[ Vorrede zur 1. Auflage ] In einem Jahrhundert , in welchem Kultur , Aufklärung und Verfeinerung zu einem so hohen Grade gestiegen sind , sollte man natürlicherweise den Einfluß davon auch auf das andere Geschlecht bemerken . Man könnte erwarten , unter den Weibern mehr Ausbildung des Geistes , und richtigere Begriffe von ihren Pflichten und von ihrer Bestimmung zu finden . Sie , welche in alle Verhältnisse des bürgerlichen Lebens verflochten sind , deren Einfluß sich von den einzelnen Teilen auf das Ganze erstreckt , sind noch weit entfernt , den Platz auszufüllen , welchen sie in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen . In der großen Welt sind die Weiber in ihren Sitten , Ton und Manieren verfeinert ; allein an wahrer Geisteskultur fehlt es ihnen . Doch über diese Sphäre hat der Luxus zu sehr seine verderblichen Fittiche ausgebreitet , als daß man hier hoffen könnte , durch heilsame , aber einfache Wahrheiten , Gutes stiften zu können . Ich wende mich also an Euch , meine Mitbürgerinnen , die ihr nicht zu der Klasse gehört , in welcher die Bildung des Äußeren der letzte Zweck der Erziehung zu sein scheint , und wo auf die Begierde zu gefallen , alle Fähigkeiten des jungen Mädchens gerichtet werden . Euch trage ich das Resultat meiner Betrachtungen vor . Euch widme ich dieses Werk , welches ich nur darum schrieb , um in den Herzen mancher unter Euch gute Empfindungen zu erwecken . Ich traure oft , wenn ich sehe , daß eine so große Anzahl von Geschöpfen , von der Natur mit ihren schönsten Anlagen begabt , entweder durch Erziehung verdrehet , oder ungebildet und roh auf der Bahn des Lebens fortwandelt , ohne im Geringsten sich ihrer Bestimmung zu nähern . Es tut mir wehe , Menschen zu sehen , welche so tief unter dem wahren Menschen stehen : und wäre mein Buch nur ein Tropfen im Meere der Wahrheit und Aufklärung , so ist mir der Gedanke doch süß , vielleicht durch diesen Tropfen Einigen meiner Mitbürgerinnen Erkenntnis ihrer Bestimmung gegeben zu haben ; denn der Gesichtspunkt , aus welchem das Weib betrachtet wird , ist meistens noch falsch , er ist selbst bei wenigen Männern nur richtig . Nur weil man sich noch nicht recht überzeugen will , wie groß der Nutzen sein kann , den das Weib in ihrer Sphäre zu stiften vermag , bleiben so viele Kräfte ihrer Seele unentwickelt . Die Erziehung , welche die Weiber bekommen , kann in zwei Klassen geteilt werden : in der Einen wird alles auf das schimmernde gelenkt ; da lernt das Mädchen die geistigen und körperlichen Gaben anwenden , nur um zu glänzen , um zu gefallen . In dieser Klasse findet man angenehme Gesellschafterinnen ; aber man gehe in ihre Wohnungen , wird man Gattinnen , wird man Mütter finden ? - In dieser Klasse bilden sich noch die weiblichen bel esprits , von allen Weibern die schädlichsten ; weil durch sie Kenntnisse im Weibe lächerlich gemacht werden , da doch Kenntnisse das Weib , so wie den Mann , vervollkommnen . In der Zweiten Erziehungsklasse wird das Weib zur Hausfrau gebildet : da findet man gute Wirtschafterinnen ; aber wie wenig für den , der den ganzen Umfang der Pflichten des Weibes kennt ! O , wie wenige Weiber gibt es , welche wahrhaft aufgeklärt über ihre Pflichten und Bestimmung mit ausgebildetem Geiste und edlem Herzen auf der Bahn , auf welcher sie wandeln , alles das Gute und Nützliche stiften , welches innerhalb ihres Wirkungskreises liegt ! Und o , meine Mitbürgerinnen , warum sollten Sie nicht Alle von dem Stolze beseelt sein , sich über die Schranken zu erheben , welche Alltagsmeinungen Ihrem Geschlecht setzen ? Warum sollten Sie das nicht in Ihrer Sphäre werden , was der Mann in der seinigen ist ? Blicken Sie um sich , sehen Sie , wie groß Ihr Einfluß ist ! Sie sind ein Mitglied der großen Kette , an welcher alles zum Guten mitwirken soll ! Ihr Platz ist nicht unwichtig , füllen Sie ihn aus ! - Und o , möchte doch unser Jahrhundert noch , so fruchtbar an großen Entdeckungen , an großen Geistesprodukten , doch auch der Nachwelt unsere Weiber als Muster vorstellen ! Vorrede zur zweiten Auflage Vorrede zur zweiten Auflage Die Nachsicht , mit der man ein Werk aufgenommen hat , welches der erste Versuch einer jugendlichen Feder war , macht es mir zur Pflicht , die Gründe darzutun , welche mich bewogen haben , Elisa , in jedem Moment ihres Lebens , gerade so , und nicht anders , darzustellen . Ein Ideal kann nur einmal sein , sagt man , und dieses ist wahr ; allein ich wollte nur zeigen , wie in einzelnen Fällen , das Weib wohl am besten handeln würde . Freilich hat jede individuelle Lage ihre eigenen Verpflichtungen ; allein die Gründe , welche Elisa zu ihren Handlungen bewogen , und ihr System , stets nach dem Gesetze des Guten zu handeln , und die Vernunft als ihre erste Führerin anzuerkennen , dieses sollte sich wohl jedes Weib zu eigen machen . Ich stellte dieses System in einer Reihe von Handlungen auf , und konzentrierte sie in einer Person , weil ich gewiß glaube , daß Mann oder Weib , wer dieses System befolgt , glücklich ist . Hierzu gehört freilich ein höherer Grad der Ausbildung des Verstandes , um das Bessere zu erkennen ; eine Standhaftigkeit ; eine Festigkeit im Guten . Um alle diese Eigenschaften zu erlangen , hat der Mensch nicht selten mit Schwierigkeiten zu kämpfen , welche durch seine frühere Erziehung , durch Konvenienz , bürgerliche Einrichtungen , Gesellschaften und manches Individuelle in seiner Lage , erzeugt werden ; allein sollten wir darum jeden Versuch zur Besserung der Menschen aufgeben , weil so viele Ursachen vorhanden sind , die dieser Besserung entgegen wirken ? Oder ist dieses nicht vielmehr ein Antrieb , wahre Aufklärung , und reine , einfache Moral , immer_mehr unter die Menschen zu verbreiten ? Wenn wir gleich , unter unseren Weibern , keine Elisa finden möchten , so finden wir doch Manche unter ihnen , so empfänglich für jedes Gute , so bereitwillig es auszuüben , daß es ihnen oft nur an Berichtigung ihrer Begriffe , und mehrerer Ausbildung derselben fehlt , um ganz das leisten zu können , was sie als Weiber leisten sollten ; und für diese werden die Schriften , welche für sie geschrieben sind , nicht ganz ohne Nutzen bleiben . Man hat es Unrecht gefunden , daß die sterbende Elisa Zweifel gegen die Unsterblichkeit der Seele hegte . Es war meine Absicht , daß reine Moral die Bewegungsgründe zu Elisa's Handlungen ausmachte , und keine Grundsätze der positiven Religion , welche nur zu oft schwankend werden . Dann aber mußte Elisa über positive Religion ganz aufgeklärt sein , oder sie war nicht das Weib , wie ich sie schildere . Und sie , welche ihr ganzes Leben hindurch , Hoheit des Geistes und Festigkeit zeigte , hätte nicht sagen können , daß sie sich schon die Zerstörung ihres Wesens gedacht hätte ? Mit der Erkenntnis , daß wir von einer Fortdauer nach dem Tode nichts wissen können , ist schon der Gedanke von der Zerstörung unseres Wesens verbunden , und viele Menschen müssen ihn schon gedacht haben . Ich wollte zeigen , daß die Ruhe im Tode wohl hauptsächlich aus der Überzeugung entspringt , auf der Erde unsere Pflichten erfüllt zu haben ; weiter hinaus ist ein Vorhang vorgezogen , den wir Menschen wohl nie aufheben werden . Halbe Aufklärung ist immer schädlich , warum sollen aber denn die Weiber nur halb aufgeklärt sein ? Wer wird es verhindern , daß sie nicht viele Schriften lesen , in welchen über den Satz von der Unsterblichkeit der Seele entgegengesetzte Meinungen aufgestellt sind ? Wird diese Ungewißheit sie aber nicht unglücklich machen , wenn sie diesen Satz als eine Bedingung ihrer Glückseligkeit angenommen haben ? Und wäre es nicht besser , wenn jeder Einzelne diesen Satz als eine philosophische Meinung betrachtete , dessen Entscheidung außerhalb dem Gebiete des Menschen liegt , und eben deshalb auf die Ruhe und das Glück des Menschen keinen Einfluß haben kann ? Bei mehrerem Nachdenken werden vielleicht die meisten Menschen zu dieser Überzeugung gelangen , die vielleicht im Tode am meisten Ruhe gewährt , da wir uns alsdann gewöhnt haben , an die Zukunft mit Ruhe zu denken . Warum sollten wir aber das Nachdenken der Weiber nicht auch auf diesen Gegenstand leiten , da es für sie eben so wichtig ist , hier eine ruhige , feste Überzeugung zu erhalten . Ich übergebe also meinen Mitbürgerinnen Elisa noch einmal in derselben Gestalt . Selbst ein Weib , wünsche ich , wahre Tugend und höhere Ausbildung des Geistes immer mehr unter meinem Geschlecht verbreitet zu sehen , von welchen wir uns , durch eine falsche Richtung des Verstandes , immer mehr entfernen . Durch die Kunst gebildet , wünschte ich das Weib zur Einfachheit und zur Natur zurückgeführt zu sehen . Dieses war mein Zweck , als ich dieses Buch meinen Mitbürgerinnen weihte . Mögen Andere diesen Zweck durch kräftigere Mittel erreichen , mögen edle Männer es sich zur Pflicht machen , durch ihr Verhalten die Weiber zur Tugend zu erziehen , jedes edle Weib wird ihnen danken ! Und die Verfasserin der Elisa wird gern ihr Buch der Vergessenheit übergeben , wenn sie hoffen darf , daß das System , welches Elisa befolgte , in den Herzen unserer meisten Weiber eingeprägt ist . Vorbericht des Verlegers zu der dritten Auflage Vorbericht des Verlegers zu der dritten Auflage Um diesem musterhaften Buche , welches bereits in tausend Händen ist , den möglichsten Grad von Vollkommenheit zu geben , schrieb ich nach Erscheinung der vortrefflichen Rezension über Elisa ( in der A. L. Zeitung 1797 S. 381 ) an die verehrungswürdige Verfasserin , sandte ihr dieses Blatt und bat , wo möglich die Wünsche und Winke des Rezensenten zu erfüllen , und zu benutzen , da ich im Begriffe sei , eine N. Auflage zu machen ; zugleich forderte ich sie abermals auf , mir zu erlauben , doch jetzt ihrem Buche ihren Namen vordrucken zu dürfen , weil ein großer Teil ihrer Leser und Leserinnen wünschten , die Verfasserin der Elisa wenigstens dem Namen nach zu kennen . Über alles dieses erhalte ich folgenden Brief , der als Neue Vorrede der Verfasserin gelten mag . " Ich sage Ihnen meinen Dank für die Übersendung des Blattes der allgemeinen Literatur-Zeitung . Sie wünschen also eine dritte Auflage zu veranstalten ? - Ich muß Ihnen aufrichtig gestehen , daß es nur wäre , um Ihrem Wünsche ein Genüge zu leisten , wenn ich mich noch einmal einer Arbeit an Elisa unterzöge . Es ist ein Zug in meinem Charakter , daß ich mich ungern , und nicht mit glücklichem Erfolge , mit einem schon beendigten Werke noch einmal beschäftige , es fehlt mir hierzu an gehöriger Anstrengung , und es kostet mir viele Mühe , einen Faden wieder anzuknüpfen , den ich seit vielen Jahren fallen ließ . Als ich Elisa schrieb , gehörte es in meinen Plan , sie sterben zu lassen . Ich wollte die Ruhe schildern , welche das tugendhafte Weib bis ins Grab begleitet . Ich legte ihr meine Überzeugungen in den Mund , wie ich es in dem ganzen Buche getan hatte , ohne zu wähnen , daß man hieran den mindesten Anstoß nehmen könnte ; denn die sterbende Elisa sagt ja nicht : Ich glaube an keine Unsterblichkeit der Seele , sie sagt nur : Die Zukunft sei wie sie wolle , ich sterbe ruhig , weil ich mit dem Bewußtsein sterbe , meine Pflichten erfüllt zu haben . Ich finde dieses Gefühl in dem tugendhaften Sterbenden so natürlich , daß ich Elisa nie anders sterben lassen könnte ; und wohl dem Menschen , der mit diesem Gefühl in den Tod gehen kann ! - - Doch sollte Elisa zum Drittenmal verändert erscheinen , so würde ich sie nun gar nicht mehr sterben lassen . Der Rezensent sagt zwar selbst , daß die Wendung verbraucht ist , ihr ihren ersten Geliebten zum zweiten Gatten zu geben ; wünschen Sie aber noch eine dritte Auflage von Elisa zu machen , so will ich sehen , wie mir diese Wendung gelingen wird , ob ich mir gleich nicht viel davon verspreche , da ich wenig Neues hinzufügen könnte , indem meine Getan ken über weibliche Pflichten in der Elisa , wie sie gegenwärtig ist , enthalten sind . Doch ich würde alsdann meinen Versuch Ihrer Prüfung überlassen , und es würde Ihnen immer frei stehen , ob Sie diesen Anhang der Elisa beifügen wollen oder nicht . Ich bitte Sie , mir hierüber bald zu antworten , und mir Ihre Gedanken mitzuteilen . - Nur kann ich Ihnen nicht versprechen , das Geschäft bald zu beschleunigen , denn ich erwarte in einigen Monaten , Mutter zu werden , welches mir bei dieser Arbeit einige Hindernisse verursachen könnte . Was Ihr zweites Verlangen betrifft , so kann ich Ihnen die Erfüllung desselben nicht gewähren . Ich sage Ihnen meinen Dank für Ihre Verschwiegenheit , und bitte Sie , sie in Absicht meiner beizubehalten . Ich bin so wenigen Menschen bekannt , daß durch Nennung meines Namens ich doch den meisten , welche mein Buch lesen , nicht bekannter werde , und in dem Zirkel , in welchem ich lebe , würde die Nennung meines Namens als eine Anmaßung gelten , die mir einen Teil der Achtung und des Zutrauens rauben könnte , deren ich jetzt genieße " u. s.w . Alle diese hier von der Verfasserin selbst aufgestellten Gründe - die Notwendigkeit der baldigen Erscheinung dieser dritten Auflage , da ich kein einziges Exemplar mehr hatte , und die Nachricht , daß in Mannheim ein elender Nachdruck existiere , bestimmten mich , auf alle Umänderung Verzicht zu tun . Mit hin tritt Elisa bloß verschönerter , und völlig von allen kleinen Fehlern frei , zum Drittenmal auf , und in dieser Gestalt ist sie auch zum Behuf für Lernende der französischen Sprache , in dieser Sprache übersetzt worden . - Heil und Segen der würdigen Verfasserin ; denn ihre Lehren und ihre aufgestellten Beispiele der Tugend müssen hundertfältige Früchte bringen . Elisa Elisa " Fast ein halbes Jahrhundert habe ich durchlebt , viele Menschen habe ich gesehen , aber selten wahres Glück angetroffen ; ich habe Unwürdigen Ehrenstellen erteilen , und sie vom Rechtschaffenen , aber minder Beglückten , beneiden sehen ; aber nicht den gefunden , der bei harten Schlägen des Schicksals sich sagte : und dennoch bin ich glücklich ! Nicht den , dessen Wünsche nicht seine Kräfte überschritten hätten , der zufrieden mit dem Platze , den das Schicksal ihm angewiesen , sich nicht immer aus demselben versetzt , und allenthalben Glück , nur da wo er sein mußte , Unglück sah . Und eben weil die Menschen nie ihrer Lage gemäß denken und handeln , entsteht so mannigfaches Übel . Nein , die Welt ist weder ein Himmel noch eine Hölle , und die Menschen weder Engel noch Teufel ! Manche frohe Stunde wirst Du haben , meine Tochter , aber auch manche Leiden warten Deiner . Erwarte stets beides . Denke im Taumel des Glücks , daß ein fernes Übel Dir droht , und in Widerwärtigkeiten vergiß nicht , daß auch dann noch Freude Dir lächelt . Sei in beiden Dir gleich , sei immer tugendhaft . Handle , wie Du handeln mußt . Sei stets da , wo das Schicksal Dich berief , dann wird Stärke des Geistes Dich nie verlassen , und der Schimmer des Glücks Dich nie verführen . Liebe die Menschen , ertrage sie , verzeihe ihnen Beleidigungen , wirke stets Gutes , so viel Du kannst , und Du wirst nie das Unglück kennen . " So sprach auf seinem Sterbebette der Baron von Hohnau zu Elisa , seiner dreizehnjährigen Tochter , und starb bald darauf . Seine Worte prägten sich tief in ihr Herz ; sie fiel nieder bei der Leiche ihres Vaters , küßte seine erstarrte Hand , und sprach : Vater , ich will stets Deine Tochter sein ! Lange blieb sie sprachlos bei dem entseelten Leichnam liegen ; ihre junge Seele faßte ganz den Schmerz der Trennung . Elisa trauerte lange um den Verlust ihres Vaters , aber im Frühlinge des Lebens ist der Schmerz nicht dauernd , er sollte es am Abende auch nicht sein . - Elisa hörte auf zu weinen , aber sie vergaß nicht die Lehren ihres Vaters ; sein Bild umschwebte sie , und seinen Schatten zu verehren , bildete sie ihre Seele zu jedem Guten . In einer der größten Städte Deutschlands hatte der Baron von Hohnau mit seiner Familie gelebt . Sie bestand aus seiner Frau und zwei Töchtern , von welchen Elisa die älteste war ; ihre Mutter verließ die Stadt nach dem Tode ihres Mannes , und begab sich auf das Land . Die Baronin von Hohnau verband mit einem guten Herzen und einem richtigen Verstande viele Fehler : stolz , strenge , von einem kalten , gleichgültigen Charakter , war sie immer bereit , zu verdammen ; die unschuldigsten Handlungen hörten es auf in ihrem Auge zu sein , sobald sie der Schicklichkeit zuwider waren , und Ahnenstolz nannte sie Schicklichkeit . Ganz das Gegenteil der sanften , gefühlvollen , Alles liebenden Elisa , liebte sie diese nicht sehr , sondern zog ihr Caroline , ihre jüngere Schwester , vor , welche fast ganz das Ebenbild ihrer Mutter , nur böser , als jene , war . Elisa besaß eine Freundin , ihr Name war Henriette von Wahnberg sie war einige Jahre älter als Elisa , eine Waise und dürftig . Die Baronin von Hohnau erlaubte , daß sie die Gesellschafterin ihrer Töchter wurde , und bot ihr ihr Haus zu ihrem Aufenthalte an . An der Seite ihrer teuren Henriette verlebte Elisa die ersten Jahre ihres angehenden Frühlings . Sie ordnete ihre allzu feurige Einbildungskraft , durch welche die junge Elisa hätte irre geleitet werden können . Am Grabe ihres Vaters wiederholte ihr Henriette oft seine Lehren , und gerührt erwiderte ihr einst Elisa : Ja , unvergeßlich sind mir seine letzten Worte , unvergeßlich ist mir seine Tugend , seine Größe der Seele ! Ach , Henriette ! ich versprach es seinem Schatten , ihm ähnlich zu werden , sage , hielt ich mein Versprechen ? Henr . Liebe Elisa , es zu wollen , ist schon Tugend . Elisa . Nein , nein , weg mit jener Gemeintugend , weg mit jenen guten Vorsätzen , welche unausgeführt bleiben ! Sieh , Henriette , den reinen heiteren Himmel , er soll immer das Bild meiner Seele sein , ewig rein und unbefleckt ! Henr . Wohl Dir dann , meine Freundin , wenn dieses stets so ist . - O , daß Kummer immer so entfernt von Dir sein mag , als es das Laster gewiß sein wird ! Elisa . Warum diese Betrachtung , Henriette ? Ich kann erwarten , daß ich den Kummer nicht kennen werde . Ich kenne nur ein Glück , Liebe und Tugend können es gewähren . Mit einem edlen Manne verbunden zu sein , ist das einzige Gut , nach welchem ich strebe ; es wird mir zu Teil werden , und an seiner Seite werde ich jedes Ungemach ertragen . Henr . Warum nur unter dieser Bedingung , Elisa ? Wer hat Dir Dein Los gesagt ? Keine Schwärmerei ! Sie wird Dich elend machen . Den Mann nach Deinem Herzen findest Du nicht . Sanfte , gefühlvolle , erhabene Seele , Du lebtest nur in der Einsamkeit , Du weißt nicht , wie in der Welt Leidenschaften und entgegengesetztes Interesse mit einander kämpfen , wie bald die Tugend unterliegt , wie besonders jene Delikatesse , jene seine Gefühle bald erstickt werden , welche in der männlichen Seele nie in der Stärke als in der weiblichen sind . O , Elisa ! eine Eigenschaft fehlt Dir noch , ohne welche die Tugend nur Schwachheit ist , und welche die letzte Rede Deines Vaters Dich lehren sollte : Stärke der Seele , und richtige Beurteilung . Er warte Mittelmäßigkeit von den Menschen , erwarte von der Hand des Schicksals Kummer und Freude . Dieses - Elisa . Dieses waren seine Worte ; glaube nicht , daß ich sie vergessen werde . Ach , Henriette ! führe , leite mich . Ich kann es mir oft nicht vorstellen , daß die Menschen nicht eben so dächten , eben so empfänden , als ich . Alles Große und Schöne erregt ja ein so erhabenes Gefühl in uns , gefällt , so bald wir es erkennen , und erzeugt das Verlangen , es zu erreichen . Henr . Wohl wahr , meine Freundin , wenn alle Menschen so wie Du und ich Zeit hätten , auf ihre inneren Gefühle zu merken . Wenn sie nicht vom Strome der Leidenschaften und von tausend Begebenheiten hingerissen würden , welche es ihnen . unmöglich machen , richtig zu urteilen ; und wenn endlich , noch ehe sie denken konnten , nicht schon ihr Geschmack eine falsche Richtung bekommen hätte , wo sie nicht mehr fähig sind , weder das Schöne zu erkennen , noch Gefühl dafür zu haben . Elisa . ( Mit einem Seufzer . ) Ach , Henriette ! so würde ich mich ja fast allein in der Welt finden ? so fände ich nicht Seelen , die mich verstehen , so müßte ich einsam , von den Menschen entfernt , meine Tage zubringen ? Henr . Nein , ein so trauriges Bild wollte ich nicht in Dir erregen . Fliehen sollst Du die Menschen nicht , nur keine überspannten Begriffe von ihrer Tugend haben . Jede gute Seele wird Dich verstehen ( und deren gibt es noch viele ) , wenn Du nicht Vollkommenheit von ihnen heischest . Nein , die Tugend selbst hörte auf , es zu sein , wenn sie nicht mit Menschen leben könnte ; und welche gefühlvolle Seele wünschte nicht lieber von Menschen hintergangen zu werden , als nur in sich verschlossen zu leben ? Elisa . Ich fühle die Wahrheit Deiner Worte , auch erwarte ich nicht , mich in jedem Menschen zu finden ; aber es gibt doch deren gewiß , welche eben so denken , eben so empfinden , als ich . Henr . Weit entfernt sei es von mir , die menschliche Natur so zu erniedrigen , um das Dasein schöner Seelen zu bezweifeln . Ja , sie sind noch , die , welche das Gute nur um seiner selbst Willen lieben , die uneigennützig edel handeln , die Wohlwollen und Liebe für jedes Wesen empfinden . Aber , ob Du sie antreffen wirst , Elisa ? Ob sie sich nicht in der Menge verlieren werden , und Du sie dann nicht wahrnimmst ? Wer kann dir das versprechen ? Elisa . Mein Herz ! - Es wird sie finden ! Henr . Liebenswürdige Schwärmerin ! oft wirst Du glauben , sie gefunden zu haben , und wirst dann trauern , wenn Du Dich hintergangen hast ! Elisa . ( Sie umarmend . ) Henriette , so wirst Du mir doch bleiben ! aber warum zerstörst Du immer die süßen Bilder meiner Einbildungskraft ? Henr . Weil es Bilder sind , und Du sie als Wirklichkeit betrachtest . Elisa , ich schwärme vielleicht auch , aber meine Einbildungskraft zeigt mir Dich , als das Ideal weiblicher Vollkommenheit , und ich will , daß Du es erreichen sollst . Elisa . Ich , Vollkommenheit erreichen , so weit sie ein Weib erreichen kann ? O , Henriette , dieser Gedanke erhöht mein ganzes Selbst ! Henr . Und er schmeichelt meinem Stolze , wenn ich denke , daß auch ich daran arbeite . Doch , ich täusche mich . Wenn Elisa die Vollkommenste ihres Geschlechts wird , so ist sie es durch ihren Vater , durch sich selbst geworden . Elisa . Vollkommenheit ! hoher , erhabener Begriff , den wir kaum fassen können , dir werde ich mich nicht nähern ! aber gut will ich werden , und hierzu , meine Henriette , bedarf ich Deiner Hilfe ! Henr . Ja , Elisa , nie werde ich schweigen , wenn Du fehlst , nie Dir die Wahrheit verhüllen . Meine ganze Seele hängt an Dir , ich teile Deine Tugenden , Deine Fehler , ja die Ersteren machen mich stolz . Elisa . Liebes Mädchen ! Sei versichert , von heute an bilde ich mir keine Menschen mehr , Du zeigst mir , daß ich Unrecht hätte , wenn ich mehr suchte , als ich schon gefunden habe . - Elisa und Henriette umarmten sich , wie nur reine Seelen sich umarmen können , welche der Tugend Bund beschwören . Stummes Entzücken , und Ergießung des Herzens , war in dem Kusse der Freundschaft . Eine sah in der Anderen die liebevolle , erhabene Seele , und beide liebten sich um so mehr . So verflossen noch einige Jahre , in welchen Elisa , immer noch von ihrer feurigen Einbildungskraft geleitet , das Ideal des Schönen und Großen nicht mehr in Anderen suchte , sondern in sich zu erreichen sich bestrebte . Sie gewöhnte sich , Dinge und Menschen zu betrachten , wie sie wirklich waren . Den schönen Traum von Tugend ; Freiheit , Gleichheit unter allen Menschen , träumte sie zwar auch , sah auch ein , daß es möglich werden könnte , und daß , wenn die Menschen besser wären , sie auch glücklicher sein würden ; allein dieses wurde zu ihrer Zeit so viel gesagt und geschrieben , ohne daß die , welche es am häufigsten sagten , bei sich selbst diese große Verbesserung anfingen . Elisa sagte es nicht , aber sie wollte es sich durch sich selbst beweisen . Sie sah , daß die Menschen nach unseren politischen und bürgerlichen Einrichtungen nicht besser sein konnten ; daß notwendige Ursachen eben diese Einrichtungen hervorgebracht hatten , das sah sie auch , und daß diese gleichwohl nicht eher würden geändert werden , als bis die Menschen klüger und besser würden , das erkannte sie . Auch dachte sie , daß ein Jeder , der dieses einsieht , hierzu beitragen könnte ; zwar nicht durch das beständige Zurufen : Werdet besser , und werdet glücklicher ! sondern durch Handlungen , diesem Grundsatze gemäß . Zeigt es erst den Menschen , daß dieses so ist , sprach sie zu ihrer Henriette , und dann fordert es von ihnen ! Klagt nicht , daß das Glück nicht das Verdienst belohnt , zeigt , daß es in eurem Verdienste , in eurer Tugend , in Euch selbst besteht , daß fremde Güter es Euch nicht geben , und Unfälle es Euch nicht rauben können , weil Ihr es mit Euch führt ! Bereitet Tugenden der künftigen Generation , und erzeiget der gegenwärtigen Gutes ! Oft muß ein halbes Jahrhundert erst eine Revolution in der Denkungsart bewirken . - So wurde Elisa , immer noch feurig in ihren Empfindungen , kalt in ihren Urteilen und Schlüssen ; sie empfand lebhaft , aber sie dachte richtig . Uneigennützige Liebe und Wohlwollen hegte sie gegen alle Menschen , aber sie erwartete sie nicht von ihnen ; wenn sie sie antraf , empfing sie die Beweise davon mit Dank und Rührung . Jedoch weit entfernt , mißtrauisch zu sein , ahndete sie nicht Böses in jeder Handlung ihrer Mitgeschöpfe ; nein , sie wußte , daß die Menschen immer nach dem Guten streben , und daß falsche Begriffe allein sie irre leiten ; nie würden sie einander beleidigen , nie sich zu schaden suchen , wenn sie sich nicht gegenseitig als ein Hindernis ihrer Glückseligkeit betrachteten . Dieses machte sie weniger empfindlich für Beleidigungen , und bereiter zu verzeihen . Liebe und Güte schienen in der ganzen Natur zu atmen , und schienen allein ihr Wesen auszumachen . Sie verehrte in allen Geschöpfen den ersten Ursprung aller Wesen . Wenn sie zum Himmel blickte , sich Millionen Welten dachte , so verlor sich ihr Geist in diesen Betrachtungen . Die Pracht , die Größe , die Mannigfaltigkeit der Welt erhob ihn ; im stummen Staunen stand sie da , und empfand endlich , daß der Geist zu dieser Unendlichkeit sich nicht erheben könnte ; wenn aber der Gesang der Vögel im nahen Hain erschallte , wenn der Nachtigall liebliches Lied ertönte , wenn sie den brausenden Käfer , den Wurm zu ihren Füßen , die wimmelnden Insekten , welche die Lust erfüllten , sah , dann fiel sie nieder und rief aus : Ja , du bist ! du bist ! Der Wurm so wie der Sternen Heere beweisen dein Dasein ; das Insekt , das ich einatme , zeiget deine Größe ! - Und dieses Gefühl vom Dasein eines ersten Wesens , welches nur Sophisterei bezweifelt , das Herz aber immer erkennt , und der Verstand immer begreift , war ihr das seligste . Wohin sie sah , erblickte sie den Urheber alles Seins : Was du auch bist , sprach sie , gewiß , du hörst nie auf zu wirken ; ich erkenne es , deine Kraft belebt die ganze Natur ! - Elisa glaubte , daß es des Menschen edelstes Geschäft wäre , den Geist aufzuklären , und ihn dadurch zu veredeln ; sie bildete ihren Verstand , erwarb sich Talente und Kenntnisse , und durch Lesen und Nachdenken hatte sie die Eigenschaften erlangt , welche sie so liebenswürdig machten . Lesen , auf Gelehrsamkeit Anspruch machen , schöne Geister sein zu wollen , war zwar zu ihrer Zeit unter den Frauenzimmern so gewöhnlich , daß sie oft ihre wichtigeren Pflichten darüber versäumten , und daß vernünftige Männer , welche diesen Mißbrauch einsahen , alle Beschäftigungen des Geistes für ein Frauenzimmer verwarfen , weil sie sie als Quelle dieses Übels betrachteten , und sie zur Unwissenheit verdammten ; weil Mißbrauch der edelsten Beschäftigungen , falsche Anwendung derselben , und das Verlangen , mit Kenntnissen zu prahlen , sie zu Törinnen machte . Wer hätte aber eine Elisa getadelt , welche nur lernte , um besser zu werden ? die edles Vergnügen , stärkeren Reiz zur Tugend in den Beschäftigungen des Geistes fand , die , weit entfernt durch Witz , Verstand und Gelehrsamkeit glänzen zu wollen , jeden Schein davon vermied , und welche auch die geringste Handarbeit nicht verachtete , ihr willig ihre liebsten Beschäftigungen aufopferte , sobald Pflicht es heischte ? Elisa teilte einst selbst ihre Gedanken über diesen Gegenstand ihrer Henriette mit , nachdem sie einige Stunden in einer Gesellschaft schöner Geister von beiden Geschlechtern zugebracht hatte . Elisa . ( Henriette , welche ihr entgegen kommt , freudig umarmend . ) O , wie wohl ist mir , Henriette , daß ich wieder bei Dir bin ! Henr . Habe ich diese Freude Deiner Liebe zu mir , oder der Langenweile , die Du empfandest , zu verdanken ? Elisa . Beidem , liebes Mädchen ! doch ich gestehe es Dir , in diesem Augenblicke mehr noch der letzteren . ( Sie gähnt . ) O , es ist unerträglich langweilig , mit Leuten umzugehen , welche aufgehört haben , die Sprache der Natur zu sprechen ; die alle vor Verlangen brennen , ein wenig Witz und einige seichte Kenntnisse zu zeigen , und aus allzu großer Gelehrsamkeit oft Ungereimtheiten sagen . Henr . Du sprichst so ? Du , die Du in den Unterhaltungen des Geistes Dein größtes Vergnügen findest , und mit Entzücken die Schriften großer Männer liefest ? Elisa . Ja , Henriette ; ich verehre wahre Gelehrsamkeit , aber ich verachte eben so sehr jeden Schein derselben , den nur unwissende Pedanten annehmen , um sich verächtlicher zu machen . - Großes Wesen ! wenn es der edelste Vorzug des Menschen ist , daß er fähig ist , durch anhaltendes Forschen höhere Kenntnisse zu erlangen , wie sehr erniedrigt er sich , wenn er die großen Fähigkeiten , welche du ihm gabst , nur anwendet , durch Mißbrauch derselben unverdiente Bewunderung zu erlangen ! Wenn der , den das Glück begünstiget , seinen Geist zu bilden , sich nur begnügt , statt Begriffe leere Worte zu sammeln , mit welchen er vor Unwissenden , sich den Schein tiefer Gelehrsamkeit gibt , und noch stolz auf diese nichtige Wissenschaft ist ! Henr . Liebe Elisa , bist Du nicht allzu strenge gegen diese armen Würmer der Gelehrsamkeit , welchen , sich hinaufzuschwingen , Flügel fehlen ? Elisa . Nein , Henriette , ich verlange nur , daß man seine Ohnmacht fühle , daß man einen Blick in sich selbst tue . Wüßten alle schöne Geister und philosophierende Damen , wie töricht sie durch das Bestreben werden , mit der Oberfläche von Kenntnissen zu glänzen , welche nur ihre Unwissenheit beweist , sie würden ihrer Eitelkeit bald eine andere Richtung geben , und aufhören , Kenntnissen und Gelehrsamkeit den Anstrich des Lächerlichen zu geben . Henr . Aber , meine liebe Moralistin , Sie schelten auf philosophierende Damen , und philosophieren doch selbst so gern . Elisa . Henriette ! ich bin doch keine Pedantin . Unglücklich wäre das Weib , wenn es zur Unwissenheit verdammt wäre ! Nein , die Natur gab uns gleiche Fähigkeiten , wir haben also gleiche Verpflichtung , sie auszubilden . Ja , unsere bürgerliche und gesellschaftliche Verfassung erfordert , daß Weiber in den höheren Ständen Welt- , Menschen- und Sachkenntnisse besitzen . Und warum sollten sie des edlen Vergnügens beraubt sein , ihren Geist immer mehr aufzuklären , ihren Verstand zu bilden ? Mögen sich auch die Männer dagegen aufwerfen , so werden sie doch gern das kluge Weib zu ihrer Gefährtin wählen . Doch nein , der vernünftige , edle Mann verachtet nicht höhere Eigenschaften in dem Weibe , aber er verachtet in ihr jeden Anspruch , jeden Schein von Gelehrsamkeit , welcher sie ihre Pflichten vernachlässigen macht . O , wer nur in der Veredlung seines Geistes Vergnügen findet , der wird nie , um Bewunderung zu erregen , mit lächerlicher pedantischer Miene ein wenig Gelehrsamkeit auskramen ; denn dieses erniedrigt uns ! Nie wird das Weib von richtigen Kenntnissen und Verstande und erhabenen Gesinnungen eine Pedantin werden ; nie nach einem höheren Rufe , als nach dem Rufe eines guten , ihren Pflichten getreuen Weibes streben . Henr . Ich höre Dich mit Vergnügen , meine Freundin ! Nein , die Mode-Torheit unseres Zeitalters wird für Dich nicht ansteckend sein ! Du hast ins Innere geblickt , und den Schein von der Wirklichkeit getrennt , der so manches , in der Tat , kluge Frauenzimmer verführt . Elisa . Ich fühle es auch , Henriette , wie leicht selbst ein kluges Frauenzimmer durch ihn verführt werden kann ; und die Männer , welche das pedantische , das gelehrte Weib tadeln , sind doch selbst die Ursache des gelehrten Paroxismusses , der jetzt unter unserem Geschlecht so herrschend ist . Warum geben sie uns Beifall , indem sie uns verdammen ? Durch Lob und Eitelkeit verblendet , sehen wir nur den Beifall , und hören nicht den Tadel , und nun verdoppelt sich das Bestreben , größeren Beifall zu erhalten . Ich bedaure immer das Frauenzimmer , welche stets bereit ist , ihre höheren Kenntnisse zu zeigen , und um sich eine Schar Bewunderer zu sehen glaubt ; gern möchte ich ihr zurufen : Ein Heer der Spötter versammelst du um dich ! Suche Bewunderung durch Tugend , nicht durch Gelehrsamkeit zu erlangen ! Henr . Billigest Du auch nicht , wenn ein wirklich kluges und bescheidenes Frauenzimmer die Gesellschaft gelehrter Männer sucht , nicht um zu glänzen , sondern um zu hören ? Elisa . Dieses ist der Strand , an dem die Bescheidenheit scheitert , und Eitelkeit und das Verlangen zu glänzen , sich ihrer Seele bemächtigen . Ich verlange nicht , daß ein Frauenzimmer sich das Vergnügen einer klugen Unterhaltung untersagen soll ; sie soll den klugen Mann nicht meiden , sie kann ihn suchen , nur nicht pedantisch ihm anhängen , nicht gelehrte Klubs besuchen . Denn macht sie hierdurch nicht schon einen Anspruch auf Gelehrsamkeit ? Sich in der Gesellschaft gelehrter Männer befinden ! - O , Ihr Weiber ! die Ihr Euch über den gemeinen Haufen Eures Geschlechts erhebt ! die Ihr richtige Kenntnisse und Bescheidenheit besitzt , sagt selbst : Macht dieser Gedanke Euch nicht stolz ? Erregte er nie Eure Eitelkeit ? Wart Ihr nur immer Zuhörerinnen ? Empfandet Ihr nie das Verlangen , selbst zu glänzen ? Erfülltet Ihr es nie ? Und endlich , verließt Ihr diese Gesellschaften mit dem Vorsatze , bessere Gattinnen , bessere Mütter , bessere Kinder , bessere Menschen zu sein ? Oder wolltet Ihr nicht vielmehr , bei Vernachlässigung Eurer wichtigsten Pflichten , Euch in den Stand setzen , einen der ersten Plätze in diesem geistreichen Zirkel einzunehmen ? War Euer Gefühl für Tugend wärmer , als wenn einsam Ihr Euch mit Euren Betrachtungen über Euch selbst , über Eure Pflichten , über den Zweck des Menschen , über Gott und die Schöpfung unterhieltet ? Nein , gewiß nicht ! aber auch nicht gelehrter verließt Ihr jene Gesellschaften , und das Vergnügen , das Ihr empfandet , entsprang bloß aus der Eitelkeit . Henr . O , meine Elisa ! daß doch unsere Schwestern , welche aus Verblendung irren , Deinen Zuruf gehört hätten ! Sie halten jene gelehrten Klubs für ganz unschädlich . Elisa . Sie glauben vielmehr , Veredlung des Geistes da zu finden . Es wird da so viel über Tugend , über unsere Gefühle und Leidenschaften moralisiert . Die großen Worte : Philosophie , Religion , Naturalismus , Toleranz und Menschenliebe , werden so oft wiederholt , daß man das , was man hört , zu sein glaubt . Schöne , erhabene Gedanken , welche in einer Versammlung gelehrter Männer gewiß oft statt finden , werden zwar mit Begeisterung angehört , aber das Verlangen , selbst Bewunderung zu erregen , erlaubt dem Verstande nicht , sie richtig zu fassen , sie sich verständlich zu machen , und sie bleiben ohne Nutzen . Ja , ich behaupte , daß selbst Männer diese Klubs ohne Nutzen besuchen ; denn ein jeder kommt nur hin , sich selbst und nicht Andere zu hören . Hier , wo nur Stolz und Selbstbewunderung die Versammlung beschäftiget , werden sich die Begriffe nicht erweitern . Im freundschaftlichen Gespräche , im Zirkel einiger denkenden Köpfe , welche ohne Prahlerei versammelt sind , nicht Gelehrsamkeit zum Zwecke haben , ist es , wo durch Mitteilung der Gedanken , Beobachtungen über Gegenstände unserer Aufmerksamkeit würdig , neue Begriffe in unserer Seele entstehen , sich erweitern , sich mit jenen verbinden , und unser Geist aufgeklärter wird . Und dieses Vergnügen ist auch für die Wenigen unseres Geschlechts , welche durch höhere Begriffe , bessere Handlungen , sich über die gewöhnlichen Weiber erheben . Ja , meine Schwestern ! dieses Vergnügen ist süßer , ist edler , als mit dem Scheine der Gelehrsamkeit zu glänzen , bei welchem unsere Eigenliebe so oft Demütigungen erfährt . Auch in Eurem häuslichen Zirkel könnt Ihr dessen genießen , und die Erfüllung Eurer Pflichten wird Euch den Genuß verdoppeln . Henr . Laß Dich umarmen , meine Elisa ! O , ihr Weiber ; lernt , wie sie , denken ! dann werdet Philosophinnen , Gelehrte , ihr werdet unter jedem Namen verehrungswürdig sein . - So war Elisa , als Herrmann von Birkenstein seine Mutter besuchte , welche unweit Hohnauschloß , ( Rittersitz der Baronin von Hohnau ) auf einem einsamen Landgütchen lebte . Die Baronin von Hohnau kannte die Frau von Birkenstein nicht ; sie war arm , ihre Familie hatte ihren alten Glanz verloren , und Frau von Hohnau würdigte sie nicht eines Besuchs . Aber Elisa und Henriette waren ihr oft ( da beide Güter an einander grenzten ) auf ihren einsamen Spaziergängen begegnet , hatten in ihr Edelmut , sanfte Gefälligkeit und wahre Güte wahrgenommen , und eilten zuweilen , wenn Caroline sie nicht begleitete , nach Birkenstein , wo nicht der finstere Ernst einer alten Matrone , sondern die mütterliche Zärtlichkeit einer erfahreneren Freundin sie aufnahm . Bei einem dieser Besuche war es , wo Herrmann und Elisa sich zuerst sahen ; sie war mit ihrer Freundin , ihrer Gewohnheit nach , nach Birkenstein gegangen ; beim Eingange des Dorfs erblickten sie eine Schar junger Bäuerinnen , ländlich geschmückt , und Blumenkränze tragend . Der Zug ging nach dem Wohnhause der Frau von Birkenstein . Was bedeutet das ? ruft Elisa den jungen Mädchen zu . O , rufen Alle , heute ist der Geburtstag unserer guten Mutter , unserer gnädigsten Gebieterin ; sie tut uns so viel Gutes , wir wollen ihr zeigen , daß wir sie auch lieben ; aber wir können ihr nichts als Blumen bringen ! Elisa . Und Eure Dankbarkeit und Eure Liebe ? Nicht so ? Die Mädchen . O gewiß ! gewiß ! Elisa . Nun , gute Mädchen , das ist ein köstliches Geschenk , und sie wird gewiß sich dessen freuen . Aber , wollt Ihr uns wohl mitnehmen ? Die Mädchen . Herzlich gern ! Sie lieben ja auch unsere gute Mutter . Elisa . Komme , Henriette , laß uns ihr auch Blumenkränze bringen ! Schnell riß Elisa den Hut vom Kopfe , bekränzte ihr Haar mit Blumen , gürtete ihr Kleid auf , und erhielt von den gutherzigen Landmädchen den schönsten Blumenkranz . Henriette folgte ihrem Beispiele , und nun führten Beide den Zug an . Schon in der Ferne erblickte Elisa Frau von Birkenstein , welche vor ihrem Hause unter dem Schatten einer Linde saß . Elisa verdoppelt ihre Schritte ; ihr warmes Gefühl für Tugend läßt sie mit Entzücken das Schauspiel genießen , welches die Liebe und Dankbarkeit dieser guten Landleute gegen ihre Wohltäterin ihr darbietet . O , Natur ! ruft sie aus , in deinem Schoße gibt es noch gute Menschen ! Diese freudige Empfindung erhöhte das Rot ihrer Wangen . Sie hatte sich nun der Frau von Birkenstein genähert , voller Rührung wirft sie sich ihr in die Arme . Liebe Mutter ! ruft sie aus , unsere Herzen huldigen Ihnen heute , sein Sie uns noch lange das Beispiel der Tugend und Güte . Alles drängte sich nun um Frau von Birkenstein , ein Jeder wollte ihre Hand , ihren Rock ergreifen ; man legte die Blumen zu ihren Füßen , man küßte den Saum ihres Kleides . Mit freudigem Wohlwollen blickte sie auf die guten Geschöpfe . Ich danke Euch , meine Lieben , sprach sie mit sanftem Tone , ich werde mich bemühen , Eure Liebe zu verdienen . O , gnädigste Frau , beste Gebieterin ! rufen Alle wie aus Einem Munde , wie können wir Ihnen vergelten . ... Genug , genug , fällt Frau von Birkenstein ein , wir wollen uns immer gegenseitig lieben , gegenseitig dienen . - Elisa hing noch immer an ihren Blicken , und bemerkte nicht Herrmann , der neben seiner Mutter stand . Aber seine Blicke waren unverändert auf sie geheftet ; er sah nicht die freudige Menge , welche um seine Mutter sich versammelte , nicht die mit Blumen geschmückten Mädchen ; er sah nur Elisa , hörte noch immer ihre sanfte Stimme , als sie schon längst nicht mehr sprach . Stärker hatte ihm sein Herz geschlagen , als sie die Frau von Birkenstein Mutter nannte , und gerne wäre er neben ihr an den Busen der Mutter gesunken . Schon waren die ersten Ausbrüche des Danks und der Freude gemindert , als erst Elisa Herrmann erblickte . War es Bestürzung , hier so unvermutet einen jungen Mann zu sehen ? war es Verwirrung , weil ihre Blicke den seinigen begegneten ? Kurz , Elisa schlug die Augen nieder , und errötete . Doch bald blickt sie ihn wieder an , und findet , daß er schön ist . Noch nie hatte sie bei einem Manne diese Anmerkung gemacht ; aber Herrmanns Auge war so voll Geist , das Feuer desselben schien so durch Güte und Menschlichkeit gemildert zu sein , es war eine so sanfte Rührung in seinen Blicken , daß die ihrigen mit Wohlgefallen auf ihm verweilten . ( Sie wendet sich zu Henriette . ) Wer mag der junge Mann dort sein ? Henr . Ich habe ihn schon lange bemerkt ; seine Bescheidenheit , glaube ich , erlaubt ihm nicht , sich näher mit uns bekannt zu machen . Elisa . Ich sah noch nie so interessante Züge , als die seinigen . Henr . ( Lächelnd. ) Auch noch nie würdigtest Du einen Mann so vieler Aufmerksamkeit . Hier wurden sie von Frau von Birkenstein unterbrochen , welche ihnen Herrmann als ihren Sohn vorstellte . Er überraschte mich gestern , sprach sie ; es sind nun fünf Jahre , daß ich ihn nicht gesehen habe ; urteilen Sie , wie groß meine Freude war ! Herrmann und Elisa begrüßten sich mit Verwirrung . Kommen Sie aus B... ? fragte sie ihn endlich mit bewegter Stimme . Ja , mein Fräulein , war seine ganze Antwort , und nun hatte die Unterredung ein Ende . Ich weiß nicht , Herrmann , hob Frau von Birkenstein an , wie du mit einemmal geworden bist ? Du warst noch vor wenigen Augenblicken so heiter , aufgelegt , und nun bist Du still , kopfhängerisch . Herrm . Liebe Mutter , Überraschung , Freude über diesen Tag , der Sie werden ließ , um mich durch die beste Mutter zu beglücken . O , hätte ich nicht empfinden sollen , da hier alles empfand , nicht zehnfach diese Empfindungen der Liebe und Dankbarkeit hegen sollen ? - Mit Inbrunst drückte er hier seiner Mutter Hand an seine Lippen ; ein Lächeln mütterlicher Zärtlichkeit war ihre Antwort . Tief wurde Elisa durch diese Szene kindlicher und mütterlicher Liebe gerührt ; denn ach ! sie kannte das Glück nicht , von einer Mutter mit Zärtlichkeit geliebt zu werden ; sie dachte an ihren Vater , und eine helle Träne glänzte in ihrem schönen Auge . Aber Henriette sah , daß Elisa's Gegenwart die Wärme erzeugte , mit welcher Herrmann sprach ; sie sah ihre Freundin bewegt , und zitterte schon für sie . Sie wollte dieser stummen Szene , in welcher Empfindung so laut sprach , ein Ende machen ; sie wandte sich also gegen Frau von Birkenstein : In der Tat , sprach sie , die Freude hat uns sprachlos gemacht , und ein wenig Zerrüttung in uns hervorgebracht . Wir sind alle stumm , und haben uns doch alle etwas zu sagen . Elisa und ich sollten Ihnen unseren Glückwunsch über die Ankunft Ihres Sohnes abstatten , und der Herr von Birkenstein könnte uns wohl seine Freude bezeigen , über das Glück , zwei so angenehme Nachbarinnen zu finden . Herrm . Nur wenn ich schwach empfinde , drücke ich meine Empfindungen durch Worte aus , und dieses ist heute nicht der Fall . Henr . Gut , nun wir davon unterrichtet sind , sehen wir Ihr Stillschweigen als das größte Kompliment an . Herrm . Ihnen kann man nie ein Kompliment machen . Henr . O , Herr von Birkenstein , man merkt es , daß Sie aus B... kommen ; aber wir Landmädchen können Ihnen hierauf nicht antworten . Fr. v. B . Im Gegenteil , liebe Henriette , scheint mein Sohn heute sogar unter uns Landleuten verlegen . Herrm . Liebe Mutter , häufen Sie doch nicht so viele Beschuldigungen gegen mich ! Wie werde ich mich gegen Sie Alle verteidigen können ? Elisa . Um Verzeihung , Herr von Birkenstein , Sie haben es nur mit zweien zu tun ; ich nahm keinen Anteil an der Beschuldigung meiner Freundin . Herrm . ( Ihre Hand an seine Lippen drückend . ) Ihr huldreicher , sanfter Blick läßt mich hoffen , in Ihnen eine Beschützerin zu finden . Elisa . Sie rechtfertigen in diesem Augenblicke , was Ihnen meine Freundin zuvor sagte . Herrm . O , gewiß nicht , gewiß nicht ! Meine Mutter kann es Ihnen sagen , schon als Knabe entfernte ich mich nie von der Wahrheit. Fr. v. B . Auch glaube ich mit Dir , Herrmann , daß Elisa und Henriette nur die Wahrheit hören können , wenn ihnen Lob erteilt wird . Henr . Frau von Birkenstein , Sie treten zu seiner Partei über ; Elisa erklärt , daß von ihrer Seite kein Anariff geschehen ist ; ich sehe mich also allein auf dem Kampfplatze , und wohl oder übel , muß ich nun wohl Friede machen . Die scherzhafte Wendung , welche das Gespräch nahm , stimmte Herrmanns und Elisa's Empfindungen zu dem vertraulichen Tone der Freundschaft um . Gleich edel , gleich gefühlvoll für das Schöne , empfanden sie , daß sie sich verstanden , und verbannt war zwischen ihnen jenes steife Zeremoniell , welches nur kalte Seelen erfanden und an die Stelle des Gefühls setzen . - Frau von Birkenstein schlug vor , die jungen Mädchen hier unter der großen Linde tanzen zu lassen . Elisa , Henriette und Herrmann freuten sich dieses Einfalls , riefen den jungen Mädchen und Burschen , und tanzten selbst im Reihentanze mit . O , sagte Elisa zu Herrmann , nachdem sie sich wieder gesetzt hatten , wie angenehm ist das Bild der Freude , und wo wird es treuer dargestellt , als auf ländlichen Festen !? Herrm . Wohl wahr ! die Erinnerung an dieselben rührt mich oft , wenn ich in B... die Säle der Langeweile besuchen muß , zu denen man , als den Schauplätzen des Vergnügens hineilt . Elisa . Das lebhafte Gefühl für die Natur ist gewiß das seligste , das beglückendste ! Ich freue mich , wenn ich es antreffe ; denn der Mensch , in dem es wohnt , ist gut , wie die Natur . Herrm . Sie beweisen dieses ! Ja , nur mit einer schönen , erhabenen Seele konnte man so , wie Sie , mit den Bäuerinnen tanzen . Elisa . Schmeicheln Sie mir nicht , Herr von Birkenstein , aus Ihrem Munde könnte mir das Lob gefährlich werden ; denn ich würde geneigt sein , es zu glauben . Elisa errötete , nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte ; sie schätzte Birkenstein , und nicht gewohnt , zu heucheln , gestanden ihm diese Worte ihre Empfindung ; allein sie erkannte gleich , daß sie einem Manne , den sie gar nicht kannte , zu schnell ihre Gesinnungen entdeckt habe ; er bemerkte ihre Verwirrung , und weit entfernt , sie durch eine Miene der Freude und Selbstzufriedenheit zu vergrößern , bestrebte er sich , sie zu vermindern . Nein , edles Märchen , sprach er , das Lob eines Mannes , der die Tugend verehrt , kann für eine schöne Seele nicht verderblich sein ! Elisa erblickte in diesem Betragen seine zärtliche Aufmerksamkeit für sie , und ihr Herz dankte ihm . Elisa . ( Nach einer Pause . ) Wo ist denn Ihre Mutter und Henriette ? Herrm . Mich dünkt , sie gingen dort jenen bedeckten Gang . Elisa . Lassen Sie uns zu ihnen gehen . Nun gingen Beide , schweigend , zu Henriette und Frau von Birkenstein . Liebe Elisa , sprach Henriette , weißt Du wohl , daß es schon acht Uhr ist ? und eine Stunde gehen wir von hier bis Hohnauschloß . Elisa . Schon so spät ? Aber in Birkenstein beflügelt Freude die Zeit . Herrm . ( Lebhaft. ) Nicht in Birkenstein , sondern da , wo Sie sind ! sie ist mit den Grazien , ihren Schwestern , immer in Ihrem Gefolge . Verwirrt schlug Elisa die Augen nieder : mit Entzücken heftete Herrmann seine Blicke auf sie ; lose lächelte Henriette , und Frau von Birkenstein betrachtete einige Augenblicke diese Gruppe mit Aufmerksamkeit . - Henriette unterbrach endlich diese Stille : O , über die ewigen Komplimente ! sprach sie ; sie könnten uns endlich noch so gut gefallen , daß sie uns am Ende gar hier fesselten . Wohlan , Elisa ! wir wollen uns der Gefahr mit Gewalt entreißen . Elisa lächelte , und Beide nahmen nun Abschied von der Frau von Birkenstein . Herrmann bat , daß sie ihm erlauben möchten , sie zu begleiten , und Elisa und Henriette , Beide so gewissenhaft in der Beobachtung äußerer Anständigkeit , hielten doch dieses nicht für unschicklich , sondern Elisa reichte ihm ihre Hand . Man sprach wenig auf dem Wege ; Henriette bemühte sich vergebens , die Unterhaltung lebhaft und allgemein zu machen ; es gelang ihr nicht . Vor Hohnauschloß trennten sich die beiden Freundinnen von Herrmann . Er blieb stehen , bis daß er sie aus dem Gesichte verloren hatte , und ging dann nachdenkend nach Birkenstein zurück . Was wird Deine Mutter sagen , sprach Henriette , nachdem Herrmann sie verlassen hatte , daß wir so spät zu Hause kommen ? Elisa . Ich weiß nicht , ich fürchte ihren Anblick . Ihr Herz schlug ihr , als sie in die Türe trat ; man sagte ihnen , daß Frau von Hohnau mit ihrer Tochter schon im Speisesaale wären ; zitternd eilten sie hinein . Der Blick der Frau von Hohnau war finster . Warum , sprach sie , kommt ihr so spät zurück ? Elisa . ( Mit zitternder Stimme . ) Liebe Mutter , wir wußten nicht , wie viel Uhr es war . Caroline . ( Welche die Uhr an ihrer Seite erblickt , spöttisch . ) Warum hattest Du denn die Uhr mitgenommen , Schwester ? Elisa . ( Verwirrt. ) Ich ? die Uhr ? Ich hatte nicht weiter daran gedacht . Fr. v. Hohn . Warum bist Du denn so verlegen ? Ich will wissen , wo Du gewesen bist ? Carol . ( Immer spöttisch . ) Hätte sich etwa ein junger Nachbar eingefunden , der sie auf ihren Spaziergängen überrascht , und ihnen die Zeit verkürzt hätte ? Röte überzog Elisa's Wangen , allein ihre Stimme wurde fester ; Karolinens unedles Betragen gab Elisa'n die Würde der Tugend , und frei antwortete sie ihrer Mutter : Wir sind in Birkenstein gewesen . Fr. v. Hohn . Ich werde Euch bitten , nicht mehr ohne mich Besuche abzustatten . Elisa bat ihre Mutter um Verzeihung , daß sie , ohne es zu wollen , sie beleidigt habe , und Frau von Hohnau antwortete ihr kalt , es wäre schon gut . Caroline lächelte spöttisch , Elisa klagte nicht , zurück in ihrem Zimmer unterhielt sie sich nur mit Henriette , von Birkenstein und Herrmann . Henriette benachrichtigte sie , daß Herrmann schon seit einem Jahre in B... beim Kammergerichte angestellt wäre , und Hoffnung habe , bald eine Stelle zu bekommen . Elisa . Ich werde mich dessen freuen . Der junge Mann verdient gewiß glücklich zu sein . Er hat eine solche offene Physiognomie , seine Züge sind so sanft , sein ganzes Wesen zeigt Güte und Menschlichkeit . Henr . Dein Urteil ist sehr schnell , liebe Elisa , Du sahst ihn nur einmal . Elisa . O , hätte ich ihn nur einen Augenblick gesehen , er wäre hinreichend gewesen , mich zu überzeugen ! Henr . Das sagtest Du nicht im Ernste . Ich will Dir zugestehen , daß Herrmanns Ansehen für ihn spricht ; aber Du bist zu klug , um deswegen von seiner inneren Güte überzeugt zu sein . Elisa . Ach , Henriette ! wenn unser Herz ein günstiges Urteil fällt , ist es dem Verstande nicht erlaubt , dessen Ausspruch anzunehmen ? Henr . Wenn Du jetzt bei dieser Frage nicht interessiert wärest , wie würdest Du sie beantworten ? Elisa . ( Nach einer Pause . ) Ich erkenne es , Henriette , Du hast Recht ! Erst will ich Herrmann beobachten , und allein meine Erkenntnis soll das Urteil fällen . - Auch Herrmanns Herz urteilte günstig von Elisa , und ihre Gestalt schwebte ihm im Traume vor . Er eilte gleich am anderen Morgen unter die Linde , wo er sie am vorigen Tage zuerst gesehen hatte , und seine Mutter fand ihn im tiefen Nachdenken versunken . Er war zerstreut ; Herrmann , sprach Frau von Birkenstein , Elisa hat eine schnelle Veränderung in Dir bewirkt . Herrm . Mutter , ich liebte noch nie ; ich glaube auch nicht , daß ich jetzt schon liebe , aber ein Mädchen , wie Elisa , sah ich noch nie . Fr. v. B. Sei vorsichtig , Herrmann ! Nie kann Elisa die Deine werden ! - Herrmann und Elisa begegneten einander nach einigen Tagen ; er war entschlossen , sein Herz vor der Liebe zu bewahren , und Elisa wollte ihn beobachten . Kalt und mit Zurückhaltung redeten sie einander an ; dieser Zwang war Beiden lästig , der feurige Jüngling konnte ihn nicht länger ertragen . Elisa , rief er aus , fehlt Ihnen etwas ? Habe ich Sie beleidiget ? Elisa , ( Mit sanfter Stimme . ) Nein , lieber Birkenstein , aber Sie selbst sind ja verändert . Herrm . ( feurig . ) Ich , verändert ? gegen Sie ? Ha ! ... Henr . ( Einfallend. ) O , des brausenden Menschen ! Sagen Sie mir nur , warum Sie in so heftige Bewegung geraten ? Herrm . Ach , verzeihen Sie , Elisa ! Ich bin seit einigen Tagen so unruhig . Kommen Sie , lassen Sie uns auf jene Anhöhe gehen ; mich dünkt , man atmet freier , wenn man die Erde unter seinen Füßen sieht , und sich den Wolken nähert . Er ergriff ihre Hand , und sie erstiegen den Berg . Elisa . ( Nachdem sie einige Zeit in stummer Betrachtung da gestanden hatte . ) Wie schön ist es hier ! Ihr , die ihr unzufrieden mit dem Schicksale seid , kommt hierher ! Seht , wie schön die Erde ist ! Seht jenen Wald , der auch für euch seine Schatten ausbreitet ! Sauget der Blumen Balsamdüfte , die auch für euch da stehen ! Sehet im Werke des Allmächtigen die Spur der Menschenhände , welche auch eure Brüder sind ! Herrm . ( Feyerlich. ) Allgütige Natur , Mutter aller Freuden , laß uns dieses Augenblicks nie vergessen ! Sollten wir je des Schicksals Härte empfinden , so erinnere uns , daß in deinem Schoße uns der Freuden Fülle noch bleibt ! Alle waren bewegt ; langsam richtete Elisa ihre Augen auf Herrmann . O , wie schön schien er ihr in diesem Augenblicke ! Würde und Sanftmut war in seinen Blicken vereiniget , Größe lag in seinen Zügen . Sie reichte ihm ihre Hand . Wohl ! wohl ! sprach sie , wollen wir des Augenblicks immer gedenken , um selbst bei Widerwärtigkeiten noch glücklich zu sein ! Eine Träne entschlüpfte bei diesen Worten ihrem Auge . Herrmann schlang seinen Arm um ihren Leib . Elisa kann nie unglücklich sein , rief er ; und nun riß er sich von ihr los , und eilte hinweg . Staunend sah ihm Elisa nach , und seufzte , als er vor ihren Blicken verschwand . Sie verlor sich in ihren Betrachtungen über ihn , und bald sah sie nicht mehr die wirklichen Gegenstände , welche sie umgaben : sie sah nur Herrmann , der schon weit von ihr entfernt war . Henriette , welcher keine ihrer Bewegungen entging , näherte sich ihr endlich . Hat Herrmann , sprach sie , so ganz Deine Aufmerksamkeit mit sich genommen , daß Du alles übrige vergißt ? Elisa . Zum wenigsten einen großen Teil derselben ; sein Betragen war sehr sonderbar . Henr . ( Lächelnd. ) War sehr natürlich . Elisa . Du scherzest jetzt immer , Henriette , und nie war ich weniger zu scherzen aufgelegt , als jetzt . Henr . Sage auch , nie war ich so ungerecht , zu verlangen , daß Anderer Launen sich nach den meinigen richten sollten , als jetzt . Elisa . Verzeihe , liebe Henriette ! und tausend Dank Dir , daß Du mir meine Fehler sagest . - Ohne Dich würde ich ein albernes Mädchen werden . Henr . Das nicht , liebe Elisa ! ich verbessere nur hin und wieder kleine Flecken , um den Glanz noch zu erhöhen . Elisa . Mein Herz sagt mir in diesem Augenblicke , daß ich Dein Lob diesmal nicht verdiene . Aber komme , laß uns zu Hause gehen , es wird kalt ! - Elisa wurde nun nachdenkender ; sie lächelte seltener ; oft saß sie in Gedanken verloren , und Herrmann war der Gegenstand ihres Nachdenkens gewesen . Ich weiß nicht , sprach sie zu Henriette , einige Tage nach ihrem letzten Spaziergange , warum Herrmann uns nicht besucht ? Henr . Er glaubt vielleicht , daß deine Mutter ihn nicht gut aufnehmen würde . Elisa . O , dann kennt er sich - dann weiß er nicht , wie einnehmend er ist : ( Henriette lächelt . Elisa errötend nach einer Pause . ) Ich gestehe , ich bin feurig in seinem Lobe ; wenn ich ihn sehe , schwindet der Vorsatz , ihn zu beobachten ; mich dünkt , ich beleidige die Menschheit und die Natur , wenn ich bei seinem Anblicke noch zweifle , daß er Einer der Besten unter den Sterblichen ist . Sein Ausruf , seine Anrede auf dem Berge an die Natur , wie ungekünstelt ! wie feierlich ! Henriette , ich hätte mögen Tage da stehen , und ihn betrachten ! Henr . So ist es denn wieder ein Ideal von Schönheit und Vollkommenheit , welches Dich zu Herrmann hinreißt ? Elisa . Kein Ideal , welches in meiner Einbildungskraft entsprang . Seine Zärtlichkeit für seine Mutter , seine Ehrfurcht für die Tugend , sein lebhaftes Gefühl für die Natur , dieses alles ist Wirklichkeit ; und wehe den kalten Seelen , welche diesen Eigenschaften nicht Achtung zollen ! - Noch an eben dem Tage ließ sich Herrmann bei der Baronin von Hohnau melden . Elisa es Wange wurde feuriger bei seinem Namen ; ihr zur Erde gesenkter Blick empfing ihn ; langsam drückte er ihre Hand an seine Lippen , und ein Seufzer entfuhr seiner Brust . Herrm . ( Nachdem er sich gesetzt hatte , zur Baronin von Hohnau . ) Gnädige Frau , die Bitte eines Unglücklichen führt mich zu Ihnen , ein Bauer aus Birkenstein ... Baronin v. H. ( Einfallend. ) Ich hoffe nicht , Herr von Birkenstein , daß Sie sich dieses Diebes annehmen wollen ? Herrm . ( Sanft . ) Er ist ja ein Mensch , und ist unglücklich , sollte ich ihm denn nicht beistehen , wenn er meiner Hilfe bedarf ? B. v. H. Sie aber nicht verdient . Herrm . ( Mit Wärme . ) Wann hört der Beistand auf , den der Mensch dem Anderen leisten soll , wer wagt das zu bestimmen ? - Doch erlauben Sie mir , gnädige Frau , Ihnen sein Verbrechen und die Veranlassung dazu zu erzählen , und Sie werden sehen , daß hier Gerechtigkeit Härte sein würde . Vor zwei Jahren starb der Vater des jungen Harberg ; auf seinem Sterbebette sagte er seinem Sohne , daß er seit vielen Jahren einem anderen Bauer zwanzig Taler schuldig wäre ; er habe aber die Schuld abgeschworen ; doch nun erwache sein Gewissen , und er könne nicht ruhig sterben , wenn er ihm nicht verspräche , die Schuld zu bezahlen . Harberg hinterließ zwar seinem Sohne nichts ; allein der Jüngling hatte lange gedient , war sparsam und ordentlich gewesen , und hatte gerade so viel gesammelt , als die Schuld seines Vaters betrug ; er brachte die Summe augenblicklich dem Gläubiger seines Vaters und dieser segnete ihn sterbend . Er bekam nun den Hof des Verstorbenen ; allein er fand in demselben weder Hausgeräte noch Vieh ; er mußte borgen , um das Notwendige kaufen zu können . Der Mann , welcher der Gläubiger seines Vaters gewesen , und in guten Umständen war , gerührt durch seinen Edelmut , bot ihm seine Tochter zum Weibe an ; allein der junge Harberg liebte schon lange , und wurde wieder von einem redlichen , aber dürftigen , Mädchen geliebt . Er wollte nicht treulos werden , und schlug die Tochter des alten Jacobs aus . Er heiratete das Mädchen , das er liebte , arbeitete fleißig , und bezahlte auch immer etwas von seiner Schuld ; allein der schlechte Einschnitt im vergangenen Jahre ließ ihn nun wieder Mangel fühlen . Sein Weib kam vor vierzehn Tagen nieder , und war dem Tode nahe ; noch liegt sie auf dem Krankenlager ; er besaß noch kaum soviel , um einige Brote backen zu können ; sein Vieh hatte schon seit einigen Tagen gehungert ; er hatte weder Stroh noch Heu , und im ganzen Dorfe wollte ihm kein Mensch etwas leihen ; er konnte sein Vieh , das Mittel seiner Unterhaltung , nicht sterben lassen , und die Not zwang ihn , die Wiese abzumähen , welche Ihnen , gnädige Frau , gehört , und an Birkenstein grenzt . Sie haben ihn verklagt , der Richter hat ihn zum Ersatze , und zur vierwöchentlichen Gefängnisstrafe verdammt . Der Ersatz macht zwanzig Taler ; hier sind sie ; aber ein Wort von Ihnen kann ihn von der Gefängnisstrafe befreien , welche ihn in seinen gegenwärtigen Umständen zum Bettler machen würde . B. v. H. Ich werde an den Richter schreiben ; allein in der Folge wird selbst Ihre Fürbitte den Dieben nichts helfen ; das Laster muß bestraft werden . Herrm . Ist Armut , worein Edelmut stürzte , Laster ? O , gnädige Frau ! der gerechteste Richter ist die Stimme der Menschlichkeit ! B. v. H. Mit diesen schönen Phrasen , wenn sie in Tribunalen gälten , würde der Staat sehr schlecht verwaltet werden . Herrm . O , daß doch so wenig Menschen sich überzeugen können , daß Güte und Menschlichkeit mehr Tugenden bewirken , als Strenge ! Was hilft es , daß wir es in allen Schriften lesen , so lange wir noch Härte in den Herzen der Menschen finden ! Nein , gnädige Frau , wenn erst Billigkeit , Untersuchung der Tatsache , und Nachsicht mehr , als ungerechte Gesetze , gelten werden , dann erst kann man hoffen , die Menschen besser und glücklicher zu sehen ! Elisa . ( Leise zu Henriette . ) Edler Mann ! Höre ihn , Henriette , welche reine Menschenliebe aus ihm spricht ! Die Unterhaltung nahm nun eine andere Wendung ; die Baronin von Hohnau hatte sich durch seine Worte beleidiget gefunden ; er bemerkte es , und es tat ihm wehe . Er wollte nicht ihrem Stolze schmeicheln , aber er konnte Elisa's Mutter nicht auf sich zürnen sehen . Gnädige Frau , sagte er endlich mit einer Freimütigkeit , welche in Elisa's Augen ihn noch erhabener machte , ich sprach zuvor mit Eifer , die Sache der Menschheit flößt ihn mir immer ein ; meine Worte aber waren nicht an Sie gerichtet ; denn mußte ich nicht voraussetzen , daß das sanfte weibliche Herz jede Äußerung der Güte und Liebe billigte ? Die Baronin von Hohnau wurde beschämt durch Herrmanns Betragen . Wir verstanden einander nicht recht , anwortete sie ; wie könnte ich in Ihnen Menschenliebe tadeln ? Nur muß sie recht geleitet werden . Bald darauf brach Herrmann seinen Besuch ab ; er hat um die Erlaubnis , ihn wiederholen zu dürfen , und erhielt sie . B. v. H. ( Nachdem er hinaus war . ) Ein artiger junger Mann ! Carol . Nur etwas zu frei . Elisa . ( Mit sanftem Tone. ) Du tadelst beständig Schwester ! Carol . ( Spöttisch. ) Und Dir gefällt man sehr leicht . Elisa . ( Erröthend. ) Ich sagte ja nicht , daß mir Herr von Birkenstein gefiele . Carol . ( Im vorigen Tone . ) Deine Röte beweist es ! Glücklicherweise bemerkte die Baronin von Hohnau diese Unterredung nicht ; Elisa war so schüchtern , daß sie den ganzen Abend nicht mehr sprach , und dieses gab Karolinen immer mehr Stoff zu ihren Spöttereien ; die sanfte , geduldige Elisa ertrug sie gelassen . Sie sagte oft : es ist eine der ersten unter den geselligen Tugenden , Anderer Schwachheiten ertragen , und das sicherste Mittel , sie für sich unschädlich zu machen . Herrmann kam nun oft nach Hohnauschloß ; er und Elisa kannten keine höhere Wonne , als sich zu sehen . Das gefühlvolle Mädchen glaubte , Achtung und Freundschaft wären ihre Empfindungen für den liebenswürdigen Jüngling , und er , ach ! er fühlte wohl , daß Elisa ihm Alles war ; aber er wagte es nicht , sich selbst seine Empfindungen zu gestehen . - So waren vierzehn Tage seit seinem ersten Besuche in Hohnauschloß verflossen , als an einem Morgen plötzlich ein junger Bauer in Elisa's Zimmer trat . Es war Harberg . Gott grüße Sie , schönes Fräulein ! Verzeihen Sie , daß ich gerade in die Stube komme : war seine Anrede . Elisa . Das hat nichts zu sagen , mein Freund , entdecke Er mir nur sein Verlangen . Harb . Ich wollte Sie bitten , daß Sie möchten Gevatter bei meinem Mädchen stehen . Ich bin so arm gewesen , daß ich bis jetzt nicht habe können taufen lassen , aber unser gütiger junger Herr hat mich fortgeholfen . ( Er zieht einen Brief aus der Tasche . ) Hier ist ein Brief von der gnädigen Frau , sie bittet auch für mich . Harb . ( Nachdem Elisa gelesen hatte . ) Verzeihen Sie , daß ich so frei bin , Sie so geradezu zu bitten ; aber als ich Sie auf unserer gnädigen Frau Geburtstage sah , wie Sie so freundlich gegen uns arme Leute , und so voll Liebe gegen unsere gute Mutter waren , ach ! da kann ich gar nicht sagen , wie mir war ! Ich hätte mögen zu Ihnen rennen , und Ihnen den Rock küssen , wenn es sich so geschickt hätte ! Elisa . Ich danke ihm für seine Liebe . Ich werde kommen , wenn meine Mutter es erlaubt . Aber , ist seine Frau nun wieder besser ? Harb . Ja , Gott und unserem gütigen Herrn sei Dank ! O , was ist das für ein Herr ! Ich war in seiner Jugend sein Spielkamerad ; die gnädige Frau sagte dann immer : Herrmann , sei höflich und gefällig gegen Jürgen , er ist so gut , wie du ! Und wenn wir uns stritten , und Herrmann hatte Unrecht , so mußte er mich um Verzeihung bitten , und die gnädige Frau achtete mich dann weit mehr , als ihn , bis daß er sein Unrecht erkannte . Aber ihre Lehren haben auch geholfen ; er ist ein Engel geworden . Elisa . ( Schnell einfallend . ) O , erzähle Er mir doch etwas von ihm . ( Sie holt einen Stuhl . ) Setze Er sich , lieber Harberg , Er wird müde sein ? Harb . O , das ist zu viel ! das ist zu viel ! Liebes Fräulein , machen Sie doch nicht so viel Umstände mit mir armen Manne ! Elisa . Er erzeigt mir einen Gefallen , wenn Er sich setzt ; ich habe es nicht gern , wenn die Leute vor mir stehen . Harb . ( Setzt sich . ) So ist unser gnädiger Herr eben ! Als er des Abends zu mir kam , wie meine Frau noch krank war , und im Bette lag , und ich nur einen einzigen Schemel hatte , so mußte ich sitzen und er stand . Er sagte : Harberg , Er hat gearbeitet und ich nicht , Er muß nun ruhen ! Er kam wohl viermal des Tages , wie meine Frau so schlecht war , um zu sehen , ob sie die Arznei ordentlich bekam , welche er vom Doktor verschreiben ließ , dem er täglich dafür , daß er aus der Stadt kam , einen Taler gab , und dann nahm er noch ein Weib an , welche meine Frau und mein Kind warten und pflegen mußte . Ach , und wie ich das Gras gestohlen hatte , was gab er mir da für Lehren ! Harberg , sagte er , wie Er durch eine einzige Handlung sich unglücklich gemacht hat ! wäre er zu mir gekommen , und hätte mir sein Leid geklagt , ich hätte ihm geholfen , und wäre ich noch nicht hier gewesen , so hätte es meine Mutter getan ; denn ehrlichen Leuten steht man immer bei . Nun kann Er aber ins Gefängnis kommen , und dann bleibt seine ganze Wirtschaft den Sommer über liegen , und Er wird dadurch an den Bettelstab gebracht . Er erregt dann kein Mitleiden mehr ; man sagt : Er ist ein Dieb , Er verdient sein Schicksal ! Verachtung liest Er auf allen Gesichtern , und womit kann Er sich dann trösten ! Mit innerlicher Zufriedenheit ? Er hat sie verloren , Er wird sich in jedem Augenblicke sagen : Ich habe mein Weib , mein Kind Zeitlebens unglücklich gemacht ! Sie werden aufhören , Ihn zu lieben . Von einem Jeden verachtet , und von Keinem geliebt , wird Er sein Leben zubringen . Mit Tränen wird er das erbettelte Stück Brot benetzen , weinen , wenn er sein Weib ansehen wird , die Er sonst mit so inniger Freude in seinen Armen drückte . Vergleiche er diesen Zustand mit dem Tage , an dem Er die Schuld seines Vaters bezahlte ! Da verlor Er alles , aber Er war vergnügt . Mit dem Tage , an dem sein liebes Mädchen sein Weib wurde , da war Er auch arm , aber Er handelte ehrlich , und Er fühlte seine Armut nicht ! Sie war ihm süß ; sie ist Ihm erst drückend geworden , seitdem Er gestohlen hat ! Diesen Unterschied wird Er immer empfinden . je nachdem Er Recht oder Unrecht tut . Seine eigene Erfahrung hat Ihn schon davon überzeugt . Armut ist nicht eher ein Unglück , als bis man Böses tut , dann fühlt man alle Leiden doppelt . - So etwas hatte mir der Priester nie gesagt ; aber ich war auch noch nie so gerührt gewesen ; denn ich fühlte , daß alles wirklich so war , wie mir der gnädige Herr gesagt hatte ; denn ich konnte mein Weib nicht ansehen , ohne zu weinen , und wenn mir der Herr Pastor auch noch so viel von Höllenstrafen vorsagte , so empfand ich davon nichts , und ich dachte dann nicht weiter daran . Ich werde es nie vergessen , was der gnädige Herr sagte , wie einem Diebe zu Mute wäre , und ich wollte nicht mehr stehlen , sollte ich auch verhungern ; denn ich würde dadurch doch nicht so unglücklich werden , als ich es jetzt bin . - Aber Sie sollten Mal den Bedienten des jungen Herrn hören , wenn der von ihm erzählt ! Ach , da muß man weinen , wie ein Kind ! Eine Geschichte besonders ! die vergesse ich nie , denn sie ist gar zu schön ! Elisa . ( Mit angenommener Gleichgültigkeit . ) Wie ist sie denn ! Harb . Unser junger Herr ist doch in Berlin in Diensten , und da ist in demselben Fach noch ein Herr , der ist neidisch auf ihn gewesen , weil er so geschickt ist , und der Minister so viel aus ihm machte ; er hat ihn also nicht leiden können , und immer Böses von ihm zum Minister gesprochen . Endlich sollte unser junger Herr eine Stelle erhalten ; allein der Andere hat so lange gemacht , bis daß er es verhindert hat . Dies alles hat nun unser junger Herr wohl gewußt ; allein er hat sich nichts merken lassen . Bald drauf wird der Andere krank , und da er immer sehr lustig lebt , so hat er kein Geld , und Verwandten hat er auch nicht in Berlin , da geht es ihm nun sehr schlecht ; dies erfährt unser junger Herr , der eben auch nicht bei Gelde ist , denn er läßt sich nur sehr wenig von seiner Mutter geben , weil sie auch nicht viel hat ; und er sagt , er will es hier den Armen nicht entziehen , welchen sie es gibt . Er weiß sich nun nicht anders zu helfen , als daß er Stunden geben muß , um den Anderen beizustehen ; da , sagt Christian , hat er vier Wochen lang des Abends um sechs Uhr einen Oberrock angezogen , ist in eine andere Gegend der Stadt , und bei Leute gegangen , wo er nicht bekannt war , und hat bis um neun Uhr Stunden gegeben ; dann ist er zu dem Menschen gegangen , hat ihn gepflegt , ihm einen Doktor und eine Wartefrau angenommen ; aber das Geld hat er ihm durch die Post geschickt , so daß der nicht gewußt hat , von wem er es bekommen hat ! er ist immer erst spät von ihm gegangen , und oft , sagt Christian , wenn er dann hat viel Arbeit gehabt , hat er des Nachts gearbeitet , um nicht die Stunden zu versäumen . - Wir hatten alle die Augen voll Wasser , als Christian das erzählte , Gott segne den guten jungen Herrn , und gebe ihm ein gutes Weib , die ihn für alles das belohne ! Harberg stand nun auf , er bat Elisa'n noch einmal , zu ihm zu kommen ; sie versprach es ihm , und er verließ das Zimmer . Elisa . ( Nachdem Harberg hinaus ist , indem einige Tränen ihre Wangen herabrollten . ) Herrmann ! edler , guter Jüngling ! Ja wohl , möchtest Du unaussprechlich glücklich sein ! O , könnte ich Dein Glück mit meinem Leben erkaufen ! Jeder Tag sollte für Dich ein Tag der Wonne sein ! So blieb sie noch lange sitzen , dachte nur an Herrmann , und rief in ihr Gedächtnis alles zurück , was Harberg ihr gesagt hatte . Sie erhielt von ihrer Mutter die Erlaubnis , nach Birkenstein zu gehen , und nun beschäftigte sie sich , für Harbergs Tochter einen Anzug zu verfertigen . Ihre liebende Seele dachte sich die Freude der Mutter , wenn sie das kleine Geschöpf so geschmückt sehen würde , es war ihr süß , diese selbst zu bereiten . Henriette wollte Elisa'n begleiten , allein sie befand sich am anderen Morgen nicht wohl , und Caroline sagte , sie hielte es nicht für eine Ehre , die Gevatterin eines Bauern zu sein , also fuhr Elisa allein nach Birkenstein . Herrmann erwartete sie schon vor dem Dorfe , und führte sie zu seiner Mutter . Beide konnten kaum die Freude verbergen , sich zu sehen . Ihr Schweigen , Herrmanns trunkene Blicke , und Elisa's stärker klopfender Busen , Alles entdeckte ihre Empfindungen , und Frau von Birkenstein las in ihren Herzen . Ach , könnte ich sie doch einmal als Tochter umarmen ! sprach sie zu sich selbst . Sie gingen nun zusammen zu dem ehrlichen Harberg , und die feierliche Handlung nahm ihren Anfang . Elisa hielt das Kind über die Taufe ; sanfter Ernst und Wohlwollen war während dieser Zeit auf ihrem Gesichte verbreitet . Ich werde ihre zweite Mutter sein , sprach sie zur jungen Frau , indem sie ihr ihre Tochter wieder gab . Harb . ( zu Herrmann , nachdem die Taufe vollzogen ist . ) Gott weiß es , gnädiger Herr , Sie haben mir viel Gutes getan , und was ich empfinde , kann ich Ihnen nicht sagen ! ( Er wischt sich einige Tränen von seinen Wangen . ) Aber kann ich Ihnen Mal mit meinem Leben dienen , so befehlen Sie ! Weib und Kind will ich vergessen , und für Sie sterben ! Sie haben sie mir erhalten , und haben mich wieder zum ehrlichen Kerl gemacht ! Herrm . ( Gerührt. ) Ich freue mich , Harberg , Ihn wieder glücklich zu sehen ! Sei Er immer gut , dann wird Er das erste auch sein . Harb . Das weiß ich nun schon aus Erfahrung , und wer in Birkenstein mehr als einmal sündiget , der muß ein Schurke sein ! ( Zwei Bauern , die gegenwärtig sind . ) Da spricht Er ein wahres Wort ! Wo eine gute Herrschaft ist , die einen unterstützt , da sind gewiß nicht viel schlechte Kerl ! Das können Sie uns glauben , gnädige Frau , wir ließen Alle unser Leben für Sie ; aus Liebe für Sie , möchten wir nichts Böses tun ! ( Alle Anwesende . ) Nein , gewiß , gewiß nicht ! Gerührt dankte Frau von Birkenstein Allen für diese Äußerungen der Liebe . Seid gut ! seid glücklich ! sprach sie , dann werde ich es auch sein ! Elisa . ( Nach einer Pause , zur Frau von Birkenstein . ) Würdige Frau , wenn ich je ein Glück beneiden könnte , so wäre es das Ihrige ! Welche himmlische Wollust muß es sein , die Menschen zu besseren , sie gut und glücklich zu machen ! F. v. B. Ja , liebe Elisa , des Bild des Glücks und der Ordnung gefällt uns immer ; gern verweilen wir bei demselben ; aber doppelt süß ist es , sich als Schöpfer desselben zu sehen . Die Freude erscheint uns dann noch in einem helleren Gewande , und die Tugend noch größer . Man schreiet über das Verderben der Menschheit , und wie leicht kann man den Menschen das Gute liebenswürdig und annehmlich machen , wenn man jede seiner Pflichten erfüllt . Dieses ist mein einziges Verdienst . Einfach , von der Natur selbst eingegeben , sind die Mittel , welche ich anwende , das Gute zu befördern , und Freude zu verbreiten . Ich liebe die Einwohner von Birkenstein , und unterstütze sie ; denn ihre Bedürfnisse sind so klein , daß , ob ich gleich nicht reich bin , ich sie doch befriedigen kann . Dieses gewann mir ihre Liebe , und ihr Bestreben , mir zu gefallen . Überzeugt , daß sie stets auf meinen Beistand rechnen können , wenden sie keine unrechtmäßigen Mittel an , ihre Bedürfnisse zu befriedigen . Sie tun das Gute , weil es zu ihrem Nutzen gereicht , und lieben einander , weil kein Eigennutz sie trennt . So leicht kann man den großen Haufen zum Guten gewöhnen , wenn man Mangel von ihm entfernt , und das Laster ihm schädlich werden läßt . Dieses sollten jene Menschenbesserer bewirken . Dieses sollte das Bestreben jedes Mannes , jedes Weibes , in jeder Klasse , in jeder Sphäre werden ; dann würden wir bald den größten Haufen der Menschen , so wie in Birkenstein , gut und fröhlich sehen . - Aber leider ! finden wir mehr heftige Deklamationen über Sittenverderbnis und Menschenelend , als tätiges Bestreben , es zu verringern ! Harberg und sein Weib zogen nun Herrmanns und Elisa's Aufmerksamkeit auf sich . Er hielt sie lange umarmt , und rief endlich ; Hanne , wie glücklich bin ich , daß ich dich wieder habe ! - Sie weinte , blickte auf ihn , und auf das Mädchen , welches in ihrem Schoße lag , und drückte sie wechselsweise an ihren Busen . Es ist für dein Kind , sprach sie , daß ich so viel ausgestanden habe ; meine Liebe hat mir alles überstehen helfen . Gott gebe uns nur seinen Segen , daß unser Mädchen fromm und groß werde ! Bei diesen Worten reichte sie ihm seine Tochter ; er nahm sie in seine Arme , drückte Mutter und Kind an sein Herz , und vergoß Tränen der Freude . Auch Herrmanns und Elisa's Augen füllten sich mit Tränen , leise Seufzer drängten sich aus ihrer Brust . Sie fühlten Beide die Allgewalt der Liebe und der Natur , und Beider Herzen sprachen leise : In Herrmanns , in Elisa's Armen , würde auch ich so glücklich sein ! - Mit diesen Empfindungen verließen sie diese Wohnung der Unschuld und der Zufriedenheit , als eben ein Bote der Frau von Birkenstein einen Brief brachte , welcher eine augenblickliche Antwort erforderte . Frau von Birkenstein entschuldigte sich bei Elisa'n und verließ sie . Gleich hinter dem Garten der Frau von Birkenstein war ein Park , in welchem Elisa gern verweilte . Herrmann hatte dieses von seiner Mutter gehört , und schlug Elisa'n vor , zusammen in den Park zu gehen , indes seine Mutter schrieb . - Schweigend gingen sie nun durch die dunklen Gänge wohlduftender Linden , und nur zuweilen unterbrach der Luftbewohner Abendgesang die feierliche Stille um sie . Sie erstiegen eine Anhöhe ; die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf die Erde ; noch sahen sie sie durch die Zweige majestätischer Buchen brechen , welche am Fuße des Hügels standen , auf welchem sie saßen . Herrmann hatte seinen Arm um Elisa'n geschlungen , und mit niedergesenktem Blicke saß sie da ; höher hob sich ihr Busen ; Herrmanns Auge wurde funkelnder ; Liebe wehte ihm das Rauschen der Blätter zu ; Liebe hörte er im Gesange der hoch sich schwingenden Lerche . Er ergreift Elisa's Hand ; sie zittert . Er blickt sie an ; eine Träne glänzt in ihrem Auge . Elisa , stammelt er , meine Elisa ! und drückt seine Lippen auf die ihrigen . Purpurröte überzieht ihre Wangen ; sie windet sich aus seinen Armen , und wagt es nicht , ihn anzusehen . Herrm . Bin ich schuldig ? Elisa . ( Mit bebender Stimme . ) So bin ich es denn auch , Herrmann ? Herrm . ( Sie feurig umarmend . ) Nein , meine Elisa , das sind wir nicht ! Wir gehorchen der Stimme unseres Schöpfers , der aus Liebe uns schuf , durch Liebe uns werden ließ , und durch sie uns beglücken wird ! Elisa . ( Ihren Kopf an seine Schulter lehnend . ) O , Herrmann ! - Herrm . Meine Elisa , wie glücklich machen Sie mich ! Ich wagte nicht , es zu glauben - Liebe ! Liebe ! wie groß sind deine Freuden ! Elisa . ( Gen Himmel blickend . ) Dank dir , mein Schöpfer , daß du mich ihn finden ließest , diesen Mann , der allein dieses selige Entzücken mich fühlen lassen konnte ! ( Sie reichte ihm ihre Hand . ) Herrmann , Ihre Liebe macht mich stolz , macht mich glücklich ! Herrm . ( Kniet vor Elisa'n , und hält lange ihre Hand an seine Lippen . ) Himmlisches Mädchen ! ich vermag es nicht , meine Gefühle auszudrücken ! Bei diesen Worten sank er in ihre Arme , und Beide schwiegen nun . Die Sprache des Gefühls ist zu mächtig , zu trunken das Wonnegefühl der Liebe , um durch Worte sie auszudrücken . Ihre Blicke nur sagten sich ihr Glück . Elisa . ( Nach einer langen Pause . ) Herrmann , die Sonne ist untergegangen , wir müssen zurückgehen . Herrm . O , daß ich eine Ewigkeit hier sitzen könnte ! Elisa . Lassen Sie uns hoffen , nie getrennt zu werden ! Ach , ich könnte den Gedanken , ohne Sie zu leben , nicht ertragen ! Herrm . Und ich ihn nicht fassen ! Ohne Sie kann mir kein Glück mehr werden ! Elisa . Wir wollen ihn nicht denken , mein Herrmann ; das Schicksal ließ uns einander finden , unsere Liebe wird uns auf ewig vereinigen ! Herrm . Süßes , liebevolles Geschöpf ! Dank dir , gütiger Vater , du ließest mich einen Engel finden ! Ein holdlächelnder Blick , ein Kuß , den sie errötend auf seine Lippen drückte , war Elisa's Antwort . Schnell eilte sie nun fort ; doch Herrmann erreichte sie bald wieder . Im tiefen Schweigen war schon die Natur versenkt ; allein ihre Liebe belebte Alles , oder vielmehr hörten sie auf , andere Gegenstände zu bemerken . In der ganzen Natur sah Herrmann nur Elisa , und Elisa nur Herrmann . Zum Erstenmal erblickte sie ohne Entzücken den gestirnten Himmel , den aufgehenden Mond ; zum Erstenmal hörte Herrmann nicht die Schalmeie des fröhlichen Hirten , welche in der Ferne erschallte , und welche er sonst mit Vergnügen belauschte . Im stummen Entzücken gingen sie fort , nur Seufzer der Liebe wehten die Lüfte ihnen nach . Frau von Birkenstein erwartete sie am Eingange des Gartens . ( Elisa nähert sich ihr verwirrt . ) Sind Sie schon fertig , liebe Mutter ? Fr. v. B. Es freuet mich , daß Herrmann Sie so gut unterhalten hat , daß Sie den Verlauf zweier Stunden nicht bemerkt haben . Elisa . ( Immer verwirrter , sieht errötend nach der Uhr . ) In der Tat , es ist schon spät . Wir sind weit gegangen .... Herrm . Mutter , unsere Unterhaltung war die , welche Jahre zu Minuten macht ! ( Elisa verbirgt ihr Gesicht am Busen der Frau von Birkenstein , welche sie umarmt . ) Fr. v. B. Erröten Sie nicht , meine Freundin ! Herrmann ist Ihrer Liebe würdig ; und Liebe in solchem Herzen , als das Ihrige , ist Engelgefühl ! Herrm . ( Kniet nieder , vor Elisa und seiner Mutter . ) Meine Elisa ! Hier , vor meiner Mutter , gelobe ich Ihnen Liebe und Treue , und bekenne , daß Sie mir das Heiligste auf der Erde sind ! Elisa ( Ihn aufhebend . ) Und hier eröffne ich Ihnen ganz mein Herz . Unaussprechlich , Herrmann , liebe ich Sie ; nur unbedingte Pflicht kann mich je von Ihnen reißen , und nie wird ein Mann , so wie Sie , meine Liebe besitzen ! Fr. v. B. ( Beide umarmend . ) O , meine Kinder ! möchte doch Eure Liebe Euer Glück und meine Freude im Alter machen ! Der Mutter und der beiden Liebenden Tränen der Freude und des Gefühls vermischten sich mit einander ; dichter , als ihre Arme , waren ihre Herzen in einander gekettet , und nur mit Mühe entriß sich ihnen Elisa , und eilte zurück nach Hohnauschloß . Der Schleier der Nacht lag schon auf der Natur verbreitet , Elisa'n war er willkommen ; des Tages Geräusch hätte sie aus ihren Empfindungen geweckt , und Elisa konnte und wollte nur an Herrmann denken , und sich zurück träumen an seine Seite , seine Lippen auf den ihrigen gedrückt . - Der Wagen hielt endlich still , Elisa stieg aus , schaute noch einmal mit einem Seufzer nach der Gegend hin , wo Birkenstein lag , und ging zu ihrer Mutter . Hier verweilte sie nicht lange ; bald sagte sie ihrer Mutter und Karolinen gute Nacht , und eilte zu Henriette . Sie warf sich in ihre Arme . Henriette , ich liebe ! schrie sie , und drückte sie fester an ihren Busen . Henr . Heute sagt mir es Dein Mund ; aber Deine Blicke sagten es mir schon lange . Elisa . Meine Blicke ? Nein , Henriette , noch fühlte ich nicht wie jetzt ! Hätte ich Liebe fühlen können , wenn ich entfernt von Herrmann war ? Hätten meine Blicke beredt sein können , ehe seine Küsse mir Leben und Feuer einhauchten ? Henr . Elisa , auch auf Dich wirkt der Zauber der Liebe so heftig ? Elisa . O ! Henriette , Du kennst nicht seine Macht ! - Als ich an deiner Seite saß , Herrmann , als deine feurigen Blicke , deine stammelnden Lippen mich das seligste Gefühl kennen lehrten ; als vor mir alle Gegenstände schwanden , ich nur dich sah , nur dein und meines Herzens Klopfen hörte ; als der erste Feuerkuß meine Lippen berührte , dein erstes Geständnis das Blut in meinen Adern stärker wallen ließ : da hätte ich die Frage für unmöglich gehalten ? Henr . Schwärmerin ! Elisa . Immerhin , Henriette , will ich umherschwärmen in dem Gebiete der Liebe ; ich habe die Tugend und Herrmann zu meinen Gefährten . O , daß Du heute nicht mit uns warst , Henriette ! Nicht sahst unsere Liebe , nicht fühltest unser Glück ! Henr . Elisa , Deine allzufeurige Einbildungskraft ließ mich immer die Liebe für Dich fürchten . Elisa . Fürchten ? Warum denn fürchten ? Sonst dachte ich nicht oft an die Liebe ; ich begehrte nicht , sie zu kennen ; doch ich glaubte nicht , daß man sie zu fürchten brauche . Aber , nun ich sie an deiner Seite , in deinen Augen , durch deinen Händedruck , Herrmann , kennen lernte ; nun ihre Entzückungen meinen Busen heben , und ich durch sie dich , edelsten Mann , beglücken kann : nun dünkt mich Furcht vor ihr , so wie Furcht vor der Sonne , die Alles belebt , wie Furcht vor dem Urquell aller Wesen , der Allen Dasein gab ! Henr . Daß sie Dir immer diese Wonne gewähren möge ! Elisa . Sie wird es ! Das Andenken ihrer vergangenen Freuden wird in trüben Tagen mich aufrichten ! Werde ich meinem Herrmann entrissen , so wird banger Kummer mein Los ! Aber die Erinnerung unserer Liebe wird mich durch das Leben begleiten , und mir noch in den letzten Augenblicken süß sein ! Henr . ( Lächelnd . ) Wer würde in dieser Heftigkeit die sanfte Elisa erkennen ? Nein , liebes Mädchen , die Liebe muß Dich nicht umschaffen ! Sollte sie Dich allein unvollkommener machen ? Elisa . Nein , Henriette , das soll sie nicht ! Mein Herrmann ist so edel , so gut ; er würde mich nicht mehr lieben , wenn ich aufhörte , es zu sein ! Henr . Du würdest also endlich die Tugend nur um Herrmann lieben ? Elisa . Das nicht , Henriette ! Ja , ich fühle es , ich würde ihr selbst meine Liebe aufopfern ! aber - doch warum diese Frage ? - Sprich , Henriette , versäume ich meine Pflichten seit dem Tage ? - Ach , ich liebte ihn schon damals , als meine Augen ihn zuerst erblickten ! Henr . Elisa , Du bist unruhig ! Laß uns von anderen Gegenständen reden . Elisa . Ich kann nicht , Henriette . Herrmann schwebt vor meinen Augen , sein Bild ist in meinem Herzen , und selbst wider meinen Willen würden meine Lippen seinen Namen stammeln ! Henr . Elisa , ich hörte Dich so oft sagen : Nie müsse man sich irgend einer Leidenschaft mit Heftigkeit überlassen . Elisa . Wahr , Henriette ! ich fühle noch die Richtigkeit dieses Satzes ; allein Herrmann , und eine Vereinigung mit ihm , erfüllt so ganz jeden Begriff , den ich von Glückseligkeit hatte , welchem ich zwar nicht nachhing , weil ich ihn nie erfüllt zu sehen glaubte ; aber nun ich ihn kenne , den Mann - Ach , Henriette ! nun kann ich der Liebe nicht widerstehen ! Henr . Liebe Elisa , mein Wunsch war stets , Dich glücklich zu sehen . Wirst Du es durch die Liebe , so werde ich den Tag segnen , an welchem die Natur und Dein Herrmann sie Dich zuerst kennen lehrten . Elisa . ( Henriette umarmend . ) O , Freundschaft ! Auch du hast deine Freuden ! Stärker , als je , Henriette , schlägt mein Herz heute für Dich . Henriette erwiderte den freundschaftlichen Kuß ; lange hielten sie sich umarmt . Möchte uns doch das Schicksal nie trennen ! riefen Beide aus : O Herrmann ! o Henriette ! sprach Elisa , an Eurer Seite meine Tage verleben ! - Gott ! das wäre mehr , als eine Sterbliche erwarten könnte ! das kann nicht geschehen ! Dieser Gedanke trübte ihre Stirn . Ich fühle es , sprach sie , mit der Liebe schwindet die Ruhe , bange Besorgnisse erfüllen meine Brust ! - O Herrmann ! Möchtest doch du nie sie kennen ! Möchtest doch du nur der Liebe Freuden genießen , ich will ihre Leiden tragen ! - Aber auch Herrmann empfand wechselsweise Entzücken , Hoffnung , Zweifel und Furcht ; er eilte am anderen Tage nach Hohnauschloß . Wie schlug nun Elisa's Herz , als er sich ihr näherte ! Wie zitterte nun seine Hand , als er die ihrige berührte ! - Leise sprach er zu Henriette : Henriette , wissen Sie mein Glück ? Henr . Ja wohl sind Sie glücklich , Birkenstein ; denn Elisa's Herz schlägt nur für Sie ! Herrm . O , daß ich ihr gleich zu ihren Füßen danken , vor der ganzen Welt bekennen könnte : Elisa , ich liebe Dich ! Henr . Nicht so heftig , lieber Birkenstein , noch müssen Sie sich nicht verraten . Er entfernte sich von ihr , und augenblicklich kam Elisa und fragte : Was sagte er Dir ? Henr . Er sprach , wovon die Geliebten gewöhnlich sprechen , von seiner Liebe . Elisa . O , nein , er spricht nicht wie Andere , laß mich jedes Wort hören ! Henr . Man bemerkt uns , Elisa , Du mußt vorsichtig sein . Elisa . O , des unerträglichen Zwanges ! Wie kann man seine Empfindungen verbergen ? - Frau von Birkenstein , welche nichts unterlassen wollte , Herrmanns und Elisa's Glück zu befördern , hatte ihrem Sohne aufgetragen , die Baronin von Hohnau um Erlaubnis zu bitten , ihr ihre Aufwartung machen zu dürfen . Die Baronin konnte dieses nicht abschlagen , und nach einigen Tagen stattete die Frau von Birkenstein einen Besuch in Hohnauschloß ab , welchen die Baronin von Hohnau erwiderte ; und nun erhielten Elisa und Henriette die Erlaubnis , zuweilen nach Birkenstein zu gehen . Fast täglich sahen sich nun Herrmann und Elisa ; ihre Liebe wuchs mit jedem Tage ; ihre Besorgnisse schwanden ; sie tranken nun aus dem Kelch der Liebe und der Freude . - An einem Nachmittage ging Elisa allein in einen kleinen Birkenwald , welcher zwischen Hohnauschloß und Birkenstein lag . Ihr begegnete Herrmann ; sich einander sehen , und einander in die Arme fliegen , war immer das Werk eines Augenblicks . Herrmann war einige Tage abwesend gewesen , also noch feuriger war heute ihr Kuß . O , mein Herrmann , fing endlich Elisa an , wie sehr habe ich Ihre Abwesenheit empfunden ! Wie öde schien mir der Wald , da ich wußte , Sie atmeten nicht in seiner Nähe ! Herrm . Auch mir bot die Natur vergebens ihre Schönheiten dar ; wo Elisa nicht ist , da ist für mich Tod und Verwüstung . Elisa . Anmutiger lächeln nun wieder die Gefilde . - O Natur ! alle deine Werke ließ der Hauch der Liebe werden ! Herrm . ( Nach einer Pause . ) Kannst Du es fühlen , Elisa , das Entzücken , welches meine Brust belebt ; kannst Du sie begreifen , die unnennbaren Empfindungen , welche durch meine Nerven beben , wenn ich Dich höre die Liebe preisen , und mir dann sage : Ich schuf dieses Gefühl in ihr ; ich belebe das Feuer ihrer Augen ; ich röte ihre Wange ; ich laß ihn stärker sich heben , diesen klopfenden Busen ? - Kannst Du es , Elisa ? O ! dann ist dein Gefühl das Gefühl eines Gottes , der Welten voller Wonne um sich schafft ! Elisa . Bist denn nicht auch Du der Schöpfer meines Glücks ? Herrm . ( Sie an seine Brust drückend . ) Gott ! diese Worte aus Deinem Munde ! - Welchem Fühllosen würden sie nicht Gefühl einhauchen ! Elisa . Wie heftig , Herrmann ! Kommen Sie , lassen Sie uns unter den Schatten jener lieblichen Birken setzen , und erzählen Sie mir da von Ihrer Reise . Herrm . Von meiner Reise ? O ! ich will Ihnen Alles sagen , was ich sah und hörte . Unter jeder Linoe sah ich meine Elisa ; die Winde wehten mir das Lispeln ihrer Stimme zu ; ich hörte immer diese sanften schmelzenden Töne ; aber ich konnte nicht , wie jetzt , sie in meinen Armen drücken , nicht ihr sagen : Herrmann lebt nur für dich , lebt nur da , wo du bist ! - Sie setzten sich nun ; ein kleiner Bach , der unweit aus einem Berge floß , rauschte an ihrer Seite ; sein Murmeln , die graue Dunkelheit des Waldes , des Tages Schwüle , Alles wiegte ihr Herz in jene dunkle Empfindung des Verlangens , und der Wollust Träne rollte von ihren Wangen . Herrmann sprach noch ; aber seine Stimme zitterte , und nur leise lispelte Elisa : mein Herrmann ! und ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken . Das Tuch , welches um ihren Hals sich schlang , entfaltete sich , und ließ Herrmann den schönen Busen erblicken , auf welchem sanft ihre braunen Locken spielten , und welchen der Liebe Seufzer bewegten . Feuriger drückte er sie an sein Herz , und heißer wurden seine Küsse . Er wagt es , und drückt seine brennenden Lippen auf ihren Busen ; aber nun erwachte Elisa aus dem Taumel der Wollust und der Liebe ; eilig stand sie auf . Herrmann , laß uns fliehen , die Tugend verläßt uns ! Herrm . ( Bleibt liegen zu ihren Füßen . ) Elisa , verzeihe ! Ach ! wer kann der Allgewalt der Schönheit widerstehen ! Elisa . ( Ihn umarmend . ) O , mein Herrmann ! Dank sei der gütigen Vorsicht , daß ich Kraft hatte , mich Deinen Armen zu entreißen ! Jetzt weine ich Tränen der Freude , und einige Augenblicke vielleicht noch , vergösse ich Tränen des Schmerzes ! Herrm . Edle Seele ! Nur an Deiner Seite kann mir der Wollust Reiz gefährlich werden ; aber auch Du kannst ihn mich besiegen lehren ! Elisa . O Tugend ! Diese Gewalt verdanke ich dir ! Nie werde du von mir entweihet ! Lassen Sie uns nicht öfter der Gefahr trotzen , Herrmann . Ach , im Arme der Liebe ist die Tugend so wankend ! - Nie wollen wir uns mehr allein sehen . Herrmann schwieg , sein Herz murrte ; aber er verehrte Elisa'n , und jeder ihrer Aussprüche war ihm heilig . Er sah in ihren Blicken die heitere Zufriedenheit , welche jede edle Tat gewährt , und sie schien ihm schöner , als da zum Erstenmal ihre Lippen ihm Liebe stammelten . Nur der Wollüstling wird trauern , daß das Mädchen nicht in seinen Armen Unschuld und Tugend zurückließ , nicht der Mann von Gefühl . Auch die besten Menschen können straucheln ; auch ihnen zeichnet die Leidenschaft ihre Zauberbilder vor , und so verblendet , reißt sie sie mit sich fort ; aber bald läßt Gefühl für das wahre Schöne sie ihren Irrtum erkennen ; sie kehren zurück , und freuen sich ihres Sieges . So freute sich auch Herrmann , als er seine Elisa noch in der vollen Blüte der Unschuld , und mit dem süßen Bewußtsein , die heftigste Leidenschaft besiegt zu haben , vor sich erblickte . Die Stärke des Gefühls ließ ihn ausrufen : Nein , Elisa , selbst in Deinen Armen würde ich die Wonne nicht empfinden , die jetzt das selige Gefühl der Tugend mir gibt ! Elisa . ( Mit tränendem , gen Himmel gerichtetem Blick . ) Wohl mir , Tugend , du bist kein Traum ! Du lebest in der Brust des edelsten Mannes ! Und dieser Mann ist mein ! liebt mich - werde mein Los nun , welches es wolle ! Ich habe des Glücks Größtes gekannt ! Herrm . O , Elisa ! Warum kann ich nicht alle Mädchen der Erde um Dich versammeln , Dich ihnen zeigen , und ihnen sagen : Werdet wie Elisa , und Welten werden euch verehren ! Elisa . Enthusiastischer Schwärmer ! - Auch dem Weisesten hält die Liebe ihr Vergrößerungsglas vor . Herrm . Nicht dem , der Dich liebt , Elisa ! Deine Strahlen blenden nicht ; nur nach und nach erblickt man den Glanz , der Dich umgibt . Elisa . ( Legt ihre Hand auf seinen Mund . ) Still , Herrmann . Sie wissen , aus Ihrem Mund ist das Lob mir gefährlich ! Ich könnte mich erheben , und - lassen Sie mich immer Ihrer würdig bleiben . Herrm . Welch ein Ausdruck ! - Doch Sie sollen nicht allein die Stufen der Vollkommenheit ersteigen ; auch ich will hinanklemmen , und durch Ihren Anblick gestärkt , mich bestreben , dem Gipfel mich zu nähern . Elisa . Dieser Vorsatz veredelt uns , mein Herrmann , und macht uns des Glücks würdiger , welches unsere Liebe uns gewährt . Er wird selbst , wenn das Schicksal uns trennen sollte , uns Standhaftigkeit verleihen . Herrm . Elisa , warum mischen Sie diesen bitteren Gedanken in den Kelch der Freude ? Elisa . Ach , er drängt sich zuweilen mit aller Gewalt in mein Herz , um es mit Angst zu erfüllen ! ( Eine Pause . ) Doch es ist unweise , sich der Zukunft wegen zu ängstigen ; sie liegt ja im Schleier verborgen , und wir können ihn doch nicht aufheben ! - ( Sie küßt Herrmann . ) Lassen Sie mich von Ihrer Stirn die trüben Wolken wegküssen , welche ich aufsteigen ließ ! Herrm . ( Sie mit Wehmut an seine Brust drückend . ) Ach , Mädchen ! Du lässt mich fühlen , daß Trennung von Dir mehr als zehnfacher Tod wäre ! Elisa . Nicht weiter davon , mein Herrmann . Noch bin ich Dein , und mein Herz sagt mir , Dein werde ich bleiben . Herrm . Holdes Geschöpf ! Mögest Du wahr reden ! - Sie waren jetzt am Eingange von Hohnauschloß , und mußten sich trennen . Heiter kehrte Elisa zurück ; ihr Gefühl war Freude , und edle Selbstzufriedenheit ; die süßeste Belohnung , welche Tugend gewährt . Elisa hielt ihr Versprechen , und sah Herrmann nicht anders , als in Henriettes Begleitung . Nach einigen Tagen reiste die Baronin von Hohnau mit Karolinen zu ihrer Schwester , und war vierzehn Tage abwesend . Dieses waren Tage der Wonne für Herrmann und Elisa ; fast täglich ging Elisa nach Birkenstein ; mit mütterlicher Zärtlichkeit empfing sie Frau von Birkenstein , und an ihrem Busen weinte oft Elisa Tränen der Liebe und der Freude . Zuweilen führten Herrmann und Elisa die gute Mutter auf die Anhöhe , auf welcher sie sich zuerst ihre Liebe gestanden . O , Mutter ! hob dann Herrmann an , hier fing mein Glück an ; hier drückte ich den ersten Kuß auf Elisa's zitternde Lippen ; hier sah ich , daß Liebe ihre Wangen rötete ! Elisa . Und was empfand ich da ! Menschensprache kann dieses nicht ausdrücken ! Es glänzten Tränen der Freude im Auge der Frau von Birkenstein . Ich habe schon viel der Freuden gekannt , sprach sie ; aber die größte , gütigste Vorsicht , bereitest du mir noch ! Das Glück meines Sohnes , meines Lieblings , kann ich noch sehen ! - O , Elisa ! wenn Sie werden Mutter sein , werden Sie diese Empfindung begreifen ! Elisa errötete , und lebhafter drückte Herrmann ihre Hand. Fr. v. B. Gefühlvolles Mädchen , viele Freuden warten Ihrer noch ! Aber alle werden sie aus der Hand der Tugend gegeben . Wäre Ihre Seele nicht der Abdruck der Tugend und der Unschuld , Ihre Liebe würde Sie nicht so glücklich machen ! Wie oft entweihet man den Namen Liebe ! Nur der Tugendhafte kennt sie , und alle ihre seligen Empfindungen ! Unordentliche Begierden , eine Verbindung , welche nur Genuß zum Zwecke hat , verdienen diesen Namen nicht ; sie haben in ihrem Gefolge Unmut , und die Ruhe flieht vor ihnen . - Wohl Euch , meine Kinder , daß Ihr die wahren Freuden des Lebens kennen lerntet , und daß kein falscher Schimmer derselben Euch irre leitete ! Herrm . Ihnen verdanke ich dieses , meine Mutter ! Elisa . ( Eine Träne im Auge . ) Und ich Dir , heiliger Schatten meines unvergeßlichen Vaters ! Du leitetest mein Herz zu jedem Guten ! Deine letzten Worte waren Lehren der Tugend ! Du warst es , der durch sie mir meinen Herrmann gab ! Mit Entzücken drückte sie dann Herrmann an seine Brust , und Frau von Birkenstein freute sich ihres Glücks . Die Baronin von Hohnau kam zurück ; mit ihr zwei Herren von Wallenheim , welche sie bei ihrer Schwester gesehen hatte . Sie waren Vettern ; der Eine war der einzige Sohn eines reichen Vaters ; der Andere der Neffe des alten von Wallenheim , ohne Vermögen , und ganz abhängig von dem Willen seines Onkels . Sie erregten Elisa's Aufmerksamkeit nicht ; nur mit Herrmann beschäftiget , bemerkte sie andere Männer kaum . Von ihm unterhielt sie sich am anderen Morgen mit ihrer Henriette , als ihre Mutter sie zu sich rufen ließ . B. v. H. ( Nach dem ersten Morgengruße . ) Wie gefällt Dir Karl von Wallenheim ? ( Es war der Sohn des noch lebenden Wallenheim . ) Elisa . Er scheint sehr finster , sehr in sich verschlossen zu sein . B. v. H . Er soll Dein Gemahl werden . Elisa . ( Stutzt . Nach einer Pause . ) Meine Mutter , ich muß den Mann erst kennen , dem ich meine Hand gebe . B. v. H. Du wirst ihn kennen lernen . Allein Dein Urteil über ihn sei , welches es wolle , so erwarte ich Gehorsam . Elisa . Und ich kann hoffen , daß meine Mutter mich nicht wird unglücklich machen wollen . B. v. H. Kein Rommanengeschwätz ! Wenn Du Deine Pflichten erfüllst , wirst Du nicht unglücklich werden . Elisa . Ich würde es , wenn ich Ihrem Willen gehorchen müßte . Denn - teure Mutter , verzeihen Sie mir mein Geständnis : Ich liebe .... B. v. H. ( Spöttisch. ) Der Gegenstand Deiner Liebe wird wohl so edel sein , als es Deine Denkungsart ist . Elisa . Er ist edel durch sein Herz , durch seine Gesinnungen , aber auch durch seine Geburt . Ich liebe Herrmann von Birkenstein ! B. v. H. Nie hätte ich in eine Verbindung mit ihm gewilligt , wenn ich auch nicht wichtige Ursachen hätte , Dich mit dem Herrn von Wallenheim zu verheiraten . Elisa . ( Mit Tränen im Auge . ) O , meine Mutter ! Können Sie so mit kaltem Blute das ganze Glück meines Lebens aufopfern ? B. v. H. Willst Du mir das Meinige rauben ? Wisse , Caroline liebt Philipp von Wallenheim mit einer Heftigkeit , welche mich für sie fürchten läßt , und sein Oheim , aufgebracht , daß sein Neffe , und nicht sein Sohn , das reiche Mädchen heiraten sollte , verbot ihm , Karolinen wieder zu sehen ; Caroline wurde krank ; ich fuhr selbst zum alten Wallenheim ; nichts konnte ihn bewegen , bis daß er endlich hörte , daß ich noch eine Tochter hätte ; da versprach er , seine Einwilligung in seines Neffen Verbindung mit Karolinen zu geben , doch unter der Bedingung , daß sein Sohn Dich heiraten würde . Ich fürchte , meine Caroline zu verlieren , wenn ihr Wunsch nicht erfüllt wird , und Du würdest es sein , welche meinem Herzen diese Wunde schlüge ! Elisa . Das soll nicht geschehen , meine Mutter ! Schreiben Sie Herrn von Wallenheim , ich entsage meinem ganzen Vermögen ; sein Sohn soll der Besitzer desselben werden , dann wird er in Karolinens Verbindung willigen . Und ich ? - O , meine Mutter ! werde an Birkensteins Seite meine Tage verleben können ! Er wird bald eine Stelle bekommen ; die Einkünfte davon , und das geringe Vermögen , welches er besitzt , werden hinlänglich sein , mich glücklich zu machen . B. v. H. Nie soll Birkenstein mein Sohn werden ! Dein Vorschlag kann nicht angenommen werden ; Du mußt Wallenheim Deine Hand geben . Elisa . Meine Mutter , lassen Sie mich an Herrn von Wallenheim schreiben . Vielleicht wird er gerührt durch die Schilderung meines Kummers . Vielleicht schreckt ihn der Gedanke , zwei schuldlose Geschöpfe unglücklich zu machen . - B. v. H. Elisa , so viel Widersprüche bin ich nicht gewohnt ! Elisa . ( Wirft sich zu den Füßen der Baronin , und ergreift ihre Hände . ) O , meine Mutter ! ich bestrebte mich immer , meine Pflichten zu erfüllen ; jeder Ihrer Winke war mir Befehl , welchen ich nie überschritt , und mein ganzes Leben soll Gehorsam gegen Sie sein ! - Ich entsage Birkenstein , aber ich kann keinem anderen Manne meine Hand geben ! B. v. H. ( Entzieht Elisa 'n ihre Hände , und wendet sich von ihr. ) Du sollst sie Wallenheim geben ! - Caroline liebte nicht ; versprach sich nicht wider meinen Willen ; ich werde sie Dir nicht aufopfern . Elisa . ( Mit einem Ausbruche von Tränen . ) Gott ! so muß ich das Opfer sein ! Meine Mutter , bin ich denn nicht auch Ihre Tochter ? B. v. H. Eine widerstrebende , ungehorsame Tochter ! Elisa . O , meine Mutter ! mit der Vernunft gab mir der Schöpfer das Recht , selbst mein Glück zu wählen . Indem ich Ihnen gehorche , widerstehe ich dem ersten Gebote der Natur , welches mich zum Glücke ruft ! B. v. H. Das erste Gebot der Natur ist kindlicher Gehorsam . Elisa . Ich weiß es ! Allein er hört da auf , wo das ganze Glück des Lebens , wo die Tugend selbst auf dem Spiele steht , ohne daß die Urheber unserer Tage Vorteil davon ziehen . Werden Sie glücklicher sein , wenn Sie mich unter der Last des Kummers gebeugt sehen werden ? Wird Ihr Ohr , ermüdet von meinen Seufzern , noch den Tönen der Freude offen sein ? B. v. H. Und wenn mir dieses alles Caroline auch sagte ? Elisa . Tat ich Ihnen nicht einen Vorschlag , welcher uns Beide befriedigen könnte ? Nehmen Sie ihn an ! Und wenn ihn Wallenheim ausschlägt , kann Philipp nicht den Tod seines Oheims erwarten ? B. v. H. Sein Oheim ist noch nicht alt , und er drohet ihn in ein Kloster zu stecken , wenn er Karolinen nicht gänzlich entsagt . Und das erstere - würde von Deiner Seite ein sehr unschicklicher Schritt sein . Elisa . Meine Lage rechtfertigt ihn , und fremdes Urteil ist mir gleichgültig , wenn ich weiß , daß ich recht handle . B. v. H. Allein , hoffe nicht Birkensteins Weib zu werden ! Elisa . ( Mit erstickten Tränen . ) Ich habe Ihnen schon gesagt , meine Mutter , ich entsage ihm ! - ( Nach einer Pause . ) Darf ich schreiben ? B. v. H. Du erzwingst meine Einwilligung ! Schreibe ! Elisa verließ das Zimmer , wankend ging sie in das ihrige , und sinnlos warf sie sich in einen Sessel . Lange saß sie da ; betäubt waren ihre Empfindungen , und trocken ihr Auge . Nur Seufzer drängten sich aus ihrem Busen ; ihr Auge war gen Himmel gerichtet , und schien Hilfe von der unbekannten Macht zu erflehen . Ein Ring von Herrmanns Haaren geflochten , und den sie erst am vorigen Tage von ihm erhielt , erweckte endlich ihre Empfindungen . Ihr Blick fiel auf ihn , sie drückte ihn mit Inbrunst an ihre Lippen , und eine Flut von Tränen rollte von ihren Wangen . Sie weinte lange . Herrmann , rief sie endlich aus , so habe ich dir denn entsagt ! So habe ich denn mit einem Worte alle Freuden von deinen und meinen Tagen verscheucht ! O , daß ich nicht die Last deines Kummers tragen kann ! Daß ich dich unglücklich mache , indem ich elend werde ! - Das alles forderte Pflicht von mir ? - Ich gehorche ! - Nie , nie soll meine Liebe über die Tugend siegen . - Ich will Leiden tragen lernen . - Von dir getrennt , Herrmann , werde ich meine Tage verweinen ; aber ich werde mir sagen : Ich erfüllte das Gebot meiner Mutter ; nie streute ich Unmut auf ihre Tage . - O , dann werde ich noch in meinen Tränen Trost finden ! Aber einem Anderen meine Hand geben ? - Nein - ich will bei meiner Mutter bleiben - ich will Karolinens Glück sehen - mich dessen freuen - Ach ! es kostete mir ja Alles ! - Aber namenlos würde mein Elend , wenn ich Wallenheim - o , der Name ist mir verhaßt ! - Liebe schwören müßte ! - Dagegen will ich alle meine Kräfte aufbieten . - Ich will es tragen das harte Geschick , von Herrmann getrennt zu sein ! - O , mein Vater ! Du ahndetest es , als Du sterbend mich noch Ergebung in den Willen des Schicksals und Standhaftigkeit lehrtest ! - Wohl ! Ich will Dir folgen - ich will sie erfüllen jede Pflicht , die Du mir auferlegtest - Aber mich in einen Abgrund stürzen , aus welchem nur der Tod mich retten kann ? - Nein , das kann nicht Mutterbefehl ! - Herrmann ! Herrmann ! Du sollst mich nicht in den Armen eines Anderen sehen ! - Nun stand sie auf , setzte sich an ihren Schreibtisch , und schrieb folgende Zeilen an den Herrn von Wallenheim : " Mein Herr , Unbekannt werden Ihnen diese Züge sein , wie mir bisher Ihr Name war ! Ihr Name , den ich nun zitternd ausspreche ! - Doch nein , voll des Vertrauens auf die Güte , welche der Schöpfer in jedes menschliche Herz pflanzte , nähere ich mich Ihnen , und wage , Sie , jetzt Gebieter meines Schicksals , um Mitleiden anzuflehen ! - Ohne mich zu kennen , glaubten Sie mich würdig , die Gattin Ihres Sohnes zu werden . - Ich erkenne es in seinem ganzen Umfange , dieses edle Vertrauen , und wäre mein Herz frei gewesen , so würde ich mich bestrebt haben , es zu verdienen . Aber schon lange fesselt mich Übereinstimmung der Neigungen und der Denkungsart an einen edlen Jüngling . Und wie kann ich nun , mit einem Herzen voll unaussprechlicher Liebe gegen ihn , Ihrem Sohne die Hand geben , mich schuldig , und ihn unglücklich machen ? Das kann ein Vater nicht wollen . Er darf nicht die Mutter seiner Kinder unglücklich machen , sonst würden einst Ihre Enkel Ihnen meine Tränen vorwerfen ! Aber Sie verlangen , mich als Gattin Ihres Sohnes , oder das Band zerrissen zu sehen , welches meine Schwester an Ihren Neffen knüpfte ! Sie wollen sie trennen , sie , welchen die Liebe einander zurief und vereinigte ! Und ich , ich sollte es sein , welche Kummer auf die Tage meiner Schwester verbreitete ? Welche dem Herzen ihrer und meiner Mutter jede Freude raubte , indem sie die blühende Tochter dahin welken sah ? - O , wohin ich blicke , wartet meiner Verbrechen und Elend ! - Ihre Güte allein kann mich retten ! Ein Wort von Ihnen sichert mein und meiner Schwester Glück ! - Aber der Wille meiner Mutter , welche mich bestimmte , die Gattin Ihres Sohn's zu werden , legt mir eine Pflicht auf , die ich erfüllen will . Meine Hand kann ich dem Herrn von Wallenheim nicht geben ; aber mein Vermögen sehe ich als das Seinige an . Ich entsage Allem , was ich besitze , und mache ihn zum Herrn desselben . Es ist mir süß , ihm diesen Beweis meiner Achtung zu geben , und kränken würde es mich , wenn Ihre Großmut ihn ausschlüge ! - Das erwarte ich nicht ; denn es ist nicht ein Sold , den ich geben will , um Ihre Einwilligung zur Verbindung meiner Schwester mit Ihrem Neffen zu erlangen - O nein ! das Glück so vieler Geschöpfe kann nicht mit Gelde bezahlt werden ! Und über jeder Belohnung , als über die , welche Tugend gewährt , ist der , welcher so viel Segen über seine Mitgeschöpfe verbreitet ! Nur unser Dank , nur unser spätester Segen kann Ihnen lohnen , nie unser Geld ! - Das Meinige gehört nach allen Rechten Ihrem Sohne ; es verwerfen , hieße mich verachten ! - Ich habe Sie nun in meinem Herzen lesen lassen ; ich habe Ihnen alle meine Gesinnungen entdeckt , muß ich nun noch Ihren Ausspruch fürchten ? O , bedenken Sie , daß das Glück meines Lebens von ihm abhängt ! daß er es ist , welcher jeden meiner Tage zu Tagen der Wonne machen wird ! - Mehr wage ich nicht hinzuzusetzen . Wenn Ihr Gefühl nicht für mich spricht , so bin ich verloren ! Elisa von Hohnau . " Diesen Brief brachte sie ihrer Mutter , und bat sie zugleich , in ihrem Zimmer bleiben zu dürfen , bis daß sie eine Antwort von Herrn von Wallenheim würde erhalten haben . Die Baronin von Hohnau erlaubte es ihr , verbot ihr aber , an Herrmann zu schreiben , und auch Henriette erhielt Befehl , nicht ohne Karolinen das Haus zu verlassen . Beide gehorchten ; die sanfte Elisa murrte nicht , auch klagte sie nicht länger vergebens ; sie bestrebte sich , ihren niedergeschlagenen Geist wieder aufzurichten . Unaufhörlich war sie beschäftiget ; sie suchte jedes Gefühl zu betäuben ; las ernste philosophische Schriften , um ihre Gedanken von Herrmann und von ihrer Liebe abzuziehen . Oft hatte sie sonst gesagt : Ein jeder Mensch wird physikalisch und moralisch gezwungen , sich dem Gesetze der Notwendigkeit zu unterwerfen ; aber nur der Weise erkennt es , und ergibt sich ihm ohne Murren und Widerstand ; denn er weiß , daß keine Macht im ganzen Weltall es aufheben kann . - Dieser Worte erinnerte sie sich jetzt . Ach , sagte sie sich mit einem Seufzer , ich muß nun das ausüben , was ich sonst als weise und gut erkannte ! - Selten nur sprach sie mit Henriette von ihrer Liebe , und so erlangte sie , Ruhe in ihrem Herzen zu erhalten . Aber Wallenheim ihre Hand geben ? - Diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen . Dann flog von ihren Lippen das heitere Lächcln , welches ihr Antlitz zum Bilde der Unschuld und der Tugend machte . Ihre Mutter hatte ihren Brief dem Herrn von Wallenheim geschickt , und am sechsten Tage nach seiner Absendung , erhielt Elisa eine Antwort . Die Baronin von Hohnau brachte sie ihr , und Caroline begleitete sie . Elisa war bei ihrer Freundin ; zitternd erbrach sie den Brief ; er enthielt folgende Worte : " Gnädiges Fräulein , Ich konnte Sie nicht zwingen , die Gattin meines Sohn's zu werden ; aber nie werde ich in die Verbindung meines Neffen mit Ihrer Schwester willigen . Ich beharre stets auf meinem Entschluß , und was ich einmal für gut erkenne , das ändere ich nie . - Die Welt würde mich als den eigennützigsten Mann betrachten , wenn ich Ihr Geld annähme ; das kann also nicht geschehen . Und da mein Sohn nicht das Glück gehabt hat , Ihnen zu gefallen , so soll er unverzüglich mit meinem Neffen zurückkommen . Dieses habe ich ihm auch geschrieben . - Ich bedaure übrigens , daß ich nicht das Glück haben kann , mit Ihnen und Ihrer Familie verbunden zu sein , und daß Sie mir jede Gelegenheit geraubt haben , Ihnen zu beweisen , wie sehr Sie lieben würde Ihr ergebener Diener , Franz von Wallenheim . " Elisa sank auf einen Stuhl , nachdem sie ihn durchgelesen hatte ; sie reichte ihn ihrer Mutter : Er enthält meinen Tod , sprach sie . Caroline . ( Nachdem auch sie den Brief gelesen hat . ) Nein , meine Mutter , Philipp soll mich nicht verlassen ! B. v. H. Elisa , Du mußt Dich entschließen .... Elisa . ( Wirft sich der Baronin und Karolinen zu Füßen . ) Meine Mutter ! Caroline ! Ach , Mitleid ! Mitleid ! Tausendfache Leiden zerreißen meine Brust ! B. v. H. Elisa , Deine Mutter bittet Dich ! Caroline . ( Umarmt Elisa 'n . ) Schwester , Du machst mich unglücklich ! Elisa . Ach , Caroline , hast Du nur Gefühl für Dein eigenes Unglück ? Könntest Du einem Anderen die Hand geben , in dem Augenblicke , da Du Philippen entsagen müßtest ? B. v. H. Dein Zaudern würde nur Deine Verbindung mit Wallenheim aufschieben , aufheben nicht , so lange Caroline lebt . Was würde es Dir helfen , täglich ihre und meine Tränen zu sehen . Du würdest durch sie nicht glücklicher ; denn Birkenstein soll nie der Deine werden . - Fluch würde dann mein letzter Gedanke an Dich sein ; Fluch der Tochter , die das Herz ihrer Mutter zerriß ! Elisa . Gott ! Caroline . O , daß jede meiner Tränen höllische Martern in Deine Brust gießen möge ! Elisa . Halt ein , Caroline ! Ach , Muttersegen , Mutterfluch , beide machen mich elend ! - Und nirgends ein Ausweg für mich , nirgends mehr Hilfe ! B. v. H. Noch in Deinem Gehorsam , Elisa. Caroline . Noch in dem Wonnegefühl , wie Du es nennst , Andere glücklich zu machen . Oder hättest Du nur gelernt , schön zu sprechen , und - schlecht zu handeln ? B. v. H. Sprich , Elisa , was ist Dein Entschluß ? Elisa . ( Mit schwacher Stimme . ) Zu sterben , aber Ihnen zu gehorchen . Caroline . ( Wirft sich Elisa'n um den Hals . ) Elisa , Elisa , was soll ich tun ? Elisa . Mir nicht danken . Dein Dank , Deine Freude läßt mich mein Unglück fühlen ! ( Nach einer Pause . ) Nur eine Bitte , meine Mutter , gewähren Sie mir ! Lassen Sie mich noch einige Tage in meinem Zimmer bleiben ; ich muß Kräfte sammeln , um Wallenheim sprechen zu können , und - o Gott ! - lassen Sie mich selbst meinem Herrmann sagen , daß er und ich ewig elend sind ! Hier sank sie wieder kraftlos in einen Sessel , und verhüllte ihr Gesicht in ein Tuch . Henriette eilte zu ihr , faßte sie in ihre Arme ; aber vergebens waren ihre Bemühungen , sie aus der Betäubung zu ziehen . Die Baronin von Hohnau und Caroline verließen das Zimmer , und die Erstere sagte Henriette , sie willige in das Verlangen ihrer Tochter . Henriette weinte . Grausame Mutter , sprach sie , um die Leidenschaft deiner einen Tochter zu befriedigen , opferst du die Ruhe der Anderen auf ? - Ach ! mögest du nie dein Verbrechen empfinden ! In Elisa's Seele kehrte nun das Andenken ihrer letzten Worte zurück ; sie erhob ihren Kopf , und sah die weinende Henriette an ihrer Seite . Auch Dich , meine Freundin , sagte sie , mache ich unglücklich ! O , meine Mutter ! daß auch diese Tränen Dir mögen vergeben werden ! Henr . ( Für sich . ) Die edle Seele ! wie entfernt ist Zorn von ihr ! Elisa . So werde ich dich auch nicht mehr lieben dürfen , mein Herrmann ? Ach , Henriette ! Das war mein Trost , als ich ihm entsagte , daß mein Herz ihm doch immer bleiben würde , und nun soll ich sein Bild darin vertilgen ! Nun darf ich seinen Namen nicht mehr nennen ! Gott ! können Menschen dieses fordern , und kann ich das alles halten ? Henr . Ich erwarte Stärke von deiner Tugend . Elisa . ( Nach einer Pause , fällt auf ihre Knie . ) Ewige , unsichtbare Macht , dein erster Wille lenkte die Begebenheiten aller Zeiten hindurch ; auch ich bin mit begriffen in dem Gesetze ewiger Notwendigkeit ; ach , laß mich immer überzeugt sein , daß es so am besten in der Reihe der Dinge war ! ( Sie läßt ihren Kopf auf Henriettes Schoß sinken ) Henriette ! ich wollte ihn aussprechen den Schwor , nicht mehr zu lieben . - Ich kann nicht ! Henr . ( Hebt sie auf . ) Fasse Dich , meine Freundin ! Du mußt nun Dein Glück allein in der Tugend suchen . Elisa . Sprich nicht von Glück , Henriette ; erflehe nur Ruhe für mich ; dem Glücke habe ich entsagt ! Sie schwieg nun ; ruhig war ihr Blick und alle ihre Bewegungen . Henriette sagte ihr , daß ihre Mutter ihr ihre Bitte gewähre ; ein Seufzer war ihre Antwort . Ach ! sprach sie endlich , daß Herrmann mich vergessen möge , daß er nur möge glücklich werden ! Eine Träne zitterte bei diesen Worten in ihrem Auge : aber Elisa unterdrückte jeden Ausbruch des Schmerzes . Täglich war Herrmann in den Birkenwald gegangen , in welchem er stets seine Elisa anzutreffen pflegte . Hoffnung beflügelte an jedem Tage seine Schritte , und voll düsterer Schwermut wankte er an jedem Abend zurück nach Birkenstein . Er weiß kaum , was er denken soll . Er wagt es nicht , irgend einer Mutmaßung Raum zu geben ; denn schwarze Bilder schweben um seine Einbildungskraft . Er wagt es endlich am fünften Tage , nach Hohnauschloß zu reiten ; allein die Baronin von Hohnau nimmt seinen Besuch nicht an ; er zieht Erkundigungen ein , und kann weiter nichts erfahren , als daß Elisa und Henriette nicht das Zimmer verlassen , ob sie gleich ganz wohl sind . Dieses vermehrt nur seine Besorgnisse ; er geht am anderen Tage wieder in den Birkenwald ; unruhig durchläuft er alle Gänge , welche nach Hohnauschloß führen ; da erblickt er endlich seine Elisa , welche wankend daher kommt ; er eilt ihr entgegen , und kraftlos sinkt sie in seine Arme . Herrm . Gott ! was ist das ? Elisa , Dein Herz schlägt heute so schwach gegen das meinige ? Elisa . ( Entreißt sich seinen Armen , mit angenommener Standhaftigkeit und fester Stimme . ) Herrmann , wir sehen uns heute zum letztenmal ! Herrm . ( Blickt sie starr an ; Elisa hält ihre Hand vor die Augen ; er fällt endlich zu ihren Füßen . ) Elisa , sprichst Du mein Todesurteil ? Elisa . Herrmann , erschwere mir meine Pflicht nicht ; ich wollte bei Dir Standhaftigkeit suchen . Herrm . ( Steht auf . ) Spötterin ! Du kannst noch meines Elends spotten ? Elisa . ( Mit sanfter , einschmeichelnder Stimme . ) Höre mich , mein Herrmann ! Mutterbefehl entreißt mich Dir ! Ach , ich würde in Deinen Armen nicht mehr glücklich sein , wenn meiner Mutter Fluch auf mir ruhte ! Herrm . Elisa , warum bist Du so vollkommen , und ich so unglücklich ? O , Mädchen ! wärest Du in den Tiefen eines Abgrundes gewesen , an dessen Rande tausend Dolchstiche meine Brust zerfleischt hätten ; mit dem Tode ringend wäre ich zu Dir geeilt , hätte Dich in meine Arme genommen , wäre gestorben , aber wäre glücklich gewesen ! - Ach , Elisa , ich kannte nur Leben und Glück , seit dem Augenblicke , da ich Dich sah ! Nein , ich hatte kein Dasein zuvor ! Und nun stoßest Du mich zurück in ewige Finsternis ! - O , welche herrliche Aussicht lag vor mir ! Wie ergötzte ich mich oft , wenn ich in die Zukunft blickte ! Elisa gab Licht und Leben allen Gegenständen , die ich sah ! - Und nun ? - Schauder ergreift mich - meine Tage werden öde sein - kein Gefühl kenne ich mehr - Nun wird Verzweiflung mir süß und Raserei mein Los sein . Elisa . Halt ein , Herrmann ! Du zerreißest mein Herz . - O Mutter ! Mutter ! Mögen seine Flüche nie über Dich kommen ! ( Sie sinkt nieder auf den Rasen . ) Wo soll ich Kraft hernehmen , seinen Schmerz zu tragen ? Herrm . ( Setzt sich neben sie , und umarmt sie . ) Elisa , Weib meines Herzens , Du willst mich verlassen ? Elisa . ( Ein Strom von Tranen rollt von ihren Wangen ; sie legt ihren Kopf auf seine Schulter ; nach einer Pause . ) Herrmann , ich bin doppelt unglücklich ! Ich muß einem Anderen meine Hand geben ; Du darfst mich lieben ; ich muß Dich vertilgen , aus diesem Herzen , in welchem Du herrschest . - Aber , schwuren wir uns nicht oft , der Tugend treu zu bleiben ? Mein Herrmann , gedenke des Tages , an dem Du sagtest , wir wollen zusammen die Leiter der Vollkommenheit ersteigen . - Wollen wir nur auf der untersten Sprosse stehen bleiben ? Herrm . ( Seinen Kopf auf seine Hände gestützt . ) Gott ! ich soll sie verlieren ? O ! wie werde ich Kraft zum Leben behalten ? Elisa . Blicke um Dich , mein Herrmann , die Natur verläßt keines ihrer Kinder ; in ihrem Schoße wirst Du Balsam für Deine Wunden finden . Herrm . Vergebene Hoffnung ! mit Dir schwindet jeder Genuß ; alles ist nun tot für mich ! Elisa . Aber ich bin ja noch ; meine Ruhe hängt von der Deinigen ab ! Herrmann ! Herrmann ! könnte ich mit diesem Leben Dein Glück erkaufen ! - Ach ! schone meiner ! Herrm . ( Drückt sie mit Inbrunst an seine Brust . ) Himmel ! wäre dieses der letzte meiner Augenblicke , ich wollte ihn segnen ! Ich stürbe an meiner Elisa Brust ! Elisa . Ach , Herrmann , wie schwer machest Du mir den Kampf zwischen Liebe und Pflicht ! Herrm . Hat denn die Liebe nicht auch ihre Pflichten ? Elisa . Wäre ich Dein Weib geworden , ich hätte sie alle erfüllt ; aber Herrmann , ich bin das versprochene Weib eines Anderen . Herrm . Schreckliches Wort ! Der Gedanke " Zernichtung , " ist es weniger als Du ! Elisa . Laß uns nicht mit allem Gefühl des Schmerzes an diesem Augenblicke hängen ! - Herrmann , viel werden Deiner Tage noch sein ; wende sie an zum Wohl Deiner Brüder ; werde groß und gut ; streue Segen um Dich her ! - Du bist Mann ; weit kann Dein Wirkungskreis werden ; viel des Guten , welches Du stiften kannst ! Blicke dahin , solltest Du da nicht Trost finden ? Herrm . An Deiner Seite hätte ich mich hinauf schwingen wollen zu jeder edlen Tat ; hätte handeln wollen , wie ein Mann von Ehre und Gefühl ! Meine Ruhe hätte ich meinen Pflichten , Vergnügungen meinen Geschäften aufgeopfert . Dein Lächeln hätte mich belohnt . Ach , es wäre der süßeste Lohn gewesen ! - Er fehlt mir nun , und mit ihm verschwindet jede Kraft zu handeln . Elisa . Nicht so , mein Herrmann ! Wenn ich Dir nicht mehr zulächeln kann , so bleibt Dir doch die innere Stimme Deines Herzens , die Dir lohnen , zehnfach lohnen wird ! Es bleibt Dir das selige Gefühl , Dich des Glücks zu freuen , welches Du schufst ! Herrm . ( Mit aufgehobenen Händen . ) Ach , jedes ihrer Worte läßt mich die Stärke meines Unglücks fühlen ! ( Er läßt seinen Kopf auf ihren Schoß sinken . ) Elisa , Engel , ich koste Dir Tränen ! - Was soll aus mir werden ! Elisa . ( Umarmt ihn . ) Sei standhaft , mein Herrmann ! Verdopple meine Leiden nicht ; ich muß unterliegen , wenn ich Deinen Schmerz sehe ! Herrm . Aber , Elisa , wie konntest Du auch so bereit sein , Deiner Mutter zu gehorchen ? Elisa . Herrmann ! Du weißt nicht , wodurch ich dahin gebracht wurde ! Meiner Schwester , meiner Mutter Glück fordert es von mir . Wenn ich Wallenheim meine Hand gebe , darf meine Schwester Philippen von Wallenheim , den sie liebt , heiraten . Dieses ist der Wille des alten Wallenheim , und meine Mutter drohte mir mit ihrem Fluche , wenn ich ihrer Tochter den Geliebten raubte . Herrm . Grausame Mutter , Dich opfert sie also auf ? Elisa . Schweige , Herrmann ! Liebe ist unwillkürlich . Eine ihrer Töchter mußte sie zum Opfer bestimmen ; wie natürlich also , daß es die wurde , welche ihrem Herzen am wenigsten teuer ist . Herrm . Wie bereit Du bist , sie zu entschuldigen ! O Elisa ! liebtest Du wie ich , Du könntest es nicht ! Elisa . Herrmann , werde nicht unbillig ! Du warst sonst so edel ! O , wenn ich gegen meine Liebe kämpfen , wenn ich heiße Tränen des Schmerzes weinen werde , daß sie stärker als Vernunft und Tugend in mir ist , dann laß mir den Trost , in meiner Liebe die Entschuldigung zu finden , daß ich den edelsten Mann liebe ! Herrm . Gott ! welch ein Weib ! O , daß Wallenheim ganz ihren Wert erkennen möge ! ( Er drückt sie mit Wehmut an seine Brust , mit erstickten Tränen . ) Meine Elisa , werde glücklich , vergiß Deinen Herrmann ! Er steht schnell auf , und lehnt sich an einen Baum ; Elisa nähert sich ihm , nimmt seine Hand , und drückt ihre Lippen auf die seinigen . Herrmann , bleibe mein Freund ; ich bleibe ewig Deine Freundin ! - Nun entfernte sie sich mit starken Schritten ; Herrmann wandte sich um , er sieht sie forteilen , und fast sinnlos sinkt er an den Baum zurück . Elisa ! Gott ! ruft er aus . Sie sieht sich noch einmal um , und mit schwacher Stimme ruft sie ihm zu : Er gebe Dir Kraft , Geliebter meiner Seele ! Sie verdoppelt ihre Schritte , und bald erreicht sie den Eingang des Gartens , an welchem Henriette ihrer wartete ; sie wirft sich in ihre Arme ; ihre Kräfte waren erschöpft ; sie bleibt empfindungslos am Busen ihrer Freundin liegen . Ihre Augen waren geschlossen , Blässe überzog ihre Wangen ; Henriette legt sie auf den Rasen ; mit mitleidsvollem Auge blickt sie auf ihre Freundin , und trauert , daß das edle Geschöpf so jung den Kummer kennt . Sie reibt ihre Stirn und Schläfe , und Elisa kehrte zurück ins Leben . Ihre ersten Worte waren , indem sie Henriette umarmte : Ach , Henriette , nie , nie werde ich ihn nun wiedersehen ! Ein Strom von Tränen brach durch ihr mattes Auge . Meine Seele , mein ganzes Dasein , sprach sie , ist bei ihm zurückgeblieben - aber - ich habe meine Pflicht erfüllt ! Trost war ihr dieser Gedanke ; ihre Tränen wurden ruhiger . Ach , dachte Henriette , möchten doch Alle die , auf welchen die Hand des Kummers ruht , sich dieses sagen können ! Ihr Schmerz würde nicht so zerreißend , ihre Seele des Trostes fähig sein . Am Arme ihrer Freundin ging Elisa zurück . Sie kam vor ihrer Mutter Zimmer vorbei ! sie hört Wallenheims Stimme , und schaudert . Gott ! sagt sie voller Schrecken , bald bin ich sein Weib ! In düstre Schwermut stürzt sie diese Betrachtung ; ihr Schweigen war schrecklich ; ihre Blicke drückten Verzweiflung aus . Henr . ( Sie umarmend ) Elisa , meine Freundin , Dein Zustand zerreißt mein Herz ! Elisa . Ich Elende ! Alles , was mich liebt , mache ich unglücklich ! Henr . O , meine süße Elisa , wer würde nicht gern mit Dir leiden , wenn man von Dir geliebt wird ?! Elisa . ( Mit aufgehobenem und tränenvollem Blicke . ) Ach , in den bittersten Stunden unseres Lebens gibt es noch süße Augenblicke ! Nie fühlte ich so , wie jetzt , die Seligkeit der Freundschaft ! Henr . Nie , meine Elisa , warst Du mir so teuer ! O , könnte ich Glück und Leben geben , und Dich glücklich sehen ! Elisa . Dank Dir , Henriette ! Du lässt mich empfinden , daß es noch Freuden für mich gibt . Henr Liebes Mädchen , die Zukunft wird Dir noch mehrere bereiten ! Elisa . Ach , wenn mein Herrmann nur nicht so unglücklich wäre ! Wie gerne wollte ich leiden , wie willig Alles tragen , was die Hand des Schicksals mir auferlegte , wenn ich wüßte , daß er frei von Kummer , sorgenlos und heiter wäre , wie am Tage , da ich ihn zuerst sah . Ich raubte ihm jede Freude des Lebens ! Ich verbitterte seine Tage ; ich machte ihn namenlos elend ! - O , Henriette , als ich ihn verließ , da stand er an einen Baum gelehnt , hatte nicht die Kraft , mich zurückzurufen ! Henr . Ja , sein Schmerz wird groß , wie seine Liebe , sein ; aber , liebe Elisa , er wird ihn bekämpfen , und wird einst , so wie Du , auch wieder Ruhe finden ! Elisa . Wollte der Himmel , mein Andenken erlösche heute in seinem Herzen ! - Ich wollte mich freuen , wenn ich von ihm vergessen würde ! Zwar ist mir der Gedanke , von ihm vergessen zu sein , schmerzhaft ; aber mein Herrmann würde ruhig sein ; sein Bild voll Jammer umschwebte mich dann nicht mehr ! - Könnte ich ihn nur noch einmal mit dem heiteren Lächeln auf den Lippen , mit der edlen Zufriedenheit auf der Stirn sehen , mit welcher er an meiner Seite saß , als am Geburtstage seiner Mutter die Bäuerinnen unter der großen Linde tanzten ! Henr . Warum rufst Du diesen Tag in Dein Gedächtnis zurück ? Elisa , Du mußt nun Deine Blicke von der Vergangenheit abwenden ! Elisa . Ach , ich weiß es , daß ich ihn nicht mehr lieben darf ! ich will sie auch bekämpfen , diese Leidenschaft . - Aber noch einmal will ich sie zurückrufen , alle Szenen der Wonne , alle seligen Augenblicke , welche ich mit meinem Herrmann durchlebte . - Ihr Andenken soll mich stärken , den dunklen Pfad zu betreten , der vor mir liegt . Ich will denken : Einst war ich glücklich ! Henr . Wie wenig Kraft wirst Du dann haben , wenn Du diese Liebe zu Herrmann unterhältst ! Elisa . ( Weinend . ) Ach , Henriette , ich kann ihn nicht mit einemmal aus meinem Herzen reißen ! - Aber ich will nicht mehr von ihm sprechen . - Da , nimm den Ring , den er mir gab ; trage ihn immer , nur nicht in meiner Gegenwart . ( Sie küßt den Ring. ) Du warst mir so teuer ; meine Blicke weilten so gern auf dir , und auch von dir muß ich mich trennen ! ( Sie gibt Henriette den Ring und verhüllt ihr Gesicht in ein Tuch . ) Henr . Das ist ein Opfer , welches Du der Tugend machest ; sie wird Dich nicht unbelohnt lassen ! Elisa . ( Nach einer Pause . ) Dieses Wort erweckt jede schlummernde Kraft meiner Seele . ( Sie reicht Henriette die Hand. ) Dir , Henriette , gelobe ich es , bei dem Andenken meines Herrmanns schwöre ich es , Alles , was Tugend von mir heischt , will ich erfüllen ! - O , dann werde ich stark sein , alle Widerwärtigkeiten des Lebens zu ertragen ! Henr . ( Elisa'n umarmend . ) Ja , meine Freundin , dann wird Glück und Zufriedenheit Dich bis zum letzten Hauche Deines Lebens begleiten ! O , daß Dein Vater seine Tochter sehen , daß er das edle Geschöpf an seine Brust drücken könnte , in welches er den Keim zu jeder Tugend , und dadurch den Grund dauerhafter Glückseligkeit für sie legte ! - Elisa seufzte noch ; aber sie fühlte sich stärker ; fest war sie entschlossen , ihren Widerwillen gegen Wallenheim zu bekämpfen , und jede Erinnerung an Herrmann zu entfernen . Lange noch stand Herrmann in der Stellung , in welcher Elisa ihn verlassen hatte ; Schmerz war jeder Ausdruck seiner Züge , Verzweiflung das einzige Gefühl , das ihn belebte . So kehrte er zurück nach Birkenstein ; aber noch heftiger wurde sein Schmerz , als er sich der Linde näherte , unter welcher er seine Elisa zuerst gesehen hatte . Gott ! ruft er aus , und wirft sich unter ihren Schatten , hier hob ein Tag des Glücks , und eine Ewigkeit von Qualen für mich an ! Frau von Birkenstein , welche alle Abende unter dem wohltätigen Schatten der Linde verweilte , kam nun auch ; hier freute sie sich immer des verlebten Tages , wenn sie vom Unglücklichen den Kummer verscheucht , und statt dessen sanfte Freude in seinem Herzen verbreitet hatte . Noch heute hatte sie das Glück zweier Geschöpfe befördert , indem sie ein junges Mädchen der Gewalt einer Stiefmutter entriß , welche Tyrannin gegen sie war , und ihr eine Ausstattung gab , welche sie in den Stand setzte , dem Mann , den sie liebte , ihre Hand zu geben . Noch begleitete sie der Segen des liebenden Paars ; da dachte sie an Herrmann , und an seine Liebe , und Tränen der Freude , Tränen des Danks gegen die gütige Vorsicht , die unter den Leiden , welche die Sterblichen sich bereiten , so mannigfaltige Freuden auf sie schüttet , rollten von ihrem Auge . So erblickt sie Herrmann ; er sah seine Mutter nicht ; im Schmerze vergraben lag er da , und nur Elisa's Bild schwebte vor seinen Augen. Fr. v. B. Herrmann , was ist Dir ? Herrm . ( Steht auf. ) Sie hier , meine Mutter ? Fr. v. B. Warum sind Deine Blicke so fürchterlich ? Du bist blaß , Du zitterst ? O , mein Sohn ! welch ein Unglück droht Dir ? Herrm . Das schrecklichste , Mutter , welches den elenden Erdensohn treffen kann ! Elisa ist verloren , ewig verloren für mich ! Fr. v. B. Herrmann , sei ein Mann ! Herrm . Ich fühle , daß ich es bin . Denn der Schmerz dringt langsam , aber desto tiefer in meine Nerven , und Verzweiflung rollt wild in meinen Adern ! Fr. v. B. Unglücklicher Herrmann ! Deine Liebe zu mir führte Dich hierher , und hier mußtest Du die Quelle Deines Grams finden ! Herrm . O , hätte ich es gewähnt , als ich Elisa'n hier zum Erstenmal erblickte , ich wäre geflohen , ich hätte ihren Zauberblicken mich länger nicht genähert ! Aber wer hätte ihr widerstanden ? Wer Unglück geahndet in der Gesellschaft eines Engels ? - So liebevoll schmiegte sie sich an Ihren Busen , so sanft blickte sie auf mich , so offen , so vertraulich war ihr Gespräch ! - O , Augenblicke der Wonne , nie kehret ihr mehr zurück ! Fr. v. B. Aber woher entstand diese plötzliche Veränderung ? Herrm . Von der Grausamkeit ihrer Mutter ; sie opfert sie Karolinen auf ; sie muß einem reichen Herrn von Wallenheim ihre Hand geben , damit Caroline dessen Vetter heiraten kann , welches sonst der Vater nicht zugegeben hätte . Fr. v. B. Das arme Mädchen , wie viel wird ihr Herz leiden ! Herrm . Ach , Mutter , und ich mache sie so unglücklich ! Hätte sie mich nicht gesehen , hätte ich ihr meine Liebe nicht entdeckt , nicht Alles angewandt , die ihrige zu gewinnen , so wäre sie jetzt ruhig , so gehorchte sie jetzt willig dem Befehle ihrer Mutter ! - Und nun - Ach , wie sie kämpfte , wie sie litt ! Fr. v. B. O , daß ich Eure Liebe so tief Wurzel fassen ließ ! Daß ich Dich nicht wegschickte , Herrmann , ehe dieses alles so weit kam ! Herrm . Mutter ! machen Sie sich keine Vorwürfe , daß Sie nicht der Zukunft Schleier enthüllen konnten ! Sie wollten mein Glück , von fern ließ das Schicksal es mich erblicken , um es mir zu entreißen ! Fr. v. B. Herrmann , muß Erfahrung Dich erst lehren , daß der unaufhörliche Wechsel der Freude und des Leidens das ewige Los aller Sterblichen ist ? Der gemeine Haufen der Menschen erwartet Trost von der Hand der Zeit , aber der Weise kommt ihr durch Standhaftigkeit zuvor . Herrm . Ach ! Mutter , Sie verloren nicht alles , was das Leben Ihnen teuer machte ! Fr. v. B. Ich verlor es einst . Aber keine Trennung hebt je unsere Pflichten als Mensch auf , darum müssen wir uns fassen , um fortwirken zu können . Herrm . Ich fortwirken ? Nein , Mutter , der Unglückliche hört auf zu wirken ! Fr. v. B. Mein Sohn , mein Herrmann , verdrängte die Liebe zu Elisa'n jede andere Liebe aus Deinem Herzen ? O , es gibt noch ein Wesen , dessen Wohl ganz von dem Deinigen abhängt ! Herrm . Teure Mutter ! - Ach , verzeihen Sie dem ersten Ausbruch meines Schmerzes - Ich fühle es , das Glück meines Lebens ist dahin ! Fr. v. B. Aber Deine Ruhe muß es nicht sein ! - Komme mit mir in das Haus , weine an meinem Busen ; ich bin nicht unempfindlich gegen Deinen Schmerz . Herrmann folgte seiner Mutter ; aber Ruhe war diese Nacht von seinem Lager verscheucht . Er durchstrich am anderen Morgen früh alle Gänge , welche er einst an der Hand seiner Elisa durchging . Ich kann nicht länger in Birkenstein bleiben , rief er endlich aus ; hier , wo ich sie nie mehr sehen werde , ist das Leben mir eine unerträgliche Qual ! Gefaßt war nun sein Entschluß , das Königreich wollte er verlassen , und weit von seinem Vaterlande Ruhe oder den Tod suchen . Er entdeckte diesen Vorsatz seiner Mutter ; sie widersetzte sich ihm nicht ; denn sie wußte , daß Zerstreuung das beste Heilungsmittel ist . Noch war er in ihrem Zimmer , als ein Bote aus Hohnauschloß kam ; er brachte der Frau von Birkenstein einen Brief ; er war von Elisa'n . Herrmann küßte das Siegel , die Aufschrift . Also heute , noch heute , du Innigstgeliebte , hast du dich mit mir beschäftiget ? Hast meinen Namen noch gedacht , ihn noch genannt ? - So sprach er , und eine Träne entschlüpfte bei diesen Worten seinem männlichen Auge . Frau von Birkenstein las indes folgende Zeilen : " Verehrungswürdige Frau , Mit welchem Gefühl soll ich heute mich Ihnen nähern , da ich bisher gewohnt war , Sie als Mutter zu betrachten , zu verehren ? Welcher Worte soll ich mich bedienen , Ihnen zu sagen , daß das Band zerrissen ist , welches meinem Herzen so teuer war ? - O , ich wähnte es nicht , als ich das Letztemal von Birkenstein ging , daß ich es nie wieder betreten würde ! Denn - verzeihen Sie mir , meine Mutter , ( noch sprechen meine Lippen unwillkürlich diesen Namen aus ) , ich darf nicht mehr nach Birkenstein kommen ; ich darf nicht den Abschiedskuß auf Ihre Lippen drücken ; ich würde auf ihnen die Spur von Herrmanns Küssen suchen . - Ach , es war eine Zeit , da umschlossen Ihre Arme uns Beide ! - Sie ist dahin , und das Andenken an sie ist nun Verbrechen für mich . - Oft ermahnten Sie mich zur Tugend ; seine Pflichten aufs strengste erfüllen , ist die höchste Tugend ; ich will suchen , sie zu erreichen . Ich darf also den Ort nicht wieder sehen , an welchem Alles mich an meine Liebe , an den Mann erinnern würde , dessen Namen ich nicht mehr aussprechen darf . O , wie gerne weinte ich noch einmal an dem mütterlichen Busen , an welchem jetzt auch mein Herrmann Tränen des Schmerzes vergießt ! Aber der Gedanke , Verbrechen , schreckt mich zurück ! In wenigen Wochen bin ich das Weib eines Anderen , und dann ist Gedanke an ihn schon Sünde . - Also nur diese Zeilen dürfen Ihnen Lebewohl sagen ! Meine Blicke werden Sie nie mehr sehen ; aber mein Herz wird Sie ewig lieben ! - Trösten Sie meinen Herrmann ! Ach , daß er noch glücklich werden möchte ! Dieses ist das Einzige , was ich jetzt vom Himmel erflehe ! - Leben Sie wohl , meine Mutter ! meine Freundin ! Elisa von Hohnau . " Frau von Birkenstein benetzte diesen Brief mit ihren Tränen ; sie gab ihn Herrmann . Ich noch dein Herrmann ? rief er aus , nachdem er ihn durchgelesen hatte . Einziges Mädchen ! Das Andenken . Deiner Liebe soll mir Trost sein . - Ach , Wallenheim ist noch unglücklicher als ich ! ( Zur Frau von Birkenstein . ) Meine Mutter , lassen Sie mir diesen Brief ; er ist der letzte Beweis ihrer Liebe . Wenn stiller Kummer an meinem Herzen naget , dann will ich ihn lesen ; er wird mir Stärke geben ! Frau von Birkenstein gewährte ihm seine Bitte , und Elisa'n antwortete sie folgende Zeilen : " Teure Elisa ! Welch ein Ausdruck soll Ihnen die Empfindungen meines Herzens bekannt machen ? - O , meine junge Freundin , ich fühle Ihren Schmerz , ich sehe Herrmanns Leiden , und weine um den Verlust einer Tochter ! - Jede freudige Hoffnung meines Alters ist ver Schwunde . - Doch gerne wollte ich die Ruhe meiner übrigen Tage dahingeben , wenn ich sie dadurch in Ihr Herz zurückrufen könnte . Ich klage mich jetzt an , wegen der Nachsicht gegen meinen Sohn , daß ich seine Liebe duldete ; aber ich war Mutter , und wünschte sein Glück , und meine Zärtlichkeit sprach lauter , als die Klugheit , welche mir hätte vorhersagen können , daß Elisa von Hohnau nie das Weib meines Sohnes werden würde . Verzeihen Sie mir dieses , Elisa ! - Ach , wer kann Sie kennen , und nicht wünschen , Sie Tochter zu nennen ! - Mein Herz ist zerrissen , bei dem Gedanken , daß ich Sie nicht mehr sehen soll ; und doch erkenne ich , daß dieses notwendig ist . Ihre Lage würde mich zittern machen , wenn Sie eines der gewöhnlichen Weiber wären ! Mit einem Herzen voll Liebe gegen einen Anderen einem Manne , den Sie nie kannten , Ihre Hand zu geben ! - Wie viel Standhaftigkeit gehört hierzu , um tugendhaft zu bleiben ! Aber ich kenne Sie , meine Freundin ; ich weiß , Sie werden Ihren Pflichten jede Leidenschaft aufopfern , welche Ihnen an ihrer Ausübung hinderlich sein könnte , und noch verehrungswürdiger werden Sie dann sein , meine Freundin ! Die Achtung des Mannes , den Sie zum glücklichsten Gatten machen werden , und der Beifall Ihres Herzens , wird Ihre Belohnung sein , und Sie der Tage voll Kummer vergessen machen , welche Sie jetzt verleben . Auch mein Herrmann wird sich dann bestreben , durch Bekämpfung seiner Leidenschaft , der Liebe würdig zu sein , welche die Edelste Ihres Geschlechts einst für ihn hegte . Sie werden ihn dann als Freund wiedersehen , und vielleicht ist es mir noch erlaubt , Sie noch einmal zu umarmen ! Ich werde indes Ihre mütterliche Freundin bleiben , und Sie als meine Tochter lieben . Jeder meiner Wünsche wird für Ihr Glück und meines Sohn's Ruhe sein ! - O , lassen Sie mich bald hören , meine süße Elisa , daß meine Wünsche nicht vergebens waren ; dann werde ich sterbend noch mich freuen , und dem ewigen Geber alles Guten danken , daß er das letzte Gebet erhörte von Kunigunde von Birkenstein . " Herrmann sagte seiner Mutter , daß er am anderen Tage von Birkenstein abreisen , und nur dann zurückkehren wolle , ihr das letzte Lebewohl zu sagen , wenn Elisa Hohnauschloß verlassen haben würde . Frau von Birkenstein hieß Alles gut ; sie verschloß den Gram , welchen sie bei dem Gedanken der nahen Trennung von ihm empfand ; sie wünschte nur seine Ruhe , und wollte seinen Kummer nicht vermehren . Mögen ihn doch meine mütterlichen Arme , so sprach sie zu sich selbst , nicht mehr umschließen , und er nur fern von hier Glück und Ruhe finden ! So reiste er am anderen Morgen ab , von ihrem Segen und von seiner Liebe begleitet . Noch sah er in der Ferne den Turm von Hohnauschloß hervorragen . Ewiger Friede auf dir , himmlische Bewohnerin dieses engen Bezirks , welchen du zum Aufenthalte der höchsten Freuden machtest ! Ach , bald verschwindet diese Turmspitze ! Elisa , ewig entferne ich mich von dir ! - O , als ich noch mit dir jene Anhöhen erstieg , von welchen wir die Natur in ihrer Pracht erblickten , sie bewunderten , ihren Schöpfer preist , da war ich gewiß der Glücklichste der Sterblichen ! und nun ? - Großes Wesen ! Nun bin ich das Elendeste deiner Geschöpfe ! So sprach Herrmann . Helle Tränen glänzten in seinem Auge ; er blickte zurück ; verschwunden war die Turmspitze , an welcher sein Blick mit schmerzlichem Vergnügen hing ; er streckte seine Arme nach der Gegend aus . Ewig ! so rief er donnernd , und nun sank sein Haupt ; seine Empfindungen wurden stumpf . Fort rollte der Wagen ; die Natur voränderte ihre Szenen um ihn ; Herrmann bemerkte es nicht . Er kam in B... an ; das laute Getümmel auf den Gassen weckte ihn nicht aus seiner Betäubung . Ewige Trennung von Elisa'n ! - dieses war der einzige Gedanke , welcher ihn beschäftigte , und nichts vermochte ihn davon abzuziehen . - Elisa hatte indes Alles angewandt , um ihren Schmerz zu bekämpfen . Henriette verließ sie nicht ; aber Elisa versagte sich den Trost , an ihrem Busen zu weinen ; sie sprach den Namen ihres Geliebten nicht mehr aus . Oft suchte sie Zerstreuung an ihrem Klavier ; aber sie sang nicht mehr die Arien , welche ihr Herrmann gern hörte . So vergingen ihr vier Tage ; am fünften kam ihre Mutter am Morgen zu ihr . Sie schien die Blässe auf Elisa's Wangen nicht zu bemerken , und nach dem Morgengruße sprach sie zu ihr : Elisa , wann wird es Dir endlich gefällig sein , den Herrn von Wallenheim zu sprechen ? Elisa . Wenn Sie es befehlen , meine Mutter . B. v. H . So geschehe es noch heute ; man merkt es , daß Deine Krankheit nur vorgegeben ist , und dieses ist nicht sehr schmeichelhaft für Deinen künftigen Gatten . Elisa . Weiß er es denn nicht , daß bloß unbedingte Notwendigkeit mich zwingt , ihm die Hand zu geben ? B. v. H. Ich habe es ihm nicht gesagt ; ich schrieb gleich nach Deiner Einwilligung an seinen Vater , und sagte ihm , daß Du nur einige Tage Bedenkzeit verlangt hättest , welche ich Dir zugestanden hätte , und daß Du jetzt bereit wärest , meinen Willen zu erfüllen . Ich hoffe , sprach er , daß Fräulein von Hohnau dieses nicht ungern tut ? Ich versicherte ihn vom Gegenteil , und sagte ihm zugleich , daß eine kleine Unpäßlichkeit Dich verhinderte , das Zimmer zu verlassen . Er erkundigt sich fleißig nach Deiner Gesundheit , und gestern haben er und ich Briefe vom alten Wallenheim empfangen . Er wünscht seinem Sohne Glück , daß er alle Schwierigkeiten überwunden hat , und erlaubt ihm , bis nach Vollziehung der Hochzeit hier zu bleiben . Elisa seufzte , die Baronin von Hohnau befahl ihr , beim Mittagsmahle zu erscheinen , und verließ das Zimmer . Gott ! was waren da Elisa's Empfindungen ! Sie stand lange unbeweglich da , bis endlich Henriette hinein kam . Elisa . Ach , Henriette , heute soll ich ihn nun sehen ! Werde ich stark genug sein , seinen Anblick zu ertragen , den Antrag zu hören , den er mir machen wird ? Henr . Fragt Elisa mich das , welche immer stark zu Allem war , was Pflicht von ihr heischte ? Elisa . Ach , bisher war es mir so leicht , gut zu sein ; ich folgte nur dem Hange meines Herzens . Aber nun empören sich alle meine Empfindungen gegen meine Pflichten . Henr . Und nun wirst Du beweisen , daß feste Grundsätze alle Leidenschaften besiegen , und daß , wenn man unwandelbar fortgeht auf dem Wege zum Guten , man Kraft hat , alle Hindernisse zu überwinden . Elisa . O , meine Freundin ! ich fühle es , daß diese Anhänglichkeit zum Guten mir jetzt Trost gibt ; ich müßte unterliegen , wenn nicht der Gedanke mich unterstützte : Ich tue meine Pflicht ! Henr . Er begleite Dich beständig , meine holde Freundin , und Du wirst erfahren , daß der Satz wahr ist : daß für den Rechtschaffenen der Freuden mehr , und der Leiden weniger in der Welt sind . Elisa umarmte ihre Freundin mit einem Seufzer ; ihr Bestreben war nun , die erforderliche Gemütsruhe zu erlangen , um mit Wallenheim zu sprechen . Bisher hatte sie Herrmanns Gemälde an ihrem Halse unter dem Tuche getragen , heute band sie es ab , küßte es , benetzte es mit ihren Tränen , und verschloß es . O , daß ich zugleich meine Liebe aus meinem Herzen verbannen könnte ! sprach sie . Einige Augenblicke hing sie dem Gedanken an Herrmann nach ; aber dann entriß sie sich ihm , ergriff ein Buch , und las mit anstrengender Aufmerksamkeit , bis daß Henriette ihr rief , mit ihr zu Tische zu gehen . Blässe überzog jetzt ihre Wangen ; aber sie faßte sich schnell , und trat voller Würde in das Zimmer . Wallenheim näherte sich ihr augenblicklich , und fragte nach ihrer Gesundheit . Höflich , aber kurz , waren ihre Antworten . Sie erhielt ihren Platz neben ihm . Alle waren fröhlich ; aber sie vermochte es nicht zu sein ; ihr Blick war ernst ; allein Achtung und Gefälligkeit bezeigte sie Wallenheim . Ihre Mutter schlug nach Tische einen Spaziergang im Garten vor , und als Wallenheim ihr seinen Arm anbot , konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren : Ach , so oft durchstrich ich die Gänge an Herrmanns Seite ! Diese Rückerinnerung ihres vorigen Glücks war in diesem Augenblicke ihr schmerzhaft ; ihr Busen hob sich höher ; sie zitterte ; aber Wallenheim bemerkte diese Bewegung nicht . Elisa war ihm gleichgültig , und sein künftiges Weib schien ihm bis jetzt noch keiner Aufmerksamkeit würdig . Sie gingen nun , nur die Mutter und Henriette blieben zurück , und bald entfernte sich Caroline mit ihrem Geliebten von ihrer Schwester . Sie war nun allein mit Wallenheim , und sie befanden sich eben am Eingange einer Laube . Wallenheim fragte sie , ob sie einige Augenblicke ruhen wollte ? Elisa wünschte es ; denn kaum vermochte sie noch zu gehen . Sie setzten sich nun . In eben dieser Laube hatte sie so oft mit Herrmann gesessen , hatte mit ihm von ihrer Liebe , von einer glücklichen Zukunft gesprochen ; jedes Wehen der Blätter lispelte ihr hier den Namen Herrmann zu . Elisa war stark erschüttert , allein sie unterdrückte ihre Empfindungen ; ihr Blick war zur Erde gesenkt ; denn sie wagte es nicht , Wallenheim anzublicken . Er ergriff endlich ihre Hand . Mein gnädiges Fräulein , sprach er , Ihre Frau Mutter hat mir Hoffnung gemacht , daß ich vielleicht so glücklich sein würde , bald diese Hand zu erhalten . Er küßte bei diesen Worten die Hand , welche er hielt . Elisa . ( Mit einem Tone voll Würde ) Mein Herr , man hat mich bestimmt , Ihre Gattin zu werden ; es ist der Wille Ihres Vaters und meiner Mutter . Ich gehorche ihm - aber ich werde den Mann nicht betrügen , dessen Gattin ich werden soll . Ich liebe , mein Herr ; edel und gut ist der Jüngling , den ich allen Anderen vorziehe ; allein ich weiß , daß meine Liebe nun zum Verbrechen wird , und ich will sie bekämpfen ; ich will mich bestreben , die Gesinnungen zu erlangen , welche ich Ihnen schuldig bin . Wenn Sie nach diesem Geständnisse mich noch würdig finden , Ihre Gattin zu werden , so sei mein ganzes künftiges Leben angewandt , Ihre Liebe zu verdienen . Elisa schwieg ; Wallenheim sah sie staunend an ; sie schien ihm so edel , und dieses machte ihn verlegen ; endlich sagte er stotternd : Glauben Sie , mein gnädiges Fräulein , daß ich bis jetzt nichts hiervon gewußt habe ; es wird mir nun schwer werden , meiner Hoffnung zu entsagen . Elisa . Aber darf ich hoffen , daß , wenn ich gleich nicht Ihre Gattin werde , Sie von Ihrem Herrn Vater die Einwilligung zur Verbindung meiner Schwester bewirken werden ? Wahlen . Dieses kann ich nicht versprechen : jede Mühe , welche ich anwenden würde , würde vergeblich sein . Elisa . Nun dann , mein Herr , so stehe ich nicht länger an , Ihre Hand anzunehmen. Wahlen . Mein Fräulein , darf ich wohl hoffen , Sie des glücklichen Mannes vergessen zu machen ? Elisa . Ich werde es nie vergessen , daß ich Ihre Gattin sein werde . Nun stand Elisa auf , und sprach von anderen Gegenständen . Unbefangen und ruhig war ihr Wesen , aber auch ruhig war ihre Seele ; zwar schien ihr Wallenheim nicht liebenswürdig ; zwar entflohen ihr Seufzer , sobald sie an Herrmann dachte , und sie dachte nur ihn ; allein ein Blick , den sie auf ihre Mutter und ihre Schwester warf , gab ihr das Wonnegefühl der Tugend , und dieses Kraft , ihren Schmerz zu tragen . Sie war voller Aufmerksamkeit gegen Wallenheim ; er begegnete ihr höflich ; sie erwartete nicht seine Liebe ; aber seine Achtung wollte sie verdienen , und nichts verriet ihm den Widerwillen , den sie im Herzen gegen ihn hegte . Vier Wochen vergingen so , und der Tag kam endlich , der sie mit Wallenheim , und ihre Schwester mit Philippen vereinigen sollte . Welch ein Tag war dieses für Elisa'n ! Kaum hatte er angefangen , so eilte sie hinaus , ins freie Feld , erstieg eine Anhöhe , und fiel da nieder auf ihre Knie , ihre Augen gen Himmel gerichtet , ihre Hände gefaltet . Verwirrt waren ihre Empfindungen ; der erste Strahl der Sonne weckte Alles zu neuer Freude , nur in ihrem Herzen blieb es öde . Die Lerche zwitscherte ihren Morgengesang ; alle Bewohner der Luft schwangen sich jauchzend in die Höhe ; es blökten in der Ferne die hüpfenden Herden ; Leben war wieder verbreitet in der ganzen Natur ! Vater der Natur , rief endlich Elisa aus , du schufst ja alle deine Geschöpfe zur Freude ! Und ich sitze hier in der Mitte deiner fröhlichen Schöpfung , und kann mich nicht freuen ! Die wiederkehrende Sonne , ihr Strahl , der Alles belebt , erleuchtet den Tag der Trauer für mich . - Nur noch einige Stunden , und ich bin das Eigentum eines Mannes , den ich nicht lieben kann ! - In deinem Schoße , allgütige Natur , will ich mich stärken . - Ordnung und Schönheit erblicke ich hier , wo ich nur meine Blicke hinwerfe . - Ach , dieses lehrt mich , daß alle meine Empfindungen , Gedanken und Handlungen dieses Gepräge haben müssen , wenn ich glücklich werden will . Ich nehme heute alle Verbindlichkeiten eines Weibes auf mich ; ich werde nun ein wirkendes Mitglied der Gesellschaft . - Schon längst wußte ich meine Bestimmung ; aber nie erschien sie mir so feierlich als heute , und nie wähnte ich sonst , daß die Pflichten der Gattin mir würden so schwer zu erfüllen werden . - Heute soll ich Wallenheim Treue und eheliche Liebe versprechen ! Und noch denke ich mit Schaudern an den Augenblick , der uns vereinigen soll ! - Doch über alle Wesen auf der Erde ist ja der Mensch erhaben . - Er hat die Kraft , groß und gut zu handeln . - O ! hier im Angesichte der Natur schwöre ich es , ich will Wallenheim den Schwor halten , den ich ihm heute schwören werde . - Täglich will ich ihn erneuern und in seiner Haltung die Kraft finden , im Guten standhaft zu bleiben . - Sie stand nun auf und fühlte sich gestärkt ; sie kehrte zurück ; ihre Schwester kam ihr entgegen , und umarmte sie . Ach , Elisa , heute werde ich ganz glücklich ! Elisa es Augen füllten sich mit Tränen ; sie suchte sie zu unterdrücken . Mögest Du es immer sein ! sprach sie , und entriß sich ihr ; sie eilte zu ihrer Henriette , welche , voller Besorgnisse für ihre Freundin , diese Nacht schlaflos zugebracht hatte . Elisa . Was ist Dir , Henriette , Du bist so blaß ? Henr . Elisa , Dein Hochzeittag ist mir so traurig . Elisa . Gutes , teilnehmendes Geschöpf ! Aber , liebe Henriette , ich habe gebetet , ich habe es mir vorgenommen , meiner Pflicht getreu zu bleiben . - O , ich fühle es , ich werde standhaft sein ! Henr . Aber Du leidest , meine Freundin ! Elisa . Meine Schwester begegnete mir , und sagte mir , sie würde heute ganz glücklich . Dieses soll mich stärken , mein Opfer zu vollenden ; ich werde Freude in ihren Augen sehen , und , Henriette , nie bleibe ich gleichgültig bei Anderer Glück ; ich werde das ihrige teilen , es wird mich mein trauriges Los vergessen machen . Henr . Ich danke dem Himmel für Deine Ruhe ! O , meine süße Elisa , ich zittere nicht länger für Dein Glück ; eine Seele , wie die Deinige , muß es stets finden ! Elisa . Mein künftiges Los soll mich länger nicht beschäftigen . Ich erwarte keine Freuden mehr ; ich will nur Leiden tragen lernen , nur lernen , Andere glücklich machen . O , daß es mir vergönnt sein möge , Heiterkeit auf die Tage meines Gatten zu streuen , und oft von der Wange des Unglücklichen die Träne des Kummers abzutrocknen ; dann will ich den meinigen vergessen , vergessen , daß ich dem Glücke entsagen mußte , und nur mich freuen , daß mein Herz der Empfindungen der Menschenliebe und des Wohlwollens fähig ist ! Elisa seufzte hier , und tränenvoll richtete sie ihren Blick gen Himmel . Sie fuhr fort nach einer Pause : Aber etwas ist noch , welches meinem Herzen wieder Freude geben könnte , und das wäre , Versicherung zu erhalten , daß Herrmann wieder glücklich ist . Nenne mir nie seinen Namen ; aber wenn Du weißt , daß Freude wieder um ihn lächelt , dann sage es mir . Sie umarmte Henriette , und eilte in ihr Zimmer . Da lag schon der hochzeitliche Schmuck , der heute sie zieren sollte ; sie kleidete sich an , mit einem Herzen voller Wehmut ; schon hörte sie auf dem Schloßhofe die Wagen rollen , die Gäste versammelten sich , auch der alte Wallenheim war zu diesem Tage gekommen , und noch immer zögerte sie , sich in das Gesellschaftszimmer zu begeben ; endlich erschien sie , schön wie die Göttin der Jugend , aber traurig und voll sanften Ernsts . Sie sprach es aus , das Ja , welches sie ewig mit dem Manne verband , gegen den sie , ungeachtet aller ihrer Bemühungen , nur Widerwillen empfand . Allein sie war standhaft , und keiner ihrer Züge entdeckte dem Zuschauer , was in ihrem Herzen vorging . Wallenheim bekleidete eine ansehnliche Stelle in B... ; allein er besaß auch noch ein Landgut , wo er oft im Sommer einige Wochen zu verweilen pflegte , und dorthin wollte er für das erste seine Gemahlin führen . Philipp , welcher bisher die Aufsicht auf den Gütern seines Oheims gehabt hatte , sollte nun mit Karolinen in Hohnauschloß wohnen bleiben , weil die Mutter sich nicht von der Tochter trennen wollte . Henriette wünschte ihre Freundin begleiten zu können , und nicht minder wünschte Elisa , ihre teure Henriette zur Gesellschafterin zu behalten . Sie hoffte es auch gewiß , daß ihre Mutter ihr diese Bitte nicht abschlagen würde , und sie entdeckte ihr ihr Verlangen am Tage vor ihrer Abreise von Hohnauschloß . Caroline war gegenwärtig , und antwortete sogleich : Ich bin an Henriettes Gesellschaft gewöhnt ; auch hat Henriette bisher von der Gnade meiner Mutter gelebt , und nicht von der Deinigen , sie darf uns also nicht verlassen . Elisa . Wenn meine Mutter befiehlt , daß Henriette in Hohnauschloß bleiben soll , so weiß ich , daß es meine Pflicht ist , nichts weiter dagegen zu sagen ; Aber , teure Mutter , vergönnen Sie sie mir nur auf einige Zeit . Ich komme in eine ganz fremde Welt , mein Mann selbst ist mir fremd . - O , das geringste Geschöpf hat ja noch einen Freund , mit dem es vertraulich schwatzen kann , soll ich denn ganz verlassen sein ? Carol . Es ist Dir gut , wenn Du nicht mit Henriette so viel von Birkenstein plaudern kannst , dann wirst Du ihn vergessen . Elisa . Caroline , sollte das Glück hartherzig machen ? B. v. H. Mir ist Henriettes Gegenwart oder Abwesenheit gleichgültig ; allein Du , Elisa , kommst nach B... und wirst dort mehr Gesellschafterinnen finden , als Carsline hier in einigen Jahren sieht . Elisa . Aber keine Freundin , meine Mutter . Und Caroline bleibt hier in der Gesellschaft einer geliebten Mutter , und eines Gatten , den sie liebt . Carol . ( Spöttisch . ) Wer verbietet Dir , den Deinigen zu lieben ? Ein Blick voll Verachtung war Elisa's einzige Antwort . B. v. H. Caroline , vielleicht kennst Du ein junges Mädchen , welches Dir Henriettes Stelle ersetzen würde ? Laß sie mit Elisa'n ziehen , sie liebt Sie ohnehin mehr als Dich . Carol . Aber mir gefällt Henriette . Ich verlange keine andere Gesellschafterin , und sehe Elisa's Forderung als eine Unbilligkeit an . B. v. H. Nun denn mag Henriette hier bleiben . ( Zu Elisan . ) Du wirst es selbst einsehen , Elisa , daß ich Karolinen dieses nicht wohl abschlagen kann . Elisa . Sie wissen , meine Mutter , daß Ihr Wille mir immer heilig ist . Elisa verließ hierauf das Zimmer ; weinend ging sie zu ihrer Henriette ; sie umarmte sie , und hing lange an ihrem Halse . Elisa . ( Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hat . ) Auch diese Wonne ist mir versagt , meine Henriette , Du darfst nicht mit mir gehen . Henr . ( Tränen rollten von ihren Wangen . ) Elisa , ich soll Dich verlassen ? Elisa . Es ist meiner Mutter und Karolinens Wille . Henr . Zum erstenmal empfinde ich mit Schmerz meine Abhängigkeit . Elisa . Ach , es ist hart , sich von Allem zu trennen , was einem teuer ist ! ( In diesem Augenblicke tritt Wallenheim herein . ) Wahlen . Haben Sie schon alle Anstalten zu unserer Abreise getroffen ? Ich werde morgen früh wegreisen . Elisa . ( Trocknet ihre Augen . ) Ja , mein Bester , ich werde Sie gewiß nicht auf mich warten lassen . Wallenh . ( Spöttisch. ) Und ich besorgte fast , Sie würden mir gar nicht folgen können ? Elisa . Warum das ? Wahlen . ( Im vorigen Tone . ) Ihre Augen lassen mich mutmaßen , daß Sie die Trennung nicht ertragen werden ? Elisa . Können Sie es mir verdenken , Wallenheim , daß ich Schmerz empfinde , indem ich meine Mutter , die Gespielin meiner Jugend , und den Ort verlasse , wo ich bisher so glücklich war ? Wahlen . Sie brauchten ihn mir aber doch nicht in seiner ganzen Stärke zu zeigen ? ( Wallenheim entfernte sich jetzt , Elisa seufzte und schwieg . ) Es war am sechsten Tage nach ihrer Verbindung mit ihm , als sie Hohnauschloß verließ . Sie umarmte ihre Mutter und Karolinen , und benetzte ihre Wangen mit ihren Tränen ; aber als sie Henriette in ihre Arme schloß , da schlug ihr Herz heftiger , ihr Schmerz war stumm , und ihr Mund sprach das Lebewohl nicht aus . Auf dem Schloßhofe waren alle Einwohner Hohnau's versammelt . Sie wollten sie segnen , sie noch einmal sehen , sie , die so oft Freude in ihren niedrigen Hütten verbreitet hatte . Alles drängte sich um sie , und Elisa nahm von einem Jeden Abschied , und drückte denen , von welchen sie wußte , daß sie arm waren , noch einige Goldstücke in die Hand . Auch Harbergen erblickte sie ; er ergriff ihren Rock , küßte ihn und weinte , und sie hörte ihn sagen : Ach , unser guter junger Herr ! was wäre er glücklich gewesen ! Diese Worte erschütterten sie stark ; sie stieg eilends in den Wagen , wollte ihren Tränen Einhalt tun , und vermochte es nicht . Der Wagen rollte fort ; noch einmal überschaute sie die Fluren , welche sie froh durchwandelt hatte , an der Hand der Liebe und der Freundschaft . Das Andenken an Herrmann und an Henriette drängte sich an ihr Herz , und einige Augenblicke , vergessend , daß Wallenheim an ihrer Seite saß , hing sie ganz ihrem Schmerze nach . Allein ein Blick auf ihn , sagt ihr , daß sie schuldig ist ; sie trocknet ihre Augen , und verschließt tief in ihr Herz die Leiden , welche es zerreißen . Ernst und finster waren Wallenheims Blicke ; Elisa sucht ihn aufzuheitern , keine Träne entschlüpft mehr ihrem Auge , sondern nur beschäftigt ist sie , die Wolken von der Stirn des Gatten wegzutreiben . Allein es gelang ihr nicht ; denn Wallenheim war stets in sich verschlossen . Nie hatte sich sein Herz der Freundschaft oder der Liebe geöffnet ! er kannte Begierden , aber nicht Empfindungen ; die Menschen waren ihm gleichgültig , und die Vergnügungen , welche er liebte , waren wild und rauh , wie seine Seele war . Sie langten am zweiten Tage ihrer Reise in Wallenthal an ; ( so hieß das Landgut Wallenheims . ) und nach einigen Tagen schrieb Elisa folgenden Brief an ihre Henriette : " Meine teure Henriette ! Auch entfernt von Dir ist mir Deine Freundschaft noch Trost . Ach , ich kenne jetzt nur die Sprache des Zwanges ! Wie wohl ist mir , daß ich einmal wieder die der Freiheit sprechen darf ! Du lasest stets in meiner Seele , und Du allein sollst auch noch ihre geheimsten Gedanken wissen . Nein , diese meine Offenherzigkeit gegen Dich kann nicht strafbar sein ! Du bist verschwiegen , und was ich der Freundschaft entdecken darf , soll für jeden Anderen tief in meiner Brust verschlossen bleiben . - O , Henriette , sollte ich Dir jetzt meine Empfindungen schildern , oder vielmehr würde ich es können ? - Doch eine Beschreibung von Wallenthal wird Dir einen Begriff von meiner jetzigen Lage geben . Das Wohnhaus , oder das Schloß , wie es die Einwohner nennen , ist in einiger Entfernung vom Dorfe ; hohe Linden und Kastanienbäume beschatten den grünen Hofplatz , und verdunkeln die großen , gewölbten Zimmer des Hauses , an welches auf der entgegengesetzten Seite der Garten stößt . Dunkle Zypressengänge laden hier die Seele zu melancholischen Betrachtungen ein , aus welchen sie durch nichts erweckt wird ; denn ein schwarzer Tannenwald , der gleich hinter dem Garten anhebt , begrenzt die Aussicht . Die Natur scheint hier in ewiger Trauer verhüllt ; in den hohlen Tannen haben die Unken ihre Wohnung aufgeschlagen , und singen ihr Trauerlied . In der Ferne hört man einen Wasserfall , der sich mit dem Eulengeschrei , und mit dem Brausen des Windes vermischt . - Und hier , Henriette , bringe ich meine Tage allein zu ; denn die Jagd ist Wallenheims liebste Beschäftigung , ihr weihet er jede Stunde des Tages . Früh so wie der Tag anbricht , entfernt er sich ; zwar kehrt er zum Mittagsessen zurück , allein nach geendigter Mahlzeit eilt er schon wieder fort ; und ich bleibe dann allein mit meinen Gedanken . - O , Henriette , sie sind oft quälend ! Herrmanns Bild drängt sich dann mit Gewalt in mein Herz , lebhaft wird die Vorstellung seiner Liebe , und wider meinen Willen vergleiche ich Wallenheim mit ihm . - Ach , ich fühle dann auch , daß ich schuldig bin ! Heiße Tränen der Reue vergieße ich , und doch möchte ich sie vor Wahlen im verbergen . Ich erzwinge Heiterkeit auf meinem Gesichte , und in seiner Gegenwart öffnet sich mein Mund dem Lächeln der Freude . Ich weiß es zu gut , daß meine Schwermut ihn noch mehr von mir entfernen würde , und mein ganzes Bestreben ist jetzt , ihn Vergnügen in meiner Gesellschaft finden zu lassen . - Aber ich habe auch angefangen , die dunklen Bilder meiner Phantasie , und die nur zu wirklichen Empfindungen meiner Seele zu zerstreuen . O , es gibt nur eine Art Zerstreuung für mich , und diese suche ich . Ich muß die Leere in meinem Herzen ausfüllen , ich muß Empfindungen darin unterdrücken , und wie werde ich es besser können , als wenn ich andere an ihre Stelle setze ? - Ich habe meinen Spaziergängen einen Zweck gegeben , der mich stets heiter zurückkehren läßt ; ich besuche die Einwohner des Dorfs , ich unterhalte mich mit ihnen , ich suche ihre Liebe , ihr Vertrauen zu erlangen , und will mich beschäftigen , ihre Bedürfnisse zu befriedigen , ihre Begriffe aufzuklären , jede Last ihnen zu erleichtern , und jedes ihnen nützliche Vergnügen zu verschaffen . Durch ein gutes Beispiel , durch Wohltaten , Herablassung und jene Popularität , vermöge welcher man durch Gespräche die Begriffe des gemeinen Mannes aufklären , und ihm ein richtiges Urteil über Recht und Unrecht geben kann , geschieht es , daß man zur Vervollkommnung einer Menschenklasse beitragen kann , welche noch der Aufmerksamkeit selbst der besten Menschen entgeht . Wie mancher würdige Gutsbesitzer könnte , wenn er auf diesen Gegenstand seine Aufmerksamkeit richtete , in dem kleinen Bezirke , in welchem sein Wille Befehl ist , Generationen beglücken , und das durch höchst einfache Mittel ! Der falsche Wert , den man den meisten Dingen beigelegt hat , ist schuld , daß so wenig Menschen das wirklich Nützliche erkennen , und es befördern . Fast jede Staatsverwaltung ist ein glänzendes Rad , woran ein Jeder sich hänget , unbekümmert , ob die Säulen , welche es stützen , auch Festigkeit genug haben . Der gemeine Mann , der in allen Staaten den größten Teil der Einwohner ausmachet , ist der , auf dessen moralische Bildung und physische Verbesserung seiner Lage am wenigsten Sorgfalt verwendet wird . Glänzende politische Anschläge beschäftigen die Köpfe der Minister , aber dem Wohl des Volks weihen sie nicht eine Stunde . Henriette , man sollte glauben , die Menschen wären der Konvenienz und des politischen Gleichgewichtes wegen da , so sehr beschäftigen sich unsere größten Köpfe mit allem dem glänzenden Nichts , und so wenig mit Menschenglück . - Doch wo gerate ich hin ? Ich wollte Dir sagen , daß ich mich bestreben will , in der Sphäre , in der ich mich befinde , so viel als möglich , nützlich zu werden ; daß dieses mich stark machen wird , jede Widerwärtigkeit zu ertragen , und daß dieses Wirken zum Wohl meiner Mitmenschen mich von dem Gegenstande abziehen wird , der so tief in meinem Herzen eingegraben ist . Untätigkeit nährt jede Leidenschaft , keinen Augenblick erlaube ich sie mir ; und mit jeder Stunde erkenne ich es , wie groß der Nutzen ist , wenn die Erziehung unseren Geist ausgebildet , und uns Talente gegeben hat . Wie manches junge Weib wird zur Kokette , weil mit einem gefühlvollen Herzen und einem lebhaften Verstande , sie nicht gelernt hat , sich zu beschäftigen ; das Lesen einiger Romane , und unsere Handarbeiten , können ihr nicht hinlängliche Unterhaltung gewähren ; sie wird immer eine Leere in ihrem Herzen empfinden , durch nichts kann sie sie ausfüllen , als durch eine Leidenschaft , welcher man oft mit den festesten Grundsätzen kaum zu widerstehen vermag . - Eltern , wenn Ihr eure Töchter zu Opfern bestimmtet , o so lehrt sie die Mittel , ihren Geist zu unterhalten , wenn diese unglücklichen Geschöpfe nicht die Schande ihrer Familie , und die Zerstörerinnen dessen Glücks werden sollen ! - Diese Betrachtungen lehrt mich mein eigenes Schicksal , und könnte ich sie doch allen Eltern lebhaft vorstellen , könnte ich ihnen die Empfindungen schildern , welche das Herz eines jungen Weibes zerreißen , welche sich auf Lebenslang mit dem Mann verbunden sieht , gegen den sie Widerwillen heget , und der sie mit Gleichgültigkeit behandelt ! - O , sie würden vielleicht aufhören , die Tyrannen ihrer Kinder zu sein ! Sie würden nicht länger zu dem Sittenverderbnisse beitragen , welches durch die Ehen , welche Interesse knüpfet , und in welchen gegenseitige Abneigung sich verbindet , so sehr befördert wird ! - Ich muß aufhören , Henriette , - diesen Gegenstand hätte ich nicht berühren sollen , mein Herz leidet zu sehr dabei . - Lebe wohl ! " - Oft wurde Elisa durch ähnliche Betrachtungen in Traurigkeit versenkt , aber immer entriß sie sich ihr . Aufrichtig war ihr Bestreben , eine stets gleich heitere Laune zu erhalten ; nie sah Wallenheim auf ihrem Gesichte die Spur von Tränen , welche sie oft in der Einsamkeit vergoß , und doch blieb er , ungeachtet aller Bemühungen seiner Gattin , mürrisch und in sich verschlossen . Elisa scherzte um ihn , und kaum lächelte er ; sie suchte jene Vertraulichkeit gegen ihn anzunehmen , ohne welche selbst die Liebe bald erkaltet , aber Wallenheim erwiderte sie nicht . Er fuhr fort seine Tage auf der Jagd zuzubringen , oder Besuche in der Nachbarschaft zu machen , doch nie in Elisa's Begleitung . Die ziemlich späte Jahrszeit , denn schon näherten sie sich der Mitte des Herbstes , erlaubte Elisa'n nur selten noch spazieren zu gehen , und sie brachte Tage zu , ohne ihr Zimmer zu verlassen . Sie waren bereits zwei Wochen in Wallenthal , als ein schöner Herbstmorgen den braunen Tannenwald vergoldete . Die Sonne schien noch einmal der Erde zuzulächeln , prachtvoll warf sie ihren Glanz auf die gelben Blätter , welche der Herbst gefärbt hatte . Elisa ergötzte sich an diesem Anblicke . Natur , rief sie aus , selbst wenn du dahin sinkest , bist du schön ! Sanfte Freude liegt noch auf dir verbreitet ! O , daß ich auch einst , in meinen letzten Tagen , so zurückschauen könnte auf den Sommer meines Lebens , und mich seiner freuen ! Ruhig und heiter eilte sie nun hinaus ; ihr Gefühl war Freude , sie vergaß auf einen Augenblick ihre Leiden , um im Angesichte der Natur den Empfindungen der Bewunderung und der Verehrung gegen den Urheber alles Daseins nachzuhängen . Plötzlich sah sie unweit vom Dorfe ein Weib ohnmächtig auf dem Grase liegen ; sie näherte sich ihr . Heftige Krämpfe verzogen bald alle Muskeln dieser Unglücklichen , und Elisa's Beistand vermochte nicht , sie ins Leben zurückzurufen . Elisa eilte in das Dorf , und so schnell als möglich kehrte sie mit noch mehreren Personen zur Hilfe des armen Weibes zurück . Sie wurde in das Dorf gebracht , und Elisa ging selbst in das Schloß , um einige Arzneimittel zu hohlen ; sie verließ die Frau nicht eher , als bis sie ganz wieder hergestellt , und kein Rückfall mehr zu befürchten war . Sie kehrte nun zurück ; aber Wallenheim war schon vor ihr zu Hause gekommen ; sie eilte zu ihm : Verzeihen Sie , mein Bester , sprach sie , daß ich so spät zurück gekommen bin ; allein eine Unglückliche , der ich begegnete , welche leblos auf dem Boden lag , heischte Hilfe von mir , und dieses hat mich so lange aufgehalten . Wahlen . ( Kalt. ) Sie täten wohl , wenn Sie lernten die Pflichten der Menschlichkeit mit den Pflichten gegen Ihren Gatten vereinigen . Elisa schwieg ; sie unterdrückte selbst einen Seufzer , der aus ihrer Brust sich drängen wollte . Wallenheim sprach während der ganzen Mahlzeit nicht , und nur beim Weggehen sagte er : Ich hoffe , Elisa , daß Sie mich am Abend nicht wieder werden warten lassen ? erteilen Sie Ihre Hilfe zur rechten Zeit , damit Sie Ihre Schuldigkeit nicht versäumen . Er ging fort , und Tränen strömten von Elisa's Wangen . Welch eine Zukunft stellte sich ihr dar , und o wie bitter waren ihre Empfindungen ! Sie wollte sie unterdrücken , und ging an ihren Schreibtisch , um an Henriette zu schreiben . In einem Kästchen verschlossen lag da Herrmanns Gemälde . Noch hatte Elisa das Kästchen nicht geöffnet , seit dem Tage , an dem sie das Gemälde hineingelegt hatte . Heute öffnet sie es unwillkürlich , und der Anblick des Gemäldes verdoppelt ihren Schmerz . Sie nimmt es heraus , sie küßt es : Ach , Herrmann , sprach sie , du hättest mir nicht so begegnet ! Bewegt legt sie es weg , bald ergreift sie es aber wieder : Ich will nicht strafbar werden , ruft sie aus , ich will es Henriette schicken , aber noch einmal will ich diese Züge betrachten , die ich nie wieder sehen werde ! Zu bewegt , um schreiben zu können , ging sie in den Garten , indem sie noch das Gemälde hielt . Noch erwärmte die Sonne die Atmosphäre , und Elisa setzte sich , beleuchtet von ihrem milden Strahl . Alle Szenen der Vergangenheit stellten sich ihr jetzt lebhaft dar , und bei jeder Rückerinnerung benetzte Elisa das Gemälde mit ihren Tränen . Sie saß da , den Kopf auf ihre Hand gestützt , als der Fußtritt eines Menschen sie aus ihrem Nachdenken weckt ; sie blickt auf , und - Herrmann steht vor ihr . Der Schreck machte sie sprachlos . Herrmann schloß sie in seine Arme : Verzeihen Sie , Elisa , rief er aus , ich entferne mich auf ewig von Ihnen , und nur noch einmal will ich Sie sehen ! Elisa . Herrmann , besser wäre es für uns , wir hätten uns nie gesehen ! Herrm . Elisa , gönnen Sie mir nicht einen Augenblick Erleichterung meiner Leiden ? Elisa . O , Herrmann ! Diese Sprache darf ich nicht mehr hören ! Sie wissen nur zu gut , wie sehr Ihr Kummer mich schmerzt ! Sie wischte bei diesen Worten eine Träne aus ihren Augen , welche sie vor Herrmann verbergen wollte ; er sah sie aber , ergriff ihre Hand , und drückte sie an sein Herz . O , meine sanfte , meine süße Elisa , Sie lieben mich noch ; ich fühle in diesem Augenblicke keinen Kummer ! Ich nehme den Trost mit mir , daß Sie mein bleiben , mein , durch das Band ewiger Liebe , das kein Mensch trennen soll ! Elisa . Halten Sie ein , Herrmann , ich bin Gattin ; mein Bestreben ist , Sie zu vergessen ! - Wollen Sie mich strafbar machen , Sie , für den mein Herz so warm noch schlägt ? O nein ! Lassen Sie mir die Freude , Sie sehen zu dürfen , ohne mir sagen zu brauchen : du bist schuldig ! Herrm . Kann meine Elisa fürchten , daß ich ihre Ruhe aufopfern will ? Und weiß ich nicht , daß sie diese nur in der Tugend findet ? Verzeihen Sie , wenn mich die Liebe auf einen Augenblick hinriß ! - Ach , kann ich vergessen , daß vor wenig Monden - Hier schwieg er , ihre Blicke begegneten sich , sie seufzten Beide , und Tränen rollten von Beider Wangen . Elisa . ( Nach einer langen Pause . ) Herrmann , der Vergangenheit dürfen wir nicht mehr gedenken , sie verschwand mit ihren Freuden ! - Und in künftigen Jahren werden auch diese Tage voll Kummer nur noch in unserem Gedächtnisse leben ; neue Freuden , vielleicht auch neue Leiden , werden ihr Andenken verdrängen . O , daß wir es jetzt schon tun könnten ! Mein Herrmann , vergessen Sie , daß Sie mich liebten ! Denken Sie nicht immer an Elisa , entreissen Sie sich jeder Erinnerung an sie , die Ruhe wird Ihnen dafür lohnen . Herrm . Wohl , Elisa , ich will Ihrer würdig bleiben ! Ich will eine Leidenschaft bekämpfen , durch welche ich einst glücklich war . - O , sagen Sie mir nur noch , daß Sie nicht unglücklich sind , dann will ich mich vergessen , dann soll der Kummer nicht mehr an meinem Herzen nagen , Ihr Glück wird mir Trost sein ! Elisa . Ich suche meine Pflichten zu erfüllen , urteilen Sie selbst , ob ich unglücklich bin ? Herrm . Aber Sie weinten , Elisa , als ich Sie überraschte ? Elisa . ( Reicht ihm das Gemälde ) Dieses war die Ursache meiner Tränen , Übereilung und Zufall hatten mir es wieder in die Hände gegeben , und - ich bin noch nicht stark genug , um bei dem Anblicke desselben gleichgültig zu bleiben . ( Herrmann ergreift das Gemälde , und bleibt mit seinem Kopfe auf Elisa's Hand liegen . ) Elisa . ( Nach einer Pause , zieht ihre Hand zurück . ) Herrmann , wir müssen uns trennen , auch Sie können meinen Anblick nicht ertragen ! Herrm . Elisa , heute zum Letztenmal . O , nur noch einige Augenblicke ! Elisa . Wie , und warum kamen Sie hierher ? Herrm . Ich war in Birkenstein gewesen , um von meiner Mutter Abschied zu nehmen , denn auch sie werde ich nicht mehr sehen . O , Elisa ! wenn Sie nach Hohnauschloß kommen , besuchen Sie die unglückliche Mutter , trösten Sie sie wegen des Verlustes ihres Sohnes - sie liebt Sie ja als ihre Tochter ! - Ich verlasse mein Vaterland , vielleicht sehe ich es nie wieder . Ich suche nicht Glück unter einem anderen Himmelsstriche , aber Ihre und meine Ruhe , welche wir nicht erlangen würden , wenn nur wenige Meilen uns trennten . Aber mich ewig von Ihnen entfernen , ohne Ihnen noch einmal Lebewohl zu sagen , war mir unmöglich ! Ich wußte , daß die strengste Tugend dieses nicht verdammen könnte , und ich flog nach Wallenthal , um noch einmal , Elisa , Sie zu sehen , Sie , die mich einst des Lebens höchste Freuden kennen lehrten ! Elisa . Herrmann , ich entferne Sie von Freunden und vom Vaterlande ? - Edler Jüngling ! Sie suchen meine Ruhe ? O ! möchte ich nie sie finden , wenn Sie nicht glücklich werden ! Herrm . Nichts davon , Elisa ! Ich will nicht murren , nicht klagen an Ihrer Seite . - Mein künftiges Schicksal sei welches es wolle ! - Ich konnte nur ein Gut verlieren - und ... Elisa . Auch ich verlor das einzige Gut , Herrmann , und wir müssen Beide lernen , den Verlust ertragen . Herrm . Schreckliche Notwendigkeit ! Warum stellten Sie sie mir in diesem Augenblicke vor ? Elisa . Weil ich nicht vergessen darf , was ich bin ! Wollen Sie zürnen , Herrmann , daß ich meine Pflichten mehr liebe als Sie ? Herrm . Weib ! Weib ! Eben Deine Tugend macht meine Liebe unauslöschlich ! Elisa . Aber die Tugend soll sie auch heiligen , soll sie nicht zur verzehrenden Flamme machen . Sie soll wieder Frieden in Deine Seele gießen . ( Elisa's Augen füllen sich mit Tränen , eine Pause , sie reicht ihm ihre Hand ) Reisen Sie jetzt , Herrmann ! Zeit und Zerstreuungen werden Ihre Wunde heilen , und nach Jahren vielleicht werden wir uns wieder umarmen können ! Mit stummen Schmerze drückte Herrmann sie an sein Herz . Lebe wohl ! rief er aus , teures ewig geliebtes Weib ! Elisa . Noch eine Bitte , Herrmann , gewähren Sie mir . Nehmen Sie dieses Gemälde mit , ich darf es nicht länger besitzen - Aber Ihr Bild soll als das Bild eines teuren Freundes ewig in meinem Herzen leben ! Er nahm es , seufzte , drückte noch einen Kuß auf ihre Lippen , und flog fort ! Ihre Blicke folgten ihm , und ihre Tränen flossen , als er vor ihnen verschwand . Erst einige Augenblicke war Herrmann fort , als Elisa Wallenheim kommen sah ; er war an diesem Tage früh zurückgekehrt , und hatte Herrmann aus dem Garten kommen sehen , er fand Elisa'n weinend . Wahlen . Wer war das , der so eben von Ihnen ging ? Elisa . Birkenstein. Wahlen . Sie scheinen es vergessen zu haben , daß Sie mir einst sagten , Sie würden sich immer erinnern , daß Sie meine Gattin wären ! Oder denken Sie nur daran in meiner Anwesenheit , und glauben Sie , daß Ihre Pflichten aufhören , sobald ich abwesend bin ? Elisa . Ich scheine diesen Vorwurf zu verdienen , und doch , Wallenheim , bin ich noch eben so schuldlos , als da Sie mich verließen . Wahlen . Vielleicht hatten Sie auch da schon Ihren Geliebten bestellt . Elisa . Diese Vermutung ist demütigend für mich ; nie glaubte ich Sie dazu berechtiget zu haben . Birkenstein kam , um Abschied von mir zu nehmen , weil er sein Vaterland verläßt , und wenn ich schuldig bin , so bin ich es nur , daß ich litt , daß er so lange hier verweilte. Wahlen . Weil dieses verursachte , daß ich ihn gesehen habe , und Sie nun Ihre Zusammenkünfte werden einstellen müssen . Elisa . Diese Worte kränken mich nicht , Wallenheim , das Gefühl der Unschuld läßt sie mich ertragen. Wahlen . Ich bin solche schöne Phrasen von Ihnen gewohnt , und um daß Sie diese erhabene Theorie desto leichter in Ausübung bringen mögen , so verbiete ich Ihnen , so lange wir noch in Wallenthal sind , Ihr Zimmer zu verlassen : Ihre Spaziergänge geben Anlaß zu Begebenheiten , welche nicht meinen Beifall haben . Elisa . Könnte ich doch durch die willige Aufopferung dieses Vergnügens Ihnen beweisen , wie bereit ich immer sein werde , jeden Ihrer Wünsche zu erfüllen ! Wahlen . ( Kalt. ) Heute haben Sie dazu den Anfang nicht gemacht ; doch soll es mich freuen , wenn es in der Folge geschieht . Er verließ hierauf Elisa'n , und sie ging zurück in ihr Zimmer ; sie sah ihn an diesem Abend nicht mehr , und am anderen Morgen reiste er weg , ohne Abschied von ihr zu nehmen , und war einige Tage abwesend . Geduldig ertrug sie diese Begegnung . Es waren noch einige schöne Herbstage , sie genoß ihrer nur an ihrem Fenster , aber sie murrte nicht ; sie schrieb hierüber folgendes an ihre Henriette : " Noch einmal habe ich Herrmann gesehen , noch einmal mich von ihm getrennt ! O , Henriette ! ich konnte den Schmerz nicht unterdrücken , ich konnte nicht gleichgültig scheinen , aber doch dachte ich an meine Pflichten , und gewiß , Empfindungen , die wir nicht zu erregen suchen , die wir aber doch unwillkürlich hegen , können uns nicht schuldig machen ! Herrmann wird mir immer der teuerste von allen Männern sein . Meine Leidenschaften werde ich bekämpfen , aber das innige Gefühl der Achtung , ein lebhaftes Interesse an seinem Schicksal werden immer gleich stark in mir sein . Und doch werde ich mich als Gattin nicht schuldig finden , weil ich stets über mich wachen werde , um diese Empfindungen nicht zu stark werden zu lassen . Sie sind unwillkürlich , sie gründen sich auf Tugend , auf gegenseitige Achtung und Übereinstimmung ; aber die Vernunft soll sie leiten , und Festigkeit im Charakter wird mich der Liebe und der Sinnlichkeit widerstehen lassen . So kann ich ohne Gefahr Empfindungen hegen , welche zu stark sind , als daß ich sie gänzlich unterdrücken könnte ; aber gewiß , hätte ich nicht den festen Vorsatz , alle meine Pflichten genau zu erfüllen , und alles zu entfernen , was mich daran hindern könnte , so würde ich fürchten , daß Liebe unter der Larve von Achtung und Freundschaft , in meinem Herzen versteckt bliebe , und mich endlich , durch Sophistereien , welche die Sprache der Vernunft und Tugend entlehnen , von meinen Pflichten entfernte . So gefährlich ist es , wenn wir einem anderen Manne in unserem Herzen den Vorzug gewähren . - O , das Weib , welches dieses weiß und sich nicht täglich prüft , nicht eine beständige Aufmerksamkeit auf sich selbst , und auf ihre geheimsten Empfindungen hat , wird endlich , selbst mit den besten Grundsätzen , mit Anhänglichkeit an Tugend und an ihre Pflichten , doch von ihnen entfernt ; sie wird ihre Stimme nicht mehr hören , wenn sie vernachlässiget hat , die Liebe zu bekämpfen : Ich , meine Henriette , will mir diesen Vorwurf nie machen ; Nachsicht gegen mich selbst werde ich mir nie erlauben , sie ist immer Schwachheit . - Wallenheim glaubt mich schuldig , er hat Herrmann weggehen sehen , und hat mir verboten , mein Zimmer zu verlassen , so lange wir noch in Wallenthal wären ; und ich lebe jetzt , gleich einer Gefangenen . Aber ich verzeihe Wallenheim ; der Schein war wider mich , und an Tugend glaubt er nicht . Er ist jetzt abwesend , ich könnte sein Gebot überschreiten , und wenn ich es den Bedienten verböte , so würden sie mich nicht verraten , denn sie lieben mich ; aber ich würde mich in ihrer Achtung heruntersetzen , mich einigermaßen von ihnen abhängig machen ; und der Ruf , zuweilen die Ruhe eines Weibes , hängen von der Meinung ihrer Leute , und von dem , was sie von ihr sagen , ab . Die unschuldigste Handlung , wenn wir ihr den Anstrich des Geheimnisses geben , bekommt den Anschein der Schuld , und gibt zu falschen Mutmaßungen Anlaß ; man sollte dieses immer vermeiden . - O , wie viel Vorsicht muß man in der Ehe anwenden , wenn man sich stets in der Achtung seines Gatten und seiner Untergebenen erhalten will ! Und dieses ist notwendig zum Wohl der ganzen Familie . - Ich kann Dir nicht sagen , mit welcher Empfindung ich jetzt an meinem Fenster die Luft einatme , welche ich unter dem freien Himmel nicht genießen darf . Es ist ein gemischtes Gefühl von Ruhe und Traurigkeit ; eine dunkle Empfindung von Abhängigkeit , und dann wieder das Bewußtsein : ich verdiene diese Begegnung nicht . O , dann scheint mir der Himmel heiterer zu sein ! Mein Herz schlägt mir vor Freude , es erhebt sich , es blickt mit Gleichgültigkeit auf alle Begebenheiten des Lebens ; denn es fühlt , daß etwas in ihm ist , welches es über sie erhebt , und es mächtiger macht , als das Schicksal . - Henriette , es ist mir ein tröstender Gedanke , daß , so lange ich der Tugend anhänge , ich standhaft sein werde , alle Widerwärtigkeiten zu ertragen . - Dank der gütigen Vorsicht , daß mein Platz in der Reihe der Geschöpfe so war , daß meine Seele zum Guten gebildet werden konnte ! Jeder Umstand meiner Jugend , welcher meinem Geiste eben diese Bildung gab , war eine Quelle immerwährender Zufriedenheit für mich , und ohne Furcht blicke ich in die Zukunft , welche mir trübe scheint . " - Mit eben der Ruhe empfing Elisa ihren Gatten , als er zurück kam ; sie freute sich in der Tat , ihn wieder zu sehen , und ihre Blicke sagten es ihm . Sie verdoppelte nun ihr Bestreben , ihm zu gefallen , und jeden Argwohn von ihm zu entfernen ; aber kälter , als sonst , war jetzt Wallenheim gegen seine Gattin ! Nach einigen Wochen schrieb Elisa wieder an Henriette : " Ich habe Dich immer von meinem Schmerz unterhalten , nimm auch heute Teil an meiner Freude . Henriette , es öffnen sich mir Aussichten des Glucks ! Ich kann noch wieder vergnügt und heiter werden , wie ich es in meinen glücklichen Tagen in Hohnauschloß war . - Doch ich muß Dir die Veranlassung meiner Freude Erzahlen . - Wallenheim war , seitdem er zurückgekommen , mürrischer noch als zuvor ; oft vergingen Tage , ohne daß wir zusammen sprachen ; denn er antwortete mir nicht auf meine Fragen , und schien mich nicht zu hören , wenn ich mit ihm sprach . Ich verdoppelte nun meine Aufmerksamkeit und meine Gefälligkeiten gegen ihn ; ich bedauerte ihn aufrichtig : denn wie viele Freuden des Lebens muß er entbehren , da er seine Seele vor allen den Empfindungen verschließt , welche sie uns genießen lassen ! Diese Betrachtung machte mich nachsichtig gegen ihn . Ich verziehe ihm , denn ich fühlte , daß , obgleich eingeschlossen , obgleich getrennt von allen , die ich liebe , fast von aller menschlichen Gesellschaft , ich doch noch glücklicher war , als er . Gestern Abend war er mürrischer als gewöhnlich zurückgekommen ; stumm und verdrießlich saß er in meiner Stube auf dem Sofa , und schien mich kaum zu bemerken ; ich ging an das Klavier , spielte und sang eine Arie , deren Melodie sanft , einnehmend un fröhlich war ; sie erregte Wallenheims Aufmerksamkeit . Als ich dieses bemerkte , wiederholte ich sie , und er stellte sich nun hinter meinen Stuhl . Wie ich geendigt hatte , bat er mich fortzufahren . Man kann Sie nicht ohne Vergnügen hören , sprach er . Ich wählte nun lauter Stücke von gefälliger Melodie , und bestrebte mich , meinen Vortrag angenehm zu machen ; er blieb neben mir stehen , wurde heiter , wir scherzten zusammen , endlich umarmte er mich , und sagte : Ich danke Ihnen , Elisa , Sie haben meine Launen weggespielt ! Ich fühle , daß ich heute diese Aufmerksamkeit von Ihnen nicht verdiente ! Ich erwiderte seine Umarmung : Möchte ich doch immer so glücklich sein , Wallenheim , Ihnen jeden Verdruß vergessen machen zu können ! Gewiß , dieses sollte die angenehmste Beschäftigung meines Lebens werden ! Er küßte meine Hand : Sie sind ein liebes gutes Weib , ich erkenne es , daß ich oft Ihrer Nachsicht bedarf ! Ich lächelnd . Und glauben Sie nicht , Wallenheim , daß ich nicht auch auf die Ihrige rechne ? O , ich bin zu eigennützig , um etwas unentgeltlich zu geben ! Er lachte , küßte mich und sagte ; Ich kenne Sie und mich genug , um mutmaßen zu können , daß ich Ihr Schuldner bleiben werde . So scherzten wir noch einige Zeit ; wir setzten uns auf den Sofa , und zum Erstenmal wurde unser Gespräch vertraulich . Ich hatte schon lange einen Plan gehabt , zu dessen Ausführung aber ich Wallenheims Einwilligung bedurfte ; ich entdeckte ihn ihm , und er willigte in mein Verlangen . O , wie viele Freuden schenkte er mir mit dieser Einwilligung ! Du weißt , Henriette , daß es immer mein Wunsch war , die Zahl der Unglücklichen vermindern zu können ; meine Lage setzt mich in den Stand , ihn zum Teil in Erfüllung zu bringen , und ernstlich dachte ich , seitdem ich in Wallenthal bin , auf Mittel , meinen Mitgeschöpfen nützlich zu werden . Ich sah stets mit Abscheu und Mitleiden auf die Elenden , welche auf unseren Landstraßen und in unseren Dörfern wimmeln , und welche niederträchtig genug sind , lieber vom Almosen , als von ihrer Hände Arbeit zu leben . Zum letzten Grade der Sittenverderbnis ist diese Menschenklasse gesunken ; sie vereinigen mit der Roheit des ungesitteten Menschen alle Laster und Ausschweifungen gebildeter Nationen . Bei ihrem Anblicke trauert man , daß die Menschheit so tief sinken kann . Aber noch stärker wird dieses Gefühl , wenn man auf ihre Kinder blickt ; sie von der Natur mit allen Anlagen zum Guten begabt , und durch ihre Geburt zum Laster und Elende verdammt sieht ! O , ihr Menschenfreunde ! Generationen dem Laster und dem Elende entziehen , dieses müßten eure Bemühungen sein ! Hierauf , Regenten , Minister , müßte eure Sorgfalt gerichtet sein ! Es sind Menschen , diese unglücklichen Kleinen , welchen die Natur gleiche Rechte mit Euch gab ; Menschen , welche zu jedem Großen und Edlen fähig sind , deren Kräfte zum Nutzen ihrer Mitbürger gebraucht werden können ; aber eure Nachlässigkeit erstickt jede Anlage zum Guten in ihnen , und macht sie , unter der Leitung ihrer Eltern , gleich ihnen , zum Abschaum der Menschheit ! Einen Teil dieser Kinder will ich dem Verderben entziehen , und sie zu nützlichen Mitbürgern machen . Noch in diesem Jahre lasse ich ein Gebäude für sie aufführen , und werde dann zehn Kinder , fünf Knaben und fünf Mädchen , erziehen lassen . Ich werde sie alle in einem Alter von zehn Jahren annehmen , und bis in ihr sechzehntes sollen sie in diesem Erziehungshause bleiben ; die Knaben sollen Handwerke oder Feldarbeiten , und die Mädchen alle Arbeiten lernen , welche sie in den Stand setzen , sich ihren Unterhalt zu verschaffen . Sie sollen in den Kenntnissen unterrichtet werden , welche für ihren Stand erforderlich sind , und unter der Aufsicht eines vernünftigen Mannes und eines vernünftigen Weibes stehen . Außer den Kosten , welche die ersten Einrichtungen erfordern , wird diese Anstalt nicht sehr kostbar werden ; das Gehalt des Mannes und des Weibes wird nicht sehr groß sein , da sie freie Wohnung und freien Unterhalt bekommen ; und ein Garten , der neben dem Gebäude sein wird , und den sie selbst bestellen sollen , wird sie fast hinlänglich mit Lebensmitteln versorgen ; die Mädchen und auch die Knaben , welche keine Handwerke lernen , werden für uns arbeiten . So werde ich alle sechs Jahre mit wenigen Kosten , welche vielleicht nur das Opfer einiger neuer Kleider und einiger neuer Moden erfordern , zehn Menschen dem Elende entziehen , und sie vielleicht auf ihr ganzes Leben beglücken ! O , Henriette ! welche beseligende Aussicht ! welch ein frohes Gefühl wartet meiner mein ganzes Leben hindurch ! Könnte ich es doch allen Menschen begreiflich machen ! Sie würden gewiß alle die Kleinigkeiten , die sie beschäftigen , mit dem Wonnegefühl vertauschen , welches sich in uns regt , wenn wir uns sagen können : ich habe Menschen beglückt ! Aber auch das sinkende Alter will ich unterstützen ; Ruhe will ich auf die letzten Tage des Greises verbreiten . Er soll noch einmal lächeln , der Unglückliche , welcher sein Leben durchweint hat ! - Ich lasse in Wallenthal noch ein Haus bauen , welches zehn Stuben enthalten soll ; alte dürftige Männer und Weiber nehme ich hier auf ; zu jeder Stube soll ein kleiner Garten sein , und alle Woche werde ich ihnen alles , was zu ihrem Unterhalt erforderlich ist , austeilen lassen , und jedesmal , wenn durch den Tod eines von ihnen eine Stelle ledig wird , soll ein anderer Unglücklicher sie ersetzen . Ich selbst werde die Aufsicht über dieses alles haben ; ich selbst werde das Lager des Greises , und die Wohnung der Kinder besuchen . Und dieses alles auszuführen , hat mir Wallenheim erlaubt ; im künftigen Frühjahre werden die Gebäude fertig sein , dann eile ich nach Wallenthal , und im Schoße der gütigen Natur will ich , indem sie Segen auf alle Sterblichen schüttet , am Glücke Einiger mei einer Mitmenschen arbeiten . Lebhaft und innig war mein Dank gegen Wallenheim ; seitdem ich Hohnauschloß verließ , brachte ich noch nie einen so glücklichen Abend zu . Wallenheims Güte machte mich beherzt ; ich hatte bemerkt , daß er sich wenig um seine Angelegenheiten bekümmerte , er hatte die Verwaltung seines Vermögens und seines Landguts einem Menschen übertragen , welcher mir nicht dieses Vertrauens würdig schien , ich hatte Nachlässigkeiten und Betrügereien entdeckt . Ich sagte ihm dieses und bat ihn , mir diese Verwaltung zu überlassen . Ich versicherte ihm , daß alle Geschäfte , durch welche ich ihm Vorteil verschaffen könnte , mir angenehm sein würden . Nun , sagte er lächelnd , so setze ich Sie als meinen Sachwalter ein , schalten Sie mit meinem Vermögen wie Sie wollen ; ich will keine Rechenschaft fordern . - Ich habe auch heute schon angefangen , mir von dem Verwalter , dem Wallenheim den Abschied geben wird , alle Rechnungen und einen Bericht von Wallenheims Angelegenheiten geben zu lassen . Zwar besitze ich zu solchen Geschäften weder Erfahrung , noch die erforderlichen Kenntnisse ; allein Ordnung , Achtsamkeit und Fleiß sollen sie , bis ich sie erlangt habe , ersetzen . Die Aufsicht auf die häuslichen Angelegenheiten ist eine der ersten Pflichten des Weibes . Wenn ich in der Reihe der Geschöpfe keins erblicke , dessen Dasein ohne Nutzen ist , und ich sehe dann so viel Weiber , welche nichts zu dem großen Zwecke der Schöpfung , Nutzen zu verbreiten , beitragen , welche unbekümmert ihrer selbst , ihrer Familie und ihrer Mitmenschen dahin leben , und der Bildsäule gleichen , welche nur zum Beschauen , nicht zum Wirken , dasteht , o dann seufze ich über unser Geschlecht ! Solch ein Weib erniedrigt sich unter die Ameise , welche für ihre kleine Wohnung und ihre Nahrung sorgt . Sehr eingeschränkt ist die Sphäre des Weibes , weit erstreckt sich ihr Wirkungskreis nicht ; aber sehr groß kann der Nutzen sein , den sie in diesem stiften kann , und gewiß ist die Leitung der inneren Wirtschaft und aller häuslichen Angelegenheiten , wenn der Mann solche vernachlässiget , nicht einer der geringsten . Wie könnte ich Wohltaten erweisen , wenn ich nicht zu gleicher Zeit auf die Erhaltung unseres Vermögens bedacht wäre ? Verschwenderisch und strafbar würde ich alsdann werden ! Nein , ihr Unglücklichen ! Eure Hilfe , euer Beistand zu bleiben , muß ich Wirtschafterin sein , und mit tätigem Fleiße unsere Angelegenheiten besorgen ! Auch meines Mannes Achtung werde ich dadurch gewinnen . - O , wie viele Bewegungsgründe sind dieses nicht , auch diese Pflicht redlich zu erfüllen . - Wir bleiben bis im Dezember hier , und - so schrecklich mir diese Einsamkeit auch im Anfange war , so ist es mir doch jetzt angenehm , daß wir unseren Aufenthalt noch nicht sobald verändern . Diese Stille stimmt mit meinen Empfindungen überein ; mich dünkt , ich bin hier freier und heiterer , als ich es in B... sein würde . Nur der Glückliche kann im Geräusche der Welt Vergnügen finden , der Unglückliche fühlt da zu sehr , daß er der Freude entsagen muß , und die , welche ich mir bereite , finde ich in Wallenthal . Gern bliebe ich unter den Eulen , welche unsere Wohnung umgeben , den ganzen Winter hier ; ihr Klagelied ist mir nicht mehr traurig , es läßt mich empfinden , daß vielleicht kein Unfall ist , der mir ganz meine innere Zufriedenheit rauben könnte . - Mit diesem Gefühl , Henriette , gibt es Augenblicke , in welchen ich mich glücklich preise ; denn ich erkenne , daß es das Los aller Sterblichen ist , Widerwärtigkeiten zu erfahren ; aber nur Wenige haben gelernt , sie zu ertragen , nur Wenige sehen standhaft dem Sturm entgegen , der nur den Mutlosen gänzlich unterdrückt . Meine Bemühungen sollen immer sein , meine Schwäche zu bekämpfen , damit ich immer standhaft dem Schicksal entgegen lächeln kann . " - So blieb Elisa sich stets gleich ; immer bestrebte sie sich , auch die kleinsten ihrer Pflichten zu erfüllen , und nie dehnte ein Weib solche mehr aus , als sie . Ihre Aufmerksamkeit , ihre Gefälligkeit gegen Wallenheim , vermehrte sich mit jedem Tage , und mit Wachsamkeit und tätigem Fleiße ordnete sie ihre innere Wirtschaft und alle häusliche Angelegenheiten . Innere Ruhe und das Vergnügen , Wallenheim weniger mürrisch , weniger unzufrieden zu sehen , waren ihr Lohn . So reisten sie nach B... Stolz , Liebe zur Pracht und zum Spiel führten Wallenheim in glänzende Gesellschaften , in welchen er übrigens kein Vergnügen fand , und bewogen ihn auch , in seinem Hause viele Leute zu sehen . Elisa empfand einen Widerwillen gegen diese Lebensart . Ihr Geist fand in den rauschenden , glänzenden Zirkeln keine Unterhaltung , und ihnen mußte sie Beschäftigungen aufopfern , welche ihr Vergnügen gewährten ; allein nie verriet ein Wort , eine Miene , ihr inneres Mißvergnügen : Wallenheim wollte es , und dieses war genug , um jede Unzufriedenheit in ihr zu unterdrücken ; und mit eben der heiteren Miene , mit welcher sie einsam in Wallenthal ihn empfing , wenn er den Tag abwesend gewesen war , folgte sie ihm jetzt in die glänzenden Versammlungen , wo sie wußte , daß sie Langeweile fand , welche jedoch kein Sterblicher auf ihrem Gesichte las . Edel und offen war der Anstand , mit welchem sie in ihrem Hause die Leute empfing ; ihre Miene , ihr Wesen schien einem Jeden zu sagen , daß sie sich freute , ihn zu sehen ; selbst dann , wenn sie gern den rauschenden Zirkel mit ihrem einsamen Zimmer vertauscht hätte . Aber auch mit eben der Sorgfalt , als in Wallenthal , ordnete sie in B... ihre häuslichen Angelegenheiten ; auch nicht der kleinste Umstand entging ihrer Aufmerksamkeit , und nicht die geringste Nachlässigkeit erlaubte sie sich ; denn sie war zu sehr überzeugt , daß diese immer größere nach sich ziehen . Wallenheim war , seit dem sie in B... waren , wieder kälter und zurückhaltender gegen sie ; seine Geschäfte und andere Gegenstände entfernten ihn dort mehr , als in Wallenthal , von ihr . Er kannte die Tugenden seines Weibes ; allein ihre Seele war über die Seinige zu erhaben , als daß er in ihr jene Übereinstimmung gefunden hätte , welche die Herzen vereiniget , und zwei Wesen gegenseitig mit dem süßesten Gefühle erfüllt . Man sah bald , daß Elisa ihrem Gatten gleichgültig war , und ungeachtet aller ihrer Aufmerksamkeit gegen ihn , bemerkte man doch , daß auch sie nicht viel mehr für ihn empfand . Elisa war jung , schön , und wurde von ihrem Gatten vernachlässiget ; wie viel Gründe , um bald ein Heer junger Stutzer um sie zu versammeln , und auch den gefühlvollen Mann zu ihr zu führen , der den Wert des liebevollen Weibes erkannte , und - empfand . Allein Elisa , welche ihre Pflicht als Gattin , selbst in Herrmanns Anwesenheit nicht vergessen hatte , entfernte durch Ernst und Würde diejenigen , welche ihr den Hof machten . Sie hielt diesen Zeitvertreib , wenn er auch nicht zu sträflicheren Folgen leitete , doch eines Weibes unwürdig . Die kleinen weiblichen Coquetterien machen das Weib zum Zeitvertreib des Mannes ; aber sie entsagt durch sie der Achtung , auf die sie Anspruch machen kann . Bald hört sie auf die Männer zu belustigen , allein das Andenken an das Vergangene löscht sie nicht aus ; sie werden sie immer als eine Puppe betrachten , mit der sie spielten , so lange es ihnen gefiel . Wie natürlich also , daß Geringschätzung jetzt die Stelle ihrer vorigen scheinbaren Anbetung einnimmt , und ihr die Ehrfurcht versagt wird , welche das tugendhafte Weib jedem Manne einflößt . So dachte Elisa , und ihre Anbeter verehrten sie , indem sie sie entfernte ; denn es war nicht die stolze Spröde , sondern das ihrer Würde sich bewußte Weib , welches durch Sanftmut sie abwies . Auch sah sie nicht mehr einen Hof Verehrer um sich , allein ihr Name erweckte Ehrfurcht , und man näherte sich ihr mit der Achtung , welche man selbst unwillkürlich der Tugend zollt . Und selbst die Weiber sagten von ihr : sie ist eine liebenswürdige Frau ! Elisa , unbekümmert dessen , was man von ihr sprach , entfernt von der Begierde zu glänzen oder Bewunderung zu erwecken , erfüllte treu ihre Pflichten , und wurde dadurch nur noch verehrungswürdiger . Folgendes schrieb sie an Henriette , nachdem sie einige Wochen in B... gewesen war : " Meine Henriette , schon bin ich vier Wochen in B. ... , und noch habe ich Dir keine Nachricht von mir gegeben . Glaube aber ja nicht , daß die rauschende Lebensart , welche ich hier führe , mich Dich vergessen läßt O , nein , meine Henriette ! Eben in den glänzenden Zirkeln empfinde ich recht lebhaft , daß ich einer Freundin beraubt bin . Ich sehe hier so viele Gesichter , bin von so vielen Wesen umringt ; aber alle lassen eine Leere in meinem Herzen zurück . Es dünkt mich immer , wenn ich unsere großen Gesellschaften besuche , ich komme unter eine Anzahl sich bewegender Bildsäulen , welche alle durch eine einzige Maschine aufgezogen sind , die ihre Bewegungen leitet , so viel Gleichförmigkeit haben hier die Menschen in ihrem Wesen ; denn indem sie sich von der Natur entfernen , entfernen sie sich auch von der Eigentümlichkeit des Charakters , welche in großen Gesellschaften allein Annehmlichkeit verbreiten könnte , und sie durch ihre Verschiedenheit für den Beobachter anziehend machen würde . Allein so wie man bei einem jeden in seiner Kleidung die herrschende Mode findet , so haben auch der Ton , das Wesen , die Manieren dieselbe Gestalt , hier und da mit einigen kleinen Abänderungen ; und dieses gibt den Menschen das Leblose , macht die Gesellschaften langweilig , verbannt aus ihnen alle geistige Unterhaltungen , um schalen Witz und schönen Unsinn an ihre Stelle zu setzen . Zwar bin ich überzeugt , daß manches vernünftige Weib , mancher kluge Mann sich in diesen Zirkeln befindet ; allein nur eine nähere Bekanntschaft kann jene bessere Eigenschaften uns entwickeln : denn wenn man auch in großen Gesellschaften sich nicht vom Strom hinreißen läßt , nicht spricht wie der gemeine Haufen , so spricht man doch nichts anders ; man schweigt , oder spricht von gleichgültigen Dingen , um sich nicht zu unterscheiden , und nur ein Zufall kann uns mit den wenigen Personen , welche in der großen Welt durch Kopf und Herz sich unterscheiden , bekannt machen . Ich suche diese Gelegenheiten nicht . Zwar bin ich nicht unempfindlich gegen das Vergnügen , welches der Umgang und die Unterhaltung kluger Personen gewährt ; allein ich besitze jetzt nicht die gehörige Heiterkeit und Unbefangenheit , um an solchen Gesprächen Teil zu nehmen . Die natürliche Unterhaltung mit einer Freundin würde jetzt meinem Herzen wohltun . Wenn ich ganze Tage dem Zwange , der Langenweile , und allen den leeren Beschäftigungen , welche die Gesellschaft von uns fordert , aufgeopfert habe , o , wie glücklich würde ich dann sein , einige Augenblicke in den Armen der Freundschaft zu ruhen , ihr meine Empfindungen mitzuteilen , und der immer erneuerten Wonne zu genießen , welche Freundschaft und Liebe zwei Seelen , die sie verbunden haben , empfinden lassen ! Wie glücklich ist das Weib , welches dieses in dem Gatten findet ! Welches , bei den Unannehmlichkeiten des Lebens , durch das Vertrauen , durch die Liebe ihres Freundes gestärkt wird , sie mit frohem Mute zu ertragen , und in seinen Blicken Vergessenheit mancher trüben Stunden findet . O , Ihr , die ihr in freundschaftlicher Übereinstimmung zusammen die Bahn des Lebens durchwandertet , sprecht , war euch eure Liebe , eure gegenseitige Teilnehmung an dem gemeinschaftlichen Schicksal , kein Trost in den Widerwärtigkeiten , die euch trafen ? Und wenn er es war ? - O , so gönnt ihn auch euren Kindern ! Gebt ihnen den Gefährten , an dessen Seite die Freude höher ihre Wangen färbt , ihr Herz entzückender klopfen und das Leiden seine Gewalt sie minder fühlen läßt ! - Weniger als je herrscht diese Freundschaft , diese Vertraulichkeit zwischen Wallenheim und mir ; wir sind einander hier wieder so fremd , er sieht mich so wenig , und diese Entfernung von einander erzeugt in ihm wieder die Kälte gegen mich , welche in Wallenthal sich zu verlieren schien . Männer , welche es sich zum Geschäft machen , gleich einer Biene um jede Blume zu sumsen , haben mich trösten wollen ; selbst einige , welche Verdienste besitzen , und nicht , gleich den Gecken , jedem Frauenzimmer den Hof machen , aber doch der Denkungsart der großen Welt beitreten , welche die Liebeshändel einer Frau mit dem Namen Galanterien belegt , und diese ganz untadelhaft findet , haben auch die Zahl meiner Anbeter vermehrt . Aber , Henriette ! Herrmanns Bild , mit so starken , so liebenswürdigen Zügen in meinem Herzen eingegraben , läßt mich nicht fürchten , daß ich meine Pflichten vergessen werde ! Zwar hoffe ich , daß , wenn ich auch nicht so liebte , daß keine andere Liebe sich mehr in mein Herz einschleichen kann , weil mein Herz , ohne es zu wollen , Vergleichungen anstellt , und mir dann zuflüstert : Herrmann bleibt von allen diesen Männern der edelste , der liebenswürdigste - daß ich , diesem ungeachtet , doch den Namen Gattin nicht entweihen würde . Allein mehr auf meiner Hut würde ich sein . Die Gecken fürchte ich nicht , aber der Mann von Gefühl könnte mich empfindlich finden , ihn würde ich vermeiden . Ich glaube nicht , daß das Band der Ehe uns unempfindlich macht , besonders wenn die Liebe es nicht geknüpft hat ; aber eine Neigung zu einem Anderen unterhalten , ist strafbar , weil wir ihre Grenzen nie bestimmen können , weil sie bald in uns zur heftigen Leidenschaft wird , die Befriedigung fordert , und zu fehlerhaften Handlungen uns verleitet . Ja , ich würde bei dem Bestreben des angenehmen , des verdienstvollen Mannes , mir zu gefallen , mich fragen : Hat er auch keinen Eindruck auf Dich gemacht ? Ich würde , wenn es wäre , diesem entgegen arbeiten , ich würde ihn fliehen . - Lache nicht , Henriette , die Flucht verrät vielleicht Schwachheit ; allein Mißtrauen in uns selbst kann uns Leidenschaften besiegen lassen , und wird uns immer verhindern , ihnen zu unterliegen . - Doch , das Andenken an Herrmann , an seine Liebe , wird nie in meinem Herzen erlöschen ! Rein , schuldlos war seine Liebe . - O , es gibt noch Augenblicke , in welchen diese Erinnerung mich entzückt ! Nie werde ich sie mit dem Bewußtsein einer strafbaren Leidenschaft vertauschen . Unschuld erhöhte das entzückende Gefühl , welches an Herrmanns Seite mich beseligte ; sie ist es , welche noch heute mir diese Ruhe einflößt , wenn ich an ihn denke , die selbst dieses Andenken nicht zum Verbrechen macht . Ja wenn ich ihn gleich immer noch liebe , so ist meine Seele doch noch eben so schuldlos ; denn wäre er hier , er würde seine und meine Leidenschaft bekämpfen , ich würde mich in Wallenheims Arme werfen , und mir sagen : Ich bin seine Gattin ! - Mit diesem Gefühl wird jeder andere Mann mir gleichgültig bleiben , und jede andere Liebe verwerflich , weil ich mit ihr nicht Unschuld und Tugend vereinigen könnte . " Elisa verlebte nun den Winter auf die Art , wie sie ihn angefangen hatte ; Wallenheim und sie veränderten Beide nichts in ihrem Betragen ; er abwechselnd freundlich , mürrisch , kalt ; sie immer aufmerksam , ihm zu gefallen , immer sich bestrebend , jedem seiner Wünsche zuvorzukommen ; nie hörte er von ihr eine Klage oder einen Vorwurf , nie sah er Ihre Stirn sich runzeln ; er fand immer in ihr das gelassene , heitere , gefällige Weib , und oft sagte er es sich , daß Elisa die Erste der Weiber wäre . Der Frühling kam ; Elisa bat ihren Gatten , mit ihr nach Wallenthal zu reisen , damit sie dort die erste Einrichtung ihrer wohltätigen Anstalten treffen könnte . Er schlug es ab ; doch erlaubte er ihr , allein hinzureisen . Froh , einmal wieder im Schoße der Natur der Freiheit und der Wonne zu genießen , welche ihre mannigfaltigen Szenen im Herzen des gefühlvollen Bewunderers erwecken , und Jahre voll Zwanges vergessen machen können , reiste Elisa von B.. . Sie hatte ihrer Mutter und Karolinen geschrieben , und sie gebeten , Henriette zu erlauben , zu ihr nach Wallenthal zu kommen , und Beide , Elisa und Henriette , langten an demselben Tage dort an . Mit welchem Wonnegefühl schlossen sie einander in die Arme ! Meine Henriette ! Meine Elisa ! stammelten Beider Lippen , und innig empfanden sie das süße Glück des Wiedersehens , welches nur empfunden , nie beschrieben werden kann . Sie blieben vierzehn Tage in Wallenthal ; dieses waren frohe Tage für Elisa'n . An der Seite ihrer Henriette , beschäftiget Nutzen und Glück zu verbreiten , atmete ihre Seele die reine Wonne ausübender Tugend , und genoß des ruhigen , befriedigenden Genusses der Freundschaft in seinem ganzen Umfange . Ohne Mühe hatte sie von den herumziehenden Bettlern zehn Kinder erhalten , alle in einem Alter von zehn Jahren . Sie ließ sie kleiden , und in sechs Tagen waren sie alle in dem für sie bestimmten Hause eingerichtet . Sie ordnete ihre Beschäftigungen und ihren Unterricht , welcher stets noch unter den Landleuten und niedrigen Einwohnern der Städte so sehr vernachlässiget wird . - Aber indem Elisa sich mit dem Glück der blühenden Jugend beschäftigte , vergaß sie nicht das leidende Alter , Ruhe und Bequemlichkeit suchet der Mensch am Ende seiner Laufbahn , und zehn Greise sollten sie in Wallenthal finden . Schon waren in dem Hause der Greise neun Stuben bewohnt , aus welchen Elisa'n Segen und Dank entgegen strömten , als sie an einem Morgen mit Henriette in dem an der Landstraße gelegenen Tannenwalde spazieren ging . Ein klägliches Rufen : O , meine Tochter ! meine Tochter ! erregte bald ihre Aufmerksamkeit . Es ist das Geschrei eines Unglücklichen , rief Elisa , laß uns zu ihm eilen , Henriette ! Sie gingen nun dahin , von wo der Schall kam , und sahen einen Greis , ein Bild des Jammers . An Kräften erschöpft , war er auf den Rasen gesunken , und helle Tränen tröpfelten in seinen eisgrauen Bart . Ach , meine Tochter , du mußt sterben ! rief er wieder . Er schien seine Seele mit diesen Worten auszuhauchen ; er rang seine Hände , und blickte langsam empor gen Himmel . Jetzt hatten Elisa und Henriette sich ihm genähert ; er erblickte sie und versuchte aufzustehen ; allein seine Schwäche fesselte ihn an den Boden . Elisa . Bleibe er sitzen , guter Alter , er scheint müde zu sein , er muß erst ausruhen . Greis . ( Seufzt . ) Ach , gnädige Frau , ich werde wohl hier die ewige Ruhe finden ! Ich habe lange genug gelitten , und doch , wenn der Himmel nur noch ein Paar Tage mein Leben gefristet hätte ! Elisa . Er ist unglücklich , guter Mann , o , sage er mir , was Menschenhülfe tun kann , ihn zu unterstützen ? und ich will suchen , die letzten Tage seines Lebens frei vom Kummer zu machen ! Greis . ( Faltet seine Hände . ) Gott , ich danke dir , du sendest mir einen Retter ! ( Zu Elisa'n . ) O , gnädige Frau ! noch nie flehte ich um Almosen , aber heute , heute muß ich . - ( Er bricht in Tränen aus , welche ihn verhindern weiter zu sprechen . ) Elisa . ( Gerührt , setzt sich neben ihn . ) Beruhige er sich , guter Alter ! Es ist ja keine Schande , dürftig zu sein ! Greis . Ach , gnädige Frau ! und doch blicken so viel Menschen auf den Armen mit Verachtung ! - Aber meine Tochter , wenn ich nur die retten könnte ! Elisa . Wo ist sie , mein Freund , ich will sie holen , ich will ihr Hilfe erteilen . Greis . Wir wohnen anderthalb Meilen von hier , nahe bei Dunkelwalde ; schon seit acht Tagen ist meine Tochter krank , und seit einigen Tagen so schlecht , daß ich gestern glaubte , sie würde sterben . Da wollte ich nun heute in die Stadt gehen , zu dem Doktor , und auf den Knien ihn bitten , zu meiner Tochter zu kommen ; aber es ist noch eine Meile von hier , und ich habe gestern und heute nichts gegessen - ich konnte nicht mehr ! - Neue Tränen hemmten wieder seine Sprache . Elisa sprang auf . Bleibe bei ihm , Henriette , ich bin gleich wieder hier . Sie eilte nun zu Hause , ließ einen Wagen anspannen , befahl , daß sogleich ein anderer in die Stadt fahren sollte , um den Arzt zu holen , nahm eine Bouteille Wein und Brot mit sich , und kehrte zu dem Greise und Henriette zurück . Elisa . ( Schenkt ein Glas Wein ein , und reicht es dem Greis . ) Trinke er , guter Alter ! Ich habe auch etwas Brot mitgebracht , stärke er sich erst ; dann wollen wir zusammen zu seiner Tochter fahren , und sie hierher holen , ich habe auch schon nach dem Arzte geschickt . Greis . ( Nimmt das Glas . ) Gnädige Frau , ich kann Ihnen nicht danken . - Aber , Gott ! Du siehst mein Herz ! Elisa . Guter Greis , wenn nur seine Tochter wieder hergestellt wird , und er noch einige Zeit zufrieden in unserem Dorfe lebt , das wird mir Danks genug sein ! Greis . ( Blickt dankbar gen Himmel . ) Gütiger Vater , ich will nicht mehr klagen , da es noch solche gute Menschen auf deiner Erde gibt ! Der Greis fühlte sich gestärkt ; die Hoffnung , seine Tochter ins Leben zurückzurufen , belebte ihn . Er stand auf , Elisa leitete ihn selbst zum Wagen , setzte sich mit ihm und Henriette hinein , und befahl dem Kutscher , so geschwinde als möglich zu fahren . Der Greis saß nun da mit gefalteten Händen , mit Tränen im Auge , seine Blicke bald auf Elisa'n , bald gen Himmel gerichtet . Elisa . ( Nach einer Pause . ) Guter Alter , ich segne heute meinen Spaziergang ! O , wie will ich mich freuen , wenn wir erst bei seiner Tochter sein werden ! - Aber - sage er mir , ist er schon lange mit der Dürftigkeit bekannt ? Greis . Über die Hälfte meiner Tage waren Tage der Leiden für mich ! Die Geschichte meines Lebens mag dieses beweisen , wenn die gnädigen Frauen sie anhören wollen ? Elisa und Henriette . ( Zugleich. ) Gern , guter Alter . Greis . Mein Vater war Kaufmann in B... , von Geburt ein Franzose , welcher aus Liebe zu meiner Mutter , durch welche er auch in den Besitz eines geringen Vermögens gekommen war , sich in B... niedergelassen hatte . Sein Handel war nicht sehr ausgebreitet , und seine Vermögens-Umstände nur mittelmäßig ; er machte also keine Einwendung gegen mein Verlangen , das Tischlerhandwerk zu erlernen , zu welchem ich viel Neigung hatte ; denn er war nicht reich genug , mich zum Handel bestimmen zu können , da ich nicht sein einziger Sohn war , sondern noch einen Bruder und eine Schwester hatte . Ich hatte schon ausgelernt , als mein Vater bankrott machte . Wir gerieten nun in die äußerste Armut . Mein Großvater lebte noch in Frankreich , und mein Vater beschloß , daß ich hinreisen , und von ihm einige Hilfe erflehen sollte . Ich mußte einige Monate arbeiten , um mir einiges Reisegeld zu verschaffen , und ich ging dann nach Hamburg , wo ich mich an Bord eines französischen Schiffes begab . Dieses Schiff sollte im Hafen von Marseille einlaufen ; allein im mittelländischen Meere erreichte uns ein Algierischer Kaper , und ungeachtet unseres Widerstandes wurden wir zu Gefangenen gemacht . Wir kamen nach Algier und wurden Sklaven . Ach , gnädige Frau ! keine Vorstellung kann die Wirklichkeit der Mißhandlungen und des Jammers erreichen , welche die unglücklichen Sklaven dort erfahren . Man spannte uns bei Tage gleich Ochsen an den Pflug , und des Nachts wurden wir gefesselt in eine Art von Stall geworfen , wo man uns in einem Trog eine elende Nahrung vorsetzte . Die Vorstellung von meinem Vater , welcher vergebens auf Hilfe wartete , seine Verzweiflung über die betrogene Hoffnung , die Armut meiner Familie , ihr Trauern um mich , die Klagen , das Leiden meiner unglücklichen Gefährten , dieses alles zerriß zehnfach mein Herz , und machte , verbunden mit meinem eigenen Leiden , mein Leben zur Empfindung eines immerwährenden Schmerzes . Meine Gefühle wurden endlich abgestumpft , ich wurde empfindungslos gegen alles . So verlebte ich zehn Jahre ; nach Verlauf derselben traf auch mich die Reihe , von den Algierischen Fesseln , durch das Lösegeld , befreiet zu werden , welches in Europa von mildtätigen Menschenfreunden zur Befreiung der Christen-Sklaven in Algier gesammelt wird . Welch ein Augenblick war das , als man mir die Fesseln abnahm ! - Nein , nie werden Worte die unnennbaren Gefühle ausdrücken , welche mich durchströmten ! Ich stand da , war kaum meines Daseins gewiß , zweifelte an der Wirklichkeit meiner Befreiung , und freute mich ihrer doch , und hielt Alles doch nur für Träume , welche meine Einbildungskraft umschwebten . Plötzlich drang die Vorstellung von meinem Vater , von meiner Mutter tief in meine Seele ; ich fiel nieder zur Erde , weinte und rief aus : Ich werde sie wieder sehen ! Nun wurde das Verlangen , meine Eltern und mein Vaterland wieder zu sehen , das herrschende Gefühl in mir , und das Vermögen , daß ich es konnte , erfüllte mich mit unaussprechlicher Freude ; allein ein Blick auf meine unglücklichen Gefährten , welche zurückblieben , schlug auf einige Zeit sie wieder nieder . Diese jammerten laut , als sie uns weggehen sahen . Ach ich empfand das Schreckliche ihres Gefühls bei unserer Befreiung , und ich hatte zu lange gelitten , als daß fremde Leiden mich nicht tief durchdrungen hätten ! Ich weinte mit ihnen , ich ließ sie von der Zukunft Befreiung ihres Unglücks hoffen , und teilte mit ihnen das wenige Geld , welches ich erhalten hatte , damit , zum wenigsten einen Tag , sie sich Erleichterung verschaffen könnten . Mit mir waren noch neun Gefangene befreiet worden ; wir wurden alle auf ein französisches Schiff gebracht , und hatten die Überfahrt bis Frankreich frei . Diese Reise ist der glücklichste Zeitpunkt meines Lebens . Die wieder genossene Freiheit nach zehn Jahren unnennbaren Elendes , die Erwartung , die Personen wieder zu sehen , welche mir so teuer waren , dieses alles wiegte mich in die sanftesten Empfindungen der Freude , der frohen Hoffnungen und des Genusses gegenwärtigen Glücks . Wir kamen in Marseille an , und ich beschloß , nach Languedoe zu gehen , wo mein Großvater gelebt hatte , und wo ich einige von meinen Verwandten zu finden hoffte . Kaum reichte das wenige Geld , das ich hatte , zu dieser Reise ; selten kehrte ich in ein Wirtshaus ein , mein Lager war der Rasen unter dem Schatten eines Baums , und ein Stück trocken Brot oft meine ganze Nahrung . Ich kam endlich in Languedoe an , und nach vielen Erkundigungen fand ich den Bruder meines Vaters . Mein Großvater war seit einigen Jahren tot , und hatte eine geringe Erbschaft hinterlassen , welcher sich mein Oheim ganz bemächtigt , weil er in einigen Jahren nichts von meinem Vater gehört hatte . Ich gab mich ihm zu erkennen , stellte ihm die Armut meines Vaters , und die Billigkeit der Teilung vor . Er sagte mir aber , daß er keine Überzeugung davon habe , daß ich sein Neffe sei , und daß , wenn dieses auch sei , er doch keinen Teil seines Vermögens missen könnte , weil er sonst selbst mit seiner Familie würde betteln müssen . Freilich war er selbst nur in mittelmäßigen Umständen , und ich , fremd und arm , konnte nichts gegen ihn ausrichten . Er erlaubte mir , einige Tage in seinem Hause zu bleiben , um mich von meiner Reise zu erholen , gab mir dann einige Hemden , einen alten Rock , denn meine Kleidung war so zerrissen , daß ich mich kaum noch sehen lassen konnte , und einiges Reisegeld , und riet mir nun , in mein Vaterland zurückzukehren . Ich trat also meine Reise mit dem kummervollen Gedanken an , daß ich zu meinen Eltern ohne die geringste Erleichterung ihrer Armut zurückkehrte . Das Geld , welches ich von meinem Oheim bekommen hatte , reichte , bei aller meiner Sparsamkeit , denn oft lebte ich Tage lang , ohne etwas zu genießen , als das Wasser , welches ich aus einer frischen Quelle schöpfte , doch nicht weiter , als bis ich in Straßburg angekommen war . Um Almosen konnte ich nicht flehen ; bis B... mich von den erbettelten Gaben meiner Mitmenschen zu erhalten , welche sie oft mit Verachtung und Beschimpfung mir zuwerfen würden : dieser Gedanke war mir unerträglich . Ach es ist so demütigend , Anderer Mitleiden anzuflehen ! Ich hatte zwar erniedrigende Begegnungen genug erfahren , allein ich hatte sie mir doch nicht selbst zugezogen ; ich hatte Grausamkeiten erlitten , aber doch nicht Verachtung ertragen müssen . Ich beschloß also , mein Handwerk wieder so lange zu treiben , bis daß ich mir das Geld zur Reise erworben haben würde . Ich bot einem Tischlermeister meine Dienste an , und wurde angenommen . Ich blieb drei Monate in Straßburg , allein ich mußte noch einigemal auf meiner Reise in einigen anderen Städten arbeiten , weil ich immer nicht viel mehr als meinen Unterhalt erwarb . Endlich langte ich , nachdem ich ein Jahr auf dieser Reise zugebracht hatte , in dem Städtchen R... , wohin ich heute zu gehen gedachte , an . Ich hatte nun noch zehn Meilen bis B... , und je mehr ich mich meiner Vaterstadt näherte , desto unentschlossener war ich , mich in diesen armseligen Umständen meinen Eltern zu zeigen . Ich fand in einem Wirtshause in R... einen Handelsmann aus B... , ich geriet in ein Gespräch mit ihm ; er wohnte in der Nachbarschaft meines Vaters , und konnte mir daher Nachricht von ihm erteilen . Meine Mutter war tot , und mein Vater und meine Geschwister lebten in der äußersten Armut . Sie arbeiteten alle für Tagelohn , um sich zu unterhalten ; allein sie konnten nur das Notdürftigste erwerben , weil mein Vater schon sehr schwach wurde , und nicht mehr viel arbeiten konnte . Diese Nachricht erregte neuen Gram in meinem Herzen . Mein Vater hatte einige Unterstützung gehofft , als er mich nach Frankreich schickte , und - ach ! ich sollte mit leeren Händen zu ihm zurückkehren ! Ich sollte noch seine Dürftigkeit durch meinen Aufenthalt bei ihm vermehren ; denn wer wußte , ob ich gleich einen Meister finden , der mich annehmen würde ? O , dachte ich , wenn ich doch zuvor , ehe ich zu ihm zurückkehre , mir noch etwas erwerben könnte , um ihm einige Hilfe erteilen zu können . Mit diesem Gedanken beschäftigte ich mich den ganzen Tag ; am folgenden war ich immer noch unentschlossen , auch befand ich mich nicht wohl ; ich ging früh zu Bette , und bekam ein heftiges Fieber ; ich war drei Monate so krank , daß ich das Bette nicht verlassen konnte . Mein weniges Geld , was ich gehabt hatte , ging nun darauf , ich mußte meinen Rock auch noch verkaufen ; kurz , ich besaß nicht einen Pfennig , nachdem ich wieder hergestellt war . Nun konnte ich mich unmöglich entschließen nach B... zu gehen ; ich hätte von Dorf zu Dorf mich hinbetteln müssen , und welcher Meister in B... hätte mich in dem elenden Aufzug , in welchem ich mich jetzt befand , genommen ? Ich hätte mich keinem einmal zeigen können . Ich ging also zu dem Tischlermeister , welcher in dem Städtchen war , klagte ihm meine Not , und bat ihn , mich anzunehmen ; er brauchte eben einen Gesellen , und wollte es , wie er sagte , mit mir versuchen . Der Meister hatte wenig Bestellungen , ich erwarb also nicht viel . Immer beharrte ich auf dem Vorsatze , so viel zu erwerben , um nicht mit dem Ansehen eines Bettlers zu meinem Vater zurückzukehren . Ich blieb also fünf Jahre in R.. . Ich hatte mir nun wieder einige Kleidungsstücke angeschafft , und hatte noch überdem zehn Taler , diese wollte ich meinem Vater bringen . Ich ging nach B . Aber - Ach , gnädige Frau , wie werde ich Ihnen meinen Schmerz beschreiben können , als ich meinen Vater nicht mehr fand ! Er war seit einem halben Jahre tot , und meine Geschwister waren nicht mehr in B ... Ich stand da , als wenn meine Füße an den Boden geheftet wären ; zernichtet war jede Hoffnung für mich , ich glaubte mich allein in einer Einöde zu sehen . O wie viele Vorwürfe machte ich mir ! Eine falsche Scham hatte mich abgehalten , zu meinem Vater zu eilen , als ich ihn noch sehen konnte , und nun hatte ich ihn auf ewig verloren ! Ich ging endlich in die Stube , in welcher er gewohnt hatte , da warf ich mich auf den Boden , und schluchzte laut . Ach eine düstre Schwermut verbreitete sich seit diesem Augenblicke auf mein ganzes Leben ! Ich kehrte am folgenden Tage zurück nach R... , denn man konnte mir den Aufenthalt meiner Geschwister nicht sagen . Mein Bruder war als Bedienter in die Dienste eines Herrn getreten , der auf Reisen war , und meine Schwester hatte geheiratet ; allein man wußte nicht , wo sie hingekommen war . Ich arbeitete nun wieder bei meinem vorigen Meister , war aber unaufhörlich traurig . Er war ein guter Mann , er suchte oft mich zu trösten , und begegnete mir als seinem eigenen Sohne ; ich gewöhnte mich nach und nach , mich als ein Glied dieser Familie zu betrachten . Wir teilten gegenseitig Kummer und Freude . Der Meister hatte fünf Söhne und eine Tochter ; das Mädchen hatte mich liebgewonnen . Einst sagte ihr Vater zu mir : Martin , du bist zwar arm , aber arbeitsam , meine Tochter ist auch arm , ein reicher Mann heiratet sie doch nicht , das Mädchen liebt dich , kannst du sie leiden , so nimm sie ; Gott wird euch seinen Segen geben ! Mir hatte das Mädchen stets gefallen , mich dünkte immer , daß ich weniger traurig war , wenn ich bei ihr war . Ich dankte dem Vater , und fragte Loten , so hieß sie , ob sie mich wohl haben möchte ? Ach Martin , sprach sie , ich bin dir so herzlich gut , gern will ich Freude und Leid mit dir teilen ! Sie weinte bei diesen Worten ; auch ich weinte und küßte sie . Vier Wochen darauf war unsere Hochzeit . Ich fuhr fort bei meiner Frauen Vater zu arbeiten ; wir lebten dürftig , aber wir erwarben uns doch unseren Unterhalt . Mein Schwiegervater lebte noch fünf Jahre , meine Frau war indes Mutter zweier Söhne geworden . Als mein Schwiegervater starb , wollte ich Meister in R. werden ; allein ein anderer Tischlermeister , welcher sich schon vor einiger Zeit dort niedergelassen hatte , suchte dieses zu verhindern ; es gelang ihm , denn er war reich . Ich mußte aus R... ziehen , weil ich dort keinen Verdienst mehr fand . Ich mietete das Haus bei Dunkelwalde , in welchem ich noch jetzt wohne . Nun arbeitete ich als Taglöhner , auch mein gutes Weib arbeitete fast Tag und Nacht ; nie klagte sie über Armut oder Mühseligkeiten . Lieber Mann , sagte sie mir oft , wir werden immer so viel verdienen , daß wir leben können , und was brauchen wir mehr ? Unseren Kindern wird Gott weiter helfen ! Ihr Mut , ihre Standhaftigkeit half mir unsere Dürftigkeit ertragen , ein Leben voll Kummer hätte die meinige niedergeschlagen . Nach einem Jahr gebar meine Frau eine Tochter ; sie war acht Tage in Wochen , da bekamen unsere Söhne die Blattern , und starben Beide . - Ach jetzt war keins von uns fähig , den Anderen zu trösten ! Als unser zweiter Sohn die Augen schloß , da reichte ich meiner Frau die Hand , und sprach : Weib , wir verbanden uns , alles Ungemach zu tragen ! Sie sank auf seinen Leichnam und ich auf meine Knie , und lange lagen wir so und schluchzten laut , bis endlich die kleine Lotte schrie ; da richtete ich mich auf : " Weib , sprach ich , wir haben noch ein Kind , Dein allzuheftiger Schmerz wird es umbringen ! Ach bereite uns nicht noch mehr Leiden ! " Ich nahm das Mädchen aus der Wiege , und gab sie der Mutter . Sie drückte sie mit innigster Wehmut an ihr Herz , benetzte sie mit ihren Tränen , und legte sie endlich an ihre Brust . " Ach ! mein Fritz , mein Ludwig , rief sie aus , auch euch ernährte ich einst an meinem Busen , und nun - " Verzweiflungsvoll rang sie wieder die Hände . Ich fürchtete , sie würde sich und das Kind töten , ich nahm ihr es wieder , und legte es in die Wiege . Ich umarmte sie : Meine Lotte , sprach ich , vergiß nicht deines dritten Kindes ! Sie hing sich nun an meinen Hals , und unsere Tränen flossen zusammen . Wir durchweinten die Nacht . Am Morgen bat ich Loten , sich ins Bette zu legen , sie schlummerte eine Stunde ; aber unsere folgenden Tage waren nun alle trübe . Ach ! der Anblick unserer Kinder hatte uns so oft erfreuet und gestärkt , hatte uns jede Arbeit erleichtert , wenn wir das mit Mühe erworbene Brot mit ihnen teilten ! - Indes wuchs unsere Lotte heran , und in ihr vereinigte sich nun unsere ganze Liebe und Sorgfalt ; sie wurde ein gutes Mädchen . Als sie erwachsen war , teilte sie jede Arbeit und Beschwerde mit uns . So verlebten wir nun unsere Jahre , zwar unter Mühseligkeiten , doch in Ruhe ; allein unsere Kräfte nahmen ab , folglich auch die Mittel zu unserer Unterhaltung . Vor zwei Jahren starb mein Weib . - Der Schmerz über diesen Verlust machte mich so schwach , daß ich nicht mehr zu arbeiten vermochte . Meine Tochter war nun meine einzige Unterstützung , ihrer Hände Arbeit unser einziger Unterhalt ; auch arbeitete das gute Mädchen unaufhörlich . Ach , oft benetzte ich mit meinen Tränen das Brot , welches sie so sauer erworben hatte , und wußte nicht einmal , daß meine Tochter hungerte , um es mir zu geben ! Und mitten unter diesen Mühseligkeiten tröstete sie mich , wenn ich kummervoll auf sie blickte . Ach , sie war das letzte , das einzige Gut , welches mir übrig blieb ; ihre Liebe , ihre Sorgfalt machte mich jede Not , oft selbst die Bekümmernis um sie vergessen , und nun - o , meine Tochter ! nun sollst du sterben ! - Elisa . ( Ihn bei der Hand fassend . ) Guter Greis , seine Tochter kann ja noch gerettet werden . Mangel an Hilfsmitteln und gehöriger Pflege haben vielleicht ihre Krankheit so schlimm gemacht , und diese Ursachen sollen nun aufhören . Nun erblickte sie in der Ferne das Haus , welches der Greis bewohnte ; er wurde unruhiger , je mehr er sich demselben näherte . Ach , meine Tochter , werde ich dich noch sehen ? rief er , als der Wagen stille hielt . Angst und Liebe gaben ihm Kräfte ; er ging schnell in das Haus , Elisa und Henriette folgten ihm . Ein Tisch , zwei Betten und zwei Stühle war alles , was in der Stube stand , und alles , was der Greis besaß . Er warf sich auf das Bette seiner Tochter , sie lebte noch ; sie schlief , aber sie schien eine brennende Hitze zu haben . Sie erwachte bald ; allein sie bekam einen heftigen Paroxysmus , aus welchem Elisa und Henriette schlossen , daß sie das hitzige Fieber hätte . Elisa schickte nach Dunkelwalde , und ließ dort den Amtmann um Zitronen bitten , und bereitete Zitronenwasser , welches sie ihr trinken ließ , nachdem der Paroxysmus vorüber war . Sie ließ sie nun in den Wagen bringen , und sie fuhren zurück nach Wallenthal ; sie wurde gleich in die Stube gebracht , welche für sie und ihren Vater bestimmt war ; auch war der Arzt schon vor ihnen da , und versicherte den Greis , daß sie noch nicht ohne Hoffnung wäre . Elisa und Henriette wachten diese Nacht wechselsweise bei dem Mädchen , und nach einigen Tagen befand sie sich in der Besserung . Den Tag vor ihrer Abreise ging Elisa mit ihrer Henriette noch einmal in die Wohnungen , welche sie für das Glück und die Ruhe so vieler Menschen errichtet hatte ; sie hatten dem Prediger von Wallenthal die Aufsicht über diese Anstalten ihrer Wohltätigkeit gegeben . Sie nahm nun Abschied von den Kindern , versicherte sie ihrer beständigen Sorgfalt für sie , ermahnte sie zum Fleiße , zur Gelehrigkeit , und ihre Aufseher zur Ordnung und Treue . Die fröhliche Miene der Kinder , ihre kindischen Versicherungen , daß sie immer alles gern tun würden , was die gnädige Frau haben wollte , freuten sie sehr ; sie erteilte noch einem jeden ein kleines Geschenk und verließ sie. Elisa ( Zu Henriette , nachdem sie aus dem Hause der Kinder gekommen ist . ) Liebe Henriette , was ist es doch für eine süße Empfindung , wenn man für das Wohl der Menschen arbeitet ! Wenn ich diese Kinder sehe , ist mir , als wäre ich an einem schönen Sommermorgen voller Erwartung eines schönen Tages ; ihre Gutmütigkeit läßt mich hoffen , daß sie den Zweck des Menschen erreichen werden , sie werden glücklich und in ihrem Stande nützlich sein . Doch nun komme zu unseren Greisen , auch von ihnen will ich Abschied nehmen . Sie fanden diese alle vor dem Hause versammelt ; auch Lotte war herausgekommen , um der schönen Frühlingsluft zu genießen , ob sie gleich noch nicht völlig hergestellt war . Elisa . ( Nähert sich ihnen . ) Guten Tag , meine Lieben ! Seid Ihr alle noch wohl , noch zufrieden ? Einige . Ach , gnädige Frau ! Ihre Güte - Elisa . Ihr könnt doch wohl noch einige Bedürfnisse haben , die ich nicht kenne , und die ich leicht befriedigen könnte ? Einige . Einen Wunsch haben wir noch ; aber den kann nur der Himmel erfüllen . Er ist für Ihr Glück . Elisa . Ich danke Euch , meine Lieben ! ( Eine Pause . ) Ich kam hierher , um von Euch Abschied zu nehmen , ich reise morgen weg . ( Alle sehen sich betrübt an , Elisa wendet sich zu Martin . ) Guter Greis , Er wird doch wohl nun auch bei uns wohnen bleiben ? Er sieht unsere Einrichtung . Seine Tochter braucht nun Seinen Unterhalt nicht mehr kümmerlich zu erwerben ; allein wenn sie künftig durch ihrer Hände Arbeit für sich etwas verdienen will , so werde ich dafür sorgen , daß sie immer Arbeit bekommt . Greis . ( Tränen strömen von seinen Wangen . ) O , gnädige Frau ! Sie retteten sie vom Tode , Sie senkten Ruhe auf meine alten Tage , durch Sie kann ich mich meiner letzten Lebenstage freuen ! - Nein , keine Worte können Ihre Güte und meinen Dank ausdrücken ! Alle zugleich . Ach , Sie haben uns alle glücklich gemacht ! Elisa . ( Gerührt. ) Es freut mich , meine Lieben , wenn es mir gelungen ist , Euch zufrieden gemacht zu haben . Ihr könnt glauben , daß ich glücklich dadurch werde . Lebt nun in Eintracht unter einander , und wenn ihr etwas verlanget , so sagt es dem Herrn Prediger , er wird es mir schreiben , und ich werde es euch gewähren , wenn ich kann . Alle weinten jetzt , alle schlossen einen Kreis um Elisa'n , sie reichte einem Jeden die Hand . Lotte warf sich zu ihren Füßen . Gott , ihr deinen Segen ; stammelte ihr Vater . - Lebt wohl , meine Freunde ! rief Elisa , ich werde euch nicht verlassen ! Sie wollte nun gehen , aber noch hielten einige ihr Kleid , einige ihre Hand . Süße Tränen der Empfindung und der belohnten Tugend glänzten in Elisa's Auge . Liebevoll blickte sie noch auf einen Jeden , und riß sich dann von ihnen los . Segenswünsche und Danksagungen folgten ihr , und auf allen Gesichtern waren dieselben Empfindungen : Liebe , Dank , Freude und Rührung , ausgedrückt . Henr . ( Nachdem sie einige Zeit schweigend fortgegangen sind . ) O ! meine Elisa , empfange meinen Dank , daß Du mich zur Zeugin Deines Glücks machtest ! Elisa . ( Umarmt Henriette . ) Deine teilnehmende Freundschaft erhöht jedes mich beseligende Gefühl , und Dir verdanke ich sie auch , Du lehrtest mich meine Pflichten erfüllen ! Henr . Nein , meine Elisa , die Vernunft gab Dir die Kraft , eine Leidenschaft zu besiegen , und die Natur dieses richtige Gefühl für das Gute und Schöne . Elisa . Ja ! Dank der gütigen Vorsicht , daß ich beider Stimmen hören konnte , und daß nichts außer mir sie übertäubte ! Sie schenken dem Sterblichen , der auf sie hört , die seligsten Freuden ! Henr . Du kannst Dir nicht vorstellen , Elisa , wie sehr , seitdem ich hier bin , mein Glaube an Tugend und an die Glückseligkeit , die sie gewährt , gestärkt ist ! - Es ist mir so süß , Deine Seelenruhe zu sehen , ich fühle es überzeugend , daß Du glücklich bist , und glücklich durch die Ausübung Deiner Pflichten ! Elisa . Ja , meine Henriette , ich bin es ! Mein Glück ist der Genuß innerer , wahrer Zufriedenheit , und die Aussicht einer immer glücklicheren Zukunft ; denn jedes tätige Bestreben , Nutzen und Glück um mich zu verbreiten , wird diese Zufriedenheit erhöhen . - Und , Henriette - bald werde ich die süßesten Pflichten , Mutterpflichten zu erfüllen haben . - O , welch ein seliges Vergnügen wird in ihrer Ausübung liegen ! Schon der Gedanke daran erfüllt mich mit unaussprechlicher Freude ! Henr . Ja , meine Elisa , auch ich fühle es , daß die Summe Deines Glücks sich mit der Summe Deiner Pflichten vermehrt . Edles Weib ! Dank sei der Tugend , daß sie Dich belohnt für die Opfer , die Du ihr brachtest ! Elisa . Gewiß , Henriette , das tut sie immer , wenn die Menschen dieses nur versuchen wollten . O , es ist so etwas Beruhigendes , so etwas Seliges in dem Gedanken : ich erfülle alle meine Pflichten ; und je schwerer sie sind , desto mehr erhebt er uns in unserer eigenen Meinung , desto mehr Kraft finden wir in unserem Selbstgefühl , bloß nach den Gesetzen des Guten und Edlen zu handeln , selbst mit Aufopferung unserer liebsten Neigungen , um in uns die höchste Stufe menschlicher Größe zu erblicken ; denn Eigenliebe und Stolz bleiben doch immer mächtige Triebfedern unserer Handlungen . - Ja , Henriette , oft denke ich , wie weit entfernt ich noch von jener himmlischen Tugend bin , welche immer sich gleich , stets ihren Pflichten gemäß handelt , ihnen ihre Neigungen , ihre Freuden opfert , und über alle Leidenschaften siegt . Oft frage ich mich : Wenn ich Herrmann zuweilen sähe , würde ich ihm und der Liebe widerstehen ? Würde ich mich bestreben , eben so meine Pflichten gegen Wallenheim zu erfüllen , würde ich nicht nachlässiger darin werden , würde ich eben so geduldig , eben so bereit sein , jeden seiner Wünsche zu erfüllen ? Ich zittere dann , die Antwort meines Herzens zu hören , und unterdrücke sie . Siehe , heute , wo ich wirklich mit den Kindern , und der Besorgung für die Bequemlichkeit und Ruhe der Greise beschäftiget , wo ich von ihrem Abschied , von ihrem Dank gegen mich , gerührt war , wo selbst die göttliche Empfindung : Diese Menschen mache ich glücklicher , mein ganzes Wesen durchströmte , lag doch der Gedanke : Heute vor einem Jahre sah ich Herrmann zum Erstenmal , wie im Hinterhalte meiner Seele . Sein Bild , wie er neben seiner Mutter stand , voll kindlicher Liebe , und Blicke des Wohlgefallens auf mich war_es , schwebte beständig vor mir ; Tränen des seligsten Vergnügens und der Rührung vergoß ich , als ich Abschied von den guten Leuten nahm ; aber zu gleicher Zeit entfuhren mir Seufzer , welche Herrmanns Andenken erpreßte . Henr . Meine edle Freundin , keine Blicke in die Vergangenheit ! Freude und Leid erteilte das Schicksal Dir in diesem Jahre , mutlos und traurig könnte ihr Andenken auf einige Zeit Dich machen ! Elisa . Besorge nichts , Henriette ! Hast Du vergessen , daß ich mir auch Gegenmittel bereitete ? O , ich darf nur an meine Einwohner in Wallenthal denken , ich darf nur durch meine Bemühungen Wallenheim zufrieden und freundlich sehen , dann verliert das Andenken von seiner Stärke , und ich werde wieder ruhig . Henr . Ja , diese Ruhe wird unvergänglich wie Deine Tugend sein ! Elisa . Enthusiastische Lobrednerin ! Vergißt Du mein voriges Geständnis ? Henr . Du selbst , Elisa , tadelst Du Dich dessen ? Elisa . Ich habe Dir schon gesagt , daß diese fortdauernde Liebe zu Herrmann mich von meinen Pflichten abziehen könnte , und also finde ich sie verwerflich . Allein mir selbst kann ich bezeugen , daß ich diese Liebe zu schwächen mich bestrebe , daß ich nie vergesse , daß ich Gattin bin , und daß ich noch aufmerksamer auf mich sein würde , wenn Herrmann gegenwärtig wäre - und endlich , daß ich in ihm die Tugend liebe , und daß zugleich seine liebenswürdigen Eigenschaften es mir unmöglich machen , ganz aufzuhören , ihn zu lieben ! Henr . Du entschuldigest Dich also ? Elisa . Ich kann über mich keinen Ausspruch tun , ich habe Dir mein Herz geöffnet . Henr . In jeder gemeinen Seele würde ich so viel Liebe gegen einen Anderen verdammen ; aber mit Deiner Standhaftigkeit , mit Deiner Anhänglichkeit an Tugend , wird sie für Dich unschädlich ! Elisa . Glaubst Du , Henriette , daß das Weib , welches gewohnt wäre , alle ihre Begierden zu befriedigen , so lieben könnte , als ich ? Henr . Wahr , Elisa ! Du läßt mich fühlen , daß keine gemeine Seele so lieben würde . Elisa . Ach , ich mag mich nicht entschuldigen ! Ich fühle ja , wie teuer mir Herrmann noch ist ; allein wenn es nicht in meiner Gewalt ist , meine Neigung ganz zu unterdrücken , so sind doch meine Handlungen in derselben , und nie leitete Leidenschaft diese , sondern Erkenntnis des Guten . Henr . Ja , Dank dem Urheber Deiner Tage ! Elisa . Wohl , Dank ihm ! Bei seinem Andenken schwor ich , der Tugend treu zu bleiben , auch bei dem Andenken des liebenswürdigsten Mannes , und nun bald werde ich es schwören , bei dem heiligen Namen Mutter , den ich erlangen werde ! - - Könnte ich wohl einen dreifachen Meineid begehen ? Henr . O , Tugend ! wie erhaben machst du ! welch ein seliger Anblick , den Sterblichen zu schen , in dessen Herzen du wohnest ! Elisa . ( Umarmt Henriette mit Innigkeit . ) Meine Henriette , diese Wärme für sie teiltest Du mir mit ! Ja , Deine Gegenwart belebt jedes gute Gefühl dann aufs neue in mir . Dein Herz versteht das meinige , dieses gibt ihm Leben und Wärme - Äch , und morgen schon müssen wir uns trennen ! - ( Tränen rollten bei diesen Worten von Beider Wangen . Eine Pause . ) O , wie gerne bliebe ich hier in Wallenthal wohnen ! Hier sind mir meine Beschäftigungen alle so angenehm , und sie mit Dir teilen , ist mir doppelt süß . In B... ist das Leben , welches ich führe , langweilig , ich habe dort keinen Freund , und hier finde ich der Freuden so viele . Henr . Vielleicht kannst Du Wallenheim bewegen , einen Teil des Sommers hier zuzubringen . Elisa . Vor der Jagdzeit wird er nicht herkommen , und dann fängt die Natur schon an zu trauern . Und das Andenken an den vorigen Sommer wird in B... gewiß mir trauriger sein , als es mir hier sein würde . Henr . Fast sollte ich glauben , daß die Einsamkeit und die Spaziergänge es lebhafter in Dir erwecken , und Dich folglich trauriger machen würden . Elisa . Nein , Henriette ; hier beschäftigen so viele andere Gegenstände meinen Kopf und mein Herz . Selbst wenn ich auf unseren Spaziergängen an Herrmann , an die Liebe und an ihre Freuden dachte , so zerstreute mich das Vergnügen , welches ich immer im Genuß der Natur empfinde . Wenn man ihre Schönheit , ihre Mannigfaltigkeit betrachtet , so drängen sich so viele Gefühle , so viele Betrachtungen auf , daß man von den Hauptvorstellungen der Seele abgezogen wird . Allein , eingeschlossen in B... , ist nichts , was zu meinem Herzen so nahe spricht , um mich jenen Erinnerungen zu entziehen . Henr . Es sind aber auch keine Gegenstände da , welche Dich auf diese Erinnerungen leiten . Elisa . ( Lächelnd. ) Dann werde ich nichts mehr von meiner Liebe für Herrmann fürchten , wenn ich an ihn erst muß erinnert werden . ( Sie seufzt . ) Und jetzt - wo jeder Tag mir die Vergangenheit zurückruft ! - Doch laß uns hiervon abbrechen , Henriette ; ich habe schon das Gesetz , welches ich mir machte , überschritten . - Sie gingen nun schweigend nach Hause . Dieser Abend war für Beide traurig , denn Beide empfanden aufs Neue den Schmerz der Trennung . Indes freute sich doch Elisa , ihren Gatten wieder zu sehen ; ihre Abneigung gegen ihn hatte sie überwunden , und nach ihren Grundsätzen konnte der Mann , der ihr Gatte war , der Vater ihres Kindes sein würde , ihr nicht gleichgültig sein . Sie hatte ihm geschrieben , und ihm den Tag bestimmt , an welchem sie zurückkommen würden ; allein sie fand ihn nicht zu Hause . Erst um Mitternacht kam er zurück ; sie eilte ihm entgegen und umarmte ihn . Wahlen . ( Verwundert. ) Sie noch auf , Elisa ? Ich glaubte , Sie würden zu sehr von der Reise ermüdet sein ? Elisa . In der Tat bin ich etwas müde ; allein ich wünschte doch , Sie heute noch zu sehen ! Wahlen . ( Küßt ihre Hand . ) Elisa , Sie sind zu gütig ! Ein Lächeln , und der sanfteste Händedruck war ihre Antwort . Wallenheim war gerührt über ihre Aufmerksamkeit , ihre Nachsicht gegen ihn , in dem Augenblick , da er ihr den empfindlichsten Beweis seiner Kälte gegeben hatte . Den ganzen folgenden Tag war er äußerst gefällig gegen sie ; allein der Eindruck verlosch wieder , und sein Betragen gegen sie blieb dasselbe . - Erst in der Mitte Augusts reiste Wallenheim mit seiner Gattin nach Wallenthal . Wie im vergangenen Jahre war dort die Jagd seine einzige Beschäftigung , und Elisa der Einsamkeit überlassen ; allein ihre Beschäftigungen machten ihr diese süß . Unaufhörlich mit dem Glücke der Einwohner Wallenthals beschäftiget , vergoß sie oft Freudentränen , wenn sie auf so vielen Gesichtern Zufriedenheit und Freude las . Täglich besuchte sie die Kinder und die Greise , und der Anblick aller dieser Geschöpfe war eine unerschöpfliche Quelle des süßesten Vergnügens für sie . Auch war sie jetzt nicht bloß ruhig und heiter , sondern lustig und froh . Selbst Wallenheim teilte sie diese Heiterkeit mit ; oft vergaß er des Nachmittags zur Jagd zurückzukehren , indem er mit Elisa'n die Stunden verplauderte ; sie ging dann mit ihm in das Dorf . Fleiß , Unschuld und Freude fand er , durch die Bemühungen seiner Gattin , bei seinen Untertanen vereiniget , er wurde oft dadurch gerührt ; denn wo ist der Sterbliche , auf den das Bild der Tugend und des Glücks ganz seine Macht verloren hätte ? Elisa freute sich , wenn sie sein Herz sich den Empfindungen der Liebe und der Freude öffnen sah ; er selbst war dann vergnügter , und sagte zu Elisa'n , sie sei für ihn die Schöpferin neuer , ihm unbekannter , Freuden . Elisa . O , Carl ! dann wäre ja mein heißester Wunsch , Sie heiter und glücklich zu machen , erfüllt ! Wallenheim . O , daß ich eine Seele hätte , wie die Ihrige ; so empfänglich für jedes Gute , so wohlwollend , so frei von Fehlern , damit auch Sie in der Übereinstimmung mit mir , so glücklich würden , als Sie es verdienen ! Elisa . Glauben Sie mir , Wallenheim , ich bin es schon durch Ihren Beifall , Ihre Zufriedenheit , und die Liebe , welche alle diese guten Leute gegen mich hegen . Wallenheim . ( Umarmt sie . ) Vortreffliches Weib ! - So nannte Wallenheim stets seine Gattin , wenn er von ihren Tugenden gerührt war ; allein der Eindruck davon war nicht von Dauer . Von Natur zurückhaltend , kalt und in sich verschlossen , konnten Bewunderung und Liebe wohl auf einige Augenblicke sein Herz erwärmen , aber nicht in demselben haften . Sein Charakter blieb derselbe , und äußerte sich immer auf eine gleiche Art . Gegen Ende des Septembers kam Wallenheim mit seiner Gattin zurück nach B... , weil Elisa ihre Niederkunft erwartete . Sie gebar einen Sohn . Sie schrieb an Henriette , sechs Wochen , nachdem sie Mutter geworden war : " O , meine Henriette , laß mich Dir das süße Gefühl mitteilen , welches mich jetzt so unaussprechlich glücklich macht ! Ich schreibe Dir , neben der Wiege meines Sohns , fast in jedem Augenblicke meine Blicke auf ihn richtend , mein Herz ihm entgegen klopfend . - Wie sanft er ruhet ! - O , Henriette ! mächtig drängt sich der Gedanke mir auf : Immer wird er so ruhen , wenn Du sein Herz zur Tugend bildest ! - Ach ! seit dem Augenblicke seines Daseins fühlte ich diese Verpflichtung , und zitterte , daß ich zu ohnmächtig sein würde , sie ganz erfüllen zu können ! Wie kann man noch leichtsinnig sein , nachdem man Mutter ist ? Wie kann es noch Weiber geben , welche bei dem Gedanken nicht erschüttert werden : Dieses Geschöpf ist deiner Sorgfalt anvertrauet , du kannst vielleicht durch die guten , oder die schlechten Eindrücke , die es durch dich empfängt , das Glück oder das Unglück seines Lebens bestimmen ? Und dieses Geschöpf , dessen Schicksal vielleicht in deiner Hand steht - ist dein Kind ! Henriette , diese Worte schallen beständig vor meinen Ohren . Wenn ich des Nachts erwache , so ist Carl mein erster Gedanke , und stundenlang bin ich mit Entwürfen seiner Erziehung beschäftiget . Denn ungeachtet alles dessen , was man jetzt über Erziehung schreibt , ist sie doch im Ganzen noch nicht viel besser als sonst . Und so lange Mütter nicht selbst dieses Geschäft übernehmen , wird sie es auch nie sein ; denn die erste Erziehung ist ganz von ihnen abhängig , und schon in den ersten Jahren der Kindheit kann man die junge Seele zum Guten gewöhnen , ihr Liebe dafür einflößen ; denn die Eindrücke , welche sie dann bekommt , bleiben unauslöschlich das ganze Leben hindurch . Und wer ist wohl geschickter , das Herz eines Kindes zu bilden , als eine kluge und tugendhafte Mutter ? Wer wird mit mehrerer Wärme , mit mehrerer Sorgfalt daran arbeiten , als sie ? Gewiß , auch der geschickteste Erzieher nicht . - O , ich will sie alle erfüllen die Pflichten , welche die Natur mir auferlegte ! Mein Carl soll beständig bei mir sein , ich will seine ersten Handlungen , seine ersten Neigungen leiten ; stets will ich ihn beobachten , um die Anlagen seiner Seele zu entdecken , und ich selbst will seine ersten Fähigkeiten entwickeln . Nur meine Liebe zu ihm , fürchte ich , könnte mich vielleicht verblenden , parteiisch machen . Ach , ich kenne so viele gute Mütter , welche es nicht ahnden , daß sie die Fehler ihrer Kinder übersehen , und sich von ihrem Willen leiten lassen ! O , wärest Du bei mir , meine Henriette , Du solltest mich warnen , wenn Du sähest , daß mütterliche Zärtlichkeit die Klugheit besiegte ! - Ich bin allein ; Wallenheim beobachtet mich zu wenig , und ist zu wenig bei mir , als daß er bei der Erziehung meines Kindes mein Freund und Ratgeber werden könnte ; ich muß mich also auf mich selbst verlassen , und mit doppelter Anstrengung will ich über mich wachen , damit meine Liebe nicht Schwachheit werde . - Du weißt , daß ich selbst mein Kind stille , Wallenheim erlaubte es mir , und stets hielt ich es ja für die erste Pflicht der Mutter , wenn ihre Gesundheit es erlaubet ; und jede unverdorbene Seele , jedes Weib , welches nicht Gefühl für die Natur und ihre Freuden verloren hat , wird gewiß in dieser mütterlichen Pflicht eine ihrer seligsten Vergnügungen finden . O , wenn mein Carl an meinem Busen liegt , wenn das Lächeln seines Wohlbehagens mir der Ausdruck seines Danks und seiner Liebe zu sein scheint , und ich mir dann sage : Mit der ersten Nahrung , welche die Natur ihm bereitete , saugt er keine wilden Leidenschaften , keine Keime des Lasters ein , sondern die ruhigen , wohlwollenden Empfindungen seiner Mutter ; wenn seine Bildung , sein künftiges Glück mich dann beschäftigen - O , Henriette , dann kenne ich nur zwei Empfindungen : Liebe und Freude ! die reinste Liebe und die seligsten Freuden ! Mütterliche Empfindungen sind noch über die Empfindungen der Liebe , und nie war ich so glücklich an Herrmanns Seite , als ich es bin , meinen Sohn in meinen Armen haltend . Selbst Wallenheim ist mir , seitdem ich Mutter bin , teurer geworden . Er ist der Vater meines Kindes . - Ach , ich fühle es , wie viel Liebe dieser Name heischt ! Und auch ich bin ihm nicht mehr so gleichgültig , seitdem ich Mutter bin . Er wünschte sehr einen Sohn , und Du kannst nicht glauben , wie sehr ich mich freute , daß sein Wunsch erfüllt wurde . Als er zum Erstenmal das Kind an meinem Busen sah , blieb er lange , mich betrachtend , stehen ; seine Blicke drückten Vergnügen und Rührung aus . Endlich umarmte er mich und das Kind , und sprach : O , möchtest du doch mit der Milch deiner Mutter alle ihre Tugenden einsaugen ! Dieser Ausruf rührte mich sehr ; o ! ich nahm es mir vor , mit Geduld seine Fehler zu ertragen ! Ich sehe , daß sein Herz der Empfindung fähig ist , und wären wir immer in Wallenthal , es würde mir gelingen , es für jedes gute Gefühl zu erweichen ; allein in B... erstickt Liebe zur Pracht und zum Spiel jede andere Empfindung , welche Vaterliebe und Achtung zu mir in ihm erregt . Auch ist er jetzt wieder viel abwesend , und wenig bei mir ; allein die ersten Wochen nach meiner Niederkunft verließ er mich fast gar nicht . Ich werde diesen Winter wenig ausgehen . Wie froh bin ich , daß ich von dem Zwange und der lästigen Gesellschaften befreiet sein werde ! Zu Hause , mit meinem Kinde beschäftiget , werde ich der stillen häuslichen Freuden genießen , und die Gesellschaft meines kleinen Karls wird mir unterhaltender sein , als alle die glänzenden Zirkel , in welchen ich im vergangenen Jahre so viele Stunden langweilig zubrachte . Hätte ich meine Henriette nun noch , o , dann würde Freundschaft und mütterliche Liebe , jede Stunde mir den reinsten Genuß des Lebens gewähren ! - Carl erwacht . - Lebe wohl , meine Henriette ! Mein Sohn entzieht mich Dir ! " - Ja , Elisa erfüllte sie treu , die Pflichten der Mutter ; sie wurde ihres Sohnes erste Erzieherin , und schon mit dem ersten Augenblick seines Daseins weihte sie ihm ihre ganze Sorgfalt . Sie hatte es von Wallenheim erlangt , daß , auch nachdem sie aufgehört hatte , ihn zu stillen , sie doch nicht mehr so viel in Gesellschaft zu gehen brauchte , und nachdem Carl ein Jahr alt war , nahm sie ein Frauenzimmer von mittlerem Alter und guter Erziehung zu sich , welcher sie den Plan ihrer Erziehung mitteilte , ihr Verhalten gegen ihn bestimmte , unter deren Aufsicht er blieb , wenn sie abwesend war . Im Sommer ging Wallenheim mit seiner Gattin wieder auf einige Wochen nach Wallenthal , und Henriette , welche sie nun über ein Jahr nicht gesehen hatte , erhielt von der Baronin von Hohnau und Karolinen die Erlaubnis , ihre Freundin dort zu besuchen . Sie fand Elisa'n vergnügt und glücklich ; ihre Miene war ganz wieder der Ausdruck der Ruhe und Unschuld : aber Wallenheim schien ihr noch eben so rauh , eben so mürrisch zu sein , als er es in Hohnauschloß war . Wie ehrwürdig fand sie ihre Freundin , wenn er voller übler Laune ihr sein Mißvergnügen über einige Anordnungen , die sie in ihren häuslichen Angelegenheiten gemacht hatte , und welche nicht seinen Beifall hatten , in ziemlich harten Ausdrücken zu verstehen gab , und sie dann mit dem sanftesten Tone ihm ihre Ursachen , warum sie so gehandelt habe , sagte , und ihm bewies , daß es auch so am besten wäre ; allein immer noch hinzusetzte : Doch , lieber Wallenheim , wenn Sie da noch einige Fehler entdecken , so sagen Sie es mir , wir wollen es abändern . Wir Beide vereint , werden gewiß die Sache richtiger einsehen , als wenn ich sie nur allein betrachte . - Wenn er sein Unrecht erkannte , so schwieg er , oder sagte : Ich hatte diese Ursachen nicht erwogen . Dann blickte sie ihn liebevoll an , ergriff seine Hand , und sagte : Sie sind doch nicht böse ? Aber gewiß , ich hätte nicht geglaubt , daß Sie diese Anordnung mißbilligen würden . Einst antwortete er ihr unwillig : " Ich habe Ihnen ja schon gesagt , daß es gut ist , " und wandte sich weg . Henriette sah eine Träne in Elisa's Auge , aber in eben dem Augenblicke ging sie hinaus , und kam mit Carln auf dem Arme zurück ; ihre Miene war freundlich und heiter ; sie spielte einige Zeit mit dem Kinde , und Wallenheim betrachtete mit Vergnügen die Lebhaftigkeit und freundliche Miene desselben . Als sie dieses bemerkte , näherte sie sich ihm , und der Kleine streckte seine Arme gegen ihn aus . Beider Blicke fielen auf ihn , und begegneten sich ; Güte und Liebe drückten Elisa's Blicke aus . Wallenheim gerührt umarmt sie . Elisa . ( Nach einer Pause , indem Wallenheim noch seinen Arm um sie geschlungen hat , und seinen Sohn liebkoset . ) Wie glücklich unser Carl ist , wenn er zwischen uns Beiden ist ! Wahlen . ( Nimmt das Kind auf seinen Arm . ) O , Carl , sei Du immer mein Fürsprecher bei Deiner Mutter ! Elisa . Und der Meinige bei Deinem Vater ! Wahlen . ( Nimmt ihre Hand und küßt sie . ) Nein , meine Elisa , Ihre Tugenden sind das ! - Nun drückte er sein Weib und seinen Sohn noch einmal an seine Brust , und ging hinaus . Henr . ( Nachdem er hinaus ist . ) Vortreffliches Weib ! Wie rührend , wie erhaben war Deine Sanftmut , Deine Zärtlichkeit , Deine Güte ! Elisa . Sage auch Wallenheims Vaterliebe , das schweigende Bekenntnis seines Unrechts . Henr . Jeder Deiner Blicke mußte es ihn ja fühlen lassen . O , er hätte aufhören müssen , ein Mensch zu sein , wenn Deine Sanftmut , Deine Zweifel , indem Du wußtest , daß Du Recht hattest , die scheinende Vergessenheit seiner Beleidigung , als Du mit dem Kinde zurückkamst , und Deine , nur Liebe sprechenden Blicke nicht diese Wirkung auf ihn gemacht hätten ! Elisa . Zu sehr , meine Henriette , erhebt Deine Freundschaft mein Verdienst . Eine Frau sollte , ohne die Zustimmung ihres Mannes , keine Anordnung in ihren häuslichen Angelegenheiten machen ; nur weil Wallenheim sich so wenig um die Seinigen bekümmert , und mir oft , wenn ich ihn um Rat frage , antwortet : " Tun Sie , wie Sie wollen ! " bin ich genötigt , fast immer nach meinem eigenen Gutdünken zu handeln . Doch selten tue ich es , ohne es ihm zuvor gesagt zu haben ; allein als ich diese Anordnung traf , über die er unzufrieden war , war er abwesend , und sie schien mir so notwendig zu sein , daß ich weiter kein Bedenken darüber hatte . Allein , aus welchem Rechte konnte ich verlangen , daß Wallenheim sie aus eben dem Gesichtspunkte betrachten sollte , als ich ? Es war also meine Pflicht , sie ihm in demselben zu zeigen ; aber nicht in einem entscheidenden , seines Rechts sich bewußt , und es behauptenden Tone ; dieser erzeugt Erbitterung , und auf der anderen Seite auch Behauptung des Willens ; sondern Gründe der Vernunft , Sanftmut und Zweifel über die Gerechtigkeit unserer Sache , müssen wir anwenden , wenn wir überzeugen und uns rechtfertigen wollen . Wer kann ihnen widerstehen ? Der Vernunft muß man oft selbst unwillkürlich nachgeben : allein dieses Nachgeben beleidiget doch oft unsere Eigenliebe , und dieses machte Wallenheim unwillig auf mich . Im ersten Augenblicke schmerzte mich dieses ; allein die Betrachtung , daß , Wallenheims eigensinnigem , unbeweglichem Charakter gemäß , es ihn ärgern mußte , daß er zwar nicht mir , doch meinen Gründen nachgeben mußte , ließ mich seine Beleidigung vergessen , oder vielmehr machte , daß ich sie nicht mehr als eine solche empfand . Ich war hinausgegangen , weil sein ungerechter Unwille mir eine Träne erpreßte , und ich wollte nicht , daß er sie erblickte , weil sie ihm ein Vorwurf seines Unrechts gewesen wäre ; allein sobald die vorige Betrachtung dieses entschuldigte , sann ich auf ein Mittel , ihn zu besänftigen . Ich hätte ihm sonst als ein herrschsüchtiges Weib erscheinen können , ich hätte vielleicht einen Teil seiner Achtung verloren , und mir diese bei ihm zu erhalten , ist mir Pflicht . Ich wußte , daß Carl ihn von seinen Gedanken abziehen , und mir ein Mittel verschaffen würde , mich mit ihm wieder auszusöhnen , und darum kam ich mit ihm herein . Du siehst also , Henriette , daß ich nur meine Pflicht erfüllte , und daß jedes andere Betragen tadelhaft gewesen wäre . Henr . Möchten doch alle Weiber Alles in einem solchen Lichte betrachten , als Du , und solche richtige Folgerungen machen , wie viel seltener würden in den Ehen Zwist und Uneinigkeit sein , welche oft Haß und wirkliche Übel erzeugen ! Elisa . Gewiß , Henriette , wenn Gatten es sich zum Gesetze machten , nur der Vernunft zu folgen , so würde fast immer Übereinstimmung zwischen ihnen sein . Wenn entgegengesetzte Meinungen sie von einander entfernen , so muß Vernunft der Mittelpunkt sein , der sie wieder vereiniget . Von ihrer Fackel erleuchtet , müssen sie unparteiisch die Gründe für und wider untersuchen , und von denen sich leiten lassen , welche sie für die besten erklärt . O , daß wir uns doch gewöhnten , daß wir doch unsere Kinder gewöhnen möchten , von Jugend an nach Gründen zu handeln ! Wenn ein Weib in jedem Augenblicke ihrem Gatten sagen könnte : warum sie so gehandelt habe , warum sie so handeln will ? - Wenn sie dieses mit Sanftmut täte , und Vernunft und Wahrheit wären auf ihrer Seite , würde er wohl da noch zornig sein , noch hartnäckig seinen Willen behaupten ? Allein gesetzt , er fände das Gegenteil für besser , dann ist es ihre Pflicht , seinem Willen gemäß zu handeln , wenn dieses nicht gegen die ersten Pflichten , gegen die Pflichten als Mensch streitet . - Hätte mir Wallenheim heute , nachdem ich ihm meine Gründe vorgestellt hatte , gesagt : Ich finde diese Ursachen nicht hinreichend , und ich will , daß dieses anders eingerichtet werden soll , - so hätte ich seinem Willen gefolgt , ohne ihm weiter etwas zu sagen . Aber auch dann muß das Weib nicht mürrisch sein , nicht Unwillen oder Unzufriedenheit zeigen , nicht dem Gatten Vorwürfe machen , wenn die Folgen seines genommenen Entschlusses unangenehm sind , sondern suchen , sie aufzuheben , oder sie unwirksam zu machen . - So wird sie Ruhe und Einigkeit erhalten , und das Glück ihres Gatten , ihr eigenes , und das ihrer Familie machen . Henr . Ich höre Dich mit Vergnügen . O , wenn man diese Grundsätze den jungen Mädchen ins Herz prägte , wenn man sie es empfinden ließe , es ihnen anschaulich machte , welchen erhabenen Platz sie in der Schöpfung einnehmen könnten , wenn ihr Gatte , ihre Kinder , die Unglücklichen , deren Wohltäterinnen sie waren , und künftige Generationen noch , sie als die Stifterinnen ihres Glücks verehrten , würden sie um diesen Preis nicht den so wenig befriedigenden , so schnell vorübergehenden Vergnügungen , den Künsten der Koketterie , und das Wohlgefallen daran , welches sie verächtlich macht , entsagen ? Elisa . Ja , Henriette , die wahre Bestimmung des Weibes ist edel , und wer dieses recht empfindet , wird gewiß suchen , sie zu erfüllen . Allein lehrt man sie diese kennen ? - In den großen Städten , in der großen Welt , wird der Wert des Weibes in Annehmlichkeit und Grazie gesetzt ; zu glänzen , dieses ist der Zweck ihrer Erziehung ; hierauf wurden alle Fähigkeiten ihres Geistes gerichtet . Mit dem Verlangen nun Eroberungen zu machen , mit der Begierde der Vergnügungen zu genießen , mit einer Leere des Geistes und des Herzens tritt das junge Mädchen nun in ihrem fünfzehnten oder sechzehnten Jahre in die Welt . Alles schmeichelt da ihre Sinne , überall erblickt sie Beispiele der Koketterie , der Zügellosigkeit , in dem Gewande des Witzes , der Annehmlichkeit und der Galanterie ; sie wird fortgerissen , sie glaubt auf der Bahn der Vergnügungen die Blumen ihres Frühlings zu pflücken ; so wird sie verheiratet , ihre Vergnügungen , ihre Leidenschaften zu befriedigen , ist ihr zum Bedürfnis geworden , weil ihr Geist keine andere Beschäftigungen kennt , als diese , und ihnen opfert sie die Pflichten der Gattin und Mutter , von denen sie kaum einen Begriff hat . - Auf dem Lande und in den Provinzstädten ist der Begriff vom wahren Werte des Weibes eben so unrichtig ; man läßt ihn in einer guten Haushälterin bestehen , und macht also einen Teil ihrer Pflichten zum ganzen Umfange derselben . Allein an die moralische Bildung des Mädchens wird nirgends gedacht ; sie kann so eine gute Wirtschafterin , eine geschickte Näherin werden , allein nicht Gattin , nicht Mutter , nicht Erzieherin ; nicht das kluge , über das wahre Interesse ihrer Familie aufgeklärte Weib , nicht die weise und gute Hausfrau , welche die Mutter aller ihrer Leute ist , nicht die liebevolle Freundin der Menschen , welche tätig am Glücke ihrer Mitbrüder arbeitet . - Denn nur der richtige Begriff von ihrer wahren Bestimmung , und eine richtige Bildung des Verstandes , werden sie zu dem allen machen . - Kaum hatte Elisa aufgehört , zu sprechen , als Wallenheim mit einem anderen jungen Manne hereinkam ; er nahm ihn bei der Hand , und führte ihn zu seiner Frau : Liebe Elisa , sprach er , Herr von Felsig ist seit Kurzem unser Nachbar geworden ; er ist einer meiner besten Freunde , und er wünschte , die Gattin seines Freundes kennen zu lernen . Elisa begrüßte ihn freundlich . Felsig blieb zu Mittage bei ihnen ; er hatte nicht das Rauhe von Wallenheim , sondern etwas Sanftes und Einnehmendes in seinem Wesen . Die Gewohnheit , sich von ihrer ersten Jugend an zu sehen , hatte Felsig und Wallenheim zu Freunden gemacht ; denn Beider Landgüter grenzten an einander ; allein Felsig war erst seit einigen Wochen , nach dem Tode seines Vaters , Besitzer desselben geworden ; sein Vermögen war indes nur mittelmäßig . Er kam oft nach Wallenthal , Henriette gefiel ihm ; Elisa sah mit Vergnügen ihre gegenseitige Neigung . Oft wenn Felsig und Henriette traulich beisammen gingen , dachte sie an Herrmann , an ihre Liebe , und dieses Andenken erpreßte ihr Tränen . Sie verließ sie dann , eilte zu ihrem Carl , drückte ihn an ihren Busen , und rief aus : Du bist Wallenheims Sohn ! Mütterliche Liebe unterdrückte das zu lebhafte Andenken an ihren Geliebten , sie wurde dann wieder ruhig und heiter , und ihren Carl im Arme , erwartete sie das liebende Paar , und freute sich ihres Glücks . Einst als sie von ihrem Spaziergange zurückgekommen waren , warf Henriette sich um ihren Hals : Elisa , sei Du die Erste , welche meine Empfindungen mit mir teile , und welche der Wahl meines Herzens Beifall gebe ! Elisa . Schon längst billigte ich sie , meine Henriette , und freute mich , daß durch sie wir nun nicht mehr so viel getrennt sein würden . Felsig . O , meine gnädige Frau ! könnte ich ihnen die Größe meines Glücks schildern ! Noch immer zweifelte ich , ob meine Henriette meine Liebe erwidern würde . Oft hoffte ich es , wenn ich sah , daß errötend ihre Blicke sich von mir wandten , und doch hatte ich nur erst heute den Mut , ihr meine Seele zu öffnen . Elisa . Einer meiner heißesten Wünsche war Henriettes Glück , und seine Gewährung erfüllt mich mit Freude . Gerührt umarmten sich Elisa und Henriette . Felsig nahm Beider Hände und küßte sie ; endlich schlang er seinen Arm um Henriette : O , Henriette ! sprach er , ich empfange Sie aus der Hand Ihrer Freundin ! Und jetzt empfand Henriette die ganze Größe des Opfers , welches Elisa der Tugend gebracht hatte ; sie empfand , wie viel sie gelitten hatte , und ihre Augen füllten sich mit Tränen . Auch Elisa erinnerte sich , wie sie , nach dem ersten Geständnisse ihrer Liebe , mit Herrmann am Halse seiner Mutter hing , welche Freudentränen vergaß , und alle Szenen ihrer Liebe und ihrer Leiden schwebten mit Einemmal vor ihrer Einbildungskraft . Sie drückte ihrer Freundin die Hand ; eine lange Pause erfolgte ; endlich stand Elisa auf : Sein Sie glücklich ! sprach sie bewegt , und ging hinein , um dem Andenken ihres Herrmanns einige Tränen zu weihen . Felsings Mutter lebte noch , und wohnte bei ihm in Felsingburg . Als Felsig ihr seinen Entschluß eröffnete , Henriette zu heiraten , fragte sie gleich : wie viel Vermögen Henriette besäße ? Und erklärte ihrem Sohne , nachdem dieser ihr gesagt , daß sie gar nichts besäße , daß sie nie in die Heirat willigen würde , da sein verstorbener Vater es ihr anbefohlen hätte , keine Heirat ihres Sohnes mit einem armen Mädchen zu gestatten , weil noch Schulden auf Felsingburg hafteten , welche , wenn nicht ein Teil davon bezahlt würde , vielleicht Felsig in der Folge nötigen könnten , das Gut zu verkaufen , und er wollte nicht , daß es je aus seiner Familie kommen sollte . Alle Versicherungen Felsings , nie Felsingburg zu verkaufen , sondern durch Sparsamkeit und gute Wirtschaft die Schulden in der Folge abzutragen , konnten Frau von Felsig nicht bewegen , ihren Entschluß zu ändern . Nie , sagte sie , wirst Du mit meiner Einwilligung Fräulein von Wannberg heiraten , und ich werde Alles tun , diese Verbindung zu hindern . Niedergeschlagen kam also Felsig am anderen Tage nach Wallenthal , und entdeckte Henriette und Elisa'n die Widersetzung seiner Mutter gegen seine Verbindung , und ihre Gründe dazu . Allein die Gesetze , sprach er zu Henriette , machen mich unabhängig von dem Willen meiner Mutter ; ich bin frei , und nichts soll mich hindern , Sie , liebenswürdige Henriette , die Meinige zu nennen ! Henr . Felsig ! Nie werde ich es ohne die Einwilligung Ihrer Mutter ! Ich weiß , daß Kinder nicht genötigt sind , dem Eigensinne ihrer Eltern ihr Glück zu opfern , daß sie es selbst nicht müssen , wenn nicht unbedingte Notwendigkeit , oder die dringendsten Ursachen sie dazu bewegen . Allein ich will nicht die Ursache Ihres Ungehorsams gegen Ihre Mutter sein , durch mich soll das heiligste Band der Natur nicht zerrissen , und Mutter und Sohn nicht getrennt werden . Nun wandte Felsig auch bei Henriette vergebens seine Beredsamkeit an , ihren Entschluß zu ändern ; sie beharrte auf ihrem Vorsatz . Elisa versprach Fehlsingen , am folgenden Tage mit Wallenheim nach Felsingburg zu kommen , und Alles anzuwenden , seiner Mutter Einwilligung zu erhalten . Sie erfüllte ihr Versprechen ; allein ihre Bemühungen waren umsonst . Frau von Felsig erklärte ; Hätte Henriette nur einiges , nur weniges Vermögen , so wollte sie in die Verbindung willigen , um ihrem Sohne zu willfahren ; allein ein ganz armes Mädchen könnte nicht ihre Schwiegertochter werden , sie würde sonst die letzte Pflicht gegen ihren verstorbenen Gatten verletzen . Wallenheim und seine Gattin verließen also Felsingburg , ohne den geringsten Vorteil für ihre Freunde erlangt zu haben . Als sie zurückfuhren , bat Elisa ihren Gatten , ihr zu erlauben , Henriette sechstausend Taler von ihrem Vermögen zu schenken . Sie versprach ihm , den Aufwand für ihre Person , der zwar geringe war , noch mehr einzuschränken . Glauben Sie mir , Carl , sagte sie , es wird mich stolz machen , in meinem einfachen Gewande neben den prächtig gekleideten Weibern zu stehen ! Ich werde es mit Entzücken fühlen , daß ich besser mit den wahren Freuden des Lebens bekannt bin ! Wenn Andere in der Sphäre ihres Putzes leben , werde ich des Glücks meiner Freundin genießen , und mir sagen : auch ich trug bei , es zu befördern ! Wahlen . Ich werde Sie nie verhindern , die uneingeschränkte Sachwalterin Ihres Vermögens zu sein , es ist das Ihrige ; ich bin reich ; was Sie verschenken , ist Ihr Verlust ! Lebhaft dankte ihm Elisa ; sie konnte kaum ihre Freude verbergen , als sie Henriette die abschlägige Antwort der Frau von Felsig mitteilte . Am anderen Morgen gingen die beiden Freundinnen , wie gewöhnlich , spazieren ; Elisa hatte diesmal Carln mitgenommen ; sie trug ihn selbst . Sie setzten sich auf eine Rasenbank im Tannenwalde . - Es war hier , wo Felsig Henriette seiner Liebe versichert , und das Geständnis ihrer Gegenliebe erhalten hatte , darum wählte Elisa diesen Platz . Henriette war sehr niedergeschlagen , ihre Blicke weilten auf Elisa'n , welche mit dem vollen Ausdrucke mütterlicher Zärtlichkeit und mütterlicher Freude ihren Sohn anlächelte , der an ihrem Busen lag . Henriette dachte an Felsig , an den Abend , da er ihr hier seine Liebe gestand , und mit dieser Erinnerung verbanden sich dunkle Vorempfindungen von Freuden , die sie gehofft hatte , und welche Elisa's Anblick in ihr erregte . Ihr selber unbewußt , rollten Tränen von ihren Wangen ; die aufmerksame Elisa erblickte sie , sie reichte ihrer Freundin die Hand . Henriette , sprach sie , Dir verdanke ich größtenteils das Glück meines Lebens ! Als der Tod mir meinen Vater entriß , und meine Mutter und Caroline nur Gleichgültigkeit gegen die Tochter und die Schwester empfanden , da warst Du mir Alles ! Du warst das einzige Geschöpf , welches mich liebte , das Einzige , in dessen Arme ich mit Zuversicht mich werfen konnte ! Aber Du befestigtest mein Glück , als Du meine Einbildungskraft ordnetest . Auf wirkliche Gegenstände geleitet , lernte ich durch Dich die wahren Verhältnisse kennen , und die Pflichten , die sie heischen ; ich lernte , daß nicht eine warme Einbildungskraft , nicht aufwallende Empfindungen , sondern kalte Vernunft unsere Führerin sein muß ; und dieser Richtung meines Geistes verdanke ich meine Ruhe , meine Heiterkeit ; sie gab mir Kraft , mein Glück meinen Pflichten aufzuopfern , und belohnte mich dafür . O , in den trüben Stunden meines Kampfes warst Du wieder meine Trösterin , meine Ratgeberin ! An Deinem Busen konnte ich weinen , als man mir Mitleid versagte ; warmes Mitgefühl schlug in Deinem Herzen , als ich auf jedem Gesichte Kälte las ! - Und , Henriette , für alle diese Erteilungen des Trostes , der Freude , erlaubest Du der Freundschaft , Dir eine zu erwidern ? Henr . Ich verstehe Dich nicht , Elisa . Elisa . Darf ich Dir nicht einen von den unzähligen Vorteilen zurück geben , welche ich durch Deine Freundschaft erhielt ? Henr . Liebe Elisa , gewährte mir denn die Deinige nicht eben so viel , als Dir die Meinige ? Elisa . O , wenn das ist , meine Henriette , wenn Du fühlst wie ich ; dann wirst Du mir meine Bitte nicht abschlagen ! Henr . Und du könntest zweifeln , daß ich etwas Dir versagen würde , was Dir Vergnügen macht ? Elisa . Verzeihe mir , meine Henriette ! Aber Du kannst mich so glücklich machen . Henr . Du spannst meine Erwartung auf das Höchste , so sprich doch ! Elisa . ( Umarmt sie ) Sei groß genug , meinen Dank nicht auszuschlagen ! Erröte nicht , ein Geschenk von der Freundschaft anzunehmen ! Henr . ( Verwundernd. ) Was willst Du tun ? Elisa . Dir Deinen Felsig geben ! ( Sie gibt ihr ein Blatt Papier , welches die Verschreibung der sechstausend Taler ist . ) Hier sind sechstausend Taler , sie gehörten mir , jetzt Dir ! Henr . Nein , Elisa , Deine Großmut verschweigt Dir die Größe dieses Geschenks ! Elisa . So siegt falsche Delicatesse über mich , über die Freundschaft ? So glaubt Henriette , daß sie größer handelt , wenn sie mich kränkt , als wenn sie mich ihres Glücks genießen ließe ? O , Henriette , wir waren ja lange schon über den Wert des Geldes einig , wir sahen es als ein Mittel an , diejenigen Güter zu erlangen , welche viel zum Glücke des Lebens beitragen . Vergnügen und Freuden müssen die Zinsen sein , welche wir aus dem toten Metalle ziehen ; und welch ein reineres Vergnügen könnte ich genießen , als wenn ich meine Henriette glücklich in den Armen eines geliebten und würdigen Gatten sähe , und mir sagen könnte ; auch ich arbeitete an ihrem Glück ? Welch ein seliges Gefühl , wenn wir uns gegenseitig als die Schöpferinnen unserer Freuden betrachten , und desto inniger uns lieben , wenn wir Beide uns sagen : Auch ich beförderte das Glück meiner Freundin , auch ich schenkte ihr Freuden . O Henriette ! kann wohl der Stolz Dir , mir die sechs tausend Taler dieses gewähren ? Henr . ( Wirft sich Elisa'n um den Hals ) Elisa , Du hast gesiegt ! Ja , ich will Dir jede Freude meines Lebens verdanken ! Elisa . Dank Dir , meine Freundin ! Ganz erkenne ich Deine edle Seele ! - Als Felsig am Nachmittage kam , sagte ihm Henriette , welches Geschenk sie von ihrer Freundin erhalten hatte . Ich habe nicht errötet , es anzunehmen , Felsig , setzte sie hinzu ; ich kenne die edle Seele meiner Freundin , sie will nicht Verbindlichkeiten auflegen , sie will Glückliche machen . Sie fühlte , daß ihr Anerbieten mich demütigen könnte , und sie machte es mir , indem sie selbst demütig bat , und meine Freundschaft beschwor . O , meine Weigerung würde unedel gewesen sein ! Es hätte geschienen , als setzte ich Mißtrauen in diese schöne Seele ; ihr und mir war ich schuldig , ihr diesen Beweis meiner Achtung zu geben ! Felsig bewunderte beide Weiber , er dankte Elisa'n , sie gab ihm seine Henriette . Nach einigen Tagen lud Wallenheim die Frau von Felsig mit ihrem Sohne zu Mittage ein ; sie hatten verabredet , ihr zu sagen , die Baronin von Hohnau habe Henriette sechstausend Taler zu ihrer Aussteuer geschenkt , welche sie ihr einst schon versprochen habe . Wallenheim stellte der Frau von Felsig Henriette vor , und zeigte ihr zugleich die Verschreibung der sechstausend Taler . Henriettes Bescheidenheit nahm die Frau von Felsig für sie ein . Wenn Du mir gewiß versprichst , nie Felsingburg zu verkaufen , sprach sie zu ihrem Sohn , so will ich meine Einwilligung zu Deiner Verbindung mit dem Fräulein von Wannberg geben . Felsig versicherte ihr , nie ihrem und seines verstorbenen Vaters Willen entgegen zu handeln . Fr. v. F. Nun so heirate sie , da sie doch jetzt einiges Vermögen hat ! Felsig umarmte seine Henriette , und führte sie zu seiner Mutter . Nie , sprach Henriette , indem sie die Hand der Frau von Felsig ergriff , nie hoffe ich , werden Sie mich des Namens Ihrer Tochter unwürdig finden ! Frau von Felsig umarmte sie : Sie scheinen ein gutes Mädchen zu sein , sagte sie , und ich freue mich über die Wahl meines Sohnes ! Mit gerührtem Entzücken betrachtete Elisa diesen Auftritt ; Henriette blickte auf sie , sie las ihr eigenes Glück in ihrer Freundin Augen , sie flog an ihren Hals , Beide verstanden ihre gegenseitige Empfindungen , und ihre Umarmung war die Ergießung ihrer Seelen . - Nun blieben Wallenheim , Elisa und Henriette nur noch wenige Tage in Wallenthal . Henriette reiste wieder an einem Tage mit ihrer Freundin ab ; Felsig wollte ihr in einigen Tagen folgen , um der Baronin von Hohnau seinen Antrag um sie zu machen . Die Baronin satte ihm gleich , daß Henriette von ihr ganz unabhängig wäre , und es wurde festgesetzt , daß im Herbste die Hochzeit vollzogen werden sollte . Die Baronin von Hohnau und Henriette baten Elisa'n , zu derselben nach Hohnauschloß zu kommen , und Elisa erhielt von ihrem Gatten die Erlaubnis auf acht Tage hinzureisen . Sie wurde erschüttert , als ihr Wagen auf dem Felde von Hohnauschloß dahin rollte , sie sah in der Ferne den Turm von Birkenstein , sie kam vor dem Platze vorbei , wo sie von ihrem Herrmann Abschied genommen hatte ; die Stärke ihrer Empfindungen wuchs mit der Lebhaftigkeit jener Erinnerungen . Endlich hielt der Wagen vor dem Wohnhause , Elisa mußte einige Augenblicke sich sammeln , sie wankte , als sie heraus stieg . Die Baronin von Hohnau , Caroline , ihr Gatte und Felsig waren ausgegangen ; Henriette war allein , sie eilt ihrer Freundin entgegen , Elisa stürzt sich weinend in ihre Arme , und Henriette drückt mit inniger Teilnehmung die Freundin an ihr Herz . Elisa . ( Nachdem siewieder einige Fassung gesammelt hat . ) Ach wie froh bin ich , daß sich meine Mutter nicht gleich fand , und einige Augenblicke meinen Empfindungen Raum geben konnte ! Mein Herz war so gepreßt . Henr . ( drückt ihr mitleidsvoll die Hand . ) Elisa . Du bist immer so nachsichtig , Henriette , und ich noch immer so schwach ! Aber , ich konnte hier das Andenken an ihn nicht unterdrücken , wo Alles es erweckt ! Indes , fürchte nichts für meine Ruhe , Henriette , ich hatte ja die Kraft mich ihm zu entreißen , sollte ich nicht auch die haben , mich hier , wo Alles meines kurzen Glücks mich erinnert , meiner Tugend zu freuen ? Henr . Ja , Elisa , ich weiß , daß Deine Ruhe erschüttert , nie zernichtet werden kann ! Jetzt hörte man Geräusch im Hause , Elisa konnte nun mit Fassung ihrer Mutter entgegen gehen , und diese freute sich , sie zu sehen . Caroline empfing ihre Schwester mit Gleichgültigkeit , und Felsig und Wallenheim bezeugten ihr Ehrerbietung . Auch Caroline war Mutter , sie hatte eine Tochter . Allein Elisa bemerkte , daß die Liebe zwischen Wallenheim und seiner Gattin erkaltet war ; Caroline ließ auch ihn die Heftigkeit ihres Charakters empfinden ; fast täglich war ein Streit zwischen ihnen , und selten war bei ihnen Übereinstimmung . Elisa bestrebte sich , ihre gewöhnliche Ruhe und Heiterkeit wieder anzunehmen ; sie ging nicht allein spazieren , und vermied die Spaziergänge , wo sie Herrmann am häufigsten gesehen hatte . Einst fragte die Baronin von Hohnau sie : Bist Du glücklich ? Elisa . Ja , meine Mutter . B. v. H . Dem Himmel sei gedankt ! Deine Schwester lebt fast in beständiger Uneinigkeit mit ihrem Manne , und schon warf ich es mir vor , Deine Neigung gezwungen zu haben , da doch Caroline dadurch nicht glücklich geworden ist . Elisa . ( Gerührt . ) Dieser Gedanke beunruhige Sie nie , meine Mutter ! Ich besitze die Achtung meines Gatten , und bestrebe mich , sie zu verdienen , und finde mein Glück in den Bemühungen , meine Pflichten zu erfüllen . B. v. H. ( Mit einem Seufzer , umarmt Elisa'n . ) Elisa , ich verkannte Dich ! Sie verließ hierauf das Zimmer . Elisa sah , daß ihre Mutter ihre vorige Härte gegen sie bereute , sie wollte sie darüber keinen Schmerz empfinden lassen . Heiterer als zuvor wurde nun ihre Miene ; sie scherzte froh mit den Übrigen , und durch das Bestreben , ihre Mutter von ihrer Zufriedenheit zu überzeugen , vergaß sie , daß in Hohnauschloß sie einst zerstört wurde . Henriette war nun seit zwei Tagen Felsings Gattin , und der vierte Tag nach ihrer Hochzeit war zu ihrer und Elisa's Abreise festgesetzt . Elisa konnte aber Hohnauschloß nicht verlassen , ohne noch einmal die Frau von Birkenstein zu sehen . Sie ging mit Henriette am Tage vor ihrer Abreise nach Birkenstein , und Carl mußte mit seiner Wärterin sie begleiten . Die beiden Freundinnen sprachen auf dem ganzen Wege kein Wort ; Elisa war im tiefen Nachdenken verloren , und nur zuweilen drängte sich ein Seufzer aus ihrer Brust . Stärker schlug ihr Herz , als sie sich dem Wohnhause der Frau von Birkenstein näherten . - Nun war sie bei der Linde , unter welcher sie Herrmann zuerst gesehen hatte ; allein ihre Blicke weilten nicht auf dieser Stelle , sie nahm Carln auf den Arm , und eilte schnell in das Haus . Frau von Birkenstein kam ihr entgegen , Elisa warf sich in ihre Arme ; sie blieb lange in dieser Stellung . Endlich fühlte sie sich von den Tränen der Frau von Birkenstein benetzt , und sie selbst weinte , ohne es zu wissen . Sie richtete sich nun auf , ergriff die Hand der Frau von Birkenstein : So lieben Sie mich denn noch ? Fr. v. B. ( Sie noch einmal in ihre Arme drückend . ) Elisa , wer einmal meine Liebe erhielt , verliert sie nie . Sie gingen nun in ein Zimmer ; ruhiger Ernst verbreitete sich allmählich wieder auf Elisa's Gesicht. Fr. v. B. ( Nachdem sie einige Zeit von gleichgültigen Dingen gesprochen haben . ) Liebenswürdige Elisa , Sie haben einen meiner heißesten Wünsche erfüllt ! O , so oft regte sich das Verlangen in mir , Sie noch einmal zu sehen ! Elisa . Beste Frau , wie hätte ich können in Hohnauschloß sein , und nicht nach Birkenstein kommen ? Nein , das Andenken an Ihre Güte , Ihre Liebe wird nie in meinem Herzen erlöschen ! Fr. v. B. O , meine teure Freundin , ich freue mich , daß ich in Ihrem Herzen fortleben werde ! Die liebenswürdige Henriette verläßt nun auch Hohnauschloß - nun kann ich der Freundschaft , der Liebe Aller , die mir teuer sind , nur noch in Ihrem Andenken genießen . Elisa . ( Eine Träne im Auge , drückt der Frau von Birkenstein die Hand , nach einer Pause . ) Erlauben Sie mir eine Frage , aber ihre Beantwortung kann mich ruhiger machen . - Ist Herrmann wieder glücklich ? Fr. v. B. ( Mit einem Seufzer . ) Er ist Geheimderath in D ** , und beschäftiget sich , seine Mitmenschen glücklich zu machen , und dem Staate nützlich zu sein . Diese Arbeit bleibt nicht unbelohnt ; sein Glück ist das Glück des Rechtschaffenen ; allein sein Herz ist noch das eines Jünglings . Elisa . Männertugend wird es mit männlicher Kraft erfüllen , und ihn über des Jünglings Empfindungen siegen lassen , und glücklich dann durch sich selbst , glücklich durch den Sieg über Leidenschaft , wird sein Glück erhaben , wie seine Tugend sein ! Ja , diese Hoffnung erfüllt mich mit Freude ! Ihr Sohn ist wieder ruhig , dreifach bin ich es nun ! Fr. v. B. Dank sei der Vorsicht , welche mir noch die Erfüllung meines Wunsches gewährte ! Ich lese auch auf Ihrer Stirn Ruhe und Heiterkeit , selbst Ihre Tränen verwischten diese Züge nicht , sie scheinen mit Ihrem Wesen eingewebt zu sein . - Sie sind also glücklich , meine Elisa ! Und Zufriedenheit des Weisen wird vielleicht bald meines Sohnes Eigentum ! Und dieses für Sie Beide zu erlangen , hätte ich gerne die Ruhe meines Alters aufgeopfert , und neue Beschwerden , neue Trübsale unternommen ! Elisa . ( Umarmt sie mit Lebhaftigkeit . ) O , noch einmal wieder meine Mutter ! Durch Ihre Liebe meine Mutter ! - Ja , Sie sehen mich glücklich ! Zwar ist Ihr Sohn noch von allen Sterblichen mir der Teuerste , und wird es immer sein ; - allein ich erfülle meine Pflichten , und mein Herz hegt die Empfindungen der Gattin und Mutter . - F. v. B. Beide Namen verehren Sie immer , sie sind die ersten Titel des Weibes ! Weil Sie ihren Wert recht erkannten , blieben Sie tugendhaft , und wurden glücklich in einer Lage , in welcher die meisten Weiber sich entweder dem Laster oder der Verzweiflung in die Arme werfen . Elisa . ( Drückt Carln an ihren Busen . ) Ach , die kennen nicht Muttergefühl ! Fr. v. B. Meine Elisa , mögen Sie eine glückliche Mutter werden ! ( Sie nimmt Carln und küßt ihn . ) Und du , der würdige Sohn des würdigsten Weibes ! Nun stand Elisa auf ; ihre Trennung von der würdigen Frau wurde ihr schwer ; auch Henriette vergoß Tränen am Busen der Frau von Birkenstein . Sie drückte Beide in ihre Arme . Ich werde es nie vergessen , sagte sie , als sie nun sich von ihr losgerissen , daß Sie Beide am Abend meines Lebens mir manche Stunde erheiterten ! Elisa . ( Mit einem Seufzer . ) Ach ich verbitterte Ihnen so viele ! Fr. v. B. Nein Elisa , das ewige Verhängnis tat es ! Menschen müssen wir dieses nicht zurechnen . Elisa und Henriette ergriffen nun noch einmal ihre Hand , drückten sie , und eilten fort . Sie kamen vor Harbergs Wohnung vorbei . O wie viele Erinnerungen wurden da wieder bei Elisa'n lebhaft ! Ich möchte gerne wissen , sagte sie zu Henriette , wie es dem guten Manne geht ? Komme mit mir hinein ! Harberg saß mit seinem Weibe und mit seinen Kindern am Tische beim Nachtessen . Freudig erschrak er , als er Elisa'n erblickte : Ach gnädige Frau , sind Sie einmal wieder hier gewesen ? Ach wie wird sich unsere gnädige Frau gefreut haben ! Elisa . Auch ich habe mich gefreut , einmal wieder in Birkenstein zu sein . Wie ist es ihm denn immer gegangen , lieber Harberg ? Harb . Gott , und unserem guten jungen Herrn sei Dank , ich habe nicht Not gelitten ! Wir leben zufrieden ! meine Hanne und ich . Aber es betrübt uns oft , daß unsere gute gnädige Frau immer so traurig ist . Ach es ist ganz anders ! seitdem Sie und der junge Herr nicht mehr hier sind ! Elisa . Wie so , lieber Harberg ? Herr von Birkenstein war ja nur eine so kurze Zeit hier , und ich habe nie einmal die Gelegenheit gehabt , Euch meine Bereitwilligkeit , Euch zu dienen , zu beweisen . Harb . Wir freuten uns doch , Sie zu sehen . Freilich wir haben noch unsere gute Herrschaft behalten ; aber die armen Bauern in Hohnauschloß - Ach , die trauern noch immer , daß Sie nicht mehr da sind ! Elisa . Ich konnte ihnen auch nicht viel helfen , als ich noch zu Hause war . Harb . O , liebe gnädige Frau , eine kleine Unterstützung ist für einen Armen immer viel ! Doch wer weiß , wie es uns noch gehen wird ? Man sagt , der junge Herr wird gar nicht wieder ins Land kommen . Wie er hier war , da freuten wir uns immer in ihm ! Ich habe oft die alten Bauern weinen sehen , wenn er so recht freundlich und herzlich mit ihnen gesprochen hatte . Gottlob ! sagten sie denn , unsere Kinder werden es so gut haben als wir ! Aber wenn nun unsere gute Mutter stirbt ; ach , dann verlieren wir alles mit ihr ! Harbergen stand eine Träne im Auge , und auch Elisa war sehr gerührt ; sie nahm von Harberg und seinem Weibe Abschied , und drückte dem kleinen Mädchen , ihrer Pate , ein Goldstück in die Hand , und ging eilig hinaus ; allein das Kind zeigte das Geld gleich seiner Mutter . Beide Eltern folgten nun Elisa'n ; aufrichtige , ungekünstelte Danksagungen strömten von ihren Lippen . Vor der Tür saß die Wärterin mit Carln ; Harberg erblickte ihn . Harb . Ach , gnädige Frau , ist das Ihr Kind ? O , erlauben Sie mir , den kleinen Junker einen Augenblick auf den Arm zu nehmen ! Elisa . I , ja , guter Harberg . Harb . ( Nimmt Carln auf den Arm und küßt ihn . ) Hanne , weißt du wohl noch , wie der junge Herr und die gnädige Frau bei unserem Mädchen Gevatter standen , da sagte ich dir noch am selben Abend : Ihre Kinder wollen wir einst recht lieben und ehren , und Gut und Blut für sie lassen .... Ach , da dachte ich , es würde anders kommen ! - Doch , wie Gott gewollt hat ! Die Kinder unseres jungen Herrn werde ich vielleicht nimmermehr sehen ; aber zwischen Ihnen Beiden machten wir keinen Unterschied , und so bin ich doch so glücklich gewesen , und habe Ihren Junker auf meinem Arme gehabt . - ( er küßt ihn noch einmal . ) Alle Tage will ich zu Gott beten , daß er möge groß und glücklich werden , und Sie recht viel Freude an ihm erleben ! Elisa . ( Sehr gerührt ) . Der gütige Vater erfülle auch dieses an seinen Kindern ! Lehre er sie meinen Namen , Harberg , und wenn sie in Mangel geraten , oder etwas wünschen , zu dem ich ihnen helfen könnte , so sage er ihnen , sie sollen zu mir kommen , ich hätte ihren Eltern versprochen , ihre Mutter zu sein ! Elisa ging , und Tränen des Danks folgten ihr . Allein Harberg hatte mit der Vergangenheit auch ihren Schmerz zurückgerufen ; sie war stark gewesen , als sie Frau von Birkenstein verließ , weil sie in Herrmann den nützlichen Staatsbürger , den Menschenfreund erblickte ; allein Harberg hatte ihr Herrmann , ihren Geliebten wieder vorgestellt , die Gegenwart verschwand , und ihre Einbildungskraft verlor sich in den Vorstellungen der Vergangenheit . Menschenliebe , mächtiger in ihr , als jedes andere Gefühl , verdrängte in Hohnauschloß wieder jede andere Empfindung in Elisa'n ; sie erinnerte sich , was ihr Harberg von den Bauern in Hohnauschloß gesagt hatte , und ihre ersten Worte waren , seitdem sie Birkenstein verlassen hatte : Henriette , ich muß suchen Einigen dieser armen Einwohner zu helfen . - Sie ging nun zu einer jeden Familie , fragte nach ihren Bedürfnissen , nach den Beschwerden , die sie hätten , gab den Armen Geld , versprach ihnen , daß sie ihre Fürsprache anwenden wollte , ihnen Erleichterung zu verschaffen , sie tröstete sie , bewies ihnen , daß durch Unterwürfigkeit und Geduld sie die Härte ihres Schicksals milderen könnten . Sie schienen die Beschwerden nicht mehr zu empfinden , als Elisa mit ihnen sprach , und sie hatte an diesem Abend in den Wohnungen von Hohnauschloß Zufriedenheit verbreitet . Caroline war hart , selbst Armut konnte bei ihr nicht Anspruch auf Schonung machen , und ihre unfreundliche Miene entfernte von ihr den Unglücklichen , der es nicht wagte , ihr seine Not zu klagen . Wallenheim war nicht genug mit dem Zustande der armen Einwohner bekannt ; es war also keiner , der sie gegen Karolinens Härte schützte , keiner , der ihrem Mangel abhalf . Elisa unterrichtete ihre Mutter von den Beschwerden und Unterdrückungen , die sie litten , und bat sie , ihnen beizustehen ; die Baronin von Hohnau versprach es ihr , und vergnügter verließ am anderen Tage Elisa Hohnauschloß ; denn sie nahm das Bewußtsein mit , auch hier Gutes gestiftet zu haben . Sie begleitete Henriette nach Felsingburg , und blieb einige Tage in Wallenthal . Henriette wollte auch , wie ihre Freundin , Wohltäterin der Menschen werden . Zwar war ihr Vermögen nur eingeschränkt ; allein dem wahren Menschenfreunde bleiben Kräfte und Hilfsquellen genug , seinen Mitbrüdern beizustehen . Sie schlug ihrem Felsig , welcher immer die wohltätigen Anstalten Elisa's bewundert hatte , vor , zwei Häuser nach eben dem Plane erbauen zu lassen ; allein dies sollte erst in den beiden folgenden Jahren geschehen , weil die Ausgabe für sie mit Einemmal , zu groß gewesen wäre ; auch war die Zahl der Greise und der Kinder , die sie versorgen würden , nur auf fünf gesetzt . Mehrere zu unterhalten , erlaubte ihnen ihr Vermögen nicht ; und nur Sparsamkeit und weise Anwendung des Geldes setzten sie in den Stand , mehr Gutes zu wirken , als karge und verschwenderische Reiche , wenn sie Jahrhunderte durch lebt haben . - Elisa war nun wieder in B... Unverändert blieb ihre Art zu handeln , unverändert ihre Sanftmut , ihre Gefälligkeit , ihr Wohlwollen . Die Geschäfte ihrer Haushaltung , die Besorgung aller häuslichen Angelegenheiten , die Erziehung ihres Sohnes , die Erwerbung höherer Kenntnisse , die Ausbildung ihres Verstandes , die Übung ihrer Talente , dieses waren ihre Beschäftigungen ; zu allen hatte sie Zeit , und stets war sie bereit , ihren Gatten , so oft er es verlangte , in Gesellschaft oder zu Lustpartien zu begleiten , oder in ihrem Hause Gesellschaft zu sehen . Wallenheim fand immer in ihr die muntere Gesellschafterin , deren Bestreben es war , ihn aufzuheitern , ihn zu ergötzen ; aber sie war auch seine Ratgeberin , seine Freundin . Ernsthaft , scharfsinnig und klug , wenn er von Geschäften mit ihr sprach , liebevoll und sanft , wenn er verdrießlich war , oder eine Unannehmlichkeit erfahren hatte , und scherzhaft , wenn seine Seele Aufheiterung gebrauchte . Innere Zufriedenheit , Ruhe und Heiterkeit waren mit der Tugend in ihr vereiniget ; sie war glücklich , weil sie ihres eigenen Beifalls versichert war ; sie war froh , weil sie Freude um sich verbreitete . Die Ruhe , die Heiterkeit ihrer Seele gab ihrem Wesen eine Annehmlichkeit , welche ein jeder empfand ; sie wurde in allen Gesellschaften geliebt und gesucht . Man liebte sie , ohne es zu wissen , und sie zog alle Herzen an sich , ohne es selbst zu ahnden . Höflichkeit , Bescheidenheit und Güte waren in Gesellschaft die Hauptzüge , von denen sie sich nie entfernte . Immer lobte Elisa Anderer Tugenden , und entschuldigte Anderer Fehler : immer war sie bereit , einem Jeden zu dienen , und stets sah man sie in Gesellschaft den untersten Platz einnehmen . Auch nannte man sie allgemein die liebenswürdige Frau von Wallenheim , und manches junge Mädchen , dessen Herz noch unverdorben war , wurde von ihrer sanften Tugend eingenommen , und beschloß , ihrem Beispiel zu folgen . Wenn Elisa dieses merkte , so suchte sie mit denen , welche sie zu lieben oder zu bewundern schienen , in Verbindung zu kommen ; sie bat sie oft zu sich , und erfüllte in ihrer Gegenwart ihre Pflichten ; aber auch stets bemühte sie sich , ihren jungen Freundinnen Vergnügungen zu verschaffen ; durch sie wollte sie ihnen die Tugend annehmungs- und liebenswürdig machen . Des Sommers veranstaltete sie daher fast immer Lustfahrten auf dem Lande , Spaziergänge , Wasserfahrten , und Fröhlichkeit und munterer Scherz herrschte dann unter ihnen . Im Hause waren Musik , witzige und kluge Unterhaltungen , kleine gewählte Gesellschaften , und angenehme Lektüre ihre Unterhaltungen . Langeweile war aus ihren Zirkeln verbannt , und Elisa ließ ihre Freundinnen empfinden , daß wahre Freuden , wahrer Genuß des Lebens , nur mit Unschuld verbunden ist . Sie fühlten es , daß bei ihr die Freude und die Tugend Hand in Hand gingen , und sie gewöhnten sich , sie immer vereiniget zu denken . Sie fühlten sich besser und froher , wenn sie mit Elisa'n den Tag durchlebt hatten . So bildete sie ihren Geschmack und ihr Herz ; ihr Beispiel und eine nähere Bekanntschaft mit ihr , bewahrte manches Mädchen vor Ausschweifung und Torheit . Stets bestrebte sich noch Elisa , ihren Wirkungskreis zu erweitern ; nie glaubte sie , dem Nutzen , welchen sie stiften könnte , Grenzen setzen zu können . Hörte sie von einem Unglücklichen , so eilte sie zu ihm , und bemühte sich , seine Leiden zu vermindern . Anderer Wünsche zu gewähren , Anderer Bedürfnisse zu befriedigen , ruhige Ergebung , aufrichtige Liebe zum Guten in Anderen zu befördern , dieses waren ihre Bemühungen , und waren selten fruchtlos , weil sie immer die besten Maßregeln ergriff . Unter diesen Beschäftigungen verlebte sie jeden ihrer Tage . Carl war zwei Jahre alt , da wurde Elisa zum zweitenmal Mutter , und Mutter einer Tochter ; sie nannte sie Henriette . Auch Frau von Felsig war einige Monate zuvor niedergekommen ; sie hatte einen Sohn , und Felsig hatte ihn Heinrich genannt . Carl und Henriette machten nun Elisa's süßestes Vergnügen ; ihrer Erziehung widmete sie alle ihre Sorgfalt . Als Carl vier Jahr alt war , sagte einst an einem Morgen Wallenheim zu seiner Gattin : Ich bin entschlossen , Carln in eine öffentliche Erziehungs-Anstalt zu bringen ; die Erziehung der Söhne im väterlichen Hause taugt selten etwas . Elisa . ( Erschrocken. ) Jetzt schon wollen Sie ihn aus dem Hause bringen ? Wahlen . Warum nicht ? Je früher in der Erziehung der Anfang gemacht wird , desto leichter wird sie nachgehend , und desto besser ist ihr Erfolg . Elisa . Sie haben Recht . Und ich habe mich bemüht , seit der Geburt meines Sohnes diesem Grundsatze gemäß zu handeln . Aber könnten wir ihn nicht noch ferner in unserem Hause erziehen ? Wahlen . Unter ihrer Aufsicht allein ? Elisa . Nein , Wallenheim ; ich besitze nicht alle die Kenntnisse , die er einst wird haben müssen , und ich allein kann seine Erziehung nicht vollbringen . Allein wir wollen einen geschickten Erzieher nehmen , und gemeinschaftlich an seiner Erziehung arbeiten. Wahlen . Sie erzeigen den Hofmeistern viel Ehre , wenn Sie sie Erzieher nennen . Dieses ist eben das , was sie nie sind , und aus eben der Ursache bin ich entschlossen , nie Einen zu nehmen . Elisa . Es ist der Eltern Schuld , wenn sie dieses nicht sind ; wir wollen ihn dazu bilden . O , Wallenheim , wie kann man sich wundern , daß die Hofmeister nicht Erzieher sind , da die Eltern selbst es nicht sind ? Man betrachte das Betragen der Eltern gegen ihre Kinder , und gegen denjenigen , denen sie ihre Erziehung anvertrauet haben , wie zwecklos , wie planlos ! Der Erzieher sollte der erste Freund der Eltern sein ; er ist ja ihr Gehilfe bei der moralischen Bildung ihrer Kinder , eben bei dem , was eigentlich sie zu Menschen macht ; er teilt ja mit ihnen ihre Mühe für ihr Wohl ; ein Zweck , ein Plan , ein Interesse , so viel es sein könnte , sollte sie verbinden . Man sollte durch Liebe , durch Achtung , durch das Versprechen , ihn Lebenslang zu besolden , ihn zum Mitglied der Familie machen . Dann , Wallenheim , dann würden sich auch Erzieher finden . - Die meisten , welche es jetzt sind , werden , indes sie eine Stelle bekommen , Hofmeister , um sich ihren Unterhalt zu verschaffen , und werden auch in den meisten Häusern als die ersten Bedienten behandelt . Sie sind jung , sie haben nie über Erziehung nachgedacht , selten darüber gelesen ; sie konnten nicht ein eigenes Studium daraus machen , weil sie wußten , daß ihnen dieses nie ihren Unterhalt verschaffen würde . Allein , man lasse auch die Erzieher hoffen , daß durch ihre Geschicklichkeit in diesem Fache , sie sich ansehnliche Versorgungen versprechen können ; man versicherte ihnen , als Erziehern , Besoldungen auf Lebenslang ; man mache ihnen dieses Geschäfte angenehm ; man mache den edlen Wunsch in ihnen rege , Menschen bilden zu wollen ; man zolle Dank und Ehrfurcht dem Manne , der ihn zu erfüllen strebet ; und gewiß , Viele würden sich ganz dem Erziehungsgeschäfte widmen . Doch jetzt bleibt allen Hofmeistern keine andere Aussicht übrig , als durch ihre eigenen Bemühungen sich eine Stelle zu verschaffen ; da sie in den meisten Häusern auf einen unangenehmen Fuß stehen , so suchen sie diese bald zu erlangen ; daher der öftere Wechsel der Hofmeister , der immer der Erziehung nachteilig ist ; daher ihre wenige Anhänglichkeit an dieses Geschäfte , und an ihre Zöglinge . - Doch , Wallenheim , da wir diese Fehler einsehen , so können wir sie vermeiden . Lassen Sie uns einen Mann von Kenntnissen und von guter Aufführung suchen , und wo möglich , lassen Sie uns einen jungen Mann nehmen . Ein junger Mann wird sich eher leiten lassen , er wird mehr für sein Geschäft erwärmt werden , er wird sich noch nicht Ruhe und Bequemlichkeit wünschen , und folglich noch nicht so bald an eine Versorgung denken , besonders wenn wir ihn durch Liebe und Zutrauen an uns gefesselt haben , und seine Lage ihm angenehm machen . Wenn wir diesen gefunden haben , o so lassen Sie von seinem ersten Eintritt in unser Haus , völlige Gleichheit unter uns eingeführt sein , damit wir seinen Charakter und seine Meinungen über Erziehung kennen lernen ; lassen Sie uns ihm unsere Begriffe darüber mitteilen , und gemeinschaftlich einen Erziehungsplan entwerfen , nach unseren vereinigten Einsichten den besten , und ihn gemeinschaftlich ausführen. Wahlen . Zu allem diesen habe ich nicht Zeit ; dieser schöne Plan wird also wohl müssen unausgeführt bleiben . Elisa . O , so vertrauen Sie mir das Geschäft ! Es wird mir zu wichtig sein , als daß ich es je vernachlässigen sollte ! Glauoen Sie denn , Wallenheim , daß Fremde mit mehrerer Aufmerksamkeit über Ihren Sohn wachen werden , als ich , seine Mutter ? Glauben Sie , daß ihre Bemühungen für seine Erziehung ernstlicher sein werden , als die meinigen ? Doch vielleicht könnte es mir noch an hinlänglicher Kenntnis fehlen ; allein auch die will ich suchen zu erlangen . Sie sollen den Entwurf zu seiner Erziehung beurteilen , so viel Zeit werden Sie ja wohl haben ? Er soll mit dem übereinstimmen , was hierüber am besten gesagt und geschrieben worden ist , und vorzüglich , er soll dem Charakter meines Sohnes angemessen sein . Versuchen Sie es doch nur ! überlegen Sie doch nur meine Gründe ! Wahlen . Welche haben Sie denn gegen die Erziehung außer dem Hause ? Elisa . Beispiele haben mir so oft gezeigt , daß sie von allen die schlechteste ist ; denn sie wird gewiß immer am meisten vernachlässiget . Die Kinder sind ja fast nur in den öffentlichen Lehrstunden unter Aufsicht ; auf ihre Handlungen wird nicht gemerkt ; man sucht nicht Begierde nach Kenntnissen in ihnen zu erregen , und die Bildung ihres Herzens wird gänzlich unterlassen . Wahlen . Allein sie lernen Menschen- und Weltkenntnis ; sie lernen mit Menschen umgehen , und die Regeln der Vorsicht praktisch ausführen . Elisa . Sollte man in der Privaterziehung nicht auch diesen Vorteil erlangen können , wenn man Proben veranstaltete , welche die Kinder Erfahrung lehrten ? und gesetzt , man erreichte dieses nicht ganz in dem Grade , sollte der kluge , einsichtsvolle , mit festen Grundsätzen begabte Jüngling , wenn er in die Welt tritt , nicht bald lernen , den Regeln der Klugheit und der Vorsicht gemäß zu handeln ? Man Lehre ihn beobachten , und er wird bald die Menschen und die Welt kennen lernen ; und seine Beobachtungen werden für ihn von doppeltem Nutzen sein , da er sie nicht unter fremder Leitung , sondern mit dem recht angewandten Gebrauche seiner reiferen Vernunft anstellte. Wahlen . Um eben dieser kluge , einsichtsvolle Jüngling zu werden , will ich ihn in eine öffentliche Erziehungs-Anstalt bringen . Elisa . Und dieser Zweck wird da vielleicht am ersten verfehlt . Wie kann man über den Vorzug , den die Privaterziehung vor der öffentlichen hat , noch einige Zweifel haben ? Man wendet ja auf die erste weit mehr Sorgfalt ? Kennt man den Lehrer , dessen Privat- Aufsicht man in einer öffentlichen Erziehungs-Anstalt die Kinder übergibt ? Weiß man , ob er sich ihre Erziehung angelegen sein läßt ? Kann man ihn beobachten ? - Nein , man setzt sich außer Stand , die Erziehung seines Kindes selbst zu ordnen , das Fehlerhafte davon zu entdecken , und ihm abzuhelfen . Man weiß vielmehr , daß das Kind meistens sich selbst überlassen ist , daß es mit so vielen die Bemühungen des Lehrers teile , daß es diesem unmöglich ist , seine Beschäftigungen und seine Aufmerksamkeit nur einem zu widmen ; man muß es also auf das Ungefähr ankommen lassen , ob das Kind zum guten oder zum schlechten Menschen , zum nützlichen Bürger , oder zum ausschweifenden Toren gebildet werde . Allein wenn wir unseren Sohn im Hause behalten , so können wir ja alle Sorgfalt auf seine Erziehung wenden ; er bleibt unter beständiger Aufsicht . Und wenn auch Sie , lieber Wallenheim , diesem Geschäfte keine Zeit widmen können , so werden doch die Bemühungen zweier , die , eines geschickten Erziehers , ( denn diesen hoffe ich durch die Mittel , die ich ihnen gesagt habe , zu erhalten ) und die meinigen , fruchtbarer sein , als der geteilte Unterricht eines Lehrers , den kein so starkes Interesse belebt . Wird man wohl in einer öffentlichen Erziehungs-Anstalt so die Handlungen meines Kindes beobachten , so seine Neigungen ausspähen , und ihnen die edle Richtung geben , wie ich beflissen sein werde , es zu tun ? Glauben Sie mir , Wallenheim , Eltern sind die besten Erzieher , wenn sie es aufrichtig sein wollen , und zu diesem Geschäfte die erforderlichen Einsichten besitzen ! Ich zittere für Carln , wenn man nicht sucht , seinem Charakter Festigkeit zu geben . Vielleicht wird es kein Anderer bemerken , daß in seinem Charakter eine Leichtigkeit ist , welche zur Schwäche wird . Ich , die ich ihn immer beobachte , habe dieses nur zu oft wahrgenommen . Er beharrt nie auf einem einmal genommenen Entschluß ; augenblicklich geht er durch Anderer Zureden , durch den Anblick anderer Gegenstände , von dem , was er tun wollte , ab . Diese Schwäche kann ihn einst , mit den besten Eigenschaften , zu den größten Fehlern , selbst Verbrechen verleiten . Auch hatte ich schon auf Mittel gedacht , ihm Festigkeit zu geben . Ich wollte , wenn er erst selbst Schlüsse machen könnte , Proben veranstalten , durch welche er den Schaden seiner Nachgiebigkeit selbst empfinden sollte ; dieses oft und auf verschiedene Art wiederholt , würde gewiß endlich Festigkeit in ihm hervorbringen . - Und dieses Alles wird in einer öffentlichen Erziehungsanstalt verabsäumt . Da wird an keine Bildung des Charakters gedacht , keine Mittel gebraucht , durch welche moralische Eigenschaften in den Seelen der Zöglinge haften . Und Carl kann ja in unserem Hause eben den Unterricht genießen , welcher in den öffentlichen Erzieh hungs-Anstalten erteilt wird ; wir könnten ihm Lehrer halten , welche ihn in denjenigen Kenntnissen unterrichteten , die sein Lehrer nicht besitzt . - O , Wallenheim ! Nie drang ich in Sie , mir eine Bitte zu willfahren - Aber diesmal - es betrifft das Wohl meines Sohnes - lassen Sie ihn mir im Hause ! Wahlen . Elisa , Sie sollten wissen , daß ich nie von einem einmal genommenen Entschluß abgehe . Carl soll außer dem Hause erzogen werden . Elisa . Lieber Wallenheim , ich bitte Sie ja nur , meine Gründe zu prüfen . Carl ist noch so jung , und erhält jetzt dadurch noch keinen Vorteil , wenn er auch in die beste Erziehungs-Anstalt gebracht würde . Sein Alter hingegen erfordert noch so viel Sorgfalt , ist noch so vielen Unfällen ausgesetzt , daß nur elterliche Zärtlichkeit diese von ihm wenden , und jene ihm widmen können . Versuchen Sie also den Plan , den ich zu seiner Erziehung entworfen habe ; lassen Sie ihn bis in sein zwölftes Jahr unter unserer Aufsicht in unserem Hause erziehen , und glauben Sie dann noch , daß die Erziehung außer dem Hause besser ist , nun so werden doch die Jahre seiner Kindheit auch nicht für ihn verloren gegangen sein , und die öffentliche Erziehung wird dann vielleicht von mehrerem Nutzen für ihn sein ; jetzt kann sie ihm in jedem Betracht nur schädlich werden . Entreissen Sie ihn also nicht der mütterlichen Sorgfalt , um ihn Händen anzuvertrauen , welche vielleicht nicht wissen , wie sie das Kind behandeln sollen , und nicht gewohnt sind , den Mängeln dieses Alters ihre Aufmerksamkeit zu weihen . Wahlen . Elisa , ich verlange keine Widerrede mehr ; ich habe Ihnen nicht meinen Willen bekannt gemacht , um Widersprüche zu hören . Elisa . Ach , verlangten Sie mein Glück , mein Leben von mir , Sie sollten sie nicht von mir hören ! All in es gilt das Glück meines Sohns - Auch mir gebot die Natur , es zu befördern ; sie machte mich zu seiner ersten Versorgerin , und ich fühle es , daß ihm kein Anderer meine Stelle ersetzen könnte . Auch kann ich mir selbst bezeugen , daß ich bisher die Mutterpflichten gegen ihn treu erfüllte , und dieses Bewußtsein läßt mich hoffen , daß ich immer im Stande sein würde , es zu tun . Verzeihen Sie mir also , Wallenheim , meine Einwendungen , da ich sehe , daß Sie im Begriff sind , von einem Ungefähr die moralische Bildung , und mithin das Glück Ihres Sohnes abhängen zu lassen , indem ich glaube , Mittel anwenden zu können , ihm dieses zu versichern . Und ich bitte Sie ja nur , die Ausführung Ihres Entschlusses auf einige Jahre zu verzögern . Nehmen Sie doch Rücksicht auf Karls Alter ; wie leicht kann er krank werden , und vielleicht wenig Pflege alsdann bekommen . Der Mangel an Aufsicht ( denn ein öffentlicher Lehrer kann sich unmöglich viel mit einem Kinde von seinem Alter beschäftigen ) kann ihm Gebrechen , Schaden zuziehen , und ihn vielleicht dem Tode nahe bringen , selbst ins Grab ihn stürzen - O , Carl ! ersparen Sie sich Vorwürfe , welche diese Handlung vielleicht für die Zukunft Ihnen bereitet , und mir die Angst , beständig in der Ungewißheit über den Zustand meines Sohnes zu sein ! Wahlen . Ihre Beredsamkeit ist diesmal umsonst ! Sagen Sie mir kein Wort mehr , sondern suchen Sie sich in Absicht Karls zu beruhigen ; ich werde schon gehörige Sorge für ihn tragen , und bemühen Sie sich , die Trennung von ihm gelassen zu ertragen ! Elisa . ( Sie unterdrückt eine Träne . ) Wallenheim , o dann gewähren Sie mir nur eine Bitte ! Erlauben Sie mir zum wenigsten , Sie und Carln zu begleiten , damit ich selbst die Personen sehe und kennen lerne , deren Aufsicht mein Carl anvertraut wird , um , wo möglich , ihnen meine Liebe , meine Sorgfalt einzuflößen , und eine Mutter dort bei der Liebe zu ihren Kindern zu beschwören , mütterliche Sorgfalt für meinen Carl zu haben ! Wahlen . Dieses Alles wird nicht nötig sein ; ich bin Karls Vater , und werde wohl selbst gehörige Maßregeln ergreifen können , damit er gut gehalten werde . Auch würden Sie wohl noch wollen Henriette , ihre Wärterin und die Mamsell mitnehmen , und mit solchem Gefolge liebe ich nicht zu reisen . Setzen Sie also Carln nur in den Stand , in einigen Tagen mit mir wegzureisen , ohne sich wider meinen Willen zu meiner Gesellschafterin aufzudringen . Er verließ hierauf das Zimmer ; Elisa war sehr gerührt ; sie drückte ihren Sohn mit inniger Wehmut an ihre Brust . O , mein Carl ! rief sie aus , du sollst nicht länger an dem mütterlichen Busen ruhen ! - Wallenheim , ich ertrug Alles ; aber daß du mich meines Kindes beraubest , daß du mich außer Stand setzest , an seiner Erziehung , an seinem Glücke zu arbeiten , dieses zu ertragen , dazu gehört eine höhere Kraft ! - ( Eine Pause . ) allein er ist Gatte und Vater , und auch hier ist es meine Pflicht , geduldig seinem Willen ergeben zu sein . Nein , ich will nicht murren , nicht mit ihm zürnen , sondern jedes sanfte Mittel , jede vernünftige Vorstellung noch anwenden , um ihn von seinem Entschluss abzubringen . Ich will seinen Zorn gelassen ertragen ; ich spreche ja für das Wohl meines Kindes , und zu dem Vater desselben . - Und reißt er dich doch aus meinen Armen ! - O , dann , Vernunft , mache mich stark , auch dann meine Pflicht nicht zu vergessen ! Standhaftigkeit , Festigkeit und Geduld , bleibe auch dann unveränderlich in mir ! - Kann ich Carln auch nicht selbst erziehen , so will ich doch Alles anwenden , ihn mit der Zeit gute Grundsätze einzuflößen ! ( Sie drückt Carln wieder mit Heftigkeit an ihre Brust . ) O , mein Kind , mögest du edel und gut wer den ! - Ach , Wallenheim , daß du mich dieses nicht bewirken lassen willst ! - Elisa trocknete indes ihre Tränen wieder , und erwartete Wallenheim mit heiterer Miene ; allein alle ihre Versuche , ihn zu bewegen , Carln nicht aus dem Hause zu bringen , waren vergebens ; er beharrte auf seinem Entschluss . Elisa verbarg zwar vor ihm ihre Tränen ; allein es war ihr doch unmöglich , so heiter zu sein , als sie gewöhnlich zu sein pflegte . Indes schien Wallenheim ihre Traurigkeit nicht zu bemerken , sondern reiste mit Carln am vierten Tage , nachdem er Elisa'n seinen Vorsatz entdeckt harte , ab , und brachte ihn nach D . Diese Trennung von ihrem Sohne war Elisa'n sehr schmerzhaft ; allein ihr Betragen gegen Wallenheim blieb dasselbe , blieb gleich sanft und freundlich . Sie reiste nach Wallenthal , um in den Umarmungen der Freundschaft Erleichterung ihres Kummers zu suchen . Felsig und Henriette lebten einig und glücklich ; Henriette hatte sich ihre Freundin zum Muster genommen ; sie besaß ihre sanften Tugenden , und Elisa's liebevolle Seele atmete nur Freude , wenn sie das Glück ihrer Freunde sah . - Zum Drittenmal wurde Elisa Mutter . In Wallenthal war es , wo sie , ein Jahr nach Karls Entfernung aus dem Hause , niederkam , und einen Knaben zur Welt brachte . Er war acht Tage alt , und man hatte noch keinen Namen für ihn bestimmt . Wie wollen wir denn unseren Knaben nennen ? fragte Wallenheim seine Gattin , als er mit Henriette an einem Morgen an ihrem Bette saß . Elisa . Er mag Herrmann heißen ! Sehen Sie Wallenheim , seine große Augen , wie offen sein Blick einst werden wird ! O , gewiß , ein süßes Vorgefühl sagt es mir , er wird ein biederer Junge werden , und dieser Name ihm am angemessensten sein ! Wahlen . ( Lächelnd. ) Nun , er mag ihn erhalten ; denn Sie scheinen sich viel von dem Namen zu versprechen . Auch Elisa lächelte , und bald darauf ging Wallenheim hinaus . Henr . ( Nachdem Wallenheim das Zimmer verlassen hat . ) Elisa ! So soll Dein Sohn Dich denn in jedem Augenblick an Deinen Geliebten erinnern ? Elisa . Nenne ihn nicht mehr so , Henriette ; als Mutter dreier Kinder bin ich nun wohl ganz Wallenheims Gattin . Herrmanns Andenken kann mich nicht mehr schmerzen , kann keine andere Empfindungen , als die Empfindungen inniger Achtung und Freundschaft in mir erregen . Gern höre ich jetzt von ihm , gern spreche ich von ihm . Wenn ich an ihn und an seine Liebe denke , so ist mir , als sähe ich in ein schönes Land zurück , wo ich einst weilte und wo ich einen Begleiter fand , der dort meinen Weg mit Blumen bestreute . Ich erinnere mich des Entzückens , das ich empfand , und mein Herz liebt noch den Urheber desselben ; allein das Entzücken ist vorüber , und mit ihm das lebhafte Gefühl für den , der es erzeugte . Warum sollte ich meinen Sohn nicht Herrmann nennen , da dieser Name mir Erinnerung meiner Freuden , meiner Leiden , und ich darf auch sagen , meiner Standhaftigkeit ist ? Ich denke mir Herrmann nicht mehr als meinen Geliebten , nicht mehr , wie er auf dem Berge in Birkenstein mir seine Liebe erklärte , nicht , wie er beim Abschiede verzweiflungsvoll mich an seine Brust drückte ; nein , ich denke ihn mir als den edlen Mann , den nützlichen Staatsbürger , den warmen Menschenfreund , und mit immer erneuerter Tätigkeit wird mich diese Vorstellung beleben , meinen Sohn dazu zu bilden ! Wenn ich ihn nennen werde , werde ich in ihm den edelsten Mann , den liebenswürdigsten Sterblichen erblicken , und alle meine Bemühungen sollen dahin gehen , daß er es werde . Henr . ( Lächelnd. ) Ich erkenne Dich so ganz wieder Elisa ! Noch immer ist Dein Gefühl für jedes Gute und Edle schwärmerisch . Elisa . O , Henriette , in der Liebe schwärmt man immer , so auch in der Liebe zur Tugend ! Doch hüte man sich , so viel man kann , vor dieser Schwärmerei ! Leicht kann man durch sie die wahre Tugend verkennen , und empfindsame Hirngespinste an ihre Stelle setzen . Wer wahrhaft warmes Gefühl für Tugend hat , der lasse auch in den Augenblicken der Begeisterung die kalte , prüfende Vernunft seine Führerin sein . Herrmann wurde nun , ohne daß sie es selbst ahndete , seiner Mutter , und bald auch seines Vaters Liebling ; allein der Knabe rechtfertigte diesen Vorzug . Er war erst einige Jahre alt , und man bemerkte schon ihn ihm ein gutes fühlendes Herz , und jede Anlage zum großen Geiste . Mit Entzücken drückte ihn oft Elisa an ihre Brust , und sagte dann : O , er wird Dir ähnlich sein , Herrmann ! mein Sohn , mein Herrmann , ich werde dich verehren , wie ihn ! Es waren nun sechs Jahre , daß Elisa in Wallenthal die zehn Kinder angenommen hatte . Sie waren alle sechzehn Jahre alt , und ein jedes hatte gelernt , durch seiner Hände Arbeit sich seinen Unterhalt zu verschaffen . Sie sollten nun eingesegnet werden , und dann das Erziehungshaus verlassen . Elisa reiste zu der Zeit nach Wallenthal , und wohnte der Einsegnung bei . Nach dieser Feierlichkeit bestellte sie sie auf das Schloß ; sie empfing sie auf dem Hofe ; gerührt näherten sich ihr die Jünglinge und Mädchen . O , unsere Wohltäterin ! riefen alle , und fielen vor ihr nieder . - Elisa . Steht auf , meine Kinder , und setzt Euch hier neben mich . ( Alle gehorchten , und setzten sich auf die Bänke , welche Elisa für sie hatte hinstellen lassen . Sie fährt fort . ) Wir werden uns vielleicht nun nicht mehr oft sehen ; es ist vielleicht heute das Letztemal , daß wir hier alle versammelt sind , und glaubt mir , meine Kinder , die Trennung von Euch geht mir nahe ; denn Euer Wohl liegt mir am Herzen ! - Doch sie ist notwendig . Ihr seid nun in einem Alter , in welchem Ihr Euch selbst Euren Unterhalt erwerben könnt , und es ist meine Sorge gewesen , Euch in den Stand zu setzen , dieses tun zu können . Nun ist es Eure Pflicht , für Euch selbst zu sorgen . O , meine Kinder , Ihr nahmt heute die Verbindlichkeit auf Euch , gute Menschen zu sein ; vergeßt dieses nie , wenn Ihr wollt , daß es Euch wohl gehen soll ! Seid treu in Eurem Dienste , arbeitsam , geduldig und liebreich gegen Eure Nebenmenschen ; dann werden Eure Herrschaften Euch lieben und Eure Treue belohnen , und diejenigen , mit denen Ihr umgeht , Euch gerne Gefälligkeiten erweisen . Lebt aber auch ordentlich und eingezogen ; denn eine liederliche Lebensart stürzt in Unglück , Krankheit und Laster , und seid versichert , daß , wenn Ihr Euch gut aufführt , Ihr immer in mir eine Mutter finden werdet , die bereit sein wird , Euch zu helfen . Kommt nur zu mir , wenn Ihr in Mangel oder in Elend geratet , selbst wenn die geringste Widerwärtigkeit Euch trifft , ich werde Euch unterstützen . Alles , was ich für Euch tat , geschah in der Absicht , Euch glücklich zu machen , und es würde mich sehr kränken , wenn Ihr durch eine schlechte Aufführung selbst Euer Glück zerstörtet . O , meine lieben Kinder , versprecht mir , daß Ihr mir nie diesen Gram machen wollt ! Alle weinten , und fielen wieder zu Elisa's Füßen , die nächsten umfaßten ihre Knie . O , gnädige Frau , o , unsere liebreiche Mutter ! nimmer ! nimmer ! Elisa . Wenn das ist , meine Kinder , so werde ich Euch ruhiger von hier ziehen sehen ; und solltet Ihr auch einmal einen Fehltritt begehen , so verliert doch nicht Euer Zutrauen zu mir , kommt auch dann noch zu mir , auch dann werde ich Euch aufnehmen , Euch zurecht weisen ; denn nie werde ich aufhören , Euch zu lieben ! - Sollten jetzt einige von Euch sein , welche noch keinen Dienst haben , oder noch kein Mittel wissen , sich ihren Unterhalt zu erwerben ; so können sie , bis sie einen Dienst bekommen , hier in Wallenthal auf dem Schlosse bleiben , und indes für uns arbeiten . - Nun ging Elisa zu einem jeden , richtete ihn auf , drückte ihm die Hand und gab einem jeden zwei Taler . Dank strahlte aus aller Augen , und ein Jeder versprach es sich selbst , seiner Wohltäterin würdig zu bleiben . Elisa las es in ihren Herzen , sie sah ihren Vorsatz , er erfüllte sie mit der reinsten Freude . Ich habe sie dem Laster und dem Elende entrissen , sprach sie zu sich selbst , ich habe sie zu Menschen gebildet , ich habe an ihrem Glücke gearbeitet ! - Diese Vorstellungen strömten Wonnegefühl und das seligste Entzücken in ihr Herz . Sie vergoß Tränen der seligsten Empfindung , der Freude über sich selbst , Menschen beglückt zu haben ; voll dieses Gefühls , eilte sie in ihr Zimmer , warf sich auf ihre Knie , und erhob ihr schönes Auge , aus welchem reine Verehrung der Gottheit und warme Menschenliebe blickten . Dank Dir , gütige Vorsicht , rief sie aus , Du lehrtest mich die edelsten Freuden kennen ! Durch Deine Leitung wurde meine Seele gefühlvoll und liebend ! O , daß ich nie gleichgültig gegen Menschenwohl werde ! daß ich nie erkalte in dem tätigen Eifer , es;u befördern ! Dir , erste und wohltätige Quelle alles Daseins , erneuere ich das Gelübde , mein ganzes Leben hindurch Menschenglück zu befördern ! Und daß jeder Blick gen Himmel mich dessen erinnere , oder mit Vorwürfen mich strafe , wenn ich kalt in seiner Erfüllung werde ! - Nun ging Elisa wieder hinunter ; ihr Blick schien der Blick eines Engels , und über ihrem ganzen Wesen lag holde Milde verbreitet . Auch schlugen alle Herzen voll Liebe für sie . Es waren auf dem Hofe viele Einwohner des Dorfs versammelt , und alle sagten unter einander : O , wie schön ist unsere gnädige Frau ! Wie gütig sieht sie aus ! O , wir wollen immer Alles tun , was sie verlangt , gälte es auch unser Leben ; denn sie ist ja immer bemüht , uns zufrieden zu machen ! Elisa hatte für alle Kinder , welche an diesem Tage eingesegnet worden waren , eine Mahlzeit bereiten lassen ; sie ließ nun auf dem Hofe einen Tisch decken , und sie mußten sich an denselben setzen . Fröhlichkeit herrschte bei diesem Mahle , und Elisa genoß mit Entzücken den Anblick unschuldiger , jugendlicher Freude . Der kleinen Henriette trug sie auf , zu Allen zu gehen , zu fragen , was sie verlangten , zu sehen , was sie wünschten , und es ihnen dann zu bringen ; sie wollte sie jung gewöhnen , Vergnügen in Dienstleistungen , und in der Austeilung von Geschenken zu finden . Die folgenden Tage war Elisa beschäftiget , zehn andere Kinder anzunehmen , welche die Stelle der Ersteren ersetzten , und reiste dann wieder zurück nach B.. . In dieser Zeit starb Elisa's Mutter , und sie erbte nun ein ziemlich ansehnliches Vermögen ; allein gleich einfach blieb sie in ihrer Kleidung , und in ihrer Lebensart ; gleich aufmerksam in der Besorgung ihrer Wirtschaft und allen ihren häuslichen Angelegenheiten . Wallenheim hatte indessen schon einen großen Teil seines Vermögens im Spiele durchgebracht , und Elisa's Bemühungen , ihn von dieser Leidenschaft zu heilen , waren vergebens . Auch wollte er nun , daß mehr Prunk in seinem Hause herrschen sollte ; er nahm noch einige Bedienten an , und fing wieder an , viel Gesellschaft in seinem Hause zu sehen , in welchem alles auf einen sehr glänzenden Fuß eingerichtet werden mußte . Oft reiste er allein nach Wallenthal , gab dort große Jagden , und verspielte dort ansehnliche Summen . Ungern erfüllte Elisa , in Absicht des Aufwandes , den er führen wollte , seinen Willen . Sie machte Vorstellungen dagegen ; allein er antwortete ihr : ich will es so , Elisa ! Es ist von meinem Vermögen . Sie schwieg dann , und bestrebte sich , in Allem , was er wünschte , ihm gefällig zu sein , und so viel es sein konnte , mit den wenigsten Kosten diesen Aufwand zu führen . Sie erhielt auch von ihm , daß er für Herrmann , als dieser fünf Jahr alt war , einen Erzieher ins Haus nahm . Schon seit einigen Jahren hatte sie gesucht , mit vielen jungen Männern bekannt zu werden , welche sich dem Erziehungsgeschäfte widmen wollten . Jetzt fiel ihre Wahl auf einen jungen Mann , welcher mit edlen Gesinnungen und einem biederen Herzen nützliche und gründliche Kenntnisse verband . Zwar besaß er wenig Weltkenntnis ; auch hatte er wenige Begriffe über Erziehung , und es fehlte ihm an Bildung in seinem äußeren Wesen ; allein Elisa hoffte , daß er dieses alles durch Erfahrung erlangen würde ; doch nur in dem Umgange mit ihr konnte dieses geschehen : denn sie wurde , ohne daß er es wußte , seine Lehrerin . Sie teilte ihm ihre Begriffe über Erziehung mit , machte ihn aufmerksam auf den Charakter und die Anlagen ihres Sohnes , sagte ihm , welches die beste Art sein würde , ihn zu behandeln . Nach einem Jahr war Waldin ( so hieß der Lehrer des jungen Wallenheims ) fähig , im eigentlichen Sinne des Worts , Erzieher zu sein . Unaufhörlich beobachtete er seinen Zögling , nicht ein Gedanke , nicht ein Verlangen des Kindes entging seiner Aufmerksamkeit , und jedes seiner eigenen Worte und Handlungen hatte Herrmanns Erziehung zum Zwecke . Elisa es höfliches , vertrauliches und liebreiches Betragen gegen ihn , hatte verursacht , daß sein äußeres Wesen jene feine Politur bekam , welche man nur beim Weltmann antrifft , und welche doch der Erzieher stets haben sollte . Verehrung ihrer Tugenden und Liebe gegen Herrmann , als den Gegenstand seiner Bemühungen , und das Wesen , welches durch ihn seine moralische Bildung erhalten sollte , fesselte ihn an die Wallenheimsche Familie , und machten ihm seine Stelle angenehm . Einst , als Elisa lange mit ihm über ihre Kinder , über den Erziehungsplan , den sie gemeinschaftlich entworfen , und gemeinschaftlich ausführten , gesprochen hatte , sagte sie ihm endlich : Herr Waldin , Ihnen werde ich vielleicht künftig das süßeste Glück meines Lebens verdanken , womit werde ich dieses vergelten können ? Sie opfern der Erziehung meines Sohns Ihre Jugend und die Vergnügungen derselben , und ich werde Ihnen nichts geben können als meinen Dank ? Waldin . Der Dank der Edelsten Ihres Geschlechts ist viel wert , gnädige Frau , und doch wird er nur eine meiner geringsten Belohnungen sein ! Lassen Sie mich Herrmann zum Mann bilden , und ich darf sagen , mein Gefühl wird dem Ihrigen gleich kommen , es wird in sich seine Belohnung führen ! Elisa . Es wird noch erhabener sein , Herr Waldin . Alles , was ich tue , heißt Muttergefühl mir , und Mutterfreuden werden mich belohnen ; aber Ihre Bemühungen sind eben so uneigennützig , als sie groß sind ! Waldin . Und rein wird meine Freude einst sein ! O , gnädige Frau , Sie nur können die Gedanken und alle die seligen Empfindungen begreifen , welche in seinem Gefolge sind ! Den Gedanken : ich habe einen Menschen gebildet , ich habe ihn zum nützlichen Mitgliede der Gesellschaft gemacht , ohne irgend ein anderes Interesse als das , Gutes tun zu wollen , ohne irgend einen anderen Antrieb als den , meine Pflicht und den erhabensten Beruf zu erfüllen ! Alles Gute , welches dieser Mensch tut , fällt mir , als dem ersten Urheber desselben , zu ! Wenn er seine Mitbürger beglückt , und sie ihn segnen , so segnen sie mich ! Wenn er glücklich durch seine Tugend ist , so ist er es durch mich , und ich zehnfach durch ihn ! - Ich arbeitete an dem Glücke der würdigsten Mutter ; jede Freudenträne , welche sie über ihren Sohn vergießt , strömt Segen auf mich herab . - In diesem Augenblicke kam Herrmann angelaufen ; er warf sich auf den Schoß seiner Mutter , und schrie in einem freudigen Tone : Liebe Mutter , ich bin recht vergnügt ! Elisa . Das freuet mich , mein Herrmann ; aber was macht Dich denn so vergnügt ? Herrm . Ich ging vor die Türe , liebe Mutter , eben als Sie mir die Kirschen und das Brot gegeben hatten , und da saß ein kleiner Junge ; er weinte so sehr , und ich fragte ihn weswegen ? Er sagte mir , ihn hungerte sehr , und seine Eltern könnten ihm heute den ganzen Tag nichts zu essen geben ; da gab ich ihm meine Kirschen und das Brot . Ich war zwar auch hungrig , und ich hatte mich sehr auf die Kirschen gefreut ; aber ich dachte nicht mehr daran . Ich habe ihm auch gesagt , er sollte auf den Abend wieder kommen , ich wollte ihm mein Abendbrot geben ; ich kann ja morgen essen , und des Nachts fühle ich den Hunger nicht . O da war er recht vergnügt , als ich das sagte ; er sprang und rennte freudig weg , und das machte mich auch lustig ! Bei diesen Worten hüpfte der Knabe aufs neue . Elisa blickte auf Waldin ; inniger Dank war ihr Blick , und eine Träne der Freude rollte über ihre Wange ; sie nahm ihren Sohn in ihre Arme . Waldin verstand den Blick ; ihn ganz will ich verdienen , sprach er zu sich selbst , und fest haftete der Vorsatz in seiner Seele . Elisa . ( welche noch immer Herrmannen auf ihrem Schoße hält . ) Jedesmal , mein lieber Herrmann , wenn du den Armen etwas geben , oder etwas tun wirst , was ihnen Freude macht , wirst du so vergnügt sein . Herrm . Jedesmal , liebe Mutter ? Und Sie werden mich dann auch immer lieben wie jetzt ? Elisa . Gewiß , Herrmann , ich werde dich jedesmal mehr lieben . Herrm . O wenn doch recht oft kleine Jungen kämen , welche hungerten , ich wollte ihnen immer geben , was ich hätte ! Elisa . Weißt Du kein Mittel , Herrmann , wodurch dieses geschehen könnte ? Herrm . Keins , Mutter . - ( Es sinnt nach . ) Doch etwas fällt mir ein , ich könnte , wenn ich spazieren ginge , die kleinen Jungen , welche traurig und schlecht angezogen sind , fragen , ob sie hungrig sind ? und dann sie mit mir nehmen . Elisa . Ja , das geht an . Aber sage mir , sagte der kleine Knabe , mit dem du heute sprachst , daß er oft hungere ? Herrm . Das habe ich ihn nicht gefragt . Doch ich weiß schon , was ich tun werde , ich werde ihm sagen , daß jedesmal , wenn er hungere , er zu mir komme , und dann wird er sich jedesmal so freuen , als heute . Elisa . Tue das , Herrmann , er soll dann jedes Mal neben dir mit uns am Tische essen . Herrmann fällt seiner Mutter freudig um den Hals . Neben mir ? und ich werde auch essen ? O , das ist herrlich ! - ( Nach einigem Besinnen . ) Doch , liebe Mutter , er hat nur so ein schlechtes Kleid an , es ist so schmutzig und so zerrissen . Elisa . Der arme Knabe , wie mag ihn im Winter frieren ? Herrm . Ach ja ! und dann kann er so nicht mit uns am Tische essen . Elisa . Warum nicht , Herrmann ? Dein Kleid ist oft schmutzig , und das deines Vaters und das Meinige sind stets rein ; wenn wir dich nun mit dem beschmutzten Kleide nicht wollten an den Tisch nehmen ? Herrm . O liebe Mutter , das wäre hart ! Ich kann oft nicht dafür , daß mein Kleid beschmutzt wird ; es geschieht auf den Spaziergängen , und wenn ich im Garten arbeite , ohne daß ich es weiß . Elisa . Der arme Knabe kann noch weniger dafür , daß seine Eltern ihm kein gutes Kleid kaufen können . Herrm . Nein , gewiß nicht . Elisa . Ist denn nun sein Kleid ein Hindernis , daß er nicht mit uns essen kann ? Herrm . ( Beschämt. ) Nein , liebe Mutter . - ( Er wird nachdenkend , nach einer Pause . ) Aber , wenn er doch nun für den Winter ein anderes Kleid hätte , damit er nicht zu frieren brauchte ? Elisa . Und gewiß haben auch seine Eltern nicht einmal Holz , um einheizen zu können ? Herrmann , der bisher noch immer im Nachdenken versunken war , springt freudig auf , und klatscht mit den Händen . O , liebe Mutter , mir ist etwas eingefallen ; o , er wird nun nicht so frieren ! Elisa . Wie wirst du dem abhelfen können ? Herrm . Ich will ihm eins von meinen Kleidern geben . O , wie vergnügt er sein wird , wie er springen wird ! - Er läuft freudig fort . Waldin geht ihm nach , ihn zu beobachten . Elisa mit freudigem Entzücken : Herrmann , dein Geist ruht auf ihm ! Er wird einst edel sein , wie Du , und ich werde einst noch in meinem Sohne Dich lieben ! Auf diese Art beschäftigte Elisa sich mit ihren Kindern ; täglich wuchs ihre Zärtlichkeit gegen sie , und vorzüglich gegen Herrmann . Carl besuchte seine Eltern alle Jahre , und jedesmal vermehrten sich Elisa's Besorgnisse um ihn . Zwar besaß er innere Güte ; allein sein Charakter blieb schwankend . Er liebte das Gute , und ließ zum Bösen sich hinreissen ; seine Leidenschaften waren heftig , und sein Verstand träge , unfähig zum ernsten Denken , unfähig , jene unter die Herrschaft der Vernunft zu bringen . Oft erneuerte Elisa die Versuche , Wallenheim zu bewegen , Carln wieder in ihr Haus zurückzunehmen ; allein jedesmal erhielt sie eine abschlägliche Antwort . Sie trauerte im Stillen darüber , ohne weiter ihrem Gatten Vorwürfe zu machen . Doch noch einen empfindlicheren Schmerz bereitete ihr Wallenheim . Einst als er einen großen Verlust im Spiele erlitten hatte , beredete ihn einer seiner Freunde , ihn zur Redoute zu begleiten , um sich zu zerstreuen . Gleichgültig , wohin er seine Schritte wendet , mißmutig und mürrisch folget er seinem Freunde , und setzt auf der Redoute sich gedankenvoll in einen Winkel ; eine weibliche Stimme weckt ihn aus seinem Nachdenken : Gehen Sie , liebe Wilhelmine , hohlen Sie mich hier wieder ab , ich bin so müde , daß ich hier einige Augenblicke ruhen will ! - Dieses waren die Worte , welche an seiner Seite erschallten ; er wendet sich um , und erblickt neben sich eine weibliche Figur , welche in diesem Augenblicke die Maske abnimmt , und dadurch Wallenheim auf einige Augenblicke stutzen macht . Noch nie hatte Schönheit auf ihn Eindruck gemacht ; allein Rosalie war eins von den Geschöpfen , auf welche die Natur ihre liebsten Züge drückte : sanfter Zauber war ihr Blick , Liebe lächelte um ihren Mund , Grazie war in jeder ihrer Bewegungen ; ein schwarzer Mantel schlang sich in weiten Falten um ihren schlanken Leib , ohne die Schönheiten ihres Körpers zu verhüllen ; durch ihn sah man den schönsten Busen sich bewegen , auf welchem sanft ihre braunen Locken spielten . Kaum saß sie , so wendete sie sich zu Wallenheim ; ihre Unterhaltung war angenehm , sie schwatzte den Mißmut aus seiner Seele ; er vergaß seinen Verlust , und er fühlte , daß er dieses Vergessen seiner schönen Nachbarin zu verdanken hatte . Bald vergaß er jeden anderen Gegenstand , und in dem ganzen Zirkel erblickte er nur die schöne Rosalie ; sie bot alle Künste der feinsten Koketterie auf , ihn immer mehr an sich zu ziehen ; schon berauscht er sich in ihren Blicken , schon zittert Wollust in seinen Adern , als er seinen Arm um ihren halbentblößten Körper schlingt . So führt ihn Rosalie weg in ihre Wohnung ; hier läßt sie ihn nicht genießen , sie gibt ihm aber den Vorschmack von dem , was Genuß ihm gewähren würde ; sie erregt sein Verlangen , reizt seine Begierden , und windet sich dann aus seinen Armen . Er muß sie verlassen , ohne daß einmal seine Hand auf ihrem klopfenden Busen geruht habe , und doch zitternd vor Verlangen nach ihrem Besitze . Er kehrte am anderen Tage zu ihr zurück , und mit starken Zügen läßt ihn Rosalie aus dem Becher der Freude und der Wollust trinken ; doch läßt sie ihn denselben nicht ausleeren . Immer weiß sie den Freuden , welche in ihre Arme ihn locken , einen neuen Reiz zu geben , bis daß sie um ihn die Kette der Liebe und Wollust geschlungen hat , aus welcher er sich nicht mehr winden kann . Rosalie beherrscht ihn nun ganz ; große Summen empfängt sie von ihm , die sie wieder verschwendet ; Pracht und Überfluß muß in ihrem Hause herrschen , und jedem ihrer Wünsche bestrebt sich Wallenheim zuvorzukommen . Schon sechs Monate dauerte seine Leidenschaft zu Rosalien , und Elisa ahndete nichts von der Untreue ihres Gatten , als er einst nach Wallenthal gereist war , und bei seiner Zurückkunft seinen Bedienten vorausschickte , welcher Elisan sagte , daß er seinen Herrn am Tore verlassen habe , welcher ihm unverzüglich folgen würde . Elisa wollte die Ankunft ihres Gatten erwarten , und nicht eher zu Bette gehen ; allein schon war Ludwig , ( Wallenheims Bedienter ) eine Stunde zurück , und Wallenheim kam noch nicht . Elisa ließ Ludwig noch einmal kommen ; im ängstlichen Tone sagte sie zu ihm : Ludwig , mein Mann kommt ja nicht ? Wenn ihm nur kein Unfall begegnet ist ? Ludwig . Ihr Gnaden , er war dicht am Tore , es kann ihm unmöglich mehr etwas zugestoßen sein . Elisa . O , es muß doch sein ! Warum würde er außen bleiben ? Er war ja diesen Abend nicht versagt ? Und er selbst sagte mir , daß er ihm gesagt habe , er würde gleich ihm folgen ! Gott ! wenn er nur nicht gestürzt ist , es ist so dunkel ! ... Ludwig . Ich bitte um Verzeihung , Ihr Gnaden , es ist heller Mondschein . Elisa . O , es wäre doch möglich ! Ich kann unmöglich länger ruhig sein ! Reite er wieder bis an den Ort hin , wo er ihn verlassen hat , Ludwig , ziehe er Erkundigungen von ihm ein , und bringe er mir bald Nachricht von ihm . Ludwig erfüllte ihren Befehl ; allein er kam zurück , ohne ihr eine befriedigende Antwort zu bringen , er hatte nichts von seinem Herrn gehört . Elisa es Unruhe stieg nun immer höher . Sie lief alle Augenblicke an das Fenster , um ihn um so eher zu erblicken ; allein der Wächter rief zwölf , und Wallenheim kam nicht ; er rief eins , und Wallenheim war noch nicht da . Endlich hört Elisa das Traben eines Pferdes : O , das ist er ! ruft sie froh , und eilt hinaus . Er war es ; doch wild und zerstört war seine Miene . Elisa empfängt ihn an der Treppe , und umarmt ihn freudig . O , Wallenheim , wie froh bin ich , daß ich Sie sehe ! Ich dachte , ein Unfall wäre Ihnen begegnet , ich konnte mir Ihr langes Aussenbleiben nicht erklären ! Wahlen . ( Kalt , erwidert ihre Umarmung nicht . ) Es wäre natürlicher gewesen , wenn Sie geglaubt hätten , Einer meiner Bekannten wäre mir begegnet , und ich hätte mit ihm diese Zeit zugebracht , wie denn dieses wirklich der Fall ist . Elisa . ( Lächelnd. ) O , wer kann immer der geschäftigen Einbildungskraft Einhalt tun , wenn Besorgnisse über einen teuren Gegenstand in uns erregt sind ! Wahlen . ( Im vorigen Tone ) Es tut mir leid , daß Sie meinetwegen , und ohne Not diese Besorgnisse gehabt haben . Ersparen Sie sich dieselben in der Zukunft ! Ich liebe es ohne dies nicht , ausgespäht zu werden , und von jedem meiner Schritte Rechenschaft geben zu müssen . Er wandte sich hierauf weg , und ging in sein Zimmer ; auch Elisa ging in das Ihrige , und gab ihren Tränen ungehindert Lauf . Am anderen Morgen erwachte sie früh ; sie hatte leise das Fenster geöffnet , und stand an demselben , die Morgenluft einzuatmen . An der einen Seite ihres Schlafgemachs war das Zimmer ihrer Kammerjungfer ; auch dort waren die Fenster offen . Elisa hört Ludwig hineintreten . Friederike ruft ihm entgegen . Gehe er sachte , Ludwig , die gnädige Frau schläft noch , sie ist gestern Abend spät zu Bette gegangen . Ludw . Unsere gute , gnädige Frau ! Sie jammerte mich gestern recht ! Wie bekümmert sie war ! O , hätte ich ihr nur die Augen öffnen dürfen ! Doch aus Liebe zu ihr möchte ich es ihr nicht sagen. Frieder . Was meint er , Ludwig ? Ludw . Sie wissen also nicht , Mamsell Friederike , was in der ganzen Nachbarschaft schon längst von unserem Herrn bekannt ist ? Frieder . Ich habe wohl was sprechen hören , doch nichts Bestimmtes . Ich bekümmere mich um dergleichen Geschwätze nicht ; der gnädigen Frau darf ich von keinem Menschen , am wenigsten von unserem Herrn etwas erzählen . Sie hat mir gleich gesagt , sie hasse das Klatschen , sie wolle mir alle meine Fehler verzeihen ; allein merke sie diesen an mir , so entließe sie mich ihrer Dienste . Ludw . Die rechtschaffene Frau ! Und eine solche Buhldirne muß ihr bei unserem Herrn den Rang ablaufen ! Ich ärgere mich jedesmal , wenn ich mit ihm zu ihr gehen , oder ihr die prächtigsten Sachen hintragen muß . Auch glaubte ich es gestern gleich , daß er bei ihr sein würde , und die Versicherung davon erhielt ich jetzt von ihrem Bedienten , der so eben einen Brief von ihr brachte. Frieder . So vornehm ist sie also ? Ludw . Durch unseren Herrn geworden . Allein ein gemeines Mädchen war sie nicht . Sie heißt Mamsell Werner ; sie ist eines Malers Tochter , und ist viel mit ihrem Vater gereist , der vor zwei Jahren gestorben ist , worauf sie diese Lebensart angefangen hat . Allein jetzt , glaube ich , gehört sie nur unserem Herrn allein , der sie stets seine schöne Rosalie nennt , und bis zum Sterben in sie verliebt ist . Den geringsten ihrer Wünsche erfüllt er , ihr Wille leitet seine Handlungen ; in ihrem Hause ist es so prächtig , als in dem Unsrigen , und sie kleidet sich kostbarer , als unsere gnädige Frau . Ich weiß auch , daß er schon ein Paarmal Geld geborgt hat , um es ihr zu schicken . Und Sie sollten sehen , welche Aufmerksamkeit er ihr bezeigt , welche Zärtlichkeit er gegen sie hat ! - Als er neulich in Wallenthal gewesen war , stieg er auch bei ihr ab ; ich folgte ihm , sie kam ihm entgegen , er schlug seinen Arm um sie , drückte sie lange an seine Brust , und sagte endlich : O , meine Rosalie , ich habe nicht gelebt die Tage , da ich Dich nicht gesehen habe ! Schmeichler , antwortete sie , verlangst Du nun etwa doppelte Entschädigung ? Ja , ja , sagte er , laß sie mich nur hier suchen ! Bei diesen Worten griff er ihr in den Busen , und als führt der Bräutigam zum Erstenmal die Braut ins hochzeitliche Bette , so ging er mit ihr hinein . Doch schön ist sie , das ist wahr ! Sie hat ein Paar schwarze Augen , so voll Feuer , und doch so voll Sanftmut , einen so niedlichen Mund , so schönes Haar , welches auf einem so weißen Nacken , und auf einem so schönen Busen , der nur immer halb bedeckt ist , spielt . Allein unsere gnädige Frau ist doch auch schön , mir kommt sie immer wie ein Engel vor ; es geht Einem durchs Herz , wenn sie einen ansieht und anlächelt . Und unser Herr - Wenn er nur noch der Buhldirne überdrüssig würde ! Allein er ist noch eben so vernarrt in sie , als er es vor sechs Monaten war . - Nicht ein Wort dieses Gesprächs blieb von Elisa'n ungehört ; ihr selbst unbemerkt , rollten Tränen von ihren Wangen . Sie machte das Fenster wieder leise zu , um nicht gehört zu werden , und an demselben Tage schrieb sie folgenden Brief an Henriette . " Meine Henriette ! Jahre verflossen mir in ruhiger Heiterkeit ; glücklich in meinen Kindern , ahndete ich keinen anderen Schmerz , als ihren Verlust . Noch gestern glaubte ich nicht , daß ich heute Tränen gekränkter Liebe vergießen würde - Doch , was klage ich ? - O , Henriette ! wir werden unbillig , wenn wir lange glücklich sind ! Wir fordern dann , daß kein Wölkchen den heiteren Himmel trüben soll . Doch ich will es nicht sein , ich will auch jetzt meine Empfindungen unterdrücken - Henriette , Wallenheim liebt , liebt eine Buhlerin , und diese ist jetzt seine Maitresse . Ein Zufall machte , daß ich heute eine Unterredung zwischen Friederike und Ludwig hörte , welche mich hiervon unterrichtete . Ich gestehe Dir , Schmerz war meine erste Empfindung ; ich vergoß einen Strom von Tränen . Zwölf Jahre eines traulichen Umgangs , zwölf Jahre durch Ein Interesse verbunden , zwölf Jahre er und die Beförderung seines Glücks und seiner Zufriedenheit der Gegenstand meiner Bemühungen , und die Triebfeder meiner Handlungen , haben mir Wallenheim endlich teuer gemacht ; ich liebe ihn jetzt , und es kränkt mich , daß eine Andere seinem Herzen näher war als ich . Ich weinte lange - O , Henriette , es waren bittere Tränen , welche ich vergoß . Seit langer Zeit wieder hatte mir Wallenheim oft übel begegnet ; allein ich hatte es für eine seiner gewöhnlichen Launen gehalten , und jede Empfindlichkeit darüber unterdrückt . Jetzt glaubte ich , daß seine Liebe ihm Abneigung gegen mich eingeflößt hätte , und dieser Gedanke war mir schrecklich ! Ich wollte indes meine Tränen vor ihm verbergen , es war am Morgen , und wir frühstücken stets zusammen , nachdem Wallenheim aufgestanden ist . Ich hörte schon seine Stimme , er war gestern von Wallenthal zurückgekommen , und erst spät in der Nacht zu Hause gekommen , weil er so lange bei seiner schönen Rosalie , ( wie er sie nennt ) gewesen war ; ich hatte ihn erwartet , weil sein langes Aussenbleiben mich besorgt machte , und er hatte mir hierüber Vorwürfe gemacht . Ich erkannte , daß das Bewußtsein seiner Schuld diese veranlaßt hatte , und ich verzieh ihm . - Nein , ich will ihn nicht von mir entfernen ! sagte ich zu mir selbst , und suchte meine gewöhnliche Heiterkeit wieder anzunehmen . Ich erwähnte des vorigen Tages nicht ; ich unterhielt ihn , ich war lustig , er still und mißmutig ; ich holte heute beim Frühstücke unsere Kinder , er sah sie und mich mit Rührung , an , er küßte sie herzlich , und küßte auch mich beim Weggehen . Noch haßt er mich nicht , sagte ich mir , und nun prüfte ich mich , ob ich etwa nachlässig in dem Bestreben , ihm zu gefallen , gewesen wäre ? Ich konnte mir nichts vorwerfen ; allein ich kann unwissentlich gefehlt haben . - Das Mädchen soll schön sein , Wallenheim kannte die Liebe noch nicht , Verlangen hatte ihn nie in meine Arme geführt , Wollust konnte ich ihm nicht mitteilen ; denn ich empfand sie nicht in den seinigen . Und vielleicht ist dieses alles nur eine vorübergehende Leidenschaft , ein Rausch der Wollust , der wieder aufhören wird . Dem sei wie ihm wolle , ich bin entschlossen , die größte Aufmerksamkeit auf mich zu haben , um mein Betragen gegen ihn nicht zu verändern . Ich werde ihm nie über seine Neigung etwas sagen , er soll nie mich mürrisch oder verdrießlich sehen ; durch mich soll er in keiner seiner Handlungen , in keinem seiner Schritte eingeschränkt werden ; nie will ich als Ausspäherin vor ihm erscheinen , und kein Blick , kein Wort , keine Bewegung soll mich verraten , daß ich das Geheimnis seines Herzens weiß . Vor einem Jeden will ich dieses verbergen . Ich will weiter nicht nachforschen , ich will nichts mehr zu erfahren suchen . Die Empfindungen sind unwillkürlich , und wehe dem Weibe , welches durch Zwang den Gatten erhalten will ! Nein , Wallenheim ! Ich werde Dir keine Fesseln anlegen ! Die der Liebe banden uns nicht , so wollte es das Geschick ! Auch glaubte ich immer , Henriette , daß der Mann nie fühlen müßte , daß er als Gatte weniger frei ist ; die Ehe muß nicht das Grab seiner Vergnügungen sein . Die Männer werden durch Koketterie , durch den Reiz der Neuheit zu den Weibern hingezogen , und das Weib muß durch Annehmlichkeit , durch eine beständige Aufmerksamkeit , dem Gatten zu gefallen , jene Eindrücke zu schwächen suchen , welche Andere zuweilen auf ihn machen . Sie darf nicht Beständigkeit von ihm erwarten , sie muß ihn nicht einschränken , sie muß ihn glücklich machen , und er wird sie immer lieben . Dieses war mein Bestreben , seit dem Augenblicke , da ich Wallenheims Gattin wurde ; ich verdoppelte es , als mir Wallenheim teuer wurde ; allein Wallenheim liebt mich nicht - O , gewiß , ohne Eifersucht hatte ich ihn unbeständig gesehen , ich ertrug seine Gleichgültigkeit ; aber daß ein anderes Weib sein Zutrauen , seine Liebe besitzt , daß ich ihm jetzt weniger bin , als ihm seine Buhlerin ist - O , Henriette ! dieses schmerzt mich ; denn gern hätte ich seine Liebe verdienen mögen ! Allein Vorwürfe werde ich ihm nie machen . Nein , mit jedem Morgen will ich mir zurufen : Durch Liebe mußt du ihn wieder zu gewinnen suchen ! und gewiß , nicht Langeweile , nicht Unzufriedenheit über mich , soll ihn Rosalien suchen lassen ! - Ich fühle mich jetzt ruhiger , da ich mein Betragen gegen ihn bestimmt habe ; ich suche Wallenheims Glück , und ich bin froh , daß ich zum wenigsten nichts tue , es zu zerstören . Ich fühle , daß ich seine Liebe verdient hätte , und dieses Gefühl gibt mir noch Zufriedenheit , selbst wenn ich Tränen vergieße . - Doch , Henriette , ich habe noch mehr Besorgnisse : Ich fürchte , Rosalie kostet Wallenheim viel , und ich mutmaße , daß er seit kurzem große Summen im Spiele verloren hat . Ich weiß , daß seine Angelegenheiten in großer Unordnung sind ; ich habe auch schon mit ihm deshalb gesprochen ; allein er antwortet mir : Ich sollte mich nicht darum bekümmern , er wüßte schon , wie es mit seinen Sachen stände , und er wüßte auch , welche Maßregeln er ergreifen müßte . Ich habe geschwiegen , ich sage nun nichts mehr ; allein ich will mich noch mehr einschränken , ich will meine Ausgaben berechnen , es werden noch viele sein , welche nicht notwendig sind ; diese will ich ausstreichen . Wallenheim und meine Kinder sollen in ihren Vergnügungen nicht eingeschränkt , die Unglücklichen nicht meiner Hilfe beraubt werden ; dieses verbietet mir Menschenpflicht , und mein Herz würde sich dagegen sträuben ; allein mir will ich Alles entziehen , was nicht unbedingte Notwendigkeit fordert . O , Henriette , ich fühle , daß ich eine höhere Wollust empfinden werde , wenn ich dem Notleidenden die Summe geben werde , welche für meine Gemächlichkeit , für mein Vergnügen bestimmt war - Nein , ich darf nicht sagen , daß ich ein Opfer tue , ein höheres Glück bereite ich mir ! - Nun ist es schon ein Jahr , meine Henriette , daß ich Dich nicht gesehen habe ! Sehnlich wünschte ich einmal wieder nach Wallenthal reisen zu können ; allein ich darf es jetzt wohl nicht hoffen . Es sind vier Wochen , daß ich Wallenheim mein Verlangen äußerte ; allein er antwortete mir , daß seine Geschäfte ihm nicht erlauben würden , diesen Sommer einige Wochen von B ... abwesend zu sein . Er will sich nicht von Rosalien trennen , und ich will nicht ohne ihn hinreisen ; heftiger würde sonst seine Liebe zu ihr , da nichts ihr das Gegengewicht halten würde ; allein ich will alle meine Bemühungen anwenden , ihn zu bewegen , mit mir nach Wallenthal zu reisen . Sein Aufenthalt dort würde ihn vielleicht eher zu mir zurückbringen . Abwesenheit würde ihr Bild schwächen , ländliche Stille seine von Leidenschaft berauschte Seele wieder in Ruhe einwiegen , und die natürlichen Empfindungen der Gatten-und Vaterliebe , im Schoße der Natur , vielleicht stärker wieder erregt werden . O , ich kann noch nicht die Hoffnung aufgeben , einmal wieder seine Liebe zu gewinnen ! - Noch sind ihm seine Kinder nicht gleichgültig , Herrmann wird ihm täglich teurer . O , Henriette , wenn Du den Knaben siehst , wirst Du Dich mit mir über ihn freuen ! Der Keim jeder Tugend scheint in des Knaben Seele zu sein . Täglich ruft er mir Birkensteins Bild zurück ; wie die seinige , ist seine Stirn offen ; edel , wie der seinige , ist sein Blick , und schon sehe ich männliches Feuer in seinen Augen funkeln . - Doch auch meine Henriette wird ein liebenswürdiges Geschöpf ; sie ist so sanft , so Gehorsam , so fleißig , so aufmerksam , meinen Willen zu erfüllen ; ihre kleine Seele findet schon ein Wohlgefallen darin , Anderen Freuden zu schaffen ; sie fühlt schon Anderer Leiden , und ist die Trösterin unserer Leute . Wenn Herrmanns Wildheit ihn zu Fehlern verleitet , so entschuldiget sie sie , und verbirgt sie vor uns . O , Henriette ! ich darf hoffen , daß ihre Seele einst mit der meinigen übereinstimmen wird ! Wenn ich nicht eine glückliche Gattin bin , so werde ich doch vielleicht eine glückliche Mutter werden ! Und welches Recht habe ich denn , alle die Glückseligkeiten zu besitzen , welche einzeln unter uns Erdenkindern verteilt sind ? - Nein , ich will jedes Leiden willig ertragen , und dankbar jedes Guten mich freuen , welches mir zu Teile wird ! - O , mir wurde ja so viel ! Ich kenne ja , von meiner Kindheit an , die süße Empfindung der Freundschaft ! Noch heute habe Dank dafür , meine Henriette ; denn noch heute empfand ich recht lebhaft , wie süß , wie beruhigend es ist , in dem Busen der Freundschaft alle Empfindungen der Freude und des Kummers ausschütten zu können ! " - An eben dem Tage , als Henriette diesen Brief empfing , erhielt Felsig folgenden von Wallenheim : " Ich soll Dir schreiben , Felsig ? Du beschwerst Dich , daß Du nichts mehr von mir hörtest ? Ich lasse Deine Briefe unbeantwortet , ich reise nach Wallenthal , und komme nicht zu Dir ? Alles wahr ! Doch , Felsig , ich kann mich jetzt nicht mit mir selbst beschäftigen , viel weniger mit Gegenständen außer mir ! Ich kann nicht denken , Alles ist Leidenschaft in mir ! Ich lebe nur in dem Anschauen , in den Umarmungen eines Weibes , und bin wütend , wenn ich an ihrem Busen mich gesättigt habe ! Ich rase über meine Leidenschaft , und bin nur glücklich in ihrer Befriedigung ! Ich verehre mein Weib , und hasse sie wegen ihrer Vollkommenheit ! In diesem Zustande , was soll ich Dir sagen , Felsig ? Unwiderstehlich hingezogen zu Rosalien , zu dem schönsten Weibe , das ich je sah , mache ich mir unaufhörlich Vorwürfe , daß ich die Vortrefflichste aller Weiber hintergehe ! Ihr , die ihr Leben anwendet , mich vergnügt und glücklich zu machen , lohne ich mit Untreue und Undank , und doch kann , doch mag ich Rosalien nicht entsagen ! Seit ich sie kenne , weiß ich , was Liebe ist ! Ein unglückliches Verhängnis wollte , daß ich mein Weib nie lieben konnte , ob sie gleich so schön , so liebevoll ist . Ich bewundere sie ; ich kann sagen , ich verehre sie wie eine Gottheit ; denn wer kann sie täglich sehen , täglich ihre Handlungen beobachten , und nicht glauben , die Tugend sei herabgestiegen , und habe ihre Gestalt angenommen , und doch - Ja , Felsig , mein Leben opferte ich Elisa'n auf ; allein mit Rosalien möchte ich es zubringen , an ihrer Seite möchte ich meine Tage verleben - Solltest Du sie kennen , diese Rosalie , solltest Du nur einmal ihre Zauberkraft empfinden ! Doch , ich spreche wie ein Jüngling - Elisa's Umgang hatte mein Herz zu weichen Gefühlen gestimmt ; ich hatte jene vorige Rauigkeit verloren ; ich war fähig zu lieben - In diesem Zustande fand ich einst an meiner Seite ein Weib - das Meisterstück der Natur ! Ihre Stimme war Gesang - ich war schwermütig , sie schwatzte den Mißmut aus meiner Seele - mein Herz öffnete sich neuen Gefühlen - ich umschlang sie , ihr Hauch war Liebe , und mein ganzes Wesen wurde es nun ! Sechs Monate sind es jetzt schon , daß ich in Rosaliens Besitze glücklich und unglücklich bin ! Bei ihr bin ich glücklich , ich vergesse alles Übrige , ich lebe nur in ihr , ich empfinde nur durch sie ! Allein kehre ich zu Elisa'n zurück , dann liegt das Bewußtsein meiner Schuld schwer auf mir . Wenn sie mit ihrer himmlischen Sanftmut mich empfängt , wenn sie lächelnd mir meine Kinder zuführt , wenn munterer Scherz von ihren Lippen strömt , der , als ich noch nichts liebte , so oft mich erheiterte - O , Felsing ! dann ist es , als wenn eine Stimme mir zurief : Du bist ein Unmensch ! Ich werde wütend , und lasse gegen Elisa'n den Zorn über mich selbst aus ! Ihre Liebkosungen erwidere ich mit Kälte , ihre Sanftmut mit Unwillen . Noch diese Nacht - O , wie habe ich das arme Weib gekränkt ! Ich war in Wallenthal gewesen , und flog zurück in Rosaliens Arme . Zwei Tage hatte ich sie nicht gesehen , zwei Tage nicht an ihrem Busen geruht , heiß war mein Empfang , zärtlich der Ihrige ; ich schwelgte an ihrer Seite die halbe Nacht hindurch ; noch berauscht von ihren Küssen , riß ich mich von ihr los , und ritt nach Hause . Mein Weib empfing mich ; dieses war ein Donnerschlag für mich ; ich glaubte , sie stände da , mir mein Glück vorzuwerfen , und ich begegnete ihr hart - Wie gewöhnlich , machte sie mir keine Vorwürfe , und klagte nicht ; allein Kummer war heute über allen ihren Zügen verbreitet , ob sie gleich sich bestrebte , heiter zu sein . Sollte sie die Ursache meines Außenbleibens erfahren haben ? - Dieses beunruhiget mich , Felsig . - O , durch mich wurde Elisa aller Freuden der Jugend und der Liebe beraubt ; ich bestreute den Pfad ihres Lebens mit Dornen ! Muß ich nun noch durch Untreue ihre übrigen Tage verbittern ? - Dieses waren meine Betrachtungen , als ich sie heute sah , Felsig , und ich war sehr gerührt . Gewiß , ich werde es nicht bemerken können , ob sie meine Liebe zu Rosalien weiß , denn ich bin überzeugt , ihr Betragen gegen mich wird unverändert bleiben . Noch nie sprach ihr Mund gegen mich einen Vorwurf aus , und diese himmlische Sanftmut , diese beständige Aufmerksamkeit , mir zu gefallen , und jedes Mißvergnügen von mir zu entfernen , macht mich jetzt noch unglücklicher ; denn es vergrößert meine Schuld . Jetzt denke ich oft : warum konnte ich doch nicht Elisa'n lieben , wie ich Rosalien liebe ? Wie glücklich wäre ich gewesen ! Letzt kam ich einmal an einem Morgen von Rosalien , ich hatte die Nacht in ihren Armen geruht , ich hatte auf ihrem Busen gespielt - ganz hatte ich den Becher der Liebe und Wollust geleert , den die schönste Tochter der Freude mir dargeboten hatte . Die Vorstellung genossener Freuden umschwebte mich noch , als ich zurückkam ; in ihnen verloren und zerstreut , öffnete ich das Schlafzimmer meiner Frau , statt der Tür des meinigen - Ich weiß nicht , welche Wirkung in diesem Augenblick ihr Anblick auf mich machte - Die Vorhänge ihres Bettes waren zurückgeschlagen , ihre Hand war entblößt , ihr Busentuch hatte sich geöffnet - sie schien mir so schön - ich näherte mich ihr - ihr Hauch war so leise , ihre Miene so ruhig , so heiter ; selbst schlafend lächelte ihr Mund , ihr Busen hob sich so sanft - sie schien mir das Bild der Unschuld - Ich weiß nicht , welche Gefühle sich in mir drängten - Ich fiel vor ihr nieder - Ach , ich hatte sie oft in meinen Armen gehabt , und hatte nichts empfunden ! Zum Erstenmal erkannte ich , welcher Freuden ich hätte genießen können ! - In der Tat , vor meiner Bekanntschaft mit Rosalien , war mir mein Weib seit einiger Zeit teuer geworden , und ich glaube , auch sie fing an mich zu lieben ; denn heißer wurden ihre Küsse , und immer drückte ich sie oft an meine Brust ; allein ein Kuß von Rosalien machte mich kalt gegen Elisa's Umarmungen . - O , Felsig , hätte ich doch Elisa'n schon lange vor meiner Verheiratung gekannt , hätte sie mich doch da schon empfinden lehren können ! Ich hätte erkannt , welche Seligkeit es sein müßte , von einem solchen Weibe geliebt zu werden ! Jetzt ist diese Erkenntnis zu spät , sie macht mich mißmutig , oft wütend ! Ich mag dem Gedanken nicht nachhängen , und doch drängt er sich oft mir unwillkürlich auf ! Vorzüglich wenn ich von Rosalien komme , und dort glücklich gewesen bin , und dann wider meinen Willen die stillen Tugenden meines Weibes verehren muß . Darum meide ich jetzt ihren Anblick , und bin mißmutig , wenn ich bei ihr bin , und nur selten gelingt es ihr jetzt , mich aufzuheitern ; ich fliehe dann zu Rosalien , in ihren Armen liegt Vergessenheit meiner Sorgen . Ich habe jetzt noch mehrere , diese wird Elisa mit mir teilen - Lebe wohl , Felsig ! Fast möchte ich erröten , wie ein Knabe , daß ich Dich nur von Weibern unterhalten habe . Als ich ein Jüngling war , erwähnte ich ihrer nicht , und jetzt - Doch ich möchte den Mann sehen , der Elisa'n nicht bewundern , und Rosalien nicht lieben würde ! P. S. Zeige diesen Brief nicht Deiner Gattin . " Ihrem Vorsatze treu , änderte Elisa nicht ihr Betragen gegen ihren Gatten . Gleich blieb ihre Liebe , ihre Gefälligkeit , ihre Geduld . Selbst ihre Traurigkeit verbarg sie vor ihm . Oft prüfte sie sich , ob auch ihr Betragen noch untadelhaft wäre , und ermunterte sich zur Ausübung ihrer Pflichten gegen ihren Gatten . Noch bereitwilliger verzieh sie ihm jetzt Äußerungen des Zorns oder des Mißmuts ; denn sie schrieb sie seiner Leidenschaft zu Rosalien zu . So verflossen noch sechs Monate , als an einem Morgen , da Wallenheim abwesend war , ein Mädchen einen Brief an ihn brachte , und ihn Elisa'n , welche ihr begegnete , mit den Worten gab : Der Herr möchte ihn doch ja gleich erbrechen ; denn er wäre von der äußersten Wichtigkeit . Schnell lief das Mädchen wieder weg , ohne daß Elisa sie fragen konnte , von wem der Brief wäre . Elisa , welche sich nie erlaubte , offene Briefe , welche ihr Gatte in ihrem Zimmer vergaß , zu lesen , stand unschlüssig da , ob sie diesen Brief eröffnen sollte . Wallenheim war nach Wallenthal gereist ; er hatte ihr nicht gesagt , wenn er zurückkommen würde , und vielleicht betraf dieser Brief eine Sache , welche keinen Aufschub litt . Wenn er vielleicht gar von einem Gläubiger wäre , sprach Elisa zu sich selbst , und ich könnte Wallenheim eine Unannehmlichkeit ersparen ? Diese Betrachtung bewog sie , das Siegel zu erbrechen ; sie las folgenden Inhalt : " Eilen Sie zu meiner Rettung , Wallenheim ! Zwar muß ich mich schuldig erkennen ; Ich habe meinem unglücklichen Hange zur Verschwendung nicht genug widerstanden ! Aber Mann - Warum warst Du auch so königlich in Deinen Geschenken , als Du in Deiner Liebe zärtlich bist ? O , Du verwöhntest mich ! - Meine Bücher- und Gemäldesammlung , welche ich vor einigen Monaten kaufte , ist noch nicht bezahlt , ich borgte das Geld dazu ; ich wollte die Summe von Ihnen nicht fordern , da Sie mich mit Geschenken überhäufen , und ich glaubte , sie nach und nach abtragen zu können . Im Taumel der Freuden , die Deine Liebe mir schafft , vergaß ich , daß ich Schuldnerin war . Ich konnte und wollte den hundert Kleinigkeiten nicht entsagen , wodurch ich Dir gefalle , und welche nur ihren Wert durch Deinen Beifall erhalten ; ich konnte meine Vergnügungen nicht einschränken ; denn sie sind die Deinigen , und - Wallenheim , die Bedingung war , daß ich nach drei Monaten den vierten Teil meiner Schuld bezahlen sollte . Viere sind verflossen , ich habe noch nichts bezahlt . Mein Gläubiger fordert nun die ganze Summe , es sind 3000 Taler ; er drohet mir mit Gesängnißstrafe , wenn ich sie nicht in drei Tagen schaffe . Der vorige Besitzer meiner Bücher- und Gemäldesammlung ist nicht mehr hier ; er würde sie vielleicht wieder annehmen , und einen anderen Käufer finde ich nicht so bald . Könnte ich auch die Gemälde verkaufen , Wallenheim , vor welchen Du und ich so oft Arm in Arm geschlungen standen , und .... O welche Erinnerungen erwachen da in meiner Seele ! In diesem Augenblicke sitze ich vor dem Gemälde des .... wie er mit zauberischen Zügen die Göttin der Liebe schildert , als sie den Trojanischen Königssohn bewog , ihr der Schönheit Preis zu geben . Ach Du verglichest einst meine Gestalt mit der Ihrigen , da sank ich , von süßen Gefühlen überwältigt , in Deine Arme ; mir schwand jedes Bewußtsein , ich fühlte nur noch Deine zitternden Lippen auf meinem Busen , ich warf noch einen Blick auf die Göttin , ich fühlte Dein Herz an dem meinigen schlagen , und ..... Doch wohin leitet mich meine Phantasie ? Sie sollte mir einen Kerker zeigen , wenn Wallenheim mich verläßt ! Schon habe ich Dich gestern den ganzen Tag nicht gesehen ; dieses erfüllte mich schon mit Bangigkeit . Sollte mein Glück nur so kurze Zeit gedauert haben ? - Schon wieder einen Brief von meinem Peiniger : in einigen Stunden will er mir einen Polizeidiener schicken - O , Wallenheim ! komme zu mir ! Der Anblick wird Deine Rosalie wieder beruhigen ! " - Bestürzt stand Elisa nach Lesung des Briefes . Tränen rollten von ihren Wangen . Wie zärtlich wird sie geliebt ! sprach sie . Sie machte den Brief wieder zu , und legte ihn in Wallenheims Zimmer . Er soll ihn erhalten , sprach sie , nachdem Rosalie schon wird gerettet sein . Elisa fürchtete , daß Wallenheim nicht mehr die Summe besitzen möchte , welche Rosalie verlangte ; sie wußte aber auch , daß er sie ihr dennoch schaffen würde , und sie besorgte , daß er in Schulden geraten möchte . Sie beschloß also , ihre Juwelen zu verkaufen , deren Wert sich auf drei tausend Taler belief ; denn von ihrem Vermögen konnte sie an barem Gelde diese Summe nicht sobald erhalten ; auch wollte sie sie nicht aufnehmen . Ich darf die Juwelen zu meinem Gebrauche bestimmen ; sie sind ein Zierat , den ich entbehren kann ; durch sie entreiße ich Wallenheim einer Verlegenheit , und verhindere , daß er noch eine größere Summe verliert . - Dieses waren in diesem Augenblicke Elisa's Betrachtungen . - Sie nahm die Juwelen , und fuhr zu zwei Juwelieren . Beide schätzten ihren Wert auf 3000 Taler ; allein bares Geld konnten sie ihr sogleich nicht geben , und Elisa wollte , daß Rosalie die Summe vor Wallenheims Zurückkunft erhalten sollte . Allein Wallenheim war an demselben Morgen von Wallenthal zurück , und bei Rosalien angekommen , als diese eben den Brief an ihn weggesandt hatte . Beide befanden sich in großer Verlegenheit . Wallenheim gestand Rosalien , daß er genörhiget wäre , die Summe aufzunehmen , und daß seine Angelegenheiten jetzt in der größten Unordnung wären , und Rosalie machte sich heimlich Vorwürfe , daß sie die Schuld dieser Zerrüttung seiner Vermögensumstände wäre ; denn sie hatte einen ansehnlichen Teil desselben verschwendet . Diesmal hatten Scherz und Freude sie verlassen ; ihre Unterhaltung war ernst , und Unmut las man auf ihren Gesichtern . Plötzlich erblickt Wallenheim seinen Wagen vor der Tür , und seine Frau in demselben . Wahlen . ( wird blaß . ) Himmel ! da ist mein Weib ! Was bedeutet das ? Rosalie . ( erschrocken . ) Ihre Frau ? Ich zittere ! Ihr ist gewiß der unglückliche Brief in die Hände geraten , den ich Ihnen am Morgen schrieb ? Wahlen . Wie ! wäre das möglich ? sie eröffnet meine Briefe nie ! Doch welche Absicht es auch sei , welche sie hierher leitet , sie kann nicht anders als gut sein . Sie kennen das Weib nicht , alle ihre Handlungen sind die eines höheren Wesens . In diesem Augenblicke kam ein Bedienter herein , und meldete Rosalien eine Unbekannte , welche sie bitten ließ , ihr eine Unterredung einer halben Stunde zu gewähren. Rosalie . Ich kann sie nicht annehmen ! Wahlen . Nehmen Sie sie an , Rosalie , ich bin Bürge , daß Sie keine Beleidigungen zu befürchten haben , und ich würde es auch zu rächen wissen ! Rosalie . ( zum Bedienten . ) Nun , so führe er die Dame in mein Zimmer ! ( Der Bediente geht hinaus ) Aber wo bleiben Sie , Wallenheim ? Wahlen . Ich werde hier in dieses Kabinett gehen . Rosalie . O , entfernen Sie sich nur nicht weiter ! Gott ! was wird das für eine Unterredung sein ! Wahlen . ( küßt sie . ) Werden Sie nicht mutlos , Rosalie , die Liebe wird Ihnen beistehen ! - Er ging hinaus , und Elisa trat in das Zimmer . Elisa . ( Nachdem sie eine Verbeugung gemacht hat . ) Verzeihen Sie , Mademoiselle , mein Besuch ist vielleicht unbescheiden , allein eine wichtige Angelegenheit führt mich zu Ihnen. Rosalie . ( Verwirrt . Sie ist dieses während der ganzen Unterredung . ) Gnädige Frau , in der Tat kann ich nicht begreifen , wodurch ich die Ehre Ihres Besuchs erhalte , da ich nicht die Ehre habe , von Ihnen gekannt zu sein ? Elisa . Ich fühle es , ich bin zudringlich , ich muß um Ihre Nachsicht bitten ! Der Titel einer Unbekannten , und meinen Namen kann ich Ihnen nicht entdecken , gibt mir keinen Anspruch , von Ihnen gehört zu werden , wenn Sie mir dieses nicht aus Güte gewähren . Rosalie . Gnädige Frau , Sie setzen mich in Erstaunen - Elisa . ( Einfallend. ) Ich werfe mir Ihre Verwirrung vor ... allein , ( Sie ergreift ihre Hand . ) können Sie einer Unbekannten eine Bitte gewähren ? Rosalie . Ich kann es nicht versprechen , wenn ich nicht ihren Inhalt weiß . Elisa . Mademoiselle , unwillkürlich , und durch einen Zufall , bin ich die Inhaberin eines Ihrer Geheimnisse geworden . Werden Sie nicht unwillig darüber ! Ich bin benachrichtiget worden , daß Sie Dreitausend Taler schuldig sind , und daß Sie diese gleich bezahlen sollen ; ich wußte , daß Sie sie schleunig verlangten , und dieses bewog mich , Ihnen meine Juwelen anzubieten , deren Wert sich auf diese Summe beläuft . ( Sie zog bei diesen Worten das Kästchen mit den Juwelen aus ihrer Tasche . ) Ich hoffe von Ihrer Großmut , daß Sie sie nicht ausschlagen werden . Ich kann sie entbehren ; doch wollen Sie sie nicht annehmen , so betrachten Sie sie als eine Schuld , welche Sie abtragen können , sobald es Ihre Umstände erlauben . Nur eine Bitte wage ich hinzu zu setzen : sagen Sie keinem Menschen , auch dem Herrn von Wallenheim nicht , daß Sie diese Juwelen erhalten haben ! Rosalie . ( bestürzt . ) Wissen Sie meine Verbindung mit Ihrem Gatten ? Elisa . Er liebt Sie . Ich wünschte stets sein Glück , o , möchte er es doch finden , selbst in den Armen einer Anderen ! Ich kann nur bedauern , daß ein unglückliches Verhängnis es ihn fern von mir suchen ließ , ohne ihm andere Fesseln anlegen zu wollen , als die der Liebe ! ( mit immer steigender Wärme ; sie ergreift Rosaliens Hand . ) Werden Sie ihm also , was ich seinem Herzen nicht werden konnte , vergelten Sie ihm wieder Liebe , lassen Sie sie aber nicht bloß in sinnlichen Freuden bestehen , sondern lehren Sie ihn auch das Glück kennen , welches zwei Wesen in der Übereinstimmung ihrer Seelen finden ; daß er mit Entzücken fühlen mag , daß ein Wesen mit ihm verbunden ist , welches jedes Gefühl mit ihm teilt ; daß er in dieser Empfindung jede Zufriedenheit , jede Freude des Lebens finden mag ! O , darum sein Sie ihm Geliebte und Freundin ! - - ( stockend . ) Aber entziehen Sie ihn nicht ganz einer Gattin , die ihn liebt , und die ihre Ruhe der seinigen aufopfern will - ( mit erstickten Tränen . ) Entziehen Sie meinen Kindern nicht ihren Vater : - dann soll Ihnen in der Stunde meines Todes meine Dank noch werden ! ( Sie will das Zimmer verlassen , Wallenheim eilt aus dem Kabinett , und wirft sich zu ihren Füßen . ) Wahlen . Elisa ! edles , großmütiges Weib ! Elisa . ( bestürzt , nach einer Pause . ) Wallenheim , Sie hier ? Und in welcher Stellung ? O , stehen Sie auf ! Wahlen . ( immer zu ihren Füßen , ) Ich will Ihre Verzeihung erflehen ! O , Elisa ! mein Herz ist nicht ganz ohne Gefühl ! Ich kann den Adel Ihrer Seele empfinden , und in diesem Augenblicke fühle ich keinen anderen Schmerz , als daß ich Ihnen keine so erhabene , so uneigennützige Liebe erwidern kann , und daß Sie diesen Mangel empfinden werden ! Elisa . ( gerührt , umarmt ihn , und hebt ihn auf . ) Wallenheim , Sie werden mir stets so teuer sein , als jetzt , und kann ich einst Ihre Liebe erhalten , so wird diese mich zum glücklichsten Weibe machen ! ( Tränen glänzen in Wallenheims Auge , er küßt mit Inbrunst Elisa's Hand . ) Rosalie . ( nähert sich Elisa'n . ) Gnädige Frau , mit dem Bewußtsein meiner Schuld hätte ich vom ersten Augenblicke an nicht Ihren Anblick ertragen können , wenn Ihre holdselige Güte mir nicht Mut eingeflößt hätte . Ich flehe nicht um Ihre Verzeihung , es ist unter Ihrer großen Seele , solche zu erteilen , Sie konnten nicht zürnen . Ich habe die Tugend in ihrer ganzen Größe gesehen , und in ihr meine eigene Niedrigkeit erblickt . Mich wieder über mich selbst erheben , und die Wollust fliehen , soll von heute an das Bestreben meines Lebens werden . Ich verlasse morgen B .... Nehmen Sie aber Ihre Juwelen zurück , gnädige Frau , Sie sehen , daß , wenn ich alle diese Sachen verkaufe , die nur Bedürfnisse des Luxus sind , und mir unnötig werden , ich meine Schuld bezahlen kann . Ich opfere diese Sachen auch nur meinem eigenen Stolze ; denn sie würden mir unaufhörlich zurufen : Wir sind der Lohn deiner Schande ! Elisa . Wohl Ihnen , Rosalie , Ihre Seele ist unverdorben geblieben ! Sie war von der Natur zur Tugend bestimmt ; nur jugendlicher Leichtann und Übereilung konnten Sie auf Abwege führen . Es ist schön , in der Blüte der Jugend und Schönheit , von ihnen zurückzukommen ! Allein , ( sie ergreift Rosaliens Hand . ) Sie sollen der Tugend nicht Ihre Gemächlichkeit opfern , Ihre Rückkehr zu ihr soll Ihnen durch Entbehrung des Angenehmen nicht schmerzhaft werden , Sie sollen nicht in Mangel geraten ; Ihre Phantasie könnte Ihnen sonst Ihre vorige Lage mit verschönerten Farben wieder vorstellen , und sie Sie zurückwünschen lassen . Sie sollen empfinden , daß man im Schoße der Tugend jedes Gute doppelt genießt . Behalten Sie also von Ihren Sachen , was Notwendigkeit Ihnen nicht heischt , zu verkaufen , und - ( sie wendet sich gegen Wallenheim . ) Wallenheim , Sie erlauben mir doch , Rosalien meine Juwelen , als ein Geschenk anzubieten ? Wahlen . Sie allein können nur über alles , was Sie besitzen , gebieten , und ich kann nur Sie bewundern ! Elisa . ( Errötet , und mit dem ganzen Ausdruck der Liebe blickt sie auf Wallenheim , zu Rosalien . ) Um der Tugend Willen also , schöne Rosalie , nehmen Sie mein Geschenk an ! Rosalie . O , gnädige Frau ! wollen Sie denn nur allein so großmütig sein ? Elisa . Rosalie , in Ihrer gegenwärtigen Lage ist es eben so großmütig mein Geschenk anzunehmen. Rosalie . Ich sehe es , es wäre Beleidigung , Sie glauben zu lassen , ich hätte Sie mißverstanden ! ( Sie nimmt die Juwelen , und führt Elisa'n in ihr Kabinett vor ein Gemälde , auf welchem die Tugend geschildert ist , welche dem Titus eine Krone reicht , auf welcher die Worte stehen : Ich mache unsterblich . ) Alles , was Sie hier sehen , nehme ich als ein Geschenk von Ihnen an ; aber von Allem soll dieses mir das Teuerste sein . Ich werde es ansehen , als hätten Sie es mir gegeben , um mich zur Tugend zu ermuntern . Es soll gerade über meinem Bette hängen , und an jedem Morgen wird es bei meinem Erwachen das Erste sein , was ich erblicken werde : ich werde in der Tugend Ihre Züge zu erkennen glauben , und mich dann erinnern , daß ich Ihnen gelobte , zu ihr zurückzukehren . Elisa . Welche feine Züge des Schönen liegen in Ihrer Seele , Rosalie ! sie sind Ihrer äußeren Bildung gleich . Sein Sie unverzagt ; einmal zur Tugend zurückgekehrt , werden Sie ihre Anhängerin bleiben ; da Sie sie jetzt schon verehren , werden Sie sie lieben , wenn Sie sie näher kennen werden ! - ( Sie umarmt sie. ) Leben Sie wohl ! Meine besten Wünsche werden Sie begleiten . - Elisa verließ nun das Zimmer . Wallenheim ergriff Rosaliens Hand , drückte sie an seine Lippen , und rief ; Leben Sie wohl , Rosalie ! Nach meiner Gattin werden Sie mir stets unter allen Weibern das Liebste sein ! Rosalie sprach nicht , sie vergoß Tränen , Tränen des Danks , der Bewunderung , der Reue und der Demütigung . - Wallenheim folgte seiner Gattin sprachlos saß er an ihrer Seite , Vorwürfe waren in ihm erwacht , er trauerte , daß er der Nachsicht seiner Gattin bedurfte , und dieses Gefühl demütigte ihn , und machte ihn niedergeschlagen . Elisa las es in seiner Seele , sie wollte jeden Schmerz von ihm entfernen , sie wollte ihn wieder mit sich selbst aussöhnen . Sie suchte seine Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände zu richten , sie bewies ihm so viel Liebe , so viel Achtung ; in ihrem ganzen Wesen war eine ungezwungene Heiterkeit , sie bestrebte sich , ihm zu zeigen , daß sie glücklich sei . Er fühlte das Edle ihres Betragens , er war gerührt . So langten sie in ihrer Wohnung an . Wallenheim begleitete seine Gattin in ihr Zimmer ; hier drückte er sie in seine Arme , und in seinem Auge glänzte eine Träne . Die sanfte , gefühlvolle Elisa weinte Tränen des süßesten Gefühls . O Wallenheim , sagte sie , indem sie ihren Kopf auf seine Schulter lehnte , wie glücklich werde ich nun sein ! Wallenheim vermochte nicht zu sprechen , er drückte nur ihre Hand , und sagte zu sich selbst : wie konnte ich doch das Weib nicht lieben ? Nun kamen Henriette und Herrmann herein , und in diesem Augenblicke machte ihr Anblick Wallenheim seine Gattin noch teurer . - Wahlen . ( Zu seiner Gattin , nachdem die Kinder wieder hinausgegangen sind . ) Elisa , ich bedarf Ihre Nachsicht noch weit mehr ! meine Vermögensumstände sind in der größten Zerrüttung , ich habe Schulden , ich habe Spekulationen gemacht , bei welchen ich ansehnliche Summen verloren habe , ich fürchte , mir bleibt nichts mehr übrig . Elisa . Ich besitze ja noch mein ganzes Vermögen , teurer Wallenheim . Lassen Sie uns morgen Ihre Angelegenheiten untersuchen , ich werde Ihre Schulden bezahlen , und bleibt uns nicht viel übrig , so wollen wir nach Wallenthal ziehen ; unser Aufenthalt dort wird weniger kostbar sein , als in B... Wahlen . Elisa ! Weib ! Ich raubte Dir die Freuden Deiner Jugend . Ich streute Gram auf den Pfad Deines Lebens ; und nun soll ich Dich auch noch Deines Eigentums berauben ? Nun sollst Du in die Einsamkeit fliehen , mit dem Manne , den Da nicht lieben kannst ? Nun sollst Du büßen für meine Schuld ? - Elisa . Nicht doch , lieber Wallenheim ! Das Vergangene ist nicht mehr . Ich hatte auch Freuden an Ihrer Seite . Wie oft waren wir froh , wenn unsere Kinder um uns spielten ! - Da unser Erstgeborener zum Erstenmal in meinem Schoße ruhte , o , da umarmten Sie mich mit der innigen Zärtlichkeit des Gattin und des Vaters ! - Seitdem wuchs meine Liebe zu Ihnen , und ich darf sagen Ihre Achtung zu mir - und ich war glücklich . - Ich war glücklich , wenn ich Ihren Beifall , glücklich , wenn ich Sie zufrieden sah , glücklich , wenn Sie mit Liebe auf mich und meine Kinder blickten ; und dieses dankte ich Ihnen ! Der trüben Stunden wollen wir vergessen , sie zogen ja bald vorüber . - Sollte ich denn nun mein Interesse von dem Ihrigen trennen ? - Sie und ich können es nicht , Wallenheim ; es ist zu genau verbunden . Lassen Sie uns also gemeinschaftlich an der Wiederherstellung unseres Vermögens arbeiten ! Ich gebe Ihnen ja nichts , wenn Sie mit meinem Gelde Ihre Schulden bezahlen , es ist ja Ihr Eigentum , ich genoß ja des Ihrigen . - Und können Sie glauben , daß ich unglücklich in Wallenthal sein werde ? Ich liebe das Land , Sie und meine Kinder begleiten mich , und mit ihnen meine süßesten Freuden . Nur eine Besorgnis würde ich kennen , das wäre , Sie unglücklich zu sehen . - Doch nein , auch Sie , mein Wallenheim , werden das Süße der häuslichen Freuden empfinden , wenn Sie sie kennen wer den . Sie sind mit den rauschenden Vergnügungen bekannt , o , lassen Sie mich Sie mit dem stillen Vergnügen des häuslichen Glücks bekannt machen ! Es soll in Wallenthal das Unsrige werden . Es wird es sein , wenn inniger vereiniget wir unser gemeinschaftliches Bestes zu erreichen streben , und gegenseitig jeden Verdruß von einander entfernen , und dann an jedem Abend mit der inneren Überzeugung , unsere Pflichten erfüllt zu haben , uns in der Mitte unserer Kinder befinden , welche wir zu nützlichen Menschen erziehen , und deren Anblick die süßeste Freude in uns erwecken wird ; wenn wir fortfahren , unseren unglücklichen Mitbrüdern beizustehen : wenn wir , obgleich nicht mehr reich , doch nicht aufhören , die Greise zu unterstützen , und die Kinder des Elendes zu erziehen . O , dann wird jede Gabe , welche wir den Unglücklichen reichen , zehnfache Wonne auf uns strömen ; denn bisher gaben wir nur von unserem Überfluß , jetzt opfern wir vielleicht einige unserer Bequemlichkeiten , allein edle Selbstzufriedenheit wird uns lohnen , und der Segen der Unglücklichen uns Freudentränen erpressen ! Manche Stunden schenken wir dann auch der Freundschaft . Ihr Felsig und meine Henriette , werden uns unsere Einsamkeit noch süßer machen ; mit ihnen genießen wir die Annehmlichkeiten der Natur . Alles ist Genuß für eine zufriedene Seele . Ein ländliches Mal auf dem grünen Rasen , an der Seite unserer Freunde , von unseren Kindern umringt , wird ein Fest für uns sein . Unsere Spaziergänge , mein Wallenheim , werden Ihnen süß werden , wenn Sie erst ein lebhafteres Gefühl für die Natur haben werden ! Die Freude soll uns immer begleiten , ich werde dafür sorgen , sie bei uns zu erhalten . Abwechslung soll in unseren Beschäftigungen , in unseren Vergnügungen sein , und so können wir der Langeweile Trotz bieten . Eine Reihe zufriedener , im Genusse der Freundschaft und der Liebe durchlebter Tage , wird unser Leben nun sein - ( Sie ergreift Wallenheims Hand . ) O , mein Wallenheim ! diese Aussicht ist nicht so trübe ! Aus Wallenheims Augen stürzten Tränen , er umarmte mit Heftigkeit seine Gattin : Elisa ! Elisa ! Der Mann , der sie verdient hätte , wäre der glücklichste Sterbliche gewesen ! Nach diesen Worten floh er aus dem Zimmer . Elisa eilte nun , den Zustand von Wallenheims Vermögen zu untersuchen ; alle Gläubiger mußten sich melden , und Elisa fand , daß ihr ganzes Vermögen zur Bezahlung der Schuld erfordert wurde . Sie gab es hin , ohne Klagen , ohne Murren ; sie vermied es , mit Wallenheim über seine Angelegenheiten zu sprechen , und nachdem sie in Richtigkeit gebracht waren , ging sie zu ihm , brachte ihm alle Papiere , welche sie hierüber hatte , und gab sie ihm mit den Worten : Wallenthal bleibt uns . - Wallenheim antwortete nicht , er umarmte seine Gattin , und benetzte sie mit seinen Tränen . Schon seit einiger Zeit hatte Wallenheim den Dienst verlassen , und seinen Abschied genommen , um unabhängiger zu sein . Er konnte also B. ... verlassen . - Dieses geschah bald . Nicht ganz gleichgültig verließ Elisa B... , sie mußte dem Umgange einiger Personen entsagen , welche ihr teuer waren . Zwar hatte sie ungern in der großen Welt gelebt ; allein kleine Gesellschaften einiger von ihr gewählten Freunde , deren sie öfters gehabt hatte , in der Zeit , daß Wallenheim Rosalien liebte ; Schauspiele und Musik hatten ihr manches Vergnügen gewährt . Sie fürchtete nicht die Langeweile , allein sie liebte die Unterhaltungen des Geistes , und sie wußte , daß bei einem beständigen Aufenthalte auf dem Lande , und bei ihrer eingeschränkten Lage , man deren viele entbehren muß . Indes verbarg sie ihre Empfindungen vor ihrem Gatten , und war nur aufmerksam , ihn zu erheitern , und zu zerstreuen . Es war in den ersten Tagen des Märzmonats , als Wallenheim mit seiner Familie aus B... reiste . Schon hatte die Natur ihr weißes Gewand abgelegt , freundlicher blickte aus Osten die Sonne , und schien den Sterblichen wieder neue Freuden zuzulächeln . Es war über ein Jahr , daß Elisa nicht in Wallenthal gewesen war , über ein Jahr , daß sie der ländlichen Freuden nicht genossen hatte , und sie vergaß , als sie die ersten Spuren des herannähernd Frühlings sah , alle traurige Empfindungen , welche sie bei ihrer Abreise aus B... gehabt hatte , und überließ sich der Freude , welche sie stets im Schoße der Natur empfunden hatte . Sobald sie in Wallenthal waren , war ihr erstes Bestreben , ihre innere Wirtschaft so viel als möglich einzuschränken , ohne dieses jedoch Wallenheim empfinden zu lassen . Er entbehrte keine seiner vorigen Bequemlichkeiten ; zwar herrschte an seinem Tische nicht mehr der Überfluß , aber doch noch immer Zierlichkeit . Elisa wurde eine eifrige Landwirtin , und widmete sich diesen Beschäftigungen , wiewohl nur einige Stunden des Tages , ob sie gleich die ganze Wirtschaft , selbst die Feldwirtschaft bestellte ; allein in der Folge bewog sie Wallenheim , sich mit derselben zu beschäftigen . Bisher hatte Elisa von weiblichen Arbeiten nur so viel getan , als zu ihrem Vergnügen gereichte ; um aber nicht in ihren Wohltaten gegen Unglückliche eingeschränkt zu sein , hatte sie alle ihre weibliche Bediente , ein einziges Mädchen ausgenommen , verabschiedet ; sie verrichtete also nun selbst alle Handarbeiten , und nähere für ihren Gatten , für sich und ihre Kinder . Es waren bereits sechs Jahre , daß Elisa zum Zweitenmal Kinder in dem Erziehungshause angenommen hatte ; sie sollten es nun verlassen , und andere ihre Stelle ersetzen , und sie verfertigte zum Teil selbst die Kleidungsstücke , wel che sie bei ihrer Ankunft erhielten . So fuhr sie fort , Gutes zu stiften , und ihren Mitmenschen nützlich zu sein , ob sie gleich nicht mehr reich war . Indes vernachlässigte sie bei allen diesen Beschäftigungen doch Henriettes Erziehung nicht . Henriette war stets bei ihr ; sie büdete ihren Geist und ihr Herz ; sie unterrichtete sie in der Musik und in fremden Sprachen . Zu diesem allen hatte Elisa Zeit , denn sie liebte ihre Pflichten , und hatte sich stets daran gewöhnt , sie zu erfüllen . Die Einteilung ihres Tages war : Sie stand um fünf Uhr auf , und las bis um sieben ; um diese Zeit war Wallenheim aufgestanden , dann ging sie zu ihm und frühstückte mit ihm . Nach dem Frühstücke kam Henriette zu ihr , welche dann angekleidet sein mußte ; sie mußte nun in ihrer Mutter Zimmer schreiben , entweder Briefe oder Auszüge und Aufsätze machen ; während dem war Elisa mit den Anordnungen ihrer Wirtschaft beschäftiget ; gemeiniglich dauerte dieses anderthalb Stunden , dann setzte sie sich auf , und kleidete sich an ; dieses beschäftigte sie nur eine Stunde , indes erteilte sie Henriette Unterricht im Rechnen , alsdann sah sie das , was sie geschrieben hatte , nach , womit sie gewöhnlich um elf Uhr fertig war ; dann gab sie Henriette eine Stunde entweder in der englischen , oder in der italienischen Sprache ; da Waldin beide Sprachen nicht konnte , so wohnte auch Herrmann dieser Stunde bei . Um zwölf Uhr mußte Henriette ihrer Mutter aus der Geschichte vorlesen , und Elisa unterhielt sich mit ihr über das Gelesene , machte Anmerkungen darüber , hörte die ihrer Tochter , und bemühte sich , daß Henriette auf diese Art deutliche und wahre Begriffe erhielt . Dieses dauerte bis halb zwei ; während dieser ganzen Zeit war Elisa mit ihrer Handarbeit beschäftiget . Um halb zwei mußte Henriette entweder zu ihrem Bruder gehen , und den Unterricht , welchen er in der Geographie erhielt , mit ihm teilen , oder sie mußte sich auf dem Klavier oder auf der Harfe üben . Elisa fuhr dann mit ihrer Beschäftigung fort , indem sie sich mit ihrem Gatten unterhielt , der um diese Zeit gewöhnlich in ihr Zimmer kam . Um zwei Uhr setzten sie sich zur Mittagsmahlzeit , welche eine Stunde dauerte . Nach Tische pflegte Elisa noch mit ihrem Gatten zu plaudern , mit ihm umher zu gehen , oder einige Anordnungen in der Wirtschaft zu machen . Henriette ging dann mit ihrem Bruder spazieren , oder spielte mit ihm , oder arbeitete mit ihm im Garten , immer unter der Aufsicht ihrer Erzieherin und Herrn Waldins , welcher auf diesen Spaziergängen seinen Zöglingen , in der Form eines Gesprächs , Unterricht in der Naturgeschichte erteilte . Um vier Uhr ging sie wieder zu ihrer Mutter , welche ihr eine Stunde auf dem Klavier oder auf der Harfe gab , und sie singen ließ . Um fünf Uhr mußte sie ihr wieder vorlesen , und die Bücher , welche Elisa dazu wählte , dienten ihr zum Unterricht und zur Unterhaltung : wie am Morgen machte sie dann wieder Anmerkungen , und unterhielt sich mit ihrer Tochter über das Gelesene . Wenn das Wetter nicht erlaubte spazieren zu gehen , so mußte Henriette sich auch eine Stunde mit Handarbeiten beschäftigen ; sie konnte diejenigen wählen , zu welchen sie an diesem Tage die meiste Lust hatte , und gewöhnlich wünschte sie eben die Arbeit zu machen , mit welcher sie ihre Mutter beschäftiget sah . Um sieben Uhr kam auch Herrmann zu seiner Mutter , und er und Henriette konnten sich nun die Zeit vertreiben , wie sie wollten . War es schön Wetter , so ging Elisa mit ihrem Gatten , ihren Kindern , Herrn Waldin und Henriettes Erzieherin spazieren ; sie bestrebte sich dann Wallenheim die Zeit zu vertreiben . Oft stellte sie kleine Lustpartien an , ländliche Feste im Walde , Wasserfahrten , oder gab am Sonntage den Bauern ein Fest , manchmal nur den Kindern ; besuchte zuweilen mit ihrem Gatten und Kindern die Greise und das Erziehungshaus . Durch ihre Bemühungen herrschte Fröhlichkeit an solchen Festen ; sie waren einfach , allein Heiterkeit , Scherz und Freiheit gaben ihnen Anmut , und Wallenheim empfand in ihrem Genuß wirkliches Vergnügen . Wenn Elisa die Abende in ihrem Zimmer zubrachte , so suchte sie Wallenheim durch ihre Unterhaltung und durch Musik , welche er liebte , die Zeit zu verkürzen . Mit jedem Tage wurde sie ihrem Gatten teurer , er fand sich glücklich in ihrem Besitze . Er war nicht mehr der mürrische , unzufriedene , in sich verschlossene Mann ; nein , seine Seele war jeder Empfindung offen , und jedes Genusses fähiger , den Freundschaft , Liebe und die Natur den Sterblichen bereiten . Wie natürlich also , daß seine finstere Laune wich , jemehr er mit den wahren Freuden des Lebens bekannt wurde , und sie empfand . Elisa weinte Freudentränen , wenn sie ihren Gatten glücklich sah ; sie selbst war nie so glücklich gewesen . Wallenheims Liebe , sein Dank , die Übereinstimmung , in der sie mit ihm lebte , lohnte ihr jetzt für ihre Tugenden . Nun genoß sie das Glück einer zufriedenen Ehe , und dieses war um so größer für sie , da sie nur allein dessen Schöpferin war , und sie es durch so viele Aufopferungen , durch so manche trübe durchlebte Stunde errungen hatte . Für ihre liebende Seele war es höchste Seligkeit , daß eben ihr Glück auch das ihres Gatten machte . Sie teilte ihrer Henriette oft ihre frohe Empfindungen mit , und sagte ihr dann : Nein , Henriette ; Tugend ist kein Verdienst ; denn ihr Lohn ist überschwenglich groß ! O , ein Tag , wie jetzt alle meine Tage sind , wiegt ein Leben voll Mühseligkeiten auf ! Doch , was sage ich ? Sind mit der Tugend auch Mühseligkeiten verbunden ? Nein , sie macht selbst die schwerste Pflicht leicht , und lohnt uns dann noch mit den seligsten Empfindungen , und mit der reinsten Zufriedenheit ! - Wallenheim war nun mit seiner Familie fünf Monate in Wallenthal , als an einem Abende Elisa allein vor der Türe auf dem Hofe saß . Sie hörte das Traben eines Rosses , schlug die Augen auf , und erblickte einen Mann , den ihr Herz augenblicklich erkannte ; sie flog ihm entgegen , und umarmte ihn mit der ganzen Unbefangenheit ihres Herzens . Schweigend schloß sie Birkenstein in seine Arme , er fühlte sein Herz klopfen , und er empfand , daß dreizehn Jahre Abwesenheit das Andenken seiner Liebe noch nicht erloschen hatte . Elisa . ( Nach einer Pause . ) Willkommen , Birkenstein , willkommen mir ! O , wie sehr freue ich mich , Sie zu sehen ! Birk . ( Küßt Elisan die Hand . ) Indem ich in mein Vaterland zurückkehre , konnte ich nicht unterlassen , derjenigen zuerst meine Aufwartung zu machen , deren Andenken ich stets verehrt habe . Elisa . Sie kehren also zurück zu Ihrer Mutter ? Ich habe lange nichts von ihr gehört . Birk . ( Indem eine Träne in seinem Auge glänzt . ) Ihr Tod ruft mich zurück . Elisa . ( Mit Rührung . ) Sie ist tot ? - O , würdige Frau ! Möchtest Du doch noch jenseits des Grabes diese Empfindungen kindlicher Liebe erblicken können , welche für Dich mein Herz so warm , so innig hegte ! Birk . Dank Ihnen , Elisa , für diese Tränen , welche Sie dem Andenken der besten Mutter weihen . Mit stiller Wehmut gingen Herrmann und Elisa , Hand in Hand den Hof herauf , bis an die Stelle , wo Elisa gesessen hatte . Elisa fühlte , daß ihre Lage in der jetzigen Stimmung ihrer Seele gefährlich war ; sie unterbrach das Schweigen , welches so empfindungsvoll war . Elisa . Birkenstein , werden sie nun wieder Ihr Vaterland verlassen ? Birk . Meine guten Bauern in Birkenstein glauben , durch nichts über den Verlust meiner Mutter getröstet werden zu können , als wenn ich bei ihnen wohne . Sie haben die ersten Ansprüche auf meine Beschützung , auf meine Sorgfalt , und ich darf sie ihnen nicht versagen . Elisa . Sie sind gewohnt , Glückliche zu machen , Sie werden in dieser edlen Bemühung fortfahren ! Birk . Bisher erfüllte ich nur meine Pflichten ; dem Staate , der mich unterhielt , war ich meine Dienste schuldig , und um seine Wohlfahrt zu befördern , suchte ich seine Einwohner der Armut zu entreissen . In diesem Augenblicke kam Henriette zu ihrer Mutter gelaufen ; sie stutzte , als sie einen Fremden erblickte . Birk . Ihre Tochter , Elisa ? O , lassen Sie mich sie an mein Herz drücken ! ( Er umarmt Henriette ; nach einer Pause . ) Nennen noch mehr solcher holdseligen Geschöpfe Sie Mutter ? Elisa . Ich habe noch zwei Söhne , der älteste ist nicht in unserem Hause , der zweite , v. Birkenstein , das ist ein lieber Knabe ! Sie erblickte ihn in der Ferne , und rief ihm zu : Herrmann , Herrmann , komme her ! und errötete , als sie diesen Namen aussprach . Birkenstein bemerkte es ; er freute sich , daß sie ihrem Sohne den Namen gegeben hatte , von dem er glauben konnte , daß er einst ihr teuer war ; seine Blicke sagten ihr dieses , und ihre Verwirrung stieg höher . Endlich kam Herrmann angelaufen . Als er Birkenstein sah , sagte er zu Elisa'n : Liebe Mutter , diesen Mann habe ich noch nicht bei uns gesehen ? Elisa . Es ist ein alter Bekannter von mir , Herrmann , der bisher weit von hier gewesen ist . Herrm . ( reicht Birkenstein mit naiver Gutherzigkeit die Hand . ) Wenn sie ein Freund meiner Mutter sind , so bin ich Ihnen auch gut ! Birk . ( schließt ihn in seine Arme . ) Liebenswürdiger Knabe ! Sei immer so offen wie jetzt ! - O , Elisa ! Diese Kinder sagen mir , Sie werden eine glückliche Mutter werden . Elisa . ( gerührt . ) Es ist das Einzige , was ich von der gütigen Vorsicht erbitte ; jede ihrer Fügungen sind mir willkommen , mögen meine Kinder nur gut und glücklich werden ! Es ist mein Bestreben , daß sie das Erste werden , ich weiß , daß man das Zweite dann ist . Die Kinder haben sich indes entfernt ; Herrmann ergreift Elisa's Hand : Gefühlvolles Weib ! Und wie erhaben in jedem Deiner Gefühle ! O , dieser Knabe ! Er ist der Abdruck Deiner Seele , seine Züge sind so edel , und doch so sanft das Feuer , das in seinen Augen glühet . Elisa . Herrmann , kein so feuriges Lob , ich bin jetzt Gattin . Birk . O , ich verehre diesen Titel in Ihnen ! - Und , meine Elisa , doch auch eine glückliche Gattin ? Elisa . ( Mit Ernst . ) Ja , Birkenstein , Wallenheim liebt mich . Birk . Elisa , ich wollte Sie nicht beleidigen ! Leidenschaft lodert nicht mehr in mir ; allein warme , innige Freundschaft , diese erlauben Sie mir doch , für Sie zu fühlen ? Elisa . ( reicht ihm lächelnd die Hand . ) O , nie hörte ich auf , diese für Sie zu hegen ! Ich hätte nicht einmal den Gedanken ertragen können , daß ich Ihnen gleichgültig geworden wäre ! O , Birkenstein , zu einer höheren Empfindung , als die brausende Leidenschaft des Jünglings ist , können wir uns erheben ! Freundschaft , uneigennützige Freundschaft und wahre Hochachtung wird und soll uns vereinigen . Birk . ( läßt seinen Kopf auf ihre Hand sinken . ) Diese Versicherung fehlte mir noch zu meinem Glücke ; nun bleibt mir kein Wunsch mehr übrig . ( Jetzt sah Elisa Wallenheim kommen , sie stand auf , und ging ihm mit Herrmann entgegen . ) Elisa . Lieber Wallenheim , ich stelle Ihnen hier den Herrn von Birkenstein vor , einen Mann , den ich freudig willkommen hieß , weil ich ihm schon seit vielen Jahren den Titel eines Freundes erteilte , den er , hoffe ich , auch von Ihnen erhalten wird ? Wahlen . ( verlegen und kalt . ) Ich freue mich , mein Herr , die Ehre zu haben , Ihre Bekanntschaft zu machen . Birk . ( offen , und mit edlem Anstande . ) Verbannen Sie jedes Mißtrauen , mein Herr ! Es ist wahr , ich liebte sonst Ihre Gattin ; allein meine Liebe zu Ihr entfernte mich von Ihr . Ich kehre jetzt zurück , weil Verehrung Ihrer Tugenden das einzige Gefühl ist , welches ich jetzt für Sie hege , und indem ich nach Wallenthal kam , wollte ich nicht minder mich um Ihre Freundschaft bewerben , als Ihre Gattin um die Ihrige bitten. Wahlen . Ich sehe es , daß solch ein Mann von meiner Gattin geliebt werden mußte . Elisa . ( umarmt Wallenheim . ) Lassen Sie uns doch vom Vergangenen nicht mehr reden . Birkenstein , Wallenheim , Sie sind mir Beide teuer , und dieses muß Sie vereinigen , dieses muß Sie zu Freunden machen . Birk . ( reicht Wallenheim die Hand . ) Wollen wir nicht den Willen derjenigen erfüllen , die wir Beide verehren ? Wahlen . ( umarmt Birkenstein . ) Der Freund meiner Elisa kann nicht anders als auch der Meinige sein ! - Birkenstein wollte nun Wallenheim und seine Gattin verlassen , aber Beide baten ihn in Wallenthal die Nacht zu bleiben , und er willigte ein . Sie setzten sich zum Abendessen . Elisa war heiter wie immer , sie suchte alles , was die Vergangenheit hätte zurückrufen können , zu vermeiden ; ihre Unbefangenheit , ihr munterer Scherz hob jede Verlegenheit zwischen ihrem Gatten und Birkenstein auf ; indes war doch Wallenheim ernst , und auf Herrmanns Zügen lag eine sanfte Rührung verbreitet . Seine Blicke folgten jeder Bewegung Elisa's , und oft entfuhr ihm ein Seufzer , wenn er ihre liebevolle Aufmerksamkeit für ihren Gatten , ihre zärtliche Sorgfalt für ihre Kinder sah . Unter vertraulichen Gesprächen blieben sie spät bis in die Nacht zusammen . Wallenheim begleitete Birkenstein in sein Zimmer . Elisa blieb gedankenvoll , als sie das ihrige verlassen hatten . Endlich fühlte sie eine Träne ihre Wangen hinabrollen . Gott ! rief sie aus , hätte mich dieses Wiedersehen zu tief gerührt ? Wäre ich noch nicht stark genug in der Tugend , um dem Zauber der Liebe zu widerstehen ? O , ich muß mich prüfen ! Ich muß den Empfindungen dieses Tages nachspüren ! So hätte mich denn nur Abwesenheit vor einem Vergehen bewahrt ? So wäre sie denn jetzt noch nötig , jetzt , da ich Wallenheim liebe ? - ( Nach einer Pause , im erhabensten Tone . ) Nein , Herrmann könnte an jedem Tage mir zur Seite sein , ich würde mich bewachen , so wie heute würde ich an jedem Abend mein Herz befragen , und dann wäre es unmöglich , daß eine wärmere Empfindung als Freundschaft sich darein einschliche . Wahr ist es , Herrmann ist mir sehr teuer ; aber an der Seite meines Gatten fürchte ich ihn nicht ! Ich empfand heute keine Unruhe , ich empfand ja Freude , sie beisammen zu sehen - O , dieser Freude will ich mich überlassen ; denn ich fühle es , sie ist unschuldig ! - Aber Wallenheim war heute unruhig - O , ich muß gehen , ihn zu beruhigen ! Elisa fand ihren Gatten im tiefen Nachdenken ; sie flog an seinen Hals . Mein Wallenheim , Birkensteins Besuch hat doch Ihre Ruhe nicht gestört ? Gewiß , er würde sich dieses vorwerfen , wenn er es glauben könnte , und mich würde der Gedanke schmerzen ! Ja , wenn ich auch einst Birkenstein liebte , so fühle ich doch jetzt zu gut , daß ich Ihre Gattin bin , und er mir nur Freund ist ! Wahlen . ( drückt Elisa 'n an seine Brust . ) Bestes , edles Weib ! Dieser Mann ist ganz Ihrer Liebe würdig ! Elisa . Ja , Wallenheim , er ist edel , und ich schätze ihn , ich liebe ihn als den teuersten meiner Freunde . Aber jene Liebe unserer Jugendjahre - ( lächelnd . ) o , die ist längst erloschen , und wird nicht wieder angefacht ! Wahlen . Es war nicht dieses , was ich fürchtete . Der einzige Gedanke , der mich beunruhigte , war dieser , daß Sie vielleicht aufs neue bereuen könnten .... Elisa . ( scherzhaft . ) O , weg mit diesen Grillen ! Ich stelle mich sonst morgen verliebt in Birkenstein ; denn gestraft müßten Sie doch für diesen Gedanken werden. Wahlen . Er hat also keine Wirklichkeit ? Elisa . ( mit Ernst. ) Sehen Sie mich an , Wallenheim ! Lesen Sie je Unwahrheiten in diesen Blicken ? Wahlen . Nein ! Elisa . Nun dann , wenn diese Augen nie Ihnen logen , so werden sie die Wahrheit meiner Worte bestätigen : daß noch nicht der entfernteste Gedanke von dem , was Sie besorgten , in mir aufgestiegen war . Wahlen . ( umarmt Elisa 'n mit Herzlichkeit . ) Nun , meine Elisa , bin ich Deinem Birkenstein noch einmal so gut ! - In der Tat empfing Wallenheim am anderen Morgen Birkenstein mit einer weit offeneren und heitereren Miene , als er am vorigen Tage gehabt hatte . Elisa war hierüber sehr vergnügt , und empfing Birkenstein mit noch mehrerer Herzlichkeit . Wallenheim wollte seiner Gattin beweisen , wie entfernt er von jeder Eifersucht sei , und verließ sie und Herrmann bald nach dem Frühstücke . Einige Stunden flohen ihnen nun in traulicher Unterhaltung , in welchen Beide sich glücklich fühlten . Birkenstein sagte endlich Elisa , Unschuld gibt doch jeder Empfindung Wert ! O , wenn wir in jenen Jahren der Leidenschaft nachgegeben hätten , würden wir wohl jetzt so vertraut , so zufrieden , Hand in Hand zusammen sitzen ? Birk . Ja , meine süße Elisa , der Tugend Wert lehrt uns erst eigene Erfahrung ! Wohl der Jugend , wenn sie sich entschließt , sich selbst davon zu überzeugen ! Man mache es sich nur zum Gesetze , sich nie von dem , was Recht ist , zu entfernen , und die schwersten Opfer werden uns dann belohnt , so wenig wir auch in jenen Augenblicken Schadloshaltung für möglich halten . Als das Schicksal mich von Ihnen riß , als ich Birkenstein verließ , da betrachtete ich die ganze Welt nur als eine Wüste , in welcher jede Freude für mich erstorben war . Ich war überzeugt , ich würde mein ganzes Leben hindurch elend sein , ich würde ihn immer fühlen , den nagenden Schmerz , der mir fast alle Denkkraft raubte . Indes gewohnt , den Gesetzen des Guten zu folgen , war ich stark genug , mir ihren Anblick zu versagen , welcher mir doch das einzige für mich übrig gebliebene Glück zu sein schien . Ich sagte mir es nicht ; allein das Bewußtsein blieb mir , daß ich doch noch nützlich sein könnte , und so suchte ich Dienste außer meinem Vaterlande . Jeder Ort war mir gleich , ich fühlte nur meinen Schmerz , ich kam zuerst nach D .... , und blieb dort . Fleiß , und einige gute Anschläge , welche ich gab , machten , daß man mich bald auszeichnete , und in eine höhere Sphäre setzte . Anstrengung in meinen Geschäften hatte das Wütende meines Schmerzes und meiner Leidenschaft gedämpft ; ich war wieder des Denkens fähig ; ich sah , daß ich für Menschenwohl arbeiten könnte , und dieses war der erste Trost , welchen meine leidende Seele erhielt . Ich ergab mich nun mit Eifer diesem Geschäfte , ich fühlte Linderung , ich empfand oft Freude , aber eben so oft vergoß ich auch noch Tränen des bittersten Schmerzes . Wenn die Unschuld , deren Rechte ich verteidiget , und welche ich ihren Unterdrückern entrissen hatte , mir Dank stammelte , und vor mir Freudentränen vergoß , o , dann sagte ich mir , ich wäre glücklich , wenn ich mit Elisa'n meine Empfindungen teilen könnte ; der Beifall einer Welt ist mir nichts , wenn ich nicht den ihrigen in ihren Blicken lesen kann ! So achtete ich auch den meinigen nicht , empfand noch nicht jene edle Selbstzufriedenheit , die Triebfeder großer Taten . Ich fühlte endlich , daß , um mich des Guten freuen zu können , was ich tat , um nicht bloß maschinenmäßig meine Pflichten zu erfüllen , ich nicht allein gut handeln , sondern auch weise werden , auch meine Leidenschaft bekämpfen müßte ; jetzt entzog ich mich jedes Gedankens an Sie , suchte Zerstreuungen , spürte der inneren Verwaltung des Staats nach , entdeckte ihre Mängel , machte Plane zu deren Verbesserung , überreichte sie dem Fürsten , unterhielt mich mit ihm über die Mittel , seinen Untertanen aufzuhelfen , und seinen Staat blühender zu machen . Je ernstlicher ich meine Leidenschaft bekämpfte , je mehr ich mich jeder Erinnerung meiner Liebe entzog , desto mehr fühlte ich innere Stärke , desto mehr erwachte Tätigkeit in meiner Seele . Bisher hatte ich nur einzelne gute Handlungen verrichtet ; jetzt bekamen meine Handlungen und Geschäfte , Zweck und Verbindung . Ich wurde erster Geheimrat in D ... , allenthalben richtete ich meine Blicke , und half , wo ich helfen konnte . Nun genoß ich meines eigenen Beifalls , ich genoß des Glücks und des Wohlstandes vieler Einwohner . Nun erst erfuhr ich , daß Tugend belohnt ; die höchste Zufriedenheit war nun mein ; die edelsten Freuden durchdrangen oft mein Herz . Ihr Bild , meine Elisa , erschien mir jetzt in einem sanften Schimmer , es zerstörte nicht mehr meine Glückseligkeit ; nein , es erhöhte sie . Zwar dachte ich oft , an Elisa's Seite wäre ich doppelt glücklich gewesen . - Allein wäre sie mein geworden , ohne ihrer Mutter Einwilligung ; so hätten wir Beide wider unsere Pflicht gehandelt , und wir wären Beide unglücklich geworden ! Allein mit dieser ? - Doch dieses war unmöglich ! Alle Begebenheiten sind unabänderlich in die Kette der Dinge gereiht , und Tugend ist es eben , wenn man , selbst bei den widrigsten derselben , nicht aufhört , seine Pflichten zu erfüllen . Elisa . ( drückt Herrmanns Hand , eine Träne glänzt in ihrem Auge . ) O , wir hielten das Gelübde , welches wir einst im Feuer unserer Liebe taten , stets auf der Tugend Pfad zu wandeln ! und wir wurden glücklich ! Vereiniget , Herrmann , wäre dieses vielleicht nicht gewesen . Herrmanns Kopf sank auf Elisa's Hand , sie blieben einige Augenblicke in dieser Stellung . Endlich sagte Elisa : Auch ich , Herrmann , suchte in einer kleinen Sphäre für Menschenwohl zu arbeiten : Kommen Sie ! ich will Sie zu meinen angenommenen Kindern , und zu meinen Greisen führen , vielleicht können Sie noch einige Verbesserungen in meinen Einrichtungen treffen . Herrmann folgte Elisa'n : sie ging mit ihm in das Erziehungshaus , und in das Pflegehaus der Greise . Er bewunderte , wie mit so vieler Einfachheit sie für das Glück so vieler Menschen arbeitete . Diese Kinder bekamen durch Sie einen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft , und am Rande des Grabes fand hier der Unglückliche noch Unterstützung ; und dieses waren keine vorübergehenden Wohltaten , nein , ein ganzes Menschenleben hindurch wurden hier Menschen beglückt . Und dieses geschah so ganz ohne alles Gepränge . O , Tugend , fuhr Herrmann fort , als er aus dem Pflegehause der Greise ging , hier strahlst Du in Deinem wahren Glanze , erhaben und einfach ! Hier sollte eine Welt niederfallen , und Dich verehren ! Herrmann hatte Elisa's Hand auf diesem Wege öfter und inniger gedrückt ; eine Träne hatte er aus seinem Auge getrocknet , als sie sich bei den Greisen befanden ! Elisa es Güte und zärtliche Sorgfalt für sie , der Greise Dank , Liebe und tiefe Verehrung gegen sie , ihre emporgehobenen Blicke und Hände , um für Elisa'n den Segen des Himmels herabzuflehen , war für Herrmann ein rührender Auftritt gewesen , und schweigend ging er an Elisa's Seite zurück . Elisa hatte ihm gesagt , daß Henriette unweit von Wallenthal wohne , und er beschloß , sie zu besuchen . Nach geendigter Mittagsmahlzeit , nahm Herrmann von Wallenheim und seiner Gattin Abschied . Er schloß Elisa'n in seine Arme , und fühlte eine Träne seine Wangen hinabrollen , und sah auch die Ihrige in ihrem seelenvollen Auge ; fest drückte er den jungen Herrmann an seine Brust , der zu ihm sagte , Lieber , fremder Mann , besuche uns doch bald wieder ! Herrmann lächelte , küßte ihn noch einmal , und eilte hinaus . Wallenheim begleitete ihn , Herrmann umarmte ihn noch einmal . Ich scheide doch als Ihr Freund von Ihnen ? Wahlen . ( drückt ihm die Hand . ) Ja , Birkenstein , mein Weib ist zu tugendhaft , Sie zu edel , als daß Ihr Besuch Besorgnisse in mir erweckt hätte , Ich habe Sie kennen gelernt , und liebe Sie. Birk . Ich danke Ihnen , Wallenheim , für dieses edle Vertrauen ! Nie werde ich es mißbrauchen , ich fühle mich stark genug , den Anblick Ihres Weibes zu ertragen , und doch - nur in vielen Jahren sehen wir uns wieder ! Nun schwang er sich auf sein Pferd , und eilte fort . Elisa sah ihm nach , und trocknete ihre Augen . Herrmann erblickte bald den Turm von Felsingburg ; er ließ sich bei Henriette melden . Birkenstein ? fragte sie staunend , und schon sah sie ihn den Hof heraufkommen . Sie ging ihm entgegen : Staunen und Freude , Sie zu sehen , Birkenstein , machen mich fast unfähig , Sie zu begrüßen ! Birk . ( Küßt ihr die Hand . ) Welch ein süßes Vergnügen ist mir dieses , mir schmeicheln zu können , daß ich noch unter die Zahl Ihrer Freunde gehöre ? Henr . ( Lächelnd. ) Sie trauen also der Abwesenheit nicht viel ? Birk . So nicht , gnädige Frau ! Bei Gott , ich fühle es , es gibt Verbindungen , welche durch nichts geschwächt werden , und so war auch die Unsrige ! ( Jetzt begleitete Birkenstein Henriette in ihr Zimmer , Felsig war abwesend ; doch erwartete ihn Henriette am Abend . ) Birk . ( Nach einer Pause . ) Ich komme von Wallenthal ! Henr . O , hätte ich doch dem ersten Augenblicke Ihres Wiedersehens mit Elisa'n beiwohnen können ! Birk . Wir freuten uns Beide , unsere Beider Herzen schlugen heftiger . O gnädige Frau , Jünglingsfeuer rollt nicht mehr in meinen Adern ; allein wärmer schied ich doch von ihr , als ich bei meiner Ankunft war . Henr . Sie lieben sie noch ? Birk . Überzeugt , daß ich nur warme , innige Freundschaft für sie empfand , kam ich nach Wallenthal . Ihr Anblick rief in mir die Szenen der Vergangenheit zurück , ich umarmte meine vorige Geliebte ; aber dieser Name konnte nur auf einen Augenblick mein Herz erschüttern , ich war gewohnt , sie mir als Wallenheims Gattin zu denken ; allein Elisa'n sehen , ihre Tugenden bewundern , sie geliebt zu haben , und nur ihr Freund bleiben - nein , Henriette , das vermag ich noch nicht ! Welche sanfte Gefälligkeit hat sie gegen ihren Gatten , wie geflissen war sie , durch ihr Betragen ihm jeden Verdacht gegen sich und mich zu benehmen ! Ihr Lächeln , jede ihrer Mienen spricht ihm Liebe , und doch mir so zugetan , so unverstellt , so offen in ihrem Betragen gegen mich . Indem sie nur jedes Verlangen ihres Gatten aus seinen Augen zu lesen schien , um diesem zuvorzukommen , indem sie uns auf die angenehmste Art unterhielt , wendete sie doch eine beständige Aufmerksamkeit auf ihre Kinder ; Keins ihrer Worte entging ihnen , und ich sah , daß Elisa in keinem Augenblicke aufhörte , ihre Erzieherin zu sein . Und welche Ordnung herrscht in ihrem Hause ! Früh am anderen Morgen hatte sie schon ihr Hauswesen bestellt , und ich fand sie angekleidet . Allein , wenn Elisa in dem Zirkel ihrer Familie bewunderungswürdig ist , wie vielmehr ist sie es nicht , wenn man sie als Wohltäterin ihrer Gegend betrachtet ; wenn man ihr in das Erziehungshaus und in das Pflegehaus der Greise folgt ; wenn man mit den Bauern in Wallenthal spricht , welche sich glücklich preisen , und bei denen man mehr gesunde Vernunft antrifft , als in dieser Klasse bei den Einwohnern einer ganzen Provinz zusammengenommen . O könnte ich doch ihr ganzes Geschlecht nach Wallenthal rufen , ihnen Elisa'n zeigen , wie wirklich groß und erhaben sie durch ihre Tugenden ist ! - Weiber ! ihr wollt Alle glänzen ! Möchtet ihr doch Alle die Mittel erwählen , durch welche Elisa das Erste der Weiber wurde ! Wahrlich ! wenn schon Silberlocken eure Stirn zierten , würden wir euch doch noch Dank , Verehrung und Liebe zollen ! Henr . Und Sie sahen sie nur einen Tag , Birkenstein ? Wenn man ihr aber in jedem Auftritte ihres Lebens folgt , wie viel größer erscheint sie dann ! Der erste Augenblick , in welchem Wallenheim sie in seine Arme empfing , war für sie abscheulich , und doch von diesem Augenblicke an , versagte sie sich jeden Gedanken an Sie . Der rauhste , der mürrischste Mann , den ich je sah , war Wallenheim , ihre Sanftmut schuf ihn um , sie zwang ihm , sie zu lieben ; es war kein Opfer , welches sie ihm nicht brachte , keine unwürdige Behandlung von ihm , welche sie nicht geduldig ertrug . Sein Herz öffnete sich endlich dem Gefühl , und sie machte ihn glücklich . Er hat ihr Vermögen verschwendet , ein nur kärgliches Einkommen bleibt ihnen übrig , und Elisa versagt sich jede Bequemlichkeit , um ihren Gatten nicht die Verringerung ihres Vermögens empfinden zu lassen , welche er verursachte . Sie verbirgt dieses vor ihm , damit er sich keine Vorwürfe mache . Sie arbeitet oft in der Nacht ; denn bei Tage widmet sie ihre Stunden dem Unterrichte ihrer Tochter , und die Abende der Unterhaltung ihres Gatten ; sie macht sich es zum Geschäft , ihm die Zeit angenehm zu vertreiben . Noch ist sie eben so reich in ihren Wohltaten , und in ganz Wallenthal empfindet nur sie den Verlust ihres Vermögens . Dieses Alles , Birkenstein , wußten Sie noch nicht , und , sollte man glauben , daß diese Tugenden noch einer Erhöhung fähig sind ? Und doch erhöhet sie Elisa noch durch ihr Betragen . Ihre Seele ist so erhaben , und doch , welche Leichtigkeit , welche Gefälligkeit in ihrem Wesen ! Alle ihre Handlungen führen in sich das innere Gepräge der Tugend ; allein es erscheint in ihnen so viel Einfachheit , daß man es kaum fühlt , daß Elisa so erhaben ist über Alles , was sie umgibt . Man fühlt sich zur Bewunderung hingerissen , nein , zur Liebe ! den Elisa sucht sich einem Jeden gleich zu stellen , und will nicht über Andere erhaben scheinen . Und diese Bescheidenheit ist bei ihr nicht erkünstelt , nein , sie ist überzeugt , sie erfüllt nur ihre Pflichten , und ist weit entfernt , sich den Wert beizulegen , den der Beobachter ihrer Handlungen ihr zugestehen muß . Und dann eine beständige Aufmerksamkeit , Anderen Vergnügen zu machen , welche sich auf das geringste Individuum erstreckt , wirft auf ihr ganzes Wesen eine Liebenswürdigkeit , welcher man nicht zu widerstehen vermag , und man empfindet , daß Elisa auch das angenehmste der Weiber ist ; und fast möchte ich sagen , auch die Glücklichste ! Ruhe und Heiterkeit liegen auf ihren Zügen verbreitet , und sie sind das Bild ihrer Seele . Zwar ging sie durch so manchen unangenehmen Auftritt des Lebens ; allein diese blieben unverändert in ihr . Ich sah oft ihr Auge trübe ; allein nie hörte ich sie klagen über das Geschick . Immer fand ich Elisa'n noch heiter , wenn auch Schmerz ihre Seele niederbeugte ; denn sie ist überzeugt , daß jede Begebenheit eine notwendige Folge vorhergegangener Ursachen ist , und so bleibt sie ruhig , auch bei den Widerwärtigkeiten des Lebens . Sie hört auch dann nicht auf , tätig im Guten zu sein , und sie findet Trost in dem Bewußtsein , daß sie ihre Pflichten erfüllt . So bleibt sie sich stets gleich , stets wirksam , die Übel , die sie treffen , für Andere unschädlich zu machen , und so ist sie fähiger , jedes Ungemach zu ertragen . Birk . Wie vortrefflich schildern Sie Ihre Freundin , Henriette ! Und wie nahe müssen Sie selbst dem Bilde kommen , dem Sie so aufrichtig ihre Verehrung zollen ! Henr . Die innigste Freundschaft vereinigte uns ja stets ; schon in unseren Frühlings-Tagen machte mich der Gedanke stolz , daß die , welche ich so sehr liebte , sich vielleicht einst dem Gipfel weiblicher Vollkommenheit nähern würde . Birk . O , Henriette , welche Tage rufen Sie zurück ! Doch , meine Elisa wäre nicht das Muster weiblicher Tugend geworden , wäre sie nicht die Gattin des Mannes geworden , vor dem sie Widerwillen empfand . Henr . ( Nach einer Pause . ) Also ersetzte noch kein Weib Elisa's Stelle in Ihrem Herzen ? Birk . Keins , und wird es nie ; denn Elisa ist einzig . Zwar sah ich manches liebenswürdige Weib ; allein Elisa's Bild , ob ich gleich nicht mehr liebte , entfernte doch jede andere Liebe von meinem Herzen . Sie war die Erste , die dieses Gefühl mich kennen lehrte , und das in seiner ganzen Reinheit . Elisa vereinigte Alles : Verstand , Reize , Tugend , Liebenswürdigkeit , und nur die höchste Liebe konnte man für sie empfinden . Nie wird eine zweite Liebe in meinem Herzen Platz finden , und der Gedanke erregt mir Widerwillen , mein Schicksal mit einem Weibe zu vereinigen , welches ich nicht so lieben könnte , als ich noch jetzt Elisa'n liebe . Mich dünkt , ich würde das einzige Band zerreißen , welches uns jetzt noch verbindet . Elisa , obgleich schon längst meine Leidenschaft zu ihr aufgehört hat , ist doch noch immer der Gegenstand meiner liebsten Gedanken und Empfindungen , und dann dürfte sie es nicht mehr sein ; und ich kann mir nicht das Vergnügen rauben , an sie zu denken ; ich kann nicht undankbar gegen ein Weib werden das mich vielleicht allein lieben würde , und dem ich diese Liebe nicht erwidern könnte ! Henr . Aber , Birkenstein , fürchten Sie nicht , einst eine Leere in Ihren Herzen zu finden , wenn kein Gegenstand es fesselt , keiner Ihre liebende Seele erfüllt ? Birk . Nein , Henriette ! Die Unglücklichen sollen mich fesseln ! Die , deren Los ich verbesserte , meine Seele erfüllen ! Ich werde für sie arbeiten , ich werde suchen , frohe Menschen um mich zu versammeln , und ich werde glücklich sein ! Ich werde Elisa's wohltätige Anstalten nachahmen , ich werde Menschen erziehen , und auch in Birkenstein soll , wie in Wallenthal , das dahin sinkende Alter Unterstützung finden . Wie viel Gegenstände , Henriette , welche mein Herz erfüllen werden ! und dann , Elisa und ihre Kinder - Elisa , welche mir immer teuer sein wird , und in deren Gesellschaft ich künftig manche Stunde verleben will ! Wundern Sie sich nicht über diesen Vorsatz , Henriette , jetzt reise ich weg , und komme in vielen Jahren erst wieder ! Zwar traue ich mir Tugend genug zu , um nicht das Weib eines Anderen zu verführen , und ich weiß , das Elisa vor dem Gedanken zurückbeben würde , einen Anderen , als ihren Gatten , zu lieben - Allein wenn ich sie sehen kann , ohne daß ich aufhöre , ein ehrlicher Mann zu sein , so kann ich sie nicht sehen , ohne daß ich sie liebe , und auch ihr Herz würde oft unwillkürlich bei meinem Anblick stärker klopfen ; dieses will ich ihr und mir ersparen ! Wir bekämpften Beide unsere Leidenschaft , wir siegten , der Kampf soll nicht erneuert werden ! Allein , Henriette , wenn kälter das Blut in meinen Adern rollt , dann will ich ein Mitglied der Wollenheimischen Familie , dann will ich Elisa's Bruder werden ! Hier in Städtchen R... Kauf ich mir dann ein Haus , und verlebe hier sechs Monate des Jahrs ; denn meine Bauern in Birkenstein verlasse ich nie ganz . Elisa es Kinder sollen dann die Meinigen werden , wenn Herrmann , dieser Knabe , aus dessen Blicken der Mutter liebevolle Seele strahlt , und der mir noch teurer ist , durch den Namen , den er von ihr erhielt , und durch den sie ein Denkmal ihrer Liebe stiftete , wenn er der mütterlichen Leitung entwachsen ist , dann will ich sein Führer werden , dann will ich ihn zum Manne bliden , und ihn ihr dann wieder geben ! - O , Henriette ! wie kann ich eine Leere fürchten ? Elisa es Freund , ihr Bruder , ihre Kinder die Meinigen , und einige Sterbliche , an deren Glück ich arbeiten und die ich lieben werde ! Henr . ( gerührt . ) Herrmann ! Elisa ! Möchten doch eure Namen in den Annalen der Tugend aufgeschrieben werden ! Herrm . ( drückt Henriettes Hand . ) Ja , Henriette , wünschte ich , daß er je unvergeßlich würde , so wäre es dort ! Herrmann und Henriette schwiegen , und dieses Schweigen war feierlich und ernst ; ein Wagen , der daher rollte , weckte sie aus ihrem Nachdenken , und Felsig trat herein . Herrmann und Felsig wurden Freund , und erst am anderen Tage schied Herrmann von ihm und seiner Gattin . Viel sprachen Elisa und Henriette bei ihrem Wiedersehen von ihrem Freunde ; allein Henriette sah bald , daß Elisa über ihr Herz gewacht , und jede aufkeimende Empfindung darin unterdrückt hatte . In der Tat suchte Elisa , seitdem Herrmann in Wallenthal gewesen war , ihrem Gatten noch mehr Liebe zu beweisen . Er sah diese Bemühung , schätzte sein Weib um so mehr , und Beide waren glücklich . Es war ein Jahr , daß sie nun in Wallenthal waren , da wurde Herrmann krank ; man fing bald an , für sein Leben besorgt zu sein . Elisa zitterte , sie verließ sein Bette nicht , ihre Augen füllten sich mit Tränen , wenn sie auf ihren Sohn blickte , und doch wollte sie sie vor ihrem Gatten verbergen , der trostlos ihr zur Seite saß . Wallenheims ganzes Herz hing an dem Knaben , sein Anblick hatte ihn stets mit Freuden erfüllt , auf allen seinen Spaziergängen war er sein Begleiter gewesen , und oft hatte ein Lächeln , ein kindischer Einfall des Knaben , des Vaters Unmut zerstreuet . O , Elisa , sprach er zu seiner Gattin , wenn mir Herrmann entrissen wird , dann wird mein ganzes Leben öde und freudenleer werden . Wie viel versprach ich mir nicht von dem Knaben ! Er war Ihr Ebenbild ! Er sollte die Freude meines Alters werden ! Ach , er war ja jetzt schon die Freude meines Leben ! Elisa weinte , sie umarmte ihren Gatten . Lassen sie uns stark sein , Wallenheim ! Wir dürfen ihm nicht unterliegen , dem Schmerze ! Wir müssen - ( hier stockte ihre Stimme , und ihre Tränen flossen häufiger ) wir müssen für unsere anderen Kinder leben ! Wallenheims Tränen verdoppelten sich , er verließ das Zimmer ; da sank Elisa auf ihre Knie , sie nahm des Knaben Hand , ihr Kopf sank auf dieselbe : O , Herrmann , mein Sohn , bald wirst du nicht mehr sein ! Im stummen Schmerze blieb sie liegen . Endlich stand sie auf , blickte gen Himmel , umarmte dann Herrmann : Ach , seitdem er lebt , hat er mein Herz mit Freude erfüllt ! so manchen süßen Augenblick gewährte er mir ! Dank dir , mein Sohn ! Dank Dir , gütige Vorsicht , die mich acht Jahre durch ihn eine glückliche Mutter sein ließ ! Ich will sie nicht vergessen , diese Jahre der Freude ! Noch jetzt will ich mit Dankbarkeit mich ihrer erinnern ! Jetzt , wo ich ihn verliere , auf ewig verliere ! - ( sie bricht aufs neue in Tränen aus . ) O , mein Herz ist zerrissen ! Aber meine Standhaftigkeit soll mich nicht verlassen ! - Dir , gütige Vorsicht , opfere ich meine Leiden , opfere ich den Schmerz , der jetzt in meinem Busen wühlt - Beim Eintritte in die Welt , harrten meiner Leiden und Freuden ! - Ich will sie tragen die Leiden , ich genoß ja die Freuden ! - ( sie wirft sich wieder auf Herrmanns Bette . ) O , Herrmann , mein Sohn , du wirst nicht mehr sein ! - Aber , Elisa , deine Pflichten hören nicht auf ! Dein Gatte , deine übrigen Kinder leben , du mußt an ihrem Glücke arbeiten ! Dazu berief dich die Natur ! Und ehe sie mich nicht zurückruft , vom Schauplatze des Lebens , eher darf ich nicht aufhören zu wirken ! Dazu muß ich stark sein ! - ( sie fällt nieder auf ihre Knie , und hebt die Hande gen Himmel . ) Ja , ich will es sein ! - Ich will mit ruhiger Ergebung das größte der Leiden tragen - ich will ihn bekämpfen , den Schmerz - ich muß Wallenheim trösten - O , Wallenheim ! Du sollst nicht zu gleicher Zeit deine Gattin und deinen Sohn verlieren ! Nun stand Elisa auf , und setzte sich wieder neben ihrem Herrmann ; er war schon seit zwei Tagen ohne Empfindung . Sie nahm ihn oft in ihre Arme , weinte ; aber eben so oft blickte sie empor zum Himmel , und rief aus : Du wirst mich stärken , großes Wesen ! Wallenheim kam wieder herein ; es war schon Abend , Elisa bat ihn zu Bette zu gehen . Meine Elisa , sprach er , soll ich nicht mit Ihnen diese traurigen Stunden teilen ? Wollen Sie allein jene bange Bekümmernis über sich nehmen , allein ihn mit unermüdeter Sorgfalt bewachen , und ich - soll ruhen ? Elisa . Ja , mein Wallenheim , suchen Sie auf einige Stunden zu ruhen . Unser Sohn stirbt noch nicht ! Noch ist der Faden seines Lebens nicht durchschnitten ! Vielleicht ! - doch gehen Sie jetzt , Ihre Gegenwart hier würde mich noch mit mehrerer Besorgnis erfüllen , ich würde auch für Sie zittern ! Wallenheim umarmte sie , weinte , und verließ das Zimmer . Elisa glaubte , daß Herrmann in dieser Nacht sterben würde , und sie wollte nicht , daß Wallenheim diesem traurigen Auftritte beiwohnen sollte . Wallenheim ging zu Bette , von Gram und Tränen abgemattet , schlossen sich seine Augen . Er war eine Stunde weg , da hörte Elisa ihren Sohn leise röcheln ; das Röcheln nahm zu , sie sah mit unverwandtem Blick auf ihn , ihr Busen hob sich hoch und heftig , Schmerz wütete in ihrem Inneren . Jetzt drängt sich das letzte Röcheln aus Herrmanns Brust , seine Seele entfliehet , seine Augen sind auf ewig geschlossen ! Elisa sinkt auf den toten Leichnam , sie heftet ihre Lippen auf die entseelten Lippen ihres Kindes , hier bleibt sie eine halbe Stunde liegen ; man will sie wegbringen . O , laßt mich , ruft sie aus , meinen Schmerz auf seinen Lippen aushauchen ! Dieses war der einzige heftige Ausbruch ihres Schmerzes . Nach einer halben Stunde stand sie auf , und ging in ihr Zimmer . Nun flossen ihre Tränen ; allein sie war ruhig . Oft richtete sie ihre Blicke gen Himmel , und einigemal rief sie aus : Großer Urheber alles Seins , Du wolltest es so ! Wallenheim hatte einige Stunden geschlafen ; allein schon lange hatten ihn bange Besorgnisse geweckt . Indes herrschte eine Stille im ganzen Hause , und diese ließ ihn nichts Böses ahnden . Endlich klingelt er ; da trat Elisa herein , warf sich in seine Arme , und rief aus : O , mein Wallenheim ! er ist nicht mehr ! - Ach , wir verbanden uns , Freude und Leid zu tragen ! Wahlen . Herrmann ? Elisa ! Herrmann ? - Elisa weinte . Auf ewig , auf ewig Dich verloren ? rief Wallenheim . Elisa . ( drückt Wallenheim an ihren Busen . ) Mein Wallenheim , mein Gatte , laß uns stark sein ! Lange weinten nun Beide ; endlich sagte Elisa ! Trockenen Sie Ihre Tränen , Geliebtester , kommen Sie , beim entseelten Körper meines Sohns wollen wir Standhaftigkeit schwören ! Wahlen . Elisa , Du bist ein Weib , Du bist Mutter , und Du kannst ? - Elisa . Ach , Wallenheim ! mein Herz ist zerrissen ; aber ich habe gelernt Leiden zu tragen ! Sie gingen nun zu dem Leichnam ihres Sohnes . Beide knieten vor demselben : O , mein Sohn ! mein Sohn ! rief Elisa , entrissen meinem Herzen ! Ach , es blutet ! Tief im Inneren nagte der Schmerz ! Aber einst kniete ich so , wie jetzt , vor der Leiche meines Vaters , und da schwor ich der Tugend ! - Es ist ja auch Tugend , standhaft zu sein ! Ich will es sein , - ( Sie steht auf und ergreift Wallenheims Hand . ) Wallenheim , laß uns weinen um unseren Sohn ; lange werden meine Tränen noch fließen ; aber daß der Schmerz uns nicht unsere Pflichten versäumen lasse . Nun riß sie ihn mit sich fort , ging zu Henriette , tröstete sie . Bald kam Felsig mit seiner Gattin . Mit inniger Teilnehmung umarmte Henriette ihre Freundin . Komme auf einige Tage mit deinem Gatten und Henriette nach Felsingburg , sprach sie zu ihr , Waldin und Felsig werden alles besorgen ! Die Szenen des Kummers , die Zurüstungen trauriger Obliegenheiten zu vermeiden , ist Pflicht , wenn man sich ihrer entziehen darf . Dieses wußte Elisa , und sie folgte ihrer Freundin . Die Beerdigung ihres geliebten Sohnes wurde nun Felsings und Waldins Geschäft , und nach sechs Tagen kehrte die Wallenheimsche Familie nach Wallenthal zurück . Wallenheim und seine Gattin setzten ihrem Sohne kein Denkmal ; sie wußten , er wurde in ihren Herzen fortleben ; aber sie wollten durch keinen sinnlichen Gegenstand ihrem Schmerze Nahrung geben . Jene Untätigkeit , welcher man sich im Schmerze so gern ergibt , vermied Elisa jetzt . Zurück in Wallenthal , fing sie auch ihre Beschäftigungen wieder an . Zwar unterbrachen ihre Tränen sie oft ; allein sie gestattete es sich nicht , sich dem Schmerze zu ergeben ; weinend setzte sie ihre Beschäftigungen fort , und zwang so ihre Aufmerksamkeit , sich auf andere Gegenstände zu richten . Sie las viel , und bewog auch Wallenheim viel zu lesen ; sie wählte ernste Bücher , welchen sie ihre Aufmerksamkeit widmen mußte . So sehr sie auch um ihren Herrmann trauerte , so bemühte sie sich doch , Wallenheim zu trösten . Sie verließ ihn in den ersten Tagen fast gar nicht , sie vermischten ihre Tränen ; aber mitten unter denselben bestrebte sich Elisa , seine Gedanken von seinem Sohne abzuziehen , ihm das Gesetz der Notwendigkeit in seiner ganzen Stärke vorzustellen , und ihm diejenige Ergebung einzuflößen , welche der Weise , selbst bei den härtesten Schlägen des Schicksals , noch behält ; welche zwar den Schmerz empfinden läßt , aber Verzweiflung entfernt . - Gleich nach Herrmanns Tode hatten Wallenheim und seine Gattin Carln kommen lassen . Die Natur erwachte jetzt aufs neue aus ihrem Schlummer ; das grüne Gewand der Erde ging wieder aus ihrem Schoße hervor ; aber die blühende , lachende Natur goß neue Traurigkeit in Wallenheims und seiner Gattin Herzen . Ach , sagte Elisa , Alles blühet , und mein Herrmann ist dahin ! - Doch bald erinnerte sich Elisa , daß sie so oft Trost im Schoße der Natur gefunden hatte , daß ihre Freuden nie ersterben , sie besuchte also den Wald , den Garten , die grünen Felder wieder , und so schmerzhaft ihr auch im Anfange die wiederkehrende Freude der Natur gewesen war , so goß sie doch bald wieder Ruhe in ihr Herz ; es war zu empfindungsvoll , als daß es hätte fühllos gegen die allgemeine Freude bleiben können . Auch Wallenheim bewog sie , sie auf ihren Spaziergängen zu begleiten , und ihre Kinder folgten ihnen dann . Es war an einem sanften Frühlingstage , als Elisa zum Erstenmal nach Herrmanns Tode mit ihrem Gatten spazieren ging . Sie gingen durch den Tannenwald auf eine Anhöhe , von welcher man auf der einen Seite über den dunklen Wald hinblickte , und auf der anderen erstreckten sich grüne Auen , in einer dem Auge unerreichbaren Länge . Sie setzten sich ; Henriette hascht einen Schmetterling , sieht ihn an , und fängt an zu weinen . Ach , Mutter ! sonst haschte Herrmann die Schmetterlinge , und half mir Kräuter suchen ! Ach , ich kann es immer noch nicht vergessen , jedesmal daß ich spazieren gehe ! Wahlen . ( nimmt Henriette wehmütig in seine Arme ) Armes Mädchen ! ( er weint . ) Ja , Elisa , jeder Baum im Tannenwalde hat mich an den Knaben erinnert ! Wenn ich mit ihm auf die Jagd ging , und er dann vergnügt an meiner Seite hüpfte , mir die Vögel zeigte , und unter dem Baume lauschte , o , dann habe ich mich so oft über des Knaben Munterkeit gefreut ! Gefreut , wenn ich so viel Züge seines guten Herzens , so manchen Beweis seines lebhaften Verstandes sah ! O , Elisa ! ich kann Ihnen nicht sagen , wie jetzt Alles so öde , so freudenleer um mich ist ! Elisa . ( drückt Wallenheim die Hand und trocknet ihre Augen ; nach einer Pause . ) Meine Wallenheim , blicken Sie um sich , die Natur ist noch immer schön ! Zwar ein großer Teil unseres Glücks , unserer Freuden ist uns entrissen ; aber viel bleibt uns noch übrig ! Unsere Kinder werden wieder lustig werden , sie werden , hoffe ich , gut werden , und uns noch manche Freude gewähren ! Wir werden noch manchmal hier der sanften Freuden der Natur genießen ! Sehen Sie das lachende Grün , hören Sie das frohe Zwitschern der Vögel ! O lassen Sie Ihr Herz die Übereinstimmung , die Harmonie der Natur empfinden , und wenn wir dann um unseren Herrmann weinen , so lassen Sie uns auch empfinden , daß in der Schöpfung doch noch Freuden für uns sind ! Wahlen . ( umarmt Elisa 'n . ) Sanftes , liebevolles Weib ! Ja , ich fühle mich getröstet , ich fühle mich stärker , wenn ich bei Ihnen bin ! - Auf diese Art bestrebte sich Elisa , immer Wallenheims Gram zu minderen , und dem Ihrigen das Bittere desselben zu benehmen . Zwar trauerte sie lange um ihren Herrmann ; allein ihr Gram war eine sanfte Schwermut , mit derjenigen ruhigen Heiterkeit vereiniget , welche Elisa'n fast nie verließ . - Jahre verflossen nun , ohne daß der Wollenheimischen Familie etwas Merkwürdiges begegnete . Henriette war der Gegenstand der Zärtlichkeit ihrer Eltern geworden ; allein Elisa hatte über ihre Liebe zu ihr gewacht , und hatte mit den Jahren ihre Sorgfalt für ihre Erziehung verdoppelt ; und schon erkannte man in Henriette die Tugenden ihrer Mutter . Herr Waldin war in Wallenthal geblieben , bis daß er einen Dienst bekommen hatte , welchen er durch Elisa's Bemühungen erhielt . Als er weg war , erhielt Henriette allein ihren Unterricht von ihrer Mutter , welche sich täglich um mehrere Kenntnisse bewarb , um den Verstand ihrer Tochter gehörig zu bilden . Übrigens blieb Elisa sich gleich ; der Jugend Blüte war von ihr geschwunden , aber nicht der Reiz derselben ; in keine ernsteren Falten zog sich ihre Stirn ; eben das ruhige , sanfte Lächeln thronte noch auf ihren Lippen , und eben derselbe liebevolle Blick , der einst Herrmann zuerst die Liebe kennen lehrte , begleitete noch jede ihrer Handlungen , und jedes ihrer Worte . Unaufhörlich blieb sie beschäftiget , die Summe des Glücks zu vermehren , und nachdem die Zeit und ihre Bemühungen den Schmerz über Herrmanns Tod getilgt hatten , rief sie die Freude zurück an ihre Seite , und verbreitete sie wieder über Alles , was sie umgab , über ganz Wallenthal , soweit es dem Menschen möglich ist , und nur selten sah man dort einen kummer- oder unmutsvollen Blick . In seinem fünfzehnten Jahre war Carl in den Militairdienst getreten ; oft schon hatte Elisa bittere Tränen um ihn vergossen . Sein Charakter hatte keine Festigkeit bekommen , seine Leidenschaften , welche heftig waren , keine gehörige Richtung . Sie hatte Wallenheim oft ihre Besorgnisse mitgeteilt , ohne ihm indes Vorwürfe zu machen ; allein er wollte aus falscher Scham es nie gestehen , daß sein Weib Recht habe , und nie hatte sie ihn bewegen können , in Absicht Karls andere Maßregeln zu nehmen . Er war nun vier Jahre beim Regimente , und überließ sich jetzt , da er sich frei glaubte , seinen Leidenschaften ohne Einschränkung . Das Spiel war fast seine einzige Beschäftigung , und die Stunden , welche er fern vom Spieltische zubrachte , verlebte er in den Armen feiler Buhlerinnen . Er war zwanzig Meilen von Wallenthal entfernt ; allein Elisa ließ ihn beobachten , sie war von jeder seiner Handlungen unterrichtet ; aber sie verschwieg ihrem Gatten seine Aufführung , um ihm die Vorwürfe , welche er sich machen könnte , zu ersparen , und auch , weil sie besorgte , daß er vielleicht , um ihn zu besseren , falsche Maßregeln ergreifen könnte . Sie wollte einige Zeit seine Leidenschaften ausbrausen lassen ; sie glaubte , daß , wenn ein Jüngling eine schlechte Erziehung bekommen hätte , und seinen Leidenschaften nicht schon vor ihrem Erwachen ein Zügel angelegt worden wäre , sie einem reissenden Strome glichen , der alle Dämme durchbricht , welche man ihm entgegensetzt ; daß folglich in der ersten Hitze derselben jedes Mittel zur Besserung vergebens sei , und sie wollte diese nicht eher anwenden , als bis er einige Zeit seine Leidenschaften befriedigt haben würde . Doch jetzt näherte er sich dem zwanzigsten Jahre ; nun , glaubte sie , wäre es Zeit , ihn von seinen Ausschweifungen zurückzubringen , sonst bliebe er Lebenslang ein Spieler und ein Wollüstling . Sie beschloß , selbst nach S... zu reisen , wo er in Garnison stand . Sie sagte ihrem Gatten , daß Carl sich von heftigen Leidenschaften hinreißen ließe , und daß sie hoffte , daß , wäre sie einige Zeit in S... , sie vielleicht Gelegenheit haben würde , kräftige Maßregeln zu seiner Besserung anzuwenden . Eine zwanzigjährige Erfahrung hatte Wallenheim zu sehr von der Klugheit und Vorsicht seiner Gattin überzeugt , als daß er jetzt nur einen Augenblick hätte zweifeln können , daß Elisa nicht ganz so handeln würde , als Zeit und Umstände es erforderten . Er war gewohnt , sie in allen Fällen die besten Maßregeln ergreifen zu sehen , und schon seit langer Zeit schränkte er sie in keiner ihrer Handlungen mehr ein , und Elisa gebrauchte diese Freiheit nur , ihn und ihre Kinder zu beglücken . Reisen Sie , teure Elisa , sprach er , es wird der besten Mutter aufbehalten sein , den Sohn zurückzubringen , den des Vaters Fehler auf Irrwege leitete ! Und Elisa reiste . Sie trat in S. ... in einem Gasthofe ab ; sie verbarg ihren Namen ; viel hörte sie von ihrem Sohn sprechen ; er hatte Zweitausend Taler Schulden in S. ... , und täglich fand man bei ihm eine Versammlung von Spielern und Freudenmädchen . Inzwischen erzählte man sich auch Züge seines guten Herzens : Der junge Wallenheim , hörte Elisa einige Männer sagen , kann nur der Verführung nicht widerstehen ; es ist zu viel Schwäche in seinem Charakter ; ich weiß , daß er oft die besten Vorsätze nimmt , allein sie schwinden im anderen Augenblicke , sobald einer seiner Freunde zu ihm sagt : komme mit mir zum Pharotische . Aus allen diesen Reden schöpfte Elisa Hoffnung . Er ist noch nicht ganz verdorben ! sagte sie zu sich selbst . Sie erfuhr , daß am anderen Tage wieder eine Versammlung seiner Spielgesellen bei ihm sein würde . Sie bat die Wirtin , bei welcher Carl wohnte , ihr für ein gutes Trinkgeld zu erlauben , während der Zeit , daß bei dem jungen Wallenheim Gesellschaft wäre , sich in dem Zimmer neben dem Seinigen aufzuhalten . Die Frau gestattete ihr dieses , und Elisa ging am Nachmittage dahin . Bald hört sie das wilde Jauchzen , die üppige Fröhlichkeit Karls und seiner Gesellschafter ; sie unterscheidet unter ihnen zwei weibliche Stimmen , welche ihn zum Spiele ermunterten : Mache Wallenheim , daß du gewinnst , riefen sie ihm zu , allein wir bekommen die Hälfte des Gewinstes , aber dafür sollst du auch eine göttliche Nacht haben ! O , ihr werdet sie wohl sehr menschlich machen , antwortete Einer aus der Gesellschaft , und ein wildes Gelächter erscholl . Doch jetzt hörte Elisa , daß man sich um den Pharotisch versammelte , und nach einer halben Stunde hörte sie Carln ausrufen : Der Teufel ! schon hundert Louisd'or weg ! Da öffnete sie plötzlich die Tür , und trat in das Zimmer . Wie vom Blitze gerührt , stand Carl da ; Elisa schwieg . Teufel ! rief ihm einer seiner Kameraden zu , was machst du , Wallenheim ? Das Weib sieht ja nicht so schrecklich aus , um dir ein solch Herrjemines Gesicht abzujagen ? Wahlen . Schweige ! es ist meine Mutter ! Nun wurde die Bestürzung unter Karls Gesellschaftern allgemein ; alle schwiegen . Elisa . ( nähert sich ihm einige Schritte . ) Carl , und du heißest mich nicht einmal willkommen ? Carl . ( bedeckt sein Gesicht mit seinen Händen . ) O ! meine Mutter ! Elisa . Carl ! wenn die kindliche Liebe nicht in dir spricht , so spricht doch die mütterliche Liebe desto lauter in meinem Herzen ! Komme in meine Arme , ich habe dich in so langer Zeit nicht gesehen . Carl . ( stürzt sich schluchzend in Elisa's Arme . ) O , meine Mutter ! darf ich Sie umarmen ? Elisa . Bist du denn mein Sohn nicht mehr ? Carl ! laß mir die Hoffnung , daß der Knabe , den ich unter meinem Herzen trug , nicht ganz aufhören kann , mein Sohn zu sein ! Carl . Meine Mutter ! Was kann ich Ihnen sagen ? Ich kann mich nicht rechtfertigen , alles spricht hier gegen mich . Elisa . Laß diese Zeugen deiner Handlungen in der Zukunft aufhören , und ich werde sie vergessen ! Carl . Ach , Mutter ! ich fühle es , ich muß ein schlechter Mensch sein , daß ich solch ein Wüstling wurde , und solche vortreffliche Mutter habe ! Elisa . Genug , mein Sohn , von dem Vergangenen . Laß mich hoffen , daß du dich in der Zukunft meiner Leitung überlassen wirst , und ich werde auch durch dich eine glückliche Mutter werden . Carl . Mutter , wenn der Eindruck Ihrer Güte nicht fest in meiner Seele haftete , so müßte ich jede Empfindung verlieren , und aufhören ein Mensch zu sein ! Elisa . ( hebt Carln auf , und umarmt ihn . ) Dank dir , mein Carl , für die süßen Hoffnungen , mit welchen du mich belebest . O , wenn du weise und gut sein wirst , dann , dann drücke ich dich noch mit mehrerem Entzücken an mein Herz , als am Tage deiner Geburt ! Carl weinte am Halse seiner Mutter . Carl , sagte endlich Elisa , du vergisst deine Gesellschafter . Carl wurde verwirrt ; er kehrte zum Spieltische zurück , um welchen Alle noch versammelt standen : Meine Freunde , sprach er , ihr müßt mich heute verlassen . Verzeiht , daß meiner Mutter Ankunft mir nicht länger erlaubt , mit euch zu sein ! Aber unser Geld , Wallenheim ? flüsterten ihm Einige leise zu . Carl . Ich werde es euch zustellen ! jetzt habe ich es nicht . Baron von T... ( Der wildeste von Karls Gesellschaftern . ) O , deine Mutter wird dich zum Heiligen machen , und dann wirst du eine Spielschuld nicht bezahlen , gib sie nur lieber gleich ! Carl . Aber T... , ich habe sie nicht ! B. v. T... Na , Bruder , dann komme ich morgen früh wieder : denn länger warte ich nicht ! Elisa . ( hat indes ihre Uhr abgemacht , und reicht sie dem B. von. T... ) Mein Herr , diese Uhr wird den Wert der Summe ausmachen , welche mein Sohn Ihnen schuldig ist ! Carl . O , meine Mutter ! Baron von T... ( verwirrt . ) Ich kann warten , meine gnädige Frau ! Elisa . Einmal muß die Schuld doch bezahlt werden . Carl . Aber , liebe Mutter , Ihre Uhr ! Elisa . Ich bin nicht reich , Carl ! Carl , ( schlägt sich verzweiflungsvoll vor die Stirn . ) O , ich Elender ! Elisa . ( zum Baron von T... ) Ich bitte Sie , mein Herr , nehmen Sie die Uhr ! Mir bleibt kein anderes Mittel , meines Sohnes Schuld abzutragen . Baron von T... ( nimmt die Uhr gerührt . ) Alle entfernten sich , indem sie sich ehrerbietig gegen Elisa'n verneigten . Die beiden Freudenmädchen blieben . Mit frecher Gebärde stellten sie sich an ein Fenster , und sprachen zusammen . Elisa tat , als bemerkte sie sie nicht , und Karls Verwirrung stieg immer höher ; endlich nähert er sich ihnen : Wollen Sie mich nicht auch jetzt verlassen ? sprach er . Nach erhaltener Bezahlung , Herr von Wallenheim , war Beider Antwort . Carl . Aber , Mädchen , ihr seid ja noch für diese Nacht frei . Warum sollte ich euch bezahlen , da ich euch nicht von weitem Verdienste abhalte ? Die Eine . Herr von Wallenheim , wir kamen unter der Bedingung , daß Sie jeder von uns fünf Louisd'or geben würden . Sie wissen , wir gehen nicht zu einem jeden . Carl . Aber , Mädchen , ich habe euch nicht gebraucht ! Die Andere . ( laut lachend . ) Darum bleiben wir auch hier , um uns unser Geld noch zu verdienen . Die Erste . Und genug , Herr von Wallenheim , wir geben nicht ohne Bezahlung . Carl . ( hitzig . ) O , der unverschämten Geschöpfe ! Die Vorige . Keine Beschimpfungen , Herr von Wallenheim ! Auch wir werden uns Recht verschaffen können ; entweder bezahlen Sie uns , oder wir verklagen Sie morgen . Baron von T... ist Zeuge Ihrer Versprechungen gewesen , auf ihn berufen wir uns ! Carl . ( für sich . ) Was soll ich anfangen ? ( er wirft sich seiner Mutter zu Füßen . ) O , meine Mutter , befreien Sie mich ! Elisa . ( geht zu den beiden Mädchen , und gibt jeder fünf Louis_d'ors . Beide entfernen sich augenblicklich . ) Elisa . ( nachdem sie hinausgegangen sind . ) Dieses sind also die Freuden , Carl , denen du deine Ruhe , dein Glück , deine Ehre opferst ? Denn ein Mann von Ehre wird die Drohungen einer öffentlichen Buhldirne als einen Schimpf ansehen , den er nicht ertragen kann ; ein Mann von Ehre wird nicht anderer Geld entwenden ; denn Schulden machen , die man nicht bezahlen kann , ist doch wohl so gut als Raub ? - Und diese Freuden erkaufst du mit den Tränen deiner Eltern ? Armer Jüngling , wie wenig mußt du mit den wahren Freuden des Lebens bekannt sein , um diesen ein so großes Opfer zu bringen ! Carl lag noch auf seinen Knien und weinte . Scham , Reue und Liebe zu seiner Mutter waren die Empfindungen , welche in seinem Herzen abwechselten . Elisa überließ ihn diesen Gefühlen ; sie schwieg . Ein starkes Anpochen an der Tür riß Carln aus denselben . Er steht auf , öffnet die Tür . Fünf seiner Gläubiger stehen vor ihm ; er erschrickt . Gut , junger Herr , fängt der Eine von ihnen an , daß wir ihre Mutter noch bei ihnen finden ; Sie werden uns doch erlauben , mit ihr unsere Sache abzumachen ? Carl richtet seinen Blick furchtsam auf seine Mutter ; er hätte gewünscht in die Erde sinken zu können . Nun traten die Herren herein , und zogen Rechnungen und Schuldverschreibungen heraus . Was ist das , Carl , fragte Elisa ? Nichts , gnädige Frau , antwortete jener Mann , welcher schon zuvor gesprochen hatte , als Rechnungen und Schuldverschreibungen , welche sich auf Zweitausend Taler belaufen , welche Ihr Herr Sohn uns schuldig ist . Elisa . ( erschrocken . ) Gott ! Zweitausend Taler ? Wo soll ich die hernehmen ? Der Gläubiger . Gnädige Frau , richten Sie es ein , wie Sie können ; nur soviel sage ich Ihnen , wenn wir nicht bezahlt werden , oder Sie uns nicht Bürge für die Bezahlung sind , so lassen wir den jungen Herrn nicht aus der Stadt . Elisa . Meine Herrn , hier sind fünfhundert Taler , in jedem der drei folgenden Jahre sollen Sie eine gleiche Summe erhalten , und im Vierten die Zinsen des Kapitals . ( Sie setzt sich hin und schreibt . ) Hier haben Sie das schriftliche Versprechen und - hier das Geld ! ( Sie zählt auf einen Tisch hundert Louisdo'r. ) Die Gläubiger nahmen nun mit vielen Komplimenten von Elisa'n Abschied . Sobald sie das Zimmer verlassen haben , bricht Elisa in Tränen aus . Carl . Meine Mutter , Sie weinen ? O , ich Unglücklicher ! Elisa . Mein Herz ist zerrissen . Wozu habe ich mich anheischig machen müssen ? Meinen Vergnügungen habe ich kein Geld bestimmt , ich kann also das Geld , deine Schulden zu bezahlen , nicht mir entziehen ; denn ich habe keine andere Ausgaben für mich , als die , welche unbedingte Notwendigkeit fordern . Und das Wenige , welches ich zur Annehmlichkeit deines Vaters und deiner Schwester bestimme , soll ich ihnen entziehen ? O , ich werde die Klagen des Vaters über den Sohn hören müssen , der ihm nichts übrig ließ , als das bloße Stück Brot ! Ich werde meine süße Henriette in den Jahren der Freude sehen , und ihr jedes Mittel zum Vergnügen entziehen müssen ! Doch schwerer noch wird es meinem Herzen werden , dem Unglücklichen jede Hilfe zu versagen ! Die Summe , welche ich den Armen gab , ist die einzige , über welche ich bestimmen kann , das Einzige , welches ich besitze . Armer , hilfloser Greis , wenn du nun vor meiner Tür vorbeischleichest , darf ich dir nicht mehr ein Labsal reichen ! Ich muß deine Tränen sehen , und darf sie nicht trockenen ! Ich darf dich nicht unterstützen , unglückliche Mutter , wenn du mich um ein Stück Brot ansprichst , deine Kinder zu unterhalten ! Ich werde euch sehen , meine bedrängten Brüder , euer Elend empfinden , und euch nicht helfen können ! Carl ! dieses schmerzt mich ! O , gern opferte ich dir alles , was ich besäße , müßte ich dir nur nicht Pflichten gegen meine unglücklichen Mitmenschen aufopfern ! Carl . ( wieder zu den Füßen seiner Mutter . ) Meine Mutter ! O , wie groß ist meine Schuld ! Ich fühle es , Sie können mich nicht mehr lieben ! Elisa . ( Mit sanfter , rührender Stimme , indem sie ihn umarmt . ) Du bist mein Sohn ! Carl weinte noch einige Zeit in ihren Armen ; endlich sprach Elisa zu ihm : Ich wünschte , daß du mich begleitetest ! Du bist in langer Zeit nicht in Wallenthal gewesen , siehe zu , daß du auf drei Monate Urlaub bekommst . Carl erhielt diesen Urlaub . Elisa kehrte am Abend in den Gasthof zurück , und sagte ihm , daß sie ihn am anderen Morgen erwarte , um mit ihm abzureisen . Carl kam am anderen Morgen ; er fand seine Mutter schon angekleidet ; allein er sah weder eine Kutsche , noch Pferde . Haben Sie die Postpferde schon bestellt ? fragte er nach einiger Zeit . Elisa . Ich habe kein Geld mehr , und ich mag meine Schulden nicht vermehren . Ich werde zu Fuße gehen , du kannst ja reiten ! Carl . Meine Mutter ! Sie , zu Fuße gehen , von hier bis Wallenthal ; es sind ja zwanzig Meilen ! Elisa . Ich kann es nicht ändern , Carl . Freilich wird es langsam gehen ; allein in sieben Tagen denke ich hinzukommen . Carl . Meine Mutter , alle die Mühseligkeiten einer solchen Reise wollen Sie ertragen ? O , ich bitte Sie , borgen Sie die Summe , welche zu Ihrer Reise erforderlich ist , und ziehen Sie es mir von meinem Taschengelde ab ! Elisa . Nein , mein Sohn , ich will deinen Bedürfnissen nichts entziehen . Laß mich zu Fuße gehen , du wirst sehen , ich werde es schon aushalten können . Carl schwieg , er machte sich Vorwürfe , und verabscheute seine vorige Aufführung . Elisa hatte nun alles zur Abreise bereitet ; ein Bedienter hatte sie begleitet ; sie versprach ihm , den Weg , den er mit ihr machen müßte , zu belohnen . Sie wollte durch dieses Mittel Carln lange seine Schuld empfinden lassen . Sie machten sich nun auf den Weg , Carl ging beschämt durch die Straßen ; es demütigte ihn , daß man seine Mutter und ihn in diesem geringen Aufzug sah . Er war auf dem ganzen Wege traurig und niedergeschlagen ; oft weinte er , wenn er seine Mutter vor Hitze und Durst ganz abgemattet sah , und sie dann ermüdet auf den Rasen sank , und nur nach einigen Stunden wieder Kräfte sammeln konnte , um ihren Weg fortzusetzen ; aber liebevoll sprach ihm dann Elisa Trost ein ; sie machte ihm nie Vorwürfe , sie klagte nie , ob sie gleich viel Unbequemlichkeiten auf dieser Reise zu ertragen hatte . Sie waren an jedem Tage drei Meilen gegangen , und am Siebenten langten sie endlich in Wallenthal an . Man hatte sie nicht kommen hören ; sie traten in das Zimmer . Hier fand Elisa , außer ihrem Gatten und ihrer Tochter , Birkenstein und Felsig mit seiner Gattin und seinem Sohne . Wallenheim eilt Elisa'n entgegen , und schließt sie in seine Arme . Aber , teure Elisa , wir haben kein Geräusch gehört , sind Sie denn nicht gefahren ? Elisa . Nein , Wallenheim ! Wahlen . ( verwundert . ) Warum nicht ? Elisa . Ich konnte nicht . Wallenheim sieht sie voller Verwunderung an , und erblickt Carln , welcher verwirrt an der Tür stehen geblieben ist . Elisa wendet sich um . Wallenheim , ich habe Ihnen unseren Sohn mitgebracht . Carl warum begrüßest du nicht deinen Vater ? Carl nähert sich beschämt und verwirrt ; Wallenheim empfängt ihn kalt ; Henriette hat sich indes in die Arme ihrer Mutter geworfen . Alle nähern sich nun Elisa'n und bewillkommen sie . Birkenstein . Elisa , Sie sehen mich hier unter der Zahl ihrer Freunde , und gewiß nicht als einen der Letzten , der sich freuet , Sie zu sehen ! Elisa . Birkenstein , Sie können glauben , daß meine Verwunderung , Sie hier zu sehen , mir nicht unangenehm ist . Birk . ( Drückt Elisa 'n die Hand . ) Unsere Herzen verstanden sich ja immer , sie sind gewiß auch einstimmig im süßen Tone der Freundschaft ! Elisa erwiderte den Druck der Hand . Birk . Ich bin jetzt Ihr Nachbar . Ich habe mir ein Haus im Städtchen R... gekauft , und von nun an verlebe ich hier die Hälfte des Jahrs . Elisa . O welch ein herrlicher Einfall ! Nun werde ich also stets im Kreise aller meiner Lieben sein ! Birk . Konnten Sie denn glauben , daß ich mich stets Ihres Umgangs , Ihrer Freundschaft entziehen würde ? Nein , Elisa ! Jetzt können wir uns ohne Gefahr sehen , und jetzt wollen wir uns ruhig im Genusse unserer Freundschaft freuen . Elisa . Dank Ihnen , Birkenstein , daß Sie durch Ihren Aufenthalt hier noch die Summe meines Glücks vermehren werden ! Birk . O , um diese Worte aus dem Munde des verehrungswürdigsten Weibes zu hören , lohnte es der Mühe , Leidenschaften zu bekämpfen , und weise zu werden ! Froh brachten Wallenheim und seine Gattin mit ihren Freunden den Abend zu . Zwar war Elisa außerordentlich ermüdet ; allein dieses blieb unbemerkt , weil sie es nicht scheinen wollte . Carl war der Einzige , welcher sah , wie viel Anstrengung seine Mutter anwendete , um nicht der Müdigkeit zu unterliegen . Sein Herz dankte ihr dafür , und immer fester haftete darin der Vorsatz , seine Mutter , welche so vieles für ihn tat , nie wieder zu kränken . Er blieb an diesem ganzen Abend traurig ; ihn dünkte , ein Jeder kenne seine Schuld , und er läse Verachtung in eines Jeden Blicke . Tief schlug ihn dieses nieder , und nur beschämt und furchtsam blickte er umher . Elisa suchte ihn Mut zu machen ; immer redete sie ihn liebevoll an , und noch mehr rührte dieses den Jüngling . Gern wäre er zu den Füßen seiner Mutter gestürzt , um dort seine Schuld abzubüßen . Ein ganz anderes Betragen hatte der junge Felsig ; er war seit vier Jahren vom väterlichen Hause entfernt , und seit einem Jahre auf der Universität in G ... ; jetzt war er während der Ferien nach Felsingburg gekommen , und wollte zwei Monate dort bleiben . Seine Bildung war angenehm , und in seinem äußeren Anstande vereinigte er mit dem Feuer der Jugend sanften Ernst . Mit Eifer und Fleiß ergab er sich den Studien , und diese Neigung entfernte ihn von Ausschweifungen . Mit trefflichen Anlagen war er auf der Schule unter die Aufsicht eines geschickten Mannes gekommen , welcher seiner Seele eine edle Bildung gab , und seine Leidenschaften auf das Schöne und Erhabene lenkte , und Heinrich von Felsig war ein Jüngling , von dem man erwarten konnte , daß er als Mann die schönsten Früchte tragen würde . Erst seit zwei Tagen war er in Felsingburg , und die ihn zärtlich liebende Henriette , welche glaubte , daß Elisa in Wallenthal zurück sein würde , wollte mit ihr ihre Freude über ihn teilen , und darum fand Elisa sie dort bei ihrer Ankunft . Heinrich gewann schon am ersten Abend Elisa's Achtung ; er war bescheiden , und doch nicht blöde ; wenn er sprach , so geschah es nie in einem entscheidenden Tone . Sein Scherz war witzig und fein , und seine Urteile der schlichten Vernunft gemäß ; zuvorkommend war er gegen Carln ; er bemerkte , daß er traurig war , und suchte ihn zu zerstreuen . Carl , dessen Herz durch die Stimmung , in welcher er heute war , mehr als sonst noch , jedem Eindrucke offen war , gewann den jungen Felsig lieb , und bald wurden Heinrich und Carl vertraute Freunde . Elisa sah diese Freundschaft gern ; sie glaubte , daß Carl durch die Unterhaltung seines Freundes zum Guten geneigter werden würde ; sie selbst sprach mit Heinrich über diesen Gegenstand , und bat ihn , Carln das Gute in einem Lichte vorzustellen , welches ihn es lieben mache ; allein sie glaubte , daß jede Mühe , welche sie bis jetzt zu seiner Besserung angewandt hatte , vergeblich sein würde , wenn sie ihn nicht Liebe zur Beschäftigung einflößte , und in ihm Gefühl für das wahre Schöne erregte . Sie fing also an , ihm den Geschmack zum Lesen einzuflößen ; dann bildete sie seine Begriffe , erweiterte sie , machte ihn empfänglich für jede Naturszene . Hatte Carl einen fröhlichen Tag in der Gesellschaft seiner Eltern und seines Freundes durchlebt , so machte ihn Elisa darauf aufmerksam , ließ ihn seine jetzigen Gefühle mit seinen vorigen vergleichen , und Carl fand sich jetzt glücklicher . Fast täglich veranstaltete sie ein neues ländliches Vergnügen , wo Scherz und Freude herrschten , um Carln den Genuß der einfachen Freuden der Natur annehmlich zu machen ; und wenn er dann zuweilen im Kreise munterer Jünglinge und Mädchen war , und froher Scherz von eines Jeden Lippe floß , und sie auf dem Rasen mit jugendlichen Spielen und Tänzen die Stunden hinweg gaukelten , dann ließ sie ihn in das Zimmer kommen , setzte ihn an einen L' Hombre- oder Pharotisch ; allein der Glanz des Goldes konnte Carln nicht mehr den Reiz des Vergnügens ersetzen . Oft blickte er mit Verlangen nach dem Fenster , wenn er draußen das fröhliche Jauchzen und Lachen seiner Gesellschafter hörte , und das Spiel wurde ihm zuwider , weil er ihm manche vergnügte Stunde aufopfern mußte . In allem diesem arbeitete Elisa gemeinschaftlich mit dem jungen Felsig . Es schien nicht , als hätte sie die Absicht , Carln zu besseren ; er hörte von ihr keine Vorwürfe mehr ; keine langweiligen Ermahnungen scheuchten ihn aus der Gesellschaft seiner Mutter ; nein , an der Hand der Freundschaft leitete ihn Elisa auf den Weg , auf welchem sie wünschte , daß er fortgehen sollte ; nur zuweilen ließ sie ihn , in Absicht ihrer , die Folgen seiner Schuld empfinden . Es traf sich einigemal , daß er bei ihr war , und daß ein Unglücklicher , welche alle wußten , daß sie in Wallenthal Unterstützung zu erwarten hatten , Elisa'n um eine Gabe ansprach ; dann wendete sich Elisa weg , ging fort , und Carl sah eine Träne in ihrem Auge . Dieses war ein Dolchstich für ihn . Einen Strom von Tränen vergoß er dann , und war sein Freund Felsig gegenwärtig , so warf er sich in seine Arme , machte sich Vorwürfe , und Felsig ergriff diese Gelegenheit , jeden Vorsatz zum Guten in ihm zu befestigen . Es blieb Elisa'n nun noch übrig , so viel als möglich zu verhüten , daß Carl nicht wieder unter seine vorigen Gesellschafter geriete . Sie schrieb also an den General des Regiments , bei welchem Carl war , um ihn zu bitten , daß er ihn nach einer anderen Garnison versetzen möchte , und dieser bewilligte ihr Verlangen . Elisa war nun ruhig in Absicht ihres Sohns . Es waren beinahe zwei Monate verflossen , seitdem Carl in Wallenthal war , und viel hatte die Bildung seines Herzens und seines Verstandes in dieser Zeit gewonnen . Seine Grundsätze waren fester , seine Begriffe von den wahren Gütern des Lebens richtiger , und die Gewohnheit war in ihm entstanden , in seinen Handlungen den Gesetzen der Vernunft zu folgen . Elisa konnte also hoffen , daß Leidenschaften ihn nicht mehr zu solchen großen Fehlern hinreissen würden ; allein daß sie ganz ihre Macht über ihn verlieren würden , dieses erwartete sie nicht , weil sie den Menschen kannte , und nicht vergaß , was doch so viele Eltern tun , daß ihr Sohn nur ein zwanzigjähriger Jüngling war , und daß Weisheit in diesem Alter noch nicht ausgeübt , nur erst erlernt werden muß . Doch fast eben so sehr als Carl Beschäftigte jetzt Henriette ihre Aufmerksamkeit . Henriette und Felsig hatten sich oft gesehen , und Elisa bemerkte , daß Henriette freudiger aufblickte , wenn Felsig in die Stube trat ; daß sie rot wurde , wenn man von ihm sprach ; daß ihre Blicke mit Vergnügen auf ihm verweilten , und daß Henriette in Felsings Abwesenheit nicht mehr so fröhlich , so heiter als ehedem , ja sogar unruhig war , wenn sie ihn erwartete . Aber auch in Heinrichs Augen glänzte ein höheres Feuer , wenn er mit Henriette sprach , und es blieb Elisa'n nicht unbemerkt , daß ein sanfter Händedruck oft seine Begrüßung war . Mit doppelter Aufmerksamkeit beobachtete Elisa ihre Tochter , ohne sie dieses merken zu lassen , und Beschäftigte sie mehr als sonst , um sie jetzt nicht den Spielen der Einbildungskraft zu überlassen , welche bald jene aufkeimende Liebe zur lodernden Flamme werden läßt . Elisa teilte Wallenheim ihre Beobachtungen mit . Wird Felsig ein redlicher Mann , sprach er , und hat etwas gelernt , so kann er unsere Tochter heiraten ; Liebe wird sie vereinigen . Elisa wünschte das Glück ihrer Tochter ; ihre geliebte Henriette , wünschte sie , möchte nur der Liebe Süßigkeit , nicht auch ihre Bitterkeit empfinden , und darum sah sie ihre Liebe zu Felsig nicht gern , weil , um lebenslängliche Fesseln zu tragen , er noch zu jung war . Indes sagte sie ihr nichts , um sie nicht mißtrauisch gegen sich zu machen . Es war nun am Tage vor Heinrichs Abreise . Wallenheim war mit seiner Familie zwei Tage in Felsingburg gewesen , und er und Elisa baten beim Abschiede Felsig und seine Gattin , den letzten Tag von Heinrichs Aufenthalte in Felsingburg , in Wallenthal zuzubringen . Henriette kam , wie gewöhnlich , nach dem Frühstücke schon angekleidet zu ihrer Mutter . Schwermut lag in ihren Zügen , ihr Blick war trübe , und ihre Augen rot vom Weinen . Elisa tat , als merkte sie dieses nicht , war noch liebevoller gegen sie , und umarmte sie mit inniger Zärtlichkeit . Henriette , welche in dieser Stunde stets ihrer Mutter aus philosophischen Schriften etwas vorlas , wobei Elisa fortfuhr , ihre Begriffe zu bilden und zu erweitern , ergriff auch heute ein Buch ; allein sie war zerstreut , ihre Stimme zitterte , sie hörte nicht ihre Mutter , wenn diese sprach , und antwortete ihr nicht . Elisa . Henriette , du bist heute vielleicht zum Lesen nicht aufgelegt . Du bist nicht wohl . Lege das Buch weg , meine Tochter ; du mußt dir keinen Zwang auflegen ! Henriette . ( Macht das Buch zu , errötet , und schlägt die Augen nieder . ) Elisa . Komme zu mir , meine Henriette , setze dich hier neben mich . Du bist seit einiger Zeit nicht mehr so fröhlich als sonst , und dieses tut mir wehe ! Das Glück meiner Kinder ist mein einziger Wunsch ; alle meine Handlungen zielen dahin , und es schmerzt mich , daß ich diesen Zweck verfehle ! Henr . ( Wirft sich weinend in die Arme ihrer Mutter . ) O , meine gütige , meine liebe Mutter ! Elisa . Besitze ich dein Zutrauen nicht ? Ich würde doch so gern Alles tun , um die Ursache deines Mißvergnügens aufzuheben ? Henriette . Meine Mutter , ich hätte Ihnen schon lange alles gesagt , wenn ich nur recht gewußt hätte , was eigentlich in meinem Herzen vorginge ; allein ... ( Henriette errötet , und wird verwirrt . ) Elisa . Liebe Henriette , ich errate dich . Gib mir die Hand , meine Tochter , erröte nicht . Es ist das erste , das seligste Gefühl , welches die Natur in unsere Herzen legte , wir müssen es nur gehörig leiten , und dieses zu tun , versprich mir , meinen Beistand anzunehmen . Henr . O , meine Mutter , leiten Sie mich ! Gern , gern folge ich Ihnen , müßte ich auch meine Liebe zu Heinrich aufgeben . Wenn Sie es wollten , so wüßte ich , es wäre gut . Elisa . Dieses ist der seligste Augenblick meines Lebens ! In meiner Kinder Herzen versprach ich mir den Lohn für jede meiner Handlungen , und Dank dir , meine Henriette , du hast meine Erwartung nicht betrogen ! Du wolltest mir deine Liebe aufopfern ? Ich weiß , was dieses deinem Herzen kosten würde . Und meine sorgfältigsten Bemühungen für dein Glück sollen mich deines unbeschränkten Vertrauens immer würdiger machen ! Henr . ( Küßt ihrer Mutter gerührt die Hand . ) Elisa . Jetzt laß uns von deinen Angelegenheiten sprechen . Gestand dir Felsig seine Liebe ? Henr . Meine Mutter , ich will Ihnen Alles , Alles sagen , was zwischen uns vorgegangen ist . Ich hatte bisher auf meine Empfindungen nicht gemerkt ; ohne es zu wissen , empfand ich Vergnügen in Felsings Gesellschaft . Felsig war so zuvorkommend gegen mich , er suchte mir immer Gefälligkeiten zu erzeigen , oder mir Vergnügen zu machen ; sein Ton war so sanft , wenn er mit mir sprach ; seine Worte hatten so das Gepräge der Innigkeit und Herzlichkeit , daß ich immer gerührt war , wenn ich einige Stunden mit ihm verplaudert hatte . Gestern auf unserem Spaziergange redete er mit mir von seiner Abreise ; das machte mich traurig . Als wir zurückkamen , setzten Sie sich , liebe Mutter , mit Felsings und meinem Vater auf den großen Rasenplatz vor dem Hause . Herrn von Birkenstein sah ich mit meinem Bruder und Heinrich im Garten den Laubengang hinunter gehen . Unwillkürlich entfernte ich mich von Ihnen , liebe Mutter , und ging auf die entgegengesetzte Seite des Gartens . Ich kam an die kleine Grotte , neben dem Teiche , dessen Ufer die schönen Kastanienbäume beschatteten ; ich setzte mich da , die Sonne war untergegangen , stille und traurig war Alles um mich . Ich dachte nur an Felsings Abreise ; mein Herz war so beklommen , daß ich endlich in Tränen ausbrach . Mich dünkte , nun höre jedes Vergnügen für mich auf ; dieser Garten , den ich so oft an Felsings Hand froh durchstrichen hatte , verlor nun seinen Reiz für mich . Alles wird nun öde sein , sprach ich zu mir selbst , und meine Tränen verdoppelten sich . Dieses machte mich endlich aufmerksam auf mich selbst . War ich denn nicht auch vergnügt , fragte ich mich , ehe Felsig hierher kam ? Und werde ich eben so traurig bei Karls Abreise sein ? Nein ; und Carl ist doch mein Bruder , und ich liebe ihn so sehr ! ... Ach , Mutter ! da suhlte ich , daß ich eine vorzügliche Neigung für Felsig empfand , und ich machte mir Vorwürfe , daß ich dieses nicht eher bemerkt , und Ihnen entdeckt hätte . Ich war noch in diesen Betrachtungen versunken , als ich Jemand kommen hörte ; ich wandte mich um , es war Felsig . Ich erschrak , ich zitterte ; er kam eilig zu mir : Henriette , sagte er , wollen Sie mir Ihre Gesellschaft den letzten Abend entziehen , an welchem ich mit Ihnen sein kann ? Er sprach diese Worte in einem wehmütigen Tone , und seine Stimme zitterte . Ich war sehr verwirrt ; er setzte sich neben mich , mein Herz schlug gewaltig . O , Henriette , hob er aufs neue an , wie glücklich wäre ich , wenn ich Felsingburg mit der Hoffnung verlassen könnte , daß ich einst alle künftigen Tage meines Lebens an Ihrer Seite verleben würde ? Er blickte mir bei diesen Worten ins Gesicht : eine Träne entfiel mir ; er sah es , und schlug seinen Arm um meinen Leib . Mit Heftigkeit drückte er mich an seine Brust , und zum Erstenmal drückte er seine Lippen auf die Meinigen . O , Henriette ! rief er aus , wenn Liebe Liebe versteht ? - O , meine süße Freundin , dann darf ich hoffen ... Er schwieg , ich schlug die Augen nieder ; endlich wand ich mich aus seinen Armen . Hören Sie , Felsig , sprach ich , es ist wahr , ich glaube , ich liebe Sie . Der Schmerz über Ihre nahe Abreise hat mich über meine Empfindungen belehrt , und warum sollte ich es Ihnen nicht sagen ? Ich glaube , daß es das Glück meines Lebens machen würde , wenn ich mich einst als Ihre Gattin sähe . Hier errötete ich , und er drückte mir sanft die Hand . Doch , fuhr ich fort , unsere Eltern müssen unsere Liebe billigen . Wir müssen uns ihnen entdecken , und bis dahin kein Wort mehr von unserer Liebe ; was sie über uns beschließen , dem unterwerfe ich mich . Sie kennen die Güte , die Tugend , die Klugheit meiner Mutter ; was sie will , ist gewiß das Beste für mich . - Nun standen wir auf , Heinrich ergriff meine Hand , und sprach in einem feierlichen Tone : Henriette , diese Worte , über welche vielleicht mancher Jüngling klagen würde , machen Sie mir noch verehrungswürdiger ! Ich werde mich bestreben , Sie durch Tugend zu verdienen , und dann glaube ich , daß ich ruhig den Ausspruch Ihrer verehrungswürdigen Mutter erwarten kann . Wir beschlossen nun , daß er heute seinen Eltern seine Liebe entdecken , und auch Sie mit derselben bekannt machen sollte . Und nun - ( in einem ängstlichen Tone ) meine Mutter , entscheiden Sie ! Elisa . Sei ruhig , liebe Henriette , du wirst stets Gebieterin über dich selbst bleiben , nur du kannst über dich bestimmen ! Eltern haben bloß das Recht , ihren Kindern das Beste vorzustellen , ihnen die Mittel zu zeigen , durch welche sie glücklich werden können , die Wahl , welche sie ergreifen wollen , muß ihnen überlassen sein . Hier hört das Recht der Eltern auf ; der Menschheit heilige Rechte nehmen ihren Anfang , und der Mensch muß es dem Menschen überlassen , welche Mittel zur Erreichung seines Glücks er nach seinen Empfindungen und Vorstellungen für die besten hält , und ihn diese ergreifen lassen . Ich will dir also meine Gedanken über eine Verbindung mit dir und Heinrich mitteilen , und dann , meine Henriette , kann nicht ich , sondern du mußt entscheiden . Heinrich ist jetzt achtzehn Jahr , nur wenige Monate ist er älter als du . Er wird noch ein Jahr in G ... bleiben , dann wird er in B ... angestellt werden , und vor seinem zwei und zwanzigsten Jahre gebe ich es nicht zu , daß er dich heiratet . Du , meine Henriette , bist dann vollkommen fähig , Gattin , Mutter und Hausfrau zu werden ; allein Heinrich ist dann noch immer der brausende Jüngling , in der ganzen Stärke seiner Leidenschaften . Erwarte es nicht , daß du ihn fesseln wirst ! Wenn er dir treu bleibt , und wie kannst du dir dieses für gewiß von einem achtzehnjährigen Jüngling versprechen ? so hört er auf es zu sein , wenn er dein Gatte ist . Alles reizt dann noch seine Sinne , Alles erweckt seine Begierde . Du , meine Henriette , näherst dich dann dem Alter , wo des Frauenzimmers erste Blüte schon vorüber ist , und doch mußt du deinem jugendlichen Ehemanne jetzt reizender erscheinen , als in den ersten Tagen eurer Liebe . Um den Mann zu fesseln , muß das Weib sich nur bestreben , seine Achtung zu erlangen , und seine Liebe zu erhalten ; allein des Jünglings Gattin muß bei diesem noch seine Begierden erwecken . Du mußt der ersten Jugend frohen Leichtsinn annehmen ! Zu gleicher Zeit mußt du seinem Herzen teuer sein , seine Sinne reizen , und seine Vernunft muß dir Beifall geben ! Erwäge dieses recht , Henriette ! Dieses ist wahrlich nicht so leicht ! Jetzt stürzt sich manches junge Mädchen in die Arme des Jünglings , wähnt sich Ewigkeiten des Glücks , ohne eine von den Eigenschaften zu besitzen , welche den Grund zu demselben legen könnten . Jünglingsliebe ist nicht der Grundstein desselben , sondern Weiber-Klugheit , Weiber-Tugend . Wenn du Heinrichs Gattin wirst , so muß es in den ersten Jahren deiner Ehe eine deiner Hauptbemühungen sein , daß du in Heinrichs Liebe für dich immer einen hohen Grad von Feuer und Lebhaftigkeit unterhältst . Die Vergnügungen , welche er in deinem Umgange genießt , müssen daher stets abwechselnd sein , und ihm neu scheinen , und es wird eine wichtige Angelegenheit für dich sein , ihm Vergnügungen zu verschaffen , und ihm die Zeit zu vertreiben . Ich sehe es daher gern daß ihr in B .. sein werdet , auf das Land sollten junge Eheleute , wenn der Ehemann in Heinrichs Alter ist , nie gehen . Einförmigkeit tötet die Liebe , Mannigfaltigkeit unterhält sie . Dieses ist ein wahrer Satz , er wird uns oft gesagt ; aber , leider ! beherzigen ihn unsere jungen Weiber nicht sehr . Du , meine Henriette , wirst , hoffe ich , ihn in Ausübung bringen , daß Heinrich nie die Zeit lang werde , wenn er bei dir ist . Du mußt die Gefährtin seines jugendlichen Frohsinns werden der Fröhlichkeit und dem Scherze mußt du tausend verschiedene Gestalten geben , und sie dich stets umgeben lassen . In deiner ganzen Figur mußt du einen Reiz zu unterhalten suchen , und wenn Heinrich in anderen Armen geschwärmt hat , so muß er doch stets mit Wollust in die Deinigen zurückkehren . Dieses ist die große Kunst , von welcher kein Mädchen sich etwas träumt , von welcher unsere Mütter uns nichts vorsagen , und welche doch so notwendig ist , wenn besonders , wie jetzt gebräuchlich ist , nicht Männer , sondern Jünglinge heiraten . Darum , meine Henriette , wenn du Heinrichs Gattin bist , ergreife jedes Mittel , welches dir jene , den Weibern natürliche , Koketterie und eine genaue Kenntnis seines Geschmacks und seiner Neigungen , an die Hand geben , um seiner Liebe , so weit es der Natur der Sache nach möglich ist , stets neue Lebhaftigkeit zu geben . Verschaffe ihm Vergnügungen , und dieses oft , und daß er dich als die Schöpferin derselben erblicke . Doch bei diesem allem , Henriette , wiederhole ich dir , dein Gatte wird nicht beständig sein . Allein nie müssen deine Blicke , dein Betragen , deine Worte , ihm den geringsten Verdacht verraten ; nie mußt du ihn einzuschränken suchen , nie dein Betragen gegen ihn verändern und unfreundlich werden ! Nein , gib ihm immer die überzeugendsten Beweise deiner Liebe ; in deinen Blicken , in deinen Worten , in deinen Handlungen atme stets Liebe gegen ihn ; arbeite in jedem Augenblicke deines Lebens an seinem Glücke , an seiner Zufriedenheit ; dann wirst du stets seinem Herzen teuer sein . Wo einmal gegenseitige Liebe statt fand , da wird Liebe immer Liebe erwidern , und dann kannst du ohne Furcht ihn in Anderer Armen erblicken , in welche Sinnlichkeit ihn leitete ; wenn er den Gegenstand seiner heißen Begierden mit mehrerem Entzücken an sein Herz drückt , so wird er doch dich mit mehrerer Innigkeit an dasselbe drücken . Vergißt sich Heinrich in deiner Gegenwart , läßt er sich in deiner Gegenwart durch Schönheit , Annehmlichkeit oder Sinnlichkeit zu diesem oder jenem Weibe hinreissen , und gibt ihr durch sein Betragen den Eindruck zu erkennen , den sie auf ihn gemacht hat ; so tue , als sähest du dieses nicht . Dein Ton , deine Laune , deine äußere Stimmung müssen dieselben bleiben ; ohne den Schein davon zu haben , wetteifere in Annehmlichkeiten mit deiner Nebenbuhlerin , und besonders hüte dich , weder öffentlich , noch allein mit deinem Gatten , ihm dann weniger Achtung , oder mehrere Gleichgültigkeit zu bezeigen . - Und bei dem allem , Henriette , kann dir sein Herz entrissen werden . Der Eindruck , den man auf den Jüngling macht , ist nicht dauernd : Oft die Sinnlichkeit befriedigt , und die Liebe verfliegt . Es ist nicht das Alter , in dem der Mann geschickt ist , Gatte und Vater zu werden , und die vielen Heiraten , welche jetzt von Jünglingen geschlossen werden , müssen das Sittenverderbnis vergrößern , und die unglücklichen Ehen vermehren . Wird in dem Alter , in welchem der Jüngling nur genießen will , und von einem Vergnügen zum anderen eilet , er sich lebenslängliche Fesseln anlegen , und sich den häuslichen Sorgen unterziehen ? Nein , er heiratet , weil er in das Mädchen verliebt ist , welches er vielleicht nach einem oder zwei Jahren in eine andere eben so sehr sein wird ; allein einschränken wird er sich nicht , er wird seinen Vergnügungen eben so gut nachgehen , und seine häuslichen Angelegenheiten wird er nach seiner jedesmaligen Laune oder seinem Eigensinne anordnen , unbekümmert , ob zum Nutzen oder Schaden derselben : und gleichgültig wird er in der Folge gegen häusliche Freuden werden , da er sie eher kennen lernte , als er ihren Genuß zu schätzen wußte . O , wie viel anders ist es , wenn der Mann heiratet , bei dem mit den Jünglings-Jahren auch die Jünglings-Leidenschaften aufgehört haben ! Seine Gattin ist nicht bloß der Gegenstand , der nur seine Begierden befriedigen soll ; nein , er sieht zugleich in ihr seine Gesellschafterin , seine Freundin . Er hat jedes Vergnügen genossen , jetzt will er der Ruhe genießen , und sie soll sie ihm versüßen . Bleibend wird der Eindruck sein , den das Weib seiner Liebe auf sein Herz gemacht hat , wenn sie diese zu erhalten weiß . Nicht wilder Ungestüm wird ihn in der Anordnung seiner häuslichen Angelegenheiten leiten ; sondern weise , mit seiner Gattin wohl überlegte , Maßregeln wird er ergreifen , und Beide werden an ihrem gegenseitigen Glücke , an dem Glücke ihrer Familie mit vereinigten Kräften arbeiten . Dieses , meine Henriette , ist die Lage , in welcher ich dich gewünscht hätte ; doch Liebe ruft dich in die Arme des Jünglings . Größere und mehrere Pflichten werden dir zu Teil , ungewisser dein Glück , deine Ruhe ! Heftig sind die Leidenschaften des Jünglings , du mußt sie leiten , du mußt die Führerin werden , an deren Hand Heinrich in fernen Jahren Glück und Ehre findet . Wie viel Klugheit , wie viel Geschicklichkeit sind erforderlich , um die Leidenschaften und Neigungen des Jünglings so zu leiten , daß seine Handlungen seinem wahren Interesse entsprechen ! Bestrebe dich , sobald du Heinrichs Gattin bist , dieses aus einem richtigen Gesichtspunkte zu betrachten , und dieses sei das Ziel , zu welchem du ihn leitest . Allein , Henriette , in deinem äußern müsse nichts Herrschsüchtiges sein , nicht den Schein einer geringsten Überlegenheit müssest du über ihn annehmen . Vernunft und Sanftmut sind die einzigen Mittel , durch welche du ihn leiten kannst . Bestrebe dich , sein Vertrauen , und vorzüglich seine Achtung zu erlangen , damit Heinrich überzeugt werde , daß in jeder deiner Handlungen Vernunft deine Führerin ist ; dann kannst du ihn sicher ihre Stimme hören lassen , und er wird selbst dich zu seiner Ratgeberin erwählen . Widersprich ihm nie in den ersten Aufwallungen seiner Leidenschaft , verhindere nur , daß in wichtigen Fällen er dann nicht handelt ! Die Leitung eurer häuslichen Angelegenheiten mußt du allein übernehmen ; genau mußt du , wenn du Heinrichs Gattin bist , dich mit den seinigen bekannt machen ; allein wider seinen Willen unternimm nichts ! Bestrebe dich nur , daß jede Anordnung , welche du triffst , so und nicht anders am besten ist ; dann wird Heinrich deine Maßregeln billigen , und du überhebest ihn der kleinen häuslichen Sorgen , welche dem Jünglinge den Ehestand zuwider machen , woraus bald Gleichgültigkeit oder Abneigung gegen seine Gattin , als die Ursache derselben , entspringt , und jedes häusliche Glück untergräbt . Allein , mehr als der Mann , hat der Jüngling Launen und Eigensinn ; diesen gib nach , und bestrebe dich nur , so viel als möglich , sie unschädlich zu machen ! Kannst du dieses alles erfüllen , Henriette ? Nun , so werde Felsings Gattin ! Doch auch jetzt überlaße dich nicht ganz deiner Liebe ! Heinrich sah erst wenig Mädchen , jetzt erst hat sich sein Herz den Empfindungen der Liebe geöffnet , er sah dich zuerst , und er liebte dich . Ob aber in deiner Abwesenheit ein anderes Mädchen nicht eine eben so starke Liebe in ihm anzünden kann ? Dieses kann er dir selbst nicht versprechen , so feurig , so aufrichtig auch jetzt seine Versicherungen sein mögen ; denn sehr wenige Menschen sind in ihrem Entstehen Herr über ihre Empfindungen , und am wenigsten der Jüngling . Henr . Meine Mutter , Heinrich ist kein gewöhnlicher Jüngling ! Sie kennen seine edlen Grundsätze . Übereinstimmung erzeugte unsere Liebe , und ich darf hoffen , daß er mich immer mehr als jedes andere Mädchen lieben wird ! Doch , meine Mutter , der Tugend , so wie der Notwendigkeit , werde ich immer meine Leidenschaft opfern können , und Sie und ich wollen über mein Herz wachen , daß sie nicht zu stark werde . Und meine Pflichten einst als Heinrichs Gattin ? - O , meine Mutter , ich erkenne ihren ganzen Umfang ! Doch , Sie werden mich leiten durch Ihre Lehren ; durch Ihr Beispiel werde ich die Eigenschaften erlangen , welche mir noch fehlen ! Bei diesen Worten sank Henriette in die Arme ihrer Mutter , und in demselben Augenblicke traten Wallenheim , Felsig , seine Gattin und Heinrich herein . Henriette erschrak ! Kommen Sie , Felsig , sprach Elisa , Sie lieben meine Tochter ? ( zu Felsig und seiner Gattin . ) Henriette , Felsig , billigen Sie seine Liebe ? Henr . Deine Tochter die Meinige nennen zu können ? O , Elisa , wie sehr wird dieses ein Glück erhöhen ! Elisa . Nun dann , Felsig , so empfangen Sie sie ; mein Gatte williget in Ihre Verbindung ! Aber in diesem Augenblicke , wichtig und feierlich für mich , für meine Henriette , für Sie , lege ich Ihnen die Verbindlichkeit auf , sie glücklich zu machen ! Ich habe ihr die Gefahren einer Verbindung mit einem Jünglinge vorgestellt , sie will sich ihnen aussetzen , sie will ihre Ruhe Ihrem Glücke aufopfern ! Prüfen Sie sich jetzt , ob Sie ihr stets diese Liebe erwidern können ? Sie sind jung ; nach dem Besitze Ihrer Gattin werden Sie vielleicht anders denken , als jetzt . Sie werden es vielleicht bereuen , so jung Ihrer Freiheit und so manchem Vergnügen entsagt zu haben , welches für Sie , als Ehemann , als Hausvater aufhört ! - Wenn dieses ist ? O , so entsagen Sie meiner Tochter ! Nähren Sie keine Liebe in Ihrem Herzen , welche sie unglücklich machen könnte ; oder fürchten Sie zugleich die Vorwürfe einer Mutter , welche , indem sie Ihnen ihre Tochter gibt , Ihnen die Sorge für ihr Glück überträgt . Heinrich . Gnädige Frau , ich sagte gestern zu Henriette , ich wollte sie durch Tugend verdienen ; dieses bleibt noch mein Vorsatz ! Nach einigen Jahren tun Sie den Ausspruch über mich ! Und wenn ich einmal den Pfad der Tugend betreten habe , sollte ich ihn verlassen , wenn ich im Besitze des liebenswürdigsten Weibes sein werde ? Elisa . ( lächelnd . ) Schöne Jünglings-Phrasen ! Doch , ( sie wendet sich gegen Wallenheim . ) Wallenheim , unsere Tochter ist frei . - Sie mag entscheiden ! Heinrich und Henriette blickten sich an , und warfen sich zu gleicher Zeit in Elisa's Arme , indem sie ausriefen : O , meine Mutter , wir wollen stets gut sein ! Wir wollen Ihnen Freude machen , durch unsere Liebe , durch das Bestreben , uns gegenseitig glücklich zu machen ! Elisa umarmte sie Beide : auch Wallenheim schloß seine Tochter in seine Arme ; und gerührt drückte Henriette den Sohn an ihr Herz . Die süßen Namen : Vater , Mutter , Tochter , Sohn , erschollen aus jedem Munde , und Beider Eltern fühlten ihre Freundschaft durch die Liebe ihrer Kinder verstärkt . Auch Birkenstein kam an diesem Tage nach Wallenthal ; er teilte mit ihnen das Glück seiner jungen Freunde , und versprach Elisa'n , Heinrichs Bildung zu vollenden . Das erste Jahr , daß er in B... sein wird , sprach Birkenstein , werde ich mit ihm dort zubringen . Ich werde seine Leidenschaften leiten , jedes Schöne und Erhabene werde ich ihm als wünschenswert vorstellen , und seine Neigungen darauf richten ; ich werde ihn lehren Menschen kennen , und ihn gewöhnen , selbst in der Hitze der Leidenschaft auf die Stimme der Vernunft zu hören , und ihr zu folgen . Kurz , mein Bestreben soll sein , daß Heinrich einst nicht nur edel denkt , sondern stets gut handelt ; und schön wird der Abend meines Lebens sein , wenn ich dazu beitragen kann , Sie einst in Ihrer Tochter glücklich zu machen ! Elisa dankte ihrem edlen Freunde . Vergnügt verlebte dieser Zirkel guter und glücklicher Menschen nun diesen Tag . Heinrich und Henriette dachten nicht an den Abschied , sie empfanden nur ihr gegenwärtiges Glück , und genossen des künftigen . Doch sie kam , die Abschiedsstunde ; allein frühzeitig hatte Elisa ihrer Tochter Standhaftigkeit eingeflößt , und Henriette zeigte sich ihrer Mutter würdig bei der Trennung von ihrem Freunde . Tränen rollten zwar von ihren Wangen ; allein sie flossen ohne Heftigkeit , und nach einigen Tagen hatte Henriette ganz ihre vorige Heiterkeit wieder . Elisa fuhr fort , sie sehr zu beschäftigen , und zu verhindern , daß Heinrich nicht stets der Gegenstand ihrer Gedanken sei ; sie ließ sie jetzt selten allein , und ging öfterer , als sie bisher getan hatte , mit ihr in Gesellschaft . Doch eben so sehr bestrebte sie sich , Henriette die Eigenschaften zu geben , welche sie als Heinrichs Gattin von ihr forderte . Sie bildete ihren Geschmack , erteilte ihr einige Kenntnisse in den schönen Künsten und in der schönen Literatur , weil sie glaubte , daß Henriette eine angenehme Unterhaltung dadurch bekommen würde , und daß , wenn man sucht , dem Verstande Grazie und Feinheit zu geben , dieses sich auch auf das äußere Wesen ergießt , und dem Weibe Annehmlichkeit gibt . Allein auch Menschen- und Weltkenntnis fand Elisa für nötig , daß sie ihre Tochter erlangte . Sie bat also ihren Gatten , daß er einen Winter in B .. mit ihr und ihrer Tochter zubringen möchte . Hier suchte sie die Gesellschaften , welche von den klügsten und artigsten Weibern B... s besucht wurden , und hier bildete sie ihre Tochter zum liebenswürdigsten , angenehmsten Mädchen . Allein indem Henriette in ihrem Wesen die Politur der feinen Welt annahm , blieb sie doch ungekünstelt und natürlich . Die Natur schien bei ihr durch die Grazien geschmückt zu sein . - Doch Henriette sollte nicht nur das reizende , das angenehme , sondern auch das gute , das vernünftige Weib sein . Von ihrer Jugend an hatte Elisa ihre Begriffe , ihre Grundsätze gebildet ; jetzt gab sie ihr Gelegenheit zu handeln , machte sie darauf aufmerksam , wenn sie fehlte , und flößte ihr Beharrlichkeit im Guten ein . Aber auch die Besorgung aller häuslichen Geschäfte übertrug jetzt Elisa ihrer Tochter ; sie ließ sie in das Detail jeder wirtschaftlichen Angelegenheit gehen , und Henriette erlangte auch bald in diesem Fache alle Vollkommenheiten einer guten Hausfrau . Elisa war glücklich in diesen Beschäftigungen , die guten Eigenschaften ihrer Tochter wurden mit jedem Tage erweitert , und durch sie Elisa's Glück erhöhet . Ihr mütterliches Herz kannte jetzt nur Freuden ; auch in ihrem Sohne wurden ihre Bemühungen um sein Glück ihr belohnt . Carl hatte seinen Ausschweifungen auf immer entsagt ; er näherte sich keinem Spieltische , ohne an die Aufopferungen zu denken , welche seine Mutter seiner Leidenschaft zum Spiele gemacht hatte , und diese Erinnerung trieb ihn weg vom Spiel . Er hatte in Wallenthal das Gute kennen und lieben gelernt , und jetzt bestrebte er sich , es zu befolgen . Er kam nach einem Jahre zurück nach Wallenthal ; die Freudentränen seiner Mutter flossen über seine Wangen , und der Jüngling fühlte , daß Tugend auch glücklich macht . Aber auch ihr zweiter Sohn , wie Elisa Heinrich nannte , strömte Freude in ihr Herz . Birkenstein war auf ein Jahr sein Führer gewesen , und er versicherte Elisa'n von seiner guten Aufführung , und seiner edlen Denkungsart . Oft sagte sie entzückt zu Wallenheim : Ich werde meine Kinder glücklich sehen ! Und die süßesten Tränen flossen dann von ihren Wangen . So flossen die Tage ihres Lebens jetzt froh und glücklich dahin . Immer noch beschäftiget , Gutes zu tun , und nützlich zu sein , in der Mitte aller derer , welche sie liebte , und von welchen sie angebetet wurde , genoß Elisa eines Glücks , welches ihr doppelt süß war , da es nicht das Werk des Zufalls war , sondern sie es sich durch Tugend errungen hatte , und Tugend ihr den Genuß erhöhte . - Jetzt hatte Heinrich sein zwei und zwanzigstes Jahr erreicht ; er eilte nach Felsingburg . Henriette errötete , als sie ihn jetzt wieder sah . Elisa lächelte , und der Hochzeittag wurde festgesetzt . Auch Carl war nach Wallenthal gekommen , und Alles atmete Freude . Da wurde Elisa krank , und nach drei Tagen erklärte der Arzt , daß die Symptomen der Krankheit gefährlich wären , und daß er ihre Wiederherstellung bezweifelte . Schrecken verbreitete sich auf allen Gesichtern . Felsig , seine Gattin , Heinrich , Birkenstein blieben Tag und Nacht in Wallenthal , und alle verließen kaum auf einen Augenblick Elisa's Bette . Elisa war ruhig , ohne Furcht fühlte sie die Abnahme ihrer Kräfte . Zwar füllten sich ihre Augen mit Tränen , wenn sie alle ihre Lieben um ihr Bette sah , welche sie nun bald verlassen würde ; allein auch jetzt noch blieb sie standhaft , und bekämpfte ihren Schmerz . Der Tod , sprach sie zu ihren Freunden , wird mir nur schwer , weil ich euch verlassen muß . Um die Zukunft bin ich unbekümmert . Zwar habe ich keine Gewißheit über die Unsterblichkeit unserer Seele ; allein ich habe immer geglaubt , daß etwas in uns ist , welches fortdauert . auch wenn die jetzige Organisation unseres Wesens aufhört . Doch dem sei wie ihm wolle , sterben ist ewiges Gesetz der Natur ! Ich dachte mir oft die Zerstörung meines Wesens , und ich bin dazu bereit . 1 Ich habe mein Leben nicht unnütz zugebracht , ich habe zum Glücke einiger meiner Mitbrüder beigetragen , ich habe mich stets bestrebt , meine Pflichten zu erfüllen , und dieses macht jetzt meine Beruhigung , meine Freude . Mein künftiges Schicksal sei welches es wolle , ich sterbe mit dem Bewußtsein , daß ich mitwirkte , die Summe des Guten zu vermehren , und meine Bestimmung als Mensch erfüllte , Und dieses Bewußtsein ? O , meine Freunde ! es gibt ein unaussprechlich süßes Gefühl , welches selbst die Annäherung des Todes nicht zerstört , und über dessen Schrecken uns siegen läßt ! Die Trennung von Euch ist jetzt der einzige Schmerz , den ich empfinde und euer Gram um meinen Verlust , meine einzige Bekümmernis ! Doch , meine Freunde ! euch bleibt noch immer viel zum frohen Genusse des Lebens , wenn ich auch nicht mehr unter euch wandle ! Seid stark , und überwindet euren Schmerz ! Mein Wallenheim , die Liebe deiner Kinder wird dir meinen Verlust ersetzen ! Carl , Henriette , ich machte es zur Hauptbeschäftigung meines Lebens , an eures Vaters Glücke zu arbeiten , euch übertrage ich dieses nun ! Es ist die letzte Bitte eurer Mutter ! Tröstet euren Vater ! Ersetzt ihm meine Sorgfalt , meine Liebe für ihn ! O , meine guten Kinder ! Ich sehe es , ihr werdet es tun , und ich sterbe freudiger ! Komme her , meine Henriette , komme her , mein Carl ! ( hier füllten sich ihre Augen mit Tränen , sie umarmte Beide . ) O , ihr wart meinem Herzen so teuer ! Doch auch euch kann ich ruhig verlassen ! Ich kann nichts mehr zu eurem Glücke beitragen ; ihr allein habt es jetzt in euren Händen ; ihr kennt die Mittel dazu , wendet sie an , meine Kinder , und süßer Friede wird immer in euren Herzen wohnen ! Dich erwarten nun bald neue Pflichten , neue süße Empfindungen , meine Henriette ! Ich sehe dich schon im Geiste in den Armen deines Gatten , und dann darfst du meinem Andenken nur die ruhigen Tränen der Wehmut widmen ! Keine anderen Tränen , meine Freunde , müssen auf mein Grab fallen ! Kommen Sie auch hierher , Heinrich ! Sie sind edel , ich bin unbesorgt um meiner Tochter Glück ! Und du , Henriette , du wirst ihre Mutter , ersetze ihr meine mütterliche Sorgfalt ! Und nun Dank Ihnen Allen , meine Freunde , die Sie mein Leben versüßten ! Henriette , Birkenstein , Felsig , Ihre Freundschaft erhob mein Leben zum höchsten Gipfel der Wonne , und meine letzten Empfindungen sind Dank und Liebe gegen Sie ! - Elisa reichte einem Jeden nach der Reihe die Hand ; ein holdseliges Lächeln begleitete ihre letzten Worte ; man ehrte ihre Ruhe , und ein Jeder verbarg im Inneren seines Herzens den Schmerz über den Verlust des holdseligsten Weibes . Jetzt , am Rande des Grabes schon , war Elisa doch noch beschäftiget , Gutes zu wirken , selbst nach ihrem Tode noch . Sie vermachte eine Summe für die Stiftungen der Kinder und Greise in Wallenthal , wel che von den Zinsen derselben , auf eben die Art wie bisher , unterhalten werden sollten , und trug Henriette die Aufsicht über dieselben auf . Die Greise , die Kinder aus dem Erziehungshause , die Einwohner Wallenthals , viele der Unglücklichen , welchen sie geholfen hatte , Alle kamen auf das Schloß , und wollten noch einmal ihre Wohltäterin sehen . Elisa sprach mit ihnen , dankte ihnen für ihre Liebe , und zeigte ihnen , daß Tugend , auch in den letzten schrecklichen Augenblicken , nicht aufhöre , glücklich zu sein . So entschlief sie , unter den Segnungen derer , die sie umgaben , ruhig und sanft , wie sie stets im Leben gewesen war , und ihre Miene war noch nach ihrem Tode der Ausdruck des sanften Friedens , der bis zu ihrem letzten Atemzuge in ihrem Herzen gewohnt hatte . Henriette bewies jetzt die Vortrefflichkeit der Lehren ihrer Mutter . Sie weinte ; allein ruhig war ihr Schmerz , und aufrichtig bekämpfte sie ihn , ob sie gleich ihre Mutter anbetete . Nur Wallenheim fiel in eine düstre Schwermut ; nichts konnte ihn aus derselben reißen . Meine Freunde , sprach er , ihr Alle kennt nicht die Größe meines Verlustes ! Was Elisa mir war , kann nur ich empfinden . Nur ich sah sie in jedem Augenblicke ihres Lebens , und fand sie immer groß ! Nur ich weiß , wie fest sie an jedem Guten und an ihren Pflichten hing , wie unablässig sie bemüht war , Glück um sich zu verbreiten , und besonders mich glücklich zu machen ! Sie schuf in mir Gefühle , mein Weib machte mich zum Menschen ! Sie lehrte mich die Güter des Lebens kennen und genießen ! In ihren Kindern hat sie ihre Tugenden fortgepflanzt , sie können glücklich werden , wie sie war . Nur ich bleibe einsam zurück , - ich lebte nur durch sie , meine Gefühle sterben mit ihr ! - Und Lebenslang trauerte Wallenheim um sein Weib . Lange beweinte sie Birkenstein , weil sie bis zu ihrem Tode der Inbegriff seiner wärmsten , seiner innigsten Empfindungen gewesen war . Aber länger dauerte das Gute , welches Elisa gewirkt hatte . Sie hatte in den niedrigen Klassen viele Menschen besser , und folglich glücklicher gemacht . Sie hatte durch ihr Beispiel viele Weiber über ihre Pflichten aufgeklärt , und sie zur Nachahmung angereizt . Sie hatte durch die vortreffliche Erziehung , welche sie Henriette gab , ihre Tugenden in ihr erblich gemacht , welche diese fortzupflanzen sich bestrebte , und so , wie ihre Mutter , Glück um sich verbreitete . Lange blieb ihr Andenken unvergeßlich , und ihr Name Antrieb zur Tugend . Und Elisa zeigte allen Weibern , daß des Weibes schönster Ruhm Tugend sei , und daß durch sie das Weib in jeder Sphäre Gutes wirken , und selbst Generationen beglücken kann . Fußnoten 1 Über die Einwürfe , die man mir wegen dieser Stelle gemacht hat , habe ich mich in der Verrede erklärt .