Erster Teil . Jenny . Ein Stamm , aus dem der Erlöser , die Madonna , die Apostel hervorgegangen , der nach tausendjähriger Verfolgung dem Glauben und den Sitten seiner Väter treu geblieben , nach tausendjährigem Drucke noch hervorragende Größe für Wissenschaft und Kunst erzeugt , muß jedem anderen ebenbürtig sein . Die Verhältnisse der Juden in Preußen von v. Rönne und Simon . Bei Gerhard , dem ersten Restaurant einer großen deutschen Handelsstadt , hatte sich im Spätherbst des Jahres 1832 nach dem Theater eine Gesellschaft von jungen Leuten in einem besonderen Zimmer zusammengefunden , die anfänglich während des Abendessens heiter die Begegnungen des Tages besprachen , allmählich zu dem Theater und den Schauspielern zurückkehrten und nun in schäumendem Champagner das Wohl einer gefeierten Künstlerin , der Giovanolla , tranken , welche an jenem Abende die Bühne betreten hatte . " Sie soll leben und blühen in ewiger Schönheit ! " sagte entzückt der Maler Erlau , " und I. 1 möge es mir vergönnt sein , die Feueraugen und den Götternacken dieses Mädchens immer vor meinen Augen zu haben , wie sie sich mir bei der gestrigen Sitzung zeigten . Ihr seht sie Alle in der falschen , täuschenden Beleuchtung der Bühne , und könnt nicht ahnen , wie wunderbar schön ihre mattglänzende sammetweiche Haut , wie regelmäßig und vollendet ihre Züge und wie üppig ihre Formen sind . Ich sage Euch , sie ist der Typus einer italienischen Schönheit . " " Wenn sie nur nicht so verdammt jüdisch aussähe " , sagte wegwerfend ein Anderer , den wir Horn nennen wollen , und welcher Sohn und Erbe eines reichen Kaufmanns war . " Ich sagte es gleich zu meinem Vetter Hughes , den ich Ihnen , lieber Erlau ! als einen Mitenthusiasten empfehlen kann , und der für nichts Augen hatte , als für diese Person , die mir wirklich mit all ihrer gepriesenen italienischen , oder sagten Sie orientalischen Schönheit ? au dernier degres miß fallen hat . Wir lieben in unserer Familie dies Genre von Schönheit nicht , es ist eine uns angeborene Antipathie , und mir wurde erst wieder in England bei den schlanken , blonden Insulanerinnen recht wohl , nachdem ich mich in Havre ein Jahr lang in der Frankfurter Judenstraße unter jenen kleinen , brünetten Französinnen geglaubt hatte . " " A propos , von Judenstraße , lieber Ferdinand ! " fiel der Vetter , der ein geborener Engländer , und erst seit wenig Tagen in dieser Stadt war , dem Sprechenden ins Wort , " wer war wohl das ganz junge Mädchen in der zweiten Loge rechts von der Bühne ? Sie ist offenbar eine Jüdin , aber es wird ein interessantes Gesicht werden . " " Ich kenne die Juden nicht " , antwortete der Gefragte . " Schämen Sie sich " , rief im komischen Zorn der Maler , " und verleugnen Sie nicht , wie unser 1 * heiliger Apostel Petrus , seligen Andenkens , Ihren Meister und Herrn . Sie sollten den reichen Bankier Meier nicht kennen , bei dessen Vater Ihr Herr Vater die Handlung erlernte , und von dem er die Mittel zu seinem Etablissement erhielt , als er sich in Ihre Mutter verliebte ? Freilich kam Ihr Herr Papa durch diese Heirat in die schönste Mitte der Kaufmannsaristokratie , und mag in der Gesellschaft wohl seine alttestamentarischen Verbindungen vergessen haben . " Horn war halb beleidigt , halb verlegen . " Ach so ! " sagte er , " die Meiers hatten die Loge ? Nun ja , also es waren die Meiers , die Tochter soll ein hübsches Mädchen werden , eine reiche Erbin , sie steht noch zu Diensten , lieber Vetter ! -- Das ist aber auch Alles , was ich weiß . " " So erlauben Sie mir " , nahm der Kandidat Reinhard , ein schöner , junger Mann , der bis dahin schweigend der Unterhaltung zugehört hatte , die ihm nicht zu gefallen schien , das Wort , " so erlauben Sie mir , Ihnen , falls es Sie interessiert , nähere Details über die Familie zu geben . Das Meiersche Haus ist gewiß das gastlichste unserer Stadt , die Mutter eine freundliche wohlwollende Frau , der Vater ein ungemein gescheiter und braver Mann , der ein offenes Herz für die Menschen und die Menschheit hat , und sich lebhaft für Alles interessiert , was es Großes und Schönes gibt . Die Leute haben nur zwei Kinder , einen Sohn , der mein genauer und bester Freund ist , den Doktor Meier , und eben diese Tochter , Jenny Meier , die ich bis vor Kurzem unterrichtete . " " Und ist Niemand da , der die Handlung fortsetzt , wenn der alte Meier , dessen Firma mir wohl bekannt ist , einmal stirbt ? " sagte der Vetter . " Ja wohl , ein Neffe , seines Bruders Sohn , der auch Meier heißt , und schon lange in der Handlung ist . Man sagt , er werde die Tochter heiraten , und das Geschäft einst übernehmen " , antwortete Reinhard zögernd . " Der Glückliche , ich könnte ihn beneiden , denn das Mädchen ist wahrhaft reizend " , rief der Engländer aus . " Das denkt Freund Reinhard auch " , lachte Erlau , " und gewisse Leute wollen behaupten , daß er die junge Dame , nachdem er ihre geistige Ausbildung meisterhaft geleitet , jetzt praktisch in der Konjugation mancher Zeitwörter unterrichte , als da ist : ich liebe , du liebst u. s. w. u. s. w. Werde nicht rot , lieber Reinhard , es ist eine Bemerkung , wie jede andere , und ich teile Deine Neigung und Anhänglichkeit für das ganze Meiersche Haus . Es sind mit die besten und gebildetsten Leute der Stadt , und wenn auch die sogenannte Elite der Gesellschaft dort im Hause nicht zu sehen ist , so findet man den größten Teil unserer Gelehrten und Künstler , eine Menge von Fremden , und vortreffliche Unterhaltung bei Meier's . Ich wüßte kein Haus , das ich lieber besuchte als das Meiersche . " " Sie schildern die Familie so interessant , daß Sie mir fast den Wunsch einflößen , mich in dem Hause einführen zu lassen " , sagte Hughes . " Um Gottes Willen , William ! " fiel Horn ein , " meine Mutter würde das sehr ungern sehen , wie kommst Du nur darauf ? Ich bitte Dich , diese Juden hängen wie die Kletten zusammen , und bist Du erst in einem ihrer Zirkel , so steckst Du auch gleich fest in der ganzen Clique , daß man sich schämen muß , mit Dir an öffentlichen Orten zu erscheinen , aus Furcht , von Deiner noblen Bekanntschaft überfallen zu werden . Glaube mir , die Visite bei Meiers " -- " Würde Ihnen beweisen , daß Herr Horn mit seinen Gesinnungen in mancher Beziehung noch tief im Mittelalter stecke " , unterbrach Reinhard die Rede , " und ich bekenne Ihnen , Herr Horn , daß wir Ihre Äußerungen nicht nur höchst befremdlich scheinen in unserer Zeit , sondern daß ich sie geradezu für unschicklich halte , nachdem ich Ihnen gesagt habe , daß ich der Familie befreundet bin und sie hochachte . " " Ah , entschuldigen Sie , Herr Reinhard , ich vergaß , daß Sie Stunden in dem Hause geben und die Sache anders ansehen müssen . Ich aber , der ich ganz unabhängig bin , gestehe Ihnen -- -- -- -- " " Gestehen Sie nichts mehr , Sie haben schon so Vieles heute gestanden " , rief Erlau dazwischen , " was Sie lieber hätten verschweigen sollen . Sie sind ein reicher , junger Kaufmann , sehr elegant , sehr fashionable , was kümmern Sie Geständnisse und Juden ? Mein Gott ! Sie haben nun einmal die Antipathie , und Sie brauchen ja auch nicht zu Meiers zu gehen , es hat Sie Niemand gebeten -- selbst nicht " , fügte er halblaut , gegen Reinhard gewendet , hinzu , " als vor drei Jahren die Sonntag dort war und der junge Herr alle Segel aufsetzte , um eingeladen zu werden . Ich bitte Dich , Reinhard , ärgere Dich über den Laffen nicht , und laß ihn laufen . " Die Unterhaltung war zu einem Punkte gekommen , auf dem sie leicht eine verdrießliche Wendung nehmen konnte , da öffnete sich plötzlich die Tür und ein junger , hübscher Mann , kaum dreißig Jahre alt , trat in das Zimmer . Er war nur mittler Größe , aber kräftig und wohlgebaut , hatte krauses , schwarzes Haar , eine gebogene Nase , ein Paar durchdringend kluge , schwarze Augen , und vor Allem eine hohe , gewölbte Stirn , die beim ersten Anblick den Mann von Geist und Charakter verriet . Seine Bewegungen waren rasch , wie sein Blick . Er hatte eine gelbliche , aber gesunde Farbe , und war modern , doch ganz einfach gekleidet . Kaum war er in das Zimmer getreten , als Erlau und Reinhard ihm mit dem Ausruf : " Guten Abend , 1 ** Meier , gut daß Du kommst ! " entgegen gingen . Er wandte sich aber , die Begrüßung nur flüchtig erwidernd , an Horn , und sagte : " Ich komme eben aus dem Hause Ihrer Eltern . Ihr Fräulein Schwester hat sich den Fuß beschädigt , als sie nach der Rückkehr aus dem Theater aus dem Wagen stieg , man hat mich holen lassen , es ist jetzt Alles in Ordnung , durchaus nichts zu befürchten , und ich freue mich , daß ich Sie hier treffe , denn ich glaube , Herr Horn , man erwartet Sie zu Hause . -- Guten Abend , und schön , daß ich Euch noch finde " , fuhr er , gegen die Freunde gewandt , fort , und setzte sich zu ihnen nieder . Horn machte ein paar besorgte Fragen , die von Dr. Meier beruhigend beantwortet wurden , dann brach jener auf , und William Hughes wollte ihn begleiten . Erlau indessen , der nie genug Leute beisammen haben konnte , und dem der Engländer gefiel , redete ihm zu , bei ihnen zu bleiben , um noch ein paar Stunden zu plaudern . " Im Hause Ihres Onkels können Sie Nichts nützen , und hier " , sagte er , " haben wir Gelegenheit , Sie unserem Freunde , dem Doktor Meier , von dem wir vorhin sprachen , vorzustellen , also bleiben Sie immer hier . " William war das zufrieden , und Horn empfahl sich dem kleinen Kreise , indem er William versicherte , er beneide ihn um den Genuß , in so vortrefflicher Gesellschaft noch länger zu bleiben , dabei warf er einen spöttischen Blick auf Meier , den dieser nicht sah , da er Horn den Rücken zugewendet hatte , und den Reinhard mit verächtlichem Achselzucken erwiderte . Ein Kellner räumte die leeren Bouteillen , die gebrauchten Gläser fort , und setzte eine volle Flasche vor die Zurückbleibenden hin . Erlau , Reinhard und William , die schon seit einer Stunde beim Weine saßen , gerieten allmählich in eine immer munterere Laune , wogegen Meier's Ruhe eigentümlich abstach . Vor Allen konnte Erlau's ausgelassene Fröhlichkeit sich nicht genug tun ; ein Witz folgte dem anderen , ein Toast dem anderen . " Alt-England soll leben ! " rief er aus , " mit seinen freien Institutionen , mit seinem edlen Lord auf dem Wollsack , seiner Charta magna und seinen Constables und Beefsteaks , und Sie sollen leben und leben immer mit uns , wie heute Mr. Hughes . " Der Toast wurde erwidert . Hughes trank auf die Einheit Deutschlands ; Reinhard ließ die deutschen Frauen leben , Erlau vor Allen die Schauspielerin , von der schon früher die Rede gewesen war , und Meier gab sich dem Treiben hin , wie ein Erwachsener , der mit Kindern spielt . Er nahm äußerlich Teil daran , während ihn im Inneren offenbar ein anderer Gegenstand beschäftigte , und er in ein Hinträumen versank , aus dem Erlau's Ruf : " Meier , die Deinen sollen leben ! " ihn aufstörte . Schweigend und nur mit dem Kopfe nickend dankte dieser , und trank sein Glas aus . Damit war aber Erlau nicht zufrieden . " Mein Gott ! Du unerträglich ernsthafter Doktor und Misanthrop , gibt es denn nichts mehr auf der Welt , was Dich aus Deiner philosophischen Philisterlaune herausreißen kann ? -- Ich erschöpfe mich in hinreißender Geistreichheit , ich verschwende die beste Laune , dem kostbarsten , göttlichsten Champagner an Dir , und Du nimmst meine Liebenswürdigkeit , die doch heute ganz exquisit ist , hin , wie ein Bettler das tägliche Brot , ohne Freude und Genuß , und gießt den edlen Wein hinunter , gedankenlos , als gälte es , das harte tägliche Brot mit langweiligem Wasser hinabzuspülen . Ich werde irre an Dir , Doktor ! Was fehlt Dir , was denkst Du , was meinst Du ? Soll ein Gott vom Himmel steigen , um Dir zu beweisen , daß die Welt die beste ist , in der auf öden Kalkfelsen dieser Göttertrank zu wachsen vermag ? in der auf allen Wegen die schönsten Blumen erblühen , und in manchen dunklen Häusern die hellsten Mädchenaugen blitzen ? Sünder , gehe in Dich , und tue Buße , und rufe mit mir : Die Weiber sollen leben ! -- und -- ha ! nun habe ich es , was ihn wecken wird ; steht auf , ihr Weisen , und trinket mit mir ! Meier , Deine Schwester soll leben ! " -- Reinhard und Hughes standen auf , und der Letztere rief lebhaft : " Ja ! das schöne Mädchen mit dem feuchten Flammenblick soll leben und immer leben ! " -- Auch Reinhard , in dem noch mancher Widerhall seiner Studentenjahre nachtönte , erhob sein Glas , und bereitete sich , es gegen die anderen Gläser klingen zu lassen , nur Meier blieb ruhig sitzen , und sagte , " Seit wann ist es Sitte , daß man bei Zechgelagen auf das Wohl unbescholtener Mädchen trinkt ? Ich werde es wenigstens nicht leiden , daß der Name meiner Schwester in meiner Gegenwart im Weinhause entweiht werde . Setzen Sie sich , meine Herren ! den Toast nehme ich nicht an . " -- Dieser ruhige ernste Ton schien Erlau plötzlich abzukühlen , während er den Engländer in lebhafte Bewegung versetzte . Er ging rasch auf Meier zu , und rief : " Geben Sie mir die Hand , Doktor ! Sie müssen mein Freund werden ! Wir Engländer haben sonst nicht das Herz auf der Zunge -- aber Ihr Deutschen seid unsere Stammverwandten . Ihr wißt es , was sweet home und a blushing maid dem Herzen sein können -- Sie wissen es vor Vielen gut , darum schlagen Sie ein , Doktor ! unbesorgt , ich bin ein Ehrenmann ! " Meier tat , wie Jener es verlangte , und tat es gerne , denn es lag wirklich so viel Ehrenhaftes , Zutrauliches in der Art und den Zügen des Fremden , daß es augenblicklich für ihn einnahm . Auch Reinhard schüttelte ihm die Hand und man trank auf die Dauer und das Gedeihen des neuen Bundes . Dadurch blieb Erlau allein stehen ; er goß zwei Gläser voll , nahm in jede Hand eins derselben , und sprach in affektierter Traurigkeit : " Auf das U folgt gleich das Weh , das ist die Ordnung im ABC -- auf jeden Augenblick voll Wonne eine Ewigkeit von langer Weile , denn ich schwöre Euch ! die rechte , wahrhafte Ewigkeit wird erst recht langweilig sein -- auf jede liebenswürdige Sünde folgt bei Euch eine unausstehliche Bußfertigkeit . Anathema ! über das ausgeartete Geschlecht , das nicht begreift , wie man sündigt aus süßer , inniger Überzeugung ; dem nur en passant ein kleines , borniertes Sündchen in den Weg kommt , und das nie jenes großartige Gebet des edlen Russen begriff und gläubig zu beten vermochte : " Dieu , envoye moi des tentations afin que j'y succombe ! " -- Hier stehe ich allein , ich fühle es , in einer verderbten Zeit , in der mich Niemand versteht , und so muß ich für mich allein mir den Toast ausbringen : Gott erhalte mich in meiner geliebten Sündhaftigkeit , worauf ich dies Glas ausleere -- und hole der Teufel Eure verdammte Tugend , bei der man nicht an ein hübsches Mädchen denken und ihr Glück wünschen darf , ohne eine Ladung Moral und ein Fuder Gefühl in den Kauf zu bekommen . " -- Dabei trank er das zweite Glas , und sagte verdrießlich , während die Anderen herzlich lachten , " und nun könnt Ihr alle ruhig nach Hause gehen , nachdem Ihr mich mit Eurer abgeschmackten Sentimentalität um meine beste Laune gebracht habt . Geht nach Hause und schlaft wie die Ratten und träumt tugendhaft -- ich werde noch nach dem Fenster der göttlichen Giovanolla wandeln , und sehen , ob dieser süße Strahl der Liebe , der , Gott sei Dank ! keine Heilige ist , noch über der Erde leuchtet , oder ob er sich schon hinter den Wolken des Schlummers verborgen hat , und mir erst morgen wieder als Stern und Sonne aufgehen will . -- Beiläufig könnte ich dann diesen unseren Insulaner in das Haus seines Onkels geleiten , in sein Sweet home , damit er uns nicht auf den Querstraßen des Lebens verloren gehe , und seine warme Seele nicht erstarre in kalter Winternacht . -- Gute Nacht , Kinder ! " " Gute Nacht , Meier " -- " kommen Sie , Mr. Hughes ! " -- mit diesen Worten brach er auf , und die Gesellschaft ging aus einander . " Wo warst Du gestern , Eduard ? " fragte Jenny Meyer am nächsten Morgen ihren Bruder , als dieser in das Wohnzimmer seiner Eltern trat , wo die Familie frühstückend beisammen saß . " Wir hatten Dich zum Tee erwartet , und Du kamst nicht ! Auch im Theater bist Du nicht gewesen ! " " Steinheim war bei mir , und unser Joseph , und wir plauderten bis 9 Uhr ungefähr ; dann wollte ich mit ihnen hinauf kommen , und Eure Rückkehr aus dem Theater erwarten , wurde aber plötzlich in das Haus des Kommerzienrats Horn gerufen , wo sich die Tochter den Fuß gebrochen hatte , als sie aus dem Theater kam . So gingen meine Gäste fort , und ich sprach nachher , als ich den Verband angelegt hatte und nach Hause gehen wollte , bei Gerhard an , fand dort Bekannte , und blieb ein paar Stunden sitzen ! " " Mein Gott ! " rief die Mutter , " hat sich das schöne Mädchen , die Clara Horn , schwer beschädigt ? " " Du hörst es ja " , antwortete der Vater , " sie hat den Fuß gebrochen , und ein schwerer Fall , ein ganz verzweifelter muß es wohl sein , wenn der alte Horn sich entschloß , gerade Eduard rufen zu lassen . " " Das kannst Du nicht behaupten , lieber Mann ! Eduard ist doch , obgleich einer der jüngern Mediziner , in den ersten Häusern der Stadt Hausarzt , sowohl bei Christen , als bei Juden ; und Du weißt selbst , wie ungemein zu vorkommend ihm überall begegnet wird , und wie sehr man für ihn eingenommen ist ! " " Ich weiß es wohl , und es freut mich , daß er sich diese Stellung errungen , aber ebenso wohl weiß ich , daß es jener ganzen Clique gewiß die höchste Überwindung gekostet hat , den jüdischen Arzt in ihre engeren Kreise zu ziehen . Sie entschuldigen sich vor sich selbst mit dem Nutzen , den er ihnen gewährt , und doch , wer weiß , ob Eduard überall den gleichen Empfang fände , wenn er sich mit einer Jüdin verheiratete , und für seine Frau dieselben Rücksichten verlangte , als für sich ? Den einzelnen jungen Mann nehmen sie allenfalls gern auf . Eine Familie ? da würden sie vielleicht Bedenken haben . " " Das glaube ich nicht " , sagte die Mutter , " im Gegenteil , ich bin überzeugt , daß Eduard nur zu werben braucht , um eine Frau , aus welchem christlichen Hause er wollte , zu bekom men , und ich kann es nicht leugnen , daß ich nichts sehnlicher wünsche , als ihn recht bald eine solche Verbindung schließen zu sehen ! " Der Vater lächelte , und Eduard erwiderte : " Eine Verbindung der Art , liebe Mutter ! werde ich nie eingehen , das weißt Du wohl , -- ich werde mich niemals taufen lassen , und Deine ehrgeizigen freundlichen Hoffnungen für mich , in der Zukunft eine große Karriere voll Ehrenstellen , Orden und Würden zu erblicken , werden sich schwerlich jemals realisieren . Es sei denn , daß eine neue Zeit für uns heraufkäme . " " Die zu schaffen Du Dich berufen fühlst , mit Steinheim , Joseph und Anderen " , fiel Jenny ein . " Himmlischer , einziger Eduard , nur beim Frühstück verschone mich mit Politik , nur die eine Tasse Kaffee lasse mich ohne politische oder anatomische Zutaten genießen . Vater ! verbiete ihm überhaupt , schon beim Frühstück vernünftig zu sein . Er hat ja dazu seine große Praxis , und den ganzen , langen Tag , der Morgen muß für uns sein . " Der Vater gab scherzend den gewünschten Befehl , und fragte , ob Eduard nicht wisse , wie man bei Horn's darauf gekommen , gerade ihn holen zu lassen . " Ihr Hausarzt , der alte Geheimrat , fand den Fall sehr bedenklich " , berichtete der Sohn , " tat sehr ängstlich , und daher bestand das Fräulein selbst darauf , sich von ihm nicht den Verband anlegen zu lassen , und verlangte , man solle nach mir schicken . Wenigstens erzählte mir der Kommerzienrat so , ich weiß nicht , ob , um mir begreiflich zu machen , daß er selbst es nicht getan hätte , oder um mir mitzuteilen , welch schmeichelhaftes Vertrauen die Tochter zu mir hege . " " Ist sie so schön , als sie zu werden versprach ? Ich habe sie in der Schule gekannt " , sagte Jenny ; -- " aber spiele nicht den kalten , gefühllosen Arzt , der nichts sieht , als die Krankheit " , fügte sie hinzu . " Sie ist so wunderschön , daß selbst der Kälteste warm werden müßte bei ihrem Anblick " , antwortete er ; " dabei war sie so geduldig bei dem großen Schmerz , so liebenswürdig gegen die Umgebung , so dankbar gegen mich , daß ich ganz für sie eingenommen bin . Ich wäre untröstlich , wenn sie nicht vollkommen hergestellt würde , wie ich es hoffe , denn sie ist wunderschön ! " Jenny war ganz glücklich , den Bruder so entzückt zu sehen , und meinte , die Kranke könne sich glücklich schätzen , die werde gewiß sorgsamer und besser als manche Königin behandelt werden , und Eduard möchte sich bei der Kur nicht zu sehr anstrengen , damit er sich nicht etwa selbst eine Herzenskrankheit zuziehe , die leicht unheilbar sein könnte . Nun kam auch Joseph Meier , der Neffe , welcher ebenfalls im Hause wohnte , dazu . Er war fast in gleichem Alter mit Eduard , doch ließ sein düsteres Wesen ihn älter erscheinen als er war . Er hatte ein kluges Äußeres , ohne hübsch zu sein , weil er sehr unregelmäßige Züge hatte , und gewöhnlich etwas mürrisch aussah . Nur selten flog ein Lächeln über das markierte Gesicht und verbreitete ein mildes Licht über die Augen , die eigentlich höchst gutmütig waren , aber fast immer brütend zur Erde blickten . Joseph und Eduard waren von Kindheit an die besten Freunde gewesen , und hatten , sich gegenseitig ergänzend , sich zu dem gebildet , was sie geworden , zu tüchtigen Menschen , Jeder in seiner Art . Nur fehlte Joseph das liebenswürdige Wesen , der feine , ungezwungene Anstand , der Eduard's Erscheinung so angenehm machte ; und vor Allem hatte dieser eine angeborene , blühende Beredsamkeit , während Joseph in den meisten Fällen nur kurz und abgebrochen sprach . Natürlich wurde bei Joseph's Ankunft das eben Mitgeteilte wiederholt und nochmals besprochen . Er ließ sich das Ganze ruhig erzählen , und sagte dann mit seinem gewöhnlichen sonderbaren Lächeln : " O ja ! so sind sie ! , wenn sie Dich brauchen , können sie recht liebenswürdig sein . -- Aber höre doch einmal , wie sie von Dir reden , wenn sie unter sich sind . -- Frage einmal , ob sie Dich für ebenbürtig halten . " Diese Äußerung , gerade jetzt ausgesprochen , wo man in so guter Laune war , verstimmte die Übrigen sichtlich . Jenny , die das düstere Wesen des Vetters nicht liebte , war die Erste , die ihren Verdruß äußerte , indem sie ihm den Kaffee mit den Worten reichte : " Da ! Du Störenfried ! trinke nur , damit Du nicht brummen kannst . " -- Auch Madame Meier schien unzufrieden . Der Vater fing an , die Zeitungen zu lesen , die Joseph I. 2 mitgebracht hatte , und nur der Doktor plauderte noch eine Weile mit ihm fort , worauf sich die drei Männer entfernten , um an ihre Geschäfte zu gehen , und nur Mutter und Tochter zurückblieben . " Joseph wird doch von Tag zu Tag unerträglicher " , sagte die Letztere , " er wird immer finsterer , immer abstoßender , und ich freue mich auf kein Fest , auf nichts mehr , sobald er dabei ist , weil ich weiß , daß er mir jede Freude stört . " " Und doch glaube ich " , wandte die Mutter ein , " daß es kaum ein reicheres , edleres Herz gibt , als das seine . Ich wüßte Niemand , der so freudig Alles für seine Geliebten zu opfern bereit wäre , Niemand , der es mit mehr Anspruchslosigkeit täte als er . Auch achten wir Alle ihn von Herzen , haben ihn sehr lieb , und es tut mir leid , daß Du dich nicht in seine Eigenheiten schicken kannst . " " Können ? mein Gott ! können würde ich es schon -- aber ich will es gar nicht . " " Das ist es eben , was mich betrübt , mein Kind ! -- Dies ewige ich will und ich will nicht , dies Unfügsame in Deinem Wesen , das ist es , was mich über Dich besorgt macht . Als Du geboren wurdest , und ich Dich auf meinem Schoße heranwachsen sah , habe ich oft zu Gott gebetet , er möge alles Unheil von Dir abwenden . Bisher ist mein Gebet auf fast wunderbare Weise erhört worden , und doch sehe ich es mit Schmerz , daß wir Menschen Gott eigentlich um nichts bitten dürfen , weil wir nicht wissen , was uns frommt . " " So hättest Du mir also lieber Unglück wünschen sollen ? " -- fragte die Tochter lächelnd . " Zu Deinem wahren Heile wäre es vielleicht besser gewesen . Ich schloß von meinem Herzen auf das Deine , und darin irrte ich . In Dir ist der Charakter Deines Vaters , der feste , 2 * starke Sinn , und Eduard's Einfluß hat diese Charakter-Richtung in Dir noch mehr ausgebildet . Vom Glück verzogen , von uns Allen mit der nachgiebigsten Liebe behandelt , hast Du es nie gelernt , Dich in den Willen eines Anderen zu fügen ; was man an Dir als Eigensinn hätte tadeln sollen , das haben Vater und Bruder als Charakterfestigkeit gelobt , und ich begreife , daß Dir Joseph zuwider ist , weil er allein Dir entschieden und mit Nachdruck entgegentritt . Und doch weiß ich , daß er Dich mehr liebt , als Viele , die Dir schmeicheln . " Bei den Worten reichte die milde Frau der Tochter die Hand . Diese nahm sie , drückte einen Kuß darauf , und saß eine Weile schweigend bei ihrer Arbeit . Man sah es ihrem lieblichen Gesichte an , daß irgend ein Entschluß , ein Gedanke sie beschäftige -- auch legte sie plötzlich die Arbeit bei Seite , sah ganz ruhig die Mutter an und sagte mit einer Stimme , der man nicht das Geringste von der Bewegung anmerkte , die ihre Züge verrieten : " Mutter ! den Joseph heirate ich niemals . Niemals , Mutter ! -- Sage ihm das , und auch dem Vater . Ich weiß , daß Ihr es wünschet , daß Joseph es erwartet und mich nur erzieht , um eine gute Frau an mir zu haben ; die Mühe aber kann er sparen . Sieh " , fuhr sie fort , und ihre Fassung verlor sich mehr und mehr , sodaß sie zuletzt bitterlich weinte , " sieh , gute Mutter ! was Dein engelfrommes Beispiel , Deine Liebe , und Vater , und Eduard , die ich so anbete , nicht über mich vermochten , das kann Joseph , den ich gar nicht liebe , gewiß nicht von mir erlangen . Ich weiß , ich bin noch ein Kind , ich werde erst in einigen Wochen 17 Jahre , aber solch ein Kind bin ich nicht mehr , daß des Cousins rauhe , befehlende Art mich nicht verletzte . Andere haben mich auch getadelt , aber sie verlangen nicht das Unmögliche von mir . Dort die große , hohe Pappel im Garten biegt der Wind hin und her , und meinen kleinen , stacheligen Kaktus hat er gestern mitten durchgebrochen , weil er sich nicht beugen konnte . So ist mein Herz -- es mag Euch starr , rauh und häßlich erscheinen , aber es kann , so hoffe ich , schöne Blumen tragen , die Euch erfreuen . Man kann mein Herz brechen , aber es niemals zu schwächlichem Nachgeben , zu schwankender Gesinnung überreden -- und das schwöre ich Dir , lieber will ich sterben , als Joseph's Frau werden . " Laut schluchzend warf sie sich vor die Mutter nieder und barg das Gesicht in ihren Schoß . Erschreckt über so viel unerwartete Leidenschaftlichkeit schlang die besorgte Mutter die Arme um das geliebte Kind und versuchte auf alle Weise sie zu beruhigen . Sie versicherte Jenny , daß sie allerdings glaube , der Vater würde gern eine Verbindung seiner Tochter und Joseph's sehen ; doch sei es ihm nie in den Sinn gekom men , jemals ihrer Neigung Zwang anzutun . Sie solle selbst über ihre Zukunft entscheiden -- sie wisse ja , daß die Eltern keinen anderen Wunsch hätten , als das Glück ihrer Kinder -- aber Alles war vergeblich . Jenny konnte nicht zur Ruhe kommen , und die Mutter sah an der Leidenschaftlichkeit , die so plötzlich , so anscheinend grundlos hervorgebrochen war , daß wohl schon lange ein stilles Feuer in Jenny's Seele geglüht haben mochte ; aber wer dieses Feuer angefacht , das wußte sie nicht zu erraten . Sie konnte sich nicht erinnern , daß irgend einer der jungen Männer , die in ihr Haus eingeführt waren und Jenny auf jede Weise huldigten , einen besonderen Eindruck auf diese gemacht hätte . So saß sie sinnend da , während die Tochter noch ganz erhitzt und aufgeregt sich wieder an den Nähtisch gesetzt hatte , und emsiger als sonst mit einer Arbeit beschäftigt war , die gar nicht so großer Eile bedurfte ; doch wurde sie allmählich ruhiger dadurch , und hatte sich äußerlich schon ganz gesammelt , als man Dr. Steinheim meldete . Einen Augenblick schwankte die Mutter , der in dieser Stimmung jeder Besuch unwillkommen war , ob sie ihn annehmen solle , oder nicht , entschied sich aber für das Erstere , weil sie hoffte , Steinheim's Lebhaftigkeit werde Jenny auf angenehme Weise zerstreuen . So trat nach wenig Minuten ein junger Mann in das Zimmer , der von beiden Damen wie ein alter Bekannter behandelt wurde , und sich nach kurzer Begrüßung zu Madame Meier auf das Sofa setzte . Er konnte 27 - 28 Jahre alt sein , hatte eine große , kräftige Figur und einen vollblütigen , rotbraunen Teint . Sein krauses schwarzes Haar , die dunklen Augen und der starke bläuliche Bart konnten ebenso gut dem Südländer als dem Juden gehören , und machten , daß er von vielen Leuten für einen schönen Mann gehalten wurde , während Andere die kohlschwarzen Augen starr und unheimlich , die Schultern hoch , den starken Hals zu kurz und Hände und Füße so groß fanden , daß dieses Alles ihm jeden Anspruch auf Schönheit unmöglich mache . Er selbst schien aber gar nicht dieser Meinung zu sein , das bewies die sehr studierte Toilette , der aber bei gesuchter Eleganz jeder Geschmack abging . Er trug an jenem Morgen einen kurzen dunkelgrünen Überrock , zu dem eine ebenfalls grüne Atlasweste und mehr noch ein dunkelroter türkischer Schal sonderbar abstach , den er unter der Weste kreuzweise über die Brust gelegt und mit einer großen Brillantnadel zusammengesteckt hatte . Handschuhe , Stiefel und Frisur waren nach der modernsten Weise gewählt , aber all das stand ihm , als ob er es eben wie eine Verkleidung angelegt hätte . Es war für den feinen Beobachter etwas Unharmonisches in der ganzen Erscheinung , das störend auffallen konnte . 2** " Ich bitte tausendmal um Vergebung " , sagte er , " daß ich in diesem Kostüm vor Ihnen erscheine , -- aber ich bin so durchweg erkältet , meine Nerven sind so abgespannt -- und dann mein Wunsch , Sie zu sehen , war so groß -- und ich dachte , die Damen entschuldigen mich wohl -- es ist allerdings eine Verwegenheit -- aber ich kann nicht lange prüfen oder wählen -- bedürft Ihr meiner zu bestimmter Tat , dann ruft den Tell ! -- Es soll an mir nicht fehlen . " " Mein Gott ! Herr Doktor ! geht es so bergab mit Ihnen , daß Sie von dem göttlichen Shakespeare , dem erhabenen Calderon und dem heiligen Schmerzenssohne unserer Zeit , dem unvergleichlichen Byron , schon zu unserem armen Schiller zurückkehren müssen ? Sie haben also in den letzten Tagen wohl gar zu viele Zitate verbraucht ? " -- fragte Jenny spottend , " und -- " Jenny ! " rief die Mutter mit mißbilligen dem Tone . -- Aber Steinheim ließ sich nicht stören , er ging zu Jenny und sprach : " Mit Ihnen , Herzogin , habe ich des Streits auf immer mich begeben " , und Sie werden auch nicht mehr streiten wollen , meine schöne kleine Freundin ! wenn ich Ihnen sage , daß ich als der Verkünder sehr interessanter Nachrichten komme . Erstens ist Erlau entzückt über den Vorschlag Ihrer Frau Mutter , hier am Silvesterabend Tableaux darzustellen , zweitens -- nun raten Sie -- hat man heute Herrn Salomon , einen jüdischen Kaufmann , zu einem städtischen Amte erwählt . " " Das Letztere ist mir ungemein gleichgültig " , rief Jenny , " aber für die erste Nachricht bin ich Ihnen sehr dankbar , und sie macht mir großes Vergnügen . Weiß es Eduard schon ? " -- " Was denn ? " " Daß der Kaufmann Salomon gewählt ist ? " -- fragte Jenny . " Also sehen Sie , sehen Sie , es ist Ihnen doch nicht so gleichgültig , als Sie behaupten , und wie könnte es auch . Wen sollte es nicht freuen , wenn alte barbarische Vorurteile allmählich vor der gesunden Vernunft und der Gerechtigkeit weichen müssen ; wenn ein Volk , das Jahrhunderte hindurch mit Füßen getreten wurde , endlich allmählich die Rechte erlangt , an die es dieselben Ansprüche hat , als die anderen Bürger des Staates , wenn .... à propos ! was ist gestern bei Horns vorgefallen , man ließ ja Eduard noch so spät holen ? " sagte Steinheim , der oft von dem Hundertsten , wie man sagt , auf das Tausendste kam . -- " Ich höre , die Clara Horn hat den Fuß gebrochen ; Erlau sagte es mir , der mich , das fällt mir eben ein , bei der Giovanolla erwartet ! Wie hat sie Ihnen gestern gefallen , die Giovanolla ? Sie gehen doch morgen wieder hin ? " -- Das Alles fragte er so durcheinander , daß es nicht möglich war , irgend eine der Fragen zu beantworten ; dann wandte er sich , Abschied nehmend , an Madame Meier , riet Jenny nochmals , das Theater nicht zu versäumen , und empfahl sich mit den Worten : " So süß ist Trennungswehe , ich sagte wohl Adieu , bis ich den Morgen sähe . " Mutter und Tochter sahen ihm lächelnd nach . Die Familie Meier galt bei Allen , die sie kannten , für eine der glücklichsten . Der Vater hatte ein hübsches Vermögen , das er von seinen Eltern ererbt , durch Tätigkeit und kluge Berechnung in einen unermeßlichen Reichtum verwandelt , dessen er bei großer Bildung auf würdige Weise zu genießen wußte , und von dem er dem Dürftigen gern und reichlich mitteilte . Aus Neigung hatte er sich früh mit seiner Frau , einem schönen und guten Mädchen , verheiratet , die ihm mit immer gleicher Liebe zur Seite gestanden , und ihm zwei Kinder , Eduard und Jenny , geboren hatte . In seiner Frau , und mit ihr , in diesen beiden Kindern hatte Meier Trost und Ersatz gefunden , wenn Welt und Menschen ihren Haß und ihre Unduldsamkeit gegen den Juden bewiesen , wenn man ihn ausgeschlossen hatte von Gemeinschaften , ihm Rechte verweigerte , die jeder Mann von Ehre fordern darf . Die Tätigkeit , Wirksamkeit und Liebe , denen einer großen Gesamtheit zu nutzen nicht vergönnt war , wurden lange Zeit hindurch Eduard's alleiniger Segen , da er mehr als zehn Jahre älter als Jenny war . Man wundert sich oft , daß die Juden noch immer die Geburt eines Messias erwarten und die göttliche Sendung Jesu weder anerkennen noch begreifen . Aber von ihrem Standpunkte aus muß das ganz natürlich scheinen . Wie sollten sie an eine Lehre glauben , deren miß verstandene Grundsätze ihnen bis auf den heutigen Tag die blutigsten , widersinnigsten Verfolgungen zugezogen ? wie an einen Erlöser , der sie bis jetzt nicht von Schmach und Unterdrückung erlöset hat ? Er muß ihnen wie ein geistiger Eroberer erscheinen , der seinen Untertanen nur dann Frieden und Ruhe gönnt , wenn sie ihr tiefstes Denken und Fühlen , ihren uralten Glauben den neuen Gesetzen unterwerfen . Daß diese Gesetze weise , daß sie der Ausfluß höchster Güte sind , kommt dabei gar nicht in Betracht , es genügt vollkommen , Liebe und Recht zu befehlen , um ihre Ausübung zur Marter zu machen ; und von der Liebe , die Jesus der Menschheit gepredigt , haben die Juden bei den Christen seit jener Zeit wenig zu bemerken Gelegenheit gehabt . Sie haben in der Tat noch keinen Messias gefunden ; welch ein Wunder also , wenn sie ihn um so sehnlicher erwarten , je mehr sie der Befreiung und Erlösung sich wert fühlen ; wenn jeder Vater bei der Geburt eines Sohnes freudig hofft , dies könne der Erlöser seines Volkes werden , und wenn er den Knaben so erziehen möchte , daß der Mann reif werde für den großen Zweck . So war auch Eduard's Erziehung in jeder Beziehung sorgfältig geleitet worden . Sie sollte ihn zu einem Menschen machen , der in sich Ersatz für die Entbehrungen finden könnte , welche das Leben ihm auferlegen würde , und sollte ihn andererseits fähig machen , alle Verhältnisse zu besiegen , und sich wo möglich eine Stellung zu verschaffen , die ihn der Entbehrungen überheben und alle Vorurteile besiegen könne . Glücklicherweise kamen Eduard's glänzende Fähigkeiten dem Wünsche seiner Eltern entgegen . Eine unglaubliche Fassungsgabe und Regsamkeit des Geistes machten , daß er die meisten seiner Mitschüler überflügelte , und erwarben ihm ebenso sehr die Gunst der Leh rer , als eine gewisse Herrschaft über seine Gefährten . Von Liebe und Wohlwollen überall umgeben , schien sein Charakter eine große Offenheit zu gewinnen , und er galt für einen fröhlichen , sorglosen Knaben , bis einst in der Schule der Sohn einer gräflichen Familie , mit dem er sich knabenhaft in Riesenplanen für die Zukunft verlor , bedauernd gegen ihn äußerte : " Ja , Meier , Dir hilft all Dein Lernen nichts , Du kannst ja doch nichts werden , weil Du nur ein Jude bist . " Von dieser Stunde ab war der Knabe wie verwandelt ; er erkundigte sich eifrig nach den Verhältnissen der Juden , er fühlte sich gedrückt und gekränkt , und nur sein angeborener Stolz verhinderte ihn , sich gedemütigt zu fühlen ; doch entwickelte sich durch das Nachdenken über diesen Gegenstand bei ihm sehr früh der Begriff von jenen Rechten des Menschen , die Alle in gleichem Grade geltend zu machen vermögen , das Bewußtsein inneren Wertes und ein Zorn gegen jede Art von Unterdrückung . Je älter er wurde , und je mehr er erkennen lernte , welche Vorzüge ihm schon bei seiner Geburt geworden , durch die Aussicht auf eine glänzende Unabhängigkeit ; je bestimmter er einsah , zu welchen Ansprüchen ihn seine Fähigkeiten einst berechtigen dürften , um so mehr empörte sich sein Herz gegen ein Vorurteil , das alle seine Hoffnungen unerbittlich vernichtete . In jene Zeit von Eduard's Kindheit fiel jene neue Judenverfolgung , die in unseren Tagen durch ganz Deutschland ging , und mit dem Feldgeschrei : " Hep ! heb ! " dessen Abstammung wohl Niemand begriffen hat , gegen ruhige Bürger den Krieg begann . Hatte der Jüngling früher in einzelnen Momenten dem Gedanken Raum gegeben , sich von dem Judentum loszusagen und Christ zu werden , so verschwand der Plan plötzlich bei dem Anblick der Rohheiten , die täglich selbst von sogenannten gebildeten Christen gegen seine Glaubensgenossen ausgeübt wurden . Er konnte sich nicht denken , daß das Recht und die Wahrheit sich auf einer Seite befänden , die so zu handeln im Stande war , und Verfolgung machte auch ihn , wie tausend Andere zu allen Zeiten , nur fester seinem Volke angehörig . Natürlich wurde die Stimmung des Volkes auch in der Schule sichtbar , die Eduard besuchte . Spott und Kränkungen mancher Art blieben nicht aus ; man hoffte , der feige Judenjunge werde Alles ruhig dulden . Darin hatte man sich aber geirrt . Eduard's Charakter war furchtlos , und er erlangte durch Übung bald eine Gewandtheit und Dreistigkeit , die Jeder zu erreichen vermag . Er lernte fechten , reiten , schwimmen , und nachdem er sich ein paarmal mit starker Hand selbst sein Recht verschafft hatte , fand er Ruhe , und endlich auch wieder seine frühere überlegene Stellung zu seinen Gefährten wieder . Doch hatte er sich in dieser Lage gewöhnt , sich in der Opposition zu empfinden , ein Gefühl , das ihn nie wieder verließ , weil er beständig in Verhältnissen lebte , die eine Opposition dringend hervorriefen . Da Eduard keine Neigung für den Kaufmannsstand hegte , beschlossen seine Eltern , ihn studieren zu lassen , wobei ihm freilich nur die Wahl blieb , Mediziner zu werden , oder nach beendigten Studien in irgend einem anderen Fache als Privatgelehrter zu leben , da ihm der Eintritt in eine Staatsstelle ebenso wie die Erlangung eines Lehrstuhles als Jude unmöglich war . Er entschied sich für das Erstere und verließ das Vaterhaus , um die Universität zu beziehen . Glücklicherweise herrschte damals auf der Hochschule noch jener freie akademische Geist , den man jetzt so gern verbannen möchte , weil er nur zu sehr geeignet ist , den Mann an die Kraft glauben zu machen , die in ihm selbst ruht . Auf Eduard äußerten diese neuen Verhältnisse den vorteilhaftesten Einfluß . Hier galt er selbst , sein eigenstes Wesen , ohne daß ihn Jemand fragte , wer bist Du ? und was glaubst Du ? Sein Geist , seine körperliche Gewandtheit erwarben ihm die Achtung seiner Kommilitonen , sein Fleiß das Wohlwollen der Lehrer , und die Bereitwilligkeit , mit der sein reichlich gefüllter Beutel Allen offen stand , die Sorglosigkeit und Genußfähigkeit , die er zu jedem Feste brachte , machten ihn bald zum Lieblinge der ganzen Burschenschaft , der er sich mit jugendlichem Enthusiasmus angeschlossen hatte . Die Idee der Freiheit und Sittlichkeit , die jenem Bunde ursprünglich zum Grunde lag , berührte die zartesten Seiten seiner Seele , und kam seiner ganzen Richtung entgegen . Er fühlte sich mächtig als Glied eines schönen Ganzen , das harmonisch aus den heterogensten Elementen zusammengesetzt war , frei in einem Verbande , in dem Alle gleiche Rechte genossen . Unter den ausgezeichnetsten Jünglingen in der Burschenschaft hatten sich viele an ihn angeschlossen , deren Freundschaft ihm wert war , vor Allen Reinhard , dessen Liebe er auf das Innigste erwiderte . Dieser war der Sohn einer armen Predigerwitwe , die einer reichen und vornehmen Familie Angehörte . Von seinen Verwandten unterstützt , hatte er die Schule besucht und kaum die Universität bezogen , als er erklärte , nun weiter keines Beistandes zu bedürfen , da er in sich die Kraft fühle , für seine Existenz selbst zu sorgen und hoffentlich auch seine Mutter ernähren zu können . Es hatte ihn seit Jahren schmerzlich gedrückt , von Anderen abhängig zu sein , es hatte ihn gedemütigt bis in das tiefste Herz , seine Mutter von den Wohltaten einer adelstolzen Familie leben zu sehen , welche ihr niemals die Heirat mit einem armen bürgerlichen Kandidaten vergeben wollte . Abhängigkeit irgend einer Art schien ihm die größte Schmach , weil sie ihm Kränkungen zugezogen , die er nie vergessen konnte , und nur zu leicht mußten er und Eduard sich verständigen , da Beide , wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen , sich in ihren edelsten Gefühlen gekränkt , in mancher Rücksicht von der Allgemeinheit ausgeschlossen empfunden hatten . Wenn Reinhard den halben Tag mit Unterrichten und dergleichen unerfreulichen Erwerbsmitteln zugebracht hatte , und mit unerschütterlichem Eifer seinen theologischen Studien nachgekommen war , erquickte ihn Abends der Frohsinn , der Geist und der Reichtum an Hoffnungen , mit dem Meier in die Zukunft sah . Im Anfang ihrer Bekanntschaft waren ihre religiösen Überzeugungen oft zwischen ihnen zur Sprache gekommen , und ein Gegenstand lebe Hafter Erörterungen geworden . Meier konnte es nicht begreifen , wie man an die Menschwerdung des Sohnes Gottes , an die Dreieinigkeit , an die wirkliche Anwesenheit Christi im Abendmahl zu glauben vermöge -- ein Glaube , den Reinhard mit tiefer Überzeugung heilig hielt , und den zu lehren und zu predigen sein sehnlichster Wunsch war . Er gehörte zu jenen poetischen Naturen , die sich Alles , was sie ergreifen , zu einer Religion gestalten , und bei denen der Glaube an die Wunder ein wahrhaftes Bedürfnis ist . Später aber war davon niemals die Rede , sie fühlten , daß der verschiedene Glaube Beide zu demselben Ziele leite , und ein äußeres Ereignis kam dazu , sie noch fester zu verbinden . Es war gegen die Zeit ihres Abganges von der Universität , als die Regierung es für nötig fand , eine Untersuchung gegen die Burschenschaft einzuleiten . Meier und Reinhard wur den nebst vielen Anderen verhaftet , längere Zeit mit Verhören und Untersuchungen geplagt und erst nach einem halben Jahre freigesprochen . Meier hatte diese Zeit gezwungener Zurückgezogenheit benutzt , sich für sein Doktorexamen vorzubereiten , das er in den ersten Tagen der wiedererlangten Freiheit machte , worauf er in seine Vaterstadt zurückkehrte , um dort seine Karriere zu beginnen . Zwar blieb er , wie es zu geschehen pflegte , noch immer unter der sorgsamen Aufsicht der höheren Polizei , aber das hinderte ihn nicht in der Ausübung seiner medizinischen Praxis , die er gleich mit dem glücklichsten Erfolge begann . Anfänglich waren es , wie gewöhnlich , nur die Armen , die seiner Hulfe begehrten , und sie bei ihm fanden , doch bald verbreitete sich das Gerücht von einigen glücklichen Kuren , von seiner Uneigennützigkeit und Menschenliebe : seine Praxis fing an , sich auch in den höheren Ständen auszudehnen , und I. 3 sein Los würde ein beneidenswertes gewesen sein , wenn nicht aufs Neue die alten Vorurteile gegen ihn geltend gemacht worden wären . Meier es sehnlichster Wunsch ging nämlich dahin , Vorsteher irgend einer bedeutenden klinischen Anstalt zu werden , um lehrend zu lernen und zu nützen . Auf eine solche Stelle an irgend einer Universität Deutschlands konnte er niemals rechnen ; so wurde es ihm wünschenswert , wenigstens die Leitung irgend einer Krankenanstalt zu erhalten , und als durch den Tod eines alten Arztes die Direktorstelle eines Stadtlazareths frei wurde , zögerte er nicht , sich darum zu bewerben , besonders da er eine günstige Meinung im Publikum für sich hatte . Die Vorstellungen der Armenvorsteher und mancher anderen Leute vermochten die betreffende Behörde , den jungen geachteten Arzt , dessen Kenntnisse ihn ebenso sehr zu dieser Stelle empfahlen , als seine strenge Rechtlichkeit und seine reinen Sitten , zum Direktor zu wählen und bei der Regierung um seine Bestätigung einzukommen . Meier war auf dem Gipfel des Glückes und in der Freude seines Herzens hatte er sich , nachdem er gewählt worden war , anheischig gemacht , auf das bedeutende Gehalt zu verzichten und es der Lazarethkasse zufließen zu lassen , der es nötiger sei als ihm . Einige Wochen waren in frohen Erwartungen hingeschwunden , er hatte die Glückwünsche seiner Freunde empfangen und dachte bereits daran , seine Wohnung im elterlichen Hause mit der neuen Amtswohnung zu vertauschen , als der Bescheid der Regierung anlangte , welcher statt der erwarteten Bestätigung die Aufforderung enthielt , Meier möge zum Christentum übertreten , da es ganz gegen die Ansichten der Regierung sei , einem Juden irgend eine Stelle anzuvertrauen . Vergebens 3 * waren seine Vorstellungen , wie der Glaube bei einer solchen Anstellung gar kein Hindernis sein könne , wie diese Zurückweisung in den Gesetzen des Staates nirgends begründet sei -- die Regierung blieb bei ihrem Beschlusse , man nannte Meier einen unruhigen Kopf ; seine Neider , an denen es dem Talentvollen , Glücklichen nie fehlt , lachten über die jüdische Arroganz , die sich zu Würden dränge , für die sie nicht berufen sei , und vergaßen , daß die Behörden selbst den verspotteten Gegner durch ihre Wahl für den Würdigsten erklärt hatten . Auf das Empfindlichste gekränkt hatte Meier schon damals sein Vaterland verlassen wollen ; doch die angeborene Liebe zu demselben und der Gedanke an seine Eltern hielten ihn davon zurück . Er blieb , und obgleich er das Unrecht , das ihm geschehen , niemals vergessen oder es verschmerzen konnte , das schöne Feld für seine Tätigkeit verloren zu haben , mußte ihn die Anerkennung , die er fast überall fand , der ausgezeichnete Ruf , den er erwarb , schadlos halten für die Zertrümmerung seiner schönsten Hoffnungen . Bei seiner Rückkehr von der Universität hatte er Jenny als ein liebliches Kind von 11 Jahren wiedergefunden , das sich mit leidenschaftlicher Innigkeit an ihn hing , und für das er eine Zärtlichkeit fühlte , die ebenso viel von der Liebe eines Vaters als eines Bruders besaß . Die Eltern hatten die Kleine niemals aus den Augen verloren , und jeder Wunsch des Nachgeborenen Lieblings war mit zärtlicher Zuvorkommenheit und Schwäche erfüllt worden , ehe das Kind ihn noch ausgesprochen hatte . Eduard war überrascht durch den Verstand und den schlagenden Witz des Kindes , er sah , daß ein lebhaftes , leidenschaftliches Mädchen aus demselben werden müsse , konnte sich es aber nicht verbergen , daß die übergroße Liebe seiner Eltern in Jenny eine Herrschsucht , einen Eigensinn entstehen gemacht hatten , dem bis jetzt keine Schranke gesetzt worden war , als durch seinen Vetter Joseph , der im Meierschen Hause lebend , die Kleine mit seiner ernsten , rauhen Art tadelte und zurechtwies . Dafür konnte Jenny den Cousin schon damals nicht leiden , und klagte dem Bruder unter vielen Tränen , wie garstig Joseph sei , wie er ihr Alles zum Trotze täte , und wie sie hoffe , in Eduard einen Beschützer gegen den bösen Cousin zu finden . Der junge Mann begriff bald , daß bei Jenny mit Strenge nichts auszurichten sei und machte sich in der ersten Zeit seiner Anwesenheit selbst zu ihrem Lehrer und Erzieher . Sie begriff spielend , ja es schien oft , als läge das Verständnis aller Dinge in ihr , und man dürfe sie nur daran erinnern , um klar und deutlich in ihr Kenntnisse hervorzurufen , die man ihr erst mitzuteilen wünschte . Ebenso wahr und offen als Eduard , war sie diesem von Tag zu Tag mehr ans Herz gewachsen , ihre kindliche , sich immer glänzender entfaltende Schönheit entzückte ihn , und obgleich er gegen die Eltern oft beklagte , daß sich in Jenny zu viel Stolz und eine fast unweibliche Energie zeige , auch Joseph zugestehen mußte , daß sich bei ihr die Eigenschaften des Geistes nur zu früh , die des Herzens aber scheinbar gar nicht entwickelten , so war sie doch sein Abgott , als er nach zwei Jahren den Unterricht derselben aufgeben mußte , weil seine zunehmende Praxis ihm keine Zeit dazu übrig ließ . Eduard drang nun darauf , man möge seine Schwester einer Privatschule anvertrauen , die von den Töchtern der angesehensten Familien besucht wurde , weil er hoffte , der Umgang und das Zusammenleben mit Mädchen ihres Alters werde bei Jenny die Härten und Ecken , die ihr Charakter zu bekommen schien , am leichtesten vertilgen . Die Eltern folgten seinem Rate und die neuen Verhältnisse machten in vielen Beziehungen einen günstigen Eindruck auf Jenny . Sie gewöhnte sich , ihrem Witze nicht so zügellos den Lauf zu lassen , als in dem elterlichen Hause , wo man ihre beißendsten Einfälle nur lachend getadelt hatte ; sie lernte es , sich in den Willen ihrer Mitschülerinnen zu fügen , dem Lehrer zu gehorchen , aber sie fing auch an , sich ihrer Fähigkeiten bewußt zu werden , die sie in die erste Klasse gebracht , in der alle Mädchen um ein paar Jahre älter waren als sie . Von einem Umgange , wie Eduard ihn für sie gehofft , war indessen nicht die Rede . Die halberwachsenen Mädchen dieser ersten Klasse konnten sich größtenteils mit dem bedeutend jüngern Kinde weder unterhalten , noch befreunden , das ihnen obenein von den Lehrern mitunter vorgezogen wurde . Andere , denen Jenny's lebe hafte treuherziges Wesen behagte , und die gern mit ihr zusammen waren , konnten von ihren Eltern nicht die Erlaubnis erhalten , die Tochter einer jüdischen Familie einzuladen oder zu besuchen . Zu diesen Letzteren gehörte Clara Horn . Ein Jahr älter als Jenny hatte sie dieselbe unter ihre Vormundschaft genommen , ihr geraten und geholfen , wenn das verzogene Mädchen sich in den strengen Schulzwang nicht zu finden wußte , und dadurch ihr volles Vertrauen erworben . Ihr erzählte sie in den Zwischenstunden von ihren Eltern , von ihrem geliebten Eduard , von allen ihren Freuden , und flößte damit ihrer Beschützerin eine Vorliebe für die ganze Meiersche Familie ein . Wenn nun Clara nach solcher Mitteilung ihre kleine Freundin glücklich pries , und sie um die Eintracht ihrer Eltern und die Liebe ihres Bruders beneidete , da sie Beides entbehrte , wenn Jenny sie dringend bat , zu ihr zu kommen 3** und das Alles mit ihr zu genießen , hatte Clara immer verlegen geantwortet , sie dürfe das nicht . Endlich hatte Jenny sie einmal beschworen , ihr den Grund zu sagen , warum sie nicht zu ihr kommen könne . Da erklärte Clara mit Tränen , sie dürfe nicht , weil Jenny's Eltern Juden wären und ihre Eltern diesen Umgang niemals erlauben würden . Jenny wurde glühend rot , sprach aber kein Wort , und gab nur schweigend der weinenden Clara die Hand . Die nächsten Stunden saß sie so zerstreut da , daß weder Lehrer noch Mitschüler sie erkannten . Sie dachte über Clara's Worte nach , und es wurde ihr klar , wie sie allein und einsam in der Schule sei . Es fiel ihr ein , daß Niemand , auch von den ihr befreundeten Mädchen sie einlade , oder ihre Einladungen annähme , außer bei solchen Gelegenheiten , wo man die ganze Klasse einlud , und sie , ohne es zu auffallend zu machen , nicht zurücklassen konnte . Sie erinnerte sich der ewigen Frage , bei wem sie eingesegnet werden würde , und des Lächelns , wenn sie den Namen des jüdischen Predigers nannte . Es schien ihr unerträglich , künftig in diesem Kreise zu leben , und als sie nach Hause kam , warf sie sich weinend den Eltern in die Arme , flehentlich bittend , man möge sie aus der Schule fortnehmen . Alle Tränen , die sie in der Schule standhaft unterdrückt hatte , brachen nun gewaltsam hervor . Eduard kam dazu , und bei der Schilderung , die sie von ihrer Zurücksetzung und Ausgeschlossenheit machte , deren sie sich jetzt plötzlich bewußt geworden war , fühlten ihre Eltern und ihr Bruder nur zu lebhaft , daß sie auch dies geliebte Kind nicht gegen die Vorurteile der Welt zu schützen , ihr nicht die Leiden zu ersparen vermochten , die sie selbst empfunden hatten und nun wieder mit ihr empfanden . Jenny länger in der Anstalt zu lassen , fiel Niemand ein , weil man das bei ihrem Charakter fast für untunlich hielt und mit Recht fürchtete , daß ihre Fehler , die man zu bekämpfen wünschte , dort unter diesen Verhältnissen nur wachsen könnten . Man gab also den Besuch der Schule auf und Jenny sollte wieder zu Hause unterrichtet werden , wobei man aber die Änderung machte , daß man ihr Therese Walter , die Tochter einer armen Beamtenwitwe , zur Gefährtin gab , die in der Nachbarschaft wohnte und mit der sie von früh auf bekannt gewesen . Bis dahin war diese Therese unserer Jenny sehr gleichgültig gewesen . Jetzt , getrennt von der Schule , in welcher Umgang mit Mädchen ihr zum Bedürfnis geworden , mußte Therese ihr Ersatz für diese Entbehrung , ja ihr einziger Trost werden . Es bildete sich dadurch allmählich eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen , die sich sonst wohl niemals besonders nahe getreten wären , da Theresens mittelmäßige Anlagen , ihr ruhiges , demütiges und weiblich liebenswürdiges Wesen zu Jenny's ganzer Art durchaus nicht paßte und sie derselben unterordnete , was aber gewiß dazu beitrug , das Verhältnis zu befestigen . Als es nun nötig wurde , einen Lehrer für die beiden , jetzt fast 15jährigen Mädchen zu wählen , schlug Eduard vor , Reinhard dazu zu wählen , der in sehr beschränkten Verhältnissen noch immer in jener Universitätsstadt lebte . Seine Bemühungen , nach gemachtem Examen eine Pfarre zu bekommen , waren an dem Einwande gescheitert , den man gegen ihn wegen seiner burschenschaftlichen Verbindungen machte . Ein paar Jahre war er Hauslehrer gewesen , hatte das Engagement aber aufgegeben , weil sein Gehalt zwar für seine Bedürfnisse hinreichte , jedoch nicht groß genug war , seiner Mutter die Unterstützung zu gewähren , deren sie bedurfte . Seitdem war er rastlos bemiht gewesen , durch Stundengeben und literarische Tätigkeit für sich und seine Mutter zu sorgen . Von Eduard irgend welchen Beistand anzunehmen , war er nie zu bewegen , und mit der größten Vorsicht mußte jener ihm den Vorschlag machen , nach dessen Vaterstadt zu kommen und den Unterricht der beiden Mädchen unter den vorteilhaften Bedingungen , die der Bankier Meier ihm stellte , zu übernehmen . Eduard's Plan gelang . Er sah seinen Reinhard nach mehrjähriger Abwesenheit wieder , und fand in ihm mit großer Freude den alten treuen Freund , den er verlassen hatte ; doch war er im Denken und Fühlen auf manche Weise verändert . Ein düsterer Ernst hatte sich seiner bemächtigt . Armut hatte ihn stolz , mißtrauisch und reizbar gemacht , und dadurch gewissermaßen die hohe Reinheit seines Charakters befleckt . Im höchsten Grade streng gegen sich selbst , wahr gegen seine Freunde , glühte er dennoch ganz wie früher für Recht , Freiheit und Ehre , und hing mit dem alten schwärmerischen Glauben dem Christentum an , das ihm der Urquell der Wahrheit und Liebe war . Der günstige Erfolg , den sein Unterricht im Meierschen Hause hatte , verschaffte ihm bald so viel Stunden , daß er den Aufforderungen , die in dieser Beziehung an ihn gemacht wurden , kaum genügen konnte , während sie ihm eine sorgenfreie Existenz bereiteten , da der Unterricht in der reichen Handelsstadt ganz anders als in dem kleinen Universitätsstädtchen bezahlt wurde . Er konnte seine Mutter zu sich nehmen , mit der er seine kleine freundliche Wohnung teilte , und die bald in vielen Familien , besonders aber im Meierschen Hause ebenso geachtet und geliebt wurde , als Reinhard selbst . -- Sein Verhältnis zu Eduard blieb unverändert , und er wurde diesem noch mehr ergeben , da er ihm die glückliche Änderung seiner Lage zuschreiben mußte . Auf Jenny hatte der neue Lehrer einen eigentümlichen Eindruck gemacht . Weil Eduard ihn so hoch hielt , hatte sie im Voraus die günstigste Meinung für ihn gefaßt , und als nun Reinhard in ihrem elterlichen Hause vorgestellt wurde , imponierte ihr sein Äußeres und sein ganzes Wesen auf ungewohnte Weise . Weit über die gewöhnliche Größe , schlank und doch sehr kräftig gebaut , hatte er eine jener Gestalten , unter denen man sich die Ritter der deutschen Vorzeit zu denken pflegte . Hellbraunes , sehr weiches Haar , und große blaue Augen , bei geraden regelmäßigen Zügen , machten das Bild des Deutschen vollkommen , und ein Ausdruck von melancholischem Nachdenken gab ihm in Jenny's Augen noch höhere Schönheit . Er bewegte sich ungezwungen , sprach mit einer ruhigen Würde , für die er fast zu jung schien , doch ließ sich eine große Abgeschlossenheit , eine sichtbare Zurückgezogenheit nicht verkennen , die er selbst der Freundlichkeit entgegensetzte , mit der man ihn im Meierschen Hause empfing . Therese und Jenny , welche man ihm als seine künftigen Schülerinnen vorstellte , behandelte er mit einer Art Herablassung , die Therese nicht bemerkte , von der aber Jenny bereits durch die Huldigungen Steinheim's und Erlau's verwöhnt , sich so verletzt fühlte , daß sie ganz gegen ihre sonstige Weise sich scheu zurückzog und weder durch Reinhard's Fragen , noch durch Eduard's und der Eltern Zureden in das Gespräch und aus ihrer Befangenheit gebracht werden konnte . Nach einigen Tagen begann der Unterricht und beide Teile waren sehr mit einander zufrieden . Reinhard fühlte sich durch die ursprüngliche Frische in Jenny's Geist auf das Angenehmste überrascht , und die ruhige stille Aufmerksamkeit Theresens machte ihm Freude . Was jene plötzlich und schnell erfaßte , mußte diese sich erst sorgsam zurechtlegen und klar machen , dann aber blieb es ihr ein liebes mühsam erworbenes Gut , dessen sie sich innig freute , während Jenny des neuen Besitzes nicht mehr achtete , wenn er ihr Eigentum geworden , und immer eifriger nach neuen Kenntnissen strebte . Diese unruhige Eile machte , daß sie sich ihres geistigen Reichtums kaum bewußt wurde und sich und Andere damit in Verwunderung setzte , wenn sie gelegentlich veranlaßt wurde , ihn geltend zu machen . Für Reinhard war der Unterricht doppelt anziehend . Er hatte wenig in Gesellschaften gelebt , wenig mit Frauen verkehrt und ihr eigentümliches Gemütsleben , die ganze innere Welt desselben , war ihm fremd . Mit erhöhter Begeisterung las er die deutschen Klassiker mit den Mädchen , wenn er Jenny , hingerissen durch die Schönheit der Dichtung , erbleichen und ihr Auge in Tränen schwimmen sah . So hatte er ihnen einst das erhabene Gespräch zwischen Faust und Gretchen vorgetragen , das mit den Worten beginnt : " Versprich mir , Heinrich ! " und das schönste Glaubensbekenntnis eines hohen Geistes enthält . Reinhard selbst war lebhaft ergriffen , und als Jenny bei den Versen : " Ich habe keinen Namen dafür ! Gefühl ist Alles . Name ist Schall und Rauch , umnebelnd Himmelsglut ! " weinend vor Wonne dem Lehrer beide Hände wie dankend entgegenhielt , hatte er sie schnell und warm in die seinen geschlossen , obgleich er es einen Augenblick später schon bereute . In Folge dieser Stunde und eines dadurch entspringenden Gesprächs war Reinhard zu der Erkenntnis gekommen , daß Jenny , obgleich tief durchdrungen von dem Gefühl für Schönheit und Recht und von dem zartesten Gewissen , dennoch in seinem Sinne aller religiösen Begriffe entbehrte . Ihre Familie hatte sich von den jüdischen Ritualgesetzen losgesagt ; Jenny hatte daher von frühester Kindheit an sich gewöhnt , ebenso die Dogmen des Juden- als des Christentums bezweifeln und verwerfen zu sehen , und es war ihr nie eingefallen , daß es Naturen geben könne , denen der Glaube an eine positive offenbarte Religion Stütze und Bedürfnis sei . Ja , sie hatte ihn , wo ihr derselbe erschienen war , mitleidig wie eine geistige Schwäche betrachtet . Um so mehr mußte es sie befremden , daß Reinhard , vor dessen Geist und Charakter ihr Bruder so viel Verehrung hatte , daß ihr Lehrer , der ihr sehr wert und interessant geworden , einen Glauben für den Mittelpunkt der Bildung hielt , den sie wie ein leeres Märchen , eine verhüllende Allegorie zu betrachten gelernt hatte . Reinhard behauptete geradezu , daß ein weibliches Gemüt ohne festes Halten an Religion weder glücklich zu sein , noch glücklich zu machen vermöge . Absichtlich führte er deshalb die Unterhaltung mit seinen Schülerinnen häufig auf christlich-religiöse Gegenstände , sodaß in seinem Unterricht Religion und Poesie Hand in Hand gingen , wodurch den Lehren des Christentums ein leichter und triumphierender Einzug in Jenny's Seele bereitet wurde . Ihr und Reinhard unbewußt war aber mit dem neuen Glauben nur zu bald eine leidenschaftliche Liebe für den Lehrer desselben in ihrem Herzen entstanden , für den begeisterten jungen Mann , der ihr der Apostel alles Wahren und Schönen geworden . Aus Liebe zu ihm zwang sie sich , die Zweifel zu unterdrücken , die immer wieder in ihrem Geiste gegen positive Religionen aufstiegen , und sich nur an die Moral und Poesie zu halten , die uns so wunderrein und wahr in dem Christentum geboten werden . Reinhard hatte keinen Augenblick daran gedacht , seinem Glauben eine Proselytin zu gewinnen , diese Schwäche lag ihm fern , und er ließ jeden Glauben gelten , weil er Geltung für den seinen verlangte . Nur einem dringenden Mangel in dem Herzen seiner Schülerin hatte er abhelfen wollen ; er war überzeugt , daß der Glaube in Jenny den geistigen Hochmut zerstören , ihr Wesen milder machen müsse , und war sehr erfreut , wirklich diese Resultate zu erblicken , ohne zu ahnen , daß ihre weichere Stimmung , die er für das Werk der Religion gehalten , eine Folge ihrer Liebe zu ihm sei . Jenny fühlte das Bedürfnis , an einen Gott zu glauben , der das Gute jenseits lohne , weil ihr kein Erdenglück für Reinhard ansreichend schien ; sie wurde demütiger , aber nicht im Hinblick auf Gott , sondern vor dem Geliebten , und der Gedanke , ihre Liebe könne jemals ein Ende finden , oder durch den Tod aufhören , machte sie so unglücklich , daß ihr die Hoffnung auf Unsterb lichkeit und ein ewiges Leben wie der einzige Trost dagegen erscheinen mußte . Den Eltern und Eduard blieb die vorteilhafte Veränderung in Jenny's Wesen nicht verborgen , und wenn Eduard , was häufig geschah , mit Reinhard über die Schwester sprach , so verfehlte er nicht , es dankend anzuerkennen , wie wohltuend Reinhard's Unterricht und namentlich die religiöse Richtung , die er ihr gebe , auf dieselbe wirke . Nur Joseph schien der Meinung nicht zu sein . " Er wird eine schlechte Christin aus ihr machen " , äußerte er gelegentlich , verweigerte es aber , sich näher darüber zu erklären , weil er ein Geheimnis nicht verraten wollte , das ihm seine sorgsam wachende Liebe allein entdeckt hatte . So war Jenny in das sechzehnte Jahr getreten . Ihr Äußeres hatte sich zu seltener Schönheit entwickelt , ihre Liebe zu Reinhard war von Tag zu Tag gewachsen , und es konnte nicht fehlen , daß ihre ganze Persönlichkeit , verbunden mit der tiefen , fast anbetenden Hingebung , die sie dem jungen Lehrer in den Stunden bewies , einen Eindruck auf ihn machen mußten , gegen den er vergebens mit allen Waffen der Vernunft kämpfte . Welche Hoffnungen konnte er für die Neigung hegen , die er für Jenny zu fühlen begann ? Selbst wenn die Eltern in eine Heirat willigten , würde er es wagen , das reiche , verwöhnte Mädchen in sein armes Haus zu führen ? -- So eigensüchtig durfte er nicht sein , und von den Unterstützungen ihres Vaters zu leben , zu wissen , daß seine Frau ihre behaglichen Verhältnisse nicht ihm allein verdanke , der Gedanke schien ihm , nach den Erfahrungen seiner Jugend , fast unerträglich , so herzlich er Jenny's Vater auch achtete . -- Nach jeder Stunde nahm er sich vor , den Unterricht unter irgend einem Vorwande zu beendigen , um eine Liebe nicht tiefer in sich Wurzel fassen zu lassen , die kein Erfolg krönen konnte , und die einmal aufgegangen , blitzesschnell und allmächtig emporwuchs . Auf Gegenliebe zu hoffen hatte er nicht gewagt , weil Jenny , aus Furcht sich zu verraten , sobald der Unterricht vorüber , und ihre Familie oder Fremde zugegen waren , plötzlich aus gänzlicher Hingebung in eine fremdtuende Kälte überging , und anscheinend für jeden Anderen mehr Interesse zeigte , als für Reinhard . Dieser blieb dann an Theresens Seite und strebte in ruhigem Gespräch mit ihr , seine qualvolle Aufregung zu verbergen . Besonders war es Erlau , welcher Reinhard's Eifersucht rege machte . Dieser bewunderte mit echtem Künstlerenthusiasmus die aufblühende Schönheit des Mädchens , und seine frohe , kecke Laune half Jenny oft über ihre Befangenheit und Verwirrung fort . Es tat ihr wohl , wenn Erlau sie ganz begeistert lobte ; sie freute sich , I. 4 wenn Reinhard es hörte , dessen scheinbare Gleichgültigkeit sie unglücklich machte , und während sie eifersüchtig auf Therese sich von dieser und Reinhard fern hielt , suchte sie Erlau geflissentlich auf , der sich ohnehin gern in ihrer Nähe befand . In solchen Stimmungen ließ sie sich von Steinheim bisweilen zu lebhaften Unterhaltungen hinreißen , in denen der Witz die Hauptrolle spielte , und die oft in eine Art von Neckereien und Scherzen übergingen , an denen Reinhard , seiner ganzen Natur nach , keinen Anteil zu nehmen vermochte . Jenny wußte das wohl , aber sie vermochte nicht , dem Geliebten die unangenehme Empfindung zu ersparen . Je teilnahmsloser und ferner er sich davon hielt , jemehr überzeugte sich Jenny , daß sie ihm ganz gleichgültig sei , und um so weniger sollte er eine Ahnung von ihrer Liebe erhalten . Nur vor Reinhard's Mutter löste sich die Stimmung des jungen Mädchens zu seltener Weichheit auf . So oft die Pfarrerin das Meiersche Haus besuchte , verließ Jenny augenblicklich die ganze übrige Gesellschaft , um sich ausschließend der milden Frau zu weihen . Jedes Wort , das diese sprach , war ihr wert ; stundenlang konnte sie ruhig und entzückt ihr zuhören , wenn sie von der Kindheit ihres Gustav erzählte , von den unzähligen Opfern , denen der Jüngling sich für sie unterzogen , von der immer gleichen Liebe , die der Mann ihr darbringe , und wie sie nichts sehnlicher wünsche , als den geliebten Sohn bald in Verhältnissen zu sehen , die es ihm möglich machten , an der Seite einer teuren Frau das Glück zu finden , das Gott ihm gewiß gewähren müsse . Jede solche Erzählung diente nur dazu , Jenny's Liebe lebhafter anzufachen ; und je deutlicher das Bewußtsein derselben in ihr wurde , 4 * je bestimmter der Wunsch in ihr hervortrat , Reinhard anzugehören , um so unerträglicher mußten ihr die Bewerbungen Joseph's scheinen , die von den Wünschen ihrer Eltern unterstützt wurden . Nach dieser Auseinandersetzung kann die Unterredung zwischen Madame Meier und Jenny , welche wir vorhin berichtet , und die durch Steinheim's Besuch beendet wurde , nicht mehr befremdlich scheinen , und wir können nun den Gang der Ereignisse ungestört weiter fortsetzen . An einem der nächsten Abende saßen Madame Meier , die Pfarrerin und Jenny in der Loge , welche Meiers für immer gemietet hatten , um den Figaro zu hören , in dem die Giovanolla heute zum ersten Male als Susanne auftrat . Der erste Akt war vorüber , als Eduard mit Joseph und Hughes in der Loge erschien , um den Letzteren seiner Familie vorzustellen , wie er von Eduard verlangt hatte . Nach den ersten Worten flüchtiger Begrüßung fing man von der Oper , der heutigen Aufführung , von der Sängerin , und endlich von dem Libretto des Figaro , und von Musik im Allgemeinen zu sprechen an . Eduard tadelte das abwechselnde Sprechen und Singen in den Opern . " Es muß Alles gesungen werden " , sagte er , " wenn es nicht einen sonderbaren Effekt machen soll , daß Jemand im Momente höchster Aufregung sich plötzlich in der Rede unterbricht , ruhig ein paar Minuten wartet , bis die Einleitungstakte vorüber sind , und dann in demselben Affekte zu singen anfängt . " -- " Du hast recht " , fiel Joseph ein , " erst Lehre aber unsere Sänger so deutlich singen , daß man sie verstehen kann ; denn in hundert Fällen sind es die eingeschalteten Reden allein , aus denen man einigermaßen entnimmt , warum die Leute auf der Bühne eigentlich agieren . " " Dabei werden diese Zwischengespräche auch so unverzeihlich leicht behandelt , daß man sie nur mit Widerwillen hört " , fügte Hughes hinzu . " Ich muß dabei an einen der ersten Tenoristen Deutschlands denken , den ich einst in einer Residenz Ihres Vaterlandes hörte , und der , als er den Fra Diavolo in ganz erträglichem Deutsch gesungen hatte , beim Sprechen in ein so reines Schwäbisch verfiel , daß es den possenhaftesten Eindruck machte . " " Mich dünkt " , wandte die Pfarrerin ein , " als sei in der Tat bei der Musik das Wort die Nebensache , da Instrumentalmusik und namentlich die Töne der Orgel denselben Eindruck auf das Gefühl zu machen vermögen , als der Gesang . " -- " Das möchte ich nicht behaupten " , meinte Joseph , " mich ennuyiert jedes Instrumental concert , und zu einer Kirchenmusik zu gehen , würde mich keine Macht der Welt bewegen . " " Weil Du kein Gefühl hast " , rief Jenny aus , immer bereit , die Ansicht der Pfarrerin zu teilen , und Joseph zu widersprechen , " weil Du ein kalter Verstandesmensch bist , und gar nicht die Gefühle und die Wonne anderer Leute kennst . " -- " Deine Gefühle und Deine Wonne , mein Kind , kenne ich vielleicht besser , als Du selbst ! " warf Joseph neckend hin , aber mit einem Blick und einem Tone , der nur für Jenny verständlich , diese in dunkler Röte erglühen ließ . Einen Augenblick schwieg sie bestürzt , nahm sich aber zusammen , und sagte zu Hughes : " Glauben Sie nicht auch , daß die Musik der Worte entbehren könne ? " " Insofern bestimmt , als man gewiß sang , ehe man daran dachte , den Gesang mit der Sprache zu verbinden . Mir scheint es aber , als ob Musik und Dichtung so nahe zu einander gehören , daß man kaum sagen darf , die Dichtung könne der Musik , oder diese der Dichtung entbehren . So vollkommen jede Kunst für sich allein zu bestehen und zu entzücken vermag , so gibt es doch gar viele Fälle , in denen erst beide zusammen sich ergänzend , zu dem vollendeten Ganzen werden , das uns begeistert . " -- " Ich will doch lieber den Tasso ohne Musik hören , als den Figaro ohne Worte " , lachte Joseph . " Was das nur wieder für ein Streit ist " , sagte Eduard , der bis dahin mit seiner Mutter gesprochen und an der Unterhaltung nicht Teil genommen hatte . " Wie oft hast Du , Joseph , mit großem Vergnügen der Aufführung der Ouvertüre gerade des Figaro zwei -- dreimal hintereinander zugehört . Merken Sie es sich aber , lieber Hughes ! daß meine Schwester und mein Cousin es sich zur heiligen Lebensregel gemacht haben , sich in Allem auf das Entschiedenteste zu widersprechen . " " Jenny fürchtet , wir könnten sonst Mangel an Unterhaltung haben , und der Stoff würde ihr ausgehen " , unterbrach ihn Joseph , " übrigens bin ich in der Tat nicht sehr empfänglich für Musik , obgleich ich sie recht gern habe . " " Du brauchst Dich dessen nicht zu rühmen " , flüsterte Jenny dem Cousin ins Ohr , als in dem Augenblick die Introduktion zum zweiten Akte begann . " Who is Not moved with rapture ohne sweet sounds , is fit for treason , stratagem and spoil , let him Not betrusted . " -- " Schön Dank , Jenny ! " -- mit den Worten verließ Joseph die Loge , während die Übrigen leise die Stühle zurecht rückten , um von dem Gesange der Sängerin nichts zu verlieren , die mit glockenreinem Tone das " heilige Quelle meiner Triebe " intonierte . Jenny bog 4** sich einen Moment über die Brüstung der Loge hinaus , um sich nach ihren Bekannten umzusehen , und ihr erster Blick fiel auf Reinhard , dessen Augen sehnsüchtig an ihr hingen . Seit der letzten Stunde , seit einigen Tagen hatte sie ihn nicht gesehen , der es schwer genug über sich gewonnen hatte , sie zu vermeiden . Sie mußte wenigstens von ihm hören , von ihm sprechen , darum hatte seine Mutter die Einladung zum Theater erhalten . Als Madame Meier und Jenny vor der Türe der Pfarrerin vorfuhren , hatte Jenny das Herz vor Freude bei dem Gedanken gebebt , nun werde Reinhard , wie er pflegte , die Mutter hinunter geleiten , -- aber er kam nicht . Nur das Dienstmädchen leuchtete vor , und der Meiersche Diener half der Matrone in den Wagen . Auf die Frage von Madame Meier , ob Herr Reinhard heute das Theater nicht auch besuche , hatte seine Mutter erwidert , ihr Sohn sei von dringenden Arbeiten so sehr in Anspruch genommen , daß er durchaus zu Hause bleiben müsse , und ihre Bitte , sich heute einmal Ruhe zu gönnen und den Figaro zu hören , entschieden abgelehnt hatte . Damit war Jenny jede Hoffnung für den heutigen Abend genommen ; sie hatte sich schwer genug in den Gedanken gefunden , und konnte nur kaum einen Schrei freudiger Überraschung zurückhalten , als sie den Geliebten plötzlich vor sich sah , als das Bewußtsein in ihr auftauchte , nur ihretwegen könne er gekommen sein , der so unverwandt zu ihr emporblickte . Und so war es in der Tat . Er hatte zu arbeiten versucht , aber das Bild der Geliebten war zwischen ihn und die Arbeit getreten . Er sah sie , in glänzender Toilette , die sie liebte , in der sie so wunderhübsch war . Er sah , wie das bleiche , feine Köpfchen , von langen dunklen Locken beschattet , alle Blicke auf sich zog . -- Es litt ihn nicht am Schreibtische . Unruhig schritt er im Zimmer umher ; er überlegte , daß Erlau , der Bewunderer der Giovanolla , und Steinheim gewiß im Theater wären , daß Erlau vermutlich jetzt in der Meierschen Loge neben Jenny sei . Was die Liebe allein nicht vermocht hatte , das errang die Eifersucht : er griff rasch nach Hut und Mantel , und war eine Viertelstunde später im Theater . Erleichtert atmete er auf , als er sie allein sah . Heute , nachdem er sie zwei Tage nicht gesehen , in denen er unaufhörlich an sie gedacht und die heißeste Sehnsucht empfunden hatte , heute schien sie ihm schöner und begehrenswerter , als je ! Aber Alles lag trennend zwischen ihm und ihr : -- Religion und Verhältnisse , und vor Allem ihre Kälte . Ja ! wenn er ihr mehr als ein geehrter Lehrer wäre , wenn sie ein anderes Interesse für ihn hätte , wenn sie ihn liebte ! Mit diesen Ge danken hingen seine Augen an ihr , als ihr Blick ihn traf , und das selige Entzücken in ihren Zügen , die glühende Röte , die ihr Gesicht urplötzlich überflog , gaben ihm eine Antwort , die ihn zum glücklichsten Sterblichen machte . Hunderte von Menschen waren jetzt zwischen ihm und der Geliebten , und das Geständnis , daß er im traulichsten tête à tête nie zu machen gewagt , jetzt war es seinem Herzen entschlüpft ; die Zuversicht zu Jenny's Liebe , auf die er bisher nie gehofft , jetzt vor hundert Zeugen war sie ihm geworden . Das ist das Geheimnis der Liebe , daß sie zwei Herzen verbindet zu Einem , und diese isoliert unter Tausenden ; daß das Gefühl der erwiderten Liebe nicht der Worte , kaum des Blickes bedarf , um sich deutlich zu machen . Es ist , als ob die Liebe wie ein flüchtiger Äther dem einen Herzen entströme , um das andere zu erfüllen und zu beleben . Aber nur das ge liebte , geöffnete Herz empfindet das Lebenswehen , das für ihn ausgeströmt wird . Die Übrigen berührt der Strom von Jenseits nicht , und sie atmen ruhig die kalte Erdenluft , ohne zu ahnen , wie schnell und leicht und überselig zwei Herzen in ihrer Nähe klopfen . Reinhard und Jenny waren allein mit einander , nur für sie allein sang die Gräfin , nur um ihren stillen Gefühlen Worte zu geben , und wie zum Schwure blickten sie sich ernst und heilig in die Augen , und wiederholten innerlich : " Laß mich sterben , Gott der Liebe , oder lindre meinen Schmerz . " Jenny , dem Kindesalter noch sehr nahe , wurde froh wie ein Kind , nachdem die Gewalt des ersten Eindruckes sich etwas vermindert hatte . Sie war glücklich in dem Bewußtsein , geliebt zu werden , sie hätte es dem ganzen Publikum zurufen mögen : " Gustav Reinhard ist meinetwegen in das Theater gekommen , er liebt mich " , und hatte doch nicht den Mut , seiner Mutter zu sagen , daß er da sei , und daß sie ihn sähe . Ihr ganzes Gesichtchen lächelte , als Cherubin kläglich fragte : " Sprecht , ist das Liebe , was hier so brennt ? " Reinhard wandte kein Auge von der Geliebten , und ein ganzer Frühling von Glück und Wonne blühte in seinem Herzen auf , als Jenny bei der wiederholten Frage : " Sprecht , ist es Liebe , was hier so brennt ? " ihn mutwillig ansah , und ganz unmerklich für jeden Anderen , ihm ein freundliches " Ja " mit den schönen Augen zunickte . Bald war das Finale des zweiten Aktes mit seinem rauschenden Prestissimo vorüber . Reinhard verließ seinen Platz , und eilte , in die Nähe seiner Jenny zu kommen . Es war ihm , als müsse er nun in Einem Worte alles Leiden und Hoffen der letzten Monate vor ihr enthüllen , als müsse er sie an seine Brust schließen und ihr danken für das Glück , das sie ihm in dieser Stunde gegeben . Er hätte das zarte Mädchen auf seinem Arm forttragen mögen , sich durchkämpfend durch eine Welt von Hindernissen , um das süße Kleinod ganz allein zu besitzen , um es an einen Ort zu bringen , wo kein begehrender Blick Diejenige träfe , die er heilig liebte , wie ein Kind seinen Schutzgeist liebt . Und als er die Tür der Loge geöffnet hatte , Jenny sich umwendete , und er das Rauschen ihres seidenen Kleides hörte , da wußte er kein Wort zu sagen , sprach einige gleichgültige Dinge mit Madame Meier , hörte , wie seine Mutter sich freute , daß er noch so spät gekommen , und setzte sich schweigend neben Jenny nieder . Diese fühlte das Peinliche ihrer Lage ; auch sie war befangener , als jemals , und brachte endlich stockend die Worte hervor : " Ich habe Herrn Reinhard schon beim Beginn des zweiten Aktes gesehen . " " Und warum sagtest Du das nicht gleich ? " fragte ihre Mutter . " Ich dachte , ich wußte nicht " , stotterte Jenny ganz verwirrt , bog sich zur Pfarrerin nieder , küßte ihr die Hand und bat , als ob sie ein Unrecht gut zu machen hätte , " ach , sein Sie nicht böse ! " Beide Frauen nahmen das lächelnd für eine von Jenny's Launen , und gaben nicht weiter auf sie Acht , als abermals der Vorhang emporrollte und das Duett zwischen Susanna und dem Grafen ertönte . Für Reinhard sang der Graf nicht vergebens : " So lange habe ich geschmachtet , ohne ' Hoffnung Dich geliebt " ; er fühlte dabei die Trostlosigkeit der verflossenen Tage aufs Neue , und Jenny konnte sie in dem beredten Ausdruck seines Auges lesen , ohne daß sie ein Wort mit einander zu sprechen brauchten . Sie fühlte mit Reinhard , als die Musik aufjubelte , bei der Stelle : " So atme ich denn in vollen Zügen der Liebe , der Liebe süßes Glück " , und Beide versanken mit dem frohen Gefühle seliger Gewißheit in jene Träumereien , die wohl Jeder von uns gefühlt hat , wenn ein großes , heißersehntes Glück endlich von uns erreicht worden ist . Die Oper war zu Ende , ehe das junge Paar es vermutete . Reinhard bot Madame Meier den Arm , während Jenny mit seiner Mutter ging . In der Vorhalle traf man Eduard mit Hughes und Erlau , und verabredete , daß er die beiden Herren zum Tee mitbringen solle , zu dem Madame Meier auch die Pfarrerin und Reinhard einlud . Der Letztere geleitete die Damen zu ihrem Wagen , stieg mit ihnen hinein , und als sie wenige Augenblicke darauf in das Portal des Meierschen Hauses einfuhren , als er Jenny die Hand zum Aussteigen bot , und diese kleine Hand in der seinen bebte , konnte er es sich nicht versagen , sie leise zu drücken und zu halten , während sie die ersten Stufen der Treppe hinaufstiegen . So hält man ein Vögelchen fest , das man eben gefangen , weil man sich des Besitzes bewußt werden will , weil man fürchtet , es könne uns entfliehen ; aber scheu und leicht , wie ein kleiner Vogel , machte Jenny ihre Hand frei , ging eilig die Treppe hinauf und in das Theezimmer , wohin Reinhard ihr folgte . Herr Meier brachte den Abend außer dem Hause zu ; die Damen setzten sich also gleich an den Teetisch , und wenig Augenblicke später erschienen die erwarteten Herren . " Nun , was sagen Sie heute zur Giovanolla ? " fragte Erlau , sobald er Platz genommen hatte . " Sie müssen gestehen , reizender , verführerischer kann man nicht sein . Ich hätte nie geglaubt , daß es möglich sei , bei so großartiger Schönheit diesen Eindruck Soubretten Hafter Koketterie zu machen , und sie hat sich heute in der Susanna als eine große Künstlerin gezeigt . " " Ich denke " , erwiderte Madame Meier , " so gar viel Kunst bedarf sie nicht , um sich so darzustellen , als sie ist . " " Im Gegenteil ! das ist ja die schwerste Aufgabe , sich selbst zu spielen ; aber diese hat sie nicht zu lösen gehabt , denn kokett ist die Giovanolla nicht . Wahrhaftig nicht ! " rief er , als die Anderen zu lachen anfingen . " Sie weiß , daß sie ein Ideal von Schönheit ist , und besitzt Großmut genug , sich den Augen der staunenden Mitwelt in all der Vollendung zeigen zu wollen , deren sie fähig ist . Ich mußte heute bei jeder ihrer Bewegungen meine Freude zurückhalten , um nicht fortwährend den Leuten zuzurufen , daß sie ein klassisches Modell vor Augen hätten . O ! ich habe im Geiste die wundervollsten Studien gemacht , und die Nachwelt soll sich noch am Bilde dieses Weibes erfreuen , wenn mein Talent mit meinem Willen gleichen Schritt hält . " " Während Du an die Nachwelt dachtest " , sagte Eduard , " überlegte ich , daß es wohl von der Mitwelt keine größere Torheit gibt , als die Jugend an solchen Darstellungen Teil nehmen zu lassen , in denen die Sitten einer frivolen , verderbten Vorzeit so anmutig und so einschmeichelnd dargestellt werden . " " Der Meinung bin ich auch " , bekräftigte Reinhard . " Ich will nicht leugnen , daß dieser Abend zu den schönsten meines Lebens gehört , so viel Freude hat er mir gebracht , und doch peinigte es mich , die Logen voll von jungen Damen zu sehen . " " Damit tadeln Sie mich , lieber Reinhard ! " unterbrach ihn Madame Meier . " Sie wollen mir sagen , was Eduard schon mitunter äußerte , daß wir Mütter in der Erziehung unserer Töchter nicht sorgfältig genug zu Werke gehen . Ich glaube aber , daß es dem reinen Sinn eines unverdorbenen Mädchens eigen ist , an einem schönen Bilde nur die Schönheit , und nicht gleich die Flecken und Fehler zu sehen , die es entstellen . Darum haben mein Mann und ich nie Bedenken getragen , unserer Tochter manches Buch in ihre Hände zu geben , sie an manchen Dingen Teil nehmen zu lassen , die man ihrem Alter sonst vorenthält . " " Gewiß ist das häusliche Beispiel und die innere Seelenbildung die Hauptsache bei weiblicher Erziehung " , sagte Hughes . " Sonst müßte ja in Frankreich , wo man die Mädchen bis zu ihrer Verheiratung in klösterlicher Einsamkeit hält , die Sitten besser sein , als bei uns in England und hier in Deutschland , wo man der Jugend viel größere Freiheit verstattet ; und gerade hier beweist doch die Erfahrung , daß die französische Zurückgezogenheit keine lobenswerten Resultate gibt . " " Weil in Frankreich der ganze Zustand der Gesellschaft ein verderbter , ein aufgelöster ist ; weil die Bande der Ehe locker geworden sind , und das Haus , die Familie aufgehört haben , der Centralpunkt zu sein , von dem Alles ausgeht . Was kann es nützen , ein Mädchen in den strengsten Grundsätzen zu erziehen , wenn der erste Schritt ins Leben ihr zeigt , daß weder ihre Eltern , noch ihr Gatte an diese Grundsätze glauben ; wenn sich das junge , liebebedürftige Herz verraten sieht , vielleicht um einer Tänzerin Willen , die nicht wert ist , dem frommen Kinde die Schuhriemen zu lösen . Wenn dann das böse Beispiel dazu kommt , das die sogenannten modernen Romane und das Theater bieten , da braucht man sich freilich über die Erfolge in Frankreich nicht zu wundern " , eiferte Eduard . " Aber bei uns , mein Sohn ! " wandte Madame Meier ein , " ist doch der Zustand der Frauen und der Gesellschaft überhaupt , Gott sei Dank ! ein ganz anderer . Deshalb scheint mir , Du übertreibest den Nachteil , den Theater und dergleichen auf junge Gemüter ausübt , und wir Deutschen können unseren Töchtern ruhig diese Genüsse gewähren . " " Im Gegenteil , liebe Mutter ! weil bei uns der Mann sein Haus noch für den Tempel seines schönsten Glückes , die geliebte Frau für die Hohepriesterin desselben hält , weil er Ruhm , Ehre und Alles , was er ist und erwirbt , diesem Tempel und seiner Priesterin darbringt , weil sein Hoffen und Fürchten in diesen Kreis gebannt ist , und er immer wieder dahin zurückkehrt , wenn das Leben mit seinen gebieterischen Forderungen ihn frei läßt ; darum haben wir deutschen Männer ein Recht , zu verlangen , daß auch kein unreiner Hauch die Seele eines Mädchens berühre , der so viel geopfert wird . " " Und wie hoch , wie heilig ist uns das Mädchen , das wir lieben ! " rief plötzlich Reinhard , der bis dahin schweigend zugehört hatte , als ob er aus tiefen Gedanken zu sich käme . " Wenn ein Mädchen wüßte , wie schwer und heftig der Kampf ist , den der Mann zu kämpfen hat , ehe er willig seine Freiheit , sein Fühlen und Denken , sein Leben selbst , einer fremden Gewalt unterwirft ! Nur einem Wesen , das man gleich einer Gottheit anbetet , kann man so untertan werden , als die Liebe es uns dem Weibe macht . Wer aber ertrüge den Gedanken , daß die Gottheit unseres Herzens unwürdigen Festen beiwohnt ? Wer wollte es ruhig ansehen , daß ihr schönes Himmelsauge von unreinem Anblick berührt würde ? Ich könnte mein Leben daran setzen , um der Geliebten solche Profanation zu ersparen , und ein Mädchen , das wahrhaft liebt , das die Liebe , die anbetende Liebe eines Mannes zu begreifen vermag , das in sich auch den Geliebten achtet , I. 5 würde gewiß freiwillig Allem entsagen , was diesen und sie zugleich verletzt . Wer es gefühlt hat , wie wahre Liebe das Männerherz reinigt und veredelt , dem muß es wehe tun , daß Mädchen selbst sich um den Nimbus bringen , den Sittenreinheit um sie hervorzaubert , und der sie unserem Herzen gerade so teuer macht . " Indem fiel sein Auge auf die neben ihm sitzende Jenny , die sich hinter der dampfenden Samovare verbarg und vor Bewegung kaum den Tee zu bereiten vermochte . Er fühlte den bitteren Tadel , den er unwillkürlich auch gegen die Geliebte ausgesprochen hatte ; er wollte einlenken , aber er vermochte es nicht , denn es war seine innerste Überzeugung gewesen , die er ausgesprochen hatte . So viel Glück ihm der heutige Abend im Theater gewährt , so weh tat es ihm doch , daß ein so schlüpfriges , sittenloses Stück , so leichtfertige Gesänge , zum Boten seiner Liebe bei Jenny geworden waren . Das war der Un terschied zwischen ihm und ihr , daß sie aufgezogen in den Begriffen der sogenannten großen Welt , trotz ihrer wirklich streng sittlichen Seele , das Gefühl für die Sittenlosigkeit mancher Verhältnisse verloren hatte , oder daß es nicht zum Bewußtsein in ihr gekommen war . Der Figaro , Don Juan und vieles Andere , waren ihr Dinge , an denen sie sich von Kindheit auf erfreut hatte , ohne an das Gute und Böse daran zu denken , und das war ein Zustand , in den weder Eduard noch Reinhard sich zu versetzen vermochten . Reinhard war bis zu seiner Universitätszeit in einem Landstädtchen in vollkommener Zurückgezogenheit erwachsen , und seinem Geiste mußten die Eindrücke , die er dann plötzlich in der Gesellschaft und durch das Theater empfing , ganz anders erscheinen , weil er sich der Empfindungen bewußt war , die dadurch in ihm hervorgerufen worden . Eduard hingegen war allmählich durch Reflexion zu der Ansicht gekom 5 * men , die er verteidigte , und die er durch Verhältnisse , welche wir später dartun werden , angeregt , heute ungewöhnlich warm ausgesprochen hatte . Beide Männer ahnten nicht , mit welcher Verwunderung Madame Meier und die Pfarrerin den Ansichten ihrer Söhne zuhörten , und daß Beide tiefer in den Herzen derselben lasen , als es ihnen lieb sein mochte . Ebenso hatte Reinhard nicht bedacht , wie weh der armen Jenny sein Urteil tun mußte , die sich in aller Unschuld dem Genusse der Musik hingegeben hatte , und diese Oper jetzt doppelt liebte , weil ihr während derselben die Überzeugung geworden , daß Reinhard's Herz ihr angehöre . Der Pfarrerin war Jenny's Bewegung nicht entgangen ; sie sah den langen , flehenden Blick , den Reinhard auf sie richtete , nachdem er gesprochen ; sie sah , daß Jenny sich zu ihm neigte und ein paar Worte sprach , die ihren Sohn in das höchste Entzücken zu setzen schienen , denn sein Gesicht leuchtete vor Wonne , aber verstehen konnte sie diese leise gesprochenen Worte nicht . " Ich werde nie wieder in den Figaro gehen " , hatte Jenny zu Reinhard gesagt , und die Pfarrerin überlegte vergebens , weshalb der Ausdruck von Betrübnis auf dem schönen Gesichte des Mädchens trotz Reinhard's Freude nicht verschwinden wollte . Um der Unterhaltung , die für einige Augenblicke ins Stocken gekommen war , wieder fortzuhelfen , bemerkte die Pfarrerin : " Mag man nun über die Moral des Figaro , die allerdings locker genug ist , noch so strenge urteilen , es ist nicht zu leugnen , daß die Oper sehr viel Anmut besitzt , die Komposition selbst abgerechnet . " " Das macht sie um so gefährlicher " , schaltete Hughes ein , " wenn wir die Gefährlichkeitstheorie der beiden Herren überhaupt annehmen . " " Ich bitte Sie , Mr. Hughes " , lachte Erlau dazwischen , " lassen Sie sich doch von den abgeschmackten Lehren nicht hinreißen . Was so ein Doktor , der längst ein begehrter Heiratskandidat ist , und so ein Kandidat der Theologie , der längst Prediger sein möchte , unser Einem vorpredigen und aufdociren möchten , das ist ja deshalb Alles noch nicht wahr . Lassen Sie die Beiden doch lehren , was sie wollen ; ich behaupte dennoch , daß im Figaro , im Barbier , im Don Juan , in der ganz vergessenen , lieblichen Fanchon , etwas von der flüchtigen , graziösen Leichtigkeit des vorigen Jahrhunderts liegt , die in Frankreich zu seltener Liebenswürdigkeit gediehen war . " " Zu einer Liebenswürdigkeit " , sagte Eduard , " die , in totale Verderbtheit ausgeartet , sinnlos forttänzelte zum Schafott , trotz der warnenden Stimmen , an denen es nicht fehlte . " " Ja ! zum Schafott " , fuhr Erlau fort , " auf dem die leichtfertigen Tänzerinnen mit einer Ruhe starben , mit einer Seelengröße , die einer Römerin würdig gewesen wäre . Die Prinzessin Elisabeth starb eben so ruhig als Arria , oder irgend eine andere Heldin Eurer gepriesenen , langweiligen Römerzeit ; und der ganze Unterschied ist der , daß die Französinnen liebenswürdig und glücklich waren , und Glückliche machten , während so eine antike Römerin , oder römische Antike in ihrem Frauengemache saß , und tugendhaft war , und wollene Toga's webte . Da lobe ich mir die Französinnen ! " Die alten Damen lachten , und Erlau fuhr dadurch ermutigt fort . " Sagt mir nur ehrlich , ist Einer von Euch halb so liebenswürdig , als der Graf Almaviva , oder Don Juan , oder Cherubin , oder der Ab in Fanchon ? " " Du vielleicht , lieber Erlau ! " sprach Eduard . " Wollte Gott , ich wäre es . Ich strebe tag lich , diese heiteren Vorbilder einer fröhlichen Vorzeit zu erreichen , aber kommt man dazu ? Kaum hat man sich verliebt und schwelgt in Wonne , so erzählen sie von Aktien zu einer Eisenbahn , oder von Entwürfen zu Kleinkinderschulen , in denen lauter Prüden und Pedanten erzogen werden sollen . Denkt man daran , sein Herz frei zu machen , um es bald wieder gefangen zu geben , so soll man einer Corporation zur Befreiung der Negersklaven oder zur Erleichterung der Hunde beitreten ; und kein Mensch denkt dabei , daß mich z. B. dies vielmehr ennuyiert , als es irgend einen Neger langweilt , Zuckerrohr zu tragen , oder einen Hund Karren zu ziehen . " " Es ist freilich nicht allen Menschen möglich , das Leben wie eine Lustpartie zu nehmen , und jedes höhere Interesse , als lästiges Hindernis , zu verleugnen " , erwiderte Reinhard , dem diese Scherze Erlau's besonders darum mißfielen , weil Jenny ein Wohlgefallen daran fand , das Reinhard nicht billigen konnte . " Und wie soll man das Leben denn nehmen ? " fuhr der unerschöpfliche Erlau fort . " Gott hat uns evident für die Freude geschaffen ; Gott will , daß wir uns amüsieren sollen , und daß Ihr mich neulich und heute wieder in meinem besten Vergnügen stört , ist eine wahre Todsünde . Was habt Ihr denn von dem ewigen Moralisieren ? Madame Meier und die Frau Pfarrerin hören so andächtig zu , daß ihnen der Tee eiskalt werden wird , und Fräulein Jenny sieht seit der abgeschmackten Unterhaltung so traurig aus , und ist so zerstreut , daß ich noch gar keinen Tee bekommen habe , den schweren Ärger zu ertränken , den Ihr mir verursacht . " -- " Liebes Fräulein " , sprach er gegen Jenny gewandt , " nur eine doppelte Portion Zucker , als Äquivalent für den bitteren Verdruß , den Ihr Bruder mir gemacht hat ! " 5** Die kleine Gesellschaft war in ein herzliches Lachen ausgebrochen , das Erlau's fröhliche Laune hervorgerufen hatte . Auch Jenny riß sich gewaltsam aus den Gefühlen heraus , die heute zum ersten Male in ganz neuer Gestalt in ihr erwacht waren . Nur Reinhard blieb in tiefes Sinnen verloren , und sah , aufgelöst in Liebe zu Jenny hin , die sich eben anschickte , Erlau eine scherzhafte Antwort zu geben , als Joseph und Steinheim in das Zimmer traten . Sie waren zu Fuß aus dem Theater gekommen , und Steinheim entschuldigte ihr spätes Erscheinen mit den Worten : " Spät komme ich , doch ich komme , der weite Weg entschuldige mein Säumen . " " Aber warum fuhren Sie nicht auch nach Hause ? " fragte Jenny . " Weil leider Freitag Abend ist " , antwortete Steinheim , " und ich meiner Mutter den chagrin nicht machen wollte , zu fahren . Aus Kindes liebe , aus Pietät hole ich mir in dem nassen Wetter den Tod , nach dem Echauffement im Theater , und bei meinem reizbaren Nervensystem ! Was soll man aber tun ? " " Ich habe geglaubt , das Fahren sei nur am Sonnabend verboten " , sagte die Pfarrerin . " O nein ! " erwiderte Steinheim , " der Sonnabend fängt bei uns schon des Freitags an , und alle Ruhe- und Sabbatfeiergesetze müssen von Freitag Abend abgehalten werden , bis Sonnabends die ersten Sterne blinken . " Die Pfarrerin erwähnte es lobend , daß Steinheim sich an diese Formen halte . -- " Mir sind sie ganz gleichgültig " , antwortete er , " ich halte sie für ein Gesetz , das mißverstanden ist , und befolge es nur meiner Mutter zu Liebe , der ich viele Opfer der Art bringe , obgleich sie meine Gesundheit ruinieren . " " Für solch einen Normalsohn hielt ich Sie nicht " , sagte Jenny , die nie der Lust wider stehen konnte , Steinheim zu necken . " Ich wußte nicht , daß Selbstverleugnung auch zu Ihren Tugenden gehöre . " " Es liebt die Welt , das Strahlende zu schwärzen , und das Erhabene in den Staub zu ziehen " , deklamierte Steinheim . " Daß Sie , holdes Fräulein aber an mir zweifeln , verdiene ich nicht , und ich könnte wie Cäsar sagen : , Brutus auch Du !' -- Übrigens wissen Sie ja , daß Sonnabends unsere Pferde geschont , und ich strapaziert werde . " " Das ist das erste Gesetz gegen Tierquälerei " , rief Erlau dazwischen , " und ich wundere mich , lieber Meier , daß Du , in doppelter Hinsicht triumphierend , nicht längst darauf aufmerksam gemacht hast . " " Wirklich " , meinte Madame Meier , " gehört aber die stille Sabbatfeier zu den Gesetzen der jüdischen Religion , die mir sehr gefallen und zusagen -- obgleich wir sie nicht mehr halten . " " Ich finde es auch sehr schön " , sagte Jenny , " aber es ist doch nur für Menschen , eigentlich nur für Juden gemeint ; denn ich habe bei Madame Steinheim selbst gesehen , daß ihr christliches Dienstmädchen Licht putzte , was sie selbst nicht tat . " " Also meinen Sie " , fragte Steinheim , der sich neben Jenny's Stuhl hingesetzt hatte , " da das Dienstmädchen Licht putzen darf , so kann das Pferd auch ziehen ? " " Ja ! " sagte Jenny leise , während sich bereits eine andere Unterhaltung in der Gesellschaft entsponnen hatte . " Ja ! die Pferde könnten wohl arbeiten , da sie nicht Juden sind . " " Und was sind sie denn ? " fragte Steinheim ebenfalls leise , um die Anderen nicht zu stören . " Weiß ich_es ? " war die Antwort , " vermutlich Christen ! -- oder Heiden ! " fügte sie schleunig hinzu , bemerkend , daß Reinhard , der an ihrer anderen Seite saß , jedes Wort dieser kindischen Unterhaltung gehört hatte , und sich unwillig abwendete , als Steinheim in ein laut schallendes Gelächter verfiel , dessen Grund er aber , auf Jenny's eifriges Bitten , nicht sagen wollte , so sehr man auch in ihn drang . Durch Reinhard's Brust waren die letzten Worte , wie ein fliegendes Weh gezogen , wie ein eisiger Frost über die ersten schönen Blüten des Frühlings . Diese Leichtfertigkeit , dies Scherzen mit Allem , was Anderen heilig ist , das war es eben , was immer trennend zwischen Jenny und seiner Liebe gestanden hatte . Er liebte ihre reiche , schöne Natur , ihr mächtig glühendes Gefühl , und wurde immer mit Betrübnis gewahr , daß Jenny , in Folge ihrer Erziehung und der Verhältnisse , in denen sie aufgewachsen , eine Richtung genommen hatte , die seiner ganzen Seele widerstrebte , die auch Eduard mißbilligte , die aber zu ändern , ihren beider seidigen Bemühungen bis jetzt nicht gelungen war . Reinhard traute Jenny die höchste Selbstverleugnung und jede Tugend zu ; er glaubte an ihr Herz , in dessen Besitz er sich heute überreich und glücklich fühlte -- er liebte sie , wie ein kräftiges Gemüt nur zu lieben vermag -- und doch fühlte er eine Scheidewand zwischen sich und der Geliebten ; doch konnte er die bange Ahnung nicht unterdrücken , es stehe ein Etwas , das er kaum zu definieren vermochte , trennend zwischen ihm und ihr . Jetzt bei Jenny's letzten Worten erwachte das Gefühl aufs Neue und um so schmerzlicher , als es kalt sein Herz berührte , das heute warm und ungeteilt ihr entgegenwallte . Er wurde traurig , und als die Gesellschaft sich später trennte , und er von Jenny Abschied genommen , ging er verstimmt und trübe von ihr , die ihn so innig liebte , und schritt schweigend neben seiner Mutter nach Hause , während Jenny in ihrem Zimmer Thrä einen der bittersten Reue vergoß . Sie wußte , daß sie Reinhard verletzt hatte , und wollte vergehen vor Gram und Beschämung . So hatte sie heute nicht von Reinhard zu scheiden geglaubt , -- keinen Blick hatte er für sie gehabt , und jetzt wußte er doch , daß sie ihn liebte . Clara Horn lag , während sich dies Alles begab , leidend an unsäglichen Schmerzen auf ihrem Lager . Jung , schön und gut , umgeben von Reichtum und Luxus , hatte sie doch niemals das Glück gekannt , für das allein sie geschaffen schien . In ihrem väterlichen Hause war die unglückliche Ehe ihrer Eltern für sie eine Quelle des bittersten Leidens geworden . Nur der Wunsch , sich zu poussieren , hatte Horn einst dazu vermocht , um seine Gattin zu werben , die , wie schon früher erwähnt , einer der angesehensten Familien der Kaufmannsaristokratie ange hörte . Die jetzige Kommerzienräten Horn war älter als ihr Gatte , hatte aber , als sie sich mit ihm verband , noch vollen Anspruch auf die Bewunderung ihrer regelmäßigen kalten Schönheit zu machen , und glaubte , ein Recht auf die Verehrung ihres Mannes , auf seinen Dank zu besitzen , weil sie sich entschlossen , zu einer Verbindung zu schreiten , die damals noch keine glänzende Aussicht bot . Liebe brachten beide Teile nicht in das neu gegründete Hauswesen ; und als bald darauf der herrschsüchtige Charakter der Frau dem jungen Manne sein Haus zur Plage machte , und er sich immer_mehr von ihr zurückzog , artete ihre Stimmung in eine Bitterkeit , in eine starre Kälte aus , die vollends dazu beitrug , die Gatten zu trennen . Die Geburt ihres Sohnes Ferdinand schien das Herz der Mutter milderen Gefühlen gegen den Vater des Kindes zu öffnen . Es war aber zu spät , um den Frieden herzustellen . Horn hatte sich , fortgerissen von anderen Männern und einem sinnlichen Temperamente , einer Lebensart überlassen , welche seiner Frau gerechten Grund zur Klage bot , und als einige Jahre später Clara geboren wurde , fehlte schon an der Wiege des Kindes das selige Lächeln beglückter Eltern . Ferdinand war das einzige Wesen , das die Mutter liebte . Ihm wurde , sobald er nur im Stande war , seinen Willen zu äußeren , jeder Wunsch erfüllt ; und ebenso schwach und nachsichtig gegen den Sohn , als streng gegen alle Andere hatte die Kommerzienräten den jungen Mann zu dem weichlichen , kalten und hochmütigen Stutzer erzogen , als welchen wir ihn am Anfang dieser Erzählung zuerst erblickten . -- Um die liebliche Clara hatte die Mutter sich wenig gekümmert . Die Kleine war früh einer Gouvernante übergeben worden , die glücklicher Weise ganz dazu geschaffen war , die Seele des jungen Mädchens zu bewahren und auszubilden . Von den Eltern wenig beachtet , geneckt und geplagt von den eigensinnigen Launen des Bruders , gewöhnte sich Clara schon in erster Kindheit an eine Fügsamkeit und Anspruchslosigkeit , die später der edelste Schmuck der schönen Jungfrau wurden . Nicht ohne Stolz sah der Vater auf die Bewunderung , die das erste Auftreten Clara's in der Gesellschaft erregte . Die wilden Leidenschaften der Jugend hatten sich bei Horn gelegt , der Sohn , der Liebling der Mutter , war ihm fremd geblieben ; er vermißte eine freundliche Heimat , die Anhänglichkeit einer Familie , und so konnte es nicht fehlen , daß Clara's demütige Ergebenheit , ihr kindliches Anschmiegen ihn fesselten . Er liebte Clara , wie er zu lieben im Stande war . Sie war sein Stolz , die Krone seines Besitzes , und alle seine Wünsche gingen darauf hinaus , diese Tochter so glänzend , als möglich , versorgt zu sehen . Wie angenehm mußte es ihn also überraschen , als die Kommerzienräten , die das freundliche Verhältnis ihres Mannes zu der Tochter stets mit gewohnter Gleichgültigkeit betrachtet hatte , ihm einst ganz unvermutet die Frage vorlegte , ob es jetzt , da Clara bereits im zwanzigsten Jahre sei , nicht Zeit werde , an die Verheiratung derselben zu denken . Sie teilte ihm mit , daß sie schon seit längerer Zeit mit ihrer in England verheirateten Schwester , welche nur einen Sohn hatte , den Plan entworfen , diesen mit Clara zu verbinden . Sie bewies , daß ihr Schwager Hughes , nach englischer Sitte an die Bevorzugung des ältesten Erben gewöhnt , gern bereit sein werde , Ferdinand im Besitze des väterlichen Vermögens zu lassen , und daß auch ohne dieses Clara reicher und glänzender versorgt sein würde , als es in Deutschland jemals der Fall sein könnte . Der Plan , den die Kommerzienräten dabei hatte , war , einst die gleiche Teilung des Vermögens zwischen ihren beiden Kindern zu vermeiden ; und er fand , wenn auch aus anderen Gründen , bei ihrem Gatten volle Billigung . William Hughes galt nach Allem , was man über ihn wußte , für einen gescheiten und wackeren Jüngling . Die Millionen seines Vaters kannte der Kommerzienrat aus Erfahrung , und daß der alte Hughes Mitglied des Unterhauses war , daß auch William dies einst werden und sich eine glänzende Laufbahn für ihn eröffnen könne , entschied nicht wenig zu Gunsten dieser Angelegenheit , und die Kommerzienräten erhielt volle Freiheit , dieselbe nach ihrer Ansicht einzuleiten . Nichts war leichter , als den jungen reiselustigen Engländer zu einem Ausflug nach dem Kontinent und dem gelegentlichen Besuche seiner Familie zu überreden , die er nur als Knabe gesehen hatte ; und der schmeichelhafte Empfang , der ihm von Onkel und Tante wurde , die große Freude , welche Ferdinand , dem die Plane seiner Mutter nicht unbekannt waren , über des Vetters Anwesenheit an den Tag legte , bewogen diesen bald zu einem längeren Verweilen in dem Hornschen Hause . Für Clara begann mit des Vetters Anwesenheit ein neues Leben . Mutter und Bruder überboten sich in tausend Freundlichkeiten gegen sie , man bemühte sich , sie in dem vorteilhaftesten Lichte erscheinen zu lassen , und war jetzt plötzlich bereit , ihren Ansichten und Wünschen zu schmeicheln , weil man sie zu ähnlicher Fügsamkeit zu überreden wünschte . Von Natur weich und hingebend , fühlte Clara sich zum ersten Mal in ihrem Leben wahrhaft glücklich , durch das Wohlwollen , von dem sie sich umgeben sah ; und da auch auf sie das Glück seinen verschönenden , belebenden Einfluß zu machen nicht verfehlte , war es nur natürlich , daß William die schöne Cousine sehr liebenswürdig fand . Er beschäftigte sich angelegentlich mit ihr , und bald begann sich ein zutraulich heiteres Verhältnis zwischen ihnen zu bilden , dessen Entstehen von der ganzen Familie mit Freuden bemerkt wurde . Da kam an dem Abende , an dem diese Erzählung beginnt , der unglückliche Zufall dazwischen , der Clara für lange Zeit von der Gesellschaft trennte , die Heiratsentwürfe ihrer Mutter für sie weit hinausschob , und Eduard in ihre Nähe brachte . Nach dem ersten Aufruhr , den dieses Ereignis verursacht hatte , fing man im Hornschen Hause bald wieder an , sich den gewöhnlichen Beschäftigungen und Zerstreuungen hinzugeben , und Clara wurde von ihrer Mutter vernachlässigt wie früher , was ihr nach dem kurzen Traume von Glück um so schmerzlicher sein mußte . Fast immer , wenn ihr junger Arzt sie besuchte , fand er sie mit einer Wärterin allein , und seinem geübten Auge konnte es nicht entgehen , daß hier die Seele noch empfindlicher leide , als der Körper . Die unbeschreibliche Geduld , mit der Clara die Schmerzen ertrug , die Sanftmut und Ruhe ihres ganzen Wesens , und ein Zug von stiller Resignation machten ihm die Kranke wert . Er bemühte sich , durch Unterhaltungen mancher Art ihre Aufmerksamkeit zu beleben ; er kam , so oft er es konnte , dehnte seine Besuche lange aus , und fand den schönsten Lohn dafür in der dankbaren Freude , mit der Clara ihn begrüßte , in dem Genuß , den er selbst bald dabei zu empfinden begann . Oft , wenn er sie am Morgen in möglichst gutem Wohlsein verlassen hatte , war sie Abends in einem aufgeregten , beunruhigenden Zustande , für den in ihrem körperlichen Befinden kein Grund vorhanden war , und den er mit Recht unangenehmen Gemütsbewegungen zuschreiben mußte . So fand er sie eines Abends , aufgelöst in Tränen , und so bewegt , daß sie kaum seine Fragen zu beantworten vermochte . Ein heftiger Streit der Eltern , veranlaßt durch Ferdinands Verschwendung und seine ungeregelte Lebensart , war unglücklicherweise in dem Krankenzimmer ausgebrochen . Der alte Horn hatte sich mißbilligend darüber geäußert , daß Ferdinand jetzt fast niemals mehr bei Tisch erscheine , daß er seine Zeit in der schlechtesten Gesellschaft verbringe , und durch die unverzeihliche Schwäche der Mutter in all diesen Fehlern bestärkt werde , die er als Vater nun absolut nicht länger dulden wolle . Gereizt durch den doppelten Tadel , der sie und ihren Liebling traf , hatte die Kommerzienräten heftig erwidert , sie könne eine Lebensweise an ihrem Sohn nicht so strafbar finden , zu der des Vaters früheres Betragen ihm das Beispiel gegeben und die sie Jahre lang an ihrem Manne habe erdulden müssen . So war es , trotz Clara's dringenden Bitten , trotz ihrer flehentlichen Worte , sie nicht zum I. 6 Zeugen dieser entsetzlichen Szene zu machen , eine Weile fortgegangen , bis ihre Mutter in höchster Entrüstung das Zimmer verließ , und ihr Vater allein bei ihr zurückblieb , sich bitter über das Los beklagend , das ihm an der Seite dieser Gattin geworden sei . Bald darauf trat Eduard ein . Clara lag auf dem Bette , das Häubchen hatte sich verschoben , und ließ das reiche , goldblonde Haar hervorquellen . Die großen dunkelblauen Augen schwammen in Tränen ; sie hatte die schönen Hände über die Brust gefaltet , und mahnte den jungen Mann , als sie sich emporzurichten strebte , und sich dabei seitwärts gewendet , auf den Arm stützte , auf das Lebhafteste an die Magdalene des Correggio , mit der sie wirklich eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit hatte . Die Krankenwärterin saß schläfrig strickend bei einer Lampe , deren Schein durch einen grünen Überwurf gemildert war . Alles war still in dem Zimmer , und Eduard hörte um so deutlicher an den unruhigen Atemzügen der Leidenden , daß sie eben erst zu weinen aufgehört hatte . Freundlich fragte er sie nach ihrem Befinden , er wollte ihre Hand ergreifen , um sich durch den Pulsschlag selbst davon zu überzeugen , aber sie zog die Hand rasch fort , und sagte : " Ach ! das kann nichts helfen , ich leide furchtbar , aber Sie können mir nicht helfen , lieber Doktor ! " und dabei brach sie aufs Neue in heiße Tränen aus . Ablenkend versuchte Meier , sie auf ihr körperliches Übel zurückzuführen , sie war aber so aufgeregt , daß sie , ihre sonstige Zurückhaltung gänzlich vergessend , ihn kaum aussprechen ließ , sondern ihn mit den Worten unterbrach : " Täuschen Sie sich nicht , Herr Doktor ! ich will Sie auch nicht länger damit hintergehen -- die äußere Wunde kann nicht heilen , ich kann nicht genesen , so lange meine Seele auf das Grau 6 * samst zerrissen wird ; wollte Gott nur , ich wäre durch den Tod bald dieser Qualen überhoben ! " " Und denken Sie nicht an Ihre Eltern , liebes Fräulein ? Wissen Sie nicht , daß auch für das Leiden der Seele oft wunderkräftiger Balsam in der Zukunft liegt ? " fragte Meier . " Gerade ein so reines Gemüt , wie das Ihre , muß im Leben tausend Freuden finden , weil es geschaffen ist , Freude zu bereiten durch sein bloßes Dasein . " " Ich habe Niemandem Freude gemacht , ich habe immer allein gestanden unter den Meinen , von Kindheit an ; und ohne meines Vaters Liebe wüßte ich kaum , daß ich eine Heimat habe . Meinen Tod würde man bald vergessen , und er würde vielleicht ein Glück , ein Versöhnungsmittel werden . Sie sagen , ich hätte ein weiches Gemüt ; beklagen Sie dann mein Schicksal , das mich in die kälteste Atmosphäre versetzte , wo ich täglich tausendfachen Tod sterbe . " Erschöpft lehnte sie sich bei diesen Worten in die Kissen zurück . Der höchste Punkt der Aufregung war vorüber , sie weinte schweigend eine Weile fort , und Meier ließ sie gewähren , weil er diese Tränen als das beste Beruhigungsmittel kannte . In dieser Pause dachte er mit Bedauern an Clara . Sie war eine jener Frauennaturen , die , wie er es eben gegen sie selbst ausgesprochen , durch ihr bloßes Erscheinen wohltuend wirken . Eine gleichmäßige Ausbildung aller Seelenkräfte , bei glücklicher Organisation , machte , daß Leute von dem verschiedensten Charakter sich von ihr angezogen fühlten . Der Kluge nannte sie klug , der Leidende teilnehmend , der Frohe fröhlich , und Alle fühlten sich erquickt durch ihre Güte und das Wohlwollen , mit dem sie Jedem begegnete . Man fand sie liebenswert , man war für sie eingenommen , ehe sie irgend etwas getan hatte , dies Urteil zu rechtfertigen . " Solch ein Mädchen könnte und müßte der Schutzgeist eines Hauses sein " , sagte sich Eduard , und es tat ihm leid , daß dieses milde Wesen einer Familie angehöre , in der sie weder glücklich zu sein , noch glücklich zu machen vermochte . Als Clara sich beruhigt hatte und das medizinische Examen vorbei war , ermahnte Meier sie , sich so viel als möglich zu schonen , und sich ruhig zu halten . " Bedenken Sie , Fräulein ! daß Körper und Geist bei solchen Aufregungen gleichmäßig affiziert werden , daß der Körper durch Ihre Gemütsbewegung leidet und nicht die frühere Kraft gewinnen kann , und daß Sie , andererseits , bei diesem gereizten Nervenzustande , jedes geistige Leid doppelt schwer empfinden . " Mit diesen Worten wollte Meier von ihr scheiden , sie hielt ihn aber zurück und bat : " Vergessen Sie , was ich heute sagte ; ich bin krank , und übertreibe dabei mein Empfinden , das wissen Sie . Und denken Sie nicht ungleich von mir , weil ich den Meinen im Unmut so übel mitgespielt habe . Gewiß , Herr Doktor ! " sagte sie , indem sie zu lächeln versuchte , " ich bin nicht so schlecht , als ich Ihnen heute erscheinen mußte , und ich möchte nicht gern , daß Sie mich dafür halten . " " Liebes , gutes Fräulein , wie mögen Sie glauben , daß ich an Ihnen irre werden könnte ? " rief Meier aus . " Genügt es nicht , daß ich Sie kenne , daß ich mich seit Wochen an Ihrer Geduld , Ihrer Resignation erbauen darf , um ein unwandelbar schönes Bild Ihres Wesens in mir festzustellen ? Glauben Sie mir , dem Arzte offenbart sich die Göttlichkeit des Menschen ebenso oft , als er von der erbärmlichen Menschlichkeit unangenehm überrascht wird . Ihnen danke ich das Erste , und wenn ich als ein kalter Zweifler zu Ihnen gekommen wäre , ich verdankte Ihnen gewiß die Überzeugung , daß eine göttliche Seele im Menschen lebt . " Um ihre Befangenheit zu verbergen , sagte Clara achtlos : " O ! ein so schlechter Christ sind Sie gewiß nicht , daß Sie jemals an Gott gezweifelt und erst meiner Belehrung zum Glauben bedurft hätten . " Indem fiel ihr das Sonderbare dieser Äußerung ein , und ihre Verlegenheit nahm zu , als Meier lächelnd antwortete : " Ein Gottesleugner bin ich in der Tat nicht ; aber sicher ein herzlich schlechter Christ , da ich ein Jude bin . Darum gönnen Sie mir immer die Gunst Ihres Beispiels . Wenn es mich auch nicht bekehrt , so bessert und erfreut es mich gewiß , und für Beides bin ich Ihnen nur zu gern verpflichtet . " Damit empfahl er sich und ließ Clara in eigentümlicher Bewegung zurück . Sie hatte ihren Arzt liebgewonnen und ein unbedingtes Zutrauen zu seiner Behandlung , sie achtete ihn als Mann -- heute hatte sie ihn so tief in ihrer Seele lesen lassen ; das Unglück ihres ganzen Lebens , das Niemand kannte , war Meiern enthüllt worden , er hatte sich wie ein Bruder mild und gut gegen sie gezeigt , sie war ihm so nahe getreten , und -- er war ein Jude . Sie erschrak , und mußte doch lächeln , denn sie hatte es gewußt , und die Ihrigen hatten sie damit geneckt , daß sie darauf bestanden , sich nur von einem Arzte des " auserwählten Volkes " behandeln zu lassen . Man hatte sie oft genug um den eigentlichen Grund dieser Wahl gefragt , und doch konnte sie die Tatsache so ganz vergessen , daß sie jetzt ganz überrascht davon war . Noch vor einigen Tagen hatte William , der öfter in ihrem Krankenzimmer erschien , mit großer Teilnahme von der Meierschen Familie gesprochen , die er kennen gelernt und wegen dieser Bekanntschaft eine Straf 6** Predigt der Kommerzienräten aushalten müssen , gegen welche er sehr vernünftige Argumente angeführt . Clara war jetzt ganz seiner Ansicht , und gestand sich selbst , daß William ein guter , verständiger Mensch sei -- aber Meier war mehr . Sie mußte an sein klares , kluges Auge denken , an die freie Stirn , und die jüdischen Umrisse seines Gesichts kamen ihr fast schön vor . " Ob Christus wohl auch ähnliche Züge gehabt haben mochte ? " fragte sie sich , und sank bald in einen Schlummer , in dessen Träumen William , Meier und der Heiland , wie ihn Leonardo's Abendmahl schildert , bunt in einander verschwebten , und aus dem sie erst am frühen Morgen bedeutend gestärkt erwachte . Weniger ruhig sollte dem armen Eduard die Nacht vergehen . Während ihn Jenny längst mit seiner schönen Kranken aufzog , und seine Mutter an jenem Abend das Geheimnis seines Herzens entdeckt zu haben glaubte , ja mit müht terlicher Sorge bereits dem Vater die Mitteilung gemacht hatte -- ahnte der junge Mann es noch nicht , daß Clara ihn mehr , als irgend eine seiner anderen Kranken beschäftige . Später als gewöhnlich war er Abends in der Familie erschienen , die er diesmal ganz allein fand . Seine Eltern und Jenny saßen traulich beisammen , und er sah , daß man ihn erwartet und vermißt hatte . " Komme her , mein Sohn " , rief ihm der Vater entgegen , " setze Dich zu uns , und erzähle , wo Du so lange geblieben bist . " Eduard gab den Bescheid , er hätte Fräulein Horn noch besucht . Jenny erkundigte sich nach ihrem Ergehen , und erfuhr , daß die Genesung nur langsam vorwärts schreite , und daß die Kranke viel Schmerzen ertragen müsse . " Da könntest Du Geduld und Ruhe lernen , Jenny " , schloß er seine Rede . " Es scheint , als ob Clara Horn überhaupt eine gute Lehrerin ist " , antwortete jene schnippisch , " denn es ist nicht zu leugnen , daß sie Dir auch manche Begriffe beigebracht hat , die Dir früher fremd waren . Ich sagte es noch gestern zur Mutter , das garstige Politisieren hast Du Dir so ziemlich abgewöhnt , dafür bist Du aber so zerstreut und träumerisch geworden , daß Du gar nicht hörst , wenn man mit Dir spricht . Entweder macht Dir Deine Patientin solche Sorgen oder Du langweilst Dich hier zu Hause . " Eduard hörte schweigend zu , sodaß Madame Meier hinzufügte : " Etwas selten bist Du wirklich in der letzten Zeit zu Hause geworden , und verändert finde ich Dich auch , Eduard . Kannst Du uns sagen , was Dich bewegt , so wirst Du mich wahrhaft beruhigen . " " Was Ihr für närrische Frauen seid ! " lachte der Vater . " Ist denn das Leben nicht täglich neu , die Natur nicht täglich verändert , und Eduard sollte unwandelbar die gleiche Stimmung haben ? Könnt Ihr wissen , was in seinem Berufe sich für neue Verhältnisse seinem Geiste aufdrängen , und wie klein und beschränkt ihm Eure Interessen gegen die seinigen oft erscheinen mögen ? Da kommt Ihr mit Euren Haus- und Putzgeschichten und wundert Euch , wenn man nicht gespannt aufmerksam ist , und nennt das kalt und zerstreut . Eduard muß nur , wenn er einst selbst Hausherr sein wird , die Kunst lernen , mit dem Ohr zuzuhören , ohne daß das Gehörte bis in den Kopf dringt , das lernt sich aber mit den Jahren . " " Wollte Gott ! " sagte die Mutter , mit Wonne auf ihr Lieblingsthema eingehend , " Eduard wäre so weit . Ungebunden , wie er jetzt ist , läßt er sich in Dinge ein , die ihn nicht kümmern ; er nimmt , wie man so sagt , kein Blatt vor den Mund , er äußert politische Ansichten und Hoffnungen , die unnötig die Augen der Regierung auf ihn gerichtet erhalten , und wenn man ihn warnt , heißt es ein für allemal : " Was tut es ! ich bin ja unabhängig , ich bin ungebunden ! " " Das heißt " , erläuterte der alte Herr , " Du möchtest unserem Sohne mit dem süßen Rosenband der Ehe zugleich eine tüchtige Kette anlegen , eine möglichst kurze , damit er nicht zu große Sprünge machen könne . Die Mutter ist wie Julia im Shakespeare , so liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit . " Freundlich nahm dieser die Hand der Matrone und sagte : " Und doch waren heute meine Gedanken mehr mit häuslichen Verhältnissen , als mit allgemeinen Interessen beschäftigt . Ich hatte Gelegenheit , einen Blick in das innere Leben einer Familie zu werfen , in der ein wahrhaft schönes Herz unter dem Druck der widerwärtigsten Verhältnisse blutet , und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren , als ich hier eintrat , und mir so wohl und behaglich wurde in unserem Hause , wie selig die Arme sein könnte , in einem Kreise , wie dieser ? " " Und wer ist die Arme mit dem schönen Herzen ? " fragte Jenny schnell . " Ein Mädchen , das diese indiscrete Frage niemals gemacht hätte " , antwortete Eduard , und fuhr dann fort : " In den Jahren , die ich hier praktiziere , ist es mir aufgefallen , wie die glücklichsten Ehen , die höchste Sorgfalt der Eltern für ihre Kinder bei den Juden viel gewöhnlicher sind , als in den Christenfamilien . Auch steht die Zahl der Scheidungen , wie mir ein Jurist sagte , bei den beiden Konfessionen in gar keinem Verhältnis , da eine Scheidung der Ehe bei den Juden fast zu den Seltenheiten gehört . " " Das ist allerdings merkwürdig " , meinte Jenny , " denn bei den Juden ist die Heirat doch oft nur eine Familienverabredung , von der Braut und Bräutigam gerade zuletzt etwas erfahren . " " Das ist überall der Fall , mein Kind " , entgegnete der Vater , " und die Welt sieht in der Wirklichkeit nicht ganz so romantisch aus , als in Deinem 17jährigen Köpfchen . Was aber das Glück der Ehen bei den Juden betrifft , so verdanken sie das , sowie manches andere Gute , dem Drucke , unter dem sie Jahrhunderte gelebt haben . Der Mann , dem die freie Bewegung ins Leben hinein überall verwehrt war , der nichts sein eigen nennen durfte , nicht Haus , nicht Hof , dem man das mühsam erworbene Gut unter immer neuen Vorwänden gewaltsam zu entreißen wußte -- dem blieb nichts , als sein Weib und seine Kinder . Sie waren das Einzige , das ihm Niemand rauben konnte , sie blieben sein , auch getrennt von ihm , sein durch den Glauben , und nur , indem sie sich von diesem trennten , konnten sie aufhören , sein zu bleiben . Wie natürlich also , wenn dem Juden Weib und Kind seine Welt wurden , und wenn bis heute das Beispiel glücklicher Häuslichkeit segensreich fortwirkt unter ihnen , obgleich die äußeren Verhältnisse sich in mancher Beziehung geändert haben . " " Ach ! armer Vater , was hast Du denn für eine kleine Welt ! " sagte Jenny pathetisch , die gerade in der mutwilligsten Laune war . " Hast Niemand , als die Mutter und die liebe kleine Jenny ! Eine Welt von zwei Weltteilen , während der ärmste Christ fünf hat ! " " Und Eduard ? " fragte der Vater . " Der Weltteil Eduard sieht kläglich aus , als ob bald die Sündflut hereinbräche ! Nein ! er sieht aus , als ob er statt des Herzens einen Vulkan hätte , der nächstens losbricht und bald den Untergang des Weltteiles voraussehen läßt . O Gott ! Vater ! " rief sie , und warf sich an dessen Brust , als Eduard sie verwun Dart und nicht eben freundlich ansah , " schütze mich , der Vulkan Eduard fängt an , Feuer und Flammen zu sprühen . " Der Vater nahm das anmutige Kind in seine Arme , und beide Eltern gaben sich der Wonne dieses engsten Beisammenseins recht mit vollem Herzen hin . Nur Eduard blieb zerstreut und einsilbig , und entfernte sich , unter einem flüchtigen Vorwande , früher , als er sonst pflegte . " Joseph's Brummen wird ansteckend " , bemerkte Jenny spöttelnd ; die Mutter aber schüttelte ängstlich den Kopf und sagte seufzend : " Vater ! was geht mit Eduard vor ? Mich macht es unruhig um seinetwillen . " " Mich nicht " , antwortete der alte Meier . " Eduard ist ein Mann ; was ihm auch sei , laßt ihn gewähren , er wird den rechten Weg finden . " Als Eduard die Eltern verlassen , hatte er keine Ruhe in seinem Zimmer gefunden . Die engen Räume drückten ihn , er öffnete ein Fenster , und obgleich der Schnee in großen Flocken hineindrang , wurde ihm wohler und freier , als die Luft seine heiße Stirn berührte . Das Meiersche Haus lag nahe am Hafen , ein Garten führte terrassenartig zum Flusse hinunter , der gerade hier in das Meer mündete . Eine Unruhe , wie er sie nie empfunden , trieb ihn hinaus und , in den Mantel gehüllt , eilte er durch die beschneiten Gänge des Gartens . Hin und wieder fielen noch einzelne , übrig gebliebene Blätter mit den Schneeflocken zur Erde ; der Sturm jagte die Wolken vor sich hin und hemmte Eduard im Vorwärtsschreiten . Er war ganz allein auf dem Wege , und nun erst merkte er , daß er das Zimmer verlassen hatte , nicht achtend des Sturmes , der ihn umbrauste , nicht der tiefen Dunkelheit um ihn her , denn stür Mischer noch und dunkler sah es in seiner Seele aus . Wie hatte er sich absichtlich so über seine Gefühle täuschen können , wie diese Liebe verkennen ? Jetzt , da er mit klarem Blicke zurückdachte , fühlte er fast mit einer Art von Beschämung , daß er in Clara von den ersten Augenblicken , da er zu ihr gerufen wurde , nicht nur die Leidende , Kranke , sondern immer das schöne Weib gesehen hatte . Ihre Liebenswürdigkeit , ihr ruhiger Verstand waren ihm von Tag zu Tag anziehender geworden , und er konnte es sich nicht verbergen , daß Clara für ihn das Ideal eines Mädchens sei . So hatte er sich seine Geliebte gedacht , so seine künftige Frau gewünscht , und sollte er sich nicht auf dem Gipfel des Glückes wähnen , da Clara ihn liebte ? Er konnte nicht daran zweifeln . Jeder Blick , jedes Wort des schönen Mädchens ver rieten ihm , ihr selbst unbewußt , eine Neigung , die bei diesem tiefen Gemüte stark und dauernd werden mußte . Alle seine Pulse schlugen warm bei der Überzeugung , Gegenliebe gefunden zu haben , wo sein Herz sie so sehnlich begehrte . Er hatte einen Augenblick hindurch ein Gefühl von Glück , das den Menschen für jahrelanges Leiden schadlos hält ; dann aber zuckte sein Herz kalt und krampfhaft zusammen , unter der rauhen Berührung der Wirklichkeit . Er hatte sich es ausgemalt , wie Clara , seine Liebe erwidernd , mit ihm vor seinen Eltern erscheinen würde , um diesen Bund segnen zu lassen , wie Clara's Eltern ! O ! diese würden und konnten nie in eine Verbindung ihrer Tochter mit ihm willigen , sie war ja überhaupt unmöglich . " Unmöglich ! " rief er aus , und stand am Ufer des Meeres , und sah hinab in die schäumenden Wellen , die so unruhig wogten , als sein gequältes Herz . Da brach der Mond durch die dunklen Wolken , und glänzte einen Augenblick in dem Wellengeträufel wieder , das sich vor den milden Strahlen zu beruhigen und zu ordnen schien ; und der Mond dünkte ihm ein klares , lichtes , unerforschliches Auge zu sein , das auf das wilde Meer seines Lebens besänftigend herniederschaute . Das Herz tat ihm unbeschreiblich weh , und heiße Tränen flossen aus seinen Augen . " Gott ! Gott ! " rief es in ihm , " warum mußte ich in Verhältnissen geboren werden , die mir bei jedem Schritte hemmend entgegentreten ? Warum muß ich von Allem , was meine Seele am glühendsten begehrt , geschieden sein ? Warum mir dies Leben des Kämpfens und Entbehrens ? " Mit diesen Gedanken warf er sich auf eine der Bänke , die sich häufig an dem Kai des Hafens befanden , und sah grollend mit seinem Lose und seinem Schöpfer in die Fluten hinab ; denn empor zu sehen zum Himmel vermochte seine verdüsterte Seele nicht . Vor ihm lagen in lautloser Stille unzählige Schiffe , die Wachen gingen , um sich zu erwärmen , mit großen Schritten auf dem Deck umher ; hier und dort schimmerte ein Licht aus den kleinen Fenstern der Kajüten . Er fühlte die Nähe von Menschen , er sah , daß auch sie ein schweres , saures Tagewerk zu erfüllen bestimmt waren , und doch beneidete er ihr Geschick und ihren ruhigen Schlummer . Mochte der Schiffer noch so lange von der Heimat getrennt sein , einst kehrt er doch zurück in ein Land , dessen Bürger , dessen eingeborene Sohn er ist , das ihn schützt in allen seinen Rechten ; und die Gattin , die er unter allen Mädchen frei erwählte , sinkt an seine Brust , ohne daß der Glaube , wie ein drohendes Gespenst , zwischen sie tritt und mit kalter Hand die warmen Herzen trennt . Was bot das Leben ihm ? Kränkungen waren ihm geworden , seit er zum ersten Bewußtsein erwacht war ; weder Mühe noch Fleiß war ihm vergolten worden , wie er es gewünscht hatte und zu hoffen berechtigt war . Nun hatte sein Herz sich dem vernichtenden Einflusse allmählich entzogen , es war neu belebt und erblüht in dem wärmenden Hauch einer edlen Liebe , er hatte die Gefährtin gefunden , an deren Seite er den Lebensgang zu gehen begehrte -- und wieder trat das alte Schreckbild zwischen ihn und sein Glück . Er sprang auf , und fing aufs Neue an , den Kai entlang zu schreiten . Warum sollte er nicht , wie tausend Andere , einem Glauben entsagen , dessen Form allein ihn von der übrigen Menschheit trennte ? Was band ihn an Moses und seine Gesetze ? Es sträubte sich bei diesen ebenso viel gegen seine Vernunft , als bei den Lehren Jesu . Warum nicht einen Aberglauben gegen den anderen vertauschen , und mit der Geliebten vereint zu dem Wesen jenseits beten und rein vor seinen Augen wandeln ? -- rein und glücklich . -- So sprach die Stimme der Liebe in ihm , und er wurde mild und weich . Da tönte von einem englischen Schiffe herüber " Rule Britania " , das die Nachtwache sang , um den Schlaf von den müden Augen zu verscheuchen . Zerstreut hörte Eduard zu , bis die Worte " Briton never shall bei Schlafes " sein Ohr berührten . " Ja " , rief er , " sie sind frei ! und wir ? -- mein armes , gedrücktes Volk , ich sollte mich von dir trennen ? mich von dir trennen , weil du unglücklich bist ? Tausend Herzen sind unter barbarischen Vorurteilen zerdrückt worden , und ich wäre feig genug , für mich zu zittern ? für mich , dem außer der Liebe , der ich entsagen muß , noch die teuren Seinen bleiben , und der große Beruf , so viel ich ver I. 7 mag , für die unterdrückte Nation zu wirken , der ich angehöre ; sie frei zu machen , aus Sklavenfesseln , die Jahrhunderte auf ihr lasten . Wie mag ich mein Glück , das Glück des Einzelnen , so hoch schätzen , während mein ganzes Volk nicht glücklich ist ! Ehe ich meineidig werde an den Meinen und meiner Ehre , mag dies Herz brechen in Sehnsucht nach der Geliebten , nach meiner süßen , schönen Clara ! " Und wieder und immer wieder wollte der männliche Entschluß wankend werden , bei dem Gedanken an die Geliebte . Eduard malte es sich aus , wie auch Clara's Seele leiden werde unter der Trennung , die er über sie und sich verhängen müsse -- wie sie ihm zürnen werde , weil er so großes Weh über sie bringe -- und doch vermochte er noch weniger den Gedanken zu ertragen , sich und ihr durch die Taufe alle diese Schmerzen zu ersparen und sich mit ihr zu verbinden . Er war entschlossen und re signiert , aber tief traurig , als er langsam den Rückweg nach seiner Wohnung antrat . Reiflich überlegte er , wie er sein künftiges Betragen gegen Clara einrichten werde , wie kein Blick , kein Wort das Gefühl seiner Brust enthüllen solle , und das bleiche Licht eines Wintertages sah bereits durch seine Fenster , ohne daß Eduard daran gedacht hätte , sich zur Ruhe zu legen . Der Morgen fand ihn totmüde in einem Lehnstuhl sitzen , erfreut über die körperliche Abspannung , die ihm das geistige Leid weniger zerreißend empfinden ließ . Wir alle haben es gewiß erfahren , wie in einem Kreise befreundeter Menschen sich allmählich eine Epoche vorbereitet , in der die Ereignisse und Veränderungen , rasch auf einander folgend , sich wunderbar durchkreuzen , und eine gänzliche Umgestaltung der Verhältnisse hervorrufen . Es 7 * ist , als ob nun plötzlich alle Fähigkeiten ihre Entwicklung gefunden hätten , als ob Jeder sich bewußt geworden sei , was er wolle und müsse ; und wo noch vor kurzer Zeit nur Keime vorhanden waren , steht schnell emporgewachsen eine reife Ernte da . Aber dem Erscheinen solcher Zeitpunkte gehen in den Familien , wie in der Natur bei der Ernte , heiße , schwere Tage voraus , in denen die Luft drückend und unheilschwer über uns liegt und sich in gewaltsamen Gewitterstürmen abkühlt . Wir fühlen den herannahenden Orkan , eine Unruhe überfällt uns , wir zagen vor dem entscheidenden Momente , und sehnen ihn doch ungeduldig herbei , um in der erneuerten Atmosphäre frisch und frei aufatmen zu können . Ein solcher Zeitpunkt war für den Zirkel herangerückt , in dessen Mitte diese Erzählung uns führt . Jeder der Beteiligten fühlte , daß ein entscheidender Schritt geschehen müsse , und Keiner hatte den Mut , ihn zu tun . Eduard hielt es sich als eine Notwendigkeit vor , Clara zu verlassen , ehe das Scheiden ihm und ihr noch schwerer werde , und konnte es doch nicht über sich gewinnen , ihre Behandlung fremden Händen zu übergeben , die leicht weniger geschickt und sorgsam sein konnten , als die seinen . Wenigstens täuschte er sich über seine Unentschlossenheit mit dieser scheinbaren Pflichterfüllung . -- Jenny begriff es nicht in liebender Ungeduld , warum Reinhard zögere , ihr ein Geständnis zu machen , dessen es kaum noch bedurfte , während dieser selbst ernst mit sich zu Rate ging und , je mehr er sich und Jenny prüfte , um so ängstlicher über den Erfolg einer Verbindung mit der Geliebten wurde . In dieser peinlichen Unruhe vergingen einige Wochen . Clara es Genesung war so weit vorgeschritten , daß Eduard nur noch bisweilen das Hornsche Haus besuchte , um sich nach dem Zu stande seiner Kranken zu erkundigen , und vor Allem , um sie zu sehen , um mit ihr über Alles zu sprechen , was seine Seele in Anspruch nahm . Vor ihr hatte er sich gewöhnt , die tiefsten Regungen seines Herzens , die kühnsten Gedanken seines Geistes zu enthüllen . Sie hatte er eingeweiht in jedes Glück und jedes Leid , das er als Jude erduldet , und außer der Wonne , die es ihm gewährte , der Geliebten von sich und seinem früheren Leben zu erzählen , hatte er gedacht , Clara dadurch deutlich zu machen , daß sie getrennt wären durch den Glauben , und daß er nie daran denken könne , sie sein Weib zu nennen . Anders aber , als er es berechnet hatte , wirkten diese Schilderungen auf das liebende Herz des Mädchens . Sie wünschte und fühlte in sich die Macht , ihn zu entschädigen für alles Leiden ; sie wollte ihm zeigen , daß sie wenigstens die Vorurteile der Menge nicht teile . Darum sprach sie offen von ihrer Ach tung und Verehrung für ihn , darum hatte sie tausend jener kleinen Aufmerksamkeiten ihm gegenüber , in denen weibliche Liebe so erfinderisch ist , und die , allen Anderen unbemerkbar , sicher den Weg in das Herz Dessen finden , dem sie gelten . Dabei war Clara so hingerissen von der großartigen , freien Weltanschauung Eduard's ; die Wahrheit seiner Worte prägte sich ihr so deutlich und unbestreitbar ein , daß auch in dieser Beziehung der Geliebte ihr Ideal wurde . Ein Tag , an dem sie ihn nicht gesehen , nicht gehört hatte , was er treibe , was ihn beschäftige , schien ihr ein verlorener zu sein ; und als nun Eduard endlich seine letzte , ärztliche Visite machte , als Clara mit Tränen in den Augen vor ihm stand , mit Tränen , die , wie ihre Mutter meinte , einer übertriebenen Dankbarkeit flossen , fand sie endlich so viel Mut in sich , leise die Hoffnung auszusprechen , Doktor Meier , dem sie so unendlichen Dank schuldig geworden , werde künftig dem Hause ihrer Eltern sich nicht gänzlich entziehen . In Folge dessen konnte die Kommerzienräten es füglich nicht vermeiden , eine ähnliche Einladung an ihn ergehen zu lassen , welche Eduard , trotz aller gefaßten Entschlüsse , trotz seiner Grundsätze , sehr glücklich machte . Klaget ihn nicht der Schwäche an , wenn ihr jemals geliebt habt , und erinnert euch , wie eure Vorsätze zu Grunde gingen , wenn in der Trennungsstunde die Geliebte bittend vor euch stand ! Fragt euch , ob die Sehnsucht nach der Gegenwart der Geliebten nicht stärker war , als jeder Entschluß , den die Vernunft euch vorgezeichnet hatte ! Nachdem Eduard eine förmliche Einladung zu einem Diener im Hause der Kommerzienräten erhalten hatte , bei dem er mit vielen der angesehensten Männer der Stadt zusammengekommen war , die ihn kannten und hochschätzten , nachdem die stolze Wirtin es einmal über wunden hatte , einen Juden als Gast an ihrer Tafel zu dulden , fand es Clara nicht schwer , eine zweite Einladung für ihn zu bewirken , besonders da Ferdinand , nach heftigen Zerwürfnissen mit seinem Vater , seine sogenannte große Tour angetreten hatte , und so lange in London in dem Hause seines Onkels bleiben sollte , als William auf dem Kontinent verweilen würde . Stadt also in ihren Absichten durch Ferdinand gehindert zu werden , fand sie dieselben durch das Zureden ihres Vetters wesentlich gefördert ; und ihre Eltern ließen sich bereit finden , den Wünschen ihrer Tochter und William's nachzugeben , da nach Clara's Herstellung das Heiratsprojekt für diese wieder aufgenommen wurde , und die Kommerzienräten aufs Neue die zärtlich nachgebende Mutter spielte , um desto leichter das vorgesteckte Ziel zu erreichen . Dazu kam , daß der bisherige alte Hausarzt der Hornschen Familie gerade jetzt , nachdem er sein 7** Jubiläum feierlich begangen hatte , seine Praxis niederlegte , und die Kommerzienräten selbst den Vorschlag machte , den Dr. Meier zu ihrem Arzte zu erwählen , wodurch er gewissermaßen von Rechtswegen in die Zahl der Hausfreunde aufgenommen wurde . Seine fleißigen Besuche schrieb Madame Horn der Ehre zu , die Meiern durch ihre Wahl widerfahren sei und die er zu schätzen wisse ; und daß Clara's Interesse für den Doktor andere Motive , als Erkenntlichkeit haben könne , war ein Gedanke , der ihr niemals einfiel , weil sie die Liebe ihrer Tochter zu einem Juden für eine Naturverirrung angesehen hätte , die sie einem Mädchen aus ihrer Familie unmöglich zutrauen konnte . Das Jahr näherte sich seinem Ende , als Eduard fast ein täglicher , und selbst von den Eltern gern gesehener Gast des Hornschen Hauses geworden war . Der Kommerzienrat , der durch seine Geschäfte fortwährend mit den jüdischen Bankiers in Berührung kam , und den alten Meier persönlich achtete , war natürlich weniger hartnäckig in seinem Widerwillen gegen die Juden ; und Eduard hatte , schon während er Clara behandelte , des alten Horn's volles Zutrauen gewonnen . Hughes schloß sich immer mehr an Eduard an , und dieser sah es um so lieber , als er durch ihn in fortwährender Berührung mit Clara blieb , deren unzertrennlicher Begleiter der Cousin geworden , seit Ferdinand abwesend war . Für Clara begann nun eine Zeit der reinsten Freude . Eduard überließ sich mit jugendlicher Lebendigkeit der Wonne , die ihm das Beisammensein mit der Geliebten gewährte , ohne an die Zukunft zu denken , weil die Gegenwart ihn ganz ausfüllte . Hughes , dem Clara mit der schwesterlichsten Traulichkeit begegnete , gerade weil er ihr ganz gleichgültig und ihr Herz nur mit Eduard beschäftigt war , Hughes fühlte eine wachsende Neigung für Clara , der er sich um so unbesorgter hingab , als er wohl ahnte , daß sie die Wünsche beider Familien für sich habe . Er gehörte zu jenen ruhigen , trefflichen Menschen , die bei wahrem Gefühle doch keiner Leidenschaft fähig sind . Er gewann Clara lieb , er liebte sie sogar innig , aber das störte ihn weder in den Beschäftigungen und Zerstreuungen des Tages , noch raubte es ihm eine Stunde des Schlummers während der Nacht . Unermüdlich aufmerksam auf Alles , was Clara erfreuen konnte , stets besorgt , ihr Unangenehmes zu ersparen , war er ganz zufrieden mit dem Wohlwollen , das sie ihm bewies , und Meier's Einfluß auf seine Cousine beunruhigte ihn nicht , da er mit vollem Zutrauen an Beiden hing . Eduard entgingen die Gefühle nicht , die William für Clara hegte ; aber so fest glaubte er an Clara's Herz , daß nie ein Gedanke von Eifersucht in ihm rege wurde . Er wußte , Clara's Herz gehöre ihm ; und wenn dann plötzlich die Frage in ihm hervortrat , was die Zukunft ihm bringen werde , was das Ende von allen diesen Verhältnissen sein könne ? dann zog sich eine düstre Wolke auf seiner Stirn zusammen , er sagte sich , daß er schlecht , daß er unredlich handle , er rief es sich zurück , wie fest der Entschluß , Clara zu meiden , einst in ihm gewesen sei , und fand nicht Friede , nicht Ruhe , bis er in Clara's Nähe Alles vergaß , außer seiner Liebe . Da er den ganzen Tag beschäftigt und Abends häufig im Hornschen Hause war , anderer Einladungen nicht zu gedenken , an denen es dem beliebten Arzte nicht fehlte , mußte er natürlich in seinem elterlichen Hause seltener werden , obgleich er das Mittagsmahl regelmäßig mit den Seinen einnahm , und oft ängstlich nach Muße strebte , um sie den Eltern zu widmen . Die nächste Folge davon war , daß Jenny aus Mißmut , wie sie sagte , sich an Joseph zu gewöhnen begann , und Zutrauen zu ihm faßte . Denn Reinhard hielt sich in scheuer Entfernung , er mißtraute sich und der Geliebten . Eduard war , um Jenny's Worte zu brauchen , der Fahne untreu geworden , und auf dem Punkte , zu desertieren . Erlau malte die Giovanolla , und folgte ihr von früh bis spät . Steinheim endlich hatte zum zehnten Male eine jener literarischen Arbeiten vorgenommen , deren er immer ein halb Dutzend unter den Händen hatte , die ihn 14 Tage beschäftigten und ihm unsterblichen Ruhm verschaffen sollten , aber niemals fertig wurden , weil er weder Ruhe noch Fleiß dazu besaß ; und somit war die Meiersche Familie jetzt mehr allein , als es sonst der Fall zu sein pflegte . Dieser Zustand wurde der lebhaften Jenny unerträglich . Gepeinigt durch Reinhard's Benehmen , das sie nicht zu deuten vermochte , gelangweilt durch die ungewohnte Einsamkeit und Stille des Hauses , tauchte einst plötzlich in ihr der Entschluß auf , Reinhard's Zweifeln , die ihrer Meinung nach nur aus dem verschiedenen Glauben entspringen konnten , ein Ende zu machen , und zugleich dem Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer Liebe zu geben , indem sie sich von der Religion ihrer Väter , ihrer Eltern trennte , und zum Christentum überträte , dessen Lehren ihr durch Reinhard lieb geworden waren . Dieser Vorsatz , einmal gefaßt , kam ihr nicht mehr aus dem Sinn . Therese , der sie ihn zuerst als das tiefste Geheimnis mitteilte , ohne jedoch die wahren Motive anzugeben , zerfloß in Tränen der Freude bei dem Gedanken , daß ihr Jenny künftig auch durch den gleichen Glauben angehören wolle . Sie malte mit rührender Inbrunst den Segen , der Jenny in dem Besuch der Kirche , in dem Genusse des heiligen Abendmahls werden müsse ; sie schilderte ihr die Ruhe , den Himmelsfrieden , den sie nach demselben em pfunden , und Jenny , deren ganze Seele gerade jetzt in der furchtbarsten Unruhe befangen war , fühlte sich dadurch in ihrer Ansicht bestärkt , und fing an , auch die Eltern allmählich auf ihre Wünsche vorzubereiten . Diese nahmen es anfänglich leicht . Sie hielten es für eine jener enthusiastischen Aufwallungen , die sie an ihrer Tochter gewohnt waren , und mit denen sie sich ebenso gut für das Christentum und einen allgemeinen Kreuzzug , als für das Judentum und die Begründung eines neuen jüdischen Reiches , begeistern konnte . Nur Joseph faßte es anders auf . Er kannte die Triebfedern , die hier im Spiele waren , und ein doppeltes Interesse flößte ihm den Wunsch ein , die Ausführung oder das Ausbilden dieses Gedankens bei Jenny zu verhindern , weshalb er jede Gelegenheit ergriff , mit ihr darüber zu sprechen . Eines Tages , als man vom Mittagstische aufgestanden war , Eduard sich entfernt , und Herr und Madame Meier eine kleine Spazierfahrt unternommen hatten , die Jenny mitzumachen abgelehnt , blieb sie mit Joseph allein in dem Eßzimmer zurück und das Gespräch wandte sich bald auf das Christentum , da Beide gleich lebhaft bei dem Thema beteiligt waren . " Was ist es denn eigentlich " , fragte Joseph sie , " was Dich so urplötzlich zu dem Entschluss gebracht hat ? " " Urplötzlich kannst Du es nicht nennen " , antwortete sie . " Ich habe bis jetzt überhaupt nicht über mich selbst nachgedacht ; ich habe wie ein Kind in den Tag hineingelebt . Nun ich älter werde und ernster über mich nachdenke , fühle ich , daß die Halbheit , in der ich erzogen bin , mich nicht befriedigt , daß ich nicht glücklich bin , und will das ändern . " Joseph lächelte unwillkürlich . " Und Du hoffst , das Christentum werde Dich glücklicher machen ? Mein gutes Kind , täusche Dich nicht . Der Glaube , der Frieden , der nicht in uns ist , den bringt kein Wechsel der Religion in unser Herz , den kann Dir weder Christus noch Moses geben . " " Das kannst Du nicht wissen , weil Du nicht Christ bist ! " erwiderte sie . " Und woher weißt Du es denn ? " " Durch Therese , durch Reinhard . O ! wenn Du wüßtest , wie selig Therese nach dem Genusse des Abendmahls war , wie fest Reinhard daran glaubt , daß selbst Leiden , die Gott uns auferlegt , zu unserem Heile dienen , wie sicher er darauf rechnet , nach dem Tode mit seinen geliebten Verstorbenen wieder vereinigt zu werden ! Joseph , glaube mir , mit der Überzeugung muß man glücklich sein ! " Joseph schwieg eine Weile , denn Jenny's Worte , aus denen ihre angeborene Lebhaftigkeit mit der Liebe für Reinhard zugleich hervor tönte , machten einen fast schmerzlichen Eindruck auf ihn . Er beneidete Reinhard , daß er Jenny's Liebe gewonnen , und war einen Augenblick nahe daran , ganz von dieser Unterhaltung abzubrechen und mit keinem Zweifel ein Herz zu beunruhigen , das für ihn , wie er fühlte , hoffnungslos verloren sei . Indes war ihm Jenny zu teuer , als daß er sie ohne Besorgnis auf einem Pfade sehen konnte , dessen Ziel ihm für die Ruhe Jenny's durchaus gefährlich schien , und er hielt es für recht und nötig , bei einem so wichtigen Schritte , an dessen Ausführung er , wie er die Verhältnisse kannte , nicht mehr zweifelte , die Stimme der Warnung ernstlich geltend zu machen . " Höre mir einmal aufmerksam zu " , bat er , " und laß mich ausreden , liebe Jenny ! Du sagst mir , mit Theresens und Reinhard's Überzeugung müsse man glücklich sein . Hast Du diese ? " " Nein " , antwortete Jenny . " Aber Du glaubst auch , daß Gott über uns lebt , daß er unser Schicksal lenkt , daß uns nichts begegnen könne , ohne seinen Willen , daß er allweise und allgütig ist , daß er uns liebt ? " " Gewiß , das glaube ich . " " Du glaubst , daß wir eine unsterbliche Seele haben ? denn das scheint eine von den Überzeugungen zu sein , die Du am tröstlichsten findest . " " Joseph " , fiel Jenny rasch ein , " sieh , wenn ich an die Unsterblichkeit der Seele zu glauben vermöchte , wenn mir das bewiesen werden könnte , sodaß ich es einsehen , es begreifen könnte , dann wäre ich schon glücklich . Es ist so furchtbar , Dasjenige auf das bloße Wort eines Anderen glauben zu müssen , was uns zur unwandelbaren , felsenfesten Überzeugung werden muß , wenn wir nicht beständig in Todesangst erzit teeren sollen bei dem Gedanken , daß Einer unserer Lieben uns entrissen werden könne . Aber bewiesen muß es mir werden , daß ich es erfassen kann mit der Vernunft . Daß Ihr mir sagt : , Glaube , wir sind unsterblich , das genügt mir nicht , das vermag ich nicht . " " Du vermagst nicht zu glauben , und willst Christin werden ? zu einer Religion übertreten , die , ganz auf Offenbarungen basiert , voll von Mysterien , nur durch den Glauben besteht , in Allem , was nicht Moral oder Philosophie ist ? Was ist Dir der Sohn Gottes , der Mensch gewordene Gott ohne den Glauben ? Wie kann Dich die Anwesenheit Christi im Abendmahle erheben , wenn Du nicht zu glauben vermagst ? Oder meinst Du , man könne Dir die Gegenwart Christi im Sakramente beweisen ? es gäbe eine Erklärung für die Kindschaft Jesu ? Kannst Du den heiligen Geist , die Dreieinigkeit begreifen ? Man wird Dir ein Bild dafür geben , aber wer gibt Dir die Fähigkeit zu glauben , dieses Bild sei Wahrheit ? " " O Gott ! nicht weiter " , rief Jenny weinend aus , " nicht weiter ! guter , bester Joseph ! ich bin grenzenlos unglücklich ! " " Doch ! mein liebes Kind ! denn wie ein teures Kind liebe ich Dich " , sagte Joseph mit bebender Stimme , " doch ! -- Du mußt mit Dir selbst einig werden . Du weißt , das viele Sprechen ist nicht meine Sache ; um Dich aber aufzuklären über Dich selbst , müssen wir aufrichtig sprechen . Den Glauben an Gott , die Lehren , recht zu tun und dem Nächsten zu dienen , enthält das alte Testament , und Du findest sie veredelt und einer höheren geistigen Entwicklung entsprechend im neuen Testamente wieder , und Mohammed und Zoroaster lehrten sie -- denn sie sind begründet in unserer Seele , die uns Gott gegeben . Darüber hinaus ist alles Menschensatzung ; und Du , großgezogen im Skeptizismus des jetzigen Judentums , wirst nie aufhören , an Alles den Maßstab der Vernunft anzulegen . Du hast gesehen , daß Deine Familie , gut und brav , den Gesetzen der Moral gefolgt ist , und doch die Gesetze , die das Judentum charakterisieren , als bloße Ceremonialgesetze verwirft . Du bist erzogen in der Schule des Gedankens , wenn ich so sagen darf , und Dir ist die Möglichkeit des Glaubens ohne Prüfung dadurch genommen . Du wirst hoffentlich ein Mensch werden , nach dem Herzen Gottes , aber Du wirst niemals Christin sein , noch Jüdin . Wie wir Juden jetzt in religiöser Beziehung denken , gibt es keine positive Religion mehr , die für uns möglich ist , und wir teilen mit Tausenden von Christen die Hoffnung , daß eine neue Religion sich aus den Wirren hervorarbeiten werde , deren Lehren nur Nächstenliebe und Wahrheit , deren Mittelpunkt Gott sein muß , ohne daß sie einer mystischen Einhüllung bedürfen wird . " Joseph hielt inne , und auch Jenny schwieg . Endlich fragte sie leise : " Und was soll aus mir werden ? Was soll ich beginnen ? " Joseph , der neben ihr auf dem Diwan saß , zog sie sanft an sich und sagte mit dem mildesten Tone , dessen seine Stimme fähig war : " Du sollst Dich prüfen , ob Du ohne Reinhard nicht glücklich zu sein vermagst , denn nur ihn suchst Du im Christentum . Du sollst prüfen , mein Kind ! ob Reinhard Dir eine so feste Stütze im Leben sein wird , als die Deinen ? Reinhard ist gut und brav , aber ich fürchte , Ihr Beide werdet Euch niemals verstehen -- und am Ende wirst Du Deinem Herzen folgen . Das allein entscheidet zuletzt das Schicksal der Frauen . Gott gebe , daß Dein Herz Dich nicht trügt ! " Bei diesen Worten küßte Joseph die Stirn des Mädchens , das , ebenso ergriffen als verschämt , den Kopf an seiner Schulter verbarg , als die Tür aufging und Reinhard in das Zimmer trat . Er blieb überrascht stehen , Jenny sprang entsetzt in die Höhe , und nur Joseph war ruhig und hieß ihn willkommen . Dadurch gewann Reinhard Zeit , sich zu fassen ; einen kurzen Moment schien er zu überlegen , dann ging er schnell und leidenschaftlich bewegt auf Joseph zu und sagte : " Ich kenne Sie nicht genau genug , Herr Meier ! um eigentlich eine solche Frage an Sie richten zu dürfen . Sie könnten mich der Zudringlichkeit beschuldigen , aber mein Lebensglück hängt von der Frage ab : " Wie stehen Sie mit Jenny Meier ? " " Ihre Forderung ist allerdings sonderbar " , antwortete Jener , " da ich wirklich nicht einsehe , was Sie zu der Frage berechtigt ? Doch will ich Ihnen antworten , weil ich Ihrer Ehre vertraue . Jenny Meier ist mir eine teure Verwandte , die , unter meinen Augen aufgewachsen , mir wie eine Schwester wert ist . " I. 8 " Und sie ist nicht Ihre Braut ? " fragte Reinhard weiter . " Nein ! " war die entschiedene Erwiderung . " Aber Sie lieben Jenny ? Was bedeutet sonst die Szene , die ich gesehen ? " " Darüber brauche ich Ihnen keine Auskunft zu geben , und es ist mehr als Sie fragen dürfen , wenn Sie Fräulein Meier die Achtung zollen , die sie zu fordern berechtigt ist " , sagte Joseph tadelnd . Reinhard wollte eben eine heftige Entgegnung machen , denn die lebhafteste Eifersucht raubte ihm fast die Besinnung ; doch bezwang er sich gewaltsam , und sprach mit erkünstelter Ruhe : " Ich muß es darauf ankommen lassen , wie Sie über mich in diesem Augenblick urteilen mögen . Vielleicht gelingt es mir bald , Ihnen in günstigerem Lichte zu erscheinen , und mein Betragen vor Ihnen zu rechtfertigen . " -- Mit den Worten verließ er Joseph , der ge dankenschwer im Zimmer auf und ab ging , bis der alte Meier mit seiner Frau nach Hause kam , denen bald darauf Eduard in der heitersten Laune folgte . Dieser kam aus dem Hornschen Hause . Man hatte dort von einem Treibhause gesprochen , in dem eine Menge der schönsten Blumen gerade jetzt in voller Blüte ständen , und Hughes hatte dabei die Bemerkung gemacht , er halte das Treibhaus des alten Herrn Meier für eines der reichsten und schönsten , die er jemals gesehen . Er erzählte von den Kamelien , Azalien und Hyazinthen , die er nicht genug loben konnte . Clara schien sich dafür lebhaft zu interessieren , und Eduard wagte endlich den Vorschlag , Fräulein Horn möge seinen Eltern die Freude machen , sich selbst durch den Augenschein davon zu überzeugen . Hughes fand die Idee vortrefflich ; er war gleich bereit , seine Cousine zu begleiten , und erhielt nach einigen Einwendungen die Er 8 * laubniß seiner Tante dazu . Die Kommerzienräten nämlich , die ihren Plan niemals aus dem Gesichte verlor , fingen William's häufige Besuche im Meierschen Hause zu beunruhigen an . Es bangte ihr vor der Möglichkeit , Jenny könne der Magnet sein , der ihn dorthin ziehe , und sie wünschte lebhaft , die Verlobung Clara's mit William , die ihr sehr am Herzen lag , so schnell als möglich geschlossen zu sehen . Darum war ihr jede Veranlassung willkommen , die Clara und Hughes zusammenführte , besonders diese , bei welcher der junge Mann als der Beschützer des Mädchens auftrat ; und es war ihr lieb , wenn sich die Leute gewöhnten , das Paar als verlobt zu betrachten , weil nur zu häufig das Urteil der Welt uns erst zu Entschlüssen bestimmt , die wir sonst vielleicht gar nicht oder doch viel später gefaßt hätten . Eine größere Freude hätte die Kommerzienräten weder ihrer Tochter noch Eduard bei reiten können . Beide erglühten vor Lust , als ihre Blicke sich begegneten . Die Verabredung wurde für den nächsten Morgen getroffen , und Eduard eilte nach Hause , um seine Eltern davon in Kenntnis zu setzen . Auch Reinhard war , als er sich von Joseph trennte , nach seiner Wohnung gegangen , und so stürmisch in das friedliche Zimmer der Pfarrerin getreten , daß diese , Brille und Strickzeug bei Seite legend , verwundert zu dem Sohne empor sah , an dem sie dergleichen Ausbrüche in ihrer Nähe , die er wie geheiligten Boden ehrte , nicht gewöhnt war . " Was ist geschehen , Gustav ? sprich ! " fragte sie endlich , als Reinhard , der offenbar keinen Anfang zu dieser Unterhaltung zu machen vermochte , sich schweigend neben sie auf das Sofa warf , und tief aufatmend sein Gesicht in den Händen barg . " Was ist geschehen ? Um Gotteswillen ! " fragte die Mutter nochmals . Und der starke Mann bebte wie ein schwaches Mädchen , und sprach aus beklommener Brust : " Ich liebe Jenny Meier , und sah sie an der Brust ihres Vetters ! " Auch die Pfarrerin fuhr zusammen . " Armer Sohn " , sprach sie , " also ist sie Joseph's Braut ? Und ich glaubte , sie teile Deine Liebe , die ich lange schon erkannt . " " Sieh Mutter , das ist es ! Auch ich habe an ihre Liebe geglaubt , ich bete sie an , sie ist der Gedanke meiner Tage , der ewige Traum meiner Nächte , und nun ! " Aufs Neue drang seine Mutter in ihn , ihr genau zu berichten , was vorgefallen sei . Reinhard's Erzählung , von den leidenschaftlichsten Klagen unterbrochen , ließ sie einsehen , daß ihres Sohnes Eifersucht der Geliebten Unrecht getan haben mochte . Sie fragte ihn , ob er Jenny seine Liebe bekannt habe ? " Niemals ! " antwortete er . " Ein mir sonst unbekanntes Bangen hielt mich davon zurück . Wenn ich es zu sagen vermöchte , wie ich Jenny liebe , das schöne , engelschöne Kind , dessen Lehrer und Freund ich bin , dessen Geist , dessen tiefes , wahres Gefühl mich für ewig an sie kettet , an dessen Seite zu leben , das heißeste Verlangen meines Lebens ist ! -- Mutter ! -- Diese Jenny ist ein edles Mädchen ; teilnehmend , mild und rein , und ich könnte Alles opfern , um sie mein zu nennen . Aber in Jenny ist noch ein zweites , fremdes Wesen , das mich kalt abstößt , wenn mein Herz offen und warm ihr entgegenwallt . Hast Du Jenny gesehen , wenn sie den schalen Witzen des albernen Steinheim Beifall lächelt ? wenn sie mit Wonne die Huldungen von Alt und Jung duldet , und kein höheres Glück zu kennen scheint , als die Pracht und den Luxus , der sie umgibt , keine andere Freude , als Allem Hohn zu sprechen , was es Großes und Heiliges gibt ? Ich habe sie am Morgen Tränen der tiefsten Rührung vergießen sehen über Empfindungen , die sie am Abend spottend verlachte ; und oft , wenn ihr schönes Auge mich zu den seligsten Hoffnungen berechtigte , verletzte im nächsten Momente ihr kaltes Wort mich so schwer , daß ich schon tausendmal entschlossen war , sie für immer zu fliehen . Und sie zu fliehen , sie nicht zu sehen , Mutter ! von Jenny zu scheiden , vermag ich nicht mehr . " Beide schwiegen , und die Pfarrerin weinte still . " Neulich " , fuhr er nach einer Weile fort , " hörte sie von dem Unglück einer armen Familie sprechen ; sie war sehr bewegt und doch so klug und ruhig in den Hilfsleistungen , die sie anbot . Sie war gerührt wie ein Weib , und klar verständig wie ein Mann . Hoch erfreut betrachtete ich sie , wie sie geschäftig alles Nötige ordnete und aus Kisten und Schränken zusammentrug , was irgend der augenblicklichen Not zu steuern vermochte -- und nach einer Stunde , als vielleicht auf ihr junges Haupt der beste Segen des Himmels von den Armen erfleht wurde , hörte ich selbst aus ihrem Munde die Worte : , Die Dürftigkeit ist nicht poetisch , ich habe nie an die glückliche Armut geglaubt , sie ist nur armselig und pauvre .' -- Und ich sollte daran denken , sie in ein kleines Pfarrhaus zu führen , das ihr armselig und pauvre erschiene ? -- O niemals , niemals ! " Und wieder entstand eine lange und traurige Pause , bis die Pfarrerin endlich sagte , indem sie ihren Arm um ihren Sohn schlang : " Mein armer Gustav ! es ist leider manches Wahre an Dem , was Du sagst , und doch scheint es mir , Du tust Jenny Unrecht mit Deinem Urteil . Ihr Herz ist gut , sie liebt Dich , und viele ihrer Fehler , die ich nicht verkenne , ihr flatterhaftes , unstätes Wesen , ihre Putzsucht würden sich verlieren , wenn sie in der Ehe 8** höhere und reinere Freuden kennen lernen würde ; aber -- " " O ! das ist es auch nicht " , rief Reinhard , innerlichst erfreut , sich widersprochen und die Geliebte gelobt zu sehen . " Das ist es nicht ! Gönne ich dem schönen Engel nicht die Perlenschnur in den wundervollen Locken ? Freue ich mich nicht selbst , wenn der lange Caschmirshawl sich um die kleine , feine Gestalt legt , und die Schultern blendend weiß daraus hervorschimmern ? Sie ist geboren für diesen Schmuck ! aber , sie kann ihn nicht entbehren ; ich vermag ihn ihr nicht zu geben und würde doch erröten , mein Weib in einer Pracht zu sehen , die sie nicht mir allein verdankte , die ich nicht mit ihr teilen könnte , ohne von den Wohltaten eines Dritten zu leben . Und wenn Jenny in einem jener Anfälle rücksichtslosen Witzes jemals ein Wort sagte , das mich daran erinnerte , sie sei die Reiche mir gegenüber -- gerade , weil ich sie liebe -- bei Gott ! ich glaube , ich könnte zum Mörder werden . " " Das wird Jenny nie " , begütigte die Pfarrerin , " und in der Beziehung würde ich sie ruhig an Deiner Seite sehen . Was mir an Jenny mißfällt , ist das jüdische Element in ihr . Der Witz dieses Volkes ist eigentümlich und fürchterlich , er hat mich oft erschreckt , gepeinigt , wenn mir mitten in dem Kreise des Meierschen Hauses wohl war , wie es Einem bei so braven , gebildeten Menschen wohl werden muß . Ihr Witz hat etwas von dem Stilett eines Banditen , der aus dem Verborgenen hervorstürzt und den Wehrlosen um so sicherer damit trifft . Er ist die letzte Waffe des Sklaven , dem man jede andere Waffe gegen seinen Unterdrücker genommen hat , die feige Rache für erduldete tiefempfundene Schmach . " " Mutter ! Jenny es Witz ist nicht so schlimm ; er ist kindisch , schnell und treffend . Aber wenn ich in törichter Eifersucht aufgeregt , hart über meine Jenny urteile -- vergiß es , liebe Mutter ! denn ich habe Jenny verleumdet , ihrer edlen Seele sehr , sehr Unrecht getan . Ich selbst glaube nicht , was ich sagte ; es war Leidenschaft , Zorn , was aus mir sprach , nicht meine Überzeugung , nicht mein Herz , das Jenny liebt -- liebt wie Dich , meine teure Mutter ! Nicht wahr ? auch Du hast meine Jenny lieb ? " fragte Reinhard , und die Pfarrerin schwankte , was sie beginnen sollte . Sie sah , daß ihr Sohn zu sehr an der Geliebten hing , um selbst aus dem Munde seiner Mutter ein Wort des Tadels gegen sie ertragen zu können . Lieber wollte er seine Überzeugung , seine eigene Erfahrung in der Beziehung Lügen strafen , als Jenny tadeln hören , die er gerade jetzt , wo die Eifersucht ihm die Gefahr , sie zu verlieren , vorspiegelte , unaussprechlich liebte . Doch siegte die Pflicht , ihren Sohn aufmerksam zu machen auf Jenny's Charakter , über die Scheu , ihm augenblicklich wehe zu tun . " Ich habe Jenny sehr lieb " , sagte sie , " und die kindliche Freundlichkeit , die Hingebung , die sie mir immer zeigt , verdienen meinen wärmsten Dank . Sie , so klug , so schön und gut , muß der Stolz jeder Mutter sein . " -- Reinhard's Gesicht leuchtete vor Freude und ein feuriger Händedruck lohnte seiner Mutter diese Anerkennung . " Doch " , fuhr die Pfarrerin fort , " täusche Dich nicht , Gustav ! Jenny hat Fehler , für die sie nicht verantwortlich ist , weil sie gewissermaßen national sind , und die die Mehrzahl der sogenannten gebildeten jüdischen Frauen , mehr oder weniger alle , mit ihr teilen . Die Lebhaftigkeit , das südliche Feuer der Juden fällt bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche Manier auf . Ihr Sprechen , ihre Gebärden sind karikiert . Davon ist der Gebildete frei , die unruhige Lebhaftigkeit indessen bleibt ein hervor stechender Zug der Juden . Sie mag vortreffliche Geschäftsmänner hervorbringen , der Weiblichkeit aber tritt sie zu nahe . Jenny belebt eine ganze Gesellschaft ; sie ist täglich neu ; man findet Freude und Unterhaltung bei ihr , nur Ruhe nicht . Sie hat Mut und Geist ; sie bewegt sich frei und keck ; und doch muß ich , wie zur Erholung , auf Therese sehen , die still und bescheiden , wie sie ist , einen gar wohltuenden Eindruck auf mich macht . " " Therese ist kälter ; sie hat lange nicht den Geist " , wandte Reinhard ein , und was Du von den Jüdinnen sagst , trifft auch nicht immer zu . Ist Jenny's Mutter nicht die liebenswürdigste , vortrefflichste Frau ? -- Auch Jenny wird so werden , wenn das erste Jugendfeuer vorüber ist . Und diese Lebhaftigkeit , die Du tadelst , wie viel Freude muß sie dem Manne gewähren ! Jenny es Geist ... " " Das ist es , was ich fürchte ! " sagte die Pfarrerin . " Jenny's Geist ist unerbittlich klar ; er läßt sich nie von ihrem Herzen täuschen . Das ist es , was mich besorgt macht . Diesen geistreichen Mädchen aus den jüdischen Familien , die gleich Jenny erzogen werden , fehlt es fast immer an gutem weiblichen Umgange : mehr unterrichtet , als die Frauen ihrer nächsten Umgebung , überschätzen sie sich zu leicht ; das Beisammensein mit Mädchen , die Sorge für die täglichen Bedürfnisse des Hauses hört auf ihnen Freude zu machen ; sie ziehen die Unterhaltung der Männer vor , welche mit Vergnügen solch einen kleinen Überläufer empfangen . Im Kreise der Männer nun machen ihr Geist und ihre Aufklärung Riesenfortschritte ; die neuen Begriffe , der große Maßstab der Männer werden an Alles gelegt ; das Mädchen schämt sich der engen Verhältnisse , die ihm bis dahin genügten ; eilig werden die alten Vorurteile niedergerissen , die beschränkten Ansichten verworfen ; das Haus , in dessen alten fabelhaften Mauern das junge Mädchen gerade heimisch und liebenswürdig erscheint , wird zerstört , und ein neuer spiegelblanker Palast errichtet . Durch die großen Scheiben dringt strahlend hell das Sonnenlicht , und glänzt von den glatten Marmorwänden wieder . Alles ist Licht -- kein Halbdunkel , kein düsterer Schatten ; aber auch kein stiller Raum , um dem Schöpfer einen Altar zu bauen , kein traulich Plätzchen für schüchterne Liebe . -- Gustav ! ich habe Dir , als Du noch auf meinen Knien spieltest oft in Märchen und Bildern die Wahrheit mitzuteilen versucht , die ich Deinem Herzen einprägen wollte ; die alte Gewohnheit ist mir geblieben , wie Du siehst . Jenny , von den Ihrigen im Zweifel erzogen , ist ein weiblicher Freigeist geworden . Wird sie Dich glücklich zu machen vermögen ? " Reinhard sah brütend vor sich nieder , ohne zu antworten ; auch seine Mutter verlor sich in Gedanken , denen sie nach einigen Minuten wieder Worte gab . " Bei den Männern , " sagte sie , " bei Jenny's Vater , bei Eduard , fällt der Unglaube nicht störend auf , weil philosophische Erkenntnis sie auf den richtigen Standpunkt gestellt , ihnen eine wahre und tiefe Überzeugung gegeben hat . Aber Madame Meier selbst bedauert die Richtung , welche ihre Tochter genommen hat , denn die Mutter ist ein frommes , echt weibliches Gemüt ; und sage mir ehrlich , mein Sohn ! glaubst Du , Jenny werde jemals von Herzen Christin sein ? Wenn Du nun dastehst und mit inniger Erhebung Deiner Gemeinde das Abendmahl erteilst im Namen unseres Heilandes , der für uns gestorben ist , wird Dein Herz nicht bluten bei dem Gedanken , daß Deine Frau , Dein anderes Ich , der heiligen Handlung kalt und zweifelnd zusieht und innerlich Dich und die Gemeinde bemitleidet , die Erbauung findet , wo sie ein leeres Formenwesen sieht ? Hast Du Dir Jenny als die Mut ter Deiner Töchter gedacht ? -- Sie könnte einem Manne viel , Alles sein , aber keinem Christen , keinem Geistlichen , der aus innerer Überzeugung seinen Beruf heilig hält . " " Nein ! " rief Reinhard plötzlich aus , " nein ! es wird anders sein ! Das Licht göttlicher Wahrheit wird auch in Jenny's Geist leuchten , sie wird einsehen und fühlen , daß im Christentum der Quell ewiger Seligkeit rein und lauter strömt . Ein starker Glaube , wie meiner , muß sie davon überzeugen , und ist sie nicht schon dem Herzen nach Christin ? Alles , was Du an ihr tadelst , liebe Mutter , wird schwinden ; Du hast es selbst vorhin gesagt , wenn ihr Gemüt die ewig wahre Lehre in sich aufgenommen haben wird , wenn eine edlere Freude , eine selige Ruhe sie beleben werden . Denke Dir , welch ein Glück , die Seele seiner Frau gebildet zu haben , sie gewonnen zu haben für die Wahrheit ! -- Und werde ich ihr nicht Schätze bieten , edler und unschätzbarer , als die Reichtümer , die mich vorhin beunruhigten ? -- Morgen noch sage ich ihr , daß ich sie liebe , und ich hoffe , Dir morgen eine Tochter zuzuführen , die würdig ist , einen Platz an Deinem Herzen zu finden ! Mutter ! wir werden sehr glücklich sein . Ich allein weiß , welch eine Welt von Liebe , von Großmut in Jenny lebt , ihre Seele entspricht dem holden , süßen Antlitz -- und Beides mein ! Jenny ganz mein , mein Eigen ! Es ist fast zu viel Glück in dem Gedanken " -- sagte er lächelnd , und fing an , der Pfarrerin ein Bild ihres künftigen Lebens in ländlicher Stille zu entwerfen , das der armen Frau Tränen entlockte , weil sie ihrem Gustav ein solches Los wünschte , und doch zweifelte , ob es jemals Jenny zusagen würde . Nur mit Überwindung wagte sie , ihrem Sohne den Vorschlag zu machen , noch ein paar Tage mit seiner Werbung zu zögern , nochmals reiflich zu über legen -- denn zu harren , bis er eine Anstellung gefunden , dazu war er nicht zu überreden . Die Warnungen seiner Mutter , ihre Mißbilligung hatten nur dazu gedient , ihn an Jenny's Vorzüge zu erinnern , und widerstrebend versprach er , das Meiersche Haus ein paar Tage zu meiden , und Jenny nicht zu sehen . Der nächste Morgen , ein Sonntag , brachte nach trüben Tagen mit Wind und Schneegestöber , wie der Dezember sie bietet , einen klaren , frischen Frost . Die Straßen waren trocken , und sahen in der Sonntagsstille , die in großen geräuschvollen Handelsstädten um so friedlicher erscheint , gar reinlich und festlich aus . Mit der eitlen Sorgsamkeit einer Hausfrau musterte Madame Meier die Zimmer , ließ nochmals jedes Stäubchen fortkehren , und wollte es doch nicht wahr haben , daß sie heute noch mehr darauf halte , als sonst , um Fräulein Horn damit zu imponieren , die man zum Frühstück erwartete . Eduard hatte die erste Morgenstunde dazu benutzt , mit dem Gärtner das Treibhaus zu durchwandern . Er selbst hatte die seltensten Exemplare in das rechte Licht gestellt , den Frühstückstisch unter die Orangen setzen lassen , deren Blüten am üppigsten dufteten , und dem Gärtner aufgetragen , ein Bouquet zu arrangieren , das für diese Jahreszeit ein wahres Wunder erscheinen mußte . Dann hatte er in fast knabenhafter Fröhlichkeit mit Jenny gescherzt , mit ihr herumgewalzt , als eine Truppe Musikanten auf der Straße spielte , und sie zuletzt gebeten , doch zuzusehen , daß es Fräulein Horn , die sie sehr lieb hätte und stets nach ihr frage , recht im elterlichen Hause gefallen möge . Joseph sah dem fröhlichen Treiben düster zu , und wurde wehmütig gestimmt , als Jenny , nach Eduard's Entfernung zu ihm kam , ihm die Hand reichte und mit ungewohnter Feierlichkeit zu ihm sagte : " Joseph ! ich habe Dich bis jetzt verkannt , Dich nicht genug geliebt . Was mir die Zukunft auch bringen wird , Du sollst mein geliebter Bruder , mein zweiter Eduard sein . Willst Du das ? -- und Du kannst mir vertrauen , wie einem Manne , wie ich Dir ! " -- Joseph bebte , sein Urteil war damit gesprochen . " So sei es ! " war Alles , was er erwiderte , da er Aufregungen und Szenen der Art ebenso sehr haßte , als Jenny sie liebte , die ihn verließ , weil sie einen wärmeren Anklang erwartet hatte und nicht Beobachtung genug besaß , in Joseph's kalten , ruhigen Zügen den wahren Schmerz zu lesen , den ihr Verlust ihm verursachte . Eduard kehrte schon um 11 ½ Uhr von seiner Praxis zurück und versuchte umsonst , die Aufregung zu verbergen , mit der er nach dem Zeiger der Uhr sah , und die Straße betrachtete , um endlich Clara und Hughes zu entdecken . Da rollte eine leichte Gigue über das Pflaster , hielt vor dem Meierschen Hause , die Torflügel öffneten sich , der Portier zog die Glocke , und Eduard flog die Treppe hinunter , um die Geliebte selbst zu seiner Familie zu geleiten . Jenny kam ihr bis in das Vorzimmer entgegen , die Mädchen umarmten sich auf Mädchenart mit zärtlichen Küssen , das alte , trauliche " Du " der längst verflossenen Schulzeit wurde hervorgesucht , und es vergingen mehrere Minuten , ehe Clara in das Wohnzimmer zu Madame Meier kam . Clara war wunderschön an dem Tage . Sie trug ein hohes Kleid von seegrüner Seide , das eng anliegend die hohe , volle Gestalt markierte , ohne die feine Taille zu verbergen ; ein kleiner schwarzer Samthut hob die frische Röte , den zarten Teint des Gesichtes nur mehr hervor , und stach schön gegen die langen , hellblonden Locken ab , die ihr bis auf die Schultern herabfielen . Die Freude , welche ihr dieser Besuch einflößte , der Wunsch , den Eltern des Geliebten zu gefallen , verursachten ihr eine lebhafte Bewegung , die unendlich anmutig an ihr erschien . Jenny konnte nicht aufhören , sie zu betrachten , und Madame Meier empfing sie mit jener Freude , mit der eine zärtliche Mutter die Auserwählte ihres Sohnes begrüßt . Sie fand Clara noch schöner und liebenswürdiger , als sie sich dieselbe gedacht hatte . Der Ton von Demut in ihrer Stimme , das Weiche , Milde in ihrer Erscheinung , welches sich Eduard gegenüber zu verdoppeln schien , waren fast unwiderstehlich . Die ungeheuchelte Freude , mit der sie die Schätze des Treibhauses bewunderte , das an den Tanzsaal grenzte , die Kindlichkeit , mit der sie Eduard und Jenny glücklich pries , in diesem Hause zu wohnen , machte die Anderen mit ihr froh , und selbst Jo seph's Stimmung wurde freundlicher vor so viel Liebenswürdigkeit . Clara fühlte sich bereits ganz heimisch in dem Kreise , als Eduard's Vater hinzukam und man sich zu dem elegant servierten Frühstück niedersetzte , während dessen die Unterhaltung in zwei Teile zerfiel . Hughes hatte Briefe aus London erhalten , teilte manches Neue daraus mit , und es ergab sich in Folge dessen unter den Herren eine Unterhaltung , die zwischen merkantilischen und politischen Interessen sich hin und her bewegte , und an der auch Eduard Anteil zu nehmen gezwungen war , obgleich er neben Clara saß und mehr auf ihr Gespräch mit den Damen achtete , als er zugestehen wollte . Sie mußte erzählen , wie sich der Unfall zugetragen , der sie so lange an ihr Zimmer gefesselt hatte ; sie konnte nicht genug ausdrücken , wie dankbar sie dem Doktor Meier für seine Sorgfalt sei , wie seine Freundlichkeit , sein Trost I. 9 ihr die Stunden des Schmerzes verkürzt hätten . Madame Meier und Jenny waren hoch erfreut über diese Äußerungen , während sie Herrn Meier ernst , fast nachdenklich zu machen schienen , als auch er sich zu den Damen wendete und den Enthusiasmus bemerkte , mit dem Fräulein Horn von seinem Sohne sprach . Plötzlich klopfte es an die Türe . Man rief " herein " , mußte aber den Ruf zum zweiten und dritten Male wiederholen , ehe Steinheim mit Mephistes Worten : " So recht ! Du mußt es dreimal sagen " , seine Mutter am Arme , in das Zimmer trat . Man stand auf , die alte Madame Steinheim zu bewillkommnen . Sie wollte durchaus nicht leiden , daß man sich ihretwegen derangiere , und bat mit schnarrender Stimme und jüdischem Jargon , gar keine Notiz von ihr zu nehmen , da sie nur auf wenig Augenblicke komme . " Ich war bei der Bentheim , deren Mann krank ist und die außerdem Ärger mit den Dienstboten hat " , sagte sie zu Madame Meier . " Denken Sie sich , die Hanne , die Person , welche früher bei der Rosenstiel diente , hat der Bentheim aus der Chiffonnier zwei Ringe gestohlen . Da hat sie mich gebeten , bei der Rosenstiel nachzuhören , ob dort Ähnliches passiert sei , und ich will mit meinem Sohne gleich von hier dorthin fahren . Man hat meinen Sohn so gern bei der Rosenstiel ; er amüsiert sich so mit den Mädchen , daß ich ihn leicht dazu bekam , mich zu begleiten . Haben Sie gehört , Jenny , " sagte sie zu dieser , " wie die älteste Rosenstiel das " Una voce " singt ? göttlich , sage ich Ihnen ! " -- und ehe noch Jemand Zeit gewann , ihr Fräulein Horn vorzustellen , oder ein Wort zu sprechen ; ehe Jenny ihre letzte Frage beantworten konnte , fuhr sie gegen Clara gewendet fort : " Sie kennen doch die Rosenstiels ? " " Ich habe das Vergnügen nicht " , antwor 9* tete Clara ganz verwundert über das sonderbare Betragen der Frau " Was ? Sie kennen die Rosenstiels nicht ? -- Denke Dir , mein Sohn , Fräulein Horn kennt die Rosenstiels nicht ! Haben Sie denn nie von der Malerei der zweiten Tochter gehört ? Ein enormes Talent ! sage ich Ihnen , eben so viel Genie fürs Malen , wie die älteste für den Gesang . Rein merkwürdig . -- Die Mutter ist eine geborene Strahl , von den Strahls aus der ...gasse ; hören Sie ! abgerechnet , daß die Frau sich zu jugendlich kleidet , eine charmante Frau . Wissen Sie noch , liebste Meier , wie der Doktor Herzheim ihr die Cour machte ? Das kann sie noch nicht vergessen . Mein Sohn würde sagen : , Ewig jung bleibt nur die Phantasie ' ; aber wissen Sie , der junge Herzheim wird die älteste Tochter nehmen , sagt man . Ich glaube es nicht , die kann andere Partien machen , sage ich Ihnen ! " Bei dieser Phrase versagte der kleinen , starken Frau glücklicherweise der Atem , was den Meierschen Damen offenbar sehr angenehm zu sein schien . Clara hatte mit kaum verhehltem Erstaunen Madame Steinheim betrachtet , deren Toilette , aus Allem zusammengesetzt , was es Neues und Kostbares gab , auf ihrem kugelrunden , festgeschnürten Körper und zu dem markierten , alternden Gesichte ebenso sonderbar erschien , als ihre Sprechwut und ihre unaufhörlichen Gestikulationen . Um das Beginnen eines neuen Rednergusses zu verhüten , fragte Jenny Herrn Steinheim , ob er in den letzten Tagen Erlau nicht gesehen habe , auf den sie vergebens gewartet , um mit ihm das Nähere wegen der Proben zu den Tableaux zu verabreden ? " Erlau , der nie Anlage zu einem Fixsterne hatte , ist jetzt vollkommen zum Planeten der Giovanolla geworden ; er , der ein Stern erster Größe am Kunsthimmel sein könnte " , antwortete der Gefragte . " Ich kenne ihn nicht mehr , ich begreife ihn nicht . " " Was ist da zu begreifen ? " sagte Herr Meier . " Er ist ein liebenswürdiger Wildfang , wie er es immer war , und wir wissen , wie ihm Schönheit den Kopf verdreht ; junger Wein will gehren ! " " Ich bin so sehr nicht aus der Art geschlagen , daß ich der Liebe Herrschaft sollte schmähen " , rezitierte Steinheim , " aber dies gänzliche Siechverlieren in solch eine Passion von acht Tagen ist zu komisch . Man sieht ihn gar nicht . Zudem ist er hinausgezogen an den Leuchtturm , wo ein ewiger Orkan wütet , und wo man ihn nicht besuchen kann , ohne sich vor Erkältung den Tod zu holen . " " Haben Sie ihn in seinem neuen Atelier noch nicht aufgesucht ? " fragte Eduard . " Das wird ihn gekränkt haben ! " " Hat er mich gefragt , wie er hinausgezogen ist , ob ich hinaus kommen werde ? Morgen wird_es ihm einfallen , auf den Domturm zu ziehen , und er wird es übel nehmen , wenn ich nicht hinauf klettere und ihn da oben besuche ! Dabei fällt mir ein , liebe Mutter ! daß wir jetzt unseren Besuch bei Madame Rosenstiel nicht länger verschieben dürfen -- und ich möchte -- obgleich dem Glücklichen keine Uhr schlägt -- Dich daran erinnern , uns auf den Weg zu machen , weil es ein Uhr ist . " Dieser Vorschlag brachte die alte Dame in die höchste Rührigkeit , -- sie stand auf , suchte eifrig nach Boa , Mantille und Handschuhen , die sie im Eifer des Gespräches allmählich abgelegt hatte , und empfahl sich mit vielen Komplimenten den Anwesenden , nachdem Jenny noch mit Steinheim verabredet , daß für den nächsten Abend die Probe zu den Tableaux vor sich gehen sollte . Der ganze kleine Kreis fühlte sich offenbar erleichtert , als die Beiden fortgegangen waren . Jenny schämte sich des unfeinen Betragens , das ein Gast ihres Hauses vor Clara an den Tag gelegt hatte . Steinheim's Zitate , seine gesuchten Witze kamen ihr unerträglich vor , und nur ihr angeborener Takt hielt sie zurück , Entschuldigungen deshalb zu machen . Wirklich schien es , als ob etwas Störendes in die vorhin so unbefangene Unterhaltung gekommen sei ; man scherzte und plauderte noch ein Weilchen fort , dann aber brach auch Hughes auf , und mahnte Clara an die Rückkehr . Beim Abschiede händigte Jenny ihrem Gaste das schöne Bouquet ein , indem sie bat , es als einen Willkommen mitzunehmen . Clara dankte entzückt , und als nun Madame Meier sie aufforderte , sie und ihr Treibhaus bald wieder zu besuchen , nahm Clara ein paar Immortellenzweige aus dem Bouquet und reichte sie Jenny und Eduard mit der Bemerkung : " Die lasse ich zum Pfande hier , daß ich bald wiederkomme , wenn Ihre Mutter es wünscht . " Freundlich reichte sie dem alten Meier die Hand und ging mit Hughes und Eduard davon , um den Rückweg zu Fuß anzutreten und dadurch das köstliche Winterwetter ein wenig länger zu genießen . " Ich kenne fast nichts Reizenderes " , bemerkte Clara gegen Eduard auf dem Wege , " als ein Treibhaus , wie das Ihrer Eltern , in der Mitte des Winters . Diese Farbenpracht , der süße Duft erquicken doppelt zu einer Zeit , in der man Beides nicht erwartet ; abgesehen davon , daß ich schon darum Treibhäuser liebe , weil in der Sorge des Menschen für die Pflanzen etwas Zutraueneinflößendes liegt . " " Das Letztere , liebe Clara " , sagte Hughes , " kann doch nur da der Fall sein , wo nicht 9** Prunksucht oder Spekulation an der Pflege der Blumen Teil haben . " " Gewiß nur da " , antwortete sie . " Aber ich kann es nicht genug sagen , wie rührend es mir ist , wenn ich finde , daß auch Andere die Blumen so lieb haben , als ich . Blumen sind eine von den Freuden , die Gott uns Allen bestimmt hat , und jene Blumenkasten , welche wir oft an den Fenstern der bescheidenen Armut sehen , tun mir jedesmal wohl . " Wohl ? " fragte Eduard verwundert . " Mir zerreißen sie fast das Herz ; und das ist ein Eindruck , der seit meiner ersten Kindheit sich gleich blieb . Ich sehe darin immer den Wunsch nach versagten Genüssen , das Streben , sich ein trauriges Dasein , dessen erdrückende Schwere man empfindet , zu verschönen , oder eine Resignation , die mir wehe tut . Wo ich solche Blumenkasten erblicke , möchte ich unser halbes Treibhaus hinschicken und die Leute bitten , sich nicht so traurig zu begnügen , von dem zu genießen , was wir im Überfluß besitzen . " " Aber die Leute haben doch Freude an ihrem kleinen Besitz " , wandte Clara ein , " eben so viel Freude , als der Reiche an seinen schönsten Treibhäusern nur zu haben vermag . " " Glauben Sie nicht , Fräulein , daß ich diese Treibhäuser und Treibhauspflanzen liebe ! " sagte Eduard lebhaft . " Es liegt etwas Unnatürliches in der Farbenpracht und dem Duft dieser erkünstelten Vegetation , das mich ebenso unangenehm berührt , als die Bewegung der freien Tiere des Waldes in den engen Käfigen einer Menagerie . Für mich ist alles Geschaffene nur schön an dem Ort , für den es geschaffen . Ich vermag es zu bewundern , wo ich es finde , aber es freut mich nicht , sobald man es von seinem Platze entfernt . Auf die Gefahr hin , Ihnen zu widersprechen , bekenne ich , mir erscheint die Zusammenstellung einer Maße von Pflanzen aus den verschiedensten Weltteilen , die alle nur ein factices , krüppelhaftes Dasein führen , oft wie eine Verirrung des Geschmackes ; und wenn es nicht wissenschaftlichen Zwecken gälte , möchte ich lieber auf alle exotischen Gewächse verzichten , als sie so kümmerlich gedeihen sehen . Ich sehe ihnen immer an , was sie sein könnten , wenn sie in ihrer Heimat und frei wären , und die armen , kranken Verbannten tun mir leid . " Clara hörte ihm überrascht zu und blickte mit stillem Entzücken auf ihr schönes Bouquet . " Ich habe die südlichen , schönen Gewächse dennoch lieb " , sagte sie , " und vielleicht ist es Mitleid mit den Gefangenen , das mich so unwiderstehlich zu ihnen zieht " , fügte sie lächelnd hinzu . " Wenigstens wäre das echt weiblich " , schaltete William ein , als sie das Hornsche Haus erreicht hatten und gemeinschaftlich das Zimmer der Kommerzienräten betraten . Hier konnte Clara nicht genug von der Herrlichkeit der Blumen erzählen , von der Güte , mit der man sie empfangen , und dem unbeschreiblichen Vergnügen , das sie genossen hätte , und sie war noch in der lebhaftesten Beschreibung , als die Kommerzienräten abgerufen wurde . " Mir tat es leid " , sagte Eduard , als Clara's Mutter sich entfernt hatte , " mir tat es leid , daß Madame Steinheim in unsere Freude so störend hereinbrach . Sie ist mir durch ihr Geschwätz geradezu unangenehm , und ich war erfreut , daß wir sie bald fortgehen sahen . " " Da Sie selbst das Thema berühren " , erwiderte Hughes , " so bekenne ich Ihnen , daß mir Steinheim ebenso unangenehm auffällt , und daß ich es nicht begreife , wie Sie diese ewigen Zitate ertragen können . Dies Witzeln , dies Spielen mit Worten hat für mich etwas Lästiges und macht , daß mir Steinheim oft beschwerlich vorkommt " Liebenswürdig und schön erscheint mir die Angewohnheit auch nicht " , war Eduard's Antwort , " aber sie ist gewissermaßen national . Es walten in uns unverkennbar noch orientalische Elemente vor , und noch heute finden Sie , bei dem polnischen Juden zum Beispiel , eine Lust an kleinen Erzählungen , wie nur irgend ein Orientale sie haben kann . Er liebt es , sich in Bildern und Gleichnissen auszudrücken , und mag gern Das , was er zu sagen hat , mit einer jener Anekdoten begleiten , die oft schlagend genug sind und deren seine alten Bücher zu Tausenden enthalten . Solche wird nun Steinheim nicht leicht zu benutzen wagen , aber er kann nicht von dieser Gewohnheit loskommen , und die Zitate aus neuen und alten Werken müssen ihm als Aushilfe dienen . " " Mir sind sie heute recht originell vorgekommen " , sagte Clara , " und etwas Rasches , Bezeichnendes kann man dieser Art nicht ab sprechen . Mir scheint , Herr Steinheim müsse ein geistreicher Mann sein . Er hat ein stattliches Äußere , er war sehr freundlich und höflich -- aber dennoch , wenn ich es offen sagen darf , verletzte mich Etwas in seiner Erscheinung . Ich weiß nicht , soll ich es Selbstgenügsamkeit nennen , oder ein gewisses zutrauliches Wesen , das mir von einem Fremden mißfällig war ? " " Vermutlich Beides , mein Fräulein ! -- Ich komme Ihnen gegenüber immer wieder in die Lage , den Verteidiger der Juden zu machen . " " Das haben Sie nicht nötig , Herr Doktor ! Denn ich habe gewiß kein Vorurteil der Art gehabt ; und wäre das selbst der Fall gewesen , so verdanke ich es Ihnen und William , dasselbe gänzlich besiegt zu haben . Wie könnte ich daran noch denken , nachdem Sie mir die Freude gemacht , Ihre verehrten Eltern kennen zu lernen , nachdem ich in Ihrer Familie eben solch glückliche Stunden verlebt habe . " Clara schwieg , aus Besorgnis , zu viel gesagt zu haben , und auch Eduard saß sinnend eine Weile neben ihr und las in ihren Augen , was ihr Herz sprach und ihr Mund verschwieg ; dann fuhr er fort : " Und doch würden Ihnen viele von den Freunden meiner Familie höchlich mißfallen , so brav und achtungswert sie auch sein mögen . Die Gewohnheit , sich immer nur in demselben Kreise zu bewegen , in welchem Alle sich seit ihrer frühesten Kindheit mindestens dem Namen und den Verhältnissen nach kennen , gibt den Juden ein familiäres Siechgehenlassen , das dem Fremden leicht zudringlich und beleidigend erscheint . Ich erfahre das selbst bisweilen . Meine Verhältnisse haben mich zum Teil diesem Kreise entfernt ; ich sehe manche Personen oft kaum einmal im Jahre ; und doch , treffen wir zusammen , so bin ich gezwungen , die kleinlichsten Familiendetails anzuhören . Ihnen bleibe ich der Eduard Meier , der mit ihnen eingeseg net wurde , mit ihnen dies und jenes gemein hat , und sie können gar nicht begreifen , daß mich das Leben und Weben ihrer Onkel und Großonkel nicht ebenso interessiere als sie selbst ; und des Fragen es und Erzählens wird kein Ende , bis man es gewaltsam unterbricht . " " Das ist aber der Fehler aller Koterien " , meinte Clara , die mit feinem Gefühl dem Geliebten jede unbequeme Erörterung ersparen wollte . " Sie finden überall kleinere oder größere Zirkel , in denen sich dasselbe wiederholt , was Sie eben rügten . Das muß man nehmen , wie es sich bietet , und es nicht so strenge tadeln . " " Und doch tut das alle Welt bei den Juden ! " rief Eduard ; " bei ihnen , denen man nicht einmal die Möglichkeit läßt , aus ihrem engen Kreise herauszutreten , so gern sie es möchten . Der größere Teil der gebildeten Juden kann sich dreist mit jedem anderen Gebilde ten messen , er würde , wie in Frankreich , sich längst der Maße der Nation angeschlossen haben , er würde auch in Deutschland längst nationalisiert sein , wenn ihn sein Äußeres , seine dunklere Farbe und das schwarze Haar nicht auf den ersten Blick von den Deutschen unterschieden zeigte . Dies fremde Äußere erinnert unaufhörlich an eine verschiedene Abkunft und gibt , vom Pöbel ausgehend , dem Judenhaß immer neue Nahrung , von dem wohl die Wenigsten so frei sind , daß sie den Juden nicht den Mangel an sogenannter feiner Bildung zum ächtenden Vorwurf machten . Und man brauchte ihn doch nur zu emanzipieren , um die Unebenheiten von seiner Außenseite abzuschleifen . Freilich ist es gar bequem zu sagen . Die Juden haben einen gräulichen Jargon , häßliche Manieren . -- Woher das aber kommt , fragt Niemand ! -- Daß es so ist , reicht ja hin , den Juden auszuschließen von der Gesellschaft , und mehr braucht es nicht , mehr will man nicht . " Eduard war erregter , als er selbst glaubte , Clara betrübt , und selbst Hughes nicht frei von Befangenheit . Doch bezwang er sich , und sagte : " Allerdings trifft die Deutschen der Vorwurf , nur in den Juden die Nationalität nicht anzuerkennen , während sie sonst jeder fremden Eigentümlichkeit mehr als nötig nachsehen . Erwarten wir das Beste von der Zukunft , und wenigstens lassen Sie uns die Gegenwart meines Mühmchens mit fröhlicherer Unterhaltung feiern . Das arme Mädchen sieht schon so betrübt aus , als ob sie das Unheil verschuldet hätte , und ist so gut , daß sie gewiß gern Hilfe und Änderung brächte . " " Wenn ich das könnte " , rief Clara lebhaft , und Hughes glaubte eine Träne in ihrem Auge zu sehen , als Eduard sich bald darauf empfahl , nochmals für die Ehre dankend , die Clara ihm erzeigt , indem sie seine Einladung angenommen . " Ehre ? " seufzte Clara , obgleich Eduard das Wort nur zufällig und achtlos gewählt , " Ehre ? -- Ach mein Gott ! -- " Auch William war der Schluß der Unterhaltung unangenehm , mindestens peinlich gewesen . " Es ist Schade " , sagte er , " daß man mit Eduard so gar vorsichtig sein muß , weil man nur zu leicht diese Saite seines Gemütes berührt , die ewig in Klagetönen erklingt , in Dissonanzen , für die es nun einmal noch keine Auflösung gibt . Oft tut es mir leid ; aber man ist nicht immer dazu geneigt , über unabänderliche Verhältnisse zu sprechen und Teil an ihnen zu nehmen ; man will nicht immer Mitleid haben . " " Mitleid " , fiel Clara ein , stolz aus der Seele des Geliebten antwortend , " Mitleid verlangt gewiß Niemand weniger , als Doktor Meier . Er will sein Recht , ein Recht , das man ihm schändlich vorenthält . Wer darf mehr verlangen , frei und den Besten gleichgestellt zu sein , als er ! Und kannst Du ihn tadeln , daß er in jedem Augenblicke das Unrecht fühlt , welches ihm geschieht ? daß er den Gedanken ausspricht , der zum Grundton seines Wesens geworden ? Atmen und frei sein mit seinem Volke , das ist ihm gleichbedeutend ; er kann und will nicht schweigen von Dem , was allein ihm Wert hat . Jeder Mann von Ehre müßte so handeln ; ich begreife das vollkommen ! " " So scheint es " , sagte William etwas spöttisch , " und es ist nur zu bedauern , daß die Juden nicht viele solch eifrige Verteidiger finden , als meine schöne Cousine , die ich von ihren Meditationen über die Emanzipation der Juden nicht länger abhalten will . " Und verstimmt hatten sich die drei Menschen getrennt , die vor einer Stunde im Gefühl des reinsten Glückes beisammen gewesen waren . Länger als bis zum folgenden Abende konnte Reinhard es nicht ertragen , von Jenny entfernt zu sein . Mit seiner Mutter hatte er seit ihrer letzten Unterhaltung keine Silbe über seine Liebe gesprochen ; ein ängstliches , vorsichtiges Schweigen hatte zwischen Mutter und Sohn geherrscht , die sonst in innigster Mitteilung zu leben gewohnt waren . Da schlug am Abend des zweiten Tages die alte Uhr des Wohnzimmers sieben heisere Schläge , und die Pfarrerin hörte , wie Reinhard den Stuhl vom Schreibtisch schob , schnell in seinem Zimmer umherging , und sah ihn wenige Augenblicke darauf , zum Ausgehen gerüstet , bei sich eintreten . " Gehst Du aus , mein Sohn ? " fragte die Pfarrerin . " Ja , Mutter ! ich will zu Meiers " , antwortete er ihr . Die Pfarrerin schwieg . Da bog sich Reinhard zu ihr nieder , und sagte schmeichelnd : " Gib Deinem Sohne nur einen Abschiedskuß . Wer weiß , ob die Tochter , die ich Dir bringe , mich nicht aus Deinem Herzen verdrängt ! " Bei den Worten küßte er die Mutter und eilte hinaus , ehe sie ihm Etwas entgegnen konnte . Besorgt sah die Pfarrerin dem Sohne nach , dann faltete sie wie betend die Hände , und schien , sein Schicksal dem Himmel anvertrauend , Ruhe im Gebet zu finden . Je schneller Reinhard dem Meierschen Hause zugeeilt war , je auffallender mußte ihn der Gegensatz überraschen , der sich ihm zwischen der stillen Wohnung seiner Mutter und dem Treiben in den Sälen bei Madame Meier heute bot . Er hatte , wie es Jedem wohl begegnet , sich lebhaft vorgestellt , wie er Jenny , mit weiblicher Arbeit beschäftigt , allein finden , wie sie ihn willkommen heißen , ihn um sein Ausbleiben fragen , und er ihr dann endlich sagen werde , wie er sie liebe . Bis in die kleinsten Züge hin ein hatte er sich das Bild ausgemalt ; es war ihm lieb geworden , und die Möglichkeit , daß es sich anders machen könne , hatte er sich nicht beikommen lassen . Um so unangenehmer war es ihm , als der Diener ihn nicht in das gewöhnliche Wohnzimmer , sondern in einen der Säle führte , aus dem ihm schon von fern Erlau's fröhliches Lachen entgegentönte . Eine Menge Personen bewegten sich bei Reinhard's Ankunft unruhig durcheinander . Erlau stand bei einer Theaterdekoration , die ein Gemäuer darstellte , und versuchte , einem jungen Offiziere die Arme in eine bestimmte Stellung zu bringen . Nicht weit davon saß Therese mit einer Dame , Beide in weite Tücher gehüllt , die wie ein Plaid Kopf und Gestalt umgaben . Madame Meier spielte mit einem Kinde , das ebenfalls bei den Tableaux , die man probierte , beschäftigt werden sollte ; kurz jeder der Anwesenden hatte nur Sinn für die Probe und Rein hart es Eintritt wurde kaum beachtet . Wie anders hatte er es sich gedacht ! Jenny war nicht in dem Zimmer ; er näherte sich Theresa und fragte nach Jenny ; aber Therese hatte sie seit einer Weile nicht gesehen . Es wurde ihm unheimlich in dem Getreibe , er wollte in ein Seitenzimmer und von da , wo möglich , nach Hause gehen , als er , die Nebenstube betretend , Steinheim perorieren hörte : " Und warum soll denn nun urplötzlich aus dem Bilde nichts werden von dem wir uns so viel Effekt versprochen ? " " Weil ich nicht will ! " war Jenny's kalte Antwort , die vor dem Spiegel stand und ihre Locken ordnete . " Aber das ist es eben , was ich frage , warum wollen Sie nicht ? Sie selbst hatten den Templer und die Jüdin gewählt ; Sie sehen reizend in dem Turban aus ; Herr von Lichtwange ist der stattlichste Templer ; gestern , noch I. 10 heute früh , war Ihnen Alles genehm , und nun ? -- Löset mir , Graf Dreindur , diesen Zwiespalt der Natur ! " Jenny gab keine Antwort und beschäftigte sich ruhig mit ihrer Frisur , bis Erlau hineinstürmte . " Holdes . angebetetes Fräulein ! " rief er , " keine Capricen ; mein Lieuntenant Lichtwange steht mir ausgebreiteten Armen und sieht so sehnsüchtig und so göttlich einfältig in die Ferne , daß sich eine der Himmlischen erbarmen würde und heruntersteigen in seine Arme . Sein Sie nicht unerbittlicher ! Sie sind immer ein Engel , eine Göttin ; warum wollen Sie nun absolut mit einem Male eine wasserblaue schmachtende Madonna vorstellen ? Sie , die der Himmel gleichsam für diese glühende Rebecca prädestinierte ? Kommen Sie , Fräulein ! oder Herr von Lichtwange kommt aus der Position ! " " Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt , lieber Erlau , mir gefällt das Bild nicht . Zu dem Bendemannschen bin ich bereit und will auch gern in irgend einem biblischen Tableau stehen , sonst aber ... Während Jenny die ersten Worte sagte , gab Erlau Steinheim ein Zeichen , das Zimmer zu verlassen , warf sich , ehe sie ausgesprochen , ihr zu Füßen und rief mit komischem Pathos : " Aber kann denn ein Kandidat der Theologie sich nur in einen Heiligen verwandeln ? Wie , wenn es mir gelänge , ihn zum Orden der Templer zu bekehren ? " Jenny wollte entrüstet das Zimmer verlassen . Erlau , dessen Mutwillen man Vieles nachsah , hielt aber , darauf bauend , die Erzürnte an der Hand fest . " Sind Sie böse , Fräulein ! weil mein kleiner Finger mir einmal die Wahrheit gesagt ? " fragte er . " Sie sind nicht eigensinnig , ich kenne Sie ; dahinter steckt die Meinung Ihres Lehrers und Meisters , dem ich sehr Gram sein würde , wenn er nicht das hohe Glück hätte , 10 * Ihr und mein Freund zu sein . Wenn nun aber Reinhard selbst ... " " Ich wüßte nicht " , sagte Jenny mit einer affektierten Kälte , die um so schneidender erschien , je bewegter sie war , " wer Ihnen das Recht gegeben , dergleichen zu vermuten ? Herrn Reinhard's Meinung ist mir vollkommen gleichgültig , und ich begreife nicht , welchen Einfluß er auf meine Entschlüsse haben sollte . " Erlau fühlte , daß er leichtsinnig zu weit gegangen sei und hier eine leicht verletzbare Stelle berührt hatte . Während er noch schwankte , was nun zu beginnen , sah Jenny Reinhard plötzlich vor sich stehen , versuchte zu lachen , setzte schnell den roten Turban auf , den sie zu der Rolle der Rebecca brauchte , gab dem verwunderten Erlau den Arm und sagte : " Ich bin bereit , die Rebecca zu machen und Ihnen zu zeigen , daß mir Niemand zu befehlen hat , wenn man sich auch das Ansehen geben möchte . " -- Damit ging sie mit dem Maler hinaus , ohne Reinhard nur anzusehen . Dieser warf sich vernichtet auf einen Stuhl . So vollkommen abstoßend war ihm Jenny niemals erschienen . Der Ton , in dem sie mit den Herren sprach , hatte ihn verletzt ; er konnte keinen Zusammenhäng in dem Betragen finden , und Jenny's Äußerung über ihn empörte sein innerstes Herz . Das war der Lohn für seine Liebe ! -- Eine Weile mochte er so in trüben Gedanken gesessen haben , als leise Therese hereintrat , die ihn offenbar suchte . Sie ging schüchtern auf ihn zu , fragend , warum er die Gesellschaft verlassen ? Reinhard antwortete ausweichend . " Es ist Schade , daß Sie fortgingen " , sagte Therese , " Jenny sah strahlend schön aus , sowie zur Rebecca geboren . Es ist eine allgemeine Bewunderung und ich eilte nur hinaus , um Sie zu suchen . " Reinhard hörte düster brütend zu . " Komme men Sie ! " bat Therese freundlich dringend und beängstigt durch des jungen Mannes Schweigen , " kommen Sie doch ! und nicht so traurig , es tut mir zu leid ! " -- " Liebes , sanftes Kind ! " seufzte Reinhard aus tiefster Brust und ergriff Theresens Hand . So standen sie beisammen , als Jenny mit einigen Anderen in das Cabinet kam , und , sowie sie Reinhard mit Theresa in dieser traulichen Vereinigung entdeckte , mit einem leise unterdrückten Ausruf hinaus und auf ihr Zimmer eilte . Dorthin war Madame Meier , welcher dieser Vorfall nicht entgangen , ihr gefolgt , aber kein Zureden vermochte Jenny , den Grund ihrer plötzlichen Entfernung anzugeben oder wieder zur Gesellschaft zurückzukehren ; und ihre Mutter sah sich genötigt , zu erklären , Jenny sei unwohl geworden und es müsse wohl die große Wärme des Zimmers gewesen sein , die dem immer gesunden Mädchen den Anfall hervorgebracht habe . Jenny lag indessen bitterlich weinend auf ihrem Ruhebette . Sie hatte geglaubt , daß Reinhard diese Tableauxaufstellung nicht gern sähe , und vielleicht nicht mit Unrecht gedacht , es sei ihm besonders unlieb , weil er in seiner Stellung an solchen Dingen keinen persönlichen Anteil nehmen mochte und konnte . Darum hatte sie allerlei Schwierigkeiten erhoben , um entweder sich selbst davon frei zu machen oder Reinhard durch die Wahl irgend eines Bildes , das er liebte , damit auszusöhnen . Es war ihr unangenehm , es kränkte sie , daß er nicht zur Probe gekommen , weil sie irrigerweise glaubte , ihn dazu eingeladen zu haben ; und als Erlau's unbedachte Neckerei ihr den Gedanken eingab , Reinhard könne sich gegen ihn der Herrschaft gerühmt haben , die er über sie hätte , fühlte sie sich so gekränkt , daß sie teils aus einer Art von Rache , teils aus höchster Verlegenheit die Worte sprach , die unglücklicherweise Reinhard zum Zuhörer hatten . In heftigster Bewegung , halb außer sich vor Schmerz , Zorn und Scham , folgte sie Erlau in den Saal , probierte , scherzte und lachte , während das wilde Schlagen ihres Herzens ihr fast die Besinnung raubte . Endlich war die Probe beendet ; es trieb sie , Reinhard aufzusuchen , sich um jeden Preis mit ihm zu verständigen ; die Qualen zu beenden , denen sie Beide unterlagen . Sie wollte den Saal verlassen ; ihr volles Herz sollte ohne Rückhalt zu dem Geliebten sprechen ; die demütigste Abbitte schien ihr nicht zu schwer -- aber die Fremden wichen nicht von ihrer Seite . Trotz dem eilte sie , in Reinhard's Nähe zu kommen , um ihn wenigstens zu sehen . Da fand sie , wie sie glaubte , Reinhard und Therese in zärtlich heimlichem Gespräche . Ihre beste Freundin , der Mann , der ihr Alles war , hatten sie verraten ! Das war zu viel für ein so junges , heißes Herz ; konvulsivisch zuckte es zusammen und sie eilte hinaus , weil sie sich einer Ohnmacht nahe fühlte . Jetzt in der Einsamkeit malte ihr die Phantasie geschäftig tausend Trugbilder vor : sie konnte nicht begreifen , wie dies Verhältnis ihr so lange verborgen geblieben sei ; sie war empört von so viel Falschheit und schauderte entsetzt zusammen , als Therese zu ihr kam , um freundlich nach ihrem Ergehen zu fragen . " Um Alles in der Welt " , sagte sie heftig , " laß mich allein , ich leide zu sehr . " " Gerade darum möchte ich bleiben ! " bat Therese teilnehmend . " Nein , nur Du nicht , nur Du nicht ! " schluchzte Jenny . " Dich kann ich nicht sehen , -- ach , das habe ich nicht von Dir verdient ! " Therese verstand kein Wort von Dem , was sie hörte . Ihr war bange , daß Jenny irre rede , und noch leiser sagte sie : " Aber Jenny ! 10 * * kennst Du mich denn nicht ? Ich bin es ja , Deine Therese ! " " Meine ? " rief Jenny -- Du bist Reinhard's ! -- Gehe zu ihm und sage ihm , wie elend Ihr mich gemacht ! " Nun fiel plötzlich die Binde von den Augen der ahnunglosen Therese . Sie faßte Jenny in ihre Arme und fragte : " Liebst Du denn Reinhard ? " " O , unaussprechlich ! so unaussprechlich , als ich elend bin , so wie Du ihn liebst , wie er Dich ! " Kaum hatte Jenny unter heißen Tränen diese Worte hervorgebracht , da flog Therese zur Türe hinaus , die Treppe hinunter , suchte Reinhard und zog den Überraschten mit sich fort . In derselben Eile führte sie ihn zu Jenny und trat mit ihm vor sie hin , ohne daß Reinhard den Vorgang begriff . " Jenny weint um sie , Reinhard ! " rief Therese ebenfalls weinend , " sie ist eifersüchtig auf mich ! " und ehe sie noch vollendet , sank Reinhard vor dem Ruhebette nieder und Jenny lag an seiner Brust . So vergingen selige Minuten . Dann war es Jenny zuerst , die ängstlich nach den Eltern , nach Eduard verlangte , und Reinhard bat , mit Theresa hinunter zu gehen und die Ihrigen wegen ihres Unwohlseins zu beruhigen , durch welches die Fremden veranlaßt worden , sich früher zu entfernen . Auch Therese zog es vor , mit dem sie erwartenden Mädchen gleich nach Hause zu gehen , und Reinhard fand sich mit Jenny's Eltern in den leeren Sälen allein . Die Diener eilten mit gebrauchten Gläsern hin und her , die Türen der entfernteren Zimmer wurden geschlossen , die Lampen ausgelöscht , Madame Meier saß ein wenig ermüdet auf dem Sofa und ihr Mann ging , eine Zigarre im Munde , im Zimmer umher . Die ganze Szene hatte etwas Unbehag Leiches , das sich auch dem eintretenden Reinhard mitteilte . Er hatte , als er Jenny verließ , nur an ihre Liebe gedacht , die ihn berechtigte , um sie zu werben . Nun er die Bitte bei den Eltern beginnen wollte , überkam ihn wieder ein Gefühl von Demütigung bei dem Gedanken , daß er ihnen für ihre Tochter nichts bieten könne , als seine Liebe , die denselben vielleicht weniger ausreichend zum Glücke scheinen dürfte , als ihm und Jenny . Doch zögerte er keinen Augenblick , sich offen und frei auszusprechen , und seine Befangenheit , jedes Gefühl von Ungleichheit verschwand , als er mit hoher Begeisterung von seiner Liebe und dem Glücke sprach , das in derselben läge . Die Eltern hörten bewegt und mit Wohlgefallen die feurigen Worte des jungen Mannes , der ihnen wert geworden und dem sie ihre volle Achtung nicht versagen konnten . Reinhard war ein Mann , wie zärtliche Eltern ihn ihrem Kinde wünschen mußten : offenen Herzens , klaren Geistes und von den reinsten Sitten . Aber die Zerstörung der Hoffnung , Jenny mit Joseph verbunden und das Bestehen seiner Handlung auf diese Weise gesichert zu sehen , schmerzte den alten Herrn , dem freilich das Glück der einzigen Tochter höher stand , als die Erfüllung seiner Lieblingswünsche . In diesem Sinne war seine Antwort anerkennend und ehrenvoll für Reinhard , den er bat , ihm bis zum nächsten Tage Zeit zu gönnen , ehe er sein bindendes Wort zu dieser Heirat ausspräche ; er müsse erst mit sich , mit Jenny und den Seinen einig werden , da ihm persönlich der Antrag ganz unerwartet gekommen sei . Mehr konnte Reinhard eigentlich nicht verlangen . Er hätte es voraussehen können , und doch war er unzufrieden mit sich , mit Allem . Er wünschte Jenny noch einmal zu sehen ; aber das verweigerte die Mutter , besorgt , die neue Aufregung könne der Tochter schädlich sein ; doch versprach sie ihm , gleich zu Jenny zu gehen , ihr das Ergebnis der Unterredung mitzuteilen , und entließ Reinhard mit den Worten : " Gehen Sie , Lieber , und grüßen Sie Ihre Mutter ; ich hoffe , wir sehen uns morgen Alle recht glücklich wieder . " Je gespannter die Pfarrerin der Rückkehr ihres Sohnes geharrt , um so mehr erschreckte sie der Ernst in seinen Zügen . Er erzählte , wie Alles gekommen , wie er glaube , am Ziele seiner Hoffnungen zu stehen ; er pries sich glücklich , Jenny nun die Seine zu nennen , und doch fühlte seine Mutter , der keine Falte in der Seele ihres Sohnes verborgen war , daß irgend Etwas sein Glück störe . Und so war es wirklich . Reinhard war durch Jenny's Betragen bei seiner Ankunft auf eine Weise verletzt , die er so leicht nicht verschmerzen konnte . Zu einer versöhnenden Erklärung hatte der flüchtige Augenblick nicht hingereicht , den Jenny an seiner Brust gelegen : ein Glück , das er sich und der ruhigen Neigung der Geliebten allein verdanken wollte , war ihm vom Zufall unerwartet zugeworfen , in einem Augenblick , in dem er kaum in der Stimmung war , es zu empfangen oder zu wünschen . Nach der leidenschaftlichen kurzen Minute in Jenny's Armen schien ihm das Betragen ihrer Eltern kalt , und obgleich er sich fortwährend wiederholte , daß er Jenny's Liebe besitze , daß er seinen heißesten Wunsch erfüllt sähe , kam keine rechte Freude in seine Seele . -- Tadeln wir ihn deshalb nicht ! Es genügt nicht immer , daß wir an unser Ziel gelangen ; es kommt wesentlich darauf an , wie wir es erreichen . " Der morgende Tag wird für das Seinige sorgen " ! mit den Worten verließ der alte Meier am Abend seine Frau und Jenny , die noch lange beisammenblieben und , der Vergangenheit gedenkend , tausend Entwürfe machten , wie es möglich zu machen sei , daß Mutter und Tochter nicht getrennt würden , was bei Reinhard's Beruf leicht der Fall sein konnte . Denn daß der Vater seine Einwilligung geben würde , da Jenny ihm versichert , sie könne nicht glücklich sein , nicht leben ohne Gustav , daran glaubten sie nicht zweifeln zu dürfen . Und doch war der alte Herr der Heirat lange nicht so geneigt , als die beiden Frauen glaubten ; und wir finden ihn in früher Morgenstunde mit Eduard und Joseph , die er zu sich beschieden hatte , in ernsthafter Beratung . Er teilte ihnen die Vorgänge des letzten Abends mit und fand zu seiner Verwunderung , daß man sie gewissermaßen erwartet hatte . Eduard bekannte , er habe seit längerer Zeit eine Neigung Jenny's und Reinhard's zu einander vermutet , habe aber absichtlich geschwiegen , weil man dergleichen zarte Verhältnisse wie eine Harfe betrachten müsse , die bei der leisesten Berührung in hellen Tönen vibriere ; und er habe andererseits die Überzeugung , daß die Eltern keinen Grund irgend einer Art haben könnten , dieser Neigung entgegen zu sein , da ihnen Allen Reinhard als einer der tüchtigsten Menschen bekannt sei . " Was Du da sagst , mein Sohn " , sprach der Vater , " ist größtenteils wahr . Ich finde es auch begreiflich , wie gerade Dir -- Eduard wurde verwirrt , -- eine Heirat aus Neigung so unerläßlich scheint , daß alle anderen Rücksichten davor schweigen . Anders aber urteilt man in meinen Jahren , als in den Euren . " " Und doch " , wandte Eduard ein , " hast Du , lieber Vater ! bei der Wahl Deiner Gattin nur Dein Herz gefragt . " " Das , glücklicherweise " , ergänzte der Vater , " nirgend gegen Bestehendes zu kämpfen hatte . Doch das gehört nicht hierher . In einer Stunde , wie diese , müssen kleinliche Rücksichten nicht beachtet werden : ich sage es daher offen , wir Alle wissen , daß Joseph Jenny liebt ; es war mein fester Wille , mein innigster Wunsch , sie ihm zur Frau zu geben , und Dich , Joseph , den ich wie einen Sohn liebe , wirklich zu meinem Sohne zu machen . " " Jenny hat keine Neigung für mich " , sagte Joseph resigniert , doch sehr bewegt , " und ihr Glück allein , Onkel , ihr Glück , das mir unaussprechlich teuer ist , muß hier berücksichtigt werden . Sie würde vielleicht mit mir , wie ich nun einmal bin , auch ohne Reinhard's Dazwischentreten niemals glücklich geworden sein ! " " Wollte Gott ! ich könnte sie Reinhard mit solcher Zuversicht anvertrauen , als Dir " , entgegnete Herr Meier . Es entstand eine peinliche Pause . Eduard , der hier zwischen seinen besten Freunden entscheiden sollte , fühlte für Beide die lebhafteste Sympathie . Er gönnte Reinhard und Jenny ein Glück , das ihn seine Liebe in voller Größe erkennen ließ , und empfand in Joseph's Seele , was Entsagung bedeute ! Das Mißtrauen seines Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn endlich , das Schweigen mit der Bemerkung zu unterbrechen , wie ihm , der Reinhard seit Jahren kenne , dessen Charakter ein sicherer Bürge für Jenny's Zukunft sei . " " Da irrst Du ! " entgegnete der Vater . " Ich achte Reinhard und erkenne seine Vorzüge an , aber er lebt in einer Ideenwelt . Solche Menschen sind mir bedenklich und taugen nicht für die Ehe . Weil er mit der höchsten Anstren gung und allem Ernste daran arbeitet , die Vollkommenheit , die er im Auge hat , sein Ideal eines Menschen zu erreichen , darum glaubt er sich berechtigt , auch an Andere die gleichen Ansprüche zu machen . Sowie er das Leben , die Liebe auffaßt , sind sie nicht , und die Ehe , dieser Gipfel der Zivilisation , bleibt trotz der höchsten Liebe , die zwei treffliche Menschen verbinden mag , immerdar hinter Dem zurück , was einem jungen Manne oder Weibe als Ideal vorschwebt ! Der Ruhige , Besonnene findet sich darein und tröstet sich mit dem unendlich Guten , das sich ihm in der Ehe offenbart , über Das , was nicht zu erreichen ist -- das aber , fürchte ich , will und kann Reinhard nicht . Jenny , die er leidenschaftlich liebt , erscheint ihm vollkommen geeignet , das Ideal einer Hausfrau , einer Gattin zu werden , wie er sie sich träumt ; er wird verlangen , daß sie es wird , daß sie danach ringt und , wie ich ihn beurteile , nur zu geneigt sein , ihr aus den Unvollkommenheiten des Menschen überhaupt einen persönlichen Fehler zu machen . Mit einem Worte , Reinhard hat eine Art Überspannung in seinen Gefühlen , die mich für Jenny's Glück besorgt macht . Eduard konnte nicht leugnen , daß die Bemerkung seines Vaters Wahrheit enthalte , verteidigte den Freund aber lebhaft und meinte , sein Vater verfalle in den an Reinhard gerügten Fehler , ein Ideal zu verlangen . " Daß ich es Euch gerade herausgestehe , mir ist eigentlich nichts genehm bei diesem Antrage . Jenny soll Christin werden , auch das steht mir nicht an " , sagte der Vater . " Und doch wünscht sie auch das ! " bemerkte Joseph . " Nicht doch , mein Sohn ! Ihr einziger Wunsch ist Reinhard -- das Christentum ein Mittel zum Zwecke ; das glaube mir , und gerade auch das macht mich besorgt . Reinhard ist zu strenggläubig , um sich den Ansichten einer Jüdin mit Toleranz hinzugeben . " " Ach , Vater ! " rief Eduard dazwischen , wen das Weib liebt , dem glaubt sie ! Jeder Mann ist seiner Geliebten der Verkünder eines neuen Glaubens ; Liebe ist die Offenbarung , in der das Weib den Geliebten als den gottgesandten Messias erblickt . Wenn Jenny wahrhaft liebt , wie ich gewiß bin , mag sie glauben , woran sie will ! Sie wird glücklich machen und das ist genug , auch glücklich zu sein . " " Meinst Du ? " fragte der Vater -- " Die Mutter ist nur zu sehr für den Plan eingenommen , ihr ist es lieb , daß Jenny Christin wird , sie schätzt die Pfarrerin und Reinhard hoch -- und bei Gott ! das tue ich auch . Nur will mich bedünken , als ob Jenny und Reinhard absolut nicht zusammengehören . Da Reinhard glücklicherweise noch keine Stellung hat , so will ich meine Einwilligung , wenn ich sie geben muß , nur unter der Bedingung gewähren , daß die Verlobung erst dann bekannt gemacht werde , wenn Reinhard ein Amt erhalten haben wird . Dagegen protestierte Eduard auf das Eifrigste ; und auch Joseph meinte , daß gerade dies Brautpaar nicht dazu geeignet wäre , in solch geheimgehaltenem Verhältnis Ruhe und Glück zu finden . " Ich weiß aus Erfahrung " , sagte Joseph , " Reinhard ist eifersüchtig und Jenny's Lebhaftigkeit allein kann dabei schon Anlaß zu tausend Mißhelligkeiten geben . Auch sehe ich nicht ein , was Du eigentlich gegen die Bekanntmachung dieser Verlobung hast , lieber Onkel ? " Was ich dagegen habe ? " rief der alte Herr nun heftig aus . " Jenny ist eins der reichsten Mädchen der Stadt , sie ist schön ; klug und blutjung . Mein Name , mein Haus ist der geachtesten eines -- solch Mädchen mußte mir Dich oder einen anderen Schwiegersohn bringen , der meinem Hause Ehre machte , dem ich die Firma übergeben , den ich den Leuten zeigen könnte . Ich weiß , daß meines Kindes Glück meine erste Pflicht ist , es ist auch mein höchstes Glück , aber ich bin nicht allein Vater , ich bin auch Kaufmann . Auch mein Haus ist ein Teil meines Ich es und es will mir nicht in den Sinn , daß meine einzige Tochter sich mit einem Studenten oder Kandidaten verlobe , der noch nichts ist und von dem man nichts weiß , als daß er wegen Demagogie in Untersuchung gewesen . Und " , fügte er plötzlich weicher hinzu , " der vielleicht in seinem Stolze noch glaubt , ein Opfer zu bringen , mir eine Ehre zu erzeigen , indem er ein Judenmädchen heiratet . " Und wieder entstand eine Pause . Herr Meier ging rasch im Zimmer umher , bis Eduard und Joseph das Thema nochmals aufnahmen , als er ruhiger zu werden schien . Sie erinnerten ihn an die vorteilhafte Meinung , die er selbst stets von Reinhard gehegt , sie warfen ihm vor , einer Art von Hochmut mehr Gehör zu geben als seinem Herzen . Joseph schilderte die Szene , die er einst mit Jenny erlebt , als er ihr abgeraten , zum Christentum überzutreten ; er versicherte , Jenny's Hand nie annehmen zu wollen , wenn sie nicht zugleich ihr ungeteiltes Herz ihm geben könnte , und Beide schlossen in der Überzeugung , daß Jenny nicht von Reinhard lassen , daß man eine so innige Neigung nicht ohne entschiedene Gründe trennen dürfe , und daß dem Vater daher nichts übrig bleibe , als seine Zustimmung zu geben . " Das ist es eben , was mich ärgert ! " sagte , schon heiterer geworden , der Vater . " Ich habe keinen recht vernünftigen Grund , meine Ein I. 11 Willigung zu verweigern , und doch möchte ich es gerne , wenn ich Jenny's Zukunft recht bedenke . Zur Pfarrersfrau paßt sie einmal nicht , und wir müssen darauf denken , für Reinhard eine andere Stellung zu gewinnen . " -- Als die Unterhandlungen so weit gediehen waren , nahmen sie eine leichtere , fast geschäftliche Richtung . Man sprach davon , ob und wie man Reinhard bewegen könne , eine andere Karriere , etwa die akademische zu erwählen . Eduard bezweifelte , daß sein Freund darein willigen werde . Joseph meinte , wenn Jenny ihn ernstlich darum bäte , müsse er es tun , da es im Grunde gleichviel sei , ob er selbst Pfarrer werde oder die jungen Leute zu Geistlichen nach seinem Sinne bilde ; und der Vater sagte ziemlich diktatorisch : " Für das Opfer , das ich bringe , für das Mädchen , das er bekommt , habe ich das Recht , auch von seiner Seite auf Nachgeben zu rechnen ; und -- so sei es denn : Jenny wird Reinhard's Frau " , schloß er lächelnd , aber mit einem tiefen Seufzer , der ein Echo in Joseph's Herzen fand . -- " Und nun , mein Freund " , sprach der alte Herr zu Joseph , " laß auch uns ins Reine kommen . Ich hielt Dich bisher in meinem Hause fest , weil ich hoffte , es Dir als Jenny's Mitgift einst zu übergeben . Der Plan zerfällt und ich muß es Deiner Neigung überlassen , ob und unter welchen Verhältnissen Du künftig bei mir bleiben willst . Ich sähe Dich ungern von uns scheiden , indessen ... " " Ich bleibe , Onkel ! " rief Joseph mit einem Handschlag und eine herzlichere Umarmung , als die , welche Eduard und Joseph jetzt vereinte , mag es selten gegeben haben . Dann beriet man noch , daß Joseph als Compagnon in das Geschäft seines Onkels eintreten solle . " Und wenn Du " , sagte dieser ' " Dir einst eine Frau wählst und mir dadurch 11 * eine zweite Tochter bringst , so mag sich Herr Eduard seine eigene Wohnung suchen . Der Compagnon des alten Meier wohnt auch im Meischen Hause . " Man wollte scherzen , es kam aber nicht aus der Seele , und so ging man nach dem Wohnzimmer , in der Hoffnung , die kleine Braut zu begrüßen . Doch diese hatte , wie schön erwähnt , so lange mit der Mutter geplaudert , daß Beide noch ruhig schliefen , und Eduard beschloß , sogleich zu Reinhard zu gehen , um ihm selbst die gute Botschaft zu bringen und der Erste zu sein , der der geliebten Schwester den Bräutigam zuführte . Es würde vergebens sein , die Wonne zu schildern , die in den ersten Tagen nach dieser Verlobung Jenny und Gustav , wie er nun im Meischen Hause genannt wurde , empfanden . Fröhlicher , hingebender konnte kein Wesen gedacht werden als Jenny , und selbst der Vater söhnte sich mit dem Gedanken an diese Verbindung aus , als er seinen Liebling so glücklich sah . Die engsten Bande umschlangen den kleinen Kreis . Die Pfarrerin und Madame Meier , die von jeher sich hochgeschätzt , waren erfreut , nun für immer durch ihre Kinder zusammenzugehören , und sahen wohlgefällig auf das schöne Paar , das seines Glückes täglich froher zu werden schien . Joseph's edler Seele war jedes unwürdige Gefühl fremd : er hatte es für ein Unrecht gehalten , durch das leiseste Zeichen von Bedauern , von Verstimmung die allgemeine Freude zu trüben , und als an dem Verlobungsmorgen Reinhard ihn allein fand und über ihr früheres Zusammentreffen an jenem Abend versöhnend zu sprechen begann , gab ihm Joseph die Hand und sagte : " Machen Sie das Kind so glücklich , daß ich nie den Vorzug bedaure , den sie Ihnen gegeben ; dann ist weiter nichts darüber zu sagen . " -- Eduard allein war wehmütig gestimmt . Das Glück , dessen Zeuge er war , rief die lebhafteste Sehnsucht nach gleicher Wonne in ihm hervor und aufs Neue begann der Kampf in ihm , den seit Monden seine Liebe und sein Gewissen führten . -- Am sonderbarsten erschien Therese in der allgemeinen Freude . Es kam ihr vor , als ob Jenny's Glück allein ihr Werk sei ; sie gab sich das Ansehen einer Beschützerin und tat so verständig und altklug , daß die Anderen nicht aufhören konnten , darüber zu lachen . " Lacht nur immerfort " , sagte sie mit Stolz , " wäre ich Euch an jenem unglücklichen Probe abend nicht zu Hilfe gekommen , Ihr wäret noch , Gott weiß , wie weit vom Lachen ! " Und ganz Unrecht hatte sie nicht , -- nur daß sie sich und ihrer Überlegung zuschrieb , was Eingebung des drängenden Momentes war , -- und es ganz in der Ordnung fand , wenn Reinhard und seine Braut sie scherzend den Schutzgeist ihrer Liebe nannten . Eine der Hauptfragen war nun , wann die Verlobung den Freunden angezeigt werden sollte ; und man kam überein , da nur noch einige Tage bis zum Silvester fehlten , an dem gewöhnlich ein Ball im Meischen Hause zu sein pflegte , an diesem Abende das junge Paar zu präsentieren . Niemand , so wünschte die Mutter , sollte vorher davon benachtigt werden , und man wollte die Tableaux gleich am Anfange des Abends aufstellen , um nachher beim Beginnen des neuen Jahres das Brautpaar als den Mittelpunkt des Festes zu präsentieren . Nach Reinhard's Geschmack war das nun freilich nicht und er sprach mit Eduard darüber . " Was kannst Du denn dagegen haben ? " fragte ihn dieser . " Ich mag solch lautes Glück nicht , Liebe bedarf nicht des Trompetentusches ; wahrhaft beglückt sie nur in der Stille , und solch ein Gepränge ist mir überhaupt zuwider . " " Sei nicht wunderlich " , bedeutete ihn Eduard . Bis zum Silvesterabend hast Du Dein stilles Glück fast eine Woche genossen , und Du mußt dann auch damit zufrieden sein , es auf die Weise proklamieren zu lassen , die meinem Vater zusagt . " " Was gibt es da zu proklamieren ? " sagte Reinhard verdrießlich . " Was kümmert es die Fremden ? und die Bekannten ahnen es wohl Alle , seit sie mich täglich und zu allen Stunden in Eurem Hause sehen . Du glaubst es nicht , wie solche Ostentation mir unangenehm ist . " " Ostentation ? " fragte Eduard . " Ich wüßte nicht , wie wir dazu gerade jetzt kämen ; das hat man meinen Eltern niemals vorgeworfen . " " Und du meinst " , sagte Reinhard rasch , " die Verlobung mit einem Kandidaten der Theologie sei eben kein Ereignis , auf das man besonders stolz zu sein brauchte ! Da hast Du recht , und vielleicht bin ich so sehr gegen diese Ballparade , weil ich das selbst empfinde . Vielleicht wäre ich weniger dagegen , wenn ich mit Rang und Würden aufträte , so aber ... " In Eduard's Seele war wirklich kein Gedanke der Art gekommen . Er empfand seines Schwagers Äußerung fast wie eine Beleidigung ; doch hatte er sich von je gewöhnt , gerade in diesem Punkte , in dem Reinhard von kranker Empfindlichkeit war , die größte Nachsicht 11** und Schonung gegen ihn zu üben . Deshalb ließ er ihn nicht zu Ende sprechen und fiel ihm mit den Worten in die Rede : " So aber gönne uns die Freude , zu zeigen , daß Jenny eine Wahl getroffen , die uns lieber ist , als alle Leute von Rang und Würden , die sie ausgeschlagen ! " -- Damit war die Sache abgetan ; indes fühlte Eduard , daß seines Vaters Ansicht von Reinhard nicht ungegründet sei , und auch ihm wurde bange , ob der , den er mit vollstem Vertrauen seinen Freund nannte , sich zu Jenny's Gatten eigene . Doch war das nur eine vorübergehende Idee , die bald verschwand , wenn er sah , wie Reinhard's ganzes Wesen , seine stolze Kälte , seine schroffe Abgeschlossenheit vor einem Blick Jenny's sich in Liebe auflöste ; wie er in einer anderen Atmosphäre zu atmen , Alles in anderem Lichte zu sehen schien , wenn er sich in der Nähe seiner Braut befand . Unter Vorbereitungen mancher Art kam der Silvesterabend heran . Das Meier'sche Haus glich einem Feenpalast . Geschmack und Luxus hatten das Höchste aufgeboten , und selbst die Freunde des Hauses ahnten heute irgend etwas Besonderes , obgleich Herr Meier immer Wohlgefallen daran hatte , sein Haus in einer gewissen Eleganz zu zeigen . Nach den ersten Tänzen wurde die Gesellschaft in das Treibhaus geführt , das für die Aufstellung der Tableaux eingerichtet war . Man hatte als erstes Bild Bendemann's " Trauernde Juden " gewählt , die in der letzten Ausstellung das Entzücken des Publikums gemacht hatten . Die breiten Türflügel , welche das Treibhaus von dem Saale trennten , waren zurückgeschlagen . Sie bildeten einen Rahmen , der die Bilder einschloß , und ein Alge meines Entzücken wurde laut , als nun plötzlich der Vorhang aufrollte und das Bild sichtbar wurde , für das die herrlichen Tropengewächse des Treibhauses einen dichten , dunklen Hintergrund boten . -- Steinheim , der den Greis darstellte , war durch seine kräftige Gestalt und sein ausdrucksvolles Gesicht , das durch den Bart und die orientalische Kopfbedeckung an Bedeutung gewann , vortrefflich für seine Stelle geeignet . Eine junge Verwandte des Hauses , die seit einigen Jahren verheiratet und Mutter des Knaben war , dessen wir schon bei der Probe gedachten , repräsentierte die junge Frau mit dem Kinde . Zu Steinheim's Füßen ruhte , verhüllten Angesichts , Therese , und -- die rechte Hand auf die Laute gelehnt , das wunderschöne Haupt auf den anderen Arm gestützt , saß Jenny an Steinheim's Seite . Man konnte nichts Edleres , nichts Ergreifenderes sehen , als den Ausdruck hoffnungsloser Trauer in ihren jugendlich zarten Zügen . Darüber war nur Eine Stimme , daß diese Darstellung einen lebhafteren Eindruck mache , als Bendemann's Bild selbst , während sonst fast immer dergleichen weit hinter dem Originale zurück bleibt . Man konnte nicht genug sehen und bewundern , und Erlau mußte endlich , trotz aller Bitten , den Vorhang herunter lassen , um die Mitwirkenden nicht zu sehr zu ermüden . Kaum sah Reinhard seine Braut das Treibhaus verlassen , um ihr Kostüm auf ihrer Stube zu wechseln , als er ihr nacheilte . Er wünschte sie einen Augenblick allein zu sehen , was ihm bis dahin nicht gelungen war , da er versprochen hatte , durch keine auffallende Annäherung den Eltern die Freude der Überraschung zu verderben . Mit wahrem Entzücken flog Jenny ihm entgegen ; ihre Arme schlangen sich um seinen Hals , und als er sie umfaßte , hob er die kleine anmutige Gestalt in die Höhe und ließ sie nur ungern zur Erde hinunter , als sie lachend ausrief : " Du weißt wohl , mein Himmel ist in Deinen Armen , aber da heute auf Erden Silvester und Ball bei uns ist , so werde ich doch nur zu den Erdensöhnen hinuntereilen müssen . Adieu ! mein Himmel ! " rief sie und wollte forteilen . Reinhard aber hinderte sie daran : " Komme , komme , mein Herz , laß mich noch einmal in Deine Augen sehen " , bat er . " O ! " rief er dann und küßte trunken Jenny's lange Wimpern , " die süßen Augen sind ja Licht und fröhlich -- nun bin ich ruhig , nun gehe , mein Leben ! " -- Jenny fragte scherzend , was er denn in ihren Augen heute besonders zu finden geglaubt ? -- " Den Schmerz , den sie ausgedrückt , als Du in dem Bilde gesessen . Jenny , wenn ich Dich jemals so traurig sehen müßte , wenn ich es sehen müßte und könnte den Schmerz aus Deinen Zügen nicht verscheuchen -- wie grenzenlos elend würde ich sein . " " Aber wie kommst Du nur darauf ? " fragte Jenny ängstlich . " Weiß ich_es ? " antwortete er . " Dort im Saale , als sie in Deiner Bewunderung kein Ende finden konnten , verdroß es mich , daß Du auch für Andere schön bist , daß ich den Genuß , Dich anzustaunen , mit gleichgültigen Menschen teilen soll . Ich wünschte Dich fort von hier , wo kein Auge Dich sähe als meines ; wie ich es damals wünschte , als Du mich im Figaro erraten lassen , was ich kaum zu hoffen gewagt . Dann überfiel mich wieder der Gedanke , ob ich allein Dir genügen , Dir Ersatz für die ganze übrige Welt sein könnte , wie Du mir ! -- Jenny , wenn ich Dich einst weniger glücklich sehen müßte , wenn Du es je bereuen könntest , die Meine geworden zu sein " ! -- rief er , und preßte sie so heftig an sich , daß sie erbebte vor so viel Glut und , wie abwehrend , ihre Hände vor das Gesicht hielt . Sie bat , sie flehte , er möge sie lassen , er aber drückte sie nur fester an sich und sagte : " Sieh Jenny , daß ich Dich so halten kann mit starkem Arm , daß Du nun mein bist , meinem Willen angehörend -- o ! schilt mich nicht roh , nicht ungroßmütig -- daß Du von mir abhängst , das macht mich unendlich , unendlich selig ! " -- Bei den Worten ließ er sie plötzlich los , küßte sanft und still ihre Stirn , streichelte ihr Haar und schickte sich an , sie zu verlassen . Da war es Jenny , die ihn zurückhielt und , indem sie ihre Hände in den seinen ruhen ließ , langsam vor ihm niedersank und aufgelöst in Liebe flüsterte : " So bin ich Dein , Du Starker , so ganz Dein ! denn mein Schicksal ist in Deiner Hand . " -- Aus dem seligsten Rausche weckte sie die Mutter , welche , Jenny vermissend , sie zu holen kam , damit ihre Abwesenheit nicht bemerkt werde . Hughes , dem sie den nächsten Tanz versprochen , hatte sie bereits gesucht , Madame Meier aber das Verschwinden ihrer Tochter mit dem notwendigen Wechsel der Toilette entschuldigt und Hughes hatte sich zu Erlau gesellt , der im Treibhause die Dekorationen für das nächste Bild ordnete . " Wenn ich nur wüßte " , sagte Hughes , " worin es lag , daß dieses Bild heute einen so erschütternden Eindruck auf mich machte , während das Original , trotz seiner großen Schönheit , mich ziemlich kalt ließ ? " " Das will ich Ihnen wohl sagen , teurer Sir ! " antwortete Erlau , " und ich bilde mir nicht wenig darauf ein , mit diesem Tableau den Effekt gemacht zu haben , den es heute auf Jeden hervorgebracht hat . Sie haben heute zum ersten Mal trauernde Juden gesehen , während Bendemann trauernde Düsseldorfer in fremdartiger Kleidung gemalt hat ! " Hughes gab zu , daß Erlau recht haben könne . -- " Gewiß habe ich recht . Ich hatte , als ich in dem Katalog der Ausstellung " Trauernde Juden " von Bendemann las , eine rechte Herzensfreude . Ich liebe die Juden ; sie sind nicht mehr Das , was sie vor tausend Jahren gewesen sein mögen , aber es ist noch Originalität , Rasse in ihnen , und darum sind sie für den Maler interessant . Nun dachte ich , wenn ein Jude den Mut hat , Juden zu malen ; wenn dieser Maler Bendemann ist , da muß es ein Stück Arbeit werden , das Hand und Fuß hat . Ich dachte , er würde sich köstliche Gestalten , üppige Weiber mit Flammenaugen gewählt haben -- nicht doch ! so weit reicht sein Mut nicht . Er nimmt ein Sujet aus Juden thume , aber er tauft seine Juden , er übersetzt sie ins Düsseldorf'sche , und nun sitzen die deutschen Mamsellen und sehen , so hübsch sie sind , doch nur aus , wie Düsseldorfer Gärtner , denen die Raupen den Kohl aufgefressen haben . " Hughes lachte -- " Was ist da zu lachen ? " fragte Erlau , der ganz ernsthaft wurde , sobald es die Kunst galt , die er heilig hielt . " Gestehen Sie , es ist , wie ich sage . Ist schon irgend ein Mensch so töricht gewesen , sich blonde , deutsche Modelle zu nehmen , wenn er neapolitanische Fischer malen wollte ? Das tut Niemand . Würde nicht alle Welt lachen , es abgeschmackt finden , wenn man Zigeuner mit der Physiognomie eines phlegmatischen Holländers malte ? -- oder Parias mit goldblonden Locken und einer Lilienhaut ? Auch dem Paria muß sein Recht werden , sonst laßt ihn lieber ungemalt und ungeschoren ; und dasselbe verlange ich für die Juden . Sehen Sie einmal den Steinheim , die Jenny an ; denken Sie an das junge Weib , das sie heute im Tableau gesehen ; sind das nicht Köpfe , die sich mit allen italienischen Modellen messen können ? " -- Hughes gab es zu , daß auch ihm , trotz der widerwärtigen Karikaturen , die man unter den Juden sähe , eine Menge wahrer Schönheiten sowohl unter Männern als Frauen aufgefallen wären . " Das sage ich ja " , eiferte der Maler . " Es ist mit den Juden wie mit den Fürstenhäusern und dem hohen Adel , die sich auch so untereinander rekrutieren . Die Rasse artet aus ins Krüppelhafte oder sie veredelt sich . Sehen Sie die feinen Glieder , das Auge ! Die Üppigkeit des Orients , die finden Sie heute noch oft bei den Juden und die Beweglichkeit ihrer Züge empfiehlt sie dem Maler . Darum wählte ich heute das Bild und diese Personen zu dem Bilde ; und ich wollte , Bendemann selbst hätte es gesehen . Da er sich hoffentlich nicht schämt , ein Jude zu sein , hätte er an dieser Darstellung vielleicht den Mut gewonnen , Juden zu malen ; denn , unter uns gesagt , feig sind die Juden doch ! " -- " Mombray Du lügst ! " rief Steinheim's Stimme dazwischen , der , mit Edurard eintretend , die letzten Worte hörte . " Leider lügt er nicht " , sagte Eduard ernsthaft , " wenn er von moralischem Mute spricht . Denn jene sogenannte Courage , die jeder Raufbold in sich erzwingt , um während eines Duells oder sonst einer Viertelstunde Parade zu machen , die schlage ich sehr gering an . Der Feigste , wenn er nur eitel genug ist , sich zu schämen , bringt das zu Stande . Aber der moralische Mut , der fehlt uns . Jahrhunderte lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und das Volk so gedrückt , daß es sich glücklich fühlt , Ruhe zu genießen , und sich resigniert , anstatt mit Ernst die Rechte zu fordern , die man uns vorenthält ! " " Wahr ist es " , bekräftigte Hughes , " und um so auffallender , als man nicht leugnen kann , daß es verhältnismäßig eine Menge von Fähigkeiten und Talenten unter Ihrem Volke gibt . Mich wundert , daß diese sich nicht durch die ganze Erde vereinen , daß sie nicht all ihre Kräfte aufbieten , um zum Ziele , zur Gleichstellung zu gelangen " Weil sie das nicht tun , nannte ich sie feig " , sagte begütigend Erlau , dem es unangenehm war , jene Äußerung getan zu haben . " Und mit Recht " , war Eduard's Antwort . " Was Du mir über Bendemann's " Trauernde Juden " neulich sagtest , war vollkommen wahr ; indes so machen sie es alle . Michael Beer , der die Schmach der Unterdrückung lebhaft fühlte , den es drängte , die Ungerechtigkeit darzustellen , machte ein Trauerspiel daraus . Aber er schilderte nicht das Elend seines Volkes ; damit hätte er ja daran erinnert , daß er selbst ein Jude sei : er malte lieber die Unterdrückung sub rosa , er schrieb den " Paria " und dachte , vielleicht versteht man meine Meinung , und ich habe doch nichts gesagt , wenn man sie nicht verstehen will . Das ist Feigheit . " " Und Torheit obenein " , sagte Steinheim . " Die Geschichte hat kein Beispiel , daß irgend eine Unterdrückung aufgehoben worden wäre , weil der Unterdrücker in großmütiger Laune sagte : Car tel est mon plaisir " , außer der Bertha im Tell , die abgehend ihr " und frei erklär ich alle meine Knechte " , ausruft . Es heißt : " Bittet , so wird euch gegeben , klopfet an , so wird euch aufgetan " , und es wäre Zeit , daß die Juden tüchtig anklopften , wenn das Bitten nicht hilft , und die Christen zeigen müßten , ob sie den Spruch ihres Heilandes zu erfüllen bereit sind . Erlau hatte während der Unterhaltung nicht nach den Vorbereitungen zu dem nächsten Bilde gesehen . Ein Diener kam , ihn daran zu erinnern , meldend , daß die Herren und Damen bereits angekleidet seien . Das machte dem Gespräch ein Ende , weil Erlau die Herren bat , ihn zu verlassen . " Aber wir kommen nächstens auf dies Thema zurück , das gerade auch für den Unparteiischen eine psychologisch interessante Seite unseres Jahrhunderts zeigt " , sagte er , als die Anderen davon gingen . Da blieb Steinheim stehen und sprach : " Greift nur hinein ins volle Menschenleben ! Ein Jeder lobt , nicht Vielen ist es bekannt , und wo Ihr es packt , da ist_es interessant ! " -- Zehn Minuten öffnete sich das Treibhaus der Schaulust aufs Neue und einige glücklich gewählte Bilder folgten rasch auf einander . Den Beschluß machten Jenny und Herr von Lichtwange mit der Szene aus dem Ivanhoe ; und als eben der Vorhang vor dem letzten Bilde gefallen war , schlug die letzte Stunde des alten Jahres . Einen Moment schwieg Alles in ahnender Ungewißheit , in Rückerinnerung und Erwartung ; dann ging ein fröhliches Leben an . Glückwünsche und Scherze flogen von Mund zu Mund ; Freunde suchten sich gegenseitig ; Eltern und Kinder hatten sich , wenn auch nur für einen Augenblick , vereint , und ganz natürlich hatten auch Reinhard und Jenny sich gefunden , um den Anfang des neuen Jahres , das sie gemeinschaftlich verleben sollten , zusammen zu feiern . " Nächsten Silvester in ländlicher Ruhe " , flüsterte Reinhard in Jenny's Ohr , ihre Hand in der seinigen drückend , als Herr Meier sie zu holen kam . Er trat mit Jenny und Reinhard I. 12 in die Mitte des Zimmers und sprach zur Gesellschaft gewendet : " Erlauben Sie mir , meine Freunde , Ihnen beim Beginn des neuen Jahres ein neues Mitglied meiner Familie vorzustellen . Herr Reinhard und meine Jenny sind seit acht Tagen verlobt und ich empfehle dies junge Paar Ihrer Freundschaft . " Größeres Erstaunen hätte die unerwartete Ankunft des Großsultans nicht erregen können , als diese einfachen Worte . Des Fragen es , Wunderns , Glückwünschens war kein Ende ; und mancher junge Mann sah mit Neid auf Reinhard , an dessen Arm Jenny , noch im Kostüme der Rebecca , durch die Zimmer ging . Sie war blendend schön in der prachtvollen Kleidung , das Haar mit Brillanten durchflochten , den feuerfarbenen Turban auf die schwarzen Locken gedrückt ; und Reinhard konnte nicht unterlassen , sie nochmals zu seiner Mutter zu führen , um auch von ihr zu hören , wie schön seine Jenny sei . Niemand wollte erlauben , daß sie sich entferne , um ihre Toilette zu verändern . Einige ältere Damen , die neben der Pfarrerin standen , hielten die holde Braut mit freundlichen Worten zurück ; da trat auch Erlau glückwünschend hinzu und sagte leise : " So ganz Unrecht hatte ich also neulich doch nicht , als ich von dem Einfluß und der Erlaubnis eines gewissen Theologen sprach ? -- " " O , gehen Sie ! Sie sind ein arger Spötter und haben mir damals eine traurige Stunde bereitet ! " rief Jenny und mußte dann der Pfarrerin erzählen , was Erlau's Worte zu bedeuten hätten . Den Zeitraum benutzte der Maler , Reinhard in seiner gewohnten Art zu gratulieren . " Dir , Du Mann Gottes , hat es der Herr wahrhaftig im Schlafe gegeben . Da setzt sich 12 * der Mensch hin und langweilt das arme Kind zwei Jahre lang mit alten , unnützen Geschichten , nach denen kein Hahn mehr kräht , und hat gewiß wacker auf den gottlosen Paris geschimpft , der die Helena entführte und den braven Menelaus mit langer Nase stehen ließ . Nun aber , ehe man sich_es versieht , hat er selbst die Schönste am Arme , geht mit ihr davon und läßt uns à la Menelaus zurück . Ich glaube , auch mein Nase muß sich in diesem kritischen Moment ein wenig verlängern , und Steinheim's und des armen Joseph's Riechwerkzeuge wachsen gigantisch . " -- " Halt , glückseliger Bräutigam " , fuhr er fort , als Reinhard davon gehen wollte , " so kommst Du mir nicht los ! part la Giovanolla bete ich diese kleine Jenny an ! und daß Du mich neulich veranlaßt , dem Kinde Kummer zu machen , das mag Dir Gott vergeben ! Und künftig machst Du den Templer , wenn Jenny es " will , Du seltener Tugendritter ! -- Mit Keuschheit und Armut wird es nun ein Ende haben , wie der feurige Brillant an Deiner Brust , den ich jetzt erst bemerke , und Deine noch feurigeren Blicke mir deutlich beweisen ; aber das dritte Gelübde -- Gehorsam , dazu kann Rat werden . Ich wünsche Dir nur so viel Geduld , als Du Glück hast ! Denn das Kommandieren und Wollen verstehen Fräulein Jenny und Papa Meier aus dem Fundament . Hätten sie mir nur befohlen , Dich zu allen Teufeln zu jagen und statt Deiner die holde Rose von Savon zu freien , Du hättest sehen sollen , ob ich_es getan hätte ! " Ohne auf Reinhard's Ungeduld zu achten , drehte sich der Wildfang dann plötzlich zu Jenny und sagte : " Auf mein Wort , Fräulein Meier , wenn Reinhard nicht der beste Gatte wird , ist es seine Schuld . Ich habe ihm seine Pflichten strenge vorgehalten und verlange zum Lohn nur die Gunst , die künftige Frau Pfarrerin in diesem Kostüme malen zu dürfen , um den Pastor stets zu erinnern , daß er mehr Glück als Verstand hat . " Mit diesen Worten eilte er lachend davon . Aber seine Rede ließ ein unangenehmes Gefühl in Reinhard's Brust zurück , der es sich nicht verbergen konnte , wie man ihm den Besitz Jenny's für ein nicht zu erwartendes Glück anrechne und sich allgemein darüber wundere . Ein paar Tage lang war diese Verlobung ein Gegenstand der Unterhaltung bei Allen , die , wenn auch nur entfernt , mit einem der beiden Teile bekannt waren . Manche lobten es , daß Herr Meier bei der Wahl eines Gatten für seine Tochter nur auf ihre Neigung gesehen ; Andere und gerade die Freunde und Verwandten des Hauses machten ihm einen Vorwurf daraus , daß er , den man für das Zentrum der jüdischen Partei gehalten , seine Tochter zum Christentum übertreten lasse . Dergleichen hatte aber auf den klaren Sinn des würdigen Mannes keinen Einfluß . Nachdem der Entschluß reiflich überdacht und ausgeführt war , stand er als Tatsache unwandelbar vor ihm und kein fremdes Urteil vermochte seine Ansicht darüber zu erschüttern . Anders war es mit Madame Meier . Auf sie blieben die wiederholten Bemerkungen der Leute , daß Jenny zu ganz anderen Verbindungen berechtigt gewesen wäre , wenn sie nun einmal Christin werden sollte , nicht ohne Einfluß ; und während ihr Mann mit der Wahl seiner Tochter vollkommen zufrieden geworden war , fing die Mutter sie zu bereuen an . Sie überlegte , wie diese und jene Tochter eines reichen Kaufmanns einen berühmten Künstler , einen Baron , einen Grafen geheiratet hatte . Reinhard war ihr sehr lieb ; sie vor Allen hatte das Verhältnis gebilligt und geschützt gegen die frühere Ansicht ihres Mannes , und diese Verbindung war ihr vollkommen ausreichend zu Jenny's Glück erschienen , bis das unnütze Geschwätz einiger Damen , die ihr damit zu schmeicheln wähnten , die Saat der Unzufriedenheit in ihre Brust streuten . Vergebens wiederholte sie sich , daß ihre Tochter glücklich sei , -- es fiel ihr unaufhörlich ein , es hätte doch noch beglückender für Jenny sein müssen , wenn Reinhard nicht ein junger Theologe , sondern ein Mann von Stande gewesen wäre . Daß er es nicht war , konnte sie ihm zwar nicht zur Last legen ; es mußte aber ihrer Meinung nach den jungen Mann veranlassen , durch besondere Zuvorkommenheit , durch Gänze liche Selbstverleugnung Jenny dafür zu entschädigen . Mit ihrem Manne oder mit Eduard davon zu sprechen , wagte sie nicht , weil sie überzeugt war , auf Tadel zu stoßen . Sie fühlte das Törichte dieser Ansicht , denn sie war eine verständige Frau ; aber immer wieder trug die Verblendung und Eitelkeit der Mutterliebe den Sieg davon . Es war und blieb ihr unangenehm , daß man ihre Jenny nicht auch in dieser Beziehung beneidenswert fände , und sie beschloß , obgleich ihr das sonst niemals in den Sinn gekommen , durch einen verdoppelten Luxus in Allem , was Jenny umgab , der Welt zu zeigen , daß ihre Tochter in der Lage sei , eine glänzende Heirat entbehren zu können . Dadurch aber kam die arme Jenny von dem ersten Tage an in peinliche Konflikte . Während die Mutter unaufhörlich auf ein gewisses Schaustellen drang , verweigerte Rein 12** hart es entschieden , und die junge Braut mußte oft beschwichtigend und versöhnend auftreten , worin sie von der Pfarrerin glücklicherweise unterstützt wurde . Schon an dem Tage , an dem das Brautpaar die üblichen Visiten machen sollte , gab es kleine Mißhelligkeiten . Madame Meier hatte ein langes Register derjenigen Personen entworfen , denen sie sich vorstellen sollten , und ihrem Diener die größte Sorgfalt für die Equipage anbefohlen , als Reinhard erklärte , er begreife nicht , weshalb sie zu einer Menge gleichgültiger Leute fahren müßten , mit denen sie schwerlich in Berührung bleiben würden . Er hoffe , recht bald eine Stelle zu bekommen und die Stadt zu verlassen ; seiner Meinung nach genüge es daher vollkommen , wenn sie die nächsten Verwandten und Freunde der Familie besuchten . Zu diesen könne er mit Jenny hingehen , wolle gleich heute damit anfangen und hoffe , seine kleine Braut ebenso wohlbehalten heim zu bringen , als ob sie gefahren wäre . Davon wollte jedoch die Mutter nichts wissen . Sie versicherte , kein Mensch habe jemals solche Visiten zu Fuß gemacht , und fügte hinzu : " Glauben Sie mir , lieber Reinhard , Jenny ist gar nicht im Stande , so weite Wege zu gehen . " " Ja , das ist übel " , erwiderte Reinhard lächelnd ; " wie wird das werden , wenn wir keine Equipage haben ? Da wird sie sich doch gewöhnen müssen ! " " Es ist ein Scherz , lieber Gustav ! " sagte Jenny . Du weißt , wir haben vorigen Sommer auf dem Lande ganz gewaltige Promenaden gemacht und ich gehe viel lieber , als ich fahre . Doch läßt sich das heute wohl vereinigen . Wir machen einen Teil der Visiten , die meine Mutter wünscht , zu Wagen , holen nachher Deine Mutter ab und fahren ein Stündchen vor das Tor . Dann , wenn Du Lust hast und es nicht zu kalt ist , machen wir morgen bei den Verwandten ein paar Besuche zu Fuß und einen tüchtigen Spaziergang ! " So geschah es , und alle Parteien waren für den Augenblick zufriedengestellt . Indes sollte es nicht das letzte Mal sein , daß Jenny's Vermittlung nötig wurde . Zu Herrn Meier's Freude , der das Brautpaar in der Stille mit sorglicher Liebe beobachtete , entwickelte Jenny bei diesen Versuchen , Reinhard's und der Ihrigen Wünsche zu vereinen , eine ganz neue Seite ihres Charakters . Sich selbst vergessend , war sie unaufhörlich bemüht , sich den Ansichten der Anderen zu fügen und Reinhard's leisesten Wünschen zuvorzukommen . Hatte ein geräuschvoll verlebter Abend ihren Bräutigam unbefriedigt gelassen , so erlangte sie am nächsten Morgen gewiß die Erlaubnis , den ganzen Tag bei der Pfarrerin zuzubringen , um Reinhard zu zeigen , daß ihr im traulichen Beisammensein mit ihm die reinste Freude erblühe . Dann war Reinhard glücklich ; dann nannte er sie " seine eigene Jenny " und konnte nicht aufhören sie zu herzen , wenn sie sich seiner Mutter bereitwillig zu kleinen häuslichen Hilfsleistungen anbot , an die sie in ihrem elterlichen Hause , wo eine große Dienerschaft jedes Winkes harrte , nicht gewöhnt war . So sehr sie früher darauf gehalten , auch in Kleinigkeiten ihren Willen zu haben , so fügsam wurde sie jetzt . Einzelne unbedachte Äußerungen ihrer Mutter ließen sie vermuten , daß ihre Eltern die Verlobung mit Reinhard als ein Opfer betrachteten , welches sie dem Glücke ihres Kindes gebracht , obgleich es ihnen schwer geworden war . Das bewog Jenny , den Ihrigen nachzugeben , so weit es irgend möglich , und machte andererseits sie noch zärtlicher gegen Reinhard ; denn es tat ihr leid um seinetwillen , daß er den Eltern nicht der erwünschteste Sohn unter allen Männern auf der Welt , wie ihr der einzig Geliebte sei . Mit jedem Tage , den sie bei seiner Mutter verlebte , wurde er ihr teurer und verehrungswürdiger . Sein reicher Geist , seine unbestechliche Geradheit zeigte sich in all ihrem Glanze , wenn er sich so rückhaltlos hingab . Oft , wenn er sich dann in süße Schwärmereien verlor , hörte sie mit einer Andacht , mit einer Erhebung zu , von der die Pfarrerin innig gerührt war . " So " , sagte sie einst zu ihrem Sohne , " mag Maria zu den Füßen des Herrn gesessen haben " , und Jenny bemerkte lächelnd : " Mehr als ich Gustav liebe , liebte auch gewiß Maria den Herrn nicht . " Das vollkommenste Einverständnis herrschte unter den Liebenden , und selbst Herr Meier gewann Vertrauen für die Zukunft seiner Tochter . Man war seit Jenny's Verlobung im Meischen Hause daran gewöhnt , sie mehrere Tage der Woche ihrer Schwiegermutter zu überlassen . Damit nun Madame Meier dieses Entbehren ihrer Tochter nicht zu empfindlich werde , hatte man Therese eingeladen , an jenen Tagen Madame Meier zu besuchen , und kam auf Jenny's Veranlassung zuletzt überein , Therese für den Sommer , den die Familie immer auf ihrem Gute zubrachte , ganz in das Haus zu nehmen . Auch die Pfarrerin wollte dann die Stadt verlassen , um einige Zeit bei einer Freundin zu verleben . Deshalb strebte man jetzt , jemehr der Winter sich zu Ende neigte , die letzte Zeit vor dieser kleinen allgemeinen Auswanderung noch recht mit Bewußtsein zu genießen . Durch Hughes und Clara Horn war der engere Kreis der Hausfreunde im Laufe des Winters vergrößert worden , nachdem Clara -- -- -- -- -- -- durch Bitten und Zureden die Erlaubnis erlangt hatte , abermals zu Madame Meier zu gehen . Sie wünschte die Familie wiederzusehen und Jenny zu danken , die ihr ein zweites Bouquet gesendet , schöner noch als jenes , welches Clara damals im Treibhause erhalten . Obgleich nun die Kommerzienräten diesem Verkehr noch immer nicht geneigt war , gab sie endlich den Bitten ihrer Tochter nach , als sie darin die Möglichkeit sah , ihre Absichten zu fördern . Sie wußte , wie geflissentlich Clara jedes Alleinsein mit William vermied , und es schien ihr eine günstige Veranlassung , ihm dann und wann ein tête à tête zu verschaffen , wenn sie Clara unter seinem alleinigen Schutze den Besuch des Meischen Hauses gestattete . Erfreut durch diese Erlaubnis , die ebenso sehr Williams Liebe für Clara entsprach , als seiner Freundschaft für die Familie Meier , und es sich zuschreibend , die Vorurteile seiner Tante durch Vernunft besiegt zu haben , warf William sich zum Protektor dieses neuen Verhältnisses auf . Er stellte der Kommerzienräten vor , wie es gerade ihr , einer der vornehmsten Damen der Stadt , wohl anstände , ein Beispiel zeitgemäßer Bildung zu geben , indem sie allem Gerede zum Trotz , Jenny und Clara , die sich sehr zusagten , auch ungestört mit einander umgehen lasse . " Sie haben früher den Doktor Meier zu Ihrem Arzte gewählt , liebste Tante " , sagte er schmeichelnd , " und die ganze beau Monde ist Ihrem Beispiel gefolgt . Vor Ihrem klaren Verstande können jene Vorurteile , welche einst die schroffe Trennung zwischen verschiedenen Konfessionen verursachten , nicht mehr Stich halten . Wenn ich Ihnen nun sage , daß Sie mir den größten Gefallen tun , so oft Sie mir die Cousine anvertrauen , und daß Clara sich vortrefflich bei Meiers unterhält , so darf ich hoffen , Sie heben für Clara und Jenny den Grenzkordon auf und geben ihnen völlige Freiheit für ihren Verkehr . " Die Kommerzienräten tat darauf , als ob William's Gründe sie überredet hätten , und wenige Tage , nachdem Reinhard mit Jenny versprochen worden , erhielten Eduard und seine Schwester Einladungen zu einer Gesellschaft im Hause der Kommerzienräten , die aber nur Eduard annahm , weil Jenny sich nicht entschließen konnte , ohne den Bräutigam hinzugehen . Dem Vater war dies ganz gelegen , da er im Ernste meinte , was er nur scherzend aussprach , er sähe es gern , wenn Leute , die ihm eine Ehre mit ihrer Einladung zu erzeigen glaubten , lieber über zu viel Zurückhaltung als zu bereitwilliges Entgegenkommen klagten . In jenen Tagen wurde nun Jenny's Verlobung bekannt gemacht und Clara Horn ge hörte zu Denjenigen , die am meisten davon überrascht wurden . Sie saß im Zimmer ihrer Mutter , als am Neujahrsmorgen ein Diener das Meldungsbillet hineinbrachte . Die Kommerzienräten geriet in die beste Laune , nun sie mit Zuversicht wußte , daß sie die einst gefürchtete Nebenbuhlerin nicht mehr zu scheuen habe , und reichte das Billet , nachdem sie es gelesen , ihrer Tochter , mit der Bemerkung : " Da sieht man deutlich , wie solchen Leuten selbst der Reichtum nichts hilft : ein Kandidat der Theologie ! Für Dich soll besser gesorgt werden , liebes Kind ! " Clara antwortete keine Silbe , denn sie hatte im Übermaß des Entzückens gar nichts von der Rede ihrer Mutter gehört . Sie hielt das Blatt in den Händen und las mit klopfenden Herzen und einer nie geahnten Wonne wieder und immer wieder die Worte , welche ihr Jenny's Verlobung mit Reinhard verkündeten . Das war ein Lichtstrahl von oben , der urplötzlich die Nacht ihres Kummers erhellte . Jetzt war Alles gut , all ihr hoffnungsloses Leiden beendet , jeder Zweifel gehoben . Wenn Jenny sich mit Reinhard verlobte , konnte auch der Liebe Eduard's zu ihr kein Hindernis von seiner Seite im Wege stehen ; und sie wünschte nur zu erfahren , durch welche Verhältnisse dieser glückliche Wechsel der Ansichten in der Meischen Familie hervorgebracht worden war . Sie bestürmte Hughes mit Fragen ; sie wollte wissen , ob der Doktor Meier mit dieser Heirat einverstanden sei , ob die Eltern sie gern sähen ; und die Versicherung ihres Cousins , daß Alle sehr glücklich und erfreut darüber wären , reifte ihre Hoffnung zu beseligender Überzeugung , sodaß sie freudestrahlend Eduard entgegenging , der im Laufe des Tages hinkam , ihnen zum neuen Jahre zu gratulieren . Nichts war nun natürlicher , als daß der Umgang zwischen den beiden jungen Mädchen bald eine Art von Innigkeit gewann , nachdem die ersten Schritte getan waren . Clara hörte nur zu gern von Eduard erzählen ; was er gesagt , gewollt , war für sie von dem höchsten Interesse . Alles und Jedes , das in irgend einer Beziehung zu ihm stand , erregte ihre Teilnahme , und sie fühlte sich zu Jenny , dem Lieblinge Eduard's , hingezogen , um so mehr , als sie mit ihr stundenlang von dem Geliebten sprechen konnte , ohne , wie sie wähnte , irgend einen Verdacht zu erregen . Doch darin täuschte sie sich . Jenny , der die leidenschaftliche Liebe Eduard's zu Clara längst außer allem Zweifel war , hatte auch bald in Clara's Seele gelesen . Ein gleicher Bildungsgrad machte ihr das Beisammensein mit Clara höchst angenehm , sie fand an ihr , was sie an Therese stets ver mißt hatte , ein Gemüt , das mit ihr in rascher Empfänglichkeit sympathisierte , und eine Tiefe des Gefühls , welche Therese nicht in dem Grade besaß , oder mindestens nicht zu äußeren vermochte . Solch eine Schwägerin hatte sie sich gewünscht , und auch ihr war es nur zu natürlich , daß Eduard kein Opfer scheuen werde , um Clara zu besitzen . Diese ihrerseits kam Jenny mit der zartesten , eifrigsten Aufmerksamkeit entgegen , weil sie wußte , welche Freude sie dem Geliebten damit bereite . Bald aber wurde ihr Jenny um ihrer selbst Willen teuer ; es entzückte sie , bei einem Mädchen so viel Klarheit der Ideen , so viel Charakter zu finden , und es wurde Beiden zu einer süßen Gewohnheit , zu einem Bedürfnis , sich häufig zu sehen . In ungetrübter Freude waren so einige Wochen verflossen , als Hughes eines Abends verstört in die Stube seiner Tante trat , und indem er ihr einen Brief reichte , die Worte ausrief : " Mein Vater stirbt , und ich muß fort . " Die Kommerzienräten erschrak , so sehr als die kaltblütige Frau es vermochte . Denn so unangenehm ihr auch die plötzliche Entfernung William's erschien , so leuchtete ihr doch der materielle Vorteil ein , der für den Sohn entstände , wenn er schon jetzt in den Besitz der väterlichen Schätze käme . Sie versäumte nicht , in wohlgewählten Worten ihr tiefes Bedauern über das Unglück auszudrücken , das ihrer Schwester drohe ; sie brachte es selbst bis zu Tränen bei dem Gedanken an William's Abreise , und dieser , aufgeregt durch die entsetzliche Nachricht , die ihn bis in das innerste Herz getroffen , ließ sich von der künstlichen Teilnahme der schlauen Frau täuschen . Er mußte Jemanden finden , dem er seine Gefühle enthüllte , und Clara , vor der er es am liebsten getan , war seit einigen Stunden bei Jenny . Er fragte nach ihr , er wolle und müsse Abschied von ihr nehmen . " Beruhige Dich , lieber William " , sagte die Kommerzienräten , " ich lasse sie sogleich holen , und sie soll den Rest des Abends mit Dir verbringen . Sie wird außer sich sein . " Sie schellte und befahl dem eintretenden Diener , anspannen zu lassen und das Fräulein zu holen , weil Herr Hughes morgen verreise . " Morgen ? Tante ! ehe ich kam , waren die Pferde bestellt , mein Diener bereitet mein Gepäck , und mit bebender Angst harre ich auf den Ton des Posthorns . Ich reise gleich ; jeder Augenblick , den ich zögere , kann mich um den Trost bringen , meinen Vater noch zu sehen , noch ein Wort von seinem Munde zu hören -- nur in der höchsten Eile ist Hoffnung ! " Das lag außer der Erwartung der Tante : sie klingelte nochmals und der Diener erhielt geschärfte Befehle . Er sollte dem Fräulein sagen , Herr Hughes reise gleich , weil sein Vater zum Tode erkrankt sei . Um Gottes Willen , das nicht ! rief Hughes in großmütiger Vorsorge ; lieber reise ich , ohne sie zu sehen , ehe so furchtbarer Schreck sie unvorbereitet treffe . " Ein Wink entfernte den Diener , und die Kommerzienräten ging unruhig im Zimmer umher , jeden Augenblick am Fenster spähend , ob der Wagen das Portal nicht schon verlasse ? Auch Hughes war in qualvoller Spannung . Dann , als das Rollen der Räder auf den Steinen hörbar wurde , schien es ihm Hoffnung zu bringen . Ein ängstliches Schweigen herrschte im Zimmer , Tante und Neffe hingen mit gespanntem Auge an dem Zeiger I. 13 der Uhr , der sich ruhig und langsam von Sekunde zu Sekunde fortbewegte , während ihr Ohr ebenso ängstlich auf jeden Ton lauschte , der von der Straße heraufschallte . " Ich begreife nicht , wo Clara bleibt " , sagte nach einer Weile peinlicher Erwartung die Kommerzienräten . " Die Zeit vergeht , die Zeit vergeht , und mein Vater stirbt ! " fiel William , der nur den Einen Gedanken hatte , ihr tonlos ins Wort . " Denken Sie , Tante , jede Minute Aufschub kann mir die Möglichkeit rauben , den Vater zu sehen , den ich mehr als Alles liebe , und trennt mich von Clara , ohne daß ich sie gesprochen , ohne daß sie weiß , wie ich sie anbete ! " -- Ermüdet von innerer Erregung warf sich der junge Mann in einen Stuhl . Da atmete die Kommerzienräten tief auf , ein siegreiches Lächeln glitt einen Augenblick über ihre Züge -- sie war am Ziele ! aber schnell besonnen , trat sie mit dem Ausdruck inniger Teilnahme zu William , legte ihre Hand auf sein Haupt und sagte beruhigend : " Möchte Dir so sicher das Leben Deines Vaters erhalten werden , als Clara's Liebe und ihre Hand , die ich Dir von je bestimmt . " -- " Wer sagt Ihnen , Tante ! " rief der Jüngling -- da schmetterte fröhlich und laut das Posthorn . William sprang erbleichend auf und seufzte , indem er sich gewaltsam zusammennahm . " Leben Sie wohl , Tante , mag Clara mein gedenken . " " Gehe mein Sohn " , erwiderte mit Feierlichkeit die Dame , " und kehre uns bald und glücklich zurück . Für Clara's Herz bürgt Dir ihre Liebe , für ihre Hand , ich ; und sollte es Gott gefallen , Dir den Vater zu rauben , so findest Du hier einen Vater wieder , der den 13 * Gatten seiner Tochter mit offenen Armen empfangen wird . " Hughes umarmte sie zärtlich und eilte hinaus ; dann kehrte er zurück , zog einen Ring von seinem Finger , reichte ihn der Tante mit den Worten : " Für Clara ! o grüßen Sie sie , und sie soll mein gedenken " , -- und verschwand zum zweiten Male . Und wieder erklang das Schmettern des Posthorns ; die Kommerzienräten trat wieder an das Fenster und sah dem Wagen nach , bis einige Minuten später ihre Equipage sichtbar wurde und Clara bald darauf bei ihrer Mutter erschien . Trotz William's Verbot hatte sie durch den Diener die traurige Nachricht erfahren und war so bewegt , daß ihre Mutter die Worte " Wo ist William ? " die Clara mit fliegender Eile aussprach , nur zu leicht für ein Zeichen der Liebe nehmen konnte . Deshalb hielt sie es für angemessen , die Rolle , welche sie bei Hughes mit so vielem Glück gespielt , auch bei Clara fortzusetzen . Sie umarmte ihre Tochter mehrmals , küßte sie zärtlich und sagte : " Beruhige Dich , mein Kind ! Du siehst ihn wieder . Wenn Du wüßtest , wie er Dich mit brechendem Herzen verließ ! Sein Schmerz war so grenzenlos , daß ich , Deine Mutter , zur Vertrauten seiner Liebe werden mußte . Er sendet Dir diesen Ring und ich habe ihm statt Deiner versprochen , daß er bei Dir Trost finden würde , falls es Gott gefalle , ihm seinen Vater zu nehmen . " Das hatte Clara nicht erwartet . Nach ihrer Meinung mußte gerade Hughes Derjenige sein , der ihre Liebe für Eduard kannte , denn gegen ihn allein hatte sie sich stets offen über die Bewunderung und das Interesse ausgesprochen , das sie für jenen hegte . Sie hatte in der Bereitwilligkeit ihres Cousins , ihre Bekanntschaft mit Jenny einzuleiten und ihren nähern Umgang zu befördern , eine Billigung ihrer Gefühle gesehen und sich dankbar dafür mit einer Zärtlichkeit an William angeschlossen , die ihr Bruder ihr einzuflößen niemals weder gestrebt , noch vermocht . Sie begriff es nicht , wie der Vetter dies Wohlwollen für Liebe nehmen könne , da sie wußte , wie himmelweit es von dem Gefühle verschieden sei , das sie für Eduard empfand ; und doch quälte sie der Gedanke , William , der vertrauende , großmütige Mann , könne sie unwürdiger Koketterie , eines leichtsinnigen Spiels mit seinem Herzen beschuldigen . Es tat ihr unaussprechlich leid , daß sie ihn , wenn auch ganz absichtslos , getäuscht , und sie bedauerte von Herzen , ihn nicht mehr gesprochen zu haben , um es zu verhindern , daß er Hoffnungen nähre , die sie unmöglich erfüllen könne . Aber nicht Das allein war es , was sie beunruhigte . Sie wußte , daß ihre Mutter , nun sie endlich das Gelingen ihres Planes erreicht , nicht so leicht davon abgehen würde , am wenigsten zu Eduard's Gunsten . Mitleid mit William , mit Eduard und sich selbst ; Furcht vor den Leiden , denen sie notwendig durch ihre Liebe ausgesetzt war ; und auch aufrichtige Betrübnis , dem Wünsche ihrer Eltern nicht folgen zu können , stürmten zusammen auf sie ein , und weinend legte sie William's Ring von sich , den die Kommerzienräten ihr aufgezogen hatte . " Recht so , liebe Tochter ! " sagte die alte Dame , als sie es bemerkte , " auch ich finde es schicklicher , daß die Braut sich mit dem Ring ihres Verlobten erst dann schmücke , wenn er selbst ihn an ihre Hand steckt . Doch weine deshalb nicht . In wenigen Wochen kehrt William hoffentlich zurück , und die ganze Stadt soll es dann wissen , wie glücklich Du bist und wie glücklich Du mich durch die Erfüllung meiner langgehegten Wünsche machst ! Ich hatte nicht Unrecht , mein Töchterchen , zu behaupten , daß Dir ein anderes Los werden solle , als der kleinen Jenny ! " fügte sie triumphierend hinzu , indem sie Clara nochmals umarmte und sie dann verließ . " Was soll ich tun ? " rief Clara , als sie sich allein sah . Tausend Plane und Möglichkeiten fielen ihr zugleich ein : Sie wollte ihrer Mutter nacheilen und ihr Alles bekennen ; aber wozu sollte das führen , da ihre Mutter gerade die Heirat mit William wünschte und sich ihrer Liebe zu Eduard entschieden widersetzen würde ? Sich dem Vater anvertrauen ? Das würde die Mutter für eine Kränkung ihrer Rechte halten und doppelt erzürnt sein ! Dann wollte sie William schreiben und sich seiner Großmut überlassen ; als sie indes bedachte , wie ihr Brief den Sohn trauernd an der Leiche seines Vaters finden könne , fehlte ihr der Mut , seinen Schmerz noch zu erhöhen durch das Geständnis , sie könne ihn nicht lieben . Ratlos sann sie lange hin und her , bis die glückliche Schnellkraft der Jugend sie plötzlich das Ereignis in besserem Lichte erblicken ließ . Sie fing an zu hoffen , die Krankheit ihres Onkels werde so gefährlich nicht sein ; William müsse ihn gewiß auf dem Wege der Genesung finden ; und es machte sie glücklich , zu denken , Eduard werde ohne Zweifel William's Abwesenheit benutzen , sich gegen sie zu erklären . Dann , wenn es unwiderruflich sei , werde ihr Cousin es auch viel leichter tragen , besonders wenn Entfernung und die Freude , seinen Vater wiederzusehen , ihm zu Hilfe kämen . Als aber ihre Seele erst diese Richtung gefunden , waren bald alle Sorgen vergessen , so sehr , daß sie es sich vorwarf , nicht trauriger über ein Ereignis zu sein , von dem ihr Vetter so tief ergriffen sein mußte . 13** Ein Bote von Jenny , der abgesandt war , zu fragen , was Clara's plötzliche Nachhauseberufung veranlaßt , erhielt schon ein ganz fröhliches Billet zum Bescheide , mit den nötigen Erklärungen und der Bitte , Jenny möge sie morgen recht zeitig besuchen . Zwei Dinge waren es besonders , die seit einigen Wochen Reinhard beschäftigtet : die baldige Erlangung einer Stelle für sich und Jenny's Übertritt zum Christentum , zu dem ein würdiger Geistlicher sie vorbereitete . Mit freudiger Aufregung hatte Jenny dem ersten Besuche des Pastors entgegengesehen ; es drängte sie , sich mit ihm über manches Bedenken auszusprechen , das sich in ihr gegen die neue Lehre erhob und dessen sie gegen Reinhard den kostbarsten Samen gestreut : wie würde man es ängstlich hüten , damit es keinen Schaden nähme , es vor jedem Flecken bewahren , jedes Stäubchen davon entfernen , wenn man wüßte , daß nur in vollkommen reiner Schale die heilige Saat gedeihen könne ! Solch ein Gefäß bist Du , und nur , wenn Du rein bist von bösen Gedanken , kann sich die Gottheit in Dir entfalten . " Jenny mochte es den Mienen ihres Zuhörers ansehen , daß er diese Auffassung nicht ganz billige , doch ließ sie sich dadurch nicht irre machen , sondern fuhr ruhig fort : " Dieses Gleichnis erfreute mich , und -- ich war damals noch ein Kind , Herr Pastor ! -- ich fragte , ob nicht endlich , wenn die Saat zu einem mächtigen Baume geworden , dieser das kleine Gefäß zersprenge und sich frei mache , um frei die kühnen Wipfel zu dem blauen Himmel zu erheben , von dem das Samen Korn einst herabgekommen ? Ja ! sagte mein Vater , und dies Freiwerden nennt man Sterben ! " " Eine artige Allegorie " , unterbrach sie der Pfarrer jetzt , " aber das will Christus nicht . Wir sollen nicht spielen mit Dem , was das Heiligste ist ; wir sollen es mit Ernst erfassen , mit jenem Ernste , der Christus am Kreuze sterben machte für uns . " " Das sagt auch Reinhard " , stimmte Jenny bei . " Ich soll das Leben mit Ernst betrachten , und ich selbst fühle das Bedürfnis , seit ich Reinhard kenne und empfunden habe , daß es auch dunkle Stunden in unserem Dasein gibt . Glauben Sie mir , wenn ich an die Möglichkeit dachte , von Reinhard , dem ich so unauflöslich gehöre , für das ganze Leben getrennt zu sein , dann reichte der fröhliche Glaube meiner Jugend nicht aus . Ich verlangte danach , einen Ersatz zu finden , der mich schadlos halte für das Leiden auf dieser Welt ; und ich wünschte besonders , daß es mir möglich wäre , die heiligsten Interessen des Menschen auf dieselbe Art aufzufassen , wie mein Bräutigam . Mit Einem Worte , ich möchte Gott erkennen und das Leben begreifen , wie Christus es lehrt , ich möchte Christin werden , dem Herzen nach . -- Lehren Sie mich das , sagte sie , und ich werde es Ihnen ewig denken ! " Der alte Mann gab ihr die Hand und sah sie lange an , ohne zu sprechen . Er erkannte in Jenny einen ungewöhnlich gebildeten Geist , der dabei seine ursprüngliche Kindlichkeit behalten hatte und in dem sich das Streben nach Klarheit auf sonderbare Weise mit einem poetischen Gemüte vereinte . In Folge dessen liebte Jenny es , Gedanken , die sie sich nicht ganz deutlich zu machen wußte , in einen duftigen poetischen Schleier zu hüllen , als ob sie sie dadurch vor der entweihenden Berührung des Zweifels behüten könne . Dem Pastor wurde diese Richtung gleich in dieser ersten Unterredung klar . Er erriet , daß kein inneres Bedürfnis , sondern nur Liebe zu Reinhard das Motiv sei , welches sie dem Christentum entgegenführe , und er tadelte sie deshalb nicht . Ein langes Leben hatte ihn zu der Überzeugung gebracht , die er in früher Jugend mit orthodoxer Strenge bekämpft , daß man Christ sein könne ohne den Glauben an die christlichen Dogmen , und er war , einmal zu dieser Erkenntnis gelangt , ernstlich mit sich zu Rate gegangen , ob diese Ansicht ihn nicht zwinge , sein Amt niederzulegen . Mit dem gewissenhaftesten Eifer hatte er die Lehre Jesu und sich selbst geprüft und sich dadurch in der Überzeugung befestigt , daß Liebe und Duldung nebst fortschreitender geistiger Entwicklung die Grundzüge des Christentums und besonders des Protestantismus ausmachten . In diesem Sinne hatte er sein Amt behalten und verwaltet . Er hatte von ganzem Herzen danach getrachtet , unter seiner Gemeinde die Lehre Jesu in ihrer moralischen Reinheit zu verbreiten , und auch die Form heilig geehrt , in der diese Lehre uns übergeben , ohne jedoch Diejenigen fanatisch zu verdammen , die sich ausschließlich an den Geist hielten . Diese bekannte Gesinnung hatte Herrn Meier bewogen , ihn zu Jenny's Lehrer zu wählen , womit Reinhard , nur auf Zureden seiner Mutter , sich einverstanden erklärte . Der Unterricht begann und der Pastor mußte natürlich sein erstes Augenmerk gegen die pantheistische Weltanschauung richten , in der Jenny , ohne es zu ahnen , erwachsen , und in welcher die dichterische , gewissermaßen heidnische Vorstellung der Gottheit ihr lieb geworden war . Es erfreute sie , Gott zu sehen in Allem , was sie umgab , und obgleich sie sich zu der reinen Anschauung Gottes im Geiste zu erheben vermochte , hatte sie oft die heitere Zeit des griechischen Altertums zurückgewünscht , in der es den Menschen möglich war , sich die Gottheit als unter ihnen wandelnd zu denken . Viel leichter als mit Reinhard konnte sie sich mit ihrem jetzigen Lehrer verständigen ; und es gewährte ihr in der ersten Zeit eine unbeschreibliche innere Freudigkeit , zu sehen , daß sich ihr Verstand mit Überzeugung den Lehren anschließen könne , die man ihr bot ; doch bald sollte es anders werden . Hatte sie sich geistig spielend an den Göttern der Vorzeit erfreut , so widerstrebte der Gedanke an die Menschwerdung Gottes , nun sie ihn als Bekenntnis annehmen sollte , ihrem Verstande . Die Erlösung , Genugtuung und Versöhnung durch Christus kamen ihr wie grobe , sinnliche Begriffe vor , die weder auf einen Geist , noch auf das Verhältnis eines Vaters zu seinen Kindern Anwendung finden konnten , und die Dreieinigkeit erschien ihr unerfaßbar . Mit aller Kraft ihres Geistes hörte sie den Vorträgen ihres Lehrers zu ; sie wollte sich aus Liebe um jeden Preis überzeugen ; glauben , was Millionen Menschen , die es kaum so eifrig gesucht wie sie , zur beseligenden Gewißheit , zur Stärkung in Rot und Tod geworden war . Warum sollte gerade ihr das unerreichbar bleiben ? Warum gerade ihr , die ihn so eifrig erstrebte , der Glaube versagt sein ? Eine quälende Unruhe bemächtigte sich ihrer . Geistig unaufhörlich mit der Lösung ihrer Zweifel beschäftigt , auf der ihr ganzes Glück beruhte , erschien sie dem Geliebten zerstreut und teilnahmslos , und er drang in sie , ihm den Grund ihrer Verstimmung zu entdecken . Das aber vermochte Jenny aus leicht begreiflichen Gründen nicht . Sie schützte körperliches Unwohlsein , Sorge um Eduard , den offenbar ein tiefer Schmerz drückte , und tausend andere Veranlassungen vor , und versuchte durch eine erzwungene Heiterkeit Reinhard zu beruhigen , der diesen plötzlichen Wechsel der Stimmung wieder einer kindischen Laune zuschrieb und sich missbilligend darüber äußerte . Dazu kam , daß er , so oft sie allein beisammen waren , sich bei Jenny nach dem Fortgange des Religionsunterrichts erkundigte ; daß er zu wissen begehrte , was sie gehört und wie sie es aufgenommen . Und doch war es gerade Das , was sie zu vermeiden wünschte . Deshalb suchte sie es so einzurichten , daß Reinhard in den Stunden , die die er gewöhnlich bei ihr zubrachte , bald Therese , bald Clara als Dritte fand ; und mit Scherzen mancher Art machte sie jeder ernsteren Unterhaltung ein Ende , aus Besorgnis , diese könne eine Richtung nehmen , die sie zu scheuen Ursache hatte . Wie natürlich setzte ein solches Betragen Reinhard in Verwunderung . Er konnte sich diese Leichtfertigkeit nicht erklären , um so weniger , als seine Braut früher mit besonderer Vorliebe sich ernsthafter Unterhaltungen mit ihm zu erfreuen geschienen , und , um dies ungestört zu genießen , jede Gelegenheit benutzt hatte , die Anwesenheit dritter Personen zu verhindern . Auch zur Pfarrerin kam sie seltener oder zu Zeiten , wenn sie ihren Bräutigam außer dem Hause beschäftigt wußte , was diesen um so rücksichtsloser dünkte , als die Abreise der Pfarrerin in wenigen Tagen bevorstand und ihm dann die Möglichkeit jener traulich süßen Stunden bei seiner Mutter für lange genommen war . Jenny schmerzte die Unzufriedenheit Reinhard's ; doch tröstete sie sich über den Kummer , den sie ihm und dadurch sich selbst bereitete , mit der Hoffnung , daß es ihr endlich doch gelingen müsse , das Christentum zu erfassen , und daß Reinhard erst dann erfahren soll , wie schwere Stunden sie durchkämpft , wie wacker sie gerungen habe . In dieser Zeit begab sie sich eines Tages zur gewohnten Stunde in die Wohnung des Pastors , der heute mit ihr das Kapitel von der Dreieinigkeit verhandeln sollte . Nach einer einfachen Einleitung sagte er ihr , die ersten christlichen Philosophen , welche über die Dreifaltigkeit gedacht , erklärten sie ungefähr so : Gott war , aber außer ihm Nichts . Gott dachte sein Bild ; und da das Denken und Entstehen bei Gott Eins ist , so war dies Bild Gottes vorhanden , ohne selbständiges Wesen zu sein , denn es besteht nur in Gott . Dieses Wesen , für das die deutsche Sprache kein Wort hat , heißt in dem Urtext der Bibel Logos und ist in dem Menschen Jesus Mensch geworden , als die geistigen Offenbarung gewürdigt wurden . Darum nennt sich Christus den Erstgeborenen . Das Band nun zwischen diesem Gedanken Gottes und Gott ist der heilige Geist . Man kann also Gott allein , ohne Jesus und den heiligen Geist denken , nicht aber die letzteren ohne Gott -- denn nur in ihm sind sie . " -- Als Jenny diese Erklärung vernommen , rief sie freudig : " O ! Sie geben mir das Leben wieder , indem sie mir sagen , ich dürfe Gott denken , ohne Christus und den heiligen Geist ! Das ist mein lieber Gott , den man mich von Kindheit an gelehrt , der uns Alle beschützt . So vermag ich zu glauben . " " Nein , meine liebe Tochter ! " wandte der Greis ein , erstaunt über die willkürliche Auslegung , welche Jenny seinen Worten gegeben . " Nein , Sie täuschen sich selbst ! Ich habe Ihnen gesagt , daß wir Gott allein zu denken vermögen , aber es konnte unmöglich meine Absicht sein , Ihnen den Glauben an die Dreifall I. 14 tigkeit Gottes preiszugeben , den unsere Religion lehrt " " Das begehre ich auch nicht , " sagte Jenny , noch immer in freudiger Aufregung . " Ich weiß , Gott ist -- und er sandte Christus , der mehr als wir , mehr als Mensch , aber doch nicht dem Schöpfer gleich war , zu uns , um uns zu belehren ; und wenn ich an Gott glaube , und zu ihm und Christus bete , und ihnen vertraue , dann wird mir der Beistand des heiligen Geistes nicht entgehen . " -- Der Pfarrer schüttelte bedenklich das Haupt und sprach ernst : " Es mag Ihnen leichter werden , sich in diese Vorstellung hineinzudenken , als an die Verkörperung , das Menschwerden eines rein geistigen Wesens zu glauben . Und doch ist Ihre Ansicht verwerflich ; denn sie ist das erste Hinneigen zur Vielgötterei . Christus ist nach ihr ein Halbgott , und es werden zwei Wesen der Verehrung hingestellt , während die christliche Re Legion nur Ein Urbild kennt , den Schöpfer , von dem Christus und der heilige Geist nicht zu trennen sind , denn er ist der dreieinige Gott ! " Das konnte Jenny zwar denken , aber sie vermochte nicht , es als eine Wahrheit einzusehen , die eben als Wahrheit Glauben gebiete . Sie begriff die Notwendigkeit dieses Glaubens nicht . Es ist hier nicht der Ort , noch kann es unsere Absicht sein , eine Abhandlung über die erhabene Religion unseres Heilandes zu geben , sondern es kommt nur darauf an , die Wirkung derselben in dem Gemüte eines jungen Mädchens darzutun , das nicht von Jugend an in dem Glauben an diese heiligen Symbole erzogen war ; und den Einfluß zu erzählen , den der Unterricht im Christentum auf sie und ihr Schicksal ausübte . Deshalb dürfen wir die mehrstündige Unterhaltung des Pfarrers 14 * mit Jenny übergehen und nur bemerken , daß nach manchem vergeblichen Versuche , ihr ein Bild von der Dreieinigkeit zu geben , welches sie befriedigte , der Pfarrer ihr sagte : " So fassen Sie es als ein Symbol auf , an das zu glauben Gott uns befohlen hat durch Christus ! " Das brachte Jenny aufs Neue mitten in ihre alten Kämpfe hinein . Sie hatte versprochen , nach dem Unterricht zu Reinhard's Mutter zu kommen und ging , da Reinhard sie damit neckte , wenn sie sich stets der Equipage bediente , langsam und sinnend der fernen Gegend zu , in der die Pfarrerin wohnte . Immer und immer wieder dachte sie an das Gehörte . Wenn sie sich die Gottheit unverändert und ungeteilt stark , in Gott , in Christus und dem heiligen Geist dachte , so waren entweder Christus und der heilige Geist Eigenschaften Gottes , was der Pastor so nicht gedeutet haben wollte , oder sie waren Ausströmungen , Strahlen Gottes : und diese Deutung näherte sich in gewisser Art dem Pantheismus , vor dem der Pfarrer und Reinhard sie oft und ernst gewarnt hatten , der zu Hochmut und Selbstanbetung führen sollte , da man nur zu geneigt wäre , den Gott in sich anzubeten und darüber den einzig wahren Gott zu vergessen . Vergebens rang sie danach , zu einer klaren Vorstellung zu kommen , es gelang ihr nicht , und immer wieder tönte ihr das furchtbare " glaube " ins Ohr , auf das man sie verwies und das sie nicht in sich erzwingen konnte . Der Abend fing schon an hereinzubrechen und die Atmosphäre hatte jenen warmen , beengenden Duft , der in unserem Klima den ersten Tagen des beginnenden Frühlings häufig eigen ist und der Seele eine weiche melancholische Stimmung gibt . Jenny , der man früher niemals erlaubt , ohne Begleitung eines Dieners die Straße zu betreten , wollte sich , um Reinhard zu gefallen , gern von Allem entwöhnen , was der Luxus den Reichen zum Bedürfnis macht und hatte zu Hause erklärt , sie werde allein von dem Hause des Pastors zu ihrer künftigen Schwiegermutter gehen . Es war das erste Mal , daß sie den Versuch machen wollte , und als sie nun bei einbrechender Dunkelheit -- denn der Unterricht hatte länger als gewöhnlich gedauert -- allein durch die Straßen ging , überkam sie ein Gefühl von Elend , wie sie es nie zuvor empfunden hatte . Sie schämte sich , weil irgend ein Bekannter sie sehen könnte , und wünschte doch sehnlich , Jemandem zu begegnen , der sie beschütze , da sie sich fürchtete , unter dem Gewühl der Männer und Frauen , die jetzt um die sechste Stunde von der Arbeit heimkehrten . Wenn die Mutter wüßte , daß der Unterricht so lange gedauert ; daß sie nun im Dämmerlichte , in der fernen Vorstadt ganz allein auf der Straße sei , ganz einsam und verlassen , wo Niemand sie kannte , noch fern von Reinhard und so weit von den Ihrigen : wie besorgt würde sie sein ! sagte sie sich ; und -- rief es in ihr -- was ist dies Verlassen sein gegen die geistige Vereinsamung , in der ich mich befinde ? Durch einen Eid will ich mich in wenigen Wochen lossagen von dem Glauben meiner Väter , den ich begreife und heilig halte , und zu einer Religion übertreten , gegen welche meine Überzeugung sich noch immer sträubt . Das kann Gott nicht wollen , das wäre Sünde . Aber sich Reinhard ent decken oder irgend Jemandem , hieße Reinhard verlieren ; denn nur als Christin konnte sie die Seine werden , konnte er ihr gehören . Sie erschien sich ärmer als der Ärmste jener Hunderte , die in Lumpen gehüllt , aber gewiß ruhig im Geiste neben ihr herschritten . Was hatte sie verbrochen , um so schwer geprüft zu werden ? Die sorglose Freudigkeit , mit der sie an Gott gedacht und das Rechte getan , hatte ihr Reinhard geraubt und sie auf Lehren gewiesen , die ihr bis jetzt nicht die geringste Beruhigung boten und sie den qualvollsten inneren Kämpfen preisgaben . Vater und Mutter sollte sie verlassen , sich von dem Bruder , von allen Freunden trennen . Sie sollte Reinhard folgen nach einem Orte , den sie nicht kannte , und der , vielleicht fern von der Heimat , öde und traurig sein würde . Sie dachte an ihr helles , sonniges Zimmer , an das Treibhaus , an all jenen Komfort des Lebens , den sie nie hochgeschätzt , weil sie nicht gefürchtet , ihn jemals entbehren zu müssen . Auch wäre das gar nicht nötig , wenn Reinhard nicht so wunderlich wäre , dachte sie weiter . Warum sollte sie nicht alle diese kleinen Bequemlichkeiten auch in ihrem Hause haben können , da ihr Vater nur zu glücklich sein würde , ihr Alles zu gewähren ? Aber Das gerade wünschte Reinhard nicht . Das erlaubte sein Stolz ihm nicht , den er ihr nicht zum Opfer bringen wollte , während sie Alles opfern mußte : Heimat , Eltern , Freunde und ihre Überzeugung , und es so gern , so bereitwillig tat , um des Geliebten Willen . Ertrug sie doch jetzt eben Furcht und Bangigkeit aus Liebe zu ihm ! Wie ernst strebte sie , den Gedanken der Dreieinigkeit zu fassen um seinetwillen ! Denn sie selbst konnte glücklich sein auch ohne diese Erkenntnis -- aber ohne Reinhard nicht . Je dunkler es wurde , um so mehr beschleu 14** nichte sie den Anfangs so langsamen Schritt , und langte in höchster Aufregung und in der verzagtesten Stimmung von der Welt endlich fast atemlos bei der Pfarrerin an . Diese kam ihr freundlich entgegen und fuhr erschreckt zurück , als sie Jenny den Hut abnahm und ihr verstörtes , bleiches Gesicht erblickte . Die feuchte Abendluft hatte ihr Haar durchnäßt , das ungelockt über ihre Stirn fiel und sie noch bleicher erscheinen ließ , als sie ohnehin war . Große Tränen fielen aus ihren Augen . " Um Gottes Willen , mein geliebtes Kind ! " rief die Matrone , und zog Jenny ängstlich zum Sofa , vor dem auf einem Tische die kleine Lampe brannte , " was ist Dir begegnet ? wo kommst Du her ? So rede doch nur , sage doch nur " , bat sie dringend , als Jenny noch immer kein Wort zu sprechen vermochte , " was ist Dir begegnet ? " Weinend erzählte Jenny , wie sie Reinhard zu Liebe habe ohne Diener gehen wollen , wie sie der Abend überrascht und sie eine entsetzliche Angst ausgestanden habe . Die Pfarrerin suchte sie freundlich zu beruhigen und redete ihr zu , künftig Versuche der Art zu unterlassen . Sie selbst wollte ihrem Sohne sagen , daß er auch im Scherze nicht solche Anforderungen machen und Dinge verlangen dürfe , an die seine Braut weder gewöhnt sei , noch sich zu gewöhnen nötig habe . Dann schob sie die Lampe in die Höhe , nötigte Jenny , sich zu ihr auf das Sofa zu setzen , stellte das Theegeräth zurecht und fing , um sie zu zerstreuen an , ihr scherzend vorzuhalten , wie es gar nicht lange dauern würde , bis Jenny im eigenen Hause ebenso hausmütterlich schalten könne . " Dann brauchst Du , armes Kind " , sagte sie , " nicht mehr so spät allein in Religionsstunden zu gehen , und kannst dem Gustav , der Dich zu dieser unzeitigen Promenade ver anlaßt , und der eben nach Hause kommt , als wackere Hausfrau die Furcht gelegentlich vergelten , die Du heute unnötig ausgestanden hast . " Wirklich trat , noch während sie sprach , Gustav herein und fragte ängstlich , als er von dem plötzlichen Lichtwechsel geblendet , Jenny hinter der Lampe nicht gleich sah : " Ist Jenny noch nicht hier ? Da gab die Pfarrerin ihr ein Zeichen , sich einen Augenblick zu verstecken , und Reinhard fuhr fort : " Ich bin ihr bis zum Hause des Pastors entgegengegangen , als es dunkelte und ich sie noch nicht hier sah , weil sie heute zu Fuß und allein herkommen wollte . Dort ist sie lange fort , und -- " " Hier ist sie ! " sagte die Pfarrerin lächelnd , und sah mit Wohlgefallen , wie die Beiden sich entgegenflogen und der Freude kein Ende werden wollte . Dann aber verwies sie dem Sohne ernstlich , mit Jenny solche Experimente zu wa gen . Sie schilderte ihm den Zustand , in dem das arme Kind bei ihr angelangt war , und den Jenny jetzt selbst bespöttelte , als sie in Gustav's Nähe daran dachte . Gustav versprach , künftig viel vernünftiger zu werden , keine Kunststücke , wie die Mutter sie nannte , von Jenny zu verlangen , und küßte hundertmal die schönen Augen , welche er weinen gemacht . " Es will mir nur immer nicht in den Kopf " , sagte er dann neckend , " daß Ihr jungen Damen so gar verwöhnt seid . Haben doch selbst die Engel auf Erden gewandelt , warum solltest Du , mein Engel , es nicht auch können ? " " Ja ! das war damals , als noch Wunder geschahen " , scherzte die Pfarrerin , " und so ein Engel sich aufschwingen konnte , wenn ihn das Irdische zu rauh berührte , das ist nun leider vorüber . " " Sage , Gott sei Dank ! mein Mütterchen ! " rief Jenny , " mich quälen schon die alten Wunder so ungemein , daß ich wirklich genug an ihnen habe und keine neuen begehre . " Kaum aber hatte sie es gesagt , als sie es bereute , weil Reinhard sie fragte , ob denn der Pastor heute von den Wundern mit ihr gesprochen und wovon überhaupt die Rede gewesen sei ? Nun war das Gespräch , das sie gefürchtet , kaum zu vermeiden und sie erzählte ruhig Alles , was der Pastor ihr über den Gegenstand gesagt hatte , ohne den Eindruck zu berühren , den es ihr gemacht . Dann , als Reinhard zu wissen verlangte , ob ihr denn nun die Idee der Dreieinigkeit einleuchtend geworden , ob sie nun erfaßt hätte , was ihr früher unbegreiflich gewesen sei ? sagte sie : " Nun Eine Dreieinigkeit habe ich immer erkannt , die vielleicht wieder Anderen unverständlich oder wenigstens nicht so in sich und durch sich bei dingt scheint , als mir . Er ist die Dreieinigkeit der Kunst ! Diese ist mir von jeher einleuchtend gewesen , so sehr , daß ich Poesie , Musik und bildende Kunst gar nicht von einander im Innersten der Seele zu trennen vermag ; daß ich sie wie Eines immer zusammen empfinden und die Anschauung oder der Genuß Einer dieser Künste mir gleich , wie zur Ergänzung , das Bedürfnis nach der anderen hervorruft . Mir wird jede Musik Gedicht -- jedes Gedicht zum Bilde . Hier ist mir , obgleich ich jede Kunst als selbständig in sich erkenne , doch eine unauflösliche Einheit denkbar : und so kann man nicht sagen , daß ich bis jetzt den Begriff der Dreieinigkeit nicht hatte . Gustav wandte ein , daß der Vergleich nicht richtig sei , und wollte zu seiner eigentlichen Frage zurückkommen . Jenny unterbrach ihn aber ängstlich und sagte mit herzgewinnender Freundlichkeit : " Und noch eine Dreieinigkeit begreife ich : Du , mein Mütterchen , und Gustav und ich u. s. w. Du , mein Mütterchen , und Gustav und ich , wir sind drei und sind doch Eines , so ganz Eines und einig , daß dieser geliebte Gustav auch mit keiner Silbe widersprechen darf , wenn seine Jenny es behauptet . Habe ich das recht verstanden ? " fragte sie den Glücklichen , der so vielem Liebreiz nicht zu widerstehen vermochte und sich willig den Plaudereien seiner Braut hingab , ohne an ihre religiöse Erkenntnis zu denken . Wenn er Jenny so vor sich sah in einfachster Kleidung , die sie ihm zu Liebe jetzt fast immer trug ; wie sie in dem kleinen Stübchen an seiner Seite saß , ihm den Tee bereitend und mit den süßen , klugen Augen freundlich jeden seiner Wünsche erspähend , so ruhig und so begnügt , konnte er es nicht begreifen , wie ihm jemals davor bangen konnte , sie aus dem prächtigen Hause ihres Vaters in beschränktere Verhältnisse zu führen . Er warf es sich vor , ihr Unrecht getan zu haben ; er sah es nun selbst ein und nahm sich vor , ihr bei nächster Gelegenheit den Mangel an Zutrauen zu bekennen , den er in dieser Beziehung zu ihr gehabt habe . Er empfand sich auf dem Gipfel des Glückes , denn heute waren Herz und Verstand gleich befriedigt durch Jenny ; er hatte keinen Wunsch , als daß es stets so bliebe ; und auch davon war er überzeugt . Als sie nun so in friedlicher Stille beisammen waren , klopfte es an die Tür . Reinhard ging , um zu öffnen , und trat bald darauf mit einem Briefe in der Hand wieder bei ihnen ein , den er , nachdem er ihn schnell durchlesen , seiner Braut mit den Worten reichte : " Nun endlich , meine Jenny ! lies , o , lies nur ! " Doch hinderte er selbst sie daran , indem er mit Entzücken erzählte , wie dieser Brief ihm die Nachricht von dem Entschluss eines entfernten alten Verwandten bringe , zu seinen Gunsten eine Pfarrerstelle , die er bis jetzt bekleidet , niederlegen zu wollen . Fröhlich , wie ihn die Aussicht machte , überhörte er die Bemerkung der Mutter , daß die Pfarre zu Schönfeld , von der eben die Rede war , in einer gar traurigen Gegend liege und glücklicherweise entging ihm ebenso Jnny's Erbleichen bei seiner Mitteilung . Heute gerade , wo Reinhard sich zufrieden und mit sich einig fühlte , war Jenny in entgegengesetzter Stimmung . Nachdem sie auf dem Wege zur Pfarrerin zum ersten Male an die Entbehrungen gedacht , die sie sich künftig werde auferlegen müssen , erschien ihr Alles , was sie bisher in der Wohnung ihrer Schwiegermutter idyllisch und behaglich gefunden , wie entzaubert . Die kleine Lampe fand sie düster , die Zimmer eng und beklommen ; und in so kleinen Räumen , in solch beschränkten Verhältnissen für immer zu leben , hielt sie für ein Unglück , das selbst durch Reinhard's Liebe nur gemildert , nicht aufgehoben werden konnte . Mit gewohnter Freundlichkeit half sie der Pfarrerin bei den Zurüstungen zu dem einfachen Mahle und deckte den kleinen Tisch , wie sie pflegte ; aber es machte ihr heute kein Vergnügen , und sie hätte es gern dem Hausmädchen überlassen , wenn sie nicht gewußt hätte , wie sehr sie ihren Bräutigam damit erfreute , der sie während der kleinen Arbeit nicht aus den Augen verlor und mit Blicken der innigsten Liebe jede ihrer Bewegungen betrachtete . Innerlich konnte sie eine Niedergeschlagenheit nicht besiegen , die sich ihrer bemächtigt hatte ; und obgleich sie mit Freude bemerkte , daß weder ihr Bräutigam , noch dessen Mutter etwas von Dem errieten , was in ihr vorging , fühlte sie sich erleichtert , als sie gegen die zehnte Stunde das bekannte Rollen ihres Wagens hörte und von der Pfarrerin Abschied nahm , die sie mit ängstlicher Sorgfalt in den Mantel hüllte und noch ein Tuch hinzufügen wollte , damit sich Jenny nicht erkälte . " Nein , nein , Mütterchen ! Ich bedarf alle dessen nicht ; ich gehe ja nicht , ich fahre nach Hause ! " sagte sie mit einer Art von Wonne , die ihr selbst sehr komisch vorkam , als sie an Reinhard's Arm die Treppe hinunterging , der sie im Wagen nach Hause begleiten wollte , wo sie die Ihrigen noch beim Tee zu finden und ein Stündchen mit ihnen zusammen zu bleiben hoffte . Nun , als der Diener den Fußtritt herunterschlug , sie gewandt beim Einsteigen unterstützte und dann die Tür zumachte ; als Reinhard das Fenster in die Höhe zog und sie an seiner Seite , bequem und warm , dahinflog , drückte sie sich mit einer nie gekannten Wollust in die seidenen Kissen . Ihre ganze geistige Elastizität war wiedergekommen ; und vollkommen erheitert trat sie mit Reinhard , bei ihren Eltern ein , die sie mit einer Freude begrüßten , als ob sie Jahre hindurch das liebe Kind nicht gesehen hätten . Jenny selbst gefiel es unbeschreiblich , viel besser noch als sonst , zu Hause ; und es machte ihr besonderes Vergnügen , daß sie Eduard und Joseph bei den Eltern fand , und nun , als man sie fragte , wie es ihr ergangen , in possenhafter Art ihre Angst und ihre Abenteuer erzählen konnte . " Und für all die Heldentaten , die ich heute vollbracht , lieber Vater ! bitte ich nur um Eine Belohnung . Du sollst mir zur Hochzeit nicht Perlen , nicht Brillanten schenken ; daraus mache ich mir nichts und die möchten auch für eine Frau Pfarrerin nicht passen , welche Anderen mit tugendhaftem Beispiele vorangehen soll " , sagte sie , indem sie sich scherzend ein sehr ernsthaftes Ansehen gab , " aber einen guten , ordent Lichen Landauer , liebes Väterchen , den kannst Du mir kaufen ! " " Der möchte leicht ebenso unpassend , als die Brillanten sein ! " wendete Reinhard ein , " und ich zweifle , daß ein Paar gewöhnliche Landpferde solche Karossen ziehen oder zieren würden . " " Nun , da muß Vater ein Übriges tun und zwei Pferde zulegen ! " rief Jenny lachend . " Und dann soll der Pfarrer wohl in einer Equipage , die den reichsten Edelmann beschämt , durch das Dorf nach der Kirche fahren , um die Verachtung des Irdischen zu predigen ? " fragte Reinhard nicht ohne Spott . " Solch eine Equipage möchte leicht mehr kosten , als meine künftige Pfarre in zwei Jahren einträgt , und würde uns deshalb übel anstehen . Du solltest nur sehen , liebste Jenny , wie meine Amtsbrüder ruhig auf einem Leiterwagen über Land fahren : da würdest Du die Unmöglichkeit einer Staats-Equipage für uns gleich zugeben . " " Aber Sie können doch Jenny nicht zumuten , auf einem Leiterwagen oder irgend einer anderen Karette zu sitzen ? " meinte die Mutter verdrießlich . " Warum nicht ? " sagte Reinhard , gereizt durch den Ton dieser Frage . " Meine Mutter ist Jahrelang so gefahren und es ist ihr vortrefflich bekommen , obgleich sie es ebenso wenig gewöhnt war als Jenny ! Aus Liebe kann man Viel ! " " Streitet doch nicht um des Kaisers Bart ! " rief Eduard dazwischen , als er sah , wie unangenehm Jenny diese Wendung des Gesprächs sein mußte . " Wenn Gustav eine Pfarre haben wird , mögt Ihr nach dieser Stelle Euren Wagen einrichten und das ist noch weit im Felde ! " " Glücklicherweise ! " murmelte die Mutter für sich , während Reinhard eben zu erzählen anfing , daß er im Gegenteil auf dem Punkte stehe , eine Stelle zu erhalten , die ihm , Alles zusammengerechnet , doch sechs bis siebenhundert Taler bringen könne , und die nur den Einen Fehler habe , nahe der Grenze zu liegen , in einer wirklich etwas unwirtlichen Gegend ; doch hoffe er , nur ein paar Jahre dort zu bleiben , und wolle sie bestimmt annehmen , weil man sie ihm biete . " Und was sagt Jenny dazu ? " fragte der Vater , nun ebenfalls gekränkt durch die rücksichtslose Art , mit der Reinhard über seine Zukunft entschied , ohne an die Wünsche Jenny's oder ihrer Eltern zu denken . " Nun ich muß ja meinem Manne folgen , wie es in der Bibel steht " , sagte Jenny mit einer Stimme , die das Weinen verriet , obgleich der Mund lächelte , " und vielleicht war ten wir auch noch , bis sich eine Pfarre hier in der Nähe findet . " " Ich bestimmt nicht ! " fuhr Reinhard auf . " Es gilt die Erreichung meiner beiden Hoffnungen . Ich stehe an der Schwelle , einen Wirkungskreis und Dich zu erhalten : willst Du Dich mir länger entziehen -- gut ! ich muß es tragen ; aber dann gehe ich allein fort von hier . Selbst meine Liebe soll mich nicht verleiten , meinen Beruf zu versäumen , der mir höher gilt als Alles . Doch will ich Dich nicht zwingen . Kannst Du und willst Du es , Jenny , so bleibe hier , und meine Mutter allein wird mir folgen , bis mein Los sich günstiger gestaltet . " Mit den Worten stand er rasch auf und wollte sich entfernen , aber Jenny hielt ihn in sprachloser Bewegung zurück . Es war der erste wirkliche Streit mit dem Geliebten , auch I. 15 Eduard suchte Reinhard zu besänftigen , während die Mutter weinte . Joseph sah bald düster vor sich nieder , bald blickte er verstohlen auf Jenny und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte , wie es seine Art war , wenn ihn etwas unangenehm berührte . Nur der Vater blieb anscheinend ruhig , und sagte : " Zu warten , bis Sie eine bessere Stelle in unserer Gegend haben , Reinhard , dazu würde ich meiner Tochter und Ihnen auch eigentlich raten ; wenn Sie nicht überhaupt besser täten , in der Stadt zu bleiben . Ich wollte schon lange darüber mit Ihnen sprechen , und rechne darauf , daß Sie morgen früh eine Stunde zu mir kommen , damit wir es ohne die Frauen überlegen . " Reinhard schickte sich an zu antworten , der alte Herr ließ es aber nicht zu . " Das hat Zeit bis morgen , lieber Freund ! " sprach er , " bis morgen können wir Beide das Für und Wider überdenken und verständigen uns dann leicht . Machen Sie jetzt nur ihren Frieden mit Jenny und der Mutter und -- ehe Sie über christliche Geduld predigen dürfen , junger Mann " , fügte er lächelnd hinzu , " werden Sie noch ein gutes Teil Ihrer ungestümen Heftigkeit ablegen müssen . " Reinhard war ebenso verstimmt als verlegen : verstimmt über die Anforderungen , die man an ihn machte , und verlegen über die ungebührliche Heftigkeit , zu welcher er sich hatte hinreißen lassen . Er näherte sich seiner Braut , die ihm ihre Hand entgegenreichte , und fragte , sich zu ihr neigend : " Bist Du böse ? sei es nicht ! " Dann sie festhaltend ging er zu Madame Meier , küßte ihr , mit ein paar freundlichen Worten sich entschuldigend , die Hand , und empfahl sich den Man 15 * nern . Jenny begleitete ihn , und auch Eduard wollte mitgehen ; der Vater aber , der es bemerkte , sagte leise : " Bleibe hier und laß die Beiden allein . " Tage vergingen und wurden zu Wochen . Das Frühjahr entfaltete sich immer heiterer ; man näherte sich dem Ende Aprils und konnte mit neuer Hoffnung auf die schönen Tage des Maimonats blicken . Die Pfarrerin war abgereist , nicht ohne die Besorgnis , daß es vielleicht ratsamer gewesen wäre , in der Stadt zu bleiben , da ihr Sohn seit einiger Zeit manche kleine Reibungen mit seinen künftigen Schwiegereltern gehabt hatte , die nur durch ihre und Jenny's Vermittlung so leicht beige legt worden waren . Herr Meier hatte nämlich Reinhard bestimmt erklärt , daß er erst dann seine Erlaubnis zur Hochzeit geben werde , wenn Reinhard eine Stelle gefunden , die ihn vollkommen sorgenfrei ernähre , oder wenn er sich dazu verstände , von den Eltern seiner Braut eine Mitgift anzunehmen , hinreichend , Jenny ein bequemes , häusliches Leben zu gewähren , was er bis jetzt abgelehnt hatte . " Ich will nicht " , hatte er ihm den Morgen , an dem er ihn zu sich beschieden , gesagt , " daß Jenny ohne allen Grund sich Entbehrungen auflege ; und ebenso wenig , als ich von Ihnen verlangen kann , ihr jene Stellung von Ihrem Gehalte zu verschaffen , ebenso wenig können Sie von mir fordern , daß ich meine einzige Tochter in einer Hütte wohnen und sich mit ungewohnter Arbeit quälen lasse , während ich und wir Alle uns hier im Schoße des Wohllebens befinden . " Wenn nun aber dies Wohlleben mit meinem Stande nicht verträglich ist ! " entgegnete Reinhard . " Wenn Sie wüßten , lieber Vater ! " fügte er hinzu , " wie sehr ich die Opfer fühle , die Jenny mir bringen muß ; wie entsetzlich sie mich drücken , Sie würden anders über mich urteilen . Lassen Sie mich offen sein , wie ich es gegen den Vater meiner Braut sein muß . Ich habe mit aller Kraft meines Willens gegen die Liebe gekämpft , die ich für Jenny fühlte , weil ich wußte , daß unsere Wege weit von einander liegen ; daß es Torheit sei , zu wähnen , ich würde ihr jemals eine Existenz bereiten können , welche dem Leben gleich käme , an das sie gewöhnt ist . Meine Liebe zu Jenny , und mein Vertrauen zu ihr , waren stärker , als alle Einwendungen der Vernunft . Ich täuschte mich selbst mit dem Ideale , daß Liebe jede Entbehrung nicht nur leicht , sondern unfühlbar mache . Tadeln Sie mich deshalb nicht zu strenge . " Der Vater drückte ihm die Hand und fragte : " Und jetzt ? " " Jetzt " , antwortete er , " sehe ich , daß die Wirklichkeit auch gegen die tiefsten , heiligsten Gefühle ihr Recht geltend macht . Ich sehe ein , daß Jenny nicht in der Lage leben kann , die meine Einnahme allein möglich macht , und bin sehr unglücklich darüber , mich mit einem Luxus umgeben zu sollen , der andererseits auch für mich nicht paßt . " " Davon ist nicht die Rede " , sagte der Vater begütigend . " Es kann meine Absicht nicht sein , Sie in Verhältnisse zu bringen , die unpassend für ihren Beruf sind . Nur das sollen Sie annehmen , daß ich Jenny eine Mitgift gebe , die Ihrer Einnahme so viel hinzufügt , als nötig , um sie dem besten Pfarrergehalte im Lande gleich zu machen ; und dagegen können Sie nichts einwenden . Ich achte den Stolz , den Sie in sich zu bekämpfen haben ; aber zu sehr ins Ideale müssen Sie sich nicht verlieren . Sie haben mich zu Ihrem Vater angenommen , lassen Sie mich auch Ihren König sein , der Ihnen ein Gehalt gibt , wie Ihre Kenntnisse es verdienen . " Reinhard erkannte mit Achtung das ehrenwerte in dem Betragen des alten Mannes und dankte ihm für die Zartheit , mit welcher er ihn behandelte . Er fühlte , daß er das Anerbieten annehmen müsse , so schwer es ihm auch sei , und erklärte sich bereit dazu . " Sie haben recht , mein teurer Vater " , sagte er , " aber es kostet mich das Opfer meines schönsten Glückes , des seligen Gefühles , Jenny Alles zu sein , Gatte , Ernährer , Freund und Beschützer ! " Da klopfte der Vater ihm auf die Schulter und schalt ihn einen Schwärmer , der sich wohl noch besseren werde , hatte aber in der Tat die Besorgnis , daß Dem nicht so sein möchte . Von dieser Stunde an war Reinhard mit sich selbst zerfallen . Er warf es sich vor , sich aus Liebe für seine Braut in die Lage gebracht zu haben , Unterstützungen anzunehmen , er , der es gebilligt hatte , daß seine Mutter lange Zeit sich auf das Kümmerlichste beholfen , um dieser verhaßten Abhängigkeit zu entgehen . Nur gegen seine Mutter hatte er sich über seine Unterredung mit Jenny's Vater ausgegesprochen . Sie hatte dem alten Herrn vollkommen beigestimmt und ihrem Sohne versichert , daß keinem Anderen als ihm ein Kummer daraus erwachse , mit der Hand eines ge 15 ** liebten , reichen Mädchens ein angemessenes Jahrgeld anzunehmen , oder wie es hier der Fall wäre , eine Mitgift , die im Verhältnis zu Jenny's einstigem Reichtum durchaus unbedeutend erschien . Sie machte ihn darauf aufmerksam , wie Jenny trotz dem noch Vieles entbehren würde , woran sie in ihrem väterlichen Hause gewöhnt worden , und wie sie durch die Freudigkeit , mit welcher sie der Zukunft gedächte , einen sicheren Beweis gebe , daß ihr Reinhard's Liebe höher gelte als jener Reichtum , den nur Reinhard selbst so hoch anschlage , um sich damit zu quälen . Für einige Tage waren diese Vorstellungen wirksam gewesen ; dann aber hatte es nur eines Wortes bedurft , das irgend Jemand arglos ausgesprochen , und das eine andere Deutung zuließ , um ihn aufs Neue mit dem finstersten Unmut zu erfüllen . Es bewährte sich auch an ihm , daß Niemand uns so tödlich zu verletzen , so unablässig zu peinigen vermag , als wir uns selbst , weil Niemand so genau die wunde Stelle unserer Seele kennt und sie in jedem Augenblick so tief und sicher zu treffen weiß . Darum sollte man sich vor keinem Feinde so sehr hüten , als vor seinen eigenen Schwächen und Phantasien , mögen sie noch so nahe mit der Tugend verwandt sein ! Jedem Feinde tritt man mit Härte , mit aller Macht des Geistes entgegen , und eine Art von Schadenfreude nebst der Lust am Siege sind uns vortreffliche Hilfstruppen gegen den Feind außer uns . Wer hat aber Selbstbeherrschung genug , mit offenen ehrlichen Waffen gegen sich selbst zu kämpfen ? Wen freut es , über ein verhätscheltes Kind des eigenen Wesens zu siegen , das wir doch immer lieben , eben wie ein Vater sein Kind , wenngleich er nicht blind für dessen Fehler ist ? Dennoch hatte sich äußerlich nach jener Un terredung des Herrn Meier mit Reinhard das gute Vernehmen zwischen allen Teilen wieder hergestellt , und Herr Meier konnte seiner Frau die Versicherung geben , daß für Jenny's Zukunft in Bezug auf die gewohnten Annehmlichkeiten des Lebens nichts zu befürchten sei . Eine andere Angelegenheit aber verursachte dem Vater jetzt immer lebhaftere Besorgnis : Eduard's tiefer Kummer nämlich , den er vergebens unter der Maske ruhigen Ernstes zu verbergen strebte und dessen Grund der alte Herr wohl erriet . Nachdem er also mit Reinhard Dasjenige besprochen hatte , was ihm für Jenny's Wohl unerläßlich schien , ließ er Eduard zu sich rufen , der bald darauf bei ihm eintrat . Setze Dich her zu mir , mein Sohn ! " sagte er nach der ersten Begrüßung . Eduard tat , wie ihm geheißen , und der Vater fuhr fort : " Ich habe ein ernstes Wort mit Dir zu reden , und glaubte mit Recht erwarten zu dürfen , daß Du mir aus einem Verhältnis kein Geheimnis machen würdest , welches Dich so gänzlich absorbiert . Du kannst nicht leugnen , daß Du Fräulein Horn liebst ? " " Auch möchte ich das nimmer " , fiel Eduard lebhaft ein . " So beantworte mir ehrlich die Eine Frage , wohin soll das führen ? Bist Du entschlossen , Christ zu werden ? " fragte er weiter , da Eduard schwieg . " Um keinen Preis " , erwiderte Eduard fest , " selbst um Clara's Besitz nicht ! Ja , Vater ! ich liebe sie , und um sie zu erlangen , sie mein zu nennen , soll kein Mittel unversucht bleiben . Ihres Herzens bin ich gewiß , obgleich nie ein Wort von Liebe unsere Lippen berührt hat ; und nicht aus Mißtrauen schwieg ich gegen Dich , sondern weil an dem Tage , an dem ich Dir Clara als meine Braut vorzustellen hoffte , ich Dir einen doppelten Sieg zu verkünden wünschte . " " Der wäre ? " fragte der Vater . " In keinem Gesetz des Landes ist die Ehe zwischen Christen und Juden verboten , obgleich sie nicht gebräuchlich bei uns ist ; und ich habe um die Erlaubnis dazu nachgesucht , mich darauf stützend , daß in Dänemark und Holland diese Verbindung stattfindet , die ebenfalls streng protestantische Länder sind . Wenn es mir nun gelungen , Vater , diese Erlaubnis zu erlangen ; wenn ich , indem ich mir die Geliebte gewonnen , zugleich einen Schritt vorwärts gegen das Ziel gemacht hätte , das wir erstreben , dann wollte ich vor Dich hintreten und Dir die erkämpfte Braut als Tochter zuführen . " " Und wenn Du diese Erlaubnis nicht erhältst ? -- dann hast Du auf eine höchst zwei fellhafte Aussicht hin die Ruhe , vielleicht das Leben eines Mädchens zerstört , das zu edel von Dir dachte , um zu glauben , Du würdest leichtsinnig Hoffnungen in ihr erregen , die zu erfüllen Dir unmöglich ist . Sage mir nicht , Du hättest Clara Deine Liebe nicht gestanden . Das sind Entschuldigungen , die kein ehrlicher Mann sich machen darf . Sie kennt Deine Liebe ; sie erwidert sie ; das wissen wir Alle , Clara's Eltern vielleicht ausgenommen : -- daß Du um Clara's Liebe geworben , und das hast Du -- verzeih mir , mein Sohn , das ist eine Unwürdigkeit , sobald Du entschlossen warst , Jude zu bleiben . Eduard fuhr auf , nahm sich aber zusammen und sagte ruhig : " Unwürdig wäre es vielleicht gewesen , wenn ich nicht mit aller Kraft gegen diese Neigung gerungen ; wenn ich sie nicht auf jede Weise vor Clara zu verbergen gesucht und ihr selbst immer die Hin dernisse , die uns trennen , gezeigt hätte . Clara weiß , daß wir wenig hoffen dürfen . " " Wozu nützt ihr dieses Wissen ? " fragte der Vater . " Rechnet sie darum weniger auf die Erfüllung Eurer gemeinsamen Wünsche ? Und geschah es auch , um ihr jede Hoffnung zu rauben , daß Du sie in unser Haus geführt ? Glaubst Du , Jenny's bevorstehende Taufe werde ihr nicht den Mut geben , auch von Dir Ähnliches zu erwarten ? Was soll Clara's Vater von mir denken , daß ich seine Tochter in mein Haus aufgenommen und mich dadurch zum Förderer und Schützer einer Liebe hergegeben habe , durch die das Mädchen unglücklich wird ? " " Vater , Du gehst zu weit ! " sagte Eduard in heftigster Bewegung . Der alte Herr aber , der bis dahin mit kalter Ruhe , fast streng mit dem Sohne gesprochen , nahm plötzlich seine Hand , die er herzlich drückte , und sprach sehr mild : " So , Eduard , urteilt der Mann , und Du verdienst den Tadel . Der Vater bedauert Dich in tiefster Seele , und wollte Gott ! ich könnte Dir helfen . Mein Herz ist nicht so kalt geworden , daß ich Dein Leiden nicht verstehen könnte , aber weil ich Dich , mein Sohn , vor Reue , und Clara , die ich ehre , vor größerem Kummer bewahren möchte , darum warne ich Dich . Tue keinen Schritt vorwärts ; vermeide Alles , was Euch einander näher bringen , Clara's Erwartungen erhöhen könnte , bis Du weißt , ob Du auf sie hoffen darfst . Denn wenn selbst , was ich bezweifle , der Staat eine solche Verbindung zugibt , steht Dir mit Clara's Eltern noch ein schwerer Kampf bevor ; doch wollte ich , sie allein wären es , die Du gegen Dich hast " , schloß er , und sah bekümmert auf das verdüsterte Antlitz des Sohnes . Dieser schwieg lange , dann sagte er : " Ich bin mir bewußt , daß der Gedanke an Clara's Ruhe ebenso wenig einen Augenblick aus meiner Seele gekommen ist , als das Gefühl meiner Liebe ! Der Schwäche mag ich schuldig sein , daß ich nicht immer den Wonnekelch von mir zu stoßen vermochte , den der Moment mir bot und nach dem mein Herz so glühend dürstete ; doch falle mein Los , wie es wolle , Du wirst mich Deiner würdig finden . " " Und das genügt , mein Sohn ! " sprach der Vater . " Ich traue Dir , und wollte nichts , als Dich warnen , vor Dir selbst . " Damit trennten sich Vater und Sohn , Beide tief ergriffen und besorgt , aber ruhig im Äußeren , wie sie es immer waren , obgleich Eduard nun mit doppelter Ungeduld die Entscheidung seines Schicksals herbeiwünschte . Je länger er diese Liebe zu Clara in stiller Brust nährte , um so tiefer war sie in sein Herz gedrungen , und er konnte zwar sein Leben ohne Clara's Besitz denken , aber kein Glück ohne sie . Sie zu erkämpfen und seinem Volke zugleich damit zu nützen , das war der belebende Gedanke in seiner Seele geworden ; und mit der Energie , die ihm eigen war , hatte er rasch die nötigen Schritte dazu getan , ohne mit irgend Jemandem darüber zu sprechen . Anfangs hatte er mit Zuversicht auf einen günstigen Bescheid gerechnet und sich mit einer Art von stolzer Sorglosigkeit der Leidenschaft hingegeben , die ihn beherrschte : nun aber , als die Antwort , die er erwartete , von Tag zu Tag ausblieb ; als die Erkundigungen , welche er einzog , auf eine abschlägige Resolution hinzudeuten schienen , mußten die Ermahnungen seines Vaters einen um so tieferen Eindruck auf ihn machen . Zerstreut war er zu seinen Kranken gekommen und hatte kaum die nötige Aufmerksamkeit für ihre Klagen in sich erzwingen können . Das machte ihn noch trüber und unzufriedener mit sich . Er zog sich in den Stunden , welche ihm seine Praxis frei ließ , ganz in seine Wohnung zurück und kam auch nur des Mittags zu den Seinen , weil in dieser Stimmung ihm selbst der Umgang mit seiner Familie zur Beschwerde wurde . So mochten etwa acht Tage vergangen sein . Er saß Abends an den geöffneten Fenstern seines Zimmers und sah , in tiefe Gedanken versunken , nichts von der Pracht des Frühlings , dessen lieblichste Blumen in dem Garten , der das Haus nach dem Hafen hin begrenzte , sich zu entfalten anfingen . Lebhaft erinnerte er sich jener Winternacht , in der dieselbe hoffnungslose Liebe ihn in Sturm und Wetter hinausgetrieben hatte , und der leidenschaftlich erregte Zustand jener Stunde schien ihm beneidenswert gegen die Mutlosigkeit , welche er jetzt empfand , und aus der ihn , wie er wähnte , nichts empor zu rütteln vermochte . Da pochte es an seine Türe , und es trat ein Bote herein , der ihm ein großes , mit stattlichem Petschaft gesiegeltes Paket überreichte . Eduard nahm es ab ; seine Hände bebten ; mit fliegender Eile erbrach er es , näherte sich dem Fenster , um bei den letzten Strahlen des Tages die feste , deutliche Schrift zu lesen -- dann entfiel das Blatt seinen Händen und lautlos warf er sich in einen Sessel . Es war entschieden . Der Jude durfte nicht auf das Glück hoffen , die Geliebte zu besitzen . Und was nun beginnen ? Er hörte über seinem Haupte , in den oberen Zimmern , Stühle hin und wieder rücken ; er sah empor , es war Nacht geworden . Man stand vermutlich bei seinen Eltern von der Abendmahlzeit auf . Er hatte also mehrere Stunden in dumpfem Brüten verbracht und kein kräftigender Gedanke war erleuchtend in die Nacht seines Leidens gedrungen . Flüsternd berührten Jenny's und Gustav's Stimmen sein Ohr . Der milde Abend hatte sie ins Freie gelockt und Eduard erblickte sie bald darauf in den breiten Gängen des Gartens . Aber ! trog ihn sein Auge ? noch eine dritte Gestalt ging mit ihnen . Therese konnte das nicht sein ; sie war wenig größer , als Jenny , während diese schlanke , hohe Figur Jenny bedeutend überragte . Sie war es ! Noch ahnte sie nichts von dem Elend , das er empfunden , das der nächste Tag auch ihr bringen mußte . Nur noch dies Eine Mal wollte er sie glücklich sehen ; es schien ihm , als hätte sie im Vorübergehen , trotz der Dunkelheit , nach seinen Fenstern geblickt -- im nächsten Moment war er an ihrer Seite -- " Wo kommst Du her , Nachtwandler ? " fragte Jenny scherzend . " Du hast mich Furcht bar erschreckt , als Du so plötzlich hervortratest ; und auch die arme Clara fuhr zusammen : wo warst Du denn bis jetzt ? " " In meinem Zimmer " , antwortete er . " Da war es dunkel , als wir vorübergingen " , bemerkte Reinhard verwundert , " und Deine Eltern wähnten Dich außer dem Hause . " " Das war ein Irrtum ! " erwiderte er , ebenso zerstreut und tonlos , als er die erste Antwort gegeben . " Höre , Eduard ! " rief Jenny , um nur irgend etwas zu sagen , weil sie nicht wußte , was die Stimmung ihres Bruders , die sie beunruhigte , bedeute , " wenn Du nur gekommen bist , uns zu erschrecken , so hättest Du fortbleiben sollen . Gustav war so gut , so lieb ; Du hast uns um die schönste Erzählung aus seinen früheren Jahren gebracht , die ich nicht aufgeben will , und ich gehe mit Gustav fort , wenn Du nicht heiterer sein kannst . " So geht , ihr Lieben ! " sagte er , und lehnte sich tiefaufatmend an den dicken Stamm einer mächtigen Kastanie , deren junge Blätter leise unter der Berührung der Nachtluft zitterten . " Unentschlossen standen Alle einen Augenblick einander gegenüber ; dann führte Reinhard Jenny einen Augenblick mit sich fort und bot Clara den anderen Arm . War es nur Täuschung , oder hatte Eduard wirklich seine Hand bittend gegen Clara bewegt ? -- aber das Brautpaar war bereits einige Schritte fort , und Clara stand noch in scheuer Entfernung allein vor Eduard . Sie hatte die Hände ängstlich über die Brust gefaltet , trat ihm näher und fragte mit flehender Stimme : " Sie kommen nicht mit uns ? " Der Ton dieser süßen Stimme , das war mehr , als Eduard ertragen konnte . " Clara ! Clara ! " rief er mit einer Leidenschaftlichkeit , in der das ganze Leiden der letzten Stunden sich zusammendrängte , und riß das junge Mädchen gewaltsam an seine Brust , das sich an ihn lehnte , als ob sie an seinem Herzen Schutz gegen ihn selbst erwartete . Wie nach langer drückender Hitze die schwarzen Wolken sich in großen einzelnen Tropfen entladen , so fieleu aus Eduard's Augen heiße schwere Tränen auf die Stirn Clara's und auch sie weinte still . " Warum weinen wir denn , fragte sie endlich , wenn ich mit Ihnen bin ? " " Weil ich Dich verloren habe " , antwortete er gepreßt , " weil ich über Dein geliebtes Haupt den Fluch heraufbeschworen , der mich verfolgt . " Auf dies geliebte Haupt " sagte er , es in seinen Händen haltend und mit der Zärtlichkeit I. 16 eines Vaters küssend , auf das ich den grünen Kranz zu drücken hoffte und auf das ich allen Segen des Himmels herabzuflehen wünschte . " Sie hing sich fester an seine Brust , und er fühlte , wie sie zitterte ; aber kein selbstsüchtiger Gedanke kam in ihre reine Seele , nur der Jammer des Geliebten war es , den sie jetzt zuerst empfand . " Armer Eduard ! " seufzte sie , " und ich wagte , fröhlich zu hoffen , während Sie litten , ich hoffte ... " " Clara Dein Wagen ist da ! " rief Jenny's Stimme und schreckte Clara empor von Eduard's Brust , der ihr seinen Arm reichte , dessen Hilfe der Bebenden dringend nötig war , um sie aufrecht zu erhalten . Ohne ein Wort der Entschuldigung , des Abschiedes , geleitete er sie an Reinhard und Jenny vorüber zu ihrem Wagen , drückte einen langen Kuß auf ihre Hand , und ging dann schnell in sein Zimmer zurück , wohin wir ihm folgen wollen . Jenny und Gustav sahen erschreckt und verwundert die stumme Szene vor ihren Augen . Auch sie schritten dem Hause zu . " Die Unglücklichen " , klagte Jenny , und Reinhard zog sie näher an sich , wie wenn er sich vor ähnlichem Scheiden bewahren wollte . Arm in Arm kamen sie zu den Eltern . Jnny entschuldigte Clara's Fortfahren ohne Abschied ; Eduard's wurde gar nicht erwähnte und bald darauf trennten sich auch die Übrigen , Reinhard und Jenny mit schwerem Herzen , und erst , nachdem sie sich durch einen nochmaligen Gang nach dem Garten überzeugt , daß Eduard zu Hause sei . Dies bewies die Lampe , die durch die Vorhänge schimmerte und bei deren Schein sie ihn an seinem Schreibtische erblickten . Er schrieb : 16 * " Jene Stunde , die ich mit aller Wonne der Liebe erwartet hatte , sie ist herangekommen und zur Trennungsstunde für uns geworden -- das höchste Glück , das Bewußtsein , Ihre Liebe zu besitzen , wird zum Schmerz , denn auch auf Sie fällt die Pein des Scheidens -- Clara ! zürnen Sie mir nicht ; mehr , als das Elend , das mich drückt , schmerzt mich der Gedanke , daß Sie mit mir leiden -- daß meine glühende Liebe Sie nicht zu schützen , nicht zu beglücken vermag . Ich könnte eine Welt hassen , in der Herzen , die zusammen gehören , getrennt werden , weil das Eine so , das Andere anders zu seinem Schöpfer betet , der Beide für einander erschuf , der sie , wie uns , zusammenführte , um glücklich zu sein . Jahrtausende hat der Fluch über meinem Volke geschwebt , der auch mich getroffen . Ich wähnte , nun sei es Zeit , in kräftiger Tat zu zeigen , daß wir das Glück verdienen , frei zu sein von jenen Fesseln , die blinder Pfaffenglaube der ganzen Menschheit angelegt . Ich sah Dich , meine Clara ! und ich hoffte , Du solltest die Aurora werden , welche ein neues Morgenrot der Aufklärung für unser ganzes Land verkündete . Denn nicht allein den Juden trifft der Wahnwitz dieses Hasses , er schlägt in gerechtem Undank selbst die Mutter , die ihn erzeugt . Auch Du ! die Christin ! erliegst ihm . Aber wer hieß Dich , einen Juden lieben ? Warum wolltest Du lieben , was die Deinen hassen ? Die Deinen , welche sich zu einer Religion der Liebe bekennen ! -- O ! Christus wußte , wie der Haß zerfleischt , entmenscht , darum predigte er Liebe , und die Unwürdigen begriffen nur den Haß , vor dem er sie gewarnt . " " Aber ich wollte ruhig sein und nicht auch in Deine Seele den Widerschein der Fieberglut leuchten lassen , die in mir lodert ! Ruhig denn ! Seit ich Dich kenne , seit ich Dich liebe , habe ich keine Stunde ruhigen Glückes gekannt als in Deiner Nähe . Nur der Zauber Deiner Gegenwart konnte mich trösten , mich vergessen machen , daß ich Dich nicht besitzen würde . Ich fühlte in seligem Ahnen , wie Dein Herz sich zu mir neigte , und wollte Dich und mich vor jeder Hoffnung bewahren , indem ich Dir sagte , mit wie unauflöslichen Banden ich an mein Volk gekettet sei . Es ist nicht der Glaube , der mich an das Judentum bindet : ich bin weder Jude noch Christ in dem Sinne der Menge -- ich bin ein Mensch , den Gott geschaffen , der seinem Schöpfer dafür dankt und der seine Mitgeschöpfe liebt . Aber meine Ehre fesselt mich an die Juden , die gleich mir in Unterdrückung seufzen . Was dem verbannten Polen sein Vaterland , das ist dem Juden die Gemeinde ; nur der Verräter sagt sich von ihr los . Denkst Du jener Polenhelden , die wir jüngst gesehen , und der Narben auf ihren Gramdurchfurchen Stirnen ? O ! diese Narben konnten heilen ; aber der Schmerz ihrer gebrochenen Herzen nimmer ! Geschieden von Bräuten , Weibern und Kindern , kamen sie in unser Land , Alles war ihnen geraubt , und sie hatten nichts als die Ehre und den heiligen Gram um ihr gesunkenes Vaterland . Nach langem Elend war das Volk der Polen erstanden , um mit Männerkraft seine Ketten zu zerreißen . Es mißlang und die Unterdrücker trugen wieder den Sieg davon . " " So ist es mir ergangen . Ich wollte versuchen , auf Deinen Besitz zu verzichten , zu ersahen ; aber Entsagen ist Feigheit , so lange noch eine Möglichkeit da ist , das Glück zu erreichen . Ich verlangte vom Staate die Erlaubnis , Dich mein zu nennen , ohne Christ werden zu müssen . An Deiner Zustimmung , an Dir zweifelte ich nicht , und mit Dir hoffte ich die Einwendungen der Deinen leicht zu bei siegen . Ich hoffte , glücklich zu sein mit Dir , und Tausenden , die gleich uns gelitten , ein Befreier von bejammernswertem Vorurteil zu werden . Es ist anders gekommen . " " Der Staat , der es erlaubt , daß Menschen , die sich hassen , den Eid der Treue vor dem Altare schwören ; der es duldet , daß die Jungfrau mit gebrochenem Herzen in die Arme eines Mannes geführt wird , welcher vielleicht noch gestern an der Brust einer Buhlerin des Bandes gelacht , das er heute beschwört ; der Gesetze gibt , diese fluchenswerten Ehen zu schützen -- derselbe Staat will es nicht dulden , daß zwei Herzen , die in reinstem Einklang schlagen , sich verbinden , weil sie auf verschiedene Weise Gott für das Glück danken würden , das er ihnen durch ihre Liebe gewährt . -- Das sind die Gesetze , vor denen man Achtung verlangt ! " " Noch Eine Zuflucht bietet sich uns dar , Clara ! wenn Du es vermöchtest , frei zu denken von Vorurteilen ; wenn Du Dich entschließen könntest , mir unter dem Schutze der Meinen in ein Band zu folgen , das unsere Ehe zuläßt , und dort die Meine zu werden ; wenn ich Dich im Triumphe zurückführen dürfte und den Verblendeten zeigen könnte , wie die Liebe frei ist vor dem Urteil eines weiseren Staates ; wenn Du durch Ein Wort uns den versagten Himmel zu öffnen bereit wärest -- ein Leben voll der glühendsten , ergebensten Liebe sollte es Dir lohnen ; Dir , die mir Liebe und Freiheit zugleich gegeben . " " Mitten im kühnen Fluge seliger Hoffnung fühle ich das Unrecht , das ich an Dir begehe , indem ich Dich zum Richter über unsere Zukunft mache . Das hätte ich Dir ersparen sollen , und kann es nicht . So nimm wenigstens das Versprechen , meine Clara , daß ich mit keinem Worte versuchen werde , das Urteil , 16** das Du fällst , zu ändern . Was Dein liebendes Herz über Dich vermag , was Dein gerader Sinn Dir zu tun gebietet , das soll auch meine Richtschnur sein , nur versage mir die Gunst nicht , Dich noch Einmal zu sehen . Lebe wohl , Clara ! " Vergebens würde es sein , ein Bild des zerreißenden Schmerzes zu geben , mit dem Eduard diesen Brief geschrieben , oder der Gefühle , die er in Clara hervorrief . Wer es je erfahren , plötzlich eines Glückes beraubt zu werden , auf das er eben ein volles Anrecht erworben , der mag ahnen , was Eduard und Clara litten bei dem Gedanken an Trennung , jetzt , nachdem sie durch das gegenseitige Geständnis ihrer Liebe sich an einander gebunden . Von Minute zu Minute zögerte Clara , eine Antwort zu geben , die , so innig sie Eduard liebte , niemals eine günstige sein konnte . Immer hoffte sie , es werde sich ihr ein Ausweg aus dem Labyrinthe zeigen ; sie fürchtete Eduard's Leiden zu vergrößern durch die Schilderung des Jammers in ihrer Brust ; sie wollte ruhig werden , um ihn zu beruhigen ; und das war der Brief , den sie endlich schrieb : " Gott hat es mir auferlegt , daß ich mit den ersten Worten , die ich Ihnen schreibe , Ihnen und mir den tiefsten Schmerz bereite , den eine Menschenbrust empfinden kann . Er wird uns Kraft geben , ihn zu ertragen . Liebte ich Sie weniger , oder wäre ich nicht vollkommen gewiß , es könne kein Zweifel an meiner Liebe Raum in Ihrer Seele finden , ich würde nicht den Mut haben , Ihnen zu sagen , daß ich nicht die Ihre werden , daß die schönste Hoffnung meines Lebebens nicht erfüllt werden dürfe . Ach , lieber Eduard ! als ich Jenny und Reinhard verbunden sah , da wagte ich mir zu gestehen , daß ich ein ähnliches Glück begehrte und erhoffte , obgleich sie mich gelehrt , wie Sie über Jenny's Entschluß dächten ; wie Sie bei Jenny billigten , was Sie selbst niemals zu tun vermöchten . Ich täuschte mich gern , weil ich Sie liebte und kein höheres Glück kannte , als Ihnen in jeder Stunde meines Daseins , mit jedem Gedanken , mit jedem Gefühl meiner Seele zu eigen zu sein . Familienleben hatte ich erst in dem Hause Ihrer Eltern in seiner heiligen Schönheit begreifen gelernt , und ich wünschte sehnlichst , mit Ihnen zu den Kindern dieses Hauses zu gehören , das mich mit so viel Güte empfing , in dem ich die glücklichsten Stunden meines Lebens genossen . " " Glauben Sie mir , ich verlange nichts als Ihre Liebe , nichts als Sie , Eduard ! und jedes Band , das uns vereinigte , wäre mir heilig . Ich möchte Ihr treues Weib sein , gleichviel , welch ein Priester den Segen über uns gesprochen ; jedes Land , jedes Verhältnis wäre mir gleich ; ich könnte ruhig den Tadel der Menge ertragen -- aber den Segen meiner Eltern kann ich nicht entbehren . Ohne diesen Segen , den ich nie zu erhalten hoffen darf , so lange Sie nicht Christ geworden , gäbe es , selbst mit Ihnen , kein Glück für mich . " " Meine Mutter hat mich William verlobt , ohne mich darum zu befragen , und ich habe mich dadurch keinen Augenblick für gebunden gehalten . William selbst würde meine Hand nicht begehrt haben , hätte er meine Liebe zu Ihnen gekannt . Ich vermag , so leid es mir tut , den Wunsch meiner Mutter nicht zu erfüllen , ich kann William's Frau nicht werden . Aber auch die Ihre nicht , Eduard ! Sie bindet die Ehre an Ihr Volk , mich die Pflicht an meine Eltern , und ich darf an eine Verbindung nicht denken , die auch einer minder stolzen Frau als meiner Mutter verwerflich scheinen müßte durch die befremdlichen Schritte , welche eine Trauung im Auslande erfordert . Ich wähnte , Liebe sei allmächtig , nun sehe ich , daß sie vor Pflicht und Ehre sich beugen muß -- ich bin bereit , das Opfer zu bringen -- aber es ist ein schweres , furchtbares Opfer , ich bringe es mit blutendem Herzen , und weiß kaum , wie ich das Unvermeidliche ertragen werde . " " Sie nehmen Abschied von mir , Eduard ! Sie sagen mir Lebewohl ! das begreife ich nicht ! Ist es nicht hart genug , daß wir einander nicht gehören sollen ? Wollen wir uns selbst um das Glück bringen , uns zu sehen , uns zu sprechen und Trost für unser Leid in dem Beisammensein zu suchen , das uns vergönnt ist ? Ich kann den Gedanken nicht fassen , Sie nicht mehr zu sehen ; ich möchte die Wonne nicht entbehren , Ihrer treuen Brust anzuvertrauen , was mich bewegt , und zu erstarken an den großen Gedanken Ihres Geistes . Waren wir nicht glücklich bis jetzt , auch ehe das Wort Liebe ausgesprochen ? Hatten wir uns nicht verstanden ? So kann und soll es wieder werden ! Man sagt , der Strom , der die Dämme durchbrach , könne niemals wieder von selbst in jene Schranken zurückkehren ; das mag sein . Wo aber die Schranke allein Zuflucht vor gänzlichem Verarmen zu geben vermag , da muß man sie aufs Neue erbauen , sich hinter sie flüchten , um das einzige Gut zu behalten , das uns geblieben . " " Schreiben Sie mir nicht mehr , das kann nicht sein . Lassen Sie uns versuchen , die Ereignisse des gestrigen Tages im tiefsten Grunde des Herzens zu bergen . So allein -- und ich rechne auf Sie , als ob Sie es mir mit dem heiligsten Eide gelobt -- dürfen wir uns wiedersehen . Sie , Eduard , sollen mich schützen vor der Gewalt unserer Liebe ; Ihrem starken Willen vertraue ich mich an . Nur ein paar Tage der Einsamkeit gönnen Sie mir , mich zu gewöhnen an das schwere Los , das uns ge worden . Doch was klage ich ? Ich begehrte , Glück und Leid mit Ihnen zu tragen , und sollte mutlos werden , nun die Prüfung naht ? Nein , Eduard ! Sie sollen sehen , daß Sie sich nicht in mir geirrt , daß ich würdig gewesen wäre , die Ihre zu sein , weil jedes Schicksal , das ich mit Ihnen teile , mir erträglich scheint . Um mich sorgen Sie nicht , ich weiß , daß Sie mich lieben ! mit dem Bewußtsein kann ich Alles tragen ; denn Liebe , selbst hoffnungslose Liebe ist Glück ! Daran halten Sie fest , Eduard ! wenn wir uns wiedersehen . " Dieser Brief brachte auf Eduard die doppelte Wirkung hervor , ihm Clara im vollsten Lichte ihres ruhig milden Wesens zu zeigen , und ihn zu ermannen , obgleich er ihn die ganze Größe seines Verlustes fühlen ließ . Er durfte nicht kleiner sein als sie , die ein unabwendbares Geschick mit Ergebung trug und mit ängstlicher Sorgfalt das geringe Glück , auf das sie Anspruch hatte , sich und dem Geliebten zu erhalten strebte . Doch nur schwer und allmählich gelangte er zu der Fassung , welche Clara gleich in sich gefunden , um ihn damit zu beruhigen . Auch ihm drängte sich dadurch unwillkürlich die Frage auf , ob in der Frauen Natur wirklich eine höhere Leidensfähigkeit liege , als in der des Mannes . Er bewunderte Clara , aber er konnte diese Resignation kaum begreifen . Ja , einen Augenblick lang wagte er zu glauben , Clara's Gefühl könne an Stärke dem seinigen nicht gleich sein ; sie müsse ihn weniger lieben , als er sie . Das ist eine Ungerechtigkeit , deren man sich nur zu oft schuldig macht . Weil das Weib besser liebt , weil es nur an den Schmerz des Geliebten , nicht an sich selbst denkt und sich in dem Glück des Anderen vollkommen vergessen kann , schilt man es kalt und tröstet sich über den Gram , den man verursacht , mit dem alten Gemeinplatz , das Weib sei leidensfähiger , als der Mann . Die Schmach fühlt man gar nicht mehr , den Frauen , dem sogenannten schwachen Geschlecht , eine Stellung im Leben angewiesen zu haben , die sie von Jugend auf an Leiden und Entsagungen gewöhnt ; man denkt nicht an jene schweren Stunden , in denen sie genötigt sind , sich zu beherrschen , wenn ihr armes Herz vergeht vor innerem Leid . Wer sieht die Tränen , die oft aus der innersten Seele hervorbrechen möchten , weh rennt ein Männerarm die schöne Gestalt umschlingt und mit ihr durch die fröhlichen Reihen des Walzers dahinfliegt ? Ihr seht nur die schimmernden Tautropfen auf dem Rosenkranz in ihren Locken , nur die Perlen , die den schönen Nacken zieren , und ahnet nicht , daß hinter dem feuchten Blau des Auges , das Euch entzückt , Perlen und Tautropfen glän Zähne , viel kostbarer und reiner , als der Tand , den Ihr bewundert . Ihr preiset das süße Lächeln des holden Mundes , der nur zu oft traurig lächelt über ein Dasein , das so grelle Kontraste hervorbringt . Kommt dann Einer einmal zu der Erkenntnis des Schmerzes , den solch ein heiteres Frauenantlitz birgt , dann schreit er über die Verstellung , die Unwahrheit des Geschlechts , und vergißt , daß Jeder , der ein Mädchen traurig sieht , ohne sich zu bedenken , auf eine unglückliche Liebe schließt und mit roher Hand das stille Geheimnis an das Licht ziehen möchte . Ein Frauenherz , in dem einmal der Strahl wahrer Liebe gezündet , erkennt seinen Besieger in dem Manne , fühlt sich ihm untertan , als Sklavin seines Willens , und möchte doch aus angeborenem Schamgefühl nicht dem Auge jedes Ungeweihten die Fessel zeigen , durch die es gebunden wird , die oft blutig drückt , und selbst zerbrochen , unver tilgbare Narben zurückläßt . Geliebt werden ist das Ziel der Frauen . Ihr Ehrgeiz ist Liebe erwerben ; ihr Glück Lieben , und die Liebe nach der sie gestrebt , nicht erlangen zu können , unglücklich lieben , eine Schmach , welche nur die edelsten Frauennaturen mit Würde zu ertragen vermögen . So beruht die ganze Entwicklung der weiblichen Seele auf dem Verhältnis zum Manne ; und man darf das Weib nicht der Falschheit anklagen , wenn es den geheimnisvollen Prozeß seines geistigen Werdens schamhaft der Welt verbergen möchte . In der ganzen Natur schreitet die Entwicklung so mystisch verhüllt vor , daß wir fast überall nur die Resultate erblicken , ohne uns über das Wie Rechenschaft geben zu können . Warum verlangt man es denn anders von den Frauen ? Es mag den Mann stolz machen , die sichtbare Vorsehung des Weibes zu sein ; zu fühlen , daß Leben und Tod ihm aus seiner Hand kommt ; aber es sollte ihn auch Mitleid und Schonung für die Armen lehren , die echt biblisch die Hand küssen , welche sie schlägt , und man darf sich nicht wundern , wenn einst die Stunde kommt , in der das Weib gleichen Schmerz mit dem Manne zu tragen berufen ist , es ruhig in liebender Ergebung zu finden , wo der Mann gegen das Schicksal tobt , so lange er die Möglichkeit begreift , ein besseres Los zu ertrotzen . Das Letztere war , wie gesagt , auch Eduard's Fall , der nicht allein die Geliebte verlor , sondern der aufs Neue glaubte eine Unbill rächen zu müssen , die man an ihm , an seinem Volke begangen . Er hätte in der ersten Leidenschaft des Schmerzes eine Welt zertrümmern mögen , die noch immer in stumpfer Gefühllosigkeit Recht und Wahrheit verhöhnte ; und seine Phantasie erschrak vor keiner noch so gewaltsamen Maßregel , welche ihn zum Besitz der Ge liebten , zur Erlangung seines guten Rechtes führen konnte . Dann , als der erste Sturm vorüber war , las er Clara's Brief aufs Neue und verstand die Schönheit einer Seele , die so zu entsagen vermochte . Er konnte die Zeit nicht erwarten , in der es ihm vergönnt sein würde , sie wiederzusehen , und durfte doch nicht wagen , den ersehnten Augenblick herbeizuführen , ehe sie ihn dazu berechtigte . Sein Herz war noch tief bewegt und übervoll , als der Geist schon wieder zu seiner Klarheit gelangte und sich an einem Gedanken mächtig emporrankte . Um sein Glück war es geschehen ; sein Leben hatte man der reinsten Freuden beraubt ; darum fühlte er den Mut , Alles von sich zu werfen , sein Vaterland , seine Aussichten für die Zukunft , selbst seine Freiheit , wenn es sein mußte , um damit das Einzige zu erkaufen , das noch Wert für ihn hatte : die bürgerliche Emanzipation seines Volkes . Diese Idee gab ihm die nötige Kraft , noch an demselben Tage vor seinem Vater zu erscheinen und ihm zu verkünden , er habe das Spiel verloren , auf das er alle seine Hoffnungen gesetzt . Der Vater war bewegt . Auch ihn traf der Schlag doppelt , in seinem Sohne und in seinem Volke , obgleich ihm das Gelingen dieser Angelegenheit höchst zweifelhaft gewesen , und er die Zuversicht Eduard's , wie wir wissen , durchaus nicht geteilt hatten . " Und was denkst Du in Bezug auf Clara Horn jetzt zu tun ? " war eine der ersten Fragen des Greises . " Sie weiß es bereits " , antwortete Eduard . " Ich hatte ihr geschrieben , um Abschied von ihr zu nehmen . Ich war entschlossen , die Stadt zu meiden , um Clara und mir die unselige Trennung zu erleichtern . Ich wollte mich in der freien Größe der Natur verlieren , weil ich mir einen Augenblick vorspiegelte , ich würde irgendwo die Bande nicht fühlen , die mich an Clara binden ; die Ketten vergessen , unter denen die Juden seufzen . Du weißt ja , wie der erste Schmerz zu wüten und sich zu täuschen pflegte ! -- Dann kam Clara's Antwort ! " -- Er seufzte , und blieb eine Weile schweigend in seine Gedanken vertieft , endlich fuhr er fort : " Sie will nicht , daß wir scheiden ; ihr reines Herz vermag zu resignieren , sie hofft , in die Schranken ruhiger Neigung zurückzukehren , glücklich dabei sein zu können . Ich soll sie wiedersehen , bald , in wenig Tagen -- und schweigen von der Leidenschaft , die mich durchbebt -- wie ist das möglich ? " " Möglich , mein Sohn ! " sagte der Vater , " muß es sein , weil Clara es will , und das Einzige , was Du tun kannst , ist , Dich un bedingt in jeden Vorschlag zu fügen , den sie Dir macht , und von dem sie sich Beruhigung verspricht . " " Du fragtest mich neulich , Vater ! als wir über diesen Gegenstand sprachen : wohin soll das führen ? ich gebe Dir heute die Frage zurück ; wohin soll die Pein führen , uns zu sehen und zu schweigen von Dem , was jeder Blick , jeder Gedanke uns dennoch verrät ? " " Zu einer notwendigen Trennung , wenn Ihr nach Monden eingesehen haben werdet , daß der Instinkt der Jugend sich gegen jeden hoffnungslosen Zustand sträubt . Denn lösen , Eduard , mußt Du jetzt ein Band , das Clara an Dich bindet , ohne ihr die mindeste Aussicht auf Glück zu geben . " " Und mit diesem Bewußtsein soll ich sie sehen ? " rief Eduard . " Ich soll sie sehen und daran denken , sie zu verlassen , die mir vertraut , die ich liebe ? " I.17 " Von Dir spreche ich gar nicht " , sagte der Vater ruhig , " Du bist ein Mann ! " " Aber Clara ! meine arme Clara ! an sie denke , Vater ! an ihr Leiden ! was soll aus ihr werden ? " fragte Eduard im Tone des tiefsten Schmerzes . " William's Frau ! wenn es irgend mit ihrer Neigung zu vermitteln ist " , antwortete der Vater , und fuhr , ohne auf Eduard's Entsetzen bei dem Ausspruch zu achten , in seiner gewohnten Art fort . " Ich gehöre zu den Leuten , welche glauben , der herbe Kelch , den uns das Leben bisweilen kredenzt , muß ganz und schnell geleert werden , wenn wir es uns nicht schwerer machen wollen , als es leider ohnehin ist . Darum stehe ich keinen Augenblick an , Dir zu sagen , Clara ist für Dich verloren , sie ist unglücklich , wie Du -- vielleicht noch mehr -- aber damit ist Euer Leben nicht beendet . Gerade Clara gehört zu den Frauen , die ihr Glück in Anderen zu finden vermögen . Wenn sie William's Hand ausschlägt , zerfällt sie gänzlich mit ihrer Mutter . Die Deine kann sie niemals werden ; soll sie unaufhörlich den Vorwürfen einer herrschsüchtigen Mutter ausgesetzt bleiben , damit Dir der Schmerz erspart werde , sie mit einem anderen Mann glücklich zu sehen ? " " Könnte Clara so schnell vergessen ! " sprach Eduard im Tone des Zweifels , und doch bitter , bei dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit : " Kann sie das wollen ? " " Das Erstere hoffe ich , mein Sohn ! Nur Wahnwitzige verlangen Etwas , dessen Unmöglichkeit sie eingesehen . William ist brav und liebt seine Cousine , Clara hätte ohne Dein Dazwischentreten diese Liebe gewiß erwidert , und ich hoffe , daß sie noch jetzt , wenn auch mit Überwindung , sich zu dieser Ehe entschließt , in der ich allein Glück und Ruhe für sie erblicke , wenn Du sie und William , die Dir 17 * Beide als einem Freunde vertrauen , auf den richtigen Standpunkt führst . " " Nimmermehr ! " rief Eduard . " Es ist schrecklich genug , daß ich sie verliere -- kannst Du glauben , daß ich , ich selbst sie in die Arme eines Anderen führen werde ? " " Ich erwarte das von Dir , wie ich Dich kenne ! " antwortete Herr Meier . Eduard konnte sich gegen die Wahrheit in den Worten seines Vaters nicht verblenden , so gern er es augenblicklich wollte . Er erkannte die edle strenge Gerechtigkeit des Greises , aber sein Gefühl empörte sich noch dagegen , wie gegen eine Sünde an Clara -- und die Art , in welcher der Vater ihm , dem Schmerzdurchwühlten , seine Verhältnisse vorhielt , war jedenfalls eines von den gewagten Mitteln , die Herr Meier bei starken Menschen gern anwendete , wenn die Krisis unvermeidlich geworden . Er glaubte dadurch jenem langwierigen , unbestimmten Hinsiechen der Seele vor zubeugen , wenn er die Wunde rasch nach allen Seiten hin untersuchte , sie tüchtig ausbluten ließ , und dann die Heilung der Zeit , und besonders dem Bedürfnis nach Glück überließ , das uns unbewußt antreibt , zu genesen , wenn ein geistiges Leid uns niedergeworfen . " Wir sind zum Glück geschaffen , wir streben danach , und erlangen es am sichersten , wenn wir uns durch keine falschen Hoffnungen täuschen lassen " -- das war des alten Herrn Grundsatz , nach dem er auch heute gehandelt . Eine Weile saßen Vater und Sohn schweigend nebeneinander , dann schieden sie mit einem Händedruck und Eduard ging davon , um am Bette der Kranken Trost zu bringen , er , der dessen selbst noch so nötig bedurfte . " Also Adieu princesse ? Adieu plaisir ? " sagte Steinheim zu Jenny , die auf dem Balkon , unter Erlau's Anleitung , spielend die Gegend aufnahm , welche vor ihren Augen lag . Sie wollte das Bildchen Reinhard schenken , ehe sie morgen auf das Gut hinausfuhren , auf dem sie im Sommer lebten . " Adieu gewiß , für ein paar Tage " , antwortete sie , " doch hoffe ich , an Vergnügen soll es uns nicht fehlen ; es sei denn , daß Ihnen , Herr Steinheim , die Stunde Wegs nach Berghof zu weit und zu anstrengend wäre . " " Sagen Sie dem Hypochondristen das noch einmal , Fräulein ! meinte Erlau , so glaubt er es und bleibt zu Hause ; natürlich unter jämmerlichen Klagen über seine schwache Gesundheit und den Undank seiner Freunde , die sich Landgüter kaufen , ohne auf die Entfernung von seinem Hause und auf seine Rheumatismen Rücksicht zu nehmen . " " Der Wunden lacht , wer Narben nie gefühlt " , rief Steinheim . " Wenn solch ein Springinsfeld , wie Erlau , der mit jedem Hasen um die Wette laufen könnte , doch nicht über die Empfindungen vernünftiger Leute spotten wollte , welche , ohne deshalb dick zu sein oder mißgestaltet , sich dennoch bei warmen Wetter ihres Körpers bewußt werden als einer Zugabe , die sie am Laufen und Fliegen verhindert . " Jenny und Erlau lachten , und man rief Therese herbei , um sie an der Unterhaltung Teil nehmen zu lassen . Sie trat hinter Jenny's Stuhl und bewunderte die raschen Fortschritte , welche die Arbeit seit einer Stunde gemacht hatte . " Du solltest Dir " , sagte sie , " so lange Du noch zu Hause bist , allmählich alle Deine Lieblingspunkte zeichnen und sie zum Andenken mitnehmen , wenn Ihr einst fortgehen werdet . " " Der Gedanke ist des Monarchen wert , Fräulein Therese ! " fiel Steinheim ein . " Und schöne Gegenden werden Ihrem Auge erquickend sein " , sprach Erlau , " wenn Reinhard darauf besteht , Sie in jene Einöde zu führen , in der die Herde weidet , die er hüten soll . Ich sehe Sie schon , Fräulein , mit einem Schäfer- oder Krummstab -- ich weiß nicht , was Pfarrerinnen in Arkadien führen , durch die sandigen Fluren wallen . Ich höre Sie , Reinhard zu Liebe , über jedes Heidekraut , das der Boden hervorbringt , in Ach ! und Oh ! zerfließen und Gott danken dafür , daß er diesen Sand aus seiner großen Barmherzigkeit erschaffen , damit er uns in die Augen fliege , wenn ein warmer Lufthauch sich je einmal in solch eine Gegend verirrt . " " Lassen Sie das Gustav ja nicht hören " , warnte Jenny , " er würde es übel deuten ! " " Du solltest es auch nicht leiden , liebe Jenny " , meinte Therese , " da Du weißt , wie unangenehm diese Scherze Deinem Bräutigam sind , der mit Entzücken an seinen künftigen Aufenthaltsort denkt . " " Ich wollte , sie ginge nach dem entzückenden Orte und ließe uns Jenny hier " , sagte Erlau leise zu Steinheim , und : " wer weiß , wie gern sie das täte " , antwortete dieser ebenfalls leise , während Therese versicherte , für sie würde ein ganz eigener Reiz darin liegen , einem Manne sein einziges Glück zu sein . Je schlechter die Gegend , je weniger lockend die äußeren Verhältnisse , um so teurer müßte ihm ja sein Haus und seine Frau werden ! " Gott bewahre mich vor solchem Glück ! " rief Jenny und legte den Pinsel fort ; " das ist ja , um mich bei Zeiten an biblische Wendungen zu gewöhnen , der Weib gewordene Egoismus . Mein Mann sollte entbehren , damit ich geliebt würde ? Wie kann man so Etwas den 17** ken ? Weißt Du , was ich mir wünschen würde ? Reinhard müßte ein mächtiger Kaiser sein , ein Napoleon , der die Erde beherrschte , und dem aller Ruhm , alle Schätze der Welt eigen wären . Alle Menschen müßten ihn anbeten , weil er eine neue schöne Zeit heraufgeführt , und dann müßte er den schönsten Lohn für seine Taten darin finden , wenn ich Diejenige wäre , die ihn am meisten bewunderte und liebte . Die Hand , mit der ich Abends die Falten auf seiner Stirn glättete , müßte ihm noch lieber sein , als die Kronen , die er auf sein Haupt gedrückt -- denn nebenher müßte er ein Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit sein , nicht von Gottes Gnaden -- Napoleon mit einem Worte ! Da das aber nicht sein kann " , schloß sie , und nahm den Pinsel wieder vor , " ist nächst Napoleon mein Gustav doch der Beste ! " " Das sieht Dir ähnlich " , sagte Therese , " Du suchst -- nimm mir das nicht übel -- das Glück doch ein wenig in äußeren Dingen und weichst darin sehr von Reinhard ab , der nichts begehrt , als ein bescheidenes Los . " Jenny stand verdrießlich von der Arbeit auf und ging mit Erlau nach der anderen Seite des Balkons , während Steinheim Therese mit ihren soliden Ansichten neckte und zuletzt die Worte hinwarf : " Übrigens glaube ich auch , daß Fräulein Jenny mit einer Hütte und einem Herzen nicht ganz so zufrieden wäre , als manche Andere . " Diese Worte , die halb scherzend , halb absichtlich gesprochen waren , erreichten Jenny's Ohr . Sie wendete sich um , sah Therese plötzlich rot werden und sich unter einem gleichgültigen Vorwande entfernen . Auch sie erglühte einen Augenblick , warf einen langen forschenden Blick auf Therese und fuhr mit der Hand über die Stirn , als wenn sie einen Gedanken verbannen wollte , der ihr unvermutet aufgestiegen wäre . Steinheim gesellte sich gleich nach Theresens Entfernung zu den beiden Anderen , und machte die Bemerkung , Fräulein Therese gewöhne sich seit einiger Zeit einen gewissen pedantischen Ton an , der sonst nur Gouvernanten eigen zu sein pflegte . " Sie will immer Alles besser wissen " , sagte er , " immer belehren , man merkt die Absicht und man wird verstimmt . " " Es ist so böse nicht gemeint " , entschuldigte Jenny , " sie glaubt nur , mich erziehen zu müssen , weil meine Eltern und Reinhard selbst sie mir früher oft als Beispiel aufgestellt haben . Zu dem hält sie sich meinem Bräutigam für den Unterricht verpflichtet , den er uns gegeben , und möchte , glaube ich , aus Dankbar keit gegen ihn mich zu einer recht vollkommenen Frau nach seinem Sinne machen , und dazu fehlt noch viel . " " Sie muß also aus Liebe quälen " , sagte Steinheim und nahm bald darauf Abschied von Jenny , die wieder zu malen angefangen hatte . Nun blieb sie mit Erlau allein . Eine Weile arbeitete sie eifrig fort , vielleicht um ungestört über etwas nachzudenken , bis Erlau sie fragte , ob sie Neigung hätte , Theresens Rat zu befolgen und die schönsten Ansichten der Gegend zu skizzieren ? " Nein ! " antwortete sie , " ich bedarf dieser sinnlichen Anhaltepunkte nicht , um mich deutlich und mit Vergnügen an Orte zu versetzen , die mir durch irgend etwas teuer sind . Es ist mir im Gegenteil oft lästig , wenn solch ein Bildchen mir eine Landschaft , die mir im schönsten Lichte fröhlicher Erinnerung vor schwebt , so dürftig und klein zusammengeschrumpft zeigt , daß sie mir fremd und mumienhaft erscheint . " " Da werden Sie mich vielleicht für einen Menschen halten , der ganz und gar der Sinnenwelt gehört , wenn ich Ihnen sage , daß ich erst vor einiger Zeit das Bild einer Dame beendete , um es mir als Andenken an sie zu bewahren . " " Geht die Giovanolla denn schon fort von hier ? Ich hatte gehört , es sei gelungen , sie für die hiesige Bühne zu gewinnen " , sagte Jenny mit Beziehung auf die Huldigung , welche der junge Maler seit Monaten der schönen Sängerin unverhohlen dargebracht . " Die Giovanolla würde ich mir ebenso wenig zum Andenken malen als die mediceische Venus . Sie ist mir Studie , und vielleicht die schönste , die man findet . Solche Köpfe bewahrt unser Album , und sie gehören der Nach Welt , der wir sie überliefern . Anders ist es mit den Gestalten , die dauernd in unserer Seele leben und deren Abbild , nur von uns gesehen , auf unserem Herzen ruht " , erwiderte Erlau und zog eine kleine Kapsel hervor , die er mit einem Federdruck öffnete , und in welcher Jenny ihr eigenes Bild im Kostüme der Rebekka sprechend ähnlich erblickte . " Erlau ! " rief Jenny erschreckt " , um Gottes Willen , was soll das heißen ? " Das heißt , daß ich nicht das Irrlicht , der leichtfertige , unbeständige Mann bin , für den Sie mich halten ; es beweist , daß auch ich das geistig Schöne erkennen und leidenschaftlich -- er hielt inne , und sagte dann mit leiserem Tone " verehren kann . " Verwirrt und überrascht schwieg Jenny still und sah scheu zur Erde nieder . Dies Schweigen benutzte Erlau . " Fürchten Sie nichts , Jenny ! " sagte er , " ich gehöre nicht zu den Toren , die jeden schönen Stern , der in ihre Seele leuchtet , hinabziehen möchten in den Staub , um ihn sich anzueignen . Ich freue mich , daß er ist , daß er seine leuchtenden Strahlen auch in mein Auge fallen läßt , denn er ist es , der meinen Farben ihren Glanz , meinen Gebilden ihren tiefen Sinn verleiht , und ich verlange nichts , als daß er sich nicht verdunkeln lasse durch irdische Verhältnisse , daß er nicht untergehe in der Prosa eines gewöhnlichen Lebens . Versprechen Sie mir das ? " rief er mit Enthusiasmus und reichte ihr seine Hand entgegen . " Mit vollster Zuversicht ! " antwortete Jenny und schlug in die dargebotene Rechte . " Ich verspreche Ihnen immer das Bild des Schönen in der Seele und das Streben danach in mir rege zu erhalten . Ihrem Schaffen und Wirken , Ihnen selbst wird mein Geist willig folgen , Erlau ! und in der Liebe zur Kunst bleiben wir vereint , wenn wir einst uns trennen . " " Und das geschieht noch heute " , sagte Erlau . " Der Winter hat schwer auf mir gelegen , mein Herz hat unter seinem eisigen Zepter viel gelitten . Es hat mir weh getan mein Herz -- o recht weh ! und Haß und Neid , und wie diese Dämonen sonst noch heißen mögen , die alle sind in meine einst so fröhliche Seele gezogen . Seit ich dies teure Bild gemalt , hat kein anderes mehr gelingen wollen ; es wird immer nur das Eine , und darum Jenny ! muß ich gehen . Wenn erst Italiens heiterer Himmel und seine schönen Menschen mich wieder umgeben , dann wird es besser werden ; und wenn ich zurückkehre , soll Niemand ahnen , wie ich geweint , als ich zum letzten Male vor Dir stand , Niemand als Du ! Mit diesen Worten schied er plötzlich und ließ Jenny betäubt und erschüttert zurück . Nie war es ihr eingefallen , daß Erlau einer solchen Liebe fähig , daß sie der Gegenstand derselben sein könne . Sie hatte ihn sehr geistreich gefunden ; seine fröhliche Laune , sein unerschöpflicher Humor und besonders sein bedeutendes Talent hatten sie angezogen , und sie konnte sich nicht verhehlen , daß er ihr vor ihrer Verlobung in einer Weise begegnet sei , die ihr seine Neigung hätte verraten können , wenn sie damals auf irgend Jemand , außer auf Reinhard , geachtet hätte . Erlau es Liebe zu ihr betrübte sie , und doch machte es ihr Freude , von ihm um jener Eigenschaften Willen geliebt zu werden , welche sie selbst in sich als eine Quelle poetischen Genusses schätzte , und die Reinhard weniger beachtete . Sie hatte mit Erlau , wenn man so sagen darf , eine moussierende Leichtigkeit des Geistes gemein , die Scherz und Ernst auf wundersame Weise zu mischen und das Leben wie ein fröhliches Spiel zu nehmen begehrt , dessen ernste Bedeutung sie trotz dem wohl verstand . Aus dieser gewohnten Denkart hatte ihr Verhältnis zu Reinhard sie gerissen , und so sehr sie Reinhard's Charakter ehrte , so erschreckte sie doch oft der strenge Ernst , den er selbst auf die unbedeutendsten Verhältnisse angewendet wissen wollte . Jetzt besonders , als sie angstvoll mit den Zweifeln gerungen , die der Übertritt zum Christentum in ihr hervorgerufen , hatte Erlau , ihre trübe Stimmung bemerkend , mit unermüdlicher Gefälligkeit täglich auf irgend eine kleine Zerstreuung für sie gedacht . Er sah sie leiden ; er bemerkte , daß seine Gesellschaft ihr willkommen sei , und ohne die Quelle ihres Kummers entdecken zu wollen , war er glücklich , ihr Alles zu gewähren , was sie zu bedürfen schien . Je ernster er sie sah , um so mehr strebte er , sie mit sich auf die heitere Höhe des Daseins zu führen , auf der ihn seine poetische Seele und die Freiheit des wahren Künstlerlebens stellten . Seine Bemüh hungen waren nicht ohne Wirkung auf sie geblieben , nun sollte auch dieser Trost ihr genommen werden . Es war ihr , als ob mit Erlau der Genius ihrer fröhlichen Jugend von ihr scheide . Sie hatte ihn lieb gehabt , mehr als sie geglaubt , denn ihm hatte sie sich gleichgefühlt und nie gescheut , sich ihm in aller Ercentricität zu zeigen , zu welcher der Augenblick sie gerade hingerissen hatte . Er war dem erwachsenen Mädchen ein lieber treuer Spielgefährte gewesen , und wehmütig schlug sie die Hände zusammen , und sagte : " Ach ! das Leben wird immer ernster " , als Erlau sie verlassen hatte . Und wirklich schien es , als ob sie niemals zur Ruhe kommen sollte . Kaum war es ihr gelungen , mit sich über den Schritt einig zu werden , den sie jetzt durch die Taufe tun wollte , und schon drang neues Wirrnis auf sie ein . Von Erlau's Abschied , das fühlte sie , durfte Niemand erfahren , auch Reinhard nicht , obgleich sie wußte , es sei nicht recht , es diesem zu verschweigen . Erlau besaß ihr Bild , das für Reinhard zu malen , er immer unter neuen Vorwänden sich geweigert hatte . Sie hätte es ihm vielleicht nicht lassen dürfen ; aber es zu fordern , hatte sie nicht Mut ; sie gönnte es ihm , und doch hielt sie es für Unrecht und sich für eine Mitschuldige Erlau's . Es kam ihr wie eine Untreue an Reinhard vor , daß sie schwieg , und besonders , daß trotz aller Einwendungen , die sie sich machte , Erlau's stille Liebe ihr wohltat . Wie schroff stach gegen dieses Mannes Liebe Theresens Betragen ab ! Schon vor langer Zeit war Jenny der Eifer unangenehm gewesen , mit dem Therese immer gegen sie Partei genommen , wenn sie in den gleichgültigsten Sachen von Reinhard's Meinung abwich . Es fiel ihr ein , daß sie sich einaml scherzend gegen Joseph darüber bei I. 18 Schwert und dieser erwidert hatte , er halte Therese für neidisch , und rate überhaupt davon ab , sie ganz in die Familie aufzunehmen . Das hatte Jenny mit tausend Gründen bestritten . Sie erinnerte Joseph , wie gutmütig Therese immer gewesen sei , wie anhänglich und anspruchslos , und versicherte , daß sie nie etwas so Gehässiges von ihr zu glauben vermöchte . " Zudem " , hatte Jenny damals lächelnd gesagt , " ist sie doch gewissermaßen Reinhard und mir zu Hilfe gekommen , und hat mindestens dazu beigetragen , uns schneller in den Hafen des Brautstandes zu bringen , dafür bin ich ihr dankbar , und ertrage ihre kleinen Launen ; denn lieb hat sie uns , Reinhard und mich . " " Reinhard gewiß ! " hatte Joseph geantwortet , und so gleichgültig diese Bemerkung ihr damals erschienen war , so deutlich erinnerte sie sich jetzt der Absichtlichkeit , mit der Joseph sie gesprochen . Tausend kleine Züge , welche sie früher nicht beachtet , fielen ihr ein , und erhoben die Vermutung , die sich ihr heute aufgedrungen hatte , zur Gewißheit . Therese hatte eine Neigung für Reinhard gefaßt , und mißgönnte ihr das Glück , von ihm geliebt zu werden . " Sie muß fort , Therese darf nicht mit uns bleiben " , das war Jenny's erster Gedanke . Dann dachte sie an die Reihe von Jahren , in denen sie Therese gekannt , an unzählige kleine Liebesdienste , welche sie sich gegenseitig erzeigt hatten ; sie erinnerte sich , wie Therese lange Zeit ihr einziger Umgang gewesen , und daß erst , seit sie Reinhard und Clara kenne , jene so in den Hintergrund ihres Herzens getreten sei . Theresens Gesundheit war schwankend , und Eduard , der ihr Arzt war , hatte gehofft , der Sommer auf dem Lande werde ihr gut tun , da sie im Meierschen Hause nicht nötig hätte , sich so ange 18 * strengt zu beschäftigen , als bei ihrer Mutter . Madame Meier hatte Theresens Gesellschaft gern ; sie war ihr in mancher Hinsicht bequem , und es schien nicht unwahrscheinlich , daß Therese sich gern entschließen würde , als Gesellschafterin im Meierschen Hause zu bleiben , wenn Jenny es nach ihrer Hochzeit verließ , wodurch für die Erstere auf viele Jahre hinaus eine angenehme Stellung gesichert war . Diese Rücksichten stimmten Jenny milder . Sie durfte hoffen , noch im Laufe des Jahres mit Reinhard verbunden zu werden , und einige Monate , meinte sie , gingen leicht vorüber , darum mochte Therese immerhin sie nach Berghof begleiten . Wenn sie ihrem Bräutigam offen die Wahrheit bekannte , konnte für Niemand Gefahr daraus entstehen . Durfte sie , ohnehin die Glücklichere , der armen Therese aus kleinlicher Eifersucht eine Zuflucht in ihrem väterlichen Hause mißgönnen , in das sie auf Jenny's Bitten getreten war ? Reinhard's Liebe konnte ihr ja nie geraubt werden und ihr festes Vertrauen mußte ihm Freude machen . Trotz dieser Gedanken , welche sich nach einander in Jenny entwickelten , konnten sie einer gewissen Beklommenheit nicht Herr werden . Erlau es und Theresens Bild trat störend zwischen sie und Reinhard ; und so sehr sie es sich zu verbergen strebte , sie fühlte ungeachtet ihrer guten Vorsätze einen Groll gegen Therese , wie sie ihn selbst an jenem Abend nicht empfunden , an dem ihre Eifersucht Veranlassung zu ihrer Verlobung geworden . Damals wußte Therese nicht , was Jenny für Reinhard fühlte ; aber daß sie jetzt den Bräutigam ihrer Freundin zu lieben wagte , das war ein Verrat , denn sie ihr nicht vergeben konnte . Sie war höchst empört , und nur die Furcht , zu zeigen , daß ihr Therese gefährlich scheine , hielt sie von Schritten gegen diese zurück , während sie sich einbildete , der Stimme der Vernunft und Milde Gehör zu geben , wenn sie The 18 * * Res in ihrer Nähe duldete . Nur das Eine nahm sie sich fest vor , Reinhard , der eben die Straße heraufkam , noch heute zu erzählen , wie Therese an ihr handle . Die kleine Skizze , welche für ihn bestimmt gewesen , hatte Jenny bei Seite gelegt , weil in dem Augenblick Erlau's Andenken mit dieser Arbeit so innig verwebt war , daß sie eine Scheu empfand , sie ihrem Bräutigam mit diesen Empfindungen zu schenken . Des armen Erlau's tränenschweres Auge hatte auf dem Blatt geruht : nun sollte Gustav sich daran erfreuen ? Das konnte nicht sein , es wäre unzart gegen beide Männer gehandelt ; und als Gustav die Türe des Treibhauses öffnete , das den Saal von dem Balkon trennte , machte Jenny schnell die Mappe auf und überließ das Blättchen dem Abendwinde , der sich seiner bemächtigte und es in tändelnder Eile dem Strome zuführte , der am Garten vorüberrauschte . Gustav freute sich , Jenny allein zu finden , und teilte ihr einen Brief seiner Mutter mit , welche mit hoher Zärtlichkeit von Jenny sprach und die Zusicherung gab , zur Taufe Jenny's zu kommen , die , um jedes Aufsehen zu vermeiden , in Bergfeld vollzogen werden sollte , sobald man sich dort wieder heimisch fühlte . Nach dieser Zeremonie mußte Reinhard verreisen , um mit seinem alten Onkel persönlich die Bedingungen wegen der Übergabe seiner Stelle an ihn zu verabreden ; " und das ist " , sagte Reinhard , " dann endlich die letzte Schwierigkeit , die wir zu beseitigen haben , um an das Ziel zu gelangen . Nun steht uns , Gott sei Dank ! kein Hindernis mehr entgegen . " " Wer weiß ? " meinte Jenny . " Wie ? wenn ich nun plötzlich eifersüchtig würde und Dich nicht reisen ließe ? " " Jenny ! könntest Du so süßer Torheit fähig sein ? " antwortete Reinhard , " ich fände Dich noch tausendmal liebenswürdiger , als je zuvor ! Dann würdest Du fühlen , wie ich vor Sehnsucht brenne , Dich bald mein Eigentum zu wissen , wie unglücklich mich die Galanterien , die Aufmerksamkeiten all der Stutzer machen , die Dich hier umschwärmen , und die , das fühle ich , mehr oder weniger ein wirkliches Interesse daran haben , Dir zu gefallen , Deine Gunst zu erwerben . " " Das quält Dich , lieber Gustav ? " fragte Jenny . " Was würdest Du denn beginnen , wenn nun Jemand , außer Dir , auf den närrischen Einfall käme , sich in mich alles Ernstes zu verlieben ? " " Wer wagt das ? " rief Reinhard , " denn Du scherzest nicht , Du verbirgst mir etwas , Jenny ; sage mir , mein Leben , was ist es ? Treibe kein Spiel mit mir , für das ich keinen Sinn habe und das mich peinigt . " Jenny machte sich von Gustav's Arm , der sie umschlungen hatte , los und sagte , Steinheim's Manier nachäffend : " Und erst gespießt und dann gehangen . So würdest Du doch über jeden Mann urteilen , Du Grausamer , der so unglücklich wäre , Deine Neigung für mich begreiflich zu finden , während ich in nächster Nähe ein Wesen dulde , das -- nun das vielleicht auch recht gern Frau Pfarrerin Reinhard würde , und ich bin so großmütig , Dir das zu erzählen und ihr zu vergeben . " " Wovon sprichst Du eigentlich ? " fragte Reinhard dringender ; " Du weißt , daß ich nicht geschickt zu solchen Scherzen bin , und es ist etwas in Deinem Auge , in Deiner ganzen Art , was mich Ernst in diesen Neckereien vermuten läßt , darum sage mir , was hat sich denn ereignet ? " " Ereignet ? " wiederholte Jenny , und setzte sich wieder zu Reinhard hin , " ereignet hat sich eigentlich nichts ; ich habe aber eine Entdeckung gemacht , die ich Dir vielleicht verhehlen würde , wenn Du nicht eben mein Gustav wärest , und von Eitelkeit so fern , als ich von Eifersucht . Denke Dir , Gustav ! Therese liebt Dich . " " Unmöglich " , rief der junge Mann . " Das finde ich nicht " , antwortete Jenny , " ich finde es im Gegenteil gar sehr natürlich und , wie ich aus Erfahrung weiß , durchaus zu entschuldigen -- aber -- Gustav ! denke nicht daran , laß es uns Beide vergessen , und -- ich glaube , nun ich es Dir gesagt habe , ich hätte es nicht tun sollen , denn ..... " " Einzig geliebtes Herz " , unterbrach Reinhard sie fröhlich , also doch ! Du kannst auch eifersüchtig sein ? So lieb hast Du mich ? Wie soll ich nur Therese danken , daß sie mir zum zweiten Male solch unverhoffte Freude bereitet ! Ich wollte wirklich , ich könnte ihr vergelten , denn das habe ich oft gemerkt , sie ist in ihrer verständigen überlegten Art mein bester Anwalt bei Dir . Sie hat Dich manchmal in so freundlicher Weise auf das Gute aufmerksam gemacht , das unsere künftige Stellung mit sich bringen wird , daß ich ihr von Herzen ein ähnliches Glück wün sche . Und in der Tat ist sie so hübsch und wohlerzogen , daß sie wohl Anspruch hätte , zu gefallen ! " Sieh ! das finde ich nicht " , wendete Jenny ein . " Therese ist wirklich jung , aber sie hat für mich ein gewisses Etwas , nenne es Pedanterie oder wie Du sonst willst , was mir mißfällt . Sie kommt mir gewissermaßen altjüngferlich und überlegt vor . Alles ist Absicht bei ihr und ich begreife gar wohl , daß sie Männern nicht gefällt ! " Reinhard zog Jenny an seine Brust und sagte lachend : " Siehst Du , mein Kind ! gerade so begreife ich wohl , daß Männer , wie Steinheim , Erlau und die Anderen den Frauen gar nicht gefallen sollten ; und Du hättest mir heute zum Abschied von der Stadt nichts Besseres geben können , als die Versicherung , daß Dir die arme Therese wirklich so sehr mißfällt . Aber laß es nur gut sein -- wenn Jenny Meier nicht mehr neben ihr ist , um sie zu verdunkeln , findet wohl irgend ein braver Mann die gute Therese nicht so unliebenswürdig , als sie Dir heute erscheint . " Dann verlangte er zu wissen , wie Jenny zu der Vermutung gekommen sei , und obgleich sie ihn wegen seiner Neugier neckte , konnte sie nicht umhin , ihm mehr zu erzählen , als eigentlich in ihrer Absicht gelegen , nachdem sie gesehen , welch ein Interesse Reinhard daran nahm . Bald aber brach sie davon ab und ging zu ihren Eltern , um noch einige nötige Verabredungen wegen der Taufe mit ihnen und Reinhard zu treffen ; und sehr schnell war der kleine Rest des Abends vorüber , den die Verlobten mit den Eltern allein zubrachten , da Therese zu ihrer Mutter gegangen war , und Eduard und Joseph außer dem Hause soupierten .