidermis ein schlechter Wärmeleiter sei; Elek- trizität leitet sie nur, insofern sie Wasser enthält; also leitet eine sog. feuchte Haut besser als eine trockene und eine warme besser als eine kalte ( E d. Weber ) Quaestiones physiologicae de phaenom. etc. 1836. . 5. Von der Ernährung der Epidermis. — Den Muttersaft der Pflaster- zellen liefern die oberflächlichsten Gefässe der Cutis. Aus ihm entstehen zunächst die Zellen, welche in den tiefsten Schichten der Oberhaut ent- halten sind. Der Beweis hierfür liegt in der bekannten Erfahrung, dass eine Lücke, die man in die Epidermis geschnitten, sich nicht dadurch ausfüllt, dass auf der freien Oberfläche der Lücke neue Zellenlagen ent- stehen, sondern in der Weise, dass sich der Boden derselben allmählig erhebt, durch einen von der Cutisoberfläche her erfolgenden Nachschub von Zellen. — Die Ursachen der Absonderung jenes Bildungssaftes sind uns unbekannt, und nicht minder die Zusammensetzung der primären Flüssigkeit. — Zwischen der Absonderungsgeschwindigkeit des Mutter- saftes und der Zellenbildung scheint das Abhängigkeitsverhältniss zu be- stehen, dass sich nur bis zu einem gewissen Grade die Bildung neuer Zellen mehrt mit der Menge der abgesonderten Flüssigkeit; steigert sich die Absonderungsgeschwindigkeit noch weiter, so hört alle Bildung von Epidermis auf. — Diesen Satz stützen wir damit, dass eine Erwei- terung der Capillarengefässe in der Cutis, also eine vermehrte Spannung des Bluts in ihnen, wie wir sie gewahren nach gelindem Druck, höhe- ren Erwärmungen u. dgl., die Epidermisbildung mehrt (Schwielen der Hand- und Feuerarbeiter); eine weiter getriebene Ausdehnung der Ge- fässe, die in kurzer Zeit den Austritt grösserer Mengen von Flüssigkeit zur Folge hat, hebt dagegen die Epidermis ab, und in der Blasenflüs- sigkeit entstehen keine Epithelien; ihre Bildung beginnt erst wieder mit dem Austrocknen der Blase. In der That scheint ein grosser Theil der oberhautbildenden Mittel der Aerzte die Aufgabe zu haben, das Maass der Absonderung zu regeln, indem sie entweder auf die Erhöhung des Elastizitätscoeffizienten der Gefässhäute (Blei-, Silbersalpeter) oder auf die Verringerung des Gefässdurchmessers (Einwickelungen) einwirken. — Der chemische und mechanische Vorgang, der die Ueberführung der Flüssigkeit in die Zelle bedingt, ist unbekannt. Man behauptete mit Rücksicht auf den letztern früherhin, dass aus dem Muttersaft zuerst aus irgend welchem Grunde Zellenkerne entständen, welche sich mit einer Haut umhüllten; neuerlichst bestreitet man dieses und setzt an die Stelle der alten Hypothese eine andere, wonach die tiefsten, cylindrisch geform- ten Zellen sich an ihrem freien, von der Cutis abgewendeten Ende ab- gewendeten Ende abschnüren und damit zur Entstehung der kleinen Kugelzellen Veranlassung geben sollen. Die Gründe für die Feststellung Nagel. der einen oder andern Formfolge sind aber noch wenig befriedigend. Es wäre wünschenswerth, die Epithelialbildung auf vernarbenden Wunden genauer zu studiren. — Die Zellen der Hornschicht gehen unzweifelhaft aus denen der Kugelschicht hervor, was sich ohne Weiteres durch die Lagerungsverhältnisse beweisen lässt. Man stellt sich das Zustandekom- men der Abplattung in der Weise vor, dass die im Zellenraume enthal- tenen löslichen Bestandtheile allmählig unlöslich würden, und das Wasser durch Diffusion oder Verdunstung entfernt würde. Gesetzt, diese Mei- nung wäre bewiesen, so müsste nun noch gezeigt werden, warum das Zusammenfallen der Wand in der Richtung des Dickendurchmessers der Oberhaut erfolgt. — Unerklärt ist es ferner, woher der Zusammenhang der Zellen rührt; nachweislich schuppen sich (durch Verlust dieses Zu- sammenhangs) unter gewissen, nicht näher bestimmten Umständen die oberflächlichsten Lagen leichter ab. Aus dem Verhältniss zwischen Neu- bildung und Abschuppung ist natürlich auch die Dicke der Epidermis an den verschiedenen Körperregionen zu erklären. In diesem Sinne ist es auch bemerkenswerth, dass aller Orten eine Grenze für die Dicke der Epidermis besteht, und dass eine über das Normale gehende Dicke der- selben, wie wir sie bei Schwielenbildung beobachten, wieder auf den gewöhnlichen Werth herabsinkt, wenn die Ursachen verschwinden, welche eine reichlichere Absonderung des Muttersaftes veranlassten. — Ob in der ausgewachsenen Plattenzelle auch Stoffumsatz geschieht, wissen wir nicht; es ist aber kaum wahrscheinlich, da die Plättchen so schwer und nur unter ganz besondern Bedingungen der Fäulniss anheimfallen. Nägel . 1. Anatomische Eigenschaften. Der Nagel ist ein Gebilde aus Zel- len von derselben Form und Anordnung wie in den geschichteten Pflaster- häuten. Vor diesen ist er ausgezeichnet einmal durch das Verhältniss zwischen der Dicke der Horn- und Schleimschicht, indem an den Nägeln die erstere die letztere ganz ausserordentlich übertrifft, und dann da- durch, dass die Zellen in der Hornschicht des Nagels noch trockner, fester und inniger mit einander vereinigt sind. 2. Chemische Eigenschaften. Am Nagel ist bis dahin nur die Horn- schicht untersucht; ihre Eigenthümlichkeiten stimmen im Allgemeinen mit denen der Pflasterhaut überein. Der sog. Hornstoff des Nagels besteht nach Scherer und Mulder in 100 Thei- len aus C 51,0; H 6,9; N 17,5; O 21,7; S 2,8. Sein Sgehalt ist also dem der Epi- dermis überlegen; verbrannt hinterlässt er 1 pCt. Asche aus 3 CaO PO 5 . 3. Von der Ernährung. — Die Bildung des Nagels geht nur dann vor sich, wenn ein besonders geformter Boden der Cutis, der Nagelfalz und das Nagelbett, vorhanden ist. Diese Einrichtung, worin auch sonst noch ihre Wirkungen bestehen mögen, hat jedenfalls die Folge, dass die neugebildeten Zellen sich durch das Entgegenwachsen von zwei verschie- Einfachere Deckhäute. denen Seiten her zusammenpressen. Durch die Aufschichtung von Zellen im Falz wird die Längenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum Theil mindestens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. We- ber ). — Nach Berthold A. Berthold , Beobachtungen über das quantitative Verhältniss der Nagel- und Haarbildung. Göttingen 1850. wachsen die Nägel in der Jugend und im Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand mehr als an der linken; unter allen Fingern geht am mittleren das Wachsthum am ra- schesten und in abnehmender Reihenfolge am Ring-, Zeige-, Ohrfinger und Daumen vor sich. Schneiden der Nägel befördert die Zellenneubil- dung; wenn man dieselben niemals verkürzt, so erreichen sie eine be- stimmte, nicht weiter veränderliche Länge. Beispielsweise sei erwähnt, dass sich nach Berthold der Nagel in 11 Tagen um etwa 1 MM. verlängert. An diese Pflasterepithelien vollkommenster Ausbildung schliessen sich nun eine Reihe anderer Oberhäute an, welche entweder nur aus einer oder aus mehreren der beschriebenen Zellenformen zusammenge- setzt sind. Die einfachsten Oberhäute sind die einschichtigen; sie be- stehen immer nur aus einer Lage und zwar entweder aus platten, wie z. B. in den serösen Häuten, oder aus cylindrischen Zellen, wie im Darmkanal u. s. w. — Die complizirteren enthalten dagegen entweder kugelige und cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, ku- gelige und platte (Mundschleimhaut). Die letztern, welche der Epidermis am nächsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch, dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug der pap. filiformes als dünne Hornschüppchen erscheinen. Unsere chemische Kenntniss dieser Gebilde sagt aus, dass sie unter dem Mikroskop annähernd dieselben Erscheinungen bieten, wie die Epi- dermiszellen. Nach Gorup Journ. für prakt. Chemie. 39. Bd. p. 244. enthält das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wallfische 2,5 pCt. Schwefel, also so viel wie die Nägel des Menschen; ob dieses auch für die Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt? Die Durchdringbarkeit der weniger ausgebildeten Oberhäute für gas- förmige und namentlich flüssige Stoffe ist viel beträchtlicher als die der Epidermis; am leichtesten durchgängig sind diejenigen, welche nur aus einer Zellenlage bestehen; zum Theil mag dieses daher rühren, dass in den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen Poren gelegen sind, die der Diffusion weniger Widerstand bieten, zum Theil aber sind die Zellen selbst leicht durchgängig, wie die Cylinder des Darms, die freilich auch besondere Einrichtungen zeigen (siehe hierüber Auf- saugung im Darmkanal). Die Wachsthumserscheinungen der einfachen Epithelien sind unbekannt. Bemerkenswerth ist es nur, dass sich Flimmerhaare. auch Uebergangsstufen zwischen den kugeligen und den cylindrischen Zel- len finden. Die kugeligen Zellen sollen sich durch Theilungen fortpflan- zen können Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 1852. p. 343. . Flimmerhaare . Auf einzelnen Standorten tragen die Pflaster- und Cylinderzellen gegen ihre freie, von Flüssigkeit oder Luft begrenzte Fläche feine weiche, haarförmige Anhänge, die Wimper- oder Flimmerhaare. Diese Haare sind unter gewissen Umständen, und namentlich wäh- rend ihres Aufenthaltes im lebenden Körper in einer Bewegung, bei der ihre Spitze ungefähr ein Viertel von der Peripherie eines Kreises zurücklegt, welcher mit der ganzen Länge als Radius beschrieben wird. Genauer betrachtet, verhält sich nun diese Bewegung so, dass ein Haar, welches so eben senkrecht gegen den Boden, auf dem es eingepflanzt ist, stand, plötzlich zusammenknickt und sich dabei mit seiner Spitze gegen den Boden biegt, kaum hier angelangt, wieder aufsteht, um von Neuem die ebenvollendete Bahn umgekehrt zu durchlaufen. Diese Bewegungen fol- gen sehr rasch aufeinander, so dass namentlich an den Wendepunkten keine Zeiten des Stillstandes zu beobachten sind, und nicht minder wer- den die Bewegungen rasch vollendet, indem nach den Messungen von Valentin und Krause ein Haar zu einem Auf- und Niedergang 0,2 bis 0,8 Sec. nöthig hat. — Die Kraft, mit welcher die Schwingung ge- schieht, ist nicht nach beiden Richtungen gleich, sondern nach der einen bedeutender als nach der andern. Dieses erkennt man aus der einsei- tigen Strömung, welche das flimmernde Haar in einer sie bedeckenden Flüssigkeit zu erzeugen vermag, eine Strömung, welche statt einer ein- seitigen offenbar ebenfalls eine pendelnde sein müsste, wenn die Stösse, welche ihr von dem Haar nach den verschiedenen Richtungen hin mit- getheilt würden, an Kraft einander gleich kämen. — Die Richtung der Schwingung ist zwar nicht auf den Zellen verschiedenen, wohl aber auf denen desselben Standortes gleich, sodass alle Haare der Bronchial-, der Tubenschleimhaut u. s. w. immer nach derselben Seite hin zusammen- fallen und somit auch aufstehen. Von den Haaren auf den Epithelien der Muschelkiemen behauptet Valentin je- doch das Gegentheil, sie sollen unter Umständen plötzlich ihre Schwingungsrichtung ändern. Die Beschleunigung der Bewegung ist nach den Beobachtungen von Purkinje, Valentin, Sharpey und Virchow Valentin , Lehrbuch der Physiologie. III. a. 19 u. b. 611. — Virchow ’s Archiv. VI. Bd. abhängig 1 ) von der chemischen und mechanischen Unversehrtheit des einzelnen Wimper- haars; ist diese erhalten, so kann die Zelle von ihrem natürlichen Stand- ort entfernt, oder gar bis zur Zerstörung der benachbarten Haare ver- stümmelt sein, ohne dass die Bewegung erlischt. — Wird dagegen das Beschleunigung ihrer Bewegung. Haar durch conzentrirte Säuren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w. zerstört, so ist die Befähigung zur Bewegung verloren; sie kehrt nament- lich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar wie- der aufweicht. — 2 ) Die Schlagfähigkeit der Haare auf solchen Zellen, welche aus ihrem natürlichen Standort entfernt sind, wird verlängert, wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verdünntem Hühnereiweiss auf- gehoben werden. — 3 ) Die verlangsamte oder auch kurze Zeit erlo- schene Bewegung kann wieder belebt werden durch verdünnte Kalilauge. ( Virchow ). — Die verlangsamte Bewegung soll wieder bechleunigt werden können durch mechanische Erschütterungen ( Valentin und Purkinje ). — 4 ) Die Bewegung erhält sich nur zwischen bestimmten Temperaturgrenzen, welche nach Valentin durch + 6 ° und 81 + ° C. gegeben sind. — 5 ) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr oder weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der veränderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in den Geschlechtstheilen. — 6 ) Als negative Charakteristik, den Muskel- und Nervenmassen gegenüber, ist bemerkenswerth, dass durch verdünnte Lö- sungen von Blausäure, Opium, Strychnin, Kreosot u. s. w. und ebenso- wenig durch elektrische Ströme die Bewegungen beschleunigt oder ver- langsamt werden. Von den Ernährungserscheinungen der Flimmerhaare ist nichts bekannt. Haare . 1. Anatomische Eigenschaften Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. Leipzig 1855. p. 136. . Der Haarknopf, oder der Theil des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, besteht durchweg aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien Kernen (?), ähnlich denen, welche in der Oberhaut auf den Cylinderenden ruhen. Im Haarschaft treten dagegen drei wesentlich verschiedene Formen auf; die Oberfläche dessel- ben wird rings umkleidet von einer einfachen Lage dachziegelförmig übereinandergeschichteter kernloser Hornschüppchen; dieses Haarepithe- lium schliesst nun eine mehrfache Schicht bandartiger Fasern ein, von denen jede einzelne aus länglichen kernhaltigen Hornschuppen besteht, welche an ihren schmalen Seiten mit einander verwachsen sind; die auf einer Peripherie des Haars liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls untereinander verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das Haarmark. In dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg ver- steckt liegt, Fortsätze aus der Haarwarze, die auch häufig noch eine Blutgefässschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es aus kugeli- gen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile des Haars vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger Lücken Veranlassung geben. Zur Einsicht in den Bau des Haars und seines gleich zu erwähnenden Chemische und physikalische Eigenschaften des Haars. Säckchens haben uns vor Allem die Arbeiten von Heusinger , E. H. Weber, Gurlt, Henle, Steinlin und Kölliker verholfen. 2. Chemische Zusammensetzung Mulder , physiol. Chemie. Braunschweig. p. 570. — Leyer u. Kölliker, Liebig ’s Anna- len. 83. Bd. p. 332. — Gorup , ibid. 66. Bd. p. 321. . Die festen Theile des Haars sind innerhalb des Balgs mit wässerigen und ausserhalb desselben mit öligen Flüssigkeiten durchtränkt. Diese letztern sind ein Gemenge aus Olein und Margarin, Olein- und Margarinsäure. — Die geformten Bestand- theile des Markes, der Rinde und der Deckschicht sind von ungleicharti- ger Zusammensetzung; und ebenso sind die Zellenindividuen einer jeden Formation ein Gemenge mehrerer Substanzen; man schliesst dieses aus dem Verhalten jener Formen gegen Kali, Schwefel- und Essigsäure. — Eine Elementaranalyse des mit Wasser, Alkohol und Aether ausgekoch- ten Haars gab nach v. Laer und Scherer in 100 Theilen: C 50,6 ; H 6,4 ; N 17,1 ; O 20,8 ; S 5,0 . Da die diesen Zerlegungen unterwor- fenen Haare aus ganz verschiedenen Orten stammten, so deutet jene Uebereinstimmung darauf hin, dass das Haar ein constantes Gemenge aus den verschiedenen Stoffen darstelle. Die Zersetzungsprodukte des Haars mit Schwefel-, Salpetersäure und Kali stellen fest, dass dasselbe Substanzen enthalte, welche zur Gruppe der eiweissartigen Körper ge- hören. Durch Behandlung mit warmer verdünnter Kalilauge gewinnt man aus ihm sog. Protein und Proteinbioxyd unter Abscheidung von S und NH 3 ( Mulder ). Durch SO 3 kann man Tyrosin und Leucin aus dem Haar gewinnen ( Leyer und Köller ), und NO 5 verwandelt sie zum Theil in Xanthoproteinsäure ( Mulder ). Es bedarf kaum des Hinweises auf den grossen Sgehalt, um den Unterschied zwischen Haar und Epidermis deutlich zu machen. Der Gehalt des Haares an Asche wechselt zwischen 0,5 bis 1,8 pCt. Sie besteht aus Eisenoxyd, Kieselsäure, phosphorsaurem Kalk und Magne- sia (v. Laer und Gorup ). 3. Physikalische Eigenschaften. Im trocknen Zustand zieht es be- gierig Wasserdampf an und condensirt ihn; in Wasser gelegt quillt es ein wenig auf. Mit Fetten durchtränkt sich das trockene Haar ebenfalls leicht. In welchem Verhältniss seine Adhäsionskräfte zum Fett und Wasser stehen, ist unbekannt. — Das durch Fett und Wasser getränkte Haar ist sehr dehnbar, und dehnbarer als im trocknen Zustand. Die wenigen über Elastizität und Cohäsion des Haars vorliegenden Beobach- tungen E. H. Weber , Allgemeine Anatomie. Stuttgart 1844. p. 216. genügen nicht, um eine Vorstellung über die hierauf bezügli- chen Kräfte desselben zu gewinnen. — Das Haar ist ein schlechter Lei- ter der Wärme und ein Isolater der elektrischen Strömung. 4. Ernährung des Haares. — Die Anordnung der Zellen in der Form des Haars kann niemals ohne Hilfe einer eigenthümlichen in die Cu- tis eingelagerten Vorrichtung, die Haarwarze und den Haarbalg, gesche- Ernährung des Haars; Säckchen. hen. Die Warze ist ein kugelförmiger Auswuchs auf dem Boden des Haarsäckchens, in welchen eine Gefässschlinge einkehrt; aus ihrer Ober- fläche dringt der Saft, in welchem die Zellen des Haarknopfs entstehen. Die Höhle des Haarsäckchens stellt einen kolbenförmigen Raum dar, der sich überall auf das innigste an das Haar anlegt, so dass es entsprechend den Durchmessern dieses letztern untern am Knopf desselben weiter und oben gegen den Schaft hin enger wird. Die Wand, welche den engern, dem Kolbenhals entsprechenden Theil der Höhle umschliesst, ist aus sechs Schichten gebaut; zählt man von aussen nach innen, so trifft man zuerst auf einer Lage von dem anatomischen Bau der Cutis, nemlich auf ein Gemenge von elastischem und Bindegewebe; dann folgt eine einfache Lage von kerntragenden Fasern, welche die kreisförmige Peri- pherie des Balgs umschlingen. Diese Fasern schliessen eine strukturlose Haut ein, auf welcher zuweilen feinstreifige Netzformen aufsitzen; sie wird wiederum bedeckt von einer Lage kugeliger Zellen, welche an der Mündung des Säckchens in die Schleimschicht der Oberhaut übergehen und darum als die tiefste Lage von Epithelium angesehen werden; auf sie folgen mehrere Schichten innig mit einander verbundener Hornschüpp- chen und schliesslich eine Lage von Platten, welche denen vollkommen gleichen, welche als sog. Oberhaut des Haars die Faserschicht derselben einschliessen. — Nahe an der Ausmündung des Haarbalgs öffnen sich in denselben die Gänge kleiner Fettdrüsen, welche auf der äussern Seite des Balgs gelegen sind. An den Grund des Sackes geht ein kleiner, aus Faserzellen zusammengesetzter Muskelstreifen, der in den oberfläch- lichen Schichten der zunächst gelegenen Cutis entspringt. Der Hergang, durch den die Kugelzellen des Knopfs aus der Flüs- sigkeit entstehen, welche sich aus den Gefässen der Warze ergiesst, ist hier wie überall unbekannt; es ist sogar noch zweifelhaft, wie die Form beschaffen sei, welche ursprünglich auftritt. Einige Autoren, namentlich Henle , stellen die Behauptung auf, dass in die Warze unmittelbar be- grenzenden Schichten des Haarknopfs nur Gebilde von der Form der Kerne jener Kugelzellen enthalten seien; sie sind geneigt, aus dieser Beobachtung abzuleiten, dass zuerst diese Kerne und mit Beihilfe der- selben dann erst die fertigen Zellen entstehen. Andere Mikroskopiker, namentlich Kölliker , läugnen aber die beständige Anwesenheit dieser Kerne. — Unzweifelhaft gehen aber die ausgebildeten Zellen des Haar- knopfs in die Hornschüppchen der Faserschicht und die vertrockneten Markzellen über, während die Plättchen des Oberhäutchens aus der oberflächlichsten Epithelienlage des Haarbalgs abstammen, die das empor- wachsende Haar an sich klebt und mit sich emporschiebt. — Rinde und Mark des Haares ist somit nichts anderes, als ein Epithelialübergang der Warze, der insofern eigenthümlich ist, als nur die Rindenzellen verhor- nen, während die Markzellen, ehe sie zu dieser Umwandlung gekommen Ernährung des Haars. sind, vertrocknen, so dass sich in den Epithelialfortsatz die mumifi- zirten Zellen der Schleimschicht hinein erstrecken. — Aus den Eigen- schaften der Warze ist es begreiflich, dass das Haar, gleich ihr, an sei- nem natürlichen Ende zugespitzt ist; aus dem für die Blutflüssigkeit un- durchdringlichen Epithelialübergang des Haarbalgs, im Gegensatz zu der für sie durchgängigen Warzenoberfläche, wird es erklärlich, dass das Haar nur von der letzteren aus neue Zellen ansetzen kann, und endlich ist einleuchtend, dass der Hals des Balges den am Knopfe breitern Quer- schnitt des Haars beim Uebergang desselben in den Schaft zusammen- presst, und soweit wenigstens mit dazu beiträgt, dass die Kugelzellen in längliche Schüppchen umgewandelt werden. Die Stärke des Haarschaftes muss darum bestimmt sein von dem Durchmesser des Hohlraums, wel- chen der Balg umschliesst. Die Geschwindigkeit des Haarwuchses ist, nach absolutem Maasse bestimmt, immer gering; sie ist nach Berthold im Sommer, bei Tag und in der Jugend grösser, als im Winter, bei Nacht und im Alter. Der alltäglichen Erfahrung nach wachsen kurzgeschnittene Haare rascher als längere. Lässt man sich die Haare, ohne sie zu schneiden, wachsen, so erreichen sie schliesslich ein Maximum ihrer Länge. Alles dieses bedeutet also, dass mit Haarlänge ein Widerstand für die Neubildung von Zellen auf der Warze eingeführt wird. — Bemerkenswerther Weise ist die Haarlänge, bei welcher dem weitern Wachsthum ein Ziel gesetzt wird, verschieden mit den Haarbälgen; so erzeugen sich in den Bälgen der Schädeldecken und den männlichen Lippen sehr lange Haare, wäh- rend sie auf der Haut der Extremitäten nur eine unbedeutende Länge erreichen. Dieses Längenmaximum ist namentlich auch unabhängig von dem Querschnitt des Schaftes oder Knopfes, indem feine Haare oft lang und stark, wie z. B. die Augenbrauen und Wimpern nur kurz wer- den. Als Regel scheint es jedoch gelten zu können, dass sehr feine Haare auch immer sehr kurz sind. Der Stoffwechsel in dem fertigen Haar ist gering, aber nicht immer gänzlich fehlend. Einmal nemlich wird das Haar durch die Säfte, welche aus den Fettdrüsen der Haarbälge austreten, eingeölt; dieses Oel muss natürlich in dem der Luft ausgesetzten Schafte verwesen, und der daraus erfolgenden Abgang wird wenigstens in allen fetten Haaren durch neues aus dem Balge nachdringendes ersetzt. — Auf eine Umwandlung der Stoffe des fertigen Haares deutet das Ergrauen derselben; dieses kommt durch eine Vermehrung seines Luftgehaltes zu Stande, indem sich der- selbe nicht mehr auf das Mark beschränkt, sondern auch auf die Rinde ausdehnt. Diese merkwürdige Lückenbildung in der Rinde tritt häufig auch in den Theilen des Haares ein, welche den Balg schon verlassen haben (Ergrauen der Spitzen). Elastisches Gewebe. Ueber den periodischen Haarwechsel der Thiere und insbesondere über das ana- tomische Verhalten der Warze und der aus ihren Flüssigkeiten herrührenden Zellen hat Steinlin Henle ’s u. Pfeufer ’s Zeitschrift. IX. Bd. sehr genaue Beobachtungen mitgetheilt. Siehe hierüber auch Köl- liker und Langer . Die Bewegungen des Haars (das Haarsträuben) bestehen, wie es die Anlegung des Balgmuskels erwarten lässt, in einem Aufrichten des schief- gelegten Haares. Elastisches Gewebe . 1. Seine elementare anatomische Anordnung Kölliker , Gewebelehre. 2. Auflage. p. 52 u. 64. — Virchow , Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 150. — Henle , im Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1851 p. 28 u. 1852 p. 20. ist mannigfaltig, bald erscheint es als homogene oder auch als durchlöcherte Haut, bald in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschlängelt und verästelt oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind, und endlich soll es auch in feinen, einfachen oder verästelten Röhren, die mit den anliegenden zu einem feinen Gefässwerk verschmolzen sind, auftreten ( Virchow, Donders ). 2. Chemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Flüssig- keit, welche die festen Theile des elastischen Gewebes durchtränkt oder zwischen den Lücken und Höhlen desselben enthalten ist, kennen wir nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch ihre Unlöslichkeit in kalten verdünnten Mineralsäuren und ihre Schwerlöslichkeit in Kali- lauge. Mit Säuren, Kali, Aether, Alkohol und Wasser gereinigt, zeigt der Stoff die im I . Bd. p. 49 angeführte prozentische Zusammensetzung. Seitdem jene Mittheilungen über unsern Stoff gemacht sind, hat Zolli- kofer Liebig ’s Annalen. 82. Bd. 162. beobachtet, dass durch anhaltende Einwirkung von kochender verdünnter Schwefelsäure nur Leucin, nicht aber Tyrosin oder Glycin, aus ihm gewonnen werden kann. 3. Physikalische Eigenschaften. a) Im durchfeuchteten Zustand ist seine Elastizität sehr vollkommen und sein Elastizitätscoeffizient ein nie- driger. Seine Cohäsion ist unter allen Umständen beträchtlich, sie scheint dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin nicht gleichmässig zu sein. — b) Seine endosmotischen Eigenschaften sind sehr unvollkommen bekannt. Es zieht begierig Wasser an, quillt in kaltem Wasser bedeu- tender als in heissem auf; im Gegensatz zum Bindegewebe wird es durch Essigsäure nicht aufgeschwellt. Als Scheidewand zwischen diffundirende Flüssigkeit aufgestellt, verhält es sich unter Umständen eigenthümlich; so verwehrt z. B. nach Brücke das aus elastischem Stoff bestehende Schaalenhäutchen des Hühnereis dem flüssigen Eiweiss den Durchgang; dasselbe leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zwei- prozentigen Kochsalzlösung gelegen (C. Ludwig ). Eine genauere Unter- suchung der hier einschlagenden Eigenschaften wäre insbesondere wün- Ludwig, Physiologie. II. 12 Elastisches Gewebe. schenswerth, wenn sich die Vermuthung rechtfertigt, dass die Haut der Blutgefässcapillaren und die der feinsten Drüsengänge aus elastischem Gewebe gebildet ist. 4. Ernährung. a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs beweist, dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss; eine Hin- deutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung gewährt die eben mitgetheilte Erfahrung von Zollikofer , welche darthut, dass aus dem Eiweiss, indem es in elastisches Gewebe übergegangen, die Atom- gruppe entfernt wurde, aus der das Tyrosin hervorgeht bei der durch Schwefelsäure eingeleiteten Eiweisszersetzung. — Die Formfolge, welche bei der Hervorbildung des elastischen Stoffs aus der Flüssigkeit auftritt, ist bis dahin noch Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen Schwann, Kölliker, Virchow und Donders , behaupten, dass es ein Umwandelungsprodukt vorgängig entstandener Zellen sei, während Henle l. c. 1851. p 29. aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechtigung für eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gründlichkeit beider Parteien kann die Ursache der Abweichung nur in der noch mangelhaften Methodik gefunden werden. Die elastischen Gewebsformen gehören zu denjenigen, welche sich auch im ausgewachsenen Organismus neu bilden können. — b) Von den Veränderungen des einmal aufgebauten Gewebes ist wenig bekannt. Seine Armuth an Blutgefässen lässt schliessen, dass sein Umsatz während des Lebens gering sei; hiermit in Uebereinstimmung steht die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller übrigen Körperbestand- theile an Gewicht und Umfang nicht beträchtlich abnimmt. Von einer jeglichen Veränderung während des Lebens ist es jedoch nicht ausge- schlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter günstigen Umständen schwinden, wie dieses thatsächlich an den Wandungen solcher Gefässe, deren Lumen verschlossen wurde, feststeht. — Einen besondern Weg würde die sich in ihm verbreitende Flüssigkeit finden, wenn die Röhrennatur der sog. Kernfasern festgestellt würde; in diesem kleinen geschlossenen Canal- system würde sich die Flüssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmo- tischem Wege eingedrungen wäre, leicht verbreiten können. Bindegewebe . 1 ) Der anatomischen Untersuchung Siehe die Litteratur des elastischen Gewebes. nach besteht das Bindegewebe aus strukturlosen sehr dünnen Häutchen ( Reichert ), in welche feinste Fasern eingewebt sind; diese verlaufen, zu Bündeln vereinigt, der homo- genen Grundlage bald gleichgerichtet und bald gekreuzt. Wo das Binde- gewebe in grössern Massen zusammengehäuft auftritt, sind die Faserbün- del in mehr oder weniger regelmässigen Abständen inniger zusammen- geballt, so dass auf dem Querschnitt relativ faserfreie mit faserhaltigen Bindegewebe. Partien abwechseln. In diesen Zwischenräumen (oder Lücken) lie- gen in der strukturlosen Grundlage Zellen und auch Kernfasern oder Kernfasernetze, welche auch unter dem Namen Bindegewebskörperchen und Saftzellen gehen. Dieser letzte Name deutet darauf hin, dass die Arme jener Netze, wie dieses Donders und Virchow vermuthen, hohl sind. 2. Chemische Beschaffenheit. Die Formbestandtheile des Bindegewe- bes sind im Leben mit einer Feuchtigkeit durchtränkt, und ausserdem liegt in den Lücken zwischen den Blättern und Faserbündeln Feuchtig- keit eingeschlossen. Ihre Zusammensetzung ist unbekannt. — Die festen organischen Bestandtheile bieten, mit Alkohol, Aether und Wasser gerei- nigt, die prozentische Zusammensetzung des Leims dar ( Scherer und Winkler ). Wenn man aus dieser Thatsache schliesst, dass sich das Bindegewebe beim Kochen ohne Veränderung seiner Zusammensetzung in Leim auflöse, so ist damit nur ausgesprochen, dass die Analyse dieses Körpers in sehr weiter Fehlergrenze nur das Richtige trifft. Ohne dieses müsste man nemlich gerade das entgegengesetzte behaupten, weil Binde- gewebe selbst da, wo es am reinsten vorkommt, einen noch sehr bedeu- tenden Antheil anders zusammengesetzter Gewebe enthält, welche sich beim Kochen nachweisslich nicht auflösen. Zellinsky Henle ’s Jahresbericht für allgem. Anatomie für 1853. p. 28. fand den unlös- lichen Rückstand der 4 — 6 Tage lang gekochten Sehnen zu 4 — 5 pCt. Man hat sich erlaubt, auf die chemische Beschaffenheit der Bindegewebsflüssig- keit zu schliessen aus derjenigen, welche beim Zellgewebsödem das Binde- gewebe erfüllt, oder gar aus dem Safte, welcher in Folge von Entzündungen aus den Gefässen des Bindegewebes austritt C. Schmidt , Charakteristik der epidem. Cholera. Mitau 1850. 123. . Diese letzte Annahme verdient keine Be- rücksichtigung. Die Oedem erzeugende Flüssigkeit, welche nach Schmidt stark alkalisch reagirt, besteht in 100 Theilen aus 0,36 pCt. organischer Bestandtheile (die vorzugsweise Eiweiss aber keinen Faserstoff enthalten), aus 0,77 Salzen und 98, 7 Wasser. — Die Annahme einer Uebereinstimmung zwischen dieser und der normalen Zellgewebsfeuchtigkeit dürfte darum gewagt erscheinen, weil, so weit wir wissen, ein Oedem nur eintritt, wenn eine wesentliche Veränderung in der Zusammen- setzung des Bluts vor sich gegangen, oder wenn der Strom in den Blutgefässen des Bindegewebs in Folge einer Hemmung desselben in den Venen unter einer erhöhten Spannung fliesst. — Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Lymphgefässe, und nament- lich ehe sie in die Drüse eintreten, den Saft der Zellgewebslücken enthalten, wel- chem wir, gestützt auf die Quellungserscheinungen, nicht ohne Weiteres dieselbe Zusammensetzung zuschreiben dürfen mit demjenigen, der die feste Masse selbst durch- feuchtet. 3. Ernährungserscheinungen. Das leimgebende Bindegewebe entsteht unzweifelhaft aus eiweissartigen Stoffen, denn es enthält das Blut (oder die Eistoffe) keinen Leim, und die Analogie in der Zusammensetzung und der chemischen Constitution bürgt dafür, dass der Leim ein um- gewandeltes Eiweiss ist. Hiermit befindet sich die Thatsache wenigstens 12* Bindegewebe. nicht im Widerspruch, dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Be- griff stehen, zu Bindegeweben zu werden, und ebensowenig das in der Bildung begriffene Bindegewebe des Fötus beim Kochen keinen Leim lie- fern ( Güterbock, Schwann ) J. Vogel , Pathol. Anatomie. p. 143. . Wie diese Umwandlung des Eiweisses in Leim vor sich geht, kann so lange nicht einmal vermuthungsweise ausgesprochen werden, als man die Atomzahl beider Stoffe nicht kennt; der gewöhnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den Oxydationspro- zessen zähle, ist zwar begründet, denn es enthält in 100 Thln. der Leim mehr Sauerstoff, als das Eiweiss, aber er ist in dieser Unbestimmtheit wenig befriedigend. Das Bindegewebe Henle , Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 716 u. f. u. 821. — Reichert , Bemerkungen zur vergl. Naturforschung. 1845. p. 106. — Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. p. 71. — Henle’s Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1852. p. 20. — Remak, Müller’s Archiv. 1852. p. 63. — Thierfelder , De regene ratione tendinum. Misenae 1852. — J. Meyer , Annalen der Charité. IV. Bd. gehört zu den festen Bestandtheilen des Thier- körpers, welche sich während des Wachsthums und auch in erwachsenem Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen, welche man an den Orten findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht, sind mannigfache, und zwar: 1 ) eine gedrängte Masse von rundlichen Kernzellen; 2 ) dieselben Zellen in einer gallertartigen oder zähen formlosen Substanz eingebettet; 3 ) eine homogene zähe Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren Wan- dungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4 ) kernhaltige Zellen, von deren Wand Ausläufer abgehen, die mit den entsprechenden Verlängerun- gen der benachbarten Zellen verschmelzen und somit Zellennetze dar- stellen; in dem Raum, den diese Netze umschliessen, ist eine formlose Masse eingebettet; 5 ) eine gedrängte Masse von platten, oblongen oder aber von spindelförmigen Körperchen, die einen sog. Zellenkern enthalten. Die schmalen Enden dieses Gebildes sind öfter mit den entsprechenden Rändern der anstossenden verwachsen. Je nachdem man diese Thatsachen verknüpft, lassen sich daraus verschiedene Vorstellungen bilden über die Formenfolge des entste- henden Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellun- gen versucht: 1 ) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergrösserten und verschmolzenen Zellenhäuten. 2 ) Die freien Kerne, welche in der formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre nächste Umgebung dahin, sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass damit die Grundmasse in einzelne Plättchen oder Fasern zerfällt. 3 ) Die verästelten Zellenhäute verwandeln sich in Bindegewebe. 4 ) Die ursprünglich strukturlose gallert- artige Masse wird zähe, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten Kerne verschmelzen mit derselben. 5 ) Die strukturlose Masse verändert sich, wie unter 4 angegeben wurde, und die verästelten Zellen stellen die Virchow ’schen Bindegewebskörper dar. 6 ) Aus den Zellen gehen Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe im engern Wortsinn nichts Gemenge aus elastischem und Bindegewebe. gemein haben, wie z. B. Gefässe, elastische Fasern u. dergl. — Es dürfte kaum anzugeben sein, welche Meinung das Uebergewicht über die andere hat, oder ob gleichzeitig mehrere oder vielleicht keine von ihnen berechtigt ist. Rücksichtlich der übrigen Erfordernisse für die Neubildung von Binde- gewebe steht fest, dass sich dasselbe nur in denjenigen flüssigen Abson- derungen bildet, welche in geringer Menge zwischen den festen Theilen des thierischen Körpers sich finden, dass sich aber niemals die festen Massen, welche frei in einer Flüssigkeit schwimmen, zu Bindegewebe umformen. So tritt z. B. an die Stelle eines Blutpfropfs, der sich in einer unterbundenen Arterie findet, mit der Zeit eine Bindegewebsmasse, während eine Flocke von Faserstoff, die in einer Flüssigkeit schwimmt, welche in einem serösen Sacke ausgetreten ist, niemals zu Bindegewebe wird, und ebenso bilden sich auf dem Boden einer eiternden Fläche Bindegewebsmassen, aber die Eiterkörperchen selbst, welche im Eiterserum suspendirt sind, wandeln sich nicht darin um. — Eine andere Frage, die man öfter erhoben aber niemals mit Sicherheit beantwortet hat, be- steht darin, ob die Flüssigkeit Faserstoff enthalten müsse, wenn sie zur Entstehung neuen Bindegewebes Veranlassung geben solle. Ueber den Umsatz des einmal fertigen Bindegewebes ist nichts be- kannt. Die gewöhnliche Annahme geht dahin, dass es sich unverändert erhalte oder mindestens sehr wenig verändere. Die Gründe dafür findet man darin, dass dasselbe nach dem Tode durch Fäulniss langsamer als die Muskeln und Nerven verändert werde; darin, dass bei einer ein- tretenden Abmagerung die vorzugsweise aus Bindegewebe bestehenden Theile, wie z. B. die Sehnen, wenig an ihrem Umfang verlieren; und endlich darin, dass viele der Bindegewebsorgane (Sehnen, Unterhautzell- gewebe, seröse Häute) mit nicht sehr zahlreichen Gefassen versehen sind. — Der Bindegewebssaft dagegen scheint einer stetigen Erneuerung unterworfen zu sein; dieses geht daraus hervor, weil durch die Lymph- gefässe, welche vorzugsweise (wenn nicht einzig) aus dem Bindegewebe ihren Inhalt beziehen, während des Lebens ein ununterbrochener Strom geht. Es scheint aber, als ob die Menge des Saftes, welche in das Ge- webe ergossen wird, nicht zu allen Zeiten ein gleicher sei, weil auch die Lymphgefässe bald mehr bald weniger strotzend gefüllt sind, ohne dass irgend welcher Grund für eine nachweisliche Stromhemmung in ihnen vorhanden wäre. Gemenge aus elastischem und Bindegewebe . Aus einer Verbindung des elastischen und des Bindegewebes, bei der bald das eine und bald das andere überwiegt, sind sehr zahlreiche Platten, Stränge, Beutel, Falten u. s. w. aufgebaut. Wir erinnern hier nur an die Cutis mit dem panniculus, die Schleimhäute mit der tunica nervea, die Faszien, die weiten und engen Gefäss-, Muskel- und Sehnen- Seröse Häute. scheiden, die Sehnen, die serösen Häute, die Sclerotica, Cornea u. s. w. Woher die auffallenden Abweichungen, die sich beziehen auf das Ueber- gewicht entweder des Binde- oder des elastischen Gewebes, die Anord- nung und Gedrängtheit der Bindegewebswindeln u. s. w., rühren, ist unbekannt. Je nach dem Gefässreichthum und ihrer Einordnung in an- dere Gewebe und Flüssigkeiten werden ihre Lebenseigenschaften mannig- fach verschieden sein, Verschiedenheiten, die wir an mancherlei Orten hervorgehoben haben und noch hervorheben werden. Die Rolle, welche die auf diese Art zusammengesetzten Gebilde spie- len, ist, so weit wir wissen, meist bedingt durch ihre cohäsiven und ela- stischen Eigenschaften. Unter diesem Gesichtspunkte haben wir Sehnen und Faszien schon erwähnt; hier heben wir nur noch kurz die Cutis hervor, welche einmal ein elastischer Ueberzug über alle andern tiefer gelegenen Organe darstellt, und dann als Lager der Haarbälge, der Ge- fässe für die Absonderung der Oberhaut, der Schweiss- und Fettdrüsen und endlich als ein Hilfswerkzeug für den Tastsinn hervorragt. In anderer Weise als die bisher aufgezählten Gebilde sind die serö- sen Häute, die Sehnenscheiden und die Cornea wichtig. Wir führen sie darum noch besonders vor. Seröse Häute . 1. Anatomische Beschaffenheit. Die serösen Häute bestehen bekannt- lich aus elastischem und Bindegewebe, auf ihrer freien Fläche sind sie meistentheils mit einem Epithelium besetzt, das bald ein einschichtiges und bald ein mehrschichtiges ist. Die Zellen selbst gleichen denen in der mittleren Lage der Epidermis. Nach einzelnen Autoren ( Todd und Bawmann ) sitzen diese nicht unmittelbar auf dem Bindegewebe, son- dern auf einer sehr dünnen, glashellen, strukturlosen Membran, die sich zwischen die Deckzellen und das Bindegewebe einschiebt. 2. Seröse Flüssigkeiten. In der Höhle der serösen Säcke ist eine Flüssigkeit enthalten, die an den verschiedenen Orten nach Zusammen- setzung und Menge Abweichungen bietet. Wir werden sie der Reihe nach aufzählen. a. Hirnwasser Berzelius , Handbuch d. Chemie. IX. Bd. p. 198. — L’heritier , chimie pathol. p. 578. — Landerer, Buchner’s Repertorium. 25. Bd. — Tennant , Journal de chimie medic. 1838. — Schmidt , Charakteristik der epidemischen Cholera. p. 116 u. f. — Valentin , Lehrbuch, I. Bd. p. 626. . In den Lücken zwischen Arachnoidea und der Hirn- und Rückenmarksfläche, wenn man will in den Maschen der ober- flächlichsten Gefässhautschichten, liegt eine Flüssigkeit, welche aus Ei- weiss, Extraktivstoffen und den Salzen des Bluts besteht. — Die quan- titative Zusammensetzung derselben scheint bei verschiedenen Individuen und selbst dann, wenn sie in krankhaft vermehrter Menge abgesondert wird, wenig Verschiedenheit zu bieten. Hirn -, Herz -, Brust-, Bauchwasser. Nach den Analysen von Tennant, Bostock, Marcet, Lassaigne, L’heritier, Barruel, Haldat, Berzelius, Mulder, Landerer und C. Schmidt liegt ihr Wassergehalt zwischen 98,0 und 99,1 pCt. Unter den festen Bestandtheilen findet sich 1,3 bis 0,05 Eiweiss, 0,4 bis 0,2 Extrakte und 1,0 bis 0,5 Salze; in diesen letztern ist das Na Cl das vorwiegende. Als Beispiel geben wir eine vollkommene Analyse von C. Schmidt : Wasser = 98,67 ; 2 NaO PO 5 = 0,06 ; KO SO 3 = 0,01 ; NaO = 0,18 ; Ka Cl = 0,22 ; Na Cl = 0,44 ; 3 CaO PO 5 u. 3 MgO PO 5 = 0,03 . Nach den Beobachtungen von Schmidt soll ein wesentlicher Unterschied zwischen den in der Hirnhöhle und den auf der Hirnober- fläche enthaltenen Flüssigkeiten bestehen. Die erstere soll constant nur Spuren von Eiweiss zeigen, während die letztere eiweisshaltiger ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zusammensetzung den Flüssigkeiten während dem Leben angehöre und namentlich nicht in der Leiche wesentliche Veränderungen erfahren habe, wird begründet durch die gleichlautende Analyse des Hirnwassers, was man durch Punktion von lebenden Wasser- köpfen ( Landerer, Schmidt ) oder aus lebenden Thieren gewonnen hat ( Lasseigne, Schmidt ). Wenn die Flüssigkeit durch Punktion entleert wird, so bildet sie sich rasch von Neuem, und es zeigt die neue Flüssigkeit die Zusammensetzung der frühern ( Schmidt ). b. Herzwasser L’heritier, l. c. — Lehmann , Lehrbuch der physiol. Chemie. II. Bd. 309. — Gorup , Jahresbericht von Scherer für 1851. p. 97. . Der flüssige Inhalt des Herzbeutels ist bei ge- sunden Enthaupteten von Lehmann und Gorup untersucht. In 100 Theilen wechselte das Wasser zwischen 95,51 bis 99,2 , das Eiweiss zwischen 2,47 bis 0,88 , die Extrakte zwischen 1,27 bis 0,1 , die Salze zwischen 0,73 bis 0,1 . Ein faserstoffhaltiges Gerinnsel liess unter den drei Beobachtungen nur eine Flüssigkeit fallen. Krankhafte Ansammlungen sind häufiger mit sehr wechselnden Resultaten unter- sucht worden; sie erwiesen sich ebenfalls bald faserstoffhaltig und bald faserstofffrei. Unter den Salzen überwog immer das Kochsalz. c. Brustwasser L’heritier, l. c. — J. Vogel , Patholog. Anatomie. p. 26. — Scherer , Chemische Unter- suchungen zur Pathologie, 1843. 106 u. f. — Schmidt , l. c. p. 122. Der Inhalt der Pleura ist noch nicht aus dem lebenden gesunden Menschen oder Thier untersucht worden. — Wenn das Brustwasser krankhaft vermehrt ist und dann abgelassen wird, so ersetzt es sich rasch wieder, vorausgesetzt, dass sich die Lunge nicht mehr bis zur vollständigen Ausfüllung des Brustraums ausdehnen kann. Wird dann die Flüssigkeit wiederholt abgelassen, so besitzt sie jedesmal annähernd dieselbe Zusammensetzung ( Vogel, Scherer, Schmidt ). d. Bauchwasser . Dasselbe ist nur dann untersucht, wenn es in krankhafter Menge abgeschieden war. Man fand dann in ihm constant Eiweiss, Extrakte und die Blutsalze; in einzelnen Fällen Faserstoff, Harn- stoff (bei Nierenleidenden?), Zucker, Fette und Gallenpigment. — Wird Hodenwasser, Gelenkschmiere, Schleimbeutel. die Flüssigkeit entleert, so entsteht sie meist rasch wieder und behält die Zusammensetzung, die sie ursprünglich besass ( Schmidt, J. Vogel ). Vergleichung der Eigenschaften von den Flüssigkeiten der Hirn-, Brust- und Bauchhöhle. Aus einer grössern Zahl von Beobachtungen des Hirn-, Brust- und Bauchwassers an verschiedenen Individuen und einer gleichzeitigen an den drei Flüs- sigkeiten desselben Menschen zieht Schmidt einige allgemeine Schlüsse. — a. Der Eiweissgehalt der wässrigen Ergüsse in den genannten Höhlen erreicht niemals den des Blutserums. — b. Findet gleichzeitig in einem Individuum eine vermehrte Abson- derung in den drei Höhlen statt, so ist in dem Hirnwasser am wenigsten und in dem Brustwasser am meisten Eiweiss. — c. Der Gehalt der Flüssigkeiten an Salzen ist derselbe. — d. Diese Positionen bedürfen noch weiterer Bestätigungen, namentlich widersprechen der zweiten die Erfahrungen von Lehmann Lehrbuch der physiolog. Chemie. II. Bd. 309. . e. Hodenwasser . Die Flüssigkeit der vagina testis propria, die nur bei krankhafter Vermehrung derselben untersucht wurde, enthält ausser den wiederholt aufgezählten Bestandtheilen der übrigen serösen Säfte meist nach Cholestearin in reichlicher Menge. Die Verhältnisse, in denen die genannten Stoffe gemischt sind, und namentlich die Menge des Eiweisses und Cholestearins wechselt ohne bekannte Veranlassung so ausserordentlich, dass die Zahlenwerthe ohne Bedeutung sind. f. Gelenkschmiere . Ihre Bestandtheile sind diejenigen, welche den serösen Flüssigkeiten überhaupt zukommen und ausserdem noch Schleimstoff und unter allen Umständen abgestossene Epithelialzellen. Die quantitative Zusammensetzung soll nach Frerichs Wagner’s Handwörterb. III. I. p. 463. mit dem Alter und dem Bewegungszustande des Gelenkes wechseln; er stützt sich hier- bei auf die Untersuchung je eines Falles. Nach Frerichs enthält die Synovia: Die Gelenke des jungen und des ruhenden Thiers enthielten mehr Flüssigkeit als die des sich bewegenden. — Die abgestossenen Epithe- lialschuppen sollen sich nach Frerichs mit Hinterlassung der Zellen- kerne in der alkalisch reagirenden Gelenkschmiere auflösen und diese Auflösung soll die Quelle des Schleims sein. Nach Luschka Structur der serösen Häute. Tübingen 1851. p. 13. dage- gen soll sich die Höhlung der Zellen mit Fett füllen, worauf diese selbst allmählig zu Grunde gehen. Sehnenscheiden und Schleimbeutel . Die Wand dieser Hornhaut. Höhlungen schliesst sich den serösen Säcken insofern an, als sie aus einer Grundlage von Bindegewebe und einer diesem aufsitzen- den, nach der Höhlung gerichteten einfachen Pflasteroberhaut besteht; die vollkommene Uebereinstimmung wird aber getrübt, einmal dadurch, dass die Bindegewebshaut der meisten Schleimbeutel und alle Sehnen- scheiden keinen vollkommenen Sack von den anliegenden Bindegewebs- räumen abschliesst, und nächstdem auch durch die unvollkommene Ueber- kleidung der vorhandenen Wände mittelst Oberhaut. — Die schlei- mige, nach dem äussern Ansehen der Gelenkschmiere ähnliche Flüssig- keit, welche in diesen Höhlen enthalten ist, hat noch keine Untersuchung erfahren. In ihr setzen sich häufig durchscheinende, gelbliche Klümp- chen eines stark mit Flüssigkeiten durchtränkten Stoffes ab. Nach Vir- chow Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 281. reagiren sie stark alkalisch, lösen sich nur theilweise in Was- ser, hinterlassen verbrannt eine stark alkalische Asche und stellen sich durch ihre Reaktion unter die eiweissartigen Stoffe. Mit Schleim sind sie nicht identisch. Hornhaut . 1. Der anatomische Bau der Hornhaut Strube , Normaler Bau der cornea. Würzburg 1851. — Todd und Bowmann , physiological anatomy. III. Heft p. 18. — Henle , Jahresbericht für 1852. p. 27. u. 1853. p. 26. im engern Wortsinn ist aus zwei Elementen aufgeführt; aus faserigen Platten und aus sternför- mig verästelten Zellen ( Virchow und Toynbee ). Die ersteren, welche unmittelbar in die Bindegewebsbüschel der Sclerotica übergehen, verlau- fen in Ebenen, die der Hornhautfläche gleichläufig sind. In eben sol- chen Ebenen hält sich auch die grösste Zahl der sternförmig verästelten und mit ihren Armen anastomisirender Zellen, so dass Faser und Zellen- lage abwechseln. Henle schätzt die Zahl dieser Schichten auf 300 . Die Scheidung zwischen je zweien derselben ist nun freilich keine voll- kommene, weil die faserigen Bündel sehr häufig Verbindungsäste von einer zur andern Platte schicken; immerhin erzeugt aber dieser Bau auf dem dicken Durchmesser der Cornea ein annähernd regelmässiges Ab- wechseln der Cohäsion. Innen und aussen liegen der Hornhaut bekannt- lich elastische Plättchen und Deckzellen auf, welche als Binde- und Was- serhaut bekannt sind. 2. Chemische Eigenschaften. Das Fasergewebe giebt beim Kochen Chondrin (J. Müller ). Die eingelagerten Körperchen zeigen die Reaktio- nen des elastischen Gewebes. Die Flüssigkeit, welche die Hornhaut durchtränkt, ist nach Funcke eiweiss- und caseinhaltig. 3. Die einzige physikalische Eigenschaft, welche genauer untersucht wurde, der Brechungscoeffizient, ist im I. Bd. p. 204 erwähnt. Neuer- lich ist er von W. Krause Die Brechungsindices der durchsichtigen Medien des menschlichen Auges. Hannover 1855. in einer ausgedehnten Arbeit einer gründ- lichen Revision unterworfen worden und im Mittel aus 20 Bestimmun- Cornea, Augenwasser. gen am Menschenauge (Wasser = 1,3358 ) zu 1,3516 gefunden worden. Die Grenzen lagen zwischen 1,3447 und 1,3586 . Die Durchsichtigkeit der Cornea ist wesentlich mit bedingt durch die Anwesenheit der eigen- thümlich zusammengesetzten in ihrem Gewebe enthaltene Flüssigkeit. Dieses geht daraus hervor, dass sich die Cornea beim Trocknen und beim Aufquellen im destillirten Wasser trübt. 4. Ernährungserscheinungen. Von der Entstehung der Hornhautstoffe und Formen ist uns so gut wie nichts bekannt; die Erfahrung lehrt, dass sich auch im ausgewachsenen Kaninchen ein aus der Cornea ge- schnittenes Stück vollkommen wieder herstellen könne. Auf der ver- letzten Oberfläche erscheinen zuerst kleine Fetttröpfchen, dann kugelige Kernzellen, die sich nach wenigen Tagen schon in ein deutliches Epi- thelium umgewandelt haben. Von der kugeligen Zellenschicht aus sieht man dann die Entstehung neuer Hornhautschichten vor sich gehen, die genau das optische Verhalten der älteren darbieten. Gefässbildung wurde hierbei nicht beobachtet ( Donders ) Holländische Beiträge. 1848. p. 387. . Die Veränderungen der fertigen Hornhaut, soweit dieselben überhaupt stattfinden mögen, geschehen unter dem Ein- fluss der Flüssigkeiten, welche in den Blutgefässen des Cornealrandes, in den kleinen rautenförmigen Lücken zwischen den Hornhautplatten ( Bowmann’s Hornhautröhren), in den Höhlen der sternförmigen Zellen und in der vordern Augenkammer enthalten sind. Der Einfluss der wäs- serigen Augenfeuchtigkeit, welcher vielfach bestritten worden ist, kann nicht mehr geläugnet werden, seitdem Coccius gezeigt hat, dass in der vordern Augenkammer eingesprützte Farbstofflösung durch die des- zemetische Haut hindurch in das Hornhautgewebe eindringt. Worin aber die Umsetzungen der lebenden Hornhaut bestehen, und wie sich die in den einzelnen Behältern eingeschlossenen Flüssigkeiten an derselben be- theiligen, ist noch nicht bekannt. Augenwasser . Diese Flüssigkeit enthält Eiweiss, Extrakte, Chlor- natrium und geringe Mengen der andern Blutsalze in Auflösung. Nach einer Analyse von Berzelius Handbuch der Chemie. IX. Bd. p. 530. und zwölfen von Lohmeyer Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschr. V. Bd. — Doncan , onderzoekingen etc. Utr. 1850—54. 171. schwanken in Kalbsaugen ihre festen Bestandtheile zwischen 1,07 und 1,50 pCt., der organische Antheil derselben bewegt sich zwischen 0,38 und 0,59 (= 28,1 bis 45,4 pCt. des Rückstandes). — Zieht man aus allen Analysen Lohmeyer’s das Mittel, so erhält man: Wasser = 98,60 ; feste Bestandtheile = 1,31 ; davon organische = 0,467 ; unor- ganische = 0,846 ; Natronalb. = 0,122 ; Extrakte = 0,421 ; Na Cl = 0,689 ; Ka Cl = 0,011 ; KO SO 3 = 0,022 ; phosphorsaure Erden = 0,021 ; Kalkerde = 0,026 . Den Brechungscoeffizienten bestimmt W. Krause im Mittel aus 20 Versuchen zu 1,3428 (Wasser = 1,3358 ). Wenn das Glaskörper. Linse. Augenwasser durch Punktion der Hornhaut entleert wird, so sammelt es sich rasch wieder an; die neu entstandene Flüssigkeit enthält häufig so viel Faserstoff, dass sie nach der Entleerung durchweg gerinnt. — Die Gefässe, aus denen sie ausgeschieden wird, sind wahrscheinlich diejeni- gen der Iris- und der Ciliarfortsätze, weil mit einer Stockung des Blut- laufs in denselben sich die Zusammensetzung der Flüssigkeit so weit ändern kann, dass in ihr Eiterkörperchen entstehen. Glaskörper . Er besteht aus regelmässig geschichteten Häuten, die durch eine wässerige Lösung von Eiweiss, Harnstoff ( Millon, Wöhler, Mar- chand ), Extrakten und Salzen von einander getrennt sind. Nach den Beobachtungen von Berzelius, Frerichs und Lohmeyer schwankt der Wassergehalt des Glaskörpers zwischen 98,23 und 98,86 pCt.; der feste Rückstand, welcher im Mittel 1,36 pCt. beträgt, enthielt von 0,39 bis 0,48 pCt. organische Bestandtheile. Aus seinen Analysen leitet Lohmeyer die mittlere Zusammensetzung des Glaskörpers ab, zu Was- ser = 98,64 ; Häute = 0,02 ; Natronalbuminat = 0,14 ; Fettspuren; Extrakte = 0,32 ; Na Cl = 0,77 ; Ka Cl = 0,06 ; Ka SO 3 = 0,01 ; 3 (MgO, CaO, Fe 2 O 3 ) PO 5 = 0,02 ; CaO = 0,01 . Die Schwankungen in der Zusammensetzung lassen die endosmoti- schen Beziehungen zwischen der Blut- und der wasserigen Flüssigkeit erkennen; ein Verhalten, was bestätigt wird durch die Erfahrung, dass in dem mit Krapproth gefütterten Thier sich seine Flüssigkeit färbt. — Wird der Glaskörper nach der Geburt zerstört, so bildet er sich nicht wieder. Virchow giebt an, dass der Glaskörper Schleim enthalte; diese Thatsache er- wartet noch ihre Bestätigung. — Nach Lohmeyer enthält derselbe nicht immer Harnstoff. Nach Krause ist der Brechungsindex im Mittel = 1,3506 (Wasser = 1,3358 ), die Grenzen liegen bei 1,3586 und 1,3377 . Linse . 1. Anatomische Eigenschaften. Die strukturlose Linsenkapsel trägt auf der Innenfläche ihrer Vorderwand eine Decke von kernhaltigen Pflaster- zellen ( Henle ) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. V. Bd. , an der sich nach Innen unmittelbar die Linsenröhren mit ihren feinen Wandungen und sehr durchsichtigem Inhalt auschliessen. An dem Rand zwischen hinterer und vorderer Fläche befinden sich nach Kölliker Handbuch der Gewebelehre. II. Bd. 731. Uebergänge zwischen den Epithelialzellen und Linsenröhren. Der Kern enthält keine deutlichen Röhrenelemente mehr. Die Schichtung der Linsenfaserung führt zu Blättern, welche der Kapselwand gleich laufen. 2. Chemische Zusammensetzung. Von der Kapselhaut weiss man bis dahin nur, dass sie sich bei anhaltendem Kochen in zwei durch ihre Reaktionen verschiedene in Wasser lösliche Stoffe umsetzt ( Strahl ). — Linse. Der flüssige Röhreninhalt hält einen Stoff in Auflösung, der nach Mul- der’s Analyse zu den eiweisshaltigen mit locker gebundenem Schwefel gehört; seiner Reaktion nach stellt ihn Berzelius zum Globulin. Fällt man denselben durch Erhitzen aus der Flüssigkeit, so soll, wie Ber- zelius berichtet, eine saure Extraktflüssigkeit zurückbleiben, welche in ihren Eigenschaften an die Fleischflüssigkeit erinnert. Nach Lohmeyer kommt in der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. — Sie enthält 0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel als im humor aqueus vor- handen ist. 3. Physikalische Eigenthümlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr ela- stisch, aber nicht sehr fest. — Das spez. Gewicht der Faserung soll an dem Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 betragen ( Chevenix ). Zu den brechenden und polarisirenden Eigenschaften der Linse, die schon früher erwähnt (Bd. I. p. 204 u. 222 ) sind, fügt W. Krause , dass der Brechungscoeffizient des äussern Linsenstratum = 1,4071 , der mittlere = 1,4319 und des Kernes = 1,4564 (Wasser = 1,3358 ) sei. Die Füllung der Linsenröhren mit einer conzentrirten Eiweisslösung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit zu Gute. Diese Flüssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip, nach welchem Brücke mit einer ähnlichen die Darmhaut zu mikroskopischen Unter- suchungen durchsichtig machte. Die Gegenwart des Eiweissstoffes hebt nemlich den Unterschied des Brechungscoeffizienten zwischen Wasser und den Häuten der Linsenröhren auf. 4. Die Linsenernährung. — Bei der Vergrösserung der Linse wäh- rend des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang der Röh- ren zu ( Harting ). Die Linsenröhren bilden sich nur unter Beihilfe der Kapsel, wie von Valentin Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. II. Bd. durch Versuche am Kaninchen, Söm- mering und Textor durch Beobachtungen am Menschen erwiesen ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Entstehung vorkommt, beschreibt H. Meyer Müller’s Archiv. 1852. in der Art, dass zunächst Epithelialzellen auftreten, welche allmählig zu Röhren auswachsen und sich dabei über die vordere und hintere Linsenfläche gleichzeitig hinüberschlagen. Die jüngsten Schich- ten der Linse sind demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten Wand zu suchen, während die ältesten den Kern einschliessen. Die Kapselwand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. — Daraus folgt, wie Valentin bestätigt, dass die Schichtung der Linse, welche sich in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelmässigkeiten zeigen muss, da die Vorderwand der letztern durch den Einschnitt theilweise zerstört und jedenfalls verbogen ist. Die chemischen Umsetzungen, welche diese Ent- stehung begleiten, sind unbekannt; der zur Bildung führende Stoff wird bei dem ersten Auftreten aus einem Blutgefässnetz geliefert, welches in Knorpel. der Fötalperiode bis zu der Kapsel reicht. Bei der Regeneration der aus- geschnittenen Linse muss er durch die wässerige Feuchtigkeit hindurch wandern. — Verwundungen der Kapsel heilen beim Thier leicht, schwe- rer beim Menschen ( Dieterich ). Die ausgebildete Linse soll während der Lebensdauer in Umsetzungen begriffen sein. Für diese Behauptung fehlt allerdings das beweisende Maass, aber sie ist sehr wahrscheinlich. Denn einmal ist die Natur der flüssigen Linsensubstanz zur Umsetzung geneigt, und die von Berzelius , wenn auch noch so unvollkommen beobachteten Extrakte deuten auf das Bestehen einer solchen Umsetzung hin Dabei braucht man aber nicht nothwendig an ein stetiges Auflösen und Neubilden von Linsenröhren zu denken, obwohl dieser Vorgang vor- kommen könnte. Man fühlt sich sogar veranlasst, an ihn zu denken, weil nur die Vorderfläche der Linsenzellen und der Linsenränder Mittel- stufen zwischen diesen und ausgebildeten Röhren tragen. Analog der Epithelienlagen kommen also die jüngern Formen an der Seite vor, wo die Linse mit einer Gefässschicht, in unserm Fall mit den hintern Iris- gefässen und den Ciliarfortsätzen in Berührung ist. — Die eigenthüm- liche Lagerung der Linse scheint auch eine Regeneration der Eiweissstoffe zu verlangen; denn es sind diese in dem Wasser der vordern Augen- kammer und in der Glasfeuchtigkeit löslich (Auflösung der Linse bei der Zerstückelung), die Kapselhaut erlaubt ihren Durchgang, also müssen sie in diese Flüssigkeiten diffundiren, und weil sie hier nicht vorkommen, so müssen sie auch wieder von da entfernt werden, sodass die Diffusion zwi- schen Linseninhalt und umgebenden Flüssigkeiten unverändert fortdauert. Knorpel . 1. Anatomische Beschaffenheit Henle , Allgemeine Anatomie. Leipzig 1842. — Mulder , Physiologische Chemie. p. 597. — H. Meyer , Der Knorpel und seine Verknöcherung. Müller’s Archiv. 1849. — Donders , Mikroskopische und mikrochemische Untersuchungen thier. Gewebe. Holländische Beiträge. 260. — Derselbe , Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. III. Bd. 348. — Virchow , Ver- handlungen der physikal. mediz. Gesellschaft in Würzburg. II. Bd. p. 152. — Remak , Ueber extracellulare Entstehung thierischer Zellen. Müller’s Archiv. 1852. 53 u. 55; Entstehung des Bindegewebes und Knorpels. ibid. 58. — Rheiner , Beiträge zur Histologie des Kehlkopfs. Würzburg 1852. — Bergmann , Disquisitiones microsp. de cartilaginibus. Dorp. 1850. — Bruch , Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Basel 1851. p. 29. u. f. — Brandt , Disquisitiones de ossificationis processu. Dorpat 1852. Im Knorpel unterscheidet der Anatom die eingeschachtelten oder Tochterzellen, die umschliessenden oder Knorpelzellen und die Zwischen- oder Grundsubstanz. Diese drei Bestandtheile sind so zusammengeordnet, dass in der Grundsubstanz kleine, scharf begrenzte Höhlen eingelagert sind, deren selbstständige Wandung mehr oder weniger innig mit der Grundsubstanz verwachsen ist. Diese Höhlen (Knorpelzellen) schliessen einen flüssigen Inhalt ein, in wel- chem constant kernhaltige Zellen (Tochterzellen) zuweilen neben Fetttröpf- chen und dunklen Krümeln schweben. Während die umschliessenden und eingeschachtelten Zellen an den verschiedenen Fundorten der Knor- pel neben untergeordneten Abweichungen in der Grösse und der Gestalt Knorpel. überall dieselben bleiben, ist die Struktur der Grundsubstanz tiefgreifen- den Abänderungen unterworfen, die zum Theil mit bestimmten chemi- schen Eigenschaften Hand in Hand gehen. An einigen Orten ist nem- lich die Grundsubstanz homogen und durchscheinend, oder körnig und mit unregelmässigen, weiche Masse enthaltenden, Lücken versehen; oder sie ist faserig; diese Fasern können nun bald steif und geradlinig be- grenzt, bald aus den fein gewellten Bindegewebsfibrillen, bald endlich aus den netzförmigen, elastischen Fasern gebildet sein. An den Orten, an welchen die Grundsubstanz durch elastisches Gewebe gebildet wird, sollen von der Wand der umschliessenden Zellen feine Fasern aus- laufen. Remak beschreibt an den Wandungen der umschliessenden Zellen eine dop- pelte Haut, die innere, die Höhle unmittelbar umgrenzende, und eine äussere, welche von der innern durch eine mehr oder weniger dicke Lage durchsichtiger, chondrin- haltiger Masse (der sog. Grundsubstanz) getrennt ist. — Die Anwesenheit von ein- geschachtelten Zellen scheint neuerlichst ganz geläugnet zu werden ( Bruch ). 2. Chemische Zusammensetzung Simon , medizinische Chemie. II. Bd. 510. — Mulder , physiolog. Chemie. 597. — v. Bibra , Chem. Untersuchungen über Knochen und Zähne des Menschen. Schweinfurt 1844. — Hoppe, Virchow’s Archiv. V. Bd. — Derselbe , Journal für prakt. Chemie. 56. Bd. 129. — Zel- linsky in Henle’s Jahresbericht für 1853. p. 57. — Scherer, Liebig’s Annalen. 40. Bd. p. 49. . — Die durchscheinende, kör- nige oder glattfaserige Zwischensubstanz enthält vorzugsweise die- jenigen Bestandtheile, aus denen beim Kochen das Chondrin entsteht. Denn es wird beim Kochen nur die Grundsubstanz aufgelöst, wäh- rend die Zellen ungelöst zurückbleiben ( Mulder, Donders ). Die Wand der Knorpelzellen soll annähernd die Reaktionen des elastischen Gewebes darbieten; der Inhalt der Knorpelzellen besteht zum Theil aus Fett. — Der hyaline Knorpel hinterlässt beim Verbrennen eine Asche, die aus Cl, SO 3 , PO 5 , CO 2 , MgO, CaO, NaO besteht. — Von die- sen Mineralbestandtheilen bildet sich sicherlich die SO 3 aus dem Schwe- fel der Chondrigens; die PO 5 , welche mit CaO verbunden ist, scheint in dem Chondrigen enthalten zu sein; denn jede Chondrinlösung führt phosphorsaure Kalkerde. Die prozentische Zusammensetzung des Knor- pels ist sehr variabel, wie es schon die mikroskopischen Ansichten des- selben erwarten lassen. Bibra fand in 100 Theilen festem Rückstand 30 bis 46 , und in diesem Asche 2 bis 7 Theile. — Der Knorpel mit einer Grundsubstanz aus Bindegewebe liefert beim Kochen Colla; ob auch Chondrin, ist zweifelhaft. Man erhält dieses letztere dagegen aus elastischem Knorpel; da sich hierbei die Knorpelzellen erhalten und nur insofern sich verändern, als ihre Wand sich verdünnte ( Mul- der, Donders, Hoppe ), so muss Chondrigen in den Verdickungs- schichten enthalten sein. Das Zwischengewebe der zuletzt erwähnten Knorpelart ist elastischer Stoff. Knorpel. Zu den über Chondrin mitgetheilten Thatsachen ist nach neuern Beobachtungen noch mitzutheilen: durch SO 3 kann aus ihm Leucin, aber kein Glycocoll erhalten werden. Beim Behandeln mit Kalilösung soll es dagegen unter Ammoniakentwick- lung Glycocoll liefern. Im schmelzenden Kali soll es sich in Leucin, Oxalsäure und eine neue Säure zersetzen, durch Chromsäure ist aus ihm Blausäure, aber keine Ameisen- und Essigsäure zu gewinnen; bei der Fäulniss entsteht ausser einem an- dern krystallinischen Körper Leucin. Salpetersäure giebt zur Entstehung von Xan- thoproteinsäure Veranlassung ( Hoppe ). Da die erwähnten Stoffe nicht durch die Elementaranalyse als solche festgestellt sind, so verdient die Untersuchung eine Wiederholung. — Durch längeres Kochen wandelt sich das Chondrin in eine nicht gerinnbare Modifikation um ( Hoppe ). Die Reaktionen der Chondrinlösung seien nicht immer dieselben, behauptet Zellinsky ; insbesondere soll dieses der Fall sein mit verschiedenen Portionen löslicher Substanz, die man aus dem Knorpel je nach der Dauer des Kochens gewinnt. 3. Wachsthum und Ernährung. In der Fötalperiode werden die einfachen Bildungszellen an den Orten, die späterhin Knorpel enthalten, allmählig grösser, und nehmen statt der kugeligen eine Eiform an, zu- gleich verdickt sich die Wand. Die Veränderungen im wachsenden Knor- pel sind nun nicht an allen Oertlichkeiten übereinstimmend. — Ver- gleicht man die Rippenknorpel eines Neugeborenen und Erwachsenen, so zeigt sich, dass die Gesammtsumme der Höhlen im erwachsenen Knorpel abgenommen, die Höhlungen selbst grösser geworden und durch eine stärkere Einlagerung von Grundgewebe auseinander gedrängt sind ( Harting ) Recherches micrometr. p. 76. . Macht man zu diesen Erfahrungen die allerdings noch zu beweisende Voraussetzung, dass die einmal gebildete Knorpelzelle während der ganzen Lebensdauer Bestand hat, so würde gefolgert werden müssen, dass Zellenraum und Grundgewebe gleichzeitig an Ausdehnung zunehmen; zugleich aber darf die Einlagerung auf der einen und die Auf- lösung auf der andern Seite nicht gleichen Schritt halten; namentlich muss die Auflösung öfter so weit sich erstrecken, dass zwei Knorpel- höhlen miteinander verschmelzen, weil sonst die Zahl derselben im Er- wachsenen nicht geringer als in der Jugend sein könnte. Neben den geschilderten Wachsthumserscheinungen treten in den hyalinen Knorpeln noch andere sichtbare Veränderungen auf. Insbesondere wird die Grund- substanz körnig, faserig, zuweilen auch so erweicht, dass sich grössere oder kleinere unregelmässige Höhlen bilden, die sich mit Fetttröpfchen, Blutgefässen, Bindegewebe füllen (H. Meyer, Donders ). Dazu kommt, dass an einzelnen Orten die Knorpelhöhlen sich wiederum verkleinern, wobei es das Ansehen gewinnt, als sei eine Scheidewand durch eine grössere Höhlung gewachsen, welche einen Raum in zwei getheilt habe. — In den Faserknorpeln dagegen, namentlich in der lig. intervertebralia und den Synchondrosen sind ausnahmslos die Zellenhöhlen des spätern Le- bens kleiner als die des frühern, da die ältere Wand aus conzentrischen Knochen. Schichten besteht, so scheint es fast, als sei die Zellenhöhle durch pe- riodisch auf die innere Wandfläche erfolgende Absätze verengert worden ( Donders ). Der Knorpel gehört zu den Formbestandtheilen, welche sich auch im Erwachsenen neu bilden können. Um so auffallender ist es, dass Knorpelwunden durch Bindegewebe heilen ( Redfern ) Henle’s Jahresbericht für 1851. p. 52. . Da der Knorpel nur äusserst selten mit Gefässen durchzogen ist, so müssen die Flüssigkeiten durch Diffusion fortschreiten, welche die Atome ein- und ausführen zum Vortheil des Stoffumsatzes, der nach den anatomischen Beobachtungen unzweifelhaft vorhanden ist. Das Wenige, was wir über physikalische Eigenschaften kennen, ist schon früher erwähnt (Bd. I. p. 364 ). Knochen . 1. Anatomische Beschaffenheit H. Meyer , der Knorpel und seine Verknochung. Müller’s Archiv. 1849. — Kölliker mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abthl. . Die Knochenmasse setzt sich aus dünnen miteinander verwachsenen Platten zusammen, welche in conzen- trischen Lagen um die mikroskopischen Röhren geschichtet sind, die als Leitungsröhren der Blutgefässcapillaren den Knochen netzförmig durch- ziehen. Die Substanz der Knochenplättchen (also die knöcherner Wan- dungen der Gefässröhren), welche öfter optisch homogen, zuweilen aber auch gekörnt erscheint, ist abermals von einem besondern Höhlensystem, den Knochen- oder Strahlenkörperchen und ihren Ausläufern, durch- brochen. Ein jedes dieser Strahlenkörperchen ist nemlich nichts anderes als eine eiförmige Lücke in der Knochensubstanz, von welcher eine grös- sere oder geringere Zahl hohler Ausläufer ausstrahlt; die Ausläufer be- nachbarter Knochenkörperchen anastomisiren mit einander, und diejenigen, welche unmittelbar an die Gefässröhren und an die Knochenoberfläche grenzen, münden frei in die ersteren und unter das Periost, so dass durch jeden Knochen ausser dem Netz der Gefässröhren noch ein zweites ausser- ordentlich viel feineres, aber dafür dichteres und verbreiteteres, herläuft. Da die Knochenkörperchen in den Knochenschichten in ziemlich regel- mässigen Abständen gelagert sind, so bilden die Verbindungslinien der- jenigen von ihnen, welche in einer Horizontalebene liegen und zu einem der conzentrisch gelagerten Knochenplättchen gehören, eine ähn- liche Form wie die Contour der Knochenplättchen selbst, d. h. die Zellen- höhlen liegen abermals in mehreren Lagen conzentrisch um die Gefäss- röhren. Zu den beiden eben beschriebenen Lückensystemen kommt end- lich noch ein drittes sehr unregelmässig gestaltetes, welches vorzugsweise das Innere des Knochens durchzieht, wo es als Markhöhle, diploetisches oder spongiöses Gewebe bekannt ist. — Jede der drei Höhlenarten schliesst nun auch besondere Weichgebilde ein. Die strahlenförmigen Höhlen Knochen. und ihre Strahlen sind nach Virchow Würzburger Verhandlungen. II. Bd. 150. — Hoppe, Virchow’s Archiv. V. Bd. 174. — Vir- chow , ibid. p. 446. ausgekleidet mit einem ihren Wandungen eng anliegenden Häutchen; fasst man also die Haut der eiförmigen Höhle als einen Zellenkörper und die der Ausläufer als Zel- lenstrahlen auf, so kann man sich auch dahin ausdrücken, dass der Knochen von einem Netz strahlig verästelter, anastomosirender Zellen durchzogen sei. Jedes Körperchen schliesst ausserdem noch ein anderes kleines Zellengebilde, einen sog. Kern, und Flüssigkeiten in sich. Die Gefäss- kanäle umschliessen die Blutgefässe, Bindegewebe, Nerven, und in den Marklücken ist ein Gemenge von Bindegewebe, Fetttropfen, Fett- und Markzellen, Blutgefässen und wässerigen Feuchtigkeiten enthalten. Die Knochenoberfläche ist schliesslich von einer Bindegewebshaut, dem Pe- riost, überzogen, in welcher die Gefässe und Nerven laufen, bevor sie in die Gefässkanälchen des Knochens eindringen. 2. Chemische Zusammensetzung Berzelius , Lehrbuch der Cehmie. IX. Bd. 1840. — Marchand , physiolog. Chemie. Berlin 1842. 81. — v. Bibra , chem. Untersuchungen etc. Schweinfurt 1844. — Heintz , über die Zusammensetzung der Knochenerde. Berliner Monatsberichte. 1849. 1. Heft. — Regnauldu. Gosselin , Archiv. general. de med. 1849. Juliheft. — Mulder , physiolog. Chemie. p. 610. — Fremy , Annales de chimie et physique 1855. Bd. 43. p. 47. . Die feste Masse des Knochens (das Grundgewebe) ist ein Gemenge aus leimgebenden Stoffen, dem sog. Knochenknorpel und Erdsalzen (Knochenerde). Das Grundgewebe und ebenso auch der Knorpel und die Erde desselben ist bis dahin noch nicht rein dargestellt worden, weil sie nicht von den anhängenden Zellenhäuten, dem Bindegewebe u. dergl. und deren Salzen befreit werden können. Der Knochenknorpel , oder anders ausgedrückt, der durch Salzsäure von seinen Erden und durch Aether und Alkohol von seinen Fetten befreite Knochen, gab bei der Verbrennungsanalyse die prozentische Zusammensetzung des Colla, nemlich C 50,1 ; H 7,1 ; N 18,4 ; O und S 24,3 (v. Bibra ). — Die Knochenerde, welche durch Einäscherung eines Knochen dargestellt wird, der vorher vollkommen mit Wasser erschöpft war, besteht aus Fluorcalcium, CaO CO 2 , 3CaO PO 5 , 3MgO PO 5 ( Heintz ); ein frisch verbrannter Knochen liefert ausserdem noch Na Cl, Fe 2 O 3 , NaO CO 2 u. s. w. — Nach den Analysen von Heintz , den genauesten, welche wir besitzen, bestehen 100 Theile Knochen- erde aus CaO CO 2 = 9,1 ; 3CaO PO 5 = 85,7 ; 3MgO PO 5 = 1,7 ; Ca Fl = 3,0. Alle übrigen Analysen, welche Ausstellungen man auch sonst an ihnen machen kann, bestätigen doch, dass immer die phosphor- saure Kalkerde alle übrigen Bestandtheile weit überwiegt, und zeigen deutlich, dass das Verhältniss zwischen den einzelnen Erdarten durch- aus kein constantes sei. Nach Fremy soll es im Ganzen und Groben erlaubt sein, die Annahme zu machen, dass auf 1 Aeq. Kohlensäure 3 Aeq. Phosphorsäure kommen. — Der Knorpel und die Erden sind in den Knochen innig nebeneinandergelegt, aber nicht nach Aequivalenten Ludwig, Physiologie. II. 13 Knochen. verbunden. Man kann bekanntlich aus dem Knochen die Erde durch Säuren und den Knorpel durch Kalien ausziehen, ohne dass die anato- mische Elementarstruktur verloren geht. Das Verhältniss, in dem die organischen (Knorpel, Bindegewebe und Gefässe) und unorganischen Stoffe im Knochen enthalten sind, ist nicht constant. — a) Ordnet man die substantia dura der trockenen Knochen der Erwachsenen nach ihrem Gehalt an Erde, so erhält man folgende Reihe: os temporum, humerus, femur, ulna, radius, tibia, fibula, os ilium, clavicula, vertebrae, costae, sternum, os metatarsi, scapula. Das os tempor. enthielt 63,5 , die scapula 54,5 pCt. Knochenerde ( Rees ) Berzelius vermuthet, dass die von Rees untersuchten Knochen nicht vollkommen getrocknet gewesen seien. . — Bibra fand beim Weib eine etwas andere Reihenfolge: humerus, femur, tibia, fibula, ulna, radius, metacarpus, os occipitis, clavicula, scapula, costa, os ilium, vertebrae, sternum; in dem ersten Glied 69, und in dem letzten 51 pCt. Knochenerde. Diese Unterschiede sind, wie wohl zu merken, nur giltig für die Knochen des Geborenen, nicht aber für die des Foetus (v. Bibra ). — b) Die spongiöse Knochensubstanz ent- hält einige Prozente feuerflüchtiger Bestandtheile mehr, als die com- pakte ( Rees, Fremy ). Theilt man willkührlich einen Röhrenknochen seiner Dicke nach (vom Periost zur Markhaut) in mehrere Schichten, so hinterlässt die äussere zuweilen um 1 bis 2 Prozent weniger Asche, als die innere, zuweilen ist der Knochen auch durchweg gleich zusammen- gesetzt ( Fremy ). — c) An einer und derselben Knochenstelle nimmt der Gehalt an Kalkerde mit dem Alter zu; so betrug er z. B. in dem Femur männlicher Individuen beim Foetus = 59 pCt., beim dreiviertel- jährigen Säugling = 56,4 , beim fünfjährigen 67 pCt. und endlich beim 25 jährigen 68 pCt. — Das Steigen des Kalkgehaltes geht nun aber kei- neswegs in allen Knochen gleich rasch vor sich. So nähert sich u. A. die Knochensubstanz in den obern Gliedmaassen früher ihrem höchsten Werth an, als in den untern (v. Bibra ). Im Gegensatz hierzu führt Fremy’s Analyse überhaupt zu keinem Altersunterschied; den Femur des Fötus, des Erwachsenen und Greises fand er annähernd gleich reich an Erden, vorausgesetzt, dass aus dem Fötus die Knochenpunkte ausge- schält würden. — d) Ein bemerkenswerther Unterschied zwischen dem prozentischen Erdgehalt in den gleichnamigen Knochen des Mannes und des Weibes hat sich nicht herausgestellt. Das Knochenmark unterscheidet man seinem Ansehen nach in ein fettes und ein gelatinöses. Das erstere besteht vorzugsweise aus einem sehr oleinhaltigen Fett und daneben aus einer eiweiss- und salzhaltigen Flüssigkeit, den Hüllensubstanzen der Mark- und Fettzellen, Gefässhäuten und Bindegeweben. Das gelatinöse enthält dagegen überwiegend die salz- und eiweisshaltige Lösung und sehr geringe Mengen von Fett; die bei- Knochen. den Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen Verhältnissen zu sein. — Das Periost enthält die Bestandtheile des Binde- gewebes und der elastischen Faser. Die Flüssigkeit, welche neben den Gefässen die Gefässröhren und die Zellenräume füllt, ist unbekannt. Einige Angaben, die über den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zufälligen Um- ständen, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gefässröhren u. s. w., wechseln muss. 3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno- chens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. 363 mitgetheilt. 4. Ernährung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes H. Meyer, Müller’s Archiv. 1849. — Kölliker , Mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abth. 351. — Bruch , Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd. im Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen, knorpeligen Grundlage von der Form des spätern Knochens voraus. Be- vor diese der Verkalkung anheimfällt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver- grösserung der Knorpelhöhlen die Grundsubstanz beträchtlich, und zwar in der Art, dass die Höhlen in Reihen angeordnet werden, welche senk- recht stehen gegen die Fläche, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang nimmt; anders ausgedrückt bedeutet dieses, dass zwischen den einzel- nen Knorpelhöhlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gele- gen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Ver- kalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschränkten Stelle (Knochenpunkt) aus, in welche gewöhnlich ein Blutgefäss aus der Um- gebung hineinwächst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Kno- chengewebe durch eine krümelige Einlagerung, die sich zuerst auf das Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die Höhle der ein- geschachtelten Zellen erstreckt. Die zurückbleibende Höhle kann auf den Querschnitt eine stern- oder auch eine eiförmige Gestalt annehmen, wie aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem Kern und einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Wenn die Kalkerde bis zu den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die Höhle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichmässigen Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenwänden ver- wischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umge- wandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Auflösung desselben, durch welche in den Knochen unregelmässige Lücken, die spätern Markhöhlen, eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anfüllen. — Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im 13* Knochen. Fötalleben verknöchert, auch sogleich wieder verschwindet. — Die Ver- knöcherung in dem Theil des ursprünglichen Knorpelskeletts, welcher auch noch nach der Geburt unverkalkt zurückblieb, in den sog. perma- nenten Knorpeln, geht theilweise ähnlich vor sich, zum Theil aber be- ginnt auch die Infiltration der Erde zuerst in den Wandungen der ein- geschachtelten Zellen, welche dann als harte Kapseln vereinzelt in der weichen Zwischenmasse gelegen sind. — Ueber die Entstehung der Strah- lenkörperchen des Knochens ist man noch im Unklaren. Die grössere Zahl der Anatomen neigt sich, ohne Uebergangsstufen gesehen zu haben, der Ansicht zu, dass die Höhlenreste der eingeschachtelten Zellen dem mittleren Theil des Strahlenkörpers entsprächen und dass die von ihnen abgehenden Ausläufer durch eine den Knochen treffende Auflösung er- zeugt würden; andere, und insbesondere Bruch , sind der Meinung, dass im Primordialskelett niemals die Zellenhöhlen mit Ausläufern versehen wurden. Die Formfolge, welche beobachtet wurde in den Zusätzen, welche das Primordialskelet beim Knochenwachsthum zum sog. ständigen Kno- chengerüste empfängt, ist eine verschiedenartige. Wir betrachten zuerst den Fall, in welchem innerhalb eines Knochens die Verknöcherung von zwei entfernten Orten begonnen hat und gegen einander so weit vorge- schritten ist, wie z. B. im Mittelstück und den Enden der Röhrenkno- chen, dass die beiden Knochenstücke nur noch durch ein dünnes Knor- pelblatt getrennt werden. Hier geht in dem Knorpel fortwährend eine Neubildung von Knorpelzellen vor sich in der Art, dass die Knorpelhöh- len (die einschliessenden Zellen) sich immer mehr nach der Richtung der Längenachse des Knochens ausdehnen, während zugleich in dem ver- grösserten Raume neue Zellen entstehen. Diese röhrenförmigen Mutter- zellen würden demnach den reihenweise gestellten Knorpelhöhlen des primordialen Skelets entsprechen. Indem sich aber die Zelle nach der einen, von dem Verknöcherungsrand abgewendeten Seite verlängert, ver- kalken ihre Wandungen nach der dem Knochenrand zugekehrten, und kaum sind sie verknöchert, so beginnt auch schon wieder der Auf- lösungsakt, durch welchen die Markhöhlen erzeugt werden. Der ganze Vorgang schliesst sich also sehr innig an die Verknöcherung des primor- dialen Skelets an. — Ganz eigenthümlich gestaltet sich aber die Sache an den Orten, an welchen der Primordialknochen mit dem Periost zu- sammentrifft, wie z. B. an der Peripherie eines Röhrenknochens. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass auf die innere Fläche des Pe- riosts zuerst eine weiche, aus Zellen- und strukturloser Zwischenmasse bestehende Ablagerung geschehe, die so bald verknöchere, dass beide Vor- gänge nahezu gleichen Schritt halten; es ist also jederzeit nur wenig von dem verknöcherungsfähigen, weichen Material vorhanden. Die Ver- knöcherung beginnt auch hier um die Gefässe herum, welche vom Periost Knochen. in das aufgelagerte Gewebe eindringen. Da die Gefässe nach vollendeter Verkalkung noch bestehen bleiben, so ist mit diesen Angaben auch so- gleich die Entstehung der Gefässröhren erklärt. Ueber den Antheil, den die in der formlosen Masse liegenden Zellen an der Knochenbildung nehmen, herrscht dagegen Controverse. Bruch theilt denselben eine untergeordnete Bedeutung zu; er giebt an, dass in den Räumen zwi- schen Periost und Knochenoberfläche erhabene Streifen entstehen, welche sich netzförmig verbinden; die Lücken zwischen diesen Streifen sind weiter und enger, der Durchmesser der ersteren entspricht dem der spätern Gefässröhren, derjenige der kleineren aber dem Umfang der cen- tralen Höhlen der Knochenkörperchen, von diesen Höhlen gehen nun auch sogleich als feine Linien die hohlen Ausläufer hervor. Die Abla- gerung von Knochenmasse soll dann in den Streifen, nicht aber in den Lücken und Spalten geschehen; diejenigen Lücken, welche der centralen Höhle der spätern Knochenkörperchen entsprechen, sind mit einer klei- nen Zelle ausgefüllt. Im Gegensatz hierzu behauptet H. Meyer , dass die unter das Periost gelagerten Zellen annähernd die Form der Knor- pelzellen besitzen sollen und dass sie sich bei der beginnenden Verknö- cherung auch ähnlich den im Innern des Knorpels vorkommenden ver- halten. — Virchow endlich sah aus jeder Zelle hohle Aeste hervor- treten, welche sich strahlenförmig nach allen Richtungen hin verbreiten und mit denen der benachbarten sich zu einem communizirenden Röh- rensystem verbinden; wenn die an ihren Wänden unmittelbar anliegende Grundmasse mit Kalk inkrustirt ist, so seien damit die Knochenkörper- chen hergestellt. Aus dem übereinstimmenden Theil der obigen Erfahrun- gen, welche zuerst von H. Meyer ausgesprochen sind, ist es möglich, ein Schema abzuleiten zur Erläuterung des Wachsthums der Röhren- Fig. 53. knochen. Wenn in (Fig. 53. ) 1 2 2 1 den Primordialkno- chen, in welchem 2 2 das Mittel- und 1 2 die Endstücke und I II II I den erwachsenen Knochen darstellt, so muss a c c a durch Wachsthum und Verknöcherung des Knorpels entstanden sein, welcher Mittel- und Endstücke trennt, wäh- rend nur a b b a aus der Verknöcherung der Periostauflage- rung hervorgegangen ist. Damit wird auch die Behauptung von E. H. Weber Hildebrandt’s Anatomie. II. Bd. p. 40. bestätigt, dass das Wachsthum alter Knochen nach einer Richtung hin beendet sei mit der Verknöcherung der zwischen ihnen eingelagerten Knorpelstücke, also das Wachsthum der Schädel- und Wirbelhöhlen mit der Ver- knöcherung in den Nähten zwischen den Schädelknochen oder den Knorpelstücken zwischen Körper und Bogen, und ebenso das Längenwachsthum der Röhrenknochen mit der Knochen. Verkalkung des Knorpels zwischen Mittel- und Endstücken u. s. w. Unklar bleibt es aber, warum nun auch zu dieser Zeit die Knochenbildung nach andern Seiten stillsteht, warum sich also der nach der Länge ausgewachsene Knochen nicht noch fortwährend verdickt u. s. w. Der Knochen gehört zu denjenigen Geweben, welche sich im Er- wachsenen leicht neu bilden. Am gewöhnlichsten geschieht dieses ent- weder an oder innerhalb der vorhandenen Knochen (Knochenbrüche) oder wenigstens innerhalb eines schon vorhandenen Periosts. Doch kann er auch ohne diese Bedingungen entstehen, wie die Beobachtungen von H. Meyer , R. Wagner, Wittich u. A. nachweisen, welche wahre Knochenbildung in der Haut, der Linse, dem Glaskörper aufdeckten. Die chemische Entwickelung des Knochens ist so gut wie unbekannt. Da sich bei der Verknöcherung des Primordialknorpels die weiche Grundlage aus Collagen in Chondrigen verwandelt, so könnte man zur Vermuthung kommen, dass zu den an den grösseren Gestaltveränderungen sichtbaren Ein- und Umlagerung der Atome noch eine zweite unsichtbare kommt. — Kölliker behauptet, dass der aus der Periostauf- lagerung hervorgehende Knochen sogleich in collagenes Bindegewebe eingelagert werde; nach den mikrochemischen Reaktionen von Bruch kann dieses noch zwei- felhaft erscheinen. Der ausgewachsene Knochen verändert Bibra , l. c. — Valentin , Lehrbuch d. Physiologie. 2. Aufl. I. Bd. 700. — Schuchardt , Quaedam de effectu etc. Marb. 1847. in Valentin’s Jahresb. für 1848. p. 144. — Floureus , compt. rend. XIX. Bd. p. 1061 u. ibid. XXI. — B. Heine in Graefe u. Walther’s Journal f. Chirurgie. 1836. sich während des Lebens, und zwar unzweifelhaft mit Hülfe des Blutes und der Säfte, welche durch die zahlreichen Blutgefässe und die zahllosen Spältchen und Lücken der corp. radiata in ihm umhergeführt werden. Beweise hierfür liegen schon in den angeführten chemischen Thatsachen, dass der Erdgehalt der Kno- chen von der Geburt bis zur Reife, und dass er im Knochen der stark angestrengt worden, zunimmt. Hier fügen wir noch hinzu, dass die Kno- chen sich verdünnen, wenn ihre Muskeln gelähmt sind, oder wenn man die Nahrungsmittel, oder auch nur den Kalkgehalt derselben mindert. Diese letztere Erfahrung führt zu der Ableitung, dass während des Le- bens stetig Knochenmasse aufgelöst und dafür neue eingesetzt wird, sie beweist aber nicht, dass während des ganzen Lebens ununterbrochen unter das Periost neue Knochenmassen eingelagert und in der Markhöhle alte aufgelöst werden. Diese Anschauungsweise empfängt auch nicht einmal eine Bestätigung durch die Ergebnisse zweier berühmter Ver- suchsreihen. Schiebt man ein Stück eines edlen Metalls, ohne Verletzung des Knochens zwischen Periost und Knochenoberfläche, so findet man dieses nach längerer Zeit in der Markhöhle, während es vom Periost durch eine Lage von Knochenstoff getrennt ist. Offenbar ist hier das vom Periost getrennte Knochenstück der Auflösung anheim gefallen und eine vom Periost ausgehende Neubildung an seine Stelle getreten, aber damit ist nur die alte chirurgische Erfahrung bestätigt, dass ein Knochen Zähne. abstirbt, dessen zuführende Gefässe, resp. dessen Periost, zerstört ist, und dass ein Knochen sich innerhalb eines wohlerhaltenen Stückes Pe- riost wieder bilden könne. — Mischt man längere Zeit hindurch Krapp- roth zur Nahrung eines Thieres und füttert sie darauf ohne diesen Zu- satz, so sollen die durchsägten Röhrenknochen um die Markhöhle roth und unter dem Periost weiss sein. Leider hat sich aber bei vielfacher Wiederholung nicht einmal diese Thatsache bestätigt. Der Fettgehalt des Knochenmarkes schwankt sichtlich mit dem des ganzen Körpers. Zähne . 1. Die anatomische Beschreibung Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 388. unterscheidet an ihnen die Schmelzoberhaut, den Schmelz, das Zahnbein, den Kitt und das in seiner Höhle liegende Mark. — Das Schmelzoberhäutchen ist ein dünner, sehr harter und strukturloser Ueberzug des Schmelzes; dieser selbst setzt sich aus kurzen und breiten auf dem Querschnitt sechseckigen Fasern zusam- men, die dichtgedrängt ohne verbindenden Stoff an einander und nahezu senkrecht auf der Oberfläche der Krone des Zahnbeins aufstehen. — Das Zahnbein, welches den weitaus grössten Theil von Wurzel und Krone einnimmt, ist aus einem homogenen Grundgewebe aufgeführt, welches von zahlreichen feinen Röhren, den Zahnröhrchen, durchzogen wird. Diese Röhrchen beginnen mit einer offenen Mündung in der Zahnhöhle und laufen von ihr nach allen Seiten gegen die äussere Begrenzung des Zahnbeins; auf diesem Wege theilen sie sich unter sehr spitzen Winkeln in einige Hauptäste, und aus diesen Aesten gehen zahlreiche Zweige ab, welche theils mit den Nachbarn, theils auch mit den Ausläufern der Knochenhöhlen des Kitts anastomisiren. Neben den Zahnröhren finden sich auch noch spärliche kugelige Hohlräume in dem Zahnbein. — Der Kitt endlich ist ein feines Knochenlager, welches die Wurzel überzieht. — Der Kern des Zahnmarkes, in dem sich Gefässe und Nerven verbreiten, ist aus undeutlichen Fasern mit eingestreuten Kernen gewebt und an seiner gegen die Höhlenwand gekehrten Oberfläche mit einer mehrfachen Schicht cylindrischer, kernhaltiger Zellen überzogen, die von dem Zahn- bein durch ein strukturloses Häutchen abgegrenzt werden, so dass die Mündungen der Zahnröhren nicht direkt auf die Zellenoberfläche treffen. — Zur Befestigung des Zahns in den knöchernen Zahnfächern dient das Periost dieses letztern und das Zahnfleisch. 2. Chemische Zusammensetzung Berzelius , Chemie. 1840. IX. Bd. 551. — v. Bibra , Chemische Untersuchungen über Kno- chen und Zähne. 1844. — Hoppe, Virchow’s Archiv. V. Bd. 185. . Schmelzoberhaut, Schmelz, Zahnbein und Kitt besitzen eine weiche Grundlage, in welche Erden ein- gelagert sind. Die von letzteren befreite Schmelzoberhaut nähert sich ihrer Reaktion nach dem elastischen Gewebe, die der Schmelzprismen Zähne. aber den Epithelialstoffen ( Hoppe ); das erweichte Zwischengewebe im Zahnbein und Kitt ist Collagen, die nächste Umgebung der Röhren, Kugel- räume und Knochenkörperchen aber eine besondere in kochendem Wasser unlösliche Substanz ( Hoppe ). — Die in diesen Substanzen eingelager- ten Salze enthalten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk, kohlensauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde überwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verhältnisse, in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile in den ein- zelnen der erwähnten Gebilde enthalten sind, wechseln. In der Oberhaut und Prismen des getrockneten Schmelzes fand v. Bibra zwischen 3,6 bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis 96,4 pCt. unorganische, in dem Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. organische und 79,0 bis 70,6 unorganische Bestandtheile. Aus der Flüssigkeit, welche das Zahnmark durchtränkt, kann durch Essigsäure ein schleimartiger Körper gefällt werden; das Streifengewebe desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen Stücken ähnlich. 3. Ernährung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau eines besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem Säckchen, den Zahn- und Schmelzkeimen besteht. Das Säckchen ist eine Aushöhlung in den Zahnrändern des Kiefers, die, von einer derben Haut umgeben, nach der einen Seite von dem Knochen und nach der andern von dem knorpel- harten Zahnfleisch begrenzt wird. An den entgegengesetzten Wandungen des Säckchens treten die beiden Keime hervor und zwar der Zahnkeim von der Seite des Knochens und der des Schmelzs von der Zahnfleisch- seite. Damit ist zugleich ausgedrückt, dass der erste nur einen kleinen Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt, während der zweite dem weitaus grössten Theil der innern Wandfläche anliegt. Umgekehrt wie der Querschnitt verhält sich die Höhe beider Auswüchse, denn während der Zahnkeim wie eine starke an dem freistehenden Theil verbreiterte Warze in den Zahnsack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine niedrige Lage. — Beide Keime füllen den Sack vollkommen aus, so dass sie mit ihren freien in die Höhle schauenden Oberflächen unmittelbar wider einander liegen. Der Schmelzkeim besteht nun, vom Zahnsäckchen aus gerechnet, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gefässen, dann einer stärkern Lage schwammigen Gewebes, das von verästelten und commu- nizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweisshaltigen Flüssigkeit durchtränkt ist, auf diesem sitzt ein Cylinderepithelium, dessen Oberfläche von einer strukturlosen Haut bedeckt wird, auf der endlich die Schmelz- prismen stehen. — Der Zahnkeim ist an die Wand des Säckchens ge- heftet durch eine faserigen bindegewebsartigen Masse, welche von Blut- gefässen durchzogen ist; auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den Schmelz hin in lange Aeste auswächst, zwischen denen eine strukturlose Ausfüllungsmasse liegt. Diese Ausläufer stossen unmittelbar an die Zähne. Schmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit entgegen und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen die Blutgefässe und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem geschlossenen Säckchen erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern und Zahnröhren beginnt nun auch jedesmal die Verkalkung und zwar gleichzeitig in beiden Ge- bilden; Wachsthum der Grundlagen und Verknöcherung derselben schreitet dann in dem Schmelz und Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen fort. Da das Säckchen einen starken Widerstand leistet, so muss die in dasselbe abgesonderte Masse allmählig die eintretenden Gefässe zu- sammendrücken; dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims be- gegnen, weil ihre zuführenden Arterien enger und darum auch der Strom in ihnen schwächer ist; die Schmelzbildung ist dann natürlich geschlossen. Wenn dieses geschehen ist, so verlängert sich das Säckchen gegen die Alveolarhöhle aus unbekannten Gründen; das Zahnbein, welches in dieser Verlängerung entsteht, kann aber natürlich nicht mehr mit Schmelz über- zogen sein, es stellt die spätere Wurzel dar; da die ihn umkleidende Wand des Säckchens zum Periost der Alveolarhöhle wird, so scheidet dieses nun nach zwei Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den Zahn als Kitt und ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der Wurzeltheil des Zahns gegen den Kieferknochen sich andrängt, muss bei noch weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt und seine Gefässe zusammengedrückt werden, und darum wird der Zahn das- selbe durchbrechen, wobei die zuerst gebildete Krone durch die allmäh- lich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. — Ein grösserer Theil der zuerst hervorbrechenden Zähne, die Milchzähne, fallen bekanntlich in der Kindheit wieder aus, um durch neue ersetzt zu werden. Die neuen Zähne entstehen aber genau wie die Milchzähne in Säckchen, welche schon in der Fötalperiode gebaut wurden. Indem sie sich ent- wickeln, schieben sie nicht einfach den alten Zahn vor sich her, sondern sie leiten eine Auflösung der Wurzel ein. Von den Milchzähnen brechen zuerst die innern und dann die äussern Schneidezähne durch, hierauf die ersten Back-, dann die Eck- und schliesslich die zweiten Backzähne. Der erste von diesen Zähnen pflegt gegen den 7. , der letzte gegen den 30. Monat nach der Geburt hervorzukommen. Von den bleibenden Zähnen erscheint zuerst der dritte Backzahn, darauf die innern Schneidezähne und die übrigen in einer ähn- lichen Reihenfolge wie die Milchzähne. Das zweite Zahnen beginnt mit dem 7. und endet mit dem 18. Jahre. Die Veränderungen, welche die ausgewachsenen Zähne darbieten, sind äusserst unbedeutend. Sie beschränken sich, abgesehen von Krank- heiten, auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen und die Einlagerung von Kalksalzen in die Zahnhöhle, die im hohen Alter oft sehr verengt angetroffen wird. — Die Zahnröhren führen, wie es danach scheint, keine Fettzellen. Flüssigkeit, die umsetzend auf das Zahnbein wirkt; ihre Wirksamkeit beschränkt sich wahrscheinlich darauf, das Zahnbein gleichmässig zu durchfeuchten, wodurch die Sprödigkeit desselben vermindert wird. Das Periost des Zahnfächers kann dagegen mancherlei Veränderungen in der Zahnstellung herbeiführen. Namentlich kann es einen locker ge- wordenen oder gar schon einmal ausgezogenen Zahn wieder befestigen durch Anlagerung von neuem Kitt; mit seiner Hilfe sollen sich sogar die Nerven und Blutgefässe des Zahns wieder herstellen. Das Periost kann aber auch schwinden, so dass der Zahn in dem Fächer gelockert wird, oder aber es kann von ihm die Knochenbildung in dem Fächer so weit vorschreiten, dass der Zahn ausgedrängt wird. Die Caries der Zähne wird durch den deutschen Namen Fäule gut bezeichnet, da sie in einem der Fäulniss ähnlichen von Pilzbildung begleiteten chemischen Pro- zess besteht. Fettzellen . Gemenge von neutralen und sauren Fetten sind im menschlichen Körper sehr verbreitet; sie durchtränken die Hornstoffe, schwimmen als Tröpfchen oder Kügelchen in wässerigen Flüssigkeiten, die entweder frei (seröse Säfte, Galle, Speichel u. s. w.) vorkommen, oder füllen, mit eiweissartigen Stoffen gemengt oder verbunden, Nerven und Muskelröhren. Ausserdem aber sind sie abgelagert in zahlreichen Zellen, welche von den Anatomen als Fettzellen bezeichnet in dem lockern Bindegewebe zu grossen oder kleinen Haufen vereinigt vorkommen; diese sollen hier be- sprochen werden, 1. Anatomische Beschaffenheit Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. 1855. p. 102 u. 229. . In die strukturlose Zellenhaut soll immer ein wandständiger Kern eingelagert sein, der aber gewöhnlich nur dann sichtbar wird, wenn die Zelle durch Entfernung ihres trüben Inhalts durchsichtig gemacht wurde. Der Binnenraum ist entweder strotzend mit Fett erfüllt, das bei der Normaltemperatur des Menschen ( 36 ° bis 37 ° C.) halb und auch ganz flüssig ist, oder er enthält neben einer wässerigen Flüssigkeit Tropfen oder Krystalle eines Fettes, oder endlich die zusammengefallene Zelle schliesst nur wässerige Flüssigkeit in sich. Die Grösse der Zellen ist zwar sehr variabel, sowohl an gleich- als ver- schiedenartigen Lagerungsstätten, aber an einzelnen Orten doch durch dieselbe ausgezeichnet; so enthält z. B. das Bindegewebe in den Mark- höhlen des Knochens constant eine kleine Art von Fettzellen (Markzellen) ( Kölliker, Robin ). Die einzelnen Zellen eines Fettklümpchens sind gewöhnlich durch eine strukturlose Haut zusammengekettet; in dieser ver- laufen Blutgefässe. 2. Chemische Zusammensetzung Mulder , Physiolog. Chemie. Braunschweig. p. 619. — Heintz , Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. p. 386 und 436. — Derselbe , Berichte der Berliner Akademie. 1854. p. 207 und 484. — Redtenbacher, Liebig’s Annalen. 59. Bd. 41. — Lassaigne , Pharmaz. Centr. 1851. 701. — Berzelius , l. c. IX. Bd. 560. . Die Membran, welche die Zellen Fettzellen. zu einem Träubchen vereinigt, zeigt die Eigenschaften des Bindegewebes. — Die Haut der Zelle selbst nähert sich, so weit dieses aus ihrer chemischen Reaktion geschlossen werden kann, dem elastischen Stoff ( Mulder ). — Der fette Antheil des Inhalts besteht aus Stearin (nach Heintz aus Tri- stearin), Margarin (?), Palmitin ( Heintz ), Olein und einem andern öl- artigen Fette ( Heintz ). Das Verhältniss, in welchem die einzelnen Be- standtheile dieses Gemenges zu einander stehen, bewegt sich in weiten Grenzen. Lassaigne giebt nach einer allerdings ungenauen Methode an, dass z. B. beim Rind das Netzfett das der Nierenkapsel und dieses das der Kreuzbeingegend an Stearingehalt übertreffe. Aus der Erfahrung von Berzelius , dass das Nierenfett des Menschen bei 25 °, das Zellgewebs- fett und das der Wade aber erst bei 15 ° C. erstarrt, würde man auf einen grössern Oelgehalt des letztern schliessen dürfen, wenn Heintz nicht darge- than hätte, dass die Fette ihre Schmelzbarkeit vollkommen ändern durch ihre Mengung mit einander. Die Zusammensetzung der Flüssigkeit, welche entweder nur die Zellenhaut durchtränkt, oder auch einen Theil des In- halts ausmacht, ist noch nicht untersucht; in strotzend mit Fett gefüll- ten Zellen ist sie nur in sehr geringer Menge vorhanden ( Berzelius ). Von den wesentlichen physikalischen Eigenschaften dieser Fettgemenge ist schon früher (Bd. I. p. 27 ) gehandelt. 3. Ernährung Harting , Recherches micrometr. Utrecht 1845. 51. — Chossat , Recherches experiment. sur l’inanition. Paris 1843. — Schuchardt , Quaedam de effectu. Marburg 1847. und Valentin’s Jahresbericht. — Emanuel , Quaedam de effectu etc. Marburg 1847. und Valentin’s Jahres- bericht. — Liebig in seinen Annalen. 41. Bd. 273. 45. Bd. 112. 48. Bd. 126. — Dumas , Anna- les de chimie et physique. VIII. Bd. 63. und XI. Bd. — Letellier , Observation sur l’action du sucre. ibid. — Person , L’institut. 1844. N. 573. — Boussingault , Recherches experimen- tales sur le deve loppement de graisse. Annales de chimie et de physiqne . XIV. . Die Fettzellen entwickeln sich aus Bildungszellen. Beim Wachsthum des Kindes scheint der Umfang des Fettgewebes weni- ger durch eine Neubildung von Zellen als vielmehr durch ein Wachs- thum der vorhandenen zuzunehmen ( Harting ). Wahrscheinlich kann jedoch im spätern Leben eine Neubildung derselben vor sich gehen. Der Fettgehalt des Zellenraums, der sich bekanntlich während des Lebens beträchtlich ändert, wechselt mit a) der Nahrung. Ein Futter, welches viel Fette und Amylon zugleich enthält, mästet die Thiere. Die Fettmenge, um welche die Thiere zunehmen, übersteigt den Fettgehalt der Nahrungsmittel ( Gundlach, Liebig, Boussingault ). Dagegen mästet sich ein Thier nicht, wenn bei einer vollkommenen Entziehung des Fettes das Futter einen starken Amylonzusatz erfährt ( Boussin- gault ), und ebensowenig ist bei vollkommenener Entziehung des Amy- lons ein starker Zusatz von Fett hierzu genügend ( Emanuel ). Bei der zuletzt erwähnten Fütterungsart soll jedoch, wenn auch alles übrige Fett abnimmt, das Netzfett wachsen. — Bei gänzlicher Entziehung der Nahrung schwindet, das Wasser ausgenommen, kein Bestandtheil unseres Körpers so rasch, als das Fett ( Chossat, Schuchardt ). — b) Unter Fettzellen. sonst günstigen Umständen häuft körperliche Ruhe das Fett, während es durch Muskelanstrengung verzehrt wird. — c) Das Auftreten neuer oder die Steigerung bestehender fetthaltender Absonderungen (Eiter, Milch u. s. w.) bedingt ein Schwinden des fettigen Zelleninhalts. — d) Das spätere Lebensalter, insbesondere bei Frauen die Zeit jenseits der Men- strualperiode, sind der Fettablagerung günstig. Um den Einfluss irgend einer Bedingung auf die Fetterzeugung zu bestimmen, wählt man nach Chossat und Boussingault möglichst gleiche Exemplare eines und des- selben Wurfs oder derselben Brut heraus, in denen man denselben Fettgehalt voraus- setzen darf. Tödtet man ein Thier vor Beginn und das andere nach Vollendung der Versuchsreihe, so ist der absolute Unterschied des Fettgehaltes beider Thiere wenig- stens annähernd zu finden. Dieser Unterschied stellt nun aber wahrscheinlich nicht die ganze Menge des Fetts dar, welches von Beginn bis zu Ende des Versuchs in den Fettzellen deponirt war; denn der jeweilige Grad ihrer Füllung dürfte wiederum nichts anderes sein, als der Unterschied der während der Versuchszeit in sie und aus ihnen getretenen Mengen. Auf die Gegenwart eines solchen stetigen Verkehrs deuten nemlich obige Thatsachen von selbst hin. Die Anhäufung des Fetts in den Zellen geht gewissermaassen mit einer Auswahl des Orts von Statten. Die meiste Anziehung zum Fett haben die Zellen der Augenhöhle, die Wangenlücken, panniculus adiposus der Fusssohle und der Fingerspitzen und die Markhöhlen, welche selbst in der äussersten Abzehrung nie fettleer gefunden werden. Mehrt sich das Fett, so tritt es zuerst im panniculus der Hinterbacken, dem Bauch, den Waden, der Brust und gleichzeitig oder noch früher in der Umge- bung des Kniegelenks und in den spongiösen Gelenkenden auf; erst wenn hier die Füllung einen gewissen Grad erreicht hat, schwellen auch die Zellen des Bauchfells und der Nierengegend. Nach den Erfahrungen von Liebig und Gundlach , welche Bous- singault bestätigt hat, kann kein Zweifel darüber sein, dass das Fett des Zelleninhaltes nicht unter allen Umständen seinen Ursprung verdanken kann dem mit der Nahrung eingeführten Fett; aus welchen Atomen es nun aber seinen Ursprung zieht, ob aus Amylon oder eiweissartigen Stoffen, lässt sich nicht angeben. — Noch weniger entschieden ist die Frage, ob das Fett in die Zellen aus- und eingeführt werde, oder ob es in ihnen entstehe und vergehe. — Nachdem nemlich einmal die Möglich- keit der Entstehung des Fettes aus andern in Wasser löslichen Atom- gruppen nicht mehr bestritten werden kann, gewinnt die Annahme, dass dieselbe innerhalb der Fettzellen vor sich gehe, an Wahrscheinlichkeit, wenn man die Schwierigkeiten erwägt, welche sich dem Uebergang des Fettes aus den Nahrungsmitteln in die Fettzellen entgegenstellen; kaum ist es nemlich aus dem Darmrohr auf einem wie es scheint bequemen Weg in die Lymphgefässe eingegangen, so wird jedes kleinste Tröpfchen mit einer von Wasser getränkten Haut umgeben; um aus dem Blut in seine neue Lagerstätte zu gelangen, muss das Fett die Hülle der Lymph- Fettzellen. körperchen, die Wandung der Capillargefässe und die Häute der Fett- zellen durchbrechen. Dazu kommt noch, dass in der That bei einem reichlichen Zusatz von Fett zu Nahrung nur die Zellen des Netzes, wo- hin dasselbe unmittelbar aus den Lymphgefässen gedrungen sein konnte, sich mit Fett füllen. Hiergegen lässt sich allerdings einwenden, dass es Stoffe giebt, welche dem Fette auch den Durchgang durch Wasser erleich- tern, wohin namentlich die Seifen und die Galle zählen. Ausserdem könnte man für die Hypothese von der einfachen Ueberführung auch noch die Thatsache anführen, dass die Steigerung der Butterausscheidung u. dergl. die Fettablagerung in dem Bindegewebe hemme; bei genauerer Ueberlegung zeigt sich aber sogleich, dass diese Beobachtung nur dafür einsteht, dass das Fett der Butter und des Eiters einerseits und des Bindegewebes anderseits ihr Bildungsmaterial aus einer Quelle ziehen. — Zur Entscheidung können auch nicht die Versuche von R. Wagner Mittheilungen einer einfachen Methode etc. Göttinger gelehrte Anzeigen 1851. , Burdach und Wittich W. Burdach , experimenta quaedam de commutatione etc. Königsberg 1853. dienen, aus denen hervorgeht, dass eine Crystalllinse, Muskelstücke, Hollundermark u. dergl., welche in die Unter- leibshöhle geschoben werden, nach einiger Zeit sich in Fette umgewan- delt oder damit durchtränkt haben. Denn selbst das Fett, welches in das Hollundermark abgesetzt war, kann seinen Ursprung aus Stoffen ge- zogen haben, welche in wässerigen Lösungen in dasselbe eingedrungen und dort erst verändert sind. Siehe hierüber noch Michaelis Prager Vierteljahrschrift. 1853. III. Bd. . Das Schwinden des Fettes in den Zellen lässt sich ebenfalls nach Analogie bekannter Fettzersetzungen wohl erklären, aber es fehlt uns ein Beweis für das Bestehen eines solchen Prozesses in der Fettzelle. Man konnte nemlich voraussetzen, dass in dieser letztern nach Art der oxydirenden Fettgährung die neutralen Fette erst in Glycerin und fette Säuren und diese dann wieder durch allmählige Abspaltung in C 2 H 2 und CO 2 , HO und eine fette Säure niederer Ordnung zerfiel. Um dieser Hypothese Eingang zu verschaffen, fehlt selbst der Nachweiss von Ca- pron-, Capryl-, Baldrian-, Buttersäure u. s. w. in dem Fettgewebe. Nervenröhren . 1. Die anatomischen Eigenschaften derselben sind schon früher (Bd. I. p. 71 auseinandergesetzt. 2. Chemische Zusammensetzung. Die mikrochemische Untersuchung, deren Ergebnisse ebenfalls schon früher erwähnt sind, lässt die Scheide des Rohrs aus elastischem Gewebe und den Inhalt desselben aus einem Gemenge von Fetten, Eiweissstoffen, Salzen und Wasser bestehen. v. Bibra Liebigs Annalen. 91. Bd. hat die Fette und Salze der Nerven und ebenso einige quantitative Verhältnisse derselben im Grossen untersucht; die Fette be- Nervenröhren. stehen nach ihm aus Olein und Margarin, Cerebrinsäure, Cholestearin und einigen andern nicht näher bestimmbaren festen und flüssigen Fett- arten; die Asche enthielt Eisen, Kochsalz und Verbindungen der Phos- phorsäure mit Kali, Natron, Kalk- und Talkerde. Quantitativ sind v. Bibra bestimmt worden die in Aether löslichen und unlös- lichen Bestandtheile, das Wasser und die Aschen am nerv. opticus, brachialis, cru- ralis, ein oberer und unterer Abschnitt des ischiadicus bei Menschen von 3 bis 93 Jah- ren, männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese Beobachtungen lassen erkennen, dass das analytische Objekt von sehr variabler Natur ist und in keiner Abhängigkeit zum Alter des Menschen und der Lokalität des Nerven steht. So schwankt z. B. der Fettgehalt in 100 Theilen im n. eruralis zwischen 13 und 44 pCt., im n. brach. zwischen 4 und 36 pCt., im obern Stück des n. ischiadicus zwischen 18 und 44 pCt. und im untern zwischen 11 und 43 pCt.. Aehnliche Unterschiede zeigt der Gehalt des Wassers und der in Aether unlöslichen Bestandtheile. Zugleich zeigen die Zah- len, das kein bestimmtes Verhältniss zwischen dem Wasser- und Fettgehalt besteht; die Nerven geringsten Fettgehaltes erweisen sich allerdings am wasserreichsten, aber sehr häufig ist der Wassergehalt zweier Nerven annähernd einander gleich, wäh- rend ihr Fettgehalt weit von einander abweicht. — Der Gehalt an Asche steigt dagegen mit demjenigen der in Aether unlöslichen Stoffe. Er wechselt zwischen 1,2 bis 0,6 des feuchten Nerven. Die Zusammensetzung der Fette ist ebenfalls qualitativ und quantitativ wechselvoll; gewöhnlich überwiegt Margarin und Olein, das bis zu 94,9 pCt. des trockenen ätherischen Auszugs sich erhebt. Die Asche besteht wesent- lich aus phosphorsauren Salzen, unter denen bald die phosphorsauren Alkalien und bald die Erden überwiegen. In 100 Theilen Asche hält sich das Chlornatrium zwi- schen 18 und 27 pCt. und das Eisen zwischen 1 und 2 pCt. — Die n. cruralis und ischiadicus einer einseitig gelähmten 78jährigen Frau waren beiderseits sehr saftreich, der n. brachialis, welcher nur auf der gelähmten Seite untersucht wurde, dagegen keineswegs. 3. Ernährung. Die entstehenden Nervenröhren sollen aus verlänger- ten und mit einander verwachsenen Bildungszellen hervorgehen. Eine vollkommene Neubildung ist auch im erwachsenen Menschen möglich ( Virchow ) Würzburger Verhandlungen. II. Bd. 141. , obwohl sie selten vorzukommen scheint. Der Wieder- ersatz eines ausgeschnittenen Stücks Nervenrohr mit der Wiederherstel- lung seines Kanals ist dagegen sehr häufig beobachtet und tritt, obwohl sehr langsam, im gesunden Individuum jedesmal ein, vorausgesetzt, dass die beiden zugehörigen Enden des durchschnittenen Nerven durch einen Zwischenraum von nicht mehr als höchstens 8 — 12 Linien getrennt und mit ihren Schnittflächen einander zugekehrt sind. Diese Thatsachen in Verbindung mit den Ergebnissen, welche die mikroskopischen Beobach- tungen von Kölliker und Valentin Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. p. 716. lieferten, lassen darauf schlies- sen, dass die beiden Enden wieder mit einander verwachsen. Im Gegen- satz hierzu behauptet Walther Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 356. , dass das peripherische von seiner Verbindung mit Hirn oder Rückenmark getrennte Stück ganz absterbe und sich an der Stelle desselben ganz neue Nervenröhren entwickelten, Nervenröhren. die mit denen im centralen Stumpf enthaltenen sich verbinden. — Die Zahl der Röhren, welche von gleichnamigen Nervenstämmen eines Kindes und eines Erwachsenen eingeschlossen werden, ist annähernd gleich, der mittlere Querschnitt der kindlichen Nervenröhren ist dagegen viel geringer, als im spätern Lebensalter ( Harting ). Daraus darf wohl gefolgert werden, dass sich beim Wachsthum des Körpers nicht die Zahlen, sondern nur die Dimensionen der Nervenröhren vergrössern. Im ausgewachsenen Nerven setzt man einen lebhaften Stoffwechsel voraus; dieses gründet man, in Ermangelung chemischer Beweise darauf, dass ein Nerv seine Fähigkeit, lebendige Kräfte zu entwickeln, rasch ein- büsst, wenn ihm die Blutzufuhr abgeschnitten wird, und sie ebenso rasch nach dem Zutritt von Blut wieder gewinnt. — Die einzigen sicheren Er- fahrungen über die inneren Umsetzungen des Nerven, hat die mikrosko- pische Anschauung geliefert. Sie lehrt, dass ein Nerv, der längere Zeit den Zustand der Erregung entbehrt hat, blass und zusammengefallen ist und zuweilen mit kleinen Fetttröpfchen gefüllt ist ( Kölliker, Vir- chow ). Diese Veränderung kann aber, so lange als die Verbindung des Nerven mit dem Hirn und Rückenmark noch besteht, wieder aufgehoben werden; denn ohne diese Annahme würde es unerklärlich sein, dass die atrophischen Muskeln und Nerven eines Klumpfusses wieder in normale Funktion treten, nachdem durch eine passende orthopädische Behandlung die Beweglichkeit des Gliedes wiederhergestellt ist. — Die mikrosko- pische Untersuchung thut ausserdem dar, dass ein von den nervösen Centren getrennter Nerv rasch seine Struktur einbüsst, indem namentlich das Mark gerinnt und die doppelten Contouren verloren gehen. Diese Be- obachtungen zeigen, dass der Nerv, um seine chemische Zusammensetzung zu behaupten, ebensowohl die Beihilfe des Blutes, als auch der Einwirkun- gen bedarf, welche vom Hirn- und Rückenmark aus auf sie zu gesche- hen pflegen. Ob diese in noch etwas andern, als in der von dort aus- gehenden Erregung bestehen, ist nicht bekannt. Von den Ernährungsverhältnissen der übrigen nervösen Elementar- formen, z. B. der Ganglienkugel, der Stübchenschicht u. s. w., weiss die Physiologie noch nichts dem betreffenden Inhalt der histologischen Lehr- bücher zuzusetzen. Hirn- und Rückenmark . 1. Chemische Zusammensetzung Fremy , Annales de chim. et phys. 3 sième ser. 2. Bd. 463. — Berzelius , Lehrb. d. Chemie. IX. Bd. — v. Bibra , Vergleichende Untersuchungen über das Gehirn des Menschen. Mannh. 1854. — Derselbe in Liebig’s Annalen. 91. Bd. — Hauff u. Walther , Archiv für phy- siolog. Heilkunde. 1853. 100. — Schlossberger, Liebigs Annalen. 86. Bd. 119 u. ibidem. 90. Bd. 381. — Breed , ibidem. 80. Bd. 124. . Die wässerige Flüssigkeit, welche aus dem Hirn gewonnen werden kann, enthält mehrere Eiweissstoffe, Milch- säure (v. Bibra ), phosphorsaure neben Spuren von schwefel- und salz- Hirn- und Rückenmark. sauren Alkalien in Lösung; ausserdem hat man in ihm gefunden die Häute der Gefässe und Nervenröhren, unlösliche eiweisshaltige (?) Körper, Gly- cerinphosphorsäure, Cerebrinsäure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein Gemenge anderer nicht näher untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen, Kieselsäure, phosphorsaurer Kalk und Talk. — Das Verhältniss, in wel- chem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen vorkommen, ist nicht gleich. John und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse, nur aus Nervenröhren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett und dagegen viel ärmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobach- tung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von Hauff, Walther und v. Bibra bestätigt worden, welche in der weissen Substanz 69,6 bis 70,6 pCt., in der grauen dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fan- den, während die erstere 14,9 bis 17,0 pCt., die letztere dagegen 4,8 bis 5,1 pCt. Fett enthielt. Schlossberger fügt hierzu die Erfah- rung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen 88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 3,5 bis 3,8 Fett enthalten. Die Fette der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen die Cerebrinsäure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten überwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungefähr gleich viel zu sein (v. Bibra ), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt ( Lassaigne, Schloss- berger ). Der Grund für die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphorsäure- haltigen Fette. Beliebige Stücke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreif- lich nicht überall gleich zusammengesetzt. Vauquelin beobachtete, dass medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und Bibra , der dieses bestätigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der Reihe nach folgen die Grosshirnhemisphären, cerebellum und pons, crura cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei Embryonen und jungen Kindern geringer, späterhin, namentlich jenseits der Pubertät ist er unabhängig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fett- reichthum des übrigen Körpers, indem magere und fette Personen ganz denselben Fettwerth bieten (v. Bibra ). Um einen Begriff von der Zu- sammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, fügen wir eine Analyse derselben von Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinter- liessen 0,027 Asche, welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphor- saurem Kali; 22,93 pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph. Kalk; 3,4 pyroph. Magnesia; 4,74 Chlornatrium; 1,64 schwefelsaurem Muskeln. Kali, 9,15 Phosphorsäure und 0,42 Kieselsäure bestanden. Analysen der entfetteten Hirnmasse theilt v. Bibra Vergl. Untersuchungen u. s. w. p. 75. mit. Der Gefässreichthum der Nervencentren und insbesondere derjenige der grauen Substanz erwecken die Vermuthung, dass dort eine lebhafte chemische Thätigkeit stattfinden möge; diese Anschauung wird unterstützt durch die bekannte Erfahrung, dass das Hirn rasch abstirbt, wenn der Strom des arteriellen Blutes zum Hirn oder Rückenmark nur kurze Zeit unterbrochen ist. Hiergegen spricht aber scheinbar die mehrfach bestätigte Erfahrung Chossat’s , dass das Hirn verhungerter Thiere im Gegensatz zu Fett, Muskeln u. s. w. einen nur unb ede utenden Gewichts- verlust erlitten hat; eine kurze Ueberlegung führt uns aber sogleich noch eine andere Erklärung dieser Erscheinung zu; denn es steht uns nichts entgegen, anzunehmen, es sei das Hirn mit so energischer Verwandt- schaft zu den Blutbestandtheilen begabt, dass es auch noch aus dem Blut des hungernden Thiers, gleichsam auf Kosten der übrigen Organe, den Verlust ersetze, welchen es während seines Bestehens fortdauernd erleidet. — Da die chemische Zusammensetzung des Hirns nicht überall dieselbe ist, so wird es daraus wenigstens ganz im Groben erklärlich, warum Gifte, insbesondere Kohlensäure und Narkotika nicht alle Orte desselben gleichmässig angreifen, so dass z. B. Digitalin die Ursprünge des n. vagus, Opium die mit dem Bewusstsein in Verbindung stehenden Stellen, Kohlensäure eher das grosse Gehirn als das verlängerte Mark abtödtet. Muskeln . Der anatomische und chemische Bau der glatten und gestreiften Muskelröhre ist schon abgehandelt I. Bd. p. 312 u. 349. . 1. Ernährungserscheinungen. Die Muskelröhre entsteht ursprüng- lich aus einer oder mehreren verlängerten und mit einander verwachse- nen Primitivzellen; der Hohlraum dieser Röhre füllt sich dann von der Peripherie gegen das Centrum hin mit kleinen Prismen oder Fasern. In der Fötalperiode entsteht ein Muskelrohr nur dann, wenn die ihm zuge- hörigen Nerven vorhanden sind (E. H. und Ed Weber ) Leipziger Berichte. 1849. p. 136. . Im erwach- senen Individuum gehört ihre Neubildung ebenso wie die Verheilung eines durchschnittenen Rohres mit Muskelsubstanz zu den höchsten Sel- tenheiten; sie ist nur zweimal von Rokitansky und Virchow Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. p. 210. beob- achtet worden; ob sich mit ihnen gleichzeitig Nerven entwickelten? — Bei dem Wachsthum der Muskeln nimmt nicht die Zahl, sondern der Umfang der in ihnen enthaltenen Röhren zu ( Harting, Hepp ) Hartung l. c. — Hepp, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. 257. . Da- mit in Uebereinstimmung fand Liebig , dass verdünnte Salzsäure, Ludwig, Physiologie. II. 14 Muskeln. welche die Röhrenwände und Scheiden zurücklässt, das Röhrenmark aber löst, aus den Muskeln alter Thiere einen grössern proportionalen Antheil auflöst, als aus denen junger. Die Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Bildungszellen; im spätern Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer Zerstörung wie- der, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von Nerven beobach- tet wird. Der Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem che- mischen Gleichgewicht. Aus den frühern ausführlichen Mittheilungen hierüber heben wir nur noch hervor, dass der Inhalt erstarrt, wenn der zu ihnen führende Blutstrom unterbunden ist, dass sie aber, so lange dieser zu ihnen tritt, auch Kohlensäure und zu den Zeiten der Erre- gung Kreatin, Kreatinin, Michsäure u. s. w. liefern. Ueber die Geschwin- digkeit des Stoffwechsels fehlen Angaben; etwas weniges ist uns nur be- kannt über das Verhältniss der zu- und abgehenden Strömung. Die Zu- fuhr überwiegt den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere bei fleischhaltiger Nahrung die Muskeln häufig und angestrengt in Ver- kürzung gerathen. In diesem Falle nehmen nemlich die Muskeln an Umfang zu. — Umgekehrt verhalten sich die Dinge bei Entziehung der Nahrung, namentlich verdünnen sich die Muskelröhren auch, wenn die Thiere nur mit Eiweiss gefüttert werden, so dass sie aus Mangel an Fett oder Amylon verhungern. Doch ist die Abnahme derselben dann gerin- ger, als wenn sie umgekehrt durch Entziehung des Eiweisses verhun- gern ( Schuchardt ) Quaedam de effectn etc. Marburg 1847. . Die Muskeln nehmen auch an Gewicht ab, wenn sie bei noch so guter Ernährung lange Zeit in dem verlänger- ten Zustand verharren, hierbei ist es gleichgiltig, ob das Verharren in diesem Zustand bedingt war durch Abwesenheit der Nervenerregung, Zerstörung eines Gelenkes u. s. w. — Die Umsetzung der Stoffe im Rohr wird damit auch qualitativ geändert, da die verkümmerten Mus- keln sehr reich an Fett werden. Die Muskeln sind öfter auch im Ganzen analysirt worden; bei einem Mangel an genügenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Gefässe, Fett, Muskelröhren, Blut und Muskelsäfte zu scheiden, sind diese Beobachtungen natürlich unvollkommen; für die Physiologie der Muskelernährung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden; dagegen nehmen sie ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungs- mittel. — Das einzige, was vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die Beobachtung von Schottin , nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt. Wasser mehr enthält, als die Muskeln, welche möglichst von Fett und Bindegewebe befreit sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und Bibra Schlossberger im Jahresbericht v. Berzelius . XXIII. Bd. 608. — v. Bibra im Jahresbe- richt v. Scherer für 1845. 131. nicht überein, wonach die Muskeln junger Thiere um 2 pCt. wasserhalti- ger sind, als die der ältern. Blutgefässwände. Blutgefässwandungen . Die anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gefässwandungen sind auf Seite 75 u. f. dieses Bandes beschrieben. 2. Die chemische Zusammensetzung Schultze, Liebig’s Annalen. 71. Bd. 277. — Lehmann , physiolog. Chemie. 3. Bd. p. 64. der Gefässhaut wechselt mit ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die Eigen- thümlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus elastischem Muskel- und Bindegewebe dar. Die Flüssigkeit, welche die grossen Ar- terien durchtränkt, reagirt alkalisch und enthält ausser den Bestandthei- len der Fleischflüssigkeit einen eiweissartigen Körper, welcher seiner Reaktionen wegen für Casein angesprochen wird ( Schulze, Lehmann ). 3. Ernährungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gefässe Kölliker , mikroskopische Anatomie. II. 2. Abthlg. — Remak , Untersuchungen über Ent- wickelung der Wirbelthiere. Berlin 1851. 13. — Jos. Meyer , Annalen der Berliner Charité. IV. Bd. p. 41. be- stehen nach Kölliker und Remak aus trüben Strängen, welche sich aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens zwei auf dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussenfläche des Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das Centrum liegenden werden aufgelöst. Die primitive Röhrenwand ist also immer nur aus Zellen zusammengesetzt; ihren spätern Platten, Fasern, Zellen sollen zellige Auflagerungen auf die äussere Fläche der primitiven Wand vor- ausgehen. Beim Auftreten aller spätern Gefässe im Fötus und Gebornen und namentlich auch derjenigen, welche sich bei der Vernarbung von Wunden u. dgl. bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge. Die fertigen Gefässröhren werden nach Remak und J. Meyer da, wo eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und so- lide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden Ge- fässes ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zugleich er- weicht sich sein Inhalt, so dass eine Höhle in ihm entsteht, welche sich in die anfänglich noch viel weiteren Gefässröhren öffnet, und dann sich bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum Blutkörperchen aufnehmen kann. Schwann und nach ihm Kölliker u. A. beschreiben im Ge- gensatz zu diesen Erfahrungen an den Orten, wo neue Gefässe auftre- ten, sternförmig verästelte Zellen; die benachbarten Aeste der Zellen er- reichen sich zum Theil und verschmelzen vollkommen, so dass die Höhlun- gen derselben sich einander öffnen; andere Ausläufer treffen dagegen auf die Wandungen schon fertiger Capillargefässe, mit den sie verwach- sen; an diesen Verwachsungsstellen verschwindet endlich auch die Scheide- wand zwischen Zellen und Gefässhöhlen, so dass nun die Blutflüssigkeit aus der letztern in die erstere eindringt und den Binnenraum derselben erweitern kann. — Die fertigen Capillaren wandeln sich nun unter ge- wissen Bedingungen in Gefässe höherer Ordnung um, indem sich ihre 14* Milz. Höhle ausweitet und ihre Wand durch Auflagerung von elastischem und muskulösem Gewebe verdickt. Dem Anschein nach spielt hierbei der Blutdruck selbst eine Rolle, in der Art, dass wenn derselbe zunimmt, auch die Höhle und Wandung umfänglicher werden. Diese Meinung gründet sich auf die Erfahrung, dass sich die Aeste eines Stammes er- weitern, wenn dieser letztere unterbunden würde, eine Erscheinung, welche bei den Chirurgen unter dem Namen der Entwickelung des Colla- teralkreislaufes bekannt ist. Die weissartigen Bestandtheile der Gefässwand und wahrscheinlich diejenigen der Muskelzellen, setzen sich während des Lebens in andere Atome um, wie dieses aus der Untersuchung der sie durchtränkenden Flüssigkeit hervorgeht. Unter welchen Bedingungen dieser Stoffwechsel steigt und fällt, und wie umfangreich er überhaupt ist, wissen wir nicht. Man konnte vermuthen, dass er nicht unbedeutend wäre, wenn man die zahlreichen Capillaren, welche sich in der Wand der grössern Arterien verbreiten, bedenkt. — Die Anwesenheit der vasa vasorum gewährt ausser- dem noch Interesse, weil es zeigt, dass die tunica elastica derselben selbst bei dem hohen Druck, unter welchem das Blut in ihnen strömt, die Stoffe, welche zur Muskelernährung nothwendig sind, nicht in genü- gender Menge durchlässt. Die Neubildung von Gefässen in Geborenen ist von Bruch, Rokitansky, Wedl Bruch , Diagnose der bösartigen Geschwülste. Mainz 1847. — Rokitansky , patholog. Ana- tomie. I. Bd. Wien 1846. p. 271. — Wedl , Zeitschrift d. Wiener Aerzte. IX. Jahrg. I. Bd. 495. — Engel , Zeitschrift d. Wiener Aerzte. IV. Jahrg. I. Bd. 1. — Henle , Jahresbericht für 1851. p. 41. u. A. abweichend von den gegebenen Mittheilungen dargestellt worden, worüber die untenstehende Litteratur und die auf sehr genaue Untersuchungen ge- stützten Gegenbemerkungen von J. Meyer und Henle nachzusehen sind. Die Milz . 1. Anatomische Zusammensetzung Ecker, Wagner’s Handwörterbuch. IV. Bd. 130. — Kölliker , Handbuch der Gewebe- lehre. 2. Aufl. 1855. 461. — Hlasek , de structura lienis. Dorpat. 1852. . In den Bau der Milz gehen ein die Kapsel mit ihren Fortsätzen, den sog. Balken, Blut- und Lymph- gefässe, Nerven, die Milzbläschen und das Mark. — Kapsel und Balken sind aus den Elementen des Bindegewebes geformt. Die Kapsel, welche die übrigen anatomischen Bestandtheile der Milz einschliesst, sendet von ihrer innern Fläche zahlreiche Fortsätze aus, die sich vielfach verästeln und sich untereinander verbinden, so dass im Hohlraum der Kapsel ein Netzwerk mit weitern und engern Maschen entsteht. — Die Blutgefässe stülpen an ihren Eintrittsstellen die Kapselwand in den Hohlraum, oder mit andern Worten, sie überziehen sich mit einer Scheide, welche die grossen Stämme der Venen und Arterien nebst Lymphgefässen und Ner- ven umkleidet, und schliesslich, indem sie den feinen Arterienzweigen folgt, mit eingeht in das Balkenwerk der Milz. Die Arterien zerfallen nach ihrem Eintritt in den Milzraum sehr rasch, und vertheilen sich Milz. schliesslich pinselförmig in Capillaren, welche auf dem Milzbalken verlaufen, insofern sie nicht in das Innere der Milzbläschen eingehen. Der weitere Verlauf der Lumina zunächst jenseits dieser Capillaren ist nicht vollkommen klar, weil es nemlich nicht gelingt, eine Injektionsmasse durch die Ar- terie in die Vene oder durch letztere in erstere zu treiben, ohne die Ge- fässe zu zerreissen. Man vermuthet, dass die Capillaren sich in grössere, von sehr dünnen Wandungen bekleidete Säcke ergiessen, und dass aus diesen kleine Venen entspringen, welche sich rasch zu den grossen Stäm- men sammeln. Daneben ist aber auch die Meinung ausgesprochen, dass die Capillaren in die Räume zwischen den Balken aus- und diese wieder in die Venen einmündeten, so dass der gesammte zwischen den Balken freibleibende Hohlraum von den Venensäcken eingenommen würde. Die Wandungen der Blutgefässe und namentlich die der feinen Venenäste sind sehr dünn, auf ihrer innern Fläche mit einer Oberhaut aus Spindel- zellen bekleidet und in ihrer Media mit Muskelzellen versehen. — Die grössern Lymphgefässstämme folgen den Blutgefässen; über ihre An- fänge steht nur so viel fest, dass ein Theil derselben aus dem Mark und ein anderer von der Milzoberfläche sich sammelt. — Die Nerven, welche von sehr vielen Remak’s chen Fasern begleitet werden, folgen den Arterien, an deren feinsten Zweigen sie noch aufzufinden sind, wie und wo sie enden, ist noch aufzudecken. — Die Milzbläschen sind kleine kugelartige Kapseln, welche vorzugsweise von Lymphkörperchen, feinen Kernen und einer geringeren Menge von Flüssigkeit ausgefüllt sind, zwi- schen denen sich ein Capillarnetz aus Blutgefässen ausbreitet; dieses zieht seinen Ursprung aus einem besondern kleinen Arterienästchen, wel- ches die Kapsel des Bläschens durchbohrt. Die Milzbläschen, welche ihre Lagerungsstätte in den Scheiden an den Aesten der Arterienpinsel haben, sollen ihren Hohlraum in den Lymphgefässen öffnen. Diese An- nahme, welche aus ihrem, den Lymphdrüsen analogen Bau hervorgegan- gen ist, würde, wie es scheint, bewiesen sein, wenn sich die Beobach- tung von Gerlach bestätigt, welcher die in ihren Arterien injizirte Leimmasse in die Lymphgefässe übergehen sah, wenn die ersteren in Folge des Injektionsdruckes gerissen waren. — Das Mark, welches man aus den durchschnittenen Hohlräumen der Milz auspressen kann, stellt eine weiche röthliche Masse dar. In seiner sparsamen Flüssigkeit sind zahlreiche, feste und geformte Gebilde vorhanden, welche weitaus zum grössten Theil aus den im Blutgefässe und Milzbläschen enthaltenen Zel- lenformen bestehen, nemlich: aus Kernen, Lymph- und Blutkörperchen und Epithelialzellen der Gefässwand. Dazu gesellen sich aber sehr häufig als besondere Gestalten grössere Zellen, welche Blutkörperchen oder Blut- körperchen ähnliche Formen einschliessen, welche letztere sich, obwohl sie verschrumpften Blutscheiben sehr ähnlich sehen, durch ihre chemi- schen Reaktionen sehr weit von ihnen entfernen. Dann erscheinen Zellen Milz. mit einzelnen Pigmentkörnchen, ferner Häutchen von zusammengeklebten gelb oder bräunlich gefärbten Körnchen und endlich auch Häufchen un- regelmässig gestalteter farbloser Körnchen. 2. Chemische Zusammensetzung. — a. Die Flüssigkeit des venösen Bluts der Milz unterscheidet sich nach den vorliegenden Untersuchungen von der des arteriellen Bluts nicht durch besondere nur in diesem Or- gan vorkommenden Merkmale; der Inhalt der venösen Blutscheiben kry- stallisirt dagegen vorzugsweise leicht; die Zahl der farblosen Blutkörper- chen des Milzvenenblutes ist im Verhältniss zu den rothen grösser, als im Arterienblut ( Funcke ). — In den Milzbläschen beobachteten Vir- chow Virchow , Archiv f. patholog. Anat. VI. Bd. p. 135. 268. 416. — Luschka , ibid. 271. — Donders , Nederland. Lancet. 1853. p. 278. — H. Meckel , Annalen d. Berliner Charité. IV. p. 264. und Meckel einen Stoff, welcher nach Zusatz von Jod hell- roth oder blassblau, nach Zusatz von Schwefelsäure und Jod schön blau, ähnlich wie die Stärke, gefärbt wird. Dieser Stoff widersteht der Fäul- niss viel längere Zeit als die eiweissartigen Körper und ist in Aether unlöslich ( Naegli ). Virchow vermuthet darum, dass er aus einer Art von Cellulose bestehe. Dieser sehr wahrscheinlichen Vermuthung gegenüber hält Meckel denselben für Cholestearin, welches sich seinen Beobachtungen gemäss durch Jod und Schwefelsäure ebenfalls bläuet. — Die Milzlymphe unterscheidet sich, soweit bekannt, dadurch von anderer, dass sie häufiger, und zwar ebensowohl während der Verdauungsperiode ( Tiedemann, Gmelin ), als auch während des Hungers (H. Nasse ) Blutkörperchen enthält. — Aus der Milz lässt sich ein Extrakt gewin- nen, der nach Scherer Würzburger Verhandlungen. Bd. II. 208. Milch-, Butter-, Essig-, Ameisensäure, Hypoxanthin, Harnsäure, einen eisenreichen eiweissartigen Körper, koh- lenstoffreiche Farbstoffe und nach Frerichs und Staedeler Leu- cin Virchow , Offenes Schreiben an Schönlein. Göschen’s deutsche Klinik. 1855. enthält. 3. Der Blutstrom in der Milz. Die unvollkommene Kenntniss der Gefässlumina in der Milz erlaubt es uns nicht, zur Bildung einer Vor- stellung zu kommen über die Verhältnisse der Spannung oder Geschwin- digkeit in den aufeinanderfolgenden Querschnitten. Die Spannung in den Venen und insbesondere in den Sinuositäten derselben muss aber nach den vorliegenden Beobachtungen wechselnd sein Müller’s Handbuch der Physiologie. 4. Auflage. 488. , weil die Milz an- und abschwillt und zwar so rasch, dass diese Volumveränderungen nur abgeleitet werden können von Störungen oder Erleichterungen im Ab- oder Zufluss ihres Blutes. Da diese periodischen Schwellungen mit der Verdauung zusammenfallen, also zu einer Zeit, in welcher sich auch die Capillaren der Pankreas-, Magen- und Darmschleimhaut ausdehnen, so liegt es nahe, anzunehmen, dass sie eine Folge des veränderten Stromlaufs in den Collateralästen der Milzgefässe sind. Ob dieses der Milz. Fall, und wie sich hierbei der Stromlauf gestalte, ist um so weniger klar, als sich nicht angeben lässt, ob nicht etwa zu jener Zeit die Mus- keln in den Milzarterien im Zustande der Abspannung sind. 4. Stoffbewegungen im Milzparenchym. a. Der Inhalt der Bläschen ist unzweifelhaft in einer chemischen Bewegung von verschiedener In- tensität begriffen; für das Bestehen eines Stoffwechsels bürgt das Auf- treten der ihnen vor allen andern Orten der Milz eigenthümlichen Zellen- arten, und für eine Veränderlichkeit desselben stehet das abweichende Aussehen ihres Inhaltes ein. Bei Thieren findet man dieselbe nemlich bald prall und bald nur wenig gefüllt. Dieser Unterschied stellt sich nach Ecker auch dann noch heraus, wenn man die Gefässe, welche aus dem Hilus der Milz austreten, nach dem Tode sogleich unterbunden hat. Da sich der Inhalt der Bläschen immer rasch minderte, wenn diese Vor- sichtsmaassregel unterlassen wurde, so sind die ältern Beobachtungen, dass die Milzbläschen nach Wassertrinken oder überhaupt während der Verdauung mehr gefüllt seien, als während des Hungerns, mit Misstrauen zu betrachten, und zwar mit um so grössern, als Ecker bei seinen Versuchen eine Anschwellung der Bläschen zu der angegebenen Zeit nicht beobachtet; er fand im Gegentheil bei hungernden Katzen die Bläs- chen auffallend deutlich. Noch deutlicher weist auf eine Verschiedenartig- keit des chemischen Umsatzes die wechselnde Consistenz und Färbung des Bläscheninhaltes hin; Ecker und Giesker fanden ihn zuweilen zu einem Klümpchen geronnen, Spring und Ecker zuweilen röthlich oder gelb, während er von den übrigen Beobachtern als farblos angegeben wird. In menschlichen Leichen ist das Milzbläschen gewöhnlich nur dann deutlich sichtbar, wenn der Tod plötzlich oder während der Ver- dauung erfolgte (v. Hessling ); ihre häufige Abwesenheit erklärt sich entweder aus einer rasch eintretenden Fäulniss, oder aus der Abwesen- heit eines festen oder flüssigen Inhalts. b. Das Mark der Milz geht ebenfalls Umsetzungen ein, welche durch die Gegenwart der von Scherer, Frerichs u. Staedeler entdeckten chemi- schen Körper, der eigenthümlichen Zellen- und Klümpchenformationen, un- zweifelhaft bestätigt wird. Ueber den Umfang derselben ist man ganz im Un- klaren; über Beginn oder Ziel derselben besteht eine lebhafte Controverse, indem man entweder das Entstehen oder das Vergehen der Blutkörperchen innerhalb des Milzmarkes behauptet. Die erste Meinung stützen Gerlach, Funcke u. A. auf die reichliche Gegenwart von farblosen Zellen in dem Milzvenenblut; hier ist aber zu bedenken, dass nur eine Vermehrung derselben im Verhältniss zu den farbigen Blutkörperchen, keineswegs aber ihre absolute Zunahme erwiesen ist. Nächstem heben sie hervor das ausserordentliche Uebergewicht der farblosen Blutzellen und das Zurücktreten der farbigen, welches nach Virchow mit einer eigenthüm- lichen Krankheit der Milz, dem Tumor derselben, Hand in Hand geht. Milz. Thymus, Schilddrüse, Nebenniere. In der That ist nach den Beobachtungen unseres berühmten Pathologen das Missverhältniss beider Blutzellenarten so gross, dass das Blut statt der normalen rothen eine weisse Farbe annimmt. — Ecker und Köl- liker halten diesen Gründen entgegen die häufigen Extravasate von Blut, denen man in der Milz begegnet, und die Ergebnisse der Beclard ’- schen Blutanalyse, wonach das Milzvenenblut weniger rothe Körper- chen enthalten soll, als das Arterienblut. Abgesehen davon, dass keine Analyse des Bluts in Wahrheit eine gesonderte Bestimmung der Körper- chen auszuführen vermag, würde selbst, die Richtigkeit der Beobach- tung vorausgesetzt, aus der Beclard ’schen Untersuchung nur dann der abgeleitete Schluss annehmbar erscheinen, wenn sehr zahlreiche Ver- suche dasselbe Resultate ergeben hätten. Denn es liegt sehr nahe, an- zunehmen, dass in den Sinuositäten der Milzvenen sich öfter Blutkörper- chen anhäufen, welche von einer folgenden Strömung wieder ausgespült werden können; es würde also gar nicht auffallend sein, wenn das aus der Milz hervortretende Blut einmal ärmer und das anderemal reicher an Blutkörperchen wäre, als das einströmende. Beide Parteien führen endlich zum Beweis für ihre Meinung die eigenthümlichen Formen und insbesondere die Zellen an, welche Blutkörperchen und blutkörperähnliche Formen und Pigmentkörperchen enthalten. Die Unsicherheit, welche in der Formfolge entstehender und vergehender thierischer Elementargebilde herrscht, erlaubt dem Einen, das für eine zum Blutkörperchen aufstei- gende Formenreihe anzusehen, was der Andere für eine absteigende erklärt. Die grössere Wahrscheinlichkeit haben allerdings Ecker und Kölliker für sich, weil nemlich dieselben Formen an solchen Orten beobachtet werden, an welchen unzweifelhaft eine Vernichtung von Blutkörperchen vor sich geht, wie z. B. in den umgewandelten Blutergüssen, welche nach einer Gefässverletzung in dem Bindegewebe mannigfacher Organe geschehen sind. Wäre man aber bereit, der Annahme von Kölliker und Ecker zu folgen, so würde immerhin daraus noch nicht gefolgert werden können, dass die Zerstörung der Blutkörperchen in der Milz ein normaler Hergang sei; denn man vermisst die Blutkörperchen führenden Zellen und deren Derisate bei der mikroskopischen Untersuchung sehr häufig. — Da nun offenbar die für beide Meinungen vorgebrachten That- sachen sich gar nicht ausschliessen, so ist es auch erlaubt, anzunehmen, dass unter Umständen eine Neubildung und unter andern eine Zerstö- rung der Blutkörperchen in der Milz vorkommen können. Die Bedeutung, welche die Umsetzungen in der Milz, gleichgiltig worin sie bestehen, für das Leben gewinnen, ist nun aber keinenfalls eine hervorragende, da die Milz nach den Beobachtungen von Barde- leben ohne jeglichen Nachtheil, ja ohne alle merklichen Folgen für das Bestehen des thierischen Organismus, ausgeschnitten werden könne. Die Schilddrüse, Thymus und Nebenniere übergehen wir, weil Leber. die physiologische Darstellung nichts zuzufügen weiss den Mittheilungen, welche in den allgemein anatomischen Lehrbüchern zu finden sind. Leber . 1. Anatomische Eigenschaften Kölliker , Mikroskop. Anatomie. II. b. — E. H. Weber , Zusätze zu seinen Untersuchungen. Leipziger Berichte; mathemat.-physische Klasse. 1849. p. 151. — Derselbe , ibid. 1850. p. 15, — Gerlach , Handbuch der Gewebelehre. Mainz 1849. . Die v. portarum vertheilt, indem sie in die Leber eindringt, ihre Aeste in der Ordnung, dass schliesslich zwei oder vier benachbarte Endzweige, die (Ringvenen, v. interlobulares) in ein und derselben Ebene einander gegenübertreten, einen kleinen Raum der Leber umgreifen und ihn von den benachbarten Stücken abgren- zen. In diese Leberinseln (oder Leberläppchen) schicken alle zugehö- rigen Ringvenen Capillaren, die zu einem sehr engmaschigen Netze zu- sammenfliessen. In der Mitte eines solchen Raumes sammeln sich dann wieder ziemlich plötzlich die feinen Lumina zu einem grössern, der Mittel- vene (vena centralis), welche nach der vollbrachten Verbindung mit den benachbarten als vena hepatica auf dem kürzesten Wege gegen den Ort der vena cava zu dringen sucht, wo sie sich mit dem Zwergfell kreuzt. — Die Lücken zwischen den Capillaren und Blutgefässen der Leberinseln sind ausgefüllt durch grosse Kernzellen, deren Hohlraum von einer bräunlichen Flüssigkeit strotzt. Diese Gebilde (Leberzellen) hängen nun unter ein- ander zusammen und stellen in ihrer Gesammtheit somit ein Netz dar, welches denen der Blutgefässe entspricht. Die sorgfältigste mikroskopische Untersuchung dieses Netzes thut nun dar, dass die Stränge desselben von keiner gemeinsamen Haut umschlossen werden, oder anders ausge- drückt, dass die einzelnen Zellen frei zwischen den Blutgefässen liegen ( Henle ). Dieser Anschauung konnte man früher entgegenhalten die Erfahrungen, welche durch die Aussprützung der Gallengänge von E. H. Weber gewonnen sind; nach ihnen verbreitet sich ein zusam- menhängendes Netz von Kanälen zwischen den Blutgefässen, die die Leberzellen einschliessen. Durch die Untersuchungen von Gerlach hat dieser Einwurf aber beträchtlich an Gewicht verloren; denn er zeigte, dass die eingesprützten Massen sich Wege zwischen den Leberzellen bahnen. — Unzweifelhaft dringen aber gegen den Umfang der Zellennetze, ganz analog den Milzvenen, feine Gallengänge an, deren Wand nach aussen von einer strukturlosen Haut, nach innen von einer einfachen Lage Zellen, die kleiner und durchsichtiger als die Leberzellen sind, gebildet ist ( Henle, Kölliker ). Man ist darum jedenfalls geneigt, die Netze der Leberzellen mindestens als virtuelle Fortsetzungen der Gallengänge anzu- sehen. Die kleinen Gallengänge vereinigen sich, indem sie immer neben den Pfortaderästen laufen, zu grössern; in die Wandung der letztern lagert sich zu den vorhergehenden Bestandtheilen ein streifiges Binde- gewebe, elastische Fasern, einzelne muskulöse Faserzellen, und endlich Leber; chemische Bestandtheile. ist die innere Fläche statt des frühern mit einem deutlichen Cylinder- epithelium überzogen. In gleicher Weise ist auch die Wand der Gallen- blase gebaut, mit dem Unterschied jedoch, dass die Muskelmassen eine vollkommene Haut um die Gallenblase bilden. In den Ausführungsgängen des gallenerzeugenden Apparats, die Gallenblase mit eingerechnet, münden auch zahlreiche traubige Schleimdrüschen, welche in den Wandungen der Gallengänge liegen. Die Häute der grossen Blutgefässe, der Gallengänge, die Bläschen der Schleimdrüsen und der seröse Ueberzug der Leber empfangen ihr Blut aus einem besondern Gefässstamm, der art. hepatica; die Capillar- netze derselben senden ihren Inhalt in allen Fällen wieder in die vena portarum, und zwar entweder mittelst kleiner Venen, die in die kleinen Aeste der Pfortader gehen ( Theile ), oder es hängen unmittelbar die Capillarensysteme beider Gefässe zusammen (E. H. Weber ). Aus der Leber, und zwar an der Oberfläche, als aus der Porta, treten zahlreiche Lymphgefässe hervor. In die Leber gelangen aus der plex. coeliac. Nervenzweige, deren letzter Ursprung ebenso wie ihr Ende unbekannt ist. 2. Chemischer Bau der Leber. Das Gerüst der Leber, insbesondere die Häute der Blut- und Gallengefässe, besteht aus den gewöhnlichen Stoffen dieser Formelemente. Die Flüssigkeit, welche aus der zerquetzsch- ten Leber erhalten wird, ist ein Gemenge des Inhaltes der Blutgefässe, der Leberzellen, Lymphgefässe und Schleimdrüsen. Ausser den zu erwartenden Blutbestandtheilen enthält nun diese Flüssigkeit als be- sondere: a) Traubenzucker Cl. Bernard , Neue Funktion der Leber. Würzburg 1853. . Der Gehalt der Leber an diesem Stoff schwankt nach den vorliegenden Beobachtungen an den Leichen Hingerichteter von 1,10 bis 2,14 pCt. des frischen Lebergewichts; er steht in inniger Beziehung zu der Art und Zeit der Nahrung und zu dem Erregungszustand des n. vagus. — Fleisch, Leim, Zucker oder Mehl im Gemenge oder auch jedes einzeln genommen, mehren den Zucker der Leber, Wasser oder Oel sind dieses nicht zu thun im Stande, Nahrungs- entziehung mindert ihn. Das Maass, in welchem der Zuckergehalt steigt mit Fleisch-, Leim- und Zuckergenuss, ist noch zu ermitteln; gewiss ist nur, dass keineswegs der Zuckergehalt der Leber wie der der Nahrungs- mittel wächst, und dass er bei ausschliesslicher Fleischnahrung minde- stens eben so bedeutend ist, als bei ausschliesslichem Genuss von Zucker und Mehl. — Die zeitliche Beziehung zwischen der Fütterung und der Veränderung des Zuckergehaltes in der Leber stellt sich so, dass die letztere 4 — 5 Stunden nach dem Genuss von Fleisch, Leim, Mehl oder Zucker sich mehrt, dann einige Stunden über dem Werth vor der Mahlzeit bleibt und sich endlich wieder auf diesen herabsenkt; nach voll- Leber; chemische Bestandtheile. kommener Nahrungsentziehung, auch wenn man die Thiere bei Fett und Wasser verhungern lässt, nimmt der Zuckergehalt allmählig ab, so dass noch 10 bis 14 Tage nach Verfluss der letzten Mahlzeit die Leber zucker- haltig gefunden wird. Gewöhnlich verschwindet derselbe erst einige Stun- den vor dem Tod. — Daraus geht hervor, dass die Leber des gesunden Menschen und sogar die des Fötus immer Zucker enthält. — Durch- schneidet man bei einem Thier die n. vagi, so schwindet schon nach 24 Stunden aller Zucker aus der Leber; erregt man das Central- (mit dem Hirn zusammenhängende) Ende des durchschnittenen Nerven, so wird der Zucker in solcher Menge gebildet, dass er selbst in den Harn übergeht. — Welchem Ort der Leber der Zucker angehört, ist nicht mit Sicherheit anzugeben; da das Pfortaderblut zuckerfrei ist, so muss er in der Leber und, wie man vermuthet, in den Leberzellen gebildet sein. — Alles, was wir von diesen bemerkenswerthen Erscheinungen kennen, ver- danken wir einem glücklichen Griff und den ausdauernden Bemühungen von Cl. Bernard. — b) Gallensäuren Moleschott , Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. Bd. 479. — Henle , Allgemeine Anatomie, 1841. 903. . Sie finden sich jeder Zeit in der Leberflüssigkeit; da sie nun im Pfortader- und Lebervenenblut der Säugethiere fehlen ( Lehmann ) und bei Fröschen dort selbst dann nicht beobachtet werden, wenn sie noch 21 Tage nach Ausschneidung ihrer Leber gelebt haben ( Moleschott ), so sind sie unzweifelhaft als eine chemische Neubildung der Leber anzusehen. Die mikrochemische Reaktion hat sie auch schon längst als einen Bestandtheil des Leber- zelleninhalts nachgewiesen. — c) Die Fette und d) Gallenfarbstoffe der Leberflüssigkeit leitet der Mikrochemiker aus den Leberzellen ab. — e) Milchsäure soll nach Bibra ein Bestandtheil der Leberflüssigkeit sein. — f) und g) Leucin und Tyrosin , die bekannten Umsetzungs- produkte eiweissartiger Körper, kommen in der Leber und insbesondere typhöser Individuen vor. Diese interessante Entdeckung verdanken wir Fre- richs u. Städeler Müller’s Archiv. 1854. . — h) Bernard fand nach reichlichem Genuss von Zucker einen eigenthümlichen nicht näher bezeichneten Stoff in der Leber. Quantitative Analysen der ganzen Leber siehe bei Bibra Chemische Fragmente über Leber und Galle. Braunschweig 1849. . 3. Zusammensetzung des Leberbluts. Mit Hinweisung auf p. 23 dieses Bandes heben wir hier nur das Eigenthümliche unserer Blutarten hervor. — Das Pfortaderblut ist bis dahin in seiner qualitativen Zusam- mensetzung wenig abweichend von dem der andern Venen gefunden wor- den. Dieses gilt selbst für das Blut, welches zur Zeit der Verdauung in den ausgedehnten Wurzeln der Pfortader vom Darminhalt umspült worden ist. Nur einmal fand Bernard bei einem Pferd, das reichlich mit Rohr- zucker gefüttert war, diesen Stoff in dem Pfortaderblute. Wenn man diese Erfahrungen nicht auf die Mangelhaftigkeit der analytischen Hilfsmittel Leber; Blut derselben. schieben will, so bleibt nur die Annahme übrig, dass, ganz günstige Fälle ausgenommen, die Menge von Flüssigkeit, welche durch den Diffusions- strom in die Gefässröhren gefördert wird, verschwindet gegen die, welche der Blutstrom selbst in sie führt. Mit dieser letzten Annahme stimmt auch die quantitative Zusammensetzung des Serums, welches 5 und 10 Stunden nach der Fütterung analysirt, gleiche Zusammensetzung bot ( Lehmann ). Auffallender Weise gab dagegen diesem letztern Beobach- ter das gesammte Pfortaderblut der Pferde 10 Stunden nach der Fütte- rung 0,4 pCt. Extrakte und die ungeheure Quantität von 8,6 pCt. Wasser mehr als 5 Stunden nach derselben. Diese Abweichung, welche bei glei- cher Zusammensetzung des Serums nur bedingt sein konnte durch eine Veränderung in der Menge oder in der Zusammensetzung der Blutkörper- chen, verdient bestätigt zu werden. — Im Blut der Lebervenen (Pferd) fand Lehmann die gefärbten Körperchen kleiner, kugeliger und durch Wasser weniger leicht zum Platzen zu bringen; im Verhältniss zu den ungefärbten ist ihre Zahl geringer als in andern Blutarten, Milzblut ausgenommen. Daraus schliesst man auf eine Neubildung von farblosen Zellen in dem Leberblute, und, um dieses wahrscheinlich zu machen, setzt man mit diesen Thatsachen in Verbindung die allerdings bemerkens- werthen Beobachtungen von E. H. Weber Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. IV. Bd. p. 112 und 160, — Leipziger Berichte. Mathe- matisch-physische Classe. 1850. p. 15. und Kölliker an Embryo- nen und aus dem Winterschlaf erwachten Fröschen, welche deutlicher auf ein zu dieser Zeit stattfindendes Entstehen von Blutkörperchen in der Leber hinweisen. Auch aus einer Versuchsreihe von Moleschott könnte auf eine besondere Beziehung zwischen Leber und Blutkörperchen ge- schlossen werden; er fand nemlich, dass Frösche, die noch längere Zeit am Leben erhalten, nachdem sie ihrer Leber beraubt waren, im Verhält- niss zu den farblosen viel weniger farbige Blutkörper besassen als ge- sunde Thiere oder auch als solche, welche nach verhältnissmässig starken Blutverlusten lange Zeit hungernd zugebracht hatten. Da uns aber nichts bekannt ist über die absolute Zahl der Blutkörperchen vor und nach der Leberausschneidung, so kann man aus der vorliegenden Beobachtung ent- weder auf eine Zunahme der farblosen, oder auf eine Hinderung des Uebergangs farbloser in farbige, oder auf eine Beschleunigung des Unter- gangs der gefärbten Zellen schliessen. Ob aber einer dieser Hergänge in direkter Beziehung zum Verlust der Leber steht, dürfte schwer an- zugeben sein. — Dem Plasma des Lebervenenbluts fehlt beim Pferd der Faserstoff ( Lehmann ), dem des Hundes kommt er dagegen zu ( Cl. Bernard ). Unter allen Umständen führt das Lebervenenserum Trauben- zucker, und zwar in demselben Maasse, in welchem er in dem Leber- gewebe selbst beobachtet wird ( Cl. Bernard ). Eine von Lehmann angestellte Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung des zu ver- Leber; Blutstrom in derselben. schiedenen Zeiten aufgefangenen Bluts ergab auch hier, dass 5 Stunden nach der Fütterung sein Wassergehalt bedeutend geringer war, als 10 Stunden nach derselben. Wurde das Gesammblut der Pfort- und Leberader desselben Thiers verglichen, so ergab das erstere 7,3 bis 8,8 pCt. Wasser mehr, als das letztere, das Serum beider Blutarten war aber nicht in demselben Grade verschieden, indem das der Pfortader nur 1,9 bis 2,9 pCt. Wasser mehr enthielt, als das der Leberader. Demnach haben sich die Körperchen entweder vermehrt, oder sie haben relativ mehr Wasser verloren. Um diese ganz ungeheuren Unterschiede zu erklären, muss man voraussetzen entweder es sei durch die Leberarterie eine verhältnissmässig bedeutende Menge eines dichten und namentlich an Körperchen reichen Bluts in die Leber geführt worden, als durch die Pfortader; diese Vermuthung ist nicht zu halten und auch nicht zu widerlegen, weil eine Zerlegung des Arterienbluts der betreffenden Thiere nicht vorliegt. Oder man musste annehmen, dass eine ausserordentliche Menge sehr wasserhaltiger Lymphe abgesondert worden sei, die namentlich ihr Wasser aus den Blutkörper- chen bezogen habe. Denn im Verhältniss zu der unzweifelhaft sehr grossen Menge von Blut, welche den Tag über durch die vena portarum und die art. hepatica in die Leber einströmt, ist die annähernd bekannte tägliche Gallenabsonderung viel zu gering, um den Unterschied des Wassergehalts im Blute dies- und jenseits der Lebercapillaren begreiflich zu machen. Man kann eine Wiederholung der Versuche, bei denen namentlich alle Sorgfalt auf das Auffangen des Bluts verwendet wird, nur dringend wünschen. Das Blut der Pfortader ist reicher an Fetten, als das der Lebervene. Ueber die Zusammensetzung des Bluts der Leberarterie und ins- besondere über seine Veränderungen beim Durchgang durch die Leber ist nichts bekannt. Wahrscheinlich dürfte es sein, dass es bei der inni- gen Berührung, die es in den ersten Capillarnetzen mit der Galle und dem Pfortaderblut erfährt, mit diesen seine Bestandtheile austauscht. 4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms in den Blutgefässen der Leber wird für gewöhnlich von der Porta zu der Lebervene gehen; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen in den Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit der Darm- gefässe auch das Umgekehrte möglich. — Die Geschwindigkeit des Stroms in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher Widerstände in und jenseits der Leber veränderlich sein; denn einmal sind die Durchmesser der Blutgefässcapillaren in den Wandungen der Unterleibsdrüsen veränder- lich, wie die in diesen Organen vor sich gehende Saftbildung, die ins- besondere zunimmt zur Zeit der Verdauung; da nun in den weiteren Röhren die Reibung relativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist, als in den engeren, so muss während der Verdauungsperiode das Blut mit grösserer Kraft in die Pfortader einströmen, als in anderen Zeiten Leber; Blutstrom in derselben. Dann wird aber auch bei jeder Inspiration die schlaffe Masse des Bauch- inhaltes zusammengedrückt, entsprechend der Kraft, mit welcher das Zwerg- fell sich zusammenzieht, und dieser Druck muss nothwendig das Blut in der Pfortader beschleunigen, das durch die steife Leber seinen un- gehemmten Ausweg findet. — Aber auch bei gleicher Triebkraft muss die Geschwindigkheit veränderlich sein, weil die Widerstände namentlich jenseits der Leber in der Brusthöhle gar nicht unbeträchtlich variabel sind. Bei jeder Inspiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er sich bekanntlich. So deuten also alle Umstände darauf hin, dass in der Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Einathmung rascher ist. — Aehnliches gilt auch für den Strom in der Leberarterie. — Ueber das Verhältniss der Geschwindigkeiten in den beiden Gefässen pflegt man sich gewöhnlich dahin auszudrücken, dass die Strömung in der Leberarterie viel rascher als in der Pfortader sei, weil die lebendige Kraft des frisch aus dem Herzen dringenden Arterienbluts weit bedeuten- der sei, als die des Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zurück- kehrt, während die Hemmungen, welche beiden in der Leber bevorstehen, vollkommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch das Blut der a. hepatica durch zwei Capillarennetze, die beide in der Leber lie- gen, wandern muss; von denen das erstere so angeordnet ist, dass es den Strom der Leberarterie wahrscheinlich mehr hemmt, als dasjenige, wel- ches der Pfortader vorausgeht. Das Bett der Darmarterien erweitert sich nemlich dem Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem der Darm- und Drüsenwände viel beträchtlicher, als das der Leberarterie bei ihrer Vertheilung in vasa vasorum; unter dieser Voraussetzung würde aber nach bekannten hydraulischen Grundsätzen unsere obige Behauptung eintreffen. So viel ist jedoch klar, dass die Sache sich gegenwärtig nicht entscheiden lässt. Die absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt; man vermuthet, dass der Strom in der vena porta sehr langsam sein möchte. Dafür spricht aber nicht einmal die Theorie; denn gesetzt, es besässe das Pfortaderblut nur schwache lebendige Kräfte, so würden sie doch hinreichen, um bei geringen Widerständen in der Leber immer noch Geschwindigkeit zu erzeugen, die, verglichen mit der des Kreislaufes überhaupt, beträchtlich genannt werden könnte. Nun spricht die enorme Zahl der Lebercapillaren und demnach der langsame Strom in ihnen sehr dafür, dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erfährt, und die Einfügung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer so günstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die möglichst geringe Hemmung entgegensteht. Mit dieser Anschauung stimmt die Er- fahrung von Volkmann , welcher den Centralstrom in den Mesente- rialcapillaren eines Hundes noch einmal so geschwind fand, als in den feinsten Gefässen der Froschschwimmhaut. Leber; Galle. In den Capillaren der Leberinseln wird der Strom jedenfalls lang- sam sein, aus schon angeführten Gründen, aber trotzdem wird den- noch durch die Gesammtsumme derselben sehr viel Blut gehen, da die Räumlichkeit eines Durchschnittes durch ihr Gesammtlumen den grössten Querschnitt der Leber um vieles übertreffen muss; denn von der Fläche eines jeden Partialschnitts derselben gehört den Gefässöffnungen min- destens ein Dritttheil zu; und wie oft kann sich bei dem geringen Durch- messer und dem kurzen Längsverlauf der Capillaren dieser Antheil in der dicken Leber wiederholen. Die Spannung des Blutstroms muss dem Vorstehenden gemäss eben- falls variiren; unter Umständen steigert sich dieselbe in den Lebercapilla- ren so beträchtlich, dass eine sehr merkliche Ausdehnung der Leber er- zeugt wird (Anschoppungen der Leber). Ueber ihren absoluten Werth ist nichts bekannt. 5. Galle im engern Wortsinn. Die Flüssigkeit in den grössern Lebergängen und der Gallenblase ist ein Gemisch des Absonderungspro- duktes der Leberzellen und der Schleimdrüsen. Aus diesem Gemenge lassen sich zum Theil nur vermuthungsweise die Bestandtheile ausschei- den, welche aus dem Inhalt der Leberzellen ausgetreten sind. Wir zäh- len zu ihnen: taurocholsaures (und glycocholsaures) Natron, Cholestea- rin, Olein, Margarin, Biliphain und Biliverdin, Chlornatrium, kohlensaure und phosphorsaure Kalk- und Talkerde, Eisenoxyd, zuweilen Kupferoxyd, Wasser. — Dieses Lösungsgemenge reagirt, vorausgesetzt, dass ihm kein Schleim beigemengt ist, neutral. Nach Gorup Prager Vierteljahrsschrift. 1851. III. Bd. 86. fehlt der Menschengalle die Glycocholsäure; ihre Anwesenheit erschliesst er aus dem Mangel von Glycin unter den Zersetzungsprodukten der Galle; Strecker Liebig’s Annalen. 70. Bd. 149. zeigte schon früher dasselbe Verhalten für die Hundegalle. — Galle, welche unmittelbar aus den Lebergängen oder nach nur kurzer Anwesenheit in der Blase aufgefangen wird, enthält nur Gallenbraun, aber kein Gallengrün. Der letztere Farbstoff geht also erst während des Aufenthalts der Galle in der Blase aus dem erstern hervor, eine Umwandlung, welche nach den Untersuchungen von Heintz Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. p. 791. auf einer Oxydation beruht, indem 1 Atom Gallenbraun (C 32 H 18 N 2 O 9 ) unter Aufnahme von 1 Atom Sauerstoff in 2 Atome Gallengrün (C 16 H 9 NO 5 ) zerfällt. a. Die Zusammensetzung der Galle Bidder und Schmidt , Die Verdauungssäfte. Leipzig 1852. p. 125 und 212. — H. Nasse , Commentatio de bilis quotitie a cane secreta etc. Marb. 1851. ist veränderlich: 1 ) mit der Nahrung. Ein reichlicher Zusatz von Wasser zu einer hinreichenden Brot- oder Fleischkost, und ebenso Entziehung der Nahrung mindert den Prozentgehalt der festen Bestandtheile ( Bidder, Schmidt, H. Nasse ). — 2 ) Die Galle verliert durch einen längern Aufenthalt in der Blase Wasser und zwar in einem solchen Grade, dass die Blasen- galle in 100 Theilen meist doppelt so viel festen Rückstandes enthält, Leber; Galle. als die aus den Lebergängen gefangene. — In der Blase ändert sich die braune Farbe der Galle in die grüne ( Bidder, Schmidt ). Auch soll sich in ihr die Gallensäure in harzige Produkte umsetzen ( Mul- der ). — 3 ) Der Wassergehalt der Galle, welche bei Nacht abgesondert wird, ist etwas niedriger, als der am Tage gelieferte (H. Nasse ). — 4 ) Die Schwankungen, welche die Prozente des festen Rückstandes be- treffen, rühren vorzugsweise von einer Veränderlichkeit der organischen Bestandtheile her, während der Prozentgehalt an Salzen sich annähernd gleich bleibt (H. Nasse ). — 5 ) Der Gehalt der Galle an festen Be- standtheilen steht in keiner nothwendigen Beziehung zu der Geschwin- digkeit der Absonderung, so dass z. B. der erstere in dem Grade ab- nimmt, in welchem der letztere zunimmt. Die Schwankungen des Prozentgehalts der Galle an festen Bestand- theilen wechseln nach Bidder und Schmidt bei Säugethieren zwischen 1,2 bis 11,0 pCt. Ueber die quantitative Zusammensetzung der schleimhaltigen Men- schengallen besitzen wir Untersuchungen von Frerichs Scherer’s Jahresbericht für physiologische Chemie für 1845. p. 145. u. Gorup l. c. . Das Beobachtungsmaterial bezog Gorup aus den Leichen zweier Hin- gerichteten. Diese Zahlen deuten zwar auf kein festes Verhältniss zwischen den einzelnen Stoffen der festen Bestandtheile hin, doch scheinen die Salze ungefähr wie die Gallensäuren zuzunehmen. Die analytische Methode der Galle, welche von Frerichs herrührt, siehe bei Heintz l. c. p. 939. . b. Geschwindigkeit der Gallenabsonderung. Wir verstehen hierunter den Quotienten aus dem Lebergewicht in die Gallenmenge, welche wäh- rend einer beliebigen (aber jedesmal festgesetzten) Zeiteinheit aufgefangen wurde; dieser Ausdruck ist also auch gleichbedeutend mit der Gallen- bildung in der Einheit des Lebergewichts. Wenn man nach einem Mittel Leber; Galle. sucht, um die an verschiedenen Thieren gewonnenen Beobachtungen ver- gleichbar zu machen, so verdient der soeben aufgestellte allgemeine Maassstab jedenfalls den Vorzug vor dem gebräuchlichen Quotienten der Gallenmenge in das Körpergewicht. Denn es bildet sich nicht, wie es z. B. mit der Kohlensäure der Fall, an allen Orten des Organismus Galle, sondern nur in der Leber. Darum dürfte statt des Gewichts der Leber nur dann das des Gesammtkörpers substituirt werden, wenn ein bestimm- tes Verhältniss zwischen diesen beiden letzten Gewichten nachgewiesen wäre; bekanntlich ist dieses, wie zu erwarten, nicht der Fall Bidder und Schmidt , l. c. p. 152. . — Da nun aber gerade in den gründlichsten und ausführlichsten Beobachtungen der Gallenmenge, welche Bidder und Schmidt angestellt haben, das Lebergewicht fehlt, und selbst da, wo es bestimmt wurde, nach ihrer eigenen Aussage dieses nicht mit allen Cautelen geschah, so ist man für die meisten Fälle beschränkt auf den Vergleich zwischen den verschie- denen Absonderungsmengen eines und desselben Thieres. Aus den Mittheilungen über die veränderliche Zusammensetzung der Galle geht schon hervor, dass die Geschwindigkeit, mit welcher die ein- zelnen Gallenbestandtheile abgesondert werden, mindestens innerhalb ge- wisser Grenzen von einander unabhängig ist, so dass namentlich wäh- rend ein und derselben Zeit die Absonderung der festen Stoffe vermehrt sein kann, während die des Wassers vermindert ist. Wir müssen darum beide gesondert vornehmen: 1 ) Das Gewicht an festen Gallenbestand- theilen, welches in der Zeiteinheit aus der Gewichtseinheit der Leber entleert wird, ist abhängig von der Zeit, dem Gewicht und der Art der aufgenommenen Nahrung. — Mit Rücksicht auf das zeitliche Abhängig- keitsverhältniss zwischen Nahrungsaufnahme und der Absonderung von festen Gallenstoffen ist festgestellt, dass die letztere nach einer gänz- lichen Entziehung von Nahrung bedeutend abnimmt, ohne dass sie jedoch vollkommen zum Stillstand gebracht werden könnte, indem selbst bei Katzen, welche 10 Tage gefastet hatten, noch merkliche Mengen von Gallenstoffen ausgeschieden wurden ( Schmidt ). Diese bedingte Unab- hängigkeit von der durch den Mund aufgenommenen Nahrung wird auch bewiesen durch die Gallenabsonderung im normalen Leben. Der Einfluss der genossenen Nahrung macht sich dagegen in der Weise geltend, dass einige Zeit nach derselben die Absonderung der festen Gallenstoffe steigt und nach Verfluss von einer ( Arnold ) Zur Physiologie der Galle. Mannheim 1854. bis zu 14 Stunden ( Bidder und Schmidt ) ihr Maximum erreicht und von da zuerst rascher und dann langsamer absinkt. Diese Unbestimmtheit für die Zeit des eintre- tenden Maximums ist wahrscheinlicher Weise bedingt durch die Verdau- lichkeit der Speisen und die Energie der Verdauungsorgane. — Der Werth des beobachteten Maximums steigt mit der Menge der genossenen Nah- Ludwig, Physiologie. II. 15 Leber; Galle. rungsmittel, woraus diese auch bestehen mögen, vorausgesetzt nur, dass sie befähigt sind, das Leben zu unterhalten (H. Nasse ). — Von einem sehr eingreifenden Einfluss erweist sich endlich die Art der Nahrung. Ganz unwirksam auf die Steigerung der Abscheidung ist der ausschliess- liche Genuss von Fetten ( Bidder und Schmidt ), so dass sich hierbei die Gallenabsonderung verhält, wie bei gänzlichem Nahrungsmangel; eine rein vegetabilische Nahrung (Brod und Kartoffeln) steigert die Absonde- rung weniger, als eine reine Fleischkost ( Schmidt, Bidder, H. Nasse, Arnold ), mageres Fleisch weniger als fetthaltiges, und ein Zusatz von Leber zur Nahrung scheint noch eingreifender als der von Fetten zu wirken ( Bidder und Schmidt ). Zusatz von kohlensaurem Natron (H. Nasse ) oder Quecksilberchlorür (H. Nasse, Kölliker und H. Müller ) Würzburger Verhandlungen. V. Bd. 231. zur Nahrung mindern den günstigen Einfluss anderer Speisen. — Beim Uebergang von einer zur andern Kost tritt die entspre- chende Wirkung derselben nicht sogleich, sondern erst einen Tag nach dem Nahrungswechsel hervor. — 2 ) Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers ist abhängig von dem Genuss desselben; der Zeitraum, welcher verfliesst zwischen dem Eindringen des Wassers in den Magen und dem Erscheinen in dem Lebergang ist sehr wechselnd befunden wor- den. Ein Zusatz von anderthalbfach kohlensaurem Natron zum Wasser vermindert die Ausscheidung dieses letztern durch die Galle (H. Nasse ). Hiermit ist die Aufzählung der Bedingungen für die Geschwindigkeit des Absonderungsstroms der Leber zwar noch nicht beendet, aber sie kann nur durch die unbefriedigenden Worte weiter fortgesetzt werden, dass entweder die Individualität des Gesammtorganismus oder die der Leber ihn bestimmen helfe. Dass das erste nothwendig, ergiebt sich schon aus einer Ueberlegung der mitgetheilten Thatsachen; denn die Nahrung wird, theilweise wenigstens, dadurch von Bedeutung für die Gallenabsonderung werden, dass sie zunächst die Blutzusammensetzung ändert. Diese ist aber nicht blos eine Funktion der Nahrung, sondern sie ist auch abhängig von den Zusätzen und den Verlusten, die dem Gefässinhalt in den verschiedenartigen Organen des Körpers zugefügt werden. Insofern nun nicht in jedem Thier die Massen und Kräfte der verschiedenen Organe in demselben Verhältniss zu einander stehen, muss auch das Resultat aus ihren Wirkungen verschieden ausfallen; d. h. trotz gleicher Nahrung wird die Zusammensetzung des Bluts und damit auch die Gallenabsonderung in verschiedenen Thieren abweichen. Aus einer ähnlichen Betrachtung könnte nun aber auch die Individualität des Lebergewebes abgeleitet werden, und da unter dessen Einfluss die Gallen- absonderung vor sich geht, so muss sich die Geschwindigkeit derselben auch mit den Besonderheiten der Leber verändern. Leber; Galle. Um die Gallenmenge zu erfahren, welche in der Zeiteinheit abgesondert wird, legt man nach dem Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der Gallenblase an, nachdem man den gemeinschaftlichen Gallengang unterbunden hat. Die Beobachtung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und die in Folge des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentzündung gehoben ist. Bei Anwendung dieses allerdings unschätzbaren Verfahrens hat man zu berücksichti- gen: 1) Der Abschluss der Galle von dem Darmrohr verändert die Verdauung inso- fern, als sie die Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindestens erschwert; zugleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verhältnissen in den Darmkanal ergossen und von dort wieder in das Blut zurückgeführt worden wäre, jetzt aus dem Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gründen magern die Thiere, vorausgesetzt, dass man ihnen das Maass der im gewöhnlichen Leben hinreichenden Kost giebt, so beträchtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man muss also, um diesen Ausfall zu decken, das Gewicht ihrer Nahrung steigern; aber eine einfache Deckung desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht zu genügen, sondern es muss ein sehr beträchtlicher Ueberschuss gegeben werden. Wenn sich diese interessante Entdeckung bestätigt, so kann sie nur durch die An- nahme erklärt werden, dass bei der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der Stoffumsatz im thierischen Körper langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht. Daraus resultirt aber, dass die quantitativen Verhältnisse der Gallenabsonderung nicht die normalen sein können. Arnold ist geneigt anzunehmen, dass sie wegen der reichlichen Fütterung gesteigert sein möchte. — 2) Die Zustände der Leber oder des Körpers überhaupt scheinen sich während des Bestehens der Fistel allmählig da- hin zu ändern, dass aus denselben eine Verminderung der Gallenabsonderung resul- tirt; es ist also die Gallenabsonderung bei ein und demselben Thier zu Anfang und zu Ende einer länger dauernden Beobachtungsreihe nicht vergleichbar (H. Nasse ). Diesen Uebelständen suchten Bidder und Schmidt dadurch aus dem Wege zu gehen, dass sie temporäre Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach der Anlegung derselben, und namentlich bevor entzündliche Erscheinungen im Unter- leibe eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobach- tungen den Anschein hat, als ob dieses freilich nur für kurze Zeiträume verwendbare Verfahren die obigen Bedenken ausschliesst, so wäre es doch wünschenswerth, an einem und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihrem rela- tiven Werthe zu überzeugen. — 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus der Fistelöffnung muss endlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird sie nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistelöffnung, so dass der Inhalt der Gallengefässe unter eine erhöhte Spannung kommt, so tritt ein Theil und unter Umständen die ganze Galle in das Blut zurück ( Kölliker und Müller ), so dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun eröffnet wird, gar keine Galle zum Vor- schein kommt. Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene Canülen angege- ben, unter denen die von Arnold empfehlenswerth zu sein scheint, indem ihre An- wendung den Vortheil gewährt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung geschützten Ort zu liegen kommt. — Ein ganz eigenthümlicher Fehler wird in die Gallenbestimmung noch dadurch eingeführt, dass der unterbundene und durchschnittene Gallengang sich häufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder theil- weise wieder in den Darmkanal ergiessen kann. Im zweifelhaften Fall kann am lebenden Thier die Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine Injektion der Gallenblase mit Wasser, in dem gefärbte Partikelchen aufgeschwemmt sind. Erscheinen diese im Koth wieder, so war der Gang natürlich wieder herge- stellt; meistentheils leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der Gallenfarbstoff. 15* Leber; Galle. Das Lebergewicht wissen wir bis dahin noch auf keine sichere Weise zu unserm Zweck zu bestimmen; es würde natürlich für die Bildung des vorhin erwähn- ten Quotienten eigentlich nothwendig sein, entweder das Gewicht der Leberzellen für sich zu kennen, oder die Leber jedesmal vor der Wägung in einen solchen Zustand zu versetzen, dass das Gewicht derselben jenen Zellen proportional wäre. Da nun aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Gewichte der Gallengäng- und Blutgefässhäute mit dem der Leberzellen proportional steigen, so wäre nur dafür zu sorgen, dass der Inhalt der Gallengänge und Blutgefässe vor der Wägung bis auf ein Minimum entfernt wird. Um eine Anschauung von dem Umfang der Absonderungs-Schwankungen zu ver- schaffen, welche oben erwähnt wurden, geben wir einige Zahlen; wir beschränken uns bei der Auswahl unter den vorhandenen auf die Beobachtungsresultate an Hunden und Katzen, weil nachweislich die Galle der Grasfresser anders zusammengesetzt ist, als die des Menschen. Die folgende Tabelle ist nach Bidder und Schmidt entworfen; die Beobach- tungsthiere sind Katzen, die Fisteln temporäre, die Beobachtungszeit immer drei Stunden. Sehen wir von Versuch 9 ab, welcher stark aus der Reihe fällt, so führen die Resultate dieser Beobachtungen auf die Behauptung, dass die Absonderungsgeschwin- digkeit der festen Gallenbestandtheile von der 2. bis 17. Stunde nach der Essenszeit im Wachsthum begriffen ist, dass sie von da aber absinkt und sich von der 24. bis 168. Stunde in annähernd gleichem Werthe erhält und von da bis zur 240. Stunde sich sehr allmählig erniedrigt. — Die Absonderung des Wassers geschieht dagegen nach einem sehr unregelmässigen Modus. Die folgenden Beobachtungen sind (die vier ersten von H. Nasse , die letzten von Arnold ) an Hunden mit permanenten Fisteln gewonnen; die Beobachtungszeit ist 24 Stunden. Leber; Galle. Eine Vergleichung dieser Beobachtungen ergiebt ausser den im Text mitgetheil- ten Resultaten, dass die Absonderungsgeschwindigkeit in dem Hunde, welchen Nasse beobachtete, um das 3 bis 4fache diejenige in dem von Arnold beobachteten Hunde übertraf. Der Grund ist theilweise wenigstens darin zu suchen, dass der erste Hund in einem Zustand starb, der mit grosser Magerkeit und Blutleere verbunden war, in Folge dessen wohl das Gewicht der Leber geringer ausgefallen ist; wahrscheinlich war das Lebergewicht zur Beobachtungszeit, welche zu Beginn der ganzen Versuchs- reihe fiel, beträchtlich höher gewesen Bidder und Schmidt beobachteten u. A. in sehr verschiedenen Bedingungen und zu den ver- schiedensten Tageszeiten einen Hund 8 Wochen hindurch. Aus dem Versuch leiten sie ab, dass der Hund im Mittel täglich 8,45 Rückstand und 155,30 Wasser entleert habe. Die Leber des 5390 Gr. schweren Thiers wog 276 Gr. Dieses würde einer Absonderungsgeschwindigkeit von gar 0,0306 für die festen Stoffe und von 0,5625 für das Wasser entsprechen. . — Vergleichen wir nun aber auch den Ar- nold’s chen Hund mit den von Katzen gelieferten Zahlen, so finden wir, dass die mittlere tägliche Absonderungsgeschwindigkeit der festen Bestandtheile bei Hunden das tägliche Maximum derselben bei den Katzen erreicht und übertrifft. Es muss dahin gestellt bleiben, ob dieses eine Folge der Verschiedenheit der Thiere oder der grös- sern relativen Futtermenge ist, welche bei Anwesenheit permanenter Fisteln verzehrt wird. Die Geschwindigkeit der Wasserabsonderung ist bei Hunden sehr viel bedeu- tender, als bei den Katzen. Der Versuch, aus den vorliegenden Beobachtungen an Thieren die Geschwindigkeit für die Gallenabsonderung des Menschen abzuleiten, möchte freilich gewagt erscheinen; behält man aber im Auge, dass das Tagesmittel derselben auch bei Menschen, je nach Individualität und Lebensart, bedeutend schwanken mag, so kann man immerhin die bei Hunden beobachteten Grenzfälle, welche für die Absonderungsgeschwin- digkeit der festen Bestandtheile = 0,0225 und 0,0057 waren, auch für solche annehmen, die einmal beim Menschen vorkommen können. Um mit Hilfe derselben den absoluten Werth der täglichen Gallenmenge des Menschen abzuleiten, hat man darauf nur nöthig, die obigen Zahlen mit dem mittleren Lebergewicht des Menschen (nach Huschke , offen- bar zu hoch, = 2500 Gr.) zu multipliziren. Das Ergebniss dieser Ope- ration würde sein, dass aus der Menschenleber täglich zwischen 13 bis 45 Gr. fester Substanz austreten. Da nun die Menschengallen nach Frerichs und Gorup (nach Abrechnung von 1 bis 2 pCt. Schleim) zwischen 8 und 16 Procent fester Bestandtheile enthalten, so würde Leber; Galle. die angenommene Menge des festen Rückstandes entsprechen einem Gal- lengewicht, das zwischen 80 und 600 Gr. liegt. Da nun aber die Galle, welche jene Analytiker zerlegten, Blasengalle war und diese nach Nasse ungefähr noch einmal so conzentrirt ist, als die Galle des Lebergangs, so würde man diese Gewichte verdoppeln können u. s. w. — So schwankend unsere Grundlagen aber auch sind, sie füh- ren jedenfalls zu der Ueberzeugung, dass die Masse von Flüssigkeit, welche aus den Ausführungsgängen der Leber ausgeführt wird, keine sehr beträchtliche ist. 6. Chemische Vorgänge in der Leberzelle. Sie bestehen zum Theil in Diffusionen, welche Cholestearin, Fette, Natron, Kochsalz, phosphor- saure Alkalien und Erden aus dem Blute in die Galle überführen, zum Theil aber auch in eigenthümlichen Umsetzungsprozessen, aus denen, so weit uns bekannt, Traubenzucker, Gallensäure und Bilifulvin hervor- gehen. Dass diese Produkte in der Leber ihren Ursprung finden, kann als eine feststehende Thatsache angesehen werden, seit es erwiesen ist, dass sie, die durch bestimmte Reaktionen leicht kenntlich sind, in dem Pfortaderblut nicht vorkommen, und noch mehr, dass sie in Fröschen, die nach der Exstivpation der Leber noch einige Wochen lebten, über- haupt gar nicht angetroffen werden ( Moleschott ). Diese neuen von der Leber zusammengeordneten und in die Galle über- gehenden Atomgruppen werden sämmtlich unter Mitwirkung des Eiweisses oder aus Abkömmlingen desselben dargestellt. Dafür spricht sowohl der N- gehalt des Farbstoffs, der Glyco- und Taurocholsäure als auch der Schwefel- gehalt der letztern. Eine Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung dieser Gallenkörper mit der des Eiweisses lehrt aber sogleich, entweder dass sie nicht die einzigen Produkte sein können, welche aus der Eiweiss- zersetzung hervorgehen, oder dass noch ein anderer Körper sich an der Entstehung derselben betheiligen muss. Denn im Eiweiss steht der C : N im Verhältniss von 8 : 1 , in dem Gallenfarbstoff dagegen wie 16 : 1 und in der Glyco- und Taurocholsäure gar wie 52 : 1 . Demnach muss also entweder noch ein anderes Atom aus dem Eiweiss ausfallen, welches re- lativ zum Kohlenstoff viel stickstoffreicher ist, als das Eiweiss selbst, oder es muss noch ein stickstofffreies Atom, z. B. ein Fett, in die Zer- setzung mit eingegangen sein. — Wir vermuthen aber auch, dass der Zucker aus dem Eiweiss entstanden sei; denn einmal ist es aus früher erwähnten chemischen Gründen nicht unwahrscheinlich, dass in dem Eiweiss eine Atomgruppe enthalten sei, welche dem Zucker sehr nahe steht, und dann geht auch die Zuckerbildung noch sehr lebhaft in der Leber von Statten, wenn zu dem Blute (ausser den Mineralien) Fette und Eiweiss, oder auch wenn nur Eiweiss, nicht aber, wenn nur Fette zu ihm geführt werden. Zudem besteht ein inniger physiologischer Zusammen- hang zwischen der Gallen- und der Zuckerbildung; denn eine Durch- Leber; Leberzellen. musterung der Umstände, unter denen die Geschwindigkeit der Gallen- absonderung steigt, lässt sogleich erkennen, dass sie identisch mit denen sind, welche den Zucker im Lebervenenblut vermehren; zur Bestätigung der Annahme, dass sie aus demselben Zersetzungsprozesse hervorgehen, dient endlich noch die bemerkenswerthe Erfahrung von Frerichs und Staedeler , dass in Lebern, welche krankhafter Weise statt der Galle Tyrosin und Leucin darstellen, der Zucker fehlt. Seit wir durch die bahnbrechenden Versuche von Strecker aufgeklärt worden sind über die Zusammensetzung und Atomgliederung der Gallensäure, hat man auch Versuche gemacht, die Atomgruppen genauer zu bezeichnen, welche sich an ihrer Entstehung betheiligen. Man scheint mit Beziehung darauf allgemein der Ansicht zu sein, dass jede der beiden Säuren aus zwei Gruppen, die vorher getrennt waren, hervorgehen, einerseits aus der Cholsäure und anderseits aus Taurin oder Glycin. — Die Cholsäure glaubt Lehmann Physiolog. Chemie. 2. Aufl. I. Bd. 131. aus der Oelsäure ableiten zu können, welche einen andern Atomcomplex (C 12 H 6 O 6 ) aufgenommen habe. In der That ist Oelsäure (C 36 H 33 O 3 + HO) + (C 12 H 6 O 6 ) = Cholsäure (C 48 H 39 O 9 + HO); diese Annahme begrün- dete er durch die Beobachtung von Redtenbacher , welcher durch NO 5 aus der Cholsäure, gerade so wie aus der Oelsäure, alle Glieder der Reihe (C 2 H 2 ) n O 4 von der Caprinsäure abwärts und daneben andere Produkte erhielt, die sich nicht aus der Oelsäure ableiten lassen, und u. A. auch ein solches, in welchem C, H und O in ähnlichem Verhältniss stehen, wie in dem oben supponirten Paarling; er macht ausserdem geltend, dass ein Zusatz von Fett zu den Nahrungsmitteln die gallenbil- dende Kraft derselben erhöht. — Frerichs und Städeler scheinen zu vermuthen, dass das Glycin aus Tyrosin, dem bekannten Zersetzungsprodukte des Eiweisses, ent- stehe. Tyrosin (C 18 H 11 NO 6 ) = (C 4 H 5 NO 4 + 2HO + C 14 H 8 O 4 ); Tyrosin haben sie aber, wie schon erwähnt, in solchen Lebern aufgefunden, deren Gallenbildung gehemmt war; sie scheinen zu vermuthen, dass der Abfall des Tyrosins in das Blut übergehe; denn es sind Verbindungen der Salicylgruppe im Harn mit Sicherheit nachgewie- sen. — Ueber die Taurinbildung bestehen noch keine Vermuthungen; wir heben die Entdeckung von Strecker Pharmaz. Centralbl. 1854. 667. hervor, welcher es durch Erhitzen eines Gemenges von Aether und schwefelsaurem Ammoniak künstlich dargestellt hat. Als Thatsachen, die mit dem chemischen Mechanismus in den Leber- zellen in Verbindung stehen, sind noch zu erwähnen: 1 ) Das Milzvenen- blut besitzt unzweifelhaft eine eigenthümliche Constitution, denn es kry- stallisirt leicht und es kommt aus einem Organ, in dem wir ganz eigen- thümliche Umsetzungen kennen; möchte, wie man aus der Anwesenheit der Harnsäure vermuthen kann, nicht hier schon vielleicht die Zerfallung des Eiweisses in stickstoffärmere und stickstoffreichere Atomgruppen vor sich gehen? — 2 ) Die Leber schwillt im Beginn der Verdauung und namentlich eine oder einige Stunden vor dem Eintritt der grössten Ab- sonderungsgeschwindigkeit der Galle an ( Bidder und Schmidt ) l. p. 153. . Da diese Anschwellung auch noch als eine Gewichtsvermehrung des aus- geschnittenen Organs zum Vorschein kommt, so besteht sie unzweifelhaft in einer vermehrten Anfüllung der Leberzellen. Ihre Schwellung kann Leber; Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe. eine Folge sein der neuen Stoffe, welche die Verdauung in das Blut führt, oder die Folge der höhern Spannung, unter der das Blut während der Verdauung die Leber durchströmt. — Diese Thatsache weist aber jeden- falls darauf hin, dass die Gallenbildung langsam vor sich gehe, und es schliesst sich dieselbe somit an die früher erwähnte Erfahrung, dass der Uebergang von einem Futter zum andern nicht momentan in der Gallen- absonderung fühlbar sei. 7. Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt der Leberzellen entleert sich nach zwei Seiten hin, nach der einen, dem Blut, geht der Zucker (und die stickstoffreichen Bestandtheile?), nach der andern, den Lebergängen, die Galle. Die Strömung nach dem Blute kann nur ein Diffusionsvorgang, die nach den Lebergängen zugleich eine Filtration sein. Die auf den ersten Blick räthselhafte Scheidung dieser beiden Lösungen ist zu erklären, entweder, wenn man annimmt, dass die Diffusionsgeschwindigkeit der Gallenbestandtheile in das Blut hinein geringer ist, als die des Zuckers; die Scheidung würde dann nach der Seite des Bluts hin unvollständig sein, indem der Zucker mit einer Bei- mengung von Galle dort erschiene. Oder man muss die Unterstellung machen, dass der Zucker zu irgend einem Bestandtheile des Bluts An- ziehungen besitzt, die der Galle fehlen. Der Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von dort in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so dass schon in dem linken Herzen keine Spur desselben mehr nachweisbar ist, wenn nicht sehr grosse Mengen von Zucker aus der Leber traten ( Cl. Bernard ). Die Galle kommt in die Lebergänge und wird in diesen weiter be- fördert durch die Kräfte, welche sie in den Anfang derselben einpress- ten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedrängt durch die Abwesenheit von Muskelfasern in den Wänden der Gänge, oder mit andern Worten durch die Unmöglichkeit, den Strom durch die Gänge anders zu erklä- ren. — Anders verhält es sich mit dem Blaseninhalt; er kann nicht durch die von den Wurzeln der Lebergefässe herrührenden Drücke aus ihr gepresst werden. Man ist darum geneigt, ihrer Muskelschicht die Austreibung der Galle zuzuschreiben, und zwar um so mehr, als man zu- weilen wenigstens Zusammenziehungen derselben gesehen hat (H. Meyer De musculis in ductu effer. glandular. Berolini 1837. p. 29. , E. Brücke ) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1851. 420. . Jedenfalls geschieht aber diese Zusammenziehung in grossen Intervallen, ähnlich den Darmmuskeln. Wie es scheint, fallen die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen mit denen der erhöh- ten Erregbarkeit in den Blasenmuskeln; denn es fanden Bidder und Schmidt l. c. p. 209. die Blase bei hungernden Thieren immer gefüllt, bei ge- fütterten dagegen leer. Leber; Schleim. Die Galle gelangt nun weiter aus den Gängen in den Darmkanal. Hier geht abermals eine Scheidung mit ihr vor; die gallensauren Salze, die Fette, zum Theil der Farbstoff, die alkalischen Mineralsalze und das Wasser gehen in das Blut über, der andere Theil des Farbstoffs, das Cholestearin (?) und die mit dem Schleim (?) verbundenen Erdsalze wer- den mit dem Faeces entleert. — Der in das Blut übergegangene Theil unserer Flüssigkeit tritt zum Theil im Harn aus, insbesondere begegnet dieses dem Farbstoff; die Gallensäuren werden innerhalb des Blutes um- gesetzt und zwar so rasch, dass es bisher noch niemals gelungen ist, sie dort nachzuweisen. — Wir werden der in den Darm ergossenen Galle noch einmal bei der Verfolgung der Verdauung begegnen. 8. Der Leberschleim Der Saft, welchen die Schleimdrüsen in die Lebergänge und Gallenblase ergiessen, mengt sich für gewöhnlich mit der Galle, und somit ist es bis dahin unmöglich gewesen, seine Zusam- mensetzung und seine Absonderungsverhältnisse zu ergründen. — Um beides möglich zu machen, wäre es nur nöthig, den Blasengang zu unter- binden und darauf eine Blasenfistel anzulegen; es dürfte sich dann leicht herausstellen, dass mancherlei Veränderungen in der Absonderung, die man jetzt auf die Vorgänge in den Leberzellen schiebt, in den Schleimdrüsen begründet sind; namentlich deutet die stärkere Anschwellung der Blasen- blutgefässe zur Zeit der Verdauung ( Bidder und Schmidt ) darauf hin, dass auch dann diese Drüsen rascher absondern. Das Wenige, was wir von dem Schleimsaft wissen, beschränkt sich darauf, dass er, wie die ihm verwandten Säfte, einen Körper enthält, der alkalisch reagirt ( Bidder und Schmidt l. c. p. 214. und die Eigenschaften und die Zusammensetzung des Mucins ( Gorup ) Liebig, Annalen. 59. Bd. 129. trägt. Da er mit der Galle in den Darm entleert wird, so theilt er dort die Schicksale des übrigen Darmschleims. Die Leberlymphe ist uns nur dem Namen nach bekannt. 9. Ernährung der Leber. Beim Fötus nimmt den Ort der späteren Leber zuerst ein kleines mit dem Darmrohr communizirendes Hohlge- bilde ein, dessen Wandungen aus verschiedenen Zellenlagen bestehen, von denen die eine in die Epithelialschicht und die andere in die Zel- lenfaserschicht der Darmwandung übergeht; an der einander zugekehrten Grenze beider Lagen treten mit dem steigenden Alter des Fötus aus der Epithelialschicht neue Zellen auf, welche, indem sie sich zu netzförmig verbundenen Bälkchen anordnen, die ebenfalls an Zahl zunehmenden Zel- len der Faserschicht vor sich hertreiben, sodass diese letztern immer die äusseren Flächen der Epithelialschicht umkleiden. Aus den Bälkchen gehen die Gallengänge und Leberzellen, aus den umkleidenden Zellen die Ner- ven, Gefässe und das Bindegewebe der Leber hervor ( Bischoff, Leber, Ernährung. Remak ). — Beim Wachsthum der Leber verhalten sich die Gefässe und das Bindegewebe derselben, so weit bekannt, wie an allen andern Orten; wie sich dagegen die Umfangszunahme der Leberzellenregionen gestaltet, ist noch nicht hinreichend klar; am wahrscheinlichsten ist es nach den Messungen von Harting allerdings, dass nicht die Zahl, sondern der Umfang der Zellen zunimmt. Denn es verhalten sich nach ihm die Durchmesser der Leberzellen des 4 monatlichen Fötus zu denen des Er- wachsenen wie 1 : 4 . Die Veränderungen, welche die festen Bestandtheile der ausgewach- senen Leber und namentlich die Wandungen der Gefässe erleiden, schei- nen, in Anbetracht des grossen Durchmessers der Leberarterie, nicht unbeträchtlich zu sein. Dieser Schluss ist allerdings gewagt, da das arte- rielle Blut der Leber auch in die Capillaren der Schleimdrüsen eingeht. — Der Umfang der Leber wechselt bei einem und demselben Erwachsenen, wie es scheint, nicht unbeträchtlich; namentlich nimmt sie beim Hungern ab und bei der Mästung sehr zu. Der Zusammenhang zwischen der Um- fangsänderung und der Gallenbildung ist schon erwähnt; hier ist nur noch hervorzuheben, dass bei einer Anhäufung des Fettes im thierischen Kör- per der Inhalt der Leberzellen sich ebenfalls beträchtlich mästet Lereboullet, Memoire sur la structure intime de la foie etc. Paris 1853. , und zwar so weit, dass die durch Fett weit ausgedehnten Zellen die Blutge- fässe zudrücken. — Ebenso häufen sich in der Leber die Metalloxyde und namentlich Kupferoxyd an, welche in das Blut übergingen; sie verbinden sich wahrscheinlich mit den Gallensäuren. — Die öfter aus- gesprochene Annahme, dass die Leberzellen, welche an die Gallengänge grenzen, aufgelöst und an ihrer Stelle neu gebildet werden, entbehrt vorerst noch der Begründung. Speicheldrüsen. 1. Anatomischer Bau. Ein Abguss der Speicheldrüsenhöhlen besitzt bekanntlich eine grosse Aehnlichkeit mit einer sehr dicht- und feinbeerigen Weintraube (E. H. Weber, Joh. Müller ). Die Grösse derselben, oder was dasselbe bedeutet, die Zahl der Beeren und die der Nebenstiele, welche in den Hauptstiel einmünden, ist sehr veränderlich. — Die Röhrenwände bestehen in den Endbläs- chen aus einer sehr feinen, durchsichtigen Grundhaut und einem Epi- thelium. Die Zellen des letztern sitzen dicht gedrängt und sind überall kugelig, kernhaltig. In der Parotis weicht ihr Inhalt von dem in den übrigen Speicheldrüsen etwas ab, es fehlt ihm das kör- nige, getrübte Ansehen und er wird durch Wasser und Essigsäure- zusatz nicht gefällt ( Donders ) Onderzoekingen in het physiol. Laborat. Utrecht 1852—53. 61. . In den grössern Drüsengängen ist die Grundmasse der Wand aus elastischem Bindegewebe gebildet, in Speicheldrüsen; Speichel der gl. submaxillaris. das meist sehr sparsame und nur in den Unterkieferdrüsengängen häu- figere Muskelzellen eingestreut sind ( Kölliker ). — Die Arterien der Speicheldrüsen verästeln sich auf den Bläschen zur Bildung eines weit- maschigen Netzes. Die kleinsten zuführenden Arterien sind mit sehr kräftigen Muskelhaufen versehen. — Nervenfaden erhalten die Speichel- drüsen aus den nn. trigeminus, facialis, sympathicus; in ihrem Verlauf durch dieselben schlingen und verästeln sich die Primitivröhren wie in den Muskeln ( Donders ). Eine chemische Untersuchung der Speicheldrüsen fehlt. 2. Speichel. Die qualitative chemische Zusammensetzung des Speichels aus den verschiedenen Speicheldrüsen stimmt allerdings zwar in den meisten, aber nicht in allen Stücken überein. a. Der Speichel der Unterkieferdrüse Bidder und Schmidt, Verdauungssäfte. p. 7. enthält unter allen Um- ständen Wasser, Mucin, einen weissartigen Extraktivstoff, dessen Eigen- schaften von der Darstellungsart (nach Berzelius, Gmelin oder G. Mitscherlich ) abhängig sind Lehmann , physiolog. Chemie. II. Bd. 17. , einen in Alkohol löslichen Extrak- tivstoff, eine Kaliseife, Chlorkalium, Kochsalz, phosphorsaure Salze und Wasser, zuweilen führt er auch Rhodankalium und schwefelsaures Kali. — Die quantitative Mischung Heintz, Zoochemie. p. 827. — E. Becher u. C. Ludwig, Henle ’s und Peufer ’s Zeit- schrift. N. F. I. Bd. 278. dieser Stoffe ist veränderlich: 1 ) Mit der Zeitdauer der Speichelabsonderung. Zum Verständniss dieses Ausdrucks ist zu bemerken, dass nicht stetig, sondern durch längere oder kürzere Zeiten unterbrochen aus den Speichelgängen der Saft abfliesst, so dass die absondernde Thätigkeit der Drüse nur unter bestimmten, im Organismus nicht immer vorhandenen Umständen besteht. Beginnt nun nach einer längern Unterbrechung die Speichelabsonderung wieder und hält dann einige Zeit hindurch an, so ist der im Beginn einer solchen Speichelungsperiode austretende Saft reicher an festen Bestandtheilen, als der später erscheinende; es nimmt also mit der Dauer der Speichelungs- periode der prozentische Gehalt an festen Bestandtheilen ab. Diese Ver- dünnung unseres Saftes ist vorzugsweise bedingt durch die Verminderung der organischen Bestandtheile; denn diese werden in einer langen Spei- chelungszeit bis zur Hälfte oder zum Viertel des ursprünglichen Gehal- tes herabgedrückt, während der Salzgehalt sich entweder gar nicht, oder jedenfalls um viel weniger als die Hälfte, verändert. — 2 ) Mit einer bedeutenden Steigerung des Kochsalzgehaltes im Blut mehrt sich der Salzgehalt des Speichels um ein Geringes; die organischen Bestand- theile erhalten sich unverändert. — Auffallender Weise erleidet dagegen die Zusammensetzung des Speichels keine merkliche Veränderung durch eine beträchtliche Vermehrung der prozentischen Menge des Blutwassers, Speicheldrüsen; Ohr- und Munddrüsenspeichel. welche man durch eine Einsprützung von Wasser in den Venen erzeugt hat (E. Becher, C. Ludwig ). Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass der Speichel, welchen man zu verschiedenen Zeiten auffängt, nicht gleichartig zusammengesetzt sein kann, wie dieses in der That Cl. Bernard und C. Schmidt be- stätigt haben; aus ihren Erfahrungen lässt sich jedoch nicht sehen, ob die Abweichungen durch die oben erwähnten Umstände bedingt waren. Donders l. c. p. 66. hat bei einem Hunde den Speichel der Mundhöhe vor und nach dem Fressen aufgefangen und aus der Analyse desselben das uner- wartete Resultat erhalten, dass der erstere weniger feste Bestandtheile enthielt, als der letztere. Nach den bis dahin bekannt gewordenen Bestimmungen schwanken beim Hunde in 100 Theilen: der Rückstand von 1,98 zu 0,39 , die Salze von 0,79 bis 0,24 , die organischen Bestandtheile von 1,26 zu 0,15 . — Ein Speichel von annähernd mittlerer Zusammensetzung ent- hielt nach C. Schmidt: Wasser = 91,14 ; organ. Stoffe = 0,29 ; Ka und Na Cl = 0,45 ; Kalksalze = 0,12 . b. Der Speichel der Ohrdrüse unterscheidet sich von dem vorher- gehenden nur dadurch, dass er noch kohlensauren Kalk enthält, wäh- rend er das Mucin entbehrt ( Gurlt ); darum fehlt ihm die fadenziehende Eigenschaft; seine quantitative Zusammensetzung zeigt ebenfalls grosse Variationen, deren Abhängigkeitsverhältniss von andern physiologischen Zuständen noch zu ermitteln ist. — Nach Mitscherlich bewegt sich beim Menschen der Prozentgehalt der festen Stoffe von 1,6 zu 1,4 , von diesen letzteren waren 0,9 verbrennlich und 0,5 unverbrennlich; beim Hunde schwankt nach Gmelin und Mitscherlich der Rückstand zwischen 2,6 bis 0,5 pCt. — Ueber das ungefähre Verhältniss der Salze zu einander giebt die nachstehende Analyse von C. Schmidt Rechen- schaft: Wasser = 99,53 ; organ. Stoffe = 0,14 ; Ka und Na Cl = 0,21 ; CaO CO 2 0,12 . c. Mundspeichel. Der Speichel der Sublingual-, Lingual-, Lippen- und Backendrüsen ist noch nicht gesondert untersucht worden. Trotz- dem lässt sich aussagen, dass seine Zusammensetzung nicht wesentlich abweiche von derjenigen der untersuchten Speichelsorten, weil nemlich der Mundspeichel, oder das Gemenge aus den Säften aller Speicheldrüsen, wie es aus der Mundhöhle gewonnen werden kann, annähernd gleich mit jenen constituirt ist. Die einzigen wesentlichen Unterschiede, die sich finden, bestehen nach Berzelius, Gmelin, Schmidt, Frerichs, L’heritier und Lehmann darin, dass der Mundspeichel losgestossene Epithelialzellen der Mundschleimhaut und phosphorsaures Natron enthält. In 100 Theilen wechselt sein fester Rückstand zwischen 1,35 bis 0,35 . Speicheldrüsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels. Ungewöhnliche Speichelbestandtheile. Wenn man in das Blut Jodkalium bringt, so zeigt sich dieses im Speichel wieder und zwar sehr bald, während Blutlaugensalz unter gleichen Bedingungen nicht in ihm vorkommt ( Cl. Bernard ). 3. Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels. — Die Absetzung der organischen Speichelbestandtheile in die Drüsenräume scheint ziem- lich ununterbrochen vor sich zu gehen, keinenfalls steigert sie sich in gleicher Weise wie die des Wassers und der in ihm gelösten Salze. Wäre dieses der Fall, so könnte der Gehalt an organischen Stoffen mit der Dauer der Absonderung nicht sinken. Da dieses geschieht, so scheint der Schluss erlaubt, dass das in die Drüse eindringende Wasser allmäh- lig die vorher in der Drüse abgesetzten, löslichen oder stark aufquellbaren Stoffe auswäscht. — Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers und der Salze ist ausser einer gewissen, nicht näher bekannten Constitution der Drüsenelemente und des Bluts abhängig von der Erregung gewisser Ner- ven (C. Ludwig ) Henle ’s und Pfeufer ’s Zeitschrift. N. F. I. 255. , und insbesondere vom dritten Ast des n. trigeminus (ram. lingualis und auriculo-temporalis (?)), n. facialis (chorda tympani und ram. parotidei postici), und glossopharyngeus (C. Rahn ) ibid. 285. . Von diesen Nerven wirken die ersteren, so weit sie sich in die Drüsensub- stanz einsenken, durch direkte Erregung derselben, die letztern und wahrscheinlich auch die Zungenäste des ram. lingualis durch reflekto- rische Uebertragung auf die Absonderung. — Aus diesem Abhängigkeits- verhältniss ergiebt sich, dass bei vollkommenem Ruhezustand der Nerven die Absonderung des Speichelwassers vollkommen still steht, während sie bei irgend einer Erregungsart der genannten Nerven beginnt. Die Bedingungen, unter denen diese letztere eintritt, sind beim Lebenden ein- mal Kau- und Sprechbewegungen, wobei auf unwillkührliche Weise die direkten Speichelnerven vom Hirn aus mit angeregt werden, und dann die Anwesenheit Geschmack erzeugender Substanzen auf der Zunge, welche auf reflektorischem Wege die direkten Speichelnerven erregen. Aus diesem Grunde speicheln wir am stärksten während der Essenszei- ten, wo sich Kaubewegungen und Geschmacksempfindungen gleichzeitig einstellen. Die vorliegenden Beobachtungen berechtigen uns zu dem Schluss, dass die Absonderungsgeschwindigkeit in irgend welchem Ver- hältniss steigt mit der Stärke der Nervenerregung, und ferner, dass, alles andere gleichgesetzt, die Erregung des vom Hirn getrennten n. facialis die Absonderung mehr beschleunigt, als der nerv. trigeminus unter den- selben Umständen. Ein Zahlenausdruck für die Geschwindigkeit der Speichelabsonderung, z. B. ein Quotient aus dem Gewicht der Speicheldrüse in das Gewicht des in der Zeiteinheit abgesonderten Speichels, ist aus Mangel der nöthi- gen Beobachtungen noch aufzustellen. — Die mittlere tägliche Speicheldrüsen; Speichelbereitung. Speichelmenge (das Produkt aus der Absonderungsgeschwindigkeit in das Drüsengewicht) kann demgemäss ebenfalls nicht angegeben werden. Mitscherlich konnte aus einer Fistel des duct. stenonianus eines kränklichen, sehr mässig lebenden Mannes täglich ungefähr 100 Gr. auf- fangen. Bidder und Schmidt waren im Stande, in einer Stunde, während welcher sie weder schmeckten, noch kauten, 100—120 Gr. aus dem Munde zu entleeren. Wenn während der ganzen Zeit des Wachens ( 17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindigkeit vor sich geht, so würden sie täglich mindestens 1700 bis 2000 Gr. Spei- chel abgesondert haben. Inwiefern die Bewegungen der Kiefer-, Zungen- und Lippenmuskeln erhöhend auf die Absonderung wirkten, wie sich die Absonderung während des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln. Die gegebenen Zahlen können darum auf keine allgemeine Giltigkeit für die Speichelmenge der beobachteten Individuen Anspruch machen. 4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandtheile und insbeson- dere das Mucin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet, man muss sie darum als eine Neubildung im Innern des Drüsenraums ansehen. Da man nun das Mucin in den Epithelialzellen der Drüsenbläschen auf- gefunden hat, so ist Donders l. c. p. 67. geneigt, anzunehmen, dass sich das Mucin durch Auflösung der Zellenwandung in dem alkalisch reagirenden Speichel bilde; er stützt seine Meinung durch eine Beobachtung von Frerichs, wonach verdünnte alkalische Lösungen im Stande sind, die Epithelien zu einer schleimigen Flüssigkeit zu lösen; ferner, dass frischer Speichel bei 37 ° C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzellen aus den Bläschen der Speicheldrüsen vollständig löse, während mit Essig- säure neutralisirter Speichel sie unberührt lasse. Hiergegen wäre das Bedenken zu erheben, dass die Parotis kein Mucin liefert, obwohl die Wandung ihrer Epithelialzellen und die aus ihr hervortretende Salzlösung, so weit wir wissen, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxil- laris. — Die alkalisch reagirende Salzlösung des Speichels wird offenbar direkt aus dem Blute bezogen. Das Uebertreiben derselben aus den Blut- gefässen in die Drüsenräume wird besorgt durch die Nerven, und zwar durch eine solche Veränderung der Drüsensubstanz, welche einen Flüs- sigkeitsstrom aus dem Blut in den Drüsenanfang zu bewerkstelligen ver- mag. Diese Behauptung gründet sich darauf, dass bei anhaltender Ner- venerregung aus den Ausführungsgängen in ununterbrochenem Strom ein die Drüse weit übertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher, C. Ludwig ), also kann der etwa in der Drüse enthaltene Saft nicht ausgedrückt worden sein. Und ferner ist auch der Druck, unter dem die Flüssigkeit in die Drüse geliefert wird, oft sehr viel höher, als der- jenige, welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und noch mehr, es kann Speicheldrüsen; Ausstossung des Speichels. selbst, die Erregbarkeit der Nerven vorausgesetzt, Speichel abgesondert werden, wenn der Blutstrom vollkommen still steht (C. Ludwig ). Dar- aus geht hervor, dass der Blutdruck nicht die Ursache der Flüssigkeitsströ- mung in die Drüsenanfänge sein kann. Man könnte sich nämlich die Vor- stellung bilden, dass der erregte Nerv entweder die Muskeln der Speichel- arterien erschlaffte oder diejenigen der Venen verkürzte, wodurch dann der Druck des Blutstroms auf seine Gefässwandung in der Drüse erhöht würde. In keinem Fall würde aber diese Erhöhung über den in der a. carotis vorhandenen steigen können, und somit würde auch der Druck, mit welchen die Flüssigkeit in die Drüse einströmt, nicht bedeutender als dort sein dürfen. — Eine genauere Darlegung der Beziehung der Nerven zu den Speicheldrüsen lässt sich aber ohne weitergehende Unter- suchungen nicht geben; bemerkenswerth ist es nur, dass sich das Gewebe derselben gegen die Nerven analog der Muskelsubstanz verhält, wenn man den Flüssigkeitsstrom statt der Zusammenziehung substituirt, indem ausser andern schon erwähnten Aehnlichkeiten die bestehen, dass ein elektrischer Strom von schwankender Dichtigkeit nothwendig ist, um den Speichelnerv in die Absonderung erzeugende Erregung zu versetzen, und dass mehrere Sekunden zwischen dem Beginn der Nervenerregung und dem Eintritt der Absonderung verstreichen. — Da nun in den Muskeln die Zusammenziehung abhängig ist von einer besonderen Anordnung elektrischer Molekeln, so könnte man auch eine solche in der Drüsen- substanz voraussetzen und den Flüssigkeitsstrom abhängig denken von einer elektrischen Strömung, die aus dem Blut in die Drüsenröhren geht, und zwar um so mehr, als bekanntlich die strömende Elektrizität die Flüssigkeitstheilchen, welche sie durchwandert, in Bewegung setzt. Diese Hypothese muss aber so lange für eine gewagte gelten, als man damit nicht einmal erklären kann, warum dieser vorausgesetzte elektrische Strom nur einzelne, nicht aber alle flüssigen Bestandtheile des Bluts in die Drüse überführt. 5. Die Austreibung des Speichels aus den Bläschen und Gängen wird unzweifelhaft besorgt durch die Kräfte, welche ihn in erstere ein- treiben; denn einmal fehlt den Drüsenelementen jede selbstständige Be- weglichkeit, und dann genügt der Absonderungsdruck der Aufgabe voll- kommen, da er unter Umständen einer Säule von mehr als 200 MM. Hg druck das Gleichgewicht hält. Nachdem der Speichel in die Mundhöhle getreten, wird er durch Schlingbewegungen in den Magen niedergebracht, wo er grösstentheils in das Blut zurücktritt. Wir werden ihm bei der Verdauungslehre auf diesem Wege wieder aufsuchen. 6. Die Ernährungserscheinungen des fertigen Drüsengewebes bieten die Aehnlichkeit mit denen der Muskeln, dass dasselbe bei einer dauernden Hem- mung der Absonderung, wie sie z. B. in Folge der Unterbindung der Ausfüh- Schleimdrüsen. rungsgänge auftritt, allmählig zu Grunde geht; namentlich wird ihm die Fähigkeit geraubt, Speichel zu liefern. Etwas weiteres ist nicht bekannt. Schleimdrüsen. Zu ihnen zählt man die Schleimdrüsen der Mundhöhle, des Ra- chens, der Speiseröhre, der Gallenblase, die Brunn ’schen Drüsen; die Drüsen der Schneider ’schen Haut, des Kehlkopfes, der Bronchien, der Harnblase, der Harnröhre ( Cowper ’sche und Littre ’sche) und der Scheide. 1. Diese Gebilde haben in der Anordnung ihrer Höhlen weder etwas gemeinsames, noch etwas charakteristisches. — Eine grössere Zahl derselben gehört nemlich zu den traubigen Drüsen, die dann auch in allen Stücken den Speicheldrüsen gleichen; ein anderer Theil, wie die der Harnblase, sind einfache Schlauchdrüsen, und die Littre ’schen endlich nähern sich in ihrer Form, durch die Weite und den gezoge- nen Verlauf der Endbläschen den Samendrüsen an. — Die Struk- tur der Wandungen ist dagegen bei allen diesen Drüsen diejenige, welche den Speicheldrüsen zukommt. Diesen Mangel an anatomischer Charakteristik ersetzte bis vor Kurzem scheinbar ein gemeinsames phy- siologisches Merkmal, die Absonderung eines eigenthümlichen Stoffes, des Schleims; dieses ist aber ebenfalls durch genauere Beobachtungen auf- gehoben. Alle diese Drüsen sondern allerdings Schleimstoff ab, aber diese Eigenschaft theilen sie mit noch andern, z. B. der gl. submaxilla- ris, und sogar mit Flächen, welche gar keine Drüsen enthalten, wie die Synovialhaut. 2. Schleimsaft Berzelius, Chemie. IX. Bd. 534. — L’heritier, l. c. 581. u. 642. — Scherer, Chemische Untersuchungen. p. 93. — Tilanus, De saliva et muco. Amst. 1849. p. 56. — Lehmann, Physiol. Chemie. II. Bd. 354. — Nasse, Journal f. prakt. Chemie. XXIX. 59. . In den Absonderungen der erwähnten Drü- sen hat man constant gefunden Schleimstoff, Extrakte, sämmtliche Salze des Bluts und Wasser, zuweilen auch Eiweiss. — Die quantitative Zu- sammensetzung der einzelnen Säfte ist aber zu wenig untersucht, um bestimmen zu können, wie sie sich zu verschiedenen Zeiten verhalten, und ob oder wie die verschiedenen Drüsensäfte von einander abweichen. Die Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung entgegenstellen, sind ausser den allgemeinen noch vorzugsweise darin zu suchen, dass es theils nicht gelingt, die Säfte rein zu erhalten. Der Nasenschleim mischt sich z. B. mit den Thränen, der des Mundes mit dem Speichel u. s. w.; theils aber wird der Schleim in zu geringer Menge abgesondert, um für Analysen hinzureichen, so namentlich in der Scheide. Wir verzichten darum auf weitere Angaben und verweisen auf die Analysen von Berzelius, Nasse, Scherer und L’heritier. Thränendrüsen. 1. Anatomischer Bau W. Krause, Henle ’s und Pfeufer ’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 337. . Zu dieser Drüsengattung zählt man die Thränendrüse. über der äussern Seite des bulbus oculi gelegenen Drüsen, welche das obere Augenlid durchboren und sich auf der Conjunctiva öffnen, und die Krause ’schen Drüsen, welche unter der Conjunctiva und zwar an ihrer Umbiegungsstelle vom Bulbus auf die Lider liegen. Sie gleichen in ihrem Bau den Speicheldrüsen vollkommen. Ihre Nerven empfangen sie aus dem ersten Aste des Trigeminus. 2. Thränen Frerichs, Wagner ’s Handwörterbuch der Physiologie. III. Bd. 1. Abthl. 617. Sie bestehen aus einem eiweissartigen Stoff, Schleim, Spuren von Fett (welches aus den Epithelien der Drüsenröhre stammt), Na Cl, phosphorsauren Erden, Alkalien und Wasser. Die Reak- tion der Flüssigkeit ist alkalisch. Ueber eine Variation in der Zusam- mensetzung ist nichts bekannt. Nach Frerichs enthalten Thränen, welche in reichlicher Menge abgesondert wurden, zwischen 0,8 und 0,9 feste Bestandtheile in Lösung; die Aschenprozente variirten zwischen 0,42 und 0,54 , welche vorzugsweise aus Na Cl und aus sehr geringen Mengen phosphorsauren Alkalien bestehen ( Vauquelin, Fourcroy, Frerichs ). Die Erdphosphate waren an den eiweissartigen Stoff ge- bunden. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der Thränen variirt mit leiden- schaftlichen Erregungen der Seele und reflektorischer Erregungen, die von der Oberfläche der Conjunctiva, der innern Nasenfläche und dem Opticus (?) ausgehen. Da die Drüse der Speicheldrüse analog gebaut ist, da die Thränen wesentlich mit dem Parotisspeichel übereinstimmen und die gesteigerte Absonderung unter denselben Bedingungen wie in der Speicheldrüse auf- tritt, so kann man nicht anstehen, unsere Drüsen für eine Modifikation der Speicheldrüsen zu halten. 4. Die aus den Ausführungsgängen getretenen Thränen verbreiten sich über die Conjunctiva, gelangen in den sog. Thränensee und dringen dort, eine mässige Absonderung vorausgesetzt, in die Thränenpunkte und Thränenröhrchen ein, von wo sie durch den Thränenkanal in die Nase gelangen. An dieser Stelle verdunstet ihr Wasser in dem Luftstrom, der durch die Athembewegungen in die Lunge geführt wird. Die Bewegung aus dem Thränensack in die Nase kann ausser der Schwere begünstigt werden durch die Muskeln des ersten Behälters. Ein Eindringen von Nasenschleim in den Thränenkanal wird verhütet durch eine Klappe, die sich an seiner Mündung in der Nase vorfindet. Bauchspeicheldrüse. 1. Der anatomische Bau des Pankreas gleicht im Wesentlichen dem der Kopfspeicheldrüsen; unterschieden ist er dadurch, dass die beiden Ausführungsgänge der Drüsen vor ihrer Ausmündung communiziren Ludwig, Physiologie. II. 16 Pankreas; Bauchspeichel. ( Verneuil ). — Die Nerven erhält es aus der plex. coeliacus, hepa- ticus, lienalis, mesenteric. superior. ( Verneuil ) Gazette medicale. 1851. Nr. 25. u. 26. . 2. Bauchspeichel Bidder u. Schmidt, die Verdauungssäfte. Mitau 1852. 240. — Frerichs, Artikel Verdauung in Wagner ’s Handbuch. III. a. 842. — Berzelius, Handbuch der Chemie. IX. Bd. — Weinmann, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. Bd. 247. — C. Schmidt, Lie- big ’s Annalen. 92. Bd. 33. — Kröger, de succo pancreatico. Dorpat 1854. . Seiner chemischen Zusammensetzung nach besteht er aus einem besondern eiweissartigen Fermentkörper, einem butterartigen Fett, Chlor, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlensäure, Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd und Wasser. — Er stellt eine klare, klebrige, alkalisch reagirende Flüssigkeit dar. — Die quantitative Zusammensetzung des Bauchspeichels ist, so weit wir wissen, bis zu einem gewissen Punkte veränderlich mit der Absonderungsgeschwindigkeit; die Veränderungen betreffen vorzugsweise das Verhältniss zwischen dem Was- ser und den organischen Stoffen. Der prozentische Gehalt an Wasser steht nun in der eigenthümlichen Beziehung zu der Menge von Saft, welche in der Zeiteinheit abgesondert wird, dass er innerhalb gewisser Grenzen mit der Absonderungsgeschwindigkeit zunimmt, jenseits derselben sich aber unverändert hält, wie auch die Saftmenge anwachsen mag. So fiel beim Hunde der prozentische Wassergehalt von 98 auf 94 , als die in der Minute abgesonderte Saftmenge von 0,5 Gr. bis zu 0,05 Gr. abnahm; und es hielt sich dagegen der Wassergehalt unverändert auf 98 , als das Gewicht des in der Minute abgesonderten Saftes von 0,5 auf 2,2 Gr. wuchs ( Weinmann ). — Aehnlich den beim Kopfspeichel beobachteten Verhältnissen kommt auch hier die Veränderlichkeit des Rückstandes vorzugsweise auf Rechnung der organischen Bestandtheile. Denn in den von Gmelin, Frerichs und Schmidt veröffentlichten Analysen des Saftes vom Hund, Schaaf und Esel wechselte der Gehalt an organischen Rückstandsprozenten von 9,0 bis zu 1,3 und derjenige der Salzmasse nur zwischen 1,0 bis 0,7 . — Die Zusammensetzung gestaltet sich in den Grenzfällen nach Schmidt (beim Hunde I. und II.) und nach Fre- richs (beim Esel III.) folgendermaassen: Pankreas; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Bauchspeichels ist a) von der Nahrung abhängig, jedoch nicht in dem Grade, dass sie bei voll- kommener Entziehung derselben Null würde. Weinmann beobachtete, dass ein Hund in der ersten Stunde nach einer reichlichen Nahrung = 97,8 Gr. Pankreassaft, nach 45 stündigen Hungern aber in derselben Zeit nur 0,48 Gr. lieferte. Kroeger fand die Saftmenge des Hundes für je eine Stunde in der ersten Stunde nach der Nahrung = 24,9 Gr.; in der 2 ten = 17,58 ; in der 3 ten bis 6 ten = 14,6 ; in der 7 ten bis 9 ten = 11,43 ; in der 10 ten bis 14 ten = 10,7 ; in der 19 ten bis 24 ten = 6,66 . — Die Beschleunigung der Absonderung macht sich so rasch gel- tend, dass ¼ bis ½ Stunde nach dem Genuss von fester Nahrung und einige Minuten nach dem Genuss von Wasser ( Weinmann ) schon das Maximum der Geschwindigkeit erreicht ist; der absolute Werth der erzeugten Geschwindigkeitserhöhung scheint der Menge der genosse- nen Nahrung proportional zu gehen und ist nach dem Fressen bedeu- tender, als nach dem Saufen. — b) Die Absonderungsgeschwindigkeit wird weiterhin bestimmt durch gewisse, nicht näher gekannte Zustände der die Bauchspeicheldrüse umgebenden Organe, wie sie insbesondere erzeugt werden durch Eröffnung der Unterleibshöhle; nach einer solchen Operation stockt die Absonderung fast vollständig. In Folge dieser Er- fahrungen statuirten Bidder und Schmidt die Beziehungen zwischen der Absonderung des alkalischen Bauchspeichels und des sauren Magen- saftes, dass mit der steigenden Bildung des letzteren auch die des erste- ren zunehme. Zur Gewinnung des Saftes legt man entweder temporäre ( Tiedemann, Leuret und Lassaigne, Frerichs u. s. w.) oder dauernde (C. Ludwig ) Fisteln des Wirsung’schen Ganges an. Je nach der Anwendung des einen oder andern Verfah- rens erhält man ganz verschiedene Resultate bezüglich der Absonderungsgeschwindig- keit; im erstern Fall gewinnt man nur wenig Saft, im letztern dagegen, besonders einige Tage nach der vollendeten Operation, sehr viel grössere Mengen. Diese Unter- schiede ist man geneigt auf die Störungen zu schieben, welche durch die Operation selbst in der Unterleibshöhle, resp. der Drüse, hervorgerufen werden; diese Annahme findet eine Unterstützung in den neuen Beobachtungen von Schmidt, welche un- zweifelhaft beweisen, dass der aus permanenten Fisteln fliessende Saft mindestens seiner qualitativen Zusammensetzung nach als ein normaler Bauchspeichel angesehen werden muss. Ein absoluter Werth für die Geschwindigkeit der Absonderung (Quotient aus dem Gewicht des Pankreas in das des in der Zeiteinheit abgesonderten Bauchspeichels) kann nicht gegeben werden. Statt dessen substituirt man etwas willkührlich den Quotient aus dem Gewicht des ganzen Thiers in das Gewicht des in der Zeiteinheit geliefer- ten Saftes. Nimmt man nach Schmidt unter Anwendung dieser Berechnungsweise das Mittel aus sämmtlichen zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Fütterungs- arten angestellten Beobachtungen eines und desselben Thiers, so erhält man für die drei Hunde, deren Saft er aus permanenten Fisteln auffing: 16* Pankreas; Bereitung des Bauchspeichels. Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass ein Thier von geringem Körper- gewicht verhältnissmässig mehr Wasser durch das Pankreas ausgiebt, als ein solches von grössern, und dass diese Beziehung zwischen den festen Bestandtheilen nicht besteht. — Unter diesen Umständen möchte es gewagt sein, die Beobachtungen am Thier auf den Menschen zu übertragen. 3. Die Bereitung des Bauchspeichels. Der fermentartige Körper scheint in den Zellen des Drüsenepitheliums zu entstehen, da er nicht im Blute, wohl aber durch mikrochemische Reaktion in diesem aufge- funden werden kann; aus diesen geht er über in das Drüsenrohr, wohin ihn der zeitweise stärkere Strom der alkalischen Salzlösung, welche aus dem Blute in das Pankreas dringt, spült. Diese Annahme, dass die Bildung des Fermentkörpers stetig in die Drüsen vor sich gehe, während die Salz- lösung zeitweise verstärkt in dieselbe dringe, wird wahrscheinlich aus den Erfahrungen, dass die Zusammensetzung der letztern immer annähernd gleich ist, während der Gehalt an organ. Stoffen so ausserordentlich sich verändert; die Thatsache, dass der Fermentgehalt des Pankreassaftes eben- falls constant wird, wenn die Absonderung über einen grossen Grad von Geschwindigkeit hinausgeht, würde sich daraus erklären lassen, dass die Zeit, während welcher die in die Drüse eingetretene Salzlösung in ihr verweilte, dann annähernd sich gleich blieb, d. h. sie würde dann aus der Drüsenzelle gleich viel Ferment auswaschen. — Die Bedingungen, welche den Eintritt der wässerigen Salzlösung in die Drüse bedingen, sind nicht festgestellt; man könnte auch hier an eine Nervenwirkung denken, in Anbetracht des raschen Wechsels der Absonderungsgeschwin- digkeit, der Constanz ihrer Zusammensetzung, resp. ihrer Unabhängig- keit von dem Inhalt der Drüsenzellen und endlich des Nervenreichthums der Drüse. Bis dahin hat es aber noch nicht gelingen wollen, durch einen Versuch, d. h. durch Erregung der betreffenden Nerven, die Absonderung zu beschleunigen ( Weinmann ), ein Resultat, das aber an Werth ver- liert, wenn man erwägt, dass nach Eröffnung der Bauchhöhle die Drüse überhaupt in ihrer Saftbereitung gestört ist. — Nimmt man aber eine Nervenwirkung an, so ist es zweifelhaft, ob diese auf die Drüsensubstanz oder auf den Blutstrom geschieht. Die letztere Alternative darf darum nicht aus den Augen verloren werden, weil die Speicheldrüse des Bauchs im Gegensatz zu denen des Kopfs sich während der lebhaften Absonde- rung mehr als gewöhnlich mit Blut füllt. 4. Ausstossung des Bauchspeichels. Den Gängen fehlen Muskeln, Magendrüsen; Labdrüsen. also muss die Austreibung des Saftes durch die Kräfte geschehen, welche ihn in die Drüsen führen, welche oft stark genug sind, um ihn in einem Strahl austreten zu lassen. — In dem Duodenum mengt er sich mit dem sauren Magensaft, wird neutralisirt und wirkt verändernd auf die Speisen. Da dem Koth der Fermentkörper fehlt, so muss dieser in das Blut zurückkehren, zugleich mit den reichlichen Wassermengen, welche er mit führt. Die Bedeutung, welche er für die Verdauung gewinnt, ist später zu behandeln. 5. Ueber die Ernährung der Drüsen ist ausser der Formfolge bei der ersten Entwickelung wenig bekannt. Die unterbundenen und durch- schnittenen Drüsengänge stellen sich leicht wieder her. In einigen Krankheiten fand Virchow bemerkenswerther Weise viel Leucin im Pankreasgewebe Offenes Schreiben an Schönlein. Göschens deutsche Klinik. 1855. 1. Heft. . Magendrüsen. In die Magenwände sind zwei Drüsenarten eingebettet, die sich durch ihre Form sehr wenig, durch ihre absondernden Kräfte aber be- deutend unterscheiden ( Wassmann ). A. Labdrüsen . 1. Anatomischer Bau Henle , in seiner und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. II. Bd. 299. — E. Brücke , Berichte der Wiener Akademie. 1851. — H. Frey, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. IX. Bd. 315. — Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 423. — Donders , Onderzoekingen in het phys. Laborator, to Utrecht, 1852—53. p. 70. . Die Labdrüsen erstrecken sich von der Cardia bis zum Pförtner. In dieser Ausdehnung ist die Schleimhaut des Magens durchbohrt von so dichtgedrängten Drüsenschläuchen, dass von der Substanz derselben nur äusserst wenig übrig bleibt. Die Höhlen dieser Drüsen sind nahe an der innern Magenoberfläche cylindrisch, ge- gen die Zellenhaut des Magens hin, wo die Höhle blind endigt, ist sie seitlich mit rundlichen Ausbuchtungen versehen ( Sprott Boyd, Henle ). Meist sind die Höhlen vom Grund bis zur Mündung hin einfach und nur zuweilen, namentlich in der unmittelbaren Nähe der Cardia, münden meh- rere solcher Drüsenschläuche durch eine Oeffnung in den Magen aus ( Bischoff, Kölliker ). — Die Wand ist durchweg durch eine struktur- lose Haut dargestellt, deren innere Fläche nahe an der Drüsenmündung von einem Cylinderepithelium und von da ab bis zum blinden Ende mit einer kugeligen Zellenformation, den Labzellen, bedeckt ist. Der Binnen- raum dieser letztern ist ausgefüllt durch einen Kern und eine trübe Flüs- sigkeit. In dem Grunde der Drüsen findet sich statt der Labzellen öfter auch nur eine körnige Masse mit eingestreuten kleinen Zellen, welche dem Ansehen nach den Kernen der Labzellen vollkommen gleichen ( Sprott Boyd, Frerichs ). — Um die Drüsen ist in der Schleim- und Zellhaut des Magens ein langer, glatter Muskel geschlagen; er besteht aus einem Geflecht von Muskelzellen, welche theils nach der Längen- Labdrüsen; Labsaft. und theils nach der Querrichtung der Drüsenschläuche verlaufen und, unmittelbar an die strukturlose Haut derselben sich anschliessend, sie bis in die Schleimhaut hinein verfolgen (E. Brücke ). — Die Blutgefässe beziehen ihr Blut aus den Arterien, welche in die Zellhaut des Magens eindringen; aus dieser treten feine Aestchen empor mit der allgemeinen Richtung gegen die Magenoberfläche, indem sie sich an die Drüsen an- schmiegen, zerfallen sie in feine Capillaren, welche, netzförmig sich ver- bindend, die Drüsenschläuche umspinnen. Diese Netze schicken darauf stärkere Zweige gegen die Schleimhautoberfläche, wo sich dieselben von neuem zu grössern Maschen anordnen, aus denen endlich die Venen her- vorgehen (H. Frey ). 2. Labsaft Berzelius , Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 1840. 205. — Frerichs , Artikel Verdauung in Wagner’s Handwörterbuch. III. Bd. — Lehmann , Physiol. Chemie. II. Bd. p. 39. — Bid- der und Schmidt , Verdauungssäfte. p. 29. — Schmidt, Liebig’s Annalen. 92. Bd. 42. — Grünewaldt , Succi gastrici humani indoles. Dorp. 1853. p. 42. — Schröder , Succi gastrici humani vis digestiva. Dorp. 1853. p. 34. . Obwohl die Gewinnung des reinen Labsaftes in grös- serem Maassstab bis dahin nicht gelungen ist, so hat man doch vermocht, einige chemische Eigenthümlichkeiten desselben nachzuweisen. Den Labsaft fängt man auf zwei verschiedene Weisen auf. 1) Man schneidet die Stellen der Magenschleimhaut, in welche die Labdrüsen eingebettet sind, aus, spült sie mit Wasser ab und presst dann entweder die Flüssigkeit aus, oder man zieht die Stücke mit Wasser aus. — 2) Man legte bei Thieren Magenfisteln an ( Blond- lot ), oder benutzte die seltenen Fälle, in denen bei Menschen Magentisteln vorkommen ( Beaumont, Schmidt ). Da nun aber in den Magen enthalten sind: Speisereste, Speichel, Schleim aus den Drüsen des Oesophagus und des Magens selbst, so gewinnt man auch auf diesem Wege den Labsaft nicht rein. Um ihm aber wenigstens das Uebergewicht über die andern Gemengtheile zu verschaffen, hat man den Inhalt des Magens bei hungernden Thieren aufgefangen, nachdem man vorgängig von der Fistel- öffnung aus den Magen mit Wasser ausgespült hatte. Dadurch sicherte man sich vor der Verunreinigung mit Speisen ( Bidder und Schmidt, Heintz ). — Um den Speichel ganz oder theilweise zu eliminiren, legt Bardeleben neben der Magen- fistel auch noch eine Speiseröhrenfistel an, durch welche der verschlungene Speichel nach aussen abfloss, oder es wurden die Ausführungsgänge der wesentlichen Speichel- drüsen unterbunden ( Bidder und Schmidt ). — Eine Befreiung des Labsaftes von dem Schleim ist also noch nicht versucht worden. In keinem Fall genügt also die gewonnene Saftart, um alle Eigenschaften der Labflüssigkeit festzustellen, aber sie reicht hin, um diejenigen derselben aufzudecken, welche ihm vor dem Schleim und Speichel zukommen, und zwar darum, weil uns die Zusammensetzung dieser letztern bekannt ist. Dem Labsaft kommen als eigenthümliche Stoffe zu: ein besonderer Fermentkörper (Pepsin) ( Eberle, Schwann ), Salmiak, Chlorcalcium und eine freie Säure. Diese letztere ist bald als Salz- ( Gmelin, Prout, Schmidt ) und bald als Milch- oder Buttersäure ( Lehmann, Schmidt, Heintz ) bestimmt worden. Will man sich nun nicht zu der Annahme bequemen, dass in den Labdrüsen bald die eine und bald die andere Säure abgesondert werde, so bleibt nur ein Ausweg übrig. Man muss nemlich behaupten, dass die in den Labdrüsen frei gemachte Salzsäure Labdrüsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes. butter- oder milchsaure Salze zerlegt habe, die in dem Mageninhalt ge- löst gewesen sind. Diese Unterstellung wird gestützt durch die Erfah- rung, dass die zuletzt erwähnten Salze wirklich Bestandtheile des Magen- inhalts sind, wenn vorher eine gewöhnliche Fütterung statt fand, und ferner dadurch, dass Schmidt in dem Magen der von ihm beobachte- ten Frau freie Salzsäure fand, wenn der Saft aus dem nüchternen, da- gegen Milch- oder Buttersäure, wenn er aus dem speisehaltigen Magen entzogen wurde. Das Pepsin ist geradezu in dem Inhalt der Labzellen aufgefunden worden ( Fre- richs . Ueber die häufige Anwesenheit der Salzsäure in dem Labsaft der Menschen und Thiere kann nach den tadelfreien Versuchen von C. Schmidt kein Zweifel mehr bestehen; er bestimmte nämlich aus der frischen Flüssigkeit die Menge des Chlors und Ammoniaks und aus der Asche des eingetrockneten Saftes die Menge der Basen. In dem ersten Falle reichte der Gehalt an Ammoniak und fixen Basen hin, um das ganze Gewicht des Chlors zu sättigen; er zeigt zugleich, dass gewöhnlich keine an- dere freie Säure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des fri- schen sauren Saftes gerade so viel Basis nöthig war, als die freie Salzsäure zur Dar- stellung eines neutralen Salzes bedurfte. — Lehmann dagegen fand Milchsäure im Magen von Hunden, die er nach vorgängigem Hungern mit entfetteten Knochen ge- füttert und 10 bis 15 Minuten danach getödtet hatte. Ueber die Natur der von ihm gefundenen Säure kann kein Zweifel bestehen, weil sie durch die Elementaranalyse festgestellt wurde. Ebenso traf Heintz in einer erbrochenen Flüssigkeit Milchsäure an, und Schmidt selbst konnte in den mit Zucker, Eiweiss u. s. w. verunreinigten Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten Magenfistel des Menschen genommen war, keine freie Salzsäure, wohl aber Butter- und Milchsäure auffinden. Ob und wie die Zusammensetzung des Labsaftes veränderlich ist, muss dahingestellt bleiben; die Thatsache, dass der Mageninhalt bald sauer und bald alkalisch reagirt, kann ihren Grund begreiflich eben so gut finden in einer veränderlichen Zusammensetzung des Labsaftes, als auch in einer ungleich reichlichen Absonderung der verschiedenen (alka- lischen und sauren) Säfte, welche in den Magen entleert werden. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit scheint für die einzelnen Be- standtheile des Labsaftes nicht dieselbe zu sein, da man zu allen Zei- ten in dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie Säure antrifft. — Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Flüssigkeit, welche in der Zeit- einheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innern Wandflächen des Magens ausgestossen wird, ist sehr veränderlich. Zur Zeit, in wel- cher der Magen leer oder nur mit verschlucktem Speichel gefüllt ist, wird gar kein Saft aus den Drüsenmündungen geliefert. Dieses geschieht aber sogleich, wenn in den leeren Magen beliebige feste oder flüssige nervenerregende Stoffe (Speisen, Steine, Pfeffer, Kochsalz u. s. w.) ein- gebracht werden, ja nach Bidder und Schmidt l, c. p. 32. selbst dann, wenn man hungrigen Thieren (deren Speichelgänge unterbunden waren) Nah- rungsmittel vorhält, ohne sie ihnen zum Fressen zu geben. Daraus Labdrüsen; Bereitung des Saftes. schliessen wir nun, dass die Absonderungsgeschwindigkeit steige mit der bestehenden Nervenerregung des Magens, ein Schluss, der noch dadurch bestätigt wird, dass nach Durchschneidung der n. vagi am Halse die Ab- sonderung, wenn auch nicht vollkommen aufgehoben, doch zum minde- sten beschränkt wird ( Bidder, Schmidt, Frerichs, Bernard ). Eine sinnreiche Methode haben Bidder und Schmidt in Vorschlag gebracht, die tägliche Menge des vom Menschen abgesonderten Pepsins und der freien Säure zu bestimmen. — Setzt man, wie es annähernd mindestens geschehen darf, voraus, dass die festen Eiweissstoffe unserer Nahrung mit Hilfe jener Körper (in dem Magen oder Dünndarm) auf- gelöst werden, und hätte man aus künstlichen Verdauungsversuchen er- mittelt, wie viel Pepsin und Säure nöthig sind, um die Gewichtseinheit des Muskelfleisches, Käses u. s. w. zur Auflösung zu bringen, so kann man, vollkommene Auflösung vorausgesetzt, aus dem bekannten Gewicht der eiweisshaltigen Nahrung die vom Magen gelieferten Pepsin- und Säurenmengen berechnen. Würde schliesslich das Verhältniss dieser beiden Stoffe zum Wasser des Labsaftes bekannt sein, so würde man damit auch das Volum des ganzen Saftes gefunden haben. — Eine genaue Ausfüh- rung ist diesem Vorschlag noch nicht zu Theil geworden. 4. Bereitung des Labsaftes. Pepsin und freie Säure gehören nicht zu den Blutbestandtheilen, sie müssen also beide in den Labdrüsen ent- standen sein. Das erste, welches seiner Eigenschaften wegen zu den eiweissartigen Körpern gestellt werden muss, wird wahrscheinlich aus dem Bluteiweiss gebildet, welches in dem Innern der Labzellen abgeschie- den wurde; diese letzten enthalten mindestens den bezeichneten Stoff ( Frerichs ). — Die freie Säure, insofern sie Salzsäure ist, wird durch die Zerlegung der Chloralkalien gewonnen werden müssen; wie und wo dieses geschieht, ist bis dahin ein Räthsel. — Die schon vorhin mit- getheilten Gründe deuten darauf hin, dass das zeitweise verstärkte Her- vortreten von Flüssigkeit unter dem Einfluss einer plötzlich eintretenden Nervenerregung geschieht. Wie die Flüssigkeit beschaffen ist, die in die Labdrüsen übergeführt wird, wissen wir nicht. Wir vermuthen aber, dass sie eine (saure?) Salzlösung sei, welche auf ihrem Wege durch die Drüse das Pepsin aus den Labzellen auswäscht ( Donders ). — Der Mechanismus, durch welchen die Nerven die Absonderung einleiten, ist uns unbekannt; für die Annahme, dass dieses durch eine Veränderung im Durchmesser der Blutgefässe geschähe, spricht die lebhaftere Röthung des Magens zur Zeit der gesteigerten Absonderung. Die Bahnen, in welchen die Absonderungsnerven laufen, sind ebenfalls noch problematisch, in dem Halstheil des n. vagus scheint nach übereinstimmenden Beobach- tungen mindestens ein Theil derselben gesucht werden zu müssen. In dem n. splanchnicus oder in den sympathischen Zweigen, welche in der Schleimdrüsen des Magens. Magensaft. Brusthöhle zum n. vagus sich gesellen, liegt vielleicht ein anderer Theil. 5. Die Ausstossung des Saftes aus den Drüsen kann mindestens unter dem Einfluss der Brücke ’schen Muskelschicht geschehen. Fre- richs hat die Meinung ausgesprochen, dass bei der Entleerung des Saf- tes die Labzellen in den Magen gespült wurden; durch die Untersuchun- gen von Kölliker und Donders ist dieselbe dahin beschränkt worden, dass die Ausführung der ganzen Zellen nicht zu den nothwendigen Er- eignissen gehöre, da nach geschlossener Verdauung, also zu einer Zeit, in welcher die reichlichsten Ausleerungen aus den Drüsen stattgefunden haben, die Drüsen noch durchweg mit Zellen gefüllt sind. — Der Saft, welcher in den Magen gelangte, wird dort mit den andern Säften und den durch ihn veränderten Speisen in den Zwölffingerdarm geführt. B. Schleimdrüsen . Der anatomische Bau dieser Drüsen nähert sich sehr dem vorher beschriebenen an; der wesentlichste Unterschied zwischen Beiden besteht einmal in dem Mangel seitlicher Ausbuchtungen der schlauchförmigen Höhle und der Epithelialbildung auf der Grundhaut; in den Schleimdrüsen ist sie nemlich mit einem Cylinderepithelium belegt, welches dem in der innern Magenfläche vollkommen gleicht ( Wassmann ). Gegen den Pylorus ist der einfache Schlauch öfter getheilt, d. h. es münden durch eine Oeffnung mehrere Drüsenröhren in den Magen; diese Anordnung bildet den all- mähligen Uebergang zu den Brunn ’schen Drüsen des Duodenums ( Donders ). Der Saft, welchen sie absondern, enthält Mucin, das nach Schrant und Donders aus den sich allmählig auflösenden Epithelialzellen her- vorgeht; Pepsin sondern sie nicht ab ( Wassmann, Goll ) und wahr- scheinlich auch keine freie Säure. Der Magensaft , oder das Gemenge aus dem Speichel, dem Schleim und dem Labsaft, welche sich in den Magen ergiessen, verdient als ein wichtiges Verdauungsmittel noch der Erwähnung. Die chemische Zusammensetzung desselben ist natürlich so mannig- fach veränderlich, je nachdem der Erguss des einen oder andern Drüsen- saftes überwiegt, dass sich allgemeine Regeln über dieselbe selbst dann nicht aufstellen lassen, wenn auch eine Verunreinigung durch Speisen fern gehalten worden ist. Das einzige, was man constant beobachtet hat, besteht nach Schmidt, Bidder und Grunewaldt darin, dass nach längerem Entbehren von Nahrung, beim Menschen also constant nach dem Erwachen aus dem Schlafe, der Magen eine stark schleimhaltige, alkalisch reagirende Flüssigkeit in sich fasst, während nach dem Genuss von Speisen oder irgend welchen andern festen Körpern eine saure Flüs- sigkeit in ihm vorkommt. Schmidt hat bei der schon erwähnten Frau mit einer Magenfistel die Flüssigkeit aufgefangen und zerlegt, welche in Magensaft. dem Magen enthalten war, nachdem die Frau morgens nüchtern einige Erbsen verschlungen hatte. Im Mittel aus zwei wenig von einander ab- weichenden Analysen ergab sich: Wasser = 99,44; Ferment mit Spuren von Ammoniak = 0,32; Salzsäure = 0,02; Chlorcalcium = 0,01; Koch- salz = 0,15; phosphorsaure Erden = 0,06 . Die Menge von Flüssig- keit, welche täglich aus dem Magen der Frau aufgefangen werden konnte, war über alle Erwartung gross. Sie betrug bei einem Körpergewicht von 53 Kilogr. im Mittel aus 62 Versuchen = 649 Gr. in der Stunde, welches, auf den Tag berechnet, = 15,576 Kilogr. ergiebt. Nun waren allerdings die aufgefangenen Flüssigkeiten immer mit Speisen verunrei- nigt, aber immerhin ist die Menge derselben trotz des grossen Nahrungs- bedürfnisses der Frau, noch gering anzuschlagen gegen eine solche Masse von Mageninhalt, und zudem ist zu bedenken, dass durch den Pförtner eine grosse Masse von Mageninhalt abgeflossen sein mag. So merkwürdig und wichtig diese Beobachtung ist, so kann sie aber nicht genügen, um daraus ein Mittel für die täglich abgesonderte Menge des menschlichen Magensaftes zu ziehen. Siehe über ein solches Schmidt und Grünewaldt an den bezeichneten Orten. Analysen von möglichst speichelfreiem und stark speichelhaltigem Magensaft des Hundes gaben Bidder und Schmidt . 1. Mittel aus 9 Analysen; die Hunde waren in 8 Fällen mit Fleisch gefüttert, die wesentlichsten Speichelgänge unterbunden; der Saft wurde aus dem leeren Magen nach vorgängiger Erregung des Magens durch mechanische Mittel aufgefangen. 2. Bei einem wie vorher behandeltem Hund, dessen n. vagi durchschnitten waren. 3. Mittel aus 3 Analysen bei Fleisch- und Pflanzendiät; Speichelgänge nicht unterbunden. 4. Speichelgänge nicht unterbunden; 12 bis 24 Stunden vorher die n. vagi durch- schnitten. Die mittlere Menge des stündlich aus dem Hundemagen zu erhaltenden Saftes schätzen Bidder und Schmidt zu 4,6 Gr. für ein Kilogr. Thier, indem sie, wie es scheint, voraussetzen, dass Nahrungsbedürfniss und Drüsenoberfläche anwachsen wie das Körpergewicht. Schlauchförmige Darmdrüsen . Ihrem Bau nach stimmen sie ganz überein mit der einfacheren Form der Magenschleimdrüsen. — Von den Absonderungen kennt man mit Sicherheit nur die eine, dass die Cylinderzellen ihres Epitheliums mit Schleim gefüllt sind. — Frerichs untersuchte eine Flüssigkeit, die er für ein normales Absonderungsprodukt jener Drüsen hält, aus dem Katzen- darm. Um sie aufzufangen, hatte er ein Darmstück durch zwei Liga- turen von den benachbarten Stellen abgeschnürt, nachdem dasselbe vor- Schlauchförmige Darmdrüsen; Fettdrüsen. her von seinem Inhalt durch Streichen mit den Fingern möglichst befreit worden. Die Flüssigkeit reagirte stark alkalisch und enthielt in 100 Thei- len: Wasser = 97,6; unaufgelöste Stoffe 0,9; löslicher Schleim = 0,5; Fett = 0,2; Salze = 0,8. Die Flüssigkeiten des Dünn- und Dickdarms waren gleich zusammengesetzt. — Bidder und Schmidt , die auf diesem Wege keinen Darmsaft erhalten konnten, suchten ihn zu ge- winnen aus einer Darmfistel, nachdem sie vorher Gallen- und Pankreas- gänge unterbunden hatten. Sie erhielten jedoch auch auf diesem Wege eine so geringe Menge einer alkalisch reagirenden Flüssigkeit, dass sie nicht hinreichte, um eine Analyse damit anstellen zu können. Aus dem Dickdarm erhielten sie auch nicht einmal dieses geringe Quantum. Nach Bidder und Scmidt soll sich unmittelbar nach dem Wasser- trinken die Absonderung etwas vermehrt haben. Fettdrüsen . Zu dieser Drüsengattung rechnet man die Hautfollikel (Haarbalg- drüsen) die Meibom ’schen Bälge und die Ohrenschmalzdrüsen. Die Berechtigung für die Zusammenstellung dieser in vielen Beziehungen von einander abweichenden Werkzeuge findet man in dem grossen Fett- gehalt des von ihnen abgesonderten Saftes. Obwohl dieser Grund mehr als nichtssagend ist, wollen wir doch das Wenige, welches von diesen Drüsen bekannt ist, hier zusammenstellen. 1. Haarbalgdrüsen Kölliker , Gewebelehre. 2. Auflage. p. 175. — Lehmann , Physiologische Chemie. II. Bd. p. 372. . Ihre Höhle besitzt entweder die Gestalt eines einfachen birnförmigen oder die eines verästelten Schlauchs. Die Wand besteht nach aussen aus Bindegewebe, auf dessen innerer Fläche ein Epithelium aufsitzt, dessen einzelne Zellen einen grossen oder meh- rere kleinere Fetttröpfchen umschliessen. Gegen das Centrum des Drü- senbalges folgen dann Zellen, die reichlicher mit Fett gefüllt sind, ver- mischt mit freien Oeltröpfchen, die endlich gegen die Mündung des Bal- ges hin das Uebergewicht bekommen. — Die freie Oeffnung des Schlauchs geschieht immer in einen Haarbalg hinein, und der einzige Unterschied, der in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Talgdrüsen besteht, liegt darin, dass bald der Haarbalg an Grösse die Fettdrüse und um- gekehrt bald die letztere den erstern übertrifft. — Das Fett, welches aus den Drüsen zum Vorschein kommt, ist ein Gemenge von Elain und Mar- garin. Ausserdem kommt in ihrem Sekret vor ein eiweissartiger Stoff, Cholestearin, Margarin- und Elainseifen, Kochsalz, Salmiak, etwas phos- phorsaures Natron und Wasser. — Der fettige Antheil geht meist in die Haare über. 2. Meibom ’sche Drüsen Kölliker , l. c. p. 653. . Sie schliessen sich rücksichtlich ihrer Form und des Baues von Wandung und Höhle an die Talgdrüsen Meibom’s che und Ohrenschmalzdrüsen. an. Ihr Sekret ist noch nicht untersucht; sie liefern dasselbe auf die Augenlidränder, welche, mit dem fettigen Saft bestrichen, den Thränen den Uebertritt auf die Wangen erschweren. 3. Ohrenschmalzdrüsen . In dem äussern Gehörgang kommen zwei Drüsenarten vor, die eine, welche in die Haarbälge mündet und somit den Talgdrüsen vollkommen gleichartig gebaut ist, und eine andere, die Ohrenschmalzdrüsen im engern Wortsinn, welche dem Bau ihrer Höh- lung und Wandung nach den mit Muskeln versehenen Schweissdrüsen sehr ähnlich ist. Der einzige Unterschied, welcher zwischen Schweiss- und Ohrenschmalzdrüsen besteht, wird durch das Epithelium gegeben, welches in den leztern durch seinen fetthaltigen Inhalt ausgezeichnet ist ( Kölliker ) l. c. p. 171. . Die Bestandtheile des Ohrenschmalzes Berzelius , Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 537. , das vorzugsweise der zu- letzt erwähnten Drüse seinen Ursprung verdanken möchte, sind: Olein, Margarin, eine eiweisshaltige Materie, ein in Wasser löslicher, gelbge- färbter, bitterschmeckender Körper und die gewöhnlichen Blutsalze. — Die quantitative Zusammensetzung des Ohrenschmalzes ist unzweifelhaft sehr variabel, da es einmal dunkel und fest, das anderemal sehr hell und mehr wasserhaltig abgesondert wird. Schweissdrüsen . 1. Anatomischer Bau Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 1855, 162. . Das röhrenförmige Lumen der Schweiss- drüsen mündet auf der Epidermisoberfläche, dringt spiralig durch die Epidermis zur Cutis, verengert sich innerhalb derselben und geht dann gestreckt bis in die tiefsten Schichten der Haut, wo es sich abermals etwas erweitert, dann knaulförmig aufwindet, um schliesslich blind zu enden. An den grössern Schweissdrüsen, z. B. denen der Achsel- höhle theilt sich das Rohr in mehrere Aeste, von denen ein jeder sich verhält wie eine einfache Drüse. Die Wand der Drüse besteht, wo sie auch vorkommen mag, so lange sie durch die Cutis läuft, aus einer strukturlosen Grundhaut ( Virchow ). Diese fehlt aber, wenn das Drüsen- lumen die Epidermis erreicht hat, so dass sich der Canal zwischen den Zellen derselben hinzieht. Auf der innern Fläche der Grundhaut sitzt ein Epithelium, das in den Drüsen von mittlerer und geringerer Grösse aus einer einfachen Lage rundlicher Zellen besteht, deren Binnenraum ausser dem Kern meist auch Fetttröpfchen enthält. In den Schweiss- drüsen der Achselhöhle, der Peniswurzel und den Schamlippen kommt dazu eine trübe, fettige Masse, welche Körnchen, kleinere und grössere Zellen in sich schliesst. Auf der aussern Fläche der Grundhaut tragen die zuletzt erwähnten Drüsen eine Schicht längs verlaufender Muskel- zellen, und an diese schliesst sich eine streifige Bindegewebshülle an, Schweissdrüsen; Schweiss. welche in allen andern Drüsen, denen die Muskeln fehlen, sich unmittel- bar an die Grundhaut anlegt. — Das dichte Netz von Blutgefässen, wel- ches dem Drüsenknäuel umspinnt, entsteht aus den Arterien des Unter- hautbindegewebes und geht durch Verbindungszweige, welche dem Aus- führungsgang entlang laufen, in das Netzwerk der Cutisgefässe über. — Nerven hat man in die Schweissdrüsen noch nicht verfolgen können. 2. Schweiss Anselmino (u. L. Gmelin ), Zeitschrift von Tiedemann und Treviranus . II. Bd. — Schottin , Zeitschrift f. physiolog. Heilkunde. XI. Bd. — Favre , compt. rend. XXXV. 721. u. Archiv. gener. Juli 1853. — Gillibert d’Hercourt, Valentin’s Jahresbericht über Phy- siologie für 1853. p. 168. . Der reine Saft der Schweissdrüsen ist noch kein- mal Gegenstand einer gründlichen Untersuchung gewesen; meist ist ein Gemenge des Schweisses mit verdichtetem Hautdunst, Hautschmiere und Epidermisschuppenextrakt, oder auch ein solches aus den festen Rück- ständen der erwähnten Flüssigkeit zur Analyse verwendet worden. Man fängt den sog. Schweiss entweder in luftdichten Beuteln auf, in die man den ganzen Körper oder einzelne Gliedmaassen während der Schweissbildung ein- schloss, oder man umkleidet den vorher gewaschenen Körpertheil mit reiner Lein- wand, die man dann auslaugt, oder endlich, man spült auch nur die Haut mit destil- lirtem Wasser ab, um den Rückstand zu gewinnen, den der auf der Haut verdun- stende Schweiss zurückgelassen hat. Qualitative Proben sind öfter mit den auf der Haut stehenden Schweisstropfen vorgenommen. Ein solches Gemenge, welches meist sauer reagirt, enthält Stearin, Margarin, Cholestearin (Butter- und Propion-?), Essig- und Ameisensäure, Ammoniak, Natron, Kali, Kalkerde, Salz-, Schwefel-, Phosphor- und Kohlensäure ( Anselmino, Schottin, Gillibert ). Hierzu fügt Favre Milchsäure (durch die Analyse des Zinksalzes nachgewiesen), Hydrot- säure (C 10 H 8 NO 13 ; HO) Harnstoff, er läugnet dagegen die Anwesenheit von Ammoniak und flüchtigen Fettsäuren. Andeutungen von Variationen in der Zusammensetzung geben sich zu erkennen: der zuerst abgesonderte Schweiss ist schleimiger (?), fett- haltig und sauer, der spätere neutral und fettfrei ( Gillibert ). In der Asche des Fussschweisses fand Schottin nach Prozenten: 3 CaO PO 5 = 4,1; 3 MgO und 3Fe 2 O 3 OP 5 = 1,4; K = 11,1; Na = 28,2; Cl = 31,3; SO 3 = 5,5; PO 5 = 2,2. — In der Armschweissasche stand das Ka zum Na im Verhältniss von 15,7 : 27,5. In 100 Theilen eines sog. Armschweisses fand Schottin: Wasser = 97,7; Epithelien = 0,4; lösliche organ. Bestandtheile = 1,1; Salze = 0,7 . — In den Schweiss gingen, innerlich genommen, Jod, Chinin, Salicin nicht über, dagegen Bern- stein-, Weinstein-, Benzoesäure ( Schottin ). 3. Absonderungsgeschwindigkeit. Die Schweissbildung kann Tage und Monate lang unterbrochen sein; sie tritt gewöhnlich nur dann ein, wenn aus innern (gesteigerte Wärmebildung) oder äussern (verhinderte Abküh- lung) Gründen die Temperatur der Haut steigt; da aber begreiflich die Temperatursteigerung nicht die einzige Bedingung ist, von welcher die Schweissdrüsen; Schweissbildung. Schweissbildung abhängt, so tritt sie nicht nothwendig mit der Tempe- raturerhöhung ein (trockne Hitze), ja sie scheint nicht einmal eine noth- wendige Bedingung (kalte Schweisse). — Die Absonderung wird gestei- gert durch den Genuss von sehr viel Wasser und durch den Gebrauch einzelner flüchtiger Stoffe (?). Beim hydrotherapeutischen Verfahren soll die von einem Erwachsenen abgesonderte Schweissmenge bis zu 800 Gr. in 1 bis 1 ½ Stunde steigen können. Die einmal eingeleitete Schweiss- bildung unterbricht sich allmählig von selbst, wenn auch die günstigsten Bedingungen zu ihrer Erhaltung bestehen ( Gillibert ). — Die Thätig- keit der einzelnen Drüsen ist von einander unabhängig, wie aus der lo- kalen Schweissbildung hervorgeht. 4. Schweissbereitung. Die fetten und die flüchtigen Säuren gehen unzweifelhaft aus den Epithelien hervor, da namentlich die Drüsen, welche einen starkriechenden Schweiss hervorbringen, reichlich mit Fett gefüllte Zellen bergen. — Die Absonderung der Salzlösung würde man we- gen ihres periodischen Auftretens, und auch darum, weil leidenschaft- liche Erregungen öfter mit Schweissbildung gepaart sind, wohl bereit- willig von einer Beihülfe der Nerven ableiten, wenn nur irgend eine Art von Nerv zu den Drüsen verfolgt werden könnte. — Da die von Blut strotzende Haut leicht und die zusammengezogene nicht schwitzt, so wäre daran zu denken, dass eine Erschlaffung der Gefässmuskeln und die daraus entspringende Erweiterung des Gefässlumens eine nothwendige Bedingung zur Einleitung der Schweissbildung sei. Damit ist es aber nicht zu vereinigen, dass die Absonderung, welche schon eingetreten war, auch wieder zurücktritt, trotz der noch bestehenden Blutfülle. Sollte etwa die Haut der Schweissdrüsen sich unabhängig von Nerven und Muskeln verändern können? 5. Aus den Drüsen, welchen Muskeln fehlen, kann der Inhalt nur durch die absondernden Kräfte selbst ausgetrieben werden; die Muskeln in den grössern Drüsen sind vielleicht geeignet, den zähflüssigen Inhalt, der auf ihrem Grund sitzt, zu entleeren. — Der auf die Hautoberfläche ergos- sene Saft wird uns bei der thierischen Wärme noch einmal Veranlassung zu Bemerkungen geben. Harnwerkzeuge . A. Nieren . 1. Anatomischer Bau. Ein jedes Haarkanälchen beginnt in der Nierenrinde mit einem kugeligen Säckchen und geht dann in einen engen Schlauch über, der gewunden durch die Rinde, gestreckt durch das Nierenmark hinläuft. Auf diesem Wege verbindet sich vorerst ein jedes unter einem spitzigen Winkel mit einem benachbarten Röhrchen; und der aus beiden zusammengeflossene Schlauch läuft wieder mit einem ähnlich entstandenen Nachbar zusammen. Diese Verbindungen wieder- Harnwerkzeuge; Niere. holen sich nun öfter, so dass schliesslich eine grosse Anzahl von Röh- ren in eine einzige zusammen mündet, um auf der Papille sich zu öffnen. Das Gesammtlumen der Harnröhren nimmt auf dem Wege von der Rinde zur Papille zuerst sehr rasch und dann allmähliger ab, da die aus den ersten Zusammenflüssen entstandenen Röhren von demselben die durch die spätern Vereinigungen entstandenen von nicht sehr bedeutend grösseren Durchmes- ser sind, als jede der einzelnen vor der Vereinigung. — Die Wandung des Harnkanälchens ist aus einer strukturlosen, sehr feinen, aber festen Haut gebildet, auf deren Innenfläche eine einfache Lage von Kernzellen auf- sitzt, die mit Flüssigkeit mässig gefüllt sind. — Die Papille, auf welche das bis dahin beschriebene Harnkanälchen zugleich mit vielen andern aus der Niere in den Kelch tritt, ist eine kegelförmige Warze, die mit der Base an den Nieren festsitzt und mit der Spitze frei in den Kelch- raum ragt. — Zwischen die Harnkanälchen zertheilt sich die art. renalis, die alle diejenigen ihrer Zweige, welche für die Niere selbst bestimmt sind, zuerst durch die Rinde sendet. Aus diesen Zweigen, welche meistens auf dem kürzesten Wege von der Grenze des Markes und der Rinde gegen die freie Oberfläche gelangen, treten in ziemlich regelmässigen Abständen schon mikroskopische und kurze Zweige aus, welche die Wand des sack- artigen Anfangs der Harnröhrchen durchbrechen (vas afferens), und dann innerhalb ihres Lumens in ein Bündel von feinsten Gefässen zerfallen (glomerulus), die sich wieder zu einem grössern (vas efferens) sammeln, das die Wand des Haarsäckchens abermals durchbricht, so dass der Blutstrom in dem Hohlraum des Harnkanälchens ein- und ausbiegt ( Bowmann ). Man giebt an, dass der Theil des Glomerulus, welcher gegen die Höhle (im Gegensatz zur Wand) des Harnkanälchens gerich- tet sei, noch mit einer Epitheliallage bedeckt werde. — Wenn das aus- führende Blutgefäss wieder zwischen die Harnkanälchen getreten ist, so zerspaltet es sich noch einmal zu einem weitmaschigen Netze, das in Verbindung mit den Verästelungen der umliegenden vasa efferentia die Harnkanälchen auf ihren gewundenen und geraden Wegen umspinnt und aus dem die Wurzeln der Nierenvenen ihren Ursprung nehmen. Dieser Beschreibung entsprechend würde das für die Niere bestimmte Blut der a. renalis durch ein doppeltes Capillarensystem laufen, von denen das erste in das Lumen des Gefässkanälchens ragt und das zweite ausser- halb auf der Wandung desselben liegt. In der That gilt dieses aber nicht für alles Nierenblut. Ein Rest der kleinsten Arterienzweige nem- lich, welche, von dem Mark zur Rinde aufsteigend, die vasa afferentia abgegeben haben, gelangt schliesslich auf die Oberfläche der Niere, wo sich keine kugeligen Anschwellungen der Harnkanälchen mehr vorfinden; an diesem Orte zerfallen darum sogleich die arteriellen Endästchen in ein Netz, dem ähnlich, das aus den ausführenden Gefässen des Glome- rulus hervorgeht. Harnwerkzeuge; Niere. Die Veränderung des Lumens, welche die Gefässröhren innerhalb der Nieren und insbesondere von den zuführenden Gefässen des Glo- merulus abwärts erfahren, verhält sich sehr wahrscheinlich in der Art, dass der Querschnitt in dem zuführenden und abführenden Gefässe sehr viel kleiner ist, als derjenige, welcher von der Summe der Gefässe des Knäuels dargestellt wird; die Summe der Querschnitte sämmtlicher Capillaren des zweiten Netzes dürfte grösser sein, als diejenige des aus- führenden Gefässes, aber kleiner, als der Querschnitt der Nierenvene. Das Schema dieser Anordnung des Lumens drückt Fig. 54 . aus; a ent- Fig. 54. spricht dem vas afferens, g sind die vereinigten Querschnitte der einzel- nen Gefässe im Glomerulus, e passt auf das vas efferens und v auf das zweite Netz und die Venenwurzeln. — Von dem Bau der Häute wäre her- vorzuheben, dass vas af- und efferens Muskelzellen tragen und dass die äusserste Wandschicht des Nierenvenenstammes mit einer starken Muskel- lage ausgestattet ist. — Aus der Niere tritt eine nicht sehr beträchtliche Zahl von dünnen Lymphgefässen aus, die ebensowohl aus der Tiefe wie von der Oberfläche ihren Zufluss beziehen. — In die Niere und zwar längs der Arterie gehen Nerven ein, welche aus dem plex. coeliacus stammen; sie sind auf ihrem Wege mit kleinen Ganglienhaufen belegt; die Anordnung der anatomischen Elemente innerhalb derselben ist noch nicht dargelegt. Der letzte Ursprung derselben ist theilweise wenigstens unzweifelhaft in dem Hirn zu suchen, da die Verletzung derselben sehr schmerzhaft empfunden wird. — Alle diese Gebilde sind in der Niere selbst eingebettet in eine meist strukturlose Zwischensubstanz und um- schlossen von einer festen Bindegewebskapsel. 2. Chemischer Bau der Nieren Simon , Mediz. Chemie. Berlin 1842. II. Bd. 533. — G. Lang , De adipe in urina et renibus. Dorpat 1852. — Frerichs , Bright’sche Krankheit. Braunschw. 1851. 42. . Die strukturlose Membran der Harnkanälchen nähert sich nach ihren chemischen Reaktionen dem elastischen Gewebe. Die Häute der in den Harnkanälchen liegenden Zel- len tragen die Eigenschaften der jungen Deckzellen, den Inhalt giebt man verschieden an, zum Theil als Eiweiss, als Harnbestandtheile (?), als Fett; er mag wohl veränderlich sein. — Die Gefässe zeigen die be- Niere; Blut und Blutstrom. kannten Eigenschaften. — Wie die Zwischensubstanz und der sie durch- tränkende Saft beschaffen sei, ist unbekannt. 3. Da kein Grund vorliegt, dem Blut in der Nierenarterie die Zu- sammensetzung des arteriellen überhaupt abzusprechen, so müssen wir auch annehmen, dass es die wesentlichen Bestandtheile des Harns ent- hält. Diese letztern mehren sich in dem Blute nach Ausrottung der Nieren ( Dumas und Prout ), oder wenn die Ausscheidung des Harns in den Nieren unterdrückt wird ( Babington ). — Ein anderer als der allgemeine Unterschied in der Zusammensetzung des arteriellen und venö- sen Blutes hat in den entsprechenden Blutarten aus den Nieren offenbar aus Mangel an hinreichend feinen analytischen Mitteln noch (vid. p. 24 ) nicht nachgewiesen werden können. Das Blut oder überhaupt die Körpermasse eines Thieres, dem man die Nieren genommen hat, enthält nach den Angaben von Bernard, Barreswill Archives generales. 1847. und Stannius Scheven , Ueber die Ausschneidung der Niere u. deren Wirkung. Rostock 1848. immer auffallend viel weniger Harnstoff, als in der Zeit, während welcher die Niere fehlt, durch diese ausgesondert sein würde. Dieses scheint vor- zugsweise dadurch bewirkt zu werden, dass der zurückgehaltene Harnstoff sich in kohlensaures Ammoniak umsetzt. 4. Wenn die Spannung und Geschwindigkeit, unter und mit der das Blut in der Nierenarterie fliesst, wie nicht zu zweifeln, denjenigen in den a. carotis und cruralis sich annähert, so muss in kurzen Zeiten durch das Nierengewebe relativ viel Blut dringen, bei dem grossen Querschnitt, den die Nierenarterie darbietet. — Das ungefähre Gesetz für die Formen der Spannungscurven innerhalb der beiden Capillarensysteme kann nach den Angaben über die fortlaufende Veränderung des Lumens (Fig. 54 ) gegeben werden. Sie muss, entsprechend den Grundsätzen, welche Fig. 55. S. 44 u. f. entwickelt sind, die in Fig. 55 angegebene annehmen. Ueber die absoluten Werthe der Spannungen lässt sich einzig die Angabe machen, dass die in den Venen vorhandene annähernd derjenigen gleich sein muss, welche in der vena jugularis beob- achtet wurde. Da die Zu- und Abflussröhren für die Glomeruli sowohl als auch die Nierenvenen- stämme in ihren Wandungen Muskeln enthal- ten, so liegt die Möglichkeit vor, dass sich der Strom in den Nieren je nach den Verkürzungen dieser Muskeln ändere, selbst wenn die Herzbewegun- gen und die Blutfülle des ganzen Organismus ungeändert bleiben. 5. Harn. Die Flüssigkeit, welche aus den Harnkanälchen ausgeschie- den wird, enthält sehr verschiedene Stoffe in Lösung, je nach der Lebens- art, den Nahrungsmitteln und besonderen allgemeinen körperlichen Zu- Ludwig, Physiologie. II. 17 Niere; Harn. ständen. Man hat sich darum bestimmt, denjenigen Harn als den nor- malen anzusehen, welcher entleert wird bei gänzlichem Enthalten von Nahrung, oder bei Aufnahme einer solchen, welche wesentlich aus eiweiss- artigen Körpern, Fetten, Amylon, den gewöhnlichen Blutsalzen und Wasser besteht. Unter dieser Voraussetzung erscheinen im Harn: Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure, Hippursäure, Farbstoffe, Zucker, Fette, Ammoniak, NaO, KO, CaO, MgO, ClH, CO 2 , PO 5 , SO 3 und dazu eine geringe Menge organischer Stoffe von unbekannter Zusammensetzung (Extrakte). Da die quantitative Zusammensetzung des Harns zu verschiedenen Stunden des Tags ungemein veränderlich ist, während bei gleicher Lebens- weise die des mittleren täglichen Harns sich von einem Tag zum andern annähernd gleich bleibt, so haben es die meisten Experimentatoren vor- gezogen, den in 24 Stunden gelassenen Harn zu vereinigen und ihn zu analysiren. Damit ist also zugleich eine Beziehung der Absonderungsmenge zur Zeit gegeben, aus der sich ein Ausdruck für die Absonderungsgeschwin- digkeit ermitteln lässt. Die physiologischen Chemiker sind nun überein gekommen, als Absonderungsgeschwindigkeit den Quotienten zu betrach- ten, welcher gewonnen wird durch Division der Kilogramme des gesammten Körpergewichts in die Gramme der während der Zeiteinheit abgesonderten Harnbestandtheile. Bei dieser Stellung des Begriffs geht man von der Voraussetzung aus, dass die zuletzt genannten Stoffe in allen oder we- nigstens in der dem Gewicht nach überwiegenden Mehrheit der Organe des thierischen Körpers gebildet und nur durch die Nieren ausgeschie- den werden. Diese Annahme ist, so weit wir wissen, unverfänglich für eine grössere Zahl der Harnbestandtheile. Harnstoff . Wahrscheinlich ist dieser Körper im Harn im freien Zustand gelöst; man vermuthet jedoch auch die Anwesenheit einer Ver- bindung von Harnstoff mit Kochsalz. Das Gewicht des in 24 Stunden entleerten Harnstoffs ist veränderlich: 1 ) Mit der Menge und Art der Lebensmittel Lehmann , Physiolog. Chemie. II. Bd. 167. — Frerichs, Müller’s Archiv. 1848. 467. — Bidder u. Schmidt , Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. 1852. p. 292 u. f. — Sche- rer , Würzburger Verhandlungen. II. Bd. 180. — Bischoff , Der Harnstoff als Maass des Stoff- wechsels. Giessen 1853. — Barral , Statique chim. des animaux. Paris 1850. 437. — E. Becher , Studien über Respiration. Zürich 1855. — J. Lehmann, Liebig’s Annalen. 87. Bd. 205. — Bischoff, Liebig’s Annalen. 88. Bd. 102. . Eine gänzliche Entziehung aller Nahrungsmittel verrin- gert die tägliche Harnstoffausscheidung in den ersten Tagen des Hungerns rascher, als in den spätern; so dass namentlich bis zum eintretenden Hungertode noch Harnstoff ausgeschieden wird. ( Lassaigne, Sche- rer, Becher am Menschen), ( Schmidt, Frerichs, Bischoff am Thier). — Die Harnstoffmengen, welche ein und derselbe Hund während des Hungerns lieferte, sind grösser, wenn derselbe vor Beginn der Hunger- kur gemästet, geringer, wenn er nur so weit gefüttert war, dass sich sein Körpergewicht unverändert erhielt ( Bischoff ). — b) Der Genuss von Niere; Harn, Harnstoff. Fett und Amylon mindert die Harnstoffabscheidung; namentlich liefert ein und dasselbe Thier weniger Harnstoff beim ausschliesslichen Genusse von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen Futter aus Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweissartiger Stoffe, als bei vollständiger Nahrungsentziehung. Eine aus Mehl, Fett und Fleisch ge- mischte Nahrung erzeugt weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von Fleisch für sich allein genommen hervorbringt. — c) Eine Nahrung von Eiern, Mus- kelfleisch, leimgebendem Gewebe steigert die Harnstoffbildung ( Bischoff ), und zwar nimmt das tägliche Harnstoffgewicht in dem Maasse zu, in dem die Menge jener Nahrungsstoffe wächst. Der ausgeschiedene Harnstoff enthält aber nie den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingeführt wurde ( Boussingault, Lehmann, Barral, Bischoff ), selbst dann nicht, wenn sich das Körpergewicht durch die Nahrung nicht mehrt, mit andern Worten, wenn das Gewicht der täglichen Ausgaben und Einnahmen gleich ist. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen, welche mit der Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgeführt werden, ist nach Bischoff in weiten Grenzen unabhängig von der Quantität der Nahrung, so dass er insbesondere bei einer kärglichen und übermässig reichlichen Fleischfütterung sich gleich bleibt; nur wenn Fett, Kochsalz und Wasser in den Nahrungsmitteln stark vertreten sind, vermindert sich die Menge des auf anderen Wegen ausgeschiedenen Stickstoffs. — d) Ein reich- licher Wasserzusatz zu der Nahrung bewirkt, dass mehr Harnstoff aus- geschieden werde, als bei Genuss derselben Speisen ohne Wasser ge- schehen wäre ( Bischoff, Becher ). Der letztere Beobachter fand, als er in einem Tage 10,85 Ltr. Wasser trank, dass an diesem die Harn- stoffmenge das gewöhnliche Maass weit überstieg und dann, als die fol- genden Tage die gewöhnliche Lebensweise ohne Wasser geführt wurde, erst nach dreimal 24 Stunden die normale Harnstoffquantität wieder er- schien. — e) Aehnliches bewirkt das Kochsalz ( Boussingault, Bar- ral, Bischoff ). — f) Ein Kaffeeaufguss, der Nahrung zugesetzt, min- dert die Harnstoffausscheidung ( Böcker, Jul. Lehmann ). Harnstoff, Harnsäure, Thein, Theobromin ( Wöhler, Frerichs Liebig’s Annalen. 65. Bd. 335. , Leh- mann ) 1. c. II. Bd. 414. , Cubeben und Cantharidentinktur ( Sigmund ) Virchow’s Archiv. VI. Bd. 245. mehren, Digitalis (?) ( Sigmund, Becher ) mindert die Harnstoffausscheidung, wenn sie der Nahrung zugesetzt werden. Nach Lehmann soll 2 ) die tägliche Harnstoffmenge um etwas wachsen mit der Anstrengung unserer Muskeln. — 3 ) In einigen Krank- heiten, z. B. dem Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in anderen, z. B. der Bright’s chen Nierenregeneration und der Zuckerruhr, mindert sich die Menge des ausgeschiedenen Harns sehr merklich. In 17* Niere; Harn, Harnstoff. dem ersten Fall häuft er sich im Blute an, der Grund der Verminderung liegt darum nur in dem ausscheidenden Apparat; im zweiten Fall (Zuckerharnruhr) wird aber gar kein Harnstoff gebildet, selbst wenn man den Kranken reichlich mit Fleisch nährt ( Gorup ) Scherer’s Jahresbericht über physiolog. Chemie für 1848. 90. . Eine Vergleichung der mittleren täglichen Absonderungsgeschwin- digkeit des Harnstoffs in verschiedenen Lebensaltern und Geschlechtern hat Thatsachen ergeben, welche, wie es scheint, in vollkommener Uebereinstimmung mit den Ableitungen aus den bis dahin mitgetheil- ten Thatsachen sind, insofern im Allgemeinen Männer und Kinder mehr essen und sich bewegen, als Frauen und Greise. — 1 ) Bei Kin- dern ist die Bildung des Harnstoffs lebhafter, als bei Erwachsenen, sehr bedeutend gehemmt ist sie im Greisenalter ( Lecanu Journal de pharmacie. XXV. Bd. 1839. , Sche- rer Würzburger Verhandlungen. III. Bd. 180. , Bischoff ). 2 ) Im männlichen Geschlecht soll im Allgemei- Fig. 56. Fig. 57. nen die Harnstoffbildung beschleunig- ter vor sich gehen, als im weib- lichen ( Becquerel Der Urin. Leipzig 1842. 26. , Lecanu, Bischoff ). Ueber die Harnstoffab- scheidung schwangerer Frauen siehe Böcker Scherer’s Jahresbericht für 1848. 93. . Die tägliche Variation der Abson- derungsgeschwindigkeit ist bis dahin noch wenig beachtet worden. Bi- schoff giebt an, dass die stündliche Menge des abgesonderten Harnstoffs von 10 h Abends bis Mittags 1 h etwas geringer ist, als von 1 h bis 10 h . Auf 1 h fiel die Hauptmahlzeit. — Becher bestimmte die Harnstoffmenge für die einzelnen Stunden von Morgens 8 h bis Abends 11 h und die Menge des Harnstoffs in dem Harn von Abends 11 h bis Mor- gens 8 h . Das beobachtete Indi- viduum nahm kein Frühstück, Mittags 12 h 30 ein gewöhnliches Mittagsessen und Abends 9 h ein Abendessen mit Bier. Hierbei fand sich, dass die Harnstoff- menge in der ersten Stunde nach Niere; Harn, Harnstoff. dem Erwachen ( 7 — 8 h ) allmählig absank, dann bis um 1 h zu steigen anfing, bis sie zwischen 4 und 5 h ihren höchsten Werth erreichte, von da bis um 9 h wieder absank, um bis zu 11 h wieder anzusteigen und die Nacht durch allmählig zu sinken (?). — An einem andern Tage, an welchem dasselbe Individuum gar keine Nahrung zu sich nahm, stieg sie von Mor- gens 7 h und erreichte zwischen 5 h und 11 h Abends ein Maximum und sank in der Nacht wieder ab; als am darauf folgenden Tage um 1 h eine reichliche Fleischmahlzeit eingenommen ward, erhob sich die Ausschei- dung gegen 3 h auf ein Maximum und sank von da an rasch zurück. — Becher fand, indem er an dem ersten der erwähnten Beobachtungstage die gesammte Harnmenge der einzelnen Stunden wog, keine direkte Beziehung zwischen dem ausgeschiedenen Harn- und Harnstoffgewicht; namentlich fiel das Maximum der Harnentleerung zwischen 2 und 3 h und 10 und 11 h pm. Eine gewisse Beziehung ist jedoch aus den graphischen Darstellungen beider Absonderungen (Fig. 56 der Harnstoff in Grammen und Fig. 57 der Harn in Grammen, auf die Abszisse der Zeit aufgetragen) erkennbar. Einige Mittelzahlen aus Beobachtungen am Menschen sind zum Be- leg der aufgestellten Regeln in der folgenden Tafel verzeichnet. Niere; Harn, Kreatinin, Harn-, Hippursäure. Zur quantitativen Bestimmung des Harnstoffs dürften von nun an nur noch die Metho- den von Liebig, Bunsen oder Heintz angewendet werden, da die ältern Ver- fahrungsarten zu Verlusten führen. Die Zahlen von Bischoff, Scherer und Becher , welche nach Liebig’s Vorschrift analysirten, sind darum nicht vergleich- bar mit den Lehmann’s chen. Kreatinin ist zwar ein constanter aber quantitativ noch nicht be- stimmbarer Harnbestandtheil ( Heintz, Pettenkofer, Liebig ). Die Anwesenheit des Kreatins behauptet Liebig gegen Heintz Poggendorf , Annalen. 74. Bd. 125. . Harnsäure . Sie soll durch phosphorsaures Natron des Harns gelöst werden, indem bei ihrer Gegenwart aus 2 NaO PO 5 , HO entstehe NaO 2 ̅r und NaO PO 5 , 2 HO ( Liebig ) Dessen Annalen. 50. Bd. 161. . — In normalen Zuständen ist immer nur wenig von dieser Säure im Harn vorhanden; ihr Vorkommen ist nament- lich von der Nahrung unabhängig, da sie bei reiner Fleisch- und Zucker- kost erscheint ( Lehmann ). Die Menge der in 24 Stunden gelieferten Harnsäure wechselt in etwas mit den Nahrungsmitteln, indem sie bei anhaltendem Gebrauche von Pflanzenkost in etwas geringerm Maasse vor- handen zu sein scheint. — In den ersten Tagen nach der Geburt sind die Harnkanälchen mit krystallinischer Harnsäure gefüllt ( Virchow ). Nach Verminderung der Hautausdünstung und dadurch vermehrter Urin- entleerung soll sich die Harnsäureausscheidung steigern ( Marcet ). Vor- zugsweise steigert sich aber die Harnsäure in Krankheiten, Verdauungs- störungen u. s. w. — Becquerel fand die mittlere tägliche Harnsäure- menge = 0,5 Gr. (beim weiblichen und männlichen Geschlecht gleich viel), B. Jones Philosophical Transactions. 1849. p. 250. = 0,4 bis 0,6 Gr., Lehmann bei Fleischkost = 1,48 Gr., bei gemischter = 1,20 Gr., bei vegetabilischer = 1,02 Gr., bei Zuckernahrung = 0,74 Gr. Nach Schweig wechselt die tägliche Harnsäuremenge mit den Mondphasen; die Grenzen, innerhalb der nach seiner Angabe die Variationen fallen, sind enger, als die der Fehler in seiner Methode. — Die Niederschläge der Harnsäure aus dem ge- lassenen Urin finden ihren Grund in der Abkühlung desselben; saures harnsaures Na- tron ist in der höheren Temperatur löslicher. Hippursäure . Sie ist auf dieselbe Weise wie Harnsäure im Urin gelöst ( Liebig ). Ihre mittlere tägliche Menge übertrifft die der Harn- säure nicht. Am reichlichsten erscheint sie nach dem Genuss von Ben- zoe- und Zimmtsäure ( Ure, Wöhler ), welche sich auf dem Wege durch den Körper mit dem irgendwo vorhandenen Glycin paaren (vergl. I. Bd. p. 32 ), und umgekehrt soll sie nach mehrtägiger reiner Fleischkost voll- kommen verschwinden ( Ranke ) H. Ranke , Physiolog.-chemische Untersuchungen etc. Erlangen 1851. ; nach Pflanzenkost wird sie reich- licher abgesondert ( Pettenkofer, Lehmann ). Sie scheint sich somit im Gegensatz zur Harnsäure zu finden. Quantitativ ist sie noch nicht genauer bestimmt. Niere; Harn, Ammoniak, Farbstoffe, Extrakte, Chlor. Bei der zuckerigen Harnruhr bleibt sie auch nach tagelanger reiner Fleischnah- rung im Harn ( Lehmann ). Ammoniak . Der frische Harn entwickelt immer Ammoniak, selbst bei Anwendung eines analytischen Verfahrens, welches die Harn- stoffzersetzung vermeidet ( Boussingault, Neubauer ) Annales de chimie et physique. XXIX. 472. (1851). — Pharmazeut. Centralbl. 1855. Nr. 17. u. 18. . Farbstoffe Harley , Würzburger Berichte V. Bd. April. — Virchow , ibid. II. Bd. 303. — Simon , Beiträge. L. Bd. 118. — Hassal , Pharmazeut. Centralblatt. 1854. 255 und 768. — Sicherer, Liebig’s Annalen. 90. Bd. 131. . In dem gewöhnlichen Harn scheinen mindestens zwei gefärbte Körper gelöst zu sein, ein rother und ein brauner. Der rothe , Urohaematin, trägt die Reaktionen des Blutroths, enthält wie dieses Eisen ( Harley ) und ist stickstoffreich ( Scherer ); man wird ihn darum für Blutroth ansprechen dürfen. — Der braune ist seinen Reak- tionen nach Gallenfarbstoff. — In nicht gar zu seltenen Fällen bildet sich beim Stehen oder beim Behandeln des Harns mit Salpetersäure noch ein dritter blauer, krystallinischer Farbstoff ( Prout, Martin, Vir- chow ), der nach Fr. Simon und Mitscherlich Indigo ist, was Hassal und Sicherer bestätigen. Durch welche Bedingungen sich die Farbstoffe während des gesunden Lebens ändern, ist noch nicht fest- gestellt. In Ermangelung einer Abscheidungsmethode bedient sich J. Vogel Archiv des Vereins für wissensch. Arbeiten. I. Bd. p. 96. der fär- benden Kraft des Urins, um die relativen Mengen von Farbstoff zu finden, welche in zwei Harnen vorhanden sind. Da nach seinen Beobachtungen die dunkeln von den hellen Harnen sich nicht durch eine besondere Art, sondern eine stärkere Conzen- tration des Farbstoffs unterscheiden, so stellte er Normalfärbungen (Farbenskala) her und zugleich die Verdünnung fest, welche die tieferen Farben erfahren müssen, um in die helleren überzugehen. Harze Liebig’s Annalen. 42. Bd. 295. (Omychmyl) erinnern nach Scharling durch ihre pro- zentige Zusammensetzung an die Körper der Salicylgruppe; wann und wie ihre Menge im Harn steigt und fällt, ist noch unbekannt. Extrakte . Farbstoff, Harnharze, die Spuren der flüchtigen Säuren des Harns I. Bd. p. 32. ( Staedeler ) und wahrscheinlich noch einige andere Körper, die man nicht von einander scheiden kann, bestimmt man gewöhnlich zusammen und nennt dann dieses Gemenge Extrakte. Nach Lehmann sollen die täglich entleerten Mengen zunehmen bei vegetabilischer Kost; Scherer fand relativ zum Körpergewicht im Harn zweier Kinder ( 3 und 7 Jahre) weniger Extrakte, als bei Erwachsenen. Chlor Bischoff , Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen 1853. — Derselbe, Liebig’s Annalen. 88. Bd. 109. — Hegar, Scherer’s Jahresbericht über physiolog. Chemie für 1852, p. 121. — Wundt , ibid. für 1853. p. 135, , an Kalium und Natrium gebunden. Die tägliche Menge desselben wird bestimmt: a) Die Chlorentleerung besteht, so lange der Organismus Clhaltig ist; da dieses aber immer der Fall, so wird auch ein längeres Chlorfasten den Chlorgehalt des Harns wohl mindern, aber Niere; Harn, Sehwefelsäure. nicht zum Verschwinden bringen. Nach Wundt nimmt bei gänzlicher Enthaltung von Chlorkost in den ersten Tagen der Chlorgehalt des Harns rasch ab, in den späteren bleibt er sich annähernd gleich. So fand er bei Chlorhunger an sich selbst 1 . Tag = 7,207 Gr.; 2 . Tag = 3,623 Gr.; 3 . Tag = 2,437 ; 4 . Tag = 1,359 ; 5 . Tag = 1,091 . Vom Abend des 3. Tags an wurde der Harn eiweisshaltig. Diesem Befunde am Menschen widerspre- chen die Beobachtungen von Schmidt an Katzen. Beim anhaltenden Hun- gern verschwand das Cl gänzlich. — b) Durch den Kochsalzgehalt der Nah- rung; die Ausscheidung nimmt zu wie die aus der Nahrung in das Blut übergegangene Menge = Kochsalzgehalt der Speisen weniger dessen des Koths. Nach Bischoff tritt jedoch (beim Hund) nicht das ganze in das Blut übergegangene Kochsalzgewicht durch den Harn wieder aus. Entweder geht es also auch hier, wie beim Menschen, durch den Schweiss verloren, oder es wird Kochsalz zu andern Verbindungen zersetzt und in diesen entfernt. — c) Ein reichliches Trinken kochsalzfreien Wassers vermehrt das tägliche Kochsalzgewicht des Urins. — d) Ist einige Zeit hindurch (Fasten und Wassertrinken) mehr Kochsalz durch den Harn ausgeschieden, als durch die Nahrung aufgenommen, so steigert eine Vermehrung des Kochsalz- gehaltes in den Speisen den des Urins erst dann, wenn der Organismus wieder vollständig mit Chlor gesättigt ist ( Hegar ). — Das Stunden- mittel der Absonderungsgeschwindigkeit ist bei gewöhnlicher Kost zwi- schen 10 bis 1 Uhr Nachmittags = 0,807 Gr., Nachts von 10 bis 7 Uhr = 0,280 Gr. und Morgens von 7 bis 1 Uhr = 0,783 Gr. Der mittlere Werth des täglichen Kochsalzes im Urin schwankte nach den bisherigen Beobachtungen beim erwachsenen Menschen und gewöhnlicher Kost zwischen 7,0 bis 21,8 Gr. Aus der Thatsache, dass nach dem Erwachen die Chlorausscheidung viel leb- hafter ist, als während des Schlafs, war man geneigt zu schliessen, dass die Muskel- bewegung seine Ausscheidung befördere ( Hegar); Mesler scheint aus seinen Beob- achtungen diese Folgerung zu bestreiten. Schwefelsäure Simon , Mediz. Chemie. II. Bd. p. 474. — Dumas , Chimie physiologique. Paris 1846. p. 549. — Gruner in Scherer’s Jahresb. für physiolog. Chemie f. 1852. p. 122. — Bence Jones , Philosophical transactions. 1849. I. Thl. p. 252 u. ibid. 1850. p. 661. — Bidder u. Schmidt , Verdauungssäfte. p. 296. u. 313. Sie ist im Harn an Alkalien gebunden. a) Die Bildung der Schwefelsäure scheint Folge der zur Lebenserhaltung noth- wendigsten Vorgänge zu sein; sie ist demnach, so lange das Thier lebt, in ihm enthalten und wird somit auch bei gänzlicher Entziehung der Nahrung bis zum Hungertode ausgeschieden ( Schmidt ). — b) Die täg- liche Schwefelsäureausscheidung wächst mit dem Gehalte der Nahrung an Schwefel, namentlich also bei Fleischnahrung, ferner mit einem Zu- satz von Schwefel, Schwefelkalium, verdünnter Schwefelsäure und vor- zugsweise von schwefelsaurem Natron ( Wöhler, Lehmann, Gruner, B. Jones ). Das Ansteigen des Schwefelsäuregehaltes im Harn erfolgt nach einem Zusatz von schwefelhaltigen Stoffen zur Nahrung, findet sich Niere; Harn, Phosphorsäure. erst einige Stunden nach Aufnahme derselben ein und hält bis zu 20 Stunden nach derselben an ( Gruner, B. Jones ). — c) Ein reichlicher Genuss von Wasser erhöht, alles andere gleichgesetzt, die tägliche Menge der Schwefelsäure im Harn. — d) Eine lebhafte Körperbewegung ( Gru- ner ) oder Krampfkrankheiten (B. Jones ) steigern die tägliche Schwefel- säureausscheidung. Auch in diesem Falle steigert sich erst nach einigen Stunden der Schwefelsäuregehalt des Harns. — e) Wurde durch reich- lichen Wassergenuss oder durch Fasten mehr Schwefelsäure aus dem Blute als in dasselbe geführt, so erreicht erst in einigen Tagen nach dem Uebergang zu der gewöhnlichen Kost die tägliche Schwefelsäure- menge des Harns den Werth wieder, den sie vorher besessen ( Gru- ner ). — f) Im höhern Alter wird weniger Schwefelsäure ausgeschie- den, als im mittleren ( Lecanu ). — g) Bei gewöhnlicher Lebensweise führt der Urin, welcher nach dem Mittagsmahl entleert wird, mehr Schwefelsäure aus, als der in der Nacht gelassene; am wenigsten aber der während des Morgens abgesonderte ( Gruner ). — h) Bei gleicher Nahrung entleeren verschiedene Menschen ungleich viel Schwefelsäure, wahrscheinlich weil nicht gleich viel dieses Stoffes aus der Nahrung in das Blut aufgenommen wird ( Gruner ). Das tägliche Mittel der Schwefelsäure schwankt zwischen 1,9 bis 3,7 Gr. ( Lecanu, Gruner ). Phosphorsäure Liebig , dessen Annalen. 50. Band. p. 180. — Bence Jones , Philosophical transactions. 1845. p. 335. — Winter , in Scherer’s Jahresbericht für 1852. p. 122. — Mosler , ibid. für 1853. p. 134. — Breed, Liebig’s Annalen. 78. Bd. p. 150. — Duncklenberg , ibidem. 93. Bd. p. 88. — Kletzinsky , in Scherer’s Jahresbericht über physiol. Chemie. 1852. 125. . Sie ist an Alkalien, Kalkerde und Magnesia gebunden; je nach dem Gehalt des Urins an Säuren bildet sie mit den Basen Salze, die 1, 2, oder 3 Atome fixer Basis enthalten. — a) Sie ist bei vollkommener Nahrungsentziehung bis zum Tode im Harn ent- halten; die tägliche Menge scheint sich während des Hungers gleich zu bleiben ( Schmidt ), aber nur den halben Werth von derjenigen zu er- reichen, welche bei gewöhnlicher Kost entleert wird ( Mosler ). — b) Nach dem Genuss von phosphorsäurehaltigen Nahrungsmitteln steigt sie, also namentlich nach der Aufnahme von Brod und Fleisch ( Leh- mann, B. Jones ). — c) Nach reichlicher Entleerung des Harns in Folge des Trinkens von phosphorsäurefreien Flüssigkeiten, mehrt sich die tägliche Menge ( Breed, Winter ); daraus folgt aber nicht, dass die Menge der entleerten Phosphorsäure dem täglichen Gewicht des durch die Niere ausgeschiedenen Wassers proportional steige, indem einzelne Portionen eines reichlich gelassenen Harns vollkommen frei von Phos- phorsäure sein können ( Liebig ). — d) Nach geistigen ( Mosler ) und Muskelanstrengungen ( Lehmann, B. Jones ) mehrt sich die tägliche Menge. — e) Lecanu fand keine feste Beziehung zwischen dem Alter und dem Phosphorsäuregehalt des Harns. — Das stündliche Mittel ist Niere; Harn, Oxal-, Kohlensäure, Alkalien, Erden. nach dem Mittagsessen am höchsten und sinkt von da bis wieder zum Mittagsessen ( Winter ). Die Grenzen, innerhalb der nach den bis dahin unternommenen Beob- achtungen die tägliche Phosphorsäuremenge schwankt, liegen zwischen 3,0 und 6,4 Gr. ( Breed, Winter ) und nach Duncklenberg zwi- schen 2,1 und 3,1 Gr., welcher nachweist, dass die Methode von Lie- big , deren sich die soeben erwähnten Beobachter bedienten, zu hohe Werthe giebt. Die Salzverbindungen der Phosphorsäure im Harn sind veränderlich mit der Nahrung und der gesteigerten Anstrengung. — Bence Jones giebt an, dass je nach dem Gehalt der Speisen an phosphorsauren Al- kalien oder Erden bald die eine und bald die andere Salzverbindung in dem Harn überwiege; Mosler will nach gesteigerten Anstrengungen vor- zugsweise den Gehalt des Harns an phosphorsauren Erden haben wach- sen sehen. — Auch die Verhältnisse zwischen phosphorsaurer Magnesia und phosphorsaurer Kalkerde, sind wechselvoll ( Kletzinsky ). Oxalsäure . Während sie bei fleischfressenden Thieren gänzlich fehlen soll C. Schmidt , 1. c. 388. , ist sie ein häufiger Bestandtheil des Menschenharns, na- mentlich nach einer solchen Pflanzennahrung, die Oxalsäure oder ihre Verbindungen enthält; ihr Auftreten wird auch durch Genuss kohlen- säurehaltiger Getränke begünstigt ( Wilson, Donnè, Lehmann ) Physiolog. Chemie. I. Bd. 47. . Kohlensäure . Aus frischem Harn kann durch die Luftpumpe Kohlensäure entwickelt werden ( Marchand ) Journal für prakt. Chemie. 44. Bd. 250. . Der Gehalt des Harns an freier Kohlensäure wird vermehrt durch den Genuss kohlensäurehal- tiger Getränke ( Lehmann ) 1. c. II. 409. . Ausser dieser diffundirten CO 2 enthält der Harn noch solche, die an Alkalien gebunden ist; die dieser Form ver- mehrt sich nach Genuss von pflanzensauren und kohlensauren Alkalien ( Wöhler ). Alkalien und Erden , insbesondere Kali, Natron, Kalk und Mag- nesia des Harns sind einzeln für sich und von den Säuren nur noch wenige male getrennt bestimmt worden, und in diesen wenigen Fällen Becquerel , Der Urin. Leipzig. 1842, 52. — Kletzinsky, Heller’s Archiv. 1852. hat man ihr Vorkommen nicht untersucht, mit Rücksicht auf andere Va- riationen physiologischer Erscheinungen. — Dennoch scheinen auch die Harnanalysen, in denen keine gesonderten Bestimmungen der Basen unter- nommen sind, schliessen zu lassen, dass das Chlor und die Schwefel- säure des Harns immer mit Kali oder Natron gesättigt sind, so dass also in demselben Maasse, wie diese Säure, auch jene Basen zu- oder ab- nehmen müssen. Rücksichtlich der Sättigung der übrigen Säuren lässt sich jedoch keine solche Regel aufstellen, da die Harn-, Hippur-, Oxal- Niere; Harn, Verhältniss zwischen Säuren und Basen. und Kohlensäure bald frei und bald gesättigt erscheinen und die Phos- phorsäure bald mit Kali oder Erden, und zwar entweder mit einem oder mehreren Atomen verbunden, auftreten. — Freie Basen sind dagegen im Harn niemals beobachtet, indem immer genug Kohlensäure vorhanden zu sein scheint, um diejenigen derselben zu binden, welche durch die übri- gen Säuren nicht aufgenommen wurden. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt es nun aber noch Werth, die Umstände, unter denen die Säuren ein Uebergewicht über die Basen gewinnen, und diejenigen, die eine Veränderlichkeit des Säuregehaltes der fixen Harnbestandtheile (der Harnasche) im Ganzen bedingen, zu ermitteln. Verhältniss der Säuren zu den Basen . Die Säuren oder sauren Salze sind in vorwiegender Menge im Harn enthalten, so dass dieser letztere eine stark saure Reaktion annimmt nach dem Genuss von Schwefelsäure, Weinsäure, von kohlensaurem und weinsaurem Am- moniak, Zucker, Brod, Gemüse (B. Jones ) Philosophical transactions. 1849. p. 237. und 1850. 669. und nach längerer Ent- ziehung der Nahrung. Die Säuren, welche in diesem Falle im Ueber- schuss auftreten, sind verschieden; so bildet sich z. B. nach dem Ge- nuss von Ammoniak Salpetersäure. — B. Jones hat zugleich bestimmt, dass der steigende Gehalt der Säuren nicht vorzugsweise Hand in Hand geht mit dem Auftreten der Harnsäure, denn er fand, dass oft ein an dieser Säure sehr reicher Urin sehr viel weniger freies Alkali zur voll- kommenen Neutralisation bedurfte, als ein daran ärmerer. Nach den Beobachtungen von Winter scheint dagegen mit dem steigenden Gehalt des Harns an Phosphorsäure im Allgemeinen auch derjenige an freier Säure zu wachsen. Die basischen Salze (kohlensaure Alkalien und phosphorsaure Alka- lien mit 2 Atomen fixer Basis) treten dagegen in das Uebergewicht nach Fleischkost und dem Genuss von Kalien, die mit Kohlensäure oder orga- nischen Säuren (Weinsäure, Aepfelsäure, Essigsäure u. s. w.) gesättigt sind; bemerkenswerther Weise wirken in diesem Sinne die organisch- sauren Salze mächtiger, als die kohlensauren (B. Jones ). Bei sehr regelmässiger Diät aus Fleisch, Eier und Kartoffeln, oder auch nur aus Fleisch und Kaffee, fand B. Jones , dass der Säuregehalt sein Maximum erreicht vor dem Essen; einige Stunden nach der Mahlzeit reagirt der Harn dagegen alkalisch; diese letztere Beschaffenheit hält dann mehrere Stunden, je nach der Reichlichkeit der Mahlzeit, an und geht darauf wieder in die saure über. — Winter beobachtete dagegen, dass die freie Säure in der Nacht am grössten, vor dem Mittagsessen am gering- sten und während der Verdauungszeit durch einen mittleren Werth ver- treten war. Niere; Harn, Asche, Wasser. Den Gehalt an freier Säure bestimmte B. Jones und Winter nach der Menge von Kali, welche zur Neutralisation des Harns nothwendig war. Die feuerbeständigen Harnbestandtheile insgesammt . Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Einflüsse, welche die Abscheidung der einzelnen Salzbestandtheile in dem Urin beherrschen, ist es ein- leuchtend, dass das Gesammtgewicht der in 24 Stunden durch den Harn entleerten Salze nicht unbedeutend veränderlich sein müsse. Der Gang dieser Variation wird sich aus der schon mitgetheilten Thatsache im All- gemeinen wieder voraussagen lassen. Wir stellen hier noch einige An- gaben darüber zusammen. Nach Lecanu beträgt die tägliche Salzmenge: Nach Chambert Compt. rend. XX. Bd. 1661. enthielt der Harn desselben Mannes in 1590 Gr., die den Tag über entleert wurden, = 23,3 Gr. Salze und 685 Gr. Nachtharn = 7,0 Salze. Zugleich fand sich, dass der Harn, der nach dem Essen gelassen wird, reicher an Salzen ist, als der Morgenharn, und dass dieser letztere um so mehr feuerbestän- dige Salze enthält, je mehr salzhaltige Nahrung den vorhergehenden Tag genossen worden war. Zu den Analysen von Lecanu ist zu bemerken, dass er die Asche nach einem Zusatz von NO 5 zum Harnrückstand darstellte, wodurch seine Angaben offenbar mit Fehlern behaftet sind. Die Erscheinung, dass die Abweichungen der Gewichte nicht noch grösser sind, verliert einen grossen Theil ihres Auffallenden, wenn man erwägt, dass die Nieren aus einem salzarmen und zu jeder Zeit annähernd gleich zusammengesetzten Material (dem durch ihre Gefässe strömenden Blut) ihre Salze schöpfen, und dass die Auf- nahme der letzteren aus der Nahrung in das Blut beschränkt ist durch besondere Einrichtungen des Darmkanals. Wasser J. Vogel , Archiv für gemeinschaftliche Arbeiten. I. Bd. p. 96. — Scheffer, Valentin’s Jahresbericht für 1853. p. 187. — Falk , Archiv für physiologische Heilkunde. XI. Bd. 125 u. 754. — Derselbe , ibid. XII. Bd. 150. — Kierulf, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschr. N. F. III. 279. . Das Volum des täglichen Harnwassers wird bestimmt a) durch das Gewicht der löslichen festen Bestandtheile, welche aus den Nieren ausgeschieden werden. Daraus folgt, dass die Wasserausschei- dung nahe zu Null wird, wenn, wie es in einzelnen Krankheiten ge- schieht, der Harnstoff durch Harnsäure vertreten wird. Dagegen wird selbst nach Entziehung aller Nahrung (oder auch nur alles Wassers in der Nahrung [ Falk, Scheffer ]) immer noch Wasser aus den Nieren gefördert, da die Ausstossung des Harnstoffs, der salz-, schwefel- und phosphorsauren Salze und der Extrakte bis zum Tode fortdauert; im Gegensatz zu diesen Fällen wird die Wasserausscheidung sehr reichlich, wenn sich die in den Harn übergehenden löslichen Stoffe, Harnstoff, Salze, Zucker, sehr mehren. Hierauf beruht bekanntlich die Wirkung Niere; Harn, Wasser. vieler sog. Diuretica ( Kramer ). — Das Verhältniss zwischen dem Ge- wicht des ausgeschiedenen Wassers und der löslichen Bestandtheile kann nicht festgestellt werden, weil noch andere Umstände die Ausscheidung des Wassers vermehren, und man bei der Beobachtung keine Garantie dafür hat, dass diese vollkommen eliminirt gewesen sind. Die Erfahrung hat uns aber bis dahin beim Menschen noch keinen Harn kennen ge- lehrt, der mehr als 8,7 pCt. fester Bestandtheile in Lösung gehalten habe. Bei Hunden sind dagegen schon Harne von 15 pCt. lösl. Rück- standes gefunden worden. Zudem ist es nicht einmal wahrscheinlich, dass alle löslichen Harnbestandtheile zu ihrer Ausscheidung ein gleiches Minimum von Wasser verlangen. So scheint z. B. der Traubenzucker, welcher durch den Harn hervortritt, vorzugsweise viel Wasser mit sich zu ziehen ( Harnruhr ). — b) Die tägliche Wassermenge ist abhängig von dem Wassergehalte des Bluts; dieses wird bewiesen durch die all- tägliche Erfahrung, dass in demselben Maass, in welchem Wasser aus unserem Getränk in das Blut übergeht, es auch im Harn erscheint; fer- ner dadurch, dass bei einer Minderung oder Hebung anderer wässeriger Ausscheidungen (aus Haut, Lunge oder Darm) die tägliche Wassermenge des Harns steigt und fällt. Erfahrungsgemäss geht niemals aber selbst bei der reichlichsten Harnentleerung die Wasserausscheidung unabhängig von derjenigen der festen Bestandtheile vor sich, da noch kein Urin beobachtet worden ist, der weniger als 0,2 pCt. Rückstand hinterlassen hätte. — Ein bestimmtes Verhältniss zwischen der Absonderungsge- schwindigkeit des Harnwassers und dem prozentischen Wassergehalt des Blutes ist nicht festzustellen, weil offenbar immer noch andere Bedin- gungen die Beobachtung compliziren. Sicher ist nur, dass nach einer plötzlichen, sehr bedeutenden Verdünnung des Bluts die Wasserabson- derung in den ersten Tagen gar nicht steigt, offenbar darum, weil die Niere selbst dadurch sehr alterirt wird; denn es erzeugt diese Blutver- änderung eine Absonderung eiweisshaltigen Harns ( Kierulf ); eine Ein- sprützung grösserer Wassermengen in kleinen von Viertelstunde zu Viertel- stunde auf einander folgenden Portionen mehrt zwar meist die Wasser- ausscheidung, aber keineswegs immer, und niemals erfolgt früher als 1 bis 2 Stunden nach der Einfüllung des Wassers eine wesentliche Stei- gerung der Harnmenge, und ist einmal die Steigerung eingetreten, so er- hält sich dieselbe nicht jedesmal auf der erreichten Höhe, sondern schwankt auf und ab, und zwar fällt sie zuweilen auf sehr niedrige Werthe ( Westphal ). Dieselbe Erscheinung beobachtete Falk nach Einführung von destillirtem Wasser in den Magen. — c) Bei Krampf- krankheiten soll zuweilen die Wasserausscheidung durch die Nieren ver- mehrt werden. Bei gewöhnlicher Lebensweise ist die Wasserabsonderung des Harns am niedrigsten während der Nacht, sie steigt des Morgens an und er- Niere; Harn, physikalische Eigenschaften. reicht nach dem Mittagsessen ein Maximum. — Die Grenzen, innerhalb der bei gesunden Erwachsenen das tägliche Harnwasser variirt, liegen zwischen 500 und 25,000 Gr. — Nach Becquerel und Vogel liegt bei jungen Männern das Tagesmittel zwischen 1200 bis 1600 Gr. Gesammtharn J. Vogel , Archiv für gemeinsame Arbeiten. I. Bd. p. 79. — Becquerel , Der Urin, übersetzt von Neuber . — Millon , compt. rend. XXVI. 120. — Trapp , Beiträge zur Kenntniss u. s. w. Giessen 1850. — Haeser u. Vogel , Archiv. f. gem. Arbeiten. I. Bd. p. 267. . Die mitgetheilten Thatsachen genügen, um sich eine Vorstellung zu bilden von dem ungemeinen Wechsel der pro- zentischen Zusammensetzung des Harns; indem man innerhalb der mit- getheilten Grenzen einen beliebigen Werth des Wassers, der Salze, des Harnstoffs, der Harnsäure u. s. w. nimmt, kann man sich alle möglichen und wirklich vorkommenden Harne zusammensetzen. Die Aerzte legen nun mit Recht noch einen Werth auf die Fest- stellung der sog. physikalischen Eigenschaften des Harns und insbeson- dere auf die Färbung, die Durchsichtigkeit und das spezifische Gewicht. Die Färbung des Harns ist im normalen Zustand zwischen rothgelb und hellgelb der Vogel ’schen Farbenskala. Die dunkleren Nuancen sind im Allgemeinen dem sparsam gelassenen Harn eigen; darum ist der Morgenharn (während der Nacht bereitet) dunkler als der Getränk- und Mittagsharn. — Kinderharn ist im Allgemeinen heller, als der der Er- wachsenen. Durchsichtigkeit. Schwachsaurer und schwachalkalischer Harn ist meist klar; eine starke Reaktion nach der einen oder der andern Seite ist meist von Niederschlägen begleitet. Diese bestehen im alkalischen Harn meist aus phosphorsaurer Kalkerde und Magnesia; im sauren aus harnsaurem Ammoniak oder Natron, zuweilen auch aus reiner Harnsäure. Das spezifische Gewicht des mittleren täglichen Harns liegt bei 1020 ( Vogel ). Da es natürlich in einiger Beziehung zu den gelösten Stoffen steht, so muss es natürlich sehr variiren, und namentlich wird bei reichlicher Harnentleerung das spez. Gewicht niedriger als bei sparsamer Ausschei- dung des Harns sein. — Man hat, um den Zusammenhang zwischen spez. Gewicht und dem Gehalt an festen Stoffen festzustellen, empirische Regeln aufgestellt ( Becquerel, Millon, Trapp, Haeser ). Wir erwähnen hier nur die Trapp ’sche, wobei wir die von ihm selbst ge- gebene Bemerkung wiederholen, dass sie nur eine Annäherung an die Wahrheit giebt. — Setzt man die Einheit des spezifischen Gewichts (die des Wassers) = 1000 , so soll man von dem gefundenen spez. Gewicht des Harns diese Einheit abziehen; die hintere Zahl des Restes soll man durch ein Komma abschneiden von der vordern und dann den Rest ver- doppeln. Die hier ausgefundene Zahl drückt den Prozentgehalt des Harns an festen Stoffen aus; wäre also z. B. das gefundene spezifische Niere; Harn, seltenere Bestandtheile. Gewicht eines Harns = 1020 , so würde sein prozentischer Rückstand = 4,0 sein. Seltenere Harnbestandtheile . — Ausser den erwähnten erscheinen nun noch zahllose andere Stoffe im Harn; wir zählen mit Auswahl folgende auf: 1. Uebergang löslicher Blutbestandtheile in den Harn. Eiweiss Frerichs , Die Bright ’sche Nierenkrankheit. Braunschweig 1851. 180 u. 276. — H. Meyer , Zeitschrift für physiologische Heilkunde. 1844. p. 114. . Man beobachtet, auch ohne dass Blutungen in der Niere statt fin- den, bei Abwesenheit von Blutkörperchen, im Harn häufig Eiweiss; dieses ereignet sich nachweislich nach Unterbindung der Nierenvene oder der Hohlader (H. Meyer ), nach ergiebigen Aderlässen und Ersetzung des gelassenen Blutes durch Wasser, so dass die in den Gefässen kreisende Blutflüssigkeit sehr stark verdünnt wird ( Kierulf ), nach Kochsalzhunger ( Wundt ). In einzelnen Fällen ausserdem nach Unterdrückung der Milchsekretion, nach Exzessen im Essen, nach lebhaftem Herz- schlag, nach Krankheiten des Herzens, die die Spannung des Bluts im Gefässsystem anhaltend erhöhen (?), bei besondern Veränderungen der Nierenstruktur ( Bright ’sche Krankheit) u. s. w. Fette Lang , De adipe in urina et renibus. Dorpat 1852. . Menschen und Thiere (namentlich Katzen), welche anhaltend mit fettreicher Nahrung gefüttert werden, entleeren fetthaltigen Harn ( Lang ). Zucker Uhle , Experimenta de saccharo in urinam etc. Leipzig 1852. — Bernard , Compt. rend. XXII. 534. XXVIII. 393. XXXI. 574. — Baumert , Journal für prakt. Chemie. 54. Bd. 557. — Schra- der , Pharmazeut. Centralblatt. 1852. 241. — Reynoso , Compt. rend. XXXIII. 410. — Lim- pert , Symbolae ad physiologiam sacchari. Marburg 1854. — Baumert , Journal für prakt. Chemie. 54. Bd. p. 357. — Harley , Gazette medic. de Par. 1853. Aout. 506. . Nach Injektion von Trauben-, Milch-, Rohrzucker in das Blut oder bei übermässiger Bildung des Traubenzuckers im Körper (diabetes) erscheint dieser immer im Harn ( Bernard, Baumert, Uhle, Limpert, Lehmann ). Diese Zuckerabsonderung hält mehrere Stunden lang an; bei Einsprützung gleicher Mengen von Trauben- und Rohrzucker soll der erstere früher aus dem Harn verschwinden und bei Säuglingen gar nicht in den Harn übergehen ( Limpert ). In keinem Falle wird die ganze Menge des in das Blut gesprützten Zuckers wieder durch den Harn entleert ( Limpert ). — Eine oberflächliche Verletzung der medulla oblongata oberhalb des grauen Keils und seitlich von der hintern Längsspalte erzeugt bei Kaninchen einen zuckerhaltigen Harn ( Bernard, Schrader ). Wenn das Thier nach dieser Operation längere Zeit am Leben bleibt, so verschwindet nach 24 Stunden der Zucker wieder ( Uhle ). Aehnliches hat man behauptet von Hirnerschütterung, Vergiftung mit Curara ( Bernard ). Nach Genuss von zuckerreicher Nahrung und nach der Durchschneidung der n. vagi ( Bernard ), nach Aetherisation ( Reynoso ) soll Zucker im Harn erscheinen, was Schrader und Uhle bestreiten. — Nach einer Injektion von Chloroform, Aether und Ammoniak in der Pfortader wird der Harn zuckerhaltig ( Harley ). — Bei alten Leuten soll sich häufig Zucker im Harn finden ( Reynoso ) und bei Wöchnerinnen nach Unterdrückung der Milchsekretion. Kieselsäure fanden Berzelius und Duncklenberg im Harn. Vielleicht stellt sie einen gewöhnlichen Harnbestandtheil dar. Eisensalze sind zuweilen nach vermehrtem Genuss derselben gefunden wor- den; häufig aber fehlten sie auch dann ( Wöhler, Aldrige ) Scherer , Jahresber. für physiolog. Chemie. 1844. p. 125. . Leucin, Tyrosin fanden Frerichs und Staedeler im Harn der Hunde und Menschen, z. B. bei gelber Lebererweichung, in welcher jene Stoffe reichlich in der Leber u. s. w. vorkommen. Allantoin . Wenn einem erwachsenen Hunde so viel Oel in die Lunge einge- Niere; Harn, seltene Bestandtheile. Harnbereitung. sprützt würde, dass eine beträchtliche Athemnoth entstand, oder auch nach anhalten- dem Einathmen von Chlor, wurde Allantoin im Harn gefunden ( Staedeler ). Xanthin kommt zuweilen im Harn als Harnstein vor. Von Cystin , einem starken schwefelhaltigen Körper, gilt dasselbe. 2. Wenn Salicin, harnsaure Salze, Eichengerbsäure, Senfölammoniak, citronen-, äpfel-, wein-, essigsaures Natron, Ammoniaksalze und Schwefelkalium genossen wer- den, so erscheinen nicht diese Stoffe, sondern Umwandlungsprodukte derselben im Harn wieder: Salicin Mulder , l. c. 1279. = C 26 H 18 O 14 liefert spiroylige Säure = C 14 H 6 O 4 ( Millon und Le- veran ). Diese Säure ist, wie man glaubt, hervorgegangen aus einer Spaltung des Salicins. Es würde demnach das Salicin, nach Aufnahme von 2 At. Wasser = C 26 H 20 O 16 , in Zucker = C 12 H 12 O 12 und Saligenin = C 14 H 8 O 4 zerfällt, welches letztere nach Austritt von 2H in spiroylige Säure ühergeht. Gerbsäure Liebig ’s Annalen. 65. Bd. = C 18 H 8 O 12 erscheint im Harn als Gallussäure = C 14 H 6 O 10 und Brenzgallussäure C 12 H 6 O 6 ( Wöhler und Frerichs ). Diese Umwandlung ist dieselbe, welche Gerbsäure u. A. in schwach alkalischen Lösungen erleidet; sie ge- schieht, wie man sieht, unter Abscheidung nur von C 4 H 2 O 2 , oder gleichzeitig von 2CO 2 . Harnsäure = C 5 H 2 N 2 O 3 bewirkt das Erscheinen von Oxalsäure C 2 O 3 und Harnstoff C 2 H 4 N 2 O 2 ( Wöhler und Frerichs ); um in diesen Stoff zerfallen zu kön- nen, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenprodukte, die Harnsäure 2HO aufgenommen haben. Thiosinammin = N 2 C 8 H 8 S 2 gab Rhodanammonium = N 2 C 2 H 4 S 2 ; aus dem ersten sind also C 4 H 4 ausgeschieden worden. Essigsäure (= C 4 H 3 O 3 ), äpfelsaure (C 4 H 2 O 4 ), weinsaure (C 4 H 2 O 5 ), citronensaure (C 6 H 3 O 6 ) Kalien erscheinen im Harn als kohlensaure ( Wöhler ), vorausgesetzt, dass sie in nicht grosser Menge gereicht werden, in welchem Fall sie unverändert in den Harn übergehen ( Millon ). Organische Ammoniaksalze kommen im Harn als Salpeter- säure wieder (B. Jones ) Liebig ’s Annalen. 78. Bd. 251. — Proceedings of the royal society. vol. VII. 94. . Schwefelkalium erscheint im Harn als schwefelsau- res Kali. 3. Zimmt- und Benzoesäure, oder Stoffe, welche eine dieser Säuren enthalten (Benzoeäther und Perubalsam), oder durch Oxydation leicht in sie übergehen (Bitter- mandelöl), erscheinen im Harn als Hippursäure ( Ure, Wöhler, Marchand, Fre- richs ). Nach der vorgängigen Umwandlung dieser Stoffe in Benzoesäure C 14 H 6 O 4 tritt zu dieser der Paarling = C 4 H 3 NO 2 zur Bildung von Hippursäure = C 18 H 9 NO 6 . — In gleicher Weise geht Nitrobenzoesäure in Nitrohippursäure über ( Bertagini ) Compt. rend. XXXI. 490. . — Die der Benzoesäure homologe Amminsäure geht aber unverändert in den Harn über (W. Hofmann ). Ferrocyanid kommt im Harn als Ferrocyanür wieder, in Folge einer von der Harnsäure ausgeübten Desoxydation ( Buchheim ) Mayer , De ratione qua ferrum nutetur in corpore. Dorp. 1850. . Nach einem längern oder kürzern Gebrauch gehen Quecksilber, Wismuth, Blei, Zinn, Blutlaugensalz, Bernsteinsäure, Jod, der Farbstoff des Rhabarbers, des Lakmus, der Cochenille u. s. w., in den Urin über. 6. Harnbereitung. — a) Die wesentlichen Stoffe des Harns sind keine Produkte einer chemischen Thätigkeit der Niere; sie sind schon mit dem Blute in die Niere geführt und dort nur abgeschieden worden. Dafür spricht einmal die chemische Analyse der Blutextraktivstoffe und Niere; Harnbereitung. dann die Erfolge der Nierenausrottung, welche nach Prevost und Dumas die Anhäufung einiger wesentlichen Harnbestandtheile und ins- besondere die des Harnstoffs im Blute bedingt. Wenn nun auch nach diesen bemerkenswerthen Versuchen, die später vielfach mit ähnlichem Erfolg wiederholt worden, sich der Harnstoff nicht in dem Maasse im Blut wiederfindet, wie man nach der vollkommenen Unterdrückung seiner Ausscheidung erwarten sollte, so liegt der Grund dafür offenbar darin, dass der zurückgehaltene Harnstoff sich noch weiter und namentlich in kohlensaures Ammoniak umsetzt ( Stannius, Sthamer, Bernard, Bareswill ) Archiv für physiolog. Heilkunde. IX. Bd. 201. — Archives generales. Avr. 1847. 449. , das durch den Darmkanal und die Lungen ausgestossen wird. — b) Da aus einer gesunden Niere nicht alle, sondern nur eine beschränkte Zahl von Blutbestandtheilen austreten, und noch mehr, da die wirklich ausgetretenen Stoffe in einer ganz andern Relation zu ein- ander stehen, so müssen besondere eine Scheidung des Bluts bedingende Umstände vorhanden sein. Man hat verschiedene Erklärungen hierfür zu geben gesucht, von denen jedoch keine genügend erscheint. Eine erste Hypothese nimmt an, dass die in die Nieren tretenden Nerven ver- ändernd einwirken auf die Wand der Gefässe oder Harnkanälchen, in der Art, dass durch sie die Bestandtheile des Harns auf der einen Fläche angezogen und auf der andern abgestossen wurden. Man sieht sogleich, dass diese gewagte Hypothese nichts erklärt, indem es gerade darauf ankommt, anzugeben, worin diese Eigenthümlichkeit der betreffenden Häute ruht. Zudem steht es noch dahin, ob die Nerven überhaupt einen direkten Einfluss auf die Harnausscheidung üben; nach den Beobachtungen von Brachet, Müller und Peipers Müller ’s Handbuch der Physiol. 4. Auflage. I. Bd. 376 u. f. — C. Ludwig , in Wagner ’s Handwörterbuch. II. Bd. 628. — Schulz, Valentin ’s Jahresbericht über Physiologie f. 1851. p. 134. wird allerdings die Harnabsonderung unter- drückt, wenn man einen Faden um die Gefässe und Nerven der Niere legt, diesen bis zur Zerquetzschung der Nerven schliesst und dann wieder öffnet, so dass die Niere wieder vom Blut durchflossen wird. Diese Erscheinung tritt aber nicht ein, wenn man, wie dieses an der Katze leicht gelingt, die Nierennerven isolirt durchschneidet, ohne den Blutstrom einmal unterbrochen zu haben. Es scheint also die zuerst erwähnte Operation eine Störung des Kreislaufs in den complizirten Capillaren der Nieren herbeizuführen; diese Annahme wird um so wahrscheinlicher, weil nach der momentanen Unterbindung meist Nierenbrand, die gewöhnliche Folge einer Stockung des Blutlaufs, eintritt. — Eine zweite Voraussetzung behauptet, die Epithelialzellen der Harnkanälchen zögen aus dem Blute die wesentlichen Harnstoffe an, und ihr Inhalt werde ausgewaschen durch das Wasser, welches aus den Gefässen der Glomeruli in die Harnkanälchen trete ( Bowmann, Goodsir, Hessling Hessling , Histologische Beiträge. Jena 1851. . Es sind keine Thatsachen bekannt, welche diese Vermuthung zu unterstützen ver- möchten. — Eine andere Hypothese zieht in Betracht die eigenthümliche Art des Blutstroms durch die Nieren und die Erscheinung, dass die Wandung zahlreicher Capillarsysteme des thierischen Körpers für eiweissartige Stoffe und Fette undurch- dringlich ist. Von diesem Boden ausgehend, stellt sie nun die Vermuthung auf, es möchte der Blutdruck, welcher auf der innern Fläche der Gefässe des Glomerulus ruht, das gesammte Blutserum, weniger Eiweissstoffe, Fette und die mit denselben verbundenen Salze, durch die Blutgefässwandungen in das Lumen der Harnkanälchen Ludwig, Physiologie. II. 18 Niere; Harnbereitung. eintreiben. Die hier angelangte Flüssigkeit würde allmählig durch die Haarkanäl- chen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con- zentrirten Blut, welches in den Capillaren läuft, die jenseits der Glomeruli die Harn- kanälchen umspinnen (C. Ludwig ). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht ( Goll ) Henle ’s und Pfeufer ’s Zeitschrift. N. F. III. Bd. , da die von demselben Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers (durch Einsprützung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durch- schnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienstämme (crurales, carotides, subclaviae) gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt fällt nach einem Aderlass oder Erregung der n. vagi. — Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Diffusionsstroms in den Gang der Harn- absonderung mehr oder weniger darthun So wird u. A. nach der Abscheidung von so viel Harnsäure, dass sie in den Harnkanälchen schon krystallinisch niederfällt, ver- bunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgeson- dert. Da die Harnsäure, um aus dem Blute in die Harnkanälchen überzugehen, sehr viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den spätern Harn- wegen nur erklärlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den rückgängigen Diffu- sionsstrom wieder in das Blut eingekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege steht, weil nach der Ausfällung der Harnsäurekrystalle eine destillirtem Wasser sich annähernde Flüssigkeit in den Harnkanälchen übrig bleibt. Nächstdem wird daraus erklärlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von der des Bluts bestimmt wird, nicht übersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen Entleerung des Harns aus den Kanälchen dieser weniger feste Stoffe in Lösung hält, als nach einem längern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische Menge der wesentlichen Harnbestandtheile in dem Urin zurücktritt, wenn andere ab- norme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss); ferner endlich, warum die Stoffe des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut vor- kommen. — Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erklärung der Erscheinung, dass die in den Harn übergehenden Blutbestandtheile in diesem nicht in demselben Verhältniss auftreten, in welchem sie in dem Blute vorkommen. Denn einmal könnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Flüssigkeit Na Cl, KO SO 3 , 2NaO PO 5 , HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als sie im Blutserum vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Ver- wandtschaften zu den in dem Gefässlumen zurückbleibenden Eiweisskörpern besässe, oder es wäre auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen Haarkanälchen auftritt, aus dem vorhin schon erwähnten Grunde mehr des einen als des andern Stoffs in das Blut zurückkehrt. — Diesen empfehlenswerthen Eigenschaf- ten der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachlässigende ent- gegen. Dahin wäre sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein ausgedrückt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden ausfallen kann. Dieser Einwurf wäre allerdings noch zu beseitigen, wenn es gelänge, nachzuweisen, dass sich die muskulösen Wandungen an den vasa afferentia oder effe- rentia der Glomeruli zeitweise beträchtlich genug zusammenziehen könnten, um den Blutstrom durch die letztern wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen dürfte es sein, Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von der Gefässhaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid. Niere; Ernährung derselben. p. 146 ). Diese Bedenken bleiben hier um so mehr in Kraft, weil aus den Nieren eines eben getödteten Thieres eine farblose, eiweisshaltige, dem Blutserum ähnlich zusammengesetzte Flüssigkeit hervortritt, wenn man das entfaserstoffte Blut desselben Thieres durch die Nierengefässe leitet ( Löbell ) Valentin ’s Jahresbericht für 1849. 157. , und noch mehr, weil nach einer wesentlichen Hemmung des Blutstroms in den Nieren des lebenden Thiers, z. B. durch Verengerung der Nierenvene (H. Meyer, Frerichs ), der Urin eiweisshaltig wird. Der Druck, unter welchem der Harn in die Harnkanälchen tritt, ist von C. Löbell zu 7 bis 10 MM . Hg gefunden worden; wenn die Hg säule des in den Ureter eingefügten Manometers bis zu der bezeichneten Höhe gestiegen war, so hörte, wie es schien, die Harnabsonderung auf. 7. Die Ausstossung der Harns aus der Niere geschieht unzweifelhaft durch den aus den Blutgefässen nachdringenden Harn; ist er einmal aus der Papille, oder besser ausgedrückt, aus der leicht zusammendrückbaren Verlängerung der Harnkanälchen über die Nierenoberfläche getreten, so kann er in die Niere nicht wieder zurückkehren; denn die Papille wirkt genau wie ein Röhrenventil (E. H. Weber ). 8. Ernährung der Niere. In der fertigen Niere geht ein selbststän- diger Stoffwechsel vor sich, denn einmal wird häufig ein sauer reagiren- der Harn aus dem alkalischen Blute abgesondert, es muss also in der Niere selbst eine Säure entstehen, und dann kommt immer das arterielle Blut aus ihr venös zurück. — Nach reichlicher Fettnahrung füllen sich namentlich bei der Katze die Zellen der Harnkanälchen mit Fett ( Lang ). Krankhafter Weise schuppt sich häufig das Epithelium ab und es mehrt sich der formlose Bindestoff zwischen Harn- und Blutgefässen. — Nach Unterbindung der Nierenarterie schwinden unter vorgängiger Erweichung (Brand) die Nieren häufig so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter Operation keine Spur mehr von denselben aufzufinden ist ( Schultz ). Die Erweichung beginnt in der Cortikalsubstanz und ergreift zuerst die Gefässhaut der Glomeruli. — In der fertigen Niere bilden sich zerstörte Harn- und Blutkanäle nicht wieder. B. Ureteren und Blase Kohlrausch , Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 1854. . 1. Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand schief, so dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und Muskelhaut hingeht. Die nothwendige Folge dieser so oft im Organismus wiederkehrenden Ver- bindungsart von Kanal und Behälter besteht darin, dass bei einem jeden Druck, der von der innern Blasenfläche her wirkt, der Ureter geschlossen wird; mit einem Worte, es ist dadurch ein Ventil gegeben, welches den Strom des Harns nur vom Ureter zur Blase möglich macht. — An dem Uebergang der Blase in die Harnröhre A (Fig. 57 ) faltet sich die vordere Blasenwand B zu einer Grube ein. Daraus folgt, dass bei gefüllter Blase die Harnröhre ohne Zuthun eines Muskelapparats geschlossen wird 18* Ureter; Harnblase. Fig. 57. ( Kohlrausch ). Die Gegenwart einer solchen Einrichtung beweist die bekannte Thatsache, dass die Blase der Todten meist gefüllt gefunden wird. 2. Die Muskeln des Ureters sind bekanntlich quer und längs laufende; ihre Nerven treten aus dem Lendengrenzstrang ein; der Ursprung derselben soll nach Va- lentin und Kilian bis in die Sehhügel hinauf verfolgt werden können. Die Bewegungen, welche sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase. Wenn man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein be- liebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedrück- ten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. — Die Zusammen- ziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beider- seitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten aus erregt werden müssen. — Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch ( Donders ) Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52. . Die Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt sind, stehen nach Kohlrausch in der Beziehung zu einander, dass sich die Enden des ersteren in die Züge des letzteren einflechten; es verhält sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammen- ziehung die Harnröhrenöffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln treten aus dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie sollen nach Kilian und Valentin durch das Rückenmark hindurch bis in das Hirn hinein zu verfolgen sein. — Die Erregungen des m. detru- sor treten unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege ein, da sie immer bei Anfüllung der Blase mit Harn beobachtet werden. Durch Berührung der Blasenschleimhaut in der Nähe der Ureterenmün- dungen kann nach Ch. Bell Romberg , Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406. am leichtesten die Zusammenziehung des Detrusors ausgelöst werden; er vermuthet darum, dass der Druck, Umsetzung des Harns in der Blase. welcher bei gleichzeitiger Anfüllung der Blase und der Ureteren auf jene Schleimhautnerven ausgeübt werde, die gewöhnliche Veranlassung zur reflektorischen Erregung abgebe. Eine Erregung der Nerven des De- trusors hält einige Zeit an und verschwindet dann wieder, selbst wenn die Blase nicht entleert wurde. — Die harnaustreibende Wirkung des m. detrusor kann durch die Zusammenziehung der Bauchmuskeln unter- stützt werden. — Der Sphincter der Blase ist willkührlich beweglich. Reflektorisch erregbar ist er von der Schleimhaut in der Blasenmündung und in dem Beginn der Harnröhre ( Ch. Bell ). 3. Die Schleimhaut der Ureteren und der Blase ist mit einem ge- schichteten, aus cylindrischen und platten Zellen zusammengefügten Epi- thelium bekleidet. In der Umgebung der Blasenmündung sind in die Schleimhaut einfach traubige Drüsen eingebettet, welche einen schleim- haltigen Saft absondern. 4. Umsetzung des Harns in der Blase; Harngährung. Während des Aufenthaltes in der Blase verändert sich der Harn; die hervorstechendste Eigenschaft, die aus dieser Umsetzung hervorgeht, besteht darin, dass er entweder eine stark alkalische oder stark saure Reaktion annimmt. Die alkalische Reaktion ist abhängig von einer Umwandlung des Harnstoffs, welcher unter Aufnahme von Wasser in kohlensaures Ammo- niak übergeht. In Folge dieser Ammoniakbildung wird der Harn durch einen Niederschlag von phosphorsaurem Kalk getrübt. Sie erreignet sich selten und scheint vorzugsweise bei Rückenmarkslähmungen, bei denen sich auch eine reichliche Blasenschleimabsonderung einstellt, beobachtet zu werden. In diesen Fällen geht die Umsetzung des Harnstoffs so rasch vor sich, dass sie selbst eintritt, wenn der Harn nur kurze Zeit in der Blase verweilte, nachdem diese vorher mit lauem Wasser wiederholt aus- gespült worden war ( Smith ) Romberg , l. c. p. 735. . Die saure Gährung Scherer, Liebig ’s Annalen. 42. Bd. 171. — Liebig , ibid. 50. Bd. 161. — Virchow ’s Archiv für pathol. Anatomie. VI. Bd. 259. — Lehmann , Physiolog. Chemie. II. Bd. 401. wird eingeleitet durch den Harnblasenschleim, wie daraus hervorgeht, dass sie, die in dem gelassenen Harn noch fort- geht, unterbrochen werden kann durch Filtration desselben, wobei der Schleim auf dem Filtrum zurückgehalten wird. In den späteren Stadien derselben entstehen aber auch Pilze ( Virchow, Lehmann ). Ihre hervorragendsten Produkte sind Essig-, Benzoe-, Oxal- und Milchsäure. An der Bildung der ersten betheiligt sich wahrscheinlich der Farbstoff ( Liebig ), während die Benzoesäure aus der Zerfallung der Hippursäure hervorgeht. Ist die saure Gährung ausgeprägt vorhanden, so trübt sich der Harn durch Ausscheidung von Harnsäure oder saurem harnsauren Natron. Scherer macht darauf aufmerksam, dass dieser Prozess Ver- anlassung zur Entstehung von Harnsäureconcretion werden kann. Männliche Geschlechtswerkzeuge; Hoden. Männliche Geschlechtswerkzeuge . A. Hoden . 1. Anatomischer Bau. Das Charakteristische der Samenkanälchen besteht darin, dass ein jedes sich ununterbrochen schlängelt und oft anastomisirt, bevor es zuletzt in das vas deferens ausläuft, und dass jedes einzelne der zahlreich vorhandenen von verhältnissmässig weitem Lumen ist, während der Gang, in dem alle Röhrchen ausmünden, ein verhält- nissmässig sehr schwaches Kaliber besitzt; es verengert sich also das Gesammtlumen der Samenröhren, vom Anfang zum Ende des Hodens. Diese Verengung scheint aber keineswegs eine stetig fortschreitende, son- dern eher eine auf- und absteigende zu sein; so hat es offenbar den Anschein, als ob das in den ductus efferentes so ungemein verschmä- lerte Bett der (vereinigt gedachten) Samenröhrchen in den coni vasculosi sich wieder erweitere und gegen das vas deferens wieder verengere. — Die Wand der Kanälchen ist muskelfreies elastisches Bindegewebe, das nach innen durch eine Lage von Epithelialzellen gedeckt ist; das vas deferens ist dazu noch ausgestattet mit einer cirkularen und längs- verlaufenden Schicht Faserzellen. — Die Capillargefässe des Hodens, welche aus der langen und engen art. spermat. entspringen, sind nicht zahlreich; sie sammeln sich in ein vielfach anastomisirendes Netz von weiten Venen. — Aus den Hoden gehen sehr voluminöse Lymphgefässe hervor. — Die Nerven des Hodens und insbesondere des vas deferens, welche aus dem Lenden- und Sakraltheil des Grenzstrangs hervortreten, sollen ebenfalls bis in das Hirn zu verfolgen sein. — Die feste Kapsel- haut des Hodens (tunica albuginea) schliesst eine Lage von muskulösen Faserzellen ein ( Kölliker ). 2. Samen Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 521. — Duplay , Archives generales. Dec. 1852. — Valentin , Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. II. Bd. 1. Abthlg. p. 41. — Leukart , (u. Frerichs ), Todd , Cyklopaedia. IV. Bd. p. 540. . Eine mechanische Scheidung zerlegt den von dem Hoden abgesonderten Saft in einen flüssigen und aufgeschwemmten Theil. Dieser letztere enthält bestimmt geformte Gebilde, und zwar entweder Samenfaden und Samenzellen zugleich oder auch nur Samenzellen. Das zuletzt erwähnte Vorkommen (Anwesenheit von Samenzellen bei Mangel an Samenfäden) findet sich ganz allgemein vor den Pubertätsjahren (in dem sog. unreifen Samen) und häufig, aber keineswegs immer, in sehr hohem Alter und zuweilen in chronischen Krankheiten ( Duplay ). Bei dem Mangel einer jeglichen Untersuchung des fadenfreien Samens be- schränken wir uns auf den fadenhaltigen. Die Samenzellen scheinen in einer Beziehung zu den Epithelialzel- len der Samenkanälchen zu stehen, indem die letztern häufig fehlen, wenn die Kanälchen mit reifen Samen erfüllt sind. Die Zellen des rei- fen Samens sind rund, von verschiedener Grösse, einen bis zu zwanzig Hoden; Samen. Kerne enthaltend. Die Kerne sind zum Theil nur mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, zum Theil ist an der Wand derselben ein spiraliger Faden, die erste Anlage des Samenfadens, aufgelagert. In andern Zellen sind keine Kerne mehr vorhanden, sondern es liegt, umgeben von einer durchsichtigen Flüssigkeit, ein Bündel feiner Fäden in denselben, welche sämmtlich an einem Ende eine knopfförmige Anschwellung tragen, die in allen Fäden desselben Bündels nach einer Richtung innig aneinander geschlossen liegen. So lange sich der Samen in den Kanälchen findet, umschliessen diese Zellen die Fäden constant, und erst dann, wenn er in das vas deferens übergetreten ist, verschwindet die Zellenmembran und die Fäden schwimmen frei in der Flüssigkeit. Die freien Samenfäden zeigen in dem frischen, vor Kurzem aus dem lebenden oder so eben getödteten Thiere genommenen Samen eigenthüm- liche Bewegungen. Der von dem platten, nach vorn etwas zugespitzten Knopfe ausgehende lange fadenförmige Schwanz krümmt sich ohne regel- mässige Folge bald da, bald dort hin und her und streckt sich rasch wieder; hierbei entwickeln sie hinreichende Stosskräfte, um eine Orts- bewegung des ganzen Fadens zu veranlassen, welche denselben in einer Sekunde um 0,27 MM . in gerader Linie weiterschieben kann ( Henle ). Bei diesen Bewegungen weichen die Fäden Hindernissen aus, die ihnen entgegentreten, so dass es den Anschein gewinnt, als ginge in den Bewe- gungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Schätzung der bevorstehen- den Hemmung ein. — Die Versuche, welche angestellt wurden, um die den Bewegungen zu Grunde liegenden Bedingungen zu ergründen, be- schränken sich auf Folgendes: die Samenfäden von Warmblütern verlie- ren ihre Fähigkeit zur Bewegung durch Zumischen von destillirtem Was- ser, verdünnten Lösungen von Metallsalzen und Säuren, Jod, ätherischen Oelen, durch conzentrirte Lösungen von Narcotica, und endlich durch ein Ansteigen der Temperatur über 46,5 ° C. und ein Sinken unter 12,5 ° C. — Die Beweglichkeit erhält sich dagegen ungestört in verdünnten Lösungen von Zucker, Neutralsalzen, Narcotica, ferner in Harn, Speichel, Blutse- rum und unter dem Einfluss elektrischer Schläge. Siehe die betreffende Litteratur von Valentin, Krämer, R. Wagner u. s. w., bei dem erstern am erwähnten Ort. — Von der chemischen Zusammensetzung der mit Wasser ausgewaschenen Samenzellen und Fäden des Hahns be- richtet Frerichs , dass die ersteren einen eiweissartigen Körper ent- halten, die letzteren aber einen in Kali löslichen Eiweissstoff, ein butter- artiges Fett und phosphorsauren Kalk. Die Samenflüssigkeit ist im Hoden meist nur in geringer Menge enthalten, sie ist klebrig und enthält unter andern einen schleimigen Stoff und Kochsalz ( Frerichs ). 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Samens. Vor der Pubertät geht die Bildung des unreifen Samens zuerst äusserst langsam vor sich; Hoden; Samen. denn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen, gar kein Saft aus dem Hoden entleert. — Nachdem mit den Pubertätsjahren die Absonderung eines vollkommenen Samens zu Stande gekommen, kann sie bis in das hohe Alter bestehen; Duplay fand in den Hoden 80 jähriger Greise noch Samenfäden; übrigens sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahr- ten die Samenfäden meist spärlicher vorhanden, und fehlen auch nicht selten gänzlich, oder sie sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet, dass eine öftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben be- schleunige. — Bei Individuen mittleren Alters fehlen zuweilen die Samen- fäden; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krankhaften Stö- rungen der allgemeinen Ernährungsprozesse und der ausbleibenden Bil- dung von Samenfäden vermuthet, haben sich durch die Untersuchungen von Duplay nicht bestätigt. 4. Samenbereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der Samen- fäden glaubt Kölliker dahin feststellen zu können, dass zuerst die Zellen, dann die Kerne und dann in jedem Kern ein Samenfaden auf- trete; wenn die einzelnen Kerne geplatzt sind, so legen sich die Fäden zu Bündeln zusammen. Die gekrümmten und langen Wege, die häufigen Anastomosen und endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hin- reichend langsame Bewegung des Samens von den Anfängen zu den Enden des Hodens, um die zur Formentwicklung nothwendige Zeit zu gewinnen. — Die Bedingungen für die Entstehung des Samenfadens müs- sen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zuständen des Hodens selbst gesucht werden. Für den letzteren Satz spricht vor Allem die Beobachtung von Duplay , dass bei demselben Individuum in dem einen Hoden der Samen fadenhaltig und im andern fadenfrei sein kann. Worin diese Bedingungen liegen, ist unbekannt; sicherlich nicht in dem Säftereichthum desselben überhaupt, da Hoden, welche einen normalen Samen erzeugen, im Mittel nicht schwerer sind, als diejenigen, welche dieses nicht vermögen ( Duplay ). 5. Die Entleerung des Hodens kann möglicher Weise veranlasst werden durch die in der tunica albuginea vorhandenen Muskeln; die An- wesenheit eines serösen Sackes (tunica vaginalis propria) deutet minde- stens auf eine Verschiebung der beiden Blätter desselben, also auf selbst- ständige Hodenbewegungen, hin. — Der in der vas deferens entleerte Samen wird durch die Muskelbewegungen dieses Schlauchs in die Samen- bläschen ausgestossen, wo er mit andern Drüsensäften vermischt und endlich in die Harnröhre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt die Entwicklungsgeschichte. B. Beiwerkzeuge des Hodens . Das Wenige, was über die Absonderungserscheinungen der serösen Hodenhaut bekannt ist, wurde schon Seite 184 erwähnt. — Der Muskel Accessorische Samendrüsen; Ruthe. des Samenstrangs (Cremaster) ist ein unwillkührlich beweglicher. — Die tunica dartos, welche aus einer Lage gekreuzter Muskelzellen besteht, verkürzt sich meist nur dann, wenn sie abgekühlt oder mit Elektrizität geschlagen wird. Zuweilen auch unter der Einwirkung eines Druckes auf dieselbe. Ueber eine Art von rhytmischer Bewegung in derselben siehe Betz Henle ’s u. Pfeufer ’s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 331. . C. Accessorische Samendrüsen (vas deferens, Samenblasen, Prostata). Ueber ihre Ernährung und die in ihr vorgehende Säftebildung ist so gut wie nichts bekannt. Die beiden ersten Gebilde sondern eine den Hodensaft verdünnende Flüssigkeit ab (E. H. Weber ) Zusätze zur Lehre vom Baue u. d. Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Leipzig 1846. 397. ; denn es ist, wie das Mikroskop lehrt, die Zahl der Samenfäden im gleichen Volum des Inhalts der vasa deferentia viel bedeutender, als desjenigen der ve- siculae seminales. Da man nun keinen Grund hat, anzunehmen, dass Samenfäden sich in den Bläschen auflösen, so kann die Erscheinung nur von einer Verdünnung des Hodensaftes durch Zusatz neuer Flüssigkeit erklärt werden. D. Das männliche Glied . Nachdem schon an verschiedenen Stellen von den Schweiss- und Schleimdrüsen des Penis gehandelt wurde, beschränken wir uns hier auf die Erektion und die Betheiligung des Gliedes an Samen- und Harn- entleerung. 1. Die Erektion Krause, Müller ’s Archiv. 1837. p. 1. — Günther , Untersuchungen und Erfahrungen im Gebiete der Anatomie u. s. w. Hannover 1837. — Arnold , Anatomie des Menschen. — Ko- belt , Das Wollustorgan. Freiburg 1844. — Kohlrausch , Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. — Kölliker , Würzburger Verhandlungen. II. Bd. N. 8 u. 9. — Hausmann , Ueber die Zeugung und Entstehung des wahren weiblichen Eies u. s. w. Hanno- ver 1840. ist eine von den Veränderungen des Blutstroms im Penis abhängige Erscheinung, die durch die Nerven desselben eingelei- tet wird. Die Lumina der Gefässröhren sind nemlich in dem Penis so angeordnet, dass sich sogleich sehr enge Arterien in relativ weite, von Balken durchzogene Säcke (corpora cavernosa) münden, welche wieder in enge Venen übergehen. In diesem Röhrenwerk strömt das Blut nun entweder in der Art, dass sein Seitendruck nicht genügt, um die Cavernen auszuspannen, oder dass er beträchtlich genug wird, um sie straff zu pres- sen gegen die fibrösen Häute bis zur vollkommenen Steifigkeit des Glie- des. Der Zusammenhang dieser Strömungsänderungen und der Penisnerven ist durch die Folgen ihrer Zerschneidung bei Pferden erwiesen worden ( Günther ); diese Operation beschränkt nemlich ebensowohl die voll- kommene Steifung, als die vollkommene Erschlaffung des Gliedes. Der Strom scheint also eine mittlere Spannung anzunehmen. — Der Mecha- nismus, welcher diese Stromveränderung einleitet, kann, so weit unsere Männliches Glied; Erektion. Einsicht reicht, möglicher Weise vielfach sein. — a) Die Stromhinder- nisse in den zuführenden Arterien werden vermindert ( Hausmann ) z. B. durch eine Erschlaffung ihrer Wandung; daraus würde natürlich eine Erweiterung ihres Querschnitts entstehen. Gründe und Gegengründe für diese oft ausgesprochene Behauptung giebt es keine. — b) Steige- rung der Stromhemmnisse in den ausführenden Röhren. Die Vertheidi- ger dieser Ansicht haben zwei Möglichkeiten aufgestellt. Entweder es werden zusammengepresst die Venenstämme (dorsalis, bulbosae, plexus venosus santorini) durch die musc. ischio- und bulbocavernosus und ad- ductor prostatae Das ist der vordere Theil des muskulösen Beckenzwerchfells. . Abgesehen davon, dass diese Muskeln die erwähnten Venen zu comprimiren vermögen, führt diese Vermuthung für sich an: die Anwesenheit tonischer oder klonischer Krämpfe in den Muskeln während der Erektion und nächstdem die Beobachtung, dass bei einer Injektion dünnflüssiger Massen in den todten Penis die Steifung desselben erst dann zu Wege gebracht werden kann, wenn man die Venen desselben ganz oder theilweise zuschnürt ( Krause ). So annehmbar von dieser Seite diese Vorstellung ist, so darf andererseits nicht verkannt werden, dass man willkührlich die erwähnten Muskeln zusammenziehen kann, ohne damit eine Erektion zu Stande zu bringen. — Im Anschluss an diese Annahme steht die andere, dass sich die Oeffnungen, welche die Cavernen und die ausführenden Venen verbinden, selbst verengern und bei einer weit gediehenen Anfüllung des Penis sogar ganz verschliessen möchten. Diese Hypothese wird für die corpora cavernosa penis sehr wahrscheinlich angesichts der leicht zu constatirenden Thatsache, dass die Injektionsmasse oder Luft, die man durch eine künstliche Oeffnung geradezu in die Hohlräume einsprützt, nicht in die ausführenden Venen übergeht, selbst wenn man einen bedeutenden Druck anwendet. Unläug- bar verlangt dieses Verhalten die Anwesenheit von Hemmnissen an der Grenze von Cavernen und Venen, wenn sich die letztern ausgedehnt haben, obwohl noch der anatomische Nachweis derselben fehlt ( Kobelt, Kohlrausch ). Die Schwierigkeiten, welche diese Erklärungsart der Erek- tion mit sich führt, liegen nun aber darin, dass sie einmal nicht fest- stellt, wodurch die Cavernen zuerst zu dem Grade von Anfüllung kom- men, der nöthig ist, damit die klappenähnlichen Apparate in Wirksamkeit treten können; dann aber lässt sie unerörtert, wie der Penis wieder ab- schwillt, da seine Klappen ununterbrochen wirken, wie man an der Leiche sieht. — Auf keinem Fall können aber, wie schon erwähnt wurde, ähn- liche Vorrichtungen wirksam sein bei der Anschwellung der corp. ca- vernos. urethreae und der Eichel, da die in ihre Höhlen eingeblasene Luft den Ausweg leicht durch die Venen findet. — c) Die dritte An- nahme, welche Kölliker in weitester Ausdehnung vertritt, behauptet, Ausstossung von Harn und Samen. dass die Mündungen der zu und von den Cavernen führenden Gefässe wesentlich unverändert bleiben, dass aber die Cavernenwandungen nach- giebiger würden, so dass sie nun von dem einströmenden Blute leichter als früher zu erweitern wären. Die Ursache der Erschlaffung finden Kölliker und Kohlrausch in der Erregung der Penisnerven, welche zu ihren Muskeln in einem ähnlichen Verhältniss stehen sollen, wie die nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Gewissheit kann allerdings die Behauptung ausgesprochen werden, dass eine kräftige Zusammenziehung der von Köl- liker und Valentin in den corpora cavernosa entdeckten Muskeln die Erektion gerade unmöglich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre Verkürzung das Volum des Penis minderte; so sah es Kölliker , als er den Penis eines Hingerichteten mit elektrischen Schlägen behandelte, und so ist das abgekühlte Glied, dessen Muskeln zusammengezogen sind, immer sehr klein und derb. Damit ist aber natürlich nicht die Behaup- tung erwiesen, dass zu allen Zeiten die Muskeln des schlaffen Penis contrahirt seien, und noch weniger, dass die Nerven und Muskeln des Penis ein dem Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. Rück- sichtlich des letztern Punktes ist um so grössere Vorsicht nöthig, als es sehr wahrscheinlich ist, dass der Vagus nicht geradezu den Herz- muskel erschlafft, sondern andere auf ihn wirkende Erregungsursachen ausser Wirksamkeit setzt. — d) Arnold weist endlich auf die Möglich- keit hin, dass das Strombett des Bluts in dem gesteiften Penis ein ganz anderes sei, als in dem schlaffen; er glaubt sich nemlich überzeugt zu haben, dass das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen gelangen könne; einmal durch Capillaren, welche auf den Wänden der Cavernen verlaufend in die Venen einmünden und dann durch Zweige, welche direkt in die Cavernen übergehen. Diese Möglichkeit wird so lange bestritten werden müssen, bis diese beiden Wege genauer darge- stellt sind. Ueber die vorübergehende Erektion der Eichel und die mannig- fachen Erregungsmittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin ausführlich. 2. Ausstossung von Harn und Samen aus der Harnröhre. Da in die Urethra die Ausführungsgänge der Samen- und Harnbehälter mün- den, ohne dass die eine der beiden Flüssigkeiten in die Wege der an- dern eindringt, so müssen Vorrichtungen bestehen, welche den beiden Säften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutzmittel der Samen- wege, welches den Eintritt des Harns in dieselben verhindert, ist anzu- sehen der schiefe Gang, welchen die samenausführenden Röhren durch die Wand der Urethra nehmen. Als eine Hemmung für den Weg des Samens in die Harnblase betrachtet Kobelt das caput gallinaginis, wel- ches ebenfalls, mit Schwellkörpern versehen, zur Zeit der Erektion die Blasenmündung verstopft. — Da nun aber auch bei abwesender Schwel- Weibliche Geschlechtswerkzeuge; Eierstock. lung der Samen nicht in die Harnblase gelangt, so muss schon der sphinc- ter vesicae zum Abschluss genügen. — Der Harn wird in die Urethra mit hinreichender Kraft getrieben, um aus der Mündung derselben in einem Strahl befördert zu werden. Anders verhält es sich mit dem Sa- men, der durch die schwachen Muskeln der Samenbläschen nur bis in die Harnröhre getrieben wird; aus dieser befördern ihn die Zusammen- ziehungen des m. bulbocavernovus. — Bei der Steifung des Gliedes ist das Eindringen des Samens in die Harnröhre noch besonders erleichtert, da diese zu jener Zeit in Folge der Ausspannung ihrer Wände ein ge- öffnetes Lumen besitzt. Der Harn findet aber zu dieser Zeit an dem ge- schwollenen Schnepfenkopf ein Hinderniss. Weibliche Geschlechtswerkzeuge . A. Eierstock . 1. Anatomischer Bau. Zum grössten Theil besteht der Eierstock aus Blutgefässen und einer eigenen Art von Bindegewebe. In diese Mas- sen sind eingebettet unreife, reife und zerstörte Eikapseln und das ganze ist umzogen von einer fibrösen Hülle. Der reife Eisack ist ein kugeliger Sack, der mit Flüssigkeit (Eiwasser) gefüllt ist. Die Wand dieses Sackes besteht nach aussen hin aus Bindegewebe, dann folgt eine strukturlose Haut und auf diese eine mehrfache Lage von Zellen (Körnerhaut), und in dieser liegt das Eichen. Die Elemente der Körnerhaut, zusammengedrückte, getrübte, kernhaltige Zellen, liegen zum grössten Theil in einer nur mehr- fachen Schicht auf der strukturlosen Haut des Sackes an, an einer Stelle aber sammeln sie sich so zahlreich, dass sie einen kleinen Hügel bil- den (Keimhügel) und in diesem ruht das Eichen eingebettet. Dieses selbst besteht, von Centrum an gerechnet, aus einer hellen Zelle mit dunklen Pünktchen (Keimbläschen und Keimfleck), diese liegt in einem trüben Tröpfchen (Dotterkugel), welches endlich von einer breiten, durch- sichtigen, zähen Schaale (Dotterhaut, Eiweissschicht) umgeben wird. 2. Chemische Beschaffenheit Gobley , Pharmazeut. Centralblatt 1847. — Derselbe , Journal de pharmacie. 3me. Ser. XVII. und XVIII. Bd. — Fremy und Valenciennes , Journal de pharmacie. 3m. Ser. XXVI. — Weber, Poggendorf’s Annalen. 79. Bd. 398. — Barreswill, Scherer’s Jahresbericht über phys. Chemie für 1849. p. 100. — Winkler , Giessener Jahresbericht über Chemie. 1847 u. 48. 858. — Budge. Liebig’s Annalen. Bd. 64. p. 127. . Die Grundmasse des Eierstocks besitzt wahrscheinlich die Zusammensetzung des elastischen Bindegewe- bes. Die Eigenschaften der strukturlosen Eikapsel, der membrana gra- nulosa und des Eiwassers sind ganz unbekannt. Die Zusammensetzung des menschlichen Eies können wir seiner Kleinheit wegen nicht durch di- rekte Untersuchung ins Klare bringen. Auf die Bestandtheile des reifen menschlichen Eies schliessen wir darum nur aus der Untersuchung des thierischen. Unter Beschränkungen halten wir uns hierfür berechtigt, weil die Untersuchungen von Gobley, Valenciennes und Fremy Eierstock; Eibildung. gezeigt haben, dass wenigstens analoge Bestandtheile das Ei sehr ver- schiedener Thiere zusammensetzen. Die quantitive Zusammensetzung ist in den verschiedenen Eiern dagegen durchaus ungleich. Nach Gobley, Valenciennes und Fremy findet sich in den Eiern aller Wirbelthiere Albumin, Margarin, Olein, phosphorhaltige Fette und die gewöhnlichen Blutsalze. Dazu kommt bei den Vögeln ein eigenthümlicher eiweissartiger Körper, das Vitellin, welches bei den Knochenfischen durch Ichtidin und bei den Knorpel- fischen durch Ichthin vertreten wird. — Um eine Vorstellung von der grossen Com- plikation der Zusammensetzung des Hühnereies zu geben, zählen wir seine Bestand- theile auf. — Albumin, Vitellin (C 52,8, H 7,2, N 15,1, O 26,16), Margarin, Olein, Cholestearin, Lecithin, Cerebrin, Zucker, NaCl, KCl, NH 4 Cl, KO SO 3 , 3 CaO PO 5 , 3 Mg O P O 5 , NaO CO 2 , Si O 3 , ein rother eisenhaltiger und ein gelber Farbstoff, Wasser. 3. Eibildung und Ausstossung des Eies Bischoff , Entwickelungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1842. — Der- selbe , Beweis der von der Begattung unabhängigen Losstossung der Eier. Giessen 1844. — Leuckart , Zeugung in Wagner’s Handwörterbuch. VI. Bd. — Bischoff, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Band. 129. — Steinlin , Züricher Mittheilungen. 1849. — Kölliker , Gewebelehre. 2. Aufl. 252. . Ueber die Formfolge des entstehenden Eies ist uns Einiges bekannt. Zuerst tritt es auf als eine grosse, durchsichtige, kernhaltige Zelle, welche im Centrum eines Haufens kleiner, mit trüblichem Inhalt gefüllter Zellen liegt ( Steinlin ). Diese letztern Zellen gleichen schon ganz denen der spätern membrana granulosa. In einer zweiten Formstufe umgiebt eine strukturlose Haut die Zellenmasse; auf die äussere Fläche dieser ersten Hüllenanlage setzt sich später das Bindegewebe an, auf die innere die membrana granu- losa, indem sich die in sie eingeschlossenen Zellen mehren. Die Bedingungen zur Bildung von Eiern können während des ganzen Lebens, vielleicht mit einziger Ausnahme einiger Krankheiten, z. B. der Bleichsucht, und des höheren Alters, vorhanden sein, denn es finden sich selbst in den Eierstöcken der Embryonen schon Anlagen von Ei- kapseln. Ihre vollkommene Ausbildung erlangen aber die Eier nur wäh- rend eines bestimmten Lebensabschnittes der Frauen, der in unsern Ge- genden mit dem 14 . bis 15 . Jahre beginnt und nach dem 40 . schliesst. Einzig während dieser Periode werden auch die Eier aus dem Ovarium ausgestossen; dieses geschieht dadurch, dass in den Binnenraum der Kapsel mehr und mehr Flüssigkeit eindringt, so dass diese endlich, nach- dem sie das umgebende Gewebe verdrängt und sich über der Oberfläche des Eierstockes erhoben hat, platzt. Die aus der Kapsel hervorstür- zende Flüssigkeit spült dabei das locker angeheftete Eichen auf die freie Fläche des Eierstocks. Dieser Hergang erfolgt bei Thieren, wie Bischoff nachgewiesen, nur zur Zeit der Brunst und beim Menschen nur zur Zeit der Menstruation; er bleibt beim Menschen wahrscheinlich jedesmal nur auf ein oder mehrere Eier beschränkt. Dieser Ausstossungsakt erfährt während der Dauer der Schwangerschaft eine Unterbrechung. — Nachdem das Säckchen das Ei ausgestossen, schrumpft es unter Faltenbildung zu- Eileiter. sammen, ohne dass jedoch dadurch der ganze Hohlraum zum Verschwin- den kommt. Dieser letztere füllt sich anfänglich mit Blut und allmählig mit einer von der Haut ausgehenden Zell- und Bindegewebswucherung. Diese Rückbildung geht langsamer zur Zeit der Schwangerschaft vor sich, als ohne dieselbe. Darum findet man eine mit mehr oder weniger weit zersetztem Blut gefüllte Kapsel (corpus luteum) deutlich bei den während der Schwangerschaft gestorbenen Individuen ( Meckel, Bischoff ). B. Eileiter . Das Wenige, was über seine Lebenserscheinungen bekannt ist, bezieht sich auf die an ihm vorkommenden Bewegungen; sie sind doppelter Art, einmal geschehen sie in seinen Muskeln und dann in seiner Epithelialhaut. Die Muskeln gehören zu den glatten; die Nerven, unter deren Ein- fluss sie stehen, verlaufen in den unteren Partien des Grenzstrangs. Die Bewegungen, welche der Eileiter darbietet, nehmen immer die Form von fortschreitenden an; das Weiterschreiten kann ebensowohl in der Rich- tung vom Eileiter zum Fruchthälter als in der umgekehrten Richtung geschehen. Diese Bewegungen, welche durch galvanische und mecha- nische Erregungsmittel hervorgerufen werden können, treten häufig auch ohne nachweisliche Veranlassung auf, und zwar geschieht dieses letztere ebensowohl, wenn der Eileiter noch in seinen normalen Verbindungen sich vorfindet, als wenn er gemeinschaftlich mit dem Uterus ausgeschnit- ten ist. — Die Muskeln des Eileiters verhalten sich also ähnlich denen des Darms. Die Flimmerzellen der Eierstöcke, deren Faden in der Art schwin- gen, dass sie einen Strom von dem Ovarium nach dem Uterus hin ver- anlassen, zeichnen sich vor allen übrigen durch ihre ausserordentliche Empfindlichkeit gegen schädliche Einflüsse aus. Die Fortbewegung der Eier durch die Tuben geschieht nach den Beobachtungen von Bischoff und Hyrtl ausserordentlich langsam, in- dem 5 bis 8 Tage (beim Menschen und Hund) nöthig sind, um sie durch den Eileiter hindurchzufördern. Durch welche Einrichtungen die Bewe- gung so verlangsamt wird, ist nicht bekannt; denn sie müsste rascher vor sich gehen, wenn das Ei dem Strom der Flimmerhaare oder der peristaltischen Bewegung der Muskeln folgte. C. Fruchthälter . Ausser den anatomischen Einrichtungen und einigen Veränderungen, die dieselben in der Schwangerschaft erleiden, ist wenig über den Uterus bekannt. — Einige Aufmerksamkeit hat nur die Menstruation, eine blu- tige Ausscheidung auf der innern Fläche des Uterus, welche bei mann- baren Weibern meist in monatlichen Zwischenräumen wiederkehrt, auf sich gezogen. Fruchthälter. Menstruation. 1. Chemische Zusammensetzung der Menstrualflüssigkeit Litzmann , Artikel Schwangerschaft in Wagner’s Handwörterb. III. 1. — Leuckart , l. c. . Sie stellt ein Gemenge von flüssigen und festen Körpern dar. Die aufge- schwemmten Massen bestehen aus Blut- und Lymphkörperchen, Epithe- liumszellen; die flüssigen enthalten Wasser, Eiweiss, Faserstoff, Fette und alkalisch reagirenden Salze. Ueber den Faserstoffgehalt bestehen Controversen; Simon, Vogel und früher auch Denis fanden das Blut, welches aus dem Uterus ausgetreten, weder gerinnbar, noch enthielt es Faserstoffflocken. Nach E. H. Weber l. c. p. 418. , der in dem Uterus einer Person, die während der Menstruation gestorben war, Faserstoffgerinnsel fand, ist dieses nur darum der Fall, weil das Blut kurz nach seinem Austritt auf die Uterus- fläche gerinnt und aus diesem Gerinnsel Blutkörperchen und Serum austreten, wäh- rend der Faserstoff wenigstens zeitweilig zurückgehalten wird. — Mit dieser Annahme stimmen neue Untersuchungen von Denis und Henle überein, welche im Menstrual- blut Gerinnung beobachteten. Ueber die quantitative Zusammensetzung des Menstrualblutes besitzen wir Angaben von Simon, Denis und J. Vogel ; die Mittheilungen des letztern Autors dürften darum am zuverlässigsten sein, weil er die Flüs- sigkeit unmittelbar aus der vorgefallenen Gebärmutter sammelte. Nach ihm enthielten zwei Portionen Ausflusses, von denen die eine zu Beginn und die andere zu Ende der Menstruation aufgefangen war, in 100 Thei- len gleich viel Wasser, nemlich 83,9 pCt.; ein Serum, das aus diesem Aus- fluss gewonnen war, enthielt in 100 Theilen 93,5 Wasser; unter 6,5 pCt. festen Bestandtheilen fanden sich 0,65 pCt. feuerbeständiger Salze. Diese wenigen Thatsachen scheinen doch hinzureichen zu dem Schluss, dass die untersuchte Flüssigkeit kein reines Blut gewesen sei. 2. Das Erscheinen der Menstruation Tilt, Valentin’s Jahresbericht über Physiol. f. 1850. 132. — Hannover , ibid. 1851. 189. ist von verschiedenen Um- ständen abhängig. a) Die Menstruation kommt nur dann zu Stande, wenn sich aus dem Ovarium ein Ei ablöst. Der Beweis für diese Behauptung liegt darin, dass man jedesmal, so oft es möglich war, die Leiche einer während der Menstruation verstorbenen Person zu untersuchen, in dem Eierstock entweder eine reife oder so eben geplatzte Eikapsel fand, und ferner darin, dass keine Frau menstruirt ist, der in Folge einer Opera- tion oder der ursprünglichen Entwickelung die Eierstöcke fehlten. Die Verknüpfung beider Vorgänge ist jedoch insofern keine nothwendige, als es umgekehrt beobachtungsgemäss möglich ist, dass ein Eiaustritt erfol- gen kann, ohne dass die Regeln in merklicher Weise eintreten. — b) Die Regeln können nur erscheinen, wenn ein gewisses Lebensalter erreicht und ein anderes nicht überschritten ist. Das Alter, nach dessen Voll- endung die Menses auftreten, wechselt mit dem Klima und der Lebensweise. Nach statistischen Beobachtungen fällt der mittlere Eintritt derselben im nördlichen Deutschland in das 16 ., im südlichen Frankreich in das 13 . und in tropischen Ländern in das 11 . bis 9 . Jahr. Die Städterin soll Menstruation. im Durchschnitt um ein Jahr früher menstruirt sein, als die Bewohnerin des Landes. — Ueber das Alter, in dem die Menstruation verschwindet, sind weniger allgemeine Regeln festgestellt; in unsern Gegenden hört die Menstrualblutung gewöhnlich mit dem 40 . bis 45 . Jahre auf oder tritt von da an nur sehr unregelmässig ein. — c) Wenn eine Menstrualblu- tung stattgefunden hat, so muss ein gewisser Zeitraum verstreichen, be- vor eine neue eintreten kann. Die Zeit, welche zwischen je zwei Reini- gungen liegt, beträgt gewöhnlich 4 bis 4,5 Wochen. Abgesehen da- von, dass sich hier individuelle Verschiedenheiten finden, soll sich auch der Unterschied der Klimate geltend machen, und namentlich giebt man an, dass in nördlichen Gegenden die Menstruationen seltener auf- einander folgen, als in südlichen. — d) Endlich ist es eine Regel, die nur seltene Ausnahmen erleidet, dass das Weib der monatlichen Reinigung nur in der Zeit unterworfen ist, in der es sich im nichtschwangern Zustande befindet. 3. Die Dauer und die Geschwindigkeit des Blutflusses sind sehr va- riablen Werthes, indem namentlich die Dauer des Ausflusses bei den ver- schiedenen Frauen zwischen einem bis zu acht Tagen schwankt. — Im Allgemeinen soll bei magern, lebhaften und südländischen Frauen die Geschwindigkeit des Ausflusses grösser sein, als bei fetten, trägen und denen des Nordens. Zahlenangaben, wie die, dass die norddeutschen Frauen und die Engländerin- nen 90 bis 105 Gr., die Süddeutschen 240 Gr., die Italienerinnen und Spanierinnen 360 Gr. und die Frauen der Tropen 600 Gr. Flüssigkeit verlieren sollen, müssen mit einem? aufgenommen werden. 4. Die Veränderungen, welche man in der Uteruswand während der Dauer der Menstruation beobachtet hat, bestehen in einer Anschwellung seiner Masse, in einer stärkern Entwickelung seiner Schleimhaut, in Folge deren sich häufig, aber nicht immer ( Bischoff ), die Uterindrüsen ver- grössern. Geschieht dieses, so schwitzt auf die gesammte innere Ober- fläche des Uterus ein weiche weisse Haut aus, die Dezidua. 5. Die Ausstossung der in die Gebärmutterhöhle ausgetretenen Flüssig- keit wird wahrscheinlich auf verschiedenen Wegen besorgt. Zum Theil mag die Flüssigkeit einfach ausfliessen, zum Theil aber wird sie sicher durch die Bewegungen des Uterus, die als wehenartige Schmerzen em- pfunden werden, in die Scheide befördert; auf dem letztern Wege muss offenbar auch die Entfernung der festen Masse (des Faserstoffgerinsels und der etwa gebildeten Dezidua) geschehen. Bemerkenswerther Weise bleiben diese letztern oft sehr lange in der Gebärmutter liegen, so dass sie mehrere Wochen nach Beendigung der Regeln, in der sog. weissen Menstruation, mit Schleim vermischt entleert werden. Ueber die Erektion der Scheide siehe Kobelt in dessen Wollust- organ; die Fett- und Schleimdrüsen der vagina sind schon früher erwähnt. Brustdrüsen; Milch. Milchdrüsen . 1. Anatomische Beschaffenheit der weiblichen Brustdrüse Kölliker , Handbuch d. Gewebelehre. 2. Aufl. 556. — Henle , Jahresbericht über mikroskop. Anatomie für 1850. 41. — Reinhardt im Archiv für pathol. Anatomie. I. Bd. 52. . Ihre Höhlen sind im Allgemeinen angeordnet wie die einer traubigen Drüse mit mehreren Ausführungsgängen, z. B. der Thränendrüse; der Milchdrüse eigenthümlich sind die länglichen Erweiterungen in den grösseren Aus- führungsgängen kurz vor deren Mündung. Die Wandung enthält durch- weg eine strukturlose Grundlage, auf der innern Seite derselben liegt in den Endbläschen ein vieleckiges und in den grössern Gängen ein cy- lindrisches Epithelium. Auf der äussern Seite ist die strukturlose Wand- schicht in den stärkeren Gängen mit einer Lage glatter Längsmuskeln belegt, die jedoch nicht bis in die Brustwarze hineinreichen. — Die Gefässe umspinnen mit den gewöhnlichen Maschen in traubigen Drüsen die Bläschen; in der Milchperiode nimmt der Durchmesser derselben merk- lich zu. — Die Nerven, welche in das Innere der Drüsen gehen, sind wenig zahlreich; sie scheinen nur den Blutgefässen anzugehören. — Die ganze. Drüse ist in einen muskulösen Hautbeutel eingefüllt; die Muskeln desselben ziehen sich zwischen den Läppchen der Drüsen durch in das Bindegewebe, welches die Läppchen scheidet. Die männliche Brustdrüse gleicht der weiblichen, ausgenommen dass ihre Endbläschen viel weiter und dafür sparsamer vorhanden sind, und dass den Ausführungsgängen die Erweiterung kurz vor der Mündung abgeht. 2. Milch Scherer , Milch in Wagner’s Handwörterbuch. II. Bd. — Clemm , Inquisitiones chemicae ac microscop. etc. Göttingen 1845. — Bensch, Liebig’s Annalen. 61. Bd. 221. — Gorup , Archiv für physiolog. Heilkunde. VIII. 717. — Griffith , Chem. Gazette. 1848. 192. — Wil- son , ibid. 1850. 366. — A. Becquerel et Vernois , De lait chez la femme. Paris 1855. — Wildenstein , Journal für prakt. Chemie. 58. Bd. 28. — Ausserdem die Lehrbücher von Dumas, Simon, Lehmann, L’heritier . . Die Drüse liefert ihren Saft gewöhnlich nur bei Neugebornen, schwangern und niedergekommenen Frauen, sehr sel- ten auch bei Männern. Wir schildern zuerst die Eigenschaften der Frauenmilch. Die Frauenmilch, eine bläulich-weisse, trübe Flüssigkeit von 1018 bis 1045 spez. Gewicht, kann durch die mechanische Analyse zerlegt werden in aufgeschwemmte Bestandtheile: Milchkügelchen, Colostrum- körperchen, Epithelialzellen, und in Flüssigkeit: das Milchserum. — Die Milch- (oder Butter-) kügelchen sind Fetttröpfchen, welche von einer Hülle umzogen werden ( Henle, Mitscherlich, v. Bueren ) Onderzoekingen in het physiolog. Laborator. 1848—49. 91. . Die Grösse derselben ist sehr veränderlich, ihr Durchmesser erhebt sich von unmess- barer Kleinheit bis zur Grösse einiger Hundertstel Linien. — Die Hülle be- steht wahrscheinlich aus Casein, der fettige Inhalt (die Butter) kann aus der Milch der Kuh und vermuthungsweise auch aus der des Menschen in Olein und andere neutrale Fette zerlegt werden, aus denen durch Verseifung Ludwig, Physiologie. II. 19 Brustdrüse; Milch. zu gewinnen ist: Butin- (C 40 H 40 O 4 ) (?), Stearin- (C 36 H 36 O 4 ), Palmitin- (C 32 H 32 O 4 ), Myristin- (C 28 H 28 O 4 ), Caprin- (C 20 H 20 O 4 ), Capryl- (C 16 H 16 O 4 ), Capron- (C 12 H 12 O 4 ) und Buttersäure (C 8 H 8 O 4 ) ( Lerch, Heintz ). Den gegebenen Formeln nach gehören diese Säuren sämmtlich zur Gruppe der Fettsäuren von dem Typus 2 (C n H n )O 4 , von welchen aber in der Butter nur die Glieder vertreten sind, deren Kohlen- und Wasserstoffatomzahl durch 4 theilbar ist. Dem Gewicht nach besteht die Butter vorzugs- weise aus Olein und Palmitin. — Die Colostrumkügelchen bestehen we- sentlich aus einem zusammengeballten Häufchen sehr kleiner freier Fett- tropfen; zusammengehalten werden die Tröpfchen entweder durch die Haut einer Zelle, in deren Hohlraum das Häufchen eingelagert ist, oder durch eine die Tröpfchen verklebende (caseinhaltige?) Zwischensubstanz, so dass sie auch dann noch zusammenhalten, wenn die Zellhaut ver- schwunden ist. — Das Milchserum endlich enthält in seinem Wasser auf- gelöst Casein mit phosphorsaurem Kalk und Magnesia verbunden, Eiweiss (?), Milchzucker, Milchsäure, Extrakte, Natron, Kali, Eisenoxyd, Phosphor-, Salz-, Kohlensäure und Spuren von Kiesel- und Flusssäure. Ueber das Eiweiss in der Milch führt man seit Jahren Controverse; Scherer und Lieberkühn Poggendorf’s Annalen. 86. Bd. 117. zeigten, dass die gewöhnliche Reaktion auf lösliches Eiweiss, das Gerinnen beim Kochen, zur Nachweisung desselben in der Milch unbrauchbar ist; so gerinnt u A. nach dem letzten Chemiker der gekochte Wasserauszug eines Milchrückstandes, der aus der eingekochten Milch bereitet war. Der Grund dieses eigenen Verhaltens liegt in der Anwesenheit der Salze. — Doyére, Poggiale, Girardin etc. scheinen unter Eiweiss überhaupt nur einen eiweissartigen Körper zu verstehen, der nach (nicht sorgsamer?) Ausfällung des Caseins in dem Milchserum, oder besser in den Molken, gelöst bleibt. Die Zusammensetzung der Gesammtmilch ist veränderlich. Man untersuchte bis dahin die Abhängigkeit dieser Veränderungen mit: dem Alter, der Nahrung, der Constitution, der Haarfarbe, den Gemüthszustän- den der Mutter, ferner, ob die letztere während der Milchabsonderung schwanger, oder seit wann sie niedergekommen, ob sie menstrualfähig, menstruirt oder nicht menstruirt, ob sie eine Erst- oder Mehrgebärende, wie entwickelt die Brustdrüse sei; endlich untersuchte man die Milch je nach der verschieden langen Aufenthaltszeit in der Brustdrüse, und ob die in verschiedenen Orten des Brustdrüsenraumes enthaltene anders zu- sammengesetzt sei. Diese zum Theil sonderbaren Fragstellungen sind begreiflich nicht von wissenschaftlichen Bedürfnissen, sondern eingegeben durch das Vorurtheil der Pariser Familien gegen gewisse Arten von Ammen. Ziehen wir zuerst die Milch in Betracht, welche nach der Ge- burt gebildet wird, so erfahren wir aus den vorliegenden Untersuchungen a) Die aufgeschwemmten Bestandtheile der Milch bestehen in den ersten Tagen vorzugsweise aus Colostrum-, später aus Milchkügelchen Brustdrüse; Milch, Casein ( Donné, Doutrepont ); die Colostrumkügelchen kehren mehr oder weniger zahlreich wieder, wenn sich fieberhafte Zustände des ganzen Körpers einstellen. b) Der Käsegehalt der Milch schwankte zwischen 1,0 und 7,09 pCt. Nach Vernois und Becquerel liegt er im Mittel bei 3,92 pCt. — Variabel wurde er gefunden mit dem Alter der Säugenden, insofern bei 15 - bis 20 jäh- rigen die Milch durchschnittlich 5,5 pCt., also mehr als das Mittel, enthielt, jenseits dieses Termins zeigt sich keine Beziehung zwischen dem Alter und dem Caseingehalt ( Becquerel und Vernois ). — Ueber den Einfluss der Nahrung widersprechen sich die Angaben von Dumas, Simon, Bec- querel und Vernois . Die drei letzten Beobachter läugnen für den Menschen ein Abhängigkeitsverhältniss; der erstere behauptet, es sei nach Fleischkost eine Vermehrung (bei Hunden) eingetreten. — Constitution. Nach Becquerel und Vernois sollen blonde oder rothhaarige Frauen mit weisser Haut und schlaffer Muskulatur (schwache Constitution) eine Milch mit 3,9 pCt. Casein und Frauen mit dunklem Haar, brauner Haut und lebhaftem Temperament (starke Constitution) eine solche von 2,9 pCt. Casein liefern. — Frauen, die bei sonst gleich kräftigem Aussehen blondhaarig sind, sollen Milch mit 1,61 pCt. liefern, dunkelhaarige da- gegen 2,56 pCt. L’heritier, Becquerel und Vernois fanden die- ses nicht bestätigt. — In den ersten 14 Tagen nach dem Gebärakt soll die Milch etwas weniger Casein enthalten, als später ( Simon ). Hier- gegen erheben sich die Beobachtungen von Griffith, Vernois und Becquerel . — Wird die Frau während der Milchabsonderung geschwän- gert, so nimmt der Käsegehalt um etwa 0,5 pCt. gegen den frühern ab ( Becquerel und Vernois ). — Die Wiederkehr der Menstrualperiode hat keinen oder einen gering steigernden Einfluss in den Zeiten, in wel- chen sie nicht gerade eingetreten ist; während der bestehenden Men- strualblutung ist dagegen der Caseingehalt immer verändert, aber bald in auf- und bald in absteigender Linie. — Wird die Brustdrüse in rasch aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten entleert, so ist die Milch, die sie liefert, reicher an Casein, als wenn sie lange Zeit in der Brustdrüse ver- weilte ( Peligot, L’heritier ). Eine Frau, welche während mehrmali- ger Entleerung des Tags über eine Milch mit 1,4 pCt. gegeben hatte, lieferte, als 40 Stunden lang der Brustdrüseninhalt zurückgehalten war, eine Flüssigkeit mit 0,2 pCt. — Sind mindestens 4 Stunden verflossen seit der letzten Entleerung, und theilt man die darauf entleerte Milch in mehrere Portionen, so enthält die zuerst aufgefangene etwas weniger Ca- sein, als die letzte ( Reiset, Peligot, Becquerel und Vernois ). Die letzteren Autoren fanden am Menschen den Unterschied zu etwa 0,2 pCt. — Stark entwickelte Brustdrüsen liefern im Durchschnitt eine Milch mit 0,3 pCt. mehr Casein, als schwach ausgebildete. — Wenn die mitt- 19* Brustdrüse; Milch, Buttergehalt. lere tägliche Absonderung reichlich und leicht von statten geht, so ist die Milch um etwa 0,4 pCt. reicher an Casein, als wenn das Gegentheil statt findet. — Die Milch, welche während der Nacht abgesondert wird, soll mehr Casein halten, als die Tagesmilch ( Plaifayr ). Dieses be- streitet Gorup . c) Der Buttergehalt beläuft sich im Mittel auf 2,66 pCt.; sein Mini- mum wurde zu 0,6 , sein Maximum zu 8,9 gefunden. — Mütter zwischen 15 und 20 Jahren haben im Allgemeinen etwas butterreichere Milch, als ältere ( Becquerel und Vernois ). — Reichliche Nahrung, gleichgiltig ob sie aus Fleisch oder Brod besteht, mehrt die Butter und kärgliche setzt sie herab; die Unterschiede betragen 2 bis 3 pCt. ( Dumas, Simon, Becquerel und Vernois ). Die Folge der bessern Nahrung macht sich schon am ersten Tage nach dem Genuss derselben geltend ( Simon ). — Schwache und starke Constitutionen im oben genannten Sinne zeigten sich einflusslos, blonde Frauen gaben nach L’heritier eine Milch, die etwa 2 pCt. Butter mehr führen soll, als die Milch dunkel- haariger Mütter. Vernois und Becquerel läugnen dieses. — In den ersten 5 Tagen nach dem Gebärakt ist die Milch ärmer an Fett, als in den folgenden 10 Tagen; der Unterschied liegt in der Nähe von 0,5 pCt. In den spätern Monaten zeigt sich kein Abhängigkeitsverhältniss zwischen dem Buttergehalt und der Zeit seit dem Beginn der Absonderung, im Allgemeinen ist aber der Buttergehalt geringer, als in den ersten 5 Tagen. — Wird die Frau während der bestehenden Milchabsonderung geschwängert, so wird der Buttergehalt gesteigert; in den untersuchten Fällen betrug im 3 . Schwangerschaftsmonat das Mehr gegen früher 3,0 pCt. — Nicht menstruirte Frauen liefern Milch mit demselben Butter- gehalt in den Zeiten, die zwischen der Menstrualblutung liegen; während des Bestehens derselben wird der Buttergehalt bald auf- und bald ab- steigend alterirt, die positiven Veränderungen stiegen bis zu 4,5 pCt. ( Becquerel und Vernois ). — Wird der gleichzeitig vorhandene In- halt der Brustdrüsen in einzelnen Absätzen entleert, so soll die zuerst abgezogene Milch ärmer an Fett sein, als die zuletzt gewonnene. Peligot und Reiset fanden dieses für Säugethiere, Becquerel und Vernois aber nicht am Menschen bestätigt. — Die am Abend entzogene Milch ist reicher an Butter, als die Morgenmilch ( Gorup ). — Eine Frau, welche durch den plötzlichen Tod ihres Kindes eine lebhafte Gemüths- erregung erlitt, sonderte plötzlich eine viel butterreichere Milch ab. d) Die Grenzwerthe des Zuckergehaltes fallen auf 1,2 und 6,0 pCt.; das Mittel liegt bei 4,3 . Im Allgemeinen zeigt der prozentische Gehalt desselben geringe Veränderungen. Namentlich zeigt sich im Gegensatz zum Casein und zur Butter kein Unterschied mit dem Alter und der Nahrung der Frau; besonders hervorzuheben ist hierbei der Umstand, dass auch bei einer reinen Fleischkost der Zuckergehalt unverändert Brustdrüse; Milch, Zucker-, Salz-, Wassergehalt. fortbesteht ( Dumas, Bensch ). Der Zuckergehalt ist ferner unabhängig von der wieder eintretenden Schwangerschaft und der Grösse der Brust- drüsen. — In den ersten 14 Tagen nach dem Gebären ist die Milch nach Simon zuckerreicher, eine Thatsache, welche Vernois und Bec- querel nicht bestätigt fanden. — Die Frauen schwacher Constitution geben im Durchschnitt Milch mit 4,3 pCt. Zucker, diejenigen starker 3,2 pCt. — Die Milch dunkelhaariger Frauen soll 1 pCt. Zucker mehr führen, als die der blonden ( L’heritier ). Hiergegen sprechen die Zahlen von Vernois und Becquerel . — Ob die Frau menstrualfähig sei oder nicht, ist gleichgiltig; während der fliessenden Regeln ändert sich der Zuckerwerth auf und ab um je ein Prozent. — Bei absatzwei- ser Entleerung der Brustdrüsen findet sich in der ersten Portion der ausgesogenen Flüssigkeit 0,2 pCt. Zucker weniger, als in der zweiten. — Wenn das tägliche Mittel der ausgeschiedenen Milch grösser wird, so nimmt der Zuckergehalt zu. e) Salze . Nach einer von Wildenstein ausgeführten Analyse der menschlichen Milchasche besteht dieselbe in 100 Theilen aus: Na = 4,2 ; Ka = 31,6 ; CaO = 18,8 ; MgO = 0,9 ; Fe 2 O 3 = 0,1 ; Cl = 19,1 ; PO 5 = 19,1 ; SO 3 = 2,6 und einer Spur von Kieselsäure. Eine ähnliche Zusammensetzung trägt nach R. Weber Poggendorf’s Annalen. 81. Bd. 402. und Haidlen auch die Milchasche der Kuh, so dass namentlich der grosse Gehalt an Kalium im Gegensatz zum Natrium eine constanter zu sein scheint. — Kohlen- säure, welche in der obigen Analyse fehlt und wahrscheinlich durch die während der Verbrennung entstandene SO 3 ausgetrieben wurde, ist in der frischen Milch vorhanden ( Lehmann ), und zwar kann sie, ähnlich wie im Blut, theilweise durch Aenderung des Drucks und theils durch stärkere Säuren abgeschieden werden. — Der mittlere Gehalt der Milch an Asche variirt zwischen 0,05 und 0,3 pCt., so dass sie ungefähr 2 pCt. des trockenen Milchrückstandes ausmacht. Die Abhängigkeit der Verände- rungen von den früher aufgezählten Bedingungen ist noch nicht genügend festgestellt, oder es verdienen wenigstens die mitgetheilten Zahlen noch geringes Zutrauen. f) Wassergehalt. Er schwankt zwischen 80,9 und 94,8 pCt. Das Mittel fällt auf 88,9 pCt. — Die vorliegenden Mittheilungen lassen schon erkennen, dass der Wassergehalt der Milch unter das Mittel fällt bei Frauen zwischen 15 und 20 Jahren, bei schwacher Constitution, in den ersten Tagen nach der Gebärakt, bei eingetretener Schwangerschaft, bei braunhaarigen Frauen (?), bei sehr guter Nahrung, bei reichlicher Milch- absonderung, und dass er umgekehrt unter das Mittel fällt bei starker Constitution, bei Blondhaarigen (?), schlechter Nahrung, beschränkter Brustdrüse; Gesammtmilch. Milchabsonderung, und dass er während der ausfliessenden Regeln bald über und bald unter den Mittelwerth geht. Feste Beziehungen im prozentischen Gehalt zwischen den einzelnen Bestandtheilen der Milch sind noch nicht aufgefunden, was Vernois und Becquerel dadurch ausdrücken, dass sie die von ihnen untersuch- ten Ammen in Käs- und Butterammen eintheilen. Die Zusammensetzung der mittlern Frauenmilch in 100 Theilen würde sich nach Vernois und Becquerel folgendermaassen ausneh- men: Wasser = 88,91 ; Zucker = 4,36 ; Käse und Extrakte = 3,92 ; Butter = 2,67 ; Asche = 0,14 . Nach Scherer und Clemm aber: Wasser = 89,10 ; Zucker und Extrakte = 3,85 ; Käse 3,37 ; Butter = 3,71 ; Asche = 0,17 . Um zu bestimmen, ob die Milch, welche kranke Säuglinge genossen, an dem Uebel dieser letzteren schuldig oder unschuldig sei, analysirten Becquerel und Ver- nois die betreffende Milch und fanden eben so häufig Abweichungen von dem Mittel, als ein Bestehen desselben. Daraus wird es allerdings wahrscheinlich, dass etwas mehr oder weniger des einen oder andern Bestandtheils nicht die Ursache des Lei- dens der Säuglinge war. Viel eher dürften die nicht untersuchten und bis dahin auch nicht untersuchbaren qualitativen Unterschiede der einzelnen Bestandtheile an- zuklagen sein. Die Milch Simon , Mediz. Chemie. II. Bd. 280. — Clemm , l. c. — v. Bueren , Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium etc. 1848 — 49. 166. — Moleschott , Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. Bd. 696. , oder besser gesagt der Drüsensaft, welcher während der Schwangerschaft, also vor der Geburt, abgesondert wird, muss den Angaben von Lassaigne, Simon, Clemm und v. Bueren zufolge im Ansehen und der Zusammensetzung in verschiedenen Fällen sich sehr ab- weichend verhalten. Wir wiederholen hier zuerst den Inhalt der Beob- achtungen von Scherer und Clemm und lassen die abweichenden Angaben folgen. Nach diesen ist die aus der menschlichen Brustdrüse gewonnene Flüssigkeit von seifenwasserartigem oder gelblichem Ansehen, zuweilen mit Blutstreifen durchzogen, klebrig, reagirt fast neutral und wird beim Stehen an freier Luft bald sauer. Das Mikroskop wies Colo- strumkügelchen und Fetttropfen, zuweilen veränderte Epithelialzellen nach. Casein fehlt, seine Stelle wurde durch Eiweiss vertreten. Die Zerlegung ergab bei derselben Schwangern: Die gewöhnliche Kost war am Tage vorher mit einer vegetabilischen vertauscht worden. Brustdrüse; Drüsensaft der Schwangern. Am zweiten Tage nach der Geburt war erst das Eiweiss verschwun- den und der Saft hatte die Eigenschaften der Milch angenommen. Eine Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis zur Geburt, den letzten wegen der Nahrung nicht mehr vergleichbaren Tag ausgenommen, die Butter im Abnehmen und das Eiweiss im Steigen begriffen war; Zucker, Salze und Wasser variirten dagegen wenig, oder mindestens ohne Re- gel. — Van Bueren fand den Drüsensaft stark alkalisch, gelblich, eiweissfrei und dafür casein- und stark fetthaltig und neben den Colo- strumkügelchen mit feinkörnigem Fett erfüllte Epithelialzellen. — Simon , welcher den Drüsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage vor der Geburt eine Flüssigkeit, welche Albumin, Casein, Butter und nur Spuren von Zucker enthielt. — Die Säfte des Kuheuters schliessen sich nach den Beobachtungen von Lassaigne, Moleschott und Clemm an die der menschlichen Brustdrüsen, insofern sie nur Ei- weiss und kein Casein führen, dagegen waren sie sehr rahmhaltig. Alle Neugeborenen Scanzoni , Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 300. — Schlossberger, Liebig’s An- nalen. 87. Bd. 324. — Natalis Guillot , Gazette medicale. 1853. p. 686. — Van Bueren , l. c. p. 153. , männliche und weibliche, sondern aus der Brustdrüse einige Tage nach der Geburt einen Saft, die Hexenmilch, ab; sie enthält nach Schlossberger und Guillot Milchkügelchen und nach Donnè auch Colostrumkör- perchen. Schlossberger , der ein solches Produkt analysirte, fand in 100 Theilen Wasser = 96,75; Fett = 0,82; Casein, Extrakte und Zucker = 2,38; Asche = 0,5. Sie verhält sich nach diesem Analytiker wie gewässerte Milch. Bei erwachsenen Männern Schlossberger, Liebig’s Annalen. 51. Bd. — Donders , Onderzoekingen gedaan in het Laboratorium etc. 1848—49. p. 153. — Todd , Cyclopaedea. Artikel Secretio. IV. 465. und männlichen Säugethieren stellt sich in sehr sel- tenen Fällen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossberger zerlegte die Milch eines Bockes; diese war um einige Prozent reicher an Casein und um mehr ärmer an Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorlie- geuden Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe ist unabhängig von einander, wie sie sich aus der relativen Zusammen- setzung der Milch ergiebt; über die Bedingungen ihrer Beschleuni- gung ist uns aber noch gar nichts bekannt. Die Absonderungsgeschwin- digkeit im Ganzen steht in nachweislicher Beziehung zur Häufigkeit der Entleerung. Daraus leiten wir ab, dass die Milch verschwindet, wenn sie gar nicht mehr entleert wird, dass die mittlere tägliche Menge zu- nimmt mit dem steigenden Alter, resp. der wachsenden Saugkraft des Kindes. Ob das Saugen aber allein durch die Entleerung der Drüsen wirkt, muss dahin gestellt bleiben, wenn es richtig ist, dass man durch dasselbe eine monatelang unterdrückte Absonderung wieder hergestellt hatte ( Gub- ler ) Valentin , Jahresbericht für 1852. 221. . — Nach Bestimmungen mit einer Saugpumpe schätzt Lam- perièrre Lehmann , Physiologische Chemie. II. Bd. p. 338 u. 326. die tägliche mittlere Milchmenge aus beiden Brüsten auf 1350 Gr. Brustdrüse; Milchbereitung. 4. Milchbereitung. Ueber die Formfolge H. Meyer , Züricher Mittheilungen. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. — Will , Ueber Milchabsonde- rung. Erlangen 1850. — Van Bueren , l. c. — Reinhardt, Virchow’s Archiv. I. Bd. p. 52 u. f. bei der Entwickelung der Milchkügelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse, Will, H. Meyer, van Bueren und Reinhardt bekannt geworden. Macht man die Voraussetzung, dass die Bildung aller geformten Massen nur von der Drüsenwand ausgeht, so ist als feststehend anzusehen, dass die Colostrumkörperchen aus dem umgewandelten Inhalt der Deckzel- len des Drüsenbläschens hervorgehen. Denn an der strukturlosen Wand derselben liegen zur Zeit der Colostrumabscheidung zunächst kleine Zel- len an, welche nach der Terminologie der Cysoblastenhypothese als Kerne bezeichnet werden; auf diesen ruhen grössere kernhaltige Zellen auf, deren Binnenraum zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit Fetttröpfchen gefüllt ist; diese letzteren sind in eine körnige Zwischen- substanz eingebettet und um den Kern herum gruppirt. Noch weiter gegen das Centrum des Drüsenbläschens liegen Häufchen von Fetttröpf- chen, welche, zusammengehalten durch eine körnige Zwischensubstanz und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr umgeben, ganz das An- sehen der Colostrumkörperchen tragen. Zuweilen soll sich in der Mitte eines solchen Häufchens noch ein Gebilde mit den optischen Eigenschaften des Zellenkerns vorfinden; in den grösseren Gängen endlich, wohin die Drüsenbläschen ihren Inhalt entleert haben, sind die Häufchen zerfallen, und es liegen die einzelnen Fetttröpfchen oder Milchkügelchen frei in der Flüssigkeit. Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur Zeit der Colostrumabsonderung und in den Brüsten der Neugeborenen, keineswegs aber in der milchgebenden Frauenbrust ( Reinhardt ) l. c. p. 61. , so dass es daraus wahrscheinlich wird, es möchten die Milchkügelchen auch noch unter einer andern Formfolge entstehen. Eine Vergleichung der Blut- und Milchstoffe zeigt sogleich, dass der Milchzucker in der Drüse entstanden sein muss, weil er selbst dann noch in der Milch und zwar reichlich beobachtet wird, wenn sich die Säugenden jeder Art von Zucker und Mehlnahrung enthalten, und weil auch in den an andern Orten des Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zucker- arten kein Milchzucker vorhanden ist. — Ob das Casein und die Fette aus dem Blut abgesetzt oder in den Drüsen entstanden sind, muss einstwei- len dahin gestellt bleiben. Geschähe das erstere, so würden in der Drüse jedenfalls auch noch andere chemische Produkte bei der Um- setzung der Blutbestandtheile in Fette u. s. w. abfallen, die dann in das Blut zurückkehrten. — Für einen innigeren Zusammenhang zwischen der Fettbildung im Gesammtkörper und der Butterausscheidung spricht die den Landwirthen bekannte Thatsache, dass Kühe, welche eine butter- Brustdrüse; Ernährung derselben. reiche Milch liefern, trotz guten Futters mager bleiben, und umgekehrt, dass sie bei eintretender Mästung mager bleibt. 5. Die Ausstossung der Milch kann geschehen durch die Kräfte, welche sie in die Gänge treiben, und sie kann beschleunigt werden durch die Muskeln, welche in der Haut und dem Bindegewebe der Brustdrüse liegen. Meist geschieht dieses aber nicht, so dass nur durch Aussaugen die Entleerung zu Stande kommt. 6. Die Milchdrüse des Neugeborenen ist aus mehreren flaschenför- migen Höhlen zusammengesetzt, die sich nach aussen auf die Brustwarze öffnen; die einzelnen Flaschen entsprechen den späteren grösseren Aus- führungsgängen. Bis zur eintretenden Pubertät gehen beim weiblichen Geschlecht aus den blinden Enden allmählig die ersten Anlagen der Drüsenbläschen hervor, die während der eingetretenen Pubertät, nament- lich aber zur Zeit der ersten Schwangerschaft, ihre volle Ausbildung er- langen. Nach dem Schluss der Menstruationsfähigkeit schwinden die Drüsenbläschen wieder, so dass in dem höheren Alter an ihre Stelle ein fetthaltiges Bindegewebe getreten ist ( Langer ). Die Ausbildung der Drüse und der andern weiblichen Geschlechtswerkzeuge muss aber be- kanntlich nicht nothwendig gleichläufig sein, da Mütter mit mangelhaft entwickelten Brustdrüsen gerade nicht zu den Seltenheiten zählen. Luftabsondernde Werkzeuge; Athmungsflächen . Einleitung . Zu diesen Werkzeugen sind zu zählen alle von Blut durchzogenen Flächen unseres Körpers, welche von einer Luftschicht von veränder- licher Zusammensetzung bedeckt ist. Wegen der allgemein giltigen Be- ziehungen zwischen gashaltigen oder leicht verdampfenden Flüssigkeiten und freien Gasarten, muss an allen Orten der bezeichneten Einrichtung sich eine Luftströmung einstellen, so wie irgend welche Ungleichheit zwischen dem Gas des Bluts und der deckenden Luft besteht. Die Strö- mungen, welche hierbei zum Vorschein kommen, sind entweder einfache Gasbewegungen in Folge des ungleichen Druckes, welcher zwischen ver- schiedenen Schichten einer und derselben Luftart besteht, oder sie sind von Veränderungen des Aggregatzustandes begleitet: Absorptionen und Verdampfungen. Die Gase, welche sich im normalen thierischen Leben an den bezeich- neten Luftströmungen, die man im weitesten Wortsinn Athmungen nennt, betheiligen, sind Sauerstoff, Kohlensäure, Stickstoff, Wasserdampf und in sehr geringen Mengen Wasserstoff und Ammoniakdampf. Erinnert man sich der Thatsache Siehe p. 18. , dass das Blut reich an CO 2 und arm an O ist, und dass die uns umgebende Atmosphäre sich gerade im umgekehrten Falle befindet, so folgt daraus, dass ein Kohlensäurestrom vom Blut zur Athmungsflächen; Einleitung, Luftkreis. Luft und ein Sauerstoffstrom in der umgekehrten Richtung geht, und zieht man die gemeine Erfahrung in Betracht, dass die das Blut umge- bende Luft nicht mit Wasserdampf gesättigt ist, so sieht man sogleich den letztern aus dem Blute aufsteigen. Nächstdem ist es Thatsache der genaueren Beobachtung, dass dem Stickgas eine Bewegung nicht gänzlich fehle, aber dass sie, wenn sie vorhanden, ebensowohl nach der einen als andern Richtung gehen kann. Diese Luftströmungen von und zu dem Blut bestehen nun während der ganzen Lebensdauer; daraus entspringt die Forderung einer stetigen Ungleichheit zwischen den Gasarten des einen und andern Raumes; in der That sind auch Mittel genug vorhanden, um eine volle Ausgleichung während des Lebens unmöglich zu machen; dahin zählen: die ungeheure Ausdehnung der irdischen Luft und die stetige Reinigung derselben von CO 2 und Wasserdampf, die stets fortgehende Entstehung von CO 2 in den thie- rischen Geweben aus dem C der Nahrungsmittel und dem O der Luft, der wiederkehrende Genuss von Wasser, der Unterschied der Temperatur und der Wechsel von Luft und Blut in und auf den Athmungsflächen. Da diese Bedingungen für die Beschleunigung der Luftströmung allen verschiedenen Athmungs- oder Respirationswerkzeugen gleichmäs- sig zu Gute kommen, so werden wir hier sogleich im Allgemeinen auf sie eingehen. Der Luftkreis . Bis zu einer endlichen, wenn auch nicht gemessenen Höhe, wird der Raum um unsere Erde, wie bekannt, ausgefüllt durch ein Gemenge permanenter und compressibeler Gasarten, unter denen für unsern Zweck N, O, CO 2 , HOgas zu nennen sind. Diese Gasarten äussern nun unter den Bedingungen ihres Aufenthaltes in der Atmosphäre keine Verwandtschaft zu einander, und somit üben sie auch keinen gegenseitigen Druck aus I. Bd. p. 52. ; man könnte sagen, jeder einzelnen Gasart sei die Gegenwart der andern vollkommen gleichgiltig. Wir würden also in der Luft mehrere vollständig von einander unabhängige Atmosphären zu betrachten haben. Des man- nigfach Uebereinstimmenden wegen behandeln wir aber die Luftkreise von Stick- und Sauerstoff gemeinsam, die von CO 2 und Wasserdampf dagegen gesondert. 1. Stickstoff- und Sauerstoffatmosphäre. Die aus diesen beiden Luft- arten gebildeten Atmosphären können gemeinsam betrachtet werden, weil sie sich in ihren gegenseitigen quantitativen Verhältnissen kaum ändern. Der Sauerstoffgehalt der Luft ist allerdings nach Regnault Annales de chimie et physique 3me Serie. 36. Bd. (1852). und Bunsen veränderlich; aber die Schwankungen seines prozentischen Werthes sind für unsere Bedürfnisse nicht in Anschlag zu bringen; sie liegen zwischen 21,0 Athmungsflächen; Luftkreis. und 20,9 . — Interessant ist dagegen eine qualitative Veränderung, die der atmosphärische Sauerstoff erleidet; indem er sich in das von Schön- bein Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. VI. Bd. 178. ibid. VII. Bd. 184. — Pharmazeut. Central- blatt. 1855. p. 22 und 199. entdeckte Ozon umwandelt. Die absolute Menge des Ozon, welche in der Luft vorkommt, ist nun allerdings so gering, dass an eine quantitative Bestimmung desselben nicht gedacht werden kann; immerhin aber kann eine Schätzung des relativen Gehaltes in der Atmosphäre geschehen durch ein mit Jodkalium getränktes Stärkepapierchen. Je tiefer sich dieses der freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit färbt, um so reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Stern- warten von Bern, Kremsmünster und Krakau durch Wolff, Relshuber und Karlinski unternommen sind, ist man über den relativen Ozon- gehalt der Luft zu folgenden Sätzen gelangt. — Bei östlichen Winden ist er kleiner, als bei westlichen; im Winter ist er bei östlichen Winden grösser, als im Sommer; umgekehrt verhält es sich mit westlichen Win- den, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem Barometerstand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederm, bei hoher Temperatur kleiner, als bei tiefer; an feuchten und trüben Tagen grösser, als an trockenen und heitern; bei Regenwolken grösser, als bei Cirrus und Cirrocumulus; in der Nacht höher, als bei Tag. Während Schnee- falls erreicht er sein Maximum. Aus diesen Thatsachen schliesst Rels- huber , dass mit der wachsenden (relativen) Dichtigkeit der atmosphä- rischen Dunsttheilchen der Ozongehalt im Steigen begriffen sei. Die Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den grössten Theil derselben aus und überwiegen namentlich die andern per- manenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade, dass man die Stick-, Sauerstoff- und die trockene Atmosphäre für gleichbedeutend er- klären kann. Unter dieser letztern versteht man aber den Theil der Luft, welcher übrig bleibt, wenn man von der Gesammtluft den in ihr enthaltenen Wasserdampf abgezogen hat. Die trockene Atmosphäre erfährt in ihrer Temperatur- und Massen- vertheilung mit Zeit und Ort mancherlei Veränderungen, die beide für uns nicht ohne alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturver- hältnisse der gemässigten Zone nach ihren wesentlichen Charakteren als bekannt voraussetzen können, so gehen wir nur auf die Veränderun- gen der trocknen Luft ein, welche das Barometer sichtbar macht. Der Barometerdruck der gemässigten Zone ist veränderlich Kämtz , Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. — Dove , Repertor. IV. Bd. p. 232. — Kämtz im Handwörterbuch der Physik vom August u. s. w. Berlin 1842. I. Bd. 246. : 1) mit den Tages- zeiten (täglicher Sonnengang). Dove zeigte, dass sich der Druck der trockenen At- mosphäre zwischen einem täglichen Maximum und Minimum bewegt, dessen Eintritt vom Gang der Sonne abhängig ist. Das Minimum erscheint in Folge der Erwärmung (Ausdehnung und seitlichen Abströmen), das Maximum in Folge der Abkühlung (Ver- Athmungsflächen; Luftkreis. dichtung und seitlichen Zuströmen) der Luft. Der Werth des Unterschiedes ist mit der Breite, den Jahreszeiten u. s. w. verschieden; da er in der gemässigten Zone höchstens nur wenige Zehentheile einer Linie beträgt, so gehen wir nicht weiter auf ihn ein. 2) Mit den Jahreszeiten (jährlicher Sonnengang); im Sommer ist der mittlere Barometerstand etwas niederer als im Winter, entsprechend den Wärme- unterschieden und den daraus folgenden Verdichtungen und Verdünnungen der Luft. In unserem Klima fällt das Maximum auf den Januar, das Minimum auf den August. Der Unterschied beträgt etwa 3 MM. — 3) Mit den Winden (Temperaturunterschiede des Erdballs); diese Schwankungen sind bei uns weitaus die bedeutendsten, Südwest bringt den niedrigsten, Nord den höchsten Barometerstand. Da die Temperatur- und Windbewegungen im Winter viel unruhiger als im Sommer sind, so kommen dort auch die grössten Schwankungen des Barometerstandes vor; in unseren Gegenden geht der Unterschied höchsten und niedrigsten Standes im Winter bis zu 29 MM., im Sommer aber nur bis zu 13 MM. 4) Endlich ist der Druck variabel mit der senk- rechten Höhe des Beobachtungsortes über dem Meeresspiegel; wir brauchen nur an das bekannte Faktum zu erinnern, dass mit dem Aufsteigen der Druck in einer geo- metrischen Proportion abnimmt. 2. Kohlensäure Th . de Saussure, Poggendorf’s Annalen. 19. Bd. — Boussingault , Annales de chi- mie et physique. 3me Serie. X. Bd. 456. — Boussingault und Lewy , ibid. 470. . Der geringe Gehalt des Luftraums an Kohlen- säure soll nach Saussure Schwankungen unterworfen sein; so soll ins- besondere auf hohen Berggipfeln, in der Nacht, über gefrorenem Boden mehr CO 2 vorkommen, als in der Ebene, bei Tag und über feuchtem Boden. Boussingault bestreitet den Unterschied in der Tag- und Nachtluft. Eine Bestimmung der CO 2 in den bevölkertsten Strassen von Paris, in welchem täglich ungefähr 3 Millionen Cubikmeter CO 2 ent- wickelt werden, gab für 100 Theile Luft im Mittel = 0,032 pCt. und gleichzeitige Beobachtungen auf dem Lande 0,030 pCt., also keinen Un- terschied. Die Grenzen, in welche Saussure und Boussingault den prozentischen Gehalt eingeschlossen fanden, liegen zwischen 0,03 und 0,05 . 3. Wasserdampf. Der in der Atmosphäre zerstreute Wasserdampf muss den Forderungen der Theorie gemäss mit Zeit und Ort sehr be- trächtlich wechseln, theils wegen der ungleichen Vertheilung des Wassers über der Erdoberfläche, aus welcher der Wasserdunst seinen Ursprung nimmt, theils auch wegen der veränderlichen Temperatur, welche das Fassungsvermögen des Luftraums für den Wasserdunst bestimmt. Das erstere ist an und für sich klar, wir wenden uns also sogleich zur Ab- hängigkeit der Dunstmenge von der Wärme. Der Wasserdampf kann wie alle Gasarten durch einen Druck, welcher die Theil- chen desselben zusammenpresst, zu einer Flüssigkeit verdichtet werden, und der Druck, der hierzu nöthig ist, muss grösser und grösser werden, wenn die Temperatur des Dampfs ansteigt. Dasselbe kann man auch etwas anders so aussprechen, dass die Dichtigkeit des Wasserdunstes (die Zahl seiner Theilchen in der Raumeinheit) um so grösser werden könne, je wärmer derselbe sei. Weil aber mit der Dichtigkeit des Wasserdampfes auch die abstossenden Kräfte zunehmen, welche zwischen seinen Theilchen wirksam sind, und damit die Drücke steigen, welche er auf seine feste Athmungsflächen; Luftkreis. oder flüssige Umgebung auszuüben vermag, so drückt man die vorgeführte Erfahrung gemeiniglich dahin aus, dass die Spannkräfte (Tensionen) des Wasserdampfs durch die Wärme vermehrt werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu Hilfe, dass von mehreren in einem beliebigen Raume zerstreuten Gasarten nur die gleichartigen Theilchen einen Druck auf einander ausüben, so kommt man sogleich zu der Ableitung, dass mit der Temperatur (oder den Spannkräften), die in der Raumeinheit enthaltene Dampfmenge (die Dichtigkeit des Dampfs) steigen müsse. Denn in dem Luftraum sind ja keine andern zusammenpressenden Kräfte zur Um- wandelung des Dampfs in Wasser vorhanden, als diejenigen, welche durch die an- wesenden Wasserdünste eingeführt wurden. Demnach würde man mit Hilfe der in den Lehrbüchern der Physik gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs J. Müller , Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. II. Bd. p. 490 u. f. für jede beliebige Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztern anzugeben im Stande sein, wenn in der That die Luft immer mit Wasser gesättigt wäre. Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil die Verdunstung des Wassers langsam vor sich geht, und theils weil Winde häufig die feuchte Luft wegführen (z. B. in die höhern Regionen) und durch trockene ersetzen. Aus diesem Grunde müssen wir auch rücksichtlich des Dampfgehaltes der Luft unterscheiden die absolute und die relative Dampfmenge. Unter der letztern verstehen wir nemlich das Verhältniss zwischen dem wirklich vorhandenen Dunst und demjenigen, welchen die Luft bei der gegebenen Temperatur zu fassen vermöchte. a) Die absolute Menge des atmosphärischen Wasserdampfs wechselt mit der Meeresnähe, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden. 1) Am Meeresufer steigt dieselbe von der kältesten Stunde des Tags allmählig bis zu der wärmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab ( Dove ). — 2) Im ebenen Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag, dann nimmt sie bis zum Abend hin ab, steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis zu Sonnenaufgang. Der Grund der Verschiedenheit beider Lokalitäten ist darin zu suchen, dass, wenn am Mittag die erwärmten untern Luftschichten aufsteigen, in der Meeresnähe die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt werden durch andere feuchte, welche vom Meere her eindringen, während in den Binnenländern statt ihrer trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst wieder zunehmen, wenn der aufsteigende Luftstrom an Mächtigkeit verloren hat. — 3) Auf hohen Bergen fehlt darum ebenfalls wieder das Sinken um Mittag, weil zu dieser Zeit der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporführt ( Kämtz, Saussure ). — 4) Im Juli ist die mittlere tägliche Dampfmenge während des Jahres am höchsten, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der Nähe der Küsten hervortretender, als im Innern der Continente. — 5) Bei Ostwinden im Winter ist die Dampfmenge am niedrigsten, bei Südwestwinden im Sommer am höchsten. Die Unterschiede, die der Nord- und Südwestwind herbeiführen, sind im Winter weniger bedeutend gefunden worden, als im Sommer ( Daniell ). b) Die relative Menge des Dampfs. 1) Das stündliche Mittel der relativen Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang am grössten; diese Unterschiede treten weniger im Winter als im Sommer hervor. — 2) Die relative Dunstmenge ist auf hohen Bergen meist geringer als in der Ebene ( Kämtz ). — 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Ja- Athmungsflächen; Luftkreis. nuar. — 4) Bei Nord- und bei allen Ostwinden (Süd- bis Nordost) ist die relative Feuchtigkeit geringer, als bei Süd- und Westwinden. Vergleicht man die absolute und relative Luftfeuchtigkeit, so findet man sogleich, dass die Luft relativ um so trockner ist, je mehr Wassergas (nach absolutem Maass gemessen) sie enthält. Diese Bemerkung wird uns mehrfach von Wichtigkeit sein. — Beispielsweise geben wir noch einige Tabellen, welche dem Werke von Kämtz entuom- men sind; in ihnen ist der prozentische Wassergehalt der Luft durch eine nach MM. gemessene Quecksilbersäule, also durch die Spannung ausgedrückt, die der in ihr ent- haltene Wasserdunst ausübt. Um aus dieser Angabe das Gewicht des Wasserdampfs zu finden, welcher in der Raumeinheit Luft enthalten ist, dienen die an vielen Orten mitgetheilten Feuchtigkeitstabellen Müller’s Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. 2. Bd. p. 699. . Die relative ist in Prozenten derjenigen Dampf- menge gegeben, welche in der Luft bei der bestehenden Temperatur hätte enthalten sein können. I. Tabelle . II. Tabelle . Beobachtungsort Halle . III. Tabelle . Beobachtungsort London . Athmungsflächen; Luftkreis. 4. Der Einfluss, den diese Veränderungen auf die Athmungen im Allgemeinen üben, gestaltet sich folgendermaassen. — a) Den Druck- schwankungen der trockenen Atmosphäre entsprechend, wird die Dich- tigkeit des im Blut diffundirten Sauerstoff- und Stickstoffgases sich meh- ren oder mindern, nach dem bekannten Grundsatz der Diffusionslehre, dass sich die Dichtigkeit eines in einer Flüssigkeit aufgelösten Gases ausgleicht mit derjenigen des gleichartigen Gases, welches über der Flüs- sigkeit steht. Wir verfehlen nicht, hier noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass jedoch keineswegs das in das Blut verbreitete Ogas oder Ngas dichter wird, wenn der Barometerstand bei sonst gleichblei- benden Verhältnissen nur steigt durch eine Vermehrung des atmosphä- rischen Wassergehaltes. — b) Da in der freien Luft die CO 2 nur un- wesentliche Veränderungen erfährt, so wird die Dichtigkeit der im Blut diffundirten CO 2 sich in Folge der atmosphärischen nicht wesent- lich ändern. Da nun aber unzweifelhaft ein grosser Theil der CO 2 , welche aus dem Blute unter dem Einfluss physikalischer Hilfsmittel aus- treten kann, nicht diffundirt, sondern in irgend welcher andern Form vorhanden ist, so ist es wenigstens denkbar, dass der Barometerdruck der Gesammtluft von Bedeutung ist für die Geschwindigkeit, mit der diese CO 2 verdunstet. Wäre sie z. B. in einer flüssigen Verbindung vor- handen, so würden auf ihren Uebergang in den Gaszustand ganz dieselben Grundsätze anzuwenden sein, welche für das Wasser gelten. — c) Der Wasserdampfgehalt, die Temperatur und die Gesammtspannung (Baro- meterstand) der Atmosphäre werden sich sämmtlich geltend machen für die Verdunstung des Wassers. Was zunächst den Dampfgehalt der At- mosphäre anlangt, so ist seine Bedeutung für den Wasserverlust bei der Athmung verschieden, je nachdem die Luft, in welcher die Verdunstung geschieht, bei der Athmung auf die Normaltemperatur des menschlichen Körpers gebracht wird, oder ob sie diejenige der Atmosphäre behält. Im ersten Fall, der sich z. B. mit der in die Lungen aufgenommenen Luft ereignet, wird um so mehr verdunsten können, je geringer der absolute Wassergehalt der eingenommenen Luft ist, also ceteris paribus am meisten im Winter, bei Sonnenaufgang, auf hohen Bergen, bei Nordostwind. Die- ses bedarf kaum einer Erläuterung; da die Luft in der Lunge auf etwa 36° C. erwärmt und nahezu für diese Temperatur mit Wasserdampf ge- sättigt wird, so muss die trockene Luft mehr Wasser ausführen, als die feuchte. — Gerade umgekehrt verhält sich dagegen der Wasserverlust beim Hautathmen; dieser wird um so bedeutender sein, je grösser die Capazität der umgebenden Luft für Wasserdampf ist und je entfernter diese Luft von ihrem Sättigungspunkt steht (bei niedrigem relativen Dampfgehalt). Da sich nun beide Zustände erfahrungsgemäss zur Mit- tagszeit und im hohen Sommer ereignen, während im Winter die Luft fast vollkommen mit Wasserdampf gesättigt ist, so finden sich die Ver- Athmungsflächen; Atmosphäre des Blutes. dunstungsgeschwindigkeiten von Lunge und Haut in einem zeitlichen Gegen- satz. — Der Barometerstand, selbst wenn er auch durch eine Veränderung eines Druckes der trockenen Atmosphäre bei gleichbleibender Spannung des Wasserdampfes gesteigert oder erniedrigt wird, übt immer einen Einfluss auf die Verdunstung. Denn es drückt auf das Wasser als solches jede Luftart, und dieser bestimmt, wie wir wissen, die Ge- schwindigkeit der Verdunstung; erniedrigt sich also der Barometer- stand, so wird die Damptbildung beschleunigt, und umgekehrt wird sie bei steigendem Luftdruck verlangsamt. Indem man nun diese Re- gel auf die wirklich vorkommenden Verhältnisse anzuwenden versucht, darf man natürlich niemals vergessen, neben dem Barometerstand die gleichzeitig vorhandene relative Dampfmenge der Luft mit in Rechnung zu bringen. So ist z. B. auf hohen Bergen die Geschwindigkeit der Dampfbildung vermehrt wegen des niederen Luftdruckes und gemindert wegen der dort öfter vorhandenen, relativ grösseren Dampfmenge, so dass das Resultat dieser zusammenwirkenden Umstände möglicher Weise doch dem in der Ebene vorhandenen gleich sein kann, wo die relative Dampfmenge gering und der Barometerdruck gross ist. Entstehen und Vergehen der Luft im menschlichen Leib . Wie in der irdischen Atmosphäre Vorrichtungen wirken, welche die Variation ihrer Zusammensetzung beschränken, so müssen nun auch im thierischen Organismus Mittel geboten sein, um die Atmosphären des Bluts in annähernd gleichartiger Zusammensetzung zu erhalten. Denn wenn der schon geschilderte Gasstrom ununterbrochen aus und in das Blut geschehen soll, so muss der aufgenommene Sauerstoff fortwäh- rend verzehrt werden, sonst würde die Spannung desselben in dem Luft- kreis und dem Blut bald gleich und somit ein Strom unmöglich sein, und ebenso muss CO 2 und HO dem Blut zugefügt werden, sonst wür- den diese Stoffe bald ganz aus dem Blute verdunstet sein. — Die Bil- dung des O und die Befreiung der CO 2 sind Vorgänge, die, wenn auch nicht durchweg, so doch meistentheils Hand in Hand gehen, indem der Sauerstoff untergeht in der CO 2 , welche durch die Oxydation des Kohlenstoffs unserer Nahrungsmittel, resp. der aus denselben gebildeten Gewebe, hervorgeht. Die Kohlensäurequelle, deren Strom in das Blut mündet, kann nun aber unmöglicher Weise zu allen Zeiten gleich leb- haft fliessen. Darauf führt uns zuerst der chemische Charakter der kohlenstoffhaltigen, thierischen Atome, die dem Angriff des Sauerstoffs einen sehr ungleichen Widerstand entgegenstellen. Wir dürfen somit sagen, dass die Gewebe, welche viel Traubenzucker, Fettsäuren niederer Ordnung, organisch saure Salze u. s. w. enthalten, mehr O verbrauchen und CO 2 liefern werden, als die Collagen-, Chondrigen-, elastischen Stoff haltenden. — Nächstdem wissen wir auch, dass die CO 2 bildung, welcher schliesslich alle organischen Verbindungen der Gewebe anheimfallen, Berührung der Luft inner- und ausserhalb des Bluts. nicht ohne Weiteres vor sich geht, so lange der Sauerstoff und die koh- lenstoffhaltigen Atome vorhanden sind, sondern dass viele complexe Atome erst vorbereitet werden müssen durch vorgängige Spaltungen, welche abhängig sind von Bedingungen, die mit der Zeit variiren. So müssen von dem Eiweissstoff Leucin, Tyrosin, Kreatin, Taurin, Hypo- xanthin u. A., von den neutralen Fetten Glyzerin abgespalten werden, bevor der Rest der Oxydation anheimfällt. Diese Spaltungen sind aber abhängig von sehr inconstanten Ereignissen in den Muskeln, in einzelnen Drüsen u. s. w. Endlich wissen wir, dass einzelne und namentlich das verbreitete Gewebe der Muskeln bald sauer und bald alkalisch reagirt, und daraus geht hervor, dass sie verschiedene Mengen von CO 2 zur Ueberführung in das Blut disponibel halten werden, selbst wenn die Er- zeugung derselben in stets gleicher Lebhaftigkeit vor sich ginge. Wenn die saure Reaktion durch das eintretende Uebergewicht einfach kohlensauren oder basisch phosphorsauren Natrons in die basische umschlägt, so muss ein Theil von der jeweilig gebildeten CO 2 in den Muskeln zurückgehalten werden, welcher, wenn die saure Reaktion wiederkehrt, ausgetrieben wird. — Die Beobachtung bestätigt nun im Allgemeinen die Forderun- gen der Theorie, indem sie darthut, dass mit den Nahrungsmitteln und den Zuständen unserer Organe die Aushauchung der CO 2 und die ihr entsprechende Sauerstoffbindung sehr wesentlich veränderlich ist. Aber hier hat die Beobachtung noch das Meiste zu leisten, da es ihr noch bevorsteht, zu ermitteln, wie die Zusammensetzung und Spannung der Luftarten in den Gewebsflüssigkeiten beschaffen sei. Ohne eine Kennt- niss der Atmosphären in den Geweben, derjenigen, in welche das Blut der Aortencapillaren eingebettet ist, wird uns niemals der ganze Ath- mungsprozess klar werden, wären uns auch noch so bekannt die Beziehun- gen zwischen der Luft in den Lungencapillaren und in der irdischen At- mosphäre. Denn von diesen beiden Vorgängen, von denen der erste O aus- und CO 2 in das Blut, der andere umgekehrt CO 2 aus- und O in das Blut führt, ist es der erstere, welcher in den gewöhnlichen Ver- hältnissen den zweiten vollkommen beherrscht und bestimmt. Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass das abdunstende Wasser mit den Speisen geradewegs wieder eingeführt wird, dass es aber auch, zum freilich geringsten Theil, durch Oxydation wasserstoffhaltiger Atom- complexe entsteht. Berührung zwischen den Luftarten der Erd- und Blut- atmosphäre . Geschwindigkeit und der Umfang des Austausches der Gasarten hängt, alles andere gleichgesetzt, ab von der Fläche und von der Zeit, in der die Berührung geschieht. Der Einfluss der ersten Bedingungen bedarf gar keiner Erwägung; rücksichtlich des letzteren erwähnen wir dagegen, dass es zur Unterhaltung der Athmung keineswegs genügt, Ludwig, Physiologie. II. 20 Absorptionsfähigkeit des Blutes. Luft und Blut überhaupt in Berührung zu halten, sondern, dass für einen gegebenen und constanten O- und CO 2 gehalt des Luftkreises und der Gewebsflüssigkeiten das mögliche Maximum in der Austauschungsge- schwindigkeit der Gase nur dann zu erreichen ist, wenn die in Berüh- rung befindlichen Theile des Bluts und der Luft möglichst genau so viel und so wenig O und CO 2 besitzen, als die Flüssigkeit der Gewebe und die nicht mit dem Körper in Berührung stehende, resp. die nicht in den Höhlungen desselben eingefangene Luft. Diese Bedingung ist aber nur dann befriedigt, wenn ein möglichst rascher Blut- und Gaswechsel eingeleitet wird, wenn also das Blut aus den Athemflächen, mit Sauer- stoff geschwängert, rasch in die CO 2 region eindringt, dort seinen Sauer- stoff verliert und CO 2 aufnimmt u. s. f. — Verweilen dieselben Bluttheil- chen längere Zeit an demselben Ort in den Geweben, so wird der Unterschied der Gasarten des Bluts und der Gewebe sich ausgleichen und damit auch der Gasstrom zwischen beiden Lokalitäten immer lang- samer werden. Dasselbe gilt natürlich auch für den Gasstrom zwischen dem Blut und der Luft, wenn der Antheil dieser letztern, welcher die Athmungsflächen berührt, nicht im Wechsel begriffen ist; daraus fol- gern wir, dass mit der Geschwindigkeit des Blutstroms, der Athemzüge und der die äussere Körperoberfläche berührenden Winde die Geschwin- digkeit des Gasaustausches wächst. Die Absorptionsfähigkeit des Blutes . Diese greift endlich als eine allgemeine Bedingung in die Athmung ein, weil das Blut die Uebertragung des Sauerstoffs aus der Luft in die Gewebe und diejenige der Kohlensäure in der umgekehrten Richtung vermittelt. Die Absorptionsfähigkeit des Blutes ist aber variabel mit der Zusammensetzung, und insbesondere scheint, dem frühern gemäss, die- selbe Alteration der Zusammensetzung verschiedenartig zu wirken für die Absorption von Sauerstoff und CO 2 , so dass z. B. durch den Gehalt des Bluts an phosphor- und kohlensaurem Natron seine Fähigkeit, CO 2 zu absorbiren, durch seinen Gehalt an Blutkörperchen seine Capazität für Sauerstoff bestimmt wurde. Besondere Athemwerkzeuge. Rücksichtlich des in den Vordergrund gestellten Blutwechsels unter- scheiden sich die Athemorgane durch die Ausbreitung der Berührungs- flächen zwischen Luft und Blut, durch die chemische Zusammensetzung und die Mächtigkeit der flüssigen Schicht, welche Blut und Luft trennt, und endlich durch die Geschwindigkeit des Blut- und Luftwechsels. A. Lungenathmung . Die an ihr betheiligten Werkzeuge zerfällen wir in lüftende und luftverändernde; zu den ersteren gehören Brust- und Bauchwandungen, Nase, Mundöffnung, Kehlkopf, Luftröhre bis in ihre feinsten Verzwei- gungen. Zu den letzteren zählen wir die Epithelien und die Blutgefässe, Lungenathmung; Lüftungswerkzeuge. welche auf und in den Häuten der Lungenbläschen liegen, und die Flüs- sigkeit, welche diese Häute durchtränkt. Lüftungswerkzeuge . Da wir schon zu wiederholten Malen auf diese Organe die Aufmerk- samkeit gelenkt haben, so heben wir hier nur noch die Beziehungen der- selben zum Luftstrom in den Lungen hervor. 1. Ueber die Mittel, welche den Luftstrom erzeugen Traube , in dessen Beiträgen zur experimental. Pathologie. 1846. 91. — Hutchinson , Cy- clopaedia by Todd . IV. Bd. Thorax. — Beau et Maissiat , Archiv. general. Dec. 1842. . Der Luft- wechsel innerhalb der Lungen wird dadurch bewerkstelligt, dass die Wandungen des Brustkastens, indem sie sich ausdehnen und zusammen- ziehen, das Volum der Brusthöhle mindern (Exspiration) oder mehren (Inspiration). — Bei dem gesunden Menschen ist aber jede Veränderung in dem Durchmesser der Brust- gleichbedeutend mit derjenigen der Lungenhöhle, weil die äussern Oberflächen der leicht ausdehnbaren Lun- gen innig angeschlossen sind an die innern Flächen der Brustwand und den Bewegungen dieser Folge leisten müssen. Da dieser Anschluss aber nur so lange besteht, als die Pleurahöhle vollkommen leer ist, so kann er nur abhängig sein von dem Druck, welchen die Luft in dem Binnen- raum der Lunge gegen die ausdehnbaren Lungenhäute ausübt, ein Druck, der im normalen Zustand kein Gegengewicht in dem Pleurasack findet. Demnach können wir bis auf Weiteres fingiren, die äussern Lungen- und die innern Brustflächen seien mit einander verwachsen, welches zu dem oft genug wirklich vorkommt. Unter dieser Voraussetzung leuchtet ein, dass bei einer jeden Erweiterung der Brusthöhle ein Luftstrom in die Lungen gehen muss, so lange ihr Hohlraum und die Atmosphäre in offener Verbindung stehen. Denn mit der Erweiterung der Brusthöhle wird auch die in ihr enthaltene Luft verdünnt, so dass sie nicht mehr im Stande ist, dem Druck der atmosphärischen das Gleichgewicht zu halten; der Strom wird also so lange andauern, bis die Spannung der Luft inner- und ausserhalb der Lungen wieder gleich geworden ist. Um- gekehrt muss aber ein Luftstrom aus den Lungen dringen, wenn der Brustraum verengert wird. Es ist, wie man danach sieht, der Apparat zur Einleitung des Luftwechsels ganz nach dem Grundsatze eines ge- wöhnlichen Blasebalgs gebaut. Zu den Umständen, welche den Brustkasten erweitern, also die Ein- athmung einleiten, gehören die Zusammenziehungen des Zwerchfells, der mm. scaleni, intercostales externi, levatores costarum, serrati postici su- periores, sternocleidomastoidei, pectorales minores, serrati antici majo- res (?), und endlich der Wirbelsäulestrecker. — a) Die Wirbelsäulstrecker sind, wenn man sich so ausdrücken darf, weniger von direkter als in- direkter Bedeutung; eine Streckung und Beugung der Wirbelsäule ändert 20* Einziehung der Luft. zwar, aber keineswegs in einer hervorragenden Weise die Räumlichkeit der Brusthöhle; sie übt dagegen einen bedeutenden Einfluss auf den Um- fang, den die Bewegungen der Rippen gewinnen können. Nach Hut- chinson ist bei gestreckter Wirbelsäule das Luftvolum, welches durch ein Maximum der Brusterweiterung und Verengerung eingezogen und aus- gestossen werden kann, am grössten, und in der That strecken wir uns auch, wenn wir möglichst tief einathmen wollen. — b) Bei der Zusam- menziehung des Zwerchfells flachen sich die gewöhnlich an den Rippen unmittelbar anliegenden ( Donders ) rothen Seitentheile des Zwerchfellge- wölbes ab und steigen in die Bauchhöhle hinunter, während die mit dem Herzen in Verbindung stehenden Abschnitte des centr. tendineum ihre Lagen behaupten ( Hyrtl ). Der Bogen, den ein von rechts nach links durch das Zwerchfell geführter Schnitt während der Ruhe desselben dar- stellt, flacht sich also ab und nähert sich einem Winkel, dessen abge- stumpfte Spitze unter dem Herzen liegt. Der Brustraum wird demnach dadurch erweitert, dass er sich an seinem breitesten Theil verlängert. Zu gleicher Zeit wird er aber auch an seiner Basis noch nach den Sei- ten hin ausgedehnt ( Duchenne ). Diese letztere auf den ersten Augen- blick etwas auffallende Erscheinung liegt darin begründet, dass die von dem herabsteigenden Zwerchfelle zusammengepressten Baucheingeweide die in der Wand der reg. hypochondriaca eingelegten Rippen ausein- ander treiben; denn was dem Bauch an Länge verloren ging, sucht er nach der Quere gewinnen. — c) Von den Erweiterern der Intercostal- räume (intercostales externi, levatores costarum, scaleni, serrati postici und sterno-cleidomastoidei) erwähnen wir nur die erstere, weil ihre wahre Leistung, trotzdem, dass sie schon Hamberger vor mehr als hundert Jahren aufgedeckt hat, immer noch hin und wieder bestritten wird. Da als bekannt vorauszusetzen ist, dass der Intercostalraum sich vergrössert, wenn sich der concave Winkel vergrössert, welchen Rippe und Längsachse der Wirbelsäule mit einander bilden, so genügt es, zu beweisen, dass sich die Fasern der m. intercostales externi verkürzen bei einer Vergrösserung dieses Winkels bis zum rechten. In Fig. 58 sei Fig. 58. a a parallel der Längenachse der Wirbelsäule, b c und d e seien nach der Richtung zweier Rippen in der Exspirationsstellung gezogen worden; b c stellen die Fasern eines intercostalis externus in dieser Lage vor. Man erhebe darauf die Rippe b c in die Lage von b f und ebenso d e auf d g , wobei sich die Winkel c b d und e d a auf einen Rechten vergrössern. Darauf messe man auf d g ein dem d e gleich langes Stück ab und ziehe die Linie b g , so wird diese nun die Länge der in Betracht gezogenen Muskelfaser für die neue Ausstossung der Luft. Rippenstellung darstellen. Diese Linie b g soll aber der Behauptung nach kürzer als b e sein. Um dieses zu beweisen, verbinde man die End- punkte e und g derselben durch e g , so dass man das Dreieck b g e er- hält; in diesem liegt aber b e einem grösserern Winkel ( b g e ) gegenüber als b g , also ist b e auch grösser als b g . — d) Die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarmmuskeln können erst nach Feststellung des Schulterblattes und Armes für die Auseinanderziehung des Thorax wirksam werden; wir schliessen nun, dass sie diese Rolle wirklich übernehmen, daraus, weil wir in der That bei tiefen und namentlich krampfhaften Inspirationen Arm und Schulterblatt durch Anstemmen des Arms feststellen. Ihre Wirkung bedarf weiterer Untersuchung, namentlich ist die oft behauptete inspiratorische Wirkung des serratus ant. major sehr zweifelhaft. Die Zusammenpressung der Brusthöhle wird bedingt durch die elastischen Kräfte der Brust-, der Lungen- oder Bauchwand und des Darminhalts und durch die Zusammenziehungen der mm. intercostales in- terni, transversus und obliqui abdominis, serrati postici inferiores, ster- nocostalis und der Beuger der Wirbelsäule, vor allem des rectus abdo- minis. — a) Schon früher wurde erwähnt (p. 99 ), dass die Wandungen der Lungen durch den auf ihre inneren Flächen wirkenden Luftdruck wäh- rend der ganzen Lebensdauer ausgedehnt sind. Dieses wird einfach dadurch bewiesen, dass die Lungen auf einen kleineren Umfang zusammenfallen, wenn man während des Lebens oder kurz nach dem Tode den Luftdruck auf den beiden Wandflächen gleich macht, z. B. dadurch, dass man, während die Stimmritze offen steht, den Pleurasack dem Luftzutritt bloslegt. Die Span- nung, welche die ausgedehnte Lungenwand der in ihr vorhandenen Luft mit- theilen kann, wenn man die Trachea luftdicht geschlossen und die äussere Lungenfläche dem Zutritt der Luft geöffnet, ist veränderlich mit dem Elastizitätscoeffizienten der Wandung, den Zuständen der kleinen Lungen- muskeln und der Ausdehnung der Lunge ( Carson, Donders ). Donders Handleiding. II. Bd. 393. maass die Spannung der Lungenluft (die Federkraft der Lungen- wand) dadurch, dass er in die Luftröhren einer sonst unversehrten Leiche ein ge- bogenes, mit Quecksilber gefülltes Manometer einsetzte, und dann die Pleurahöhle durch Anschneiden eines Intercostalraums öffnete. In diesem Fall, wo sich die Lunge im Zustande einer tiefsten Exspiration, also in der geringsten Ausdehnung fand, die sie während des Lebens einnimmt, trieb sie das Hg in dem Manometer um 6 MM. in die Höhe. Als die Lunge darauf annähernd bis zu dem Umfang auf- geblasen wurde, der ihr während der Inspiration zukommt, hielt die durch die Wand erzeugte Spannung der Lungenluft 30 MM. Hg das Gleichgewicht. Aus dieser Thatsache geht hervor, dass die elastischen Gebilde des Lungengewebes der Inspiration eine Hemmung entgegensetzen und die Exspiration befördern. — b) Die Wände der Brust besitzen (I. Bd. 376 .) wegen der Steifigkeit und Befestigungsart der Rippen eine bestimmte Ausstossung der Luft. Gleichgewichtslage, in die sie immer wieder zurückzukehren streben, gleichgiltig nach welcher Richtung hin sie auch daraus entfernt wurden. Durch diese elastischen Kräfte sind sie nun befähigt, die Ausathmung zu hemmen und fördern. Das erstere, wenn der Brustkasten durch eine energische Wirkung der Ausathmungsmuskeln auf ein geringeres Volum zusammengepresst werden soll, als er vermöge seiner elastischen Kräfte einnehmen würde; der Widerstand, den die Brustwandung der Zusammenziehung der Muskeln entgegensetzt, wächst mit der steigenden Verengung der Brusthöhle so rasch, dass er für jene bald unüberwind- lich wird. Die Elastizität des Brustkastens hemmt dagegen die Einath- mung und befördert also die Exspiration, jedesmal wenn dieselbe von der Gleichgewichtslage an ausgedehnt werden soll. Dieser Widerstand wächst ebenfalls rasch mit der steigenden Ausdehnung der Brusthöhle. Die durch die Inspiration bedingte Spannung der Wandung führt also, wenn die Zusammenziehung der Einathmungsmuskeln nachlässt, die Ex- spirationsbewegung aus. — c) Die Baucheingeweide sind innerhalb ihrer elastischen Decken (Haut, Muskeln, Faszien, Rippen) mit einer gewissen Spannung eingeschlossen, welche variirt mit den Eigenschaften dieser Decken, mit der Menge und Art des (festen, flüssigen, gasförmigen) Darm- inhaltes. Da Brust- und Bauchhöhle nur durch eine leicht bewegliche, sehr ausgedehnte Scheidewand (diaphragma) von einander getrennt sind, so muss der jeweilige Spannungsgrad in der Bauchhöhle sich gegen die Brusthöhle hin geltend machen, und es wird das Zwerchfell so weit gegen die Brusthöhle emporsteigen, bis die rückwirkende Spannung, welche sich in seiner Substanz entwickelt, gleich ist derjenigen, die den Baucheingeweiden zukommt. Daraus folgt, dass die Anfüllung der Unter- leibshöhle und die Zustände ihrer Wandung bestimmend wirken auf die Ausdehnung des Brustraums während der Ruhe der äussern Brustwand und des Zwerchfells; indem das letztere bei gefüllten Eingeweiden, in der Schwangerschaft u. s. f. höher emporsteigt; und insofern als die Inspiration, welche durch das Zwerchfell ausgeführt wird, an der Spannung der Baucheingeweide eine Hemmung erleidet, während der Rückgang des diaphragma nach der Exspirationsstellung hin hierdurch unterstützt wird — d) Die Wirkungen der aufgezählten Muskeln setzen wir als bekannt voraus. Wir erlauben uns nur an zweierlei zu erin- nern. Zuerst daran, dass die mm. intercostales interni gerade umge- kehrt wirken müssen, wie die externi. Um sich hiervon zu überzeugen, hat man in Fig. 58 . statt der Diagonale b g und b e nur zu ziehen die d f und d c . Man wird dann finden, dass d c kürzer als d f ist. — Ausser- dem ist einleuchtend, dass der m. transversus abdominis ein wahrer An- tagonist des Zwerchfells ist, welcher ohne irgend eine andere Neben- wirkung den Bauchinhalt zusammenpresst und damit das Zwerchfell empordrängt. Leitungsröhren. Athembewegungen. 2. Leitungsröhren für den Luftstrom in die Lunge. — Die Luft dringt aus der Atmosphäre nicht unmittelbar in die Lunge, sondern aus der letztern zunächst in ein Rohr (Trachea), das mit zwei Mündungen (durch Mund und Nase) in das Freie und mit sehr zahlreichen Aesten in die Lungenenden übergeht. — Alle Abtheilungen dieses Rohres sind hin- reichend gesteift, um nicht durch einen Unterschied des Luftdrucks auf ihrer äussern oder innern Seite, wie ihn der Athemstrom erzeugen kann, zusammengedrückt zu werden. An der weicheren Nase ist die Scheide- wand aufgestellt, an die sich jederseits ein spiraliger Knorpel legt, und hinter diesem folgt der Knochen. Wird die Mundhöhle als Athemöffnung benutzt, so steifen sich durch die Contraktion des m. orbicularis die Lippenränder, oder sie werden auch unter und über die Zahnränder ge- führt. — Die knorpeligen Halbringe der Luftröhre greifen weit genug, um den Theil der letztern, welcher nicht schon von der Wirbelsäule ge- schützt ist, zu steifen, und die Knorpelplättchen in den Bronchien hin- dern es, dass die Drücke der Brustwand die Röhre gar nicht oder min- destens nicht auf die Dauer zusammendrücken können; denn wäre ihr Lumen auch einmal geschlossen, so würde es beim Nachlass des Drucks durch die elastischen Knorpelplättchen wieder geöffnet werden. — Die Muskeln, welche in das Rohr eingelagert sind, glosso- und pharyngopa- latini, levator und tensor palati, die grossen und kleinen Kehlkopfsmuskeln u. s. w. sind ihrer Wirkung nach entweder schon besprochen (I. Bd. 418 ), theils erfahren sie bei Schlingen noch weitere Aufmerksamkeit. Die lan- gen Muskeln des Kehlkopfs, namentlich sternohyoidei und sternothyreoidei, und die Muskeln zwischen den Ringen der Trachea, reguliren die Dimen- sionen und die Lage der letztern, welche ohne dieses durch häufige Zerrungen nach Länge und Quere bei jedem tiefen Athemzug alterirt würden. 3. Verknüpfung der bewegenden Elemente zu Athembewegungen. Bei der grossen Zahl willkürlich erregbarer Muskeln, die an dem Athem- apparat angebracht sind, können begreiflich unzählige Arten von Combi- nationen derselben sowohl unter einander, als auch mit den elastischen Einrichtungen hervorgebracht werden. Die Athemwerkzeuge sind aber auch unwillkührlich erfolgenden Erregungen unterthan, wie wir schon früher sahen (I. Bd. 173 ). Da diesen automatische Apparat ein genau vorgezeich- neter Mechanismus beherrscht, so sind die aus ihm hervorgehenden Com- binationen beschränkt. a) Die unwillkührliche Erregung ordnet jedesmal die den Brustkasten bewegenden Kräfte so an, dass auf eine Einziehung der Luft unmittelbar ein Ausstossen derselben folgt, und dass dann längere Zeit der Brustkasten in Ruhe verharrt, welche die eben vollendete Ex- spiration von der folgenden Inspiration trennt. Die Einathmung dauert gemeiniglich etwas länger, als die Ausathmung und die Pause nimmt mehr Athembewegungen. Zeit ein, als beide Bewegungen zusammengenommen. — b) Die gleich- zeitig zur Ein- und Ausathmung in Erregung gesetzten Muskeln sind ver- änderlich. In Rücksicht auf dieselbe hat man mit einiger aber für prak- tische Zwecke gerechtfertigten Willkühr einige Typen der Athembewegung ausgeschieden, das leichte , das tiefe und das krampfhafte Ath- men . — α) Beim ruhigen Athmen ziehen sich während der Inspiration in den Leitungsröhren zusammen die Heber des Gaumens und die m. cricoarytenodei laterales. An den Brustwandungen aber zieht sich ent- weder nur das Zwergfell, oder die mm. scaleni und intercostales externi zusammen; die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei Männern durch das Zwergfell, bei Frauen durch die mm. scaleni und intercostales ( Traube ). An der ruhigen Exspiration betheiligt sich keine Zusammenziehung eines Muskels; die Entleerung des Brustkastens geschieht durch die elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauch- wand, des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gewöhnliche zu sein, wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen, wenn die Berührung zwischen beiden ungehindert vor sich geht, wenn die übrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des Herzens und der den Leidenschaften untergebenen Hirntheile in einem mittleren Grad von Erregung stehen. — β) Beim tiefen Athmen ziehen sich in der Einath- mung die bei der leichten Inspiration erwähnten Muskeln kräftiger zusam- men, so dass z. B., wenn im erstern Fall das Zwergfell gewöhnlich bis zur 6 . und 7 . Rippe, es bei tiefer Inspiration bis zur 11 . hinuntergeht, dass sich das Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit öffnet u. s. w. Ausser- dem treten noch hinzu in den Leitungsröhren die Zusammenziehungen der levatores alae nasi und am Brustkasten die levatores costarum, serrati postici, sternocleidomastoidei. Durch die Zusammenziehung der zahlreichen Muskeln, welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hypochondrien für die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum gewonnen, dass trotz des herunter steigenden Zwergfells der Bauch nicht vorgetrieben wird, son- dern zusammenfällt ( Hutchinson ). Die Unterschiede, welche die leichte Inspiration des Mannes und der Frau darbot, verschwinden bei der tie- feren. — Leidenschaftliche oder plötzliche sensible Erregungen, Ueber- maass von CO 2 oder Mangel an O im Blut sind die gewöhnlichen Be- dingungen, unter denen das tiefe Athmen sich einstellt. — γ) Bei der krampfhaften Einathmung treten die bis dahin als Einathmungsmuskeln bezeichneten in eine ganz intensive Zusammenziehung und zugleich die hyo- und thyreosternalis, so dass die Luftröhre weit herunter gezogen und dadurch möglichst weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die Strecker der Wirbelsäule und die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarm- muskeln, so dass u. A. der Arm unwillkührlich emporgeschleudert wird. Die Ausathmung wird durch möglichst viele Muskeln besorgt. Krampf- haft wird die Athmung bei der Erstickungsnoth. Geschwindigkeit der Athemfolge. Der Mechanismus einiger besonderer Arten unwillkührlicher Athembewegungen: das Niessen, Husten, Gähnen, Lachen, Seufzen, Schluchzen, kann bei einigem Nach- denken leicht abgeleitet werden. 4. Geschwindigkeit der Athemfolge. Die Zahl der Athemzüge in der Zeiteinheit (wir wollen die Minute setzen) ist veränderlich: a) Mit den Seelenzuständen. So kann der Wille die Zugfolge beschleunigen und verlang- samen, aber doch nur in wohlbestimmten Grenzen, denn er kann sie für die Dauer die Athemmuskeln weder erschlafft noch zusammengezogen erhalten. Die Zeit, während welcher der Wille den Luftwechsel unterbrechen kann, ist veränderlich mit gewissen gleich zu erwähnenden Anregungen (dem sog. Athembedürfniss), welche entweder geradezu von Seiten des Bluts oder durch die Nerven der Lungenoberfläche auf die automatische Hirnstelle ausgeübt werden. Beim steigenden Athembedürfniss sinkt die Macht des Willens. — Leidenschaften sind im Stande, die Athemfolge unwillkührlich zu beschleunigen und zu verlangsamen. — b) Reflektorische Erregun- gen, insbesondere von der Haut und Lungenoberfläche (durch die n. vagi), vermehren die Zahl der Athemzüge. Den Einfluss der nervi vagi hat Traube durch scharfe Versuche dargelegt; die Durchschneidung eines und noch mehr die der beiden Vagusstämme mindert die Zahl der Athem- züge beträchtlich ( Emmert ), und eine Erregung des mit dem Hirn in Verbindung stehenden Stumpfs beschleunigt entweder die Zugfolge oder vermag sogar eine dauernde Zusammenziehung des Zwergfells zu ver- anlassen ( Traube ). — c) Die chemische Zusammensetzung des Bluts und namentlich der O- und CO 2 gehalt desselben bestimmen die Zahlen der Athemzüge. Alles, was die CO 2 in dem Blute mehrt und den O desselben mindert, beschleunigt auch die Athemzüge, so z. B. gehemmter Luftwechsel, Vermehrung der CO 2 bildenden Stoffe des Bluts: nach Muskel- bewegungen, nach dem Genuss von Nahrung; jenseits gewisser Grenzen sind aber beide Einflüsse ohnmächtig. Leitet man bei einem Kaninchen, dessen Grosshirn ausgeschnitten, künstliche Respiration ein, so kann man durch eine Beschleunigung des Luftwechsels die Zahl der Athemzüge sehr mindern, aber nicht vollkommen aufheben, und umgekehrt, wenn die Ver- mehrung der CO 2 und die Minderung des O über gewisse, nur nicht schärfer bekannte Punkte schreitet, so verlangsamt sich der Athem bis zum Aufhören desselben. Die Uebereinstimmung, welche zwischen den beschleunigenden Umstän- den der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist in die Augen fallend. Quetelet Der Mensch, übers. von Riecke . 1838. 394. und Guy Donders und Bauduin , Handleiding. II. Bd. 372. geben nun auch an, dass im Allgemeinen die Zahl der Herzschläge 4 mal so gross bleibe, als die der Athemzüge. Von einer solchen Regel giebt es natürlich Ausnahmen, aber sie dient doch, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Athem- Luftsrömung in den Athemwegen. zahlen, eben wie die des Pulses, mit den Tages-, Jahres- und Lebens- zeiten auf- und abschwanken, beim Stehen und Gehen anders sind, als beim Liegen u. s. w. Der Mechanismus zur Herstellung dieser Beziehung scheint durch den Vagus vermittelt zu werden, denn wenn dieser durch- schnitten wird, so mehrt sich die Pulszahl und es verlangsamt sich die Athemfolge. Die Zahl der unwillkührlichen Athemzüge variirt in der Minute bei Neugeborenen von 23 zu 70 ( Quetelet ), bei Erwachsenen von 9 zu 40 ( Hutchinson ). Unter 1897 Personen fand der letzte Beobachter die überwiegende Zahl mit 16 — 24 Athemzüge begabt. 5. Luftströmung in den Athemwegen. a) Die Triebkräfte des Luft- stroms, nemlich der Dichtigkeitsunterschied der Luft in und ausser den Lungen ist in jedem Moment der In- und Exspiration gering, so lange die Zuleitungsröhren offen stehen. Nach manometrischen Beobachtungen von C. Ludwig, Krahmer, Valentin Müller’s Archiv. 1847. — Haeser’s Archiv. IX. Bd. 321. — Valentin , Lehrbuch der Phy- siologie. 2. Aufl. I. Bd. 529. beträgt er nur einige MM . Quecksilber; dieses ist bei der Leichtbeweglichkeit der Luft nothwendig, da sich ein Minimum eines bestehenden Spannungsunterschieds augenblick- lich ausgleicht; darum ist auch der durch den Brustkasten eingeleitete In- und Exspirationsstrom momentan mit der Brustbewegung beendet, wenn die Nase und Stimmritze geöffnet sind. Bei einer so beträchtlichen Verengerung, dass sie die Ausgleichung verhindert, oder bei vollkommenem Verschluss der zu der Lunge führenden Röhren kann die Differenz des äussern und innern Luftdrucks bedeutend gesteigert werden; der Werth dersel- ben ist aber selbst bei demselben Menschen sehr veränderlich, was sich erklärt, wenn man bedenkt, von wie vielen Umständen er abhängig ist. Nehmen wir z. B. an, es sei das Athmungsrohr vollkommen geschlossen, so muss bei der Einathmung die Span- nung der Luft in der Lunge um so mehr sinken, je vollkommener die Lunge entleert war, als die Einathmung begann, ferner, je geringer die Widerstände sind, welche die Wandungen und Eingeweide der Brust und des Bauchs der ausdehnenden Wir- kung der Muskeln entgegensetzen, und endlich, je grösser die ausdehnenden Muskel- kräfte selbst sind. — Unter denselben Bedingungen (Verschluss der Stimmritze etc.) muss aber die Spannung in der Brusthöhle bei der Exspiration um so mehr wachsen, je mehr die Brust bei der beginnenden Ausathmung mit Luft gefüllt war, je höher der Elastizitätscoeffizient der Bauch- und Brusttheile ist und je kräftiger die Aus- athmungsmuskeln wirken. Bei diesen Variationen kann einer absolute Bestimmung die- ser Spannungsdifferenzen wenig Werth beigelegt werden. b) Die Geschwindigkeit des Luftstroms ist natürlich variabel mit der Längenachse und dem Durchmesser der Athemwege; da der Querschnitt der letztern mit der Längenachse wesentlich sich ändert, und namentlich auch zuweilen ganz plötzlich, wie am ausgeprägtesten am Uebergang der Bron- chioli in die Infundibula, so kann von einem regelmässig angeordneten Luftstrom keine Rede sein. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit ist Volum des Brustraums. natürlich gegen die Lungenbläschen hin, wegen des bedeutend grössern Durch- messers der Athemwege an jener Stelle, viel geringer, als in der Luftröhre. 6. Volum des veränderlichen und unveränderlichen Brustraums. a) Der Mensch entleert selbst durch die tiefste Ausathmung, welche ihm möglich ist, nicht alle Luft aus seiner Brusthöhle; das Volum, welches zurückbleibt (residual air von Hutchinson ), giebt den unveränderlichen Brustraum. Dieser ist natürlich mit der Beweglichkeit und dem Umfang des Brustkastens (seiner Höhe und Tiefe) sehr veränderlich. Nach eini- gen Untersuchungen an den Leichen Erwachsener von Goodwin wech- selt derselbe zwischen 1500 und 2000 CC. Eine Methode, um das Volum des unveränderlichen Brustraums bei lebenden Men- schen zu bestimmen, giebt Harless Münchener gelehrte Anzeigen. Sept. 1854. 93. an. Er lässt eine möglichst tiefe Inspiration vollziehen, nach deren Vollendung Lungenraum und Atmosphäre durch die offen ge- haltenen Lippen und Stimmritze in Verbindung bleiben müssen. Die unbekannte Räum- lichkeit der Lungenhöhle (x) steht dann unter bekanntem Barometerdruck (b). Darauf bringt er mit dem geöffneten Mund in luftdichte Berührung einen Kasten, dessen Hohlraum mit einem bekannten Luftvolum (v) unter dem den atmosphärischen über- treffenden Drucke b′ gefüllt ist. Dann wird durch eine bis dahin verschlossene Oeff- nung des Kastens die Luft dieses letztern und der Lunge in Verbindung gebracht, so dass sich die Drücke in beiden Höhlungen ausgleichen zu einem mittleren (b″), beiden Räumen gemeinsamen; dieser kann an einem Manometer des Kastens abgelesen wer- den. Bekanntlich ist aber das in einem Volum enthaltene Luftgewicht gleich diesem Volum, multiplizirt mit dem Druck, unter welchem die Luft in ihm steht; demnach war das Luftgewicht der Lunge und das in dem Kasten vor der Kommunikation dieser beiden Räume = x b + v b′; dieses Luftgewicht muss aber auch = (x + v) b″ sein, d. h. gleich der Luft, welche unter dem Druck b″ in x und v nach ihrer Verbindung enthalten ist. Aus der Gleichung x b + v b′ = (x + v) b″ lässt sich nun x finden. Vorausgesetzt, es sei die Temperatur im Kasten und der Lungen- luft vollkommen ausgeglichen oder die Temperatur beider Orte genau bestimmt, wie die Notiz von Harless in Aussicht stellt, so würde sich gegen diese sinnreiche Bestimmungsart doch noch der Einwand erheben, dass das Volum des Lungenraumes vor und nach der Verbindung mit dem Kasten nicht dasselbe geblieben wäre. Denn der Brustkasten ist von beweglichen Wänden und von Blut umschlossen, und somit muss das Volum seines Hohlraums sich ändern mit der Spannung der in ihm enthalte- nen Luft. Ist dieses der Fall, so geht die obige Gleichung über in x b + v b′ = (y + v) b″, d. h. in eine Gleichung mit zwei Unbekannten, und es ist weder x noch y aus ihr zu finden. Wir müssen erwarten, ob Harless diesen Umstand berück- sichtigt und den aus ihm hervorgehenden Fehler in enge oder bestimmbare Grenzen eingeschlossen hat. b) Das Volum des veränderlichen Brustraums kann zwar bei dem- selben Menschen je nach der Tiefe der Athembewegung sehr beträcht- lich und in unendlich vielen Abstufungen wechseln, aber es ist doch in bestimmte Grenzen eingeschlossen, welche gegeben sind durch den Unterschied des Brustraums zwischen möglichst tiefer Ex- und Inspi- ration; das durch diesen Unterschied dargestellte Luftvolum (vital capa- city von Hutchinson ) wollen wir das Maximum des Raumwechsels Maximum des Raumwechsels. nennen. — Ausserdem bedient sich aber der Mensch bei gewöhnlichem un- willkührlichem Athmen wahrscheinlich immer nur einer annähernd glei- chen Luftmenge, indem er jedesmal ungefähr gleich tief ein- und aus- athmet; wir wollen dieses Volum als das des mittleren Athmens bezeichnen. Die Bestimmung beider Werthe ist von Interesse. Das Maximum des Raumwechsels Hutchinson , Von der Capazität der Lungen. Braunschw. 1849. — Simon , Ueber die Menge der ausgeathmeten Luft. Giessen 1848. — Fabius, Henle’s und Peufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 281. — Donders , ibid. p. 304. muss in Beziehung stehen zum Umfang, den die Brust überhaupt einnimmt, und zu der Beweglich- keit der einzelnen die Lungenhöhle umgebenden Stücke, also zur Höhe und Tiefe der Brust, der Beweglichkeit der Rippen, der Lungenwandung, des Zwergfells, der Eingeweide und Decken des Bauchs. Alle diese Grössen vermag die Messung nicht zu fixiren, und somit ist man, wie dies Hutchinson zuerst in ausgedehntem Maassstab gethan, darauf an- gewiesen, die Luft geradezu aufzufangen, welche von der Lunge ausge- stossen wird, wenn sie, während die Wirbelsäule gestreckt ist, von der tiefsten Einathmung zur tiefsten Ausathmung übergeht. Um die hierzu nöthige Volumbestimmung bequem auszuführen, bedient man sich eines mit Wasser gesperrten Gasometers, das seit Hutchinson den Namen Fig. 59. Spirometer führt. Dieses Instrument (Fig. 59 ) besteht wesentlich aus zwei in einander geschobenen Blechcylin- dern A und B , von denen B unten und A oben geschlossen ist. Der kleinere dieser Hohlcylinder ( A ), das eigentliche Gasometer, ist kalibrirt und trägt eine Skala, an der man die Grösse des Hohlraums von Null bis zu einer beliebigen ins Auge gefass- ten Zahl ablesen kann. In dem Boden ist bei C ein luftdicht schliessender conischer Stopfen und ausserdem ein Thermometer eingesetzt. Oeffnet man den erstern, so kann dann die im Cylinder vorhandene Luft aus- gelassen werden; durch das Thermo- meter ist die Temperatur des Hohl- raums messbar. Der ganze Behälter ist aquilibrirt durch die Gewichte G G , welche je an einem Faden über die Rollen R R laufen, so dass das Gasometer in jeder beliebigen Stellung im Gleichgewicht steht und weder zu sinken noch zu steigen trachtet. Die Abtheilung B , die Wasserwanne, ist am Boden von einer gebogenen Röhre H I K L M durchbohrt. Dieses Spirometrie. Rohr, durch welches die Luft aus der Lunge in das Gasometer überge- führt werden soll, mündet mit der Oeffnung H unter demselben; bei K ist ein Manometer in dasselbe eingefügt, von L an wandelt sich das bis dahin steife in ein bewegliches Rohr um, und bei M endlich trägt es an einem Mundstück einen Hahn, so dass es geschlossen werden kann. Durch das Manometer ist der Druck der Luft in dem Gasometer bestimmbar. Will man das Spirometer in Anwendung bringen, so füllt man B bis nahe an den Rand mit Wasser, zieht dann den Conus C aus dem Boden von A , drückt dieses letztere unter Wasser, bis das Null der Skala an eine beliebige Marke oder an den Wasserspiegel zu stehen kommt; dar- auf athmet man durch das Mundstück M aus; die Luft, welche in das Gasometer steigt, hebt dieses über Wasser. Nach Beendigung des Athem- zugs schliesst man den Hahn bei M und liest die Zahl der Skala ab, welche nun über Wasser oder an der fixirten Marke steht. Aus dem bekannten Cubikinhalt des aufgestiegenen Cylinderstückes kann mit Berück- sichtigung der Angabe des Thermometers und Manometers die ausgeath- mete Luftmenge berechnet werden. — Sehr zahlreiche Versuche, welche Hutchinson, J. Vogel, Simon, Fabius, Haeser u. s. w. mit diesem Instrument angestellt haben, ergaben, dass das Maximum des Raumwechsels verschiedener Menschen steigt 1 ) wie das Produkt aus der Länge der Wirbelsäule in den Umfang der Brust, über die Brustdrüse gemessen ( Fabius ). Diese Erfahrung erklärt sich daraus, weil das Pro- dukt proportional dem Umfang des Brustraums ist. Denn ein Mensch mit langer Wirbelsäule wird auch im Allgemeinen eine lange Brustwirbelsäule haben. Warum wurde aber diese nicht gemessen? — 2 ) Sie steigt mit der Beweglichkeit der Brust, resp. mit dem Unterschiede ihres Umfangs bei tiefster In- und Exspiration ( Simon, Hutchinson ). — 3 ) Vom 15 . bis zum 35 . Jahr steigt das Maximum des Raumwechsels und nimmt von da an ab ( Hutchinson ). — 4 ) Mit der Muskelstärke des ganzen Körpers ist das Maximum des Volums gestiegen ( Albert ). Fabius , der den Satz im Allgemeinen bestätigt, fand, dass dagegen Ringer von Profession, eifrige Turner u. s. w. ein geringes Maass des Maximums dar- bieten. — 5 ) Starke Fettleibigkeit mindert dasselbe ( Hutchinson ). — 6 ) Phthisische Anlage ebenfalls. — 7 ) Während der Schwangerschaft ist es grösser, als nach der Geburt; entweder müssen also die Rippen be- weglicher sein, oder es treibt der ausgedehnte Uterus die Rippen ausein- ander, so dass die Ausdehnung nach der Quere dem Zwergfell den Ver- lust ersetzt, welchen es durch die Hemmung seines Absteigens erfahren hatte ( Küchenmeister, Fabius ). — 8 ) Unmittelbar nach dem Mit- tagsessen ist der Wechsel des Brustraums geringer, als nach Kothent- leerung ( Hutchinson, Albert, Fabius ). — Je nach diesen Umstän- den wechselte bei Erwachsenen das Volum der ausgeathmeten Luft von 1200 bis 4500 CC. Mittleres Athemvolum; Luftmischung. Die Aerzte wünschen häufig zu wissen, ob das Volum des Raumwechsels, welches eine beliebige kranke Brust darbietet, dasjenige ist, welches man nach der ganzen An- lage des Menschen, seinem Wuchs, seiner Muskelkraft, seinem Alter nach u. s. w. er- warten durfte. Man sieht, dass die Schwierigkeit, auf eine solche Frage Auskunft zu geben, darin liegt, für den gerade untersuchten Kranken den Normalmenschen zu finden. Unzweifelhaft ist das bisherige Verfahren, das Volum der ausgeathmeten Luft zu vergleichen mit demjenigen, welches gleich alte und gleich grosse Menschen liefer- ten, etwas willkührlich; die Resultate derselben gaben demnach auch nur geringe praktische Befriedigung. — Fabius , welcher mit grösserer Einsicht den Gegenstand behandelte, stellte darum mit Hilfe von Buys-Ballot eine Formel auf; das daraus berechnete Maass des Luftwechsels kann aber ebenfalls nicht als Vergleichungspunkt dienen, wie Donders richtig hervorhebt. Denn sie nimmt als einen Faktor mit auf den Unterschied des Brustumfangs bei der In- und Exspiration, welcher aus der Messung des Kranken selbst gefunden wurde. Da nun aber ganz offenbar die Veränderlichkeit des Hohlraums und jene Grösse mit einander steigen und fallen, so giebt die Formel keinen von der krankhaften Brustveränderung unabhängigen Ver- gleichungspunkt. Das Volum des mittleren Athems ist schwer zu bestimmen, weil sich beim Messen desselben sogleich willkührliche Zusätze und Ab- züge einfinden. Unzweifelhaft variirt es aber auch bei verschiedenen Men- schen und steht wahrscheinlich in Beziehungen zur Häufigkeit des Ath- mens, da es offenbar abnimmt, wenn diese über einen gewissen Werth zu- nimmt. — Vierordt , der in Folge langer Uebung die Fähigkeit ge- wonnen hatte, das Volum eines unwillkührlichen Athemzugs ungestört zu messen, fand es bei sich zwischen 500 und 600 CC. 7. Mischung der zurückbleibenden und der wechselnden Luft Bergmann, Müller’s Archiv. 1845. 296. . Setzen wir beispielsweise das Volum des unveränderlichen Brustraums = 2000 CC. und das des mittleren Athems = 500 , so sieht man sogleich, dass beim Athmen nur ein kleiner Theil der ganzen Lungenluft im Wechsel begriffen ist. Demnach wird die neu eintretende und die restirende Luft rasch ge- mischt und zwar durch den Athemstrom selbst, wie daraus hervorgeht, dass die Luft, welche unmittelbar nach dem Einathmen auch wieder ausgeathmet wird, schon so wesentlich ihre Zusammensetzung geändert hat, dass dieses den langsamer wirkenden Diffusionsströmen nicht zugeschrieben werden kann. Die wesentlichsten Hilfsmittel zur Erzeugung dieser wir wollen sagen mechanischen Mischung scheinen zu liegen zuerst in der grossen Nachgiebigkeit der Lungenbläschen, neben der relativen Steifigkeit der Bronchialröhren. Dieser Umstand bedingt es natürlich, dass jede Verän- derung des Lungenraums zusammenfällt mit der der Bläschen, so dass nur bei sehr bedeutenden Volumsveränderungen der Brust neben den Lungenenden auch die Lungenwurzeln ausgedehnt werden. Bei jeder Einathmung, sei sie auch noch so wenig tief, bewegt sie dagegen die Lungenoberfläche, und zwar immer von dem unbeweglichen Ort des Brustraums (Spitze und Rückenwand) gegen den beweglicheren (Basis Luftverändernde Werkzeuge. und Brustbein) ( Donders ) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. 39. . Darum strömt bei jeder Inspiration Luft aus den engen Bronchiolis in die weiten Trichter, und stösst dort gegen die zahlreich vorhandenen Vorsprünge, welche die sogen. Lun- genzellen begrenzen, so dass der feine eindringende Strom rasch ver- theilt wird. Im ähnlichen Sinne muss die enge Stimmritze, müssen die vielen Winkelbiegungen der Bronchi wirken, und endlich muss, um des Kleinsten zu erwähnen, die Mischung auch durch die Flimmerbewegung unterstützt werden. Luftverändernde Werkzeuge . Damit der bis dahin eingehaltene Gang nicht unterbrochen werde, verfolgen wir die Schicksale der eingeathmeten Luft sogleich weiter. Ueber die Feststellung ihrer Veränderungen Valentin , Lehrbuch der Physiologie. I. Bd. 2. Auflage. 534. u. f. — Handwörterbuch der Chemie v. Liebig u. s. w. II. Bd. 1050. — Frankland, Liebig’s Annalen. 88. Bd. p. 82. — Moleschott , Holländische Beiträge. I. Bd. p. 86. — Scharling, Liebig’s Annalen. 45. Bd. Derselbe , Journal für prakt. Chemie. 36. Bd. — Andral und Gavarret , Ueber die durch die Lungen ausgeathmete CO 2 menge. Wiesbaden 1845. — Allen u. Pepys, Schweigger’s Journal f. Chemie u. Physik. I. Bd. 196. — Vierordt , Physiologie des Athmens. Karlsruhe 1845. — Prout, Schweigger’s Journal für Chemie etc. 15. Bd. — Becher , Studien über Respiration. Züricher Mittheilungen. 1855. . Die Temperaturveränderungen, welche die ausgeathmete Luft erlitten, misst man nach Valentin und Brunner mit einer hinreichenden Genauigkeit, wenn man ein empfindliches Thermometer mittelst eines Korkes in ein längeres Glasrohr befestigt. Eine der Oeffnungen des Rohrs soll bis zur Capillarenweite verengert sein. Die weitere führt man vor den Mund und athmet durch dieselbe mehrere Minuten hindurch aus, bis die Temperatur des Thermometers constant geworden ist. Mit einer Untersuchung der chemischen Veränderungen der Luft verbindet man verschiedene Absichten. Entweder man will nur erkennen, wie sich ihre prozentische Zusammensetzung zu einer beliebigen Zeit gestaltet habe, oder man will wissen, wie gross die Gewichte der Gase sind, welche während eines bestimmten Zeitraums von der Lunge verzehrt und produzirt wurden. Wenn es sich nur um den prozentischen Gehalt der Ausathmungsluft an O, CO 2 , N handelt, so genügt es, eine beliebige Menge der Ausathmungsluft aufzufangen und nach bekannten eudiometrischen Methoden zu analysiren, welche seit Bunsen, Reg- nault, Frankland einen so hohen Grad von Vollkommenheit und Einfachheit und damit ein sicheres Uebergewicht über die mühseligen Absorptionsmethoden gewonnen haben. — Man hat sich dieser vervollkommneten eudiometrischen Methoden leider noch nicht in allen vorliegenden Untersuchungen bedient; namentlich hat man, wie z. B. in der ausgedehnten Versuchsreihe von Vierordt , versäumt, die Gasvolumina vor und nach der Bestimmung eines ihrer Bestandtheile auf gleichen oder auf be- kannten Gehalt an Wassergas zu bringen, und auch oft nicht die nothwendige Sorg- falt auf die Temperaturbestimmung gewendet, so dass die in dem Volum des analy- sirten Gases beobachteten Veränderungen fälschlich alle auf Mehrung eines aus der Luft entfernten Bestandtheils geschoben werden. Die hieraus erwachsenden Fehler sind um so merklicher, wenn, wie es bei den Athemgasen gewöhnlich geschieht, aus den Analysen kleiner Mengen auf die Veränderungen sehr grosser zurückgeschlossen wird, weil sich dann der Fehler in demselben Verhältniss mehrt, in welchem die analysir- ten zu den berechneten Voluminibus stehen. — Den Prozentgehalt der Ausathmungs- luft an Wasserdampf suchte man bis dahin dadurch zu ermitteln, dass man durch ein Rohr die Luft ausathmete, welches mit Schwefelsäure feuchtem Asbest gefüllt Luftveränderung; Analytische Methoden. war. Das dem Mundende entgegengesetzte Ende dieses Rohres stand in Verbindung mit einem Ballon, der vor Beginn des Versuchs mit Salzwasser oder Oel gefüllt war. Die ins Rohr geblasene Ausathmungsluft gab an die SO 3 ihren Wassergehalt ab und stieg dann über die Sperrflüssigkeit. Die Gewichtszunahme des Asbestrohrs giebt den Wassergehalt des Luft olums, welches in den Ballon eingetreten ist ( Va- lentin, Moleschott ). Bei solchen Versuchen muss die Vorsicht gebraucht werden, zwischen den Mund und die Schwefelsäure kein kühles, durch Erniedrigung der Tem- peratur wasserausfällendes Mittelstück einzuschalten. Dieses etwas umständliche und durch die nothwendigen Volumbestimmungen der Luft und die Reduktion des beobachteten Volums auf die höher erwärmte der Lunge immer unsichere Verfahren könnte vielleicht mit Vortheil ersetzt werden durch das Thermo und Psychrometer, mit deren Hilfe die Temperatur und der Sättigungsgrad der Luft zu finden sind. Viel komplizirtere Versuche sind nothwendig, wenn man den ganzen Ge- winn oder Verlust eines oder aller am Gasaustausch betheiligten Stoffe während einer bestimmten Zeit feststellen will. In einem solchen Fall muss natürlich das Gewicht sämmtlicher Luft, welche in die Lunge ein- und ausgeht, bekannt sein, und da dieses zum grössten Theil wenigstens nur mit Hilfe eines Raummaasses gewonnen werden kann, so sieht man sogleich die Schwierigkeiten ein, welche sich einer län- gern Fortsetzung des Versuchs entgegenstellen, wegen der Isolation der grossen Luftmengen, welche aufgefangen werden müssen. Am relativ einfachsten gestaltet sich der Versuch, wenn man nur das Gewicht der CO 2 festzustellen beabsichtigt, welches die Ausathmung wegführt, indem dabei die Feststellung des Volums der eingeathmeten Luft wegen ihres geringen CO 2 gehal- tes derselbe unterbleiben darf. Diese Aufgabe hat man sich darum auch am häufig- sten gestellt. Die in Anwendung gebrachten Methoden, die ganze Menge der CO 2 zu fangen, sind folgende gewesen: 1) Man brachte Mund- und Nasenöffnung des zu beobachtenden Menschen in einen geschlossenen Raum, z. B. in eine mit einem Fenster versehene Kautschoukmaske, leitete durch diesen einen Luftstrom, dessen einseitige Richtung durch Ventile gesichert war; die Luft, welche in die Maske ein- drang, kam dorthin aus der Atmosphäre und die, welche ausdrang, wurde entweder durch eine Reihe von Röhren geführt, deren Inhalt CO 2 und Wasserdampf absor- birte ( Scharling ) oder in einem luftverdünnten Raum ( Andral und Gavarret ). Die Gewichtszunahme der Röhren, welche die CO 2 absorbirt hatten, gab im ersten Fall die während der Versuchszeit ausgestossene CO 2 ; im zweiten Fall wurde nach Beendigung des Versuchs Druck, Temperatur und Volum der durchgetretenen Luft gemessen und eine Probe derselben oder die ganze Masse analysirt. Der Luftstrom, welcher durch die Maske hindurchgeführt, wurde bei Andral und Gavarret unter- halten durch die Unterschiede des Luftdruckes, indem nach der einen Seite hin aus der Maske eine Röhre in die Atmosphäre und nach der andern in einen oder mehrere grosse, bei Beginn des Versuchs luftleere Ballons ging. Scharling zog die Luft mittelst eines Aspirators durch, d. h. er legte hinter die Absorptionsröhren ein grosses, mit Wasser gefülltes Fass, welches während des Versuchs seine Flüssigkeit entleerte und sich dafür mit Luft füllte, welche es aus der Maske bezog. Das We- sentliche dieser Einrichtung giebt Fig. 68. wieder. — 2) Die Personen athmeten un- gehindert durch die Nase Luft ein und stiessen dieselbe, nachdem sie in der Lunge verweilt hatte, aus durch ein Rohr, das bei geschlossener Nase in einen geschlosse- nen, ursprünglich luftfreien Raum mündete. Man bestimmte zu Ende des Versuchs Volum, Temperatur und Druck des mit Athemgasen gefüllten Raumes, und analysirte eine Probe der wohlgemengten Luft. Indem man also den prozentischen CO 2 gehalt der ausgeathmeten Luft und das Gesammtgewicht dieser letztern kannte, konnte man auch das Gesammtgewicht der ausgehauchten CO 2 berechnen. Die Methoden, die Luft Lungenathmung; Beobachtungsmethoden. aufzufangen, waren aber verschiedenartige. Prout bläst die Luft in eine ursprünglich zusammengepresste luftdichte Blase; Vierordt in einen Ballon, der ursprünglich mit Salzwasser gefüllt war; Allen, Pepys und Becher in ein mit Quecksilber ge- sperrtes Gasometer. Um die Versuche mit einer verhältnissmässig geringen Menge des thenren und schwer zu handhabenden Quecksilbers möglich zu machen, be- dienten sich Allen und Pepys zweier kleinen Gasometer, deren jeder nur wenige Athemzüge fassen konnte. Diese wurden abwechselnd benutzt. War einer derselben mit Luft gefüllt, so wurde aus ihm, nachdem der Inhalt durchgeschüttelt und auf sein Volum bestimmt war, eine Probe Luft in ein kleines Röhrchen zur späteren Analyse zurück gestellt, und dann wieder mit Quecksilber gefüllt. Unterdess war in das andere Gasometer geathmet und dieses dadurch mit Luft gefüllt worden; man kehrte alsdann zu dem ersten zurück und während dess wurde aus dem zweiten eine Luftprobe entnom- men u. s. f. — Becher gebrauchte dagegen das Gasometer von Despretz oder Döbereiner , dessen Einrichtung durch Fig. 60 erläutert wird. Auf das Brett ( E F ) ist ein Hohlcylinder aus Eisenblech ( A B C D ) und ein wohlgefirnisster solider Fig. 60. Holzcylinder ( L ) aufgeschraubt, so dass der Hohlraum des Blechcylinders bis auf eine schmale Rinne und einen über den Holzcy- linder stehenden Rand ausgefüllt ist. In diese Rinne passt möglichst genau eine cylin- drische tubulirte Glasglocke G I K H ; wenn also die Glocke über den Holzpflock möglichst tief eingeschoben ist, so ist der Hohlraum des Blechcylinders fast vollkommen ausge- füllt; in den übrig bleibenden Rest desselben wird Quecksilber gegossen, das bei möglichst tiefem Eintauchen der Glocke bis in den Tu- bulus derselben ( M ) hineinreichen muss; bläst man darauf Luft in den mit einem Hahn versehenen Schlauch ( M N ), so erhebt sich die Glocke, das Quecksilber sinkt in die Rinne zwischen L und A B C D , und die Luft wird immer gesperrt sein, wenn auch nur so viel Quecksilber vorhanden ist, um die Rinne so weit zu füllen, dass das ab- gerundete obere Ende des Holzpflockes be- deckt bleibt. Bei O ist in den Blechcylinder ein ebenes Glas eingesetzt, um den Stand des Quecksilbers und die Erhebung der graduirten Glasglocke abzulesen. — Die Resultate der Versuche, welche sich des Quecksilbers als Sperrmittel bedienten, verdienen ceteris paribus natürlich den Vorzug vor denen, in welchen man zu glei- chem Zwecke Kochsalzlösung anwendete. Denn diese letztere absorbirt merkliche Mengen von CO 2 , und es wird diese Absorption um so weniger zu vernachlässigen sein, als die Ausathmungsluft in einzelnen Blasen durch das Sperrwasser hindurch dringt und dann über dem letztern stehend es in einer beträchtlichen Ausdehnung berührt. Der daraus erwachsende Fehler ist auch kein constanter, weil die vom Sperr- wasser aufgenommene CO 2 menge variirt mit der Berührungsdauer und dem CO 2 gehalt der Ausathmungsluft. So lange nicht durch direkte Versuche die Grenzen dieses Feh- lers dargethan sind, muss man, dem Ausspruch der bessern Gasanalytiker gemäss, be- haupten, dass die auf diesem Wege angestellten Versuche nur brauchbar sind, be- deutende Unterschiede im Kohlensäuregehalt der Ausathmungsluft aufzudecken. — Alle Versuche aber, welche bis dahin nach der unter Nummer 2 aufgeführten Ludwig, Physiologie. II. 21 Temperatur und Wassergehalt der Ausathmungsluft. Methode angestellt wurden, leiden an dem gemeinsamen Uebelstande, dass sie sich über einen nur kurzen Zeitraum erstrecken. Sie erlauben also bei der ungemei- nen Veränderlichkeit in der Absonderungsgeschwindigkeit der CO 2 keinen Schluss auf andere, nicht untersuchte Zeitabschnitte. Geht man endlich darauf aus, geradewegs zu bestimmen, wie viel Ogas in den Lungen verschluckt, wie viel HOgas dort abgedunstet und wie viel Ngas eingenom- men oder ausgegeben sei, so muss man Menge und Zusammensetzung der in der Versuchszeit ein- und ausgeathmeten Luft kennen. Denn diese Gase sind in beiden Luftarten enthalten und sie können somit nur aus dem Unterschied ihrer Gewichte in den Ein- und Ausathmungsprodukten aufgefunden werden. Bis dahin sind am Men- schen solche Versuche nicht angestellt worden. Bei Thieren ist dagegen die Schwie- rigkeit derselben überwunden, wie wir mittheilen werden, wenn wir auf die staunens- werthe Versuchsreihe eingehen, welche der grosse Physiker Regnault in Verbin- dung mit Reiset ausgeführt hat. Dort werden wir auch einige indirekte Methoden erwähnen, welche sich das oben bezeichnete Ziel gesteckt haben. 1. Temperatur der Ausathmungsluft . Die in die Lungen aufgenommene Luft muss ihre Temperatur ausgleichen mit derjenigen der Lungenwand, resp. des in ihr strömenden Blutes. Die Zeit, die zu dieser Ausgleichung nothwendig, wächst mit dem Temperaturunterschied zwischen Blut und Luft und dem aufgenommenen Volum der letzteren. So fand z. B. Valentin (gleiche Zahl und Tiefe der Athembewegung vorausgesetzt), dass bei einer Lufttemperatur von — 6,3 ° C. die ausge- athmete Luft auf + 29,8 ° C., bei einer Lufttemperatur von + 19,5 ° C. die ausgeathmete Luft auf + 37,25 ° C., bei einer Lufttemperatur von 41,9 ° C., die Ausathmungsluft auf + 38,1 ° C. erwärmt oder abgekühlt war. Die zur Ausgleichung der Temperatur nöthige Zeitdauer kann keinenfalls gross sein bei den zahlreichen Berührungen zwischen Luft und Lungenwand. 2. Vermehrung des Wassergehaltes . Die Luft, welche in die Athemwege geführt wird, ist meist niederer temperirt, und somit jedenfalls trockener, als die Ausathmungsluft, welche in den Lungen er- wärmt und in vielfache Berührung mit feuchten Flächen gebracht wurde. — Die Luft, welche in die Lungen aufgenommen, wird sich darum rasch mit Wasser sättigen; der Zeitraum, welcher hierzu nothwendig, wechselt mit dem Volum, der Trockenheit und der Wärme der Einathmungsluft. Ueber den absoluten Zeitwerth, der zur Sättigung nöthig, bestehen be- deutende Widersprüche; Valentin behauptet, dass selbst bei rascher Athemfolge die Sättigung für die bestehende Temperatur beendet sei; Moleschott traf sie dann kaum zur Hälfte satt. — Das Gewicht des Lungendampfes, welches wir in der Zeiteinheit ausstossen, variirt nach- weislich mit der Zahl der Athemzüge. Hierüber giebt Valentin l. c. p. 538. fol- gende Tabelle, aus welcher hervorgeht, dass das Gewicht des Wasser- dunstes sich mindert, wenn die Zahl der Athemzüge in der Minute über sechs steigt. Kohlensäuregehalt der Ausathmungsluft. Wünschenswerth würde es sein, zu wissen, wie die Aufenthaltszeit und das Volum der aufgenommenen Luft mit der Athemfolge gewechselt habe. Auch mit der Temperatur der Atmosphäre findet Valentin das Gewicht des ausgestossenen Dampfes veränderlich. In der Kälte sollen gleich viel Athemzüge weniger Dunst zu Tage fördern, als in der Wärme. Als tägliches Mittel des von ihm ausgehauchten Wassers giebt Valen- tin ( 54 Kgr. schwer) 375 Gr. an. Nach einer geringeren Zahl von Beobachtungen fand er es bei 8 Studenten zu 540 Gr. täglich. Diese Menge repräsentirt natürlich nicht den Wasserverlust, den das Blut durch die Athmung erleidet; um ihn zu finden, würde man von den gegebenen Zahlen die unbekannte Mengen des Wasserdunstes abzuziehen haben, welche in der Einathmungsluft enthalten war. Ueber indirekte Schätzungsmethoden siehe thierische Wärme und Vergleichung der Ausgabe und Einnahme des Blutes. 3. Veränderung der Kohlensäure . Das Gewicht der ent- leerten Kohlensäure ändert sich mit dem Unterschied der Kohlensäure- mengen in der Lungenluft und im Blut, mit der Zeitdauer, während der dieser Unterschied besteht, mit der Ausdehnung der Berührungsfläche zwischen Luft und Blut, der Temperatur und dem Druck beider. Theoretische Einleitung . Um die Bedeutung der Bedingungen richtig zu fassen, welche die Absonderungsgeschwindigkeit der CO 2 beherrschen, dienen folgende Sätze: 1) Die Kräfte (Spannungen), mit welchen sich die Theilchen eines Gases ab- stossen, nehmen ab mit der gegenseitigen Entfernung derselben, also mit der abneh- menden Dichtigkeit des Gases ( Mariotte’s ches Gesetz); diese abstossenden Kräfte können ganz in derselben Weise, wie es p. 29 für das Wasser entwickelt wurde, dazu dienen, Geschwindigkeit oder Spannungen des Gases zu erzeugen, und hier wie dort, ist die Geschwindigkeit, welche der Gewichtseinheit Gas mitgetheilt werden kann, proportional dem Unterschied der Spannungen, welcher auf den entgegengesetzt gerichteten Grenzflächen derselben herrscht. 2) Nur die gleichartigen (aus denselben chemischen Atomen und Atomzahlen be stehenden) Gastheilchen üben eine Abstossung gegen einander. 3) Die Geschwindigkeit, mit welcher ein ohne Hinderniss bewegliches Gastheil- chen ein anderes fixirtes flieht, wächst mit der Zeit, so dass es in der ersten Zeit- einheit einen kleineren Weg zurücklegt, als in der zweiten, in dieser einen klei- nern als in der dritten u. s. f. — Die Unterschiede der Geschwindigkeiten in den Zeiteinheiten (die beschleunigenden Kräfte) nehmen dagegen ab mit der stei- genden Zeit. Dieses folgt aus dem Beharrungsvermögen und aus dem ersten Satz, dass die Intensität der abstossenden Kraft abnimmt mit der Entfernung. 21* Kohlensäureausscheidung; theoretische Einleitung. Denn das Gastheilchen wird die im ersten Augenblick empfangene Geschwindigkeit auch noch in allen folgenden behaupten; dieselbe wird aber in jedem folgenden Augenblick vermehrt durch einen neuen Druck der sich abstossenden Gasmolekeln. Die Anzahl der Stösse, welche das in Bewegung gesetzte Gastheilchen empfangen hat, wächst also mit der Zeit und darum in derselben Weise die Geschwindigkeit. Die Kraft der Stösse nimmt aber von einem zum andern Zeittheilchen ab, weil die Entfernung der beiden Molekeln mit der Dauer der Bewegung steigt, und darum ver- ringert sich mit der steigenden Zeit die beschleunigende Kraft, welche von jenen Stössen abhängt. 4) Die Gesetze, welche für die Bewegung tropfbarer Flüssigkeiten durch Röhren gelten, finden auch ihre Anwendung auf Gase, welche sich im Diffusionsstrom durch Röh- ren bewegen. Tauchte z. B. die eine Mündung eines Rohrs in einen Behälter voll Sauer- stoffgas und die andere Röhrenöffnung in eine Atmosphäre von Kohlensäure, so würden unabhängig von einander zwei Gasströme in entgegengesetzten Richtungen durch das Röhrenlumen laufen, und zwar darum ohne gegenseitige Störung, weil die Sauerstoff- theilchen nicht von der CO 2 und diese nicht von jener gedrückt würden. Die Bewe- gung eines jeden dieser Ströme würde einzig und allein begründet sein in der Ab- stossung der gleichartigen Gastheilchen, oder, was dasselbe bedeutet, von dem Dichtig- keits- (Spannungs-) unterschied, welcher zwischen den gleichartigen Gastheilchen an den beiden Enden der Röhre besteht. Vorausgesetzt, man bewerkstelligte es nun durch irgend welche Vorrichtung, dass der Spannungsunterschied am Ende und am Anfang des Rohrs während der ganzen Versuchsdauer unverändert bleibe, so würde sich auch die Geschwindigkeit eines jeden Stroms in dieser Zeit constant erhalten, und es müsste, weil eine Bewegung materieller Theilchen vor sich geht, die Geschwindig- keit abhängig sein einerseits von dem Spannungsunterschied, und andererseits von den Reibungen und dem Widerstande, welche die Anordnung der Röhre mit sich bringt. Da es den Anschein hat, als ob diese Behauptungen der Theorie an sich klar wären, so betonen wir der physiologischen Wichtigkeit wegen nur, dass die Di- mensionen des Rohrs von Einfluss sind auf die Geschwindigkeit des Diffusionsstroms nach der Röhrenlänge. Nehmen wir an, es sei uns ein trichterförmiges Rohr A B Fig. 61. Fig. 61 gegeben, in welcher ein Sauerstoff- strom von B nach A und ein Kohlensäure- strom von A nach B gehe. Gesetzt nun, es sei der Unterschied der grössern Kohlen- säuredichtigkeit bei A und der geringere bei B gleich demjenigen für den Sauerstoff bei B (der grössern) und A (der geringern), so wür- den die Triebkräfte, welche den CO 2 strom bewegen, doch grösser sein, als diejeni- gen, welche die Sauerstoffbewegung einlei- ten und darum auch die Geschwindigkeit des ersteren über die des letztern überwie- gen. Dieses ist ohne weiteren Beweis einleuchtend, weil bei gleicher Spannung in den Gasflächen die Zahl der CO 2 theilchen, welche von A nach B hin drückt, grösser ist, als die der Sauerstofftheilchen, welche von B nach A hin drängen. Wir machen im Voraus darauf aufmerksam, dass der CO 2 strom beginnt von der Lungenoberfläche, welche eine Ausbreitung von vielen Quadratfussen besitzt, und mündet in der engen Luftröhre, während umgekehrt der Sauerstoffstrom von den Wurzeln gegen die En- den der Lunge streichen muss. 5. Setzen wir voraus, es wäre uns ein geschlossener Raum gegeben, welcher mit einer beliebigen Gasart, z. B. mit atmosphärischer Luft, gefüllt sei, und es werde Kohlensäureausscheidung; theoretische Einleitung. eine beliebige Grenze dieses Raums in Verbindung gebracht mit einer andern Gasart, z. B. CO 2 , deren Dichtigkeit unveränderlich gedacht wird, Bedingungen, wie sie an- nähernd in der Lunge verwirklicht sind, so werden wir behaupten dürfen: a) Die Geschwindigkeit des Diffusionsstroms aus der CO 2 in die Luft nimmt ab, wenn die Zeit des bestehenden Diffusionsstroms zunimmt, und insbesondere wird sich die Ge- schwindigkeitsabnahme so gestalten, dass sie im Beginn des Diffusionsstroms rasch und mit der wachsenden Dauer desselben langsamer und langsamer absinkt. Ab- nehmen muss die Geschwindigkeit überhaupt, weil die treibenden Kräfte, oder der Dichtigkeitsunterschied der CO 2 , zwischen der angenommenen Grenzfläche und dem geschlossenen Raum mit dem Eindringen von CO 2 in den letztern geringer werden muss. Im Beginn der Zeit, wo der geschlossene Raum vollkommen CO 2 frei war, wird der Strom unter der ganzen Spannung der angrenzenden CO 2 eintreten; im nächsten Augenblick wird der Strom schon gehemmt durch die zuerst eingetretene CO 2 u. s. f. und die Geschwindigkeit muss also immer langsamer werden. Daraus geht auch hervor, dass die Geschwindigkeitsabnahme nicht im geraden Verhältniss zum Wachsthum der Zeit erfolgen kann. Die Geschwindigkeit wird auf Null herab- sinken, wenn die CO 2 spannung im geschlossenen Raum und an der angenommenen Grenzfläche gleich geworden ist. — b) Der Zeitraum, welcher verfliesst, bis die Dichtig- keit der CO 2 in dem geschlossenen Raum und der Grenzfläche gleichwerthig ist, wächst (bei gleicher Berührungsfläche und gleicher ursprünglichen Spannung der CO 2 ) mit dem Cubikinhalt des Raumes; er nimmt dagegen ab (bei gleicher Spannung und gleichem Cubikinhalt des Raums) mit der Berührungsfläche, und (bei gleicher Berührungsfläche und gleichem Cubikinbalt) mit abnehmender Anfangsspannung. Genauere Angaben über die Zu- und Abnahme der Zeit unter den gegebenen Umständen sind noch nicht gelie- fert. — c) Das Maximum des Dichtigkeitsunterschiedes, welches die CO 2 während der Stromdauer in den verschiedenen Querschnitten des geschlossenen Raum darbietet, nimmt mit der Zeit ab; mit der nähern Bestimmung, dass die Abnahme während gleicher Zeiten um so geringer wird, je entfernter die Zeit vom Beginn des Stromes liegt. Zur Verdeut- Fig. 62. lichung dieses Satzes ziehen wir die Fig. 62 herbei. Stellen wir uns ihr entsprechend den geschlosse- nen Luftraum als einen Hohlcylinder vor, der mit einer seiner Grundflächen AB in ein Kohlensäure- meer von constanter Dichtigkeit taucht, so wird der Ort der höchsten Spannung immer auf der Fläche A B und der der niedrigsten auf der ent- gegengesetzten Grundfläche C D zu finden sein. Denn es ist das Fortschreiten des Diffusionsstromes eine Folge der fortlaufend ver- änderten Dichtigkeit (nicht aber etwa einer Wellenbewegung) und es muss dem- nach, wenn die Bewegung von einem an A B nähern zu einem von A B entferntern Ort gehen soll, die Spannung an dem erstern höher als an dem letztern sein. Das Maximum des Dichtigkeitsunterschiedes wird also immer gefunden, wenn man die auf der Fläche C D bestehende Spannung abzieht von der constanten in AB . Wir wollen uns nun der Einfachheit wegen die Dichtigkeit der CO 2 an beiden Orten gemessen denken durch die gleichen Längeneinheiten der Linien C D und A B . Die vorhin aus- gesprochene Behauptung würde nun, auf den Fall in Fig. 62 übertragen, so lauten, dass die Dichtigkeit der CO 2 auf der Fläche C D in kürzerer Zeit von Null auf halb D C (von D auf E ) ansteigt, als von halb D C auf ganz D C . Dieses rechtfertigt sich aber dadurch, dass die absoluten Mengen von CO 2 , welche zur Herbeiführung eines gleichen Zuwachses von Dichtigkeit auf C D nothwendig sind, gleich sein müssen. Die Menge der CO 2 aber, welche ein Strom unter Voraussetzung gleichen Quer- schnitts in der Zeiteinheit mit sich führt, ist natürlich proportional dem Spannungsunter- Kohlensäureausscheidung; theoretische Einleitung. schiede der CO 2 am Beginn und Ende der Strombahn (= der Geschwindigkeit desselben). Nun bewegt sich aber, wenn die Dichtigkeit in C D von Null ( D ) auf ½ D C ( E ) an- wächst, der Spannungsunterschied zwischen ganz und halb D C (sein arithmetisches Mittel in diesen Grenzen ist = ¾ D C ), während er sich bei dem Ansteigen der Span- nung von ½ C D ( E ) auf ganz D C ( C ) zwischen ein halb D C und Null bewegt (sein arithmetisches Mittel ist = ¼ D C ). Die Stromgeschwindigkeit wird also zwischen E und D auch viel grösser sein, als zwischen E und C . — Die soeben gewonnene Erfahrung führt uns weiter zu der Behauptung: d) Die Curve der Dichtigkeit, be- schrieben über die Achse des geschlossenen Raums, nimmt mit der wachsenden Strom- dauer an Steilheit ab. Zum Verständniss dieses Satzes ist zunächst die Erläuterung einiger Ausdrücke nothwendig. Achse des geschlossenen Raumes nennen wir die ge- rade Linie, welche einen Punkt höchster mit dem zunächst gelegenen niedrigster Span- nung verbindet. In dem Beispiel, welches Fig. 62 darstellt, würden also alle Li- nien, welche der Cylinderachse parallel laufen, als Achsen des geschlossenen Raumes zu bezeichnen sein. Dächten wir uns nun auf eine dieser Achsen der Reihe nach die verschiedenen Dichtigkeiten der CO 2 und zwar als Ord naten aufgetragen, die in den Orten enthalten sind, welche die Achse durchschneidet, so würden wir die Curve der Dich- tigkeit erhalten. Die Curve der Dichtigkeit giebt also nichts anderes als einen Aus- druck für die Vertheilung der CO 2 nach einer bestimmten Richtung des geschlossenen Raumes, und darum will die obige Behauptung nichts anderes sagen, als dass die Spannungsunterschiede, welche die Längeneinheit des Stroms an einer beliebigen, aber bestimmten Stelle desselben darbietet, mit der Stromdauer abnimmt, und ferner, dass die Zeit, welche zur gleichwerthigen Verminderung dieser Unterschiede noth- wendig ist, mit der Dauer des Diffusionsstroms wächst. Die Nothwendigkeit dieses Satzes leuchtet gleich ein, wenn man, wie dieses in Fig. 62 geschehen, annimmt, dass die Dichtigkeit auf der Achse ( B D ) abnehme proportional der Entfernung ihrer Punkte von dem Anfangsorte höchster Spannung B . Unter dieser Voraussetzung geht bekannt- lich die Steilheit der Spannungscurve A E und A D an jedem beliebigen Abschnitte der Achse proportional dem Maximum des Spannungsunterschiedes, welches in dem Raume enthalten ist. Dieser letzte Zusatz gilt nun allerdings nicht mehr, wenn die Curve der Spannung einen gekrümmten Verlauf angenommen hat, indem dann nicht überall die Spannungsunterschiede proportional dem Maximum desselben abgenommen haben werden, aber immerhin muss sich auch hier die Abnahme des grössten Unter- schiedes vertheilen auf den Verlauf der Curve und diese somit im Allgemeinen an Steilheit abnehmen. — Bei der praktischen Bedeutung, welche der Curve der Dichtig- keit zukommt, wäre es wünschenswerth, ihre allgemeinste Form zu entwickeln in einem geschlossenen Raum von der Gestalt der Lungenhöhle. Bei der Complikation dieser letztern ist dieses aber unmöglich; wir müssen uns also mit dem gegebenen ungefähren Ausdruck befriedigen. 6. Die Temperaturunterschiede der Orte, von und zu denen die Strömung geht, sind bedeutungsvoll, weil sie bei gleicher Dichtigkeit des Gases einen Spannungsunterschied desselben erzeugen; denn mit der steigenden Temperatur mehrt sich die abstossende Kraft der Gastheilchen. Eine gleichmässige Erhöhung oder Erniedrigung der Tem- peratur an allen Orten des Diffusionsstroms könnte auf diesen nur einflussreich sein durch Veränderung einer etwa bestehenden Reibung. 7. Bis dahin verfolgten wir Geschwindigkeit und Spannung der CO 2 innerhalb des Diffusionsstroms ohne Rücksicht darauf, wie die CO 2 , welche in dem Beginn des Stroms eintrat, entwickelt wurde; dieser letztere Faktor konnte uns für den weitern Gang der CO 2 , wenn sie überhaupt einmal in gasförmigen Zustand getreten war, vollkommen gleichgiltig sein. Dieses wird aber nicht mehr der Fall sein dürfen, wenn wir uns nach den Umständen erkundigen, von welchen die Dichtigkeit der CO 2 Kohlensäureausscheidung, abhängig von der Athembewegung. in der Grenzfläche des mit Luft gefüllten und gesperrten Raumes, oder in unserm Fall in den Wandungen der Lunge, abhängt. Indem wir uns erinnern, dass die CO 2 , welche in die Lungenhöhle austritt, aus dem Blut ihren Ursprung nimmt, wird uns auch sogleich einleuchtend, dass auf die CO 2 , welche jenseits der innern Lungen- fläche gelegen ist, nicht mehr die Regeln anwendbar sind, nach welchen wir die Ausbreitung der gasförmigen CO 2 beurtheilen. Denn die CO 2 ist dort in einer alka- lischen Lösung vorhanden, welche die Eigenschaft besitzt, die Spannungen zu mindern oder ganz aufzuheben, die sich zwischen den Theilchen der freien CO 2 finden. Wir müssen uns also von Neuem an die Erfahrung wenden. Diese ist aber für die Ver- dunstungserscheinungen der CO 2 aus dem Blute noch so gut wie gar nicht um Rath gefragt worden. Wir wissen nur, dass die CO 2 aus dem Blut verdunstet, wenn dieses mit CO 2 freien Räumen bedeckt wird. Dürften wir uns der allerdings wahrschein- lichen Annahme hingeben, dass die Entwickelung der CO 2 aus dem Blute nach den- selben Grundsätzen zu beurtheilen sei, nach welchen sie aus einer Lösung von dop- pelt kohlensaurem Natron erfolgt, so würden wir in Folge einer Untersuchung von E. Becher schon etwas weiter im Klaren sein. Nach den Angaben dieser Arbeit, die mir im Manuscript vorliegt, verhält sich eine Lösung von doppelt kohlensaurem Natron folgendermaassen: Eine jede Lösung dieses Salzes dunstet in einem geschlossenen, ursprünglich CO 2 freien Raum so lange CO 2 ab, bis diese letztere eine gewisse Dich- tigkeit erreicht hat; so wie dieses geschehen, hört die Abdunstung auf. Der mess- bare Werth der CO 2 spannung in dem geschlossenen Raum kann demnach als ein Maass für die Spannkräfte der CO 2 in der Salzlösung angesehen werden. Der Werth dieser Spannkraft steigt a) mit dem Gehalt der Lösung an doppelt kohlensaurem Na- tron. Sie war z. B. in einer Lösung mit 6,1 pCt. NaO 2CO 2 = einer 92,9 MM. hohen Quecksilbersäule und bei derselben Temperatur in einer Lösung mit 3,1 pCt. = einer 44,0 MM. hohen Quecksilbersäule. — b) Die Spannung steigt mit der Tempera- tur; so betrug sie in der ersten Lösung bei 15,2° C. = 92,9 MM. Hg und bei 17,2° = 103,5; bei noch weiterem Wachsthum der Temperatur scheint sie rascher zuzuneh- men. — c) Die Geschwindigkeit des CO 2 stroms, welcher aus der Lösung hervorgeht, ist direkt proportional dem Unterschied der CO 2 spannung in der Lösung und in dem überstehenden Luftraum. — d) Die Geschwindigkeit des Stroms wird wahrscheinlich gesteigert, wenn sich der Druck der wenn auch CO 2 freien Luft mindert, welche auf dem Spiegel der Flüssigkeit lastet; demnach würden sich die Verdunstungserscheinungen der CO 2 aus doppelt kohlensaurem Natron verhalten wie die des Wassers. — f) Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher das Gas aus der Lösung von doppelt kohlensaurem Natron verdunstet, ist gering. Diese Versuche müssen wiederholt, ver- vielfältigt und auf das Blut ausgedehnt werden. Die folgende Darstellung der Schwankungen in der CO 2 ausscheidung untersucht der Reihe nach den Einfluss der Athem - und Blutbewegung, der Luft und Blutzusammensetzung und endlich der verschiedenen Zu- stände der Lungenwand. Athembewegung . Im Ruhezustand des Brustkastens ist der Lungenraum mit Luft gefüllt, welche, in feine Bläschen vertheilt, durch Wandungen von einer enormen Ausdehnung begrenzt wird; diese letzteren sind durchzogen, man könnte sagen gebildet, von einem dichten Blut- gefässnetze, dessen Inhalt verdunstbare CO 2 führt. Insofern also die Luft in dem Lungenraum jemals CO 2 frei war, wird sie sogleich einen Antheil dieses Gases empfangen, und dieser Antheil wird, alles andere gleich ge- setzt, mit der Zeit ihres Verweilens in der Lunge so lange wachsen, bis Kohlensäureausscheidung abhängig von der Athembewegung. sie die Spannung der CO 2 im Blute angenommen hat. Bevor jedoch diese Ausgleichung eintritt, geschieht eine Einathmung, durch welche CO 2 freie Luft theils mit der bis dahin vorhandenen vermengt und theils über die bis dahin vorhandene geschichtet wird. Das erstere geschieht, wenn die Einathmung zu voluminös ist, um nach Verdrängung der Luft aus den Bronchien in diesen Platz zu finden, so dass ein Theil der eingeathmeten noch in die Bläschen gelangt; der in den Bronchien zurückbleibende Theil der neu eingetretenen Luft ist die aufgeschichtete. Nach längerem oder kürzerem Verweilen wird sämmtliche mit der Einathmung aufgenom- mene Luft wieder ausgestossen, nachdem sie natürlich durch Diffusion und Mischung CO 2 empfangen, und es bleibt nach dieser Exspiration ein Gasgemenge zurück, welches weniger CO 2 enthält, als unmittelbar vor der Inspiration. Der CO 2 gehalt desselben steigt von Neuem, und es wieder- holt sich dann der frühere Vorgang u. s. f. Bei einer solchen Einrich- tung unseres Apparates dürfen wir alles übrige gleichgesetzt erwarten: a) Nach vollendeter Einathmung wird die Dichtigkeit der CO 2 in der Lungen (oder der Prozentgehalt ihrer Luft an CO 2 ) abnehmen von den Lungenwänden hin gegen das Centrum der einzelnen Höhlenabtheilungen und von den engeren Röhren (den Infundibulis) gegen die weiteren (die Bronchien). Der Unterschied der Dichtigkeit an diesen verschiedenen Orten wird abnehmen mit der Aufenthaltszeit der Luft in der Lunge. Allen, Pepys und Vierordt , welche bei ihren Versuchen auf diesen Umstand Rücksicht nahmen, fanden in der That, dass die Luft, welche in dem Beginn der Ausathmung ausgestossen wird, ärmer an CO 2 ist, als diejenige, welche am Ende der Ausathmung erscheint. Der grössere Theil ersteren Luftquantums kommt aber unzweifelhaft aus den Bronchien, der letztere ursprünglich aus den Lungenbläschen. — Dieser Unterschied des CO 2 gehaltes verschwindet jedoch nach Vierordt l. c. p. 174. , wenn die ein- geathmete Luft 40 Sec. lang in der Lunge verweilte, bevor sie wieder ausgestossen wurde. Da zu dieser Zeit, wie wir sehen werden, der CO 2 strom von dem Blut zu der Luft noch nicht geschlossen ist, so muss man annehmen, dass auch dann noch Unterschiede bestehen, die aber durch den Versuch nicht nachweisbar waren (siehe die theoretischen Betrachtungen 5. c und d). b) Die mittlere Dichtigkeit (der Prozentgehalt) der CO 2 in der aus- geathmeten Luft wird um so mehr zugenommen haben, je länger die ein- geathmete Luft in der Lunge verweilte und je kleiner das eingeathmete Luftvolum gewesen war ( Vierordt ). Um den ersteren Theil dieses Satzes festzustellen, genügt es, in kurz aufeinander folgenden Zeiten Ein- und Ausathmungen von immer gleichem Volum auszuführen und die auf- genommene Luft der Reihe nach kürzere und längere Zeit zurückzuhalten, Kohlensäureausscheidung abhängig von der Athembewegung. bevor sie wieder ausgestossen wurde. Als Beispiel für den Gang der Sättigung führen wir eine mit genauen Hilfsmitteln angestellte Versuchs- reihe von E. Becher an. In dieser wurden im Mittel 4560 CC. Luft ein- und ausgeathmet; die Dauer der Einathmung betrug 2 bis 3 Sek., die Zeit des Zurückhaltens der Reihe nach 0, 20, 40, 60, 80, 100 Sek. Der mittlere Prozentgehalt der Ausathmungsluft an CO 2 betrug nach 0 Sek. = 3,6 pCt.; nach 20 Sek. = 5,6 pCt.; 40 Sek. = 6,3 pCt.; nach 60 Sek. = 7,2 pCt.; nach 80 Sek. = 7,3 pCt.; nach 100 Sek. = 7,5 pCt. Werden diese Zahlen in ein Coordinatensystem eingetragen, Fig. 63. (Fig. 63 ), dessen Abszisse die Zeit, dessen Ordinate die CO 2 prozente misst, so geben dieselben die ein- liegende Curve, welche uns zeigt, dass die Zu- wüchse, welche die Dich- tigkeit der CO 2 in glei- chen Zeiten empfängt, rasch abnehmen, wenn die Zeitdauer des Zurück- haltens der Luft wächst. In Zahlen ausgedrückt, wuchs nemlich von 0 bis 20 Sek. der Gehalt um 2,0 ; zwischen 20 und 40 Sek. um 0,7 ; zwischen 40 und 60 um 0,9 ; zwischen 60 und 80 um 0,3 und zwischen 80 und 100 um 0,2 pCt. Die einzige Zahl dieser Reihe, welche freilich inner- halb der Fehlergrenzen von dem durch die Theorie verlangten Gange ab- weicht, ist wahrscheinlich die dritte zwischen 40 und 60 Sek. gelegene. — Vierordt giebt eine Beobachtungsreihe, aus der hervorgeht, dass ein kleines Volum eingeathmeter Luft kürzere Zeit in der Lunge zu verweilen braucht, um den CO 2 gehalt zu gewinnen, welchen ein bedeutenderes in längere Zeit erreicht. Als er nemlich 500 bis 600 CC. Luft mit je einer Einathmung einzog und 1800 CC. ausstiess und in einer andern Reihe möglichst tief inspirirte und jedesmal etwa 3600 CC. ausathmete, so gab er in der ersten Reihe nach 20 Sek. Zurückhaltens eine Luft mit 6,5 pCt. CO 2 ; nach 40 Sek. = 7,2 pCt. und nach 60 Sek. = 7,4 pCt. In der zweiten Reihe hielt dagegen die Luft nach 20 Sek. = 4,8 pCt., nach 40 Sek. = 5,2 und nach 60 Sek. = 6,0 pCt. CO 2 . — Allerdings sind beide Reihen nicht ganz vergleichbar; in dieser Beobachtung beson- ders nicht, weil in der ersten Reihe die ausgeathmete Luft in überwie- gender Menge aus solcher bestehen musste, welche länger als die be- zeichneten Zeiten in der Lunge zurückgeblieben war. — Hätte man aber auch diese Ungleichheit beseitigt, so würden sich dennoch die beiden Kohlensäureausscheidung, abhängig v. der Athembewegung . Versuchsreihen durch mehr als durch blose Volumunterschiede der auf genommenen Luft unterscheiden. Das grössere Volum dringt tiefer in die Bläschen und mischt sich dort inniger, und um es aufzunehmen müssen sich die Lungenwände, mit ihren Gefässen, d. h. die Berührungsflächen zwischen der Luft und den CO 2 abdunstenden Häuten weiter ausdehnen. Aus diesem Grunde wird die Verlängerung der Sättigungszeit, welche durch die Volumvermehrung herbeigeführt wurde, wieder abgekürzt werden. c) Die mittlere Geschwindigkeit der CO 2 strömung in den Lungenraum hinein steigt mit dem Volum der in der Zeiteinheit (Minute) eingeathme- ten Luft und mit der Geschwindigkeit des Luftwechsels ( Vierordt ). Dieses geschieht darum, weil durch die Ventilation die Dichtigkeit der CO 2 in der Lungenluft vermindert und der Spannungsunterschied zwi- schen der CO 2 im Blut und in der Luft erhöht wird. Man könnte also auch sagen, die Geschwindigkeit der CO 2 strömung und damit die absolute Menge von CO 2 , welche in der Zeiteinheit durch die Lunge entleert wird, steigt, wenn der prozentische CO 2 gehalt in der ausgestossenen Luft ab- nimmt. Der scheinbare Widerspruch, dass die absolute Menge der CO 2 in der Ausathmungsluft wächst mit der abnehmenden Dichtigkeit dersel- ben, löst sich, wie begreiflich, leicht; denn wenn der prozentische CO 2 - gehalt der Luft abgenommeen, so hat sich in ungemein reichlicherer Weise die Menge der in der Zeiteinheit ausgestossenen Luft gemehrt. — Die Athembewegungen sind nun im Stunde, dasselbe Luftvolum auf zwei ver- schiedene Arten in die Lunge zu führen, entweder durch zahlreichere und flachere oder durch seltenere und tiefere Züge. Bei gleichem Volum der wechselnden Luft wird der letztere Respirationsmodus die Menge der ausgeführten CO 2 mehr steigern, als der erstere, denn es begünstigt der- selbe die mechanische Mischung der zurückbleibenden und der eingeathme- ten Luft, und er vergrössert auch die Berührungsfläche zwischen der letz- tern und dem Blute. Die Versuche von Vierordt geben folgende Zahlen: Vergleicht man die Zahlen je einer dieser Reihen, so sieht man so- gleich, dass, wenn die absolute Menge der ausgehauchten Luft wächst, der Prozentgehalt der CO 2 ab- und die absolute Menge derselben zu- nimmt. — Vergleicht man aber die Zahlen beider Tabellen, und nament- Kohlensäureausscheidung abhängig v. der Athembewegung. lich die absoluten Mengen und die Prozente der CO 2 bei gleichem Volum der Exspirationsluft, so sieht man, dass die CO 2 prozente bei langsamer Athem- folge (ausgenommen sind nur die Beobachtungen mit 6 Zügen in der ersten und mit 12 in der zweiten Reihe), höher sind, als bei rascher. Dar- aus würde man den Beobachtungen zuwider folgern können, dass die mitt- lere Geschwindigkeit des CO 2 stroms in die Lungenluft bei langsamer Athem- folge und voluminöseren Luftzügen geringer sein möchte, als bei dem ent- gegengesetzten Modus zu athmen; wenn trotzdem mehr CO 2 geliefert wird, so kann dieses seinen Grund nur in der grössern Strombreite (wegen vermehrter Berührungsfläche) oder in der Ausgiebigkeit der mechanischen Mischung haben. — Natürlich sind diese Erklärungsgründe nur giltig, wenn, was aus dem Versuche nicht hervorgeht, die Zeit, während welcher die eingeathmete Luft in der Lunge verblieb, für gleiche Luftvolumina dieselbe war, und wenn zur Zeit der beiden Reihen gleiche Spannungen der CO 2 des Blutes bestanden. d) Die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher die CO 2 in die Lungen- luft strömt während einer ganzen Respirationsphase (Ein-, Ausathmung, Pause), wird, alles übrige gleichgesetzt, wachsen mit der Zeit, während welcher der Brustkorb in der Einathmungsstellung verweilt. Bei grösserm Umfang des Brustkastens wird die Dichtigkeit der CO 2 in dem Lungen- raum langsamer ansteigen, als bei geringem; demnach wird im ersten Fall längere Zeit ein grosser Spannungsunterschied bestehen. Versuche, welche diese Angabe der Theorie bestätigen, fehlen. Eine Untersuchung, welche die oben aufgestellten theoretischen Voraus- setzungen auf ihre Richtigkeit prüfen wollte, müsste, ausser den schon ange- gebenen, mindestens noch folgende Bedingungen erfüllen: 1 ) Sie hätte her- zustellen die Gleichheit: in der Zusammensetzung von eingeathmeter Luft in der Menge und Zusammensetzung der in der Lunge restirenden Luft, in der Zusammensetzung und Stromgeschwindigkeit des Bluts. Dieses Alles ist an- nähernd zuerreichen, theils dadurch dass man die zu vergleichenden Ver- suche unmittelbar hinter einander anstellt, theils dass man den Brust- kasten auf einem bestimmten Umfang hält. — 2 ) Sie hätte zu verändern die Zeit, während welcher das eingesogene Luftvolum in dem Brustkasten zurückgehalten wird, und gleich zu halten: das gesammte Volum des Luft- wechsels in der Zeiteinheit, die Berührungsflächen zwischen Blut und Luft und den Umfang der mechanischen Mischung neuer und restirender Luft in der Lunge. Dieses wäre zu erreichen, wenn man gleich viel Luft, immer gleich rasch eingezogen, mehr oder weniger rasch wieder entfernte, so dass die Athempause kürzer oder länger würde. — 3 ) Sie hätte zu verändern das in der Zeiteinheit gewechselte Luftvolum und dabei gleich zu erhalten die mechanische Mischung, den Querschnitt des Diffu- sionsstroms, die Anwesenheitsdauer der inspirirten Luft; um dieses zu erfüllen, würde man eine ungleiche Zahl gleich tiefer Athemzüge machen, Kohlensäureausscheidung abhängig vom Blutstrom von denen jeder einzelne um so länger gehalten werden müsste, je sel- tener die Athemzüge erfolgten. — 4 ) Sie hätte zu verändern die mecha- nische Vermischung der neuen und restirenden Luft und die Berührungs- flächen zwischen Luft und Blut und dabei gleich zu machen: das in der Zeiteinheit gewechselte Luftvolum, die Zeitdauer der Einathmungsstellung. Dieses würde geschehen, wie wir schon oben unter c erwähnten, oder auch durch Bewegungen des Brustkorbs nach geschehener Einathmung und bei geschlossener Stimmritze. Blutstrom . Bei der Frage, wie eine Veränderung des Blutstroms in der Lunge die Ausscheidung der Kohlensäure vermehren oder ver- mindern könne, ist wesentlich auseinander zu halten, der Einfluss variabler Spannung und variabler Geschwindigkeit des Stroms. Eine vermehrte Spannung des Blutstroms muss nun, alles andere gleichgesetzt, unzweifelhaft die Ausscheidung der CO 2 mehren, und zwar auf zweierlei Art. Zunächst wird durch sie die Berührungsfläche zwi- schen Blut und Luft vergrössert; da sich die Gefässe, in denen das Blut unter einem höheren Druck strömt, ausdehnen. Mit dem Druck des Gesammtblutes mehrt sich aber auch der Druck seiner CO 2 ; und dieser stellt demnach eine zu den gewöhnlichen neu hinzukommende Bewe- wegungsursache dar, vorausgesetzt, dass die gashaltige Flüssigkeit mit einem Raum von niederer Spannung in Berührung kommt, wie dieses in der That zwischen Blut und Lungenluft geschieht. — Ob diese Umstände von praktischer Bedeutung sind, ist noch niemals untersucht worden. Der veränderten Geschwindigkeit des Blutstroms würde nur ein Ein- fluss auf die CO 2 abscheidung zuzuschreiben sein, wenn es feststünde, dass der Unterschied der CO 2 spannung in dem arteriellem und venösem Lungenblut merklich stiege, wenn die Geschwindigkeit des Stroms in den Grenzen des normalen Lebens abnimmt. Man könnte in der That geneigt sein, dieses in Abrede zu stellen, weil jedenfalls die Zeit, während wel- cher ein Bluttheilchen in den Lungencapillaren verweilt, nicht merklich grösser ausfällt, je nachdem es das einemal langsamer als das anderemal die ungemein kurze Wegstrecke durch die Lungenbläschen zurücklegt. Die Möglichkeit kann freilich nicht bestritten werden. Setzten wir also fest, das langsam strömende Blut führe beim Austritt aus der Bläschenwand CO 2 von niederer Spannung (weil es bei längern Aufenthalt in der Lunge mehr abgegeben), als das rasch fliessende, und geben wir in beiden Fällen dem arteriellen Blut gleiche Spannung, so würde die mittlere CO 2 dichtigkeit des Bluts während des Aufenthaltes in der Lunge beim langsamen Strom geringer, als beim raschen sein. Der rasche Strom beschleunigt also die Abscheidung. Beobachtungen über die hier bespro- chenen Probabilitäten, sind nicht angestellt. Luftveränderungen . a) Die Zusammensetzung der ein- geathmeten Luft , insofern sie von der gewöhnlichen atmosphärischen und von der Zusammensetzung der Einathmungsluft. abweicht, kann, aus allgemeinen physiologischen Gesichtspunkten betrachtet, auf zweierlei Weise verändernd in die Abscheidung der CO 2 eingreifen. Ein- mal, indem sie ein Material in die Lungen und von da in das Blut führt, wel- ches die Bildung von CO 2 innerhalb aller oder einzelner Organe fördert oder hemmt; mit einem Wort dadurch, dass sie die Zusammensetzung des Bluts ändert; wir werden die Betrachtung dieser Einflüsse einstweilen ver- schieben. — Dann aber greift möglicher Weise die in ihrer normalen Zu- sammensetzung veränderte Luft auch dadurch auf die Abscheidung der Kohlensäure ein, dass sie die Entleerung der einmal in dem Blute vor- handenen beschleunigt oder verlangsamt. Diese letztere Weise der Ein- wirkung, die wir hier abhandeln, hebt sich vor der ersteren sogleich da- durch ab, dass sie sich nicht erst nach dem Verlauf von mehreren, vielleicht von vielen Einathmungen, geltend macht, sondern schon mit dem ersten Athemzug aus der verändert zusammengesetzten Luft. Der Physiolog muss nun mit Rücksicht auf die Veränderung in der Zusammensetzung der Einathmungsluft den Unterschied als wesentlich festhalten, ob der CO 2 freie oder der CO 2 haltige Theil der Atmosphäre alterirt worden ist. 1 ) Bei der Athmung in kohlensäurefreien Gasen muss der Theorie entsprechend die CO 2 ausscheidung überall dieselbe bleiben, wenn auch die Zusammensetzung der eingenommenen Luft sonst noch so sehr wechselt. Diese Behauptung ist die nothwendige Folge aus dem fest- stehenden Grundsatz, dass nur die Molekeln der gleichartigen Gasarten im Stande sind, sich gegenseitig in ihrer Ausdehnung, oder wie man sich gewöhnlich ausdrückt, in ihrer Diffusion zu hemmen. Versuche, die zur Bestätigung dieses Satzes dienen könnten, lassen sich nur mit weni- gen Gasarten ausführen. Denn einmal sind viele Gasarten, deren Auf- zählung in der Toxikologie gesucht werden muss, geradezu Gifte, und dann sind von den nichtgiftigen nur solche zu gebrauchen, welche Sauer- stoff in freier oder locker gebundener Form erhalten, da die Gegenwart dieses Gases im Blute, wie wir schon früher ausführten, durchaus noth- wendig ist, um die Lebenseigenschaften der Muskel- und Nervensubstanz zu erhalten. Es bleibt somit nur übrig reines Ogas, Knallluft (Sauer- stoff und Wasserstoff), Gemenge von Stickstoff mit Sauerstoff in einem Verhältniss, das von dem atmosphärischen abweicht, und endlich Stick- oxydul (Lustgas). — Mit diesen Gasarten sind nun auch schon Versuche angestellt, jedoch meist in einer Weise, die keinen Vergleich zulässt mit der CO 2 abscheidung in gewöhnlicher Luft. Ein solcher Vergleich würde nemlich nur dann zulässig sein, wenn man Rücksicht genommen hätte auf die Geschwindigkeit des Luftwechsels, oder wenn man die Versuche früher beendet hätte, bevor die Folgen der verändert zusammengesetzten Luft auf die Blutmischung eingetreten waren. Kohlensäureausscheidung abhängig von der Luftwärme. In einem Widerspruch mit den theoretischen Ableitungen scheinen sich die Er- gebnisse der Untersuchung von Allen und Pepys zu befinden. Denn als der von ihnen beobachtete Mann in 5,3 Athemzügen, die er während der Minute ausführte, 5332 CC. atmosphärische Luft aufgenommen, entleerte er eine Luft, welche 8 Wir erlauben, uns die Beobachtungen von Allen und Pepys noch zu benutzen, obwohl die CO 2 bestimmungen sicher mit einem Fehler behaftet sind. Dieser Fehler ist aber in allen Beob- achtungen derselbe geblieben und somit geben die Zahlen immer noch ein vergleichbares Maass ab. pCt. CO 2 enthielt; als derselbe Mensch auf dieselbe Weise 5800 CC. eines Gasgemisches aus 98 pCt. Sauerstoff und 2 pCt. CO 2 einathmete und den Versuch 9,5 Minu- ten fortsetzte, athmete er eine Luft mit 11 pCt. Kohlensäure aus. In der zweiten Beobachtungszeit war im Gegensatz zur ersten der Zustand des Menschen aber nicht derselbe geblieben; die Zahl der Pulsschläge war von 72 auf 88 in der Minute em- porgegangen, und es hatte sich ein Gefühl von Wärme und zugleich eine gelinde Hautausdünstung eingestellt; die Vermuthung liegt damit nahe, dass sich schon in den ersten Minuten nach der Sauerstoffathmung die Zusammensetzung des Bluts änderte; diese Annahme gewinnt eine Bestätigung durch den 17 . Versuch der erwähnten Auto- ren, in welchem von demselben Manne 56099 CC. eines Gemenges von 98 pCt. 0 und 2 pCt. N während 7,55 Minuten (7480 CC. in der Minute) eingeathmet wurden. Die während dieser Zeit ausgeathmeten Luftmassen wurden von halber zu halber Minute gesondert aufgefangen und untersucht. Hierbei ergab sich, dass die in den ersten 30 Sekunden gelieferte Luft 9 pCt. CO 2 , die in den darauf folgenden 60 Se- kunden entleerte 10,5 pCt. CO 2 , die in den letzten 30 Sekunden ausgeathmete end- lich 12,5 pCt. CO 2 enthielt. Auch bei diesem Versuch war schliesslich die Zahl der Pulsschläge von 86 auf 102 gestiegen und gegen Ende desselben eine Schweissbil- dung eingetreten. Auf eine ähnliche Versuchsreihe an Thieren, die von Reiset und Regnault ausgeführt ist, werden wir bei dem Gesammtgaswechsel zurückkommen. Ein Zusatz von CO 2 zur Athmungsluft wird jedesmal die Aus- scheidung dieses Gases aus dem Blute hemmen; der Werth, den die Hemmung erreicht, wird steigen mit dem CO 2 gehalte der Luft und zwar so, dass schliesslich eine Stromumkehr statt findet. So wie nemlich dieses Gas in der Luft höher gespannt ist, als im Blut, so muss es nun aus dem erstern in das letztere dringen. Dieses hat in der That Legallois Annales du chimie et physique. IV. Bd. (1817). p. 126. beobachtet, als er Katzen und Kaninchen in eine Atmos- phäre brachte, welche mehr als 21 pCt. CO 2 enthielt. Die prozentige CO 2 menge, welche die Luft enthalten muss, um dieses Gas an das Blut abzugeben, statt es von ihm zu empfangen, wird aber begreiflich va- riabel sein, da dieses auch mit der Spannung der CO 2 im Blute der Fall ist. Wenn der Wasserdunst in der atmosphärischen Luft zunimmt, soll auch das Gewicht der ausgeathmeten CO 2 steigen ( Lehmann ) Valentin’s Jahresbericht für 1846. p. 160. . b. Physikalische Luftveränderung . Mit der Erniedrigung der Temperatur steigt die ausgeschiedene Kohlensäure ( Lavoisier, Letellier, Vierordt ); dieser Einfluss der erniedrigten Lufttemperatur macht sich ebenso rasch als dauernd geltend. So giebt z. B. der letztere Beobachter aus einer grossen Versuchsreihe an sich selbst folgende Mittel- zahlen. Kohlensäureabscheidung, abhängig von dem Luftdruck. Letellier Annales de chimie et physique. XIII. Bd. 478 (1845). stellte dagegen fest, dass kleine Säugethiere bei einem ½stündigen Aufenthalt in einer Temperatur von — 5 ° bis + 3 ° C. um das Doppelte mehr CO 2 aushauchten, als bei einem gleich langen Ver- weilen in einer Wärme von + 28 ° bis + 43 ° C. — Das Ansteigen der CO 2 ausscheidung bei abnehmender Lufttemperatur muss wesentlich bedingt sein von der beschleunigten Oxydation der kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Zum kleinern Theil könnte sie aber auch darin be- gründet sein, dass der CO 2 gehalt des Organismus im Winter herabge- drückt wird, in Folge der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses letztere könnte eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolge, welche reflektorisch von der abgekühlten Haut und Lunge erweckt würde, oder auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer gleich warmen Blut in die kältere Lungenluft, da nach Valentin’s Beob- achtungen (p. 322 .) bei niedrigerer Temperatur der Atmosphäre die aus- geathmete Luft noch um einige Grade kälter ist, als bei warmer Um- gebung. Die ungemeine Abnahme der CO 2 , welche Letellier in ver- hältnissmässig so hohen Wärmegraden beobachtete, hängt wahrscheinlich zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit aller Nerven und Muskeln und insbesondere derjenigen des Brustkorbs. Die Erklärung, welche Lavoisier Memoires de l’academie. 1790. 602. — Liebig , Thierchemie. und Seguin davon geben, dass in kal- ter Luft mehr CO 2 ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen Modifikationen häufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen übergangen werden. Mit der Steigerung des Luftdruckes soll sich auch die CO 2 abschei- dung mehren ( St. Sage und Hervier ), eine Thatsache, welche Vier- ordt in freilich sehr engen Grenzen des wechselnden Barometerstandes nicht bestätigt fand. Aber auch er bemerkte, dass bei hohen Barometer- ständen der Luftwechsel rascher und demnach der prozentische CO 2 gehalt der Lungenluft geringer wird. Die Theorie würde also auch in seinen Beobachtungen Vermehrung der absoluten Menge ausgeschiedene CO 2 ver- langen. Da sich aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe Barometerstände combiniren, so ist es schwer zu entscheiden, was dem einen oder andern nach gleicher Richtung hin wirkenden Einfluss zuzu- schreiben ist. Kohlensäureabscheidung abhängig von der Blutmischung. Die bei dieser Veranlassung öfter citirten Versuche von Legallois sind mit den übrigen nicht vergleichbar, weil seine Beobachtungsthiere eine stark kohlensäure- haltige Luft einathmeten. Blutmischung . Die Theorie verlangt, dass, alles andere gleich- gesetzt, die Ausscheidung der CO 2 in die Lungenluft beschleunigt werden muss, wenn sich dieses Gas im Blute anhäuft in Folge einer gesteiger- ten Kohlensäurebildung in den Geweben. Die Erfahrung ist bis dahin nicht befähigt, auf geradem Wege diese freilich an sich gerechtfertigte Annahme zu bestätigen, weil ihr jedes Mittel fehlt, um den CO 2 gehalt des Bluts auch mit nur annähernder Schärfe festzustellen; sie ist darum genöthigt, mit indirekten Beweisen vorzuschreiten, die um so werthvoller sind, weil die dabei zur Sprache kommenden Thatsachen uns Aufschluss geben über einige die Oxydation der thierischen Kohlenstoffverbindungen beschleunigende Bedingungen. Die Beweise, dass die beschleunigte Ausscheidung von CO 2 begründet sei in einer vermehrten Bildung oder einer vermehrten Anhäufung derselben im Blute sind auf zwei verschiedenen Wegen erbracht worden. E. Becher , welcher sich die Auf- gabe stellte, ein Zeichen für die Anhäufung der CO 2 im Blute zu gewinnen, benutzt dazu den prozentischen CO 2 gehalt, welchen ein gleich grosses Luftvolum annehmen kann das zu verschiedenen Zeiten von demselben Individuum eingeath- met und gleich lange in der Lunge zurückgehalten wurde, nachdem der Brustkorb jedesmal vor der Einathmung durch eine tiefe Exspiration auf das möglichst gleiche und geringste Maass seines Inhaltes zurück gebracht wurde. Durch diese Maass- regeln werden für jede der zu vergleichenden Einathmungen, die Einflüsse der mecha- nischen Mischung, der Berührungszeit, der Berührungsfläche und des ursprünglich CO 2 freien Luftvolums gleich gemacht; ändert sich also in der ausgeathmeten Luft die prozentige Menge der CO 2 , so kann dieses nur daher rühren, weil die Kraft, mit welcher dieses Gas aus dem Blute gestossen wird, veränderlich war. Im Allgemei- nen wird nun die Behauptung richtig sein, dass die Spannkräfte der CO 2 des Blutes wachsen mit ihrer Anhäufung daselbst; also wird auch zu schliessen sein, dass eine Vermehrung der CO 2 prozente in der Ausathmungsluft unter den gegebenen Umständen auf einen gesteigerten CO 2 gehalt des Blutes hinweist. — Andere Experimentatoren suchen dagegen die Beschleunigung der CO 2 bildung zu messen, ohne Rücksicht zu nehmen, wie sich dabei die Anhäufung dieser Gasart im Blute gestaltet. Das in An- griff genommene Problem löst Vierordt dadurch, dass er die in gleichen Zeiten ausgehauchten CO 2 gewichte (die absoluten Mengen) bestimmte. Stellt sich nun her- aus, dass während eines gewissen Zeitraums das in der Zeiteinheit gegebene CO 2 ge- wicht vermehrt oder vermindert, der CO 2 gehalt des Individuums aber zu Beginn und Ende des erwähnten Zeitraums gleich geblieben ist, so ist selbst verständlich die Oxydation des Kohlenstoffs zeitweise verändert gewesen. Die letztere Bedingung, d. h. ein gleicher CO 2 gehalt des Individuums an den Grenzen des Zeitraums ist aber als erfüllt anzusehen, wenn die Lunge in je zwei Zeiteinheiten, von denen die eine zu Beginn und die andere zu Ende des Zeitraums liegt, gleiche CO 2 menge ausgiebt, während die Folge und der Umfang der Athembewegungen dieselben sind. Würde nemlich unter diesen Umständen der Gehalt des Blutes, resp. des Individuums an CO 2 variabel geworden sei, so müsste dieses, den feststehenden allgemeinen Grundsätzen zufolge, auch zu einer Abweichung in den Gewichtsmengen der CO 2 führen. — Verzichtet man auf kurz vorübergehende Schwankungen der CO 2 absonderung, wünscht man z. B. nur das Tagesmittel der CO 2 abscheidung zu vergleichen, so erhält man Kohlensäureabscheidung abhängig von der Blutmischung. mit Regnault, Scharling, C. Schmidt Aufschluss durch Vergleichung langer Zeiträume, während welchen so grosse Kohlensäuregewichte ausgeschieden wurden, dass dagegen verschwinden die Unterschiede der gesammten zu verschiedenen Zeiten auf einmal im Thierkörper enthaltenen CO 2 mengen. — Ueber indirekte Me- thoden siehe später. a) Die Abhängigkeit der Bildung und Anhäufung der CO 2 von dem Kohlenstoffgehalt der Nahrung. — Da die CO 2 ein Produkt der lebens- nothwendigen chemischen Prozesse ist, so geht ihre Bildung mindestens bis zum Tod (und meist auch über ihn hinaus); sie wird darum durch die Lungen auch dann noch ausgeschieden, wenn selbst keine kohlenstoff- haltige Nahrung genossen wird, wobei sich natürlich das Gewicht der kohlenstoffhaltigen Körperbestandtheile mindert. Vom Beginn des Hungerns bis zum Tode nimmt zuerst die tägliche Menge der ausgeschiedenen Kohle sehr wenig, in den letzten Tagen des Lebens sehr rasch ab ( Schmidt) Verdauungssäfte. p. 310. . — Bei einer Nahrungsaufnahme in solchen Grenzen, dass dabei das mittlere tägliche Körpergewicht unverändert erhalten wird, stellt sich ein dynami- sches Gleichgewicht her, indem sich die Menge der ausgehauchten CO 2 genau nach dem mit der Nahrung aufgenommen Kohlenstoff richtet, so dass durch die Lunge jedesmal annähernd die ganze Menge von Kohlen- stoff wieder entleert wird, welche aus dem Darmkanal in das Blut über- gegangen war. Das tägliche Mittel steht also bei dem Genuss von vegetabili- scher Nahrung mit viel Kohlenhydraten höher, als dem von Fleisch mit viel Fett. — Die Steigerung, welche der Genuss verdaulicher Nahrungsmittel mit sich führt, beginnt kurze Zeit nach der Aufnahme derselben und scheint mit ihrem vollendeten Uebertritt in das Blut ( 2—3 Stunden nach den Essen) das Maximum zu erreichen und sinkt dann wieder ab. — Vierordt stellt für die einzelnen Tagesstunden die Minutenmittel der von ihm ausgehauchten CO 2 in der folgenden Tabelle zusammen, zu welcher zu bemerken ist, dass vor 9 h ein Frühstück und um 1 h 30′ ein Mittagsessen genossen wird. Diese Zahlen sind dazu benutzt, um zwei Curven (Fig. 64 ) zu construiren; auf die Abszisse sind die Zeiten, auf die Ordinate aber Werthe aufgetragen, die proportional Die in der Curve benutzten Ordinatenwerthe sind die Quotienten, welche durch Division des geringsten CO 2 - und Luftvolums in die andern grössern der Reihe nach erhalten wurden. sind den zu den betreffenden Zeiten ausgehauchten CO 2 - ( a ) und Luftvolumina ( b ). Wir machen Ludwig, Physiologie. II. 22 Kohlensäureabscheidung abhängig von der Blutmischung. Fig. 64. einstweilen darauf aufmerksam, dass die Volumina der Ausathmungsluft und der CO 2 einander sehr nahezu gleich stehen. Daraus könnte man folgern, dass die Tiefe und Häufigkeit der Athemzüge wächst, wie die aus der Lunge hervortretenden CO 2 volumina. — Im Gegensatz zu unse- ren gewöhnlichen und unentbehrlichen organischen Nahrungsmitteln be- finden sich nach Vierordt die Spirituosa (und der Thee? Prout ). Nach ihrem Genuss wird das Maas der CO 2 abscheidung, welches man ohne denselben hätte erwarten sollen, herabgedrückt. So bewirkte z. B. der Zusatz von 250 Gr. Wein zum Mittagsessen, dass statt des gewöhn- lichen Unterschieds von 50 CC. CO 2 zwischen 12 h und 2 h nur ein sol- cher von 20 CC. eintrat. Es bleibt dabei ungewiss, ob die Spirituosa überhaupt die Oxydation des Kohlenstoffs herunterdrücken, so dass sie das Nahrungsbedürfniss beschränken, oder ob sie nur die Maxima auf eine andere Zeit verlegen, indem sie den Gang der Umsetzung ändern. b) Abhängigkeit von den Eigenschaften der Einathmungsluft. Wenn sich der Sauerstoffgehalt der Lungenluft beträchtlich mehrt, z. B. durch einen Zusatz dieses Gases zu derselben, so steigert sich kurze Zeit da- nach die ausgehauchte CO 2 ( Allen, Pepys ). Wird aber die Einathmung der sehr sauerstoffreichen Luft einen Tag lang fortgesetzt, so steigt das CO 2 mittel desselben nicht über den Werth eines Tages, an dem gewöhn- liche Atmosphärenluft eingenommen wurde ( Regnault, Reiset ). — Eine Erniedrigung der Temperatur (und eine Erhöhung des Druckes) der Luft steigern, wie schon erwähnt, die Absonderungsgeschwindigkeit; zwei- felhaft ist es, ob auch die Anwesenheit einer CO 2 armen und darum sauer- stoffreicheren Luft in den Lungen, wie sie sich nach lebhaften Athem- bewegungen einfinden muss, in gleicher Weise wirkt. Einige der eben beigebrachten Erfahrungen hat man öfter benutzt, um die Hy- pothese zu stützen, dass eine Vermehrung des freien Blutsauerstoffs die Oxydation der Kohlenstoffatome dauernd beschleunige; diese Annahme, welche von der Voraus- setzung ausging, dass alle organischen Verbindungen des Thierkörpers in dem Maasse oxydirt würden, in welchem Sauerstoff vorhanden sei, widerlegt sich durch die Be- obachtungen von Regnault und Reiset . Um die Widersprüche zwischen den Re- sultaten dieser letztern Chemiker und denen von Allen, Pepys auszugleichen, könnte man versucht sein, den Gedanken auszusprechen, dass in Folge des gewöhn- lichen Lebensganges (Nahrung, Muskelbewegung u. s. w.) ein beschränktes Gewicht Kohlensäureabscheidung abhängig von der Blutmischung. von leicht oxydabeln Zersetzungsprodukten des Eiweisses, der Fette u. s. w. gebildet wurde. Während der normal beschleunigten Einathmung gewöhnlicher Luft wurde das Blut nicht mit so viel Sauerstoff imprägnirt, um die in jedem Augenblick ent- standenen oxydabeln Produkte auch sogleich zu exydiren, so dass also in diesem Fall der thierische Körper mit einer gewissen Summe derselben getränkt wäre. Würde nun aber plötzlich aus irgend welchem Grunde der Sauerstoffgehalt des Bluts gestei- gert, so würden dem gemäss auch jene oxydabeln Produkte der Verbrennung anheim fallen und damit sich für einige Zeit die CO 2 ausscheidung beschleunigen und dann in ihren normalen Gang einkehren. Ein Zusatz von Stickoxydulgas zur Einathmungsluft steigert die CO 2 ausscheidung ( Zimmermann ). c) Abhängigkeit von der Muskelzusammenziehung. Nach einer kräf- tigen Bewegung der Gliedmaassen steigt sehr bald das Minutenmittel der CO 2 über den Normalwerth ( Scharling ) und erhält sich über demsel- ben stundenlang, wenn die Bewegung anhaltend war ( Vierordt ). Diese Vermehrung der Ausscheidung ist begleitet von einem beschleunigten Luft- wechsel und zugleich von einer Steigerung der CO 2 prozente in der Aus- athmungsluft, woraus man auf eine gesteigerte Spannung der CO 2 im Blute schliessen darf. Bevor wir die Variation der ausgehauchten CO 2 weiter verfolgen, richten wir zuerst unsere Aufmerksamkeit auf den Gehalt des Blu- tes an diesem Gase , so weit er von Becher festgestellt wurde. Nach ihm steigt der CO 2 gehalt des Blutes auf und ab, selbst an solchen Tagen, an welchen keine Nahrung aufgenommen und die Gliedmaassen wenig bewegt wurden. Unmittelbar nach dem Erwachen steht die CO 2 hoch, sinkt bis gegen 11 h ab, steigt dann bis um 3 h auf ihr Maximum und sinkt dann wieder gegen den Abend hin. Diese in den Gegenwirkun- gen der menschlichen Organe selbst begründeten Veränderungen reihen sich ähnlichen an, welche uns über den täglichen Gang der thierischen Wärme und des Pulses bekannt sind. — Der CO 2 gehalt des Blutes ist abhängig von der Nahrung. Dieses zeigt sich einmal darin, dass das tägliche Mittel des CO 2 gehalts an einem Hungertag niedriger als an einem Speisetag ist; dieser Unterschied tritt stärker hervor, je länger das Hun- gern andauert, also das tägliche Mittel des ersten Hungertags ist noch höher, als das des zweiten u. s. f. — Der Einfluss der Nahrung drückt sich aber auch dadurch aus, dass der Gang der täglichen Schwankung abgeändert wird, indem einige Zeit, 2 bis 3 Stunden nach der Mahlzeit der CO 2 gehalt des Blutes ziemlich bedeutend ansteigt und erst nach eini- ger Zeit und allmählig wieder absinkt. Dieses Ansteigen prägte sich ganz auffallend aus, als nach mehrtägigem Hungern Nahrung aufgenommen wurde. Die Lungenluft, welche 46 Stunden nach der letzten Mahlzeit unter den bezeichneten Cautelen ausgeathmet wurde, enthielt 5,9 pCt. CO 2 , zwei Stunden nach dem darauf erfolgten gewöhnlichen Mittagsessen enthielt sie 8,2 pCt. Die über die Zeit beschriebenen Curven (Fig. 65 ) 22* Kohlensäureabscheidung abhängig von dem Lungenbau. Fig. 65. geben eine Anschauung der täglichen Schwan- kung des CO 2 gehalts. Ihre Ordinaten sind die zu den bezeich- neten Zeiten beobach- teten CO 2 prozente der Lungenluft. Von den beiden Curven stellt a b den Gang vor, wenn gar keine Nahrung genommen, a c ist dagegen giltig, wenn um 1 h ein ge- wöhnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie es nicht un- wahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum des CO 2 gehalts im Blute zusammenfällt mit demjenigen der Bildung dieses Gases, so gehen aus dem von der Speise gelieferten Material die CO 2 - und Harnstoffbildung nicht gleichzeitig vor sich, denn das Maximum des CO 2 gehalts fällt einige Stunden früher, als das Maximum der Harnstoffausscheidung. Siehe Fig. 58 . Man könnte versucht sein, den Widerspruch in der Beobachtung von Vierordt und Becher zu discutiren, indem der Erstere das Maximum der CO 2 ausscheidung um eine Stunde früher nach dem Mittagsmahl fand, als der Letztere sein Maximum der Blut- CO 2 . Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erklärungsversuch dieser Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven ge- messen und dargethan ist, dass die zwischen Vierordt und Becher bestehenden Unterschiede keine individuellen sind. Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der Lungenwand . Hierbei kommt in Betracht das Verhältniss der Wand- ausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge fasst, die Dicke und die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen Blut und Luft. Da uns alle Versuche über die auf diesen Elementen beruhenden in- dividuellen Verschiedenheiten fehlen, so müssen wir uns damit begnügen, aus theoretischen Gründen zu behaupten, dass bei gleicher Räumlichkeit eine grossblasige (emphysematische) Lunge weniger CO 2 liefern wird, als eine kleinblasige, vorausgesetzt, dass die Spannung der Blut- CO 2 und der Luftwechsel gleich angenommen werden. Denn im letztern Fall ist die Fläche, welche CO 2 ausscheidet, grösser, als im erstern. — Mit der Dicke der Lungenwand, dem Wassergehalt derselben u. s. w. hängt der Widerstand ab, den die CO 2 auf ihrem Wege vom Blut in die Lun- genluft findet; also muss auch hiermit die CO 2 ausscheidung veränder- lich werden. Veränderlichkeit der CO 2 ausscheidung aus gemisch- ten Gründen . Aus einer Combination der bis dahin vorgeführten Ele- mente, denen sich vielleicht noch andere anschliessen, lässt sich ableiten, dass mit den Hirnzuständen, welche einen Einfluss auf die Erregbarkeit der reflektorischen und automatischen Herde oder auf die willkührliche Muskel- erregung gewinnen, mit der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht, den Tages- und Jahreszeiten, den Klimaten u. s. w. die in der Zeitein- Kohlensäureabscheidung aus gemischten Gründen. heit ausgeschiedenen mittleren CO 2 menge sehr veränderlich sein müsse. Es kann natürlich vom Standpunkt der Theorie aus kein Interesse ge- währen, auf die weiteren Verwickelungen einzugehen. Wichtiger ist es, die Versuchswege so weit auszubilden, dass es gelingt, bei jedem belie- bigen Individuum den Werth zu bestimmen, mit welchem sich jedes ein- zelne Element betheiligt an der gesammten CO 2 ausscheidung. Insbeson- dere würde es dem Arzt von Wichtigkeit sein, messbar festzustellen, ob und wie weit sich die Individualitäten von einander absetzen durch ihre Fähigkeit, kohlenstoffhaltige Körperbestandtheile rascher und in grösserer Ausdehnung zu oxydiren. Diese Fähigkeit kommt unzweifelhaft Personen mit lebhafter Nervenerregbarkeit, mit relativ grosser Muskelmasse, mit beträchtlicher Verdauungsfähigkeit u. s. w. im höhern Grade zu, als den entgegengesetzt constituirten. Möglich wäre es aber immerhin, dass neben diesen Gründen, welche u. A. dem Kind, dem Mann, dem thätigen Indi- viduum eine relativ reichlichere CO 2 ausscheidung sichern, auch noch andere constitutionelle Verhältnisse sich geltend machen, und die Zuver- sicht auf ein Bestehen derselben wird sehr gesteigert, wenn man sich einzelne krankhafte Zustände in das Gedächtniss ruft. Angabe der mittleren Gewichte ausgeschiedener Koh- lensäure . Bei den ungemeinen Schwankungen, welchen die CO 2 - ausscheidung unterworfen ist, müsste man über sehr zahlreiche Be- obachtungen gebieten können, wenn man daraus ein Stunden-, Tages-, Jahresmittel für Personen verschiedenen Alters, Geschlechts u. s. w. mit Sicherheit ableiten wollte. Wir besitzen aber in der That nur wenige Be- obachtungen, welche billigen Anforderungen entsprechen. Ihre Mittheilung darf jedoch nicht unterbleiben, um so weniger, weil sie eine bemerkens- werthe Uebereinstimmung bieten. Die Zahlen von Scharling , welche die folgende Tabelle mittheilt, sind aus stundenlangen, die von Andral und Gavarret aber nur aus 8 — 13 Minuten dauernden Beobachtungen abgeleitet. Die Zahl, welche Vierordt mittheilt, zeichnet sich vortheil- haft aus durch die grosse Reihe der zu Grunde gelegten Versuche. Alle Beobachtungen beziehen sich auf ruhige, unwillkührliche Athembewegungen. Die Absonderungsgeschwindigkeit ist ausgedrückt durch den Quotienten des Körpergewichts in das Kohlenstoffgewicht, welches die ausgeschiedene CO 2 enthielt. Da sich durch den ganzen Körper hindurch die CO 2 bildet, und da die Bildung und Ausscheidung mit annähernd gleicher Geschwin- digkeit vor sich gehen, so wird diese Ausdrucksweise erlaubt sein. Statt der ausgehauchten CO 2 setzen wir den Kohlenstoff aus später einleuch- tenden Gründen. Um diesen auf das entsprechende CO 2 gewicht zu redu- ziren, ist es nur nöthig, die Zahl des erstern mit 11 / 3 zu multipliziren. Wollte man das hieraus erhaltene Gewicht der CO 2 auf Volumina bringen, so würde es mit 1000 / 1,9814 zu multipliziren sein. Mittlere Kohlensäureausscheidung; absolut und prozentisch. Die Zahlen von Scharling sind nicht das Mittel aus allen von ihm angestellten Versuchen, sondern nur aus denen, die auf die Zeit zwischen 1 und 2 Uhr fallen, zu welcher Zeit auch Andral und Gavarret ihre Beobachtungen anstellten. Diese hier gegebenen Werthe sind höher, als das Gesammtmittel. Vergl. Journal für prakt. Chemie. 36. Bd. p. 455. Das Verhältniss des niedrigsten zum höchsten Werth (aus welchem das Mittel gezogen) ist nach Vierordt = 1:2,55 und nach Schar- ling = 1:1,62 . Angabe des mittleren Volumprozents der ausgeath- meten Luft an CO 2 . Die Beobachtung hat bei sehr verschiedenen Individuen unter ganz verschiedenen Umständen keine sehr auffallenden Schwankungen im Prozentgehalt der CO 2 aufgedeckt, vorausgesetzt, dass die Athembewegung unwillkührlich vor sich ging. In sehr zahlreichen Beobachtungen von Brunner und Valentin bewegte er sich von 3,3 zu 5,5 pCt. und in 600 Bestimmungen von Vierordt zwischen 6,2 und 3,4 pCt. Die gewöhnliche Zahl hielt sich nahe um 4,0 pCt. Diese Be- ständigkeit des mittleren CO 2 gehalts ist dem innigen Anpassen der Athem- bewegungen nach Zahl und Tiefe an den CO 2 gehalt des Blutes zu ver- danken, in Folge dessen sich immer ein dynamisches Gleichgewicht her- stellt zwischen der Bildung und Ausfuhr von CO 2 . In der That sehen wir, wenn die CO 2 bildung langsam vor sich geht (in körperlicher Ruhe, Entziehung der Speisen u. s. w.) die Athemfolge sich verlangsamen und im umgekehrten Fall sich beschleunigen; ist der Lungenraum oder seine Veränderlichkeit auf irgend welche Weise beschränkt (Zwergfelllähmung, krankhafte Ergüsse in die Lunge, Anfüllung der Unterleibshöhle) so wird der kurze Athem rasch u. s. w. — Das Verhältniss zwischen Zahl und Tiefe der Athembewegungen einerseits und dem CO 2 gehalt der Lungenluft an- Veränderlichkeit der Sauerstoffaufnahme. dererseits ist aber weder für alle Zustände desselben, noch für die ähnlichen verschiedener Menschen gleich. Eine Aufmerksamkeit auf diese Verschie- denheiten dürfte vielleicht von Bedeutung sein, weil offenbar der mittlere CO 2 gehalt der Lungenluft eine Schätzung für die CO 2 sättigung des ganzen Körpers gewährt, indem die CO 2 prozente der Lungen die Grenze bezeich- nen, unter welche die des Bluts nicht herabsinken können; es würde so- mit aus ihnen eine Charakteristik für die Individualität (Constitution, Tem- perament) zu gewinnen sein. Die meisten ältern Beobachtungen stimmen mit dem oben Erwähnten überein; andere sind dagegen sehr abweichend, was aus den ganz mangelhaften Methoden, die CO 2 zu bestimmen, abgeleitet werden kann. 4. Veränderung der Sauerstoffaufnahme . Die atmosphärische Luft verliert bei ihrer Anwesenheit in der Lunge einen Theil ihres Sauer- stoffs. Da aber bekanntlich das Volum der trockenen Aus- und Einath- mungslust, wenn sie auf gleichen Barometerstand gebracht worden, an- nähernd wenigstens gleich ist, und beide auch ungefähr denselben Ge- halt an Stickstoff führen, so muss im Ganzen und Groben auch die Be- hauptung richtig sein, dass ungefähr so viel Sauerstoff aus der Luft ver- schwindet, als Kohlensäure in sie gehaucht wird. Der Grundstein dieser Beziehung ist dadurch gegeben, dass die aus- gehauchte Kohlensäure den Sauerstoff wieder mit sich führt, welcher aus der Luft in das Blut getreten war, indem der thierische Kohlenstoff von dem atmosphärischen Sauerstoff verbrannt wurde, schliesslich also nicht mehr CO 2 ausgehaucht werden, als aus dem aufgenommenen Sauerstoff entstehen konnte, oder umgekehrt, es konnte nicht mehr Sauerstoff ver- schluckt werden, als die oxydabeln Atome des Thierkörpers verbrauchen konnten. Indem man aber den letzten Ausdruck formt, sieht man auch gleich ein, dass die Beziehung eine nicht überall nothwendige ist, da die Kohlensäure keineswegs das einzige Oxydationsprodukt des thierischen Körpers ist, sondern ausserdem noch HO und manche andere flüssige sauerstoffreiche Körper (Harnstoff, Harnsäure u. s. w.) aus dem Blut- strom hervortreten. Daraus geht also hervor, dass für gewöhnlich mehr Sauerstoff verschluckt wird, als in der ausgehauchten Kohlensäure ent- halten ist, und dass namentlich dieses Missverhältniss steigen muss, wenn wir eine grössere Menge wasserstoff- und stickstoffreiche Nahrung geniessen (Fette, Fleisch). Die ausgehauchte CO 2 wird dagegen nahezu die ganze Menge des ausgeathmeten Sauerstoffs wieder wegführen, wenn die Nahrung vorzugsweise aus Zucker und Amylon besteht, da der in diesen complexen Atomen enthaltene Sauerstoff hinreicht, um den Was- serstoff derselben zu Wasser zu oxydiren, so dass bei einer Verbrennung derselben nur so viel Sauerstoff hinzuzutreten braucht, als nöthig, um den C in CO 2 umzuformen. — Aber auch in diesem Fall ist nur ein schliesslicher, aber keineswegs ein in jedem Augenblick paralleler Gang Veränderlichkeit im Stickgas. des Verbrauchs an O und des Gewinns an CO 2 nothwendig. Denn zwi- schen dem ersten und letzten Produkt der Oxydation liegen meist manche Zwischenstufen, so dass anfänglich viel Sauerstoff verbraucht wird, bevor sich CO 2 bildet; endlich geht dann freilich alles in CO 2 über. — Es darf nicht übersehen werden, dass auch noch von einer andern Seite her eine Störung des Zusammengehens der CO 2 und des O’s in die Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der einzige Ort ist, an dem Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach den Eigenschaften der Wände jener andern Athemwerkzeuge muss das Verhältniss von CO 2 und O in dem Blute alterirt werden und damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges beider Gase in der Lunge. Diese Gründe machen es nothwendig, dass das Verhalten des Sauerstoffs beim Athmen noch gründlicher, als bisher geschehen, untersucht werde. Der Mechanismus, durch welchen die annähernd gleiche Ein- und Ausfuhr von Sauerstoff und CO 2 erhalten wird, ist leicht zu übersehen, wenn man bedenkt, dass im Blute zwei verschiedene Absorptionsmittel vorhanden sind, das eine für Sauerstoff (die Blutkörperchen) und das andere für Kohlensäure (das Serum). In dem Maasse, in welchem der Träger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der der CO 2 und dieser letztere entledigt sich seines Gases an einem Orte, an welchem Sauerstoff zur Sättigung des andern vorhanden ist. Eine kurze Ueber- legung wird nun darthun, dass die Athembewegung und der Blutstrom in demselben Maasse die Spannungsdifferenz der CO 2 und des Sauer- stoffs diesseits und jenseits der Lungenwand begünstigen, so dass also beide in Strömen von umgekehrter Richtung gleich stark gehen. Da uns die bestätigenden oder widerlegenden Versuche fehlen, so verzichten wir auf ein weiteres Eingehen in Aehnlichkeit und Unähnlichkeit der Be- dingungen und Erscheinungen beider Gasströme in der Lunge. Versuche wären aber sehr wünschenswerth und insbesondere über die Abhängig- keit der Absorptionsgeschwindigkeit, von den Spannungsdifferenzen des O im Blute und der Luft, um auch die praktisch wichtige Frage zur Entscheidung zu bringen, auf welchen Werth die Sauerstoffspannung in der eingeathmeten Luft sinken dürfe, bevor sie zum Athmen untauglich sei. Nach alten, wahrscheinlich mit analytischen Fehlern behafteten Ver- suchen von Allen und Pepys l. c. p. 196. soll ein Mensch in einer Luft mit 4 pCt. O das Bewusstsein verlieren. Wir brauchen kaum hervorzuheben, dass das, was für den gegenseitigen Strom gilt, keineswegs für den Gehalt des Bluts an CO 2 und O zu bestehen braucht, da dieser von den relativen Mengen der Absorptionsmittel abhängt. 5. Veränderung des Stickgases . Das Verhalten des Stick- stoffs in der Ausathmungsluft hat bis dahin kaum Berücksichtigung ge- Veränderung des gesammten Luftvolums. funden, was um so mehr zu bedauern, als es der Theorie aus mehreren Gründen unmöglich ist, die Lücke auszufüllen. — Wir benutzen zur Ergänzung des Fehlenden die Resultate, welche aus einer Untersuchung des gesammten thierischen Gasaustausches hervorgegangen sind; die Be- rechtigung hierfür liegt darin, dass die Lunge die hervorragendste unter allen Athemflächen ist. Aus jenen Beobachtungen ergiebt sich, dass eine diffusive Bewegung des Stickgases fehlen und vorhanden sein kann; die Richtung des Diffusionsstroms kann abermals verschieden sein, indem er das Stickgas zu der einen Zeit aus dem Blute in die Luft und zu einer andern gerade in umgekehrter Richtung führt. — a) Die Ausathmung des Stickgases tritt ein: nach vorgängigem Genuss von Fleischspeisen und Brod ( Regnault, Reiset, Barral ); ferner während eines Auf- enthaltes in einer Ngasfreien Luft ( Allen, Pepys, Legallois, Marchand ) und zwar in so überwiegender Menge, dass dieselbe nicht abgeleitet werden kann aus dem Rückstand von atmosphärischer Luft, der in den Lungen noch zurückblieb, als das Athmen in dem N- freien Gas begonnen wurde. Da das Blut Ngas aufgelöst enthält, so ist die Aushauchung desselben unter den zuletzt erwähnten Umständen auch eine Nothwendigkeit. — b) Die Aufnahme von Ngas in das Blut ge- schieht bei anhaltendem Hungern und c) vollkommen indifferent bleibt es bei einer Nahrung, die aus reinen Vegetabilien besteht. Die Gasvolumina, welche sich in dem Stickstoffstrom bewegen, sind zwar sehr gering gegen den der CO 2 und des O, aber sie sind unter Umständen nicht unbedeutend im Vergleich zu den Stickstoffgehalt der täglichen Nahrungsmenge. Nach Barral Statique chimique des animaux. Paris 1850. 270. soll sich das Gewicht des gasförmig ausgeschiedenen Stickstoffs auf das Dritttheil oder gar die Hälfte des Genossenen belaufen. 6. Veränderung des Gesammtvolums der eingeathme- ten Luft . a) Das in die Lunge aufgenommene Gasvolum verändert sich unabhängig von dem dort erfolgenden Austausch permanenter Gase, weil es durchfeuchtet und in seiner Wärme verändert wird. Da wir für ge- wöhnlich kältere und trocknere Luft aus- als einathmen, so kann man sagen, es wird das eingeathmete Luftvolum durch den Wasserdampf und die Wärme vergrössert. Die jedesmalige Zunahme des Volums ist nach bekannten Regeln leicht zu berechnen, wenn die Unterschiede der Tem- peratur und der Dampfspannung in der Aus- und Einathmungsluft ge- geben sind. b) Eine zweite verwickeltere Betrachtung erstreckt sich nun auf die Veränderung des ein- und ausgeathmeten Luftvolums in Folge des Gas- austausches. Die Untersuchung über diesen Punkt führen wir unter den Voraussetzungen: dass der Thorax bei der Exspiration genau wieder auf Veränderung des gesammten Luftvolums. den Punkt zusammenfällt, von dem er bei der beginnenden Inspiration ausgegangen war, und dass die ausgeathmete Luft bei der Vergleichung der betreffenden Volumina genau wieder auf den Barometerstand, Tem- peratur und Feuchtigkeitsgrad gebracht werde, den die eingeathmete besass. Bei diesen Annahmen wird der Werth der Veränderung abhän- gig sein: von der Menge des ausgehauchten oder eingesogenen Stickstoffs; von dem Kohlensäure- oder Sauerstoffvolum, welches die andern neben der Lunge bestehenden athmenden Flächen des Thierleibes aufnehmen und abgeben; von der Menge flüssiger Oxydationsprodukte, welche neben der entstehenden CO 2 mit Hilfe des verschluckten Sauerstoffgases gebil- det werden. — Da der erste dieser drei Punkte an und für sich klar ist, so wenden wir uns sogleich zur Besprechung der beiden letzteren. Nehmen wir nun zuerst an, es werde der ganze aus der Atmosphäre aufgenommene Sauerstoff innerhalb des Organismus zur Bildung von CO 2 verwendet, die wiederum gasförmig aus dem Blute sich entfernte, so folgte daraus, dass das Gesammtvolum der aus dem Körper ausge- schiedenen Gase gerade so gross sein würde, als das des aufgenomme- nen Sauerstoffs, weil bekanntlich die aus der Vereinigung von C und O 2 entstehende gasförmige CO 2 genau den Raum einnimmt, den vor der Vereinigung die beiden Atome Sauerstoff besassen. Die Ausscheidung und Aufnahme der Gasvolumina könnte sich nun aber trotz ihrer im Ganzen bestehenden Gleichheit doch auf die verschiedenen mit der Luft in Be- rührung befindlichen Flächen vertheilen, u. A. so, dass an einem Orte überwiegend mehr CO 2 ausgeschieden und an dem andern mehr O aufge- nommen würde; gesetzt also, es bestände die Eigenthümlichkeit, dass die äussere Haut mehr CO 2 ausschied, als sie Sauerstoff aufnähme, so würde in der Lunge dafür ein grösseres Volum von dem letzteren Gas aufgesogen und ein geringeres von dem erstern abgegeben werden müs- sen. — Um nun die Bedeutung der dritten Bedingung, die wir oben anführten, einzusehen, machen wir die Voraussetzung, es werde auf jeder Athemfläche die Gewichtsmenge von Sauerstoff wieder ausgegeben, die sie aufgenommen; dagegen aber soll das in das Blut aufgenommene Sauerstoffgas nicht allein zur Bildung von CO 2 , sondern auch zur Er- zeugung anderer Oxydationsprodukte verwendet werden. Bei dieser Vor- aussetzung ergiebt sich, dass das Verhältniss zwischen dem von und zu der Lunge gehenden Luftvolum abhängig ist von der Verwendung, die das Sauerstoffgas innerhalb des Körpers erfährt, so dass, wenn z. B. die Hälfte desselben zur Erzeugung von CO 2 und die andere zur Verbren- nung des Wasserstoffs in Wasser benutzt wird, auch nur die Hälfte des durch die Lungenwand eingedrungenen Luftvolums von ihr wieder aus- geschieden würde. Eine Vergleichung der gegebenen Betrachtungen mit den bis dahin gewonnenen Erfahrungen ergiebt: 1 ) Das Volum der ausgeathmeten Luft Blutveränderung durch das Athmen. ist geringer, als das der eingeathmeten. Diese Thatsache, welche La- voisier entdeckt hat, haben alle genaueren Beobachter nach ihm be- stätigt. — 2 ) Nach dem Genuss von Pflanzenstoffen (Körner, Gras) er- reicht der Unterschied zwischen dem eingenommenen Sauerstoffvolum und ausgeathmeten CO 2 volum seinen geringsten Werth, seinen grössten aber nach der Ernährung mit Fleischkost ( Dulong ) Schweigger , Journal für Chemie, 38. Bd. 506. (1823). ; Regnault und Reiset geben, wenn das Volum der eingesogenen O 2 = 1 gesetzt wird, als Grenzwerthe der Verhältnisszahlen für den ersten = 1,04 und für den letzten Fall = 0,62 an. — Hungernde Thiere verhalten sich wie Fleischfressende. Hinge die Volumverminderung allein von dem Unter- schied zwischen der verschluckten O und der ausgeathmeten CO 2 ab, so müsste sie bei der Fleischnahrung am bedeutendsten werden. Da nun aber auch bei Fleischnahrung Stickstoff ausgehaucht, beim Hungern aber aufgesogen wird, so wird sie in der That in den letzten Bedingungen am merklichsten sein. 7. Blutveränderung in der Lunge während der Ath- mung . Zu Erfahrungen über die Umwandlungen, welche das in den Lungencapillaren strömende Blut innerhalb derselben erfährt, kann man gelangen theils durch Folgerungen aus der bekannten Veränderung der Einathmungsluft, theils aus einer Vergleichung des in die Lunge ein- und ausströmenden Blutes. Der letztere Weg steht uns noch nicht offen, weil uns Untersuchungen des Bluts aus der arteria und vena pul- monalis, oder des linken und rechten Herzens fehlen; denn wollte man vergleichen, wie es zuweilen geschieht, das Blut einer beliebigen Haut-, Muskel- oder Eingeweidevene mit dem arteriellen, so ist es einleuchtend, dass der zwischen beiden Objekten bestehende Unterschied nicht allein aus der Einwirkung der Lungen abgeleitet werden darf, da sich dem analysirten Venenblut, bevor es in die Lunge eindringt, noch der anders zusammengesetzte Inhalt der grossen Lymphstämme und vieler andern Venen beimengt. Welche chemischen Folgen aber aus dieser Mischung der verschiedenartigen Flüssigkeiten eintreten, lässt sich gegenwärtig nicht angeben, und somit fehlt uns das Mittel, die Veränderungen, welche die Lunge allein ausgeführt hat, auszuscheiden. Wenn wir also zu er- mitteln gedenken, wie weit der Unterschied des arteriellen und des uns bekannten venösen Bluts von der Athmung abhänge, so bleibt uns nur übrig, nachzusehen, welche Veränderungen des Bluts aus der bekannten Umwandlung der Einathmungsluft abgeleitet werden können. a) Wir gehen bei dieser Betrachtung aus von dem durch mecha- nische Mittel abscheidbaren Gasgehalte beider Blutarten. Bis dahin musste sich die Bestimmung jener Gase beschränken auf die verhältniss- mässige Menge, in der sie in den beiden Blutarten enthalten waren, und Veränderung des Bluts durch das Athmen. diese ergab, dass sich die CO 2 : N : O verhielten: im venösen Blut wie 2,8 : 1,3 : 1,0 und im arteriellen wie 2,7 : 0,5 : 1 ; d. h. es haben Kohlen- säure und Stickgas im Verhältniss zum Sauerstoff vom arteriellen zum venösen Blute abgenommen. Diese Erscheinung dürfen wir ungescheut, zum Theil wenigstens, dem Einfluss der Athmung zuschreiben, da die Luftanalysen dargethan haben, dass CO 2 und Ngas aus dem Blute ent- weicht und O in dasselbe aufgenommen wird, während es in den Lun- gen kreist. Jenseits dieser allgemeinen Folgerung dürfte sich aber aus den verschiedenen Zahlen nichts weiter schliessen lassen, da dieselben, wie früher erwähnt, sich nicht einmal auf das Blut desselben Thiers beziehen. b. Die arterielle zeichnete sich vor der venösen Blutflüssigkeit da- durch aus, dass sie in 100 Theilen mehr Faserstoff, Extrakte und Was- ser, dagegen weniger Eiweiss, Fette und Zucker enthielt. — Da der Faserstoff und das Eiweiss ihrer Zusammensetzung nach in sehr inniger Beziehung zu einander stehen, indem sie sich wesentlich nur dadurch von einander unterscheiden, dass der erstere in 100 Theilen etwas mehr O enthält, als der letztere, so findet die Annahme Vertreter, dass in den Lungen ein Antheil des Bluteiweisses in Faserstoff verwandelt sei. Ebenso erklärt man das Uebergewicht des venösen Blutes an Fetten und Zucker daraus, dass ein Theil dieser Verbindungen in der Lunge oxydirt werde. — Diesen Behauptungen würde man eher beizutreten geneigt sein, wenn begreiflich gemacht wäre, warum diese Oxydationen, wie namentlich die des Eiweisses, nicht schon im venösen Blute, sondern erst in der Lunge vor sich gehen, obwohl das erstere doch nur um ein geringes weniger freien Sauerstoff enthält, als das Lungenblut. Demnächst müsste dann auch, was namentlich für den Zucker und Fette gilt, dargethan werden, dass ihr Verschwinden, resp. ihre relative Verminderung, nicht bedingt sei durch die Zufügung zucker- oder fettarmer Flüssigkeiten zu dem Blute der vena jugularis und hepatica, — und endlich ob sie nicht durch andere beigemengte Verbindungen verändert worden seien. — Aber trotz dieser Mängel des direkten chemischen Beweises würde die Behauptung, dass der Sauerstoff sogleich nach seinem Eintritt in das Lungenblut theilweise zur Bildung von Oxydationsprodukten verwendet werde, Glau- ben geschenkt werden müssen, wenn es sich den Untersuchungen von G. Liebig gegenüber bestätigte, dass das Blut der Lungenvene wärmer als das der Lungenarterie ist. Denn es sind in Folge der Verdunstung, der Absorption und der Bewegung der Gase die Verhältnisse der Wärme so angeordnet, dass im günstigsten Fall das arterielle Blut um ein un- merkliches, wahrscheinlich aber in der That um ein merkliches kälter sein müsste, als das venöse. Gesetzt, man wollte die Wärmemenge, welche bei der CO 2 verdunstung latent wird, derjenigen gleich setzen, welche die O absorption in Freiheit setzt, so würde jedenfalls das Ernährung der Lunge. Blut der Lunge einen namhaften Wärmeverlust dadurch erleiden, dass eine stetige Wasserverdunstung auf der Oberfläche dieses Organs vor sich geht, und dass es sich so oft mit kalter Luft füllt, die erwärmt wieder ausgestossen wird. Dieser Verlust würde aber möglicher Weise keinen für gewöhnliche thermometrische Instrumente messbaren Unter- schied zwischen den Temperaturen beider Blutarten herbeiführen, vor- ausgesetzt, dass das Blut in den Lungencapillaren jedesmal nur äusserst kurze Zeit verweilte. — Wenn also trotzdem ( Davy ) Schweigger , Journal für Chemie u. Phys. 15. Bd. 468. u. f. , dem, wie er- wähnt, G. Liebig entgegentritt, das Blut, welches aus der Lunge kommt, merklich wärmer ist, als das, welches in dieselbe strömt, so muss sich innerhalb derselben eine neue Wärmequelle finden, welche nach unsern gegenwärtigen Einsichten nur in dem Oxydationshergang, nicht aber in dem Unterschiede der Wärmekapazität der beiden Blutarten gefunden werden kann. Denn es hängt dieselbe in unserm Fall nur von dem spezifischen Gewichte der beiden Flüssigkeiten ab ( J . Davy ) l. c. p. 462. und zwar in der Art, dass das weniger dichte auch eine geringere Menge Wärme fasst, als das dichtere. Zwischen den spez. Gewichten des Venen- und Arterienblutes dürfte aber schwerlich ein genügender Unter- schied gefunden werden. Der grössere Wassergehalt des arteriellen Blutes kann nur abgeleitet werden aus der Beimischung der wässerigen Lymphe, da innerhalb der Lungen nicht nur kein Wasser zu dem Blute gefügt, sondern sogar aus ihm durch Verdunstung entfernt wird. Dieser Ansicht wird man heute kaum noch die oft widerlegte Meinung entgegenhalten, dass durch Verbrennung wasserstoffhaltiger Blutbestandtheile mittelst des eingenom- menen Sauerstoffs so viel Wasser gebildet worden sei, um den Wasser- verlust in der Lunge zu bestreiten und zugleich den Wassergehalt des arteriellen Blutes zu erhöhen. c. Die hellere Röthung der arteriellen Blutkörperchen ist von dem gesteigerten Gehalte des Bluts an Sauerstoff und dem gleichzeitig vermin- derten an CO 2 abzuleiten. 8. Ernährung der Lunge . Die Formfolge bei der ersten Ent- wickelung derselben ist analog derjenigen andern gelappten Drüsen; der einzige Unterschied besteht darin, dass die Zellenhäufchen, welche die spätern Aeste und Aestchen darstellen, gleich von vorn herein im Centrum Flüssigkeit führen, nicht aber wie gewöhnlich compakt sind. — Nach der Geburt vergrössert sich die Lunge nur durch die Ausdehnung der vor- handenen Bläschen und Röhren; eine Neubildung derselben kommt nicht mehr vor. — Länger dauernde Ausdehnungen und Verengerungen erleiden aber die Lungenbläschen sehr leicht, weil ihre Wandung zart, ihre Um- gebung beweglich und ihr Inhalt stets dem Luftdruck ausgesetzt ist. So Ernährung der Lunge. wie sich also der Druck der Umgebung mindert oder mehrt, müssen sich auch die Lungenbläschen mehr oder weniger ausdehnen, und so sehen die pathologischen Anatomen sehr häufig dauernde Erweiterungen (Em- physema) nach Adhäsion der Lunge, welche die Ausdehnung gewisser Partieen während der Einathmung unmöglich machen, und Obliteration oder Verengerung der Bläschen, wenn sich in anliegenden Organen oder zwischen den Lappen der Lunge selbst Ausschwitzungen eingestellt haben, z. B. nach Herzbeutel-, Brustwassersucht u. A. — Eine andere Gefahr droht den Lungenbläschen durch den Blutstrom, der mit dünnen Wan- dungen umzogen durch ihre Häute dringt, die namentlich von der Seite her, welche gegen die offenstehenden lufthaltigen Höhlen gekehrt sind, eine geringe Widerstandskraft besitzen. Es genügt darum eine unbedeu- tende Erhöhung des gewöhnlichen niedrigen Blutdruckes, um eine Filtra- tion in die Lungenhöhle zu veranlassen. Hierzu geben häufig Veranlas- sung feste Körperchen, z. B. Kohlenpartikelchen, Fetttröpfchen, kleine Faserstoffgerinnsel, welche (aus den Lymphgefässen eingeführt?), wenn sie selbst die Blutkörperchen nur um ein Geringes an Grösse übertreffen, in den engen Capillarröhren der Lunge hängen bleiben, einzelne Aest- chen verstopfen und somit im Kleinen alle die Folgen herbeiführen, welche Virchow Traube ’s Beiträge zur experimentellen Pathologie. 1846. 2. Heft. im grossen Maassstab an künstlich erzeugten Stockun- gen beschrieben hat. — Oefter ist auch die Meinung ausgesprochen worden, dass die Blutgefässe unter dem Einfluss der Nerven überhaupt und insbesondere der Lungenäste des n. vagus ihren Durchmesser zu ändern vermöchten. Diese an und für sich nicht unwahrscheinliche Hy- pothese entbehrt jedoch der weitern Begründung, da die Thatsachen, auf welche sie sich stützt, auch noch andere Auslegungen erfahren können. Die Grundlage, von welcher aus die zuletzt erwähnte Controverse Billroth (u. Traube ), De natura et causa pulmonum affectionis etc. Berlin 1852. — Fowe- lin (u. Bidder ), De causa mortis post vagos dissectos. Dorpat 1851. geführt wird, ist genommen aus den Erscheinungen nach Durchschneidung der Vagi. 1) Nach Durchschneidung des Halsstammes der beiden Vagi über dem Kehlkopf erfolgt bei einigen Thieren (Katzen, Pferden u. s. w.) sogleich Erstickung, weil sich bei der Einathmung die Stimmritze ventilartig schliesst. Andere dagegen (z. B. Kaninchen) bleiben bis zu 24 Stunden am Leben; nach dem Tode zeigt die Sektion die Gegen- wart von Speichel, Epithelialzellen der Mundhöhle und Speisereste in den Lungen- hläschen; zugleich ist ein Theil derselben geröthet und mit blutigen Exudaten gefüllt, wie sie sich in der sog. Entzündung finden. Endlich bei noch andern Thieren (z. B. erwachsenen Hunden), welche gewöhnlich die Durchschneidung der Vagi mehrere Tage überleben, findet sich häufig gar keine merkliche Veränderung der Lungensubstanz. — 2) Nach Durchschneidung der rami recurrentes allein tritt die Lungenentzündung immer später ein, in vielen Fällen bleibt sie auch ganz aus. — 3) Nach Durchschnei- dung der Lungenäste allein, so dass die des Kehlkopfs unverletzt bleiben, soll auch die Entzündung entstehen; es ist aber sehr zweifelhaft, ob die angedeutete Operation ausgeführt werden kann. — 4) Nach Durchschneidung nur eines n. vagus zeigen sich gewöhnlich keine Veränderungen in der Lungensubstanz. Folgen der Durchschneidung beider n. vagi. Daraus folgert man nun: a) Die Entzündung entspringt aus einer Lähmung der Gefässnerven, die im n. vagus enthalten sind; es soll dieses aus Combination der Versuche 1 und 3 hervorgehen. Den Erfolg des 4. Versuchs rechtfertigt man da- durch, dass der n. vagus jeder Seite zugleich in beide Lungenhälften gehe. Bevor es der Mühe werth ist, aufmerksam zu machen auf die vielen Widersprüche, die sich aus den vorliegenden Durchschneidungsversuchen gegen diese Unterstellung er- heben, könnten wir erst abwarten, ob es gelingt, noch durch irgend welches andere Mittel die behauptete Beziehung zwischen den Muskeln der Lungengefässe und den Va- guszweigen zu erweisen. — b) Da nach Durchschneidung der n. vagi die Stimmritze nicht mehr schliesst, so dringen bei Schlingbewegungen Speichel und Speisereste in die Lunge, welche in den Lungencapillaren durch chemische Einwirkung auf die Wan- dungen oder den Inhalt der Gefässe Stockung des Blutstroms erzeugen ( Traube ). Eine Bestätigung dieser Annahme findet man darin, dass der in die Lunge gesprützte Speichel dort Entzündung veranlasst, dass nach Durchschneidung der Vagi die Ent- zündung ausbleibt, wenn man die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfs durchschnitten und ihre Mündung durch ein passendes Mittel offen erhalten hat; wenn nach dieser Modifikation der Operation noch eine Entzündung zu Stande kommt, so ist dieses davon abhängig, dass sich in den Kanälen, welche in den untern Luftröhrenabschnitt eingebunden sind, Schleim angesammelt hat ( Billroth ); dass nach Durchschneidung der rami recurrentes die Lungenentzündung bei allen den Thieren ausbleibt oder we- nigstens seltener eintritt, deren Stimmritze beim Schlingen noch durch den m. thyreo- pharyngei wenigstens annähernd geschlossen wird, dass sie aber nach Durchschnei- dung des u. recurrentes unfehlbar erscheint, wenn man die Speiseröhre unterbindet und damit die Entleerung des Mundspeichels hemmt. Alle diese Thatsachen scheinen nach den Untersuchungen von Billroth und Fowelin vorzugsweise ihre Anwen- dung bei Kaninchen, weniger aber bei Hunden zu finden. — b) Nach der Durch- schneidung der Vagi werden die Athemzüge seltener und tiefer, und weil zugleich die Stimmritze beengt ist, so entstehen beträchtliche Verdünnungen der Luft in dem Brustraum, und in Folge dessen platzen die Lungengefässe ( Bernard ). Es fehlt bis dahin noch der genauere Nachweis der behaupteten Druckdifferenzen. Mit dem Vorstehenden hat man nun meist die andere Frage in Verbindung ge- bracht, durch welchen Mechanismus die Durchschneidung der u. vagi den Tod ver- anlasse. Offenbar kann er nicht Folge der Lungenentzündung sein, da die Hunde auch ohne alle Anzeichen derselben sterben. Nach den Beobachtungen von Blain- ville und Fowelin ist die Lunge überhaupt so wenig beeinträchtigt, dass Vögel und Hunde nach Durschneidung der nn. vagi mehr CO 2 ausathmen, als vor derselben. — Man hat darum der Reihe nach alle Störungen, welche die Verletzung der n. vagi hervorruft, als Todesursachen betrachtet, und namentlich aber die aufgehobene oder wenigstens beeinträchtigte Verdauung und die beschleunigte Schlagfolge des Herzens. Die Beweise für diese Annahmen sind aber sehr spärlich; die Thiere sterben doch sonst nicht, wenn sie 3—4 Tage hungern oder heftig fiebern. Wollte man die Proba- bilitäten mehren, so könnte man auch auf eine Veränderung der Blutzusammensetzung hinweisen, welche aus den Störungen einiger Absonderungen resultirt. Ueber die betreffenden Streitfragen siehe die Litteratur bei Fowelin und J. Müller Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. p. 277. . Die chemischen Vorgänge in den Lungensäften dachte man sich früher sehr lebhaft, indem man annahm, dass dort reichliche Massen kohlen- und wasserstoffhaltiger Atome angehäuft seien ( Lavoisier, La- place ) aus deren Oxydation die CO 2 und das HO der Ausathmungsluft Umsetzungsprodukte der Lungensäfte. hervorgehen sollte. Die chemische Untersuchung der Lungen und des Bluts hat diese Hypothese nicht bestätigt; sie hat im Gegentheil andere Quellen des Brennmaterials aufgedeckt. — Verdeil Compt. rend. XXIII. 604. glaubte neulich in dem Lungensaft eine besondere Säure nachgewiesen zu haben, welche die kohlensauren Verbindungen des Lungenbluts zerlegen und auf diese Weise die Entwickelung von CO 2 bedingen sollte. Durch eine genauere Untersuchung von Cloetta Züricher Mittheilungen. 1854. 404. ist diese Angabe wiederlegt worden. Er machte die Beobachtung, dass aus dem aus der Lunge gepressten Saft drei krystallinische Körper erhalten werden können, von denen einer unzweifelhaft Harnsäure ist; von den beiden andern enthält der eine, welcher neutral ist, Stickstoff und der andere eine so schwache Säure, dass sie CO 2 nicht austreibt (die Verdeil ’sche Säure?), Schwe- fel und Stickstoff. Diese Erfahrungen, welche Cloetta im Augenblick noch weiter verfolgt, geben auf eine merkwürdige chemische Umsetzung in den Lungensäften Hinweisung. B. Hautathmung . 1. Die Epidermis und das oberflächlichste Gefässnetz sind die ana- tomischen Theile der Cutis, welche beim Hautathmen vorzüglich in Be- tracht kommen. — Die luft- und blutscheidende Epidermis ist für alle bis dahin geprüften Gasarten durchgängig gefunden worden; diese Er- fahrung ist wichtig, aber ungenügend; man wünscht noch zu wissen, wie mit der Dicke, der relativen Mächtigkeit von Zellen- und Hornschicht, der chemischen Zusammensetzung ihrer Quellungsflüssigkeiten, der Tem- peratur die Absorptions- und Reibungscoeffizienten der Gase wechseln. Das Blut, welches in das oberflächliche Netz der Cutis eingeht, strömt dorthin aus den Gefässen, welche die Schweissdrüsen umschlingen, und geht dann in die Hautvenen über. Der Durchmesser seines Bettes in der Cutis ist sehr variabel, wie ohne Messung jeder weiss, der die Farbe und Schwellung der Haut im Gedächtniss hat. Diese Veränder- lichkeit ist abhängig von den Muskeln, welche in die Cutis (Haarbälge u. s. w.) und in die Wandungen der Gefässe selbst eingelegt sind. — Diese Muskeln ziehen sich zusammen nach einer vorgängigen Erregung der Hautnerven (z. B. nach leidenschaftlichen Aufregungen u. s. w.) und nach einer Abkühlung der Haut. Sie scheinen dagegen ihre Wider- standsfähigkeit einzubüssen mit der steigenden Wärme. — Die Zusam- menziehung der Gefässmuskeln scheint, wenn man aus ihrer Anordnung schliessen darf, immer eine Verengerung der Gefässe (Blasswerden der Haut) nach sich zu ziehen. — Die der andern Hautmuskeln aber keines- wegs; denn wenn man sich durch schmerzhafte elektrische Schläge eine Gänsehaut (die das sichere Zeichen der Hautmuskelerregung ist) bereitet Hautathmen. ( Kölliker ), so wird die Haut in der Nähe roth und bei der Frost- gänsehaut ist die Umgebung blass. — Die bewegenden Nerven müssen in den Bahnen der Hautnerven gehen; die der Gefässe sind aber nur für eine geringere Zahl von Hautstellen genügend bekannt. 2. Die Mittel zur Analyse der Veränderungen, welche die mit der Haut in Berührung befindliche Luft erfahren hat, sind einfach die früher schon angegebenen. Schwierigkeiten stellen sich der Untersuchung hier nur beim Auffangen der veränderten Luft entgegen. Zum Auffangen der durch die Hautathmung veränderten Luft hat man sich bis dahin folgender Einrichtungen bedient: a) Lavoisier und Seguin Memoires de l’Academie. 1789. p. 567. 1790. p. 601. zogen über den nackten menschlichen Körper, den Kopf ausgenommen, einen mit flüssigem Kaut- schouck dicht gemachten Taftbeutel. Diese Methode hat wesentliche Fehler, nament- lich erhöht sie die Temperatur der Haut und den Feuchtigkeitsgrad der Oberhaut; sie stellt die natürlichen Diffusionsbedingungen nicht her für den Wasserdunst, denn der Inhalt des Beutels wird nahebei mit Wasser gesättigt sein, und ebenso nicht für den O und die CO 2 , denn der Gehalt der eingeschlossenen Luft an dem ersteren Gas wird bald geringer und der an dem letzteren Gas bald grösser sein, als in der Atmosphäre. Endlich wird höchst wahrscheinlich die Schweissbildung eingeleitet; die Verdunstungs- produkte des Schweisses mengen sich somit der Hautausdünstung bei. — b) Ger- lach Müller’s Archiv. 1851. 431. überdeckte nur ein mehrere Quadratzoll grosses Hautstück mit einer gefir- nissten Harnblase, die er luftdicht an der Haut befestigt hatte. Dieses Verfahren trifft die vorigen Einwürfe; es hat jedoch den Vorzug, eine weniger bedeutende Stö- rung in die Gesammtausdünstung und Schweissabsonderung einzuführen. Die von ihm zur Analyse des gefangenen Gases angewendeten Verfahrungsarten gehören nicht gerade zu den fehlerfreiesten. — c) Regnault und Reiset Annales de chimie. XXVI. 505. schlossen die ganzen Thiere, den Kopf ausgenommen, in einen luftdichten Sack ein, und leiteten durch denselben einen Luftstrom; diese Methode vermeidet zwar die oben gerügten Fehler, setzt dagegen einen neuen an die Stelle, indem sie das Thier zu einer fast vollkom- menen Ruhe seiner Gliedmaassen zwingt. — d) Scharling Journal für praktische Chemie. 36. Bd. 454. bediente sich eines luftdicht schliessenden Kastens, durch den ein Luftstrom geführt werden konnte; der Deckel desselben war von einem Kautschouckrohr durchbohrt, das innerhalb des Kastens in einer Maske auslief. Die Maske wurde luftdicht vor das Gesicht der Person ge- bracht, welche sich behufs der Untersuchung in dem Binnenraum des Kastens auf- hielt. Das zu beobachtende Individuum wurde nackt oder bekleidet eingeschlossen. Die Luft, welche das Lungenathmen unterhielt, wurde also durch das Kautschouck- rohr in die Lunge geführt und auf demselben Wege, ohne sich mit der Luft des Kastenraumes zu mischen, wieder ausgestossen. Dieses sonst tadelfreie Verfahren erlaubt, nur die CO 2 und annähernd den Wasserdunst zu bestimmen; von diesen beiden hat Scharling nur die erstere in Betracht gezogen. 3. Die Veränderungen, welche die mit der Haut in Berührung kom- mende atmosphärische Luft erfährt, bestehen darin, dass ihr Wärme, Wasserdunst, Kohlensäure und Stickgas (?) zugefügt und ihr Sauerstoff- gas (?) entzogen wird. Die Wärmemenge, welche die Oberhaut in der Zeiteinheit durch Leitung und Strahlung verliert, muss nach bekannten Grundsätzen sich Ludwig, Physiologie. II. 23 Hautathmen. mehren a) wenn die Temperatur der Cutis steigt; dieses geschieht bei Annahme einer constanten Temperatur des Blutes mit der Ausdehnung der Gefässe und der Geschwindigkeit des Blutstromes. — b) Mit der ab- nehmenden Dicke der Epidermis, welche, als ein schlechter Wärmeleiter, dem Durchgange der Blutwärme einen um so grössern Widerstand ent- gegensetzt, je stärker die Schicht ist, die über den Gefässen liegt. — c) Mit dem Temperaturunterschied zwischen der Epidermis und der um- gebenden Luft, und darum mit dem Luftwechsel. Denn die Luft, als ein schlechter Wärmeleiter, würde, wenn sie ruhig auf der Oberhaut läge, ähnlich der Epidermis wirken. Die Menge des Wasserdunstes, welche in der Zeiteinheit aus der Oberhaut tritt, wird sich mehren a) mit der relativen Sättigung der At- mosphäre durch Wasserdampf; im Allgemeinen verlieren wir aus diesem Grunde durch die Haut mehr Wasser im Sommer, als im Winter. — b) Mit dem Luftwechsel, indem dieser die schon dem Sättigungspunkte näher stehende Luft durch andere weniger gesättigte ersetzt. — c) Mit dem abnehmenden Barometerstand, indem ein niedriger Luftdruck die Dampfbildung beschleunigt. — d) Mit der Ausbreitung des Blutstromes in der Cutis, indem hiervon die Feuchtigkeit und der Temperaturgrad der Oberhaut abhängt. — e) Mit der abnehmenden Dicke der Oberhaut, weil dieselbe dem Durchgange der Feuchtigkeit, welche auf ihrer Ober- fläche die Dunstform annehmen soll, einen Widerstand entgegensetzt. Eine experimentelle Prüfung der theoretischen Forderungen ist noch nicht unternommen worden, da alle die zahlreichen Versuche, die bis dahin über Wasserverdunstung durch die Haut angestellt wurden, auch zugleich die Schweissbildung berücksichtigt haben. Jedenfalls ist der Wasserverlust, den der menschliche Körper auf diesem Wege erleidet, beträchtlich. Die in der Zeiteinheit, z. B. in der Stunde, von der Haut der unter- suchten Thiere gelieferte CO 2 menge fanden Regnault und Reiset , im Vergleich zu der während derselben Zeit aus der Lunge ausgehauchten, gering und zugleich bei demselben Thiere, das sich scheinbar unter den- selben Verhältnissen befand, wechselnd; sie sind darum geneigt, die Annahme zu machen, dass in den Fällen, in welchen der CO 2 gehalt der Luft in den oben beschriebenen Säcken reichlicher als gewöhnlich aus- fiel, zugleich durch den After eine Entleerung dieses Gases statt ge- funden habe. — Scharling ’s Untersuchungen am Menschen stimmen annähernd mit den vorhin genannten, was das Verhältniss zwischen dem Verlust der CO 2 durch Lungen und Haut anlangt. Wird der CO 2 verlust aus der Lunge zu 1 gesetzt, so schwankt der aus der Haut zwischen 0,016 und 0,031 . Die höheren Zahlen beobachtete er bei Erwachsenen, die niederen bei Kindern. Wir geben hier die absoluten Werthe, welche er für 1 Stunde gefunden hat; sie beziehen sich auf dieselben Menschen, die in der Hauthathmen. Tabelle p. 337 erwähnt sind; sie sind auch in dieselbe Reihenfolge ge- stellt: Knabe ( 9¾ J.) = 0,181 Gr.; Jüngling ( 16 J.) = 0,181 Gr.; Mann ( 28 J.) = 0,373 Gr.; Mädchen ( 10 J.) = 0,124 ; Frau ( 19 J.) = 0,272 . — Gerlach beobachtete dagegen, wie es scheint, an Men- schen eine reichlichere CO 2 ausscheidung; diese soll sich mehren mit der Muskelanstrengung und der steigenden Temperatur der Atmosphäre; die letztere Annahme wird theoretischerseits darum wahrscheinlich, weil zu der bezeichneten Zeit die Gefässe der Cutis angefüllter sind, als in der Kälte. Ueber das Verhalten des Ngases befinden wir uns noch vollkommen im Unklaren. Collard de Martigny Wagner ’s Handwörterbuch. II. Bd. Artikel Haut von Krause . p. 141. giebt an, dass nach Fleischkost Ngas ausgehaucht werde (?). Die Aufnahme von Sauerstoffgas durch die Haut ist zwar theoretisch wahrscheinlich, aber durch den Versuch noch nicht vollkommen erwie- sen. Die Beobachtungen von Regnault und Reiset lassen einen Zweifel übrig, weil sie nicht die absolute Menge des Sauerstoffs, der durch den Sack gegangen war, bestimmten, sondern nur sein Verhältniss zur CO 2 und dem Ngas. Sie fanden nun die Luft so beschaffen, dass, wenn man annahm, es sei ihr Stickstoffgehalt durch das Hautathmen nicht verändert worden, gerade so viel Sauerstoff verschwunden war, als sich hiervon in der ausgehauchten CO 2 wiederfand. Diese Annahme ist aber durch Nichts bewiesen. Entscheidender würden die Versuche von Gerlach für die Sauerstoffabsorption sprechen, wenn uns die Fehler- grenzen seiner Beobachtungsmethode besser bekannt wären. Er fand nemlich den Sauerstoff im Verhältniss zum Stickstoff so beträchtlich ver- mindert, dass eine ganz ausserordentliche Stickstoffaushauchung hätte stattfinden müssen, wenn kein Sauerstoff aus der mit der Haut in Be- rührung gewesenen Luft verschwunden wäre. In allen seinen Versuchen war das Volum des aufgenommenen Sauerstoffs, gerade entgegengesetzt dem Verhalten in der Lungenluft, viel geringer, als das der ausgeschiedenen CO 2 . Die verschwundene Menge wuchs auch hier mit der Temperatur der Luft und der Muskelanstrengung des Thieres. 4. Der absolute Krause in Wagner ’s Handwörterbuch. II. Bd. p. 136. Werth des Gewichtsverlustes, den wir den Tag über durch die Hautausdünstung erleiden, ist noch niemals für sich ge- messen worden, sondern immer gemeinsam mit dem durch eine etwa da- zwischen eintretende Schweissbildung veranlassten. Da nun diese letztere noch viel variabler ist als die erstere, so lässt sich durchaus nichts all- gemein Giltiges sagen. — Ziehen wir aber die vorliegenden Untersuchun- gen in Betracht, so ergiebt sich, dass bei mittlerer Lebensart und Tem- peratur das Gesammtgewicht des täglichen Verlustes durch die Haut um den Werth von 500 bis 800 Gr. schwankt. Offenbar ist dieser Verlust vor- 23* Gesammtgaswechsel. zugsweise durch die Wasserverdünstung bedingt, wie die vorstehenden Bemerkungen über CO 2 ausscheidung deutlich zeigen. C. Gesammtgaswechsel des thierischen Körpers . Die Bindung und Ausscheidung von Luft auf Haut, Lunge und Darmkanal stehen in mannigfachen Beziehungen zu einander, so dass sie sich theilweise gleichzeitig steigern, theils aber auch ergänzen, indem mit dem Sinken der Athmung auf einer der bezeichneten Flächen die- jenige auf einer anderen im Wachsthum begriffen ist. Da eine theore- tische Feststellung dieses Zusammenhanges vorerst noch unmöglich ist, so sind die Versuche, welche sich über den Gesammtaustausch der Gase erstrecken, einzig und allein unser Haltpunkt. Die Methoden, mit denen die Ausscheidung und Bindung der Gase untersucht wurde, sind im Prinzip zwei wesentlich verschiedene; die eine von ihnen bestimmt alle oder einzelne der aufgenommenen Gasarten geradezu, während die andere sie aus dem Gewichtsunterschiede der festen und flüssigen Bestandtheile der Nahrungs- und Ausscheidungsstoffe ableitet. — 1) Die direkten Wege sind nun aber selbst wieder verschiedene. a. Berthollet Schweigger , Journal für Chemie und Physik. I. Bd. 173. führt die zu beobachtenden Thiere in ein genau gemessenes Luftvolum von bekanntem Druck, bekannter Temperatur und Zusammensetzung ein und lässt sie in demselben so lange verweilen, bis sich die Zeichen der begin- nenden Erstickung einstellen; er bestimmt dann von Neuem Temperatur, Druck und Zusammensetzung der Luft, in welcher die Thiere enthalten waren. Auf diese Weise erhält er die absolute Menge der ausgeschiedenen und eingenommenen permanenten Gasarten. Das Schema des Apparates, den er hierzu anwendet, ist in Fig. 66. ge- Fig. 66. geben. A ist der luftdichte Kasten von bekann- tem Rauminhalt, a a ein Quecksilbermanometer, das den Unterschied des Druckes in der Atmo- sphäre und dem Inhalt des Kastens angiebt, b ein Thermometer, welches die Temperatur der Luft im geschlossenen Raume misst. Ist nun der Raum- inhalt des Behälters bekannt, so kann man jeder- zeit die Menge von Luft berechnen, welche er enthält, vorausgesetzt, dass man den barome- trischen Druck, unter dem sich diese Luft befin- det, und den Temperaturgrad derselben kennt. Ist somit das Gesammtgewicht der Luft festge- stellt, so genügt es, einen kleinen Antheil des Inhaltes zu analysiren, um das absolute Gewicht jeder einzelnen Gasart in dem Gemenge zu fin- den, indem aus der gefundenen prozentischen Zu- sammensetzung die des ganzen Gemenges be- rechnet werden kann. Dieser sinnreiche Appa- rat erlaubt aber nur beschränkte Anwendung, da die eingeschlossenen Thiere sehr bald statt in reiner Luft, in einem Gasgemische athmen, das reich an CO 2 und arm an Sauerstoff ist, wodurch die natürlichen Be- dingungen der Athmung wesentlich umgestaltet werden. — Dieser Einrichtung hat sich ausser Berthollet auch noch Legallois Annales de chimie et physique. IV. Bd. (1817). 1. u. 113. bedient. Gesammtgaswechsel. b. Regnault und Reiset Annales de chimie et physique. 26. Bd. (1849). 310. haben den eben beschriebenen Apparat wesentlich da- durch verbessert, dass sie mit dem Kasten eine Einrichtung in Verbindung bringen, welche es möglich macht, dass die in jedem Augenblicke gebildete CO 2 absorbirt und durch das entsprechende Volum von Sauerstoffgas ersetzt wird, so dass der Druck und die Zusammensetzung der Luft innerhalb und ausserhalb des Behälters sich nahezu unver- ändert erhält. Ihr Apparat (Fig. 67) ist aus folgenden Theilen zusammengesetzt: A Fig. 67. stellt ein Wassergefäss vor, das durch die Röhre a a a in den Ballon B mündet, wel- cher bei Beginn des Versuchs mit Sauerstoffgas gefüllt ist; dieser steht durch die Röhre b b in Verbindung mit dem Behälter C , der das athmende Thier aufnimmt. In diesen Raum öffnen sich das Manometer c c und die zwei Schläuche d d und e e , welche in zwei Ballons D und E eintreten, die Aetzkalilösung enthalten. Die zuletzt er- wähnten Kaligefässe können mittelst eines Treibwerkes in eine Bewegung gebracht werden, bei der das eine von beiden jedesmal aufsteigt, wenn das andere niedergeht. Da beide durch die Röhre f f commuiziren, so entleert sich der flüssige Inhalt des auf- steigenden in das absteigende Gefäss, und dafür entleert das letztere seine Luft in den Behälter C , während das erstere sich aus diesem mit Luft füllt. Diese Weg- nahme resp. Einfüllung von Luft aus den Kaligefässen geschieht nun aber wegen der Aufstellung der Röhren e e und d d abwechselnd aus den oberen und den unteren Schich- ten des Athmungsbehälters. — Diese Weise zu beobachten lässt nichts zu wünschen übrig, da ihre Erfinder zugleich zur Bestimmung der Gasarten vollendete analytische Hilfsmittel in Anwendung brachten, so besitzen unzweifelhaft ihre Beobachtungen das Uebergewicht über alle anderen. Ein ähnliches Prinzip hat Marchand Journal für prakt. Chemie. 44. Bd. 1. bei einem Theil seiner Versuche benutzt; es ist aber in seiner Ausführung nicht zu der erreich- baren Vollkommenheit gediehen. c. Das Verfahren von Scharling Liebig ’s Annalen. 45. Bd. 214. und Journal für prakt. Chemie. 48. Bd. 435. endlich beabsichtigt nicht alle, sondern nur einzelne Veränderungen, welche die Luft durch das Athmen erfährt, und insbesondere die gebildete CO 2 zu bestimmen. Er führt seine Beobachtungsobjekte in den luftdicht schliessenden Kasten A (Fig. 68.) und leitet durch diesen einen kohlensäurefreien Luft- strom, der bei a ein- und bei b aus dem Kasten dringt. Die aus der Atmosphäre eindringende Luft geht, bevor sie in den Kasten gelangt, durch einen mit Kali ge- füllten Kugelapparat von Liebig k . Aus der andern bei b befindlichen Oeffnung führt ein Rohr durch mancherlei Zwischenstücke in ein grosses mit Wasser gefülltes Gesammtgaswechsel. Fig. 68. Fass ( B ), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung c in beliebig raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr b d von dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen Abschnitt e , der mit SO 3 und Bimsteinstücke, dann einen Liebig ’schen Kugelapparat f und darauf abermals ein Schwefelsäurerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme, welche die Stücke f und g während des Versuches erfahren, rührt von der beim Athmen gebildeten CO 2 her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Le- tellier Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478. , Lehmann Abhandlungen der K. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften für 1845. 461. , Erlach Versuche über Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846. , Philippi Valentin ’s Jahresbericht über Physiologie für 1845. 222. u. A. in Anwendung gebracht. 2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs- produkte hat Boussingault Annales de chimie et physique. X. (1844) 456. und nach ihm Barral Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. — Journal für prakt. Chemie. 48. Bd. , Scharling Journal für prakt. Chemie. 36. Bd. u. A. in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N, C, H während eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische Körper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein Verlust an Speichel, Hautabschuppung, Härung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H geradezu die gasförmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so müsste wenigstens die empirische Anwendbarkeit vorgängig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit hindurch gleichzeitig feste, flüssige und luftförmige Ausleerungen der beobachteten Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualität gleich ist derjenigen der Nahrung. Aus den Versuchen über Gesammtausscheidung der Gase ergab sich: 1. Aus dem thierischen Körper wird Kohlensäure, Wasserstoff, für gewöhnlich auch Stickstoff und gasförmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen; die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie ver- nachlässigt werden kann. Gesammtgaswechsel. Schwefelwasserstoff, obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht aufgefunden. Die Ausscheidung von Ammoniak ist behauptet ( Marchand ) und be- stritten ( Regnault, Reuling ). 2. Die Qualität und Quantität der ausgehauchten und aufgenomme- nen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stickstoff wird in beträchtlichster Menge ausgestossen nach reiner Fleischdiät, in geringer Menge nach dem Genusse von Brod; dieses Gas wird dagegen aus der Atmosphäre während des Hungerns aufgenommen. — Von der gesammten Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach Brodnahrung bis zu 0,9 , uach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7 und nach sehr fetthaltiger Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen CO 2 wieder enthalten. Diese That- sachen erlauben die Ableitung, dass ein grosser Theil der aufgenomme- nen Nahrung alsbald dem Oxydationsprozesse verfalle, dessen Endprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Der Theil des aufgenommenen Sauer- stoffs, welcher sich unter den Auswürflingen nicht wieder mit Kohlen- säure vereinigt findet, ist natürlich verwendet worden zur Herstellung anderer Verbindungen. Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser letztere Antheil des verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten grösser als nach brodreichen sein. Denn das Brod besteht vorzugsweise aus Kohlenhydraten, d. h. aus Verbindungen, welche neben Kohlenstoff Wasser und Sauerstoff und zwar in einem solchen Verhältniss enthalten, wie sie zur Wasserbildung nothwendig sind, während der in den Fetten enthaltene Sauerstoff nicht hinreicht, um ihren Wasserstoff zu Wasser zu verbrennen. Erfolgt also eine totale Verbrennung der Kohlenhydrate und Fette zu CO 2 und HO, so kann in dem einen Fall aller vorhandene freie Sauerstoff nur zur Oxydation des C, in dem andern aber muss er gleichzeitig zur CO 2 - und HObildung verwendet werden. Dieser Schluss, dass die aufgenommenen Nahrungsmittel kurze Zeit nach ihrer Aufnahme der Oxydation anheim fallen, wird bestätigt durch das Verhalten des Stickstoffs bei der Athmung, indem nach dem Genusse der relativ stick- stoffreichen Fleischnahrung die Aushauchung desselben ihr Maximum erreicht, während bei Brod- und Fettnahrung entweder sehr wenig oder gar nichts von demselben gasförmig ausgestossen wird. Diese Erfahrung, dass sich nemlich die Bildung der Athmungsgase qualitativ anschliesst an die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, hat wie es scheint auch ohne weitere direkte Versuche die allerdings wahrscheinliche Annahme erzeugt, dass mit der Vermehrung der Nahrungsmittel die absolute Menge der ausgeathmeten Gase und des eingeathmeten Sauerstoffs steige. 3. Rücksichtlich der Beziehung zwischen Athmung und Körpergewicht ist thatsächlich festgestellt, dass bei zureichender Nahrung und sonst gleichen Umständen die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs ( Regnault, Reiset ) und der ausgeathmeten CO 2 dem Körpergewicht nicht genau proportional steigt. Namentlich bilden Säugethiere von geringem Gewichte Gesammtgaswechsel. viel mehr CO 2 , als solche von grösserem ( Erlach ). Diese Thatsache erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere verhältniss- mässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, vermöge deren die Verbrennung rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf Menschen von verschiedener Grösse anwendbar ist. 4. Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte Menge der CO 2 , und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache des gewöhnlichen Mittelwerthes betragen kann ( Scharling ). 5. Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch erzeugt wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinölfirniss überzieht, bringt nach Regnault und Reiset keine merkliche Störung in das Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenom- menen Sauerstoffs, und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses letzteren zu der ausgestossenen CO 2 . Dieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung eines luftdichten Verschlusses der Haut eintreten sah, ganz anderen Gründen als der Störung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe Gerlach Müller’s Archiv. 1851. p. 467. . 6. Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die Leber ausschneidet, so geben sie weniger CO 2 in der Zeiteinheit aus, als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein, als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden könnte ( Mole- schott ) Müller’s Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162. . 7. Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll die Menge der gelieferten CO 2 wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuch- tigkeitsgrade und dem Barometerstande. a. Nach Letellier liefern dieselben Thiere bei 0 ° noch einmal so viel CO 2 , als bei 30 ° C, sie dunsten dagegen in höheren Temperaturen mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei längerem Aufenthalte in der höheren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren Stunden einen constanten Werth. b. Nach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen CO 2 mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft. c. Mit dem steigenden Barometerstande soll sich nach Lehmann die Menge der ausgestossenen CO 2 mehren; ihm steht die Versuchsreihe von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureausscheidung zu schliessen wäre. 8. Bei einem längeren, nahezu 24 stündigen Aufenthalt der Säuge- thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosphäri- Umsetzung des Blutes innerhalb der Gefässe. schen abweicht, ergeben sich aus den Regnault-Reiset’ schen Versuchen: a. In einer Luft von der prozentischen Zusammensetzung CO 2 = 3,01 , O = 17,42 , N = 79,57 nahm in der Zeiteinheit ein Hund mehr O auf und hauchte mehr CO 2 aus, als in einer gleich temperirten Luft von der Zusammensetzung CO 2 = 0,77 , O = 17,70 , N = 81,53 . — Die Beobachtung, dass dasselbe auf gleiche Weise gefütterte Thier in einer Luft von demselben O- und grösseren CO 2 gehalt mehr O aufnimmt und mehr CO 2 abgiebt, lässt sich mit anderen Erfahrungen über das Athmen nur daraus erläutern, dass das Thier in der CO 2 reichen Atmo- sphäre mehr Athemzüge unternommen habe. b. In einer Atmosphäre, deren prozentische Zusammensetzung vom Beginn bis zu Ende des Versuchs zwischen CO 2 = 1,66 , O = 59,75 , N = 38,59 und CO 2 = 1,89 , O = 57,62 , N = 40,19 wechselte, hauchte das zu den vorigen Versuchen benutzte und in gleicher Weise gefütterte Thier nicht mehr N aus und nahm nicht mehr O auf, als in einer Luft von nahebei normaler Zusammensetzung. — Dieses wiederholt bestätigte Ergebniss steht in scheinbarem Widerspruche zu den Beohach- tungen von Allen und Pepys , dessen Lösung wir schon früher ver- sucht haben. Bemerkenswerthe Versuche einer Atmosphäre, deren Stickstoff zum grössten Theil durch Wasserstoff ersetzt war, siehe bei Regnault und Reiset , l. c. p. 500. Die Angaben, welche aus der Anwendung der indirekten Methode fliessen, sind nachzusehen in dem Abschnitte, der von der Vergleichung der Ausgaben und Einnahmen des thierischen Körpers handelt. Umsetzung des Blutes innerhalb der Gefässe . Am Schlusse eines Abschnittes, der vorzugsweise von den Umsetzun- gen der Atome des Blutes handelt, nachdem diese die Gefässhöhlen ver- lassen haben, erscheint es nicht unpassend, darauf einzugehen, ob das Blut auch innerhalb der Gefässröhren eine Umsetzung erfahre. Für eine solche spricht zuerst die Zusammensetzung des Blutes aus Verbindungen, die bei der Temperatur des thierischen Körpers durch den Sauerstoff so leicht umgesetzt werden, und dann die zahlreiche Berührung mit ver- schieden geeigenschafteten Flüssigkeiten, aus denen das Blut Stoffe auf- nimmt, die theils zu einander und theils zu den ursprünglichen Blut- bestandtheilen lebhafte Verwandtschaft zeigen, theils gährungerzeugend Buhl, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. VI. Bd. p. 100. und theils gährend sind. Dazu kommt, dass in der Blutflüssigkeit ein eigenthümliches Gewebe, die Blutkörperchen, schwimmt, welches von spe- zifischer Zusammensetzung auch eine von der des Blutplasmas abweichende Umsetzung darbieten muss. Nach dieser Einleitung ist man erstaunt, zu erfahren, dass sich die Beweise für das thatsächliche Bestehen der Blutbildung. Umsetzung des Blutes nur sparsam auffinden lassen, und dass die Art des chemischen Vorganges in ein vollkommenes Dunkel gehüllt ist. Mit Gewissheit darf man behaupten, dass ausser den schon erwähn- ten Stoffveränderungen, welche bei der Athmung in der Lunge vor sich gehen, die Lymphkörperchen unter Einbusse ihres fettigen Inhaltes in Blutkörperchen umgesetzt und diese wieder innerhalb des Blutstromes zerstört werden. Ohne diese Annahme würde es unverständlich sein, warum sich die beiden Formbestandtheile nicht in’s Unendliche im Blute anhäufen, da sie fortwährend in das letztere durch den Lymphstrom geführt werden und doch nicht als solche aus dem Blutstrome austreten können, ohne vorher eine totale Auflösung erfahren zu haben, so lange die Gefässwandungen unverletzt sind. Ebenso deutlich weist auf eine chemische Umsetzung des Zuckers der Umstand, dass er in dem Blute des rechten Herzens auftritt, während er im linken Herzen gar nicht oder nur sehr sparsam wiedergefunden wird. Worin aber alle diese Um- setzungen bestehen, zu welchen Produkten sie führen, ist vollkommen un- bekannt; so viel lässt sich nur wahrscheinlich machen, dass die Bildung von CO 2 entweder gar nicht oder nur sehr langsam zu Stande kommt, da arterielles Blut, welches bei Durchgang durch die Capillaren, durch die Berührung mit den Geweben also, sehr rasch in venöses übergeht, seine hellrothe Farbe sehr lange bewahrt, wenn es für sich, z. B. in eine Arterie des lebenden Thieres eingeschlossen, aufbewahrt wird. Die- ses wäre aber unmöglich, wenn sich mit Hilfe seines Sauerstoffs eine merkliche Menge von CO 2 gebildet hätte. — Diese geringe Summe von Erfahrungen macht es unmöglich, die alte Streitfrage zu entscheiden, ob die aus der Nahrung in das Blut übergegangenen Speisen sich sogleich im Blute oder erst in den Geweben umsetzen. III. Blutbildung. Das Blut ergoss in den Binnenraum des Körpers, in dessen Höh- len und Gewebe, fortwährend Atome, aus denen der chemische Umsatz in den letzteren bestritten wurde, und nicht minder treten aus ihm in die auswerfenden Drüsen Stoffe, welche aus den chemischen Prozessen innerhalb der Organe hervorgegangen waren. Diese Erscheinungsreihe setzt nothwendig voraus, dass die Atome, welche in die Gewebe und die geschlossenen Höhlen ausgesendet waren, wieder zum Blut zurück- kehren, damit ihre Ausscheidung auf Haut, Lunge, Niere möglich sei, und ferner, dass von aussen her wägbare Stoffe in den Körper eingeführt werden, welche den Verlust decken, den das Blut als Gewebsernährer erleidet. Naturgemäss zerfällt also die Lehre von der Blutbildung in die Aufsaugung aus den Geweben. Darstellung des Rückstromes aus den Geweben (Resorptio) und in die Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio). Aufsaugung aus den Geweben. Einleitung. Der Strom, welcher aus den Geweben in das Blut zu- rückgeht, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Geschwindig- keit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein mächtiger ange- sprochen werden, der im Körper des erwachsenen Menschen täglich nach Kilogrammen zu schätzen ist. Diese gewaltige Masse, welche weitaus übertrifft die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen, macht es von vorne herein begreiflich, dass der Rückstrom nicht allein führen kann die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der zwischen dieselben ein- gelagerten Flüssigkeiten. Die chemische Untersuchung, so weit sie vor- genommen, bestätigt nun in der That diese Voraussicht, indem sie nicht allein erkennen lässt, dass in dem aus den Geweben wieder aufgesogenen Lösungsgemenge die wesentlichen Blutbestandtheile in unveränderter Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge dieser letzteren unvergleichlich viel bedeutender ist, als diejenige der wirklichen Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung. Aus diesen überraschen- den Erfahrungen erwächst uns also die Ueberzeugung, dass aus dem Blute viel mehr austritt, als nothwendig wäre zum einfachen Ersatz der Zerstörungen, welche durch das Leben in den festen und flüssigen Organbestandtheilen angebracht sind, und dass demnach der grösste Theil der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder unverändert in das Blut zurückkehrt. So besteht also ein innerer Kreislauf der ernährenden Flüssigkeiten, welchen Bidder und Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus den Speisen in das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege (Lunge, Niere, Haut) als intermediären Kreislauf bezeichnet haben. Die erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes ist also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe und die Körperhöhlen. Diese letztere würde ein unbegreifliches Faktum sein, wenn die Blutflüssigkeit in den Geweben nur befördert würde durch die Anziehung dieser letzteren; da wir aber in dem vorstehenden Abschnitte kaum Spuren einer solchen Beziehung aufgefunden, da wir im Gegen- theil bemerkt haben, dass andere allgemeiner wirkende Ursachen die Säftebewegung aus dem Blute unterhalten, so kann uns in der That, so lange sich die Betrachtung nur an die groben Umrisse hält, die Erschei- nung nichts Befremdendes bieten. Das Blut, welches in den Gefässen enthalten ist, strebt, wie wir wissen, durch die porösen Wandungen hin- durch seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen mit den ausserhalb der Gefässe liegenden Flüssigkeiten. Mehrt sich also z. B. nach der Verdauung der Gefässinhalt, so wird die mittlere Spannung Aufsaugung von den Blutgefässen. in denselben wachsen, und sogleich wird ein Theil desselben in die Ge- webe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg wird zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit der ver- mehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die Zusammen- setzung des Blutes ändert, oder auch, wenn die chemische Anordnung der Gewebsflüssigkeiten nach gesteigertem Umsatz derselben eine Aen- derung erfährt. Denn dann werden die Diffusionsströme lebhafter von statten gehen. Dazu kommen nun aber noch Absonderungen in Folge gesteigerter Nervenerregung, welche u. A. nachweislich in Drüsen be- stehen, die ihre Säfte in zeitweise geschlossene Höhlen ergiessen. Diese Einrichtungen müssen nun bei den fortlaufenden Veränderungen in den Zuständen ebensowohl der Flüssigkeiten diesseits und jenseits der Gefässwand, als auch in denen dieser letzteren selbst, einen reichli- chen Flüssigkeitserguss veranlassen. Unsere nächste Aufgabe stellt sich nun dahin, nachzusehen, auf welchen Wegen und durch welche Mittel die ergossenen Massen wieder in das Blut zurückkehren. Die Erfahrung lehrt, dass dieses auf zweier- lei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Filtration?) in die Blut- gefässe selbst und dann durch Aufnahme in die Lymphgefässe. Aufsaugung von den Blutgefässen . 1. Zu der Zeit, in welcher die in der Diffusionslehre vorgetragenen Thatsachen entweder gar nicht bekannt waren oder wenigstens nicht im vollen Maasse gewürdigt wurden, war man geneigt, den unmittelbaren Uebertritt gewisser Stoffe aus den Gewebssäften in das Blut gänzlich zu leugnen, oder man musste mindestens, um das Bestehen eines solchen Stromes zu beweisen, zu direkten Versuchen am lebenden Thiere schreiten. Diese Versuche, welche lange Zeit das Interesse der Physiologen in An- spruch nahmen Heusinger’s Noten zu Magendie’s Physiologie. II. Bd. p. 242. , haben nun wirklich die Aufsaugung durch die Blut- gefässe in dem Umfange dargethan, in welchem es von der Diffusions- theorie gefordert wird. Beim gegenwärtigen Stande der letzteren Theorie und bei unseren Kenntnissen von den Eigenschaften des Blutes, der Ge- webssäfte und der Gefässhäute dürfte es schwieriger sein, die Aufsaugung durch die Blutgefässe zu bestreiten, als zu behaupten. Denn einmal sind beide Flüssigkeiten, das Blut und der Gewebssaft, wässerige Lösungen von verschiedener qualitativer und quantitativer Zusammensetzung; ferner wird eine vollkommene chemische oder diffusive Ausgleichung beider Flüssigkeiten verhindert, indem sich einerseits das Blut fortlaufend in den Aussonderungswerkzeugen reinigt und zeitweise Eiweissstoffe oder Salze des Wassers aus den Speisen aufnimmt, während anderseits durch die chemische Umsetzung in Gewebsflüssigkeiten Stoffe entstehen, welche in dem Blute entweder gar nicht oder nur in geringem Maasse vorhanden Aufsaugung von den Blutgefässen. sind; dazu kommt, dass das Blut in ausgebreitetem und verhältnissmässig raschem Strome die Gewebe durchkreist, so dass eine und dieselbe Blut- menge in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes nur ganz untergeordnete Veränderungen erfahren kann; endlich aber sind die Gefässhäute durch- gängig für Wasser und für die in dem Blute und den Gewebesäften auf- gelösten festen und gasförmigen Bestandtheile. Theorie und Beobachtung haben nun allerdings die Existenz der Gefässaufsaugung festgestellt, aber viel weiter haben sie bis dahin die Sache nicht fördern können. Die Theorie nicht, weil die Zusammen- setzung der Gewebsflüssigkeiten sehr unvollkommen, die Diffusionsge- schwindigkeit ihrer einzelnen Bestandtheile, die Conzentrationsunterschiede zwischen Blut und Gewebsflüssigkeiten und die Durchgangsfähigkeit der Gefässhäute für die in Betracht kommenden Stoffe unter den gegebenen Verhältnissen gar nicht bekannt sind. Der Versuch konnte aber nicht vordringen, weil es unmöglich ist, die Veränderungen, welche an der Gewebsflüssigkeit oder an dem Blute vorgehen, zu beschränken auf die- jenigen, welche die Gefässaufsaugung in ihnen hervorbringt. In der That wirkt auf die in den Gewebsräumen enthaltene Flüssigkeit die fortlaufende Umsetzung und Sekretion, die gleichzeitige Aufsaugung durch die Lymph- gefässe verändernd ein; das Blut aber, welches mit den Gewebssäften in Berührung war, wird durch den Strom vollständig abgeführt und mit anderen Blutarten gemischt. Die bis dahin in Anwendung gebrachten Methoden beschränken sich meist auf den Nachweis, dass ein für gewöhnlich im thierischen Organismus nicht vorkommen- der Stoff von den Gefässen aufgenommen wurde. Um dieses Ziel zu erreichen, be- diente man sich als Kennzeichen für den erfolgten Uebertritt in das Blut entweder der chemischen Prüfung dieses letzteren, was bei leicht nachweisbaren Substanzen, z. B. Blutlaugensalz und Farbstoffen, geschah, oder man untersuchte den nach der Anwendung des betreffenden Stoffes entleerten Harn, oder endlich man benutzte die physiologische Reaktion (Vergiftungserscheinungen). Die Gewissheit, dass die Auf- nahme nur durch die Gefässe hindurch geschehen sei, verschaffte man sich auf ver- schiedene Art. Entweder man legte ein längeres Stück eines grösseren Gefässes vollkommen frei, setzte in das obere und untere durchschnittene Ende desselben ein Rohr, so dass das isolirte Gefässtück mit dem übrigen Gefässsysteme nur in Ver- bindung stand durch diese Röhren, und brachte nun unter dasselbe eine isolirende Metall- oder Papierrinne, in welche man die aufzusaugende Lösung einfüllte ( Ma- gendie ). Diese Art zu experimentiren lasst keinen Zweifel darüber, ob der be- treffende Stoff durch die Gefässwand gegangen sei, aber sie entfernt den Diffusionsakt sehr von den natürlichen Verhältnissen. — Eine andere Methode stellte zuerst fest, ob von einer bestimmten Körperstelle aus, z. B. von der Darmoberfläche, der Haut u. s. w., Aufsaugung eines bestimmten Stoffes geschah. Darauf wiederholte man den Versuch nach Unterbindung aller zuführenden Blutgefässe ( Segalus ) oder aller ab- führenden Lymphgefässe ( Magendie ), oder der Unterbindung des ductus thoraci- eus, oder der Durchschneidung aller Verbindungen eines Gliedes mit dem Körper, die grossen Arterien und Venen ausgenommen ( Magendie, Kürschner ). — Drittens untersuchte man, einige Zeit nach Anwendung der aufzusaugenden Substanz, den In- halt der Blut- und Lymphgefässe; wurde er in den erstern aufgefunden und in den Aufsaugung von den Blutgefässen. letztern vermisst, so durfte man den unmittelbaren Uebergang in das Blut annehmen ( Flandrin, Tiedemann und Gmelin ). Viertens endlich bestimmte man die Zeit, welche verfloss, damit ein aufgelegtes Gift tödtlich wirkte, oder ein beliebiger Stoff im Harn erschien. War der Zeitraum sehr kurz, so schloss man auf direkte Ueber- führung in das Blut, da der Lymphstrom sich nur sehr langsam weiter bewegt. 2. Von den in den Geweben zerstreuten flüssigen Atomen kehren gerade- wegs durch die Gefässhäute in das Blut wieder ein: Wasser, CO 2 , Salze der Alkalien mit unorganischen und organischen Säuren, Zucker und Farbstoffe, wahrscheinlich auch Leucin, Tyrosin, Harnstoff, Kreatin und Kreatinin und andere lösliche Umsetzungsprodukte der Gewebe. Die Gewissheit, dass die zuerst genannten Substanzen geradezu vom Blut aufgesogen werden, schöpfen wir aus der Beobachtung, dass sie, die offenbar aus den Geweben herstammen, im Blute, nicht aber in den Lymphgefässen angetroffen werden, oder dass sie, wenn letzteres der Fall, wenigstens in einer solchen Weise und an solchen Orten des Gefässsystems gefun- den werden, die es verbietet, ihre Anwesenheit auf Rechnung der Ver- bindungen zwischen Blut- und Lymphgefässen zu schieben. Den Ueber- tritt der zuletzt aufgezählten Verbindungen erschliessen wir, weil die- selben im Blute angetroffen werden und die Theorie der Diffusion es zu fordern scheint, und zwar darum, weil sie sich im Wasser zerstreuen, und sie in den Geweben offenbar in reichlicherem Maasse als im Blute angetroffen werden. Ob einzelne Modifikationen der Eiweissstoffe, die im Blute sparsamer als in besonderen Drüsen- und Gewebssäften vor- kommen, direkt in die Gefässe treten, ist ungewiss, während es im höchsten Grade wahrscheinlich ist, dass die reichlich im Blute vertrete- nen Eiweisskörper nicht in dasselbe diffundiren ( Kürschner ). 3. Dem Vorstehenden entsprechend ist es unmöglich, anzugeben, mit welcher Geschwindigkeit jeder einzelne der wirklich aufgesogenen Stoffe eintrete, je nach dem Conzentrationsunterschiede innerhalb der Gewebssäfte und dem Blute, der anderweiten Zusammensetzung der Flüssigkeiten, in denen er gelöst ist, der Gefässabtheilung, durch deren Wand er tritt, und dem Spannungsunterschied, der zwischen dem Blute und dem Gewebssafte besteht. Die noch sehr unvollkommenen Ver- suche lassen jedoch schliessen, dass der Vorgang nach den bekannten Diffusionsgesetzen geregelt werde. Denn es ist der Strom aus dem Ge- webe in das Blut um so lebhafter, je conzentrirter die äussere Lösung ist, je zarter die Gefässwand, durch die er sich bewegt, also durch die Capillarenwand rascher, als durch die der Venen, und durch diese end- lich geschwinder, als durch die Arterien ( Magendie ). Schliesslich nimmt auch die Geschwindigkeit ab, wenn die Spannung im Gefässrohr steigt im Verhältniss zu der ausserhalb vorhandenen. So gelang es Ma- gendie , die aufsaugende Bewegung zu beschleunigen durch einen Ader- lass, sie aber zu verlangsamen durch Einsprützung von Blut oder Wasser Aufsaugung durch die Lymphgefässe. in die Gefässlumina; der letztere Effekt kann auch erreicht werden, wenn man nach Entfernung der Epidermis auf die Haut einen aufsaug- baren Stoff legt und über diesen einen luftverdünnten Raum (Schröpf- kopf) schichtet ( Barry ); unter dieser Bedingung wird, wegen der Ent- fernung des äusseren Luftdruckes, die innere Spannung relativ erhöht. Einige Thatsachen, die auf diesen Akt Bezug haben, werden in der Verdauungs- lehre erwähnt. Eine Aufzählung der zahlreichen Gifte oder dem thierischen Körper in der Norm fremder Stoffe, welche durch Gefässaufsaugung aufgenommen werden, berichtet die Arzneimittellehre bei Gelegenheit der endermatischen Methode. Aufsaugung durch die Lymphgefässe . 1. Anatomischer Bau des aufsaugenden Apparates Kölliker , Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. 586. — Noll, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. IX. Bd. 52. — E. Brücke , Wiener akadem. Denkschriften. 1850. — Derselbe , Sitzungs- berichte der Wiener Akademie. IX. Bd. 900. u. X. Bd. 27. — C. Bruch , Zeitschrift für wissen- schaftl. Zoologie. IV. Bd. 282. — Donders, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. p. 232 u. f. . Die Lymph- gefässstämme, welche in die Schlüsselbeinadern münden, verlieren sich schliesslich in Gefässen, die, nachdem sie mehrmals durch Drüsen ge- gangen sind, auf eine oder die andere Art blind in den Geweben enden. — a. Wandungen. Die ersten Anfänge der Lymphgefässe, na- mentlich die des Darmkanales, entbehren einer besonderen Wandung; an die Höhle des Lymphgefässes grenzt hier unmittelbar das Gewebe der Zotten und jenseits dieser im Unterschleimhautzellgewebe die dicht- gedrängten Bindegewebsbündel ( Brücke ). Von da ab gewinnen aber die Gefässe eine besondere strukturlose elastische Wandung, welche sich an die oben genannten Bündel des Bindegewebes unmittelbar anschliesst. Wenn sich das Gefäss so weit vergrössert hat, dass es entweder nahezu oder wirklich schon mit blossem Auge sichtbar ist, so legt sich auf die innere Fläche der strukturlosen Haut eine Schicht von Deckzellen, auf die äussere Fläche aber eine Lage von Faserzellen, die sich zu Quer- fasern zusammenordnen, und an diese schliesst sich streifiges Bindege- webe an. Die Faserzellen müssen unzweifelhaft zum Muskelgewebe ge- rechnet werden, da es gelingt, durch elektrische Schläge den Durchmes- ser der mit ihnen behafteten Lymphgefässe zu verkleinern. Die Dicke der Wand ist im Verhältniss zur Weite des Lumens zwar immer gering; sie nimmt jedoch mit dem steigenden Durchmesser dieses letzteren zu. Die in die Gefässhöhlen ragenden Klappen sind aus elastischem Binde- gewebe gebaut, dessen freie Oberfläche mit Deckzellen belegt ist. — Die Kapsel der Lymphdrüsen ist eine elastische Bindegewebshaut, in welche Faserzellen ( Heyfelder ) eingestreut sind. Von ihrer inneren Fläche aus erstrecken sich gleich gebaute Fortsätze, welche die kleinen Hohlräume umgrenzen, und von diesen zweigen sich noch feinere, aus Faserzellen bestehende Fäden ab, welche die kleinen Hohlräume selbst Aufsaugung durch die Lymphgefässe. durchsetzen ( Kölliker ). — Ob diese Faserzellen zu den Muskeln ge- hören, ist zweifelhaft; Heyfelder brachte sie zur Zusammenziehung, Donders misslang es. — b. Anordnung der Gefässhöhlen. Ueberall, wo die unregelmässigen Lücken zwischen den Gewebselementen die Ge- fässhöhlen darstellen, lässt sich über Form und Zusammenziehung der letzteren nichts allgemein Giltiges aussagen. Die ersten scharf begrenz- ten cylindrischen Gefässhöhlen, die man gewahrt, haben einen mikrosko- pischen Durchmesser; sie bilden mit den Nachbarn weitmaschige Netze, welche aber bald zu feinen Stämmchen zusammenfliessen, die auf längeren Strecken ihren Durchmesser unverändert erhalten, selbst wenn sie gleich starke Gefässe aufnehmen oder abgeben. Diese Stämmchen treten end- lich zu weniger zahlreichen, aber immerhin engen Kanälen zusammen, so dass nach allen diesen wohl der Gesammtquerschnitt des Gefäss- systems von den Wurzeln nach den Stämmen in einer Abnahme begrif- fen sein dürfte. — Die Höhlung der ausgeprägten Gefässe erweitert sich auf ihrem Verlaufe gewöhnlich mehrmals zu einer kugeligen Auftreibung. Dieses letztere geschieht nun entweder sogleich, nachdem der diffuse Lymph- raum in eine eigene Haut eingefangen ist, wie in den Peyer’ schen Drüsen, Tonsillen u. s. w. (E. Brücke ), oder erst im Verlaufe eines grossen Lymphstammes, welcher sich dann aber erst in mehrere Zweige zerklüftet, von denen jeder einzelne eine Erweiterung erfährt; in diesem Falle wer- den alle Einzelauftreibungen von einer gemeinsamen Hülle umschlossen, so dass die Gesammtheit derselben eine aus einem Haufen von elementären Lymphdrüsen zusammengesetzte darstellt ( Noll, C. Ludwig ). Dabei hat man sich jedoch nicht zu denken, dass in der gemeinsamen Hülle einer zusammengesetzten Lymphdrüse eine kleinere oder grössere Zahl ringsgeson- derter kugeliger Säckchen eingeschlossen sei, und dass von und zu jedem ein besonderes Lymphgefässchen gehe, sondern vielmehr so, dass der von der gemeinschaftlichen Kapsel abgegrenzte Raum in mehrere unvollkom- mene von einander geschiedene Abtheilungen zerfalle, welche hergestellt werden durch die von der Kapsel ausgehenden, schon vorhin erwähnten Fortsätze. Somit könnte man auch mit Kölliker sagen, die Kapsel der Lymphdrüse umschliesse ein dem corpus cavernosum penis analo- ges Fächergewebe. Der Hohlraum dieses Gewebes ist nun mit Blut- gefässen, zu Netzen angeordneten Spindelzellen, Lymphe und Lymph- körperchen erfüllt. Die aus ihnen hervorkommenden Lymphgefässe ver- einigen sich, nachdem sie ganz nahe an der Drüse einen Plexus gebil- det haben, wieder zu einem Stämmchen. Aus verschiedenen Organen und Geweben gehen sehr ungleiche Mengen von Lymphgefässen hervor. Vorzugsweise reichlich gehen sie aus Bindegewebsräumen oder saftreichen Drüsen hervor (Leber, Milz, Leder- und Schleimhaut), sparsam aus dem Gehirn und den Muskeln. Aufsaugung durch die Lymphgefässe. 2. Lymphe H. Nasse , Handwörterbuch der Physiologie. II. 363. — Herbst , Das Lymphgefässsystem und seine Verrichtung. — Gubler u. Quevenne , Gazette med. 1854. 17. Jun. et sq. — W. Krause, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. . Da sich in den ductus thoracicus auch der aus der Auflösung der Speisen resultirende Saft ergiesst, so bleibt einstweilen die Betrachtung seines Inhaltes ausgeschlossen; die folgenden Bemer- kungen beziehen sich also nur auf die Flüssigkeit, welche in den Ge- fässen des Kopfes, Halses und der Extremitäten eingeschlossen ist. Die Lymphe ist ein Gemenge aufgeschwemmter und flüssiger Stoffe; je nach dem Verhältniss dieser Bestandtheile ist sie milchigt, trüb oder wasserhell. Die aufgeschwemmten Theilchen sind Molekularkörnchen, Kerne, grös- sere und kleinere kernhaltige Zellen (weisse Blut- und Lymphkörperchen) und gefärbte Blutkörperchen, welche nach Gubler und Quevenne in der menschlichen Lymphe kleiner als die des Blutes sind; beim Hunde fehlen in der Halslymphe zuweilen die gefärbten Scheiben ganz ( Krause ). Die Haut, die diesen Gebilden und namentlich den zuerst erwähnten zukommt, besteht aus einer in Essigsäure löslichen Eiweissart; ihr Inhalt ist, theilweise wenigstens, namentlich in den Molekularkörnchen, ein fetthaltiger. — Die Flüssigkeit hat behufs der chemischen Analyse noch nicht von den aufgeschwemmten Theilen geschieden werden können. Ihre Zusammen- setzung kann darum nur erschlossen werden aus der Untersuchung der Gesammtlymphe. Diese enthält aber: a. Faserstoff in aufgelöster Form; nach der Entleerung der Lymphe gerinnt derselbe und giebt, indem er die aufgeschwemmten Bestandtheile einschliesst, Veranlassung zur Ent- stehung eines sehr lockeren, wenig zusammenhängenden Kuchens. Der Faserstoff der Lymphe und der des venösen Blutes stimmen in ihren Eigenschaften überein ( Lehmann ). — b. Albumin und Albuminnatron; die Anwesenheit des Letzteren nimmt man nach Geiger darum an, weil ein grosser Theil des Eiweisses erst nach vorgängiger Neutralisation mit Essigsäure durch Erhitzung ausgefällt werden kann. — c. Fette, und zwar ölige, feste, krystallisirbare und verseifte. — d. Zucker; von Gubler und Quevenne in der menschlichen Lymphe nachgewiesen. In der aus dem Halsstamm des Hundes ergossenen Flüssigkeit ist er ein nie fehlender Bestandtheil, selbst wenn er im Blute nicht nachgewiesen werden kann ( Krause ). — e. Extrakte von unbekannter Zusammen- setzung; die in den früheren Untersuchungen aufgeführten dürften nach Geiger wesentlich als Albuminnatron anzusehen sein. — f. Unorganische Bestandtheile, und zwar Ammoniaksalze, Chlornatrium und Chlorkalium, phosphorsaure, schwefelsaure, kohlensaure Alkalien, Eisenoxyd und Wasser. Die Variationen der Zusammensetzung nach Zeit und Ort sind noch wenig bekannt. Die Molekularkörnchen sollen vorzugsweise in den Lymph- gefässen vor ihrem Eintritt in die Drüsen bei fetten Individuen oder auch Ludwig, Physiologie. II. 24 Aufsaugung durch die Lymphgefässe. einige Zeit nach einer reichlichen Mahlzeit vorkommen; die Lymphkör- perchen erscheinen erst in den Gefässen jenseits der Drüsen ( Brücke ). Blutkörperchen, die immer sparsam vorhanden sind, trifft man in der Milz- und Halslymphe an ( Nasse, Herbst ), und zwar vorzugsweise, wenn ein Theil der Drüsen, aus denen der Halsstamm hervorgeht, durch- weg roth gefärbt ist. In diesen Fällen liegt der Verdacht einer Extra- vasation aus den Blutgefässen nahe ( Krause ). — Der Gehalt der Lymphe hungernder Thiere soll reicher an Eiweiss und dafür ärmer an Wasser sein, als die gefütterter (?) ( Chevreul, L’heritier und Gmelin ). Die Beobachtungen zur Begründung der letzteren Behauptung sind aller- dings insofern nicht vollkommen vergleichbar, da die beiden ersteren Chemiker ihr Objekt aus dem ductus thoracicus eines hungernden Hundes und Menschen, der letztere sie aus dem Lendengeflecht des hungernden Pferdes nahm. — Krause bestätigt am Hunde, dass ein und dasselbe Thier unmittelbar und in den ersten Stunden nach der Mahlzeit eine um mehrere Prozente verdünntere Lymphe ausgiebt, als nach 24 stündi- gem Hungern. Quantitative Zerlegungen der menschlichen Lymphe aus den unteren Extremitäten gaben Marchand und Colberg , deren Objekt jedoch leider in beginnender Fäulniss stand, und Quevenne . Nach dem letz- teren enthielten 100 Theile: Nach W. Krause schwankt bei einem und demselben und bei ver- schiedenen Hunden der prozentische Gehalt der Lymphe an festen Be- standtheilen überhaupt zwischen 2,8 bis 5,0 und der unorganischen zwi- schen 0,86 und 0,44 . Die an festem Rückstand reichste Lymphe führt keineswegs immer am meisten Salze. Ausser Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. I. 35. — IV. Bd. 63. — V. Bd. 293. — Zeitschrift für physiol. Heilkunde. XI. Bd. 23. — Fränkel , De resorpt. vasor. lymphatic. Berlin 1847. diesen gewöhnlichen Bestandtheilen kommen auch zahlreiche andere in der Lymphe vor; es scheint, als ob alle in der Flüssigkeit des Bindegewebes anf- löslichen Stoffe in ihr erscheinen könnten; namentlich ist es festgestellt, dass nar- kotische Gifte, was man längere Zeit unter dem Einflusse von Emmert läugnete, in die Lymphe übergehen ( Bischoff ). 3. Lymphbildung. — a. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Er- zeugung der Lymphe vor sich geht, ist nach Krause abhängig von der Aufsaugung durch die Lymphgefässe. Nervenerregung, unabhängig dagegen von dem Blutdruck und innerhalb beschränkter Grenzen unabhängig von dem Termine der Fütterung. Aus dem Halsstamm eines und desselben Hundes erhielt er nämlich gleich viel Lymphe, mochten die beiden Carotiden unterbunden oder durch- gängig sein, und ebenso floss aus dem geöffneten Halsstamm nicht weniger Lymphe nach 24 stündigem Hungern, als unmittelbar oder einige Stunden nach der reichlichsten Mahlzeit. Der Ausfluss wurde dagegen sogleich beschleunigt, als der ram. lingual. trigemini (und n. hypoglossus?) ent- weder an seiner peripherischen Verzweigung oder in seinem Verlaufe am Unterkiefer durch elektrische Schläge erregt wurde; diese Steigerung des Ausflusses hielt so lange an, als die Erregung des Nerven andauerte. Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher die Lympherzeu- gung vor sich geht, ist nicht bestimmbar, weil, abgesehen von allem Uebrigen, die Ausbreitung der Flächen unbekannt ist, aus denen der Strom gespeist wird, welcher der Messung unterworfen wurde. Keinen- falls ist aber der Werth ein geringer. So fingen Gubler und Que- venne aus einer Oeffnung, die sich in einer Anschwellung eines Schen- kellymphgefässes einer Frau fand, in der Stunde 120 Gr. auf. Da der Strom aus der Oeffnung mit gleichförmiger Geschwindigkeit (zwei Tage hindurch) vor sich ging, so betrug der 24 stündige Verlust, den das Indi- viduum an Lymphe erlitt, 2900 Gr., eine Zahl, die sehr gross erscheint, wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele andere Lymphgefässe aus dem Schenkel aufsteigen. In Uebereinstimmung mit dieser Beobachtung sind andere von Assalini und J. Müller . Aus dem Halsgefäss des Hundes erhielt Krause in Abwesenheit der künst- lichen Nervenerregung: b. Entstehungsart. Die Lymphe eines jeglichen Körpertheiles bezieht ihr Material aus zwei Orten, von denen der eine an den Wurzeln der Lymphgefässe und der andere in den Drüsen gelegen ist; der erstere liefert, wie wir vermuthen, alle oder mindestens den grössten Theil der Flüssigkeit, der zweite die Körperchen. — Die Hervorbildung der Lymphe aus dem Blute und das Eindringen derselben in die Gefässwurzeln ist mit dem tiefsten Dunkel umhüllt; nur negative Bestimmungen scheinen sich rechtfertigen zu lassen, namentlich, dass die Spannung des Blutes in seinen Gefässen nicht die wesentliche Ursache ihrer Absonderung ist, 24* Aufsaugung durch die Lymphgefässe. denn sonst würde die Unterbindung der Carotiden, welche die Spannung des Blutes im Kopfe wesentlich mindern muss, nicht ohne Einfluss auf die Absonderungsgeschwindigkeit der Lymphe geblieben sein. Dagegen scheint die Vermuthung von Donders Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. 239. , dass sich an der Lymph- bildung ein elektrischer Diffusionsstrom betheilige, durch die Versuche von Krause eine Bestätigung erfahren zu wollen. Ebenso scheint es festzustehen, dass man die alte Ansicht, die Lymphe sei ein verdünntes Blutplasma, verwerfen muss, denn obwohl beide Stoffe mancherlei Aehn- lichkeiten bieten, so sind doch die aus den Gefässen getretenen Blut- bestandtheile nur zum Theil unverändert geblieben, wie dies namentlich aus der Anwesenheit des Zuckers und der caseinartigen Substanz hervor- geht. Endlich gewinnt es auch den Anschein, als ob die Flüssigkeit bei ihrem Durchtritt durch die Lymphdrüsen nicht die Veränderun- gen erführe, welche man dort vorauszusetzen pflegt. Die Flüssigkeit, welche aus den Gefässwurzeln anlangt, kommt allerdings hier von Neuem in Berührung mit den Blutgefässen, welche in die Drüsenräume hinein- ragen, aber sie bleibt in einer nur sehr kurz dauernden Berührung mit ihnen, da der Drüsenraum von geringer Längenausdehnung ist und die Menge von Lymphe, welche täglich durch ihn strömt, sehr bedeutend ist. — Die Bildungsstätte der Körperchen sind die Drüsen, denn die in sie eindringende Lymphe führt wenig oder gar keine und die ausdringende sehr viel Körperchen. Die Feststellung dieser Thatsache hat sehr zahl- reiche anatomische Angaben über die Formfolge bei der Entstehung der Lymphkörperchen beseitigt, die sämmtlich von der Voraussetzung aus- gingen, dass die Lymphkörperchen frei schwimmend in der Flüssigkeit sich entwickelten. Noch mehr, es wird sogar zweifelhaft, ob die Lymph- körperchen die Vorstufen der Blutkörperchen sind, und namentlich, ob die in der Lymphe gefundenen Blutscheiben dort entstanden sind oder nicht vielmehr durch Extravasation aus den Blutgefässen in die Drüsen eingedrungen und der Lymphe beigemengt sind. Im Widerspruche zu dieser Vermuthung steht allerdings die Angabe von Gubler , dass die gefärbten Lymphzellen weniger umfangreich als die rothen Blutkörperchen seien, ohne dabei verschrumpft zu sein. 4. Lymphstrom. Die spannenden und bewegenden Kräfte, welche der strömenden Lymphe zukommen, sind jedenfalls unbedeutend. Für die Spannung der Lymphe hat dieses Noll erwiesen durch das Mano- meter, welches er bei Hunden und Katzen in den Halsstamm einsetzte. In diesen Versuchen schwankte die Spannung zwischen 10 bis 30 MM. Wasserdruck. Die Giltigkeit dieses Verhaltens kann auch für den Lymph- strom des Menschen behauptet werden, weil die Wandungen der Gefässe bei gleichem Durchmesser ihres Lichten von einer ähnlichen Dicke sind, Aufsaugung durch die Lymphgefässe. wie die des Hundes. — Die Geschwindigkeit des Lymphstromes kann aber ebenfalls nur unbedeutend sein, weil schon die langen und engen Gefässe, noch mehr aber die Lymphdrüsen, einen so grossen Widerstand einführen. Zudem strömt aus einem geöffneten Lymphgefäss die Flüssigkeit nur tropfen- weise aus. — Die Richtung des Stromes muss unter allen Umständen von den Wurzeln nach den Venen gehen; dieses ergiebt sich schon ganz einfach aus der besonderen Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich in sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass sie den Strom nur in der bezeichneten Richtung möglich machen. — Zu den Gewalten, welche die Spannung und Bewegung der Lymphe unterhalten, zählen, wie Noll nachgewiesen, jedenfalls die Respirations- bewegungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln geradezu oder auf Umwegen auf die Gefässe ausüben. — Beide Einflüsse wirken hier ganz in derselben Weise, die schon ausführlich beim Blutstrom be- sprochen wurde (pag. 99 u. f.). Ausserdem kann nicht wohl bestritten werden, dass auch zeitweise die Muskeln in der Wand des Lymphgefässes dem Inhalte eine Bewegung mittheilen werden. Daneben aber steht auch fest, dass diese drei Umstände gewiss nicht die einzigen Triebfedern des Lymphstromes darstellen. Denn es besteht auch noch die Lymphbewe- gung an Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der Muskelwand, wirksam sein können, wie z. B. in den Lymphgefässen der Knochen und in den Anfängen der Lymphgefässe mit muskelfreien Wan- dungen; zudem ergiebt die Beobachtung der blosgelegten Lymphgefässe oder des in sie eingefügten Manometers, dass der Strom oft unter der- selben Spannung lange Zeit hindurch anhält, ohne irgend welche sicht- bare Veränderung in dem Durchmesser des Gefässes oder ohne dass irgend welche Zusammenziehung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist. Endlich erfolgt aber, wie aus den Beobachtungen von Stannius Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. 23. her- vorgeht, auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern. Die Respirationsbewegung kann aber nicht Ursache des dauernden Stromes sein, da sie selbst in der Nähe der Einmündung des Gefässes in die Vene nur sehr unbedeutende Spannungsveränderungen erzeugt und keinenfalls jenseits der Drüse hinwirkt; die mögliche Unabhängigkeit unseres Stromes von diesen Bewegungen wird aber am besten durch den bekannten Ver- such erwiesen, dass ein Gefäss, wenn es auch zugeschnürt ist, sich zwischen den Wurzeln und dem Unterbindungsfaden strotzend anfüllt, obwohl sich durch die unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Re- spirationsbewegung gar nicht geltend machen können. — Nach alle diesem liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Flüssigkeit in die Gefässe treibt, auch die Fortführung durch dieselben zu vermitteln möge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswerth, dass Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen. auch am todten Thiere, bevor der Inhalt der Gefässe geronnen, der Lymphstrom unterhalten werden kann, wenn man durch Einsprützung von Wasser in die Blutgefässe eine wassersüchtige Anschwellung der Gewebe bewirkt, und dass die Spannung, unter der die Lymphe strömt, sich steigert mit der zunehmenden Anfüllung des Unterhautzellgewebes ( Noll ). Zufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen . Der Verlust, den der thierische Körper an wägbaren Atomen erlei- det durch Ausscheidung von Harn, Koth, Dunst, Epithelialzellen, Samen, Milch u. s. w., erfährt seine Ausgleichung durch eine Aufnahme von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Da wir bei der Athmung schon das Eindringen des Sauerstoffs besprochen haben, so bleibt es uns hier noch übrig, den Gewinn an festen und flüssigen Massen zu behandeln, welche durch den Darmkanal hindurch in das Blut eindringen. A. Nahrungsbedürfniss Volkmann , Handwörterbuch der Physiologie. II. p. 588. — Longet , anatomie et physio- logie du systeme nerveux. II. p. 327. — Moloschott , die Physiologie d. Nahrungsmittel. Darmstadt 1850. p. 77. . Eine Reihe von eigenthümlichen Empfindungen, die wir Hunger und Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen. Der Hunger drückt sich durch eine eigenthümliche, nicht näher zu beschreibende Empfindung in der Magengegend aus; er ist meist mit einem brennenden oder drückenden Gefühle in der Herzgrube verbun- den, und es gesellt sich, wenn sie einige Zeit bestanden, zu ihr eine unbehagliche, leidenschaftliche Stimmung und der bestimmt ausgespro- chene Wunsch nach fester Nahrung. 1. Hunger erzeugende Nerven. Man ist im Unklaren darüber, wel- cher Nerv die angegebene Empfindung vermittelt, da die einzige Aus- kunft, welche man zu geben im Stande ist, nur aussagt, dass wahr- scheinlich einer der empfindlichen Magennerven die Veranlassung zum Hungergefühl gebe. Der einzige stichhaltige Grund für diese Annahme ist durch die Erfahrung gegeben, dass örtliche Einwirkungen auf den Magen den Hunger zu tilgen im Stande sind. So ist es namentlich Beobachtungsergebniss, dass unmittelbar nach der Anfüllung des Magens mit Speise und insbesondere bevor die eingeführte Nahrung verdaut oder in merklicher Menge in das Blut aufgenommen ist, der Hunger gestillt wird; und ferner, dass der Hunger, selbst wenn ausserdem noch so gute Gründe für den Eintritt desselben vorhanden sind, sich nicht einstellt, wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut verändert oder die An- füllung ihrer Blutgefässe jenseits eines gewissen Grades gesteigert ist. Die scheinbare Ortsempfindung, die dem Hunger zukommt, nemlich das eigen- thümliche Gefühl in der Magengegend, würde sich dem oben gegebenen Wahr- Hunger. scheinlichkeitsgrunde unterstützend anschliessen, oder vielmehr die Hypothese, welche einen der Magennerven als Hunger erzeugenden ansieht, zur Thatsache er- heben, wenn es feststände, dass ein jeder Gefühlsnerv nur die Orte seiner End- verbreitung zur Empfindung bringen könnte. Da diese Annahme aber nicht bewiesen ist, so liegt noch die andere offen, dass die Seele Empfindungen, die von anderen Nerven erzeugt werden, auf den Magen bezieht. — Der Versuch, mittelst Nerven- durchschneidungen ins Klare zu kommen, scheint bis dahin erfolglos geblieben zu sein. Namentlich hat man neuerlichst übereinstimmend festgestellt, dass Thiere, deren nn. vagi am Halse durchnitten waren, unter Umständen noch begierig die vor- gesetzte Speise verzehrten ( Reid, Longet, Bidder u. A. ), und dass ebenso Katzen nach Durchschneidung der nn. splanchnici noch frassen ( Haffter , C. Lud- wig ). Diese Beobachtungen widerlegen aber keinenfalls die Annahme, dass sich an diese Nerven die Hungerempfindung knüpfe, da noch mannigfaltige andere und na- mentlich psychische Gründe Veranlassung zur Aufnahme der Speisen geben können. Diesen letzteren müsste man es allerdings Schuld geben, wenn den Thieren, wie es Longet ausführte, neben den nn. vagi auch noch die Geschmacksnerven durchschnit- ten sind. — Möglicher Weise ist aber der Hunger auch eine Empfindung, die sich gleichzeitig zusammensetzt aus der Erregung der Magen- und noch vielfacher an- derer Nerven, wie dieses Volkmann und Longet behaupten. Die Veränderungen, welche die Säfte oder Organe, in welche die Hungernerven eingebettet sind, erleiden müssen, um die Erregung dieser letztern zu veranlassen, kennen wir nicht; statt dessen sind uns nur einige ganz allgemeine Bedingungen bekannt, unter denen sie entsteht. Nament- lich stellt sich der Hunger ein nach längeren Enthaltungen der Nahrung; die Zeit, welche nach einer Mahlzeit verstreichen muss, bevor sich das Bedürfniss nach einer neuen einfindet, variirt mit der Menge zuletzt auf- genommener Nahrung und mit dem Blutverbrauch während der Enthal- tung von derselben; so beschleunigen Muskelanstrengungen, Entleerun- gen blutähnlicher Flüssigkeiten (Samen-, Milch-, Eiterverlust), Ablage- rungen von Blutbestandtheilen in die Gewebe (Wachsthum, Erholungs- stadium nach Krankheiten) den Eintritt desselben. — Ferner ist sein Kommen abhängig von seelischeu Erregungen, indem er sich einstellt zu gewissen Tageszeiten, an denen wir gewöhnt sind zu essen; man ver- muthet in diesem Falle die Abwesenheit von Bedingungen, die den vor- her erwähnten ähnlich sind, weil ein solcher Hunger auch leicht wieder verschwindet, ohne dass das Nahrungsbedürfniss durch Aufnahme von Speise befriedigt wurde. Man giebt auch an, dass der Genuss einiger stark schmeckender Stoffe, wie z. B. des Pfeffers, essbarer Seethiere (Austern, Häringe) u. s. w., Hunger er- regt (?). — Auch soll es einen pathologischen Hunger, den sog. Bulimus, geben, wor- über Moleschott am bezeichneten Orte S. 87 um Rath zu fragen ist. Die Stillung des Hungers kann entweder geschehen durch die Ab- stumpfung der Erregbarkeit oder durch Entfernung der erregenden Ur- sache. — Auf den ersteren Fall wird man schliessen, wenn das Gefühl nach längerem Bestehen verschwindet, auch ohne dass Nahrungsmittel aufgenommen sind, oder wenn Arzneistoffe, die die Erregbarkeit ab- Durst. stumpfen, wie z. B. Tabak, Opium, Alkohol u. s. w., genossen wur- den. — Die Entfernung der erregenden Ursache ist gegeben, wenn der Magen mit verdauungsfähigen Speisen erfüllt wurde; ob das Hungerge- fühl fortdauert, wenn in den Magen unverdauliche Stoffe eingeführt wer- den, ist unbekannt. Nach einer Anfüllung des Magens tritt auch noch ein anderes Gefühl, das der Sättigung hervor, welches als das bestimmte Zeichen für das Genug der Nahrung angesehen werden muss. Dieses hängt wahrschein- lich von verschiedenen Umständen ab, namentlich aber scheint es be- gründet zu sein in dem Drucke, welchen die Umgebung des Magens, ins- besondere die Bauchdecken, durch die Anfüllung desselben erfahren. Nicht zu vernachlässigen, aber noch weiter zu constatiren, ist die Angabe, dass der Hunger auch zum Verschwinden gebracht werden soll, wenn die Nahrungsmittel statt in den Magen in einer solchen Form und Mischung in den Mastdarm eingeführt werden, dass sie in das Blut ein- gehen können. 2. Durst. Das Gefühl, als dessen nächstes seelisches Resultat das Begehren nach Wasser auftritt, äussert sich als eine Empfindung der Rauhigkeit und des Brennens in der hintern Schlundwand, dem weichen Gaumen und der Zungenwurzel. — Die Nerven, deren Erregung sich als Durst ausdrückt, liegen wahrscheinlich auch an den eben genannten Or- ten, da eine isolirte Durchtränkung derselben den Durst mindert oder aufhebt. Wir haben so die noch unentschiedene Wahl zwischen Vagus, Glossopharyngeus, Trigeminus. — Die Durstempfindung stellt sich ein, wenn der prozentische Wassergehalt der Gaumen- und Rachenhaut unter einen gewissen Werth sinkt, wie dieses z. B. geschieht nach reichlichem Wasserverlust des Blutes, ohne den entsprechenden an festen Bestandtheilen (Wasserabscheidung durch Haut und Lungen), oder nach örtlicher Ein- trocknung des Mundes durch eingezogene Luft, oder nach dem Genuss salziger, wasseranziehender und wasserabführender Stoffe. Die obige Definition schliesst die Folgerung in sich, dass ein gleicher Verlust an Wasser und den wesentlichen festen Theilen selbst bei vollkommener Entbehrung des Wassers nicht zum Durst führen kann. Diese Behaup- tung hat Chossat durch den Versuch bestätigt, welcher zeigte, dass die Thiere, denen die festen Speisen bis zum Verhungern entzogen wa- ren, auch das Wasser entweder ganz verschmähten oder nur sparsam benutzten, welches ihnen in der Hungerzeit gereicht wurde. — Die Stil- lung des Durstes ist möglich sowohl durch örtliche Befeuchtung des Rachens, als auch durch Einführung von Wasser in das Blut, gleich- giltig, ob es dorthin durch den Magen, durch den Dickdarm oder durch direkte Einsprützung in die Venen gelangte. 3. Das Nahrungsbegehren beschränkt sich aber bekanntlich nicht bloss darauf, Stoffe festen und flüssigen Aggregatzustandes zu verlangen, Wahl der Nahrung. es dringt auf Stoffe ganz bestimmter Zusammensetzung, die sog. Spei- sen, und unter diesen wählt es je nach dem Bedürfniss des Organismus auch noch die eine oder andere vorzugsweise aus. Die Gründe, welche bei dieser Wahl das höhere Thier vorzugsweise bestimmen, liegen offen- bar in den Geruchs- und Geschmackswerkzeugen, in dem Temperatur- grad des Körpers und der Speisen, in dem Widerstand, den die letzte- ren beim Kauen den Zähnen entgegensetzen, in Erinnerungsbildern u. s. w. Keinenfalls kann aber eine spezifische und prädestinirte Be- ziehung zwischen dem Nahrungsbegehren und der Nahrfähigkeit der geforderten Substanz angenommen werden; denn es verschmäht bekannt- lich ein Hund das Fleisch, wenn es vollkommen mit Wasser ausgezogen, von allen schmeckenden Substanzen befreit ist, trotz seiner ausgezeichneten Fähigkeit, die Ernährung zu unterstützen; die unverdaulichen Sägespähne aber, welche mit Bratenbrühe besprützt sind, frisst er begierig. 4. Dem Nahrungsbegehren steht der Ekel entgegen; veranlasst wird dieser seelische Zustand durch unbestimmte Empfindungen in der Rachenhöhle, ähnlich denen, welche einem Brechanfall vorausgehen; es scheint demnach, als ob ihn nn. vagus oder glossopharyngeus einleiteten. Da zu den ihn erregenden Umständen Kitzeln der Rachenhöhle, Schleim- anhäufungen daselbst, gewisse Gerüche und Geschmäcke und Erinnerun- gen an diese letzteren gehören, so ist es begreiflich, dass sich der Ekel ebensowohl gegen die Nahrung überhaupt als auch gegen einzelne Spei- sen richten kann. B. Nahrung . 1. Der unwiederbringliche Verlust des Blutes liess sich schliesslich zurückführen auf den seines Wassers, seiner Mineralsalze, seiner Fette und Eiweissstoffe; also muss die Nahrung diese Verbindungen entweder geradezu einbringen, oder wenigstens solche Stoffe, aus denen jene Atom- combinationen innerhalb des thierischen Körpers hervorgehen können. Diese neu einzuführenden Atome müssen jedoch, wenn sie den Fett- und Eiweissverlust ersetzen wollen, in Verbindungen anlagen, welche ärmer an Sauerstoff sind, als die, in welchen sie den Organismus verlassen, da sie in diesem dann doch endlich jedesmal oxydirt werden; ausserdem müssen auch die Verbindungen der Nahrungsmittel mehr Spannkräfte führen als die Auswürflinge, da der thierische Körper theils bei der Wärmebildung und theils bei der Muskelzusammenziehung Spannkräfte in lebendige umsetzt. — Diese Bestimmungen sind nun, wie man leicht einsieht, noch lange nicht genügend, um die besondere Combination der nährenden Atome festzustellen, da sich in der That die geforderten Bedingungen auf unzählige Weisen erfüllen lassen, wenn dem Darm- kanale oder seinen Hilfswerkzeugen die Befähigung zukommt, beliebige sauerstoffarme C-, H-, N verbindungen zu Eiweiss und Fett zusammenzu- Nahrungsmittel. ordnen. Diese Unbestimmtheit, welche die theoretische Feststellung der Nahrungsmittel übrig lässt, hat die Erfahrung kurzweg beseitigt. Sie zeigte nemlich, dass den Verdauungswerkzeugen die oben vorausgesetzte combinatorische Befähigung abgehe, und zwar geschah dieses durch den schlagenden Versuch, dass die Thiere unrettbar dem Hungertode entge- gengehen, wenn ihnen die im Eiweiss und Fett enthaltenen Atome in an- derer Verbindung als gerade in dieser gereicht werden. Demgemäss müssen in der Nahrung mindestens enthalten sein: Eiweissartige Stoffe (Fibrin, Casein, Albumin etc.), Fette (Olein, Stearin, Margarin, Palmitin), Natron, Kali, Eisenoxyd, Magnesia, Kalk, Chlor, Fluor, Phosphorsäure, Wasser. Die obigen Ableitungen lassen es aber begreiflich zu, dass in den Nah- rungsmitteln neben den aufgezählten noch andere Verbindungen enthal- ten sein können, da sie nicht behaupten, dass nur mit Fetten und Ei- weiss u. s. w. die Zwecke des thierischen Körpers erreicht werden könnten. Im Gegentheil, es ist sogleich einleuchtend, dass dieses nach der einen oder anderen Seite hin auch mittelst der ersten Abkömm- linge der Eiweissstoffe und Fette, oder mit Hilfe von Atomgruppen ge- schehen könne, die jenen Abkömmlingen nach Zusammensetzung und Eigen- schaften nahe stehen. In der That enthalten nun die wirklich aufgenom- menen Nahrungsmittel auch noch solche Gruppen, von denen hervorzuhe- ben sind: Kohlenhydrate (Amylon, Dextrin, Zucker); von diesen werden die beiden ersteren mindestens bis zum Zucker umgewandelt. Obwohl Zucker aus anderen Stoffen im Thierleibe selbst gebildet wird (Leber, Muskeln), so führt ihn doch selbst die natürliche Nahrung des Säuglings (Milch- zucker); der Erwachsene sucht die Kohlenhydrate so begierig, dass es sogar fraglich wird, ob sie nicht zu den absolut nothwendigen Nahrungs- mitteln zählen. Die Nahrung enthält ferner leimgebende Stoffe (Bindege- webe und Knorpel); diese sind häufig aber keineswegs nothwendig. End- lich enthält die Nahrung häufig organische Säuren (Essig-, Milch-, Aepfel-, Citronensäure) und deren Salze. 2. Die Nahrung, welche das Leben erhalten soll, muss also ein Gemenge mindestens von Eiweiss, Fetten und den bezeichneten Minera- lien sein, zu denen meist noch die Kohlenhydrate kommen. Die Ge- wichtsverhältnnisse der einzelnen Nahrungsmittel in diesem Gemenge sind keine constanten, wie die oberflächlichste Betrachtung der mensch- lichen Nahrung ergiebt. Diese Erscheinung ist erklärlich, wenn man die Umsetzungen und Ausscheidungen in und aus dem thierischen Kör- per betrachtet. Denn es stellt sich dieser letztere als eine Zusammen- setzung sehr mannigfaltiger bis zu einem gewissen Grade von einander unabhängiger Zersetzungsherde heraus. Je nachdem nun in dem einen oder andern die Umsetzung sich mindert oder mehrt, muss sich also bei gleichbleibenden Umsatz der einen Stoffgruppe derjenige einer ande- ren veränderlich gestalten. Statt aller erinnern wir nur an die eine Nahrungsmittel. hierher gehörige Erscheinung, dass die Ausscheidung des Ngases, Harn- stoffes, Wassers, Kochsalzes u. s. f. durch Lunge, Niere und Haut einen veränderlichen Betrag gewann mit dem Gehalte des Eiweisses, Amylons, Wassers u. s. w. in der Nahrung selbst. — So umfangreich nun aber auch der prozentige Gehalt der einzelnen Bestandtheile in der Gesammt- nahrung wechseln kann, so ist er doch nur innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen; namentlich darf als feststehend gelten: a) Innerhalb der Nahrung nimmt das Wasser das grösste und die feuerfesten Mineralbe- standtheile das geringste Gewicht ein; in der Mitte zwischen beiden lie- gen die organischen Stoffe. — b) Der Nahrung, welche für die Dauer das Leben erhalten soll, darf niemals fehlen Wasser, die aufgezählten Salze und die Eiweissstoffe; fraglich ist dagegen, ob der Nahrung des Menschen das Fett entbehrlich ist, wenn es durch Kohlenhydrate ersetzt wird. — c) Bei einer Steigerung der Fette und Kohlenhydrate dürfen, unbeschadet der Lebenserhaltung, die prozentigen Werthe der Eiweissstoffe abnehmen und umgekehrt. — Weitere Zusätze zu diesen Bemerkungen giebt noch der Abschnitt über Vergleichung von Einnahme und Ausgabe. 3. Damit dieses Gemenge aber nährfähig sei, muss noch Folgendes erfüllt sein: a) die einzelnen Nahrungsbestandtheile müssen in ihm in der Art vorkommen, dass es den verdauenden Säften gelingen kann, sie so weit umzuwandeln, dass sie in das Blut überzugehen im Stande sind. Namentlich müssen also die Nahrungsstoffe nicht in einer innerhalb des Darmkanals unlöslichen und unzersetzbaren Verbindung gereicht werden, oder sie dürfen nicht von unlöslichen und undurchdringlichen Hüllen umgeben sein. — b) Da die Nahrungsmittel, mit Ausnahme der Salze und des nicht nothwendigen Zuckers, sich gleichgiltig gegen die Nerven verhalten, so müssen sie nervenerregende, schmeckende, beissende, bren- nende u. dgl. Zusätze erfahren. Denn nur damit wird es möglich, die Spei- chel- und Magendrüsen, die unter dem Einflusse der Nerven absondern, zur Bildung einer genügenden Menge verdauender Säfte zu veranlassen. Diese Beigabe, das Gewürz, besteht je nach der Bildung und Empfind- lichkeit des Geschmacksinnes aus sehr verschiedenen Stoffen. Wir verweisen bezüglich der Gewürze auf Moleschott und Rochleder Genussmittel und Gewürze. Wien 1852. . Man findet dort auch Mittheilungen über mancherlei andere Stoffe, die der Mensch nur des Geschmackes, oder auch der Hirnerregung, der Verlangsamung oder Be- schleunigung des Stoffwechsels u. s. w. wegen aufnimmt. 4. Speisen. Die Mischungen einfacher Nahrungsmittel oder der Speisen, wie sie die Natur oder Kunst bietet, sind, vorausgesetzt, dass man Rücksicht auf die Nahrung aller Erdbewohner nimmt, von unsäg- licher Verschiedenheit, je nach den Eigenthümlichkeiten des Wohnortes, der Culturstufe und der Race der sie geniessenden Menschen. Unter- sucht man aber genauer die Werke der Kochkunst, welche von weitaus Speisen. den meisten Individuen unter den gebildeten Nationen verzehrt werden, so gewahrt man bald, dass diese sich im Ganzen doch nur weniger, von der Natur gebotener Gemische, als Elemente ihrer complizirten Gerichte und Mahlzeiten bedienen. Zu diesen natürlichen Speisen, auf denen das leibliche Wohl des besten Theiles der Menschheit ruht, gehört: das Fleisch einiger Säugethiere (der Wiederkäuer, weniger Nager und Dick- häuter), einiger Vögel und vieler Fische, die Milch der Wiederkäuer, die Eier grosser Vögel, das Mehl von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Bohnen, Erbsen und Kartoffeln, einige Baumfrüchte, einige wenige Gemüse (Rüben, Kraut u. s. w.) und endlich Quellwasser. Zu diesen gemischten Nahrungsmitteln kommen schliesslich noch einige einfache Zucker, Fette, Oele und Kochsalz. Da der grösste Theil derselben erst dann gegessen wird, nachdem er in der Küche mancherlei Umwandlungen seines natürlichen Zustan- des erfahren hat, so wird eine physiologische Betrachtung jener Spei- sen auf diese Umwandelungen Rücksicht zu nehmen haben. Ganz allge- mein betrachtet, stellt sich nun die Kochkunst drei ganz verschiedene Aufgaben. Zuerst mischt sie die natürlichen Speisen noch weiter, na- mentlich setzt sie ihnen mancherlei Gewürze bei; zweitens befreit sie die Nahrungsmittel von unverdaulichen Beimengungen, und endlich ver- ändert sie die Auflöslichkeit derselben in den Verdauungssäften in der Art, dass sie die Zeit, welche zu ihrer Verdauung nothwendig ist, ent- weder verlängert oder abkürzt. Von diesen drei Einwirkungen der Koch- kunst sind die beiden ersten entweder so vielfacher Willkühr unterwor- fen, oder so einfacher Art, dass sie aus der folgenden Betrachtung aus- fallen müssen oder können. Die Lehre von den Speisen hat zunächst zu ermitteln, welche einfachen Nahrungsstoffe in den Speisen enthalten sind und in welchen Verbindungen und Aggregatzuständen sie daselbst vorkommen. Dieses aufzudecken ist die Aufgabe der chemischen Analyse, die sich dabei natürlich nicht darauf be- schränken darf, den Gehalt der Speisen an C, H, N, O, S u. s. w. anzugeben. Mit der noch so vollkommenen Einsicht in das chemische Verhal- ten ist aber noch nicht das physiologisch Wissenswürdige erschöpft, da die Nahrfähigkeit der Speisen auch noch abhängt von der Arbeit, welche der Darmkanal nöthig hat, um die Masseneinheit der Nahrung zu verdauen, oder von dem Antheile der genossenen Speisen, welcher während des Durchgangs durch den Darmkanal überhaupt aufgenommen wird. All- gemein lässt sich jedoch hierüber nichts sagen, da der Darmkanal bei ver- schiedenen Menschen und zu verschiedenen Zeiten seine besonderen Eigenthümlichkeiten bietet, vermöge deren er im Stande ist, in gegebe- ner Zeit mehr oder weniger kräftiger verdauende Wirkungen auszuüben, resp. die in der Speise enthaltenen Nahrungsstoffe mehr oder weniger vollständig auszuziehen. Im einzelnen Falle würde man über die Fähig- Speisen. keit des Darmkanales, eine Speise auszunützen, abgesehen von dem Grade der Anstrengung, die hierzu nöthig ist, Aufschluss erhalten, wenn man jedesmal eine Probe der Speise und den nach ihrem Genuss aus dem After gestossenen Koth analysiren würde. a. Das Fleisch, welches zur Nahrung verwendet wird, enthält: eiweisshaltige, leimgebende, elastische Stoffe, Fette, sämmtliche Salze des Menschenblutes, Wasser und ausserdem die nur als Gewürze zu veranschlagenden krystallisirenden organi- schen Bestandtheile der Extraktivstoffe. — Die Verhältnisse dieser Gemengtheile zu einander sind, die gleichen Thierarten vorausgesetzt, abhängig 1) von dem Körper- theile, dem der Muskel entnommen wurde, indem damit der Durchmesser der Pri- mitivschläuche und die Verbreitung der Bindegewebe in Verbindung steht; 2) von dem Grade der Mästung, welcher das Fett bestimmt; 3) von der Anfüllung der Mus- kelgefässe mit Blut; 4) von dem Alter; Schlossberger Frerichs , Artikel Verdauung in Wagner’s Handwörterbuch. II. Bd. p. 694. , dessen Angaben v. Bibra bestätigte, fand Das Kalbfleisch ist somit etwas reicher an Wasser und coagulirbarem Eiweiss als das des Ochsen und nach v. Bibra Scherer , Jahresbericht über physiolog. Chemie für 1845. p. 132. auch leimhaltiger. 5) Ueber die Zusammen- setzung des gleichnamigen Muskels verschiedener Thiere, der mittelst des Scalpells möglichst von Fett und Bindegeweben befreit war, giebt folgende Tabelle Aufschluss Weitere Zusammenstellungen siehe bei Moleschott , l. c. p. 208. 240. 263. u. f., wo sich das Fleisch der Amphibien, Mollusken, Insekten berücksichtigt findet. . Das Fett ist im Fleisch auf zweierlei Art vorhanden, mechanisch eingelagert als Fett- gewebe in den Bindestoffen zwischen den Muskelröhren und nächstdem in chemischer Ver- bindung mit dem Muskelgewebe. Der Gehalt dieses letzteren scheint bei verschiedenen Thieren von wechselnder Grösse zu sein, denn v. Bibra fand nach möglichst vollkommner Abscheidung des beigemengten Fettes im trockenen Brustmuskel des Oschsen 21,8 pCt., des Kalbes 10,5 pCt., des Hammels 9,3 pCt., des Rehes 7,9 pCt., des Hasen 5,3 pCt. Siehe hierüber auch Marchal , compt. rend. 34. Bd. p. 591. . — Das beigemengte Fett ist bekanntlich nicht allein im Gesammtgewicht sehr wech- selnd, sondern es ändert auch seine Zusammensetzung mit dem Thiere, indem das Fett des Schweines flüssiger (elainreicher), das der Wiederkäuer fester (stearin- und margarinreicher) ist. Die Salze des Fleisches sind mannigfach, aber mit sehr ungleichwerthigen Metho- den untersucht; Stölzel Liebig’s Annalen. 77. Bd. p. 256. , der nach Strecker’s Anweisungen arbeitete, fand in 100 Theilen der Asche des Ochsenfleisches: Fleisch. CO 2 8,92 SiO 3 2,67 SO 3 3,37 PO 5 34,36 Fe O 3 0,98 CaO 1,73 MgO 3,31 KaCl 10,22 NaO 35,94 Der Gehalt des trockenen Fleisches an Asche scheint bei verschiedenen Warmblü- tern annähernd gleich zu sein, indem er nach v. Bibra beim Ochsen, Reh, Hasen, Huhn und der Ente zwischen 4,0 bis 5,5 pCt. schwankte. Wir geniessen das Fleisch roh (niedere Thiere), getrocknet, geräuchert, gesal- zen, mit Essig ausgezogen, gekocht und gebraten. Rücksichtlich der Veränderun- gen, die bei diesen verschiedenen Bereitungsweisen mit dem Fleische vorgehen, be- finden wir uns meist im Unklaren. Beim Erhitzen des Fleisches ohne Wasserzusatz (Braten und Dämpfen) wird das Eiweiss geronnen, einige eiweisshaltige Körper werden sauerstoffreicher, das Bindegewebe zum Theil in Leim verwandelt, und die Extraktivstoffe zersetzt, wobei sich die Inosinsäure in ein wohlriechendes Brenzpro- dukt umwandelt, und endlich wird Wasser verdunstet. — Beim Kochen in Wasser werden dem Fleische Eiweiss, Extrakte, Salze und insbesondere Chloralkalien und Wasser entzogen; dieses letztere geschieht darum, weil die Quellungsfähigkeit des Fleisches beim Kochen abnimmt. — Der wässerige Auszug, die Fleischbrühe, muss nach den Fleischsorten sehr veränderlich sein. Eine ungefähre Vorstellung von der Zusammensetzung der Fleischbrühe giebt ein Versuch von Chevreul , welcher 1 Pfd. Fleisch, das von anhängendem Fett und Knochen befreit war, in 3 Pfund Wasser 5 Stunden lang unter Ersatz der verdunsteten Flüssigkeit sieden liess. Ausser dem beigemengten Fette enthielt diese Suppe in 100 Theilen: Wasser = 98,4, Leim, Ei- weiss und Extraktivstoffe = 1,3, Salze = 0,3. — Die Salze der Fleischbrühe, wie man sie durch vollkommenes Erschöpfen des Fleisches mit Wasser erhält, sind von Keller Liebig’s Annalen. 70. Bd. 91. bestimmt; in das Wasser waren 82 pCt. des gesammten Salzgehaltes vom Fleische übergegangen, welche in 100 Theilen bestanden aus: PO 5 21,59 Ka Cl 14,81 KaO SO 3 6,42 KaO 31,85 2 CaO PO 5 2,51 2 MgO PO 5 3,73 2 Fe 2 O 3 PO 5 0,46 Das rückständige Fleisch enthielt noch Verbindungen der PO 5 mit Alkalien und Erden aber keine Chlorsalze mehr. — Die Grenze, bis zu welcher überhaupt das Fleisch durch Wasser und insbesondere durch kaltes ausgelaugt werden kann, hat Lie- big Liebig’s Annalen. 62. Bd. 353 u. f. zu bestimmen versucht; er giebt an, dass man dem gehackten Ochsenfleische durch kaltes Wasser 6 pCt. feste Bestandtheile entziehen könne, von denen 3 pCt. gerinnbares Eiweiss sei, das bekanntlich aus der Suppe als Schaum entfernt wird. Die Folgen des Einsalzens und Räucherns sind wenig bekannt. Eine Aschenanalyse des gesalzenen Ochsenfleisches und des rohen Schinkens giebt Thiel Liebig’s Annalen. 81. Bd. . Siehe auch Liebig am angeführten Orte. b. Der Inhalt des Hühnereies , das wir zumeist geniessen, besteht nach Prout Ph. Falk , Handbuch der Arzneimittellehre. 1848. im Mittel aus 67,6 pCt. Eiweiss und 32,4 pCt. Dotter, nach Prevost und Morin dagegen aus 62 pCt. Eiweiss und 38 pCt. Dotter. Das Eiweiss enthält ungefähr: Wasser = 85 pCt., Eiweiss = 12,5 pCt., feuerfeste Salze = 1,5 pCt. und Extrakte = 2,0 pCt. Die letzteren enthalten u. A. constant Milchzucker ( Winkler und Budge ) Liebig’s Annalen. 64. Bd. 197. — Siehe auch Aldrige und Barresich im Giessener Jahr- buch. 1849. . In der Asche sind nach R. Weber Poggendorf , Annalen. 79. Bd. 398. , der das ver- besserte Verfahren von H. Rose befolgte, enthalten: Eier, Milch, Körner. NaCl 39,30 KaO 27,66 NaO 12,09 CaO 2,90 MgO 2,70 Fe 2 O 3 0,54 PO 5 3,16 SO 3 1,70 CO 2 9,67 SiO 3 0,28 Das Eigelb besteht nach Gobley Pharmazeut. Centralblatt. 1847. p. 584. aus: Wasser 51,48 Vitellin Das Vitelin besitzt nach Fremy die Zusammensetzung des Fibrins. Pharmazeut. Centralblatt. 1854. p. 626. 15,76 Margarin u. Olein 21,31 Cholestearin 0,44 Oel- u. Margarinsäure 7,22 Phosphoglycerinsäure 1,20 Cerebrin(säure?) 0,30 Am Cl 0,30 NaCl, KaCl, KaO SO 3 0,27 3MgO PO 5 , 3CaO PO 5 1,02 Extrakte 0,40 Farbstoff, Eisen, Milchsäure 0,55 Eine vollständige Aschenanalyse theilt R. Weber mit: NaCl 9,12 KaO 10,90 NaO 13,62 CaO 13,62 MgO 2,20 Fe 2 O 3 2,30 PO 5 60,16 SiO 3 0,62 Die Eier geniessen wir meist gekocht; hierbei gerinnt das Eiweiss und Vitellin unter Abscheidung von etwas SH. In hartgesottenen Eiern fand H. Rose Poggendorf , Annalen. 76. Bd. 393. das Verhältniss des Eiweisses zum Dotter etwas anders, als es Prout, Prevost und Morin im frischen Ei angegeben haben, nemlich von 60,6 bis 58,3 : 39,4 bis 41,6. c. Milch . Die Zusammensetzung derselben ist schon früher erwähnt. — Der aus ihr bereitete Käse (gesalzene und entwässerte Milch) dient, kleine Landstriche ausgenommen, nur als Gewürz. Ueber die Zusammensetzung desselben siehe Knapp und Moleschott Knapp , Die Nahrungsmittel. 1848. p. 39. — Moleschott , Physiologie der Nahrungsmittel. pag. 218. . d. Weizen . Das Mehl, welches aus ihm gewonnen wird, enthält eiweissstoffige Substanzen. Diese sind theilweise in Alkohol und Wasser unlöslich (Pflanzenfibrin), theils sind sie in Wasser unlöslich, dagegen in kochendem Alkohol löslich (Pflanzenleim), und endlich löst sich ein Theil derselben in kaltem Wasser, nicht aber in kochendem (Pflanzeneiweiss). Das Mehl enthält ferner Amylon, Gummi, Holzfaser, fettartige Kör- per (?) und Salze. Die quantitative Zusammensetzung des Weizenmehles ist wegen man- gelnder Methoden noch nicht ausreichend bestimmbar. Die relativ zuverlässigsten Be- stimmungen (v. Horsford, Krocker und Boussingault ) sind dadurch ausge- führt, dass man den Ngehalt des Mehles durch die Elementaranalyse ermittelte und daraus den Antheil an eiweishaltigen Stoffen berechnete Das Amylon bestimmte man aus der CO 2 menge, welche bei der in dem Mehle eingeleiteten Gährung erhalten wurde. Die vorliegenden Angaben lassen erkennen, dass in den Weizenkörnern das Ver- hältniss der Bestandtheile zu einander sich sehr abweichend stellte. Die Gewichts- antheile der Eiweissstoffe und insbesondere des unter dem Namen Kleber be- kannten Gemenges aus Pflanzenfibrin und Pflanzenleim sind verschieden 1) in den verschiedenen Schichten desselben Kornes, indem die der Schaale unmittelaar anlie- gende Inhaltsportion reicher an N haltigen Bestandtheilen ist ( Fürstenberg, Payen, Millon ) Annales de chimie et phys. XXIV. Bd. (1849). ; 2) der N gehalt verschiedener Weizenarten ist ungleich, auch wenn er auf demselben Boden gebaut wurde ( Boussingault ) Die Landwirthschaft, übersetzt von Gräger . 1845. I. Bd. p. 310. ; 3) die verschiedenen Kör- ner derselben Ernte sind an Klebergehalt nicht gleich ( Millon ) Compt. rend. Jan. 1854. ; 4) der Kleber- gehalt derselben Weizensorte soll steigen mit dem Reichthum des Bodendüngers an Stickstoff ( Hermbstädt, Boussingault ) l. c. p. 312. — Giessener Jahresbericht für 1847 u. 48. p. 1060. . Dieser letzteren Angabe widerspricht Weizen, Roggen, Gerste u. s. w. Schlossberger . Die Gesammtmenge der eiweissartigen Substanzen schwankt in den trockenen Körnern zwischen 14 und 24 pCt. — Das Amylon variirt in den trockenen Körnern zwischen 53 bis 63 pCt. ( Horsford und Krocker, Boussin- gault ). — Die Fettstoffe sind am reichlichsten in der Schaale; ihr prozentiger Gehalt ist zwischen 1 bis 3 pCt. veränderlich. — Holzfaser, Zucker und Gummi sollen insgesammt von 20 bis 30 pCt. steigen ( Horsford u. Krocker ). In diesem Gemenge nimmt die Holzfaser unzweifelhaft den niedrigsten Werth ein, da sie nach Boussingault 7 pCt. und nach Millon sogar nur 1 pCt. betragen soll. — Die mineralischen Bestandtheile (KaO, NaO, CaO, MgO, Fe 2 O 2 , PO 5 , SiO 3 , aber kein Cl) belaufen sich auf 1,7 bis 2,8 pCt. ( Horsford, Krocker, Ogstone und Way ) Giessener Jahresbericht für 1849. 671 (nebst den Tabellen). . — Das gegenseitige Verhältniss ihrer Bestandtheile ist zwar ein sehr veränderliches, aber immerhin machen PO 5 und KaO weitaus den grössten Theil derselben aus. — Die Veränderlichkeit der quantitativen Zusammensetzung ist nachweislich nicht im Zusammenhange mit der Bodenart, auf welcher die Frucht ge- wachsen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthet man dagegen eine Beziehung zwischen den organischen und unorganischen Bestandtheilen, da nach Millon die Schaale sehr reich an Salzen ist und nach Way und Ogstone Nur einzelne Beobachter (z. B. Kekulé ) geben einen Cl gehalt an. Liebig’s chem. Briefe. 3. Auflage. 592. die Eiweiss- stoffe eine constante Aschenmenge enthalten. Diese Asche, welche von Kekulé zer- legt ist, verdient darum noch weitere Aufmerksamkeit. — Das Wasser des Kornes ist zwischen 14 und 18 pCt. gefunden worden. Von dem Inhalte des Weizenkornes geniesst man bekanntlich nur die mittleren Schichten, während man die Schaale und die ihr anhaftenden Bestandtheile in der Kleie entfernt. Diese Bereitungsmethode würde, wenn sich Kekulé’s u. Milllon’s Angaben bestätigen, eine sehr unvortheilhafte sein, da die gewöhnliche Kleie nach diesem letzten Chemiker in 100 Theilen enthält: Amylon, Zucker, Dextrin = 51; Eiweissstoffe = 14; Fett = 3,6; Holzfaser = 9,7; Wasser = 13,9. Siehe über Kleien auch Anderson Pharmaz. Centralblatt. 1854. p. 291. . e. Roggen Knapp , l. c. p. 63. — Fehling u. Faist , Pharmazeut. Centralblatt. 1852. p. 618. . Der Unterschied zwischen dem Mehle, das diese Fruchtart liefert, und der vorhergehenden, liegt vorzugsweise darin, dass unter den eiweiss- haltigen Bestandtheilen weniger Pflanzenfibrin und statt dessen mehr Pflanzenleim und Eiweiss, und ein besonderer gewürzhaft schmeckender Stoff vorkommt. Soweit die vorliegenden Untersuchungen reichen, scheint aber ausserdem dasselbe Verhältniss der Eiweissstoffe, des Amylons u. s. w. zu bestehen; namentlich zeigt auch die Asche eine analoge Zusammensetzung. f. Gerste, Hafer und Buchweizen liefern ebenfalls ein Mehl, das in dem Gehalte seiner wesentlichen Bestandtheile nicht merklich abweicht von dem des Weizens; Korn und Gerste enthalten mehr Holzbestandtheile als die übrigen Frucht- arten ( Fehling und Faist ). g. Das Maismehl ist dagegen meist reicher an fettartigen Stoffen, die in ihm als ein gelbes dickflüssiges Oel erscheinen. h. Der Reis endlich soll um die Hälfte ärmer an Eiweissstoffen und Asche, als der Weizen, aber dafür reicher an Amylon sein. Das Mehl aller dieser Früchte geniessen wir, nachdem es der Einwirkung einer höheren Temperatur, die zwischen 250° bis 100° C. liegt, ausgesetzt war. Durch dieselben gerinnen die in Wasser löslichen Eiweissstoffe und das Amylon quillt zu sogen. Kleister auf. — Die verbreitetste Anwendung findet das Mehl, und ins- besondere das des Roggens und Weizens im Brod; dieses wird bekanntlich so dar- Hülsenfrüchte, Kartoffeln. gestellt, dass man das Mehl mit etwas salzhaltigem Wasser zu einem steifen Teige knetet, der mit Hilfe von kohlensaurem Gas aufgebläht wird, das sich in kleine- ren und grösseren Blasen durch denselben vertheilt. Die Einführung von CO 2 ge- schieht am häufigsten und besten durch Zumengen eines Zuckerfermentes (Hefe oder Sauerteig), welches den im Mehle enthaltenen Zucker in Alkohol und CO 2 um- setzt, oder auch durch Zufügen von organischen Säuren und kohlensaurem Natron. Aus diesem Teige formt man dann beliebige Stücke, die man in einem Backofen einer Temperatur aussetzt, welche die oberflächlichen Theile (Kruste) auf 200 bis 250° C., die inneren (Krume) auf 100° C. erhitzt. Hierbei tritt ausser den oben angegebenen Veränderungen auch noch die ein, dass in der Rinde das Amylon in Stärkegummi (Dextrin) und brenzliche Produkte übergeht, während in der Krume Amylon und Eiweissstoffe in eine allotrope Modifikation übergeführt werden, die aber nur so lange besteht, als das Brod den Charakter besitzt, den man als frischbacken bezeichnet. Liegt dasselbe einige Tage, wobei es sich auf die Lufttemperatur abkühlt, so ver- schwindet diese Modifikation seines Zustandes wieder; man kann ihn durch aber- maliges Erhitzen jedoch von Neuem herbeiführen ( Boussingault ) Annales de chimie et physique. 36. Bd. (1852) 490. . Analysen des Brodes siehe bei Oppel Giessener Jahresbericht für 1851. 715. . i. Hülsenfrüchte . Die reifen Erbsen und Bohnen enthalten dieselben Atom- gruppen, wie die Körnerfrüchte. — Unter den Eiweissstoffen erscheint neben den früheren noch ein eigenthümlicher, das Legumin oder Pflanzencasein. In der quan- titativen Zusammensetzung unterscheiden sie sich von den Körnerfrüchten dadurch, dass die Eiweissstoffe im Verhältniss zum Amylon beträchtlich gesteigert erscheinen. Eine Vorstellung hiervon soll die folgende Analyse von trockenen Erbsen geben ( Horsford ): Eiweissstoffe = 28,0, Stärke und Gummi = 57,3, Asche = 3,8, Hülsen = 7,6. — Die Asche der Bohnen und insbesondere der Erbsen ist sehr häufig untersucht worden im Auftrage deutscher und englischer Ackerbaugesellschaften; das übereinstimmende Resultat derselben ist, dass sie vorzugsweise aus Kali und Phos- phorsäure, dann aus Kalk, Magnesia und Kochsalz und endlich aus geringen Mengen von Eisenoxyd und Kieselerde besteht Giessener Jahresbericht. 1849. 667 u. f. . Bei der Zubereitung in der Küche dürfte vor Allem Gewicht darauf zu legen sein, dass die festen Gefüge der Früchte zertrümmert werden, und dass beim Kochen in Wasser keine schwer löslichen Eiweissverbindungen entstehen, wie dieses u. A. geschieht, wenn das Wasser kalkhaltig ist. k. Kartoffeln . Der von der Schaale umschlossene Raum ist gefüllt mit Ei- weiss, Stärkemehl, einer besonderen Art von Cellulose, welche in kochendem Wasser zu einer Gallerte aufquillt und sich in verdünnter Schwefelsäure zu Gummi und Zucker umsetzt, mit verseifbarem Fette (Solaninstearinsäure C 30 H 30 O 4 und ein flüssiges Oel von unbekannter Zusammensetzung), mit einem wachsähnlichen, nicht verseifbaren, bei 270° noch festem Stoffe ( Eichhorn ) Poggendorf , Annalen. 87. Bd. 227. , Asparagin, Aepfelsäure, mit den Salzen der Körnerfrüchte und Wasser. Diese chemischen Bestandtheile vertheilen sich auf die anatomischen Gebilde in der Art, dass die Stärke (und ihre nächsten Verwandten) in den Zellen, deren Wände aus der eigenthümlichen Holzsubstanz bestehen, ein- geschlossen sind; in der Flüssigkeit, welche diese festen Stoffe durchtränkt, ist Ei- weiss, das Fett, das Asparagin, die Salze der Aepfelsäure und zum grossen Theile die der Phosphor- und Salzsäure aufgelöst. Die quantitative Zusammensetzung des Kartoffelmarkes ist sehr variabel gefunden worden; sein Wasser schwankt zwischen 82 und 72 pCt., das Stärkemehl zwischen 11 und Ludwig, Physiologie. II. 25 Baumfrüchte, Trinkwasser. und 24 pCt., Eiweiss und Asparagin um 2 pCt., Fette um 0,05 pCt., Holzstoffe gegen 3 bis 4 pCt. und die Asche um 1 bis 2 pCt. Diese letztere ist vorzugsweise reich an Kali, auf dieses folgt die CO 2 , dann erst Phosphorsäure, Natron, Magnesia, Kalk, Kieselsäure und Eisenoxyd ( Way und Ogstone, Walz ). Das Verhältniss der Salze zu einander ist mit der Sorte verschieden. Beim Kochen gerinnt das Ei- weiss, die Zellenhüllen werden lockerer, jedoch nicht aufgelöst, und innerhalb der- selben quillt das Stärkemehl auf. — Während der Aufbewahrung soll sich der Stärke- gehalt ändern, so dass er nach der Ernte bis gegen den März zu- und von da an wieder abnimmt(?). 1. Die Baumfrüchte (Birnen, Aepfel, Pflaumen etc.) und die Gemüse (Rüben, Kohlrabi etc.), Nahrungsmittel von untergeordnetem Werthe, enthalten neben den Nahrungsstoffen, die in den bisher behandelten Speisen vorkamen, noch Pektin (Pflan- zenschleim) = C 12 H 10 O 10 ( Frémy ), das sich durch seine physikalischen Eigenschaf- ten vor den übrigen Kohlenhydraten wesentlich auszeichnet; es kann jedoch in Dextrin und Zucker umgewandelt werden. Nächstdem ist der Reichthum der jungen Gemüsse- blätter an leichtlöslichem Kalisalze zu erwähnen. Ueber das Weitere der genossenen Arten und ihre Zusammensetzung sind die angezogenen Werke von Moleschott, Boussingault und die Giessener Jahresberichte um Rath zu fragen. m. Trinkwasser . Das reine Wasser der Quellen oder das gereinigte der Flüsse enthält Luftarten (Kohlensäure, Sauerstoff, Stickgas) und je nach den Gebirgs- lagern, die es durchströmt, Kohlensäure, Schwefelsäure, Salzsäure mit Kalk, Magnesia und Natron verbunden aufgelöst. — Der Gehalt an Salzen bestimmt den Charakter des Wassers, das man gemeinhin weich nennt, wenn es wenig Kalksalze enthält, während das mit diesen letzteren beladene hart genannt wird. Der Gesammtgehalt des Wassers an Salzen darf, wenn uns dasselbe noch zum gewöhnlichen Gebrauche dienen soll, den Werth von einigen Hunderttheilen eines Prozentes nicht übersteigen. Organische Beimengungen zum Wasser werden immer für Verunreinigungen erklärt. Das gekochte Wasser nimmt einen faden Geschmack an, theils weil dadurch aus ihm die Gase, theils weil Salze, insbesondere kohlensaure Kalksalze, entfernt werden. 5. Nahrungsaequivalente Frerichs , Handwörterbuch der Physiologie. III. 1. Abth. 731. — Boussingault , Die Land- wirthschaft. II. Thl. 235 u. f. — Lehmann , Physiologische Chemie. III. Bd. Ernährung. . Diesem Begriffe hat man zwei Bedeutungen beigelegt. a. Gewöhnlich versteht man darunter das Ge- wichtsverhältniss, in welchem zwei bestimmte Speisen verabreicht werden müssen, wenn durch jede derselben die gleiche Menge eines und dessel- ben einfachen Stoffes eingeführt werden soll. Die Frage ist an einem Beispiele erläutert also die: Wie viel Brod muss genossen werden, damit durch dasselbe gerade so viel Eiweiss in den Magen kommt, als in der Gewichtseinheit Fleisch verzehrt wird? Diese Frage beantwortet eine gewöhnliche Proportionsrechnung, wenn die quantitative Zusammensetzung der betreffenden Nahrungsmittel bekannt ist. Der grösseren Bequemlich- keit halber haben Liebig und Boussingault zu diesem Ende Tafeln berechnet für die Speisen mit bekannter Zusammensetzung. b. Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn man vom physiologi- schen Gesichtspunkte ausgehend die Frage erhebt: In welchem Verhält- nisse müssen zwei verschiedene Speisen genossen werden, wenn durch sie dieselben Leistungen innerhalb des thierischen Körpers erreicht werden Nahrungsaequivalente. sollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der Nahrungsmittel darin bestehen, dass sie entweder Wärme erzeugen oder mechanische (Muskel-) Kraft hervorbringen oder endlich den Wiederersatz oder die Neubildung von Geweben und Säften (Wachsthum, Mästung) bedingen sollen, so würde zuerst die Vorfrage zu erledigen sein, ob in der That ein und dasselbe Nahrungsmittel befähigt wäre, diesen verschiedenen Anforderungen zu ge- nügen. Wäre nemlich, wie man zuweilen ausgesprochen, ein jedes ein- fache Nahrungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so würde es natürlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben, son- dern es müsste entsprechend dem Verbrauche an Wärme, an Muskel- anstrengung und an Gewebsmassen jedesmal nur ein ganz bestimmtes Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte, die Nahrungsmittel würden zu zerfällen sein in Wärme erzeugende oder respiratorische, in kraftentwickelnde und in gewebsbildende oder plastische. Da die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon oxydirt genossen werden, so können sie keinen Beitrag zur Wärmebildung liefern; im Gegensatze hierzu verlassen alle organischen Atome der Nahrung den thierischen Körper in höher oxydirtem Zustande, als sie in ihn einge- treten sind; die letzteren müssen also sämmtlich zur Wärmeerzeugung zu verwenden sein. In diesem Sinne müssten sich also die verschie- denen Nahrungsstoffe vertreten können. Dieser Behauptung wäre jedoch die andere entgegenzustellen, dass sich die verschiedenen Nahrungsstoffe unterscheiden durch ihre Spaltbarkeit, indem ein Theil der Nahrungsstoffe nur dann in oxydirbare Atomkomplexe zu zerlegen wäre, wenn er ein Bestandtheil der kraftentwickelnden Apparate (der Muskeln und Nerven) oder der festen Gewebe gewesen wäre, während ein anderer Theil geradezu dem mittelbaren oder unmittelbaren Verwesungsprozesse anheimfallen könnte. Diesen Unterschied hat man in der That behauptet und aus dem Grunde die Amylaceen und Fette als die eigentlichen, die Eiweiss- stoffe dagegen als die accessorischen Respirationsmittel angesprochen. Ueberlegt man sich aber die Beweismittel dieses Satzes genauer, so schei- nen sie eher gegen als für denselben zu sprechen. Zuerst lässt sich geradezu zeigen, dass die Eiweissstoffe nicht vorgängig den krafterzeu- genden Apparaten gedient haben, bevor sie dem Wärmebildungsprozesse anheimfallen; denn es ist durch die später noch genauer zu erörternden Beobachtungen von Frerichs, Schmidt und Bischoff erwiesen, dass die Gewichtseinheit desselben Thieres je nach der Nahrung, die es empfangen, bald viel und bald wenig Eiweissstoffe in der Zeiteinheit um- setzt und oxydirt, selbst wenn es in dieser Zeit annähernd gleich viel Muskelbewegungen ausführt; mit einem Worte, die Umsetzung des Ei- weisses erweist sich in diesen Fällen, in welchen die Beobachtungsthiere in Kästen eingesperrt waren, unabhängig von der Entwickelung mechani- scher Kräfte durch die Muskeln. Der andere Theil der oben aufgestellten 25* Nahrungsaequivalente. Behauptung, dass die Eiweissstoffe nur dann in oxydirbare Atome ver- wandelt werden könnten, wenn sie einmal die Wandungen von Zellen, Röhren, Platten oder Fasern dargestellt hätten, ist mindestens nicht be- weisbar, ja sogar unwahrscheinlich in Anbetracht der bekannten chemi- schen Eigenschaften jener festgewordenen Stoffe, da sich gerade die chondrin- und leimgebenden, die elastischen und die hornstoffigen Gebilde durch ihren Widerstand gegen oxydirende Einflüsse auszeichnen. Erwägt man dazu, dass der thierische Organismus nachweislich befähigt ist, Ei- weissstoffe zu zerlegen, welche sich im flüssigen Aggregatzustande befinden, so dürfte man eher geneigt sein, anzunehmen, dass der Uebergang der Eiweissstoffe in den festen Aggregatzustand die Umsetzung derselben er- schwere, statt sie zu erleichtern. Diese Betrachtung würde somit dazu führen, dass sich behufs der Wärmebildung die Amylaceen, Fette und Eiweissstoffe vertreten könnten; obwohl die Erfahrung dafür spricht, dass dieses in weiten Grenzen möglich sei, so zeigt sie uns auch anderseits, dass dieses nicht durchweg und ohne alle Einschränkung möglich. Für diese Thatsachen liegt als ein nicht unwahrscheinlicher Grund der vor, dass die Eiweisskörper und Fette von dem menschlichen Körper nicht in einer zur Wärmebildung genügenden Menge verdaut und zersetzt werden können, so dass die Amylaceen helfend mit einstehen müssen, und dass anderseits die Vorgänge, welche die letzteren Nahrungsstoffe oxydiren, zugleich zu einer Zerstörung der Eiweisskörper führen. Unter dieser Einschränkung würden also behufs der Wärmebildung Aequivalente der organischen Nahrungsstoffe aufzustellen sein, vorausgesetzt, dass man die relative Zersetzbarkeit derselben und ihre latente Wärme kennte, was bis dahin noch nicht der Fall ist. Zur Erzeugung der Nerven und Muskelkräfte sind unzweifelhaft die Eiweisskörper dienlich und wahrscheinlich auch unumgänglich nothwendig, denn einmal sind diese Organe unter allen Umständen sehr reich an diesen Stoffen, dann findet man in den Säften dieser Organe, namentlich in den Muskeln, um so mehr Zersetzungsprodukte der Eiweisskörper, je angestrengter sie gearbeitet haben, und endlich soll, gleiche Ausbildung der Muskelmasse vorausgesetzt, ein und derselbe Mensch um so arbeits- fähiger sein, je beträchtlicher der Fleischantheil seiner Nahrung ist. Diese Thatsachen schliessen es aber natürlich nicht aus, dass sich nicht auch die Fette und Kohlenhydrate an der Erzeugung von Muskelkräften bethei- ligen könnten, hierfür spricht im Gegentheil die reichliche Anwesenheit von Fett und seinen Umsetzungsprodukten in den Nerven und ebenso- wohl die bedeutenden Muskelanstrengungen, welche Menschen leisten, die sich vorzugsweise von den eiweissarmen Kartoffeln und Brod nähren. Bei diesem Stande der Sache ist es jedenfalls besser, unentschieden zu lassen, ob die Nahrungsstoffe sich behufs der Entwickelung von mecha- nischen Kräften vertreten können. Verdauung der Speisen. Ein jedes Gewebe bedarf, da es eine bestimmte chemische Zusammen- setzung besitzt, auch bestimmter Stoffe zu seinem Aufbau. Die verschiedenen zu einem Gewebe nöthigen Bestandtheile müssen also beschafft werden; wenn demnach die Nahrung zum Ersatz zerstörter oder zur neuen Her- stellung von Geweben benutzt werden soll, so können sich die einzelnen Nahrungsstoffe nicht vertreten. Dieses würde nur dann möglich sein, entweder wenn in einem Gewebe verschiedene unter sich sehr ähnliche Stoffe zu demselben Zwecke verwendbar wären, wie z. B. in den Knochen phosphorsaure und kohlensaure Magnesia statt derselben Verbindungen der Kalkerde, oder wenn ein Stoff bei seinen Zersetzungen im Thierkörper zu einem Atomcomplexe führte, welcher identisch wäre mit einem anderen in der Nahrung geradezu aufgenommenen. Insofern könnte also Amylon, das sich, theilweise wenigstens, in Fett verwandeln soll, bei der Ernährung des Hirns, des Fettgewebes u. s. w., oder es könnte Leim statt des Ei- weisses zur Ernährung des Bindegewebes und der Knochen verwendet werden. Diese Vertretung, wenn sie überhaupt besteht, würde aber jeden- falls eine sehr beschränkte sein. Unter allen Umständen ist es aber ver- werflich, geradezu ein einfaches Nahrungsmittel, z. B. Eiweiss, das pla- stische oder auch nur das vorzugsweise plastische zu nennen, da eben so gut, wie dieses, auch andere Atomgruppen zum Entstehen und zum Bestand der meisten Gewebe durchaus nothwendig sind. C. Verdauung der Speisen . Die Speisen müssen, um mit Vortheil in das Blut geführt werden zu können, chemische und physikalische Umwandelungen erfahren. Diese geschehen in mehreren räumlich und funktionell von einander geschie- denen Behältern, nemlich in der Mund- und Rachenhöhle, dem Magen, dem Dünn- und dem Dickdarme. Ein jeder derselben liefert einen Bei- trag zur Verdauung durch hemmende oder beschleunigende Bewegungs- werkzeuge, durch Drüsen, durch die Eigenschaft der Häute, welche Darm- und Gefässhöhlen trennen, und endlich durch die allen gemein- same Wärme. Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge . 1. Mund und Schlund. Lippen, Wangen und Kiefer sind, so weit sie nicht schon bespro- chen, in ihren Leistungen Jedermann bekannt. Die Zunge . Ihre Wurzel ist auf bekannte Weise durch Muskeln und Bänder an den Stylfortsatz, den Kiefer und das Zungenbein gehef- tet, sie folgt darum auch den Bewegungen der beiden letzteren und ins- besondere denen des Zungenbeins. — Das Zungenbein kann vermöge seiner Befestigung an dem Kehlkopfe eine allgemeine Ortsveränderung erfahren, oder es kann sich auch nach Spannung der Bänder um diese drehen; so können sich namentlich die Hörner um den durch das lig. Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund. hyothyreoideum medium festgestellten Körper, oder dieser letztere um die durch die ligamenta later alia fixirten Hörner erheben oder senken. Gehoben wird das Zungenbein durch die Verkürzung der mm. stylohyoidei (und hyopharyngei?), gesenkt durch sterno-, thyreo- und omohyoidei. Die Unter- schiede dieser drei Muskelwirkungen liegen darin, dass m. omohyoideus nach unten und hinten, sternohyoideus nach unten und vorn Kehlkopf und Zungenbein zugleich ziehen, während m. thyreohyoideus den Ab- stand beider bestimmt. Mm. mylo- und geniohyoideus und digastricus anterior ziehen das Zungenbein nach vorn, wobei der erstere noch die Zunge gegen den harten Gaumen hin hebt, indem er den nach unten bauchig herabhängenden Kehlraum abflacht. — Alle Bewegungen, welche von den Muskeln der Wurzel oder des Beines der Zunge ausgeführt werden, übertragen sich auf Zunge und Zungenbein zugleich; eine Aus- nahme hiervon dürfte nur dem Hyoglossus zustehen. Das freie Blatt der Zunge Kölliker , Mikroskop. Anatomie. II. Bd. 1. Abthl. p. 12. , das seine Gestalt unabhängig verän- dern kann, ist von Muskeln durchzogen, welche entweder parallel der Längsachse, (mm. hyoglossi, longitudinalis inferior und superior, stylo- glossi), oder von der unteren zur obern Fläche (mm. genioglossi) und von einem zum andern Rand (m. transversus linguae) laufen. Die ver- schieden gerichteten Züge verflechten sich in der Zunge innig, und so können sie nicht alle in die letztere verschmälern (und dabei strecken und verdicken), abplatten (und dabei verlängern und verbreitern), son- dern auch krümmen. Die Nerven aller dieser Muskeln sind bemerkenswerther Weise in sehr verschiedenen Stämmen enthalten. N. trigeminus versorgte den m. mylo- hyoideus und digastricus anterior, n. facialis den stylohyoideus und die übrigen n. hypoglossus und cervicalis II. Die Folgen dieser Anordnung für die Verknüpfung der Bewegungen sind unbekannt. — Die willkühr- liche Erregung gebietet unbeschränkt über die Nerven des stylo-, genio- und hyoglossus, omo- (?), sterno-, stylo- und geniohyoidei, longitudina- les et transversi linguae, indem ebensowohl ein- als zweiseitig die Zunge nach vorn, nach hinten, oben und unten bewegt werden kann. Be- schränkt ist aber die Willkühr, dem m. mylohyoideus gegenüber, inso- fern, als er jedesmal nur beiderseitig zusammenziehbar ist; der hyothy- reoideus endlich ist ihr insofern ganz entzogen, als er nur gleichzeitig mit den Spannmuskeln der Stimmbänder und den Gaumen- und Schlund- schnürern in Verkürzung zu bringen ist. Ueber die Zungenmuskeln, im engeren Wortsinn, ist eine derbe Bindegewebshülle gezogen, in welche an vielen Orten die Muskeln ein- gehen, und die mit einem hornigen Ueberzuge bekleidet ist, der sich auf dem Rücken in zahlreichen feinen Fortsätzen (papillae filiformes) Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund. erhebt; er macht die Zunge rauh und wo er dick ist auch die darunter liegenden weichen Gewebe weniger angreifbar. — Da aber die Horn- schicht auf den pap. fungiformes nur dünn ist und zugleich die Zun- genschleimhaut reichliche Vertheilungen des n. lingualis besitzt, so geht aus allem diesen hervor, dass die Zunge als Schaufel und Tastwerkzeug sehr brauchbar ist. Der Kehldeckel ist ein elastisches Knorpelplättchen, das sich an das Zungenbein und die Spannknorpel des Kehlkopfes (c. thyreoidea) mit- telst elastischer Bänder anheftet, welche ihm, wenn er sich selbst überlassen bleibt, eine solche Stellung zu der Zungenwurzel sichern, dass ihn ein Flüssigkeitsstrom in der Richtung vom Schlund zur Speise- röhre gegen den Kehlkopf umklappt. In dieser niedergedrückten Lage deckt er die Stimmritze aber nur dann, wenn der Kehlkopf dem Zun- genbeine durch die Verkürzung des m. thyreohyoideus genähert ist. Der weiche Gaumen Tourtual , Ueber den Bau des menschl. Schlund- und Kehlkopfes. Leipzig 1846. . Seine bogenförmigen freien Ränder, von denen einer zum Rande der Zungenwurzel und ein anderer zu den Seitentheilen des Schlundkopfes läuft, schliessen bekanntlich die mm. pa- latoglossus und palatopharyngeus ein. Die Zusammenziehung des erste- ren flacht den vorderen Bogen um ein Weniges ab, wobei der Gaumen- vorhang, soweit es seine Nachgiebigkeit erlaubt, heruntertritt; auf eine andere Weise kann dem Verkürzungsbestreben kein Genüge geleistet wer- den, da die in die Zungenränder eingehenden unteren Enden sich einan- der weder nähern, noch auch die Zunge heben können. Bei der Zu- sammenziehung des an und für sich schon engeren m. palatopharyngeus treten dagegen die freien Ränder des hinteren Gaumenbogens zur Bil- dung einer Spalte ( Dzondi ) von dreiseitiger Form zusammen, deren Basis nach der Schlundwand hin gelegen ist ( Tourtual ). Diese Ge- staltung muss der zusammengezogene Muskel annehmen, da der an sei- ner hinteren Seite weniger nachgiebige Gaumenvorhang und der an der Wirbelsäule befestigte Schlundkopf sich nicht in der Richtung von hinten nach vorn gegenseitig nähern können. Am Schlund wird aber die bei der Zusammenziehung entstehende Spalte weiter klaffen, als am Gaumensegel, da die Muskeln weiter auseinander stehen. — In dem Theile des Segels, der von der Spitze des Bogens bis zum harten Gaumen sich erstreckt, mün- den die levatores palati posteriores (circumflexus palati) und anteriores, die tensores palati und die levatores uvulae (azygos). Die vier Gau- menheber suchen, wenn sie kurz werden, das Segel, und insbesondere den an die Knochen grenzenden Theil in eine Flucht mit dem harten Gaumen zu heben. M. azygos zieht bei seiner Verkürzung die gesenk- ten Bogenspitzen sammt dem Zäpfchen empor, und im gleichen Falle zerrt der tensor die genäherten Bogenränder auseinander (?). Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund. Diese Annahmen gründen sich theils auf Ableitungen aus dem Muskelverlauf, theils auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen, die entweder wie gewöhn- lich von der Mundhöhle aus geschieht, oder, die in seltenen Fällen möglich war, von der Nasenhöhle aus ( Dzondi, Bidder ) Dzondi , Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1831. — Bidder , Beobachtungen über die Bewegungen des weichen Gaumens. 1838. — Kobelt, Froriep’s Notizen. 1840. nach Zerstörung des Oberkiefers oder von den unteren Stücken der Rachenhöhle nach Verlètzungen im Seitentheile des Schlundes über dem Zungenbeine ( Kobelt ). Die Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen Quel- len; m. palatoglossus erhält sie aus dem n. vagus; m. levator palati po- sterior mollis wird zugleich versorgt durch Fäden, die in den nn. facia- lis, glossopharyngeus, vagus und accessorius aus dem Hirne treten; m. tensor palati empfängt seine Nerven aus den nn. trigeminus, glosso- pharyngeus, vagus und accessorius; m. azygos aus den nn. vagus, ac- cessorius und glossopharyngeus. — Die Nerven des arc. glossopalatinus sind nicht ermittelt, da der Muskel den meisten Säugethieren fehlt; auf den m. levator anterior hat man noch keine Rücksicht genommen. Die aufgezählten Muskeln sind, wenn überhaupt, der Willkühr nur in beschränkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung des Gau- mens nur auf einer Seite ausgeführt werden kann. Unter die in die- sem Sinne willkührlich beweglichen Muskeln gehören unzweifelhaft mm. levatores palati und uvulae. Reflektorisch erregbar sind die Gaumen- schnürer, und zwar von den empfindenden Nerven aus, die sich auf der Zungenwurzel, der hinteren Fläche des Gaumensegels und in der Schleimhaut über den mittleren Schlundschnürern verbreiten. Schlundkopf . Die Faserung der Schnürer geht zum Theil spi- ralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopfhälfte; die Züge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren Mittellinie des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bucco- und keratopharyngeus) läuft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese Streifungen müssen die unteren Partien heben und seitlich zusammenpressen; an den Orten, wo die hintere Schlundwand locker an die Wirbelsäule geheftet ist, kön- nen sie die Schnürer auch gegen die Mundhöhle hin bewegen. — Der m. stylopharyngeus wird seinem Verlaufe gemäss die seitlichen Partien der Schlundwand heben und auseinander ziehen, d. h. Falten, die sich auf der hinteren Wand gebildet haben, glätten. Die Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus, die Schnürer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyngeus?) versorgt. Ob einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen er- regt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmittelbar nach der Erregung der Gaumenmuskeln scheint dieses nicht unmög- lich. — Reflexbewegungen werden in ihnen ausgelöst auf Erregung aller Kauen und Schlingen; Dünndarm. empfindenden Flächen hinter dem Gaumenbogen bis zum Beginn der Speiseröhre. Speiseröhre . Ihre Muskeln sind beim Menschen, abweichend von dem Verhalten der Haussäugethiere, aus Quer- und Längsfaden zu- sammengesetzt. Die Nerven derselben kommen aus dem Vagusstamme; sie sind dem Willenseinflusse durchaus entzogen und können nur in besonderen Zuständen der Erregbarkeiten von der sie deckenden Schleim- haut zu Zusammenziehungen veranlasst werden. Die bis dahin erwähnten Werkzeuge vollführen das Kauen und Schlingen. Das Kauen oder Verkleinern der eingeführten und unter Umstän- den mit den Schneidezähnen abgebissenen Speisebrocken geschieht durch den mahlenden Druck der Backzähne; diesem Akte kommt die Kraft der Kieferschliesser, die Beweglichkeit des Unterkieferkopfes nach verschiedenen Richtungen und die Härte und Unebenheit der Backzähne zu Gute. — Die Speisebrocken würden bei diesen Bewegungen von der erhaben gestellten Kaufläche herunterfallen, wenn sie nicht durch die Wangen, Lippen und die Zunge auf ihr gehalten würden. Wenn diese Einrichtungen das Abgleiten nicht vollkommen verhüten, so hebt die Zunge das Niedergefallene wieder empor; diese letztere wendet zugleich die Speise von einer Wangenseite auf die andere, ein Vorgang, der na- mentlich beim Kauen trockener Bisse öfter in Anwendung kommt. — Den Härtegrad der eingeführten Stoffe prüfen die Zähne, welche bekannt- lich sondenartige Tastwerkzeuge darstellen, und sie, in Verbindung mit der Zunge, welche zu dem Behufe die Speisen gegen den harten Gau- men drückt, geben auch Nachricht, ob die Bissen den zum Schlingen hinreichenden Grad von Vertheilung erlangt haben. Das Schlingen . Dieser Muskelakt, vermittelst dessen der ver- kleinerte Bissen aus dem Munde in den Magen befördert werden soll, wird dadurch verwickelt, dass die Speisen, nachdem sie einmal in die Rachenhöhle geschoben sind, nun in den Oesophagus eindringen, also die Mündungen der Luftwege in den Rachen vermeiden sollen und zu- gleich nicht in die Mundhöhle zurückweichen dürfen. Das Einschieben des Bissens hinter den vorderen Gaumenbogen besorgt die Zunge; zu dem Ende wird sie, nachdem sie die Speisen anf ihren etwas hohl gestell- ten Rücken genommen hat, zuerst vorn gehoben durch die Muskeln des freien Zungenblattes, dann aber in der Mitte durch die Zusammen- ziehung des m. mylohyoideus, indem er den Boden der Mundhöhle ab- flacht, und endlich an der Wurzel durch m. styloglossus. Nachdem der Bissen somit durch die Zunge an den harten Gaumen gepresst und hinter den arcus glossopalatinus geschoben wurde, legt sich dieser letztere um die Zunge an und schliesst damit Schlund- und Mundhöhle von einander ab. — In diesem Augenblicke werden auch die Nasenöffnungen und die Stimmritze gedeckt. Die ersteren dadurch, dass das Gaumensegel in Schlingen. Verbindung mit der hinteren Schlundwand eine zeitweilige Scheidewand zwischen dem oberen und unteren Theile des Schlundkopfes, etwas unter- halb der Choanen, herstellt; hierbei greifen die einzelnen Theile so in- einander, dass die levatores palati antici und postici in der Nähe des harten Gaumens und die schräg vom Kopf nach dem Larynx verlau- fenden Schnürmuskeln des Schlundes die hintere Fläche des Gaumen- segels zu einer schief nach hinten abfallenden Fläche erheben; diese Wirkung der bezeichneten Muskeln wird unterstützt durch den Bissen, welcher von der Zunge aus das velum pendulum hebend vor sich her- schiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Gaumenbogen dann noch übrig bleibt, wird geschlossen: vorn durch die Verkürzung des m. pa- latoglossus und des als Ventil dazwischen gedrängten Zäpfchens; hinten durch eine Falte, welche sich von der Schlundwand hervorhebt in Folge der seitlichen Zusammenpressung, welche der Pharynx durch die ab- steigend und horizontal verlaufenden Muskelfasern erfährt. — Der Zu- gang zu der Stimmritze wird unmöglich gemacht durch eine Zusam- menziehung ihrer Schliesser und das gleichzeitige Niederdrücken des Kehldeckels vermittelst des von der Zunge herdringenden Bissen. Die Deckung, welche der Kehlkopf von Seite der Epiglottis erfährt, wird da- durch vollkommen, dass sich die letztere der Zunge möglichst nähert, in Folge der gleichzeitig eintretenden Zusammenziehung der aufsteigen- den Schlundschnürer und des m. thyreohyoideus; die Berührung der sehr empfindlichen Eingangsflächen in den Kehlkopf vermeidet die Epiglottis bei dieser Bewegung, weil sie sich auf die emporragenden cartilag. arytenoideae stützt. — Somit bleibt dem allseitig gedrückten Bissen nur der Weg in den unteren Theil des Schlundkopfes, der um so leichter genommen wird, als sich derselbe mit der Hebung des Kehlkopfes der Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er durch eine Zusammenziehung der Schlundschnürer dem Oesophagus überliefert, welcher sich jedesmal in den Stücken verengert, die unmittel- bar oberhalb und um den Bissen gelegen sind; diese Zusammenziehung schreitet mit dem Inhalte allmählig von oben nach unten fort, wobei sie aber immer nur einen beschränkten Abschnitt der Muskulatur zu- gleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen verlassen hat, auch allmählig zu ihrer normalen Länge zurückkehren. Die Nerven, welche der Reihe nach beim Schlingen in Erregung treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trigeminus, hypo- glossus und des Vagusstammes sind unzweifelhaft betheiligt; ob auch die Schlund- und Gaumenzweige der nn. trigeminus, facialis und glosso- pharyngeus dazu gehören, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber steht hier wie bei der Augenbewegung fest, dass Nervenröhren mit sehr verschie- denen Hirnursprüngen in diese combinirte Bewegung als Erreger ein- gehen. Schlingen. Die Zusammenziehung der einzelnen Muskelstücke Wild, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. 76. des Schling- apparates ist in die eigenthümliche Beziehung gebracht, dass beim Be- stehen einer normalen Erregbarkeit auf die Verkürzung eines höher ge- legenen Stückes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin nachfolgt, während niemals auf die eines tieferen die Zusammenziehung eines höheren folgt. Man drückt dieses gewöhnlich so aus, dass dem Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperistaltische Bewe- gung zukomme. — Das Fortlaufen der peristaltischen Bewegung ge- schieht allmählig und ist namentlich abhängig von der Zeitdauer, welche jedes einzelne Stück zur Vollendung seiner Zusammenziehung verbraucht, da die nächst tiefer gelegenen Partieen nicht eher in den Zug der Be- wegung eintreten, bevor nicht die höheren wieder zu der Erschlaffung gekommen sind. — Die Einleitung der Bewegung ist, wie es scheint, nur bedingt vom Willen abhängig; dagegen kann sie ohne äussere Ur- sache unwillkürlich (v. I. Bd. p. 173 u. 174 ) und auf reflektorischem Wege zu Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlingen einleitet, scheinen für gewöhnlich auf die hintere Fläche des Gaumens und den Schlundkopf beschränkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die fortlaufende Bewegung durch einen Anspruch der Speiseröhrenschleim- haut aufzulösen. Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhalt- sam bis zum Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und un- versehrt sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein Hinderniss entgegenstellt. Durchschneidet man aber die Muskeln oder Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschränktes Stück des letzteren durch einen umgelegten Faden zusammen, so überschreitet die von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder gedrück- ten Ort nicht ( Wild ). Der Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einzuleiten, dass er den festen oder flüssigen Inhalt der Mundhöhle in den Rachen schiebt, welcher dann die dort vorhan- denen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass man auf Geheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei-, vier- bis fünfmal unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die Fähigkeit dazu sogleich wieder einstellt, so wie sich wieder Speichel in der Mundhöhle ansammelt oder ein Bissen in sie eingebracht wird. — Die Angabe, dass die einmal eingeleitete Schlingbewegung zu ihrer Fortführung der reflektorischen Erregungen nicht bedarf, und namentlich nicht in Abhängigkeit steht von den Erregungen, die der weiter geführte Bissen in der Schleimhaut hervorbringt, stützt sich darauf, dass sich die Bewegung selbst dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bisses, z. B. durch einen angezogenen und festgehaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Genauere bei Wild . 2. Magen. Dieser geräumige Behälter ist im leeren Zustande so aufgehängt, dass er seine grosse Curvatur nach unten wendet; im gefüllten dreht er sich dagegen nach vorn, und somit stellt er seine kleine Krümmung Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Magen. nach hinten, welche sich dann über die Wirbelsäule und die auf ihr laufenden Gefässe hinspannt, ohne diese letzteren zu drücken. Diese Drehung muss um eine Linie geschehen, welche durch die beiden am festesten angehefteten Punkte, die Cardia und den Pylorus bestimmt ist. Die Drehung wird möglich, weil die Krümmungen nur durch die schlaf- fen Netze angeheftet sind, und die vordere und hintere Magenfläche mit ihren glatten Bauchfellüberzügen frei in der Peritonialhöhle liegen. Der Mechanismus, welcher diese Drehung leitet, ist noch nicht ermit- telt. Jedenfalls ist er von irgend welcher Muskelzusammenziehung un- abhängig, da sich auch der Magen in der Leiche bei seiner Anfüllung dreht. — In dieser Lage nimmt nun die Cardialöffnung die höchste Stelle ein, so dass gegen sie die spezifisch leichtesten Bestandtheile des Mageninhaltes zu liegen kommen. Enthält also neben festen und flüssi- gen Stoffen der gefüllte Magen auch Luft, so wird sie sich an der be- zeichneten Stelle finden und durch den Magenmund austreten, wenn er geöffnet ist. — Die Muskulatur des Magens macht vermöge der Anord- nung ihrer Fasern eine Verschliessung seiner Mündungen, insbesondere der nach dem Dünndarme gekehrten, möglich, und ausserdem kann sie eine im Einzelnen mannigfach abgeänderte Verengerung der Magenhöhle herbeiführen. — Die Anregung zu ihrer Bewegung empfängt sie, theil- weise wenigstens, von Aesten aus dem Vagusstamme ( Bischoff ); diese beherrschen jedoch nicht alle Muskeln, da man auch nach Durchschnei- dung jener Nerven noch Zusammenziehungen eintreten sieht. — Die Bewegungen des Magens, die man im lebenden Thiere beobachtete, be- stehen 1) in Zusammenziehungen des Cardial- und Pyloruspförtners. Die Contraktionen dieses letzteren werden vermehrt durch Berührungen der ihn überziehenden Schleimhaut; es wirken dieselben begreiflich um so kräftiger anregend, je weniger ihre Nerven in Folge vorhergehender Angriffe ermüdet sind. Dieser Einrichtung gemäss erlaubt der Pfört- ner den flüssigen Theilen des Mageninhaltes, die gegen seine Oeffnung getrieben werden, leicht den Durchgang, während er sich dicht schliesst, wenn feste Massen an seinen Schleimhautüberzug stossen. Wiederholt sich aber dieser Anstoss öfter, so wird er nicht mehr durch eine Ver- engerung des Muskelringes beantwortet, und es ist sodann auch festen Stoffen der Eintritt in den Dünndarm gestattet. — 2) Der mit Speisen erfüllte Magen lässt Bewegungen gewahren, deren Endeffekt eine Veren- gerung seiner Höhle anstrebt; sie sollen nach Beobachtungen, die Beaumont bei einem Menschen, der eine Magenfistel besass, anstellte, peristaltisch vom Fundus gegen den Pylorus hin fortschreiten. Diese Bewegungen kehren, wenn sie einmal eingetreten sind, wie die Unter- suchungen an Hunden lehren, nach mehr oder weniger kurzen Zeitab- schnitten wieder. Ausser diesen Bewegungen von peristaltischem Modus will man auch solche von antiperistaltischem beobachtet haben. — So Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm. unzweifelhaft es ist, dass der Magen Bewegungen zeigt, eben so schwie- rig ist es aber auch anzugeben, wann dieselben eintreten. Denn es ist Thatsache, dass der Magen nach Eröffnung der Unterleibshöhle bei le- benden und eben getödteten Thieren meist nicht nur vollkommen ruhig angetroffen wird, sondern auch, dass die gewöhnlichen Erregungsmittel muskulöser Apparate ihn nur zu Zusammenziehungen veranlassen kön- nen, welche sich auf den Ort ihrer Anwendung beschränken. Diese Zei- ten der relativen Unthätigkeit der Muskeln des Magens scheinen nur nach der Anfüllung desselben mit Speisen eine Unterbrechung zu erfahren. — Die den peristaltischen Modus erweckenden und unterhaltenden Nerven sind unbekannt. 3. Dünndarm. Als ein Rohr von beträchtlicher Länge, dessen Wandungen bis zum Verschwinden der Höhle von den gespannten Bauchdecken zusammen- gepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verhältniss zwischen Bin- nenraum und Wandungsfläche, als der Magen. — Die Anheftung durch das Peritonäum zwingt das Ileum und Jejunum in Schlingen zu hängen, die wechselnd auf- und absteigen können; das festgeheftete Duodenum wechselt seinen Ort niemals zu Gunsten der Gallen- und Pankreasgänge, welche seine Wand schräg durchbohren. — Die Falten der Schleimhaut des Jejunum sind so gelegt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der Richtung von oben nach unten erlauben, während sie durch einen Stoss im umgekehrten Sinne aufgestellt werden. Die Längs- und Quermuskeln, welche den Darm verkürzen und ver- engern können, zeigen sehr eigenthümliche Bewegungserscheinungen. Am lebenden oder eben getödteten Thiere, dessen Unterleibshöhle man er- öffnet hat, gewahrt man drei besondere Arten derselben. — 1 ) Die Dünn- därme liegen im Ganzen vollkommen ruhig, nur hin und wieder zeigt sich eine Einschnürung mit gleichzeitiger Verkürzung eines Darmstückes, welches längere Zeit unverändert in seiner veränderten Gestalt verharrt. — 2 ) Ein beschränktes Darmstück verengert und verkürzt sich; diese Zu- sammenziehung der Quer- oder Längsmuskeln löst sich und beginnt nach kürzerer Zeit von Neuem, so dass ein wogendes und pendelndes Hin und Wieder der Bewegung zu Stande kommt. — 3 ) In dem Darme schreitet eine Bewegung peristaltisch (von oben nach unten) oder anti- peristaltisch (von unten nach oben) weiter, so dass von zwei unmittel- bar aneinander grenzenden Abschnitten des Darmes das eine in Zusam- menziehung geräth, während das andere im Begriff ist, in Erschlaffung überzugehen. — Es lassen sich weder Kennzeichen, noch Gründe ange- ben, wann und warum der eine oder der andere Modus der Bewegung eintritt. Allerdings hat es aber den Anschein, als ob zur peristaltischen und pendelnden Bewegung ein höherer Grad von Erregbarkeit gehöre, da kurze Zeit vor dem Absterben der Beweglichkeit überhaupt nur noch Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm. die lokale Contraktur erzielt werden kann. Dazu ist es nun auch noch zweifelhaft, ob der Darm innerhalb des unverletzten, in den gewöhn- lichen Lebensbedingungen stehenden Thieres die gleichen Vorkomm- nisse darbietet, da die Mittel zur Beobachtung in diesem Falle sehr beschränkt sind. Das Wenige, was wir wissen, ist entweder gefunden bei Menschen, die so dünnwandige Bauchdecken besassen ( Betz ) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 329. , dass das Spiel der Darmbewegung durch sie hindurch sichtbar war, oder sie sind gewonnen an Thieren, denen man Darmfisteln anlegte, durch die in die Darmhöhle ein Bleidraht eingeführt wurde, an dem eine Wachskugel aufgesteckt war ( Schwarzenberg ) Ibid. VII. Bd. 311. . Aus der Fortbe- wegung dieser letzteren konnte man mit Sicherheit schliessen, dass pe- ristaltische Bewegung auch dem lebenden Thiere eigenthümlich sei. Diese sind aber keineswegs zu allen Zeiten des Tages, wie etwa die Herzbewegungen, sondern nur zu gewissen Epochen vorhanden. Ist aber einmal eine solche Periode eingetreten, so folgen sich kurz hinter- einander eine grosse Zahl von solchen peristaltischen Gängen. Zu die- ser Zeit lassen sich auch durch Einsprützungen von Wasser in den Darm, oder durch mechanisches Bestreichen der inneren Darmfläche die Pausen, welche zwischen zwei peristaltischen Bewegungen liegen, be- trächtlich verkürzen und die Intensität der einzelnen Bewegungen stei- gern. Die Bedingungen für den Eintritt einer solchen Bewegungsreihe sind uns ebenfalls unbekannt. Mehrere Stunden nach eingenommener Mahlzeit fehlen sie selten, doch sind sie auch nach längerer Nahrungs- entziehung beobachtet, ja es scheint sogar, als ob sie bei einem hun- gernden Thiere öfter als bei wohlgenährten wiederkehrten. — Bemer- kenswerther Weise gewahrte man niemals den antiperistaltischen Modus; daraus darf man aber nicht schliessen, dass er dem unverletzten Thiere fehlte; im Gegentheil, es deutet die Erfahrung, dass zuweilen Koth, wie er sich nur im Dickdarme gebildet haben kann, im Magen angetroffen und auch wohl erbrochen wird, darauf hin, dass auch rücklaufende Wel- len zu Stande kommen. — Ueber die Stellung dieser Muskeln und ihre combinirten Bewegungen zum Nervensysteme lässt sich nichts Befriedi- gendes sagen; zuweilen gelingt es durch Erregung des Grenzstranges in der Brusthöhle, oder des ggl. coeliacum, oder der von ihm ausgehenden Nervenfäden, den Dünndarm zu bewegen, ein andermal nicht. — Die einfache oder combinirte Bewegung kann von den Nervenstücken, die jenseits der Grenzen des Darmes liegen, unabhängig eintreten; gerade wie das ausgeschnittene Herz, so bewegt sich auch oft ein ausgeschnit- tenes Darmstück von beliebiger Länge. — Der nerv. splanchnicus scheint sich zum Darme nicht zu verhalten wie der n. vagus zum Herzen, denn wenn man ihn am lebenden Thiere durchschneidet, so steigert sich die Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dickdarm. Darmbewegung nicht ( Haffter ) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 322. . Auf welchem Wege die leidenschaft- liche Erregung des Gehirns Einfluss auf die Darmbewegung gewinnt, ist unklar. Ueber die erregenden Wirkungen des Blutlaufes auf die Darmmuskeln siehe Schiff und Betz . 4. Dickdarm. Das Verhältniss zwischen Wandausdehnung und Binnenraum stellt ihn in die Mitte zwischen Magen und Dünndarm. Die auf- und abstei- gende Richtung seiner Höhle, welche durch die Bauchfellanheftung un- verrückt erhalten wird, bedingt nothwendig die Scheidung des flüssigen und festen vom gasförmigen Inhalte, indem der letztere ebensowohl vom Coecum als vom Rectum gegen den Quergrimmdarm emporsteigen wird. Die Massen, welche einmal aus dem dünnen in den dicken Darm getreten sind, werden durch das häutige Ventil zwischen beiden, die Val- vula Bauhini, verhindert, nach dem Ileum zurückzukehren, da dasselbe die weitere Mündung seines trichterförmigen Hohlraumes gegen diesen letzteren Darm kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dick- darmes nicht auf dieser Klappe, sondern auf dem Coecum, weil sie be- kanntlich wie die Mündung des Dünndarmes selbst an der Seitenwand des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende Koth findet in den seitlichen Buchten (den haustra) Ruhepunkte, wenn die ihn emportreibende Bewegung nachlässt. Aus diesen muss er wegen ihrer spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewegung nach oben gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes wird aus demselben Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken. Ist er aber einmal im Mastdarme angelangt, so drückt er nicht unmittelbar gegen die Oeffnung desselben, sondern er lastet, so lange er oberhalb der Blase steht, auf dieser, und ist er hinter sie gelangt, auf der plica transversalis recti und der Ausbiegung des Kreutzbeines, so dass er selbst durch den geöffneten After (nach Durchschneidung oder Lähmung der Sphinktern) vermittelst der Schwere nicht ausgedrückt wird ( Kohlrausch ) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. p. 5 u. f. . Auf die Bewegungen des Dickdarmes findet das beim Dünndarme Gesagte seine volle Anwendung. Der verbreiteten Annahme, dass der sphinc- ter ani durch seinen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemme, steht die schon angeführte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens bei gelähmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen beweg- lichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man bei Tou- chiren desselben leicht wahrnimmt. Von der Haut des Aftereinganges kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewegung eingeleitet werden. Auffallend bleibt der lange Zeitraum, welchen der Koth zu seinem Durch- gange durch das Colon bedarf. Bauchpresse. 5. Bauchpresse. Der Darminhalt steht endlich noch unter dem Einflusse der ihn drückenden Bauchmuskeln und der Widerhalt leistenden Bauchknochen. Zwei Bauchmuskeln, das Zwerchfell und der quere Bauchmuskel, sind so aufgespannt, dass sie bei ihrer Verkürzung die Baucheingeweide unter einen allseitigen Druck versetzen, ohne dass sie eine besondere Richtung Fig. 69. Fig. 70. desselben bevorzugten. Dieses wird ohne Weite- res aus Fig. 69 verständ- lich, welche in einem sche- matischen Körper-Durch- schnitte die Faserrichtung des Zwerchfelles ( z z ) und des m. transversus ( t t ) wiedergiebt. — Neben die- sen beiden Muskeln tragen aber wesentlich zur Bil- dung der Bauchwand die Obliqui bei. Der äussere oder absteigende ( d d ) in Fig. 70 giebt, seinem Faser- verlaufe entsprechend, den Eingeweiden neben einem Drucke gegen die Wirbel- säule auch noch einen sol- chen gegen das Zwerchfell; der innere oder aufstei- gende ( a a ) muss dagegen bei seiner Verkürzung den Bauchinhalt nach unten ziehen. In Folge der aufgezählten Pressungen kann nun 1 ) der Inhalt der Gedärme weiter bewegt werden; dieses geschieht namentlich bei dem Auf- und Abgange des Zwerchfelles, wie die Versuche an Thieren, denen Darmfisteln angelegt wurden, lehren, indem sich ein Draht, der in das- selbe gesteckt wird, bei jeder Einathmung nach aussen und während jeder Ausathmung nach innen bewegt. Da diese Bewegungen während der ver- schiedenen Akte in umgekehrter Richtung gehen, so heben sie sich im Enderfolg mehr oder weniger auf. Sie sind dagegen insofern bedeutungs- voll, als sie den flüssigen Inhalt von den verschiedensten Seiten her gegen die Darmwand und deren Falten anstossen. — 2 ) Pressungen werden sehr hilfreich und vielleicht entscheidend sein für die Entleerung der Stoffe Erbrechen und Kothen. aus den beiden natürlichen Mündungen des Darmkanales, der Mundhöhle und dem After, dem Erbrechen und Kothen. a. Erbrechen . Das Auswerfen des festen oder flüssigen Magen- inhaltes durch die Cardia und den Schlund in die Mundhöhle kann un- zweifelhaft besorgt werden durch jeden heftigen und insbesondere durch jeden allseitigen Druck auf die Bauchhöhle, vorausgesetzt, dass der Magen- mund und der Schlund offen stehen. Dafür bürgt nicht allein der gerad- linige Verlauf des Schlundes, sondern es ist der empirische Beweis da- durch gegeben, dass man den gefüllten Magen einer Leiche durch einen heftigen Druck auf die Bauchhöhle sogleich entleeren kann. Darum wird also, wenn der Cardialsphincter erschlafft ist, während das Diaphragma, mm. transversus und oblique descendens sich zusammenziehen, Erbrechen statt finden können. So wenig über diesen Punkt gestritten werden kann, so schwierig ist es, zu entscheiden, ob auch während des Lebens das Erbrechen nur unter den bezeichneten Umständen sich ereignet, oder ob nicht noch gleichzeitig eine Zusammenziehung des Magens hinzutritt. Die Schwierigkeit liegt einmal darin, dass ein Thier sich noch erbrechen kann, wenn auch die Bauchhöhle desselben eröffnet wurde, ja wenn der Magen desselben aus der Bauchwunde hervorgezogen wurde; zweitens aber wird die Entscheidung dadurch erschwert, dass sich während des Erbrechens die Bauchmuskeln jedesmal kräftig zusammenziehen. Eine Besprechung der Literatur und der in Betracht kommenden Fragen findet man bei Rühle Traube , Beiträge zur experimentellen Pathologie. I. Heft. — Siehe auch Valentin’s Lehr- buch der Physiologie. I. Bd. 273. . Die Muskeln der Speiseröhre bleiben während des Erbrechens erschlafft, insbesondere aber zeigt sich keine antiperi- staltische Bewegung ( Wild ), die man früher allgemein annahm. Ueber die Betheiligung der Nerven an der Brechbewegung ist nur bekannt, dass sie reflektorisch eingeleitet werden kann durch Erregung einiger noch nicht genauer bestimmten Abtheilungen des Schlundes, durch Bestreichen der Cardialschleimhaut und einen starken Druck auf die Peri- tonalfläche des Magens. — Starke Gemüthsbewegungen, Ekelvorstellungen u. s. w. leiten ebenfalls das Erbrechen ein. b. Das Kothen . Durch die Bauchpresse kann der Koth nur dann aus dem Mastdarme entleert werden, wenn er die Darmhöhle vom S roma- num an bis zum Mastdarme hin füllt. Enthielte nur das erstere Darmstück Koth, so würde der Druck ihn nicht weiter fördern, weil derselbe die Schlingen jenes vom Mastdarm absperren würde, und zwar entweder da- durch, dass ihre Wände gegen einander oder gegen die Bauchwand gepresst würden. Ist aber nur im Mastdarm Koth enthalten, so wirkt der Druck nicht mehr auf ihn, denn das Rectum liegt ja grösstentheils ausserhalb der Bauchhöhle. Von der Richtigkeit der letzteren Behauptung kann man sich jeden Augenblick überzeugen, wenn man einen beliebigen Gegenstand Ludwig, Physiologie. II. 26 Chemische Arbeit der Verdauungswerkzeuge. in das untere Ende des Mastdarmes einführt, so dass er noch aus der Aftermündung theilweise hervorsteht; er wird durch noch so heftiges Drängen nicht aus dem After befördert. — Darum ist auch in der That das Kothen der Bauchpresse nicht allein überlassen; insbesondere ist eine thätige Mitwirkung der peristaltischen Bewegung des ganzen abstei- genden Dickdarmes und dem levator ani (dem Afteröffner) zugestanden. Wahrscheinlich betheiligen sich auch m. coccygeus und transversus perinaei prof. an dem Akte, welche hinten und vorne dem andrängenden Kothe einen Widerhalt entgegenstellen. Siehe Kohlrausch am angezogenen Orte. Chemische Arbeit der Verdauungssäfte . Eine chemische Untersuchung der Umwandelungen, welche die Speisen während ihres Aufenthaltes im Darmkanale erfahren, muss zu ermitteln suchen: a) Den Unterschied, welcher zwischen der Zahl und Anordnung der Atome in den veränderten und unveränderten Nahrungsstoffen besteht. Die Zahl der Atome hat die Elementaranalyse festzustellen; die Anordnung ist darum zu berücksichtigen, weil die Verdauungssäfte meist weniger die Zusammensetzung als die Löslichkeit, die Verwandtschaften und die Spaltbarkeit der einfachen Nahrungsstoffe ändern. — b) Es ist der Ein- fluss festzustellen, den jeder einzelne Drüsensaft auf jeden einzelnen Nahrungsstoff ausübt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Drüsen- saft von veränderlicher Zusammensetzung ist, es müssen also die ver- schiedenen Modifikationen eines und desselben Saftes zur Prüfung kommen; da ferner jeder Saft ein Gemenge verschiedener chemischer Stoffe ist, so muss der Versuch gemacht werden, zu ermitteln, wie sich jeder einzelne Bestandtheil desselben an einer durch den Gesammtsaft eingeleiteten Veränderung betheiligt; ferner erzeugt zuweilen ein Saft an einem und demselben Nahrungsstoff mehrere Umwandlungen, es ist also festzustellen die Reihenfolge, in der die betreffenden Umformungen ge- schehen, und in wie fern dieselben bedingt sind von dem Aggregatzu- stande und den isomeren Modifikationen, in denen das Nahrungsmittel der Einwirkung des Saftes ausgesetzt wird. Alle diese Beziehungen müssen natür- lich nach ihrem Umfange und nach ihrer Geschwindigkeit bestimmt werden, mit anderen Worten in welcher Zeit und in welcher Menge der Nahrungs- stoff durch die Gewichtseinheit des Saftes von bekannter Zusammensetzung umgeändert wird. — c) Darauf würde zu erledigen sein, welche Ver- änderungen ein Nahrungsmittel erfährt, wenn es der Reihe nach mit den verschiedenen in Betracht kommenden Säften behandelt wird, oder aber wenn die natürlich vorkommenden Combinationen der Verdauungsflüssig- keiten gleichzeitig auf dasselbe wirken. — d) Endlich müssten mit verschie- denen quantitativ genau bestimmten Mengen einfacher Nahrungsmittel (den Speisen) dieselben Versuche vorgenommen werden, welche für jeden einzel- nen Nahrungsstoff vorgeschrieben wurden. In allen Fällen würde angegeben Chemische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Speichel. werden müssen, ob und welche Verwandelungen die Bestandtheile der Verdauungssäfte selbst erfahren bei dem Einflusse, den sie auf die Nah- rungsmittel üben. Nach Beendigung dieser Vorversuche würde man dazu übergehen können, die Veränderungen zu studiren, welche die Nahrungsstoffe in den einzelnen Abtheilungen des Darmkanales selbst erfahren, und die Gründe für die Abweichungen und Uebereinstimmungen zwischen natürlicher und künstlicher Verdauung aufzusuchen. Dieses casuistische Verfahren findet, wie begreiflich, seine volle Recht- fertigung darin, dass uns eine chemische Theorie im wahren Wortsinne abgeht; die Reihe von Versuchen, welche der angegebene Gang vorschreibt, ist allerdings ungemein gross und jeder einzelne meist mühsam, aber dennoch ist, wie die Geschichte der Wissenschaft lehrt, der vorgezeich- nete Weg der kürzeste. Wir gehen nun dazu über, die bis dahin bekannt gewordenen Beobachtungen aufzuzählen. 1. Speichel Frerichs , Handwörterbuch der Physiologie. Verdauung. p. 768. — Bidder und Schmidt , Verdauungssäfte. p. 14. — Donders u. Bauduin , Handleiding. II. D. p. 170. — Schröder , Succi gastrici humani vis digestiva. Dorpat 1853. . Der Speichel der gl. parotis, gl. submaxillaris, gl. sublingualis und der Mundwanddrüsen kommt darin überein, dass jeder derselben sich als ein dem Wasser analoges Lösungsmittel verhält, dass ein jeder derselben im frischen Zustande angewendet sich indifferent verhält gegen unlösliche Eiweissstoffe und gegen Fette, und endlich dass ein jeder im Verlaufe von einer bis zu mehreren Stunden geringe Mengen gekochter Stärke in Traubenzucker umzuwandeln vermag ( Leuchs, Frerichs ). Um jede einzelne Speichelart gesondert von den übrigen zu gewinnen, fing man den Saft aus den durchschnittenen Gängen auf; den Speichel aus den Drüsen in der Mundwandung gewinnt man gesondert, nachdem man die Ausführungsgänge der Paroti- den und Submaxillaren unterbunden hatte. Statt dieses Verfahrens bedient man sich auch eines wässerigen Auszuges der einzelnen Drüsen oder der drüsenhaltigen Mund- schleimhaut. — Die Vermischung des Speichels mit Amylon geschah ausserhalb der Mundhöhle entweder bei der gewöhnlichen Zimmer- oder bei der normalen Körper- wärme. — Zur Prüfung auf die Umwandelung des Amylons bediente man sich ent- weder der Trommer’schen Zuckerprobe oder der bekannten Reaktion des Jods auf Amylon; diese letztere giebt namentlich Aufschluss, ob alle Stärke in Dextrin oder Zucker verwandelt ist, indem in diesem Falle die blaue Färbung vollkommen ausbleibt. Die Gemenge der verschiedenen Speichelarten verhalten sich den Fetten und Eiweissstoffen gegenüber wie jeder einzelne für sich; anders aber stellen sie sich zu dem Amylon. — Ein Gemenge von Ohr- und Unterkieferspeichel ( Cl. Bernard ) wandelt den Kleister sehr allmählig um; eine Mischung aus Ohr- und Mundwandungsspeichel verändert denselben zuweilen rasch ( Jacubowitsch ), zuweilen aber auch nur sehr langsam ( Bidder, Schmidt ), während endlich ein Gemenge von Mund- 26* Verdauung durch den Speichel. wandungs- und Unterkieferspeichel schon nach wenigen Minuten eine Umwandelung des Kleisters in Dextrin und von da aus in Traubenzucker herbeiführt; bei einer dauernden Berührung beider Stoffe geht die Zucker- gährung in die Milch- und Buttersäuregährung über. Zur genaueren Bestimmung der Wirkung des gemischten Speichels auf Amylon dienen noch folgende Angaben: a) Er greift nur das gekochte nicht aber das rohe Stärkemehl an ( Frerichs, Schröder ), die dem Amylon verwandten Stoffe, Rohrzucker, Gummi, Pektin, Cellulose, lässt er unverändert ( Frerichs ). — b) Die Umwandelung des Kleisters geht noch von statten, wenn der alkalische Speichel neutralisirt wurde; ebensowenig wird sie gehemmt durch einen Zusatz von SO 3 , CIH, NO 5 , Essigsäure, saurem Magensaft bis zur stark sauren Reaktion ( Frerichs ). Ein sehr bedeutender Säureüberschuss stört dagegen die Umsetzung; aus diesem Grunde ist die Umwandelung beendet, wenn in Folge der weiter gehen- den Zersetzung bedeutendere Mengen des Zuckers zu Milchsäure um- geformt sind; in diesem Falle beginnt aber die Zuckerbildung von Neuem, wenn die Säure mit Natron gesättigt wird ( Cl. Bernard ). — c) Die Stärkegährung wird nicht beeinträchtigt durch ein einmaliges Aufkochen der Mischung, durch einen Alkoholzusatz, durch Beimengung von arseniger Säure ( Frerichs ). — d) Das sog. Ptyalin (v. Lehmann ) ist für sich angewendet nicht im Stande, die Zuckerbildung hervorzurufen. Da den Erfahrungen von Bidder und Schmidt zu Folge der ge- mischte Speichel sehr rasch, schon nach wenigen Minuten, einen Kleister- brei theilweise in Zucker umsetzt, da ferner im Munde immer gemeng- ter Speichel vorhanden ist, so folgt daraus, dass der Aufenthalt in der Mundhöhle, wie er z. B. zum Zerkauen des Brodes nothwendig ist, hin- reicht, um die Zuckerbildung einzuleiten. Diese Folgerung ist von Leh- mann und Schröder Lehmann , Physiolog. Chemie. III. Bd. p. 293. — Schröder , l. c. p. 9. bestätigt worden, welche zwei Minuten nach Einführung des Kleisters in den Mund Zucker auffanden. Rohes Stärke- mehl wurde nicht umgewandelt. 2. Flüssigkeiten des Magens . Diese bestehen, wie früher erwähnt, meist aus einem Gemenge von Säften aus den Lab- und Schleimdrüsen des Magens und dem Speichel. Obwohl die ersteren weder getrennt für sich noch gesondert vom Speichel in einer zur chemischen Untersuchung hinreichenden Menge erhalten werden können, so gelingt dieses doch behufs der Verdauungsversuche mittelst eines Verfahrens, das wir Eberle verdanken. Nach Eberle präparirt man zur Darstellung künstlichen Lab- und Schleimsaftes ein Stück Magenschleimhaut, welches Lab- oder Schleimdrüsen enthält, heraus, wäscht dasselbe sorgfältig mit Wasser ab und legt es dann in eine wässerige Lösung von höchstens 1 pCt. Salzsäure. Die hiervon filtrirte Flüssigkeit ist der sog. künstliche Verdauung durch den Labsaft. Magensaft. Die Darstellung desselben ist von Wassmann und Lehmann dahin verändert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut ab- schabte und die aus den Drüsenröhren gedrückten Säfte mit Säuren (Salz- oder Milch- säure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen Körper des künstlichen Magen- saftes mit Bleisalzen fällte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verdünnter Salzsäure mischte. In der folgenden Besprechung kommt zuerst die künstliche und dann die natürliche Magenverdauung an die Reihe. Labdrüsensaft . Diese aus einer wässerigen Lösung von Pepsin, Salz- oder Milchsäure und den gewöhnlichen Blutsalzen bestehende Flüs- sigkeit lässt vollkommen unberührt die Fette und unlöslichen Kohlen- hydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. — In eine einfache Lösung versetzt er die löslichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkali- scher Basen mit fixen starken Säuren und die phosphorsauren Erdsalze. — Unter Austreibung der Säuren zersetzt er Salze mit schwächern oder flüchtigen Säuren. — Wesentlich endlich verändert er die löslichen und unlöslichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung. a. Die in Wasser unlöslichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener Käse und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde- und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) löst er allmählig. Bei dieser Auflösung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammen- setzung (J. Vogel, Mulder, Lehmann ) Liebig’s Annalen. 30. Bd. p. 41. — Tydschrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen II. Deel. , verändern aber ihre ato- mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den Säuren ein. Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien nicht gefällt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren, und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen Säuren und Metallsalze wesentlich anders wie die Lösungen der genannten Stoffe in verdünnten Säuren, Alkalien und Salpeter ( Mialhe, Lehmann ) Physiolog. Chemie. II. Bd. p. 51. . — Die Lösung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur zuwege gebracht werden: 1 ) So lange er freie Säure und namentlich Salzsäure und Milchsäure in sehr bedeutender Verdünnung enthält. Von anderen Säuren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und Phosphorsäure in starken Verdünnungen wirksam, während schwefelige und arsenige Säure, in allen Verhältnissen zugesetzt, die Lösung nicht herbeiführen. Indem die Lösung vor sich geht, werden die Säureantheile des Saftes allmählig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht näher bestimmten Weise verbinden mit den zur Auflösung gekommenen Stoffen. Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgelöst hat, seine verdauende Kraft einbüsst; sogleich empfängt er aber dieselbe wieder, wenn man von Neuem einige Tropfen Säure zu ihm setzt. 2 ) Der Labsaft kann Verdauung durch den Labsaft. ferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe auflösen, als er Pepsin von den Eigenschaften enthält, die es im frischen Zustande darbietet. Diese Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von conzentrir- ten Säuren, verdünnter Gerb-, schwefeliger, arseniger Säure, Metallsalzen, Alaun, Kreosot, conzentrirten Lösungen der Metallsalze, conzentrirten Al- kohol, durch einmaliges Kochen des Labsaftes und endlich, was physio- logisch besonders bedeutungsvoll ist, dadurch, dass er zur Auflösung relativ grosser Gewichtsmassen der bezeichneten Nahrungsstoffe mitgewirkt hat. Rücksichtlich dieses letzteren Punktes steht zunächst fest, dass der Labsaft im Verlaufe der Auflösung allmählig seine verdauenden Wirkungen verliert, selbst wenn der Verlust an Säure fortlaufend wieder ersetzt wird. Daraus schliesst man wohl mit Recht, dass das Pepsin, indem es die fraglichen Nahrungsstoffe umwandelt, allmählig selbst umgesetzt wird. Die Gewichtsmenge von Pepsin, welche hierbei verbraucht wird, ist aller- dings gering; denn es war, wie Frerichs beobachtete, ein Labsaft mit 0,25 Gr. festem Rückstand, der ausser Pepsin auch noch sicherlich aus Salzen bestand, vermögend, 20 Gr. trockenen Eiweisses in Lösung zu versetzen. — 3 ) Der Labsaft wirkt weiterhin nur in bestimmten Tem- peraturgrenzen kräftig verdauend; am kräftigsten bei der Normaltempera- tur des menschlichen Körpers, also zwischen + 35 ° und 40 ° C. Ober- halb der bezeichneten Grade büsst er sehr rasch seine umsetzenden Kräfte ein. — 4 ) Die Salze des Labsaftes und die häufig vorkommenden Ver- unreinigungen desselben durch Fette und lösliche Kohlenhydrate haben, so weit bekannt, im verdünnten Zustande keinen Einfluss auf den Lösungs- prozess ( Lehmann ). Aus allen diesem zieht man den Schluss, dass der Auflösungs- und Umsetzungsprozess der Eiweiss- und Leimstoffe eine Gährung eigenthüm- licher Art sei, die als spezifisch charakteristirt ist durch die Gegenwart des fermentirenden Pepsins, das seine Wirksamkeit in einer säuerlichen Lösung entfaltet. b. Das im Blutserum und den Hühnereiern gelöst enthaltene Eiweiss wird bei Vermischung mit säuerlichem Labsafte getrübt; aus der Mischung kann es einige Zeit nachher nicht mehr durch Siedehitze gefällt werden, es soll zugleich leichter thierische Häute auf dem Wege der Diffusion durchdringen ( Mialhe ) Donders , Handleiding etc. II. Deel. p. 203. . c. Das gelöste Casein der Milch wird durch den Inhalt der Labdrüsen gefällt; bei einer Temperatur, die 30 bis 40 ° nicht übersteigt, muss, damit diese Reaktion eintritt, der Labsaft sauer sein; ein wohl ausgewaschenes neutrales Stück Magenschleimhaut bringt darum die Milch in dieser Tempe- ratur nicht eher zum Gerinnen, als bis durch die eingeleitete Gährung Milch- säure erzeugt ist. In einer Temperatur zwischen 50 und 60 ° C. gerinnt Verdauung durch den Magenschleim und Magensaft. durch die Magenschleimhaut auch die alkalisch reagirende Milch ( Heintz, Selmi ) Heintz , Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. 686. . Magenschleim . Neutral und angesäuert verhält er sich indiffe- rent gegen Eiweiss und Leimstoffe ( Wassmann, Goll ). Wie er sich gegen die übrigen Nahrungsmittel stellt, ist unbekannt. Natürlicher Magensaft . Das Saftgemenge, wie es aus Magen- fisteln beim Menschen und Thiere gewonnen werden kann, verändert unter gar keinen Umständen: Fette, Gummi, Pektin, Cellulose, elasti- sches und horniges Gewebe. Gegen andere einfache Nahrungsstoffe ver- hält er sich je nach seinen Eigenschaften verschieden. — 1 ) Alkalisch reagirender Magensaft, wie wir vermuthen, ein Gemenge aus viel Spei- chel und wenig Labsaft, verhält sich dem Amylon und Zucker gegen- über wie gemischter Speichel; die ungekochte Stärke greift er nicht an, die gekochte verwandelt er in Zucker und diesen (Rohr-, Trauben-, Milchzucker) in Milchsäure. — Ueber seinen Einfluss auf die festen Eiweissstoffe widersprechen sich die Erfahrungen. Nach Bidder und Schmidt l. c. p. 79. Vers. XIV. verhält sich der neutrale oder alkalische Magensaft des Hundes, vorausgesetzt, dass er als solcher aus dem Magen genommen wurde, gleichgiltig gegen dieselben; nach Versuchen von Schröder l. c. p. 18. Vers. III. 3. IV. VIII. 1. 2. u. s. w. mit menschlichem Magensafte ist dagegen die alkalische Reaktion durch- aus nicht hinderlich der Umsetzung des gekochten Hühnereiweisses und Fleisches. Das Resultat an Hunden ist, wie man sieht, in Ueberein- stimmung, das am Menschen im Widerspruch mit den Beobachtungen über den künstlichen Labsaft. — 2 ) Der sauer reagirende Magensaft, ein Gemenge, in welchem der Labsaft überwiegt, ist um so weniger geeignet, gekochtes Amylon und Zucker umzuwandeln, je relativ weniger Speichel er enthält; in saurem Magensaft geht also die bezeichnete Umwandlung langsam und in recht saurem so gut wie gar nicht mehr vor sich. Stumpft man die Säure ab, so gewinnt er dagegen wieder die Fähig- keit, Zucker in Milchsäure überzuführen ( Frerichs ). Gerade umge- kehrt verhält er sich nun gegen Eiweissstoffe. Die Versuche von Bid- der und Schmidt an Hunden und von Schröder am Menschen ge- ben übereinstimmend an, dass im Allgemeinen ein saurer Magensaft um so reichlicher gekochtes Eiweiss und Fleisch auflöst, je mehr er Kali zu seiner Sättigung bedarf, mit anderen Worten, um so saurer er ist. Wird die Säure abgestumpft, so büsst er sein Vermögen, auflösend auf Eiweissstoffe zu wirken, ein. Hundert Theile natürlichen Magensaftes vom Hunde waren im Stande, höchstens 4,0 Theile ( Schmidt und Bidder ), 100 Theile des sauren Natürliche Magenverdauung. menschlichen Magensaftes höchstens 0,4 Theile ( Schröder ) trockenen Eiweisses zu lösen. Bidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauungsversuche in der Weise an, dass sie durchfeuchtete Eiweiss- und Fleischstücke von bekanntem Ge- halte an festem Rückstand bei einer Temperatur von 40°C. so lange mit verschiede- nen Proben bekannter Gewichtsmengen von Magensaft in Berührung liessen, als die- ser noch irgend etwas aus ihnen zu lösen vermochte. Darauf wurde der ungelöst gebliebene Antheil filtrirt und getrocknet. Man erhielt damit das Gewicht des Auf- gelösten. Den Säuregehalt bestimmten sie aus der Menge von Kali, welche nothwen- dig war, um den Saft vollkommen zu neutralisiren. Wenn die freie Säure, wie beim Hunde, nur aus Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser letzteren, wenn aber, wie beim Menschen, die freien Säuren aus verschiedenen ge- mengt sind, so genügt natürlich dieses Verfahren nicht ( Schröder ). Zu den oben zusammengestellten Thatsachen muss wiederholt bemerkt werden, dass selbst der Magensaft des Hundes sich nicht in direktem Verhältnisse eiweissauflösend erweist, in welchem er Kali zu seiner Neutralisation bedarf. Natürliche Magenverdauung . Die Verdauungsresultate der Nahrungsmittel im lebenden Magen (des Hundes oder Menschen) bestä- tigen meistens die der künstlichen Verdauung. So ist es z. B. erklär- lich, dass der Magen nach dem Genusse gekochten Amylons bald Zucker enthält ( Frerichs, Lehmann, Bouchardat, Sandras u. A.), bald auch, dass er ihm fehlt ( Blondlot, Schmidt u. A.), weil je nach dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels die Umwandlung der Stärke geschehen oder unterbleiben muss. Aehnlich verhält es sich mit der Umwandlung des Trauben- und Rohrzuckers in Milchsäure, welche zuweilen beobachtet ( Frerichs, Lehmann, Bouchardat ), zuweilen vermisst ist ( Frerichs, Schmidt ); allerdings scheint das letztere häufiger zu sein, wie erklärlich, weil schon eine geringe Beimengung von Labsaft dem Speichel das umwandelnde Vermögen zu entziehen ver- mag. — Sehr merkwürdig, aus den vorliegenden künstlichen Verdauungs- versuchen vollkommen unverständlich, sind die Beobachtungen von Fre- richs l. c. 803. und Schmidt , wonach zuweilen Buttersäure-, zuweilen auch schleimige und Alkoholgährung im Magen vorkommen kann; das Auf- treten der beiden letzteren war aber auch immer mit Krankheitszustän- den verknüpft. — Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes Hühnereiweiss werden im Magen rascher aufgelöst, als ausserhalb; dieses lässt sich ab- leiten aus mancherlei Gründen, z. B. aus der stetigen Erneuerung des Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandelten Eiweiss geschwängerten Lösung durch den Pylorus, dem Umrühren des Magen- inhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w. Die Beobach- tungen hierüber, welche von Bidder und Schmidt am Hunde, von Schröder am Menschen angestellt sind, lehren auch, dass Eiweiss- stücke, die in einen Magen gelegt werden, der vor 12 bis 20 Stunden Natürliche Magenverdauung. die letzte Mahlzeit aufgenommen hatte, in den ersten 2 Stunden ihres Aufenthaltes weit mehr an Gewicht verlieren, als in den 2 darauf fol- genden Stunden, und in diesen wieder mehr als in 2 auf diese kommen- den. Daraus folgt, dass in einem Magen, der einige Zeit geruht hat, die zur Verdauung des Eiweisses nöthigen Bedingungen am mächtigsten wirken. Die Frage, ob das flüssige Eiweiss im Magen eine Umwandlung analog derjenigen erfahre, welche die künstliche Verdauung an ihm her- vorbringt, oder ob es, bevor dieses geschehen, aus demselben entfernt werde, würde sich entscheiden lassen, wenn eine quantitative Analyse des Magen- und Darminhaltes möglich wäre. Als feststehend ist anzu- sehen, dass mindestens ein Theil desselben den Magen unverändert durch- wandert, indem im Duodenum gerinnbares Eiweiss nach dem Genusse desselben angetroffen wird. Ueber die Veränderungen, welche die gemischten Nahrungsstoffe (Speisen) im lebenden Magen erfahren, besitzen wir zuverlässige Beob- achtungen nur von Frerichs und Schröder . Das Thatsächliche ih- rer Untersuchungen ist kurz folgendes: Aus der in den Magen gebrach- ten Milch gerinnt rasch der Käsestoff, darauf verlässt das Milchserum, ob durch die Wandung oder den Pylorus ist ungewiss, die Magenhöhle, so dass ein aus Käsestoff und Fett bestehender Klumpen zurückbleibt, der allmählig von der den Magenwänden zugekehrten Fläche gegen sein Centrum hin verändert wird. Eine genauere Untersuchung der verän- derten Massen lässt erkennen, dass die Wände der Milchkügelchen auf- gelöst werden, während das Fett des Inhaltes zu grösseren Tropfen zu- sammenfliesst, ohne dass es eine chemische Veränderung erfährt. Die Kalksalze der Milch lösen sich auf. — Das Muskelfleisch zerfällt nach Auflösung des Bindegewebes in die einzelnen Muskelröhren; die- selben zerbröckeln sich dann in kurze Stückchen, deren Länge unge- fähr dem Abstande zweier benachbarter Querstreifen entspricht, so dass die Bruchflächen durch die Querstreifung bestimmt zu sein scheinen. Diese Stückchen werden allmählig aufgelöst, jedoch niemals vollkommen, selbst wenn man sie durch eine Hülle, durch welche sie eingeschlossen werden, zwingt, möglichst lange in dem Magen zu verweilen. Die aus dem Muskel hervorgehende Lösung zeigt zuweilen die Eigenschaft, durch die Hitze zu gerinnen, zuweilen aber fehlt auch dieselbe. Kalbfleisch löst sich rascher, als Ochsenfleisch ( Schröder ). Gekochtes oder gebratenes Fleisch erfährt die bezeichnete Umwandlung rascher, als rohes; nach Frerichs darum, weil der Magensaft leichter in die Zwischenräume eindringen kann. Diesem entgegen beobachtete Schröder , dass im menschlichen Magensafte ausserhalb des Magens das rohe Fleisch rascher aufgelöst werde. — Die Kalksalze lösen sich auf und werden zum Theil aus ihrer Verbindung mit den Eiweisskörpern getrennt, wie sich daraus ergiebt, dass sie durch Neutralisation der sauren Lösung gefällt wer- Verdaulichkeit der Speisen im Magen. den. — Aus den Knochen wird die leimgebende Substanz aufgelöst, während der grösste Theil der Kalksalze als eine krümelige Masse un- gelöst bleibt; ihr Verhalten im Magensafte gleicht also durchaus nicht dem in einer verdünnten Säure. — Das Amylon des Brodes wird in Dextrin und Zucker umgesetzt, wenn aber, wie häufig, das Brod nicht ausgebacken ist, so dass es noch rohe, von der Hitze nicht alterirte Amylonkörner enthält, so werden diese von dem Magen nicht angegrif- fen; die Eiweissstoffe des Brodes lösen sich. — Hülsenfrüchte und Kartoffeln erfahren dieselbe Umwandelung, aber langsamer und meist auch unvollkommener, weil die holzige Zellenmembran, welche das Amy- lon und die Eiweissstoffe umschliesst, dem Eindringen der auflösenden Säfte einen Widerstand entgegensetzt. Die das Amylon der Kartoffeln umschliessende Zellhaut findet sich häufig, trotzdem dass ihr Inhalt ver- schwunden ist, noch unverletzt. Da die Kartoffeln vorzugsweise häufig Stärke enthalten, welche nicht in den aufgequollenen Zustand versetzt ist, so findet sich oft Tage nach dem letzten Genusse dieser Speise noch unveränderte Stärke im Magen des Menschen. Von der Verdaulichkeit der Speisen im Magen . Berück- sichtigt man bei der Frage nicht die Zeit, sondern nur überhaupt, ob eine oder die andere Speise im Magen gelöst werden könne, so be- antwortet sie sich aus dem Vorstehenden von selbst. Wollte man aber feststellen, welche Gewichtsmengen dieser oder jener Speise in der Zeiteinheit aufgelöst werden, so würde man offenbar angeben müssen: die chemische Zusammensetzung, den Aggregatzustand, die Vertheilung und Mengung der Speisen mit anderen unverdaulichen Stoffen; ferner den jeweiligen Gehalt des Magensaftes an Speichel, Pepsin, Säure, Was- ser u. s. w., die Geschwindigkeit der Absonderung, den Wechsel der Zusammensetzung der Säfte mit der Absonderungszeit und vielleicht noch manches Andere. Demnach lässt sich über die gestellte Frage nicht allein für jetzt gar nichts aussagen, sondern es fällt dieselbe demnächst auch gar nicht in den Bereich des vernünftigen Experimentes, da man die geforderte Bedingung zur Erzielung der Vergleichbarkeit weder con- stant, noch messbar variabel machen kann. Missbräuchlich hat man aber auch unter Verdaulichkeit die Aufent- haltszeit der Speisen im Magen verstanden, welche in gar keiner Beziehung zur Auflöslichkeit zu stehen braucht, da ja auch vollkommen unverdauliche den Magen verlassen. In diesem Sinne nimmt die Verdaulichkeit nur Rücksicht auf den Druck, unter dem die Speisen in dem Magen liegen, und den Widerstand des Pförtners. Die Mittheilungen, die über die Ver- daulichkeit in diesem Sinne gemacht worden, sind bei Frerichs l. c. 817. nach- zusehen, welcher sie zuerst auf ihren wahren Werth zurückgeführt hat. Chymus des Magens. Der Chymus oder der Speisebrei, welcher durch den Pfört- ner den Magen verlässt, verdient schliesslich noch einige Aufmerk- samkeit. Unter Voraussetzung einer Nahrung aus gekochten Mehl-, Eiweiss- und Leimarten, Fetten, Blutsalzen und Wasser, gemengt mit Holzfaser, Horn- und elastischen Stoffen, Kieselsäure u. s. w., wird der Chymus einen Brei darstellen, der bald mehr, bald weniger Flüs- sigkeit enthält; die Menge dieser letzteren wird sich ändern mit dem Gehalte der Speise an Wasser, dem Ergusse von Verdauungssäften in den Magen und der Löslichkeit der Nahrungsstoffe in den Magensäften. Hier muss jedoch schon angemerkt werden, dass nicht die ganze Menge von Flüssigkeit, welche in den Magen geliefert wurde, diesen letzteren auch wieder durch den Pförtner verlässt, indem in die Venen- und Lymph- gefässe desselben sogleich ein Theil jener Flüssigkeit eintritt. Die un- aufgelösten Bestandtheile des Breies werden ihrer Grösse nach variiren mit der Zerkleinerung, welche die festen Nahrungsmittel durch die Zähne erfahren haben, mit dem Vermögen der Magensäfte die Speisen anzu- fressen, und dem Widerstande, den der Pförtner bei gegebenen Bewe- gungen der Magenmuskeln zu leisten vermag. — Die Zusammensetzung der Chymusflüssigkeit wird sich immer charakterisiren durch ihren Ge- halt an Säuren und je nach den genossenen Nahrungsmitteln an Zucker, Dextrin, Eiweissstoffen, Leim und Fetten; die ungelösten Stoffe werden dagegen bestehen zum Theil aus ganz unlöslichen Bestandtheilen, Holzfa- sern, Epithelialschuppen, elastischen Geweben, Kieselsäure, Kalkerde u. s. w., zum Theil auch aus löslichen, aber noch nicht gelösten Speise- resten, insbesondere aus Fleisch und Eiweiss, Bindegewebsstückchen und aus Amylon und Krümeln von Kalksalzen. Daraus geht hervor, welche mannigfaltige Gestaltung dem Chymus zukommen kann. 3. Flüssigkeiten des Dünndarmes . Künstliche Dünndarmverdauung . a. Die reine Galle ist kaum schon einmal auf ihr Verhalten gegen die Speisen geprüft wor- den. Lehmann merkt an, dass sich der in ihr gelöste Zucker nicht verändere. b. Die Blasengalle (Galle und Schleim) setzt den Zucker unter den Erscheinungen der Fäulniss sehr allmählig in Milchsäure um ( Meckel, Schiel ); Fettsäuren löst sie in geringer Menge, während sie die neu- tralen Fette unverändert lässt. Eine Einwirkung auf die anderen Speisen ist nicht beobachtet. c. Ein reichlicher Zusatz von Galle zu dem Magensafte raubt diesem die Befähigung, geronnene Eiweisskörper aufzulösen; geschieht die Beimischung nach vollendeter Auflösung, z. B. zu der durch Fil- tration von dem Chymus geschiedenen Flüssigkeit, so wird die Fäul- niss, welche sonst leicht in der Flüssigkeit eintritt, gehemmt (H. Hoff- Verdauung durch die Dünndarmsäfte. mann ). Die Galle soll in diesem Falle nach den Angaben von Sche- rer und Frerichs auch dem aufgelösten Eiweisse seine Fähigkeit, durch Hitze zu gerinnen, wiedergeben, eine Thatsache, die von Leh- mann und Schmidt bestritten wird. d. Der reine Bauchspeichel verwandelt das gekochte Amylon sehr rasch in Zucker; diesen selbst kann er aber nicht in Milchsäure umsetzen ( Lassaigne ); er zerlegt bei Gegenwart freier Alkalien die neutralen Fette auf dem Wege der Gährung in Oelsüss und Fettsäuren ( Bernard ); mit den Fetten geschüttelt emulsirt er sie permanent, d. h. es bleiben die durch Schütteln entstandenen Fetttröpfchen getrennt ( Ber- nard ). — Auf Eiweissstoffe reagirt es nicht. e. Der reine Darmsaft , wie ihn Frerichs, Bidder und Schmidt gewannen, setzt das Amylon in Zucker und Milchsäure um; — Bidder und Schmidt fanden ihn ausserdem noch befähigt, die ge- ronnenen Etweissstoffe zu lösen. Natürliche Dünndarmverdauung . Da die Drüsen, welche ihren Inhalt in den Dünndarm schicken, nicht an demselben Orte ein- münden, so bietet sich hierdurch die Gelegenheit, die Leistungen der- selben, sowohl einzeln als in mancherlei Combinationen untereinander, aufzuhellen. Insbesondere gelingt es innerhalb des Thieres zu isoliren die Wirkung des Darmsaftes und zu verbinden die des Darm- und Ma- gensaftes (nach Unterbindung des Gallen- und Pankreasganges), des Darm- und Magensaftes mit der Galle oder dem Bauchspeichel, des Darmsaf- tes mit der Galle oder dem Bauchspeichel, oder mit beiden (nach Unter- bindung der horizontalen Abtheilung des Zwölffingerdarmes). Demnach lässt sich über alle denkbaren Combinationen verfügen, mit Ausnahme derjenigen, welche eine Elimination des Darmsaftes verlangen. a. Um die verdauenden Kräfte des Darmsaftes an seiner natürlichen Lagerstätte für sich zu ermitteln, zog man bis dahin aus der geöffneten Unterleibshöhle eine Darmschlinge hervor, reinigte dieselbe von ihrem Inhalte, band sie oben und unten ab, um ihren Hohlraum von den übrigen Darmstücken zu sondern, und füllte dann die frische Speise in dieselbe. Nachdem auch die hierzu nöthige Oeffnung zugebunden war, wurde die Schlinge in die Unterleibshöhle zurückgeführt ( Frerichs, Bidder und Schmidt ). In einer solchen Schlinge verwandelt sich Kleister rasch in Zucker und Milchsäure und die unlöslichen Modifikationen der Eiweiss- und Leimstoffe in lösliche. Durch diesen Versuch würde man das Verhalten des Darmsaftes gegen die fri- schen Speisen für aufgeklärt ansehen dürfen, wenn nicht die Befürchtung nahe läge, dass die der Operation folgenden Störungen des Blutlaufes in der Unterleibshöhle die normale Darmabsonderung vollkommen änderten. Die Beobachter geben zwar an, dass mindestens noch einige Stunden unmittelbar nach Eröffnung der Bauchhöhle ein unveränderter Darmsaft abgesondert werde, sie bringen dafür jedoch keinen an- Natürliche Dünndarmverdauung. deren Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzün- dung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. — Die gestellte Aufgabe würde wahrscheinlich sicherer gelöst, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte, die den Inhalt des Darmrohres, welches über der Fistel gelegen wäre, durch diese letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet würde von den aus der Darmwand ergossenen Säften. b. Wenn man nach Unterbindung des Gallen - und Bauchspei- chelganges aus einer am Dünndarme angelegten Fistel den Speise- brei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungefähr ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein würden ohne Abschluss der beiden Drüsensäfte ( Bidder und Schmidt ) l. c. p. 271. . War es nicht zur Bildung von Milchsäure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pan- kreassaftes kaum erwartet hätte. c. Die vereinigte Wirkung der Galle , des Bauchspeichels und Darmsaftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln, indem man das Duodenum noch über der Leber- und Pankreasmündung abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr ( Bidder und Schmidt l. c. p. 276. . Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren einander sehr ähnlich, nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in der letzteren die Fälle relativ häufiger sind, in welchen die Auflösung der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu 90 pCt. der ursprünglich an- gewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zufälligen Um- stande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Auflösung in beiden Fällen gleich war, ist nicht untersucht. Bei der bekannten Eigenthümlichkeit des Pankreas, seine Absonderung für einige Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene Operation den gewünschten Erfolg bedingte. d. Die combinirte Einwirkung der Galle, Magen- und Darm- säfte auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas ausschneidet, oder seine Ausführungsgänge unterbindet. — Die überwie- gende Mehrzahl der Beobachter ( Bidder und Schmidt, Wein- mann, Herbst u. A.) fand das Zusammenwirken jener Säfte gerade so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war. e. Bauchspeichel, Magen- und Darmsäfte , welche nach Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken, erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgelösten Stoffe nach der Richtung der Fäulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im Natürliche Dünndarmverdauung. Darmkanale vor sich gehe; man erschliesst dieses aus der grossen Menge der Darmgase, welche mit einem sehr unangenehm riechenden Kothe entleert werden. f. Die verwickeltste Zusammenstellung der verdauenden Flüssigkeiten endlich, die nemlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge auf die Speisen wirken zuerst sämmtliche Säfte, welche in den Magen, und dann die, welche in den Dünndarm ergossen werden, erzielt rück- sichtlich der Auflösung der Speisen kein anderes Resultat, als alle vor- erwähnten einfacheren Combinationen; auch hier werden die Leimarten, die Albuminate und das Amylon zur Auflösung in Wasser geschickt ge- macht. Dünndarm- und Magenverdauung unterscheiden sich unter diesem Gesichtspunkte nur darin von einander, dass der erstere gleichzeitig jene Stoffe aufzulösen vermag, während der Magen entweder durchaus oder mindestens vorzugsweise nur die einen oder nur die anderen im Wasser verflüssigt. — Nun widerstrebt es aber ebensowohl den chemischen Er- fahrungen als dem physiologischen Takte, anzunehmen, dass es gleich- giltig sei, ob die Auflösung jener Stoffe durch die Magen- oder die Dünn- darmsäfte zu Stande gekommen, oder mit anderen Worten, dass in ganz unnützer Weise eine Zahl ganz verschiedenartiger Mittel gehäuft sei, um zu demselben Ziele zu gelangen. Man ist darum zu jeder Zeit geneigt gewesen, noch nach bestimmten Unterschieden in den Eigenschaften der Lösung, oder anders ausgedrückt, nach Gründen für die Gegenwart der verschiedenartigen Lösungsmittel zu suchen, oder einzelnen Säften eine Betheiligung an der Verdauung im engeren Wortlaute überhaupt abzu- sprechen. Im ersteren Sinne hat man z. B. aufgestellt, dass der alkali- sche Bauchspeichel oder die neutrale Galle mit ihren schwachen Säuren die Aufgabe habe, Säuren des Magensaftes von den im Magen gelösten Eiweissstoffen abzuscheiden; oder zu verhindern, dass die von Auflösungs- mitteln des Magens beiläufig eingeführte faulige Umsetzung weiter schreite; oder dass die von dem sauren Magensafte gehemmte Amylonauflösung in dem alkalisch reagirenden Dünndarminhalte wieder beginne und Aehn- liches, was leicht aus den bekannten Eigenschaften der in Betracht kom- menden Säfte abzuleiten wäre. Befriedigender als diese Gemeinplätze würden, was bis dahin noch vermisst wird, gründliche chemische Unter- suchungen über die Eigenschaften der Lösungen sein. — Diejenigen Phy- siologen, welche, getragen von den Erfahrungen, dass eine Entfernung des Pankreassaftes und der Galle aus dem Dünndarm die Verdauung nicht wesentlich beeinträchtigt, der Meinung sind, dass jene Flüssigkeiten, auch wenn sie anwesend wären, zur Lösung resp. Umwandelung organischer Nahrungsstoffe keinen Beitrag liefern, theilen ihnen die Aufgabe zu, die Aufsaugung des Flüssigen zu unterstützen; auf diesen Punkt werden wir alsbald zurückkommen. Neben der Verdauung gehen nun im Dünndarme noch andere Um- Chymus des Dünndarmes. setzungen her, welche ebensowohl die Bestandtheile der Speisen als die der Verdauungssäfte betreffen. Zu der ersteren zählt man eine wahrschein- lich nur in geringem Umfange stattfindende Umsetzung der neutralen Fette in Glycerin und fette Säuren, welche durch den Pankreassaft ein- geleitet wird ( Bernard ). Die aus dieser Zerlegung hervorgehenden Säuren geben bei Anwesenheit von Kalk und Magnesia Veranlassung zur Bildung erdiger Seifen. — Ferner gehört hierhin die wahrscheinlich statt- findende Umsetzung der Milchsäure in Buttersäure, welche, wie bekannt, unter gleichzeitiger Entwickelung von Wasserstoffgas geschieht. In der That kommt nemlich neben der Michsäure ein Gemisch von flüchtigen Fettsäuren und Hgas im Dünndarme vor; zweifelhaft ist es aber immer noch, ob diese Körper in dem bezeichneten Zusammenhange stehen. — Die Galle, welche in den Darm ergossen wird, soll nach den Beobach- tungen von Bidder und Schmidt l. c. p. 264 u. f. , zum Theil wenigstens, sich um- setzen in Taurin und cholsaures Natron. Was dagegen aus den Ferment- körpern des Schleim-, Lab- und Pankreassaftes wird, ist noch zu er- mitteln, ebenso fehlt uns eine Nachricht darüber, ob und wie sich das Leucin, welches nach Frerichs und Städeler mit dem Bauchspeichel in die Darmhöhle kommt, verändert. Der Chymus des Dünndarmes besteht wie der des Magens aus festen Partikeln, flüssigen Fetten und Gasbläschen, welche in einer wässerigen Lösung aufgeschwemmt sind. Die sichtbaren Unterschiede beider Breiarten bestehen vorzugsweise darin, dass die festen Theilchen des Dünndarmes kleiner sind, dass die Fette nicht mehr in grossen, sondern in sehr kleinen Tröpfchen vertheilt sind, und endlich darin, dass der Chymus des Dünndarmes von der beigemengten Galle gelb gefärbt er- scheint. Das Verhältniss der festen zu den flüssigen Theilen variirt aus denselben Gründen, die schon beim Speisebrei des Magens erörtert sind, sehr beträchtlich; im Allgemeinen nimmt aber die Flüssigkeit gegen das Ende des Dünndarmes ab. Die chemischen Bestandtheile der aufgeschwemmten Massen sind zum Theil den beim Magen erwähnten gleich; neu hinzu kommen noch Kalk- seifen, harzige Umsetzungsprodukte der Galle, Schleim und losgestossene Epithelien der Darmoberhaut. Das Verhältniss zwischen den einzelnen Gemengtheilen stellt sich für die verschiedenen Abtheilungen des Darm- rohres so, dass mit der steigenden Entfernung vom Pylorus die Holz-, Horn- und Kalkmassen u. s. w., welche vollkommen unlöslich sind, all- mählig bedeutend das Uebergewicht gewinnen über das Amylon und die Albuminate. — Die Flüssigkeit enthält in Lösung Zucker, Milchsäure und deren Salze, Eiweiss und die ursprünglichen und umgesetzten Bestand- theile der Drüsensäfte (Gallensäure, Taurin, Leucin, Ammoniaksalze, Verdauung durch den Dickdarm; Koth. Cholestearin u. s. w.). Alle diese Stoffe können begreiflich in so mannig- fachen Verhältnissen zu einander vorkommen, dass sich kaum etwas All- gemeines darüber wird aussagen lassen. Gewöhnlich überwiegen jedoch schon in der Mitte des Dünndarmes die alkalisch reagirenden Stoffe, so dass von da an die Flüssigkeit ihre saure in eine alkalische Reaktion umwandelt. Aber auch dieses Vorkommen erleidet eine Ausnahme bei lebhafter Milchsäurebildung, wie sie nach reichlichem Genusse von Amy- laceen beobachtet wird. 4. Die Flüssigkeiten des Dickdarmes sind ausserhalb des thie- rischen Körpers noch nicht geprüft worden; als Steinhäuser die Ge- legenheit benutzte, die ihm eine Fistel des Coecums am Menschen dar- bot, frische Speisen in den Dickdarm zu bringen, fand er dieselben im Kothe unverändert wieder. Dieses lässt begreiflich keinen Schluss zu auf die Veränderung der Speisen in dem Zustande, in welchen sie ge- wöhnlich aus dem Dünndarme in den Dickdarm übergehen. In der That scheint auch während des Lebens der Inhalt des Dickdarmes sich noch fortwährend zu verändern; denn es entwickeln sich in demselben Säu- ren (Milchsäure, Buttersäure u. s. w.) und Gase, H und CH ( Chevreul ), Bildungen, die sich allerdings auch erläutern aus einer in dem Speise- brei eingeleiteten und ohne Zuthun des Dickdarmsaftes fortschreitenden Gährung. Der Koth oder der Antheil des Speisebreies, welcher aus dem Mast- darme hervortritt, ist nach dem Grade seiner Consistenz in seiner Zu- sammensetzung verschieden. — Die Flüssigkeit gewinnt über das Auf- geschwemmte um so mehr das Uebergewicht, je rascher die Speisen durch den Darmkanal getreten, je mehr der aufsaugende Apparat in seinen Lei- stungen beschränkt ist, und endlich, wenn in den Kothflüssigkeiten Stoffe aufgelöst sind, welche mit kräftiger Verwandtschaft zum Wasser begabt sind und mit geringer Geschwindigkeit durch die Darmwand in die Blut- und Lymphgefässe treten. Seiner chemischen Zusammensetzung Wehsarg , Mikroskopische und chem. Untersuchungen etc. Giessen 1852. nach besteht der aufge- schwemmte Theil bei einer gemischten Kost aus Hornschüppchen, ge- ringen Mengen elastischer Häute, einigen zerbröckelten Muskelfasern, Fetten, Holzfaser, Pflanzenwachs, Chlorophyll, etwas Amylon, Schleim, Darmepithelium, Gallenharzen, Cholestearin, Kieselsäure, phosphorsauren, schwefelsauren und kohlensauren Erden. — Die Flüssigkeit enthält Ei- weiss, Gummi, äusserst wenig Gallensäure, schwefelsaure nebst ein we- nig salzsauren Alkalien. Die proportionale Menge des Kothes, oder das Gewicht dieses letz- teren dividirt durch dasjenige der genossenen Nahrung, ist abhängig von der Menge absolut unverdaulicher Einschlüsse in die letztere; aus diesem Ihring , Mikroskopische und chem. Untersuchungen etc. Giessen 1852. Aufsaugung in den Verdauungswegen. Grunde giebt Gemüsenahrung viel mehr Koth, als Fleisch; von der Ge- schwindigkeit, mit welcher die Speisen durch den Darmkanal gehen, endlich von der Kraft der auflösenden und aufsaugenden Verdauungswerkzeuge. Nachdem mit dankenswerther Vollständigkeit die auf die Lösung der Speisen sich beziehenden Fragen erörtert sind, würde die nächste Aufgabe der chemischen Unter- suchungen des Darminhaltes darin bestehen, die Natur der verschiedenartigen Um- setzungsprodukte und der sie veranlassenden Bedingungen aufzusuchen. Wir haben schon der zahlreichen Andeutungen Erwähnung gethan, welche sich in den bisherigen Beobachtungen vorfinden, z. B. der Umsetzung der Fette in Glycerin und fette Säuren, der Bildung von Buttersäure aus Milchsäure, der Umsetzung des taurocholsauren Na- trons in Taurin und cholsaures Natron; hierzu kommen noch die von Liebig gemach- ten Erfahrungen, dass der Koth sich nicht im Zustande der fauligen Gährung befindet, in die er erst gelangt, nachdem er dem Zutritte der Luft blosgelegt war; ferner die von demselben Chemiker entdeckte Thatsache, dass durch Behandlung der Eiweissstoffe mit Kali eine aus flüchtigen Fettsäuren bestehende Flüssigkeit von ausgeprägtem Koth- geruche erhalten werden kann Liebig , Thierchemie. 3. Auflage. 136. . Ebenso bemerkenswerth in dieser Richtung ist das Vorkommen von Gährungspilzen in dem Darmkanale ( Mitscherlich, Remak, Böhm ) und endlich die von Chevreul Magendie’s Physiologie, deutsch von Heusinger . II. Bd. 75. 101 u. 116. mit freilich noch unvollkommenen Methoden beobachteten Gasarten des menschlichen Darmkanals. In der Leiche eines Hin- gerichteten bemerkte er im Magen eine geringe Menge von Gas, welche in 100 Theilen bestand aus: 0 = 11,00; CO 2 = 14,00; N = 71,45; H = 3,55. — Im Dünn- und Dickdarme dreier anderen Hingerichteten beobachtete er: Aufsaugung in den Verdauungswegen . Von dem, was als Speisen und Drüsensaft in den Darm eingeführt ward, tritt nur ein kleiner Theil durch den After hervor; also muss der Rest, da er nicht in der Höhle zurückbleibt, durch die Wand den Darm verlassen. Dass die grosse Menge von Flüssigkeit, welche diesen Weg betritt, ihn in so kurzer Zeit vollenden kann, begründet sich einmal durch die grosse Ausdehnung der Darmwand, wie sie ermöglicht ist durch die Röhrenform des Darmes, und durch die Falten, Zotten und Krypten der einzelnen Schleimhautpartien. Wenn dieses ausgebreitete Filtrum die Auf- saugung an vielen Orten gleichzeitig möglich macht, so wird durch die Bedeckung der Wand mit nur einer Schicht Cylinderzellen jede einzelne Ludwig, Physiologie. II. 27 Aufsaugung durch Chylusgefässe. Stelle sehr leicht durchdringlich. Der Durchgangswiderstand des Epitheliums würde aber noch mehr verringert sein, wenn, wie es Brücke sehr wahr- scheinlich zu machen weiss, jedem einzelnen Epithelialcylinder die beklei- dende Wand fehlt an der nach der Darmhöhle gerichteten Basis und an der in die Wand eingefügten Spitze, und sein Binnenraum nur ausgefüllt ist durch einen leichten Schleimpfropf. Jenseits der Oberhaut stösst die eingedrungene Flüssigkeit sogleich auf ein lockeres Gewebe, dessen Lücken sich in Lymphgefässe öffnen, und das ausserdem reichlich von Blutgefässen durchzogen ist; von da aus wird also das Absorbirte den einen oder anderen Weg nehmen. A. Aufsaugung durch die Lymphgefässe. 1. Anatomisches Verhalten der Anfänge Brücke , Ueber Chylusgefässe u. d. Resorption d. Chylus. Wien 1853. — Donders, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 230. . Das Stroma der Schleim- haut ist überall mit zahlreichen unter einander communizirenden Lücken versehen, in welche der Chylus zunächst eintritt, so dass er das ganze Ge- webe in dessen Zwischenräumen erfüllt, sowohl innerhalb der Zotten als zwischen den Lieberkühn’schen Krypten. In jeder Zotte verläuft ausserdem der Länge nach ein grösserer Hohlraum, der sog. Centralkanal, in dem der Chylus fortgeleitet wird und der unter der Zotte durch angehäuften Chylus oft flaschenförmig ausgedehnt ist (Lieberkühn’s Ampulla). Aus diesem Sy- stem von Hohlräumen entspringen unter den Zotten und ganz in der Tiefe der Schleimhaut die wahren Chylusgefässe mit offenen Ursprüngen. In schie- fer Richtung durchsetzen sie die Muskellager der Schleimhaut, bekommen dar- auf Klappen und vereinigen sich im Unterschleimhautgewebe zu grossen Stämmen, mit denen sie die Muskelhaut durchbohren, um unter dem Peri- tonaealüberzuge und im Mesenterium in allbekannter Weise weiter fortzu- schreiten. In den lockeren oberflächlichen Schleimhautpartieen ist überall ein engmaschiges Netz von Blutgefässen eingebettet, das mit freien Wan- dungen an die Lücken, welche den Anfang der Chylusgefässe darstellen, hineinragt. Daraus folgt zweierlei; einmal nemlich wird die Möglichkeit eines Austausches zwischen den Flüssigkeiten gegeben sein, die in den Lücken und den Blutgefässen eingeschlossen sind; zugleich werden aber auch die Blutgefässe vermöge ihres durch den Blutstrom gespannten Inhaltes die Schleimhautoberfläche und namentlich den Zottenmantel aus- spannen, resp. die den Lymphgefässanfang darstellenden Hohlräume offen erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Darmhöhle her wirkender Druck sie zusammenzupressen sucht ( Brücke, Donders ). Ausser diesen Gebilden enthält die Schleimhaut bekanntlich noch Muskelzellen. Diese sind in den Zotten zu Fasern angeordnet, welche der grössten Länge der ersteren entspre- chend verlaufen; sie liegen nach innen von den Blutgefässcapillaren und nach aussen vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen, wie dieses am geöffneten Darme des lebenden oder eben getödteten Thieres Zotten. beobachtet werden kann, und zwar mit einer Kraft, welche die durch den Blutstrom gesteiften Blutgefässe zusammendrückt, so muss dadurch der vorhandene Inhalt des Centalkanales nach den Lymphgefässen in dem Unterschleimhautgewebe entleert werden, während die einzelnen Epithe- liumszellen durch die Verkürzung der Zotte comprimirt werden. Falls sie an ihren Enden offen sind, muss hierdurch ein Theil ihres Inhaltes in die Darmhöhle zurücktreten. Man kann nicht sagen, ob dasselbe auch für den Inhalt der äusseren Gewebsräume des Stroma’s eintreten müsse, da man nicht weiss, ob die Epitheliumszellen so eingepflanzt sind, dass der Chylus ebenso leicht aus dem Stroma in die Zellen, als aus den Zellen in das Stroma tritt. Diese Darstellung, welche der klassischen Arbeit von Brücke entlehnt ist, lässt uns erkennen, wie zierlich und zweckmässig zugleich die Zotte zum Behufe der Filtration und der Weiterbewegung ihres Inhaltes gebaut ist. 2. Stoffaufnahme in die Chylusgefässe. Die Kräfte, welche unter normalen Verhältnissen die Schleimhautlücken und die damit in Verbin- dung stehenden Ampullen füllen, können, so weit unsere Einsicht reicht, nur bestehen in Capillaranziehung, Diffusion und Druckunterschieden. Die Lücken sind eng und ihre Wände mit wässerigen Lösungen be- netzbar, also muss die erste der drei aufgezählten Füllungsursachen in Betracht kommen. — Wäre aber aus einem oder dem anderen Grunde der Anfang der Chylusgefässe mit auch noch so wenig Flüssigkeit gefüllt, so muss sich ein Diffusionsstrom entwickeln zwischen Darm- und Blutgefäss- inhalt oder mindestens gegen einen von beiden, da beide Flüssigkeiten in einander diffusibel und zugleich von verschiedener Zusammensetzung sind. — Läge aber der Darm- und Blutgefässinhalt unter einem höheren Drucke, als derjenige der Chylusgefässanfänge, so müssten die letzteren allmählig sich auf dem Wege der Filtration anfüllen. Das Vorkommen eines solchen Spannungsunterschiedes der Flüssigkeiten kann aber nicht bestritten wer- den, da sich die Ampullen und Lücken entleeren durch die periodisch wiederkehrenden Zusammenziehungen der Schleimhautmuskeln und dann, wenn die letzteren erschlafft sind, wieder ausgespannt werden durch die vom Blutstrome gestreckten Blutgefässe. Ihr Inhalt wird also oft genug unter einer sehr geringen Spannung verweilen, während der Darminhalt unter einer, wenn auch geringen, Pressung liegt, die sich namentlich ereignen muss, wenn eine abwärts hängende Darmschlinge mehr oder weniger angefüllt ist. Anderseits wird zu einem Filtrationsstrome von Sei- ten der Blutgefässe her Veranlassung gegeben durch die normale Spannung des Stromes. Die Stoffe, welche durch Diffusion und Capillarattraktion von beliebiger Seite her oder durch Filtration aus den Blutgefässen in die Anfänge der Chylusröhren gelangen sollen, müssen, wie ohne Weiteres klar ist, flüssig und mit Wasser mischbar sein. Aus der Darmhöhle können aber erfahrungsgemäss, und zwar, wie man allgemein annimmt, unter Vermittelung des Druckes, auch noch sehr kleine Fetttröpfchen 27* Eintritt in die Anfänge der Chylusgefässe. und mikroskopische feste Körperchen in das Innere der Schleimhaut und von da in die Chylusgefässe eintreten. Wir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Früher wurde mit- getheilt, dass die Fette im Magen verflüssigt und zu grösseren Tropfen vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im Dünndarme dagegen wurden die flüssigen Fette in ungemein feine Tröpfchen ver- theilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mi- kroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tröpfchen mit chemisch unveränderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umständen so reichlich, dass Epithelialhöhlen und Zottenräume von dicht gedrängten Fettkügel- chen gefüllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet hat ohne die vorgängige Zertheilung desselben in Tröpfchen, so betrach- tet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fett- aufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit denen die Darmoberfläche versehen ist, indem dieselben, wie höchst wahrscheinlich, dazu dienen, um die grösseren Tropfen in kleinere zu spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darm- oberfläche hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu grösseren Tröpfchen wird aber unmöglich gemacht durch die reichliche Anwesenheit schleimiger Flüssigkeiten, welche die Darmoberfläche be- netzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm ergossenen Säfte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit hindurch Controverse gewesen, indem Cl. Bernard Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283. die Behauptung auf- stellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von Frerichs, Bidder, Schmidt, Weinmann, Herbst Bidder u. Schmidt, Verdauungssäfte. p. 252. — Weinmann, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. III. 247. — Herbst, ibid. 389. u. A. haben jedoch unzweifelhaft dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasgänge, nach Ausrottung der Drüsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung des Fettes ungestört ihren Fortgang nimmt. Demnach müssen auch andere Verdauungssäfte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Richtigkeit leicht bestätigt wer- den kann durch Schütteln eines Gemenges der bezeichneten Drüsensäfte mit flüssigen Fetten. — Viel dunkeler als die feine Vertheilung des Fettes ist jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tröpf- chen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen. Scheiden wir das, was thatsächlich zur Aufklärung dieses Prozesses ge- than, von dem, was man vermuthungsweise darüber ausgesprochen, so Eintritt des Fettes und fester Körper. scheint nur so viel festzustehen, einmal, dass die Anwesenheit der Galle im Darmkanale zwar den Uebertritt der Fette erleichtert ( Brodie, Gme- lin und Tiedemann ), dass aber keineswegs bei Ausschluss aller Galle auch jegliche Fettresorption aufgehoben sei ( Bidder und Schmidt ). Demnächst aber wird die Aufnahme des Fettes ermöglicht durch die geringe Cohärenz der Stoffe, aus denen diejenigen Wandtheile der Epi- thelialcylinder gebaut sind, welche einestheils frei in die Darmhöhle ra- gen und anderseits in die Schleimhaut eingebettet sind ( Brücke ). Die bezeichnete Eigenschaft der betreffenden Zellenflächen ergiebt sich aber nicht allein daraus, dass die Fette als Tröpfchen in die Zellen- höhlen ein- und austreten, sondern noch mehr aus der anderen sogleich zu besprechenden Erfahrung, dass feste, in der Darmflüssigkeit aufge- schwemmte Körperchen durch die Epithelialzellen hindurch gehen, was ohne die Anwesenheit der entsprechenden Oeffnungen vollkommen unmög- lich sein würde. Diesen Thatsachen gemäss würde man sich den Mechanismus der Fettresorption folgendermaassen vorstellen können: Die bis zur äus- sersten Feinheit, zum Theil bis zur Grösse des Molekularkörnchens ver- theilten Fetttröpfchen werden gegen die freie Fläche der Epithelialcylin- der gedrängt, sei es durch die Schwere oder durch die peristaltische Bewegung, die allerfeinsten Körnchen dringen zu allen Zeiten in das Innere der Zellen, die etwas gröberen nur dann, wenn der Darm von Galle durchtränkt wird. Diese Flüssigkeit mindert nemlich den Wider- stand, welchen die mit Wasser befeuchteten Membranen dem Durchtritte der Fette entgegensetzen, und zwar wahrscheinlich dadurch, dass bei ihrer Gegenwart die freie Oberfläche des Fetttröpfchens, welche einer Haut zu vergleichen ist, an Spannung verliert, so dass sich die Form des Tropfens leichter accomodirt den Gestalten des Porus. Der Druck, welcher den Tropfen in die Zellenhöhle brachte, fördert ihn von dort aus auch durch das angewachsene Ende der Epithelialzellen und von da in das Zottengewebe. Eine andere Hypothese, als die hier vertheidigte, behauptet, das Fett werde erst vor der Aufsaugung verseift und nach derselben wieder frei gemacht (und die Säure mit Glycerin verbunden?). Diese Annahme haben, des mangelnden Beweises wegen, die Urheber selbst verlassen. Aus dem Darmkanale in das Blut gehen bei Kaninchen, Hunden und Fröschen beobachtungsgemäss folgende feste Stoffe über Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 409. — Wiener medizinische Wochenschrift. 1854. 30. Dezember. : Blut- und Pigmentkörperchen ( Moleschott ), Stärkekörperchen ( Herbst, Oester- len, Donders ), Quecksilberkügelchen ( Oesterlen ), Kohlenflittern und Schwefelblumen ( Oesterlen, Donders, H. Meyer, Eberhard ). Moleschott, der den Mechanismus des Uebertrittes am genauesten Zusammensetzung des Chylus. verfolgt hat, zeigt, dass die Körperchen des Säugethierblutes bei Fröschen und ebenso die Pigmentmoleküle bei Säugethieren ganz denselben Weg ein- schlagen, welchen die Fette gehen. Diese Erscheinung verlangt unab- weislich die Annahme von bleibenden Oeffnungen in den Epithelialcylin- dern oder mindestens einen weichen, leicht durchbrechbaren Verschluss. 3. Zusammensetzung des Chylus. Die Flüssigkeit, welche aus dem Darme in die Chylusanfänge eindringt, muss in ihrer chemischen An- ordnung verschieden ausfallen mit der Zusammensetzung des flüssigen Darminhaltes und des Blutes und mit dem relativen Uebergewichte der Kräfte, welche die Anfänge der Chylusgefässe füllen. Die einmal in die Gefässe eingegangene Flüssigkeit muss veränderlich sein mit der Zahl der Drüsen, die sie durchströmt hat; der Inhalt des ductus thoracicus endlich wird variiren mit der Zusammensetzung der einzelnen Chylus- und Lympharten, aus deren Vermischung er entsteht, und der relativen Menge, mit der sich jeder einzelne an der Bildung des Gesammtinhaltes betheiligt. Die Beziehung zwischen dem Darminhalte und dem primitiven Chy- lus ist einmal dadurch gegeben, dass alle im ersteren aufgelösten Stoffe zugleich mit den Fetten, entsprechend dem Bau der Wände, welche die Anfänge der Chylusröhren umkleiden, in die letzteren eintreten. Dem- nächst greift der Darminhalt dadurch bestimmend in die Zusammen- setzung des primitiven Chylus ein, dass durch die Gegenwart einzelner seiner Bestandtheile (Säure, Galle u. s. w.) das Eindringen anderer (Fette, Eiweiss) möglich gemacht wird. — Die Zusammensetzung des Blutes kommt für die des primitiven Chylus in Betracht, einmal, weil der letztere schon innerhalb der Schleimhaut in diffusive Beziehung zum ersteren tritt, und ausserdem, weil mit dem Blute nothwendiger Weise auch der Darminhalt selbst veränderlich sein muss, insofern die chemische Anordnung und die Menge der Drüsensäfte davon abhängen, und insofern hierdurch der Grad der Umwandlung bestimmt wird, welche der Darm- inhalt vor seinem Eintritte in die Chylusgefässe erleidet in Folge der zwischen ihm und dem Blute bestehenden Diffusion. — Mit dem rela- tiven Werthe der Kräfte, der Diffusion und Filtration, welche die Chy- lusanfänge füllen, wechselt die Zusammensetzung ihres Inhaltes, weil die eine von ihnen (Filtration) gleichmässig alle in den Flüssigkeiten des Darmes aufgelösten Stoffe überfüllt, während die Diffusion den einen Be- standtheil langsamer als den anderen und das Fett gar nicht in Bewe- gung setzt. Nun kann es aber gar keiner Frage unterworfen sein, dass die beiden Prozesse nicht überall und nicht zu allen Zeiten in demsel- ben Verhältnisse ihrer Intensität stehen, da mit der Contraktion der Darmmuskeln und der Spannung der Blutgefässcapillaren die Filtration und mit der Zusammensetzung des Darminhaltes, insbesondere mit sei- nem Gehalte an Labsaft, Galle, Bauchspeichel, die Diffusion veränderli- Zusammensetzung des Chylus. chen Werthes wird. — Der Chylus, welcher aus der Darmschleimhaut in die Chylusgefässe eingeht, erleidet auf seinem Wege bis zum ductus thoracicus Veränderungen in den Drüsen, theils durch die Berührung mit dem Blute und theils durch die in den Drüsen selbst vorgehenden Um- setzungen; also wird mit der Geschwindigkeit seines Stromes mit der Zahl und dem Umfange der eingelegten Drüsen die Grösse der Um- wandelung Hand in Hand gehen. — In den ductus thoracicus münden ausser den Chylusgefässen die Lymphgefässe der unteren Extremitäten, der Bauch- und Brustwandungen, des Beckens, der Brust, der Milz, der Leber, des Pankreas u. s. w. Abgesehen davon, dass es schon unwahr- scheinlich ist, eine Gleichartigkeit in der Zusammensetzung der verschie- denen Lympharten anzunehmen, besteht aber sicher ein Unterschied zwischen Lymphe und Chylus; mit dem Uebergewicht der einen oder anderen Flüssigkeit muss also jedenfalls der Inhalt des ductus thor. seiner Zusammensetzung nach veränderlich sein. Aus diesen Angaben erhellt die unendliche Variation, welche sich zu verschiedenen Zeiten an demselben Orte und zu derselben Zeit an verschieden gelegenen Chylusgefässen ereignen kann; die Theorie ver- hält sich den Einzelheiten gegenüber noch stumm, und die Erfahrung ist sehr beschränkt, da ihr, abgesehen von allen anderen Mängeln, nicht einmal die Kenntniss des primitiven Chylus aus der Schleimhaut zu Ge- bote steht. — Das Wenige, was die Beobachtung erworben, ist folgendes: Der Chylus kann, wie Blut und Lymphe, in einen flüssigen und aufgeschwemmten Theil geschieden werden; der letztere besteht seiner Gestalt nach bald aus aufgeschwemmten Fettpartikelchen, bald aus die- sen und Zellen sehr verschiedener Art, die zum grossen Theile den Cha- rakter der Körnchenzellen an sich tragen, und endlich aus Blutkörper- chen. — Die chemischen Bestandtheile des Chylus, welche bis dahin aufgefunden werden konnten, sind Faserstoff, gerinnbares Eiweiss, ein durch starke Essigsäure fällbarer Eiweissstoff, Fette, zuweilen Zucker, Verbindungen von Kali, Natron und Kalk mit Milch-, Salz- und Phos- phorsäure. Demnach fehlen dem Chylus von den im gelösten Darmin- halte nachweisbaren Stoffen: Leimarten, meist der Zucker, gallensaure und schwefelsaure Salze, während ihm Faserstoff und gerinnbares Ei- weiss zukommen, die dem Chymus fehlen. a. Einfluss der Nahrung Simon, Med. Chemie. II. Bd. p. 244. — Nasse, Handwörterbuch d. Physiologie. I. Bd. Chy- lus. II. Bd. Lymphe. . Die blossgelegten Chylusgefässe hun- gernder Thiere sieht man von einer durchsichtigen Flüssigkeit erfüllt; die Durchsichtigkeit des Inhaltes bezeugt den Mangel an aufgeschwemm- ten Fetten; eine Analyse dieser Flüssigkeit liegt noch nicht vor. — Wie- derholt ist dagegen der Inhalt des ductus thoracicus bei Menschen ( L’heritier ), Hunden ( Chevreul ), Pferden ( Gmelin ), die vor dem Einfluss der Nahrung. Tode gehungert hatten, untersucht worden. Eine Vergleichung dieser Resultate mit der Lymphe, die aus den unteren Extremitäten gewonnen und analysirt wurde, würde, auch ohne dass man den Gewichtsantheil kennte, den jede der beiden Flüssigkeiten an dem Inhalte des ductus thoracicus nimmt, zu mancherlei werthvollen Betrachtungen führen, wenn es nur feststände, dass die Lymphe des Beckens und der Unterleibsdrüsen übereinstimmend mit der der unteren Extremitäten zusammengesetzt wäre, und wenn die Lymphe und der Inhalt des duct. thoracicus gleichzeitig von demselben Individuum gewonnen worden wäre. Da dieses nicht der Fall, so gewinnen die aus den nachstehenden Zahlen abzuleitenden Schlüsse eine zweifelhafte Giltigkeit. Der Verlust in der Lymphenanalyse des Pferdes betrug 0,2 pCt. — Soweit die unvollkommene Untersuchung zu schliessen erlaubt, enthiel- ten die Lymphe und der Inhalt des ductus thoracicus, also auch der aus dem Darme kommende Antheil desselben, gleiche Bestandtheile. Diese Folgerung scheint um so gerechtfertigter, als die in den Chy- lusgefässen der hungernden Thiere strömende Flüssigkeit ebenfalls ent- weder direkt oder indirekt (vermittelst der Darmsäfte) aus dem Blute stammt. In quantitativer Beziehung zeichnet sich der Inhalt des duct. thorac. vor der Lymphe durch einen grösseren Gehalt an festen und flüssigen Eiweiss- stoffen (Käsestoff, Eiweiss, Faserstoff, Körperchen) aus. Dieser Unterschied würde jedoch für den Menschen sehr viel kleiner als beim Pferde aus- fallen, wenn, wie wahrseheinlich, die Extrakte der Lymphe vorzugsweise aus eiweissartigen Körpern bestanden hätten. Die Nachrichten, die uns von dem Chylus gefütterter Thiere zu Theil geworden, sind ebenfalls meist gewonnen durch die Untersuchung des ductus thoracicus. Diese Thatsachen haben Werth, indem sie die Natur der Säfte feststellen, welche während der Verdauung in das Blut kommen; eine selbst beschränkt deutliche Vorstellung über das Verhält- niss von der Zusammensetzung des Chylus und der Speisen geben sie nicht, weil den betreffenden Analysen nur unvollkommene Angaben über die Zusammensetzung der letzteren selbst beigegeben sind. Bei Anstel- lung ähnlicher Beobachtungen dürfte es am vortheilhaftesten sein, die Einfluss der Blutmischung, der Darmgegend, der Drüsen. Zusammensetzung des Speisebreies, aus welchem der Chylus seinen Ur- sprung nahm, zu ermitteln. Der Inhalt des ductus thoracicus enthält nach den vorliegenden Beobachtungen jedesmal Eiweiss, Faserstoff, Extrakte, salzsaure und phos- phorsaure Alkalien und phosphorsaure Erden; nach starker mehl- und zuckerhaltiger Nahrung kommt dazu in einzelnen Fällen auch Zucker und nach fetthaltigen Speisen (Fleisch, Milch u. s. w.) reichlich (bis zu 3 pCt.) aufgeschwemmtes Fett. Rücksichtlich aller übrigen Eigenschaf- ten bietet sich keine feste Beziehung zu der Nahrung, indem man bald nach Fleisch- und bald nach Pflanzenkost das Blutroth, den Faserstoff, das Eiweiss vermehrt oder vermindert fand. b. Die Beziehungen zwischen der Zusammensetzung von Blut und Chylus sind durch den Versuch in beschränkter Weise aufgehellt; Fen- wick Valentin, Jahresbericht für 1845. p. 175. giebt an, dass Blutlaugensalz, in die Venen eingesprützt, im In- halte des ductus thoracicus wiedergefunden wird. — c. Der Chylus, wel- cher aus den Gefässen des Dickdarmes gefangen werden kann, enthält kein aufgeschwemmtes Fett, selbst wenn der aus den Dünndarmgefässen genommene reich daran ist ( Gmelin ). Im Dünndarme selbst tritt aber das Fett immer nur durch die Spitzen der Zotten, niemals durch die Epithelialcylinder der Lieberkühn’ schen Crypten. — d. Der Chylus erfährt auf seinem Wege vom Darme bis zu dem ductus thoracicus einige Veränderungen, welche man vorzugsweise dem Einflusse der Drüsen zu- schreibt. Vor dem Eintritte in dieselben enthält der Chylus, insofern er aus einem fetthaltigen Chymus stammt, viel in feinen Tröpfchen aufge- schwemmtes Fett, welches, wenn ersterer einigemal durch Drüsen gewan- dert ist, verschwindet. Dafür treten, in dem Maasse, als das Fett abnimmt, Lymphkörperchen in ihm auf. Da nun schon innerhalb der Schleimhaut des Darmes Lymphdrüsen gelegen sind, die Peyer’ schen und solitä- ren Drüsen, welche das Fett aufspeichern und Körperchen ausgeben ( Brücke ) Wiener Sitzungsberichte. XV. Bd. 267. , so werden auch die auf der Aussenfläche der Schleim- haut verlaufenden Gefässe schon Körperchen in ihren Inhalt führen, welche sich aber von Drüse zu Drüse bedeutend vermehren ( Kölliker ) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. VII. Bd. 182. . — Mit dieser Veränderung in ihren Formen gestaltet sich auch die chemi- sche Zusammensetzung der Lymphe um, wie die nachstehenden Analysen des Pferdechylus von Gmelin lehren. Aufsaugung durch die Blutgefässe. Daraus würde hervorgehen, dass der Chylus in den Drüsen Was- ser und Extrakte verliert, aber Faserstoff und Körperchen gewinnt. 4. Das Volum der Flüssigkeit, welches durch die Chylusgefässe strömt, resp. der Antheil desselben, welcher aus dem Chymus seinen Ursprung nimmt, wird mit der reichlichen Anwesenheit von Fetten und gelösten Eiweissstoffen im Darmkanale und mit der Mächtigkeit der ein- saugenden Kräfte sich offenbar mehren; in welchem Maasse dieses ge- schieht, ist unbekannt. Wiederholt ist der Versuch gemacht worden, die mittlere Menge vom Chylus zu bestimmen, welche bei erwachsenen Menschen binnen 24 Stunden durch die Gänge strömt. Vierordt Archiv f. physiolog. Heilkunde. VII. Bd. 281. ging hierbei von der Voraussetzung aus, dass alles verdaute und aufgesogene Eiweiss durch die Chylusgefässe aufgenommen würde, und dass der ganze Eiweissgehalt des Chylus nur aus dieser Quelle stamme. Die Richtigkeit die- ser Annahme vorausgesetzt, würde man, wenn der Chylus des Pferdes und des Men- schen ungefähr gleiche Zusammensetzung besässe, aus dem bekannten Gehalte der Nahrung an Eiweiss mindestens die Grenzen ermitteln können, in denen sich die täg- liche Chylusmenge bewegen würde. Die der Rechnung zu Grunde gelegten Annah- men sind aber wenigstens insofern unhaltbar, als nicht alle Eiweisskörper des Chy- lus aus der bezeichneten Quelle stammen, da auch während der Zeiten, in denen der Darmkanal leer ist, der Inhalt der Chylusgefässe Eiweissstoffe führt. — Eine ähnliche Betrachtung stellte Lehmann an, bei der er das aus der Nahrung aufge- nommene Fett zu Grunde legte. Da sie ihr Urheber selbst zurückgezogen, so ent- hält man sich, wie billig, der weiteren Besprechung derselben. 5. Die Kräfte, welche den Strom des Chylus einleiten und unter- halten, werden zu suchen sein in den Zusammenziehungen der Schleim- hautmuskeln, den peristaltischen Bewegungen der groben Darmmuskula- tur und der Elastizität der Gefässwandung. B. Aufsaugung durch die Blutgefässe. 1. Der Diffusionsstrom, welcher zwischen dem flüssigen Antheile des Speisebreies und dem Blute in den Darmwandungen besteht, führt den allgemein feststehenden Regeln entsprechend, nicht alle, sondern nur gewisse Bestandtheile der aneinander grenzenden Flüssigkeiten ineinan- der über. Soviel wir wissen, betheiligen sich nun in der That an dem Austausche: Zucker, pflanzen-, gallen-, fett-, schwefel-, phosphor-, salz- und kohlensaure Alkalien, Farbstoffe, Eiweiss, Faserstoff (?), Wasser. Ausgeschlossen sind dagegen die Fette. — In der Richtung vom Darme zum Blute gehen Zucker, Farbstoffe, die Salze mit organischen Säuren, Wasser und wahrscheinlich auch die schwefelsauren Alkalien. Diese Be- hauptung stützt sich auf verschiedene Gründe. Zuerst ist der Ueber- gang des Zuckers und des einen Theils der erwähnten Salze in das Blut dadurch erwiesen, dass man sie, während sie allmählig aus dem Darm- kanale verschwanden, geradezu im Blute wieder aufgefunden hat. Die Farbstoffe hat man in den aus dem Blute kommenden Säften, z. B. dem Harne aufgefunden, ohne dass es immer gelungen wäre, ihnen in dem Chy- Aufgenommene Stoffe. lus zu begegnen, oder man hat sie noch im Harne angetroffen, nachdem man die Chylusgefässe zerstörte, welche aus einem abgegrenzten, mit den be- zeichneten Stoffen gefüllten Darmstücke hervorgehen. Endlich verlangt die Theorie das Zugeständniss, dass ein Theil der schwefelsauren Salze des Darminhaltes in das Blut einströmt, weil jene für gewöhnlich dem Blute fehlen oder, wenn sie vorhanden, sogleich durch den Harn wieder aus- geschieden werden. — Eine ähnliche Bewandniss muss es aber mit dem Wasser haben, da das Blut meist mehr feste Bestandtheile aufgelöst ent- hält, als der flüssige Speisebrei. — Vom Blute zum Darme muss gerinnba- res Eiweiss gehen, weil der Chymus weniger davon aufgelöst enthält, als das Blut; diese Voraussage wird bestätigt durch die Erfahrung, dass Eiweiss in das Wasser austritt, welches in eine abgeschnürte und in die Unterleibs- höhle zurückgebrachte Dünndarmschlinge eingesprützt wurde ( Knapp ). Insofern das Blut und der Chymus ihre Bestandtheile nur durch Diffusion aus- tauschen können, muss man es für unmöglich halten, dass die Fette aus dem Darm- kanale in das Blutgefässwerk eindringen können. Nichts destoweniger sind Bruch Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IV. 285. und Lehmann Physiolog. Chemie. III. Bd. 327. dieser Meinung. Der letztere gründet dieselbe auf den grösseren Fettgehalt des Pfortaderblutes, der ihm anderen Venen gegenüber zukommt. Die Unan- tastbarkeit der Thatsache vorausgesetzt, beweist sie noch nicht, dass das Fett noth- wendig aus dem Darmkanale stammen müsse. — Bruch beruft sich auf ein beson- deres Ansehen der Capillargefässe in der Dünndarmschleimhaut, welches auch Virchow, Brücke Wiener Sitzungsberichte. XII. 682. , Zenker, Funke u. A. angetroffen haben; sie sind nemlich zuweilen mit einer weisslichen, dem Fette sehr änlich aussehenden Materie ganz oder theil- weise angefüllt. Brücke hat aber durch chemische Reaktionen gezeigt, dass der weissliche Inhalt keinenfalls zu den Fetten gestellt werden kann, und Virchow Archiv f. pathol. Anatomie. VIII. 355. darauf hingewiesen, dass er zum Theil wenigstens aus Leucin bestehe. Auf die Diffusionen im Darmkanale sind die schon früher (p. 364 .) hervorgehobenen Bemerkungen anwendbar. Dagegen würde es ein grosses Missverständniss verrathen, wenn man auf die Strömung im Darme ohne Weiteres die Zahlen der Diffusionsgeschwindigkeit und des endosmoti- schen Aequivalentes in Anwendung bringen wollte, welche unter ganz anderen Bedingungen von Graham, Jolly, C. Ludwig, A. Fick, Cloëtta u. s. w. aufgefunden wurden. C. Ueber die Aufnahme der einzelnen Chymusbestandtheile durch Blut- und Chylusgefässe zugleich. Das praktische Bedürfniss verlangt endlich noch Aufschluss, wie sich die Aufsaugung der einzelnen Nahrungsstoffe gestaltet, gleichgiltig, ob sie durch das Blut- oder Chylussystem geschehen ist. Diese Frage kann, mehrfach variirt, von der Erfahrung gelöst werden, wie es in der That für einzelne Stoffe annähernd geschehen oder wenigstens versucht ist. 1. Die relative Menge der einfachen Nahrungsstoffe, welche der ge- sammte Darmkanal in einer gegebenen Zeit aufnimmt, ist theils durch Aufsaugung durch Blut- und Chylusgefässe. die Thatsachen der täglichen Erfahrung und theils durch besonders dar- auf gerichtete Versuche von Boussingault, Letellier, Frerichs, Lehmann, Knapp, Becker, Bidder und Schmidt so bestimmt worden, dass in absteigender Reihe aus einem Gemenge derselben auf- gesogen werden Wasser, Zucker, Eiweissstoffe, Leim, Kochsalz, Fette, phosphorsaure Kalksalze, Natron, schwefelsaure Salze, Gummi. Die Gründe für die Stellung der einzelnen Bestandtheile in der Reihe lassen sich im Ganzen wohl einsehen. — Wasser durchdringt die thierischen Häute im Allgemeinen sehr rasch und leicht, und zwar um so leichter, je weniger seiner Verwandtschaft zum Blute das Gegengewicht gehalten wird durch die im Chymus selbst aufgelösten Stoffe; darum werden verdünnte Lö- sungen, wie sie das gewöhnliche Trinkwasser darstellt, in ganz überra- schender Menge und in verhältnissmässig kurzer Zeit aufgesaugt, und eben darum verschwindet so rasch das viele Wasser wieder aus dem Darmkanale, das mit dem Labsaft, der Galle, dem Bauchspeichel in ihn abgesondert wurde. Conzentrirte Lösungen dagegen, besonders solcher Salze, welche wie die schwefelsauren nur schwierig die thierischen Häute durchwandern, verlassen langsamer die Darmhöhle, da das Wasser durch seine Verwandtschaft zum Salze zurückgehalten wird und es nur in dem Maasse in die Blut- oder (Chylus?) gefässe übergehen kann, in welchem die Lösung durch Uebertreten von Salz an Conzentration verliert ( Buchheim ) Archiv für physiolog. Heilkunde. XIII. 93. . — Dass der Zucker in reichlichem Maasse aufgenom- men werden kann, ist einleuchtend, weil er in die Chylus- und Blutge- fässe zugleich eingeht und demnach in allen Abtheilungen des Darmka- nals vom Magen bis zum After aufgenommen werden kann. In ganz denselben Verhältnissen findet sich das Kochsalz. Die beiden zuletzt erwähnten Stoffe kann das Blut um so wirksamer anziehen, weil es sich derselben fortwährend in dem Maasse durch den Harn oder durch Um- setzung entledigt, in welchem es sie aufgenommen. — Im Gegensatze hierzu stehen dagegen Eiweiss und Fette, welche beide nach unseren gegenwärtigen Voraussetzungen nur durch die Chylusgefässe einen Aus- weg finden. Das erstere muss aber ein Uebergewicht über das letztere gewinnen, weil es vom Magen bis zum After seinen Durchgang findet, während das Fett nur in die Zottenspitzen des Dünndarmes eingeht und namentlich in reichlichem Maasse nur so weit, als dieselben von Galle durch- tränkt sind. — Die phosphorsauren Erden können im Magen, wo sie von der Säure gelöst sind, in das Blut und den Chylus eindringen, insofern sie nicht an den Grenzen jener alkalisch reagirenden Flüssigkeiten nie- dergeschlagen werden; an allen übrigen Orten sind sie nur zugleich mit den eiweissartigen Stoffen, denen sie sich verbunden haben, aufsaugbar. — Für die schwefelsauren Salze scheinen die Wandungen des Darmkanals nur Aufsaugung durch Blut- und Chylusgefässe. sehr schwer durchgängig zu sein ( Buchheim ) und in noch viel höherem Grade scheint dieses für das Gummi zu gelten ( Boussingault ) Annales de chimie et physique. 3me. Ser. XVIII. 461. (1846). . 2. Die absoluten Mengen einfacher Nahrungsstoffe, welche von der Flächeneinheit des Magens, Dünn- und Dickdarmes in der Zeiteinheit aufgesogen werden können, sind bis dahin nur für Eiweiss und Zucker in dem Dünndarme des Kaninchens auf Veranlassung Lehmann’s durch Knapp und Becker untersucht worden. Wie vorauszusehen, sind diese Werthe sehr veränderlich gefunden worden. In vier Stunden nahm der Quadratcentimeter aus einer 9 pCt. Eiweisslösung 0,001 bis 0,002 Gr. Eiweiss auf, während aus einer 4,5 pCt. haltenden Lösung nur höch- stens 0,0005 Gr. übergingen. Diese Versuche lassen schliessen, dass die aufgesaugte Menge mit der Conzentration anwächst. Die Beobach- tungen, welche Becker mit Zucker anstellte, geben durchaus andere Resultate. In 4 Stunden wurden von der oben genannten Flächenein- heit aufgesaugt aus einer 1,2 prozentigen Lösung 0,003 Gr., aus einer 9 prozentigen 0,005 bis 0,007 Gr., aus einer 5,8 und 3 prozentigen 0,003 Gr. Als er den Versuch so abänderte, dass er eine 10 prozentige Lösung 1, 2, 3, 4 Stunden in dem Darme verweilen liess, gingen in der ersten Stunde, wo die mittlere Conzentration am höchsten war, 0,003 Gr. über, in der zweiten und dritten Stunde 0,007 und in der vierten Stunde 0,008 . Daraus erfolgt deutlich, dass in diesen Beobachtungen die Dich- tigkeit der Lösung und die Uebergangsgeschwindigkeit in keiner einfachen Beziehung zu einander stehen; in der That kann diese Beziehung durch die ungemeine Complikation der Bedingungen verdeckt gewesen sein. In den vorstehenden Versuchen wurde eine Darmschlinge des Kaninchens her- aus gezogen und abgebunden, mit einer gewogenen Menge Zucker- oder Eiweisslösung von bekannter Zusammensetzung gefüllt, dann in die Unterleibshöhle zurückgebracht, nach Verfluss der bestimmten Zeit von seinem Inhalte befreit und in diesem die Menge des Eiweisses oder Zuckers gemessen. Jedenfalls wäre es wünschenswerth, die Lö- sungsdichtigkeit auch zu Ende des Versuches zu kennen. — Boussingault be- nutzte zu seinen früher erwähnten Versuchen unverletzte Thiere, deren Speisen und Koth er analysirte; den Versuchstagen ging eine Untersuchung des Kothes während der Enthaltung von aller Nahrung vorher. In die von Becker gelieferte Beurtheilung seiner Versuchsresultate haben sich einige leicht zu verbessernde Versehen eingeschli- chen, die das von ihm in Worten ausgedrückte Endergebniss der Versuchsreihen nicht annehmbar erscheinen lassen. 3. Zu den Bedingungen, welche den Umfang der Aufsaugung der Speisen bestimmen, gehört die Aufenthaltsdauer des Chymus im Darm- kanale; diese ist aber gegeben einmal durch die Bewegung des Darm- kanales, und dann durch den Widerstand, welchen die Klebrigkeit des Breies der Fortschaffung entgegensetzt. Somit würde also die Zeit sehr bedeutend abgekürzt, wenn der Speisebrei recht flüssig und beweglich wäre. Dieses würde aber eintreten, wenn der Darmkanal gleichzeitig Vergleichung der Einnahmen und Ausgaben. viel lösliche Stoffe enthielte, die eine mächtige Anziehung zum Wasser zeigten. In dem normalen Verlaufe der Dinge musste darum dieser Uebelstand vermieden werden, was in der That dadurch geschehen ist, dass wir den Zucker nicht als solchen, sondern als Amylon, das Eiweiss nicht flüssig, sondern geronnen geniessen, und noch mehr dadurch, dass die erwähnten Speisen so ganz allmählig in die lösliche Modifikation über- geführt werden, und dass eine jede gelöste Menge durch die Ver- dauungssäfte aus dem noch ungelösten Antheile in entfernte Darmpar- thien weggespült wird. IV. Vergleichung des Verlustes und Gewinnes an wägbaren Stoffen. Ein Rückblick auf die Ernährungserscheinungen des Thierleibes legt es uns nahe, die einzelnen Organe und also auch die Summen derselben zu vergleichen mit einem Wassersammler, der gleichzeitig einen Zu- und einen Abfluss erfährt. In der That dringt durch die Lunge und den Darmkanal ein Strom von Atomen in den Organismus und durch Lunge, Haut, Nieren und After wieder aus, so dass je nach dem Verhältnisse, in welchem der Umfang und die Geschwindigkeit beider Strömungen zu einander stehen, das mittlere tägliche Gewicht der Thierleibes entweder sich annähernd unverändert erhält oder in einer Ab- oder auch in einer Zunahme begriffen sein kann. Bei einer etwas tiefer eingehenden Be- trachtung der Ernährungserscheinungen zeigen sich aber sogleich mannig- fache Abweichungen von den Ergebnissen eines gewöhnlichen Stromes, von denen eine schon dadurch zur Andeutung kam, dass der Begriff des mittleren täglichen Körpergewichtes aufgestellt werden musste. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass die Summe wägbarer Atome, welche der Thierleib im Laufe eines Tages umschliesst, auf und abschwankt; dieses muss aber geschehen, weil ein Theil der Einnahmen wie der Aus- gaben nicht ununterbrochen, sondern periodisch geschieht, während ein anderer Theil zwar ununterbrochen, aber mit auf und nieder schwan- kender Geschwindigkeit ein- und ausgeht. Der wichtigere Unterschied zwischen dem oben gewählten Bilde und dem Strome von Atomen durch den thierischen Körper liegt aber darin, dass die in den Thierleib geführten Massen nicht durch ihr Auftreten die in ihm vorhandenen verdrängen und hinausschieben, sondern dass sich die austretenden Atome in vielfachen Punkten unabhängig von der Zufuhr aus ihren bisherigen Verbindungen loslösen. Dieses wird sogleich einleuchtend, wenn man die Thatsachenreihe in das Auge fasst, welche als Verhungern bezeichnet wird, gleichgiltig ob dieses geschieht in Folge einer allgemeinen oder einer partiellen Entziehung von Nahrungsmitteln. Verhungern; Gesammthunger. Uebersicht der Verluste beim Verhungern. Gesammthunger . Wird einem Thiere, das bis dahin zur Genüge gefüttert wurde, nur noch die Sauerstoffnahrung gewährt, während ihm jegliche feste und flüssige Nahrung entzogen wird, so nimmt sein Ge- wicht mehr oder weniger rasch ab, bis dasselbe endlich auf einen Werth gediehen ist, bei dem das Leben nicht mehr bestehen kann. Um die Gewichtsabnahme vergleichbar zu machen, welche während der einzelnen oder der Gesammtzahl der Hungertage bei verschiedenen Thieren oder bei demselben Thiere zu verschiedenen Zeiten stattfindet, zieht man in Be- tracht die verhältnissmässigen Verluste derselben, indem man den täglichen oder gesammten Gewichtsabgang mit dem Gesammtgewichte des Thieres, welches am Beobachtungstage vorhanden war, dividirt. Dieser Quotient, welcher den Verlust der Gewichtseinheit des Thieres ausdrückt, führt den Namen proportionaler Tages- und Gesammtverlust. 1. Der Werth des proportionalen Tagesverlustes ist veränderlich mit dem hungernden Individuum und der Dauer der Hungerzeit. Diese Be- hauptung begründet sich leicht, wenn man erwägt, dass der beobachtete proportionale Tagesverlust des Gesammtkörpers das Mittel ist aus den Gewichtsabnahmen der einzelnen ihn aufbauenden Gewebselemente. Diese aber sind von sehr ungleicher Zersetzbarkeit, indem sich der Inhalt der Muskel- und Nervenröhren, der Leberzellen u. s. w. sehr viel rascher umsetzt, als die Knochen, die elastische Substanz, das Sehnengewebe. Je nachdem also ein dem Versuch unterworfenes Thier relativ mehr Knochen und Bindegewebe oder mehr Muskel und Fett enthält, wird auch der proportionale Tagesverlust grösser oder geringer sein. Was für ver- schiedene Thiere in gleichen Terminen der Hungerperiode gilt, ist nun auch anwendbar auf ein und dasselbe Thier in verschiedenen Abschnitten der Hungerzeit, da mit derselben seine Zusammensetzung wesentlich um- gestaltet wird; denn setzt man als wahrscheinlich voraus, dass der che- mische Prozess im Thierkörper während der Hungerzeit qualitativ un- verändert bleibe, so muss der proportionale Tagesverlust abnehmen, indem die rascher zersetzbaren Gewebe im Anfange des Hungerns in relativ grösserer Menge vorhanden sein müssen, als gegen das Ende desselben. Die Zersetzungsfähigkeit einzelner Gewebe ist nun bekanntlich auch keine constante, selbst dann nicht, wenn gleiche Zusammensetzung be- steht, da sie, wie z. B. die Muskeln, durch zeitweise eintretende physi- kalische Einwirkungen gesteigert oder geschwächt wird. Je häufiger sich also z. B. die Veranlassung zu Muskelerregungen einfindet, um so leb- hafter wird die Umsetzung vor sich gehen; unmöglich kann man aber erwarten, dass die verschiedenen willkührlichen und automatischen Organe des Thierleibes während der ganzen Hungerzeit eine gleich lebhafte Er- regung behaupten. Proportionaler Verlust beim Gesammthunger. Aus den Versuchen Chossat , Sur l’inanition. Memoires des savans étrangers. VIII. Bd. — Schuchardt , Quae- dam de effectu quem privatis sing. part. nutrimentum constituentium etc. Marburg 1847. — Schmidt und Bidder , Verdauungssäfte etc. p. 308 u. f. von Chossat und Schuchardt an Tauben geht rück- sichtlich des täglichen Verlustes hervor, 1) dass er, alles Andere gleichgesetzt, steigt mit dem Körpergewichte. — 2) Er variirt gewöhnlich in der Art, dass er in den ersten Tagen nach der Nahrungsentziehung sehr beträchtlich ist, dann gegen die Mitte der Hungerzeit abnimmt, in den letzten Tagen vor dem Tode wieder ansteigt und einige Stunden vor letzterem aber rasch absinkt. — 3) Der grösste Theil des täg- lichen Verlustes fällt auf Haut- und Lungenausdünstung. Zur Bestätigung dieser Be- hauptung lassen wir die Beobachtungsreihen von Schuchardt folgen: Aus einer weiter in das Einzelne gehenden und mühevollen Versuchsreihe an Katzen schliesst Schmidt : 4) Die täglich ausgeathmete Kohlenmenge ist absolut genommen in den er- sten 8 Tagen der Hungerzeit am grössten, in den letzten 2 Tagen vor dem Tode am ge- ringsten; relativ zum Körpergewichte hält sie sich dagegen in den ersten 9 Tagen nahezu gleich, in den darauf folgenden 7 Tagen wächst sie an und nimmt in den letzten 2 Tagen sehr bedeutend ab. — 5) Die ausgeschiedene Harnstoffmenge sinkt wahrend der beiden ersten Hungertage beträchtlich, hält sich dann bis zu den beiden letzten Tagen vor dem Tode nahezu gleich; in den beiden letzten Tagen sinkt sie sehr be- deutend ab. — 6) Der Gehalt des Harnes an SO 3 und PO 5 steigt mit der Hungerzeit, der Cl gehalt verschwindet dagegen vollkommen. Das Verhältniss der SO 3 zur PO 5 bleibt sich bis zum Tode gleich. Denn: Ein Kilogramm Katze gab in 24 Stunden in Grammen Proportionaler Tagesverlust. Zu dieser Tafel ist zu bemerken: das dem Versuche unterworfene Thier (eine trächtige Katze) erhielt während der Dauer der Beobachtung zu 7 verschiedenen Ta- gen etwas Wasser, im Ganzen 131,5 Gr. — Der Harnstoff wurde nach der Methode von Heintz-Ragsky und die CO 2 in einem Respirationskasten mit Luftdurchzug bestimmt. Die für die CO 2 verzeichneten Werthe sind abgeleitet aus 44 Beobach- tungsstunden, so dass das Thier im Mittel 2,5 Stunden täglich im Athembehälter ver- weilte. Diese Beobachtungsstunden sind so ausgewählt, dass wo möglich die eine in das Maximum und die andere in das Minimum der täglichen CO 2 ausscheidung fällt. Eine Bestimmung des durch die Lunge ausgeschiedenen Ngases, welche nach Reg- nault und Reiset bei hungernden Thieren statt hat, ist nicht versucht worden. Schmidt leitet aus den Zahlen der Tabelle auch noch her, wie viel bindegewebs- haltiges Fleisch und Fett sich während der Hungerzeit umgesetzt habe. Da mehrere seiner Vorausssetzungen nicht festgestellt sind, wie z. B. dass aller N durch Harn und After ausgeschieden sei, dass das fettfreie, bindegewebshaltige Katzenfleisch zu allen Zeiten der Hungerperiode gleich zusammengesetzt sei u. s. w., so verweisen wir auf die Abhandlungen selbst. Wir kehren zurück zu der Aufzählung weiterer Beobachtungen. Da auch täglich mehrmals das Körpergewicht der oben geschilderten Katze be- stimmt wurde, so konnte noch festgestellt werden: 7) dass der Verlust, der durch Haut und Lunge geschieht, in der Nacht geringer als bei Tage ist; die Unterschiede treten in den ersten Tagen beträchtlicher hervor; in den letzten, nachdem das Thier erblindet war, verschwanden sie dagegen nahezu. Nach einer Mittelberech- nung von Schmidt l. c. in der Tabelle XVII. p. 347. liegt der grösste Werth zwischen 12—6 Uhr Mittags, der niedrigste zwischen 2—6 Uhr Nachts. Diese Beobachtung bestätigt die Angaben Boussingault’s Annales de chim. et phys. 3me. ser. XI. (1844.) 446. , welcher bei einer Turteltaube fand, dass sie bei normaler Er- nährung im Mittel in einer Tagesstunde 0,258 Gr., in einer Nachtstunde 0,162 Gr. C ausgab; während einer 168 stündigen Hungerperiode lieferte sie im Mittel in einer Tagesstunde 0,117 Gr., in einer Nachtstunde 0,075 Gr. C. — 8) Die täglich ab- gesonderte Gallenmenge nimmt bei hungernden Katzen sehr rasch ab in den ersten beiden Tagen (p. 225.), von da sehr allmählig bis zu dem 10 . Tage. Vorausgesetzt, dass bei der vorliegenden Katze in demselben Verhältniss zum Körpergewichte Gal- lenabscheidungen stattgefunden haben, wie in der früher aufgeführten Beobachtung, lässt sich nach Schmidt behaupten, dass im Beginn der Beobachtung nur ein klei- ner Theil, vom 10 . Tage an aber die ganze Menge der ausgeschiedenen Galle durch die Faeces entleert worden sei. Zur Charakteristik der Lebensvorgänge beim Verhungern trägt noch wesentlich bei die Feststellung des Verhaltens der thierischen Wärme und der Athembewegun- gen an den einzelnen Hungertagen, wie sie Chossat l. c. p. 107 u. f. in ausgedehnter Weise für Tauben geliefert hat. Um die einzelnen Beobachtungen zur Gewinnung von Mit- telzahlen vergleichbar zu machen, theilte er die Lebensdauer jedes einzelnen Thieres vom Beginn des Hungerns bis zum Todestage (diesen exclusive) in drei gleiche Theile und zog nun aus allen gleichnamigen Abschnitten die folgenden Mittel. Aus den sie enthaltenden Tafeln geht hervor, dass er die Temperaturen (des Mastdarmes) und die Athemzüge um Mittag und Mitternacht beobachtete. Die Beobachtungen während des genügenden Futters sind an denselben Thieren gewonnen. Die Temperaturmes- sungen ergaben: Ludwig, Physiologie. II. 28 Proportionaler Gesammtverlust. Am letzten Tage sank die Temperatur sehr rasch; war sie auf 26° angelangt, so gingen die Thiere zu Grunde. Die Zählung der Athembewegungen stellte fest: Vereinigt man alle Zählungen der Athembewegung bis zum Tage vor dem Hun- gertode, so erhält man um Mittag 22 und um Mitternacht 24 Athemzüge in der Minute; während der hinreichenden Ernährung athmeten die Tauben am Mittag 36 mal und um Mitternacht 32 mal in der Minute. Das auffallende Ergebniss, dass bei der ver- hungernden Taube in der Nacht die Athemfolge rascher wurde, ist nach Chossat wahrscheinlich in einem Beobachtungsfehler begründet, der eingeführt wurde durch das Aufschrecken der Thiere aus dem leisen Schlafe, den sie während der Hunger- zeit geniessen. Am letzten Lebenstage sank das Minutenmittel der Athemzüge auf 19 herab. 2. Der proportionale Gesammtverlust, oder der Quotient aus der Gewichtsabnahme des Thieres während der ganzen Hungerzeit in das Körpergewicht vor Beginn der letzteren, ist ebenfalls sehr veränderlich gefunden worden, und insbesondere haben die Beobachtungen von Chos- sat aufgedeckt, dass junge magere Turteltauben (mittleres Anfangsge- wicht = 110 Gr.) im Mittel schon bei einem proportionalen Gesammt- verlust von 0,25 starben, während er bei älteren fetten (mittleres An- fangsgewicht = 189 Gr.) den Werth von 0,46 erreichen musste, bevor sie zu Grunde gingen. Diese Erscheinung findet ihre Erklärung darin, dass eine gleichwerthige Abzehrung verschiedener Organe des Thierkör- pers von ganz ungleichen Folgen für das Bestehen des Lebens sein muss, wie z. B. offenbar die Abmagerung der Herzmuskeln und des Hirns viel eingreifender wirkt, als die des Fettes, des Bindegewebes, des Skeletts und seiner Muskeln. Da aber die Thiere, welche einen gerin- geren proportionalen Gesammtverlust ertrugen, auch nach viel kürzerer Zeit (nach 3 Tagen) hinstarben, als die alten und fetten (nach 13 Ta- gen), so folgt auch aus den gemachten Mittheilungen, dass ein Reich- thum an Skelettmuskeln und Fett die wichtigeren Organe vor wesentli- chem Verlust zu schützen vermag, sei es, dass die umsetzenden Einflüsse nicht eher die letzteren Gebilde angreifen, bevor die ersteren bis zu einem gewissen Grade aufgezehrt sind, oder sei es, wie wahrscheinlicher, dass Proportionaler Gesammtverlust der Organe. die wichtigeren Organe und insbesondere das Hirn tägliche Verluste auf Kosten des Fettes und der Skelettmuskeln wieder ersetzen, so lange diese vorhanden. Zur Unterstützung der letzteren Alternative dient nament- lich die Beobachtung, dass das Hirn unter allen Organen durch den Hunger den geringsten proportionalen Verlust erlitten hat, obwohl dieses Organ, so lange es lebt, nothwendig auch umgesetzt werden muss, denn ohne dies würde weder sein arterielles Blut in kohlensäurehaltiges ve- nöses umgewandelt werden können, noch könnte das Organ fortwährend lebendige Kräfte entwickeln. Von einem nicht untergeordneten Interesse sind die Beobachtungen über den proportionalen Gesammtverlust, den die einzelnen Organe durch das Hungern erlei- den. Da begreiflich ihre Wägung nicht an einem und demselben Thiere vor Beginn des Hungerns und nach dem Hungertode geschehen kann, so hat man ihren Verlust auf einem Umwege ermitteln müssen. Zu diesem Ende hat Chossat die Organge- wichte des verhungerten Thieres mit denen eines entsprechenden normal ernährten verglichen, das von möglichst gleichem Alter und Gesammtgewicht war, wie das ver- hungerte Thier vor Beginn des Versuches. Die Zergliederung derselben wurde un- mittelbar nach dem Tode vorgenommen und die ausgeschnittenen Organe sogleich gewogen. Hierbei konnte jedoch ein Verlust durch Wasserverdunstung nicht ver- mieden werden, welcher sich bis zu 8 pCt. steigerte. Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden auch die getrockneten Organe mit einander verglichen. Das Mit- tel aus allen Wägungen lieferte nun die folgende Tafel, in welcher die Zahlen den Verlust bedeuten, welchen 100 Theile des betreffenden frischen oder wasserfreien Organes während der ganzen Hungerzeit erleiden. Auf demselben Wege hat Schuehardt für die feuchten Organe ganz ähnliche Zahlen erhalten. Schmidt stellte sich auf eine eigenthümliche, von der eben angegebenen ver- schiedene Weise dadurch ein Normalthier her, dass er an einer wohl ernährten Katze alle Organe frisch und getrocknet wog und dann das Verhältniss aller zum Knochen berechnete. Dieselbe Operation nahm er mit der verhungerten Katze vor, wobei er voraussetzte, dass der trockene Knochen während des Hungers nicht an Gewicht verloren habe; indem er die Verhältnisszahlen der gefütterten Katze zu Grunde legte, berechnete er dann, wie schwer jedes einzelne Organ der verhunger- ten Katze zur Zeit der hinreichenden Fütterung hätte sein müssen, und bestimmte mit Hilfe dieser hypothetischen Zahlen den Verlustantheil jedes einzelnen während des Verhungerns. Da wir die täglichen proportionalen Verluste der lebenden Ge- sammtkatze angegeben haben, für welche Schmidt die Organverluste berechnet hat, so lassen wir hier auch die von ihm gegebenen Zahlen der letzteren folgen, wobei wir uns jedoch auf die beschränken, welche mit den Beobachtungen von Chossat 28* Verhungern bei Theilhunger. vergleichbar sind. Sie beziehen sich sämmtlich auf die getrockneten Organe und ha- ben die Bedeutung derjenigen in der vorhergehenden Tafel. Mesenterium und Fettgewebe 91,3 Blut ............. 90,4 Milz ............. 70,2 Pankreas ........... 84,5 Leber ............. 64,7 Darmkanal .......... 27,8 Muskeln und Sehnen .. 65,0 Haut .......... 5,7 Lungen ......... 10,5 Gehirn und Rückenmark 32,9 Knochen ......... 0,0 Berücksichtigt man nun, dass unter den thierischen Gewebstheilen, welche vor- zugsweise zum Verluste kommen, Blut, Muskeln und Fettgewebe dem Gewichte nach überwiegen über alle anderen, so folgt daraus, dass das hungernde Thier auf Kosten seines Blutes, seines Fettes und Muskelgewebes lebt, wobei sich u. A. die auffal- lende Erscheinung einfindet, dass bei der Taube die zum Aufrechthalten des Rumpfes benutzten Muskeln, welche während der Hungerzeit öfter in Bewegung sind, weni- ger verlieren, als die ruhig gehaltenen Flugmuskeln; es haben sich also auch die Muskeln gegenseitig unterhalten. — Der grosse Verlust des Hirns und Rückenmar- kes beim Säugethiere, gegenüber dem verschwindenden beim Vogel, bedarf weiterer Bestätigung. Fütterung mit einer zu geringen Menge qualitativ ge- nügender Nahrung . Die Versuche von Chossat liessen sich, wie folgt, zusammenstellen. Aus dieser Tafel geht hervor, dass die Ausgaben mit den Einnah- men abnehmen, jedoch keineswegs in der Art, dass die Abnahme beider proportional ginge, da bei ungenügender Nahrung die Ausgaben das Gewicht der ersteren überwiegen. Daraus folgt, dass die Thiere auch in diesem Falle dem langsamen Hungertode entgegengehen, der sich ein- findet, so wie die Abmagerung der wichtigen Organe auf einen dem früher erwähnten ähnlichen Grad gediehen ist. Entziehung aller festen Nahrung . Reicht man den Thieren, während man ihnen alle feste Nahrung vorenthält, nach Belieben Was- ser, so verschmähen sie auch schon nach den ersten Tagen diese Speise. Wünscht man also die Erscheinungen des alleinigen Hungers an festen Stoffen zu erfahren, so ist es nothwendig, das Wasser in den Magen zu Entziehung der festen Nahrung. sprützen. Stellt man die Beobachtungen, welche Schmidt an zwei Katzen, von denen die eine wenig, die andere viel Wasser erhielt, zu- sammen, so ergiebt sich, dass 1 Kilogr. Katze im Mittel in 24 Stunden verliert: Diese Beobachtungsreihe lässt erkennen, dass mit der vermehrten Aufnahme des Wassers auch die Ausscheidung desselben, aber nicht im Verhältnisse der Aufnahme, zunimmt. Dieser Schluss dürfte keine An- fechtung dadurch erleiden, dass die durch Verdunstung verlorenen Was- sermengen nicht angegeben sind, indem mindestens die Annahme ge- rechtfertigt ist, dass die erstere Katze, welche weniger CO 2 ausathmete als die letztere, durch die Lungenverdunstung nicht mehr Wasser ver- loren habe als die erstere; der Wasserverlust durch die Haut dürfte aber bei behaarten Thieren überhaupt nicht hoch anzuschlagen sein. Genügt nun, wie in unserem ersten Falle, die eingeführte Wassermenge, um den grössten Theil des Wasserverlustes zu decken, so muss nothwendiger Weise bei fortschreitender Abnahme der festen Bestandtheile der pro- zentische Wassergehalt der Organe in einem Steigen begriffen sein, woraus mancherlei Störungen derselben erwachsen werden. In der That stellen sich diese in der oben zusammengestellten und in einer gleichartigen Beobachtungsreihe, welche Chossat an Tauben ausführte, ein. — Die mitgetheilte Zusammenstellung lässt ausserdem schliessen, dass der tägliche Verlust an festen Bestandtheilen geringer werde bei einer reichlichen Tränkung mit Wasser. Dieser Satz scheint aber nur von Geltung für die Säugethiere zu sein, da Chossat ihn wohl bei Kaninchen, nicht aber bei Tauben, die unter gleichen Verhältnissen ver- hungerten, bestätigt fand. Entziehung des Wassers . Zu denen des Durstes gesellen sich sehr bald die Folgen des Hungers, indem die Thiere die trockene Nah- rung immer mehr und mehr und endlich ganz verschmähen. Eine Anschauung des allgemeinsten Vorganges giebt folgender Versuch von Schuchardt , welcher aus einer grossen Reihe ausgewählt wurde. Die verdurstete Taube wog im Beginn des ersten Versuchstages 301,0 Gr. Ihre Nahrung bestand aus lufttrockener Gerste. Die proportionalen Ver- luste sind auf das Anfangsgewicht eines jeden Tages bezogen. Entziehung des Wassers. Die wässerigen Abscheidungen, insbesondere die des Harns, nehmen beträchtlich ab; sie betrugen an einem verdurstenden Hunde nach Falk und Scheffer in den ersten drei Hungertagen im Mittel täglich = 46,0 Gr., in den folgenden drei = 25,5 Gr., in den darauf folgen- den = 18,1 Gr. und in den letzten drei endlich = 6,6 Gr. — Die Angaben über die Verluste der einzelnen Organe schliessen sich an die bei Gesammthunger mitgetheilten an, mit Ausnahme des Fettes, welches beim Genuss trockener Nahrung nicht sehr beträchtlich schwindet. Die Gewichtsabnahme der Organe geschieht allerdings auch durch den Aus- tritt fester Bestandtheile; vorzugsweise entfernt sich aber das Wasser, so dass die Organe relativ trockener werden; vergleicht man die Rück- standsprozente derselben Organe zweier möglichst gleicher Thiere, von denen das eine nach normaler Ernährung, das andere durch Entziehung des Wassers getödtet war, so findet man, dass Haut, Sehnen, Muskeln, Darmkanal und Blut 4 bis 11 pCt. fester Bestandtheile mehr enthalten, während sich die Zusammensetzung des Hirns und der meisten Drüsen nicht verändert hat ( Scheffer ). Entziehung der Eiweissnahrung . Wir besitzen hierüber Angaben von Schuchardt , welcher die dem Versuche unterworfenen Tauben mit einem Gemenge von Amylon, Gummi, Zucker, Oel und den gewöhnlichen Blutsalzen in einem Verhältnisse fütterte, in dem sie von Norton Giessener Jahresbericht für 1847. 1095. (Hopetonhafer, 1. Columne). im englischen Hafer beobachtet wurden. Die Uebersicht über den täglichen Gewinn und Verlust giebt die folgende Tafel, welche nur eines der drei untersuchten und in ihren Erscheinungen wohl über- einstimmenden Thiere berücksichtigt. Die ganze Beobachtungszeit ist in vier gleiche Theile von je 5 Tagen gespalten und aus jedem derselben Entziehung der Eiweissnahrung. das Tagesmittel genommen. Bei Beginn des Versuches betrug das Kör- pergewicht 344 Gr. Frerichs Müller’s Archiv. 1848. p. 490. , welcher bei einem ähnlich gefütterten Hunde die Harn- stoffausscheidung mass, fand sie (im Verhältniss zum Körpergewicht) beträchtlich geringer als bei anderen normal ernährten, aber nicht we- sentlich niedriger als bei hungernden Hunden. Der proportionale Gesammtverlust, den die von Schuchardt beob- achteten Tauben bis zum Tode erlitten, war viel geringer, als bei allen denen, welche unter den aufgezählten Umständen verhungert waren; die- ses findet seinen Grund in dem Umstande, dass der proportionale Ge- sammtverlust der einzelnen Organe sich ebenfalls verschieden heraus- stellte. Blut ..... 0,514 Brustmuskeln 0,453 Fett ..... 0,393 Herz Haut Leber .. 0,377 Darmkanal 0,287 Knochen . 0,204 Hirn ... 0,138 Lungen .. 0,010 Augen .. 0,009 Es wird nicht entgehen, wie sehr das Fett und die Drüsen ge- schont sind, im Vergleiche zu anderen verhungerten Thieren. Die Ver- luste an Muskelsubstanz sind dagegen nicht niedriger geworden. Nahrung aus Fett und Wasser. Bischoff Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. 1853. p. 35. verglich an demselben Hunde die Ausgabe, während er das eine mal nur mit Was- ser, das andere mal mit Fett und Wasser gefüttert wurde. Für 1 Kilogr. Hund in 24 Stunden: Zu dieser Beobachtung gehört die Bemerkung, dass derselbe Hund, welchem bei verschiedenem Körpergewichte die festen Speisen entzogen und nur Wasser gegeben wurde, nicht immer dieselbe proportionale Harnstoffmenge aussonderte; bei einem mittleren Körpergewichte von 24 Kilo lieferte ein Kilogr. 0,56 Gr. Harnstoff, und bei 33 Kilo mittlerem Körpergewichte gab 1 Kilogr. 0,62 Gr. Harnstoff aus. Als er Nahrung aus Fett und Wasser; aus Wasser und Zucker. aber nach der oben erwähnten Nahrung mit Fett und Wasser noch vier Tage hin- durch nur mit Wasser gespeist wurde, sonderte 1 Kilogr. des Thieres nur noch 0,28 Gr., also weniger aus, wie zu den Zeiten der Fettnahrung. Bischoff sieht diese Erscheinung als eine Nachwirkung der Fettfütterung an und findet seine Mei- nung bestätigt durch den sichtbaren Fettgehalt des Kothes, welcher während der letz- teren Zeit entleert wurde. Zudem war in allen Beobachtungsreihen die Harnstoff- ausscheidung von Tag zu Tag sehr veränderlich, was zum Theil wenigstens begrün- det war in der unregelmässigen Entleerung der Blase. An einzelnen Tagen, ja ein- mal sogar während 48 Stunden, liess das Thier gar keinen Harn. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass bei der Fettfütterung das reichlicher aufgenommene Wasser und Fett den täglichen Gesammt- verlust quantitativ nahezu deckten, so dass nur eine geringe Abnahme im Gesammtgewicht des Thieres eintrat. Sie verminderte zugleich den Umsatz der stickstoffhaltigen Körperbestandtheile beträchtlich. In ge- wisser Weise ergänzend schliesst sich an diese eine Beobachtungsreihe von Letellier bei Turteltauben an, welche mit Butter und Wasser bis zum Tode gefüttert wurden. In Mittelzahlen aus allen Versuchen stellen sich seine Resultate folgendermaassen zusammen: Aus dieser Zahlenreihe ist ersichtlich, dass die Kohlensäureausschei- dung zwar beträchtlich herabgedrückt ist, aber doch nicht bis zu dem Maasse, das ihr bei vollem Hungern zukommt. Die unvollkommene Nah- rung vermochte auffallend lange Zeit das Leben zu erhalten; diese Er- scheinung scheint in Beziehung zu stehen mit dem langsamen Umsatze der eiweisshaltigen (harnstoffliefernden) Atome bei Fettnahrung. Reg- nault und Reiset beobachteten, dass eine mit Fett und Wasser ge- fütterte Ente N aus der Atmosphäre absorbirte. Wasser und Zucker . Eine sehr reichliche und ausschliessliche Fütterung mit Zucker wirkt wegen des eintretenden Durchfalls rasch tödt- lich ( Chossat, Letellier ). Bei einer mässigen Gabe des Zuckers gestalten sich die Erscheinungen nach Letellier an Tauben folgender- maassen: In mehreren der 5 Beobachtungen, aus welchen diese Mittelzahlen gezogen sind, war der Verlust durch die Faeces noch sehr bedeutend. — Die Ausscheidung der CO 2 bleibt hier immer noch sehr beträchtlich. Bei Nahrung aus Eiweiss oder Leim, und aus Eiweiss, Zucker, Wasser. dieser Fütterungsart wird, wie bei der vorhergehenden, die Umsetzung des Eiweisses gehemmt, wie die Beobachtungsreihe lehrt, die Leh- mann an sich selbst anstellte; er fand, wie schon früher angegeben, die täglich ausgeschiedene Harnstoffmenge sehr vermindert. Die Fütterung mit Zucker schützt ebenso wie die mit Fetten das im Thierleibe ent- haltene Fettgewebe vor der Umsetzung, indem die Menge der letzteren in den Thieren, welche bei Fett und Zucker verhungert waren, beträcht- lich höher geblieben ist, als bei Thieren, die am Gesammthunger starben. Letellier bestimmte den Fettgehalt in der Haut und im Netze durch Aus- kochen, in dem gekochten Rückstande und in dem übrigen Thiere aber dadurch, dass er dasselbe trocknete, pulverte und mit Aether auszog. Eiweissartige Körper oder Leim und Wasser . Die aus- schliessliche Fütterung mit eiweissähnlichen Stoffen hat bis dahin nur Boussingault bei Enten in Anwendung gebracht; von seinen Bestim- mungen an diesen Thieren haben für uns nur Werth die der ausgeschie- denen Harnsäure. Eine hungernde Ente lieferte stündlich 0,01 Gr. Harn- säure in die Faeces; eine mit reinem Leim und reinem Käse oder gewa- sehenem und gepresstem Ochsenfleische gefütterte 0,44 bis 0,50 Gr. Der grössere Gehalt der Faeces an Harnsäure war schon wenige Stunden nach der Fütterung mit den erwähnten Stoffen eingetreten. Eiweiss, Zucker, Wasser. Letellier führte eine Versuchs- reihe an Turteltauben aus, sie ergiebt in ihren Mittelzahlen: Die Faeces waren sehr reich an Harnsäure. Eiweiss, Blutsalze, Wasser . An die eben gegebenen schlies- sen sich eng an Versuche mit Tauben, welche Schuchardt mit Hüh- nereiweiss und einem Salzzusatz fütterte in dem Verhältnisse, in welchem Salz und Eiweissstoffe im Hafer vorhanden sind. Die Lebenszeit, welche eine dieser Tauben, die wir als Beispiel auswählen, bei der unvollkom- menen Fütterung erreichte, ist in drei gleiche Theile getheilt; die Mittel- zahlen der Einnahmen und Ausgaben aus jeder derselben sind in der fol- genden Tafel eingetragen. Das Anfangsgewicht des Thieres betrug 367,0 Gr. Nahrung aus Eiweiss, Blutsalzen, Wasser. Nach der Sektion stellte sich der proportionale Verlust der wichtig- sten Eingeweide folgendermaassen heraus: Fett = 0,821 Blut = 0,787 Brustmuskeln = 0,507 Haut = 0,418 Herz = 0,424 Leber = 0,413 Lungen = 0,042 Knochen = 0,038 Hirn = + 0,074 Das Hirn hatte also mindestens keinen Gewichtsverlust erlitten. Ver- suche mit vollkommenem Ausschluss der salzigen Nahrungsmittel sind bis dahin noch nicht angestellt worden. Genügende Nahrung . Die Zusammenstellung des Ein- und Ausganges der Stoffe zum thie- rischen Organismus geschah früher nur nach dem Gewichte derselben, eine erste Näherung des zu lösenden Problems, die heute kein Interesse mehr ge- währt. Man muss, will man einmal die Aufgabe in Angriff nehmen, gegen- überstellen die Gewichte aller oder einzelner ein- und ausgetretener Ele- mente. Aus den bekannten Beobachtungen haben wir folgende ausgewählt. Mensch . Die nachstehende Beobachtung ist von Barral ( 47,5 Kilo schwer) an sich selbst angestellt. I. Beobachtungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur — 0,54°C. Barometer 756,11 MM. Der C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxydirt für 47,5 K. CO 2 = 1230,9 Gr. und HO = 1287 Gr.; für 1 K. CO 2 = 25,91 Gr., HO = 27,08 Gr. II. Beobachtungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur + 20,18°C. Barometer 754,40 MM. Der C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxydirt Genügende Nahrung. für 47,5 K. CO 2 = 888,4 Gr. und HO = 1158,0 Gr.; für 1 Kilo CO 2 = 18,70 Gr. und HO = 24,37 Gr. Um diese Tabelle entwerfen zu können, hat Barral geradezu bestimmt die Menge und Zusammensetzung seiner Nahrung (Fleisch, Gemüse, Kartoffeln, Brod, Zuckerwerk, Butter, Senf; Wasser, Fleischbrühe, Milch, Kaffee, Wein), seines Harnes und Kothes. Da bei der eingehaltenen Lebensweise das mittlere tägliche Gewicht des Gesammt- körpers sich unverändert erhielt, so ist annäherungsweise die Annahme erlaubt, dass die täglich ein- und ausgehenden Atome wie an Zahl so auch an Art einander gleich waren, so dass sich die Zusammensetzung des Organismus unverändert erhielt. Unter dieser Voraussetzung kann man aus den direkt erhaltenen Bestimmungen mittelst ein- facher Subtraktion der sensibeln Ausleerungen von den Speisen ableiten, welche Menge der mit der Nahrung eingeführten H, C, N, O ihren Weg durch Haut und Lunge nehmen musste. Wir wollen den erhaltenen Unterschied den Verdunstungs- rest nennen. Da nun ferner erlaubt ist, anzunehmen, dass der C, H und O aus der Haut und Lunge nur als Wasser und Kohlensäure austreten, so lässt sich auch be- rechnen, wie viel O noch zu dem Verdunstungsrest geführt werden muss, um seinen H und C zu oxydiren. Dieser Sauerstoff muss aber in freiem Zustande zum grössten Theile durch die Lungen aufgenommen sein. Obwohl man unmöglich verkennen kann, wie viel Gewagtes diese Annahmen enthalten, so ist doch einzusehen, dass sich das Resultat nicht allzuweit entfernen kann von der Wahrheit, vorausgesetzt, dass Speise und Ausleerungen genau analysirt und die Beobachtungen über mehre Tage fortge- setzt werden. Katze . Die folgenden Versuche sind von Bidder und Schmidt angestellt. I. Mittleres Gewicht des Thieres 3,228 K. Beobachtungszeit 9 Tage. Der C und H des Verdunstungsrestes oxydirt giebt für 3,228 K. CO 2 = 65,60 Gr. und HO = 49,59 Gr.; für 1 K. aber CO 2 = 20,322 Gr. und HO = 15,368 Gr. Genügende Nahrung. II. Dieselbe Katze unmittelbar nachher dem Versuch unterworfen. Mittleres Gewicht 3,228 K. Beobachtungszeit 51 Stunden. Dem Gewichte nach vertheilen sich die Ueberschüsse der Einnahme über die ganze Nieren-, Darm- und die beobachteten Antheile der Lungen- ausscheidung in der Art, dass 17,15 Gr. auf die Verdunstung und 31,39 Gr. auf die Zunahme des Körpergewichts fallen. III. Eine andere Katze von 2,177 Kilogr. gab (Beobachtungszeit 8 Tage): Dem Gewichte nach vertheilt sich der Einnahmeüberschuss über die Ausgaben durch Niere, Darm und den beobachteten Antheil der Lungenausscheidung so, dass auf die Verdunstung 9,36 Gr., auf die Zu- nahme des Körpergewichts 18,35 Gr. fielen. Hund . Aus den Beobachtungen, welche Bischoff an zwei Hunden vorzugsweise mit Rücksicht auf die Harnstoffausscheidung anstellte, heben wir folgende hervor. Der N der Ausgabe bezieht sich immer auf den, welcher im entleerten Harnstoffe enthalten ist. Steht das Körpergewicht unter der Einnahme, so bedeutet dieses eine Verminderung, steht es unter der Ausgabe, so bedeutet dieses eine Vermehrung desselben. Genügende Mahrung. I. Hund mit einem mittleren Gewicht von 31,297 Kilo. Beobachtungszeit 8 Tage. An demselben Hunde, als er im Mittel 30,107 Kilo wog, gab die Vergleichung des mit den Kartoffeln ein- und dem Harnstoff ausgeschie- denen Stickstoffquantums Folgendes: II. Beobachtungszeit 7 Tage. III. Derselbe Hund mit einem mittleren Gewichte von 35,16 Kilo. Beobachtungs- zeit 15 Tage. Die folgenden Tafeln beziehen sich auf einen zweiten Hund. IV. Körpergewicht 12,5 Kilo. Beobachtungszeit 14 Tage. V. Körpergewicht im Mittel 16,44 Kilo. Beobachtungszeit 6 Tage. VI. Körpergewicht 17,82 Kilo. Beobachtungszeit 8 Tage. Genügende Nahrung. VII. Mittleres Körpergewicht 17,75 Kilo. Beobachtungszeit 15 Tage. VIII. Mittleres Körpergewicht 13,5 Kilo. Beobachtungszeit 14 Tage. Vom 6 . bis 9 . Tag erhielt das Thier, weil es durch das reichlich ge- nossene Fett zum Erbrechen gebracht wurde, nur Fleisch. Turteltaube . Folgende Zusammenstellung giebt Boussingault : I. Mittleres Körpergewicht 186,08 Gr. Beobachtungszeit 7 Tage. Der H des Verdunstungsrestes entspricht 35,64 Gr. HO; addirt man dieses zur Einnahme und zieht von der Summe das Wasser des Harnes und Kothes ab, so gewinnt man die Zahl, welche in die Reihe Ver- dunstung eingetragen ist. — Der ausgeathmete C ist an derselben Taube auch noch auf direktem Wege geprüft und ganz nahe übereinstimmend mit dem auf indirektem Wege erhaltenen gefunden worden. II. Eine Turteltaube von 175,6 Gr. Körpergewicht gab durch die Verdunstung 20,32 Gr. C auf die mittlere Tagesstunde; dieses Thier liess Boussingault 216 Stunden hungern, wobei sein Gewicht auf 112,5 Gr. sank. Als darauf wieder die gewöhnliche Portion Hirse gereicht wurde, nahm das Körpergewicht und der ausgehauchte C folgendermaassen zu. — Die Zeit ist von der ersten Stunde des Fressens an gerechnet. Regeln über das Verhältniss von Einnabme und Ausgabe. Die bis dahin zusammengestellten Thatsachen führen zu einigen all- gemeinen Sätzen, welche sich beziehen auf die Gesammtausgabe, den Verlust an bestimmten Atomen und deren Verbindungen, auf das Verhält- niss der Ausgaben durch die einzelnen Ausscheidungswerkzeuge, auf die Beziehungen zwischen der Aufnahme von Sauerstoff und festen Speisen und endlich auf den Verbrauch und Ansatz von Organbestandtheilen. Der Gesammtverlust . 1. Mit dem Gewichte der qualitativ gleichen Nahrung steigt auch dasjenige der Endausgaben, diese Regel gilt durchgreifend; beim Hungern wird immer weniger ausgegeben als bei beschränkter Fütterung und bei dieser weniger als bei reichlicher Speise- zufuhr. Dieses ist aber nicht so zu verstehen, dass sich unter allen Umständen sogleich ein Gleichgewicht herstellt zwischen den Einnah- men und Ausgaben. Steigert sich jenseits gewisser Grenzen das Gewicht der täglichen Nahrung, so mehren sich zwar die Ausgaben, zugleich aber wächst auch das Gewicht des Körpers; diese Zunahme des Körpergewichts schreitet aber nur bis zu einem gewissen Grade fort, und mit diesem wächst zugleich die Summe der Ausgaben, so dass alsbald wieder ein Punkt erreicht wird, in welchem die Masse des Körpers constant bleibt, mit anderen Worten, in welchem Ausgaben und Einnahmen gleich gross ge- worden sind. Sinkt umgekehrt die Menge der Nahrung ab, so vermin- dert sich die Ausgabe und das Körpergewicht, so jedoch, dass ursprünglich die ersteren noch über die Einnahmen überwiegen, bis schliesslich abermals das Körpergewicht stabil und Einnahme und Ausgabe gleich gross wird. Einer bestimmten Menge von Speisen entspricht also ein bestimmtes Körpergewicht. Weil aber die Gewichte der Ausgaben rascher steigen als die des Gesammtkörpers, oder anders ausgedrückt, weil die Gewichtseinheit des reichlicher gefütterten Thieres mehr Gesammtausga- ben macht, als die des spärlich ernährten (siehe Katze I. und II. und Hund IV. und VI. ), so folgt daraus, dass die gesteigerte Umsetzung nicht allein abzuleiten ist von der Ausbreitung der zersetzenden Herde, son- dern von einer grösseren Lebhaftigkeit der Umsetzung in jedem der letz- teren. Dieses ist selbstverständlich, wenn die Gewichtseinheit des gemä- steten Thieres eine andere chemische Zusammensetzung besitzt, als die des abgemagerten. 2. Gleiche Gewichte ungleich beschaffener Nahrung erzeugen un- gleiche Ausgaben. Nach reiner Fleischkost erfolgen die Ausscheidungen reichlicher, als nach Fleisch und Fett, oder Fleisch und Amylon. Darum leitet ein geringeres Gewicht gemischter Nahrung die Mästung eher ein, als ein grösseres reiner Fleischkost. 3. Die Art und Individualität des Thieres übt einen wesentlichen Ein- fluss auf die Lebhaftigkeit der Ausscheidungen. So bedarf die Gewichts- einheit Taube, um sich auf constantem Körpergewichte zu erhalten, viel mehr Futter, als die Gewichtseinheit Hund, Katze, Mensch. Wie sich die Regeln für das Verhältniss von Einnahme und Ausgabe. Verhältnisse bei den drei letzteren Warmblütern verhalten, geht aus den vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor, da die Fütterungsart sehr abweichend war. Die Vergleichung der Erfolge annähernd gleicher Fütterung bei den Katzen I. und III. ergiebt, dass sich die vom geringen Körpergewicht trotz etwas reichlicherer Nahrung doch weniger mästet, als die schwerere. Diese Beobachtung erhält um so mehr Werth, als sie in Uebereinstimmung ist mit den von Erlach bei Respirationsver- suchen gewonnenen Erfahrungen (p. 359 ). Betheiligung der einzelnen Atome oder Atomgruppen an dem gesammten Verluste . 1. Im Allgemeinen kann es als gil- tig angenommen werden, dass eine Atomgruppe, oder die aus ihrer Zer- setzung hervorgehenden Verbindungen, in dem Maasse aus dem Leibe wieder ausgeschieden werden, in welchem sie in der Nahrung enthalten waren. Daraus folgt, dass die qualitative Zusammensetzung des Orga- nismus unabhängig von derjenigen der Nahrung bestehen bleibt; jedoch unter der Beschränkung, dass einem bestimmten Verhältnisse, in wel- chem ein jedes Atom in der Nahrung erscheint, auch ein bestimmter Sättigungsgrad des thierischen Körpers mit diesem Atome entspricht. Wenn sich demnach in der Nahrung die Menge einer Verbindung für einige Zeit bleibend ändert, so werden nicht unmittelbar darauf, dieser Aenderung genau entsprechend, die Umsetzungsprodukte jenes Nahrungs- mittels in den Ausscheidungen vermehrt oder vermindert werden, son- dern es lagert sich, wenn die Aufnahme steigt, zuerst in den Körper ein Theil der Verbindung ab, und umgekehrt, es schwindet ein Theil des abgelagerten Stoffes, wenn sich die Gewichtsmenge desselben in der Nahrung minderte. Die Erläuterung dieser eben so wichtigen als eigenthümlichen Erscheinung bietet vorzugsweise nur dann Schwierigkeiten, wenn das im Ueberschuss aufgenommene Atom nicht wieder einfach abgeschieden werden kann in der Verbindung, in welcher es sich gerade findet, wie z. B. Salze und Wasser, sondern vorher zerlegt und oxy- dirt werden muss. Das erste Problem, was sich unter Voraussetzung der Nothwen- digkeit einer vorgängigen Spaltung entgegenstellt, läuft darauf hinaus, zu entschei- den, ob die Spaltung innerhalb des Gefässsystems oder ausserhalb desselben, in den Organen, resp. deren Flüssigkeiten, geschehe. Die Erfahrung entscheidet, wenn nicht durchaus, doch wenigstens theilweise für die letztere Alternative, da in der Leber, den Muskeln u. s. w. die Zerlegung des Eiweisses, der Fette u. s. w. vor sich ging; nachweislich wurde auch bei einer Vermehrung des Fleisch- oder Zuckerge- haltes der Nahrung ein wesentliches intermediär zersetzendes Organ, die Leber, zu reichlicherer Zuckerbildung veranlasst. Nach der Feststellung dieses verlangt man zu- nächst zu wissen, warum ein lebhafterer Strom dieses oder jenes Stoffes in das Blut auch eine Beschleunigung seines Austrittes aus demselben herbeiführt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass dieses in Folge mehrerer, schon öfter erwähnter Einrichtungen ge- schehe, die wir im Ganzen als das Streben zum Gleichgewichte der Diffusion und me- chanischen Spannung zwischen Blut und Gewebsflüssigkeiten bezeichnet haben. Ge- setzt, es sei damit die beschleunigte Absonderung in die Zersetzungsherde klar ge- worden, so würde angegeben sein, warum mit der vermehrten Dichtigkeitder Lösungen Ungleich rasche Umsetzung der Nahrungsstoffe. zersetzungsfähiger Stoffe, die Zersetzung in den Organen auch wirklich mächtiger werde. Hierauf dürfte schwerlich eine allgemein giltige und, was schlimmer, in den meisten Fällen gar keine Antwort erfolgen. Man könnte daran denken, dass in den Muskeln und Nerven die elektrischen Ströme und damit die Elektrolyse mächtiger würden, wenn diese Organe mit Eiweissstoffen, Fetten, Zuckerarten gespeist wür- den, und dass die Atome der Zerlegung am meisten anheimfielen, welche am reich- lichsten vorhanden waren; oder aber die gesteigerte Wärme des Blutes begünstige die zersetzenden Kräfte der Milz, des Pankreas u. s. w. im Allgemeinen, so dass nun je nach dem Gehalte des Körpers an einem oder dem anderen Stoffe bald die vor- zugsweise eiweisszersetzenden Werkstätten (Milz, Pankreas, Thyreoidea?) oder bald die vorzugsweise fettzersetzenden (Fettzellen, Blutkörperchen?) in gesteigerte Thätig- keit kämen. Die Umwandelung der primären Spaltungsprodukte in den Sauerstoffver- bindungen der Auswürflinge endlich lässt sich leicht begreifen. Denn nach den in der Respirationslehre entwickelten Grundsätzen mehrt sich, entsprechend dem Sauerstoff- verbrauche des Blutes, auch die Menge des durch die Lungen aufgenommenen Sauer- stoffes. Wenn also die in das Blut und die Gewebe aufgenommenen Nahrungsmittel in leicht oxydable Stoffe umgewandelt werden, so muss sich demnach auch der durch die Lunge eingeführte Sauerstoff anpassen dem genossenen Gewichte von organischer Nahrung. 2. Wenn die Nahrung gleichzeitig aus verschiedenen Atomgruppen besteht, so kommt innerhalb des Organismus die eine früher als die andere zur Zersetzung. Aus den Beobachtungen an Katzen mit über- reichlicher Fütterung eines fetthaltigen Fleisches ( II. III. ) scheint zu folgen, dass erst das Fleisch und dann das Fett zerlegt werde, eine An- gabe, die durch die entsprechenden Versuche an Hunden ( VI. und VII. ) eher unterstützt als widerlegt wird. Die aus dem Amylon und Zucker hervorgehenden Atome scheinen dagegen eher zerlegt zu werden, als die eiweissartigen, so dass diese letzteren so lange vor einer Zerfällung be- wahrt werden, als die ersteren noch in reichlichen Mengen vorhanden sind. Um dieses zu erläutern, könnte man unterstellen, dass im thierischen Körper immer nur eine beschränkte Gewichtsmenge spaltender Stoffe vorhanden wäre, welche mit ungleichen Verwandtschaften zu den organischen Atomgruppen begabt und die nur auf die Atomkomplexe, mit denen sie in Verbindung wäre, ihre Wirk- samkeit entfalten könnte. Um an einem Beispiele diese Hypothese klar zu machen, erinnern wir daran, dass unter der Mithilfe des NaO die Zersetzung des Eiweisses und der organischen Säuren vor sich geht, und dass die Menge, welche von dieser Basis im thierischen Körper enthalten ist, eine beschränkte genannt werden kann. Wäre also dieselbe gebunden an die Umsetzungsprodukte des Zuckers (Milchsäure oder Buttersäure), so würde sie begreiflich nicht zugleich das Eiweiss zu spalten im Stande sein. Unzweifelhaft ist es nicht schwer, die Zahl solcher hypothetischer Er- klärungsgründe zu mehren. 3. Hier ist auch zu erwähnen die wiederholt behandelte Streitfrage, ob die bei gesteigerter Nahrungsaufnahme reichlicher erscheinenden Ab- sonderungsprodukte, und ob insbesondere der nach reichlichem Fleisch- genusse massenhaft erscheinende Harnstoff aus der umgesetzten Nah- rung oder aus den zerklüfteten Organen herrühre. — Die Frage ist in verschiedenem Sinne aufgefasst worden. Joh. Müller wünschte ent- schieden zu sehen, ob der Harnstoff ein Abfall der Speisen oder ein Umwandelungsprodukt der eiweisshaltigen Bestandtheile des Thierleibes Ludwig, Physiologie. II. 29 Woher der Harnstoff? sei. Dieses ist längst so geschehen, wie es der berühmte Fragsteller voraus sah; der Harnstoff ist ein Umsetzungsprodukt der thierischen Eiweissatome, gebildet unter dem Einflusse der chemischen Spaltungs- mittel des thierischen Organismus. — Ganz anders fassen Liebig, Frerichs, Bischoff u. A. den Knotenpunkt; sie wünschen zur Ent- scheidung zu bringen, ob die aus den Speisen aufgenommenen Atome unmittelbar nach ihrem Eintritte in das Blut (oder in das Getriebe des Stoffwechsels überhaupt) auch wieder zerlegt werden; oder ob es vor ihrer Zersetzung nothwendig ist, dass sie erst aus dem Blute in die Organe eingetreten sind und als Theile derselben im Interesse des thierischen Körpers funktionirt haben. Die Bedeutung dieser Contro- verse scheint zum Theil darin zu liegen, dass man dem Blute die Fähig- keit abspricht, die Umsetzung des Eiweisses in Harnstoff herbeizufüh- ren, zum Theil aber auch darin, dass man es ungereimt findet, wenn die neu ankommenden Atome sogleich wieder zerfällt werden sollen, wäh- rend die alten, längst vorhandenen, sich unverändert erhielten. — Die chemische Betrachtung kann zunächst nichts zur Beurtheilung jener Al- ternative beitragen, da uns nur bekannt ist, dass in dem Blute sowohl wie in den Geweben die Zersetzung der Eiweisskörper vor sich geht, nicht aber wie weit und in welchem Gange sie geschehe, und nament- lich nicht, ob sie bis zur Harnstoffbildung führe. — Ebensowenig rei- chen die physiologischen Gründe aus. Allerdings ist es auffallend, dass schon wenige Stunden nach dem Genusse der Nahrung die Abscheidung der CO 2 und des Harnstoffes, und zwar in einem dem Gewichte der Nahrung entsprechenden Maasse, steigt, und es weckt diese Erscheinung sogleich die Vermuthung, dass die eingezogenen Speisen auch sogleich wieder ausgetrieben würden, aber bindend ist diese Anschauung durch- aus nicht, denn der Eintritt des neuen Baumaterials kann auch das Signal gegeben haben zur Zerstörung des alten. Anderseits kann es beim gegenwärtigen Stande der Dinge dem physiologischen Takte einzig und allein darauf ankommen, dass, wie es jedenfalls geschieht, die aus der Umsetzung hervorgehende Wärme, Nerven- und Muskelerregbarkeit u. s. w. dem thierischen Körper zu Gute kommt, gleichgiltig ob zur Zer- setzung alte oder neue Säfte benutzt sind, oder ob die Zersetzung in der Gewebsflüssigkeit allein oder zugleich in dieser letzteren und in dem Blute (Blutkörperchen) vor sich gehe. Vertheilung der Ausgaben auf die verschiedenen Aus- sonderungswerkzeuge . 1. Zuerst würde hier überhaupt anzuge- ben sein, warum sich die Umsetzung und Ausscheidung in ähnlicher Weise zu einander verhalten, wie Einnahme und Umsetzung. Dieses gegenseitige Anpassen bedarf einer besonderen Erläuterung, da die Organe, welche vorzugsweise die Umsetzung der Thierstoffe bedingen, von durchaus anderen Bedingungen regiert werden, als Haut, Lunge, Vertheilung der Ausgaben auf die Ausscheidungswege. Nieren und Darmkanal. — Der Mechanismus, welcher diesen Zusammen- hang vermittelt, ist für Lungen, Haut und Darm genügend klar. Eine vermehrte Umsetzung, welche zu einer reichlichen Bildung von CO 2 führt, erhöht die Temperatur und die Nervenerregbarkeit; eine Anhäufung von CO 2 erregt aber die brustbewegenden Nervenmassen; damit beschleu- nigt sich die Athmung und die Aushauchung der CO 2 , und nicht minder vermehrt die erhöhte Wärme die Bildung des Wasserdunstes. Aus dem Mastdarme müssen desgleichen ceteris paribus mit den Speisen auch die Aus- scheidungen wachsen. — Unklar ist dagegen die Beziehung zwischen der ab- sondernden Thätigkeit der Niere und der Anhäufung von Salzen, Harnstoff, Wasser u. s. w. im Blute, da, wie wir früher sahen, diese Stoffe im Blute reichlich vorhanden sein können, ohne dass sich ihre Ausscheidung mehrt. 2. Wenn man übersehen will, welchen Gewichtstheil des Gesammt- verlustes jedes einzelne Ausscheidungswerkzeug ausführt, so wird es am gerathensten sein, sich die Aufgabe dahin zu stellen, dass man die An- theile des Gesammtverlustes an Wasser, C, N, H, O und Salzen angiebt, die durch Lunge und Haut, Niere und Darmkanal ausgeschieden werden. a. Wasser . Der Verlust, welchen der thierische Körper in der Form von Wasser erleidet, überwiegt den durch alle übrigen Excrete zusammengenommen. Seine Vertheilung auf Haut und Lunge, Niere und Darm kann sich sehr mannigfaltig gestalten. Annähernd am constante- sten ist, wie schon früher gesagt wurde, die Wasserausgabe der Lunge und gewöhnlich am niedrigsten die durch den Darmkanal, so dass sie nur in den seltensten Fällen überhaupt von erheblicher Bedeutung wird. Ungemein variabel ist dagegen die Wasserausscheidung durch Niere und Haut, in der Art, dass diese beiden Organe vorzugsweise als die Regulatoren des thierischen Wassergehaltes angesehen werden kön- nen. In der That, nimmt der Wassergehalt des thierischen Körpers be- deutend zu, so geben Schweissdrüsen und Nieren gleichzeitig reichlich Wasser aus (Wasserkuren), während, wenn der Körper relativ trocken wird, beide Organe in ihrer Thätigkeit zurücktreten; mehrt sich bei mittlerem Wassergehalte des Organismus der Wasserverlust durch die Haut, weil die Atmosphäre trocken und die Haut warm ist, so ver- mindern die Nieren ihre abscheidenden Leistungen und umgekehrt, wird die Verdunstung auf der Haut beeinträchtigt, so steigt der Verlust aus den Nieren. Nimmt endlich der Wasserverlust aus den Nieren zu, weil grössere Mengen wasserbindender Atome (Salze und Harnstoff) durch diese fortgehen, so stellen die Schweissdrüsen ihre Absonderung ein und die Capillaren der Cutis verlieren an Ausdehnung. Beispiels halber stellen wir den Wasserverlust zusammen, den nach Barral 1 K. Mann in 24 Stunden erleidet (Mensch I. und II.). Hierbei ist das aus der Lunge entleerte Wasserquantum folgendermaassen berechnet worden: Man nahm an, es sei in der Ausathmungsluft 4 pCt. CO 2 enthalten gewesen, hierdurch gewinnt man das Volum der ersteren unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie auf 37° C. 29* Vertheilung der Verluste auf die Atome, HO; C; H. erwärmt gewesen sei; dann nimmt man ferner an, dass die ausgeathmete Luft voll- kommen mit Wasser gesättigt gewesen sei, die Einathmungsluft aber, deren Tempe- ratur auf 16° C. gesetzt wurde, nur 60 pCt. des bei dieser Temperatur fassbaren Wasserdunstes enthalten habe. Wir erinnern daran, dass die Beobachtung I. in den Winter, II. in den Sommer fällt. Es braucht kaum noch einmal hervorgehoben zu werden, dass diese Berech- nung auf einem zum Theil sehr angreifbaren Boden ruht; es ist ihr nur darum ein Platz gestattet worden, weil sie im Allgemeinen, den theoretischen Forderungen sich fügend, ein Bild von der Vertheilung des Wasserverlustes im Winter und Sommer giebt. b. Das Gewicht des täglich durch den Körper wandernden Koh- lenstoffes ist immerhin noch bedeutend, wenn auch viel geringer, als die der entsprechenden Wassermengen. Der von einem und demselben Menschen täglich verzehrte Kohlenstoff ist aber zugleich auch viel weniger veränderlich, als das Wasser. Nach von Playfair Pharmazeut. Centralblatt. 1854. p. 417. wechselt je nach der Muskelanstrengung und dem Alter der erwachsenen Individuen die täglich eingenommene Kohlenstoffmenge zwischen 220,3 Gr. (alte unthä- tige Arme) bis zu 387,3 Gr. (Gefangene in Bombay mit schwerer Ar- beit). Der Unterschied der Klimate macht sich nach Playfair’s Zu- sammenstellungen weniger geltend, als man gemeinhin behauptet, da der ostindische und der englische Tagelöhner oder Soldat unter gleichen Be- dingungen sehr annähernd gleich viel C einnehmen. Auffallend, und in einer solchen Weise, dass man zweifelsüchtig werden könnte, sind die Angaben von Esquimaux, Jakuten, Buschmännern und Hottentotten. Ein Erwachsener der ersteren von diesen wilden Völkerschaften soll täglich 4996,6 Gr. C (etwa 10 Pfd.) und von der letzteren 2682,6 Gr. C (etwa 5,25 Pfd.) täglich verzehren. — Von dem täglich in den Körper ein- gekehrten Kohlenstoffe tritt bei weitem der grösste Theil durch die Lun- gen aus, durch die Nieren geht nach den übereinstimmenden Beobach- tungen von Barral (am Menschen) und Schmidt (an Katzen) etwa der 10. Theil des aus den Lungen hervortretenden fort. In einem ähnlichen Verhältnisse steht die Kohlenstoffausscheidung des Darmkana- les zu derjenigen der Lunge. c. Die Gewichtsmengen nicht schon oxydirten Wasserstoffes , welche täglich genossen werden, sind immer sehr gering. So weit die vorliegenden Untersuchungen reichen, wird er zum grössten Theil in Wasser umgewandelt, und es lässt sich dann nicht mehr entscheiden, auf welchem Wege er den Organismus verlässt. Der im Stoffwechsel nicht oxydirte Wasserstoff geht allein durch den Darm und die Nieren davon, vorausgesetzt, dass man die Spuren dieses Elementes vernach- lässigt, welche in den flüchtigen Säuren durch die Verdunstung austreten. Vertheilung der Verluste auf die Atome, N; O; Minerale. d. Mit der Nahrung geniessen wir unter allen Umständen nur wenig Stickstoff , aber relativ ist die Menge desselben sehr wechselnd. Inner- halb des Körpers werden die stickstoffhaltigen Produkte entweder so zerlegt, dass der N gänzlich frei wird, oder so, dass er noch in Ver- bindung mit einigen oder allen organischen bleibt. Der freie Stickstoff wird durch Lunge und Haut, der noch verbundene zum grössten Theil durch den Harn und zum kleinsten durch den Darm entleert. In wel- chem Verhältnisse freier und gebundener N zu einander stehen, ist noch zu ermitteln, und insbesondere scheint es gewagt, die an einer Thierart gewonnenen Resultate auf den Menschen zu übertragen. Wäh- rend es den Anschein hat, dass bei den Katzen nur ein sehr kleiner Theil gasförmig entweicht, geht bei Tauben unzweifelhaft ein Dritttheil der gesammten im Organismus kreisenden Menge aus Haut und Lunge aus, und zwar unter Umständen, unter welchen nach Regnault Säuge- thiere gar keinen gasförmigen Stickstoff aushauchen würden. Bestätigen sich die Beobachtungen von Barral , so kann bei Menschen die Hälfte des Stickstoffs der Nahrung durch die Lungen ausgeschieden werden. Wir verweisen rücksichtlich dieses Punktes noch auf die Harnstoffent- leerung (p. 261 ). e. Sauerstoff . Die Menge von Sauerstoff, die wir consumiren, übertrifft diejenige aller anderen Elemente. Der Antheil desselben, wel- cher durch die Lungen und Haut eingeht, ist, je nachdem die Nahrung aus Brod oder Fleisch besteht, mehr oder weniger überwiegend über den in den trockenen Speisen selbst enthaltenen; in den vorliegenden Beob- achtungen mit genügender Nahrung wechselt das Verhältniss des Sauer- stoffs in den Speisen zu dem in der Einathmungsluft, der erstere gleich 1 gesetzt, zwischen 0,33 bis zu 0,11. Noch mehr wird aber durch die Lungen wieder ausgegeben; in der That ist der Antheil des bezeichneten Sauerstoffs, welcher mit der CO 2 und dem HO ausgeathmet wird, so gross, dass dagegen geradezu derjenige als verschwindend betrachtet wer- den kann, welcher durch den Harnstoff, die Gallenreste, den Harnextrak- tivstoff u. s. w. entleert wird. f. Die mineralischen Bestandtheile der Nahrung, deren Menge immer sehr zurücktritt, suchen den Ausweg aus dem Körper durch Schweiss, Harn, Koth; der erstere giebt vorzugsweise NaCl aus, der zweite sämmtliche Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kalkerde, Eisenoxyd und den grössten Theil des Kalis, Natrons und Chlors, welche aus den Speisen in das Blut übergetreten waren. Durch den Koth gehen dage- gen die unverdaut gebliebenen Salze, meist schwefelsaure, kieselsaure, phosphorsaure Kalien und Erden ab. Gewichtszunahme des thierischen Körpers . Das theilweise Verbleiben der mit den Nahrungsmitteln aufgenom- menen Atome im thierischen Körper und die daraus resultirende Ge- Wachsthum. wichtszunahme fällt vorzugsweise in die Augen beim Wachsthume, der Reconvaleszenz und bei übermässiger Fütterung. 1. Wachsthum Quetelet , Ueber den Menschen. Deutsche Ausgabe. 1838. 327. — Huschke , Anatomie der Eingeweide. Leipzig 1844. — Valentin , Lehrbuch d. Physiologie. II. Bd. 3. Abthl. 164. . Mit diesem Worte bezeichnet man bekanntlich die Zunahme des thierischen Körpers, welche dieser von der Geburt an bis zu der vollkommen erreichten Pubertät erfährt. Die Lebenszeit, welche auf diesen Prozess verwendet wird, ist für verschiedene Men- schen zwar nicht die gleiche, aber es scheint doch die Regel zu sein, dass mit dem zwanzigsten Jahre die volle Länge des Körpers erreicht ist; nur in seltenen Fällen ist es constatirt, dass sich das Wachsthum auch noch um ein bis zwei Jahre jenseits dieses Termins erstreckt ( Mallet ), und zweifelhaft ist es, ob die Behauptung Quetelet’s richtig, dass es bis auf das 25 . Jahr und über dasselbe hinaus sich verlängere. Den allgemeinen Gang, der aus diesem Prozesse resultirenden Längen- und Gewichtsvermehrung giebt die folgende Tafel, welche nach den Beobach- tungen von Quetelet entworfen ist. Die zweite Colonne giebt an die Längenzunahme, die das Individuum in dem in der ersten Colonne an- gezeichneten Jahre gewinnt; die dritte Colonne aber giebt die auf das Kilogramm reduzirte Vermehrung des Gewichtes in dem gleichen Zeitraume. Die zweite und dritte Spalte sind je in zwei Unterabthei- lungen gebracht, von denen die eine sich auf das männliche, die andere auf das weibliche Geschlecht bezieht. Die mittlere Länge des männli- chen Neugeborenen wurde = 0,5 M., des weiblichen = 0,49 M. und die Gewichte zu 3,2 , resp. zu 2,9 gefunden. Wachsthum. Die Grundzahlen für die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass die- selben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden. Obwohl die Zahl der Individuen, aus welchen das Mittel abgeleitet wurde, nicht un- beträchtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgniss zu hegen, dass diese Mittelzahlen im günstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eines einzigen Landes oder Landstriches darstellen. Demnach ist der absolute Werth der Längenzunahme beim männ- lichen Geschlechte in den ersten Jahren am grössten, nimmt von da an ab bis zum vierten und bleibt dann annähernd constant bis zum 16 ., von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim Weibe erfolgt die Längen- zunahme bis zum 14. Jahre analog der des Mannes, wenn ihr absolu- ter Werth auch um ein kleines geringer ist; vom 14. Jahre an sinkt aber das Wachsthum rasch ab. — Die proportionale Gewichtszunahme ist in den ersten Jahren des Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie ab, steigt beim Manne und beim Weibe um die Pubertätsentwickelung wieder an und dauert, wenn auch im sinkenden Maasse, noch fort, wenn das Wachsthum beendet ist, so dass Männer meist im 40. und Frauen erst im 50 . Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen. Daraus lässt sich erkennen, dass die Ausdehnung des menschlichen Körpers nach Länge und Breite wesentlich von einander unabhängig sind. Quetellet, Villermé und Cowell haben die für das Längen- wachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch noch zu anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu ergeben scheint: die Individuen der ärmeren Klasse sind bei gleichem Alter kleiner, als die der wohlhabenden. Dieses gilt nicht allein für Bewohner eines Land- striches (Brüssel und seine Umgegend), sondern auch für die verschie- denen Viertel einer Stadt (Paris); Stadt- und Landleben oder auch ver- schiedene Beschäftigungsarten scheinen dagegen keinen Einfluss zu üben. Die Zeit, welche auf die Vollendung des Wachsthums verwendet wird, ist in südlichen Gegenden (in Städten und Niederungen?) am geringsten. Mehr als alles dieses mag die Menschenrace resp. die ursprüngliche An- lage des Menschen auf die räumlichen und zeitweisen Verhältnisse des Wachsthumes von Einfluss sein. An der Umfangszunahme, welche der menschliche Körper während des Wachsthums erfährt, betheiligen sich nicht alle Theile gleichmässig. Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln und der Haut zu Gute zu kommen, so dass mit dem steigenden Alter einzelne Organe trotz absoluter Vergrösserung relativ zum Gesammtgewichte des Körpers doch abnehmen. Wir entlehnen um diese zu veranschaulichen den Wägungen von Huschke und Reid folgende Zahlen; die Zahlen unter den be- treffenden Organen drücken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt, dass das des Gesammtkörpers = 1 angenommen wird. Reconvaleszenz. Noch deutlicher tritt diese ungleichmässige Zunahme hervor, wenn man die Gewichte der einzelnen Organe mit einander vergleicht, aus denen sich u. A. ergiebt, dass bei Neugeborenen der Dünndarm im Ver- hältniss zum Dickdarm gewichtiger ist, als bei Erwachsenen; dasselbe gilt für das Pankreas verglichen mit der Milz, dem rechten und linken Leberlappen. Bekannt ist auch, dass die Geschlechtswerkzeuge, die Brüste und der Kehlkopf ihr lebhaftestes Wachsthum erst beginnen, wenn das Skelett seiner vollkommenen Ausbildung nahe ist. 2. Gewichtszunahme nach einer Periode ungenügenden Ersatzes der täglichen Verluste. Das Körpergewicht kommt in ein eigenthümliches Steigen, wenn der genügende Stoffgewinn wiederkehrt, nachdem vorgängig aus irgend welchem Grunde (ungenügende Nahrungsmenge, Leiden der blutbildenden Organe u. s. w.) das Körpergewicht stetig abgenommen hatte. Für diesen dem Arzte wichtigen Vorgang besitzen wir bis dahin nur zwei genauer untersuchte, sich gleichartig verhaltende Beispiele, von denen das eine pag. 446 (Taube II. ) mitgetheilt wurde. Aus diesen geht hervor, dass die Umsetzung resp. die Ausscheidung der thierischen Koh- lenstoffatome in den ersten Tagen nach wieder begonnener normalen Fütterung so rasch anstieg, dass sie schon nach 84 Stunden den im gesunden Zustande vorhandenen Werth erreichte. Ganz anders das Kör- pergewicht; in den ersten 48 Stunden steigerte es sich um 31,5 Gr., von da an aber wuchs es ungemein langsam, so dass es in den darauf folgenden 432 Stunden nur um 13,6 Gr. zunahm. Diese unerklärliche Thatsache verdient weiter verfolgt und wegen ihrer praktischen Bedeutung auch am Menschen geprüft zu werden. Aehnliche Versuche an Tauben mit Bestimmung des Körpergewichtes und der Wärme siehe bei Chossat l. c. p. 195. . Sie sind nicht vollkommen mit den Beobachtungen von Boussingault vergleichbar, da die Thiere erst im Augenblicke des bevor- stehenden Todes wieder gefüttert wurden. Da sie so weit geschwächt waren, dass sie im Anfange weder gehörig verdauen konnten, noch auch so viel umsetzten, um in der gewöhnlichen Lufttemperatur ihren normalen Wärmegrad zu erhalten, so müssen die ersten Tage der wieder beginnenden Fütterung noch als im kranken Zustande ver- bracht angesehen werden. 3. Mästung . a. Bei sonst gleichen Lebensbedingungen muss der Nahrung eine besondere quantitative Zusammensetzung zukommen, wenn Mästung. der Genuss derselben das Ansteigen des Körpergewichtes begünstigen soll. Dieser Satz scheint aus den Beobachtungen von Boussingault Annales de chimie et physique. 3me serie. XIV. Bd. (1845.) p. 419. ge- gefolgert werden zu dürfen, welche darthun, dass Gänse und Enten, die leicht durch eine reichliche Nahrung von Mais oder von Reis mit einem Butterzusatz zu mästen sind, nicht durch Reis allein eine wesentliche Vermehrung ihres Gesammtgewichtes erfahren. Ebenso nahmen Schweine rasch und bedeutend an Gewicht zu bei einem Futter, das Fett, Eiweiss, Kohlenhydrate und Salze in einem Verhältniss von 1 : 5,18 : 20,65 : 1,82 enthielt, während sie bei Futter, das die oben genannten Bestandtheile in derselben Reihe gezählt im Verhältniss enthielt, von 1 : 5,30 : 37,38 : 2,65 nur langsam zunahmen und namentlich nicht damit gemästet werden konnten, selbst wenn auf gleiche Gewichtsmenge Thier von dem letzteren Futter sehr viel mehr gereicht wurde, als von dem ersteren. — b. Der Gewinn, welcher den einzelnen Bestandtheilen und Organen des thieri- schen Körpers bei der Gewichtszunahme erwächst, verhält sich nach den direkten Wägungen der zerlegten Thiere eigenthümlich; wir stellen zu- erst die Resultate gemästeter Vögel zusammen; die Zahlen bedeuten den proportionalen Gewinn (+) oder Verlust (—), d. h. den Quotienten aus der Gewichtszu- oder Abnahme der einzelnen Organbestandtheile in das ursprünglich vor der Mästung vorhandene Gewicht. 1. Gänse mit Mais gemästet. Mittel aus 6 Versuchen. 2. Ente mit Reis gestopft. 3. Ente mit Reis und Butter. Wie beim Verhungern das Hirngewicht nicht herunter geht, so steigt es beim Mästen nicht; ganz auffallender Weise magern Knochen und Schlund während des Mästens ab. Dieses Resultat hat Boussingault auch durch Vergleich ungemästeter und gemästeter Schweine desselben Wurfes bestätigt. — Die zu der Haut, den Muskeln und deren Hilfs- werkzeugen gehörenden Eiweiss- und Leimstoffe haben bei Mästung der Vögel zugenommen, doch in einem ganz anderen Verhältnisse, als das Fett, so dass 100 Theile gemästeter Vogel eine ganz andere Zusammensetzung darbieten, als 100 Theile ungemästeter. Ganz anders stellt es sich beim Schwein heraus. Hier enthielten 100 Theile Thier: Mästung. Diese Thatsachen zeigen, warum die quantitativen Verhältnisse der einzelnen Speisebestandtheile im Futter von Einfluss sind auf den Gang der Mästung, und warnen uns zugleich, wie es in physiologischen Be- trachtungen häufig geschieht, eine Zunahme des Körpergewichtes nur als aus Fett oder nur als aus Fleisch bestehend anzusehen. Siebenter Abschnitt. Thierische Wärme . Die blutführenden Organe des lebenden Menschen bewahren an- nähernd denselben Wärmegrad, wenn auch die Temperatur der Umgebung nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache setzt voraus, dass der Organismus über erwärmende und abkühlende Mittel gebietet, die sich bis zu einem gewissen Grade in der Stärke ihrer Aeusserung und in ihrem Zusammenwirken den Umständen anpassen. Wir werden, indem wir auf die Zergliederung der thierischen Wärmeerscheinungen eingehen, zuerst die normalen Temperaturschwankungen des Organismus und dann die Mittel angeben, durch welche ein entstandener Verlust der Wärme wieder erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgeführt wird. Normaltemperaturen . Insofern die Wärme eine Bedingung zur Einleitung und Erhaltung von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebensprozessen ist, gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen Werth; in Verbindung mit anderen Beobachtungen kann sie auch dienen, um eine Einsicht in den Gang der Erzeugung und des Verbrauches an Wärme zu gewinnen. Um zu zeigen, inwiefern dieses letztere möglich, wählen wir ein einfaches Beispiel. Wir nehmen an, es seien drei unmittelbar aneinander grenzende, wärme- leitende Flächen gegeben, von denen die beiden äusseren unter allen Umständen auf verschiedene Grade erwärmt sein sollen; in diesem Falle wird die innere der drei Flächen eine Temperatur annehmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der beiden äusseren, da sie von der einen Seite her erwärmt und von der anderen ab- gekühlt wird. Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu wählen, wollen wir annehmen, die Temperatur der inneren Fläche sei das arithmetische Mittel zwischen den beiden äusseren. Unter dieser Voraussetzung wird man einsehen, dass in Folge einer Temperaturbestimmung der inneren Fläche niemals etwas aus- gesagt werden kann über die Unterschiede der Temperatur auf den äusseren Flä- chen, da aus unendlich vielen Unterschieden ein und dasselbe Mittel hervorgehen Bedeutung und Bestimmung der Temperatur. kann. Kommt aber zu der Kenntniss der Mittelwärme noch die einer der beiden Grenztemperaturen hinzu, so ist begreiflich auch die andere Grenztemperatur be- stimmt Zugleich ist ersichtlich, dass, wenn in der Zeit die Temperatur der mitt- leren Fläche sich ändert, auch diejenigen der erwärmenden und abkühlenden Flä- chen Veränderungen erlitten haben müssen; über die Natur dieser letzteren lässt sich aber wiederum nur dann etwas angeben, wenn das Verhalten von einer der Grenzflächen während der Beobachtungszeit bekannt ist, da z. B. ein Ansteigen der Temperatur in der mittleren Fläche erzeugt sein kann ebensowohl durch eine Minderung des Verlustes als eine Vermehrung des Gewinnes an Wärme oder, auf die Grenzflächen angewendet, durch Erhöhung der Temperatur entweder in beiden oder auch nur in einer von beiden Flächen beim Gleichbleiben der Wärme in der anderen. — Die Resultate dieser Betrachtung bleiben nun, wie ein kurzes Nach- denken lehrt, unverändert, wenn man statt der abkühlenden und erwärmenden Platte in die mittlere Fläche selbst eine Quelle und einen Verbrauch an Wärme eingelegt denkt. — Sollen demnach die (in neuerer Zeit so zahlreich angestellten) Tempera- turmessungen von Bedeutung für die Beurtheilung des Wärmehaushaltes werden, so muss auf einem oder dem anderen Wege noch Aufschluss gegeben werden über die Veränderungen des Verbrauches oder der Erzeugung von Wärme an der beobach- teten Stelle. Zur Messung der Temperatur bedient man sich des Thermometers und des gra- duirten Thermomultiplikators. — Das erstere dieser beiden Instrumente ist ein sehr zuverlässiger Apparat, und besonders wenn die Abtheilungen der Skala in grossen Abständen stehen; aber es giebt nur dann sichere Werthe, wenn seine Kugel von der zu messenden Temperatur ganz umschlossen wird, und wenn es lange Zeit hin- durch mit der letzteren in Verbindung bleibt, weil die Temperaturausgleichung durch das Glas hindurch nur sehr allmählig erfolgt. Hieraus ergiebt sich für seine physio- logische Anwendung zweierlei. Einmal ist es unbrauchbar zur Ermittelung der Tem- peratur von beschränkten in einer Ebene ausgebreiteten Flächen, wie z. B. der Epi- dermisoberfläche. Denn auf dieser kann es nur Anwendung finden, wenn die Epi- dermisoberfläche (Handteller, Achselgrube, Schenkelbug u. s. w.) so gekrümmt wird, dass sie die Kugel möglichst allseitig umschliesst, oder wenn die in beschränkter Berührung aufgesetzte Kugel mit einem schlechten Wärmeleiter, der auch noch die anliegende Epidermis bedeckt, umkleidet wird. Beide Anwendungsweisen verhindern aber die normal bestehende Abkühlung jener Hautstelle, deren Temperatur man messen wollte; man erhält darum, wenn man das Thermometer so lange liegen lässt, bis sein Quecksilberniveau einen unveränderlichen Stand eingenommen, die Temperatur der unterliegenden Cutis resp. des sie durchdringenden Blutes. — Wegen seiner Träg- heit ist aber das Thermometer auch nicht im Stande, rasch aufeinander folgende Temperaturschwankungen anzugeben. — Aus dem schon früher mitgetheilten Prinzip des graduirten Thermomultiplikators (Bd. I. p. 339) geht hervor, dass er ein Diffe- rentialinstrument ist, welches Temperaturunterschiede zweier Orte mit höchster Schärfe anzeigt, welche Ausdehnung und Form dieselben auch haben mögen, und das zugleich die zeitlichen Schwankungen der Temperatur mit grosser Schärfe auffasst. Seine Anwendung ist dagegen umständlich und die Reduktion seiner Angaben auf thermo- metrische Grade nur bei äusserst sorgfältiger Arbeit zuverlässig. Bringt man, wie es Becquerel Annales des sc. nat. zoolog. III. u. IV. Bd. (1835 u. 36.) u. A. gethan, die Löthstellen auf einer Nadel an, so kann man im lebenden Menschen auch die sonst unzugänglichen Orte, z. B. Muskeln, Einge- weide u. s. w., auf ihre Temperatur bestimmen. Ortswärme. 1. Zu einer und derselben Zeit sind die verschiedenen Orte des thierischen Körpers, selbst wenn sie annähernd dieselben festen und flüssigen Bestandtheile enthalten, nicht auf gleichen Grad erwärmt. a. Blut G. v. Liebig , Ueber die Temperaturunterschiede des venösen und arteriellen Blutes. Giessen 1853. — J. Gavarret , De la chaleur prod. par les ètres vivant. Paris 1855. p. 119. . Nach den Beobachtungen von Bischoff , G. Liebig , Bernard und Walferdin ist das Blut in den Hautvenen des Kopfes und der Extremitäten kälter, als das in den zuführenden Arterien, und ebenso verhält sich das Blut in den grossen aus dem Hals und den Extremitäten rückkehrenden Venenstämmen (ein Gemenge aus den tieferen und oberflächlichen Capillarnetzen) zu dem der art. carotides, crurales, subclaviae. — Das Blut, welches dagegen aus der Niere und Leber zu- rückkehrt, ist wärmer, als das eindringende; von allen Blutarten am wärmsten ist das in der vena hepatica enthaltene. Das Blut der vena cava inferior vor dem Eintritte in das Herz ist wärmer, als das in der vena cava superior an der entsprechenden Stelle. Das Blut des rechten Herzens ist wärmer, als das des linken. Beispielsweise geben wir einige Zahlen, die G. Liebig beobachtete. An einem Hunde stand das Thermo- meter in der vena cava superior auf +35,98 ° C., im atrium dextrum auf 36,37 ° C., bei einem zweiten Hunde in der vena cruralis +37,20 ° C. und in der vena cava inferior +38,11 ° C. — Der Inhalt des rechten Herzens war 0,05 ° bis 0,19 ° C. wärmer, als der des linken. Diesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug gegeben worden vor den entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen ( Davy, Krimer, Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Untersuchungen ver- wendeten Thermometer an und für sich möglichst empfindlich und genau auf einander reduzirt waren, weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe fliessende Fehler vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gefässlumen des lebenden Thieres und zwar so eingefügt war, dass sie, ohne den Blutstrom zu hemmen, nur mit dem Blute, nicht aber mit den Gefässwandungen in Berührung war. Den Resul- taten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich natürlich die nicht ebenbürtig gegenüber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in den Aderlass- strahl hielt, oder in Gefässe steckte, die dem Luftzutritte blossgelegt waren, und zwar zum Theil erst dann, nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die Ath- mung und somit auch der Unterschied zwischen venösem und arteriellem Blute auf- gehoben war. Die Unterzungengegend ist um 0,5 bis 0,25 ° C., die Blase, der Mastdarm und die Scheide um 0,8 bis 1,1 ° C. wärmer, als die Achsel- grube ( Hallmann Helmholtz , l. c. 530. , Bärensprung Müller’s Archiv. 1851. , L. Fick Ibid. 1853. , Berger, Davy ). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1 ° C. bis 0,9 ° C. niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln ( Becquerel und Bre- chet ). Die Baucheingeweide sind nach den thermoelektrischen Be- Tagesschwankung. stimmungen derselben Gelehrten etwas wärmer, als die Lungen und das Hirn. 2. Die Schwankung, welche die Temperatur mit der Zeit darbietet, ist abhängig von den Tageszeiten und Lebensaltern, oder anders ausge- drückt, von irgend welchen körperlichen Vorgängen, die sich an die Ju- gend und das Alter, den Tag und die Nacht knüpfen. Diese, wenn man will, typische Schwankung wird nun aber verdeckt oder gesteigert durch dazwischentretende Umstände, insbesondere durch die Aufnahme der Nahrungsmittel, Muskelbewegung, geistige Anstrengung, Temperatur- und Feuchtigkeitsgrad der Atmosphäre und der Bekleidung. a. Typische Tagesschwankung. Das Bestehen einer typischen, von Nahrungsaufnahme, Schlaf und Muskelbewegung unabhängigen Tages- schwankung ist von Bärensprung durch Beobachtungen an Menschen und durch Chossat und Schmidt an hungernden eingesperrten Thie- ren dargethan worden; als Beispiel für dieselben wählen wir aber die Angaben von Lichtenfels Wiener akadem. Denkschriften. 3. Bd. und Fröhlich , weil sie die genauesten unter den vorhandenen zu sein scheinen. Bei vollkommener Enthaltung aller Nahrung, möglichster Ruhe der Muskeln und einem Aufenthalt in einer Luft von 12°,4 bis 13°,6 C. fiel die Temperatur von der letzten Mahl- zeit an (des Abends) bis 10 Stunden nach derselben, erhob sich in der 11. Stunde nach derselben um ein Geringes, sank dann stärker bis zur 15. Stunde und erhob sich bis zur 19. wieder auf den Stand, wel- chen sie zur Zeit der 10. eingenommen, und begann von da an wieder zu sinken. Der grösste Unterschied betrug bei Lichtenfels ( 11. und 15. Stunde) 0,80 ° C., bei Fröhlich 0,56 ° C. Die typische Schwankung für das Lebensalter ist weit schwieriger darzustellen; zu diesem Behufe müssten eliminirt sein die zahlreichen, allgemeinen und individuel- len Gründe, aus denen bei den verschiedenen, der Vergleichung unterworfenen Men- schen die Temperatur schwanken kann. Diese Forderung ist bis dahin nicht be- friedigt. Das geringe Zutrauen aber, was schon darum die Angaben über die mitt- leren Temperaturen der verschiedenen Lebensalter verdienen, wird noch geschwächt durch den Umstand, dass die Temperaturunterschiede der verschiedenen Individuen desselben Alters grösser ausfallen, als die Unterschiede in den Mittelzahlen der ver- schiedenen Alter. Die folgende Tafel, die nach Bärensprung entworfen, giebt darüber Aufschluss. Temperatur abhängig vom Lebensalter und der Nahrung. Die Steigerung, welche die Wärme im hohen Alter gegenüber der in mittleren Jahren erfährt, hat auch J. Davy in einer grösseren Zahl von Fällen beobachtet. — Welchen Werth man nun auch den in der mitgetheilten Reihe vorkommenden Varia- tionen beizulegen gesonnen ist, jedenfalls muss anerkannt werden, dass die Wärme der verschiedenen Lebensalter sich sehr nahe kommt. Der Einfluss der Nahrung auf die menschliche Temperirung ist im Allgemeinen ein erhöhender; dieses zeigt sich am schlagendsten sogleich darin, dass die Wärme nach Entziehung aller Nahrung sinkt. So fanden z. B. Lichtenfels und Fröhlich die mittlere Temperatur der Hun- gertage zu 36,60 ° C., während der wie gewöhnlich verlebten Tage aber zu 37,17 ° C. Dieser Wärmeunterschied wächst nun aber nicht geradezu mit der Dauer der Hungerperiode, sondern es hält sich, wie man schon aus den von Chossat und Schmidt an verhungernden Thieren ange- stellten Beobachtungen gesehen hat, die Temperatur vom zweiten Hunger- tage an constant bis gegen die dem Tode unmittelbar vorangehende, wo sie von Tag zu Tag rasch sinkt. In einer Versuchsreihe an einer Katze ( Schmidt ) zeigte bis zum 15. Hungertage das Thermometer im Mittel 38,6 ° C., am 16. Tage 38,3 °, am 17. Tage 37,64 °, am 18. Tage 35,8 ° und endlich am 19. (dem Sterbe-) Tage 33,0. — Mit diesen Angaben sind wenigstens die von Chossat Recherches experimentales sur l’inanition. Paris 1843. , der seine Beobachtungen an den höher temperirten und rascher verhungernden Tauben anstellte, nicht im Widerspruche. Den Erscheinungen der Hungerkur entsprechend, schei- nen sich die Dinge auch bei der Einnahme der Nahrung zu stellen; un- zweifelhaft nimmt nemlich die Temperatur nicht mit dem Gewichte der aufgenommenen Speise zu; träfe dieses ein, so dürfte die Temperatur der Erwachsenen sich nicht in so engen Grenzen halten, da sie doch so ausserordentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln geniessen. Zu weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen. Temperatur abhängig von der Nahrung. Die Nahrungsaufnahme macht sich aber auch dadurch bemerklich, dass sie die typische Tagesschwankung der Temperatur in ihrem Gange ändert. Nach den Messungen von Lichtenfels-Fröhlich, Gierse, Hallmann und Bärensprung , welche ungefähr zu denselben Stun- den auf gleiche Weise assen, steigt die Wärme nach dem Frühstück an und erreicht 4—6 Stunden nach demselben ihr erstes Maximum, dann sinkt sie bis zur Hauptmahlzeit und steigt nach derselben, bis sie 1 ½ bis 2 ½ Stunden nach ihr ihr zweites Maximum erlangt, die Abendmahl- zeit erzeugt aber kein neues Steigen, mit anderen Worten sie vermag das Sinken in Folge der typischen Schwankung nicht aufzuhalten. — Bei J. Davy erreichte die Wärme 2 Stunden nach dem Frühstück ihr Maximum und sank von da ab; dieser absteigende Gang konnte durch die um 6 h Abends eingenommene Hauptmahlzeit nicht in einen aufstei- genden verwandelt werden. Uebereinstimmend gaben Davy, Gierse, Hallmann und Lichtenfels den grössten Unterschied in der Tages- wärme zu 0,73 bis 0,69 ° C. an, Bärensprung fand ihn an sich selbst zu 1,12 ° und Fröhlich zu 0,56 °. Als Beispiele führen wir die Beobachtungsreihen von Bärensprung und Davy an: Diese Schwankungen finden sich in allen Lebensaltern ( Bärensprung ). — Aus der mitgetheilten Tabelle dieses Letzteren geht hervor, dass die mittlere Tagestem- peratur, wie sie aus den mittleren Zahlen abgeleitet werden kann, bei ihm in der That vorhanden ist um 8 h Morgens, 12 h Mittags und 10 h Abends. — Bei Fröhlich und Lichtenfels findet sich die mittlere Temperatur in der 3. Stunde nach dem Frühstück. Diese Bemerkung dient dazu, um die Beobachtung der Auffindung der mittleren Tagestemperatur zu erleichtern. Wir erwähnten p. 71 auch eine tägliche Schwankung der Pulszahl; eine Ver- gleichung dieser mit der Wärmeveränderung scheint auf den ersten Blick in der That eine Gleichläufigkeit beider zu ergeben. Eine genauere Betrachtung hebt aber diesen Schein auf; denn einmal ist die Wärme der verschiedenen Menschen trotz der ausser- ordentlichsten Abweichung ihrer Pulszahlen, sehr wenig von einander unterschieden. Dann aber ist auch bei einem und demselben Menschen die Temperatur keine Funktion des Pulses, wie man sich sogleich ausnahmslos überzeugt, wenn man auf die Abszisse der Pulszahlen die Ordinaten der Temperaturgrade aufträgt. Erregung der Muskeln; Verbrauch von O; Zustand der Haut. Es scheinen dagegen dieselben Umstände oder auch verschiedene, welche zu den- selben Tageszeiten bestehen, auf die Wärme und den Puls in gleicher Richtung zu wirken; denn in der That steigt und fällt der Puls den Tag über ungefähr zu den- selben Zeiten, wie die Wärme. Dieses Steigen ist nach den vorliegenden Beobach- tungen entweder vollkommen gleichzeitig, so dass das Temperatur- und Pulsmaximum auf dieselbe Stunde fallen (v. Bärensprung ), oder es tritt das erstere nach den Mahlzeiten früher ein, als das letztere, so dass der höchste Stand der thierischen Wärme dem des Pulses nachfolgt. d. Die Temperatur steht ferner in einer innigen Beziehung zu dem Zustande der Muskeln und Nervenmassen; nach ausgedehnten Messungen von J. Davy steigt bei ihm selbst nach dauernden Muskelanstrengungen die Wärme um 0,3 ° bis 0,70 ° und nach dauernder geistiger Beschäftigung um 0,27 °. — Der Zeitraum, welcher zwischen der Wärmesteigerung und der Muskelanstrengung verfliesst, soll bei Neugeborenen und Hun- gernden verhältnissmässig sehr kurz sein, so dass z. B. das in den Mast- darm eingeführte Thermometer alsbald zu steigen beginnt, wenn das Kind zu schreien anfängt ( Bärensprung ). e. Die Temperatur ist veränderlich mit der Ausscheidungsgeschwin- digkeit von CO 2 und HO durch die Lunge oder mit der Geschwindigkeit, in welcher Sauerstoff von derselben aufgenommen wird. Beispiele hier- für liefern die Mitteltemperaturen der Individuen verschiedener Thier- klassen. So verzehren unter den Wirbelthieren die Warmblüter ausser- ordentlich viel mehr Sauerstoff, als die Fische und die Amphibien. Aber auch an demselben Individuum prägt sich der Parallelismus beider Funktio- nen scharf aus; das hungernde und stillsitzende oder, wie man sich auch anders ausdrücken kann, das Thier, welches wenig CO 2 aushaucht, ist weniger erwärmt, als das gesättigte und bewegte; dem täglichen Gange der CO 2 ausscheidung folgt demnach derjenige der Temperatur. Die entsprechenden Beobachtungsreihen siehe bei Bidder, Schmidt Verdauungssäfte. p. 347. und Chossat . — Mit der Lebhaftigkeit des Gasstromes durch die Lungenwand wächst aber bekanntlich auch die Geschwindigkeit der Athem- folge, und somit muss das erwärmte Thier auch rascher athmen. Belege hierfür geben Chossat durch die Vergleichung hungernder und gefütter- ter Tauben und die Versuche von Tillet, Blagden, Berger u. s. w. mit künstlich erwärmten Thieren. f. Der Beweis für die theoretische Forderung, dass sich mit der Blutfülle und Durchfeuchtung der Haut die Wärme ändert, ist bis da- hin noch nicht geliefert. Die Voraussetzung, dass unter sonst gleichen Bedingungen die Wärme steigen müsse, wenn die Blutfülle der Haut ab- nimmt, findet, wenn man will, darin eine Bestätigung, dass im Wech- selfieberfrost, also bei möglichst blutleerer Cutis, die Temperatur in der Mundhühle sich gesteigert hat ( Gierse, Bärensprung ). Ludwig, Physiologie. II. 30 Lufttemperatur. g. Die thierische Wärme ändert sich mit der Lufttemperatur in einer sehr verschiedenen Weise. — Unter Voraussetzung einer genügenden Er- nährung und entsprechenden Kleidung (resp. Behaarung und Befiederung) behauptet der thierische Körper niederen Temperaturen gegenüber seine Normalwärme. Als Beispiele hierfür dienen die Beobachtungen, welche am Menschen und an Säugethieren im arktischen Winter gesammelt sind. Nach den Messungen von Parry Annales de chimie et physique. 2me serie. Tom XXVIII. p. 223. und Back Compt. rend. Vol. II. p. 621. kann der Wärme- unterschied der Atmosphäre und der Thiere auf 73 ° C. steigen, d. h. die Säugethiere jener kalten Gegenden behaupteten eine Temperatur von über +40 °, als das Thermometer in der Luft — 30 bis 35 ° angab. Daraus folgt nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen die thierische Wärme überhaupt nicht absinke, sondern nur dass dieses in engen Grenzen ge- schehe. Nach den Beobachtungen von J. Davy geschieht dieses letztere aber in der That; er gewann hierüber folgende Erfahrungen: Wenn aber dem Thiere das nöthige Futter oder die Bewegung man- gelt, so kühlt es in einer niedrig temperirten Umgebung sehr rasch ab, so dass bei einer Lufttemperatur von +12 bis +18 ° bald die Körper- wärme auf +25 ° d. h. auf den Grad sinkt, bei welchem der Tod durch Abkühlung erfolgt ( Chossat ). Wärmegrade, die oberhalb der thierischen Normaltemperatur liegen, erträgt der Organismus, ohne seine Wärme wesentlich zu erhöhen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Schweissbildung unterhalten werden kann ( Franklin ) und dass die Atmosphäre trocken genug ist, um eine rasche Verdunstung des Wassers von der Haut und der Lunge aus zu erlauben. In einer mit Feuchtigkeit vollkommen ge- sättigten Luft, oder gar in einem warmen Bade, steigt dagegen die Tem- peratur des Organismus rasch. So fanden u. A. Berger und de la Roche , dass bei einem Aufenthalte von 8 bis 16 Minuten in einem auf +80 ° bis 87 ° erwärmten Raume die Temperatur unter der Zunge um 4 ° bis 5 ° stieg. Die englischen Beobachter Blagden, Dobson, For- dyce u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter ähnlichen Um- ständen nur eine Temperatursteigerung von etwa 1 ° C. — Crawford machte bei Thieren, welche den Einflüssen so hoher Temperaturen aus- gesetzt waren, die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut nicht dunkel- sondern hellroth gefärbt war. Theorie von Helmholtz über den Ursprung der thierischen Wärme. Ursprung der thierischen Wärme . 1. Die Wärme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewegung, die an einer unwägbaren Masse, dem sog. Lichtäther, vor sich geht. Denn es lässt sich zum Beweis für den ersten Theil dieses Satzes unter Um- ständen eine jede Bewegung der wägbaren Masse in Wärme und umgekehrt die Wärme in eine Bewegung derselben umwandeln, so dass, wenn Wärme verschwindet, dafür Geschwindigkeit einer wägbaren Masse gewonnen werden kann, und umgekehrt, dass die Vernichtung einer Bewegung Wärme zu erzeugen vermag. Also kann die Wärme kein Stoff, sondern sie muss eine Bewegung sein, weil es aller Erfahrung widersprechend wäre, anzu- nehmen, dass durch den Verlust eines Stoffes Bewegung und durch den- jenigen einer Bewegung ein Stoff entstehen könnte. Die andere Behaup- tung, dass die Wärme eine Bewegung der unwägbaren Masse sei, recht- fertigt sich aber dadurch, dass sie sich durch den Raum verbreitet, der frei von allen wägbaren Stoffen ist, und ebensosehr dadurch, dass, wenn die Wärme durch die Bewegung der wägbaren Stoffe entsteht, diese letz- teren nicht etwa in eine andere Art von Bewegung übergehen, sondern dass sie in dem Maasse zur Ruhe kommen, in welchem die Menge der gebildeten Wärme steigt. Wenn nun die Wärme eine Bewegung ist, so kann sie, entsprechend dem von Helmholtz entwickelten Gesetze von der Erhaltung der Kraft, nur dann entstehen, wenn ein wägbarer oder unwägbarer Körper seine Geschwindigkeit einbüsst, indem er sie auf den Lichtäther überträgt, oder wenn Spannkräfte als solche zum Verschwinden kommen. Das erstere Glied der Alternative ist an und für sich klar, das zweite wird es sein, so wie man erfährt, dass der Physiker unter der Spannkraft die Bedin- gungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung sind, dennoch eine ruhende Masse in Bewegung versetzen können. Solche Bedingungen sind aber dadurch charakterisirt, dass sie nur herbeigeführt werden können durch einen vorgängigen Verlust von gerade so viel Geschwindigkeit, als sie selbst wieder erzeugen können. Unter diese Spannkräfte zählten wir u. A. schon früher den Druck, welchen die unteren Schichten einer Wassersäule zu ertragen haben; unter sie gehören auch gewisse che- mische Anordnungen, wie sie z. B. den verbrennlichen Atomen zukommen. Wie bekannt, sind die letztern beim Uebergange in den verbrannten Zustand befähigt, entweder ihre eigenen und auch fremde wägbare Massen zu be- wegen (wie dieses bei der Ausdehnung der Körper, in der Dampfmaschine, den Wurfröhren u. s. w. geschieht), oder sie vermögen sich und ihre Umgebung zu erwärmen, zwei Leistungen, welche bekanntlich insofern im Gegensatz stehen, dass in dem Maasse die erwärmende Kraft des Verbrennungsprozesses abnimmt, in welchem Geschwindigkeit erzeugende Kraft desselben in Anspruch genommen wird. Da nun die Atome des verbrannten Körpers in den verbrennlichen Zustand nur dann zurück- 30* Die Verbrennung der Speise ist die Quelle der freien Wärme. geführt werden können, wenn dieselbe Menge von Wärme oder Geschwin- digkeit aufgewendet wird, die sie bei der Verbrennung ausgaben, so kann man sagen, es sei der verbrennliche Körper mit einer zur Ruhe gekom- menen Kraft begabt, welche sich als Spannung zwischen seinen Atomen geltend mache. Keinenfalls wird durch die Verbrennung neue bewegende Kraft gewonnen, sondern alte, längst vorhandene von einem auf den anderen Körper übertragen. Diese Thatsachen erzwingen den Ausspruch, dass die einzige Quelle für die Wärme des menschlichen Körpers in der langsamen Verbrennung liegt, welcher seine organischen Bestandtheile unterworfen sind. Dieser Satz bestätigt sich vorerst dadurch, dass kein anderer Grund für die thierische Wärme aufgefunden werden kann. So genügen offenbar zur Entwickelung derselben die Stösse nicht, welche der menschliche Körper von den ihn umgebenden Medien, z. B. der bewegten Luft, empfängt, da sie einestheils zu unregelmässig erfolgen und anderntheils in den meisten Fällen weitaus nicht den Kraftwerth der Stösse erreichen, welchen der menschliche Körper selbst beim Gehen, bei Armbewegungen u. s. w. seiner Umgebung mittheilt. — Ferner können die von den Muskel- und Nervenkräften ausgehenden Bewegungen keine neuen Ursachen der Wärme abgeben, da die Entwickelung dieser Kräfte selbst von dem thierischen Stoff- umsatze abhängt. Die in den Muskeln und Nerven vorkommenden Be- wegungen sind also erst wieder abgeleitet aus den latenten Kräften der Nahrungsmittel. Jene Apparate schöpfen ihre Befähigung zur Erzeugung von lebendiger Kraft aus derselben Quelle mit der freien Wärme, und somit muss in dem Maasse, in welchem jene Apparate lebendige Kräfte zum Vorschein bringen, die Befähigung des thierischen Stoffes zur Bildung freier Wärme abnehmen. Daraus ergiebt sich schliesslich, dass auch die Reibungen, welche in Folge der Muskelbewegung erscheinen, wie z. B. die der Gelenkflä- chen, der Sehnen in den Sehnenscheiden, des Blutes und der Gefäss- wandungen aneinander u. s. w., ursprünglich immer wieder demselben Material ihr wärmebildendes Vermögen verdanken. Denn die Muskelbewe- gungen, welche durch die eingeleitete Reibung Wärme erzeugten, konn- ten nur entstehen durch eine Aufwendung derjenigen Kräfte, welche latent zwischen den sich umsetzenden Atomen enthalten waren; also ist auch die Reibungswärme nur durch einen Umweg aus der latenten Wärme des Eiweisses, Fettes, des Sauerstoffs u. s. w. hervorgegangen, indem die letztere sich zuerst in eine Bewegung des Muskels und diese wieder in eine solche der Knochen, des Blutes u. s. w. umsetzte, welche durch die wärmeerzeugende Reibung zur Ruhe kam. Diese auf streng theoretischem Wege gewonnene Ueberzeugung vom Ursprunge der thierischen Wärme hat man durch den Versuch noch zu befestigen versucht, oder wahrheitsgemässer gesagt, Lavoisier und nach Bestätigung durch den Versuch. ihm Dulong und Despretz haben die zu ihrer Zeit theoretisch nicht beweisbare Annahme, dass die thierische Wärme auf der Oxydation der organischen Thierstoffe beruhe, durch den direkten Versuch erweisen wollen. Dieses Unternehmen ist jedoch bis zum heutigen Tage noch nicht mit voller Schärfe zu Ende geführt. Im Prinzipe muss dasselbe darauf hinauslaufen, die Menge von Wärme, welche hervorgehen kann aus der Oxydation des Eiweisses, der Fette, des Zuckers zu CO 2 , HO, Harnstoff u. s. w. zu vergleichen mit der Wärmemenge, welche das Thier liefert, während es eine bestimmte Menge von CO 2 , HO, Harnstoff bildet. 2. Um die erste dieser Forderungen möglich zu machen, muss man die latente Wärme der bezeichneten Atome ermitteln; dieses geschieht, indem man die Wärmequantität misst, welche frei wird, wenn das Eiweiss, die Fette u. s. w. zu CO 2 , HO, Harnstoff u. s. w. verbrennen. Die Ein- heit, in welcher die erhaltene Wärme ausgedrückt wird, ist bekanntlich das Fassungsvermögen der Gewichtseinheit des Wassers für Wärme, oder diejenige Menge der letzteren, welche zu 1 Gr. Wasser geführt werden muss, damit die Temperatur desselben um 1 ° C. erhöht werde. Die bei der Verbrennung entwickelte Wärme fängt man dadurch auf, dass man den zu verbrennenden Körper in einen rings von Wasser oder Quecksilber umgebe- nen Metallkasten einbringt, und dort die Verbrennung so geschehen lässt, dass alle freigewordene Wärme auf die Flüssigkeit übertragen wird. Aus dem bekannten Ge- wichte des verbrannten Körpers und dem des umgebenden Wassers und endlich aus der Temperaturzunahme dieses letzteren lässt sich ableiten, wie viel Wärmeein- heiten bei der Verbrennung der Gewichtseinheit eines beliebigen Stoffes frei wer- den. Ueber die zahlreichen Fehler, die diesem Verfahren anhaften können, und ihre Vermeidung, siehe die Abhandlungen von Favre und Silbermann . Aus den Erfahrungen, welche die Versuche über Verbrennungswärme ergeben haben, hebt sich folgendes für den physiolog. Zweck als wichtig hervor. a. Die Zahl der Wärmeeinheiten, welche die Gewichtseinheit eines einzelnen oder einer Gruppe von Atomen beim Uebergange aus einer niederen in eine höhere Oxydationsstufe entwickelt, ist unabhängig von der Art und Zahl der Mittelstufen, welche zwischen den beiden End- gliedern gelegen sind. So giebt z. B. ein Gramm Stearinsäure, wenn sie mit Hilfe des gasförmigen Sauerstoffs zu CO 2 und HO verbrannt wird, immer dieselbe Warmemenge, gleichgiltig ob die Verbrennung in einem Akte oder in der Art geschieht, dass sich noch mancherlei Zwischen- produkte (niedere Glieder der Fettsäurenreihe, CO u. s. w.) einschieben, bevor es zu einer vollständigen Ueberführung in CO 2 und HO gekom- men ist. Dieser empirisch aufgefundene Satz ist eine nothwendige Fol- gerung aus der mechanischen Wärmetheorie. Denn nach ihr war die messbare Wärme nichts anderes als die lebendige Kraft, welche frei werden konnte durch den Unterschied an Spannkräften im unverbrann- ten und verbrannten Atome. Dieser Unterschied ist aber natürlich nur Wovon hängt die Menge der Wärme ab, abhängig von der Natur des in die Verbrennung eingehenden und des aus ihr hervortretenden Atoms, unabhängig dagegen von den Mittelgliedern, welche zwischen der Anfangs- und Endstufe gelegen sein können. Es verhält sich hierbei Alles gerade so, wie mit der Arbeit, welche durch den freien Fall eines Körpers geliefert werden kann. Dieselbe wird be- kanntlich nur bestimmt durch die Fallhöhe, nicht aber dadurch, ob der Körper auf einmal oder in Absätzen aus der gegebenen Höhe herunter- fällt. — b. Die Verbrennungswärme, welche einfache Atome oder Atom- gruppen von einer und derselben chemischen Zusammensetzung liefern, ist abhängig von dem Zustande, in dem sie sich finden. So giebt u. A. ein Gramm Kohle in ihren verschiedenen allotropischen Modifikatio- nen (Diamant, Graphit, Holzkohle) eine ungleiche Menge von Wärme- einheiten; desgleichen geben gleiche Gewichte zweier Atomgruppen, welche in verschiedener Anordnung gleich viel Atome derselben Art ent- halten (isomere und polymere Verbindungen) ganz ungleiche Wärme- mengen. — c. Damit in einigem Zusammenhange steht die Erfahrung, dass die Verbrennungswärme eines Atoms im freien unverbundenen Zu- stande eine andere als im verbundenen Zustande ist; mit anderen Worten, die Summe der Wärmeeinheiten, welche bei der Verbrennung eines com- plizirten Atomes frei werden, können nicht abgeleitet werden aus der be- kannten Wärmemenge, welche die in dem complizirten Atome enthaltenen Atome geben, wenn sie im freien Zustande verbrannt werden. Im Allgemeinen gilt jedoch die Regel, dass die mit anderen schon verbundenen Atome weniger Wärme ausgeben, als die freien. Dieser Satz bestätigt sich nicht allein, wenn in das complizirte Atom Sauerstoff eingetreten, sondern auch wenn die Ver- bindung frei von demselben, z. B. ein Kohlenwasserstoff, ist. Es haben sich also der Kohlen- und Wasserstoff bei ihrer Vereinigung schon verbrannt, indem sie bei derselben Wärme entwickelten. In einigen sehr seltenen Fällen (z. B. beim Schwefelkohlenstoff) ist jedoch auch die Verbrennungs- wärme des complizirten Atoms grösser, als das aus ihren constituiren- den Elementen berechnete Resultat. — d. Bei der Oxydation durch gasförmigen Sauerstoff ist die Zahl der entwickelten Wärmeeinheiten geringer, als bei der Verbrennung durch Stickoxydul. — e. Die Zahl der Wärmeeinheiten, welche die Gewichtsemheiten der in den Speisen enthaltenen oder zum Aufbau des menschlichen Körpers verwendeten or- ganischen Atome ergeben, ist nur für die geringste Zahl derselben er- mittelt. Durch Favre und Silbermann ist bekannt, dass 1 Gr. der folgenden Stoffe die verzeichneten Wärmeeinheiten giebt. Stearinsäure (C 36 H 36 O 4 ) = 9700 W. E. Margarinsäure (C 34 H 34 O 4 ) = 9560 „ Palmitinsäure (C 32 H 32 O 4 ) = 9420 „ Caprylsäure (C 16 H 16 O 4 ) = 7780 „ Capronsäure (C 12 H 12 O 4 ) = 7000 „ welche bei der Verbrennung frei wird. Buttersäure (C 8 H 8 O 4 ) = 5623 W. E. Propionsäure (C 6 H 6 O 4 ) = 4670 „ Essigsäure (C 4 H 4 O 4 ) = 3505 „ Ameisensäure (C 2 H 2 O 4 ) = 1915 „ Alkohol (C 4 H 6 O 2 ) = 8958 „ Kohlenstoff (aus Holzkohle) = 8086 „ Wasserstoff = 34462 „ Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft die Erfahrungen über die latente Wärme der im thierischen Körper ver- brannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer Hypo- these seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe über die Wärme- quantität machen will, deren Verwendung dem thierischen Körper zu Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den orga- nischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C- und H atome gerade so viel Wärmeeinheiten auszugeben vermöchten, als wären sie im freien Zustande verbrannt, und fügt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der O, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden H antheil der Verbindung zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach der obigen Voraussetzung die latente Wärme der Verbindung berechnet. Nach dieser Hypothese würde nun z. B. 1 Gr. Stearinsäure 9905 Wärme- einheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur 9700 liefert, das be- rechnete Resultat übersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als Beispiel den Traubenzucker (C 12 H 12 O 12 ). Da dieser eine genügende Menge von O enthält, um allen H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung nur der C in Betracht. Nun enthält 1 Gr. Zucker nach obiger Formel 0,4 Gr. C., diesem entsprechen aber 3234 W. E.; 1,0 Gr. Zucker giebt aber auch 0,51 Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568 W. E. liefern. Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker, welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein. Bedenkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker entwickelt wurde, als er bei der Gährung unter CO 2 abscheidung in Alkohol überging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzi- gen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor, dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungs- wärme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so hätte man seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen Thiere das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse verzehrt, die latente Wärme zu gering gefunden haben würde. Beobachtung der von einem Thiere 3. Die zweite Forderung zur praktischen Lösung der Frage, ob die aus dem thierischen Verbrennungsprozesse disponibel werdende Wärme übereinstimmt mit der vom Thiere wirklich gebildeten verlangt A gabe über die während der Versuchszeit entwickelte Wärme und die in der- selben umgesetzten Stoffgewichte, mit genauer Bezeichnung der in und aus den oxydirenden Prozessen tretenden Atomgruppen. Von diesen Be- dingungen ist zu erfüllen die erstere ganz und die letztere mindestens theilweise. Die Wärme, welche die Thiere während der Versuchszeit entwickeln, kann durch ganz dasselbe Verfahren gemessen werden, welches zur Be- stimmung der Verbrennungswärme eines beliebigen Atoms dient. Man sperrt das zu untersuchende Thier, dessen Temperatur zu Anfang und Ende des Versuches übereinstimmen muss, in einen rings von Wasser umgebenen Metallkasten und bestimmte die Temperaturzunahme, welche das bekannte Gewicht des umgebenden Wassers während der Anwesen- heit des Thieres im Kasten erfahren hat. Den qualitativen und quantitativen Gang der Stoffbewegung des dem Versuche unterworfenen Thieres erschliessen Dulong und Despretz aus der Menge des aufgenommenen Sauerstoffs und der ausgegebenen CO 2 ; nach den in der Respirationslehre entwickelten Grundsätzen genügen be- kanntlich diese Angaben, um daraus auch die Menge des verbrannten Kohlen- und Wasserstoffs zu finden. Vorausgesetzt, es sei die möglichst günstige Annahme zugetroffen, dass während der Versuchszeit die ganze Menge von O, welche in derselben aufgenommen wurde, auch zur Bildung von CO 2 und HO verwendet, und es sei auch die ganze Menge der gebilde- ten CO 2 wieder ausgeathmet worden, so würden die gelieferten Bedin- gungen immer noch nicht genügen, um daraus die Menge der Wärme zu bestimmen, welche während der Oxydation frei wurde. Dieses folgt unmittelbar aus den vorhin mitgetheilten Erfahrungen, dass die Wärme- menge, welche ein Atom H oder C bei seiner Umwandelung in CO 2 und HO liefert, sich richtet nach der Verbindung, aus welcher jene Elemente verbrannt wurden. Demgemäss müssten zu jenen Angaben des erwähnten Versuches auch noch die der complizirten Stoffe kommen, aus welchen die CO 2 und das HO herausgebrannt wurden. 4. Aus dieser Besprechung der Methoden und der Voraussetzung der Rechnungen für die Versuche von Despretz und Dulong dürfte der Schluss gezogen werden, dass die aus ihnen gewonnenen Resultate keinesfalls der Ausdruck der vollen Wahrheit sein können, namentlich lässt sich voraussagen, dass die Rechnung für die Thiere, welche über- wiegend Fette umgesetzt haben, zu hoch, und für die, welche vorzugs- weise Amylaceen verzehrten (z. B. Kaninchen, Meerschweinchen) zu nie- drig ausfalle. Als Werthe, welche sich jedoch entfernt der Wahrheit annähern, sind sie nicht ohne Interesse; wir geben darum die Tafel von bei bekannten Stoffumsatz entwickelten Wärme. Dulong . Die unter der Rubrik Wärmeverhältniss aufgeführten Zahlen sind ein Quotient aus der vom Thiere wirklich ausgegebenen Wärme- einheit in die aus der CO 2 ausscheidung und Overbrauch berechneten. Aus der Thatsache, dass in keinem Falle die nach der Berechnung gebildete Wärme den wirklichen Verlust erreicht, schliessen wir, indem wir das Gesetz von der Erhaltung der Kraft als ein unumstössliches an- sehen, dass auch die Eiweisskörper wie die Amylaceen bei ihrer Ver- brennung mehr Wärme ausgeben, als sich aus ihr nach den aufgestell- ten Prinzipien berechnet. In der obigen Tafel von Dulong sind statt der von ihm selbst angewendeten Lavoisier’ schen Zahlen für die Verbrennungswärme des C und H die von Favre und Silbermann gefundenen (8086 und 34462) benutzt. Die Beobachtungen von Despretz lieferten ein ungünstigeres Verhältniss zwischen dem hypothetischen Wärmegewinne und dem wirklichen Verluste; dieses verwandelt sich allerdings ebenfalls in ein sehr günstiges, wenn man statt der von ihm benutzten Zahlen für die Verbrennungswärme des C und H die Silbermann Favre’ schen substituirt. Dieses dürfte aber wohl nicht erlaubt sein, weil Despretz die Verbrennungswärme der Thiere und der genann- ten Elemente nach derselben Methode bestimmt hat, so dass also der bei seinem Ver- fahren eingetretene Verlust in der einen und der anderen Bestimmung sich geltend macht. Die Beobachtungen von Despretz sind aber darum nicht fehlerfrei, weil die Luft, in welcher seine Thiere athmeten, zu Ende des Versuchs mehr CO 2 und weniger Sauerstoff enthielt, als zu Beginn desselben. Also mussten auch die Thiere nach den in der Athemlehre entwickelten Grundsätzen zu Ende der Beobachtung reicher an CO 2 sein, als zu Anfang derselben; dieser Umstand bedingt aber einen Verlust an der beobachteten CO 2 und damit auch an der berechneten Wärme. 5. Einen Beweis für die Entstehung der thierischen Wärme aus dem oxydirenden Stoffumsatz, hat man auch öfter zu liefern gesucht durch die Ergebnisse der Temperaturmessungen. Die steigende oder sinkende Temperatur des thierischen Körpers würde jedoch nur dann zu einer Schlussfolgerung auf das Mehr oder Minder der Wärmeerzeugung berechtigen, wenn zugleich der Gang des Wärmeverlustes ermittelt wor- den wäre. Dieses ist aber entweder gar nicht oder sehr unvollkommen geschehen. Immerhin ist es jedoch bemerkenswerth, dass in den Tages- und Lebenszeiten, in welchen die relative Oxydationsgeschwindigkeit der Körperbestandtheile abnimmt, auch die Temperatur sinkt und umge- kehrt. Die Beispiele hierfür sind schon p. 465 . angeführt. Wärmeverluste . Die Wärmeverluste entstehen 1 ) dadurch, dass die flüssigen und festen Einnahmen (Speisen) des thierischen Körpers kälter sind, als seine flüssigen und festen Ausgaben (Harn und Koth); die Wärme, die auf Wärmeverluste. die Gewichtseinheit dieser den Organismus durchlaufenden Massen über tragen wird, ist abhängig von ihrer Wärmekapazität und dem Unter- schiede ihrer Temperaturen bei Ein- und Austritten in den thierischen Körper. Unter allen Umständen ist dieser Wärmeverlust nur ein gerin- ger Antheil der Gesammteinbusse. — 2 ) Durch Leitung und Strahlung von den freien Oberflächen des Körpers, insbesondere von Lunge und Haut, gegen die umgebenden Medien. Wie viel Wärme hierdurch in der Zeiteinheit auf der Einheit der Oberfläche verloren geht, ist bekanntlich abhängig von dem mittleren Temperaturunterschiede zwischen dem umgeben- den Medium und dem Organismus, von der Wärmekapazität und Leitungs- fähigkeit der Umgebung, oder wenn diese letztere Eigenschaft, wie bei der Luft, ganz fehlen sollte, von der Bewegung derselben. — Für die Lunge lassen sich die nöthigen Angaben leicht gewinnen, weil sie eine constante Temperatur besitzt und mit ihr nur Luft in Berührung kommt, die immer auf einen nahebei gleichen um 36 bis 37 ° C. schwankenden Temperaturgrad erwärmt die Lunge verlässt. Beispielsweise werden wir sogleich eine Rechnung ausführen. — Für die Haut sind dagegen die nöthigen Angaben nicht zu erbringen; dieses ist ersichtlich, weil die Temperatur der Hautoberfläche nach Zeit und Ort fortwährend veränder- lich ist, eine Veränderung, welche eine complizirte Folge ihrer Blutfülle der Geschwindigkeit des Blutstroms, der Bluttemperatur, der Wärmezu- leitung von den inneren Organen durch den panniculus adiposus hin- durch, der Wärmeleitungsfähigkeit und der Dicke der Epidermis und des Wärmeverlustes auf der Oberfläche ist; denn die Haut kommt nicht blos mit Luft, sondern auch mit Kleidern, Wasser u. s. w. in Berüh- rung, und der Temperaturgrad, den die berührende Luft annimmt, än- dert sich mit ihrer Bewegung, welche selbst wieder aus vielen Gründen, die in der Luft und in der Art der Kleidung begründet sind, variirt. — 3 ) Der thierische Körper verliert ferner Wärme, weil er fortwährend Wasser verdunstet; der Verlust an Wärme, die in den Wasserdampf latent übergeht, muss für die Zeit- und Flächeneinheit abhängig sein von der Temperatur der Körperoberfläche, ihrer Befeuchtung und der Sätti- gung der Luft mit Feuchtigkeit, kurz, von allen den Umständen, welche wir bei der Verdunstung schon ausführlicher angegeben. Die in Frage kommenden Faktoren sind nun bekanntlich wiederum in der Lunge constan- ter als in der Haut, so dass es immerhin gelingt, den Wärmeverlust, den wir durch Verdunstung durch die Lunge erfahren, sicherer zu bestimmen, als den durch die Haut. — 4 ) Die Lehre von der Erhaltung der Kräfte drängt uns endlich noch zu der Annahme, dass auch Wärme, gleichgiltig ob sie latent oder frei war, verloren gehe durch die Erzeugung derjenigen Muskelkräfte, welche zu einer mechanischen Arbeit jenseits der Leibes- grenze verwendet werden. Für gewöhnlich mag dieser Verlust allerdings nicht sehr hoch anzuschlagen sein, da das mechanische Aequivalent der Vergleichung der Einnahme und Ausgabe von Wärme. Wärme eine sehr beträchtliche Grösse besitzt, oder besser gesagt, da mit einem geringen Aufwande an Wärme sehr viel mechanische Arbeit zu leisten ist. Da die Wärme eine Bewegung ist, so muss sich auch angeben lassen, wie viel von irgend welcher anderen bewegenden Kraft, z. B. der Schwere, angewendet wer- den muss, um eine bestimmte Menge von Wärme zu erzeugen und umgekehrt. Nach den Messungen von Joule, Jacobi und Leguin ist übereinstimmend festgestellt, dass 430 Metergramme, d. h. eine Kraft, welche 430 Gramme auf 1 Meter zu er- heben vermag, aequivalent sind einer Wärmeeinheit, d. h. der Wärme, welche nö- thig ist, um 1 Gr. Wasser von 0° auf 1 ° zu erwärmen. Vergleichung der täglichen Gesammteinnahme und Ausgabe an Wärme . Wir stellen dieselbe nach Barral Statique chimique des animaux. Paris 1850. p. 245 u. f. an, welcher sich auf eine, wie es scheint, umsichtig geführte Versuchsreihe stützt; seine Rechnungen dürften darum, trotzdem dass sie zum Theil auf unrichtigen Annahmen ruhen, doch zu einer angenähert richtigen Vorstellung führen. Zudem herrscht eine gewisse Uebereinstimmung zwischen seinen und den Re- sultaten einer Rechnung, welche Helmholtz l. c. p. 562. , von durchaus anderen Voraussetzungen ausgehend, anstellte. Barral unternahm an 4 Individuen, einem Manne von 59 und von 29 Jahren, einer Frau von 32 und einem Kinde von 6 Jahren, 5 Versuche, von denen je einer einen Zeitraum von 5 Tagen umspannte. In dieser Zeit bestimmte er Gewicht und Zusammensetzung der Speisen, des Harnes und Kothes; da das Körpergewicht unverändert blieb oder wenigstens als solches angenommen werden darf, denn er liess die Leute bei ihrer gewöhnlichen Lebensweise und Nahrung, so gab der Gewichts- unterschied zwischen der Nahrung und dem aus After und Blase entleer- ten Massen den Verlust durch Haut und Lungen. Da auch die Zusam- mensetzung der Nahrung, des Harnes und Kothes bekannt war, so liess sich auch die des Haut- und Lungendunstes finden. Berücksichtigt man das 24 stündige Mittel in Einnahme und Ausgabe für Wasser und orga- nische Bestandtheile, so hat man: Wärmeabrechnung nach Barral . Tabelle I. Zieht man die C-, H-, N-, O- und HO gewichte des Kothes und Harnes von dem der Nahrung ab, so erhält man die Nahrungsantheile, welche mit der Lungen- und Hautausdunstung weggingen. Tabelle II. Wärmeabrechnung nach Barral . Aus den Augaben der Tabelle II. berechnet sich nun: 1 ) Der wär- mende Wasserstoff; darunter versteht man aber nach der früheren Verab- redung den Theil des aus den Speisen verbrannten H, welcher zu seiner Ver- brennung den eingeathmeten O benutzt, nicht aber denjenigen, welcher schon im festen Zustande in den Speisen enthalten war. Er wird aus den Zah- len der Tabelle II. abgeleitet, indem man berechnet, wie viel H nöthig ist, um den in der letzten Colonne aufgeführten O in HO umzuwandeln; zieht man diesen berechneten Werth ab von dem in der Tabelle aufgeführten H, so bildet der Rest den wärmenden, d. h. denjenigen, welcher bei der Wärmeberechnung in Anschlag gebracht wird. — 2 ) Das neu gebildete Wasser, und zwar dadurch, dass man den H der vorliegenden Tabelle auf Wasser berechnet. — 3 ) Addirt man dieses Wasser zu dem der zweiten Colonne, so erhält man das Gesammtgewicht des verdunsteten Wassers. — Das Gewicht der verdunsteten CO 2 wird nach bekannten Regeln ebenfalls aus dem Vorstehenden abgeleitet. — 5 ) Macht man end- lich die Voraussetzung, dass die Ausathmungslnft im Mittel 4 pCt. CO 2 enthalten habe, so findet sich aus unseren Daten auch noch das Ge- wicht der Ausathmungsluft. Alle diese berechneten Werthe sind in Tab. III. zusammengestellt. Die Zahlen bedeuten Gramme. Tabelle III. Damit ist nun die weitere Möglichkeit eröffnet, um zu berechnen: 1 ) Die Zahl der den Tag über gebildeten Wärmeeinheiten unter der Voraus- setzung, dass der wärmende H und der C bei ihrer Verbrennung eben- soviel W. E. entwickelt haben, wie bei ihrer Verbrennung im freien Zu- stande. Wir legen hierbei die Zahlen von Favre und Silbermann nemlich für 1 Gr. C = 8086 W. E. und für 1 Gr. H = 34462 W. E. zu Grunde. Dieser Voraussetzung dürfte weniger Wärme entsprechen, als in der That ausgegeben wurde, da die feste Nahrung in den beob- achteten Fällen vorzugsweise aus Brod, Zucker und Gemüse, also aus Koh- lenhydraten, bestand, welche, wie früher erwähnt, in der That eine hö- here Wärme entwickeln, als nach unserer jetzigen Berechnungsgrundlage aus ihnen gefunden wird. — 2 ) Der Wärmeverlust durch Verdunstung des Wassers; indem man die Wärme des den Körper verlassenden Wasserdunstes auf 37 ° setzt und ihn im Maximum der Tension befind- lich annimmt. — 3 ) Den Wärmeverlust durch die Erwärmung der Ath- mungsluft; die spezifische Wärme der Ausathmungsluft ist gleich der der Wärmeberechnung nach Barral . atmosphärischen mit de la Roche und Berard auf 0,267 gesetzt. — 4 ) Die Wärme, welche an die eingenommenen Nahrungsmittel abgegeben wurde, deren mittlere Temperatur vor der Aufnahme auf 15 ° angenommen wird. — 5 ) Die Wärme, welche mit der flüssigen und festen Ausleerung entfernt wurde; die spezifische Wärme beider ist dem Wasser gleich gesetzt. — 6 ) Endlich die Wärme, welche durch Strahlung, Leitung und Umsetzung in Arbeit verloren ging. Eine einfache Uebersicht über das Verhältniss der Wärmegewinne giebt folgende Zusammenstellung, in welcher die Zahl der in 24 Stunden gewonnenen Wärmeeinheiten auf die Einheit des Körpergewichtes (auf 1 Gr.) reduzirt ist. Diese Zusammenstellung ergiebt, dass der Mann in mittleren Jahren im Sommer weniger Wärme erzeugt, als im Winter; das Kind relativ mehr, die erwachsene Frau weniger, als alle übrigen Individuen. Um die Betheiligung der einzelnen Prozesse an dem gesammten Wärmeverbrauch zu übersehen, ist letzterer in der nächsten Tabelle in Prozenten der Gesammtwärme berechnet. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass weitaus die grösste Einbusse durch Strahlung und Leitung und durch Erzeugung mechanischer Arbeit Wärmebildung in den einzelnen Organen. zu Stande kommt; eine einfache Ueberlegung weist dann aber darauf hin, dass von den in der letzten Reihe zusammengefassten Funk- tionen die mechanische Leistung die geringste Menge von W. E. ver- zehrt. — Denn nehmen wir z. B. an, der Mann I., welcher im Mittel täglich 3191948 gewinnt, habe einen Berg von 2000 Metres Höhe er- stiegen, d. h. er habe sein Körpergewicht von 47500 Gr. auf diese Höhe gehoben, so würde er (d. mechan. Aequivalent zu 430 Metresgramme genommen) dazu nur 220930 Wärmeeinheiten, d. h. etwa 7 pCt. seiner gesammten Wärmemenge, verbraucht haben. Bildung und Verbrauch von Wärme in den einzelnen Organen . Zunächst liegt es nun ob anzugeben, in welchem Maasse sich die einzelnen Organe und Gewebe an dem Gewinne und Verluste der Wärme betheiligen, da es aus dem uns bekannten chemischen Leben derselben offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in gleicher Weise thun. Um den Werth feststellen zu können, mit dem ein jeder Bestand- theil unseres Leibes in jenen verbreiteten Prozess eingreift, wird nichts mehr und weniger genügen, als die Kenntniss von der Art und dem Umfange des Stoffumsatzes und des Wärmeverlustes durch Leitung und Strahlung an allen Orten, oder aber, vorausgesetzt, es hielte sich die Temperatur in den betreffenden Organen constant, der Wärmekapazität und der Temperaturunterschiede der zu- und abfliessenden tropfbaren Flüssigkeiten und der Verluste durch Strahlung, oder aber es wäre die Temperatur variabel, auch noch die Kenntniss nöthig der Wärmekapazität des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung. In der That wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu den vorzugsweise wärmesammelnden Gebilden zählen wir: a. Die Muskeln im ruhenden und im verkürzten Zustande. Denn diese Organe verlieren durch Strahlung keine Wärme, während sie (mit Hilfe von aufgeschwemmtem O) CO 2 entwickeln, und dieses letztere in gesteigertem Maassstabe, wenn sie sich in verkürztem Zustande befinden. Hiermit im Einklange finden Becquerel und Brechet durch die thermo- elektrische Messung, dass der zusammengezogene Muskel um 0,5 ° bis 1,0 ° wärmer als der verlängerte ist. b. Die Baucheingeweide . In ihnen ereignen sich weitverbreitete wärmeerzeugende Vorgänge, so u. A. die häufigen Zusammenziehungen der Darmmuskeln, die Gährungen im Darmrohre, die Bildung von Harn- säure in der Milz u. s. w., gegen deren erwärmende Macht die Abküh- lung durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Be- tracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens, welche immer noch höher ist, als die des Arterienblutes, trotzdem dass sich in jener Vene Wärmeverlust in den einzelnen Organen. neben dem aus den Baucheingeweiden stammenden auch noch das aus den kälteren unteren Extremitäten zurückkehrende Venenblut sammelt. c. Die Organe, welche vorzugsweise aus Bindegewebe , Fett, Knorpel und Knochen bestehen, sind rücksichtlich ihrer Fähigkeit, Wärme zu erzeugen, noch wenig untersucht; so viel scheint nur gewiss, dass ihnen dieselbe nicht abgesprochen werden kann, da das in sie dringende arterielle Blut venös aus ihnen zurückkommt, zum Zeichen, dass dasselbe dort Kohlensäure empfangen hat, und da in einzelnen derselben, wie z. B. in der Lungensubstanz, Harnsäure gefunden worden ist. — Ungewiss ist es endlich, ob das Blut , welches gegen eine vielfache Berührung mit den Organen geschützt ist, Umsetzungen erfährt, die Wärmeentwickelung zur Folge haben. Von den Thatsachen, welche man bis dahin für das Bestehen einer Wärmebildung in ihm anführte, bestand eine darin, dass das aus den Lungen zurückkommende Blut durch die Abkühlung, welche es dort erfahren musste, höher temperirt sein sollte, als das eindringende. Diese Thatsache ist aber durch die oben erwähnten Beobachtungen von Bischoff, G. Liebig, Bernard u. A. widerlegt worden. Somit bleibt nur noch eine andere, wonach das mit O geschüttelte Blut sich erwär- men soll ( Davy ). Zu den kühlenden Apparaten zählen vor allen Haut und Lunge. a. Haut . Die Wärmemenge, welche dieses Organ ausstrahlt und ableitet, ist unter der Annahme, dass dasselbe in unbekleidetem Zustande in Betracht gezogen und alles übrige gleichgesetzt wird, aus einleuchtenden Gründen abhängig: 1 ) Von der Dicke der schlecht leitenden Epidermis und des Haarbe- leges; der Wärmeverlust ist darum, alles andere gleichgesetzt, an den Fuss- sohlen, den Handtellern, der Kopfschwarte geringer, als von den Lippen, Ohren, Augenliedern u.s.w. — 2 ) Von der Fülle des Gefässsystems, wel- ches bekanntlich wechselt mit dem Blutdruck und der Widerstandsfähigkeit der Wandung, und, insofern diese bedingt wird durch die kleinen Mus- keln des Hautgewebes und der Gefässwandung, auch von dem Grade der Zusammenziehung, in dem diese begriffen sind. — 3 ) Von der Gestalt der Unterlage, über welche die Haut gespannt ist. Auf der Flächeneinheit dünner, spitzer Körpertheile, wie z. B. der Ohrmuschel, der Nase, den Fingern und überhaupt den Extremitäten wird der Verlust grösser sein, als auf der eines Rumpfstückes, und zwar darum, weil die Strahlung aus Spitzen überhaupt lebhafter vor sich geht, als aus ebenen Flächen. — 4 ) Die Vorgänge der Verdunstung entziehen aber, wenn alles übrige gleich, der Haut um so mehr Wärme, je feuchter ihre Oberfläche ist. Aus diesem Grunde wird namentlich eine Haut, deren Schweissdrüsen in Thä- tigkeit sind, und die sich in Folge dessen mit Flüssigkeit bedeckt, in das Maximum des Wärmeverlustes durch Verdunstung eintreten. — Der Abkühlung durch Haut und Lunge. thatsächliche Ausdruck dieser Voraussichten liegt nun darin, dass das Blut der Hautvenen die niedrigste Temperatur unter allen Blutarten zeigt, dass die thermoelektrische Untersuchung das Unterhautbindegewebe kälter findet, als dasjenige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter den verschiedenen Ausgaben, welche sich in die Wärmeeinnahme des Körpers theilen, die durch die Haut immer die grösste ist. — Bei dem grossen Werthe, welchen der Wärmeverlust hier erreicht, ist es nun un- möglich zu sagen, ob und wie viel Wärme in der Haut selbst erzeugt wird. b. Die Abkühlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und dem Umfange der Athemzüge und mit der Geschwindigkeit des Blutstromes zu. Da man ungefähr die Luftmengen kennt, welche den Tag über in den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuchtigkeitsgehalt und Tem- peraturgrad beim Ein- und Austritte aus den Lungen, so ist eine an- genäherte Berechnung des täglichen Wärmeverlustes möglich. Wir legen, indem wir sie anstellen, die Barral’ schen Beobachtungen und fol- gende Unterstellungen zu Grunde: Aus den Angaben des absoluten Gewichtes der Aus- athmungsluft lässt sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausgesetzt, dass sie auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt gewesen sei. Zieht man von diesem das Gewicht des Wassers ab, welches man erhält, wenn man an- nimmt, dass die eingeathmete Luft auf 15° erwärmt gewesen und etwa die Hälfte (z. B. 60 pCt.) des Wasserdampfes enthalten habe, den sie bei dieser Temperatur fassen konnte, so erhält man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese Mengen betragen für die Beobachtungen I. und II., die einzigen, welche wir betrach- ten werden: Diese Beobachtungen können nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie viel das Blut abgekühlt werden musste, welches durch die Lunge strömt. — Neh- men wir nemlich mit Volkmann Haemodynamik. p. 208. an, ein jeder Herzschlag entleere 0,0025 des Körpergewichtes Blut, und geben wir Barral die mittlere Pulszahl in der Minute, 70 Schläge, so würden in 24 Stunden 11 970000 Gr. Blut durch die Lunge strö- men. — Vertheilte man den Wärmeverlust auf diese Blutmenge, so würde in Be- obachtung I. das arterielle Blut um 0,07° C. und in Beobachtung II. um 0,04° C. kälter sein, als das venöse. — Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung mit den von Bischoff und G. Liebig für die Temperatur des venösen und arte- riellen Herzblutes gefundenen Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung tadelfrei sind, und noch weniger, dass in den Lungen durchaus keine Wärme gebil- det werde. Jedenfalls ist sie aber geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn wenn sich die Beobachtungen noch mehr, als es bisher geschehen, zuschärfen sollten, so würde es möglich sein, die alte Controverse zum Abschluss zu bringen, ob in der Lunge eine wesentliche Wärmequelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt schon, dass die Angaben von J. Davy, Becquerel-Brechet u. A. über die Temperaturzunahme des Blutes bei seinem Wege durch die Lunge auf fehlerhaften Beobachtungen beruhen müssen. Ludwig, Physiologie. II. 31 Ausgleichung der Wärme verschiedener Leibestheile. Ausgleichung der Temperatur zwischen verschiede- nen Organen . Da die abkühlenden und erwärmenden Ursachen mit einer so un- gleichen Kraft in den verschiedenen Körpertheilen wirksam sind, und ihre Temperatur trotz der schlechten Wärmeleitungsfähigkeit der Thier- stoffe dennoch so geringe Unterschiede bietet, so müssen offenbar Ein- richtungen gegeben sein, welche diese Unterschiede fortwährend ausglei- chen. Diese liegen nun in der That klar genug vor in der Bewegung und Mischung der thierischen Säfte und insbesondere des Blutes. Als Gründe, die hierfür sprechen, sind anzuführen 1 ) die Mischung des erwärmten und abgekühlten Blutes im Herzen und somit die gleichmässige Vertheilung des Blutes von mittlerer Temperatur in die verschiedenen Organe. — 2 ) Die Beobachtungen, dass in allen der Abkühlung unter- worfenen Theilen, und namentlich der Haut, die Temperatur sich um so mehr der des Herzblutes nähert, je rascher und je breiter der Blutstrom ist, der durch diesen Theil kreist, während er sich um so weiter von derselben entfernt, je geringer der Querschnitt oder die Schnelligkeit des Stromes ausfällt. — Diese letzte Thatsache, die unzählige Male in Glied- maassen beobachtet wird, in denen eine veränderte Blutströmung stattfindet, sei es eine Stockung in Folge von Arterien- oder Venenunterbindung, sei es eine Beschleunigung nach einer Erweiterung der zuführenden Ge- fässe, ist durch eine ausgezeichnete Reihe von Beobachtungen, welche Cl. Bernard Recherches experimentales sur le grand sympathique etc. Paris 1854. — Gazette medicale. 1854. Nr. 1. 2. 3. ausgeführt hat, in das hellste Licht gesetzt. Wir haben schon wiederholt erwähnt, dass, wenn er am Halse den Sympathicus durchschnitt, sich alle Gefässe der entsprechenden Kopfhälfte erweiterten, und das sie, wenn er das peripherische Schnittende mit einem galvanisehen Induktionsapparat erregte, sich wieder verengerten. Nach der einfachen Durchschneidung steigerte sich nun auch die Temperatur in der Gesichts- haut dieser Seite, während die der entgegengesetzten um einen grösseren oder kleineren Werth abnahm, und umgekehrt erniedrigte die Tempera- tur sich auf der verletzten Seite, wenn er die erregenden Poldrähte an den peripherischen Stumpf des durchschnittenen Nerven anlegte. — Die Wärmeerhöhung, welche nach der Durchschneidung des Sympathicus auf- tritt, wird man aber um so eher aus dem oben berührten Gesichtspunkte und nicht aus einer Neubildung von Wärme erklären, weil die Tempera- tur niemals diejenige übersteigt, welche gleichzeitig im Herzen gefunden wird, und auch noch darum, weil, wie Bernard beobachtete, das aus den Venen zurückkehrende Blut dem arteriellen, namentlich in Beziehung auf Färbung, sehr ähnlich ist, sich also wegen des raschen Durchganges nicht mit den gewöhnlichen Oxydationsprodukten der Bindegewebssub- stanz überladen hat. Mittel zur Erhaltung der Normaltemperatur. Bernard weicht allzu vorsichtig noch einer Erklärung der von ihm gefundenen Thatsachen aus; gegen die eben mitgetheilte äussert er sich sogar ungünstig, weil er gefunden, dass in der Ohrmuschel auf der verletzten Seite immer noch eine, wenn auch nicht mehr sehr bedeutende, Wärmesteigerung eintrat, nachdem er mehrere der aus ihr zurückkehrenden Venen, oder die zuführenden Arterien unterbunden, d. h. die Geschwindigkeit und die Ausbreitung des Blutstromes in dem Ohre gemin- dert hatte. — Die Ueberzeugung von der Richtigkeit unserer Erklärung dürfte aber erst dann erschüttert werden, wenn durch direkte Beobachtung erwiesen würde, dass die Blutströmung im Ohre nach den Gefässunterbindungen und der Nervendurchschnei- dung nicht rascher als vor diesen Operationen war. So lange dieses nicht geschehen, muss es bei der ausserordentlichen Uebereinstimmung aller übrigen Umstände mit unserer Annahme als erlaubt angesehen werden, den Einfluss der genannten Unter- bindungen auf den Blutstrom in dem Ohre nicht zu hoch anzuschlagen. Mittel zur Erhaltung des normalen Wärmegrades . Das Verhältniss zwischen Aus- und Einfuhr von Wärme, wie es aus- gedrückt wird durch den Temperaturgrad des thierischen Körpers, bleibt, wie wir sahen, in verhältnissmässig engen Grenzen eingeschlossen; es muss also auch der Gewinn der Wärme mit dem Verluste derselben steigen und fallen. Die organischen Bedingungen, welche diese Bezie- hungen herstellen, sind zum Theil wenigstens bekannt, der Mechanismus dieses Zusammenhanges ist dagegen noch nicht aufgedeckt. — Eine der wesentlichsten Beziehungen, welche wir gesondert betrachten, ist gegeben durch die Temperaturempfindung, welche je nach den Einwirkungen der Kälte oder Hitze einen Wärmehunger und Wärmeekel erzeugt; in der natürlichen Folge davon begeben wir uns, wo irgend möglich, in Ver- hältnisse, welche die unangenehmen Empfindungen beseitigen; wir wäh- len hierzu gewöhnlich solche, welche ohne Zuthun irgend welcher inne- ren Veränderungen die gewünschte Körpertemperatur herbeiführen, in- dem wir die Wärmeleitungsfähigkeit der Kleidung reguliren, warme oder kalte Speisen geniessen u. s. f. — Neben diesen willkührlichen Mitteln zur Herstellung des Gleichgewichtes zwischen den Ein- und Ausgaben von Wärme, giebt es noch eine Zahl von solchen, die durch unsere Seelen- zustände nicht so unmittelbar bestimmt werden. Sie wirken in allen Individuen, aber in den verschiedenen unzweifelhaft mit einer auffallend verschiedenen Mächtigkeit; ausser besonderen, durch die Geburt gegebe- nen Anlagen, wirkt auf diesen letzteren Umstand namentlich der Gebrauch der willkührlichen Ausgleichungsmittel ein, ein Einfluss, der gemeinhin als Abhärtung oder Verwöhnung bezeichnet wird. 1. Wenn die Wärme vermehrt oder vermindert wird in Folge der gesteigerten oder verringerten chemischen Umsetzung im Thierleibe, so muss die Thätigkeit, den wärmeausgebenden Organen entsprechend, sich ändern. — Vermehrt sich die Wärmeeinnahme und nähert sich damit die Körpertemperatur ihrem Maximum, so geschieht es, dass a) die Capillaren in der Oberfläche der Cutis sich erweitern; der ra- schere und ausgedehntere Blutstrom, der durch sie kreist, bringt die 31* Mittel zur Erhaltung der Normalwärme. Haut auf eine höhere Temperatur, und damit wird der Verlust durch Leitung und Strahlung, welcher dem Temperaturunterschied zwischen dem thierischen Körper und dem umgebenden Medium proportional geht, erhöht. — Meist tritt zugleich eine Schweissbildung ein, und damit wird eine gesteigerte Verdunstung eingeleitet, welche beträchtlich abküh- lend wirkt. Diese Schweissbildung tritt aber wegen besonderer, noch unbekannter Einrichtung nicht an jeder Drüse mit gleicher Lebhaftigkeit hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen Wassers nicht auf allen Hautflächen gleich gross, da die Zahl der Schweissdrüsen in ihnen variirt. — Wenn wir nun auch gar keine Vorstellung davon haben, warum mit der gesteigerten Eigenwärme sich die Gefässe erweitern und die Schweissdrüsen absondern, so ist doch der Vortheil, den beide Ap- parate in ihrer Vereinigung zu leisten vermögen, einleuchtend genug. Denn offenbar würde die Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstro- mes in der Haut wenig abkühlen, wenn, wie im Sommer und den Tropen, die Temperatur der Atmosphäre sich derjenigen des thierischen Körpers annähert oder sie gar übertrifft. — c) Es mehrt sich endlich mit dem gesteigerten Stoffumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembewegun- gen, und damit auch die Abkühlung durch Leitung und Verdunstung von der Lungenoberfläche aus. Wir dürfen als Ursache hiervon wohl die Anhäufung der CO 2 im Blute oder in den Lungenbläschen bezeichnen, welche durch reflektorische oder direkte Erregung vom verlängerten Marke aus die Bewegungen auslöst. 2. Der verminderten Wärmeeinnahme folgt jedesmal eine Zusammen- ziehung der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blutgefässen der Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser verengert; die Haut wird also trockener, und zugleich sinkt ihre Temperatur und damit auch der Verlust durch Verdunstung und Strahlung. Unterstützend für die Zurückhaltung der Wärme tritt, wenn einmal die Gefässfülle der Haut auf ein Minimum gesunken ist, auch der panniculus adiposus ein, wel- cher die Ableitung der Wärme von den Muskeln und tieferen Gefässen zu der Haut hemmt ( Bergmann ). Für die Athmung gilt bis zu einem gewissen Grade das umgekehrte von dem, was für den Fall vermehrter Wärmebildung ausgesprochen wurde. Um zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme von Wärme und Wasserdampf abkühlend wirken kann, hat Helmholtz das Täfelchen der nächsten Seite berechnet. In diesem finden sich die Wärme- einheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das einen Gramm wiegt, nöthig hat, um von einem gegebenen Temperatur- und einem gegebenen Feuchtigkeitsgrad auf 37 ° C. erwärmt und mit Wasserdampf vollkommen gesättigt zu werden. In der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die Luft besass, ehe sie dem erwärmenden Einflusse ausgesetzt wurde; die Mittel zur Erhaltung der Normalwärme. Colonne B zerfällt in 4 Unterabtheilungen, welche die Ueberschriften 50, 70, 90, 100 pCt. tragen. Diese Ueberschriften beziehen sich auf die Pro- zente der ganzen Dunstmenge, welche die Luft fassen kann, wenn sie die in A angemerkte Temperatur besitzt. Die unter den einzelnen Unter- abtheilungen stehenden Zahlen geben an, wie viel Wärmeeinheiten ver- braucht werden, um die Luft bei einer Temperatur von 37 ° C. vollständig mit Wasserdampf zu sättigen, nachdem sie schon bis zu den bezeichneten Grenzen für die unter A gegebene Temperatur mit Wasserdampf erfüllt war. Unter C endlich ist die Zahl der Wärmeeinheiten notirt, welche die Luft verbraucht, um ihre Temperatur von den unter A gegebenen Graden an auf 37 ° C. zu bringen. Diese Tafel lässt erkennen, dass in den sommerlichen Temperatur- und Feuch- tigkeitsgraden die Abkühlung, welche die Luft zu erzeugen vermag, fast nur der Ver- dunstung zuzuschreiben ist. 3. Einige Körpertheile sind zugleich mit starken Horngebilden und zahlreichen und grossen Schweissdrüsen begabt, z. B. das Haupt, das einerseits das Kopfhaar und andererseits die schweissdrüsenreiche Stirnhaut trägt; die dicke Epidermissohle der Füsse, das Haar und die Schweissdrüsen der Achselhöhle sind ebenfalls hierher zu ziehen. — Anderen Hautstellen ist durch ein sehr leicht und bedeutend zu erwei- terndes und verengerndes Gefässsystem die Möglichkeit gegeben, ihren Wärmeverlust dem wechselnden Gewinne anzupassen; so die Ohrmuscheln, die Nasenhöhle u. s. w. 4. Wird dagegen die Temperatur verändert in Folge der steigenden oder mangelnden Abkühlung, so richtet sich bis zu einem gewissen Grade das Nahrungsbedürfniss darnach ein. So ist es gar keinem Zweifel unter- worfen, dass bei den Warmblütern die proportionale Menge von Nahrung wächst mit dem steigenden Quotienten aus der Oberfläche in das Gewicht des Körpers, womit, wie Bergmann Ueber die Verhältnisse der Wärmeökonomie der Thiere zu ihrer Grösse. Göttingen 1848. in der anziehendsten Weise dargelegt hat, die Abkühlung der Thiere steigen muss; kleine Menschen und Thiere, welche relativ zu ihrem Körpergewichte mehr abkühlen, essen demnach auch relativ mehr als grosse. — Mit der Muskelanstren- gung nimmt ebenfalls das Nahrungsbedürfniss zu, und zugleich steigt auch mit ihr der Wärmeverlust, da ein Theil der latenten Wärme sich Mittel zur Erhaltung der Normalwärme. in mechanische Arbeit umsetzt und mit der Muskelzusammenziehung zugleich der wärmebildende Stoffumsatz und die Mitteltemperatur und somit auch der Wärmeverlust durch Abkühlung gesteigert wird. — Man behauptet endlich auch, dass mit den klimatischen Verhältnissen der Stoffumsatz resp. die Wärmebildung veränderlich sei. Alle scharfen Be- obachtungen, welche bis dahin vorliegen, lassen aber diese Annahme sehr zweifelhaft erscheinen. Doch muss man eingestehen, dass die Unter- suchungen auch noch mangelhaft genug sind. Denn da die Wärme, welche die Gewichtseinheit des Nahrungsmittels leisten kann, sehr be- trächtlich mit der Zusammensetzung wechselt (Fette liefern bekanntlich am meisten), so ist es nicht genügend zu bestimmen, ob das Gewicht der Nahrungsmittel in Island oder Westindien gleich gross gewesen sei, sondern es ist nöthig auch zu wissen, ob sie in Island reicher oder ärmer an Kohlenhydraten waren. Sachregister. Gedruckt bei E. Polz in Leipzig .